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PAGE eDOSSIER XX.

14 001

eDOSSIER
39.2015
shop.page-online.de/
downloads

Modulare Gestaltung:
Neue Designansätze für
komplexe Webprojekte
• Atomic Design
• Micro-UX
• Visueller Trend: Aggregator-Apps
• Algorithmic Design
• Making-of: Modeplattfom About You

Das PAGE eDossier 39.2015 enthält einen Beitrag aus PAGE 06.15 (EVT Mai 2015), PAGE 01.2015 (EVT Dezember 2014), PAGE
02.2015 (EVT Januar 2015), PAGE 04.2015 (EVT März 2015) und aus PAGE 09.14 (EVT August 2015). Im Text enthaltene Links
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ATOM MOLEKÜL

ORGANISMUS

© Brad Frost

TEMPLATES SEITEN
PAGE 06.15 083

WERKZEUG

Im Teilchen-
beschleuniger
Atomic Design gilt als effiziente Methode für die Entwicklung umfangreicher
Websites. Auch einige deutsche Agenturen schwören schon auf das mit
kleinsten Interface-Bausteinen arbeitende Gestaltungsprinzip aus den USA

● Der amerikanische Webdesigner Brad Frost hat’s merce-Start-up (siehe PAGE 09.14, Seite 86 ff.). Mit
erfunden, und gerade arbeitet er an einem Buch mit seinem Team nutzte er Brad Frosts Designprinzip
dem Arbeitstitel »Atomic Design« (  http://is.gd/ato für die Entwick­lung der Modeplattform.
micwebdesign  ). Seitdem er das Gestaltungsprinzip,
mit dem große Designteams auch in umfangrei­chen Responsive Design denkt längst modular
Web­projekten visuelle Konsistenz wahren können In Zeiten responsiven Designs ist die Webseite ei­
(sollen), 2013 auf der beyond tellerrand in Düssel­ gentlich nicht mehr die maßgebliche Gestaltungs­
dorf vorstellte, haben es immer mehr Agenturen einheit. Atomic Design versteht Webprojekte daher
und Designabteilungen für ihre internen Workflows als Summe kleinster Designbausteine, aus denen
adaptiert. »Für unser Projekt war Atomic Design die man Interface-Elemente – Buttons, Textfelder, For­
optimale Methode, weil es uns erlaubt, mit hoher Ge­ mula­re et cetera – zu ganzen Webseiten zusammen­
schwindig­keit viele neue Fea­tures und Funktionalitä­ setzt. Gerade umfangreiche Auftritte durchgehend
ten für un­sere Website zu entwickeln«, meint Stefan konsistent zu gestalten, kann ausgesprochen schwie­
Tobel, Head of Shop Management bei About You, dem ­rig sein. Zwar sollten Styleguides das Problem lö­
im Sommer 2014 gelaunchten Hamburger E-Com­ sen, doch ab einem bestimmten Komplexitätsgrad
und einer bestimmten Teamgröße gelangt man
auch mit diesem Instrument nicht zwangs­läufig zu
Die Systemkomponenten des Atomic Design einer einheitlichen Designumsetzung.
Atome HTML-Elemente (Label, Input, Button et cetera), Frosts Antwort auf das Dilemma: Das Designsys­
auch Elemente wie Farbpaletten, Fonts und Animationen tem selbst – Atomic Design – liefert die methodische
Moleküle Gruppierte Atome, etwa ein Suchformular aus
Basis, um konsistente und skalierbare digitale Sys­
den Elementen Label, Eingabefeld und Button
teme zu entwickeln. Ihm folgend basteln Designer
Organismen Zu Interface-Elementen gruppierte
Moleküle wie Header, Footer und Navigation
aus Webseiten-Atomen Moleküle, die sie zu Organis­
Templates Zu Layouts zusammengefasste Organismen men, in einem weiteren Schritt zu Templates und da­
Seiten Werden die Platzhalter eines Templates durch nach – der Kreis schließt sich – zu Webseiten zusam­
spezifische Inhalte ersetzt, entsteht eine individuelle Seite menfügen. Wenn Frosts Chemie-Nomenklatur
084 PAGE 06.15 › WERKZEUG › Atomic Design

beim Übergang von Organismen zu Templa­tes


bricht, so ist das nach seinem Bekunden – ganz prag­
matisch – dem besseren Verständnis aufseiten der
Kunden geschuldet. Denn die wären am Ende ver­
wirrt, spräche man bei Präsentationen von Molekü­
len, Organismen und Universen statt von Buttons,
Formularen und Webseiten.
Frost weiß auch: In der Praxis hängt der Erfolg
sei­nes Arbeitsvorschlags von den richtigen Ge­stal­
tungs­tools ab. Bereits in der Vergangenheit machte
er sich mit Plattformen für Webdesigner einen Na­
men, wie beispielsweise This Is Responsive (  http://
is.gd/thisisresponsive  ), Mobile Web Best Practices
(  http://is.gd/mwbestpractices  ) oder Style Guide Re­
sources (  http://styleguides.io  ).
Um nun seine Methode Atomic Design in die Pra­
xis zu verlängern, hat Frost die Pattern Library Pat­
tern Lab (  http://patternlab.io  ) entwickelt. Diese ver­
bindet mehrere bestehende Technologien zu einem
regelrechten Labor für Designsysteme – mit einem
Webeditor auf PHP-Basis, der Template-Libra­r y Mus­
tache, dem Datenformat JSON und dem View­port
Resizer, der mit HTML, CSS und JavaScript arbeitet.
In diesem gepimpten Webseitengenerator lassen
sich Webseiten-Elemente von Grund auf entwickeln
und ablegen, sodass alle Projektbeteiligten auf eine
verbindliche Übersicht zugreifen können.
Ob die Pattern Library nun unter der Bezeichnung
Code Pattern Library, (Living-)Styleguide oder Pat­
tern Lab firmiert, ist egal – wichtig ist die Praxis. »Ei­
ne Pattern Library ist kein Ablagesystem, sondern ein
lebendiger Ort, an dem sich De­signer und Entwick­
ler treffen, um gemeinsam und gleichbe­rechtigt an
einem Projekt zu arbeiten«, sagt Michael Schieben,
Designer bei precious design studio in Hamburg.

Atomforschung in der Praxis


Was mit responsivem Design als Treiber modula-
ren Designs begann (siehe PAGE 02.15, Seite 24 f.),
setzt sich nun im Atomic Design als modularer Ge­
staltungsmethode fort. Während Namen und tech­
nische Konfigurationen der konstituierenden Sys­te­
me variieren, haben sie doch eines gemeinsam: Da
sie bereits Webstandards wie HTML und CSS inte­
grieren, erzeugen sie ein wesentlich flexibleres und
lebendigeres Bild als starre Photoshop-Styleguides,
können beispielsweise auch Verhalten abbilden und
las­sen sich ohne große Umstände skalieren.
Pattern Library und Website für die Storytelling- Wolf Brüning, Senior Interaction Designer in der
Plattform Urban Hub digitalen Entwicklung des Hamburger Versandhänd­
Im Styleguide oben sieht man alle Headline-Varianten des lers OTTO, zeigt in seinem Blog produktbezogen
Smart-Citys-Projekts von Triplesense Reply. Die Code- eindrucksvoll, wie sich in der Praxis eine codebasier­
schnipsel eines Elements klappen auf, sobald man es anklickt. te Pattern Library als op­timale Lösung für alle beteili­
Alle Elemente sind in HTML erstellt und lassen sich wieder­- gten Gewerke erwiesen hat (  http://is.gd/patternlib
verwenden, ohne sie immer wieder neu zu schreiben. Ände­- rary  ). Und die britische Frontend-Developerin An­
rungen auf Atomebene vererben sich aufwärts durch die
na Debenham hat in ihrem Blog Gimme Bar eine
gesamte Pattern Library – ganz ohne jede Instanz des Ele-­
ments manuell zu ändern. Auch den Code vervielfältigt
ganze Sammlung an Pattern Libraries zusammenge­
man nicht per Copy-and-paste. Man schreibt lediglich eine tragen (  http://is.gd/gimmebar  ).
Referenz in das übergeordnete Element. Idealerweise steht die Pattern Library als Mittle­
↗  www.urban-hub.com/de rin zwischen Designtool (Photoshop, Sketch oder
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Ähn­lichem), in dem die Gestaltungselemente ent­ xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx für Design. »Bereits früh zu entscheiden, welche
worfen werden, und Produktions-, Content-Manage­ Bau­steine man benötigt, bedeutet allerdings einen
ment- oder Shopsystem, in dem sie zur Anwendung »Atomic größeren Aufwand beim Start des Projekts«, stellt
kommen. Vorteil für den Workflow: Da die Pattern Design Astrid Wunsch fest.
Library bereits Webstandards integriert hat, kann macht erst Nicht zuletzt gilt es auch, das Konstrukt insge­
man dem Entwickler statt starrer Photoshop-Designs samt auf neuestem Stand zu halten – mit all seinen
und epischen Beschreibungen bereits Codeschnip­
ab einer Veränderungen. »Wir arbeiten in Scrum-Sprints und
sel übergeben. gewissen haben alle zwei Wochen Releases«, sagt Stefan Tobel.
Beim Hamburger E-Commerce-Start-up About Projektgröße »Entsprechend nehmen wir alle zwei Wochen Ände­
You entschied man sich von Beginn an für einen Sinn« rungen an unserem Styleguide vor.« In der Regel
HTML-Styleguide mit definierten CSS-Klassen und lohne sich die Anfangsinvestition, so Astrid Wunsch,
Markups für einzelne Komponenten. Da die Library Stefan Tobel, da sich im weiteren Verlauf neue Patterns, ob nun
mit dem Paketverwaltungstool Bower aktualisiert Head of Shop Molekül oder Template, schneller entwickeln und
wird, muss man Updates nur einmal einpflegen, die Management, integrieren ließen. Zudem falle einiges an Fleißar­
Aktualisierung an allen weiteren Stellen erfolgt da­ About You beit weg. »Durch die enge Verzahnung kann das Team
nach automatisch – ein Vorteil, den sich auch andere ↗ www.aboutyou.de schnell Entscheidungen treffen, es gibt keine gro­
Style­guides zunutze machen. Darüber hinaus erläu­ ßen Korrekturschleifen«, sagt sie. Außerdem spart
tert der Styleguide, wie die Komponenten verwen­ man sich mit der Etablierung von Standards neuer­
det werden sollen. liche Diskussionen. »Unsere Frontend-Entwickler
Wenn Designer und Entwickler im selben Sys­tem wa­ren total happy, weil es so schnell ging«, berichtet
arbeiten, durchleben sie schon zu einem sehr frühen Wunsch, deren Team die Urban-Hub-Seite in rund
Zeitpunkt sehr präzise Abstimmungsprozesse. So sechs Wochen fertigstellte.
ver­ändert ein Style­guide nicht zuletzt auch den Work­
flow: Der gängige Transfer, in dem Designer Ent­ Müssen Agenturkunden
wicklern ihre Gestaltung erklären, weicht einer ver­ Atomic Design verstehen?
stärkten Kollaboration. »Dadurch«, erklärt Stefan Ob sich der erhöhte Startaufwand von Atomic Design
Tobel, »sprechen alle die gleiche Sprache und es gibt lohnt, hängt für Stefan Tobel vom Umfang, von der
weniger Missverständnisse.« Komplexität und vom Zeithorizont des Projekts ab:
»Atomic Design macht erst ab einer gewissen Pro­
Tschüs, Fleißarbeit jektgröße Sinn.« Während Tobel allerdings Atomic
Auch Astrid Wunsch, Kreativdirektorin bei der Frank­ Design für ein internes Projekt eingesetzt hat, muss­
furter Digitalagentur Triplesense Reply (  w ww.triple te Astrid Wunsch noch den Kunden miteinbezie­
­sensereply.de  ), hat mit ihrem Team gerade zum ers­ hen. Hier gäben dessen Vertrauen und das Vorstel­
ten Mal Atomic Design als Gestaltungsmethode ein­ lungsvermögen den Ausschlag: »Arbeitet man sich
gesetzt, und zwar für das Smart-Citys-Projekt Urban von den Atomen Schritt für Schritt bis zu den Tem­
Hub (  www.urban-hub.com/de  ), eine internationale plates und Pages vor, hat man erst relativ spät vor­
Storytelling-Plattform, die Triplesense Reply ge­mein­ zeigbare ganze Seiten«, sagt sie. Schlecht für die Ab­
sam mit ThyssenKrupp Elevator auf Basis von Word­ PAGE eDossier stimmung mit dem Kunden.
Press konzipierte. »Bisher haben wir die einzelnen »Modulare Um Atomic Design als Gestaltungsmethode ein­
Module – im Frost’schen Sinne Organismen –, die Gestaltung«. zusetzen, brauche eine Agentur also auch den pas­
für eine bestimmte Website konzipiert und gestaltet Weitere spannende senden Kunden. »Einen der einem so weit vertraut,
Geschichten über
wurden, in einer sogenannten Kitchen Sink, einem dass er fürs Erste mit ein paar Moodboards und Lo­
ähnliche Design­prin­-
sehr langen Photoshop-Dokument, aneinanderge­ zi­pien wie Micro UX
rem ipsum zufrieden ist«, so Wunsch. In Projekten
reiht«, berichtet Wunsch. und Algorithmic mit vielen Beteiligten und hohem Abstimmungsbe­
Atome hin, Moleküle her, »faktisch braucht man Design gibt‘s unter darf könnte es daher schwierig werden. »Uns kam
zu Beginn des Gestaltungsprozessses ein Bild der www.page-online.de/ entgegen, dass wir uns direkt mit dem Head of In­
PDDP1051
Webseite«, sagt Astrid Wunsch. »Wir haben daher ternational Communications abstimmen konnten,
zunächst in Photoshop ein, zwei Seiten als Ganzes der alle Entscheidungen eigenständig treffen konn­
entworfen, um dem Kunden und auch für uns zu te«, resümiert Wunsch.
zeigen, wo die Reise hingehen soll.« Danach setzten Die Herausforderung liegt auch darin, den Team­
die Designer sich zügig mit den Frontend-Entwick­ mitgliedern die Methodik nahezubringen und Style­
lern zusammen, um die Designs zu atomisieren und guide, Pattern Lab oder Pattern Library als verläss­
Interview mit
einzelne Elemente für das selbst aufgesetzte HTML- Atomic-Design-Guru liche Referenz und als eine Sprache für Entwicklung
Pattern-Lab festzulegen. »Unsere Designer haben Brad Frost. und Gestaltung zu etablieren, auf deren Elemente
zum ersten Mal mehr im Frontend als in Photoshop Neues zum hier permanent zurückgegriffen wird. »Während der Ent­
gearbeitet«, erinnert sich Wunsch. »Dieser Prozess vorgestellten wicklungsphase tauchten immer mal wieder Elemen­
Designprinzip aus
bringt es mit sich, dass der Designer weniger gestal­ te auf, die nicht im Styleguide standen«, berich­tet
erster Hand gibt’s
tet als sonst und stattdessen mehr im Team kommu­ unter www.page-
Stefan Tobel. »Es hat schon ein paar Monate gedau­
niziert.« Komplementär brauche es für diesen Pro­ online.de/ ert, bis alle am Projekt Beteiligten in dem richtigen
zess Frontend Developer mit einem guten Gespür bradfrost_0615 Mindset waren.« as
086 PAGE 06.15 › WERKZEUG › Atomic Design

Precious’ Pattern Lab

Pattern Libraries als Prozess


● »Das Entscheidende und Spannende an einer Pattern Li­
brary ist, wie sie entsteht und sich verändert«, betont Michael
Schieben, Designer bei precious design studio in Hamburg
(  http://precious-forever.com  ). »Und eine gute Pattern Libra­
ry ist so aufgebaut, dass alle Beteiligten Zugang finden – oh­
ne aufwendige begleitende Regeln und Prozesse.« Auch sei
es nicht unbedingt erforderlich, so Schieben, die Frost’sche
FOUNDATION ATOM
Atomic-­Design-Werkzeugkette des Pattern Labs als verbind­
liche Vorgabe hinzunehmen. In manchen Projekten brauche
es eine Pattern Library mit individuellen Tools. Precious hat Color Button
die E-Commerce-Plattformen OTTO.de und hagebau.de beim
Etablieren eigener Pattern Libraries unterstützt. Im Folgen­ Ergänzend zu Brad Frosts Abhängigkeiten
den gibt das Hamburger Designstudio Einblick in ihr selbst Ansatz arbeitet precious mit Alle Patterns nutzen die Foundation.
einer dem üblichen Baustein­ Atome dürfen keine Abhängigkeiten
ent­wickeltes System und nennt fünf Prinzi­pien, auf die es
system vorgelagerten Ebene untereinander haben.
bei der Konzeption von Pattern Libraries ankommt. namens Foundation. In ihr
hat das Precious-Team Regeln Beispiel

1
(zum Beispiel Farben, Schrif­- Die verschiedenen Ausprägungen
Eine Wahrheit ten, Größen et cetera) definiert, und Zustände der Patterns werden
Konsistente Systeme brauchen eine feste Bezugsgrö­ die für alle Patterns gelten. ein­deutig benannt. Alle Gestaltungs-
ße. Die »Wahrheit« einer Pattern Library manifestiert sich regeln des Patterns hat das Team
Abhängigkeiten im LESS-Code unter dem Pattern-
immer im Code. Die Dateiformate, die für den Gestaltungs­
keine Namen gekapselt. Mithilfe des
prozess wesentlich sind, leiten sich aus der Implementierung
Parent Selectors & werden die Aus­-
im Code ab. Beispiel prä­gungen dort klar strukturiert.

2
Die Regeln werden als Variablen
Viele Ansichten und Mixins für einen CSS-Prepro- .Button {
Es gibt viele Betrachter (Visual- und UX Designer, Ent­ cessor, hier LESS, definiert: text-transform: uppercase
wickler, Product Owner) mit unterschiedlichen Interessen. &--primary {
@mainBlue: #09F;
Ihnen muss eine Pattern Library gerecht werden. Essenziell background: @mainBlue;
ist eine Live-Preview auf vielen Devices während der Zusam­ }

menarbeit von Design und Entwicklung. Die Versionierung &--secondary {


background: @white;
auf GitHub macht den Fortschritt sichtbar, eine browserba­
border: 1px solid @mainBlue;
sierte Dokumentation bietet Zugang zu Beschreibung, Code
}
und Beispielen für sämtliche Beteiligte und erleichtert die
}
Einarbeitung neuer Teammitglieder.
<a class="Button Button--

3
primary">Create Project</a>
Gemeinsames Arbeiten
Designer und Entwickler systematisieren das Design
und erarbeiten ein geteiltes Designverständnis, indem sie
ge­meinsam bestehende Entwürfe dekonstruieren. Dafür
braucht es technische Formate, zu denen Entwickler und
Designer gleichermaßen schnell Zugang finden.

4 Eindeutige Abhängigkeiten
Mittels Ordnerstuktur macht das System die Abhängig­
keiten der einzelnen Elemente eindeutig nachvollziehbar.
Eine klare technische Modularisierung, die einfach zu pfle­
gen und nachzuvollziehen ist, ermöglicht die Refaktorierung,
verhindert Unübersichtlichkeit und hilft, Gestaltungsregeln
an der richtigen Stelle zu implementieren.

5 Visualisierte Änderungen
Designer schätzen die Sicherheit eines statischen Bil­
des, während Entwickler es gewohnt sind, auf abstrakter Code­
Ordner muss sein
Precious’ Pattern Library organisiert Patterns in einer Ordnerstruktur.
In den Ordnern steckt neben Code auch die Beschreibung des
ebene zu arbeiten. Um dieses Bedürfnis des Designers zu be­ Verwendungszwecks des Buttons. Die Template-Engine handelbars.js,
dienen, lässt sich aus dem Code eine Momentaufnahme ge­ die dynamische Stylesheet-Sprache LESS oder die Auszeichnungs-
nerieren und als sogenannter Visual Lockstate in der Pattern sprachen Markdown und YAML verstehen auch Designer.
Library ablegen.
PAGE 06.15 087

MOLECULE ORGANISM TEMPLATE /PAGE

ButtonGroup SingleInputForm ProjectCreationPage


Abhängigkeiten Abhängigkeiten Abhängigkeiten
Molecule: ButtonGroup Organism: SingleInputForm Template: EntityCreationPage
Atom: Button Atom: Input Organism: Menu
Atom: Button Molecule: ButtonGroup Molecule: BlankStateHint
Atom: Button Organism: SingleInputForm
Diese ButtonGroup implemen- Atom: Button Atom: Input
tiert das Button-Pattern in Molekül: ButtonGroup
den Ausprägungen: primary Beispiel Atom: Button
und secondary. Die ButtonGroup hat das Team mittels Atom: Button
des handlebar-Helpers include direkt
Beispiel eingebunden. Implementierung
In der Beispiel-Implementierung Pages sind konkrete Ausformulierungen
des Patterns hat das Team die <div class="SingleInputForm"> von Templates. Sie transportieren das
Abhängigkeit zum Button-Pat- {{implements "Atoms/FormElements/ umfänglichste und genaueste Bild des
tern mit dem handlebar-Helper Input"}} Designsystems als Gesamteindruck.
implements definiert und damit <input class="Input" placeholder="Enter Am Gesamteindruck einer Page mit kon­-
eindeutig gemacht. Title ..."> kreten Inhalten kann man das Design­-
{{include "Molecules/FormElements/ system am einfachsten bewerten und auf
{{implements "Atoms/Buttons/ ButtonGroup"}}
unterschiedlichen Screens überprüfen.
Button"}} </div>
Änderungen nahm das Team anschließend
<div class="ButtonGroup"> an einzelnen Patterns (Atom, Molecule,
<a class="Button Button-- Organism) vor.
secondary">Cancel</a>
<a class="Button Button--
primary">Create
Project</a>
</div>

GitHub für alle Bild, Text, Code


Code und visuelle Lockstates werden versioniert. Die Image View Die Dokumentation mit Bildbeispiel, Beschreibung und Code-­
Modes für Bilddateien in der Commit-Ansicht auf GitHub eignen beispiel gibt Designern, Entwicklern und Product-Ownern
sich hervorragend, um visuelle Fortschritte und sonstige Verände- einen umfassenden Überblick über die bestehenden Patterns
rungen sichtbar zu machen. und erleichtert neuen Teammitgliedern den Einstieg.
046 PAGE 01.15 › THEMEN › Microinteractions

Task Force
Micro UX
Im Web und in den einschlägigen App-Stores buhlen zahllose
funktionsgleiche Anwendungen um die Gunst der User.
Aber warum ist eine Applikation am Ende erfolgreicher als ihre
Mitbewerber? Oft lautet die Antwort: Microinteractions

● Bei der Entwicklung digitaler Produkte stehen


meist das Konzept und die wichtigsten Features im
Vordergrund. Möglichst schnell ein Minimum Viable
Product in den App-Store stellen, um die Feinheiten
kümmert man sich später. Hoffentlich. Und Pardon,
bei bahnbrechenden Killer-App-Ideen wie einer mo­
bi­len Kalender- oder Wetter-Anwendung muss die
Frage nach dem Alleinstellungsmerk­mal erlaubt sein.
»The details are not details. They make the pro­
duct« – Charles Eames’ berühmter Satz gilt nicht nur
für dessen kongeniale Möbel-Evergreens, sondern
auch für digitale Produkte, sagt Dan Saffer (  w ww.
odannyboy.com  ). Der amerikanische Interaction De­
signer veröffentlichte 2013 das Buch »Microinterac­
tions« (»Designing with Details«, O’Reilly & Associ­
ates, ISBN 978-1491945926;  http://microinteractions.
com  ). Dort lesen wir: Bei digitalen Produkten kommt
es auf die Gestaltung der kleinen Interaktionsein­
heiten des Interfaces an. Diese Mikrointeraktionen
betreffen immer einen klar abgegrenzten Use Case:
das Anlegen eines Passworts, das Synchro­nisieren
der Daten, das Regeln der Lautstärke et cetera.

Implizite Dialoge zwischen User und


Interface Desi-
Neue Designsprache
gner
bei Google: Der Style­- Je nachdem, wie dieser
guide zu Androids Mate-­ Prozess gestaltet ist, be­
rial Design legt Wert geis­tert er den Nutzer
auf die Gestaltung der
entweder immer wieder
Interaktio­nen und
oder frus­triert ihn nach­
Joy of Use hebt auch auf Verhalten
Anwendungen, die neben hervorragender Funktionalität auch Freude bereiten, und Bewegung der
haltig. Wenn diese Inter­
sind beliebter bei den Usern. Exemplarisch: Die Eule auf dem Log-in-Screen einzelnen Elemente ab aktionen nicht nur sach­
des Developer-Hubs ReadMe ( h   ttps://readme.io )  verdeckt bei Eingabe des ↗ http://is.gd/ lich und funktional, son­
Passworts ihre Augen, so als respektierte sie die Privatsphäre des Users materialdesign dern liebevoll gestaltet
PAGE 01.15 047

sind und dem User Freu­de machen, wird das sowohl


dessen bewusste wie auch dessen unbewuss­te Ent­
scheidung für (oder gegen) ein Produkt beein­
flussen. Kurz: Mikrointeraktionen betreffen, so Saf­
fer, das »Feel« im Look-and-feel eines Produkts.
»In der digitalen Produktentwicklung«, so Kers­
tin Meyer, Informationsarchitektin in der Berliner
Dependance der Kölner Agentur denkwerk (  w ww.
denkwerk.com  ), »hat sich in den letzten Jahren der
Human-Centered-Design-Ansatz zunehmend etab­
liert. Er stellt die User Experience in den Fokus der
Überlegungen. Technisch komplexe Anwendungen
sollten leicht, intuitiv und mit einem gewissen Joy
of Use zu bedienen sein.« Selbstverständlich passt
dies nur ganz schlecht zu der Devise, sich mit einem
minimalen Set an Eigenschaften und Anforderun­
gen zufriedenzugeben.
Mikrointeraktionen bereiten dem Nutzer aber
nicht nur Freude. »Gute Microinteractions vermit­
teln dem User zudem ein kon­sis­ten­tes mentales Mo­
dell von dem Gesche­hen«, er­klärt Matt­hias Müller-
Prove, Dozent an der Brand Academy – Hamburger
Hochschule für De­sign und Kom­mu­ni­ka­tion so­wie
frei arbeitender Spezialist für UX (  w ww.mprove.
de  ). »Sie erklären den Aufbau und die Funktions­
weise des Interfaces, beispielsweise wenn der User
auf dem Touch-Bildschirm einzelne Elemente wie
Karteikarten übereinanderstapelt«, so Müller-Prove.

Bei immer mehr Produkten erfolgt der


Erstkontakt über Software
» Das digitale Look-and-feel ist mittlerweile für im­
mer mehr Alltagsprodukte prägend», sagt Hermann
Klöckner, Professor für Interaction Design an der
An­halt University of Applied Sciences im Bauhaus
Dessau (  http://hermannkloeckner.com  ). »Denn heu­
te werden eigentlich sehr materielle Dinge wie Autos
oder Uhren mehr und mehr zu Softwareproduk­ten,
die mit dem User in Dialog treten.« Gerade über sub­
ti­le Verhaltensunterschiede können sich Marken un­
ter­einander abgrenzen. Früher war das Material wich­
tig: Wie fühlt sich das Leder an, das Prada ver­wen­det?
Wie reagiert ein BMW beim Tritt auf das Gaspedal?
Heute erhält die digitale Interaktion eine ähnli­che
Qualität. Da die Berührungspunkte einer Marke im­
mer öfter primär im Digitalen zu finden sind, prägt
der digitale Auftritt das Markenverständnis ganz er­
heblich. Hier kommt es aufs Detail an: Eine Nike-
App muss sich »fit« anfühlen – augenblicklich rea­
gieren und das Einstellen des virtuellen Nest-Ther­
mostats fühlt sich ganz wunderbar nach dem Auf­
drehen einer Heizung an.
Bei digitalen Produkten hilft die Interaktion weit
mehr, die Markenbindung aufzubauen, als traditio­
nelle Corporate-Design-Merkmale wie Farbe und Ty­
pografie. Der iPhone-Homescreen ist so ein Bei­
spiel: kein Apple-Logo, keine Apple-Hausfarbe, nur
selten die Apple-Hausschrift – und dennoch signali­
sieren die Interaktionselemente ganz klar die Mar-
048 PAGE 01.15 › THEMEN › Microinteractions

Abbildung: Google
Große Kleinigkeiten Responsive Interaktion
Das Anlegen eines Ordners gehört zu den oft gesehenen Googles Schema für gelungenes Interaktionsverhalten: Die
Standards vieler Anwendungen und ist meist auch beiden oberen Bilder zeigen, wie sich das animierte Element
gleich gestaltet. Beim Webservice Instapaper wird der von der Mitte aus ausdehnt, obwohl sich der Trigger unten
»Add Folder«-Button automatisch zum Benennungs-­ links befindet. Unten dagegen wächst es vom Triggerpunkt
feld. Der Nutzer muss nur einmal interagieren. Das ist unten links diagonal nach oben – so wird der Bezug zum
ergonomisch und spart Zeit. Berührungspunkt deutlich.
↗ www.instapaper.com ↗ www.google.com/design/spec/animation/
responsive-interaction.html

ke, indem sie sie wiedererkennbar machen. »Apple son­dern über eine kleine Animation an, hat der User
war schon immer ganz groß in der Gestaltung dieser größere Chancen, den Wandel wahrzunehmen. Er­
kleinen Finessen«, konstatiert Müller-Prove. schließt sich dem Nutzer dagegen nicht, ob sein In­
put angekommen ist, ist das ein gravierender Mi­
Bei den Transitions gab Apple nuspunkt für die User Experience.
zunächst den Ton an
Vor allem der Gestaltung der Transitions misst »Mi­ Wer setzt das eigentlich um?
cro­interactions«-Autor Dan Saffer große Bedeutung »Die entscheidende Frage bleibt: Wer kümmert sich
bei, also dem Übergang von einer Ansicht zur ande­ im Konzeptions- und Entwicklungsprozess um das
ren oder von einem Inhalt oder Button-Zustand zum Interaktionsverhalten und wie artikuliert man es
nächsten. »Apple war hier ganz klar Vorreiter und hat am besten?«, gibt der Hamburger Interaction Desi-­
im Sinne einer plattformweiten Konsistenz entspre­ gner Daniel Guse (  www.danielguse.de  ) zu bedenken.
chende Vorgaben in ihren Styleguide integriert«, er­ »Nie­mand wird sich die Mühe machen, Transitions
klärt der Berliner iOS-Entwickler Ivo Wessel (  w ww. in der Granularität eines Daumenkinos in Photo­
we-make-apps.com  ) Zum Beispiel empfiehlt das Un­ shop-Designs zu gestalten.« Von Haus aus sei das
ternehmen, für einen Übergang die Dauer von 0,5 Se­ Thema allerdings irgendwo zwischen Visual und
kunden nicht zu über­schreiten und setzt als Default- Interaction Design aufgehängt.
Einstellung bei Bewegungen den Modus »nicht line­ Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat man
ar« (»Ease in and out«), damit sie organischer wirken. bei denkwerk schon vor einiger Zeit begonnen, das
»Joy of Use hin, Delightful Design her – auf die Abteilungsdenken aufzubrechen, und eine Sitzord­
Ge­staltung des Feedbacks kommt es an«, ist Müller- nung eingeführt, bei der die verschiedenen Gewer­
Prove sich mit Saffer einig. Es sollte dem User deut­ ke gemischt Platz nehmen. »Im Sinne von Lean UX
lich zeigen, was sein Input bewirkt, und vor allem, versuchen wir außerdem die Dokumentation zu be­
dass sein Input etwas bewirkt. Man denke etwa an schränken«, berichtet Informationsarchitekt Hen­
die hüpfenden Programm-Icons in Apples OS-X- ning Schenk. »So müssen wir nicht ausufernde Story­
Dock, die aktiv werden, sobald man sie angeklickt boards malen, um Animationen zu dokumentieren,
hat, um zu signalisieren: »Es mag zwar noch etwas sondern es reicht ein Schulterblick und der kurze
dauern bis zum Start des Programms, aber, lieber Dialog. Manchmal bastelt unser Designer auch ein­
User, dein Befehl ist angekommen, es ist nicht nötig, fach ein animiertes GIF, um zu zeigen, wo die Reise
das Icon weitere 20-mal anzufeuern.« Gut gestalte­tes hingehen soll.«
Feedback macht auch deutlich, wo auf dem Screen Dennoch: Um die einzelnen Bausteine in einer
der User-Input eine Aktion ausgelöst hat, wo gerade wiederverwertbaren Form abzulegen, hält man sie
eine Veränderung stattgefunden hat und wo er als bei denkwerk besonders in größeren Projekten in
Nächstes eine Eingabe tätigen soll. Zeigt das Inter­ digitaler Form vor. »Eigentlich wäre das ein The­ma
face das Ergebnis der Veränderung nicht prompt, für einen Styleguide, der allerdings immer mehr als
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Der Eindruck von Knopfdruck


Auf Touch-Oberflächen sind viele Interface-Elemente nur
scheinbar direkt berührbar. Gestaltet man ihr Verhalten
responsiv, macht dies eine App zu einer Anwendung, die mit
dem User kommuniziert, statt nur Informationen zu liefern.
↗ http://is.gd/responsiveinteraction

Abbildung: Google
Abbildung: Google

Ausdruckstanz trifft Schwanensee Authentische Bewegungen – Goodbye Linearität


Statt mit wilden Choreografien zu verwirren und Physikalisch korrekt animierte Objekte transportieren
abzu­lenken (unten), sollten alle Elemente während Informationen auch über ihre Attribute: leicht oder
des Übergangs von einer Ansicht zur nächsten einer schwer, groß oder klein, starr oder biegsam. Korrekt ani­-
geordneten Bewegung folgen, um Aufbau und Struktur mierte Objekte verhalten sich beispielsweise nicht
der Anwendung plausibel zu machen. linear, sondern beschleunigen und bremsen sukzessive.
↗ http://is.gd/consistentchoreography ↗ http://is.gd/authenticmotion

Living Styleguide oder Pattern Styleguide zu ver­ Dieses Prozedere schafft Konsistenz, sodass man
stehen ist, also als Form eines digitalen Reservoirs«, die gleiche Story stets mit gleichen Mitteln erzählt
merkt Schenk an. und sich ein Button beispielsweise stets gleich ver­
hält und immer die gleiche Transition auslöst. Ein
Kampf dem Look-and-feel-Wildwuchs konsistentes Look-and-feel verbessert die Nutzer­
Nach genau diesem Prinzip funktioniert auch eine freundlichkeit und trägt nachhaltig zum Erfolg ei­nes
Pattern Library, wie man sie im Bereich E-Comm­ Produkts bei, kreativer Wildwuchs dagegen be­ein­
merce bei Otto in Hamburg für die Neuentwicklung trächtigt Qualität und Benutzbarkeit. »Ein Produkt
der kompletten Plattform eingeführt hat. In einem ei­ von dieser Größe ist nicht mit Prozessen allein be­
gens aufgesetzten Framework ist dort das Design­ herrschbar«, so Brüning. Trotz eines vernünftigen
schema jedes einzelnen Elements der Webseite visu­ Pro­zessmanagements und intensiver Kommunika­
ell und als Code hinterlegt, ergänzt um eine kurze Be­ tion lässt sich über die Zeit der Wildwuchs kaum ver­
schreibung. »Der Vorteil an unserer Pattern Libra­r y meiden. »Der beste Styleguide hilft eben nichts, wenn
ist, dass sie wie unsere Shop-Plattform eine Websei­ sich gerade bei umfassenden und stetig wachsenden
te ist. Es wird nur der Code abgelegt, und ich sehe im Projekten Entwickler immer wieder aufs Neue da­
Browser seine visuelle Übersetzung. Ich muss nicht ranmachen, die Vorgaben mit immer wieder neuem
noch mal separat ein Bild des Patterns spei­chern.« Code umzusetzen«, fasst er das Dilemma zusammen.
Das Paradebeispiel eines Patterns ist der Button.
Meist kommt er in unterschiedlichen Bereichen be­ Photoshop-Styleguides passen
ziehungsweise Aktionen einer Website oder App nicht zu agilen Prozessen
vor (Kontaktformular/»Absenden«, Suche/»Suchen«, »Natürlich kostet es Zeit, die Details gut hinzubekom­
Log-in/»Anmelden«). Ganz im Sinne der Micro­in­ter­ men«, räumt Brüning noch ein. »Das ist aufwendi­ges
Abbildung: Google

actions zählen bei Otto zu den Patterns auch: Über­ Handwerk, man muss sich konzentrieren, viel aus­
gänge und Animationen (wie die Bewegung eines probieren und testen.« Gerade wenn man mit dem
Elements von links nach rechts), Flows (das Fehler- Prinzip Minimum Viable Product im Hinterkopf ar­
und Erfolgsverhalten von Nutzerdialogen), Wordings beite, blieben die Details oft auf der Strecke. Eine
(ein Merkzettel sollte im gesamten Produkt und auf Pattern Library hilft, den einmaligen Zeitaufwand Begeisternde Details
allen Plattformen immer »Merkzettel« heißen und für die liebevolle Gestaltung der Details zu rechtfer­ Viele Apps haben Elemente,
nicht etwa »Merkliste«); ebenso ließe sich das Visual tigen, weil man diese Elemente immer wieder ver­ die User schon tausendmal
Design eines Angebots mithilfe von Style Tiles als wen­den kann. So lassen sich Prototypen schneller gesehen haben. Ihre Funk-
tionsweise kennen alle –
Pattern definieren. »Die Bibliothek synchro­nisiert erstellen und testen. »Und man muss die Gestaltung
warum also nicht mal mit
sich bei Veränderungen auch mit den Anwen­dun­gen, nicht immer wieder neu diskutieren, da man sich
einer ungewöhnlichen
sodass kein händisches Nachbessern nötig ist«, be­ bereits auf bestimmte Designschemata geeinigt hat«, Transition überraschen?
geistert sich Wolf Brüning, Senior Interaction Desi­ ergänzt Karolin Wisch, Teamleiterin User Experien­ce ↗ http://is.gd/delight
gner bei Otto (  w ww.produktbezogen.de  ). Design bei Otto, optimistisch. fuldetails
050 PAGE 01.15 › THEMEN › Microinteractions

Abbildung: Google
mann Klöckner feststellt: »Er zeigt, dass der Skeuo­
morphismus mit Aufkommen des Flat Designs nicht
gänzlich verschwunden ist, sondern sich quasi durch
die Hintertür wieder hereingeschlichen hat – jedoch
nicht in die Texturen. Jetzt sind die Bewegung und
das Verhalten der Elemente stark aus der physischen
Visuelle Kontinuität Welt entlehnt. Das hat sich mit Apples iOS 7 bereits
Eine gut designte Transition deutlich angekündigt, zeigt sich aber noch stärker
sollte klar, ruhig und gleich-­ in Googles Material Design.«
mäßig gestaltet sein und dem
Dennoch, sowohl bei iOS 7 als auch bei Googles
User vermitteln, auf welchen
Material Design zeige sich teilweise eine unnötige
Teil des Bildschirms er seinen
Fokus richten soll. Sie hat
Opulenz, die schon in Richtung Dekor tendiere, be­
herein- und hinausfahrende mängelt Klöckner. »Bereits der Parallax-Effekt im
sowie bleibende Elemente, Hintergrund von iOS 7 ist schlicht parfümiertes Bei­
die beim Übergang aber Form werk, weil er in dieser Form keine Funktionalität hat
und Größe ändern. In die­sem und nicht zur Plausibilität des Systems beiträgt, ja
Beispiel derApp Google Music eher noch ablenkt«, lautet sein strenges Urteil. Da­
geht die Alben-Übersicht
mit keine Missverständnisse aufkommen: Das Prin­
in eine bild­schirmfüllende
Play­list des ausge­-
zip, Verhalten und Bewegungen aus der physikali­
wählten Albums über. schen Welt ins Interaction Design zu übernehmen,
↗ http://is.gd/meaningful funktioniert an sich gut. »Um natürlich wirkende
transitions Bewegungsabläufe in eine Anwendung zu imple­
mentieren, zeichne ich öfter Bewegungen mit einer
»Wir arbeiten von Beginn eines Projekts an in Kinect auf und transferiere den entsprechenden
crossfunktionalen Teams«, erklärt Wolf Brüning. Code dann von ihr in meine Anwendung«, verrät
Ent­sprechend interdisziplinär müssten auch die Hermann Klöckner seine Vorgehensweise.
Tools ausgelegt sein, mit denen er und sein Team ar­
beiten. »Photoshop-Styleguides sind sehr rigide Re­ Mikroeffekte sind kein Selbstzweck
gelwerke, die meist am Anfang eines Projekts erstellt Bleibt zu sagen, dass der Gestalter, ebenso wie in so
werden und daher besser zum wasserfallartigen Ent­ vielen anderen Designbelangen, in Sachen Micro
wicklungsprozess passen als zu unserem agilen«, so UX stets gefordert ist, das Prinzip »Form follows
Brüning. »Vor allem benötigen wir Tools, die eine function« zu wahren. Das gilt auch für gute Mikro­
sehr enge Zusammenarbeit zwischen Designern und interaktionen. Der Schlüssel zu gutem Design liegt
Entwicklern ermöglichen. Aktuell gibt es viele Tools, im Ver­ständnis des Nutzers und in dem Bemühen,
die an dieser Schnittstelle ansetzen und dem ehe­ das best­mögliche Ergebnis und Erlebnis für ihn zu
maligen Platzhirsch Photoshop auf die Pelle rücken, schaffen und auf das Medium abzustimmen. Gute
beispielsweise Sketch (  http://bohemiancoding.com/ Mikrointeraktionen sind heute genauso wichtig und
sketch  ) oder Macaw (  http://macaw.co  ). Oft nutzen tragen zu gutem Design bei wie die klassischen De­
wir auch Axure als Prototyping-Tool.« signelemente sowie gute Typo und gutes Wording
et cetera. Daher sollten sie weder in Styleguides noch
Google weiß mal wieder, wo’s langgeht in Pattern Libraries fehlen. Richtig gestaltet, wir­
Beinahe schon prototypisch hat Google gerade, be­ ken sie charmant, lassen Funktionen »smart« aus­
gleitend zur Version 5 ihres Betriebssystems An­ sehen und signalisieren jedem User unmittelbar,
droid, einen Styleguide namens »Material Design« dass hier Liebe im Produkt steckt. Was letzten En­
(  http://is.gd/googlematerialdesign  ) veröffentlicht, des Vertrauen schafft. Und Vertrauen ist der wich­
der besonders auf die gestalterischen Details eingeht. tigste Bestandteil für eine langfris­tige Kundenbin­
Ganz im Sinne des »Practice what you preach« geht dung beziehungsweise Image-Bildung. Erst recht in
der selbst in tadellosem Flat Design gehaltene An­ den Zeiten von tausendundeiner App für ein und den­
forderungskatalog vor allem auf das Verhalten und selben Use Case.  Stefan Bodeit/as
die Bewegung der Animationen ein. »In dieser Qua­
lität und Detailliertheit hat es das zuvor nicht gege­
Stefan Bodeit ist selbstständiger User
ben«, resümiert Janusz Leidgens, Android-Entwick­
Experience und Interaction Designer aus
ler und Teamleiter beim Regensburger App-Entwick­ Hamburg. Er verliebt sich gerne in Details.
lungsbüro Kupferwerk (  http://journeyman.janusz. Und er verliert sich gerne in Details.
de  ). »Google liefert hier ein Beispiel eines modernen ↗ www.bodeit.de
Sty­leguides, der vor allem auch demonstriert, wie
man die interaktiven Elemente in die Roadmap ei­nes
Micro-UX-Blogs und -Beispielsammlungen.
Projekts und ins Produkt bekommt«, ergänzt Guse. Weitere Anre­gungen zu diesem Thema
Aber in dem neuesten Android-Fahrplan steckt finden Sie auf  www.page-online.de/
noch mehr, wie Interaction-Design-Professor Her­ microinteractions0114  
024
PAGE 02.15
TITEL

Modulare
Systeme
● Am Anfang war Pinterest. Das soziale Auf Smartphones ell zusammengestellten kleinen Modulen.
Netzwerk zum Bildersammeln hat als einer Im Zusammenspiel mit mobilen Ge­räten
der Ersten die Karte als Design-Pattern po­ fungieren immer wer­den Inhalte personalisiert und orts­be­
pulär gemacht. Seither setzen immer mehr
mobile Anwendungen auf dieses Format.
häufiger interaktive zogen kontextualisiert. So wie es Google
Now bereits mit den Google-eigenen Ser­
Ein Blick auf die digitalen Global Player Module im Karten- vices vorführt: Die Anwendung bün­delt In­
zeigt: Facebook, Twitter, Google – sie alle formationen wie Wettervorhersage, Einzel­
nutzen die Karte als Gestaltungseinheit. Sie Design als Mini-Apps. händler in der näheren Umgebung oder
besteht meist aus Headline, kurzem Text, Welche Konsequenzen die Routenplanung für den Weg vom Ar­
Bild, Audio- oder Video-File und lässt sich beitsplatz nach Hause kompakt als Karten­
ausklappen oder drehen. Der entschei­den­ hat das fürs stream, der – und auch das macht nach
de Vor­teil: Die digitale Karte bündelt Infor­
ma­tionen in kleinen Portionen. Auch Web­
Interaction Design? Adams die neue Qualität aus – als Push-
Nachrichten auf dem Smartphone landet.
sei­teninhalte lassen sich so komprimiert Eine wesentliche Neuerung lasse sich,
und interaktiv darstellen und neu zusam­ so Adams, exemplarisch an den Benachrich­
menstellen. BlinkFeed, eine Startscreen- tigungsmeldungen von iOS und Android
App für das HTC One, etwa aggregiert In­ nachzeichnen. Als flüchtige Hinweise set­z­
halte nach den Vorgaben des Users und fügt ten sie den User früher zum Beispiel vom
sie in ei­nem Grid-Layout zusammen: News Eingang einer E-Mail in Kenntnis und lots­
aus dem favorisierten Sportportal neben ten ihn zur entsprechenden Anwendung.
Posts aus dem persönlichen Twitter-Stream. Mittlerweile kann der User im Benachrich­
Aggregatoren an sich sind kein neues tigungsfenster selbst Aktionen ausführen
Phä­nomen, schon die klassischen Feed­rea­ und Inhalte über Facebook, Twitter oder
der haben Content gesammelt. Das Karten- Pinterest teilen, ohne dass der User eine se­
Format aber hat eine neue Qualität, meint parate Anwendung öffnen muss. Das über­
Paul Adams, ehemals Global Head of Brand nimmt die Interactive Notification des Sys­
Design bei Facebook und Senior User Expe­ tems, die Inhalte und Interaktionsoptio­
rience Researcher bei Google, heute Head nen der Original-App integriert, wobei für
of Product Design des Start-ups Intercom. den User kein Wechsel erkennbar ist.
In seinem Blog beschwört er einen Paradig­ Nach diesem Prinzip können Meta-Apps
menwechsel in App- und Webdesign (  http:// die Inhalte von dritter Seite bündeln und
blog.intercom.io/author/pauladams  ). Ist es dem Nutzer personalisiert zur Verfügung
wirklich schon so weit? Interagiert man mit den Karten auf stellen. »Statt Interaktionen in verschiede­
Für Paul Adams sind die Karten ein In­ der Website des News-Services nen Apps durchzuführen, werden diese
dikator für die Neuorientierung weg von der Bloomberg, öffnen sich weitere Inhalte zunehmend App-unabhängig auf System­
Website als (Sinn-)Einheit, hin zu individu­ und starten zum Beispiel Videos basis für den Nutzer zusammengefasst«,
BBC

GOOGLE MAPS

meint Interaction Designer Andreas Popp, FACEBOOK FACEBOOK FACEBOOK

Gründer des UX Camp Hamburg (  w ww.


supersoon.net  ). Der Smartphone-Screen BBC
als Ansammlung smartiebunter App-Icons,
TWITTER

als Anhäufung vieler Anwendungen mit


jeweils einem Use Case gehört dann der
Vergangenheit an, stattdessen bestimmen GOOGLE MAPS
Meta-Apps und Aggregatoren das Bild.

Navigationsflächen statt
Navigationselemente FACEBOOK FACEBOOK FACEBOOK

»Mit ihren Anzeigebereichen, Buttons und


Mechaniken ähnelten die Apps vorher Ma­
schinenoberflächen, heute erfolgt die In­ Die Inhalte mehrerer Anwendungen gruppieren sich als
TWITTER
teraktion direkt über Elemente wie Texte Kartenstream auf den Bildschirmen von Smartphone
oder Bilder«, konstatiert Daniel Rothaug, (links) oder Smartwatch (oben), wo man sie individuell
bearbeiten, mit einer Wischgeste schließen oder
Professor für Interfacegestaltung an der
durch Tippen ver­größern kann. Der Zurück-Button führt
Hochschule Augsburg. »Im Web kennen wir
PAGE ONLINE den User wieder zum Stream. So wird suggeriert, er
dieses Prinzip schon länger: Die Naviga­ navigiere durch eine homogene Anwendung. Nach diesem
tionselemente werden weniger und die In­ Muster ist beispielsweise Google Now aufgebaut
halte zu Navigationsflächen, wie bei vielen
klassischen Grid-Websites.«
In welche Richtung die Entwicklung
geht, zeigt schon der Microblogging-Dienst
Twit­ter: Mit den Twit­ter Cards (  https://dev. ten wird – Paul Adams programmatische pagiert dieser ein Gestaltungskonzept, das
twit­ter.com/cards/overview  ) bietet er eine Thesen greifen wichtige Tendenzen auf. auf einzelne, wiederverwertbare Module
Samm­lung von Design-Templates, mit de­ Und schaut man auf die Gestaltungspro­ ausgelegt ist, aus denen sich konsistente,
nen jeder die Möglichkeit hat, auf die Prä­ zesse in Agenturen und Unternehmen, beliebig skalierbare Systeme entwickeln
sentation seiner Multimedia-Inhalte bei scheint die Idee des modularen Systems lassen. Atomic Design denkt Projekte von
Twitter Einfluss zu nehmen. Dies ist bei­ tatsächlich schon in Design und Develop­ Anfang an als Summe kleinster Bausteine,
spiels­­weise für Verlage relevant, da viele ment angekommen zu sein. So nutzte etwa die man zu größeren Interface-Elementen
Content-Angebote, etwa einzelne Artikel das Hamburger Start-up Collins bei der kombiniert. Ähnlich modular ging OTTO
der »New York Times« oder des »Spiegel«, Ent­wicklung seiner Open-Com­mer­ce-Platt­ vor: Um seine E-Commerce-Plattform kom­
heute häu­figer über Twitter wahrgenom­ form About You den Atomic-De­sign-An­satz plett neu aufzusetzen, arbeitete das Unter­
men werden als über deren eigene Websei­ (siehe PAGE 09.14, Seite 86 ff.). nehmen mit einer detaillierten Pattern Li­
te. Muss man sich also künftig mehr Ge­ Dabei folgte das Team der Maxime »Ent­ brary für das gesamte Interaction Design
dan­ken darüber machen, in welcher Form werft Designsysteme statt Webseiten!« des (siehe PAGE 01.15, Seite 46 ff.). Sie scheint
Inhalte in den Anwendungen der gängi­ Webdesigners, Beraters und Autors Brad also gar nicht mehr so weit entfernt zu
gen Social-Media-Platt­formen er­scheinen Frost (  http://bradfrost.com  ). Seit 2013 po­ sein, die Zukunft.  as
als darüber nachzudenken, wie sie auf der
eigenen Web­seite dargestellt werden?

Modular entwickeln
Das Konzept der App als originäre Anwen­
dung und eigenständiger Inhalt wird – so
Paul Adams Szenario – abgelöst vom Kon­
zept der App als ein Contentlieferant, der
seine Inhalte über eine API anderen Diens­
ten zur Verfügung stellt. In kleine Einhei­
ten zerlegt, werden sie auf die mobilen De­
vices verteilt. Developer und Designer wer­
den mobile Apps und Webseiten in Zukunft
also weniger als autarke Einhei­ten konzi­
pieren, sondern als aus unterschied­
lichsten Modulen bestehende Syste­me, die
sich in kleinen Einheiten in die Anwen­
dungen Dritter ausspielen lassen. Fließender Übergang: Mit den Interactive Notifications erlauben sowohl iOS
Auch wenn es momentan noch schwer als auch Android (rechts) dem User die Interaktion direkt aus dem
vor­stell­bar ist, dass eine Degradierung von Benach­rich­tigungsfenster heraus. Dieses Prinzip gilt nicht nur für systemeigene
Websites und Apps im großen Stil eintre­ Anwendungen wie SMS, sondern auch für Drittanbieter wie Twitter
026 PAGE 04.15 › THEMEN › Algorithmic Layouts

> 640 px ≤ 640 px und > 320 px ≤ 320 px


PAGE 04.15 027

Layouts aus
dem Rechen-
schieber
Die steigende Zahl an Bildschirmgrößen macht es immer aufwendiger,
responsive Layouts zu generieren. Können smarte Algorithmen helfen?

● »Die Zeiten, in denen man mit einem einzigen Für die Layouts des News- vielen verschiedenen Geräten und Displaygrößen
responsiven Layout für drei Größen einen Großteil und Social-Media- elegant, bildschirmfüllend und ohne Überlappun­
der Bildschirme am Markt abdecken konnte, sind Aggregators Flipboard gen einpassen. Wie machen die das?
musste sich nicht
vorbei«, konstatiert Daniel Rothaug, Professor für
Interfacegestaltung an der Hochschule Augsburg.
der Designer krumm Designprozess im Umbruch
machen. Die inhouse
Rothaug ist Inhaber der Würzburger Digitalagentur entwickelte Layout- Schon länger halten Tools Einzug ins Repertoire der
Zum Kuckuck (  w ww.zumkuckuck.com  ) und immer Engine Duplo erstellte Gestaltungswerkzeuge, die fleißig rechnen und kal­
wieder befasst mit der starken Fragmentierung der alle Inhalte automatisch kulieren. So arbeitet das aktuell beliebte Designtool
aktuellen Gerätelandschaft. Das Dilemma: Das Prin­ und passte sie an die Sketch (  http://bohemiancoding.com/sketch  ) mit ei­
zip responsiven Designs lässt sich nicht für ­beliebig jeweilige Seitenbreite an nem eigenen Grid-Generator, und Apple hat in den
viele Screenformate adaptieren. »Bei drei Bildschirm­ Interface Builder der Entwicklungsumgebung Xcode
größen kann man noch kontrollieren, was auf einer die Funktion »Auto Layout« zur Berechnung von
Fläche passiert, aber bei zehn oder zwanzig geht das Layouts integriert (  http://is.gd/autolayout  ). Tatsäch­
nicht mehr«, meint Daniel Rothaug. lich scheinen Algorithmen eine Lösung zu sein, will
Das Bewusstsein für dieses Problem ist jedoch man Webseiten und Apps für die wachsende Zahl
noch längst nicht bei allen Beteiligten angekommen. an Screengrößen fit machen. Einen Algorithmus
»Häufig läuft es so: Der Gestalter hat irgendwo ein einzusetzen bedeutet aber einen gravierenden Ein­
coo­les Grid gesehen und malt es in Photoshop auf. griff in den Designprozess. Auf Gestalter und Ent­
Und dann schüttelt der Entwickler den Kopf«, be­ wickler kommen damit neue Herausforderungen zu.
richtet Daniel Rothaug. »Da gibt es eine große Lü­ Der Algorithmus kann im Layoutprozess zwei
cke zwischen dem, was machbar ist, und dem, was Aufgaben erfüllen, er kann sowohl das Gestaltungs­
sich der Gestalter so vorstellt.« Dennoch sieht man raster generieren als auch den Content auf diesem
Anwendungen, bei denen sich die Inhalte auch bei verteilen – angepasst an die jeweilige Bildschirm
PAGE 04.15 › THEMEN › Algorithmic Layouts

Drei Kriterien für den Pageflow Der Algorithmus checkt die Optionen
Damit die Flipboard-Magazinseiten abwechslungs- Wie ein Schachspieler, der vor der Ausführung seine möglichen Züge prüft, checkt
reich gestaltet sind, variiert der Zufallsgenerator der Algorithmus alle Layoutmöglichkeiten für die jeweilige Screengröße, hier
Perlin Noise im Magazinverlauf drei Kriterien (siehe schematisch als Baumdiagramm abgebildet. Handelt es sich zum Beispiel um
unten): die Präferenz entweder für Bild- und Video- einen seitenfüllenden Inhalt, kommen ein Foto, Video oder Artikel als möglicher
inhalte oder für Artikel (1), die Menge der Elemente Content in Betracht. Ist Letzteres der Fall, sind ein Portrait- oder ein Landscape-
pro Seite (2) sowie die Präferenz für Fotoalben (3). Format die Optionen sowie abschließend eine kurze oder lange Überschrift.

einzelner Inhalt Präferenz Fotoalbum


Präferenz Bild/Video oder Artikel Präferenz Bild/Video

Seiten

Menge der Elemente viele Inhalte Präferenz Artikel

Präferenz Fotoalbum

größe. Bereits die erste Aufgabe ist jedoch eine nächst haben die Flipboard-Designer verschiedene
harte Nuss: Der kalifornische Mathematiker Patrick Layoutbausteine erstellt – hier hat der Algorithmus
Kessler (  http://is.gd/patrickkessler  ) hat gemeinsam also nicht freie Hand. Duplo beginnt mit einer Hoch­
mit dem Designer Hugh Dubberly berechnet, dass rechnung an Layoutmöglichkeiten auf Basis dieser
es allein für ein Raster aus 4 mal 3 Quadraten 892 vordefinierten Elemente und vergleicht schließlich,
verschiedene Möglichkeiten gibt, diese Fläche auf­ abhängig vom Inhalt, 2000 bis 6000 Designs.
zuteilen. Zusammen mit dem Designer Thomas Daraufhin checkt der Algorithmus alle Möglich­
Gaskin hat er aus dieser nüchternen Information ein keiten für das jeweilige Bildschirmformat (siehe Gra­
beeindruckendes Poster gemacht (  w ww.dubberly. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx fik oben rechts) und versucht nicht nur, Screengrö­
com/concept-maps/3x4grid.html  ). ßen, Layouts und Inhalte aufeinander abzustimmen,
Der Ansatz, hierarchische Strukturen als ver­ »Hinter son­dern auch einen abwechslungsreichen Pageflow
schachtelte Rechtecke darzustellen, die ein Algo­ jedem zu erzeugen, eine Heftdramaturgie also, wie sie auch
rithmus generiert und sortiert, ist im Grunde nicht ein Blattmacher entwerfen würde. Dafür haben die
neu. Entworfen hat diese als Treemap bekannte Vi­ Styleguide Flipboard-Entwickler den Fraktal-Algorithmus Per­
sualisierungsform Ben Shneiderman, Professor für steht lin Noise (  www.noisemachine.com/talk1  ) integriert,
Computerwissenschaft an der Universität von Mary­ ein Regel- der nach drei Kriterien gewichtet (siehe Grafik oben
land (  w ww.cs.umd.edu/users/ben  ). Schon Anfang
der 1990er Jahre nutzte er sie, um einfach und nach­
werk und links). Weitere Kriterien beim Abgleich von Layout
und Inhalt sind die Textmengen in einem Textfeld,
vollziehbar darzustellen, welche Verzeichnisse sei­ damit ein die Kohärenz des Inhalts und die Bildgröße.
nes Servers am meisten Platz benötigen. Algorithmus«
Kontext statt Template
Beispiel Flipboard: Design mittels Marc-André
Weibezahn, Dozent Abschließend verfeinert die Engine das Layout, in­
Algorithmen dem sie etwa die einzelnen Elemente an einem
im Bereich Digitale
Fast prototypisch haben die Flipboard-Macher die Medien der HAWK Grundlinienraster ausrichtet. So versucht sie gän­
Integration eines Algorithmus in den Designprozess Hildesheim gigen Designprinzipien gerecht zu werden. »Duplo
umgesetzt. Die App des amerikanischen Unterneh­ ↗ http://weibezahn. ist ein beeindruckendes Beispiel, wie dynamische
mens Flipboard Inc. sammelt Content auf News- com Plattformen heutzutage generiert werden können.
und Social-Media-Kanälen und präsentiert deren Hier bestimmt nicht irgendein Template die Form,
Inhalte in Form eines Magazins, durch das der User sondern der inhaltliche Kontext«, so Rothaug.
auf den mobilen Geräten blättert und im Web scrollt. Auch die Nachrichten-Plattform Vox (  w ww.vox.
Die aggregierten Inhalte passen sich dabei so gefäl­ com  ) setzt zur Gestaltung ihrer Website Algorith­
lig in die Seitenstruktur ein, als wären sie eigens da­ men ein. Im Gegensatz zu Flipboard sammelt Vox
für konzipiert. Flipboards Herz ist die inhouse ent­ die Inhalte nicht im Netz, sondern verwendet eige­
wickelte Layout-Engine Duplo. Sie basiert auf Java­ nen redaktionellen Content. Um das passende Lay­
Script und arbeitet schrittweise vier Aufgaben ab: out für diese Inhalte zu finden, arbeitet der Vox-
Layouts erstellen, auf den jeweiligen Content an­ Algorithmus mit einem Bewertungssystem für die
wenden, optimieren und darstellen. Layouts. Die einzelnen Inhalte sollen zunächst für
Um Content in Seitenlayouts einzupassen, ver­ Desktop-Rechner auf ein vierspaltiges Raster ver­
wendet Flipboard ein modulares Blocksystem: Zu­ teilt werden. Für jeden Inhaltstyp gibt es Vorgaben:
PAGE 04.15 029

dreispaltiger Artikel mit ...

Foto, bildschirmfüllend Portrait, dreispaltig


kurzer Titel
Artikel, bildschirmfüllend Landscape, dreispaltig
Artikel ganzseitig
langer Titel
Video Untertitel, kurz

3 x Portrait Untertitel, lang

2 x Landscape Variation A
1024 x 768 px Screengröße Bildergalerie
3 x Portrait, 1 x Landscape Variation B

Variation A

5 Bilder, Square
Variation B Foto, Landscape

dreispaltiges Layout Status Grid


Variation C zweispaltiger Artikel Foto, Square

2 : 1-Spalten-Layout 2 Spalten Foto, Portrait Foto, Portrait

1 Spalte Artikel kurzer Titel, Landscape

Status Text/Bild- langer Titel, mittellanger Text,


Container kein Bild

Ein längeres Feature darf sich über die kompletten ma eine möglichst logische Anordnung zu finden«,
vier Spalten erstrecken, um mit einem imposanten erklärt Daniel Rothaug. »Dabei handelt es sich im
Aufmacher auf sich aufmerksam zu machen, wäh­ Grunde um ein rekursives Vorgehen, es müssen meh­
rend kürzere Artikel maximal zwei Spalten belegen rere Verteilungsprinzipien vermischt werden, um
dürfen. Unter der Vorgabe, dass alle Spalten befüllt sämtliche Flächen zu füllen. Treemaps sind hier die
werden müssen, ermittelt der Vox-Generator die Königsdisziplin, weil sie die zur Verfügung stehen­
möglichen Layouts für die vorhandenen Inhalte. de Fläche vollständig füllen.« Eine Art »Tetris« unter
Über das besagte Punktesystem für den Auswahl­ verschärften Bedingungen also.
prozess erhalten zum Beispiel Layouts Pluspunk­te, xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
in denen Features und Videos verwendet werden. Klein anfangen
Minuspunkte gibt es für aufeinanderfolgen­de Ab­ »Im Grunde Für einen ersten Gehversuch muss es wahrschein­
schnitte mit identischem Layout. Asymmetri­sche arbeitet jeder lich nicht gleich ein komplett selbst aufgesetzter
Layouts dagegen erhalten ebenso Bonuspunk­te wie Algorithmus sein. Im Netz finden sich verschiedene
abwechslungsreiche Folgen, bei denen einem viel­ Gestalter, der Libraries, die man in die eigene Anwendung inte­
fältig bestückten Abschnitt einer mit wenigen Ein­ prozesshaft grieren kann, um seine Layouts berechnen zu las­
trägen folgt. Der Generator sortiert die ermittelten vorgeht, nach sen. Etwa die auf JavaScript basierende Layoutbib­
Layouts schließlich nach Punktzahl und wählt das
mit dem höchsten Wert.
dem gleichen liothek Packery, die sich auch individuell anpassen
lässt (siehe Kasten auf Seite 50).
Prinzip Aber gleichgültig, ob man sich die Mühe macht,
Einfaches Raster, komplizierte wie ein selbst einen Algorithmus zu entwerfen, oder eine
Verteilung
Algorithmus« Out-of-the-Box-Lösung wie Packery einsetzt: Ver­
Da HTML-Daten immer linear strukturiert sind, wendet man Algorithmen, gibt man immer auch ei­
sind Grids von Haus aus als Liste von Einträgen in Daniel Rothaug, nen Teil seiner gestalterischen Hoheit ab, denn das
einer festgelegten Reihenfolge angelegt. Unforma­ Professor für Inter- finale Layout generiert der Algorithmus, der Gestal­
facegestaltung an der
tiert stehen sie schlicht untereinander. Dieses Ver­ ter bestimmt lediglich die Parameter. Gemeinsam­
Hochschule Augsburg
halten kann man auf CSS-Ebene modifizieren und keiten mit der generativen Gestaltung liegen auf der
↗ www.daniel
die Elemente nebeneinander stehen lassen. Möchte rothaug.com Hand: »Auch Processing eignet sich sehr gut, um
man nun die Reihenfolge aufbrechen, hackt man Grids zu generieren und visuell mit ihnen zu experi­
sozusagen die Datenstruktur. mentieren«, verrät Rothaug vor dem Hintergrund
Die Herausforderung für Programmierer und langjähriger Agenturerfahrung.
Gestalter besteht darin, eine Logik für diese Rei­
henfolge der einzelnen Inhalte zu finden, einen Kri­ Kann The Grid, was es verspricht?
terienkatalog, der auf die Inhalte angewendet wird Fast schon wie eine Parodie auf das Prinzip der algo­
(neueste oder meistgeklickte Inhalte zuerst oder rithmisch generierten Layouts liest sich die Ankün­
Ähnliches). In der Regel werden, wie auch bei Flip­ digung des in Kürze startenden Publishing-Tools
board, mehrere Kriterien angewendet, die hierar­ The Grid (  https://thegrid.io  ), das ein System ver­
chisch angelegt sind. spricht, das unter Einsatz künstlicher Intelligenz
»Diese Algorithmen sind kompliziert. Sie versu­ ganze Webseiten selbst entwirft (siehe PAGE 03.15,
chen für ein vermeintlich einfaches visuelles Sche­ Seite 27). Die Blogging-Plattform mit integriertem
PAGE 04.15 › THEMEN › Algorithmic Layouts

Content-Management-System soll es erlauben,


auch ohne Coding-Kenntnisse eine komplette Web­
5 Plug-ins für smarte Grids site zu erstellen – man setzt lediglich einige Häk­
Masonry chen, den Rest erledigt The Grid auf Basis von Algo­
Zu den populärsten Plug-ins für dynamische, von Pinterest rithmen. Sogar auf einen ausgewählten Zweck hin
inspirierte Grid-Layouts zählt Masonry, das meist für soll die Darstellung optimiert werden: die Verkäufe
Bildergalerien eingesetzt wird. Seine einzige Funktion ankurbeln, das Netzwerk erweitern oder den Kun­
besteht darin, Elemente unterschiedlicher Größe vertikal denstamm vergrößern. Die detaillierte Funktions­
zu platzieren. Masonry stammt wie die im Folgenden weise der Software allerdings ist bislang noch nicht
vorgestellten Tools Isotope und Packery vom New Yorker veröf­f entlicht – nur ihre Fähigkeiten: The Grid soll
Developer David DeSandro. Bilder zurechtschneiden, Farbe und Kontrast justie­
↗  http://masonry.desandro.com ren und sogar die emotionalen Konnotationen ei­
nes Textes ausmachen können.
Isotope Eine echte Wunderwaffe also? »Das ist schon
Isotope ist flexibler als Masonry und steht – gemessen spannend, aber keine Magie. Viele Gestaltungspro­
an seiner Verbreitung auf GitHub und Stack Overflow – zesse kann man besser strukturieren, als viele an­
an zweiter Stelle der Beliebtheitsskala der Grid-Plug-ins. nehmen«, meint Marc-André Weibezahn, Dozent
Isotope bietet mehr Features als Masonry, beispiels- im Bereich Digitale Medien der HAWK Hildesheim.
weise Filteroptionen und Animationen, endloses Scrollen Wahrscheinlich sei die Software in der Wahl ihrer
sowie anpassbare responsive Layouts. Im Unterschied Layouts recht beschränkt und etwa für umfang­
zu Masonry ist Isotope eine proprietäre Software und nur reiche, anspruchsvoll strukturierte Artikel nicht ge­
für den privaten Gebrauch kostenlos. eignet. Die Abbildungen auf der Website jedenfalls
↗  http://isotope.metafizzy.co legten die Vermutung nahe. »Interessant und auch
etwas abenteuerlich klingt zumindest das Verspre­
Packery chen, die semantische Ebene einzubeziehen.« Hier
Das entscheidende Feature dieser Bibliothek ist ihr soge- wird The Grid sich erst noch beweisen müssen.
nannter Bin-Packing-Algorithmus, der dafür sorgt, dass
in einem Grid keine Lücken entstehen. Packery-Layouts Keine Angst vor Machtverlust
lassen sich streng geometrisch, aber auch ungeordnet Aber wohin geht es mit der Gestaltung, wenn Algo­
arrangieren. Die relativ junge Bibliothek bietet zudem meh- rithmen Designaufgaben übernehmen? »An sich
rere Möglichkeiten, Layouts zu manipulieren. So lassen steht doch hinter jedem Styleguide, hinter jedem
sich einzelne Elemente fest verankern, während sich Corporate Design ein Regelwerk und damit ein Al­
andere drumherum verschieben und anordnen. Außerdem gorithmus«, sagt Timm Kekeritz, Dozent im Studi­
kann man Inhalte in ihrer Größe anpassen und ihre engang Interface Design der Fachhochschule Pots­
Position per Drag-and-drop ändern. Auch bei Packery dam. »Für Gestalter bedeutet das Vorrücken der Al­
handelt es sich um eine proprietäre Software. gorithmen in den Designprozess, dass sie zukünftig
↗  http://packery.metafizzy.co noch mehr in solchen Systemen denken werden.
Gerade im Interaction Design ist das Prinzip, von
Gridster.js vornherein in Patterns, Regeln und Mustern zu den­
Dieses Plug-in generiert dynamische Grid-Layouts, die ken, ein wesentliches Element.«
sich sehr flexibel konfigurieren lassen. Die einzelnen Grid- Auch Weibezahn gibt sich pragmatisch: »Die in
Elemente – bei Gridster heißen sie Widgets – lassen sich der Gestaltung oft bestimmende Geschmacksfrage
per Drag-and-drop verschieben, dynamisch ergänzen ist argumentativ oft nicht zu belegen und beruht eher
oder auch entfernen. Abweichend von einer definerbaren auf einem Bauchgefühl.« Solche intuitiven Ent­schei­­
Basisgröße kann man die Maße der Widgets individuell dun­gen könne man auch durch Zufallsparameter
anpassen. Auch mehrspaltige und mehrzeilige Widgets sind ersetzen. Am Ende werde es wohl darauf hinauslau­
möglich. Nicht nur die Größe der Widgets, auch der Abstand fen, dass Menschen aus errechneten Vorschlägen der
zwischen den einzelnen Elementen ist konfigurierbar. Computer auswählen. Die Arbeit, die dadurch weg­
↗  http://gridster.net falle, sei bestenfalls als mühsam zu bezeichnen,
meint Weibezahn. »Keine Angst vor Algorithmen!«,
Shapeshift so auch Daniel Rothaug: »Ein Algorithmus ist doch
Das jQuery-Plug-in ergänzt das klassische Pinterest- nichts anderes als die präzise Beschreibung eines
Layout um mehrere Features. Die einzelnen Elemente Prozesses.« Man könne beide Begriffe fast synonym
lassen sich per Drag-and-drop verschieben, wobei der verwenden. »Im Grunde arbeitet jeder Gestalter,
Algorithmus Lücken automatisch auffüllt. Auch Elemente der prozesshaft vorgeht, nach dem gleichen Prinzip
über mehrere Spalten sind möglich. Abstände lassen sich wie ein Algorithmus.«  as
ebenso wie Animationen konfigurieren. Shapeshift ver-
hält sich responsiv und ist unter MIT-Lizenz frei verfügbar. Mehr über Layout-Algorithmen. Links zu Papers,
↗  https://github.com/McPants/jquery.shapeshift Beispielen, Projekten und Bibliotheken gibt’s auf
www.page-online.de/layoutalgorithmen_0415
086 PAGE 09.14 › PROJEKTE › Collins

Tarek Müller
(links) und
Sebastian Betz,
die kreativen
Köpfe hinter
About You und
Mitglieder
der Collins-
Geschäfts­
führung

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

PROJEKT Aufbau des Shops About You


( w
  ww.aboutyou.de )  und der Marke
Edited ( w
  ww.edited.de )  sowie Launch
der offenen App-Entwickungsplattform
h
  ttp://developer.aboutyou.de  
ZIEL Über eine Open-Commerce-Plattform
für Fashion- und Style-Apps dauer­haft
innovative Ansätze für ein besseres Einkaufs-
erlebnis generieren
UNTERNEHMEN Otto GmbH & Co KG,
Hamburg ( w   ww.ottogroup.com/de ) 
START-UP Collins GmbH & Co. KG, Hamburg
( w
  ww.project-collins.com ) 
TECHNIK Python, PHP, Axure
ZEITRAUM Seit Juni 2013
PAGE 09.14 087

Die Dresscoder
Würden Sie zwei Mittzwanzigern ein dreistelliges Millionenbudget in die
Hand drücken, um im hart umkämpften Online-Modemarkt ein
E-Commerce-Start-up hochzuziehen? Die Otto Group wagt mit Projekt
Collins nicht nur ein großes Investment, sondern auch den Schritt
auf den App-Markt – alles unter dem Stichwort »Open Commerce«

Die von Collins für den Otto-Konzern gelaunchte Fashion-Plattform About You ist Shop und App Store zugleich. Die dort
vertriebenen Apps können auf das gesamte Modesortiment und den Fulfillment-Prozess von About You zugreifen (oben).
Ihre Entwicklung steuert Collins über die eigens gelaunchte Plattform  https://developer.aboutyou.de  (unten)
088 PAGE 09.14 › PROJEKTE › Collins

● »Underdressed!«, twittert ein Besucher des Presse­


launchs von Projekt Collins, und das ist auch mein
erstes Gefühl, als ich Anfang Mai die Fabrikhalle in
den Lichtwerk Altona Studios betrete. Selbst die
Grün­der und Manager auf der Bühne entsprechen
so gar nicht dem Klischee der unrasierten Nerds in
Jeans und Oversize-Shirt: Benjamin Otto (39) steht
da im dunklen Sakko, Tarek Müller (25) und Sebastian
Betz (23) tragen Oberhemden. Ich dachte, es würde
nur um ein Start-up gehen. Hier geht es vor allem um
Mode, Marken und Erlebniswelten.
About You und Edited heißen die beiden Online­
shops, die Collins im Mai 2014 offiziell für die Otto
Group launchte. Aber wer dachte, dass uns Deutsch­
lands zweitgrößter Internethändler nur ein paar wei­
tere Mirapodos, Yalooks oder Refashions vorstellen
würde, hatte sich getäuscht. About You ist nicht ein­
fach nur ein neuer Kanal in der Otto-Vertriebsland­
schaft, sondern eine offene Modeplattform, für die
Developer die verschiedensten Fashion-Apps pro­
grammieren können (siehe Seite 88 ff.).
»Open Commerce« nennen das die Macher. Man
könnte auch »App-in-Shop-System« sagen, für das –
und das macht den Unterschied – Collins einen ei­
genen Entwicklerkreis umwirbt. Bisher gibt es rund
30 Apps auf  w ww.aboutyou.de/apps  , mit denen die
Kundschaft das 50 000 Produkte umfassende Sorti­
ment von About You erschließen kann, um dann
über einen zentralen Warenkorb einzukaufen. All
diese Anwendungen haben bereits externe Develo­
per pro­grammiert. About You beteiligt sie dafür am
Umsatz, der über ihre Apps erzielt wird. Mit einem
ersten Hackathon im Juni 2014, Start-up-Wochen­
enden und einem Inkubatorenprogramm will man
weitere Entwickler gewinnen.

Flops, Kritik und Experimente


Die Otto Group tut einiges, um das Online-Ein­
kaufs­verhalten ihrer Kunden zu durchschauen und
neue Märkte zu erschließen. Immer wieder inves­
tiert der Konzern in seine E-Commerce-Strategie
und ex­pe­ri­mentiert mit neuen Shopmodellen. Da­
für muss er sich bisweilen auch harscher Kritik stel­
len – besonders nach dem schnellen Untergang von
Refashion – und endlich aus Fehlern lernen: »Otto
hat im Internet nur dann eine Chance«, motzte Bran­
chen­ex­perte Jochen Krisch bereits im März 2011
zum Launch von Re­fa­shion auf Exciting Commerce
(  http://is.gd/jkrisch  ), »wenn es sich endlich einge­
stehen würde, dass es online keine Ahnung hat. Dann
bestünde die Hoffnung, dass man sich das feh­lende
Wissen relativ schnell und unvoreingenommen an­
eignen – und sich und der Welt absehbare Flops wie
About You: Mode per App neu entdecken Refashion ersparen könnte.«
Eine kleine Auswahl aus inzwischen über 30 Apps, Offenbar gibt es bei Otto doch ein paar internet­
denen die Nutzer auch in ihrem persönlichen
affine Menschen, die einschlägige Commerce-Blogs
Stream folgen können. Die ungewöhnlichen Zugänge
zum Sortiment inspirieren und faszinieren
le­sen, denn was Krisch dem Konzern anriet, scheint
die jungen User. App-Entwickler profitieren von man dort inzwischen zu verstehen und zu beherzi­
der Reichweite auf About You gen: »Die Start-ups der Otto Group, inklusive Collins,
sind externe Innovationszellen, um neue Techno­lo­gi­
PAGE 09.14 089

en und Ansätze sehr flexibel und schnell für die Edited: Mix aus
Grup­pe zu testen und zu operationalisieren«, erklärt Kuration, Redaktion
Benjamin Otto die Rolle des Tochterunternehmens. und Social Media
Eine Onlineredaktion
Neue Zielgruppen, neue Zugänge kuratiert das persönliche
Wie alle Textilversender steht der Hamburger Kon­ Shoppingangebot für
zern vor der Herausforderung, Neukunden zu akqui­ junge und jüngste
Fashion-Zielgruppen.
rieren, und die fehlen ihm vor allem in der jungen, di­
Hier wird auch die
gital affinen Zielgruppe, die – salopp gesagt – nicht zusammen mit About You
auf den Kataloglook steht. Im Juni 2013 kaufte die gelaunchte Website
Otto Group zunächst die Digitalagenturen von Sebas­ Edited betreut. Die neue
tian Betz (Creative-Task GmbH) und Tarek Müller Modemarke soll die
(NetImpact Framework GmbH). Die Firmen fusio­ jungen Frauen mit
nierten, und das Start-up Collins war geboren, mit ausgewählter Marken-
kleidung, exklusiven
Betz und Müller als Mitgliedern der Geschäftsleitung.
Newcomer-Labels und
Derzeit arbeitet ein 140 Mitarbeiter star­kes Team da­
inspirierenden Social-
ran, ein Einkaufserlebnis für junge Frau­en und Män­ Media-Inhalten versorgen
ner zu erschaffen, das ein Markenmodell besitzt und
so Bindungswirkung ausstrahlt, die über übli­che Va­
riablen wie Preis oder Bequem­lichkeit hinausreicht.
Insbesondere Edited, das nicht nur Shop, sondern
auch eigene Fashionmarke und Content-Plattform
mit fünfköpfiger Moderedaktion ist, soll junge Frau­
en mit ausgewählter Markenkleidung, exklusiven
Newcomer-Labels und inspirierenden Social-Media-
Inhalten als Kundinnen gewinnen. Und die beißen
an: Schaffte es Refashion damals in drei Wochen ge­
rade auf 268 Likes, zählte die Edited-Seite bei Face­
book nach drei Wochen über 10 000 Fans – Chapeau!

Magnet für Medienpartnerschaften te der App 70 000 Besucher. »Das ist eine Vermark­
im Lifestyle-Bereich tungsweise, mit der sich die jungen Nutzer sehr
»Wir wollen mit der mobilen Version von About You stark identifizieren«, so Müller.
der erste Touchpoint für Mode werden«, sagt Tarek
Müller. »Der Nutzer soll gleich morgens in der Bahn Fokus auf Socia-Media-Marketing
die News seines App-Streams konsumieren.« Dazu About You setzt den Schwerpunkt eben etwas mehr
müsse man die mobile Seite bis zum Start der TV- als andere auf Social Media. Zu den Marketingmaß­
Kam­pagne im Herbst noch optimieren und den nahmen gehören zwar auch SEO, Google AdWords,
Shop-Algorithmus etwas anpassen. Doch sei dies Banner, Targeting, Affiliates und Preissuchmaschi­
machbar. Alles in allem sei der Kurs richtig – in spä­ nen – eben das, was alle machten –, und das sei auch
testens fünf Jahren soll About You profitabel sein. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx wichtig, meint Tarek Müller. Doch allein auf klassi­
Sicher will man die Zahl der Apps weiter steigern – sche Online-Marketing-Kanäle zu setzen und sich
alles darf probiert werden. Und wer weiß, viel­leicht »Wir haben dem harten Wettbewerb um Aufmerksamkeit aus­
taucht aus dem Modedschungel eines Tages ein App- Collins zuliefern, sei auf Dauer unrentabel.
Hitwunder à la »Angry Birds« auf . . . Ein App-Over­ nach dem Die Strategie mit redaktionellem Content und
load für den User ist nicht zu befürchten, weil des­sen Apps schafft, so Tarek Müller, neue Anziehungskräf­
persönlicher Stream nur passende Apps vorschlägt.
Management- te, um die User zurück auf die Shopseite zu bringen.
Zudem arbeitet man an einem Bewer­tungs­system Experten Diese ließen sich günstiger und nachhaltiger gewin­
und sucht nach weiteren Solution-Partner-Agen­tu­ Jim Collins nen, indem man Mehrwert für sie schafft – ohne da­
ren, die man mit dem System vertraut machen will, benannt, der bei auf die großen Gatekeeper angewiesen zu sein.
damit sie Kreativen ohne Program­mier­kennt­nisse »Wir haben uns überlegt«, erklärt Müller, »wie wir
Hilfe bei der Umsetzung ihrer Apps anbieten können.
untersuchte, Kunden besser abholen können, ohne mit anderen
Auch Medienpartnerschaften mit TV-Sendern und wie große Anbietern konkurrieren zu müssen.«
Verlagen, die ihre eigenen Shopping-Apps kreieren, Unternehmen Und es stimmt, About You lädt gerade auch we­gen
sind vielversprechend. Kooperationen mit Promi­nen­ innovativ der Apps zum intensiven Entdecken und ausgie­bi­gen
ten wie der »GZSZ«-Schauspielerin Anne Men­den in Stöbern ein. Einige machen einfach nur Spaß, an­de­
der About-You-App You&Idol haben bewiesen, wel­ bleiben« re bie­ten echten Mehrwert. Der Open-Com­mer­ce-
ches Potenzial das neuartige System birgt. Men­den Benjamin Otto, Ansatz wird wohl nicht nur in modischer Hinsicht
hat 300 000 Fans auf Facebook – ein Foto-Post von CEO, Collins funktionieren, sondern bald Nachahmer auch in an­
ihr in einem Outfit, das sie für You&Idol trägt, brach­ deren Handelsbereichen finden.  Lena Simonis
090 PAGE 09.14 › PROJEKTE › Collins

Concept Stores
mit Entwickler-
Die About-You-
Website setzten die
Collins-Entwickler
Background
komplett in der
Wireframing-Soft-
Was steckt hinter dem
ware Axure RP 7
um. Sie passt perfekt
Open-Commerce-Konzept
zum modularen von About You?
Ansatz des Atomic
Webdesigns, durch
den sich die Seiten ● Unter  http://developer.aboutyou.de  kön­nen De­
besonders zügig veloper nach erfolgter Registrierung über eine offe­
realisieren ließen ne Programmierschnittstelle auf die Produktdaten­
Schneller umsetzen bank von About You zugreifen und daraus Apps ent­
wickeln, die nach dem Freigabeprozess in den Shop
mit Atomic Webdesign integriert werden, sich aber auch in externe Syst­eme
● Im Zentrum der User Experience der About- einbinden lassen (siehe Seite 92).
You-Site steht die Social-Media-affine Ziel­ Überhaupt ging es von Anfang an darum, etwas
grup­pe, die Imed Jami, Leiter Frontend, Kon- ganz anderes zu machen. Auch Zalando oder Spread­
zeption und UX Design, bis ins Detail studierte. shirt öffnen zwar punktuell ihre APIs für Entwickler,
So ermittelte er anhand von Bevölkerungsda­ wenn sie Hackathons in eigener Sache veranstal­ten.
ten des Statistischen Bundesamts Haushalts­ Das Start-up Collins verfährt darin aber deutlich ra­
größen, Internetverbindungen, Browser-Vor- dikaler: »Wir versuchen, Dritten die Möglichkeit zu
lieben oder vorhandene Unterhaltungselek­ geben, eigene Shopping-Lösungen nahtlos in unse­
tro­nik – auch um zu wissen, wie groß die Apps re Plattform ein­zubinden«, erklärt Tarek Müller. »Da­
sein durften, damit sie sich für den User schnell hinter steht ein offenes Ökosystem, in dem wir eige­
an­fühlen. Mit dem App-Ansatz und der News- ne Visionen schnell verwirklichen und an das externe
stream-Idee gab es schon ein grobes Konzept. Entwickler sowie Kreative und Händler eigenstän­
Für erste Frontend-Entwürfe überlegte man dig andocken können.«
sich in kleiner Runde diverse Website-Uni­ver­ Statt lange über Funktionalitäten zu diskutieren,
sen (»Frau­en«, »Männer«, »Marken«, »Apps«, setz­te man also bereits eine Schaltstelle weiter oben
»You«). Diese Entwürfe präsentierte das Team an: »Das war auch der Moment, in dem Tarek und
und probierte in A/B-Tests Na­vi­gationen aus. ich uns in das Konzept verliebt haben«, bekennt
Dabei setzte es viele Usability-Methoden ein. Sebastian Betz. »Wir hatten früher schon Tausende
Ungewöhnlicher ist der Atomic-Webde- Ideen für coole Shopping-Apps, aber es gab immer
sign-Ansatz, den das Team verfolgte, als die diese Hemmschwelle, dass wir kein Kapital dafür­
Informations­architektur stand: »Damit konn­ hatten, das ganze Drumherum aufzubauen.« Mit
ten wir ganze Seiten auf Basis von Wireframes dem neuen Collins-Konzept ist für sie jedoch nun
in Axure umsetzen«, erklärt Jami. Das von Brad xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx genau dies möglich.
Frost 2013 ins Spiel gebrachte Gestaltungs­
kon­zept denkt Webprojekte als Summe kleins­
»Wir haben Frontend auf Python- und
ter Designbausteine (Formulare, Button, Text­ hier sehr viele PHP-Basis
fel­­der et cetera), die man zu größeren Inter­ Ideen, und Nicht einfach, dem Otto-Vorstand ein Vorhaben zu
fa­ce-Elementen kombiniert, um daraus ganze,
es macht erklären, dessen Ansatz man nicht live demonstrie­
wiederverwendbare Designs zu erzeugen ren kann und von dem sich schon gar nicht sagen
( h
  ttp://bradfrostweb.com )  . Mit ihnen konzi-
Spaß, immer lässt, wie es nach der Umsetzung in einem Jahr aus­
piert man dann Templates für die Website wieder Neues sehen würde. Klar war damals nur, dass der Kon­
( h
  ttp://is.gd/zweiblogatomic )  . Dies bewährt ausprobie­ren zern mit dem App-Konzept genau die gewünschte
sich gerade bei responsiven Projekten. »Die
Ent­wickler konnten sich stets an einem Kom-
zu können« Zielgruppe ansprechen könnte – und das überzeug­
te. Das Projekt sollte sich daher keinesfalls auf mo­
ponentenkatalog orientieren und kamen sehr Imed Jami, Leiter bile Apps beschränken, sondern sich so öffnen, dass
schnell und strukturiert voran.« Tests zeigten Frontend, Konzeption auch Apps für Facebook, Spotify oder Twitter leicht
sogar, dass die für den Atomic-Ansatz so typi­ und UX Design bei zu realisieren wären. »Und wir haben gesagt: Wenn
schen wiederkehrenden Elemente sich positiv
About You, Hamburg wir den offenen Ansatz konsequent umsetzen wol­
auf die Seitenverweildauer auswirken.  le len, müssen wir auch die eigenen Shops auf unsere
API aufsetzen«, erzählt Sebastian Betz.
PAGE 09.14 091

»Alles ist von innen heraus gedacht«, beschreibt


er. »Wir haben nicht auf ein Shopdesign oder kon­
krete Funktionen hingearbeitet, sondern uns ein
tech­­nisches Fundament überlegt, eine Core-IT, die
die Merchants anbindet und die Kernprozesse fo­kus­
siert. Erst im Anschluss haben wir über das Front­
end nachgedacht.« Das Herzstück entstand dann
in Python: »Die Core-IT-Applikation kommuniziert
nur über APIs und bildet sehr viele interne Prozesse
ab. Da sich diese häufig verändern, hat sich Python
bewährt – so können wir schnell und flexibel Ände­
rungen vornehmen«, so Betz.
Parallel startete sein Team mit der API und über­
legte sich die Kernfunktio­nen, die App-Entwickler
für ihre Shops benötigen würden: »Eine App braucht
Pro­duktdaten, muss Artikel in den Warenkorb le-
gen und den Kunden zum Bestellprozess leiten«,
zählt Sebastian Betz auf. Gleichzeitig setzte sein
Team ­erste Testshops ganz nach klassischer E-Com­
merce-Manier in PHP auf. »Es sollte damals in er­
ster Linie schnell gehen.«

Flexibilität und Einfachheit


Während der gesamten Entwicklungsphase – agil
in ein- bis zweiwöchigen Sprints – galt es den Spa­
gat zwischen Flexibilität und Einfachheit zu halten:
»Wir wollten den Programmierern die größte Frei­
heit geben«, so Betz. »Andererseits durfte die Ein­
stiegshürde nicht zu hoch sein.« Also setzte sich das
Team auch am Wochenende hin, testete selbst und
ließ bald auch externe Coder auf die Schnittstelle,
um sich Feedback zu holen und sie schrittweise zu
verbessern – oder Aspekte zu verwerfen:
»Anfangs haben wir viel zu sehr im Grundgerüst
eines Shops gedacht, es müsste Kategorien ge­ben
und die Entwickler könnten die Produkte dann dort
hineinmappen«, berichtet Sebastian Betz. »Zahlrei­
che Apps funktionierten aber – zum Glück – gar nicht
nach dieser Logik. Eine ganze Reihe von Entwick­
lern wollte eher so was wie Newsstreams machen
oder Outfit-Generatoren. Dafür braucht man keine
Kategorien.« Diese lassen sich zwar anlegen, sind
aber verzichtbar. Ein anderer schwieriger Punkt wa­
ren die Detailseiten. »Wir dachten, dass die Entwick­
ler Freiheit bei der Produktdarstellung wollen. Viele
hatten aber gar keine Lust, die Detailseiten selbst
anzulegen«, so Betz. »Ihre App kann sie einfach aus
unserem System per Link aufrufen.«
Die komplexe Offenheit des Systems von About
You stellt die Entwickler immer wieder vor neue
­Herausforderungen, schließlich verzichtet man be­
wusst auf Fremdlösungen und optimiert stattdes­
sen stetig das eigene System. »Wir wollen die About-
You-Seite und ihre Apps noch stärker vermischen,
den Stream-Gedanken stärker verankern, um die
Apps beim User besser pushen zu können«, sagt
­Sebastian Betz. »Wir haben eine gute Basis geschaf­
fen, jetzt müssen wir die Plattform noch weiter ver­
bessern – immer mit Blick auf die Bedürfnisse der
Menschen, die mit uns entwickeln.«  le
Statistiken zum Umsatz und zur Conversion Rate ihrer App können die Entwickler im About You Developer Center einsehen.
Rechts: Das Design und die Produktanzeige der Apps lassen sich individuell programmieren

So entstehen die Im About You App Store


veröffentlichen

Apps für den Shop


5
Die Veröffentlichung der App
im About You App Store er­

von About You folgt mit einem Klick über


das Developer Center. Das Team von
About You überprüft dann die App
und schaltet sie frei. Anschließend
Sebastian Betz zeigt am Beispiel der App kön­nen Besucher sie aufrufen. Außer­
Wetterfest, wie man Apps im Developer dem bietet das Developer Center eine
Funktion, mit der man die App extern
Center des Shops anlegt und veröffentlicht beispielsweise in den eigenen Word­
Press-Blog einbinden kann.

● Unsere in der Skriptsprache PHP fest sämtliche Produkte ange­schal- Provision und
ge­schriebene Wetterfest-App war eine ­tet, um eine größtmögliche Aus­wahl Reporting
der ersten Anwendungen im About zu gewährleisten.

6
You App Store. Sie schlägt Usern Out­ Für die Verkäufe aus der App
fits vor, die zum aktuellen Wetter pas­ PHP-Projekt aufsetzen heraus erhalten Entwickler ei­
sen. Die Anwendung steht auch als und SDK einrichten ne Provision. Verkaufsstatis­ti­
Open-Source-Projekt auf GitHub. Wer ken sind in Echtzeit im Developer Cen­

3
will, kann sie von  http://github.com/ Für die Wetterfest-App ver­ ter einzusehen. Auf der Grundlage die­
aboutyou  herunterladen und zu einer wen­­deten wir das PHP-Web­ ser Informationen kann man die App
eigenen App weiterentwickeln. framework Laravel (  http:// stets optimieren und auch den Erfolg
laravel.com  ). Damit die Arbeit mit der diverser Online-Marketing-Aktivitäten
App anlegen About-You-API leichter von der Hand messen. Sebastian Betz (le)
geht, bieten wir im About You De­ve­

1
Im About You Developer Center loper Center Software De­velopment Code zur About-You-App Wetterfest.
(  http://developer.aboutyou.de  ) Kits für PHP, Python, iOS, Ruby, Java­ Den verwendeten Code finden Sie unter 
lässt sich in wenigen Schrit­ten Script und Android an. Für Wetter­fest www.page-online.de/projektcollins  
eine App erstellen. Der Entwickler er­ können Sie das PHP-SDK (  http://is.
hält automatisch eine App-ID sowie gd/php_sdk  ) mit Com­poser (  https://
Sebastian Betz ist CTO und Mitglied
ein App-Token, das später zur Authen­ getcomposer.org  ) installieren. der Geschäftsleitung von Collins.
tifizierung in der API dient. Einer entrüsteten Stylistin musste
Zum Wetter passende er erklären, dass die Developer
unschuldig waren, wenn sie von »Mongo«
Sortiment definieren Produkte abrufen sprachen. Gemeint war natürlich

2 4
die Open-Source-Datenbank MongoDB
Die angelegte App hat jetzt Die Funktion "getWeatherByIP($_
vol­len Zugriff auf das Sorti­ SERVER[‘REMOTE_ADDR’])" iden­ti-
ment von About You. Über fiziert die Herkunft des Besu­ Lena Simonis ist Journalistin in Hamburg
das About You Developer Center so­ chers über seine IP-Adresse und nutzt und schreibt über die Welt der digitalen
Medien. Zu Collins hätte sie gerne ihre
wie direkt über die API lassen sich diese Geodaten, um das Wetter vor Ort
Söhne mitgenommen. Schließlich mode-
­bestimmte Marken, Ka­tegorien und bei einem Wetterdienst abzufragen. riert die Presse­verantwortliche Muschda
Produkte für die App deaktivieren. Al­ Da­nach lädt die App Out­fits aus der Sherzada auch den Tigerentenclub.
lerdings bleiben für die App Wetter­ Datenbank, die zum Wetter passen. ↗ http://lenasimonis.tumblr.com
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