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Christiane Stephani
steht außer Luft und weil man bei Schu- 2. Beschäftigung mit dem Partizipialatt-
hen meistens unbedingt zwei braucht, ribut
aber der Vergleich läßt sich insofern für
das Attribut benutzen, als es zwei ver- 2.1 Bisher weitgehend übliche Transfor-
schiedene gibt, rechte und linke. Die Ver- mationsübungen
mittlung von Kenntnissen rund ums At- Nachdem Hänschen Attribute wie Adjek-
tribut allgemein und dann ums Partizi- tive, Genitiv-Attribute oder Präpositiona-
pialattribut im Speziellen geschieht mei- lattribute sowie zusammengesetzte Sub-
nes Erachtens am besten in drei verschie- stantive kennengelernt hat, wird Hans
denen, aufeinander aufbauenden Stufen. sich mit weiteren Attributstrukturen be-
Jede Stufe enthält einen Katalog von schäftigen: zunächst u. a. mit dem Relativ-
Lernschritten, die mit Hilfe eines zugehö- satz, später mit dem Partizipialattribut.
rigen Katalogs von Aufgaben geübt und Dabei kommt die Vermittlung der Relativ-
ggf. auch überprüft werden können. sätze ganz ohne Kenntnisse über das Par-
Die erste Stufe gibt dem Lernenden einen tizipialattribut aus. Werden aber Partizi-
Überblick über die verschiedenen Arten pialattribute behandelt, so läßt man diese
von Attributen und ihre stilistische Ver- häufig in Relativsätze umformulieren
breitung. oder aber aus ihnen bilden. Dabei kann die
Vermittlung der Kenntnisse zum Verste-
Dazu gehören die nachfolgenden Lernschrit- hen und Bilden von Partizipialattributen
te: ganz losgelöst vom Kapitel Relativsatz
I. Art und Struktur von Attributen und erfolgen. Mehr noch: solche oftmals nach
ihre Verbreitung in Texten einem sturen Regelkatalog ausgeführten
1. Attribute im Text finden Transformationen schaffen nicht unbe-
2. Art und Struktur des Attributs be- dingt wirklich ein inhaltliches Verständnis
stimmen oder ermöglichen nicht die freie Bildung
2.1 Rechts- und Linksattribute unter- von Partizipialattributen. Und: es scheint,
scheiden als ob Partizipialattribut und Relativsatz
2.2 Rechts- und Linksattribute identifi- zwei beliebig gegeneinander austausch-
zieren (links: z. B. Adjektiv, Partizi- bare Formen seien. Dies ist keineswegs
pialattribut/rechts: z. B. Genitivattri- der Fall: Ein rechter Schuh ist kein linker
but, Relativsatz) Schuh – außer bei groben Filzpantoffeln.
2.3 Attributstruktur erkennen (Welches Ansonsten gibt es zwischen rechtem und
Attribut bezieht sich auf welches No- linkem Schuh, also zwischen Relativsatz
men?) und Partizipialattribut, stilistische Unter-
Bei fortgeschrittenen Lernern wird diese schiede, die eine sture Transformation,
Stufe noch einmal weiter ausgebaut: also ein beliebiges Austauschen der Schu-
3. Wissen, daß es sich bei Attributen he, verbieten.
um stilistische Varianten handelt
3.1 Feststellen, daß Attributarten in ver- 2.2 Rezeption von Partizipialattributen
schiedenen Texten unterschiedlich Die Bedeutungsentschlüsselung insbe-
verbreitet sind sondere langer Partizipialattribute ist
3.2 Erkennen, daß die Verwendung von aber eine notwendige Aufgabe vor allem
Partizipialattributen besonders in bei rezeptivem Verstehen, z. B. beim Le-
wissenschaftlichen Texten ein Mittel severstehen. Dabei muß zur Entschlüsse-
der Informationskonzentration und lung des Partizipialattributes nicht not-
-präzision ist wendigerweise die Form des Relativsat-
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Für die Bildung von Partizipialattributen 2.4 Vergleich der Denkoperationen bei
sind folgende Lernschritte zu absolvieren: der Rezeption und Produktion von Par-
III. Ein Partizipialattribut produzieren tizipialattributen
1. Den Infinitiv des Satzes, der die Vergleicht man nun die Liste der Lern-
Information liefert, bestimmen schritte bei II mit der bei III, so stellt man
2. Für einen Satz mit sein+Adjektiv/ fest, daß zum einen die Liste III länger ist
Partizip ein Partizipialattribut mit als Liste II, woraus zu schließen ist, daß
eben diesem Adjektiv/ Partizip die Produktion von Partizipialattributen
konstruieren einer größeren Anzahl von Lernschritten
3. Einen Satz mit sein+zu-Infinitiv in bedarf und damit schwieriger zu leisten
einem Gerundiv-Attribut ausdrük- ist als die Rezeption von Partizipialattri-
ken. Dabei wissen, daß -d anzuhän- buten.
gen ist Zum anderen wird deutlich, daß man
4. Bei einem Satz mit transitivem Verb nicht einfach die eine Operation umkeh-
feststellen, ob der Satz im Aktiv ren und damit die andere erhalten kann,
oder im Passiv formuliert ist sondern daß hier zum Verstehen bzw.
4.1 Für einen Satz mit transitivem Verb zum Produzieren von Partizipialattribu-
im Aktiv ein Partizip-I-Attribut ten jeweils ganz andere Schritte notwen-
konstruieren dig sind. Während in der Mathematik bei
4.2 Für einen Satz mit transitivem Verb a=b auch gilt b=a, ist dies bei der Bildung
im Passiv ein Partizip-II-Attribut bzw. Auflösung von Partizipialattributen
konstruieren nicht so: Ein Partizip-I-Attribut hat zwar
5. Bei einem Satz mit intransitivem in jedem Fall aktivische Bedeutung, ei-
Verb unterscheiden zwischen in- nem Satz im Aktiv entspricht aber nicht
transitiven Verben, die Perfekt mit in jedem Fall ein Partizip-I-Attribut. Ein
sein bilden, und solchen, die dies Satz im Passiv entspricht zwar einem
mit haben tun Partizip-II-Attribut, aber nicht jedes Par-
5.1 Einen Satz mit intransitivem Verb tizip-II-Attribut hat passivische Bedeu-
mit sein-Perfekt analysieren auf tung. Deshalb erscheint es mir unum-
Gleichzeitigkeit oder Vorzeitigkeit gänglich, das Verstehen von in Texten
5.1.1 Für einen solchen Satz mit Gleichzei- vorliegenden Partizipialattributen zu
tigkeit ein Partizip-I-Attribut bilden trennen von der eigenen Produktion von
5.1.2 Für einen solchen Satz mit Vorzei- Partizipialattributen. Eine zu rasche Ver-
tigkeit ein Partizip-II-Attribut bil- knüpfung der rezeptiven und der pro-
den duktiven Aufgabenstellung oder eben
5.2 Von einem Satz mit intransitivem die wechselseitige Transformation von
Verb mit haben-Perfekt nur bei Relativsatz und Partizipialattribut, die ja
Gleichzeitigkeit ein Attribut bilden, rezeptive und produktive Fähigkeiten in
und zwar ein Partizip-I-Attribut Kombination verlangt, führt bei den Ler-
6. Bei einem Satz mit reflexivem Verb: nern dazu, daß die Regeln aus dem einen
6.1 bei Gleichzeitigkeit ein Partizip-I- Bereich, z. B. der Rezeption, übergenera-
Attribut bilden lisiert werden, d. h. auf den anderen Be-
6.2 Zur Angabe eines Zustands bei den reich, die Produktion, übertragen wer-
reflexiven Verben, die ein Zustands- den. Dies führt zwangsläufig zu Fehlern.
reflexiv bilden können, ein Partizip- Ein wie oben beschrieben stufenweises
II-Attribut bilden, dabei Reflexiv- Vorgehen beinhaltet auch – auch in Prü-
pronomen weglassen fungen! – Aufgabenstellungen, die eine
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auf den anderen anzuwenden. Eine feh- higkeit schon weitgehend kompetenter
lende Einsicht in die Komplexität der Sprachlerner, die fähig sind, zu reflektie-
Aufgabe führt bei manchen Lehrenden ren, ob etwas besser in einem Relativsatz
auch dazu, sich als Prüfer an Übungen oder einem Partizipialattribut ausge-
mit mehrfach notwendigen Transforma- drückt werden kann, bzw. ob diese bei-
tionen zu ergötzen (Relativsatz Aktiv + den Attributformen im entsprechenden
Modalverb – Relativsatz mit Passiv + Fall stilistisch gleichwertige Varianten
Modalverb – Relativsatz mit sein+zu-Infi- sind. Diese Kenntnisse sollten meiner
nitiv – Gerundiv-Attribut), dabei selbst Meinung nach explizit und differenziert
aber den Blick für das sprachlich Sinnvol- auf Oberstufenniveau vermittelt werden.
le ganz zu verlieren. (Ansätze hierzu bei Rug/Tomaszewski
Die Transformation dieser beiden Attri- 1993: 249)
butstrukturen erweitert die Ausdrucksfä-
Aufgaben zur Art und Struktur von Attributen und ihrer Verbreitung in Texten
2. Arbeit am Text
2.1 Attribute im Text finden und ihre Struktur bestimmen
Suchen Sie im Lesetext die nominalen Satzglieder! (Fragen Sie: Wer? Wen? Wem?
Wofür/Woran/…?) Unterstreichen Sie sie zusammen mit ihren zugehörigen Attri-
buten (Fragen Sie: Welche/r/s?) Unterstreichen Sie das Kernsubstantiv doppelt!
Markieren Sie die Zugehörigkeit der Attribute mit Hilfe von Pfeilen!
2.2 Attribute eliminieren
Eine Fülle von Attributen erschwert oft das Verstehen des Satzes. Reduzieren Sie in
solchen Fällen die Attribute, so daß Sie auf den wesentlichen Kern der Aussage
kommen:
Bsp.: Durch ein großflächiges, volltansparentes Dach aus Plastikfolie, nach dem
System des Olympia-Daches von München konzipiert, dringen die Sonnenstrahlen
auf den Erdboden, der zur besseren Wärmespeicherung von dunkler Farbe sein
sollte. (Durch ein Dach dringen Sonnenstrahlen auf den Erdboden. (Birkenfeld/
Jelkmann 1991: 278).
2.3 Übung zur Funktion und Verbreitung von Attributen
– Lesen Sie die beiden Texte! (Zeitungstext und wissenschaftssprachlicher Text; gut
geeignet sind hier z. B. »Drama auf dem Neckar: Kind ertrunken« und »Was im
Knoblauch wirklich steckt« aus Hall/Scheiner 1995: 244 bzw. 255).
– Markieren Sie die Attribute in den Texten!
– Teilen Sie ein leeres Blatt Papier in einen Textbereich (2/3) und einen Rand (1/3
der Blattbreite) ein! Schreiben Sie die Texte ohne Attribute ab und notieren Sie die
Attribute am Rand!
– Lesen und untersuchen Sie: Sind die Texte auch ohne Attribute verständlich?
Wozu braucht ein Text Attribute, was leisten sie? Sind sie in jedem Fall
notwendig? Welche Arten von Attributen finden Sie in Ihrer Randspalte? Worin
unterscheidet sich also der Zeitungstext von dem wissenschaftssprachlichen
Text?
Rezeptiv-Aufgaben
1.4 Gerundium-Attribute
die noch zu erforschenden Sterne
der zu erzielende Ertrag
Produktions-Aufgaben