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Über das Partizipialattribut

oder: Über die Tatsache, daß Hänschen die Schuhe kennen


muß, und daß Hans wissen muß, daß ein rechter Schuh kein
linker Schuh ist – außer bei groben Filzpantoffeln

Christiane Stephani

1. Grundlagen: Kenntnis der Attribut- zeichnungen wie Adjektivattribut (Ep-


arten und -strukturen pert 1988: 109) oder attributives Adjektiv
Was Hänschen lernt, ist sehr entschei- (Latour 1988: 33) für Partizipialattribut,
dend, denn es handelt sich – egal in die nur irritieren. Im Grunde gibt es
welchem Bereich – um Grundkenntnisse, eigentlich keine Adjektivdeklination,
die man nicht vergißt oder vergessen sondern eine Deklination der adjektivi-
sollte und die eine Basis für alles weitere schen und partizipialen Linksattribute.
Lernen auf dem jeweiligen Gebiet bilden: Wichtig ist nicht allein zu wissen, wann
»Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans es ein Fugen-s gibt, sondern daß die
nimmermehr«, heißt hier: Wo Hänschen deutsche Sprache im Gegensatz zu vielen
keine Grundlage geschaffen hat, kann anderen ausführlich Gebrauch von der
Hans nichts gescheit aufbauen. Kompositabildung macht und wie hier
So ist es im Fremdsprachenbereich, also Inhalte transportiert werden. Wichtig ist
auch in DaF. Zu einem der grundlegen- nicht eine Transformation von Partizi-
den Themen gehört hier meiner Ansicht pialattributen in Relativsätze und umge-
nach die Attribution. Man beschäftigt kehrt, sondern der Erwerb von Fähigkei-
sich an einer Stelle mit Adjektivdeklina- ten zum Verstehen und Bilden von Parti-
tion, man erklärt an anderer Stelle, wann zipialattributen und der Einblick in die
es bei Komposita ein Fugen-s gibt, man funktionalen und stilistischen Unter-
läßt später Relativsätze in Partizipialattri- schiede verschiedener Attributformen.
bute umformen. Aber: Oftmals wird über Der Lerner der Grundstufe sollte wissen,
all diesen einzelnen Übungen vergessen, daß man etwas beschreiben kann, indem
einen Einblick darin oder Überblick dar- man entweder vor oder nach dem Sub-
über zu geben, wie die deutsche Sprache stantiv bestimmte sprachliche Formen
etwas beschreibt, welche Möglichkeiten benutzt. Solche Beschreibungselemente
der Attribution es gibt. Ein Adjektiv ist nennt man Attribute, und man kann sie
ein Linksattribut und ein Partizipialattri- im Satz finden, wenn man mit »Welche/
but ist ein Linksattribut, beide werden in r/s?« oder »Was für ein/e?« fragt. Das im
dieser Position vor dem Substantiv dekli- Titel angeführte Bild mit den Schuhen
niert. Wozu braucht man da weitere Be- hinkt etwas, weil hier nichts in der Mitte

Info DaF 24, 6 (1997), 771–779


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steht außer Luft und weil man bei Schu- 2. Beschäftigung mit dem Partizipialatt-
hen meistens unbedingt zwei braucht, ribut
aber der Vergleich läßt sich insofern für
das Attribut benutzen, als es zwei ver- 2.1 Bisher weitgehend übliche Transfor-
schiedene gibt, rechte und linke. Die Ver- mationsübungen
mittlung von Kenntnissen rund ums At- Nachdem Hänschen Attribute wie Adjek-
tribut allgemein und dann ums Partizi- tive, Genitiv-Attribute oder Präpositiona-
pialattribut im Speziellen geschieht mei- lattribute sowie zusammengesetzte Sub-
nes Erachtens am besten in drei verschie- stantive kennengelernt hat, wird Hans
denen, aufeinander aufbauenden Stufen. sich mit weiteren Attributstrukturen be-
Jede Stufe enthält einen Katalog von schäftigen: zunächst u. a. mit dem Relativ-
Lernschritten, die mit Hilfe eines zugehö- satz, später mit dem Partizipialattribut.
rigen Katalogs von Aufgaben geübt und Dabei kommt die Vermittlung der Relativ-
ggf. auch überprüft werden können. sätze ganz ohne Kenntnisse über das Par-
Die erste Stufe gibt dem Lernenden einen tizipialattribut aus. Werden aber Partizi-
Überblick über die verschiedenen Arten pialattribute behandelt, so läßt man diese
von Attributen und ihre stilistische Ver- häufig in Relativsätze umformulieren
breitung. oder aber aus ihnen bilden. Dabei kann die
Vermittlung der Kenntnisse zum Verste-
Dazu gehören die nachfolgenden Lernschrit- hen und Bilden von Partizipialattributen
te: ganz losgelöst vom Kapitel Relativsatz
I. Art und Struktur von Attributen und erfolgen. Mehr noch: solche oftmals nach
ihre Verbreitung in Texten einem sturen Regelkatalog ausgeführten
1. Attribute im Text finden Transformationen schaffen nicht unbe-
2. Art und Struktur des Attributs be- dingt wirklich ein inhaltliches Verständnis
stimmen oder ermöglichen nicht die freie Bildung
2.1 Rechts- und Linksattribute unter- von Partizipialattributen. Und: es scheint,
scheiden als ob Partizipialattribut und Relativsatz
2.2 Rechts- und Linksattribute identifi- zwei beliebig gegeneinander austausch-
zieren (links: z. B. Adjektiv, Partizi- bare Formen seien. Dies ist keineswegs
pialattribut/rechts: z. B. Genitivattri- der Fall: Ein rechter Schuh ist kein linker
but, Relativsatz) Schuh – außer bei groben Filzpantoffeln.
2.3 Attributstruktur erkennen (Welches Ansonsten gibt es zwischen rechtem und
Attribut bezieht sich auf welches No- linkem Schuh, also zwischen Relativsatz
men?) und Partizipialattribut, stilistische Unter-
Bei fortgeschrittenen Lernern wird diese schiede, die eine sture Transformation,
Stufe noch einmal weiter ausgebaut: also ein beliebiges Austauschen der Schu-
3. Wissen, daß es sich bei Attributen he, verbieten.
um stilistische Varianten handelt
3.1 Feststellen, daß Attributarten in ver- 2.2 Rezeption von Partizipialattributen
schiedenen Texten unterschiedlich Die Bedeutungsentschlüsselung insbe-
verbreitet sind sondere langer Partizipialattribute ist
3.2 Erkennen, daß die Verwendung von aber eine notwendige Aufgabe vor allem
Partizipialattributen besonders in bei rezeptivem Verstehen, z. B. beim Le-
wissenschaftlichen Texten ein Mittel severstehen. Dabei muß zur Entschlüsse-
der Informationskonzentration und lung des Partizipialattributes nicht not-
-präzision ist wendigerweise die Form des Relativsat-
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zes benutzt werden. Eine Umformung in 4.1 Konstruktion mit Partizip-II-Attribut


einen Hauptsatz ist hier eine ausreichen- eines passivfähigen Vollverbs in ei-
de Form und vermeidet mögliche Fehler nen Hauptsatz im Passiv umformu-
wie die richtige Wahl des Relativprono- lieren. Dabei entscheiden, ob inhalt-
mens, die Stellung des Relativsatzes im lich ein Vorgang oder ein Zustand
Satz oder die Verb-Endstellung im Rela- ausgedrückt wird und die entspre-
tivsatz. (Dies sind Aufgaben, die im Zu- chende Passivform wählen
sammenhang mit der Produktion von 4.2 Konstruktion mit Partizip-II-Attribut
Relativsätzen gelöst werden müssen, die eines nicht passivfähigen Vollverbs
aber nicht mit der Entschlüsselung eines in einen Hauptsatz im Aktiv umfor-
Partizipialattributes gekoppelt sein müs- mulieren. Dabei bei intransitiven
sen.) Die Information, die ein Partizipia- Verben Vorzeitigkeit ausdrücken, bei
lattribut enthält, läßt sich mit der Frage: reflexiven Verben das Reflexivprono-
»Welche/r/s oder Was für ein/e Sache men ergänzen
oder Person oder… ist das eigentlich?« 5. Konstruktion mit Partizipialattribut
erfragen und in Form von einfachen aus einer Adjektiv/Partizip+sein-
Hauptsätzen wiedergeben. Konstruktion in einem Hauptsatz
mit dem Vollverb sein formulieren
Zu dieser Aufgabenstellung gehören nachfol- 6. Ein Gerundiv-Attribut in einem Satz
gende Lernschritte: mit sein+zu-Infinitiv formulieren.
II. Bedeutung eines Partizipialattributs (Eine weitere mögliche Transformati-
erklären on in Passiv mit Modalverb oder eine
1. Partizipialattribut in seiner ganzen andere ggf. mögliche Form der Passi-
Länge identifizieren, z. B. durch mar- vumschreibung bzw. in Aktiv ist ein
kieren anderes Gebiet der Grammatik und
2. Partizipialattribut kategorisieren, muß hier nicht unbedingt geleistet
d. h. entscheiden, zu welcher der werden)
nachfolgenden Gruppen es gehört:
Partizip-I-Attribut; Partizip-II-Attri- 2.3 Produktion von Partizipialattributen
but; Gerundiv-Attribut; Attribut von Das Gegenstück zur Rezeption des Parti-
einer Adjektiv/Partizip1+sein-Kon- zipialattributs ist dessen Produktion.
struktion Hierbei kann von einer Information aus-
3. Partizip-I-Attribut in einem Haupt- gegangen werden, die z. B. in Form eines
satz im Aktiv ausdrücken, tempus- Hauptsatzes vorliegen kann. Wir wissen
gleich zum Satz, aus dem das Partizi- z. B. von einem Dach: Es ist rot. Es ist mit
pialattribut stammt Ziegeln gedeckt. Es ist das Dach des
4. Bei Partizip-II-Attributen entschei- Rathauses. Eine Liste solcher Beschrei-
den, ob es sich um ein Attribut eines bungen kann nun in einer komprimierten
passivfähigen Vollverbs oder eines Beschreibung in Form von Attributen for-
nicht passivfähigen Vollverbs han- muliert werden, z. B.: das rote, mit Ziegeln
delt gedeckte Dach des Rathauses.

1 Helbig/Buscha sprechen von »Partizipien adjektivischen Charakters« (1994: 590),


Bernstein von »Pseudopartizip«, (Übersicht dazu •: 166ff.). Wenn man bei der Rektion
der Verben bereits auf diese Gruppe sein+Adjektiv/ Partizip eingegangen ist und die
Verwendung dieser Konstruktion aus Sätzen von Lesetexten her bekannt ist, ist diese
Form des Attributs nicht mehr so problematisch.
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Für die Bildung von Partizipialattributen 2.4 Vergleich der Denkoperationen bei
sind folgende Lernschritte zu absolvieren: der Rezeption und Produktion von Par-
III. Ein Partizipialattribut produzieren tizipialattributen
1. Den Infinitiv des Satzes, der die Vergleicht man nun die Liste der Lern-
Information liefert, bestimmen schritte bei II mit der bei III, so stellt man
2. Für einen Satz mit sein+Adjektiv/ fest, daß zum einen die Liste III länger ist
Partizip ein Partizipialattribut mit als Liste II, woraus zu schließen ist, daß
eben diesem Adjektiv/ Partizip die Produktion von Partizipialattributen
konstruieren einer größeren Anzahl von Lernschritten
3. Einen Satz mit sein+zu-Infinitiv in bedarf und damit schwieriger zu leisten
einem Gerundiv-Attribut ausdrük- ist als die Rezeption von Partizipialattri-
ken. Dabei wissen, daß -d anzuhän- buten.
gen ist Zum anderen wird deutlich, daß man
4. Bei einem Satz mit transitivem Verb nicht einfach die eine Operation umkeh-
feststellen, ob der Satz im Aktiv ren und damit die andere erhalten kann,
oder im Passiv formuliert ist sondern daß hier zum Verstehen bzw.
4.1 Für einen Satz mit transitivem Verb zum Produzieren von Partizipialattribu-
im Aktiv ein Partizip-I-Attribut ten jeweils ganz andere Schritte notwen-
konstruieren dig sind. Während in der Mathematik bei
4.2 Für einen Satz mit transitivem Verb a=b auch gilt b=a, ist dies bei der Bildung
im Passiv ein Partizip-II-Attribut bzw. Auflösung von Partizipialattributen
konstruieren nicht so: Ein Partizip-I-Attribut hat zwar
5. Bei einem Satz mit intransitivem in jedem Fall aktivische Bedeutung, ei-
Verb unterscheiden zwischen in- nem Satz im Aktiv entspricht aber nicht
transitiven Verben, die Perfekt mit in jedem Fall ein Partizip-I-Attribut. Ein
sein bilden, und solchen, die dies Satz im Passiv entspricht zwar einem
mit haben tun Partizip-II-Attribut, aber nicht jedes Par-
5.1 Einen Satz mit intransitivem Verb tizip-II-Attribut hat passivische Bedeu-
mit sein-Perfekt analysieren auf tung. Deshalb erscheint es mir unum-
Gleichzeitigkeit oder Vorzeitigkeit gänglich, das Verstehen von in Texten
5.1.1 Für einen solchen Satz mit Gleichzei- vorliegenden Partizipialattributen zu
tigkeit ein Partizip-I-Attribut bilden trennen von der eigenen Produktion von
5.1.2 Für einen solchen Satz mit Vorzei- Partizipialattributen. Eine zu rasche Ver-
tigkeit ein Partizip-II-Attribut bil- knüpfung der rezeptiven und der pro-
den duktiven Aufgabenstellung oder eben
5.2 Von einem Satz mit intransitivem die wechselseitige Transformation von
Verb mit haben-Perfekt nur bei Relativsatz und Partizipialattribut, die ja
Gleichzeitigkeit ein Attribut bilden, rezeptive und produktive Fähigkeiten in
und zwar ein Partizip-I-Attribut Kombination verlangt, führt bei den Ler-
6. Bei einem Satz mit reflexivem Verb: nern dazu, daß die Regeln aus dem einen
6.1 bei Gleichzeitigkeit ein Partizip-I- Bereich, z. B. der Rezeption, übergenera-
Attribut bilden lisiert werden, d. h. auf den anderen Be-
6.2 Zur Angabe eines Zustands bei den reich, die Produktion, übertragen wer-
reflexiven Verben, die ein Zustands- den. Dies führt zwangsläufig zu Fehlern.
reflexiv bilden können, ein Partizip- Ein wie oben beschrieben stufenweises
II-Attribut bilden, dabei Reflexiv- Vorgehen beinhaltet auch – auch in Prü-
pronomen weglassen fungen! – Aufgabenstellungen, die eine
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Rezeption von Partizipialattributen for- 4. Wissen, daß ein Relativsatz unmittel-


dern (z. B. beim Lesen), von denen zu bar seinem Bezugsnomen folgt, jedoch
trennen, die eine Produktion von Partizi- nicht dann, wenn dieses weitere Recht-
pialattributen verlangen (z. B. beim sattribute hat.
Schreiben). 5. Wissen, daß es sich bei Partizipialattri-
but und Relativsatz um zwei von vie-
2.5 Die Komplexität der Beziehung zwi- len Attributformen handelt, die nicht
schen Relativsatz und Partizipialattri- in jedem Fall beliebig austauschbar
but sind. Hier ist z. B. u. a. zu beachten, daß
Wie bisher gezeigt, können für das Ver- Partizipialkonstruktionen oft deikti-
stehen und Produzieren von Partizipia- sche Elemente enthalten, die eine Ver-
lattributen als korrespondierende Infor- bindung zum vorangegangenen Satz
mationsträger Hauptsätze benutzt wer- herstellen und für die es unsinnig ist,
den. Eine Kombination von Partizipia- sie erst im Relativsatz dem Nomen
lattributen mit Relativsätzen bringt zu- folgen zu lassen. Ein anderer Fall ist
sätzliche Schwierigkeiten mit sich, was eine Aufzählung von Nomen, die je-
zeigt, wie komplex diese Aufgabenstel- weils kurze Partizipialattribute haben.
lung ist. Bei dieser wechselseitigen Um- Eine Umformung dieser Partizipialatt-
formung muß vorausgesetzt werden, daß ribute in Relativsätze würde den Über-
der Lerner: 1. einen Relativsatz verstehen blick über die Aufzählung erschweren
kann, 2. ein Partizipialattribut bilden und den Satz unnötig aufblähen.
kann, 3. ein Partizipialattribut verstehen Die Transformation von Partizipialattri-
kann und 4. einen Relativsatz bilden buten in Relativsätze und umgekehrt ist
kann. Dann kommen noch folgende weder notwendig noch sinnvoll, um die
Lernschritte hinzu: Rezeption oder Produktion dieser beiden
1. Wissen, daß – wenn überhaupt – nur Elemente zu fördern. Dies kann für die
ein Relativsatz mit Pronomen im No- Partizipialattribute losgelöst vom Rela-
minativ unmittelbar in ein Partizipia- tivsatz nach oben beschriebenen Lern-
lattribut umgewandelt werden kann. schritten und ihren zugehörigen Übun-
2. Beachten, daß auch dann diese Um- gen erfolgen. Sowohl Lehrer wie Lerner
wandlung nicht in jedem Fall möglich sollten sich der Komplexität der Trans-
ist, z. B. dann nicht, wenn es sich dabei formation von Relativsätzen in Partizi-
um einen Relativsatz im Passiv + Futur, pialattribute und umgekehrt bewußt sein
im Konjunktiv II oder mit Modalver- und inhaltliche und stilistische Unter-
ben handelt: schiede beachten.
das Kind, das nächstes Jahr eingeschult Lehrende neigen oft dazu, für die Trans-
werden wird formationen im Unterricht nur solche
das Kind, das gern in die Schule gehen Beispiele auszuwählen, bei denen die
würde Transformation möglich ist. Was aber
das Kind, das über die Straße gehen möchte macht ein allein gelassener Lerner z. B.
3. Einen Relativsatz mit Pronomen im mit der Mann, den ich über die Straße gehen
Akkusativ daraufhin untersuchen, ob sah? Haben die Lerner erst einmal die
das Verb passivfähig ist und also ein Regelliste in der Hand, versuchen sie
Relativsatz im Nominativ gebildet meist, jedweden Relativsatz in ein Parti-
werden kann, der dann in ein Partizi- zipialattribut umzuformen, und neigen
pialattribut umgewandelt werden dabei oft dazu, Regeln aus dem einen
kann. Transformationsteil übergeneralisierend
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auf den anderen anzuwenden. Eine feh- higkeit schon weitgehend kompetenter
lende Einsicht in die Komplexität der Sprachlerner, die fähig sind, zu reflektie-
Aufgabe führt bei manchen Lehrenden ren, ob etwas besser in einem Relativsatz
auch dazu, sich als Prüfer an Übungen oder einem Partizipialattribut ausge-
mit mehrfach notwendigen Transforma- drückt werden kann, bzw. ob diese bei-
tionen zu ergötzen (Relativsatz Aktiv + den Attributformen im entsprechenden
Modalverb – Relativsatz mit Passiv + Fall stilistisch gleichwertige Varianten
Modalverb – Relativsatz mit sein+zu-Infi- sind. Diese Kenntnisse sollten meiner
nitiv – Gerundiv-Attribut), dabei selbst Meinung nach explizit und differenziert
aber den Blick für das sprachlich Sinnvol- auf Oberstufenniveau vermittelt werden.
le ganz zu verlieren. (Ansätze hierzu bei Rug/Tomaszewski
Die Transformation dieser beiden Attri- 1993: 249)
butstrukturen erweitert die Ausdrucksfä-

Aufgaben zur Art und Struktur von Attributen und ihrer Verbreitung in Texten

1. Übungen, die losgelöst vom Text gemacht werden können


1.1 Ordnen Sie die Attribute dem Substantiv zu:
ein Kochbuch
ein neues Buch
ein als Geschenk verpacktes Buch
das Buch über Kaiserslautern
ein Buch, das ich sehr spannend finde
ein ….
Man kann eine solche Liste in der Grundstufe beginnen und neu zu lernende
Attributformen immer weiter ergänzen (Übersicht siehe Hall/Scheiner 1995: 282).
Als Übung gibt man dann Attribute zu anderen Substantiven an, die in eine
ebensolche Aufstellung einzuordnen sind:
Das Auto. Welches Auto? Das auf der Straße stehende – des Kunden – schnelle – von mir
gefahrene – das einen Unfall hatte – auf der anderen Straßenseite – das voll zu ladende – mit
Katalysator – aus dem Autohaus Schulz – selbstverständliches Besitzgut
1.2 Ordnen Sie zu:
Präposition Artikel Linksattribut KERNSUBSTANTIV Rechtsattribut
Mendels Experimente mit Erbsen
der Kondensator in der Starkstromtechnik
über die Bewegung der Luft in den untersten
Schichten der Atmosphäre
die speziellen Funktionen der Zellen
1.3 Markieren Sie die Zugehörigkeit von Attributen (aus Hall / Scheiner 1995: 284):
die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln

die Lösung des Problems der Massenproduktion von Glühbirnen


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2. Arbeit am Text
2.1 Attribute im Text finden und ihre Struktur bestimmen
Suchen Sie im Lesetext die nominalen Satzglieder! (Fragen Sie: Wer? Wen? Wem?
Wofür/Woran/…?) Unterstreichen Sie sie zusammen mit ihren zugehörigen Attri-
buten (Fragen Sie: Welche/r/s?) Unterstreichen Sie das Kernsubstantiv doppelt!
Markieren Sie die Zugehörigkeit der Attribute mit Hilfe von Pfeilen!
2.2 Attribute eliminieren
Eine Fülle von Attributen erschwert oft das Verstehen des Satzes. Reduzieren Sie in
solchen Fällen die Attribute, so daß Sie auf den wesentlichen Kern der Aussage
kommen:
Bsp.: Durch ein großflächiges, volltansparentes Dach aus Plastikfolie, nach dem
System des Olympia-Daches von München konzipiert, dringen die Sonnenstrahlen
auf den Erdboden, der zur besseren Wärmespeicherung von dunkler Farbe sein
sollte. (Durch ein Dach dringen Sonnenstrahlen auf den Erdboden. (Birkenfeld/
Jelkmann 1991: 278).
2.3 Übung zur Funktion und Verbreitung von Attributen
– Lesen Sie die beiden Texte! (Zeitungstext und wissenschaftssprachlicher Text; gut
geeignet sind hier z. B. »Drama auf dem Neckar: Kind ertrunken« und »Was im
Knoblauch wirklich steckt« aus Hall/Scheiner 1995: 244 bzw. 255).
– Markieren Sie die Attribute in den Texten!
– Teilen Sie ein leeres Blatt Papier in einen Textbereich (2/3) und einen Rand (1/3
der Blattbreite) ein! Schreiben Sie die Texte ohne Attribute ab und notieren Sie die
Attribute am Rand!
– Lesen und untersuchen Sie: Sind die Texte auch ohne Attribute verständlich?
Wozu braucht ein Text Attribute, was leisten sie? Sind sie in jedem Fall
notwendig? Welche Arten von Attributen finden Sie in Ihrer Randspalte? Worin
unterscheidet sich also der Zeitungstext von dem wissenschaftssprachlichen
Text?

Rezeptiv-Aufgaben

1. Erklären Sie die Bedeutung folgender Attribute:


1.1 Partizip-I-Attribute
die auftretenden Strahlungen
die einwirkenden Schallwellen
1.2 Partizip-II-Attribute
die in diesem Buch erzählte Geschichte
die mit dem Bus angekommenen Gäste
das aus der Bibliothek verschwundene Buch
1.3 Attribute aus einer Adjektiv/Partizip-sein-Kombination
der allseits beliebte Schauspieler
das bekannte Theaterstück
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1.4 Gerundium-Attribute
die noch zu erforschenden Sterne
der zu erzielende Ertrag

2. Entscheiden Sie: Was ist Ihnen lieber?


die tötende Schlange die getötete Schlange
die liebende Frau die geliebte Frau
die laufende Anmeldefrist die abgelaufene Anmeldefrist

3. Was bedeutet das:


die spielenden Kinder, die benachteiligten Kinder, die sich hinter dem Baum
versteckenden Kinder, die herbeigerufenen Kinder, die zu beaufsichtigenden
Kinder, die von dem Spiel begeisterten Kinder

4. Ordnen Sie die nachfolgenden Beispiele in die Tabelle ein:


Partizip-I-Attribut, Partizip-II-Attribut, Attribut aus Adjektiv/Partizip+sein-Kom-
bination, Gerundiumattribut
Der in wenigen Minuten ankommende Zug
der in dieser Woche veröffentlichte Bericht
der schielende Löwe
die vom neuen Rezept begeisterte Köchin
die bis zum 15.7. abzugebenden Unterlagen
die sich über den Lärm beschwerenden Nachbarn …

5. Was besagen folgende Schlagzeilen?


Polizei fand ermordeten Mann
Arbeiter in Winterpause entlassen

6. Was wissen Sie über die/den/das …?


das scheinbar unentbehrlich gewordene Auto
der viele Todesopfer fordernde Verkehr

Produktions-Aufgaben

1. Ordnen Sie zu:


der kaufende der gekaufte (Koffer/Kunde)
Oder:
der Kunde der Koffer (kaufen)

2. Bilden Sie die Attribute folgender Verben zu folgenden Substantiven:


Zug, Onkel, Känguruh, Kind, Vorlesung, Referent, Veranstaltung
fahren, ankommen, springen, sich verkleiden, anfangen, sich verspäten, beenden

3. Bilden Sie das passende Attribut:


die ………………. Kosten können von der Steuer abgesetzt werden (entstehen)
Das über die Straße ……………. Kind wurde vom Auto erfaßt (laufen)
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4. Bilden Sie einen Satz, in dem es ein Partizipialattribut gibt:


(aus Ferenbach/Noonan 1989: 18 und 19
Die Sonne brannte. Sie dörrte das Land aus. ¨ Die brennende Sonne dörrte das
Land aus.
Der See ist zugefroren. Man kann darauf Schlittschuh laufen. ¨ Man kann auf dem
zugefrorenen See Schlittschuh laufen.

5. Finden Sie eine Ergänzung:


(aus Ferenbach/Noonan 1989: 20
der ………………. gekommene Gast ¨ der zu spät gekommene Gast

6. Beschreiben Sie folgende Substantive mit Hilfe von Attributen:


Hier können beliebige Substantive aus dem jeweils gerade behandelten Themen-
kreis benutzt werden.

Literatur Hall, Karin; Scheiner, Barbara: Übungsgram-


matik für Fortgeschrittene. Ismaning: Ver-
Bernstein, Wolf Z.: Leseverständnis als Unter- lag für Deutsch, 1995.
richtsziel. Heidelberg: Groos, • Helbig, Gerhard; Buscha, Joachim: Deutsche
Birkenfeld, Helmut; Jelkmann, Ursula: Tech- Grammatik. 16. Auflage. Leipzig; Berlin;
nik + Naturwissenschaften für Fortgeschrit- München: Langenscheidt, 1994.
tene. Köln: Armant, 1991. Latour, Bernd: Mittelstufen-Grammatik für
Deutsch als Fremdsprache. München: Hue-
Eppert, Franz: Grammatik lernen und verste- ber, 1988.
hen. München: Klett, 1988.
Rug, Wolfgang; Tomaszewski, Andreas:
Ferenbach, Magda; Noonan, Barbara: Alles Grammatik mit (Un-)Sinn und Verstand.
ums Attribut. München: Klett, 1989. München: Klett, 1993.

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