Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Studien zu Schaftkronleuchtern
aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts
in Norddeutschland
Textband
Inauguraldissertation
an der
Philosophischen Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel
vorgelegt von
Preetz / Holstein
2004
Erstgutachter: Prof. Dr. U. Albrecht
Zweitgutachter: Prof. Dr. A. von Buttlar
Tag der mündlichen Prüfung: 07.07.2004
Zum Druck genehmigt am: 23.07.2004
Dekan: Prof. Dr. S. Oechsle
alle Rechte vorbehalten
- II -
INGRID († 2000) und FRIEDRICH MASCHER, Preetz
in Dankbarkeit und Liebe gewidmet
- III -
Inhalt
Vorwort
Dank
1. Einleitung.................................................................................................1
1.2 Forschungsgeschichte.........................................................................5
1.2.1 Kronleuchter – Metallgießer........................................................5
1.2.2 Werkstoff und Technik – zur Verbreitung der Kronleuchter............ 28
2. Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze des 16. bis 18. Jahrhunderts
in Norddeutschland.................................................................................. 41
- IV -
3.2.2 Exkurs ................................................................................ 124
3.3 Die Topfigur „Römischer Soldat, Cavallerie“ auf Kronleuchtern ............. 126
4. Unterhänge an Kronleuchtern des 16. und 17. Jahrhunderts aus Metall ......... 160
7. Resümee.............................................................................................. 192
Lebenslauf
-V-
Vorwort
Die vorliegende Studie zu Kronleuchtern aus Metall (Messing und Bronze) des 16. bis
18. Jahrhunderts in Norddeutschland ist unter anderem durch die folgenden Voraus-
setzungen begründet:
Von besonderer Bedeutung für die Wahrnehmung des menschlichen Schaffens und
Lebensraumes nach kunstwissenschaftlichen Kriterien waren vor allem architektur-
historische Lehrveranstaltungen von Herrn Professor Dr. phil. Uwe Albrecht und
Herrn Professor Dr. phil. Adrian von Buttlar am Kunsthistorischen Institut der Chris-
tian-Albrechts-Universität zu Kiel. Gleichfalls prägten dort die Seminare zur Iko-
nographie mittelalterlicher (Grab-)Denkmäler bei Herrn Professor Dr. phil. Wolfgang
J. Müller († 1992) sowie zur Ikonographie barocker Deckenmalerei bei Herrn Profes-
sor Dr. phil. Frank Büttner.
Nach der Auseinandersetzung mit der Gestalt und Bedeutung mittelalterlicher Sak-
ralarchitektur weckte die Beschäftigung mit dem Werk universeller Architekten neben
dem bestehenden Interesse an der Baukunst nicht nur ein solches für Interieurs,
Mobiliar und Materialästhetik, sondern auch für Licht und Beleuchtung.
Beide Bereiche – die Dokumentation von Kunstgut an sich sowie die der Beleuch-
tungskörper und -konzepte im besonderen – werden in ihrer Bedeutung oft unter-
schätzt; sie bilden oftmals nur das Schlusslicht diverser Planungen.
Licht und Schatten tragen aber wie die Architektur und ihre künstlerische Ausgestal-
tung als Teil derselben erheblich zur Ästhetik, zum Charakter der Raumatmosphäre
und damit zur Nutzung, Identitätsstiftung und Erhaltung dieser Zeitdokumente bei.
Seit Ende des vergangenen Jahrhunderts kann eine stärkere Einbindung der Licht-
technik festgestellt werden. Die systematische Inventarisierung der Beleuchtungsge-
räte, respektive Kronleuchter aus Metall mittels aussagekräftiger Fotografien bildet in
den Landesämtern für Denkmalpflege bisher noch eine verhältnismäßig große Lücke,
die es zu schließen gilt.
Denn tatsächlich sind die scheinbar in sicherer Höhe hängenden und so robust wir-
kenden Gusserzeugnisse weder vor den Auswirkungen des Raumklimas und gutge-
meinter, aber nicht immer sachgerechter Handhabung und Pflegemaßnahmen noch
vor Missgeschicken, Diebstahl, mutwilliger Zerstörung oder ignoranter Veräußerung
(in der Vergangenheit) so wenig sicher wie zuweilen anderes Inventar.
- VI -
Anregungen zu einer intensiveren Beschäftigung mit historischen Kronleuchtern aus
Metall in Norddeutschland bieten außer schuldig gebliebene Antworten zur Thematik
während der ergänzenden Inventarisierung kirchlicher Kunst und der oben angespro-
chenen Motivation unter anderem die folgenden Veröffentlichungen: Die Reisebe-
schreibungen „Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft
beim Schah 1633-1639“ von Adam Olearius1 und ferner „Die Bronzetüren des Mittel-
alters“ sowie „Die Türzieher des Mittelalters“ von Mende als Fortsetzung des Corpus-
werkes der mittelalterlichen Bronzegräte, das 1935 von von Falke und von E. Meyer
mit einem Band über Aquamanile und Leuchter begründet wurde.2 Es werden dort
Löwenkopf-Masken als Türzieher in ihrer formgeschichtlichen Entwicklung vorgestellt.
Die Löwenkopf-Maske kommt in etlichen Varianten auch als Unterhang an älteren
Winkelarmkronleuchtern sowie als Maskaron anders platziert an barocken Kronleuch-
tern vor. Dieser Aspekt wurde in der Erforschung der Kronleuchter bisher nicht be-
rücksichtigt. Insofern liegt der Schwerpunkt dieser Studien weniger auf der Typologie
der Kronleuchter an sich, die an anderer Stelle bereits anschaulich beschrieben wird.3
Vielmehr ist das ikonographische Programm, sind die Bekrönungsfiguren und Unter-
hänge der Metallkronleuchter in ihrer (potenziellen religionspolitischen und rechtshis-
torischen) Bedeutung von Interesse. Und dies ist ursächlich in der Erfahrung und des
immer wieder beschäftigenden Spannungsfeldes zwischen einem (material-
)ästhetisch, idealistisch inspiriertem Kunstschaffen und des als Bedeutungsträger
geprägten Lebensumfeldes begründet.
Der zweite Aspekt ist die Faszination für Licht und Schatten als wesentliche Basis für
Leben überhaupt sowie als ein vielfach – insbesondere künstlerisch – instrumentali-
siertes Phänomen.
1
Adam Olearius, Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah
1633-1639, Hg. D. Haberlandt, 1986, S. 251
2
U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters, Berlin 1981 (Bronzegeräte des Mittelalters, Bd. 2). - O.
v. Falke/E. Meyer, Romanische Leuchter und Gefäße, Gießgefäße der Gotik, Berlin 1935 (Bronzege-
räte des Mittelalters. Bd. 1)
3
S. Erixon, Mässing. Svenska Manufakturer och Konsthantverksprodukter under 400 år, Stock-
holm/Malmö 1943.
- VII -
Dank
Mein besonderer Dank gilt allen, die mit Interesse und vielfältiger Unterstützung die
Durchführung dieses Forschungsvorhabens gefördert haben.
Dank gebührt Herrn Professor Dr. phil. Uwe Albrecht, Kunsthistorisches Institut der
Christian-Albrechts-Universität Kiel und Herrn Professor Dr. Phil. Adrian von Buttlar,
Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin für die
fachliche Betreuung.
Sehr zu danken habe ich Firma Benedikt, Lübeck; Werkstatt für Metallgestaltung und
U.-V. Bläse/K.-U. Laas, Plön; Herrn Wolfgang Hofmann, Werkstatt für Metallgestal-
tung und Restaurierung, Wolgast; Herrn Laabs, Werkstatt für Restaurierung, Greifs-
wald; Firma Paul Oehlmann († 1999/2003) & Sohn, Bielefeld; Werkstatt für Metall-
Restaurierung Frau Betina Ross, Hamburg. Die Gewährung der Einblicknahme in Her-
stellungsprozesse und Restaurierungsmaßnahmen sowie die als Arbeitsmaterial zur
Verfügung gestellten Fotografien und Befunddokumentationen waren über die pro-
funden Gespräche und Erfahrungsberichte hinaus überaus förderlich für das Ver-
ständnis der Thematik.
Mein Dank gilt ferner Herrn T. Theise, Regensburg für Empfehlungen zur Lektorie-
rung, den Damen und Herren der Universitätsbibliothek Technische Universität Han-
nover; Frau Renate Oldermann-Meier, Archiv Stift Fischbeck/Hessisch Oldendorf;
Frau Kiesendahl, Fachbibliothek des Instituts für Kunstwissenschaft der Universität
Greifswald; den Damen und Herren der Landesbibliothek Schleswig-Holstein in Kiel
sowie den Damen und Herren der Stadtarchive von Kiel, Lübeck, Mölln und Stralsund
sowie des Kreisarchivs Nordfriesland in Husum; den Herren Robert Gahde M.A. und
B. Utermöhlen, Buxtehude – Archiv der Evangelischen St. Petri-Kirchengemeinde
sowie Stadtarchiv; Frau Büttner, Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg;
Frau Dr. S. Graf, Niedersächsisches Staatsarchiv in Stade; den Damen und Herren
des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs in Schleswig; Herrn Dr. phil. Bern-
hard Heitmann, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg; Herrn Dr. phil. Franz
Leitgeb, Stadtmuseum Graz; den Damen und Herren der Landesämter für Denkmal-
pflege von Brandenburg, Mecklenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sach-
sen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.
Sehr zu danken habe ich Frau I. Gräfin Brockdorff-Ahlefeldt sowie Herrn H. Joswig,
Adeliges Kloster Preetz und Herrn Jochen Storjohann († 2003), Archiv des Adeligen
Klosters Preetz; den Kirchengemeinden der Evangelischen Landeskirche in Berlin-
Brandenburg – hier insbesondere: Alt Placht, Rheinsberg, Gransee/ Sonnenberg,
Wittstock a. D.; den Kirchengemeinden – insbesondere Herrn Pfarrer P. Röthke,
Salzgitter-Ringelheim – sowie dem Amt für Öffentlichkeitsarbeit der Evangelisch-
lutherischen Landeskirche in Braunschweig; den Kirchengemeinden der Evangelisch-
lutherischen Landeskirche Hannovers – hier insbesondere: Berdum, Buxtehude, Ot-
terndorf, Stade, Werdum sowie Herrn Jörg Giermann, Landeskirchliches Archiv der
- VIII -
Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers; der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Mecklenburgs; den Kirchengemeinden der Nordelbischen Evangelisch-
Lutherischen Kirche – hier insbesondere: Bredstedt, Eckernförde, Hattstedt, Kei-
tum/Sylt, Lauenburg, Meldorf, Mölln, Plön, Preetz, Rendsburg sowie Herrn Grützner,
Kirchengemeindearchiv Rendsburg; Schleswig; Kirchenkreisarchiv Eiderstedt; der
Kirchenkreisverwaltung Husum-Bredstedt; den Kirchengemeinden der Pommerschen
Evangelischen Kirche – hier insbesondere: Barth, Bergen/Rügen, Richtenberg sowie
Herrn Pfarrer Christian Tiede, Evangelische St. Jacobi-Kirche Stralsund und den Da-
men und Herren der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Stralsund; der Evangelisch-
Lutherischen Landeskirche Sachsens – hier insbesondere Frau Dietlinde Tesp,
Schmiedeberg/Sachsen; dem Kirchenbuchamt Kirchenkreis Plön; der Evangelischen
Kirche in Dänemark; Herrn Juhan Kilumets, Tallinn/Estland; Herrn Andreas G.
Kamm, Bielefeld; Herrn Wolfgang Gross, Herrn Dr.-Ing. Wilhelm Poser, Frau Ingrid
Wenk, Nordelbisches Kirchenamt Kiel, Frau Dr. phil. Annette Göhres, Frau Prang und
Herrn Ulrich Stenzel, Nordelbisches Kirchenarchiv Kiel; Herrn Dr. phil. Hasso von Po-
ser und Groß Naedlitz, Amt für Kunstpflege des Landeskirchenamtes der Evange-
lisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Mein Dank gilt ferner Frau Dr. phil. Anne Heinig, Kiel für ihre konstruktive Kritik und
Frau Dagmar Rösner M.A., Eckernförde; Frau Frauke Dreyer, Kiel.
Sehr dankbar bin ich Frau Helga Weinhold und Frau Ute Weinhold, Uslar-Ahlbers-
hausen; Frau Käte Bohrdt, Kiel; meinen Schwestern mit ihren Familien. Herzlichst
danke ich meinen Eltern Ingrid († 2000) und Friedrich Mascher, Preetz.
- IX -
Einleitung Seite 1
1. Einleitung
Die unter diesem Titel vorliegende Studie thematisiert das Bildprogramm resp. Be-
krönungen und Unterhänge (früh-)neuzeitlicher Schaftkronleuchter in evangelischen
Kirchen. Deutlich weniger Kronleuchter dieses Typs sind in Sakralgebäuden anderer
Religionsgemeinschaften oder als Inventar bestimmter Korporationen sowie aus Pro-
fangebäuden – wie zum Beispiel Rathäuser und Schlösser – bekannt.5 Dieses Phä-
nomen ist in weiten Teilen verbreitet und bisher nicht in allen Facetten erforscht.6
Die zahlreichen Schaftkronleuchter aus Messing werden in erster Linie als kunst-
handwerklich gestalteter Gebrauchsgegenstand wahrgenommen und nach folgenden
Kriterien beurteilt: Größe, Funktion und Form. Ihre materialtechnische und -ästhe-
tische Verarbeitung kann in Anbetracht des Erhaltungszustandes und aus bloßer An-
schauung nur vage eingeschätzt werden. Selten findet der Motivschatz dieser Be-
leuchtungsgeräte Erwähnung oder die Tatsache, dass Kronleuchter unterschiedlich
motivierte Stiftungen und ursprünglich Halterungen für Wachsabgaben resp. -lichter
sind.
An sich ist der Begriff Kronleuchter abzuleiten von den Worten „corona“, das heißt
Kranz sowie von „leuchten/licht“, das heißt einen Raum mit Licht erfüllen. Dies ist
effektiv möglich mittels eines mehrarmigen Lichtträgers, der frei von einer Raumde-
cke herabhängt.
Die Typologie und Bezeichnung für Kronleuchter orientierte sich daran, dass Archi-
tekturelemente rezipiert und kompositorische Bezugspunkte verändert werden – wie
zum Beispiel morphologisch bei Radleuchtern/Lichtkronen, Tabernakel- oder
Schaftkronleuchtern und im Detail bei Winkelarmkronleuchtern der Renaissance oder
Kugelkronleuchtern des Barock.
4
J. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes in der Auffassung des Mittelalters, 1928, S. 186. Zitat in
Anlehnung an das Buch des Propheten Sacharja im Alten Testament, s. Neue Jerusalemer Bibel,
1985, S. 1347 ff.
5
Siehe amtliche Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler, z. B. Die Kunstdenkmäler der Provinz
Hannover, Stadt Emden, VI. Regierungsbezirk Aurich, 1927, S. 124.
6
S. Erixon, Mässing, Svenska Manufakturer och Konsthantversprodukter under 400 år, 1943.
Einleitung Seite 2
Diese wechselnde Gestaltung spiegelt eine sich wandelnde Vorstellung von Ordnung
wider.
7
Siehe u. a.: Die Denkmäler des Rheinlandes, Kreis Kleve, 1: Altkalkar-Huisberden, 1964, S. 72 und
Abb. 179. Vgl.: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 8, II: Die Kreise Erkelenz und Geilenkir-
chen, 1904, S. 45 f. (S. 288 f.). – K. Jarmuth, 1967, S. 107 f. mit Abb. 91 und 92.
8
R. A. Peltzer, Die Geschichte der Messingindustrie, 1909, S. 69, 137 ff.
9
J. Sauer, 1928, S. 186. – R. Wittkower, Allegorie und der Wandel der Symbole in Antike und Renais-
sance, Köln 1983, S. 56 ff.
10
J. Brinckmann, Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe, 1894, S. 761. – J. Brüning, Der
Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, n.F. 7, 1897, S. 53. Brüning weist darauf hin, dass der Wechsel
von einer Zentral- und einer Bekrönungsfigur bei Kronleuchtern den Charakter des rein Attributiven
vermitteln könne.
Einleitung Seite 3
Die systematische Durchsicht der amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunst-
denkmäler lässt erkennen, dass das ikonographische Programm von Schaftkron-
leuchtern des 16. bis 18. Jahrhunderts mit 39 unterschiedlichen Bekrönungsfiguren
dort weiter gefasst ist, wo die lutherische Glaubenslehre praktiziert wird als in calvi-
nistisch geprägten Gebieten – wie zum Beispiel in den Niederlanden.11
11
Siehe u. a.: De Nederlandsche Monumenten van geschiedenis en kunst, T. IV, 1971, S. 20, 39. –
Weitere Kunstdenkmälerinventare s. Literaturverzeichnis.
12
H. Spielmann, Die Kerzenkrone der Renaissance und des Barock im Ostseegebiet, Greifswald 1956
(Diplomarbeit Greifswald 1956, maschinegeschrieben).
13
H. W. Singer, Die Kleinmeister, 1908.
14
Vgl.: Inschrift eines Schaftkronleuchters der ev. Kirche in Esens, Niedersachsen.
15
K. Jarmuth, 1967. – Zu: Mobilität, s. u. a. Dokumentation von Kronleuchter-Inschriften in amtlichen
Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler.
16
N. Mont (Hg.), Die Kultur des Humanismus: Reden, Briefe, Traktate, Gespräche von Petrarca bis
Kepler, München 1998, S. 25.
Einleitung Seite 4
heit“, der mit der von Martin Luther (1483-1546) und Johannes Calvin (1509-1564)
maßgeblich geprägten theologischen Rechtfertigungslehre „simul iustus et peccator“,
das heißt „Gerechterklärung“ des (sündigen) Menschen seitens Gott, verbreitet wird
und in Norddeutschland der allmählich Fuß fassenden lutherischen Zwei-Reiche-
Lehre Rechnung trägt. Sie nimmt mit der Herausbildung von Territorialstaaten in Ab-
lösung des zentralistischen, universalistischen Heiligen Römischen Reiches Deutscher
Nation und mit der phasenverschobenen Einführung der Evangelischen Kirchenord-
nung in Norddeutschland Gestalt an.
Die Bekrönungen: Römischer Soldat, Büttel, Landsknecht und Wilde Leute auf (früh-)
neuzeitlichen Schaftkronleuchtern aus Messing in evangelischen Kirchen Nord-
deutschlands und der benachbarten Staaten scheinen religionspolitische Auseinan-
dersetzungen und daraus resultierende Entwicklungen über den Dreißigjährigen
Krieg (1618-1648) hinaus zu dokumentieren und Zeichensprache zu sein.
Mit einer Gesamtstückzahl von mehr als 700 amtlich inventarisierten Schaftkron-
leuchtern des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland – und im Rahmen der
vorliegenden Kronleuchterstudie kartographisch dargestellt17 – repräsentieren diese
die quantitativ und qualitativ sehr unterschiedlichen Bestände (Minimum ca. 30, Ma-
ximum ca. 300) der nördlichen Bundesländer Deutschlands: Nordrhein-Westfalen,
die Hansestädte Bremen und Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und den Norden Brandenburgs – und als Stiftun-
gen in evangelischen Kirchen insoweit eine ähnliche Größenordnung wie in Dänemark
oder Schweden.
Unter den inventarisierten Schaftkronleuchtern aus Messing befinden sich nur wenige
Beispiele, die mittels Marke, Stempel oder Namen der Kunsthandwerker gekenn-
zeichnet sind. Und aus der Vielzahl unsignierter Exemplare können kaum kongruente
Arbeiten ermittelt werden, so dass auch Werkstattzuschreibungen nach wie vor ein
Forschungsdesiderat darstellen.
17
Diese Verbreitungskarte (Maßstab 1 : 750.000) ist als Anhang zum Bildband der vorliegenden Kron-
leuchterstudie nur in der Christian-Albrechts-Universität Kiel verfügbar und bildet die Grundlage der
digitalisierten Übersichtskarte.
Einleitung Seite 5
1.2 Forschungsgeschichte
Eine frühe Darstellung zum Thema Hängeleuchter erschien 1864: „Der Kronleuchter
Kaiser Friedrich Barbarossas im Aachener Münster und die formverwandten Lichtkro-
nen.“20 Der Titel des Werkes nimmt mit den Termini technici „Kronleuchter“ und
„Lichterkrone“ Ansätze einer Typologie vorweg, die für das Verständnis von histori-
schen Hängeleuchtern und ihre weitere Dokumentation und Erforschung richtungwei-
send ist. Annähernd 150 Jahre vorher vermittelte eine Definition des Begriffs „Kron-
leuchter“, dass es sich um einen von der Decke eines Raumes frei herabhängenden
Leuchter mit mehreren Armen und Lichtquellen handelt.21
Neben dieser und weiteren, jüngeren Dokumentationen aus dem In- und Ausland
sowie entsprechenden Handbüchern zu Kunstgewerbe und kirchlicher Kunst, die Bei-
spiele von Kronleuchtern enthalten, kommen verstärkt in den ersten drei Vierteln des
20. Jahrhunderts Beiträge oder Monographien zur Geschichte der Messingindustrie
sowie zur Kulturgeschichte und Typologie der Beleuchtungsgeräte heraus. Außerdem
erscheinen materialkundliche und materialikonographische, theologisch orientierte
oder sozialgeschichtliche Studien, die für die Erforschung der Schaft-Kronleuchter
aus Metall (Messing) nützlich sind. Nicht zuletzt tragen letztere als Materialsammlun-
gen dazu bei, die besonderen Voraussetzungen und Organisationsformen des Hand-
werks der Metallgießerei aufzuzeigen. Sie können so wertvolle Hintergrundinformati-
onen zur historischen Metallverarbeitung, gegebenenfalls auch zur Entstehung von
18
K. Jarmuth, 1967, S. 160 ff.
19
Einzelne Titel und Themen werden im Anschluss an diese Übersicht ausführlich vorgestellt.
20
F. Bock, Der Kronleuchter Kaiser Friedrich Barbarossas im Karolingischen Münster zu Aachen und die
formverwandten Lichterkronen zu Hildesheim und Comburg, nebst zwanzig erklärenden Holzschnit-
ten und sechzehn von den Original-Kupferplatten des Aachener Kronleuchters., Leipzig 1864.
21
Großes Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste. Bd. VI, Halle/Leipzig 1733, Sp. 1722.
Einleitung Seite 6
Eine Untersuchung von 1874 zur ältesten Hamburger Zunftrolle, die einen Abschnitt
der Gewerbegeschichte Hamburgs vom 13. Jahrhundert bis zum Jahre 1603 reprä-
sentiert und als Schwerpunkt niederdeutscher Rollen gilt, spricht auf die Lübeckische
Zunftrolle als Vorbild an. Die Berücksichtigung dessen wie auch die Verbindung der
Ämter der Rotgießer und der Kannengießer zur Brüderschaft St. Marien in Hamburg
erscheint über die Tatsache der gemeinsamen Morgensprache, d.h. Zunftversamm-
lung, hinaus als hilfreicher Hinweis für Erkenntnisse über den Charakter historischer
Werkstätten der Metallverarbeitung. Der dort gepflegte Gemeinschaftssinn beinhaltet
unter anderem eine würdige Ausstattung der Kirche, da die Bruderschaft es als
Hauptanliegen betrachtete, für ein angemessenes Begräbnis ihrer Mitglieder zu sor-
gen. Das ist hinsichtlich des Themas Kronleuchter insofern von Interesse, als mittel-
alterliche Marienleuchter als Ausstattung oder Stiftung von Kalandsbruderschaften
genannt werden und neuzeitliche Schaftkronleuchter inschriftlich häufig als Stiftun-
gen diverser Handwerksämter ausgewiesen sind. Letzteres geht teils aus Inschriften,
teils aus entsprechenden Darstellungen oder aus den älteren amtlichen Länderinven-
taren der Bau- und Kunstdenkmäler hervor.24
22
H. Pohl, Kupfergewinnung, Kupferverarbeitung und Kupferhandel im Aachen-Stolberger Raum von
1500 bis 1650, in: Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa 1500-1650.
Hg. Hermann Kellenbenz (1977), Kölner Kolloquien zur internationalen Sozial- und Wirtschaftsge-
schichte, Bd. 3.
23
H. Spielmann, Die Kerzenkrone der Renaissance und des Barock im Ostseegebiet, 1956.
24
O. Rüdiger, Die ältesten Hamburgischen Zunftrollen und Brüderschaftsstatuten. Gesammelt und mit
Glossar versehen. Hg. Bürgermeister Kellinghusens Stiftung, Hamburg 1874. S. VII. – Vgl. K. Hüse-
ler, Das Amt der Rotgießer. Hamburg 1922. S. 12. – Siehe z. B., Die Kunstdenkmäler des Kreises
Rügen/Bezirk Rostock, Bd. 1, Leipzig 1963, S. 85 ff. – M. Berwing, Preetzer Schuhmacher und ihre
Gesellen 1750-1900, Aufschlüsse aus Archivalien, Neumünster 1983, S. 67 f., Abb. 3-5.
Einleitung Seite 7
Erwähnt und zum Teil fotografisch oder als Zeichnung abgebildet werden Kronleuch-
ter 1883 im „Handbuch der kirchlichen Kunst-Archäologie des deutschen Mittelal-
ters“25 und 1888 in der „Geschichte des deutschen Kunstgewerbes“26. Diese Publika-
tionen vermitteln weniger einen Überblick über das Spektrum an Bekrönungsfiguren
auf historischen Schaftkronleuchtern aus Metall, wie es bei Brüning anklingt.27
Dies ändert sich mit der zunehmenden Inventarisierung der Bau- und Kunstdenkmä-
ler in den Städten sowie in den damaligen Provinzen und Herzogtümern, wo die im
Entstehen begriffenen amtlichen Länderinventare bereits um die Jahrhundertwende
eine gewisse Übersicht über die jeweiligen Bestände an Messingkronleuchtern geben.
Bereits 1889 erscheint ein Aufsatz „Zur Geschichte der Nürnberger Rotschmiede“.28
Hier werden im Zusammenhang mit der Feststellung, dass Rotschmiede erst im
15. Jahrhundert als selbstständiges Gewerbe in Nürnberg auftreten, bestimmte
Rechte und eine besondere Stellung der Rotgießer beschrieben. Diese bestanden un-
ter anderem in der freien Wahl der Meisterstücke und zugleich in der Bindung, diese
in Werkstätten geschworener Meister auszuführen, sowie in der Reglementierung der
Ortsansässigkeit oder auswärtiger Kontakte.
Es heißt, dass die Nürnberger Rotgießer wesentlich vom Bronzeguss der Erzgießer-
familie Vischer (1450-1550) geprägt seien. Zugleich werden Auseinandersetzungen
um Abgrenzungen hinsichtlich der Aufgabengebiete anderer Metallgießer konstatiert.
25
H. Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters, 2 Bde., 5. Aufl. Leip-
zig 1883, s. insbes. Bd. 1, S. 156.
26
J. v. Falke, Geschichte des deutschen Kunstgewerbes, Berlin 1888, S. 142 f.
27
A. Brüning, Der Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, N.F. 8, Hg. K. Hoffacker, 1897, S. 55.
28
Zur Geschichte der Nürnberger Rotschmiede, in: Mus.-Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürn-
berg, 1889, S. 6–15.
29
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Bd. I: Bezirk Magdeburg, 2.
Aufl., 1990, S. 146, 178, 350. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg,
Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, 1980, S. 358.
30
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg, Unveränd. Nachdruck des Bandes
„Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin“, München/Berlin 1980, S. 358.
Einleitung Seite 8
Im Jahre 1890 erscheinen in „Bremische Werkmeister aus älterer Zeit“ die Namen
von Metallgießern.31 Die Personennamen stehen hier – wie auch in jüngeren Publika-
tionen – weniger im Zusammenhang stilkritischer Untersuchungen zu Kronleuchtern,
sie sind vielmehr Resultat des Aktenstudiums, das in der Regel kaum Aufschluss über
die Urheberschaft des Formen- und Motivschatzes von Leuchtern gibt. Aber es wer-
den anhand dieses Verzeichnisses Aufgabenbereiche des Metallgewerbes und mögli-
che Ortsbezüge deutlich, denn gelegentlich finden sich Hinweise, welcher Rotgießer
in welchem Zeitraum Leuchter angefertigt und/oder repariert hat. In Verbindung mit
anderen, vergleichbaren lokalhistorischen Studien zum Amt der Rotgießer könnte
dies eine Vorstellung vom Anteil der Metallgießer an der Entstehung, Verbreitung und
Veränderung von Kronleuchtern – insbesondere des 16. und 17. Jahrhunderts –
vermitteln.
In den einzelnen amtlichen Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler seit der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute sind Kronleuchter aus Metall sehr un-
terschiedlich dokumentiert. Neben ausführlichen und differenzierenden Dokumentati-
onen kommen diese Beschreibungen vor: „en lysekroner med ... plader og anden
zirat“32 – „Zwei messingne Kronleuchter im Schiff, mit Doppeladler, zeigen die übli-
chen Renaissanceformen.“33 – „ein eleganter Kronleuchter von Messing mit Inschrift
aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts“34.
Die Tatsache immer wiederkehrender Formen und die Wiederholung einiger Motive
schließt Varietät nicht aus. So können Kronleuchter aus Metall auch angesichts tradi-
tioneller Konstruktion und Morphologie je nach Auswahl und Komposition der Motive
sehr unterschiedlich sein und wirken. Von Interesse ist auch, welche Gestalten die
zum Teil allein als weiblich oder männlich bezeichneten Figurentypen tatsächlich ver-
körpern.
Hinsichtlich der Fragen zur Ikonographie der christlich deutbaren Topfiguren auf
Schaftkronleuchtern aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts beschäftigen die zur
Beschreibung und Identifikation der Figur herangezogenen Kriterien.
31
J. Focke, Bremische Werkmeister aus älterer Zeit. Als Beitrag zur Nordwestdeutschen Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Bremen, Bremen 1890. – H. Fatthauer, Die Bremischen Metallgewerbe vom
16. bis zum 19. Jahrhundert, in: Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt
Bremen (1936).
32
Danmarks Kirker, København, Bd. 1. Hg. Nationalmuseum Kopenhagen 1945–1958, S. 698. Insge-
samt aber sind insbesondere Art der Bekrönungen und Unterhänge sowie Inschriften gut dokumen-
tiert.
33
Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. 6, Teil 1. Kreis Lebus, Berlin 1909, S. 84. – Das
Zitat zeigt, dass dieser Angabe nicht zu entnehmen ist, ob der Schaft der Kronleuchter aus einer Ba-
lusterform oder Kugelkolonnaden besteht, ob die Enden der Leuchterarme gewinkelt und mit einge-
stellten Rosetten oder lanzettlichen Blüten oder anstelle dessen aufgebogen und mit Masken verziert
sind. Da im Rahmen dieser Studie festgestellt wurde, dass die Bestände amtlicher Fotodokumentati-
onen von Kronleuchtern tendenziell unzureichend sind – nicht zuletzt infolge des Ersten und Zweiten
Weltkrieges – und die Inventarisierung kirchlicher Kunst seitens einiger Landeskirchen nicht begon-
nen, fortgesetzt oder abgeschlossen ist, erfordert dies einen zusätzlichen persönlichen Einsatz. Und
ohne das freundliche Entgegenkommen der Restauratoren/Restauratorinnen könnten etliche der in-
ventarisierten Kronleuchter als weitere Quelle bei Werkstattzuschreibungen oder anderer Forschun-
gen kaum berücksichtigt werden.
34
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen, H. 1, Das Samland, Königsberg 1891, S. 70.
Einleitung Seite 9
35
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-Holstein, 1994, S. 378,
783, 293, 217. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Bd. I, Der
Bezirk Magdeburg, 2. Aufl., 1990, S. 57. – Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler der Provinz Sachsen XXIII. Heft. Kreise Halberstadt Land und Stadt. Halle/S. 1902,
S. 374: „Von zwei messingenen Kronleuchtern, deren einer von 1692 datiert ist, der andere aus der-
selben Zeit herrührt, hat der erstere acht Arme um die Kugel herum; der andere deren vierzehn in
zwei Etagen. Als Henkel dient dem ersteren ein Mann zu Rosse, dem zweiten ein nackter Mann mit
einem Schwerte, der auf einem Adler reitet.“ Das Schwert ist für die Darstellung Jupiter auf Adler
ungewöhnlich und dürfte eine freie Ergänzung sein. Die andere Beschreibung setzt eine gewisse
Denkmälerkenntnis voraus, um hier anhand anderer Kronleuchter des 17. Jahrhunderts – zum Bei-
spiel Estebrügge/Niedersachsen – eine Gestaltung als anitkisierend römischer Soldat anzunehmen.
36
H. Saebens/C. Matthias-Schröder, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Oldenburg, Heft V,
Die Ämter Brake, Butjadingen, Varel, Jever und Rüstringen, Oldenburg 1909. – Vgl. H. Saebens/C.
Matthias-Schröder, Die Kirchen des Jeverlandes, Jever 1956, Abb. Die rohe Elektrifizierung der Kron-
leuchter spricht für eine nachträgliche Veränderung dieser ursprünglich für Wachslichter eingerichte-
ten Beleuchtungsgeräte. Hier wären weitere Recherchen erforderlich. – Hinsichtlich der Frage zur Au-
thentizität der Kronleuchterfiguren „hl. Nikolaus“ oder „Christusbild“, s. Georg Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-Holstein 1994, S. 292, 378 und 783. Vgl. Die
Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Stadt Schleswig, Bd. 2, Der Dom und der ehemalige
Dombezirk, 1963, S. 494 ff., insbes. S. 495.
37
Europäisches Kunsthandwerk aus Bronze, Messing, Kupfer und Eisen vom 12. bis 19. Jahrhundert,
Bestandskatalog des Museums für Kunsthandwerk/Grassimuseum Leipzig (1996).
Einleitung Seite 10
Eine äußerst hilfreiche Arbeitsgrundlage bilden unter den oben genannten amtlichen
Länderinventaren jene, die bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Vollinventare
der Bau- und Kunstdenkmäler angelegt worden sind. Sie enthalten in der Regel aus-
führliche, teils metrische Objektbeschreibungen mit der Wiedergabe vorhandener In-
schriften und Hinweise auf weiterführendes Schrifttum. Ferner werden gelegentlich
Analogien angedeutet. Die Gesamt- oder Detailaufnahmen von Kronleuchtern sind
überwiegend aussagekräftig, doch proportional zum Gesamtbestand der inventari-
sierten Kronleuchter und ihres Formenrepertoires sowie Motivschatzes eindeutig un-
terrepräsentiert.
Die Inventarisierung kirchlichen Kunstgutes seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
beinhaltet neben der deskriptiven und metrischen Erfassung als Aktualisierung und
Ergänzung der besagten amtlichen Länderinventare insbesondere eine systematische
fotografische Dokumentation. Hinzu kommt die Neuerfassung bisher nicht inventari-
sierter und/oder neu hinzugekommener Kunstgüter, um so die unentbehrliche Auf-
gabe der Dokumentation fortzuführen.39
38
Zu dieser Erkenntnis führt die persönliche Durchsicht der ortsalphabetischen Fotokarteien der Lan-
desämter für Denkmalpflege von Brandenburg (1999) sowie Schleswig-Holstein (M. 1990er Jahre).
Und auch die Ergebnisse der diesbezüglich schriftlichen Anfragen (2002) an die entsprechenden In-
stitutionen in Dresden, Hamburg, Münster und Schwerin lassen diesen Rückschluss zu. – Siehe ein-
zelne amtliche Länderinventare im Literaturverzeichnis. – Wertvolle Erkenntnisse sind aus den Do-
kumentationen zu einzelnen Restaurierungsmaßnahmen an Kronleuchtern der Werkstätten für Me-
tallgestaltung W. Hofmann in Wolgast sowie B. Ross in Hamburg sowie anhand einiger Arbeitsauf-
nahmen der Firma P. Oehlmann & Sohn in Bielefeld zu gewinnen.
39
Nähere Auskünfte dazu sind in der Regel über die Referate für Gebäudeplanung und/oder kirchliche
Kunst der Aufsicht führenden Kirchenbehörden erhältlich.
Einleitung Seite 11
In der „Geschichte der technischen Künste“ von 1893 stehen unterschiedliche Gefäße
und Gerätschaften aus Bronze, Kupfer oder Zinn des Mittelalters sowie der Neuzeit
im Mittelpunkt. Die komprimierte Zusammenfassung zu Metallgießern, Objekten und
Daten gibt wichtige Anhaltspunkte.41
1894 spricht Justus Brinckmann – wie viele nach ihm – die kulturgeschichtliche Be-
deutung der Leuchter an, ohne neben typologischen Aspekten zu Leuchterstamm
und Leuchterarmen auf Weiteres einzugehen. Aber er weist auf die besonderen Leis-
tungen der Gelbgießer in Hamburg hin.42
Ähnliche Ansätze wie bei d’Allemagne finden sich 1897 im Beitrag „Der Kronleuchter“
von Brüning für das Kunstgewerbeblatt.43 Die dort skizzierte Typologie der Kron-
leuchter enthält Deutungen, die für die weitere kunstwissenschaftliche Erforschung
dieser Beleuchtungsgeräte prägend zu sein scheinen.
40
H. R. d’Allemagne, Histoire du luminaire, Paris 1891, S. 141. – « Le plus souvent ces chandeliers
(14.–16. Jahrhundert) représentent des hommes sauvages ... M. de Longperrier a fait à ce sujet une
très interessante étude et il est le premier qui ait véritablement résolu cette question. Le sauvage
velu, dit-il, est une création contemporaine de la chevaliers une fois les paladins errants inventés, il
leur a fallu des adversaires en dehors des données communes de l’humanité. Cette villosité, symbole
de force ... » – Vgl. A. Spamer, Die wilden Leute in Sage und Bild (Bericht über den Vortrag am 18.
April 1911), in: Volkskunde und Volkskunst, 9. Jg. Nr. 11/12, München 1911. – R. Bernheimer, Wild
men in the Middle Ages. Cambridge/Mass. 1952 – s. Vorlage S. 34. – L. Möller, Die wilden Leute des
Mittelalters, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (1963). – Dies., Zwei Anmerkun-
gen zum Wilde-Leute-Thema in der niederländischen Kunst, in: Nordelbingen 34 (1965), S. 56–66. –
J. Schewe, Wilde Leute, in: LCI, Bd. 4, Sonderausgabe, Freiburg/Br. 1994, Sp. 531. – D. Kremers,
Der „Rasende Roland“ des Ludovico Ariosto, Aufbau und Weltbild, Mainz 1973. – N. Schindler, Wider-
spenstige Leute, Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit, Frankfurt/M. o.J.
41
B. Bucher (Hg.), Geschichte der technischen Künste, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1893, S. 93.
42
J. Brinckmann, Führer durch das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe zugleich ein Hand-
buch der Geschichte des Kunstgewerbes, Hamburg 1894, S. 760 f.
43
A. Brüning, Der Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, N.F. 8, Leipzig 1897, S. 55.
Einleitung Seite 12
Insbesondere die Jahrbücher und Kataloge der Museen für Kunsthandwerk enthalten
um die Jahrhundertwende und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufiger
Informationen zu Kronleuchtern oder ihren Fragmenten. In der Regel ist die Prove-
nienz der museal bewahrten Objekte nicht klar einzugrenzen.
Lüer und Creutz nehmen im ersten Band „Kunstgeschichte der unedlen Metalle“ ihres
zweibändigen Werkes „Geschichte der Metallkunst“ (1904) besondere Kronleuchter in
Europa als beispielhafte Leistungen in der Verarbeitung von Buntmetallen auf. Die
nach Epochen und Länder gegliederte Darstellung vermittelt einen Eindruck von der
Verbreitung der Kronleuchter und ist maßgeblich für einen Teil jüngerer Fachpublika-
tionen auf diesem Sektor.46 Als wertvolle Grundlage für weitere Forschungen könnten
sich die darin erwähnten Namen von Metallgießern erweisen. Die in groben Zügen
skizzierte Stil- und Materialentwicklung mit Hinweisen auf die gegensätzliche Ent-
wicklung des Bronze- und Messinggusses im nördlichen Deutschland gegenüber jener
im südlichen enthält nur wenige detaillierte Angaben zur Gestaltung einzelner Kron-
leuchter.47 Die Äußerung, dass unter den Armkronleuchtern des 15. Jahrhunderts in
44
HSTA Rep. 16, 263, J. Mitzken, Protokoll 1720.
45
R.A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing (Dinande-
ries) in Aachen und den Ländern zwischen Maas und Rhein von der Römerzeit bis zur Gegenwart,
1909
46
H. Lüer/M. Creutz, Kunstgeschichte der unedlen Metalle, Bd.1, in: Geschichte der Metallkunst, 2
Bde., Stuttgart 1905. – Siehe auch H. Lüer, Technik der Bronzeplastik, Leipzig 1902 sowie Ders.,
Kronleuchter & Laternen, Vorbilderhefte aus dem Königlichen Kunstgewerbemuseum, H. 31, Hg. J.
Lessing, Berlin 1903.
47
H. Lüer/M. Creutz, Kunstgeschichte der unedlen Metalle, Bd. 1, Stuttgart 1904, S. 399 u. 494: „16.
Jahrhundert. Hatte noch im 15. Jahrhundert der deutsche Norden einschließlich der Niederlande der
Zahl der geschaffenen Werke nach das südliche Deutschland unendlich überwogen, und war er mit
seinen besten Leistungen künstlerisch nicht dahinter zurückgeblieben, so ist nun für Jahrhunderte
ein Niedergang der Erzgießkunst im Norden unverkennbar,...“ In Bezug auf die Kleingeräte aus Mes-
sing (S. 492) heißt es auf S. 494: „Vielleicht darf man sagen, dass die schönsten Beispiele in den
deutschen Küstenländern entstanden sind.“ – Siehe ebd. S. 369. – Vgl. Waase/Ummanz, Kronleuch-
ter, 15. Jahrhundert: Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirkes Stralsund, H. IV, Der Kreis Rügen,
Stettin 1897, S. 362 sowie: Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen, Bezirk Rostock, Bd. 1, Leipzig
1963, S. 617 u. Taf. 129. – Vgl. Danmarks Kirker, Aarhus Amt, Bd. 3, Kopenhagen 1976, S. 1178 u.
1180: Aarhus, Frauenkirche, Tabernakelkronleuchter mit Hl. Georg, 15. Jahrhundert. – S. Erixon,
Lysekroner av mässing, o.O. 1965, S. 11. Sireköpings kyrka, Skane, Tabernakelkronleuchter, 15.
Jahrhundert.
Einleitung Seite 13
Norddeutschland nur der im Rathaus zu Goslar von einiger Bedeutung sei, findet mit
der Abbildung dieses Exemplars in der „Illustrierte[n] Geschichte des Kunstgewer-
bes“ (1909) eine Bestätigung48, ist aber zu relativieren. Die seit der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts durchgeführte Inventarisierung der Bau- und Kunstdenkmäler
erbrachte eine Erweiterung der Denkmälerkenntnis.
Diese Äußerung im Jahre 1904 von Lüer und Creutz veranlasst Griep noch Anfang
der 1960er Jahre , eine Sonderstellung des Goslarer Leuchters anzunehmen.49 Im
Hinblick auf das Pendant in Münnerstadt wurde das Goslarer Exemplar auch metal-
lurgisch untersucht. Sowohl der Aufbau dieses Leuchters – insbesondere die Verwen-
dung zweier Statuetten: eine Muttergottes innerhalb der zentralen Kapelle und eine
Bischofsfigur darüber – als auch potentielle Verbindungen zum Rammelsberger Berg-
bau im Harz unterstützen diese Beurteilung einer Sonderstellung bedingt. Demge-
genüber ist von einem Tabernakelkronleuchter der Spätgotik in Waase/Ummanz (In-
sel Rügen), der in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wurde, „nicht bekannt“,
dass dessen Marien-Statuette erneuert wurde – im Gegensatz zum Beispiel in Goslar.
Dort heißt es, dass die seit 1819 fehlende Zentralfigur im Jahre 1871 ergänzt wurde.
Als ein in jüngere Zeit datiertes Exemplar, wo eine Zentral- und eine Bekrönungsfi-
gur einen Kronleuchter zieren, wäre der sogenannte Karls-Leuchter (vor/um 1628)
aus und in Aachen zu nennen.50 Anstelle einer Muttergottes im Zentrum des Kron-
leuchters erscheint hier ein geharnischter Krieger in Rennzeug. Die Statuette des
Salvator mundi bekrönt den Aufbau des Leuchters, wo in einem Kranz die Apostel
zwischen diesen beiden Figuren vermitteln. Hier ist die Bedeutung des Kronleuchters,
dessen Gewicht auf 500 Pfund und dessen Wert damals auf 350 Taler geschätzt wird,
aufschlussreich, da er ein Medium zur Bewältigung eines Interessenkonfliktes zwi-
schen Kaiser, Jesuiten und Protestanten hinsichtlich der Ansprüche an Grund und
Boden sowie dessen Bewirtschaftung darstellt. Eine Konfrontation, die auch für ältere
Kronleuchter auf einer anderen Ebene bestimmend erscheint.
Die Äußerung von Lüer und Creutz, „dass im 16. Jahrhundert im Norden Deutsch-
lands nichts Hervorragendes entstanden ist“51, ist angesichts des fehlenden Nachwei-
48
O. v. Falke, Das spätgotische Kunstgewerbe im 15. Jahrhundert, E. Eisen, Erz, Zinn, in: Illustrierte
Geschichte des Kunstgewerbes, 2 Bde., Hg. G. Lehnert, Berlin 1909, Bd. 1, S. 405 ff. – insbes.
S. 410 f.
49
H.-G. Griep, Ein Goslarer Kronleuchter in Münnerstadt, in: Harz-Zeitschrift, Jg. 13, Hg. K. W. San-
ders, Bad Harzburg 1961, S. 103–117 mit Bildtafeln, s. insbes. S. 106 (Ergänzung Zentralfigur) und
S. 110 ff. (Verhüttung und Aufbereitung der Erze). – Nach Angabe des Verfassers dieses Textbeitra-
ges handelt es sich dabei um eine Neufassung des gleichnamigen Aufsatzes von V. C. Habicht, Han-
nover.
50
R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing (Dinande-
ries) in Aachen und den Ländern zwischen Maas und Rhein von der Römerzeit bis zur Gegenwart (Mit
13 Abbildungen), Aachen 1909, S. 28, 128, 130 u. Taf. 8. – Zur Bedeutung des Nürnberger Mes-
singgusses, s. H. Stafski, Der künstlerische Messingguss, in: Nürnberg – Geschichte einer europäi-
schen Stadt, Hg. G. Pfeiffer, München 1971, S. 229–235.
51
H. Lüer/M. Creutz (1904), Bd. 1, S. 455. Diese Äußerung, die allen voran auf den Bronzeguss des
16. Jahrhunderts gemünzt ist, lässt eine Gegenüberstellung mit regionalen Erzeugnissen – wie zum
Beispiel in Mölln/Schleswig-Holstein, Ev. St. Nikolaikirche, Bronzetaufe (1509) von Peter Wulf, Lü-
beck oder in Plau/Mecklenburg, Ev. Stadtkirche, Bronzefünte (1570), Rotgießer Evert Wichtendahl aus
Plau zugeschrieben – vermissen. Siehe G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Ham-
Einleitung Seite 14
ses und der in dieser Kronleuchterstudie exemplarisch genannten Objekte aus Metall
in Norddeutschland vorerst nicht haltbar. In Hinsicht auf die so genannten schönen
Kleingeräte aus Messing wäre allerdings eine Präzisierung erforderlich. So wären
Wandleuchter unter diesem Gesichtspunkt zu untersuchen – unter anderen jene des
Hans Meißner aus Braunschweig in der Evangelischen Stephanikirche in Oster-
wiek/Sachsen-Anhalt von 1567 oder die des Dominicus Slodt in der Evangelischen
St. Marien-Kirchen in Barth/Mecklenburg-Vorpommern von 1588. Als weitere Bei-
spiele sind zu nennen: Stralsund, Evangelische St. Marien-Kirche, „Salvator mundi“,
1557; Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische St. Severi-Kirche, „Büttel“, 1572;
Buxtehude/Niedersachsen, Evangelische St. Petri-Kirche, „gekrönter, heraldischer
Doppel-Adler“, 1589 von Hans Bars; Barth, Evangelische St. Marien-Kirche, „Greif“
1589/1590 von Dominicus Slodt.52
Gleichwohl ließen sich bisher weder persönliche Daten noch die Wirkungskreise die-
ser Metallgießer ermitteln. Tatsächlich muten die vielfach stereotypen Bekrönungsfi-
guren etlicher anderer Schaftkronleuchter dieser Zeit zunächst wie unbedeutende
Serienprodukte an. Außer einer formalen Gruppenzugehörigkeit – die zu definieren
ist – sind sie häufig nur anhand geringfügiger Unterschiede in der Modellierung oder
der Weiterbearbeitung mittels Gravuren zu differenzieren. Und diese lassen in ihrer
teils minimalistischen, teils dominierenden Ausführung zunächst keinen größeren
kunsthandwerklichen Anspruch erkennen. Diesen sprechen Lüer und Creuz in ihrem
Hinweis auf den Anteil Nürnbergs an der Entstehung von Messingkronleuchtern des
17. Jahrhunderts in Reval und Rostock indirekt an.
burg, Schleswig-Holstein (1994), S. 630. – Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzog-
tums Mecklenburg-Schwerin, IV. Band, 2. Aufl., Schwerin i. M. 1901. – G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg (1980), S. 274.
52
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Kunstdenkmäler, Der Bezirk
Magdeburg (1974), S. 323. – Mit Ausnahme einer Rechnung, Register vom 20. Juli 1602 im Archiv
der Ev. St. Marien-Kirche in Barth, s. Anhang 1–3 und als Mitsiegler einer im Stadtarchiv der Hanse-
stadt Stralsund bewahrten Urkunde von 1594 konnten bisher keine weiteren Angaben zur Person des
Dominicus Slodt ermittelt werden – auch nicht unter Berücksichtigung einer unterschiedlichen
Schreibweise des Namens, s. HSTA St. Marien 157, Urkunde.
53
H. E. Benesch, Das Beleuchtungswesen vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, in: RDK, Bd. 2,
Wiesbaden 1905.
54
H. Bergner, Handbuch der kirchlichen Kunstaltertümer in Deutschland, Leipzig 1905, S. 338 ff. –
Ders., Ausstattung, kirchliche, in: RGG I (1909), S. 811–813.
Einleitung Seite 15
R. A. Peltzer beschreibt 1909 die „Geschichte der Messingindustrie und der künstleri-
schen Arbeiten in Messing (Dinanderies) in Aachen und den Ländern zwischen Maas
und Rhein von den Römern bis zur Gegenwart“. Hier finden sich nützliche Angaben
zur Beschaffenheit der Werkstoffe mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass „Dinande-
ries“ den Werkstoff Messing und als Bearbeitungstechnik an sich keinen Messing-
guss, sondern Treibarbeiten bezeichnet. Darüber hinaus ist Wesentliches zur Bedeu-
tung dieses Werkstoffes für Wirtschaft und Politik zu erfahren. Etliche Quellentexte
im Anhang stützen Peltzers ausführliche Darstellung. Der Intention dieser Publikation
entsprechend ergänzt eine Auswahl abgebildeter Leuchter die an anderer Stelle ge-
nannten Beispiele.
Die Vergegenwärtigung der Themenstellung ist wichtig, um den folgenden Satz als
Grenze der Recherche und nicht als Grenze der Verbreitung von Metall-Kronleuchtern
zu verstehen: „Eine besondere Zierde der meisten Kirchen Westdeutschlands, Bel-
giens und der Niederlande bilden noch heute jene effektvollen messingnen Kron-
leuchter, welche im 15. Jahrhundert entstanden.“56 Denn die – siebzehn Seiten wei-
ter in Kapitel VI des Werkes dargestellten – Zusammenhänge zwischen der Auswan-
derung protestantischer Kupfermeister und den Auswirkungen der Gegenreformation
am Beispiel des Niedergangs der Aachener und des Aufblühens der Stolberger Mes-
singindustrie finden auch später in Stralsund eine gewisse Entsprechung.
So kann im Rahmen der hier vorliegenden Studie ein bisher unveröffentlichtes Proto-
koll des Jahres 1720 vorgestellt werden, das Auskunft über das Bestreben des Glo-
cken- und Rotgießers Jochim Nitzken aus Nürnberg gibt, Meister in Stralsund zu
werden. Im Zuge der Befragung durch Senat und Polizei der Hansestadt beschreibt
er die Stationen seiner 11-jährigen Wanderung zwischen Italien und Dänemark, und
es wird notiert: „... in Wien hatte er auch 6 Wochen gearbeitet, weil aber die Catholi-
sche Religion floriret, hätte er nicht länger sich da auffhalten wollen von da wärr er
nach Breslau gereiset ...“57
55
J. v. Falke (1888), S. 142 f. – R. A. Peltzer (1909), S. 130. – Radleuchter, s. G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, München 1992, S. 430. – Ders., Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler Sachsen-Anhalt, Bd. I, Der Bezirk Magdeburg, Unveränderter Nachdruck
des Bandes „Der Bezirk Magdeburg“ München/Berlin 1974, S. 145. – Ders.: Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler Westfalen, Unveränderte Neuaufl. und Nachdruck, München 1986, S. 363.
56
R. A. Peltzer (1909), S. 127.
57
HSTA Rep. 16, 263.
Einleitung Seite 16
Nach der Zerstörung Dinants als bedeutender Stätte der Messingverarbeitung und
der Abwanderung von Metallgießern – zunächst nach Stolberg/Aachen – weist Peltzer
insbesondere Nürnberg den entscheidenden Anteil an der Metallveredlung anhand
technischer Neuerungen wie zum Beispiel dem Metallbrennen zu. Da es aber im Be-
reich der Alchemie niemanden gab, der nicht auf die Geheimhaltung profitabler Ent-
deckungen bedacht war, die in der bildenden Kunst nachweislich die Arcanisten in
der Porzellanherstellung kennzeichnet, beanspruchen neben der genannten auch an-
dere Stätten der Metallverarbeitung für sich, besonderen Anteil an diesen oder ver-
gleichbaren Innovationen zu haben – wie zum Beispiel der Rammelsberger Bergbau
im Harz. Dort heißt es, dass zur Messingerzeugung der Zusatz von pulverisiertem
Galmei, das mit feiner Holzkohle vermengt und mit Kupfer verschmolzen wird, eine
besondere Hitzeentwicklung mit sich bringt. Und diese wiederum erlaubt, dass die
verschiedenen Schmelzpunkte von Galmei und Kupfer erreicht werden, um Messing
zu erzeugen.58
Erklärungen dafür bieten nicht zuletzt die Abgrenzung zu den Mansfelder Erzen, die
als hochwertiger eingestuft werden, die Tradition des Rammelsberger Bergbaus und
die Nähe zu den mittelalterlichen Zentren des Bronzegusses, Hildesheim und Magde-
burg.59
In Nürnberg hat der Bronzeguss mit der Erzgießerfamilie Vischer von 1453 an hun-
dert Jahre lang Tradition, ist weit über Deutschland hinaus führend und beinflusst die
Rotgießer vor Ort. Vereinzelt werden an anderer Stelle einige ihrer Namen – wie zum
Beispiel Hans von Cöln/Köln zu Nürnberg (Lüneburg, Evangelische St. Johannes-
Kirche, Kronleuchter, Messing, 1515; Salzwedel, Evangelischen Marien-Kirche, Bron-
zetaufe, 1520) oder Johann Müller aus Nürnberg – mit Norddeutschland in Verbin-
dung gebracht. Der Name dieses Kupfermeisters des 17. Jahrhunderts ist inschriftlich
auf einem Kronleuchter der Evangelischen Kirche in Klüss/Mecklenburg-Vorpommern
(möglicherweise mit Aufenthaltsort Kiel/Schleswig-Holstein) überliefert Im Anschluss
an Schlie erwähnen Lüer und Creutz die Kronleuchter der Evangelischen St. Jacobi-
Kirche in Rostock (1602 und 1603) sowie darüber hinaus fünf Kronleuchter der Evan-
gelische St. Nikolai-Kirche in Reval als nachweisbare Nürnberger Arbeiten – ohne je-
doch diesen Nachweis zu erbringen. Forschungsbedarf besteht in diesem Zusam-
menhang ferner in Bezug auf die vage Zuordnung eines Schaftkronleuchters (Stif-
tung des Jahres 1704) nach Deutschland oder Holland. Unter den im Jahre 1915 ver-
öffentlichten Merkzeichen der Nürnberger Rotschmiede zu den Signaturen der Mes-
singgusswaren des 16. bis 19. Jahrhunderts beziehen sich etliche auf Leuchtenma-
58
H.-G. Griep (1956), S. 111. – In der französischen Staatsgießerei wird mit dessen Leiter, einem
gewissen Keller aus Zürich (1683–1702), die Erfindung einer neuen Legierung aus Kupfer und Zink
mit einem geringen Zinn- und Bleigehalt in Verbindung gebracht, s. O. v. Falke (1935/1989), S. 107.
59
U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters (1981). – H. Asmus, 1200 Jahre Magdeburg, Bd. 1, Die
Jahre 805 bis 1631, in: H. Asmus/M. Wille, 1200 Jahre Magdeburg, Von der Kaiserpfalz zur Landes-
hauptstadt, 2 Bde., Magdeburg 2000, S. 186 ff.
Einleitung Seite 17
cher, die dort verzeichnet sind. Die zuvor genannten Namen sind dort nicht vertre-
ten.60
Sehr aufschlussreich ist die Arbeit des Jahres 1922 von Hüseler zum Amt der Ham-
burger Rotgießer insofern, als hier das Kunsthandwerk in Hamburg des 16. bis 18.
Jahrhunderts Gegenstand der Betrachtung ist. Es wird – wie schon 1767 in Sprengels
Werk „Handwerke und Künste“61 – auf Grund handwerklicher Techniken, das heißt
anhand der zum Guss verwandten Form, zwischen Rot- und Gelbgießern unterschie-
den. Danach weist das Arbeiten in einer Lehmform, die kräftiger, aber stets für jeden
Guss neu anzufertigen ist, den Rotgießer als Kunsthandwerker aus. Hüseler kommt
zu der Auffassung, dass Rotgießer daher auf Bestellung und selten für den direkten
Marktverkauf gearbeitet haben. Letzteres aber war den Gelbgießern möglich. Auf
diese Weise untermauert Hüseler die Einschätzungen Brinckmanns zum Stellenwert
dieser Metallgießer in Hamburg. Er stellt fest, dass das Amt der Rotgießer schon lan-
ge vor 1573 Anschluss an vergleichbare Einrichtungen der slawischen Städte und
innerhalb des Niedersächsischen Reichskreises die Rolle einer höheren Instanz inner-
halb des Metallgewerbes inne hat.62 Indem aus Urkunden und Akten die Geschichte
des Amtes der Rotgießer dargestellt wird, bietet sich eine gute Grundlage, die Ent-
stehung des Amtes der Gelbgießer während des 17. Jahrhunderts in Norddeutschland
nachzuvollziehen und für weitere Studien anhand der chronologisch und alphabetisch
gegliederten Matrikel der Metallgießer. Doch ihre Viten sind weitestgehend uner-
forscht.
60
Geschichte der technischen Künste, Bd. 3, Hg. B. Bucher, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1893, S. 93. – Die
Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. III, 2. Aufl.,
Schwerin 1900, S. 219 f.: „Kronleuchter von Messing mit dem Doppeladler bekrönt. An der Krone
dasselbe Wappen mit der Jahreszahl 1658 wie an den Leuchtern, dazu die Inschrift: CHRISTOF NA-
SAV RITMEISTER / JOHAN MVLLER VON NIRNBERG HAT (lt. Inventar von 1811 DIESE KRONE IN
KIEL GEMACHT). Der Schluss fehlt jetzt, dafür liest man: DIESE KRONE IST VON F. PAEPKE IN GRA-
BOW REPARIRT 1823.“ – Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-
Schwerin, Bd. I., 2. verb. u. verm. Aufl., Schwerin 1898, S. 98. – Ebd., S. 127, weist F. Schlie im
Zusammenhang mit den Kronleuchtern der Ev. St. Petri-Kirche in Rostock auf eine Verschlimmbesse-
rung von Messingkronleuchtern durch Vergoldung hin und erwähnt hier die evangelischen Kirchen St.
Jacobi, St. Marien und St. Nikolai zu Rostock. – H. Lüer/M. Creutz (1904), S. 494. – Die Datierungen
der in der Nikolaikirche in Reval erhaltenen Kronleuchter: 1615, 1645, 1648, 1651, 1692. – Dan-
marks Kirker. Sonderjylland. Kunsthistorisk Oversigt og Registre, Kopenhagen o.J., S. 316. – R.
Vollbrecht, Die zwei großen Kronleuchter der Bozener Pfarrkirche, in: Der Schlern 20, 1946 (7), S.
220 f.:“ Der eine dieser Kronleuchter ist signiert von Sebastian Denner, Nürnberg 1675.“ – R. Schel-
ler, Die Brauerkrone der Marienkirche zu Köslin, in: Pommern 23, 1985 (2), S. 2906. Ein Messing-
kronleuchter, der inzwischen verloren gilt, wird nach Nürnberg lokalisiert, um 1606. – W. Stengel,
Die Merkzeichen der Nürnberger Rotschmiede, in: Festschrift für Gustav von Bezold zu seinem 70.
Geburtstag (17. Juli 1918), Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg 1918.
S. 107–155. – E. Egg, Nürnberger Messingwaren in Tirol, in: Anzeiger des Germanischen National-
museums Nürnberg (1965), S. 52–59.
61
P. N. Sprengel, Handwerke und Künste in Tabellen, Berlin 1769-1778, Ausst.-Kat. München 1989,
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Hg. Bayerisches Nationalmuseum München (Bildführer
15).
62
K. Hüseler, Das Amt der Hamburger Rotgießer, Hamburg 1922, S. 16 f. – S. Erixon, Mässing, 1943,
S. 19.
Einleitung Seite 18
Weitere Namen von Metallgießern und insbesondere die der Gelbgießer in Lübeck
sind in der Sammlung Ed. Hach enthalten.63 Diese ist an sich den ungedruckten
Quellen zuzuordnen, erhält aber an dieser Stelle eine weitere Bedeutung angesichts
der Studien von Hüseler zum Amt der Rotgießer und zur Differenzierung von Gelb-
gießern in Hamburg sowie von Philippsen zu Schleswiger Zinn- und Rotgießern64, wo
für die Stadt an der Schlei die Herausbildung des Kronengießers als Spezialberuf
festgestellt wird.65
Mit der Darstellung „Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der
Auffassung des Mittelalters“66 aus dem Jahre 1924 thematisiert Sauer aus theologi-
scher Sicht den Begriff „Symbolik“ in seiner Entwicklung – unter anderem anhand
der Schriften des Wilhelm Durandus (gest. 1332) und des Sicardus von Cremona
(1158-1215). Die in Anlehnung an das Alte Testament geschilderte christozentrische
Lichtsymbolik ist unstrittig. Sie wird allerdings als ursprünglicher Entstehungsgrund
der Kronleuchter hinterfragt. Sauer schließt angesichts der Formenvielfalt von Kron-
leuchtern eine Mehrdeutigkeit nicht aus, doch steht dieser eine Trennung zwischen
einer Ikonographie tragender Elemente, das heißt Kugel, Schaft, Leuchterarmen und
Aufhängung, und morphologisch untergeordneter, das heißt scheinbar bedeutungslo-
ser Zierelemente gegenüber. Licht bewirkt eine verbesserte Wahrnehmung und kann
als Beleuchtung auch der Erleuchtung dienlich sein.
Aus schwedischer Perspektive weist im Jahre 1943 Erixon in seinem Buch „Mässing.
Svenska Manufakturer och Konsthantverksprodukter under 400 år.“ auf die fehlende
Erforschung der in Deutschland vorhandenen und/oder gefertigten Messingerzeug-
nisse – insbesondere Kronleuchter – hin.68 Und er betont ausdrücklich die Relevanz
des Quellenstudiums und größer angelegter Untersuchungen zu diesem Stoffgebiet,
um die stilkritischen Studien zu Messingkronleuchtern und die daran zum Teil sich
abzeichnende Zusammenarbeit zwischen Schweden und Deutschland, insbesondere
mit Aachen und Lübeck, in Hamburg zusätzlich aufzeigen und belegen zu können.
Denn, so stellt Erixon fest, es sei auf dem Festland bisher – das heißt bis zur Veröf-
fentlichung des Buches im Jahre 1943 – nicht gelungen, Messingerzeugnisse be-
stimmten Werkstätten zuzuordnen oder eine Hauptproduktionsstätte zu lokalisieren,
gleichwohl Aachen und Nürnberg seit 1466 als Synonym für Dinant zu stehen schei-
63
St.A. HL, Slg. Ed. Hach 98, Handwerker. Hier liegt ein Verzeichnis von Gelbgießermeistern in Lübeck
der Jahre 1647–1833 vor. Die Auflistung ist mit Zeitabständen von einem bis fünf Jahren nicht lü-
ckenlos. Die Jahre 1674, 1686, 1752 und 1759 sind mit jeweils einem Namen für Frühjahr und
Herbst doppelt aufgeführt; der größte Intervall besteht zwischen 1791 und 1814.
64
H. Philippsen, Schleswiger Zinn- und Rotgießer, in: Nordelbingen 4 (1935), S. 626–635.
65
Ebd., S. 632.
66
J. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters,
Mit Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis, Sicardus und Durandus, 2. verm. Aufl., Frei-
burg/Br. 1924. – Vgl. J. Brinckmann, Hamburg 1894, S. 761.
67
G. Schmid, a.a.O.
68
S. Erixon, Mässing. Svenska Manufakturer och Kosthantverksprodukter under 400 ar, Stock-
holm/Malmö 1943, S. 187, 19, 32.
Einleitung Seite 19
nen und für Lübeck der Nachweis fehlt. Erixon schlägt daher eine systematische Un-
tersuchung der so genannten Kirchenkronleuchter vor.
Obschon Braun in „Das christliche Altargerät“ unter „vasa non sacra“ im zweiten Ab-
schnitt gemäß der Kapitelüberschrift von Leuchtern ausschließlich Altarleuchter – und
damit zusammenhängend Akolythenleuchter – abhandelt, sind mit seinen Ausfüh-
rungen auch Anhaltspunkte für das Verständnis von figürlichen Motiven resp. Bekrö-
nungen auf Schaftkronleuchtern gesetzt.69
Eine Häufung bestimmter Formen, Figuren und Motive ist auch an einem Großteil früh-
neuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Messing zu finden – in Norddeutschland ebenso
wie im benachbarten Ausland. Obschon in diesem Motivschatz mehrerer hundert
Kronleuchter sowohl segnende als auch kriegerische Statuetten vorkommen, sind
darunter nur wenige Motive als Inbegriff dieses Schwarz-Weiß-Denkens bekannt –
z. B. Stade, Evangelische St. Cosmae et Damiani-Kirche, Kronleuchter „Erzengel Mi-
chael“, 1660 und Stadthagen, Evangelische Kirche, Kronleuchter „Heiliger Georg“,
wohl Ende 16. Jahrhundert. Dort ist der Kampf zwischen Gut und Böse narrativ – in
der Überwältigung des Lindwurms – als Figurengruppe dargestellt. Ob in diesem Sin-
ne die auf frühneuzeitlichen Schaftkronleuchtern stärker repräsentierten Soldaten
unter dem Aspekt der Tugend im eigentlichen Sinne und im Kontext der Unterschei-
dung zwischen Gut und Böse ebenso zu betrachten sind?
Mit stilkundlichen Aufsätzen über Beleuchtungsgeräte hat Jarmuth seit 1953 zur Auf-
nahme kunstgeschichtlicher Themen in die Zeitschrift „Lichttechnik“ beigetragen.70
Spannend, aber in Deutschland offensichtlich nur kurze Zeit im öffentlichen Bewusst-
sein ist seine Darstellung zur Bergung jener Winkelarmkronleuchter, die Ende des
69
J. Braun, Das christliche Altargerät, München 1950, S. 492 ff. – Vgl. P. Bloch, Siebenarmige Leuchter
in christlichen Kirchen, in: Wallraf-Richartz-JB. 23/1961, S. 55-190. – Zur Darstellung hl. Georg auf
Kronleuchtern, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen
(1992), S. 1232: Kronleuchter, wohl Ende des 16. Jahrhunderts und ebd., S. 1222: Kronleuchter
„hl. Michael“, um 1660, Vgl.: Danmarks Kirker, Arhus Amt, 3. Bd., Kopenhagen 1976. S. 1177 f und
1180 mit Abb.: spätgotischer Tabernakelkronleuchter mit Zentralfigur „St. Jürgen“ und Vogel als
Topfigur. – Die Kunst- und Kulturdenkmäler der Provinz Pommern, Kreis Kammin (Land), Stettin
1939, S. 139 und 170 mit Abb. 1061: Kronleuchter „Hl. Georg“, Ende 17. Jahrhundert; gilt als Stif-
tung von 1704 des Kupferschmieds.
70
K. Jarmuth, Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik. 21. Jg., H. 1. Berlin 1969, S. 72–
74. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik, 22. Jg., H. 5, Berlin 1970, S. 250
f. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik, 23. Jg., H. 10, Berlin 1971,
S. 342. – Bemühungen, respektive Schreiben hinsichtlich einer Kontaktaufnahme (1999/2000) zum
Museum in Zadar, das lt. Jarmuth die Bergung des Schiffswracks und der Kollis mit 350 Einzelteilen
von Leuchtern leitete sowie Recherchen zu diesbezüglichen Dokumentationen von Sofija Petricioli,
Zadar blieben ohne Resonanz.
Einleitung Seite 20
16. Jahrhunderts bei einer Havarie im Adriatischen Meer versunken waren. Jarmuth
ordnet diese Leuchter mit heraldischem Doppel-Adler als Bekrönung und Löwen-
kopfmaske als Unterhang aufgrund des Kronleuchtertyps lübischer Provenienz zu.
Ferner weist er auf die Handelsbeziehungen und damit auf die Bedeutung Lübecks
hin. Zugleich gibt er zu bedenken, dass die tatsächliche Produktion bestimmter Kron-
leuchtertypen in Lübeck noch zu erforschen sei.
In Anbetracht des Titels sei hier die Diplomarbeit „Kerzenkrone der Renaissance und
des Barock im Ostseegebiet“ von Spielmann erwähnt. Diese auf die Küstenregion
Norddeutschlands konzentrierte Zusammenfassung von exemplarisch ausgewählten
Kronleuchtern war seinerzeit neu71, wird später aber nicht wieder aufgegriffen. Sie
greift auf die bis 1956 erschienenen amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunst-
denkmäler und auf entsprechende Fachpublikationen zurück und zeichnet die darin
zum Teil aufgestellte Typologie der Kronleuchter nach. Verhandelt werden im We-
sentlichen die aus Messing gegossenen Kronleuchter der Hansestädte in Mecklen-
burg-Vorpommern, der Hansestadt Lübeck und einzelner anderer Orte Norddeutsch-
lands. Erstmalig nach Stengel wird das Vorkommen von Landsknechtkronleuchtern
des 16. Jahrhunderts gewürdigt. Ein Exemplar im Schabbelhaus zu Lübeck ist als
Replikat erwähnt, mögliche Vorbilder werden nach Nürnberg lokalisiert.72 Die unter-
schiedlichen Gruppen von Landsknechtkronleuchtern, die einen Teil der vorliegenden
Kronleuchterstudie bilden, und Kriterien ihrer Verbreitung sind bei Spielmann kein
Gegenstand der Betrachtung.
Lutze interpretiert die in der Regel als Doppelfigur gestaltete zentrale Statuette der
in gotischer Zeit verbreiteten Marienleuchter als Kombination von anschaubarer
Kunst mit kultischen Handlungen. Etwa dreißig Jahre später greift Hilger die Frage
nach dem Ursprung der Schaftkronleuchter in seinem Aufsatz zum Marienleuchter
(Höhe 403 cm, Auftragsarbeit von 1508) der St. Nikolai-Kirche in Kalkar auf und be-
kräftigt den diesbezüglich bestehenden Forschungsbedarf. Restaurierungsmaßnah-
71
H. Spielmann, Die Kerzenkrone der Renaissance und des Barock im Ostseegebiet, Dipl. Greifswald
1956.
72
W. Stengel, Nürnberger Messinggerät, in: Kunst und Handwerk, 21. Jg., H. 5–7, o.O. 1918.
73
E. Meyer, Mittelalterliche Bronzen, Bilderhefte des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, H. III,
Nr. 38, Hamburg 1960. – Ders., Der gotische Kronleuchter in Stans, Ein Beitrag zur Geschichte der
Dinanderie, Festschrift Hans R. Hahnloser zum 60. Geburtstag 1959, Hg. E. Beer. Basel/Stuttgart
1961. – Vgl. Ausst.-Kat. München 1989, Bayerisches Nationalmuseum, Modell und Ausführung in der
Metallkunst, S. 7-34.
Einleitung Seite 21
men hatten dort zu neuen Erkenntnissen und zur differenzierten Datierung des
Leuchters geführt.74
1961 findet in Gent unter dem Titel „Art du cuivre“ eine Ausstellung im Musée de la
Byloke statt, die Kunsthandwerk aus unedlem Metall gewidmet ist. Hier werden
Korb- und Tabernakelkronleuchter, das heißt Hängeleuchter mit einer Zentralfigur,
als reicher gestaltet beschrieben denn andere Leuchter, ohne dass letztere detailliert
vorgestellt werden.75
Anders als bei bisherigen Darstellungen gilt im Rahmen einer weiteren Präsentation
mit begleitendem Katalog nicht dem Kronleuchter an sich die Aufmerksamkeit, son-
dern einem potentiellen Motiv desselben: „Die Wilden Leute des Mittelalters“76 zeich-
nen in ihren vielfältigen Verwendungszusammenhängen im Museum für Kunst und
Gewerbe in Hamburg im Jahre 1963 ein Gegenbild des Gartens in der Kunst anläss-
lich der Internationalen Gartenbau-Ausstellung.
74
E. Lutze, Veit Stoß, o.O. 1968. – H. P. Hilger, Stadtpfarrkirche S(ank)t Nicolai in Kalkar, Kleve 1990,
S. 293.
75
Art du cuivre, Ausst.-Kat. Musee de la Byloke Gent, 1961, S. 51.
76
L. Möller, Die wilden Leute des Mittelalters, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
1961, S. 8–12. – Vgl. W. Bernheimer, Wild men in the Middle Ages, 1952. – T. Husband, The Wild
Men, Medieval Myth and Symbolism, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of Art New York (1980).
77
P. E. Bouchard, La dinanderie d’art, in: RDK, Bd. 4, Brüssel 1952. – H. R. Weihrauch, Bronze, Bron-
zeguss, Bronzeplastik, in: RDK, Bd. 2, Stuttgart 1948, Sp. 1182–1216. – Ders., Die Bildwerke in
Bronze und in anderen Metallen, Mus.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, Bd. XIII 5, München 1956.
– Ders., Europäische Bronzestatuetten, 15.–18. Jahrhundert, Braunschweig 1967. – Vgl. Lichter,
Leuchten im Abendland, Zweitausend Jahre Beleuchtungskörper, Braunschweig (1967), S. 172
Einleitung Seite 22
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschienen etliche Studien zu Beleuch-
tungsgeräten. Sie betreffen die Kulturgeschichte von Lampen, Leuchten und Later-
nen im allgemeinen oder sind topographisch zum Beispiel auf Italien (14. bis
18. Jahrhundert) oder Großbritannien (1550–1990) begrenzt. Teilweise wird nach
ihrer profanen Zweckbestimmung unterschieden.80
78
L. Möller (1963), S. 6 ff. – Vgl. K. Jarmuth, 1967, S. 172.
79
Ebd., S. 6 f. und Kat.-Nr. 13, S. 11, Kat.-Nr. 22 und 23 (Am 27.11.2002 nach Vereinbarung mit
Herrn Dr. B. Heitmann, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, besichtigt.) – Vgl. Abb. 12 der
vorliegenden Studie.
80
K. Slyterman, Huisrad en Binnerhuis in Nederland, o.O. 1918, Fig. 231. M. Krüger, Sakrale und pro-
fane Beleuchtungskörper in neuen Formen, Begleitheft zur Ausstellung im Thaulow-Museum (1926).
– G. Janneau, Le luminaire de l’antiquité au XIXe siècle (1934). – G. Mariache, Illuminazione in Italia
del quattrocento all’ottocento, Mailand 1965. – Lampen, Leuchter, Laternen. Frankfurt/M. 1975. – H.
P. Lockner, Licht für Kirche und Haus, Mitteleuropäische Bronzeleuchter des 16. Jahrhunderts, in:
Kunst und Antiquitäten, H. 2 u. H. 5 (1977), H. 1 (1978), H. 5 (1979). – Lichter/Leuchter, Festschrift
zum 75jährigen Geschäftsjubiläum Trilux-Lenze, Arnsberg 1987. – J. Bourne/V. Brett, The art of
lighting in the domestic interior 1550–1990, London 1991, S. 30, Nr. 78.
81
K. Jarmuth, 1967.
82
R. A. Peltzer, 1909.
Einleitung Seite 23
Ende schließlich konstatiert im Jahre 1984: „Zum Besitz vieler Kirchen gehören Ker-
zenkronen, die fast immer als Stiftung vermögender Bürger in die Gotteshäuser ge-
langten. (...) Die Kerzenkronen scheinen nur in Ausnahmefällen in direktem Auftrag
entstanden zu sein, wahrscheinlich wählten die Interessenten aus bereits vorhande-
nen Stücken in den Werkstätten aus, nur so ist die geringe Anzahl von Kronen mit
eindeutig religiös motivierten Darstellungen zu erklären.“ Und er erwähnt beiläufig,
dass außer dem „deutschen Reichsadler ... auch seltenere Motive wie Engel, Hand-
werker, Pelikan oder Gottvater anzutreffen“85 sind.
Indem innerhalb der oben vorgestellten Forschungen der Einfluss der Städte Aachen,
Hamburg, Lübeck und Nürnberg – neben dem anderer Länder – auf die Entstehung
gegossener Metallkronleuchter der Neuzeit an einzelnen Objekten exemplifiziert wird,
ergeben sich neue Forschungsaufgaben. Das heißt, die Personennamen von Kupfer-
meistern und Gelbgießern in Norddeutschland wären mit systematisch untersuchten
Gruppen von Kronleuchtern dort – wie zum Beispiel zunftgebundener Wanderjahre
im Metallgewerbe – und weiteren Kriterien in Beziehung zu setzen, um das beste-
hende Interesse an Werkstattzuschreibungen aufzugreifen und fruchtbar zu machen
– wie es Jarmuth an Objekten in Lübeck exemplifiziert.86
83
K. Jarmuth, Lichter, Leuchter im Abendland, 1967, S. 226 u. 229. Die im Zusammenhang mit
Schaftkronleuchtern aus Messing des 17. Jahrhunderts in Norddeutschland getroffene Feststellung,
dass Engel als religiöses Motiv selten auf Kronleuchtern vorkommen, ist so nicht haltbar. Denn pro-
portional zum Gesamtbestand der Kronleuchter eines jeweiligen Bundeslandes im Norddeutschen
Tiefland sind die Gruppen der einzelnen Figurentypen annähernd gleich stark repräsentiert und wer-
den allein von der Anzahl der heraldischen Doppel-Adler übertroffen. Und zu dem dort exemplarisch
vorgestellten Kronleuchter (1665) aus Lübeck (Ev. St. Marien-Kirche, urspr. in Ev. St. Katharinen-
Kirche) wäre anzumerken, dass dessen Bekrönung angesichts des Palmzweiges eines Attributes ei-
nen Friedensengel darstellen könnte, doch die Armhaltung dieser Topfigur entspricht jener des Erz-
engels Michael als Seelenwäger. – Ebd., S. 289 ff.
84
The Wild Man, Medieval Myth and Symbolism, T. Husband. Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of Art
New York (1980).
85
H. Ende, Die Stadtkirchen in Mecklenburg. Berlin 1984, S. 45.
86
K. Jarmuth, 1967, S. 164, 170.
Einleitung Seite 24
lern und ihrer Provenienz ansatzweise fassbar. Teils werden so neue Erkenntnisse zu
lokalen Handelsbeziehungen herausgearbeitet, teils rücken aber auch berufliche und
familiäre Bindungen der Kunsthandwerker stärker ins Blickfeld. Doch geraten die für
weitere Forschungen zum Teil wertvollen Ergebnisse heimatkundlicher Studien ohne
einen thematisch größeren Kontext häufig allzu rasch wieder in Vergessenheit.
Im Jahre 1881 werden in einem Beitrag über die kirchliche Kunst in Schleswig-
Holstein einige Kronleuchter – darunter exemplarisch zwei Kronleuchter (1667) aus
der Kirche zu Heide – vorgestellt. Die anschließende Würdigung: „Außer in Tondern
und Ratzeburg finden sich, soweit unsere Erfahrung reicht, nirgends hier zu Lande so
vorzügliche Kronleuchter.“, beschreibt zwar im Ansatz eine auf den Norden konzent-
rierte Sichtweise, zeichnet aber nicht erst nach heutigem Wissensstand ein unzuläng-
liches Bild tatsächlicher Quantitäten und Qualitäten in diesem Bereich.88 Schon im
Jahre 1886 erweitert T. Hach mit seinem Text über die kirchliche Kunstarchäologie
im Herzogtum Lauenburg die Kenntnis über Beleuchtungsgeräte beträchtlich.89
87
F. Seestern-Pauly, Aktenmäßiger Bericht über die in dem Herzogtume Holstein vorhandenen milden
Stiftungen, Schleswig 1831, S. 139.
88
F. Posselt, Die kirchliche Kunst in Schleswig-Holstein, in: Ztschr. f. S.-H.-Lauenbg. Geschichte, Bd.
1, Kiel 1881, S. 251 ff.
89
T. Hach, Die kirchliche Kunstarchäologie des Kreises Herzogtum Lauenburg, in: Ztschr. f. S.-H.-
Lauenbg. Geschichte, Bd. 16, Kiel 1886, S. 1–194.
90
Mitteilungen: Stiftung eines Kronleuchters in die Kirche zu Heiligenhafen, in: Die Heimat, 13. Jg.,
Nr. 2, Kiel 1903, S. 47.
Einleitung Seite 25
Eine Denkschrift von 1918, welche die einstige Monopolstellung der Stadt Dinant für
die Messingverarbeitung würdigt, hebt die verlegerische Arbeitsorganisation als be-
währte Form auch für Kunsthandwerk kirchlicher Bestimmung hervor. Obgleich der
Doppel-Adler dort als verbreitetes Motiv vorgestellt wird, unterscheidet er sich von
der als Reichsadler bezeichneten Figur auf Schaftkronleuchtern darin, dass beide
Köpfe zusammen und nicht einzeln bekrönt sind,92 sofern hier wie dort nicht gänzlich
auf die Bügelkrone als Rangzeichen und Symbol der Souveränität verzichtet wurde.
Korns Untersuchungen zum Doppel-Adler führen in diesem Zusammenhang auf
Grund des zeitlich früher und geographisch ausgedehnten Faktors kaum weiter.93
Wie eingangs erwähnt und wie weiter unten noch auszuführen sein wird, ist der Be-
stand und Erhaltungszustand der Schriftquellen zu Schaftkronleuchtern aus Metall
sehr unterschiedlich. Urkunden zu diesen frühneuzeitlichen Objekten in Norddeutsch-
land sind nach derzeitigem Erkenntnisstand selten. Außer jener im gedruckten
Diplomatarium von Jessien über die Unterhaltung des ältesten der insgesamt vier
Kronleuchter mit Wachs (1594)94 in Preetz weist erst Seeler in seiner Beschreibung
der barocken Kronleuchter und des gesamten Inventars der Maria-Magdalenen-
Kirche zu Lauenburg/Elbe von 1938 wieder auf eine Urkunde hin.95 Diese beiden
Schriftstücke sind kaum im Bewusstsein; sie enthalten keinerlei Erläuterungen zur
Entstehung und Gestaltung des jeweiligen Kronleuchters.
Dass ein Kronleuchter auf Grund seiner Inschrift in das Jahr 1740 umzudatieren ist,
erläutert Feigel 1952 in einem Artikel.96 In dänischen Kunstdenkmäler-Inventaren
wird hingegen mehrfach darauf hingewiesen, dass Kronleuchter und ihre Inschriften
nicht zwangsläufig derselben Zeit angehören müssen.97
91
O. Pelka, Die Meister der Bernsteinkunst, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum
Nürnberg (1916), S. 113 f. u. Taf. XVIII u. XIX.
92
R. Graul, Die Dinanderie in Dinant, eine Denkschrift, München 1918, S. 155-175. – Vgl. C. Göttler,
Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation, 1996, S. 24, Anm. 6
93
H. E. Korn, Adler und Doppeladler, Diss., Göttingen 1969.
94
A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, Kiel-Elmschenhagen 1838, S. 187.
95
S. Seeler, Die Maria-Magdalenen-Kirche Lauenburg (Elbe), Lauenburg 1938, S. 25 ff.
96
E. Feigel, Ein Bronzelüster aus Bingen, das Werk eines Mainzer Spenglermeisters, in: Mainzer Ztschr.
46/47 (1951/52), S. 100 f.
97
Danmarks Kirker, Sonderjylland. Kunsthistorisk oversigt, Kopenhagen o.J., S. 316.
98
P. E. Bouchard, La dinanderie d’art, in: RDK, Bd. 4, Brüssel 1952, S. 1.
Einleitung Seite 26
onym durch das Wort „cuivre poli“ als eine Art der speziellen Materialverarbeitung
und des künstlerischen Messinggusses ersetzt.99
Hinsichtlich künstlerischer Arbeiten aus Metall, das heißt als Beispiel für Werkstattzu-
schreibungen und -traditionen ist die Arbeit über den Flensburger Glockengießers
Michel Dibler interessant. Obgleich diese vornehmlich auf die Glocken und die Tauf-
fünten des „königlich bestallten Büchsenmachers“100 eingeht und kaum auf die ihm
auch zugeschriebenen Leuchter101, legen einige Stücke stilistische Korrelationen na-
he. So weist die Bronzetaufe in Esgrus (1619) – wohl als Fortsetzung der Werkstatt-
Tradition durch den Sohn Marcus Dibler – in den Details Merkmale auf, die zum Teil
auch an den Löwenkopf-Masken der in der vorliegenden Studie thematisierten Kron-
leuchter zu finden sind.102 Forschungsbedarf besteht hinsichtlich weiterer Metallgie-
ßer und ihrer Werke, um mögliche Zusammenhänge in der Metallgestaltung zu er-
kennen – wie zum Beispiel zu Jochim Schmidt (Eckernförde, Evangelische St. Nikolai-
Kirche, Löwenkopf-Türzieher, 1621), Laurenz Karsten (Husum, Evangelische Markt-
kirche, Taufe, 1643 – nach Holzmodellen von B. Cornelissen und Zweitguß in Hatt-
stedt, Evangelische St. Marien-Kirche Hattstedt, Taufe, 1647) oder in Bezug auf je-
ne, die nachweislich Kronleuchter fertigten – wie zum Beispiel Borchart Gelgießer
(1585–1613/Dänemark), Johann Nikolaus Bieber (1725–1808), Hans/Johann Müller
(ca. 1635–1674) in Norddeutschland. Es fällt auf, dass mit Ausnahme einzelner Auf-
sätze oder weniger Monographien die Tätigkeit der Metallgießer als Kronengießer
kaum untersucht ist und Recherchen unter dem Stichwort „Glockengießer“ erfolgrei-
cher sein dürften.
Im Jahre 1960 werden die Kronleuchter (1638 und 1661) nebst dem Wandleuchter
„heiliger Georg“ (1655) der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Kiel in einem Beitrag
ausführlich in ihrer Gestaltung und gemäß ihrer ursprünglichen Hängung beschrieben
und abgebildet. In diesem Zusammenhang wird der Marien-Leuchter, der 1495 mit-
ten in der Kirche hing, nicht erwähnt.103
99
Art du cuivre, Ausst.-Kat. Musée de la Byloke, Gent 1961.
100
R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. III, Kiel 1887, S. 33. –
H. J. Kuhlmann, Michel Dibler, Leben und Wirken des Flensburger Glockengießers, in: Nordelbingen
21 (1953), S. 58–83. – W. J. Müller, Bemerkungen zur kunstgeschichtlichen Stellung der beiden
Taufen des Michel Dibler, in: ebd., S. 84–87. – Vgl. LDSH Kiel, Abschrift: „Inventar der fürstlichen
Häuser, 1587/Mich. Dibler. Das Ambt Lügumkloster, in F. Cammer. Eine neue Missings Krone von
ungefähr 60 punden (?), so noch bei dem Meister zu Flensburg, und etzlich alt Missinges Zeuch dar-
zu gethann, so zuvor bei der Closter Cammer.“
101
R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. III, Kiel 1887. – Die
Bau- und Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Die Stadt Flensburg, Hg. P. Hirschfeld,
München 1954, S. 127.
102
Siehe Abb. 38 u. 41 der vorliegenden Studie. – Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., München 1994, S. 215, 320 u.
347.
103
K. Thiede, St. Nikolai in Kiel, Ein Beitrag zur Geschichte der Stadtkirche, Kiel 1960, S. 50–79. – Vgl.
Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel vom 1487–1601, in: Ztschr. d. Gesell. f. S.-H.-Lauenbg.
Gesch., Bd. 10, Kiel 1881, S. 226.
Einleitung Seite 27
1961 erscheint in der Festschrift für Hans R. Hahnloser ein Beitrag von Meyer über
den gotischen Kronleuchter in Stans.104 Dieser und der im Folgenden genannte Auf-
satz weisen am Beispiel lokaler Kronleuchter über den Ortsbezug hinaus. Dennoch
erscheinen Werkstattzuschreibungen fast unmöglich.
Im gleichen Jahr veröffentlicht Griep neue Erkenntnisse über den Goslarer Kron-
leuchter in Münnerstadt.105 Er stellt fest, „dass Kronleuchter noch niemals das Objekt
einer speziellen Untersuchung waren“, und begründet so „erhebliche Schwierigkei-
ten“ bei stilkritischen Analysen. In diesem Zusammenhang schlägt er eine Typologie
der Kronleuchter vor, die Fragen handwerklich-technischer Voraussetzungen und der
traditionellen Lehre einbezieht.
Ein anderer Text von 1965 betrifft „Nürnberger Messingwaren in Tirol“. Darin schreibt
Egg einen Kronleuchter (1675) der Pfarrkirche zu Bozen einem Sebastian Denner in
Nürnberg zu.107 1965/66 enthält die Mainzer Zeitschrift einen Aufsatz über den Main-
zer Kronleuchter von 1748.108 Im Folgejahr wird dem Messingleuchter von Con-
rad Müller (gest. 1762) aus Mainz für die Kirche zu Camberg eine Beschreibung ge-
widmet.109 1969 stellt Waagepetersen eine kleine Auswahl an Kronleuchtern mit aus-
sagekräftigen Fotografien in „Lysekroner i Skandinavien fra Gotik til Klunketig“
vor.110
1977 wird im Rahmen eines Beitrages über den Bildhauer Hans Ochs als eigenes
Werk eine Hirschskulptur zu einem Kronleuchter aus Buntmetall (1625) von Lorenz
Carstensen für den Hirschsaal in Schloss Gottorf/Schleswig erwähnt.111
104
E. Meyer, Der gotische Leuchter in Stans, Ein Beitrag zur Geschichte der Dinanderie, in: Festschrift
Hans R. Hahnloser, Zum 60. Geburtstag 1959, Hg. E. Beer, Stuttgart 1961.
105
H. G. Griep, a.a.O.
106
F. Michaelsen, Die Festung Glückstadt, in: Glückstadt im Wandel der Zeiten, Bd. 1, Hg. Stadt Glück-
stadt, Glückstadt 1963, S. 83. Insbes. – Ders., Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jahr-
buch, 9. Jg. Itzehoe 1965, S. 91–99. Diesem Hinweis weiter nachzugehen, ist im Rahmen der vorlie-
genden Studie kein Erfolg beschieden: Lt. Antwortschreiben (24.02.2000) des Archivdirektors Hans-
Joachim Hacker, Stadtarchiv der Hansestadt Stralsund, kommt der Name Johann Lehmeyer in den
archivalischen Findmitteln nicht vor.
107
E. Egg, Nürnberger Messingwaren in Tirol, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürn-
berg (1965), S. 52–59.
108
L. v. Döry, Ein Mainzer Kronleuchter von 1748, Seine entwicklungsgeschichtliche Stellung und sein
plastischer Schmuck, in: Mainzer Ztschr. 60/61 (1965/66), S. 145–150, 7 Abb.
109
Ders., 1966, Camberg, Pfarrkirche – Ein Messingleuchter von Conrad Müller († 1762 in Mainz) mit
vergoldeter Holzfigur des Hl. Sebastian von Johann Caspar Hiernle (1710–55). Anhang: Rechnungs-
auszüge.
110
C. Waagepetersen, Lysekroner i Skandinavien fra Gotik til Klunketig, Gyldendal 1969.
111
E. Schlee, Der Bildhauer Hans Ochs, in: Nordelbingen 46 (1977), S. 36–48, insbes. S. 37 – U. Kuhl,
Bildhauer und Bildschnitzer im Dienst der Gottorfer Herzöge, in: Gottorf im Glanz des Barock. Kunst
und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713, Bd. 1, Die Herzöge und ihre Sammlungen, Ausst.-Kat.
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Hg. H. Spielmann/ J. Drees, Schleswig
1997, S. 192–209, S. 195 insbes.
Einleitung Seite 28
Während der folgenden Jahrzehnte erscheinen Kronleuchter rein deskriptiv und eher
beiläufig in unterschiedlichen Publikationen. Nach wie vor sind nur vereinzelt Ansätze
einer ikonographischen Fragestellung vorhanden. Als Beispiel wäre hier ein Aufsatz
von 1981 zu nennen, in dem der Doppel-Adler als Topfigur des Kronleuchters in Be-
ziehung zur mündlich überlieferten und mittels genealogischer Bande nachvollzoge-
nen Stiftung Friedrich des Großen von Preußen für den damaligen holsteinischen
Statthalter, Markgraf Friedrich Ernst von Brandenburg-Kulmbach (um 1745/85), ge-
setzt wird.112 Der Kronleuchter in der Kirche zu Hohenaspe wird ursprünglich in das
herrschaftliche Anwesen Drage/Friedrichsruh lokalisiert.
1985 wird die nicht mehr erhaltene so genannte Brauerkrone der Marienkirche zu
Köslin/Pommern als Nürnberger Arbeit von 1606 beschrieben.113
Schaftkronleuchter des 16. bis 18. Jahrhunderts sind überwiegend aus Messing und
werden den Gelbgussarbeiten zugeordnet.
112
B. Langmaack, Gedanken über den Kronleuchter in der Kirche zu Hohenaspe, in: Steinburger Jahr-
buch, 25. Jg., Itzehoe 1980, S. 277–280.
113
R. Scheller, Die Brauerkrone der Marienkirche zu Köslin, in: Pommern 23 (1985).
114
W. D. Wixom, Nürnberger Messingarbeiten, in: Nürnberg 1300–1550: Kunst der Gotik und Renais-
sance, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (1986), S.75–79. Vgl. S. 392 und s.
auch S. 332: Drachenleuchter (1522) von A. Dürer. – Siehe auch: H. Stafski, Der künstlerische Mes-
singguss, in: Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, Hg. G. Pfeiffer, München 1971,
S. 229–235.
115
Ebd.
116
F. J. Falk, Lysekroner i Rømøs Sct., Clemenskirke (Föhr 1989).
Einleitung Seite 29
Wenige Jahre später unterscheidet Hüseler anhand der Metallverarbeitung, dass Glo-
ckengießer im Gegensatz zu Gelbgießern sich nicht mit kleinteiliger Produktion be-
fassten. Letztere ist Ausgangsbasis der aus einzelnen Modulen zusammengesetzten
Schaftkronleuchter.
Umgekehrt sind etliche Namen von Gießern bekannt, ohne dass die ihnen archiva-
lisch zugeordneten kunsthandwerklichen Arbeiten präzise dargestellt oder gar er-
kennbar erhalten sind.117
Die Tatsache, dass nur wenige Exemplare im Kronleuchterbestand signiert und aus
diesem kaum Pendants zu ermitteln sind, lässt eine generelle Zuordnung zu Metall-
gießern und Werkstätten unmöglich erscheinen. Erschwerend wirken sich zudem die
ursächlich in der manuellen Nachbearbeitung begründeten Unregelmäßigkeiten an
Kronleuchtermodellen aus, so dass eine Händescheidung oftmals ausgeschlossen
erscheint. Die bisher kaum beachtete Mobilität der Kunsthandwerker und Auftragge-
ber über Landesgrenzen hinaus sowie der unterschiedlich motivierte Entstehungshin-
tergrund von Schaftkronleuchtern erfordert einen größeren Forschungsrahmen.
Der Bestand an Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in
Norddeutschland ist an sich heterogen und kann innerhalb eines Bestimmungsortes –
wie zum Beispiel in Sakralgebäuden – sowohl proportional und qualitativ erheblich
divergieren als auch Tendenzen einer Angleichung erkennen lassen.
117
S. Erixon, 1943, S. 32. – R. Haupt, Bd. 3 (Register, hier: Gießer), 1889. – J. Brinckmann, 1894, S.
761. – J. Faulwasser, 1894. – Thieme-Becker, Bd. 8, 1918, S. 328 und Bd. 27, 1933, S. 265. – K.
Hüseler, 1922, S. 2 f., 8, 14 ff. – H. Philippsen, 1928, S. 633. – F. Michaelsen, 1963. – Ders., 1965,
S. 91-99. – KD Niedersachsen, Landkreis Stade, (Textbd.), 1965, S. 591. – C. A. Meier, 1984, S.
165 ff. (= Quellen 18-22). – KD Hamburg, 1968 (Ev. Kirchen St. Katharinen, St. Jacobi), S. 267 f. –
K. Jarmuth, 1967, S. 126, 160 ff., 173. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttech-
nik, Jge. 21-23, 1969-1971, S. 72 ff. (1969), 250 f. (1970), 342 f. (1971).
118
KD Lübeck, Bd. IV, 1928, S. 359, 554, 596. – Vgl. K. Hüseler, 1922, S. 15. – T. Raff, 1994, S. 46 ff.
Einleitung Seite 30
Hier wären insbesondere die Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Einfalls- und
Reflektionswinkel in Licht und Beleuchtungstechnik von Leonardo da Vinci (1452–
1515), die Einführung des Begriffes Elektrizität bei geriebenen Körpern wie Bernstein
durch William Gilbert (1544–1603) und insbesondere die Formulierung und Veröf-
fentlichung der Brechungsgesetze des Lichts durch Thomas Harriot (1560–1621),
Willebrordus Snellius (Snell van Rojen, 1580–1626), René Descartes (1596–1650) zu
nennen.
Interessante Aspekte enthalten die Studie „Die Sprache der Materialien“ von Raff120
und Untersuchungen der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel: die
Entstehung und Ausbreitung der Alchemie121 und die Herstellung des Messings122, die
allerdings nicht im Zusammenhang mit Kronleuchtern erarbeitet wurden, aber in Be-
tracht zu ziehen sind.
Dass „die Formung des Erzes eine der schwierigsten künstlerischen Arbeitsweise ü-
berhaupt ist“, indem die für das Endprodukt relevante Eigenfarbe des Metalls hervor-
geholt wird, ohne dass einzelne Arbeitsvorgänge für den Betrachter sichtbar vollzo-
119
Lichter und Leuchter, Entwicklungsgeschichte und Technik eines alten Kulturgutes, Arnsberg 1987, –
H. Holländer, 2000.
120
T. Raff, München 1994, S. 38, 61 ff. – N. Gramaccini, Zur Ikonologie der Bronze im Mittelalter, in:
Städel-Jb., N.F. 11 (1987), S. 147–170. – Siehe auch: G. Bandmann, Bemerkungen zu einer Ikono-
logie des Materials, in: Städel-Jb., N.F., Bd. 2 (1969), S. 75 ff.
121
S. Krifka, Das Labor – Ort des Experiments, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, Hg. H. Hollän-
der, 2000, S. 755–771, insbes. S. 757.
122
Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia, Libri X, Venedig 1540, Dt.: Biringuccios Pirotechnia, Ein
Lehrbuch der chemisch-metallurgischen Technologie und des Artilleriewesens aus dem 16. Jahrhun-
dert, übers. v. O. Johannsen, Braunschweig 1925, S. 79 (s. dort Lit.hinweis: E. v. Lippmann, Entste-
hung und Ausbreitung der Alchemie, Berlin 1919 (Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
und Technik. Berlin 1923), S. 570) und s. Harburger Jahrbuch 1996, S. 48. – Siehe Krifka, Zur Kon-
struktion der Natur in wissenschaftlichen Experimenten, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Hg.
H. Holländer, 2000, S. 725–753.
Einleitung Seite 31
gen werden, darauf lenkte im Jahre 1928 die Publikation „Gestaltung des Erzes und
ihre Grundlagen“ den Blick.123 Sie erlangt für die Wahrnehmung von Kronleuchtern
des 16. bis 18. Jahrhunderts aus Metall in Norddeutschland einen neuen Stellenwert
angesichts jüngerer Forschungen zu Handelsverbindungen sowie zu Schwerpunkten
der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa zwischen 1500 und 1650.124
Kupferlegierungen mit Zink, das heißt Messing oder mit Zinn, das heißt Bronze – die
Verarbeitung beider Materialien zeichnet sich durch eine lange Tradition der Herstel-
lung und Verwendung aus.125
Jüngere Forschungen haben ergeben, dass Mitte des 16. Jahrhunderts insbesondere
die Gewinnung von Zink als Zinkspat oder -blende – anstelle des Zinkerzes – eine
Innovation im Bergbau darstellt und die daraus resultierenden Veränderungen in der
Veredelung der Rohstoffe zur Blütezeit des Messings führen.128 Hilfreich sind ferner
Analysen zu Kleinbronzen in Europa129 und vereinzelte Aufsätze und Monographien
zum Metallgewerbe.130
123
Die Gestaltung des Erzes und ihre technischen Grundlagen, Sammlung Kluge, Berlin/Leipzig 1928,
S. 6 ff.
124
H. Kellenbenz (Hg.), Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–
1650, Köln/Wien 1977.
125
R. A. Peltzer, 1909, S. 16 ff.
126
W. Paatz, 1930, S. 67.
127
R. A. Peltzer, 1909, S. 138. – H. G. Griep, 1961, S. 110.
128
Z. Lovag, 1979, S. 51 ff. – L. Jardine, Der Glanz der Renaissance, 1999, S. 45. – H. Holländer,
Kommentare und Notizen zur Bildgeschichte des Bergbaus, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion,
2000, S. 643-671, insbes. S. 646.
129
H. R. Weihrauch, Art, Bronze, Bronzeguß, Bronzeplastik, in: RDK, Bd. 2, 1948, Sp. 1182-1216. –
Ders., Die Bildwerke in Bronze und in anderen Metallen, München 1956.
130
W. Paatz, Lübeckische Bronzeproduktion, 1930, S. 67. – J. Warncke, Zinngießer in Lübeck, Lübeck
1922. – U. Mende, Minden oder Helmarshausen, Bronzeleuchter aus der Werkstatt Rogers von Hel-
marshausen, in: Jb. d. Berliner Museen, Bd. 31, Berlin 1989, S. 61–85. – Von allen Seiten gleich
schön, Bronzen der Renaissance und des Barock, Ausst.-Kat., Berlin 1996. – J. Stüben, Ein verlore-
ner Standleuchter aus der Werkstatt des Hamburger Metallgießers Hermann Bonstede in der alten
Kirche zu Uetersen, in: Nordelbingen 68 (1999), S. 11–27.
Einleitung Seite 32
Konstruktion“131; dort werden unter anderem die wichtigen frühen Darstellungen zur
Technik des Bronzegusses zusammengefasst, insbesondere der „Codex Atlanticus“
von Leonardo da Vinci (1452–1519), „De la pirotechnia“ von Vannocio Biringuccio
(1480–1538) und „De re metallica“ des Georg Agricola (1494–1555).132 Diese Werke
sind sowohl relevante historische Dokumente zur Metallverarbeitung als auch maß-
geblich an der Wertschätzung unedler Metalle beteiligt.
Vor diesem Hintergrund ist angesichts der sehr starken Verbreitung von Kronleuch-
tern aus Metall in evangelischen Kirchen die Beziehung Martin Luthers zur wirt-
schafts-, sozial- und kunstgeschichtlichen Rolle des Bergbaus interessant.133
Hinsichtlich der Entstehung und Verteilung von Kronleuchtern aus Metall werden in
den unterschiedlichen Publikationen seit Mitte des 20. Jahrhunderts abweichende
Ansichten vertreten. In erster Linie gelten wirtschaftliche Faktoren, das heißt insbe-
sondere ausbaufähige Handelsbeziehungen, als grundlegend. Hier stellt sich die Fra-
ge, ob Metallgießer nach ihren ausbildungsbedingten Wanderjahren als Arcanisten –
und zugleich im Interesse der Konjunktur – quasi zusammen mit den entsprechen-
den Exportgütern auf Reisen gingen.
Desgleichen wäre aus dieser Perspektive die Verbreitung bestimmter Motive durch
die Druckgraphik zu untersuchen. Erixon bemerkt im Zusammenhang mit gotischen
Kronleuchtern aus Metall: „I det stora hela rader en märklig överensstämmelse i typ
och detaljer mellan de gotiska ljuskronorna inom hela deras utbredningsomrade i
Tyskland, Belgien, Holland, England och Skandinavien samt Finland.“134
Inwieweit also traditionelle Stätten des Bergbaus eng mit Monopolbildungen ver-
knüpft sind und – mehr noch – inwieweit jene des Metallgusses Anteil an der Form-
gebung und Verbreitung der Metallkronleuchter in Norddeutschland haben, gehört zu
den für diese Region nicht abschließend beantworteten Fragen.
131
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat., Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), – Hg. H. Holländer, 2000.
132
C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Hg. H. Holländer, a.a.O.,
S. 573–678.
133
„... von daher bin ich ...“, Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land, Ausst.-Kat. 7 u. H. 7
Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt/Martin-Luther-Sterbehaus Eisleben, Hg. R. Knape, Eis-
leben 2000.
134
S. Erixon, 1943, S. 32. – K. Jarmuth, 1967, S. 187. – Vgl. J. v. Bonsdorff, Kunstproduktion und
Kunstverbreitung im Ostseeraum des Spätmittelalters, Helsinki-Helsingfors 1993.
135
S. Erixon, a.a.O., S. 54 (Messingwerk Skultuna/Dalarne wurde 1607 gegründet).
Einleitung Seite 33
1.3 Quellen
1.3.1 Schriftquellen
In diesem Zusammenhang wären auch die Gruppen der gekrönten und ungekrönten
heraldischen Doppel-Adler auf neuzeitlichen Schaftkronleuchtern aus Metall zu erfor-
schen. Denn diese sind auffallend oft Stiftungen von Ratsherren, Ämtern/Zünften
oder vergleichbaren Anderen. Ließe sich dies anhand weiterer Beispiele und mittels
Schriftquellen erhärten, dann würde der heraldische Doppel-Adler weiterhin als Wap-
pentier und Herrschaftszeichen gelten, könnte aber zugleich den Stand der gesell-
schaftlichen und administrativen Umstrukturierung andeuten.137 Die bisher unter-
136
Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Stadt Flensburg, Hg. P. Hirschfeld, München
1954, S. 127. – F. J. Falk, Lysekroner i Rømø Sct. Clemenskirke, Wyk/Föhr (1989), Text Nr. 3, Abb.
12 f. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark
erw. und veränd. Aufl., München 1994, S. 404. – Siehe LKA EKvW 4, 46 Nr. 5, 1 pag. 67 Andreas
Kamm, Bielefeld übersandte im Rahmen seiner Studien zu Kronleuchtern aus Messing in Westfalen
der Verfasserin Ende 2003 einige Auszüge aus Archivalien.
137
Schaftkronleuchter mit heraldischem Doppel-Adler als Stiftungen von Bürgermeistern und Ratsver-
wandten kommen vor in Bernau, Ev. Kirche, Kronleuchter 1599, s. Die Kunstdenkmäler der Provinz
Mark Brandenburg, Kreis Niederbarnim, Berlin 1939, S. 86. – Eberswalde, Ev. Kirche, sog. Ratskron-
leuchter und Schumacherkronleuchter nur noch fragmentarisch erhalten. Ihre ursprüngliche Gestal-
tung ist unbekannt. Die männlichen Köpfe als flachgeschnittenes Zierelement der Leuchterarme
könnten auf die Bekrönung „Heraldischer Doppel-Adler“ hindeuten, denn nur in dieser Kombination
kommen vergleichbare Profile an Kronleuchtern vor, s. Inventar der Bau- und Kunstdenkmäler in der
Provinz Brandenburg, Berlin 1885, S. 330. – Flensburg, Ev. St. Marien-Kirche, Kronleuchter (W)
1687 – und nicht 18. Jahrhundert, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Hamburg,
Schleswig-Holstein, 1994, S. 250. – Lauenburg, Ev. St. Maria-Magdalenen-Kirche, Kronleuchter
1658, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Schleswig-Holstein, Hamburg, Schles-
wig-Holstein, a.a.O., S. 420. – Lütjenburg, Ev. St. Michaelis-Kirche, Kronleuchter 1674, s. G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Schleswig-Holstein. Hamburg, Schleswig-Holstein, a.a.O.,
Einleitung Seite 34
Sofern Namen von Stiftern und/oder Metallgießern bekannt sind, können anhand von
Sterberegistern oder Grabbüchern zum Teil die ursprüngliche Platzierung der Kron-
leuchter in einer Kirche sowie Datierungen überprüft werden. An anderer Stelle kön-
nen Chroniken, Erbebücher, Denkelbücher, Schoßrechnungen oder Stellenbeschrei-
bungen, ferner Rechenschaftsberichte des so genannten Küsterinnen-Dienstes sowie
Akten zur Liturgie und zur weiteren Nutzung kirchlicher Räume, wo Kronleuchter
samt Hängung beiläufig erwähnt werden, Rückschlüsse erlauben.
S. 614. Präzise Angaben zur Gestaltung dieser Kronleuchter in Schleswig-Holstein samt Inschriften,
s. R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein einschließlich Herzogtum
Lauenburg, 6 Bde., Kiel 1887 ff. – Und es sind ferner Ende des 19. Jahrhunderts insgesamt 16
Schaftkronleuchter des 17. Jahrhunderts, davon 15 mit dem „Reichsadler“ und 1 mit „Jupiter auf Ad-
ler“ als Ausstattung der Jüdischen Synagoge in Worms inventarisiert. – Siehe Kunstdenkmäler im
Großherzogtum Hessen, Provinz Rheinhessen, Kreis Worms, Darmstadt 1887, S. 263. – Vgl. G. De-
hio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz, Saarland, 2., bearb. und erw. Aufl.,
München 1984, S. 1177 ff. Es wird infolge der beiden Weltkriege (1914/18 und 1939/45) wohl nicht
mehr zu klären sein, ob diese Kronleuchter Originale oder Replikate darstellen, die möglicherweise
im 18. Jahrhundert erworben wurden, als mit Einführung der Predigt in Landessprache infolge der
jüdischen Emanzipationsbewegung auch die Kulträume entsprechend verändert wurden, s. dazu: Le-
xikon der Kunst, Bd. 7, München 1996, S. 160 f.
138
A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, Kiel-Elmschenhagen 1838, S. 187 f.
139
Mitteilungen d. Gesellsch. f. Kieler Stadtgesch., Kiel 1908. – Lauenburg/Elbe, Archiv der Ev. St. Ma-
ria-Magdalenen-Kirchengemeinde, 5133, Beleuchtung, Nr. 959/768: Urkunde Stiftung Jürgen Doch-
termann, s. Abb. 47.
140
Berdum/Ostfriesland, Archiv der ev. Kirchengemeinde, KR I a 3, Berdumer Kirchenrechnungsbuch
1762–1868: Kronleuchter 1771. Bestandteil der Fotodokumentation zu Restaurierungsmaßnahmen
an Kronleuchtern; 1998 von Firma Paul Oelmann & Sohn, Bielefeld zur Verfügung gestellt, nach
Rücksprache mit dem Kirchenvorstand der Ev. Kirche in Berdum.
Einleitung Seite 35
Sofern kirchliche Akten nicht als Depositum kommunaler Archive erkennbar sind,
ergibt das bisher dort recherchierte Schriftgut nur vereinzelt Aufschluss über die als
Kleinbetriebe wohl doch schwer fassbaren Werkstätten. Andernorts sprechen die er-
haltenen Selbstzeugnisse und die darin genannten Aufenthaltsorte der Metallgießer
für eine Fortsetzung der Recherchen.
Die in den Landes-, Kreis- und Stadtarchiven verwahrte Korrespondenz mit Gesu-
chen der Handwerker an die Obrigkeit um Schutz und Anerkennung ihrer Person und
Profession erstreckt sich vielfach über mehrere Seiten. Während einerseits die Her-
ausbildung des Kronengießers als eigener Berufsstand festgestellt werden konnte,
scheint diese Spezialisierung andernorts nicht abgeschlossen oder nicht vordringlich.
Infolgedessen bedarf es gleichzeitig verschiedener Suchkriterien – wie zum Beispiel
„Glockengießerei“ –, um mittels weiterer Quellen bisherige Feststellungen zur
Verbreitung, Ikonographie oder Provenienz von Kronleuchtern erhärten oder widerle-
gen zu können. Auch hinsichtlich der hier eingehender vorgestellten Kronleuchter mit
profanen Motiven sind die Recherchen noch nicht abgeschlossen.
Weitere Fragen ergeben sich zum Beispiel aus der auch als gedruckte Quelle verfüg-
baren Reisebeschreibung „Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Ge-
sandtschaft beim Schah, 1633–1639“ des Adam Olearius (1599–1671). Dort wird als
eines unter mehreren Gastgeschenken der Gesandten ein Kronleuchter mit dreißig
Armen und eingebauter Uhr (!) erwähnt.141 Eine derartige Komposition ist für Nord-
deutschland als Kunstgut nicht inventarisiert; eine gewisse Vorstellung davon dürfte
ein Kronleuchter (1610; 1750 gestiftet) in der Heilig-Geist-Kirche in Kopenhagen
vermitteln (Abb. 119). Teile des Uhrwerks bestätigen die frühe Datierung dieses
Kronleuchters. Weitere Beispiele dieser Art werden anhand von Inventarverzeichnis-
sen verschiedenen Gemächern auf Schloss Frederiksborg/Dänemark zugeordnet, und
141
Adam Olearius: Vermehrte Newe Beschreibung der Moscowitischen und persianischen Reyse Zum
andern mahl herauß gegeben durch A. O. (Schleswig) 1656, S. 508: „Des Herrn Gesandten Brüg-
mans Geschencke. ... 2. Eine grosse messinge gantz vergüldete Liecht-Krone mit 30 Armen, so drey-
fach über einander mit Bildern und silbern Laubwerck besetzet und schön gezieret. Im Knopff war
eine Uhr so die Stunden und Viertel schlug.“ – Vgl. Adam Olearius, Moskowitische und Persische Rei-
se, Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah, 1633–1639, Hg. D. Haberland. Stuttgart/Wien
1986, S. 251, 22. Hier ist neben der Beschreibung eines Kronleuchters als Gastgeschenk des Weite-
ren die Verbindung zwischen Olearius und Kielmann interessant. Johann Adolph Kielmann von Kiel-
mannsegg (1612-1676) stiftete Kronleuchter (1661) in den Dom zu Schleswig. – Vgl. Kronleuchter-
details mit Exemplaren in Kiel, evangelische St. Nikolaikirche und Rendsburg, evangelische Christkir-
che. – D. Haberland weist darauf hin, dass diese Reisebeschreibungen ein erhebliches Maß Barockli-
teratur widerspiegeln. Vgl. dazu F. Kochwasser, Die holsteinische Gesandtschaftsreise 1633/1639. –
Adam Olearius, Vermehrte Newe Beschreibung der Muscowitischen und Persischen Reyse, Schleswig
1656. – O. Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, Kiel 1981, S. 184 f. und 189. – D. Lohmeier, A-
dam Olearius, in: Gottorf im Glanz des Barock, Kunst und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713,
Bd. 1, Die Herzöge und ihre Sammlungen, Ausst.-Kat. Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum
(199), S. 348–353. Es sind ferner zur Beurteilung diplomatischer Beziehungen der Neuzeit diese Un-
tersuchungen hilfreich: G. Mattingly, Renaissance Diplomacy, London (1954). – Siehe L. Gielham-
mer, Deutsche Gesandte in Iran, Zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutsch-
land und Iran, München 1960, S. 273–275, insbes. S. 274. Hg. D. Lohmeier. Tübingen 1971.
Einleitung Seite 36
1.3.2 Bildquellen
Neben der Erzgießerschale143, auf der Abläufe des komplizierten Bronzegusses an-
schaulich dargestellt sind, und jenen Abbildungen, die in den Schriften namhafter
Autoren der Renaissance die einzelnen Arbeitsabläufe der Metallverarbeitung – ins-
besondere der Messingproduktion – schildern144, können Bildquellen die Herstellung
oder die Verwendungszusammenhänge von Kronleuchtern aus Metall vermitteln.
Sehr häufig werden daher die Graphiken des Ständebuchs von Jost Amman (1539–
1591, Zürich) und das Gemälde „Die Hochzeit des Giovanni Arnolfini und der Giovan-
na Cenami“ (1434) des Jan van Eyck (1390–1441) als präzise Beispiele für
Schaftkronleuchter präsentiert und kaum die Darstellungen von Kirchen-Interieurs
des Emanuel de Witte (1607–1692) mit ihren flüchtig wiedergegebenen Kugelkron-
leuchtern.145 Beleuchtungsgeräte in Sakralgebäuden werden öfter dargestellt als sol-
che in profanen Wohn- und Repräsentationsräumen.
Die Herkunft der Schaftkronleuchter und ihrer weltlichen Bekrönungen ist nicht ein-
deutig geklärt. So wurde das besagte Gemälde van Eycks lange als zeitgenössisches
Dokument der Wohnkultur des 15. Jahrhunderts und der ersten Schaftkronleuchter
im profanen Ambiente betrachtet. Demgegenüber hebt die jüngere kunstwissen-
schaftliche Forschung anhand auffälliger Darstellungsdetails die rechtliche Kompo-
nente hervor. Insofern sollen die genannten Werke hier erneut einbezogen werden,
um an ihnen den mehrdeutigen Aussagegehalt derartiger Bildquellen zum Kunst-
handwerk zu verdeutlichen.
Andere Beispiele wurden während der Vorbereitung dieser Studie en passant zu-
sammengetragen und werden weiter unten genannt. Diese wären nicht nur um wei-
tere Darstellungen zu ergänzen, sondern auch genauer zu beschreiben und zu analy-
sieren. Tendenziell stehen die in der Bildkunst wiedergegebenen Kronleuchter (aus
Metall) über ihren dekorativen Charakter und Zeugniswert hinaus – indirekt auch zur
Entwicklung der Beleuchtungsgeräte – mit wichtigen Handlungen und damit zusam-
menhängenden Rechtsfragen in Verbindung.146 Diese Korrelation könnte auch die
142
Danmarks Kirker, København, Bd. 1, Kopenhagen 1945–58, S. 694 ff. sowie Abb. 119 der vorliegen-
den Kronleuchterstudie.
143
C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, Hg. H. Holländer, a.a.O.,
S. 673–687, hier S. 673.
144
Dies., a.a.O., S. 675 ff.
145
Eygentliche Beschreibung aller Staend auff Erden, Nürnberg 1568, Nachdruck München 1923 (Holz-
schnitte von Jost Amman). – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Na-
tionalmuseum München (1989). s. Abb. Frontispiz.
146
In einer Beschreibung der Hohenzollerischen Hochzeit (1598) in Hechingen heißt es: „Von der Decke
hängen zwei Messingleuchter mit vierzehn Kerzen ...“, s. I. Loesch, So war es Sitte in der Renais-
sance, Leipzig 1965, S. 109.
Einleitung Seite 37
Die Graphiken von Jost Amman oder Christoph Weigel (1654–1725, Nürnberg) illust-
rieren in Druckwerken zur Beschreibung der Stände unter anderem die Tätigkeiten
der Leuchtenmacher und der Rotschmied-Drechsler oder Messing-Schaber im Bereich
der Messingverarbeitung. Sie geben so auch Einblick in die Anfertigung einzelner
Kronleuchter-Module, wobei der Weigel’sche Kupferstich „Der Leuchtenmacher“ un-
vollständige Schaftkronen abbildet, die mit einer großen Kugel am unteren Ende ab-
schließen und dem Barock zuzuordnen sind. Sollte dies die mehrfach erwähnte verle-
gerische Arbeitsorganisation der Metall verarbeitenden Berufe dokumentieren, so
scheint die zeittypische Grundform eines Kronleuchters demnach vom Hersteller
festgelegt und verfügbar, ohne dass ältere Modelle noch zur Auswahl stehen. Denn
die Winkelarmkronen der Renaissance sind dort zum Beispiel nicht abgebildet. Es sei
denn, dass die Provenienz der zuvor genannten Graphiken nicht nur Rückschlüsse
auf das Aufgabengebiet des Kronengießers an sich, sondern auch auf die Produkti-
onsstätte, die kunstgeographische Verbreitung oder den Erhalt eines bestimmten
Kronleuchtertyps zulässt.
Die Graphiken bieten keine Hinweise zum Motivschatz eines Kronleuchters. Aber die
dort unvollständig wiedergegebenen Kronleuchter könnten darauf hindeuten, dass
ihre weitere Gestaltung an anderer Stelle und nach Belieben der Auftraggeber ausge-
führt wurde.
Die den Darstellungen jeweils zugeordneten Sinnsprüche geben Aufschluss über die
Voraussetzungen für qualitätvolle Messingerzeugnisse, die dem Berufsstand zur Ehre
gereichen.
Während diese Abbildungen die verschiedenen Fachbereiche und -berufe und inso-
fern Sozialgeschichte veranschaulichen, belegen in Norddeutschland einige Schrift-
quellen die dort offensichtlich übliche Praxis. So sind namentlich bekannte Metallgie-
ßer dadurch charakterisiert, dass sie die von Amman illustrierten Facetten dieses
Aufgabengebietes in ihrer Person und Werkstatt (notgedrungen) vereinen. Gleich-
wohl stellt Philippsen in Schleswig die Herausbildung des Kronengießers als Spezial-
beruf fest.147
147
H. Phillipsen, a.a.O. – Vgl. K. Hüseler, 1922.
148
F. Büttner, Schätze der Kunst, Europäische Malerei aus sieben Jahrhunderten, Künzelsau-Gaisbach
1988, S. 22 f. – E. Grimme, Belgien, Spiegelbild Europas, 4. Aufl., Köln 1980, S. 56.
Einleitung Seite 38
Kultur zu belegen.149 Denn diese weichen morphologisch und bedingt auch iko-
nographisch von den eindeutigen Kirchenkronleuchtern der Gotik ab. Zu diesen Kron-
leuchtern kultischen Ursprungs gehören als Sonderform die Marienleuchter, die in
Westeuropa vornehmlich als Tabernakelkronleuchter das Abbild eines Sakralgebäu-
des resp. eines Sakramentshauses wiedergeben. In Osteuropa sind die Korbkron-
leuchter als Anspielung auf die Wurzel Jesse und die Rosenhag-Madonna stärker ver-
breitet. Bereits in spätgotischer Zeit kommen Schaftkronleuchter aus Metall mit den
Bekrönungsfiguren der Muttergottes oder eines sitzenden Löwen vor.
Die oben genannten Gemälde und Graphiken als Aussage zu Entwicklungsstufen der
Messingverarbeitung und zur Ausbreitung ihrer Erzeugnisse heranzuziehen, ist in
Anbetracht der bisher bekannten Forschungsergebnisse zur Messingproduktion hilf-
reich. Die den profanen Bildern des 15. Jahrhunderts unterstellte Beweiskraft zur
Herkunft der Schaftkronleuchter aus der Wohnkultur wäre eingehender zu untersu-
chen.
149
A. Brüning, a.a.O. – K. Jarmuth, a.a.O.
150
1542–1992. 450 Jahre Evangelische Kirche in Regensburg, Ausst.-Kat. Museum der Stadt Regens-
burg (1993), S. 300. – Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (1897), Taf.
III, S. 22. – Nürnberg 1300–1550: Kunst der Gotik und Renaissance, Ausst.-Kat. Germanisches Na-
tionalmuseum Nürnberg (1986), S. 332.
151
F. Büttner, a.a.O.
152
Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel von 1487–1601, in: Ztschr. d. Gesell. f. S.-H.-Lauenbg.
Gesch., Bd. 10, Kiel 1881, S. 226: „Item N der borth vnszes Heren Dusent verhundert vnde jn dem
vyff vnde Negentichsten Wy Hans Schele Radtman Hans Louwe vnde Hans grauwetopp Sunte Nicolai
swaren Tugeden vnser leuen vrouwen Cronen midden jn der kerken vnde steyth anderthalffhundert
Einleitung Seite 39
zeit des Arnolfini erhebt sich die Frage, ob nicht gerade diese Komposition von In-
nenraum und Menschenbild – die als Einzelsujets und als Charakteristika im Œuvre
der Gebrüder van Eyck gelten – über ihre Aufgabe einer Bilddokumentation des Inte-
rieurs hinaus auch den daraus abzuleitenden Aspekt der Rechtsfähigkeit darstellt.
Gerade diese Zusammenhänge erscheinen richtungsweisend für die Einordnung be-
stimmter Bekrönungsfiguren auf frühneuzeitliche Schaftkronleuchter aus Metall resp.
Motivschatz über kunsthandwerkliche Qualitäten hinaus auf ihren Verwendungszu-
sammenhang hin zu untersuchen.
Weniger differenziert sind Kronleuchter aus Metall zum Beispiel in folgenden Zusam-
menhängen dargestellt: auf dem Tafelgemälde „Verkündigung“ (um 1500) eines
Westfälischen Meisters für die Außenseite eines Flügelaltars153, bei Lucas Cranachs d.
Ä. „Martyrium des Apostel Themas“ (Holzschnitt, um 1512)154 in „Kleine Holzschnitt-
passion“ (1509/11), „Fußwaschung“ von Albrecht Dürer und deren Übertragung von
Hans Brüggemann in den Bordesholmer Altar (1521) im Dom zu Schleswig155 oder
zum Beispiel in einer Miniatur aus dem Ratsbuch der Stadt Augsburg (1545) von
Jörg Breu d. J. Unter dem Titel „De fem sanser“ (Die fünf Sinne) stellt Bassen (1590-
1652) unter anderem einen Kronleuchter aus Metall mit einer Haltefaust als Aufhän-
gung sowie ein Kohlebecken als Bestandteile eines holländischen Interieurs dar. Ver-
gleichbares Inventar ist zum Teil auch in einigen evangelischen Kirchen Dänemarks
sowie in Norddeutschland erhalten.
Einen Kugelkronleuchter ohne Bekrönung zeigt das Gemälde „En Drengeskole“ von
Frantz Clein (1582–1658).
Der Kronleuchter, der auf dem Gemälde „Das Fest des Herodes“ von Jaques Bellange
(1594–1638) zu sehen ist, könnte in der Gegenüberstellung zu den dort dargestell-
ten Waffen und Musikinstrumenten ebenfalls aus Metall gefertigt sein. Weibliche Sta-
tuetten scheinen den Schaft dieses Leuchters zu umgeben.156
marck Dar to gaff Hans Schimmelpennyngk vefftich marck.“ – Mitteilungen, Stiftung eines Kron-
leuchters in der Kirche zu Heiligenhafen, in: Die Heimat, 13. Jg., Nr. 2 (1903), S. 47.
153
Dortmunder Kunstbesitz II, Erwerbungen 1958–1963, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Kulturge-
schichte, Dortmund 1963, Kat.-Nr. 21.
154
H. Appuhn, Einführung in die Ikonographie der mittelalterlichen Kunst in Deutschland, Darmstadt
1979, S. 37.
155
J. Rosenfeld, Das Bordesholmer Hochaltarretabel: Hans Brüggemann, Albrecht Dürer und die Reta-
belbaukunst in den Niederlanden und am Niederrhein, in: Der Bordesholmer Altar des Hans Brügge-
mann, Begleitband der Ausstellung „Der Bordesholmer Altar des Hans Brüggemann, Werk und Wir-
kung, Hg. U. Albrecht, Kiel 1996, S. 71–86, hier: 75, Abb. 6. – U. Wolff-Thomsen, Die bildliche Re-
zeption des Bordesholmer Retabels im 19. Jahrhundert: Ein Kunstwerk im Zeitalter seiner techni-
schen Reproduzierbarkeit, in: Der Bordesholmer Altar des Hans Brüggemann, 1996, S. 241–283,
hier S. 256.
156
Kunst und Kunsthandwerk, Meisterwerke im Bayerischen Nationalmuseum, Mus.-Kat. Bayerisches
Nationalmuseum München (1955), Abb. 88 und S. 59. – Fredensborg/Dänemark, Rittersaal, s. in der
Gegenüberstellung zu den Inventarstücken des Gemäldes: Kohlebecken, Bronze, 1491 mit Inschrift
in der Ev. Kirche St. Petrus in Landkirchen/Fehmarn und Kronleuchter mit Haltefaust – wie zum Bei-
spiel in der Kirche St. Olai, Helsingør/Dänemark. – Enzyklopädie der Weltkunst, Renaissance und Ba-
rock, Bd. 6., Weinheim/Österreich o.J., S. 2750.
Einleitung Seite 40
Aber auch in Phantasiedarstellungen – wie zum Beispiel dem „Interieur van de Grote
Kerk te Alkmaar“ (1635) von Pieter Saenredam (1597–1665) können Kronleuchter
raumbildendes und -prägendes Inventar darstellen.160
Obschon in diesen Zusammenhängen in erster Linie davon auszugehen sein wird, dass
die dort wiedergegebenen Kronleuchter eines unter mehreren Gestaltungsmitteln dar-
stellen können, geben die Leuchter als vertraute Zeitdokumente bestimmten Bildinhal-
ten einen Realitätsbezug. Kronleuchter werden nicht nur im Rahmen der im moralisie-
renden Sinn der Feinmalerei genremäßig belebter Innenräume dargestellt, vielfach
treten sie in Verbindung mit feierlichen Ereignissen oder (Amts-)Handlungen von be-
sonderer Tragweite auf – wie zum Beispiel Geburt, Taufe, Hochzeit, Tod oder Begräb-
nis. Insofern stellt sich die Frage, ob Kronleuchter hier Rechtsräume und Rechtsfähig-
keit anzeigen, ob sie die Aufgabe funktional-dekorativer Beleuchtungsgeräte zu erfül-
len haben.
157
Meisterwerke europäischer Graphik 15.–18. Jahrhundert aus dem Besitz des Kupferstichkabinetts
Coburg, 200 Jahre Coburger Kupferstichkabinett 1775–1975, Ausst.-Kat. Veste Coburg 1975, Kat.-
Nr. 174. – Anthonie de Lorme (1605–1673) „Inneres einer Kirche“, 1643, Öl auf Eichenholz, 41,5 x
50,5 cm, Landesmuseum Oldenburg 15.686; Gerard Dou (1613–1675) „Die Wassersüchtige“, Louvre
Paris; Emanuel de Witte (1617–1692) „Die Oude Kerk in Amsterdam“, 1659, Malerei auf Leinwand
60,5 X 75,5 cm; Hamburger Kunsthalle; Ders., „Predigt in einer reformierten Kirche“, 1670, Malerei
auf Leinwand, 120,5 x 103,8 cm; Hamburger Kunsthalle; Ders., „Eine reformierte Kirche“, Eichen-
holz 42 x 32,5 cm, Hamburger Kunsthalle; Gerrit Berckheyde (1638–1698), „Die Bavokerk in Haar-
lem“, Malerei auf Eichenholz 51,5 x 39,8 cm, Hamburger Kunsthalle; Adolf Friedrich Teichs, „Kaiser
Karl V. am Grabe Luthers“, Lutherhalle Wittenburg; Stadtkirche Glückstadt, Emporengemälde, „Be-
schneidung“, Detail aus dem Bilderzyklus in Anlehnung an den Kupferstich von Hendrik Goltzius –
s.o.
158
Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 1, Kreis Kempen, Geldern, Moers, Kleve, Düsseldorf
1892, S. 448, Abb. 10. – De Nederlandse Monumenten van geschiedenis en kunst, Deel II, De Pro-
vince Utrecht, Eerste Stuk, De Gemeente Utrecht, De Dom van Utrecht, Gravenhage 1965, S. 228 f.,
352. – H. Schmidt, Ludwig Dettmann, in: Nordelbingen 19 (1950), S. 53, 120. – Die Bau- und
Kunstdenkmale in der DDR, Bezirk Potsdam, a.a.O., S. 113. – Danmarks Kirker, Ribe Amt, 2. Bd.
Kopenhagen 1974, S. 1087.
159
H. H. Mann, Optische Instrumente, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Hg. H. Holländer, a.a.O.,
S. 357–407, S. 381, Abb. 19.
160
Mus.-Kat. Rijksmuseum het Catharijneconvent, Utrecht 1983, S. 78 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 41
2. Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze des 16. bis 18. Jahr-
hunderts in Norddeutschland
Die Hänge- oder Schaftkronleuchter und die kleineren Stand- oder Wandleuchter aus
Messing variieren farblich je nach Legierung des Buntmetalls von kupferrot, rotgelb,
rein- und hellgelb, goldfarben bis hin zu weißlich oder silbergrau.
Die Verarbeitung von Messing und Bronze ist nicht an den Ort des Bergbaus gebun-
den.163
161
Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia, Libri X, Venedig 1540, dt. Übers. Braunschweig 1925, S. 79
ff. – Z. Lovag, 1979, S. 51 ff. – W. D. Wixom, 1986, S. 75. – Modell und Ausführung in der Metall-
kunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München (1989), S. 8 f. – W. Hofmann, Die Kron-
leuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt Rostock, Befunddokumentation, Res-
taurierungsplan, Wolgast 1997. – R. A. Peltzer, 1909, S. 12. – Z. Lovag, Mittelalterliche Bronze-
kunst, Budapest 1979, S. 51 ff. – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches
Nationalmuseum München 1989, S. 8. – T. Raff, 1994, S. 15 und Anm. 25.
162
R. A. Peltzer, 1909, S. 21. – W. D. Wixom, Nürnberger Messingarbeiten, 1986, S. 75.
163
H. Schmidt/H. Dickmann, Bronze- und Eisenguss. Bilder aus dem Werden der Gießtechnik, Ein Be-
richt über die „Historische Sonderschau der Internationalen Gießereifachmesse 1956“, Düsseldorf
1958. – Mittelalterliche Bronzen, Bilderhefte des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg (1960),
S. 4. – H.-G. Griep, 1961, S. 110. Entgegen der häufigen Darstellung, dass in erster Linie fremdes
Kupfer zur Messingproduktion gehandelt werde, beschreibt Griep für die Metallverarbeitung im Harz
die Verwendung einheimischen Kupfers und Zink. Und er führt weiter aus, dass es anfangs Schwie-
rigkeiten bei der Verhüttung gegeben habe und Galmeierz importiert wurde, obschon seit dem Mit-
telalter Galmei-Hütten im Harz nachweisbar seien. – O. Werner, Analyse mittelalterlicher Bronzen
und Messinge, 1977. – A. Timm, Die Bedeutung des Mansfelder Kupfers zwischen 1500 und 1630,
in: Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650. Hg. H. Kel-
lenbenz, 1977, S. 184–189. – W. D. Wixom, 1986, S. 76.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 42
Die rötliche Farbe des Kupfers bleibt sowohl bei einer Legierung mit Zink (1-7 %) als
auch mit Zinn erhalten (vgl. Kronleuchter mit gekröntem heraldischem Doppel-Adler,
bewaffneten Subfiguren auf der unteren Nutenscheibe und Löwenkopf-Maske
/Leuchterarm im südlichen Querhaus der Evangelischen St. Severin-Kirche in Ham-
burg Kirchwerder). Der Zusatz von Zink verleiht – bei einem Anteil zwischen zwei
und vier Prozent – der Bronze ähnliche physikalische Eigenschaften wie Messing und
die Möglichkeit, eine ausdruckstarke Patina anzusetzen. Messing gilt als korrosions-
beständig – werden Anteile von Zinn hinzugefügt, entstehen Übergänge zur Bronze.
Ein prozentual steigender Anteil von Zink bewirkt bei der Legierung mit Kupfer insbe-
sondere dessen Farbveränderung von Rot nach Gelb sowie eine Differenzierung der
gelben Farbtöne, wobei ein Über- oder Unterschreiten der hinzuzufügenden Anteile in
weißliche oder rötliche Farbtöne umschlagen kann. So entspricht Messing bei einem
50-prozentigen Zinkgehalt optisch dem Edelmetall Gold. Messing ist jedoch wesent-
lich kostengünstiger, da unter anderem in größeren Mengen verfügbar; denn einige
Bestandteile des Buntmetalls fallen quasi als Abfälle bei der Gewinnung von Silbererz
an.164
Messing ist leicht und blasenfrei zu gießen, da es dünn fließt. Es ist deshalb für Ar-
beiten nach einem Modell im Formkasten geeignet und infolgedessen als hauptsächli-
cher Werkstoff für die im Baukastensystem konzipierten neuzeitlichen Schaftkron-
leuchter anzusehen. Wobei von den üblichen drei Arten des so hergestellten Guss-
messings die als „cuivre poli“ bezeichnete Legierung mit einem Zinkanteil von we-
nigstens dreißig bis gut fünfzig Prozent für Schaftkronleuchter des 16. bis 18. Jahr-
hunderts in Norddeutschland in Frage gekommen sein dürfte. Dieses Mischungsver-
hältnis zeichnet sich durch besonders scharfe Güsse, schöne Farben und Politurfähig-
164
„Verfügbarkeit des Messings“ ist hier nicht im Sinne konstanter Bezugsquellen von Kupfer als Be-
standteil des Werkstoffes „Messing“ zu verstehen. Gleichwohl scheinen Angebot und Nachfrage un-
verändert hoch, werden aber erheblich von wirtschaftspolitischen Faktoren beeinflusst. Neben Ver-
änderungen auf dem Finanzsektor, das heißt Zahlungsverkehr und Preisentwicklung sowie logisti-
scher Aufgabenstellungen, gibt es unterschiedlich starke Erschöpfungen der bekannten Erzlagerstät-
ten. Dazu K. Glamann, Japanese Copper on European market in the 17th century, in: Schwerpunkte
der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 280–289, insbes.
S. 286. Hier wird der Einfluss von Amsterdam auf den schwedischen Kupferhandel angesprochen. Es
ist dabei zu vergegenwärtigen, dass der Handel Antwerpens zwischen 1649–1792 zum Erliegen
kommt, als die Niederlande die Schifffahrt auf der Schelde unterdrücken. – R. Hildebrandt, Augsbur-
ger und Nürnberger Kupferhandel 1500–1619, Produktion Marktanteile und Finanzierung im Ver-
gleich zweier Städte und ihrer wirtschaftlichen Führungsschicht, in: Schwerpunkte der Kupferproduk-
tion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 190–224. – H. Pohl, Kupfergewinnung,
Kupferverarbeitung und Kupferhandel im Aachen-Stolberger Raum von 1500–1650, in: Schwerpunk-
te der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 225–240. – K.
Kumlien, Staat, Kupfererzeugung und Kupferausfuhr in Schweden 1500–1650, in: Schwerpunkte der
Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 241–259, insbes. S. 242,
245, 248 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 43
keit aus und trägt so der Plastizität modellierter Motive Rechnung.165 Abweichungen
davon können neben Stilmerkmalen auf unterschiedliche Provenienz sowie auf Er-
gänzungen oder Replikate hindeuten.166
Der Messingguss erlaubt eine beliebige Wiederholung von Formen und Motiven und
damit eine gesteigerte Produktion, wodurch die kunsthandwerkliche Authentizität
deutlich herabgesetzt wird. Andererseits dokumentiert der Bestand an Schaftkron-
leuchtern, dass eine Wiederholung von Formen und Motiven die Vielfalt nicht aus-
schließt. Es sind nur wenige Schaftkronleuchter erhalten, die annähernd gleich sind.
Etliche Exemplare wirken kongruent und weisen bei näherer Betrachtung deutliche
Unterschiede auf.167
Zum Teil können die Werkstoffe Messing oder Bronze durch andere Materialien er-
setzt oder ergänzt sein. Darunter kommen wenige Schaftkronleuchter aus Messing
vor, die feuervergoldet oder mit Silberblech beschlagen sind.168 Aus Zinn gegossene
Beleuchtungsgeräte dieser Art sind nur in geringer Zahl bekannt. Andere Beispiele,
die in der Formgebung den gegossenen und geschmiedeten Kronleuchtern sehr ähn-
lich sein können, bestehen aus Eisen, gedrechseltem, beschnitztem und gefasstem
Holz oder Bernstein.169 Dieses fossile Harz ist seiner chemischen Struktur nach ein
165
L’art du cuivre, Ausst.-Kat. Musée de la Byloke Gent (1961), S. 54 f.
166
O. Volbehr (Hg.), Die Christkirche in Rendsburg=Neuwerk. Festschrift zur Feier des 200-jährigen
Jubiläums der Kirche am 15. Juli 1900, Kiel 1900, S. 14: „Von besonders schönen Formen sind die
drei im Gange vom Thurm bis zum Altar hängenden Kronleuchter aus Bronze, die älter sein dürften
als die Kirche selbst, über deren Ursprung nichts zu ermitteln ist. „Dieselben sind jetzt um zwei neue
in derselben Weise von der Firma Riedinger in Augsburg hergestellte vermehrt ...“ - Die drei ur-
sprünglichen Kronleuchter und Motive in der Christkirche (von Westen nach Osten, Ende 1990er Jah-
re): Jupiter/Adler, heraldischer Doppel-Adler und Caritas. In den Archivalien ist von Messing- und
nicht von Bronzeleuchtern die Rede – Charles Coleman Entwurfsmappen 1963. – Vgl. auch Fundus
und Firmengeschichte einzelner Metallgießereien. – Der Landsknechtkronleuchter, wohl 16. Jh., der
evangelischen Kirchengemeinde Oederquart wurde 2002/03 überarbeitet und die fehlende Löwen-
kopf-Maske ergänzt. Sowohl die Gussqualität des Kronleuchters und des Unterhanges unterscheiden
sich als auch die längliche Kopfform und Plastizität des Fanges dieser Maske von jenen an vergleich-
baren Kronleuchtern der evangelischen Kirchen in Steinkirchen/Elbe (inschriftlich 1654 gestiftet) und
Bad Bevensen. Nach letzterem Landsknechtkronleuchter wie auch vom Kronleuchter „Büttel“
(inschriftlich 1572) in Otterndorf/Cuxhaven sind im letzten Viertel des 20. Jh. Replikate entstanden.
167
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), S. 7.
168
Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Schwerin, I. Bd., Rostock, Ribnitz, Sülze-
Marlow, Tessin, Laage, Gnoien, Dargun, Neukalen, 2. verb. und verm. Aufl., Schwerin 1898, S. 127.
– Danmarks Kirker, Kobenhavn, 1. Bd., Kopenhagen 1954–1958, S. 693 ff.
169
O. Pelka, Die Meister der Bernsteinkunst, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum
Nürnberg (1916), S. 113 f. und Taf. XVIII und XIX. – T. Raff, 1994, S. 137 (Anm. 167).
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 44
Dass die Verbreitung und der Bestand der Kronleuchter aus Messing dennoch sehr
viel größer ist, dürfte also einerseits auf die Materialeigenschaften und veränderten
Produktionsprozesse im 16. Jahrhundert, andererseits und nicht zuletzt auf die mit
Gold und Bronze assoziierten Werte zurückzuführen sein. Bronze wurde wegen seiner
Beständigkeit auch als aes aeternum bezeichnet, so wie Gold – seit Plinius d. Ä. (um
23/24–79 n. Chr.) – zugleich Licht, Beständigkeit und Ewigkeit bedeutete.170
Weder das Material noch das Aufgabengebiet, sondern zuerst die handwerklichen
Techniken führen Hüseler zufolge zu einer Differenzierung der Metall verarbeitenden
Berufe und Berufsbezeichnungen – wie zum Beispiel Rotgießer oder Gelbgießer. Hü-
seler beschreibt dies in seiner Studie zum Amt der Rotgießer in Hamburg für das 16.
und 17. Jahrhundert. Ihre Institution galt unter den Metallgießern als oberste Instanz
im Niedersächsischen Reichskreis. Dieser Bereich der Kreiseinteilung Deutschlands
um 1500/1512 bezieht sich aus heutiger Sicht auf die Bundesländer Bremen, Ham-
burg, Mecklenburg, Niedersachsen sowie auf Teilgebiete Sachsen-Anhalts und
Schleswig-Holsteins.
Die Bezeichnung „Rotguss“ bezieht sich im Reich des späten Mittelalters und der Re-
naissance sowohl auf Bronze- als auch auf Messingarbeiten.171 Gelbgießern ist es
möglich, bedarfsorientiert für den Marktverkauf zu arbeiten, indem er seine Artikel
im Sandgussverfahren mittels Kastenformen herstellt.172 Dies ermöglicht zwar nur
Kleinteiliges, beinhaltet aber optisch positive Auswirkungen auf die Textur der Er-
zeugnisse.
Dies dürfte auch grundlegend für die Herstellung und große Ausbreitung der aus Mo-
dulen zusammengesetzten Schaftkronleuchter aus Metall des 16. bis 18. Jahrhun-
derts gewesen sein. Wobei für die Fertigung der Kronleuchterfiguren noch andere
Gussverfahren in Betracht kommen.
170
T. Raff, 1994, S. 15, 22 f. (Anm. 53), 66 (Anm. 267). – Möglicherweise spielten finanzielle Erwägun-
gen eine Rolle. – Vgl. betreff Umguss: D. Diederichs-Gottschalk, Die protestantischen Schriftaltäre
des 16. und 17. Jahrhunderts in Norddeutschland, 2004, S. 309.
171
R. A. Peltzer, 1909, S. 22 (Anm. 4). – K. Hüseler, 1922, S. 17. – Vgl. Großer Atlas zur Weltgeschich-
te, 1997, S. 97, Karte 2.
172
K. Hüseler, 1922, S. 2. – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Natio-
nalmuseum München (1989), S. 11. – Zur Unterscheidung der termini technici, vgl. H. Drescher, Zur
Technik der Untersuchung bronzener Bildwerke, in: Restaurierung von Kulturdenkmalen, Berichte
zur Denkmalpflege in Niedersachsen, Beiheft 2, Hg. H.-H. Möller, Hameln 1989, S. 370.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 45
Bei einem Gussverfahren nach einem Modell in einer zweiteiligen Form wird das ab-
zuformende Modell jeweils zur Hälfte in den zubereiteten Formsand eingebettet und
nach dem Abdruck wieder entfernt. Es bleibt somit für die mehrfache Wiederholung
des Gussverfahrens erhalten.
Die Spindel eines Schaftkronleuchters entsteht ebenfalls nach Modellen, ist in der
Regel massiv gegossen und wird schließlich auf einer Drehbank überarbeitet. So wird
bei allen achsensymmetrischen Teilen dieses Kronleuchters verfahren, um eine
gleichmäßige Oberflächenwirkung zu erzielen. Die dabei entstehenden Drehrillen
bleiben mehr oder weniger stark sichtbar. Mittels der nachträglichen Bearbeitung
durch Feilen, Schleifen und Poliermittel wird der Eindruck der ebenmäßigen Oberflä-
che gesteigert. Schablonenartige Zierelemente werden aus einem Blech ausgestanzt
und mit Graviermeißel und Punzen abschließend bearbeitet.
Ein anderes Gussverfahren, dass für die Herstellung von Schaftkronleuchtern, das
heißt vor allem für ihren differenziert modellierten, vollplastischen Figurenschmuck in
Betracht gezogen wird, ist das Wachsausschmelzverfahren. Als qualitativ höherwerti-
ge Technik des Bildgusses ist an sich das „Wachsausschmelzverfahren in verlorener
Form“ (à cire perdu) für monumentale Kunstwerke bekannt. Für diese einmalig ge-
fertigten Statuetten wird das „direkte Wachsausschmelzverfahren mit verlorenem
Modell“ angenommen und für wiederholt verwendete Figuren liegt die Reproduktion
von Wachsmodellen mittels einer materialbeständigen Zwischenform nahe.174
Wie die Bezeichnung „verlorenes Modell“ erkennen lässt, bleiben bei diesem Verfah-
ren die im Interesse einer künstlerisch zartgliedrigen Gestaltung aus Wachs model-
lierten Plastiken während des Gussvorganges nicht erhalten.
Das Fehlen historischer Formen und Modelle einerseits175 sowie die beruflichen Über-
schneidungen zwischen Glocken- und Kronengießern andererseits deuten auf diese
Art der Fertigung. Für das Gros der stereotypen Kronleuchterfiguren auf Schaft-
kronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts wird von der kostengünsti-
173
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), S. 12 f., nach: Denis Diderot/Jean le Rond d’Alembert, Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné
des siences, des arts et des métiers, 17. Bde., Paris 1751–1765. Recueil de planches, 11 Bde., Paris
1762–1765. – W. Hofmann, Die Kronleuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt
Rostock, Befunddokumentation, Restaurierungsplan, Wolgast 1997.
174
U. Mathies, 1998, S. 21 ff. – C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion,
2000, S. 673–687, insbes. S. 682.
175
Im Rahmen von Besichtigungen 1996 und 1997 der Betina Roß GmbH Restaurierungen in Hamburg
wird im Zusammenhang mit der Instandsetzung eines Kronleuchters aus Messing von 1633 das Feh-
len historischer Formen als genereller Mangel angesprochen.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 46
Die Topfigur „Römischer Soldat“ (Abb. 56), die im folgenden Kapitel eingehender zu
betrachten sein wird, gehört an sich formal zu den stereotypen Bekrönungen, die
sich durch eine subtile Modellierung und wenige Gravuren auszeichnen. Proportional
und im Detail können stilistische Abweichungen auftreten – wie zum Beispiel in der
Modellierung des Brustpanzers. Die grundverschiedene Gestaltung dieses Figuren-
typs auf zwei Kronleuchtern in der Evangelischen Stadtkirche St. Marien in Ber-
gen/Rügen (Abb. 63) legt stilistische Verbindungen der Bekrönung des östlichen
Kronleuchters zum Gros vergleichbarer Exemplare in Niedersachsen und Schleswig-
Holstein, das heißt zum damaligen Niedersächsischen Reichskreis nahe. Demgegen-
über lässt die gedrungene Gestalt der Figuren auf dem westlichen Kronleuchter in
Bergen/Rügen und jener auf dem westlichen Kronleuchter in der Evangeli-
schen St. Marien-Kirche in Barth/Vorpommern (Abb. 54) eine andere Provenienz ver-
muten.
Inwieweit ein weiteres der anderen hier thematisierten Motive auf Kronleuchtern –
gemeint sind die drei unterschiedlichen Gruppen von Landsknecht-Figuren (Abb. 68-
79) – eine kunsthandwerkliche Herstellung oder aber die Intention differenzierter
Bedeutungsgehalte widerspiegelt, soll im folgenden Kapitel erörtert werden.
Die Frage der Fertigungstechnik stellt sich auch bei anderen Modulen: Ob die Technik
des Wachsausschmelzverfahrens nach einer materialbeständigen Zwischenform bei
der Fertigung von Tier-/Löwenkopf-Masken, das heißt für Unterhänge an Schaftkron-
leuchtern der Renaissance Anwendung gefunden hat, wird weiter unten anhand der
aufgezeigten Quantität, Qualität und der Verbreitung dieser Masken zu differenzieren
sein. Denn das dort vorgestellte Spektrum an Löwenkopf-Masken reicht von wenigen
malerisch-plastisch modellierten bis hin zu extrem stilisierten und bisweilen stark
ziselierten Exemplaren. Es ist insofern eine stilistische Korrelation zu den jeweiligen
Topfiguren festzustellen, als dass sowohl an Bekrönungen als auch an Unterhängen
der Umfang der Endbearbeitung mittels Gestalt gebender Gravuren in dem Maße
steigt wie die differenzierte Ausarbeitung des Gussmodells reduziert ist.
176
Beschreibung nach W. Hofmann, Werkstatt für Metallgestaltung und Restaurierung in Wolgast.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 47
Für Objekte aus unedlem Metall gibt Seelig zu Bedenken, dass die physikalischen
Eigenschaften der unedlen Metalle keine spontanen Gussverfahren gestatten, son-
dern dass die so hergestellten Gegenstände und Motive das Resultat einer Arbeitstei-
lung seien.179
177
Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund, Heft IV, Der Kreis Rügen, Stettin 1897, S.
450.: „Als ein apungeter“ in Stralsund wird 1560 ein Frantz Bolte genannt; er hat 1576 einen Kron-
leuchter nach Wismar verkauft und könnte vielleicht auch dieses Werk von 1557 (das heißt den
Kronleuchter Salvator mundi“) ausgeführt haben, Str. Chr. III, S. 102, Schlie, Kunstdenkm. v. Meckl.
II. S. 60).“ – Möglicherweise gehört ein weiterer dazu: Von diesem Kronleuchter aus Messing des
ausgehenden 16. Jh. in der evangelischen Kirche in Kühlungsborn (vormals Brunshaupten) ist bisher
nur bekannt, dass dieser „beachtenswert ist .. mit einer langen Reihe von Stifternamen aus dem
Jahre 1597“. Dieser qualifizierenden Beurteilung wäre angesichts der Einschätzung und Datierung
ebenfalls auf eine mögliche Provenienz der Werkstatt Frantz Boltes nachzugehen. Siehe Kunst- und
Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III Bd., 2. Aufl. 1900, S. 5.
178
„Den 6 Octobris Jost Roggen betaltt vor S: Catharinen bilde so up der Kronen steitt tho snidende,
dar nha gegaten Iß 2 mk“, s. Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg.
Hamburg (1956), S. 132.
179
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), S. 7–39.
180
W. Hofmann, Die Kronleuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt Rostock, Be-
funddokumentation, Restaurierungsplan, Wolgast 1997.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 48
„Einige an der Goslarer Krone entnommene Späne ergaben, dass einwandfrei Ram-
melsberger Erz das Rohmaterial für diesen Messingguss gewesen ist. Damit besteht
kein Hinderungsgrund für die vorstehend aufgeführten Leuchter Goslar als Entste-
hungsort anzunehmen. Es ist uns bewusst, dass mit den vorstehenden Ausführungen
noch kein abschließendes Resultat gewonnen werden konnte. Allzu dürftig ist noch
der Urkundenbestand des 15. Jahrhunderts gesichtet. Die metallurgische Untersu-
chung ist mit dem Unsicherheitsfaktor behaftet, dass im Maasgebiet ebenso Ram-
melsberger Kupfer verarbeitet worden ist, wie Galmei von der Maas im Harz.“181
Die Materialbezeichnung „Messing“ und Gewichtsangaben in Lot finden sich auf nur
wenigen Kronleuchtern.182
181
H.-G. Griep, 1961, S. 103–117.
182
Beispiele zum Gewicht von Kronleuchtern: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck,
Bd. IV, Die Klöster, Die kleineren Gotteshäuser der Stadt, Die Kirchen und Kapellen in den Außenge-
bieten ..., Lübeck 1928, S. 554: „Die Beleuchtungskörper der Kirche sind sämtlich aus Bronze ge-
gossen. – Kronleuchter: Die größte der vorhandenen drei Lichtkronen besteht aus einem von einem
Doppeladler gekrönten und unten in einen Doppel-Löwenkopf auslaufenden vielgegliederten Schaft
„... Auf dem die unteren Arme tragenden Schaftringe ist eingraviert: A0 1587 HEFFT // HER IOHAN
// SPANGENBERC // H: DISSE KRON // DER KERCKEN // TO SLVCKUP VOREHRET // WICHT 9
LISPV.“ – 1 Liespfund= Last, Schiffspfund=14 Pfund (6,766 kg) im Seehandel, 16 Pfund (7,735 kg)
bei Landfracht. Diese Einteilung variiert je nach örtlichem Gebrauch. Siehe dazu: K.-J. Lorenzen-
Schmidt, Kleines Lexikon alter schleswig-holsteinischer Gewichte, Maße und Währungseinheiten.
Neumünster 1990, S. 35. – Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde St. Marien in Rendsburg, Kron-
leuchter-Inschrift (2. von Westen): 1647 HAT WEILANDT DER EHRNFESTE UND WOLL WEISER JA-
COB LENSCHE RATHSVERWANDTER DIESER STADT RENDSBURG UND SEINE LIEBE FRAW DIE EHR
UND VIEL TUGENTSAHME F. TOBEA LENSCHEN DIESE KRON ZV GOTTES EHR UND DER KIRCHEN
ZUR ZIERDE GEBEN UND VOREHREN WOLLEN – WICHT 343 PFUNDT. – Ev. St. Nikolaikirche in Kiel,
Kronleuchter; zum Exemplar von 1638 wird kein Gewicht angegeben, zum jüngeren von 1661: „Der
kleinere Kronleuchter ist im Jahre 1661 von den damaligen Kirchgeschworenen angeschafft; sein
Gewicht beträgt 495 Pfund. Über einen dritten, im Gewicht von 112 Pfund, welcher 1577 angekauft
ist und vor dem Chore gehangen hat, sind keine Nachweise des Verbleibs vorhanden.“ Siehe F. Vol-
behr, Beiträge zur Topographie der Stadt Kiel in den letzten drei Jahrhunderten, T. 1, Schloss und
Altstadt, in: Mitteilungen d. Gesell. f. Kieler Stadtgesch., H.3, Kiel 1881. – Beispiele zur Materialan-
gabe: Ev. Kirche Evensen, Kronleuchter-Inschrift: GOTT ZU EHREN UND ZUM CHRISTLICHEN NACH-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 49
Ob im Jahre 1733 oder gut 250 Jahre später – die Definition der Kronleuchter als
„Hängeleuchter mit Leuchterarmen“ und ihre Lokalisierung in „Kirchen, Rathäuser,
Wohnstuben und Festsäle“ legen nahe, dass für die Kenntnis und Beurteilung dieser
Beleuchtungsgeräte im Wesentlichen ihre Morphologie von Bedeutung sei. Typologi-
sche Studien bauen darauf auf, indem sie die Gestaltung der Kronleuchter als kunst-
handwerkliches Inventar anhand von Leuchteramen und Kerzentüllen zu Baustilen in
Beziehung setzen. Obschon formale und ästhetische Charakteristika einer Epoche
dabei selten dezidiert genannt werden, bietet die aufgezeigte Parallele zwischen Ar-
chitektur und Kunsthandwerk grundlegende Kriterien, um Veränderungen funktiona-
ler Qualitätsmerkmale und -unterschiede dieser Lichtträger benennen zu können.184
Dennoch bleibt es nicht aus, dass die mitunter zierlichen Schaftkronleuchter aus Me-
tall als Lichtkrone bezeichnet werden, obgleich dieser Terminus technicus die roma-
nischen Radleuchter als eine von mehreren Sonderformen der Kronleuchter bezeich-
net.185
DENKEN HAT DIESE MESSINGESKRONE IN DIESE KIRCHE VEREHRET CATHARINA AWEN CHRISTOF-
FER HOHMEISTERS SEHL(IG) GEWESENEN EINWOHNERS ZU OSTERN NACHGELASNE WITWE, 1667.
– Ev.-luth. St. Maria-Magdalenen-Kirche, Archiv, Nr. 963/878, 5.1.5, Inventarium Kirchliches Mobili-
ar 1700: „Eine Meßings Crohn mit neun Armen nahe bey der Cantzel hangend, welche seel(ig) Her-
mann Weltsien vorehret worden ...“, s. auch KR 1623/24 evangelische St. Petri-Kirche, Buxtehude.
183
Ev. Kirche St. Marien in Barth/Stralsund, Archiv 1156, Inventar 1658–1673. Im Jahre 1671 lauten
die Eintragungen: „3. Messingzeugk. 3 Krohnen sindt vorhanden, undt ermangelt an der kleinsten
nur 1 arm“. – KKrs. A. Husum-Bredstedt, Husum St. Marien, Varia, 232: (1763) „Zwischen denen
p:t: Vorsteher der Kirchen als Inger Nilsen, Jacob Friedrich Hansen, ... nebst dem Küster Johann Ge-
org Lützen, und dem angenommenen Bälgetretter Peter Bennig ist folgender Contract aufgerichtet
und geschlossen, als (unter 23 Punkten ist an 12. Stelle zu lesen) Bey Öfnung, und Schließung der
Kirch Thüren fleißig nach den Cronen und .. zu sehen und zu visitiren, und so bald etwas fehlet, so
gleich dem Vorsteher des Kirchen=Bau=Registers davon Nachricht geben“.
184
Großes Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, welche bisher durch menschlichen
Verstand und Witz erfunden und verbessert worden (...). Bd. VI. Halle/Leipzig 1733, Sp. 1722. –
Landesausstellung Niedersachsen 1985, Stadt im Wandel, Kunst und Kultur des Bürgertums in Nord-
deutschland 1150–1650, Bd. 1, Ausst.-Kat. Braunschweigisches Landesmuseum, 1985, S. 264, Kat.-
Nr. 202.
185
D. Diederichs-Gottschalk, 2004, S. 309.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 50
Die Typenbezeichnung „Schaftkronleuchter“ weist auf das Mittelstück, das heißt den
Schaft oder die Spindel (Abb. 15-17, 26) als wesentliches Merkmal ihrer Morphologie
hin, das über einer Eisenstange aufgezogen und nach oben über einen Keil (Abb. 38)
gesichert ist. Das Zentralgestänge kann auch aus gezogenem Material gebildet sein,
wo am oberen Ende ein geschnittenes Gewinde und die Aufhängeöse direkt mitein-
ander verschraubt sind. Diese wiederum kann in ein größeres, gegebenenfalls orna-
mental geschmiedetes Eisengestänge189 oder in ein Seil mit gefassten Holzkugeln
eingehängt sein.190
186
T. Raff, 1994. S. 61 ff.
187
Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, Hg. H.
Beseler, Neumünster 1979, S. 310, Abb. 755 (Rüllschau, ev. Kirche, Lichterkrone). – E. Schlee, Altes
Schmiedewerk in Schleswig-Holstein, Heide 1979, Abb. 27 (Taarstedt, evangelische Kirche, Lich-
terkrone, 15 Jh. – Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schleswig, Schloss Gottorf).
188
B. Bucher, 1893. – H. Lüer/M. Creutz, 1909. – S. Erixon, 1943. – K. Jarmuth (1967).
189
LAS Abt. 7, Nr. 6091, Nr. 53 „Inventarium Der Hochfürstlichen Thumb=Kirchen (Dom zu Schleswig)
Nebenst Andern Dazu Gehörigen Gebäuden, Brücken und Schlagbäumen. A(nn)o 1706.“ S. 4: „Die 3
großen Meßinge Crone, welche im mittels großen Gange hangen, werden die mittler mit gedoppelte
Arms, nebst die Zierrathen ümb die lauffe und die darümb Schmucke ...“ Diese Eintragung wäre
durch eine weitere zu ergänzen, s. Archiv der Domgemeinde Schleswig, Akte Nr. 86, Inventar des
Doms 1763–1880: (3 Kronleuchter) „an eisernen gewundenen Stangen“. – Oder wie zum Beispiel:
Danmarks Kirker, Frederiksborg Amt, 2. Bd. (1967), S. 954,956, Abb. 35, S. 1226, Abb. 13 und
S. 1228. – Danmarks Kirker. H. 16–17, Kobenhavn. Garnisons Kirke (1994), S. 276, Abb. 74 f. –
Siehe zum Beispiel auch Kronleuchter der evangelischen Kirchen in Grimmen/Mecklenburg-Vorpom-
mern (17. Jh.) und Grundhof/Schleswig-Holstein (1772). – Die so genannte Lichterkrone (1663) –
die diesem terminus technicus nicht gerecht wird – in der evangelischen Kirche zu Ueter-
sen/Schleswig-Holstein entspricht in der ornamentalen Gestaltung und im Material dem Gestänge
aus Schmiedeeisen, das an sich der Aufhängung von Kronleuchtern aus Messing oder Bronze dient.
Vorbilder und wechselseitige Beeinflussungen dürften Hutständer, Gittertüren bzw. Altar- und Chor-
gitter und anderes Schmiedehandwerk geboten haben. s. E. Schlee, Altes Schmiedewerk in Schles-
wig-Holstein, Heide 1979, Abb. 28.
190
Zum Beispiel: Evangelische St. Marien-Kirche zu Barth, Archiv, Nr. 161, Belege zur Rechnung für das
Jahr 1860: „Die Kronleuchter-Kette, die Knöpfe vergoldet, die Stangen mit Oelfarbe dunkelgrün ge-
strichen.“
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 51
Gießers.191 Darüber hinaus sind kaum mehr als vier Beispiele von Messingkronleuch-
tern bekannt, die an anderer Stelle eine Marke oder einen Stempel tragen.192 Haus-
zeichen können vorkommen, sind aber bisher nicht entschlüsselt und zugeordnet.
Die Aufhängeösen barocker Kronleuchter weisen keine Namen auf, denn die Kugel
dieser Leuchter bietet Raum für Inschriften. Zwei Sorten an Aufhängeösen der baro-
cken Kugelkronleuchter aber tragen beidseitig ein Löwenkopf-Maskaron. Löwenkopf-
Masken an Beleuchtungsgeräten sind an sich als vollplastischer Unterhang an Kron-
leuchtern der Renaissance üblich.
Je nach Größe193 und Gliederung des Schaftes aus wechselnd wulstigen oder bauchi-
gen, eingezogenen, zylindrischen oder balusterartigen Formen können an den dazwi-
schensitzenden, konstruktiv notwendigen Nutenscheiben mindestens vier oder insge-
samt bis zu dreißig Leuchterarme oder sechsunddreißig Lichter194 sowie eine Anzahl
von Zierelementen als einzelne Module axialsymmetrisch angeordnet sein (Abb. 22,
23). Der Durchmesser des Schaftkronleuchters, der sich aus der Spannweite der
Leuchterarme des unteren Lichtkranzes ergibt, entspricht annähernd der Höhe der
Spindel. Die Leuchterarme sind nicht mehr ranken- oder schablonenartig, sondern
körperhaft geformt. Ein Auflager in figürlicher oder geometrischer Gestalt schließt die
Spindel nach unten hin ab (Abb. 16, 17, 21).
Ein weiteres Kennzeichen ist das Prinzip der reversiblen Befestigungstechnik sämtli-
cher Kronleuchter-Module. Es wird seit der Spätgotik über Jahrhunderte hinweg bei-
behalten. Nur die Formen der Nuten wechseln in Entsprechung zur Morphologie der
Schaftkronleuchter und der sich daraus ergebenden Gewichtsverteilung. Die Verbin-
191
Es fällt auf, dass unter den wenigen inschriftlich genannten Namen der Metallgießer auf Kronleuch-
tern des 16. Jh. die Daten auf die Aufhängeösen graviert sind, Ev. St. Petri-Kirche in Buxtehude,
Kronleuchter „Gekrönter heraldischer Doppel-Adler und Löwenkopf-Maske“: DORCH DAT FVR BIN
ICK GEFLATEN HANS BARS HEFT MI GATEN ANO 1589. – Evangelische St. Marien-Kirche zu Barth,
Kronleuchter „Greif und Löwenkopf-Maske“: DOMINICUS SLODT 1590. – Demgegenüber können im
17. und 18. Jh. die Namen der Hersteller auf die Kugel graviert sein, Ev. Kirche Holzminden-
Altendorf, Kronleuchter 1704 „M. B. J. HELMAN“; Ev. Kreuzkirche/Marktkirche Hannover (vorm. in
Ägidienkirche), Kronleuchter 1720, 1747 und 1753 bez. „Meister HINRICH MEIER“. – Evangelische
Kirche Lotte/Tecklenburg, Kronleuchter: „Hermanns Sternemann MEVESIT 1777 Rotterdam“, s. Fo-
todokumentation Firma Paul Oelmann & Sohn, Bielefeld.
192
Die Fotodokumentation (1977) der Firma Paul Oehlmann & Sohn, Bielefeld enthält unter anderem:
Eine Aufnahme eines Kugelkronleuchters (um 1732) der evangelischen Kirche in Horsten/Ostfries-
land, dessen Aufhängeöse das Signum „E E“ über „V“ trägt; ferner eine Fotografie eines weiteren
schlichten Ringes als Aufhängung mit Stempel eines Kronleuchters in Groningen „WED (hochgestell-
tes) w (und als zweite Zeile darunter) G.V. DELDE(R?)“. Ob anhand der markierten Aufhängeösen
auch die Provenienz jener unsignierten Kronleuchter mit vergleichbaren Hängevorrichtungen zu
bestimmen sein wird – wie seitens einiger Werkstätten für Metallgestaltung angenommen wird – wä-
re noch zu überprüfen.
193
Die Höhe – vom Unterhang bis zum Scheitelpunkt der Aufhängeöse – vollständig erhaltener
Schaftkronleuchter aus Metall des 16. bis 18. Jh. in Norddeutschland beläuft sich in der Regel bei
entsprechenden Exemplaren der Renaissance auf minimal ca. 0,70, in der Regel 0,90 bis maximal
ca. 1,10/1,20 Meter. Die Kugelkronleuchter des Barock sind dort in der Regel zwischen 1,20 und
1,70 Meter hoch.
194
Schaftkronleuchter aus Messing der Renaissance mit einer Höhe bis zu 1 Meter besitzen gewöhnlich
einen Lichtkranz aus 6 oder 8 Leuchterarmen. Proportional zur Höhe eines Kronleuchters können so-
wohl die Anzahl der Leuchterarme und jene der daran befestigten Kerzentüllen als auch die Zahl der
Lichtkränze steigen. Siehe Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig. Stadt Wol-
fenbüttel, 1904, S. 66.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 52
dungen reichen von offenen Führungsschienen am oberen Rand der noch konsolartig
endenden Spindel während der Spätgotik und frühen Neuzeit über Schwalben-
schwanzverbindungen an den flacher werdenden Nutenscheiben von Kronleuchtern
der Renaissance bis hin zur Zapfenkonstruktion an barocken Kugelkronleuchtern.
Dabei sitzt die zur Einhängung und Befestigung erforderliche Negativform nicht mehr
wie zuvor am Rand der Nutenscheiben, sondern ist als ebenfalls konzentrischer Ring
mittig aus diesen herausgestanzt.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts weist ein Schaftkronleuchter aus Messing von
1639 mit einer Höhe von ca. 1,43 cm und zwei Lichtkränzen aus jeweils acht Leuch-
terarmen inzwischen drei unterschiedliche Gruppen an Kerzentüllen auf (Abb. 37).
Von diesen insgesamt sechzehn sind sieben zylindrisch geformt. Sie unterscheiden
sich nicht nur nach Größe und Stil voneinander, sondern auch durch die insgesamt
fünf Gewinde, die in ihren Merkmalen – Kerndurchmesser, Gewindehöhe, Ganghöhe
und Flankenwinkel – voneinander abweichen. Ähnliches gilt für die übrigen neun ba-
rocken Tüllen, die sich aus vier bauchigen und fünf vasenförmigen zusammensetzen.
Dabei ist einzuräumen, dass der Größenunterschied zwischen gleichen Tüllentypen
auf ihre Platzierung im unteren oder oberen Lichtkranz hinweisen kann.
An etlichen Schaftkronleuchtern aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts markieren
im Sinne einer Bauanleitung systematische Punzierungen und Einkerbungen in auf-
steigender Zählung die axialsymmetrische Zuordnung sämtlicher Module.
In dieser Verbindung kommen zum Beispiel die Motive Heraldischer Doppel-Adler und
Römischer Soldat oder Landsknecht, Caritas und Putti, Justitia und Tugendfiguren
oder Darstellungen des Salvator mundi mit der Apostelreihe oder den Klugen und
Törichten Jungfrauen vor. Nahezu alle zeigen die gleiche Gestik einer erhobenen
Rechten und einer angewinkelten Linken oder ausgebreitete Arme.
Grundsätzlich gehören die Motive, die gleichmäßig linear und flächig gestaltet sind
und welche die Konstruktion des Kronleuchters in der Vertikalen, insbesondere aber
in der Horizontalen akzentuieren zu den Kronleuchtern der Renaissance. Unter diesen
ist der Winkelkronleuchter nach der liegenden S-Form seiner Leuchterarme benannt,
deren Enden annähernd einen rechten Winkel beschreiben. Auf den äußeren Leuch-
terarmen ruhen kleine flache Wachsteller und zylindrische Kerzentüllen. Letztere
können noch in gotischer Manier durchbrochen und mit ringförmigem Fuß gestaltet
sein, erhalten aber zunehmend ein geschlossene, leicht konische Wandung, deren
oberer Rand im späten 16. Jahrhundert schulterförmig ist. Die inneren Enden der
Leuchterarme können in Anlehnung an die Rollwerk-Ornamentik geschlossen oder
leicht aufgebogen sein. In der Regel bilden sechs oder acht Leuchterarme den unte-
ren Lichtkranz und gegebenenfalls ebenso viele oder um zwei vermindert den oberen
Lichtkranz. Dort können die Leuchterarme mit Zierelementen wechseln. Oder letztere
dekorieren ausschließlich die obere Nutenscheibe und sind in der frühen Neuzeit oft
kurze schablonenhafte S-förmige Bänder. Ihre Form zeichnet annähernd strahlen-
förmige Gravuren auf der Oberfläche nach.
Die Leuchterarme selbst sind nicht mehr rankenartig gezogen oder schablonenhaft
geschnitten, wie bei gotischen Kapellen- oder spätgotischen Schaftkronleuchtern,
sondern als Formgussstücke gestaltet. Mittig platzierte Ornamentscheiben und kugel-
förmige Verdickungen können die Leuchterarme akzentuieren und Gussnähte über-
spielen.
Die schaftnahen Abschlüsse der Leuchterarme enthalten als Volute eingestellte Blü-
tenmotive oder bisweilen bärtige Masken.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 54
Auf der so gebildeten Spindel kommen als Bekrönungen unter anderem heraldische
Doppel-Adler und Tiere, die als Wappentiere und Sinnbild der Stärke eingeordnet
werden könn(t)en, vor. Insgesamt überwiegen die profanen Motive. Und es sind mit
drei Gruppen an Kriegern und der Gruppe „Büttel“ mehr männliche denn weibliche
Figuren vertreten. Mit den derzeit bekannten maximal drei Darstellungen des Salva-
tor mundi (Abb. 88), sieben des Gnadenstuhls und drei der Muttergottes (Abb. 89,
90) repräsentieren verhältnismäßig wenige Figuren auf den Schaftkronleuchtern aus
Metall des 16. Jahrhunderts in Kirchen in Norddeutschland einen christlichen Kon-
text.195
Den Gegenpol zu diesen Bekrönungen und den unteren Abschluss der Kronleuchter-
spindel bilden ein- oder doppelgesichtige Löwen- oder Tierkopf-Masken mit Ring
(Abb. 55) im Fang. Derartige Unterhänge schließen optisch zusammen mit der unte-
ren Nutenscheibe sowie gegebenenfalls mit einem kugelartigen Modul dazwischen als
Auflager die gesamte Komposition und Konstruktion nach unten ab. Bisher werden
sie als Zugvorrichtung eingeordnet, obgleich etliche Exemplare keine Gebrauchsspu-
ren aufweisen.196 Gleichwohl ist im Sinne der Verhältnismäßigkeit einzuräumen, dass
einige dieser Ringe zwischenzeitlich erneuert sein können und andere nicht erhalten
sind. Die Nutzung und Bedeutung des Motivs sind unbekannt.
195
Die Kunstdenkmäler des Landes Niedersachsen, Landkreis Stade, Textband, 1965, S. 84 – G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg, 1980, S. 392. – G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, 1992, S. 1081, 1222. – U. Mathies, 1998,
S. 129–130, Abb. 1 (S. 161), 32 (S. 182), 34 (S. 183), 37 (S. 184) und 39 (S. 185). Ob die beiden
ersten Beispiele an ihren Schäften neben den Drachenfiguren auch Leuchterarme besaßen, ist nicht
ersichtlich, erscheint angesichts der anderen Exemplare nicht abwegig.
196
Lt. Auskunft von Herrn U.-V. Bläse, Werkstatt für Metallgestaltung in Plön (2. Hälfte 1990er Jahre)
sowie Herrn W. Hofmann, Werkstatt für Metallgestaltung und Restaurierung in Wolgast (2001) wei-
sen die Ringe im Fang der Löwenkopf-Masken an Kronleuchtern aus Messing der Renaissance ten-
denziell keine Gebrauchsspuren auf.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 55
Details – wie zum Beispiel in Gestalt aufgelegter Rosetten oder konzentrischer Gra-
vuren an den Scheitelpunkten der Kugel. In diesem Sinne beschreiben die U-förmig
ausschwingenden und an den äußeren Enden oftmals verzweigten Leuchterarme, die
tigel- oder muschelförmigen Wachsschalen (Abb. 34) und vasenähnlichen Kerzentül-
len im Ansatz ebenfalls Kreissegmente oder Kugelformen. Und in gleicher Weise sind
sämtliche Zierelemente – zum Beispiel Früchte oder Gefäße –, die das Körperhafte
betonen, das heißt räumlich-plastisch sind, vornehmlich den Kronleuchtern dieser
Zeit zuzuordnen. Die Abmessungen sind insgesamt größer, aber stets am Wechsel-
spiel von Zentrierung und Ausdehnung und am Abstand der Lichtquellen von der
Konstruktion orientiert. Der untere Scheitelpunkt der großen, abschließenden Kugel
ist mit einem Zapfen in Gestalt einer Traube oder eines Bienenkorbes versehen.
Das Gros der Motive veranschaulicht so unter anderem Reichtum und Fülle. Der Stei-
gerung ins Unermessliche und Unfassbare dient das Verschleifen der Konstruktion
mittels extremer Formen oder Konturen und dynamischer Linien sowie der daraus
resultierenden Verkürzungen oder Überschneidungen der Perspektive, wie sie für den
Barock charakteristisch und aus Architektur, Malerei und Bildhauerkunst dieser Zeit
bekannt sind. Zudem trägt der so und mittels der Materialästhetik des wellenpolier-
ten Messings erzielte Grad an Licht- und Schattenwirkung wesentlich zur Plastizität
des Objekts sowie der Umgebung bei. Denn dieser Effekt hängt insbesondere von
dem Strahlenverlauf punktförmiger Lichtquellen zur Gestaltung und Lichtneigung der
Flächen ab.197
197
U. Sareik, Gelenktes Sonnenlicht im Kult, Diss., Erfurt 1985. – Lichter und Leuchter, Entwicklungs-
geschichte und Technik eines alten Kulturgutes, 1987. – A. Fölsing, Galileo Galilei. Prozess ohne En-
de, 1996, S. 300 f. – H. H. Mann, Optische Instrumente, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion.
2000, S. 357–407.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 56
Wenige andere erhaltene Exemplare des 17. und 18. Jahrhunderts zeigen, dass in
die abschließende Kugel ein Uhrwerk eingebaut sein kann. Das Chronometer spricht
für den Erfindungsgeist, vermittelt insbesondere den Vanitas-Gedanken jener Zeit.
Einen derartigen Kronleuchter mit dreißig Armen beschreibt Adam Olearius in
„Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah
1633–1639“.198
Eine gewisse Vorstellung von einer solchen Komposition könnte ein Kronleuchter in
der Heiliggeistkirche in Kopenhagen vermitteln.199 Dieses im Jahre 1750 gestiftete
Ausstattungsstück aus vergoldeter Bronze mit Silberbeschlägen wird aufgrund seiner
Marken und im Vergleich zu einigen Exponaten im dortigen Nationalmuseum um
1610 datiert. Es wird aber vermutet, dass das Exemplar auf einer Auktion erworben
wurde und daher verhältnismäßig spät in die Kirche gelangte. Derartige Kompositio-
nen scheinen kaum bekannt zu sein, denn sie finden in den entsprechenden kultur-
geschichtlichen Darstellungen keine Berücksichtigung.
198
Adam Olearius, Vermehrte Newe Beschreibung der Moscowitischen und persianischen Reyse. Zum
andern mahl herauß gegeben durch Adam Olearius, (Schleswig) 1656, S. 508: „Des Herren Gesand-
ten Brügmans Geschenke. „2. Eine grosse messinge gantz vergüldete Liecht-Krone mit 30 Armen, so
dreyfach über einander mit Bildern und silbern Laubwerck besetzet und schön gezieret. Im Knopff
war eine Uhr so die Stunden und Viertel schlug.“ Der so beschriebene Kronleuchter ist eines der für
Schah Sefi von Isfahan vorgesehenen Gastgeschenke (1637) der holsteinischen Gesandtschaft, dürf-
te aber bei einer Havarie auf der Ostsee zwischen Reval und Nawar, das heißt vor Hochland verloren
gegangen sein. Siehe A. Olearius, Moskowitische und Persische Reise, die holsteinische Gesandt-
schaft beim Schah 1633–1639, Hg. D. Haberland, 1986, S. 40 f., 86 f. und 251. – F. Pohle, Univer-
salwissenschaft, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, 2000, S. 73–119, insbes. S. 77.
199
Danmarks Kirker, København, 1945–1958, S. 693 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 57
Skandinavien bis Italien, von den Britischen Inseln über die Niederlande, Frankreich
und Deutschland bis Polen vor Augen. Weitere Beispiele in den Baltischen Staaten
und in Russland wären in Betracht zu ziehen.200
Der Kronleuchterstudie Erixons zufolge konnten diese neben dem Export und Import
von Rohstoffen resp. Erzen auch eine Vermittlung von Bearbeitungstechniken bein-
halten – wie er am Beispiel schwedisch-deutscher Kontakte für Skultuna/Dalarne
darlegt.201 Ähnliches beschreibt Peltzer bereits Anfang des 20. Jahrhunderts für die
kooperative Messingverarbeitung zwischen Maas und Rhein.202 Für diesen Bereich
wird kriegerischen Auseinandersetzungen in Burgund sowie religionspolitischen Kon-
flikten am Niederrhein ein maßgeblicher Anteil an Standortverlagerungen und der
Abwanderung von Fachkräften zugemessen. Seither gilt, dass die immense Produkti-
on von Kronleuchtern aus Messing und damit die weit reichende Verbreitung durch
eine nicht an den Ort des Bergbaus gebundene Materialverarbeitung begünstigt ist.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts misst die Forschung der – für die Dinanderien be-
schriebenen – verlegerischen Arbeitsorganisation eine große Bedeutung bei und setzt
diese auch für andernorts erzeugte Messingprodukte voraus.205 Für die Erschließung
neuer Absatzmärkte und Werkstätten wird entsprechend der führenden Position Di-
nants/Maas im Metallgewerbe und nach der Zerstörung dieser Hansestadt (1466) der
200
Dieser Eindruck ist aus einem Antwortschreiben (Ende 1990er Jahre) samt Fotokopien als Arbeitsma-
terial von Herrn J. Kilumets, Tallinn zu gewinnen. – Zu einem Kronleuchter (1653) in Moskau ist
nicht mehr bekannt, als dass Johann Wurzelbauer (*1595) aus Nürnberg diesen geschaffen habe.
201
S. Erixon, Mässing, 1943, S. 57.
202
R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie (...), 1909, S. 144 ff., insbes. S. 155 ff.
203
Siehe H. Holländer (Hg.), Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, 2000.
204
R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie, 1909, S. 109, 137. – S. Erixon, Mässing, 1943. – H.
Kellenbenz (Hg.), Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–
1650, (1977).
205
R. A. Peltzer, 1909, S. 80 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 58
weitere Anteil an der Messingverarbeitung den dadurch zum Teil entstehenden oder
erstarkenden traditionellen Zentren für Metallgestaltung zugeordnet – wie zum Bei-
spiel Aachen, Nürnberg, Augsburg und die Harzregion. Wobei die Qualität des Ram-
melsberger Kupfers im Harz gegenüber jener der Erze des Mansfelder Landes herab-
gestuft wird.206 Des Weiteren werden Schlesien, Böhmen, das Erzgebirge und die
Niederlande genannt. Dabei fällt auf, dass die Bezeichnung „Flämischer Kron-
leuchter“ im Sprachgebrauch fest etabliert ist und es doch Unsicherheiten in der
geographisch exakten sowie morphologisch zutreffenden Beschreibung dieser
Schaftkronleuchter der Neuzeit gibt. Der pyramidale Aufbau ist ein Kriterium, das
Vorkommen in calvinistisch geprägten Gebieten ein weiteres.207
Wird nun eine der oben genannten Stätten als Herstellungsort für bestimmte Typen
oder das Gros der überkommen Schaftkronleuchter aus Messing angenommen, so ist
plausibel, dass die Verfügbarkeit, Qualität und Verarbeitung des Werkstoffes Messing
sowie die Frage nach lokalisierbaren Führungspositionen in der Entwicklung neuer
Technologien eine entscheidende Rolle für die Entstehung und Verbreitung, aber
auch für die Beurteilung von Kronleuchtern spielt. Diese Kriterien gelten auch für den
Bronzeguss. Und bis zu einem gewissen Grade knüpft die quantitative Ausbreitung
der Schaftkronleuchter aus Messing an jene der Erztaufen, Aquamanile und anderen
Bronze- und Messingerzeugnisse – wie zum Beispiel Standleuchter oder Löwenkopf-
Türzieher - in Norddeutschland seit dem 13. Jahrhundert an.208 Obwohl Erixon aus
Stockholm und Jarmuth aus Berlin Mitte des 20. Jahrhunderts auf die Bedeutung der
Hansestadt Lübeck für die Messingverarbeitung und den ausgedehnten Handel hin-
weisen, fehlen bisher systematische Untersuchungen zur Urheberschaft und Produk-
tion des nach Lübeck lokalisierten Kronleuchtertyps der Renaissance: des so genann-
ten Winkelarmkronleuchter. In der Annahme, dass Schaftkronleuchter aus Messing
resp. Bekrönungen größtenteils seriell hergestellt wurden, erstaunt ihre ungleichmä-
ßige Verteilung in Norddeutschland – selbst eingedenk der vielfältigen Verluste und
Standortwechsel, sofern diese dokumentiert und bekannt sind.209
206
Ebd., S. 106. – H.-G. Griep, Ein Goslarer Kronleuchter in Münnerstadt, in: Harz-Zeitschrift. 13. Jg.
Hg. K. W. Sanders, 1961, S. 111, 117. – R. Slotta/S. Müller, Zum Bergbau auf Kupferschiefer im
Mansfelder Land, in: Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land: (Aufsätze zur Ausstellung
„... von daher bin ich – Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land“), Ausst.-Kat. Martin Lu-
thers Sterbehaus Eisleben/Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Hg. R. Knape, 2000,
S. 9–27, Ebd., S. 104–120: C. Bartels, Sauerländisches Blei für die Mansfelder Hütten – Blei zur Ent-
silberung des Mansfelder Kupfers.
207
S. Erixon, 1943, S. 44. Hier weist Erixon bereits auf die möglichen Produktionsstätten und Handels-
beziehungen hin. Vgl. K. Jarmuth, Lichter, Leuchten im Abendland, (1967), S. 160 ff. – Zur „Flämi-
schen Krone“ siehe S. Erixon, 1943, S. 47. – K. Jarmuth. (1967), S. 120, 187, 224 insbes.
208
H. Lüer/M. Creutz, Geschichte der Metallkunst, Bd. 1, Kunstgeschichte der unedlen Metalle,
1904/1909. – A. Mundt, Die Erztaufen Norddeutschlands von der Mitte des XIII. bis zur Mitte des
XIV. Jahrhunderts ... 1908. – W. Paatz, Die Lübeckische Bronzeproduktion des 15. und 16. Jahrhun-
derts, in: Repertorium für Kunstwissenschaft, Bd. 51, 1930. S. 67–92. – O. v. Falke/E. Meyer, Rom-
nische Leuchter und Gefäße, Gießgefäße der Gotik, 1935. – U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters,
1981 (Denkmäler deutscher Kunst, Bronzegeräte des Mittelalters; Bd. 2).
209
Bildband, Anhang (Verbreitungsarte der Schaftkronleuchter) nur zusammen mit gedruckter Kron-
leuchterstudie – digitalisiert als Übersichtskarte.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 59
1. Die Inschrift eines Kronleuchters der Stadtkirche „Unser lieben Frauen“ in So-
rau besagt: Elisabeth Koberin selige hat zur erkeuffung dieser Leuchter funfzig
Gulden bescheiden, welche ihr Her Waltn Ludewich Secretarius anna 1590 von
Nurrenberg anhero brengen lassen. Renoviret 1774 / G.F.211
2. Für die St. Jacobi-Kirche in Rostock wurden 1603 anlässlich des Todes von
Henricus von Bergen Rigensis und fürstlich Mecklenburgischer Fiscal zwei
Kronleuchter in Nürnberg erworben.212
3. Johann Müller von Nirnberg hat (diese Krone in Kiel gemacht) lautet die In-
schrift des Kronleuchters in Klüss, wo inzwischen ein schlichter Zweckbau als
Gotteshaus dient.213
Allen drei Kronleuchtern gemeinsam ist die Bekrönung durch einen heraldischen
Doppel-Adler. Es fällt weiter auf, dass diese nachweislichen Arbeiten aus Nürnberg
nach bisheriger Kenntnis auf die östliche Region des Reiches beschränkt sind.
Eine andere Akzentuierung zeigt die im Rahmen der vorliegenden Studie speziell er-
stellte Verbreitungskarte der Schaftkronleuchter mit ihren Bekrönungen aus Messing
des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland.214
210
HSTA Rep. 16, Nr. 312 (Amt der Gürtler/Klage J. G. Woseck, 1740/53).
211
Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Kreis Sorau und Stadt Forst, 1939, S. 213.
212
Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. 1: Die Amts-
gerichtsbezirke Rostock, Ribnitz, Sülze-Marlow, Tessin u. a., 2. verb. und verm. Aufl., 1898, S. 98.
213
Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. III: Die
Amtsgerichtsbezirke Hagenow, Wittenburg, Boizenburg, Lübtheen, Dömitz, Grabow u .a., 2. Aufl.
1900, S. 220.
214
Bildband der vorliegenden gedruckten Kronleuchterstudie; Anhang: Verbreitungskarte für Schaft-
kronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jh. – digitalisiert nur als Übersichtskarte – auf der Grundla-
ge der amtlichen Länder-Inventare seit Mitte des 19. Jh. für die Bau-, Kunst- und Geschichts-
Denkmäler. Neben der weiteren Harzregion stellt das Erzgebirge – hier nicht eingetragen – ebenfalls
als traditionelle Stätte des Bergbaus einen deutlichen Schwerpunkt in der Verbreitung der besagten
Leuchter dar.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 60
Minden. Mit Ausnahme des Bistums Minden entspricht dieses Gebiet dem südlichen
Teil des Niedersächsischen Reichskreises (um 1500/1512); und dort dominiert als
Kronleuchterfigur der heraldische Doppel-Adler – insbesondere in und um Alfeld her-
um und ausgeprägter noch als auf der Insel Rügen.215 Werden zudem die Winkel-
armkronleuchter mit heraldischem Doppel-Adler als ältere Beispiele in Betracht ge-
zogen, deren Urheberschaft Jarmuth nach Lübeck und mit einer Hauptverbreitung in
Nordeuropa zuordnet, zeichnen sich zwei Richtungen ab:
Dieses Beispiel für Renaissance-Kronleuchter ist nicht zuletzt auf Grund der hier the-
matisierten Fragestellung nach Zusammenhängen zwischen der Verbreitung und dem
Motivschatz resp. Bildprogrammen von Kronleuchtern interessant.
Scheint die Darstellung des heraldischen Doppel-Adlers auf diesen havarierten Win-
kelarmkronleuchtern die mögliche Herkunft aus Lübeck zu stützen, so könnte dieses
Motiv auch für die freie Reichsstadt Nürnberg stehen. Erixon sieht in der Darstellung
des heraldischen Doppel-Adlers eine Art Markenzeichen oder Qualitätssiegel für die
Messingprodukte bzw. Dinanderien.217
215
Gleichwohl die Provenienz etlicher Schaftkronleuchter aus Metall nach Süd- und Westdeutschland
sowie in die Niederlande lokalisiert wird, ist die Verteilung und Relation des Motivschatzes auch für
Kronleuchter im Norddeutschen Tiefland bisher kaum bekannt, s. u.a. Die Kunstdenkmale der Pro-
vinz Hannover, T. II: Reg.-Bezirk Hildesheim, Bd. 10., Kreis Alfeld, 1939. – Die Kunstdenkmale des
Kreises Rügen, 1963.
216
F. Bruns, Die Lübecker Bergenfahrer und ihre Chronistik, 1900 (Hansische Geschichtsquellen, N. F.,
Bd. II), 5. CXXII. Es ist allerdings nicht ersichtlich, ob es ein Winkelarmkronleuchter ist. – K. Jar-
muth, Lübecker Leuchten van Meeresgrund, in: Lichttechnik, Beleuchtung, Elektrogerät, Installation,
21. Jg., H. 1, 1969, S. 72–74. Ders., a.a.O., 22. Jg., H. 5, 1970, S. 250–251. Ders., a.a.O., 23. Jg.,
H. 10, 1971, S. 342–343. – Die Bemühungen um Kontakte zum Museum in Zadar/Kroatien in dieser
Angelegenheit waren Ende der 1990er Jahre nicht erfolgreich – vermutlich auf Grund des damaligen
Bürgerkriegs in Jugoslawien. In die internationale Bibliographie ist die Auswertung des Fundes im
Adriatischen Meer von Sofija Petricioli, Leiterin des Museums in Zadar – worauf K. Jarmuth hinweist
– nicht aufgenommen.
217
S. Erixon, 1943, S. 43. – K. Jarmuth, (1967), S. 172 f.
218
K. Jarmuth, (1967), S. 172.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 61
In der weiteren Verteilung auf einzelne Orte an Nord- und Ostseeküste bilden Ost-
friesland und die Insel Rügen hinsichtlich der Häufung von neuzeitlichen Schaftkron-
leuchtern gleichsam die Eckpunkte des hier verhandelten Forschungsgebietes. Denn
hier wie auch an der Unterelbe kommen profane männliche Bewaffnete sowohl als
Bekrönungsfiguren wie auch als Subfiguren zum heraldischen Doppel-Adler vor.
Weitere Zusammenhänge zeichnen sich ab, indem die drei Varianten der Lands-
knechtkronleuchter als eine andere Gruppe profaner Motive der Renaissance in ihrer
jeweiligen Verteilung zwischen Weserbergland und Vorpommern sowie zwischen dem
Großraum Hannover und Tondern/Dänemark oder aufgrund ihres Bestandes an der
Unterelbe, das heißt zwischen Altem Land und den Vierlanden, zur scheinbar willkür-
lich punktuellen Verteilung der anderen kriegerischen Kronleuchterfiguren „Römi-
scher Soldat“ und – bedingt – Büttel in Beziehung gesetzt werden. Nur die dichte
Abfolge zwischen Hannover und Goslar lässt die Verteilung der Kronleuchterstatuette
„Römischer Soldat“ ähnlich wie jene der Landsknechtkronleuchter als Route erschei-
nen. Ansonsten fällt auf, dass die innerhalb ihrer Gruppen stereotypen Motive sehr
unterschiedlich – anscheinend diffus – verbreitet sind. Der hier erarbeiteten Verbrei-
tungskarte zufolge kontrastieren gerade in den Elbmarschen die Kronleuchterfiguren
„Krieger“ und „Engel“ besonders augenfällig.
Wie im Falle der profanen Bewaffneten bedarf es noch der systematischen Untersu-
chung, inwieweit zwischen Friedens- und Erzengeln oder zwischen letzteren und Jus-
titia als Personifikation göttlichen Rechts zu differenzieren ist.
Obwohl Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in der Regel
Stiftungen und diese vielfach individuell motiviert sind, erfordern sowohl die sich
daraus ergebende spezifische Deutung als auch die daran sichtbare Verfügbarkeit
219
Bildband zur vorliegenden gedruckten Kronleuchterstudie: Anhang: Verbreitungskarte für Schaft-
kronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jh. in Norddeutschland.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 62
des Motivschatzes weiter gefasste Bezugspunkte. Es sind dies die Bedeutung des
Kronleuchters als Inventar im Sakral- oder Profangebäude und die Standorte dersel-
ben.
Ein Beispiel:
Jarmuth stellt den Friedensengel als Bekrönung eines Kronleuchters (1676, Evangeli-
schen St.-Marien-Kirche in Lübeck) in einen Zusammenhang mit dessen Stifter-In-
schrift.
Diese ist auf das Ableben des Donators bezogen, was Jarmuth veranlasst, den Frie-
densengel als persönlichen Wunsch nach dem Ewigen Frieden im Jenseits zu inter-
pretieren.220 Die fehlende differenzierende Beweisführung erlaubt den Umkehr-
schluss: Demnach intendieren alle Memorialstiftungen, die als Kronleuchter keinen
Friedensengel oder eine vergleichbare Bekrönung tragen auch keinen Ewigen Frieden
des Verstorbenen, sofern keine besseren Alternativen und weitere Perspektiven vor-
gestellt werden?
Der Bestand und die Verteilung der neuzeitlichen Schaftkronleuchter samt ihrer Be-
krönungen zeigen, dass sich die bisher neununddreißig Figurentypen in Gruppen ein-
teilen lassen und offenbar bedarfsorientiert verteilt sind:
Die Gestik der von Jarmuth als Friedensengel bezeichneten Topfigur des besagten
Kronleuchters in Lübeck weist gegenüber vergleichbaren Exemplaren in Nord-
deutschland deutliche Parallelen zur Darstellung des heiligen Michael als Kronleuch-
terfigur in Gestalt des Seelenwägers auf. Und es gibt an sich kaum formale Anknüp-
fungspunkte zu jenen Boten Gottes, die mit axialsymmetrisch ausgestreckten Armen
Palmzweig und Lorbeerkranz darbringen. Diese Lichtgestalten sind es, die im eigent-
lichen Sinne die Friedensengel repräsentieren. Und sie entsprechen quantitativ etli-
chen anderen Figurentypen auf Kronleuchtern.
Die Feststellung Jarmuths, dass Engel mit Palmzweig als religiöses Motiv auf Kron-
leuchtern selten auftreten, erscheint angesichts der zahlreichen heraldischen Doppel-
Adler und Darstellungen „Jupiter auf Adler“ richtig, ist aber im Verhältnis zu den üb-
rigen Motiven so nicht haltbar.221
220
K. Jarmuth, Lichter, Leuchten im Abendland, (1967), S. 226 ff.
221
Ebd., S. 226.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 63
Münster).222 Ein Großteil derartiger Leuchter gehört in das 17. und 18. Jahrhundert.
Ihre Gestaltung dokumentiert den Eindruck aktueller Ereignisse als vielmehr prägen-
de Erfahrungen der Vergangenheit.
222
Siehe u.a.: Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen, Kreis Hadeln und Stadt Cuxhaven, 1956,
S. 239. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen, Landkreis Stade, 1965, S. 103, 115. –
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, Neubearb., stark erw.
Aufl., 1992, S. 184, 186, 1217 f.,1222 f., 1224. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmä-
ler, Brandenburg, Neubearb. 2000, S. 55 ff. Ein Messingkronleuchter ist dort nicht erwähnt, aber fo-
tografisch im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege dokumentiert. – Des Weiteren kön-
nen adäquate Kronleuchter chronologisch genannt werden in ev. Kirchen: 1633, Weener; 1650,
Buttforde/Niedersachsen (urspr. Bistum Bremen); 1656, Borstel; 1660, Zeven; 1667, Jork/Nie-
dersachsen (urspr. Bistum Bremen); 1668, Hemme/Schleswig-Holstein (s. Schwabstedt, urspr. Bis-
tum Schleswig); 1674, Beeskow/Brandenburg. (urspr. Bistum Lebus); 1700, Esens/Niedersachsen
(urspr. Bistum Bremen); 1709, Reetz /Brandenburg (urspr. Bistum Magdeburg); 1736, Gö-
dens/Niedersachsen; 1738, Adeliges Kloster Preetz (urspr. Bistum Eutin-Lübeck); 1739, Hemme
(s. o.); des Weiteren: Brockhagen/Niedersachsen und Hamburg-Harburg 1645 sowie Haseldorf und
Seester; s. Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1970, S. 547. Ebd., S. 555 f. ist für die evangeli-
sche Kirche Seester-Kurzenmoor kein Kronleuchter mit geflügelter, weiblicher Figur dokumentiert,
aber doch vorhanden. – J. v. Schröder/H. Biernatzki, Topographie, Bd. 1, 2. neu bearb. und verm.
Aufl., 1855, S. 4 f., 16 f., 490, 513. Dies., a.a.O., Bd. 2, 1856, S. 439 f. Bremen und Magdeburg wa-
ren Erzbistümer. Ostfriesland gehörte im Nordosten zum Erzbistum Bremen und im Südwesten zum
Bistum Münster.– Großer Atlas Weltgeschichte, 1997, S. 96.
223
Diesbezügliche Hinweise finden sich unter anderem in den amtlichen Länderinventaren der Bau- und
Kunstdenkmäler für Berlin und das Bundesland Brandenburg.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 64
Erwerbungen im Kunsthandel oder durch Replikate ersetzt sein.224 Nicht immer sind
überkommene Kronleuchter also authentisch und an ihrem Bestimmungsort oder in
ihrem Verwendungszusammenhang erhalten.
Andernorts entsprachen Kronleuchter aus Metall nicht mehr dem Zeitgeschmack und
wurden als unpassende, störende Beleuchtungskörper aus dem renovierten oder
modernisierten Innenraum entfernt.226 Mitunter gelten Leuchter als spurlos ver-
schwunden. Zeichnet sich hierbei eine gewisse Beliebigkeit ab, sprechen der große
Bestand an Kronleuchtern und die Tatsache ihrer Stiftung für die Beliebtheit dieser
Objekte und ihre Eignung als Zeitdokument und Kommunikationsmittel.
224
Lt. mündlicher Auskunft (E. 1990er Jahre) des Pastors der Ev. St. Johannis-Kirche in Hamburg-
Curslack wurde Mitte des 20. Jh. ein Kronleuchter aus Messing mit einem gekrönten, heraldischen
Doppel-Adler (Kirche, Südseite) im Kunsthandel erworben. – In der Alten Kirche auf Pellworm wurde
Mitte der 1990er Jahre das Replikat eines barocken Kugelkronleuchters installiert. – Im Sommer
1996 stellt die Nordelbische Kirchenzeitung (Evangelisch-Lutherisches Wochenblatt, Nr. 34, Kiel
1996, S. 6) einen Schaftkronleuchter (Höhe: ca. 3 m) des Domes in Hadersleben/Dänemark und im
Zusammenhang mit der Firma Scan Metal in Sölstedt/Jütland vor. Der besagte Kronleuchter weist
mit den Apostel-Statuetten als Subfiguren sowie in der Gestaltung der Leuchterarme und des Knaufs
unter der großen Kugel deutliche Parallelen zum Messingkronleuchter (1638) der Ev. St. Nikolaikir-
che in Kiel auf. Lt. Inventar hat der Dom zu Hadersleben 18 (!) Kronleuchter und datiert drei davon
vor 1605, zwei in das Jahr 1605, der dritte von 1655 und den Rest als Replikat. Siehe Danmarks Kir-
ker, Sonderjylland, Haderslev Amt, 1954, S. 156. – Eine Fotodokumentation (2. Hälfte 20. Jh.) der
Firma Paul Oehlmann, Bielefeld zeigt unter anderem eine Nachbildung des Landknechtskronleuchters
der evangelischen Kirche in Bad Bevensen sowie eine Nachbildung des Kugelkronleuchters (1717)
der evangelischen Kirche in Mittelnkirchen/Elbe nach historischen Fotografien. Der ursprüngliche
Kronleuchter wurde im Weltkrieg konfisziert; siehe Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen.
Landkreis Stade, 1965, S. 502. Das Replikat eines Winkelarmkronleuchters „Büttel“ war Ende der
1990er Jahre während eines Ortstermins in der Firma Oehlmann, Bielefeld zu besichtigen. Von einem
weiteren Exemplar ist bekannt, dass es vor 1996 in die evangelische Kirche in Müden/Aller gekom-
men ist.
225
St. A. Kiel, „Akten des Stadtkonsistoriums in Kiel betreff den Verkauf der beiden alten Messingkro-
nen in der Klosterkirche 1784“ (Nr. 9). Während einer Besichtigung der Klosterkirche in Kiel anläss-
lich der Errichtung eines neuen Chores stellt der Kirchenjurat Friedrich Tamsen fest, ... dass solche
(die beiden Kronleuchter) sehr schadhaft sind und einer sehr großen Reparation bedürfen. Selbige in
brauchbaren Stande zu versetzen, verlangt man 16 M(ark) und dan sind und bleiben es doch altmo-
dische Kronen, die meines dafürhaltens nicht wehrt, daß so viel Geld davon verwandt wird“; „so wa-
re es doch besser, aus den zweyen kleinen alten, eine etwas größere neue machen zu lassen, wofür
man à W (Pfund) Gut 20 ß (Schilling) in Lübeck verlanget“. F. Tamsen skizziert dann, wie das Mes-
sing der eingeschmolzenen Kronleuchter mit der Anfertigung neuer zu verrechnen sei.
226
Mit dem Abbruch der spätgotischen Marienkirche in Husum finden die dazugehörigen Kronleuchter
des 17. Jh. in der vollkommen als klassizistischer Neubau errichteten Ev. Marktkirche keine Ver-
wendung mehr. Lt. R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. III,
Register, 1889, S. 109 und vgl. P. Hirschfeld (Hg.), Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-
Holstein, Kreis Husum, 1939, S. 112 gehörten drei Kronleuchter aus Messing der Jahre 1630,
1650/55 (Hl. Elisabeth) und 1643 (heraldischer Doppel-Adler) in die besagte Kirche. Der Kronleuch-
ter von 1643 wurde 1716 in Flensburg und 1773 van Gelbgießer Johann Christoph Wiedecke re-
pariert; s. KKrs.A. H.-B., 232, Akte St. Marien Husum 1605–1852, Notification.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 65
Die Platzierung eines Kronleuchters richtet sich augenscheinlich nach der baulichen
Situation des jeweiligen Bestimmungsortes und ist innerhalb dieser überwiegend
sakralen und profanen Repräsentationsräume – wie zum Beispiel in evangelischen
Gotteshäusern sowie in Rathäusern – per definitionem morphologisch und funktional
begründet227: Die freie Hängung des Kronleuchters an Seilen, Ketten oder Gestängen
inmitten eines Raumes trägt sowohl einer effektiven, der Helligkeit dienenden und
glanzvollen, festlichen Nutzung der kranzförmig angeordneten Lichtquellen Rechnung
als auch bedingt der Ästhetik von Beleuchtungsgerät und Interieur. Einer Proportio-
nalität zwischen beiden wird damit nicht zwangsläufig entsprochen – wie zum Bei-
spiel in Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische Kirche St. Severi, Winkelarmkron-
leuchter (ca. 80 m Höhe) der Spätgotik und frühen Neuzeit oder Rheinsberg/Bran-
denburg, Evangelische Kirche St. Laurentius, Kronleuchter (Anfang 18. Jahrhundert).
Denn Baukörper und Ausstattung spiegeln häufig historische Prozesse wider.228
227
Großes Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, (…), Bd. 6, Halle/Leipzig 1733, Sp. 1722.
228
Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische Kirche St. Severi ist eine große hohe Saalkirche mit Ton-
nengewölbe. – A. Kamphausen, Der Dom der Dithmarscher, die Kirche zu Meldorf, Düsseldorf 1931,
S. 155 f. – Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel von 1487-1601, in: Ztschr. d. Gesell. f. S.-H.-
Lauenbg. Gesch., Bd. 10, 1881, S. 226. - J. Kinder, Plön. Beiträge zur Stadtgeschichte, 1904, S.
31 f. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II, 1920. S. 267, 269,
271, 302. – A. v. Brand, Geist und Politik in der Lübeckischen Geschichte, Lübeck 1954, S. 88 ff. –
J. Heers, Vom Mummenschanz zum Machttheater, Europäische Festkultur im Mittelalter, 1986. –
H. Ewe, Das alte Stralsund, Kulturgeschichte einer Ostseestadt, 1995, S. 61. – G. Kießling, Der Herr-
schaftsstand, Aspekte repräsentativer Gestaltung im evangelischen Kirchenbau, 1995. – Gegenwär-
tig hängen drei annähernd gleich große Schaftkronleuchter, das heißt zwei Renaissancekronleuchter
von 1589 und 1590 je einer im Osten und Westen, ein barocker Kugelkronleuchter in der Mitte der
Ev. St. Marien-Kirche in Barth/Vorpommern. Im Inventar vom 20.10.1673 dieser Kirchengemeinde
heißt es: „4. Messingszeugk: Drey über der großen Kirchdiele hangende Crohnen sindt vorhanden
undt ist bey der (Vordersten) gegen den Rahtstuell ein arm hinwegk: Es liegtt aber annoch ein Stück
davon im Altar Pult Schapff hinterm Altar jedoch zerbrochen.“ Ein vierter Kronleuchter im Chor der
Kirche weist formale Parallelen zu den Exemplaren des Dominicus Slodt in der evangelischen St. Ma-
rien-Kirche in Barth auf. – Und auch in anderen Archivalien wird die Hängung von Kronleuchtern in
der Mitte des jeweiligen Gotteshauses, nicht aber die Reihenfolge beschrieben: A) LAS Abt. 7 Nr.
6091, Nr. 53, S. 4. Dom zu Schleswig: „Inventarium der Hochfürstlichen Thumb=Kirchen nebenst
andern dazu gehörigen Gebäuden, Brücken und Schlagbäumen. Anno 1706. Die 3 großen Meßinge
Crone, welche im mittelß großem Gange hangen ... hat ebenfalß folged achter Hr. Prasident der Kir-
chen verehret.“ – B) Im Kirchenbuch der Ev. Christkirche Rendsburg lautet der Eintrag für den 29.
Juli 1721: „Einnahme Caput 111. Vor Leichen auf die Verwesung, sowohl in der Kirche, alß 1.) In der
Kirchen den 29. July die Seel(ige) Jungfer Möllerinn mitten im Stiege unter die Krone in der Kirche in
die Erde davor Herr Pastor Müller bezahlet hat. 42 M.“ (Ki A RD Christkirche Nr. 391 Kirchensachen).
– C) Mölln, Ev. St. Nikolai-Kirche, Kircheninventar 1758: „10. Ein Meßingene Crone mit 16 Arm im
Leichen Hause, worauff die Höltichten Erben Lichter halten.“ Die Inschrift eines Kronleuchters von
1689 in der dortigen Kirche nennt als Stifter einen Jochim Werner Höltig. – D) Und im Verzeichnis
von 1763 der Ev. Kirchengemeinde in Hattstedt/Schleswig-Holstein betreff Kronleuchter von 1644
und 1654; s. KKrs. H.-B., Hattstedt Nr. 240. - Demgegenüber und Quellenstudien im LAS zufolge
scheinen die Informationen zur Gestaltung und Hängung neuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Metall
in Profangebäuden dürftiger; s. C.-H. Seebach, Das Kieler Schloss. Neumünster 1965, S. 19 f. – Vgl.
LAS Abt.7 Kop. Abg. Nr. 1044/166. Landesausstellung Niedersachsen 1985, Staat im Wandel, Kunst
und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650, Bd. 1, (1985), S. 264, Kat.-Nr. 202. – D.
Lafrenz, Das Kieler Schloss, Hamburg 1987, S. 33: „Zur Beleuchtung dienten Messingkronen mit
Kerzen, die an den Gewölbepfeilern befestigt waren (!), oder einfache Brandruten an den Wänden,
womit zum Teil wohl Fackeln, aber auch metallene Wandleuchter gemeint waren.“ Eine derartige An-
bringung von Messingkronen erscheint trotz spärlicher Quellen zu diesen Inventarstücken eher un-
wahrscheinlich, s. vorstehende Anmerkung. Selten gehen vergleichbare Einzelheiten zum Beispiel
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 66
Mehrere Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts an einem Be-
stimmungsort können axialsymmetrisch angeordnet sein (Güstrow/Mecklenburg-
Vorpommern, Evangelische Pfarrkirche, Kronleuchter „Engel“, 1696 und Kronleuchter
„Doppel-Adler“, 17./18. Jahrhundert; Rössing/Niedersachsen, Evangelische Kirche, 1
Kronleucher „Sitzlöwe“, Evangelisch 16./7. 17. Jahrhundert und eine Nachbildung
anlässlich einer Familienfeier im 19. Jahrhundert; Lüneburg/Niedersachsen, Evange-
lische St. Johannis-Kirche, Kronleuchter, 17. Jahrhundert sowie Rathaus, Fürsten-
saal, je ein Kronleuchter „Sitzlöwe“, 16./17. Jahrhundert und „Doppel-Adler“, 17.
Jahrhundert; Odense/Dänemark, Frauenkirche, ein Kronleuchter, 16./17. Jahrhun-
dert, 2. Exemplar vermutlich eine Nachbildung).229
aus den verschiedenen Urkundenbüchern hervor, wo im Zusammenhang mit Testamenten oder an-
deren Rechtsangelegenheiten, die sowohl Privatbesitz als auch kirchliche Belange beinhalten können,
mitunter nur das Vorhandenseins einer Ewigen Lampe oder eines Kronleuchters erwähnt bzw. die
Nutzung der Beleuchtung geregelt ist. Vgl. u.a. Hamburgisches Urkundenbuch 1337-1350, Bd. 4, Hg.
Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, 1967 (U 234/235 Hamburg, 21. März 1345, Ewige
Lampe und U 413 Hamburg, 20. Januar 1350 und U 270, Schwerin, 07. Dezember 1345), s. auch E.
Götz, Die Stadtkirche Unser Lieben Frauen zu Friedberg. Berlin 1984 (Große Baudenkmäler H. 203).
Darüber hängt ein Messingkronleuchter, der wie sein gleichartiges Gegenstück 1752 bei einem Nürn-
berger Händler zur Aufhängung im Mittelschiff bestellt und gekauft wurde...“ – Eine Vorstellung von
der Platzierung eines Metallkronleuchters in Profangebäuden gibt zum Beispiel das Gemälde „Ge-
richtssitzung“ (1625) von Hans van Hemßen, wo zwischen zwei Fensterachsen in der Stirnwand des
dargestellten Audienzsaales ein Kronleuchter mit kleiner Kugel und mehreren Lichtkränzen angedeu-
tet ist; s. A. Graßmann, Lübeck im 17. Jahrhundert: Wahrung des Erreichten. Europäische Konflikte
und Lübeckische Unruhen, in: Lübeckische Geschichte, 2. überarb. Aufl. 1989, S. 435 ff., insbes.
S. 442, Abb. 145. – A. Wendt, Das Schloss Reinbek, Untersuchungen und Ausstattung, Anlage und
Architektur eines landesherrlichen Schlosses, Kiel 1991, S. 65: „Als besondere Ausstattungsstücke
fanden sich hier (im Schlosssaal) ein großer Kronleuchter...“ – H. Ewe, Das alte Stralsund. Kulturge-
schichte einer Ostseestadt, 2. Aufl. 1995, S. 156. Dort ist im Zusammenhang mit der Rechnungsfüh-
rung von 1499 zur Ausstattung des Stralsunder Artushofes „..., von einem Kronleuchter und einem
Marienbild“ die Rede.
229
Ein Ortstermin und ein Gespräch Ende der 1990er Jahre in der Evangelischen Kirche zu Hamburg-
Curslack ergab, dass zu einem vorhandenen Schaftkronleuchter Mitte des 20. Jahrhunderts eine wei-
terer barocker Kugelkronleuchter im Kunsthandel erworben wurde. Somit ist eine axialsymmetrische
Beleuchtung beider Querhausarme der Kirche möglich. – Die Kunst- und Geschichts-Denkmale des
Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, IV. Band, 2. Aufl., Schwerin 1901, S. 247. – Die Kunst-
denkmale der Provinz Hannover. I: Regierungsbezirk Hannover, 3: Kreis Springe, 1941, S. 177. –
Die axialsymmetrische Hängung der Schaftkronleuchter im Fürstensaal des Rathauses zu Lüneburg
besteht laut Länderinventar von 1906 nicht im Gegenüber der Bekrönungen „Sitzlöwe“ und „heraldi-
scher Doppel-Adler“. Mit Zerstörung der Evangelischen Kirche St. Lamberti in Lüneburg nahm der
Schaftkronleuchter „Ritter“ (richtig: Römischer Soldat) die heutige Platzierung des Hängeleuchters
mit bekrönenden Sitzlöwen ein, vgl. Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover. III: Regierungsbezirk
Lüneburg, 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906, S. 255 und s. S. 130, 241.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 67
Ist der Bestimmungsort von Kronleuchtern über einem Grundriss in Gestalt eines
griechischen Kreuzes errichtet, kann die Hängung der besagten Leuchter daran ori-
entiert sein – wie zum Beispiel in Rostock/Mecklenburg-Vorpommern, Marienkirche
(Abb. 126), sechs Kronleuchter 16., 17. und 18. Jahrhundert oder wird mittels Neu-
erwerbungen darauf abgestimmt (Rendsburg/Schleswig-Holstein, Evangelische
Christkirche, der Bestand von drei Barockkronleuchtern „Caritas“, „Doppel-Adler“ und
„Jupiter auf Adler“ wird um zwei Schaftkronleuchter des 19. Jahrhunderts erweitert
und erlaubt eine kreuzförmige Hängung im Raum).231
230
Von ursprünglich drei Schaftkronleuchtern (1684, 1709 und 1745) der Evangelischen Kirche in Ha-
genow/Mecklenburg-Vorpommern ist Ende der 1990er Jahre nur das Exemplar von 1745 erhalten
und hängt nicht mehr mittig wie noch im neogotischen Interieur, sondern über der Taufe und diago-
nal zum Altar im erheblich verkleinerten und modernisierten Kirchenraum, vgl. Die Kunst- und Ge-
schichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III. Bd., 2. Aufl., Schwerin 1900,
S. 6. – Ferner konnte eine seitliche Hängung eines Schaftkronleuchters (17./18. Jahrhundert) nahe
zum Seiteneingang in der Evangelischen St. Marien-Kirche in Salzwedel/Sachsen-Anhalt im Herbst
2000 festgestellt werden. – Betreff Goslar/Niedersachsen befindet sich der frühneuzeitliche
Schaftkronleuchter „Römischer Soldat“ heute in einem an die Diele des Rathauses angrenzenden
Raum und nicht mehr in Reihe mit den spätgotischen Geweihleuchtern und einem gegossenen Kapel-
lenkronleuchter, vgl. Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim, 1
und 2: Stadt Goslar, 1901, S. 302.
231
Die genannte Reihenfolge der Schaftkronleuchter in der Evangelischen Christkirche in Rendsburg ist
auf die gegenwärtige Hängung von Ost nach West bezogen. Die Bekrönung des östlich hängenden
Leuchters „Caritas“ ist eindeutig k e i n e Christus-Figur; s. Die Kunstdenkmäler des Landes Schles-
wig-Holstein, Hg. H. Beseler, 1979, S. 642 und vgl. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler, Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 743 und vgl. ebd.
S. 342 sowie G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, 1992,
S. 1344 (Werdum). Der mittlere Kronleuchter „Doppel-Adler“ in der Evangelischen Christkirche zu
Rendsburg weist stilistische Parallelen zum Kronleuchter (1661) in der Evangelischen Nikolaikirche in
Kiel auf, s. Bildband der vorliegenden Kronleuchterstudie, Abb. 13.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 68
Die Grenzen zum Kunstgewerbe sind fließend. Sobald angesichts einfacher, schlichter
Formgebung, Materialeigenschaften und hoher Auflagenzahlen eine serielle Produkti-
on nahe liegend erscheint.
Dass Kronleuchter oftmals nach Größe und einem danach bestimmten materiellen
Wert beurteilt werden, überrascht ebenso wenig wie ihre scheinbar freie Hängung –
im übertragenen Sinne. So können Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18.
Jahrhunderts – wie zum Beispiel die zwischen 0,70 und 1,20 Meter hohen frühneu-
zeitlichen Winkelarmkronleuchter mit ihren spezifischen Bekrönungsfiguren unter-
schiedlich platziert sein: Eine dieser charakteristischen Bekrönungen bilden – neben
Motiven wie Römischer Soldat, Büttel, Wilde Leute und heraldischer Doppel-Adler –
die Darstellungen von Landsknechten.233
Andere Beispiele dieses Kronleuchtertyps der Renaissance, die auch eine Löwen-
kopfmaske als Unterhang besitzen und nach oben aber mit einem gekrönten, heral-
dischen Doppel-Adler abschließen, sind ebenfalls unterschiedlich platziert: Im Dom
St. Petri zu Lübeck hängen sie axialsymmetrisch – seitlich des Chors (Abb. 102) in
der Evangelischen Kirche St. Johannis in Hamburg-Neuengamme vor der Orgelempo-
232
Siehe u.a. HSTA 148 St. Marien, Stralsund, „Todten-Register“. – Schaftkronleuchter der Evangeli-
schen Kirche in Hamburg-Ochsenwerder, s. HHStA Archiv Ochsenwerder I A ) a 1, Auszug aus dem
Kirchenbuch 1619. – Vgl. Munkbrarup/Schleswig-Holstein, J. Stüdtje, Die Chronik des Kirchspiels
Munkbrarup, Bd. 1, Schleswig 1975, S. 45. – Die Befestigungstechnik und -vorrichtung zur Hängung
der Kronleuchter ist sehr unterschiedlich, s. Die Bau und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt
Lübeck, Bd. III, T. 2, 1920, S. 281. – Vgl. Bildband der vorliegenden Kronleuchterstudie, Abb. 39,
48.
233
Siehe Kapitel 3 der vorliegenden Kronleuchterstudie sowie Bildband, Abb. 68-79 und Verbreitungs-
karte und/oder digitalisierte Übersichtskarte.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 69
re (Abb. 75). Eine Fotografie von 1897234 zeigt ein entsprechendes Exemplar (um
1594), das im Chorraum der Kirche des Adeligen Klosters Preetz/Schleswig-Holstein
nahe zum Altar hängt. 1845 heißt es im „Verzeichnis der Pflichten und Einnahmen
des Organisten Präcentors und Küsters am Kloster zu Preetz“ unter anderem
„Bei Sterbefällen mit feierlichem Leichenbegängnissen (…) wird der, zunächst bey
der großen Gitterthür hängende kleinste Kronleuchter herunter genommen (damit er
nicht mit dem Sarg berührt werde).“235
Und im Rechnungsbuch ist eingetragen: „1756, den 20. Seb. (September) ist das
Begräbnis auffem Kohr under der Crohn auff und zu gemacht.“236
Der besagte „kleinste Kronleuchter“ oder die „Crohn“ sind dort nicht weiter beschrie-
ben. Es dürfte der frühneuzeitliche Winkelarmkronleuchter (um 1595) mit Doppel-
Adler und Löwenkopfmaske gemeint sein. Denn dieser Leuchter hat im Gegensatz zu
den drei übrigen (Abb. 98, 120, 121, 139) Kugelkronleuchtern (17./18. Jahrhundert)
nur einen Durchmesser von ca. 60 cm.
Einem Akteneintrag zufolge hat 1711 „Frau Ide Schakken von (…)orghoff der Kloster
Kirchen eine Messingue Leuchter Krone verehrt. Undt Fräulein Anna Margareta Se-
hestedten sich erboten, die darauf nöthigen lichter jederzeit anzuschaffen, so ist be-
liebet, daß gedachte Krone hinter dem Saugstuhl gehanget werden soll.“237
Von einem dritten Schaftkronleuchter aus Messing in der Klosterkirche zu Preetz ist
1845 zu lesen:
„Zu den gewöhnlichen Sonntagen. Gegen 3 Uhr im Sommer und gegen 2 Uhr im
Winter (…) werden die Examen- und große Norder-Kirchenthür geöffnet; (…) das in
dem sogenannten Durchgange (= alter Beicht-Stuhl) stehende Pult, zum Gebrauch
für den Prediger bey den Examen; in das Schiff der Kirche, und unter dem, der Exa-
mensthür gegenüber hängenden Kronleuchter gesetzt.“238
Es gibt keinerlei Hinweise, auf welchen der zwei verbleibenden Kronleuchter dieser
Akteneintrag bezogen sein könnte (Abb. 98, 120, 121, 139). 43 Jahre vergehen als
der Landeskonservator Richard Haupt Anfang des 20. Jahrhunderts inventarisiert: „4
schöne Kronleuchter, der im Chore mit einem Adler (Abb. 98). Der westlichste, von
1738 (Abb. 139), ist besonders gut und schwunghaft, mit 2 mal 6 Armen. Auf der
unteren stehen kleine Gestalten der Tugenden, oben steht die Justitia.“239
234
Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein in Kiel, Fotothek, vgl. LDSH IV B (1897), LDSH S
832 (1905) und LDSH L 839 (1917).
235
KAP V B a 1 und b 1-9. – Gitterthür bezeichnet die schmiedeeiserne Chorschranke (1738 von M.
Dahl) in der besagten Kirche des Adeligen Klosters Preetz.
236
KAP Kloster-Kirchen-Rechnungen, 1. März 1756, Ostern 1757.
237
KAP Akte 1705/1711 „Allerhand interessante Nachrichten und Urkunden des Klosters Preetz“, S. 25
f.
238
KAP V B a 1 und b 1-9 (1845).
239
R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. II, Kiel 1888, S. 171.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 70
Nonnenchores bleibt maßgebend für die Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts
vollzogenen – und en passant dokumentierten – Umhängungen. Diese erfolgen von
West nach Ost, so dass der oben genannte „Tugendleuchter“ (Abb. 13) (das heißt
der Kronleuchter der Anna Hedwig von Offenburg und Dorothea Catrina Pogrell,
1738) im zweiten westlichen Gewölbejoch des Nonnenchores hängt.240 Infolgedessen
erhält der große Kugelkronleuchter mit dem aufgelegten Wappen derer von Qualen
und der Bekrönung „Jupiter auf Adler“ (Abb. 121) seinen Platz vor dem Chorgitter
und hinter diesem im Chorraum der kleinere mit einer entsprechenden Figurengrup-
pe (Abb. 120). Dies führt zu Umhängungen des von Anna Brocktroff gestifteten
Kronleuchters (um 1594) aus dem Chorraum in das westlichste Joch des Nonnencho-
res – mithin unmittelbar vor den ehemaligen Priorinnensitz.241 Die Stiftung und Nut-
zung dieses Hängeleuchters ist an den Fortbestand der Klosterkirche gebunden.242
Desgleichen weist die Inschrift des nächsten, das heißt des „Tugendkronleuchters“
(1738) mit einem gravierten Allianzwappen der Familien von Offenberg und Pogrell
auf die Zweckbindung der Stiftung an den Bestimmungsort hin:
„Diese Crone
Welche des Herren Tempel gewidmet
von der Wohlehrwürdigen und Hochwohl geborenen
Fräulein Anna Hedwig von Offenberg Conventualien dieses Hochadlichen Stifts ist nach
Dero Seel. Absterben Anno MCCCXXXVIII den 24. Dec.
Zum Andenken überliefert von
einer Freundin dieses Closters Preetz“
Indem innerhalb der ersten drei Jahre des 21. Jahrhunderts die Reihenfolge dieses
zweiten und des dritten Schaftkronleuchters (von Westen) im Nonnenchor wechselt,
befindet sich nunmehr der großen Kronleuchter „Jupiter auf Adler“ mit dem aufgeleg-
ten Wappen des Adelsgeschlechts von Qualen in jener räumlichen Querachse wie die
Grabplatte (1779) dieser Familie im nördlichen Seitenschiff der besagten Klosterkir-
che zu Preetz.243
Weitere Beispiele dafür, dass die kleineren, ihrer Datierung und/oder Formensprache
nach älteren Kronleuchter im Chor bzw. in unmittelbarer Nähe zum Altar und die
größeren Schaftkronleuchter des Barock im Mittelschiff der Kirchen aufgereiht hin-
gen, können unter anderem für die evangelischen Kirchen Lübecks und Kiel/Schles-
240
Vgl. J. Siebmachers Wappen-Buch (1701/1772). Faksimile-Nachdruck, München 1975, Nr. 50, 139,
Inschrift s.u.
241
Die Motivation, die zur Umhängung führte, ist bisher unbekannt. Im 19. und bis Mitte des 20. Jahr-
hunderts ist die Stelle des Priorinnensitzes Standort des spätgotischen Schreinaltars „Hl. Sippe“.
Nach dessen Neuplatzierung ist dort die gotische Darstellung des Gnadenstuhls sichtbar, vgl. R.
Paczkowski, Die Altäre der Preetzer Klosterkirche, in: Jb. für Heimatkunde im Kreis Plön, 17. Jg.,
1987, S. 37-53.
242
A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, 1838, S. 187 f.
243
Siehe Johann Siebmachers Wappen-Buch (1701/1772), Faksimile-Nachdruck 1975, Nr. 3, 154. –
H. H. Qualen, Die von Qualen, Geschichte einer schleswig-holsteinischen Adelsfamilie, Kiel 1987. –
Es sind keinerlei Hinweise bekannt, die diese angenommenen Zusammenhänge bestätigen.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 71
Historischen Schriftquellen aus Lübeck zufolge liegen der Hängung von Beleuch-
tungsgeräten im Kirchenmittelschiff offenbar (spät-)mittelalterliche Traditionen zu-
grunde.245
Ursachen, die zum Verzicht auf vorhandene Kronleuchter, das heißt zu ihrer Verän-
derung oder Veräußerung führen können, sind unterschiedlich motiviert.246 Entspre-
chende Entscheidungsfindungen beruhen häufig auf Kosten-Nutzen-Analysen, inwie-
weit die als notwendig erachteten Reparaturen und Ergänzungen an abgenutzten,
abgestürzten Kronleuchtern oder Um- und Neugüssen vergleichbarer Exemplare
nicht ausschließlich wirtschaftlich, sondern auch hinsichtlich des liturgischen Verwen-
dungszwecks sowie betreff Materialwert und ästhetischer Ansprüche zu rechtfertigen
sind.247 Schließlich beginnen etliche Kronleuchterinschriften – insbesondere des 17.
und 18. Jahrhunderts – damit, dass der Leuchter Gott zur Ehre und der Kirche zur
Zierde gereichen soll.248
244
F. Volbehr, Beiträge zur Topographie der Stadt Kiel in den letzten drei Jahrhunderten, T. 1: Schloss
und Altstadt, in: Mitteilungen d. Gesell. für Kieler Stadtgesch., H. 3, Kiel 1881, S. 109. Die Restau-
rierung der Schaftkronleuchter von 1638 und 1661 der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Kiel erfolgte
Mitte des 20. Jahrhunderts und zur Jahrtausendwende. – Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des
Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, 1900, S. 6. Gegen Ende der 1990er Jahre prästentierte die
evangelische Kirchengemeinde Hagenow im Rahmen einer Fotodokumentation zu erfolgten Baumaß-
nahmen und neuen Nutzungskonzepten des Gotteshauses mit abgetrennten Wohneinheiten histori-
sche Aufnahmen des Ende 19./Anfang 20. Jahrhunderts neogotisch gestalteten Innenraums unter
Verwendung der älteren Schaftkronleuchter. Der Verbleib der jeweils ältesten Exemplare (in Kiel von
1577, in Hagenow von 1684) ist unbekannt. – Zur Hängung weiterer Schaftkronleuchter siehe u.a.
H. Ewe, Das alte Stralsund, 2. Aufl., 1995, S. 47 (Abb. 47), 49 (Abb. 49), 75 (Abb. 75).
245
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III (1920), S. 275.
246
Ebd., Bd. II, T. 2 (1906), S. 404. – Die Bau- und Kunstdenkmäler, Regierungsbezirk Stettin, Bd. 1,
Stettin 1900, S. 129 (Anklam, Marienkirche). – Die Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Os-
tens, R. A., Bd. 5, Stadt Danzig, Stuttgart 1972, S. 60 (St. Trinitatiskirche).
247
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II (1906), S. 420 (Umguss). –
St.A Kiel Nr. 789, sog. Braunes Kirchenbuch, S. 173 (1748 betreff Kronleuchter der Klosterkirche in
Kiel). – KKrs. A. H.-B., 232, Akte 1605-1852, St. Marien Husum, „Notification von der niedergefalle-
nen Krone.“
248
Inschriftlich zum Beispiel auf Schaftkronleuchtern mit Bekrönung „Engel“ oder weiblichen Figuren:
1646 Rotenburg bei Stade und 1650 Buttforde/Niedersachsen, 1650 Tondern/Dänemark, Kristkirche,
1653 Helsingør/Dänemark, St. Olaf, 1660 Zeven/Niedersachsen, 1667 und 1672 Heide/Schleswig-
Holstein, 1678 Bielefeld/Nordrein-Westfalen, St. Nikolai, 1709 Reetz/Brandenburg.
249
Kronleuchterbestände wären auf tatsächliche Stiftungen zu prüfen. – Zum Verkauf von frühen Mes-
sing- oder Kupferkronleuchtern s. u.a. A. Hagedorn, Ein Bild des Heiligen Olaf, o.A., S. 152 (Kron-
leuchter aus Bergenfahrer-Schütting um 1472). – Die Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Os-
tens, R. A, Bd. 5, Stadt Danzig, Stuttgart 1972, S. 60 (Kronleuchter, 1580).
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 72
im Detail resp. Bekrönungen und Unterhänge – wie auch deren räumliche Ausrich-
tung – in Schriftdokumenten keine Erwähnung – gegebenenfalls als Akteneintrag
angesichts größerer Reparaturen. Ob der für die Bergenfahrerkapelle der St. Marien-
kirche zu Lübeck genannte Hängeleuchter (1581-1766) aus Messing in Anbetracht
der ungeraden Anzahl, das heißt fünf Leuchterarme und mit der Statuette des Heili-
gen Olaf einen unvollständigen Schaftkronleuchter oder eine Sonderform der Be-
leuchtungsgeräte – wie zum Beispiel die so genannte Müllerkrone im Dom zu Lübeck
darstellt, kann hier nicht beantwortet werden.250 Hinsichtlich der Hängung von
Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts spielen ideelle Werte
gegenüber materiellen offenbar nur in Einzelfällen eine Rolle.251
Insofern erscheinen Zweifel berechtigt, dass die im folgenden Kapitel als For-
schungsgegenstand vorgestellten Bekrönungsfiguren und Unterhänge (früh-)neuzeit-
licher Schaftkronleuchter aus Messing über ihren dekorativen Anteil am ikonographi-
schen Programm dieser Beleuchtungsgeräte hinaus als Bedeutungsträger differen-
ziert werden. Zumal das Gros dieser Statuetten einfach konturiert und in seiner
gruppenspezifischen Gestaltung mehrfach verbreitet ist. Der große Bestand an
Schaftkronleuchtern aus Messing in Norddeutschland und im benachbarten Ausland,
die Handelsverbindungen und Messingverarbeitung sowie die Wiederholung von Mo-
tiven und Formen lassen eine serielle Produktion vermuten.
250
KKrs. A. H.-B., 232, Akte 1605-1852, St. Marien Husum, „Notification von der niedergefallenen Kro-
ne“. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II, T. 2 (1906), S. 405,
423. – Ebd., Bd. III (1920), S. 273.
251
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansenstadt Lübeck, Bd. III (1920), S. 236 f.; Bd. IV
(1928), S. 421, 554, 596. – KiA Barth, Kirchen-Rechnungen 1602. – Vgl. HSTA Rep. 16, Nr. 312. –
E. Meyer, Der gotische Leuchter in Stans, in: FS Hans R. Hahnloser (1961), S. 151-184.
252
KAP VB a 1 und b 1-9 (1845), Verzeichnis der Pflichten und Einnahmen des Organisten und Küsters
am Kloster zu Preetz.“ Dort heißt es, dass jährlich einmal, etwa zu Pfingsten die „Kronen- und
Schild-Leuchter und mit ihnen zugleich die Kirche totaliter mit der großen Stockeule gereinigt (wer-
den)“ – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Leitern und Treppenstühlen die Leuchter stückweise
auseinanderzuschrauben und jeder besonders in die Küsterwohnung zu tragen sei. „Hierbei darf es
aber der Küster an seiner Gegenwart und Aufsicht nicht fehlen lassen, um das nachlässige Behan-
deln und Zerbrechen dieses Kircheneigenthums möglichst zu verhindern und sich und die Kirche vor
Schaden zu sichern. Auch darf das Reinigen der Leuchter weder durch Säuren noch (…) Sieden be-
schafft werden, sondern man nimmt dazu sehr fein geriebenen Rothstein, Oele und einen weichen
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 73
Bei der Auswahl der folgenden Beispiele handelt es sich um Stiftungen von Privatper-
sonen an eine Kirche/Kirchengemeinde: 1634 in Bad Oldesloe, Evangelische Kirche
St. Peter und Paul, Kronleuchterinschrift:
„Die Schuhmacher Crone (…) bestehet aus 12 Armleuchter, und ist auch 1623 aus ih-
ren Mitteln in der Kirche angeschaffet, wird in dem Weihnachten auf Kosten des Ge-
werckes mit Wachs Lichtern bestecket, geben daher in der Kirche von angenommene
Meister und Lehr Jungen kein Wachs Geld, wie andere Gewercke Probanden sind, wie-
get etwa ¾ Centner schwer. Es hat dieses Gewerck, nach Alter gerechtfertigt, vor ihre
wollenen Lappen.“ (Wahlweise Kreide oder Englische Erde, Hühnerfutter und Polierbürste). – KiA
Plön, Rechnungsbuch 1696/97. – Siehe ferner Kronleuchterinschriften vor Ort.
253
Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V, Der Stadtkreis Stralsund, Stettin 1902,
S. 451.
254
KiA Preetz, KR 1636-1740/83.
255
S. Seeler, Die Maria Magdalenen Kirche Lauenburg (Elbe), a.a.O. und J. S. 29.
256
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, T. 1 (1919), S. 281. – Vgl.
ebd., Bd. II, T. 2 (1906), S. 405.
257
F. Vollbehr, Beiträge zur Topographie der Stadt Kiel in den letzten drei Jahrhunderten, T. 1: Schloss
und Altstadt, in: Mitteilungen der Gesell. f. Kieler Stadtgesch., H. 3 (1881), S. 109. – Krs. Eberswal-
de-Barnim, Historisches Stadtarchiv Nr. 5733, „Kurtz historische Nachricht der in der Chus- und Mit-
tel-Mittel-Marck Brandenburg belegenen imediat Stadt Neustadt-Eberswalde … Verfasset von Johann
Albrecht Beling, Küster bey der evangelisch Lutherischen Kirche (…)“, 1769, § 7 (S. 87).
258
Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen/Bezirk Rostock, Bd. 1, Leipzig 1963, S. 85 ff. – Vgl. S. Seeler,
a.a.O.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 74
Gesellen, nahe an der Orgel, ein eigenes Chor, davon aber die Sitze in der 1sten Reihe
von den Meistern baar an die Kirche bezahlet werden müssen (…).“259
„Verzeichniß des Messings was an Kronen, Armen und Leuchtern ist in der Kirche
(Heilig-Geist-Kirche, Stralsund).
Zum ersten eine große Krone mitten in der Kirche die bey Zeiten des Hr. Predigers
Matthäus Kalander ist gemacht worden, und von dem Gelde so err von der Gemeinde
und den Bürgern, so zu der Kirche alda sichhalten, hat colligieren lassen bezahlet.“264
Ein wesentliches Moment für die Hängung von Schaftkronleuchter aus Messing des
16. bis 18. Jahrhunderts in evangelischen Kirchen Norddeutschlands ist – Urkunden
und Kronleuchterinschriften zufolge – die Tatsache der Stiftung. Diese bedeutet
grundsätzlich, Vermögen einem dauernden Zweck zu widmen und mittels daraus er-
zielter Erträge den Willen des Stifters zu erfüllen.265
Die Dotation der besagten Beleuchtungsgeräte ist ein sichtbarer Beitrag zur Fabrica
ecclesia und fernerhin, dass Kommunikation geschaffen oder bestehende Gemein-
schaften geprägt werden.266
259
Krs. A. Eberswalde-Barnim, Historisches Stadtarchiv Nr. 5733, „Kurtz historische Nachricht der in der
Chur- und Mittel-Mittel-Marck Brandenburg belegenen imediat Stadt Neustadt Eberswalde (…) Ver-
fasset von Johan Albrecht Beling, Küster bey der evangelisch Lutherischen Kirche (…)“, 1769, § 8
(S. 87).
260
J. und H. Engling, Altes Handwerk im Kreis Plön, Von der ersten schriftlichen Überlieferung bis zum
Jahr 1867, Neumünster 1990, S. 24 ff.
261
F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jb., 9. Jg. (1965), S. 91-99. – Vgl.
Abb. LDSH PK III 1594. – Vlg. Schaftkronleuchter (1654) des „Stekenitzfahreramtes“ mit Darstellung
der Schutzpatronin Maria Magdalena als Kronleuchterbekrönung im Dom zu Lübeck, s. Die Bau- und
Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, T. 2 (1920), S. 279.
262
Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen/Bezirk Rostock, Bd. 1 (1963), S. 85 ff.
263
M. Berwing, Preetzer Schuhmacher und ihre Gesellen 1750-1900, Aufschlüsse aus Archivalien
(1982), Abb. 3 bis 5.
264
HSTA Rep. 9 Nr. 186 (1644) „Acta Coenobie Spirit Scti. bt. die Kirchengeräthe beim Heil. Geist,“
XVII Verzeichnis, vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V, Stadt-
kreis Stralsund, Stettin 1902, S. 382 f. – Vgl. H. Ewe, Das alten Stralsund, 2. Aufl. 1995, S. 79 f.
265
M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft, Hg.
D. Geuenich, O. G. Oexle, Göttingen 1994 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Ge-
schichte Göttingen), S. 268 ff., insbes. S. 270, 276, 280.
266
KiA Lauenburg, 5133 Beleuchtung Nr. 959/768, Urkunde btr. Schenkung Kronleuchter Dochtermann
1651. – S. A. Möller/Lbg. – H. Ewe, Das alte Stralsund, 2. Aufl. 1995, S. 42.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 75
Bezweckt ihre Ausstattung mit einem Stiftungsgut einerseits die Unabhängigkeit von
fremder Herrschaft, verpflichtet sie andererseits ihre Nutznießer durch Stiftungsauf-
lagen – wie die Memoria an den Donator und die oben genannte Pflegschaft.
Dies beschreibt ein soziales System, das zwar den Tod überdauert, aber angesichts
der Folge von Geschichte schreibenden Ereignissen eine Verankerung in der Umwelt
und Regelungen der Außenbeziehungen erfordert.267 Nimmt die Stiftung und Nutzung
von Lichtvermögen auch im 16. bis 18. Jahrhundert einen festen Platz ein268, vermit-
teln (früh-)neuzeitliche Schaftkronleuchter aus Messing samt des ikonographischen
Programms, dass die auf Leuchter und Wachs übertragene Lichtsymbolik nicht hinfäl-
lig, aber infolge von Umstrukturierungen auf eine andere Ebene gestellt ist.269
267
M. Borgolte (1994), S. 269, 276.
268
Siehe u.a. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II, T. 2 (1906), S.
405. – KiA Eckernförde KR Lichtregister 1659-1680. – KiA Plön St. Nikolai KR 1693. – KKrs. A H.-B.,
98 Varia (1696) St. Marien Husum. – KiA Barth Kirchen-Register 620, 1734. – KAP V B c+d (um
1749) „Die Lichter auf den vier Cronen muß jades ein halb Ellen lang, und neun Loth schwer seyn.” –
Urkundenbuch zur Chronik der Stadt Plön. Urkunden und Akten, gesammelt und mit Erläuterungen
versehen von J. Kinder, Plön 1890, S. 355 f., 478.
269
Zu Licht in der Liturgie im Allgemeinen s. J. Sauer, 1924, S. 181 ff. – J. Braun, Das christliche Altar-
gerät, 1950, S. 492 ff. – J. Ritter, Mystik und Liturgie als lichttechnische Größe, in: Zeitschr. Licht &
Architektur, 1. Jg., Nr. 4, Gütersloh 1993, S. 1. Wenn Licht zur Glaubensfrage wird. - B. Kahle, Vom
Umgang mit Licht im Kirchenraum, in: Licht & Architektur, 1. Jg., Nr. 4, Gütersloh 1993, S. 8. Wenn
Licht zur Glaubensfrage wird.
270
H: d’Allemagne, 1891, S. 124. – A. Brüning, 1897, S. 49 ff. – H. Lüer, 1903. – H. Lüer/M. Creutz,
1904, S. 361 ff. – G. Henriot, Encyclopédie du luminaire, 2 Bde., 1933. – S. Erixon, 1943. – K. Jar-
muth (1967). – The dictionary of art, 34 Bde., Hg. J. Turner, 1996, S. 351 ff. – Enciclopedia dell’arte
medievale, Bd. VII, o.J., S. 588 ff. – Eine gewisse Übersicht zum Bestand unterschiedlicher Kron-
leuchtertypen in den einzelnen Bundesländern Deutschlands geben die geschichtlichen/kunst-
geschichtlichen Einleitungen der amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler – insbe-
sondere zwischen dem 19. Jahrhundert und bis Mitte 20. Jahrhundert; s. zum Beispiel: Inventar der
Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg, Berlin 1885, S. 96.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 76
Mit der Verteilung dieser Radleuchter aus Metall271 (Bronze, Messing oder Eisen) auf
Zentren, die Ansprüche geistlicher und weltlicher Macht assoziieren - wie zum Bei-
spiel Hildesheim (Dom, Lichtkrone, 1044/79 gestiftet von Bischof Hezilo), Comburg
(Komburg, Benediktinerabtei/Schloss, Lichtkrone, 1120), Aachen (Münster, Lichtkro-
ne, 1168, Geschenk Kaiser Friedrich I.) oder Reims scheint diese Symbolik zugleich
einen direkten Realitätsbezug zum mittelalterlichen Kirchenstaat und dieser eine un-
bestrittene Gültigkeit zu erhalten. Motiv und Material stehen hier ganz im Zeichen,
aus dieser Korrelation den irdischen Anspruch und ewigen Fortbestand einer als aus
Gottes Gnaden legitimierten Herrschaft zu dokumentieren. Deutlich repräsentieren
diese Lichtkronen, die aus der Summe von Teilräumen einer angedeuteten Stadt-
mauer gebildet sind, eine Zusammenfassung und Bekräftigung des additiven Prinzips
der sie umgebenden romanischen Architektur und vermitteln zugleich die oben ge-
nannten Visionen. Es ist jedoch unbekannt, ob diese Deutung nachträglich unterlegt
oder ursprünglich ist und insofern als entfernter Hinweis auf den Dualismus von Kir-
che und Reich in Frage käme. Hier aber fällt auf, dass diese Lichtkronen in einer Zeit
entstehen, die vom Investiturstreit geprägt ist und vornehmlich durch die Unter-
scheidung zwischen geistlichem und weltlichem Amt seitens des Theologen Ivo von
Chartres (1040-1116) neue Perspektiven erhält.
Insofern sind die religions-politischen Parallelen jener Zeit gegenüber der frühen
Neuzeit sowie ihre jeweiligen potenziellen Verbindungen zur Entstehung bestimmter
Kronleuchtertypen aus heutiger Sicht bemerkenswert. Denn schließlich erfahren ins-
besondere die messingnen Schaftkronleuchter der Renaissance mit ihren spezifischen
Motiven in jener Zeit die größte Ausbreitung, die sowohl unter dem Eindruck der
Zweireichelehre des Martin Luther (1483-1546) steht als auch von dessen Auffas-
sung eines „Priestertums der Gläubigen“ (1. Petrus 2; 2. Mose 19,5) geprägt ist.
Gleichwohl weisen diese Kronleuchter der Renaissance keine architektonische Mor-
phologie und somit keine eindeutige räumliche Zweckbestimmung auf. Dennoch führt
die Quantität dieser Beleuchtungsgeräte in evangelischen Kirchen dazu, auch diese
heutzutage als Kirchenkronen zu bezeichnen.
Ein deutlicher Bezug zur Architektur als Bedeutungsträger ist nach den Lichtkronen
der Romanik häufiger an den Sonderformen gotischer Hängeleuchter ablesbar. Frei-
lich kaum in der Form, dass der kühnen und diaphanen Bauweise gotischer Sakral-
271
Erhaltene Lichtkronen, in: Hildesheim, 11. Jh., Aachen 1165. – Siebe B. Erenz, Alles Gold, was
glänzt. Das alte, das neue, das ewige Aachen. Eine Entdeckungsreise durch die Schatzhäuser der
Kaiserstadt, die dieses Jahr Karl den Großen feiert, in: Wochenzeitung DIE ZEIT Nr. 25 vom 15. Juni
2000, S. 83 (Reisen). Rolf Dieter Düppe vom Institut für Photogrammetrie und Kartographie der TU-
Darmstadt hat aus 25 Fisheye-Aufnahmen eine Fotografie des Oktogons samt Lichtkrone des Aache-
ner Doms als neue Perspektive zusammengerechnet. Die so erzielte konzentrische Abfolge architek-
tonischer Gliederungselemente, die durch die Rosette der Lichtkrone zusätzlich gebündelt erschei-
nen, lenken den Blick auf die Ausmalung der Kuppel mit dem Christusbild „Miestas Domini“; Kom-
burg, 12. Jh.; Einbeck. 1420; Halberstadt, 15. Jh.; Reepsholt, 15. Jh. – nicht mehr erhalten in Spey-
er, 1038; Köln, 12. Jh. – Vgl. zu „Sinnbild Himmelsstadt/Himmlisches Jerusalem“: G. Bandmann, 8.
Aufl. 1985, S. 62. – LCI. Bd. 2. Sonderausgabe 1994, Sp. 394 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 77
bauten Rechnung getragen werden kann. Doch insoweit, dass die Omnipräsenz
kirchlicher Hierarchie und Einflussnahme sichtbar ist.272
272
J. Sauer, 1924. – L. C. Morsak, 1984, S. 63. – G. Bandmann, 8. Aufl. 1985, S. 247. – Vgl. ebd.,
S. 61 und J. Sauer, 1924, S. 80 und 290. – W. Schöller, Die rechtliche Organisation des Kirchenbau-
es im Mittelalter – vornehmlich des Kathedralbaues: Baulast - Bauherrenschaft - Baufinanzierung,
1989, S. 124 ff. insbes. – Zu religions-politischen/verfassungsrechtlichen Verhältnissen; s. u.a.
U. Lange, Landtag und Ausschuss. Zum Problem der Handlungsfähigkeit landständischer Versamm-
lungen im Zeitalter der Entstehung des frühmodernen Staates. Die welfischen Territorien als Beispiel
(1500-1629), Hildesheim 1986. – Ders., Deutschland im Zeitalter der Reichsreform, der kirchlichen
Erneuerung und der Glaubenskämpfe (1495-1648), in: P. Rassow, Deutsche Geschichte, Hg.
M. Vogt, Stuttgart 1987, S. 144-217 und ebd., S. 218-297: H. Schmidt, Zerfall und Untergang des
alten Reiches 1648-1806. – A. Molnar, Die Waldenser. Geschichte und Ausmaß einer europäischen
Ketzerbewegung, Freiburg/Br. 1993, S. 5 ff.
273
Neben Kalandsbruderschaften besitzen auch Handelsgesellschaften bereits im 15. Jh. Kronleuchter
als Inventar ihrer Kontore. Wie die Leuchter dieser Kompanien in jener Zeit aussehen, ist im Gegen-
satz zum jüngeren Kronleuchter in Glückstadt als Stiftung der Island-Kompanie, nicht bekannt, s.
F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jb. 1965, S. 91-99, insbes. S. 92 f.–
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw.
und veränd. Aufl. 1994, S. 293. – Im Folgenden wird eine Auswahl an Standorten für Marienleuchter
genannt. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, Kirche zu Alt-
Lübeck, Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 275. - S. Seeler, 1938. - Marien-Leuchter zum
Beispiel in Doberan, 1290/1425; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklen-
burg, 2. Aufl. 1980, S. 68. – Dortmund, s. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dort-
mund-Stadt, 1894, Taf. 38, Eutin, 1322/1760; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmä-
ler. Hamburg, Schleswig-Holstein. 2., stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 232. – Gettorf; s. W.
Vollertsen, 1989, S. 43-49. – Heiligenstedten, A. 16. Jh./1913-19; s. G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein. 2., stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 327,
s. ebd., S. 414 (Landkirchen/Fehmarn, Marienleuchter, 15. Jh.), S. 420 (Lauenburg/E., Marien-
Leuchter der Schiffergilde, E. 15. Jh. und Marien-Leuchter des Schusteramtes, A. 16. Jh.), S. 632
(Mölln, 1506). Des Weiteren in Lüneburg, um 1490; s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T.
III, Regierungsbezirk Lüneburg, Bd. 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906, S. 117 ff. – G. Dehio, Handbuch
der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen. Neubearb., stark erw. Aufl. 1992, S. 877. –
Kalkar, 1510; s. H. P. Hilger, 1990; s. dort auch Abb. 139 (Vreden), s. ferner Die Bau- und Kunst-
denkmäler des Regierungsbezirkes Wiesbaden, I. Bd.: Der Rheingau, 1902, Abb. 198. – Kiel; s.
Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel von 1487-1601 (1881), S. 226. - s. u.a. Die Baudenkmäler
der Provinz Pommern, T. 3: Der Regierungs-Bezirk Köslin, 1892, S. 37 (sog. Schlieffenkrone im Dom
zu Colberg). Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 41. Bd., T. 6.: Die Stadt Münster, 1941, S.
353, Abb. 524, 364 (Kronleuchter mit Muttergottes 1577/1636, Schmiedeisen im Rathaus zu Müns-
ter und Gegenüberstellung zum Radleuchter im Rathaus von Osnabrück). – F. Bruns, Die Lübecker
Bergenfahrer und ihre Chronistik, 1900, S. 136, Nr. 209: „Gosschalk Stynt, borger to Lubeke. ... I-
tem in Unser Leven Frouwen kerken to Bergen geve ik ... up Unser Leven Frouwen bome eyn halff
lispunt wasses, ..“ Demgegenüber ist einem Aufsatz zum „Schonenfahrergelag in Rostock“ folgendes
zu entnehmen: „Die Aufzeichnung über den Besitz der Kompagnie an kirchlichen Geräten in Falster-
bo und über das Inventar im Schütting von 1440-46 (Wehrmann, Lüb. UB 8, Nr. 95, 192,394) deu-
ten nicht auf großen Reichtum. Doch hatte die Kompagnie ein eigenes Haus. Für seinen Schmuck
wurde durch ein Gemälde und einen Kronleuchter gesorgt, ...“ s. W. Stieda, Das Schonenfahrergelag
in Rostock, in: Hansische Geschichtsblätter, Bd. 7, 1892, S. 115-144, insbes. S. 139. Die Gestaltung
dieses Hängeleuchters ist nicht weiter bekannt. Und auch aus den Beschreibungen zu Beleuchtungs-
geräten in anderen Verwendungszusammenhängen geht nicht hervor, ob es Lichterbäume, Stand-
oder Hängeleuchter sind – wie zum Beispiel aus der Schlosskirche Allerheiligen in Wittenberg zu:
„..1517 ein grosser Leuchter ‚im Khor darauf unser lieben Frawn bild ist“ ; s. Die Denkmale im Bezirk
Halle. Die Denkmale der Lutherstadt Halle, 1979, S. 253. – Allg. Lit. zur Marienverehrung; s. R.
Schimmelpfennig, Die Geschichte der Marienverehrung im deutschen Protestantismus. 1952. – R. W.
Scribner, Religion und Kultur in Deutschland 1400-1800, Göttingen 2002 (Veröffentlichungen des
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 78
Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 175), S. 82 f. Zu Hinweisen, dass die Kalande häufig für die
Ausstattung von Kirchen zuständig waren; s. u.a. Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates
Mecklenburg-Strelitz, Bd. I: Das Land Stargard, T. II: Der Blumenhäger Silberfund, die Amtsge-
richtsbezirke Fürstenberg, Feldberg, Woldegk und Friedland, 1925, S 327. – V. Plagemann, Kunstge-
schichte der Stadt Hamburg, 1995, S. 55, 100 f.
274
H. d’Allemagne, 1891, S. 124. – H. P. Hilger, 1990, S. 283. – Einen Zusammenhang zwischen Leuch-
tern und Bruderschaften benennt S. Seeler, Die Maria-Magdalenen-Kirche Lauenburg (Elbe). o.J.,
S. 29. – An anderer Stelle wird die Ausstattung von Kirchen allgemein als Aufgabe der Bruderschaf-
ten, Gilden und Zünfte erwähnt, s. H. Bergner, Handbuch der kirchlichen Kunstaltertümer in
Deutschland, 1905, S. 27. – K. Hüseler, 1922, S. 12. – Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 49.
Bd./T. I: Stadt Lemgo, 1983, S. 57: „Die Kramer hatten ihre geistliche Heimat in der Nikolaikirche,
für die sie noch 1606 einen neuen Kronleuchter stifteten.“ – Ähnliches ist von anderen Orten be-
kannt; vgl. zum Beispiel Bergen/Rügen: Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen, Bezirk Rostock,
Bd. 1, 1963, S. 85 ff. oder Evangelische Stadtkirche St. Lotharii in Preetz, sog. Schneiderkrone
(1641) und sog. Schusterkrone (1696); aussagekräftige Abb. in M. Berwing, Preetzer Schuhmacher
und ihre Gesellen 1750-1900. Aufschlüsse aus Archivalien, 1983, Abb. 3 bis 5. – I. und H. Engling,
Altes Handwerk im Kreis Plön. Von den ersten schriftlichen Überlieferungen bis zum Jahr 1867, 1990,
S. 25 f. – s. auch E. Hoffmann, Lübeck im Hoch- und Spätmittelalter: Die große Zeit Lübecks, in: Lü-
beckische Geschichte, 1988, S. 293 ff. – Siehe ferner: F. Bruns, Die Lübecker Bergenfahrer und ihre
Chronistik. Hansische Geschichtsquellen, N.F., Bd. II, 1900, S. CXXII, CXXXV. Ob die dort beschrie-
bene „mit dem Bildnis König Olafs gezierte messingne Lampe“ noch der gotischen oder schon der
neuzeitlichen Tradition entsprach, geht daraus nicht hervor. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der
Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II: Petrikirche. Marienkirche. Heilig-Geist-Hospital, Lübeck 1906,
S. 143, 406. – W. Jensen/H. Kochendörffer, Das alte Ratsbuch der Stadt Wilster, Wilster 1925,
S. 51.
275
Korbkronleuchter kommen unter anderem vor in Colberg, Holkenkrone von 1424, s. Die Baudenkmä-
ler der Provinz Pommern, T. 3: Der Regierungs-Bezirk Köslin, 1892, S. 39 mit Abb., s. auch K. Jar-
muth (1967), S. 86. – Braunsberg (Kopie in Marienburg), s. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Pro-
vinz Ostpreußen, H. IV: Das Ermland, 1894, S. 54. - Danzig, St. Marien, von Meister Andreas um
1490, s. K. Gruber/E. Keyser, Die Marienkirche in Danzig, 1929, S. 47 f. – Bau- und Kunstdenkmale
des deutschen Ostens, Reihe A: Kunstdenkmäler der Stadt Danzig, Bd. 4: Die Marienkirche in Danzig
und ihre Kunstschätze, 1963, Abb. 157. – Siehe zu „hortus conclusus“: LCI, Bd. 2, Sonderausgabe
1994, Sp. 77 ff. – LCI, Bd. 3, Sonderausgabe 1994, Sp. 375 ff.
276
Ausführliche Geschichte der Lübeckischen Kirchen-Reformation in den Jahren 1529-1531, Hg.
F. Petersen, Lübeck 1830, S. 133. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lü-
beck, Bd. III: Kirche zu Alt-Lübeck, Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 273 ff. – W. Grus-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 79
Die bekrönende Kerze legt überdies Gedanken an die Osterkerze als Symbol der Auf-
erstehung Christi nahe, da das Bildprogramm des Leuchters auf die Gemeinde bil-
dende Taufe und Lichtträger zwischen Totengedenken und Auferstehungsglaube hin-
weist.
Diese Frage der Platzierung und Hängung von Kronleuchtern als Ausstattungsstück
im Sinne eines Bildprogramms innerhalb eines gesamten Interieurs spielte in den
bisherigen Untersuchungen zu Beleuchtungsgeräten kaum eine Rolle. Denn die Iko-
nographie der allansichtigen monumentalen Lichtkronen der Romanik sowie die viel-
nick/F. Zimmermann, 1989, S. 25. – Schloss Gottorf und seine Sammlungen. Mittelalter, 1994 (Son-
derband der Reihe „Kunst in Schleswig-Holstein“), S. 74 f.
277
E. Lutze, 1968.
278
W. Grusnick/F. Zimmermann, 1989, S. 25. – Auch für jüngere Kronleuchter – wie zum Beispiel im
Dom zu Verden – sind vergleichbare Zusammenhänge bekannt, s. amtliche Kunstdenkmälerinventa-
re Niedersachsens, Neudruck des gesamten Werkes 1889-1976, Bd. 42. Die Kunstdenkmale der
Kreise Verden, Rotenburg und Zeven, 1980, S. 40: „Im Schiff sorgte man für Sitzplätze und Be-
leuchtung; 1663 z.B. wurden ‚kupferne Kronen’ neu beschafft durch den Bürger und Kaufmann Ste-
phan Ganz in der Norderstadt. Die anderen Teile der Kirche, besonders der Chorumgang wurden
immer wieder als Begräbnisplatz verkauft ...“ – Vgl. E. Sehling (Hg.), Evangelische Kirchenordnung
des 16. Jahrhunderts, 1. Abteilung: Sachsen und Thüringen nebst angrenzenden Gebieten, 1904, S.
488: „Item, das er achtung in der kirchen gebe, das niemands nach seinem gefallen ein gestuele
baue oder einen stuel, der gebauet ist, einnehme ..., und gebe der Kirchen ihre gebuhr, als zwei o-
der drei pfund wachs. Darnach die personen vermuegens sein und von solchem wachse die lichte uf
den altar, und die sonst nötig seind, darvon machen lassen.“
279
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III: Kirche zu Alt-Lübeck,
Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 283, 424 m. Abb. und vgl. S. 274 m. Abb. – Ebd., Bd. II,
T. 2: Die Marienkirche (1906), S. 420. – Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Mecklenburgische
Küstenregion. Mit den Städten Rostock und Wismar, 1990, S. 218. – Zur Einschätzung der sog. Mül-
lerkrone/Lübeck, s. Schloss Gottorf und seine Sammlungen. Mittelalter. Mus.-Kat. Schloss Gottorf
Schleswig (1994), S. 149, Kat.-Nr. 83-85.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 80
Von ähnlicher Form, jedoch auf der gewachsenen Gestalt basierend, dürften ebenso
stark die Geweihleuchter einst verbreitet gewesen sein – wie zum Beispiel in Tan-
germünde, Evangelische St. Lorenz-Kirche. Dort bildet der Tierschädel die Basis der
Zentralfigur.281 In der Regel bilden die Muttergottes oder andere Heiligenfiguren die-
280
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Westpreußen, 2. Bd., Kulmerland und Löbau, 1887-95,
S. 265 und Beilage 18. – Vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen, H. IV: Das
Ermland, 1894, S. 54. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dortmund-Stadt, 1894,
Taf. 30 und S. 39. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. IV: Regierungsbezirk Osna-
brück, T. 4.: Die Kreise Lingen und Grafschaft Bentheim, 1919 (H. 14 des Gesamtwerkes), S. 76. –
Die Denkmäler des Rheinlandes, Kreis Kleve, H. 2: Kalkar (1967), Abb. 179.
281
Die Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg, 1885, S. 96 f. – Die Bau- und Kunst-
denkmäler der Provinz Ostpreußen, H. III: Das Oberland, 1893, S. 105. – Die Bau- und Kunstdenk-
mäler der Provinz Westpreußen, H. X: Kreis Löbau, 1895, Beilage 1a (Grabau). Die Kunstdenkmäler
der Rheinprovinz, T. I, Bd. 5: Düsseldorf, 1900, S. 21 (Gimborn, Kreis Gummersbach, Geweihleuch-
ter, A. 16. Jh. aus der Antoniuskapelle bei Waldbruch „ist in seiner künstlerischen Durchbildung und
Erhaltung ein Stück ersten Ranges“). – Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T. III, Regie-
rungsbezirk Lüneburg, Bd. 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906 (Bd. 5 und 6 des Gesamtwerkes), S. 255
f. – Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Bd. III, Kreis Grafschaft Schaum-
burg, 1907, S. 88 m. Bildtaf. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Kreis Herford, 1908,
S. 48. – Unbekannt ist die Gestaltung eines Geweihleuchters in der Stadtkirche in Preetz/Holstein.
Dort heißt es im Rechnungsbuch (Bd. 49): „1731, Einnahmen Kirchgelder. Das Hirschhorn so in der
Kirchen zu Lichter Krone ist gebraucht worden, verkaufft von ... Meyer ... 1 M(ark) 6 ß(Schilling).“ –
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig, 3. Bd. Kreis Wolfenbüttel, 1906,
S. 195 f. – Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, 84. Jahresbericht (1938), S. 4. – Die Kunst-
denkmäler der Provinz Mark Brandenburg. Kreis Niederbarnim, 1939, S. 35, Abb. 17 (Bernau) und
S. 251, Abb. 208 (Basdorf) – R. Kahsnitz, Albrecht Dürer, 1521-22 Entwurf für einen Drachenleuch-
ter, in: Nürnberg 1300-1550. Kunst der Gotik und der Renaissance. Ausst.-Kat. Germanisches Natio-
nalmuseum Nürnberg (1986), S. 352. – L. Telsnig, Zu Lüchten ein Hirtzhorn. Mittelalterliche Geweih-
kronen als Hängeleuchter, in: Weltkunst 66, H. 14, (1996), S. 1614 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 81
sen Mittelpunkt. Und das mit einigen Lichtern besetzte Gestänge mutet dabei wie
eine Mandorla an, die noch eine gewisse räumliche Vision und einen Abglanz des
Himmels anzudeuten scheint (Abb. 8-11). Inwieweit der konsolartig anmutende Tier-
schädel für die Gestaltung der Unterhänge an den Schaftkronleuchtern aus Metall der
Renaissance als Vorbild gedient haben könnte, ist bisher unerforscht. Daneben sind
auch horizontal ausgerichtete Geweihleuchter, die so genannten Leuchterweibchen
bekannt.
Gegenüber diesen Leuchtern beschreibt die Komposition des kleineren der beiden
Geweihleuchter (1480/90) im Rathaus zu Goslar – über eine Illumination seines Bild-
werkes hinaus – anhand der Korrelation einer geschnitzten, polychrom gefassten
Sitzfigur des Kaisers mit den Reichsinsignien und zusammen mit der Inschrift einen
profanen lokalhistorischen Bezug. Und sowohl diese Verbindung als auch das Neben-
einander der unterschiedlichen Kronleuchtertypen im Rathaus zu Goslar veranlasst
zu einer neuen Wahrnehmung neuzeitlicher Schaftkronleuchter und ihrer profanen
Motive. Dass ihre Verbreitung nicht ausschließlich dekorativ begründet ist, darauf
scheint auch der gotische Tabernakelkronleuchter von Herzogenbusch (s’-Her-
togenbosch/Niederlande) mit zentraler Heiligenstatuette und kriegerischen Subfigu-
ren hinzudeuten. Denn dessen Entstehung wird anhand der Ortsgeschichte erklärt.282
282
Der Leuchter aus dem Geweih eines Zwölfenders gilt als Vorbild für entsprechende Leuchter in Ma-
rienburg/Westpreußen sowie in Stockholm (Museum), s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover,
T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 1 und 2: Stadt Goslar, 1901, S. 301f. – Goslar. Ein Führer
durch die tausendjährige Stadt, 1949, S. 61. – Das Rathaus zu Goslar, Hg. Stadt Goslar, 1959. – K.
Jarmuth. (1967), S. 88f und 92. – Zum Kronleuchter von s'-Hertogenbosch (Herzogenbusch), süd-
westlich von Nimwegen/Niederlande, s.: A. Brüning, Der Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, N.F.
8, 1897, S. 58. – O. v. Falke, Das spätgotische Kunstgewerbe im 15. Jahrhundert, in: Illustrierte Ge-
schichte des Kunstgewerbes, Bd. 1, Hg. W. Behncke, O. v. Falke, G. Lehnert u.a., Berlin, o.J.,
S. 410. Dieser Tabernakelkronleuchter (1424) in s’-Hertogenbosch, der typologisch spätgotischen
Kronleuchtern zugeordnet wird, besitzt bereits auf den Leuchterarmen Subfiguren. Vgl. dazu ein an-
deres Beispiel: O. ter Kuile, Onderdelen van een kerkkroon en van twee kandelaars uit de St. Ja-
cobskerk te Den Haag, in: Bulletin van het Rijksmuseum, 28. Jg., Nr. 3, 1980, S. 125-133, insbes.
S. 128, Abb. 6. – Subfiguren als unterschiedliche Typen insbesondere auf den Leuchterarmen von
Schaftkronleuchtern des 17./18. Jahrhunderts und dort ggf. thematisch in Verbindung zur jeweiligen
Bekrönungsfigur kommen unter anderem vor in: Aachen, Michaelskirche, Karls-Kronleuchter 1630:
Salvator mundi/Apostel/ Zentralfigur/Kugel; s. R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie, 1909,
Taf. 8. – Kiel, Evangelische St. Nikolaikirche, Kronleuchter 1638: Pelikan/Apostel/Kugel; s. Georg
Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und
veränd. Aufl., 1994, S. 378. – Erfurt, Evangelische Predigerkirche, so genannte Gustav-Adolf-
Leuchter 1647, Messing „mit acht Apostelstatuetten, einem Tabernakel mit Reiterstatuette und Wid-
mungsinschrift zu Ehren des schwedischen Königs Gustav Adolf.“ ; s. G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler, Thüringen, Berlin 1998, S. 340, Abb. und betreff. Informationen zur Restau-
rierung dazu s. Bautätigkeit in der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 2, Hg. Gehrig Verlagsgesellschaft
mbH Merseburg. (2000/2001), S. 55 und vgl. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 33, H.: Bautzen (Stadt), 1909, S. 43 f. Der mit Abb. 51
inventarisierte Kronleuchter im Dom St. Peter zu Bautzen weist zum Gustav-Adolf-Kronleuchter in
Erfurt eine vergleichbare pyramidale Morphologie mit einem bekrönenden Gehäuse auf sowie in
wechselnden C-Formen ausschwingende Leuchterarme. Diese sind jedoch nicht mit Subfiguren, son-
dern mit Obelisken besetzt. – Schleswig, Dom, Kronleuchter 1661: Salvator mundi/Apostel/Kugel;
s.: G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw.
und veränd. Aufl., 1994, S. 783. – Keitum/Sylt, Rendsburg und Werdum/Ostfriesland, Evangelische
Kirchen, Kronleuchter 17. Jahrhundert: Caritas/Putti/Kugel; s. Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 372,742 und G. De-
hio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen, Neubearb., stark erw. Aufl.
1992, S. 1344. Dort ist die Bekrönung des Kronleuchters (1692) als „Maria mit Kind und Johannes-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 82
Hinsichtlich des besagten Leuchters in Goslar wird sie häufig in dieser verkürzten
Fassung zitiert:
„O Goslar, du bist togeda / dem hillege romeske rike / suder middel un wae / nicht
macstu darvan wike.“ (O Goslar, du gehörst zum Heiligen Römischen Reiche, unmit-
telbar, nicht magst du davon weichen.)283
knaben“ beschrieben. Die formale Gestaltung der Statuette entspricht nahezu jener der Caritas-
Figuren auf besagten Kronleuchtern in Schleswig-Holstein, vgl. Motiv Cesare Ripa, Ikonologia, Rom
1593, Reprint. – LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp. 349 ff. – E. Wind, Charity. (Journal of the
Warburg Inst. 1, 1937/38), S. 322-340. – Preetz, Adeliges Kloster (Evangelischer Damenstift, ehem.
Benediktinerinnenkloster „Campus Beatae Mariae“), Stiftskirche, Kronleuchter, inschr. 1738, Justi-
tia/Tugenden/Kugel; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-
Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 699. – Ringelheim/Salzgitter, Evangelische St.
Johannes-Kirche, Kronleuchter, wohl 1768, Jupiter auf Adler/ vier „kleine nackte Figur(en) mit einem
Geldbeutel in der rechten Hand/Kugel“; s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. II: Regie-
rungsbezirk Hildesheim, T. 7: Landkreis Goslar, 1937 (Bd. 22 des Gesamtwerkes), S. 202. G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen, Neubearb,, stark erw. Aufl.
1992, S. 1132. – Gegenüber diesen barocken Kronleuchtern mit Subfiguren auf den Leuchterarmen
kommen auf den Schaftkronleuchtern aus Metall der Renaissance diese zusätzlichen Statuetten zur
Bekrönung überwiegend auf der unteren Nutenscheibe und als Krieger vor oder bilden einen Teil der
Leuchterarme wie am Kronleuchter (1557) „Salvator mundi“ in der Evangelischen St. Marienkirche in
Stralsund; s. Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V: Der Stadtkreis Stralsund,
1902, S. 449 f.
283
Siehe Anfang der vorstehenden Anm. sowie ferner: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd.
II: Regierungsbezirk Hildesheim, T. 1 und 2: Stadt Goslar, 1901 (Bd. 2 und 3 des Gesamtwerkes),
S. 269. - Diese Inschrift wird häufig zitiert, ohne dass weiterreichende Interpretationsansätze the-
matisiert werden.
284
Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T. VI: Regierungsbezirk Aurich, Bd. 1 und 2: Stadt Em-
den, 1927 (Bd. 15 und 16 des Gesamtwerkes), S. 124: „Im Magistratszimmer befindet sich ein aus
der Erbauungszeit des (neuen) Rathauses (1576) stammender Kronleuchter mit zweimal acht s-
förmigen Armen und Zierstücken in Form von Seepferden und Wappen haltenden Kriegsknechten; an
der Spindel oben ein doppelköpfiger Adler, unten ein Löwenkopf mit Ring im Maul ...“ – Die Kunst-
denkmäler der Provinz Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 2 und 3: Stadt Goslar,
1901, S. 302: „Der vierte zunächst dem Eingange hängende bronzene Kronleuchter zeigt die häufig
wiederkehrenden Formen der Kirchenkronen aus dem Ende des XVII. Jahrhunderts, hat zweimal
sechs volutenförmige Arme und als Krönung des gedrehten Mittelkörpers die Figur eines geharnisch-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 83
Anfang des 20. Jahrhunderts beschreibt P. Graff in seiner Darstellung zur Auflösung
der alten gottesdienstlichen Formen, dass zur Christmette jeder sein eigenes Licht
mitbrachte und die Beleuchtung recht mangelhaft gewesen sei, da unter anderem in
Lübeck über das schwache Licht bei Abendmusiken geklagt und daher die Anzahl der
Lichter vermehrt wurde.285 Ähnliches ist aus Karsta/Schweden bekannt. Dort wurden
im Jahre 1799 beim Gelbgießer Lindström zwei neue Kronleuchter bestellt, denn es
hatten sich etliche über die Finsternis in der Kirche beschwert.286 In anderen Fällen
ist die Nutzung des gestifteten Kronleuchters zum Beispiel an den Bestand der Kirche
oder an die Hohen Festtage im Kirchenjahr gebunden.287
ten Mannes mit aufgehobenem Beil in der rechten Hand. Unten endigt der Leuchter in einem abwärts
gerichteten Löwenkopf mit Griff.“ Entgegen dieser Beschreibung befindet sich dieser Leuchter gegen
Ende der 1990er Jahre nicht (mehr) in der Diele des Rathauses, sondern in einem nordwestlich da-
von angrenzenden Raum. Diese Schaftkronleuchter mit kriegerischen Motiven werden im weiteren
Verlauf des hier vorliegenden Kapitels näher beschrieben. – Ein inventarisierter, kaum weiter als
„aus Messing“ und „beachtenswerth“ beschriebener Kronleuchter „mit einer langen Reihe von Stif-
ternamen aus dem Jahre 1597“ der Evangelischen Kirche zu Kühlungsborn (Brunshaupten)/Mecklen-
burg-Vorpommern lässt Fragen zur Gestaltung und Provenienz offen. Vgl. Die Kunst- und Ge-
schichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III. Bd.: Die Amtsgerichtsbezirke
Hagenow, Wittenburg, Boizenburg, Lübtheen, Dömitz, Grabow, Ludwigslust, Neustadt, Crivitz, Brüel,
Warin, Neubukow, Kröpelin und Doberan, 2. Aufl. 1900, S. 533. – Unbekannt ist bisher auch das
Aussehen eines Schaftkronleuchters mit Löwenkopf-Maske der Evangelischen Kirche zu Wote-
nik/Grimmen, s. Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund, H. III: Der Kreis Grimmen,
1888, S. 260. – Auch die Auflistung von Schaftkronleuchtern (um 1600) mit 6 Leuchterarmen in den
evangelischen Kirchen zu Braunschweig (St. Martini) sowie Hörste wäre um Etliches zu präzisieren,
dass daraus Erkenntnisse für weitere Forschungen gewonnen werden könnten; s. Die Bau- und
Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig, 1926, S. 23. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfa-
len. Kreis Halle, 1908, S. 23.
285
P. Graff, Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche
Deutschlands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, 1921, S. 140. – Vgl. demge-
genüber Beschreibungen zur Illumination porfaner Anwesen: J. B. v. Rohr, Einleitung zur Ceremo-
niel-Wissenschaft der Privat-Personen (...), Berlin 1728, S. 838 ff.
286
Sveriges Kyrkor. Uppland, Bd. III, 1921-53, S. 209.
287
E. Sehling (Hg.), Evangelische Kirchenordnung des 16. Jahrhunderts, Bd. 3: Mark Brandenburg,
Markgrafenthümer Oberlausitz, Niederlausitz, Schlesien, 1909, S. 32: „Neumärkische Kastenordnung
1540. Nachdem auch gross und klein gewercke zuvoren alle sontage und feiertage auf den kerzen
lichte gebrandt, sollen die rähte gleichfalls mit den gewercken auf einige anzahl wachses jehrlich zu
geben, handelen, damit des winters wenn der tag kurz ist, lichte zur notturft der kirchen gehabt und
gebraucht werde.“ – Ebd., S. 71: „Kirchenordnung Joachim’s II., 1540: Auch sollen die gewöhnlichen
lichter zu den horis, messen und anderen emptern, auch sonst des winters zur notturft gebrand wer-
den; was aber darüber sonst sonderliche lichter der bruderschaften, gülden oder enzeler personen
vorhanden, sollen abgethan und was etwan darauf gewand, sol nach befelch der visitatoren zu bes-
serm brauch gekart werden.“ - KKrs. A. H.-B., Hattstedt 245 „Register der Kercken Renthe tho
Hatsted angefangen nar der grothen Waterflod Anno 1634“, S. 99: „Anno 1644 ... Gott tho Ehre und
der Kerken thom Zierath eine Krone in der Kerken vorehret, und darby verordnet, Dat deme Krone
mit 16 Waßlichtern .. underholden werde, und de Lichter Jahrliches de 3 hoge festdags alß Pasches,
Pinxten und Christdach under des Vormiddags Predige brennen, bith der Gottesdienst verrichtet is.“
Ähnlich heißt es betreff „Frühpredigt“ im Kirchenrechnungsbuch (1709) der Ev. St. Nikolai-Kirche zu
Eckernförde und 1749 hinsichtlich der hohen Feiertage im KAP V B c.d. – A. Jessien, Diplomatarium
des Klosters Preetz (1838), S. 187 f.
Bekrönungsfiguren Seite 84
Gut zwei Drittel der amtlich inventarisierten Schaftkronleuchter aus Messing des 16.
bis 18. Jahrhunderts gehört zum kirchlichen Kunstgut – überwiegend evangelischer
Kirchen.
Im Gegensatz dazu gehören die aktiven Kampfszenen der mit Stichwaffen ausgerüs-
teten und Ungeheuer bezwingenden Leuchterfiguren des Erzengel Michael (1665)
(Abb. 140) oder des Heiligen Georg (Ende des 16. Jahrhundert) (Abb. 64) zu den
traditionellen Sujets christlicher Ikonographie.289
288
Einzelne Kronleuchterbestände werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels beziffert. Schaftkron-
leuchter aus Messingblech des 19. Jahrhunderts sind von dieser Zählung ausgenommen; sie unter-
liegen einem anderen Produktionsverfahren und besitzen keine figürlichen Motive.
289
Die Kunstdenkmäler des Landes Niedersachsen. Stadt Stade, Textbd. (1960), S. 112 f. – G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen (1992), S. 1232. – Allg., s. Lexi-
kon der christlichen Ikonographie, Bd. 1, Hg. E. Kirschbaum S.J. (1968), Sonderausgabe, Freiburg
1994, Sp. 674 ff. – Ebd., Bd. 6, Begründet v. E. Kirschbaum S.J., Hg. W. Braunfels (1974), Sonder-
ausgabe 1994, Sp. 365 ff.
Bekrönungsfiguren Seite 85
und Handlungsbereitschaft, sofern sie nicht per Kniefall Demut und Ehrerbietung er-
weisen.
Die eindeutig christlichen Themen unter den Kronleuchterfiguren jener Zeit bilden die
proportional zu den inventarisierten Kriegerfiguren offensichtlich weniger verbreite-
ten Darstellungen des Gnadenstuhls sowie des Salvator mundi oder Engel.290 Und die
wenigen Schaftkronleuchter mit der Statuette der Muttergottes zeigen mittels dieser
Bekrönung noch Anklänge an die Spätgotik, während die Leuchter selbst Mischfor-
men (s. Thorn/Polen, St. Johann, Kronleuchter 1580) oder als Schaftkronleuchter
schon neuzeitliche Formen aufweisen können.291 Diese vier kriegerischen Figuren-
gruppen (Abb. 55-86) bilden neben heraldischen Tierdarstellungen (Abb. 93, 102)
und eindeutig christlichen Motiven (Abb. 88, 89) die charakteristischen Bekrönungen
hauptsächlich frühneuzeitlicher Schaftkronleuchter resp. Winkelarmkronleuchter aus
Messing.
Die genannten Spezifizierungen, das heißt die Zuordnung von Kronleuchter- und Fi-
gurentypen werden mitunter beschrieben, mögliche Gemeinsamkeiten oder Unter-
schiede dieser Gestalten auch hinsichtlich ihrer Präsenz auf verschiedenen Kron-
leuchtern wurden bisher nicht analysiert.292
290
Siehe u.a.: R. Schimmelpfennig, Die Geschichte der Marienverehrung im deutschen Protestantismus,
1952. – M. Hasse, Maria und die Heiligen im protestantischen Lübeck, in: Nordelbingen 34 (1965),
S. 72-81. – A. Krücke, Der Protestantismus und die bildliche Darstellung Gottes, in: Ztschr. f. Kunst-
wissenschaft 13, (1959). S. 59-90. – E. Hoffmann, Lübeck im Hoch- und Spätmittelalter: Die große
Zeit Lübecks, in: Lübeckische Geschichte, 1988, S. 292 f. – A. Morath-Fromm, Theologie und Fröm-
migkeit in religiöser Bildkunst um 1600. Eine niederländische Malerwerkstatt in Schleswig-Holstein,
1991 – Gnadenstuhl/Trinität, s. allg. LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp.525 ff. (Dreifaltigkeit). –
Siehe Einzelbeispiele: U. Mathies, 1998, S. 18 ff., 129 ff. und Abb. S. 161, 169, 174, 182 ff., 190. –
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Westfalen, Unveränd. Neuaufl. mit Nachtr. 1986,
S. 342 f. – Salvator mundi/Christus; s. z.B. Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund. H.
V: Der Stadtkreis Stralsund, 1902, S. 449 f. – F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in:
Steinburger Jb. (1965), S. 91-99. – Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Stadt
Schleswig, 2. Bd.: Der Dom und der ehemalige Dombezirk, 1966, S. 494 ff. – Engel; s. allg. A. Ro-
senberg, Engel und Dämonen, 1969. – LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp. 626 ff. (Engel) und Sp.
674 ff. (Erzengel).
291
Hier wären die als Kronleuchter der Frührenaissance beschriebenen Exemplare mit einer bekrönen-
den Statuette der Muttergottes, vergleichbaren Leuchterarmenden und Tierkopf-Masken in Lübeck,
Evangelische St. Jakobikirche und Plau am See, Evangelische Stadtkirche näher zu untersuchen; s.
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III: Kirche zu Alt-Lübeck.
Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche, 1920, S. 430 f. und S. Bock/ T. Helms, Mecklenburg-Vorpommern
Kirchen in Städten. Eine kulturgeschichtliche Wanderung vom 13. bis ins 20. Jahrhundert. o.J., S. 50
f. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Der Landkreis Stade, Bildband, 1961, Abb. 42:
Balje, ehem. Kirche, Kronleuchter von 1562; 1936 vernichtet. Die Kunstdenkmale des Landes Nie-
dersachsen. Der Landkreis Stade, Textband, 1965, S. 84. - Die Kunstdenkmale des Landes Nieder-
sachsen. Regierungsbezirk Stade. Die Kunstdenkmale des Kreises Land Hadeln und der Stadt Cuxha-
ven, Textband, 1956, vgl. R. Schimmelpfennig, Die Geschichte der Marienverehrung im deutschen
Protestantismus, 1952. – A. Ehrhardt/H. Wenzel, Niederdeutsche Madonnen, 1940. – Die Denkmäler
des Rheinlandes. Rheinisch-Bergischer Kreis, Bd. 2, Klüppelberg-Odenthal 1972, S: 22 f.: Thier, ka-
thol. Kirche, Kronleuchter, A. 17. Jh. – Vgl.: Gegen den Strom. Meisterwerke niederrheinischer
Skulptur in Zeiten der Reformation 1500-1550. Ausst-Kat. Suermondt-Ludwig-Museum Aachen
(1996).
292
H. Ende, 1984, S. 45. – Vgl. Dokumentation der Kronleuchter in amtlichen Länderinventaren der
Bau- und Kunstdenkmäler. – Eine Charakterisierung einzelner Figurengruppen erfolgt weiter unten.
Bekrönungsfiguren Seite 86
Sind doch die annähernd gleich großen Beständen dieser profanen Kronleuchterfigu-
ren: Römischer/antikisierender Soldat, Landsknecht und Wilde Leute – mit Ausnah-
me des Motivs „Büttel“ – innerhalb dieser Gruppen geographisch und zeitlich unter-
schiedlich und einzelne Exemplare dieser verschiedenen Einheiten mitunter parallel
verbreitet.295 Und dies betrifft nicht nur die Bekrönungsfiguren (von ca. 20-30 cm
Höhe), sondern auch die ikonographisch verwandten, deutlich kleineren Subfiguren
(11 cm). Als „Römischer Soldat“ oder „Landsknecht“ sind sie auf einer der Nuten-
scheiben des Schaftkronleuchters platziert und der Bekrönung „Heraldischer Doppel-
Adler“ untergeordnet.
So kommen unter anderem auf einem der vier Schaftkronleuchter (inschriftlich da-
tiert 1604, südliches Querhaus) der Evangelischen Kirche St. Severi in Hamburg-
Kirchwerder nur schwach ausgearbeitete Subfiguren „Römischer Soldat“ vor, wäh-
rend ein vergleichbarer Leuchter (inschriftlich datiert 1607) mit heraldischem – un-
gekröntem – Doppel-Adler als Bekrönung und Löwenkopf-Maske als Unterhang im
neidersächsischen Uelzen, Evangelische Kirche St. Marien Landsknechte auf der Nu-
tenscheibe trägt. Desgleichen sind auf Kugelkronleuchtern mit heraldischem Doppel-
Adler (inschriftlich bezeichnet 1630) in der Evangelischen Kirche in Zirkow/Rügen
sowie 1620/25 in Hittfeld/Lüneburg und Valløby/Dänemark zu finden.296
293
J. Sauer, 1924, S. 22 ff.
294
Siehe Kapitel 2, 2.4 Die Hängung von Kronleuchtern. – Allg. s. u.a. M. Borgolte (1994). – C. Göttler,
Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen, Ablaß und Almosen in
Antwerpen und Bologna um 1600, Mainz 1996, S. 24 f., insbes. Anm. 6.
295
Siehe Bildband, Anhang: Verbreitungskarte. – Nachbildungen seitens Leuchtenhersteller wären ge-
sondert zu untersuchen.
296
Danmarks Kirker, Praesto Amt, T. 1, 1933-1935, S. 309. – Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien
und Hansestadt Hamburg. Bergedorf, Vierlande, Marschlande, Hg. G. Grundmann, Hamburg 1953, S.
112 und Abb. 138. – Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen, Bd. 1 (1963), S. 652.
Bekrönungsfiguren Seite 87
297
H. Ewe, Das alte Stralsund, Kulturgeschichte einer Ostseestadt, Weimar 1995, S. 61.
298
W. Petke, Oblationen, Stolgebühren und Pfarreinkünfte vom Mittelalter bis ins Zeitalter der Reformia-
tion, in: Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts, Hg.
H. Boockmann, Göttingen 1994, S. 26 ff., insbes. S. 39.
299
A. Brüning, 1897, S. 49 ff. – Zum Gebrauch der Wachslichter an sich, s. P. Graff, Geschichte der
Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands bis zum
Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, 1921, S. 101: Sinngemäß schreibt er, dass Lichter
größtenteils beibehalten, teils aber auch als „freie Mitteldinge aus Kostengründen abgeschafft“ wur-
den. „Sie (die Lichter) erinnerten uns daran, daß Christus das Licht der Welt sei und wir unser Licht
leuchten lassen und wie die klugen Jungfrauen stets im Glauben bereit sein sollten.“ – J. Sauer,
1924, S. 182. – M. Lurker, Symbol, Mythos und Legende in der Kunst. Die symbolische Aussage in
Malerei, Plastik und Architektur, 1958 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 314), S. 11. –
Zur Rolle des Wachs; s. J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 13, Leipzig 1922, Reprint,
Sp. 63 f., 134. – Zur rechtlichen Bedeutung des Feuers; s. J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer,
Bd. I, 4., vermehrte Aufl., Leipzig 1922, Reprint, S. 268 f.
Bekrönungsfiguren Seite 88
oben genannten Freiheit Worte wie „freiwillig“ (Schleswig) oder „ohn Ketzerey“ (E-
sens).
Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist um so mehr von Interesse, als diese
kriegerischen Typen in Zeitläufen eine unterschiedliche gesellschaftliche Akzeptanz
erfahren und dennoch als verbreitete Motive neuzeitliche Schaftkronleuchter bekrö-
nen. Historische Darstellungen zur vorreformatorischen Bewegung in Schleswig-
Holstein wie auch jüngere drastische Beschreibungen des Klosterlebens in Archivalien
erwecken den Eindruck, dass die Organisation und Umgangsformen menschlicher
Gemeinschaften im Zuge der Individualisierung stärker auf den Prüfstand zu stellen
waren als das eigentliche, theologische Anliegen der neuen Glaubenslehre. Gleich-
wohl zielt diese auf die Verkündigung des reinen Wortes Gottes und damit auf das
allgemeine Priestertum, das heißt auf ein in diesem Sinne gottgläubiges Leben ab.
Stellen der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) einen tiefen Einschnitt in die europäi-
sche Geschichte und schließlich der Westfälische Friede (1648) einen religions-politi-
schen Wendepunkt dar, erscheint für die Beurteilung der vielfältigen Bekrönungsfigu-
ren der besagten Beleuchtungsgeräte weniger diese Zäsur zur Eingrenzung des
Themas in Betracht zu kommen. Vielmehr ist es der über diese Zeit hinausreichende
Spannungsbogen aus bestehenden unterschiedlichen Auffassungen über das Sacer-
dotium sowie der Stellenwert der Glaubens-, Gewissens und Bekenntnisfreiheit, der
zusammen mit anderen Faktoren – wie zum Beispiel die Herausbildung der Territori-
alstaaten und die Verwaltung durch weltliche Ämter – die Verteilung und den Motiv-
schatz dieser Schaftkronleuchter aus Messing begünstigt haben dürfte.300
300
Auch diese zuletzt genannte geographische Eingrenzung wäre im einzelnen zu untersuchen, vgl.
dazu u. a. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 49. Bd., T. 1: Stadt Lemgo, Münster 1983,
S. 71. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Bochum-Stadt, 1906, S. 14. – Die Aus-
wirkungen von Verwaltungs- und Gebietsreformen der jüngeren Vergangenheit sind unter anderem
an den Titeln der amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler und deren Fortschreibung
seit dem 19. Jahrhundert ablesbar. Das heißt, dass die ursprüngliche Lokalisierung der Kronleuchter
heute mitunter nicht direkt anhand der genannten Gebiete und Orte nachvollzogen werden kann,
sondern Eingemeindungen zu berücksichtigen sind – wie auch die Tatsache, dass Kronleuchterbe-
stände Veränderungen unterliegen. Es wurde daher bewusst auf die generelle Abkürzung KDinv. ver-
zichtet.
Bekrönungsfiguren Seite 89
nen Bekrönungsfiguren – auf das Wesentliche komprimiert – Typen aus der Bevölke-
rung darstellen, die so das Allgemeine, aber auch das Charakteristische einer Ge-
meinschaft und insofern Strukturen ihrer Organisation im Sinne der Zweireichelehre
des Martin Luther repräsentieren können.
„Römischer Soldat“, „Büttel“, „Landsknecht“, und „Wilder Mann“, in der Regel als
Wappenhalter beschrieben, fallen in ihrem kultischen Verwendungszusammenhang
als weltliche, noch dazu kriegerische Darstellungen verschiedentlich auf.301 Dabei
sind in Sakralgebäuden weder profane Themen noch die Wiedergabe lebensbedrohli-
cher Instrumentarien fremd - offensichtlich aber in der Verbindung zu Kronleuch-
tern.302
301
Im Gegensatz zu etlichen Bekrönungsfiguren neuzeitlicher Schaftkronleuchter, die in der Regel grob
charakterisiert sind, ist die Beschreibung der Subfiguren als Krieger- oder Ritterfiguren sehr vage.
Nicht nur die Figuren, sondern auch die beiden Kronleuchter der Ev. Kirche zu Langenhessen/Nieder-
Planitz wären insgesamt und im Hinblick auf die Datierung „1592“ des einen Exemplars genauer zu
erforschen; s. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs
Sachsen, 12. H.: Amtshauptmannschaft Zwickau, 1889, S. 48. – Auch die Topfigur des Kronleuchters
in Oldisleben ist mit „Krieger“ oder „Ritter“ zu ungenau beschrieben und kann aufgrund fehlender In-
formationen nicht weiter berücksichtigt werden. Denn geographisch liegen diese Orte in Gebieten,
die zu den für das 16. und 17. Jahrhundert „nicht darstellbaren kleineren Territorien“ gehören – am
Rande sowie innerhalb des damaligen Kursachsens – heute in den Bundesländern Thüringen und
Sachsen, s. W. Putzger, 1970, S. 82 f. Dass Kurzcharakteristiken zu wenig sind, zeigt sich auch in
Luckau/Brandenburg, Stadtkirche St. Maria und St. Nikolai. Im Inventar der Bau- und Kunst-
denkmäler in der Provinz Brandenburg von 1885, S. 504 als „Kronleuchter aus Messing, Renais-
sance, sehr reich“ beschrieben, gibt eine Fotografie des Innenraumes nach Westen nur im Rahmen
dessen den Eindruck eines barocken Kugelkronleuchters wieder; s. Deutsche Kunstdenkmäler. Ein
Bildhandbuch. Bezirke Cottbus, Frankfurt/Oder, Potsdam und Berlin, Leipzig 1971, S. 132. Eine fern-
mündliche Nachfrage (09/1999) im Büro der Kirchengemeinde St. Nikolai, Luckau ergibt, dass zwei
Kronleuchter vorhanden seien. Vgl. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Branden-
burg, 2000, S. 606 bzw. 610 ff. - Auch für die Pfarrkirche St. Marien in Angermünde ist bisher unbe-
kannt, ob bzw. womit die drei Kronleuchter aus Messing der Renaissance bekrönt waren. Die Abbil-
dung und Beschreibung, in: Die Bau- und Kunstdenkmäler der DDR. Bezirk Frankfurt/Oder, 1980,
S. 18 bezieht sich auf drei Kronleuchter des 19. Jahrhunderts, vgl. G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler, Brandenburg 2000, S. 22. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 1889, S. 48. – Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens,
1. Abt.: Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Bd. 2: Verwaltungsbezirk Apolda, H. 2: Amtsge-
richtsbezirk Allstedt, 1891 (H. 13 des Gesamtwerkes), S. 295, H. Ende, 1984. S. 45.
302
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg, Unveränd. Nachdruck des Ban-
des: Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, 1980, S. 384. – Die Bau- und Kunstdenkmale
in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Mit Stralsund, Greifswald, Rügen und
Usedom, 1995, S. 136. – V. Friedrich, Stralsund – Rats- und Pfarrkirche St. Nikolai, 1999 (Kunstfüh-
rer), S. 26 mit Abb. S. 33. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt,
Bd. II: Bezirk Halle, Unveränd. Nachdruck 1976, S. 328: „An der Kanzeltreppe reliefierte Darstellung
eines lokalen Ereignisses, des sog. Schlüssel- und Klöppelkrieges.“ - s. im Allg.: LCI, Bd. 1, Sonder-
ausgabe 1994, Sp. 150 ff. – Die Beschwörung des Kosmos. Europäische Bronzen der Renaissance.
Ausst.-Kat. Wilhelm Lehmbruck, Duisburg (1994/95), S. 10. – W. Paatz hatte darauf hingewiesen,
dass sich das revolutionäre Weltbild am treffendsten in kleinformatigen Bronzewerken ablesen lasse.
– Es stellt sich die Frage, ob dieser Gedanke auf bestimmte Figurentypen als Motive neuzeitlicher
Schaftkronleuchter aus Metall übertragbar wäre.
Bekrönungsfiguren Seite 90
Dies betrifft auch die hier vorgestellten Kronleuchter, die im Rahmen der Studie
zwecks genauerer Analyse nicht in Einzelteile zerlegt werden konnten. Doch sind De-
tails ihrer Morphologie und Konstruktion unter der Fragestellung berücksichtigt, ob
die Eintragungen zur potenziellen Entstehungszeit und Ikonographie dieser (früh-)neu-
zeitlichen Schaftkronleuchter im Gegenüber mit geschichtswissenschaftlichen Karten-
werken für Mitteleuropa neben einer Übersicht zu Kronleuchterbeständen auch eine
kunstgeografische Entwicklungslinie sichtbar wird.303
Anhand der Quellen, die im Rahmen dieser Studie untersucht wurden, sind die zu-
letzt genannten Aspekte nicht auszuschließen, bedürfen aber weiterer Recherchen,
um zu allgemeingültigen Aussagen zu führen.
Das 16. und 18. Jahrhundert gelten insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen des
Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert als Zeiten des wirtschaftlichen, aber auch
des demographischen Wachstums und sind neben machtpolitischen durch soziale
Konflikte geprägt.304
303
F. W. Putzger, Historischer Weltatlas, 92. Aufl. 1970, S. 78 f., 82 f., S. 90 f. – Großer Atlas zur Welt-
geschichte, 1997, S. 90 f., 96 f., 102 f., 104, 106 f. – Siehe auch Handbuch der Kirchengeschichte,
Bd. IV, 1985 und Bd. V, 1986.
304
W. Stieda, Hansische Vereinbarung über Städtisches Gewerbe, in: Hansische Geschichtsbl., Jg. 1886
(1888), S. 101 ff. – R. A. Peltzer, 1909. – E. George, Die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehun-
gen der Westküste Schleswig-Holsteins zu den Niederlanden, in: Nordelbingen 1 (1923), S. 220-289.
– Schwerpunkte der Kupferproduktion in Europa: 1500-1650, Hg. H. Kellenbenz, 1977. – O. Brandt,
Bekrönungsfiguren Seite 91
Die sozialen Konflikte äußern sich nachweislich in der Konkurrenz zwischen städti-
schen Ämtern/Zünften und ländlichem Gewerbe um eine Arbeitsteilung sowie um
Schutz seitens der Obrigkeit zwecks Sicherung von Privilegien, was auch für die Me-
tallgießer mittels ausführlicher Schriftwechsel belegt werden kann.306 Als weitere
Gründe wären Rivalitäten zwischen dem Bürgertum als neuer städtischer, reicher
Oberschicht und dem landsässigen Adel um Einfluss und Ansehen zu nennen.
Geschichte Schleswig-Holsteins, 8. Aufl., Kiel 1981, S. 154, 175. – U. Lange, Deutschland im Zeital-
ter der Reichsreform, der kirchlichen Erneuerung und der Glaubenskämpfe (1495-1648), in: P. Ras-
sow, Deutsche Geschichte, 1987, S. 144-217. – Siehe ebd. S. 218-197. H. Schmidt, Zerfall und Un-
tergang des alten Reiches 1648-1806 – G. Mann, Wallenstein, 1997, insbes. S. 355 ff. – L. Jardine,
Der Glanz der Renaissance, 1999, I. Origo, „Im Namen Gottes und des Geschäfts“. Lebensbild eines
toskanischen Kaufmanns der Frührenaissance, 3. Aufl. 2000.
305
Neue Formen der „Verwaltung/Administration“ entstehen seit dem 15. und 16. Jh. zum Beispiel in
Holstein und Schleswig unterschiedlich. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg. Kreis An-
germünde, Bd. III, T. 3, 1934, S. XXXIX ff. – U. Lange, Die politischen Privilegien der schleswig-
holsteinischen Stände 1588-1675, 1980. – Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht von
1495-1806. Ausst.-Kat. Wissenschaftszentrum Bonn sowie Historisches Museum Frankfurt/M.
1994/1995. – B. Distelkamp, Rechtsfälle aus dem Alten Reich. Denkwürdige Prozesse vor dem
Reichskammergericht, 1995, insbes. S. 39-56 und S. 62-75.
306
Siehe u.a.: HHStA. 612-1/45, Extrajudical-Sachen der Rot-, Stück- und Glockengießer gegen die
Eisenkrämer. – HSTA Rep. 16, Nr. 312: Amt der Gürtler/Klage J. G. Wosaeck 1740/53 gegen das
Amt der Gürtler wegen Eindrangs: „Ich muß mich hier auf das Exempel anderer Städte beziehen,
Lübeck gehört hier wohl am nächsten, weil aber daselbst Gelbgießer sind, so muß man auf eine sol-
che Stadt recurieren, wo sich keine Gelbgießer aufhalten: man wird deren weniger finden - mir ist
aber doch Nürnberg bekandt daselbst dürften die Gürtler nicht das geringste, ja nicht einmahl ein
Loth schwer gießen ... und müssen alles gegossene, was sie zu ihrer Arbeit benöthiget, sind bey de-
ren Rothgießern gießen lassen. Dieses weiß ich weil ich selbst in Nürnberg gewesen bin, ...“ - HSTA
Rep. 16 Nr. 316: „Da heute in termino so weit der roth und glocken Gießer Woseck nebst seinem
beystand dem Adv(ocatus) Köppen, als die Gürtler Hopp und Weylen erschienen haben H(erren)
Camerarii der wegen unter Ihnen streitig seyenden puncten Vereinigung zu treffen sich bemüht,
worauf denn endlich gürtler sich erkläret, daß Sie nunmehro folgender Arbeit sich gänzlich begeben,
und dem Roth- und Glockengießer als zu seiner profession gehörig privative einräumen wolten - 1)
alle gegossene … Crohnen und Tischarme (des Weiteren Mörser, Glocken etc.) ... dahingegen läßet
Ihm den Roth und Glockengießer Woseck gefallen, daß die hiesige gürtler nebst Ihm folgende ange-
bot zu jeder Zeit mögen machen und verfertigen können als 1) die Anklopfer und Schilde an denThü-
ren, 2) Messingste Schaufeln und Zangen groß und kleine ..., 4) wie auch tafel leuchter ... Saturn
den 3. jun. 1747“ – LAS Abt. 210, Nr. 2353: Stück- und Glockengießer. Privileg für Anthon Wiese zu
Lübeck für den Bereich Lauenburg 1649. – LAS Abt. 210, Nr. 2369: Acta betreff die dem Hans Hütt-
mann zu Ratzeburg ertheilten Privilegien des Kupfer- und Messing-Handels und die wider die regie-
renden Kupferträger und Kesselflicker erlassenen Verordnungen (1665) 1680/81. – LAS Abt. 65.1,
Nr. 1769: Akten der Deutschen Kanzlei betreff zu Bad Oldesloe spec. die Kupfermühle und Handel
mit Kupfer- und Messingwaren (1515) 1632/1668.