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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Protokoll zur Exkursion

„Rund um die Molasse“

10. bis 19. August 2004

Exkursionsleiter

Helmut Saurer & Christoph Schneider


Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Vorbemerkung der Exkursionsleiter

Die nachstehenden Protokolle basieren auf der Vorbereitung der jeweiligen Protokol-
lanten sowie den im Gelände erarbeiteten Sachverhalten. Nach Fertigstellung der
Protokolle erfolgte lediglich eine redaktionelle Überarbeitung der Texte, wofür wir an
dieser Stelle Paul Schenk herzlich danken möchten.

Leider wurde eine größere Zahl von Protokollen erst verspätet, zum Teil mit erhebli-
cher Verspätung abgegeben. Eine inhaltliche Durchsicht durch die Exkursionsleiter
konnte deswegen während der vorlesungsfreien Zeit leider nicht mehr erfolgen und
ist im Moment auch nicht absehbar.

Wir haben uns deshalb entschlossen, das Protokoll in der vorliegenden Fassung zu
verbreiten, weisen aber darauf hin, dass einzelne Aussagen kritisch zu hinterfragen
sind.

Freiburg, den 3.12.2004

Helmut Saurer und Christoph Schneider


Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Tarek Heitmüller und Helmut Lichner


Protokoll vom 10.8.2004

Freiburg – Neuchâtel – Tête de Ran – La Sagne Eglise –St.Imier – Le Chaux de Fonds

Standort 1 : Lage oberhalb von Neuchatel, SW von Volangin, Höhe


710m

Swiss RW: 559823 HW: 205985


UTM 32 T Easting: 5207680 Northing: 0341152

Krötenfelsen – Granit aus dem Mont Blanc Massiv

Der Geologenkongress von 1837 befindet, dass der Transport des Felsens nur durch Eis möglich war. Dies fun-
dierte die Theorie der Vorlandvereisung. Der Krötenfelsen entstammt demnach dem Einzugsgebiet des Rhone-
gletschers. Die Mindestmächtigkeit der Vereisung muss bei 530m gelegen haben.

Standort 2 : Tête de Ran, 1429m

Swiss RW: 555538 HW: 211628


UTM Easting: 32 T 5213424 Northing: 0336973

Blick auf den Murtensee und Bieler See; das Val de Ruz ist ein breites, flussloses Tal;

Geologie und Genese des Jura

Das keltische Wort ‚Jura’ bedeutet Waldgebirge und ist nach dem schweizerischen Juragebirge benannt. Das Ju-
ra umspannt den Zeitrahmen von 195 Mio. Jahren bis 140 Mio. Jahren. Das Zeitalter des Jura ist in drei Haupt-
abschnitte unterteilt: Lias, Dogger, Malm.

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Lias (Schwarzjura)

Die geologische Abteilung des Jura, die auf dem Keuper liegt. Sie ist vor ca. 190 Mio. Jahren entstanden. Mit Be-
ginn des Lias stieg der Spiegel des mesozoischen Meeres wieder an, und die im Keuper trocken gefallenen Ge-
biete wurden überflutet. Nach und nach werden mächtige Tonschichten abgelagert. Es handelt sich hierbei um
die Ablagerungen eines tropisch-subtropischen Meeres mit geringer Wassertiefe (ca. 20-100m bei 17-24°C).
welches der bevorzugte Lebensraum vieler Ammoniten und Belemniten (Vorfahren des heutigen Tintenfisches)
war.

Dogger

Der Dogger ist die nächste Abteilung des Jura. Tonsteine gehen langsam in einen Sandstein über. Im Sandstein
ist Eisen eingelagert was zu einer braunen Färbung führt. Deshalb nennt man den Dogger auch braunen Jura.
Sandsteinschüttungen werden als Cornbrash1 bezeichnet.

Malm (Weißjura)

Die geologische Abteilung die auf dem Dogger liegt (157 Mio. a – 135 Mio. a). Mit Beginn des Malms sinkt der
Meeresspiegel wieder. Es folgen weitere Meeresspiegelschwankungen, wobei einige Gebiete periodisch trocken-
gelegt werden. Dies wird von diversen Gesteinstypen widergespiegelt (Ton-, Sand- und Hartsteine).

Im jüngeren Jurameer führte das Wachstum ausgedehnter Schwammriffe zur Bildung massiger Kalksteine, von
denen besonders widerstandsfähige Partien als Felsen stehen geblieben sind. Die größten und häufigsten Fels-
bildungen bestehen im weißen Jura der schwäbischen Alb.

Die Schichten des Malm liegen in Süddeutschland, dem französischen Jura und in der Schweiz frei. Es handelt
sich um ausgeprägte helle Kalkplatten, die oft Fossilien enthalten (Archeopterix, Sonthofen).

An der Wende vom Erdmittelalter zur Erdneuzeit (vor ca. 65 Mio. a) änderte sich die Bewegungsrichtung der
Kontinente und Afrika und Europa begannen sich aufeinander zu zubewegen. Es kam zum Zusammenstoss und
an der Nahtstelle zur Faltung der Alpen. Im Tertiär, in der letzten Phase der Alpenbildung, kommt es zur Auffal-
tung des Jura aus südöstlicher Richtung. Es zeichnet sich ein Ost-West Kontrast ab, wobei die Auffaltung im

1http://www.boerseos.de/geologie/jura.htm

Im Mittleren Jura zum Ende des Bajoc ändert sich die Schichtenfolge. Die Tonsteine gehen langsam in einen Sandstein über, der so ge-
nannte Cornbrash. Der Cornbrash ist ein hervorragendes Erdölspeichergestein.

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Westen am mächtigsten ist. Die Widerlager der Faltung sind Vogesen/Schwarzwald und Massiv Central. Der Jura
gliedert sich in drei Teile: französisches Jura, Schweizer Jura und deutsches Jura.

Der französische Jura zweigt bei Chambery (Savoyen) von den Alpen ab und verläuft in nordöstlicher Richtung.
Der höchste Punkt ist der Cret de la Neige mit 1718m.

Der Schweizer Jura ist die direkte Fortsetzung des französischen Jura und begrenzt in einem nach Osten offenen
Bogen das schweizerische Mittelland. Er endet bei Dielsdorf im Kanton Zürich, südlich des Rheins. Die Ostseite
des Bogens besteht aus langgestreckten, stark gefalteten Höhenzügen mit Erhebungen bis über 1600m. Die
Westseite prägt Formen des Tafeljura.

Der deutsche Jura ist nicht gefaltet, sondern aus flach lagernden Schichten aufgebaut und besteht aus Hochflä-
chen, die nach Norden und Westen hin steil abfallen. Er gliedert sich in den schwäbischen Jura und den fränki-
schen Jura.

Standort 3: La Sagne Eglise, 1050m,

Swiss RW: 552416 HW: 210924


UTM Easting: 32 T 5212781 Northing: 0333840

Ländliche Siedlungen im Schweizer Jura

Das Schweizer Jura ist bereits seit vor- und frühgeschichtlicher Zeit besiedelt. Die flächenhafte und dauerhafte
Besiedlung setzte allerdings erst ab dem Hoch- und Spätmittelalter ein. Die Besiedlung der Hochlagen fand im
16. und 17. Jahrhundert statt. An der steileren Ostseite des Juras fand hingegen die Besiedlung nur in den tiefer
gelegenen Lagen statt. Ausnahme macht hier der Ort Val de Ruz, der auf 750 m. N.N liegt.

Neben den weltlichen Herrschaften waren es besonders die Klöster, die die Besiedlung des Schweizer Jura vo-
rantrieben. Basis waren häufig die gegründeten Klöster, die die nähere und fernere Umgebung anschließend be-
siedeln ließen. Die Blütezeit der Besiedlung des Schweizer Jura war im 11. und 12. Jahrhundert. Die Kirche er-
schloss mit seinen Klöstern einen breiten Streifen beiderseits des südwestlich – nordöstlich verlaufenden Doubs,
bis St. Ursanne und bis hin nach Basel.

Vorherrschende Siedlungstypen sind die Einzelgehöfte. Ausnahmen sind St. Ursanne oder La-Chaux-de-Fonds.
Außerdem das Gebiet zwischen Lons-Le-Saunier, Neuchatel und Besancon. In dieser Region findet man Grup-
pensiedlungen.

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La Sagne und La Chaux-de-Fonds wurden erst in der Rodungsphase, um 1300 besiedelt. La Sagne Eglise wurde
planmäßig zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert als eine Waldhufensiedlung zwischen 800 und 1200 Metern
angelegt. Die alte Hufenstruktur der Siedlung zeichnet sich noch heute ab. La Sagne Eglise ist eine lineare Sied-
lung entlang der Verkehrsachse. Es besteht eine Einzelhoflage mit etwa 150 – 200 m Abstand. Die Flur ist quer
zur Straße (Streifenflur/Waldhufenflur). Die Waldhufensiedlung mit Einzelhoflage ist eine typische Siedlungsform
aus dem Jungsiedelland (12.-14. Jahrhundert).

Die typische Bauform der Gebäude ist eine Giebelständigkeit, flach geneigtes Dach und eine Längsteilung von
Stallung und Wohnhaus. Die Gebäude bestehen unten aus Mauerwerk und oben aus einem Holzbauwerk.

Standort 4: Longines, St. Imier

Uhrenindustrie im Schweizer Jura

Uhrenindustrie, Monostruktur, Uhrenateliers, große Fenster Dachlage hell für Heimarbeit = Verlagswesen

Die Firma Longines wurde 1832 von August Agassi gegründet. 1866 fand der Bau der Fabrik in St. Imier statt.
Zunächst wurden von Longines nur Taschenuhren hergestellt, bis Longines dann auch andere Modelle produzier-
te. 1910 wurde die erste elektronische Zeitmessung für die Olympischen Spiele von Longines entwickelt.

Heute sind 220 Personen bei Longines beschäftigt. Im ganzen Konzern (Swatch Group) sind ca. 650 Personen
beschäftigt. Zu Spitzenzeiten waren es zwischen 800 und 1000 Beschäftigte. 1960 hatte Longines ihre Hochzeit.
Dieses ist wohl mit dem Boom der Nachkriegszeit zu erklären. 2003 hatte Longines ihr 125 jähriges Jubiläum der
Zeitmessung. In den 70ér Jahren hatten Quarzuhren einen Anteil von über 95% der Produktion. Heute liegt er bei
etwa 10-15%. Die Wertschöpfung der mechanischen Uhren ist allerdings größer als die der Quarzuhren.

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Standort 5: La Chaux-de-Fonds

Stadtgeographie und Industriestandort

1.) Aussichtsterrasse auf dem Turm der Espacite an der Avenue Leopold-Robert

Nachdem La Chaux-de-Fonds 1794 fast vollständig durch ein Feuer zerstört wurde, hat man die Stadt systema-
tisch wieder aufgebaut. Es sollte eine sichere, gesunde und gerechte neue Stadt entstehen. Sonnenlicht sollte
die Straßen durchfluten, offene Plätze sollten entstehen. Außerdem sollten große Gartenflächen in der Stadt ent-
stehen.

Den Plan für die neue Stadt entwarf Charles-Henri Junod (Baumeister und Architekt). Ausgangspunkt war die er-
haltene Straßenkreuzung des alten Siedlungskerns (Place de l´Hotel de Ville). Es wurde eine schachbrettartige
Anordnung des Straßennetzes in die Juraketten und –täler angelegt (Abb. 3 S.1/1 Materialsammlung). Im Zent-
rum kreuzen sich zwei Hauptverbindungsstraßen aus aller Zeit. An der nördlichen Talseite entstanden Längster-
rassen. Sehr wichtig war Junod, dass es eine regelmäßige Abfolge von Häuserzeilen, Hausgärten, Gehwegen
und Straßen parallel zur Hauptachse (Avenue Leopold-Robert) gab. Weitere Straßen, die senkrecht auf die
Hauptachse zuliefen, wurden mit wichtigen Gebäuden und öffentlichen Plätze, sowie Parks am Ende jeder Stra-
ße ausgestattet.

2.) Espacite

Der Platz entstand 1987 nach einem Architektenwettbewerb. Er wird überragt von einem runden abgeschrägten
Turm. Markenzeichen ist die Uhr an der Westseite (prägende Tradition der Uhrenherstellung in der Region).

Ab dem 16. Jahrhundert werden im Schweizer Jura Uhren hergestellt. Günstig war im Schweizer Jura, dass es
ein Realteilungsgebiet war und deshalb optimal von der Uhrenindustrie genutzt werden konnte (Nebenerwerb in
Heimarbeit).

Das erste Uhrenatelier gab es 1705 in Le Locle (8 KM von la Chaux-de-Fonds entfernt). Ab Mitte des 18. Jahr-
hunderts erfuhr die Uhrenindustrie in der Region einen ungeheuren Aufschwung und es breiteten sich immer
mehr Fabrikationen aus. Der Kanton Neuchatel wurde das Zentrum der Schweizer Uhrenfertigung. 1854 werden
z.B. in La Chaux-de-Fonds 160.000 Uhren gefertigt. In der Industrialisierungsphase werden aus den Uhrenate-
liers und den Uhrenmanufakturen Fabriken. Diese Fabriken spezialisierten sich auf die Herstellung von Uhrentei-
len oder Zusammensetzen der Uhren. La Chaux-de-Fonds stand und steht immer für qualitativ hochwertige Uh-
ren aus edlen Materialien. Den ersten Einbruch gab es in der Weltwirtschaftskrise. Dem Einbruch folgte aber
nach dem 2. Weltkrieg ein weiterer Aufschwung. Noch heute sind ca. 21% der Beschäftigten in La Chaux-de-
Fonds in der Uhrenindustrie tätig. Zumeist sind dies kleinere und mittlere Unternehmen.

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3.) Rue Dr-Coullery, Ecke Avenue Leopold-Robert

• senkrecht auf die zentrale Achse zulaufende Straße mit Aussicht auf den Bois du Petit Chateau

• neun, auf den einzelnen Terrassen verlaufende Längsstraßen gibt es bis zum Park

4.)Rue de la Serre 30

• erste Parallelstraße zur zentralen Verkehrsader

• Gebäude der Rue de la Serre 30 ist ein typische Beispiel für eine historische Uhrenwerkstadt

• Im Erdgeschoss befindet sich die Werkstatt und im ersten OG die Wohnung des Uhrmachers

5.)Rue du Parc bis zur Synagoge, zurück durch Rue Modulor und Rue Jadiniere oder Rue de la Paix zur rue Dr-
Coullery

• untere Längsstraßen des Schachbrettplans vermittelt die städtebauliche Konzeption von La Chaux-
de-Fonds

• typische Häuserblöcke von La Chaux-de-Fonds mit an ihrer Südseite gelegenen Gärten (heute oft
Parkplätze)

• gute Durchlüftung und Sonneneinstrahlung (Licht für die Uhrenfertigung)

• Synagoge wurde ende des 19. Jahrh. erbaut und ist die größte der Schweiz

• Fast alle Bausteine der Schweiz werden in diesem Gebäude vereint (Kalkstein der Jura, Marmor
aus Solothurn, Sandstein aus dem Mittelland, Granit aus den Alpen usw.)

6.)Rue Dr-Coullery, Ecke Rue Numa-Droz

• ehemaliges Spital, wo 1909 eine Schule für Lehrstätten der Uhrenindustrie gegründet wurde

• außerdem wurden technische Lehrstätten, wie auch Kunstgewerbeschulen gegründet

• der obere Teil des Schachbretts beginnt nordwestlich der Rue Numa-Droz und ist durch und mit der
Industrie entstanden und gewachsen

• es entstand die Gemengelage aus traditionellen Uhrenateliers, Industriebauten, Manufakturgebäu-


den, Arbeiterwohnungen und Fabrikantenvillen

• am nördlichen Ede am Bois du Petit Chateau verläuft die neunte und letzte Längsachse des
Schachbretts

• in westlicher Richtung befinden sich einige Villen

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7.)Rue du Nord 110

• hier gibt es noch einige Bauernhäuser, die im Zuge der Heimindustrie um Uhrenateliers ergänzt
wurden oder zu Wohnhäusern umfunktioniert wurden

• hierbei wurden oft die Fenster vergrößert, um bessere Lichtverhältnisse für die Uhrenfertigung zu
bekommen

• dieses Haus wurde nach dem Brand neu errichtet

8.)Rue du Temple Allemand 13-15

• am Ende der rue de 1er Mars (Süd-Nord)

• 1853 entstandene Kirche für die zuwandernden Deutschschweizer, die ende des 19. Jahrh. 1/3 der
Bevölkerung ausmachten

• viele der Zuwanderer übernahmen die landwirtschaftlichen Betriebe

9.)Rue du Progres

• zahlreiche Schulen, von der Grundschule bis zur Berufsschule sind hier in enger Nachbarschaft

• außerdem stehen hier dicht gebaute Mehrfamilienhäuser, welche für die Arbeitersiedlungen in La
Chaux-de-Fonds kennzeichnend sind

10.)Rue du 1er Mars

• eng aneinander gebaute Häuser (1830) für die Arbeiter des Unternehmers Louis Robert

• typisch für das gesamte Jura

• ausreichend Lichteinfall im Dachgeschoss durch zahlreiche Reihen von Fenstern

• unter dem Dach sind drei bis vier Wohngeschosse

11.)Place du Stand

• Dreiecksform eher a-typisch für La Chaux-de-Fonds

• Ein älterer Grundriss ist hierfür verantwortlich

• Straßen ordnen sich nach einem älteren Plan an

• Hier sollten Höfe entstehen und begründen somit die engeren Abstände der Straßen als im westli-
chen Teil des Place du Stand

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12.)Place du Marche

• typischer Platz für La Chaux-de-Fonds mit einer rechteckiger Form

• Fläche bestand vorher aus mehreren Gemüsegärten

• Siedlungsgeschichtlich der zweite Marktplatz, der den älteren ablöste

13.)Place de l´Hotel-de-Ville

• 1656 erbautes Rathaus

• Mitte des 17. Jahrh. hatte La Chaux-de-Fonds ca. 1000 Einwohner (landwirtschaftlich geprägt)

• seit Anfang des 18. Jahrh. korrelieren die Einwohnerzahlen mit den wirtschaftlichen Schwankungen
der Uhrenindustrie

• Mitte des 18 Jahrh. ca. 2300 Einwohner

• 1794 ca. 4500 Einwohner

• 1822 ca. 5100 Einwohner

• 1830 ca. 6500 Einwohner

• 1841 ca. 10000 Einwohner

• 1855 ca. 15000 Einwohner

• 1900 ca. 36000 Einwohner

• 1940 ca. 31000 Einwohner

• 1970 ca. 43000 Einwohner

• Boom der Uhrenindustrie in den 60ér/70ér Jahren, mit Ölkrise und neuen japanischen Markt kein
Wachstum der Bevölkerung mehr

• 2001 ca. 37000 Einwohner

• Industrie und Wohngebiete nicht getrennt, beides findet man in der Stadt, Industrie nicht auf der
grünen Wiese = Feinmechanik macht kein Dreck, leise

Verwendete Karten und Literatur:

• Feuille 31 Carte Nationale de la Suisse Biel-Bienne 1:100000

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• Neuer, B. & C. Schneider (2003): Grenzgänger - Zwischen Frankreich und der

Schweiz auf dem Doubs -- Sauerborn, P. & G. Thieme (Hrsg.): Geographie als

• Geländearbeit - Rheinland und andere Raumbeispiele, Shaker Verlag, Aachen, S. 105-127

• Metz, Bernhard: Beiträge zur geomorphologischen Entwicklung dreier Becken im Neuenburger Jura,
Frankfurt am Main 1967

• http://www.boerseos.de/geologie/jura.htm

• Strahler und Strahler (22002): Physische Geographie; UTB Verlag

• Ahnert, Frank (32003): Einführung in die Geomorphologie; UTB-Verlag

• http://www.tu-harburg.de/b/kuehn/lecorb.html

• http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/LeCorbusier

• http://www.schweizerseiten.ch/alpen.htm

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Beate Blaeß, Ursula Hess und Ying Ye


Protokoll vom 11.8.2004

Le Bémont – St. Ursanne – Saignelégier – Kluse von Biaufond – Le Bémont

Standort 1: Bei les Sairains

SUI RW: 578627 HW: 238259


UTM Easting: 32 T 0354855 Northing: UTM 5239693
Höhe: 945m NN

Thema: Karstmorphologie am Bsp. von Dolinen

Obwohl der Jura verhältnismäßig niederschlagsreich ist, treten vor allem in den höheren westlichen Ketten und
im Plateaujura nur eine geringe Flussdichte auf. Dies liegt vor allem an dem karbonatischen Gestein, welches
das Wasser über Klüfte und Spalten durch ein unterirdisches Karstwassersystem zu Quellen, die meist im Tal
liegen, leitet. Die Flüsse beschränken sich deshalb auf die tiefer liegenden Längstäler und deren Querverbin-
dung.

Der Begriff Karst bezeichnet Landschaftsformen, die durch Lösungsverwitterung entstanden sind.

Kalklösungsverwitterung

Chemische Form der Verwitterung. Hierbei reagiert Wasser mit dem CO2 Gehalt der Luft zu Kohlensäure
(H2CO3). Die Säure löst mineralisches Calciumcarbonat (CaCO3) und zerfällt dabei in Calcium (Ca 2+) und Hydro-
gencarbonat (HCO3).

CaCO3 (s) + CO2 (aq) + H2O (l) ↔ Ca 2+ (aq) + 2 HCO3- (aq)

Bei der Reaktion handelt es sich um eine Gleichgewichtsreaktion die in beide Richtungen stattfinden kann. Wenn
beispielsweise aus der Lösung CO2 an die CO2 arme Höhlenluft abgegeben wird, kann Kalk ausfällen und
Tropfsteine entstehen.

Allgemein ist die Lösung von CO2 von mehreren Faktoren wie Wassertemperatur, Druck, Umgebungsgehalt
abhängig. Deshalb kann man für eine hohe Lösung des Kalkes folgende Voraussetzungen festhalten:

• Hohe mineralische Reinheit des Kalksteins mit wenig Schluff und Tonpartikeln

• Viel kaltes Wasser, da es mehr CO2 aufnehmen kann

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• Viel Vegetation, die durch respiratorische Prozesse CO2 freisetzten und noch andere Säuren
(Huminsäuren) bilden

• Mischungskorrosion

Oberflächenformen EXOKARST

Trockentäler

Täler, in denen zu früherer Zeit Gewässer flossen. Es gibt verschiedene Entstehungsmöglichkeiten. Zum einen
könnte das Gestein früher weniger durchlässig gewesen sein. Mit der Zeit tiefte sich der Fluss dann in durchläs-
sigere Schichten ein. Oder aber die Wasserläufe flossen ehemals auf einem Grundwasserkissen. Durch die Ein-
tiefung sank der Grundwasserspiegel und erniedrigte auf diese Weise das Grundwasserniveau der Zuflüsse, die
dann trocken fallen können.

Karren/ Schratten (vgl. Materialsammlung S. 2/13 – Abb. 18)

Kleinformen vom mehreren Millimetern bis Dezimetern. Aus den so genannten Rillenkarren, die entsprechend der
Klüfte verlaufen, entwickeln sich durch Lösungsverwitterung tiefe scharfkantige und langgestreckte Kleinhohlfor-
men.

Dolinen (vgl. MS S.2/13 - Abb. 19)

Trichter- oder Kesselförmige Hohllandschaft mit annähernd kreisrundem Durchmesser von wenigen Metern bis
einige hundert Meter. Es werden mehrere Dolinenformen unterschieden:

Lösungsdoline

Sie entstehen bei besonders starkem Lösungsabtrag mit Transport des gelösten Kalkes. Die tritt vor allem an
Stellen auf, an denen sich leicht Klüfte bilden, da dort das Gestein der Verwitterung mehr Angriffsfläche bietet.
Hat sich dann erst einmal eine Hohlform gebildet, wird der Prozess durch ablaufendes Regenwasser verstärkt
und der Dolinendurchmesser vergrößert.

Einsturzdoline

Sie entstehen durch den Zusammenbruch einer unterirdischen Höhlendecke, bei der das darüber liegende Mate-
rial nachrutscht. Zu Beginn weist die Einsturzdoline scharfe Ränder auf, die jedoch mit der Zeit durch Lösungs-
verwitterung gerundet werden. Das zunächst offene Loch entwickelt sich durch nachstürzende Wand- und De-
ckenteile zu einer Trichterform.
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Als Grund für das Einstürzen von Decken ist zum einen die Lösung des Kalksteines in einer Decke zu nennen,
bis ihre Mächtigkeit zu gering ist. Es kann aber auch zu einer Vergrößerung der Höhlendecke kommen, wodurch
deren Spannweite erweitert und deren Stabilität erniedrigt wird.

Eine andere Möglichkeit ist das Absinken des Karstwasserspiegels in der Höhle auf Grund dessen die hydrauli-
sche Stütze des Wassers wegfällt.

Die an diesem Standort betrachteten Dolinen klassifizieren wir als Einsturzdolinen, da wir uns im Plateaujura be-
finden, wo das Gestein in der Tiefe sehr lösungsfähig ist und die Dolinen wie an einem Band aufgereiht erschei-
nen.

Erdfallen

An der Erdoberfläche befindet sich nicht lösliches Gestein, das auf verkarstungsfähigem Gestein aufliegt. Bildet
sich nun in dem Kalkgestein eine Doline, rutscht das Gestein der Erdoberfläche nach.

Poljen

Sie stellen weite, ebene mit Feinboden bedeckte Gebiete in Karstlandschaften dar. Diese länglichen Senken mit
unterirdischer Entwässerung zählen zu den größten geschlossenen Karsthohlformen und können mehrere Kilo-
meter lang sein.

Im Schweizer Jura sind sie die Synklinalbecken, also die Mulden des Faltenbaus. Hier förderte die Löslichkeit des
Kalksteins die frühzeitige Entwicklung unterirdischer Entwässerungsmaßnahmen, so dass eine oberirdische Ent-
wässerung unterblieb.

Formen im Untergrund ENDOKARST

Im Untergrund der Karstgebiete fließt Wasser in einem weit verzweigten Röhrengeflecht, das durch Klüfte, Spal-
ten und Schlote im Kalkgestein gespeist und erweitert wird.

Man unterscheidet eine vadose Zone, die den oberen Teil des Karstwassersystems darstellt und Verkarstung
durch abfließendes Wasser erfährt, von der phreatischen Zone. Hier sind die Karsträume dauerhaft mit Wasser
gefüllt und das Phänomen der Mischungskorrosion tritt auf.

Sind zwei Karstgewässer beide Ca 2+ gesättigt und haben jedoch unterschiedliche Sättigungswerte, wird bei
Durchmischung CO2 ins Wasser freigesetzt und kann zusätzlichen Kalk lösen. So kann auch das Phänomen
erklärt werden, weshalb in tiefen phreatischen Bereichen sich noch große Hohlräume bilden, obwohl die
einzelnen Karstgewässer kalkgesättigt sind.

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Literatur:

Ahnert, F. (2003): Einführung in die Geomorphologie, Stuttgart

Asselborn, W. (1998): Chemie heute- Sekundarbereich II, Hannover

Goudie, A. (2002): Physische Geographie, Heidelberg

Leser, H. (1997): DIERCKE- Wörterbuch Allgemeine Geographie

Louis, H. (1979): Allgemeine Geomorphologie, Berlin

Mittler, M. : Jura

Standort 2: Sceut- Dessous

SUI RW: 578627 HW: 241221


UTM Easting: 32 T 03607558 Northing: UTM 5242594
Höhe: 891m NN

Thema: Die Geologie des Juras

Lage

Zwischen dem Schweizer Mittelland, dem Rheingraben mit den angrenzenden variszischen Gebirgen Schwarz-
wald und Vogesen und dem Massif Central liegt das Juragebirge (kurz der Jura).

Über eine Länge von 300 km erstreckt er sich in der Form eines „Croissants“ von SW nach NO. Das Faltenbün-
del des Juragebirges löst sich bei Chambéry (F) von den Alpen ab und taucht schließlich als einzelne Falte an
der Lägern (CH) unter die Molasse ab.

Der Jura zählt auf Grund seiner Höhe zu den Mittelgebirgen. Die höchsten Erhebungen liegen in Alpennähe, also
am Innenrand des „Croissants“ (Crêt de la Neige 1723 m, Dolé 1677 m, Mont Tendre 1680 m). Insgesamt neh-
men die Gipfel der Höhenketten in nordöstliche Richtung ab (Chasseral 1607 m, Lägern 859 m).

Die Zahl der hintereinander gestaffelten Faltenzüge nimmt von Osten nach Westen ab und somit wird auch die
Breite des Juras geringer 30 km im Vallée de Joux (F) 1,5 km in der Lägern (CH).

Während der Risseiszeit war das Gebiet des heutigen Juras mit Eis bedeckt, weshalb es kaum zu Ablagerungen
gekommen ist. In der Würmeiszeit drangen nur einzelne Einströme in Täler des Südjuras ein.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Gesteine und Schichtfolgen

Der Jura besteht aus sedimentären Gesteinen des Mesozoikums (Trias, Jura, Kreide), die hauptsächlich vor etwa
190 Mio. bis 140 Mio. Jahren (Zeitalter Jura, vgl. MS S.2/10 - Abb. 14) in einem tropischen Flachmeer am Rande
der Tethys gebildet wurden (vgl. MS S. 2/7 - Abb. 9).

Am Nordrand dieses Flachmeeres, aus dem sich später die Alpen auffalteten, herrschten die unterschiedlichsten
Bedingungen. Zeitweise wurden Teile vom offenen Meer abgeschnitten, über den Meeresspiegel gehoben oder
sanken ab, so dass sich je nach Meerestiefe, Wassertemperatur und Salzgehalt verschiedene Sedimente bilde-
ten. Während des Mesozoikums wurden über eine Dauer von 200 Mio. Jahren, 1000 m bis 1500 m Sedimente
abgelagert, hauptsächlich Kalkstein, Mergel und Ton, wobei das Mengenverhältnis Kalkstein zu Ton auf ungefähr
2:1 geschätzt wird.

Die Kalksteine sind deutlich an den markanten Felsbändern zu erkennen, während die weichen mergeligen
Schichten mit Vegetation bedeckt sind. Im nördlichen Jura kommt vor allem der Hauptrogenstein des Doggers
(mittlerer oder brauner Jura) vor während im südlichen Teil des Juras, also in unserem Exkursionsgebiet, der
Malm (oberer oder weißer Jura) dominiert.

Der Lias (unterer oder schwarzer Jura) tritt meist nur in tieferen Lagen in Quertälern oder in aufgerissenen Ge-
wölben an die Oberfläche.

Es ist wichtig sich vor Augen zu halten, dass zeitgleich in verschiedenen Teilen des Juras unterschiedliche Sedi-
mente abgelagert wurden, je nach Tiefe und Strömung des Flachmeeres (vgl. MS S. 2/10 - Abb. 14, MS S. 2/7 -
Abb. 9). So entstehen beispielsweise zur Zeit des mittleren Oxfordiens im NW auf einer flachen Plattform Koral-
lenkalke während im SO gegen das offene Meer hin Mergel und Kalksteine abgelagert wurden.

Entstehung

Der Jura ist ein Ableger der Alpen, da seine Auffaltung mit der letzten Phase der Alpenfaltung verknüpft ist. Hier-
bei verschob sich der Grundgebirgssockel in Richtung SO unter das Aaremassiv und die darüber liegenden Se-
dimentschichten wurden aufgefaltet (vgl. MS S. 2/6 - Abb. 8).

Die sedimentären Gesteine stammen hauptsächlich aus dem Mesozoikum, während das darunter liegende An-
hydrith- und Salzgesteine der unteren Trias und das Grundgebirge von der Faltung nicht erfasst worden ist. Als
Widerlager wirkten das Massif Central, Schwarzwald und die Vogesen. Die zusammen geschobene Strecke be-
trägt zwischen 2 und 20 km.

Da im Jura die jüngsten miozäne Molasseablagerungen mitverfaltet wurden, muss der Zeitpunkt der Faltung im
späten Miozän oder Pliozän liegen (MS S. 2/11 - Abb. 15).

Nach der Schichtverformung kann man den Tafeljura vom Faltenjura unterscheiden (vgl. MS S. 2/7 - Abb. 10).

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Literatur:

Labhart, T. (1992): Geologie der Schweiz, 5. überarbeitete Auflage, Thun

Thema: Morphologische Gliederung des Juras

Faltenjura / Kettenjura

Im westlichen Teil des Schweizer Jura treten eine Vielzahl von auf- und abtauchender Falten auf, die sich alle 5-
30 km ablösen und oft durch Brüche versetzt sind. Bei den Falten handelt es sich um mesozoische- tertiäre Se-
dimentschichten, die auf der untere Triasschicht und dem Grundgebirgssockel aufgewellt sind (vgl. MS S. 2/6 -
Abb. 8). Sie sind vor etwa 7- 2 Mio. Jahren im Pliozän entstanden, so dass Kalkoolithe (Hauptrogenstein), Malm-
kalk, Muschelkalk und Korallenkalk die Hauptgesteinsbildner sind. Die Faltenscheitel (Antiklinalen) bilden die Hö-
henzüge, während die die Faltenmulden (Synklinalen) die Täler darstellen.

Plateaujura

Kommt hauptsächlich im französischen Jura vor (vgl. MS S. 2/8 - Abb. 11). Er greift jedoch in unserem Exkursi-
onsgebiet bis zum Rand des Delsberger Beckens nach Osten. Dort wird die leicht gewellte Hochfläche Freiberge
genannt.

Freiberge/ Franches- Montagne

Sie sind eine landschaftliche Besonderheit im Faltenjura und bezeichnen die nordwestlichen Hochflächen auf ü-
ber 1000 m. Die Falten sind nur ansatzweise in Form von meist bewaldeten Rippen vorhanden, die der Streich-
richtung des Gebirges folgen.

Lange Zeit war man der Auffassung, dass die Freiberge eine Rumpffläche älterer Hebungen darstellen.

BÜDEL (1957) entwickelte seine Theorie von der „Doppelten Einebnung“ aber hauptsächlich für die Rumpfflä-
chenbildung in den Tropen, denn hier schafft die intensive chemische Verwitterung eine mächtige Regolithdecke,
an deren Untergrenze die Zersetzung des anstehenden Gesteins fortschreitet. Der dominierende flächenhaft wir-
kende Abtragungsprozess ist hier die Spüldenudation, welche die Landoberfläche mit der gleichen Rate tieferlegt
wie die Verwitterung die darunterliegende Oberfläche des Anstehenden. Die Einebnung verläuft hier also gleich-
zeitig und parallel in zwei Schichten, daher „Doppelte Einebnung“.

Zieht man BÜDELs Theorie als Erklärung für die Freiberge in Betracht muss es im Tertiär eine erste Hebung des
Juras mit anschließender Phase tektonischer Ruhe gegeben haben. Unter tropischen Bedingungen wurde die
Hebungsfläche dann eingeebnet und eine Rumpffläche bildete sich aus. Bei einer zweiten späteren Hebung ent-
standen die heutigen Falten und die Freiberge sind als Reste der Rumpffläche zu betrachten.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Fraglich ist allerdings, weshalb diese Rumpffläche bei der letzten Hebung nicht verformt wurde.

BARSCH nahm an, dass die Lösungsverwitterung stärker an den Kuppen als an den Mulden wirkte. Dadurch
werden die Rückstände der Verwitterung in die Senken geschwemmt und die Kuppen werden mit der Zeit auf ein
einheitliches Niveau gebracht. Dieser Prozess ist vergleichbar mit dem der zur Entstehung der Karstrandebenen
in den Tropen führt. Diese Theorie ist ebenfalls umstritten, da zur Zeit der Jurabildung keine subtropischen Be-
dingungen herrschten.

Heute ist man deshalb der Meinung, dass durch ausgeprägte Kofferfaltung (flacher Scheitel und mehr oder weni-
ger senkrechtem Schenkelabfall) die Synklinalen unterdrückt wurden und sich deshalb nicht ausbilden konnten
(nach LABHART).

In den Freibergen wechselt auf relativ kurzen Distanzen der geologische Untergrund, so dass verschiedene Bo-
denarten nebeneinander vorkommen.

An Stellen an denen das Wasser den Bodenhorizont nur schwer durchdringen kann, entstehen Moore, die zum
Teil zu Kulturland umgewandelt wurden.

Die trockenen kalkhaltigen Böden werden als Weide (Wytweide: offenes Weideland mit Rottannen durchsetzt) für
Pferde und Kühe benutzt, während die fruchtbareren mergeligen Böden des Doggers Fettwiesen und Äcker dar-
stellen.

Auffällig ist eine starke Verkarstung mit zahlreichen Dolinen, die hauptsächlich an Kontaktstellen durchlässigem/
undurchlässigem Gestein auftreten, zudem gibt es Poljen und eine geringe Flussdichte.

Tafeljura

Der Tafeljura grenzt nördlich an den Faltenjura an und erstreckt sich von der Burgundischen Pforte bis zum
Hochrhein. Der Tafeljura besteht aus ungefalteten mesozoischen Schichten, die nordwärts leicht ansteigen und
vor etwa 37 bis 23 Mio. Jahren im Oligozän gebildet wurden. Hauptgesteinsbildner sind Gips, Eisenrogenstein,
Quarzsandstein und Kalkoolithe. Die Gesteinsschichten sind mitsamt dem kristallinen Untergrund durch NNE-
SSW verlaufende Brüche in Schollen zerlegt. Die Brüche entstanden im Oligozän im Zusammenhang mit der
Rheingrabenabsenkung. Aus den Schollen entwickelten sich mit der Zeit Tafelberge, die dem Tafeljura seinen
Namen geben. Flüsse und Bäche erodierten kastenartige Täler, so dass heute die Tafeloberfläche auf etwa 600
m liegt während die Täler Richtung Norden immer tiefer eingeschnitten sind (bis 350 m).

Aufgrund der nördlichen Abdachung der Schichten, erscheinen in Richtung Norden immer ältere Schichten an
der Oberfläche, weshalb wir auch von einer Schichtstufenlandschaft sprechen können.

Im Gegensatz zum Faltenjura sind die Tafeloberflächen und Talböden gerodet und werden landwirtschaftlich ge-
nutzt. Der Wald ist vorwiegend auf Steilpartien zu finden oder wurde auf die Tafelränder zurückgedrängt.

Der Übergang zum Kettenjura lässt sich als markante landschaftliche Grenze erkennen, an der der Faltenjura bis
zu 5 km weit auf den Tafeljura überschoben wurde. In dieser Kollisionszone treffen vom Untergrund abgelöste
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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Sedimentfalten des Kettenjuras auf die starren mit dem kristallinen Sockel verzahnten Schollen des Tafeljuras, so
dass eine typische Schuppenform entsteht (vgl. MS S. 2/7 - Abb. 10, Profil 5).

Literatur

Gutersohn, H (1958): Geographie der Schweiz, Band I: Jura, Bern

Labhart, T. (1992): Geologie der Schweiz, 5. überarbeitete Auflage, Thun

Leser, H. (1997): DIERCKE- Wörterbuch Geographie, München

Mittler, M. : Jura

Thema: Delsberger Decken

Bei dem Delsberger Becken handelt es sich um die größte Tertiärmulde des Kettenjuras. Es ist rund 5 km breit
und 24 km lang und wird im Norden durch die Vorburgkette, im Osten durch die Trogbergketten, im Süden durch
die Tiergartenkette und im Westen durch die Caquerellekette begrenzt.

Die Bodenunterlage besteht vor allem aus Mergeln in Kombination mit tertiären Vogesenschottern und Sanden.
Außerdem findet man Verwitterungslehmen quartären Alters und Nieder- und Hochterrassen.

Das Becken wird durch zwei Querfalten, die von N nach S verlaufen, in ein westliches, mittleres und östliches
Teilbecken aufgetrennt.

Vergleicht man die tektonischen Störungslinien des Faltenjuras mit denen der in der Umgebung des Beckens fällt
auf, dass es sich bei der Montmelonstörung (vgl. MS S.2/15 - Abb. 21) die Störungsrichtung ändert. Es kann
vermutet werden, dass es sich bei der hierbei um einen Ausläufer der Oberrheingrabenstörung handelt.

Dieser NW-SO verlaufende Bruch ist dafür verantwortlich, dass sich die W- O -wärts gerichtet Faltungsrichtung
des Juras ändert und somit ein intramontanes Becken ähnlich des Zartener Beckens entsteht.

Hydrographisch gehört das Delsberger Becken zur Birs, die das Becken in der Mitte quer. Am tiefsten Punkt, ein
km nördlich von Delémont fließen die von Westen kommende Sorne und die von Osten kommende Schleute mit
der Birs zusammen. Die Flüsse mäandrieren stark, was auf ein geringes Gefälle schließen lässt.

Das Delsberger Becken liegt auf 400 bis 500 m NN und stellt somit eine isolierte Kammer im Mittelgebirge dar.
Klimatisch ist eine deutliche kontinentale Komponente auszumachen. Die Durchschnittstemperaturen liegen im
Januar bei -1°C und im Juli bei 17°C. Im Winter bilden sich oft Kaltluftseen. Die natürliche Vegetation ist ein E-
delmischwald, der aber durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung zurückgedrängt wurde. Voraussetzung
dafür sind die fruchtbaren Molasse- und Gehängelehmböden des Beckens. Im Gegensatz zu den Humuscarbo-
natböden der Juraketten kommen hier Braunerden vor. Für die Bodenqualität spricht zudem auch die hohe An-
zahl großer Gärten um die Häuser.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Zwischen den Jura- und Tertiärhorizonten findet sich Bohnerz mit einem Eisengehalt von 44, 5 %. Aus diesem
Grund gab es schon früh Eisenverarbeitende Industrie. Heute übernehmen zahlreiche Industrieanlagen eine
zentrale Rolle in der Verteilung und Sammlung von Produktionsgütern, so dass im Delsberger Becken ebenfalls
eine hohe Siedlungs- und Bevölkerungsdichte zu verzeichnen ist.

Literatur

Gutersohn, H. (1958): Geographie der Schweiz, Band I: Jura, Bern

Linger, H. (1925): Geologie des Delsberger Beckens

Standort 3: La Saigne du Milieu

SUI RW: 578627 HW: 242253


UTM Easting: 32 T 0361086 Northing 5243547
Höhe: 878m NN

Thema: Flussgeschichte des Doubs und Fluss- und Talmorphologie

Der Doubs fließt heute bis St. Ursanne durch den Schweizer Jura nach NO. Dort biegt er nach Westen zur Sa-
ône, die ins Mittelmeer entwässert. Insgesamt ändert er seine Richtung noch zweimal, so dass er einen M-
förmigen Verlauf aufweist.

Wir stehen dem Clos du Doubs gegenüber und blicken auf eine stufenartige Landschaft beiderseits des Doubs.
Die verschiedenen Talniveaus bzw. Flussterrassen entstehen durch den Wechsel von Kalt- und Warmzeiten: in
den Kaltzeiten kommt es zu einer Aufschotterung wegen geringer Wasserführung. Die Schuttfracht des Flusses
ist hoch und im periglazialen Umfeld des Gletschers gibt es nur spärliche Vegetation, die den Boden stabilisiert.

In den Warmzeiten schneidet sich der Fluss in seine eigene Schotter ein und die große Wasserführung transpor-
tiert die Schuttfracht weg. An einigen Stellen des Steilhangs erkennt man Felsen, die durch den Fluss freigelegt
wurden. Durch die Auffaltung des Jura liegen zum Teil weiche und harte Gesteinsschichten nebeneinander. Die
weichere Schichte wurde leicht vom Fluss erodiert und die härtere freigelegt.

Flussgeschichte

1. Großräumige Betrachtung- Flusssystem von Rhein von Donau (vgl. MS S. 2/14, Abb. 20)

Es beruht zuerst auf den tektonischen Vorgängen, die eine entscheidende Auswirkung auf die Entwicklung des

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Entwässerungssystems in Südwestdeutschland während des Juratertiärs und älteren Pleistozäns hatten.


Von Obermiozän bis Unterpliozän

Der Urrhein entsprang im Bereich Colmar- Kaiserstuhl- Emmendingen. Der Alpenrhein mündete in die Ur-
donau, die ein Bestandsteil des Aare- Donau-Systems war. Die elsässischen Flüsse, wie Urthur, Urelz und
Urwiese, hatten vor der Jurafaltung (im Mittel- und Obermiozän) nach SE ins Molassebecken entwässert
und flossen nach SW in Richtung Mittelmeer.

Die Sedimente des Molassebeckens haben zwei Quellen: von den Juranagelflüssen und von den Alpenflüs-
sen. Die Sedimentation endete im Obermiozän, als die Jurafaltung stattfand (vgl. MS S. 2/11, Abb. 15).

Im Obermiozän wurde die Urdonau zur Sammelader für die Gewässer, die aus den Alpen strömten, und
nahm so auch die Feldbergdonau auf. Der Oberlauf mit der Aare und der Walliser Rhône kann man als Aa-
re- Donau bezeichnen.

Mitte des Pliozäns

Während der Faltung schnitt sich die Aare- Donau noch weiter in den Jura ein. Aber wegen der Hebung des
Schwarzwaldes konnte sie ihren Weg zur Urdonau nicht mehr beibehalten. Nun floss sie durch eine Sen-
kungszone zwischen Südschwarzwald und Faltenjura nach Westen und mit den vorher schon nach SW
entwässernden Flüssen zusammen ins Mittelmeer. Das neue Flusssystem wurde als Aare- Doubs bezeich-
net. Beweis für die Umbiegung über 120°ist z.B. ein bis über 20m mächtiger, oberpliozäner Schotter- ein
Sundgauschotter, der eine Herkunft aus dem Berner Oberwald und Wallis aufweist.

Oberpliozän

Das Absinken des Oberrheingrabens setzte erneut ein, was dazu führte, dass der Urrhein die Kaiserstuhl-
Wasserscheide überwindet. Die Aare wird diesmal in den Sundgau nach Norden abgelenkt und fließt zum
Urrhein - Aare- Rhein.

Frühes Altpleistozän

Im späten Eopleistozän erfolgte der Anschluss des Alpenrheins an den Aare- Rhein. Auf dem Höhepunkt der
letzten Eiszeit vor 19-20 000 Jahren wird die Feldbergdonau zum Hochrhein abgelenkt.

2. Die Flussgeschichte des Doubs

Vor der Jurafaltung entwässerte der heutige Oberlauf des Doubs vermutlich in die Aare-Donau. Mit der Jurafal-
tung fand die Hebung am stärksten im SO statt, so dass insgesamt eine N-NW Abdachung zustande kam. Der
Fluss musste sich an die neuen Strukturen anpassen und hat seinen Verlauf von den Antiklinalen in die Synklina-
len verschoben. Der heutige Unterlauf des Doubs westlich vom Knie des Doubs war eine Sammelader für die el-
sässischen Flüsse, die nach SW in die Saône entwässerten.

Tag 2 – Seite 10
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Mit der Hebung des Schwarzwaldes entstand das Aare- Doubs- System. Nachdem die Aare nach Norden zum
Urrhein floss, hat der Doubs seinen heutigen Verlauf festgelegt. Später schneidet der Fluss nur noch tiefer ein
und ändert seinen Lauf nur noch geringförmig.

Man vermutet, dass der Doubs früher wahrscheinlich über das Delsberger Becken weiter nach Osten entwässert
haben könnte, bevor das Knie bei St. Ursanne entstand.

Der Doubslauf in unserem Exkursionsgebiet hat zwei charakteristische Eigenschaften: die Umlenkung des Doubs
bei St. Ursanne und eine schluchtartige Eintiefung, die der Form eines Canyon entspricht.

Die Eintiefung ist eine Folge der Faltung und der regionalen Hebung. Die Entstehung der Kluse ist ein Beispiel für
den antezedenten Prozess. Der Fluss schneidet sich weiter in die Falte ein, während sich die Schichten langsam
falten. Die Erosionskraft des Flusses reicht gerade aus, um quer zur Streichlinie durchzufließen. Man spricht hier
von einem antezedenten Durchbruchstal. Die andere Form von Durchbruchstälern heißt epigenetisches Durch-
bruchstal, wobei der Fluss sein Bett tiefer legt, dadurch den Untergrund einschneidet und die weniger wider-
standsfähigen Schichten abträgt.

Für die genaue Ursache des Knies bei St. Ursanne ist bis jetzt noch kein Beweis gefunden. Eine Vermutung ist,
dass die rheintalischen Brüche (B5-B2, vgl. MS S.2/15 - Abb. 21) und Verbiegungen einen Riegel gegen das
Delsberger Becken geschaffen haben, der durch die Jurafaltung verstärkt wurde. Obwohl die Umbiegung nicht
direkt von Tektonik abhängig ist, ist das gesamte Gewässernetz dadurch festgelegt.

Auf dem Weg zu Biaufond haben wir noch einige Umlaufsberge (vgl. MS S. 2/12 Abb. 16) gesehen, die uns auch
helfen können, den Flussverlauf des Doubs zu rekonstruieren.

Literatur:

Labhart, T. (1992): Geologie der Schweiz, 5. überarbeitete Auflage, Thun

Wagner, G. (1960): Einführung in die Erd- und Landschaftsgeschichte, Öhringen, S.

Villinger, E. (1998): Zur Flussgeschichte von Rhein und Donau in Südwestdeutschland. In: Jahresberichte und -mitteilungen
des oberrheinischen Geologischen Vereins. Band 80. S. 388-391.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 4: St. Ursanne

SUI RW: 578544 HW: 245916


UTM Easting: 32T 0360686 Northing: 5247257
Höhe: 443 m

Thema: Stadtgeschichte

Laut einer Legende trägt Saint-Ursanne den Namen ihres Gründers, bzw. des Heiligens, dessen Grotte Anlass
für die darauf folgende Stadtgründung war. Der Heilige Ursinus war ein Irländer aus dem irischen Kloster Ben-
chor. Um das Jahr 585 verließ er mit weiteren 12 Brüdern dieses Kloster, und ließ sich in Luxeuil nieder. Dort wa-
ren bald an die 200 Mönche versammelt, die Zahl stieg später weiter auf 600 an. Der Klostervorsteher, der Heili-
ge Colomban, wurde aber schließlich vom König Thiery, König von Austrasien verjagt. Um 612 kam Ursinus an
die Stelle, an der sich das heutig St. Ursanne befindet. Er entdeckte in der Nähe eine natürliche Grotte, in der er
von nun an in Einsamkeit lebte. Es dauerte aber nicht allzu lange, bis ihn seine Brüder fanden und in großer Zahl
zu ihm strömten, sich am Fuß des Berges ansiedelten, und die Gegend kultivierten. Um 620 ist Ursinus gestor-
ben und wurde in der Kirche von St. Pierre, die er selbst errichtet hatte, niedergelegt. Später soll der Heilige
Vandrille eine Basilika über dem Grab des Ursinus, und für die restlichen Gläubigen ein Kloster errichtet haben
(vgl. MS S. 2/1 - Abb.1). Dieses Kloster soll er dann später dem von Moutier-Grandval unterstellt haben.

Die ersten nicht legendären, sondern urkundlichen Belege von St. Ursanne beziehen sich allerdings erst auf das
Jahr 849. Da schenkte die Pariser Abtei von Saint-Germain-des-Prés ihre Güter von Courtedoux und Chevenez
an die „abbatia santi Ursicini super Duvium fluvium“. Diese Benediktinerabtei lebt von ihren „villae“, die sie nach
dem karolingischen Feudalsystem zu Abgaben verpflichtet. Die Abtei ist zu dieser Zeit also ein zentraler Ort in
der Gegend, der die Besiedlung und Kultivierung des Umlandes in Gang bringt.

Im 11.Jh. wird schließlich eine neue Abtei errichtet, was auf den Bevölkerungsdruck zu dieser Zeit hindeutet, und
die alte wird als Pfarrkirche genutzt (vgl. MS S. 2/1 – Abb.1). Die Bischöfe von Basel annektierten schließlich die-
se Abtei mit Hilfe der deutschen Kaiser und machten sie zu ihrem Besitz. 1160 stand dem Bischof von Basel das
Recht zu die Domherren zu benennen und über ihre Pfründe zu bestimmen. Ende des 12. Jh. wurde die Auto-
nomie der Mönche von Bischof Alexander III wieder hergestellt. Man begann auf den Überresten der ehemaligen
Abtei eine romanische Stiftskirche zu errichten und baute die Pfarrkirche aus. (vgl. MS S. 2/1 – Abb. 1). Zu Be-
ginn des 13.Jh. erhielt St. Ursanne vermutlich das Stadtrecht.

1403 überkam ein Brand die Stadt, daraufhin wurde die Befestigung ausgebaut, und die Stadt dehnte sich
schachbrettartig Richtung Osten aus. Viele Gebäude im spätgotischen Stil wurden zu dieser Zeit erbaut. An zwei
Enden der Innenstadt kann man noch Teile der alten Stadtmauer, die die Hinterseite der Häuser bildet, erkennen.
1441 musste St. Ursanne auch noch ein Erdbeben hinnehmen, dabei stürzte z.B. der Turm der Stiftskirche ein.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Dieser wurde von 1442-1466 rekonstruiert und schließlich 1508 fertig gestellt. Zwischen 1903 und 1906 wurde
die gesamte romanische Kirche restauriert.

St. Ursanne ist bis heute noch von drei Stadttoren umgeben, das älteste ist das St. Paul-Tor, das 1664 errichtet
wurde, ein Jahr später wurde das Tor St. Pierre fertig gestellt, und in der gleichen Zeit auch noch das Tor St.
Jean. Die Stadt war bis zur französischen Revolution Teil des Territoriums des Bistums von Basel. Dann wurde
sie kurz von Frankreich annektiert und 1815 dem Kanton Bern zugewiesen.

Bis heute hat die Zwergstadt mit ihren 729 EW (2002) den altertümlichen Charakter erhalten, der Fortschritt
scheint gerade so an ihr vorbei gelaufen zu sein. Dieses Image der Stadt ist vor allem hinsichtlich des Tourismus
sehr wertvoll. Man will das touristische Potential der Stadt noch erhöhen, indem man die hierfür nötige Infrastruk-
tur ausbaut, und besonders das Angebot an Freizeitaktivitäten und an Übernachtungsmöglichkeiten variiert.

Literatur:

http://www.ifrance.com/quartierlatin

http://www.isuisse.com/saint-ursanne

http://www.isuisse.com/quartlatin

http://www.isuisse.com/st-ursanne

http://www.isuisse.com/ursanne

http://www.isuisse.com/clos-du-doubs

http://www.isuisse.com/st-ursanne-clos-du-doubs

Standort 5: Auf dem Clos du Doubs

SUI RW: 575710 HW: 243763


UTM Easting: 32T 0357784 Northing: 5245142
Höhe: 872 m

Thema: Agrarische Nutzung am Beispiel der Hochweiden

Die ersten Belege für eine Alp- und Weidewirtschaft im Jura gehen ins 16. Jh. Zurück. Zahlreiche Weiden wurden
wohl durch Brandrodung, auf Kosten des ursprünglich natürlichen Weißtannen-Buchen-Waldes, gewonnen. Die
meisten Bergsiedlungen wurden anfangs nur im Sommer bewirtschaftet, die Siedlungskerne befanden sich in

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

niedrigeren Lagen im mittleren Niveau, bis dann aufgrund der Bearbeitung von Wiesen und Äckern mit der Zeit
eine ganzjährige Bewohnung in den Hochlagen möglich war.

In den ersten Jahrzehnten war die Wytweide (frz.: pâturage bosié) am meisten verbreitet. Hierbei handelt es sich
um eine Mischung von Weide und Wald. Die Trennung der beiden fand eigentlich erst zu Beginn des 19. Jh.
Statt. Seit Beginn des 20. Jh. Unterteilte und düngte man die Weiden mineralisch. Der Weideertrag hat sich somit
erheblich erhöht – zwischen 1891 und 1978 z.B. verdoppelt. In den Alpen und im Jura sind Wytweiden noch die
vorherrschende Weideart, für sie werden landwirtschaftliche Subventionen ausgerichtet, deren Höhe proportional
zur nicht-bestockten Fläche ist.

Neben den Alpen ist der Jura das bedeutendste Weidegebiet der Schweiz (10% der Almflächen). Weiden stellen
über die Hälfte der Nutzfläche des Berggebietes dar. Größtenteils befinden sich diese Weiden in Besitz von Ge-
nossenschaften oder Gemeinden (sog. Paturages communaux), sie werden nur extensiv bewirtschaftet und die-
nen hauptsächlich als Sömmerungsweiden. Sie sind kaum unterteilt und der Umtrieb ist gering. Fast alle Ge-
meinschaftsweiden weisen Teile, die unternutzt sind auf. Mineralisch gedüngt werden sie meist alle drei Jahre mit
einer Gabe Thomasmehl.

Auf den betriebseigenen Weiden (Heimweiden) ist die Bewirtschaftung hingegen viel intensiver. Die Heimweiden
sind im Gegensatz zu den Gemeinschaftsweiden gut unterteilt und in geregeltem Umtrieb genutzt. Die Nährstoff-
versorgung ist aufgrund reichlicher Düngung ebenfalls um ein vielfaches besser. Besonders die Kuhweiden wer-
den in der Regel intensiver bewirtschaftet um ein großes Futterangebot mit guter Qualität zu erzeugen. In Zeiten
der Futterknappheit, meist im Hochsommer, kann man auf das Wiesland ausweichen, und oft beweidet man auch
den 2. oder 3. Aufwuchs der Heimwiesen.

Der charakteristische Weidentyp des Juras ist die Kammgrasweide (Allchomillon-Cynosuretum-Weiden), die in
der montanen Stufe (in 700-1300 m) anzutreffen ist. An höher gelegenen Standorten ist die Kalkauswaschung im
Allgemeinen höher und somit sind die pH-Werte des Bodens tiefer. Aufgrund der unfruchtbaren, sauren und tro-
ckenen Böden, sowie des rauen Klimas, sind auf den Jura-Hochflächen kaum Ackerbauflächen vorhanden. Die
Jura-Hochflächen werden folglich als Hochweiden nur extensiv und großflächig in Form von Sömmerungsweiden
vor allem für das Jungvieh genutzt, wohingegen auf den Talweiden (Mesonbromien-Weiden), die tiefgründigere
Böden und einen höheren Basengehalt aufweisen, eine intensive Bewirtschaftung stattfindet. Es ist aber anzu-
merken, dass je intensiver die Weiden bewirtschaftet werden, der Pflanzenbestand vom Boden unabhängiger
wird. Mit zunehmender Nährstoffversorgung und geregelter Nutzung nimmt der Futterwert erheblich zu. Der Wei-
deertrag steht jedoch in enger Verbindung mit der Höhenlage: Ertragsabfall im Durchschnitt 5,8 dt/ 100 m
(8,8%). So hat die Weidewirtschaft im Vergleich zu den Alpen erhebliche Vorteile: Im Jura benötigt man im Mittel
nur 53a Weidefläche pro Normalstoß, wohingegen sich die Zahl im Alpgebiet auf 312a erhöht (Normalstoß = Fut-
terbedarf einer Kuh während 100 Tagen). Im Jura beträgt die Alpzeit außerdem im Durchschnitt 120 Tage/Jahr,
während sie z.B. im inneren Alpgebiet auf 92 Tage fällt.

Dennoch ist die Viehhaltung im Jura rückläufig. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Städte, und folglich ih-
rer Sogwirkung auf die Menschen im Tal, sowie durch bessere Anbindung der peripheren Räume und somit die
Tag 2 – Seite 14
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Erweiterung des Pendlereinzuggebiets, begann die traditionelle Bewirtschaftung zusammenzubrechen. Hinzu zu-
fügen ist aber auch, dass die Mechanisierung im Berggebiet weniger Intensivierungspotential besitzt, und allein
deshalb benachteiligt ist. Die Folge ist ein zunehmender Verfall der Ställe und Wohngebäuden an Hanglagen wie
auch die zunehmende Vergandung (Verbuschung und Verwaldung) der Weiden und Wiesen, dies betrifft in be-
sonderem Maße die Gemeinschaftsweiden. Ihre Weideführung ist meist wenig flexibel und konservativ. Die Rin-
der werden erst Ende Mai aufgetrieben und bleiben bis Mitte September auf der Alp. Die Triebe einiger Pflanzen-
arten beginnen dann schon zu verholzen und werden deshalb vom Vieh nicht mehr verbissen. Im verholzten Zu-
stand schadet ihnen auch der Tritt nicht mehr viel. Dieses System der Beweidung begünstigt die immer stärkere
Verbuschung. Was sich wiederum negativ auf den Tourismus auswirkt.

Literatur:

Wiesli, Urs(1986): Die Schweiz, Wissenschaftliche Länderkunden B26, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.

Thomet, Peter(1980): Die Pflanzengesellschaften der Schweizer Juraweiden und ihre Beziehung zur Bewirtschaftungsinten-
sität, 1980, Hochschulschriften-Nr.: 6629, Zürich, ETH, Diss.

http://www.cepe.ethz.ch

Standort 6: Kaiserei Saignelégier

SUI RW: 567149 HW: 234570


UTM Easting: 32 T 0349035 Northing: 5245142
Höhe: 993 m NN

Thema: Besichtigung der Käserei “Tête de Moine“

In der Käserei von Saignelégier werden täglich 2000 Stück Käse der Sorte „Tête de Moine“ produziert. Hier sind
7 Personen beschäftigt, die im Schichtbetrieb 7 Tage die Woche arbeiten. Die Käserei stellt ausschließlich „Tête
de Moine“ her, für die sie täglich 20 000 l Milch benötigt. Der „Tête de Moine“ ist ein zylinderförmiger Käse mit
einem Gewicht von 800 – 1000 g, den man schabt, so dass er in seine typische Rosettenform gebracht wird.

Der „Tête de Moine“ wurde schon vor 800 Jahren von Mönchen hergestellt. Die Sorte wurde mit dem „AOC“-
Zeichen („appelation d’origine controlée) geschützt, und darf somit nur in den 3 Amtsbezirken Franches Montag-
nes, Moutier und Courtelary hergestellt werden. Heute wird er in 9 Käsereien produziert, die ihre Milch zum größ-
ten Teil direkt von den Landwirten der Region geliefert bekommen. In der Käserei von Saignelégier kamen 68%
der Milch aus dem lokalen Einzugsgebiet, genauer von Saignelégier, Montfaucon, les Pommerates und dem Clos
du Doubs.
Tag 2 – Seite 15
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Die Milch wird nicht behandelt. Die silofreie Rohmilch wird nach der täglichen Anlieferung bis 37 °C erwärmt, die
Milchsäurebakterien und das Lab, ein Enzym aus dem Kälbermagen hinzu gegeben. Das Lab bewirkt, dass die
Milch gerinnt und sich bei kontinuierlicher Erwärmung auf 50 °C die Molke vom Käsebruch trennen lässt.

Die Milch wird zu Gunsten der Milchsäurebakterien kontinuierlich erwärmt. Der Käsebruch wird anschließend von
der Molke getrennt und somit die Milchsäuregärung abgeschlossen. Die anfallende Molke wird pasteurisiert und
für Kosmetika und Reinigungsmittel verwendet.

Jetzt wird der Rohkäse 24 Stunden lang in ein Salzbad gegeben. Durch die Salzaufnahme erhält er Stabilität. Der
Käse wird „geschmiert“, durch das Wasser, den Salz und spezielle Bakterien wird die Reifung der Rinde geför-
dert. Dann wird der Käse mindestens 3 Monate bei einer Temperatur von ca. 12 °C im Keller gelagert.

Der Keller der Käserei von Saignelégier besitzt eine Lagerkapazität von 230 000 Stück Käse, er ist aber nicht
ausgelastet, denn es befinden sich darin stets 180 000 Stück, die ständig kontrolliert werden. Die Produktion
nahm in den letzten Jahren andauernd zu: 1965 – 110 t, 1975 – 126 t, 1985 – 470 t, 1995 – 1142 t.

Von der Produktion werden etwa 50% ins Ausland und davon wiederum ca. 25% nach Deutschland exportiert.
Das bedeutende Jahr für den “Tête de Moine“ war 1983, denn in diesem Jahr verhalf die Erfindung des Scha-
bers dem Käse zum Durchbruch. Von da an war die Konsistenz des Käses weder hart noch weich, sondern man
aß ihn in seiner bis heute typischen Rosettenform.

Literatur

Videomitschrieb

Informationsbroschüre „Tête de Moine“ SWITZERLAND

http://www.tetedemoine.ch/production/ablauf/de.aspx

Standort 7 : Bei le Noirmont

SUI RW : 560365 HW : 227096


UTM Easting 32T 03421109 Northing: 5228789
Höhe: 1035 m

Thema: Milchwirtschaft

Im Bereich der Landwirtschaft überwiegt die Förderung der Milchwirtschaft gegenüber den restlichen Sparten
sehr deutlich (vgl. MS S.2/2 – Abb. 2 oben).

Tag 2 – Seite 16
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Die Milchwirtschaft wird wohl in besonderem Maße gefördert, weil sie in der Landwirtschaft zu den mit am größ-
ten Problemen behafteten Sektoren zählt.

Die Subventionierung der Milchwirtschaft ist in der Schweiz seit 1977 anhand von Milchkontingenten geregelt.
Der Bundesrat entscheidet jährlich über die Höhe der Milchkontingente, jeder Bauer bekommt somit nur eine be-
stimmte Menge Milch subventioniert. Dies soll aber bald ein Ende haben, denn der Bundesrat hat den Ausstieg
aus der Milchkontingentierung beschlossen. 2006 wird sie für Branchenorganisationen und bedeutende Milchver-
arbeiter, allgemein verbindlich wird sie im Jahr 2009 aufgehoben.

Erst 1999 wurde der Kontingenthandel eingeführt, d.h. die Landwirte durften untereinander ihre Kontingente ver-
handeln, sie konnten die Milchkontingente (ver-)kaufen oder (ver-)mieten. Dies führte zu einer Beschleunigung
der Aufgabe der Milchproduktion von kleineren Betrieben (vgl. MS S. 2/2 – Abb.2). Die „Großen“ konnten sich auf
Kosten der „Kleinen“ ausweiten, sie erhöhten gleichzeitig ihre Kontingentsmenge und ihre landwirtschaftliche
Nutzfläche. Zwischen 1999/2000 und 2001/2002 wuchs die Kontingentsmenge durchschnittlich pro Betrieb um
jährlich 5,1% (insgesamt ~8000kg), die landwirtschaftliche Nutzfläche um jährlich 3,5% (insgesamt um 1,3ha).

Literatur:

http://www.blw.admin.ch

http://www.ju.ch/statistiques

http://www.schweizerbauer.ch/news/aktuell/artikel/17738/artikel.html

http://www.schweizerbauer.ch/news/aktuell/artikel/01501/artikel.html

Standort 8: Kluse von Biaufond

SUI RW: 556082 HW: 223953


UTM Easting: 32 T 0337790 Northing: 5225758
Höhe: 627 m NN

Thema: Entstehung und Aufbau einer Kluse

Die Flüsse im Jura verlaufen meist entlang der Synklinalen. Durchbrechen sie eine Faltung spricht man von einer
Kluse. Diese entsteht häufig durch Antezedenz, wobei sich der schon vor der Faltung bestehende Fluss während
der Hebung des Geländes eintieft.

Tag 2 – Seite 17
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Eine andere Möglichkeit ist, dass ein Gewässer die Deckschicht einer Faltung seitwärts durchbricht und sich eine
Halbkluse bildet (vgl. MS S.2/9 – Abb.12). Aus einer Halbkluse kann sich durch rückschreitende Erosion oder
durch die Verbindung zweier Halbklusen eine Kluse entwickeln.

Der Ein- und Ausgang der Kluse ist schluchtartig, während im mittleren Teil mit weniger widerstandsfähigen Ge-
steinsschichten ein Becken ausgeräumt ist (vgl. MS S.2/9 – Abb.12).

An den Klusen ist besonders gut der Wechsel der kalkigen und mergeligen Gesteinsschichten zu erkennen. Die
starren kompetenten Kalkschichten bilden das Gerüst der Falten während die weichen inkompetenten Ton- und
Mergelschichten sich durch plastisches Fließen anpassen mussten. Aus Platzgründen bildeten sie im Inneren der
Antiklinale mehrere kleine Falten aus (vgl. MS S.2/9 – Abb.12). Man spricht nun von einer disharmonischen Fal-
tung.

Combes

Längstäler auf den Hochrücken, die durch das Aufbrechen der Gewölbe entstehen (vgl. MS S.2/9 – Abb.12).
Hierbei greift die Erosion die formgebende kompetente Schicht (oft Kalke des Kimmeridgien) an und legt tiefere
weiche Schichten frei.

Bei einer Wanderung in der Kluse von Biaufond werden die ersten Eindrücke festgehalten. Wir stellen fest, dass
das Tal in der Mitte am breitesten ist und zu den beiden Ausgängen wieder enger wird.

Außerdem sind im Westen und Osten jeweils 2 höchste Punkte erkennbar. An Hand der geologischen Karte wird
klar, dass der Doubs an dieser Stelle eine SW- NO-wärts verlaufende Falte des Juras durchbrochen hat, da die
Gesteinsabfolge sich im Querschnitt folgendermaßen zusammensetzt:

Die ältesten Schichten liegen an den höchsten Punkten in der Mitte der Kluse, während zu beiden Ausgängen
jüngere Schichten auf selber Höhe liegen. Das bedeutet, dass der Fluss sich bei der Auffaltung in die Hebung
eingeschnitten hat. Es ergibt sich eine Mandelförmige Aushöhlung, da die Ausräumung in der Mitte der Kluse
schon am längsten besteht.

Da die Gesteinschichten in der Kluse durch die Auffaltung gürtelförmig angeordnet sind und somit nicht Flusspa-
rallel liegen, entstehen keine Flussterrassen.

Die Ausräumung erfolgt durch das Mäandrieren des Flusses, wobei das weiche mergelige Gestein durch Seiten-
erosion schneller (steilere Hänge) und das härtere Gestein langsamer (flacherer Hänge) erodiert wird (vgl. MS
S.2/9 – Abb.12).

Die Combes auf den Faltenrücken können auch daher zeugen, dass der Doubs einst dort verlief und erst im Zuge
der Auffaltung in die Synklinale „ gerutscht“ ist, wo er heute zu finden ist.

Tag 2 – Seite 18
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 9: Schluchtwald

SUI RW: 555132 HW: 224884


UTM Easting: 32 T 0336809 Northing: 5226707
Höhe: 654 m NN

Thema: Vegetationsformationen im Jura

Klima

Wir befinden uns in einem Übergangsgebiet zwischen dem ozeanischen und kontinentalen mitteleuropäischen
Klimaraum. In Lagen unter 1000 m kann das Klima als feucht- temperiert und in Gebieten über 1000 m als
feucht- winterkalt bezeichnet werden. Auf Grund des hohen Niederschlages fällt im Winter viel Schnee, der durch
das Fehlen des Föhns, lange liegen bleibt. Entscheidend für die Vegetation sind neben der Höhenlage kleinräu-
mige Faktoren wie die Exposition und Wind.

Der Begriff Jura stammt von dem gallischen Wort „juris“, das Wald bedeutet und so kann auch die potentiell na-
türliche Vegetation beschrieben werden. Primär waldfrei waren nur wenige Stellen wie steile Felshänge, aktive
Schutthalden, Moore oder Höhen über 1600 m.

Boden

Die Bodenentwicklung findet auf kalkigen Sedimenten statt. Unter den morphologischen und klimatischen Bedin-
gungen des Jura entstehen überwiegend Humuskarbonatböden und Rendzinen.

Humuskarbonatböden weisen wenig Ton auf, sind wasserdurchlässig und entstehen auf Ausgangsgestein mit
90% Kalkanteil. Diese Böden haben einen humusreichen Mullhorizont und einen darunter liegenden milden Hori-
zont, der mit Basen gesättigt ist.

Rendzinen entwickeln sich auf Mergeln, tonigen Kalken und kalkigen Tonen. Aus diesem Grund sind sie weniger
Wasserdurchlässig. Der Humus wird durch die höhere Feuchtigkeit schneller abgebaut, so dass sich unter dem
Mullhorizont ein Übergangshorizont mit inhomogener Humus- und Mineralerde anschließt.

Höhenstufen (vgl. MS S.2/12 Abb. 17)

Im Jura lassen sich verschiedene Höhenstufen an dem Vorkommen einiger Charakterarten unterscheiden. Die
Höhenangaben beziehen sich mit Ausnahme von 2. auf Nordexponierte Hängen. In Südlagen setzten die Stufen
etwa 100 bis 200 m höher ein.

Tag 2 – Seite 19
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Colline Stufe: Eichen- Hainbuchenwald (Querceto- Carpinetum)

Bis ca. 600 m kommt dieser Laubmischwald mit einer dichten artenreichen Strauchschicht vor. Vor allem am
Hangfuß des Kettenjura und im Tafeljura

Submontane Stufe: Seggen- Buchenwald (Cariceto- Fagetum)

Von 600 bis 900 m an SW exponierten Hängen in mittlerer Lage. An diesen besonders warmen Standorten findet
man mediterrane Pflanzen wie Flaum- und Traubeneiche (Quercus pubescens Quercus petraea). Der Naturwald
ist heute jedoch stark zurückgedrängt, da die Lage gut für den Weinanbau geeignet ist.

Untere montane Stufe: Buchenwald (Fagetum silvatica)

Von 600 bis 900 m in der feuchteren und kühleren Regionen, ansonsten an die submontane Stufe anschließend.
Der tannenreiche Buchenwald stellt den Charakterwald des Juras dar.

Mittlere montane Stufe: Buchen- Tannenwald (Abieto- Fagetum)

Bis ca. 1200 m nehmen die Tannen immer mehr zu.

Obere montane Stufe: Ahorn- Buchenwald (Acereto- Fagetum)

Von 1200 bis 1600 m kommt natürlicherweise Ahorn und Buche vor. Der Bergahorn ist nur wenige Meter hoch
und weist eine sehr gedrungene Wuchsform auf. Durch den menschlichen Eingriff (Beweidung, Rodung) dominie-
ren heute Fichtenwälder.

Alpine Stufe:

Kämme über 1600 m sind primär waldfrei, was daran liegt, dass besonders starke Windgeschwindigkeiten im
Winter die Fläche Schneefrei halten und hohe Verdunstungsraten bei der Vegetation hervorrufen (Frosttrocknis).

Buchenwälder

Dominieren in den Klimaxwäldern der submontanen und unteren montanen Stufe. Die Buchenstreu zersetzt sich
nur langsam, was bedeutet, dass der Boden weiträumig abgedeckt ist und sich deshalb nur schwer eine Kraut-
schicht entwickeln kann. Zudem müssen sich die Pflanzen der Krautschicht im Laufe eines Jahres auf stark
wechselnde Intensität der Sonnenstrahlung einstellen.

Im Frühjahr, vor dem Austreiben der Buche, kommen hautsächlich Geophyten vor, da sie frühzeitig über genü-
gend Reservestoffe in ihren Wurzeln verfügen. Diese Frühblüher wie Bärlauch (Allium ursium) und Buschwindrö-
schen (Anemone sylvestris) verschwinden, sobald das Kronendach der Buchenwälder geschlossen ist. Nun ent-
wickeln sich Schattenpflanzen.

Tag 2 – Seite 20
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Spezialstandorte

Vor allem auf 700 bis 1000 m kommen auf den schwer wasserdurchlässigen Hochtalböden Nieder- und Hoch-
moore vor, die viele Glazialrelikte beherbergen.

Literatur

Delarze, R. (1999): Lebensraum der Schweiz, Thun

Gutersohn, H. (1958): Geographie der Schweiz, Band I: Jura, Bern

Standort 10: Lac de Biaufond

SUI RW: 556082 HW: 223953


UTM Easting: 32 T 0337790 Northing: 5225758
Höhe: 628 m NN

Thema: Grenzen im Jura

Die Sprachgrenzen

Die auffälligste Grenze des Juras ist die Staatsgrenze zwischen der Schweiz und Frankreich. Das Rütli gilt als
Gründungsstätte der Schweiz. Auf der Waldlichtung, leicht erhöht über dem Urnersee zu Füssen von Seelisberg,
sollen sich die Vertreter der 3 Urkantone: Uri, Schwyz, Unterwalden (Nidwalden & Obwalden) 1291 den Rütlibund
geschworen haben, welcher das gemeinsame Vorgehen gegen die fremden Vögte in ihren Tälern festlegte. „Wir
wollen sein ein Volk von Brüdern, uns nicht trennen in Not und Gefahr!“.

Die Staatsgrenze ist aber nicht zugleich Sprachgrenze, wie man vielleicht meinen könnte (vgl. MS S.2/3 – Abb.
3). Die Sprachgrenze ist auch nicht so eindeutig wie die Staatsgrenze, sie bildet eher eine Grenzzone als eine
Grenzlinie, denn das deutsch und französisch überschneiden sich in vielen Räumen.

Um die heutige Sprachgrenze zu verstehen, muss man bis ins 4. Jh. zurückgehen. In dieser Zeit drang der
Volksstamm der Burgunder von Westen ins Gebiet der heutigen Nordwestschweiz ein. Die Burgunder waren
zwar germanischen Ursprungs, haben aber von den Rauracen die lateinische Volkssprache durch Assimilation
übernommen und nur leicht verändert. Die Alemannen drängten die Burgunder, und somit den spätlateinsch-
romanischen Sprachraum, zur Zeit der Völkerwanderungen langsam von Osten her zurück Während 561 die Aa-
re noch die Grenze zwischen dem Teilreich Burgund und den Alemannen bildete, drang im 9./10. Jh. die aleman-
nische Landnahme weiter in das Gebiet der Burgunder vor, was man an den alten romanischen Flurnamen zwi-

Tag 2 – Seite 21
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

schen Aare und Sense noch ausmachen kann. Im 12./13. Jh. lag die Sprachgrenze schließlich zwischen Fribourg
und dem Bieler See. Speziell durch die siegreichen Kriege der Eidgenossenschaft gegen das Burgund (1474-77),
und durch die bernische Eroberung der Waadt, kam es zu einem weiteren Vorrücken des alemannischen Sprach-
raums. Seither hat sich diese Sprachgrenze fast genauso bis heute erhalten, die Grenze stammt also folglich aus
dem Hochmittelalter.

Die kantonale Grenze

Hinter der Gründung des eigenständigen Kantons Jura, und damit der Forderung von Bern unabhängig zu sein,
verbargen sich nicht nur, und auch nicht hauptsächlich sprachliche Gründe.

Ein bedeutender Ausgang für die heutige Kantonsgrenze ist das Jahr 999. In diesem Jahr schenkte Rudolf III, der
letzte burgundische König, die Abtei Moutier-Grandval, das zu dieser Zeit mächtigste Kloster des Juras, dem Bi-
schof von Basel (vgl. MS S. 2/4 – Abb. 4). Von nun an wurden die französischsprachigen Räume des Juras vom
deutschen Basel aus regiert. Bis 1792 blieb der Jura dann dem Fürstbistum Basel zugehörig. Als 1527 in Basel
die Reformation eingeführt wurde, musste der Bischof die Stadt verlassen und verlegte seinen Sitz nach Porren-
tury. So wurde der Nordjura zu einem vom Katholizismus geprägten Gebiet. Von Bern ausgehend verbreitete sich
im Südjura hingegen der Protestantismus, so dass im Jura unterschiedliche Konfessionen herrschten.

Nach den Friedensverträgen nach dem 30 jährigen Krieg von 1648, und der Annexion des Sundgaus an Frank-
reich, verlor das Bistum Basel seine kleine Besitzungen im Elsass (vgl. MS S. 2/4 – Abb. 5). So war das Bistum
vom Reich abgeschnitten und rückte folglich der Eidgenossenschaft näher 1691 und 1702 bat das Fürstbistum
Basel so dann um den Beitritt in die Schweiz, dieser Bitte wurde jedoch aufgrund der daraus folgenden konfessi-
onellen Spaltung der Schweiz nicht entsprochen. So orientierte sich das Bistum wieder Richtung Frankreich, mit
dem es 1740 einen Allianzvertrag einging.

Im Zuge der französischen Revolution musste der Fürstbischof 1792 abtreten. 1793 schloss sich der Nordjura,
1747 der Südjura, an Frankreich an und wurde anfangs Teil des Département Mont-Terrible, dann des Départe-
ment Haut-Rhin. Nach der Niederlage Napoleons, 1814, nahm man die Einteilung nicht wieder nach den alten
Fürsttümern vor, sondern diskutierte verschiedene andere Möglichkeiten. Der Nordjura wollte mehrheitlich einen
eigenen Kanton gründen oder sich an Frankreich anschließen. Laufen war zu Basel geneigt, und der Südjura war
teils für einen neuen Kanton, teils für den Anschluss an Bern. Der Wiener Kongress beschloss 1815, dass das
gesamte ehemalige Bistum Basel an den Kanton Bern angeschlossen wird.

Diese Entscheidung des Wiener Kongresses hatte zahlreiche Folgen. Die Jurassier von französischer Kultur, die
nun in einen deutschen Staat eingegliedert wurden der 6mal größer ist als ihr Gebiet, fühlten sich als eine Min-
derheit. Bereits ab 1835 begannen die Krisen zwischen Bern und dem Jura. Die Auseinandersetzungen waren
sowohl politisch als auch religiös, juristisch und wirtschaftlich. Bern beabsichtigte z.B. 1836 den Einfluss der ka-
tholischen Kirche im Nordjura zurückzudrängen, woraufhin die dort ansässige Bevölkerung heftig protestierte,

Tag 2 – Seite 22
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

und es daraufhin sogar zu einer militärischen Besetzung durch Bern kam. Schließlich kam dann aber Frankreich
dem Jura zu Hilfe, und Bern musste wieder abziehen.

1839 versuchte die Regierung den Geltungsbereich des im Jura seit der französischen Besetzung geltenden
Rechts einzuengen, das französische Recht wurde allerdings dann 1848 mit der Gründung des Bundesstaates
abgelöst, und daraus folgte auch der Verlust der Selbstverwaltung des Juras. Dieser wurde nun wieder von Bern
verwaltet.

Die Auseinandersetzungen des 19. Jh. Waren überwiegend konfessioneller Art, während man sich im frühen 20.
Jh. Besonders gegen die massiven Einwanderungsströme deutschsprachiger Altberner wehrte. Hiervon war vor
allem der Südjura stark betroffen. Es kam in diesem Gebiet zu ganzen Verschiebungen der Bevölkerungsstruktur.
Einige Bezirke hatten so starke Zuzüge, dass die eingesessenen Jurassier nur noch eine Minderheit darstellten.
1913 beschloss der Regierungsrat zwei Gemeinden mit überwiegend deutschsprachiger Bevölkerung einzudeut-
schen: Scheulte wurde umbenannt in Schelten und Elay wurde zu Seehof. Dies führte natürlich auch wieder zu
heftigen Debatten.

Schließlich, so sagt man, hat die „Affaire Moeckli“ das Fass zum Überlaufen gebracht. Im September 1947 wurde
dem jurassischen Regierungsrat nämlich nicht wie geplant den Vorsitz über das kantonale Bau- und Eisenbahn-
departement übertragen. Der große Rat von Bern hat ihm dieses Amt verweigert, weil ein solch bedeutendes
Ressort nicht von einem französischsprachigen Regierungsrat geleitet werden soll; und dies obwohl Moeckli so-
wohl Hochdeutsch als auch das Dialekt des Berner Oberlandes beherrschte. In den folgenden Jahren verschärfte
sich die Lage auch noch zunehmend, und es wurde mehrmals über eine Neugründung eines eigenen Kantons
abgestimmt.

Die ausschlaggebende Volksabstimmung war letztendlich am 23.06.1974, bei der sich eine knappe Mehrheit für
eine Kantonneugründung ergab: 36.802 (51,9%) Ja-Stimmen zu 34.057 (48,1%) Neinstimmen. Der Nordjura
(Delémont, Porrentury und Les Franches-Montagnes) stimmten dafür, der Südjura (Moutier, Courtelary und Neu-
veville) sowie das deutschsprachige Laufen dagegen.

Im Nordjura war wohl die Überzahl der einheimischen Jurassier, die französische Sprache und der Katholizismus
Ursache sich von Bern zu trennen, wohingegen im Südjura die Mehrheit von nicht ursprünglich aus dem Jura
stammende Bevölkerung, deutsche Einwanderer und der Protestantismus waren gegen eine Kantonneugründung
zu stimmen. Diese 3 Bezirke stimmten in einer zweiten Volksabstimmung am 6. März 1975 für den Verbleib beim
Kanton Bern. Das gleiche Verfahren galt auch für Laufen, das mit einer überwältigenden Mehrheit von 94,1% für
die Zugehörigkeit zu Basel stimmte. So ergaben sich schließlich die Grenzen des heutigen Kanton Jura (vgl. MS
S.2/4 – Abb. 5).

Literatur

Kreisel, Werner (1983): Der Kanton Jura – eine geographische Studie zur Entwicklung politischer Grenzen in der Schweiz. In
Berichte zur deutschen Landeskunde, Bd.57, H.2., S.293-315

Tag 2 – Seite 23
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Rennwald, Jean Claude (1994): La transformation du pouvoir dans le canton du Jura (1970-1991). Du séparatisme à
l’intégration au système politique suisse, Editions Communication jurassienne et européenne (CEJ)

Gallusser, Werner A : Räumliche Eigenart und regionale Dynamik des Schweizer Juras, GR 32, H6, S.274-281

Jeanneret, Philippe/Maillat, Denis (1981): Jura, canton frontière. Problèmes des régions frontalières entre Genèves et Bâle,
effets économiques, Neuchatel

Tag 2 – Seite 24
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Tim Seefeld und Stephan Steiger

Protokoll vom 12.08.2004

Le Bémont – Aarberg – Bern – Zürich – Schaffhausen

Standort 1: Aarberg

Landeskoordinatensystem RW: 588592 HW: 210297


UTM: Easting: 32 T 0369981 Northing: 5211432
Höhe: 465m N.N.

Entstehung des Solothurner Sees

Während der Würmeiszeit stieß der Rhonegletscher nordwestlich von Lausanne gegen den französischen Jura
und teilte sich. Der eine Teil floss nach Südwesten im heutigen Rhonetal Richtung Grenoble und Lyon, der ande-
re floss nach Nordosten in das Becken Richtung Biel und Bern in das heutige Mittelland. Bei Bern vereinigte er
sich mit dem Aaregletscher. Seine Endmoräne liegt bei Wangen an der Aare. Molasse, die während der Alpen-
auffaltung in dem Becken Tausende Meter mächtig abgelagert wurde, verhinderte das Auffalten dieses Gebiets
und ließ erst wieder eine Verfaltung des nordwestlich gelegenen Jura zu (Teppich – Fuß – Prinzip).

In der Zeit der Vorlandvergletscherung wurde die Landschaft durch das Fließen des Gletschers ausgeschürft.
Dabei kam es bedingt durch unterschiedliche Gesteinshärten im Untergrund (inhomogener Untergrund), Mächtig-
keit des Eises, Abfluss des Wassers vor allem unter dem Gletscher mit hohem hydrostatischem Druck zu stark
übersteilten Wannen und wenig abgehobelten Rücken. Dies führte zu zwei Tiefenzonen, die das gesamte Seen-
land schwach gliedern. Die erste Tiefenzone läuft durch den Neuenburger und Bielersee in das schmale Tal von
Pieterlen – Grenchen, die zweite zieht vom Murtensee über das Große Moos zum Tal der alten Aare zwischen
Aarberg und Büren. Zwischen den zwei Tiefenzonen findet man 100m – 170m hohe Inselberge aus Molasse,
welche die 400m hohe Ebene überragen.

In der Rückzugsphase des Gletschers vor ca. 15´000 Jahren bildete sich ein Zungenbeckensee, der sogenannte
„Solothurner See“, der durch die Endmoräne bei Wangen an der Aare aufgestaut wurde. Der Schwemmfächer
der Emme verhinderte ein schnelles Durchbrechen der Endmoräne, so dass sich der See über 100km von Wan-
gen über die Orbe-Ebene bis zur Wasserscheide von Rhein und Rhone bei La Sarraz sowie hinein in die Broye-
Ebene bis nach Payerne erstreckte. Sein Wasserspiegel lag ca. 50m über dem der heutigen drei Restseen Neu-
enburger-, Bieler- und Murtensee. Mit der Zeit verlor der See durch Sedimenteintrag der Seitenflüsse, vor allem
aus den Alpen, und deren Schwemmfächer langsam an Größe. Nach dem Durchbruch der Endmoräne senkte
Tag 3 – Seite 1
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

sich der Wasserspiegel auf das Niveau vor der Juragewässerkorrektur ab, Es blieben nur die drei Seen Neuen-
burger-, Bieler- und Murtensee in den Tiefenzonen übrig.

Die Juragewässerkorrektur des Seenlandes

Die Schweiz besitzt mehrere große Meliorationslandschaften, in denen sich einst ausgedehnte Sümpfe und
Torfmoore erstreckten und die immer wieder überschwemmt wurden. (Melioration: kulturtechnische Maßnahme
zur agrarwirtschaftlichen Bodenverbesserung. Formen der M. sind Trockenlegung versumpfter und vernässter
Flächen durch Entwässerung, Beregnung/Bewässerung von Trockengebieten sowie Moorlandkultivierung). Zu
diesen zählt das Seeland welches im Nordosten durch die bernisch-solothurnische Kantonsgrenze, im Nordwes-
ten durch den Jurafuß und im Süden durch die Molasseberge des bernisch-freiburgischen tieferen Mittellandes
begrenzt wird. Im Seeland befindet sich das Große Moos in der Ebene zwischen Bieler See und Murtensee. Zu
den Überschwemmungen in diesem Gebiet kam es durch Jahrhunderte lange Sedimentation der Flüsse Aare,
Saane und Emme im flachen Mittelland, durch die sie sich selber den Abfluss versperrten.

Bei starken Regenfällen verlies das Wasser der Aare, welche der größte Zufluss des Rheins ist (im Mittel mehr
Wasser als der Rhein) und ca. 28,5% (11770 km2) der Schweiz entwässert, das ursprüngliche Flussbett Richtung
Büren und floss Richtung Westen in das Große Moos ab. Dabei überschwemmte es die Orte Broye und Thiele.
Die einsetzende Kultivierung dieses Gebiet machte eine Gewässerkorrektur nötig. In den Jahren von 1868 –
1880 fand die erste Juragewässerkorrektur statt. Diese beinhaltete:

• Ableitung der Aare oberhalb von Aarberg über das Hagneck-Täuffelen-Moos durch einen Durch-
stich des Seerückens bei Hagneck in den Bielersee (Hagneck Kanal). Dadurch fließt nur noch ein
sehr kleiner Bach im alten Flussbett durch Aarberg.

Abb. 3-1: Aareverlauf vor der Korrektur Abb. 3-2: Aareverlauf nach der Korrektur

Quelle: Wiesli, U. (1986): Die Schweiz. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 212

Tag 3 – Seite 2
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

• Verbreiterung der Zihl unterhalb Nidaus zum Nidau-Büren Kanal. Damit war eine Wasserspiegelab-
senkung des Bieler-, Murten- und Neuenburgersees um 2,5m verbunden. Eine Folge war die Um-
wandlung der Petersinsel zur Halbinsel.

• Verbesserung des Flussbettes der Aare unterhalb Bürens bis zur Einmündung der Emme.

• Korrektur der Broye und der Zihl zwischen Neuenburger- und Bielersee.

• Entsumpfung des Großen Mooses durch Anlegung von zwei Haupt- und einigen Nebenkanälen im
Moos selber und damit verbunden eine Gewinnung von 5500ha Kulturlands.

• 1927 Umbau des Länggrabens auf einer Länge von 4 km und Bau eines Stollens zur Ableitung des
Wassers in den Bielersee. Die Folge war ein Absinken des Bodens um 1-2m und eine erneute Ü-
berschwemmung der tiefer liegenden Gebiete.

Folgen der ersten Juragewässerkorrektur waren:

• aus extensiv nutzbaren Land wurde eine sehr intensiv genutzte Agrarlandschaft

• anthropogenes Flussnetz mit neuen Verkehrslinien

• Industrialisierung und Entwicklung der Siedlungen

• Wasserentzug führte zu allmählichen Bodensenkungen (Gampelen 60cm). Das hatte zur Folge,
dass die Binnenkanäle vertieft oder neu angelegt werden mussten.

• Im November 1944 standen wieder 1000ha des Großen Mooses unter Wasser.

Durch die erneuten Überschwemmungen war eine zweite Juragewässerkorrektur von Nöten. Diese wurde zwi-
schen 1962 – und 1973 durchgeführt. Ziel war:

• Vergrößerung der Abflusskapazität durch Vertiefung.

• Verbreiterung des Broye-, Zihl- und Nidau-Büren-Kanals sowie des Aarelaufes von Büren –
Flumenthal mit Verbesserung der Schiffbarkeit.

• nochmalige Senkung der Höchstwasserspiegel um 1 m und kleinere Seespiegelschwankungen von


3-3,5m auf die Hälfte.

• Inkraftsetzung einer neuen Regel zur Regulierung des Aareabfluss beim Stauwehr Port. Damit wird
der Hochwasserschutz auch Aare abwärts in den Kantonen Solothurn und Aargau gewährleistet.

Auch diese erneute Korrektur blieb nicht ohne Folgen. Zwar wurde die Hochwassergefahr gebahnt, doch trocknet
der Boden des Großen Mooses heute im Sommer mehr und mehr aus und der fruchtbare Humus verweht. Er ist
teilweise nur noch 70cm dick. Weiterhin ist durch den einseitigen Gemüseanbau ein starker Düngereinsatz un-
vermeidbar.

Um diese negativen Folgen zu beheben wäre eine Anhebung des Grundwasserspiegels nötig.

Tag 3 – Seite 3
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 2: Bern

Landeskoordinatensystem: RW: 599874 HW: 196486


Höhe: 856m N.N.

Standpunkt Gurten: Bern zur Zeit der Molasseentstehung

„Geologisch entspricht das Mittelland dem Molassebecken. Es trennt landschaftlich den Jura im Nordwesten von
den Alpen im Südosten. Mesozoikum und kristalline Gesteine der europäischen Pattform ziehen unter der Molas-
se durch und tauchen teilweise in den Alpen wieder auf. Die Molasse besteht im Wesentlichen aus Abtragungs-
schutt der sich heraushebenden Alpen, also Sand- und Tonsteine, Mergel und Nagelfluh. In Alpennähe wurden
am Ende des Tertiärs die Molassesedimente von helvetischen Decken überfahren und gefaltet (subalpine Molas-
se). (...)

Wechselnde marine und terrestrisch-limnische Bedingungen führten im Schweizer Mittelland zu einer Schicht-

Abb. 3-3: Die Schichtfolge der Molasse mit den wichtigsten Nagelfluhfächern und ihren Geröllen. In Anführungszeichen
international nicht mehr anerkannte, jedoch in der schweizerischen Literatur verbreitete Altersstufenbezeichnungen

Quelle: Labhart T.-P. (1993): Geologie der Schweiz, OTT-Verlag, Thun

Tag 3 – Seite 4
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

gliederung der Molasse

Durch die Urflüsse aus den sich hebenden Alpen entstehen große Nagelfluh- Schwemmfächer die bis zu 3000
Meter mächtig wurden. Durch eine stärkere Hebung des westlichen Mittellandes nach Ablagerung der Molasse
treten heute von Westen nach Osten immer jüngere Gesteine an die Oberfläche. (...)

Im Raum Bern erfolgt an der Oberfläche der Übergang von der unteren Süßwassermolasse (USM) im Nordwes-
ten, zur oberen Meeresmolasse (OMM) Richtung Südosten. Die USM ist durch eine Wechselfolge von Sand-
steinbänken, Schluff- und Tonsteinen gekennzeichnet, wobei die feinkörnigen Gesteine dominieren. Dadurch
kommt es in der Region Bern an steilen Hängen (Aaretal!) verbreitet zu Rutschungen. Da die Molasseschichten
generell mit etwa 5-10° nach SE einfallen, sind vor allem auch die linken Aareufer nördlich der Loraine-Brücke
rutschungsgefährdet. Deshalb verläuft die Bahnlinie in diesem Abschnitt auf der rechten Aareseite. Nach Staeger
(1988) kam es allein im Abschnitt nördlich der Lorainebrücke in den letzten 100 Jahren zu mehreren Rutschun-
gen, deren Schäden die Millionen-Franken-Grenze z.T. erheblich überschritten. In der oberen Meeresmolasse,
dominieren mächtige grau-grüne Sandsteinbänke (Berner Molasse). Die Farbe wird u.a. durch Glaukonit verur-
sacht. Dieser Sandstein prägt das Bild der Altstadtgebäude und stammt größtenteils aus den Steinbrüchen bei
Ostermundingen, am östlichen Stadtrand. (...)

Abb. 3-4: Nagelfluhfächer und Flusssysteme am Alpennordrand zur Molassezeit. Das schwarz gezeichnete heutige
Gewässernetz dient nur zur Orientierung! Nach Bürgisser und Schlank

Quelle: Labhart T.-P. (1993): Geologie der Schweiz, OTT-Verlag, Thun

Tag 3 – Seite 5
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort Seitenmoräne Gurtenbühl:

Im frühen Würm stieß der Aaregletscher bis in das mittlere Aaretal vor, erreichte jedoch nicht die Ausdehnung
des Hochglazials und wahrscheinlich auch nicht Bern. Darauf weisen Moränenablagerungen unter den hochgla-
zialen oberen Münsing-Schottern hin. Die entsprechenden Vorstoßschotter des Frühwürm sind die unteren Mün-
sing-Schotter. Der Rhonegletscher erreichte wohl zu dieser Zeit den Raum Bern ebenfalls nicht und lag mit seiner
Zunge im Seeland. Zwischen den beiden Würm-Vorstößen war der Aaregletscher bis in die Alpen hinein abge-
schmolzen.

Im Hochglazial vereinigten sich Rhone- und Aaregletscher im Bereich des Stadtgebietes von Bern. Dabei drängte
der Rhonegletscher den Aaregletscher nach Südosten ab, so dass dieser durch das untere Worbletal – entgegen
der heutigen Gefällerichtung – bis nach Boll floss und von dort durch das stark übertiefte Lindental entwässerte
(Wagner 1986).

Die Zunge des vereinigten Rhone-Aaregletschers reichte bis Wangen an der Aare. Höhere Molassehügel, wie
z.B. der Bantiger blieben im Gipfelbereich würmzeitlich unvergletschert. Weniger hohe Erhebungen, wie der Ber-
ner Hausberg, der Gurten, waren dagegen von Eis bedeckt. Die Eisoberfläche im heutigen Stadtgebiet lag am

Abb. 3-5: Letzte und größte Vergletscherung des Mittellandes

Quelle: Veit, H.(2004): Exkursion Bern und Umgebung

Tag 3 – Seite 6
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Bantiger bei maximal 920 m ü. M., also rund 400 Meter über dem heutigen Talbodenniveau. Unmittelbar südlich
von Bern bestand zwischen Rhone- und Aaregletscher eine nach Süden hin breiter werdende, eisfreie Zone. Die
würmeiszeitlich eisfreien Gebiete fallen landschaftlich durch ihre starke fluviale Zerschneidung, im Gegensatz zu
den sanften Formen der Jungmoränenlandschaft, sowie durch andere Bodenverhältnisse auf.

Der spät-hochglaziale Eisabbau ist im Detail sehr kompliziert. Stellenweise wird eine Fülle einzelner Stadien mit
Lokalnamen rekonstruiert. Sehr markant ist ein Stadium, das bedeutsam für das Stadtbild von Bern ist und das
morphologisch gut ausgeprägt ist: das Bern-Stadium. Aufgrund der Moränenwälle lässt sich die ehemalige Glet-
scherzunge gut rekonstruieren. Da der Rhonegletscher schon zurückgeschmolzen war, konnte sich die Zunge
des Aaregletschers schön entfalten.

Bekannte Lokalitäten und Gebäude stehen auf Moränen des Bern-Stadiums. Hierzu gehören z.B. das Steinhölzli,
die Friedenskirche, der Finkenhubel, der Kursaal, das Viktoria- und das Salemspital und der Rosengarten. Auch
jüngere Stadien wie das Wittigkofen- und das Muristadium sind im Stadtbild an den langgezogenen Moränenwäl-
len trotz Überbauung gut zu erkennen. In Bern werden die Moränenhügel meist Bühl oder Hubel genannt.

Flächenmäßig bedeutsamer sind im Stadtgebiet ebene, terrassenartige Flächen, die „Felder“ (z.B. Kirchenfeld).
Dabei handelt es sich um fluvioglaziale Rückzugsschotter (Felderschotter), die während des Bernstandes des
Aaregletschers entstanden. Bei den Felderschottern handelt es sich um wenige Meter bis zu mehr als 30 Meter
mächtige, vorwiegend saubere Kiese. Bei größerer Mächtigkeit bilden sie das wichtigste, oberflächennahe
Grundwasserstockwerk im Raum Bern. Wegen der starken Bebauung im Stadtbereich und Verschmutzungen
wird es in der Regel als Brauchwasser benutzt. Als Stauer wirken häufig unterlagernde Rückstausedimente, See-
tone unterschiedlichen Alters sowie verdichtete Moränen älterer Eiszeiten. In glazial übertieften Talabschnitten

Abb. 3-6: Das Bernstadium des Aaregletschers

Quelle: Veit, H.(2004): Exkursion Bern und Umgebung

Tag 3 – Seite 7
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

sind die Quartärfüllungen zwar deutlich mächtiger, aber es handelt sich dabei meist um wenig wasserwegsamer
Lockergesteine (Tone, verdichtetes Moränenmaterial älterer Kaltzeiten). Nur ein geringer Anteil, meistens die o-
beren Dekameter, bestehen aus nicht verdichteten spät- und postglazialen Ablagerungen. Der größte Anteil be-
steht aus durch Eisbelastung verdichteten, frühwürmzeitlichen und älteren Sedimenten. Im Marzili, flussaufwärts
der Altstadt, liegt die Quartärbasis bei 237m ü.M. die Füllung erreicht damit Mächtigkeiten von rund 270m. Ähnli-
che Werte werden zwischen Thun und Bern (Übertiefung 250 bis 280m) sowie im Worbletal erreicht. Neben dem
Haupt- Aaretaltrog, der möglicherweise während der größten Vergletscherung entstanden ist, gibt es noch den
Gümligen- und den Worber Trog, die jeweils durch Molasserücken getrennt sind.

Die Trinkwasserversorgung der Stadt wird durch 3 Gebiete sichergestellt: aus den Aaretalschottern, aus dem
Emmetal-Schwemmfächer und aus Quellfassungen im Raum Schwarzenburg. Letzteres ist wegen der oberflä-
chennahen Wassernutzung am stärksten durch die Landwirtschaft verschmutzt (Nitrat). Es muss gereinigt wer-
den und wird teilweise mit Wasser aus dem Aaretal vermischt. Die mengenmäßig größte Bedeutung haben die
Emmental- und Aaretalschotter.(...)

Standort Rosengarten

Der Eisrückgang nach dem Muristadium erfolgte relativ rasch. Im eisfreien Zungenbecken entstand ein Stausee,
der sich mit Seeton-Ablagerungen füllte. Danach, d.h. spätglazial bis postglazial hat sich die Aare rasant einge-
tieft und dabei 3-4 Terrassenniveaus hinterlassen. Genauere Altersangaben liegen bislang nicht vor. Staedler
(1988) korreliert diese Terrassen mit den spät-hochglazialen Stadien Bern, Muri, etc. Im Bereich der Stadt beträgt
die Eintiefung seit dem Bernstadium ca. 40-50 m. Die Altstadt von Bern steht nicht auf Molassesandstein, son-
dern auf mächtigen Schotterablagerungen. Bei mehreren Bohrungen in der oberen Altstadt wurde bis in 40-50 m
Tiefe die Molasse nicht erreicht. In der Matte (untere Altstadt) liegt die Felsoberfläche bei 480-490 m ü.M. (heuti-
ges Aareniveau = 500 m ü.M.).

Nördlich von Bern knickt der Aarelauf auffällig nach Westen ab. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass die
Saane im Westen, nach Abschmelzen des Rhonegletschers, eine um rund 100 m tiefere Erosionsbasis darstellte
im Vergleich zu den Schotterfeldern nördlich von Bern. Die reichlich vorhandenen fluvioglazialen Schotter im
Raum Bern bilden die Grundlage für den Kiesabbau.“

Tag 3 – Seite 8
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 3: Zürich

Landeskoordinatensystem: RW: 685173 HW: 250787


Höhe: 450m N.N.

Siedlungsgeschichte des Schweizer Mittellandes:

Durch verschiedene Gunstfaktoren des Mittellandes ( relativ ebene Fläche, vorhandenes Wasser und gute Bö-
den, günstige Verkehrserschließung ) gibt es schon in der Römerzeit nachgewiesene feste Besiedlungen und
Verkehrswege.

Im Mittelalter, vor allem im 13. Jhd. wurden die meisten der heutigen Städte gegründet.

Sie dienten vor allem auch der Herrschaftssicherung der damaligen Adelsgeschlechter.

Seit dem Mittelalter sind die 5 größten Städte immer noch die selben wie heute.

Schon damals herrschte ein dichtes Netz dezentraler Städte in der Schweiz, was wohl auch durch den Partikula-
rismus der Adelsgeschlechter zu erklären ist.

Industrialisierung

In der Industrialisierung kam es zu verstärkten Ballungen in den Städten und einer Überformung der Stadtbilder
durch Fabriken und Arbeiterviertel.

Siedlungen mit günstiger Verkehrslage ( Anschluss an das Eisenbahnnetz ) wie Olten oder Oerlikon wuchsen
ebenfalls schnell.

Jedoch kam es nicht wie z.B. im Ruhrgebiet zu Agglomerationen, da die Industrien – vorwiegend die Textil-, Uh-
ren- und Maschinenbauindustrie – sich nicht nach Rohstoffvorkommen ansiedelte sondern anderen Standortfak-
toren folgten, wie eben der Verkehrslage und die generell kurzen Wege innerhalb der Schweiz.

Zürich, Genf, Basel und Zürich wuchsen schnell und kristallisierten sich langsam als die wichtigsten Zentren her-
aus. Vor allem Zürich legte in der Industrialisierung die Grundsteine für seine Vormachtsstellung innerhalb der
Schweiz durch die Eigenschaft als Zentrum der Textil- und Maschinenbauindustrie sowie eine geschickte Eisen-
bahnpolitik.

Die Stadt-Land Grenzen waren bis Mitte des 20. Jhd. aber immer noch klar abgegrenzt.

Tag 3 – Seite 9
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abb. 3-7: Bevölkerungsdichte der Schweiz

Quelle: Burri, K. (1995): Schweiz, Lehrmittelverlag Zürich

Urbanisierung in der Nachkriegszeit

Durch verschiedenste Faktoren wie z.B. Bevölkerungs-, Arbeitsplatz- und Einkommenswachstum wuchsen die
Städte immer weiter und die City wurde immer weiter verdichtet.

Bis in den 70ger Jahren dann ein Umkehr einsetzte und man zunehmend an den Rändern der Stadt zu siedeln
begann. Die Suburbanisierung kam vor allem auch durch den Wachstum des Individualverkehrs zustande. Die
Überbauung des Umlandes war wenig geplant oder geführt.

Durch die Bedeutungszunahme des tertiären Sektors wurden die Zentren Zürich, Genf, und Basel weiter aufge-
wertet. Durch die Fühlungsvorteile siedelten sich die Unternehmen in den Cities an und verdrängten somit immer
mehr die Bewohner, die die steigenden Mieten nicht zahlen wollten und auch nicht mehr in der lauten City woh-
nen wollten. Trotz der Bildung von Agglomerationen mit starken Pendlerbewegungen aus dem Umland war das
schweizer Städtenetz Mitte des 20. Jhd. immer noch sehr dezentral.

Tag 3 – Seite 10
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abb. 3-8: Pendlerströme im Kanton Zürich 1990

Quelle: Burri, K. (1995): Schweiz, Lehrmittelverlag Zürich

Das kann vor allem an 3 Punkten festgemacht werden:

1. Der Partikularismus der Adelsgeschlechter im Mittelalter

2. In der Industrialisierung keine Ballungen die z.B. durch Rohstoffvorkommen begünstigt gewesen wären.

3. Das föderalistische Staatssystem förderte eher eine ausgeglichene Entwicklung der Städte

Trotz der klaren Zentralitätsvorteile der Agglomerationen wird weiter auf die traditionelle Dezentralität gebaut.

Man begann Ende der 70ger Jahre durch einen raumplanerischen Verfassungsentwurf die Besiedlung des Um-
landes und der Städte nach innen zu planen.

Tag 3 – Seite 11
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abb. 3-9: Vernetztes Städtesystem der Schweiz

Quelle: Koch, M./ Schmid, W.-A. (1999): Die Stadt in der schweizer Raumplanung, vdf Hochschulverlag AG Spiess,
E. (1994): Schweizer Weltatlas; Lehrmittelverlag des Kantons Zürich

Als fortführender Gedanke der Raumplanung wurde das Modell der vernetzten Städte der Schweiz erdacht.

Hierbei ging es darum, die großen Agglomerationen mit den kleineren Städten durch strategische Netzwerke zu
verknüpfen und dadurch wirtschaftliche Aufträge durch Aufgabenteilung auf alle Städte zu verteilen.

Zürich:

- Erste bekundete Siedlung durch Römer am Seekopf begünstigt durch gute Verkehrslage See- und
Landverkehr im 4. Jhd.

- Erste Erwähnung als Stadt im Jahr 929

- 1351 Beitritt zur Eidgenossenschaft

- Durch Zwingli und andere Reformatoren wurde Zürich zum Zentrum des modernen frühzeitlichen
Staatswesens (Anfang des 16. Jhd.).

- Im 16. Jhd. Verbesserung der mechanischen Arbeitsverfahren und Textiltechniken durch Hugenotten,
der im 14. Jhd. eingeführten Textilindustrie. Später Angliederung von Reparatur- und Konstruktions-
werkstätten. Hierdurch Entwicklung der Maschinenbauindustrie welche im 19. Jhd. schon ausgelagert
wird (Oerlikon seit 1876).

Tag 3 – Seite 12
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

- Bildung von Industrie-


und Arbeiterquartieren.

- Großer Zustrom an
Arbeitern in die
expandierenden
Industriezweige.

- 1850 Bau der ersten


Bank in Zürich.

- 1876 Anbindung an den Eisenbahnverkehr durch Bau des Bahnhofs und die Strecke nach Olten, Basel.
Weitere Stärkung des Handels und der Finanzunternehmen.

- Starke Ausdehnung der Stadt Limmat abwärts und vermehrte Citybildung .

- Durch Eingemeindung im Jahr 1893(11 Gemeinden) und 1934 (8 Gemeinden) wächst die Stadt sprung-
artig auf über 120000 Einwohner.

- Wandel vom Schwerpunkt Industrie zum Dienstleistungsgewerbe in der Nachkriegszeit.

Standort 4: Rheinfall bei Schaffhausen

Landeskoordinatensystem: RW: 688088 HW: 281463


Höhe: 355m N.N.

Entstehung des Rheinfalls

Bis zum Beginn der Riss-Eiszeit floss der Rhein bei Radolfzell aus dem Bodensee, vorbei an Singen, Gottmadin-
gen, Schaffhausen und durch den Klettgau und das Rafzer Feld nach Westen. Ab wann er seinen Ausfluss aus
dem Bodensee bei Stein am Rhein hat ist unklar. Während der Risseiszeit kam es zu einer starken Aufschotte-
rung im Gebiet nordwestlich von Schaffhausen. Dies führte dazu, dass ein großer Teil des Wassers aus dem
risseiszeitlichen Gletscher nach Süden abgeleitet wurde. Der Gletscher war vom Bodensee her nach Westen bis
Schaffhausen vorgedrungen. Das Gletscherwasser erreichte im Süden das zum Klettgau parallel verlaufende
Thurtal. Dort änderte es erneut seine Richtung und floss wieder nach Westen. Der Abfluss des Gletscherwassers
war verbunden mit dem Ausräumen einer tiefen Schlucht im Felsuntergrund (Malmkalk) von Schaffhausen –
Neuenburg. Nach der Erosion wurde die Rinne aber im Laufe der Zeit wieder vollständig mit Schottern aufgefüllt.

Tag 3 – Seite 13
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abb. 5: ursprünglicher Verlauf des Rheinlaufs Abb. 6: Erste Änderung des Rheinlaufs

Quelle: Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Nr. 39/1987

In der Würmeiszeit wurde das Gebiet um Schaffhausen erneut vergletschert. Nach dem Abschmelzen des Glet-
schers war das vorherige Rheintal mit würmzeitlichen Vorstoßschottern und Moränen verfüllt. Das Schmelzwas-
ser fand sein altes Bett nicht wieder und floss jetzt stärker nach Süden in Richtung Buchhalde. Am Rheinfall traf
das Wasser auf das alte Rheintal. Im Laufe der Zeit transportierte der Rhein die leicht auszuräumenden Schotter
aus seinem alten Flussbett ab. Zum Einschneiden in den harten Jurakalk (Malmkalk) fehlten ihm jedoch seine
Erosionswaffen, die er im Bodensee abgelagert hatte. Dadurch entstand der Rheinfall.

Abb. 7: Zweite Änderung des Rheinlaufs und Entstehung des Rheinfalls

Quelle: Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Nr. 39/1987

Tag 3 – Seite 14
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Molasse

Gelberden

Bohnerz

Kalksteine des oberen Weissen Juras (Malm)

Schotter der zwischeneisz. Eisrinne

Abb. 8: Der Rheinfall bei Schaffhausen und sein quartärgeologisches Umfeld

Quelle: Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Nr. 39/1987

Literatur

- Burri, K. (1995): Schweiz, Lehrmittelverlag Zürich

- Flückiger, H., Koll-Schretzenmeyer, M. (2000): Das vernetze Städtesystem Schweiz; in:


www.orl.arch.ethz.ch

- Koch, M./ Schmid, W.-A. (1999): Die Stadt in der schweizer Raumplanung, vdf Hochschulverlag AG
Spiess, E. (1994): Schweizer Weltatlas; Lehrmittelverlag des Kantons Zürich

- Labhart, T.-P. (1993): Geologie der Schweiz, OTT-Verlag, Thun

- Liedke, H. (2002): Physische Geographie Deutschlands, Gotha, Klett-Perthes.

- Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen: Der Rheinfall, Nr. 39 /1987.

- Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband: Die Aare. Schweizerische Monatsschrift 1957, 7-9, Bern.

- Veit,. H. (2004): Exkursion Bern und Umgebung.

- Wachter, D., (1995): Eine moderne Geographie, Verlag NZZ Labhart, T.-P. (1993): Geologie der
Schweiz, ÖTT Verlag Thun Burri, K. (1995): Schweiz, Lehrmittelverlag des Kanton Zürich.

- Wiesli, U. (1986): Die Schweiz. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.

Tag 3 – Seite 15
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Dominik Groß und Lutz Bauer


Protokoll vom 10.8.2004

Dachsen. CH – Singen – Immendingen – Tuttlingen – Kloster Beuron – Burg Wildenstein

Standort 1: Hohentwiel bei Singen (Hegauvulkanismus)

Gauß-Krüger: RW 3486220 HW 5291939


UTM: easting 32T0 486154 northing 5290252
Höhe: 610m N.N.

1.1. Einleitung

Der Vulkanismus im Hegau setzte im Mittel- / Obermiozäns vor ca. 14 Mio. Jahren ein und dauerte mit Unterbre-
chungen ca. 7 Mio. Jahre. Die Hegauvulkane liegen auf in N-S-Richtung verlaufenden Strukturlinien der Erdkrus-
te. Diese tiefgreifenden Spalten haben Verbindungen bis in den Erdmantel. Anhand von Thermalwasserbohrun-
gen hat man herausgefunden dass im Hegau in der Tiefe kein Wärmeherd vorhanden ist.

Die wichtigsten Vulkane von SO nach NW und ihre vulkanischen Förderprodukte:

- Hohentwiel (688 m): Decken-Tuff, P

- Hohenkrähen (643 m): Dt, Phonolith

- Mägdeberg (664 m): Dt, P

- Hohenstoffeln (844 m & 832 m): Dt, Basalt

- Hohenhewen (848 m): Basalt

- Neuhewen (867 m): Basalt-Tuff, B

- Hewenegg (812 m): Bt, B, Hewenegg-Schichten

- Wartenberg (840 m): B

1.2. Die verschiedenen vulkanischen Gesteine des Hegaus und ihr Vorkommen

Wenn man die geologische Karte betrachtet (Konstanz 1:200 000) sieht man dass im Hegau hauptsächlich drei
Arten von Vulkaniten vorkommen:

Tag 4 – Seite 1
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Photo 1: Blick vom Hohentwiel nach NNW (Ho-


henstoffeln & Hohenhewen)

Deckentuffe (Dt): Sie wurden vor 14-12 Mio. Jahren gefördert und bilden mit 20-30 km3 das flächen-
mäßig größte Vorkommen. Das Zentrum der Förderung war das Dreieck Hohentwiel, Hohenkrähen und
Hohenstoffeln. Aber auch am Mägdeberg wurden Deckentuffe gefördert.

Basalte (B): Sie sind vor 13-7 Mio. Jahren entstanden. Neben Schlotbasalten, treten auch Basaltgänge
und Basalttuffe auf. Obwohl es kaum zu einer flächenhaften Ausbreitung kam, bestehen die meisten
Gipfel der Vulkane im Hegau aus Basalt. Beispiele sind der Hohenstoffeln, Hohenhewen, Neuhewen,
Hewenegg und Wartenberg.

Phonolithe (P): Die vor ca. 9-7 Mio. Jahren geförderten Subvulkanite besitzen im Hegau eine kleine, nur
sehr lokale Verbreitung. Die Gipfel des Hohentwiel, Hohenkrähen und Mägdeberg bestehen aus Phono-
lith.

Wie sehen die verschiedenen Vulkanite aus und aus welchen Mineralien setzen sie sich zusammen?

Deckentuff:

Das Auswurfgestein (Tuff; Eruptivgestein) besteht aus feinem vulkanischen Staub (Asche) der mit Auswürflingen
aus Grund- & Deckgebirge, vulkanische Bomben & Lapilli zu einer meist ungeschichteten Masse verfestigt wur-
de. Die silikatarmen Dt zeichnen sich durch eine feinkörnige Grundmasse mit Gesteinseinschlüssen wechselnder
Größe aus. Entweder sind die Dt hart und grau (betonartig) oder weniger fest und braun bis rötlich. Zu den Dt
zählen nicht nur vulkanische Decken, sondern auch Schlot- & Kraterfüllungen. Die heutige Mächtigkeit der Dt-
Schichten beträgt nach starker Abtragung noch bis zu 100m.

„Hegau-Basalt“ (Olivin-Nephelinit):

Diese zum basischen Vulkanismus zählenden Ergussgesteine (Vulkanite; Effusivgestein) sind sehr Si02-arm (36-
39%) und feinkristallin. Sie sind hart, schwarz und haben eine säulige Absonderung. Zu den mineralischen
Hauptbestandteilen zählen Nephelin, Melilith, Olivin, Augit, Magnetit und Biotit.

Tag 4 – Seite 2
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Photo 2: Blick vom Hohentwiel auf die Erosionsruine des


Hohenkrähen

Phonolith („Klingstein“):

Diese zum intermediären Vulkanismus zählenden kurz unter der Oberfläche erstarrten Subvulkanite haben einen
SiO2-Gehalt von 50-55%, sind dunkelgrau, dicht und hart. Die feinkristalline Grundmasse besitzt Einsprenglinge
von Sanidin (seidig-glänzend), Nephelin (grau, sechsseitig), Augit und Hauyn (meist zersetzt). Der P sondert sich
meist in Platten ab.

Heweneggschicht:

Darunter versteht man die Wechsellagerung von bräunlichem Basalttuff und weißem, lagigem, feingeschichte-
tem Kalkstein. Sie sind dadurch entstanden dass Bt in ehemaligen Maarseen im Wechsel mit fossilreichen See-
sedimenten abgelagert wurden. Diese Hewenegg-Schichten sind durch ihre Hipparionfauna (Urpferdchen) be-
kannt geworden.

1.3. Die drei „Hauptphasen“ des Hegauvulkanismus (siehe Abb.4.2)

A, Ablagerung von Deckentuffen:

Durch explosive Vulkanausbrüche wurden vor ca. 14-12 Mio. Jahren die Schichten der Oberen Süßwassermo-
lasse (OSM) durchschlagen. Infolge des Gasreichtums der basaltischen Magma kam es zur Ausblasung der zer-
stäubten Lava, der Bruchstücke des durchschlagenen Deckgebirges (Malm) und der Molassesedimente. Diese
abgelagerten und verfestigten Schichten, die Tuffe genannt werden, sind hauptsächlich auf der NW-SO-Linie En-
gen-Singen zu finden. Zu Beginn des Deckentuffvulkanismus war die Förderung noch gering. Später als die För-
derung zunahm überragten wahrscheinlich Tuffberge die Sedimentationsfläche der Molasse. Besonders starke
Förderstellen bauten einige 100m hohe kegelförmige Vulkane auf (z.B. Hohentwiel), die wohl schon im Obermio-
zän wieder abgetragen wurden.

Im weiteren Verlauf der Molassesedimentation wurden die Dt-Berge wieder einsedimentiert.

Tag 4 – Seite 3
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

B, Bildung von Olivin-Nepeliniten („Hegau-Basalte“):

Es wird angenommen dass vor ungefähr 13-7 Mio. Jahren basaltische Magmen aufgestiegen sind, welche die
Deckentuffe und die OSM (Juranagelfluh) „durchbrochen“ haben und bis an die Oberfläche vorgedrungen sind.

Abb.1: Sedimentation im Molassebecken (OSM)

Abb.2: Ausbruch der Deckentuff-Vulkane (Obermiozän)

Abb.3: Aufstieg der Phonolith-Quellkuppe (vor ca. 9-7 Mio. Jahren)

Abb. 4: Pleistozän ( vor ca. 150.000 Jahren.)

Abb. 5: Holozän

Tag 4 – Seite 4
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Es ist allerdings kaum zu einer flächenhaften Ausbreitung gekommen.

C, Bildung von Phonolithen (Klingstein):

Vor ca. 9 bis 7 Mio. Jahren erfolgten vereinzelt effusive Nachschübe von phonolithischem Magma. Diese haben
ebenfalls die Deckentuffe und Molassebildungen durchbrochen, sind allerdings noch unter deren Bedeckung, als
sogenannte Quellkuppen, erstarrt.

1.4. Die Entstehungsphasen des Hohentwiel

Vor 34 Mio. Jahren lagert ein Flusssystem Sand und Mergel ab (siehe Abb. 1).

In der Zeit der OSM-Sedimentation, also vor etwa 13 Mio. Jahren, durchbrechen vulkanische

Eruptionen an vielen Stellen im Hegau die Erdkruste und die Molasseschichten (siehe Abb. 2). Sie fördern vulka-
nische Asche, die sich zu bis zu 100 m mächtigen Deckentuffen verfestigt. Auch die Förderschlote sind mit Tuff
erfüllt. Am Hohentwiel lag eine vermutlich aus mehreren Schloten bestehende Deckentuff-Füllung von 1 km
Durchmesser vor.

Die Stratovulkane aus Deckentuff werden in der Folgezeit wieder abgetragen und erneut von Molassesedimenten
bedeckt.

Vor ca. 7-9 Mio. Jahren ist phonolithisches Magma aufgestiegen und nachdem es die Dt- & Molasse-Bildungen
durchbrochen hat, noch untere deren Bedeckung erstarrt (siehe Abb. 3).

In der Riß-Eiszeit wurden die weichen Molassesedimente durch die vom Osten über den Bodensee heranrü-
ckenden Eismassen wegerodiert (siehe Abb.4). Der Rheingletscher hobelte besonders stark an der Ostflanke des
Hohentwiels und des Hohenkrähen.

Durch Flüsse und Gletscher ist die Landschaft bis zu ihrem heutigen Erscheinungsbild abgetragen worden. Was-
ser und Eis legten die harten Phonolith-Schlotfüllungen frei (siehe Abb.5). Der zentrale Gipfel des Hohentwiels
stellt eine dieser Erosionsruinen dar. Die asymmetrische Form des Hohentwiels und Hohenkrähen ist entstanden,
weil die Westseite der Berge im „Eisschatten“ lag.

Hohentwiel und Hohenstoffeln

Der Hohentwiel:

Das weithin sichtbare Wahrzeichen von Singen (siehe Photo 3) ist der südlichste der Hegauvulkane. Sein Gipfel
ist 688m hoch und besteht aus phonolithischem Magma dass unter der Oberfläche stecken geblieben ist. Zusätz-

Tag 4 – Seite 5
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

lich tritt noch eine ausgedehnte Deckentuff-Krater-Füllung auf. Die Ostseite des Phonolithgipfels (Hangschutt)
wurde durch Glazialerosion freigelegt, während Westseite noch weitgehend von mächtigem Dt-Mantel umhüllt ist.

Der Hohenstoffeln:

Der Doppelgipfel ist im N 844m und im S 832m hoch. Der Hohenstoffeln besteht aus basaltischen Tuffbrekzien
und Basalt (bzw. Olivin-Nephelinit), der am Gipfel besonders dicke, senkrechte Säulen aufweist. Der Basalt ist
ein dichtes Gestein mit sehr kleinen Einsprenglingen von Olivin oder Augit. Die ganze Deckentuffschicht am N-S-
Hang ist 70m mächtig. Direkt westlich unterhalb des Nordgipfels liegt der NW-Rutsch aus Deckentuff.

Standort 2: Hohentwiel (Stadt- und Industriegeschichte Singen)

Gauß-Krüger: RW 3486389 HW 5291581


UTM: easting 32T0 486319 northing 5289902
Höhe: 619m N.N.

2.1. Stadtgeschichte

- Erste Nachweise über Siedlung schon um 500 n.Chr. (villa publica Sisinga), erste urkundliche Erwäh-
nung im Jahr 787 n.Chr. (Urkunde über die Schenkung des ererbten Grundbesitzes an das Kloster St.
Gallen durch einen Diakon).

Photo 3: Blick auf den Gipfel


des Hohentwiel (Phonolith)

Tag 4 – Seite 6
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

- Um 960 herum wurden das Dorf Singen und der Berg Hohentwiel durch Realerbteilung für die nächsten
1000 Jahre administrativ voneinander getrennt, doch zuvor diente er häufig als Zufluchtsort bei Überfäl-
len.

- Im späten 10. Jh. gelangt das Dorf unter die Herrschaft der Abtei Reichenau.

- Am Übergang vom 13. zum 14. Jh. übernehmen die Ortsherrschaft die Herren von Friedingen, ehemali-
ge Dienstleute der Abtei.

-Aus finanzieller Not erfolgt 1432 die Übertragung des Dorfes an den Abt von St. Gallen. Aus
dieser Zeit stammt auch der St. Gallener Bär im Stadtwappen.

- Von 1465 bis 1806 gehört Singen der Vorderösterreichischen Landgrafschaft Nellenburg an.

- Der Hohentwiel gehörte seit 1519 zu Württemberg.

- Im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit besteht Singen aus armer, landwirtschaftlicher Be-
völkerung, die jeweiligen Orts- und Lehnsherren kümmern sich kaum das Dorf. Das lässt den Bauern die
Möglichkeit, ihre Güter gleichmäßig unter ihren Kindern zu verteilen und erlaubt dem Dorf, ein Gemein-
dewesen zu etablieren.

- Mit dem Eintreten Württembergs in den dreißigjährigen Krieg wurde der Hohentwiel zum Magneten für
feindliche Heere, das Dorf Singen hatte stark unter Krieg und Zerstörung zu leiden. Nach dem dreißig-
jährigen Krieg hat der Hohentwiel an militärischer Bedeutung verloren, wurde von den Franzosen unter
Napoleon im Jahre 1801 aber aufgrund seiner symbolischen Bedeutung geschleift. Die Steine aus der
Festung wurden von der Bevölkerung Singens zum Häuserbau genutzt.

- Zwischen dem Kloster St. Gallen und dem Kloster Konstanz herrschte eine starke Konkurrenz, der Ein-
fluss des Klosters St. Gallen auf Singen war jedoch stärker.

- 1806 geht Singen in Württembergischen Besitz über, einige Jahre später in badischen Besitz.

- 1863 Zugverbindung Basel – Konstanz, 1866 „Schwarzwaldbahn“- Verbindung Offenburg – Konstanz,


1875 Bahnverbindung Winterthur – Singen;

- 1899 bekommt Singen die Stadtrechte.

- Bevölkerungszahlen: Noch im Jahr 1615 hatte Singen nur zwischen 400 und 500 Einwohner, 1803 nur
761. 1830 lebten bereits mehr als 1000 Menschen in Singen, 1871 waren es 1674 und 1890 2228. Im
zwanzigsten Jahrhundert stieg die Einwohnerzahl rasant an und erreichte ihren Höhepunkt 1975 mit 47
486 Einwohnern. Heute sind die Einwohnerzahlen leicht rückläufig, aktuell sind es ca. 43 673.

- 1969 wird der Hohentwiel in die Gemeinde Singen eingemeindet, vorher gehörte er zum Landkreis Tutt-
lingen..

Tag 4 – Seite 7
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Entwicklung des Industriestandortes

- 1846 erste und lange Zeit einzige Ansiedlung industrieller Strukturen in Form einer Baumwollspinnerei.

- Wichtige Faktoren für eine plötzliche Ansiedlung industrieller Betriebe im ausgehenden 19. Jh.:

1. Hohe Einfuhrzölle seit der Gründung des deutschen Reiches 1871 waren für Schweizer Industrie ein
Grund, direkt in Baden zu produzieren. Billiges Arbeitskräftepotential in Form von un- oder angelernten
Arbeitern war reichlich vorhanden.

2. Singen war ab 1863 durch die neuen Zugverbindungen ein Verkehrsknotenpunkt:

1887 siedelte sich die Schweizer Firma Maggi mit einer Produktionsstätte an, 1895 die Schweizer Firma
Georg Fischer AG und 1912 ebenfalls die Zweigstelle einer Schweizer Firma, die „Alusuisse“ (Alumini-
um-Walzwerk Singen GmbH).

3. Es gab keine eigenen Innovationen, in industrieller Hinsicht zumindest, in Singen; die Industrialisierung
vollzog sich durch exogene Auslöser aus der Schweiz, die Technologien und Produkte existierten be-
reits seit einiger Zeit.

- Mit dem Bedarf an Arbeitskräften während der Industrialisierung stieg der Anteil an Arbeitskräf-
ten von außen. Der Ausländeranteil in Singen betrug 14% im Jahr 1914, der Pendleranteil belief sich um
1900 auf 58%.

- V.a. durch die expandierende Wirtschaft vervielfachte sich die Einwohnerzahl Singens von
2228 im Jahr 1890 um mehr als das 20fache auf über 47 000 Einwohner 1975.

- Trotz und wahrscheinlich auch wegen der Schweizer Firmen wurde Singen durch die alliierten
Bombardements im 2. Weltkrieg nur wenig zerstört.

- 1965 arbeiteten in den drei Großbetrieben Singens ca. 11000 Arbeitnehmer.

- In Singen arbeiten noch fast 50% (1974 66,5%) der Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe,
in Deutschland sind es zum Vergleich ca. 25%.

- Ein jüngerer, aber ebenfalls großer Arbeitgeber ist die Altana-Pharma AG.

- Singens Industriestruktur lässt sich mit der in Chaux de Fond vergleichen: In beiden Städten
herrscht eine sehr einseitige Industrie vor (Chaux de Fond: Fein-/Optik-/Elektroindustrie, Singen: Alu-
/Metall-/Nahrungsmittelindustrie). Der Unterschied besteht in der historischen Entwicklung. Während
sich in Chaux de Fond die Industrie endogen entwickelt hat, ist sie Singen durch exogene Faktoren initi-
iert worden (Schweizer Firmen). Desweiteren unterscheidet man viele kleine Firmen in Chaux de Fond
gegenüber wenigen großen Firmen in Singen.

Tag 4 – Seite 8
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 3: Donauversickerung bei Immendingen

Gauß-Krüger: RW 3481956 HW 5310157


UTM: easting 32T0 481888 northing 5308474
Höhe: 667mN.N.

Was ist der Auslöser für das Versickern des Donauwassers?

Die Versickerung wird dadurch möglich dass die Donau über sehr durchlässigen Weißjurakalk (hohe Klüftigkeit)
fließt und die Malmschichten in diesem Bereich durch die Immendinger Flexur (tiefgreifende Zerrungen und Brü-
che im Gesteinskörper) zusätzlich noch stark beansprucht & zerklüftet sind.

Die 3 Hauptversickerungsstellen:

• am Brühl SE Immendingen

• in der Schleife S Friedingen/ Donau

• außerdem am Wehr W Immendingen.

Auf einer Länge von 3 km versickert die Donau zwischen Immendingen und Friedingen in den zerklüfteten Ox-
ford-Kalksteinen. Das trockene Donaubett erinnert hier bei Vollversickerung

eher an einen schlecht gepflegten Feldweg. Das Wasser verschwindet in Karstspalten im Donaubett
(Flussschwinde) die sich durch Ansammlungen von Laub und Ästchen verraten.

Photo 4: Donauversicke-
rung am Brühl SE Immen-
dingen (Blick Richtung Möh-
ringen)

Tag 4 – Seite 9
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Unterirdischer Wasserlauf:

Das Wasser folgt schichtenparallel nach SE einfallenden Karsthohlräumen. Das unter Druck stehende Karstwas-
ser kann entlang tektonisch bedingter Klüfte wieder aufsteigen und tritt 60h nach der Versickerung 12 km (Luftli-
nie von Immendingen) bzw. 18 km (von Fridingen) weiter südlich und 180 m tiefer im Aachtopf wieder aus. Das
Wasser versickert im Weißen Jura beta und tritt in der Aachquelle im Weißen Jura zeta wieder aus. Das heißt,
dass es aus älteren, tieferen Schichten in jüngere, höhere Schichten geflossen ist. Dies ist nur dadurch möglich,
dass die Sedimente am Südrand der Schwäbischen Alb steiler fallen, als das Gefälle des Wassers.

Vollversickerung:

Die Vollversickerung wird durch einen niedrigen Wasserstand und längere Trockenzeit ausgelöst. Im Sommer
1874 wurde die erste Vollversickerung am Brühl beobachtet. Bis 1950 ist es zu einer Zunahme der jährlichen
Vollversickerungstage (Rekordjahr 1921 mit 309 Tagen) gekommen. Ab 1950 bis 1980 erfolgte dann eine konti-
nuierliche Abnahme bis auf 120 Tage im Jahr. Zur Zeit der Vollversickerung spricht man von „Schwarzwald- &
Albdonau“. Die Quellflüsse der Donau sind dann der Krähenbach und der Elta.

Tracerversuche:

Um herauszufinden wohin das Wasser versickert, hat von Knop 1877 im Auftrag der großherzoglich badischen
Regierung 10t Kochsalz in die Versickerungsstellen geschüttet. Nachdem das Salz nach ca. 1 Tag wieder im
Aachtopf austrat hatte man den Beweis für den schon seit längerem vermuteten Zusammenhang zwischen der
Donauversickerung und der Aachquelle. 1969 wurde dieser Zusammenhang durch einen großangelegten Färb-
versuch noch untermauert.

Photo 5: Trockenes
Donauflussbett beim
Wanderparkplatz des
Gewann „Im Brühl“

Tag 4 – Seite 10
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Kampf um die Wasserscheide:

Bei den Versinkungsstellen entscheidet sich, ob das Wasser mit dem Donaufluss Richtung Schwarzes Meer oder
mit dem Rhein zur Nordsee fließt. Die Donau entspringt im Sommer

(bei Vollversickerung) eigentlich auf der Schwäbischen Alb neu und nur im Winter im Schwarzwald. Man spricht
dann auch von Albdonau und Schwarzwald-Donau.

Folgen der Verkarstung:

Das Donauwasser erfährt auf dem Weg von der Donauversickerung zur Aachquelle eine große Aufhärtung. Es
tritt mit einer Härte von 7 in die Alb ein und taucht mit 10 Härtegraden im Aachtopf wieder aus.

Daraus errechnet Otto Mauz (1970) bei einer Aachschüttung von 8000l/s, dass das Wasser pro Jahr ca. 6000m3
Kalkstein löst, was etwa 6 massiven dreistöckigen Häusern entspricht2.

W. Käss errechnete dass im Jahresdurchschnitt 11.350 t (4370 m3) Kalk im Untergrund gelöst werden. Dies wür-
de bedeuten dass jeder m3 Wasser 45g Kalk löst.3

Der Aachtopf (bei Aach)

Die Aachquelle liegt am SO-Rand der Schwäbischen Alb. In der am Ostrand der Stadt Aach gelegen Karstquelle
treten auf 475m Höhe große Wassermassen in den Schichten des Weißen Jura zeta aus.

Der Aachtopf ist mit einer durchschnittlichen Schüttung von 8.300 l/s die am stärksten schüttende Quelle in
Deutschland (minimal 1,3 cbm/ sec. und maximal 24,1 cbm/ sec.).

Das Einzugsgebiet der Aachquelle ist ca. 280 km2 groß.

Der Quelltopf-Durchmesser beträgt ca. 50m. Das aus zahlreichen Karstspalten (u.a. „Saharaspalte“) in Kalkstei-
nen des Oberjura austretende Wasser bildet den kleinen Quellfluss der Radolfzeller Aach, der bereits nach 14
km bei Radollfzell in den Bodensee mündet.

Die Quelle wird zu 60% aus versickerndem Donauwasser das v.a. bei Immendingen in den verkarsteten Gestei-
nen des Oberjura verschwindet und zu 40% aus Niederschlägen die im Einzugsgebiet der Aachquelle niederge-
hen, gespeist.

2 Vgl. Christian Faid (1995): Fluss- und Talgeschichte der Oberen Donau. S.78

3 Vgl. Geologisches Landesamt Ba-Wü (1978): Erläuterungen zu Blatt 8119 Eigeltingen. S.50

Tag 4 – Seite 11
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Die Hauptquelle tritt nördlichen Teil des Quelltopfes aus 2 N-S verlaufenden, 1-2 m breiten, senkrechten Spalten
empor; unterhalb treten in Aach zahlreiche Nebenquellen auf (u.a. der „Waller“, der im Quellteich 50m unterhalb
der Hauptquelle empor dringt. Neben der Hauptquelle gibt es 11 weitere kleinere Quellen die sich unterhalb im
Fluss oder Uferbereich befinden.

Alter der Aachquelle:

Die Quelle ist vermutlich vor 16.-18.000 Jahren im Stadium des würmeiszeitlichen Eisrückzuges entstanden. Die
heutige Quelle ist vermutlich ein „Notausgang“, der durch Überdeckung des älteren südlichen Quellausgangs
durch pleistozäne Schotter und durch glazialerosive Öffnung des Eisrandtales bei Aach entstanden ist.

Forschung im Gebiet des Quelltopfes:

Die max. Tiefe des erforschten unterirdischen Systems liegt bei 37m.

Die Quellhöhle ist 400m lang (Luftlinie) und verläuft nach N. Die erfolgreichsten Tauchgänge unternahm Harald
Schetter, der ab 1980 viele Male das Wagnis "Unterirdische Aach" auf sich nahm und dabei die Höhle in einer
Länge von 600 Meter erkunden konnte.

Nutzung der Wasserkraft:

Von 1385 bis 1936 wurden insgesamt über 20 Wasserräder in Aach betrieben. Seit Mitte der 50-er Jahre des 20.
Jh. gibt es dort keine Mühlen mehr.

Standort 4: Marktplatz Tuttlingen (Stadt- und Industriegeschichte


Tuttlingen)

Gauß-Krüger: RW 3486418 HW 5316417


UTM: easting 32T0 486336 northing 5314733
Höhe: 660m N.N.

4.1. Stadtgeschichte

- Tuttlingen ist wahrscheinlich eine alemannische Siedlung aus der Landnahmezeit, möglicherweise aus
dem frühen 5. Jh. n.Chr.

- 797 erste Erwähnung des Dorfes als „tuttiliningas“ in einer Urkunde des Klosters St. Gallen. Zu dieser
Zeit haben beide großen Klöster der Gegend, St. Gallen und Reichenau, Besitztümer in Tuttlingen. Ab

Tag 4 – Seite 12
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

820 verliert sich der Einfluss St. Gallens, die Lehnsherrschaft liegt bei Reichenau und dies ändert sich
auch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nicht..

- Die Verwaltung des Ortes im Hochmittelalter durch einen Vogt wurde von dem Geschlecht der Warten-
berger ausgeübt. In diese Zeit fiel auch die Verleihung der Stadtrechte, wahrscheinlich Ende des 13. Jh.

- Ende des 14. Jh. ging Tuttlingen in den Besitz der Grafen von Württemberg über.

- Um 1470 bauten die Württemberger zum Schutz ihres Gebietes nach Süden hin die Burg auf dem Hon-
berg.

- Mit der Reformation wurde Württemberg und damit auch Tuttlingen protestantisch.

- Die Burg und ihre besondere strategische Lage waren auch der Grund für die häufig wechselnde militä-
rische Präsenz verschiedener Parteien während des 30jährigen Krieges. Während dieser Zeit wurde die
Stadt auch fast im Jahresrhythmus geplündert oder anderweitig ausgebeutet.

- 1643 kam es zur großen Schlacht von Tuttlingen, bei der katholische kaiserliche und bayrische Truppen
die sich im Winterlager befindlichen protestantischen französischen und Sachsen-Weimarischen Trup-
pen überfielen und vernichtend schlugen.

- Aufgrund ihrer militärischen Rolle entschloss sich 1645 der Kommandant der Festung auf dem Hohen-
twiel zur vollständigen Zerstörung der Festung Honberg.

- Anfang des 30jährigen Krieges lebten noch 1560 Personen in Tuttlingen, nach dem Krieg waren es nur
noch 549. 1739 waren es schon wieder 1960 Einwohner, 1813 gar 3870 (darunter 2 Katholiken!!!). Ab
der Mitte des 19. Jh. und mit einsetzender Industrialisierung stieg die Einwohnerzahl Tuttlingens dann
schneller denn je, auf ca. 6000 in den 50er Jahren des 19. Jh., über 8000 in den 70er Jahren und über
10000 1890. Nur 10 Jahre später, zur Jahrhundertwende, waren es dann schon 13530.

- Das markanteste Datum in Tuttlingens Geschichte ist der 1. November 1803: Ein Funke reichte aus, die
gesamte Stadt innerhalb der Stadtmauern, damals noch eine mittelalterlich geprägte Stadtstruktur, nie-
derzubrennen. 1804 wurde die Stadt dann nach den Plänen von Landbaumeister Carl Leonard von Uber
im klassizistischen Stil neu aufgebaut. Ein quadratischer Marktplatz, rechtwinklige, breite Strassen und
quadratische Häuserquartiere machten Tuttlingen zur damals modernsten Stadt Württembergs und prä-
gen die Innenstadt noch heute. Die breiten Strassen dienten unter anderem der Durchlüftung der Innen-
stadt und dem Schutz Bränden.

4.2. Entwicklung des Industriestandortes

- Die Zunahme von Gewerbe und Industrie in Tuttlingen begann schon wesentlich früher, als in Singen.

Tag 4 – Seite 13
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

- 1836 gründeten Tuttlinger Kaufleute die „Mechanische Wollspinnerei Groß und Companie“ mit damals
58 Angestellten.

- Mitte des 19. Jahrhunderts war Tuttlingen schon ein bedeutender Standort für die Produktion von Mes-
sern und Schuhen, in der ersten Hälfte des Jahrhunderts allerdings noch in Form von Kleinbetrieben
und Manufakturen. 1866 gab es in Tuttlingen 116 Messerschmiedewerkstätten, 1879 zählte man 625
Schuhmachermeister und 573 Gehilfen..

- Die eigentliche Industrialisierung begann in der zweiten Hälfte des 19. Jh. Hier entstanden auch die gro-
ßen Firmen Aesculap und Rieker. 1878 zählte man schon 18 Schuhfabriken, 1907 gar 32.

- Beispiel Aesculap: Gründung der Firma zur Herstellung von chirurgischen Instrumenten 1867 durch
Gottfried Jetter , bei Firmengründung 2 Gesellen, 1878 bereits 120 Angestellte, 1890 440 Angestellte.
Heute arbeiten im Werk Tuttlingen über 2000 Mitarbeiter, aesculap hat mit der Firma b.braun zusammen
weltweit über 27 000 Mitarbeiter.

- Neu gegründete Bahnlinien (Neckartalbahn Tuttlingen – Stuttgart, nach Rottweil 1869, nach Immendin-
gen 1870, Donautalbahn 1890) trugen auch hier zur Industrialisierung bei.

- Der Wandel im industriellen Sektor hat sich im Ortsbild durch das fast vollständige Verschwinden des
vor dem 19. Jh. prägenden landwirtschaftlichen Charakters niedergeschlagen.

- Außer Aesculap haben sich noch weitere Medizin-Technik Unternehmen in Tuttlingen angesiedelt, z.B.
die Firma Storz (1300 Mitarbeiter in Tuttlingen, 3000 weltweit).

- Die Industrie konzentriert sich auf Medizintechnik und Schuhproduktion.

- Im Gegensatz zu Singen entwickelte sich in Tuttlingen die Industrie endogen und basierte auf dem
Handwerk.

Standort 5: Kloster Beuron (Erzabtei St. Martin)

Gauß-Krüger: RW 3497711 HW 5323706


UTM: easting 32U0 497656 northing 5322014
Höhe: 647m N.N.

Die Erzabtei Beuron liegt etwa in der Mitte des Durchbruchs der jungen Donau durch den südwestlichen Ausläu-
fer des Schwäbischen Jura, im Herzen des Naturparks Obere Donau, in einem von schroff aufragenden Kalkfel-
sen umrandeten Talkessel (siehe Photo 6). Die Sage berichtet, Graf Gerold von Bussen habe 777 das erste Klos-
ter Beuron gegründet. Anzeichen deuten darauf hin, dass es auf der Höhe gelegen war; dort, wo seit 1813 die
Toten der Kriege ihre letzte Ruhe gefunden haben, auf dem Gelände des Soldatenfriedhofs.

Tag 4 – Seite 14
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Photo 6: Das im Donaudurchbruchstal gelegene Bene-


diktinerkloster

Die erste Anlage wurde von den Ungarn zerstört. Der 1077 erfolgte Wiederaufbau am heutigen Platz im Donautal
wird dem Grafen Peregrin von Hoßkirch zugeschrieben. Die erste erhaltene Urkunde über das alte Kloster Beu-
ron stammt aus dem Jahre 1097.

Beuron war eines der ältesten Augustiner-Chorherrenstifte Deutschlands und gehörte zur lateranensischen Au-
gustinerkongregation. Die Säkularisation hob auch das Stift Beuron auf und übertrug es mit allen seinen Besit-
zungen dem fürstlichen Hause von Hohenzollern-Sigmaringen. Das verlassene Kloster diente in Kriegszeiten als
Militärspital, im Frieden verwandte man einen geringen Teil der Räume als Amtswohnungen.
Nach sechzig Jahren, am 6. Dezember 1862, ermöglichte die Stiftung der Fürstin Katharina von Hohenzollern
den Neubeginn klösterlichen Lebens in den zweckentfremdeten Gebäuden.

Die Fürstin hatte Kirche und Klostergebäude ihrem Stiefsohn Karl Anton von Hohenzollern abgekauft und den
Benediktinern Maurus und Plazidus Wolter, die sie in Rom kennen gelernt hatte, zur Verfügung gestellt. Diese
beiden in Bonn geborenen Brüder waren Mönche der Abtei "St. Paul vor den Mauern" in Rom. Sie kehrten nach
Deutschland zurück und gründeten in Beuron das klösterliche Leben nach der Regel des heiligen Benedikt.
Da Beuron in den hohenzollerischen Landen lag, die 1849 zu Preußen gekommen waren, mussten die Benedik-

Tag 4 – Seite 15
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

tiner aufgrund der preußischen Kulturkampfgesetze4 schon 1875 Beuron wieder verlassen. Doch nach 12 Jahren
durften sie in ihre klösterliche Heimat zurückkehren.

Als im Sommer 1959 die Scheunen und Stallungen einem Brand zum Opfer fielen, wurde außerhalb der Kloster-
anlage eine moderne Ökonomie errichtet. Am Platz der alten Ökonomie entstanden der neue Pfortenbau mit dem
Vetus-Latina-Institut und entlang der Straße ein Erweiterungsbau des Kunstverlages sowie ein weiteres Werk-
stättenhaus.

Beuron weitete sich aber auch aus durch Gründung und Neubesiedlung anderer Klöster in Deutschland, außer-
halb Bayerns, wo das benediktinische Mönchtum schon einige Jahrzehnte früher wiedererstanden war, und im
Ausland.

Nachdem zahlreiche Tochtergründungen von Beuron ausgegangen waren, nannte man das Mutterkloster "Erzab-
tei" und den Vater des Klosters "Erzabt". In kurzer Zeit war die Anzahl der Mönche so stark angewachsen, dass
die barocke Klosteranlage erweitert werden musste. Es wurden nach und nach der Refektoriumstrakt und der
Gästeflügel gebaut, sowie der Kleriker- und Bibliotheksbau.

Die Benediktinerkonföderation

Als gegen Ende des neunten Jahrhunderts die Missionstätigkeit abnahm, wandten sich die Klöster in größerem
Umfang kulturellen Aufgaben zu. Immer stärker entwickelten sich die Abteien zu mächtigen Institutionen, die nicht
nur auf religiöses Wirken beschränkt blieben. Die Zeit wurde reif für einen Zusammenschluss, um den Gefahren
von innen und außen besser begegnen zu können. Um 1700 gab es im deutschen Raum acht Benediktinerkon-
gregationen; Bestrebungen, sie zu einer gesamtdeutschen zu vereinigen, schlugen fehl. Mit dem Ende des 18.
Jahrhunderts begannen die schweren Schläge gegen das katholische Ordenswesen (Säkularisation). In Öster-
reich wurde der größte Teil, in Frankreich wurden alle Klöster aufgehoben. In Deutschland machte der Reichsde-
putationshauptschluss vom Jahre 1803 den Klöstern ein Ende.

Doch bereits wenige Jahrzehnte später begann unter der Protektion König Ludwigs II. von Bayern ein neuer Auf-
schwung der Benediktiner in Bayern. Im übrigen Deutschland erstand 1863 wieder benediktinisches Leben mit
der Gründung von Beuron.

4 Als Kulturkampf wird die zwischen dem Staat, den Parteien und der katholischen Kirche Mitte des 19 Jh. in Preußen stattgefundene
Auseinandersetzung bezeichnet. Unter Bismarck wurden verschiedene Kulturkampfgesetze aufgestellt, die u.a. 1875 zur Auflösung aller
kirchlichen Orden führten.

Tag 4 – Seite 16
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Auf Wunsch Papst Leos XIII. schlossen sich die verschiedenen Benediktinerkongregationen zu einer Konfödera-
tion unter einem Abtprimas zusammen. So ist heute mit dem Begriff Benediktinerorden die Gesamtheit jener
benediktinischen Klöster gemeint, die sich über ihre Kongregationen unter der Leitung des Abtprimas zur Konfö-
deration der Benediktiner vereint haben. Mit den Tochterklöstern bildet die Erzabtei innerhalb des gesamten Be-
nediktinerordens, der "benediktinischen Konföderation", einen eigenen Verband: die "Beuroner Benediktinerkon-
gregation". Ihr gehören neben der Erzabtei Beuron noch 9 Männerabteien und 19 Frauenabteien im In- & Aus-
land an.

Zu ihr gehören zur Zeit folgende Männerabteien:

Die Erzabtei Beuron, die Abteien Weingarten, Neresheim, Wimpfen und Neuburg bei Heidelberg in Baden-
Württemberg, die Abtei Tholey im Saarland, die Abtei Maria Laach in der Eifel, die Abtei Gerleve in Westfalen,
das Priorat Nütschau in Schleswig-Holstein und die Abtei Seckau in der Obersteiermark.

Außerdem gehören folgende Frauenabteien der Konföderation an:

Kellenried in Baden-Württemberg, Engelthal und Fulda in Hessen, St. Hildegard/Eibingen im Rheingau; Herstelle
und Varensell in Westfalen, Bertholdstein in der Steiermark, Säben in Südtirol und die Priorate Asebakken in Dä-
nemark und Marienrode in Niedersachsen.

Photo 7: Das Beuroner Benediktiner-Kloster

Tag 4 – Seite 17
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 6: Burg Wildenstein (Oberes Donautal/Flussgeschichte)

Gauß-Krüger: RW 3500163 HW 5324131


Höhe: 817m N.N.

6.1. Flussgeschichte

- Aare-Donau: Die Geschichte der Donau beginnt mit der Verfüllung des Molasse-Meeres und der He-
bung des Schwarzwaldes im Alttertiär. Sie entwässerte das Molassebecken an seinem nördlichen Rand
entlang in Richtung Osten. Ihren Ursprung hat die Donau zu dieser Zeit in den Alpen, wo ihr auch die
Aare tributär war und die Wassermenge für einen riesigen Strom lieferte. Bei Ulm mündet auch der nach
Nordosten fließende Alpenrhein in die Donau. Noch im ausgehenden Tertiär, im Pliozän, zapfen aller-
dings Rhone (Doubs) und Rhein abwechselnd die Aare-Donau an und rauben ihr ihren Ursprung. Schon
im Tertiär durchquerte die Aare-Donau als ein riesiger Strom die Weißjura-Schichtstufe, allerdings mit
breiter Talung und nur wenig eingeschnitten. Überbleibsel der Aare-Donau sind hochgelegene, heute
trockene Talschlingen, wie um den Honberg in Tuttlingen und die in diesen Tälern erhaltenen Donau-
Schotter.

- Urdonau: Die Urdonau entspringt am Feldberg, sie wird deswegen auch Feldbergdonau genannt. Vor
dem Richtungswechsel der Aare-Donau nach Westen war sie nur ein kleiner Zufluss in den großen
Strom, danach, im ausgehenden Pliozän vor ca. 2 Mio. Jahren, war sie die Hauptquelle der Donau.

- Donau: Durch rückschreitende Erosion der Nordalpen und des Westschwarzwaldes im Quartär hat der
Rhein immer mehr Zuflüsse an sich gezogen. Während der letzten Eiszeit ging auch die Feldbergdonau
an das rhenanische System, genauer an die Wutach, verloren. Seit dem bilden Brigach und Breg den
Ursprung der Donau.

- Im Miozän herrschte hier subtropisches Klima. Durch doppelte Einebnung bildete sich ein Flachmulden-
tal.

- Im Pliozän kühlte das Klima ab, zu dieser Zeit entstand auch das epigenetische Durchbruchstal, wie wir
es heute sehen.

- Im oberen Donautal handelt es sich bei der Donau um einen konsequenten Flussverlauf.

Tag 4 – Seite 18
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

6.2. Geologischer Überblick

- Im Tertiär begann mit der Hebung des Schwarzwaldes und der Senkung des Molassebeckens die Kip-
pung der Schichtstufen von NW nach SE.

- Die höchste und mächtigste Stufe, der Weißjura, bildet auch den größten Teil der schwäbischen Alb in
unserem Exkursionsraum, sowie den Albtrauf.

- Der weiße Jura oder Malm ist zwischen 400m und 600m mächtig und wurde vor 140 bis 160 Mio. Jah-
ren abgelagert.

- Reine Kalksteine und Kalkmergelsteine wechseln sich im Weißjura ab. Die reinen Kalksteine entstehen
teils aus chemisch ausgefälltem Kalkschlamm, teils aus zoogenen Kalkpartikeln (Schalen und Kalkske-
letten von Meerestieren).

- Neben den geschichteten Fazies kommen nur im Weißjura auch Massenkalke ohne Schichtung vor. Es
handelt sich hierbei um versteinerte Schwammriffe, die im Donaudurchbruchstal häufiger anzutreffen
sind. Bei den mergeligen Massenkalken kann man besonders gut erhaltene Fossilien finden.

- Felskalke = Riffkalke = Massenkalke haben keine Struktur oder Schichtung,

Bankkalke, Blattige Kalke, wohlgeschichtete Kalke haben eine Struktur.

- Riffkalke sind zwischen liegenden und hängenden Bankkalken entstanden (liegendes ist älter) und wur-
den verfüllt mit darüber liegenden Sedimenten.

Quellenverzeichnis

- Berner, H./ Brosig, R. (1994): Singen, die junge Stadt. Singener Stadtgeschichte, Band 3. Sigmaringen.
- Dongus, H.: Die Oberflächenformen der schwäbischen Alb und ihres Vorlandes. In: Marburger geographische
Schriften. Heft 72. Marburg.
- Faul, C. (1995): Fluss- und Talgeschichte der oberen Donau zwischen Immendingen und Sigmaringen. Zulas-
sungsarbeit zum Staatsexamen bei Prof. Dr. B. Metz am Institut für Physische Geographie Freiburg. Frei-
burg.
- Geologisches Landesamt Ba-Wü (1978): Geologische Karte 1.25000 von Ba-Wü. Erläuterungen zu Blatt 8119
Eigeltingen.
- Geschichtsverein für den Landkreis Tuttlingen: Beiträge zur Geschichte der Industrie und Industriebauten im
Landkreis Tuttlingen. Tuttlingen.
- Landesvermessungsamt Ba-Wü (Hrsg.) (2003): Vulkane im Hegau. Geologische Streifzüge durch den Hegau,
am westlichen Bodensee und der angrenzenden Schweiz. Text: von Mathias Geyer. Stuttgart.
- Geyer O.F./ Gwinner, M.P. (1991): Geologie von Ba-Wü. Stuttgart.
Tag 4 – Seite 19
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

- Henningsen, D./ Katzung, G. (2002) : Einführung in die Geologie Deutschlands. Heidelberg-Berlin.


- Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (1998): Geologische Schulkarte von Ba-Wü. Freiburg.
- Landkreis Tuttlingen (2002): Landkreis Tuttlingen. Geschichte, Gegenwart, Chancen. Tübingen.
- Liedtke, H./ Marcinek, J. (2002): Physische Geographie Deutschlands. Stuttgart.
- Rössler, W. (1996): Naturpark Obere Donau. Stuttgart.
- Schreiner, A. (1984): Hegau und westlicher Bodensee. In: Gwinner, M.P. (Hrsg.). Sammlung geologischer Füh-
rer. Band 62. Berlin-Stuttgart.
- Stadt Tuttlingen (1997): Zur Geschichte der Stadt Tuttlingen. Tuttlingen.

Internet

www.aach.de

www.aachquelle.de

www.erzabtei-beuron.de

www.obere-donau.de

Tag 4 – Seite 20
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Martin Salcher und Susanne Hillenbrand


Protokoll vom 14.8.2004

Burg Wildenstein – Donautal (Steighöfe) – Irndorf – Nußplingen – Mössingen – Bad Urach

Standort 1: Trockental mit Schwemmfächer

Gauß–Krüger–System: RW: 3502558 HW: 5326564


UTM: E: 32U 0502481 N: 5325172
Höhe: 616m N.N.

Wir befinden uns an der Straße, die aus dem Trockental ins Haupttal führt. Es ist ein Schwemmfächer vorhan-
den, das Trockental führte also einmal Wasser. Das Schwemmfächermaterial wurde im Periglazial durch kryoge-
ne Verwitterung auf Permafrostboden (Frostsprengung, Solifluktion, Kryoturbation) und oberflächliche Erosion als
Schwemmfächer aufgeschüttet. Da das Wasser heute im Karst versickert und nicht mehr durch Permafrost ge-
staut wird, fließt in dem Tal heute nur noch bei Starkregen Wasser. Die Donau hat sich später noch weiter einge-
tieft, aus dem Seitental kam aber kein weiterer Schotter. Das Schwemmfächermaterial wurde von der mäandrie-
renden Donau teilweise abgetragen, so dass heute Teile des östlichen Schwemmfächers steil zur Aue hin abfal-
len. Die heutige Aue reicht bis an den Schwemmfächer des Seitentals und besteht überwiegend aus Grünland.
Zur Donau hin wird die Aue von einem Damm begrenzt, der vermutlich anthropogener Herkunft ist.

Standort 2: Schaufels

GK – System: RW: 35505421 HW: 5328292


UTM: E: 32U 0505341 N: 5236601
Höhe: 773m N.N.

Wir befinden uns oberhalb des Schaufelsens mit Blick auf dessen 200 Meter mächtige Wand, welche die höchste
außeralpine Wand Deutschlands ist. Diese Wand, aber auch die anderen Felsen des Donautals sind bei Klette-
rern sehr beliebt. Doch ab den 1990er Jahren kam es zu schweren Konflikten zwischen Kletterern und Natur-
schützern, da die Felsen, Block- und Geröllhalden natürliche waldfreie Biotope sind und damit einen Lebensraum
mit einer ganz eigenen Pflanzen- und Tierwelt darstellen. Sie wurden zu Refugien für Pflanzen- und Tierarten, die
nicht an das Waldbinnenklima angepasst sind.

Tag 5 – Seite 1
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Felsen, Block- und Geröllhalden waren bisher nur in geringem Maß der Nutzung unterworfen und konnten sich
somit über Tausende von Jahren beinahe ungestört entwickeln. Sie erlauben somit den Blick in die Landschaft
vor der menschlichen Besiedlung, es sind also sog. Primärbiotope: sie sind nach der jüngeren Dryaszeit entstan-
den, also vor 9-10 Tausend Jahren.

Um diese Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten, wurden offene Felsbildungen und Block- und Geröllhalden als Bio-
tope ausgewiesen. Nach dem Biotopschutzgesetz §24a von 1992 sind somit offene Felsbildungen und offene na-
türliche Block- und Geröllhalden geschützt, was ein Kletterverbot bedeutet.

Felsen und Schutthalden sind außerdem Lebensraumtypen, die nach den Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat-
Richtlinie (FFH) der EU bei der Auswahl des europäischen Schutzgebietssystems „Natura 2000“ zu berücksichti-
gen sind.

Die Pflanzenwelt der Felsen

(s. dazu Abbildungen S. 5/2)

Die Gesteinsflora auf Kalk ist hier sehr reich an Pflanzenarten, auf Silikat (Schwarzwald) dagegen artenarm. Die
Gesteinsart spielt für den Pflanzenbestand eine wichtige Rolle. Nach dem Kalkgehalt des Gesteins unterscheidet
man zwischen Kalkgestein (basenreich) und den kalkarmen, sauren Silikat-Gesteinen. Dementsprechend unter-
scheidet sich die Flora der Felsen der Schwäbischen Alb von den Silikatfelsen des Schwarzwaldes.

Die Lebensbedingungen an Felsen sind extrem und unterscheiden sich deutlich von denen der Umgebung: unter
Sonnenseinstrahlung erwärmen sich Felsen stark und speichern die Wärme lang. Exponierte Standorte trocknen
rasch aus, weil die wasserspeichernde Bodendecke dünn ist oder ganz fehlt. Außerdem müssen die Pflanzen
frostresistent sein, da die Schneedecke im Winter meist fehlt. extreme Temperaturschwankungen und Tro-
ckenheit. An diese Extrembedingungen sind verschiedene niedere Pflanzen angepasst: einige Algen, v.a. Flech-
ten und Moose. In Felsspalten ist Feinerde durch Abtragung durch Wind und Wasser geschützt. Hier siedeln sich
Pflanzen mit sehr langem Wurzelwerk an (lange Sinkwurzeln). Es sind meist Pflanzen mit rosetten- oder polster-
förmigem Wuchs.

Die sonnigen Felsgrus-Standorte auf Felsköpfen, -bändern und -simsen stellen für Pflanzen sehr extreme Le-
bensbedingungen dar, da die Bodenauflage sehr dünn ist und schnell austrocknet. Hier siedeln sich nur Spezia-
listen an wie z.B. die Pfingstnelke (Dianthus grationapolitanus). Einige Arten wie das Hungerblümchen überdau-
ern den Sommer als Samen, andere Arten besitzen Anpassungen, die die Verdunstung herabsetzen.

Sammelt sich auf den Felsköpfen, -bändern und -simsen etwas mehr Erde an, kann sich eine Steppenheide bil-
den. Als Steppenheide bezeichnet man einen lückigen Komplex aus Flechten, Moosen, niedrigen Kräutern und
Hochstauden.

Tag 5 – Seite 2
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

2. Die Tierwelt

An den Felsen leben Weichtiere, Insekten, Spinnen und Reptilien (Schlingnatter) Das Augenmerk der Tierschüt-
zer richtet sich aber vor allem auf die Vögel, die die Höhlungen in freistehenden Felsen als Brutnische benutzen.
Die Felsköpfe dienen ihnen als Jagdwarte und Ruheplatz. Der Wanderfalke ist in Süddeutschland ein typischer
Felsbewohner: seine Population ist in Baden-Württemberg zwar wieder stabil, er ist jedoch europa- und weltweit
noch immer gefährdet. Verantwortlich hierfür ist die Jagd auf Greifvögel und der Nestraub für die Greifvögelhal-
tung, vor allem aber die Biozidbelastung der Umwelt erschwert den Wanderfalken das Leben.

weitere spezialisierte Felsbrüter sind Uhu, Dohle und Kolkrabe. Auch das Vorkommen felsbrütender Dohlen ist
stark zurückgegangen. Neben der Veränderung der Nahrungshabitate hat auch das Sportklettern den Dohlen zu-
gesetzt, da der Bruterfolg durch die Störungen von Kletterern teilweise auf Null sinkt.

Schutzwürdigkeit

Von Natur aus waldfreie Biotope wie Felsen, Block- und Geröllhalden sind heute sehr selten. Sie haben einen
hohen Wert für den Natur- und Artenschutz, da sie empfindliche Pflanzen- und Tiergemeinschaften mit vielen be-
drohten Arten beherbergen.

Gefährdung

Die Lebensräume von Felsen, Block- und Geröllhalden werden von Menschen direkt als auch indirekt beeinflusst.

Direkte Einflüsse des Menschen:

• Klettersport: seit Anfang der 80er Jahre ist eine starke Zunahme zu konstatieren ständige Störung für
Vögel (Wanderfalke Kolkrabe, Dohle).

• viele der hochempfindlichen Pflanzenarten überstehen die regelmäßige Belastung durch Tritt und Griff
nicht.

• Durch den Klettersport treten gravierende Schäden auf:

• große Unruhe in einem sonst eher abgeschiedenen Lebensraum Tiere weichen aus, was bei hoch-
gradig spezialisierten Arten der Vernichtung gleichkommt.

• Störung der Vögel beim Brutgeschäft

• Zerstörung der empfindlichen Felsgrusvegetation durch Tritt am Ein- und Ausstieg, auf Felsköpfen und
Simsen, Zerstörung der Trockenrasen auf den Felsköpfen.

• Trittschäden an Flechten, auch durch säubern der Routen.

• Wanderer und Drachenflieger

• Steinbruchbetrieb und Straßenbau

Tag 5 – Seite 3
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

• Nutzungsänderung des Umlands (Aufforstung)

Indirekte Einflüsse des Menschen: Luftverschmutzung, Biozide

3. Entwicklung des Konflikts zwischen Naturschützern und Kletterverbänden

Um die Felsen zu schützen, verabschiedete das baden- württembergische Umweltministerium 1992 das Biotop-
schutzgesetz, dass das Klettern „an offenen Felsbildungen“ hierzulande grundsätzlich verbot. Für Felsen, die
man weiterhin beklettern wollte, mussten nun Ausnahmeregelungen beantragt werden. Im gleichen Jahr wurde
ein Gutachten erstellt, das für alle Felsen zwischen Hausen und Beuron ein absolutes und für fast alle anderen
Felsen des Donautals ein räumlich oder zeitlich befristetes Kletterverbot vorschlug. Die Kletterer reagierten auf
dieses Gutachten und dem darauf folgenden radikalen Entwurf aus dem Sigmaringer Landratsamt, der gnadenlo-
se Sperrungen vorsah, mit Protest: u.a. versammelten sich im Mai 1993 rund 4000 Menschen in Sigmaringen,
um die geplanten Sperrungen zu verhindern. Doch die Proteste halfen nichts. Im März 1994 trat die neue Kletter-
regelung für das Donautal in Kraft, wonach anstatt wie bislang an 45 von insgesamt 506 Felsen des Tales nur
noch an 17 der insgesamt 22 freigegebenen Felsen uneingeschränkt geklettert werden durfte. Daraufhin folgten
Proteste und Petitionen des DAV wurden eingegeben, die jedoch nichts brachten. Die Kletterverbände der
Schwäbischen Alb waren entsetzt, lobte man doch einerseits ihr Engagement bei der Jugendarbeit, das zum
umweltgerechten Umgang mit der Natur und zur Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen einen Beitrag leis-
tet, andererseits sperrte man die Felsen, die der Grundstein der ganzen Arbeit sind. Es kam zu dem Effekt, der
vom DAV-Landesverband gefürchtet worden war: die Kletterer waren enttäuscht und wütend über die teilweise
nicht nachvollziehbaren Sperrungen, und viele kündigten die Kompromissbereitschaft mit Naturschutzvertretern
und Behörden und kletterten und erschlossen neue Routen illegal („Wildwest-Sitten“).

Lange Zeit ging es so weiter und eine Veränderung des Status quo war nicht abzusehen. Doch auf Dauer bot
dieser Zustand keine befriedigende Lösung. Deshalb entstand die Projektgruppe Schaufelsen. Die Projektgruppe
Schaufelsen ist eine private Initiative von Naturschützern und Kletterern. Von April 2001 bis Ende 2003 hat die
sechsköpfige Projektgruppe die neue Kletterregelung für den Schaufelsen nach klettersportlichen und ökologi-
schen Kriterien ausgearbeitet und in einem langwierigen Prozess mit Kletterern, Naturschützern und Behörden
abgestimmt. Fast 40 Besprechungen und Termine waren notwendig, insgesamt investierten die Experten der
Projektgruppe rund 900 Arbeitsstunden für die Ausarbeitung der neuen Kletterregelung. Damit das Projekt
Schaufelsen während der dreijährigen Probephase und darüber hinaus erfolgreich ist, müssen Maßnahmen zur
Besucherlenkung umgesetzt werden: Wegebau, Beschilderung, Routenrückbau, Setzen von Umlenkhaken und
vieles mehr. Zwei Info-Kästen wurden bereits angefertigt und in Kooperation mit dem Naturpark Obere Donau
wurde ein Faltblatt erstellt.

Tag 5 – Seite 4
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Die neue Kletterregelung sorgt ab Frühjahr 2004 für mehr Kletterrouten und mehr Naturschutz am Schaufelsen.
Mit der Kletterkonzeption für den Schaufelsen liegt eine naturschutzfachlich abgesicherte, klettersportlich ausge-
wogene und somit für alle Beteiligten akzeptable Regelung für den größten Felsen im Donautal vor.

Gewinne für den Naturschutz werden durch die Beruhigung wertvoller Felsköpfe und die Vernetzung von hoch-
wertigen Felslebensräumen erzielt. Gewinne für den Klettersport ergeben sich durch die Freigabe zusätzlicher
Kletterrouten in weniger sensiblen Wandbereichen. An den Felsen Hölle, Schaufelsen und Blicklefels erhöht sich
die Zahl der freien Routen von bisher 26 auf 93. Dass sich gleichzeitig der Schutz der Natur verbessert, wird un-
ter anderem durch gezielte Lenkungsmaßnamen wie z. B. Umlenken, Abseilen, Verlegung von Einstiegen, Beru-
higung einzelner Seillängen und Wegerückbau erreicht. Am Traumfelsen bleibt die Kletterregelung unverändert,
d.h. dort sind weiterhin 26 Routen frei. Die gesamte Kletterkonzeption zwischen Traumfelsen und Blicklefels um-
fasst heute insgesamt 119 Routen.

Standort 3: Naturschutzgebiet Irndorfer Hardt

Gauß-Krüger-System: RW: 3496143 HW: 5329280


UTM: E:32U 0496054 N: 5327594
Höhe: 867m N.N.

Das Irndorfer Hardt liegt auf der Hochfläche der hohen Schwabenalb in einer Höhe von 855 bis 880 Metern ü.NN.
Wir befinden uns auf der Kuppenalb mit ihrer charakteristischen flachwelligen Landoberfläche. Die Oberflächen-
form gibt das ehemalige submarine Relief wieder. Die harten Riff-Kalke bilden die Kuppen die weicheren Gestei-
ne der gebankten Kalke werden stärker abgetragen. Im Hardt ist das Gelände ebenfalls wellig mit mehreren Mul-
denzügen in denen sich auch Dolinen finden lassen. Es bildet somit eine abflusslose Wanneform aus, in der sich
die Kaltluft anstaut und vor allem in den Mulden Kaltluftseen bildet. In den tiefsten Lagen kann es daher das gan-
ze Jahr über zu Bodenfrost- und Reifbildung kommen. Die Niederschläge betragen 900-1100 Millimeter im Jahr.
Das 103 Hektar große Naturschutzgebiet ist parkartig von Solitärbäumen und einzelnen Baumgruppen bestan-
den. Die so genannten Holzwiesen waren charakteristisch auf der Albhochfläche und sind heute mit wenigen
Ausnahmen aus dem Landschaftsbild verschwunden. Den geologischen Untergrund bilden die Felsenkalke der
Weißjura Delta und Epsilon. In den flachen Mulden ist das Kalkgestein von tiefgründigen, entkalkten Lehmböden
bedeckt. An den Hängen und auf den Kuppen finden sich flachgründige Rendzinen. Der unterschiedliche Unter-
grund und das Mikroklima sind Ursache für die abwechslungsreiche Vegetation von bodensauren Magerrasen
der Mulden bis zu basenreichen Kalkmagerrasen auf den Kuppen.

Die ersten kulturhistorischen Zeugnisse im Irndorfer Hardt reichen bis in das Endneolithikum (vor ca. 5000 Jah-
ren) zurück. Andere prähistorische Bestattungsplätze wurden für die Bronzezeit, Hallstattzeit und aus dem frühen
Mittelalter belegt.

Tag 5 – Seite 5
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Ende des 7.Jahrhunderts wurde die Albhochfläche besiedelt. Das ortsferne Hardt wurde als Allmende genutzt
und mit Vieh beschickt, das saisonal die aufgelichtete Mulde beweidete. Als Relikte der Waldweidezeit finden
sich heute noch Weidezeiger wie Weißer Germer (Veratrum album) und Gelber Enzian (Gentiana lutea), die re-
gelmäßige Mahd und Beschattung nicht vertragen. Das Gebiet wurde nach der Auflösung der Allmende (Ge-
meinschaftsweide) und der einhergehenden Parzellierung immer mehr entwaldet. Die Bauern der umliegenden
Ortschaften kamen nun zur Heuernte und schnitten auf ihren Parzellen die Vegetation mit Sensen. Der Übergang
zu den Holzwiesen stand vermutlich mit der Einführung der Stallfütterung im 18.Jahrhundert in Verbindung (WIT-
SCHEL 1998). Bald war das Erscheinungsbild der landschaftsprägenden Holzwiesen durch die Intensivierung der
Landwirtschaft, den Einsatz von Maschinen und Dünger gefährdet. Doch die ortsferne Lage und die jeher ärmli-
chen Verhältnisse der Anwohner verhinderten eine Zerstörung. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der
besondere Wert des Gebietes erkannt und gerade noch rechtzeitig konnten 1932 wichtige Teile des Hardts auf-
gekauft und 1938 unter Schutz gestellt werden. Von den 103 Hektar des Naturschutzgebietes sind 61 Hektar im
Besitz der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg (ehemals Verein für vaterländische Naturkunde in Würt-
temberg). Die heutige Bewirtschaftung wird von der Bezirksstelle für Naturschutz und Landespflege (BNL) in
Freiburg koordiniert. Die Mahd beginnt erst im August. Es werden rund ein Drittel der Mähflächen in alternieren-
dem Turnus ausgespart, um als „Altgraswiesen“ den Tieren Nahrungs- und Rückzugsmöglichkeiten zu gewähren
und um das späte Aussamen einiger Pflanzenarten nicht zu unterbinden. Das Heu der naturschutzgerechten
Landbewirtschaftung enthält aufgrund des hohen Kräuteranteils wichtige Spurenelemente und Vitamine. Es ist
sehr gefragt und wird überregional unter dem Namen „Heuberg-Aromaheu“ verkauft. Die extensive Nutzung der
ehemaligen Holzwiesen verhindert die natürliche Sukzession, die zur Wiederbewaldung führen würde.

Bei einigen Standorten in den Muldenlagen handelt es sich sicherlich auch um potentielle Waldstandorte, doch
aufgrund des Vorkommens einiger Reliktarten, z.B. der Bleich-Weide (Salix starkeana) mit arktisch-borealem Ve-
getationsareal, liegt die Vermutung nahe, dass einige Standorte seit der letzten Eiszeit nicht bewaldet waren.
Weitere Reliktarten wie der Knöllchenknöterich (Polygonatum vivparum) mit arktisch-alpisch-altaischem Areal
und dem Berghähnlein (Anemone narcissiflora) mit alpisch-altaischem Areal sind ausgesprochene Tundren- oder
Hochgebirgspflanzen (WILMANNS 2002).

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 4: Nusplinger Plattenkalk und Jurastratigraphie

Gauß-Krüger-System: RW: 3491848 HW: 5332649


UTM: E: 32U 0491747 N: 5330931
Höhe: 726m N.N.

1. Der Nusplinger Plattenkalk

1.1. Fossiliengrabungen auf dem Westerberg

Auf dem Westerberg, südwestlich von Nusplingen auf einer Höhe von ca. 900 Meter ü.NN gelegen, befinden sich
zwei Plattenkalk-Gruben. Das gesamte Gebiet wurde 1983 unter Grabungsschutz gestellt, um den Abbau des
dort anstehenden Plattenkalkes zu verhindern. In der Vergangenheit kam es auch öfter zu Raubgrabungen. Seit
der Unterschutzstellung ist es verboten, ohne Genehmigung zu graben und Gesteinsmaterial zu entwenden. Nur
auf der Abraumhalde des „Nusplinger Steinbruchs“ ist es unter Aufsicht gestattet, Platten zu schlagen und nach
Fossilien zu suchen. Auf der Gemarkung Egesheim am westlichen Rand des Grabungsschutzgebietes liegt der
„Egesheimer Steinbruch“. 1980 entsteht dort ein Steinbruch, in dem Plattenkalke abgebaut werden, um als Weg-
schotter verwendet zu werden. Hier finden 1993 die ersten Probegrabungen des Staatlichen Museums für Natur-
kunde statt. Nach den ersten spektakulären Funden werden die Grabungen 1994 auf den 250 Meter nordöstlich
auf der Gemarkung Nußplingen gelegenen „Nusplinger Steinbruch“ ausgeweitet. Die Grabungen finden aufgrund
des rauhen Klimas auf der hohen Schwabenalb, mit Jahresmitteltemperaturen von ca. 3,5 °C und schneereichen
Wintern, in den Sommermonaten statt. Um auch bei schlechtem Wetter graben zu können, wird die Grabungs-
stellen mit einem Zelt abgedeckt. Seit einigen Jahren steht den Paläontologen und Grabungshelfern auch eine
Grabungshütte zur Verfügung.

1.2. Entstehung der Plattenkalke

(vgl. Abb. 3.1 / 3.2 aus der Materialsammlung)

Der Name Jura leitet sich von dem Keltischen Wort für Wald ab und lässt vermuten, dass der Schweizer Jura
schon jeher ein waldreiches Gebirge war. ALEXANDER VON HUMBOLDT erkannte 1795 der Zusammenhang
zwischen dem Südwestdeutschen Kalkgebirgen der Frankenalb und der Schwäbischen Alb mit dem Schweizer
Jura und übertrug dessen Namen auf das Gestein. Eine erste Gliederung nahm 1837 LEOPOLD VON BUCH,
damaliger Geologieprofessor in Tübingen, vor. Er unterschied den unteren, schwarzen Jura vom mittleren, brau-
nen Jura und oberen weißen Jura. F.A. QUENSTEDT, der bedeutendste Erforscher des schwäbischen Juras,
benannte die Schichtfolgen nach den Farben und unterteilte ihn zusätzlich, indem er die einzelnen stratigraphi-
schen Einheiten mit griechischen Buchstaben versah.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Die Plattenkalke von Nusplingen sind stratigraphisch nach QUENSTEDT dem Weißjura ε /Epsilon zuzuordnen.
Die Schichten wurden im späten Kimmeridgium vor 150 Millionen Jahren abgelagert. Der Altersbefund stützt sich
auf neue Untersuchungen der Ammonitenfauna. Ammoniten gehören ebenso wie die Belemniten zu den Kopffüß-
lern (Cephalopoden). Der Name kommt vom altägyptischen Gott Amun, der einen Widderkopf trägt und dessen
Hörnen an die Gehäuse der Ammoniten erinnern. Plinius d.Ä. gab ihnen erstmals die Bezeichnung „Amunshör-
ner“. Für die Jurazeit sind die Ammoniten die geeigneteste Fossiliengruppe zur relativen Altersdatierung ent-
sprechender Gesteine. Sie werden als Leitfossilien in einer sehr detaillierten biostratigraphischen Methode auf
Grundlage der Abfolge verschiedener Ammonitenfaunen zur genauen Altersbestimmung verwendet. In der amt-
lichen Geologischen Karte GK 25, Blatt 7918 Messstetten, die vom Landesvermessungsamt und vom Landesamt
für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg herausgegeben wird, sind die Nusplinger Plattenkalke
noch dem Tithonium zugeordnet. Dies geschah fälschlicherweise aufgrund der Ähnlichkeit der Nusplinger mit den
Solnhofener Platenkalken, die dem Unter-Tithonium zugeordnet werden. Die schwäbischen Plattenkalke vom
Westerberg sind daher etwa 500 000 Jahre älter als die Solnhofener. Damit ergeben sich natürlich Fragestellun-
gen hinsichtlich der Evolution bestimmter Tiergruppen und außerdem hinsichtlich der zeitlichen Beziehungen zu
den in Nachbarschaft anstehenden Gesteinen. Unter zu Hilfenahme der Ammonitenkorrelation ist es möglich, ei-
ne verlässliche Rekonstruktion der geographischen Verhältnisse zur Entstehungszeit der Plattenkalke zu ma-
chen. Die Plattenkalke werden von Zementmergel umgeben, die deutlich älter sind und sich mit den liegenden
Bankkalken verzahnen.

1.3. Geomorphologische Verhältnisse zur Entstehungszeit

Das heutige Plattenkalkvorkommen bedeckt eine Fläche von weniger als 1,5 km². Die Mächtigkeit schwankt zwi-
schen 10,5 und 17m. Ursprünglich waren die Ablagerungen sicher größer. Die Plattenkalke wurden in wannenar-
tigen Vertiefungen eines von Schwamm/Algenriffen gebildeten submarinen Reliefs abgelagert, das am ehesten
mit einer Lagune verglichen werden kann. Sie war zur Ablagerungszeit bis zu 80m tief, maximal 1-2km lang und
nur wenige 100m breit. Man muss annehmen, dass die aus Schwammriffen gebildeten Wannenränder bis an die
Meeresoberfläche reichten und stellenweise sogar als kleine Inseln aus dem Meer herausragten. Diese Inseln
sind heute als sogenannter Zuckerkörniger Lochfels entwickelt, ein unkristallisiertes und dadurch fossilfrei gewor-
denes Kalkgestein, das in der Sonne wie Kristallzucker glitzert. Heute kann man noch zwei ehemalige Lagunen
ausmachen, die Westerbergwanne und die Wanne am Großen Kirchbühl. Die Hänge der Wannen fielen teilweise
bis zu 45° steil ein. Nur in solchen von Meeresströmungen und starken Wellengang geschützten Lagunen konn-
ten unter Stillwasserbedingungen feingeschichtete Plattenkalke (Laminite) sedimentieren. Es fehlten ebenfalls im
Sediment grabende Organismen, die durch Bioturbation die Feinschichtung und die darin eingebetteten feinglied-
rigen Tier- und Pflanzenreste zerstört hätten. Auf dem Wannenboden mussten lebensfeindliche anaerobe Ver-
hältnisse geherrscht haben, was anhand des bituminösen Charakters der Plattenkalkfazies deutlich wird. Die Se-
dimentfüllung der Westerbergwanne beträgt im Mittel ca. 30m. Die unteren 20m im Zentrum der Wanne werden
noch nicht aus Plattenkalken sondern aus bioturbaten liegenden Bankkalken aufgebaut. Nur das obere Drittel der
Wannenfüllung besteht aus Plattenkalk. Daher ist anzunehmen, dass die Verhältnisse sich drastisch verändert
Tag 5 – Seite 8
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

haben müssen und eine Hebung des Bodens bzw. und oder eine Senkung des Meeresspiegels statt gefunden
hat. Als Folge kam es zu einer verminderten Durchmischung des Meerwassers mit stark erniedrigtem Sauerstoff-
gehalt (Stagnation). Das Ende der Plattenkalksedimentation trat ebenfalls sehr abrupt ein. Kubikmeter große Blö-
cke der Riffdächer stürzten in die Wannen und türmten sich mancher Orts zu mehreren meterhohen Schichten
auf. Die oberen Plattenkalklagen wurden deformiert. Plattenkalkpakete wurden aufgeschoben und dabei entspre-
chen ihrem Verfestigungsgrad verfaltet oder verschuppt. Ursache dieser katastrophalen Ereignisse kann nur ein
starkes Seebeben gewesen sein.

1.4. Aufbau des Plattenkalks

Mit rasterelektronischen Untersuchungen wurden winzige kalkige Skelettpartikel einer besonderen Algengruppe,
den sogenannten Coccolithophoriden, festgestellt. Diese bildeten den Hauptbestandteil des Phytoplanktons, der
für die Kalkfällung verantwortlich war. Als Bestandteil des Zooplanktons wurden im Nusplinger Plattenkalk zum
ersten Mal aus dem schwäbischen Oberjura Foraminiferen und Radiularien nachgewiesen. Diese besitzen ein
filigranes Skelett aus Kieselsäure. Neben der Kalkproduktion durch Plankton kam es außerdem zu einem Eintrag
von feinsten Fossil- und Gesteinspartikeln. Außer biogenem Material wurden Tonkomponenten eingeschwemmt.
Diese setzten sich in der Plattenkalkwanne als Schlicklage ab und können heute nach erfolgter Gesteinsdiagene-
se im Idealfall eine nicht mehr spaltbare Kalkplatte ausbilden. Jede einzelne Kalkplatte entspricht damit einem
einzigen Ablagerungsereignis. Zwischen den Ereignissen müssen längere Sedimentationsunterbrechungen gele-
gen haben, während denen sich solche Kalkschlicklagen verfestigen konnten. In diesem Zeitraum blieb dann die
Zeit für die Ausbildung eines Algenrasens und der Ablagerung von organischem Material, die beim nächsten Se-
dimentationsereignis überdeckt wurden und die heutige Schichtgrenze darstellen. Der Nusplinger Plattenkalk wird
immer wieder von brekziösen, dickeren Kalkbänken unterbrochen, die häufig eine deutlich sichtbare gradierte
Schichtung aufwiesen. Dabei nimmt innerhalb der Bank die Korngröße von unten nach oben ab. Dies kann als
Ablagerung von Kalkturbiditen gedeutet werden, die nur in einem Ablagerungsraum entstehen, der steile Ränder
und eine große Tiefe aufweist. Die steilen Wannenränder sind außerdem Grund dafür, dass stellenweise Platten-
kalkmaterial abgleiten konnte und sich in Falten legte.

1.5. Fossilien, Einbettung und Erhaltung

Die Kadaver vieler Organismen sanken auf den Boden der Lagune und wurden in dem teilweise noch kaum ver-
festigten Kalkschlick eingebettet. Körperteile, die längere Zeit ins freie Wasser herausragten sind dagegen stark
zerfallen. Pflanzen sind besonders gut und häufig in kohliger Substanz bituminöser Plattenkalklagen erhalten. In
den bituminösen Schichten sind auch Libellen und Meereswürmer in organischer Substanz erhalten und folglich
in einer außergewöhnlichen Vollständigkeit überliefert. Bei den Weichschwämmen ist das Skelett nicht vernetzt,
sondern die einzelnen Schwammnadeln liegen isoliert im Körper. Als große Besonderheit finden sich im Platten-
kalk aber auch vollständige Individuen.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

1.6. Herausragende Fossilienfunde

Schalenreste von Weichtieren (Mollusken) finden sich häufig im Nusplinger Plattenkalk. Gruppen mit benthoni-
scher Lebensweise sind sehr selten. Austern der Gattung Liostera findet man oft in regelrechten Nestern an Am-
moniten oder anderen driftenden Gegenständen, an denen sie festgehaftet waren. Bei den freischwimmenden
Gruppen handelt es sich häufig um Ammoniten, Belemniten und Nautiliden. Obwohl viele Ammoniten, wie z.B.
Lithacoceras ulmense oder Silicispinctes hoelderi, stark zerdrückt wurden oder bereits zerstört absanken, konn-
ten die Paläontologen bei manchen Funden sensationelle Beobachtungen machen. Manche waren mit Unterkie-
fer (Aptychus) und ebenfalls mit dem nicht verkalkten, chitinösen Oberkiefer erhalten. Der weltweit einzige Nauti-
lidenfund mit beiden Kiefern die zurückgezogen in der Wohnkammer liegen stammt aus Nußplingen. Bei einigen
Stücken waren Magen- oder Kropfinhalte vorhanden, die Aufschluss über die Ernährung der Tiere geben. Bei
den Artropoden ist besonders der Fund einer Riesenlibelle zu erwähnen, die 1995 in einer bituminösen Schicht
gefunden wurde. Nachdem im Solnhofener Plattenkalk nur abdrücke von Libellen erhalten blieben war es eine
kleine Sensation die Libelle Urogomphus nusplingensis in organischer Substanz erhalten vorzufinden. Nach
dreimonatiger Präparation wurde die Libelle als neue Art bestimmt und trägt daher auch den Artnamen nusplin-
gensis. Sie ist weltweit der einzige Fund seiner Art geblieben. Ein Fund einer Art der Ordnung

Chilopoda (Eogeophilus jurassicus) lässt die Kenntnis über diese Tiergruppe um fast hundert Millionen Jahre
mehr zurückreichen. Der bisher älteste Fund eines Erdläufers stammte aus dem Alttertiär des baltischen Bern-
steins. Weiter Funde aus unterschiedlichen Ordnungen wurden gemacht. Polychaeten, Stachelhäuter Garnelen,
Krebse (Coleia longipes), Rundschild- und Pfeilschwanzkrebse (Mesolimulus) aus der Verwandtschaft der Spin-
nentiere, die heute noch an der nordamerikanische Atlantikküste als „lebende Fossilien“ beobachtet werden kön-
nen, gehören dazu. Bei den Fischen gab es vor allem aus der Ordnung der Holostei/ Knochenschmelsschupper
und bei den Haien/Knorpelfische einige Funde. Besonders die gut erhaltenen Funde des Meerengels (Squatina
acanthoderma) sind charakteristisch für die Nusplinger Plattenkalke. Insgesamt 28 Funde konnten, nach einigen
Recherchen in Museen im In- und Ausland, belegt werden. Reptilienfunde sind in Plattenkalken immer selten, je-
doch wurden Flugsaurier der Gattungen Gallodactylus, Pterodactylus und Rhamphorynchus gehören gefunden.
Das Meereskrokodil Geosaurus suevicus wurde in bisher 3 vollständigen Exemplaren nachgewiesen. Diese Art
ist wiederum nur in den Nusplinger Plattenkalken bekannt geworden.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abbildung 5-1
Quelle: Geyer/ Gwinner: Geologie von Baden-Württemberg.

Standort 5: Mössinger Bergrutsch am Hirschkopf

Gauß-Krüger-System: RW: 3505708 HW: 5360473


UTM: E: 32U 0505638 N: 5358775
Höhe: 702m N.N.

5.1 Der Bergrutsch

Am 12.April 1983 ereignete sich an der nordwestlichen Flanke des Hirschkopfes bei Mössingen ein Bergrutsch.
Nach tagelangen starken Niederschlägen und einsetzender Schneeschmelze kamen die Malmkalke des Oxfordi-
um (Weißjura α /Alpha, Impressamergel und Weißjura β /Beta, Wohlgeschichtete Kalke) auf den wasserspei-
chernden Schichten des oberen Doggers (Braunjura ζ /Zett, Ornatenten) zum Gleiten. Insgesamt rutschten ca. 4-
6 Millionen Kubikmeter Erde und Geröll mit einem geschätzten Gewicht von ca. 10 Millionen Tonnen (350.00 be-
ladene Lastwagen mit Anhänger) ab. Das vom Bergsturz betroffene Gelände umfasste anfangs eine Fläche von
25 Hektar und verdoppelte sich in den folgenden 14 Tagen durch Folgeereignisse auf 71 Hektar. Die Kieswüste
aus Weißjuraschutt und Tonen bildete anfangs eine sogenannte biologische Nullzone, die weder von Bo-
den/Humus bedeckt wurde noch von Pflanzen und Tieren besiedelt war. Die Rutschung ist somit zu einem Mo-
dellfall für die fortschreitende Entwicklung der Vegetation von der Pionierphase bis zum geschlossenen Wald ge-
worden. Eine bessere Möglichkeit die natürliche Sukzession zu untersuchen kann es nicht geben und so wurden

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

40 Hektar des Gebietes als Naturschutzgebiet ausgewiesen und angrenzende Bereiche zu Bannwald erklärt. In
seiner Größe stellt der Bergrutsch auch Geologen und Geographen ein einmaliges Naturereignis dar, das ein
Lehrbeispiel für die rückschreitende Erosion des Albtraufs liefert.

Die Trauflinie lag im Miozän noch nahe des Filder Grabens (heute im Stuttgarter Raum) und hat in seiner jetzigen
Ausdehnung wohl vorpleistozänes Alter. Die Rückverlegung der Stufenränder war im Pleistozän eher gering.
Durchschnittlich weicht die Schwäbische Alb ca. 1,6 mm pro Jahr zurück. Am Hirschkopf waren es in wenigen
Stunden über 32 Meter!

5.2 Süddeutsche Schichtstufenlandschaft

Wir befinden uns am Standort an einer sehr markanten Schichtstufe zwischen dem Braunen Jura /Dogger und
dem weißen Jura/ Malm. Der schroffe Westabfall der Schwäbischen Alb verdeutlicht im Besonderen die Entste-
hung der Süddeutschen Schichtstufenlandschaft. Voraussetzung für die Entstehung dieser Landschaft ist die Ab-
folge unterschiedlicher Gesteine und deren Einfallen nach SE, das aus einer Kippung der gesamten Schichtfolge
zu Beginn des Tertiärs resultiert. Der Wechsel der Jura-Schichten, die sich in ihrer Verwitterungsresistenz unter-
scheiden, trägt im wesentlichen zur Entstehung der Schichtstufenlandschaft bei. Anschließend an den Muschel-
kalk bildet der Schwarze Jura/ Lias die tiefste Stufe aus. Verschiedene Einheiten des Braunen Juras bilden dar-
auf so genannte Stufenbildner aus. An der westlichen und der mittleren Alb ist dies vor allem der Opalinuston,
(Braunjura α) auf dem Rutschungen und Bodenfließen häufig sind. Die schweren, wasserhaltenden Böden, die
kuppige, siedlungs- und bewirtschaftungsfeindliche Landschaft und die Dynamik der Schicht haben dem Opali-
nuston im Volksmund die Bezeichnung „Schwäbische Landplage“ beschert. Der Albtrauf, die Kante der Alb, wird
vom Weißen Jura gebildet. Ab dem Weißjura α beginnt der Steilanstieg zum Albtrauf. In unserem Gebiet bildet
der Weiße Jura β (Oxfordkalke) die Stufenkante zur anschließenden Schichtflächenalb. Die nächste Schichtstufe
wird dann von den Massenkalken der Rifffazies des Kimmerigiums gebildet (Weißjura γ, δ, ε). Daran schließt sich
dann die Kuppenalb an. Die wenig widerständigen Schichten bilden also den Stufensockel aus, wohingegen die
widerständigen Schichten die Stufenoberhänge, Stufenkanten und Stufendachflächen bzw. die Schichtflächenalb
bilden.

Die Albhochfläche liegt in ihrem Stirnbereich, dem Albtrauf, im westlichen Bereich 800-1000 Meter Hoch (Lem-
berg 1015 Meter), auf der Mittleren Alb 700-800 Meter und auf der Ostalb um die 700 Meter.

Vor der Hebung des Grundgebirges, der Entstehung von Schwarzwald und Vogesen waren alle Gesteine der
Deckgebirge vorhanden. Wie kam es also zu der Abtragung der Deckschichten und zur Herausbildung der
Schichtstufenlandschaft. Die auf SCHMITTHENNER (1927) zuzuführende „klassische“ Theorie die später WAG-
NER (1927) und vor allem DONGUS (1974) aufgegriffen und weiterentwickelt haben besagt, dass eine Schicht-
stufenlandschaft eine strukturbedingte Erosionsform der Deckgebirge darstellt. Die Stufenränder werden durch
linienhafte, rückschreitende Erosion zurückverlegt. Durch die Zerschneidung der Landoberfläche entsteht ein

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Entwässerungssystem das die Erosion weiter beschleunigt. In diesem System lassen sich konsequent (mit dem
Schichtfallen), subsequent (im Schichtstreichen) und obsequent (gegen das Schichtfallen) fließende Gewässer
unterscheiden. Im Pleistozän folgte eine Überformung durch periglaziale Prozesse und dadurch hervorgerufene
starke Eintiefung der Flüsse.

BÜDEL (1957) sieht in der südwestdeutschen Schichtstufenlandschaft eine Rumpftreppe. Demnach wären die
Stufendachflächen Rumpfflächen und die Schichtstufen Rumpfstufen. Die Entstehung findet im Tertiär unter tro-
pisch-feuchten Bedingungen statt. Die der Theorie zugrunde liegende Vorstellung ist die der „Doppelten Eineb-
nungsfläche“. In der Heimat BÜDELs auf der Fränkischen Alb liegen die Schichtstufen aufgrund des schwäche-
ren Einfallens weiter auseinander. Daher dominieren Flächen das Landschaftsbild. Die Stufen haben sich nicht
verlagert sondern es erfolgte eine gleichmäßige Tieferlegung der Landschaftsoberfläche in weiten Flachmulden-
tälern. Da nach BÜDELs Theorie die Stufenflächen Rumpfflächen bzw. Schnittflächen sind, was bedeutet, das sie
unabhängig vom Untergrund sind, d.h. die verschiedenen Widerstandsfähigkeiten der Gesteinsschichten haben
keinen Einfluss auf die Ausbildung der Flächen und „schneiden“ somit die Schichten. Die Entstehung der Flächen
erfolgte im Miozän und Pliozän, die Einschneidung der Täler und damit die Ausbildung der Schichtstufen fand
erst im Pleistozän statt.

Die Theorie kann kontrovers diskutiert werden und ist in dieser Form kaum vorstellbar, zumal BÜDEL keine kon-
krete Modellvorstellung entwickelt hat.

Standort 6: Doline bei Uracher Wasserfall

Wir stehen vor einer Lösungsdoline. Erstaunlich ist jedoch, dass sie Wasser führt, was bei einer Doline nicht
möglich ist. Es muss also eine wasserundurchlässige Schicht vorhanden sein. Hier handelt es sich um einen Vul-
kanschlot, der direkt in die Doline übergeht. Der Schlot muss mit dem Urach-Kirchheimer Vulkanismus in Zu-
sammenhang gebracht werden. Das ehemalige Vulkangebiet hat einen Durchmesser von 40 km, dessen Zent-
rum etwa bei Bad Urach liegt. Wir stehen also vor einem der ca. 300 Tuffschlote der Schwäbischen Alb, die ins
Miozän zu datieren sind. Der Tuffschlot ist mit Basalttuffen gefüllt, der wasserstauend ist im Gegensatz zum
wasserdurchlässigen Kalk. Da sich in den Ausbruchsröhren auch Grund- und vor allem Deckgebirgstrümmer fin-
den spricht man auch von Schlotbreccien. – Dies erklärt die Entstehung der Lösungsdoline direkt neben dem
Vulkanschlot und die rezente Wasserführung.

Tag 5 – Seite 13
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 7: Uracher Wasserfall

Gauß-Krüger-System: RW: 3527230 HW: 5371630


Höhe: 629m N.N.

Wir befinden uns auf der „Hochwiese“ des Uracher Wasserfalls. Sie ist ein Kalktuffklotz, der durch Versinterung
entstanden ist. Er ist heute ca. 250m lang, 105m breit und 35m mächtig. Die Quelle des Wasserfalls entspringt
über den wasserundurchlässigen Mergellagen des Weißjura δ /delta in 623m Höhe, tritt aber erst einige Meter
tiefer als Schuttquelle aus. (s. Abb. 6.3 auf S. 5/6) Die Herkunft des Wassers hat man anhand Markierungsversu-
chen festgestellt (Tracerversuche): das 20km2 große Einzugsgebiet reicht bis Würtingen. Dort versickert das
Wasser und tritt nach 28h an der rund 100m tieferen Quelle zutage. Fließgeschwindigkeit: 4-5cm/sek. Die Quelle
liefert normalerweise 0-10 l/sek., nach der Schneeschmelze bis zu 1000 l/sek., im Sommer oft spärlich. Das
Quellwasser hat einen hohen Gehalt an Calciumcarbonat: 15-18° dt. Härte (zum Vergleich Leitungswasser in FR:
4-5° dt. Härte)

Das Wasser sammelt sich in einem künstlich angelegten Bachbett am Fuße des Hangschuttfächers und fließt
über die Hochwiese zu einer Tuffnase am Rande der Hochwiese. Dort stürzt es (über eine Tuffnase) 37m tief
hinab. Die Talsohle erreicht es in 511m Höhe und bildet den Brühlbach, wobei den größten Anteil am Wasser des
Bachs zwei Quellen auf Talniveau haben.

Kalktuffbildung

Das Wasser dieser Karstquelle enthält einen hohen Anteil an gelöstem Kalk, es ist an gelöstem Kalk gesättigt.
Verlässt das Wasser das Gestein, wird Kalk ausgefällt. Faktoren für die Kalkausfällung sind:

• ansteigende Temperatur (weniger Kalk kann gelöst werden)

• Verdunstung des Wassers

• Druckentlastung durch Bewegung und Erschütterung des Wassers (Vgl. Sprudelflasche)

• Mischen mit Luft durch Verwirbelung und Verspritzung Oberflächenvergrößerung

• Vegetation nimmt CO2 auf (bei Photosynthese)

Kohlensäure kann um so leichter entweichen, je mehr das Wasser in Bewegung ist und je größer die Wasser-
oberfläche ist. Der doppeltkohlensaure Kalk zerfällt dabei und wird als schwer löslicher kohlensaurer Kalk ausge-
schieden und Schicht um Schicht abgelagert. Bei geringer Wasserführung wird die Verdunstung erhöht und die
Ausscheidung gefördert. Diesen Kalk nennt man Kalktuff, Sinter, Sinterkalk. Der Kalktuff enthält viele Hohlräume,
die durch die Inkrustierung von Pflanzenteilen entstehen, die später verrotten und dann die Hohlräume bilden.
Beim Ansetzen von Kalksintern entstehen Vorsprünge und Kanten, an denen die Turbulenz des Wassers weitere
Co2- Abgabe und somit Kalkabscheidung hervorruft.

Tag 5 – Seite 14
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Vor allem an der Steilkante kommt es zu einer starken Oberflächenvergrößerung, hoher Druckentlastung und ei-
nem starken Temperaturanstieg, beim Aufprall der Wassertropfen kommt es durch die Zerstäubung zu einer ho-
hen Verdunstung. All dies führt zu einer ausgeprägten Kalkausfällung intensive Sinterbildung.

Am Fuße des Wasserfalls findet man kalkinkrustierte Moose und Äste. Das Wasser, das an den Geflechten und
Moosen entlang rinnt, erwärmt sich schnell und gibt Kalk ab. Bei der Verkrustung von Gräsern konnten Längen
von bis zu 3m beobachtet werden.

Bei einer Quellschüttung von 5 l/sek. wurde eine tägliche Kalkablagerung von 20 kg berechnet pro Jahr 5 m3
Ablagerung! So entstand die Kalktuffterrasse, die eine Kalkmasse von ca.

500 000 m3 hat. Die Kalktuffbildung setzte vor 9000 –7000 Jahren ein (präboreal). Dies kann durch die Bestim-
mung von kalkinkrustrierten Schnecken oder durch die Pollenanalyse von Blütenstaub (C14-Methode) datiert
werden.

Früher betrieb man in der Kalktuffterrasse einen Steinbruch. Kalktuff war ein beliebter Baustein, da er wegen sei-
ner Porosität eine gute Isolationsfähigkeit besitzt und in nassem Zustand leicht zu bearbeiten ist. An der Aman-
duskirche in Bad Urach oder am stillgelegten Bahnhof kann man den Baustein noch betrachten.

Abbildung 5-2: Quelle: Der „Rutschen“: Ein Führer durch das Naturschutzgebiet um den Uracher
Wasserfall.

Tag 5 – Seite 15
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Literaturverzeichnis

Dietl, G. & Schweigert, G. (2001): Im Reich der Meerengel – Der Nusplinger Plattenkalk und seine Fossilien ;
München, Verlag Dr. Friedrich Pfeil

Regierungspräsidium Freiburg, BNL (1998): Die Naturschutzgebiete des Regierungsbezirks Freiburg ; Sigmarin-
gen, Thorbecke Verlag

Biotope in Baden-Württemberg: Felsen und Blockhalden. Hg: LfU Baden-Württemberg, Karlsruhe 2001.

Der „Rutschen“: Ein Führer durch das Naturschutzgebiet um den Uracher Wasserfall. Hg: LfU Baden-
Württemberg, Karlsruhe 1991.

Geologie von Baden-Württemberg. Geyer/ Gwinner, Stuttgart 1991.

Naturpark Obere Donau. Schwäbischer Albverein e.V., Stuttgart.

Tag 5 – Seite 16
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Anne Richter und Marco Scheuble


Protokoll vom 15.8.2004

Schelklingen – Blaubeuren – Ermingen – Herrlingen – Lautern – Blaubeuren

Standort 1: „Hohle Fels“ bei Schelklingen

Landeskoordinatensystem RW: 3555910 HW: 5360429


UTM Easting: 32 U 0555819 Northing: 5358738
Höhe: 534mN.N.

Der „Hohle Fels“ bei Schelklingen ist eine urgeschichtliche Fundstelle im Aachtal. Zu der 534 m über NN gelege-
nen Höhle führt ein 29 m langer Gang in die große Haupthalle, die mit einer Flächenausdehnung von etwa 500
m² zu den größten der Schwäbischen Alb zählt. Sie wird auch Backofenhöhle genannt, d. h. die Höhlenräume
liegen oberhalb des einzigen Höhleneingangs und somit kann Wärme gespeichert werden. In ihr herrscht eine
konstante Temperatur von 8-9°C. Höhlenbären nutzten dies aus: sie schliefen in der Höhle, setzten ihre Kinder
zur Welt und starben dort. Im 19.Jh. wurde ein Höhlenbär ausgegraben, dessen Überreste aber im Krieg ver-
brannten.

Heute leben 60-80 Fledermäuse in der Höhle.

Die Felswände der Höhle sind relativ glatt, da das Eis hier drinnen nicht wirken konnte, sprich es gab keine
Frostverwitterung.

Die Tropfsteine wurden im Mittelalter teilweise als „schwäbischer Marmor“ abgebaut.

An der Decke kann man Eisenerz sehen.

Die sichtbaren weißen Flächen an den Wänden bestehen zu 99% aus Kalk, weshalb sie auch „Bergmilch“ ge-
nannt werden. Bergmilch ist eine weiche, lockere und sehr wasserreiche Kalzitablagerung, die sehr porös und
spezifisch leicht ist. Sie kommt sowohl als Überzug von Höhlenwänden, wie im „Hohlen Fels“ vor oder auch in
Form von Ablagerungen an Höhlensohlen. Die schwarzen Flecke an den Wänden deuten darauf hin, dass in der
Höhle Feuer gemacht wurde, was auf eine menschliche Besiedlung schließen lässt.

Die gute Akustik der Höhle wird heute für Trommelkonzerte ausgenutzt.

Ausgrabungen im vorderen Bereich der Höhle werden von Studenten der Archäologie aus aller Welt vorgenom-
men.

Tag 6 - Seite 1
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Fundschichten:

Das Material von jüngeren Schichten aus der Römer- und Jungsteinzeit ist verschwunden.

Das jüngste Material, welches gefunden wurde, stammt von ca. 13 000 Jahren vor heute aus dem Magdalenien.
Hauptsächlich wurden Werkzeuge von Sammlern und Jägern gefunden, die aber nur sporadisch in der Höhle ge-
lebt haben.

Aus der Zeit von 15. 000 – 26. 000 Jahren vor heute gibt es keine Funde. In dieser Zeit herrschte ständiger Frost
in der Höhle und das Tal konnte nicht begangen werden.

In den darunter liegenden Schichten des Gravettiens (ca. 26. 000 J.v.h.) wurden v.a. Werkzeuge zur Elfenbein-
bearbeitung gefunden.

Aus der untersten Schicht dem Aurignacien (30. 000-36. 000 v.h.) sind keine Funde bekannt.

Die Grabungstechnik ist hoch technisiert und sehr präzise. Das gefundene Material wird geschwemmt. Jedes
Steinchen ab 1 mm2 wird untersucht. Datierungen werden mit der C14- Methode gemacht.

Weitere Funde am „Hohlen Fels“:

Der Wirbel eines Höhlenbären. In ihm steckte eine Lanzenspitze, was darauf hinweist, dass der Höhlenbär gejagt
wurde. Die Bären konnten bis zu vier Metern groß werden.

Als ältestes Kunstwerk wurde ein geschnitzter Vogel aus Elfenbein gefunden. Er wurde vom Homo sapiens vor
ca. 30. 000 – 36. 000 Jahren gefertigt. Außerdem wurde ein geschnitzter Höhlenmensch und Schmuck gefunden.

Höhlenmalereien konnten sich nicht gut erhalten, da die Wände abplatzten.

Standort 2: Blautopf in Blaubeuren

Landeskoordinatensystem RW: 3558076 HW: 5364587


Höhe: 519 m

Am Blautopf angekommen, konnte man gleich sehen, warum er diesen Namen trägt. Es wurde auch sofort nach
Faktoren gesucht, die für das bläuliche Schimmern des Wassers zuständig sind. Der Hauptgrund liegt in den
Streuungseigenschaften von kalkgesättigtem Wasser. Vor allem der Blauanteil des sichtbaren Lichtes wird an
den Molekülen gestreut, während Licht mit anderen Wellenlängen absorbiert wird. Begünstigend wirken sich die
Faktoren Tiefe und Klarheit auf den Effekt aus. Je tiefer ein Quelltopf ist, desto länger ist die Distanz, die das
Licht durch das Wasser zurücklegt. Der Vorgang der Absorption kann länger greifen. Beobachten kann man dies
an der Farbverteilung innerhalb des Quelltopfes. Je weiter wir vom seichten Rand zur tieferen Mitte schauen des-

Tag 6 - Seite 2
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abb. 6-1: der Blautopf

to intensiver wird die Blaufärbung. Die Klarheit des Wassers spielt insofern eine Rolle, dass Verunreinigungen im
Wasser auch die blauen Lichtanteile absorbieren. Der Effekt der Blaustreuung wird abgeschwächt. So ist es zu
erklären, dass das Wasser nach Niederschlagsereignissen nicht blau schimmert.

Hier einige Daten zum Blautopf:

Durchschnittliche Schüttung: 2,2 m³/s

Geringste gemessene Schüttung: 0,3 m³/s

Höchste gemessene Schüttung: 32 m³/s

Tiefe: 20,6 m

Oberfläche: 9 ar

Ost-West-Ausdehnung: 35 m

Nord-Süd-Ausdehnung 33 m

Wassertemperatur: 9,3 °C

Tabelle 6-1: Einige Daten zum Blautopf

Der Blautopf ist die zweitgrößte Karstquelle Deutschlands. Die größte ist der Aachtopf im Hegau. Das Wasser
quellt aufgrund des hydrostatischen Drucks aus einer Tiefe von 20,6 m. Somit handelt es sich beim Blautopf um
eine Vauclusquelle, benannt nach einem großen Quelltopf bei Avignon. Dort sprudelt das Wasser jedoch aus ei-
nigen hundert Metern Tiefe empor. Der Blautopf ist der Ausgang eines großen Höhlensystems, welches sich in

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

nordwestlicher Richtung anschließt. Es wird angenommen, dass die Höhle zum größten Teil dem Verlauf des
Galgentales (Trockental nordwestlich von Blaubeuren) folgt. Einen Querschnitt durch die Blauhöhle zeigt Abbil-
dung 6/2 in der MS. Erforscht wurden bisher nur die ersten 1,3km bis zum Mörike Dom. In diesem Abschnitt be-
finden sich alle Höhlengänge unterhalb des Karstwasserspiegels, und sind permanent mit Wasser gefüllt. Somit
gehört dieser Abschnitt in den Bereich der phreatischen Zone. Allgemein gliedert sich der verkarstete Raum in
die drei Karsthydrographischen Zonen:

• Die vadose Zone ist lufterfüllt und entwässert in die phreatische Zone.

• Die phreatische Zone ist permanent mit Wasser erfüllt. Es findet eine seitliche Entwässerung statt.

• Die Hochwasserzone findet sich im Übergangsbereich. Hier wechseln sich (abhängig vom Wasser-
stand) vadose und phreatische Verhältnisse ab.

Von dieser Gliederung ist die Einteilung in seichten und tiefen Karst abhängig. Im tiefen Karst sind alle drei karst-
hydrographischen Zonen vorhanden, während im seichten Karst die phreatische und teilweise auch die Hoch-
wasserzone fehlen. Die Kalklösung findet hauptsächlich in der vadosen Zone statt. Hier ist das Wasser noch
nicht kalkgesättigt, und kann infolgedessen weiteren lösen. Ist das Wasser in der phreatischen Zone angelangt,
findet Kalklösung nur noch in geringem Maße, durch Druckerhöhung und Mischungskorrosion statt. Höhlen bilden
sich in der Hochwasserzone, weil dort der Grundwasserspiegel Schwankungen unterliegt. Durch das ständige auf
und ab wird mit der Zeit ein Höhlensystem aus dem Gesteinskörper modelliert. Auf Abbildung 6/1 MS:„Das Ein-
zugsgebiet des Blautopfes“ sieht man, dass die Blauhöhle in der Zone des tiefen Karstes verläuft.

Eine weitere Frage, der näher nachgegangen wurde ist die des Höhlenalters. Zuerst einigte man sich darauf,
dass das Höhlensystem erst nach der Molassezeit gebildet worden sein kann. Zur Bildung von Höhlen braucht
man genügend Gefälle zwischen Gesteinsoberfläche und Vorfluterniveau. Haben wir dies nicht, findet nur ober-
flächige Verkarstung statt. Da sich ein Teil der schwäbischen Landmasse zur Zeit der Molasseablagerung maxi-
mal nur wenige Dekameter über dem Meeresniveau befand (siehe Abbildung 6/3 MS), kann man davon ausge-
hen, dass dieses Gefälle nicht vorhanden war. Zu einem genaueren Ergebnis gelangt man, wenn man dem Ver-
lauf der Blauhöhle folgt. Das Gefälle des Hauptganges zeigt genau auf die Schotter der mittelrißzeitlichen Donau.
Nach einer alten Grundregel der Höhlenkunde, ist der Karstgrundwasserspiegel immer auf das regionale Vorflu-
terniveau eingestellt. D.h. die Höhle muss während der Rißeiszeit gebildet worden sein. Eine andere Methode auf
das Alter von Höhlen Rückschlüsse zu ziehen, ist es die Jahresringe der Stalaktiten zu zählen. Diese Methode
dient aber nur der relativen Altersbestimmung.

Tag 6 - Seite 4
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 3: Rusenschloß

Landeskoordinatensystem RW: 3559443 HW: 5363440


UTM Easting: 32 U 0559337 Northing: 5361735

Die Burg Hohengerhausen wurde Anfang des 13. Jh. von den Gaugrafen des Flinagaues und den Grafen des
Dillingergeschlechts gebaut.

Hartmann IV. von Dillingen erwarb zudem neue Besitzungen, baute die Stadt Dillingen planmäßig aus, gründete
Klöster und stärkte in Ulm die Position seiner Familienvogtei.

Doch Schloss Hohengerhausen verlor noch schneller an Bedeutung als die Feste Ruck, obwohl es zu Beginn der
württembergischen Herrschaft zweifellos die größere und eindrucksvollere Burg gewesen war. Doch war sie ein-
fach zu weit von der Stadt, dem neuen Zentrum, entfernt. Sie lag im Forst und wurde daher zum Sitz des Forst-
verwalters bestimmt, der die herrschaftlichen Blaubeurer Forste beaufsichtigte. Er wohnte bis ca. 1554 auf dem
Schloss. Danach wurde es von einem der Forstknechte namens "Rueß" oder "Rus" bewohnt. Nach ihm erhielt
die Burg Hohengerhausen im Volk den neuen Namen "Rusenschloß". Diese Namensänderung zeigt, wie gering
die Bedeutung des Schlosses für die Anwohner war. Die letzte militärische Rolle spielten die Burgen Hohen-
gerhausen und Ruck in den napoleonischen Kriegen, als im Jahre 1800 österreichische Stellungen auf Ruck und
Rusenschloß von französischer Artillerie beschossen wurden.

Ein weiterer Punkt war die Bildung des Ruckens. Der Rucken ist ein Fastumlaufberg in Blaubeuren. Nach kurzem
Überlegen kam man zu der Meinung, dass dieser Berg nicht von der Aach und der Blau modelliert werden konn-
ten. Es sind einfach viel zu kleine Flüsse. Es muss einst ein größerer Fluss durch dieses Tal geflossen sein. Ab-
bildung 6/4 MS brachte Licht ins Dunkel. Dort ist dargestellt, wie die Donau seit dem Pliozän das Blautal eintieft
und neben anderen Umlaufbergen auch den Rucken bildet. Dieser Vorgang hielt bis in die Rißeiszeit an. Doch
was ist passiert, dass sie Ihren Lauf änderte, und nun südlich des Hochsträß nach Ulm fließt? Wie die Abbildung
6/5 MS oben zeigt, Entwässerte der Rhein zur Rißeiszeit über Ehingen in die Donau. Mit dem Rückzug des
Rheingletschers suchte sich der Rhein südlich des Hochsträß einen neuen Weg um in die Donau zu entwässern.
Hinzu kommt, dass zu dieser Zeit (Kaltzeit) die Donau ihr Bett immer mehr aufsedimentierte. Der Auslöser für die
Flussbettverlagerung war nun ein Bergsturz am Tautschbuch (westlich von Obermarchtal). Er sorgte damals da-
für, dass die Donau mit der Sedimentfracht überfordert wurde, und ihr Flussbett vollends aufschotterte. Nun such-
te sich die Donau einen Weg weiter südlich, und traf auf den damaligen Rhein, dessen Lauf sie dann folgte.

Tag 6 - Seite 5
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 4: „Große Grotte“: Ur- und Frühgeschichte

Landeskoordinatensystem RW: 3559428 HW: 5363463


UTM Easting: 32 U 0559290 Northing: 5361762
Höhe: 647m

Der britische Forscher John Lubbock prägte 1865 für die erste Zeitepoche der Hominidenentwicklung den Begriff
"Paläolithikum" (Altsteinzeit, griechisch: palaios= alt und lithos = Stein).

Forschungsergebnissen zufolge, besteht die Artenentwicklung der Gattung Mensch schon seit 15 Mio. Jahren,
aber in seiner heutigen Form existiert er erst seit 300.000 Jahren.

So lässt sich das Paläolithikum in verschiedene Stadien einteilen:

Altpaläolithikum (ca. 2, 5 Mio. Jahre – 100. 000 Jahre vor heute)

Es bestehen kaum noch Zweifel, dass der Ursprung der Menschheit im Rift Valley, Ostafrika liegt. Eine Vielzahl
an Schädeln, Zähnen, Beckenknochen und anderer Skelettteile bezeugen eine Besiedelung durch den sog.
„Südaffen“ zwischen drei und einer Mio. Jahre vor unserer Zeit.

Man geht von zwei Arten der Australopithecinen aus. Eine eher starkknochig mit großen Backenzähnen, um
Nüsse zu knacken und faserreiche Pflanzen zu zerkauen. Die Andere mit zierlichem Knochenbau und einem Ge-
biss, welches auf Allesfresser schließen lässt.

Der bekannteste und auch älteste Fund wurde 1973 gemacht.

„Lucy“ ist mit ca. fünf Mio. Jahren das älteste weibliche Wesen und gehört zu den Vormenschen oder auch
Australopithecus afarensis, welche schon seit mehr als einer Million Jahren ausgestorben sind. Anhand von
Funden einfacher Steinwerkzeuge lässt sich eine direkte stammesgeschichtliche Entwicklungslinie zwischen den
Vormenschen und den ersten Frühmenschen ziehen. Der erste Mensch wurde als Homo habilis definiert, der
Befähigte. Er lebte in Ost- und Südafrika und war in der Lage Werkzeuge mit Hilfe anderer Geräte zu schaffen.
Dies galt lange Zeit als Privileg der Gattung Mensch.

Der erste Mensch oder Präsapient in Europa war der Homo erectus oder auch Pithecanthropus. Zu dieser Gat-
tung zählen der uns bekannte Peking-Mensch und der Heidelberger Mensch. Er verließ Afrika vor ca. 1,5 Jahre
und erschloss neue Gebiete bis hin zu den gemäßigten Breiten und den Steppen der mäßig kalten Zonen Eura-
siens.

Die mehrfachen Klimawechsel im Pleistozän werden für die Evolution des Menschen verantwortlich gemacht.
Dieser musste sich mit der Natur in Warm- und Kaltzeiten auseinander setzen, welches die Fertigkeit beim Her-
stellen von Werkzeugen förderte: aus einfachen Geröllgeräten entwickelte sich allmählich der Faustkeil.

Tag 6 - Seite 6
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Die 1. Form: der Chopper = behauene Gerölle und Kiesel, eignete sich wegen der geringen Schneidefläche und
des groben Ausgangsgestein (Quarzit, Schiefer o. Kalk) nur zu wenig komplizierten Arbeiten wie Aufreißen, Zer-
trümmern, Hacken, Bohren und Schaben.

Die 2. Form: der Faustkeil ist das bekannteste Artefakt der Urzeit. Er ist das erste Gerät, das man unmittelbar
als vom Menschen erschaffen anerkennt, denn hierbei sind Form und Funktion erstmals optimal aufeinander ab-
gestimmt.

Im Laufe der Evolution wurde nicht mehr nur ein Kerngerät geschaffen, sondern durch gezieltes Abschlagen ver-
sucht, verschieden große Teile abzuspalten, die als Schaber, Spitze, Keile und klingenähnliche Werkzeuge dien-
ten.

Die 3. Form: „Levallois“- o. Schildkerntechnik zeugt für einen immensen, intellektuellen Fortschritt. Diese Me-
thode beruht auf dem Zusammenspiel von Vorstellungskraft und handwerklichem Vermögen.

Mittelpaläolithikum (ca.100. 000 – 35. 000 Jahren vor heute)

In dieser Zeitepoche dominierte der Homo sapiens neanderthalensis oder einfach nur Neandertaler. Benannt
wurde er nach seinem Fundort im Neandertal bei Düsseldorf, wo man 1856 bei Steinbrucharbeiten erstmals auf
ihn stieß.

Sein erstes Erscheinen wird auf 70. 000 Jahre vor heute datiert. Seine Verbreitung ist bis in den Vorderen Orient
und Nordafrika bekannt.

Über die Zusammenhänge mit dem heutigen Menschen wird allerdings noch diskutiert.

Die erste These besagt, dass der heutige Mensch von den Präsapienten, einschließlich des Neandertalers ab-
stammt. Die zweite These besteht auf den „afrikanischen“ Ursprung aller „modernen“ Menschen.

Mit dieser Menschenart einher gingen mehrere kulturelle Errungenschaften:

• Strukturierung der Lagerplätze

• Bestattungen

• Erste Gebrauch von Farbstoffen

• Nutzen von geritzten Zeichen

In Südwestdeutschland lassen sich anhand von Steinwerkzeugen (Steingerätekulturen) drei regionale Kultur-
gruppen unterscheiden:

1. Micoquien – Formgruppe (kleine Faustkeile, Faustkeilblätter, Keilmesser mit geraden Rücken)


2. Mousterien – Formgruppe (dicke, herzförmige Faustkeile)
3. Blattspitzen – Inventare (deutlich andere Steingeräte, benannt nach der Form)

Tag 6 - Seite 7
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

In der „Grossen Grotte“ in Blaubeuren wurden über 2. 000 Geräte und Abfallstücke gefunden.

Die Höhle diente erst als Unterschlupf für Höhlenbären. Als die talwärtige Felswand einstürzte, wurde ein torarti-
ger Zugang frei, so dass sie auch für die Neandertaler interessant wurde, da sich aufgrund der erhöhten Lage ein
guter Blick über das 100ha große Jagdrevier bot. Sie bauten eine Steinmauer vor den 17m hohen Zugang, um
sich vor Wind und Wetter zu schützen.

Jungpaläolithikum (35. 000 – 8. 000 Jahren vor heute)

Diese Epoche wandelte sich, im Gegensatz zu der vorausgegangenen Epoche, recht schnell und war von zahl-
reichen Innovationen gekennzeichnet.

Der Jetztmensch besaß ein eigenes deutlich erweitertes Selbstverständnis und Kommunikations- und Denkstruk-
turen, die vorher völlig fehlten. Eine soziale Differenzierung innerhalb der Gruppe begann. Und auch die Art und
Weise des Steinschlages ändert sich: schmale, lang gestreckte Klingen werden von vorpräparierten konischen
oder zylindrischen Feuersteinknollen abgeschlagen. Durch die ständige Optimierung der Schlagzeugtechnik
konnten nun auch schwer bearbeitbare Materialien, wie Geweih, Elfenbein und Knochen, genutzt werden. Der
erste Schmuck wurde gefertigt.

Die jungpaläolithischen Kulturen in Südwestdeutschland lassen sich in drei gut belegte Abschnitte gliedern:

1. Aurignacien (ca.35. 000 Jahre vor heute)


2. Gravettien (zw. 30. 000 – 22. 000 Jahre vor heute)
3. Magdalenien (ca. 16. 000 Jahre vor heute)

Seit 1892 wurde die Übergangszeit vom Paläolithikum zum Neolithikum als "Mesolithikum" (ca. 10. 000 bis 9.
000 v. heute, Mittelsteinzeit, mesos = mittel) bezeichnet.

Das „Neolithikum " (Neusteinzeit, neos = neu) ist die zweite große Zeitepoche der Hominidenentwicklung und
beginnt im Allgemeinen mit dem Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu Hirten und Ackerbauern und en-
det mit der Entdeckung der Metallverarbeitung

Das Neolithikum fand an verschiedenen Stellen der Erde zu verschiedenen Zeiten statt. Während im Orient be-
reits um 8. 500 v. heute die Menschen Ackerbau betrieben und in festen Siedlungen lebten, kann man für Mittel-
europa etwa die Zeit zwischen 5. 500 und 1. 800 v. heute angeben.

In dieser Zeit fand ein großer wirtschaftlicher und kultureller Wandel in Mitteleuropa statt. Die grundlegendste
Neuerung, der Ackerbau, führte zu solch gewaltigen Veränderungen, dass von einer "neolithischen Revoluti-
on" des Menschen gesprochen wird. Tiere und Pflanzen wurden domestiziert, was ebenfalls zu neuen Formen
des Nahrungserwerbs führte.

Tag 6 - Seite 8
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Der Ackerbau im Neolithikum ermöglichte es den Menschen erstmals, ihre natürliche Umwelt den eigenen,
menschlichen Bedürfnissen anzupassen und für ihre Zwecke zu verändern. Der Mensch begann zu produzieren.
Diese neue Wirtschaftsform mit einem Überschuss an Nahrungsmitteln und der Entwicklung neuer Techniken
ermöglichte den Menschen sich in festen Siedlungen niederzulassen. Sie wurden relativ unabhängig gegenüber
Bedrohungen der natürlichen Umwelt.

Allerdings wurden im Blautal keine gesicherten Funde gemacht.

Pflanzenreste, die sich im feuchten Untergrund erhalten haben, weisen aber auf den Anbau von frühen Getrei-
dearten (Einkorn, Emmer, Weizen und Gerste), Äpfel, Beeren, Pflaumen und Haselnüssen hin.

Weitere Funde waren verschiedene Schmuckstücke (durchlochte Tierzähne, Perlen am Stein, Knochen).

Bronzezeit (1. 800 – 750 Jahre vor heute)

In dieser Zeit wird eine weitere Stufe der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung erreicht.

Einer Legierung aus Kupfer und Zinn verdankt diese Zeit ihren Namen. Bronze wird gewonnen und verarbeitet.
Das Material Stein verliert fast völlig an Bedeutung in der Waffenproduktion.

Eisenzeit (750 – 450 Jahre vor heute)

Diese Kultur wird bereits den frühen Kelten zugeschrieben.

Latenezeit (450 – Christi Geburt)

Römische Zeit (1. – 3. Jh. n. Chr.)

Die von Caesar eingeleitete Expansion erreichte 15v. Chr. die Gebiete im Voralpenland, welche von rätischen
und keltischen Stämmen besetzt waren. Die Römer drangen in den bayrischen – oberschwäbischen Raum bis
zur Donau vor. Ihre Basis war in der Nähe von Augsburg. Das Blautal wurde ebenfalls für 200 Jahre römisches
Reichsgebiet.

Seit 233 n. Chr. wurden die Römer durch die Alemannen bedroht. Im Jahre 259 n. Chr. überrannten diese den
Limes komplett. Seit dem 3. Jh. ist das Gebiet zwischen Ulm und Blaubeuren alemannisch.

Tag 6 - Seite 9
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Alemannische Zeit ( 4. – 8. Jh. n. Chr.)

Alemanne ist ein Sammelbegriff für den lockeren Verband verschiedener germanischer Stämme.

Im Blautal sind nur wenige Reste dieser Zeit bekannt, da sie als Keimzellen der hoch– u. spätmittelalterlichen
Dörfer heute größtenteils unter den Ortskernen verborgen sind.

Standort 5: Naturkundliches Museum

Landeskoordinatensystem RW: 3558184 HW: 5361151


UTM Easting: 32 U 0556098 Northing: 5359446
Höhe: 471m

Das Urgeschichtliche Museum zeigt verschiedene Lebensaspekte der beiden bekanntesten Menschenformen der
Region: des Neandertalers und des anatomisch modernen Menschen. Des Weiteren den Wandel der Werkzeug-
technologie über die Jahrtausende hinweg und die Entwicklung der steinzeitlichen Kultur.

Die wichtigsten Dinge, die man sehen konnte, waren Originale aus „Hohlen Fels“ (Vogel), das erste Musikinstru-
ment (Flöte) und die Schädelfragmente in einer Reihe aufgestellt.

Standort 6: Erminger Turritellenplatte

Landeskoordinatensystem RW: 3566194 HW: 5361151


UTM Easting: 32 U 0563671 Northing: 5366518
Höhe: 643 m

Herr Hildebrandt (Vorstand vom Verein Mineralien- und Fossilienfreunde Ulm / Neu-Ulm e.V.) freute sich uns ei-
nen Eindruck über die Besonderheit der Erminger Turritellenplatte zu geben. Seit 1982 ist die Erminger Turritel-
lenplatte ein Naturdenkmal. Das Besondere ist das einzigartige Vorkommen dieses Sedimentes der oberen Mee-
resmolasse bei Ermingen. Es handelt sich dabei um eine mehrere Meter mächtige Schneckenkalkbrekzie aus
fein- bis grobkörnigem Quarz- und Kalkstein mit Lagen massenhaft angereicherter fossiler Meeresturmschnecken
der Spezies Turritella turris.

Tag 6 - Seite 10
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abbildung 6-2: Turritella turris

Zur Entstehung der Turritellenplatte:

Mit zunehmender Heraushebung der Alpen sank das Alpenvorland unter den Meeresspiegel. Das damalige
Tethysmeer, das sich südlich der Alpen ausdehnte, drang von Osten über das Wiener Becken und von Südwes-
ten über das Rhonetal in das Molassebecken ein (siehe Abbildung 6-4). Dieses Nebenmeer der Tethys wird auch
als Paratethys oder Miozänmeer bezeichnet. Trans- und Regression wechselten sich ab und hinterließen mehre-
re Küstenlinien. Diese sind heute im Gelände als flache Brandungsküsten (z.B. bei Ermingen und Baltringen) o-
der als steile Küstenlinie (z.B. Heldenfinger Kliff) erkennbar. Die nördlichste Ausdehnung des oberen Molasse-
meeres stellt die Klifflinie dar. Die Klifflinie ist eine 20 bis 70 m hohe Steilküste, welche die Kuppen- von der Flä-
chenalb trennt. Die Flächenalb ist die Abrasionsfläche des oberen Molassemeeres. Vor dem Meereseinbruch war
die Landschaft so unregelmäßig geformt, wie auf der Kuppenalb. Auf den Sandschichten des Strandes wurden
neben Schneckengehäusen, Haifisch- und Rochenzähnen unter anderem Muscheln der Gattung Turritella turris
abgelagert. Nach dem Rückzug des Meeres wurden diese Sandschichten mit oberer Süßwassermolasse be-
deckt. Durch diagenetische Prozesse bildete sich daraus harter und verwitterungsbeständiger Schillkalk. Ähnliche
Funde gibt es auch am Randen (nördlich Schaffhausen).

In Abbildung 6-3 ist die Genese der Turritellenplatte skizziert. Gegliedert wurde in drei Phasen.

Phase1: Das Molassemeer hat sich vor 20 Mio. Jahren vom Alpenvorland aus bis zum Südrand der Schwäbi-
schen Alb ausgedehnt. Durch die Meeresbrandung entsteht eine Kliffküste am felsigen Nordrand des Mee-
res. Auch in Ermingen formt die Brandung ein Kliff, von dem auf der Turritellenplatte nur noch einzelne Ge-
röllsteine übrig geblieben sind. Nördlich der Kliffküste schließt sich die damals viel stärker als heute ge-
gliederte Alb („Kuppenalb“) an.

Phase2: Vordringen des Molassemeeres vom Albsüdrand nach Norden auf die Alb unter flächenhafter Abtragung
der Kuppenalb durch Brandung. Dabei entsteht eine bis zu 20 km breite Brandungsebene, die heute noch

Tag 6 - Seite 11
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

als Klifflinie die Flächenalb von der nördlichen Kuppenalb trennt. Am Meeresgrund werden die Sand-
schichten der „Oberen Meeresmolasse“ abgelagert.

Phase 3: Das Molassemeer hat sich von der Alb bis zum Albsüdrand zurückgezogen, der dadurch erneut Küs-
tensaum geworden ist. Dieser ist jetzt als breiter, flacher Sandstrand ausgebildet, von dem die Erminger
Turritellenplatte ein kleiner Abschnitt ist. Der ehemalige Meeresboden auf der Alb ist nun Landoberfläche.
Es ist die heute noch in der Ulmer Region ausgezeichnet erkennbare „Flächenalb“. Die sich nördlich von
Ulm erstreckende Klifflinie tritt als deutlich sichtbare Geländestufe hervor.

Abbildung 6-3: Ausdehnung und Rückzug des Molassemeeres auf der schwäbischen Alb in 3 Phasen.
Quelle: K.-D. Hildebrandt

Tag 6 - Seite 12
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 7: Steinkreis

Landeskoordinatensystem RW: 3566899 HW: 5360444


UTM Easting: 32 U 0563283 Northing: 5371494
Höhe: 639 m

Ein Steinkreis aus 12 Monolithen bestehend, der in den 80er Jahren, veranlasst durch den Bürgermeister von
Ermingen, gebaut wurde. Dient als Sonnenwendplatz an dem traditionell immer große Feuer gemacht werden.

Abbildung 6-4: Ablauf der Turritellenplat-


tenbildung im Miozän
Quelle: K.-D. Hildebrandt

Abbildung 6-5: Ausdehnung des Miozänmeers vor 20 Mio. Jahren


Quelle: K.-D. Hildebrandt

Tag 6 - Seite 13
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 8: Lautertopf

Landeskoordinatensystem RW: 3563808 HW: 5368209


Höhe: 632 m

Der Ort Lautern, der aus vier Mühlen entstand, wurde erstmals 1225 erwähnt. Die Burg Lauterstein, die im Drei-
ßigjährigen Krieg zerstört wurde, ging 1516 an das Kloster Blaubeuren über.

Der Teilort, seit 1829 zu Wippingen gehörend, liegt im Naturschutzgebiet "Kleines Lautertal". Dazu gehört eben-
falls der „Lautertopf“.

Der „Lautertopf“ ist kein richtiges Höhlensystem, besitzt aber mehrere Kluftgänge. Seit 1873 werden durch ihn
mehrere Albgemeinden mit Trinkwasser versorgt. Die ursprüngliche Wasserversorgung auf der Alb wurde durch
sog. Hülben gewährleistet. Hülben sind mit Verwitterungslehm abgedichtete Teiche. Wenn diese leer waren, hat
man Wasser vom „Lautertopf“ auf die Alb transportiert. 1873 wurde das Pumpwerk gebaut, welches bis heute ein
sehenswertes technisches Baudenkmal darstellt.

Ein weiteres Stichwort war die Suburbanisierung Das alte Gasthaus an dem Pumpwerk wurde wieder neu eröff-
net und fördert somit den Naherholungstourismus der Region.

Standort 9: Klifflinie

Landeskoordinatensystem RW: 3563384 HW: 5373209


Höhe: 688 m

Der letzte Halt dieses Tages war an der Klifflinie. Von diesem Standort hat man einen guten Ausblick über die
Flächenalb. Im Unterschied zur Kuppenalb sah man hier weit ausgedehnten Getreideanbau. Auch die Höfe wa-
ren auf diesem Teil der Alb generell größer gebaut. Dies ließ auf eine größere Fruchtbarkeit auf der Flächenalb
schließen. Die Gründe sind klimatologischen wie petrographischen Ursprungs. Klimatisch ist die Flächenalb ei-
nerseits durch ihre Lage im Regenschatten des Albtraufes begünstigt. Hinzukommt, dass sie wesentlich tiefer
liegt, und so durchschnittlich höhere Werte der Lufttemperatur aufweist. Wie wir wissen handelt es sich bei der
Flächenalb um die Abrasionsfläche des oberen Molassemeeres. Im Gegensatz zur Kuppenalb fand hier damals
eine Verebnung der Landschaft statt. So kommt es, dass die kalte Luft am Südrand der Alb und in Trockentälern
abfließen kann, und sich nicht, wie auf der Kuppenalb in Senken aufstaut. Die Bodeneigenschaften sind auch völ-
lig unterschiedlich. Während wir auf der Kuppenalb vorwiegend Rendzinen mit einem geringen Oberboden fin-
den, ist die Flächenalb tief greifend mit mineralreichen Schottern der Oberen Süßwassermolasse bedeckt.

Tag 6 - Seite 14
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abbildung 6-6: Geologische Karte des Hochsträß


Quelle: K.-D. Hildebrandt

Ein letzter Blick in die Materialsammlung auf Abbildung 6/6 unten, sollte uns noch einmal die Hebung der Schwä-

Tag 6 - Seite 15
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

bischen Alb verdeutlichen. Vor 20 Mio. Jahren, zur Zeit der Oberen Meeresmolasse befand sich die Klifflinie auf
Meeresniveau. Ein Blick auf die Höhenangaben in der Abbildung zeigt nicht nur, dass sich die schwäbische Alb in
diesem Zeitraum um mehrere hundert Meter gehoben hat, sondern auch, dass diese Hebung nicht überall in
demselben Maße von statten ging. Die Alb wurde im Südwesten am stärksten gehoben. Das Kliff befindet sich
bei Tuttlingen noch auf einer Höhe von 850 m NN. Gegen Osten hin fällt die Steilküste ab. Bei Dischingen liegt
sie zum Beispiel auf einer Höhe von 500m N.N.

Tag 6 - Seite 16
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Susanne Amann und Thomas Hansmann


Protokoll vom 16.8.2004

Blaubeuren – Ulm – Biberach – Bad Wurzach – Altusried

Standort 1: Blautal

Landeskoordinatensystem RW: 3571471 HW: 5362798


UTM Easting: 32 U 0571375 Northing: 5361089
Höhe 492 m N.N.

Die Blau fließt von Westen her nach Ulm, wo sie in Donau mündet. Der Talboden der Blau wird intensiv in An-
spruch genommen. Er dient als Standort für Wohn- und Gewerbebauten und für Verkehrsanlagen. Zu beiden Sei-
ten der Blau befinden sich im Niederungsbereich ausgedehnte Gewerbeflächen. Die dort ansässigen Unterneh-
men sind vor allem in den Bereichen Fahrzeugbau und Telekommunikation tätig. Außerdem befinden sich dort
einige Fach- und Verbrauchermärkte (Praktiker, Toom Baumarkt, Blautalcenter, Real etc.) Am Fuße des Esels-
bergs befindet sich ein Rangier- und Güterbahnhof der Deutschen Bahn. An der Nordabdachung des Hochsträß
bzw. des Kuhbergs ist in starkem Maße Wohnbebauung zu finden.

Im Blautal findet man ein dichtes und unmittelbares Nebeneinander von dicht besiedelten Wohngebieten und flä-
chenintensiven Groß- und Mittelbetrieben vor.

Ursachen dafür finden sich in den historischen Bedingungsfaktoren der Stadt. Aus wehr- und verteidigungstech-
nischen Gründen war eine Bebauung des westlich der inneren Vauban´schen Umwallung gelegenen Areals erst
nach dessen Niederlegung im 19. Jahrhundert möglich. Die Folgen dieses Vorgehens waren ein überstürztes und
unkontrolliertes Wachstum. Innerhalb von wenigen Jahren erfolgte die bauliche Verbindung zum westlich vorge-
lagerten Söflingen.

Das Blautal Center

Das Blautal Center ist eine im Jahre 1997 entstandene Shopping Mall, die mit einer Verkaufsfläche von 37.500
qm das größte Einkaufs- und Fachmarktzentrum in Baden-Württemberg darstellt. Die durchschnittliche Besu-
cherzahl beträgt zwischen 17.000 und 22.000 pro Tag, in Spitzenzeiten können dies auch einmal bis zu 45.000
Besucher sein. Insgesamt befinden sich 96 Läden im Blautal Center. Unter anderem sind dort folgende Firmen
vertreten: Adler-Modemarkt, Hettlage Mode- und Sportmarkt, H & M, Douglas, Müller Kaufhaus. Des Weiteren

Tag 7 – Seite 1
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

befinden sind im Blautal Center eine Filiale der Landesbank Baden- Württemberg, eine Reinigung und ein Reise-
büro.

Grund für den Bau des Blautal Centers war der stetige und über Jahre andauernde Verlust von Kaufkraft in der
Stadt Ulm. Zur Kompensation dieses Kaufkraftverlustes von dem vor allem die nahe gelegene bayerische Stadt
Senden profitierte, erteilte die Stadt Ulm die Bewilligung für den Bau der Mall.

Mit der Entscheidung wurde bewusst ein Kaufkraftverlust und damit ein möglicher Attraktivitätsverlust der Ulmer
Innenstadt in Kauf genommen. Um diesen Verlust aber möglichst gering zu erhalten, wurden dem Blautal Center
von Seiten der Stadt strenge Auflagen erlassen. So gibt es Bestimmungen über den maximalen Anteil von innen-
stadtrelevanten Mietern, kleinen Läden und Fachmärkten. Eine weitere Auflage der Stadt ist, dass sich in der Mall
kein Kino befinden darf. Damit soll einem möglichen Attraktivitätsverlust der Ulmer Innenstadt in den Abendstun-
den entgegengewirkt werden. Zudem gibt es aber auch keinen Raum mehr für platzintensive Freizeitattraktionen.
Außerdem sind durch Läden höhere Mieten zu erzielen als durch Betriebe wie Diskotheken oder Bowling Center.

Somit findet im Blautal Center keine Verknüpfung von Freizeit- und Einkaufsnutzungen statt.

Das Blautal Center hat ein großes Einzugsgebiet, das bis nach Göppingen, Aalen, Friedrichshafen und Memmin-
gen reicht.

Insgesamt fließt seit dem Bau des Blautal Centers wieder mehr Kaufkraft nach Ulm. Der befürchtete Kaufkraftver-
lust der Ulmer Innenstadt ist aber laut Zahlen der IHK Ulm tatsächlich eingetroffen. Zwei Jahre nach Eröffnung
der Mall hatten 67% der Einzelhändler in der Ulmer Innenstadt einen Umsatzrückgang zu verzeichnen. 40% da-
von gaben sogar an einen Umsatzrückgang von mehr als 10 Prozent zu haben.

Standort 2: Donaubrücke

Landeskoordinatensystem RW: 3573165 HW: 5361815


Höhe 498m N.N.

Wenige hundert Meter flussaufwärts befindet sich der Zusammenfluss von Donau und Iller. Die Iller bringt im
Vergleich zur Donau die Doppelte Menge an Wasser in das Flusssystem ein. Dennoch behält der Fluss den Na-
men der Donau bei, welche vor dem Zusammenfluss bereits eine deutlich längere Strecke zurückgelegt hat und
einen eher geraden Verlauf aufweist.

Tag 7 – Seite 2
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 3: Stadtmauer

Landeskoordinatensystem RW: 3573461 HW: 5362396


UTM Easting: 32 U 0573360 Northing: 5360690
Höhe 466 m N.N.

Geschichte der Stadt Ulm

Aufgrund seiner strategisch sehr günstigen Lage weist das Ulmer Gebiet eine lange Siedlungsgeschichte auf.
Aus römischer Zeit ist eine „villa rustica“ auf dem Kuhberg bekannt. Zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert befand
sich im Ulmer Gebiet ein Alemannendorf, was durch ein Reihengräberfeld nördlich des Bahnhofs sowie durch Ke-
ramikfunde auf dem Weinhof belegt werden kann (Seisler 2001). Der Name „Ulm“ stammt vermutlich von „Holm“,
was Anhöhe bedeutet und auf die günstige Lage auf der Anhöhe über der Blau hinweist (Morsbach 1999).

Nach der Unterwerfung Alemanniens durch die Franken im Jahre 746 errichteten die Franken auf dem heutigen
Weinhof einen ihrer Königshöfe der sich zu einer Königspfalz entwickelte (Pflüger 1991). Diese bestand aus Pa-
lastbauten, einschließlich Kapelle, und einem Wirtschaftshof und diente dem reisenden Herrscher, welcher im
frühen und hohen Mittelalter noch keine feste Residenz besaß, als zeitweiliger Aufenthaltsort, zur Abhaltung von
Hoftagen (Brockhaus 2001). Die älteste urkundliche Erwähnung Ulms führt auf das Jahr 854 zurück, in welchem
Ludwig der Deutsche in die Königspfalz reiste und eine Urkunde ausstellte: „actum hulmanum palatio regio“ (ge-
geben zu „Hulm“ in der Königspfalz) (Pflüger 1991).

Die junge Ansiedlung gewann schnell an Bedeutung. Bis ins 12. Jahrhundert wurde Ulm von den Staufern zu ei-
nem ihrer Hauptorte ausgebaut. Im Jahre 1165 erhielt sie durch Friedrich Barbarossa das Stadtrecht. Beim Un-
tergang der Staufer im 13. Jahrhundert konnte die Stadt ihre direkte Unterstellung unter Kaiser und König bewah-
ren und baute sich eine bürgerschaftliche Selbstverwaltung auf. Somit wurde Ulm 1274 eine „Freie Reichsstadt“,
die von Patriziern regiert wurde. Den freien Reichsstädte wurden folgende Privilegien zugestanden:

• keine Abgaben an den König

• Marktrecht

• Zollrecht

• Münzprägerecht

• Ummauerungsrecht

• Gerichtsbarkeit

Stapelrecht, d.h. das Recht, durchziehende Kaufleute zu zwingen, ihre Waren für eine bestimmte Zeit zum Ver-
kauf auszustellen und gegebenenfalls mit städtischen Schiffen oder Wagen weiterzutransportieren

Tag 7 – Seite 3
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Bald kam es jedoch zu Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und den Zünften, da letztere eine Beteiligung
am Rat der Stadtregierung forderten. Dieser Streit artete in bürgerkriegsähnliche Zustände aus und legte sich
erst mit dem „großen Schwörbrief im Jahre 1397, welcher den Zünften eine Mitwirkung am politischen Gesche-
hen garantierte und eine der ältesten Stadtverfassungen im Reich darstellte.

Das 14. und 15. Jahrhunderte wird als politische und wirtschaftliche Blütezeit Ulms angesehen. Die Stadt erwei-
terte sich innerhalb nur weniger Jahrzehnte (1316-1360) um das Vierfache. Auch der Beginn des Münsterbaus im
Jahre 1377, der allein durch Spenden der Bürger finanziert wurde, spiegelt den wirtschaftlichen Aufschwung der
Stadt wieder. Vor allem durch das Textilgewerbe entwickelte sich Ulm zu einem wichtigen Handelsplatz. Ulmer
Barchenttücher – eine Mischung aus Leinen und Baumwolle – wurden in Genua, Venedig, Lyon, den Niederlan-
den und sogar in England verkauft. Zudem war Ulm ein wichtiger Umschlagplatz für Eisen, Wein und Holz.

Im Jahre 1530 beschloss die Bevölkerung den Übergang zum Protestantismus und trat bald darauf dem Schmal-
kaldischen Bund bei, einem Bündnis der lutherischen Reichsstädte gegen die Bedrohung durch den katholischen
Kaiser Karl V.. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts verfiel die Stadt jedoch in eine wirtschaftliche und politische Krise.
Diese begann mit dem Schmalkaldischen Krieg (1546), in dem sich Ulm dem katholischen Kaiser aus Finanznot
unterwerfen musste. Zeitweise wurde sogar der Große Schwörbrief aufgehoben, der nach erneuter Zulassung die
Rechte der Zünfte stark einschränkte. Der wirtschaftliche Niedergang ging mit der Entdeckung Amerikas und des
Seewegs nach Indien einher, wodurch in England und den Niederlanden neue Produktions- und Handelszentren
entstanden.

In den folgenden zwei Jahrhunderten wurde die Stadt durch Pest, Kriege und Missernten weiter geschwächt und
stand schließlich Ende des 18. Jahrhunderts vor dem wirtschaftlichen Bankrott. Im Jahre 1802 verlor Ulm dann
auch seine Unabhängigkeit, kam zum Kurfürstentum Bayern und wurde Hauptstadt der Provinz Schwaben. Durch
einen Staatsvertrag zwischen Bayern und Württemberg wurde die Stadt 1810 gegen den Willen der Bevölkerung
wieder zu einer königlich württembergischen Stadt mit der Donau als Grenze zu Bayern. Die Gebiete jenseits der
Donau waren nun „Ausland“, damit war die Stadt von ihrem Hinterland abgeschnitten. Anfang des 19. Jahrhun-
derts war die einst mächtige Reichsstadt somit zu einer kleinen Provinzstadt herabgesunken (Stadt Ulm Informa-
tion 1).

Mit Beginn der Industrialisierung, gewann Ulm jedoch wieder an Bedeutung. Ein mächtiger Befestigungsgürtel mit
zahlreichen Forts wurde gebaut, der die Stadt weiträumig umschloss und heute noch größtenteils erhalten ist. Die
Errichtung des Hauptbahnhofs im Jahre 1850 war ein wichtiges Signal für die wirtschaftliche Entwicklung (Mors-
bacher 1999). In dieser Zeit entstanden auch weltbekannte Firmen wie Magirus, Wieland und Kässbohrer. Der
neue Aufschwung zeigt sich auch in der Vollendung des Münsterturms im Jahre 1890 wieder (Stadt Ulm Informa-
tion 1). Um die Jahrhundertwende kam es zu einem starken Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum der Stadt.

Ende des 2.Weltkrieges, im Dezember 1944, wurden bei einem Luftangriff 85% der Innenstadt zerstört. Von
1945-60 wurde die Stadt wieder aufgebaut, wobei es sich überwiegend um eine Neubebauung mit historischen
Stadtgrundriss handelte. In den 50er und 60er Jahren ging es mit Ulm wieder aufwärts. Das Industriegebiet Do-
nautal wurde erschlossen, und es entstand die Hochschule für Gestaltung sowie eine Ingenieursschule (seit 1972
Tag 7 – Seite 4
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

FH) und die Universität (1967). Im Jahre 1980 überschritt Ulm erstmals die 100 000 Einwohner-Grenze und wur-
de somit zur Großstadt. Nach der Wirtschaftskrise in den 80er Jahren unternahm die Stadt Anstrengungen, ihre
wirtschaftliche Monostruktur aufzubrechen und neue Arbeitsplätze im Dienstleistungs- und Wissenschaftsbereich
zu schaffen, wie beispielsweise durch den „Science Park“ (vgl. Standort 6 ) und die Erweiterung der Uni um Inge-
nieurswissenschaften. Auch städtebaulich wurden große Fortschritte gemacht. Am Donauufer entstand ein neues
Kongresszentrum, der Münsterplatz wurde neu gestaltet, und im Fischerviertel entstand eine neue Stadtbiblio-
thek. Durch diese Maßnahmen gelang es der Stadt Ulm von ihrem Image als Industriestadt Abstand zu nehmen
(Stadt Ulm Information 1).

Standort 4: Fischer- und Gerberviertel

Landeskoordinatensystem RW: 3573349 HW: 5362513


UTM Easting: 32 U 0573240 Northing: 5360803
Höhe 484 m N.N.

Zu Zeiten der Pfalz befanden sich in diesem Viertel der Maierhof und die Stadelhöfe, die für das leibliche Wohl
des Königshofs auf dem Weinhof zuständig waren. Die Blau diente als Rossschwemme und Viehtränke. Vom
Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert bildete sie durch ihre Funktion zur Gewinnung von Antriebsenergie und zur
Wasserversorgung die Lebensader der Stadt. Jegliches auf Wasser angewiesene Gewerbe siedelte sich an ihren
Ufern an (Seisler 2001).

Das an Donau und Blau gelegene Fischer- und Gerberviertel ist eines der wenigen im Zweiten Weltkrieg erhalten
gebliebenen Viertel der Ulmer Altstadt. Bei den Gebäuden handelt es sich zumeist um eine zwei- bis dreige-
schossige Fachwerkbebauung aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Typische Merkmale des Viertels sind enge
Gassen, die eine Parallelstruktur entlang der Blauarme aufweisen. Die ehemaligen Gerberhäuser sind an ihren
teils heute noch offenen Galerien zu erkennen, die zur Trocknung der Häute dienten.

Trotz der meist gut erhaltenen Bausubstanz und der geringen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sind teilweise
Lücken entstanden, die durch Neubebauungen gefüllt wurden. Es wird dabei stark auf eine behutsame Sanierung
und Modernisierung geachtet, wodurch die historische Bausubstanz gesichert und das gesamte Erscheinungsbild
akzentuiert werden soll. Das Fischer- und Gerberviertel ist zu einem der attraktivsten Wohnstandorte (gentrifica-
tion) und tertiärwirtschaftlichen Schwerpunkte (Gastronomie, Einzelhandel) geworden.

Tag 7 – Seite 5
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 5: Weinhof

Landeskoordinatensystem RW: 3573464 HW: 5362506


UTM Easting: 32 U 0573362 Northing: 5360806
Höhe 474 m N.N.

Der Weinhof liegt im südwestlichen Teil der Altstadt, auf einer von der Blau umflossenen hochgelegenen Terras-
se. Auf diesem Platz befand sich einst die Königspfalz. Nachdem die Pfalz während eines Thronstreites zwischen
Staufern und Welfen im Jahre 1134 zerstört wurde, schützte man sie beim Wiederaufbau durch eine starke Bu-
ckelquadermauer, welche heute noch teilweise erhalten ist. Während der Verfassungskämpfe zwischen Patriziern
und Zünften im Jahre 1320 wurde die Pfalz abermals zerstört, alle Pfalzgebäude brannten nieder. Nur die Kapelle
wurde wieder aufgebaut. An der Westwand des Pfalzbergfrieds wurde das „Schwörhäuslein“ errichtet, von wel-
chem aus die neugewählten Bürgermeister alljährlich die Einhaltung des Schwörbriefes von 1397 beschworen.
Dieser legte den Verfassungsstreit bei, indem er die Stellung der Zünfte stärkte (vgl. Standort 3: Stadtgeschich-
te).

Durch den Untergang der Pfalzgebäude entstand ein freier Platz, auf dem sich einer der größten Weinmärkte in
Schwaben entwickelte. Aller nach Ulm transportierter Wein musste zunächst auf dem Weinhof einen Tag zum
Verkauf angeboten werden, bevor er in die Keller gelegt werden konnte.

Nach dem Abriss der Pfalzkapelle samt Bergfried und Schwörhäuslein im Jahre 1612 errichtete man an der sel-
ben Stelle ein großes Schwörhaus mit Kanzel, welches eigens für den Schwörakt erbaut wurde, was vermutlich
einmalig ist. Heute befindet sich im Schwörhaus der Sitz des Stadtarchivs (Birkenfeld 1994).

Nachdem der Schwörtag mit dem Ende der freien Reichsstadt 1802 abgeschafft wurde, führte die Stadt ihn 1933
wieder ein. Am Nachmittag findet stets das „Nabada“, das Hinunterbaden auf der Donau statt (Stadt Ulm Informa-
tion 2).

Tag 7 – Seite 6
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 6: Münsterplatz

Landeskoordinatensystem RW: 3573445 HW: 5362767


Höhe 489 m N.N.

Ulmer Münster

Die erste Ulmer Pfarrkirche befand sich außerhalb der Stadtmauern im Bereich des heutigen alten Friedhofs.
Aufgrund der häufigen kriegerischen Ereignisse beschloss die Bevölkerung nach der Belagerung durch Kaiser
Karl IV. im Jahre 1376 eine Verlegung der Pfarrkirche in die Stadtmitte, damit diese auch während Krisenzeiten
für die Stadtbewohner erreichbar sei. Da sich Ulm zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung befand,
plante man eine Kirche von außerordentlicher Größe, welche ein Fassungsvermögen von 20.000 Personen – bei
einer Einwohnerzahl von 10.000 – erhalten sollte.

Der Bau des Münsters begann im Jahre 1377 und wurde allein von den Bürgern finanziert. Architekten von inter-
nationalem Ruf wirkten daran mit. Als sich die Ulmer in einem Bürgerentscheid 1530 zum Protestantismus be-
kannten, wurde der Bau jedoch bald darauf eingestellt. Als Gründe wurden nicht nur statische und finanzielle
Probleme genannt, sondern vor allem der gewandelte Zeitgeist. An der Schwelle zur Renaissance wollte man
kein Geld in ein Bauwerk investieren, welches im Stil der inzwischen überholten Gotik war. Erst im Jahre 1890
wurde der Münsterbau vollendet. Der Hauptturm wurde nach den 400 Jahre alten Plänen von Matthäus Böblinger
ausgebaut, jedoch – zum Leid der Kölner – noch um 10 Meter gestreckt und ist damit mit seinen 161,53 m der
höchste Kirchturm der Welt (Stadt Ulm Information 3).

Münsterplatz

Die Gestaltung des Münsterplatzes war für die Ulmer seit jeher von großer Bedeutung. Bis ins 19. Jahrhundert
befand sich am südwestlichen Münsterplatz das Barfüßerkloster, welches 1229, also noch lange vor Beginn des
Münsterbaus, errichtet wurde. In der Reformation wurde es geschlossen. Danach dienten die Konventbauten als
Ulmer Gymnasium, die Kirche wurde als evangelische Kirche verwendet (Birkenfeld 1994). Da nach den Vorstel-
lungen des 19. Jahrhunderts eine gotische Kirche wie ein Denkmal auf einem freien Platz präsentiert werden
müsse, entschloss man sich 1874 zum Abbruch des 650 Jahre alten Klosters (Morsbach 1999). Doch schon bald
plante die Stadt eine neue Bebauung des Platzes und entschied 1987, nach zahlreichen Architektenwettbewer-
ben, an der Stelle des ehemaligen Klosters ein Stadthaus zu errichten, welches von dem New Yorker Architekten
Richard Meier entworfen wurde und als Ausstellungs- und Versammlungsgebäude dienen sollte. Dieses Projekt
war in der Öffentlichkeit sehr umstritten, da der moderne Bau in starkem Kontrast zum gotischen Münster stand

Tag 7 – Seite 7
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Wien Köln Ulm Straßburg Freiburg

136,70 m 157,00 m 161,53 m 142,00 m 116,00 m

Abb. 7-1: Quelle: Stadt Ulm Information (2003) Die Ulmer und ihr Münster. Stadt Ulm, Zentrale Dienste (Hrsg.)

und wurde durch einen Bürgerentscheid fast gekippt. Derzeit befindet sich im Stadthaus ein Einstein-Ausstellung
zum 125. Geburtstag des gebürtigen Ulmers (Seisler 2001).

Science Park

Ulm ist eine klassische Industriestadt, deren Geschichte als Wissenschaftsstandort recht jung ist. Seit Gründung
der Universität im Jahre 1967 ist Ulm bemüht sich als vom Image der Industriestadt wegzubewegen und sich als
Wissenschaftsstandort zu profilieren. Seit Ende der 1980er gibt es den Science Park. Der Science Park am Ul-
mer Eselsberg besteht neben der Universität und der Fachhochschule aus der Uni-Klinik und einem Bundes-
wehrkrankenhaus. Große Bedeutung haben Forschungszentrum verschiedener nationaler und internationaler Un-
ternehmen wie Siemens, Nokia oder Daimler Chrysler erhalten. Zwischen den Forschungszentren der dort an-
sässigen Unternehmen und der Universität besteht eine enge Zusammenarbeit. So partizipieren Science Park
Firmen z.B. an der Arbeit Ulmer Forschungseinrichtungen. Oft kommen Forschungsaufträge für die Universität
von Firmen, die im Science Park angesiedelt sind, die den Forschungsbedarf aus der Alltagspraxis ersehen. So-
mit ist der Science Park eine Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Im Science Park sind ca.
10.000 Menschen beschäftigt. Allein in den letzten fünf Jahren wurden 2.200 Arbeitsplätze geschaffen.

Tag 7 – Seite 8
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Neben den Bemühungen seitens der Stadt Unternehmen im Rahmen des Science Parks in Ulm anzusiedeln,
spielen auch die guten Standortfaktoren eine bedeutende Rolle. Ulm ist überaus gut an den überregionalen Ver-
kehr angebunden. Die Stadt liegt sowohl an der BAB 8 Karlsruhe- München, als auch an der BAB 7 Lindau-
Würzburg. Die Landeshauptstädte von Baden-Württemberg und Bayern, Stuttgart und München sind jeweils nur
eine Autostunde entfernt, was auch heißt, dass sich zwei bedeutende internationale Flughäfen nur eine Auto-
stunde entfernt befinden.

Ulm liegt auch an der Bahnstrecke Stuttgart- München mit einem IC und ICE Halt, der im Stundentakt angefahren
wird.

Neben diesen harten Standortfaktoren, die Verkehrssituation betreffend, sprechen auch einige weiche Standort-
faktoren für den Standort Ulm. Ulm ist mit ca. 115.000 Einwohnern im Vergleich zu Stuttgart oder München eine
überschaubare Großstadt, präsentiert sich aber mit zahlreichen Theatervorstellungen, Konzerten und Ausstellun-
gen als Kulturstadt. Eine große Rolle spielt auch die Nähe zu den Naherholungsgebieten Schwäbische Alb, All-
gäu und Bodensee.

Standort 7: Feld bei Biberach

Landeskoordinatensystem RW: 3561809 HW: 5336137


UTM Easting: 32 U 0561707 Northing: 5361809
Höhe 516m N.N.

An diesem Standort befindet sich eine flache Niederung mit Mais- und Grünlandnutzung. Im Anschluss folgt ein
leichter Anstieg von etwa fünf Metern auf eine höhere Ebene mit Getreideanbau, was auf einen besseren Boden
schließen lässt der vermutlich nicht überflutet wird. Bei dieser Ebene handelt es sich um eine Niederterrasse. Im
Osten und Westen befindet sich die tertiäre Hügellandschaft, während im Süden risszeitliche Endmoränen zu se-
hen sind.

Tag 7 – Seite 9
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 8: Wurzacher Ried

Landeskoordinatensystem RW: 3567300 HW: 5308353


Höhe 521m N.N.

Daten zum Wurzacher Ried:

• Lage: Risszeitliches Zungenbecken des Rheingletschers nördlich von Bad Wurzach (Landkreis Ravens-
burg)

• Größe: 1813 ha Moorfläche

• Flächenverteilung:

• ein Drittel Grundwassermoor (Niedermoor)

• ein Drittel vom Menschen beeinflusstes Regenmoor (Hochmoor)

• ein Drittel unberührtes Regenmoor (größte Regenmoorfläche in Mitteleuropa)

• Größe: 1813 ha Moorfläche

• Maximale Torfmächtigkeit: bis zum 10m

• Jahresniederschläge: ca. 1.100 mm

• Jahresdurchschnittstemperatur: ca. 7° C

Quelle: http://www.naturschutzzentrum-bw.de/servlet/PB/menu/1100248/index.html

Entstehungsgeschichte:

Das Wuzacher Ried ist eines der größten und bedeutendsten Naturschutzgebiete in Baden-Württemberg. Die
Moorlandschaft umfasst 1813 ha und zeichnet sich durch eine große Vielfalt von Pflanzen und Tieren aus.

Der Beginn der Entstehung des Wurzacher Rieds geht bis auf die Risskaltzeit zurück. Teile des Rheingletschers
schoben sich durch das Tal zwischen dem Haisterkircher Rücken und dem Ziegelbacher Berg. Da eine seitliche
Ausbreitung nicht möglich war, erodierte der Gletscher große Bereiche und schuf somit das Wuzacher Becken.

Im Anschluss an das von der Gletscherzunge geschaffene Becken wurde durch den Stillstand des Gletschers ein
mächtiger Moränenwall abgelagert. Als der Gletscher später zurückschmolz wurden noch zwei weitere
Moränenwälle abgelagert.

Tag 7 – Seite 10
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

In der Würmkaltzeit kam es zu einem erneuten Vorstoß einer Zunge des Rheingletschers. Die Endmoräne dieser
Gletscherzunge riegelte das in der Risskaltzeit entstandene Zungenbecken von Südwesten her ab. Die
Schmelzwässer der Gletscherzunge des würmkaltzeitlichen Gletschers flossen in das Wurzacher Becken, wo sie
nicht abfliessen konnten. So entstand ein flacher See.

Im Postglazial siedleten sich Schwimmblatt- und Röhrichtpflanzen in dem See an. Das abgestorbene
Pflanzenmaterial konnte aufgrund des vorherrschenden Sauerstoffmangels nicht vollständig zersetzt werden. Es
lagerte sich am Seegrund ab und bildete Torf. Durch diesen Prozess wurde der See im Verlauf des Holozäns
vollständig mit Torf aufgefüllt. Der See verlandete mit der Zeit und es entstand ein Niedermoor.

Aufgrund der hohen Niederschläge, wurden große Teile des Moors mit Regenwasser gespeist. So kam es zur
Ansiedelung der wasserspeichernden Torfmoosen. Während diese an der Spitze in die Höhe wachsen, sterben
sie an der Basis ab und bilden somit Torf. Dadurch wächst das Moor mit der Zeit aus dem mineralstoffreichen
Grundwasserniveau heraus, bis es schließlich nur noch vom Regenwasser gespeist wird.

Der Zuwachs an Torf beträgt ca 1 mm pro Jahr, so dass in den letzten 5000 Jahren ca. 5m Torf gebildet wurden.
Moore , die nur noch vom Regenwasser beeinflußt sind, und durch das Wachstum der Torfmoose entstehen,
werden als Hochmoore, bzw. als Regenmoore bezeichnet.

Sie stellen nährstoffarme, nasse und auch saure Lebensräume dar, da die Torfmasse das gespeicherte Wasser
bei der Aufnahme von Nährsalzen ansauern. Neben Torfmoosen kommen in den Regenmooren Wollgras,
Moosbeere, Sumpfrosmarin und der insektenfangende Sonnentau vor.

Neben den Regenmoorbereichen gibt es im Wurzacher Ried entlang der Fließgewässer, die sich im
Einzugsbereich von kalk- und mineralreichem Wasser befinden, auch Grundwasser- bzw. Übergangsmoore.
Diese Gebiete sind sehr nährstoffreich und bieten vielen Pflanzen ideale Bedingungen. So finden sich in diesen
Bereichen Pflanzen wie Mehlprimel, Fettkraut, Blutauge, Fieberklee, Sumpfherzblatt, Teufelsabbiss,
Schwalbenwurzenzian und verschiede-ne Orchideensorten. Desweiteren findet sich dort eine Vielzahl von
Insektenarten sowie seltene Vogelarten wie die Bekassine oder der Wachtelkönig.

In den Randgebieten befinden sich die Riedwiesen, die durch jahrhundertelange extensive Nutzung entstanden
sind. In den letzten Jahrzehnten unterlagen diese einer starken Nutzungsintensivierung, d.h. sie wurden
mehrmals im Jahr gemäht. Zudem wurden die Wiesen zur Ertragssteigerung gedüngt, was einen großen Verlust
der Artenvielfalt zur Folge hatte.

In den letzten Jahren kehrt man verstärkt zur extensiven Nutzung der Riedwiesen zurück. Dies wird zum einen
durch den Ankauf von Land erreicht, zum andern werden Pflegeverträge mit den ansässigen Landwirten
abgeschlossen. In diesen Verträgen verpflichten sich die Landwirte, die Riedwiesen maximal zwei Mal jährlich zu
mähen, sowie auf Düngung zu verzichten.

Dadurch sollen die Riedwiesen allmählich wieder zu den artenreichen Standorten werden, die sie einst waren.
Die Wiesen dienen dann als Pufferbereich zwischen dem Wurzacher Ried und der das Ried umgebenden

Tag 7 – Seite 11
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Landschaft. Die Riedwiesen werden auch als Streuwiesen bezeichnet, da das Mähgut früher als Stallstreu
verwendet wurde.

Nutzungsgeschichte des Wurzacher Riedes:

Seit dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts begann man Teile des Riedes mit Hilfe von Gräben zu entwässern.
Seit dem letzten Drittel des 18. Jh. wurde auch Torf gestochen. Ab 1850 gab es mehrere Versuche einer großflä-
chigen Entwässerung des Riedes, was aber am großen finanziellen Aufwand scheiterte. Es wurden aber weiter-
hin Entwässerungskanäle angelegt und verstärkt Torf abgebaut. Mit der Gründung des Waldburg- Wur-
zach`schen Torfwerks 1880 begann der industrielle Torfabbau. Zwischen 1901 und 1906 waren bis zu 90 Perso-
nen in dem Werk beschäftigt. Der Torfabbau fand auf einer Fläche von 40 ha statt. In den 1920er Jahren wurde
aufgrund des Brennstoffmangels der Torfabbau weiter intensiviert. Dazu wurden weitere 200 ha Moorkiefernwald
gerodet. 1922 lag die Menge des Torfabbaus bei 213.000 Zentnern.

In den späten 30er Jahren wurde der Torf in Bad Wurzach auch für Moorbadekuren genutzt. Der Torfabbau und
die damit vorhandenen Energieträger erwiesen sich auch als Standortvorteil für die energieintensive Glasindust-
rie. So siedelte sich 1946 die Oberland Glasfabrik im Bereich der Abbaugebiete an.

Ab Beginn der 1960er Jahre wurde nur noch Badetorf für die Wurzacher Kurbetriebe abgebaut. 1995 kam der
Torfabbau ganz zum Erliegen. Torf für medizinische Zwecke wird nur noch im Reicher Moos abgebaut.

In den letzten 15 Jahren fanden Maßnahmen zur Renaturierung des Riedes statt. In den Jahren 1987- 1997 wur-
den insgesamt 15 Mill. Euro von Bund, Land und dem Landkreis Ravensburg zur Verfügung gestellt. Mit diesen
Geldern wurden einerseits Flächen erworben, um beispielsweise die Riedwiesen zu renaturieren, andrerseits
wurden die Gelder zur Wiederherstellung der ursprünglichen Wasserverhältnisse eingesetzt. Es wurden also die
zur Torfgewinnung angelegten Entwässerungsgräben wieder abgebaut, um die natürlichen Bedingungen, die in
einem Moorgebiet vorherrschen wiederherzustellen.

Besonders störungsempfindliche Bereiche wurden auch durch Besucherlenkungsmaßnahmen entlastet. So wird


sichergestellt, dass interessierte Besucher Zugang zum Ried haben und somit auch das Wissen und das Be-
wusstsein der Bevölkerung für das Wurzacher Ried erweitert wird und zugleich das Biotop keinen Schaden durch
die Besucherströme erleidet.

Standort 9: Altusried

Thema am Standort Altusried war die Grünlandwirtschaft im Allgäu. Die Landwirtschaft im Allgäu besteht zum al-
lergrößten Teil aus Grünlandwirtschaft. Ziel dieser Wirtschaftsform ist die Milchproduktion, die zum großen Teil zu

Tag 7 – Seite 12
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Käse weiterverarbeitet wird. Ursache für diese Form der Landnutzung sind zwei historische Prozesse, die in die-
sem Raum stattgefunden haben: Die Vereinödung und die Vergrünlandung. Diese beiden Prozesse sollen im
Folgenden erklärt werden.

Mit dem Begriff der Vereinödung ist die Bildung von Einzelhöfen mit Einödflur gemeint, die zuvor als Gruppen-
siedlungen mit Gemengeflur organisiert waren. Die Vereinödung entstand als Reaktion auf die Folgen der Real-
teilung, die keine rentable Landwirtschaft mehr ermöglichte. In Extremfällen wurde im Rahmen der Realteilung
ein Hof in bis zu acht oder neun Teile zerschlagen. Der Feldbesitz wurde somit für den einzelnen Bauern von
Generation zu Generation kleiner. Zudem war der Feldbesitz der einzelnen Bauern häufig sehr zerstreut gelegen.

Der Prozess der Vereinödung vollzog sich bereits ab Mitte des 16. Jahrhunderts und hatte seinen Ursprung in
Kempten. Vor Ende des 17. Jahrhunderts handelte es sich aber nur um sporadische Ansätze und Versuche. Als
eigentliche Zeit der Vereinödung gilt die Zeit von 1688- 1837. Die durchschnittliche Zeit für die Aussiedlung eines
Hofes, also vom Abbrechen, Abtransport und Wiederaufbau eines Hofes betrug eine Woche.

Die Vorteile die durch den Prozess der Vereinödung erzielt werden konnten waren folgende Punkte:

• Ein zusammenhängendes Stück Land lässt sich rationeller, d.h. billiger, gründlicher und mit weniger Ar-
beitskräften bewirtschaften als ein zersplitterter Streubesitz

• Dadurch, dass es nicht mehr so viele Grenzen zu den einzelnen Feldern gibt, ergeben sich weitere Vor-
teile:

• Schnellerer Zugang zum Feld

• Mehr Unabhängigkeit für den einzelnen Bauern (da weniger Rücksichtnahme erforderlich)

• Durch den Wegfall von Grenzen, Zäunen und Wegen konnte insgesamt mehr Land genutzt werden

Die später flächenhafte im Allgäu durchgeführte Maßnahme der Vereinödung ergab folgende Konsequenzen für
den Raum:

• Weiden wurden zu Wiesen

• Einmähdige Wiesen wurden zu zweimähdigen

• Mehr Vieh konnte gehalten werden

• Der vermehrte Dünger ergab besseres Futter

Der zweite wichtige Prozess der sich im Allgäu vollzog ist die Vergrünlandung, die ab der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts große Bedeutung erlangte. Vergrünlandung bedeutet, dass der größte Teil der landwirtschaftlichen
Nutzflächen auf Kosten des Ackerbaus auf Dauergrünlandwirtschaft umgestellt werden.

Ausgangspunkt für die Vergrünlandung war eine in ganz Europa ab 1750 einsetzende Klimaverschlechterung, die
das gesamte 19. Jahrhundert durch feuchtere Sommer und kältere Winter beherrschte. Damit wurde der zuvor im
Allgäu häufig betriebene Ackerbau erheblich erschwert.

Tag 7 – Seite 13
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Verteilung der landw. Nutzfläche 1983 (in %)

Landkreis Ackerland Grünland Sonstiges

(vorw. Sonderkulturen)

Konstanz 53,4 44,1 2,5

Bodenseekreis 38.0 49,0 13,0

Ravensburg 23,2 75,2 1,6

Ein weiterer Grund für die oben bereits angesprochene zunehmende Unrentabilität der Landwirtschaft war das
Wegbrechen des Marktes für Produkte aus Flachs. Der Flachsanbau und dessen Verarbeitung zu Leinen stellte
lange Zeit die Haupteinnahmequelle der Bauern im Allgäu dar. Der Markt für solche Produkte brach aber durch
die zunehmende Industrialisierung Englands und die dort entstehende Baumwollindustrie zunehmend weg. Auch
das war ein Grund für die Umstellung auf Grünlandwirtschaft. So spricht man im Rahmen der Vergrünlandung
von einem Wandel vom blauen (Flachsanbau) zum grünen (Dauergrünlandwirtschaft) Allgäu.

Mit dem Einzug der Grünlandwirtschaft und damit der Milchwirtschaft in den Allgäuer Raum kam auch der Käse-
herstellung eine immer bedeutendere Rolle zu. Da aber die Käseherstellung zuvor kaum Tradition in dem Raum
hatte, musste das „Know How“ zur Käseherstellung erst importiert werden. Dies geschah durch die Übernahme
der Emmentaler Käserei nach Schweizer Vorbild (1827) und der Limburgerkäserei (um 1830) aus Belgien.

Durch Vereinödung und Vergrünlandung ergibt sich das für das Allgäu so typische Sieldungsbild von Einzelhöfen,
deren Flächen (Einödfluren) als Wiesen und Weiden genutzt werden.

Ab den 1960er Jahren vollzog sich im Allgäu ein starker struktureller Wandel hinsichtlich der Milchverarbeitung.
Die kleinen Molkereien, die bis dahin in jedem Dorf bzw. Weiler vorhanden waren wurden weitestgehend stillge-
legt und durch wenige milchindustrielle Großbetriebe ersetzt. Die Milchabholung erfolgte von diesem Zeitpunkt an
ausschließlich über Tankwägen.

Tag 7 – Seite 14
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Abb. 7-3: Quelle: Wetzel, J. (Hrsg.) (2003) Seytritz 1 Geographie. Hannover: Schroedel

Ab Mitte der 1980er Jahre wurden von Seiten der EU Ablieferungshöchstmengen (Kontingente) zur Eindämmung
der Überschussproduktion von Milch eingeführt. Diese Maßnahme der EU traf das Allgäu empfindlich, auf Grund
der wirtschaftlichen Monostruktur, die fast ausschließlich auf Milcherzeugung ausgerichtet war. So sank die Zahl
der Rinder im Landkreis Oberallgäu von 1986 bis 1991 um 4,7%, die Milchanlieferung in bayerischen Molkereien
sank von 8,077 Millionen Tonnen im Jahr 1985 auf 7,455 Millionen Tonnen im Jahr 1993.

Zur Kompensation der Einnahmeverluste im Bereich der Milchwirtschaft wurde stärker auf die Direktvermarktung
der Alpmilchprodukte gesetzt, um die Wertschöpfung der Produkte zu erhöhen. Die Direktvermarktung von Berg-
käse zum Beispiel erfolgte in großem Maße über Touristen, die ins Allgäu kamen.

Im Zuge des strukturellen Wandels erfolgte ein erheblicher Ausbau des Allgäus als Tourismusregion mit Angebo-
ten wie beispielsweise Ferien auf dem Bauernhof.

Literatur

Birkenfeld H. (1994) Ulmer Geographische Hefte 9: Plätze der Ulmer Altstadt. Ulm: Birkenfeld

Birkenfeld H. (1990) Ulmer Geographische Hefte 7: Blick vom Ulmer Münster. Ulm: Birkenfeld

Böcker, R. (1997) Agrarforschung in Baden-Württemberg Band 28: Erfolgskontrolle im Naturschutz am Beispiel


des Moorkomplexes Wurzacher Ried. Stuttgart

Borcherdt, Christoph (1983) Geographische Landeskunde von Baden-Württemberg. Stuttgart: Verlag W. Kohl-
hammer

Der Brockhaus: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG. Mannheim 2001

Tag 7 – Seite 15
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Gebhardt H. (1979) Die Stadtregion Ulm/ Neu-Ulm als Industriestandort. Tübingen: Im Selbstverlag des Geogra-
phischen Instituts der Uni Tübingen

Holland, Y.J., Strassel, J. (1996) Zur semantischen Analyse neuerer öffentlicher Plätze in europäischen Städten.
Oldenburg

Husemann J. (1994) Gutachten zur Einzelhandels- und Dienstleistungsentwicklung in Ulm. Ulm: Husemann
Kommunal- und Wirtschaftsberatung

Löffelad, P. (1992) Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm Band 8- Flurnamen der Stadt Ulm und deren Be-
deutung. Stuttgart: Kommissionsverlag W. Kohlhammer

Morsbach, P. (1999) Oberschwaben und Schwäbische Alb. Köln

Müller, T.; Hrsg. Schwäbischer Albverein (1983) Südöstliches Oberschwaben – Westallgäu. Stuttgart

Pflüger, H. (1991) Stadtführer Ulm. Bindlach

Schaller, P. (1998) Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm Band 27- Die Industrialisierung der Stadt Ulm
zwischen 1828/34 und 1875. Stuttgart: Kommissionsverlag W. Kohlhammer

Schürle W. (1998) Wirtschaftsgeschichte im Raum Ulm. Ulm: Süddeutsche Verlagsgesellschaft Ulm

Specker H.E. (2002) Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm Band 11- Die Bestände des Stadtarchivs Ulm.
Stuttgart: Kommissionsverlag W. Kohlhammer

Stadt Ulm Information 1: Die Geschichte der Stadt Ulm (2004) Stadt Ulm, Zentrale Dienste (Hrsg.)

Stadt Ulm Information 2: Der Ulmer Schwörmontag (2001) Stadt Ulm, Zentrale Dienste (Hrsg.)

Stadt Ulm Information 3: Die Ulmer und ihr Münster (2003). Stadt Ulm, Zentrale

Dienste (Hrsg.)

Wetzel, J. (Hrsg.) (2003) Seytritz 1 Geographie. Hannover: Schroedel

Internetquellen:

www.naturschutzzentrum-bw.de/servlet/PB/menu/1100248/index.html

Tag 7 – Seite 16
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Stefanie Lorenz und Achim Kisseler


Protokoll vom 17.8.2004

Altusried – Illerdurchbruch bei Kalden – Kreuzbühl – Goßmannshofen – Bossarts – Wolfertschwenden – (Kemp-


ten) – (Pfronten) – Burgruine Falkenstein –(Haldensee) – Gaichtpass -Schattwald

Naturräumliche Einordnung

Naturräumlich lässt sich das Alpenvorland zwischen der Schwäbischen Alb und den Kalkalpen in drei große Be-
reiche untergliedern. An die im Süden gelegene Moränenlandschaft schließt sich im Nord-Westen die Iller-Riss
Platte und im Nord- Osten die Iller-Lech-Platte an. Die Grenze zwischen den beiden Terrassenlandschaften bildet
die Iller. Die Bezeichnung „Platte“ ist für dieses Gebiet üblich, da sich die Teilbereiche seit dem jüngsten Tertiär
in unterschiedlich starker Hebung befinden.

Standort 1: Illerdurchbruch bei Kalden

Landeskoordinatensystem RW: 3589971 HW: 5299136


UTM Easting: 32 T 0589861 Northing: 5297459
Höhe: 721m N.N.

Die Iller nimmt ihren Ursprung in den Nördlichen Kalkalpen und durchfließt auf ihrem weiteren Weg das Morä-
nengebiet des Illervorlandgletschers. Bei Kalden durchbricht sie die Endmoräne der Würmeiszeit (Standort 1) und
fließt dann weiter durch breite Schotter gefüllte, tief in die Tertiäroberfläche eingeschnittene Schmelzwassertäler
und mündet schließlich mit einem großen Schwemmfächer bei Ulm in die Donau.

Während der letzten Kaltzeit gliederte sich der Illervorlandgletscher in drei verschiedene Loben auf. Diese sind
von West nach Ost der Altusrieder Lobus, der Dietmannsrieder Lobus und der Wilpoldsrieder Lobus. Nach dem
Maximum der Würmkaltzeit vor etwa 20.000 Jahren zog sich das Eis von den äußersten Endmoränenwällen zu-
rück, wodurch sich die Abflussbedingungen für die Schmelzwässer radikal änderten. Während sich das Wasser
zuvor an vielen Stellen aus zahlreichen Gletschertoren über die Endmoräne nach Norden hin ergoss, sammelte
sich das Wasser jetzt in einem Netz von Schmelzwasserrinnen und kleineren Stauseen zwischen Eis und Morä-
ne. Nur an wenigen, besonders niedrigen Stellen lief das geklärte (geschiebefreie) Schmelzwasser über die
Endmoräne.

Tag 8 - Seite 1
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Entsprechende Überläufe finden sich im Falle des Illergletschers bei Kalden (nord-östlich von Altusried / Standort
1), am Ziegelberg (nördlich von Dietmannsried) und im Immenthal (südlich von Obergünzburg).

Vergleiche hierzu Abbildung 18 der Seite 8/14 der Materialsammlung: Rückzug des Iller-Vorlandgletschers im
ausgehenden Hochglazial.

Im Verlauf des weiteren Abschmelzens der Vorlandgletscher entstand im Bereich der Zungenbecken des Altus-
rieder und Dietmannsrieder Lobus der Kemptener See. Der Wasserspiegel des proglazialen Endmoränenstau-
sees lag etwa 690 m hoch und hatte seinen einzigen Abfluss bei Luiblings. Die Iller tiefte sich allerdings innerhalb
weniger Jahrtausende so stark in die Endmoräne ein, dass der See noch vor dem Ende des Hochglazials trocken
fiel. Auch im Wilpoldsrieder Becken entstand ein See, der heute verlandet ist, der Wilpoldsrieder See.

Die Fläche des ehemaligen Kemptener Sees lässt sich anhand der Verebnungsfläche zwischen Altusried, Di-
poldsried und Krugszell, sowie der seewärts geschichteten Kiese und Sande (Deltakiese) die im Bereich Kemp-
tens oft in Baugruben aufgeschlossen werden, nachweisen. Bei den Deltakiesen unterscheidet man zwischen
den am Seeboden abgelagerten „bottom set beds“, den schräggeschichteten „fore set beds“ und den darüberlie-
genden „top set beds“. Der ehemalige See wurde also durch die Schotter der Schmelzwässer des Gletschers von
Süden her aufgefüllt, die nördlich davon gelegene Verlandungsfläche entstand durch die Sedimentation von To-
nen und Schluffen (Seetone, Bänderschluffe).

Die rezente Iller durchbricht die gestaffelten Endmoränenwälle in einem etwa 2,5 Kilometer langen Durchbruchs-
tal und ist hier tief (etwa 30 bis 40m) in die Geländeoberfläche eingeschnitten. Am Prallhang des Illerdruchbruchs
bei Kalden sind die tertiären Sande und Mergel der Oberen Süßwassermolasse angeschnitten.

Standort 2: Trompetentälchen

Landeskoordinatensystem RW: 3593185 HW: 5305030


UTM Easting: 32 T 0593076 Northing: 5303347
Höhe: 699m N.N.

Östlich von Grönenbach, ca. 1km nördlich des Ziegelberges, im S-N verlaufenden Memminger Trockental, ist aus
der letzten Eiszeit ein Trompetentälchen erhalten geblieben. Die Breite des Memminger Tales weist darauf hin,
dass hier einmal viel größere Wassermassen geflossen sein müssen als heute. Rezent wird das Memminger
Trockental nur von kleinen Gerinnen entwässert, die sich kaum in die Würmschotter eintiefen, deren Mächtigkeit
die Größe der Kiesgruben zwischen Wolfertschwenden und Woringen erahnen lassen. Zwar floss hier beim Ma-
ximalstand der Würmvereisung die größte Menge Schotter führender Schmelzwässer ab, der Abfluss des Kemp-
tener Sees und die postglaziale Entwässerung fand jedoch weiter westlich statt (siehe Standort 1 und Abb. 8-1).
So fiel das erstmals hier beschriebene Trompetentälchen nicht der Erosion zum Opfer.

Tag 8 - Seite 2
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Der von hier (Standort 2) um 40m in Form einer Gefällekurve ansteigende Ziegelberg schließt die Endmoränen-
staffel nach Norden hin ab. Verfolgt man die Neigung der Schotterfläche weiter in Richtung Norden, fällt die typi-
sche Verflachung auf. Anhand der verschiedenen Neigung der Schotterflächen ist es möglich, verschiedene
Schotterfluren einzelnen Endmoränen zuzuordnen.

Als der Illergletscher seine größte Ausdehnung hatte, wurde aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit der
Schmelzwässer nahe am ehemaligen Gletschertor des Dietmannsrieder Lobus das meiste und auch grobkörnigs-
te Material akkumuliert. Das Schmelzwassersystem verlagerte das vom Gletscher aufgearbeitete Material dann
nach Norden.

Durch das Zurückschmelzen der Gletscherfront entstand zwischen derselben und den Endmoränen ein Raum, in
dem sich die Schmelzwässer (mit einem Belastungsverhältnis größer 1) sammeln konnten, an Geschwindigkeit
verloren und mitgeführte Sedimente akkumulierten. Das aus den als Sedimentfalle wirkenden proglazialen Seen
über die Ziegelberg-Endmoräne tretende Wasser konnte diese nun durchschneiden und in die davor liegende
Schotterfläche erodieren. Da die Fließgeschwindigkeit beim Austreten aus dem strömungsarmen See erst sehr
hoch ist, wirkt hier vorwiegend Tiefenerosion, während nach nur geringer Entfernung von der Stelle des Austre-
tens der vorhandene Raum genutzt wird: die Wassersäule wird geringer; damit nehmen Geschwindigkeit und Tie-
fenerosion ab. Seitenerosion setzt ein und die Abflussrinne weitet sich. Die typische „Trompetenform“ entsteht.
Verschiedene Erosionsphasen können bedingen, dass mehrere Trompetentälchen ineinander verschachtelt wer-
den.

Im Memminger Trockental folgt die Eisenbahnlinie dem Verlauf der Erosionsrinne. Östlich des Standortes hat das
Trompetentälchen eine Breite von etwa 800m und eine Höhe von mehr als 20m. Nördlich gleicht sich seine Sohle
auf über 2km der des Trockentals an, wobei es sich wenig verbreitert. Nach Süden steigen seine Wände um 30m
auf Höhe des Ziegelberges an, wobei es nur noch 200m Breite misst. Hier verläuft es sich in der Endmoränen-
staffel.

Standort 3: Auf den Spuren Penck’s

Landeskoordinatensystem RW: 3593033 HW: 5310263


UTM Easting: 32 T 0592916 Northing: 5308582
Höhe: 675m

Das Memminger Trockental gilt als Typusregion par Excellenze. Hier hat Penck seine bis heute anerkannte The-
orie der vier Eiszeiten entwickelt, die im Laufe der Zeit um verschiedene Eiszeiten ergänzt wurde. Die ursprüngli-
che Reihe von Günz, Mindel, Riß und Würm wurde zwischen den zwei Weltkriegen von Pfarrer, Geograph und
Volkskundler Bartel Eberl um die Donau-Eiszeit ergänzt. In den 50er Jahren fügte der Geologe Ingo Schäfer die

Tag 8 - Seite 3
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

noch ältere Biber-Eiszeit ein. Bis heute gestaltet sich eine genaue Zuordnung der Moränen und Terrassen spe-
ziell zu den älteren Kaltzeiten schwierig. Unter anderem wurde beispielsweise versucht zwischen Günz und Do-
nau die Haslach-Kaltzeit einzufügen. Allgemein ist davon auszugehen, dass die Abfolge der einzelnen Rück-
zugsstadien und erneuten Vorrücken der Gletscher komplizierter ist als bisher angenommen und man deshalb
besser von Kaltzeitkomplexen spricht.

Südlich von Goßmannshofen am westlichen Rand des Memminger Trockentals (Standpunkt 4) lassen sich am
Gegenhang vier verschiedene Terrassenniveaus erkennen. Das Tal selbst ist mit Würmschottern aufgefüllt, die in
zahlreichen Kieswerken abgebaut werden. Die Hochterrasse läuft zu den Talschottern hin nach Norden aus,
wurde also von diesen überschüttet und ist entsprechend älter (risseiszeitlich). In 30 bis 40 Metern darüber liegen
die Jüngeren Deckenschotter (Grönenbacher Feld) und die in der Ferne erkennbare Niveaus der Älteren De-
ckenschotter (Kronburg mit 740 Metern).

Während der Warmzeit tiefen sich die Flüsse in die Landschaft ein. Dafür lassen sich verschiedene Gründe nen-
nen: ersten transportiert der Fluss weniger Material, da sich im Interglazial auf den Böden Vegetation entwickeln
konnte. Es findet keine glaziale Förderung mehr statt und die Zungenbeckenseen dienen als Sedimentfalle. Au-
ßerdem fällt mehr Niederschlag, so dass den Flüssen mehr Wasser zur Verfügung steht. In der Übergangszeit
zwischen Warm- und Kaltzeit findet erst noch Erosion statt, bevor dann die kaltzeitliche Aufschotterung beginnt
und die Schmelzwässer mit der glazial aufgearbeiteten Fracht ihr Bett wieder aufschottern. Der Grund für die im-
mer tiefere Einschneidung im Bereich des Memminger Trockentales ist die Hebung des Gebietes seit dem jüngs-
ten Tertiär, über die Höhe des Vorfluters (Donau).

Infolgedessen erhielten sich hier die älteren Terrassenschotter. Die Hebung des Gebietes stellt auch den ent-
scheidenden Unterschied zur Situation am Oberrhein dar. Hier senkte sich der Graben im Laufe der Zeit immer
tiefer ein, so dass nur die holozäne Niederterrasse, aber keine älteren Terrassen erhalten geblieben sind (Aus-
nahmen bilden die gehobenen Randschollen). Entsprechend kann man im Memminger Trockental vier Niveaus
der Terrassenschotter erkennen, die erstmals von Penck als Niederterrasse, Hochterrasse, Jüngere und Ältere
Deckenschotter beschrieben wurden. Die besondere Bedeutung der Region kommt in einem Rückblick in
Penck’s Memoarien wunderbar zum Ausdruck:

„Unvergesslich wird mir der Abend sein, als ich von Obergünzburg kommend, unfern Wolfertsschwenden, am
Rande des Memminger Trockenthales stand. Der weite Weg hatte mich ermüdet, die Füße schmerzten und in
dem Winter ungewohnt gewordenen schweren Schuhwerk. Unter mir sah ich die seit 1881 wohlbekannten Hoch-
und Niederterrassen, ich selbst stand auf der Schotterdecke, deren Fortsetzung drüben am anderen Gehänge
etwa in gleicher Höhe erwartet werden sollte. Statt dessen sah ich eine erheblich tiefere Hochfläche, überragt von
zwei einzelnen Tafelbergen, der weithin das Land beherrschenden Kronburg und dem Hohen Rain, hinter denen
die Sonne eben sank. Da wurde mir mit einemmale klar, dass die Schotter auf jenen Tafelbergen keinesfalls, wie
bislang angenommen, mit der tieferen Hochfläche des Schlosses Grönenbach gleichgestellt werden können. Es
kamen nun unvergesslich schöne Tage...ununterbrochenen Wanderns....mit der Sicherheit, dass um Memmingen
zwei verschiedene Deckenschotter vorhanden sind, die sich ähnlich zueinander verhalten wie die Hoch- und Nie-

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

derterrassenschotter. Es sind demnach hier nicht bloß drei, sondern vier Schotter voneinander zu trennen; einen
jeden hatte ich bis zu seinem Contacte mit Moränen verfolgen können, sodass nunmehr mit Sicherheit von vier
Eiszeiten gesprochen werden durfte.“ [zitiert aus: Stepp, 1981]

Standort 4: Hof Bossarts (Böhener Feld)

Landeskoordinatensystem RW: 3594090 HW: 5310092


UTM Easting: 32 T 0593984 Northing: 5308410
Höhe: 749 m

Das Böhener Feld ist nach dem Ort Böhen benannt, das zentral in der Mitte der ebenen Hochfläche liegt, die
nach Norden um durchschnittlich 12 Promille geneigt ist. Die Fläche erstreckt sich über 12km und misst zwi-
schen 1,5km und 4km Breite. Penck bezeichnete die Ältere Deckenschotterebene als „Hochfeld“.

Hier lässt sich ein leicht nachvollziehbarer Beweis dafür finden, dass die höher gelegenen Schotter die älteren
sind: Teile von Moränen sind auf den alten Schotterflächen nachweisbar! Nämlich müssen diese dann abgelagert
worden sein, als das Hochfeld schon bestand und bei jüngerer und größerer Vereisung die Eismassen zwischen
Dietmannsrieder und Wildpoldsrieder Zunge (Abb. 28) bis auf den Schotterrücken aufgeschoben wurden. Mehre-
re Phasen der Mindelvereisung ließen auf dem Böhner Feld Moränenwälle entstehen, die sich auf die donaueis-
zeitlich datierten Deckenschotter aufgeschoben haben. Sogar von späteren Eisvorstößen überfahrene Wälle las-
sen sich finden. Ein Anzeichen für die Labilität der Gletscherstände.

Weitere Indizien zur Altersbestimmung und Parallelisierung seien hier genannt: man kann Deckenschotter ver-
schiedener Zeiten anhand ihrer Verwitterung, aber auch nach ihrer Neigung und Materialzusammensetzung ein-
ordnen. Der Löß, der regelmäßig periglazial von den Gletscherfallwinden aus den Schotterfluren ausgeweht und
auf den teilweise schon bewachsenen älteren Schottern abgelagert wurde und dann verwitterte, lässt (z.B. an-
hand der Anzahl der Paleoböden) eine aufschlussreiche Stratigraphie zu (z.B. [7]). Eine wichtige Methode zur
Parallelisierung ist der Vergleich der Höhenlagen der Schotterflächen mit Rücksicht auf ihre nordwärts gerichtete
Neigung. Die erodierende Wirkung der Bäche, die entsprechend der Neigung der Hochflächen nach Norden ab-
fließen und sie so in verschiedene Teilbereiche gliedert, gibt weitere Hinweise auf die Geschehnisse der Vergan-
genheit. Gelingt die Fortsetzung der Moränenwälle auf neben liegenden Höhenrücken, kann der postglazial aus-
geräumte Teil der Wälle im dazwischen liegenden Tal rekonstruiert werden (siehe hierzu Stepp (1981)).

War die von Penck benannte Anzahl von „mindestens“ vier Eiszeiten noch sehr übersichtlich (er bezeichnete alle
älteren Schotter, die er noch nicht einordnen konnte, als „Prägünz-Schotter“), spricht man heute von acht Kom-
plexen, die sich in mindestes 20 Kaltzeiten und zugehörige Interglaziale gliedern lassen. Genaueres weiß man
nur über die jüngeren und jüngsten Riß- und Würm-Eiszeitklomplexe. Es erweist sich z. T. als sehr schwierig, äl-

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

tere glaziale Spuren Komplexen oder gar Eiszeitstadien zuzuordnen. Die Schotter, aus denen das nördliche Bö-
hener Feld besteht, sind noch 1981 von Stepp „nachgewiesener weise“ als Günzschotter eingestuft worden, bei
Scholz 1995 als donaueiszeitlich.

Möchte man weitreichendere Informationen über die Kaltzeiten im Quartär erhalten, reicht die geomorphologi-
sche Analyse allein nicht aus. Zur absoluten Datierung werden klimatologische Untersuchungen herangezogen.
Die Sauerstoffisotopen-Methode angewandt auf Eiskernbohrungen und Auswertung von Tiefsee- und Landbohr-
kernen belegen die Temperaturveränderungen der letzten rund eine Million Jahre, lassen sich aber nur sehr ein-
geschränkt mit den Ergebnissen aus dem Alpenvorland korrelieren (vgl. z. B. die Nicht-Parallelisierbarkeit der äl-
teren Eiszeiten für Nord- und Süddeutschland bei Scholz (1995), S.224). Eine weitere Methode stellt die Pollen-
analyse aus Torfproben dar, die es ermöglicht, über die Entwicklung der Vegetation Rückschlüsse auf die Klima-
entwicklung zu bekommen.

Siehe Materialsammlung Seite 8/6 Abbildung 5 (Scholz 1995): Die klassische Quartärgliederung im Alpenvorland.

Standort 5: Geologische Orgeln

Landeskoordinatensystem RW: 3595331 HW: 5307757


UTM Easting: 32 T 0595235 Northing: 5306063
Höhe: 752 m

Über den Ältesten Deckenschottern liegen mächtige Verwitterungsdecken die einige zehner Meter mächtig wer-
den können. Der Boden ist allerdings völlig entkalkt, da alle Kalk- und Dolomitkomponenten in Laufe der Zeit
durch Huminsäuren aufgelöst werden. Wo das Regenwasser durch Klüfte und Spalten bevorzugt in die zu einem
Konglomerat verbackenen Schotter versickert, können die lehmigen Verwitterungsdecken trichter- oder taschen-
artig in die noch unzersetzten, tieferen Teile des Schotterkörpers hineinragen. Diese Erscheinungsform der Ver-
witterung bezeichnet man als „Geologische Orgeln“, da die Verwitterungsschlote wie Orgeln tief in die fest verba-
ckenen Schotterkörper hineinragen.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 6: Burgruine Falkenstein

Landeskoordinatensystem RW: 4394128 HW: 5271020


UTM Easting: 32 T 0619716 Northing: 5269632
Höhe: 1148 m

Eisstromnetz

„Schloss Falkenstein“ westlich von Pfronten ist auf einem OW-verlaufenden Gesteinszug gelegen, der sich über
8km Breite erstreckt. Der Berg liegt auf der Grenze zwischen Alpen und Alpenvorland (falsch, liegt in den Alpen,
Grenze ist weiter nördlich!) Östlich von ihm fließt die Lech in das flache Molassegebiet, westlich die Vils Richtung
Süd und dann parallel Richtung Osten in die Lech.

In den letzten Vereisungsphasen verließ hier der Lechgletscher - sowohl westlich bei Pfronten als „Wertachglet-
scher“, als auch bei Füssen östlich des Falkensteinzuges - das Gebirge und breitete sich als Lechvorlandglet-
scher nach Norden aus. Im Osten war er seitlich mit dem Isar-Loisach-Gletscher verbunden. Der Gletscher aus
dem Wertachtal ist bis Pfronten als eigenständig anzusprechen. Als so genannter Wertach-Lech-Gletscher waren
beide auf fast der ganzen Seite mit dem Illergletscher verbunden, der auch schon in den Allgäuer Alpen den Wer-
tachgletscher nährt.

Vergleiche hierzu Abbildung 28 der Materialsammlung auf Seite 8/21: Das Alpenvorland zwischen Bodensee und
Isar während des Vereisungsmaximums.

Das Nährgebiet des Illergletschers reichte bis weit über den Ursprung der Iller hinaus (welche übrigens keine ei-
gene Quelle besitzt, sondern in mehreren kleinen Zuflüssen ihren Anfang findet). Wie Scholz beschreibt, erreich-
te der Illergletscher nicht östlich der Adelegg in den angesprochenen Loben sein Maximum. Vielmehr gelangte
das Eis auch aus seinem Hauptnährgebiet westlich des Bregenzer-Ach-Gletschers in Verbindung mit dem
Rheingletscher ins Alpenvorland.

Vergleiche hierzu Abbildung 19 auf Seite 8/15 der Materialsammlung: Der Südrand des Molassebeckens im Un-
ter- und Westallgäu, kurz nachdem das Alpenvorland im Untermiozän vom Meer der Oberen Meeresmolasse ü-
berflutet worden war. Quelle: Scholz (1995)

Die Adelegg entstand zwischen Oligozän und Miozän als Schwemmfächer der Uriller, welche etwa 10km westlich
des heutigen Illerlaufes am Alpenrand in das Molassemeer mündete. Durch das nach Norden Drängen der Alpen
und die damit verbundene Faltung und Stauchung des Vorlandes auf der einen Seite und durch die erodierende
Wirkung der Vereisungen auf die weichere Molasseschicht auf der anderen, wurde der Hochgrad-Adelegg
Schwemmfächer relativ aus der Molasse gehoben. Bedeutend ist die Adelegg deshalb, weil sie den Rheinglet-
scher vom Illergletscher abtrennte. Lediglich bei den großen Vergletscherungen berührten sich beide an ihrem

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

nördlichen Ende. Das bedeutet, dass die Spuren der Illervergletscherung nicht vom mächtigen Rheingletscher
verwischt werden konnten und so zur Rekonstruktion der Eiszeiten erhalten geblieben sind.

Über die größte Vergletscherung heißt es in Scholz (1995) auf Seite 202 anschaulich: „In der letzten und vorletz-
ten Eiszeit wäre es grundsätzlich möglich gewesen, auf Hundeschlitten vom Blender bei Kempten über Mark-
oberdorf, Schongau und Weilheim nach München zu fahren. Hoch über der heutigen Landschaft wäre man auf
den Vorlandgletschern unterwegs gewesen, einer von Spalten und dunklen Schuttrücken durchzogenen, grau-
grünen, sanft nach Norden hin abfallenden, welligen Ebene. Zwischendurch hätten wir auf der Eisoberfläche grö-
ßeren Spalten und grünweißen Schmelzwasserseen ausweichen müssen, gelegentlich auch einmal einen rei-
ßenden Schmelzwasserbach überqueren müssen. (...)“

Die alpine Vereisung spielt allerdings in weltweiten Betrachtungen eine eher untergeordnete Rolle: sie fällt unter
die Kategorie „mountai-valley glaciations“ für ganz Eurasien. Im Hochwürm entfielen von der geschätzten vereis-
ten Fläche von 36.581.800km² nur etwa 0,4% auf den Alpenraum (Benz, 2003).

Geologie am Alpenrand

Wie man der Geologischen Karte der Allgäuer Alpen entnehmen kann liegt die Burgruine Falkenstein im Wetter-
stein Kalk des Oberostalpins. Östlich der Ruine stehen am Berg die Raibler Schichten und der Hauptdolomit der
Karn Zeit an, die sich nach Osten hin verbreitert fortsetzen. Auf die sich im Norden anschließenden Ostalpinen
Branderfleck und Losensteiner Schichten folgt der Flysch. Drei bis vier Kilometer weiter nördlich folgt darauf das
Helvetikum und die subalpine Molasse (Alpenvorland). Man kann also an dieser Stelle die Abfolge Kalkalpin,
Flysch, Helvetikum, Molasse festhalten.

Auffallend an der Geologie der Allgäuer Alpen ist die weiter östlich gelegene sogenannte „Allgäu Wende“. Hier
weicht die Nordgrenze des Kalkalpins, die im gesamten bayrischen Alpenanteil recht nah am Nordrand des Ge-
birges verläuft (wie an der Burgruine Falkenstein) plötzlich um fast 30km nach Süden zurück.

Standort 7: Gaichtpass

Landeskoordinatensystem RW: 4395758 HW: 5259475


UTM Easting: 32 T 0621780 Northing: 5258150
Höhe: 1143 m

Bei Rauth am Gaichtpass mündet das Tannheimer Tal in das Lechtal in einer relativen Höhe von fast 350m. Der
Lechgletscher reichte, noch während er im Jungwürm abschmolz, bis über die Höhe des Passes hinaus. Man
kann davon ausgehen, dass, als er das Tal der Nesselwängler Arche nicht mehr konfluierte, aufgrund der Größe
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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

seines Einzugsgebietes im Lechtal immer noch bestand und einen Teil seiner Schmelzwässer in dem Tal staute.
Der Eisstausee reichte im Westen bis zum Haldensee, der die höchste Stelle des Tales markiert.

Der See musste über längere Zeit stabil bestanden haben, was folgende Beobachtung erklärt: ein mehrere Dm
hoher Materialanstand, beiderseitig des Tales kurz oberhalb des Passes, ist der Rest des Schwemmkegels, der
vom Eis und Schmelzwasser angehäuft und bis heute nicht ausgeräumt wurde. Die ebenen Oberflächen bei
Rauth und bei Gaicht auf beidseitig des Tales befinden sich in etwa auf dem Niveau des Haldensees. Dort lag
vermutlich das Ende des Sees.

Literatur

Benz, C. (2003): Der würmzeitliche Rheingletschermaximalstand.

Birkenhauer, J. (1989): Exkursionsberichte – Eiszeiten an der Iller. In: Mitteilungen d. geogr. Ges. München, Bd.
74, S. 170-174.

Eberl, B. (1930): Die Eiszeitenfolge im nördlichen Alpenvorlande.

German, R. (1959): Die Würmvereisung an Rhein- und Illergletscher zwischen Federseebecken und Günztal.
Bayr. Geol. LA (Nr. 43)

Jerz, H. (1993): Das Eiszeitalter in Bayern. Geologie von Bayern II. Stuttgart.

Leser, H. (Hrsg.) (1997): Wörterbuch Allgemeine Geographie.

Liedtke, H. / Marcinek, J. (Hrsg.) (2002³): Physische Geographie Deutschlands. Stuttgart.

Penck, A. / Brückner, E. (1909): Die Alpen im Eiszeitalter. Bd. 1, Leipzig.

Rathjens. C. (1954): Das Problem der Gliederung des Eiszeitalters in physisch-geographischer Sicht.

Rögner, K.; Lösder M.; Zöller, L. (1988): Stratigraphie, Paläogeographie und erste Thermoluminieszenzdatie-
rungen i. d. westl. Iller-Lech-Platte. In: Themenheft Alpen und Alpenvorland, Suppl. Bd. 70.

Scholz, H. (1995): Bau und Werden der Allgäuer Landschaft. Stuttgart.

Stepp, R. (1981): Das Böhener Feld. In: Mitteilungen d. geogr. Ges. München, Bd. 66, S. 43-68.

Internet

Sprenger, W. (2003): Geologie und Flussgeschichte der Iller.

<http://www.bayern.de/wwakru/pages/iller/iller_00.htm> 10-06-2004.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Johannes Häbel und Isabel Szabó


Protokoll vom 18.8.2004

Tannheim – Älpele – Gaishorn - Vilsalpsee

Standort 1: Parkplatz Wiesle (Tannheim)

Landeskoordinatensystem RW: 4387736 HW: 5263360


UTM Easting: 32 T 0613617 Northing: 5261719
Höhe: 1102m

Der Exkursionstag beginnt mit einer kurzen Übersicht über die Wanderroute. Diese ist in der Abbildung 12 auf S.
9/10 abgebildet. Die Wanderung findet im Tannheimer Tal statt und verläuft von Tannheim-Wiesle bei 1097 m ü.
NN, über den Gipfel des Gaishorns, mit 2249 m ü. NN, bis wieder hinab zum Vilsalpsee auf 1148 m ü. NN. Beim
Aufstieg zum Gaishorn können die vertikal gegliederten Höhenstufen der Vegetation gut erkannt werden. Sie sind
durch klimatische Änderungen mit zunehmender Höhe zustande gekommen und weisen einen charakteristischen
Pflanzenbewuchs auf. Auf der Abbildung 2 der S. 9/7 kann man erkennen, dass die Höhenstufen in den Zentral-
alpen im Vergleich zu den nördlichen und südlichen Randalpen ansteigen. Dieses Phänomen ist zum einen durch
den Massenerhebungseffekt und zum anderen durch die höhere Kontinentalität im zentralen Bereich der Gebirge
zu erklären. Der Massenerhebungseffekt beschreibt die Gegebenheit, dass große Gebirgsmassive mächtigere
Heizflächen in den zentralen Bereichen besitzen als isoliert stehende Berge. Die kurzwellige Strahlung kann so-
mit effektiv in den Boden- und Gesteinspaketen gespeichert werden und wird wieder als fühlbare Wärme an die
bodennahen Luftschichten abgegeben. Massenerhebungen erwärmen sich im Sommer und am Tag mehr und
besitzen im Winter und in der Nacht eine größere Ausstrahlung als isoliert stehende Berge. Die inneralpinen Ge-
biete sind klimatisch auch durch die schützende Wirkung der Nord- und Südalpen (vor Wettereinflüssen des At-
lantiks) begünstigt. Kennzeichnend für diese höhere Kontinentalität sind längere Vegetationsperioden, eine höhe-
re Strahlung, eine reduzierte Schneedeckendauer und große Temperaturschwankungen im Tages- und Jahres-
gang.

Der Abbildung 1 auf S. 9/7 ist zu entnehmen, dass sich die Diversität der Vegetation vertikal verändert. Auffallend
ist hierbei, dass die Artenvielfalt mit dem Einsetzen des Waldgrenzökotons (Übergangsbereich) oberhalb der
Waldgrenze sprunghaft abnimmt. So befinden sich im gesamten Alpenraum über 3000 m ü. NN noch 200 Arten,
während oberhalb 3500 m ü. NN nur noch 70 Arten und oberhalb von 4000 m ü. NN nur noch 20 Arten vorkom-
men. Diese Artenarmut kommt durch die ungünstigen Klimabedingungen mit zunehmender Höhe zustande, wo-
bei die Temperaturwerte sinken, die Windgeschwindigkeiten zunehmen, die Schneedeckendauer andauert und
die Ein- aber auch Ausstrahlung größer ist. Nur einige Spezialisten besitzen Anpassungsmechanismen in der
Wuchsform, im Stoffwechsel oder im Lebensrhythmus, die ihnen ein Bestehen unter derart schwierigen Lebens-
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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

bedingungen ermöglichen. Diese vermögen die kurze Produktionszeit effektiv zu nutzen, um ihre Verbreitung si-
cherzustellen. Auf die einzelnen Anpassungen, wird in den Ausführungen der folgenden Standorte näher einge-
gangen. Mit einer Höhe von 1097 m ü. NN befinden wir uns in Tannheim bereits in der montanen Höhenstufe, der
so genannten Bergwaldstufe. Diese reicht in den nördlichen Alpen von 900 m ü. NN bis auf 1400 m Höhe ü. NN.
Hier prägen Tannen, Buchen und die Latschenkiefern das Landschaftsbild. Mit steigender Höhe und auch an
Nordhängen dominiert die Fichte. Die Vegetationszeit beträgt mindestens 200 Tage im Jahr und die mittlere Jah-
restemperatur unterschreitet nicht die 4-8 ° Grenze. Zu erwähnen sind auch die vorhergehenden Höhenstufen.
Hier unterscheidet man zwischen der collinen (bis auf 400 m) und der submontanen Höhenstufe (400-900 m). Die
natürliche Pflanzendecke der collinen Stufe wird vom Laubwald gebildet, wobei Eiche und Hainbuche dominieren.
Die Vegetationszeit beträgt über 250 Tage im Jahr. Die Obergrenze stellt auch gleichzeitig die Grenze des Ge-
treideanbaus dar. Der Übergangsbereich (Ökoton) zwischen der collinen und montanen Stufe wird von der sub-
montanen Stufe gebildet. Häufig antreffende Baumarten sind Eiche und Buche.

Standort 2: Schutthalde

Landeskoordinatensystem RW: 3612880 HW: 5262566


UTM Easting: 32 T 0612761 Northing: 5260938
Höhe: 1270m

Hier sehen wir eine NW-exponierte Schutthalde unterhalb einer Steilwand links des Weges (bergauf gehend). Es
ist hier Jungwuchs (Latschenkiefer) mit gebogenen Stämmen zu beobachten; von größeren Bäumen sind ledig-
lich in etwa einem Meter Höhe abgebrochene Stämme vorhanden. Als Erklärungsansätze für die Entstehung die-
ser Halde werden genannt:

• einmaliges Zerstörungsereignis (Lawine schlägt Schneise in den Wald; Weg hat Bremswirkung)

• Immer wiederkehrende Lawinen über die von den Latschenkiefern fixierte Schneedecke hinweg

• Mobiler Frostschutt schränkt Vegetation ein

• Hangsolifluktion sorgt für “Kriechbewegung” des Hanges, was die gebogenen Stämme erklären
könnte.

Latschenkiefern besitzen als Pionierpflanzen die Fähigkeit, Rohböden schnell zu besiedeln und zeichnen sich in
ihrem Jugendstadium durch schnelles Wachstum aus. Kiefern als Dauerstadien treten nur dort auf, wo andere
Bäume konkurrenzschwächer sind, zum Beispiel aufgrund edaphischer oder klimatischer Trockenheit. Betrachten
wir den Felsschutt näher, so sind erstaunlicherweise bereits in dieser Höhenstufe einige subalpine Arten vorzu-
finden. Das Vorkommen lässt sich durch die fehlende Konkurrenz von montanen Arten erklären, die sich auf dem
Felsschutt nicht ansiedeln können. Ihnen fehlen spezielle Anpassungen, wie beispielsweise ein flexibles Trieb-
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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

und Wurzelsystem. Die Pflanzen solcher Extremstandorte müssen eine hohe Regenerationsfähigkeit besitzen
und können in einem kurzen Zeitraum Ersatzwurzeln und -triebe entwickeln. Des Weiteren ist ein gut ausgebilde-
tes und starkes Wurzelsystem notwendig, um an das Wasser zu gelangen, das in den tieferen Feinerdschichten
gespeichert wird. Die verschiedenen Formen der Kalkschuttvegetationen lassen sich in Schuttwanderer, Schutt-
überkriecher, Schuttstrecker, Schuttdecker und Schuttstauer (siehe S. 9/8, Abbildung 7) klassifizieren. Wir kön-
nen beispielsweise die Silberwurz (Dryas octopetala) als Schuttdecker vorfinden. Dieser stark verzweigte, im-
mergrüne Spalierstrauch bildet wurzelnde Decken auf dem Material und festigt auf diese Weise den Steinschutt.
Das Blaugras (Sesleria caerulea) ist eine äußerst windbeständige Pflanze, die auch hier vorzufinden ist. Es be-
sitzt ein dichtes Feinwurzelsystem, mit dem es sich im Hangschutt befestigen kann. Es ist ein Schuttstauer, der
zur Stabilisation der losen Steine führt. Weitere wichtige Gattungen, die wir im Felsschutt sichten können sind
zum Beispiel Saxifraga (Steinbrechgewächse) und Silene (Leimkraut). Hierbei bilden die Steinbrechgewächse
biegsame Polster aus, die den Hang befestigen. Die Glockenblume (Campanula spec.) durchspinnt als Schutt-
wanderer (mit langen Kriechtrieben) die Steine und kann ihre Triebe nach Beschädigung wieder bewurzeln. Die
Schuttüberkriecher legen ihre langen beblätterten Triebe über den Schutt und finden somit Halt in dem bewegli-
chen Substrat. Schuttstrecker besitzen verstärkte aufrechte Triebe, mit denen sie sich durch die losen Steine ar-
beiten können. Generell besitzen die Kalkschuttpflanzen Pioniercharakter und sind somit in der Lage Standorte
zu besiedeln, die bisher nicht von anderen Pflanzen erschlossen werden konnte. Wird der Hang durch diese Spe-
zialisten stabilisiert, können sich auch weitere alpine Pflanzen ansiedeln.

Standort 3: Moränenmaterial

Landeskoordinatensystem RW: 3612232 HW: 5262284


UTM Easting: 32 T 0612106 Northing: 5260622
Höhe: 1367m

Rechts des Weges ist ein Hügel in unserer Richtung durch einen Bach aufgeschlossen. Die fehlende Sortierung
verschiedenster Korngrößen deutet auf glaziale Prozesse hin. Etwa 100 m weiter oberhalb wird ähnliches Materi-
al zu Bauzwecken (Wegefüllmaterial?) entnommen. Da sich keine eindeutige Zuordnung der als aus Moränenma-
terial bestehend gedeuteten Formen (z.B. als Endmoräne) treffen lässt, wird die Beantwortung der Genese selbi-
ger auf später verschoben.

Tag 9 - Seite 3
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 4: Älpele

Landeskoordinatensystem RW: 3611722 HW: 5261994


UTM Easting: 32 T 0611607 Northing: 5260337
Höhe: 1535m

Hier findet sich die Erklärung für die seltsam anmutende Verteilung des Moränenmaterials über einen recht gro-
ßen (vom letzten Standpunkt bis zu diesem) Bereich. Das am Hang unterhalb der hier endenden Verflachung be-
findliche Material gehört zu einer Endmoräne aus einem Gletscherstadium, in dem sich der Eisrand direkt am
Abbruch befand. Dies führte dazu, dass sich kein klassischer Endmoränenwall sondern eine sog. Podestendmo-
räne bildete, die quasi über den Hang “geschüttet” wurde und dazu noch rezent fluvial durchschnitten ist.

Nach einem erneuten Geländeanstieg lässt sich weiter oben ein Kar mit Schneeresten erkennen (siehe MS 9/1).

An anstehendem Gestein erkennt man Rillenkarren. Diese Kleinform der Karren entsteht durch Lösungsverwitte-
rung und Abspülung durch rinnendes Wasser.

Das “Älpele” ist eine Alm. Die Almwirtschaft als klassische saisonale Weidewechselwirtschaft mit Käseproduktion
auf der Alm existiert heute allerdings fast nicht mehr. Meist handelt es sich heute um Jungvieh bzw. Galtvieh (tro-
ckenstehend - also nicht zu melken). Lediglich an touristisch genutzten Wegen, wie auch hier, findet sich noch
Käseproduktion, meist in Verbindung mit Verköstigungsangeboten.

Wir diskutieren darüber, ob wir uns bereits im Bereich der Waldgrenze befinden, da hier der geschlossene Hoch-
wald durch vereinzelt stehende Bäume ersetzt wird. Wir kommen zu dem Schluss, dass die waldfreien Hänge
anthropogen durch die Berglandwirtschaft entstanden sind und wir uns noch in der montanen Stufe befinden.

Standort 5: Abflussrinne/Moräne

Landeskoordinatensystem RW: 3610772 HW: 5261232


UTM Easting: 32 T 0610657 Northing: 5259565
Höhe: 1708m

Hier befindet sich ein trockener Wildbach. Als solches erkennt man diese Abflussrinne daran, dass sie im Unter-
schied zu einer Mure keine wallartig aufgeschütteten Begrenzungen hat, sondern lediglich eine lineare Vertiefung
im Hang bewirkt.

Beim Blick zurück sehen wir einen runden Hügel, den wir aus der jetzigen Perspektive als Teil eines Endmorä-
nenwalls identifizieren können. Zum einen zeigt ein Aufschluss klar, dass es sich hier um Moränenmaterial han-

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

delt. Zum anderen zeigen sich Fortsetzungen des ehemaligen Moränenwalles, der aufgrund zahlreicher Bäche
rezent nicht mehr als zusammenhängende Form erkennbar ist.

Standort 6: Zirleseck

Landeskoordinatensystem RW: 3610373 HW: 5261380


UTM Easting: 32 T 0610258 Northing: 5259717
Höhe: 1834m

Vom Zirleseck haben wir einen schönen Blick auf das Tannheimer Tal im Norden und die Allgäuer Hauptkette im
Süden. Dort sieht man mehrere Kare und auch Hängetäler (vgl. MS 9/1 und 9/2).

An diesem Standort ist deutlich die Waldgrenze zu erkennen, die in den nördlichen Alpen bei circa 1500-1800 m
ü. NN liegt. Sie stellt ein Ökoton zwischen der montanen und der subalpinen Stufe dar. Die subalpine Stufe wird
auch als Gebirgsstufe bezeichnet und reicht bis ungefähr 1800 m - 2000 m ü. NN hoch. Die Vegetationszeit
nimmt stark ab (100 – 200 Tage/Jahr), so dass hier keine Laubbäume mehr gedeihen und diese nun durch Fich-
ten, Latschenkiefern und Zwergsträucher ersetzt werden, die nur noch vereinzelt wachsen und oftmals einen
Krüppelwuchs aufweisen (Kampfzone).

Standort 7: Am Grat

Landeskoordinatensystem RW: 3610652 HW: 5260582


UTM Easting: 32 T 0610529 Northing: 5260583
Höhe: 1963m

Diese Stelle bietet eine gute Gelegenheit in die Geologie der Allgäuer Alpen einzusteigen. Es steht hier nämlich
ein im weiteren Verlauf des Steilhanges gut als dünne (hier nur bis zu 50m mächtige) Schicht erkennbares Ge-
stein an, das sich im Gegensatz zu den über- und unterlagernden Schichten durch die dunkelgelbere Färbung,
v.a. aber durch seine schiefrige, mergelige Konsistenz absetzt. Es handelt sich hierbei um die Allgäuer Schicht,
welche aus Fleckenmergeln, also aus Mergel mit kotgefüllten Gängen schlammfressender Tiere durchsetzt, be-
steht und somit sehr viel weicher ist als der Hauptdolomit, der an unserem bisherigen Aufstieg und auch wieder
am Gipfel ansteht. Dies lässt sich auch gut anhand der geologischen Karte (MS 9/5) nachvollziehen.

Generell befinden wir uns hier geologisch betrachtet im Oberostalpin, genauer im Kalkalpin. Diese Bezeichnung
orientiert sich am Entstehungsort der zu dieser Einheit gehörenden Gesteine. Die Entstehung zu verschieden

Tag 9 - Seite 5
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Zeiten und unter verschiedenen Bedingungen bedingt dabei die Vielfalt der vorkommenden Gesteine; später ein-
tretende Überschiebungs- und Faltungsvorgänge ihre heutige Lage zueinander. Dieses Thema wird anhand des
Komplexes „Alpenbildung“ noch einmal aufgegriffen.

Auf dem uns gegenüberliegenden Hang erkennen wir neben Viehgangeln auch Solifluktionsloben, also eine pe-
riglaziale Form der Denudation; außerdem: Steinschlag und eine Blockschutthalde mit einzelnen Schneefeldern.

Wir befinden uns in der alpinen Stufe, deren Untergrenze durch die Baumgrenze gebildet wird. Die alpine Stufe
endet bei circa 2400 - 2500 m ü. NN und besitzt eine Vegetationszeit von unter 100 Tagen im Jahr. Es dominie-
ren alpine Rasengesellschaften, deren Charakterarten beispielsweise Polstersegge (Carex firma) oder Blaugras
(Sesleria coerulea) sind. Die Rasengesellschaften stellen hier die natürliche potenzielle Vegetation dar, die in den
unteren Höhenstufen höchstens durch anthropogene Maßnahmen bestehen können. Bäume sind in der alpinen
Stufe nicht lebensfähig, da zum einen die Vegetationszeit zu kurz ist und zum anderen die Humusschicht zu ge-
ring ausgebildet ist, so dass das Wurzelwerk des Baumes keinen Halt finden kann. Außerdem ist der negative
Windeinfluss nicht zu vernachlässigen, der bei kleineren Pflanzen durch die schützende Schneedecke verringert
wird. Aus diesem Grund wachsen auch die Latschenkiefern eng am Boden angeschmiegt als so genannte Spa-
liersträucher. Durch ihren horizontalen Wuchs minimieren sie die schädliche Windeinwirkung. Die typische Hoch-
gebirgspflanze unterscheidet sich in einigen Merkmalen von den Pflanzen in Tieflagen (S. 9/8, Abb. 7). Sie besitzt
ein ausgeprägtes Feinwurzelsystem, das fünf mal so lang ist wie jenes von Talpflanzen. Somit kann das spärliche
Nährstoff- und Wasserangebot optimal von der Pflanze genutzt werden. Eine weitere Besonderheit ist, dass die
nicht photosynthesebetreibenden Pflanzenteile stark reduziert sind (kleiner Pflanzenstiel). Man spricht hier auch
von Zwergwachstum. Dagegen sind die Blüten verhältnismäßig groß und auffallend ausgebildet. Sie besitzen
meist kräftige Gelb-, Blau- oder Rottöne, welche die Insekten anlocken sollen, die mit zunehmender Höhe selte-
ner werden. Weitere Anpassungen an die Windeinwirkungen sind ein xeromorpher und sukkulenter Bau der Blät-
ter, die oftmals auch eine starke Behaarung aufweisen. Somit können Schäden durch eine Trockenbelastung ver-
ringert werden, die durch fehlenden Wassernachschub aus dem gefrorenem Boden entstehen können.

Standort 8: Gaishorngipfel

Landeskoordinatensystem RW: 3611342 HW: 5260092


UTM Easting: 32 T 0611224 Northing: 5258429
Höhe: 2254m

Bei schönstem Wetter genießen wir zuerst einmal die Rundumsicht mit der Schwäbischen Alb im Nordwesten,
dem Zugspitzmassiv im Osten, dem Hochvogel im Süden und dem Säntismassiv in Westsüdwest.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Beim Blick nach Norden lässt sich auch noch einmal schön die bereits am Vortag angesprochene Abfolge von
Kalkalpin, Flysch und gefalteter Molasse erkennen, bevor dann das Molassebecken des Voralpenlandes an-
schließt (MS 9/3 und 9/4).

Richtung Westen sehen wir im Mittelgrund eine Steilwand mit Wasserfall. Aufgrund der geologischen Karte ord-
nen wir diese in den Hauptdolomit ein. Die Frage ist aber, wie eine solche Steilwand herauspräpariert werden
konnte. Die Antwort scheint in diesem Fall zu sein, dass sich der Hauptdolomit bereits in der Trias auf Untiefen
absedimentiert hat und so durch ständiges Absinken und erneute Ablagerung mächtige Riffe entstanden sind.
Die dazwischenliegenden Becken wurden erst im Jura mit Mergel und anderen Sedimenten, den Allgäuschichten,
aufgefüllt, so dass tatsächlich eine scharfe vertikale Trennung von hartem Hauptdolomit und weicheren Materia-
lien zustande kam. Durch die Erosion konnte somit später eine solche Steilstufe entstehen (MS 9/4).

Am Zufluss des Vilsalpsees lässt sich dessen zunehmende Verlandung durch die Bachschüttung gut erkennen.

Das Gaishorn war während der letzten Vereisung vermutlich ein Nunatak; der scharfe Grat und die Bergspitze
legen dies nahe.

Auf dem Weg zum Gaishorngipfel können wir gut die verschiedenen Pflanzen der Felsspaltengesellschaften er-
kennen. Diese besitzen meist lange Pfahlwurzeln, mit denen sie tief in den Felsspalten verankert sind. Ihre zent-
ralen Blätter sterben im Verlauf des Jahres ab und bilden im Pflanzeninneren Humus, dessen Nährstoffe wieder
von der Pflanze aufgenommen werden können. Es gibt verschiedene Formen der Felsspaltengesellschaften, die
entweder rosetten-, polster- oder horstförmig ausgebildet sein können. Durch die dichte Anordnung der Blätter
und Triebe wird ein günstiges Eigenklima erzeugt. Die Blätter der Rosettenpflanzen liegen, aufgrund einer Ver-
kürzung der Internodien (Sprossabschnitt zwischen zwei Knoten), dicht gedrängt auf dem Boden. Viele Stein-
brechgewächse, wie beispielsweise der Trauben-Steinbrech, gehören zu dieser Art der Felsspaltengesellschaft.
Auf dieser Höhenstufe stellen die meisten Gräser Horstpflanzen dar, die ein Büschel dicht zusammenstehender
Bestockungstriebe besitzen (zum Beispiel das Blaugras). Polsterpflanzen können als flache, halbkugelige oder
vollkugelige Polster ausgebildet sein. Ein Beispiel hierfür ist das Schweizer Mannsschild.

Der Gaishorngipfel liegt mit seinen 2254 m ü. NN bereits in der subnivalen Höhenstufe, deren unteren Grenze
durch die Rasengrenze gebildet wird. Hier sind nur noch vereinzelt Rasenfragmente vorzufinden. Die obere
Grenze (bei circa 2400 m ü. NN) entspricht der Schneegrenze und geht in die nivale Höhenstufe über.

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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 9: Abweg

Landeskoordinatensystem RW: HW:


UTM Easting: 32 T 0610618 Northing: 5257963
Höhe: 2021m

Hier sehen wir noch einmal schön den erneuten Wechsel zwischen Hauptdolomit und Allgäuschichten. Gut er-
kennen lässt sich auch die Feinstrukturierung des Hauptdolomit mit einem Netz weißer Adern (mineralisch verfüll-
te Risse). Die Färbung schwankt von weiß bis rötlich-braun, abhängig vom Eisengehalt.

Beim Blick auf den Vilsalpsee sehen wir an dessen Westufer einen lehrbuchmäßigen Schwemmfächer.

Standort 10: Abweg, Wiese

Landeskoordinatensystem RW: 3611245 HW: 5259453


UTM Easting: 32 T 0611125 Northing: 5257790
Höhe: 1796m

Die Alpenentstehung

Will man den Aufbau der Alpen, die Verschiedenartigkeit der vorkommenden Gesteine und ihre heutige Verbrei-
tung im Kern verstehen, so muss man zunächst von ein paar einfachen Grundüberlegungen ausgehen. Diese
bestehen darin, sich die verschiedenen Faktoren, die für die Alpengenese eine Rolle spielen, klar zu machen.
Hier geht es vor allem um:

• Die Entstehungszeit von Gesteinen

• Den Entstehungs- oder Ablagerungsort

• Die Ablagerungs- oder Entstehungsbedingungen

• Tektonische Verlagerungen

• Deckenüberschiebungen

• Faltungs- und Verwerfungsvorgänge

Glaziale Überformung oder Erosionsvorgänge interessieren uns in diesem Zusammenhang (zunächst) nicht.

Tag 9 - Seite 8
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Eine Folgerung aus diesen Grundüberlegungen ist also, dass zum einen Gesteine heute weit entfernt von ihren
Entstehungsorten liegen können; und dass dies nicht nur die geographischen Koordinaten (Kontinentalverschie-
bung), sondern auch den Untergrund betreffen kann (Abscherung vom Untergrund durch bspw. Subduktion; De-
ckenüberschiebung). Zum anderen können zu verschieden Zeiten an verschiedenen Orten aufgrund ähnlicher
Bedingungen sehr ähnliche Gesteine entstanden sein, zur selben Zeit in sehr kleinen Räumen aber auch ver-
schiedene Gesteine (z.B. durch Riffe o.ä.).

Die geologische Einteilung der Alpen in Haupteinheiten orientiert sich dabei an den Entstehungsgebieten, die
Bennennung aber teilweise an ihren heutigen (Haupt-) Vorkommen(vgl. MS 9/12).

Bevor ich diese Einheiten im einzelnen durchgehe, möchte ich kurz eine Chronologie der Alpenentstehung zeich-
nen. Das erste wichtige Ereignis war hierfür das Auseinanderbrechen des Superkontinentes Pangäa in der Ober-
trias, also ca. 200 Mio. Jahre vor heute (MS 8/18). Durch diesen Vorgang bildete sich die alpine Geosynklinale;
die Tethys breitete sich aus; es lagern sich im Jura also vielfältige Meeressedimente ab. Teile der Erdkruste, die
heute auf einer Breite von 200km in ihrer Nord-Süd-Erstreckung „zusammengestaucht“ sind, werden auf 1500km
„gedehnt“. Durch die Abtrennung von Afrika entsteht im Jura der südpenninische Ozean. Zu beachten ist an die-
ser Stelle, dass ein Auseinandertriften kontinentaler Platten, also die Öffnung von Ozeanen, verbunden ist mit der
Bildung ozeanischer Kruste durch die Entstehung mittelozeanischer Rücken, also Austritt von Magma aus dem
Erdmantel. Gleichzeitig ist ein Meeresboden natürlich keineswegs homogen; Es gibt flache Schelfbereiche, Tröge
und Schwellenzonen und entsprechend entstehen verschiedene Sedimente bzw. Gesteine. In der Unterkreide
löst sich die adriatische Platte von Afrika und beginnt nach Nordosten zu driften. Durch diese Bewegungsumkehr
beginnt eine Subduktion der südpenninischen ozeanischen Kruste unter die adriatische Platte. An dieser Subduk-
tionszone entsteht eine Tiefseerinne, in der sich die Flyschsedimente sammeln. In der Oberkreide, also ca. 75
Mio. Jahre vor heute, kollidieren die europäische und die adriatische Platte und die ersten alpinen Faltungsvor-
gänge setzen ein. Erst jetzt beginnt die eigentliche alpine Gebirgsbildung. Gleichzeitig mit den Faltungsvorgän-
gen innerhalb der verschiedenen Decken, also der geologischen Haupteinheiten der Alpen, beginnt im Alttertiär
die Überschiebung des Penninikums (also all der im penninischen Ozean entstandenen oder abgelagerten
Gesteine/Sedimente) und des Helvetikums (der Schelfsedimente Ureuropas) durch das Ostalpin, also einer von
der adriatischen Platte abgescherten Gesteinsdecke. Als Folge der Alpenhebung beginnen sich im nördlichen
Alpenvorland außerdem die Molassebecken zu füllen. Die Kompression führt dazu, dass Gesteine (v.a. des
Penninikums) eine Metamorphose erfahren. Außerdem gibt es im Tertiär vulkanische Aktivitäten oder Bildung
von Plutonen, die teilweise, wie z.B. das Bergell, später durch Erosion „herauspräpariert“ werden. Letzen Endes
führen all diese Vorgänge zur Entstehung der Alpen, wie wir sie heute kennen. Dabei ist ganz grob betrachtet, die
Molasse teilweise überdeckt vom Helvetikum, jenes wieder vom Penninikum samt Flysch und darauf liegt wieder-
um das Ostalpin (vgl. MS 9/4). Lediglich das Südalpin lagert weiterhin autochthon auf der kontinentalen Kruste,
auf der es auch ursprünglich abgelagert worden ist und ist vom Rest der Alpen durch die periadriatische Naht
(Verwerfung) getrennt. Schaut man sich nun eine geologische Karte der Alpen an, fällt auf, dass das Ostalpin
allerdings nicht, wie zu erwarten wäre, im gesamten Alpenraum als oberste Decke ansteht. Zum einen liegt dies
daran, dass die Übereinanderschiebung der Decken zum einen nicht vollständig geschehen ist; d.h. am
Alpennordrand „schauen“ die unter dem Ostalpin liegenden Decken des Penninikum und desTagHelvetikum
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Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

die unter dem Ostalpin liegenden Decken des Penninikum und des Helvetikum „hervor“(MS 9/4); zum anderen ist
das Ostalpin dort, wo die Alpen durch Faltung ihre höchsten Höhen erreichen, also in den Westalpen und in den
Tauern, durch die in den Höhenlagen stärker wirkende Erosion bereits abgetragen und das darunter liegende
Penninikum tritt an die Oberfläche (Karte MS 9/12). Teilweise ist sogar der kristalline Sockel (wie etwa im Gott-
hardmassiv) anstehend.

Nachdem hiermit Ursprung und Verbreitung der geologischen Haupteinheiten Molasse, Flysch, Ostalpin, Südal-
pin, helvetische Decke und Penninikum angesprochen worden sind, lässt sich noch anmerken, dass dieses kom-
pliziert gebaute Gebirge im Verlauf des Pliozäns (bis etwa 5 Mio. Jahre v.h.) weitgehend zu einem Mittelgebirgs-
relief abgetragen war, und die heutige Landschaft durch epirogene Hebungsvorgänge in jüngerer Zeit entstand.
Im Pleistozän schließlich wurden die steilen Berge, breiten Täler und flachen Pässe, sprich das typische Bild ei-
nes alpinen Hochgebirges, in die uns bekannte Form gebracht.

Standort 11: Verlandungszone

Landeskoordinatensystem RW: HW:


UTM Easting: 32 T 0612776 Northing: 5257480
Höhe: 1173m

Hier wird die Frage nach dem Grund für die Rotfärbung des Gesteins im Bereich eines Wasserfalls auf der ande-
ren Seeseite gestellt. Es werden dabei mehrere Begründungen in Erwägung gezogen (Eisenfärbung, Verwitte-
rung); die Frage wird aber nicht endgültig beantwortet.

Standort 12: Am Nordufer des Vilsalpsees

Landeskoordinatensystem RW: 4387543 HW: 5259963


UTM Easting: Northing:
Höhe: 1181m

Tourismus: Tannheimer Tal vs. Hindelang

Am Ufer des Vilsalpsees wird der Fremdenverkehr im Tannheimer Tal besprochen. Die Gemeinden im Tal wer-
ben mit dem Slogan „das schönste Hochtal Europas“, wie einst der Reiseschriftsteller Ludwig Steub geschwärmt

Tag 9 - Seite 10
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

haben soll. Das Tannheimer Tal liegt in den Allgäuer Alpen, hat 2781 Einwohner und besteht aus den Gemein-
den Grän, Haldensee, Zöblen, Schattwald und Tannheim. Das touristische Freizeitangebot ist vielseitig und soll
ein recht breit gefächertes Publikum ansprechen. Es reicht von Kletter-, Mountainbike-, Ski-, Langlauf- und Berg-
touren bis hin zu Tennis-, Schieß- und Kegelturnieren. Außerdem werden Aquarell-Malkurse, Tai-Chi und
Sprachkurse, Ponyreiten und weitere Kinderbetreuungsprogramme angeboten. Attraktiv sind diese Aktivitäten
nicht nur für Familien, sondern auch für ältere Urlauber, die einen gemächlicheren Urlaub bevorzugen. Es gibt
einige bewirtschaftete Alpen, die Übernachtungsmöglichkeiten anbieten oder für das leibliche Wohl der Wanderer
sorgen. Auf Abbildung 3 der S. 9/11 kann man erkennen, dass in den Monaten Dezember – Februar und Juli –
September Übernachtungsspitzen bestehen. Dies deutet auf eine ausgesprochene Saisonalität hin, die für den
Fremdenverkehr in den Alpengemeinden typisch ist. In den Sommermonaten bietet die Landschaft um das Tann-
heimer Tal schöne Wandermöglichkeiten an, wohingegen sich in der Wintersaison Langläufer und Skifahrer auf
zahlreichen Loipen und Pisten sportlich betätigen können. Betrachtet man die Hotellerie in Tannheim (siehe MS
S. 9/11, Abb. 5), so kann man feststellen, dass ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen dem Angebot an Ferien-
wohnungen, Hotels und Übernachtungen auf Bauernhöfen besteht. Wir können keine großen Hotelkomplexe vor-
finden, die das Landschaftsbild beeinträchtigen. Insgesamt stehen 7634 Gästebetten zur Verfügung. Ein großes
Problem, das der Fremdenverkehr generell mit sich bringt, ist die Verkehrs- und Umweltbelastung durch die Au-
toabgase der Touristen. Die Gemeinde Tannheim versucht dem entgegenzuwirken, indem sie kostenlose Wan-
derbusse und zwei großflächige Parkraumanlagen zur Verfügung stellt. Außerdem besteht eine verkehrsberuhig-
te Straße zum Naturschutzgebiet Vilsalpsee, die von 10 – 17 Uhr für den allgemeinen Verkehr gesperrt ist. Hier
kann alternativ zum Auto mit dem Pendlerbus, mit Kutschen oder mit dem so genannten Alpenexpress zum Vils-
alpsee gefahren werden. Trotz vielfältigem Angebot sind rückläufige Übernachtungszahlen zu verzeichnen, da
vermutlich die Konkurrenz anderer Urlaubsziele (eventuell durch günstige Flugreisen in fernere Länder) zuge-
nommen hat. Die Gemeinden des Tannheimer Tals versuchen mit Aktionen wie beispielsweise der „silbernen und
goldenen Wandernadel“ (beim Besuch von vier oder zehn Wanderhütten), Gleitschirmfliegen für das jüngere
Publikum oder durch den Bau eines großen Freizeitbades, die Attraktivität ihrer Gemeinden zu steigern.

An dieser Stelle möchte ich die deutsche Nachbargemeinde Bad Hindelang im Allgäu vorstellen, die durch ihr
vorbildliches umwelt- und sozialverträgliches Fremdenverkehrskonzept eine große Medienpräsenz erlangen
konnte. Durch die sogenannte Effizienz-Verordnung der Europäischen Gemeinschaft wurden 1985 die Rahmen-
bedingungen für die Förderung der Berggemeinden in den Alpen geschaffen. Die Gemeinde Bad Hindelang woll-
te dem Abwandern der Bergbauern entgegenwirken, da die Aufgabe der Höfe nicht nur ein Existenzverlust der
Bauern darstellte, sondern auch eine Verwahrlosung der Kulturlandschaft zur Folge hatte. Diese hatte wiederum
negative Auswirkungen auf den Tourismus. Man entwirft zunächst das „Öko-Modell Hindelang“, welches besagt,
dass auf 90 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen kein Mineraldünger und kein Pflanzenschutzmittel ver-
wendet werden darf. Einige Jahre später, 1992, wird der Verein „Hindelang Natur und Kultur“ gegründet, der sei-
nen Mitgliedern vorschreibt, dass maximal ein Großvieh je Hektar Land gehalten werden darf, dass 90 % des
Futters selbst erzeugt werden sollte und das auf den Einsatz von Stickstoffhandelsdünger verzichtet werden
muss. Bis auf einen Bauern, schlossen sich alle Bergbauern Bad Hindelangs den Bemühungen an und nahmen

Tag 9 - Seite 11
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

an den Projekten teil. Durch Direktvermarktung in der heimischen Gastronomie, konnte nun ein zahlungskräftige-
res Publikum angesprochen werden, das Wert legt auf naturnah erzeugte Produkte. Die Übernachtungszahlen
stiegen rapide an, von ca. 1 Mio. Übernachtungen (1992) auf über 1,12 Mio. Übernachtungen (1996). Die Bauern
konnten extensive Landwirtschaft betreiben, der Naturschutz wurde mit den Einnahmen aus dem Fremdenver-
kehr unterstützt und die Hotellerie und Gastronomie konnten sich über die gestiegenen Gästezahlen freuen. Man
kann somit von einem „sanften Tourismus“ sprechen, der in Bad Hindelang betrieben wird und in Tannheim nur in
Ansätzen vorhanden ist. Allerdings sind seit 1997 die Übernachtungszahlen rückläufig: 1997 (1,02 Mio. Über-
nachtungen), 1999 (1,04 Mio. Übernachtungen), 2000 (1,07 Mio. Übernachtungen), 2002 (1,04 Mio. Übernach-
tungen). Durch Erweiterung des Konzepts auf den Wellness- und Gesundheitsbereich, ist wieder eine neue
Marktnische aufgemacht worden, so dass die Zahl der Übernachtungen wieder ansteigen könnte.

Literatur

BAUER, J. et al. (2002): Physische Geographie. Kompakt. Heidelberg.

LESER, H. (Hrsg. (1998): Wörterbuch Allgemeine Geographie. München.

LINDER, K (1999-2000): Nachhaltige Gemeindeentwicklung am Beispiel der Allgäuer Berggemeinde Hindelang.


Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft (46-47). Nürnberg.

OZENDA, P (1988): Die Vegetation der Alpen. Stuttgart.

PRESS, F. und SIEVER, R. (1995): Allgemeine Geologie. Heidelberg.

REISIGL, H. et al (1994): Alpenpflanzen im Lebensraum. Stuttgart.

REISIGL, H. et al (1989): Lebensraum Bergwald. Stuttgart.

RICHTER, D. (1984): Allgäuer Alpen. Sammlung Geologischer Führer. Berlin.

SCHOLZ, H. (1995): Bau und Werden der Allgäuer Landschaft. Stuttgart.

VEIT, H. (2002): Die Alpen – Geoökologie und Landschaftsentwicklung. Stuttgart.

Schriftliche Anfragen an das Tourismusbüro Tannheimer Tal

Landesverwaltung Tirol: www.tirol.gv.at 7.7.2004

Tannheimer Tal: http://www.tannheimertal.com 7.7.2004

Tag 9 - Seite 12
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Christine Waibel und Frauke Riemer


Protokoll vom 19.08.2004

Schattenwald – Hindelang – Sonthofen – Immenstadt – Lindau – Friedrichshafen – Kloster Birnau – Überlingen –


Sipplingen – Ludwigshafen – Freiburg

Standort 1: Immenstadt / Iller

Landeskoordinatensystem RW: rechtswert HW: hochwert


UTM Easting: 0592856 Northing: 5269084

Der Standpunkt Immenstadt/Iller liegt auf 720m. Es findet sich ein Aufschluss, in dem Lockermaterial zu erken-
nen ist. Außerdem ist ein großer Block aus Konglomerat vorhanden, der als Nagelfluh gedeutet wird. Im Süden
wird die Iller eingeengt und breitet sich Richtung Norden wieder aus. Einen ähnlichen Verlauf hat der Fluss beim
Illerdurchbruch durch eine Endmoräne genommen. Da jedoch Nagelfluh vorhanden ist, liegt der Schluss nahe,
dass der Standpunkt in der gefalteten Molasse liegt und der Weg des Flusses durch die Faltung der Molasse
führt.

Die Uraare floss in das Molassebecken und schüttete viel Sediment in das Molassebecken hinein. Damit wurde
der Adelegg-Schwemmfächer gebildet. Dieser war in den Eiszeiten von Würm und Riß eisfrei, d.h. er war ein Nu-
natakker. Der Adelegg-Schwemmfächer bildete die Grenzen zwischen dem Rheingletscher und dem Illerglet-
scher, wurde herauserodiert und besitzt eine Nord-Süd-Ausrichtung.

Der Alpsee stellt eine noch nicht verfüllte Vertiefungswanne dar. Auf dem Weg von Immenstadt Richtung O-
berstaufen fällt eine Erhöhung am Ostende des Sees auf, über die auch die Straße verläuft. Diese Erhebung
stellt eine kleine Endmoräne des Illergletschers dar, der in dieses Seitental hineindrückte. Die Verlandung des
Sees erfolgt von Westen.

Im Flussbett der Iller lässt sich eine Schrägstellung der Steine erkennen. Diese Kieselneigung wird als Dachzie-
gelschichtung bezeichnet.

Tag 10 - Seite 1
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 2: Parkplatz zwischen Oberreute / Weiler an der B308

Landeskoordinatensystem RW: rechtswert HW: hochwert


UTM Easting: 0570102 Northing: 5268853

Der Parkplatz liegt auf 856m, leider ist der erwartete Aufschluss nicht mehr vorhanden. Der Standpunkt liegt in
der aufgerichteten Vorlandmolasse. Die Südrandstörung bildetet die Trennlinie zwischen aufgerichteter und gefal-
teter Molasse. Diese Störung ist im Bereich des Kemptener Beckens nicht eingezeichnet, da der Verlauf dort
nicht geklärt ist. Die Gesteine der Molasse sind Sedimentgesteine wie z.B. Sandsteine, Mergelsteine und Kong-
lomerate.

Auf der Fahrt von Standpunkt 1 zu dem nächsten Haltepunkt wurde die Europäische Hauptwasserscheide von
Rhein und Donau vor Oberstaufen überquert.

Standort 3: Aussichtspunkt Hochwacht südlich von Tettnang

Landeskoordinatensystem RW: rechtswert HW: hochwert


UTM Easting: 0544539 Northing: 5275699

Der Aussichtspunkt liegt auf 480m mit Blick auf den Bodensee, Friedrichshafen und dem Argenbecken. Ver-
schiedene Themen wurden an diesem Standpunkt besprochen:

Wirtschaftsstandort Friedrichshafen

Die Stadt Friedrichshafen ging im 19. Jahrhundert aus den Orten Buchhorn und Hofen hervor, nachdem Friedrich
von Württemberg diese zwei Orte zusammenführte und sie in Friedrichshafen umbenannte.

Erste Siedlungsanfänge lassen sich heute schon auf die Zeit um 2000 v.Chr. in Form von jungsteinzeitlichen U-
feransiedlungen. Zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert stand am Standpunkt eine römische Siedlung mit Gutshö-
fen. Um 400 n.Chr. gründeten die Alemannen den Ort Buchhorn, 1266 entstand der Ort Hofen. Dieser Bestand
dann aus Kloster und Dorf. 1275 wurde Buchhorn dann zur Reichsstadt. Während des 30jährigen Krieges wur-
den diese Städte durch das Schwedische Heer belagert und tauften Buchhorn in Gustavshofen nach dem
schwedischen König um. In Folge der Kämpfe wurde dann das Kloster Hofen durch das Heer zerstört. Von 1695-
1702 erfolgte der Wiederaufbau des Klosters, welches als Weingartner Prioriat neueröffnet wurde.

Tag 10 - Seite 2
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Das erste Dampfschiff „Wilhelm“ legte 1824 von Friedrichshafen ab und eröffnete damit die Bodenseedampf-
schifffahrt mit dem Ausgangspunkt Friedrichshafen. Des Weiteren avanciert FN zur Sommerresidenz des Kö-
nigshaus von Württemberg, nachdem das ehemalige Kloster Hofen zum Schloss umgebaut wurde.

1874 erhielt Friedrichshafen erstmals Anschluss an das Eisenbahnnetz in Richtung Ravensburg, zudem wurde
1863 der Eisenbahnfährbetrieb nach Romanshorn aufgenommen.

Ein wichtiges Datum für die Industrieansiedlungen, wie sie heute noch zu sehen sind, ist das Jahr 1899, in dem
Graf Zeppelin mit dem Bau eines Zeppelins zur Erprobung begann. Im Jahr 1900 flog der erste Zeppelin, doch
schon 1908 wurde der Bau durch den Absturz des LZ4 überschattet. 1908 wurde der Standort Friedrichshafen
definitiv, nachdem Graf Zeppelin das Standortangebot Mannheims ausschlug. Die entscheidenden Standortfakto-
ren waren weiche Faktoren (Klima, Landschaft).

1915 wurde im Löwenthal ein Luftschiffhafen gebaut, der 1928 zu einem richtigen Flughafen umgebaut wurde.

Während des 2.Weltkriegs war FN ein kriegswichtiges Ziel für die Alliierten aufgrund der ansässigen Flugzeug-
werke. Insgesamt 11 alliierte Luftangriffe hatte die Stadt einzustecken, bei der sie fast vollständig zerstört wurde.
Die Einwohnerzahl sank von 23.000 vor dem Krieg auf 10.000 nach dem Krieg. Nach dem Kriegsende wurde die
Stadt zu einer französischen Garnison. Der Wiederaufbau zog sich bis ins Jahr 1956 hin.

1950 avancierte sich Friedrichshafen zur Messestadt mit den Ausstellungen IBO (Internationale Bodenseemesse)
und der Interboot (seit 1962).

1958 wird die Stadt Bundeswehrstandort, mit der Rückgabe des Flughafens 1968 kommt erster ziviler Luftverkehr
auf. 1993 wurde der Bundeswehrstandort wieder aufgegeben.

Zu Ehren des Grafen Zeppelin wurde 1996 das „Zeppelin Museum FN Technik und Kunst“ eröffnet.

Der Zeppelinbau wurde jetzt wieder aufgenommen und ist mit Rundflügen dem breiten Publikum geöffnet.

Die wichtigsten Branchen in FN sind die Metallverarbeitung, Luft- und Raumfahrt, Motoren und Maschinenbau.
Zunehmend findet sich eine Entwicklung zu einem modernen Multimedia-Standort mit vielen IT- und Software-
Dienstleistern.

Einige wichtige Firmen sind die ZF (Zahnradfabrik Friedrichshafen), ein weltweit führender Automobilzulieferer-
konzern in der Antriebs- und Fahrwerktechnik. ZF liegt auf Platz 15 unter den internationalen Automobilzuliefe-
rern.

Bei EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) ist hauptsächlich mit dem Bau von Erdbeobach-
tungssatelliten, sowie für das Ariane-Projekt beschäftigt.

Die zum DaimlerChrysler-Konzern gehörende MTU ist eine der weltweit führenden Anbieter für Dieselgroßmoto-
ren für Schiffe und Schienenfahrzeuge.

Tag 10 - Seite 3
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Die Dornier GmbH ist eine Konzerngesellschaft der EADS. Ihre Kernaktivität beschränkt sich auf die Business
Unit Systems & Defence Electronics, die grenzüberschreitend die deutsch-französischen Aktivitäten des Kon-
zerns in der Verteidigungselektronik bündelt.

Der ursprüngliche Zeppelin-Konzern ist heute auf den Bau von Baumaschinen (Caterpillar) und Silos spezialisiert.

50% aller Beschäftigten in Friedrichshafen arbeiten im industriellen Gewerbe.

FN ist ein wichtiger Fertigungs- und Entwicklungs-Standort. Alle F+E-Unternehmen sind im Bereich der Rüs-
tungsforschung und Entwicklung tätig (Lenkflugkörper, Navigationssysteme-BGT Bodensee Gerätetechnik; Moto-
ren für Panzer – MTU; Endausrüstung von Kampfpanzern, Waffen – ZF Friedrichshafen; Flugsicherungs-
Informationssysteme – Nortel Dasa; allgemeine Wehrtechnik – Dornier).

Vereinödung

Die Vereinödung vollzog sich am Bodensee und in Oberschwaben in fast der selben Form wie wir es schon von
der Schwäbischen Alb kennen. Die Haufendörfer wurden durch die Flurbereinigung und einer Siedlungsumwand-
lung in Einzelsiedlungen aufgelöst. Der restliche Kern des Dorfes hielt sich nur noch mit der Kirche, dem Wirts-
haus, dem Rathaus und der Schule. Höhepunkt für dieser Erscheinung war um 1790. Ein zweiter Vereinö-
dungsprozess findet sich noch seit 1953. Hier wurden die zersplitterten Grundbesitze zu landwirtschaftlich besser
nutzbaren Besitzeinheiten zusammengelegt und gleichzeitig wurde das Wasser- und Wegenetz zweckmäßig um-
gestaltet.

Der Unterschied zur Schwäbischen Alb liegt in der Abschaffung des Flurzwanges während des ersten Vereinö-
dungsprozesses. Es galten zuvor die Regeln, dass jeder Bauer auf einer bestimmten Fläche bzw. Gemarkung
das gleiche wie alle um ihn herum anzubauen hatte. Der Fruchtwechsel erfolgte vorgeschrieben, von Jahr zu
Jahr. Diese Regelung wurde beim ersten Prozess abgeschafft.

Drumlins

Der Standpunkt befindet sich im damaligen Bereich des Bodenseegletschers. Typisch für Eiszerfalllandschaften
ist das Auftreten von Drumlins, die eine längliche, tropfenförmige Gestalt besitzen und aus aufgepresstem Mate-
rial der Grundmoräne bestehen. Die zum Eis hingewendete Seite besitzt eine steile Neigung, während die Eis
abgewande Seite flacher ausläuft. Oft treten Drumlins in Gruppen auf, wie z.B. nördlich von Lindau oder östlich
von Tettnang.

Tag 10 - Seite 4
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Bodenseebecken und Flussgeschichte

Vor der aufsteigenden Alpenkette bildete sich eine Geosynklinale aus, die sich im Laufe der Zeit mit Sediment
verfüllte und heute das Molassebecken bildet. In dieses Molassebecken tiefte sich das Bodenseebecken ein. Die
Ursachen hierfür sind vor allem in glazialen und fluvialen Prozessen zu finden, also das mehrfache Vordringen
des Rheingletschers und die Umlenkung des Alpenrheins vom Donausystem zum Hochrhein. Beide Prozesse
stehen in einem engen Zusammenhang.

Noch bis zur Mindeleiszeit entwässerte der Rhein über das Molassevorland nach Norden zur Donau. Der Al-
penrhein floss von Bregenz aus durch Oberschwaben nach NNO, ungefähr in dem Verlauf Schussental – Feder-
see, und erreichte die Urdonau im Raum Ehingen/Blaubeuren. Jedoch änderten sich die Flusssysteme von
Rhein, Schussen und Argen, denn ein Vorrücken der Wasserscheide des Aare-Nordsee-Rheinsystems bewirkte
einen vermehrten Abfluss nach Westen, wo nun die tiefste Stelle der Beckenumrandung des Bodensees zu fin-
den war. So kam es zu einer Umkehr der Fließrichtung. In den Warmzeiten schnitten sich die Zuflüsse des Bo-
densees tief ein, so dass der Gletscher der folgenden Kaltzeit diese bereits vorhandenen Senken nutzte und sich
deshalb fächerförmig ausbreitete und sich in einzelne Loben aufteilte. Die Risseiszeit hatte wohl die stärkste Aus-
räumung des Bodenseebeckens zur Folge. Nach der letzten Kaltzeit und dem Rückgang des Eises entwässert
der Bodensee vollständig nach Westen, so dass die Donau von ihren Zuflüssen abgeschnitten ist.

Weiterhin gibt es die Vermutung, dass nicht nur glaziale und fluviale Prozesse für das Bodenseebecken verant-
wortlich sind. Die Form des Bodensees mit der Ausrichtung SO – NW wird als Hinweis auf tektonischen Einflüsse
gedeutet, denn die Fließrichtung des Eises müsste eine Süd-Nord-Ausrichtung zur Folge haben. Jedoch wird
heute vermehrt davon ausgegangen, dass die Ausrichtung des Bodensees eine Folge der Umlenkung des
Rheins ist und lediglich durch nordwestlich verlaufende Brüche akzentuiert wurde.

Festzuhalten ist, dass der tektonische Einfluss wohl gering einzuschätzen ist, während glaziale und fluviale Pro-
zesse bei der Bildung des Bodenseebeckens im Vordergrund stehen.

Von dem Standpunkt ist ein Becken zu erkennen. Dabei handelt es sich um einen aufgeschotterten Schwemmfä-
cher der Argen. Durch die Eiszeiten wurden die Untere und die Obere Argen von einer zentrifugalen, d.h. einer
danubischen Entwässerung in eine periphere und schließlich in eine zentripetale Richtung also Richtung Boden-
see, umgelenkt. Periphere Entwässerung verläuft entlang einer Umgrenzung des Beckens und verhindert so den
Zufluss. Dies kann z.B. durch eine Eisrandrinne und vor Moränenwällen entstehen. Ein Beispiel für eine zentripe-
tale Entwässerung bietet die Argen. Sie entspringt am Adelegg-Schwemmfächer und wurde auf der Höhe Isnys
umgeleitet. Sie durchbricht eine Endmoräne und fließt nun weiter in Richtung Bodensee.

Tag 10 - Seite 5
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 4: Geologischer Lehrpfad Sipplingen

Landeskoordinatensystem RW: rechtswert HW: hochwert


UTM Easting: 0507055 Northing: 5294203

Der geologische Lehrpfad Sipplingen veranschaulicht die Schichtenfolge von der Unteren bis zur Oberen Süß-
wassermolasse. Durch Schautafeln und Aufschlüsse wird die Abfolge der Schichten erklärt.

Als Molasse wird eine tertiäre Ablagerungsabfolge im Alpenvorland bezeichnet, die sich aus einer Wechselfolge
von Konglomeraten; Nagelfluh, Sandsteinen und feinkörnigem Flinz zusammensetzt. Eingelagert in die Molasse-
sedimente sind Pechkohle und Erdgas sowie Erdöl. In der Nähe des Alpenrandes herrschen Sandsteine und
Konglomerate vor, während an dem Gebirge abgekehrten Rand des Molassetroges die Feinsedimente zu finden
sind. Die vorrückende Alpenfront hat die Molasse teilweise überfahren oder zusammengeschoben, sie bildet eine
2 – 15 km breite Zone, die sogenannte subalpine Molasse oder Faltenmolasse. Nördlich der subalpinen Molasse
ist nur noch eine Steilstellung von Molasseschichten vorzufinden, man spricht hier von der aufgerichteten Molas-
se. Die Trennlinie von gefalteter und aufgerichteter Molasse bildet die Südrandstörung.

Als Molassebecken wird das Gebiet zwischen dem Nordrand der Alpen, dem Südrand des Schweizer Juras, der
Schwäbisch-Fränkischen Alb und der Böhmischen Masse und dem Genfer See bis kurz vor Wien bezeichnet.
Durch die Hebung der Alpen entsteht eine Vorlandsenke, die als Auffangbecken für den Abtragungsschutt aus
dem Gebirge fungiert. Da die Senkungszone sich im Laufe des Jungtertiärs immer weiter nach Norden weitete ist
eine Gesamtabfolge der Molasse nur in Nähe des Alpenrandes erkennbar. Dort hat sie eine Mächtigkeit von bis
zu 5000m. Die Ablagerungen der Molasse fand im Meeresniveau bzw. wenig darüber statt d.h. es entstand ein
Wechsel von marinen und limnischen-fluvialen Sedimenten:

• Untere Meeresmolasse (UMM) bis 300m mächtig

• Untere Süßwassermolasse (USM) bis 2500m mächtig

• Obere Meeresmolasse (OMM) bis 350m mächtig

• Obere Süßwassermolasse (OSM) bis 1000m mächtig

Das Meer der OMM hat an seinem Nordrand auf Schwäbischen Alb ein Kliff hinterlassen, das eine Steilstufe im
Gelände bildet. Es zeugt von der größten Ausdehnung der Meeresbedeckung. Im Quartär wird das Gebiet von
Gletschern überprägt, so dass Gletscherschutt die Molasse überlagert.

Tag 10 - Seite 6
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Standort 5: Bodenseewasserversorgung

Landeskoordinatensystem RW: rechtswert HW: hochwert


UTM Easting: 0507695 Northing: 5294383

Bauende Frühjahr 1975

Dient der Wasserversorgung des nördlichen Baden-Württembergs (europäische Wasserscheide)

Fast ein fünftel des gesamten in Baden-Württemberg durch öffentliche Versorgungsunternehmen geförderten
Wassers wird bei Sipplingen aus dem Bodensee entnommen. Dies hat strategische Gründe: die Trübwerte sind
gering, es gibt keine Industrieansiedlung am Ufer (keine Wasserverschmutzung, zusätzlich Wasserschutzzone
seeseitig bis 80m vor dem Ufer), das Durchlaufwasser des Bodensees ist durch den Rhein sehr hoch (rein theo-
retisch wäre das Bodenseewasser alle 4 Jahre ausgetauscht - Rhein 11,5 Mio. m3/a, Bodensee 50 Mio. m3/a.
Das Werk befindet sich auf dem Berg, da das Ufer sehr steil ist und die Fläche unten am Seeufer nicht vorhan-
den ist. Zudem ist das Gefälle nach Norden hilfreich für die Reichweite des Rohrnetzsystems (Wasser benötigt
für 280km eine Woche).

Zahlen und Fakten - Die Bodensee-Wasserversorgung:

• Entnahmerecht für 670.000 m³ Rohwasser


pro Tag

• entspricht einer nom. Kapazität von 7.755


l/s im Mittel

• Zur Zeit 178 Mitgliedsgemeinden und -


verbände (unterschiedliche Preise vor Ort)

• versorgt etwa 320 Städte und Gemeinden


mit vier Millionen Einwohnern im Versor-
gungsgebiet

• Leitungssystem bis zu 2.250 mm Rohr-


durchmesser

• Über 1.700 km meist großkalibrige Hoch-


druckleitungen

• 29 Wasserbehälter mit zusammen 470.600


m³ Inhalt
Abb. 10 – 1: Bodenseewasserversorgung - Versorgungsgebiet

Tag 10 - Seite 7
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

• Elektrische Leistung der Pumpwerke: ca. 96.000 kW

• 330 Mitarbeiter auf 294 Stellen (01.01.2004)

• Wert des Anlagevermögens 697,0 Mio. EUR (31.12.2002)

• Jahresumsatz 47,4 Mio. EUR (31.12.2002)

Das Unternehmen entnimmt dem Bodensee in etwa 300 Meter Entfernung vom Ufer das Rohwasser in 60 Meter
Tiefe. Dort ist es rein, klar und hat ganzjährig eine gleichbleibend niedrige Temperatur von etwa 5 °C. Drei See-
entnahmeleitungen mit einem Durchmesser von 1300 bis 1600 mm leiten das Wasser bis zum Ufer. Die Entnah-
meköpfe, die einen Außerdurchmesser von etwa 2,10 Metern aufweisen, sind auf Entnahmetürme installiert, so
dass keinerlei Trübstoffe vom Grund angesaugt werden können.

Wegen der sehr guten Rohwasserbeschaffenheit ist es möglich, ausschließlich natürliche bzw. naturnahe Aufbe-
reitungsverfahren einzusetzen, um ein Trinkwasser mit einer hervorragenden Qualität zu produzieren. Die Was-
seraufbereitungsanlagen auf dem "Sipplinger Berg" bestehen aus folgenden Komponenten:

das Quellbecken ist der Ort, wo das Wasser erstmals wieder zu Tage tritt;

die Mikrosiebe sorgen dafür, dass ein großer Teil der Trübstoffe dem Wasser entzogen wird;

die Ozonanlage dient der sicheren Zwischendesinfektion und der Entfernung gelöster organischer Wasserin-
haltsstoffe;

die Sandschnellfilter befreien das Wasser praktisch vollständig von Trübstoffen;

die Chlorung sorgt dafür, dass das Wasser auch auf seiner langen Reise bis in den Norden Baden-Württembergs
jederzeit mikrobiologisch einwandfrei bleibt.

Literaturliste

Arbeitsgruppe Kulturhandbuch Bodensee-Hochrhein: Kultur an Bodensee und Hochrhein. Kulturhandbuch 1992.


Freiburg i. Br., 1992. (TM 92/3901)

Bernauer, Annette/ Jacoby, Harald: Bodensee. Naturreichtum am Alpenrand. Überlingen a.S., 1994. (NA 94/392)

Euregio Bodensee: Wirtschaftshandbuch Euregio Bodensee. Konstanz, 1995/96.

Materialien und Berichte: Die Region Bodensee-Oberschwaben und ihre Landkreise. Heft 8. 1996.

Schauwecker, Heinz: Bodensee-Wasserversorgung: Zweckverb. U. Gemeinschaftsunternehmen. Stuttgart, 1988.


(TX 89/1016)

Schindler, Herbert: Barockreisen in Oberschwaben und am Bodensee. München, 1971. (TM 79/3596)

Tag 10 - Seite 8
Exkursionsprotokoll „Rund um die Molasse“

Specht, Jürgen: Industrielle Forschung und Entwicklung: Standortstrategien und Standortvernetzungen. Am Bei-
spiel der Regionen Rhein-Main, Bodensee und Dresden. Wirtschaftsgeographie, Band 14. Münster, 1999. (NA
2001/384)

Zweckverband Bodensee Wasserversorgung: 25 Jahre Bodensee Wasserversorgung. Entstehung, Bau, Betrieb.


Stuttgart, 1979. (TX 93/1181)

Internet:

www.bwvz.de

www.zum.de

www.Friedrichshafen.de

Tag 10 - Seite 9
Ausarbeitung zu "Das politische System der Schweiz"

Tobias Sauter

Ausarbeitung des Referatsthemas: Das Politische System der Schweiz

Das Politische System der Schweiz

Die politische Gliederung der Schweiz

Die Schweiz ist eine Willensnation, d.h. sie bildet weder ethnisch, sprachlich oder religiös eine Einheit. Seit 1848
ist die Schweiz ein Bundesstaat, welcher aus einem Staatenbund von unabhängigen Einzelstaaten entstanden
ist. Der Aufbau des Bundes (der andere häufig gebrauchte Ausdruck dafür ist Eidgenossenschaft) ist föderalis-
tisch und gliedert sich in drei politische Ebenen:

Der Bund ist hauptsächlich für die Außen- und Sicherheitspolitik, bei Zoll- und Geldwesen und der landesweiten
Rechtsprechung zuständig. Aufgaben, die nicht ausdrücklich Bundessache sind, fallen in die Zuständigkeit der
nächst unterer Ebene, der Kantone.

Der Kanton Jura wurde 1978 als erster Kanton der Schweiz gegründet. Nun besteht die Schweiz aus 23 Kanto-

Abb. 1-1: Die Kantone der Schweiz.

Das politische System der Schweiz - Seite 1


Ausarbeitung zu "Das politische System der Schweiz"

nen, von denen drei (Unterwalden, Appenzell und Basel) geschichtlich bedingt in zwei Halbkantone getrennt sind.
Die Halbkantone besitzen die gleichen Rechte wie Ganzkantone jedoch besitzen sie im Ständerat nur eine an-
statt zwei Stimmen. Die Kantone werden auch oft als Stände bezeichnet. Jeder dieser Kantone (Halbkantone) hat
eine eigene Verfassung, sein eigenes Parlament, eine eigene Regierung und eigene Gerichte. Alle Kantone sind
organisatorisch in kleinere Einheiten, den Gemeinden gegliedert.

Zurzeit bestehen 2873 Gemeinden und ihre Zahl nimmt weiter ab. Neben den Aufgaben die ihnen vom Bund und
vom Kanton zugewiesen sind, z.B. das Führen der Einwohnerregister oder Zivilschutz, bestehen weitere Zustän-
digkeiten. So gehören Bereiche wie etwa Schul- und Sozialwesen, der Energieversorgung, der Straßenbau, die
Ortsplanung, die Steuern usw. zu diesen Zuständigkeiten.

Die politische Organisationen der Schweiz

Das Volk (ca. 4,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger) wählt das Parlament. Das Parlament (Bundesversammlung)
besteht aus zwei Kammern: dem Nationalrat bestehend aus 200 Mitgliedern und dem 46-köpfigen Ständerat. Na-
tional- und Ständerat bilden zusammen die Legislative. Der Tagungsort der Bundesversammlung ist das Bun-
deshaus in Bern. Beide wählt das Volk direkt, d.h. nach eidgenössischen bzw. kantonal unterschiedlichen Be-
stimmungen. Im Nationalrat sind die Sitze gemäß dem Bevölkerungsanteil der einzelnen Kantone verteilt. Im
Ständerat hat jeder Kanton zwei Sitze, jeder Halbkanton einen Sitz.

Abb. 2-1: Politische System der Schweiz (Eigene Darstellung).

Das politische System der Schweiz - Seite 2


Ausarbeitung zu "Das politische System der Schweiz"

Die Bundesversammlung aus Nationalrat und Ständerat wählt die Regierung mit Bundesräte (7 Mitglieder), den
Bundespräsidenten, die Bundesrichter und den Bundeskanzler. Die Bundesräte, der Bundeskanzler und Bundes-
präsident stellen die Exekutive der Schweiz dar. Der Präsident des Nationalrats hat den Vorsitz in der Bundes-
versammlung und ist daher politisch gesehen der ranghöchste Schweizer.

Die Judikative besteht aus den Schweizerischen Bundesgerichten mit Sitzen in Lausanne, Bellizona und St.
Gallen (ab 2007). Wie auch die Exekutive wird die Judikative von der Legislative – der Vereinigten Bundesver-
sammlung – gewählt.

Die Volksrecht auf Bundesebene

Die wesentlichen Volksrechte der direkten Demokratie (d.h. Einfluss des Volkes auf die Regierungstätigkeiten) in
der Schweiz sind die Initiative und das Referendum.

Verfassungsänderungen unterliegen dem obligatorischen Referendum. Über eine vom Parlament beschlosse-
ne Änderung in der Verfassung muss es auf jeden Fall eine Volkabstimmung geben. Zur Annahme einer solchen
Vorlage braucht es das so genannte „doppelte Mehr“, d.h. das Volksmehr (die Mehrheit der gültigen Stimmen im
ganzen Land) sowie das Ständemehr (die Mehrheit der Kantone).

Gesetzesänderungen unterliegen dem fakultativen Referendum. Das Volk hat das Recht, über Parlamentsent-
scheide im Nachhinein zu entscheiden. Es kommt zu einer Volksabstimmung, falls 50.000 Bürgerinnen es mit ih-
rer Unterschrift verlangen. Die Unterschriften müssen innerhalb 100 Tagen nach der Publikation eines Erlasses
vorliegen. Das vetoähnliche Referendumsrecht wirkt für den politische Prozess insgesamt verzögernd, indem es
vom Parlament oder der Regierung ausgehende Veränderungen abblockt oder ihre Wirkung hinausschiebt – man
bezeichnet das Referendumsrecht darum häufig als „Bremse in der Hand des Volkes“. Durch das Referendums-
recht sind die Parlamente auf allen Ebenen gezwungen, bei Gesetzesänderungen einen Kompromiss zwischen
allen größeren Interessensgruppen zu finden. Man spricht hier von einer „allgemeinen mittleren Unzufriedenheit“,
d.h. die Linke verzichtet oft auf ein Referendum, wenn die Rechte ebenfalls nicht von dem neuen Gesetz begeis-
tert ist und umgekehrt.

Bürgerinnen und Bürger können einen Volksentscheid über eine von ihnen gewünschte Änderung der Verfas-
sung verlangen. Damit eine solche Initiative zustande kommt, bedarf es innerhalb von 18 Monaten die Unter-
schriften von 100.000 Stimmberechtigten. Die Behörden reagieren auf eine eingereichte Initiative manchmal mit
einem Gegenvorschlag. Seit 1987 gibt es bei Abstimmungen die Möglichkeit des „doppelten Ja“. So kann man
die Initiative wie auch den Gegenvorschlag für gutheißen. Volksinitiativen gehen nicht vom Parlament oder von
der Regierung aus, sondern von den Bürgerinnen und Bürger. Die Initiativen gelten als einer der Antriebselemen-
te der direkten Demokratie.

Das politische System der Schweiz - Seite 3


Ausarbeitung zu "Das politische System der Schweiz"

Alle Personen haben das Recht Petitionen einzureichen. Die Bitten, Anregungen und Beschwerden werden di-
rekt an die Behörden gerichtet. Die Behörden sind dazu verpflichtet die Petitionen zur Kenntnis zu nehmen, je-
doch ist eine Antwort nicht vorgeschrieben.

Außenbeziehungen zu Europa

Die Schweiz ist seit 1963 Mitglied des Europarates und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Sie
unterzeichneten 1972 auch ein bilaterales Freihandelsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft. Am 6.
Dezember 1992 entschied das Schweizer Volk in einer Volksabstimmung mit 50,5 % dem Europäischen Wirt-
schaftsraum (EWR) nicht beizutreten. Neben den tatsächlichen Unterschieden zwischen den Sprachregionen lie-
ßen sich auch Gegensätze zwischen Stadt und Land und zwischen Jung und Alt ausmachen. Die städtischen
und jüngere Bevölkerung sind eher europafreundlich eingestellt, bei der älteren und ländlichen Bevölkerung gibt
sich eher europaskeptisch. Das Parlament ist jedoch europafreundlich gestimmt. Das europapolitische Abseits-
stehen der Schweiz ist somit teilweise auf das direktdemokratische Element und den Föderalismus (Ständemehr)
zurückzuführen. Bevölkerungsschwache ländlich-konservative Kantone können eine blockierende Mehrheit bil-
den und Entscheide verhindern.

Das Schweizerische Verkehrssystem

Die Entwicklung des schweizerischen Verkehrssystems

Das erste systematische Verkehrssystem wurde durch die Römer erschaffen. Es gab hauptsächlich West-Ost-
Verbindungen und drei ausgebaute Alpenübergänge - Großer St. Bernhard, Splügen und Julier-Maloja. Vom frü-
hen bis ins hohe Mittelalter wurden hauptsächlich Wasserstrassen und Seen als Verkehrsrouten genutzt. Größe-
re Siedlungen wie Genf, Basel oder Zürich entwickelten sich an solchen Wasserstrassen. Durch den im 13. Jahr-
hundert starken Bevölkerungszuwachs, gab es eine Phase zahlreicher Stadtgründungen. Es fand eine Umstruk-
turierung von Wasserrouten zu Landrouten statt. Schon zu dieser Zeit gewann die Schweiz an Bedeutung, be-
sonders als Transitland. Durch die Kreuzzüge war der Warenimport aus Asien stark angestiegen. Die Waren ge-
langten über italienische Hafenstädte wie Venedig und Genua nach Mitteleuropa. Passrouten waren besonders
wichtig für den Austausch der Waren mit dem Norden. Zudem gab es drei Hauptdurchgänge - die Quertäler von
Rhein, Rhone und Reuss - durch die Alpen, an denen sich der Verkehr hauptsächlich richtete.

Das politische System der Schweiz - Seite 4


Ausarbeitung zu "Das politische System der Schweiz"

Verkehrsentwicklung im 19. Jahrhundert

Der Bau der Eisenbahn setzte im Vergleich mit anderen Ländern in Europa verhältnismäßig spät ein. Gründe die
den Bau der Eisenbahnen verzögerten waren unter anderem der föderalistische Staatsaufbau mit seinen Binnen-
zöllen und die kantonseigenen Währungen. Mit der Gründung des Bundesstaates (1849) wurden die Binnenzölle
aufgehoben. Im ersten Eisenbahngesetz von 1852 wurde der Bau und Betrieb von Eisenbahnen den Kantonen
und Privatpersonen überlassen. Durch fehlende Verbindungen über die Alpen und fehlender Planungen gab es
1865 die erste Eisenbahnkrise. Nun wurde in einem zweiten Eisenbahngesetz (1872) die Konzessionshoheit auf
den Bund übertragen. Ein Alpenübergang erschien als Grundbedingung für die Rolle der Schweiz als Transitland.
Deutschland und Italien übten Druck auf die Schweiz aus, um durch einen Tunnel miteinander verbunden zu
werden. Damit entstand das Gotthardprojekt. Der Tunnelbau wurde 1880 abgeschlossen. Mit der Fertigstellung
des Simplon-Tunnels 1906 und der Lötschberg-Bahn 1913 wurde das transalpine Eisenbahnnetz vollendet.

Straßenbau im 20. Jahrhundert

Bis Anfangs der 1950er Jahre gab es in der Schweiz keine Autobahnen. Die Hauptverbindungen lagen haupt-
sächlich auf dem Netz der Nationalstraßen. Wieder war der föderalistische Staatsaufbau Hauptgrund für die Ver-
spätung. Die Kantone betrachteten die Verkehrsprobleme aus regionaler Sicht und vernachlässigten ihre Stellung
als Transitland. Das Eidgenössische Department des Inneren setzte 1954 eine Kommission ein, die alle mit der
Straßenplanung zusammenhängenden Fragen abklären sollte. Ein wesentlicher Punkt war der Ausbau des Nati-
onalstraßennetzes von anfänglich 500-600 km auf 1800 km. Bis heute sind die 1959 beschlossenen Ziele noch
nicht erreicht. Auf das Mittelland- und Juragebiet fallen somit 75 % des Netzes. Im Personenverkehr sank der An-
teil des Schienenverkehrs am Gesamtverkehr von rund 50 % auf rund 15 %. Im Güterverkehr konnte die Bahn
einen Anteil von 40 % beibehalten (50 % auf Straßenverkehr). Mit einem Straßennetz von mehr als 71.000 km
hat die Schweiz bezogen auf die Fläche eines der dichtesten Straßennetze in Europa.

Abb. 5-1: Statistik des alpenquerenden Güterverkehr.

Das politische System der Schweiz - Seite 5


Ausarbeitung zu "Das politische System der Schweiz"

Neue Verkehrskonzepte

Auf nationaler Ebene wurden hauptsächlich zwei Projekte verfolgt, zum einen das Projekt „Bus und Bahn 2000“
und die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT).

In einer Volksabstimmung (1987) wurde das „Bus und Bahn 2000“ Projekt beschlossen. Im öffentlichen Verkehr
sollte damit ein Kapazitätszuwachs von 30-50 % erreicht werden. Die Idee dieses Konzeptes beruht auf Knoten-
punkten. Alle wichtigeren Städte der Schweiz bilden einen so genannten Knoten. Zur jeden vollen Stunde stehen
alle Züge in den Knotenbahnhöfen. Die Züge fahren etwa gleichzeitig ab und erreichen den nächsten Knoten
kurz vor der vollen Stunde. Die Regionalbusse und –Züge sind auf diesen Stundentakt eingestellt. Damit sollen
Umsteige- und Wartezeiten verkürzt werden. Auf den Hauptstrecken sollte zudem ein Intercity-Verkehr im Halb-
stundentakt eingeführt werden. „Bahn und Bus 2000“ ist als typisches schweizerisches Projekt zu betrachten. Am
Anfang stand die Idee einer Haupttransversalen, einer West-Ost-Schnellverbindung durch das Mittelland. Auf-
grund föderalistischer Widerstände einigte man sich auf das Bahn und Bus 2000 Projekt. Regionale Anliegen
werden hier stärker berücksichtigt und das dezentrale Siedlungssystem der Schweiz wird verstärkt. Die Kosten-
überschreitenden Realisierung zwangen zu einigen Abstrichen des ursprünglichen Konzepts bzw. im Realisie-
rungszeitraum.

Um den Transitgüterverkehr durch die Alpen auch in Zukunft vorwiegend auf Schiene zu bewältigen, wurde das
NEAT-Projekt entwickelt. In Frankreich, der Schweiz und in Österreich nahm der alpenquerende Güterverkehr in
den letzten Jahrzehnten enorm zu. In der Schweiz wird heute noch der größte Teil des Transitgüterverkehrs auf
Schienen abgewickelt. In Österreich und Frankreich dominiert allerdings der Straßengüterverkehr. Grund hierfür
sind die von der Schweiz eingeführten Beschränkungen im Straßenverkehr. Zum einen bestehen ein Nacht- und
Sonntagsfahrverbot und zum anderen das 28-Tonnen-Limit für Lastwagen. Da aller Voraussicht nach der Tran-
sitverkehr weiter ansteigen wird, handelte die Europäische Union (EU) und die Schweiz ein Transitabkommen
aus, das im Januar 1993 in Kraft getreten ist und für 12 Jahre gilt. Mit diesem Abkommen wird versucht, den al-
penquerenden Transitverkehr im Güterverkehrsbereich zu stärken. Als Übergangslösung bietet die Schweiz eine
Erweiterung der Kapazitäten im kombinierten Verkehr an Gotthard und Lötschberg an. Bis zum Jahr 2015 sollen
deshalb der Basistunnel am Gotthard als Hautachse und der Lötschberg-Basistunnel gebaut werden. Im Gegen-
zug soll die Schweiz jedoch an ihrem 28-Tonnen-Limit und dem Sonntags- und Nachtfahrverbot beibehalten kön-
nen. Die EU verpflichtet sich zudem, die Zufahrtsstrecken für den kombinierten, alpenquerenden Verkehr durch
den Neu- oder Ausbau von Terminal und Linien zu verbessern.

Literaturverzeichnis

Bundeskanzlei, 2002: Der Bund kurz erklärt. Broschüre der Schweiz.

Das politische System der Schweiz - Seite 6


Ausarbeitung zu "Das politische System der Schweiz"

Wikipedia, 2004: Online-Enzyklopaedie. http://de.wikipedia.org/wiki/

Politisches_System_der_Schweiz, 26.09.2004.

UVE Eidgenoessisches

Department: Department fuer Umwelt, Verkehr, Energie und

Kommunikation, http://www.verkehr-schweiz.ch/

25.09.2004.

Das politische System der Schweiz - Seite 7


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Paul Schenk
Ausarbeitung zum Thema:

Ländliche Siedlungen, Haus- und Hofformen in den unterschiedlichen Landschaften (Schweizer Jura, Schweizer Mittelland,
Schwäbische Alb, Oberschwaben, Allgäu, Deutsche Alpen) der Exkursion "Rund um die Molasse" im Vergleich

Route: Freiburg - La-Chaux-de-Fonds - St. Ursanne - Délemont - Schaffhausen - Nußplingen - Blaubeuren - Ulm
- Tannheim - Hindelang - Sigmaringen - Freiburg

Grundlegendes zu ländlichen Siedlungen, Haus- und Hofformen im


Exkursionsgebiet

"Die Abhängigkeit der Kulturlandschaft von der Natur und dem Gestaltungswillen des Menschen wird besonders
sinnfällig im ländlichen Lebensraum, vor allem im Bild der bäuerlichen Siedlungen" (GEBHARD/FREI 1999, 19).
Jahrhunderte lang bestimmten die vorherrschenden Bedingungen wie Boden und Klima ob das Land bebaut und
was gepflanzt wird. Topographie und Baustoffe der jeweiligen Gegend, die Klima- und Bodenverhältnisse, die
Betriebsgröße oder die Wirtschaftsweise des Anwesens haben wiederum die Bauweise und damit auch das Er-
scheinungsbild der Häuser und Dörfer bestimmt. Im Zuge der Technisierung, Rationalisierung und Spezialisie-
rung verschwindet diese natürliche und kulturelle Vielfalt zunehmend. Dennoch kann durch einen geschärften
Blick auf Landschafts- und Siedlungsraum die Beziehung der naturräumlichen Ordnung, wie sie durch die Fakto-
ren Geologie, Relief, Klima, Gewässer, Böden bestimmt wird, auf die kulturräumliche Ordnung erkannt werden.

Im Folgendem wird, zum allgemeinen Verständnis der Bearbeitung des Themas ländliche Siedlungen, Haus und
Hofformen im Gebiet der Exkursion "rund um die Molasse", zunächst Grundlegendes über das Thema angeführt.
Dies hat eine einheitliche Begriffsbildung zum Ziel.

Der ländliche Raum

Der ländliche Raum liegt zwischen städtischem und nichtbesiedeltem Raum5. Im ländlichen Raum herrschen
land- und forstwirtschaftlich genutzte Produktionsflächen vor. Seine Siedlungen6 besitzen eine relativ geringe

5 Vgl.: „der ländliche Raum ist eine Raumkategorie, der die Kategorien „städtischer Raum“, „städtischer Verdichtungsraum“, „Stadtregion“
einerseits, „nichtbesiedelter und nichtkultivierter Raum“ andererseits gegenüber gestellt werden können. Innerhalb des ländlichen Rau-
mes bilden die Siedlungen eigene, nach verschiedensten Gesichtspunkten differenzierbare und typisierbare Raumkategorien“ (Lienau
2000, 9)
6 Unter Siedlung wird hier jeder menschliche Wohnplatz verstanden. Eng verbunden mit der Siedlung ist die Flur, die parzellierte landwirt-
schaftliche Nutzfläche eines Siedlungs- und Wirtschaftsverbandes.

ländliche Siedlungen – Seite 1


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Größe, was eine geringe Bebauungsdichte bezogen auf den kultivierten Raum bedeutet. Er verfügt über eine
geringe Industriedichte, wobei vor- und nachgelagerte Produktion überwiegen. Daraus resultiert, dass das
Spektrum, der im ländlichem Raum vertretenen Berufsgruppen schmal ist im Vergleich zu städtischen Räumen.
Es existiert ein relativ hoher Anteil arbeitender Menschen im primären Sektor7. Des weiteren besteht in hohem
Maße eine Versorgungsabhängigkeit mit höherwertigen Gütern von der Stadt.

Umgekehrt übernehmen die ländlichen Räume zahlreiche Funktionen für die Stadt:

• Standort für dezentralisierte Industrien und Kleingewerbe ¨ Erzeugung von Nahrungsgütern und Roh-
stoffen

• Erholungsräume und Zweit- bzw. Ruhestandswohnsitz für die städtische Bevölkerung

• Allgemeine Wohlfahrts- und Schutzfunktion, dienen der Lufterneuerung, der Wassergewinnung und
-speicherung

• Raumreserve für verschiedenste Zwecke: Verkehrseinrichtungen, Mülldeponien, Kraftwerke, militäri-


sche Einrichtungen, usw.

Im Zuge der Entwicklungen in der Postmodernen verschwimmt der Unterschied zwischen städtischem und länd-
lichem Raum zusehends (Globalisierung).

Die Siedlungsgestalt

Die Siedlungsgestalt resultiert aus Anzahl, Gestalt und Anordnung ihrer Elemente, also der Haus- und Hoffor-
men und sonstiger Gebäude (Kirchen, Wirtshäuser, Fabriken, ...), der Infrastruktur und Begrenzungen (Befesti-
gungsanlagen, Zäune, Abhänge, Felsen, ...). Sie ergeben sich häufig aufgrund regionaler als auch geschichtli-
cher Besonderheiten. Alle Gestaltelemente zusammen, eingeschlossen die unterschiedlichsten Formen der
Landnutzung, machen das Bild der ländlichen Kulturlandschaft aus.

Der Einfluss physischgeographischer Faktoren auf die Verteilung der Siedlungen im ländlichen Raum

Siehe Abbildung 1 auf Seite 12/1der Materialsammlung. Unterschiedliche Faktoren beeinflussen die Verteilung
von Siedlungen aufgrund von. Im Folgendem werden physischgeographische Faktoren und deren Auswirkungen
sowie Gunst- und Ungunstlagen von Siedlungsplätzen beispielhaft aufgeführt:

• Die Oberflächengestaltung ¨ Abwandlung des Klimas durch Höhe, Behinderung der Besiedlung durch Re-
lief

7Deren Anteil überschreitet in Mitteleuropa allerdings nur noch selten 50%. Auch in Siedlungen, die physiognomisch noch von der Land-
wirtschaft geprägt sind, liegt er oft unter 5% (vgl. Lienau 2000, 11).

ländliche Siedlungen – Seite 2


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

• Der Talboden wird in der Regel gemieden, bevorzugt werden Terrassen, die Höhe der von kleinen
Hangrunsen erzeugten Schuttkegel, ...

• Bei Übereinanderschaltung von Verebnungen (insbesondere in glazial überformten Tälern) ¨ Sied-


lungsbänder nach der Höhe hin gestaffelt

• Bei allzu starker Auflösung des Geländes und tief eingeschnittenen Tälern ¨ Engräumigkeit wird ver-
mieden, Siedlungen liegen verstreut an sanften Hängen oder auf Verebnungsresten

• Hochflächen stellen in den mittleren Breiten durch die Abwandlung des Klimas mit der Höhe eine Benachtei-
ligung dar ¨ Nachlassen der Besiedlung ¨ die Schwäbische Alb zeigt unter den süddeutschen Landschaf-
ten mit Ausnahme der alpinen die geringste Bevölkerungsdichte

• Die Ebenen stellen bevorzugte Siedlungsräume dar ¨ insbesondere von Gebirgen umrahmte Stromauf-
schüttungsebenen ¨ gleichmäßige Verteilung der Wohnplätze (ebenso bei Hochebenen) wird dadurch be-
günstigt, aber unterschiedliche Bodengüte, Grundwasserstand und Untergrund (Kalk) wirken differenzierend

An dieser Stelle lassen sich noch mehrere Faktoren mit ihren Auswirkungen aufzählen. Die wesentliche Ausges-
taltung des Siedlungsraumes jedoch geschieht durch den Menschen (vgl. Siedlungsgeschichte).

Die ländlichen Siedlungen

Bezüglich der Größe ist zwischen Einzelsiedlungen und Gruppensiedlungen zu differenzieren. Einzelsiedlungen
können aus nur einem Hof bestehen, der allerdings mehrere Gebäude umfassen kann. Mehrere Gehöfte bilden,
wenn sie in lockerer Anordnung zueinander liegen, einen Weiler. Ein Dorf verfügt im allgemeinen über weitere
Funktionen wie Kirche, Schule, Verwaltung usw. Einzelsiedlungen findet man vor allem im Allgäu8. Geschlosse-
ne Dörfer finden sich besonders häufig im heutigen Baden-Württemberg9. Beachte hierzu auch Tabelle 1 auf
Seite 12/2 der Materialsammlung.

Der Grundriss einer Siedlung ergibt sich aus der Position der einzelnen Gebäude zueinander und deren Lage zu
Straßen, Bächen und Plätzen. Lineare Siedlungen ergaben sich oft an Flussläufen oder entlang von Tälern. Bei
diesem Siedlungstyp sind die einzelnen Gehöfte aneinandergereiht. Meistens führen Wege direkt vom Hof zur
Wirtschaftsfläche, z. B. bei dem Waldhufendorf. Diese Typen entstanden vor allem während der hochmittelalter-
lichen Rodungs- und Kolonisationsphase.

Beim Straßendorf ist eine Straße das zentrale Siedlungselement, an der sich beidseitig die Höfe aneinander rei-
hen. Etwa zur gleichen Zeit entstanden viele Dörfer des Platzsiedlungs-Typs. Hier gruppieren sich die einzelnen
Gebäude um einen zentralen Platz, wie z. B. beim sogenannten Rundling. In die Gruppe der Platzsiedlungen

8 und in großen Teilen Norddeutschlands, vgl. LIENAU 2000, 62

9 und in Hessen, vgl. LIENAU 2000, 63

ländliche Siedlungen – Seite 3


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

gehört auch das Angerdorf10. In der Regel besitzen Platzsiedlungen keine direkt an den Hof anschließenden
Parzellen, sondern eine Gemengefeldflur.

Hinsichtlich der Bebauungsdichte, also dem Abstand der einzelnen Gebäude zueinander, gibt es regional große
Unterschiede. Besonders dichte Bebauung findet sich z.B. in den Dörfern Südwestdeutschlands, in denen über
Jahrhunderte hinweg das Realteilungsrecht praktiziert wurde. Dies führte zu häufigen Teilungen und Gebäude-
ergänzungen innerhalb der dörflichen Einheiten. Demgegenüber ist die Bebauungsdichte in Gebieten des Aner-
benrechts, d.h. mit geschlossener Hofübergabe an nur einen Erben, oft deutlich geringer.

Der am stärksten verbreitete Dorftyp Mitteleuropas ist das sogenannte Haufendorf, das sich im allgemeinen
durch unregelmäßige Grundrissformen kennzeichnet. Diese sind das Ergebnis eines länger andauernden
Wachstumsprozesses. Folgerichtig werden Haufendörfer als "gewachsene Siedlungen" bezeichnet. Dem stehen
die regelmäßigen Grundrisstypen gegenüber, die überwiegend das Ergebnis einer geplanten Entscheidung ei-
nes Kolonisationsträgers (Adel, Kirche, Landesherren) entstanden sind. Sie werden von daher auch als "geplan-
te Siedlungen" bezeichnet. Ihre Entstehung erfolgte meist innerhalb einer kurzen Zeitdauer oder im Rahmen ei-
nes Kolonisationsvorganges.

Die Grundrissformen der ländlichen Siedlungen sagen meist nur wenig aus über die soziale Differenzierung der
ländlichen Gesellschaft, obwohl es auch hier Interpretationsmöglichkeiten gibt. So lassen die einförmigen Hufen-
siedlungen in Wald oder Moor auf eine recht ausgewogene soziale Schichtung der Bevölkerung schließen. An-
ders ist es in den gewachsenen Siedlungen, wo die vielfältigen Haus- und Hofformen ein Spiegelbild der Sozial-
verhältnisse der dörflichen Bevölkerung darstellen.

Haus- und Hofformen

Auch hinsichtlich der Haus- und Hofformen sind einige grundlegende Einteilungskriterien zu berücksichtigen, wie
z.B. die Größe und die äußere Form der Gebäude, die Lage der Gebäude zueinander, die Konzentration ver-
schiedener Funktionen innerhalb eines einzigen oder deren Aufteilung auf mehrere Gebäude, der Geschosszah-
len, der Anzahl der Gebäude, also die Frage, ob ein Gehöft aus mehreren oder nur einem einzigen Gebäude
(Einheitshof) besteht. Die Einflussgrößen auf Haus- und Hofgestalt sind in Abbildung 2 auf Seite 12/2 der Mate-
rialsammlung übersichtlich dargestellt.

Unter Hof soll hier die Gesamtheit von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden verstanden werden, wobei Haus ledig-
lich den Wohnteil meint11. Den Haufenhof, der im Grunde aus einer ganzen Reihe gleichwertiger Gebäude be-
stand, gibt es heute nicht mehr. Wenn mancher Hof mehrere untergeordnete Nebengebäude, z.B. einen Wa-

10 der Name leitet sich vom "Anger" genannten zentralen Platz ab, der später oft der Standort von Kirche und Schule wurde

11 Einerseits wird unter der Bezeichnung Hof die Gesamtheit des bäuerlichen Betriebes, also Baulichkeiten, Felder, Wiesen, und Wald

andererseits auch nur die Baulichkeiten von Einhof oder Paarhof verstanden.

ländliche Siedlungen – Seite 4


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

genschuppen, einen Backofen oder eine Brenn- und Waschhütte hat, macht ihn das noch nicht zum Haufen-
hof12.

Im Falle des Einheitshofes (auch Einhof) befinden sich sowohl Wohn- als auch Wirtschaftsräume unter einem
Dach. Beim Mehrbauhof sind die Gebäude nach Funktionen getrennt, meist in Stallungen und Wirtschaftsge-
bäude einerseits und dem Wohnbereich andererseits.

In der äußeren Form wird allgemein unterschieden in verwendetem Baumaterial und der Bauweise, Beda-
chungsmaterial und Dachkonstruktion sowie ausgewählte Elemente von regionaler Besonderheit (z.B. das Bret-
terkamin: typisch für den südlichen Schweizer Jura). Vergleiche hierzu die Abbildung 17 der Materialsammlung
auf Seite 12/14. Desweiteren leisten freistehende Speicher häufig sehr eindrucksvoll Zeugnis von ursprünglichen
Bauweisen. Eine Übersicht traditioneller Speicherbauweisen in den unterschiedlichen Landschaften der Schweiz
stellt die Abbildung 18 auf Seite 12/15 der Materialsammlung dar.

Flurformen

Unter Flurformen versteht man Systeme der Parzellengliederung landwirtschaftlicher Nutzflächen und Gestal-
tungsformen des bäuerlichen Siedlungsraums. Abhängig von Gelände-, Wirtschafts-, Rechts- und Herrschafts-
verhältnissen spiegeln die Flurformen die Zeiten der Besiedelung wider:

• Blockfluren stehen für das Altsiedelgebiet,

• Streifen- und Gewannfluren für die planmäßige mittelalterliche Kolonisation ab 1000 n. Chr.,

• Waldhufenfluren für die hoch- und spätmittelalterlichen Rodungsgebiete und

• Einödfluren für die Urbarmachung des gesamten Alpenraums.

Grundzusammenlegungen, Flächen(um)widmungen und Änderungen der Bewirtschaftung haben zu einer Ver-


mischung und zum Teil Auflösung der Flurformen geführt. Beispiele von unterschiedlichen Flurformen im Exkur-
sionsgebiet finden sich in der Materialsammlung auf Seite 12/3, Abbildung 3 und 4 sowie auf Seite 12/10 Abbil-
dung 10, 12/12 Abbildung 14 und 12/13 Abbildung 16.

Siedlungsgeschichte im Exkursionsgebiet

Die früheste Landnahme und Besiedlung beim Übergang des Menschen von der Wirtschaftsstufe des Jägers
und Sammlers zum sesshaften Hackbauerntum setzte um ca. 5000 v. Chr. ein, nachdem sich das nacheiszeitli-
che Klima hinreichend erwärmt hatte und den Ackerbau ermöglichte (Ende der letzten Eiszeit rd. 10000 v. Chr.).

12 Der Haufenhof im engeren Sinn müsste, um nur einige Funktionen zu nennen, neben dem Wohnhaus auch ein eigenes Stallgebäude
für Rinder, ein eigenes Gebäude für Schafe, wieder ein eigenes Gebäude zum Dreschen und ein anderes, um das Heu zu lagern, haben.

ländliche Siedlungen – Seite 5


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Auffällig ist, dass die frühesten Ackerbauern offensichtlich waldfreie oder nur licht bewaldete Areale bevorzug-
ten, etwa die Lößlandschaften oder die Steppenheidegebiete in Süddeutschland. Die weitere
Siedlungsgeschichte ist gekennzeichnet durch die Verbesserung der Anbautechniken, was mit der Verwendung
von Metall zur Herstellung der Arbeitsgeräte möglich wurde. Um 4000 v. Chr. beginnt das Kupferzeitalter, gefolgt
von der Bronzezeit (ab 2200 v. Chr. ) und der Eisenzeit (ab 1200 v. Chr.). Die Kenntnisse von den
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationsformen der frühen Kulturvölker sind relativ gering. Zahlreich
sind jedoch die archäologischen Spuren, wie Hügelgräber, Werkzeuge usw. Seit dem ersten vorchristlichen
Jahrtausend häufen sich archäologische Funde und Relikte. Für das germanische Siedlungsgebiet sind
Blockfluren bzw. Kammerfluren nachgewiesen worden13, die Kenntnisse der eigentlichen Siedlungsplätze sind
bis heute jedoch dürftig. Konkreter sind die Hinweise im Bereich des römischen Dekumatlandes, wo ein dichtes
Netz verschieden großer Villen (Landgüter) innerhalb einer im Zenturiatssystem regelmäßig ausgelegten Flur
ausgebildet war. Viele Spuren dieser frühgeschichtlichen Besiedlung gingen jedoch im Zuge der
Völkerwanderung und der damit verbundenen Zerstörung wieder verloren.

Einen Neubeginn stellt die Frankenzeit dar, die mit dem Merowingerreich um das Jahr 500 beginnt. Im Zuge der
fränkischen Landnahme entstanden vor allem in den Gunstlandschaften Mitteleuropas eine Vielzahl von Einzel-
gehöften, aus denen sich im Zuge der Entwicklung Gehöftgruppen (Weiler) oder ganze Dörfer (v.a. der Typus
des Haufendorfes) bildeten. Die Siedlungsnamen dieser Phase sind jeweils an ihren Endungen leicht zu erken-
nen, indem sie auf den Siedlungsplatz selbst (z.B. -haus, -dorf etc.) oder auf die Topographie (-berg, -tal u.a.)
hinweisen. Vorzugsweise beschränkte sich die Siedlungstätigkeit während der Frankenzeit auf die bereits vorher
vom Menschen genutzten Gebiete. In diesen sogenannten altbesiedelten Gebieten (Altsiedelland) kam es zu
einer erheblichen Siedlungsverdichtung. In gewissem Umfang wurden in den niedrigeren Lagen der Mittelgebir-
ge auch bereits Rodungen durchgeführt.

Die eigentliche Rodungsphase fällt jedoch in das Hochmittelalter (10.-12.Jh.) und steht im Zusammenhang mit
einer rasch wachsenden Bevölkerungszahl und den Bemühungen des Adels und des Klerus, Neuland zu er-
schließen und damit auch ihre wirtschaftliche Basis zu verbreitern. Insbesondere in den Mittelgebirgen erfolgte
die Landnahme überwiegend im Sinne gelenkter Rodungen, also planmäßiger Kolonisation, was sich in regel-
mäßigen Siedlungs- und Flurmustern niederschlug. Besonders charakteristisch waren hierbei die Hufensiedlun-
gen, die weitverbreitet in den mitteleuropäischen Mittelgebirgslandschaften entstanden. Insgesamt wird das
hochmittelalterlich erschlossene Siedlungsgebiet als Jungsiedelland bezeichnet.

Zur Bestimmung der verschiedenen Phasen der Besiedlung Mitteleuropas dient die Ortsnamensmethode, die
zwar nicht unumstritten ist (man denke an mögliche Umbenennungen von Orten), die aber dennoch eine
brauchbare Orientierung ermöglicht (vgl. Materialsammlung Seite 124-6, Tabelle 2). Dabei werden folgende
Phasen unterschieden:

13 vgl. BORN: 1957

ländliche Siedlungen – Seite 6


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Die frühgeschichtliche Phase (4. Jahrhundert v. Chr. - 4. Jahrhundert n. Chr.), mit Ortsnamensendungen auf -lar,
-mar, -tar, -ingen, -ungen, -aha, -affa, -a, etc. ( sog. germanische Ortsnamen)

Die fränkische Phase (7. Jahrhundert - 9. Jahrhundert), Ortsnamensendungen auf -heim, -haus, -hausen, -dorf, -
berg, -tal, etc. (sog. fränkische Ortsnamen)

Die hochmittelalterliche Rodephase (10. Jahrhundert - 12. Jahrhundert), Ortnamensendungen auf -rod, -rode, -
wald, -walde, -reuth, -hau, -schlag, -kirchen, -zell, etc. (sog. Rodenamen, die sich auf die Rodetätigkeit, den
Wald oder den Siedlungsträger beziehen)

Schließlich kann noch die absolutistische Landnahme ausgegliedert werden, als vorwiegend die Landesherren in
den Moor- und Sumpflandschaften Kolonisation betrieben. Die Verwendung der Eigennamen der Herrscherfami-
lie in den Prä- oder Suffixen war besonders typisch, was Beispiele wie Friedrichsdorf, Charlottenburg, Carolinen-
siel, Karlsruhe u.a. belegen.

Außer durch ihre Namen können ländliche Siedlungen auch durch ihre Formen unterschieden werden. Frühe
Siedlungen, die der 1. und 2. Phase entsprechen, sind in ihrem Grundriss meistens unregelmäßig, durch unter-
schiedliche Haus- und Hofformen geprägt und auch hinsichtlich der Größe sehr uneinheitlich - vom kleinen Wei-
ler bis zum großen Haufendorf.

Spätere Siedlungen, insbesondere wenn sie im Zuge geplanter Kolonisation des Hochmittelalters oder des Ab-
solutismus im 17./18. Jahrhundert entstanden sind, haben überwiegend regelmäßige Grundrissformen, etwa
Straßendörfer, Angerdörfer, Hufendörfer14 in ihren verschiedenen Formen (Waldhufen, Moorhufen, etc.).

Der Siedlungsgang in Mitteleuropa erfolgte jedoch nicht kontinuierlich. Er wurde immer wieder durch Stagnati-
ons- oder Wüstungsphasen unterbrochen. Die Völkerwanderungszeit stellt eine solche Unterbrechung dar. In
der Bedeutung sehr viel größer war die spätmittelalterliche Wüstungsphase des 14./15. Jahrhunderts. Eine der
Hauptursachen hierfür war die Pest, die in Europa erstmals 1348 auftrat und die große Teile der Bevölkerung
dahinraffte. Andere Ursachen waren Kriege, die viele Dörfer zerstörten, etwa die Religionskriege im 16. und der
Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert. Mehr als 40% der ländlichen Siedlungsplätze fielen in dieser Zeit in Mit-
teleuropa wüst, wovon die meisten auch nicht wieder aufgebaut wurden. Da die Bevölkerung dezimiert war,
dehnten sich die Wälder wieder aus (teilweise durch die Landesherren gelenkt) und begruben die alten Siedlun-
gen unter sich.

14 Diese regelmäßigen Formen sind besonders östlich der Elbe verbreitet, da hier im Zuge der Ostbewegung im Hochmittelalter durch
den Deutschen Ritterorden das ehemals slawische Siedlungsgebiet tiefgreifend verändert wurde.

ländliche Siedlungen – Seite 7


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Die Siedlungsbesonderheiten der unterschiedlichen Landschaften


des Exkursionsgebiets

An dieser Stelle erfolgt eine Vorstellung von Siedlungsbesonderheiten des Exkursionsgebietes. Die Behandlung
aller Facetten ländlicher Siedlungen der unterschiedlichen Landschaften würde den Rahmen dieser Ausarbei-
tung bei weitem sprengen. Für ein grundlegendes Verständnis der Siedlungsgestalt im jeweiligen Gebiet wird auf
die Siedlungsgenese verwiesen. Bei der Aufführung der unterschiedlichen Besonderheiten ist versucht worden,
einer chronologischen Reihenfolge im Sinne des Exkursionsverlaufs gerecht zu werden.

Schweizer Jura

Wesentlich wurde der Schweizer Jura durch die Kolonisation im Hochmittelalter geprägt. Hieraus resultiert auch
seine typische Gestalt, was die ländlichen Siedlungen angeht. Wie bereits erwähnt, stehen Gewannfluren für die
planmäßige mittelalterliche Kolonisation ab 1000 n. Chr.. Im Exkursionsgebiet kommt unter diesem Gesichts-
punkt der Ortschaft St. Ursanne eine besondere Bedeutung zu. Vergleiche hierzu auch die Siedlungsgeschichte
von St. Ursanne des zweiten Tages der Exkursion.

Transversalgemeinden des Kettenjura

Die Gemeindeflächen liegen quer zur Talachse und reichen im Idealtyp von Wasserscheide zu Wasserscheide.
Die Gemeinden umfassen alle Siedlungszonen vom Tal mit Getreideanbau über eine Waldzone bis zur bisweilen
nicht mehr dauerbesiedelten Einzelhof- und Alpwirtschaftszone. Historisch gesehen sind hier zwei heterogene
Siedlungselemente in neuerer Zeit aus verwaltungstechnischen Gründen in einheitlichen Gemeinden vereinigt
worden. Die Talzone umfasst geschlossene Dörfer mit voll ausgebildeter Gewannflur und Dreizelgenwirtschaft.
Zur Talzone gehört stets auch eine Gemeinweide am Waldrand. Das Siedlungszentrum ist oft ein quer zur Ta-
lachse an einem Seitenbach und am Weg zu den Feldern gelegenes kurzes Straßendorf (Transversaldorf). Erst
durch den neueren Straßenbau und die Industrialisierung des 19. Jh. erhielten die Dörfer Kreuz- und Haufen-
grundriss. Die Wald-, Einzelhof- und Alpwirtschaftszone gehört noch heute nicht zur Wirtschaftseinheit des Tal-
dorfes. Die Wälder und Hochweiden waren ursprünglich Königsland und standen später im Besitz des Landes-
herren, zum Beispiel des Fürstbischofs von Basel, der sie an einzelne Bauern zur Dauersiedlung oder an Patri-
ziergeschlechter und auswärtige Korporationen als Sömmerungsweiden zu Lehen gab. Veranschaulicht wird
dies in der Materialsammlung auf Seite 12/13, Abbildung 16.

ländliche Siedlungen – Seite 8


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Reihen- und Kettendörfer des Hochjura

Im Neuenburger Hochjura tritt eine Siedlungsform auf, die den Waldhufensiedlungen verwandt ist. Die Wohn-
plätze sind bald dichter, bald lockerer einer Straßenachse entlang aufgereiht. Die zugehörige arrondierte Wirt-
schaftsfläche beginnt bei jedem Hof als langer Streifen, bei lockereren Formen als rechteckiger Block. Die Par-
zellengrenzen erscheinen als Steinmäuerchen, häufig mit Hecken. Der Höhenlage entsprechend herrschen Na-
turwiesen mit sporadisch aufgebrochenen kleinen Äckerchen vor. Vergleiche hierzu die Abbildung 14 der Mate-
rialsammlung auf Seite 12/12.

Haus- und Hofformen im Schweizer Jura

Prägend auch für den Hausbau im Jura ist die Wasserknappheit. Dementsprechend gestaltet sich die Dachnei-
gung am traditionellen Bauwerk gering um möglichst großflächig Regenwasser aufzufangen, welches in einer
angeschlossenen Zisterne gespeichert wurde. Als Baumaterial wurde vorwiegend Stein verwendet aufgrund der
Abbaumöglichkeiten Vorort. Als Hofgestalt herrschte der Einhof vor, da besonders die kalten Winter zur Ökono-
mie zwangen. Ein Beispiel findet sich in der Materialsammlung auf Seite 12/12 Abbildung 15 der Materialsamm-
lung.

Schweizer Mittelland

Wesentliches Unterscheidungsmerkmal des ländlichen Raumes des Mittellandes im Gegensatz zum Jura ist zu-
nächst die Bevölkerungsdichte15.Resultierend aus der Gunstlage des Mittellandes, ist es wesentlich früher be-
siedelt worden. In der traditionellen Bauweise herrscht Holz als Baumaterial vor. Dementsprechend ist die vor-
herrschende Konstruktionsform die Ständerbauweise mit Rafen-Walmdach. Die Hofanlage war wohl ursprüng-
lich der Haufenhof, welcher in den Vielzweckbau überging. Vergleiche hierzu Abbildung 13, Seite 12/11 und Ab-
bildung 17, Seite 12/14 der Materialsammlung. Die aus der Siedlungsgeschichte resultierenden vorherrschenden
Siedlungsformen im Mittelland sind demnach Einzelhofsiedlungen16, Weiler und Haufendörfer, also gewachsene
Siedlungen im Altsiedelland.

15 Vgl. Materialsammlung S. 12/7, Abb. 6

16 Vgl. Materialsammlung S. 12/11, Abb. 12

ländliche Siedlungen – Seite 9


Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Schwäbische Alb

Kargheit und Wasserarmut gelten als Merkmale der Alb, die aus weißgrauen Kalken und Dolomiten der Jurafor-
mation aufgebaut ist und die als Höhenzug quer durch Süddeutschland verläuft. Dennoch verfügt sie auch über
lehmig-sandige Verwitterungsböden, welche seit alters her die landwirtschaftliche Nutzung begünstigt und An-
lass für Rodung und Siedlung gegeben haben.

Typisch für die Schwäbische Alb sind geschlossenen Haufendörfer, wie in der Materialsammlung auf Seite 12/6,
in Abbildung 5 dargestellt.

Iller-Lech-Platte

Die Terrassenlandschaft zwischen Iller und Lech ist geprägt durch das kaltzeitliche Klima und die Erosionswir-
kung der Fließgewässer während des Eiszeitalters. Die breiten Täler von Lech, Wertach, Mindel und Iller waren
seit alters her Leitlinien der Besiedelung und des Verkehrs. Für eine Verbindung zwischen Donau und den Al-
penübergängen benutzten bereits die Römer das Lech- und das Illertal.

Allgäu und Tannheimertal

Im Folgendem geht es um den Naturraum Alpenvorland und einen kleinen Teil der nördlichen Randalpen. Das
gegenüber der Iller-Lech-Platte reglos wirkende Relief ist das Ergebnis der schürfenden, schiebenden und auf-
schüttenden Wirkung des Gletschereises und seiner Schmelzwässer17. Drei große Gletscher und eine Reihe
kleinerer Eisströme waren daran beteiligt. Aus dem Lechtal kam der Lechgletscher, der bei Füssen und Pfronten
das Gebirge verließ und sich bis 40km weit im Ostallgäuer Voralpenland ausbreitete. Aus dem Illertal kam der
Illergletscher, der sich nördlich von Immenstadt nur auf ca. 20km ausdehnen konnte, da er von den Höhenzügen
der Faltenmolasse eingeengt war. Aus dem Alpenrheintal kam der gewaltige Rheingletscher, der mit mehreren
Eisströmen weit über das Bodenseebecken hinaus nach Norden und Westen vorstieß und eine maximale Breite
von mehr als 100km erreichte. Während der maximalen Vereisung erreichte die Oberfläche der Gletscher am
Gebirgsrand eine Höhe zwischen 1200m und 1500m. Gegen Norden hin dünnten die Eismassen allmählich aus
und an der Gletscherstirn häuften sie den mitgebrachten Gesteinsschutt zu wallartigen Moränenhügeln auf. Eine
langgestreckte Hügelkette, die sich auf der Linie Kaufbeuren – Obergünzburg – Altusried zieht, markiert girlan-
denartig die Eisrandlage in der Würmeiszeit.

17 vgl. MEYNEN (1953-1962)

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Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Über die 700m bis 800m hohe Moränenlandschaft erheben sich Bergrücken und Höhenzüge der Allgäuer Fal-
tenmolasse. Sie gehören geologisch-tektonisch zum Alpenbereich, bilden aber morphologisch-naturräumlich ei-
nen wesentlichen Teil des voralpinen Hügellandes. Westlich der Iller sind sie in mehreren Hügelketten (Hau-
chenberg-Stoffelberg, Sonneckrücken, Salmaser Höhenzug) dicht hintereinander gestaffelt und stellen einen
allmählichen Übergang zum Gebirge her. Östlich der Iller bilden sie mit dem Wertacher Rücken und dem Hö-
henkamm Senkele - Zwieselberg markante Erhebungen. Quer zur Stoßrichtung des Gletschers wurden die har-
ten Nagelfluhbänke und Sandsteine lediglich abgeschliffen, während die weicheren Mergellagen ausgeräumt
worden sind.

Im gesamten voralpinen Hügelland bedingen die morphologischen Gegebenheiten einen engräumigen Boden-
wechsel. In der Grundmoräne und in den Molasseschichten überwiegen lehmige Böden, innerhalb der Endmo-
räne sowie in den Talzügen sind Sand, Kies und Auenböden vorherrschend.

Siedlungen und Rohdung haben den Wald stark zurückgedrängt, er bedeckt vor allem die Moränenrücken, die
steilen Talhänge und Bergflanken und hat sich in den Flussauen und Bacheinschnitten naturnah erhalten. Das
offene Land wird intensiv beweidet oder als Mähwiese genutzt. Mit der Erkenntnis, dass sich die Boden- und
Klimaverhältnisse am besten für die Grünlandnutzung eignen, sind seit der Mitte des vorletzten Jahrhunderts die
Ackerflächen südlich der Endmoränen fast vollständig verschwunden. Weiler und Einzelhöfe, die auf die spätmit-
telalterliche Rohdungstätigkeit und teilweise auf die Vereinödungsbewegung18 des 16. und 18. Jahrhunderts zu-
rückgehen, prägen das Siedlungsbild. Ländliche Märkte und Dörfer bilden die lokalen Zentren. Mit Kempten,
Kaufbeuren und Marktoberdorf haben sich an verkehrsgünstigen Standorten die administrativen und wirtschaftli-
chen Mittelpunkte entwickelt.

Typische Flurformen

Streusiedlungen und Grünlandwirtschaft sind die Charakteristika des Alpenvorlandes19. Typisch für die meisten
Einzelhöfe und kleinen Weilersiedlungen im Allgäu ist eine in kleinere und größere Blöcke aufgeteilte Flur, wel-
che als geschlossener Besitz rund um den Hof angeordnet sind20. Diese werden aufgrund ihrer geschlossenen
Lage des Besitzes als Einödfluren bezeichnet.

Haus- und Hofformen im Alpen- und Voralpenteil des Exkursionsgebietes

Vorherrschend ist der klassische Einhof, welcher in der Regel Nebengebäude hat. Die wesentlichen Funktionen
des Wohnens und Wirtschaftens sind aber unter einem Dach vereint. Eine klassischer Aufriss des Allgäu-

18 Auflösung von Gruppensiedlungen sowie Gemengefeldfluren mit dem Ziel der Bildung von Einzelhöfen mit Einödflur; vgl. LESER 2001

19 Vgl. Materialsammlung S. 12/16, Abb. 19

20 Vgl. Materialsammlung S. 12/3, Abb. 3 + 4

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Einhofs mit seinem Dreiraumwürfel Kammer-Küche-Stube im Wohnteil einschließlich des Herrgottswinkels, ist
auf Seite 12/21 der Materialsammlung in Abbildung 26 zu sehen. Nur die Einhöfe des Lechtals und seiner Sei-
tentäler kommen ohne jedes Nebengebäude aus21. Extreme Schneehöhen dürften u.a. zu dieser Rationalisie-
rung im Laufe der Jahrhunderte geführt haben.

Bei den Einhöfen ist zwischen längs- und quergeteilten Gebäuden zu unterscheiden. Längsgeteilte Höfe werden
auch als frontteilige Einhöfe bezeichnet. Neubauten der quergeteilten Höfe erreichen oft erstaunliche Längen.
Das Vieh steht in ihnen im allgemeinen parallel zur Firstrichtung. Im Zuge einer Vergrößerung des Wirtschafts-
gebäudes führte dies zum Hackenhof (L-förmige Erweiterung) und T-Hof, welche besonders in Bayern eine ei-
gene Hofform entwickelten.

Besonderes Augenmerk gilt dem jüngeren Aufkommen von Balkonen an den Haus- und Hofformen dieses Ge-
biets. Die traditionelle Bauweise beinhaltete den Balkon als bauliches Element nicht. Mit dem Rückgang der
Vieh- und Milchwirtschaft wurde der Tourismus ein immer wichtigeres Standbein für die Region. Die Anlage von
Ferienwohnungen hat aus Marktwirtschaftlichen Gründen die Berücksichtigung von Balkonen in Baupläne, auch
noch nachträglich, mit sich gebracht.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man sagen, dass die ländlichen Siedlungen ein besonders prägendes Element der Kul-
turlandschaft darstellen. Im Zuge der strukturellen Wandlungen, die den ländlichen Raum im Verlauf des letzten
Jahrhunderts in starkem Maße verändert haben, sind viele der traditionellen Merkmale verlorengegangen. Heute
ist die dörfliche Bevölkerung nicht mehr gleichzusetzen mit einer überwiegend agrarischen Bevölkerung, wie
dies teilweise bis in die jüngere Vergangenheit der Fall war. Die Funktionen der Siedlungen haben sich damit
weiter differenziert. Sie sind zu Wohnstandorten einer nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung, zu Gewerbe- oder
Industriestandorten, zu Erholungsorten u.ä. geworden. Im Zuge dieser Transformationsprozesse ist aber auch
das Bewusstsein um den kulturellen Wert der historischen Siedlungssubstanz geschärft worden. Viele Gemein-
den bemühen sich im Rahmen von Programmen der Dorferneuerung, das traditionelle Kulturgut vor dem Verfall
zu bewahren und für die Nachwelt zu erhalten. In diesem Sinne wird der ländliche Raum immer mehr zum Kon-
servatorium bereits vergangener Kulturlandschaft und somit zum Wirtschaftsträger des Tourismus und ihm
nachgelagerten Wirtschaftszweigen.

21 Vgl. Materialsammlung S. 12/21, Abb. 27

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Ausarbeitung zur Exkursion "Rund um die Molasse"

Literatur

LIENAU, C.(2000): Die Siedlungen des ländlichen Raumes. Westermann: Braunschweig

GEBHARD, H., FREI, H.(1999): Bauernhäuser in Bayern. Bd. 7 Schwaben. München: Hugendubel

KELLER, W.(1996): Haus- und Hofformen. Begleitheft Band 12 zum Tirol-Atlas. Innsbruck: Universitätsverlag
Wagner

TROGER, E.(1999): Tirol-Atlas. Innsbruck: Universitätsverlag Wagner

SPIESS, E., IMHOF, E.(1966-81): Atlas der Schweiz. Eidg. Landestopographie. Wabern, Bern: Verl. d. Bundesam-
tes für Landestopographie

MEYNEN, E. (Hrsg.) (1953-1962): Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands. 2 Bände. Bad Go-
desberg

LESER, H. (Hrsg.) (2001): DIERCKE-Wörterbuch Allgemeine Geographie. München: dtv

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