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SPW1 Spirituelle Psychologie
SPW1 Spirituelle Psychologie
Der Lehrgang in
SPIRITUELLER WISSENSCHAFT
(GEIST-WISSENSCHAFT)
No 1
Spirituelle Wissenschaft, Spirituelle Psy-
chologie die Macht unseres Denkens 1
Weiterer Titel:
„Wie tickt das Universum - Die Symphonie Gottes und mein einzigartiger
Beitrag darin“
7. Auflage 2015
Printed in Germany
Axel Burkart,
Initiator und Leiter des Lehrgangs
Begründer der Akademie Zukunft Mensch
als im Sommer des Jahres 1914 wie aus einem heiteren Himmel der 1. Weltkrieg ausbrach, war die
Welt überrascht. Zwar wurde überall von der Möglichkeit eines Krieges gesprochen, aber keiner
wollte ihn wirklich. Und so führten die hektischen diplomatischen Bemühungen in den europäischen
Regierungshäusern dazu, dass die Politiker ganz ernsthaft davon sprachen – und das noch relativ
wenige Tage vor Kriegsausbruch-, dass es keinen Krieg geben würde. Und dann brach das Unheil
herein wie ein plötzliches und unerwartetes Sommergewitter. Was war da geschehen?
Alle Historiker rätseln bis heute, welche Mechanismen zu diesem Krieg geführt haben, und zwar in-
nerhalb weniger Wochen in jenem Sommer 1914. Im Grunde lernen wir auch in der Schule nichts
darüber, wie das geschehen konnte.
In der Physik sind wir gewohnt, in klaren Gesetzmäßigkeiten zu denken. Wie aber ist es in der Ge-
schichte? Gibt es Gesetzmäßigkeiten, die unabdingbar zu diesem Krieg führen mussten? Oder war
es wieder der Zufall? Oder die menschliche Freiheit, die jederzeit entscheiden kann, ob es einen
Krieg gibt oder nicht? Aber es war ja nicht ein einzelner Mensch, der über diesen Krieg entschied,
sondern eine Gruppe von etwa einem halben Hundert Personen in Europa, die sich plötzlich mit et-
was konfrontiert sahen, was sie vorher ernsthaft selber nicht sehen konnten. Was war da gesche-
hen?
In den Jahren danach enthüllte sich das, was hier hinter den Kulissen wirkte, und zwar auf mehre-
ren Ebenen. Und es ist das Thema unseres Lehrgangs, diese Hintergründe zu ergreifen und zu ver-
stehen, was uns als Menschen treibt, welche Gesetze und Kräfte hier wirken.
Zum einen wissen wir heute, dass es ganz bestimmte Kräfte waren, die gerade im Sommer des
Jahres 1914 gewissermaßen Macht über die entscheidenden Politiker ergreifen konnten, und zwar
auf der inneren Ebene ihres Seins. Kräfte und Mächte im Geistigen waren es, welche zu diesem
Krieg trieben.
Wenn wir dann auch mit Verblüffen hören, das bereits Ende des 19. Jahrhunderts (1890) Karten von
Europa im Umlauf waren, die eine Aufteilung des Kontinents „nach dem ersten großen Krieg“ zeig-
ten, die ziemlich dem entsprachen, was dann 1918 Realität wurde, dann begreifen wir, dass es aber
auch noch real materielle Kräfte gibt, die offensichtlich hinter den Kulissen wirken und von deren
Entscheidungen wir abhängig sind.
Wir begreifen, dass wir solche Geschehnisse, aber auch die Geschehnisse in unserem eigenen Le-
ben, eben nur dann wirklich erfassen und verstehen können, wenn wir uns erheben heraus dem
Scheingebilde der Materie und hinter die Kulissen des Welttheaters blicken. Dazu aber müssen wir
die geistigen Kräfte erkennen und studieren, die hier wirken und die auch in uns wirken. Und damit
müssen wir den Boden einer neuen Wissenschaft betreten, den Boden der Wissenschaft von der
geistigen Welt, den der SPIRITUELLE WISSENSCHAFT, der GEIST -WISSENSCHAFT.
Erst mit diesem Wissen beginnen wir wirklich zu verstehen. Erst mit dem Wissen um Geist und See-
le, die seelische Welt und die geistige Welt und die darin wirkenden Kräfte und Wesen, werden wir
zu Wissenden, die nicht mehr Getriebene sind, sondern zu Treibenden werden, die nicht mehr von
den inneren und äußeren Kräften manipuliert, beeinflusst und getrieben werden, sondern die aus
Freiheit! und Verantwortung können wir nicht trennen. Also ist der Weg zu unserer Freiheit! gleich-
zeitig der zu unserer Eigen- und Mit-Verantwortung. Was aber ist dafür notwendig? Einsicht, Wis-
sen, Verstehen und Verständnis.
Das ist die Thematik unseres Lehrgangs, der den Teilnehmern in systematischer Form das Wissen
um die großen Zusammenhänge des Lebens und des Kosmos vermittelt, so wie sie uns heute ver-
fügbar sind: Wichtig dabei ist, dass wir uns eigene Erkenntnisse erarbeiten das Wissen zu unserer
eigenen Wahrheit machen. Dieses Wissen werden wir begleiten und prüfen durch unsere eigenen
Fähigkeiten des klaren Denkens und des wissenschaftlichen Geistes, sowie der modernen wissen-
schaftlichen Erkenntnisse aus den Naturwissenschaften.
Wir werden uns in Theorie und Praxis damit immer mehr unsere innere Freiheit! entwickeln, um sie
auch praktisch im Leben umzusetzen – für unser eigenes Wohl und das aller Mitmenschen. Wir ver-
stehen den Lehrgang auch als einen Aufruf, die eigene Freiheit! zu wollen und zu leben, die eigene
Zukunft immer bewusster zu gestalten.
So freuen wir uns, dass Sie uns auf diesem Pfad und dieser Reise begleiten und wenn Sie so davon
profitieren, wie wir uns das vorstellen.
Wir freuen uns natürlich auch, wenn wir uns in den begleitenden Seminaren persönlich treffen und
kennen lernen und auch die Lehrgangsteilnehmer sich gemeinsam austauschen und „aneinander
aufwachen“ und „miteinander wachsen“ können.
Unser Ziel ist die persönliche Freiheit! eines jeden Einzelnen, das große Ziel des Weltenplans, und
unser Lehrgang hat dann seinen Beitrag geleistet, wenn Sie sagen: Ja, jetzt führt mich mein Schick-
sal nicht mehr, sondern ich nehme es in die Hand. Jetzt will ich es mehr und mehr in meine Hände
nehmen. Es war Nelson Mandela, der über 20 Jahre im Gefängnis saß und den folgendes Gedicht
inspirierte, seine Zeit dort konsequent zu durchstehen, das genau unser Thema betrifft. Der Autor ist
William Ernest Henley, ein englischer Dichter, 1849-1903. Ihm wurde bereits mit 20 Jahren sein
Bein aufgrund seiner TBC amputiert. Er schrieb das Gedicht „Invictus“, „Der Unbesiegte“ oder „Der
Unbesiegbare“ 1875. Das Wort „Los“ heißt korrekt „Schicksal“. Die „Pforte“ bezieht sich auf das
Neue Testament, Matthäus 7,13:
Der Lehrgang besteht aus Lehrheften (Basis- und Spezial-Lehrhefte) und Seminaren.
Der Lehrgang ist systematisch aufgebaut. Es können die Lehrhefte auch frei erworben werden. Wir
empfehlen allerdings das systematische Studium ab Heft 1.
Es gibt eine Reihe von Literaturhinweisen. Für die Werke, deren Inhalt von uns letztlich als wichtig
für den Lehrgang und die eigene Arbeit zu Hause angesehen werden, gibt es spezielle Hinweise. Es
wird daher empfohlen, diese Werke zu erstehen und zusätzlich damit zu arbeiten.
Der Lehrgang ist ein systematisches Studium der geistigen Gesetzmäßigkeiten in Theorie und Pra-
xis, der in die Freiheit! führen soll und in das Schöpfer-Sein. Er ist ein wissenschaftlicher Lehrgang
in dem Sinne, dass er logisch und klar in seinen Inhalten und seinem Aufbau sein soll.
Es ist daher unumgänglich, dass alle Begriffe, die von zentraler Bedeutung sind, wie „Seele“,
„Geist“, „Ich“, „Gefühl“, „Empfindung“, „Gedanke“, „Gott“, „Wissenschaft“, „Freiheit“ usw. auch in ih-
rer Bedeutung klar definiert bzw. beschrieben werden. Der Lehrgang hat seine Einzigartigkeit auch
darin, dass in ihm die entsprechende Klarheit in den Begriffen über das Geistige und Seelische ge-
geben wird.
Wir werden dazu teilweise auch abweichen müssen von allgemeinen Vorstellungen zu einigen Beg-
riffen, wie sie heute auch in der Wissenschaft verwendet werden, werden aber auch auf diese Ab-
weichung hinweisen und sie erläutern. Der Lehrgangsteilnehmer bekommt so, wie auch überall im
Lehrgang die Möglichkeit und Freiheit!, seine Wahl zu treffen und nach seinem eigenen Urteil zu
entscheiden. Der Lehrgang wird insbesondere dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, die Lehr-
gangsteilnehmer dorthin zu führen, dass sie nichts ungeprüft übernehmen, sondern für sich selber
alles auf Stimmigkeit hin überprüfen, um sie so für sich selber neu zu erschaffen. Das bedeutet be-
reits praktizierte Freiheit! Hierzu werden auch die wichtigen Begriffe farblich und in „KAPITÄLCHEN“
abgesetzt. Damit bekommt ein jeder Lehrgangsteilnehmer eine systematische theoretische und
auch praktische Ausbildung in Bezug auf die Welten des Geistes und der Seele.
Als Initiator und Leiter des Lehrgangs, Verfasser auch der Lehrhefte einige Worte zu mir, Axel Bur-
kart: Ich befasse mich seit 38 Jahren mit den Themen der SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT in Theorie
und Praxis, halte dazu Seminare seit 1976 und habe einige Bücher veröffentlicht. Mein großes Ziel
ist es auch, dass diese neue Wissenschaft, die ich auch in diesem Heft vorstellen möchte, eine brei-
tere Verwendung findet. Ich habe ursprünglich Mathematik und Informatik im Diplom studiert, eine
spezielle Ausbildung und langjährige Erfahrung als TM-Lehrer, Lehrer für Vedische Wissenschaft
und Yoga hinter mir, habe intensiv mit Ayurveda gearbeitet und vor vielen Jahren parallel begonnen
unser westlich spirituelles Wissen zu studieren, vor allem die Anthroposophie Rudolf Steiners.
Auch ich lerne durch diesen Lehrgang und durch Ihr Engagement viel dazu und kann somit auch
diese Arbeit leisten. Dafür vorab Danke und auch einen großen Dank für Ihr Vertrauen.
Zur methodischen Arbeit haben wir die Hefte so aufgebaut, dass wir Seitenränder lassen, an denen
man sich wichtige Notizen machen kann. Sie stellen Arbeits-Hefte dar. Zum zweiten haben wir im-
mer wieder Leerseiten gelassen, auf denen Sie sich zusammenfassende Bemerkungen machen
können. Denn Ziel ist ja, das Material nicht nur zu lesen, sondern reflektierend zu verstehen und es
sich zu erarbeiten, damit es lebendiger Bestandteil Ihres Lebens werden kann.
Literaturhinweise Teil I 53
Teil II: Spirituelle Psychologie
Teil II-1: Unsere Wesensglieder - 1
10
Die Frau liegt im Koma. Sie ist als unheilbar krank erklärt worden. Multiple Sklerose ohne Hei-
lungschance. Alter: 28 Jahre. Die Ärzte geben ihr ein halbes Jahr. Der Körper ist weitgehend ge-
lähmt. Das geschah vor 18 Jahren. Heute ist diese Frau aktiv wie kaum ein anderer Mensch.
Was geschah damals?
Die Frau erlebt damals in ihrem Koma alles völlig bewusst. Sie begreift in aller Konsequenz, wel-
ches Heiligtum ihr Körper ist. Sie begreift, dass sie ihren Körper, ihre „Stadt“ durch ihre Lebens-
weise zerstört hat. Denn sie erlebt ihren Körper in Bildern einer Stadt, sieht die zerstörten Stra-
ßen und Häuser. Und sie weiß, dass sie eine Entscheidung treffen muss:
„Entscheide dich für dein Leben oder verlasse dieses Leben.“
Sie entscheidet sich dafür. Denn sie darf sich in der geistigen Welt anschauen, wohin sie geht
und welcher Sinn hinter diesem Leben steht und welche Bedingungen dafür geschaffen wurden –
und wie viele Wesen daran miteinander mitgewirkt haben.
Sie erlebt in diesem Koma in vollem Bewusstsein, welch göttliches Geschenk dieser Körper und
ihr Mensch-Sein ist. Und so beginnt sie in dieser für die Menschen außen scheinbar „toten“ Zeit
in aller Lebendigkeit ihre Stadt wieder aufzubauen, ihren Körper selbst zu heilen.
Stück für Stück beginnt sie die Straßen zu säubern und die Häuser wieder aufzubauen. Später,
als sie aus dem Koma erwacht und nach zwei Jahren alle Lähmungen verschwunden sind und
keine Begleiterscheinungen mehr auftreten, wie bei MS üblich, sprechen die Ärzte natürlich von
einem „Wunder“.
Das Wort „Spontanremission“ passt nicht, weil es nur für Krebskrankheiten verwendet wird. Doch
es ist für die Welt außen eine „Spontanheilung“. Sie war aber alles andere als spontan. Es war
ein bewusstes Arbeiten unter Einsatz aller göttlich-menschlichen Kräfte des Geistes und der See-
le, die in der Lage sind, alles im Körper zu heilen.
Sehr spannend für sie ist auch, dass alles, was sie in dieser Zeit in ihrem Innenleben an Wissen,
Informationen, Schulungen bekommt, sich sofort außerhalb während des Tages physisch zeigt.
Hinweise auf Heilmittel aus dem Geistigen erfüllen sich beispielsweise dadurch, dass jemand die
Heilmittel (von sich aus) vorbeibringt. Dies geschieht nahezu tagtäglich und zeigt das große Ge-
setz der Resonanz zwischen Geist und Materie.
In dieser Zeit ihres Komas geschehen noch zwei weitere Dinge. Erstens lebt sie völlig bewusst
außerhalb ihres Körpers, begleitet die Verwandten und Ärzte überall hin, hört ihre Gespräche,
sieht, was sie tun. Als sie aufwacht erzählt sie den verblüfften Ärzten das, was sie gehört und ge-
sehen hat und man bestätigt ihre Wahrnehmung als völlig korrekt.
Das Zweite, was geschieht, sind Reisen in die Welt der Seele und des Geistes. Sie erlebt geisti-
ge Wesen, kommuniziert mit ihnen und lernt von ihnen.
Nach ihrem Aufwachen, ihrer „Auferstehung“, ihrer „Wiedergeburt“, der intensiven Arbeit an ihrem
Körper, die zu einer vollständigen Heilung bzw. einem vollständigen Verschwinden aller Sym-
ptome der Multiplen Sklerose führt, die medizinisch exakt mit Rückenmark-Punktur festgestellt
worden war, und den intensiven Reisen und Schulungen in der geistigen Welt, entwickelt sich bei
ihr die besondere Fähigkeit, weiterhin in die geistige Welt hineinsehen zu können.
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Wir werden im Laufe dieses Lehrgangs weiter auf solche Erfahrungen und Berichte zurückgrei-
fen, weil wir damit die Möglichkeit haben, die lebendige Erfahrung mit der geistigen Welt in unser
Studium einbeziehen zu können.
Diese Erfahrung als kurzen Bericht wollen wir an den Anfang stellen, weil wir hier eine wunderba-
re Möglichkeit haben, die Realität der geistigen Welt nachzuvollziehen. Wozu dient nun unser
Lehrgang?
Der Lehrgang hat die Aufgabe zum einen, alles das, was hinter solchen Erfahrungen steht, mög-
lichst klar verstehen zu können. Denn all die Fragen, die damit verbunden sind, bewegen uns
Menschen seit Urzeiten:
Gibt es eine geistige Welt? Wer sind wir? Woher kommen wir? Wo gehen wir hin? Sind wir
unsterblich? Was passiert nach dem Tod? Was passiert bei diesen außerkörperlichen
Erfahrungen und Reisen? Was geschieht bei Nahtod-Erlebnissen? Was geschieht bei der
Heilung? Wie sind solche Wunderheilungen erklärbar? Diese und viele andere Fragen mehr
werden wir in diesem Lehrgang anschneiden und zu beantworten versuchen.
Zum Zweiten wird es darum gehen, dass wir für uns selbst, das gewonnene Wissen aus dem
Lehrgang im Lebensalltag anwenden können. Denn dieses Wissen ist kein reiner Selbstzweck,
sondern es macht uns zu praktischen Menschen im Leben und zu Menschen, die ihr Leben meis-
tern können, ihre Zukunft immer bewusster gestalten und zu verantwortlichen Mit-Schöpfern wer-
den.
Und wer immer sich zusätzlich dazu entscheidet, auch den Weg direkt hinein in die geistige Welt
zu gehen (d. h. in die Schulung eines Hellsehens), wird diesen Weg auf gesichertem Pfad gehen
können, wenn er dem Pfad der GEIST-WISSENSCHAFT folgt.
Wir werden uns in diesem Lehrgang nämlich auch erarbeiten, wie wichtig eine gesunde, profunde
und gesicherte Geistesschulung ist, wenn wir in irgendeiner Weise mit der geistigen Welt arbei-
ten oder arbeiten wollen oder sogar in sie hineintauchen und sie erforschen wollen. Die Gefahren
darin sind sehr groß und dieser Lehrgang soll uns ein erstes Rüstzeug geben, zu verstehen, wie
man die geistige Welt zu betreten hat, damit man gesichert ist. Niemand erklimmt den Mount E-
verest unvorbereitet und ohne richtige Ausrüstung und Training. Und der Mount Everest ist ein
Kinderspiel im Vergleich zu dem Berg der geistigen Welt.
Der Lehrgang soll uns aber in erster Linie der schöpferischen Bewältigung unseres praktischen
Lebens dienen. Die geistige Schulung erfolgt nicht um ihrer selbst willen, sondern sie dient dem
Leben. Die Entwicklung unserer Freiheit! ist der praktische Schritt dazu, und je mehr wir das Le-
ben so meistern, werden wir den Wert der Geistesschulung und die Realität der geistigen Welt
immer mehr selber erkennen.
Nutzen Sie bitte diese Freiräume, vor allem auch für Fragen, die Sie uns unbedingt stellen sollen.
Der Lehrgang lebt auch davon, dass die Teilnehmer Fragen stellen.
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EIN WUNDERBARES LIED ist euch bereitet; Und wie er nun den Gipfel ganz erstiegen,
Vernehmt es gern und jeden ruft herbei! Sieht er ein nahes, sanft geschwungnes Tal.
Durch Berg und Täler ist der Weg geleitet; Sein stilles Auge leuchtet von Vergnügen;
Hier ist der Blick beschränkt, dort wieder frei, Denn vor dem Walde sieht er auf einmal
Und wenn der Pfad sacht in die Büsche gleitet, In grüner Au ein schön Gebäude liegen,
So denket nicht, dass es ein Irrtum sei; So eben trifft's der letzte Sonnenstrahl:
Wir wollen doch, wenn wir genug geklommen, Er eilt durch Wiesen, die der Tau befeuchtet,
Zur rechten Zeit dem Ziele näher kommen. Dem Kloster zu, das ihm entgegen leuchtet.
Doch denke niemand, dass mit vielem Sinnen Schon sieht er dicht sich vor dem stillen Orte,
Das ganze Lied er je enträtseln werde: Der seinen Geist mit Ruh und Hoffnung füllt,
Gar viele müssen vieles hier gewinnen Und auf dem Bogen der geschlossnen Pforte
Gar manche Blüten tragt die Mutter Erde; Erblickt er ein geheimnisvolles Bild.
Der eine geht mit düsterm Blick von hinnen, Er steht und sinnt und lispelt leise Worte
Der andre weilt mit fröhlicher Gebärde: Der Andacht, die in seinem Herzen quillt,
Ein jeder soll nach seiner Lust genießen, Er steht und sinnt, was hat das zu bedeuten?
Für manchen Wandrer wird die Quelle fließen. Die Sonne sinkt und es verklingt das Läuten!
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Ermüdet von des Tages langer Reise, Das Zeichen sieht er prächtig aufgerichtet,
Die auf erhabnen Antrieb er getan, Das aller Welt zu Trost und Hoffnung steht,
An einem Stab nach frommer Wandrer Weise Zu dem viel tausend Geister sich verpflichtet,
Kam Bruder Markus, außer Steg und Bahn, Zu dem viel tausend Herzen warm gefleht,
Verlangend nach geringem Trank und Speise, Das die Gewalt des bittern Tods vernichtet,
In einem Tal am schönen Abend an, Das in so mancher Siegesfahne weht:
Voll Hoffnung in den waldbewachsnen Gründen Ein Labequell durchdringt die matten Glieder,
Ein gastfrei Dach für diese Nacht zu finden. Er sieht das Kreuz, und schlägt die Augen nieder.
Am steilen Berge, der nun vor ihm stehet, Er fühlet neu, was dort für Heil entsprungen,
Glaubt er die Spuren eines Wegs zu sehn, Den Glauben fühlt er einer halben Welt;
Er folgt dem Pfade, der in Krümmen gehet, Doch von ganz neuem Sinn wird er durchdrungen,
Und muss sich steigend um die Felsen drehn; Wie sich das Bild ihm hier vor Augen stellt:
Bald sieht er sich hoch übers Tal erhöhet, Es steht das Kreuz mit Rosen dicht umschlungen.
Die Sonne scheint ihm wieder freundlich schön, Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?
Und bald sieht er mit innigem Vergnügen Es schwillt der Kranz, um recht von allen Seiten
Den Gipfel nah vor seinen Augen liegen. Das schroffe Holz mit Weichheit zu begleiten.
Und nebenhin die Sonne, die im Neigen Und leichte Silber-Himmelswolken schweben,
Noch prachtvoll zwischen dunkeln Wolken thront; Mit Kreuz und Rosen sich empor zu schwingen,
Er sammelt Kraft die Höhe zu ersteigen, Und aus der Mitte quillt ein heilig Leben
Dort hofft er seine Mühe bald belohnt. Dreifacher Strahlen, die aus einem Punkte dringen;
Nun, spricht er zu sich selbst, nun muss sich zeigen, Von keinen Worten ist das Bild umgeben,
Ob etwas Menschlichs in der Nähe wohnt! Die dem Geheimnis Sinn und Klarheit bringen.
Er steigt und horcht und ist wie neu geboren: Im Dämmerschein, der immer tiefer grauet,
Ein Glockenklang erschallt in seinen Ohren. Steht er und sinnt und fühlet sich erbauet.
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Wir stecken voller Geheimnisse. Das Universum steckt voller Geheimnisse. Die-
se Geheimnisse zu ergründen, darin liegt die stille Sehnsucht von uns Menschen.
Im September 2010 erschien ein neues Buch von dem Physik-“Genie“ Stephen
Hawkins: „Der große Entwurf. Eine neue Erklärung des Universums.“ Eine Re-
zension des Buches in der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 24. September 2010
beginnt sofort mit den Worten:
„Stephen Hawkins hat in seinem neuen Buch gemeinsam mit seinem Koautor die
Existenz Gottes widerlegt.“
Liebe Lehrgangsteilnehmer,
dieses Buch und dieses Zitat haben sehr viel mit unserem Thema zu tun und wir
werden immer wieder darauf zurückkommen müssen. Im Lehrheft über „Wahrheit
und Weltbild“ werden wir verstehen, was an diesem Buch möglicherweise gefähr-
lich sein kann für die Menschheit, was an diesem Zitat bereits ersichtlich wird.
Der Autor des Artikels ist selber Physiker und dürfte als Wissenschaftler einen
solchen Satz nicht sagen. Wir könnten hier sagen: Das ist unverantwortlich. Wa-
rum? Weil er aus wissenschaftlicher Sicht ein völlig falsches Bild erzeugt. Ste-
phen Hawkins hat nämlich definitiv nicht bewiesen, dass es keinen Gott gibt. Das
sind nur seine Meinung und seine Interpretation der physikalischen Ergebnisse,
die er kennt. Mehr aber nicht. Es ist nur seine Meinung. Es hat aber schon ein
anderer berühmter Mann diese Meinung gehabt (und nicht nur einer). „Gott ist
tot“, meinte damals Friedrich Nietzsche.
Wir haben es hier zunächst nur mit Meinungen zu tun. Sie sind keine wirklich Seine Aussagen
qualifizierten wissenschaftlichen Aussagen. Sie werden, liebe Teilnehmer, dazu sind nur Thesen,
eine klare Sicht bekommen, warum diese Meinung eines so berühmten Physikers nur Meinungen!
unwissenschaftlich ist und auch die Aussage oben. Der Schreiber hätte höchs-
tens schreiben dürfen: „Nach Ansicht Stephen Hawkins ist die Existenz Gottes
widerlegt.“ Das wäre eine völlig korrekte Aussage gewesen. So aber stellt er es
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Wir berühren mit diesem Buch nämlich das zentrale Thema von uns Menschen:
GOTT. Die Frage nach Gott ist die entscheidende für uns Menschen, und wir Es geht darum, die
werden in diesem Lehrgang lernen, diese Frage erst einmal richtig zu stellen. richtigen Fragen
Denn eine Antwort darauf zu geben, wie Hawkins, ohne die Frage richtig gestellt zu stellen oder
Fragen richtig zu
zu haben, macht keinen Sinn. Und wenn etwas keinen Sinn macht, ist es sinn-
stellen.
los. Und wir werden feststellen, dass von vielen „großen“ Geistern der Wissen-
schaft viel Sinnloses nach außen gegeben wird. Wir werden dazu aber lernen,
wie wir wirklich aus einer wissenschaftlichen Sicht herausfinden können, wie
sinnvoll manche Behauptungen und Theorien sind und wir werden im Kursteil
über Wahrheit eine machtvolle Technik dazu kennen lernen.
Und wenn Gott das zentrale Thema der Menschheit ist, dann müsste es auch
das zentrale unseres Lehrgangs sein. Und letztlich ist es dies auch, wobei wir
eben keine religiöse Vorstellung vorgeben, sondern uns selber auf den Weg zu
der Erkenntnis machen wollen. Über unseren ganzen Lehrgang hindurch werden
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Das sind durchaus die Fragen, die stets im Hintergrund all unserer Betrachtun-
gen stehen werden. Und sollten sie nicht explizit angesprochen werden, dann
denken Sie sich bitte diese Fragen mit hinzu. Denn ein großes Thema, ja auch
wieder zentrales Thema wird uns nämlich durch den ganzen Lehrgang begleiten, Erkenntnis - Frei-
das eng mit dem Mysterium unserer Freiheit! verbunden ist: das Mysterium der heit! - Liebe bilden
ein wichtiges zu-
LIEBE.
sammenhängen-
des Dreieck.
Zu lieben und geliebt zu werden, das sind unsere Sehnsüchte (wenn wir ehrlich
sind, vor allem das letztere). Doch dahinter webt noch eine andere Kraft, ein an- SPIRITUELLE WIS-
deres Verlangen: Erkennen, ERKENNTNIS. SENSCHAFT und
unser ganzer
„In den Geheimnissen des Denkens, des Geistes, hat sich mir die Kraft offen- Lehrgang sind das
bart.“ Euripides, 500 v. Chr. Abenteuer, den
GEIST, das große
Mysterium unse-
Mit den alten Griechen begann diese Sehnsucht offen zu Tage zu treten. Wir
res Lebens zu er-
Menschen begannen zu fragen, systematisch Fragen über die Rätsel des Uni- kennen.
versums, des äußeren und inneren, zu stellen.
Große Geister unter den Menschen haben seit jeher diese Geheimnisse enthüllt,
zumindest in Teilen. Deshalb wissen wir ja heute schon so viel über die spirituel- Der Weg dazu
wurde von den
len Geheimnisse des Lebens. In den früheren Kulturen geschah dies stets durch
geistigen Sehern
die Offenbarungen der SEHER. Sie enthüllten die Geheimnisse so weit sie diese bereitet.
schauen konnten. Dazu müssen wir allerdings bereits diesen Begriff akzeptieren.
Nehmen wir ihn einfach so an für den Moment, wir werden ihn später erläutern
und im Lehrgang immer mehr vertiefen. In den letzten Jahrhunderten sind als un- Die modernen
sere Naturwissenschaftler neue „Seher“ aufgetaucht, die Seher der Materie, die „Seher“ für die Ma-
terie sind unsere
uns deren Rätsel zu enthüllen begannen. Und weil sie so erfolgreich damit wa-
Naturwissen-
ren, haben wir solchen Respekt vor Ihnen, dass wir sie schon behandeln wie die schaftler.
neuen Gurus. Und genau darin liegt eine große Gefahr, die uns heute bereits
drastisch vor Augen gehalten wird. Sie „sehen“ mit
Doch wie stehen die großen Wissenschaftler zu dem Großen Ganzen? Von dem Auge des
Verstandes,
Hawkins haben wir eine erste Meinung gehört. Wir müssen aber nun nicht mei-
nen, dass dies die gängige Meinung der „Wissenschaft“ ist. Die Wissenschaft hat
keine Meinung, nur der einzelne Wissenschaftler. Hier ein anderer:
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„Es gibt keine Materie an sich. Als Physiker, der sein ganzes Leben der nüch-
ternen Wissenschaft, der Erforschung der Materie diente, bin ich sicher von
dem Verdacht frei, für einen Schwarmgeist gehalten zu werden. Und so sage
ich nach meinen Erforschungen des Atoms folgendes: Es gibt keine Materie an
sich! Aus der Logik der
Physik begründet
Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen Max Planck die
in Schwingungen bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Atoms zu- Existenz Gottes
sammenhält. Da es im ganzen Weltall aber weder eine intelligente noch eine und von Geistwe-
ewige (abstrakte) Kraft gibt, so müssen wir hinter dieser Kraft einen bewussten sen.
intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie. Nicht
die sichtbare, aber vergängliche Materie ist das Reale, Wahre, Wirkliche, son-
dern der unsichtbare unsterbliche Geist ist das Wahre. Da es aber Geist an sich
nicht geben kann und jeder Geist einem Wesen zugehört, so müssen wir zwin-
gend Geistwesen annehmen. Da aber auch Geistwesen nicht aus sich selbst
sein können, sondern geschaffen worden sein müssen, so scheue ich mich
nicht, diesen geheimnisvollen Schöpfer ebenso zu nennen, wie ihn alle alten
Kulturvölker der Erde früherer Jahrtausende genannt haben: GOTT."
Max Planck, Quantenphysiker, Nobelpreisträger
Wie unterschiedlich ist diese Sichtweise doch zu der von Hawkins! Keine Spur
davon, dass es keinen Gott gibt, im Gegenteil, er gibt einen logisch sehr klaren
Beweis, dass es ihn geben muss.
Hawkins drückt ja mit seinem neuen Buch die Überzeugung aus, dass wir nur
Naturwissenschaft brauchen, um das Universum erklären zu können. Also gera-
de das, was wir hier in diesem Lehrgang tun wollen, wird er als völligen Humbug
ablehnen. Wir fühlen uns aber im Einklang mit Einstein und Planck, den großen
Physikern, und noch mit einem weiteren:
„Der erste Schluck aus dem Becher der Naturwissenschaften führt zum Atheis-
mus, aber auf dem Grund wartet Gott."
Werner Heisenberg, Quantenphysiker, Nobelpreisträger
Leider hat Heisenberg, der - wie alle großen Quantenphysiker - mit seiner be-
rühmten „Unschärferelation“ so viel Verwirrung bei den Physikern verursacht hat,
nicht für alle Wissenschaftler Recht gehabt. Zumindest Hawkins ist noch nicht auf
den Grund vorgestoßen. Wir jedenfalls wollen diesen Grund „er-gründen“, jenen
Großen Geist und ihn möglicherweise in uns entdecken.
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„Dem düsteren Geist ist alle Natur wie Blei. Dem erleuchteten Geist erglänzt
und leuchtet die Welt im Licht.“ Emerson, 1803-1882
Was ist dieser erleuchtete Geist? Können wir ihn erleben? Ja, dazu dient unser
ganzer Lehrgang und die Erfahrung zeigt, dass eine solche Erleuchtung in klei-
nen Schritten bei den Teilnehmern stattfindet. Wir erkennen nämlich in unserem Die SPIRITUELLE
Mensch-Sein ein Wunder, wir erkennen ein gewaltiges Universum, das es zu er- WISSENSCHAFT ist
forschen und zu enträtseln gibt. Das ist spannend. Das gibt unserem Leben die die der Zukunft.
wirkliche Faszination. Und mit der GEIST-WISSENSCHAFT besitzen wir erstmals ein
Rüstzeug, uns auf ganz neue Art an diese Faszination heranzutasten und zu er-
gründen, wer wir sind.
Unser Lehrgang „Freiheit“ in der SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT wird dabei nicht
nur ein Lehrgang sein, der uns das Wissen um die großen kosmischen und geis- Und der Lehrgang
tigen Zusammenhänge gibt, nicht nur ein Lehrgang, der uns zu WISSENDEN DER soll eine systema-
ZUKUNFT machen soll. Er ist gleichzeitig und vor allem eine Geistesschulung, ei- tische Geistes-
ne systematische Geistesschulung. Und er ist damit ein Lehrgang für die Men- schulung sein, um
den Menschen ein
schen, die es wissen wollen und daraus ihr tägliches Leben neu ergreifen. Er ist
tiefes Stück näher
ein Lehrgang für jene, die Spaß, Freude und Mut haben, sich selbst zu erkennen an die Selbster-
und aus dem heraus tätig zu werden. Es geht nicht darum, nur Wissen zu erwer- kenntnis zu brin-
ben, sondern es anzuwenden und damit zu wachsen. Der alte Spruch der grie- gen.
chischen Weisen: MENSCH, ERKENNE DICH SELBST! steht dafür und auch der
folgende Text:
Marianne Williamson
Williamson lässt aus ihrer eigenen Erfahrung anklingen, worum es in unserem Leben gehen
mag: diesen Kosmos zu erkennen, die „Symphonie Gottes“, und darin uns. Uns zu erkennen,
das ist unser Thema und in Verbindung damit möglicherweise immer mehr herauszufinden, was
unser Anteil ist in dieser Symphonie. Sind wir ein harmonischer Ton, eine Disharmonie (die es
auch geben muss), ein Oberton, eine ganze Melodie oder ein ganzer Satz? Was ist das Thema
der Symphonie des Lebens, in der ich mitspiele? Diese Fragen anzugehen und sie doch in ei-
nem gewissen Umfang sehr klar zu beantworten, ist Ziel unseres Lehrgangs.
Zum Arbeiten mit diesen Unterlagen geben wir die Anregung, alles bewusst zu reflektieren, zu
durchdringen und sich neu zu erarbeiten, denn das bedeutet geistige Verdauung, sich dafür zu
entscheiden, es zu seinem Eigenen zu machen.
Wie bei unserer körperlichen Ernährung wird es darum gehen, intensiv zu schmecken, kräftig
zuzubeißen, intensiv zu kauen, damit es dann effektiv verarbeitet und das Unbrauchbare aus-
geschieden werden kann.
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Unbefangenheit
Zunächst unbefangen als Thesen und Theorie annehmen und sehen, ob das für
mich nachvollziehbar und stimmig ist – das ist die Haltung, die wir bei den Teil-
nehmern erbitten: Ich prüfe es für mich selbst. Das, was Zweifel und Fragen auf-
kommen lässt, muss angesprochen und geklärt werden. Unbefangen annehmen
heißt erst einmal annehmen, als mögliche Vorstellung, aber noch nicht als end-
gültige Erkenntnis. Erkenntnis stellt sich letztlich dann ein, wenn wir überprüft ha-
ben und zu einer Übereinstimmung gekommen sind. Wir nehmen dann diese Er-
kenntnis als richtig an, halten uns aber immer noch die Möglichkeit offen, dass
wir trotzdem irren und morgen zu einer anderen Erkenntnis kommen können.
Dadurch halten wir uns von jeglichem Dogmatismus fern und uns die Möglichkeit
neuer Erkenntnis offen. Das bedeutet ein freier Geist zu sein. Wir werden im Lau-
Nichts in diesem
fe des Lehrgangs auch herausarbeiten, was Erkenntnis wirklich ist und was dies
Lehrgang blind
alles konkret bedeutet. glauben, aber un-
Wir bitten Sie daher, die folgenden Ausführungen und die weiteren im Lehrgang befangen als Mög-
in diesem Sinne offenen Geistes anzunehmen – nicht zu glauben -, um sie dann lichkeit annehmen
und dann prüfen.
für sich prüfen zu können.
Wissenschaftlichkeit
Bereits dargelegt haben wir also, dass für das Streben nach Wahrheit, das ja
auch Wissenschaft bedeutet, eine gewisse Unbefangenheit Voraussetzung ist.
Wir werden Sie in diesem Lehrgang und bereits in diesem ersten Kursteil mit
sehr tief gehenden Erkenntnissen (und Vorstellungen) konfrontieren. Diese ent-
stammen der Einsicht von Menschen, die sich intensiv seherisch mit dem Geisti-
gen befasst haben. Wir stellen diese so in den Raum und gehen davon aus, dass
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Das gilt heute umso mehr. Kein Physiker kann heute mehr sagen, was Materie
ist. Wenn ein Wissenschaftler nicht mit Unbefangenheit an seine Arbeit geht, wird
er keine neuen Entdeckungen machen können. Dies gilt für Naturwissenschaft
und gilt umso mehr für das Geistige und damit für das, was wir die SPIRITUELLE
WISSENSCHAFT nennen. Diese befasst sich auf wissenschaftlicher, also logisch,
dem gesunden Menschenverstand nachvollziehbarer Basis mit dem Geistigen.
Wir wollen mit diesem Lehrgang in einem gewissen Umfange zum SPIRITUELLEN Es geht darum,
Wissenschaftler
WISSENSCHAFTLER oder GEIST-WISSENSCHAFTLER werden, also zu jemand, der des Geistes zu
die Gesetze des Geistigen erforscht und kennen lernt, also die seines GEISTES, werden.
seiner SEELE, seines LEBENS – das ist gewissermaßen der Aspekt der WISSEN-
SCHAFT dabei-, und lernt mit ihnen praktisch umzugehen – das ist gewisserma-
ßen der Aspekt der TECHNIK - und damit in die Freiheit! kommt und zum Schöpfer
(auch noch auf anderer als materieller Ebenen) wird.
Damit wir das erreichen, müssen wir die Kriterien der Wissenschaft erfüllen. Wir
werden im Lehrgang genauer darauf eingehen, hier seien jedoch die wesentli- Die Liebe zur
chen praktischen Voraussetzungen genannt: Streben nach Wahrheit, Liebe zur Wahrheit ist das
Wahrheit, Liebe zur Wahrhaftigkeit, Unbefangenheit, Vorurteilslosigkeit, Kritikfä- Fundament dafür.
higkeit. Das alles sind Merkmale, die ein jeder von uns besitzt bzw. schulen kann.
Wir werden insbesondere diese wichtigen Qualitäten in diesem Lehrgang schu-
len, weil sie für unser Leben selber und vor allem für unsere Freiheit! von ele-
mentarer Bedeutung sind, nicht nur für uns als Wissenschaftler.
Haben Sie übrigens keinerlei Vorbehalte oder Ängste gegenüber dem Begriff der
„Wissenschaft“ oder des „Wissenschaftlers“. Sie brauchen kein akademisches
Studium, um wissenschaftlich sein zu können, und sie können alles, was wir hier
bearbeiten, auch mit ihren persönlichen Voraussetzungen verstehen.
Wir werden Sie in diesem insbesondere also mit Erkenntnissen konfrontieren, die
außerhalb der üblichen „Wissenschaft“ liegen. Wie gehen wir mit Erkenntnissen
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Der folgende Text ist Begleittext zu dem gleichnamigen Vortrag (von Axel Burkart). Der Vortrag auf
DVD stellt damit einen Inhalt dieses ersten Lehrheftes dar.
Holistisches Erleben
Geist Glaube = Wissen
Materie
Glaube Wissen
Religion Wissenschaft
Naturwissenschaft
Geist-
Wissenschaft
Holistische
Wissenschaft
Glaube = Wissen
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Weltbürger
Weltbürger bedeutet Bürger dieser Erde zu sein und zu werden. Die Globalisie-
rung lehrt uns, dass wir Teil eines Ganzen sind, das wir „Erde“ nennen, unsere
„Welt“ und dass wir uns diesem Ganzen nicht entziehen können und glauben, i-
soliert leben zu können. Das lehrt uns das Geschehen auf der Erde in Bezug auf
Ökologie, Finanzen, usw. Weltbürger zu sein bedeutet, dass wir bereits in dieser
Realität sind. Weltbürger zu werden bedeutet, dass wir uns bewusst werden
müssen, was es bedeutet, in dieser Ganzheit so zu leben, dass unser Verhalten
dem Ganzen und uns selbst lebensfördernd dienlich ist. Dies bedeutet, dass wir
uns auf den Weg machen, zu lernen, uns zu verändern, uns zu entwickeln – zum
Welt- und Erdenbürger als harmonisch eingegliederter und doch freier Mensch.
Dies stellt ein Spannungsfeld zwischen der Entwicklung eigener Freiheit! und
gleichzeitig sozialer Integration, sozialer Eingliederung dar. Das bedeutet das
klassische Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und sozialem Verhal-
ten.
Weltenbürger
Das Zitat von Max Planck weist uns aber noch auf eine andere Welt hin: eine
geistige. Auch nach Erkenntnis der SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT und aller alter
Kulturen leben wir nicht nur in einer materiellen Welt und materiellen Ordnung,
sondern sind auch Teil einer geistigen Welt mit einer geistigen Ordnung. Diese
Erkenntnis und deren Konsequenzen sind Thema des ganzen Lehrgangs, der
daher ein Studium der geistigen Welt ist. Wir verstehen, dass wir ein geistiges
Wesen sind und daher Teil einer realen geistigen Welt.
Als solcher sind wir ein Weltenbürger, das heißt nicht nur Teil einer einzigen ma-
teriellen Welt, sondern Teil mehrerer Welten. Dies zu erkennen und zu leben
stellt eine weitere Herausforderung dar. Wir müssen also nicht nur lernen, Welt-
bürger zu werden, sondern darüber hinaus Weltenbürger. Zunächst mag diese
Herausforderung als zu viel und zu hoch erscheinen. Jedoch ist es das nicht.
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Wissenschaft ist eine Methodik, die aus drei Elementen besteht. Das erste ist die
exakte Beobachtung durch Wahrnehmung. Ärzte schalten heute immer mehr ihre
eigene Wahrnehmung aus und übergeben sie den Apparaten. Gute Ärzte sind
die, die gut beobachten können.
Das zweite Element ist die Theorie, die Thesenbildung, die Logik. Wir begeben
uns hier in die Welt des Denkens. Wir bauen uns in unserem Geist eine Welt auf,
als Abbild der äußeren, eine Vorstellung. Das ist Theorienbildung, Erbauen von
Weltbildern, von Konzepten. Theorie ist Grundlage einer jeden Wissenschaft.
Das dritte Element ist das Experiment als Beweis für die Übereinstimmung der
Theorie mit der Wirklichkeit. Damit prüfen wir unser Weltbild. Wir korrigieren da-
mit unsere Illusionen und Irrtümer, unsere Vorstellung. Das bedeutet Wissen-
schaft: Vermeiden und Auflösen von Irrtümern und Illusionen bzw. Bestätigung
der Richtigkeit der Vorstellung.
In der Theorie berechnen wir Umlaufbahnen und danach baut der Ingenieur Ra-
keten, die exakt so fliegen, wie wir es uns ausgedacht haben.
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Naturwissenschaft ist die Anwendung der Methode der Wissenschaft auf die Ma-
terie.
Sie kann über die geistige Welt daher keine wissenschaftlich qualifizierten Aus-
sagen machen!
Jeder Naturwissenschaftler, der aus der Naturwissenschaft wissenschaftliche
Aussagen über das Geistige machen will, denkt und arbeitet selbst unwissen-
schaftlich.
Denn aus der Wissenschaftstheorie wissen wir, dass die Naturwissenschaft sich
auf Erkenntnisse über die Materie beschränken muss.
SPIRITUELLE WISSENSCHAFT nun ist die Anwendung der Methode der Wissen-
schaft auf die geistige Welt. Unser Konflikt darin ist, dass wir die geistige Welt
nicht mit unseren (normalen, herkömmlichen) Sinnen wahrnehmen können.
Konflikt Materialismus
Der Materialismus behauptet nun, dass es überhaupt keine geistige Welt gibt,
keine „reale“ geistige Welt außerhalb dessen, was wir als Materie bezeichnen.
Das ist unser Konflikt, der daraus resultiert, dass wir das Geistige eben nicht
wahrnehmen können. „GOTT ist tot“ ist der bekannte Ausspruch der Materialis-
ten.
Das aber ist eine wissenschaftliche Frage und hier betreten wir die Welt der so
genannten „Axiome“.
Das Axiom „Es gibt nur die Materie“ gibt mir keine Chance, Liebe und Geist, etc.
zu erklären. Wir wissen aber, dass Psychopharmaka einen Einfluss auf Gefühle
haben. „Also muss die Materie die Gefühle hervorbringen“, argumentieren die
Materialisten unter den Naturwissenschaftlern (nicht alle Naturwissenschaftler
sind Materialisten, wie wir gesehen haben!). Dies aber ist keine korrekte Schluss-
folgerung. Denn eine Störung der Bildröhre eines Fernsehers und eine Änderung
des Bildes dadurch bedeuten ja nicht, dass der Fernseher das Bild erzeugt. Er
gibt es nur wieder. Eine Störung in der Hardware des Computers und damit eine
Störung im Ablauf der Software bedeutet nicht, dass die Hardware die Software
erzeugt, nicht wahr? Doch genau so argumentieren Materialisten beim Menschen
mit Geist und Körper.
Der Materialismus zeigt uns also meist ein völlig falsches Bild der Wirklichkeit. In
dieser Anschauung werden wissenschaftliche Ergebnisse falsch oder einseitig in-
terpretiert bzw. dargestellt.
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Geistiges Sehen
SPIRITUELLE WISSENSCHAFT setzt ein exaktes geistiges Sehen voraus. Und das
ist der fundamentale Unterschied zwischen Psychologie oder auch Esoterik und
SPIRITUELLER WISSENSCHAFT. Letzteres bedeutet das Stehen in einem Hause
und das Sehen darin, die ersteren das Stehen außerhalb und das Hineinschauen
von außen. Daher entstehen in den Geisteswissenschaften so viele Spekulatio-
nen über Geist und Seele und so viele begriffliche Unstimmigkeiten und Uneinig-
keiten.
Das Wissen um die geistige Welt ist Thema der SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT.
Dieses Wissen erscheint als eine Notwendigkeit, ja die Notwendigkeit für unsere
Zukunft als Menschheit.
Mit diesem Wissen erleben wir als wissenschaftlich denkende Menschen einen
Aufbruch in eine neue Dimension. Im 21. Jahrhundert, im 3. Jahrtausend benöti-
gen wir dieses Wissen für unser Leben und Überleben als Menschheit im Hin-
blick auf ein menschenwürdiges Dasein, das heißt im Hinblick auf die Würde des
Menschen.
Wie wollen wir unsere Zukunftsprobleme lösen? Wir wissen, dass die Lösungen
nicht aus den Naturwissenschaften kommen können, weil diese keine Kompe-
tenz im geistigen Bereich besitzen (auch wenn Physiker wie Hawkins das glau-
ben). Aber es geht bei allen Problemen der Menschheit um das Innenleben der
Menschen! Also kann die Lösung auch nur in einem Wissen um dieses Innenle-
ben liegen. Die Religionen haben früher diese Aufgabe übernommen, haben a-
ber heute ganz offensichtlich nicht mehr die Kompetenz. Die üblichen Geistes-
wissenschaften können es auch nicht und wenn nur sehr begrenzt, weil sie e-
benso wenig wirkliches wissenschaftliches Wissen über die Seele haben. Wenn
also überhaupt, dann kann nur eine SPIRITUELLE WISSENSCHAFT, sofern sie denn
möglich ist, eine Lösung darstellen. Daher erscheint eine solche Wissenschaft als
Notwendigkeit für unsere Zukunft. Wir benötigen das exakte Wissen über unsere
Innenwelt. Wie aber können wir herausfinden, ob es eine geistige Welt gibt und
eine solche Wissenschaft geben kann?
SPIRITUELLE WISSENSCHAFT muss für Erkenntnisse über die geistige Welt als
Wissenschaft ein geistiges Sehen voraussetzen. Das ist der eine Teil der Wis-
senschaft (Beobachtung). Das Nachvollziehen und Studieren von Erkenntnissen
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Rudolf Steiner
Vor etwa 150 Jahren kam eine erste Person, die wirklich beides integrierte: wis-
senschaftliches Denken und geistige Schau – Rudolf Steiner. Das ist das Neue
und Fundamentale, dass die Menschheit seit etwa 100 Jahren in der Lage ist,
das Wissen um die geistige Welt wissenschaftlich zu studieren und auch zu ge-
winnen.
Darin liegt auch der große Unterschied zu vielen esoterischen Strömungen. Denn
dort fehlt entweder die geistige Schau oder wenn solche Fähigkeiten geschult
werden, fehlt die wissenschaftlich geschulte Denkweise, die eigene Schau zu klä-
ren. „Sehen“ alleine hilft nichts. Ich muss auch das Gesehene erklären können!
Im Materialismus verleugnet man das Geistige und kommt nicht weiter, im Esote-
rischen verleugnet man das klare wissenschaftliche exakte Denken (wobei hier
eben jene Strömungen gemeint sind, die eben genau das tun).
Die SPIRITUELLE WISSENSCHAFT ist bereits eine Realität.
Zu allen Zeiten gab es geistig sehende Menschen, „Seher“, „Rishis“.
Der modernste und gleichzeitig eine wissenschaftlich fundiert ausgebildete Seher
war Rudolf Steiner.
Mit ihm entstand eben das, was wir heute als SPIRITUELLE WISSENSCHAFT be-
zeichnen können.
Er integrierte wissenschaftliche Methodik mit geistigem Schauen.
Er integrierte Platon und Aristoteles.
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Nun kommen wir zu unserer nächsten Herausforderung, uns unbefangen mit je-
mand zu beschäftigen, der die Welt seit langem in Atem hält: Christus. Nehmen
Sie also bitte das Folgende unbefangen und als forschender Wahrheitssucher als
Thesen an. Wir werden sie im Laufe des Lehrgangs genau klären und als Tatsa-
chen erhärten. Von den beiden Wesen, die wir an dieser Stelle erstmals erwäh-
nen, weil sie wichtig sein werden für uns, ist zum einen der Jesus Christus derje-
nige, der uns vor 2000 Jahren den entscheidenden Impuls und die Kraft zur Frei-
heit! gebracht hat. Und derjenige, der uns dann vor etwa 100 Jahren das Wissen
um dieses Geschehen vor 2000 Jahren und das Wissen um unsere Freiheit! ver-
fügbar gemacht hat, ist Rudolf Steiner. Es ist ganz wichtig, die Rolle dieser bei-
den zu verstehen und sie jenseits aller Vorurteile anzuschauen. Wir setzen diese
beiden mit dieser Nennung bei Gott nicht gleich, denn Christus ist der große gött-
liche Weltenlehrer, während Steiner der Mensch ist, der als geistiger Lehrer auf
Erden wirkte, um das Wissen auch um den Christus zu bringen.
Jesus Christus hat die Welt als Ganzes bewegt und bewegt sie heute noch.
Erst mit der SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT beginnen wir jedoch, dieses Wesen
und seine Bedeutung für uns Menschen, unsere Freiheit! und unsere Liebe zu
begreifen.
Und derjenige, der dieses Verstehen umfassend möglich gemacht hat, war Dr.
Rudolf Steiner, als einer der großen Eingeweihten, der geistigen Lehrer der Frei-
heit! und der Liebe. Er steht voll in der Tradition der spirituellen Lehrer, die uns
dienen, unsere Freiheit! zu erobern.
Rudolf Steiner und auch Jesus Christus sind angefeindete Personen. Der Chris-
tus wurde gekreuzigt und Steiner hat Zeit seines Lebens viele Anfeindungen und
Angriffe erleben müssen, auch körperlicher Art bis hin zur Brandstiftung, die dann
sogar von kirchlichen Kreisen gutgeheißen wurde. Mit Christus werden wir uns in
diesem Lehrgang in aller Tiefe befassen. Wir werden verstehen und erfühlen ler-
nen, wer er war, wer er ist, was er uns schenkt, welchen Wert er für uns hat und
warum wir das Wissen um ihn benötigen.
Es wird dies aber alles außerhalb jeglicher Religion geschehen. Es wird einzig
auf der Freiheit! unseres gesunden Menschenverstandes erfolgen. Wir werden
das große Mysterium von Golgatha vor 2000 Jahren ergründen und das Ge-
heimnis von Jesus Christus als Mensch und Gotteswesen.
Dabei beziehen wird uns in der Basis auf denjenigen, der uns dieses neue
Verständnis gegeben hat: Rudolf Steiner. Deshalb lautet der Titel dieses
Lehrgangs auch „SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT auf der Basis der ANTHROPO-
SOPHIE.
Wir sind uns dessen voll bewusst, dass der Bezug auf Steiner und seine Anthro-
posophie bei so vielen Menschen sofort auf innere Widerstände stößt. „Du wirst
da nicht viele Menschen gewinnen“ und ähnliche waren Aussagen bei der Ent-
stehung dieses Lehrgangs. „Bei zu vielen Menschen stößt du auf Vorurteile und
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Rudolf Steiner ist wohl eine der umstrittensten Persönlichkeiten des 20. Jahrhun-
derts. Das wollen und müssen wir auch ansprechen. Seine Erkenntnisse gab er
unter dem Namen ANTHROPOSOPHIE heraus, der „Weisheit vom Menschen“. Und
wenn wir in diesem Lehrgang von einer SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT sprechen,
dann ist dies nur möglich auf dem Boden der ANTHROPOSOPHIE. Denn erst mit
Rudolf Steiner können wir überhaupt von einer solchen Wissenschaft sprechen.
Das ist in aller Klarheit zu sagen. Spirituelles Wissen gab es schon immer und
Rudolf Steiner hat vieles erläutert, was bereits vor Jahrtausenden von den Rishis
geschaut oder von Buddha gelehrt wurde. Doch mit ihm ist etwas völlig Neues
hinzugekommen: eine spirituelle Wissenschaft.
Dass Rudolf Steiner nicht einfach so von der Gesellschaft angenommen wurde
und sein Wissen heute nicht auf allen Universitäten gelehrt wird, obwohl dazu ei-
ne offensichtliche Notwendigkeit besteht, wie uns die aktuellen Nöte in Bildung,
Finanzen, Politik, Gesundheit und Sozialem zeigen, wird uns aus diesem Lehr-
gang heraus völlig verständlich werden.
Auch wir dürfen sein Wissen nicht einfach gläubig annehmen. Im Gegenteil. Jeg-
licher blinde Glaube schadet hier und widerspricht dem Ansatz Rudolf Steiners
selber und jeglicher Wissenschaft, insbesondere der SPIRITUELLEN WISSEN-
SCHAFT.
Die Bücher Rudolf Steiners wurden schon vor 100 Jahren von der katholi-
schen Kirche verboten (kann man einem freien Menschen verbieten, etwas zu
lesen?).
Noch heute zählt die ANTHROPOSOPHIE für die Kirchen gewissermaßen zu den
Sekten. Wie kommt aber eine christliche Kirche dazu, ihren Gläubigen ein Wis-
sen zu verbieten? Das ist eine wissenschaftlich interessante Frage. Gerade hier
begegnen wir unserem Thema der Freiheit! Denn warum sollte eine Kirche etwas
„verbieten“? Mündigen Bürgern etwas Geistiges zu verbieten macht nur Sinn,
wenn es dabei um Macht geht, wenn die Menschen sich dadurch in Richtung in-
nerer Freiheit! bewegen, eine Richtung, diese Macht hinter sich zu lassen. Da
müssen sich auch alle Gläubigen selbst fragen, wenn sie es ernst nehmen wol-
len, dem „Geist der Wahrheit“ zu folgen, von dem sogar im Neuen Testament die
Rede ist, welchem Geist sie folgen und folgen wollen. Die Kirchen haben sich si-
cher auch zu besinnen. Kein Mensch kann und darf heute einem (gesunden) Er-
wachsenen etwas verbieten, was sein geistiges Wesen und seine geistige Frei-
heit! betrifft. Dies soll nicht gegen die Kirchen gerichtet sein, sie haben ihren
Wert. Aber die Tatsachen sollen ins Bewusstsein gerufen werden.
Die Lehren Steiners wurden auch im kommunistischen Russland verboten. Wie-
der begegnen wir einem ähnlichen Mechanismus. Der Kommunismus war ein
diktatorisches, also unfreies System. Sogar der Name „Diktatur des Proletariats“
sagt das aus. Dass nur eine kleine Minderheit der „Nomenklatura“ diese Diktatur
ausübte, war sogar der Betrug am Proletariat. Wieder wurden Steiners Schriften
verboten, was ebenso darauf hindeutet, dass seine Erkenntnisse mit Freiheit! zu
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Für einen Freiheitssucher ist keine Struktur mehr akzeptabel, die Freiheit! un-
terdrückt.
Auch eine Struktur, wie die ANTHROPOSOPHISCHE GESELLSCHAFT, die heute offi-
ziell Steiners Lehren vertritt oder den Anspruch dafür erhebt, muss sich selbst
beständig prüfen, welchem Geist sie wirklich folgt. Auch hier darf keinerlei Dog-
matismus Platz finden. Wenn die Anthroposophische Gesellschaft, die Steiner
selber einmal gründete, den Anspruch erhebt, ihn und sein Wissen alleine zu ver-
treten, dann ist dieser Anspruch nicht gerechtfertigt, vor allem dann nicht, wenn
auch nur der Hauch von Dogmatismus auftritt.
Rudolf Steiners ANTHROPOSOPHIE ist eine Wissenschaft und daher frei für je-
den Menschen verfügbar.
Es ist gut und wunderbar, wenn sich Institutionen darum bemühen, dieses Wis-
sen zu hüten und zu lehren. Aber so wie es heute keine einzige Universität gibt,
die den Anspruch erheben kann, die Mathematik zu behüten, kann es keine Insti-
tution mehr geben, die den Anspruch erheben kann, alleiniger Vertreter einer
Wissenschaft wie der der ANTHROPOSOPHIE zu sein. Dies sage ich, Axel Burkart,
Lehrgangsleiter, der selber Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft ist, weil
ich es gut finde, dass es eine solche Organisation gibt, die gewissermaßen die-
ses Wissen pflegt. Aber dogmatische Tendenzen sind auch dort an vielen Orten
anzutreffen, was normal ist, von Rudolf Steiner selbst aber vehement
zurückgewiesen wurde. Die Anthroposophischen Gesellschaft läuft aus meiner
Sicht heute Gefahr, zum „Museum“ der ANTHROPOSOPHIE zu werden.
Rudolf Steiner wurde auch so ziemlich alles vorgeworfen, zu sein. Er wurde als
Antisemit und als das Gegenteil davon bezeichnet, als Nationalist und Internatio-
nalist, als Sozialist und als Antisozialist, als Rassist, als Linker und als Rechter.
Für alles musste er herhalten, was aus sich heraus bereits eine deutliche Unqua-
lifiziertheit dieser Angriffe offenbart.
Leider fehlt heute noch das, was das Wichtigste wäre: eine ernsthafte, wis-
senschaftliche, umfassende und akademische Auseinandersetzung in den U-
niversitäten mit den Erkenntnissen Rudolf Steiners.
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Rudolf Steiner hat aus seiner geistigen Schau heraus ein umfassendes Wissen
der Menschheit hinterlassen, das eine SPIRITUELLE WISSENSCHAFT, ein Wissen
von uns als Menschen und von der geistigen Welt, und einen solchen Lehrgang
erst möglich macht.
Eine tief gehende Einführung in die ANTHROPOSOPHIE ist daher letztlich dieser
Lehrgang. Jedoch ist er weit und offen gefasst, und wir werden andere Wissen-
schaftler des Geistes außer Rudolf Steiner heranziehen. Denn gerade Aussagen,
wie er sie gemacht hat, müssen wir auf den Prüfstand unseres wissenschaftli-
chen Geistes stellen, weil sie so bedeutend für uns und die Menschheit sind.
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Wir betreten mit der Anthroposophie einen neuen Boden der Menschheit. Erst im
Laufe des Lehrgangs wird uns das Wesen dieser neuen Strömung in der
Menschheit, dieser neuen GEIST-WISSENSCHAFT Stück für Stück aufgehen. Las-
sen Sie uns dazu den Begriff der „geistigen Strömung“ kurz betrachten. In der
Geschichte der Menschheit können wir ja eine Entwicklung verfolgen, und diese
ist dadurch gekennzeichnet, dass neue „Strömungen“ auftraten. Eine solche
massive war die der Griechen, der griechischen Philosophen, der Logik durch A-
ristoteles. Sie war etwas völlig Neues in der Geschichte, und diese Strömung hat
die Menschheit zu dem gebracht, was wir heute sind. Die Strömung der Renais-
sance, die der Aufklärung, der Kommunismus, das alles waren geistige Bewe-
gungen, „Strömungen“ in der Menschheit.
Mit Steiner ist wieder eine neue Strömung aufgetreten, die von ihm selber zu-
nächst als ANTHROPOSOPHIE bezeichnet wurde. Wir wollen diese neue Strömung
noch umfassender bezeichnen und auch neutraler, denn wir sehen darin eine
neue Wissenschaft, und eine solche ist ja nicht an Menschen gebunden, sondern
universell. Deshalb sprechen wir ja allgemein von Logik und nicht von aristoteli-
scher Logik. Wir wollen den umfassenden Begriff der GEIST-WISSENSCHAFT dafür
verwenden. ANTHROPOSOPHIE aber bildet das Zentrum. An dieser Stelle wollen
wir zumindest einige erste Worte dazu, auch von Rudolf Steiner, bringen, um ers-
te Hinweise zu geben. Wir werden später sehen, dass diese neue Strömung sehr
viel zu tun hat mit einem Wesen, das wir als Erzengel Michael bezeichnen.
Bei allen Zitaten, in denen nur Nummern angegeben sind, beziehen wir uns auf
die Nummerierung der Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Wenn in diesen Texten
unterstrichen ist, so ist im Original stets dieser Teil kursiv hervorgehoben. Der
folgende Text ist aus GA 26, „Anthroposophische Leitsätze“.
Wir haben es also mit einem „Erkenntnisweg“ zu tun. Alle Wissenschaften sind
spezielle Erkenntniswege. Die Wissenschaft an sich ist ein Erkenntnisweg. Der
Yoga war oder ist ein Erkenntnisweg. Das Zauberwort hierbei ist „ERKENNTNIS“.
Warum lesen wir Fachbücher, besuchen Seminare oder Kurse? Weil wir Men-
schen sind und nach Erkenntnis streben. Dies scheint ein großes oder das große
Mysterium unseres Menschseins zu sein, dass wir Erkenntnis erstreben und sie
auch gewinnen können. Ein Tier kann das nicht - zumindest nicht in der Form,
wie der Mensch.
Es geht um einen Weg, der uns wieder anschließt an das geistige Universum.
Wir haben mit der Geschichte des Sündenfalls, des „Falls“, eine Trennung von
Gott oder dem Göttlichen beschrieben. Wir haben das „Paradies“ verloren. In
dem Vortrag über SPIRITUELLE WISSENSCHAFT haben wir angedeutet, dass dies
auch verbunden war mit einem Verlust eines gewissen Hellsehens, das uns mit
den „Göttern“ verband. Heute ist es so, dass der Anschluss wieder hergestellt
wird, was mit dem neuen Öffnen geistiger Augen verbunden sein wird. Die ge-
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„Sie tritt im Menschen als Herzens- und Gefühlsbedürfnis auf. Sie muss ihre
Rechtfertigung dadurch finden, dass sie diesem Bedürfnisse Befriedigung ge-
währen kann.
Anerkennen kann Anthroposophie nur derjenige, der in ihr findet, was er aus
seinem Gemüte heraus suchen muss.
Anthroposophen können daher nur Menschen sein, die gewisse Fragen über
das Wesen des Menschen und die Welt so als Lebensnotwendigkeit empfin-
den, wie man Hunger und Durst empfindet.“ 26, Leitsatz 1
Rudolf Steiner geht davon aus, dass es eine ganze Reihe von Menschen gibt,
die ein tiefes Herzensbedürfnis nach Erkenntnis über die geistige Welt haben.
Diese suchen nach geistiger Nahrung. Und in der Zeit unseres kalten Materialis-
mus war es notwendig geworden, dass diesen Seelen, diesen suchenden Seelen
dieses Bedürfnis erfüllt wird. Und so ist die ANTHROPOSOPHIE in die Welt gekom-
men, und Rudolf Steiner war offensichtlich derjenige, der diese große Aufgabe
erfüllen konnte - diesen Auftrag vielleicht auch aus der geistigen Welt. Nur derje-
nige, der dieses geistige Bedürfnis wirklich hat, wird auch mit der ANTHROPOSO-
PHIE zufrieden sein und sich ihr annähern. Unsere Überzeugung ist, dass ein je-
der Mensch irgendwann dieses Bedürfnis spüren wird, ein jeder aber nach seiner
eigenen Reifezeit. Denn die Erfahrung derjenigen, die sich intensiv damit befasst
haben, ist, dass man ohne diese Erkenntnis des Geistigen ebenso wenig leben
kann wie ohne die Luft zum Atmen. Unsere Seele, unser Geist schreien förmlich
nach diesen Erkenntnissen, weil diese ihnen etwas ungeheuer Wertvolles geben:
innere Stärke, Vertrauen, Zuversicht, Sicherheit.
Wir haben bereits angesprochen, dass damit ein neues Hellsehen verbunden ist,
das vor allem Rudolf Steiner einzigartig ausgezeichnet hat. Der Begriff des Hell-
sehens hat aber heutzutage - auch berechtigterweise - einen zweifelhaften Ruf.
Mit dem neuen Hellsehen, von dem wir sprechen, ist ein Hellsehen gemeint,
dass jenseits falscher Projektionen liegt, weil sich dahinter eben eine klare Geis-
tesschulung verbirgt.
Wir stoßen damit wieder auf das große Spannungsfeld zwischen Materialismus
und Spiritualität. In der modernen Naturwissenschaft wird natürlich ein Hellsehen
abgelehnt. Der Grund dafür liegt aber nicht im naturwissenschaftlichen Denken,
sondern in philosophischen Betrachtungen, die zum großen Teil auch den be-
rühmten Philosophen Immanuel Kant zurückgehen. Kant hat eine Erkenntnis ka-
tegorisch abgelehnt, die jenseits unserer Sinne und des Verstandes liegt. Er hat
sie einfach nicht für möglich gehalten, und der Einfluss dieses großen Denkers
41
Was hier Steiner zum Ausdruck bringt, erleben wir in der Quantenphysik. Diese
hat heute bereits Dimensionen erreicht, wo sie längst diese Grenze überschritten
hat bzw. überschreiten müsste. Philosophen wie Kant und viele andere glaubten,
dass diese Grenze nicht überschritten werden kann. Doch es ist genau die Na-
turwissenschaft heute, z. B. mit der Quantenphysik, die uns an diese Grenze
herangeführt hat und uns zwingt, sie zu überschreiten. Doch die Physiker selber
haben noch nicht den Mut. Noch benennen sie das, was sie da an Merkwürdigem
entdecken, „Dunkle Materie“. Dieses neue Phänomen macht 90 % des Univer-
sums aus, ist aber keine Materie. Was also ist es? Die Astrophysiker haben hier
längst geistige Wirkkräfte entdeckt, aber sie wagen noch nicht, es so zu nennen.
Sie bleiben mit ihren Begriffen in der Materie.
Wir haben es hier mit einer ganz essentiellen Thematik zu tun und dem Begriff
der „Schwelle“ in der GEIST-WISSENSCHAFT. Die Schwelle ist die Grenze zwi-
schen Materie und Geist, und wer sie übertritt, wurde früher ein „Eingeweihter“
genannt. Denn mit diesem Überschreiten beginnt der direkte Blick ins Geistige.
Steiner weist uns hier darauf hin, dass die Erkenntnisse, die er in der Anthropo-
sophie gegeben hat, auf diese Weise gewonnen wurden: „auf geistige Art“. Damit
ist ganz klar das geistige Schauen gemeint und nicht die geistige Tätigkeit des
Verstandes. Hier wird „Geist“ als das verstanden, was hinter dem Schleier des
Sichtbaren wirkt. Aristoteles nannte es „Energeia“ - Energie!
Eine Behauptung steht hier im Raum, dass wir nämlich seelisch „sterben“ wür-
den, wenn wir auf Dauer diese Erkenntnis nicht bekommen. Sie ist Nahrung für
die Seele. Deshalb haben sich über die Jahrzehnte ja bereits viele Millionen von
Menschen dem genähert. Der ganze Boom der Esoterik und der spirituellen The-
rapie weisen auf dieses Grundbedürfnis unserer Seelen hin.
„Es gibt Menschen, die glauben, mit den Grenzen der Sinnesanschauung sei-
en auch die Grenzen aller Einsicht gegeben. Würden diese aufmerksam dar-
auf sein, wie sie sich dieser Grenzen bewusst werden, so würden sie auch in
42
In dem ersten Teil dieses Texts weist Steiner uns auf ein Thema hin, mit dem wir
uns intensiv befassen werden. Er spricht von der bewussten Beobachtung unse-
res Denkprozesses. Wenn es uns gelingt, so sagt er, uns dabei zu beobachten,
wie wir zu der Meinung kommen, unsere Erkenntnisfähigkeit sei beschränkt, wirk-
lich dabei ganz real beobachten, dann würde uns in diesem Beobachten bewusst
werden, dass dahinter ein Beobachter steht, der uns darauf hinweist, dass es ei-
nen andere Ebene gibt, in der er steht und dass wir auch in dieser Ebene beo-
bachten lernen können. Erinnern wir uns an die 4. Dimension (Video). Wir stehen
in der 4. Dimension, nehmen aber nur die 3. wahr! Wir wissen aber jetzt, dass wir
in der 4. stehen, weil wir darüber nachgedacht haben. Also erleben wir doch
schon in unserem Erkennen, dass es eine 4. Dimension gibt! Wir haben also be-
reits das Erkennen der 3. Dimension überschritten.
Ein jeder von uns trägt die seelischen Kräfte bzw. die Potentiale dazu mit sich, in
diesen Ozean einzutauchen, der jenseits des Sinnlichen liegt. Heutzutage akzep-
tiert die breite Masse, aber auch die höchste Wissenschaft nur das Sinnliche. Wir
beginnen nun das „Übersinnliche“ zu studieren mit diesem Lehrgang. Dabei stu-
dieren wir zunächst nur das, was aus der Erkenntnis der Seher gegeben wurde,
das reicht völlig aus. Es ist für sich ein eigenes „STUDIUM“ (so wird es in der Ro-
senkreuzer-Tradition auch genannt). Das ist der Inhalt unseres Lehrgangs. Wir
beschränken uns dabei allerdings auf die grundlegenden Inhalte, die ein jeder
studieren kann und die grundlegenden Übungen für die Lebenspraxis.
Steiner weist uns darauf hin, dass uns „Seelenkräfte geworden sind“. Davon wer-
den wir in diesem Lehrgang hören. Es ist damit zum Ausdruck gebracht, dass die
Menschheit eine Entwicklung durchgemacht hat und nun neue Kräfte verfügbar
hat, die noch vor Jahrhunderten nicht da waren! Deshalb leben wir nun in einer
ganz neuen Zeit, mit neuen Kräften, um uns wieder anzubinden an das Geistige,
es erstmals verstehen und anwenden zu können (was wir in diesem Lehrgang
tun) und gegebenenfalls auch selber in diese Welt seherisch einzutauchen (was
einen speziellen Übungsweg erfordert, den Steiner auch aufgezeigt hat), wenn
wir das selber wollen.
„Der Mensch braucht zur Sicherheit in seinem Fühlen, zur kraftvollen Entfal-
tung seines Willens eine Erkenntnis der geistigen Welt. Denn er kann die Grö-
ße, Schönheit, Weisheit der natürlichen Welt im größten Umfange empfinden:
diese gibt ihm keine Antwort auf die Frage nach seinem eigenen Wesen.“ 26,
Leitsatz 4
In diesen Worten ist der Wert der geistigen Erkenntnis und auch Ziel dieses
Lehrgangs ist ausgedrückt.
43
„Die große, schöne, weisheitsvolle Natur gibt wohl Antwort auf die Frage: Wie
wird die Menschengestalt aufgelöst, nicht aber, wie wird sie zusammengehal-
ten. Kein theoretischer Einwand kann diese Frage aus der empfindenden
Menschenseele, wenn diese sich nicht selbst betäuben will, auslöschen. Ihr
Vorhandensein muss die Sehnsucht nach geistigen Wegen der Welterkennt-
nis unablässig in jeder Menschenseele, die wirklich wach ist, regsam halten.“
26, Leitsatz 4
Depressiv wird ein Mensch auch, wenn er keine wirklich geistige Nahrung be-
kommt. Bei vielen Menschen ist es heute so, dass sie sich regelrecht betäuben,
weil sie diesen inneren Konflikt nicht aushalten. Alkohol und Drogen, virtuelle
Realität sind Möglichkeiten dazu und werden immer intensiver genutzt. Eine jede
Seele will aber etwas anderes. Deshalb gibt es immer mehr Menschen, die „auf-
wachen“, „wach“ werden. Wach werden heißt hier, dass sie empfindsame Seelen
sind, die spüren, dass ihnen die äußere Welt nicht ausreicht. In ihnen lebt eben
diese Frage: „Wer bin ich?“. Und sie wollen eine antwort darauf. Und sie spüren,
dass die Naturwissenschaft, das „Natürliche“ keine Antwort darauf geben und
auch nicht geben kann. Das Buch von Hawkins beschreibt genau gegenteilige
Seelen, die sich betäuben, in diesem Falle mit faszinierenden wissenschaftlichen
Ideen, die aber in einer Illusionswelt ablaufen (das werden wir in Kursteil über
Wahrheit behandeln). Sie werden niemals Frieden finden, auch wenn sie durch-
aus an den schönen Gedanken und Ideen Freude haben.
Eine Sehnsucht lebt in den „wachen Seelen“, die ANTHROPOSOPHIE kann diese
Sehnsucht befriedigen, und dieser Lehrgang möchte dazu beitragen.
Wir leben heute in einem gewaltigen Spannungsfeld. Die Naturwissenschaft hat
einen unglaublichen Siegeszug angetreten und die moderne Neurowissenschaft
enthüllt scheinbar alle Rätsel unserer Seele. Aus all diesen Entdeckungen zieht
nur der normale Naturwissenschaftler den Schluss, alle unsere Gedanken und
Gefühle entstehen aus der Chemie des Körpers. So entstand der Materialismus
und so wird er scheinbar immer mehr bestätigt. Doch das ist normal, denn dieser
Materialismus hat ja völlig Recht! - In einem gewissen Gebiet. Das ist auch uns
völlig bewusst, wir aber lernen darüber hinauszugehen:
44
Selbsterkenntnis, Sicherheit, innerer Frieden und innere Ruhe ist unser Ziel. Wir
sind uns bewusst, dass all unser Denken und Fühlen, das wir kennen mit dem
Schlaf endet, also völlig von unserem Körper abhängig ist. Wir wissen auch, wie
ein Zahnschmerz an einer kleinen Stelle unseres Körpers und zum Wahnsinn
treiben kann. Wir können dann nicht mehr klar denken oder fühlen. Migräne?
Schrecklich. Wir sind nicht mehr ansprechbar. Daher ist es völlig legitim, wenn
der Materialist sagt, alles käme aus dem Körper. Das gilt in einem gewissen Um-
fang. Es ist so wie mit dem Fernseher oder dem Computer, wie wir beschrieben
haben. Wenn der Fernseher defekt ist, gibt es kein Bild. Wenn unser Gehirn nicht
funktioniert, gibt es keine klaren Gedanken. Wir sind völlig abhängig vom Körper.
Zunächst. Denn erinnern wir uns an die aufgehende Sonne. Unsere „gewöhnli-
che Lebenserfahrung“ sagt uns, dass die Sonne sich um uns dreht. Aber welch
ein Irrtum! Erst mit einem „Transzendieren“ der Sinneswahrnehmung entdecken
wir die eigentliche Realität. Ebenso ist es mit dem Geistigen.
Denn das Fernsehbild kommt nicht aus dem Fernseher - und unsere Gedanken
kommen nicht aus dem Kopf!
45
Die moderne Biologie sagt uns also, dass unser Denken, unsere Einstellungen
ganz entscheidend sind - sogar in der Gestaltung unseres materiellen Körpers.
Und damit verbinden wir uns mit einer anderen großen Lehre.
In der großen Lehre des Buddha - des Buddhismus, der ja keine Religion ist,
Buddhas Lehre
sondern eine Geistesschulung! – gibt es den achtfachen Pfad als Teil des Weges des „achtfachen
zur Befreiung der Seele. Dieser Pfad beginnt mit „richtig denken“, genauer „rich- Pfades“ ist eine
tige Vorstellungen haben“. Genau darum geht es nun. Das bedeutet nicht, dass Geistesschulung.
wir hier den buddhistischen Weg gehen oder den Buddhismus lehren und doch
ist es so, dass wir es tun, weil es ein universeller Weg nach den Gesetzen des
Lebens ist!
Diese erste Übung, die wir jetzt ansprechen und in den Seminaren ganz bewusst
und immer wieder üben, bis es in Fleisch und Blut übergeht, ist der erste zentrale
Schritt zur Freiheit! Warum?
„Was“ wir denken
Dieser Tatsache sollten wir uns in aller Konsequenz bewusst sein. Und diese ist entscheidend
Konsequenz führt zu unserer ersten großen Übung: „Was wir denken“. Diese und daher die ers-
Übung hat eine so zentrale Bedeutung und deshalb steht sie auch bei dem „acht- te der acht.
fachen Pfad“ des Buddha an der ersten Stelle.
Unser Denken ist ein äußerst komplexer Mechanismus. Betrachtet man es nur
aus naturwissenschaftlicher Sicht, dann reduzieren wir das Denken auf das Ge-
hirn und seine Mechanismen. Damit können wir aber noch in keiner Weise Logik,
Verstand und Vernunft erklären. Dazu benötigen wir Wissenschaften, die ins
Geistige dringen, wie Philosophie und GEIST-WISSENSCHAFT.
Eines jedoch können wir aber zunächst unterscheiden, und das ist wichtig für un-
sere Selbstentwicklung: das WAS und das WIE.
WAS wir denken, bestimmt unsere Weltanschauung.
Die Bedeutung des WAS ist Thema hier.
Die erste Weisheit des buddhistischen achtfachen Pfades ist die Bedeutung
des Inhaltes unseres Denkens:
„Achte auf deine Vorstellungen. Achte darauf, dass du dir richtige Vorstellun-
gen machst. Achte auf das WAS deines Denkens. Achte darauf, welche Vor-
stellungen du in deinen Geist hinein lässt.“
Es geht um unsere
Dies ist der Inhalt dieses Teiles der Geistesschulung (= geistige Selbstentwick- SELBSTENTWICK-
lung). Dies hat nun nichts mit Religion zu tun, denn Buddhismus an sich ist keine LUNG.
Religion, sondern letztlich der Weg der Selbstentwicklung. Geistige Selbstent-
wicklung bedeutet vor allem Denkschulung, weil eben das Denken die Kraft des
Geistes ist und weil aus dem Denken das Leben geführt wird. Wenn wir seelische
und körperliche Selbstentwicklung betrachten, dann wird uns bewusst, dass die-
se beiden letztlich von unseren Gedanken, Modellen, Weltbildern geführt werden.
46
Das WAS des Denkens geht darum, dass wir genau prüfen, was wir an Vorstel- Unfreiheit entsteht
vor allem auch
lungen in uns tragen. Es ist diese erste Anweisung Buddhas nichts anderes als
dadurch, dass wir
gesunder Menschenverstand. Jedoch hat dieses Thema viel zu tun mit dem gan- uns unserer Inhal-
zen Thema unseres Lehrgangs: te der Gedanken
nicht bewusst
Wenn wir nicht wissen, was wir denken, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.
sind, werden wir von unseren unbewussten Vorstellungen getrieben, das heißt
wir sind unfrei.
Was also ist nun die erste große Übung des achtfachen Pfades? Nun geht es 4 Aspekte der Ü-
darum, bung
1. herauszufinden, was wir bereits denken.
Weiterhin gilt es dann,
2. zu überprüfen, ob das, was wir denken, richtig ist und dann
3. unser Denken korrigieren.
4. dass wir in der Zukunft darauf achten, was wir als neue Vorstel-
lungen in uns hineinlassen bzw. wie wir sie in uns behandeln.
Dies ist keine Übung, die wir mal hin und wieder machen sollten, sondern es ist Sie muss zum all-
eine alltägliche Übung, die wir ja meist schon praktizieren. Jetzt geht es darum, täglichen Bestand-
ihre Bedeutung zu erkennen, sie zu wollen und sie zu unserer täglichen und vor teil des Lebens
werden.
allem bewussten Routine zu machen.
Im ersten Schritt geht es darum, allmählich herauszufinden, was alles an Vorstel-
lungen in uns lebt. Schritt für Schritt können wir unsere Denkmuster über uns und
die Welt bewusst machen und dann fortfahren mit Schritt 2. Das ist Aufarbeitung
bestehender Vorstellungen, Glaubenssätze, usw. Dies ist ein Prozess, den wir
bewusst systematisch tun können, vor allem an Hand der Ereignisse, die uns be-
gegnen, weil wir auch darin mit unseren Vorstellungen konfrontiert werden.
Bei dem letzten Punkt geht es um zwei Dinge. Erstens ist es wichtig, Vorstellun-
gen, die wir in unseren Geist lassen, unbefangen zuzulassen. Das bedeutet, mit
47
Falsche Vorstellungen sollten wir Stück für Stück entdecken und beseitigen, das
heißt sie als falsch zu deklarieren, denn sie schaden uns, wie zum Beispiel „Die
Erde ist eine Scheibe“ und „Ich muss keine Steuern zahlen“. Beide Vorstellungen
entsprechen nicht der Wahrheit und werden je nachdem Konsequenzen für uns
haben.
Womit wollen wir
Zweitens geht es darum, dass wir nicht nur richtige Vorstellungen in uns aufneh- uns befassen?
men, sondern auch mit welchen Dingen wir uns befassen, über die wir dann Vor-
stellungen in uns hinein lassen. Ich kann mich viel mit Gott befassen oder mit
Pferdewetten. Die Frage ist, was mich bereichern wird. Das Bereichern ist dabei
auch so eine Sache, denn es gibt einen materiellen und geistig-seelischen Reich-
tum.
„Sammle nicht Reichtümer auf Erde, denn sie fressen die Motten. Sammle lie-
ber die Reichtümer des Himmels.“
48
Wir als Menschen aber haben die Freiheit! zu wählen. Wir sollten nur wissen,
was die Konsequenzen unseres Tuns sind. Es spricht absolut nichts gegen Pfer-
dewetten, aber die Frage ist, nach welchen Reichtümern wir streben wollen.
Die vier Aspekte dieser lebenszentralen Übung müssen wir im Prinzip ein Leben
Ein Gedankenin-
lang und beständig üben und anwenden. Es wird vorgeschlagen, für die eigene halt ist die Vorstel-
Bewusstseinsarbeit auf dem Weg zur Freiheit! herauszufinden, was wir über uns lung über uns
selbst denken, welche Vorstellungen wir über uns haben. Das können wir mit ei- selbst unser We-
nem kleinen Arbeitsbuch machen, das dauernd verwendet wird. Es hilft uns, im- sen.
mer wieder durch Aufschreiben das ins Bewusstsein zu bringen, was an Vorstel-
lungen in uns lebt. Dieses Selbstbild ist sehr wichtig, denn dieses haben wir nach
Bedarf aus unserer eigenen Erkenntnis zu korrigieren, ebenso wie unser Welt-
bild.
Wichtig dabei ist aber als erster Schritt, überhaupt bewusst zu werden. Das ist al-
lerdings der entscheidende Schritt zu jeder Heilung, nach dem Motto und der
großen Erkenntnis: „Name bekannt, Gefahr gebannt“ (erinnern wir uns an das
Rumpelstilzchen).
Ist es uns bewusst, was wir über uns denken, können wir im zweiten Schritt an
die Überprüfung gehen. Ist es wirklich wahr, was ich von mir denke, dass ich ein
so liebenswerter Mensch bin? Wie kann ich das überprüfen? Nun, frage einfach
Andere helfen uns,
die anderen Mitmenschen. Sie erleben dich. Ihr Fremdbild von dir wird dir helfen, unser falsches
dich zu korrigieren. Tust du das nicht, dann kann ich garantieren, dass das Leben Selbstbild zu kor-
es tut – mit Schmerz und Leid. Das war immer so und wird immer so bleiben, und rigieren.
wir wissen das ganz genau. Und damit kommen wir zu einer der großen Erkennt-
nis über unser Leben: Das ist ein Wert
menschlicher Be-
ziehungen.
Wir stehen also beständig vor der Wahl durch Bewusstsein oder Leid unser
Leben zu korrigieren.
Diese Wahl haben wir und haben Sie immer mehr. Ein jeder von uns ist dabei zu
wählen, wie er will. Unser Lehrgang soll selbstverständlich dazu dienen, das Ler-
nen durch Leid abzubauen. Denn es ist ein Lehrgang in Bewusstseinsentwick-
lung.
Im dritten Schritt geht es dann an die Veränderung, die im täglichen Leben immer
wieder überprüft werden muss. So können wir zum Beispiel erkennen:
„Ich habe festgestellt, dass ich gar nicht so liebevoll bin, wie ich dachte. Es hat
sich beispielsweise durch Rückmeldungen meiner lieben Freunde herausgestellt,
dass mein Egoismus doch noch ganz gewaltig ist und ich immer noch zu viel an
mich selber denke. Darunter leiden alle meine Beziehungen und enden in Katast-
49
Wir schlagen daher vor, wie folgt vorzugehen. Wir greifen uns eine aktuelle Le-
benssituation heraus, z. B. der Streit mit einem Lebenspartner oder eine Konflikt- Ein kleines syste-
situation in einer Kommunikation in einer Gruppe, einem Mitmenschen, unserem matisches Pro-
Kind, usw. Diese notieren wir auf das Arbeitsblatt, das sich mit der Zeit erweitert. gramm speziell für
Konfliktsituationen,
Wichtig ist dabei, dass wir hierzu mehrere Aspekte und Schritte beachten. Die an denen wir ler-
Fragen dazu lauten etwa wie folgt: nen können.
Der erste Aspekt ist ein sachlicher der reinen Beobachtung und besteht aus drei
Komponenten. Die Fragen lauten:
♦ „Was ist in der Situation geschehen?“
Beobachtung und
Wir notieren hier so sachlich, wie es uns möglich ist, in Stichpunkten, ohne
Beschreibung der
die Emotionen, was geschehen ist. Dies hilft uns auch, sachlich eine Situa- äußeren Tatsa-
tion anzuschauen und dabei unsere Rolle zu erkennen. Dabei geht es dar- chen
um, nur zu beschreiben und exakt zu beschreiben, was gesagt wurde, wie
gehandelt wurde, was die Körpersprache war. Gerade hier werden wir er-
kennen, wie oft zwei Menschen etwas ganz anderes gehört haben oder
geglaubt haben, was sie gesagt haben.
Der zweite Aspekt behandelt nun die Analyse von uns selbst. Die Fragen lauten: Analyse
♦ „Welches Verhalten habe ich an den Tag gelegt? – Warum habe ich mich
so verhalten? – Was können die Ursachen dafür sein? - Was ist mein
Denkmuster in mir, das mich so denken, fühlen und verhalten lässt? –
Möchte ich so sein? – Stimmt mein Verhalten zu dem Bild, das ich von mir
mache? – Ist mein Verhalten jetzt im Nachhinein berechtigt und wenn ja,
was ist die Berechtigung und wenn nein: Was kann ich daraus lernen und
was will ich in mir verändern?“
50
Der vierte Aspekt behandelt das Symptom, das wir erkannt haben.
Wir haben z. B. erkannt, dass wir beleidigt reagiert haben und uns in unser
Schneckenhaus zurückgezogen haben. Dann erkennen wir, dass in uns eine
Schwäche lebt, die uns dazu bringt, uns beleidigt zu fühlen. Wir erkennen plötz-
lich, dass die Situation für uns hilfreich ist, die Schwäche überhaupt zu erkennen
und uns Gelegenheit zu geben, uns zu ändern und so zu entwickeln. Wir erken-
nen auch, dass der Andere Teil dieser Hilfe ist und kein „Schuldiger“. Jetzt kön-
nen wir uns bewusst bei dieser Situation bedanken, bei dem Symptom in uns,
unserem Gefühl des Beleidigsteins, bei dem Anderen, bei den Kräften in uns, die
uns diese Schwäche offenbaren.
Will ich etwas än-
dern?
Der fünfte Aspekt oder Schritt mündet in der Frage:
Wer noch weiter gehen will und das wäre natürlich wichtig und lobenswert, kann
versuchen, sich in den Standpunkt des Anderen hineinzuversetzen und die Situa-
tion aus dessen Sicht zu beschreiben. Weiter können wir auch noch gehen, wenn
wir versuchen, herauszufinden, was der Andere dabei gefühlt hat. Und der letzte
Schritt wäre der, herauszufinden, was der Andere sich dann dabei gedacht hat
und welche Konsequenzen er dabei möglicherweise zieht. Diese Übung stellen Neben der Frage,
wir bereits an den Anfang, werden sie aber intensiv in den Kursteilen über „Liebe“ wie wir über uns
und „Kommunikation“ behandeln. denken, können
wir genauso ande-
re Aspekte behan-
Erfahrungen und Fragestellungen anhand eines solchen Beispiels aus dem All- deln.
tag, die meist völlig ausreichen, uns zu erkennen, uns in Richtung Selbsterkennt-
nis zu bewegen, können wir dann auf alle anderen Situationen übertragen und
dann auch auf Vorstellungsbereiche in unserem Geist: Wie denke ich über Gott,
über Geld, über die Liebe, über meinen Beruf und meine Berufung, meinen Part-
ner, meine Kinder, ... Wir können mit dem Fragebogen genau so arbeiten, dass
wir uns bewusst die Frage stellen: „Was ist meine Vorstellung und Beziehung zu Die 4 Pinnwände
´Gott´?“ Wir schreiben sie auf, auf ein eigenes Blatt und arbeiten damit. Wir ma- unseres Geistes.
chen uns unsere Vorstellung bewusst und schauen dann, ob wir an dieser Vor-
Ungeprüft
51
Grundsätzlich können wir uns im Geiste vier Pinnwände vorstellen. Auf der ers-
ten steht: „ungeprüfte Aussagen“. Das sind all jene Behauptungen, Thesen, The-
orien, die wir noch nicht ausreichend geprüft haben, um sie für uns als „wahr“
oder „falsch“ zu deklarieren. Mit diesen arbeiten wir nicht weiter, weil sie derzeit
für uns keine Relevanz haben.
Auf der zweiten steht „falsche Aussagen“. Das bedeutet, dass wir diese Aussa- Falsch
gen so weit geprüft haben, dass wir für uns sagen können: Sie sind falsch. „Die
Erde ist eine Scheibe“ gehört zum Beispiel dazu. Oder: „Grundsätzlich sagen al-
le Politiker die Wahrheit“. Diese Pinnwand ist mindestens ebenso mächtig wie
die erste. Aber auch diese sollten wir nicht als festgenagelt betrachten.
Auf der dritten steht „als wahr angenommene Aussagen.“ Das bedeutet, dass wir Als wahre These
diese Aussagen so weit geprüft haben, dass wir für uns sagen können: Wir neh- unbefangen ange-
men sie als wahr an, weil wir mit ihnen weiter arbeiten wollen, weil sie für uns nommen
Bedeutung haben. „Es gibt eine reale geistige Welt“, könnte eine lauten. Diese
Pinnwand ist ganz wichtig, weil wir hier die Pinnwand 1 verlassen haben aber
noch nicht die Pinnwand 4 erreicht. Wir brauchen beständig solche Aussagen,
um überhaupt wissenschaftlich denken und arbeiten zu können. Hierunter fallen
die Thesen der Wissenschaftler und in unserem Lehrgang die Erkenntnisse bei-
spielsweise eines Rudolf Steiners, die wir zunächst einmal als richtig annehmen,
weil wir sie für Verstand und Gefühl als stimmig gefunden haben und mit ihnen
weiter arbeiten wollen.
Auf der vierten steht „wahre Aussagen.“ Das bedeutet, dass wir diese Aussagen Für mich als wahr
so weit geprüft haben, dass wir für uns sagen können: Sie sind wahr. „Der geprüft.
Mensch kann bewusst denken“, könnte so ein Satz sein. Auch diese Pinnwand
ist unendlich groß.
Zu den letzten drei Pinnwänden ist zu sagen, dass auch hier alles, was darauf
steht grundsätzlich von uns wieder zu einer neuen Prüfung vorgelegt wird, wenn
wir es für wichtig erachten. Wir klammern uns niemals daran, dass etwas ewig
und absolut wahr ist. Was wir einmal als falsch erkannt haben, kann morgen für
uns wahr werden und umgekehrt. Oder das, was wir unbefangen als wahr ange-
nommen haben, kommt zu einer der anderen drei Wände.
Damit und mit der vorherigen Übung unterscheiden wir. Wir sind uns bewusst, wo
wir etwas einordnen und haben damit bereits einen neuen Grad an Freiheit! er-
reicht. Wenn wir etwas ganz schnell als wahr annehmen und es so weiter erzäh-
len, oft weil wir als klug erscheinen wollen, erschaffen wir in uns einen Raum an
Unfreiheit. Das ist so ziemlich bei einem sehr hohen Prozentsatz aller Aussagen,
die wir tätigen, der Fall, vor allem in der großen Masse der Menschen. Wir lesen
etwas, hören etwas, sehen etwas im Fernsehen und nehmen es ungefiltert, un-
geprüft auf, vor allem, wenn es von einer Autorität stammt, der wir diese geben,
und nehmen sie deshalb sofort als richtig an. Wir können ja damit angeben, kön-
nen uns damit profilieren. Wir alle sind davon nicht frei, müssen die Bedeutung
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Pinwand 1 Pinwand 2
ungeprüfte Aussagen falsche Aussagen
Pinwand 3 Pinwand 4
angenommene Aussagen wahre Aussagen
Bild: die 4 Pinnwände unseres Geistes zur ersten Übung der „acht großen Wahr-
heiten“ der universellen Geistesschulung
Dies ist im Prinzip eine andauernde Bewusstseinsschulung, die wir auch noch
durch weitere Übungen untermauern werden.
Diese Übung des „Was denken“ ist eine der 18 Übungen, die wir in unserer In-
formation über den Lehrgang erwähnt haben. Alle zusammen ergeben einen sys-
tematischen Weg zu unserer Freiheit!
Literatur zu Teil I
(1) Was ist ein Naturgesetz, Schrödinger, Erwin, Oldenbourg Verlag, München, 1997
(2) Anthroposophische Leitsätze, Steiner Rudolf, Rudolf Steiner Verlag, Dornach, GA 26
(3) Die Botschaft des Eremiten, Burkart, Axel, Hugendubel Verlag, München, 2002
53
Im Teil I und der zugehörigen DVD 1 haben wir uns, soweit in der Kürze möglich, Erkenntnis Teil I:
bewusst gemacht, dass es eine reale geistige Welt geben muss. Diese ernsthafte Eine geistige Welt
existiert
Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Materialismus konnten wir bislang
nicht weiter vertiefen, wollen aber diese zentrale Erkenntnis aber als Vorausset-
zung für den weiteren Lehrgang annehmen. Eine vertiefte Erörterung folgt noch.
Was aber bedeutet diese Erkenntnis?
Sie führt uns dazu, anzuerkennen, dass diese geistige Welt wohl sehr reichhaltig
sein muss, vor allem wenn wir die Idee annehmen, dass sie die vierte Dimension
beinhaltet und damit die drei materiellen umfasst. Dann hat diese geistige Welt
eine für uns so völlig andere Qualität und Dimension, wie wir es uns zunächst in
keiner Weise ausmalen können. Das zeigt sich ja bereits an den verrückten mo-
dernen Theorien der Quantenphysik, in denen ein Teilchen gleichzeitig eine Wel- Quantenphysiker
le ist. Nach Aussagen dieser Physik ist ja die Quantenwelt eine Welt der „Ges- berichten über ei-
ne Welt der
taltwandler“, eine Welt von Objekten, die sich in jedem Moment in andere Dinge
Gestaltwandler.
verwandeln können. Alle Vorstellungen der sinnlich-materiellen Welt werden hier
über den Haufen geworfen.
Das Wunderbare aber ist nun, dass der geistige Seher genau solche Phänomene Geistige Seher
beschreibt. Gerade Steiner weist darauf hin, dass wir, wenn wir die geistige Welt ebenso.
betreten, uns völlig von den Vorstellungen der materiellen Welt lösen müssen,
genau wie es die Quantenphysiker auch sagen, wobei diese Wissenschaftler da-
bei nur mathematische Modelle vor Augen haben.
Die Konsequenzen dieser Erkenntnis sind aber auch, dass wir uns fragen müs- Es muss eine In-
nengliederung un-
sen, wer wir dann in Wirklichkeit sind, wie unsere inneren Strukturen, unsere
seres Wesens ge-
Seele, unser Geist aufgebaut sind. Es ist ja schon unser physischer Körper ein ben.
absolutes und vielfältiges Wunderwerk. Wie müssen wir dann innerlich aufge-
baut sein? Diese Frage wird im Zentrum dieses Lehrheftes stehen, wobei wir uns
auf den Boden des Lehrwerkes der „Theosophie“ Rudolf Steiners stellen.
In den alten Kulturen und in okkulten Kreisen, also den Kreisen der Eingeweih-
ten, gab es schon immer Beschreibungen über die inneren „Körper“ des Men-
schen. „Körper“ deshalb, weil wir im Grunde keine Körper sind, sondern „Glieder“
unseres gesamten Wesens, wobei unser Körper selber nur ein Glied ist.
Mit der Analyse unserer „Wesensglieder“ werden wir den Einstieg in das Wissen
um die geistige Welt beginnen.
54
Die Texte von Rudolf Steiner beruhen auf seinen eigenen seherischen Wahr-
nehmungen und Erkenntnissen. Wir werden im Laufe des Lehrgangs wieder-
holt dieses Thema vertiefen. Zu diesem Zeitpunkt des Studiums der „Theoso-
phie“ ist es jedoch bereits gut, einiges darüber zu wissen. An Texten von Stei-
ner sei dies hier nachvollzogen. Es geht dabei darum, dass unser logisches
Denken eine zentrale Rolle spielt. Wir werden im Kursteil über die Wahrheit
noch einmal die Voraussetzung betrachten, dass wir die geistige Welt wissen-
schaftlich als These als real ansehen und darauf aufbauend die Erkenntnisse
Steiners prüfen können. Alle folgenden Texte sind aus: GA 9, 29.3.1910. Zuerst müssen wir
die geistigen Er-
kenntnisse studie-
„So notwendig es ist - das ist ja schon betont worden -, dass man zuerst durch
ren („Studium“),
die Schulung eines guten, vernünftigen Denkens hindurchgeht, wo man erst bevor wir sie sel-
die Dinge begreifen gelernt hat, bevor man aufsteigt zu höheren Welten, so ber wahrnehmen
notwendig ist es, dass man über dieses gewöhnliche Denken sich wiederum können.
erhebt zu einem unmittelbaren Erfassen.
Und gerade weil das so notwendig ist, dass man unmittelbar in der höheren
Welt erfassen lernt, muss man auf der anderen Seite jene logische Grundle- Gerade die ge-
sunde Denkschu-
gung vornehmen.
lung ist hier ein
Man muss sie aus dem Grunde vornehmen, weil man sonst mit seinen Gefüh- Führer!
len und Empfindungen ganz sicher irren würde.
Man ist nicht fähig, in der höheren Welt zu urteilen, wenn man das gewöhnli- Wir können die
che verstandesmäßige Denken da hinaufträgt; man ist nicht fähig, in der höhe- geistige Welt nicht
ren Welt zu urteilen, wenn man nicht erst in der physischen Welt ausgebildet mit Logik erken-
hat das verstandesmäßige Denken. nen!
Es finden manche Menschen allerdings vielleicht einen Grund, aus der Eigen-
Aber wir können
tümlichkeit des höheren Denkens, des Herzdenkens heraus, sich der gewöhn- sie auch nicht oh-
lichen Logik überhaupt ganz zu entschlagen. Sie sagen, da man die gewöhnli- ne logische Schu-
che Logik des physischen Planes doch wieder vergessen müsse, so brauche lung sicher wahr-
man sie ja nicht erst zu lernen. - Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass nehmen!
man ein anderer Mensch wird, wenn man das logische Denken auf dem phy-
sischen Plan als Schulung, als Übung durchgemacht hat.
Diese macht aus
Nicht um mit diesem Denken die höheren Welten zu begreifen, macht man es uns einen anderen
durch, sondern um aus sich selber einen anderen Menschen zu machen. Menschen.
Man erlebt ja auch an dem logischen Denken etwas. Man erlebt an dem logi- Das logische Ge-
schen Denken vor allen Dingen eine Art von Gewissen. Es gibt eine Art logi- wissen!
schen Gewissens, und wenn man dieses ausbildet, dann bekommt man in
seiner Seele ein gewisses Verantwortungsgefühl gegenüber Wahrheit und
Unwahrheit, und ohne dieses Verantwortungsgefühl gegenüber Wahrheit und
Unwahrheit ist nicht viel anzufangen in den höheren Welten.“
Es wird also, klar, dass wir einerseits durch das logische Denken hindurchgehen
müssen, um in der geistigen Welt selber Klarheit zu bekommen. Andererseits
55
„Wer aus dieser geistigen Welt heraus schildert, muss die Sprache des logi- Die Anforderungen
an einen Seher -
schen Denkens benutzen.
Wenn man dasjenige, was in der geistigen Welt erlebt wird, umgießen will in und die große
logische Gedanken, dann fühlt man etwa so, wie wenn man an einen Hügel Herausforderung.
herantritt, der eine wunderbare Konfiguration von Felsbildungen zeigt, und
daraus Steine ausbrechen muss, weil man sie braucht, um Häuser für die
Menschen zu bauen. So fühlt man, wenn man die Erlebnisse in der geistigen
Welt umformen muss in logische Gedanken des Verstandes.
So wie ein Mensch in der gewöhnlichen Welt das, was er in der Seele erlebt,
in Worten aussprechen muss, wenn er es anderen Menschen mitteilen will -
und wie man nicht verwechseln darf die Worte mit den Gedanken -, so muss
der Geistesforscher, wenn er das mit dem Herzen Erlebte mitteilen will, es
kleiden in die Sprache des logischen Denkens.
Logisches Denken ist nicht die Sache selber, logisches Denken ist nur die
Sprache, in der der Geistesforscher mitteilt, was er in den geistigen Welten er-
lebt hat. Wer sich an der logischen Gedankenform stößt und nicht fühlt, dass
mehr dahinter liegt; der ist in derselben Lage wie ein Zuhörer, der nur die Wor- Wie schwierig ist
te eines Redners hört und nicht die darin eingekleideten Gedanken aufnimmt. es uns schon, Ge-
Das kann die Schuld desjenigen sein, der spricht, wenn jemand angebliche danken in Worte
zu kleiden!
geisteswissenschaftliche Wahrheiten in solche Gedanken kleidet, dass der
Zuhörer darin keine Wahrheiten und Erkenntnisse des Herzens findet. Es
braucht aber nicht so zu sein, es kann auch die Schuld dessen sein, der zu-
hört, wenn er nur den Schall der Worte hört und nicht in der Lage ist, zu den Beide, Redner und
dahinter liegenden Gedanken zu dringen. Zuhörer haben
Aus dieser Forschung des Herzens heraus kann nur das der Menschheit mit- Verantwortung für
geteilt werden, was in klar formulierte logische Gedanken umgegossen wer- Kommunikation.
den kann. Was nicht in logische Gedanken umgegossen werden kann, das ist
Nur klar formulier-
nicht reif, der Menschheit mitgeteilt zu werden. Das ist der Probierstein, dass bare Erkenntnisse
es in klare Worte, in klar formulierbare Gedanken umgegossen werden kann, dürfen mitgeteilt
die scharfe Konturen haben. werden.
So müssen wir uns gewöhnen, auch wenn wir die tiefsten Wahrheiten des
Herzens hören, sie in Gedankenformen zu vernehmen und hinter diesen For-
men auf den Inhalt zu schauen.
Das muss sich der Seher angewöhnen, wenn er wirklich etwas dazu beitragen
will, dass in der Menschheit dasjenige verbreitet wird, was aus dem Geiste
heraus geoffenbart werden kann.
56
Hier stoßen wir auf das große Thema der Mystik, des inneren Erlebens der Der Lehrgang
höheren Welten, auf das heute Vieles in der modernen Esoterik hinzielt. Der dient zur Stabili-
behutsame und wissende Umgang damit wird hier angesprochen, um die un- sierung gegenüber
den Gefahren der
guten Konsequenzen daraus zu vermeiden. Dazu dient unter vielem anderen
Esoterik.
auch unser Kurs.
Eine weitere Botschaft ist diejenige, dass wir nicht nur an den äußeren Worten
der seherischen Erkenntnisse hängen bleiben dürfen, sondern die Bilder da-
hinter zu erfassen haben. Dazu werden wir auch beständig anregen. Die Bilder erfassen
Thematik betrifft, wie aus dem Text ersichtlich, auch das so genannte „Herz- hinter den Texten.
denken“, das als Thema im Rahmen unseres Lehrgangs ansteht.
57
Im letzten Kapitel haben wir die große Bedeutung unseres logischen Denkens
herausgearbeitet, aber auch hingewiesen, dass wir dabei nicht stehen bleiben
dürfen. Wir bekommen aus seherischen Erkenntnissen die „Steinbrocken des
Berges“. Nun müssen wir für uns selbst, wieder einen Berg, und zwar einen ei-
genen Berg aus den Brocken aufbauen. Was heißt das? Es heißt, dass wir aus
dem Logischen uns lösen müssen und nun Vorstellungen erarbeiten. Das ist der
eine Schritt. In einer Übersichtsgraphik im Lehrhefte 4 werden wir uns erarbeiten,
dass wir Gedanken und Vorstellungen haben. An dieser Stelle wollen wir bereits
darauf hinweisen, dass wir zwischen „DENKEN“ und „GEDANKEN“ unterscheiden Unterscheide
Denken und Ge-
müssen. Das Denken ist die Kraft in unserer Seele, die Gedanken oder Vorstel-
danken
lungen ihre Produkte, so wie die Wahrnehmungskraft „Sehen“ die Kraft darstellt
und die Empfindung oder Wahrnehmung „Farbe“ ist.
Aus den zunächst abstrakten Worten in einem Text müssen wir nun den Inhalt
herauszubilden versuchen, der aus einer Vorstellung stammt, aus einer seheri-
Wir müssen unse-
schen, die wir „IMAGINATION“ nennen werden. Eine solche Vorstellung müssen wir re eigenen leben-
uns nun selber erarbeiten. Daher sind die Texte von Steiner nicht zu lesen wie digen Vorstellun-
ein übliches Buch, eher schon wie ein hoch abstrakter Mathematiktext mit den gen schaffen.
Formeln, aus denen wir Vorstellungen herausarbeiten müssen. An diesen Texten
muss man arbeiten und eher länger an einem Text bleiben, um eine passende
Vorstellung zu bekommen.
Was kann nun eine Vorstellung sein? Wenn wir von dem „Wachstum einer See-
le“ hören, dann ist natürlich das Bild, die Vorstellung eines Baumes dazu pas-
send, eines Gebildes, das organisch wächst. Wenn man davon sprechen will,
dass eine Seele sich im geistigen Raum gut bewegen soll, dann kann man von
„Flügen der Seele“ sprechen. Eine poetische, künstlerische und organische
Sprache ist hier angesagt. Sie löst uns von dem rein Abstrakten, Vorstellungslo-
sen, das aber genauso wichtig für unser Arbeiten und unsere Entwicklung ist. Wir
dürfen nicht das eine annehmen und das andere leugnen. Beide Kräfte müssen
wir nutzen, den Künstler und den Wissenschaftler.
Zu dem Vorstellungsbild, das wir in uns heranwachsen lassen, gehört nun noch
Zweiter Aspekt der
eine andere Kraft: das Fühlen und Empfinden. ANTHROPOSOPHIE, GEIST- Texte: Gefühle
WISSENSCHAFT, SPIRITUELLE WISSENSCHAFT, sie bedeuten, dass wir im Gegen- dazu entwickeln,
satz zur reinen Naturwissenschaft nun auch die Kraft unseres Fühlens einsetzen Empfindungen.
dürfen und sogar sollen. Zwar wirken die Texte und Erkenntnisse auch so, dass
sie Gefühle in uns bilden. Aber wenn wir alles nur rein intellektuell betrachten,
fehlt uns der wirkliche Einstieg in die geistigen Erkenntnisse.
Der zweite Aspekt der Arbeit an geistigen Erkenntnissen, die in dieser Form an
uns herankommen bzw., die wir studieren, weil wir sie zunächst nicht selber be-
kommen können, bedeutet also, Gefühle zu den geistigen Erkenntnissen hinzu-
zufügen. „Was macht das Bild mit mir?“ „Welches Gefühl baut sich in mir auf,
wenn ich von höheren Welten höre oder von diesen oder jenen Wesen, diesem
oder jenem Teil eines göttlichen Plans?“ Erlebe ich ein Gefühl von Andacht, De-
mut, Staunen, Erhabenheit, Dankbarkeit?“ „Oder lebt in mir ein Widerstand?
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59
Im Jahre 1904 veröffentlichte Rudolf Steiner seine „Theosophie“, eines der Die „Theosophie“
Grundlagenwerke der modernen SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT. Der Titel ergab als erstes Grund-
sich aus der Tatsache, dass Steiner damals in der Theosophischen Gesellschaft lagenwerk.
tätig war. Hätte er das Buch später geschrieben, hätte er es möglicherweise
„Anthroposophie“ genannt. In dem Werk geht es um die Grundlagen unseres Da-
seins, die Gliederung unseres Menschenwesens. Es ist letztlich ein Bestseller
Ein Bestseller und
und ein Longseller, weil es seit über 100 Jahren unverändert neu gedruckt wird
Longseller.
und eine Auflage von nahezu einer Million alleine in deutscher Sprache erreicht
hat.
Das Buch gibt eine Schilderung der übersinnlichen Welt. Übersinnlich ist in die-
sem Sinne das, was sich unseren irdischen „fünf Sinnen“ entzieht. Lange Zeit
war diese übersinnliche Welt für die Wissenschaft Humbug, heute ist die Situati- Enthält das Ba-
on völlig verändert. Für Millionen von Menschen ist diese Welt längst Realität und siswissen über die
mit Quantenphysik, Astrophysik und anderen Disziplinen der äußeren Wissen- geistige Welt.
schaft sind wir bereits in diese Welt eingedrungen. Immer noch erscheint dieses
Werk aber als das Grundlagenwerk der Beschreibung der geistigen, übersinnli-
chen Welt, trotz der großen Fülle spiritueller Literatur nach Steiner.
Man kommt letztlich nicht darum herum, dieses Werk direkt zu lesen. Jedoch
sind durchaus einige Hinweise notwendig und sinnvoll, um das Werk zu verste-
hen, Hinweise, die das Arbeiten mit diesen Inhalten unterstützen.
Im Jahre 1918 hat Steiner eine erweiterte Ausgabe herausgegeben. Im Vorwort
aus dem Jahre 1922 hat er darauf hingewiesen, dass sich natürlich seine Sicht
stark verändert hat, die Inhalte dieses Werkes aber weiterhin ihre unveränderte
Gültigkeit haben.
Das, was der große deutsche Dichter damit ausgedrückt hat, ist folgende Tatsa-
che (oder Hypothese, wenn wir es vorsichtig ausdrücken wollen):
Ursache & Wir-
Die materielle Welt erscheint als eine Welt der Wirkungen, der Symptome. kung unterschei-
Die übersinnliche Welt dagegen ist die der Ursachen. den.
Diese erste Erkenntnis ist ein zentraler Schlüssel. Solange wir nur die materielle
Welt betrachten, bleiben wir in den Wirkungen und können viele Probleme letzt- Im Materialismus
lich nie wirklich lösen, weil wir nicht die Ursachen kennen. Im Materialismus heu- genau verdreht!
te hat man die Dinge verdreht: Die Materie ist zur Ursache geworden, das Geisti-
ge zum Symptom, zum Ergebnis. Das sollten wir beachten, weil ein gewisses
System dahinter steht, die Dinge zu verdrehen.
Erst mit dem Einstieg in die übersinnliche Welt betreten wir den Boden der Lö-
sungen und den Boden der Freiheit! Solange wir nämlich in den Wirkungen
verbleiben, verbleiben wir in ihnen gefangen, und das bedeutet Unfreiheit.
60
Die materielle Welt bekommt erst ihren wahren Sinn, erst Bedeutung durch
die Kenntnis und Erkenntnis der höheren, der übersinnlichen Welt. Sinn & Bedeutung
der Welt erkennen
Wann also werden wir wirklich „praktisch“? Der Vorwurf kommt ja oft, dass spiri-
tuelle Menschen unpraktisch, weltfremd seien. Es gilt jedoch das Gegenteil:
Wirklich praktisch werden wir, wenn wir die übersinnliche Welt einbeziehen, Das Leben verste-
wenn wir das Leben verstehen. „Realisten“ werden wir nur, wenn wir erkennen hen heißt prak-
und einbeziehen, was wirklich real ist und was scheinbar real. tisch werden.
Alle folgenden Zitate sind aus der „Theosophie“ Steiners und, wenn nicht anders
vermerkt, aus dem Kapitel „Das Wesen des Menschen“.
Rudolf Steiner hat immer sehr deutlich gemacht, dass seine Beschreibungen aus Rudolf Steiner war
ein Seher!
seiner eigenen seherischen Kenntnis resultieren.
„Der Verfasser dieses Buches schildert nichts, wovon er nicht Zeugnis able-
Seine Werke zu
gen kann durch Erfahrung, die man in diesen Gebieten machen kann. Nur in lesen ist Arbeit.
diesem Sinne Selbsterlebtes soll dargestellt werden.“
Daher scheitern so
Das Erstaunliche ist, dass auch viele, die sich mit seinen Werken befasst haben, viele daran.
davon nichts oder wenig wissen und meinen, er hätte das Wissen aus anderen
Werken. Es muss aber ganz deutlich gesagt werden, dass wir es bei ihm mit ei-
nem höchst geschulten geistigen Seher zu tun haben. Deshalb ist es wichtig zu
wissen, dass dieses Werk kein Buch ist wie so viele andere. Es bietet gleichzeitig
eine innere Schulung! Das ist auch ein Grund, warum so viele Menschen oft nicht
weit damit kommen. Es bedeutet nämlich Arbeit.
„Wie man Bücher in unserem Zeitalter zu lesen pflegt, kann dieses nicht gele- Steiners „Theoso-
sen werden. In einer gewissen Beziehung wird von dem Leser jede Seite, ja phie“ ist eine
mancher Satz erarbeitet werden müssen. Das ist mit Bewusstsein angestrebt Schulung!
worden.
Wer es bloß durchliest, der wird es nicht gelesen haben.“
Wir wollen in diesem Lehrheft genau das tun, indem wir exemplarisch Sätze
durcharbeiten.
Unser Leben ist ein Rätsel, ein einziges großes „Daseinsrätsel“. Unser Streben
als Mensch ist schon immer, dieses Rätsel zu lösen. Viele zentrale Fragen tau- Nicht aus reiner
chen dabei auf. Unsere moderne (Natur-)Wissenschaft versucht auch Antworten Neugier GEIST-
zu geben, aber letztlich erzeugt sie nur neue Fragen und keine Antworten. Noch WISSENSCHAFT
heute kann sie keinerlei Antworten auf die Fragen geben: „Was ist Leben?“ – betreiben.
Was ist Bewusstsein“? – Was ist die Seele?“ – Was ist „Geist“? Und sie wird sie
auch nie geben können – weil sie nicht in den Geist selber eindringt. Die Beant-
wortung dieser Fragen aber dient nicht der Neugier. Ihr Ergebnis ist etwas Ande-
res:
61
„Wer nicht Worte und Begriffe für den Verstand, sondern wirkliche Erkenntnis-
se für das Leben im Sinne hat, der weiß, dass er in einer Schrift, die vom An-
fang der Geist-Erkenntnis handelt, nicht Dinge sagen darf, die den höheren
Stufen der Wahrheit angehören.“
Eine unermessliche Zahl an Büchern ist heute verfügbar in der Esoterik über Gott
und die geistige Welt. Die meisten von ihnen lassen die Einhaltung dieses Ge-
setzes vermissen. Sie erzählen von Welten, die niemand verstehen kann, so wie
ein Grundschüler nicht die höhere Integralrechnung verstehen kann. Und weil
das so ist müssen wir stets fragen, welche Geister sich hinter solchen Werken
zeigen oder auch nicht zeigen und was ihre Absicht sein mag. Und daher begin-
nen wir auch am Anfang des Werkes Steiners (wobei wir später den anderen Be-
ginn mit seinen rein philosophischen Werken ebenso einbeziehen).
Diese zweite Erkenntnis, dass wir solide beginnen müssen, ist ebenfalls von Schulung des Ba-
zentraler Bedeutung. Wir sollen verstehen, dass ein solides Studium der Grund- siswissens ist ab-
solut erforderlich.
lagen unabdingbar ist. Alle höhere Schulung oder höheres Wissen vorher er-
scheint sinnlos bzw. gefährlich.
Um die Bedeutung eines solchen Studiums zu ermessen, benötigen wir den Beg- Geistesleben
riff „Geistesleben“. Was ist das? Es ist die Art und Weise, wie wir mit unserem
Geist umgehen, wie wir denken, wie wir glauben, was wir glauben, wie wir unse-
ren Geist behandeln und den unserer Mitmenschen, wie wir ihn nach außen brin-
gen.
Unser Geistesleben heute ist extrem geprägt durch das naturwissenschaftliche
Denken und auch viel materialistisches Denken. Daher gilt:
Geisterkenntnis -
„Gerade wegen der Art des gegenwärtigen Geisteslebens ist daher Geist- dringend lebens-
Erkenntnis ein unentbehrliches Erkenntnisgebiet für unsere Zeit.“ notwendig.
Unser materialistisches Weltbild heute lähmt uns, lässt uns in der Seele erkalten
und zerstört unsere ökologischen und sozialen Strukturen. Aus diesem Grunde
ist diese dritte Erkenntnis, dass dieses Wissen lebensnotwendig ist für unsere
Zukunft, von großer Bedeutung. Das Drama des
Materialismus und
Das Drama unserer Zeit heute besteht aber darin, dass diese Notwendigkeit auf- unserer Zeit heute.
grund des einseitigen Materialismus gegeben ist, dass aber gerade das natur-
wissenschaftlich-materialistische Denken diese Notwendigkeit zu erkennen ver-
62
„Diese Lehre setzt voraus ein ganz neues inneres Sinneswerkzeug, durch
welches eine neue Welt gegeben wird, die für den gewöhnlichen Menschen
gar nicht vorhanden ist.“ Johann Gottlieb Fichte (1762-1814),
Das Geistige na-
1813 über sein Lebenswerk
turwissenschaftlich
beweisen zu wollen
Der große deutsche Philosoph beschrieb das Dilemma in seinen Worten mit dem
ist genauso, wie
Bild eines Blinden, dem man versucht, die Farben zu erklären. einem Blinden Far-
Ebenso geht es mit der Geisteswelt und dem Anspruch der modernen Wissen- ben beweisen zu
schaftler, alles naturwissenschaftlich „beweisen“ zu wollen. Das ist nicht möglich. wollen.
Wir müssen sehen lernen und müssen neue Formen der Erkenntnis akzeptieren
– die aber trotzdem wissenschaftlich sind.
„Niemand kann ohne Kenntnis dieser Dinge im wahren Sinne des Wortes
´Mensch´ sein.“
Mensch werden wir
Nach diesen Worten Steiners einer vierten Erkenntnis, die doch sehr tiefgehend erst wirklich, wenn
ist, begreifen wir, was es letztlich heißt, wirklich „Mensch“ zu sein. Solange wir wir die Erkenntnis
die geistige Dimension unseres Lebens nicht erfasst haben, bleiben wir an der um die Geist-Welt
Oberfläche und sind noch um Einiges von unserem Mensch-Sein entfernt. in unser Leben
einbeziehen.
ÜBUNG:
Diese doch sehr heftige Aussage ist geeignet, die oben angesprochene Ü-
bung zu machen. Hinfühlen, was diese Aussage bei mir bewirkt. Was fühle ich
dabei? Empörung zum Beispiel? Oder etwas ganz Anderes? Eine Ahnung
meiner möglichen Größe? Oder ein Schuldgefühl, wie weit ich davon entfernt
bin? Oder einen Unmut, weil ich versteckt ein solches Schuldgefühl in mir ha-
be?
Gleichzeitig prüfen wir für uns den Inhalt logisch, sachlich. Erscheint er uns
richtig?
Diese Übung zeigt uns zwei Ebenen von Gefühlen auf. Solche, die sich bilden,
um den sachlichen Inhalt emotional zu begleiten, also eine emotional sachliche
Ergänzung. Es kann ein Gefühl von Dankbarkeit, Demut, Größe, etc. sein. Diese
Gefühle schulen uns in unserer geistigen Entwicklung direkt. Oder solche, die
persönliche Grenzen, Konflikte, usw. mit dem Text und dem Inhalt aufzeigen. Sie
lehren uns, etwas über uns zu erfahren und innere Blockaden, Vorurteile zu er-
kennen und letztlich zu lösen oder sie zeigen uns, dass an dem Text etwas nicht
stimmt und wir schulen unseren Wahrheitssinn. Das alles schafft die Hindernisse
für unsere geistige Entwicklung beiseite und führt so ebenfalls zu Entwicklung.
Es gibt Menschen, die geistig „sehen“ können, während wir noch blind sind in der
geistigen Welt: die Seher. Aber in uns leben zwei Kräfte, die uns helfen, uns
trotzdem dieser Welt zu öffnen: Verständnis und Wahrheitsgefühl. Wir berühren
damit die zwei großen Kräfte unseres Daseins: Denken und Fühlen. Wir können Wahrheitsgefühl
und Verständnis
erfühlen, ob eine Erkenntnis eines Sehers wahr ist, indem wir in unsere Seele
hineinlauschen und wir können uns das Verständnis dafür erarbeiten, können es
verstehen durch unser logisches Denken. Die Erkenntnis des Sehers wird da-
durch zu einer geprüften Vorstellung, zu einem anwendbaren Wissen in uns.
63
höhere Erkenntnis
Welt der Ursachen – Erkenntnis des GEISTES -
GEIST-SEELE GEIST-WISSENSCHAFT
Ein Werdegang von uns allen besteht darin, dass wir unsere geistigen Augen
entwickeln und öffnen. Dies ist im Plan der Evolution vorgesehen. Ein jeder kann Der vorbereitende
nun diesen Werdegang beschleunigen und gleichzeitig dabei das Leben immer Schritt zur Geist-
besser meistern. Dabei gibt es zwei Prozesse. Der eine ist die so genannte „Ein- Erkenntnis ist das
weihung“ selbst, das Entwickeln und Öffnen der geistigen Augen durch Schu- STUDIUM.
lung.
geistiges Sehen
Einweihung
Verständnis
Studium
„Das Gefühl und das Verständnis für die Wahrheit liegen in jedem Men-
schen. Und an dieses Verständnis, das in jeder gesunden Seele aufleuchten
kann, wendet sich der Seher zunächst.
Er weiß auch, dass in diesem Verständnis eine Kraft ist, die allmählich zu
den höheren Graden der Erkenntnis führen muss.
Dieses Gefühl, das vielleicht anfangs gar nichts sieht von dem, wovon zu
ihm gesprochen wird, es ist selbst der Zauberer, der das ´Auge des Geistes´
aufschließt. In der Dunkelheit regt sich das Gefühl. Die Seele sieht nicht; a-
ber durch dieses Gefühl wird sie erfasst von der Macht der Wahrheit;
Und dann wird die Wahrheit nach und nach herankommen an die Seele und
ihr den ´höheren Sinn´ öffnen. Für den einen mag es kürzer, für den ande-
ren länger dauern; wer Geduld und Ausdauer hat, der erreicht dieses Ziel.
Denn wenn auch nicht jeder physisch Blindgeborene operiert werden kann:
jedes geistige Auge kann geöffnet werden. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ 9
Wir haben von Steiner gehört, dass oft einzelne Sätze erarbeitet werden müssen, Es geschieht
ja einzelne Worte. In dieser Stelle spricht er davon, dass das Verständnis auf- nicht von selbst!
leuchten „kann“. Das bedeutet, dass ein jeder von uns diese Fähigkeit in sich
trägt. Aber es bedeutet auch, dass durchaus eine Arbeit sich dahinter verbirgt. Er
spricht nicht davon, dass es einfach „aufleuchtet“. Es ist also keine Selbstver-
ständlichkeit. Ein jeder Mensch kann das Schreiben lernen. Aber er muss es ler-
nen. Es geschieht nicht von selbst.
Er weist uns auch darauf hin, dass dieses Verständnis für das Höhere eine Kraft Das Studium
führt uns auch
ist, die bei Anwendung zudem zu den höheren Erkenntnissen führt. Dies ist be-
zwangsläufig
deutsam, denn es besagt, dass wir durch das Verstehen (und Erfühlen) der Er- zum geistigen
kenntnisse der ANTHROPOSOPHIE, der GEIST-WISSENSCHAFT, der SPIRITUELLEN Sehen.
WISSENSCHAFT, zwangsläufig zur höheren Erkenntnis kommen. Darin liegt also
der zusätzliche Wert dieser Arbeit, neben dem praktischen Wert fürs Leben. In Die Liebe zur
uns lebt eine Macht der Wahrheit, die uns zum Ziel führt. Daher ist die Liebe zur Wahrheit ist un-
Wahrheit der große Schlüssel. Die alten Inder kannten den Wert der Macht der ser Schlüssel zur
Macht der Wahr-
Wahrheit, indem sie sagten: „Wissen ist der größte Heiler.“
heit.
Wichtig ist auch die Erkenntnis, dass jeder Mensch dies ohne spezielle wissen-
schaftliche Bildung entwickeln kann. Ja, das moderne wissenschaftliche Denken
und die moderne wissenschaftliche Bildung können sogar ein großes Hindernis
sein, denn in ihnen leben oft viele Vorurteile, die jedes Eintreten in die geistige Falsche oder
einseitige wis-
Erkenntnis verhindern. Diese sind dann auf jeden Fall zu überwinden. Ein jeder
senschaftliche
von uns ist in der Lage, wissenschaftlich zu denken, logisch zu denken. Wissen- Bildung verhin-
schaftliche „Bildung“ verbaut oft dieses Denken selber. Wir sollten also klarma- dert geistige Er-
chen, was eine wirklich gute wissenschaftliche Bildung ist. Wenn wir nur das ler- kenntnis.
nen, nachplappern und als Vorstellungen übernehmen, was die moderne Natur-
wissenschaft uns lehrt und vor allem ihre einseitigen Interpretationen, dann blei-
65
Wir stoßen mit diesem Text auf die wichtigsten Begriffe für unseren Weg zur
Freiheit!: unbefangene Logik, gesundes Wahrheitsgefühl und auch vorurteilsfrei-
es Denken, wie es vorher und später heißt. Diese Qualitäten zu entwickeln ist ein Will ich es?
großes Ziel unseres Lehrgangs. Dabei spielt das letzte Wort „will“ eine wichtige
Rolle. Wir müssen es wollen, sowohl das Entwickeln wie das Anwenden!
Zum Schluss der vorbereitenden Gedanken geht es noch um eine weitere wichti-
ge Erkenntnis. Viele Menschen befassen sich heute mit den geistigen Welten,
der Esoterik, der Spiritualität, „channeln“ hohe „geistige Erkenntnisse“, usw. Sie
fühlen sich dabei auch zum Lehrer des Geistigen berufen. Was aber sind wirkli-
che Erfordernisse dafür? Welche Qualität hat denn das geistige Sehen über-
haupt? Was hilft es mir, wenn ich „Hellseher“ bin?
„Um ´Lehrer´ auf diesen höheren Gebieten des Daseins zu sein, genügt es
allerdings nicht, dass sich dem Menschen der höhere Sinn erschlossen hat.
Dazu gehört ebenso ´Wissenschaft´ auf ihnen, wie zum Lehrerberuf auf dem Hellsehen bedeu-
tet nicht Wissen!
Gebiet der gewöhnlichen Wirklichkeit Wissenschaft gehört.
´Höheres Schauen´ macht ebenso wenig schon zum ´Wissenden´ im Geisti-
gen, wie gesunde Sinne zum ´Gelehrten´ in der sinnlichen Wirklichkeit ma-
chen.
Derjenige der unwissend in den niederen Dingen ist, wird es wohl auch zu-
meist in den höheren Dingen bleiben.“
Hellseher zu sein bedeutet zunächst nichts anderes als eine höhere Wahrneh-
mung. Man „sieht“. Wenn wir einem Pygmäen eine Coladose zeigen, dann „sieht“
er das Logo von Coca Cola und den Text darauf auch. Aber er kann damit nichts
anfangen, solange er nichts darüber „weiß“! Diese Unterscheidung zu erfassen
ist von großer Bedeutung für unser Leben, denn sie schützt uns vor unnötigen Unterscheide zwi-
Quacksalbern im geistigen Bereich. Wir begreifen, was SPIRITUELLE WISSEN- schen WAHRNEH-
SCHAFT bedeutet. Wir müssen in dem Bereich des Geistigen ebenso wissen- MUNG UND ER-
schaftlich sein wir im Materiellen. Alles andere fällt aus dem Rahmen heraus. Wir KENNTNIS!
müssen also sehr genau unterscheiden zwischen den Bereichen der WAHRNEH-
MUNG (durch Sinne, materielle oder geistige), der ERKENNTNIS, sowie der geprüf-
ten VORSTELLUNGEN, die wir uns zu eigen machen. Theosophie –
Weisheit, Wissen-
Das Höchste, was der Mensch erfassen kann, ist das, was wir als das Göttliche schaft speziell
verstehen. Die Weisheit, die sich damit befasst und damit auch mit dem göttli- vom Göttlichen
chen Wesenskern des Menschen, kann daher als „Theosophie“ (Die „Weisheit
vom Göttlichen“ oder die Weisheit aus göttlicher Sicht) bezeichnet werden. Sie Geist-
Wissenschaft –
richtet sich auf eben das Höchste im Kosmos. Richtet man den Blick auf den
Wissenschaft vom
Wert des „Geistes“ und das Wissen darüber, so spricht man von GEIST - Geist
WISSENSCHAFT oder Geistes-Wissenschaft, wie Rudolf Steiner sie bezeichnete.
66
„Der Wille, durch gesundes Denken erst zu verstehen, was später geschaut
werden kann, fördert dieses Schauen. Es zaubert wichtige Kräfte der Seele
hervor, welche zu diesem ´Schauen des Sehers´ führt“
immer tiefer verstehen. Sie drücken aus, wie wichtig ein solches Studium ist, das
wir hier betreiben wollen, denn es fördert Kräfte in uns, die uns stark für das täg-
liche Leben machen, aber auch alles vorbereiten, was uns geistig in der Zukunft
erwartet.
Alles, was wir hier tun, ist also sowohl auf die Gegenwart, aber auch auf die Zu- Wir können nur die
kunft ausgerichtet. Denn die Gegenwart können wir nur leben, aber nicht mehr Zukunft gestalten,
nicht mehr die
gestalten. Wir können nur die Zukunft gestalten, und das hängt davon ab, was
Gegenwart.
wir heute dafür tun. Der sehr bekannte und oft auch strapazierte Satz: „Im Hier
und Jetzt leben“ kann ebenso fatale Auswirkungen haben, wenn er falsch ver-
standen wird. Im Hier und Jetzt leben ist eines. Aber mein Leben für die Zukunft
schöpferisch zu gestalten, bedeutet in der Gegenwart die Zukunft in mein Be-
wusstsein zu holen, das was angelegt ist, zu erfassen und das, was ich frei ges-
talten kann auch als Zukunft zu gestalten. In der Gegenwart leben tun die Tiere.
Sie können nicht zukunftsorientiert denken wie wir Menschen. Deshalb müssen
wir mit einem solchen Satz wie mit so vielen „Weisheiten“ sehr bewusst umge-
hen.
67
Was ist das WESEN der Physik? Was das Wesen der Mathematik? Was das der Was bedeutet WE-
Politik? Was ist das Wesentliche einer Sache? Das Tier ist ein Wesen und Engel SEN?
„Es ergibt sich, dass der Mensch drei Seiten in seinem Wesen hat.“
Leib Seele
Wesen
Mensch
Das Vergängliche
Geist zeigt sich uns im
Leib, das Ewige im
Bild 3: Die drei Seiten unseres Wesens Geist und das Indi-
viduelle in der See-
le.
Drei Erlebniswelten tragen wir Menschen also demnach in uns. Die Erlebnissphä-
re in uns, die uns die Außenwelt erleben lässt, diejenige, die uns unsere eigene
69
„Durch seinen Leib vermag sich der Mensch für den Augenblick mit den Din-
gen in Verbindung setzen. Durch seine Seele bewahrt er sich die Eindrücke,
die sie auf ihn machen und durch seinen Geist offenbart sich in ihm, was
sich die Dinge selbst bewahren.“
Die mittlere Welt zeigt uns auch das ganze Spektrum an seelischen Erlebnissen
auf, zu denen auch unsere Traumata gehören.
Alle drei Seiten können als eine Verwandtschaft mit dem Kosmos gesehen wer-
den, mit einem Weltengeist, einer Weltenseele und dem äußeren Universum,
dem Weltenkörper.
Wir erfassen unser Wesen also nur dann, wenn wir die drei Seiten berücksichti-
gen.
Das Wesen des Menschen besteht also aus diesen drei Aspekten, wobei genau
das Wesen der Erkenntnisfähigkeit – die bewusste Anwendung unseres Geistes
- uns vom Tier unterscheidet.
Unser wahres We-
„So ist der Mensch Bürger dreier Welten. Durch seinen Leib gehört er der sen.
Welt an, die er auch mit seinem Leibe wahrnimmt; durch seine Seele baut er
eine eigene Welt auf; durch seinen Geist offenbart sich ihm eine Welt, die
über die beiden anderen erhaben ist.“
Zwei Dinge sind hier wichtig für uns. Zum ersten hören wir davon, dass wir eine
eigene Welt erschaffen. Wir kommen darauf zurück. Das zweite ist der Grund, Wir sind Welten-
warum wir bei unserem Lehrgang auch von einer Ausbildung zum WELTENBÜR- bürger!
GER sprechen.
70
Hinter diesem zunächst schlichten Satz verbirgt sich eine sehr wichtige Tatsa-
Unsere materiellen
che. Die Naturwissenschaft kann nur die Materie ergründen und erforschen, weil Sinne können nur
sie sich nur auf die materiellen Sinne bezieht. Beachten wir dabei aber zwei ganz die Materie erken-
entscheidende weitere Tatsachen. nen.
Erstens ist es so, dass die Naturwissenschaft mit der Sinneswahrnehmung allei-
ne keine Naturgesetze finden kann. Die Sinne sagen uns: „Die Sonne dreht sich
um die Erde“. Der Verstand sagt uns die Wahrheit: „Die Erde dreht sich um die Naturwissenschaft
Sonne.“ Also muss bereits die Naturwissenschaft etwas zu Hilfe nehmen, was hat aber an der
nicht materiell und auch nicht durch die Sinne erfassbar ist: den Verstand. Sie Basis zwei geistige
muss auf eine Wissenschaft zurückgreifen, die sich nur auf das Denken bezieht: Wissenschaften:
die LOGIK. Das zweite ist, dass sie an ihrer Basis eine weitere Wissenschaft hat, Logik und Mathe-
matik.
die ebenso nichts mit Materie zu tun hat: die MATHEMATIK. Diese beiden macht-
vollen (Geistes-)Wissenschaften haben wir bereits kennen gelernt.
Die Seele und den Geist können wir mit den Sinnen nicht wahrnehmen. Also
können wir sie auch mit der Naturwissenschaft nicht erforschen! Ein jeder, der
das glaubt, unterliegt einem fundamentalen Irrtum. Durch den Leib können wir Für die Wahrneh-
mung der Seele
nur den Leib erforschen. Für Seele und Geist benötigen wir seelische und geisti-
benötigen wir see-
ge Sinnesorgane und betreten damit den Boden des geistig Wahrnehmenden. lische Sinne, für
Unser Körper wird aus den Stoffen der Materie erbaut, der Natur wie die MINERA- den Geist geistige
LIEN auch. Wir wachsen und pflanzen uns fort, wie die PFLANZEN (siehe Name: Sinne.
Fortpflanzung!) und besitzen Wahrnehmung und innere Empfindungen wie die
TIERE.
Alle drei Reiche besitzen unterschiedliche Gestalten, durch die man sie unter-
scheiden kann.
„Und dieser Bau – die Gestalt – ist es, was man mit den Sinnen wahrnimmt
und was man allein LEIB nennen kann.“
Der Leib ist die
In diesen Worten Steiners wird auf etwas hingewiesen, woraus sich eine ganz
Gestalt eines We-
eigene Wissenschaft in der Psychologie entwickelt hat: die Gestalttherapie. Hier sens.
wird ein Geheimnis angedeutet, dass wir nämlich mit unseren Sinnen letztlich nur
die Gestalt wahrnehmen. Und die Gestalt ist das, was als LEIB oder auch KÖR-
PER bezeichnet wird.
Da sich der Mensch aber grundlegend – alleine schon in seinem Leiblichen, was
auch von der Naturwissenschart anerkannt wird -, von den anderen drei Reichen
unterscheidet, bedeutet dies, dass wir von vier Reichen sprechen können und
müssen.
Vier Reiche, die
„Durch seine menschliche Daseinsform bildet der Mensch schon in leiblicher sich unterscheiden:
Steine, Pflanzen,
Beziehung ein Reich für sich.“
Tiere, Menschen.
71
„Als eigene Innenwelt ist die seelische Wesenheit des Menschen von seiner
Leiblichkeit verschieden.“
in diesem Satz drückt sich das Phänomen SEELE aus. Unser Leib ist in gewisser Unsere Innenwelt
Weise getrennt von der Seele, obwohl sie vielleicht auch eine Einheit bilden. Wir entspricht im We-
kommen später darauf zurück beim Beispiel des Wassers. Die Seele ist von un- sentlichen der See-
le.
serem Leib verschieden! Sie hat damit eine eigenständige Existenz. Sie stellt ei-
Sie ist unsere indi-
ne eigene Wesenheit dar. Sie ist unsere eigene Innen-Welt, eine zweite Welt ne- viduelle Welt.
ben der Materiewelt draußen, der Außen-Welt. Wie können wir das begründen?
„Bekannt ist, dass es Menschen gibt, die farbenblind sind. Andere sind teil-
weise farbenblind. Ohne weiteres geht daraus hervor, dass schon die einfa-
che Sinnesempfindung zur Innenwelt gehört.“
Um uns an das Geheimnis des Begriffs der Seele heranzutasten, benötigen wir
diese Erkenntnis. Bereits unsere Wahrnehmungen zeigen uns, dass wir alle die
Welt verschieden erleben. Eine individuelle Welt tut sich da auf – die Innenwelt.
Alles, was wir individuell in uns erleben, jener Teil unserer Innenwelt, in dem wir
individuell erleben, stellt unsere SEELE dar, die gleichzeitig ein gegliedertes Or-
gan ist, wie wir später sehen werden. Dies ist die eine Sichtweise für den Begriff
der Seele. Und wenn wir das zugrunde legen, dann wird sofort klar, dass bereits
unsere EMPFINDUNGEN zur Seele gehören. Rudolf Steiner spricht hier nicht von
EMPFINDUNGEN ge-
den Sinneswahrnehmungen, sondern von den Sinnesempfindungen. Die Unter-
hören bereits zum
scheidung zwischen Wahrnehmung und Empfindung wollen wir im Hinterkopf Seelischen.
behalten.
Dazu ein Beispiel. Wir sehen zunächst etwas, ein Lichteindruck fällt auf unser
Auge. Und dann entsteht in uns eine Empfindung, die von grün oder rot oder
stumpf, spitz, usw. Unser Wahrnehmungsapparat liefert uns ein Bild, wie eine
Kamera. Aber welche Empfindung dabei geweckt wird, ist gleich oder individuell.
Beim Farbenblinden entsteht eine andere Empfindung.
Bereits die Erkenntnis über unsere Empfindungen gibt uns die Möglichkeit, den
Materialismus zu überwinden. Dass Steiner das Wort „bloße“ hervorhebt (im Ori-
ginal kursiv, hier unterstrichen), hat seine Bedeutung. Denn er sagt hier zum Bei-
spiel nicht, dass Innenerlebnisse keine Gehirnvorgänge auslösen, sondern dass
sie eben nicht als ausschließliche solche Vorgänge gesehen werden dürfen.
Damit werden alle naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über das Gehirn, aus
den Neurowissenschaften als gültig angesehen, und keinerlei Konflikt dazu ent-
steht. Aber es werden die falschen Interpretationen zurückgewiesen.
An die Empfindung von rot oder blau schließt sich aber etwas Anderes an. Wir
erleben diese Farben zunächst auch noch in einer anderen Empfindung, nämlich
72
„In seinen Gefühlen schafft sich der Mensch eine zweite Welt zu derjenigen
hinzu, die von außen auf ihn einwirkt.“
An dieser Stelle wollen wir eine erste Frage formulieren, die uns auftaucht. Ist mit
der ersten Welt die Welt der Empfindungen gemeint oder die der äußeren Natur? Frage 1: Was ist
Denn nach dem Vorherigen müssten ja bereits die Empfindungen eine eigene die zweite Welt?
Welt entstehen lassen. Eine feine Unklarheit liegt aber in diesen Worten, die wir
im Folgenden näher beleuchten wollen.
„Und ein Drittes kommt hinzu: der Wille. Durch ihn wirkt der Mensch wieder
auf die Außenwelt zurück. Und dadurch prägt er sein inneres Wesen der Au-
ßenwelt auf.
Die Seele des Menschen fließt in seinen Willenshandlungen gleichsam nach
außen.
So stellt sich die Seele als das Eigene des Menschen der Außenwelt ge-
genüber. Er erhält von der Außenwelt die Anregungen; aber er bildet in Ge-
mäßheit dieser Anregungen eine eigene Welt aus.“
Wir Menschen erbauen also eine eigene Welt! Dieser Satz ist von großer Bedeu-
tung. Wir können ihn durchaus wörtlich nehmen (stellen wir uns für einen Mo- Wir schaffen eine
ment vor, ein Sonnensystem wäre so entstanden!). In ihm wird auch hingewiesen eigene Welt!
auf unsere Schöpferkraft. Wir erzeugen eine eigene und neue Welt! Und wir prä-
gen unsere Außenwelt auch um, wir verändern sie. Die Empfindungen erbauen
noch keine Welt, sie sind flüchtige Wahrnehmungsbilder. Aber sie erzeugen Ge-
fühle, die in Erinnerung bleiben, zusammen mit den Empfindungen.
Erstmalig taucht die neue Kraft des Willens auf, die wir bereits als dritte Seelen- Seele = Empfin-
kraft kennen gelernt haben. Und die Welt unserer Seele wird in dieser Beschrei- dungen + Gefühle
bung als die angesehen, in der Empfindungen, Gefühle und Willensimpulse, Wil- + Willensimpulse
lenshandlungen leben, weil diese individuell sind. Das Denken ist hier nicht ein-
bezogen.
73
Wir haben nun zwei Welten kennen gelernt, die Welt der Natur, der äußeren Wer ordnet unsere
sachlichen Welt und die Welt unserer individuellen Seele. Nun fehlt uns noch Handlungen?
die dritte. Unsere Wahrnehmungen regen unsere Seele an. Unsere Seele er-
reagiert darauf mit ihren Stimmungen, Gefühlen und Willensimpulsen. Doch
wodurch werden diese getrieben? Nur durch die Wahrnehmungsimpulse der
Außenwelt oder unsere eigenen Gefühle? Nein, es gibt eine weitere treibende
und vor allem ordnende Kraft.
„Der Mensch schweift nicht richtungs- und ziellos von einem Sinneseindruck
zum andern. Erst mit der Kraft
Er denkt über seine Wahrnehmungen und über seine Handlungen nach. des Denkens be-
Durch das Nachdenken über die Wahrnehmungen erwirbt er sich Erkennt- treten wir den wah-
nisse über die Dinge. Durch das Nachdenken über seine Handlungen bringt ren Boden des
er einen vernunftgemäßen Zusammenhang in sein Leben.“ Mensch-Seins.
Erst jetzt stoßen wir auf das DENKEN. Nach-Denken tun wir. Das hat etwas mit
BEWUSSTSEIN zu tun, weil wir nur nachdenken können über etwas, was vorge-
Nachdenken
dacht wurde (von Menschen oder kosmischen Wesen) oder geschehen ist. Und Bewusstsein
nachdenken können wir über die äußere Welt, die sich uns in den Wahrnehmun- Welterkenntnis
gen offenbart (und gewinnen WELTERKENNTNIS) und über unsere eigene Welt Selbsterkenntnis
(und gewinnen SELBSTERKENNTNIS).
„Das Seelische steht also einer zweifachen Notwendigkeit gegenüber. sind die wichtigen
Von den Gesetzen des Leibes wird es durch Naturnotwendigkeit bestimmt; Schlüsselbegriffe.
von den Gesetzen, die es zum richtigen Denken führen, lässt es sich bestim-
men, weil es deren Notwendigkeit frei erkennt.
Den Gesetzen des Stoffwechsels ist der Mensch durch die Naturgesetze un-
terworfen; den Denkgesetzen unterwirft er sich selbst.“
Diese äußerst bedeutsame Aussage können wir wieder als eine gute Möglichkeit
nehmen, zu üben.
ÜBUNG:
Was bedeutet dies sachlich, inhaltlich für mich? Ist es logisch? Was sagt mein
Wahrheitsgefühl dazu? Ist es stimmig? Gibt es ein Unwohlsein dabei? Woher
mag das kommen? Welche Vorstellung, welches Bild formt sich in mir?
Hier stoßen wir auch erstmals auf das große Thema unserer Freiheit! Wir sehen
einerseits, dass es zwei große Notwendigkeiten gibt, aber dass wir uns für die
eine frei entscheiden können, für die Gesetze des richtigen Denkens, die geisti-
gen Gesetze. Dass das „Seelische“ von der Natur bestimmt wird, deutet darauf
hin, dass es einen Einfluss des Körpers auf die Seele gibt. Diese Frage werden
wir weiter verfolgen müssen. Die Frage bleibt, ob wir in unserer Seele frei sein
können.
Können wir frei über unsere Empfindungen entscheiden? Nicht, solange diese
durch die körperliche Wahrnehmung gesteuert werden (es bleibt die Frage, ob
74
GEIST
SEELE
„Dadurch macht sich der Mensch zum Angehörigen einer höheren Ordnung,
als diejenige ist, der er durch den Leib angehört. Und diese Ordnung ist die
Geistige.
So verschieden das Leibliche vom Seelischen, so verschieden ist dieses
wieder vom Geistigen.“
Diese letzte Bemerkung weist uns auf das große Geheimnis der drei Welten hin,
die seit Jahrtausenden in allen geistigen Traditionen, vor allem der Inder genannt
werden. Wir sprechen heute in der Physik von einem Universum, von einer Welt. Drei reale Univer-
sen!
Aber die geistigen Seher sprechen von drei realen Welten.
Dass wir heute auch in der Quantenphysik über Parallelwelten und parallele Uni-
versen diskutieren und in der Astrophysik von Dunkler Materie und Parallel-
Universen, zeigt uns, dass wir aber auch in der Naturwissenschaft längst an die
Realität der drei Welten angestoßen sind. Man hat die so genannte Dunkle Mate-
rie und Dunkle Energie eindeutig physikalisch nachgewiesen. Aber man bezeich-
net sie immer noch als „Materie“, während man sicherlich längst die Ursachen-
kraft des Geistes damit entdeckt hat.
Es folgt nun nach der Darlegung dieser Grundlagen bei Steiner die detaillierte
Beschreibung unseres Wesens als Ganzes. Diese Darlegung beinhaltet noch ei-
nige Rätsel und Fragen, die zu klären sind, obwohl zunächst alles sehr klar zu
sein scheint. Jedoch ist es denkbar, dass Steiner in dieser Darstellung nicht alles
sagen konnte, oder sagen wollte, um den Schülern und Studierenden Raum für
eigenes Nachdenken und eigenes Studieren zu geben. Denn alles fertig
vorzukauen ist nicht die Art der geistigen Lehrer.
Als zweites müssen wir wissen, dass es zu einer Wahrheit verschiedene Blick- Umfassende
winkel gibt. Ein Gegenstand vor uns wird erst ganz in seiner Wahrheit erfasst, Wahrheit entsteht
wenn er von allen Seiten betrachtet wird. Ebenso gilt das für geistige Wahrheiten. durch viele Blick-
Daher erscheinen geistige Erkenntnisse oft als widersprüchlich. Dann ist zu erar- winkel.
beiten, ob sie wirklich so sind oder nur Betrachtungen von anderen Seiten.
Als drittes kennen wir aus der Quantenphysik die so genannte und weltberühmte
„Heisenbergsche Unschärferelation“. Diese besagt, dass ich nicht zugleich Ort
und Impuls eines Teilchens genau messen kann. In unserer Erfahrung kennen
wir das, wenn wir uns auf eine Detail eines Bildes konzentrieren, dass dann alles
andere darum herum verschwommen wir, und umgekehrt.
Eine solche Unschärferelation gilt offensichtlich auch für den geistigen Seher, Auch im Geistigen
was wir bei allen scheinbaren logischen Widersprüchen beachten müssen. Und gilt eine Unschärfe-
wenn es dann noch darum geht, dass verschiedene Seher Unterschiedliches be- relation.
schreiben und Widersprüche entstehen (siehe Teil II-2 dieses Lehrheftes), dann
kommen neben diesen Unwägbarkeiten noch die verschiedenen Fähigkeiten und
Bewusstseinsstufen der seherisch Veranlagten hinzu. Es ist wie bei Naturwis-
senschaftlern auch. Was der eine sieht, sieht der andere zunächst nicht. Wir Bei verschiedenen
nehmen jedoch Steiners Werk als Grundlage zum Vergleich zu allen anderen, Sehern kommt der
weil wir wissen und es bestätigt bekommen haben, dass seine seherischen Fä- unterschiedliche
higkeiten offensichtlich am besten und vollkommensten ausgeprägt waren und Grad des Bewusst-
seins, der Befähi-
vor allem durch seine wissenschaftliche Schulung die Qualität bekommen haben,
gung hinzu.
die Basis für eine gesunde SPIRITUELLE WISSENSCHAFT zu legen. Das heißt nicht,
dass er nicht irren kann. Das ist selbst für einen geschulten Seher ebenso mög-
lich. Weiterhin müssen wir eben die Tatsache bedenken, die er selbst beschrie- Und das Problem
ben hat mit dem Abbrechen des Berges: Es ist sehr schwer, die geistige Schau der Beschreibung
in Worte zu fassen, vor allem am Beginn dieser Entwicklung im 20. Jahrhundert, der geistigen
Ende des 19. Schau.
Steiner hat in der Unterteilung seines Werkes zunächst Körper, Seele und Geist
als solches kurz beschrieben. Das haben wir bislang auch getan. Dann folgt das
größere und zentrale Kapitel wieder mit dem Thema „Leib, Seele und Geist“, das
wir im Folgenden zusammenfassen. Hier arbeitet er das aus, was er vorher an-
gerissen hat.
Zum ersten Mal taucht nun der Begriff des KÖRPERS auf gegenüber dem des
Leibes. Diese beiden Begriffe können zum einen gleichgesetzt, zum anderen in
einer Hinsicht aber auch unterschieden werden.
77
„Der Mensch kann sich in richtiger Art nur über sich aufklären, wenn er sich
die Bedeutung des Denkens innerhalb seiner Wesenheit klarmacht.
Das Gehirn ist un-
Das Gehirn ist das leibliche Werkzeug des Denkens. ser Geistorgan.
Wie der Mensch nur mit einem wohl gebildeten Auge Farben sehen kann, so
dient ihm das entsprechend gebaute Gehirn zum Denken. Der ganze Leib des
Menschen ist so gebildet, dass er in dem Geistorgan, im Gehirn, seine Krö-
nung findet.“
Der erste Satz hat so große Bedeutung, weil in ihm auch der große Hinweis auf
den richtigen Umgang mit Esoterik heutzutage enthalten ist. Der zweite Satz hat
die große Bedeutung, dass er uns zeigt, worin der große Irrtum des Materialis-
mus und der modernen Evolutionsbiologie liegt.
Was bedeutet Geistorgan? Im Gehirn, über unser Gehirn findet unser Denken
statt. Und nur mit dem Denken kann ich den Geist erfassen. Das Organ der Wel-
tenseele mag das Herz sein, das Organ des Weltengeistes ist der Kopf. Viele
Menschen haben ein großes Problem, gerade heute in der modernen Esoterik,
mit dieser Heraushebung des Denkens. Dies wird ein zentrales Thema unseres Gerade moderne
Lehrganges sein. Denn so viele fatale Erfahrungen der Menschen resultieren aus Esoteriker haben
ein Problem mit
dieser Betrachtung. Ganz deutlich und an vielen Stellen versucht Steiner uns auf
dem Denken.
diese falsche Einstellung aufmerksam zu machen.
Es geht von einer
„Gegen solche Bemerkungen über das Denken, wie sie hier vorgebracht wer-
berechtigten Kritik
den, herrscht manches Vorurteil. Manche Menschen sind geneigt, das Denken aus, übersieht aber
zu unterschätzen und das ´innige Gefühlsleben´, die ´Empfindung´ höher zu den Wert des Den-
stellen. kens.
Ja, man sagt wohl: nicht durch das nüchterne Denken, sondern durch die
Wärme des Gefühls durch die unmittelbare Kraft der Empfindungen erhebe
man sich zu den höheren Erkenntnissen.
Menschen, die so sprechen, fürchten, durch klares Denken die Gefühle abzu-
stumpfen. Beim alltäglichen Denken, das sich nur auf die Dinge der Nützlich-
keit bezieht, ist das sicher der Fall. Aber bei den Gedanken, die in höhere Re-
gionen des Daseins führen, tritt das Umgekehrte ein. Es gibt kein Gefühl und
keinen Enthusiasmus, die sich mit den Empfindungen an Wärme, Schönheit
und Geborgenheit vergleichen lassen, welche angefacht werden durch die
reinen, kristallklaren Gedanken, die sich auf höhere Welten beziehen.
Die höchsten Gefühle sind eben nicht diejenigen, die ´von selbst´ sich einstel-
len, sondern diejenigen, welch durch energische Gedankenarbeit errungen
werden.“
Erinnert uns das nicht an viele Diskussionen? Erinnert uns das nicht an viele
Meinungen über Mystik, Bauchgefühl, Intuition, die alle über dem Denken ste-
hen? Vielleicht müssen wir den hohen Wert des Denkens wirklich erst in all sei-
ner Tiefe erfassen.
78
„Der Menschenleib hat einen dem Denken entsprechenden Bau. Unser Körper ist so
Dieselben Stoffe und Kräfte, die auch im Mineralreich vorhanden sind, finden gebaut, dass er
sich im menschlichen Leib so gefügt, dass sich durch diese Zusammenfügung Denken möglich
das Denken offenbaren kann.“ macht.
Hätte er das nicht einfacher sagen können? Warum heißt er nun Körper? Ist das
etwas anderes als der „Leib“ des Menschen? Der physische Körper ist ein „mine-
ralischer Bau“. Wir wollen physischer Körper und physischer Leib auch gleichset-
zen, was Steiner später auch macht.
Der mineralische Körper wird bewegt und bestimmt durch die mineralischen Kräf- Mineralisch ge-
formt.
te, was immer diese sind. Wir werden ihnen später begegnen, wenn wir die geis-
tigen Wesen betrachten.
Wir haben vorher auch von der GESTALT gehört. Diese nehmen wir wahr. Bei ihr
können wir vom Leib sprechen. Wir werden gleich sehen, dass es drei Leiber
gibt, drei Körper. Daher verbleibt die Frage, was mit der Gestalt des Leibes ge-
meint ist, die Gestalt des physischen Körpers oder die der drei zusammen? Die-
se Frage wollen wir uns auch offen halten.
Wenn wir den Unterschied zunächst zwischen Mineral und Pflanze betrachten,
stoßen wir auf den großen Konflikt zwischen den alten Lehren der Arten und der
Evolutionslehre. Die folgenden Worte dienen dabei bereits einer Erhellung.
„Die Kräfte, durch die ein Mineral entsteht, sind auf die Stoffe selbst gerichtet, Die Kräfte für die
die es zusammensetzen. Ein Bergkristall bildet sich durch die dem Silizium Fortpflanzung sind
außerhalb der Ma-
und dem Sauerstoff innewohnenden Kräfte, die in ihm vereinigt sind.
terie zu suchen.
Die Kräfte, die einen Eichbaum gestalten, müssen wir auf dem Umwege durch
einen Keim in Mutter- und Vaterpflanze suchen.
Und die Form der Eiche erhält sich bei der Fortpflanzung.“
79
„Es gibt innere, dem Leben angeborene Bedingungen. Es war daher eine rohe
Naturanschauung, die glaubte, dass niedere Tiere, selbst Fische, aus
Schlamm sich bilden können.“
FORM
„Die FORM des Lebenden pflanzt sich durch Vererbung fort.“
Wir erleben ja durch einfachste Beobachtung und Forschung, dass die Form ei-
nes Tieres, die Gestalt, von Generation zu Generation weitergegeben wird. Aus
dem Elefanten wird wieder ein Elefant. Trotzdem haben wir die Sicht, dass aus
einem Affen ein Mensch wird, usw. und vor allem, dass aus der unbelebten Ur-
suppe das Leben entstanden ist, wo sich dieses doch durch Fortpflanzung ver-
mehrt. Hier liegt der große Konflikt begraben. Und durch den Satz:
„Es gibt innere, dem Leben angeborene Bedingungen.“
weist Steiner darauf hin, dass das Leben eigenen Gesetzen folgt, die wir
beobachten können und die es unmöglich machen, dass das Lebendige aus dem
Unlebendigen entsteht.
„Wie ein lebendes Wesen sich entwickelt, hängt davon ab, aus welchem Va-
ter- oder Mutterwesen es entstanden ist, oder mit anderen Worten, welcher
Art es angehört.“
ART
Jetzt taucht der wichtige Begriff auch aus der Biologie auf: die ART. Was ist das
eigentlich? Was ist denn die „Art“ eines Computers oder eines „Autos“? Es sind
zwei völlig verschiedene Arten. Noch deutlicher wird es zwischen Nähmaschine
und Flugzeug. Die Nähmaschine ist eine Idee im Geist des Menschen, das Flug-
zeug eine völlig andere Idee. Und so entstehen immer wieder Nähmaschinen
und Flugzeuge völlig unabhängig voneinander. Ähnlich erscheint es bei den bio-
logischen Arten. Sie entstehen aus den Ideen der Natur oder Gottes. Und gehen
nicht auseinander hervor. Und damit kommt der entscheidende Sprung.
Es gibt Kräfte, die dafür sorgen, dass sich Mineralien verbinden. Diese Kräfte
aber können keine lebenden Arten hervorbringen. Dazu muss es andere Kräfte
geben. Deshalb müssen wir einen Sprung tun in eine andere Welt.
„Die Stoffe, aus denen ein lebendes Wesen sich zusammensetzt, wechseln
fortwährend; die Art bleibt während des Lebens bestehen und vererbt sich auf
die Nachkommen.
Die Art ist damit dasjenige, was die Zusammenfügung der Stoffe bestimmt.“
Dieser letzte Satz ist entscheidend. Es gibt eine Idee, eine „Art“, die Idee „Tiger“,
die bestimmt, dass Tiger entstehen und aus Tigern wieder Tiger. Diese wirkt auf
80
Jeder, der ernsthaft mit diesen Texten arbeitet, bemerkt, dass er gefordert wird.
Es ist nicht einfach, diese Gedanken nachzuvollziehen. Das ist auch der Grund,
warum so viele Menschen dabei aussteigen. Aber es geht um eine Schulung, es
geht darum, dass wir uns anstrengen. Ohne Anstrengung bilden sich keine Mus-
keln. Ohne Anstrengung entfalten wir keine Kräfte. Das ist so wichtig zu verste-
hen. Deshalb bedeutet Geistesschulung auch Anstrengung. Denken Sie darüber
nach. Üben Sie auch an diesen Texten.
Wir haben jetzt die neuen Kräfte für die Bildung von Leben gefunden und nennen
sie auch so. Zwei verschiedene Manifestationsebenen (Mineralien, Pflanzen),
zwei verschiedene Formen von Kräften.
„Die Äußerungen der Lebenskraft nimmt der Mensch durch die gewöhnlichen LEBENSLEIB
LEBENSKÖRPER
Sinne nicht wahr.
ÄTHERLEIB
Die Farben sind für den Blindgeborenen da, sobald er operiert worden ist; e- ÄTHERKÖRPER
benso sind für den Menschen die durch die Lebenskraft geschaffenen Arten VITALKÖRPER
der Pflanzen und Tiere, nicht bloß die Individuen, auch als Wahrnehmung vor- ENERGIEKÖRPER
handen, wenn sich ihm das Organ dafür erschließt. CHI-KÖRPER
In jeder Pflanze, in jedem Tier empfindet der Seher außer der physischen PRANAKÖRPER
Gestalt noch die lebenerfüllte Geistgestalt. Um einen Ausdruck dafür zu ha- QUANTENKÖRPER
ORGON-KÖRPER
ben, sei diese Geistgestalt der Ätherleib oder Lebensleib genannt.“
Der geistige Seher nimmt also die Art wahr, die „Katze“ als solche, nicht nur das
Individuum, die einzelne Katze. Das Urbild der Katze wird wahrgenommen, so
wie Goethe von einer Urpflanze spricht.
Wenn wir heute am Computer das 3D-Modell eines Autos sehen, dann ist das
wie ein Urbild, wie eine Art.
Wieder haben wir eine Gestalt, dieses Mal aber eine geistige, und diese trägt Le-
ben in sich. Mit dem Lebenskörper oder Lebensleib haben wir den Unterschied
zwischen Stein und Pflanze herausgefunden. Die Pflanze besitzt eben diesen
Körper, der die Art bilden kann.
„Dem Seher ist der Ätherleib nicht etwa bloß ein Ergebnis der Stoffe und Kräf-
te des physischen Leibes, sondern eine selbständige Wesenheit, welche die Unterschied zwi-
gewöhnlichen Stoffe und Kräfte erst zum Leben ruft.“ schen Mineral und
Pflanze
Der Ausdruck „zum Leben ruft“ ist bezeichnend. Ich rufe dich zum Leben. Da fin-
det also ein Ruf statt. Da ist eine „selbständige Wesenheit“ (was ist das?!), die
den physischen Körper zum Leben ruft: „He, wach auf.“ Das Mysterium dieses
Ätherkörpers ist ein gewaltiges, und wir Menschen werden dieses in den kom-
81
„Mit ´Leib´ soll bezeichnet werden, was einem Wesen von irgendeiner Art Unterschied Leib
´Gestalt´, ´Form´ gibt. Man sollte den Ausdruck ´Leib´ nicht mit sinnlicher Kör- und Körper - Leib
perform verwechseln.“ ist Form, Körper ist
ein Formausdruck.
Hier finden wir nun eine Antwort auf eine unserer Fragen. Unter „Körper“ verste-
hen wir normalerweise die mineralische Form eines Dings. Unsere Frage 3 er-
scheint für uns damit geklärt.
„In dem in dieser Schrift gemeinten Sinne kann die Bezeichnung ´Leib´ auch
für das gebraucht werden, was sich als Seelisches und Geistiges gestaltet.“
Was ist also mit „Leib“ gemeint? Nun, es gibt das Prinzip der „FORM“. Bei der Un-
terteilung in Form, Leben und Bewusstsein, die wir schon erwähnt haben, ist die
„Form“ die Fähigkeit, einer Idee eine Gestalt zu geben. Und so gibt es geistige,
seelische und materielle Gestalten oder Formen. Diese nennen wir „Leiber“. Wir
nennen aber auch die drei Leiber, die Grundlage der Seele sind – zwei haben wir
schon kennen gelernt – „Körper“.
„Der Lebensleib ist noch etwas dem Menschen Äußerliches.“ Der Lebensleib
wird noch zum Äu-
Mit dieser Aussage treffen wir auf die große Zweiteilung unseres Wesens, die ei- ßeren des Men-
ne Darstellung unseres Wesens ist. Die folgenden Darstellungen beschreiben schen gezählt,
nicht zu seinem
andere Unterteilungen.
Wesen.
GEIST - SUBJEKT
KÖRPER - OBJEKT
Diese Unterteilung unterscheidet den subjektiven Teil in uns, unser eigenes We-
sen, das uns auch nach dem Tode bleibt, und den objektiven Teil, von dem wir
uns nach dem Tode und auch in der Nacht verabschieden. Wenn wir uns diesen
Teil als „Raumanzug“ eines Astronauten vorstellen, haben wir vielleicht ein pas-
82
Empfindungsleib
„Damit stellt sich zwischen den physischen Leib und den Ätherleib einerseits
und die Empfindungsseele noch ein besonderes Glied der menschlichen We-
senheit hin. Es ist der Seelenleib oder Empfindungsleib.“ EMPFINDUNGSLEIB
SEELENLEIB
Um den dritten Leib (nach physischem und ätherischem) zu erfassen, wird nun
zuerst jener erste Teil der Seele beschrieben. Dieser dritte Leib ist der Träger
der Empfindungen. Der Ätherkörper ist der Träger der Lebenskräfte. Der physi-
sche Körper ist der Träger der physischen Kräfte. Die Empfindungsseele be-
schreiben wir noch.
Folgende systematische Darstellung veranschaulicht dies:
PHYSISCHER LEIB
ÄTHERLEIB } eine
Einheit
EMPFINDUNGSLEIB
EMPFINDUNGSSEELE
} eine
Einheit
83
84
Empfindungsseele
„Mit dem ersten Regen der Empfindung antwortet das Innere selbst auf die
Empfindungen fin-
Reize der Außenwelt. Man mag dasjenige, was man Außenwelt zu nennen den bereits in der
berechtigt ist, noch so weit verfolgen: Die Empfindung wird man nicht finden Seele statt.
können.
Die Lichtstrahlen dringen In das Auge; sie pflanzen sich innerhalb desselben
bis zur Netzhaut fort. Da rufen sie chemische Vorgänge (im so genannten
Sehpurpur) bis zum Gehirn fort; dort entstehen weiter physische Vorgänge.
Könnte man diese beobachten, so sähe man eben physische Vorgänge wie
anderswo in der Außenwelt. Vermag ich den Lebensleib zu beobachten, so
werde ich wahrnehmen, wie der physische Gehirnvorgang zugleich ein Le-
bensvorgang ist. Aber die Empfindung der blauen Farbe, die der Empfänger
der Lichtstrahlen hat, kann ich auf diesem Wege nirgends finden. Sie entsteht
erst innerhalb der Seele des Empfängers. Wäre also das Wesen dieses Emp-
fängers mit dem physischen Körper und dem Ätherleib erschöpft, so könnte
die Empfindung nicht da sein.“
Dies ist der erste Schritt heraus aus jedem einseitigen Materialismus. In einer
rein materiellen Sicht gibt es eine Empfindung außerhalb des Körpers nicht. Da-
her liegt in einer solchen Textstelle die Herausforderung für eine wirkliche wis-
senschaftliche Diskussion und Forschung. Für den gesunden Menschenverstand
und die Logik ist es sofort nachvollziehbar, dass Empfindungen eine ganz andere
Kategorie sind als physikalische Prozesse im Gehirn. Eine Kamera nimmt, wie
bereits gesagt, auch Bilder auf. Aber sie hat keine Empfindungen dazu, weil sie
keinen Empfindungsleib hat. Dass es über das Physikalische hinaus Wirkungen
gibt, ist durch die Reaktionen von Pflanzen auf Gefühle nachgewiesen.
„Ganz wesentlich unterscheidet sich die Tätigkeit, durch welche die Empfin- Fundamentaler Un-
dung zur Tatsache wird, von dem Wirken der Lebenskraft. terschied zwischen
Ein inneres Erlebnis wird durch jene Tätigkeit aus diesem Wirken hervorge- Lebenskraft und
Empfindungskraft
lockt. Ohne diese Tätigkeit wäre ein bloßer Lebensvorgang da, wie man ihn
auch an der Pflanze beobachtet.
Man stelle sich einen Menschen vor, wie er von allen Seiten Eindrücke emp-
fängt. Man muss sich ihn zugleich nach allen Richtungen hin, woher er die
Eindrücke empfängt, als Quell der bezeichneten Tätigkeit denken. Nach allen
Seiten hin antworten die Empfindungen auf die Eindrücke. Dieser Tätigkeits-
quell soll Empfindungsseele heißen.“
Empfindungsseele
Diese Empfindungsseele ist ebenso wirklich wie der physische Körper.“
Wir haben den Boden der Seele betreten. Es wird in der Zukunft ein großes For-
schungsgebiet sein, die „Schnittstelle“, wie man modern sagt, zwischen Seele
85
„Wenn ein Mensch vor mir steht und ich sehe von seiner Empfindungsseele Ohne Empfin-
dungsseele haben
ab, indem ich ihn mir bloß als physischen Leib vorstelle, so ist das gerade so,
wir nur Leinwand.
als wenn ich mir von einem Gemälde bloß die Leinwand vorstelle.“
Eine Leinwand ist der „Träger“ des Bildes, der Farben. Das Bild existiert vorher
im Geist des Malers, die Farben außerhalb der Leinwand. Und die Leinwand e-
xistiert vorher unabhängig von den beiden. Erst mit dem Gemälde kommen die
drei zusammen.
Unsere materialistische Sicht sieht den Menschen nur als Kamera oder Leinwand
und deshalb kann sie nicht weiter kommen. Unser Körper ist der Träger der See- einseitiger Materia-
le. Das ist die Sichtweise der SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT, und ein jeder mag lismus
mit seinem eigenen Verstand daran arbeiten, für sich zu erfassen, was die Wirk-
lichkeit, die Wahrheit ist.
Der Materialismus ist ja nicht grundsätzlich falsch. Falsch ist nur, wenn seine
Sichtweise auf das Geistige übertragen wird. Der weitere Text zeigt nämlich, wie
Recht der Materialismus in gewisser Weise hat.
„Die Empfindungsseele hängt in Bezug auf ihre Wirkung vom Ätherleib ab.
Und da der Ätherleib das Leben innerhalb des physischen Leibes ist, so ist die
Empfindungsseele auch von diesem mittelbar abhängig. Nur bei richtig leben-
dem, wohl gebautem Auge sind entsprechende Farbenempfindungen möglich.
Dadurch wirkt die Leiblichkeit auf die Empfindungsseele.
Diese ist also durch den Leib in ihrer Wirksamkeit bestimmt. Sie lebt innerhalb reeller Materialis-
der ihr durch die Leiblichkeit gezogenen Grenzen.“ mus
Das ist eine materialistische Beschreibung! Wie können wir uns das vorstellen?
Im Laufe der Bearbeitung der Themen wird dies immer klarer werden. Aber wenn
wir uns vielleicht vorstellen, dass unser physischer Körper ein Kraftfeld ist (was
der spirituellen Tatsache nach Steiner entspricht), und wir uns dieses Feld wie
das eines Magneten vorstellen, und wenn wir uns nun den Stoff, aus dem die
Seele besteht, als Eisenspäne vorstellen (diese Vorstellung ist durchaus berech-
tigt), dann ist diese Empfindungsseele die Form der Eisenspäne, die durch den
Magneten erzeugt wird. Der materielle Körper zieht also Seelisches an und bildet
so einen Seelenkörper. Das scheint die Realität zu sein. Und damit haben die
Materialisten Recht, die sagen, dass der Körper die Seele bestimmt. Aber sie
haben nicht Recht, wenn sie behaupten, dass Seelisches nicht außerhalb des
Körpers existiert. Das Seelische existiert sehr wohl, nur wird es – auf dieser Ebe-
ne, nicht auf einer höheren! – durch den Körper geformt.
„Aber die Grenze der Empfindungsseele fällt nicht mit derjenigen des physi-
schen Körpers zusammen. Diese Seele ragt über den physischen Leib hinaus.
Man sieht daran, dass sie sich als mächtiger erweist, als er ist. Aber die Kraft,
durch die ihr die Grenze gesetzt ist, geht von dem physischen Leibe aus.“
86
Empfindungsleib - Seelenleib
„Man kann auch sagen: Ein Teil des Ätherleibs sei feiner als der übrige, und
Seelenleib als fei-
dieser feinere Teil des Ätherleibes bildet eine Einheit mit der Empfindungssee- ner Ätherleib
le, während der gröbere Teil eine Art Einheit mit dem physischen Leib bildet.
Doch ragt, wie gesagt, die Empfindungsseele über den Seelenleib hinaus.“ zu merken: Äther-
leib ragt über phy-
Den Hinweis auf den Ätherleib wollen wir nicht übersehen. Er mag vielleicht spä- sischen hinaus,
ter wieder eine Rolle spielen, obwohl er hier nur in einem Nebensatz steht. Da- Seelenleib über
nach bekommen wir nämlich noch ein weiteres Bild: den ätherischen
und die Empfin-
dungsseele über
den Seelenleib.
PHYSISCHER LEIB PHYSISCHER LEIB
EMPFINDUNGSLEIB
EMPFINDUNGSSEELE
ÄTHERLEIB, fein
EMPFINDUNGSSEELE } eine
Einheit
Nun kommen wir noch zu der nächsten Ebene unseres seelischen Lebens, die
wir früher bereits angedeutet haben:
„Was hier Empfindung genannt wird, ist nur ein Teil des seelischen Wesens Empfindungen ha-
(Der Ausdruck Empfindungsseele wird der Einfachheit halber gewählt). ben denselben
An die Empfindungen schließen sich die Gefühle der Lust und Unlust, Triebe, Charakter wie Ge-
Instinkte, Leidenschaften an. fühle.
All das trägt denselben Charakter des Eigenlebens wie die Empfindungen und
ist, wie sie, von der Leiblichkeit bestimmt.“
88
Wir betreten nun eine weitere Ebene der Seele, die entscheidend für unser
Mensch-Sein ist. Bislang war nur von Körper, Geist und Seele die Rede. Jetzt
wird genauer unterschieden.
„Ebenso wie mit dem Leibe tritt die Empfindungsseele auch mit dem Denken,
dem Geiste in Wechselwirkung. Zunächst dient ihr das Denken. Der Mensch
bildet sich Gedanken über seine Empfindungen. Das Kind, das sich verbrannt
hat, denkt nach und gelangt zu dem Gedanken ´das Feuer brennt´.
Auch seinen Trieben, Instinkten und Leidenschaften folgt der Mensch nicht
Geist und Denk-
blindlings; sein Nachdenken führt die Gelegenheit herbei, durch die er sie be-
kraft
friedigen kann. Was man materielle Kultur nennt, bewegt sich durchaus in die-
ser Richtung. Sie besteht in den Diensten, die das Denken der Empfindungs-
seele leistet. Unermessliche Summen von Denkkräften werden auf dieses Ziel
gerichtet. Denkkraft ist es, die Schiffe, Eisenbahnen, Telegraphen, Telefone
gebaut hat; und alles dient zum weitaus größten Teil zur Befriedigung von Be-
dürfnissen der Empfindungsseelen. In ähnlicher Art wie die Lebensbildekraft
den physischen Körper durchdringt, so durchdringt die Denkkraft die Empfin-
dungsseele.“
Rudolf Steiner betrachtet die Situation aus Sicht der Empfindungsseele. Zwei
Seiten begrenzen sie: der Körper und der Geist. Aus dem Geist kommt nun nach
Steiner das Denken. Er setzt hier Denken und Geist gleich, womit wir beim We- Das Wesen des
sen des Geistes wären. Vielleicht können wir Folgendes als Brücke wählen: Geistes = Denken
89
Wenn wir heute überall vom „Familienstellen“ hören, dann bekommen wir hier ei-
nen ersten Hinweis darauf, womit das zusammenhängt. Über unseren Ätherleib
sind wir mit unseren Ahnen verknüpft. Durch ihn leben sie in einer gewissen
Weise in uns. Wir haben ja vorher von der polaren Unterteilung unseres Wesens
gehört (Bild 6), die später noch auf unser Ich ausgedehnt werden wird. Das ge-
winnt jetzt an Bedeutung:
KÖRPER SEELE
ÄTHERLEIB EMPFINDUNGSSEELE
eine
eine Einheit
Einheit SEELE
Bild 8: Die beiden Verbindungen unserer Seele mit unseren Ahnen (der erste
geistige Strom und Zusammenhang) und mit den geistigen Gesetzen
(der zweite geistige Strom)
90
Wir werden beim Thema der 7-Jahres-Rhythmen hören, dass wir mit dem Zahn-
wechsel den physischen Ahnenkörper abstoßen, also den Körper, den wir durch
Geburt und Genetik von unseren Eltern bekommen haben. Vorher „leben“ die
Ahnen in diesem Körper. Mit dem Zahnwechsel bauen wir uns unseren eigenen Schicksalspsycho-
Körper auf und befreien uns von dem Ursprungskörper. logie
Nun hören wir, dass in unserem Ätherkörper die Ahnen noch wirksam sind. Dies
legt die Konsequenz nahe, was eigentlich Familienstellen bedeutet, was auch die
„Schicksalspsychologie“ eines Leopold Szondy bedeuten mag, nach dem in uns
ein Familienschicksal neben unserem individuellen Schicksal lebt.
Mit diesem Wissen um den Ätherleib bekommen wir eine Ahnung, was wir beim
Familienstellen tun, und dazu ist GEIST -WISSENSCHAFT so wichtig.
Wir müssen ja auch bei den Empfindungen feststellen, dass sie bei allen Men-
schen ziemlich gleich sind. Alle empfinden „spitz“ als spitz. Das ist nicht beson-
ders individuell. Wir haben aber festgestellt, dass unsere Seele das Individuelle
in uns ist. Wie ist das also zu verstehen? Nun, es fiel im letzten Kapitel der Beg-
riff „Eigenleben“ (Charakter des Eigenlebens). Damit haben wir in Zusammen-
hang mit den Ahnen das Richtige getroffen. Alles was außerhalb des Ätherkör-
pers in unseren Seelengliedern sich abspielt ist unser Eigenleben. Es ist daher
„individuell“. Das heißt nicht, dass wir nicht alle in den Empfindungen gleich
wahrnehmen. Trotzdem spielt es sich in unserer eigenen Welt ab, während im
Ätherköper noch die Welt unserer Ahnen hineinspielt, so wie vor allem während
der Schwangerschaft der Körper der Mutter in unseren Körper. Eigenleben und
Individualität sind also fein zu unterscheiden! Und erst mit Bezug zu unseren Ah-
nen lüftet sich dieses kleine Rätsel.
„Auch beim Tiere bemerken wir das Vorhandensein von Empfindungen, Trie-
ben, Instinkten und Leidenschaften. Aber das Tier folgt diesen unmittelbar. Sie
werden bei ihm nicht mit selbständigen, über das unmittelbare Erleben hi-
nausgehenden Gedanken durchwoben. Auch beim unentwickelten Menschen
ist das bis zu einem gewissen Grade der Fall.
Die Verstandes-
Die bloße Empfindungsseele ist daher verschieden von dem entwickelten hö- seele
heren Seelengliede, welches das Denken in seinen Dienst stellt. Als Verstan-
desseele sei diese vom Denken bediente Seele bezeichnet. Man könnte sie
auch die Gemütsseele oder das Gemüt bezeichnen.
Die Verstandesseele durchdringt die Empfindungsseele. Wer das „Organ“
zum Schauen der Seele hat, sieht daher die Verstandesseele als eine beson-
dere Wesenheit gegenüber der bloßen Empfindungsseele an.“
91
92
Die bloße Empfindungsseele ist daher verschieden von dem entwickelten höhe-
ren Seelengliede, welches das Denken in seinen Dienst stellt. Als Verstandes-
seele sei diese vom Denken bediente Seele bezeichnet.“
Frage 8: Welches
Hier wird plötzlich davon gesprochen, dass nicht die Empfindungsseele das Den- Glied stellt nun das
ken in ihren Dienst stellt, wie oben zitiert, sondern die Verstandesseele. Wie sol- Denken in seinen
len wir das wieder verstehen? Ist das nicht ein völlig logischer, gedanklicher, Dienst?
wörtlicher Widerspruch? Ein jeder mag versuchen, dies persönlich selbst zu klä-
ren. Aber wir versuchen zumindest eine Antwort zu geben.
Hier in der Unterscheidung zum Tier haben wir einen möglichen Teil der Antwort.
Die Gedanken „durchweben“ die Empfindungen. Über dieses Wort kann man
meditieren. Weben bedeutet ein Geflecht herstellen, bedeutet eine Struktur zu
geben, durchziehen die Empfindungen die Seele wie Fäden ein Tuch. Dadurch,
Das Tier im Men-
dass die Gedanken eingewoben sind, geben sie den Trieben eine Ordnung. Wir schen
werden von ihnen dann nicht mehr „chaotisch“ getrieben, wenn die Gedanken
herrschen, sondern geordnet auf ein schöpferisches Ziel, auf „Ideen“, im Gegen-
satz zum Tier, das auch Gedanken hat, aber eben keine „selbständigen, über
das unmittelbare Erleben hinaus gehende“. Tierisch oder auf niederer Men-
schenstufe stehen wir, wenn wir nur den unmittelbaren Trieben also Erlebnisim-
pulsen des Fühlens und Begehrens, also der „Bedürfnissen“ der Empfindungs-
seele folgen.
Dieses Netz von Gedanken nun stellt die Verstandesseele dar. Ihr „dienen“ die
Gedanken. Gleichzeitig dient das Denken aber auch der Empfindungsseele, die
von Gedanken durchdrungen ist. Wenn ich dem Minister diene, diene ich auch
dem König.
Es heißt „die vom Denken bediente Seele“. Das zeigt, dass das Denken nur
dient, aber nicht die Seele ist! Das ist eine weitere Sichtweise. Damit können wir
auch das Rätsel des Gemütes womöglich klären. Steiner hat zu Beginn klar zum
Ausdruck gebracht, dass in der Seele vor allem die Gefühle und der Wille leben,
weil diese individuell für den Menschen sind. Die Gedanken und damit der Geist
standen außerhalb. Als „Gemüt“ wird auch allgemein „die Summe aller Gefühls-
und Willensregungen“ verstanden (Wikipedia). Damit wird es etwas klarer. Die
Verstandesseele ist nicht primär die Denkseele, sondern primär das Gemüt, ge-
nau wie Steiner es formuliert. Doch es wird vom bewussten Ich mit dem Denken
aus dem Geist durchdrungen und dieses webt dann in der Empfindungsseele
unsere Struktur, um unsere materiellen Bedürfnisse zu ordnen und zu erfüllen. Die Verstandes-
Sie ist das Gemüt und damit doch der Träger der Gedanken, die aus dem Geist seele dient unse-
kommen und sich der Materie nähern. Die Verstandesseele ist damit im Wesent- ren materiellen Be-
lichen Fühlen aber gleichzeitig Gedankenträger. Deshalb sind die Gedanken auf dürfnissen
dieser Ebene auch noch sehr persönlich. Hier werden all unsere „Meinungen“
gebildet, die „persönliche Wahrheiten“ sind und von uns auch so fälschlicherwei-
se als „Wahrheiten“ bezeichnet werden.
Vielleicht kann diese Sichtweise einige offene Fragen einigermaßen zufrieden
stellend beantworten.
93
94
„Durch das Denken wird der Mensch über das Eigenleben hinausgeführt. Er
erwirbt sich etwas, das über seine Seele hinausreicht. Es ist für ihn eine Das Denken ist
selbstverständliche Überzeugung, dass die Denkgesetze in Übereinstimmung universell.
mit der Weltordnung sind. Er betrachtet sich deshalb als ein Einheimischer in
der Welt, weil diese Übereinstimmung besteht. Diese Übereinstimmung ist ei-
ne der gewichtigen Tatsachen, durch die der Mensch seine eigene Wesenheit
kennen lernt. In seiner Seele sucht der Mensch nach Wahrheit; und durch die-
se Wahrheit spricht sich nicht allein die Seele, sondern sprechen sich die Din-
ge der Welt aus. Was durch das Denken als Wahrheit erkannt wird, hat eine
selbständige Bedeutung, die sich auf die Dinge der Welt bezieht, nicht bloß
auf die eigene Seele.“
Jetzt folgt ein weiteres schweres Kapitel. Denn wir lernten, dass die Seele im
Grunde das Individuelle in uns ist. Jetzt aber lernen wir, dass ein Teil der Seele
nicht Individuell ist.
„Mit meinem Entzücken über den Sternenhimmel lebe ich in mir; die Gedan-
ken, die ich mir über die Bahnen der Himmelskörper bilde, haben für das Den-
ken eines jeden anderen dieselbe Bedeutung wie für das meinige.
Es wäre sinnlos, von meinem Entzücken zu sprechen, wenn ich selbst nicht
vorhanden wäre; aber es ist nicht in derselben Weise sinnlos, von meinen
Gedanken auch ohne Beziehung auf mich zu sprechen. Denn die Wahrheit,
die ich heute denke, war auch gestern wahr und wird morgen wahr sein, ob-
schon ich mich nur heute mit ihr beschäftige.
Macht eine Erkenntnis mir Freude, so ist diese Freude so lange von Bedeu-
tung, als sie in mir lebt; die Wahrheit der Erkenntnis hat ihre Bedeutung ganz
unabhängig von dieser Freude.
In dem Ergreifen der Wahrheit verbindet sich die Seele mit etwas, das einen
Wert in sich selbst trägt. Und dieser Wert verschwindet nicht mit der Seelen-
empfindung, ebenso wenig wie er mit dieser entstanden ist.
Was wirklich Wahrheit ist, das entsteht nicht und vergeht nicht: Das hat eine
Bedeutung, die nicht vernichtet werden kann.“
Wir berühren jetzt das Thema der Wahrheit, das so schwierig ist. Wir weisen in
den kommenden Lehrheften intensiv darauf hin, dass ein Ziel dieses Lehrgangs
auch ist, im Mensch-Sein zum Wahrheitssucher, Wahrheitsstrebenden zu wer- Ein Ziel des Lehr-
den, zu einem Menschen, dem es stets eine große Freude ist, die Wahrheit zu gangs: Wahrheits-
suchen, zu finden und danach zu leben. strebender zu wer-
den.
Individuell ist unsere Freude, universell die Erkenntnis. Die Gesetze der Gravita-
tion und das Wissen darum ist für alle Menschen gleich, ihr Erleben individuell.
Leben ist individuell, Geist ist universell.
95
Hier wird das Thema der „persönlichen Wahrheit“ angesprochen, die es nicht Persönliche
gibt. Es gibt nur persönliche Meinungen und persönliche Erkenntnisse. Ob diese Wahrheiten gibt es
wahr sind oder nicht, betrifft eine andere, unpersönliche Ebene. Wahrheit ist stets nicht. Sie entpup-
universell. Wenn etwas wahr ist, ist es für alle wahr, auch wenn es uns persön- pen sich als Irrtü-
mer, dem Gegen-
lich nicht gefällt.
teil von Wahrheit.
Damit wird auch die stets neu wachsende Begriffsverwirrung klar, wenn Men-
schen von der „Wahrheit“ sprechen, aber nur ihre Meinung damit ausdrücken.
Nur wenn wir klar im Denken werden, wird sich uns die Wahrheit erschließen und
vielleicht reden wir viel zu oft von Wahrheit, meinen ein Erkenntnisprozess ist
abgeschlossen und könnten nun fest darauf bauen. Wir behindern damit aber je-
de weitere Entwicklung, weil wir Änderungen nicht zulassen wollen (wir haben ja
die Wahrheit über ...). Änderung von Wahrheiten/Meinungen bedeutet Unsicher-
heit zulassen. Doch wir wollen stets in Sicherheit leben, nicht wahr? Von dieser
Vorstellung müssen wir uns womöglich trennen.
Wahrheit besitzt einen Ewigkeitswert und diesen erfassen wir nur mit der Be-
wusstseinsseele, ebenso wie das ewig Gute:
„Und wie mit dem Wahren, so ist es mit dem wahrhaft Guten. Das Sittlich-Gute
ist unabhängig von Neigungen und Leidenschaften, insofern es sich nicht von
ihnen gebieten lässt, sondern ihnen gebietet.
Gefallen und Missfallen, Begehren und Verabscheuung gehören der eigenen
Seele des Menschen an; die Pflicht steht über Gefallen und Missfallen. So
hoch kann dem Menschen die Pflicht stellen, dass er für sie das Leben opfert.
Und der Mensch steht umso höher, je mehr er seine Neigungen, sein Gefallen
und Missfallen dahin veredelt hat, dass sie ohne Zwang, ohne Unterwerfung
durch sich selbst der erkannten Pflicht folgen. Frage 9: Gibt es
nicht auch eine
Das Sittlich-Gute hat ebenso wie die Wahrheit seinen Ewigkeitswert in sich Wahrheit in der
und erhält ihn nicht durch die Empfindungsseele. Verstandesseele?
Indem der Mensch das selbständige Wahre und Gute in seinem Inneren auf-
leben lässt, erhebt er sich über die bloße Empfindungsseele. Der ewige Geist
scheint in diese herein. Ein Licht geht in ihr auf, das unvergänglich ist. So gern
die Seele in diesem Lichte lebt, ist sie eines Ewigen teilhaftig. Sie verbindet
mit ihm ihr eigenes Dasein. Was die Seele als Wahres und Gutes in sich trägt,
ist unsterblich in ihr. - Das, was in der Seele als Ewiges aufleuchtet, sei hier Die Bewusstseins-
Bewusstseinsseele genannt.“ seele
Jetzt haben wir die dritte Instanz unserer Seele. Was aber zunächst sehr klar in
diesem Text erscheint, wird bei näherem Hinsehen wieder nachdenkenswert.
96
„Von Bewusstsein kann man auch bei den niedrigen Seelenregungen spre-
chen. Die alltäglichste Empfindung ist Gegenstand des Bewusstseins. Inso-
fern kommt auch dem Tiere Bewusstsein zu.
Der Kern des menschlichen Bewusstseins, also die Seele in der Seele, ist hier
mit Bewusstseinsseele gemeint.
Die Bewusstseinsseele wird hier noch als ein besonderes Glied der Seele von
der Verstandesseele unterschieden. Diese letztere ist noch in die Empfindun-
gen, in die Triebe, Affekte und so weiter verstrickt. Jeder Mensch weiß, wie
ihm zunächst das als wahr gilt, was er in seinen Empfindungen und so weiter
vorzieht.
Erst diejenige Wahrheit aber ist die bleibende, die sich losgelöst hat von allem
Beigeschmack solcher Sympathien und Antipathien der Empfindungen und so
weiter. Die Wahrheit ist wahr, auch wenn sich alle persönlichen Gefühle ge-
gen sie auflehnen. Derjenige Teil der Seele, in dem diese Wahrheit lebt, soll
Bewusstseinsseele genannt werden.“
Das, was wir normalerweise als „persönliche Wahrheit“ bezeichnen, lebt in der
Verstandesseele. Dabei aber taucht eine weitere Frage auf, die sich aus späte-
ren Texten ergibt, die wir aber hier schon ansprechen wollen. Steiner erläutert, Frage 10: Erforscht
dass wir mit diesem Seelenteil auch Naturwissenschaft betreiben, mit ihr die Ge- nicht die Verstan-
setze der Materie enthüllen. Das aber wäre ein gewisser Widerspruch, den wir im desseele die Na-
Auge behalten wollen. Denn die Wahrheit über die Naturgesetze ist ebenso uni- turgesetze?
versell wie die über die geistigen Gesetze, also müsste diese Wahrheit grund-
sätzlich in der Bewusstseinsseele leben. Wir gehen also davon aus, dass univer-
selle Wahrheit nur in der letzteren lebt und dass alles, was in der Verstandessee-
le lebt, noch unseren ganz persönlichen Empfindungen dient und daher nicht
neutral ist. In diesem Sinne wird dann auch der Bergriff des Gemütes klarer. Es
ist unsere persönliche Stimmung der Welt und uns gegenüber. In diesem Sinne
ist aber der Begriff des Verstandes eher als unglücklich anzusehen, denn wir ver-
binden damit doch auch die Fähigkeit, eine wirkliche Wahrheit zu erfassen. Diese
Fragestellung wollen wir weiter verfolgen.
Im darauf folgenden Text geht Steiner auf die dem Hellseher sichtbaren, feineren
Glieder ein, die zusammen die „Aura“ ausmachen. Dabei umhüllt jedes weitere
Glied die vorhergehenden und geht über diese hinaus. Und dabei taucht eine
Stelle auf, die unsere Frage vertieft:
“So hätte man, wie in dem Leib, auch in der Seele drei Glieder zu unterschei-
den: die Empfindungsseele, die Verstandesseele und die Bewussteinsseele.
Und wie von unten herauf die Leiblichkeit auf die Seele begrenzende wirkt, so
wirkt von oben die Geistigkeit auf sie erweiternd.“
97
“Als eine Lebensform erfüllt den physischen Körper der Ätherleib, an allen Sei- Astralgestalt
ten über diesen herausragend erkennt man den Seelenleib (Astralgestalt).
Und wieder über diesen hinausragend die Empfindungsseele, dann die Vers- Wirkung des Guten
und Wahren
tandesseele, die umso größer wird, je mehr sie von dem Wahren und Guten in
sich aufnimmt.
Denn dieses Wahre und Gute bewirkt die Erweiterung der Verstandesseele.
Ein Mensch, der lediglich gemäß seinen Neigungen, seinem Gefallen und
Missfallen leben würde, hätte eine Verstandesseele, deren Grenzen mit denen
seiner Empfindungsseele zusammenfallen würde.“
Also die Verstandesseele nimmt das Gute und Wahre auf und wird dadurch grö-
ßer. Nicht die Bewusstseinsseele wird von Steiner hier genannt. Das verwirrt den
rein logisch denkenden Menschen. Was ist nun gemeint? Unsere Logik wird her-
ausgefordert. Wir können diese Worte nicht einfach übernehmen, sondern wer-
den gezwungen, selber zu denken.
Wir sehen, dass Steiner unterscheidet und gleichzeitig wieder zusammenwirft. Ist Frage 11: Wo wirkt
das Ungenauigkeit oder Schulungsanforderung? Wir verstehen aber, dass es in nun das Gute und
uns eine Instanz gibt, die das Tier nicht, hat: das selbständige, über das Erleben Wahre?
hinausgehende Denken. Wird die Empfindungsseele befruchtet von diesem Den-
ken, z. B. dass wir die Dinge „beim Namen nennen“ („das Feuer ist heiß“), dann
wird unser Gefühlsleben geordnet, kontrolliert. Gleichzeitig strukturiert sich dabei
innerhalb der Seele die Verstandesseele. Vielleicht wie aus einem angelegten
Keim entsteht sie. Solange wir uns aber nur mit den Dingen des Alltags befas-
sen, nur mit den sinnlichen Objekten und den materiellen Problemen, gehen die-
se beiden ineinander über und haben dieselbe Größe.
Erst wenn wir uns nun mit höheren Gedanken befassen, wenn wir uns mit unse-
rem Denken dem Geistigen zuwenden, und zwar dem Geistigen in uns (Be-
wusstwerdung des eigenen Selbstes) als auch mit dem Geistigen im Kosmos
(Naturgesetze, geistige Gesetze), dann beginnt sich ein zweiter Keim zu einem
neuen Glied zu entwickeln und die Verstandesseele zu durchdringen: die Be-
wusstseinsseele. Dadurch wird die Verstandesseele selber weiter. So können wir
sagen, einerseits fallen die Empfindungsseele und die Verstandesseele zusam-
men, obwohl sie doch getrennte Glieder sind, weshalb beide von Steiner in ei-
nem Atemzug genannt werden (siehe Frage 8). Wir können auch sagen, dass die
Bewusstseinsseele mit der Verstandesseele zusammenfällt und die Erweiterung
der Verstandesseele die Bewusstseinsseele in gewisser Weise darstellt. Dann ist
es verständlich, dass die Verstandesseele das „Gute und Wahre aufnimmt“, ob-
wohl dies der Bewusstseinsseele zugeordnet ist. Und wieder fällt uns das Wort
„aufnehmen“ auf. Die Verstandesseele nimmt das Wahre und Gute aus der Be-
wusstseinsseele auf und wird dadurch größer.
Wir sehen also, dass diese Texte sehr sorgfältig studiert werden und ihr Wesens-
inhalt wirklich erfasst werden müssen. Daher spricht man auch in Bezug auf den
Rosenkreuzerweg der geistigen Schulung vom „STUDIUM“. Sehr sorgfältig und Das STUDIUM
eben ganz bewusst müssen wir arbeiten, müssen unser Denken anstrengen, um
98
99
„Nie vergesse ich die noch keinem Menschen erzählte Erscheinung in mir, wo
ich bei der Geburt meines Selbstbewusstseins stand, von der ich Ort und Zeit
anzugeben weiß. An einem Vormittag stand ich als sehr junges Kind unter der
Haustür und sah links nach der Holzlege, als auf einmal das innere Gesicht, Das Mysterium
ich bin ein Ich, wie ein Blitzstrahl vom Himmel vor mich fuhr und seitdem des ICH
leuchtend stehen blieb: da hatte mein Ich zum ersten Mal sich selber gesehen
und auf ewig.“ Jean Paul
Mit diesem Text betreten wir das große Mysterium unseres Seins: unser Ich. Was
ist es wirklich? Was sind wir wirklich? Wer bin ich wirklich? Diese Fragen bewe-
gen uns während des ganzen Lehrgangs und wir versuchen, die Antworten auf-
zuspüren, so weit es möglich ist. Eines aber ist sicher: Unser Ich ist zunächst ein
großes Rätsel, und wir werden sehen, wie weit es überhaupt heute möglich ist,
es zu enträtseln.
„Durch das Selbstbewusstsein bezeichnet sich der Mensch als ein selbständi-
ges Wesen, als «Ich». Im «Ich» fasst der Mensch alles zusammen, was er als
leibliche und seelische Wesenheit erlebt. Ich und Seele: wie
Leib und Seele sind die Träger des «Ich»; in ihnen wirkt es. hängen sie zu-
sammen?
Wie der physische Körper im Gehirn, so hat die Seele im «Ich» ihren Mittel-
punkt.“
Diese wenigen Zeilen werfen sofort Fragen auf, die ein logisch denkender
Verstand stellen muss, weil ihm Widersprüche aufsteigen. Er möchte exakt ver-
stehen, was damit gemeint ist: Die Frage ist, ob das überhaupt geht und ob wir
eine ganz andere Denkweise für solche Sätze benötigen.
Denn der Verstand sagt: „Wenn die Seele Träger des Ich ist, dann ist das Ich et-
was von der Seele Getrenntes. - so wie das Pferd der Träger des Reiters ist und
der Reiter getrennt vom Pferd.“
Nun aber sagt der Verstand auch: „Das Gehirn ist aber Teil des Körpers und da-
mit das Ich auch Teil der Seele. Der Reiter ist aber kein Teil des Pferdes. Zudem
wirkt das Ich in der Seele und gleichzeitig hat die Seele als Träger im Ich ihren
Mittelpunkt.“ Diese Worte verwirren sicher einige und vor allem einen linear und
rein irdisch denkenden Verstand. Hier muss eine andere Dimension des Den-
kens geschult werden, das außerhalb der üblichen Logik liegt und dieses wird
durch einen solchen Text herausgefordert.
Damit haben wir einen logischen Konflikt. Können wir ihn lösen?
Nun, ein anderes Bild wäre, dass das Ich Teil der Seele ist und in der Seele als
Ich entsteht durch das Selbstbewusstsein. Passt das aber mit dem Bild des Trä-
gers? Nun, der gebackene Kuchen enthält ein Ei. Man kann ihn also einen Trä-
ger des Eies bezeichnen. Der Getragene ist also ein Teil des Trägers. Das Ei
wirkt auch im Kuchen.
100
„Das «Ich» bleibt als die eigentliche Wesenheit des Menschen ganz unsicht-
bar. Mit seinem «Ich» ist der Mensch ganz allein, - Und dieses «Ich» ist der
Mensch selbst. Das ICH als wah-
rer Mensch
Das berechtigt ihn, dieses «Ich» als seine wahre Wesenheit anzusehen. Er
darf deshalb seinen Leib und seine Seele als die «Hüllen» bezeichnen, inner-
halb deren er lebt; und er darf sie als leibliche Bedingungen bezeichnen,
durch die er wirkt.“
Selbst die Seele
Hier steht wieder das Ich als eine von der Seele getrennte Einheit vor uns. Die ist eine Hülle.
Seele ist etwas „Leibliches“ gegenüber dem Ich. Daher sollten wir dieses Bild
beibehalten und sehen, dass die Einheit von Seele und Ich eine solche ist wie die
von Avocado und Kern. Essen wir die Avocado auf, verbleibt der Kern als das in-
nere „Wesen“ der Avocado. Und aus ihm kann eine neue entstehen, die wieder
vergehen kann, während der Kern als neuer Kern weiter bestehen bleibt.
„Das Wörtchen «Ich», wie es zum Beispiel in der deutsche Sprache verwendet
wird, ist ein Name, der sich von allen anderen Namen unterscheidet. Wer über
die Natur dieses Namens in zutreffender Art nachdenkt, dem eröffnet sich Denke über das
damit sogleich der Zugang zur Erkenntnis der menschlichen Wesenheit im tie- Wort „Ich“ nach.
fen Sinne...
Jeder kann nur sich selbst «Ich» nennen. Nur von innen heraus, nur durch
sich selbst kann die Seele sich als «Ich» bezeichnen.
101
Hier hören wir, dass das Ich aus einer ganz anderen Welt stammt wie Körper und
Seele. Der Geist ist hier ausgeklammert, denn Steiner spricht von den bisher ge-
nannten „Hüllen“ – ebenso wie die alten Inder von „Koshas“ (siehe Abbildung 8).
Und wieder müssen wir den Begriff der Hülle tiefer fassen, denn einmal ist das
Ich die Hülle der Seele, dann wieder die Seele Hülle des Ich.
Das Allerheiligste
„Die Wirkung des Ich auf die Aura kann der «Sehende» schauen. Das «Ich»
selbst ist auch ihm unsichtbar: Dieses ist wirklich in dem «verhangenen Aller- Unsichtbar - auch
heiligen des Menschen».“ für den Seher!
Das Ich ist unser innerstes Heiligtum. Daher ist es auch so wichtig, dass wir die-
sem unserem Ich, uns selbst, den Schutzraum geben, den es benötigt für seine
Existenz. Das bedeutet Ich-Entwicklung und auch Selbst-Liebe. Selbst-Liebe
kann und darf sich wahrscheinlich nur auf diesen Aspekt beziehen, sonst wird
daraus ein unglücklicher Egoismus.
„Die Sinneserscheinungen offenbaren sich dem «Ich» von der einen, der Geist
von der anderen Seite. Leib und Seele geben sich dem «Ich» hin, um ihm zu
dienen; das «Ich» aber gibt sich dem Geiste hin, dass er es erfülle. Das «Ich»
lebt in Leib und Seele; der Geist aber lebt im «Ich».
Hatten wir bislang die Seele, die zwischen Geist und Körper steht, hören wir nun
vom Ich, das zwischen Geist und Seele-Körper steht. Das Ich erscheint also ne-
ben den drei Welten von Körper, Seele und Geist als etwas Viertes, das wie aus
einer vierten Welt kommt.
„Aber das Ich nimmt die Strahlen des Lichtes auf, das als ewiges Licht in dem
Menschen aufleuchtet.“ Geisteslicht
Das bezieht sich auf den Seher und auf uns. Wir können das Ich selber nicht se-
hen, aber seine Ausstrahlung. Einen möglichen Eindruck geben die künstleri-
schen Darstellungen von Gray (s. Literatur).
„Wie dieser die Erlebnisse des Leibes und der Seele in dem «Ich» zusammen-
fasst, so lässt er auch die Gedanken der Wahrheit und Güte in das «Ich» ein-
fließen. Die Sinneserscheinungen offenbaren sich dem «Ich» von der einen,
der Geist von der anderen Seite. Leib und Seele geben sich dem «Ich» hin,
um ihm zu dienen; das «Ich» aber gibt sich dem Geiste hin, dass er es erfülle.
Das «Ich» lebt in Leib und Seele; der Geist aber lebt im «Ich». Unsterblichkeit
des Ich.
Und was vom Geiste im «Ich» ist, das ist ewig.“
Alles in unserem
Ich wird unsterb-
lich!
102
„Denn das Ich erhält Wesen und Bedeutung von dem, womit es verbunden ist. Achte darauf, wo-
mit du dich verbin-
Insofern es im physischen Körper lebt, ist es den mineralischen Gesetzen,
dest!
durch den Ätherleib ist es den Gesetzen der Fortpflanzung und des Wachs-
tums, vermöge der Empfindungs- und Verstandesseele den Gesetzen der
seelischen Welt unterworfen.
Insofern es das Geistige in sich aufnimmt, ist es den Gesetzen des Geistes
unterworfen. Was die mineralischen, was die Lebensgesetze bilden, entsteht
und vergeht; der Geist aber hat mit Entstehung und Untergang nichts zu tun.“
Und damit scheint das Ich ein Konstrukt zu sein, dass als eine eigenständige In- Woher kommt das
dividualität in den drei Welten lebt und aus diesen drei Welten aufgebaut ist (viel- ICH wirklich?
leicht aber doch aus einer noch darüber stehenden Welt stammt?). Das ist sein
Mysterium.
Ein weiteres Bild wollen wir noch geben.
Betrachten wir das Ich als geistigen Raum, der erfüllt und beliebig groß wer- Das Ich als geisti-
ger Raum für die
den kann, und die Erfahrungen, die wir im Leben machen als das sehen, was
Seele
diesem Raum eine Gliederung gibt, so dass ein kosmischer Mensch, ein be-
wusster, freier und schöpferischer Geist entsteht.
Nennen wir diese innere Gliederung Seele. Und sehen dann auch noch das
Ich zusätzlich als innersten Kern, dann bekommen wir vielleicht ein weiter sich
annäherndes Bild.
Die moderne Wissenschaft zweifelt großenteils die Existenz des Ich an. Das liegt
daran, dass die wissenschaftlichen Untersuchungen, auch in der Neurowissen-
schaft, der Gehirnforschung, stets nur die Ebene untersuchen und untersuchen
kann, die Steiner hier beschreibt, indem er sagt, dass das Ich den mineralischen Naturwissenschaft
Gesetzen unterliegt, „insofern es im physischen Körper lebt“. Das „Ich“, das wir hat Recht und liegt
doch falsch
dann meist als „Ego“ bezeichnen ist eben nur das Ich in dieser Welt, und dann
muss ich zu den Ergebnissen kommen, wie die Naturwissenschaftler. Daraus
aber zu schließen, dass Ich sei nur diese Ebene, ist ein Trugschluss. Es ist eine
falsche Interpretation, denn ich kann nicht aus einer Ebene auf die höhere
schließen, ohne diese selber einzubeziehen.
103
Wir haben Seele, Körper und Ich kennen gelernt, als körperliches und seelisches Was ist unser
Wesen, aber auch vom Geist gehört. Nun wird es darum gehen, die Existenz un- geistiges Wesen?
seres Ich als geistiges Wesen anzuschauen.
„Das «Ich» lebt in der Seele. Wenn auch die höchste Äußerung des «Ich» der
Bewusstseinsseele angehört, so muss man doch sagen, dass dieses «Ich» Das Ich ist auch
von da ausstrahlend die ganze Seele erfüllt und durch die Seele seine Wir- Hülle des Geistes.
kung auf den Leib äußert.
Und in dem Ich ist der Geist lebendig. Es strahlt der Geist in das Ich und lebt Bedeutung des
in ihm als seiner «Hülle», wie das Ich in Leib und Seele als seinen «Hüllen» Körpers!
lebt. Der Geist bildet das Ich von innen nach außen, die mineralische Welt von
außen nach innen.“
Unser Ich ist also eine Hülle, eine Hülle für den Geist. Unser Ich ist also auch ein
Ich-Leib!
Leib, ein Ich-Leib.
Der Geist „lebt“ im Ich. Das heißt, es gibt etwas, was „Geist“ genannt wird. Die-
ses Etwas „lebt“ in einer Hülle namens „Ich“. Und es wird in dieser Hülle bewusst,
was wir dann BEWUSSTSEINSSEELE nennen. Ein lebendiges Wesen namens
„Geist“ schafft sich also eine individuelle Hülle, also ein wirkliches Individuum,
und tritt als Mensch als Milliarden von Individuen auf. Zwei „Kraftfelder“ sind also
notwendig, das Ich zu formen: der materielle Körper, der ihm die Form gibt, in-
dem er zusammenziehend wirkt, und der Geist, der auf diese Form gegenteilig,
nämlich ausdehnend wirkt. Und nun wird es noch spannender und komplexer.
„Der ein «Ich» bildende und als «Ich» lebende Geist sei „Geistselbst“ (Ma-
GEISTSELBST =
nas) genannt, weil er als «Ich» oder «Selbst» des Menschen erscheint.
MANAS =
Den Unterschied zwischen dem „Geistselbst“ und der «Bewussteinsseele»
kann man sich in folgender Art klarmachen. Die Bewussteinsseele berührt die der als Ich er-
von jeder Antipathie und Sympathie unabhängige, durch sich selbst beste- scheinende Geist.
hende Wahrheit; das Geistselbst trägt in sich dieselbe Wahrheit, aber aufge-
nommen und umschlossen durch das «Ich» - durch das letztere individualisiert
und in die selbständige Wesenheit des Menschen übernommen.
Es gibt demnach die Wahrheit an sich, unabhängig von jedem Menschen existie-
rend. Diese Wahrheit ist. Sie lebt im Geistigen. Aber es bedarf einer Instanz,
dass diese Wahrheit bewusst werden kann. Es braucht ein Organ, einen Spiegel,
an dem die Wahrheit offenbar werden kann. Das erscheint zunächst als Be-
wusstseinsseele. Und die Wahrheit wird in jedem Menschen „individualisiert“.
Das bedeutet nicht, dass sie in jedem Menschen anders wird. Das bedeutet
nicht, dass es dann „persönliche Wahrheiten“ gibt - in dem Sinne, dass sie alle
verschieden sind. In dem Sinne können wir aber von persönlichen Wahrheiten
sprechen, wenn die eine Wahrheit von einem wirklichen Individuum ergriffen
wurde, also „individualisiert“. Erkennen Sie den Unterschied derselben Worte?
105
„Das Geistselbst ist eine Offenbarung der geistigen Welt innerhalb des Ich, Offenbarung
wie von der anderen Seite her die Sinnesempfindung eine Offenbarung der
physischen Welt innerhalb des Ich ist.“
Wieder haben wir dieselbe Situation. Einerseits bildet das Geistselbst das Ich,
andererseits ist es im Ich offenbart.
Die materielle Welt ist eine Tatsache. Sie nehmen wir über unsere Sinne auf und
spiegeln sie im Ich wieder. Darin wird sie „offenbart“. Offenbar werden, was heißt
das? Sie ist doch offenbar. Nun, sie wird in einem Individuum offenbar, sie exis-
tiert dort als „Weltbild“ in einer zweiten Weise. Wenn wir das weiter durchdenken,
kommen wir darauf, dass ein jeder Mensch durchaus ein eigenes Weltbild hat,
obwohl alles dieselbe Welt ist. Das bedeutet doch, dass sich das Weltenwesen in
den Weltbildern der Menschen bewusst wird, dass aber erst alle Weltbilder zu-
sammen die Wirklichkeit ergeben! Erst wir Menschen zusammen mit all unseren
Weltbildern geben die Welt vollständig wieder oder immer vollständiger. Wenn
also „Gott“ sich seiner selbst bewusst werden will, dann ist es durchaus denkbar,
dass alle Menschen zusammen sozusagen seine Werkzeuge darstellen, dass Er
sich seiner selbst bewusst werden kann, und in jedem Menschen auf eine ganz
spezielle, individuelle Art. Das macht unsere berühmte Einzigartigkeit aus.
Aber nicht nur die äußere Welt, nein auch die innere, die geistige offenbart sich.
Gott wird sich in seiner äußeren Existenz und seiner inneren im Menschen be- Der Mensch ver-
bindet in sich die
wusst. Die Empfindungs- und Verstandesseele machen das Außen bewusst, die
Welten
Bewusstseinsseele das Innen. Beide Welten offenbaren sich in der dritten, der
individuellen des Menschen. Der Mensch verbindet die beiden!
„Dadurch, dass die ewige Wahrheit so verselbständigt und mit dem «Ich» zu Dadurch erlangen
einer Wesenheit verbunden wird, erlangt das «Ich» selbst die Ewigkeit.“ wir Ewigkeit.
Damit kommen wir zu einer ganz entscheidenden Aussage. Unser Ich, wir selbst,
werden unsterblich und ewig - als Ich -, wenn wir uns mit der ewigen Wahrheit
verbinden. Das Wichtige daran ist das Wörtchen „wenn“, denn es beinhaltet die
Möglichkeit, dass wir nicht unsterblich werden! Darüber lohnt es sich, nachzu-
denken. Denn wir glauben, dass wir unsterblich sind, haben aber gleichzeitig Unsere größte
Angst davor, dass wir einmal wirklich sterben müssen. In diesen beiden Gefühlen Angst: wirklich
sterben zu müs-
lebt dieses Spannungsfeld, das in diesen Worten angesprochen wurde.
sen.
„In dem, was rot, grün, hell, dunkel, hart, weich, warm, kalt ist, erkennt man Wahrnehmung der
die Offenbarungen der körperlichen Welt; in dem, was wahr und gut ist, die Außen- und In-
Offenbarungen der geistigen Welt. nenwelt:
In dem gleichen Sinne, wie die Offenbarung des Körperlichen Empfindung Empfindung und
heißt, sei die Offenbarung des Geistigen Intuition genannt.“ Intuition.
106
„Der einfachste Gedanke enthält schon Intuition, denn man kann ihn nicht mit Gedanken sind
geistige Offenba-
Händen tasten, nicht mit Augen sehen: Man muss seine Offenbarung aus dem
rungen
Geiste durch das Ich empfangen.
Wenn ein unentwickelter Mensch und ein entwickelter Mensch eine Pflanze
ansehen, so lebt in dem Ich des einen etwas ganz anderes als in dem des
zweiten. Und doch sind die Empfindungen beider durch denselben Gegens-
tand hervorgerufen. Offenbarten die Gegenstände sich allein durch die Emp-
findung, dann könnte es keinen Fortschritt in der geistigen Entwicklung ge-
ben.“
Unsere Gedanken sind alle bereits geistige Botschaften! Gehen wir über diese
grandiose Erkenntnis nicht andauernd hinweg, indem wir das als selbstverständ-
lich annehmen? Was uns selbstverständlich ist, stellt das Rätsel unseres
Mensch-Seins dar.
ÜBUNG:
Diese zentrale Stelle sagt etwas über unseren Wert als Mensch aus. Es lohnt
sich daher, darüber intensiv zu denken und zu fühlen. Das Geistselbst lie-
fert uns unsere In-
„Wie ohne das Auge keine Farbempfindungen da wären, so ohne das höhere
tuitionen.
Denken des Geistselbst keine Intuitionen.
Durch die Intuitionen holt sich das Ich des Menschen, das in der Seele auflebt, Das ist das „höhere
die Botschaften von oben, von der Geisteswelt, wie es sich durch Empfindun- Denken“.
gen die Botschaften aus der physischen Welt holt. Und dadurch macht es die
Geisteswelt ebenso zum Eigenleben seiner Seele wie vermittels der Sinne die
physische Welt. Die Seele oder das in ihr aufleuchtende Ich öffnet nach zwei
Seiten hin seine Tore: nach der Seite des Körperlichen und nach derjenigen
des Geistigen.“
Nun taucht erstmals ein neuer Begriff auf, der uns wieder Verwirrung stiften
kann: das „höhere Denken“. Bislang war nur vom Denken die Rede. Demnach
also gibt es ein „niederes“ und ein „höheres“ Denken. Wir haben das zu ergrün-
den. Vielleicht können wir es hier schon erahnen. Unsere begleitenden Gedan-
107
Eine INTUITION (im klassischen Sinne) ist eine Wahrnehmung geistiger Wahr-
heiten. Sie ist eine Eingebung, geistige Offenbarung, eine Offenbarung über
die geistige Welt, wie eine Sinnesempfindung eine Offenbarung des Materiel-
len, über die materielle Welt ist.
„Die Seele oder das in ihr aufleuchtende Ich“ deutet wieder auf die enge Verbin-
dung der beiden hin. Zudem heißt es „aufleuchtend“, was auf die Ausstrahlung
unseres Ich mit dem empfangenen Geisteslicht hinweist. Es gibt also ein Licht,
das rein geistig ist und das wir mit unserem Ich ausstrahlen – wenn wir die geis-
tigen Wahrheiten aufnehmen und uns damit verbinden. Wenn nicht, so das Bild,
bleibt die Seele dunkel, sie bleibt eine dunkle Seele, oder sie wird es, wenn sie
die Verbindung zum Geist und seinen Wahrheiten unterbricht.
„Wie nun die physische Welt dem Ich nur dadurch von sich Kunde geben
kann, dass sie aus ihren Stoffen und Kräften einen Körper aufbaut, in dem die
bewusste Seele leben kann und innerhalb dessen diese Organe besitzt, um
das Körperliche außer sich wahrzunehmen, so baut die geistige Welt mit ihren
Unser Geistkörper,
Geistesstoffen und ihren Geisteskräften einen Geistkörper auf, in dem das
unser unsterblicher
Ich leben und durch Intuitionen das Geistige wahrnehmen kann. (Es ist ein- Körper
leuchtend, dass die Ausdrücke Geiststoff, Geistkörper dem Wortsinne nach
einen Widerspruch enthalten. Sie sollen nur gebraucht werden, um den Ge-
danken auf dasjenige hinzulenken, was im Geistigen dem physischen Leibe
des Menschen entspricht).“
Es ist spannend zu sehen, dass ein Mensch überhaupt in der Lage ist, über das Das ist eine selb-
Ewige des Geistes Aussagen treffen zu können. Ist das nicht Blasphemie, An- ständige Wesen-
maßung? Woher sollen wir das wissen? Das sind die üblichen und zunächst heit.
auch berechtigten Fragen. Wir dürfen uns nicht scheuen, solche Fragen zu stel-
len. Wir haben aber gelernt und vielleicht auch für uns verstanden und akzeptiert,
dass wir ja in uns das Organ für Intuitionen, also geistige Wahrheiten tragen. Der
Geist mit seinen Wahrheiten offenbart sich in uns. Warum also soll er sich nicht
in Menschen genau mit diesen Wahrheiten über das Ewige und Unsterbliche in
uns offenbaren? Aus dieser Sicht wird aus der Blasphemie eine Selbstverständ-
lichkeit! Wir erleben ja auch in der Naturwissenschaft, dass wir Naturgesetze er-
kennen. Diese sind aber aus der Sicht der Naturwissenschaft selbst ewig! Also
Naturwissenschaft
die Naturwissenschaft selber hat diese Frage bereits beantwortet. Wir müssen lehrt uns bereits,
sie nun nur übertragen auf die geistige Welt und sind damit bei der SPIRITUELLEN dass wir das Ewige
WISSENSCHAFT. erkennen können
Diese lehrt uns nun, dass wir zwei weitere Glieder in unserem Wesen besitzen,
das GEISTSELBST und den GEISTMENSCH. Steiner nennt ihn nicht GEISTKÖRPER,
was ja nahe liegender wäre, denn es ist der Geistkörper. Nun fehlt uns nur noch
das letzte eigenständige Glied.
„Wenn wir den physischen Körper untersuchen, finden wir in ihm dieselbe
Stoffe und Kräfte, die außerhalb desselben in der übrigen physischen Welt
vorhanden sind. So ist es auch mit dem Geistmenschen. In ihm pulsieren die
Elemente der äußeren Geisteswelt, in ihm sind die Kräfte der übrigen Geis-
teswelt tätig.
Wie in der physischen Haut ein Wesen in sich abgeschlossen wird, das le- Es gibt eine geisti-
bend und empfindend ist, so auch in der Geisteswelt. Die geistige Haut, die ge Haut - die Geis-
teshülle, die geisti-
den Geistmenschen von der einheitlichen Geisteswelt abschließt, ihn inner-
ge Aura.
halb derselben zu einem selbständigen Geisteswesen macht, das in sich lebt
und intuitiv den Geistesinhalt der Welt wahrnimmt - diese «geistige Haut» sei
Geisteshülle (aurische Hülle) genannt. Nur muss festgehalten werden, dass
diese «geistige Haut» sich fortdauernd mit der fortschreitenden menschlichen
109
Welche Form hat ein Engel? Wir sprachen vorher von dem Wasserwesen aus
dem Film „Abyss“. Das Mysterium von Geistwesen ist doch, dass sie Individuali-
täten sind, also eine begrenzenden Außenhülle haben müssen, die aber aus
Geiststoff bestehen muss und zudem offensichtlich sehr weit dehnbar und ver-
änderbar. Haben also Engel und Geistwesen keine beschränkte Form, sondern
sind „Gestaltwandler“, die mit der Kraft ihres Seins, jederzeit ihre Individualität
aufrecht erhalten können, ab einer bestimmten Stufe „ewiglich“, ihre Geistform
aber in große Weiten ausdehnen und verändern können? Das scheint so zu sein.
Das Mysterium dabei ist, welche Kraft das ist, wie das geht, usw.
Es stellt sich auch die Frage, warum Rudolf Steiner keine Bilder verwendet hat,
um die komplexe Thematik zu veranschaulichen. Nun, zum einen weist er immer Frage 15: Warum
darauf hin, dass die geistige Welt völlig anders ist als die materielle. Unsere mo- gibt uns Steiner
derne Quantenphysik mag ja bereits ein Anhaltspunkt dafür sein, weil sie Dinge keine anschauli-
schildert, die wir uns nicht vorstellen können. Der eine Grund mag also sein, chen Bilder?
dass Bilder aus der materiellen Welt nicht greifen.
Wir können ja beispielsweise ein U-Boot nehmen, in dem Menschen sind. Die
Menschen stecken in einer Hülle, ihrer Kleidung. Mit dieser Hülle stecken sie in
der zweiten Hülle, dem U-Boot. Dieses nun fährt im Wasser herum: Das Wasser
ist wiederum der „Träger“ für das U-Boot. Ohne Wasser gäbe es kein U-Boot und
trotzdem hat das U-Boot mit dem Wasser nichts zu tun.
Oder wir könnten das Bild einer Tinte nehmen, die sich in Wasser auflöst. Könnte
man die Form der Tinte innerhalb des Wassers beibehalten, was in der Materie
bis jetzt nicht geht, dann hätten wir wahrscheinlich ein gutes Modell für ein Geist-
wesen.
Ein zweiter Grund mag sein, dass Steiner es uns überlässt, durch eigenes Den-
ken und Vorstellen ein Bild von der Wirklichkeit zu entwerfen, als Teil der Schu-
lung gewissermaßen.
„Innerhalb dieser Geisteshülle lebt der Geistesmensch. Dieser wird durch die
Die geistige Hülle
geistige Lebenskraft in demselben Sinne auferbaut, wie der physische Leib wird von einer geis-
durch die physische Lebenskraft. In ähnlicher Weise, wie man von einem Ä- tigen Lebenskraft
therleib spricht, muss man daher von einem Äthergeist in Bezug auf den Geis- aufgebaut.
tesmenschen sprechen. Dieser Äthergeist sei Lebensgeist genannt. - In drei
Teile gliedert sich also die geistige Wesenheit des Menschen; in den Geist- LEBENSGEIST =
menschen (Atman), den Lebensgeist (Buddhi) und das Geistselbst (Manas).“ BUDDHI
Es ist interessant, dass Steiner hier ein weiteres Wort verwendet: „Geistes-
mensch“. Auf diese Feinheiten müssen wir durchaus achten. Der Geistmensch
ist ein Wesensglied von uns Menschen. Wir selbst aber sind Geistesmenschen.
Also der „Mensch“, der im „Geistmensch“ lebt ist der Geistesmensch.
Es ist die Rede von der Lebenskraft, und zwar der physischen und der geistigen.
Das erinnert uns natürlich an alle „Energetiker“, an „Reiki“, usw., wo es um die
universelle Lebenskraft geht. Hier allerdings wird differenziert.
110
Bedeutsam für uns ist an dieser Stelle noch einmal der Hinweis auf die Geistes-
nahrung. Das, was wir mit diesem Lehrgang tun, ist uns selbst Geistesnahrung
zuzuführen. Dadurch wachsen wir geistig. Menschen, die das nicht tun, wachsen
nicht in dieser Art.
„Es ist der Unterschied der geistigen Wesenheit des Menschen von seiner
physischen, dass die letztere eine begrenzte Größe hat, während die erstere
unbegrenzt wachsen kann. Was an geistiger Nahrung aufgenommen wird, hat
ja Ewigkeitswert. Aus zwei sich durchdringenden Teilen setzt sich deshalb die
menschliche Aura zusammen. Dem einen gibt Färbung und Form das physi-
sche Dasein des Menschen, dem anderen sein geistiges.
Das Ich gibt die Trennung zwischen beiden, in der Art, dass sich das Physi-
sche in seiner Eigenart hingibt und einen Leib aufbaut, der eine Seele in sich
aufleben lässt; und das Ich gibt sich wieder hin und lässt in sich den
Geist aufleben, der nun seinerseits die Seele durchdringt und ihr das Ziel gibt
in der Geisteswelt. Durch den Leib ist die Seele eingeschlossen im Physi- Unser ATMA in uns
schen, durch den Geistmenschen wachsen ihr die Flügel zur Bewegung in der ist unser geistiges
Raumschiff.
geistigen Welt.“
Das Ich ist also ein Trennendes, Unterscheidendes, ein „Schwert“ mit zwei
Schneiden, um ein Bild zu verwenden. Kennen wir alle nicht auch die zwei Kräfte
in uns, die Lebenssehnsucht und die Todessehnsucht? Einerseits fühlen wir uns
in unserem Körper wie in einem Gefängnis (das ist der erste Teil der Beschrei-
bung, in dem die Seele durch den Körper eingeschlossen ist). Daraus resultiert
die Todessehnsucht, auszubrechen aus diesem Gefängnis.
Dann wiederum kommt diese starke Lebenssehnsucht. Woher mag sie stam-
men? Nun, wir wissen in unserer Seele, dass wir die Geistesnahrung für unser
Wachstum nur durch das Leben hier auf der Erde erhalten, dass unsere Flügel
der Seele nur dann wachsen, wenn wir hier auf Erden letztlich GEISTESWISSEN-
SCHAFT betreiben, in der richtigen Form. Daraus resultiert unsere Lebenssehn-
sucht – neben jener, die sich aus den sinnlichen Freuden ergibt, die aber nur
vordergründig sind, aber auch voll gültig. Nun folgt der zusammenfassende Text
Steiners:
„Will man den ganzen Menschen erfassen, so muss man ihn aus den genann-
ten Bestandteilen zusammengesetzt denken.
Der Leib baut sich aus der physischen Stoffwelt auf, so dass dieser Bau auf
das denkende Ich hingeordnet ist. Er ist von Lebenskraft durchdrungen und
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Aus dieser Darstellung ergibt sie die Neunheit des Menschen (siehe Übersicht
Seite 115). Jedoch gibt es auch noch eine andere Sichtweise:
„In der Seele blitzt das «Ich» auf, empfängt aus dem Geiste den Einschlag
und wird dadurch zum Träger des Geistmenschen. Dadurch nimmt der
Mensch an den «drei Welten» (der physischen, seelischen und geistigen) teil.
Er wurzelt durch physischen Körper, Ätherleib und Seelenleib in der physi-
schen Welt und blüht durch das Geistselbst, den Lebensgeist und Geistes-
menschen in die geistige Welt hinauf. Der Stamm aber, der nach der ei-
Baum des Lebens?
nen Seite wurzelt, nach der andern blüht, das ist die Seele selbst.“ Beantwortet das
unsere Frage 15?
Hier bekommen wir erstmals ein Bild, das eines Baumes mit Wurzel, Stamm und Ist der Baum als
Krone. Ist das der „Baum des Lebens“? organisches Gebil-
de das beste Bild?
„Man kann, durchaus im Einklange mit dieser Gliederung des Menschen, eine
vereinfachte Form derselben geben. Obwohl das menschliche «Ich» in der
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Wenn also in Zukunft von dieser Vierheit des Menschen die Rede ist, dann wis-
sen wir, dass das Ich drei Aspekte umfasst und dass damit noch nicht der geisti-
ge Mensch eingeschlossen ist. Nehmen wir diesen hinzu bekommen wir eine
zweite Siebenheit des Menschen: Der Astralleib
„Mit dem Ausdruck Astralleib wird dabei hier das bezeichnet, was Seelenleib
und Empfindungsseele zusammen sind.
Der Ausdruck findet sich in der älteren Literatur und sei hier frei angewendet
auf dasjenige in der menschlichen Wesenheit, was über das Sinnlich-
Wahrnehmbare hinaus liegt. Trotzdem die Empfindungsseele in gewisser Be-
ziehung auch von dem Ich durchkraftet wird, hängt sie mit dem Seelenleib so
eng zusammen, dass für beide, vereinigt gedacht, ein einziger Ausdruck be-
rechtigt ist.
Mit dem Begriff des Astralleibes fällt also ein Glied weg, weil zwei Glieder zu-
sammenfallen was wir für die Zukunft beachten müssen (siehe Übersicht Seite
115).
„Wenn nun das Ich sich mit dem Geistselbst durchdringt, so tritt dieses Geist-
selbst so auf, dass der Astralleib von dem Seelischen aus umgearbeitet wird.
In dem Astralleib wirken zunächst des Menschen Triebe, Begierden, Leiden-
schaften, insofern diese empfunden werden;
und es wirken in ihm die sinnlichen Wahrnehmungen. Die sinnlichen Wahr-
nehmungen entstehen durch den Seelenleib als ein Glied im Menschen, das
ihm von der äußeren Welt zukommt.
Die Triebe, Begierden, Leidenschaften und so weiter entstehen in der Empfin-
dungsseele, insofern diese vom Innern durchkraftet wird, bevor dieses Inne-
re sich dem Geistselbst hingegeben hat.
Wir wollen hier festhalten, dass unsere WAHRNEHMUNG im Astralleib stattfin- Wahrnehmung fin-
det, also in dieser Einheit von Empfindungsleib und Empfindungsseele. Durch det im Astralleib
statt.
den physischen Körper entstehen die Empfindungen (übrigens durch einen
Spiegelungsvorgang). Aus der Seele selbst kommen die seelischen Triebe
und Begierden, die zunächst materiell, sinnlich orientiert sind.
„Durchdringt sich das «Ich» mit dem Geistselbst, so durchkraftet die See-
le den Astralleib wieder mit diesem Geistselbst.
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Wenn also in allen Kulturen und Religionen von der „Sublimierung“ die Rede ist,
von den Kämpfen mit inneren „Versuchern“, von der „Läuterung der Triebe“, von
der Höherentwicklung vom Tier im Menschen zum wahren Menschen, dann wis-
sen wir nun, was damit gemeint ist. Es ist unsere wahre Menschwerdung.
Und wenn wir Worte hören, wie „Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust“ (Goe- Die zwei Seelen!
the, Faust), dann bekommen wir eine Ahnung davon was damit gemeint sein
kann: der zweigegliederte Astralkörper, in dem niedere und höhere Triebe wir-
ken. Deshalb gibt es so viele „Heilige“, die gleichzeitig Hurensöhne sind, oder
Heilige, die Huren sind. Es ist nichts Verwerfliches oder Sündiges daran. Es ist
unser Werdegang als Mensch. Wir können das zwar als Sünde bezeichnen, aber
das hilft uns heutzutage nicht mehr weiter. Es mag sein, dass in früheren Jahr-
hunderten dieser Begriff notwendig war für die Menschen, weil sie es anders
nicht erfassen konnten. Deshalb sollten wir dieses Wort auch nicht verteufeln.
Wir sollten nur erkennen, dass es heute bei bewusst werdenden Menschen nicht
mehr greift und daher keine Bedeutung und Wirkung mehr hat. Als Wissenschaft-
ler der SPIRITUELLEN WISSENSCHAFT können wir das alles jenseits der Religion
betrachten. Und das macht uns frei.
Wir wissen nun mit diesen Gliederungen, was mit einer höheren Dreiheit und
niederen Dreiheit gemeint ist, wie sie im Davidsstern zum Ausdruck kommt.
Die 1. und 2. Drei-
heit
Die folgenden drei Graphiken geben uns hier noch einmal den Überblick:
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obere Dreiheit
untere Dreiheit
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Einen eigenen Gedanken wollen wir hier zum Nachdenken angeben, um die vie-
len Begrifflichkeiten von Körper, Seele und Geist zu beleuchten.
Wenn wir als Materialisten denken, dann sehen wir nur den Körper und darinnen
eine Seele und einen Geist. Wir könnten daher von:
♦ Körper-Leib
♦ Körper-Seele
♦ Körper-Geist.
Körper-Geist bedeutet all die Gedanken, die eben vom Gehirn abhängig sind, der
Geist in der Flasche, der Geist im Körper. Die Körper-Seele ist unsere Identifika-
tion der Seele mit dem Körper. Ähnliches könnten wir von der Seele sagen. Sie
unterteilt sich in:
♦ Seelen-Leib
♦ Seelen-Seele
♦ Seelen-Geist,
♦ Geistes-Leib
♦ Geistes-Seele
♦ Geistes-Geist.
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Mit diesem Lehrheft 1 haben wir fundamentale Grundlagen für alle weitere Arbeit
gelegt. Wir haben mehrere Schlüssel für unsere Selbsterkenntnis, unsere Be- Zwei Schlüssel für
wusstwerdung und unsere Freiheit! kennen gelernt, wir haben den Weg einge- unsere Freiheit!
haben wir kennen
schlagen, ein klares Denken in Bezug auf die Inhalte unseres Denkens zu schu-
gelernt.
len. Auch die Kompetenz unserer Selbstehrlichkeit, der Fähigkeit zur Selbstrefle-
xion haben wir bereits begonnen zu schulen und zu stärken.
In dem Lehrheft haben wir nun einen ersten theoretischen Teil erarbeitet. Viel
mehr gäbe es dazu zu sagen. Wir wollen jedoch die Lehrhefte kompakt halten
und die Teilnehmer anregen, weitere Literatur selber dazu zu studieren.
Die Theorie hat nun neben allem rein Theoretischen eine weitere Wirkung, die
wir auch aus der Epigenetik bewiesen bekommen: Alleine ein verändertes Wis-
sen und damit eine veränderte Einstellung verändert unser Leben und heilt. Das
Theorie an sich
gilt aber vor allem für jedes wahre spirituelle Wissen. Daher ist die Theorie alleine
hat bereits einen
bereits von hohem Wert. Unterschätzen wir das nicht. Im Kursteil über Wahrheit hohen praktischen
werden wir das tiefer erkennen. Theorie (besser: die Wahrheit im Wissen) ist also Wert.
bereits von hohem praktischen Wert! Ein großer deutscher Philosoph, Fichte, hat
dies vor Jahrhunderten bereits so formuliert:
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