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(1989).

Jahrbuch der Psychoanalyse, 24:128-159


Freuds „Mathilde“: Ein weiterer Tagesrest zum Irma Traum*1
Albrecht Hirschmüller
Der Traum von Irma's Injektion2 ist gewiß der berühmteste Traum in der
Geschichte der Psychoanalyse. Freud selbst war sich sicher, gerade an ihm
die Geheimnisse des Traumes endgültig begriffen zu haben. Seine Phantasie
von einer Gedenktafel an dem Ort, wo er den Traum geträumt hatte, ist ja in
Erfüllung gegangen. Die Tafel mit jenem Text, den er triumphierend und
skeptisch zugleich an Fließ schrieb,3 steht seit 1977 auf dem Cobenzl bei
Wien:4
Hier enthüllte sich am 24. Juli 1895
dem Dr. Sigmund Freud
das Geheimnis des Traumes.
Freud hat mit diesem Traum viel von sich preisgegeben. Er hat natürlich
nicht alle Assoziationen vollständig veröffentlicht, bemerkt auch selbst
Widerstände gegen eine Fortsetzung der Deutungsarbeit an bestimmten
—————————————
* Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der S. Fischer Verlag
GmbH, Frankfurt am Main und der Sigmund Freud Copyrights Ltd.
1 Eine frühere Fassung dieser Arbeit haben J. Danckwardt, F.-W. Eickhoff,
K. R. Eissler, G. Fichtner, I. Grubrich-Simitis, I. Meyer-Palmedo, M.
Schröter und E. Shorter gelesen. Ihnen danke ich für Kritik und Anregungen.
2 Freud (1900a), StA. Bd. II, S. 126-140.
3 An Fließ, 12. 6. 1900, Freud (1985c), S. 458.
4 Vgl. A. Freud (1979).

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Stellen.5 Aber er ist doch bei der Deutung und bei der Veröffentlichung in
bemerkenswerter Weise schonungslos mit sich umgegangen.
Der Traum hat viele Nachinterpreten gefunden.6 Man hat gemeint, die
Identität der Irma in Anna Hammerschlag, Emma Eckstein oder anderen
Frauen feststellen zu können, und hat dabei nicht immer klar unterschieden
zwischen jener Patientin Irma, von der Freud in den Assoziationen zum
Traum spricht, und der Traumfigur Irma, in der mehrere Personen verdichtet
sind, die also überdeterminiert ist. Während Anzieu, Hartman und andere an
Anna Hammerschlag dachten,7 hat Schur mit einigen zuvor unveröffentlichten
Fließbriefen die These entwickelt, hinter Irma verberge sich Emma Eckstein,
eine Patientin Freuds, die von Fließ an der Nase operiert worden war und
nach dessen Abreise aus Wien wegen einer Nachlässigkeit des Operateurs
fast ihr Leben hatte lassen müssen.8 Van Velzen hält an Schurs These im
Prinzip fest und glaubt, Freud habe im Irma-Traum bewußt von der Emma-
Episode ablenken wollen.9 Eissler widerspricht ihm mit guten Gründen:10
Täuschung könne man Freud nun wirklich nicht unterstellen (auch wenn es
selbstverständlich auch bei ihm so ubiquitäre psychologische Mechanismen
wie Fehlleistungen und Erinnerungstäuschungen gibt). Es müsse dem Autor
der Traumdeutung
—————————————
5 „Das Weitere ist mir dunkel, ich habe, offen gesagt, keine Neigung, mich
hier tiefer einzulassen.“ Freud (1900a), S. 133.
6 Vgl. z. B. Erikson (1954-55); Anzieu (1959); Schur (1966); Grinstein
(1968); Eickhoff (1980); Hartman (1983); Feldman (1984); Van Velzen
(1984); Eissler (1987); Thomä (1987).
7 Freud hat als die reale „Irma“ wirklich Anna Hammerschlag im Auge; das
beweist die Stelle im „Entwurf einer Psychologie“, an der es mit Beziehung
auf den Irma-Traum heißt: „R. [sc. Rie] hat der A. [sc. Anna] eine Injektion
von Propyl gemacht, …“ (Nachtragsband S. 436; analog: Standard Edition
Bd. 1, S. 341; in der deutschen Erstausgabe hatte es noch geheißen: „O. hat
der Irma …“). Auf den beweisenden Charakter dieser Stelle in der
Neuausgabe hat mich - ohne Kenntnis von van Velzens Arbeit - G. Fichtner
hingewiesen. Van Velzens Versuch, die Bedeutung dieser Stelle zu
entkräften (Thomä 1987, S. 257), ist nicht überzeugend.
8 Schur (1966); vgl. Freud (1985c), bes. S. 113-133. Feldman (1984) denkt
bei Freuds Bemerkung, der Name der Patientin habe einen Anklang an
„Ananas“, an den Jugendfreund Rosanes und nimmt kühn an, bei Schurs
Emma müsse es sich um Emma Rosanes handeln; eine Frau dieses Namens
gab es meines Wissens nicht.
9 Van Velzen (1984).
10 Eissler (1987).

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wenigstens etwas Rücksicht auf den didaktischen Zweck einer solchen
Publikation zugestanden werden. Eissler weist auf die Bedeutung von Martha
für das Verständnis des Irma-Traums hin.
Mit den Erkrankungen von Anna Hammerschlag und Emma Eckstein sowie
mit Martha Freud und ihrer Schwangerschaft sind wichtige Hintergründe des
Irma-Traums diskutiert worden, wie immer man ihre Bedeutung im einzelnen
gewichten will. Ich kann hier auf diese Debatte nicht weiter eingehen, sondern
will den Blick auf einen bislang weniger beachteten „Tagesrest“ lenken.
Ichknüpfe dazu an jener Stelle im Abraham-Briefwechsel an, wo Freud auf
Abrahams Frage zum Irma-Traum feststellt: „Sexueller Größenwahn steckt
dahinter, die drei Frauen, Mathilde, Sofie und Anna sind die drei Patinnen
meiner Töchter, und ich habe sie alle.“11 Von Anna Hammerschlag war die
Rede. Sophie Schwab-Paneth und ihre Beziehung zu Freud bleibt noch zu
erforschen. Wir wollen uns der dritten Frauengestalt, „Mathilde“, zuwenden.
„Mathilde“ meint hier zunächst Mathilde Breuer. Zu ihr hatte Freud ja
insbesondere in jungen Jahren ein besonders herzliches Verhältnis gehabt. Sie
war seine Fürsprecherin gewesen,12 ihre Wärme und Güte hatten ihn berührt.
Die Andeutung Freuds in seinen Traumassoziationen scheint nahezulegen, daß
seine Beziehung zu ihr außergewöhnlich tief gegangen ist.
Aber auch das Patenkind der Mathilde Breuer, Freuds älteste Tochter
Mathilde,13 taucht in seinen Assoziationen zum Traum auf. Freud hatte allen
Grund gehabt, sich um diese Tochter Sorgen zu machen, als sie an einer
lebensgefährlichen Diphterie erkrankt war: „Der weiße Fleck erinnert an
Diphteritis und somit … an die schwere Erkrankung meiner ältesten Tochter
vor nahezu zwei Jahren … [also im Jahr 1893?]“.14 Mathildes Diphterie
wird im Fließ-Briefwechsel erst 1897 erwähnt.15 Schröter, der deutsche
Bearbeiter der Fließ-Briefe, nimmt an, Mathilde
—————————————
11 An Abraham, 8. 1. 1908; Freud und Abraham (1965a), S. 34.
12 Jones (1960), S. 177, 202-204.
13 Geb. am 16. 10. 1887; vgl. Freud (1985c); A. Freud (1978).
14 Geb. am 16. 10. 1887; vgl. Freud (1985c); A. Freud (1978), S. 130.
15 Brief an Fließ, 7. 3. 1897, Freud (1985c), S. 246.

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sei damals zum zweiten Mal an Diphterie erkrankt.16 Bis zum Jahr 1895
verlief eine septikämische Diphterie fast immer tödlich. Erst mit der
Einführung des Behringschen Heilserums verbesserte sich die Prognose
schlagartig, und die Mortalität sank auf etwa die Hälfte des zuvor
Üblichen.17
Die Bedeutung der Diphteriediskussion jener Zeit für den Irma-Traum ist
meines Wissens bisher übersehen worden. Es seien hier nur wenige
Bemerkungen zu diesem Thema gestattet: Die Behringsche Serumbehandlung
war im Jahre 1894 aus dem experimentellen Stadium herausgekommen und
hatte sich mehr und mehr in den Krankenhäusern Europas verbreitet.18
Behring selbst hielt im Herbst 1894 in Wien einen enthusiastischen Vortrag,
und in der Folge wurden in Wien Tausende von diphteriekranken Kindern mit
dem Serum behandelt. Der anfangs begeisterte Max Kassowitz, Leiter des
Ersten Öffentlichen Kinderkrankeninstituts, an dem ja Freud neben seiner
Privatpraxis mitarbeitete, mußte allerdings in einem Vortrag vom 18. Januar
1895 die Erwartungen deutlich dämpfen:19 die Behringsche Therapie sei
nicht annähernd so erfolgreich, wie man angenommen hatte. Kassowitz behielt
diese recht skeptische Haltung noch über Jahre bei.20 Noch 1897 lehnte er es
ab, Freuds Tochter zu impfen.21 Die Debatte setzte sich in Wien während des
ganzen Jahres 1895 fort, wurde sogar in der Tagespresse geführt und bekam
einen politischen Anstrich. Die liberalen Blätter traten für die „großartige
Errungenschaft“ der Serumbehandlung ein, die antisemitische Presse zog
gegen den „jüdischen Schwindel“ zu Felde.22 Das scheint paradox, wenn
man dagegen
—————————————
16 Im Brief an Fließ vom 9. 11. 1899 spricht Freud von der zweimaligen
Diphterie der Mathilde.
17 Vgl. Villaret (1899-1900), s. v. Diphterie, S. 488 Anm.; ferner Baginsky
(1889) sowie ders. in: Realencyclop. ges. Hlkde, Bd. 6 (1895), S. 20-109.
18 Vgl. Engelhardt (1940), S. 26 ff; Zeiss und Bieling (1941), S. 73 ff;
Baginsky (1899). Sigel (1899), der berichtet, im Stuttgarter Olgahospital am
1. Oktober 1894 die Serumbehandlung eingeführt zu haben.
19 Kassowitz (1895a).
20 Vgl. seine weiteren Arbeiten zu diesem Thema in Kassowitz (1914).
21 „Injektion nach Behring haben er [Rie] und Kassowitz abgelehnt.“ (An
Fließ, 7. 3.1987, Freud (1985c), S. 246).
22 Kassowitz (1895a), S. 99.

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hält, wie später gerade die Nationalsozialisten Behring und die Serumtherapie
vereinnahmt und zu einem Propagandainstrument gemacht haben.23 Auf dem
Kongreß für Innere Medizin im Mai 1895 in München kam es zu einer
umfassenden Diskussion über die Wirksamkeit des Behringschen Serums. Von
den meisten Diskutanten wurde die Therapie als große Errungenschaft
begrüßt, von einer Minderheit dagegen heftig bekämpft. Breuer, der an diesem
Kongreß teilnahm, wird Freud wohl berichtet haben.24
Hat Freud sich zur Zeit des Irma-Traumes mit Behring, dem als Retter
zahlloser Kinder gefeierten Forscher, identifiziert? Hat er sich vielleicht
gewünscht, der „Behring der Neurosen“ zu werden? Der Vorwurf von
Kassowitz an Behring, seine neue Therapie vorschnell zu empfehlen, könnte
auch Freud getroffen haben: beim Kokain hatte man ihm ja eben diesen
Vorwurf gemacht. Und eben an das Kokain denkt er ja in den Assoziationen
zum Irma-Traum auch: Von der Diphterie seiner Tochter gehen die
Assoziationen zu seinem eigenen Gebrauch von Kokain, zu Ernst Fleischl,
dem Freund, dem er einst dieses Mittel in der Hoffnung gegeben hatte, es
werde ihm bei der Morphium-Entwöhnung helfen,25 schließlich zu Dr. M.,
(diese Traumfigur ist ohne Zweifel in der Hauptsache durch Breuer
determiniert), und von dort zu seiner Patientin Mathilde:
„Es erinnert mich an ein trauriges ärztliches Erlebnis. Ich hatte
einmal durch die fortgesetzte Ordination eines Mittels, welches
damals noch als harmlos galt (Sulfonal), eine schwere Intoxikation
bei einer Kranken hervorgerufen und wandte mich dann eiligst an
den erfahrenen älteren Kollegen um Beistand. Daß ich diesen Fall
wirklich im Auge habe, wird durch einen Nebenumstand erhärtet.
Die Kranke, welche der Intoxikation erlag, führte denselben Namen
wie meine älteste Tochter. Ich hatte bis jetzt niemals daran gedacht;
jetzt kommt es mir beinahe wie eine Schicksalsvergeltung vor. Als
sollte sich die Ersetzung der Personen in anderem Sinne fortsetzen;
diese Mathilde für jene Mathilde; Aug' um Aug', Zahn um Zahn.
…“26
Was wissen wir über diese Patientin Mathilde außer ihrem Vornamen -
den Freud ja nicht verhüllen konnte, wollte er die Assoziation zu seiner
Tochter nicht verstellen - und der Tatsache, daß sie einer Sulfonalvergiftung
—————————————
23 Vgl. Behring zum Gedächtnis (1942).
24 Vgl. Brief Breuers an Fließ vom 12. 5. 1895, Hirschmüller (1986), S.
250.
25 Vgl. Fichtner und Hirschmüller (1988).
26 Freud (1900a), S. 131.

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erlag? Erstaunlicherweise haben sich Informationen über diese Patientin in
drei verschiedenen Quellen erhalten. Ihre Erschließung, Ergebnis
archivalischer Nachforschungen und glücklicher Umstände, ist ein Beispiel
für die manchmal verschlungenen Wege wissenschaftshistorischer Forschung.
Im Jahr 1974 fand ich noch während der Vorbereitung meiner
Dissertation27 im Archiv des „Steinhof“28 unter anderem ein Konvolut von
Krankengeschichten aus der Privatirrenanstalt des Dr. Svetlin im III. Wiener
Bezirk. Darunter befand sich eine Patientin Namens Mathilde S., die im Jahr
1889 von Freud eingewiesen worden war. Die Patientin bekam in der Klinik
Sulfonal. Nachforschungen in den Wiener Sterberegistern bestätigten, daß sie
tatsächlich wenige Monate nach der Entlassung verstarb. Die Todesursache
lautet aber: Bauchfellentzündung. Also blieb unsicher, ob es sich wirklich um
Freuds Sulfonal-Mathilde handelte.
Aufklärung kam unlängst aus einer ganz unerwarteten Richtung: Ein
Kollege aus dem medizinhistorischen Institut der Universität Aachen, Peter
Voswinckel, stieß im Zusammenhang mit der Geschichte hämatologischer
Erkrankungen auf das Sulfonal und die Erforschung seiner Nebenwirkungen.
Er fand dabei in einer Publikation des Wiener Chemikers Adolf Jolles eine
Notiz mit einem Krankenbericht, „freundlichst mitgeteilt von Herrn Doc. Dr.
S. Freud“.29 Mit diesem Bericht konnten nun die Daten der
Krankengeschichte der Mathilde S. verglichen werden: Es handelte sich
tatsächlich um ein und dieselbe Person.
Damit nicht genug, es kam ein dritter Krankenbericht zum Vorschein: Denn
der Arzt, der Mathilde S. in der Svetlinschen Anstalt behandelt hatte, hatte
ihre Krankengeschichte in einem Bericht dieser Einrichtung aus dem Jahr
1891 verwendet.30 Alle drei Berichte sollen im folgenden wiedergegeben
und kommentiert werden.31
—————————————
27 Hirschmüller (1978a).
28 Heute Psychiatrisches Krankenhaus der Stadt Wien, Baumgartnerhöhe.
29 Jolles (1891), Sp. 1914f., vgl. Voswinckel (1988).
30 Ich bin Herrn E. Shorter, Toronto, für den Hinweis auf diese Publikation
sehr zu Dank verpflichtet; Shorter erwähnt den Fall auch in seiner Studie zu
den Privatanstalten: Shorter (1989).
31 Der Abdruck der bisher unveröffentlichten Dokumente erfolgt mit
freundlicher Genehmigung von A. W. Freud über Sigmund Freud
Copyrights, Colchester, England. Für die Genehmigung zur Wiedergabe der
publizierten Freud-Stellen danke ich dem S. Fischer-Verlag, Frankfurt a. M.

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Die Krankengeschichte der Svetlinschen Anstalt
Die „Privatheilanstalt für Gemütskranke auf dem Erdberge zu Wien“32
war aus einem Pflegeheim für psychisch Kranke hervorgegangen, das eine
Arztwitwe namens Therese Pabst im Jahre 1834 eröffnet hatte und das 1848
in ein ehemaliges fürstliches Sommerschloß im 3. Gemeindebezirk
übergesiedelt war. Nach dem Tode der Gründerin im Jahr 1878 übernahmen
der Heimarzt Dr. Zimmermann und Dr. Wilhelm Svetlin, bis dahin Assistent
Leidesdorfs an der I. Wiener Psychiatrischen Klinik bei der
Niederösterreichischen Landesirrenanstalt, dieses Heim. Bereits ein Jahr
später schied Zimmermann aus, und Svetlin führte die Privatheilanstalt alleine
weiter. 1883/84 wurde im selben Stadtbezirk auf einem Hügel ein völlig
neues Anstaltsgebäude errichtet, das 70 Patienten Raum bot und in einem
großen Park schön gelegen war. Diese Anstalt bot nun „alle Einrichtungen
zeitgenössischer moderner Irrenpflege“. Dorthin wies Freud seine Patientin
Mathilde ein.
Freuds Einweisungsschreiben
Eigenhändiges Schriftstück, 1 Bogen, 3 Seiten33
Ärztliches Zeugniss
Frl. Mathilde S…, 27 Jahre alt, ein Mädchen aus vortrefflicher,
aber zu Nervenkrankheiten veranlagter Familie, von sehr guter
Erziehung und reich veranlagt, besonders in künstlerischer
Richtung, erkrankte im Februar 1886 an einer Melancholie mit allen
Hemmungserscheinungen, Selbstanklagen u(nd) melancholischen
Wahnideen, aber ohne Hallucination u(nd) ohne Intelligenzstörung.
Auslösung derselben wer eine schwere Gemüthsbewegung, der
Bruch eines ihr gegebenen Heiratsversprechens. Diese Erkrankung
heilte im Frühjahr 1889 nach wechselndem Verlaufe während
meiner Behandlung ab. Die Zeit bis Juli 1889 entsprach einem
freien Intervalle.
—————————————
32 Vgl. Svetlin (1884), (1891); Schloss (1912), S. 257-263.
33 Bei der Edition der Dokumente werden Abkürzungen in (…) aufgelöst.
Zusätze erscheinen in […]. Die Orthographie ist originalgetreu
wiedergegeben, die Zeichensetzung wurde dagegen normalisiert.

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Von Juli 89 an machte sich allmälich steigend eine manische
Verstimmung geltend, die gegenwärtig die Unverträglichkeit der
Kranken [Seite 2] bedingt. Dieselbe zeigt sich übermäßig
gesprächig, übermüthig, unfähig Widerspruch zu ertragen, der sie
sogar zu Tätlichkeiten reizt, ruhelos Pläne schmiedend, die sich auf
die Verwerthung ihrer Stimme, ihr öffentliches Auftreten, ihren
Erwerb beziehen. Ein ernsteres Überschreiten der Grenze, welche
ihr durch ihr Geschlecht und ihre Erziehung gezogen sein sollten, ist
wol nicht vorgekommen, doch hie u(nd) da Ansätze dazu.
Entscheidend für das Bedürfnis, sie in eine Heilanstalt zu bringen,
ist ihre absolute Unbotmäßigkeit gegen ihre Familie, welche
befürchten läßt, daß sie sich u«nd» die ihr nach etwaiger Genesung
bevorstehende Zukunft durch ein höchst auffälliges Benehmen in der
Öffentlichkeit biosstellen u«nd» verwirken könnte. Sie ist schlaflos,
ißt sehr wenig und [Seite 3] reagirt auf Zurechtweisungen u«und»
dgl. mit Krampfanfällen deutlich hysterischen Characters, welche
übrigens auch während der Melancholie vorgekommen sind u«nd»
während der Genesung von letzterer geradezu gehäuft auf traten.
Diagnose: Cyclische Verstimmung.
Dr. Sigm. Freud Dozent f. Nervenkrankheiten a«n» d«er»
Universität
Wien, 26. 10. [18]89.
Freuds Bericht schildert die Vorgeschichte nur ganz knapp und läßt völlig
offen, wie seine Therapie in der Zeit der Melancholie aussah. Im Juni 1889,
also in der Zeit des „freien Intervalls“, machte die Patientin Freud ein dickes
Buch über deutsche Geschichte mit einer persönlichen Widmung zum
Geschenk.34 Der Kontakt war also nicht abgerissen. Aus Freuds
Einweisungsschreiben wird uns dann die maniforme Dekompensation
deutlich, die schließlich zur Einweisung führte. Freud erwähnt nicht, daß er
eben in jener Zeit nicht in Wien war. Am 19. Juli 1889 besuchte er Emmy v.
N., die er seit 1. Mai des Jahres in Behandlung gehabt hatte, in der Nähe von
Zürich, und von dort reiste er nach Nancy zu Bernheim, wo er auch Cäcilie
M., seine ihm damals wichtigste Patientin wiedertraf. Von Nancy ging es
Anfang August weiter nach Paris, wo er an einem Kongreß über den
Hypnotismus teilnahm.35 Den Rest des Monats hat er wohl mit seiner Familie
in Reichenau an der Rax verbracht.36 Seine Frau Martha war zum zweiten
Mal schwanger.37 Man darf vermuten, daß
—————————————
34 Der Band befindet sich heute im Londoner Teil von Freuds Bibliothek.
35 Vgl. Swales (1986), S. 33-38.
36 Jones (1960), S. 218.
37 Jean Martin Freud wurde am 6.12. 1889 geboren, vgl. Jones (1960), S.
185.

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Mathildes manische Dekompensation mit Freuds physischer und innerlicher
Abwesenheit in Zusammenhang stand. Sie muß sich von ihm verlassen gefühlt
haben, hat also etwas wiedererlebt, was als „Bruch eines ihr gegebenen
Heiratsversprechens“ ihre Erkrankung ausgelöst hatte. Bei ihr hat sich also
offenbar eine Übertragungspsychose entwickelt, was Freud damals noch nicht
verstehen konnte.
Im September und Oktober versuchte man, die Behandlung ambulant
fortzuführen. Dies gelang aber nicht, wie Freuds Bericht anschaulich
dokumentiert. Ende Oktober wurde Mathilde in der Svetlinschen Privatklinik
aufgenommen.
Krankenblatt Dr. Svetlin
[Seite 1]
Dr. W. Svetlin's
Privat-Heilanstalt
Wien
III., Leonhardgasse 3 & 5.
[In unbekannter Handschrift (A):]38
J«ournal»N«ummer» 470/361
Aufgenommen am 29. Oktober 1889.
[In Dr. Svetlins Handschrift:]
27. Mai 1890 geheilt (?) entlassen.
Mania gravis
(Hysteria)
[In Handschrift (A):]
Fräulein Mathilde S…, 27 Jahre alt, mos. Religion, ledig, Private,
gebürtig u«nd» zuständig39 in Wien. Letzter Aufenthalt IX.,
Hahngasse No 3 bei ihrem Vater, Herrn Cölestin S…, Maler40
—————————————
38 Es handelt sich vielleicht um einen Berufsschreiber. Die Handschrift
zeigt Routine, enthält aber eine Reihe von kleinen Fehlern, die einem
medizinisch Geschulten kaum unterlaufen würden. Die Art der Fehler paßt
am besten zu Vorlesungen: Hat der zuständige Arzt zunächst ein Konzept
verfaßt, welches dann ins Reine übertragen wurde? Oder wurde der Verlauf
nach Diktat niedergeschrieben?
39 Heimatrecht in einer bestimmten Gemeinde, die dann etwa für
Anstaltspflege aufkommen muß.
40 Cölestin S. war ein kaum bekannter Genremaler. Seine Bilder waren z.
B. betitelt: „Die fatale Situation“; „Bei der Toilette“; „Politisierende
Bauern“; (Wurzbach, Constant v., Biogr. Lexicon d. Kaiserth. Oesterr.,
Wien 1875); kein Eintrag über ihn in dem umfassenden Nachschlagewerk
von Thieme und Becker (1907-1950).

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Überbracht laut Parere41 des H. Dr. Sigm. Freud, welcher angibt:
[Folgt eine Abschrift des obigen Parere Sigmund Freuds.]
Der Vater ergänzt die Mittheilungen folgendermaßen: Dep(onent)
u«nd» seine Frau gesund, zwar etwas nervös. Sonst keine
Nervenkrankheiten in der Familie, die einzige ältere Schwester der
Pat«ientin» ist gesund. Keine Fraißen.42
[Seite 3] Als Kind von 8-10 Jahren litt sie häufig an
Kopfschmerzen,43 Zur normalen Zeit ohne Beschwerden
menstruiert. Im Anschluße etwas chlorotisch,44 Zeigt sich
aufgeweckt, mit vorzüglichem Gedächtniße, begabt, aber
cholerischen Temperamentes. Ohne besondere] Lust an
Unterhaltung begann sie doch schon mit 17 Jahren eine Liebelei,
welche sie höchst ernst nahm. Von 1885 bis 1887 verlobt mit einem
charakterlosen Menschen, welchen sie schließlich aufgab,
angeblich nur platonisch geblieben - Er verlobte sich, als sie schon
begann melancolisch zu werden, hinterrücks mit einer anderen.
Im August d«iese»s Jahres eiferige Correspondenz mit einer
italienischen Grafenfamilie, welche durch glänzende Verheißungen
bezüglich einer Künstlerlaufbahn ihr völlig den Kopf verdrehte -
Besonders aufgeregt seit etwa 8 Tagen. Ließ damals eine Notiz in
der „Freien Presse“ erscheinen, daß die rühmlichst bekannte
Sängerin M. Ticilli einen Liederabend veranstalten werde. Die
Lectüre dieses Artikels steigerte noch ihre Erregung. Baldrianthee
wirkt45 bei Aufregungen stets beruhigend auf Pat«ientin» ein.
Pat«ientin» betritt die Anstalt, um hier ihren angebeteten Dr. Freud
zu treffen, mit der Grandezza einer Königin, kommandirt sofort mit
den Wärterinnen herum, welche sie im nächsten Momente wieder
abküßt.
Spricht fortwährend von ihrem Talente, werde für die Anstalt ein
Concert geben, parodirt die Ärzte, brüstet sich mit ihrem
Concertiren,46 könnte jetzt als Comtesse [Seite 4] Camerini die
Besitzerin von 40 Mill. sein, werde die Nachfolgerin der Bianchi47
werden. Kokettirt mit
—————————————
41 In Österreich üblicher Ausdruck für ärztliches Einweisungsschreiben.
42 Kindliches Anfallsleiden; vgl. Höfler (1899), s. v. Frais; Grimm, Bd. 4,
s. v. Freis: „… fast euphemistisch, sowol von dem peinlichen gericht als
auch von lebensgefährlichen krankheitsfällen …, namentlich von fallender
sucht und krämpfen; … namentlich bezeichnet freis die schäuerchen oder
verzuckungen kleiner kinder.“ Vgl. auch den Artikel „Gichter“, Grimm, Bd.
7.
43 Diese und die folgenden Hervorhebungen (in der Handschrift
Unterstreichungen) offenbar nicht vom Schreiber, sondern nachträglich
angebracht, vielleicht von Dr. Svetlin bei der Übernahme der Patientin
(siehe unten).
44 In der Handschrift: klorotisch [!]
45 Ursprünglich: „Balbrasthen wirken …“; diese Verschreibung oder
Verlesung des unbekannten Schreibers wurde von der Hand Dr. Svetlins
korrigiert.
46 In der Handschrift: Concertirnen
47 Bianca Bianchi (Bertha Schwarz) geb. 1858, Koloratursängerin an der

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Wiener Hofoper von 1880 bis 1887, Liebling des Wiener Publikums; vgl.
Eisenberg (1903).

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ihrem Judenthum, verlangt im Wagen zu Dr. Freud geführt zu
werden, als sie einsieht, daß man sie nicht fortläßt, wälzt sie sich
am Boden, droht mit Suicidium,48 schlägt mit den Fäußten an den
Kopf, bittet, ihr die Haare abzuschneiden, um sie der Möglichkeit
des Suicidiums zu berauben; ausgeprägte Ideenflucht,
theatralisches Gebahren, simulirt hysterische Krämpfe, singt u«nd»
schreit daneben deutlich erotisch, Dr. Barlanghi ist ihr Vater, heißt
paganetti panetti, Dr. Kaan sei ein gemüthlicher Steirer, sie aber
liebe nur Dr. Freud, könne darum ihren Cousin nicht heiraten, dem
ja nur ihr Leib gehören würde. - Nestelt in den Haaren [und]
Knöpfen ihrer Kleider herum.
Morphinerbrechen.49
30. 10. [1889]: Nacht schlaflos, muß wegen steigender Unruhe
isoliert werden.
31. 10. [1889]: Hat sich Nachts trotz der Nachtwache einen Zopf
abgebissen. Nymphomanisch, wälzt sich masturhirend halb
entblößt am Boden herum, schreit nach Dr. Freud, dessen Sklavin
sie sein will. Verlangt jeden Augenblick [nach] dem Arzte, spricht
mit Vorliebe von ihrer Harnverhaltung, daß ihr der Genitiv (die
Nates) schmerzen, versucht sich immer wieder zu entkleiden, um
die Beulen zu zeigen, welche sie sich durch Herumschlagen
[Seite 5] geholt - daneben zornig, gereizt, singt ([„] Kennt ihr das
Haus auf Säulen ruht [es] fein, doch Schweinlisch Anstalt50 wird
es zubenannt [“] usw.).51 Höhnt die Wärterin wegen ihrer falschen
Zähne - dabei beständiges Fortdrängen.
Hyoscininjectionen52 erfolglos.
1. 11. [1889]: Abermals schlaflos - total heiser, nimmt Nahrung nur
auf schmeichelndes Zureden des Arztes - Verfällt körperlich
auffallend.
3. 11. [1889]: Status idem - Pat«ientin» ist mittelgroß, sehr gracil
gebaut, erscheint um fast 10 Jahre jünger, neuropathischer Blick,
Haare rothblond, Haut ungemein zart, lymphatisch geartet53 -
Ord(inatio) Chloral et Brom.54
—————————————
48 In der Handschrift: Suicidiam.
49 Häufige Nebenwirkung bei Morphinpräparaten.
50 Scherzhafte Neubildung für „Svetlinsche Anstalt“.
51 Abwandlung der zweiten Strophe aus dem Lied der Mignon aus Goethes
„Wilhelm Meisters theatralische Sendung“ („Kennst du das Land, wo die
Citronen blühn …“): „Kennst du das Haus, auf Säulen ruht sein Dach, Es
glänzt der Saal, es schimmert das Gemach …“ (Goethe, WA Bd. 52, S. 3).
52 Hyoscin, alter Name für Scopolamin, ein Hyoscyamus-Alkaloid, dem
Atropin verwandt; als hochpotentes Schlafmittel in Gebrauch; wegen seiner
Giftigkeit besonders vorsichtig zu handhaben; vgl. Hager (1900-1902), Bd.
II, S. 861-864; Friedrich Glauser, Schweizer Schriftsteller mit bewegter
Biographie und selbst mehrfach Patient in psychiatrischen Anstalten,
verwendet das Motiv einer Hyosciamin-Vergiftung in seinem ersten
Kriminalroman, der 1939 erstmals gedruckt wurde: Glauser (1988).
53 Lymphatische Konstitution: durch blasse, schlaffe Haut, Hyperplasie und
Neigung zu Entzündungen der lymphatischen Organe gekennzeichnet.
54 Chloralhydrat und Bromsalze waren die gebräuchlichsten Sedativa der
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Zeit. Einzelhöchstdosis bei Chloralhydrat: 3.00 gr., Tageshöchstdosis 6.00
gr.; Hager (1900-1902), Bd. I, S. 788-791; Tageshöchstdosis bei
Kaliumbromid: 12.00 gr.; vgl. Hager (1900-1902), Bd. II, S. 176-179.

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5. 11. [1889]: Status idem. Nächte trotz Chloral ruhelos, muß das
Schloßhemd erhalten, erotische u«nd» zornige Erregung.
7. 11. [1889]: Chloral 6.0,55 Brom 12.0, Hyoscin 0.002 ad 200
alternirend 1 Eßlöffel 4stündlich schaffen sichtlich Beruhigung. Dr.
Kaan tritt an die Stelle von Dr. Freud - Versucht ihn bei jeder
Gelegenheit zu umarmen, küßt seine Hand, duzt ihn u«nd» spricht
ihn mit Vornamen an. Nacht besser.
8.11. [1889]: Tagsüber etwas ruhiger - Macht Heiratspläne. Abend
3 Löffel frische Lösung. [Seite 6]
9. 11. [1889]: Die ganze Nacht geschnarcht, auf der rechten Wange,
dem r«echten» Daumenballen u«nd» den Knien Wasserblasen
(Pemphigusähnlich). Sehr collabirt - Myosisstark benommen.
Ord«inatio» Excitantien.
10. 11. [1889]: Große Schwäche u«nd» motorische Unruhe -
Schwatzt verbigerirend incohärent.
Wegen aufgeregter Herzaktion digital «is foliorum» inf«usi» 0.30
ad 100.056 + 0.20 Extr«acti» secal«is cornuti».57
[In Dr. Svetlins Schrift:]
11.11. [1889]: Motorische Unruhe vermindert, rein maniakalisches
Bild. Pat«ientin» hallucinirt stark, sieht Thiergestalten, verkennt die
Personen.58
12. 11. [1889]: Menses eingetreten. Pat«ientin» bewegt sich fast
ausschließlich in sexuell erotisch gefärbten Delirien. Dr. K«aan»
ist ihr Gatte, den sie dutzt u«nd» mit Hans anspricht. Sie ist
schwanger, dann wieder im Wochenbette, bei jedem Stuhl hat sie
ihre Entbindung, die fäces sind das Kind, sind Sterndiamanten,
welche sie unter dem Polster vor der Wärterin versteckt.
14. 11. [1889]: Menses cessirt ohne beträchtliche Änderung des
Krankenbildes.
20. 11. [1889]: Die Nahrungsaufnahme wenig befriedigend, nur
Süßigkeiten aufgenommen, Schlaf schlecht. Pat«ientin» hochgradig
abgemagert. An Stelle der Pemphigusblasen finden sich an den
Knien, der r«echten» Wange u«nd» dem r«echten» Daumenballen
über thalergroße belegte Geschwüre, deren Heilung Pat«ientin»
durch Kratzen u«nd» Beschmieren
—————————————
55 In der Handschrift: 6a.
56 Relativ geringe Dosis eines Digitalis-Aufgusses. Empfohlen wurden 1.5-
2:150.0ml; senkt in dieser Dosierung vor allem die Pulsfrequenz; vgl. Hager
(1900-1902), Bd. (1900-1902), Bd. I, S. 1040.
57 Mutterkornextrakt; die nach der österreichischen Pharmakopoe
hergestellten Präparate wurden in Einzeldosen von max. 0.50, Tagesdosen
max. 1.50 gr. zur Blutdrucksteigerung und als wehenförderndes Mittel
verwandt; hier zur Bekämpfung der Kreislaufdepression, die man als
gefäßlähmende Nebenwirkung des Chloralhydrats deutete; vgl. Kaan (1891),
S. 145; vgl. auch Hager (1900-1902), Bd. II, S. 876.
58 Die Patientin litt jetzt wohl an einer medikamenteninduzierten exogenen
Psychose.

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mit Koth hintanhält. - Pat«ientin» behauptet, Nachts durch [Seite 7]
einen kalten Sprühregen angespritzt zu werden. 0.50 Lupulin
erfolglos.59
4. 12. [1889]: Sehr aufgeregt, febril. Am rechten Daumenballen
eine bis über die Mitte des Vorderarmes sich erstreckende
entzündliche Schwellung.
5. 12. [1889]: Ausgiebige Incision. Jodoform, feuchter
Carboiverband, Schiene. Da Pat«ientin» den Verband stets
herunterreißt, wird sie beschränkt.60
7. 12. [1889]: Afebril. Ord«inatio» T«in»ct«urae» laudan«ae»61
alternirend mitlnfus«um» digital«is» & Extr«actum» secal«e».62
7.12. [1889]: Nächte bedeutend besser, Pat«ientin» erholt sich
zusehends. Infiltrationen des Armes vollkommen geschwunden.
Pat«ientin» unterhält sich beim Verbandwechsel damit, die Arzte zu
kritisiren. Der Director ist Billrotfh], der mit „Crevette“ arbeitet. -
20. 12. [1889]: Wunde verheilt, Manie klingt etwas ab. Allerdings
demolirt Pat«ientin» sogar mit den Zähnen, was sie nur erreichen
kann, befindet sich aber im übrigen in gutmütig heiterer Stimmung.
Bei Sistirung von digitalis stets Steigerung der Aufregung. Auf Dr.
K«aan» sehr eifersüchtig vis á vis der Wärterin.
6. 1. [18]90: Pat«ientin» erkundigt sich, wo sie eigentlich ist,
möchte zu ihren Eltern.
[Zu diesem Zeitpunkt wurde Theodor Meynert, Professor für Psychiatrie,
einst Freuds Chef als Vorstand der II. Wiener Psychiatrischen Klinik, zum
Konsil hinzugebeten, der sich in dem der Krankengeschichte beiliegenden
nachfolgend abgedruckten Gutachten äußerte:]
Gutachten Theodor Meynerts
Eigenhändig, 1 Blatt, 1 Seite; Briefbogen der Anstalt.]
Dr. W. Svetlin's
Privat-Heilanstalt
Wien
III., Leonhardgasse 3 & 5.
Fräulein Mathilde S…., welche mir von länger dauernder
Melancholie seit Jahren bekannt ist, zeigte bei meinem heutigen
Besuche in der Heilanstalt des Herrn Direktor Dr. Swetlin [!]
—————————————
59 Aus Hopfen gewonnenes, als Tinktur, Elixir oder Pulver zubereitetes
Medikament, empfohlen bei Blasenleiden, Harnträufeln, aber auch „zur
Beruhigung der Schlaflosigkeit infolge geschlechtlicher Aufregung“ und „bei
schmerzhaften Erektionen“; vgl. Hager (1900-1902), Bd. II, S. 312 f.
60 emeint ist: gefesselt, z. B. in der Zwangsjacke.
61 Opiumpräparat; vgl. Hager (1900-1902), Bd. II, S. 523-525.
62 Siehe oben.

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ein ihrem früheren Zustande ganz entgegengesetztes Krankheitsbild
von heiterer Verstimmung mit Größenwahn, eine Manie. Diese
Erkrankungsform ist an sich heilbar, auch der bisherige Verlauf ist
günstig zu nennen, indem von einem eingeschalteten tiefen
Erschöpfungsstadium von Verworrenheit mit Hallucinationen,
wieder Erholung und ein kraftvollerer Hirnerregungszustand in dem
jetzt vorliegenden reinen maniacalischen Bilde [vorliegt]63 zu
Stande kam.
Die lange Zeit vorangegangene Geistesstörung anderer Form macht
aber doch nur eine [zurückhaltendere Voraussage bezüglich der
Heilung berechtigt, insbesondere bezüglich der Dauer im immer
noch möglichen Falle der Heilung läßt sich Bestimmtes nicht und
die Wahrscheinlichkeit einer kurzen Dauer noch weniger
aussprechen.
Wien, 21. Jänner 1890
Meynert
[Fortsetzung der Krankengeschichte des Sanatoriums Svetlin:]
10. 2. [1890]: Pat«ientin» erhält Brom - Chloral. Nächte infolge
dessen recht gut, Pat«ientin» kann die Beschränkung entbehren.
25. 2. [1890]: Zunehmende Beruhigung. Erzählt in ausgelassen
heiterer Stimmung, aber doch im logischen Zusammenhange
Anekdoten, drapirt ihr Kleid in künstlerischer Weise, stülpt sich
den Nachttopf als Helm auf.
[Seite 8] Wundert sich, wie sie darauf kam, die Ärzte zu dutzen.
Eifersüchtig auf Dr. K«aan», in welchem sie den Kronprinz Rudolf
verborgen wähnt.
28. 2. [1890]: Menses eingetreten. Pat«ientin» schläft ohne
Nachhilfe gut. Rapider Stimmungswechsel, aber Beruhigung
fortschreitend.
15.3. [1890]: Pat «ientin» kann bereits im Vorzimmer unter Tags
gehalten werden - zeichnet sehr hübsch.
21.3. [1890]: Die erste Nacht im mittelruhigen Tract gut verbracht,
ob schon durch die Todesnachricht eines Verwandten erregt.
22. 3. [1890]: Macht Dr. K«aan» eine Liebeserklärung u«nd» wird
durch das Refus so ergriffen, daß sie Nachts bewacht werden muß.
Ord«inatio» Sulfonal.
1. 4. [1890]: Menses unter Coliken eingetreten. Pat«ientin» sehr
erotisch g«e»g«en» die Ärzte, hochmütig reizbar g«e»g«en» das
Wartpersonal, huscht wie ein Irrlicht im Hause herum.
Hat vollkommene Krankheitseinsicht für die Vergangenheit, sei
aber schon gesund.
20. 4. [1890]: Abgesehen von ihrer Leidenschaft für D. K«aan»
recht geordnet, aber voll hysterischer Beschwerden, ziemlich
krakehlsüchtig, zu Herzkrämpfen geneigt. Klagt peinigende Libido
sexualis mit Pruritus vulvae, - Ord«inatio» T«in»ct«urae»
cannab«is»,64 T«in»ct«urae» chamom«illae»65 - Baldrianthee -
Sulfonal.
—————————————
63 Gestrichen.
64 Gelegentlich als Hypnoticum verwendet; vgl. Hager (1900-1902), Bd. I,
S. 590 f.
65 Kamillentinktur; innerlich genommen milde krampfstillend. Vgl. Hager
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(1900-1902), Bd. I, S. 716.

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3. 5. [1890]: Menses unter heftiger Koliken eingetreten, sehr profus.
27. 5. [1890]: geheilt entlassen.
Dr. Svetlin
Diese Krankengeschichte vermittelt ohne Zweifel ein plastisches, sehr
genaues Bild von dieser Patientin. Aus der Fremdanamnese und aus den
Verhaltensbeobachtungen der Klinik erfahren wir, worin das bestand, was
Freud so vorsichtig mit „Überschreiten der Grenzen, welche ihr durch ihr
Geschlecht und ihre Erziehung gezogen sein sollten,“ angedeutet hatte: Die
Patientin hatte in der Manie nicht nur einen Größenwahn in bezug auf ihre
künstlerische Karriere, sondern auch einen Liebeswahn entwickelt, dessen
Objekt Freud selbst war. Die ersten Wochen des Klinikaufenthaltes waren
von Erregungszuständen und Vorstellungen sexuellen Inhalts in Beziehung auf
Freud geprägt. Dann löste der Klinikarzt Dr. Kaan allmählich Freud in der
Phantasie der Patientin ab.
Die Therapie in der Klinik bediente sich des gesamten in der Zeit
verfügbaren Medikamentenarsenals: Morphin, Chloral, Baldrian,
Brompräparate, Digitalis, Mutterkornalkaloide, Opium, Cannabis,
Scopolamin und Lupulin wurden versucht, und schließlich kam mehrfach
Sulfonal zum Einsatz. Es dauerte fast vier Monate lang, bis eine deutliche
Besserung der psychotischen Erregungszustände verzeichnet werden konnte.
Ein Arzt der Anstalt versah, sicher nicht zu Unrecht, den Schlußeintrag
„geheilt entlassen“ mit einem Fragezeichen. Der weitere Verlauf sollte seiner
Skepsis Recht geben, wie wir noch sehen werden.
Die Beteiligung Theodor Meynerts
Nach mehr als drei Monaten ohne wesentliche Besserung hatte man
Meynert zum Konsil gebeten. Dies könnte auf Initiative der Anstalt oder auf
Wunsch der Angehörigen erfolgt sein. Sein Bericht ist eine knapp gehaltene
fachärztliche Äußerung zu Krankheitsform und Prognose ohne
Therapieempfehlung. Das Schriftstück zeigt Brüche in Gedankenführung und
Satzbau und ist offenbar ohne große Sorgfalt hingeworfen. Meynert schreibt,
daß er die Patientin schon aus der Zeit ihrer Melancholie kenne. Gab es
Kontakte zwischen Freud und Meynert über Mathilde? War die

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Patientin stationär in Meynerts Klinik gewesen oder war er nur einmal
konsultiert worden? Daß Meynert die Patientin 1887/88 an Freud, seinen
ehemaligen Assistenten, gewiesen haben könnte, scheint wenig
wahrscheinlich. Denn zu dieser Zeit hatte Freud bereits deutliche Differenzen
mit Meynert, die ihren Ausgang von Freuds Vortrag über männliche Hysterie
am 15. Oktober 1886 genommen hatten66 und sich im Jahre 1888 vor allem
an der Einstellung zur Hypnose festmachten. Es läßt sich zeigen, daß in der
Krankengeschichte der Mathilde Freuds Auseinandersetzung mit Meynert an
einem zentralen Punkt angesprochen ist. Dazu müssen wir auf den Kern der
Differenzen zwischen Freud und Meynert kurz eingehen:
In einem Vortrag am 2. Juni 1888 erklärte Meynert, die Phänomene der
Hypnose seien im Grunde kein Thema wissenschaftlicher Erörterung, sondern
vielmehr, als „widerwärtige Erscheinung hündischer Unterjochung von
Menschen durch andere Menschen“ vom „Abglanz der Abgeschmacktheit
umgeben“.67 Freud kommentiert dies so, Meynert habe sich „in seiner
gewohnten frech-boshaften Manier autoritativ über ein Thema hören lassen,
von dem er nichts weiß“,68 und kritisierte Meynerts Standpunkt heftig in
seiner im August 1888 verfaßten Vorrede zur Bernheim-Übersetzung.69 Er
hält Meynert dort vor, Charcot nicht wirklich verstanden zu haben, die
Stadien der Hysterie mit denen des Hypnotismus zu verwechseln. An Fließ
schreibt er dazu: „In der Kritik Meynerts […] mußte ich mich gemäßigt
halten, weil die Stimmung aller meiner Freunde es verlangt hat. Was ich
geschrieben, erscheint ihnen auch so als Wagnis. Ich habe der Katze die
Schelle angehängt.“70 Am 26. April 1889 hielt Meynert in der Gesellschaft
der Ärzte erneut einen Vortrag, in dem er Charcots Therapie der
traumatischen Neurose kritisierte.71 In einer Anmerkung zu der gedruckten
Fassung dieses Vortrags setzt Meynert sich auch polemisch mit Charcots
Übersetzer Freud auseinander:
—————————————
66 Vgl. Freud (1985c), an Fließ, 4. 2. 88, Anm. 6.
67 Meynert (1888), S. 498, 451.
68 An Fließ, 29. 8. 1888, Freud (1985c), S. 11.
69 Freud (1888-89).
70 An Fließ, 29. 8. 1888, Freud (1985c), S. 11.
71 Meynert (1889a).

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„Ich halte mich hier an die autorisirte deutsche Ausgabe von Dr.
Sigmund Freud, welcher, durch eine Universitätsreisestiftung
geehrt, Gelegenheit fand, durch die von ihm vernommenen
Vorlesungen Charcot's in Paris angeregt zu werden und jetzt
hierorts als geschulter Praktiker in Hypnose thätig ist, nachdem er
in einer zweiten Übersetzungsarbeit, nämlich des Bernheim'schen
Buches über Suggestion, sich wieder von Charcot einigermaßen
abgewendet hat. Nachdem S. Freud aus einem Vortrage über
hypnotische Erscheinungen ersah, daß ich mir darüber die
Gedanken mache, die mir einleuchten, und nicht die, welche er
übersetzt hat, wirft er mir in mehr dogmatischer als
wissenschaftlicher Weise vor, daß ich zwischen Hysterismus und
Hypnotismus keinen einschneidenden Unterschied finde. Wenn er
mich darüber zu belehren beliebt und sich dabei auf Meister
Charcot beruft, so liegt etwas zu wenig Logik in dieser Berufung, da
gerade Charcot, wenn er von männlicher Hysterie spricht, wie bei
den traumatischen Fällen seiner Demonstrationen, sogar die
Hysterie und Suggestion identificirt. Gleichfalls wird Hypnotismus
und Hysterie von Seligmiller [!] und Strümpell [!] in Lehrbüchern
identificirt. Ich finde sein Eintreten für die Suggestionstherapie
darum merkenswerth, weil er als ein physiologisch exact geschulter
Arzt Wien verließ.“72
Diese Polemik ist Teil einer größeren Auseinandersetzung um den Wert
der Hypnose, die im Jahr 1889 in Wien stattfand,73 und in deren Verlauf
Meynert seine Ablehnung vor allem damit begründete, die Hypnose führe zu
einer starken Abhängigkeit des Patienten vom Arzt und entfessele sexuelle
Empfindungen diesem gegenüber.74 In einem dritten Vortrag am 14. Juni
1889 sprach Meynert „über Melancholie, Kleinheitswahn,
Selbstanklagewahn“.75 Der Vortrag beginnt mit klinischen Beschreibungen
und geht dann in eine allgemeine Erörterung der Grundlagen solcher
psychischer Erkrankungen über: „Die Manie und die Melancholie zählen zu
jenen Vorderhirnerkrankungen, denen eine anatomische Grundlage als Proceß
nicht abgewonnen wurde. Ohne anatomische Processe dabei auszuschließen,
stelle ich sie für heute rückhaltenderweise unter die Erkrankungsgruppe von
Ernährungsstörung des Vorderhirnes.“76 Funktionelle Hyperämie sei die
Grundlage der Manie, relative Minderdurchblutung die der Depression: „Die
Manie und Melancholie sind pathologische Fälle von Höhe und Mangel der
functioneilen Hyperämie, doch gehen die entgegengesetzten Ernährungsphasen
nicht physio
—————————————
72 Meynert (1889a), S. 501.
73 Vgl. Fichtner und Hirschmüller (1988).
74 Vgl. Wien. Klin. Wschr. 2 (1889), Nr. 24 vom 14. 6. 1889.
75 Meynert (1889b).
76 Meynert (1889b), S. 746.

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logisch aus Functionsfülle und Functionshemmung hervor, vielmehr sind die
letzteren die Folge einer pathologischen Ernährungsphase.“77
Wir sehen also: Im Frühsommer 1889, als Meynert die männliche Hysterie
als diagnostischen Unsinn und die Hypnose als Scharlatanerie abgetan,
Melancholie und Manie mit dem Zustand der Hirndurchblutung zu erklären
versucht und Freud öffentlich als Hypnotiseur gebrandmarkt hatte, mußte
Freud bei Mathilde, die er über lange Zeit hypnotisch behandelt hatte, den
Umschlag einer Melancholie in eine Manie mit massiven sexuellen
Wahninhalten beobachten. Bei aller Voreingenommenheit und Engstirnigkeit
der Polemik Meynerts: schien er nicht womöglich Recht zu behalten mit der
Befürchtung, die Hypnose entfessele sexuelle Empfindungen gegenüber dem
Arzt, und mit seinem physiologischen - und eben nicht psychologischen
Verständnis der Psychose?
Die Publikation Dr. Kaans
Bevor wir uns dem weiteren Verlauf der Erkrankung zuwenden, wollen
wir die im Jahresbericht der Anstalt abgedruckten Krankengeschichte Dr.
Kaans betrachten.78 Der Bericht findet sich als Nr. 19 in einer Kasuistik
unter der Überschrift „Therapeutische Notizen“ im „Zweiten Bericht über die
Privatheilanstalt für Gemüthskranke auf dem Erdberge zu Wien“, der im Jahr
1891 erschien:
F«all» 19. Mania gravis, Chloralpemphigus.
Fräulein M. S., 27 Jahre alt. Ihre Familie ziemlich nervös veranlagt,
liess der Patientin eine vorwiegend künstlerische Ausbildung zu
Theil werden. Schon als Kind litt Patientin an häufigen
Kopfschmerzen; die Menses traten zu normaler Zeit unter
chlorotischen Erscheinungen ein. Stets sehr impressionabel,
besonders auf erotischem Gebiete, verlobte sich Patientin vor drei
Jahren mit einem anscheinend mindestens charakterschwachen
Menschen; obschon die Sache angeblich nur platonisch blieb,
scheint sie sich doch hiebei sexuell sehr erregt zu haben. Vor 2 ½
Jahren wurde sie zunehmend verstimmt, äusserte Kleinheitswahn
und hysterische Gesichtstäuschungen. Diese Verstimmung war mit
Veranlassung, dass die
—————————————
77 Meynert (1889b), S. 747; Meynerts Verständnis der Melancholie und
Manie sind in seinem Gutachten über Mathilde unschwer wiederzufinden,
etwa wenn er von einem „kraftvolleren Hirnerregungszustand“ spricht.
78 Kaan in Svetlin (1891), S. 142-144.

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Verlobung gelöst wurde. Nach einem viertel Jahre, als Patientin
erfuhr, dass ihr Exbräutigam sich anderweitig verlobt habe, wurde
sie in entgegengesetzter Richtung psychisch abnorm. Uebermüthig
und heiter bis zur Ausgelassenheit, schmiedete Patientin in ihrem
erhöhten Selbstgefühle Pläne über Pläne, durch eigene Kraft sich
als Künstlerin eine glänzende Carriere zu schaffen, knüpfte
diesbezüglich ziemlich abenteuerliche Geschäftsverbindungen an
und reagirte in höchst reizbarer Weise auf jeden Einspruch ihrer
Angehörigen. Nebstbei trieb sie einen wahren Cultus in der
Verehrung des Arztes, welcher sie während ihrer melancholischen
Erkrankung hypnotisch behandelt hatte. Die schon früher
bestandenen hysterischen Beschwerden steigerten sich zu heftigen
Convulsionen, in welche Patientin nach jeder Erregung verfiel. Da
Patientin durch schlechten Schlaf und geringe Ernährung auch
körperlich verfiel, wurde ihre Ueberführung in die Anstalt
angeordnet.
Bei ermangelndem Krankheitsbewusstsein konnte dies nur mit List
geschehen.
Patient [!] betrat die Anstalt zeitlich und örtlich orientirt, mit der
Grandezza einer Königin; bramarbasiert mit ihren Talenten, stellt
sich als die Nachfolgerin der Adelina Patti79 vor, brauche nur die
Hand auszustrecken, um Gräfin oder Millionärin zu werden und
parodirt in drastischer Weise die Eigenthümlichkeiten der
Anstaltsärzte. Als sie sich vor die Nothwendigkeit gestellt sieht,
hier zu bleiben, wälzt sie sich schreiend in hysterischen Krämpfen
am Boden, schlägt mit den Fäusten gegen den Kopf und versucht,
sich mit den Zöpfen zu erdrosseln. Da man ihrer Bitte, durch
Abschneiden der Zöpfe sie am Selbstmord zu verhindern, nicht
nachkommt, beisst sie sich in der nächsten Nacht, trotz scharfer
Bewachung, einen Zopf ab. In den nächsten Tagen steigerte sich
unter förmlicher Ideenflucht die schon anfangs bestandene sexuelle
Erregung zu ausgesprochener Nymphomanie.
Die Patientin ist mittelgross, sehr gracil gebaut, von lymphatischem
Habitus. Nachdem sich Patientin trotz Hyoscininjectionen
vollständig heiser geschrien und sie in Folge absoluter
Schlaflosigkeit körperlich sehr verfällt, wird ihr vom 7. Tage an
Brom-Chloral verabreicht; am nächsten Tage zeigte sich Patientin
bedeutend ruhiger. Bis zum Abend hatte Patientin, innerhalb 48
Stunden, circa 6 g Chloral in refracta dosi consumirt. Die
darauffolgende Nacht verbrachte Patientin in schnarchendem
Schlafe und überraschte uns bei der Morgenvisite durch einen
schweren Collapszustand. Die Pupillen erschienen hochgradig
verengt, das Sensorium vollkommen getrübt, an den Körperstellen,
auf welchen Patientin während der Nacht gelegen hatte, der rechten
Wange, dem rechten Daumenballen und beiden Knien war die Haut
in Form serumgefüllter Blasen abgehoben.
Trotz reichlicher Excitantien erholte sich Patientin nur langsam. Ein
unzusammenhängendes mussitirendes Delir, Spuren von
Schnautzkrampf und sonstige motorische Reizerscheinungen ließen
den Ausbruch eines Delirium acutum80 befürchten. Die Temperatur
war
—————————————
79 Vielleicht gemeint: Adele Passy-Cornet, geb. 1838, Koloratursängerin
u.a. am Kärntnertortheater Wien; bis 1881 Leiterin einer Wiener
Opernschule; vgl. Eisenberg (1903); in der Originalkrankengeschichte ist an
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der analogen Stelle auf Bianca Bianchi verwiesen, eine Sängerin, die bis
1887 in Wien Triumphe feierte (siehe oben).
80 Eine „unter schwerer Erregung des Kranken rasch zu Erschöpfung und
tödlichem Ausgang verlaufende Psychose verschiedener Ätiologie“: Peters
(1971), s.v. delirium acutum; vgl. Hertz (1883); Meynert bestritt, daß das
Delirium acutum eine abgrenzbare eigene Krankheitsform darstelle: Meynert
(1890), S. 52-54.

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nicht erhöht, die Herzaction unregelmässig, schwach, der Puls kaum
fühlbar, weit über 100. Durch kräftige Ernährung in Verbindung mit
Digitalis- und Secalemedication gelang es, dieser Krise Herr zu
werden. Drei Tage später traten unter Thiervisionen die Menses
ein; die wieder maniakalischen Delirien bewegten sich nur fast
ausschliesslich auf sexuellem Gebiete. Sie sei schwanger, jeder
Stuhlgang bildet eine Entbindung, die Fäces sind ihr Kind, ihre
„Krondiamanten“, welche sie unter dem Polster vor der Wärterin zu
verstecken sucht; dann glaubte sie sich wieder im Wochenbette.
Gelegentlich klagt Patientin, Nachts durch einen kalten Sprühregen
angespritzt zu werden. Die oben erwähnten Pemphigusblasen
hinterliessen über thalergrosse, belegte Geschwüre, deren Heilung
in Folge der steten Unruhe der Patientin sehr langsam vor sich ging
und in Verbindung mit einer Phlegmone des Daumenballens
Patientin sehr schwächten.
Digitalisbehandlung wird fortgesetzt. Sechs Wochen nach der
Aufnahme sind die Wunden verheilt und bietet Patientin wieder das
Bild einer reinen Manie, welche sich bei Sistirung der
Digitalisbehandlung jedesmal steigert.
Nach weiteren zwei Monaten begann die Manie abzuklingen,
Patientin gefällt sich darin, theatralische Posen anzunehmen und
drapirt sich dazu in origineller Weise. So empfängt sie uns einmal
als Jungfrau von Orleans, den Nachttopf als Helm auf dem Kopfe.
Allmälig regelt sich auch der Schlaf und erholt sich Patientin
zusehends. Nach weiteren zwei Monaten erscheint sie bis auf eine
gewisse Unstetheit und Reizbarkeit ziemlich normal. Die Menses
traten regelmässig, aber unter heftigen Koliken ein und wird auch in
der Zwischenzeit über peinliche Libido sexualis und Pruritus
vulvae geklagt.
Cannabis und Lupulin brachten etwas Linderung. Patientin wird
nach siebenmonatiger Behandlung an Manie geheilt entlassen.
Eigenthümlich erscheint bei diesem Falle von Manie das Einsetzen
derselben in Form einer hallucinatorischen Verwirrtheit mit
specifisch erotischem Delir, wofür wohl die zu Grunde liegende
Hysterie verantwortlich gemacht werden muss. Ferner ist
beachtenswerth die bedrohliche Gefässlähmung in Folge einer nicht
beträchtlichen Chloralgabe; die Pemphiguseruption muss wohl in
Analogie gebracht werden mit dem Auftreten von Decubitus bei
Paralytikern, welche längere Zeit Chloral erhalten. Endlich muss
die günstige Wirkung von Digitalispräparaten hervorgehoben
werden.
Hätten wir nur diesen publizierten Bericht, so müßten wir einen etwas
anderen Eindruck von der Behandlung unserer Patientin gewinnen, als uns die
Originalkrankengeschichte vermittelt. Wohl diskutiert auch Dr. Kaan
mögliche psychische Faktoren in der Genese der Erkrankung.81 Aber sein
Bericht läßt natürlich viele Details aus und rafft den zeitlichen
—————————————
81 Hatten Freud und auch die Eltern den Eindruck erweckt, die Auflösung
der Verlobung habe die Melancholie ausgelöst (Freud: „… Auslösung
derselben war eine schwere Gemüthsbewegung, der Bruch eines ihr
gegebenen Heiratsversprechens …“; Angabe des Vaters: „… Er verlobte
sich, als sie schon begann, melancholisch zu werden, hinterrücks mit einer
anderen …“), so setzt Kaan den Akzent etwas anders: „Diese Verstimmung
war mit Veranlassung, daß die Verlobung gelöst wurde.“

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Verlauf der Erkrankung.82 Kaan betrachtet jedenfalls den Fall hauptsächlich
unter dem Aspekt der medikamentösen Behandlung und ihrer möglichen
Nebenwirkungen. Bemerkenswert ist, daß Kaan die Ausgestaltung der
Erkrankung, insbesondere die „erotischen Delirien“ ausdrücklich auf eine
zugrundeliegende Hysterie zurückführt, also eine Erkrankung, die der
„cyclischen Verstimmung“ gewissermaßen unterlegt war. Und er deutet an,
worin jener „wahre Cultus in der Verehrung des Arztes“ (Freud) seine
Ursache haben konnte, den die Patientin trieb: In der Behandlung mit
Hypnose. In dieser Einschätzung könnte Kaan sich mit Meynert getroffen
haben.
Es ist vielleicht kein Zufall, daß die Krankengeschichte der Mathilde ab
jenem 11. November 1889 vom Leiter der Anstalt selbst geführt wurde. Ob er
nach dem beinahe tödlichen Zwischenfall die Behandlung selbst übernahm?
Ob er meinte, daß Dr. Kaan die Betreuung wegen des Liebeswahns der
Patientin besser abgeben sollte? Die publizierte Krankengeschichte läßt uns
diesbezüglich verständlicherweise im unklaren.
Nach allen uns jetzt vorliegenden Berichten würde sich die Chronologie
von Mathildes Erkrankung etwa folgendermaßen darstellen:
24. 8. 1862 Geburt der Mathilde S. in Wien83
1879 Erste Liebschaft84
1885 Verlobung85
Febr. 1886 Beginn der Melancholie86
Mitte 1886 (?) Beginn der Behandlung bei Freud87
Mitte 1886 (?) Bräutigam verlobt sich heimlich mit einer zweiten88
Ende 1887 (?) Lösung der Verlobung89
Frühjahr 1889 Melancholie abgeheilt90
Juli 1889 Beginn der manischen Symptomatik91
Okt. 1889 Aufnahme in Svetlins Anstalt
Nov. 1889 „Chlor alpemphigus“92
Jan. 1890 Konsilium Meynert93
27. Mai 1890 Entlassung94
—————————————
82 In der Veröffentlichung sieht es z.B. so aus, als sei jener schwere
Kollapszustand am 3. Tage nach Beginn der Chloralmedikation und nach
einer Gesamtdosis von 6 gr. Chloral beobachtet worden. Tatsächlich begann
man am 3. 11. mit der Medikation von Chloral, kombiniert mit Brom und
Hyoscin. Am Abend des 8. 11. gab man eine Dosis von etwa 1 gr. Chloral, 2
gr. Brom und 0.0003 Hyoscin (drei Eßlöffel = 30 ml einer Lösung von 3 gr.
Chloral, 6 gr. Brom und 0.001 Hyoscin auf 100 ml); - alle drei Medikamente
dürften sich über die sechs Tage hin auch kumuliert haben -, und am anderen
Morgen wurde jener bedrohliche Kollapszustand beobachtet. Die optischen
Halluzinationen („Tiervisionen“) bringt Kaan mit dem Eintreten der Menses
zusammen, während sie tatsächlich schon einen Tag vorher beobachtet
worden waren und vielleicht eher als Teil einer exogenen Psychose zu
werten sind, denn als Begleiterscheinung der Menstruation.
83 Matrikelamt der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.
84 KG Svetlin.
85 KG Svetlin.

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Das Ende der Behandlung
Am 27. Mai 1890 wird Mathilde S. aus Svetlins Anstalt entlassen und
Freud nimmt sie wieder in Behandlung. Freuds Bericht an Jolles informiert
uns über den weiteren Verlauf:
Fall I.: (Freundlichst mitgetheilt von Herrn Doc. Dr. S. Freud.)
Mädchen, 26 Jahre, in einer zirkulären Verstimmung begriffen.
Melancholie von 2 ½ Jahren Dauer, darauf
—————————————
86 Freud, Einweisungsschreiben.
87 Freud, Einweisungsschreiben; bekanntlich eröffnete Freud seine Praxis
am Ostersonntag des Jahres 1886.
88 KG Svetlin: „Er verlobte sich, als sie schon begann, melancholisch zu
werden, hinterrücks mit einer anderen“; vermutlich meint Freud diesen
Vorgang mit „Bruch eines ihr gegebenen Heiratsversprechens“ im
Einweisungsschreiben.
89 KG Svetlin.
90 Freud, Einweisungsschreiben.
91 Freud, Einweisungsschreiben.
92 KG Svetlin.
93 KG Svetlin.
94 Der veröffentlichte Bericht Kaans stimmt mit den Angaben Freuds und
mit den Daten der Originalkrankengeschichte nicht immer überein: Er gibt
die Dauer der Erkrankung mit 2 112 statt 3 ½ Jahren an, bringt die manische
Dekompensation unmittelbar mit der anderweitigen Verlobung des Ex-
Bräutigams in Verbindung, die dann erst im Jahr 1889 erfolgt wäre usw.
Diese Angaben wurden, weil weniger verläßlich, für die Chronologie nicht
herangezogen.

- 149 -

95
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Manie, Anstaltsbehandlung. Absence Abmagerung.95 Nach
Entlassung wieder Verstimmung, Schlaflosigkeit, Apathie, auf's
Land entlassen. Ordination für die Zeit abwechselnd, 1 Woche
Chloralhydrat, was seit Jahren genommen, 1 Woche Sulfonal (2 gr
pro die); hatte schon früher probeweise Sulfonal genommen,
jedesmal sehr betäubt darauf.
Während des Sommers Nachricht von Harnverhaltung. Erbrechen
einmal, bald vergangen. Nach 3 Monaten zurück, anämisch, sonst
noch melancholisch. Einige Tage später: Erbrechen,
Harnverhaltung, Schmerzen im Leibe, fieberfrei. Einige Tage später
Harn mit Katheter, rothe Farbe. (Untersuchung Laboratorium Dr.
Jolles). Nie früher Eiweiss und renale Elemente. Schmerzen im
Leibe, Angst, düster klares Bewusstsein, Erbrechen,
Stuhlverstopfung anhaltend, Cyanose, Fingerspitzen. Darauf Puls
klein, jagend, Zwerchfelllähmung, Tod bei klarem Bewusstsein. -
Ganzes Bild 5-6 Tage.96
Freuds Bericht faßt den dramatischen Verlauf jener Monate
telegrammstilartig zusammen. Was ist im einzelnen geschehen?
Zunächst hat Freud sich gewiß von den Ärzten der Anstalt berichten lassen;
vielleicht hatte er die Patientin in der Anstalt auch besucht, Kontakt zu den
Ärzten gehalten. Ob man ihm mitgeteilt hat, daß Mathilde fast an einer
Medikamentennebenwirkung, als Chloralintoxikation verstanden, gestorben
wäre? Die Patientin litt bald wieder an einer Melancholie mit Verstimmung,
Schlaflosigkeit und Apathie. Freud verordnete Chloralhydrat und Sulfonal im
Wechsel je eine Woche lang, vom Sulfonal zwei Gramm täglich. Es ist kaum
wahrscheinlich, daß er jetzt die hypnotische Behandlung wiederaufgenommen
hat. Vielmehr scheint er die Patientin nun längere Zeit nicht gesehen zu haben,
da sie „aufs Land entlassen“ war. Man hielt aber Kontakt, brieflich oder über
Dritte. So erreichte ihn die Nachricht, daß die Patientin an einer
Harnverhaltung und einmal an Erbrechen erkrankt war.97 Freud war im
August in Reichenau an der Rax im Urlaub.98 Ende August traf er sich mit
Fließ in Salzburg zu ihrem
—————————————
95 Wahrscheinlich ein Druckfehler für obscene A.; obscenus / obscoenus in
der ursprünglichen Bedeutung: schlechtes vorbedeutend, prognostisch
ungünstig (Auguralsprache); die Form „abscen“ konnte nicht nachgewiesen
werden.
96 Jolles (1891), Sp. 1914 f; vgl. Voswinckel (1988); es darf als sicher
gelten, daß Jolles Freuds Bericht wörtlich abgedruckt hat. Es ist nicht
einmal wahrscheinlich, daß er Kürzungen vornahm. Fall II und Fall IV sind
von Dr. Reinfuss in Inzersdorf viel ausführlicher geschildert und in extenso
bei Jolles wiedergegeben.
97 Von einer Harnverhaltung hatte die Patientin ja auch während ihres
Klinikaufenthaltes schon einmal gesprochen (siehe oben, KG Svetlin).
98 Vgl. Freud (1985c), Brief Nr. 7 vom 1. 8. 1890; Jones gibt an, die
Familie habe diesen Sommer in Maria-Schutz am Semmering verbracht:
Jones (1960), S. 386.

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ersten „Kongress“, und Anfang September war er wieder in Wien. Zunächst
hatte er vorgehabt, Anfang August zu Fließ nach Berlin zu fahren, hatte aber
auf diese Reise verzichten müssen: „Es geht mir von keiner Seite zusammen,
nicht ärztlich, wo meine Hauptklientin gerade eine Art nervöser Krise
durchmacht und vielleicht in meiner Abwesenheit gesund wird, nicht in der
Familie, wo allerlei mit den Kindern los war…“99 Freud drückt die
Erwartungen aus, die er mit dem Besuch bei Fließ verbunden hatte:
„… ich hatte mir von dem Verkehr mit Ihnen sehr viel erwartet.
Sonst bin ich recht zufrieden, glücklich, wenn Sie wollen, bin ich
doch sehr vereinsamt, wissenschaftlich abgestumpft, faul und
resigniert. Wenn ich mit Ihnen sprach und merkte, daß Sie so von
mir denken, pflegte ich sogar selbst was von mir zu halten, und das
Bild der überzeugungsvollen Energie, das Sie mir boten, war nicht
ohne Eindruck auf mich. Auch ärztlich hätte ich gern viel von Ihnen
und vielleicht von der Berliner Atmosphäre profitiert, da ich seit
Jahren ohne Lehrmeister bin und so ziemlich ausschließlich in der
Behandlung der Neurosen stecke.“100
Es mag sein, daß neben der Krise bei Cäcilie auch die Sorge um Mathilde
zu Freuds Gefühl beigetragen hat, einen medizinischen Lehrmeister nötig zu
haben. Bei seiner Rückkehr nach Wien Anfang September fand Freud
Mathilde „anämisch, sonst noch melancholisch“ vor. Einige Tage später kam
es dann zu einer akuten Symptomatik mit Erbrechen, Harnverhalten und
Bauchschmerzen. Wiederum einige Tage später mußte die Patientin wegen der
Harnverhaltung katheterisiert werden (ob Freud selbst dies vorgenommen hat,
ist unklar). Der Urin zeigte eine auffallend rote Verfärbung. Freud ließ ihn im
Labor von Dr. Jolles untersuchen.101
Am 20. September ging im Labor von Dr. Jolles die erste Urinprobe
Mathildes ein. Wenige Tage später folgte, offenbar von Breuer übersandt,
—————————————
99 An Fließ, 1. 8. 1890, Freud (1985c), S. 12 f. Mit der „Hauptklientin“ ist
Cäcilie M. gemeint. Vgl. Anm.
100 Freud (1985c), S. 13.
101 101 Es waren auch früher schon Urinuntersuchungen erfolgt. Freud
schreibt ausdrücklich: „Nie früher Eiweiß und renale Elemente.“ Ich glaube
aber nicht, daß Voswinckel Recht hat mit der Annahme, Freud habe selbst
mehrfach Eiweißuntersuchungen sowie mikroskopische Harnanalysen
vorgenommen (Voswinckel (1988), S. 181); wahrscheinlicher ist, daß er
solche Untersuchungen jeweils in einem klinisch-chemischen Labor hat
durchführen lassen.

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102
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eine zweite Probe nach.102 Noch war der bedrohliche Zustand der Patientin
für Freud wie Breuer ganz unklar. Sicher war nur, daß es sich nicht etwa um
ein psychogenes Geschehen handeln konnte.
Mathilde S. starb am 24. September 1890 um ein Uhr mittags. Die
Leichenschau nahm ein Dr. Th. Szongott vor. Als Todesursache vermerkte er:
„Bauchfellentzündung“.103 Am 26. September, zehn Uhr vormittags, wurde
Mathilde S. in der jüdischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs
beerdigt.104
Eine Patientin Breslauers aus Inzersdorf, deren Urinprobe gleichzeitig mit
der zweiten Probe Mathildes eingetroffen war, war zwei Tage vor dieser
demselben Krankheitsbild erlegen.105 Vom 29. Mai bis 5. September hatte
diese Patientin insgesamt 172 Gramm Sulfonal erhalten. Das Medikament war
nach Auftreten erster Vergiftungserscheinungen abgesetzt worden.106 Vier
Wochen später, am 24. Oktober, erschien in den „Wiener Medizinischen
Blättern“ ein offener Brief Breslauers, in dem dieser auf die Gefahren des
Sulfonals hinwies. Es war der erste öffentliche ernste Warnruf.107 Im Januar
1891 folgte Breslauers Bericht über nicht weniger als sechs tödlich
verlaufende Sulfonalintoxikationen.108 Jolles und Breslauer waren somit die
ersten, die in einer Sulfonalintoxikation die Ursache der akuten Prophyrie mit
der typischen Rotfärbung des Urins vermuteten und schließlich bewiesen.
Es ist also richtig, daß sich die entscheidenden warnenden Stimmen gegen
das Sulfonal erst nach dem Tode der Mathilde erhoben.
—————————————
102 Jolles (1891); Jolles untersuchte vier Harnproben von drei Patientinnen;
Fall II und Fall IV stammen aus dem Sanatorium Inzersdorf, Fall I ist
Mathilde; Fall III, der nicht beschrieben wird, wurde von „dem praktischen
Arzte, Herrn Dr. B.“ überreicht.
103 Übereinstimmend mit den Angaben der israelitischen Kultusgemeinde:
Totenbeschauprotokoll des Wiener Stadt- und Landesarchivs, vgl.
Voswinckel (1988), Anm. 45.
104 Matrikelamt der israelitischen Kultusgemeinde Wien.
105 Jolles (1891).
106 Jolles (1891); Breslauer (1891).
107 Vgl. Voswinckel (1988); vereinzelt waren schon zuvor Berichte über
protrahierte Wirkungen, anhaltende Bewußtseintrübung, motorische
Störungen und Ataxie nach höheren Dosen von Sulfonal diskutiert worden,
so etwa auf der Wanderversammlung südwestdeutscher Neurologen und
Irrenärzte in Freiburg im Juni 1888; vgl. Cramer (1888); Fischer (1889).
108 Breslauer (1891).

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Dennoch muß dieser Fall für Freud sehr bedrückend gewesen sein und
heftige Schuldgefühle ausgelöst haben. Es war eine mit den Mitteln und
Erkenntnissen jener Zeit psychotherapeutisch nicht zu handhabende, massiv
sexualisierte Übertragungspsychose vorausgegangen, die sich im Verlauf
einer langdauernden hypnotischen Behandlung entwickelt hatte. Ausgerechnet
eine Patientin mit so massiven sexuellen Phantasien entwikkelte eine
Harnsperre, mußte katheterisiert werden und starb schließlich an einer
Medikamentenvergiftung. Wir können sicher sein, diese Geschichte ist für
Freud nicht ohne psychische Folgen geblieben. Sein Bericht an Jolles ist in
seiner Knappheit, Offenheit und Klarheit wohl auch als Versuch zu verstehen,
wenigstens durch wissenschaftliche Durchdringung der eigentlichen
Todesursache ein Stück „Wiedergutmachung“ zu leisten.
Fast fünf Jahre später erinnert sich Freud im Irma-Traum an Mathilde und
bringt diese Geschichte mit dem Vorwurf mangelnder ärztlicher Sorgfalt
zusammen, den er sich im Traum macht. Wir verstehen jetzt besser, weshalb
er sich erneut mit dieser Patientin auseinandersetzt. Im Jahr zuvor hatte er für
die „Studien über Hysterie“ die Krankengeschichte der Mathilde H.
niedergeschrieben.109 Auch sie war eine junge Frau, deren Verlobung in die
Brüche gegangen war, die darüber mit der Mutter in einen Konflikt geriet und
an einer Melancholie erkrankte. Nach monatelanger erfolgloser Behandlung
mit suggestiv-hypnotischer Technik konnte die Patientin schließlich Freud den
Hintergrund ihrer Erkrankung mitteilen.110 Freud hat sich vermutlich bei der
Niederschrift der Krankengeschichte
—————————————
109 Freud und Breuer (1895), S. 133.
110 Ihre Geschichte ist derjenigen unserer Mathilde so ähnlich, daß ich eine
(Zeitlang angenommen habe, es handle sich um ein und dieselbe Person.
Dem stehen aber zu gravierende Einwände entgegen: Freud hätte das Alter
der Patientin deutlich verringert. Das hat er zwar in anderen Fällen auch
getan (für Mathilde S. gibt er an Jolles 26 statt 28 Jahre an, s. u.; vgl. ferner
Hirschmüller (1978b), D2 und D5), aber nicht gleich um fünf Jahre. Er hätte
den wirklichen Vornamen verwendet, ganz gegen seine sonstige
Gewohnheit. Er hätte den Fall als gelungene kathartische Therapie publiziert
in Kenntnis der Tatsache, daß die Patientin später an einer
Medikamentenintoxikation verstorben war. (Breuer hatte bei der
Krankengeschichte der Anna O. ja auch aus didaktischen Gründen von der
Trigeminusneuralgie und der Morphinabhängigkeit abgesehen, vgl.
Hirschmüller 1978a). Er hätte einen Verlauf, der sich über 5 Jahre erstreckt
haben müßte, so gerafft, als wäre er in einem Jahr abgelaufen. Diese
Einwände sind insgesamt zu gravierend, als daß man weiterhin von der
Identität beider Patientinnen ausgehen könnte.

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an Mathilde S. erinnert. Die Wahl des Pseudonyms Mathilde H. dürfte
jedenfalls kein Zufall gewesen sein. Die Schlußredaktion der „Studien über
Hysterie“ fiel in die Zeit der „Emma-Episode“ (März bis April 1895), die
erneute Erinnerungen an Mathilde wachrufen mußte. Auch bei Emma Eckstein
ging es ja um mangelnde ärztliche Sorgfalt und um die Frage nach
psychologischem oder somatischem Verständnis der Symptomatik.111 Hinzu
kamen die Assoziationen zu seiner Tochter Mathilde, die an einer
lebensgefährlichen Diphterie erkrankt war und in deren Urin man Eiweiß als
Ausdruck einer Nierenbeteiligung gefunden hatte; die Beziehung zu Fleischl
und zu dem Vorwurf, Freud sei mit Kokain leichtfertig umgegangen; die
Auseinandersetzung mit Meynert und die Anschuldigung, Freud habe die
Hypnose unkritisch eingesetzt; schließlich vielleicht der unbewußte Wunsch,
wie Behring die Menschheit durch eine epochemachende wissenschaftliche
Entdeckung von einer Geißel zu befreien: In Mathilde müssen sich für Freud
alle diese Empfindungen verdichtet haben. Im Irma-Traum läßt er uns ein
Stück davon wissen, auch wenn er vielleicht mit seiner eigenen Deutung nicht
überallhin vorgedrungen ist oder doch - verständlicherweise - nicht alle
Assoziationen vollständig preisgegeben hat.
—————————————
111 Z. B. einer Blutung aus Nase und Genitalien: Brief an Fließ, 4. Mai
1896, Freud (1985c), S. 195 f; es scheint mir eher unwahrscheinlich, daß für
Freud zur Zeit des Irma-Traumes die Emma-Episode so abgeschlossen war,
wie Eissler (1987) annimmt. Ich stimme hier eher mit Thomä (1987)
überein. Breuer hat im Frühjahr und Sommer 1895 Patientinnen und auch
seine Tochter wegen einer Operation an der Nase zu Fließ nach Berlin
geschickt und mit diesem über die sexuelle Grundlage der Neurasthenie
korrespondiert (vgl. Hirschmüller 1986); auch diese Tatsache dürfte für
den Irma-Traum von Bedeutung gewesen sein: Wenn selbst Breuer, die
„damals tonangebende Persönlichkeit in unserem Kreise“ (Freud 1900a, S.
126), Fließ soviel Vertrauen entgegenbrachte, konnte nicht auch Freud ihm
mit Fug und Recht vertrauen?

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Zusammenfassung
In den Assoziationen zum Irma-Traum erwähnt Freud eine Patientin
„Mathilde“, die er durch eine Sulfonal-Vergiftung verloren hatte. Bisher
unveröffentlichte Dokumente zeigen, daß diese Patientin von Freud jahrelang
wegen einer Melancholie mit Hypnose behandelt worden ist und nach einer
manischen Dekompensation in eine Privatirrenanstalt eingewiesen werden
mußte. Freuds Einweisungsschreiben, das Krankenblatt der Anstalt, ein davon
etwas abweichender, veröffentlichter Bericht sowie ein Konsiliarbericht
Meynerts geben Aufschlüsse über die Patientin, ihre Erkrankung und die
Behandlungsversuche sowie über ihre Beziehung zu Freud. Sie hatte eine
therapeutisch damals nicht zu handhabende massiv sexualisierte
Übertragungspsychose entwickelt. Ihr Tod im Jahr 1890 muß für Freud
schwer belastend gewesen sein und hat im Irma-Traum Nachwirkungen
gezeigt.
Summary
In the associations to the Irma-dream Freud mentions his patient called
“Mathilde”, whom he had lost as a consequence of Sulfonal poisoning.
Hitherto unpublished documents show that this patient was treated with
hypnosis by Freud for years on account of melancholy and, following manic
decompensation, had to be admitted to a private institute for the insane.
Freud's letter of commitment, the records of the institute, a published report
deviating from these records as well as Meynert's second opinion give
revealing informations about the patient, her falling ill and efforts at treatment
as well as her relationship to Freud. She had developed a transference
psychosis with massive sexualisation which at that time could not be handled
therapeutically. Her death in 1890 must have been extremely hard to bear for
Freud and showed after-effects in the Irma-dream.

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