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Kronleuchter

„Lux ad illuminandas gentes“,

Studien zu Schaftkronleuchtern
aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts
in Norddeutschland

Textband

Inauguraldissertation

an der

Philosophischen Fakultät

der Christian-Albrechts-Universität

zu Kiel

vorgelegt von

Erdmute Beate Mascher, M.A.

Preetz / Holstein

2004
Erstgutachter: Prof. Dr. U. Albrecht
Zweitgutachter: Prof. Dr. A. von Buttlar
Tag der mündlichen Prüfung: 07.07.2004
Zum Druck genehmigt am: 23.07.2004
Dekan: Prof. Dr. S. Oechsle
alle Rechte vorbehalten

- II -
INGRID († 2000) und FRIEDRICH MASCHER, Preetz
in Dankbarkeit und Liebe gewidmet

- III -
Inhalt

Vorwort

Dank

1. Einleitung.................................................................................................1

1.1 Thematik und Methodik ......................................................................1

1.2 Forschungsgeschichte.........................................................................5
1.2.1 Kronleuchter – Metallgießer........................................................5
1.2.2 Werkstoff und Technik – zur Verbreitung der Kronleuchter............ 28

1.3 Quellen .......................................................................................... 33


1.3.1 Schriftquellen......................................................................... 33
1.3.2 Bildquellen............................................................................. 36

2. Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze des 16. bis 18. Jahrhunderts
in Norddeutschland.................................................................................. 41

2.1 Bronze und Messing als Werkstoff für Kronleuchter ............................... 41


2.1.1 Theorien zur Herstellung von Schaftkronleuchtern – Formguss
und/oder Wachsausschmelzverfahren mit verlorenem Modell.......... 44

2.2 Morphologie, Konstruktion und Zierrat des Schaftkronleuchters –


die Besonderheiten des Winkelarmkronleuchters der Renaissance
sowie des Kugelkronleuchters des Barock ............................................ 49
2.2.1 Die Schaftkronleuchter aus Messing der Renaissance ................... 53
2.2.2 Barocke Kugelkronleuchter aus Messing ..................................... 54

2.3 Die Verbreitung der Schaftkronleuchter............................................... 56

2.4 Die Hängung von Kronleuchtern......................................................... 65

3. Bekrönungsfiguren der Winkelarmkronleuchter und anderer Schaftkronleuchter


des 16. bis 18. Jahrhunderts – Voraussetzungen und Typen eines
ikonographischen Programms..................................................................... 84

3.1 Wappenhalter, Tugenddarstellungen? Künstlerische, religionspolitische,


theologische Kriterien ....................................................................... 84

3.2 Die Topfigur „Römischer Soldat/Legionär, Infanterie“ auf


Schaftkronleuchtern ....................................................................... 104
3.2.1 Die Verteilung und Bedeutung der Kronleuchterfigur
„Römischer Soldat“ ............................................................... 107

- IV -
3.2.2 Exkurs ................................................................................ 124

3.3 Die Topfigur „Römischer Soldat, Cavallerie“ auf Kronleuchtern ............. 126

3.4 Der Büttel oder Gerichtsdiener......................................................... 128

3.5 Landsknecht-Kronleuchter – Zeugnis historischer Ereignisse oder


bestimmter Werkstätten?................................................................ 131

3.6 „Wilde Leute“?............................................................................... 139

3.7 Eine Kurzcharakteristik potenzieller Bekrönungen auf Kugelkronleuchtern


des Barock.................................................................................... 147

4. Unterhänge an Kronleuchtern des 16. und 17. Jahrhunderts aus Metall ......... 160

5. Kronleuchter als Stiftungen..................................................................... 182

6. Metallgießer und Werkstätten.................................................................. 189

7. Resümee.............................................................................................. 192

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ 195

Literaturverzeichnis (Auswahl)...................................................................... 197

Lebenslauf

-V-
Vorwort

Die vorliegende Studie zu Kronleuchtern aus Metall (Messing und Bronze) des 16. bis
18. Jahrhunderts in Norddeutschland ist unter anderem durch die folgenden Voraus-
setzungen begründet:

Von besonderer Bedeutung für die Wahrnehmung des menschlichen Schaffens und
Lebensraumes nach kunstwissenschaftlichen Kriterien waren vor allem architektur-
historische Lehrveranstaltungen von Herrn Professor Dr. phil. Uwe Albrecht und
Herrn Professor Dr. phil. Adrian von Buttlar am Kunsthistorischen Institut der Chris-
tian-Albrechts-Universität zu Kiel. Gleichfalls prägten dort die Seminare zur Iko-
nographie mittelalterlicher (Grab-)Denkmäler bei Herrn Professor Dr. phil. Wolfgang
J. Müller († 1992) sowie zur Ikonographie barocker Deckenmalerei bei Herrn Profes-
sor Dr. phil. Frank Büttner.

Nach der Auseinandersetzung mit der Gestalt und Bedeutung mittelalterlicher Sak-
ralarchitektur weckte die Beschäftigung mit dem Werk universeller Architekten neben
dem bestehenden Interesse an der Baukunst nicht nur ein solches für Interieurs,
Mobiliar und Materialästhetik, sondern auch für Licht und Beleuchtung.

Berufspraktische Erfahrungen aus einem – wie vielerorts – nur temporär angelegten


Projekt der (ergänzenden) Inventarisierung kirchlichen Kunstgutes bestärkten in der
persönlichen Grundhaltung, Aufgabenstellungen anzunehmen, anstatt aufzugeben
und führten zu der im Folgenden dargelegten Feststellung: Der Bestand und Erhal-
tungszustand der Kronleuchter, aber auch das Bewusstsein und die Verantwortung
für dieses kulturelle Erbe (überwiegend in evangelischen Kirchen) sind sowohl regio-
nal als auch überregional sehr unterschiedlich.

Beide Bereiche – die Dokumentation von Kunstgut an sich sowie die der Beleuch-
tungskörper und -konzepte im besonderen – werden in ihrer Bedeutung oft unter-
schätzt; sie bilden oftmals nur das Schlusslicht diverser Planungen.

Licht und Schatten tragen aber wie die Architektur und ihre künstlerische Ausgestal-
tung als Teil derselben erheblich zur Ästhetik, zum Charakter der Raumatmosphäre
und damit zur Nutzung, Identitätsstiftung und Erhaltung dieser Zeitdokumente bei.

Seit Ende des vergangenen Jahrhunderts kann eine stärkere Einbindung der Licht-
technik festgestellt werden. Die systematische Inventarisierung der Beleuchtungsge-
räte, respektive Kronleuchter aus Metall mittels aussagekräftiger Fotografien bildet in
den Landesämtern für Denkmalpflege bisher noch eine verhältnismäßig große Lücke,
die es zu schließen gilt.

Denn tatsächlich sind die scheinbar in sicherer Höhe hängenden und so robust wir-
kenden Gusserzeugnisse weder vor den Auswirkungen des Raumklimas und gutge-
meinter, aber nicht immer sachgerechter Handhabung und Pflegemaßnahmen noch
vor Missgeschicken, Diebstahl, mutwilliger Zerstörung oder ignoranter Veräußerung
(in der Vergangenheit) so wenig sicher wie zuweilen anderes Inventar.

- VI -
Anregungen zu einer intensiveren Beschäftigung mit historischen Kronleuchtern aus
Metall in Norddeutschland bieten außer schuldig gebliebene Antworten zur Thematik
während der ergänzenden Inventarisierung kirchlicher Kunst und der oben angespro-
chenen Motivation unter anderem die folgenden Veröffentlichungen: Die Reisebe-
schreibungen „Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft
beim Schah 1633-1639“ von Adam Olearius1 und ferner „Die Bronzetüren des Mittel-
alters“ sowie „Die Türzieher des Mittelalters“ von Mende als Fortsetzung des Corpus-
werkes der mittelalterlichen Bronzegräte, das 1935 von von Falke und von E. Meyer
mit einem Band über Aquamanile und Leuchter begründet wurde.2 Es werden dort
Löwenkopf-Masken als Türzieher in ihrer formgeschichtlichen Entwicklung vorgestellt.
Die Löwenkopf-Maske kommt in etlichen Varianten auch als Unterhang an älteren
Winkelarmkronleuchtern sowie als Maskaron anders platziert an barocken Kronleuch-
tern vor. Dieser Aspekt wurde in der Erforschung der Kronleuchter bisher nicht be-
rücksichtigt. Insofern liegt der Schwerpunkt dieser Studien weniger auf der Typologie
der Kronleuchter an sich, die an anderer Stelle bereits anschaulich beschrieben wird.3
Vielmehr ist das ikonographische Programm, sind die Bekrönungsfiguren und Unter-
hänge der Metallkronleuchter in ihrer (potenziellen religionspolitischen und rechtshis-
torischen) Bedeutung von Interesse. Und dies ist ursächlich in der Erfahrung und des
immer wieder beschäftigenden Spannungsfeldes zwischen einem (material-
)ästhetisch, idealistisch inspiriertem Kunstschaffen und des als Bedeutungsträger
geprägten Lebensumfeldes begründet.

Der zweite Aspekt ist die Faszination für Licht und Schatten als wesentliche Basis für
Leben überhaupt sowie als ein vielfach – insbesondere künstlerisch – instrumentali-
siertes Phänomen.

Um angesichts der in Studium und Berufspraxis gewonnenen Erfahrungen und Er-


kenntnisse – nach Laotse – nicht über die Dunkelheit zu klagen, sondern besser ein
Licht anzuzünden, sind diese Studien entstanden.

1
Adam Olearius, Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah
1633-1639, Hg. D. Haberlandt, 1986, S. 251
2
U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters, Berlin 1981 (Bronzegeräte des Mittelalters, Bd. 2). - O.
v. Falke/E. Meyer, Romanische Leuchter und Gefäße, Gießgefäße der Gotik, Berlin 1935 (Bronzege-
räte des Mittelalters. Bd. 1)
3
S. Erixon, Mässing. Svenska Manufakturer och Konsthantverksprodukter under 400 år, Stock-
holm/Malmö 1943.

- VII -
Dank

Mein besonderer Dank gilt allen, die mit Interesse und vielfältiger Unterstützung die
Durchführung dieses Forschungsvorhabens gefördert haben.

Dank gebührt Herrn Professor Dr. phil. Uwe Albrecht, Kunsthistorisches Institut der
Christian-Albrechts-Universität Kiel und Herrn Professor Dr. Phil. Adrian von Buttlar,
Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin für die
fachliche Betreuung.

Sehr zu danken habe ich Firma Benedikt, Lübeck; Werkstatt für Metallgestaltung und
U.-V. Bläse/K.-U. Laas, Plön; Herrn Wolfgang Hofmann, Werkstatt für Metallgestal-
tung und Restaurierung, Wolgast; Herrn Laabs, Werkstatt für Restaurierung, Greifs-
wald; Firma Paul Oehlmann († 1999/2003) & Sohn, Bielefeld; Werkstatt für Metall-
Restaurierung Frau Betina Ross, Hamburg. Die Gewährung der Einblicknahme in Her-
stellungsprozesse und Restaurierungsmaßnahmen sowie die als Arbeitsmaterial zur
Verfügung gestellten Fotografien und Befunddokumentationen waren über die pro-
funden Gespräche und Erfahrungsberichte hinaus überaus förderlich für das Ver-
ständnis der Thematik.

Mein Dank gilt ferner Herrn T. Theise, Regensburg für Empfehlungen zur Lektorie-
rung, den Damen und Herren der Universitätsbibliothek Technische Universität Han-
nover; Frau Renate Oldermann-Meier, Archiv Stift Fischbeck/Hessisch Oldendorf;
Frau Kiesendahl, Fachbibliothek des Instituts für Kunstwissenschaft der Universität
Greifswald; den Damen und Herren der Landesbibliothek Schleswig-Holstein in Kiel
sowie den Damen und Herren der Stadtarchive von Kiel, Lübeck, Mölln und Stralsund
sowie des Kreisarchivs Nordfriesland in Husum; den Herren Robert Gahde M.A. und
B. Utermöhlen, Buxtehude – Archiv der Evangelischen St. Petri-Kirchengemeinde
sowie Stadtarchiv; Frau Büttner, Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg;
Frau Dr. S. Graf, Niedersächsisches Staatsarchiv in Stade; den Damen und Herren
des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs in Schleswig; Herrn Dr. phil. Bern-
hard Heitmann, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg; Herrn Dr. phil. Franz
Leitgeb, Stadtmuseum Graz; den Damen und Herren der Landesämter für Denkmal-
pflege von Brandenburg, Mecklenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sach-
sen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

Sehr zu danken habe ich Frau I. Gräfin Brockdorff-Ahlefeldt sowie Herrn H. Joswig,
Adeliges Kloster Preetz und Herrn Jochen Storjohann († 2003), Archiv des Adeligen
Klosters Preetz; den Kirchengemeinden der Evangelischen Landeskirche in Berlin-
Brandenburg – hier insbesondere: Alt Placht, Rheinsberg, Gransee/ Sonnenberg,
Wittstock a. D.; den Kirchengemeinden – insbesondere Herrn Pfarrer P. Röthke,
Salzgitter-Ringelheim – sowie dem Amt für Öffentlichkeitsarbeit der Evangelisch-
lutherischen Landeskirche in Braunschweig; den Kirchengemeinden der Evangelisch-
lutherischen Landeskirche Hannovers – hier insbesondere: Berdum, Buxtehude, Ot-
terndorf, Stade, Werdum sowie Herrn Jörg Giermann, Landeskirchliches Archiv der

- VIII -
Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers; der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Mecklenburgs; den Kirchengemeinden der Nordelbischen Evangelisch-
Lutherischen Kirche – hier insbesondere: Bredstedt, Eckernförde, Hattstedt, Kei-
tum/Sylt, Lauenburg, Meldorf, Mölln, Plön, Preetz, Rendsburg sowie Herrn Grützner,
Kirchengemeindearchiv Rendsburg; Schleswig; Kirchenkreisarchiv Eiderstedt; der
Kirchenkreisverwaltung Husum-Bredstedt; den Kirchengemeinden der Pommerschen
Evangelischen Kirche – hier insbesondere: Barth, Bergen/Rügen, Richtenberg sowie
Herrn Pfarrer Christian Tiede, Evangelische St. Jacobi-Kirche Stralsund und den Da-
men und Herren der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Stralsund; der Evangelisch-
Lutherischen Landeskirche Sachsens – hier insbesondere Frau Dietlinde Tesp,
Schmiedeberg/Sachsen; dem Kirchenbuchamt Kirchenkreis Plön; der Evangelischen
Kirche in Dänemark; Herrn Juhan Kilumets, Tallinn/Estland; Herrn Andreas G.
Kamm, Bielefeld; Herrn Wolfgang Gross, Herrn Dr.-Ing. Wilhelm Poser, Frau Ingrid
Wenk, Nordelbisches Kirchenamt Kiel, Frau Dr. phil. Annette Göhres, Frau Prang und
Herrn Ulrich Stenzel, Nordelbisches Kirchenarchiv Kiel; Herrn Dr. phil. Hasso von Po-
ser und Groß Naedlitz, Amt für Kunstpflege des Landeskirchenamtes der Evange-
lisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

Mein Dank gilt ferner Frau Dr. phil. Anne Heinig, Kiel für ihre konstruktive Kritik und
Frau Dagmar Rösner M.A., Eckernförde; Frau Frauke Dreyer, Kiel.

Sehr dankbar bin ich Frau Helga Weinhold und Frau Ute Weinhold, Uslar-Ahlbers-
hausen; Frau Käte Bohrdt, Kiel; meinen Schwestern mit ihren Familien. Herzlichst
danke ich meinen Eltern Ingrid († 2000) und Friedrich Mascher, Preetz.

- IX -
Einleitung Seite 1

1. Einleitung

1.1 Thematik und Methodik

Kronleuchter – „Lux ad illuminandas gentes“4, Schaftkronleuchter aus Messing des


16. bis 18. Jahrhundherts in Norddeutschland.

Die unter diesem Titel vorliegende Studie thematisiert das Bildprogramm resp. Be-
krönungen und Unterhänge (früh-)neuzeitlicher Schaftkronleuchter in evangelischen
Kirchen. Deutlich weniger Kronleuchter dieses Typs sind in Sakralgebäuden anderer
Religionsgemeinschaften oder als Inventar bestimmter Korporationen sowie aus Pro-
fangebäuden – wie zum Beispiel Rathäuser und Schlösser – bekannt.5 Dieses Phä-
nomen ist in weiten Teilen verbreitet und bisher nicht in allen Facetten erforscht.6

Die zahlreichen Schaftkronleuchter aus Messing werden in erster Linie als kunst-
handwerklich gestalteter Gebrauchsgegenstand wahrgenommen und nach folgenden
Kriterien beurteilt: Größe, Funktion und Form. Ihre materialtechnische und -ästhe-
tische Verarbeitung kann in Anbetracht des Erhaltungszustandes und aus bloßer An-
schauung nur vage eingeschätzt werden. Selten findet der Motivschatz dieser Be-
leuchtungsgeräte Erwähnung oder die Tatsache, dass Kronleuchter unterschiedlich
motivierte Stiftungen und ursprünglich Halterungen für Wachsabgaben resp. -lichter
sind.

Kulturgeschichtlich nehmen Kronleuchter unter den künstlichen Lichtquellen einen


besonderen Platz ein.

An sich ist der Begriff Kronleuchter abzuleiten von den Worten „corona“, das heißt
Kranz sowie von „leuchten/licht“, das heißt einen Raum mit Licht erfüllen. Dies ist
effektiv möglich mittels eines mehrarmigen Lichtträgers, der frei von einer Raumde-
cke herabhängt.

Die im Begriff „Kronleuchter“ angedeutete konzentrische Anordnung von Lichtquellen


ist und bleibt grundlegend für die Morphologie dieser Hängeleuchter. Im Mittelalter
ursprünglich für den kirchlichen Gebrauch geschaffen, bilden sich in Anlehnung an
die jeweils zeittypische – gegebenenfalls auch landestypische – architektonische
Formensprache unterschiedliche Kronleuchtertypen heraus.

Die Typologie und Bezeichnung für Kronleuchter orientierte sich daran, dass Archi-
tekturelemente rezipiert und kompositorische Bezugspunkte verändert werden – wie
zum Beispiel morphologisch bei Radleuchtern/Lichtkronen, Tabernakel- oder
Schaftkronleuchtern und im Detail bei Winkelarmkronleuchtern der Renaissance oder
Kugelkronleuchtern des Barock.

4
J. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes in der Auffassung des Mittelalters, 1928, S. 186. Zitat in
Anlehnung an das Buch des Propheten Sacharja im Alten Testament, s. Neue Jerusalemer Bibel,
1985, S. 1347 ff.
5
Siehe amtliche Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler, z. B. Die Kunstdenkmäler der Provinz
Hannover, Stadt Emden, VI. Regierungsbezirk Aurich, 1927, S. 124.
6
S. Erixon, Mässing, Svenska Manufakturer och Konsthantversprodukter under 400 år, 1943.
Einleitung Seite 2

Diese wechselnde Gestaltung spiegelt eine sich wandelnde Vorstellung von Ordnung
wider.

So bestehen Schaftkronleuchter aus dem Gefüge einer zentralen, tragenden Spindel


und reversibel eingehängten Modulen in Gestalt von Leuchterarmen und Zierelemen-
ten, die konzentrisch angeordnet sind. Diese Komposition kann jeweils nach oben
und/oder unten mit einer figürlichen und/oder gegenständlichen Darstellung ab-
schließen.

Sowohl Bekrönungsfiguren als auch Unterhänge bei neuzeitlichen Kronleuchtern aus


Buntmetall sind nichts Neues, denn sie kommen bereits an spätmittelalterlichen Hän-
geleuchtern vor.7 Klärungsbedarf besteht hinsichtlich des erweiterten Motivschatzes,
der nicht nur christliche Themen, sondern augenscheinlich auch profane Darstellun-
gen umfasst – wie zum Beispiel als Kronleuchterbekrönungen und teils auch als Sub-
figuren: Römischer Soldat, Büttel, Landsknechte, Wilde Leute. Sie kommen auf
(früh-)neuzeitlichen Schaftkronleuchtern in Kirchen vor. Über diesen Aspekt des
Verwendungszusammenhanges bestimmter Motive hinaus sind die Ursachen ihrer
kunstgeographischen Verbreitung zu ergründen. Es ist von Interesse, ob eine unab-
dingbare Zugehörigkeit von Kronleuchter- und Figurentyp sowie zwischen diesen und
ihrem Bestimmungsort besteht und insofern ein weiteres Kriterium zur Beurteilung
von Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts herauszuarbeiten
wäre. Es dürfte angesichts des heterogenen Forschungsmaterials und der in Frage
gestellten Bedeutung von Kronleuchterfiguren kaum ausreichend sein, anhand einer
beliebig ausgewählten, überschaubaren Anzahl von Objekten eine Annäherung an die
Thematik zu exemplifizieren: Das Ausmaß des Motivschatzes und dessen Verbreitung
kann durchaus auf die Möglichkeit der seriellen Produkten und verlegerischen Ar-
beitsorganisation in der Messingverarbeitung zurückzuführen sein.8 Das Spektrum an
überkommenen Bekrönungsfiguren auf Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis
18. Jahrhunderts (in Norddeutschland) äußert sich aus heutiger Sicht im Nebenein-
ander von Gerechtigkeitsdarstellungen sowie Motiven friedlicher und kriegerischer
Ordnungshüter. Diese Tatsache sowie die Wahrnehmung, dass nur ein Teil dieser
Kronleuchterfiguren der Lichtsymbolik zu entsprechen scheint, veranlasst zu der vor-
liegenden Kronleuchterstudie unter dem Motto „Lux ad illuminandas gentes“.9 Dient
die Gestaltung und Beschaffenheit der besagten Lichtträger ausschließlich der Be-
leuchtung und Helligkeit oder auch der Erleuchtung?10

7
Siehe u. a.: Die Denkmäler des Rheinlandes, Kreis Kleve, 1: Altkalkar-Huisberden, 1964, S. 72 und
Abb. 179. Vgl.: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 8, II: Die Kreise Erkelenz und Geilenkir-
chen, 1904, S. 45 f. (S. 288 f.). – K. Jarmuth, 1967, S. 107 f. mit Abb. 91 und 92.
8
R. A. Peltzer, Die Geschichte der Messingindustrie, 1909, S. 69, 137 ff.
9
J. Sauer, 1928, S. 186. – R. Wittkower, Allegorie und der Wandel der Symbole in Antike und Renais-
sance, Köln 1983, S. 56 ff.
10
J. Brinckmann, Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe, 1894, S. 761. – J. Brüning, Der
Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, n.F. 7, 1897, S. 53. Brüning weist darauf hin, dass der Wechsel
von einer Zentral- und einer Bekrönungsfigur bei Kronleuchtern den Charakter des rein Attributiven
vermitteln könne.
Einleitung Seite 3

Die systematische Durchsicht der amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunst-
denkmäler lässt erkennen, dass das ikonographische Programm von Schaftkron-
leuchtern des 16. bis 18. Jahrhunderts mit 39 unterschiedlichen Bekrönungsfiguren
dort weiter gefasst ist, wo die lutherische Glaubenslehre praktiziert wird als in calvi-
nistisch geprägten Gebieten – wie zum Beispiel in den Niederlanden.11

Die südlichen Bundesländer Deutschlands in diese Untersuchung einzubeziehen, er-


scheint angesichts fehlender Einträge zu Schaftkronleuchtern aus Messing in den
entsprechenden amtlichen Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler nicht
möglich. Zwar heißt es Mitte des 20. Jahrhunderts, dass zum Beispiel ursprüngliche
Bestände an Landsknechtkronleuchtern in Süddeutschland die Verbreitung vergleich-
barer Leuchter in Norddeutschland maßgeblich geprägt habe, aber infolge von Ge-
genreformation und Bildersturm nicht mehr als Sachquelle erhalten seien.12 Die Ein-
flussnahme der Druckgrafik wird nicht erörtert, obgleich sowohl die Motivauswahl als
auch die Gestaltung der Bekrönungen auf Schaftkronleuchtern aus Messing des 16.
bis 18. Jahrhunderts Parallelen zu Sujets und Duktus deutscher Kleinmeister erken-
nen lassen.13 Nach bisheriger Kenntnis sind keiner Quellen bekannt, die diese Über-
legung eines Zusammenhangs zwischen Kleinmeister, Kunsthandwerker und
Schaftkronleuchter resp. Bekrönungen bestätigen würden. Aber die Recherchen zur
vorliegenden Kronleuchterstudie führen zu der Erkenntnis, dass einzelne Schriftquel-
len des 16. bis 18. Jahrhunderts zu Künstlern, Kunsthandwerkern und den besagten
Objekten als Positionierung zur neuen Glaubenslehre, das heißt zum Protestantismus
zu lesen sind.14

Bemerkenswert ist – neben der häufig konstatierten weiträumigen Verbreitung der


Schaftkronleuchter aus Messing – die über Stadt-, Landes- und Staatsgrenzen hin-
ausreichende Mobilität von Künstlern, Kunsthandwerkern und Auftraggebern.15

Der große Bestand an (früh-)neuzeitlichen Schaftkronleuchtern aus Messing – und


soweit inventarisiert – mit 39 unterschiedlichen Bekrönungsfiguren in evangelischen
Kirchen Norddeutschlands, Skandinaviens und Teilen der Baltischen Staaten scheint
ursächlich im humanistischen und reformatorischen Gedankengut, das heißt in der
Herausbildung der Grundrechte und der Einführung der lutherischen Glaubenslehre
begründet: Das Individuum wird im Zuge wissenschaftlicher Erkenntnisse und des
Interesses an Erziehung und Bildung als Ideen- und Entscheidungsträger (an-)er-
kannt, in religiösen und politischen Gemeinschaften gesellschaftliche Neuordnungen
zu leben oder diesen entgegenzuwirken.16 Bedeutsam erscheint der Aspekt „Frei-

11
Siehe u. a.: De Nederlandsche Monumenten van geschiedenis en kunst, T. IV, 1971, S. 20, 39. –
Weitere Kunstdenkmälerinventare s. Literaturverzeichnis.
12
H. Spielmann, Die Kerzenkrone der Renaissance und des Barock im Ostseegebiet, Greifswald 1956
(Diplomarbeit Greifswald 1956, maschinegeschrieben).
13
H. W. Singer, Die Kleinmeister, 1908.
14
Vgl.: Inschrift eines Schaftkronleuchters der ev. Kirche in Esens, Niedersachsen.
15
K. Jarmuth, 1967. – Zu: Mobilität, s. u. a. Dokumentation von Kronleuchter-Inschriften in amtlichen
Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler.
16
N. Mont (Hg.), Die Kultur des Humanismus: Reden, Briefe, Traktate, Gespräche von Petrarca bis
Kepler, München 1998, S. 25.
Einleitung Seite 4

heit“, der mit der von Martin Luther (1483-1546) und Johannes Calvin (1509-1564)
maßgeblich geprägten theologischen Rechtfertigungslehre „simul iustus et peccator“,
das heißt „Gerechterklärung“ des (sündigen) Menschen seitens Gott, verbreitet wird
und in Norddeutschland der allmählich Fuß fassenden lutherischen Zwei-Reiche-
Lehre Rechnung trägt. Sie nimmt mit der Herausbildung von Territorialstaaten in Ab-
lösung des zentralistischen, universalistischen Heiligen Römischen Reiches Deutscher
Nation und mit der phasenverschobenen Einführung der Evangelischen Kirchenord-
nung in Norddeutschland Gestalt an.

Die Bekrönungen: Römischer Soldat, Büttel, Landsknecht und Wilde Leute auf (früh-)
neuzeitlichen Schaftkronleuchtern aus Messing in evangelischen Kirchen Nord-
deutschlands und der benachbarten Staaten scheinen religionspolitische Auseinan-
dersetzungen und daraus resultierende Entwicklungen über den Dreißigjährigen
Krieg (1618-1648) hinaus zu dokumentieren und Zeichensprache zu sein.

Mit einer Gesamtstückzahl von mehr als 700 amtlich inventarisierten Schaftkron-
leuchtern des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland – und im Rahmen der
vorliegenden Kronleuchterstudie kartographisch dargestellt17 – repräsentieren diese
die quantitativ und qualitativ sehr unterschiedlichen Bestände (Minimum ca. 30, Ma-
ximum ca. 300) der nördlichen Bundesländer Deutschlands: Nordrhein-Westfalen,
die Hansestädte Bremen und Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und den Norden Brandenburgs – und als Stiftun-
gen in evangelischen Kirchen insoweit eine ähnliche Größenordnung wie in Dänemark
oder Schweden.

Da in Deutschland systematische Untersuchungen zur Thematik bisher fehlten, um


auf allgemeingültige Ergebnisse aufbauen zu können, ist es das Anliegen der vorlie-
genden Kronleuchterstudie, das diesbezüglich heterogene Arbeitsmaterial zu struktu-
rieren und eine Annäherung an die Bedeutung des ikonographischen Programms von
Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland zu
wagen. Und es sind Zusammenhänge angesprochen, die zur weiteren Erforschung
und Erhaltung der überkommenen Kronleuchterbestände führen sollen. Weitgehend
unerforscht sind die Inschriften und die Provenienz der Kronleuchter sowie Bestand
und Zeugniswert entsprechenden Archivguts.

Unter den inventarisierten Schaftkronleuchtern aus Messing befinden sich nur wenige
Beispiele, die mittels Marke, Stempel oder Namen der Kunsthandwerker gekenn-
zeichnet sind. Und aus der Vielzahl unsignierter Exemplare können kaum kongruente
Arbeiten ermittelt werden, so dass auch Werkstattzuschreibungen nach wie vor ein
Forschungsdesiderat darstellen.

Es wäre wünschenswert, über die bekanntere Typenbezeichnung und Lokalisierung


„Flämischer Kronleuchter“ hinaus zum Beispiel nachweisen zu können, ob der so ge-

17
Diese Verbreitungskarte (Maßstab 1 : 750.000) ist als Anhang zum Bildband der vorliegenden Kron-
leuchterstudie nur in der Christian-Albrechts-Universität Kiel verfügbar und bildet die Grundlage der
digitalisierten Übersichtskarte.
Einleitung Seite 5

nannte Winkelarmkronleuchter der Renaissance tatsächlich in Lübeck geschaffen oder


von dort aus vertrieben wurde und Werkstätten zu benennen.18

1.2 Forschungsgeschichte

1.2.1 Kronleuchter – Metallgießer

Die kunstwissenschaftliche Erforschung von Schaft-Kronleuchtern aus Metall ist kein


kontinuierlicher Erkenntnisprozess. Die Sach- und Schriftquellen zu dieser Thematik
bilden ein sehr heterogenes Arbeitsmaterial, das nur in großen Zeitabständen exem-
plarisch untersucht wird. Verschiedene Fragestellungen verdichten sich in ihrer un-
terschiedlichen Gewichtung und wechselseitigen Beeinflussung seit der zweiten Hälf-
te des 19. Jahrhunderts schließlich zu diesem Forschungsanliegen: Die Ergründung
der geistigen Urheberschaft von Schaftkronleuchtern und Bestimmung ihres iko-
nographischen Programms sowie mögliche Werkstattzuschreibungen.19

Eine frühe Darstellung zum Thema Hängeleuchter erschien 1864: „Der Kronleuchter
Kaiser Friedrich Barbarossas im Aachener Münster und die formverwandten Lichtkro-
nen.“20 Der Titel des Werkes nimmt mit den Termini technici „Kronleuchter“ und
„Lichterkrone“ Ansätze einer Typologie vorweg, die für das Verständnis von histori-
schen Hängeleuchtern und ihre weitere Dokumentation und Erforschung richtungwei-
send ist. Annähernd 150 Jahre vorher vermittelte eine Definition des Begriffs „Kron-
leuchter“, dass es sich um einen von der Decke eines Raumes frei herabhängenden
Leuchter mit mehreren Armen und Lichtquellen handelt.21

Neben dieser und weiteren, jüngeren Dokumentationen aus dem In- und Ausland
sowie entsprechenden Handbüchern zu Kunstgewerbe und kirchlicher Kunst, die Bei-
spiele von Kronleuchtern enthalten, kommen verstärkt in den ersten drei Vierteln des
20. Jahrhunderts Beiträge oder Monographien zur Geschichte der Messingindustrie
sowie zur Kulturgeschichte und Typologie der Beleuchtungsgeräte heraus. Außerdem
erscheinen materialkundliche und materialikonographische, theologisch orientierte
oder sozialgeschichtliche Studien, die für die Erforschung der Schaft-Kronleuchter
aus Metall (Messing) nützlich sind. Nicht zuletzt tragen letztere als Materialsammlun-
gen dazu bei, die besonderen Voraussetzungen und Organisationsformen des Hand-
werks der Metallgießerei aufzuzeigen. Sie können so wertvolle Hintergrundinformati-
onen zur historischen Metallverarbeitung, gegebenenfalls auch zur Entstehung von

18
K. Jarmuth, 1967, S. 160 ff.
19
Einzelne Titel und Themen werden im Anschluss an diese Übersicht ausführlich vorgestellt.
20
F. Bock, Der Kronleuchter Kaiser Friedrich Barbarossas im Karolingischen Münster zu Aachen und die
formverwandten Lichterkronen zu Hildesheim und Comburg, nebst zwanzig erklärenden Holzschnit-
ten und sechzehn von den Original-Kupferplatten des Aachener Kronleuchters., Leipzig 1864.
21
Großes Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste. Bd. VI, Halle/Leipzig 1733, Sp. 1722.
Einleitung Seite 6

Kronleuchtern bieten. Wo Beschreibungen dieser Beleuchtungsgeräte in erster Linie


das Bild eines funktional und dekorativ motivierten Kunstgewerbes vermitteln, zeigt
der zunehmend interdisziplinäre Forschungsansatz unter anderem die bestehenden
Wechselwirkungen zwischen Objekt und Werkstoff sowie das Netzwerk im Metallge-
werbe auf, das heißt die Abhängigkeiten von Monopolisierung und Kupfersteuer, reli-
gionspolitischen Entwicklungen, zünftigen Strukturen, die Abgrenzung einzelner Tä-
tigkeitsbereiche, Stand und Ansehen des Handwerks.22

Damit sind Grundlagen für weitere Forschungen geschaffen, um nunmehr mögliche


Ursachen einer spezifischen Verteilung bestimmter profaner Motive auf Schaft-Kron-
leuchtern in Norddeutschland zu ergründen. So werden zum Beispiel Vorbilder für die
Darstellung des Landsknechts als einer der bewaffneten Figurentypen auf Kronleuch-
tern nach Nürnberg lokalisiert.23 Insofern scheinen ältere Erkenntnisse bestätigt,
dass das Metallhandwerk sich von Nürnberg aus über ganz Deutschland verbreitet
habe. Es fehlen präzise Angaben zum Hersteller und dass die Landsknechtfiguren auf
Kronleuchtern in Norddeutschland unterschiedlich kostümiert sind und daher in
Gruppen eingeteilt werden können. Ob die Verteilung dieser Figuren thematisch be-
gründet ist, bleibt offen.

Eine Untersuchung von 1874 zur ältesten Hamburger Zunftrolle, die einen Abschnitt
der Gewerbegeschichte Hamburgs vom 13. Jahrhundert bis zum Jahre 1603 reprä-
sentiert und als Schwerpunkt niederdeutscher Rollen gilt, spricht auf die Lübeckische
Zunftrolle als Vorbild an. Die Berücksichtigung dessen wie auch die Verbindung der
Ämter der Rotgießer und der Kannengießer zur Brüderschaft St. Marien in Hamburg
erscheint über die Tatsache der gemeinsamen Morgensprache, d.h. Zunftversamm-
lung, hinaus als hilfreicher Hinweis für Erkenntnisse über den Charakter historischer
Werkstätten der Metallverarbeitung. Der dort gepflegte Gemeinschaftssinn beinhaltet
unter anderem eine würdige Ausstattung der Kirche, da die Bruderschaft es als
Hauptanliegen betrachtete, für ein angemessenes Begräbnis ihrer Mitglieder zu sor-
gen. Das ist hinsichtlich des Themas Kronleuchter insofern von Interesse, als mittel-
alterliche Marienleuchter als Ausstattung oder Stiftung von Kalandsbruderschaften
genannt werden und neuzeitliche Schaftkronleuchter inschriftlich häufig als Stiftun-
gen diverser Handwerksämter ausgewiesen sind. Letzteres geht teils aus Inschriften,
teils aus entsprechenden Darstellungen oder aus den älteren amtlichen Länderinven-
taren der Bau- und Kunstdenkmäler hervor.24

22
H. Pohl, Kupfergewinnung, Kupferverarbeitung und Kupferhandel im Aachen-Stolberger Raum von
1500 bis 1650, in: Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa 1500-1650.
Hg. Hermann Kellenbenz (1977), Kölner Kolloquien zur internationalen Sozial- und Wirtschaftsge-
schichte, Bd. 3.
23
H. Spielmann, Die Kerzenkrone der Renaissance und des Barock im Ostseegebiet, 1956.
24
O. Rüdiger, Die ältesten Hamburgischen Zunftrollen und Brüderschaftsstatuten. Gesammelt und mit
Glossar versehen. Hg. Bürgermeister Kellinghusens Stiftung, Hamburg 1874. S. VII. – Vgl. K. Hüse-
ler, Das Amt der Rotgießer. Hamburg 1922. S. 12. – Siehe z. B., Die Kunstdenkmäler des Kreises
Rügen/Bezirk Rostock, Bd. 1, Leipzig 1963, S. 85 ff. – M. Berwing, Preetzer Schuhmacher und ihre
Gesellen 1750-1900, Aufschlüsse aus Archivalien, Neumünster 1983, S. 67 f., Abb. 3-5.
Einleitung Seite 7

Erwähnt und zum Teil fotografisch oder als Zeichnung abgebildet werden Kronleuch-
ter 1883 im „Handbuch der kirchlichen Kunst-Archäologie des deutschen Mittelal-
ters“25 und 1888 in der „Geschichte des deutschen Kunstgewerbes“26. Diese Publika-
tionen vermitteln weniger einen Überblick über das Spektrum an Bekrönungsfiguren
auf historischen Schaftkronleuchtern aus Metall, wie es bei Brüning anklingt.27

Dies ändert sich mit der zunehmenden Inventarisierung der Bau- und Kunstdenkmä-
ler in den Städten sowie in den damaligen Provinzen und Herzogtümern, wo die im
Entstehen begriffenen amtlichen Länderinventare bereits um die Jahrhundertwende
eine gewisse Übersicht über die jeweiligen Bestände an Messingkronleuchtern geben.

Bereits 1889 erscheint ein Aufsatz „Zur Geschichte der Nürnberger Rotschmiede“.28
Hier werden im Zusammenhang mit der Feststellung, dass Rotschmiede erst im
15. Jahrhundert als selbstständiges Gewerbe in Nürnberg auftreten, bestimmte
Rechte und eine besondere Stellung der Rotgießer beschrieben. Diese bestanden un-
ter anderem in der freien Wahl der Meisterstücke und zugleich in der Bindung, diese
in Werkstätten geschworener Meister auszuführen, sowie in der Reglementierung der
Ortsansässigkeit oder auswärtiger Kontakte.

Letzteres dürfte im Zeichen der Geheimhaltung metallurgischer Zusammenhänge


und der daraus resultierenden Aussichten auf Prosperität stehen.

Es heißt, dass die Nürnberger Rotgießer wesentlich vom Bronzeguss der Erzgießer-
familie Vischer (1450-1550) geprägt seien. Zugleich werden Auseinandersetzungen
um Abgrenzungen hinsichtlich der Aufgabengebiete anderer Metallgießer konstatiert.

Dass Verbindungen der Vischer-Werkstatt nach Norddeutschland bestehen, doku-


mentieren unter anderem eine Bronzetumba (1495) im Dom zu Magdeburg, Bronze-
grabplatten (16. Jahrhundert) im Dom zu Halberstadt oder ein Epitaph der Herzogin
Helena (1525–1527) im Dom zu Schwerin. Und es wird im Zusammenhang mit ande-
ren Objekten deutlich – wie am Beispiel der Taufe (1520/22) in Salzwedel, Marien-
Kirche29, die als Bronzeguss des Hans von Cöln/Köln aus Nürnberg gilt. Er wird bei
Mithoff und Gebhardi III zwischen 1515 und 1520 für Lüneburg und Nürnberg ge-
nannt. Doch auch westfälische Meister sind mit Bronzefünten oder anderer Kunst-
werke im Norden vertreten.30

25
H. Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters, 2 Bde., 5. Aufl. Leip-
zig 1883, s. insbes. Bd. 1, S. 156.
26
J. v. Falke, Geschichte des deutschen Kunstgewerbes, Berlin 1888, S. 142 f.
27
A. Brüning, Der Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, N.F. 8, Hg. K. Hoffacker, 1897, S. 55.
28
Zur Geschichte der Nürnberger Rotschmiede, in: Mus.-Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürn-
berg, 1889, S. 6–15.
29
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Bd. I: Bezirk Magdeburg, 2.
Aufl., 1990, S. 146, 178, 350. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg,
Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, 1980, S. 358.
30
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg, Unveränd. Nachdruck des Bandes
„Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin“, München/Berlin 1980, S. 358.
Einleitung Seite 8

Im Jahre 1890 erscheinen in „Bremische Werkmeister aus älterer Zeit“ die Namen
von Metallgießern.31 Die Personennamen stehen hier – wie auch in jüngeren Publika-
tionen – weniger im Zusammenhang stilkritischer Untersuchungen zu Kronleuchtern,
sie sind vielmehr Resultat des Aktenstudiums, das in der Regel kaum Aufschluss über
die Urheberschaft des Formen- und Motivschatzes von Leuchtern gibt. Aber es wer-
den anhand dieses Verzeichnisses Aufgabenbereiche des Metallgewerbes und mögli-
che Ortsbezüge deutlich, denn gelegentlich finden sich Hinweise, welcher Rotgießer
in welchem Zeitraum Leuchter angefertigt und/oder repariert hat. In Verbindung mit
anderen, vergleichbaren lokalhistorischen Studien zum Amt der Rotgießer könnte
dies eine Vorstellung vom Anteil der Metallgießer an der Entstehung, Verbreitung und
Veränderung von Kronleuchtern – insbesondere des 16. und 17. Jahrhunderts –
vermitteln.

In den einzelnen amtlichen Länderinventaren der Bau- und Kunstdenkmäler seit der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute sind Kronleuchter aus Metall sehr un-
terschiedlich dokumentiert. Neben ausführlichen und differenzierenden Dokumentati-
onen kommen diese Beschreibungen vor: „en lysekroner med ... plader og anden
zirat“32 – „Zwei messingne Kronleuchter im Schiff, mit Doppeladler, zeigen die übli-
chen Renaissanceformen.“33 – „ein eleganter Kronleuchter von Messing mit Inschrift
aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts“34.

Die Tatsache immer wiederkehrender Formen und die Wiederholung einiger Motive
schließt Varietät nicht aus. So können Kronleuchter aus Metall auch angesichts tradi-
tioneller Konstruktion und Morphologie je nach Auswahl und Komposition der Motive
sehr unterschiedlich sein und wirken. Von Interesse ist auch, welche Gestalten die
zum Teil allein als weiblich oder männlich bezeichneten Figurentypen tatsächlich ver-
körpern.

Hinsichtlich der Fragen zur Ikonographie der christlich deutbaren Topfiguren auf
Schaftkronleuchtern aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts beschäftigen die zur
Beschreibung und Identifikation der Figur herangezogenen Kriterien.

31
J. Focke, Bremische Werkmeister aus älterer Zeit. Als Beitrag zur Nordwestdeutschen Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Bremen, Bremen 1890. – H. Fatthauer, Die Bremischen Metallgewerbe vom
16. bis zum 19. Jahrhundert, in: Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt
Bremen (1936).
32
Danmarks Kirker, København, Bd. 1. Hg. Nationalmuseum Kopenhagen 1945–1958, S. 698. Insge-
samt aber sind insbesondere Art der Bekrönungen und Unterhänge sowie Inschriften gut dokumen-
tiert.
33
Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Bd. 6, Teil 1. Kreis Lebus, Berlin 1909, S. 84. – Das
Zitat zeigt, dass dieser Angabe nicht zu entnehmen ist, ob der Schaft der Kronleuchter aus einer Ba-
lusterform oder Kugelkolonnaden besteht, ob die Enden der Leuchterarme gewinkelt und mit einge-
stellten Rosetten oder lanzettlichen Blüten oder anstelle dessen aufgebogen und mit Masken verziert
sind. Da im Rahmen dieser Studie festgestellt wurde, dass die Bestände amtlicher Fotodokumentati-
onen von Kronleuchtern tendenziell unzureichend sind – nicht zuletzt infolge des Ersten und Zweiten
Weltkrieges – und die Inventarisierung kirchlicher Kunst seitens einiger Landeskirchen nicht begon-
nen, fortgesetzt oder abgeschlossen ist, erfordert dies einen zusätzlichen persönlichen Einsatz. Und
ohne das freundliche Entgegenkommen der Restauratoren/Restauratorinnen könnten etliche der in-
ventarisierten Kronleuchter als weitere Quelle bei Werkstattzuschreibungen oder anderer Forschun-
gen kaum berücksichtigt werden.
34
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen, H. 1, Das Samland, Königsberg 1891, S. 70.
Einleitung Seite 9

Ist angesichts einer bärtigen männlichen Kronleuchterstatuette in einer tunikaartigen


Gewandung aufgrund des attributiven Krummstabes und angesichts des Patrozini-
ums ihres Standortes – der Evangelischen St. Nikolaikirche in Kiel – hier tatsächlich
der heiligen Nikolaus dargestellt, obschon die charakteristische Bischofsmütze fehlt?
Hier wäre die Gegenüberstellung mit einer als Bischofsfigur bezeichneten und als
heiliger Nikolaus spezifizierten Topfigur eines Kronleuchters (17. Jahrhundert) in der
Unter-Kirche St. Nikolai in Burg/Sachsen-Anhalt aufschlussreich. Ist das Beispiel in
Kiel angesichts vergleichbarer Bekrönungsfiguren in Tunika und mit Segensgestus
auf Schaftkronleuchtern der gleichen Zeit (um 1661) im Lande – insbesondere
Schleswig, Dom und bedingt Glückstadt –, hier in Anbetracht des adäquaten Segens-
gestus der Rechten und der fehlenden Kopfbedeckung, ursprünglich als Christusbild
und eine freie Ergänzung seiner Linken samt Attribut denkbar? Schließlich weisen
andere Kirchen wie zum Beispiel Eckernförde mit einem entsprechenden Patrozinium
nicht unweigerlich deshalb eine adäquate Kronleuchterfigur auf. Auch die Beschrei-
bung der profanen Motive, hier der männlichen Bewaffneten auf Schaftkronleuchtern
aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts, bietet mitunter kaum Anhaltspunkte, wem
die Bezeichnung „Mann zu Rosse“35 gilt, ob Rittern, Soldaten o.a.

Des Weiteren ergibt die systematische Recherche anhand dieser Länderinventare,


dass einige Kronleuchter, obgleich vorhanden, nicht inventarisiert worden sind. An-
dere erscheinen im Stichwort-Register, ohne im Text beschrieben zu sein.36 Manche
Kunstdenkmäler-Inventare wurden (noch) nicht aktualisiert, so dass die Trennung
von Kronleuchter-Beständen und -Verlusten erschwert ist und an sich einer systema-
tischen Überprüfung bedarf, wie sie aus einem Bestandskatalog des Grassimuseums
in Leipzig hervorgeht.37

Es fällt auf, dass Kronleuchter als Einzelbeispiele freiberuflicher Auftragsarbeiten o-


der im Rahmen institutioneller Aufgabengebiete vereinzelt aussagekräftig, aber im

35
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-Holstein, 1994, S. 378,
783, 293, 217. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Bd. I, Der
Bezirk Magdeburg, 2. Aufl., 1990, S. 57. – Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler der Provinz Sachsen XXIII. Heft. Kreise Halberstadt Land und Stadt. Halle/S. 1902,
S. 374: „Von zwei messingenen Kronleuchtern, deren einer von 1692 datiert ist, der andere aus der-
selben Zeit herrührt, hat der erstere acht Arme um die Kugel herum; der andere deren vierzehn in
zwei Etagen. Als Henkel dient dem ersteren ein Mann zu Rosse, dem zweiten ein nackter Mann mit
einem Schwerte, der auf einem Adler reitet.“ Das Schwert ist für die Darstellung Jupiter auf Adler
ungewöhnlich und dürfte eine freie Ergänzung sein. Die andere Beschreibung setzt eine gewisse
Denkmälerkenntnis voraus, um hier anhand anderer Kronleuchter des 17. Jahrhunderts – zum Bei-
spiel Estebrügge/Niedersachsen – eine Gestaltung als anitkisierend römischer Soldat anzunehmen.
36
H. Saebens/C. Matthias-Schröder, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Oldenburg, Heft V,
Die Ämter Brake, Butjadingen, Varel, Jever und Rüstringen, Oldenburg 1909. – Vgl. H. Saebens/C.
Matthias-Schröder, Die Kirchen des Jeverlandes, Jever 1956, Abb. Die rohe Elektrifizierung der Kron-
leuchter spricht für eine nachträgliche Veränderung dieser ursprünglich für Wachslichter eingerichte-
ten Beleuchtungsgeräte. Hier wären weitere Recherchen erforderlich. – Hinsichtlich der Frage zur Au-
thentizität der Kronleuchterfiguren „hl. Nikolaus“ oder „Christusbild“, s. Georg Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-Holstein 1994, S. 292, 378 und 783. Vgl. Die
Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Stadt Schleswig, Bd. 2, Der Dom und der ehemalige
Dombezirk, 1963, S. 494 ff., insbes. S. 495.
37
Europäisches Kunsthandwerk aus Bronze, Messing, Kupfer und Eisen vom 12. bis 19. Jahrhundert,
Bestandskatalog des Museums für Kunsthandwerk/Grassimuseum Leipzig (1996).
Einleitung Seite 10

Hinblick auf die nicht minder aufschlussreiche Quantität dieser Beleuchtungsgeräte


unzureichend dokumentiert sind – sowohl fotografisch als auch deskriptiv.38 Insofern
ist die Formenvielfalt der Kronleuchter und ihrer Topfiguren systematisch zu ermit-
teln sowie formal und stilistisch zu strukturieren, um die selten signierten, zum Teil
inschriftlich datierten Objekte mit Angaben, die aus Dokumentationen oder Quellen-
sammlungen verfügbar sind, zu Metallgießern oder in Quellensammlungen erhalte-
nen Angaben zu Metallgießern in Beziehung setzen und mögliche Verbindungen veri-
fizieren zu können. Denn die anhand der Figurentypen und Löwenkopf-Masken von
Kronleuchtern gebildeten Gruppen können bisweilen stilistische Unterschiede aufwei-
sen. Hier besteht Forschungsbedarf. Denn auch die Register zu Metallgießern be-
nennen weitaus mehr Glocken- als Kronengießer. Obschon sich diese und weitere
Betätigungsfelder – wie zum Beispiel die Anfertigung von Geschützen, Tauffünten,
Brunnenanlagen oder Bewässerungssystemen – zuweilen überschneiden können, gibt
es auch Beispiele klarer Differenzierung. Das zeigen – neben anderen – die weiter
unten vorgestellten Untersuchungen von Philippsen.

Eine äußerst hilfreiche Arbeitsgrundlage bilden unter den oben genannten amtlichen
Länderinventaren jene, die bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Vollinventare
der Bau- und Kunstdenkmäler angelegt worden sind. Sie enthalten in der Regel aus-
führliche, teils metrische Objektbeschreibungen mit der Wiedergabe vorhandener In-
schriften und Hinweise auf weiterführendes Schrifttum. Ferner werden gelegentlich
Analogien angedeutet. Die Gesamt- oder Detailaufnahmen von Kronleuchtern sind
überwiegend aussagekräftig, doch proportional zum Gesamtbestand der inventari-
sierten Kronleuchter und ihres Formenrepertoires sowie Motivschatzes eindeutig un-
terrepräsentiert.

Die Inventarisierung kirchlichen Kunstgutes seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
beinhaltet neben der deskriptiven und metrischen Erfassung als Aktualisierung und
Ergänzung der besagten amtlichen Länderinventare insbesondere eine systematische
fotografische Dokumentation. Hinzu kommt die Neuerfassung bisher nicht inventari-
sierter und/oder neu hinzugekommener Kunstgüter, um so die unentbehrliche Auf-
gabe der Dokumentation fortzuführen.39

Erste Ansätze, historische Beleuchtungsgeräte über den architektonischen Bezug und


die christliche Symbolik hinaus hinsichtlich figürlicher Elemente und ihrer Ikono-
graphie wahrzunehmen, enthält die Darstellung „Histoire du luminaire“ (1891) von

38
Zu dieser Erkenntnis führt die persönliche Durchsicht der ortsalphabetischen Fotokarteien der Lan-
desämter für Denkmalpflege von Brandenburg (1999) sowie Schleswig-Holstein (M. 1990er Jahre).
Und auch die Ergebnisse der diesbezüglich schriftlichen Anfragen (2002) an die entsprechenden In-
stitutionen in Dresden, Hamburg, Münster und Schwerin lassen diesen Rückschluss zu. – Siehe ein-
zelne amtliche Länderinventare im Literaturverzeichnis. – Wertvolle Erkenntnisse sind aus den Do-
kumentationen zu einzelnen Restaurierungsmaßnahmen an Kronleuchtern der Werkstätten für Me-
tallgestaltung W. Hofmann in Wolgast sowie B. Ross in Hamburg sowie anhand einiger Arbeitsauf-
nahmen der Firma P. Oehlmann & Sohn in Bielefeld zu gewinnen.
39
Nähere Auskünfte dazu sind in der Regel über die Referate für Gebäudeplanung und/oder kirchliche
Kunst der Aufsicht führenden Kirchenbehörden erhältlich.
Einleitung Seite 11

d’Allemagne.40 Die dort auf Longperrier zurückgeführten Verbindungslinien zwischen


den beschriebenen Leuchtern „Wilde Leute“ zu Darstellungen und zur Kultur des Rit-
tertums im Mittelalter werden verstärkt in den entsprechenden kunstwissenschaftli-
chen Publikationen Mitte des 20. Jahrhunderts aufgegriffen. Das betrifft auch die an-
gesichts der Qualitätsunterschiede geäußerten Vorbehalte vor einer Überbewertung
dieser Statuetten, die allein potenzielle Reflektoren sein könnten. Die jüngere kunst-
wissenschaftliche Forschung hat dies anhand der Funktion und Mehrdeutigkeit des
Motivs in anderen Verwendungszusammenhängen relativiert.

In der „Geschichte der technischen Künste“ von 1893 stehen unterschiedliche Gefäße
und Gerätschaften aus Bronze, Kupfer oder Zinn des Mittelalters sowie der Neuzeit
im Mittelpunkt. Die komprimierte Zusammenfassung zu Metallgießern, Objekten und
Daten gibt wichtige Anhaltspunkte.41

1894 spricht Justus Brinckmann – wie viele nach ihm – die kulturgeschichtliche Be-
deutung der Leuchter an, ohne neben typologischen Aspekten zu Leuchterstamm
und Leuchterarmen auf Weiteres einzugehen. Aber er weist auf die besonderen Leis-
tungen der Gelbgießer in Hamburg hin.42

Ähnliche Ansätze wie bei d’Allemagne finden sich 1897 im Beitrag „Der Kronleuchter“
von Brüning für das Kunstgewerbeblatt.43 Die dort skizzierte Typologie der Kron-
leuchter enthält Deutungen, die für die weitere kunstwissenschaftliche Erforschung
dieser Beleuchtungsgeräte prägend zu sein scheinen.

Über die aus baukünstlerischen und literarischen Inspirationen abgeleitete Komposi-


tion mittelalterlicher Hängeleuchter in kultischem Verwendungszusammenhang hin-
aus siedelt er den Ursprung der Schaftkronleuchter als favorisiertes Ausstattungs-
stück vornehmer Bürgerhäuser im Kontext einer gesteigerten Lebensqualität an. Die
Löwenkopf-Maske mit Ring im Fang als Unterhang an Schaftkronleuchtern der Re-
naissance erwähnt er ausschließlich als Zugvorrichtung. Gleichwohl unterscheidet
Brüning zwischen einer beliebigen und einer für kirchliche Zwecke hergerichteten
Kronleuchterform, die aufgrund des daraus erwachsenden Motivschatzes – insbeson-
dere unterschiedlicher Bekrönungsfiguren – zu einer wechselvollen Gestaltung dieser

40
H. R. d’Allemagne, Histoire du luminaire, Paris 1891, S. 141. – « Le plus souvent ces chandeliers
(14.–16. Jahrhundert) représentent des hommes sauvages ... M. de Longperrier a fait à ce sujet une
très interessante étude et il est le premier qui ait véritablement résolu cette question. Le sauvage
velu, dit-il, est une création contemporaine de la chevaliers une fois les paladins errants inventés, il
leur a fallu des adversaires en dehors des données communes de l’humanité. Cette villosité, symbole
de force ... » – Vgl. A. Spamer, Die wilden Leute in Sage und Bild (Bericht über den Vortrag am 18.
April 1911), in: Volkskunde und Volkskunst, 9. Jg. Nr. 11/12, München 1911. – R. Bernheimer, Wild
men in the Middle Ages. Cambridge/Mass. 1952 – s. Vorlage S. 34. – L. Möller, Die wilden Leute des
Mittelalters, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (1963). – Dies., Zwei Anmerkun-
gen zum Wilde-Leute-Thema in der niederländischen Kunst, in: Nordelbingen 34 (1965), S. 56–66. –
J. Schewe, Wilde Leute, in: LCI, Bd. 4, Sonderausgabe, Freiburg/Br. 1994, Sp. 531. – D. Kremers,
Der „Rasende Roland“ des Ludovico Ariosto, Aufbau und Weltbild, Mainz 1973. – N. Schindler, Wider-
spenstige Leute, Studien zur Volkskultur in der frühen Neuzeit, Frankfurt/M. o.J.
41
B. Bucher (Hg.), Geschichte der technischen Künste, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1893, S. 93.
42
J. Brinckmann, Führer durch das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe zugleich ein Hand-
buch der Geschichte des Kunstgewerbes, Hamburg 1894, S. 760 f.
43
A. Brüning, Der Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, N.F. 8, Leipzig 1897, S. 55.
Einleitung Seite 12

Beleuchtungsgeräte führe. Hier finden am Beispiel des Tabernakelkronleuchters


(1425) von Herzogenbusch auch die gewappneten Subfiguren in der Korrelation zu
historischen Ereignissen eine gewisse Beachtung.

Sowohl die Wahrnehmung des architektonischen Bezugs mittelalterlicher Lichtkronen


und Kronleuchter aus Metall als auch die normative Unterscheidung ihrer Statuetten
nach bedeutsamer Zentralfigur und attributiver Topfigur weisen indirekt auf das
Kunstverständnis der alten, das heißt römisch-katholischen und der neuen, das heißt
Evangelisch-lutherischen Kirche hin. Expressis verbis und im Zusammenhang mit der
Metallverarbeitung ist dieser Aspekt zum Beispiel auch in einer Schriftquelle des
18. Jahrhunderts in Ostvorpommern dokumentiert.44 Eine deutliche Korrelation zwi-
schen religionspolitischen Entwicklungen und der Geschichte der Messingindustrie
formuliert wenige Jahre später Peltzer für Aachen.45

Insbesondere die Jahrbücher und Kataloge der Museen für Kunsthandwerk enthalten
um die Jahrhundertwende und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufiger
Informationen zu Kronleuchtern oder ihren Fragmenten. In der Regel ist die Prove-
nienz der museal bewahrten Objekte nicht klar einzugrenzen.

Lüer und Creutz nehmen im ersten Band „Kunstgeschichte der unedlen Metalle“ ihres
zweibändigen Werkes „Geschichte der Metallkunst“ (1904) besondere Kronleuchter in
Europa als beispielhafte Leistungen in der Verarbeitung von Buntmetallen auf. Die
nach Epochen und Länder gegliederte Darstellung vermittelt einen Eindruck von der
Verbreitung der Kronleuchter und ist maßgeblich für einen Teil jüngerer Fachpublika-
tionen auf diesem Sektor.46 Als wertvolle Grundlage für weitere Forschungen könnten
sich die darin erwähnten Namen von Metallgießern erweisen. Die in groben Zügen
skizzierte Stil- und Materialentwicklung mit Hinweisen auf die gegensätzliche Ent-
wicklung des Bronze- und Messinggusses im nördlichen Deutschland gegenüber jener
im südlichen enthält nur wenige detaillierte Angaben zur Gestaltung einzelner Kron-
leuchter.47 Die Äußerung, dass unter den Armkronleuchtern des 15. Jahrhunderts in

44
HSTA Rep. 16, 263, J. Mitzken, Protokoll 1720.
45
R.A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing (Dinande-
ries) in Aachen und den Ländern zwischen Maas und Rhein von der Römerzeit bis zur Gegenwart,
1909
46
H. Lüer/M. Creutz, Kunstgeschichte der unedlen Metalle, Bd.1, in: Geschichte der Metallkunst, 2
Bde., Stuttgart 1905. – Siehe auch H. Lüer, Technik der Bronzeplastik, Leipzig 1902 sowie Ders.,
Kronleuchter & Laternen, Vorbilderhefte aus dem Königlichen Kunstgewerbemuseum, H. 31, Hg. J.
Lessing, Berlin 1903.
47
H. Lüer/M. Creutz, Kunstgeschichte der unedlen Metalle, Bd. 1, Stuttgart 1904, S. 399 u. 494: „16.
Jahrhundert. Hatte noch im 15. Jahrhundert der deutsche Norden einschließlich der Niederlande der
Zahl der geschaffenen Werke nach das südliche Deutschland unendlich überwogen, und war er mit
seinen besten Leistungen künstlerisch nicht dahinter zurückgeblieben, so ist nun für Jahrhunderte
ein Niedergang der Erzgießkunst im Norden unverkennbar,...“ In Bezug auf die Kleingeräte aus Mes-
sing (S. 492) heißt es auf S. 494: „Vielleicht darf man sagen, dass die schönsten Beispiele in den
deutschen Küstenländern entstanden sind.“ – Siehe ebd. S. 369. – Vgl. Waase/Ummanz, Kronleuch-
ter, 15. Jahrhundert: Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirkes Stralsund, H. IV, Der Kreis Rügen,
Stettin 1897, S. 362 sowie: Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen, Bezirk Rostock, Bd. 1, Leipzig
1963, S. 617 u. Taf. 129. – Vgl. Danmarks Kirker, Aarhus Amt, Bd. 3, Kopenhagen 1976, S. 1178 u.
1180: Aarhus, Frauenkirche, Tabernakelkronleuchter mit Hl. Georg, 15. Jahrhundert. – S. Erixon,
Lysekroner av mässing, o.O. 1965, S. 11. Sireköpings kyrka, Skane, Tabernakelkronleuchter, 15.
Jahrhundert.
Einleitung Seite 13

Norddeutschland nur der im Rathaus zu Goslar von einiger Bedeutung sei, findet mit
der Abbildung dieses Exemplars in der „Illustrierte[n] Geschichte des Kunstgewer-
bes“ (1909) eine Bestätigung48, ist aber zu relativieren. Die seit der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts durchgeführte Inventarisierung der Bau- und Kunstdenkmäler
erbrachte eine Erweiterung der Denkmälerkenntnis.

Diese Äußerung im Jahre 1904 von Lüer und Creutz veranlasst Griep noch Anfang
der 1960er Jahre , eine Sonderstellung des Goslarer Leuchters anzunehmen.49 Im
Hinblick auf das Pendant in Münnerstadt wurde das Goslarer Exemplar auch metal-
lurgisch untersucht. Sowohl der Aufbau dieses Leuchters – insbesondere die Verwen-
dung zweier Statuetten: eine Muttergottes innerhalb der zentralen Kapelle und eine
Bischofsfigur darüber – als auch potentielle Verbindungen zum Rammelsberger Berg-
bau im Harz unterstützen diese Beurteilung einer Sonderstellung bedingt. Demge-
genüber ist von einem Tabernakelkronleuchter der Spätgotik in Waase/Ummanz (In-
sel Rügen), der in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wurde, „nicht bekannt“,
dass dessen Marien-Statuette erneuert wurde – im Gegensatz zum Beispiel in Goslar.
Dort heißt es, dass die seit 1819 fehlende Zentralfigur im Jahre 1871 ergänzt wurde.

Als ein in jüngere Zeit datiertes Exemplar, wo eine Zentral- und eine Bekrönungsfi-
gur einen Kronleuchter zieren, wäre der sogenannte Karls-Leuchter (vor/um 1628)
aus und in Aachen zu nennen.50 Anstelle einer Muttergottes im Zentrum des Kron-
leuchters erscheint hier ein geharnischter Krieger in Rennzeug. Die Statuette des
Salvator mundi bekrönt den Aufbau des Leuchters, wo in einem Kranz die Apostel
zwischen diesen beiden Figuren vermitteln. Hier ist die Bedeutung des Kronleuchters,
dessen Gewicht auf 500 Pfund und dessen Wert damals auf 350 Taler geschätzt wird,
aufschlussreich, da er ein Medium zur Bewältigung eines Interessenkonfliktes zwi-
schen Kaiser, Jesuiten und Protestanten hinsichtlich der Ansprüche an Grund und
Boden sowie dessen Bewirtschaftung darstellt. Eine Konfrontation, die auch für ältere
Kronleuchter auf einer anderen Ebene bestimmend erscheint.

Die Äußerung von Lüer und Creutz, „dass im 16. Jahrhundert im Norden Deutsch-
lands nichts Hervorragendes entstanden ist“51, ist angesichts des fehlenden Nachwei-

48
O. v. Falke, Das spätgotische Kunstgewerbe im 15. Jahrhundert, E. Eisen, Erz, Zinn, in: Illustrierte
Geschichte des Kunstgewerbes, 2 Bde., Hg. G. Lehnert, Berlin 1909, Bd. 1, S. 405 ff. – insbes.
S. 410 f.
49
H.-G. Griep, Ein Goslarer Kronleuchter in Münnerstadt, in: Harz-Zeitschrift, Jg. 13, Hg. K. W. San-
ders, Bad Harzburg 1961, S. 103–117 mit Bildtafeln, s. insbes. S. 106 (Ergänzung Zentralfigur) und
S. 110 ff. (Verhüttung und Aufbereitung der Erze). – Nach Angabe des Verfassers dieses Textbeitra-
ges handelt es sich dabei um eine Neufassung des gleichnamigen Aufsatzes von V. C. Habicht, Han-
nover.
50
R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing (Dinande-
ries) in Aachen und den Ländern zwischen Maas und Rhein von der Römerzeit bis zur Gegenwart (Mit
13 Abbildungen), Aachen 1909, S. 28, 128, 130 u. Taf. 8. – Zur Bedeutung des Nürnberger Mes-
singgusses, s. H. Stafski, Der künstlerische Messingguss, in: Nürnberg – Geschichte einer europäi-
schen Stadt, Hg. G. Pfeiffer, München 1971, S. 229–235.
51
H. Lüer/M. Creutz (1904), Bd. 1, S. 455. Diese Äußerung, die allen voran auf den Bronzeguss des
16. Jahrhunderts gemünzt ist, lässt eine Gegenüberstellung mit regionalen Erzeugnissen – wie zum
Beispiel in Mölln/Schleswig-Holstein, Ev. St. Nikolaikirche, Bronzetaufe (1509) von Peter Wulf, Lü-
beck oder in Plau/Mecklenburg, Ev. Stadtkirche, Bronzefünte (1570), Rotgießer Evert Wichtendahl aus
Plau zugeschrieben – vermissen. Siehe G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Ham-
Einleitung Seite 14

ses und der in dieser Kronleuchterstudie exemplarisch genannten Objekte aus Metall
in Norddeutschland vorerst nicht haltbar. In Hinsicht auf die so genannten schönen
Kleingeräte aus Messing wäre allerdings eine Präzisierung erforderlich. So wären
Wandleuchter unter diesem Gesichtspunkt zu untersuchen – unter anderen jene des
Hans Meißner aus Braunschweig in der Evangelischen Stephanikirche in Oster-
wiek/Sachsen-Anhalt von 1567 oder die des Dominicus Slodt in der Evangelischen
St. Marien-Kirchen in Barth/Mecklenburg-Vorpommern von 1588. Als weitere Bei-
spiele sind zu nennen: Stralsund, Evangelische St. Marien-Kirche, „Salvator mundi“,
1557; Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische St. Severi-Kirche, „Büttel“, 1572;
Buxtehude/Niedersachsen, Evangelische St. Petri-Kirche, „gekrönter, heraldischer
Doppel-Adler“, 1589 von Hans Bars; Barth, Evangelische St. Marien-Kirche, „Greif“
1589/1590 von Dominicus Slodt.52

Gleichwohl ließen sich bisher weder persönliche Daten noch die Wirkungskreise die-
ser Metallgießer ermitteln. Tatsächlich muten die vielfach stereotypen Bekrönungsfi-
guren etlicher anderer Schaftkronleuchter dieser Zeit zunächst wie unbedeutende
Serienprodukte an. Außer einer formalen Gruppenzugehörigkeit – die zu definieren
ist – sind sie häufig nur anhand geringfügiger Unterschiede in der Modellierung oder
der Weiterbearbeitung mittels Gravuren zu differenzieren. Und diese lassen in ihrer
teils minimalistischen, teils dominierenden Ausführung zunächst keinen größeren
kunsthandwerklichen Anspruch erkennen. Diesen sprechen Lüer und Creuz in ihrem
Hinweis auf den Anteil Nürnbergs an der Entstehung von Messingkronleuchtern des
17. Jahrhunderts in Reval und Rostock indirekt an.

Besondere Aspekte des Beleuchtungswesens werden 1905 von Benesch im Reallexi-


kon zur deutschen Kunstgeschichte publiziert53; im gleichen Jahr erscheint das
„Handbuch kirchlicher Kunstaltertümer“ von Bergner54. Auch von Falke konzentriert
seine Ausführungen zum spätgotischen Kunstgewerbe aus Metall in der „Illustrier-
te[n] Geschichte des Kunstgewerbes“ (1909) – und dort hinsichtlich der Kronleuchter
– auf Beispiele mit kultischer Verwendung. Er exemplifiziert diese am Kapellenkron-
leuchter in Goslar, anhand des Korbkronleuchters (1424) von Kolberg oder mit Hin-
weisen auf die Lichtkronen in Einbeck (Evangelische Kirche St. Alexandri, Radleuch-
ter, datiert 1429, Messing), Halberstadt (Dom, Radleuchter, vor 1516, Eisen, urspr.
vergoldet) und Münster (Dom, Radleuchter, wohl 1536, Bronze). Über die Arm- und

burg, Schleswig-Holstein (1994), S. 630. – Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzog-
tums Mecklenburg-Schwerin, IV. Band, 2. Aufl., Schwerin i. M. 1901. – G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg (1980), S. 274.
52
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt, Kunstdenkmäler, Der Bezirk
Magdeburg (1974), S. 323. – Mit Ausnahme einer Rechnung, Register vom 20. Juli 1602 im Archiv
der Ev. St. Marien-Kirche in Barth, s. Anhang 1–3 und als Mitsiegler einer im Stadtarchiv der Hanse-
stadt Stralsund bewahrten Urkunde von 1594 konnten bisher keine weiteren Angaben zur Person des
Dominicus Slodt ermittelt werden – auch nicht unter Berücksichtigung einer unterschiedlichen
Schreibweise des Namens, s. HSTA St. Marien 157, Urkunde.
53
H. E. Benesch, Das Beleuchtungswesen vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, in: RDK, Bd. 2,
Wiesbaden 1905.
54
H. Bergner, Handbuch der kirchlichen Kunstaltertümer in Deutschland, Leipzig 1905, S. 338 ff. –
Ders., Ausstattung, kirchliche, in: RGG I (1909), S. 811–813.
Einleitung Seite 15

später von anderer Seite als Schaftkronleuchter bezeichneten Gelbgussarbeiten ist


neben einer Kurzcharakteristik ihrer Morphologie – wie zum Beispiel jene der Kron-
leuchter in Seckau oder Herzogenbusch (1424) – kaum mehr als das auf Rathäuser
und Museen erweiterte Vorkommen von Kronleuchtern zu erfahren.55

R. A. Peltzer beschreibt 1909 die „Geschichte der Messingindustrie und der künstleri-
schen Arbeiten in Messing (Dinanderies) in Aachen und den Ländern zwischen Maas
und Rhein von den Römern bis zur Gegenwart“. Hier finden sich nützliche Angaben
zur Beschaffenheit der Werkstoffe mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass „Dinande-
ries“ den Werkstoff Messing und als Bearbeitungstechnik an sich keinen Messing-
guss, sondern Treibarbeiten bezeichnet. Darüber hinaus ist Wesentliches zur Bedeu-
tung dieses Werkstoffes für Wirtschaft und Politik zu erfahren. Etliche Quellentexte
im Anhang stützen Peltzers ausführliche Darstellung. Der Intention dieser Publikation
entsprechend ergänzt eine Auswahl abgebildeter Leuchter die an anderer Stelle ge-
nannten Beispiele.

Die Vergegenwärtigung der Themenstellung ist wichtig, um den folgenden Satz als
Grenze der Recherche und nicht als Grenze der Verbreitung von Metall-Kronleuchtern
zu verstehen: „Eine besondere Zierde der meisten Kirchen Westdeutschlands, Bel-
giens und der Niederlande bilden noch heute jene effektvollen messingnen Kron-
leuchter, welche im 15. Jahrhundert entstanden.“56 Denn die – siebzehn Seiten wei-
ter in Kapitel VI des Werkes dargestellten – Zusammenhänge zwischen der Auswan-
derung protestantischer Kupfermeister und den Auswirkungen der Gegenreformation
am Beispiel des Niedergangs der Aachener und des Aufblühens der Stolberger Mes-
singindustrie finden auch später in Stralsund eine gewisse Entsprechung.

So kann im Rahmen der hier vorliegenden Studie ein bisher unveröffentlichtes Proto-
koll des Jahres 1720 vorgestellt werden, das Auskunft über das Bestreben des Glo-
cken- und Rotgießers Jochim Nitzken aus Nürnberg gibt, Meister in Stralsund zu
werden. Im Zuge der Befragung durch Senat und Polizei der Hansestadt beschreibt
er die Stationen seiner 11-jährigen Wanderung zwischen Italien und Dänemark, und
es wird notiert: „... in Wien hatte er auch 6 Wochen gearbeitet, weil aber die Catholi-
sche Religion floriret, hätte er nicht länger sich da auffhalten wollen von da wärr er
nach Breslau gereiset ...“57

Diese Korrelation zwischen religionspolitischen und sozioökonomischen Aspekten er-


scheint nicht allein bedeutsam für das Metallgewerbe an sich, sondern auch für die
Entstehung und Verbreitung bestimmter Figurentypen auf Schaftkronleuchtern aus
Metall.

55
J. v. Falke (1888), S. 142 f. – R. A. Peltzer (1909), S. 130. – Radleuchter, s. G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, München 1992, S. 430. – Ders., Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler Sachsen-Anhalt, Bd. I, Der Bezirk Magdeburg, Unveränderter Nachdruck
des Bandes „Der Bezirk Magdeburg“ München/Berlin 1974, S. 145. – Ders.: Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler Westfalen, Unveränderte Neuaufl. und Nachdruck, München 1986, S. 363.
56
R. A. Peltzer (1909), S. 127.
57
HSTA Rep. 16, 263.
Einleitung Seite 16

Nach der Zerstörung Dinants als bedeutender Stätte der Messingverarbeitung und
der Abwanderung von Metallgießern – zunächst nach Stolberg/Aachen – weist Peltzer
insbesondere Nürnberg den entscheidenden Anteil an der Metallveredlung anhand
technischer Neuerungen wie zum Beispiel dem Metallbrennen zu. Da es aber im Be-
reich der Alchemie niemanden gab, der nicht auf die Geheimhaltung profitabler Ent-
deckungen bedacht war, die in der bildenden Kunst nachweislich die Arcanisten in
der Porzellanherstellung kennzeichnet, beanspruchen neben der genannten auch an-
dere Stätten der Metallverarbeitung für sich, besonderen Anteil an diesen oder ver-
gleichbaren Innovationen zu haben – wie zum Beispiel der Rammelsberger Bergbau
im Harz. Dort heißt es, dass zur Messingerzeugung der Zusatz von pulverisiertem
Galmei, das mit feiner Holzkohle vermengt und mit Kupfer verschmolzen wird, eine
besondere Hitzeentwicklung mit sich bringt. Und diese wiederum erlaubt, dass die
verschiedenen Schmelzpunkte von Galmei und Kupfer erreicht werden, um Messing
zu erzeugen.58

Erklärungen dafür bieten nicht zuletzt die Abgrenzung zu den Mansfelder Erzen, die
als hochwertiger eingestuft werden, die Tradition des Rammelsberger Bergbaus und
die Nähe zu den mittelalterlichen Zentren des Bronzegusses, Hildesheim und Magde-
burg.59

In Nürnberg hat der Bronzeguss mit der Erzgießerfamilie Vischer von 1453 an hun-
dert Jahre lang Tradition, ist weit über Deutschland hinaus führend und beinflusst die
Rotgießer vor Ort. Vereinzelt werden an anderer Stelle einige ihrer Namen – wie zum
Beispiel Hans von Cöln/Köln zu Nürnberg (Lüneburg, Evangelische St. Johannes-
Kirche, Kronleuchter, Messing, 1515; Salzwedel, Evangelischen Marien-Kirche, Bron-
zetaufe, 1520) oder Johann Müller aus Nürnberg – mit Norddeutschland in Verbin-
dung gebracht. Der Name dieses Kupfermeisters des 17. Jahrhunderts ist inschriftlich
auf einem Kronleuchter der Evangelischen Kirche in Klüss/Mecklenburg-Vorpommern
(möglicherweise mit Aufenthaltsort Kiel/Schleswig-Holstein) überliefert Im Anschluss
an Schlie erwähnen Lüer und Creutz die Kronleuchter der Evangelischen St. Jacobi-
Kirche in Rostock (1602 und 1603) sowie darüber hinaus fünf Kronleuchter der Evan-
gelische St. Nikolai-Kirche in Reval als nachweisbare Nürnberger Arbeiten – ohne je-
doch diesen Nachweis zu erbringen. Forschungsbedarf besteht in diesem Zusam-
menhang ferner in Bezug auf die vage Zuordnung eines Schaftkronleuchters (Stif-
tung des Jahres 1704) nach Deutschland oder Holland. Unter den im Jahre 1915 ver-
öffentlichten Merkzeichen der Nürnberger Rotschmiede zu den Signaturen der Mes-
singgusswaren des 16. bis 19. Jahrhunderts beziehen sich etliche auf Leuchtenma-

58
H.-G. Griep (1956), S. 111. – In der französischen Staatsgießerei wird mit dessen Leiter, einem
gewissen Keller aus Zürich (1683–1702), die Erfindung einer neuen Legierung aus Kupfer und Zink
mit einem geringen Zinn- und Bleigehalt in Verbindung gebracht, s. O. v. Falke (1935/1989), S. 107.
59
U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters (1981). – H. Asmus, 1200 Jahre Magdeburg, Bd. 1, Die
Jahre 805 bis 1631, in: H. Asmus/M. Wille, 1200 Jahre Magdeburg, Von der Kaiserpfalz zur Landes-
hauptstadt, 2 Bde., Magdeburg 2000, S. 186 ff.
Einleitung Seite 17

cher, die dort verzeichnet sind. Die zuvor genannten Namen sind dort nicht vertre-
ten.60

Sehr aufschlussreich ist die Arbeit des Jahres 1922 von Hüseler zum Amt der Ham-
burger Rotgießer insofern, als hier das Kunsthandwerk in Hamburg des 16. bis 18.
Jahrhunderts Gegenstand der Betrachtung ist. Es wird – wie schon 1767 in Sprengels
Werk „Handwerke und Künste“61 – auf Grund handwerklicher Techniken, das heißt
anhand der zum Guss verwandten Form, zwischen Rot- und Gelbgießern unterschie-
den. Danach weist das Arbeiten in einer Lehmform, die kräftiger, aber stets für jeden
Guss neu anzufertigen ist, den Rotgießer als Kunsthandwerker aus. Hüseler kommt
zu der Auffassung, dass Rotgießer daher auf Bestellung und selten für den direkten
Marktverkauf gearbeitet haben. Letzteres aber war den Gelbgießern möglich. Auf
diese Weise untermauert Hüseler die Einschätzungen Brinckmanns zum Stellenwert
dieser Metallgießer in Hamburg. Er stellt fest, dass das Amt der Rotgießer schon lan-
ge vor 1573 Anschluss an vergleichbare Einrichtungen der slawischen Städte und
innerhalb des Niedersächsischen Reichskreises die Rolle einer höheren Instanz inner-
halb des Metallgewerbes inne hat.62 Indem aus Urkunden und Akten die Geschichte
des Amtes der Rotgießer dargestellt wird, bietet sich eine gute Grundlage, die Ent-
stehung des Amtes der Gelbgießer während des 17. Jahrhunderts in Norddeutschland
nachzuvollziehen und für weitere Studien anhand der chronologisch und alphabetisch
gegliederten Matrikel der Metallgießer. Doch ihre Viten sind weitestgehend uner-
forscht.

60
Geschichte der technischen Künste, Bd. 3, Hg. B. Bucher, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1893, S. 93. – Die
Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. III, 2. Aufl.,
Schwerin 1900, S. 219 f.: „Kronleuchter von Messing mit dem Doppeladler bekrönt. An der Krone
dasselbe Wappen mit der Jahreszahl 1658 wie an den Leuchtern, dazu die Inschrift: CHRISTOF NA-
SAV RITMEISTER / JOHAN MVLLER VON NIRNBERG HAT (lt. Inventar von 1811 DIESE KRONE IN
KIEL GEMACHT). Der Schluss fehlt jetzt, dafür liest man: DIESE KRONE IST VON F. PAEPKE IN GRA-
BOW REPARIRT 1823.“ – Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-
Schwerin, Bd. I., 2. verb. u. verm. Aufl., Schwerin 1898, S. 98. – Ebd., S. 127, weist F. Schlie im
Zusammenhang mit den Kronleuchtern der Ev. St. Petri-Kirche in Rostock auf eine Verschlimmbesse-
rung von Messingkronleuchtern durch Vergoldung hin und erwähnt hier die evangelischen Kirchen St.
Jacobi, St. Marien und St. Nikolai zu Rostock. – H. Lüer/M. Creutz (1904), S. 494. – Die Datierungen
der in der Nikolaikirche in Reval erhaltenen Kronleuchter: 1615, 1645, 1648, 1651, 1692. – Dan-
marks Kirker. Sonderjylland. Kunsthistorisk Oversigt og Registre, Kopenhagen o.J., S. 316. – R.
Vollbrecht, Die zwei großen Kronleuchter der Bozener Pfarrkirche, in: Der Schlern 20, 1946 (7), S.
220 f.:“ Der eine dieser Kronleuchter ist signiert von Sebastian Denner, Nürnberg 1675.“ – R. Schel-
ler, Die Brauerkrone der Marienkirche zu Köslin, in: Pommern 23, 1985 (2), S. 2906. Ein Messing-
kronleuchter, der inzwischen verloren gilt, wird nach Nürnberg lokalisiert, um 1606. – W. Stengel,
Die Merkzeichen der Nürnberger Rotschmiede, in: Festschrift für Gustav von Bezold zu seinem 70.
Geburtstag (17. Juli 1918), Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg 1918.
S. 107–155. – E. Egg, Nürnberger Messingwaren in Tirol, in: Anzeiger des Germanischen National-
museums Nürnberg (1965), S. 52–59.
61
P. N. Sprengel, Handwerke und Künste in Tabellen, Berlin 1769-1778, Ausst.-Kat. München 1989,
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Hg. Bayerisches Nationalmuseum München (Bildführer
15).
62
K. Hüseler, Das Amt der Hamburger Rotgießer, Hamburg 1922, S. 16 f. – S. Erixon, Mässing, 1943,
S. 19.
Einleitung Seite 18

Weitere Namen von Metallgießern und insbesondere die der Gelbgießer in Lübeck
sind in der Sammlung Ed. Hach enthalten.63 Diese ist an sich den ungedruckten
Quellen zuzuordnen, erhält aber an dieser Stelle eine weitere Bedeutung angesichts
der Studien von Hüseler zum Amt der Rotgießer und zur Differenzierung von Gelb-
gießern in Hamburg sowie von Philippsen zu Schleswiger Zinn- und Rotgießern64, wo
für die Stadt an der Schlei die Herausbildung des Kronengießers als Spezialberuf
festgestellt wird.65

Mit der Darstellung „Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der
Auffassung des Mittelalters“66 aus dem Jahre 1924 thematisiert Sauer aus theologi-
scher Sicht den Begriff „Symbolik“ in seiner Entwicklung – unter anderem anhand
der Schriften des Wilhelm Durandus (gest. 1332) und des Sicardus von Cremona
(1158-1215). Die in Anlehnung an das Alte Testament geschilderte christozentrische
Lichtsymbolik ist unstrittig. Sie wird allerdings als ursprünglicher Entstehungsgrund
der Kronleuchter hinterfragt. Sauer schließt angesichts der Formenvielfalt von Kron-
leuchtern eine Mehrdeutigkeit nicht aus, doch steht dieser eine Trennung zwischen
einer Ikonographie tragender Elemente, das heißt Kugel, Schaft, Leuchterarmen und
Aufhängung, und morphologisch untergeordneter, das heißt scheinbar bedeutungslo-
ser Zierelemente gegenüber. Licht bewirkt eine verbesserte Wahrnehmung und kann
als Beleuchtung auch der Erleuchtung dienlich sein.

1927 erscheint eine Beleuchtungskörper-Stilkunde von Schmid.67

Aus schwedischer Perspektive weist im Jahre 1943 Erixon in seinem Buch „Mässing.
Svenska Manufakturer och Konsthantverksprodukter under 400 år.“ auf die fehlende
Erforschung der in Deutschland vorhandenen und/oder gefertigten Messingerzeug-
nisse – insbesondere Kronleuchter – hin.68 Und er betont ausdrücklich die Relevanz
des Quellenstudiums und größer angelegter Untersuchungen zu diesem Stoffgebiet,
um die stilkritischen Studien zu Messingkronleuchtern und die daran zum Teil sich
abzeichnende Zusammenarbeit zwischen Schweden und Deutschland, insbesondere
mit Aachen und Lübeck, in Hamburg zusätzlich aufzeigen und belegen zu können.
Denn, so stellt Erixon fest, es sei auf dem Festland bisher – das heißt bis zur Veröf-
fentlichung des Buches im Jahre 1943 – nicht gelungen, Messingerzeugnisse be-
stimmten Werkstätten zuzuordnen oder eine Hauptproduktionsstätte zu lokalisieren,
gleichwohl Aachen und Nürnberg seit 1466 als Synonym für Dinant zu stehen schei-

63
St.A. HL, Slg. Ed. Hach 98, Handwerker. Hier liegt ein Verzeichnis von Gelbgießermeistern in Lübeck
der Jahre 1647–1833 vor. Die Auflistung ist mit Zeitabständen von einem bis fünf Jahren nicht lü-
ckenlos. Die Jahre 1674, 1686, 1752 und 1759 sind mit jeweils einem Namen für Frühjahr und
Herbst doppelt aufgeführt; der größte Intervall besteht zwischen 1791 und 1814.
64
H. Philippsen, Schleswiger Zinn- und Rotgießer, in: Nordelbingen 4 (1935), S. 626–635.
65
Ebd., S. 632.
66
J. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters,
Mit Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis, Sicardus und Durandus, 2. verm. Aufl., Frei-
burg/Br. 1924. – Vgl. J. Brinckmann, Hamburg 1894, S. 761.
67
G. Schmid, a.a.O.
68
S. Erixon, Mässing. Svenska Manufakturer och Kosthantverksprodukter under 400 ar, Stock-
holm/Malmö 1943, S. 187, 19, 32.
Einleitung Seite 19

nen und für Lübeck der Nachweis fehlt. Erixon schlägt daher eine systematische Un-
tersuchung der so genannten Kirchenkronleuchter vor.

Obschon Braun in „Das christliche Altargerät“ unter „vasa non sacra“ im zweiten Ab-
schnitt gemäß der Kapitelüberschrift von Leuchtern ausschließlich Altarleuchter – und
damit zusammenhängend Akolythenleuchter – abhandelt, sind mit seinen Ausfüh-
rungen auch Anhaltspunkte für das Verständnis von figürlichen Motiven resp. Bekrö-
nungen auf Schaftkronleuchtern gesetzt.69

Nur wenigen figürlichen und ornamentalen Elementen an (Stand-)Leuchtern spricht


Braun Symbolcharakter zu. Stattdessen sieht er die Gestaltung dieser Geräte über-
wiegend in der Schmuckfreude der jeweiligen Epoche begründet. Als zusätzliche Er-
klärung dienen ihm die sich häufig wiederholenden Motive mittelalterlicher Bauplas-
tik. Hier wie dort schließt er Ansätze einer Interpretation des Dargestellten als Kampf
zwischen „Gut und Böse“ weitgehend aus, da dies nicht Intention des Objekts, viel-
mehr des Betrachters sei.

Eine Häufung bestimmter Formen, Figuren und Motive ist auch an einem Großteil früh-
neuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Messing zu finden – in Norddeutschland ebenso
wie im benachbarten Ausland. Obschon in diesem Motivschatz mehrerer hundert
Kronleuchter sowohl segnende als auch kriegerische Statuetten vorkommen, sind
darunter nur wenige Motive als Inbegriff dieses Schwarz-Weiß-Denkens bekannt –
z. B. Stade, Evangelische St. Cosmae et Damiani-Kirche, Kronleuchter „Erzengel Mi-
chael“, 1660 und Stadthagen, Evangelische Kirche, Kronleuchter „Heiliger Georg“,
wohl Ende 16. Jahrhundert. Dort ist der Kampf zwischen Gut und Böse narrativ – in
der Überwältigung des Lindwurms – als Figurengruppe dargestellt. Ob in diesem Sin-
ne die auf frühneuzeitlichen Schaftkronleuchtern stärker repräsentierten Soldaten
unter dem Aspekt der Tugend im eigentlichen Sinne und im Kontext der Unterschei-
dung zwischen Gut und Böse ebenso zu betrachten sind?

Mit stilkundlichen Aufsätzen über Beleuchtungsgeräte hat Jarmuth seit 1953 zur Auf-
nahme kunstgeschichtlicher Themen in die Zeitschrift „Lichttechnik“ beigetragen.70
Spannend, aber in Deutschland offensichtlich nur kurze Zeit im öffentlichen Bewusst-
sein ist seine Darstellung zur Bergung jener Winkelarmkronleuchter, die Ende des

69
J. Braun, Das christliche Altargerät, München 1950, S. 492 ff. – Vgl. P. Bloch, Siebenarmige Leuchter
in christlichen Kirchen, in: Wallraf-Richartz-JB. 23/1961, S. 55-190. – Zur Darstellung hl. Georg auf
Kronleuchtern, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen
(1992), S. 1232: Kronleuchter, wohl Ende des 16. Jahrhunderts und ebd., S. 1222: Kronleuchter
„hl. Michael“, um 1660, Vgl.: Danmarks Kirker, Arhus Amt, 3. Bd., Kopenhagen 1976. S. 1177 f und
1180 mit Abb.: spätgotischer Tabernakelkronleuchter mit Zentralfigur „St. Jürgen“ und Vogel als
Topfigur. – Die Kunst- und Kulturdenkmäler der Provinz Pommern, Kreis Kammin (Land), Stettin
1939, S. 139 und 170 mit Abb. 1061: Kronleuchter „Hl. Georg“, Ende 17. Jahrhundert; gilt als Stif-
tung von 1704 des Kupferschmieds.
70
K. Jarmuth, Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik. 21. Jg., H. 1. Berlin 1969, S. 72–
74. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik, 22. Jg., H. 5, Berlin 1970, S. 250
f. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttechnik, 23. Jg., H. 10, Berlin 1971,
S. 342. – Bemühungen, respektive Schreiben hinsichtlich einer Kontaktaufnahme (1999/2000) zum
Museum in Zadar, das lt. Jarmuth die Bergung des Schiffswracks und der Kollis mit 350 Einzelteilen
von Leuchtern leitete sowie Recherchen zu diesbezüglichen Dokumentationen von Sofija Petricioli,
Zadar blieben ohne Resonanz.
Einleitung Seite 20

16. Jahrhunderts bei einer Havarie im Adriatischen Meer versunken waren. Jarmuth
ordnet diese Leuchter mit heraldischem Doppel-Adler als Bekrönung und Löwen-
kopfmaske als Unterhang aufgrund des Kronleuchtertyps lübischer Provenienz zu.
Ferner weist er auf die Handelsbeziehungen und damit auf die Bedeutung Lübecks
hin. Zugleich gibt er zu bedenken, dass die tatsächliche Produktion bestimmter Kron-
leuchtertypen in Lübeck noch zu erforschen sei.

In Anbetracht des Titels sei hier die Diplomarbeit „Kerzenkrone der Renaissance und
des Barock im Ostseegebiet“ von Spielmann erwähnt. Diese auf die Küstenregion
Norddeutschlands konzentrierte Zusammenfassung von exemplarisch ausgewählten
Kronleuchtern war seinerzeit neu71, wird später aber nicht wieder aufgegriffen. Sie
greift auf die bis 1956 erschienenen amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunst-
denkmäler und auf entsprechende Fachpublikationen zurück und zeichnet die darin
zum Teil aufgestellte Typologie der Kronleuchter nach. Verhandelt werden im We-
sentlichen die aus Messing gegossenen Kronleuchter der Hansestädte in Mecklen-
burg-Vorpommern, der Hansestadt Lübeck und einzelner anderer Orte Norddeutsch-
lands. Erstmalig nach Stengel wird das Vorkommen von Landsknechtkronleuchtern
des 16. Jahrhunderts gewürdigt. Ein Exemplar im Schabbelhaus zu Lübeck ist als
Replikat erwähnt, mögliche Vorbilder werden nach Nürnberg lokalisiert.72 Die unter-
schiedlichen Gruppen von Landsknechtkronleuchtern, die einen Teil der vorliegenden
Kronleuchterstudie bilden, und Kriterien ihrer Verbreitung sind bei Spielmann kein
Gegenstand der Betrachtung.

Meyer fördert aufgrund seiner Forschungen zu mittelalterlichen Bronzen das Interes-


se und Bewusstsein für Kunsthandwerk und -gewerbe aus unedlem Metall. Im Zu-
sammenhang mit Beleuchtungsgeräten sind unter den Kronleuchtern die spätgoti-
schen, christlich deutbaren Exemplare Gegenstand der Betrachtung. Meyer nimmt
schon für gotische Messingkronleuchter eine serielle Produktion und angesichts des
weiträumigen Vertriebs keine individuelle Beziehung der Kronleuchterfiguren zum
jeweiligen Zielort an. Andererseits thematisiert er die Frage nach Abhängigkeit und
Beeinflussung zwischen Marianum und Muttergottesleuchter einerseits und den
Schaftkronleuchtern der Spätgotik (Höhe zwischen 70 u. 110 cm) andererseits.73

Lutze interpretiert die in der Regel als Doppelfigur gestaltete zentrale Statuette der
in gotischer Zeit verbreiteten Marienleuchter als Kombination von anschaubarer
Kunst mit kultischen Handlungen. Etwa dreißig Jahre später greift Hilger die Frage
nach dem Ursprung der Schaftkronleuchter in seinem Aufsatz zum Marienleuchter
(Höhe 403 cm, Auftragsarbeit von 1508) der St. Nikolai-Kirche in Kalkar auf und be-
kräftigt den diesbezüglich bestehenden Forschungsbedarf. Restaurierungsmaßnah-

71
H. Spielmann, Die Kerzenkrone der Renaissance und des Barock im Ostseegebiet, Dipl. Greifswald
1956.
72
W. Stengel, Nürnberger Messinggerät, in: Kunst und Handwerk, 21. Jg., H. 5–7, o.O. 1918.
73
E. Meyer, Mittelalterliche Bronzen, Bilderhefte des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, H. III,
Nr. 38, Hamburg 1960. – Ders., Der gotische Kronleuchter in Stans, Ein Beitrag zur Geschichte der
Dinanderie, Festschrift Hans R. Hahnloser zum 60. Geburtstag 1959, Hg. E. Beer. Basel/Stuttgart
1961. – Vgl. Ausst.-Kat. München 1989, Bayerisches Nationalmuseum, Modell und Ausführung in der
Metallkunst, S. 7-34.
Einleitung Seite 21

men hatten dort zu neuen Erkenntnissen und zur differenzierten Datierung des
Leuchters geführt.74

Innerhalb dieser drei Jahrzehnte entstanden unterschiedliche Studien zu Kronleuch-


tern. Daran werden die Komplexität des Themas und das unveränderte Interesse
deutlich, Kronleuchter als kulturgeschichtliches Phänomen zu ergründen, die Urhe-
berschaft bestimmter Kronleuchtertypen zu ermitteln und weitere Hintergründe ihrer
Verteilung einschließlich regionaler und stilistischer Einflüsse zu erhellen.

1961 findet in Gent unter dem Titel „Art du cuivre“ eine Ausstellung im Musée de la
Byloke statt, die Kunsthandwerk aus unedlem Metall gewidmet ist. Hier werden
Korb- und Tabernakelkronleuchter, das heißt Hängeleuchter mit einer Zentralfigur,
als reicher gestaltet beschrieben denn andere Leuchter, ohne dass letztere detailliert
vorgestellt werden.75

Anders als bei bisherigen Darstellungen gilt im Rahmen einer weiteren Präsentation
mit begleitendem Katalog nicht dem Kronleuchter an sich die Aufmerksamkeit, son-
dern einem potentiellen Motiv desselben: „Die Wilden Leute des Mittelalters“76 zeich-
nen in ihren vielfältigen Verwendungszusammenhängen im Museum für Kunst und
Gewerbe in Hamburg im Jahre 1963 ein Gegenbild des Gartens in der Kunst anläss-
lich der Internationalen Gartenbau-Ausstellung.

Möller bezeichnet die dabei vorgestellten Gelbgussfigürchen als Dinanderien. Dabei


lassen die Texte des Ausstellungskatalogs nicht erkennen, worauf die Bezeichnung
„Dinanderie“ im Einzelnen bezogen ist. Sowohl die Exponate als auch die magazinier-
ten Exemplare dieses Hauses, die im Ausstellungskatalog abgebildet sind, weisen
Qualitätsunterschiede auf. In der Regel vermittelt das Stichwort „Dinanderie“ nicht
nur einen Anknüpfungspunkt zum einstigen Zentrum der Messingverarbeitung, son-
dern auch technische und qualitative Ansprüche. Darauf weist Peltzer 1909 in seinen
Ausführungen zur Geschichte der Messingindustrie hin; und dies lassen ebenso die
Texte von Bouchard oder Weihrauch zu den Stichworten „Dinanderie“ bzw. „Ad-
ler/Doppel-Adler“ im „Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte“ erkennen. Der
heraldische Doppel-Adler kommt zwar häufig in Verbindung mit Gelbgusserzeugnis-
sen vor, doch wäre zu überprüfen, ob dieses Motiv nicht mehr ist als eine technisch
einfache Form und Sympathieträger für Kaiser Karl V.77

Für das Motiv „Wilde Leute“ gibt es verschiedene Interpretationsansätze. Es kann


heraldische Funktionen übernehmen, Sinnbild für Freiheit oder Fruchtbarkeitssymbol

74
E. Lutze, Veit Stoß, o.O. 1968. – H. P. Hilger, Stadtpfarrkirche S(ank)t Nicolai in Kalkar, Kleve 1990,
S. 293.
75
Art du cuivre, Ausst.-Kat. Musee de la Byloke Gent, 1961, S. 51.
76
L. Möller, Die wilden Leute des Mittelalters, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
1961, S. 8–12. – Vgl. W. Bernheimer, Wild men in the Middle Ages, 1952. – T. Husband, The Wild
Men, Medieval Myth and Symbolism, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of Art New York (1980).
77
P. E. Bouchard, La dinanderie d’art, in: RDK, Bd. 4, Brüssel 1952. – H. R. Weihrauch, Bronze, Bron-
zeguss, Bronzeplastik, in: RDK, Bd. 2, Stuttgart 1948, Sp. 1182–1216. – Ders., Die Bildwerke in
Bronze und in anderen Metallen, Mus.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum, Bd. XIII 5, München 1956.
– Ders., Europäische Bronzestatuetten, 15.–18. Jahrhundert, Braunschweig 1967. – Vgl. Lichter,
Leuchten im Abendland, Zweitausend Jahre Beleuchtungskörper, Braunschweig (1967), S. 172
Einleitung Seite 22

sein. Häufig werden literarische Inspirationen angenommen. Zur Darstellung „Wilder


Mann“ als Kronleuchterfigur fehlen in der Regel Informationen und Untersuchungen,
so dass einige dieser Statuetten zwar als Detail eines Leuchters erkannt, nicht aber
weiter eingeordnet werden.78 Im Zuge ihrer systematischen Untersuchung fällt auf,
dass einige dieser Figuren deutliche Qualitätsunterschiede erkennen lassen. Dies ist
auch bei anderen Figurentypen auf Schaftkronleuchtern feststellbar.79

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschienen etliche Studien zu Beleuch-
tungsgeräten. Sie betreffen die Kulturgeschichte von Lampen, Leuchten und Later-
nen im allgemeinen oder sind topographisch zum Beispiel auf Italien (14. bis
18. Jahrhundert) oder Großbritannien (1550–1990) begrenzt. Teilweise wird nach
ihrer profanen Zweckbestimmung unterschieden.80

Im Jahre 1967 veröffentlichte Jarmuth eine umfassende Kulturgeschichte der Be-


leuchtungskörper.81 Er gliedert die Studie nach Epochen und scheint auch sonst am
Werk Erixons orientiert. Beide Darstellungen basieren nicht auf Archivstudien. Wäh-
rend sich die Untersuchungen von Peltzer im Jahre 190982 anhand nur weniger Bei-
spiele von Kronleuchtern auf die Geschichte des Bergbaus, der Messingerzeugung
und -verarbeitung sowie auf materialtechnische Entwicklungen konzentrieren, steht
bei Jarmuth die Frage nach der Formgebung und nach der geistigen Urheberschaft,
d.h. Entwicklung und Gestaltung sowie Stileinflüsse der Kronleuchter im Vorder-
grund. Es besteht Forschungsbedarf hinsichtlich des Winkelarmkronleuchters, der
seit der Renaissance Verbreitung fand. Jarmuth bringt diesen Hängeleuchter mit der
Hansestadt Lübeck in Verbindung. Unter Berücksichtigung weiterer Beispiele aus Eu-
ropa liegt für ihn der Anspruch an die Gestaltung der Kronleuchter außerhalb des
allgemeinen Handwerks. Er hebt in diesem Sinne – gerade auch gegenüber üppigen
Kronleuchtern in Italien und Süddeutschland – die Winkelarmkrone als eine für die
Hansestadt Lübeck charakteristische Leuchterform hervor. Jarmuths Deutung der
Topfiguren „heraldischer Doppel-Adler“, „Engel“ sowie die formale Zuordnung des
„Jupiter“ regt eine eingehendere Betrachtung des ikonographischen Programms und
der Inschriften auf Schaftkronleuchtern an. Spätgotische Schaftkronleuchter, die
Jarmuth angesichts der schablonenhaften Leuchterarme zur Volkskunst und Lebens-

78
L. Möller (1963), S. 6 ff. – Vgl. K. Jarmuth, 1967, S. 172.
79
Ebd., S. 6 f. und Kat.-Nr. 13, S. 11, Kat.-Nr. 22 und 23 (Am 27.11.2002 nach Vereinbarung mit
Herrn Dr. B. Heitmann, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, besichtigt.) – Vgl. Abb. 12 der
vorliegenden Studie.
80
K. Slyterman, Huisrad en Binnerhuis in Nederland, o.O. 1918, Fig. 231. M. Krüger, Sakrale und pro-
fane Beleuchtungskörper in neuen Formen, Begleitheft zur Ausstellung im Thaulow-Museum (1926).
– G. Janneau, Le luminaire de l’antiquité au XIXe siècle (1934). – G. Mariache, Illuminazione in Italia
del quattrocento all’ottocento, Mailand 1965. – Lampen, Leuchter, Laternen. Frankfurt/M. 1975. – H.
P. Lockner, Licht für Kirche und Haus, Mitteleuropäische Bronzeleuchter des 16. Jahrhunderts, in:
Kunst und Antiquitäten, H. 2 u. H. 5 (1977), H. 1 (1978), H. 5 (1979). – Lichter/Leuchter, Festschrift
zum 75jährigen Geschäftsjubiläum Trilux-Lenze, Arnsberg 1987. – J. Bourne/V. Brett, The art of
lighting in the domestic interior 1550–1990, London 1991, S. 30, Nr. 78.
81
K. Jarmuth, 1967.
82
R. A. Peltzer, 1909.
Einleitung Seite 23

baum-Symbolik in Beziehung setzt, können im Rahmen dieser Studie nicht näher


verhandelt werden.83

Zum Motiv „Wilder Mann“ in verschiedenen Verwendungszusammenhängen und da-


mit auch zum Figurenschmuck historischer Schaftkronleuchter aus Metall gibt im
Jahre 1980 die Ausstellung „Mythos und Symbolik im Mittelalter“ neue Anregungen.
In Anlehnung an die Forschungen des Kulturhistorikers Johan Huizinga (1872–1945)
und im Sinne einer religiösen Interpretation aller Lebensbereiche ergibt sich daraus
eine Wahrnehmung des Mythos „Wilder Mann“ als ein Phänomen, das kaum besser
die Verflechtung religiösen und säkularen Denkens demonstrieren kann.84

Ende schließlich konstatiert im Jahre 1984: „Zum Besitz vieler Kirchen gehören Ker-
zenkronen, die fast immer als Stiftung vermögender Bürger in die Gotteshäuser ge-
langten. (...) Die Kerzenkronen scheinen nur in Ausnahmefällen in direktem Auftrag
entstanden zu sein, wahrscheinlich wählten die Interessenten aus bereits vorhande-
nen Stücken in den Werkstätten aus, nur so ist die geringe Anzahl von Kronen mit
eindeutig religiös motivierten Darstellungen zu erklären.“ Und er erwähnt beiläufig,
dass außer dem „deutschen Reichsadler ... auch seltenere Motive wie Engel, Hand-
werker, Pelikan oder Gottvater anzutreffen“85 sind.

Indem innerhalb der oben vorgestellten Forschungen der Einfluss der Städte Aachen,
Hamburg, Lübeck und Nürnberg – neben dem anderer Länder – auf die Entstehung
gegossener Metallkronleuchter der Neuzeit an einzelnen Objekten exemplifiziert wird,
ergeben sich neue Forschungsaufgaben. Das heißt, die Personennamen von Kupfer-
meistern und Gelbgießern in Norddeutschland wären mit systematisch untersuchten
Gruppen von Kronleuchtern dort – wie zum Beispiel zunftgebundener Wanderjahre
im Metallgewerbe – und weiteren Kriterien in Beziehung zu setzen, um das beste-
hende Interesse an Werkstattzuschreibungen aufzugreifen und fruchtbar zu machen
– wie es Jarmuth an Objekten in Lübeck exemplifiziert.86

Etwa zeitgleich mit den zuvor genannten kulturgeschichtlichen Darstellungen zu


Kronleuchtern – häufig exemplifiziert an herausragenden Objekten offenkundiger
Qualität in Europa – erschienen seit dem 19. Jahrhundert auch einige regionale Un-
tersuchungen oder kleinere Arbeiten zu einzelnen Kron- und Geweihleuchtern. An-
hand dieser Beiträge werden Verbindungen zwischen ausgewählten Objekten, Künst-

83
K. Jarmuth, Lichter, Leuchter im Abendland, 1967, S. 226 u. 229. Die im Zusammenhang mit
Schaftkronleuchtern aus Messing des 17. Jahrhunderts in Norddeutschland getroffene Feststellung,
dass Engel als religiöses Motiv selten auf Kronleuchtern vorkommen, ist so nicht haltbar. Denn pro-
portional zum Gesamtbestand der Kronleuchter eines jeweiligen Bundeslandes im Norddeutschen
Tiefland sind die Gruppen der einzelnen Figurentypen annähernd gleich stark repräsentiert und wer-
den allein von der Anzahl der heraldischen Doppel-Adler übertroffen. Und zu dem dort exemplarisch
vorgestellten Kronleuchter (1665) aus Lübeck (Ev. St. Marien-Kirche, urspr. in Ev. St. Katharinen-
Kirche) wäre anzumerken, dass dessen Bekrönung angesichts des Palmzweiges eines Attributes ei-
nen Friedensengel darstellen könnte, doch die Armhaltung dieser Topfigur entspricht jener des Erz-
engels Michael als Seelenwäger. – Ebd., S. 289 ff.
84
The Wild Man, Medieval Myth and Symbolism, T. Husband. Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of Art
New York (1980).
85
H. Ende, Die Stadtkirchen in Mecklenburg. Berlin 1984, S. 45.
86
K. Jarmuth, 1967, S. 164, 170.
Einleitung Seite 24

lern und ihrer Provenienz ansatzweise fassbar. Teils werden so neue Erkenntnisse zu
lokalen Handelsbeziehungen herausgearbeitet, teils rücken aber auch berufliche und
familiäre Bindungen der Kunsthandwerker stärker ins Blickfeld. Doch geraten die für
weitere Forschungen zum Teil wertvollen Ergebnisse heimatkundlicher Studien ohne
einen thematisch größeren Kontext häufig allzu rasch wieder in Vergessenheit.

Schon 1831 spricht Seestern-Pauly im Zusammenhang mit der großen Kirchenkrone


in Bad Oldesloe von Renten aus Legaten, um die Beleuchtungskosten zu bestreiten.87
Dieser Aspekt wie auch die weiter unten erwähnten, sind für die Bedeutung von
Kronleuchtern nicht unerheblich. Sie fanden jedoch bisher kaum Beachtung.

Im Jahre 1881 werden in einem Beitrag über die kirchliche Kunst in Schleswig-
Holstein einige Kronleuchter – darunter exemplarisch zwei Kronleuchter (1667) aus
der Kirche zu Heide – vorgestellt. Die anschließende Würdigung: „Außer in Tondern
und Ratzeburg finden sich, soweit unsere Erfahrung reicht, nirgends hier zu Lande so
vorzügliche Kronleuchter.“, beschreibt zwar im Ansatz eine auf den Norden konzent-
rierte Sichtweise, zeichnet aber nicht erst nach heutigem Wissensstand ein unzuläng-
liches Bild tatsächlicher Quantitäten und Qualitäten in diesem Bereich.88 Schon im
Jahre 1886 erweitert T. Hach mit seinem Text über die kirchliche Kunstarchäologie
im Herzogtum Lauenburg die Kenntnis über Beleuchtungsgeräte beträchtlich.89

Zu einer anderen Wahrnehmung führen um 1903 Mitteilungen in der schleswig-


holsteinischen Zeitschrift „Die Heimat“. Die Entstehung des dort beschriebenen Kron-
leuchters (1592) aus Schmiedeeisen weist über seinen praktischen Nutzen für die
Evangelische Kirche zu Heiligenhafen hinaus. Diesem Hängeleuchter, dessen Entste-
hung ursächlich auf einem Strafverdikt und der allgemeinen Erfüllung von Abgaben
gründet, stehen andere, unterschiedlich motivierte Stiftungen von Schaftkronleuch-
tern aus Messing gegenüber. Soweit erkennbar künden sowohl die Inschriften dieser
Messingleuchter als auch ggf. Aktenvermerke davon, dass es sich um freiwillige Ga-
ben handelt. Dieser Aspekt könnte sowohl im regionalen als auch im überregionalen
Vergleich eine andere Bedeutung – sowohl hinsichtlich des Stiftungswesens als auch
an möglicher Aussagekraft für Kronleuchter insgesamt erlangen.90 Weitaus häufiger
ist der Unterhalt eines Kronleuchters mittels Zinsen oder bestimmter Mengen Wachs
inschriftlich, zuweilen aktenkundlich festgelegt. Aber unter der Perspektive „Wachs-
abgaben, Wachsmengen, Wachs-Zieher“, die in der Regel eng mit Fragen der Kir-
chenbaulast sowie mit Einnahmen und Ausgaben der Kirchengemeinde verknüpft
sind, wurde die Bedeutung der Kronleuchter resp. ihrer Inschriften noch nicht syste-
matisch untersucht.

87
F. Seestern-Pauly, Aktenmäßiger Bericht über die in dem Herzogtume Holstein vorhandenen milden
Stiftungen, Schleswig 1831, S. 139.
88
F. Posselt, Die kirchliche Kunst in Schleswig-Holstein, in: Ztschr. f. S.-H.-Lauenbg. Geschichte, Bd.
1, Kiel 1881, S. 251 ff.
89
T. Hach, Die kirchliche Kunstarchäologie des Kreises Herzogtum Lauenburg, in: Ztschr. f. S.-H.-
Lauenbg. Geschichte, Bd. 16, Kiel 1886, S. 1–194.
90
Mitteilungen: Stiftung eines Kronleuchters in die Kirche zu Heiligenhafen, in: Die Heimat, 13. Jg.,
Nr. 2, Kiel 1903, S. 47.
Einleitung Seite 25

Für stilkritische und materialästhetische Betrachtungen sind die Ausführungen von


Pelka aus dem Jahre 1916 von Interesse, die Aktenauszüge zum Bernsteinkronleuch-
ter (17. Jahrhundert) des Michel Redlin in Danzig betreffen.91 Bernstein als fossiles
Harz ist seiner chemischen Struktur nach ein brennbares Polyester und erinnert nicht
nur in seiner rötlich-braunen bis gelblichen Färbung an die vorzustellenden
Schaftkronleuchter aus Bronze und Messing, sondern entspricht diesen auch in Auf-
bau und Formgebung.

Eine Denkschrift von 1918, welche die einstige Monopolstellung der Stadt Dinant für
die Messingverarbeitung würdigt, hebt die verlegerische Arbeitsorganisation als be-
währte Form auch für Kunsthandwerk kirchlicher Bestimmung hervor. Obgleich der
Doppel-Adler dort als verbreitetes Motiv vorgestellt wird, unterscheidet er sich von
der als Reichsadler bezeichneten Figur auf Schaftkronleuchtern darin, dass beide
Köpfe zusammen und nicht einzeln bekrönt sind,92 sofern hier wie dort nicht gänzlich
auf die Bügelkrone als Rangzeichen und Symbol der Souveränität verzichtet wurde.
Korns Untersuchungen zum Doppel-Adler führen in diesem Zusammenhang auf
Grund des zeitlich früher und geographisch ausgedehnten Faktors kaum weiter.93

Wie eingangs erwähnt und wie weiter unten noch auszuführen sein wird, ist der Be-
stand und Erhaltungszustand der Schriftquellen zu Schaftkronleuchtern aus Metall
sehr unterschiedlich. Urkunden zu diesen frühneuzeitlichen Objekten in Norddeutsch-
land sind nach derzeitigem Erkenntnisstand selten. Außer jener im gedruckten
Diplomatarium von Jessien über die Unterhaltung des ältesten der insgesamt vier
Kronleuchter mit Wachs (1594)94 in Preetz weist erst Seeler in seiner Beschreibung
der barocken Kronleuchter und des gesamten Inventars der Maria-Magdalenen-
Kirche zu Lauenburg/Elbe von 1938 wieder auf eine Urkunde hin.95 Diese beiden
Schriftstücke sind kaum im Bewusstsein; sie enthalten keinerlei Erläuterungen zur
Entstehung und Gestaltung des jeweiligen Kronleuchters.

Dass ein Kronleuchter auf Grund seiner Inschrift in das Jahr 1740 umzudatieren ist,
erläutert Feigel 1952 in einem Artikel.96 In dänischen Kunstdenkmäler-Inventaren
wird hingegen mehrfach darauf hingewiesen, dass Kronleuchter und ihre Inschriften
nicht zwangsläufig derselben Zeit angehören müssen.97

Bouchard skizziert im Reallexikon der Kunstgeschichte den Terminus technicus Di-


nanderie.98 Dieser bezeichnete ursprünglich die Messingerzeugnisse der Maasregion;
später wird er auch auf außerhalb entstandene Produkte angewendet und oft syn-

91
O. Pelka, Die Meister der Bernsteinkunst, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum
Nürnberg (1916), S. 113 f. u. Taf. XVIII u. XIX.
92
R. Graul, Die Dinanderie in Dinant, eine Denkschrift, München 1918, S. 155-175. – Vgl. C. Göttler,
Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation, 1996, S. 24, Anm. 6
93
H. E. Korn, Adler und Doppeladler, Diss., Göttingen 1969.
94
A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, Kiel-Elmschenhagen 1838, S. 187.
95
S. Seeler, Die Maria-Magdalenen-Kirche Lauenburg (Elbe), Lauenburg 1938, S. 25 ff.
96
E. Feigel, Ein Bronzelüster aus Bingen, das Werk eines Mainzer Spenglermeisters, in: Mainzer Ztschr.
46/47 (1951/52), S. 100 f.
97
Danmarks Kirker, Sonderjylland. Kunsthistorisk oversigt, Kopenhagen o.J., S. 316.
98
P. E. Bouchard, La dinanderie d’art, in: RDK, Bd. 4, Brüssel 1952, S. 1.
Einleitung Seite 26

onym durch das Wort „cuivre poli“ als eine Art der speziellen Materialverarbeitung
und des künstlerischen Messinggusses ersetzt.99

Hinsichtlich künstlerischer Arbeiten aus Metall, das heißt als Beispiel für Werkstattzu-
schreibungen und -traditionen ist die Arbeit über den Flensburger Glockengießers
Michel Dibler interessant. Obgleich diese vornehmlich auf die Glocken und die Tauf-
fünten des „königlich bestallten Büchsenmachers“100 eingeht und kaum auf die ihm
auch zugeschriebenen Leuchter101, legen einige Stücke stilistische Korrelationen na-
he. So weist die Bronzetaufe in Esgrus (1619) – wohl als Fortsetzung der Werkstatt-
Tradition durch den Sohn Marcus Dibler – in den Details Merkmale auf, die zum Teil
auch an den Löwenkopf-Masken der in der vorliegenden Studie thematisierten Kron-
leuchter zu finden sind.102 Forschungsbedarf besteht hinsichtlich weiterer Metallgie-
ßer und ihrer Werke, um mögliche Zusammenhänge in der Metallgestaltung zu er-
kennen – wie zum Beispiel zu Jochim Schmidt (Eckernförde, Evangelische St. Nikolai-
Kirche, Löwenkopf-Türzieher, 1621), Laurenz Karsten (Husum, Evangelische Markt-
kirche, Taufe, 1643 – nach Holzmodellen von B. Cornelissen und Zweitguß in Hatt-
stedt, Evangelische St. Marien-Kirche Hattstedt, Taufe, 1647) oder in Bezug auf je-
ne, die nachweislich Kronleuchter fertigten – wie zum Beispiel Borchart Gelgießer
(1585–1613/Dänemark), Johann Nikolaus Bieber (1725–1808), Hans/Johann Müller
(ca. 1635–1674) in Norddeutschland. Es fällt auf, dass mit Ausnahme einzelner Auf-
sätze oder weniger Monographien die Tätigkeit der Metallgießer als Kronengießer
kaum untersucht ist und Recherchen unter dem Stichwort „Glockengießer“ erfolgrei-
cher sein dürften.

Im Jahre 1960 werden die Kronleuchter (1638 und 1661) nebst dem Wandleuchter
„heiliger Georg“ (1655) der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Kiel in einem Beitrag
ausführlich in ihrer Gestaltung und gemäß ihrer ursprünglichen Hängung beschrieben
und abgebildet. In diesem Zusammenhang wird der Marien-Leuchter, der 1495 mit-
ten in der Kirche hing, nicht erwähnt.103

99
Art du cuivre, Ausst.-Kat. Musée de la Byloke, Gent 1961.
100
R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. III, Kiel 1887, S. 33. –
H. J. Kuhlmann, Michel Dibler, Leben und Wirken des Flensburger Glockengießers, in: Nordelbingen
21 (1953), S. 58–83. – W. J. Müller, Bemerkungen zur kunstgeschichtlichen Stellung der beiden
Taufen des Michel Dibler, in: ebd., S. 84–87. – Vgl. LDSH Kiel, Abschrift: „Inventar der fürstlichen
Häuser, 1587/Mich. Dibler. Das Ambt Lügumkloster, in F. Cammer. Eine neue Missings Krone von
ungefähr 60 punden (?), so noch bei dem Meister zu Flensburg, und etzlich alt Missinges Zeuch dar-
zu gethann, so zuvor bei der Closter Cammer.“
101
R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. III, Kiel 1887. – Die
Bau- und Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Die Stadt Flensburg, Hg. P. Hirschfeld,
München 1954, S. 127.
102
Siehe Abb. 38 u. 41 der vorliegenden Studie. – Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., München 1994, S. 215, 320 u.
347.
103
K. Thiede, St. Nikolai in Kiel, Ein Beitrag zur Geschichte der Stadtkirche, Kiel 1960, S. 50–79. – Vgl.
Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel vom 1487–1601, in: Ztschr. d. Gesell. f. S.-H.-Lauenbg.
Gesch., Bd. 10, Kiel 1881, S. 226.
Einleitung Seite 27

1961 erscheint in der Festschrift für Hans R. Hahnloser ein Beitrag von Meyer über
den gotischen Kronleuchter in Stans.104 Dieser und der im Folgenden genannte Auf-
satz weisen am Beispiel lokaler Kronleuchter über den Ortsbezug hinaus. Dennoch
erscheinen Werkstattzuschreibungen fast unmöglich.

Im gleichen Jahr veröffentlicht Griep neue Erkenntnisse über den Goslarer Kron-
leuchter in Münnerstadt.105 Er stellt fest, „dass Kronleuchter noch niemals das Objekt
einer speziellen Untersuchung waren“, und begründet so „erhebliche Schwierigkei-
ten“ bei stilkritischen Analysen. In diesem Zusammenhang schlägt er eine Typologie
der Kronleuchter vor, die Fragen handwerklich-technischer Voraussetzungen und der
traditionellen Lehre einbezieht.

Eine der wenigen ausführlicheren Zuordnungen von Kronleuchtern und Metallgießern


erfolgt 1965 in dem Aufsatz von Michaelsen über die Glückstädter Kronleuchter. Da-
bei ist von ortsansässigen Handwerkern – so auch von einem aus Stralsund zugereis-
ten Gießer Johann Lehmeyer – die Rede.106

Ein anderer Text von 1965 betrifft „Nürnberger Messingwaren in Tirol“. Darin schreibt
Egg einen Kronleuchter (1675) der Pfarrkirche zu Bozen einem Sebastian Denner in
Nürnberg zu.107 1965/66 enthält die Mainzer Zeitschrift einen Aufsatz über den Main-
zer Kronleuchter von 1748.108 Im Folgejahr wird dem Messingleuchter von Con-
rad Müller (gest. 1762) aus Mainz für die Kirche zu Camberg eine Beschreibung ge-
widmet.109 1969 stellt Waagepetersen eine kleine Auswahl an Kronleuchtern mit aus-
sagekräftigen Fotografien in „Lysekroner i Skandinavien fra Gotik til Klunketig“
vor.110

1977 wird im Rahmen eines Beitrages über den Bildhauer Hans Ochs als eigenes
Werk eine Hirschskulptur zu einem Kronleuchter aus Buntmetall (1625) von Lorenz
Carstensen für den Hirschsaal in Schloss Gottorf/Schleswig erwähnt.111

104
E. Meyer, Der gotische Leuchter in Stans, Ein Beitrag zur Geschichte der Dinanderie, in: Festschrift
Hans R. Hahnloser, Zum 60. Geburtstag 1959, Hg. E. Beer, Stuttgart 1961.
105
H. G. Griep, a.a.O.
106
F. Michaelsen, Die Festung Glückstadt, in: Glückstadt im Wandel der Zeiten, Bd. 1, Hg. Stadt Glück-
stadt, Glückstadt 1963, S. 83. Insbes. – Ders., Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jahr-
buch, 9. Jg. Itzehoe 1965, S. 91–99. Diesem Hinweis weiter nachzugehen, ist im Rahmen der vorlie-
genden Studie kein Erfolg beschieden: Lt. Antwortschreiben (24.02.2000) des Archivdirektors Hans-
Joachim Hacker, Stadtarchiv der Hansestadt Stralsund, kommt der Name Johann Lehmeyer in den
archivalischen Findmitteln nicht vor.
107
E. Egg, Nürnberger Messingwaren in Tirol, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürn-
berg (1965), S. 52–59.
108
L. v. Döry, Ein Mainzer Kronleuchter von 1748, Seine entwicklungsgeschichtliche Stellung und sein
plastischer Schmuck, in: Mainzer Ztschr. 60/61 (1965/66), S. 145–150, 7 Abb.
109
Ders., 1966, Camberg, Pfarrkirche – Ein Messingleuchter von Conrad Müller († 1762 in Mainz) mit
vergoldeter Holzfigur des Hl. Sebastian von Johann Caspar Hiernle (1710–55). Anhang: Rechnungs-
auszüge.
110
C. Waagepetersen, Lysekroner i Skandinavien fra Gotik til Klunketig, Gyldendal 1969.
111
E. Schlee, Der Bildhauer Hans Ochs, in: Nordelbingen 46 (1977), S. 36–48, insbes. S. 37 – U. Kuhl,
Bildhauer und Bildschnitzer im Dienst der Gottorfer Herzöge, in: Gottorf im Glanz des Barock. Kunst
und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713, Bd. 1, Die Herzöge und ihre Sammlungen, Ausst.-Kat.
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Hg. H. Spielmann/ J. Drees, Schleswig
1997, S. 192–209, S. 195 insbes.
Einleitung Seite 28

Während der folgenden Jahrzehnte erscheinen Kronleuchter rein deskriptiv und eher
beiläufig in unterschiedlichen Publikationen. Nach wie vor sind nur vereinzelt Ansätze
einer ikonographischen Fragestellung vorhanden. Als Beispiel wäre hier ein Aufsatz
von 1981 zu nennen, in dem der Doppel-Adler als Topfigur des Kronleuchters in Be-
ziehung zur mündlich überlieferten und mittels genealogischer Bande nachvollzoge-
nen Stiftung Friedrich des Großen von Preußen für den damaligen holsteinischen
Statthalter, Markgraf Friedrich Ernst von Brandenburg-Kulmbach (um 1745/85), ge-
setzt wird.112 Der Kronleuchter in der Kirche zu Hohenaspe wird ursprünglich in das
herrschaftliche Anwesen Drage/Friedrichsruh lokalisiert.

1985 wird die nicht mehr erhaltene so genannte Brauerkrone der Marienkirche zu
Köslin/Pommern als Nürnberger Arbeit von 1606 beschrieben.113

In seinen Ausführungen zur Werkstatt Peter Vischers d. Ä. – unter Berücksichtigung


des Kronleuchters in der Lorenzkirche zu Nürnberg– umreißt Wixom 1986 unter an-
derem Zusammenhänge zwischen den Bereichen Messingproduktion, -handwerk und
-erzeugnisse.114 Auch an anderer Stelle – teils durch Inschriften und Dokumentatio-
nen – werden Verbindungen zu Nürnberg immer wieder bestätigt. 1988 erscheint
eine Dokumentation der Kronleuchter in der Kirche zu Westerbur115, 1989 der Auf-
satz „Lysekroner i Rømø Sct. Clemenskirke/Dänemark“116.

1.2.2 Werkstoff und Technik – zur Verbreitung der Kronleuchter

Die chronologische Bibliographie zur Kunst- und Kulturgeschichte der Beleuchtungs-


geräte, das heißt insbesondere der Kronleuchter aus Metall, sowie einzelner regiona-
ler Beiträge zu diesem Thema vermittelt weiteren Forschungsbedarf. Dieser besteht
unter anderem in einer Präzisierung der nur in Ansätzen aufgezeigten Korrelationen
im Metallgewerbe, das heißt, inwieweit der Neuguss von Kronleuchtern ein eigen-
ständiges Aufgabengebiet darstellt oder ein zusätzliches der Ratsstück- oder Glo-
ckengießerei ist und welchen Anteil Norddeutschland im 16. bis 18. Jahrhundert tat-
sächlich an der Messingverarbeitung und Produktgestaltung hat oder diesbezüglich
Transitland ist.

Schaftkronleuchter des 16. bis 18. Jahrhunderts sind überwiegend aus Messing und
werden den Gelbgussarbeiten zugeordnet.

112
B. Langmaack, Gedanken über den Kronleuchter in der Kirche zu Hohenaspe, in: Steinburger Jahr-
buch, 25. Jg., Itzehoe 1980, S. 277–280.
113
R. Scheller, Die Brauerkrone der Marienkirche zu Köslin, in: Pommern 23 (1985).
114
W. D. Wixom, Nürnberger Messingarbeiten, in: Nürnberg 1300–1550: Kunst der Gotik und Renais-
sance, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (1986), S.75–79. Vgl. S. 392 und s.
auch S. 332: Drachenleuchter (1522) von A. Dürer. – Siehe auch: H. Stafski, Der künstlerische Mes-
singguss, in: Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, Hg. G. Pfeiffer, München 1971,
S. 229–235.
115
Ebd.
116
F. J. Falk, Lysekroner i Rømøs Sct., Clemenskirke (Föhr 1989).
Einleitung Seite 29

Anfang des 20. Jahrhunderts lokalisiert Brinckmann die Provenienz qualitätsvoller


Messingprodukte nach Hamburg.

Wenige Jahre später unterscheidet Hüseler anhand der Metallverarbeitung, dass Glo-
ckengießer im Gegensatz zu Gelbgießern sich nicht mit kleinteiliger Produktion be-
fassten. Letztere ist Ausgangsbasis der aus einzelnen Modulen zusammengesetzten
Schaftkronleuchter.

Einige amtliche Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler sowie Bearbeitungen


von Archivbeständen oder Einträge in Bürgerbücher und Künstlerlexika lassen erken-
nen, dass Glockengießer durchaus Kronleuchter fertigten oder Erhaltungsarbeiten
daran durchführten.

Umgekehrt sind etliche Namen von Gießern bekannt, ohne dass die ihnen archiva-
lisch zugeordneten kunsthandwerklichen Arbeiten präzise dargestellt oder gar er-
kennbar erhalten sind.117

Die Tatsache, dass nur wenige Exemplare im Kronleuchterbestand signiert und aus
diesem kaum Pendants zu ermitteln sind, lässt eine generelle Zuordnung zu Metall-
gießern und Werkstätten unmöglich erscheinen. Erschwerend wirken sich zudem die
ursächlich in der manuellen Nachbearbeitung begründeten Unregelmäßigkeiten an
Kronleuchtermodellen aus, so dass eine Händescheidung oftmals ausgeschlossen
erscheint. Die bisher kaum beachtete Mobilität der Kunsthandwerker und Auftragge-
ber über Landesgrenzen hinaus sowie der unterschiedlich motivierte Entstehungshin-
tergrund von Schaftkronleuchtern erfordert einen größeren Forschungsrahmen.

Da Schaftkronleuchter aus Messing einen auffallend großen Bestand in evangelischen


Kirchen bilden und in geringer Stückzahl für Sakralgebäude anderer Konfessionen
sowie für Rathäuser dokumentiert sind, stellt sich die Frage, ob die Ausbreitung des
Phänomens Kronleuchter vornehmlich auf Traditionen im Stiftungswesen – unter an-
derem auf Wachsabgaben – zurückzuführen ist oder auf jene der Materialästhetik
und -allegorie. Dass der Materialwert und -unwert zumindest bei einigen Schaftkron-
leuchtern eine Rolle spielt, geht aus inschriftlich oder archivalisch dokumentierten
Gewichtsangaben von Kronleuchtern hervor.118

Der Bestand an Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in
Norddeutschland ist an sich heterogen und kann innerhalb eines Bestimmungsortes –
wie zum Beispiel in Sakralgebäuden – sowohl proportional und qualitativ erheblich
divergieren als auch Tendenzen einer Angleichung erkennen lassen.

117
S. Erixon, 1943, S. 32. – R. Haupt, Bd. 3 (Register, hier: Gießer), 1889. – J. Brinckmann, 1894, S.
761. – J. Faulwasser, 1894. – Thieme-Becker, Bd. 8, 1918, S. 328 und Bd. 27, 1933, S. 265. – K.
Hüseler, 1922, S. 2 f., 8, 14 ff. – H. Philippsen, 1928, S. 633. – F. Michaelsen, 1963. – Ders., 1965,
S. 91-99. – KD Niedersachsen, Landkreis Stade, (Textbd.), 1965, S. 591. – C. A. Meier, 1984, S.
165 ff. (= Quellen 18-22). – KD Hamburg, 1968 (Ev. Kirchen St. Katharinen, St. Jacobi), S. 267 f. –
K. Jarmuth, 1967, S. 126, 160 ff., 173. – Ders., Lübecker Leuchten vom Meeresgrund, in: Lichttech-
nik, Jge. 21-23, 1969-1971, S. 72 ff. (1969), 250 f. (1970), 342 f. (1971).
118
KD Lübeck, Bd. IV, 1928, S. 359, 554, 596. – Vgl. K. Hüseler, 1922, S. 15. – T. Raff, 1994, S. 46 ff.
Einleitung Seite 30

Vielfach erscheint es auf Grund des Erhaltungszustandes von Kronleuchtern baulicher


Veränderungen kaum eindeutig nachvollziehbar, ob einzelne oder auch mehrere die-
ser künstlichen Lichtquellen ursprünglich im Verhältnis zur Baukunst geschaffen wur-
den – das heißt unter Berücksichtigung der architektonisch vorgegebenen, natürli-
chen Licht- und Schaffenswirkung einerseits und der Materialästhetik andererseits.

Studien zu Kronleuchtern ziehen diesen Aspekt – im Gegensatz zur Einflussnahme


der architektonischen Formensprache auf die Morphologie der Leuchter – kaum in
Betracht.

Jüngere rechtshistorische, wirtschafts- und sozialgeschichtliche sowie kunstwissen-


schaftliche Forschungsergebnisse bestärken in der der Auffassung, Schaftkronleuch-
ter resp. ihre Bekrönungsmotive nicht allein exemplarisch als unterschiedliche Resul-
tate des Kunsthandwerks vorstellen zu können. Vielmehr erscheint es erforderlich,
ihre kunstgeographische Ausbreitung als Sachquelle und Zeitdokument historischer
Prozesse und im interdisziplinären Kontext zu prüfen. Entdeckungen und Erfindungen
im Bereich Licht und Optik119 dürften auf das Phänomen Kronleuchter Auswirkungen
gehabt haben.

Hier wären insbesondere die Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Einfalls- und
Reflektionswinkel in Licht und Beleuchtungstechnik von Leonardo da Vinci (1452–
1515), die Einführung des Begriffes Elektrizität bei geriebenen Körpern wie Bernstein
durch William Gilbert (1544–1603) und insbesondere die Formulierung und Veröf-
fentlichung der Brechungsgesetze des Lichts durch Thomas Harriot (1560–1621),
Willebrordus Snellius (Snell van Rojen, 1580–1626), René Descartes (1596–1650) zu
nennen.

Interessante Aspekte enthalten die Studie „Die Sprache der Materialien“ von Raff120
und Untersuchungen der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel: die
Entstehung und Ausbreitung der Alchemie121 und die Herstellung des Messings122, die
allerdings nicht im Zusammenhang mit Kronleuchtern erarbeitet wurden, aber in Be-
tracht zu ziehen sind.

Dass „die Formung des Erzes eine der schwierigsten künstlerischen Arbeitsweise ü-
berhaupt ist“, indem die für das Endprodukt relevante Eigenfarbe des Metalls hervor-
geholt wird, ohne dass einzelne Arbeitsvorgänge für den Betrachter sichtbar vollzo-

119
Lichter und Leuchter, Entwicklungsgeschichte und Technik eines alten Kulturgutes, Arnsberg 1987, –
H. Holländer, 2000.
120
T. Raff, München 1994, S. 38, 61 ff. – N. Gramaccini, Zur Ikonologie der Bronze im Mittelalter, in:
Städel-Jb., N.F. 11 (1987), S. 147–170. – Siehe auch: G. Bandmann, Bemerkungen zu einer Ikono-
logie des Materials, in: Städel-Jb., N.F., Bd. 2 (1969), S. 75 ff.
121
S. Krifka, Das Labor – Ort des Experiments, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, Hg. H. Hollän-
der, 2000, S. 755–771, insbes. S. 757.
122
Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia, Libri X, Venedig 1540, Dt.: Biringuccios Pirotechnia, Ein
Lehrbuch der chemisch-metallurgischen Technologie und des Artilleriewesens aus dem 16. Jahrhun-
dert, übers. v. O. Johannsen, Braunschweig 1925, S. 79 (s. dort Lit.hinweis: E. v. Lippmann, Entste-
hung und Ausbreitung der Alchemie, Berlin 1919 (Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
und Technik. Berlin 1923), S. 570) und s. Harburger Jahrbuch 1996, S. 48. – Siehe Krifka, Zur Kon-
struktion der Natur in wissenschaftlichen Experimenten, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Hg.
H. Holländer, 2000, S. 725–753.
Einleitung Seite 31

gen werden, darauf lenkte im Jahre 1928 die Publikation „Gestaltung des Erzes und
ihre Grundlagen“ den Blick.123 Sie erlangt für die Wahrnehmung von Kronleuchtern
des 16. bis 18. Jahrhunderts aus Metall in Norddeutschland einen neuen Stellenwert
angesichts jüngerer Forschungen zu Handelsverbindungen sowie zu Schwerpunkten
der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa zwischen 1500 und 1650.124
Kupferlegierungen mit Zink, das heißt Messing oder mit Zinn, das heißt Bronze – die
Verarbeitung beider Materialien zeichnet sich durch eine lange Tradition der Herstel-
lung und Verwendung aus.125

Das besondere Interesse an einer künstlerischen Verarbeitung unedler Metalle sieht


der Kunsthistoriograph, Maler und Architekt Giorgio Vasari (1511-1574) im sozialen
Aufstieg sowie im Wettstreit der Künste begründet.126

Daran scheinen geschichts- und kunstwissenschaftliche Untersuchungen zu Beginn


des 20. Jahrhunderts insofern anzuknüpfen, als sie auf Zusammenhänge zwischen
der Geheimhaltung von technischen Neuerungen in der Metallverarbeitung und der
Herausbildung führender Produktionsstätten im Metallgewerbe verweisen.127

Jüngere Forschungen haben ergeben, dass Mitte des 16. Jahrhunderts insbesondere
die Gewinnung von Zink als Zinkspat oder -blende – anstelle des Zinkerzes – eine
Innovation im Bergbau darstellt und die daraus resultierenden Veränderungen in der
Veredelung der Rohstoffe zur Blütezeit des Messings führen.128 Hilfreich sind ferner
Analysen zu Kleinbronzen in Europa129 und vereinzelte Aufsätze und Monographien
zum Metallgewerbe.130

Da unterschiedliche Schwierigkeitsgrade in der Verarbeitung der unedlen Metalle


Bronze und Messing einerseits sowie gegenüber jener der Edelmetalle andererseits
bestehen, sind insbesondere folgende Darstellungen hervorzuheben: „Metall im
Kunsthandwerk des Nachmittelalters“ als Einführung zur Ausstellung „Modell und
Ausführung in der Metallkunst“ sowie die Studien zur Bildgeschichte von Naturwis-
senschaften und Technik vom 16. bis zum 18. Jahrhundert „Erkenntnis, Erfindung,

123
Die Gestaltung des Erzes und ihre technischen Grundlagen, Sammlung Kluge, Berlin/Leipzig 1928,
S. 6 ff.
124
H. Kellenbenz (Hg.), Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–
1650, Köln/Wien 1977.
125
R. A. Peltzer, 1909, S. 16 ff.
126
W. Paatz, 1930, S. 67.
127
R. A. Peltzer, 1909, S. 138. – H. G. Griep, 1961, S. 110.
128
Z. Lovag, 1979, S. 51 ff. – L. Jardine, Der Glanz der Renaissance, 1999, S. 45. – H. Holländer,
Kommentare und Notizen zur Bildgeschichte des Bergbaus, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion,
2000, S. 643-671, insbes. S. 646.
129
H. R. Weihrauch, Art, Bronze, Bronzeguß, Bronzeplastik, in: RDK, Bd. 2, 1948, Sp. 1182-1216. –
Ders., Die Bildwerke in Bronze und in anderen Metallen, München 1956.
130
W. Paatz, Lübeckische Bronzeproduktion, 1930, S. 67. – J. Warncke, Zinngießer in Lübeck, Lübeck
1922. – U. Mende, Minden oder Helmarshausen, Bronzeleuchter aus der Werkstatt Rogers von Hel-
marshausen, in: Jb. d. Berliner Museen, Bd. 31, Berlin 1989, S. 61–85. – Von allen Seiten gleich
schön, Bronzen der Renaissance und des Barock, Ausst.-Kat., Berlin 1996. – J. Stüben, Ein verlore-
ner Standleuchter aus der Werkstatt des Hamburger Metallgießers Hermann Bonstede in der alten
Kirche zu Uetersen, in: Nordelbingen 68 (1999), S. 11–27.
Einleitung Seite 32

Konstruktion“131; dort werden unter anderem die wichtigen frühen Darstellungen zur
Technik des Bronzegusses zusammengefasst, insbesondere der „Codex Atlanticus“
von Leonardo da Vinci (1452–1519), „De la pirotechnia“ von Vannocio Biringuccio
(1480–1538) und „De re metallica“ des Georg Agricola (1494–1555).132 Diese Werke
sind sowohl relevante historische Dokumente zur Metallverarbeitung als auch maß-
geblich an der Wertschätzung unedler Metalle beteiligt.

Vor diesem Hintergrund ist angesichts der sehr starken Verbreitung von Kronleuch-
tern aus Metall in evangelischen Kirchen die Beziehung Martin Luthers zur wirt-
schafts-, sozial- und kunstgeschichtlichen Rolle des Bergbaus interessant.133

Hinsichtlich der Entstehung und Verteilung von Kronleuchtern aus Metall werden in
den unterschiedlichen Publikationen seit Mitte des 20. Jahrhunderts abweichende
Ansichten vertreten. In erster Linie gelten wirtschaftliche Faktoren, das heißt insbe-
sondere ausbaufähige Handelsbeziehungen, als grundlegend. Hier stellt sich die Fra-
ge, ob Metallgießer nach ihren ausbildungsbedingten Wanderjahren als Arcanisten –
und zugleich im Interesse der Konjunktur – quasi zusammen mit den entsprechen-
den Exportgütern auf Reisen gingen.

Desgleichen wäre aus dieser Perspektive die Verbreitung bestimmter Motive durch
die Druckgraphik zu untersuchen. Erixon bemerkt im Zusammenhang mit gotischen
Kronleuchtern aus Metall: „I det stora hela rader en märklig överensstämmelse i typ
och detaljer mellan de gotiska ljuskronorna inom hela deras utbredningsomrade i
Tyskland, Belgien, Holland, England och Skandinavien samt Finland.“134

Unstrittig scheinen daher die Auffassungen zur kunstgeographischen Ausbreitung der


Leuchter. Im Wesentlichen geht man davon aus, dass sie von niederrheinischen Ge-
bieten135 und der Maasregion ausgingen – insbesondere von Dinant als ursprüngli-
chem Zentrum der Metallverarbeitung bis 1466. Dabei wird eine wechselseitige Be-
einflussung mit anderen Ländern, so auch Deutschland, nicht ausgeschlossen, aber
auch nur anhand weniger Objekte unterschiedlicher Epochen exemplifiziert. Dies
deckt das Spektrum der Kronleuchter nicht ab und wäre anhand von Werkstatt-
Zuschreibungen zu spezifizieren.

Inwieweit also traditionelle Stätten des Bergbaus eng mit Monopolbildungen ver-
knüpft sind und – mehr noch – inwieweit jene des Metallgusses Anteil an der Form-
gebung und Verbreitung der Metallkronleuchter in Norddeutschland haben, gehört zu
den für diese Region nicht abschließend beantworteten Fragen.

131
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat., Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), – Hg. H. Holländer, 2000.
132
C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Hg. H. Holländer, a.a.O.,
S. 573–678.
133
„... von daher bin ich ...“, Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land, Ausst.-Kat. 7 u. H. 7
Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt/Martin-Luther-Sterbehaus Eisleben, Hg. R. Knape, Eis-
leben 2000.
134
S. Erixon, 1943, S. 32. – K. Jarmuth, 1967, S. 187. – Vgl. J. v. Bonsdorff, Kunstproduktion und
Kunstverbreitung im Ostseeraum des Spätmittelalters, Helsinki-Helsingfors 1993.
135
S. Erixon, a.a.O., S. 54 (Messingwerk Skultuna/Dalarne wurde 1607 gegründet).
Einleitung Seite 33

1.3 Quellen

1.3.1 Schriftquellen

Sowohl der verfügbare Bestand an Schriftquellen als auch die Zugangsvoraussetzun-


gen und infolgedessen die Ergebnisse einer systematisch angelegten Recherche kön-
nen sehr unterschiedlich sein. Obschon Inschriften einiger weniger Schaftkronleuch-
ter der Renaissance und etliche des Barock möglicherweise authentische Hinweise
zur Entstehung geben, bedarf es weiterer Untersuchungen sowohl der Beleuchtungs-
geräte als auch der Archivalien, um sich mit einer Vielzahl an Einzelergebnissen all-
gemeingültigen Aussagen über die Verteilung der Motive auf Kronleuchtern anzunä-
hern.

Das gilt für Figurendarstellungen auf Wandleuchtern im Vergleich zu solchen auf


Hängeleuchtern – zum Beispiel ein Wandleuchter (um 1600) mit Landsknechtfigür-
chen (mit Heerpauke und Federbarett) in der Evangelischen St. Marien-Kirche zu
Flensburg zusammen mit vergleichbaren Stücken an anderen Orten gegenüber
Landsknechtkronleuchtern aus jener Zeit – und dies sowohl im regionalen (Ko-
sel/Eckernförde, Kronleuchter, 16. Jahrhundert) als auch im überregionalen Bereich
(zum Beispiel: Rømø/Dänemark) unter der Fragestellung, welche der Theorien über
ihre Entstehung, Verbreitung und Verteilung sich als tragfähig erweist, selbst mit der
Einschränkung, dass Quellen ohne Angaben zur Provenienz der Kronleuchter kein
Einzelfall sind.136

In diesem Zusammenhang wären auch die Gruppen der gekrönten und ungekrönten
heraldischen Doppel-Adler auf neuzeitlichen Schaftkronleuchtern aus Metall zu erfor-
schen. Denn diese sind auffallend oft Stiftungen von Ratsherren, Ämtern/Zünften
oder vergleichbaren Anderen. Ließe sich dies anhand weiterer Beispiele und mittels
Schriftquellen erhärten, dann würde der heraldische Doppel-Adler weiterhin als Wap-
pentier und Herrschaftszeichen gelten, könnte aber zugleich den Stand der gesell-
schaftlichen und administrativen Umstrukturierung andeuten.137 Die bisher unter-

136
Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein, Stadt Flensburg, Hg. P. Hirschfeld, München
1954, S. 127. – F. J. Falk, Lysekroner i Rømø Sct. Clemenskirke, Wyk/Föhr (1989), Text Nr. 3, Abb.
12 f. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark
erw. und veränd. Aufl., München 1994, S. 404. – Siehe LKA EKvW 4, 46 Nr. 5, 1 pag. 67 Andreas
Kamm, Bielefeld übersandte im Rahmen seiner Studien zu Kronleuchtern aus Messing in Westfalen
der Verfasserin Ende 2003 einige Auszüge aus Archivalien.
137
Schaftkronleuchter mit heraldischem Doppel-Adler als Stiftungen von Bürgermeistern und Ratsver-
wandten kommen vor in Bernau, Ev. Kirche, Kronleuchter 1599, s. Die Kunstdenkmäler der Provinz
Mark Brandenburg, Kreis Niederbarnim, Berlin 1939, S. 86. – Eberswalde, Ev. Kirche, sog. Ratskron-
leuchter und Schumacherkronleuchter nur noch fragmentarisch erhalten. Ihre ursprüngliche Gestal-
tung ist unbekannt. Die männlichen Köpfe als flachgeschnittenes Zierelement der Leuchterarme
könnten auf die Bekrönung „Heraldischer Doppel-Adler“ hindeuten, denn nur in dieser Kombination
kommen vergleichbare Profile an Kronleuchtern vor, s. Inventar der Bau- und Kunstdenkmäler in der
Provinz Brandenburg, Berlin 1885, S. 330. – Flensburg, Ev. St. Marien-Kirche, Kronleuchter (W)
1687 – und nicht 18. Jahrhundert, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Hamburg,
Schleswig-Holstein, 1994, S. 250. – Lauenburg, Ev. St. Maria-Magdalenen-Kirche, Kronleuchter
1658, s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Schleswig-Holstein, Hamburg, Schles-
wig-Holstein, a.a.O., S. 420. – Lütjenburg, Ev. St. Michaelis-Kirche, Kronleuchter 1674, s. G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Schleswig-Holstein. Hamburg, Schleswig-Holstein, a.a.O.,
Einleitung Seite 34

suchten Akten enthalten diesbezüglich keine Angaben. In Anbetracht der ausgepräg-


ten Präsenz von Kronleuchtern in Sakralbauten erschienen Quellenstudien in den Ar-
chiven evangelischer Kirchengemeinden und Kirchenkreisämter zunächst nahe lie-
gend. Hier können Rechnungsbücher und Inventare sowie Matrikel Informationen zu
Kronleuchtern enthalten oder Rückschlüsse erlauben, sofern dieses Schriftgut voll-
ständig erhalten ist. Oftmals bestehen Lücken für jene Zeiträume, die relevant für
die Entstehung und Datierung dieser Beleuchtungsgeräte erscheinen. Andererseits
beziehen sich erhaltene Vermerke häufig nur auf die Ausgaben für Erhaltungsmaß-
nahmen – zum Beispiel Reparaturen: Löten eines Leuchterarmes, Ergänzen kleiner
schadhafter Stellen und Reinigung – sowie auf Einnahmen von Renten und Wachs,
zur Unterhaltung des betreffenden Kronleuchters. Ausführliche Beschreibungen oder
gar eigene Schriftstücke wie die Urkunden zu den Leuchtern und ihrer Unterhaltung
mit Wachslichtern bilden nach derzeitigem Kenntnisstand eine Ausnahme. Es kann
im Rahmen der vorliegenden Studie den Urkunden (1594) zu den Kronleuchtern
„Gekrönter heraldischer Doppel-Adler/Löwenkopf-Maske“ (um 1594) des Adeligen
Klosters Preetz138 und „Gekrönter heraldischer Doppel-Adler/Kugel“ (1651/58) „Stif-
tung Dochtermann“ der Evangelischen Maria-Magdalenen-Kirche zu Lauen-
139
burg/Elbe ein anderes Schriftstück zugeordnet werden, das Auskunft über die Pro-
venienz des Kronleuchters (1771 und ohne Bekrönung) in Berdum/Ostfriesland
gibt.140

Sofern Namen von Stiftern und/oder Metallgießern bekannt sind, können anhand von
Sterberegistern oder Grabbüchern zum Teil die ursprüngliche Platzierung der Kron-
leuchter in einer Kirche sowie Datierungen überprüft werden. An anderer Stelle kön-
nen Chroniken, Erbebücher, Denkelbücher, Schoßrechnungen oder Stellenbeschrei-
bungen, ferner Rechenschaftsberichte des so genannten Küsterinnen-Dienstes sowie
Akten zur Liturgie und zur weiteren Nutzung kirchlicher Räume, wo Kronleuchter
samt Hängung beiläufig erwähnt werden, Rückschlüsse erlauben.

S. 614. Präzise Angaben zur Gestaltung dieser Kronleuchter in Schleswig-Holstein samt Inschriften,
s. R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein einschließlich Herzogtum
Lauenburg, 6 Bde., Kiel 1887 ff. – Und es sind ferner Ende des 19. Jahrhunderts insgesamt 16
Schaftkronleuchter des 17. Jahrhunderts, davon 15 mit dem „Reichsadler“ und 1 mit „Jupiter auf Ad-
ler“ als Ausstattung der Jüdischen Synagoge in Worms inventarisiert. – Siehe Kunstdenkmäler im
Großherzogtum Hessen, Provinz Rheinhessen, Kreis Worms, Darmstadt 1887, S. 263. – Vgl. G. De-
hio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz, Saarland, 2., bearb. und erw. Aufl.,
München 1984, S. 1177 ff. Es wird infolge der beiden Weltkriege (1914/18 und 1939/45) wohl nicht
mehr zu klären sein, ob diese Kronleuchter Originale oder Replikate darstellen, die möglicherweise
im 18. Jahrhundert erworben wurden, als mit Einführung der Predigt in Landessprache infolge der
jüdischen Emanzipationsbewegung auch die Kulträume entsprechend verändert wurden, s. dazu: Le-
xikon der Kunst, Bd. 7, München 1996, S. 160 f.
138
A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, Kiel-Elmschenhagen 1838, S. 187 f.
139
Mitteilungen d. Gesellsch. f. Kieler Stadtgesch., Kiel 1908. – Lauenburg/Elbe, Archiv der Ev. St. Ma-
ria-Magdalenen-Kirchengemeinde, 5133, Beleuchtung, Nr. 959/768: Urkunde Stiftung Jürgen Doch-
termann, s. Abb. 47.
140
Berdum/Ostfriesland, Archiv der ev. Kirchengemeinde, KR I a 3, Berdumer Kirchenrechnungsbuch
1762–1868: Kronleuchter 1771. Bestandteil der Fotodokumentation zu Restaurierungsmaßnahmen
an Kronleuchtern; 1998 von Firma Paul Oelmann & Sohn, Bielefeld zur Verfügung gestellt, nach
Rücksprache mit dem Kirchenvorstand der Ev. Kirche in Berdum.
Einleitung Seite 35

Gelegentlich erhellen Korrespondenzen zwischen Kirchgeschworenen und Gemein-


demitgliedern als Auftraggeber von Kronleuchtern die Motivation ihrer Entstehung
oder Bewahrung.

Sofern kirchliche Akten nicht als Depositum kommunaler Archive erkennbar sind,
ergibt das bisher dort recherchierte Schriftgut nur vereinzelt Aufschluss über die als
Kleinbetriebe wohl doch schwer fassbaren Werkstätten. Andernorts sprechen die er-
haltenen Selbstzeugnisse und die darin genannten Aufenthaltsorte der Metallgießer
für eine Fortsetzung der Recherchen.

Die in den Landes-, Kreis- und Stadtarchiven verwahrte Korrespondenz mit Gesu-
chen der Handwerker an die Obrigkeit um Schutz und Anerkennung ihrer Person und
Profession erstreckt sich vielfach über mehrere Seiten. Während einerseits die Her-
ausbildung des Kronengießers als eigener Berufsstand festgestellt werden konnte,
scheint diese Spezialisierung andernorts nicht abgeschlossen oder nicht vordringlich.
Infolgedessen bedarf es gleichzeitig verschiedener Suchkriterien – wie zum Beispiel
„Glockengießerei“ –, um mittels weiterer Quellen bisherige Feststellungen zur
Verbreitung, Ikonographie oder Provenienz von Kronleuchtern erhärten oder widerle-
gen zu können. Auch hinsichtlich der hier eingehender vorgestellten Kronleuchter mit
profanen Motiven sind die Recherchen noch nicht abgeschlossen.

Weitere Fragen ergeben sich zum Beispiel aus der auch als gedruckte Quelle verfüg-
baren Reisebeschreibung „Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Ge-
sandtschaft beim Schah, 1633–1639“ des Adam Olearius (1599–1671). Dort wird als
eines unter mehreren Gastgeschenken der Gesandten ein Kronleuchter mit dreißig
Armen und eingebauter Uhr (!) erwähnt.141 Eine derartige Komposition ist für Nord-
deutschland als Kunstgut nicht inventarisiert; eine gewisse Vorstellung davon dürfte
ein Kronleuchter (1610; 1750 gestiftet) in der Heilig-Geist-Kirche in Kopenhagen
vermitteln (Abb. 119). Teile des Uhrwerks bestätigen die frühe Datierung dieses
Kronleuchters. Weitere Beispiele dieser Art werden anhand von Inventarverzeichnis-
sen verschiedenen Gemächern auf Schloss Frederiksborg/Dänemark zugeordnet, und
141
Adam Olearius: Vermehrte Newe Beschreibung der Moscowitischen und persianischen Reyse Zum
andern mahl herauß gegeben durch A. O. (Schleswig) 1656, S. 508: „Des Herrn Gesandten Brüg-
mans Geschencke. ... 2. Eine grosse messinge gantz vergüldete Liecht-Krone mit 30 Armen, so drey-
fach über einander mit Bildern und silbern Laubwerck besetzet und schön gezieret. Im Knopff war
eine Uhr so die Stunden und Viertel schlug.“ – Vgl. Adam Olearius, Moskowitische und Persische Rei-
se, Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah, 1633–1639, Hg. D. Haberland. Stuttgart/Wien
1986, S. 251, 22. Hier ist neben der Beschreibung eines Kronleuchters als Gastgeschenk des Weite-
ren die Verbindung zwischen Olearius und Kielmann interessant. Johann Adolph Kielmann von Kiel-
mannsegg (1612-1676) stiftete Kronleuchter (1661) in den Dom zu Schleswig. – Vgl. Kronleuchter-
details mit Exemplaren in Kiel, evangelische St. Nikolaikirche und Rendsburg, evangelische Christkir-
che. – D. Haberland weist darauf hin, dass diese Reisebeschreibungen ein erhebliches Maß Barockli-
teratur widerspiegeln. Vgl. dazu F. Kochwasser, Die holsteinische Gesandtschaftsreise 1633/1639. –
Adam Olearius, Vermehrte Newe Beschreibung der Muscowitischen und Persischen Reyse, Schleswig
1656. – O. Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, Kiel 1981, S. 184 f. und 189. – D. Lohmeier, A-
dam Olearius, in: Gottorf im Glanz des Barock, Kunst und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713,
Bd. 1, Die Herzöge und ihre Sammlungen, Ausst.-Kat. Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum
(199), S. 348–353. Es sind ferner zur Beurteilung diplomatischer Beziehungen der Neuzeit diese Un-
tersuchungen hilfreich: G. Mattingly, Renaissance Diplomacy, London (1954). – Siehe L. Gielham-
mer, Deutsche Gesandte in Iran, Zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutsch-
land und Iran, München 1960, S. 273–275, insbes. S. 274. Hg. D. Lohmeier. Tübingen 1971.
Einleitung Seite 36

auch der ursprüngliche Verwendungszusammenhang des Kronleuchters der Heilig-


Geist-Kirche wird dorthin lokalisiert.142

1.3.2 Bildquellen

Neben der Erzgießerschale143, auf der Abläufe des komplizierten Bronzegusses an-
schaulich dargestellt sind, und jenen Abbildungen, die in den Schriften namhafter
Autoren der Renaissance die einzelnen Arbeitsabläufe der Metallverarbeitung – ins-
besondere der Messingproduktion – schildern144, können Bildquellen die Herstellung
oder die Verwendungszusammenhänge von Kronleuchtern aus Metall vermitteln.

Sehr häufig werden daher die Graphiken des Ständebuchs von Jost Amman (1539–
1591, Zürich) und das Gemälde „Die Hochzeit des Giovanni Arnolfini und der Giovan-
na Cenami“ (1434) des Jan van Eyck (1390–1441) als präzise Beispiele für
Schaftkronleuchter präsentiert und kaum die Darstellungen von Kirchen-Interieurs
des Emanuel de Witte (1607–1692) mit ihren flüchtig wiedergegebenen Kugelkron-
leuchtern.145 Beleuchtungsgeräte in Sakralgebäuden werden öfter dargestellt als sol-
che in profanen Wohn- und Repräsentationsräumen.

Die Herkunft der Schaftkronleuchter und ihrer weltlichen Bekrönungen ist nicht ein-
deutig geklärt. So wurde das besagte Gemälde van Eycks lange als zeitgenössisches
Dokument der Wohnkultur des 15. Jahrhunderts und der ersten Schaftkronleuchter
im profanen Ambiente betrachtet. Demgegenüber hebt die jüngere kunstwissen-
schaftliche Forschung anhand auffälliger Darstellungsdetails die rechtliche Kompo-
nente hervor. Insofern sollen die genannten Werke hier erneut einbezogen werden,
um an ihnen den mehrdeutigen Aussagegehalt derartiger Bildquellen zum Kunst-
handwerk zu verdeutlichen.

Andere Beispiele wurden während der Vorbereitung dieser Studie en passant zu-
sammengetragen und werden weiter unten genannt. Diese wären nicht nur um wei-
tere Darstellungen zu ergänzen, sondern auch genauer zu beschreiben und zu analy-
sieren. Tendenziell stehen die in der Bildkunst wiedergegebenen Kronleuchter (aus
Metall) über ihren dekorativen Charakter und Zeugniswert hinaus – indirekt auch zur
Entwicklung der Beleuchtungsgeräte – mit wichtigen Handlungen und damit zusam-
menhängenden Rechtsfragen in Verbindung.146 Diese Korrelation könnte auch die

142
Danmarks Kirker, København, Bd. 1, Kopenhagen 1945–58, S. 694 ff. sowie Abb. 119 der vorliegen-
den Kronleuchterstudie.
143
C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, Hg. H. Holländer, a.a.O.,
S. 673–687, hier S. 673.
144
Dies., a.a.O., S. 675 ff.
145
Eygentliche Beschreibung aller Staend auff Erden, Nürnberg 1568, Nachdruck München 1923 (Holz-
schnitte von Jost Amman). – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Na-
tionalmuseum München (1989). s. Abb. Frontispiz.
146
In einer Beschreibung der Hohenzollerischen Hochzeit (1598) in Hechingen heißt es: „Von der Decke
hängen zwei Messingleuchter mit vierzehn Kerzen ...“, s. I. Loesch, So war es Sitte in der Renais-
sance, Leipzig 1965, S. 109.
Einleitung Seite 37

Verteilung bestimmter Topfiguren auf Metallkronleuchtern in Norddeutschland erklä-


ren.

Die Graphiken von Jost Amman oder Christoph Weigel (1654–1725, Nürnberg) illust-
rieren in Druckwerken zur Beschreibung der Stände unter anderem die Tätigkeiten
der Leuchtenmacher und der Rotschmied-Drechsler oder Messing-Schaber im Bereich
der Messingverarbeitung. Sie geben so auch Einblick in die Anfertigung einzelner
Kronleuchter-Module, wobei der Weigel’sche Kupferstich „Der Leuchtenmacher“ un-
vollständige Schaftkronen abbildet, die mit einer großen Kugel am unteren Ende ab-
schließen und dem Barock zuzuordnen sind. Sollte dies die mehrfach erwähnte verle-
gerische Arbeitsorganisation der Metall verarbeitenden Berufe dokumentieren, so
scheint die zeittypische Grundform eines Kronleuchters demnach vom Hersteller
festgelegt und verfügbar, ohne dass ältere Modelle noch zur Auswahl stehen. Denn
die Winkelarmkronen der Renaissance sind dort zum Beispiel nicht abgebildet. Es sei
denn, dass die Provenienz der zuvor genannten Graphiken nicht nur Rückschlüsse
auf das Aufgabengebiet des Kronengießers an sich, sondern auch auf die Produkti-
onsstätte, die kunstgeographische Verbreitung oder den Erhalt eines bestimmten
Kronleuchtertyps zulässt.

Die Graphiken bieten keine Hinweise zum Motivschatz eines Kronleuchters. Aber die
dort unvollständig wiedergegebenen Kronleuchter könnten darauf hindeuten, dass
ihre weitere Gestaltung an anderer Stelle und nach Belieben der Auftraggeber ausge-
führt wurde.

Die den Darstellungen jeweils zugeordneten Sinnsprüche geben Aufschluss über die
Voraussetzungen für qualitätvolle Messingerzeugnisse, die dem Berufsstand zur Ehre
gereichen.

Während diese Abbildungen die verschiedenen Fachbereiche und -berufe und inso-
fern Sozialgeschichte veranschaulichen, belegen in Norddeutschland einige Schrift-
quellen die dort offensichtlich übliche Praxis. So sind namentlich bekannte Metallgie-
ßer dadurch charakterisiert, dass sie die von Amman illustrierten Facetten dieses
Aufgabengebietes in ihrer Person und Werkstatt (notgedrungen) vereinen. Gleich-
wohl stellt Philippsen in Schleswig die Herausbildung des Kronengießers als Spezial-
beruf fest.147

Darstellungen einzelner zeittypischer und vollständiger Kronleuchter kommen in un-


terschiedlichen Sujets und Medien vor. Selten jedoch sind sie so realistisch wieder-
gegeben wie auf den Gemälden „Die Hochzeit des Giovanni Arnolfini und der Giovan-
na Cenami“ (1434) von Jan van Eyck und „Letztes Abendmahl“ (1464/67) von Dirk
Bouts.148 Infolgedessen werden diese Darstellungen in etlichen Untersuchungen zur
Thematik Kronleuchter in erster Linie herangezogen, um Datierungen oder den Ur-
sprung von Schaftkronleuchtern aus Metall als Ausdruck standesspezifischer (Wohn-)

147
H. Phillipsen, a.a.O. – Vgl. K. Hüseler, 1922.
148
F. Büttner, Schätze der Kunst, Europäische Malerei aus sieben Jahrhunderten, Künzelsau-Gaisbach
1988, S. 22 f. – E. Grimme, Belgien, Spiegelbild Europas, 4. Aufl., Köln 1980, S. 56.
Einleitung Seite 38

Kultur zu belegen.149 Denn diese weichen morphologisch und bedingt auch iko-
nographisch von den eindeutigen Kirchenkronleuchtern der Gotik ab. Zu diesen Kron-
leuchtern kultischen Ursprungs gehören als Sonderform die Marienleuchter, die in
Westeuropa vornehmlich als Tabernakelkronleuchter das Abbild eines Sakralgebäu-
des resp. eines Sakramentshauses wiedergeben. In Osteuropa sind die Korbkron-
leuchter als Anspielung auf die Wurzel Jesse und die Rosenhag-Madonna stärker ver-
breitet. Bereits in spätgotischer Zeit kommen Schaftkronleuchter aus Metall mit den
Bekrönungsfiguren der Muttergottes oder eines sitzenden Löwen vor.

In die Diskussion zur geistigen Urheberschaft und Ausbreitung spätgotischer und


frühneuzeitlicher Schaftkronleuchter wären die so genannten Alternativen in die In-
terpretation einzubeziehen: Jüngere Graphiken aus Süddeutschland zeigen anstelle
eines Metallkronleuchters einen Geweihleuchter oder Leuchterweibchen als mögliches
Inventar von Ratsstuben oder repräsentativen Wohnstätten. Bekannt sind die Ent-
würfe Albrecht Dürers (1471–1528) für einen Geweihleuchter, der das Domizil eines
wohlhabenden Bürgers zieren sollte.

In Norddeutschland werden Geweihleuchter im Zusammenhang mit kirchlichem In-


ventar in den Schriftquellen des 17. Jahrhunderts erwähnt oder konnten noch in der
Gegenwart als überkommener Bestand inventarisiert werden.150

Die oben genannten Gemälde und Graphiken als Aussage zu Entwicklungsstufen der
Messingverarbeitung und zur Ausbreitung ihrer Erzeugnisse heranzuziehen, ist in
Anbetracht der bisher bekannten Forschungsergebnisse zur Messingproduktion hilf-
reich. Die den profanen Bildern des 15. Jahrhunderts unterstellte Beweiskraft zur
Herkunft der Schaftkronleuchter aus der Wohnkultur wäre eingehender zu untersu-
chen.

Eine differenziertere Bildbetrachtung vermittelt Büttner, und diese trägt zu einer


neuen Wahrnehmung von Kronleuchtern bei.151 Er analysiert das besagte Arnolfi-
ni’sche Hochzeitsbild der Gebrüder van Eyck über die diesem Gemälde zugeschriebe-
ne Dokumentation bürgerlichen Besitzstandes hinaus anhand der in Spiegelbild und
Schriftzug festgehaltenen Zeugenschaft als Darstellung eines Rechtsaktes. Indem er
dabei auf die einzelne Kerze des Kronleuchters als Brautkerze verweist, artikuliert er
in der Korrelation von Kronleuchter und Wachs ein Phänomen, das auch in Nord-
deutschland mittels anderer Rechtszusammenhänge anschaulich belegt werden
kann.152 Hinsichtlich der nahezu in fotorealistischer Maltechnik dokumentierten Hoch-

149
A. Brüning, a.a.O. – K. Jarmuth, a.a.O.
150
1542–1992. 450 Jahre Evangelische Kirche in Regensburg, Ausst.-Kat. Museum der Stadt Regens-
burg (1993), S. 300. – Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (1897), Taf.
III, S. 22. – Nürnberg 1300–1550: Kunst der Gotik und Renaissance, Ausst.-Kat. Germanisches Na-
tionalmuseum Nürnberg (1986), S. 332.
151
F. Büttner, a.a.O.
152
Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel von 1487–1601, in: Ztschr. d. Gesell. f. S.-H.-Lauenbg.
Gesch., Bd. 10, Kiel 1881, S. 226: „Item N der borth vnszes Heren Dusent verhundert vnde jn dem
vyff vnde Negentichsten Wy Hans Schele Radtman Hans Louwe vnde Hans grauwetopp Sunte Nicolai
swaren Tugeden vnser leuen vrouwen Cronen midden jn der kerken vnde steyth anderthalffhundert
Einleitung Seite 39

zeit des Arnolfini erhebt sich die Frage, ob nicht gerade diese Komposition von In-
nenraum und Menschenbild – die als Einzelsujets und als Charakteristika im Œuvre
der Gebrüder van Eyck gelten – über ihre Aufgabe einer Bilddokumentation des Inte-
rieurs hinaus auch den daraus abzuleitenden Aspekt der Rechtsfähigkeit darstellt.
Gerade diese Zusammenhänge erscheinen richtungsweisend für die Einordnung be-
stimmter Bekrönungsfiguren auf frühneuzeitliche Schaftkronleuchter aus Metall resp.
Motivschatz über kunsthandwerkliche Qualitäten hinaus auf ihren Verwendungszu-
sammenhang hin zu untersuchen.

Weniger differenziert sind Kronleuchter aus Metall zum Beispiel in folgenden Zusam-
menhängen dargestellt: auf dem Tafelgemälde „Verkündigung“ (um 1500) eines
Westfälischen Meisters für die Außenseite eines Flügelaltars153, bei Lucas Cranachs d.
Ä. „Martyrium des Apostel Themas“ (Holzschnitt, um 1512)154 in „Kleine Holzschnitt-
passion“ (1509/11), „Fußwaschung“ von Albrecht Dürer und deren Übertragung von
Hans Brüggemann in den Bordesholmer Altar (1521) im Dom zu Schleswig155 oder
zum Beispiel in einer Miniatur aus dem Ratsbuch der Stadt Augsburg (1545) von
Jörg Breu d. J. Unter dem Titel „De fem sanser“ (Die fünf Sinne) stellt Bassen (1590-
1652) unter anderem einen Kronleuchter aus Metall mit einer Haltefaust als Aufhän-
gung sowie ein Kohlebecken als Bestandteile eines holländischen Interieurs dar. Ver-
gleichbares Inventar ist zum Teil auch in einigen evangelischen Kirchen Dänemarks
sowie in Norddeutschland erhalten.

Einen Kugelkronleuchter ohne Bekrönung zeigt das Gemälde „En Drengeskole“ von
Frantz Clein (1582–1658).

Der Kronleuchter, der auf dem Gemälde „Das Fest des Herodes“ von Jaques Bellange
(1594–1638) zu sehen ist, könnte in der Gegenüberstellung zu den dort dargestell-
ten Waffen und Musikinstrumenten ebenfalls aus Metall gefertigt sein. Weibliche Sta-
tuetten scheinen den Schaft dieses Leuchters zu umgeben.156

marck Dar to gaff Hans Schimmelpennyngk vefftich marck.“ – Mitteilungen, Stiftung eines Kron-
leuchters in der Kirche zu Heiligenhafen, in: Die Heimat, 13. Jg., Nr. 2 (1903), S. 47.
153
Dortmunder Kunstbesitz II, Erwerbungen 1958–1963, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Kulturge-
schichte, Dortmund 1963, Kat.-Nr. 21.
154
H. Appuhn, Einführung in die Ikonographie der mittelalterlichen Kunst in Deutschland, Darmstadt
1979, S. 37.
155
J. Rosenfeld, Das Bordesholmer Hochaltarretabel: Hans Brüggemann, Albrecht Dürer und die Reta-
belbaukunst in den Niederlanden und am Niederrhein, in: Der Bordesholmer Altar des Hans Brügge-
mann, Begleitband der Ausstellung „Der Bordesholmer Altar des Hans Brüggemann, Werk und Wir-
kung, Hg. U. Albrecht, Kiel 1996, S. 71–86, hier: 75, Abb. 6. – U. Wolff-Thomsen, Die bildliche Re-
zeption des Bordesholmer Retabels im 19. Jahrhundert: Ein Kunstwerk im Zeitalter seiner techni-
schen Reproduzierbarkeit, in: Der Bordesholmer Altar des Hans Brüggemann, 1996, S. 241–283,
hier S. 256.
156
Kunst und Kunsthandwerk, Meisterwerke im Bayerischen Nationalmuseum, Mus.-Kat. Bayerisches
Nationalmuseum München (1955), Abb. 88 und S. 59. – Fredensborg/Dänemark, Rittersaal, s. in der
Gegenüberstellung zu den Inventarstücken des Gemäldes: Kohlebecken, Bronze, 1491 mit Inschrift
in der Ev. Kirche St. Petrus in Landkirchen/Fehmarn und Kronleuchter mit Haltefaust – wie zum Bei-
spiel in der Kirche St. Olai, Helsingør/Dänemark. – Enzyklopädie der Weltkunst, Renaissance und Ba-
rock, Bd. 6., Weinheim/Österreich o.J., S. 2750.
Einleitung Seite 40

Barocke Kronleuchter sind insbesondere auf bildlichen Darstellungen zu kirchlichen


Amtshandlungen: Taufen, Eheschließungen, Feier des heiligen Abendmahls oder zur
Beschneidung Jesu zu finden – wie zum Beispiel als Kupferstich zu „Aus dem Marien-
leben“ (1594) von Hendrik Goltzius (1558–1616), überwiegend aber auf den Interi-
eurgemälden von Anthonie de Lorme (1605–1673), Gerard Dou (1613–1675) und
Emmanuel de Witte (um 1617–1692).157 Ferner kommen Kronleuchter im Werk „Ma-
donna“ (Gnadenthal/Kleve) von Joan Gossaert Mabuse (1478–1532), „Interieur“
(1672, Dom zu Utrecht) von Hendrik Cornelis van Vliet, „Fischerhochzeit“ (1898) von
Ludwig Dettmann oder als Relief einer Ofenplatte (1643) in Merseberg vor.158

Einen präziseren Eindruck von der Gestaltung eines Kugelkronleuchters vermittelt


das Gemälde „Das Gesicht“ (1617) von Jan Brueghel d. Ä. (1568–1625) und Peter
Paul Rubens (1577–1640).159

Aber auch in Phantasiedarstellungen – wie zum Beispiel dem „Interieur van de Grote
Kerk te Alkmaar“ (1635) von Pieter Saenredam (1597–1665) können Kronleuchter
raumbildendes und -prägendes Inventar darstellen.160

Obschon in diesen Zusammenhängen in erster Linie davon auszugehen sein wird, dass
die dort wiedergegebenen Kronleuchter eines unter mehreren Gestaltungsmitteln dar-
stellen können, geben die Leuchter als vertraute Zeitdokumente bestimmten Bildinhal-
ten einen Realitätsbezug. Kronleuchter werden nicht nur im Rahmen der im moralisie-
renden Sinn der Feinmalerei genremäßig belebter Innenräume dargestellt, vielfach
treten sie in Verbindung mit feierlichen Ereignissen oder (Amts-)Handlungen von be-
sonderer Tragweite auf – wie zum Beispiel Geburt, Taufe, Hochzeit, Tod oder Begräb-
nis. Insofern stellt sich die Frage, ob Kronleuchter hier Rechtsräume und Rechtsfähig-
keit anzeigen, ob sie die Aufgabe funktional-dekorativer Beleuchtungsgeräte zu erfül-
len haben.

157
Meisterwerke europäischer Graphik 15.–18. Jahrhundert aus dem Besitz des Kupferstichkabinetts
Coburg, 200 Jahre Coburger Kupferstichkabinett 1775–1975, Ausst.-Kat. Veste Coburg 1975, Kat.-
Nr. 174. – Anthonie de Lorme (1605–1673) „Inneres einer Kirche“, 1643, Öl auf Eichenholz, 41,5 x
50,5 cm, Landesmuseum Oldenburg 15.686; Gerard Dou (1613–1675) „Die Wassersüchtige“, Louvre
Paris; Emanuel de Witte (1617–1692) „Die Oude Kerk in Amsterdam“, 1659, Malerei auf Leinwand
60,5 X 75,5 cm; Hamburger Kunsthalle; Ders., „Predigt in einer reformierten Kirche“, 1670, Malerei
auf Leinwand, 120,5 x 103,8 cm; Hamburger Kunsthalle; Ders., „Eine reformierte Kirche“, Eichen-
holz 42 x 32,5 cm, Hamburger Kunsthalle; Gerrit Berckheyde (1638–1698), „Die Bavokerk in Haar-
lem“, Malerei auf Eichenholz 51,5 x 39,8 cm, Hamburger Kunsthalle; Adolf Friedrich Teichs, „Kaiser
Karl V. am Grabe Luthers“, Lutherhalle Wittenburg; Stadtkirche Glückstadt, Emporengemälde, „Be-
schneidung“, Detail aus dem Bilderzyklus in Anlehnung an den Kupferstich von Hendrik Goltzius –
s.o.
158
Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 1, Kreis Kempen, Geldern, Moers, Kleve, Düsseldorf
1892, S. 448, Abb. 10. – De Nederlandse Monumenten van geschiedenis en kunst, Deel II, De Pro-
vince Utrecht, Eerste Stuk, De Gemeente Utrecht, De Dom van Utrecht, Gravenhage 1965, S. 228 f.,
352. – H. Schmidt, Ludwig Dettmann, in: Nordelbingen 19 (1950), S. 53, 120. – Die Bau- und
Kunstdenkmale in der DDR, Bezirk Potsdam, a.a.O., S. 113. – Danmarks Kirker, Ribe Amt, 2. Bd.
Kopenhagen 1974, S. 1087.
159
H. H. Mann, Optische Instrumente, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Hg. H. Holländer, a.a.O.,
S. 357–407, S. 381, Abb. 19.
160
Mus.-Kat. Rijksmuseum het Catharijneconvent, Utrecht 1983, S. 78 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 41

2. Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze des 16. bis 18. Jahr-
hunderts in Norddeutschland

2.1 Bronze und Messing als Werkstoff für Kronleuchter

Die hier in Betracht gezogenen Schaftkronleuchter Norddeutschlands und der Ost-


seeanrainerstaaten sind überwiegend aus Messing, wenige möglicherweise aus (mo-
difizierter) Bronze gegossen. Die Werkstoffe Messing und Bronze gehören zu den
Buntmetallen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Legierungen aus Kupfer
(55-90 %) und Zink (45-10 %) für Messing oder Zinn für Bronze. Das Mischungsver-
hältnis dieser Rohstoffe und der Prozess ihrer Veredelung bestimmen die Farbgebung
und Eigenschaften der oben genannten Werkstoffe. Ihre Herstellung, bei der rotes
Kupfer in gelbfarbenes Messing reversibel verwandelt wird, beschreibt Biringuccio im
16. Jahrhundert als „alchimistisches Kunststück“.161

Häufig werden diese Beleuchtungsgeräte, die im Baukastenprinzip aus gezählten und


speziell markierten kleinteiligen Modulen zusammengefügt werden – wie auch weni-
ge Stand- und Osterleuchter oder handliche Wand- und Tischleuchter – als Gelb-
gussarbeiten bezeichnet und so auf Grund ihrer Materialzusammensetzung und Fer-
tigungstechnik von den monumentalen siebenarmigen Standleuchtern unterschieden.
Letztere werden in der Regel dem Bronzeguss zugerechnet, können aber auch aus
Messing gefertigt sein.162

Die Hänge- oder Schaftkronleuchter und die kleineren Stand- oder Wandleuchter aus
Messing variieren farblich je nach Legierung des Buntmetalls von kupferrot, rotgelb,
rein- und hellgelb, goldfarben bis hin zu weißlich oder silbergrau.

Die Verarbeitung von Messing und Bronze ist nicht an den Ort des Bergbaus gebun-
den.163

161
Vannoccio Biringuccio, De la pirotechnia, Libri X, Venedig 1540, dt. Übers. Braunschweig 1925, S. 79
ff. – Z. Lovag, 1979, S. 51 ff. – W. D. Wixom, 1986, S. 75. – Modell und Ausführung in der Metall-
kunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München (1989), S. 8 f. – W. Hofmann, Die Kron-
leuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt Rostock, Befunddokumentation, Res-
taurierungsplan, Wolgast 1997. – R. A. Peltzer, 1909, S. 12. – Z. Lovag, Mittelalterliche Bronze-
kunst, Budapest 1979, S. 51 ff. – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches
Nationalmuseum München 1989, S. 8. – T. Raff, 1994, S. 15 und Anm. 25.
162
R. A. Peltzer, 1909, S. 21. – W. D. Wixom, Nürnberger Messingarbeiten, 1986, S. 75.
163
H. Schmidt/H. Dickmann, Bronze- und Eisenguss. Bilder aus dem Werden der Gießtechnik, Ein Be-
richt über die „Historische Sonderschau der Internationalen Gießereifachmesse 1956“, Düsseldorf
1958. – Mittelalterliche Bronzen, Bilderhefte des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg (1960),
S. 4. – H.-G. Griep, 1961, S. 110. Entgegen der häufigen Darstellung, dass in erster Linie fremdes
Kupfer zur Messingproduktion gehandelt werde, beschreibt Griep für die Metallverarbeitung im Harz
die Verwendung einheimischen Kupfers und Zink. Und er führt weiter aus, dass es anfangs Schwie-
rigkeiten bei der Verhüttung gegeben habe und Galmeierz importiert wurde, obschon seit dem Mit-
telalter Galmei-Hütten im Harz nachweisbar seien. – O. Werner, Analyse mittelalterlicher Bronzen
und Messinge, 1977. – A. Timm, Die Bedeutung des Mansfelder Kupfers zwischen 1500 und 1630,
in: Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650. Hg. H. Kel-
lenbenz, 1977, S. 184–189. – W. D. Wixom, 1986, S. 76.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 42

Die rötliche Farbe des Kupfers bleibt sowohl bei einer Legierung mit Zink (1-7 %) als
auch mit Zinn erhalten (vgl. Kronleuchter mit gekröntem heraldischem Doppel-Adler,
bewaffneten Subfiguren auf der unteren Nutenscheibe und Löwenkopf-Maske
/Leuchterarm im südlichen Querhaus der Evangelischen St. Severin-Kirche in Ham-
burg Kirchwerder). Der Zusatz von Zink verleiht – bei einem Anteil zwischen zwei
und vier Prozent – der Bronze ähnliche physikalische Eigenschaften wie Messing und
die Möglichkeit, eine ausdruckstarke Patina anzusetzen. Messing gilt als korrosions-
beständig – werden Anteile von Zinn hinzugefügt, entstehen Übergänge zur Bronze.

Ein prozentual steigender Anteil von Zink bewirkt bei der Legierung mit Kupfer insbe-
sondere dessen Farbveränderung von Rot nach Gelb sowie eine Differenzierung der
gelben Farbtöne, wobei ein Über- oder Unterschreiten der hinzuzufügenden Anteile in
weißliche oder rötliche Farbtöne umschlagen kann. So entspricht Messing bei einem
50-prozentigen Zinkgehalt optisch dem Edelmetall Gold. Messing ist jedoch wesent-
lich kostengünstiger, da unter anderem in größeren Mengen verfügbar; denn einige
Bestandteile des Buntmetalls fallen quasi als Abfälle bei der Gewinnung von Silbererz
an.164

Neben diesen wirtschaftlichen Aspekten werden die physikalischen Eigenschaften des


Kupfers als Hauptbestandteil des Messings und der Bronze, das heißt Härte und
Dehnbarkeit geschätzt. Kupferlegierungen besitzen eine bestimmbare Beschaffenheit
und eignen sich daher als Gebrauchsmetall. Die Bearbeitungsfähigkeit mit Schneide-
werkzeugen (Feile u.a.) kann durch Zusätze von Blei verbessert werden.

Messing ist leicht und blasenfrei zu gießen, da es dünn fließt. Es ist deshalb für Ar-
beiten nach einem Modell im Formkasten geeignet und infolgedessen als hauptsächli-
cher Werkstoff für die im Baukastensystem konzipierten neuzeitlichen Schaftkron-
leuchter anzusehen. Wobei von den üblichen drei Arten des so hergestellten Guss-
messings die als „cuivre poli“ bezeichnete Legierung mit einem Zinkanteil von we-
nigstens dreißig bis gut fünfzig Prozent für Schaftkronleuchter des 16. bis 18. Jahr-
hunderts in Norddeutschland in Frage gekommen sein dürfte. Dieses Mischungsver-
hältnis zeichnet sich durch besonders scharfe Güsse, schöne Farben und Politurfähig-

164
„Verfügbarkeit des Messings“ ist hier nicht im Sinne konstanter Bezugsquellen von Kupfer als Be-
standteil des Werkstoffes „Messing“ zu verstehen. Gleichwohl scheinen Angebot und Nachfrage un-
verändert hoch, werden aber erheblich von wirtschaftspolitischen Faktoren beeinflusst. Neben Ver-
änderungen auf dem Finanzsektor, das heißt Zahlungsverkehr und Preisentwicklung sowie logisti-
scher Aufgabenstellungen, gibt es unterschiedlich starke Erschöpfungen der bekannten Erzlagerstät-
ten. Dazu K. Glamann, Japanese Copper on European market in the 17th century, in: Schwerpunkte
der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 280–289, insbes.
S. 286. Hier wird der Einfluss von Amsterdam auf den schwedischen Kupferhandel angesprochen. Es
ist dabei zu vergegenwärtigen, dass der Handel Antwerpens zwischen 1649–1792 zum Erliegen
kommt, als die Niederlande die Schifffahrt auf der Schelde unterdrücken. – R. Hildebrandt, Augsbur-
ger und Nürnberger Kupferhandel 1500–1619, Produktion Marktanteile und Finanzierung im Ver-
gleich zweier Städte und ihrer wirtschaftlichen Führungsschicht, in: Schwerpunkte der Kupferproduk-
tion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 190–224. – H. Pohl, Kupfergewinnung,
Kupferverarbeitung und Kupferhandel im Aachen-Stolberger Raum von 1500–1650, in: Schwerpunk-
te der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 225–240. – K.
Kumlien, Staat, Kupfererzeugung und Kupferausfuhr in Schweden 1500–1650, in: Schwerpunkte der
Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–1650, 1977, S. 241–259, insbes. S. 242,
245, 248 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 43

keit aus und trägt so der Plastizität modellierter Motive Rechnung.165 Abweichungen
davon können neben Stilmerkmalen auf unterschiedliche Provenienz sowie auf Er-
gänzungen oder Replikate hindeuten.166

Demgegenüber weisen im 19. Jahrhundert Schaftkronleuchter aus Messingblech eine


einheitliche Gelbfärbung auf.

Der Messingguss erlaubt eine beliebige Wiederholung von Formen und Motiven und
damit eine gesteigerte Produktion, wodurch die kunsthandwerkliche Authentizität
deutlich herabgesetzt wird. Andererseits dokumentiert der Bestand an Schaftkron-
leuchtern, dass eine Wiederholung von Formen und Motiven die Vielfalt nicht aus-
schließt. Es sind nur wenige Schaftkronleuchter erhalten, die annähernd gleich sind.
Etliche Exemplare wirken kongruent und weisen bei näherer Betrachtung deutliche
Unterschiede auf.167

Im Gegensatz zu Messing, das sowohl im kalten als auch im heiß-flüssigen Zustand


verarbeitet werden kann, ist die Erzeugung und Verarbeitung von Bronze aufwendi-
ger. Sie schmilzt schwer, und beim Erstarren scheiden sich leicht die Legierungen
verschiedener Zusammensetzung voneinander. Sofern der Bronzeguss nicht ein-
wandfrei beherrscht wird, kann die Qualität des Endproduktes erheblich gemindert
sein.

Zum Teil können die Werkstoffe Messing oder Bronze durch andere Materialien er-
setzt oder ergänzt sein. Darunter kommen wenige Schaftkronleuchter aus Messing
vor, die feuervergoldet oder mit Silberblech beschlagen sind.168 Aus Zinn gegossene
Beleuchtungsgeräte dieser Art sind nur in geringer Zahl bekannt. Andere Beispiele,
die in der Formgebung den gegossenen und geschmiedeten Kronleuchtern sehr ähn-
lich sein können, bestehen aus Eisen, gedrechseltem, beschnitztem und gefasstem
Holz oder Bernstein.169 Dieses fossile Harz ist seiner chemischen Struktur nach ein

165
L’art du cuivre, Ausst.-Kat. Musée de la Byloke Gent (1961), S. 54 f.
166
O. Volbehr (Hg.), Die Christkirche in Rendsburg=Neuwerk. Festschrift zur Feier des 200-jährigen
Jubiläums der Kirche am 15. Juli 1900, Kiel 1900, S. 14: „Von besonders schönen Formen sind die
drei im Gange vom Thurm bis zum Altar hängenden Kronleuchter aus Bronze, die älter sein dürften
als die Kirche selbst, über deren Ursprung nichts zu ermitteln ist. „Dieselben sind jetzt um zwei neue
in derselben Weise von der Firma Riedinger in Augsburg hergestellte vermehrt ...“ - Die drei ur-
sprünglichen Kronleuchter und Motive in der Christkirche (von Westen nach Osten, Ende 1990er Jah-
re): Jupiter/Adler, heraldischer Doppel-Adler und Caritas. In den Archivalien ist von Messing- und
nicht von Bronzeleuchtern die Rede – Charles Coleman Entwurfsmappen 1963. – Vgl. auch Fundus
und Firmengeschichte einzelner Metallgießereien. – Der Landsknechtkronleuchter, wohl 16. Jh., der
evangelischen Kirchengemeinde Oederquart wurde 2002/03 überarbeitet und die fehlende Löwen-
kopf-Maske ergänzt. Sowohl die Gussqualität des Kronleuchters und des Unterhanges unterscheiden
sich als auch die längliche Kopfform und Plastizität des Fanges dieser Maske von jenen an vergleich-
baren Kronleuchtern der evangelischen Kirchen in Steinkirchen/Elbe (inschriftlich 1654 gestiftet) und
Bad Bevensen. Nach letzterem Landsknechtkronleuchter wie auch vom Kronleuchter „Büttel“
(inschriftlich 1572) in Otterndorf/Cuxhaven sind im letzten Viertel des 20. Jh. Replikate entstanden.
167
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), S. 7.
168
Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Großherzogtums Schwerin, I. Bd., Rostock, Ribnitz, Sülze-
Marlow, Tessin, Laage, Gnoien, Dargun, Neukalen, 2. verb. und verm. Aufl., Schwerin 1898, S. 127.
– Danmarks Kirker, Kobenhavn, 1. Bd., Kopenhagen 1954–1958, S. 693 ff.
169
O. Pelka, Die Meister der Bernsteinkunst, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum
Nürnberg (1916), S. 113 f. und Taf. XVIII und XIX. – T. Raff, 1994, S. 137 (Anm. 167).
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 44

brennbares Polyester. Es erinnert nicht nur in seiner gelblichen bis rötlich-braunen


Färbung an die vorzustellenden Kronleuchter aus Messing oder Bronze, sondern ent-
spricht bei geeigneten Bearbeitungstechniken auch deren Aufbau und Formgebung.
Eine Kombination mehrerer Materialien ist ebenfalls möglich (Abb. 51, 52).

Dass die Verbreitung und der Bestand der Kronleuchter aus Messing dennoch sehr
viel größer ist, dürfte also einerseits auf die Materialeigenschaften und veränderten
Produktionsprozesse im 16. Jahrhundert, andererseits und nicht zuletzt auf die mit
Gold und Bronze assoziierten Werte zurückzuführen sein. Bronze wurde wegen seiner
Beständigkeit auch als aes aeternum bezeichnet, so wie Gold – seit Plinius d. Ä. (um
23/24–79 n. Chr.) – zugleich Licht, Beständigkeit und Ewigkeit bedeutete.170

2.1.1 Theorien zur Herstellung von Schaftkronleuchtern – Formguss und/oder Wachs-


ausschmelzverfahren mit verlorenem Modell

Weder das Material noch das Aufgabengebiet, sondern zuerst die handwerklichen
Techniken führen Hüseler zufolge zu einer Differenzierung der Metall verarbeitenden
Berufe und Berufsbezeichnungen – wie zum Beispiel Rotgießer oder Gelbgießer. Hü-
seler beschreibt dies in seiner Studie zum Amt der Rotgießer in Hamburg für das 16.
und 17. Jahrhundert. Ihre Institution galt unter den Metallgießern als oberste Instanz
im Niedersächsischen Reichskreis. Dieser Bereich der Kreiseinteilung Deutschlands
um 1500/1512 bezieht sich aus heutiger Sicht auf die Bundesländer Bremen, Ham-
burg, Mecklenburg, Niedersachsen sowie auf Teilgebiete Sachsen-Anhalts und
Schleswig-Holsteins.

Die Bezeichnung „Rotguss“ bezieht sich im Reich des späten Mittelalters und der Re-
naissance sowohl auf Bronze- als auch auf Messingarbeiten.171 Gelbgießern ist es
möglich, bedarfsorientiert für den Marktverkauf zu arbeiten, indem er seine Artikel
im Sandgussverfahren mittels Kastenformen herstellt.172 Dies ermöglicht zwar nur
Kleinteiliges, beinhaltet aber optisch positive Auswirkungen auf die Textur der Er-
zeugnisse.

Dies dürfte auch grundlegend für die Herstellung und große Ausbreitung der aus Mo-
dulen zusammengesetzten Schaftkronleuchter aus Metall des 16. bis 18. Jahrhun-
derts gewesen sein. Wobei für die Fertigung der Kronleuchterfiguren noch andere
Gussverfahren in Betracht kommen.

170
T. Raff, 1994, S. 15, 22 f. (Anm. 53), 66 (Anm. 267). – Möglicherweise spielten finanzielle Erwägun-
gen eine Rolle. – Vgl. betreff Umguss: D. Diederichs-Gottschalk, Die protestantischen Schriftaltäre
des 16. und 17. Jahrhunderts in Norddeutschland, 2004, S. 309.
171
R. A. Peltzer, 1909, S. 22 (Anm. 4). – K. Hüseler, 1922, S. 17. – Vgl. Großer Atlas zur Weltgeschich-
te, 1997, S. 97, Karte 2.
172
K. Hüseler, 1922, S. 2. – Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Natio-
nalmuseum München (1989), S. 11. – Zur Unterscheidung der termini technici, vgl. H. Drescher, Zur
Technik der Untersuchung bronzener Bildwerke, in: Restaurierung von Kulturdenkmalen, Berichte
zur Denkmalpflege in Niedersachsen, Beiheft 2, Hg. H.-H. Möller, Hameln 1989, S. 370.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 45

Bei einem Gussverfahren nach einem Modell in einer zweiteiligen Form wird das ab-
zuformende Modell jeweils zur Hälfte in den zubereiteten Formsand eingebettet und
nach dem Abdruck wieder entfernt. Es bleibt somit für die mehrfache Wiederholung
des Gussverfahrens erhalten.

Indem die so als Model vorbereiteten Formkästen deckungsgleich aufeinander ge-


setzt werden, entsteht ein Hohlraum. Dieser wird vor dem Gussverfahren zum Teil
mit einem Kern ausgefüllt und über kleine Einflusskanäle mit flüssigem Metall ausge-
gossen. Diese entstehenden Gusskanäle werden anschließend mit Schabeisen, Feilen
und Schleifmitteln versäubert.173

Die Spindel eines Schaftkronleuchters entsteht ebenfalls nach Modellen, ist in der
Regel massiv gegossen und wird schließlich auf einer Drehbank überarbeitet. So wird
bei allen achsensymmetrischen Teilen dieses Kronleuchters verfahren, um eine
gleichmäßige Oberflächenwirkung zu erzielen. Die dabei entstehenden Drehrillen
bleiben mehr oder weniger stark sichtbar. Mittels der nachträglichen Bearbeitung
durch Feilen, Schleifen und Poliermittel wird der Eindruck der ebenmäßigen Oberflä-
che gesteigert. Schablonenartige Zierelemente werden aus einem Blech ausgestanzt
und mit Graviermeißel und Punzen abschließend bearbeitet.

Ein anderes Gussverfahren, dass für die Herstellung von Schaftkronleuchtern, das
heißt vor allem für ihren differenziert modellierten, vollplastischen Figurenschmuck in
Betracht gezogen wird, ist das Wachsausschmelzverfahren. Als qualitativ höherwerti-
ge Technik des Bildgusses ist an sich das „Wachsausschmelzverfahren in verlorener
Form“ (à cire perdu) für monumentale Kunstwerke bekannt. Für diese einmalig ge-
fertigten Statuetten wird das „direkte Wachsausschmelzverfahren mit verlorenem
Modell“ angenommen und für wiederholt verwendete Figuren liegt die Reproduktion
von Wachsmodellen mittels einer materialbeständigen Zwischenform nahe.174

Wie die Bezeichnung „verlorenes Modell“ erkennen lässt, bleiben bei diesem Verfah-
ren die im Interesse einer künstlerisch zartgliedrigen Gestaltung aus Wachs model-
lierten Plastiken während des Gussvorganges nicht erhalten.

Das Fehlen historischer Formen und Modelle einerseits175 sowie die beruflichen Über-
schneidungen zwischen Glocken- und Kronengießern andererseits deuten auf diese
Art der Fertigung. Für das Gros der stereotypen Kronleuchterfiguren auf Schaft-
kronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts wird von der kostengünsti-

173
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), S. 12 f., nach: Denis Diderot/Jean le Rond d’Alembert, Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné
des siences, des arts et des métiers, 17. Bde., Paris 1751–1765. Recueil de planches, 11 Bde., Paris
1762–1765. – W. Hofmann, Die Kronleuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt
Rostock, Befunddokumentation, Restaurierungsplan, Wolgast 1997.
174
U. Mathies, 1998, S. 21 ff. – C. Schneider, Die Gusstechnik, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion,
2000, S. 673–687, insbes. S. 682.
175
Im Rahmen von Besichtigungen 1996 und 1997 der Betina Roß GmbH Restaurierungen in Hamburg
wird im Zusammenhang mit der Instandsetzung eines Kronleuchters aus Messing von 1633 das Feh-
len historischer Formen als genereller Mangel angesprochen.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 46

gen Variante des Wachsausschmelzverfahrens auf der Grundlage einer materialbe-


ständigen Zwischenform auszugehen sein.

Die Topfigur „Römischer Soldat“ (Abb. 56), die im folgenden Kapitel eingehender zu
betrachten sein wird, gehört an sich formal zu den stereotypen Bekrönungen, die
sich durch eine subtile Modellierung und wenige Gravuren auszeichnen. Proportional
und im Detail können stilistische Abweichungen auftreten – wie zum Beispiel in der
Modellierung des Brustpanzers. Die grundverschiedene Gestaltung dieses Figuren-
typs auf zwei Kronleuchtern in der Evangelischen Stadtkirche St. Marien in Ber-
gen/Rügen (Abb. 63) legt stilistische Verbindungen der Bekrönung des östlichen
Kronleuchters zum Gros vergleichbarer Exemplare in Niedersachsen und Schleswig-
Holstein, das heißt zum damaligen Niedersächsischen Reichskreis nahe. Demgegen-
über lässt die gedrungene Gestalt der Figuren auf dem westlichen Kronleuchter in
Bergen/Rügen und jener auf dem westlichen Kronleuchter in der Evangeli-
schen St. Marien-Kirche in Barth/Vorpommern (Abb. 54) eine andere Provenienz ver-
muten.

Inwieweit ein weiteres der anderen hier thematisierten Motive auf Kronleuchtern –
gemeint sind die drei unterschiedlichen Gruppen von Landsknecht-Figuren (Abb. 68-
79) – eine kunsthandwerkliche Herstellung oder aber die Intention differenzierter
Bedeutungsgehalte widerspiegelt, soll im folgenden Kapitel erörtert werden.

Die Frage der Fertigungstechnik stellt sich auch bei anderen Modulen: Ob die Technik
des Wachsausschmelzverfahrens nach einer materialbeständigen Zwischenform bei
der Fertigung von Tier-/Löwenkopf-Masken, das heißt für Unterhänge an Schaftkron-
leuchtern der Renaissance Anwendung gefunden hat, wird weiter unten anhand der
aufgezeigten Quantität, Qualität und der Verbreitung dieser Masken zu differenzieren
sein. Denn das dort vorgestellte Spektrum an Löwenkopf-Masken reicht von wenigen
malerisch-plastisch modellierten bis hin zu extrem stilisierten und bisweilen stark
ziselierten Exemplaren. Es ist insofern eine stilistische Korrelation zu den jeweiligen
Topfiguren festzustellen, als dass sowohl an Bekrönungen als auch an Unterhängen
der Umfang der Endbearbeitung mittels Gestalt gebender Gravuren in dem Maße
steigt wie die differenzierte Ausarbeitung des Gussmodells reduziert ist.

Im Verhältnis zur Vielzahl an stereotypen Modulen und Topfiguren von Schaftkron-


leuchtern könnte die als Büste bisher einmal erhaltene und fein modellierte Bekrö-
nung „Salvator mundi“ des Schaftkronleuchters (1557) der Evangelischen St. Marien-
Kirche in Stralsund (Abb. 88) auf einen Guss mit verlorenem Modell, das heißt ein
Formmaskenverfahren, hindeuten. Anhand der beiden Hälften der Büste mit ihrer
„als Weichlötung ausgeführten Fügenaht auf der Unterseite und auf der Oberseite“
stellt Hofmann bei der Restaurierung dieses Kronleuchters fest, „dass die zwei Hälfen
der Figur schon als Wachsmodell, nach Fertigung des Wachsrohlings in einer Form
weiterbearbeitet wurden. Der zweiteilige Strahlenkranz ist in den Nahtverlauf integ-
riert und zusammen mit den beiden Hälften der Figur verlötet.“176

176
Beschreibung nach W. Hofmann, Werkstatt für Metallgestaltung und Restaurierung in Wolgast.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 47

Lokalgeschichtlich wird ein Zusammenhang zwischen diesem inschriftlich früh datier-


ten Schaftkronleuchter und dem aktenkundlich 1560 erwähnten Metallgießer Frantz
Bolte in Stralsund vermutet. Er verkaufte im Jahre 1576 auch einen Kronleuchter
nach Wismar.177 Was in diese um die Jahrhundertwende vorgenommene und veröf-
fentlichte Verknüpfung von Fakten nicht einbezogen wurde, ist eine nähere Betrach-
tung der frühneuzeitlichen Schaftkronleuchter aus Metall in Wismar. Eine Vor-
kriegsaufnahme des Innenraumes der dortigen Evangelischen St. Georgen-Kirche
zeigt eine Halbfigur als Bekrönng eines Schaftkronleuchters im Chor wie jene des
Kronleuchters „Salvator mundi“ (1557) in der Evangelischen St. Marien-Kirche in
Stralsund.

Inwieweit die zur Fertigung eines Schaftkronleuchters erforderlichen Modelle zum


Beispiel von Bildschnitzern übernommen oder möglicherweise zum Teil anhand von
Reproduktionsgraphiken der Kleinmeister direkt von den Metallgießern geschaffen
wurden, ist für Norddeutschland bisher nicht erforscht. Es gibt einzelne Beispiele, die
eine Kooperation von Skulpturen und Metallgießern erkennen lassen.178

Für Objekte aus unedlem Metall gibt Seelig zu Bedenken, dass die physikalischen
Eigenschaften der unedlen Metalle keine spontanen Gussverfahren gestatten, son-
dern dass die so hergestellten Gegenstände und Motive das Resultat einer Arbeitstei-
lung seien.179

Angesichts der gegenwärtigen Erkenntnisse zur Fertigung von Schaftkronleuchtern


aus Metall bleibt festzuhalten, dass der Fertigungsprozess unterschiedlich sein konn-
te. So stellt Hofmann im Zuge der Befunddokumentation und Restaurierung der
Kronleuchter in der Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ in Rostock fest: „Bei der Herstellung
der Leuchter kamen mehrere Verfahren der Guss- und Schmiedetechnik zur Anwen-
dung, die noch heute an den unterschiedlichen Werkspuren ablesbar sind ...“. Einzel-
heiten seien vielfach erst nach der Demontage des Kronleuchters erkennbar.180

Dass bestimmte Schadensbilder auf Schwachstellen in der Materialzusammensetzung


von Kronleuchtern und auch auf die Gusstechnik hindeuten könnten, lässt sich ge-
genwärtig noch nicht sagen. Denn in der Regel werden die Beeinträchtigungen des

177
Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund, Heft IV, Der Kreis Rügen, Stettin 1897, S.
450.: „Als ein apungeter“ in Stralsund wird 1560 ein Frantz Bolte genannt; er hat 1576 einen Kron-
leuchter nach Wismar verkauft und könnte vielleicht auch dieses Werk von 1557 (das heißt den
Kronleuchter Salvator mundi“) ausgeführt haben, Str. Chr. III, S. 102, Schlie, Kunstdenkm. v. Meckl.
II. S. 60).“ – Möglicherweise gehört ein weiterer dazu: Von diesem Kronleuchter aus Messing des
ausgehenden 16. Jh. in der evangelischen Kirche in Kühlungsborn (vormals Brunshaupten) ist bisher
nur bekannt, dass dieser „beachtenswert ist .. mit einer langen Reihe von Stifternamen aus dem
Jahre 1597“. Dieser qualifizierenden Beurteilung wäre angesichts der Einschätzung und Datierung
ebenfalls auf eine mögliche Provenienz der Werkstatt Frantz Boltes nachzugehen. Siehe Kunst- und
Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III Bd., 2. Aufl. 1900, S. 5.
178
„Den 6 Octobris Jost Roggen betaltt vor S: Catharinen bilde so up der Kronen steitt tho snidende,
dar nha gegaten Iß 2 mk“, s. Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg.
Hamburg (1956), S. 132.
179
Modell und Ausführung in der Metallkunst, Ausst.-Kat. Bayerisches Nationalmuseum München
(1989), S. 7–39.
180
W. Hofmann, Die Kronleuchter der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz der Hansestadt Rostock, Be-
funddokumentation, Restaurierungsplan, Wolgast 1997.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 48

Erhaltungszustandes von Schaftkronleuchtern auf äußere Faktoren zurückgeführt.


Die nachteiligen Einwirkungen können bei unsachgemäßer Aufhängung, Nutzung,
Pflege oder Instandsetzung erfolgt sein. Gleichwohl dürften Fehler im Gussverfahren,
der Verschleiß mehrfach eingeschmolzener Werkstoffe oder raumklimatische Verän-
derungen ebenfalls in Betracht zu ziehen sein.

Demgegenüber werden Defekte an Schaftkronleuchtern des 19. Jahrhunderts aus


Messing auf eine im industriellen Herstellungsprozess begründete extreme Material-
spannung zurückgeführt.

Die Möglichkeit metallurgischer Untersuchungen wurde nach bisheriger Kenntnis nur


Mitte des 20. Jahrhunderts für die nahezu identischen Kapellenkronleuchter von Gos-
lar und Münnerstadt/Franken in Anspruch genommen. Das Projekt erlaubte damals
eine Eingrenzung auf die an der Erzgewinnung und Metallverarbeitung beteiligten
Gebiete. Eine genaue Aussage zu deren jeweiligem Anteil und Einfluss hinsichtlich
Gestaltung und Provenienz dieser Kronleuchter ermöglichten die Analysen jener Zeit
nicht.

„Einige an der Goslarer Krone entnommene Späne ergaben, dass einwandfrei Ram-
melsberger Erz das Rohmaterial für diesen Messingguss gewesen ist. Damit besteht
kein Hinderungsgrund für die vorstehend aufgeführten Leuchter Goslar als Entste-
hungsort anzunehmen. Es ist uns bewusst, dass mit den vorstehenden Ausführungen
noch kein abschließendes Resultat gewonnen werden konnte. Allzu dürftig ist noch
der Urkundenbestand des 15. Jahrhunderts gesichtet. Die metallurgische Untersu-
chung ist mit dem Unsicherheitsfaktor behaftet, dass im Maasgebiet ebenso Ram-
melsberger Kupfer verarbeitet worden ist, wie Galmei von der Maas im Harz.“181

Die Materialbezeichnung „Messing“ und Gewichtsangaben in Lot finden sich auf nur
wenigen Kronleuchtern.182

181
H.-G. Griep, 1961, S. 103–117.
182
Beispiele zum Gewicht von Kronleuchtern: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck,
Bd. IV, Die Klöster, Die kleineren Gotteshäuser der Stadt, Die Kirchen und Kapellen in den Außenge-
bieten ..., Lübeck 1928, S. 554: „Die Beleuchtungskörper der Kirche sind sämtlich aus Bronze ge-
gossen. – Kronleuchter: Die größte der vorhandenen drei Lichtkronen besteht aus einem von einem
Doppeladler gekrönten und unten in einen Doppel-Löwenkopf auslaufenden vielgegliederten Schaft
„... Auf dem die unteren Arme tragenden Schaftringe ist eingraviert: A0 1587 HEFFT // HER IOHAN
// SPANGENBERC // H: DISSE KRON // DER KERCKEN // TO SLVCKUP VOREHRET // WICHT 9
LISPV.“ – 1 Liespfund= Last, Schiffspfund=14 Pfund (6,766 kg) im Seehandel, 16 Pfund (7,735 kg)
bei Landfracht. Diese Einteilung variiert je nach örtlichem Gebrauch. Siehe dazu: K.-J. Lorenzen-
Schmidt, Kleines Lexikon alter schleswig-holsteinischer Gewichte, Maße und Währungseinheiten.
Neumünster 1990, S. 35. – Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde St. Marien in Rendsburg, Kron-
leuchter-Inschrift (2. von Westen): 1647 HAT WEILANDT DER EHRNFESTE UND WOLL WEISER JA-
COB LENSCHE RATHSVERWANDTER DIESER STADT RENDSBURG UND SEINE LIEBE FRAW DIE EHR
UND VIEL TUGENTSAHME F. TOBEA LENSCHEN DIESE KRON ZV GOTTES EHR UND DER KIRCHEN
ZUR ZIERDE GEBEN UND VOREHREN WOLLEN – WICHT 343 PFUNDT. – Ev. St. Nikolaikirche in Kiel,
Kronleuchter; zum Exemplar von 1638 wird kein Gewicht angegeben, zum jüngeren von 1661: „Der
kleinere Kronleuchter ist im Jahre 1661 von den damaligen Kirchgeschworenen angeschafft; sein
Gewicht beträgt 495 Pfund. Über einen dritten, im Gewicht von 112 Pfund, welcher 1577 angekauft
ist und vor dem Chore gehangen hat, sind keine Nachweise des Verbleibs vorhanden.“ Siehe F. Vol-
behr, Beiträge zur Topographie der Stadt Kiel in den letzten drei Jahrhunderten, T. 1, Schloss und
Altstadt, in: Mitteilungen d. Gesell. f. Kieler Stadtgesch., H.3, Kiel 1881. – Beispiele zur Materialan-
gabe: Ev. Kirche Evensen, Kronleuchter-Inschrift: GOTT ZU EHREN UND ZUM CHRISTLICHEN NACH-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 49

2.2 Morphologie, Konstruktion und Zierrat des Schaftkronleuchters – die


Besonderheiten des Winkelarmkronleuchters der Renaissance sowie des
Kugelkronleuchters des Barock

Eine vornehmlich morphologische Charakterisierung von Kronleuchtern scheint ur-


sächlich in der Bestandserfassung begründet, die im Zuge der Reformation, mit der
Säkularisierung von Klöstern und schließlich der Entstehung der evangelischen Lan-
deskirchen bei regelmäßigen Visitationen und der Erstellung von Kircheninventaren
erfolgte. Dabei werden Kronleuchter überwiegend nach ihrem geschätzten Ausmaß
als „groß“ oder „klein“, nach ihrem Werkstoff „Messing“ und der Anzahl der Kerzen-
tüllen oder Lichter erfasst. Die Konstruktion sowie figürliche und ornamentale Details
werden nicht beschrieben.183

Ob im Jahre 1733 oder gut 250 Jahre später – die Definition der Kronleuchter als
„Hängeleuchter mit Leuchterarmen“ und ihre Lokalisierung in „Kirchen, Rathäuser,
Wohnstuben und Festsäle“ legen nahe, dass für die Kenntnis und Beurteilung dieser
Beleuchtungsgeräte im Wesentlichen ihre Morphologie von Bedeutung sei. Typologi-
sche Studien bauen darauf auf, indem sie die Gestaltung der Kronleuchter als kunst-
handwerkliches Inventar anhand von Leuchteramen und Kerzentüllen zu Baustilen in
Beziehung setzen. Obschon formale und ästhetische Charakteristika einer Epoche
dabei selten dezidiert genannt werden, bietet die aufgezeigte Parallele zwischen Ar-
chitektur und Kunsthandwerk grundlegende Kriterien, um Veränderungen funktiona-
ler Qualitätsmerkmale und -unterschiede dieser Lichtträger benennen zu können.184

Dennoch bleibt es nicht aus, dass die mitunter zierlichen Schaftkronleuchter aus Me-
tall als Lichtkrone bezeichnet werden, obgleich dieser Terminus technicus die roma-
nischen Radleuchter als eine von mehreren Sonderformen der Kronleuchter bezeich-
net.185

DENKEN HAT DIESE MESSINGESKRONE IN DIESE KIRCHE VEREHRET CATHARINA AWEN CHRISTOF-
FER HOHMEISTERS SEHL(IG) GEWESENEN EINWOHNERS ZU OSTERN NACHGELASNE WITWE, 1667.
– Ev.-luth. St. Maria-Magdalenen-Kirche, Archiv, Nr. 963/878, 5.1.5, Inventarium Kirchliches Mobili-
ar 1700: „Eine Meßings Crohn mit neun Armen nahe bey der Cantzel hangend, welche seel(ig) Her-
mann Weltsien vorehret worden ...“, s. auch KR 1623/24 evangelische St. Petri-Kirche, Buxtehude.
183
Ev. Kirche St. Marien in Barth/Stralsund, Archiv 1156, Inventar 1658–1673. Im Jahre 1671 lauten
die Eintragungen: „3. Messingzeugk. 3 Krohnen sindt vorhanden, undt ermangelt an der kleinsten
nur 1 arm“. – KKrs. A. Husum-Bredstedt, Husum St. Marien, Varia, 232: (1763) „Zwischen denen
p:t: Vorsteher der Kirchen als Inger Nilsen, Jacob Friedrich Hansen, ... nebst dem Küster Johann Ge-
org Lützen, und dem angenommenen Bälgetretter Peter Bennig ist folgender Contract aufgerichtet
und geschlossen, als (unter 23 Punkten ist an 12. Stelle zu lesen) Bey Öfnung, und Schließung der
Kirch Thüren fleißig nach den Cronen und .. zu sehen und zu visitiren, und so bald etwas fehlet, so
gleich dem Vorsteher des Kirchen=Bau=Registers davon Nachricht geben“.
184
Großes Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, welche bisher durch menschlichen
Verstand und Witz erfunden und verbessert worden (...). Bd. VI. Halle/Leipzig 1733, Sp. 1722. –
Landesausstellung Niedersachsen 1985, Stadt im Wandel, Kunst und Kultur des Bürgertums in Nord-
deutschland 1150–1650, Bd. 1, Ausst.-Kat. Braunschweigisches Landesmuseum, 1985, S. 264, Kat.-
Nr. 202.
185
D. Diederichs-Gottschalk, 2004, S. 309.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 50

Nach monumentalen Radleuchtern (Abb. O) oder Lichtkronen der Romanik186, den


aus mehreren übereinander gesetzten Lichtreifen wie eine Tiara187 geformten Ex-
emplaren und nach Sonderformen gotischer Hängeleuchter (Abb. 7, 12, 13), die in
der Regel aus einer Zentralfigur und einem architektonischen Rahmenwerk aufge-
baut sind, durchweg kurze und irreversible Halterungen für Wachslichter tragen und
insgesamt hauptsächlich über einen kultischen Verwendungszusammenhang definiert
werden, treten während der Spätgotik bereits Schaftkronleuchter mit Bekrönungsfi-
guren auf. Die daraus unter anderem entwickelten Winkelarmkronleuchter der Re-
naissance sowie die Kugelkronleuchter des Barock bilden die Basis für ein umfangrei-
ches Bildprogramm.

Erste Anhaltspunkte zum Vorkommen bestimmter Topfiguren bieten morphologische


und konstruktive Charakteristika der Schaftkronleuchter.188

Die Typenbezeichnung „Schaftkronleuchter“ weist auf das Mittelstück, das heißt den
Schaft oder die Spindel (Abb. 15-17, 26) als wesentliches Merkmal ihrer Morphologie
hin, das über einer Eisenstange aufgezogen und nach oben über einen Keil (Abb. 38)
gesichert ist. Das Zentralgestänge kann auch aus gezogenem Material gebildet sein,
wo am oberen Ende ein geschnittenes Gewinde und die Aufhängeöse direkt mitein-
ander verschraubt sind. Diese wiederum kann in ein größeres, gegebenenfalls orna-
mental geschmiedetes Eisengestänge189 oder in ein Seil mit gefassten Holzkugeln
eingehängt sein.190

Aus der Vielzahl an unterschiedlichen Aufhängeösen (Abb. 39 ff.) – Ringe, Dreipass-,


Hufeisenform und andere Motive – tragen einige eine Jahreszahl und den Namen des

186
T. Raff, 1994. S. 61 ff.
187
Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, Hg. H.
Beseler, Neumünster 1979, S. 310, Abb. 755 (Rüllschau, ev. Kirche, Lichterkrone). – E. Schlee, Altes
Schmiedewerk in Schleswig-Holstein, Heide 1979, Abb. 27 (Taarstedt, evangelische Kirche, Lich-
terkrone, 15 Jh. – Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schleswig, Schloss Gottorf).
188
B. Bucher, 1893. – H. Lüer/M. Creutz, 1909. – S. Erixon, 1943. – K. Jarmuth (1967).
189
LAS Abt. 7, Nr. 6091, Nr. 53 „Inventarium Der Hochfürstlichen Thumb=Kirchen (Dom zu Schleswig)
Nebenst Andern Dazu Gehörigen Gebäuden, Brücken und Schlagbäumen. A(nn)o 1706.“ S. 4: „Die 3
großen Meßinge Crone, welche im mittels großen Gange hangen, werden die mittler mit gedoppelte
Arms, nebst die Zierrathen ümb die lauffe und die darümb Schmucke ...“ Diese Eintragung wäre
durch eine weitere zu ergänzen, s. Archiv der Domgemeinde Schleswig, Akte Nr. 86, Inventar des
Doms 1763–1880: (3 Kronleuchter) „an eisernen gewundenen Stangen“. – Oder wie zum Beispiel:
Danmarks Kirker, Frederiksborg Amt, 2. Bd. (1967), S. 954,956, Abb. 35, S. 1226, Abb. 13 und
S. 1228. – Danmarks Kirker. H. 16–17, Kobenhavn. Garnisons Kirke (1994), S. 276, Abb. 74 f. –
Siehe zum Beispiel auch Kronleuchter der evangelischen Kirchen in Grimmen/Mecklenburg-Vorpom-
mern (17. Jh.) und Grundhof/Schleswig-Holstein (1772). – Die so genannte Lichterkrone (1663) –
die diesem terminus technicus nicht gerecht wird – in der evangelischen Kirche zu Ueter-
sen/Schleswig-Holstein entspricht in der ornamentalen Gestaltung und im Material dem Gestänge
aus Schmiedeeisen, das an sich der Aufhängung von Kronleuchtern aus Messing oder Bronze dient.
Vorbilder und wechselseitige Beeinflussungen dürften Hutständer, Gittertüren bzw. Altar- und Chor-
gitter und anderes Schmiedehandwerk geboten haben. s. E. Schlee, Altes Schmiedewerk in Schles-
wig-Holstein, Heide 1979, Abb. 28.
190
Zum Beispiel: Evangelische St. Marien-Kirche zu Barth, Archiv, Nr. 161, Belege zur Rechnung für das
Jahr 1860: „Die Kronleuchter-Kette, die Knöpfe vergoldet, die Stangen mit Oelfarbe dunkelgrün ge-
strichen.“
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 51

Gießers.191 Darüber hinaus sind kaum mehr als vier Beispiele von Messingkronleuch-
tern bekannt, die an anderer Stelle eine Marke oder einen Stempel tragen.192 Haus-
zeichen können vorkommen, sind aber bisher nicht entschlüsselt und zugeordnet.
Die Aufhängeösen barocker Kronleuchter weisen keine Namen auf, denn die Kugel
dieser Leuchter bietet Raum für Inschriften. Zwei Sorten an Aufhängeösen der baro-
cken Kugelkronleuchter aber tragen beidseitig ein Löwenkopf-Maskaron. Löwenkopf-
Masken an Beleuchtungsgeräten sind an sich als vollplastischer Unterhang an Kron-
leuchtern der Renaissance üblich.

Je nach Größe193 und Gliederung des Schaftes aus wechselnd wulstigen oder bauchi-
gen, eingezogenen, zylindrischen oder balusterartigen Formen können an den dazwi-
schensitzenden, konstruktiv notwendigen Nutenscheiben mindestens vier oder insge-
samt bis zu dreißig Leuchterarme oder sechsunddreißig Lichter194 sowie eine Anzahl
von Zierelementen als einzelne Module axialsymmetrisch angeordnet sein (Abb. 22,
23). Der Durchmesser des Schaftkronleuchters, der sich aus der Spannweite der
Leuchterarme des unteren Lichtkranzes ergibt, entspricht annähernd der Höhe der
Spindel. Die Leuchterarme sind nicht mehr ranken- oder schablonenartig, sondern
körperhaft geformt. Ein Auflager in figürlicher oder geometrischer Gestalt schließt die
Spindel nach unten hin ab (Abb. 16, 17, 21).

Ein weiteres Kennzeichen ist das Prinzip der reversiblen Befestigungstechnik sämtli-
cher Kronleuchter-Module. Es wird seit der Spätgotik über Jahrhunderte hinweg bei-
behalten. Nur die Formen der Nuten wechseln in Entsprechung zur Morphologie der
Schaftkronleuchter und der sich daraus ergebenden Gewichtsverteilung. Die Verbin-

191
Es fällt auf, dass unter den wenigen inschriftlich genannten Namen der Metallgießer auf Kronleuch-
tern des 16. Jh. die Daten auf die Aufhängeösen graviert sind, Ev. St. Petri-Kirche in Buxtehude,
Kronleuchter „Gekrönter heraldischer Doppel-Adler und Löwenkopf-Maske“: DORCH DAT FVR BIN
ICK GEFLATEN HANS BARS HEFT MI GATEN ANO 1589. – Evangelische St. Marien-Kirche zu Barth,
Kronleuchter „Greif und Löwenkopf-Maske“: DOMINICUS SLODT 1590. – Demgegenüber können im
17. und 18. Jh. die Namen der Hersteller auf die Kugel graviert sein, Ev. Kirche Holzminden-
Altendorf, Kronleuchter 1704 „M. B. J. HELMAN“; Ev. Kreuzkirche/Marktkirche Hannover (vorm. in
Ägidienkirche), Kronleuchter 1720, 1747 und 1753 bez. „Meister HINRICH MEIER“. – Evangelische
Kirche Lotte/Tecklenburg, Kronleuchter: „Hermanns Sternemann MEVESIT 1777 Rotterdam“, s. Fo-
todokumentation Firma Paul Oelmann & Sohn, Bielefeld.
192
Die Fotodokumentation (1977) der Firma Paul Oehlmann & Sohn, Bielefeld enthält unter anderem:
Eine Aufnahme eines Kugelkronleuchters (um 1732) der evangelischen Kirche in Horsten/Ostfries-
land, dessen Aufhängeöse das Signum „E E“ über „V“ trägt; ferner eine Fotografie eines weiteren
schlichten Ringes als Aufhängung mit Stempel eines Kronleuchters in Groningen „WED (hochgestell-
tes) w (und als zweite Zeile darunter) G.V. DELDE(R?)“. Ob anhand der markierten Aufhängeösen
auch die Provenienz jener unsignierten Kronleuchter mit vergleichbaren Hängevorrichtungen zu
bestimmen sein wird – wie seitens einiger Werkstätten für Metallgestaltung angenommen wird – wä-
re noch zu überprüfen.
193
Die Höhe – vom Unterhang bis zum Scheitelpunkt der Aufhängeöse – vollständig erhaltener
Schaftkronleuchter aus Metall des 16. bis 18. Jh. in Norddeutschland beläuft sich in der Regel bei
entsprechenden Exemplaren der Renaissance auf minimal ca. 0,70, in der Regel 0,90 bis maximal
ca. 1,10/1,20 Meter. Die Kugelkronleuchter des Barock sind dort in der Regel zwischen 1,20 und
1,70 Meter hoch.
194
Schaftkronleuchter aus Messing der Renaissance mit einer Höhe bis zu 1 Meter besitzen gewöhnlich
einen Lichtkranz aus 6 oder 8 Leuchterarmen. Proportional zur Höhe eines Kronleuchters können so-
wohl die Anzahl der Leuchterarme und jene der daran befestigten Kerzentüllen als auch die Zahl der
Lichtkränze steigen. Siehe Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig. Stadt Wol-
fenbüttel, 1904, S. 66.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 52

dungen reichen von offenen Führungsschienen am oberen Rand der noch konsolartig
endenden Spindel während der Spätgotik und frühen Neuzeit über Schwalben-
schwanzverbindungen an den flacher werdenden Nutenscheiben von Kronleuchtern
der Renaissance bis hin zur Zapfenkonstruktion an barocken Kugelkronleuchtern.
Dabei sitzt die zur Einhängung und Befestigung erforderliche Negativform nicht mehr
wie zuvor am Rand der Nutenscheiben, sondern ist als ebenfalls konzentrischer Ring
mittig aus diesen herausgestanzt.

Die reversible Befestigungstechnik per Steck- und Schraubverbindung weiterer Mo-


dule an diesen Kunstdenkmälern erlaubt eine komplette Montage am Bestimmungs-
ort, hat aber auch dazu geführt, dass im Laufe der Geschichte insbesondere der ori-
ginäre Bestand an Wachstellern, Kerzentüllen und Zierrat erheblichen Veränderungen
ausgesetzt war und zum Teil noch ist. So können Details der Bekrönungen oder plas-
tischen Unterhänge als Auflager vernietet sein.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts weist ein Schaftkronleuchter aus Messing von
1639 mit einer Höhe von ca. 1,43 cm und zwei Lichtkränzen aus jeweils acht Leuch-
terarmen inzwischen drei unterschiedliche Gruppen an Kerzentüllen auf (Abb. 37).
Von diesen insgesamt sechzehn sind sieben zylindrisch geformt. Sie unterscheiden
sich nicht nur nach Größe und Stil voneinander, sondern auch durch die insgesamt
fünf Gewinde, die in ihren Merkmalen – Kerndurchmesser, Gewindehöhe, Ganghöhe
und Flankenwinkel – voneinander abweichen. Ähnliches gilt für die übrigen neun ba-
rocken Tüllen, die sich aus vier bauchigen und fünf vasenförmigen zusammensetzen.
Dabei ist einzuräumen, dass der Größenunterschied zwischen gleichen Tüllentypen
auf ihre Platzierung im unteren oder oberen Lichtkranz hinweisen kann.

An etlichen Schaftkronleuchtern aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts markieren
im Sinne einer Bauanleitung systematische Punzierungen und Einkerbungen in auf-
steigender Zählung die axialsymmetrische Zuordnung sämtlicher Module.

Wurden die Kronleuchter im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert überarbeitet,


dann überdecken arabische Ziffern, die mit einem Vorschlaghammer gesetzt wurden,
die ältere Zählung. Irreversible Verbindungen, die im Falle einer Demontage einen
Eingriff in die Substanz bedeuten, scheinen ursprünglich nicht beabsichtigt.

Ferner sind die neuzeitlichen Schaftkronleuchter – ob sakral genutzt oder in profanen


Räumen erhalten – aus Elementen eines großen Formenrepertoires aufgebaut. Es
finden vielfach gegenständliche, stilisiert vegetabile und/oder figürliche Motive ne-
beneinander Verwendung.

Außer Rosetten aus ausgebreiteten flachen, getrenntblättrigen und runden Blüten-


blättern oder einzelnen flach-lanzettlichen Blütenknospen sowie vollplastischen glo-
ckigen Blüten, Weinlaub und angedeuteten Pflanzentrieben sowie Früchtekompositio-
nen können axialsymmetrisch-geometrische Ornamente sowie Masken, Fabelwesen,
architektonische oder gefäßähnliche Elemente diese Kronleuchter, das heißt in der
Regel deren Leuchterarme schmücken oder einzelne Ziermodule bilden. Das Ganze
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 53

bekrönen weibliche und männliche Figuren, oder auch plastische Tierdarstellungen –


vereinzelt können kleine Reliefs diesen Platz einnehmen.

Zuweilen treten zusätzlich zur Bekrönung eines Schaftkronleuchters entweder auf


der unteren Nutenscheibe oder auf den Leuchterarmen Subfiguren auf (Abb. 17-19).

In dieser Verbindung kommen zum Beispiel die Motive Heraldischer Doppel-Adler und
Römischer Soldat oder Landsknecht, Caritas und Putti, Justitia und Tugendfiguren
oder Darstellungen des Salvator mundi mit der Apostelreihe oder den Klugen und
Törichten Jungfrauen vor. Nahezu alle zeigen die gleiche Gestik einer erhobenen
Rechten und einer angewinkelten Linken oder ausgebreitete Arme.

Oftmals gibt es stilistische Parallelen zwischen den Schaftkronleuchtern und den


nicht minder stark verbreiteten Wandleuchtern aus Messing. Inwieweit hier oder dort
der zusätzliche Figurenschmuck allein dekorative Ansprüche erfüllt, eine Verarbei-
tung überzähliger Motive darstellt oder von ikonographischer Bedeutung ist, wird
ohne eine systematische Untersuchung der Schaftkronleuchter und der Wandleuchter
aus Messing oder Bronze sowie ohne Werkstattzuschreibungen kaum zu klären sein.

2.2.1 Die Schaftkronleuchter aus Messing der Renaissance

Grundsätzlich gehören die Motive, die gleichmäßig linear und flächig gestaltet sind
und welche die Konstruktion des Kronleuchters in der Vertikalen, insbesondere aber
in der Horizontalen akzentuieren zu den Kronleuchtern der Renaissance. Unter diesen
ist der Winkelkronleuchter nach der liegenden S-Form seiner Leuchterarme benannt,
deren Enden annähernd einen rechten Winkel beschreiben. Auf den äußeren Leuch-
terarmen ruhen kleine flache Wachsteller und zylindrische Kerzentüllen. Letztere
können noch in gotischer Manier durchbrochen und mit ringförmigem Fuß gestaltet
sein, erhalten aber zunehmend ein geschlossene, leicht konische Wandung, deren
oberer Rand im späten 16. Jahrhundert schulterförmig ist. Die inneren Enden der
Leuchterarme können in Anlehnung an die Rollwerk-Ornamentik geschlossen oder
leicht aufgebogen sein. In der Regel bilden sechs oder acht Leuchterarme den unte-
ren Lichtkranz und gegebenenfalls ebenso viele oder um zwei vermindert den oberen
Lichtkranz. Dort können die Leuchterarme mit Zierelementen wechseln. Oder letztere
dekorieren ausschließlich die obere Nutenscheibe und sind in der frühen Neuzeit oft
kurze schablonenhafte S-förmige Bänder. Ihre Form zeichnet annähernd strahlen-
förmige Gravuren auf der Oberfläche nach.

Die Leuchterarme selbst sind nicht mehr rankenartig gezogen oder schablonenhaft
geschnitten, wie bei gotischen Kapellen- oder spätgotischen Schaftkronleuchtern,
sondern als Formgussstücke gestaltet. Mittig platzierte Ornamentscheiben und kugel-
förmige Verdickungen können die Leuchterarme akzentuieren und Gussnähte über-
spielen.

Die schaftnahen Abschlüsse der Leuchterarme enthalten als Volute eingestellte Blü-
tenmotive oder bisweilen bärtige Masken.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 54

Zylindrische bis balusterartige Elemente oder gleichmäßige Kugelkolonnaden bilden


einen röhrenförmigen Kronleuchterschaft.

Auf der so gebildeten Spindel kommen als Bekrönungen unter anderem heraldische
Doppel-Adler und Tiere, die als Wappentiere und Sinnbild der Stärke eingeordnet
werden könn(t)en, vor. Insgesamt überwiegen die profanen Motive. Und es sind mit
drei Gruppen an Kriegern und der Gruppe „Büttel“ mehr männliche denn weibliche
Figuren vertreten. Mit den derzeit bekannten maximal drei Darstellungen des Salva-
tor mundi (Abb. 88), sieben des Gnadenstuhls und drei der Muttergottes (Abb. 89,
90) repräsentieren verhältnismäßig wenige Figuren auf den Schaftkronleuchtern aus
Metall des 16. Jahrhunderts in Kirchen in Norddeutschland einen christlichen Kon-
text.195

Den Gegenpol zu diesen Bekrönungen und den unteren Abschluss der Kronleuchter-
spindel bilden ein- oder doppelgesichtige Löwen- oder Tierkopf-Masken mit Ring
(Abb. 55) im Fang. Derartige Unterhänge schließen optisch zusammen mit der unte-
ren Nutenscheibe sowie gegebenenfalls mit einem kugelartigen Modul dazwischen als
Auflager die gesamte Komposition und Konstruktion nach unten ab. Bisher werden
sie als Zugvorrichtung eingeordnet, obgleich etliche Exemplare keine Gebrauchsspu-
ren aufweisen.196 Gleichwohl ist im Sinne der Verhältnismäßigkeit einzuräumen, dass
einige dieser Ringe zwischenzeitlich erneuert sein können und andere nicht erhalten
sind. Die Nutzung und Bedeutung des Motivs sind unbekannt.

2.2.2 Barocke Kugelkronleuchter aus Messing

Gegenüber Schaftkronleuchtern der Renaissance erscheint der Anteil sakraler und


profaner Themen auf Kugelkronleuchtern des Barock ausgewogener. Doch indem
Personifikationen und Allegorien einen Teil der Kronleuchterfiguren bilden und etliche
Friedensengel kaum neutral gestaltet sind, dominiert nun das Feminine. An männli-
chen Bekrönungen christlicher Ikonographie kommen einige Darstellungen des Sal-
vator mundi oder der Apostel vor. Bedeutend größer ist die Anzahl des mythologi-
schen Motivs „Jupiter auf Adler reitend“. (Abb. 120) Insgesamt zeigen die Topfiguren
eine expressivere Gestaltung. Und diese entspricht der Morphologie der Kugelkron-
leuchter. Diese kann im Wesentlichen aus der Kugel als räumliche Grundform abge-
leitet werden und tritt ganz deutlich in der die Konstruktion nach unten abschließen-
den großen Kugel in Erscheinung. Dieses Prinzip setzt sich fort in den ornamentalen

195
Die Kunstdenkmäler des Landes Niedersachsen, Landkreis Stade, Textband, 1965, S. 84 – G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg, 1980, S. 392. – G. Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, 1992, S. 1081, 1222. – U. Mathies, 1998,
S. 129–130, Abb. 1 (S. 161), 32 (S. 182), 34 (S. 183), 37 (S. 184) und 39 (S. 185). Ob die beiden
ersten Beispiele an ihren Schäften neben den Drachenfiguren auch Leuchterarme besaßen, ist nicht
ersichtlich, erscheint angesichts der anderen Exemplare nicht abwegig.
196
Lt. Auskunft von Herrn U.-V. Bläse, Werkstatt für Metallgestaltung in Plön (2. Hälfte 1990er Jahre)
sowie Herrn W. Hofmann, Werkstatt für Metallgestaltung und Restaurierung in Wolgast (2001) wei-
sen die Ringe im Fang der Löwenkopf-Masken an Kronleuchtern aus Messing der Renaissance ten-
denziell keine Gebrauchsspuren auf.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 55

Details – wie zum Beispiel in Gestalt aufgelegter Rosetten oder konzentrischer Gra-
vuren an den Scheitelpunkten der Kugel. In diesem Sinne beschreiben die U-förmig
ausschwingenden und an den äußeren Enden oftmals verzweigten Leuchterarme, die
tigel- oder muschelförmigen Wachsschalen (Abb. 34) und vasenähnlichen Kerzentül-
len im Ansatz ebenfalls Kreissegmente oder Kugelformen. Und in gleicher Weise sind
sämtliche Zierelemente – zum Beispiel Früchte oder Gefäße –, die das Körperhafte
betonen, das heißt räumlich-plastisch sind, vornehmlich den Kronleuchtern dieser
Zeit zuzuordnen. Die Abmessungen sind insgesamt größer, aber stets am Wechsel-
spiel von Zentrierung und Ausdehnung und am Abstand der Lichtquellen von der
Konstruktion orientiert. Der untere Scheitelpunkt der großen, abschließenden Kugel
ist mit einem Zapfen in Gestalt einer Traube oder eines Bienenkorbes versehen.

Desgleichen können Früchtekompositionen oder ornamental aufgefasste Darstellun-


gen weiblicher und männlicher Profile mit ihren zeittypischen Kopfbedeckungen Er-
folg in Beruf und Gesellschaft assoziieren und zugleich ein Datierungshilfe sein
(Abb. 29-32).

Das Gros der Motive veranschaulicht so unter anderem Reichtum und Fülle. Der Stei-
gerung ins Unermessliche und Unfassbare dient das Verschleifen der Konstruktion
mittels extremer Formen oder Konturen und dynamischer Linien sowie der daraus
resultierenden Verkürzungen oder Überschneidungen der Perspektive, wie sie für den
Barock charakteristisch und aus Architektur, Malerei und Bildhauerkunst dieser Zeit
bekannt sind. Zudem trägt der so und mittels der Materialästhetik des wellenpolier-
ten Messings erzielte Grad an Licht- und Schattenwirkung wesentlich zur Plastizität
des Objekts sowie der Umgebung bei. Denn dieser Effekt hängt insbesondere von
dem Strahlenverlauf punktförmiger Lichtquellen zur Gestaltung und Lichtneigung der
Flächen ab.197

Ob diese Verbindung zwischen Gesetzmäßigkeiten der Optik und dem Betrachter-


standort und damit insbesondere die große, abschließende Kugel der barocken Kron-
leuchter auch im Sinne der optischen Täuschung zu betrachten ist oder nur als kon-
struktives und reflektierendes Detail, das zudem Inschriften Raum bietet, bleibt nä-
her zu untersuchen.
Sofern barocke Kronleuchter keine oder kaum Inschriften tragen, können sie unter
qualitativ und lokal günstigen Voraussetzungen mit der Wahrnehmung des Betrach-
ters spielen. So kann dieser mit Blickrichtung auf einen entsprechenden Kronleuchter
den Eindruck gewinnen, dass er mittels der widerspiegelnden Kronleuchterkugel im-
stande ist, einen großen Teil seiner Umgebung in einem flüchtigen, aber weiten
Blickwinkel zu erfassen. Und doch führt diese Wahrnehmung zu dem Ergebnis, dass
das Spiegelbild auf der Kugel nicht nur die Weite des Raumes erfasst, sondern diese
zugleich im Scheitelpunkt bündelt.

197
U. Sareik, Gelenktes Sonnenlicht im Kult, Diss., Erfurt 1985. – Lichter und Leuchter, Entwicklungs-
geschichte und Technik eines alten Kulturgutes, 1987. – A. Fölsing, Galileo Galilei. Prozess ohne En-
de, 1996, S. 300 f. – H. H. Mann, Optische Instrumente, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion.
2000, S. 357–407.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 56

Wenige andere erhaltene Exemplare des 17. und 18. Jahrhunderts zeigen, dass in
die abschließende Kugel ein Uhrwerk eingebaut sein kann. Das Chronometer spricht
für den Erfindungsgeist, vermittelt insbesondere den Vanitas-Gedanken jener Zeit.
Einen derartigen Kronleuchter mit dreißig Armen beschreibt Adam Olearius in
„Moskowitische und Persische Reise. Die Holsteinische Gesandtschaft beim Schah
1633–1639“.198

Eine gewisse Vorstellung von einer solchen Komposition könnte ein Kronleuchter in
der Heiliggeistkirche in Kopenhagen vermitteln.199 Dieses im Jahre 1750 gestiftete
Ausstattungsstück aus vergoldeter Bronze mit Silberbeschlägen wird aufgrund seiner
Marken und im Vergleich zu einigen Exponaten im dortigen Nationalmuseum um
1610 datiert. Es wird aber vermutet, dass das Exemplar auf einer Auktion erworben
wurde und daher verhältnismäßig spät in die Kirche gelangte. Derartige Kompositio-
nen scheinen kaum bekannt zu sein, denn sie finden in den entsprechenden kultur-
geschichtlichen Darstellungen keine Berücksichtigung.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Schaftkronleuchter und Bekrönungen


aus Metall auch unabhängig voneinander ihre Wirkung entfalten. Doch nur im aufein-
ander abgestimmten ästhetischen Miteinander lassen sie den tieferen Sinn ihrer
Doppeldeutigkeit von be- und erleuchtendem Lichtträger, das heißt die potentielle
Aufgabe eines kultisch nutzbaren Bildprogramms erkennen, sofern sie an ihren Be-
stimmungsorten und in ihren räumlichen Verwendungszusammenhängen erhalten
sind. Insofern vergleichbare Topfiguren auf Schaftkronleuchtern in unterschiedlichen
Landesteilen Norddeutschlands und des benachbarten Auslands vorkommen können
und dabei historische-politische Parallelen erkennen lassen, können diese vielfach
seriell anmutenden Stereotype vom Eindruck der Beliebigkeit fort und hin zu einer
Bedeutung führen. Gleichwohl könnte diese auch auf eine Unterscheidung der Motive
als „Klassiker“ oder „Modeerscheinung“ hinauslaufen.

2.3 Die Verbreitung der Schaftkronleuchter

Die kunstgeographische Ausbreitung der oben vorgestellten Schaftkronleuchter aus


Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas führt die ältere kunst-
und kulturwissenschaftliche Forschung anhand von Beispielen aus Finnland und

198
Adam Olearius, Vermehrte Newe Beschreibung der Moscowitischen und persianischen Reyse. Zum
andern mahl herauß gegeben durch Adam Olearius, (Schleswig) 1656, S. 508: „Des Herren Gesand-
ten Brügmans Geschenke. „2. Eine grosse messinge gantz vergüldete Liecht-Krone mit 30 Armen, so
dreyfach über einander mit Bildern und silbern Laubwerck besetzet und schön gezieret. Im Knopff
war eine Uhr so die Stunden und Viertel schlug.“ Der so beschriebene Kronleuchter ist eines der für
Schah Sefi von Isfahan vorgesehenen Gastgeschenke (1637) der holsteinischen Gesandtschaft, dürf-
te aber bei einer Havarie auf der Ostsee zwischen Reval und Nawar, das heißt vor Hochland verloren
gegangen sein. Siehe A. Olearius, Moskowitische und Persische Reise, die holsteinische Gesandt-
schaft beim Schah 1633–1639, Hg. D. Haberland, 1986, S. 40 f., 86 f. und 251. – F. Pohle, Univer-
salwissenschaft, in: Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, 2000, S. 73–119, insbes. S. 77.
199
Danmarks Kirker, København, 1945–1958, S. 693 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 57

Skandinavien bis Italien, von den Britischen Inseln über die Niederlande, Frankreich
und Deutschland bis Polen vor Augen. Weitere Beispiele in den Baltischen Staaten
und in Russland wären in Betracht zu ziehen.200

Im Baltikum sind etliche Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis


18. Jahrhunderts erhalten; ihre Bekrönungen – wie zum Beispiel „Wilder Mann“,
„Krieger“ oder „heraldischer Doppel-Adler“ – könnten wie die erhaltenen Bestände in
Dänemark und Schweden weiteren Aufschluss über das Bildprogramm dieser Be-
leuchtungsgeräte geben. Die Hoch-Zeit ihrer Entstehung fällt in Zeiten der Auseinan-
dersetzung um die Vorherrschaft über die Ostseeküsten. Und für Moskau sind im Zu-
sammenhang mit Kronleuchtern Geschäftsbeziehungen eines Metallgießers aus dem
Reich bekannt, das mit dem Westfälischen Frieden (1648) nicht mehr als Heiliges
Römisches Reich Deutscher Nation fortbesteht, sondern aus einer Vielzahl an Territo-
rialstaaten. Diese große Verbreitung von Kronleuchtern ist sichtbarer Ausdruck reger
Handelsbeziehungen.

Der Kronleuchterstudie Erixons zufolge konnten diese neben dem Export und Import
von Rohstoffen resp. Erzen auch eine Vermittlung von Bearbeitungstechniken bein-
halten – wie er am Beispiel schwedisch-deutscher Kontakte für Skultuna/Dalarne
darlegt.201 Ähnliches beschreibt Peltzer bereits Anfang des 20. Jahrhunderts für die
kooperative Messingverarbeitung zwischen Maas und Rhein.202 Für diesen Bereich
wird kriegerischen Auseinandersetzungen in Burgund sowie religionspolitischen Kon-
flikten am Niederrhein ein maßgeblicher Anteil an Standortverlagerungen und der
Abwanderung von Fachkräften zugemessen. Seither gilt, dass die immense Produkti-
on von Kronleuchtern aus Messing und damit die weit reichende Verbreitung durch
eine nicht an den Ort des Bergbaus gebundene Materialverarbeitung begünstigt ist.

Dies ist insofern zu relativieren, da die für den Untersuchungszeitraum charakteristi-


schen Monopolbildungen nachhaltige Konsequenzen für die Produktion und den Ver-
trieb der Messingwaren haben konnten.203 In diesem Zusammenhang führen die bis-
herigen Forschungen zur Geschichte der Messingindustrie sowie zur Kupferprodukti-
on weiter – Kupfer ist der wesentliche Bestandteil von Bronze und Messing.204

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts misst die Forschung der – für die Dinanderien be-
schriebenen – verlegerischen Arbeitsorganisation eine große Bedeutung bei und setzt
diese auch für andernorts erzeugte Messingprodukte voraus.205 Für die Erschließung
neuer Absatzmärkte und Werkstätten wird entsprechend der führenden Position Di-
nants/Maas im Metallgewerbe und nach der Zerstörung dieser Hansestadt (1466) der

200
Dieser Eindruck ist aus einem Antwortschreiben (Ende 1990er Jahre) samt Fotokopien als Arbeitsma-
terial von Herrn J. Kilumets, Tallinn zu gewinnen. – Zu einem Kronleuchter (1653) in Moskau ist
nicht mehr bekannt, als dass Johann Wurzelbauer (*1595) aus Nürnberg diesen geschaffen habe.
201
S. Erixon, Mässing, 1943, S. 57.
202
R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie (...), 1909, S. 144 ff., insbes. S. 155 ff.
203
Siehe H. Holländer (Hg.), Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, 2000.
204
R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie, 1909, S. 109, 137. – S. Erixon, Mässing, 1943. – H.
Kellenbenz (Hg.), Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa: 1500–
1650, (1977).
205
R. A. Peltzer, 1909, S. 80 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 58

weitere Anteil an der Messingverarbeitung den dadurch zum Teil entstehenden oder
erstarkenden traditionellen Zentren für Metallgestaltung zugeordnet – wie zum Bei-
spiel Aachen, Nürnberg, Augsburg und die Harzregion. Wobei die Qualität des Ram-
melsberger Kupfers im Harz gegenüber jener der Erze des Mansfelder Landes herab-
gestuft wird.206 Des Weiteren werden Schlesien, Böhmen, das Erzgebirge und die
Niederlande genannt. Dabei fällt auf, dass die Bezeichnung „Flämischer Kron-
leuchter“ im Sprachgebrauch fest etabliert ist und es doch Unsicherheiten in der
geographisch exakten sowie morphologisch zutreffenden Beschreibung dieser
Schaftkronleuchter der Neuzeit gibt. Der pyramidale Aufbau ist ein Kriterium, das
Vorkommen in calvinistisch geprägten Gebieten ein weiteres.207

Wird nun eine der oben genannten Stätten als Herstellungsort für bestimmte Typen
oder das Gros der überkommen Schaftkronleuchter aus Messing angenommen, so ist
plausibel, dass die Verfügbarkeit, Qualität und Verarbeitung des Werkstoffes Messing
sowie die Frage nach lokalisierbaren Führungspositionen in der Entwicklung neuer
Technologien eine entscheidende Rolle für die Entstehung und Verbreitung, aber
auch für die Beurteilung von Kronleuchtern spielt. Diese Kriterien gelten auch für den
Bronzeguss. Und bis zu einem gewissen Grade knüpft die quantitative Ausbreitung
der Schaftkronleuchter aus Messing an jene der Erztaufen, Aquamanile und anderen
Bronze- und Messingerzeugnisse – wie zum Beispiel Standleuchter oder Löwenkopf-
Türzieher - in Norddeutschland seit dem 13. Jahrhundert an.208 Obwohl Erixon aus
Stockholm und Jarmuth aus Berlin Mitte des 20. Jahrhunderts auf die Bedeutung der
Hansestadt Lübeck für die Messingverarbeitung und den ausgedehnten Handel hin-
weisen, fehlen bisher systematische Untersuchungen zur Urheberschaft und Produk-
tion des nach Lübeck lokalisierten Kronleuchtertyps der Renaissance: des so genann-
ten Winkelarmkronleuchter. In der Annahme, dass Schaftkronleuchter aus Messing
resp. Bekrönungen größtenteils seriell hergestellt wurden, erstaunt ihre ungleichmä-
ßige Verteilung in Norddeutschland – selbst eingedenk der vielfältigen Verluste und
Standortwechsel, sofern diese dokumentiert und bekannt sind.209

206
Ebd., S. 106. – H.-G. Griep, Ein Goslarer Kronleuchter in Münnerstadt, in: Harz-Zeitschrift. 13. Jg.
Hg. K. W. Sanders, 1961, S. 111, 117. – R. Slotta/S. Müller, Zum Bergbau auf Kupferschiefer im
Mansfelder Land, in: Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land: (Aufsätze zur Ausstellung
„... von daher bin ich – Martin Luther und der Bergbau im Mansfelder Land“), Ausst.-Kat. Martin Lu-
thers Sterbehaus Eisleben/Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Hg. R. Knape, 2000,
S. 9–27, Ebd., S. 104–120: C. Bartels, Sauerländisches Blei für die Mansfelder Hütten – Blei zur Ent-
silberung des Mansfelder Kupfers.
207
S. Erixon, 1943, S. 44. Hier weist Erixon bereits auf die möglichen Produktionsstätten und Handels-
beziehungen hin. Vgl. K. Jarmuth, Lichter, Leuchten im Abendland, (1967), S. 160 ff. – Zur „Flämi-
schen Krone“ siehe S. Erixon, 1943, S. 47. – K. Jarmuth. (1967), S. 120, 187, 224 insbes.
208
H. Lüer/M. Creutz, Geschichte der Metallkunst, Bd. 1, Kunstgeschichte der unedlen Metalle,
1904/1909. – A. Mundt, Die Erztaufen Norddeutschlands von der Mitte des XIII. bis zur Mitte des
XIV. Jahrhunderts ... 1908. – W. Paatz, Die Lübeckische Bronzeproduktion des 15. und 16. Jahrhun-
derts, in: Repertorium für Kunstwissenschaft, Bd. 51, 1930. S. 67–92. – O. v. Falke/E. Meyer, Rom-
nische Leuchter und Gefäße, Gießgefäße der Gotik, 1935. – U. Mende, Die Türzieher des Mittelalters,
1981 (Denkmäler deutscher Kunst, Bronzegeräte des Mittelalters; Bd. 2).
209
Bildband, Anhang (Verbreitungsarte der Schaftkronleuchter) nur zusammen mit gedruckter Kron-
leuchterstudie – digitalisiert als Übersichtskarte.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 59

Mit der oftmals vagen Lokalisierung der Schaftkronleuchter innerhalb Deutschlands


oder von Skandinavien aus nach Hamburg, Lübeck, Nürnberg oder Aachen erscheint
die Verbindungen nach Nürnberg häufiger als andere – auch außerhalb des unmittel-
baren Zusammenhanges mit Kronleuchtern. So begründet der Glocken- und Kronen-
gießer Johann Gottfried Woseck in Stralsund im Jahre 1740/53 in seiner „Klage ge-
gen das Amt der Gürtler wegen Eindrangs“ seine Auswahl sachdienlicher Vorbilder
damit, dass er selbst in Nürnberg gewesen sei und es dort im Gegensatz zu Lübeck,
das an sich räumlich und insofern exemplarisch näher läge, keine Gelbgießer gä-
be.210

Zur Begründung der Provenienz einiger Kronleuchter in Norddeutschland aus Nürn-


berg stehen diese drei zur Verfügung:

1. Die Inschrift eines Kronleuchters der Stadtkirche „Unser lieben Frauen“ in So-
rau besagt: Elisabeth Koberin selige hat zur erkeuffung dieser Leuchter funfzig
Gulden bescheiden, welche ihr Her Waltn Ludewich Secretarius anna 1590 von
Nurrenberg anhero brengen lassen. Renoviret 1774 / G.F.211

2. Für die St. Jacobi-Kirche in Rostock wurden 1603 anlässlich des Todes von
Henricus von Bergen Rigensis und fürstlich Mecklenburgischer Fiscal zwei
Kronleuchter in Nürnberg erworben.212

3. Johann Müller von Nirnberg hat (diese Krone in Kiel gemacht) lautet die In-
schrift des Kronleuchters in Klüss, wo inzwischen ein schlichter Zweckbau als
Gotteshaus dient.213

Allen drei Kronleuchtern gemeinsam ist die Bekrönung durch einen heraldischen
Doppel-Adler. Es fällt weiter auf, dass diese nachweislichen Arbeiten aus Nürnberg
nach bisheriger Kenntnis auf die östliche Region des Reiches beschränkt sind.

Eine andere Akzentuierung zeigt die im Rahmen der vorliegenden Studie speziell er-
stellte Verbreitungskarte der Schaftkronleuchter mit ihren Bekrönungen aus Messing
des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland.214

Schaftkronleuchter aus Messing mit der Bekrönung eines heraldischen Doppel-Adlers


kommen unter anderem in Südniedersachsen und Nordrhein-Westfalen vor und dort
intensiv in einem Gebiet zwischen Hannover, Goslar, Alfeld/Leine, Holzminden und

210
HSTA Rep. 16, Nr. 312 (Amt der Gürtler/Klage J. G. Woseck, 1740/53).
211
Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Kreis Sorau und Stadt Forst, 1939, S. 213.
212
Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. 1: Die Amts-
gerichtsbezirke Rostock, Ribnitz, Sülze-Marlow, Tessin u. a., 2. verb. und verm. Aufl., 1898, S. 98.
213
Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, Bd. III: Die
Amtsgerichtsbezirke Hagenow, Wittenburg, Boizenburg, Lübtheen, Dömitz, Grabow u .a., 2. Aufl.
1900, S. 220.
214
Bildband der vorliegenden gedruckten Kronleuchterstudie; Anhang: Verbreitungskarte für Schaft-
kronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jh. – digitalisiert nur als Übersichtskarte – auf der Grundla-
ge der amtlichen Länder-Inventare seit Mitte des 19. Jh. für die Bau-, Kunst- und Geschichts-
Denkmäler. Neben der weiteren Harzregion stellt das Erzgebirge – hier nicht eingetragen – ebenfalls
als traditionelle Stätte des Bergbaus einen deutlichen Schwerpunkt in der Verbreitung der besagten
Leuchter dar.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 60

Minden. Mit Ausnahme des Bistums Minden entspricht dieses Gebiet dem südlichen
Teil des Niedersächsischen Reichskreises (um 1500/1512); und dort dominiert als
Kronleuchterfigur der heraldische Doppel-Adler – insbesondere in und um Alfeld her-
um und ausgeprägter noch als auf der Insel Rügen.215 Werden zudem die Winkel-
armkronleuchter mit heraldischem Doppel-Adler als ältere Beispiele in Betracht ge-
zogen, deren Urheberschaft Jarmuth nach Lübeck und mit einer Hauptverbreitung in
Nordeuropa zuordnet, zeichnen sich zwei Richtungen ab:

Während sowohl die inventarisierten Bestände dieses zuletzt genannten Kronleuch-


tertyps sowie Bildquellen oder Beschreibungen diese Einordnung zu bekräftigen
scheinen, ist diese Aussage zur kunstgeografischen Verbreitung zu präzisieren. Wur-
den doch adäquate Kronleuchter in Einzelteilen als havarierte Schiffsfracht des 16.
Jahrhunderts im Adriatischen Meer um die Mitte des 20. Jahrhunderts geborgen.216

Dieses Beispiel für Renaissance-Kronleuchter ist nicht zuletzt auf Grund der hier the-
matisierten Fragestellung nach Zusammenhängen zwischen der Verbreitung und dem
Motivschatz resp. Bildprogrammen von Kronleuchtern interessant.

Scheint die Darstellung des heraldischen Doppel-Adlers auf diesen havarierten Win-
kelarmkronleuchtern die mögliche Herkunft aus Lübeck zu stützen, so könnte dieses
Motiv auch für die freie Reichsstadt Nürnberg stehen. Erixon sieht in der Darstellung
des heraldischen Doppel-Adlers eine Art Markenzeichen oder Qualitätssiegel für die
Messingprodukte bzw. Dinanderien.217

Erlaubt die Mehrdeutigkeit der Bekrönungen auf Schaftkronleuchtern, „ im besagten


heraldischen Doppel-Adler eine Sympathiebekundung der Stadt Amsterdam an Kai-
ser Karl V. wahrzunehmen?“218

Angesichts der zahlreichen gekrönten und ungekrönten heraldischen Doppel-Adler


auf Schaftkronleuchtern, die auch außerhalb des Reiches und Herrschaftsbereichs
Kaiser Karls V. – zum Beispiel in Dänemark und Schweden – vorkommen, erscheinen
diese trotz der Interpretationsansätze universalistischer Kaiseridee und der dynasti-
schen Verbindungen schon fragwürdig und erfordern in jedem Fall eingehende Unter-
suchungen. Doppel-Adler auf Schaftkronleuchtern können wie die Löwenkopf-Masken

215
Gleichwohl die Provenienz etlicher Schaftkronleuchter aus Metall nach Süd- und Westdeutschland
sowie in die Niederlande lokalisiert wird, ist die Verteilung und Relation des Motivschatzes auch für
Kronleuchter im Norddeutschen Tiefland bisher kaum bekannt, s. u.a. Die Kunstdenkmale der Pro-
vinz Hannover, T. II: Reg.-Bezirk Hildesheim, Bd. 10., Kreis Alfeld, 1939. – Die Kunstdenkmale des
Kreises Rügen, 1963.
216
F. Bruns, Die Lübecker Bergenfahrer und ihre Chronistik, 1900 (Hansische Geschichtsquellen, N. F.,
Bd. II), 5. CXXII. Es ist allerdings nicht ersichtlich, ob es ein Winkelarmkronleuchter ist. – K. Jar-
muth, Lübecker Leuchten van Meeresgrund, in: Lichttechnik, Beleuchtung, Elektrogerät, Installation,
21. Jg., H. 1, 1969, S. 72–74. Ders., a.a.O., 22. Jg., H. 5, 1970, S. 250–251. Ders., a.a.O., 23. Jg.,
H. 10, 1971, S. 342–343. – Die Bemühungen um Kontakte zum Museum in Zadar/Kroatien in dieser
Angelegenheit waren Ende der 1990er Jahre nicht erfolgreich – vermutlich auf Grund des damaligen
Bürgerkriegs in Jugoslawien. In die internationale Bibliographie ist die Auswertung des Fundes im
Adriatischen Meer von Sofija Petricioli, Leiterin des Museums in Zadar – worauf K. Jarmuth hinweist
– nicht aufgenommen.
217
S. Erixon, 1943, S. 43. – K. Jarmuth, (1967), S. 172 f.
218
K. Jarmuth, (1967), S. 172.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 61

als Unterhänge an Renaissance-Kronleuchtern sowohl formale als auch stilistische


Unterschiede in der Ziselierung aufweisen, dass daran eine Art Personalstil ablesbar
ist.

Neben dieser Ansammlung von Metallkronleuchtern im südlichen Niedersachsen ist


die Ausbreitung der Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in
Norddeutschland erwartungsgemäß insbesondere auf die traditionellen Handelsver-
bindungen und -knotenpunkte konzentriert, das heißt in erster Linie auf die wirt-
schaftlich und strategisch wichtigen Hansestädte sowie entlang der Flussläufe.219

In der weiteren Verteilung auf einzelne Orte an Nord- und Ostseeküste bilden Ost-
friesland und die Insel Rügen hinsichtlich der Häufung von neuzeitlichen Schaftkron-
leuchtern gleichsam die Eckpunkte des hier verhandelten Forschungsgebietes. Denn
hier wie auch an der Unterelbe kommen profane männliche Bewaffnete sowohl als
Bekrönungsfiguren wie auch als Subfiguren zum heraldischen Doppel-Adler vor.

Zwischen diesen Eckpunkten erscheint die Verteilung der Kronleuchterfiguren zu-


nächst diffus. Aber sie gewinnt dort Konturen, wo unter den hier thematisierten pro-
fanen Motiven der Figurentyp „Wilder Mann“ offenbar ausschließlich auf Schaftkron-
leuchter im Niemandsland zwischen den Landesgrenzen beschränkt ist. Dies kann
sich sowohl auf jene Karten beziehen, die das Reich im 16. bis 18. Jahrhundert wie-
dergeben, als auch auf die Orientierung an den Generalkarten für die Bundesrepublik
Deutschland und die angrenzenden Nachbarstaaten.

Weitere Zusammenhänge zeichnen sich ab, indem die drei Varianten der Lands-
knechtkronleuchter als eine andere Gruppe profaner Motive der Renaissance in ihrer
jeweiligen Verteilung zwischen Weserbergland und Vorpommern sowie zwischen dem
Großraum Hannover und Tondern/Dänemark oder aufgrund ihres Bestandes an der
Unterelbe, das heißt zwischen Altem Land und den Vierlanden, zur scheinbar willkür-
lich punktuellen Verteilung der anderen kriegerischen Kronleuchterfiguren „Römi-
scher Soldat“ und – bedingt – Büttel in Beziehung gesetzt werden. Nur die dichte
Abfolge zwischen Hannover und Goslar lässt die Verteilung der Kronleuchterstatuette
„Römischer Soldat“ ähnlich wie jene der Landsknechtkronleuchter als Route erschei-
nen. Ansonsten fällt auf, dass die innerhalb ihrer Gruppen stereotypen Motive sehr
unterschiedlich – anscheinend diffus – verbreitet sind. Der hier erarbeiteten Verbrei-
tungskarte zufolge kontrastieren gerade in den Elbmarschen die Kronleuchterfiguren
„Krieger“ und „Engel“ besonders augenfällig.

Wie im Falle der profanen Bewaffneten bedarf es noch der systematischen Untersu-
chung, inwieweit zwischen Friedens- und Erzengeln oder zwischen letzteren und Jus-
titia als Personifikation göttlichen Rechts zu differenzieren ist.

Obwohl Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in der Regel
Stiftungen und diese vielfach individuell motiviert sind, erfordern sowohl die sich
daraus ergebende spezifische Deutung als auch die daran sichtbare Verfügbarkeit

219
Bildband zur vorliegenden gedruckten Kronleuchterstudie: Anhang: Verbreitungskarte für Schaft-
kronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jh. in Norddeutschland.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 62

des Motivschatzes weiter gefasste Bezugspunkte. Es sind dies die Bedeutung des
Kronleuchters als Inventar im Sakral- oder Profangebäude und die Standorte dersel-
ben.

Ein Beispiel:

Jarmuth stellt den Friedensengel als Bekrönung eines Kronleuchters (1676, Evangeli-
schen St.-Marien-Kirche in Lübeck) in einen Zusammenhang mit dessen Stifter-In-
schrift.

Diese ist auf das Ableben des Donators bezogen, was Jarmuth veranlasst, den Frie-
densengel als persönlichen Wunsch nach dem Ewigen Frieden im Jenseits zu inter-
pretieren.220 Die fehlende differenzierende Beweisführung erlaubt den Umkehr-
schluss: Demnach intendieren alle Memorialstiftungen, die als Kronleuchter keinen
Friedensengel oder eine vergleichbare Bekrönung tragen auch keinen Ewigen Frieden
des Verstorbenen, sofern keine besseren Alternativen und weitere Perspektiven vor-
gestellt werden?

Angesichts dessen fordert der gegenwärtige Erkenntnisstand im Rahmen der hier


vorliegenden Studie dezidierte Untersuchungen.

Der Bestand und die Verteilung der neuzeitlichen Schaftkronleuchter samt ihrer Be-
krönungen zeigen, dass sich die bisher neununddreißig Figurentypen in Gruppen ein-
teilen lassen und offenbar bedarfsorientiert verteilt sind:

Die Gestik der von Jarmuth als Friedensengel bezeichneten Topfigur des besagten
Kronleuchters in Lübeck weist gegenüber vergleichbaren Exemplaren in Nord-
deutschland deutliche Parallelen zur Darstellung des heiligen Michael als Kronleuch-
terfigur in Gestalt des Seelenwägers auf. Und es gibt an sich kaum formale Anknüp-
fungspunkte zu jenen Boten Gottes, die mit axialsymmetrisch ausgestreckten Armen
Palmzweig und Lorbeerkranz darbringen. Diese Lichtgestalten sind es, die im eigent-
lichen Sinne die Friedensengel repräsentieren. Und sie entsprechen quantitativ etli-
chen anderen Figurentypen auf Kronleuchtern.

Die Feststellung Jarmuths, dass Engel mit Palmzweig als religiöses Motiv auf Kron-
leuchtern selten auftreten, erscheint angesichts der zahlreichen heraldischen Doppel-
Adler und Darstellungen „Jupiter auf Adler“ richtig, ist aber im Verhältnis zu den üb-
rigen Motiven so nicht haltbar.221

Die Gegenüberstellung der Verbreitungskarte für Schaftkronleuchter und der Karte


Deutschlands im 16. Jahrhundert zeigt, dass die Erzengel auf den besagten Beleuch-
tungsgeräten in Norddeutschland vorzugsweise dort vorkommen, wo ihr Standort im
Einflussbereich von Bistümern liegt. Unterschiedliche Darstellungen der Erzengel
kommen vor auf Kronleuchtern in Stade und Oberndorf (vormals Erzbistum Bremen),
Bardowick (im 10./11. Jahrhundert ursprünglich als Bischofssitz vorgesehen – später
Bistum Verden) und Hessisch Oldendorf (Bistum Minden/Bistum Paderborn/Bistum

220
K. Jarmuth, Lichter, Leuchten im Abendland, (1967), S. 226 ff.
221
Ebd., S. 226.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 63

Münster).222 Ein Großteil derartiger Leuchter gehört in das 17. und 18. Jahrhundert.
Ihre Gestaltung dokumentiert den Eindruck aktueller Ereignisse als vielmehr prägen-
de Erfahrungen der Vergangenheit.

Zwei weitere Verbreitungsgebiete für Schaftkronleuchter aus Messing bilden das


westliche und südliche Nordrhein-Westfalen und in Brandenburg der Großraum Ber-
lin. Während zwischen Düsseldorf und der deutsch-niederländischen Staatsgrenze
Marienleuchter und spätgotische oder frühneuzeitliche Schaftkronleuchter mit der
Bekrönung einer Muttergottes vorkommen, können für den östlichen Teil Branden-
burgs keine spezifischen Kronleuchterfiguren genannt werden. Insbesondere infolge
der beiden Weltkriege gingen hier wie auch andernorts etliche Kronleuchter unwie-
derbringlich verloren, ohne typologisch und ikonographisch ausreichend dokumen-
tiert worden zu sein.

Stets ist zu vergegenwärtigen, dass eine realitätsnahe Ermittlung der Entstehungs-


hintergründe und der Verteilung von Kronleuchtern, Kronleuchterfiguren und ande-
ren Details bereits angesichts dieser Ausgangssituation gewissen Einschränkungen
unterliegt. Denn bisweilen haben sich Schriftquellen zu Kronleuchtern erhalten –
nicht jedoch die Objekte selbst.

In den älteren amtlichen Länderinventaren wird gelegentlich nebulös eine Provenienz


von Kronleuchtern als Kriegsbeute konstatiert. Oder es findet der Verkauf von Kron-
leuchtern – zum Beispiel an jüdische Gemeinden – Erwähnung, die im Zweiten Welt-
krieg ausgelöscht wurden. Etliche Kronleuchter wurden während der Weltkriege kon-
fisziert, um für Rüstungszwecke eingeschmolzen zu werden.223 Andere Kronleuchter
blieben infolge dieser militärischen Auseinandersetzungen oder aufgrund anderer
Einwirkungen nur unvollständig erhalten. Sie können aus Restbeständen ursprünglich
mehrerer Kronleuchter komplettiert, durch Neuanfertigungen ergänzt, oder durch

222
Siehe u.a.: Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen, Kreis Hadeln und Stadt Cuxhaven, 1956,
S. 239. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen, Landkreis Stade, 1965, S. 103, 115. –
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, Neubearb., stark erw.
Aufl., 1992, S. 184, 186, 1217 f.,1222 f., 1224. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmä-
ler, Brandenburg, Neubearb. 2000, S. 55 ff. Ein Messingkronleuchter ist dort nicht erwähnt, aber fo-
tografisch im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege dokumentiert. – Des Weiteren kön-
nen adäquate Kronleuchter chronologisch genannt werden in ev. Kirchen: 1633, Weener; 1650,
Buttforde/Niedersachsen (urspr. Bistum Bremen); 1656, Borstel; 1660, Zeven; 1667, Jork/Nie-
dersachsen (urspr. Bistum Bremen); 1668, Hemme/Schleswig-Holstein (s. Schwabstedt, urspr. Bis-
tum Schleswig); 1674, Beeskow/Brandenburg. (urspr. Bistum Lebus); 1700, Esens/Niedersachsen
(urspr. Bistum Bremen); 1709, Reetz /Brandenburg (urspr. Bistum Magdeburg); 1736, Gö-
dens/Niedersachsen; 1738, Adeliges Kloster Preetz (urspr. Bistum Eutin-Lübeck); 1739, Hemme
(s. o.); des Weiteren: Brockhagen/Niedersachsen und Hamburg-Harburg 1645 sowie Haseldorf und
Seester; s. Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1970, S. 547. Ebd., S. 555 f. ist für die evangeli-
sche Kirche Seester-Kurzenmoor kein Kronleuchter mit geflügelter, weiblicher Figur dokumentiert,
aber doch vorhanden. – J. v. Schröder/H. Biernatzki, Topographie, Bd. 1, 2. neu bearb. und verm.
Aufl., 1855, S. 4 f., 16 f., 490, 513. Dies., a.a.O., Bd. 2, 1856, S. 439 f. Bremen und Magdeburg wa-
ren Erzbistümer. Ostfriesland gehörte im Nordosten zum Erzbistum Bremen und im Südwesten zum
Bistum Münster.– Großer Atlas Weltgeschichte, 1997, S. 96.
223
Diesbezügliche Hinweise finden sich unter anderem in den amtlichen Länderinventaren der Bau- und
Kunstdenkmäler für Berlin und das Bundesland Brandenburg.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 64

Erwerbungen im Kunsthandel oder durch Replikate ersetzt sein.224 Nicht immer sind
überkommene Kronleuchter also authentisch und an ihrem Bestimmungsort oder in
ihrem Verwendungszusammenhang erhalten.

Vereinzelt konnte festgestellt werden, dass Kronleuchter bereits im 18. Jahrhundert


in Anbetracht der als unästhetisch empfundenen Defekte oder Instandsetzungsmaß-
nahmen als wertlos erachtet wurden. Sie konnten eingeschmolzen oder veräußert
werden und lieferten so das Ausgangsmaterial für neue Kronleuchter.225

Andernorts entsprachen Kronleuchter aus Metall nicht mehr dem Zeitgeschmack und
wurden als unpassende, störende Beleuchtungskörper aus dem renovierten oder
modernisierten Innenraum entfernt.226 Mitunter gelten Leuchter als spurlos ver-
schwunden. Zeichnet sich hierbei eine gewisse Beliebigkeit ab, sprechen der große
Bestand an Kronleuchtern und die Tatsache ihrer Stiftung für die Beliebtheit dieser
Objekte und ihre Eignung als Zeitdokument und Kommunikationsmittel.

224
Lt. mündlicher Auskunft (E. 1990er Jahre) des Pastors der Ev. St. Johannis-Kirche in Hamburg-
Curslack wurde Mitte des 20. Jh. ein Kronleuchter aus Messing mit einem gekrönten, heraldischen
Doppel-Adler (Kirche, Südseite) im Kunsthandel erworben. – In der Alten Kirche auf Pellworm wurde
Mitte der 1990er Jahre das Replikat eines barocken Kugelkronleuchters installiert. – Im Sommer
1996 stellt die Nordelbische Kirchenzeitung (Evangelisch-Lutherisches Wochenblatt, Nr. 34, Kiel
1996, S. 6) einen Schaftkronleuchter (Höhe: ca. 3 m) des Domes in Hadersleben/Dänemark und im
Zusammenhang mit der Firma Scan Metal in Sölstedt/Jütland vor. Der besagte Kronleuchter weist
mit den Apostel-Statuetten als Subfiguren sowie in der Gestaltung der Leuchterarme und des Knaufs
unter der großen Kugel deutliche Parallelen zum Messingkronleuchter (1638) der Ev. St. Nikolaikir-
che in Kiel auf. Lt. Inventar hat der Dom zu Hadersleben 18 (!) Kronleuchter und datiert drei davon
vor 1605, zwei in das Jahr 1605, der dritte von 1655 und den Rest als Replikat. Siehe Danmarks Kir-
ker, Sonderjylland, Haderslev Amt, 1954, S. 156. – Eine Fotodokumentation (2. Hälfte 20. Jh.) der
Firma Paul Oehlmann, Bielefeld zeigt unter anderem eine Nachbildung des Landknechtskronleuchters
der evangelischen Kirche in Bad Bevensen sowie eine Nachbildung des Kugelkronleuchters (1717)
der evangelischen Kirche in Mittelnkirchen/Elbe nach historischen Fotografien. Der ursprüngliche
Kronleuchter wurde im Weltkrieg konfisziert; siehe Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen.
Landkreis Stade, 1965, S. 502. Das Replikat eines Winkelarmkronleuchters „Büttel“ war Ende der
1990er Jahre während eines Ortstermins in der Firma Oehlmann, Bielefeld zu besichtigen. Von einem
weiteren Exemplar ist bekannt, dass es vor 1996 in die evangelische Kirche in Müden/Aller gekom-
men ist.
225
St. A. Kiel, „Akten des Stadtkonsistoriums in Kiel betreff den Verkauf der beiden alten Messingkro-
nen in der Klosterkirche 1784“ (Nr. 9). Während einer Besichtigung der Klosterkirche in Kiel anläss-
lich der Errichtung eines neuen Chores stellt der Kirchenjurat Friedrich Tamsen fest, ... dass solche
(die beiden Kronleuchter) sehr schadhaft sind und einer sehr großen Reparation bedürfen. Selbige in
brauchbaren Stande zu versetzen, verlangt man 16 M(ark) und dan sind und bleiben es doch altmo-
dische Kronen, die meines dafürhaltens nicht wehrt, daß so viel Geld davon verwandt wird“; „so wa-
re es doch besser, aus den zweyen kleinen alten, eine etwas größere neue machen zu lassen, wofür
man à W (Pfund) Gut 20 ß (Schilling) in Lübeck verlanget“. F. Tamsen skizziert dann, wie das Mes-
sing der eingeschmolzenen Kronleuchter mit der Anfertigung neuer zu verrechnen sei.
226
Mit dem Abbruch der spätgotischen Marienkirche in Husum finden die dazugehörigen Kronleuchter
des 17. Jh. in der vollkommen als klassizistischer Neubau errichteten Ev. Marktkirche keine Ver-
wendung mehr. Lt. R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. III,
Register, 1889, S. 109 und vgl. P. Hirschfeld (Hg.), Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-
Holstein, Kreis Husum, 1939, S. 112 gehörten drei Kronleuchter aus Messing der Jahre 1630,
1650/55 (Hl. Elisabeth) und 1643 (heraldischer Doppel-Adler) in die besagte Kirche. Der Kronleuch-
ter von 1643 wurde 1716 in Flensburg und 1773 van Gelbgießer Johann Christoph Wiedecke re-
pariert; s. KKrs.A. H.-B., 232, Akte St. Marien Husum 1605–1852, Notification.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 65

2.4 Die Hängung von Kronleuchtern

Die Platzierung eines Kronleuchters richtet sich augenscheinlich nach der baulichen
Situation des jeweiligen Bestimmungsortes und ist innerhalb dieser überwiegend
sakralen und profanen Repräsentationsräume – wie zum Beispiel in evangelischen
Gotteshäusern sowie in Rathäusern – per definitionem morphologisch und funktional
begründet227: Die freie Hängung des Kronleuchters an Seilen, Ketten oder Gestängen
inmitten eines Raumes trägt sowohl einer effektiven, der Helligkeit dienenden und
glanzvollen, festlichen Nutzung der kranzförmig angeordneten Lichtquellen Rechnung
als auch bedingt der Ästhetik von Beleuchtungsgerät und Interieur. Einer Proportio-
nalität zwischen beiden wird damit nicht zwangsläufig entsprochen – wie zum Bei-
spiel in Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische Kirche St. Severi, Winkelarmkron-
leuchter (ca. 80 m Höhe) der Spätgotik und frühen Neuzeit oder Rheinsberg/Bran-
denburg, Evangelische Kirche St. Laurentius, Kronleuchter (Anfang 18. Jahrhundert).
Denn Baukörper und Ausstattung spiegeln häufig historische Prozesse wider.228

227
Großes Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, (…), Bd. 6, Halle/Leipzig 1733, Sp. 1722.
228
Otterndorf/Niedersachsen, Evangelische Kirche St. Severi ist eine große hohe Saalkirche mit Ton-
nengewölbe. – A. Kamphausen, Der Dom der Dithmarscher, die Kirche zu Meldorf, Düsseldorf 1931,
S. 155 f. – Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel von 1487-1601, in: Ztschr. d. Gesell. f. S.-H.-
Lauenbg. Gesch., Bd. 10, 1881, S. 226. - J. Kinder, Plön. Beiträge zur Stadtgeschichte, 1904, S.
31 f. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II, 1920. S. 267, 269,
271, 302. – A. v. Brand, Geist und Politik in der Lübeckischen Geschichte, Lübeck 1954, S. 88 ff. –
J. Heers, Vom Mummenschanz zum Machttheater, Europäische Festkultur im Mittelalter, 1986. –
H. Ewe, Das alte Stralsund, Kulturgeschichte einer Ostseestadt, 1995, S. 61. – G. Kießling, Der Herr-
schaftsstand, Aspekte repräsentativer Gestaltung im evangelischen Kirchenbau, 1995. – Gegenwär-
tig hängen drei annähernd gleich große Schaftkronleuchter, das heißt zwei Renaissancekronleuchter
von 1589 und 1590 je einer im Osten und Westen, ein barocker Kugelkronleuchter in der Mitte der
Ev. St. Marien-Kirche in Barth/Vorpommern. Im Inventar vom 20.10.1673 dieser Kirchengemeinde
heißt es: „4. Messingszeugk: Drey über der großen Kirchdiele hangende Crohnen sindt vorhanden
undt ist bey der (Vordersten) gegen den Rahtstuell ein arm hinwegk: Es liegtt aber annoch ein Stück
davon im Altar Pult Schapff hinterm Altar jedoch zerbrochen.“ Ein vierter Kronleuchter im Chor der
Kirche weist formale Parallelen zu den Exemplaren des Dominicus Slodt in der evangelischen St. Ma-
rien-Kirche in Barth auf. – Und auch in anderen Archivalien wird die Hängung von Kronleuchtern in
der Mitte des jeweiligen Gotteshauses, nicht aber die Reihenfolge beschrieben: A) LAS Abt. 7 Nr.
6091, Nr. 53, S. 4. Dom zu Schleswig: „Inventarium der Hochfürstlichen Thumb=Kirchen nebenst
andern dazu gehörigen Gebäuden, Brücken und Schlagbäumen. Anno 1706. Die 3 großen Meßinge
Crone, welche im mittelß großem Gange hangen ... hat ebenfalß folged achter Hr. Prasident der Kir-
chen verehret.“ – B) Im Kirchenbuch der Ev. Christkirche Rendsburg lautet der Eintrag für den 29.
Juli 1721: „Einnahme Caput 111. Vor Leichen auf die Verwesung, sowohl in der Kirche, alß 1.) In der
Kirchen den 29. July die Seel(ige) Jungfer Möllerinn mitten im Stiege unter die Krone in der Kirche in
die Erde davor Herr Pastor Müller bezahlet hat. 42 M.“ (Ki A RD Christkirche Nr. 391 Kirchensachen).
– C) Mölln, Ev. St. Nikolai-Kirche, Kircheninventar 1758: „10. Ein Meßingene Crone mit 16 Arm im
Leichen Hause, worauff die Höltichten Erben Lichter halten.“ Die Inschrift eines Kronleuchters von
1689 in der dortigen Kirche nennt als Stifter einen Jochim Werner Höltig. – D) Und im Verzeichnis
von 1763 der Ev. Kirchengemeinde in Hattstedt/Schleswig-Holstein betreff Kronleuchter von 1644
und 1654; s. KKrs. H.-B., Hattstedt Nr. 240. - Demgegenüber und Quellenstudien im LAS zufolge
scheinen die Informationen zur Gestaltung und Hängung neuzeitlicher Schaftkronleuchter aus Metall
in Profangebäuden dürftiger; s. C.-H. Seebach, Das Kieler Schloss. Neumünster 1965, S. 19 f. – Vgl.
LAS Abt.7 Kop. Abg. Nr. 1044/166. Landesausstellung Niedersachsen 1985, Staat im Wandel, Kunst
und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650, Bd. 1, (1985), S. 264, Kat.-Nr. 202. – D.
Lafrenz, Das Kieler Schloss, Hamburg 1987, S. 33: „Zur Beleuchtung dienten Messingkronen mit
Kerzen, die an den Gewölbepfeilern befestigt waren (!), oder einfache Brandruten an den Wänden,
womit zum Teil wohl Fackeln, aber auch metallene Wandleuchter gemeint waren.“ Eine derartige An-
bringung von Messingkronen erscheint trotz spärlicher Quellen zu diesen Inventarstücken eher un-
wahrscheinlich, s. vorstehende Anmerkung. Selten gehen vergleichbare Einzelheiten zum Beispiel
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 66

Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts in Norddeutschland


sind oftmals Stiftungen und insoweit zweck- und ortsgebunden.

Ein einzelner neuzeitlicher Schaftkronleuchter ist vornehmlich zentral platziert – wie


zum Beispiel in Zirkow/Rügen, Evangelische Kirche St. Johannes, Kronleuchter „Dop-
pel-Adler“ mit Subfiguren „Landsknechte“, um 1630 (Abb. 77) oder auf Pell-
worm/Schleswig-Holstein, Neue Kirche, Kronleuchter „Doppel-Adler“, 1704 (vor
Brandschaden, 2. Hälfte der 1990er Jahre).

Mehrere Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts an einem Be-
stimmungsort können axialsymmetrisch angeordnet sein (Güstrow/Mecklenburg-
Vorpommern, Evangelische Pfarrkirche, Kronleuchter „Engel“, 1696 und Kronleuchter
„Doppel-Adler“, 17./18. Jahrhundert; Rössing/Niedersachsen, Evangelische Kirche, 1
Kronleucher „Sitzlöwe“, Evangelisch 16./7. 17. Jahrhundert und eine Nachbildung
anlässlich einer Familienfeier im 19. Jahrhundert; Lüneburg/Niedersachsen, Evange-
lische St. Johannis-Kirche, Kronleuchter, 17. Jahrhundert sowie Rathaus, Fürsten-
saal, je ein Kronleuchter „Sitzlöwe“, 16./17. Jahrhundert und „Doppel-Adler“, 17.
Jahrhundert; Odense/Dänemark, Frauenkirche, ein Kronleuchter, 16./17. Jahrhun-
dert, 2. Exemplar vermutlich eine Nachbildung).229

Überwiegend hängen derartige Schaftkronleuchter in Longitudinalbauten in einer Rei-


he – wie zum Beispiel in Flensburg, Hattstedt und Preetz/Schleswig-Holstein, Evangeli-

aus den verschiedenen Urkundenbüchern hervor, wo im Zusammenhang mit Testamenten oder an-
deren Rechtsangelegenheiten, die sowohl Privatbesitz als auch kirchliche Belange beinhalten können,
mitunter nur das Vorhandenseins einer Ewigen Lampe oder eines Kronleuchters erwähnt bzw. die
Nutzung der Beleuchtung geregelt ist. Vgl. u.a. Hamburgisches Urkundenbuch 1337-1350, Bd. 4, Hg.
Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, 1967 (U 234/235 Hamburg, 21. März 1345, Ewige
Lampe und U 413 Hamburg, 20. Januar 1350 und U 270, Schwerin, 07. Dezember 1345), s. auch E.
Götz, Die Stadtkirche Unser Lieben Frauen zu Friedberg. Berlin 1984 (Große Baudenkmäler H. 203).
Darüber hängt ein Messingkronleuchter, der wie sein gleichartiges Gegenstück 1752 bei einem Nürn-
berger Händler zur Aufhängung im Mittelschiff bestellt und gekauft wurde...“ – Eine Vorstellung von
der Platzierung eines Metallkronleuchters in Profangebäuden gibt zum Beispiel das Gemälde „Ge-
richtssitzung“ (1625) von Hans van Hemßen, wo zwischen zwei Fensterachsen in der Stirnwand des
dargestellten Audienzsaales ein Kronleuchter mit kleiner Kugel und mehreren Lichtkränzen angedeu-
tet ist; s. A. Graßmann, Lübeck im 17. Jahrhundert: Wahrung des Erreichten. Europäische Konflikte
und Lübeckische Unruhen, in: Lübeckische Geschichte, 2. überarb. Aufl. 1989, S. 435 ff., insbes.
S. 442, Abb. 145. – A. Wendt, Das Schloss Reinbek, Untersuchungen und Ausstattung, Anlage und
Architektur eines landesherrlichen Schlosses, Kiel 1991, S. 65: „Als besondere Ausstattungsstücke
fanden sich hier (im Schlosssaal) ein großer Kronleuchter...“ – H. Ewe, Das alte Stralsund. Kulturge-
schichte einer Ostseestadt, 2. Aufl. 1995, S. 156. Dort ist im Zusammenhang mit der Rechnungsfüh-
rung von 1499 zur Ausstattung des Stralsunder Artushofes „..., von einem Kronleuchter und einem
Marienbild“ die Rede.
229
Ein Ortstermin und ein Gespräch Ende der 1990er Jahre in der Evangelischen Kirche zu Hamburg-
Curslack ergab, dass zu einem vorhandenen Schaftkronleuchter Mitte des 20. Jahrhunderts eine wei-
terer barocker Kugelkronleuchter im Kunsthandel erworben wurde. Somit ist eine axialsymmetrische
Beleuchtung beider Querhausarme der Kirche möglich. – Die Kunst- und Geschichts-Denkmale des
Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, IV. Band, 2. Aufl., Schwerin 1901, S. 247. – Die Kunst-
denkmale der Provinz Hannover. I: Regierungsbezirk Hannover, 3: Kreis Springe, 1941, S. 177. –
Die axialsymmetrische Hängung der Schaftkronleuchter im Fürstensaal des Rathauses zu Lüneburg
besteht laut Länderinventar von 1906 nicht im Gegenüber der Bekrönungen „Sitzlöwe“ und „heraldi-
scher Doppel-Adler“. Mit Zerstörung der Evangelischen Kirche St. Lamberti in Lüneburg nahm der
Schaftkronleuchter „Ritter“ (richtig: Römischer Soldat) die heutige Platzierung des Hängeleuchters
mit bekrönenden Sitzlöwen ein, vgl. Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover. III: Regierungsbezirk
Lüneburg, 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906, S. 255 und s. S. 130, 241.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 67

sche Kirchen, Bernau und Wittstock a.D./Brandenburg, Evangelische Kirche; Lü-


beck/Schleswig-Holstein, Evangelische Kriche St. Jakobi; Plau, Stralsund (Evangeli-
sche Kirchen St. Marien, St. Nikolai und Heiliggeistkirche sowie ursprünglich auch St.
Jakobi) und Wismar/Mecklenburg-Vorpommern; Kopenhagen/Dänemark, Heiliggeist-
kirche; Tondern/Dänemark, Kristkirche.230

Ist der Bestimmungsort von Kronleuchtern über einem Grundriss in Gestalt eines
griechischen Kreuzes errichtet, kann die Hängung der besagten Leuchter daran ori-
entiert sein – wie zum Beispiel in Rostock/Mecklenburg-Vorpommern, Marienkirche
(Abb. 126), sechs Kronleuchter 16., 17. und 18. Jahrhundert oder wird mittels Neu-
erwerbungen darauf abgestimmt (Rendsburg/Schleswig-Holstein, Evangelische
Christkirche, der Bestand von drei Barockkronleuchtern „Caritas“, „Doppel-Adler“ und
„Jupiter auf Adler“ wird um zwei Schaftkronleuchter des 19. Jahrhunderts erweitert
und erlaubt eine kreuzförmige Hängung im Raum).231

Die Hängung von (Schaft-)Kronleuchtern in gleichmäßigen Intervallen in Kirchen ist


des Weiteren von der diesbezüglich verfügbaren Anzahl von Gewölbejochen be-
stimmt oder richtet sich nach Unterzügen von Balken- bzw. gerade abschließenden
Raumdecken.

Quantitativ und/oder qualitativ ungleiche Kronleuchterbestände an einzelnen Be-


stimmungsorten können zu asymmetrischen Platzierungen der Leuchter führen – wie
zum Beispiel Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts gesehen in den Evangelischen Kir-
chen in Bad Freienwalde/Brandenburg und Esens/Niedersachsen oder im Dom zu
Schleswig/Schleswig-Holstein.

Gleichartige Schaftkronleuchter und/oder Bekrönungsfiguren ermöglichen Symmet-


rien (Preetz/Schleswig-Holstein, Stadtkirche, Schaftkronleuchter „Doppel-Adler“,
1641; „Engel“, 1696; „Doppel-Adler“, 1649), sofern die Stiftung und Hängung dieser

230
Von ursprünglich drei Schaftkronleuchtern (1684, 1709 und 1745) der Evangelischen Kirche in Ha-
genow/Mecklenburg-Vorpommern ist Ende der 1990er Jahre nur das Exemplar von 1745 erhalten
und hängt nicht mehr mittig wie noch im neogotischen Interieur, sondern über der Taufe und diago-
nal zum Altar im erheblich verkleinerten und modernisierten Kirchenraum, vgl. Die Kunst- und Ge-
schichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III. Bd., 2. Aufl., Schwerin 1900,
S. 6. – Ferner konnte eine seitliche Hängung eines Schaftkronleuchters (17./18. Jahrhundert) nahe
zum Seiteneingang in der Evangelischen St. Marien-Kirche in Salzwedel/Sachsen-Anhalt im Herbst
2000 festgestellt werden. – Betreff Goslar/Niedersachsen befindet sich der frühneuzeitliche
Schaftkronleuchter „Römischer Soldat“ heute in einem an die Diele des Rathauses angrenzenden
Raum und nicht mehr in Reihe mit den spätgotischen Geweihleuchtern und einem gegossenen Kapel-
lenkronleuchter, vgl. Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim, 1
und 2: Stadt Goslar, 1901, S. 302.
231
Die genannte Reihenfolge der Schaftkronleuchter in der Evangelischen Christkirche in Rendsburg ist
auf die gegenwärtige Hängung von Ost nach West bezogen. Die Bekrönung des östlich hängenden
Leuchters „Caritas“ ist eindeutig k e i n e Christus-Figur; s. Die Kunstdenkmäler des Landes Schles-
wig-Holstein, Hg. H. Beseler, 1979, S. 642 und vgl. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler, Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 743 und vgl. ebd.
S. 342 sowie G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen, Niedersachsen, 1992,
S. 1344 (Werdum). Der mittlere Kronleuchter „Doppel-Adler“ in der Evangelischen Christkirche zu
Rendsburg weist stilistische Parallelen zum Kronleuchter (1661) in der Evangelischen Nikolaikirche in
Kiel auf, s. Bildband der vorliegenden Kronleuchterstudie, Abb. 13.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 68

Beleuchtungsgeräte nicht auch Nutzungsrechte von Kirchenständen, Grablegen oder


anderweitiges zu dokumentieren hat.232

Unabhängig davon, ob Kronleuchter nach Wachslichter tragen oder aufgrund unter-


schiedlicher Erwägungen (Pflege, Nutzung, Modernisierung) nachträglich elektrifiziert
wurden, können über stilistisch vergleichbare, vorhandene Wandleuchter im Raum
hinaus zusätzlich modern Hänge-, Decken- und Wandleuchter installiert sein.

Ob historisch oder modern – Beleuchtungsgeräte sind Kunsthandwerk, sofern sie in


limitierter Stückzahl gleichermaßen stilistische, materialästhetische und funktionale
Kriterien in manueller Verarbeitung erfüllen.

Die Grenzen zum Kunstgewerbe sind fließend. Sobald angesichts einfacher, schlichter
Formgebung, Materialeigenschaften und hoher Auflagenzahlen eine serielle Produkti-
on nahe liegend erscheint.

Dass Kronleuchter oftmals nach Größe und einem danach bestimmten materiellen
Wert beurteilt werden, überrascht ebenso wenig wie ihre scheinbar freie Hängung –
im übertragenen Sinne. So können Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18.
Jahrhunderts – wie zum Beispiel die zwischen 0,70 und 1,20 Meter hohen frühneu-
zeitlichen Winkelarmkronleuchter mit ihren spezifischen Bekrönungsfiguren unter-
schiedlich platziert sein: Eine dieser charakteristischen Bekrönungen bilden – neben
Motiven wie Römischer Soldat, Büttel, Wilde Leute und heraldischer Doppel-Adler –
die Darstellungen von Landsknechten.233

Die so genannten Landsknechtkronleuchter können inmitten eines kleinen Gottes-


hauses (Kosel/Schleswig-Holstein, Abb. 74; Oederquart/Niedersachsen) oder als ein
exemplar unter verschiedenen Kronleuchtern vor der Orgelempore (Steinkirchen,
Elbe/Niedersachsen, Evangelische Kirche) oder seitlich, das heißt über Fünfen und
Taufständern (Holzminden/Niedersachsen, Evangelische Kirche) platziert sein (Abb.
73). Sofern letztere nicht bereits mit einer Taufkrone – möglicherweise kronleuchter-
artigen Abdeckung konzipiert sind und hier wie dort den Bezug zu den Kasualien ver-
deutlichen.

Andere Beispiele dieses Kronleuchtertyps der Renaissance, die auch eine Löwen-
kopfmaske als Unterhang besitzen und nach oben aber mit einem gekrönten, heral-
dischen Doppel-Adler abschließen, sind ebenfalls unterschiedlich platziert: Im Dom
St. Petri zu Lübeck hängen sie axialsymmetrisch – seitlich des Chors (Abb. 102) in
der Evangelischen Kirche St. Johannis in Hamburg-Neuengamme vor der Orgelempo-

232
Siehe u.a. HSTA 148 St. Marien, Stralsund, „Todten-Register“. – Schaftkronleuchter der Evangeli-
schen Kirche in Hamburg-Ochsenwerder, s. HHStA Archiv Ochsenwerder I A ) a 1, Auszug aus dem
Kirchenbuch 1619. – Vgl. Munkbrarup/Schleswig-Holstein, J. Stüdtje, Die Chronik des Kirchspiels
Munkbrarup, Bd. 1, Schleswig 1975, S. 45. – Die Befestigungstechnik und -vorrichtung zur Hängung
der Kronleuchter ist sehr unterschiedlich, s. Die Bau und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt
Lübeck, Bd. III, T. 2, 1920, S. 281. – Vgl. Bildband der vorliegenden Kronleuchterstudie, Abb. 39,
48.
233
Siehe Kapitel 3 der vorliegenden Kronleuchterstudie sowie Bildband, Abb. 68-79 und Verbreitungs-
karte und/oder digitalisierte Übersichtskarte.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 69

re (Abb. 75). Eine Fotografie von 1897234 zeigt ein entsprechendes Exemplar (um
1594), das im Chorraum der Kirche des Adeligen Klosters Preetz/Schleswig-Holstein
nahe zum Altar hängt. 1845 heißt es im „Verzeichnis der Pflichten und Einnahmen
des Organisten Präcentors und Küsters am Kloster zu Preetz“ unter anderem

„Bei Sterbefällen mit feierlichem Leichenbegängnissen (…) wird der, zunächst bey
der großen Gitterthür hängende kleinste Kronleuchter herunter genommen (damit er
nicht mit dem Sarg berührt werde).“235

Und im Rechnungsbuch ist eingetragen: „1756, den 20. Seb. (September) ist das
Begräbnis auffem Kohr under der Crohn auff und zu gemacht.“236

Der besagte „kleinste Kronleuchter“ oder die „Crohn“ sind dort nicht weiter beschrie-
ben. Es dürfte der frühneuzeitliche Winkelarmkronleuchter (um 1595) mit Doppel-
Adler und Löwenkopfmaske gemeint sein. Denn dieser Leuchter hat im Gegensatz zu
den drei übrigen (Abb. 98, 120, 121, 139) Kugelkronleuchtern (17./18. Jahrhundert)
nur einen Durchmesser von ca. 60 cm.

Einem Akteneintrag zufolge hat 1711 „Frau Ide Schakken von (…)orghoff der Kloster
Kirchen eine Messingue Leuchter Krone verehrt. Undt Fräulein Anna Margareta Se-
hestedten sich erboten, die darauf nöthigen lichter jederzeit anzuschaffen, so ist be-
liebet, daß gedachte Krone hinter dem Saugstuhl gehanget werden soll.“237

Von einem dritten Schaftkronleuchter aus Messing in der Klosterkirche zu Preetz ist
1845 zu lesen:

„Zu den gewöhnlichen Sonntagen. Gegen 3 Uhr im Sommer und gegen 2 Uhr im
Winter (…) werden die Examen- und große Norder-Kirchenthür geöffnet; (…) das in
dem sogenannten Durchgange (= alter Beicht-Stuhl) stehende Pult, zum Gebrauch
für den Prediger bey den Examen; in das Schiff der Kirche, und unter dem, der Exa-
mensthür gegenüber hängenden Kronleuchter gesetzt.“238

Es gibt keinerlei Hinweise, auf welchen der zwei verbleibenden Kronleuchter dieser
Akteneintrag bezogen sein könnte (Abb. 98, 120, 121, 139). 43 Jahre vergehen als
der Landeskonservator Richard Haupt Anfang des 20. Jahrhunderts inventarisiert: „4
schöne Kronleuchter, der im Chore mit einem Adler (Abb. 98). Der westlichste, von
1738 (Abb. 139), ist besonders gut und schwunghaft, mit 2 mal 6 Armen. Auf der
unteren stehen kleine Gestalten der Tugenden, oben steht die Justitia.“239

Die Platzierung eines Hängeleuchters im Chorraum der Klosterkirche zu Preetz und


die der weiteren in je einem Gewölbejoch des in diese Stützbasilika eingebauten

234
Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein in Kiel, Fotothek, vgl. LDSH IV B (1897), LDSH S
832 (1905) und LDSH L 839 (1917).
235
KAP V B a 1 und b 1-9. – Gitterthür bezeichnet die schmiedeeiserne Chorschranke (1738 von M.
Dahl) in der besagten Kirche des Adeligen Klosters Preetz.
236
KAP Kloster-Kirchen-Rechnungen, 1. März 1756, Ostern 1757.
237
KAP Akte 1705/1711 „Allerhand interessante Nachrichten und Urkunden des Klosters Preetz“, S. 25
f.
238
KAP V B a 1 und b 1-9 (1845).
239
R. Haupt, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, Bd. II, Kiel 1888, S. 171.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 70

Nonnenchores bleibt maßgebend für die Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts
vollzogenen – und en passant dokumentierten – Umhängungen. Diese erfolgen von
West nach Ost, so dass der oben genannte „Tugendleuchter“ (Abb. 13) (das heißt
der Kronleuchter der Anna Hedwig von Offenburg und Dorothea Catrina Pogrell,
1738) im zweiten westlichen Gewölbejoch des Nonnenchores hängt.240 Infolgedessen
erhält der große Kugelkronleuchter mit dem aufgelegten Wappen derer von Qualen
und der Bekrönung „Jupiter auf Adler“ (Abb. 121) seinen Platz vor dem Chorgitter
und hinter diesem im Chorraum der kleinere mit einer entsprechenden Figurengrup-
pe (Abb. 120). Dies führt zu Umhängungen des von Anna Brocktroff gestifteten
Kronleuchters (um 1594) aus dem Chorraum in das westlichste Joch des Nonnencho-
res – mithin unmittelbar vor den ehemaligen Priorinnensitz.241 Die Stiftung und Nut-
zung dieses Hängeleuchters ist an den Fortbestand der Klosterkirche gebunden.242

Desgleichen weist die Inschrift des nächsten, das heißt des „Tugendkronleuchters“
(1738) mit einem gravierten Allianzwappen der Familien von Offenberg und Pogrell
auf die Zweckbindung der Stiftung an den Bestimmungsort hin:
„Diese Crone
Welche des Herren Tempel gewidmet
von der Wohlehrwürdigen und Hochwohl geborenen
Fräulein Anna Hedwig von Offenberg Conventualien dieses Hochadlichen Stifts ist nach
Dero Seel. Absterben Anno MCCCXXXVIII den 24. Dec.
Zum Andenken überliefert von
einer Freundin dieses Closters Preetz“

Indem innerhalb der ersten drei Jahre des 21. Jahrhunderts die Reihenfolge dieses
zweiten und des dritten Schaftkronleuchters (von Westen) im Nonnenchor wechselt,
befindet sich nunmehr der großen Kronleuchter „Jupiter auf Adler“ mit dem aufgeleg-
ten Wappen des Adelsgeschlechts von Qualen in jener räumlichen Querachse wie die
Grabplatte (1779) dieser Familie im nördlichen Seitenschiff der besagten Klosterkir-
che zu Preetz.243

Weitere Beispiele dafür, dass die kleineren, ihrer Datierung und/oder Formensprache
nach älteren Kronleuchter im Chor bzw. in unmittelbarer Nähe zum Altar und die
größeren Schaftkronleuchter des Barock im Mittelschiff der Kirchen aufgereiht hin-
gen, können unter anderem für die evangelischen Kirchen Lübecks und Kiel/Schles-

240
Vgl. J. Siebmachers Wappen-Buch (1701/1772). Faksimile-Nachdruck, München 1975, Nr. 50, 139,
Inschrift s.u.
241
Die Motivation, die zur Umhängung führte, ist bisher unbekannt. Im 19. und bis Mitte des 20. Jahr-
hunderts ist die Stelle des Priorinnensitzes Standort des spätgotischen Schreinaltars „Hl. Sippe“.
Nach dessen Neuplatzierung ist dort die gotische Darstellung des Gnadenstuhls sichtbar, vgl. R.
Paczkowski, Die Altäre der Preetzer Klosterkirche, in: Jb. für Heimatkunde im Kreis Plön, 17. Jg.,
1987, S. 37-53.
242
A. Jessien, Diplomatarium des Klosters Preetz, 1838, S. 187 f.
243
Siehe Johann Siebmachers Wappen-Buch (1701/1772), Faksimile-Nachdruck 1975, Nr. 3, 154. –
H. H. Qualen, Die von Qualen, Geschichte einer schleswig-holsteinischen Adelsfamilie, Kiel 1987. –
Es sind keinerlei Hinweise bekannt, die diese angenommenen Zusammenhänge bestätigen.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 71

wig-Holstein sowie für Hagenow/Mecklenburg-Vorpommern genannt werden und wä-


ren um eine Vielzahl aus anderen Orten und Ländern zu ergänzen.244

Historischen Schriftquellen aus Lübeck zufolge liegen der Hängung von Beleuch-
tungsgeräten im Kirchenmittelschiff offenbar (spät-)mittelalterliche Traditionen zu-
grunde.245

Ursachen, die zum Verzicht auf vorhandene Kronleuchter, das heißt zu ihrer Verän-
derung oder Veräußerung führen können, sind unterschiedlich motiviert.246 Entspre-
chende Entscheidungsfindungen beruhen häufig auf Kosten-Nutzen-Analysen, inwie-
weit die als notwendig erachteten Reparaturen und Ergänzungen an abgenutzten,
abgestürzten Kronleuchtern oder Um- und Neugüssen vergleichbarer Exemplare
nicht ausschließlich wirtschaftlich, sondern auch hinsichtlich des liturgischen Verwen-
dungszwecks sowie betreff Materialwert und ästhetischer Ansprüche zu rechtfertigen
sind.247 Schließlich beginnen etliche Kronleuchterinschriften – insbesondere des 17.
und 18. Jahrhunderts – damit, dass der Leuchter Gott zur Ehre und der Kirche zur
Zierde gereichen soll.248

In diesem Zusammenhang lässt sich nach gegenwärtiger Kenntnis weder bestätigen


noch widerlegen, dass Schaftkronleuchter als Stiftungen generell erhalten bleiben im
Gegensatz zu jenen, die ohne diese rechtliche und moralische Verpflichtung im Han-
del erworben und möglicherweise einem wechselnden Kunstverständnis eher preis-
gegeben werden.249

Während Bestimmungsort und Platzierung eines Kronleuchters benannt sein können,


findet die kunsthandwerkliche Gestaltung von Schaftkronleuchtern – im Ganzen oder

244
F. Volbehr, Beiträge zur Topographie der Stadt Kiel in den letzten drei Jahrhunderten, T. 1: Schloss
und Altstadt, in: Mitteilungen d. Gesell. für Kieler Stadtgesch., H. 3, Kiel 1881, S. 109. Die Restau-
rierung der Schaftkronleuchter von 1638 und 1661 der Evangelischen St. Nikolai-Kirche Kiel erfolgte
Mitte des 20. Jahrhunderts und zur Jahrtausendwende. – Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des
Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, 1900, S. 6. Gegen Ende der 1990er Jahre prästentierte die
evangelische Kirchengemeinde Hagenow im Rahmen einer Fotodokumentation zu erfolgten Baumaß-
nahmen und neuen Nutzungskonzepten des Gotteshauses mit abgetrennten Wohneinheiten histori-
sche Aufnahmen des Ende 19./Anfang 20. Jahrhunderts neogotisch gestalteten Innenraums unter
Verwendung der älteren Schaftkronleuchter. Der Verbleib der jeweils ältesten Exemplare (in Kiel von
1577, in Hagenow von 1684) ist unbekannt. – Zur Hängung weiterer Schaftkronleuchter siehe u.a.
H. Ewe, Das alte Stralsund, 2. Aufl., 1995, S. 47 (Abb. 47), 49 (Abb. 49), 75 (Abb. 75).
245
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III (1920), S. 275.
246
Ebd., Bd. II, T. 2 (1906), S. 404. – Die Bau- und Kunstdenkmäler, Regierungsbezirk Stettin, Bd. 1,
Stettin 1900, S. 129 (Anklam, Marienkirche). – Die Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Os-
tens, R. A., Bd. 5, Stadt Danzig, Stuttgart 1972, S. 60 (St. Trinitatiskirche).
247
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II (1906), S. 420 (Umguss). –
St.A Kiel Nr. 789, sog. Braunes Kirchenbuch, S. 173 (1748 betreff Kronleuchter der Klosterkirche in
Kiel). – KKrs. A. H.-B., 232, Akte 1605-1852, St. Marien Husum, „Notification von der niedergefalle-
nen Krone.“
248
Inschriftlich zum Beispiel auf Schaftkronleuchtern mit Bekrönung „Engel“ oder weiblichen Figuren:
1646 Rotenburg bei Stade und 1650 Buttforde/Niedersachsen, 1650 Tondern/Dänemark, Kristkirche,
1653 Helsingør/Dänemark, St. Olaf, 1660 Zeven/Niedersachsen, 1667 und 1672 Heide/Schleswig-
Holstein, 1678 Bielefeld/Nordrein-Westfalen, St. Nikolai, 1709 Reetz/Brandenburg.
249
Kronleuchterbestände wären auf tatsächliche Stiftungen zu prüfen. – Zum Verkauf von frühen Mes-
sing- oder Kupferkronleuchtern s. u.a. A. Hagedorn, Ein Bild des Heiligen Olaf, o.A., S. 152 (Kron-
leuchter aus Bergenfahrer-Schütting um 1472). – Die Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Os-
tens, R. A, Bd. 5, Stadt Danzig, Stuttgart 1972, S. 60 (Kronleuchter, 1580).
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 72

im Detail resp. Bekrönungen und Unterhänge – wie auch deren räumliche Ausrich-
tung – in Schriftdokumenten keine Erwähnung – gegebenenfalls als Akteneintrag
angesichts größerer Reparaturen. Ob der für die Bergenfahrerkapelle der St. Marien-
kirche zu Lübeck genannte Hängeleuchter (1581-1766) aus Messing in Anbetracht
der ungeraden Anzahl, das heißt fünf Leuchterarme und mit der Statuette des Heili-
gen Olaf einen unvollständigen Schaftkronleuchter oder eine Sonderform der Be-
leuchtungsgeräte – wie zum Beispiel die so genannte Müllerkrone im Dom zu Lübeck
darstellt, kann hier nicht beantwortet werden.250 Hinsichtlich der Hängung von
Schaftkronleuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts spielen ideelle Werte
gegenüber materiellen offenbar nur in Einzelfällen eine Rolle.251

Insofern erscheinen Zweifel berechtigt, dass die im folgenden Kapitel als For-
schungsgegenstand vorgestellten Bekrönungsfiguren und Unterhänge (früh-)neuzeit-
licher Schaftkronleuchter aus Messing über ihren dekorativen Anteil am ikonographi-
schen Programm dieser Beleuchtungsgeräte hinaus als Bedeutungsträger differen-
ziert werden. Zumal das Gros dieser Statuetten einfach konturiert und in seiner
gruppenspezifischen Gestaltung mehrfach verbreitet ist. Der große Bestand an
Schaftkronleuchtern aus Messing in Norddeutschland und im benachbarten Ausland,
die Handelsverbindungen und Messingverarbeitung sowie die Wiederholung von Mo-
tiven und Formen lassen eine serielle Produktion vermuten.

Die nach dem Baukastenprinzip konzipierte Morphologie der Schaftkronleuchter so-


wie die ungleichmäßige Verteilung annähernd gleich großer Gruppen bestimmter Be-
krönungsfiguren sprechen für eine bedarfsorientierte Vielfalt und ein besonderes In-
teresse daran – abgesehen von nachträglich oder unsachgemäß komplettierten Ex-
emplaren oder jüngeren Replikaten. Weisen doch sowohl die oben genannten Bei-
spiele aus Preetz (1595), Kiel (1638 und 1661) und Hagenow (1745) sowie etliche
andere Schaftkronleuchter aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts evangelischer
Kirchen in Norddeutschland darin Parallelen auf, dass über die Stiftung von Kron-
leuchtern hinaus mittels zweckgebundener Renten und Legate für die kontinuierliche
Bestückung der Leuchter mit Wachslichtern gesorgt wird und folglich für die Nutzung
und Erhaltung dieser Beleuchtungsgeräte.252

250
KKrs. A. H.-B., 232, Akte 1605-1852, St. Marien Husum, „Notification von der niedergefallenen Kro-
ne“. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II, T. 2 (1906), S. 405,
423. – Ebd., Bd. III (1920), S. 273.
251
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansenstadt Lübeck, Bd. III (1920), S. 236 f.; Bd. IV
(1928), S. 421, 554, 596. – KiA Barth, Kirchen-Rechnungen 1602. – Vgl. HSTA Rep. 16, Nr. 312. –
E. Meyer, Der gotische Leuchter in Stans, in: FS Hans R. Hahnloser (1961), S. 151-184.
252
KAP VB a 1 und b 1-9 (1845), Verzeichnis der Pflichten und Einnahmen des Organisten und Küsters
am Kloster zu Preetz.“ Dort heißt es, dass jährlich einmal, etwa zu Pfingsten die „Kronen- und
Schild-Leuchter und mit ihnen zugleich die Kirche totaliter mit der großen Stockeule gereinigt (wer-
den)“ – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Leitern und Treppenstühlen die Leuchter stückweise
auseinanderzuschrauben und jeder besonders in die Küsterwohnung zu tragen sei. „Hierbei darf es
aber der Küster an seiner Gegenwart und Aufsicht nicht fehlen lassen, um das nachlässige Behan-
deln und Zerbrechen dieses Kircheneigenthums möglichst zu verhindern und sich und die Kirche vor
Schaden zu sichern. Auch darf das Reinigen der Leuchter weder durch Säuren noch (…) Sieden be-
schafft werden, sondern man nimmt dazu sehr fein geriebenen Rothstein, Oele und einen weichen
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 73

Bei der Auswahl der folgenden Beispiele handelt es sich um Stiftungen von Privatper-
sonen an eine Kirche/Kirchengemeinde: 1634 in Bad Oldesloe, Evangelische Kirche
St. Peter und Paul, Kronleuchterinschrift:

„ANNO · 1634 · HEFT · DER · EHRBAR · DANIEL · FISCHER · BORGER · IN · LÜBECK ·


DISSE · KRONEN : VEREHRET · THO · GOTTES · EHREN · MIT · EWIGER · RENTTE ·
THO · UNDERHOLDING · DER · LICHT“

Weitere Schaftkronleuchter unterschiedlicher Größe und Gestaltung, die als Dotation


von Privatpersonen in evangelische Kirchen gelangten und mittels zweckgebundenes
Sondervermögen seitens Leibeserben oder von der örtlichen evangelischen Kirche
kommissarisch unterhalten werden, kommen unter anderem vor in Stralsund, St.
Marien, Kronleuchter „Pelikan“, 1649, Eheleute M. Rateke253 und im gleichen Jahr im
Preetz/Schleswig-Holstein, Stadtkirche, Kronleuchter „Doppel-Adler“ – gegeben von
Dorothea Wensin, Konventualien des Adeligen Klosters Preetz254; ferner in Lauen-
burg/Elbe, Maria Magdalenen Kirche die Schaftkronleuchter mit „Adler“ (1651) und
„Jupiter auf Adler“ (1644) der Familien Jürgen und Hans Dochtermann255 oder im
Dom zu Lübeck der Schaftkronleuchter „(Friedens-)Engel“ des Hökers Arendt Sigel-
low.256

Neben dieser Auswahl aus einem sehr großen Bestand an Kronleuchterstiftungen


einzelner Donatoren sind entsprechende Beispiele für Personengruppen: Kirchenge-
schworene und Ratsleute257 zu nennen sowie jene der Bruderschaften, Handwerk-
sämter sowie der Kompanien– wie zum Beispiel 1611 der Schuhmacher in Ber-
gen/Rügen, Evangelische Kirche258; 1623 der Schuhmacher in Eberswalde/Branden-
burg, Evangelische Kirche

„Die Schuhmacher Crone (…) bestehet aus 12 Armleuchter, und ist auch 1623 aus ih-
ren Mitteln in der Kirche angeschaffet, wird in dem Weihnachten auf Kosten des Ge-
werckes mit Wachs Lichtern bestecket, geben daher in der Kirche von angenommene
Meister und Lehr Jungen kein Wachs Geld, wie andere Gewercke Probanden sind, wie-
get etwa ¾ Centner schwer. Es hat dieses Gewerck, nach Alter gerechtfertigt, vor ihre

wollenen Lappen.“ (Wahlweise Kreide oder Englische Erde, Hühnerfutter und Polierbürste). – KiA
Plön, Rechnungsbuch 1696/97. – Siehe ferner Kronleuchterinschriften vor Ort.
253
Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V, Der Stadtkreis Stralsund, Stettin 1902,
S. 451.
254
KiA Preetz, KR 1636-1740/83.
255
S. Seeler, Die Maria Magdalenen Kirche Lauenburg (Elbe), a.a.O. und J. S. 29.
256
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, T. 1 (1919), S. 281. – Vgl.
ebd., Bd. II, T. 2 (1906), S. 405.
257
F. Vollbehr, Beiträge zur Topographie der Stadt Kiel in den letzten drei Jahrhunderten, T. 1: Schloss
und Altstadt, in: Mitteilungen der Gesell. f. Kieler Stadtgesch., H. 3 (1881), S. 109. – Krs. Eberswal-
de-Barnim, Historisches Stadtarchiv Nr. 5733, „Kurtz historische Nachricht der in der Chus- und Mit-
tel-Mittel-Marck Brandenburg belegenen imediat Stadt Neustadt-Eberswalde … Verfasset von Johann
Albrecht Beling, Küster bey der evangelisch Lutherischen Kirche (…)“, 1769, § 7 (S. 87).
258
Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen/Bezirk Rostock, Bd. 1, Leipzig 1963, S. 85 ff. – Vgl. S. Seeler,
a.a.O.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 74

Gesellen, nahe an der Orgel, ein eigenes Chor, davon aber die Sitze in der 1sten Reihe
von den Meistern baar an die Kirche bezahlet werden müssen (…).“259

Weitere Beispiele bieten die so genannte Schneiderkrone („Doppel-Adler“), 1641,


Preetz/Schleswig-Holstein, Stadtkirche260; 1652 bis 1655 die Schaftkronleuchter der
Vereinigten Bruderschaft (mit „Salvator mundi“, 1655) und einem vergleichbaren
Exemplar (1652) des Handwerkeramtes sowie der Kronleuchter (1652, gegenständli-
che Bekrönung) der Isländischen Kompanie in der Stadkirche zu Glückstadt261; 1691
der Kronleuchter „Römischer Soldat“ der Garnweber in Bergen/Rügen262 oder die so
genannte Schusterkrone von 1696 in Preetz mit bekrönender Engel-Statuette und
angehängter Miniatur eines Schaftstiefels.263

Seltener sind Schaftkronleuchter als Gemeinschaftsprojekt wie im folgenden doku-


mentiert:

„Verzeichniß des Messings was an Kronen, Armen und Leuchtern ist in der Kirche
(Heilig-Geist-Kirche, Stralsund).

Zum ersten eine große Krone mitten in der Kirche die bey Zeiten des Hr. Predigers
Matthäus Kalander ist gemacht worden, und von dem Gelde so err von der Gemeinde
und den Bürgern, so zu der Kirche alda sichhalten, hat colligieren lassen bezahlet.“264

Ein wesentliches Moment für die Hängung von Schaftkronleuchter aus Messing des
16. bis 18. Jahrhunderts in evangelischen Kirchen Norddeutschlands ist – Urkunden
und Kronleuchterinschriften zufolge – die Tatsache der Stiftung. Diese bedeutet
grundsätzlich, Vermögen einem dauernden Zweck zu widmen und mittels daraus er-
zielter Erträge den Willen des Stifters zu erfüllen.265

Die Dotation der besagten Beleuchtungsgeräte ist ein sichtbarer Beitrag zur Fabrica
ecclesia und fernerhin, dass Kommunikation geschaffen oder bestehende Gemein-
schaften geprägt werden.266

259
Krs. A. Eberswalde-Barnim, Historisches Stadtarchiv Nr. 5733, „Kurtz historische Nachricht der in der
Chur- und Mittel-Mittel-Marck Brandenburg belegenen imediat Stadt Neustadt Eberswalde (…) Ver-
fasset von Johan Albrecht Beling, Küster bey der evangelisch Lutherischen Kirche (…)“, 1769, § 8
(S. 87).
260
J. und H. Engling, Altes Handwerk im Kreis Plön, Von der ersten schriftlichen Überlieferung bis zum
Jahr 1867, Neumünster 1990, S. 24 ff.
261
F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jb., 9. Jg. (1965), S. 91-99. – Vgl.
Abb. LDSH PK III 1594. – Vlg. Schaftkronleuchter (1654) des „Stekenitzfahreramtes“ mit Darstellung
der Schutzpatronin Maria Magdalena als Kronleuchterbekrönung im Dom zu Lübeck, s. Die Bau- und
Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, T. 2 (1920), S. 279.
262
Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen/Bezirk Rostock, Bd. 1 (1963), S. 85 ff.
263
M. Berwing, Preetzer Schuhmacher und ihre Gesellen 1750-1900, Aufschlüsse aus Archivalien
(1982), Abb. 3 bis 5.
264
HSTA Rep. 9 Nr. 186 (1644) „Acta Coenobie Spirit Scti. bt. die Kirchengeräthe beim Heil. Geist,“
XVII Verzeichnis, vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V, Stadt-
kreis Stralsund, Stettin 1902, S. 382 f. – Vgl. H. Ewe, Das alten Stralsund, 2. Aufl. 1995, S. 79 f.
265
M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft, Hg.
D. Geuenich, O. G. Oexle, Göttingen 1994 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Ge-
schichte Göttingen), S. 268 ff., insbes. S. 270, 276, 280.
266
KiA Lauenburg, 5133 Beleuchtung Nr. 959/768, Urkunde btr. Schenkung Kronleuchter Dochtermann
1651. – S. A. Möller/Lbg. – H. Ewe, Das alte Stralsund, 2. Aufl. 1995, S. 42.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 75

Bezweckt ihre Ausstattung mit einem Stiftungsgut einerseits die Unabhängigkeit von
fremder Herrschaft, verpflichtet sie andererseits ihre Nutznießer durch Stiftungsauf-
lagen – wie die Memoria an den Donator und die oben genannte Pflegschaft.

Dies beschreibt ein soziales System, das zwar den Tod überdauert, aber angesichts
der Folge von Geschichte schreibenden Ereignissen eine Verankerung in der Umwelt
und Regelungen der Außenbeziehungen erfordert.267 Nimmt die Stiftung und Nutzung
von Lichtvermögen auch im 16. bis 18. Jahrhundert einen festen Platz ein268, vermit-
teln (früh-)neuzeitliche Schaftkronleuchter aus Messing samt des ikonographischen
Programms, dass die auf Leuchter und Wachs übertragene Lichtsymbolik nicht hinfäl-
lig, aber infolge von Umstrukturierungen auf eine andere Ebene gestellt ist.269

Eine Lichtsymbolik von Beleuchtungsgeräten im kultischen Gebrauch wird für Hänge-


leuchter – nach Öllampe und/oder zusätzlich zum Ewig Licht – ausdrücklich auf die
monumentalen Lichtkronen der Romanik bezogen.270 Denn hier sitzen die Wachslich-
ter in dichter Abfolge auf oder an der Außenseite dieser architektonisch sowie teils
filigran gestalteten Metallreifen. Und dieser Komposition kann so oder in Verbindung
mit figürlichen Darstellungen eine Zahlensymbolik zu Grunde liegen. (Abb. O, 4) Als
Sinnbild des Himmlischen Jerusalems mit seinen Stadttoren und als glänzende, neue
Stadt prägt dies eine gewisse Vorstellung von der Gottesstadt, von der darin herr-
schenden Ordnung und von der Ewigkeit. Und dieser Anspruch lässt eine Platzierung
dieser Lichtkronen in der Vierung, im Hohen Chor oder Sanctuarium - also in deutli-
chem Bezug zum Hauptaltar und dessen Stellenwert vermuten.

267
M. Borgolte (1994), S. 269, 276.
268
Siehe u.a. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II, T. 2 (1906), S.
405. – KiA Eckernförde KR Lichtregister 1659-1680. – KiA Plön St. Nikolai KR 1693. – KKrs. A H.-B.,
98 Varia (1696) St. Marien Husum. – KiA Barth Kirchen-Register 620, 1734. – KAP V B c+d (um
1749) „Die Lichter auf den vier Cronen muß jades ein halb Ellen lang, und neun Loth schwer seyn.” –
Urkundenbuch zur Chronik der Stadt Plön. Urkunden und Akten, gesammelt und mit Erläuterungen
versehen von J. Kinder, Plön 1890, S. 355 f., 478.
269
Zu Licht in der Liturgie im Allgemeinen s. J. Sauer, 1924, S. 181 ff. – J. Braun, Das christliche Altar-
gerät, 1950, S. 492 ff. – J. Ritter, Mystik und Liturgie als lichttechnische Größe, in: Zeitschr. Licht &
Architektur, 1. Jg., Nr. 4, Gütersloh 1993, S. 1. Wenn Licht zur Glaubensfrage wird. - B. Kahle, Vom
Umgang mit Licht im Kirchenraum, in: Licht & Architektur, 1. Jg., Nr. 4, Gütersloh 1993, S. 8. Wenn
Licht zur Glaubensfrage wird.
270
H: d’Allemagne, 1891, S. 124. – A. Brüning, 1897, S. 49 ff. – H. Lüer, 1903. – H. Lüer/M. Creutz,
1904, S. 361 ff. – G. Henriot, Encyclopédie du luminaire, 2 Bde., 1933. – S. Erixon, 1943. – K. Jar-
muth (1967). – The dictionary of art, 34 Bde., Hg. J. Turner, 1996, S. 351 ff. – Enciclopedia dell’arte
medievale, Bd. VII, o.J., S. 588 ff. – Eine gewisse Übersicht zum Bestand unterschiedlicher Kron-
leuchtertypen in den einzelnen Bundesländern Deutschlands geben die geschichtlichen/kunst-
geschichtlichen Einleitungen der amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler – insbe-
sondere zwischen dem 19. Jahrhundert und bis Mitte 20. Jahrhundert; s. zum Beispiel: Inventar der
Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg, Berlin 1885, S. 96.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 76

Mit der Verteilung dieser Radleuchter aus Metall271 (Bronze, Messing oder Eisen) auf
Zentren, die Ansprüche geistlicher und weltlicher Macht assoziieren - wie zum Bei-
spiel Hildesheim (Dom, Lichtkrone, 1044/79 gestiftet von Bischof Hezilo), Comburg
(Komburg, Benediktinerabtei/Schloss, Lichtkrone, 1120), Aachen (Münster, Lichtkro-
ne, 1168, Geschenk Kaiser Friedrich I.) oder Reims scheint diese Symbolik zugleich
einen direkten Realitätsbezug zum mittelalterlichen Kirchenstaat und dieser eine un-
bestrittene Gültigkeit zu erhalten. Motiv und Material stehen hier ganz im Zeichen,
aus dieser Korrelation den irdischen Anspruch und ewigen Fortbestand einer als aus
Gottes Gnaden legitimierten Herrschaft zu dokumentieren. Deutlich repräsentieren
diese Lichtkronen, die aus der Summe von Teilräumen einer angedeuteten Stadt-
mauer gebildet sind, eine Zusammenfassung und Bekräftigung des additiven Prinzips
der sie umgebenden romanischen Architektur und vermitteln zugleich die oben ge-
nannten Visionen. Es ist jedoch unbekannt, ob diese Deutung nachträglich unterlegt
oder ursprünglich ist und insofern als entfernter Hinweis auf den Dualismus von Kir-
che und Reich in Frage käme. Hier aber fällt auf, dass diese Lichtkronen in einer Zeit
entstehen, die vom Investiturstreit geprägt ist und vornehmlich durch die Unter-
scheidung zwischen geistlichem und weltlichem Amt seitens des Theologen Ivo von
Chartres (1040-1116) neue Perspektiven erhält.

Insofern sind die religions-politischen Parallelen jener Zeit gegenüber der frühen
Neuzeit sowie ihre jeweiligen potenziellen Verbindungen zur Entstehung bestimmter
Kronleuchtertypen aus heutiger Sicht bemerkenswert. Denn schließlich erfahren ins-
besondere die messingnen Schaftkronleuchter der Renaissance mit ihren spezifischen
Motiven in jener Zeit die größte Ausbreitung, die sowohl unter dem Eindruck der
Zweireichelehre des Martin Luther (1483-1546) steht als auch von dessen Auffas-
sung eines „Priestertums der Gläubigen“ (1. Petrus 2; 2. Mose 19,5) geprägt ist.
Gleichwohl weisen diese Kronleuchter der Renaissance keine architektonische Mor-
phologie und somit keine eindeutige räumliche Zweckbestimmung auf. Dennoch führt
die Quantität dieser Beleuchtungsgeräte in evangelischen Kirchen dazu, auch diese
heutzutage als Kirchenkronen zu bezeichnen.

Ein deutlicher Bezug zur Architektur als Bedeutungsträger ist nach den Lichtkronen
der Romanik häufiger an den Sonderformen gotischer Hängeleuchter ablesbar. Frei-
lich kaum in der Form, dass der kühnen und diaphanen Bauweise gotischer Sakral-

271
Erhaltene Lichtkronen, in: Hildesheim, 11. Jh., Aachen 1165. – Siebe B. Erenz, Alles Gold, was
glänzt. Das alte, das neue, das ewige Aachen. Eine Entdeckungsreise durch die Schatzhäuser der
Kaiserstadt, die dieses Jahr Karl den Großen feiert, in: Wochenzeitung DIE ZEIT Nr. 25 vom 15. Juni
2000, S. 83 (Reisen). Rolf Dieter Düppe vom Institut für Photogrammetrie und Kartographie der TU-
Darmstadt hat aus 25 Fisheye-Aufnahmen eine Fotografie des Oktogons samt Lichtkrone des Aache-
ner Doms als neue Perspektive zusammengerechnet. Die so erzielte konzentrische Abfolge architek-
tonischer Gliederungselemente, die durch die Rosette der Lichtkrone zusätzlich gebündelt erschei-
nen, lenken den Blick auf die Ausmalung der Kuppel mit dem Christusbild „Miestas Domini“; Kom-
burg, 12. Jh.; Einbeck. 1420; Halberstadt, 15. Jh.; Reepsholt, 15. Jh. – nicht mehr erhalten in Spey-
er, 1038; Köln, 12. Jh. – Vgl. zu „Sinnbild Himmelsstadt/Himmlisches Jerusalem“: G. Bandmann, 8.
Aufl. 1985, S. 62. – LCI. Bd. 2. Sonderausgabe 1994, Sp. 394 ff.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 77

bauten Rechnung getragen werden kann. Doch insoweit, dass die Omnipräsenz
kirchlicher Hierarchie und Einflussnahme sichtbar ist.272

Unter diesen Sonderformen gotischer Hängeleuchter haben etliche Muttergottes-


Leuchter ihren Ursprung in Kalandsbruderschaften und -häusern und ihren Platz zum
Teil in der intimeren Atmosphäre eines Andachtraumes, doch zum Teil auch inmitten
der Kirche.273

272
J. Sauer, 1924. – L. C. Morsak, 1984, S. 63. – G. Bandmann, 8. Aufl. 1985, S. 247. – Vgl. ebd.,
S. 61 und J. Sauer, 1924, S. 80 und 290. – W. Schöller, Die rechtliche Organisation des Kirchenbau-
es im Mittelalter – vornehmlich des Kathedralbaues: Baulast - Bauherrenschaft - Baufinanzierung,
1989, S. 124 ff. insbes. – Zu religions-politischen/verfassungsrechtlichen Verhältnissen; s. u.a.
U. Lange, Landtag und Ausschuss. Zum Problem der Handlungsfähigkeit landständischer Versamm-
lungen im Zeitalter der Entstehung des frühmodernen Staates. Die welfischen Territorien als Beispiel
(1500-1629), Hildesheim 1986. – Ders., Deutschland im Zeitalter der Reichsreform, der kirchlichen
Erneuerung und der Glaubenskämpfe (1495-1648), in: P. Rassow, Deutsche Geschichte, Hg.
M. Vogt, Stuttgart 1987, S. 144-217 und ebd., S. 218-297: H. Schmidt, Zerfall und Untergang des
alten Reiches 1648-1806. – A. Molnar, Die Waldenser. Geschichte und Ausmaß einer europäischen
Ketzerbewegung, Freiburg/Br. 1993, S. 5 ff.
273
Neben Kalandsbruderschaften besitzen auch Handelsgesellschaften bereits im 15. Jh. Kronleuchter
als Inventar ihrer Kontore. Wie die Leuchter dieser Kompanien in jener Zeit aussehen, ist im Gegen-
satz zum jüngeren Kronleuchter in Glückstadt als Stiftung der Island-Kompanie, nicht bekannt, s.
F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in: Steinburger Jb. 1965, S. 91-99, insbes. S. 92 f.–
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw.
und veränd. Aufl. 1994, S. 293. – Im Folgenden wird eine Auswahl an Standorten für Marienleuchter
genannt. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III, Kirche zu Alt-
Lübeck, Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 275. - S. Seeler, 1938. - Marien-Leuchter zum
Beispiel in Doberan, 1290/1425; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklen-
burg, 2. Aufl. 1980, S. 68. – Dortmund, s. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dort-
mund-Stadt, 1894, Taf. 38, Eutin, 1322/1760; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmä-
ler. Hamburg, Schleswig-Holstein. 2., stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 232. – Gettorf; s. W.
Vollertsen, 1989, S. 43-49. – Heiligenstedten, A. 16. Jh./1913-19; s. G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein. 2., stark erw. und veränd. Aufl. 1994, S. 327,
s. ebd., S. 414 (Landkirchen/Fehmarn, Marienleuchter, 15. Jh.), S. 420 (Lauenburg/E., Marien-
Leuchter der Schiffergilde, E. 15. Jh. und Marien-Leuchter des Schusteramtes, A. 16. Jh.), S. 632
(Mölln, 1506). Des Weiteren in Lüneburg, um 1490; s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T.
III, Regierungsbezirk Lüneburg, Bd. 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906, S. 117 ff. – G. Dehio, Handbuch
der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen. Neubearb., stark erw. Aufl. 1992, S. 877. –
Kalkar, 1510; s. H. P. Hilger, 1990; s. dort auch Abb. 139 (Vreden), s. ferner Die Bau- und Kunst-
denkmäler des Regierungsbezirkes Wiesbaden, I. Bd.: Der Rheingau, 1902, Abb. 198. – Kiel; s.
Denkelbok der St. Nicolai-Kirche zu Kiel von 1487-1601 (1881), S. 226. - s. u.a. Die Baudenkmäler
der Provinz Pommern, T. 3: Der Regierungs-Bezirk Köslin, 1892, S. 37 (sog. Schlieffenkrone im Dom
zu Colberg). Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 41. Bd., T. 6.: Die Stadt Münster, 1941, S.
353, Abb. 524, 364 (Kronleuchter mit Muttergottes 1577/1636, Schmiedeisen im Rathaus zu Müns-
ter und Gegenüberstellung zum Radleuchter im Rathaus von Osnabrück). – F. Bruns, Die Lübecker
Bergenfahrer und ihre Chronistik, 1900, S. 136, Nr. 209: „Gosschalk Stynt, borger to Lubeke. ... I-
tem in Unser Leven Frouwen kerken to Bergen geve ik ... up Unser Leven Frouwen bome eyn halff
lispunt wasses, ..“ Demgegenüber ist einem Aufsatz zum „Schonenfahrergelag in Rostock“ folgendes
zu entnehmen: „Die Aufzeichnung über den Besitz der Kompagnie an kirchlichen Geräten in Falster-
bo und über das Inventar im Schütting von 1440-46 (Wehrmann, Lüb. UB 8, Nr. 95, 192,394) deu-
ten nicht auf großen Reichtum. Doch hatte die Kompagnie ein eigenes Haus. Für seinen Schmuck
wurde durch ein Gemälde und einen Kronleuchter gesorgt, ...“ s. W. Stieda, Das Schonenfahrergelag
in Rostock, in: Hansische Geschichtsblätter, Bd. 7, 1892, S. 115-144, insbes. S. 139. Die Gestaltung
dieses Hängeleuchters ist nicht weiter bekannt. Und auch aus den Beschreibungen zu Beleuchtungs-
geräten in anderen Verwendungszusammenhängen geht nicht hervor, ob es Lichterbäume, Stand-
oder Hängeleuchter sind – wie zum Beispiel aus der Schlosskirche Allerheiligen in Wittenberg zu:
„..1517 ein grosser Leuchter ‚im Khor darauf unser lieben Frawn bild ist“ ; s. Die Denkmale im Bezirk
Halle. Die Denkmale der Lutherstadt Halle, 1979, S. 253. – Allg. Lit. zur Marienverehrung; s. R.
Schimmelpfennig, Die Geschichte der Marienverehrung im deutschen Protestantismus. 1952. – R. W.
Scribner, Religion und Kultur in Deutschland 1400-1800, Göttingen 2002 (Veröffentlichungen des
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 78

Die Morphologie dieser so genannten Kapellenkron- oder Tabernakelkronleuchter und


von zumeist doppelseitigen Zentralfiguren – wie zum Beispiel der Muttergottes oder
Heiligen – in einem Gehäuse bestimmt. (Abb. 7, 11-13) Dieses rezipiert Elemente
der gotischen Sakralarchitektur und ruht in der Regel auf einer Konsole, die mit ei-
nem protomartigen Löwenkopf abschließt. An diesem Häuschen sind wenige Halte-
rungen für Kerzen irreversibel angebracht. Und ihr geringer Abstand zu diesem lässt
schlussfolgern, dass die Illumination des Bildwerkes nach Art einer „himmlischen
Entrückung“ das zentrale Anliegen dieser Beleuchtungsgeräte ist und nur bedingt die
Ausleuchtung des Andachtsraumes.274 Denn die formalen Parallelen zwischen Taber-
nakelkronleuchtern und architektonischen Details gotischer Kathedralen im westli-
chen Europa sowie zwischen den aus Ranken gebildeten Korbkronleuchtern (zum
Teil an eine byzantinisch – von Kuppeln – geprägte Sakralarchitektur erinnernd) in
Osteuropa deuten heilige Plätze an – wie zum Beispiel erstere die Sakramentshäuser
für die geweihte Hostie sowie letztere den Rosenhag bzw. hortus conclusus.275

Von den in Norddeutschland erhaltenen Beleuchtungsgeräten dieser Art ist insbeson-


dere die so genannte Müllerkrone (um 1425) des Domes zu Lübeck hervorzuhe-
ben.276 Sie ist aufgrund ihres architektonischen Gehäuses in spätgotischer Formen-

Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 175), S. 82 f. Zu Hinweisen, dass die Kalande häufig für die
Ausstattung von Kirchen zuständig waren; s. u.a. Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates
Mecklenburg-Strelitz, Bd. I: Das Land Stargard, T. II: Der Blumenhäger Silberfund, die Amtsge-
richtsbezirke Fürstenberg, Feldberg, Woldegk und Friedland, 1925, S 327. – V. Plagemann, Kunstge-
schichte der Stadt Hamburg, 1995, S. 55, 100 f.
274
H. d’Allemagne, 1891, S. 124. – H. P. Hilger, 1990, S. 283. – Einen Zusammenhang zwischen Leuch-
tern und Bruderschaften benennt S. Seeler, Die Maria-Magdalenen-Kirche Lauenburg (Elbe). o.J.,
S. 29. – An anderer Stelle wird die Ausstattung von Kirchen allgemein als Aufgabe der Bruderschaf-
ten, Gilden und Zünfte erwähnt, s. H. Bergner, Handbuch der kirchlichen Kunstaltertümer in
Deutschland, 1905, S. 27. – K. Hüseler, 1922, S. 12. – Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 49.
Bd./T. I: Stadt Lemgo, 1983, S. 57: „Die Kramer hatten ihre geistliche Heimat in der Nikolaikirche,
für die sie noch 1606 einen neuen Kronleuchter stifteten.“ – Ähnliches ist von anderen Orten be-
kannt; vgl. zum Beispiel Bergen/Rügen: Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen, Bezirk Rostock,
Bd. 1, 1963, S. 85 ff. oder Evangelische Stadtkirche St. Lotharii in Preetz, sog. Schneiderkrone
(1641) und sog. Schusterkrone (1696); aussagekräftige Abb. in M. Berwing, Preetzer Schuhmacher
und ihre Gesellen 1750-1900. Aufschlüsse aus Archivalien, 1983, Abb. 3 bis 5. – I. und H. Engling,
Altes Handwerk im Kreis Plön. Von den ersten schriftlichen Überlieferungen bis zum Jahr 1867, 1990,
S. 25 f. – s. auch E. Hoffmann, Lübeck im Hoch- und Spätmittelalter: Die große Zeit Lübecks, in: Lü-
beckische Geschichte, 1988, S. 293 ff. – Siehe ferner: F. Bruns, Die Lübecker Bergenfahrer und ihre
Chronistik. Hansische Geschichtsquellen, N.F., Bd. II, 1900, S. CXXII, CXXXV. Ob die dort beschrie-
bene „mit dem Bildnis König Olafs gezierte messingne Lampe“ noch der gotischen oder schon der
neuzeitlichen Tradition entsprach, geht daraus nicht hervor. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der
Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. II: Petrikirche. Marienkirche. Heilig-Geist-Hospital, Lübeck 1906,
S. 143, 406. – W. Jensen/H. Kochendörffer, Das alte Ratsbuch der Stadt Wilster, Wilster 1925,
S. 51.
275
Korbkronleuchter kommen unter anderem vor in Colberg, Holkenkrone von 1424, s. Die Baudenkmä-
ler der Provinz Pommern, T. 3: Der Regierungs-Bezirk Köslin, 1892, S. 39 mit Abb., s. auch K. Jar-
muth (1967), S. 86. – Braunsberg (Kopie in Marienburg), s. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Pro-
vinz Ostpreußen, H. IV: Das Ermland, 1894, S. 54. - Danzig, St. Marien, von Meister Andreas um
1490, s. K. Gruber/E. Keyser, Die Marienkirche in Danzig, 1929, S. 47 f. – Bau- und Kunstdenkmale
des deutschen Ostens, Reihe A: Kunstdenkmäler der Stadt Danzig, Bd. 4: Die Marienkirche in Danzig
und ihre Kunstschätze, 1963, Abb. 157. – Siehe zu „hortus conclusus“: LCI, Bd. 2, Sonderausgabe
1994, Sp. 77 ff. – LCI, Bd. 3, Sonderausgabe 1994, Sp. 375 ff.
276
Ausführliche Geschichte der Lübeckischen Kirchen-Reformation in den Jahren 1529-1531, Hg.
F. Petersen, Lübeck 1830, S. 133. – Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lü-
beck, Bd. III: Kirche zu Alt-Lübeck, Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 273 ff. – W. Grus-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 79

sprache den zuvor genannten Sonderformen gotischer Hängeleuchter zuzuordnen.


Sie weicht zugleich von diesen ab, indem sie nicht aus beschnitztem und polychrom
gefasstem Holz gebildet, sondern wie andere Beispiele in Goslar und Waase/Ummanz
aus Metall gegossen ist (Abb. 7, 12, 13). Und sie unterscheidet sich ferner darin,
dass ihr architektonischer Rahmen mehrere und dezentral platzierte Statuetten – wie
zum Beispiel Johannes der Täufer und Bischöfe – aufnimmt. Aber indem diese Kron-
leuchterfiguren (Höhe ca. 43 cm) en face ringsherum platziert sind, erfüllen sie das
gotischen Hängeleuchtern eigene „Zusammenwirken von anschaubarer Kunst und
liturgischem Gerät“.277 Zusätzlich zu den Diakonen (Höhe circa 25 cm), die dort an
ihren Eckplätzen die Lichtstangen halten, bekrönt eine große einzelne Kerze die gan-
ze Komposition. Anhand der zuvor beschriebenen Details lassen sich Verbindungen
zu Lichtstangen, so genannten Lichterbäumen oder Prozessionsleuchtern herstellen.
Proportional dominieren dort Gehäuse und Statuette gegenüber der Größe und An-
zahl an Wachslichtern.

Die besagte Müllerkrone erhielt vermutlich aufgrund bestehender Erwerbungs- und


Nutzungsverträge des Amtes der Müller mit der Kirche ihren Platz als Beleuchtung
zum Kirchengestühl dieses Amtes zugewiesen.278 Vor diesem Hintergrund stellt die-
ser Leuchter keine ungewöhnliche Form dar, sondern korrespondiert gerade darin zu
den Lichterbäumen, die an die Gestühlskästen gesteckt werden konnten.279

Die bekrönende Kerze legt überdies Gedanken an die Osterkerze als Symbol der Auf-
erstehung Christi nahe, da das Bildprogramm des Leuchters auf die Gemeinde bil-
dende Taufe und Lichtträger zwischen Totengedenken und Auferstehungsglaube hin-
weist.

Diese Frage der Platzierung und Hängung von Kronleuchtern als Ausstattungsstück
im Sinne eines Bildprogramms innerhalb eines gesamten Interieurs spielte in den
bisherigen Untersuchungen zu Beleuchtungsgeräten kaum eine Rolle. Denn die Iko-
nographie der allansichtigen monumentalen Lichtkronen der Romanik sowie die viel-

nick/F. Zimmermann, 1989, S. 25. – Schloss Gottorf und seine Sammlungen. Mittelalter, 1994 (Son-
derband der Reihe „Kunst in Schleswig-Holstein“), S. 74 f.
277
E. Lutze, 1968.
278
W. Grusnick/F. Zimmermann, 1989, S. 25. – Auch für jüngere Kronleuchter – wie zum Beispiel im
Dom zu Verden – sind vergleichbare Zusammenhänge bekannt, s. amtliche Kunstdenkmälerinventa-
re Niedersachsens, Neudruck des gesamten Werkes 1889-1976, Bd. 42. Die Kunstdenkmale der
Kreise Verden, Rotenburg und Zeven, 1980, S. 40: „Im Schiff sorgte man für Sitzplätze und Be-
leuchtung; 1663 z.B. wurden ‚kupferne Kronen’ neu beschafft durch den Bürger und Kaufmann Ste-
phan Ganz in der Norderstadt. Die anderen Teile der Kirche, besonders der Chorumgang wurden
immer wieder als Begräbnisplatz verkauft ...“ – Vgl. E. Sehling (Hg.), Evangelische Kirchenordnung
des 16. Jahrhunderts, 1. Abteilung: Sachsen und Thüringen nebst angrenzenden Gebieten, 1904, S.
488: „Item, das er achtung in der kirchen gebe, das niemands nach seinem gefallen ein gestuele
baue oder einen stuel, der gebauet ist, einnehme ..., und gebe der Kirchen ihre gebuhr, als zwei o-
der drei pfund wachs. Darnach die personen vermuegens sein und von solchem wachse die lichte uf
den altar, und die sonst nötig seind, darvon machen lassen.“
279
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III: Kirche zu Alt-Lübeck,
Dom, Jakobikirche, Ägidienkirche, 1920, S. 283, 424 m. Abb. und vgl. S. 274 m. Abb. – Ebd., Bd. II,
T. 2: Die Marienkirche (1906), S. 420. – Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Mecklenburgische
Küstenregion. Mit den Städten Rostock und Wismar, 1990, S. 218. – Zur Einschätzung der sog. Mül-
lerkrone/Lübeck, s. Schloss Gottorf und seine Sammlungen. Mittelalter. Mus.-Kat. Schloss Gottorf
Schleswig (1994), S. 149, Kat.-Nr. 83-85.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 80

fach verwendeten Doppelbildnisse gotischer Hängeleuchter definieren und begrenzen


ihren räumlichen Verwendungszusammenhang.

Die spätgotischen und offenbar frühesten Exemplare unter den Schaftkronleuchtern


mit ihren an die Wurzel Jesse oder an den Rosenhag gemahnenden Leuchterarmen
scheinen einerseits noch der mittelalterlichen Tradition eines kultisch festgelegten,
unantastbaren lokalen Bezugs verpflichtet. Andererseits ist die Bekrönung dieses
Leuchtertyps nicht mehr Gegenstand der Illumination, sondern trägt als Reflektor
selbst dazu bei. Dies ist auch deutlich am typologisch an sich älteren Korbkronleuch-
ter (1580) in der Kirche St. Johann in Thorn/Polen ablesbar. Anstelle der sonst für
diesen gotischen Leuchtertyp üblichen Zentralfigur (s. Obernkirchen/Niedersachsen,
Stiftskirche, Muttergottesleuchter) weist dieser einen kurzen zylindrischen Schaft mit
einer Inschrift auf. Eine Muttergottes-Statuette bekrönt diesen, der nach unten mit
einer ebenso zylindrischen Konsole unterhalb des Lichtkranzes abschließt. Der Licht-
kranz wird von acht Leuchterarmen gebildet, die aus leicht diagonal nach außen an-
steigenden, gleichmäßigen Ranken bestehen. Sie tragen die während der Gotik übli-
chen kleinen Wachsteller mit einer Manschette aus Maßwerk und einem hohen Dorn.
Auch die in der Mitte ringsherum korbartig aufstrebenden sechzehn Ranken sind in
gleichmäßigen Intervallen mit Kreuzblumen besetzt und unterhalb des Sockels der
Statuette stärker eingezogen. Sie bilden so eine sehr lang gezogene S-Form, deren
Enden in Blüten münden.280

Von ähnlicher Form, jedoch auf der gewachsenen Gestalt basierend, dürften ebenso
stark die Geweihleuchter einst verbreitet gewesen sein – wie zum Beispiel in Tan-
germünde, Evangelische St. Lorenz-Kirche. Dort bildet der Tierschädel die Basis der
Zentralfigur.281 In der Regel bilden die Muttergottes oder andere Heiligenfiguren die-

280
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Westpreußen, 2. Bd., Kulmerland und Löbau, 1887-95,
S. 265 und Beilage 18. – Vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen, H. IV: Das
Ermland, 1894, S. 54. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Dortmund-Stadt, 1894,
Taf. 30 und S. 39. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. IV: Regierungsbezirk Osna-
brück, T. 4.: Die Kreise Lingen und Grafschaft Bentheim, 1919 (H. 14 des Gesamtwerkes), S. 76. –
Die Denkmäler des Rheinlandes, Kreis Kleve, H. 2: Kalkar (1967), Abb. 179.
281
Die Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg, 1885, S. 96 f. – Die Bau- und Kunst-
denkmäler der Provinz Ostpreußen, H. III: Das Oberland, 1893, S. 105. – Die Bau- und Kunstdenk-
mäler der Provinz Westpreußen, H. X: Kreis Löbau, 1895, Beilage 1a (Grabau). Die Kunstdenkmäler
der Rheinprovinz, T. I, Bd. 5: Düsseldorf, 1900, S. 21 (Gimborn, Kreis Gummersbach, Geweihleuch-
ter, A. 16. Jh. aus der Antoniuskapelle bei Waldbruch „ist in seiner künstlerischen Durchbildung und
Erhaltung ein Stück ersten Ranges“). – Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T. III, Regie-
rungsbezirk Lüneburg, Bd. 2 und 3: Stadt Lüneburg, 1906 (Bd. 5 und 6 des Gesamtwerkes), S. 255
f. – Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel, Bd. III, Kreis Grafschaft Schaum-
burg, 1907, S. 88 m. Bildtaf. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Kreis Herford, 1908,
S. 48. – Unbekannt ist die Gestaltung eines Geweihleuchters in der Stadtkirche in Preetz/Holstein.
Dort heißt es im Rechnungsbuch (Bd. 49): „1731, Einnahmen Kirchgelder. Das Hirschhorn so in der
Kirchen zu Lichter Krone ist gebraucht worden, verkaufft von ... Meyer ... 1 M(ark) 6 ß(Schilling).“ –
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig, 3. Bd. Kreis Wolfenbüttel, 1906,
S. 195 f. – Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, 84. Jahresbericht (1938), S. 4. – Die Kunst-
denkmäler der Provinz Mark Brandenburg. Kreis Niederbarnim, 1939, S. 35, Abb. 17 (Bernau) und
S. 251, Abb. 208 (Basdorf) – R. Kahsnitz, Albrecht Dürer, 1521-22 Entwurf für einen Drachenleuch-
ter, in: Nürnberg 1300-1550. Kunst der Gotik und der Renaissance. Ausst.-Kat. Germanisches Natio-
nalmuseum Nürnberg (1986), S. 352. – L. Telsnig, Zu Lüchten ein Hirtzhorn. Mittelalterliche Geweih-
kronen als Hängeleuchter, in: Weltkunst 66, H. 14, (1996), S. 1614 f.
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 81

sen Mittelpunkt. Und das mit einigen Lichtern besetzte Gestänge mutet dabei wie
eine Mandorla an, die noch eine gewisse räumliche Vision und einen Abglanz des
Himmels anzudeuten scheint (Abb. 8-11). Inwieweit der konsolartig anmutende Tier-
schädel für die Gestaltung der Unterhänge an den Schaftkronleuchtern aus Metall der
Renaissance als Vorbild gedient haben könnte, ist bisher unerforscht. Daneben sind
auch horizontal ausgerichtete Geweihleuchter, die so genannten Leuchterweibchen
bekannt.

Gegenüber diesen Leuchtern beschreibt die Komposition des kleineren der beiden
Geweihleuchter (1480/90) im Rathaus zu Goslar – über eine Illumination seines Bild-
werkes hinaus – anhand der Korrelation einer geschnitzten, polychrom gefassten
Sitzfigur des Kaisers mit den Reichsinsignien und zusammen mit der Inschrift einen
profanen lokalhistorischen Bezug. Und sowohl diese Verbindung als auch das Neben-
einander der unterschiedlichen Kronleuchtertypen im Rathaus zu Goslar veranlasst
zu einer neuen Wahrnehmung neuzeitlicher Schaftkronleuchter und ihrer profanen
Motive. Dass ihre Verbreitung nicht ausschließlich dekorativ begründet ist, darauf
scheint auch der gotische Tabernakelkronleuchter von Herzogenbusch (s’-Her-
togenbosch/Niederlande) mit zentraler Heiligenstatuette und kriegerischen Subfigu-
ren hinzudeuten. Denn dessen Entstehung wird anhand der Ortsgeschichte erklärt.282

282
Der Leuchter aus dem Geweih eines Zwölfenders gilt als Vorbild für entsprechende Leuchter in Ma-
rienburg/Westpreußen sowie in Stockholm (Museum), s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover,
T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 1 und 2: Stadt Goslar, 1901, S. 301f. – Goslar. Ein Führer
durch die tausendjährige Stadt, 1949, S. 61. – Das Rathaus zu Goslar, Hg. Stadt Goslar, 1959. – K.
Jarmuth. (1967), S. 88f und 92. – Zum Kronleuchter von s'-Hertogenbosch (Herzogenbusch), süd-
westlich von Nimwegen/Niederlande, s.: A. Brüning, Der Kronleuchter, in: Kunstgewerbeblatt, N.F.
8, 1897, S. 58. – O. v. Falke, Das spätgotische Kunstgewerbe im 15. Jahrhundert, in: Illustrierte Ge-
schichte des Kunstgewerbes, Bd. 1, Hg. W. Behncke, O. v. Falke, G. Lehnert u.a., Berlin, o.J.,
S. 410. Dieser Tabernakelkronleuchter (1424) in s’-Hertogenbosch, der typologisch spätgotischen
Kronleuchtern zugeordnet wird, besitzt bereits auf den Leuchterarmen Subfiguren. Vgl. dazu ein an-
deres Beispiel: O. ter Kuile, Onderdelen van een kerkkroon en van twee kandelaars uit de St. Ja-
cobskerk te Den Haag, in: Bulletin van het Rijksmuseum, 28. Jg., Nr. 3, 1980, S. 125-133, insbes.
S. 128, Abb. 6. – Subfiguren als unterschiedliche Typen insbesondere auf den Leuchterarmen von
Schaftkronleuchtern des 17./18. Jahrhunderts und dort ggf. thematisch in Verbindung zur jeweiligen
Bekrönungsfigur kommen unter anderem vor in: Aachen, Michaelskirche, Karls-Kronleuchter 1630:
Salvator mundi/Apostel/ Zentralfigur/Kugel; s. R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie, 1909,
Taf. 8. – Kiel, Evangelische St. Nikolaikirche, Kronleuchter 1638: Pelikan/Apostel/Kugel; s. Georg
Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und
veränd. Aufl., 1994, S. 378. – Erfurt, Evangelische Predigerkirche, so genannte Gustav-Adolf-
Leuchter 1647, Messing „mit acht Apostelstatuetten, einem Tabernakel mit Reiterstatuette und Wid-
mungsinschrift zu Ehren des schwedischen Königs Gustav Adolf.“ ; s. G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler, Thüringen, Berlin 1998, S. 340, Abb. und betreff. Informationen zur Restau-
rierung dazu s. Bautätigkeit in der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 2, Hg. Gehrig Verlagsgesellschaft
mbH Merseburg. (2000/2001), S. 55 und vgl. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 33, H.: Bautzen (Stadt), 1909, S. 43 f. Der mit Abb. 51
inventarisierte Kronleuchter im Dom St. Peter zu Bautzen weist zum Gustav-Adolf-Kronleuchter in
Erfurt eine vergleichbare pyramidale Morphologie mit einem bekrönenden Gehäuse auf sowie in
wechselnden C-Formen ausschwingende Leuchterarme. Diese sind jedoch nicht mit Subfiguren, son-
dern mit Obelisken besetzt. – Schleswig, Dom, Kronleuchter 1661: Salvator mundi/Apostel/Kugel;
s.: G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw.
und veränd. Aufl., 1994, S. 783. – Keitum/Sylt, Rendsburg und Werdum/Ostfriesland, Evangelische
Kirchen, Kronleuchter 17. Jahrhundert: Caritas/Putti/Kugel; s. Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler. Hamburg, Schleswig-Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 372,742 und G. De-
hio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen, Neubearb., stark erw. Aufl.
1992, S. 1344. Dort ist die Bekrönung des Kronleuchters (1692) als „Maria mit Kind und Johannes-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 82

Hinsichtlich des besagten Leuchters in Goslar wird sie häufig in dieser verkürzten
Fassung zitiert:

„O Goslar, du bist togeda / dem hillege romeske rike / suder middel un wae / nicht
macstu darvan wike.“ (O Goslar, du gehörst zum Heiligen Römischen Reiche, unmit-
telbar, nicht magst du davon weichen.)283

Vergleichbare Bezugspunkte sind für die jüngeren Schaftkronleuchter nicht heraus-


gearbeitet, infolgedessen unbekannt.

Auch rezipieren die verschiedenen Schaftkronleuchter der Neuzeit, (hier: Winkelarm-


kronleuchter der Renaissance und Kugelkronleuchter des Barock) deutlich die künst-
lerischen Stilmittel ihrer Entstehungszeit. Allerdings unterscheiden sie sich bereits
darin von älteren Hängeleuchtern, dass sie überwiegend keine Bindungen architekto-
nisch und ikonographisch definierter Hierarchien sowie endzeitliche Visionen und un-
realistische Ideale sakraler Lebenswelten beinhalten. Vielmehr stellen die Winkel-
armkronleuchter zu Beginn der Neuzeit handgreifliche Realitätsbezüge her. Und dies,
indem die architektonischen Gliederungselemente der neuzeitlichen Schaftkronleuch-
ter soweit abstrahiert sind, dass diese eine zeitliche, aber keine spezifizierend räum-
liche Zuordnung erlauben oder gar gebaute Architektur wiedergeben. Mithin kämen
sowohl Sakral- als auch Profangebäude (für die Platzierung und Bedeutung der Kron-
leuchter) in Frage, denn etliche dieser Leuchter hängen zwar in Kirchen, vergleichba-
re Exemplare kommen unter anderem aber auch in Rathäusern vor.284

knaben“ beschrieben. Die formale Gestaltung der Statuette entspricht nahezu jener der Caritas-
Figuren auf besagten Kronleuchtern in Schleswig-Holstein, vgl. Motiv Cesare Ripa, Ikonologia, Rom
1593, Reprint. – LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp. 349 ff. – E. Wind, Charity. (Journal of the
Warburg Inst. 1, 1937/38), S. 322-340. – Preetz, Adeliges Kloster (Evangelischer Damenstift, ehem.
Benediktinerinnenkloster „Campus Beatae Mariae“), Stiftskirche, Kronleuchter, inschr. 1738, Justi-
tia/Tugenden/Kugel; s. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hamburg, Schleswig-
Holstein, 2., stark erw. und veränd. Aufl., 1994, S. 699. – Ringelheim/Salzgitter, Evangelische St.
Johannes-Kirche, Kronleuchter, wohl 1768, Jupiter auf Adler/ vier „kleine nackte Figur(en) mit einem
Geldbeutel in der rechten Hand/Kugel“; s. Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. II: Regie-
rungsbezirk Hildesheim, T. 7: Landkreis Goslar, 1937 (Bd. 22 des Gesamtwerkes), S. 202. G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen, Neubearb,, stark erw. Aufl.
1992, S. 1132. – Gegenüber diesen barocken Kronleuchtern mit Subfiguren auf den Leuchterarmen
kommen auf den Schaftkronleuchtern aus Metall der Renaissance diese zusätzlichen Statuetten zur
Bekrönung überwiegend auf der unteren Nutenscheibe und als Krieger vor oder bilden einen Teil der
Leuchterarme wie am Kronleuchter (1557) „Salvator mundi“ in der Evangelischen St. Marienkirche in
Stralsund; s. Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Stralsund, H. V: Der Stadtkreis Stralsund,
1902, S. 449 f.
283
Siehe Anfang der vorstehenden Anm. sowie ferner: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd.
II: Regierungsbezirk Hildesheim, T. 1 und 2: Stadt Goslar, 1901 (Bd. 2 und 3 des Gesamtwerkes),
S. 269. - Diese Inschrift wird häufig zitiert, ohne dass weiterreichende Interpretationsansätze the-
matisiert werden.
284
Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, T. VI: Regierungsbezirk Aurich, Bd. 1 und 2: Stadt Em-
den, 1927 (Bd. 15 und 16 des Gesamtwerkes), S. 124: „Im Magistratszimmer befindet sich ein aus
der Erbauungszeit des (neuen) Rathauses (1576) stammender Kronleuchter mit zweimal acht s-
förmigen Armen und Zierstücken in Form von Seepferden und Wappen haltenden Kriegsknechten; an
der Spindel oben ein doppelköpfiger Adler, unten ein Löwenkopf mit Ring im Maul ...“ – Die Kunst-
denkmäler der Provinz Hannover, T. II: Regierungsbezirk Hildesheim, Bd. 2 und 3: Stadt Goslar,
1901, S. 302: „Der vierte zunächst dem Eingange hängende bronzene Kronleuchter zeigt die häufig
wiederkehrenden Formen der Kirchenkronen aus dem Ende des XVII. Jahrhunderts, hat zweimal
sechs volutenförmige Arme und als Krönung des gedrehten Mittelkörpers die Figur eines geharnisch-
Schaftkronleuchter aus Messing oder Bronze Seite 83

Anfang des 20. Jahrhunderts beschreibt P. Graff in seiner Darstellung zur Auflösung
der alten gottesdienstlichen Formen, dass zur Christmette jeder sein eigenes Licht
mitbrachte und die Beleuchtung recht mangelhaft gewesen sei, da unter anderem in
Lübeck über das schwache Licht bei Abendmusiken geklagt und daher die Anzahl der
Lichter vermehrt wurde.285 Ähnliches ist aus Karsta/Schweden bekannt. Dort wurden
im Jahre 1799 beim Gelbgießer Lindström zwei neue Kronleuchter bestellt, denn es
hatten sich etliche über die Finsternis in der Kirche beschwert.286 In anderen Fällen
ist die Nutzung des gestifteten Kronleuchters zum Beispiel an den Bestand der Kirche
oder an die Hohen Festtage im Kirchenjahr gebunden.287

ten Mannes mit aufgehobenem Beil in der rechten Hand. Unten endigt der Leuchter in einem abwärts
gerichteten Löwenkopf mit Griff.“ Entgegen dieser Beschreibung befindet sich dieser Leuchter gegen
Ende der 1990er Jahre nicht (mehr) in der Diele des Rathauses, sondern in einem nordwestlich da-
von angrenzenden Raum. Diese Schaftkronleuchter mit kriegerischen Motiven werden im weiteren
Verlauf des hier vorliegenden Kapitels näher beschrieben. – Ein inventarisierter, kaum weiter als
„aus Messing“ und „beachtenswerth“ beschriebener Kronleuchter „mit einer langen Reihe von Stif-
ternamen aus dem Jahre 1597“ der Evangelischen Kirche zu Kühlungsborn (Brunshaupten)/Mecklen-
burg-Vorpommern lässt Fragen zur Gestaltung und Provenienz offen. Vgl. Die Kunst- und Ge-
schichtsdenkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, III. Bd.: Die Amtsgerichtsbezirke
Hagenow, Wittenburg, Boizenburg, Lübtheen, Dömitz, Grabow, Ludwigslust, Neustadt, Crivitz, Brüel,
Warin, Neubukow, Kröpelin und Doberan, 2. Aufl. 1900, S. 533. – Unbekannt ist bisher auch das
Aussehen eines Schaftkronleuchters mit Löwenkopf-Maske der Evangelischen Kirche zu Wote-
nik/Grimmen, s. Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund, H. III: Der Kreis Grimmen,
1888, S. 260. – Auch die Auflistung von Schaftkronleuchtern (um 1600) mit 6 Leuchterarmen in den
evangelischen Kirchen zu Braunschweig (St. Martini) sowie Hörste wäre um Etliches zu präzisieren,
dass daraus Erkenntnisse für weitere Forschungen gewonnen werden könnten; s. Die Bau- und
Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig, 1926, S. 23. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfa-
len. Kreis Halle, 1908, S. 23.
285
P. Graff, Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche
Deutschlands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, 1921, S. 140. – Vgl. demge-
genüber Beschreibungen zur Illumination porfaner Anwesen: J. B. v. Rohr, Einleitung zur Ceremo-
niel-Wissenschaft der Privat-Personen (...), Berlin 1728, S. 838 ff.
286
Sveriges Kyrkor. Uppland, Bd. III, 1921-53, S. 209.
287
E. Sehling (Hg.), Evangelische Kirchenordnung des 16. Jahrhunderts, Bd. 3: Mark Brandenburg,
Markgrafenthümer Oberlausitz, Niederlausitz, Schlesien, 1909, S. 32: „Neumärkische Kastenordnung
1540. Nachdem auch gross und klein gewercke zuvoren alle sontage und feiertage auf den kerzen
lichte gebrandt, sollen die rähte gleichfalls mit den gewercken auf einige anzahl wachses jehrlich zu
geben, handelen, damit des winters wenn der tag kurz ist, lichte zur notturft der kirchen gehabt und
gebraucht werde.“ – Ebd., S. 71: „Kirchenordnung Joachim’s II., 1540: Auch sollen die gewöhnlichen
lichter zu den horis, messen und anderen emptern, auch sonst des winters zur notturft gebrand wer-
den; was aber darüber sonst sonderliche lichter der bruderschaften, gülden oder enzeler personen
vorhanden, sollen abgethan und was etwan darauf gewand, sol nach befelch der visitatoren zu bes-
serm brauch gekart werden.“ - KKrs. A. H.-B., Hattstedt 245 „Register der Kercken Renthe tho
Hatsted angefangen nar der grothen Waterflod Anno 1634“, S. 99: „Anno 1644 ... Gott tho Ehre und
der Kerken thom Zierath eine Krone in der Kerken vorehret, und darby verordnet, Dat deme Krone
mit 16 Waßlichtern .. underholden werde, und de Lichter Jahrliches de 3 hoge festdags alß Pasches,
Pinxten und Christdach under des Vormiddags Predige brennen, bith der Gottesdienst verrichtet is.“
Ähnlich heißt es betreff „Frühpredigt“ im Kirchenrechnungsbuch (1709) der Ev. St. Nikolai-Kirche zu
Eckernförde und 1749 hinsichtlich der hohen Feiertage im KAP V B c.d. – A. Jessien, Diplomatarium
des Klosters Preetz (1838), S. 187 f.
Bekrönungsfiguren Seite 84

3. Bekrönungsfiguren der Winkelarmkronleuchter und anderer Schaft-


kronleuchter des 16. bis 18. Jahrhunderts – Voraussetzungen und
Typen eines ikonographischen Programms

3.1 Wappenhalter, Tugenddarstellungen?


Künstlerische, religionspolitische, theologische Kriterien

Gut zwei Drittel der amtlich inventarisierten Schaftkronleuchter aus Messing des 16.
bis 18. Jahrhunderts gehört zum kirchlichen Kunstgut – überwiegend evangelischer
Kirchen.

Es kommen dort unter gut 700 Exemplaren in Norddeutschland und entsprechenden


Beständen im benachbarten Ausland bis zu 40 unterschiedliche Bekrönungsfiguren
vor.288 Darunter befinden sich vier Gruppen bewaffneter Statuetten, die aufgrund
ihres gruppenspezifisch stereotypischen Erscheinungsbildes und ihres Verwendungs-
zusammenhanges – sowohl in Sakral- als auch in Profangebäuden – zu Fragen ver-
anlassen. Weder eine narrative Komposition aus mehreren Figurengruppen noch die
Tatsache der – in Kapitel 2 angesprochenen – Kronleuchterstiftung oder Inschriften
und Archivalien erläutern unmittelbar die Auswahl und das Vorkommen kriegerischer
Motive (etwa 15 Exemplare je Einheit) auf Schaftkronleuchtern.

Im Gegensatz dazu gehören die aktiven Kampfszenen der mit Stichwaffen ausgerüs-
teten und Ungeheuer bezwingenden Leuchterfiguren des Erzengel Michael (1665)
(Abb. 140) oder des Heiligen Georg (Ende des 16. Jahrhundert) (Abb. 64) zu den
traditionellen Sujets christlicher Ikonographie.289

Als profane, kriegerische Motive gelten in der bisherigen kunstwissenschaftlichen


Fachliteratur jene (männlichen) Topfiguren auf Schaftkronleuchtern der Renaissance
– insbesondere auf Winkelarmkronleuchtern – die durch das Tragen von Wappen-
schilden und Waffen hervortreten und aufgrund ihres charakteristischen Äußeren
entweder bestimmten Gesellschaftsschichten bzw. Berufsgruppen zugeordnet werden
können - wie zum Beispiel „Römischer Soldat“, „Büttel“ und „Landsknecht“ - oder
die aufgrund ihrer übermäßigen Behaarung (gegebenenfalls Nacktheit) eine Außen-
seiterposition einzunehmen scheinen – wie zum Beispiel „Wilde Leute“. In Ponderati-
on und mittels Waffe und Schild signalisieren die ersten drei Figurentypen sowohl
Kampfbereitschaft als auch Abwehr, Schutz, Standfestigkeit und Entschlossenheit. In
Kontrapost vermittelt das Motiv „Wilder Mann“ der vierten Figurengruppe Flexibilität

288
Einzelne Kronleuchterbestände werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels beziffert. Schaftkron-
leuchter aus Messingblech des 19. Jahrhunderts sind von dieser Zählung ausgenommen; sie unter-
liegen einem anderen Produktionsverfahren und besitzen keine figürlichen Motive.
289
Die Kunstdenkmäler des Landes Niedersachsen. Stadt Stade, Textbd. (1960), S. 112 f. – G. Dehio,
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen, Niedersachsen (1992), S. 1232. – Allg., s. Lexi-
kon der christlichen Ikonographie, Bd. 1, Hg. E. Kirschbaum S.J. (1968), Sonderausgabe, Freiburg
1994, Sp. 674 ff. – Ebd., Bd. 6, Begründet v. E. Kirschbaum S.J., Hg. W. Braunfels (1974), Sonder-
ausgabe 1994, Sp. 365 ff.
Bekrönungsfiguren Seite 85

und Handlungsbereitschaft, sofern sie nicht per Kniefall Demut und Ehrerbietung er-
weisen.

Die eindeutig christlichen Themen unter den Kronleuchterfiguren jener Zeit bilden die
proportional zu den inventarisierten Kriegerfiguren offensichtlich weniger verbreite-
ten Darstellungen des Gnadenstuhls sowie des Salvator mundi oder Engel.290 Und die
wenigen Schaftkronleuchter mit der Statuette der Muttergottes zeigen mittels dieser
Bekrönung noch Anklänge an die Spätgotik, während die Leuchter selbst Mischfor-
men (s. Thorn/Polen, St. Johann, Kronleuchter 1580) oder als Schaftkronleuchter
schon neuzeitliche Formen aufweisen können.291 Diese vier kriegerischen Figuren-
gruppen (Abb. 55-86) bilden neben heraldischen Tierdarstellungen (Abb. 93, 102)
und eindeutig christlichen Motiven (Abb. 88, 89) die charakteristischen Bekrönungen
hauptsächlich frühneuzeitlicher Schaftkronleuchter resp. Winkelarmkronleuchter aus
Messing.

Die genannten Spezifizierungen, das heißt die Zuordnung von Kronleuchter- und Fi-
gurentypen werden mitunter beschrieben, mögliche Gemeinsamkeiten oder Unter-
schiede dieser Gestalten auch hinsichtlich ihrer Präsenz auf verschiedenen Kron-
leuchtern wurden bisher nicht analysiert.292

290
Siehe u.a.: R. Schimmelpfennig, Die Geschichte der Marienverehrung im deutschen Protestantismus,
1952. – M. Hasse, Maria und die Heiligen im protestantischen Lübeck, in: Nordelbingen 34 (1965),
S. 72-81. – A. Krücke, Der Protestantismus und die bildliche Darstellung Gottes, in: Ztschr. f. Kunst-
wissenschaft 13, (1959). S. 59-90. – E. Hoffmann, Lübeck im Hoch- und Spätmittelalter: Die große
Zeit Lübecks, in: Lübeckische Geschichte, 1988, S. 292 f. – A. Morath-Fromm, Theologie und Fröm-
migkeit in religiöser Bildkunst um 1600. Eine niederländische Malerwerkstatt in Schleswig-Holstein,
1991 – Gnadenstuhl/Trinität, s. allg. LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp.525 ff. (Dreifaltigkeit). –
Siehe Einzelbeispiele: U. Mathies, 1998, S. 18 ff., 129 ff. und Abb. S. 161, 169, 174, 182 ff., 190. –
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Westfalen, Unveränd. Neuaufl. mit Nachtr. 1986,
S. 342 f. – Salvator mundi/Christus; s. z.B. Die Baudenkmäler des Regierungs-Bezirks Stralsund. H.
V: Der Stadtkreis Stralsund, 1902, S. 449 f. – F. Michaelsen, Die Glückstädter Lichterkronen, in:
Steinburger Jb. (1965), S. 91-99. – Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Stadt
Schleswig, 2. Bd.: Der Dom und der ehemalige Dombezirk, 1966, S. 494 ff. – Engel; s. allg. A. Ro-
senberg, Engel und Dämonen, 1969. – LCI, Bd. 1, Sonderausgabe 1994, Sp. 626 ff. (Engel) und Sp.
674 ff. (Erzengel).
291
Hier wären die als Kronleuchter der Frührenaissance beschriebenen Exemplare mit einer bekrönen-
den Statuette der Muttergottes, vergleichbaren Leuchterarmenden und Tierkopf-Masken in Lübeck,
Evangelische St. Jakobikirche und Plau am See, Evangelische Stadtkirche näher zu untersuchen; s.
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck, Bd. III: Kirche zu Alt-Lübeck.
Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche, 1920, S. 430 f. und S. Bock/ T. Helms, Mecklenburg-Vorpommern
Kirchen in Städten. Eine kulturgeschichtliche Wanderung vom 13. bis ins 20. Jahrhundert. o.J., S. 50
f. – Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Der Landkreis Stade, Bildband, 1961, Abb. 42:
Balje, ehem. Kirche, Kronleuchter von 1562; 1936 vernichtet. Die Kunstdenkmale des Landes Nie-
dersachsen. Der Landkreis Stade, Textband, 1965, S. 84. - Die Kunstdenkmale des Landes Nieder-
sachsen. Regierungsbezirk Stade. Die Kunstdenkmale des Kreises Land Hadeln und der Stadt Cuxha-
ven, Textband, 1956, vgl. R. Schimmelpfennig, Die Geschichte der Marienverehrung im deutschen
Protestantismus, 1952. – A. Ehrhardt/H. Wenzel, Niederdeutsche Madonnen, 1940. – Die Denkmäler
des Rheinlandes. Rheinisch-Bergischer Kreis, Bd. 2, Klüppelberg-Odenthal 1972, S: 22 f.: Thier, ka-
thol. Kirche, Kronleuchter, A. 17. Jh. – Vgl.: Gegen den Strom. Meisterwerke niederrheinischer
Skulptur in Zeiten der Reformation 1500-1550. Ausst-Kat. Suermondt-Ludwig-Museum Aachen
(1996).
292
H. Ende, 1984, S. 45. – Vgl. Dokumentation der Kronleuchter in amtlichen Länderinventaren der
Bau- und Kunstdenkmäler. – Eine Charakterisierung einzelner Figurengruppen erfolgt weiter unten.
Bekrönungsfiguren Seite 86

Ohne grundlegende Untersuchungen zur potenziellen Ikonographie dieser Figuren –


im Gegensatz zu geläufigeren Verwendungszusammenhängen der Motive – wie zum
Beispiel Engel und Caritas – auf barocken Kugelkronleuchtern – erschienen diese
kriegerischen Darstellungen bisher nicht in die von Bischof Sicardus von Cremona
(1185-1215) und in Anlehnung an das Alte Testament der Bibel abgeleitete Licht-
symbolik integrierbar.293

Bilden Kronleuchter und Lichter als Stiftungen zum Lichtvermögen in Kirchen


zugleich einen Beitrag zur Lichtsymbolik und einen Bezug zu dieser Umgebung, ist
der Aspekt des Stiftungswesens auch hinsichtlich der Motivauswahl an Bekrönungsfi-
guren zu betrachten. Es ist von Interesse, ob diese Statuetten – insbesondere die
augenscheinlich profanen – die Regelung von Außenbeziehungen, mithin die Erfül-
lung des Stifterwillens und eine Verankerung der Stiftungswirklichkeit verkörpern.294

Sind doch die annähernd gleich großen Beständen dieser profanen Kronleuchterfigu-
ren: Römischer/antikisierender Soldat, Landsknecht und Wilde Leute – mit Ausnah-
me des Motivs „Büttel“ – innerhalb dieser Gruppen geographisch und zeitlich unter-
schiedlich und einzelne Exemplare dieser verschiedenen Einheiten mitunter parallel
verbreitet.295 Und dies betrifft nicht nur die Bekrönungsfiguren (von ca. 20-30 cm
Höhe), sondern auch die ikonographisch verwandten, deutlich kleineren Subfiguren
(11 cm). Als „Römischer Soldat“ oder „Landsknecht“ sind sie auf einer der Nuten-
scheiben des Schaftkronleuchters platziert und der Bekrönung „Heraldischer Doppel-
Adler“ untergeordnet.

So kommen unter anderem auf einem der vier Schaftkronleuchter (inschriftlich da-
tiert 1604, südliches Querhaus) der Evangelischen Kirche St. Severi in Hamburg-
Kirchwerder nur schwach ausgearbeitete Subfiguren „Römischer Soldat“ vor, wäh-
rend ein vergleichbarer Leuchter (inschriftlich datiert 1607) mit heraldischem – un-
gekröntem – Doppel-Adler als Bekrönung und Löwenkopf-Maske als Unterhang im
neidersächsischen Uelzen, Evangelische Kirche St. Marien Landsknechte auf der Nu-
tenscheibe trägt. Desgleichen sind auf Kugelkronleuchtern mit heraldischem Doppel-
Adler (inschriftlich bezeichnet 1630) in der Evangelischen Kirche in Zirkow/Rügen
sowie 1620/25 in Hittfeld/Lüneburg und Valløby/Dänemark zu finden.296

Interdisziplinäre Forschungen sind heranzuziehen, um die Entstehung der Schaftkron-


leuchter aus Metall des 16. bis 18. Jahrhunderts in die historische Entwicklung und die
neuzeitliche Sichtweise auf ein sich änderndes Weltbild einordnen zu können.

293
J. Sauer, 1924, S. 22 ff.
294
Siehe Kapitel 2, 2.4 Die Hängung von Kronleuchtern. – Allg. s. u.a. M. Borgolte (1994). – C. Göttler,
Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen, Ablaß und Almosen in
Antwerpen und Bologna um 1600, Mainz 1996, S. 24 f., insbes. Anm. 6.
295
Siehe Bildband, Anhang: Verbreitungskarte. – Nachbildungen seitens Leuchtenhersteller wären ge-
sondert zu untersuchen.
296
Danmarks Kirker, Praesto Amt, T. 1, 1933-1935, S. 309. – Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien
und Hansestadt Hamburg. Bergedorf, Vierlande, Marschlande, Hg. G. Grundmann, Hamburg 1953, S.
112 und Abb. 138. – Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen, Bd. 1 (1963), S. 652.
Bekrönungsfiguren Seite 87

Religions-politische, theologische sowie künstlerische Grundlagen vorausgeschickt,


wird die Beschreibung der besagten Waffenträger auf Kronleuchtern der Renaissance
mit ihren Charakteristika und in ihrer Verteilung verständlich. Denn diese und das
überwiegende Vorkommen dieser vier Gruppen männlicher Bewaffneter: „Römischer
Soldat“, „Büttel“, „Landsknecht“ und „Wilder Mann“ (Abb. 55-86) auf Schaftkron-
leuchtern der Renaissance in Kirchen und unter dem Aspekt der für die Leuchter ge-
bräuchlichen Lichtsymbolik lässt gerade sie vor dem Hintergrund religionspolitischer
Kontroversen und gesellschaftlicher Umstrukturierungen als potenzielle Boten der
Grundrechtsidee im 16. Jahrhundert erscheinen. Denn Gotteshäuser dienten nicht
nur der Verkündigung des Evangeliums.297

Die optisch einprägsamen Kronleuchterfiguren weisen formale und damit funktionale


Parallelen zu den Piktogrammen als Zeichensprache kultischen Ursprungs bis hin zu
veränderten, aktualisierten Kommunikationsmitteln auf, die dort eingesetzt werden,
wo Erläuterungen erforderlich erscheinen, aber weder zu bestimmten Zeiten noch
permanent möglich sind. Zum anderen sind sie Lichtträger sowie Reflektionskörper
und stehen im Zusammenhang mit der Nutzung von Wachslichtern. Wachs dient
noch in der frühen Neuzeit als Zahlungs- und Ahndungsmittel.298 Inwieweit die dar-
aus für Kronleuchter gefertigten Kerzen mit ihrer offenen Flamme über die Funktion
als Lichtquelle hinaus mit der rechtlichen Bedeutung des Feuers als Zeichen zur Ver-
sammlung sowie der Eigentumsverhältnisse in Verbindung zu bringen sind, ist bisher
unbekannt.299

Dokumentieren möglicherweise die zuvor genannten Kronleuchterfiguren des 16. bis


18. Jahrhunderts exemplarisch umkämpfte religionspolitische Strukturen und die da-
raus resultierenden Freiheiten, so scheint die spezifizierte Darstellung dieser kriege-
rischen Bekrönungen anzuzeigen, dass die Religions- und Gewissensfreiheit als ein
Teil der Grundrechte bis dahin nicht selbstverständlich und verfügbar waren. Und
auch, dass zur (Be-)Wahrung dieser Rechte gewisse Pflichten und Regeln gehören,
die die Basis für jene Ethik bilden, die im Sinne der Lichtsymbolik auf einen Großteil
der Bekrönungen barocker Kugelkronleuchter angewendet wird. Denn erst die In-
schriften der Kugelkronleuchter des 17. und 18. Jahrhunderts enthalten im Sinne der

297
H. Ewe, Das alte Stralsund, Kulturgeschichte einer Ostseestadt, Weimar 1995, S. 61.
298
W. Petke, Oblationen, Stolgebühren und Pfarreinkünfte vom Mittelalter bis ins Zeitalter der Reformia-
tion, in: Kirche und Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts, Hg.
H. Boockmann, Göttingen 1994, S. 26 ff., insbes. S. 39.
299
A. Brüning, 1897, S. 49 ff. – Zum Gebrauch der Wachslichter an sich, s. P. Graff, Geschichte der
Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands bis zum
Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, 1921, S. 101: Sinngemäß schreibt er, dass Lichter
größtenteils beibehalten, teils aber auch als „freie Mitteldinge aus Kostengründen abgeschafft“ wur-
den. „Sie (die Lichter) erinnerten uns daran, daß Christus das Licht der Welt sei und wir unser Licht
leuchten lassen und wie die klugen Jungfrauen stets im Glauben bereit sein sollten.“ – J. Sauer,
1924, S. 182. – M. Lurker, Symbol, Mythos und Legende in der Kunst. Die symbolische Aussage in
Malerei, Plastik und Architektur, 1958 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 314), S. 11. –
Zur Rolle des Wachs; s. J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 13, Leipzig 1922, Reprint,
Sp. 63 f., 134. – Zur rechtlichen Bedeutung des Feuers; s. J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer,
Bd. I, 4., vermehrte Aufl., Leipzig 1922, Reprint, S. 268 f.
Bekrönungsfiguren Seite 88

oben genannten Freiheit Worte wie „freiwillig“ (Schleswig) oder „ohn Ketzerey“ (E-
sens).

Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist um so mehr von Interesse, als diese
kriegerischen Typen in Zeitläufen eine unterschiedliche gesellschaftliche Akzeptanz
erfahren und dennoch als verbreitete Motive neuzeitliche Schaftkronleuchter bekrö-
nen. Historische Darstellungen zur vorreformatorischen Bewegung in Schleswig-
Holstein wie auch jüngere drastische Beschreibungen des Klosterlebens in Archivalien
erwecken den Eindruck, dass die Organisation und Umgangsformen menschlicher
Gemeinschaften im Zuge der Individualisierung stärker auf den Prüfstand zu stellen
waren als das eigentliche, theologische Anliegen der neuen Glaubenslehre. Gleich-
wohl zielt diese auf die Verkündigung des reinen Wortes Gottes und damit auf das
allgemeine Priestertum, das heißt auf ein in diesem Sinne gottgläubiges Leben ab.

Da die kriegerischen Figurentypen, die die Schaftkronleuchter der Renaissance im


Wesentlichen charakterisieren, vereinzelt auch noch im 17. und 18. Jahrhundert auf
diesen Beleuchtungsgeräten aus Metall vorkommen bzw. inschriftlich als Stiftungen
dieser Zeit deklariert sein können, erklärt sich sowohl die zeitliche Eingrenzung des
Themas auf das 16. bis 18. Jahrhundert, das heißt zwischen Reformation und For-
men des Absolutismus in Deutschland als auch die Sonderstellung dieser profanen
Motive gegenüber Statuetten eindeutig christlicher Ikonographie auf (früh-)neuzeit-
lichen Schaftkronleuchtern aus Metall.

Stellen der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) einen tiefen Einschnitt in die europäi-
sche Geschichte und schließlich der Westfälische Friede (1648) einen religions-politi-
schen Wendepunkt dar, erscheint für die Beurteilung der vielfältigen Bekrönungsfigu-
ren der besagten Beleuchtungsgeräte weniger diese Zäsur zur Eingrenzung des
Themas in Betracht zu kommen. Vielmehr ist es der über diese Zeit hinausreichende
Spannungsbogen aus bestehenden unterschiedlichen Auffassungen über das Sacer-
dotium sowie der Stellenwert der Glaubens-, Gewissens und Bekenntnisfreiheit, der
zusammen mit anderen Faktoren – wie zum Beispiel die Herausbildung der Territori-
alstaaten und die Verwaltung durch weltliche Ämter – die Verteilung und den Motiv-
schatz dieser Schaftkronleuchter aus Messing begünstigt haben dürfte.300

Denn es kommen zu dieser Zeit auch Schaftkronleuchter o h n e Figurenschmuck


und diese allem Anschein nach hauptsächlich in calvinistisch geprägten Gebieten vor.

Über ihre Morphologie hinaus vermitteln die in Kapitel 2 beschriebenen frühneuzeitli-


chen Schaftkronleuchter komplexe Zusammenhänge, indem in der Regel ihre profa-

300
Auch diese zuletzt genannte geographische Eingrenzung wäre im einzelnen zu untersuchen, vgl.
dazu u. a. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, 49. Bd., T. 1: Stadt Lemgo, Münster 1983,
S. 71. – Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Bochum-Stadt, 1906, S. 14. – Die Aus-
wirkungen von Verwaltungs- und Gebietsreformen der jüngeren Vergangenheit sind unter anderem
an den Titeln der amtlichen Länderinventare der Bau- und Kunstdenkmäler und deren Fortschreibung
seit dem 19. Jahrhundert ablesbar. Das heißt, dass die ursprüngliche Lokalisierung der Kronleuchter
heute mitunter nicht direkt anhand der genannten Gebiete und Orte nachvollzogen werden kann,
sondern Eingemeindungen zu berücksichtigen sind – wie auch die Tatsache, dass Kronleuchterbe-
stände Veränderungen unterliegen. Es wurde daher bewusst auf die generelle Abkürzung KDinv. ver-
zichtet.
Bekrönungsfiguren Seite 89

nen Bekrönungsfiguren – auf das Wesentliche komprimiert – Typen aus der Bevölke-
rung darstellen, die so das Allgemeine, aber auch das Charakteristische einer Ge-
meinschaft und insofern Strukturen ihrer Organisation im Sinne der Zweireichelehre
des Martin Luther repräsentieren können.

„Römischer Soldat“, „Büttel“, „Landsknecht“, und „Wilder Mann“, in der Regel als
Wappenhalter beschrieben, fallen in ihrem kultischen Verwendungszusammenhang
als weltliche, noch dazu kriegerische Darstellungen verschiedentlich auf.301 Dabei
sind in Sakralgebäuden weder profane Themen noch die Wiedergabe lebensbedrohli-
cher Instrumentarien fremd - offensichtlich aber in der Verbindung zu Kronleuch-
tern.302

Ein neuer Forschungsansatz, der alle unterschiedlichen Bekrönungen auf Schaftkron-


leuchtern aus Messing des 16. bis 18. Jahrhunderts zunächst auf eine gemeinsame
Basis stellt, ist die im Rahmen der vorliegenden Studie erstellte Verbreitungskarte.

Aus heutiger Sicht sind aufgrund dieser Zusammenfassung von neuzeitlichen


Schaftkronleuchtern der besagten drei Jahrhunderte ansatzweise Schwerpunkte für

301
Im Gegensatz zu etlichen Bekrönungsfiguren neuzeitlicher Schaftkronleuchter, die in der Regel grob
charakterisiert sind, ist die Beschreibung der Subfiguren als Krieger- oder Ritterfiguren sehr vage.
Nicht nur die Figuren, sondern auch die beiden Kronleuchter der Ev. Kirche zu Langenhessen/Nieder-
Planitz wären insgesamt und im Hinblick auf die Datierung „1592“ des einen Exemplars genauer zu
erforschen; s. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs
Sachsen, 12. H.: Amtshauptmannschaft Zwickau, 1889, S. 48. – Auch die Topfigur des Kronleuchters
in Oldisleben ist mit „Krieger“ oder „Ritter“ zu ungenau beschrieben und kann aufgrund fehlender In-
formationen nicht weiter berücksichtigt werden. Denn geographisch liegen diese Orte in Gebieten,
die zu den für das 16. und 17. Jahrhundert „nicht darstellbaren kleineren Territorien“ gehören – am
Rande sowie innerhalb des damaligen Kursachsens – heute in den Bundesländern Thüringen und
Sachsen, s. W. Putzger, 1970, S. 82 f. Dass Kurzcharakteristiken zu wenig sind, zeigt sich auch in
Luckau/Brandenburg, Stadtkirche St. Maria und St. Nikolai. Im Inventar der Bau- und Kunst-
denkmäler in der Provinz Brandenburg von 1885, S. 504 als „Kronleuchter aus Messing, Renais-
sance, sehr reich“ beschrieben, gibt eine Fotografie des Innenraumes nach Westen nur im Rahmen
dessen den Eindruck eines barocken Kugelkronleuchters wieder; s. Deutsche Kunstdenkmäler. Ein
Bildhandbuch. Bezirke Cottbus, Frankfurt/Oder, Potsdam und Berlin, Leipzig 1971, S. 132. Eine fern-
mündliche Nachfrage (09/1999) im Büro der Kirchengemeinde St. Nikolai, Luckau ergibt, dass zwei
Kronleuchter vorhanden seien. Vgl. G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Branden-
burg, 2000, S. 606 bzw. 610 ff. - Auch für die Pfarrkirche St. Marien in Angermünde ist bisher unbe-
kannt, ob bzw. womit die drei Kronleuchter aus Messing der Renaissance bekrönt waren. Die Abbil-
dung und Beschreibung, in: Die Bau- und Kunstdenkmäler der DDR. Bezirk Frankfurt/Oder, 1980,
S. 18 bezieht sich auf drei Kronleuchter des 19. Jahrhunderts, vgl. G. Dehio, Handbuch der deut-
schen Kunstdenkmäler, Brandenburg 2000, S. 22. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 1889, S. 48. – Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens,
1. Abt.: Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, Bd. 2: Verwaltungsbezirk Apolda, H. 2: Amtsge-
richtsbezirk Allstedt, 1891 (H. 13 des Gesamtwerkes), S. 295, H. Ende, 1984. S. 45.
302
G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg, Unveränd. Nachdruck des Ban-
des: Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, 1980, S. 384. – Die Bau- und Kunstdenkmale
in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Mit Stralsund, Greifswald, Rügen und
Usedom, 1995, S. 136. – V. Friedrich, Stralsund – Rats- und Pfarrkirche St. Nikolai, 1999 (Kunstfüh-
rer), S. 26 mit Abb. S. 33. – G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt,
Bd. II: Bezirk Halle, Unveränd. Nachdruck 1976, S. 328: „An der Kanzeltreppe reliefierte Darstellung
eines lokalen Ereignisses, des sog. Schlüssel- und Klöppelkrieges.“ - s. im Allg.: LCI, Bd. 1, Sonder-
ausgabe 1994, Sp. 150 ff. – Die Beschwörung des Kosmos. Europäische Bronzen der Renaissance.
Ausst.-Kat. Wilhelm Lehmbruck, Duisburg (1994/95), S. 10. – W. Paatz hatte darauf hingewiesen,
dass sich das revolutionäre Weltbild am treffendsten in kleinformatigen Bronzewerken ablesen lasse.
– Es stellt sich die Frage, ob dieser Gedanke auf bestimmte Figurentypen als Motive neuzeitlicher
Schaftkronleuchter aus Metall übertragbar wäre.
Bekrönungsfiguren Seite 90

das Vorkommen der Beleuchtungsgeräte und ihrer Bekrönungen ablesbar. Soweit


bekannt, sind die Topfiguren dort angegeben, aber ein Großteil dieser Objekte ist
noch zu untersuchen und differenzierter darstellbar.

Dies betrifft auch die hier vorgestellten Kronleuchter, die im Rahmen der Studie
zwecks genauerer Analyse nicht in Einzelteile zerlegt werden konnten. Doch sind De-
tails ihrer Morphologie und Konstruktion unter der Fragestellung berücksichtigt, ob
die Eintragungen zur potenziellen Entstehungszeit und Ikonographie dieser (früh-)neu-
zeitlichen Schaftkronleuchter im Gegenüber mit geschichtswissenschaftlichen Karten-
werken für Mitteleuropa neben einer Übersicht zu Kronleuchterbeständen auch eine
kunstgeografische Entwicklungslinie sichtbar wird.303

Gleichwohl historische Untersuchungen zum Kupferhandel überregionale bis interna-


tionale Geschäftsbeziehungen herausarbeiten konnten, erklärt die Tatsache, dass
Kupfer Bestandteil der besagten Schaftkronleuchter ist, noch nicht die spezifische
Verteilung bestimmter Figurendarstellungen auf Kronleuchtern.

Wie anhand der Forschungsgeschichte in Kapitel 1 aufgezeigt, vermitteln bisherige


kunstwissenschaftliche Darstellungen kaum das Spektrum an Motiven auf Schaftkron-
leuchtern und auch nicht, ob diese potenzielle Serienware als Kontingent vertrieben
oder auf Nachfrage veräußert wurde. Und es ist ferner unbekannt, in welchem Maße
die Wanderschaft der Metallgießer oder die Mobilität der Kaufinteressenten bzw. Stif-
ter an der Verteilung der Kronleuchter und bestimmter Motive Anteil hat.

Anhand der Quellen, die im Rahmen dieser Studie untersucht wurden, sind die zu-
letzt genannten Aspekte nicht auszuschließen, bedürfen aber weiterer Recherchen,
um zu allgemeingültigen Aussagen zu führen.

Um so mehr ist die Vergegenwärtigung historischer Strukturen mittels entsprechen-


der Kartenwerke von Interesse: Diese zeigen das Heilige Römische Reich im Zeitalter
der Reformation – um 1547 – sowie unter anderem nach dem Dreißigjährigen Krieg
(1648) als ein Mosaik verschiedener und wechselnder Herrschaftsbereiche, wo infol-
gedessen die neue Glaubenslehre nicht einheitlich eingeführt werden konnte. Daran
sowie insbesondere am Bestand der Enklaven in Norddeutschland orientiert, gewin-
nen die auf der Verbreitungskarte für Kronleuchter noch diffus wirkenden Einträge an
Kontur.

Das 16. und 18. Jahrhundert gelten insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen des
Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert als Zeiten des wirtschaftlichen, aber auch
des demographischen Wachstums und sind neben machtpolitischen durch soziale
Konflikte geprägt.304

303
F. W. Putzger, Historischer Weltatlas, 92. Aufl. 1970, S. 78 f., 82 f., S. 90 f. – Großer Atlas zur Welt-
geschichte, 1997, S. 90 f., 96 f., 102 f., 104, 106 f. – Siehe auch Handbuch der Kirchengeschichte,
Bd. IV, 1985 und Bd. V, 1986.
304
W. Stieda, Hansische Vereinbarung über Städtisches Gewerbe, in: Hansische Geschichtsbl., Jg. 1886
(1888), S. 101 ff. – R. A. Peltzer, 1909. – E. George, Die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehun-
gen der Westküste Schleswig-Holsteins zu den Niederlanden, in: Nordelbingen 1 (1923), S. 220-289.
– Schwerpunkte der Kupferproduktion in Europa: 1500-1650, Hg. H. Kellenbenz, 1977. – O. Brandt,
Bekrönungsfiguren Seite 91

Auseinandersetzungen um Ressourcen und Monopole, der Handel und die Preisrevo-


lution erfordern insbesondere im 16. Jahrhundert ein rasches Handeln von Kaiser
und Reich in „administrativer“ und militärischer Hinsicht.305

Die sozialen Konflikte äußern sich nachweislich in der Konkurrenz zwischen städti-
schen Ämtern/Zünften und ländlichem Gewerbe um eine Arbeitsteilung sowie um
Schutz seitens der Obrigkeit zwecks Sicherung von Privilegien, was auch für die Me-
tallgießer mittels ausführlicher Schriftwechsel belegt werden kann.306 Als weitere
Gründe wären Rivalitäten zwischen dem Bürgertum als neuer städtischer, reicher
Oberschicht und dem landsässigen Adel um Einfluss und Ansehen zu nennen.

Die obrigkeitliche Reglementierung einerseits sowie andererseits zum Beispiel die


Kritik der Humanisten am geistlichen Stand und Martin Luthers an kirchlichen Miss-
ständen lösen Widerstände und eine Neuorientierung bis hin zur Reformation aus.
Denn durch die Ansätze einer Reichsreform und eine nachgebesserte, das heißt diffe-
renziertere Einteilung der Reichskreise (1500/12) – wie zum Beispiel des Sächsi-
schen Reichskreis in einen Niedersächsischen und in einen Obersächsischen Reichs-
kreis, die heute im Wesentlichen Norddeutschland ergeben, scheinen die Gerichts-
barkeit, die regionalen Zuständigkeiten zur Wahrung des Ewigen Landfriedens sowie

Geschichte Schleswig-Holsteins, 8. Aufl., Kiel 1981, S. 154, 175. – U. Lange, Deutschland im Zeital-
ter der Reichsreform, der kirchlichen Erneuerung und der Glaubenskämpfe (1495-1648), in: P. Ras-
sow, Deutsche Geschichte, 1987, S. 144-217. – Siehe ebd. S. 218-197. H. Schmidt, Zerfall und Un-
tergang des alten Reiches 1648-1806 – G. Mann, Wallenstein, 1997, insbes. S. 355 ff. – L. Jardine,
Der Glanz der Renaissance, 1999, I. Origo, „Im Namen Gottes und des Geschäfts“. Lebensbild eines
toskanischen Kaufmanns der Frührenaissance, 3. Aufl. 2000.
305
Neue Formen der „Verwaltung/Administration“ entstehen seit dem 15. und 16. Jh. zum Beispiel in
Holstein und Schleswig unterschiedlich. – Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg. Kreis An-
germünde, Bd. III, T. 3, 1934, S. XXXIX ff. – U. Lange, Die politischen Privilegien der schleswig-
holsteinischen Stände 1588-1675, 1980. – Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht von
1495-1806. Ausst.-Kat. Wissenschaftszentrum Bonn sowie Historisches Museum Frankfurt/M.
1994/1995. – B. Distelkamp, Rechtsfälle aus dem Alten Reich. Denkwürdige Prozesse vor dem
Reichskammergericht, 1995, insbes. S. 39-56 und S. 62-75.
306
Siehe u.a.: HHStA. 612-1/45, Extrajudical-Sachen der Rot-, Stück- und Glockengießer gegen die
Eisenkrämer. – HSTA Rep. 16, Nr. 312: Amt der Gürtler/Klage J. G. Wosaeck 1740/53 gegen das
Amt der Gürtler wegen Eindrangs: „Ich muß mich hier auf das Exempel anderer Städte beziehen,
Lübeck gehört hier wohl am nächsten, weil aber daselbst Gelbgießer sind, so muß man auf eine sol-
che Stadt recurieren, wo sich keine Gelbgießer aufhalten: man wird deren weniger finden - mir ist
aber doch Nürnberg bekandt daselbst dürften die Gürtler nicht das geringste, ja nicht einmahl ein
Loth schwer gießen ... und müssen alles gegossene, was sie zu ihrer Arbeit benöthiget, sind bey de-
ren Rothgießern gießen lassen. Dieses weiß ich weil ich selbst in Nürnberg gewesen bin, ...“ - HSTA
Rep. 16 Nr. 316: „Da heute in termino so weit der roth und glocken Gießer Woseck nebst seinem
beystand dem Adv(ocatus) Köppen, als die Gürtler Hopp und Weylen erschienen haben H(erren)
Camerarii der wegen unter Ihnen streitig seyenden puncten Vereinigung zu treffen sich bemüht,
worauf denn endlich gürtler sich erkläret, daß Sie nunmehro folgender Arbeit sich gänzlich begeben,
und dem Roth- und Glockengießer als zu seiner profession gehörig privative einräumen wolten - 1)
alle gegossene … Crohnen und Tischarme (des Weiteren Mörser, Glocken etc.) ... dahingegen läßet
Ihm den Roth und Glockengießer Woseck gefallen, daß die hiesige gürtler nebst Ihm folgende ange-
bot zu jeder Zeit mögen machen und verfertigen können als 1) die Anklopfer und Schilde an denThü-
ren, 2) Messingste Schaufeln und Zangen groß und kleine ..., 4) wie auch tafel leuchter ... Saturn
den 3. jun. 1747“ – LAS Abt. 210, Nr. 2353: Stück- und Glockengießer. Privileg für Anthon Wiese zu
Lübeck für den Bereich Lauenburg 1649. – LAS Abt. 210, Nr. 2369: Acta betreff die dem Hans Hütt-
mann zu Ratzeburg ertheilten Privilegien des Kupfer- und Messing-Handels und die wider die regie-
renden Kupferträger und Kesselflicker erlassenen Verordnungen (1665) 1680/81. – LAS Abt. 65.1,
Nr. 1769: Akten der Deutschen Kanzlei betreff zu Bad Oldesloe spec. die Kupfermühle und Handel
mit Kupfer- und Messingwaren (1515) 1632/1668.

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