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Kapitel 6:

Kooperationsvorteile

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Kapiteleinleitung Kapitel 6: Kooperationsvorteile
Menschliche Gesellschaften sind durch einen enormen Grad an Arbeitsteilung gekennzeichnet, in denen sich alos
jedes Individuum sehr stark spezialisiert. Arbeitsteilung und Spezialisierung ermöglichen erhebliche
Produktivitätsfortschritte. Stellen Sie sich vor, dass es keine Ärzte und keine Bauern gäbe. Dann könnten Sie nicht
so viel Zeit in Ihr Studium investieren, weil sie sich selbst um den Anbau von Lebensmitteln kümmern müssten
und auch etwas über Medizin lernen sollten, damit sie im Krankheitsfall wissen, was zu tun ist.
Die Spezialisierung ermöglicht es Menschen, die Dinge, die sie tun, besonders gut zu erlernen, gerade eben weil
sie sich auf eine oder wenige Dinge spezialisieren können. Durch solche Lerneffekte können Güter und
Dienstleistungen sehr günstig produziert werden und die Gesellschaften können einen hohen Lebensstandard
erreichen.
Spezialisierung und Arbeitsteilung erfordern aber ein hohes Maß an Kooperation zwischen verschiedenen
Menschen. In diesem Kapitel wollen wir der Frage nachgehen, welche wirtschaftlichen Vorteile grundsätzlich
durch Kooperationen erreicht werden können. Das beginnt bei einem recht einfachen Kooperationsvorteil,
nämlich dem Tauschvorteil. Nehmen Sie an, dass Alex Gummibärchen lieber mag als Schokolade, er selbst aber
im Augenblick nur Schokolade hat. Nehmen Sie zusätzlich an, dass Irina lieber Schokolade mag als
Gummibärchen, sie im Augenblick aber nur Gummibärchen hat. Jeder hat also das, was der andere am liebsten
mag. Was werden die beiden vermutlich tun? Sie werden tauschen! Beide werden dadurch ein höheres
Nutzenniveau erreichen als wenn jeder die Süßigkeit behält, die er weniger gern mag. Die Nutzenzuwächse, die
beide aus dem Tausch erzielen, gehören mit zu den ersten Kooperationsvorteilen, von denen die Menschheit je
gebrauch gemacht hat. Jedes mal, wenn Sie einkaufen gehen, findet ein Tausch statt, bei dem Sie und ihr
Tauschpartner einen Vorteil aus dem Tausch erzielen. Wäre das nicht so, würde einer von Ihnen nicht tauschen
wollen.

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Kapiteleinleitung Kapitel 6: Kooperationsvorteile
Am Beispiel des Tauschvorteils lässt sich aber auch gleich ein möglicher Konflikt aufzeigen. Wenn Sie im
Supermarkt eine Tafel Schokolade für 1,79 € kaufen, dann tun Sie das, weil Ihnen die Schokolade mindestens ein
klein wenig mehr wert ist als die 1,79 €, die Sie für den Kauf aus Ihrem Portemonnaie nehmen müssen. Der
Supermarktbetreiber, auf der anderen Seite, verkauft Ihnen die Schokolade für 1,79 €, weil er sie selbst billiger
einkaufen kann und durch den Verkauf an Sie einen Gewinn macht. Nehmen wir nun an, Sie würden auch 1,89 €
für die Schokolade bezahlen, während der Supermarktbetreiber Ihnen die Schokolade auch für 1,69 € verkaufen
könnte. In der Spanne zwischen 1,69 € und 1,89 € liegen also die möglichen Preise, zu denen Sie beide noch
tauschen wollen würden. Warum also sollten Sie sich auf 1,79 € einigen? Es gibt hier also einen Konflikt: Sie
würden gern weniger bezahlen und der Supermarktbetreiber würden Ihnen gern mehr abknöpfen. Dies ist das
Grundproblem jeder Kooperation: Wenn sich eine Kooperation grundsätzlich lohnt, könnte sie trotzdem
scheitern, weil jeder der potenziellen Kooperationspartner zu viel von den Vorteilen der Kooperation für sich
haben will.
Es ist dann auch eine spannende wirtschaftswissenschaftliche Fragestellung, wie man dafür sorgt, dass mögliche
Kooperationen nicht daran scheitern, dass die Kooperationspartner individuell zu gierig werden. Dabei können
ganz unterschiedliche Mechanismen zum Einsatz kommen. Einer der effektivsten Mechanismen ist der
Marktmechanismus. In Supermärkten gibt es deswegen selten Streit an der Kasse, weil Sie einfach gehen, wenn
es Ihnen zu teuer ist und der Supermarktbetreiber Sie einfach gehen lässt, wenn Sie nicht genug bezahlen
wollen. Beide Seiten können einfach einen anderen Tauschpartner suchen und müssen sich deswegen nicht in
langwierige Konflikte begeben. Wenn man hingegen nicht einfach einen anderen Tauschpartner suchen kann,
dann kann die Konfliktlösung schwieriger werden. So können Unternehmen nicht einfach andere Mitarbeiter
einstellen, wenn die bisherigen Mitarbeiter mehr Geld verlangen. Hier sind Unternehmen und Mitarbeiter
aufeinander angewiesen und können nicht einfach auf andere Tauschpartner ausweichen. Dementsprechend
kommt es hier auch immer wieder zu Streit, der z.B. in Streiks münden kann. Kunden bestreiken hingegen
deswegen keine Supermärkte, weil sie bei zu hohen Preisen einfach in andere Supermärkte gehen können.
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Kapiteleinleitung Kapitel 6: Kooperationsvorteile
Gleiche Argumente gelten auch für andere Kooperationsvorteile: Zu jedem dieser Vorteile gehört immer auch ein
potenzieller Konflikt darüber, wer wie viel von dem Kooperationsvorteil abbekommen soll. Daher ist die Suche
nach Möglichkeiten, diesen Konflikt zu lösen, immer eine wichtige wirtschaftswissenschaftliche Fragestellung.
Neben dem Tauschvorteil gibt es dann noch eine ganze Reihe weiterer Kooperationsvorteile. Hierzu zählen
zunächst Vorteile aus spezialisierter Produktion. Wenn Bauer Anton Zuckerrüben “billiger”, also mit geringerem
Mittelaufwand, produzieren kann als Bauer Bernd, Bauer Bernd dafür aber Weizen billiger anbauen kann als
Bauer Anton, dann sollte sich Anton auf Zuckerrüben und Bernd auf Weizen spezialisieren. Wenn aber beide
Weizen und Zucker für ihr Leben brauchen, dann müssen sie, nachdem sie sich spezialisiert haben, miteinander
Tauschen, weil einer nach der Produktion nur Zucker und der andere nur Weizen hat. Hierbei kann es dann auch
wieder zum Konflikt darüber kommen, in welchem Verhältnis Zucker gegen Weizen getauscht werden sollte.
Neben den Kooperationsvorteilen aus spezialisierter Produktion existiert dann noch ein möglicher
Kooperationsvorteil aus der Risikoteilung. Diesen Vorteil realisieren Menschen z.B. beim Abschluss von
Versicherungen. Im Kern sind Versicherungen nichts anderes als organisierte Versprechen, die sich Menschen
gegenseitig geben: Wenn Dein Haus abbrennt, legen wir alle zusammen, damit Du Dein Haus wieder aufbauen
kannst, wenn mein Haus abbrennt, legt ihr alle zusammen, damit ich mein Haus wieder aufbauen kann.
Menschen teilen sich hier Risiken die wegen des Teilens keine existenziellen Risiken mehr wären. Stellen Sie sich
vor, dass man Autos nicht versichern könnte. Jeder Unfall, den Sie dann verursachen, könnte Ihr Leben für immer
finanziell komplett ruinieren. In dieser Situation ist es offensichtlich von Vorteil, dass sich Menschen gegenseitig
das Versprechen geben, einander finanziell zu unterstützen, wenn ein Schaden auftritt.
In diesem Kapitel werden Sie also viel über die wirtschaftlichen Gründe erfahren, weshalb Menschen in so
großem Ausmaß kooperieren…

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Kooperationsvorteile
Empirische Beobachtungen:
 Menschen tauschen miteinander,
 sie spezialisieren sich, z.B. auf verschiedene Berufe,
 sie geben sich gegenseitige Versprechen, bei Krankheit füreinander einzustehen
(Krankenversicherung).

In Kurzform:
Menschen kooperieren in erheblichem Umfang!

Ziel dieses Abschnitts:


Verstehen der Vorteile, die sich aus Kooperation ergeben können.

Frage:
Unter welchen Bedingungen kooperieren Menschen (freiwillig)?

Antwort:
Sie kooperieren immer dann, wenn sich die Kooperationen für mindestens einen
Kooperationspartner „lohnt“ und kein Kooperationspartner schlechter gestellt wird.

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Kooperationsvorteile: Tausch
These:
Unterschiedliche Güterausstattungen und/oder unterschiedliche Nutzenfunktionen können dazu
führen, dass Tausch den Nutzen beider Tauschpartner steigert.

Beispiel
B: Menge der verfügbaren Gummibärchen (in Gramm)
S: Menge der verfügbaren Schokolade (in Gramm)

Nutzenfunktion von Hans: 𝑈𝑈𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 = 𝐵𝐵0,4 𝑆𝑆 0,2

Nutzenfunktion von Martina: 𝑈𝑈𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 = 𝐵𝐵0,3 𝑆𝑆 0,4

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Kooperationsvorteile: Tausch
Ausgangslage:

Hans Martina
Menge an Gummibärchen B 200 400

Menge an Schokolade S 300 100

Nutzen 𝑈𝑈𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 = 𝐵𝐵0,4 𝑆𝑆 0,2 𝑈𝑈𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 = 𝐵𝐵0,3 𝑆𝑆 0,4


𝑈𝑈𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 = 2000,4 � 3000,2 𝑈𝑈𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 = 4000,3 � 1000,4
𝑈𝑈𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 = 26,05 𝑈𝑈𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 = 38,07

Wenn die beiden nicht tauschen und jeder seine eigenen Süßigkeiten verzehrt, erzielt Hans einen
Nutzen von 26,05 und Martina einen Nutzen von 38,07

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Kooperationsvorteile: Tausch
Frage: Wie geht es den beiden, wenn Martina Hans 100 Gramm Gummibärchen gibt und von ihm
dafür 50 Gramm Schokolade bekommt?

Hans Martina
Menge an Gummibärchen B 200 + 100 = 300 400 -100 =300
Menge an Schokolade S 300 – 50 = 250 100 + 50 = 150
Nutzen nach dem Tausch 𝑈𝑈𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 = 𝐵𝐵0,4 𝑆𝑆 0,2 𝑈𝑈𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 = 𝐵𝐵0,3 𝑆𝑆 0,4
𝑈𝑈𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 = 3000,4 � 2500,2 𝑈𝑈𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 = 3000,3 � 1500,4
𝑈𝑈𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 = 29,54 𝑈𝑈𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 = 41,07

Nutzen vor dem Tausch 26,05 38,07


Nutzengewinn durch Tausch 3,49 3

Ergebnis:
Tausch stellt beide besser, ohne dass mehr Gummibärchen oder Schokolade vorhanden sind

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Kooperationsvorteile: Tausch
Das fundamentale Tauschproblem:
Warum sollte Martina 100 Gramm Gummibärchen für 50 Gramm Schokolade hergeben?

Antwort:
Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns zunächst ansehen, ob Hans evtl. bereit
wäre, seine 50 Gramm Schokolade auch für weniger als 100 Gramm Gummibärchen herzugeben.

Wir wissen:
Hans wird nicht tauschen, wenn er sich durch den Tausch schlechter stellt, als wenn er nicht
tauscht! Nach dem Tausch hat er noch 250 Gramm Schokolade. Was immer er an Gummibärchen im
Tausch bekommt, muss mindestens so viel sein, dass er sein vorheriges Nutzenniveau halten kann.
Es muss also gelten:

𝑈𝑈𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 = 𝐵𝐵0,4 𝑆𝑆 0,2 = 𝐾𝐾 0,4 � 2500,2 = 26,05

Hierbei steht die Variable K für die kritische Gummibärchenmenge, die Hans nach dem Tausch
immer noch haben müsste, um sich durch den Tausch nicht schlechter zu stellen.

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Kooperationsvorteile: Tausch
Als Lösung ergibt sich ungefähr K = 219 Gramm.

Feststellung:
Vor dem Tausch hatte Hans 200 Gramm Gummibärchen. Wenn er nun 50 Gramm Schokolade abgibt
und dafür 19 Gramm Gummibärchen erhält, geht es ihm mit Tausch genauso gut wie ohne Tausch.
Wenn er aber im Tausch statt 19 Gramm Gummibärchen 20 Gramm erhält, geht es ihm durch den
Tausch besser.

Problem:
In unserem Ausgangsbeispiel hat Hans aber nicht 20 Gramm Gummibärchen bekommen sondern
100 Gramm!

Folgerungen:
Martina müsste Hans gar nicht so viel Gummibärchen für seine 50 Gramm Schokolade geben.
Hans hätte aber tatsächlich lieber sogar noch mehr Gummibärchen für seine Schokolade.

Feststellung:
Beide wissen, dass sie sich durch Tausch besserstellen können, haben aber unterschiedliche
Präferenzen bezüglich des Tauschverhältnisses.

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Kooperationsvorteile: Tausch
Schlussfolgerung:
Im Tausch treffen immer gemeinsame und gegensätzliche Interessen gleichzeitig aufeinander.

Frage:
Wenn Sie in den Supermarkt zum Einkaufen gehen, hätten Sie die Güter lieber billiger, der Betreiber
des Supermarktes würde sie Ihnen aber lieber teurer verkaufen. Wie wird dieser Konflikt gelöst?

Merke:
Alle folgenden Kooperationsvorteile beinhalten immer auch eine Form von Tausch, daher sind alle
Kooperationsvorteile auch immer konfliktbehaftet.

Folgerung:
Die Suche nach Mechanismen zur Lösung dieses Konfliktes ist eine wichtige
wirtschaftswissenschaftliche Fragestellung!

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Ausgangslage:
Gummibächen und Schokolade sind nicht einfach da, sie müssen erst von Hans und Martina
produziert werden!

Für die Produktion beider Süßigkeiten wird Zucker benötigt.


Hans und Martina sind im Umgang mit Zucker aber unterschiedlich geschickt.

In der folgenden Tabelle ist angegeben, wie viel Gramm Zucker Hans und Martina jeweils für die
Produktion von einem Kilogramm Gummibärchen bzw. Schokolade verbrauchen:

Hans Martina

Gummibärchen 200 400

Schokolade 400 200

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Die Zahlen in der Tabelle geben ja die Verbrauchsmengen an Zucker pro Kilogramm hergestellter
Süßigkeiten an. Diese Zahlen werden auch als „Produktionskoeffizienten“ bezeichnet.

Annahme:
Hans und Martina besitzen jeweils 10 KG Zucker. Wer sollte wie viel von was produzieren?
Hans Martina

Gummibärchen 200 400

Schokolade 400 200


Antwort:
Unabhängig von ihren Nutzenfunktionen solle Hans nur Gummibärchen produzieren und Martina
nur Schokolade.

Wenn der Produktionskoeffizient X einer Person A kleiner ist als der Produktionskoeffizient Y einer
Person B, dann sagt man, dass A absolute Kostenvorteile gegenüber B hat.

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Mit absoluten Kostenvorteilen lässt sich begründen, warum sich Menschen spezialisieren und die
einen Bier brauen, andere Autos bauen oder Professoren werden.

Im obigen Beispiel:
Wenn sich beide genau falsch herum spezialisieren und Hans nur Schokolade produzieren würde
und Martina nur Gummibärchen,
dann könnte Hans 10.000 / 400 = 25 KG Schokolade herstellen und
dann könnte Martina 10.000 / 400 = 25 KG Gummibärchen herstellen.

Sie hätten von beidem also jeweils 25 Kilo.

Aber:
Wenn jeder nur das produzieren würde, was er am besten kann, er also absolute Kostenvorteile hat,
dann könnten sie von beidem jeweils 10.000 / 200 = 50 KG herstellen.

Also:
Spezialisierung lohnt sich!

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Aber:
Wenn beide weiterhin die obigen Nutzenfunktionen haben, dann brauchen beide etwas von beiden
Süßigkeiten!

Also:
Nach der Spezialisierung müssen sie tauschen!

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Bisher:
Oben hatten wir angenommen, dass Hans und Martina bei jeweils einem Produkt absolute
Kostenvorteile haben.

Jetzt:
Wir nehmen an, dass Martina bei beiden Produkten absolute Kostenvorteile hat:

Hans Martina

Gummibärchen 1000 400

Schokolade 400 200

Annahme weiterhin:
Jeder besitzt 10 KG Zucker für die Produktion.

Wie sollen sie jetzt kooperieren?

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Erste Antwort:
Es sollte nur noch Martina produzieren.

Beide tauschen dann nicht mehr Gummibärchen gegen Schokolade, sondern Hans gibt Martina
seinen Zucker und erhält dafür von ihr fertige Süßigkeiten.

Anders interpretiert:
Es werden nicht unterschiedliche Arten von Fertigprodukten getauscht sondern Rohstoffe gegen
Fertigerzeugnisse.

Mögliches Problem:
Was passiert, wenn der Produktionsfaktor (hier: Zucker) nicht getauscht werden kann?

Beispiel:
Wenn der Produktionsfaktor z.B. Arbeitszeit ist, dann kann Hans seine Arbeitszeit nicht einfach auf
Martina übertragen, weil seine Arbeitszeit an seine Person gebunden ist.

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Neue Annahme:
Nehmen wir nun also an, dass Arbeitszeit in Minuten der Einsatzfaktor ist

Bedeutung der Produktionskoeffizienten jetzt:


Arbeitszeit zur Herstellung von einem KG der jeweiligen Süßigkeit

Annahme:
Jeder von beiden hat 10 Stunden Zeit für die Produktion zur Verfügung

Es gelten folgende Koeffizienten (in Minuten pro KG):

Hans Martina

Gummibärchen 30 10

Schokolade 40 20

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Wiederholung:
Hans Martina

Gummibärchen 30 10

Schokolade 40 20
Neues Konzept:
„Komparative Kostenvorteile“

Hier:
Bei der Produktion von Gummibärchen braucht Hans dreimal solange wie Martina
Bei der Produktion von Schokolade brauch Hans zweimal solange wie Martina

Interpretation:
Bei der Produktion von Schokolade ist Hans relativ zu Martina weniger schlecht als bei
Gummibärchen

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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Berechnung der Verhältnisse der Koeffizienten:

𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾 𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺 30


= =3
𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾 𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺 10

𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾 𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻𝐻 𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆 40


= =2
𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾𝐾 𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀𝑀 𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆 20

Definition:
Bei dem Produkt, bei dem dieses Verhältnis am kleinsten ist, sagt man, dass Hans „komparative
Kostenvorteile“ hat.

Empfehlung bei komparativen Kostenvorteilen:


Eine Person ohne absolute Kostenvorteile sollte nur das Produkt produzieren, bei dem sie
komparative Kostenvorteile hat

Hier:
Hans sollte nur Schokolade produzieren!
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Kooperationsvorteile: Spezialisierte Produktion
Aber:
Wenn beide weiterhin die obigen Nutzenfunktionen haben, dann brauchen beide etwas von beiden
Süßigkeiten!

Also:
Nach der Spezialisierung müssen sie tauschen!

Frage:
Sind Tauschvorteile wirklich so wichtig?

Antwort:
Stellen Sie sich vor, dass ab morgen früh um 08:00 Uhr kein Mensch mehr irgendetwas mit Ihnen
tauschen würde, insbesondere keine Waren mehr gegen Geld aber auch nicht Geld gegen Ihre
Arbeitskraft.

Wie würde Ihre Tagesplanung dann für morgen aussehen?


Wie wäre Ihre Planung für den Rest Ihres Lebens?

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Kooperationsvorteile: Risikoteilung
Bisher bekannt:
Wenn Menschen risikoavers sind, bedeuten finanzielle Risiken für sie Nutzeneinbußen.

Folge:
Sie möchten Risiken gern vermeiden oder verringern!

Beispiel:
Einkommensrisiken von Heinz und Bernd, die beide in einem warmen Land leben, in dem es in
einigen Jahren viel regnet und in anderen Jahren sehr trocken ist.
Ihre Jahreseinkommen in Abhängigkeit von der Regenmenge sind der folgenden Tabelle zu
entnehmen:
Viel Regen Kein Regen

Hotelbesitzer Heinz 0 T€ 100 T€

Bauer Bernd 100 T€ 0 T€

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Kooperationsvorteile: Risikoteilung
Annahme:
Wahrscheinlichkeit für viel Regen = Wahrscheinlichkeit für kein Regen = 0,5

Erwartetes Einkommen für beide also:


Viel Regen Kein Regen Erwartetes Einkommen X

Hotelbesitzer 0 T€ 100 T€ 0 � 0,5 + 100 � 0,5 = 50 T€


Heinz

Bauer Bernd 100 T€ 0 T€ 100 � 0,5 + 0 � 0,5 = 50 T€

Annahme:
Beide haben die Erwartungsnutzenfunktion: 𝑈𝑈 = 𝑋𝑋 − 0,01𝜎𝜎 2

Nebenrechnung: 𝜎𝜎 2 = (0 − 50)2 � 0,5 + 100 − 50 2


� 0,5 = 2500

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Kooperationsvorteile: Risikoteilung
Annahme:
Beide haben die Erwartungsnutzenfunktion: 𝑈𝑈 = 𝑋𝑋 − 0,01𝜎𝜎 2

Nebenrechnung: 𝜎𝜎 2 = (0 − 50)2 � 0,5 + 100 − 50 2


� 0,5 = 2500

Erwarteter Nutzen für beide also:

𝑈𝑈 = 𝑋𝑋 − 0,01𝜎𝜎 2 = 50 − 0,01 � 2500 = 25

Viel Regen Kein Regen Erwartungsnutzen U


Ergebnis also:
Hotelbesitzer 0 T€ 100 T€ 25
Heinz

Bauer Bernd 100 T€ 0 T€ 25

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Kooperationsvorteile: Risikoteilung
Jetzt:
Risikotausch: Heinz verspricht Bernd, ihm 50 T€ zu geben, wenn es nicht regnet und Bernd
verspricht Heinz, das gleiche zu tun, wenn es viel regnet!

Ergebnis:
Jeder hat nun mit Sicherheit 50 T€ Einkommen, egal ob es regnet oder nicht!

Ergebnis also: Erwartungsnutzen steigt von 25 auf 50!

Viel Regen Kein Regen Erwartungsnutzen U

Hotelbesitzer 50 T€ 50 T€ 50
Heinz

Bauer Bernd 50 T€ 50 T€ 50

(Übungsaufgabe: Zeigen Sie, dass die Erwartungsnutzen tatsächlich auf 50 steigen!)

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Kooperationsvorteile: Teamproduktion

Ältere Schätzung:
Der Bau der Cheops-Pyramide hat 20 Jahre Arbeit von 360.000 Arbeitern gekostet,
insgesamt also 7,2 Mio. Arbeitsjahre
siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Cheops-Pyramide

Frage:
Wenn 7,2 Mio. Jahre lang jeweils nur ein Arbeiter gebaut hätte, wäre die Pyramide dann
auch fertig geworden?

Antwort:
Nein. Mit der damaligen Technik hätte ein einzelner Arbeiter keinen einzigen der riesigen
Steinquader bewegen können.

Folgerung:
Es gibt Produktionssituationen, in denen bei abgestimmter Produktion der Ertrag größer
ist als die Summe der individuell möglichen Erträge.

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Kooperationsvorteile: Teamproduktion
Anders ausgedrückt:
Ein höherer Einsatz von Dorothea erhöht die Produktivität von Martina und umgekehrt.

Definition:
Wenn der Einsatz des Einen die Produktivität des Anderen erhöht, spricht man von
Teamproduktion.

Aber Achtung:
Teamproduktion herrscht nicht überall!
Wenn Sie sich selbst z.B. beim Obstpflücken mehr anstrengen, werden ihre Freunde
dadurch nicht produktiver beim Pflücken!

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Kooperationsvorteile : Zusammenfassung
Kooperationsvorteile sind wirtschaftliche Vorteile, die daraus entstehen, dass Menschen ihr Verhalten
aufeinander abstimmen. Verhaltensabstimmung ist zwar nicht immer, d. h. in jeder Situation, wirtschaftlich
vorteilhaft, aber in sehr vielen.

Kooperationsvorteile können entstehen durch:


Tausch
Spezialisierung in der Produktion
Risikoteilung
Teamproduktion

Im Tausch können Kooperationsvorteile dann entstehen, wenn Menschen die verschiedenen Güter mit jeweils
unterschiedlichen Nutzenwerten bewerten. In diesem Fall tauschen sie Güter, die ihnen individuell weniger
nützlich erscheinen gegen Güter, die ihnen einen höheren Nutzen versprechen. Bei unterschiedlichen
Nutzeneinschätzungen der Güter können sich beide Tauschpartner gleichzeitig besser stellen. Tauschhandel
gehört zu den ältesten Verhaltensweisen von Menschen.

Spezialisierung in der Produktion führt dann zu Vorteilen, wenn Menschen unterschiedliche Fähigkeiten besitzen
und sich jeder auf diejenigen Tätigkeiten spezialisiert, die er am besten (oder am wenigsten schlecht!)
beherrscht. Dadurch werden in der Produktion Produktionsfaktoren eingespart, die dann zur Herstellung
zusätzlicher Produktionsmengen eingesetzt werden können.

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Kooperationsvorteile : Zusammenfassung
Vorteile durch Risikoteilung können dann entstehen, wenn Menschen individuell unterschiedlichen Risiken
ausgesetzt sind und/oder sie unterschiedliche Risikoneigungen haben.

Der Begriff „Teamproduktion“ bezeichnet eine technische Produktionssituation, in der ein höherer Einsatz von
Person A die Person B produktiver macht. Unter Bedingungen der Teamproduktion ist die Gesamtproduktivität
mehr als die Summe der Einzelproduktivitäten aller Beteiligten.

Kooperationsvorteile verschaffen den Beteiligten wirtschaftliche Vorteile, die sie allein nicht erreichen könnten.
Kooperation ist in solchen Situationen also grundsätzlich vorteilhaft. Gleichzeitig muss aber angenommen
werden, dass jeder beteiligte Kooperationspartner ein erhebliches Interesse daran hat, möglichst viel von den
Kooperationsvorteilen für sich selbst zu bekommen. Dieses Eigeninteresse führt dazu, dass Kooperationen immer
auch mit Konflikten behaftet sein können. In jedem Fall brauchen die Kooperationspartner ein Verfahren, mit
dem sie sich über die Aufteilung von Kooperationsvorteilen einigen können.

Neben dem möglichen Konflikt über die Aufteilung von Kooperationsvorteilen kann es allerdings noch zu einem
anderen Problem kommen, welches bisher nicht analysiert wurde. Dieses Problem besteht ganz einfach darin,
dass sich die Kooperationspartner zunächst erst einmal finden müssen. Bevor man z.B. festlegen kann, wer am
besten was produzieren sollte, muss man erst einmal wissen, wer bei welchem Produkt Kostenvorteile hat. In
einer Welt mit 7 Milliarden Menschen ist es aber keineswegs eine simple Aufgabe, herauszufinden, wer was am
besten kann.

236
Kooperationsvorteile : Zusammenfassung
Um Kooperationsvorteile erzielen zu können, benötigt man also Verfahren, die den Verteilungskonflikt lösen und
Verfahren der Informationsaufdeckung, um sicherzustellen, dass auch möglichst jeder Mensch weiß, was er am
besten tun sollte.

Im nächsten Kapitel analysieren wir ein solches Verfahren, welches beides leisten kann.
Dieses Verfahren bezeichnen Wirtschaftswissenschaftler als den sog. „Marktmechanismus“. Die
Verhaltensabstimmung wird über Preise erreicht. Im übernächsten Kapitel werden wir dann aber auch sehen,
dass der Marktmechanismus nicht immer funktioniert, man also eventuell Alternativen braucht. Auch damit
werden wir uns später noch auseinandersetzen.

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Kapitel 6: Mindestanforderungen für die Abschlussprüfung

In der Abschlussprüfung sollten Sie in der Lage sein, die auf dieser und den nächsten Seiten
folgenden Aufgaben zu lösen:

Aufgabe:
Nennen und erläutern Sie alle möglichen Kooperationsvorteile!

Aufgabe:
Erläutern Sie, wodurch es bei allen Arten von Kooperationsvorteilen zu Konflikten kommen kann!

Aufgabe:
Für jede beliebige Kombination von Produktionskoeffizienten sollten Sie in der Lage sein,
anzugeben, um welche Art von Kostenvorteilen es sich handelt und ob es jeweils Möglichkeiten
der Kooperation gibt.

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Nehmen Sie an, dass zwei Personen X und Y die folgenden Nutzenfunktionen haben

𝑈𝑈𝑋𝑋 = 𝑇𝑇 0,5 𝑆𝑆 0,5


𝑈𝑈𝑌𝑌 = 𝑇𝑇 0,5 𝑆𝑆 0,5
Tragen Sie die Nutzenwerte vor dem Tausch (=alt) ein! Finden Sie eine Möglichkeit des Tausches, die
beide Tauschpartner besser stellt. Tragen Sie die neuen Mengen nach dem Tausch ein und
berechnen Sie die neuen Nutzenwerte nach dem Tausch!
Y X
Menge S alt 10 30
Menge S neu ___ ___
Menge T alt 30 10
Menge T neu ___ ___
Nutzen alt
𝑈𝑈𝑌𝑌 = 𝑇𝑇 0,5 𝑆𝑆 0,5 𝑈𝑈𝑋𝑋 = 𝑇𝑇 0,5 𝑆𝑆 0,5
𝑈𝑈𝑌𝑌 = ______ 𝑈𝑈𝑌𝑌 = _______

Nutzen neu: ______ _______

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Zwei Unternehmen am Rand der Alpen erzielen folgende Gewinne in Abhängigkeit vom
Wetter:
Warmes Jahr Kaltes Jahr

Freibad 500 T€ 100 T€

Skilift 200 T€ 700 T€

Sowohl Freibadbesitzer Fred als auf Skiliftbetreiberin Susanne haben jeweils die
Erwartungsnutzenfunktion:

𝑈𝑈 = 𝑋𝑋 − 0,01𝜎𝜎 2

Berechnen Sie für beide die jeweiligen Erwartungsnutzen!


Finden Sie eine Möglichkeit, wie die beiden Risiken so miteinander tauschen können, dass sich
beide besserstellen!

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