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Mündliche Prüfung

1. Dieser Text ist ein Auszug aus dem Roman "bonsoir, Madame Benhamou", den Barbara
Honigmann 1986 geschrieben hat. Die Autorin stammt aus einer jüdischen Familie und verlässt die
DDR, um nach Frankreich, Straßburg, zu gehen. Der Auszug berichtet von ihren ersten Eindrücken
nach der Ankunft und ihrem Gefühl, fremd zu sein. Der Text ist in drei Teile gegliedert. Ich werde
jetzt die drei Teile dieses Textes zusammenfassen.

Im ersten Teil (Zeile 1-8) lässt die Autorin ihrer Nostalgie freien Lauf: Alle Gegenstände, die sie mit
ins Exil genommen haben, sind für sie schmerzhaft anzusehen und wecken zu viele Erinnerungen. Da
sie noch niemanden kennt, fühlt sich die Autorin einsamer denn je und vermisst ihre Freunde, mit
denen sie keinen Kontakt mehr hat.

Der zweite Teil (Zeile 9-20) beschreibt die ersten Schritte außerhalb des Hauses, vom Spielplatz bis
zum Markt. Als sie zwei französische Frauen trifft, möchte die Autorin am liebsten weglaufen, denn
das Gespräch mit ihnen ist eine Tortur. Die Autorin hasst es, sich nicht verständlich machen zu
können und die Sprache, die ihm jetzt erscheint, ist nicht elegant, sondern hart. Das Gefühl, fremd
und isoliert zu sein, ist für sie sehr schmerzhaft.

Der dritte Teil ist die Apotheose dieses Fremdheitsgefühls: Die Autorin wird sich bewusst, dass sie
schon immer eine Fremde war. Das vage Gefühl, das sie nicht erklären konnte, macht plötzlich Sinn:
Sie ist eine Fremde. Als Jüdin musste sie immer von einem Land ins andere fliehen und hat sich in
IHREM Land nie zugehörig und friedlich gefühlt. Sie beschließt, in diesem Land zu bleiben, bis sie
sich dort zugehörig fühlt. Sie schließt mit einem Ausdruck, der alles zusammenfasst: Sie hat kein
Heimweh, sondern Herzweh, weil sie keinem Staat angehört, sondern nur ihr jüdischer Glaube zählt
und ihr als Heimat dient.

2. Ich werde nun auf den Kern des Textes eingehen: das Gefühl, fremd zu sein. Während des
gesamten Auszugs entwickelt sich die Idee, dass die Autorin eine Ausländerin ist, die nicht zu diesem
Land, dieser Kultur und dieser Sprache gehört. Sie braucht Zeit, um sich an den Boden zu gewöhnen,
und der Blick auf all diese Gegenstände, die wie sie selbst im Exil leben, schmerzt sie, weil sie sie
daran erinnern, dass sie keine Französin ist. Die Autorin lebt mehrere Tage oder Wochen lang in
ihrem Haus eingesperrt und traut sich anfangs nicht nach draußen. Die ganze Umgebung, die sie
nicht kennt, macht sie melancholisch. Die Erzählung im Präsens und der Ich-Erzähler heben die
Gefühle des Erzählers hervor und ermöglichen es dem Leser, in diese Emotionen einzutauchen.
Außerdem wird das Pronomen „dort“ großgeschrieben, um die Sehnsucht des Autors und das
Gefühl, nicht am richtigen Ort zu sein, zu betonen. Die Angst, Einheimische zu treffen und mit ihnen
zu sprechen, obwohl dies so schwierig ist, bringt die Autorin dazu, nicht nach draußen zu gehen:
Einsamkeit ist besser als Unverständnis und Verachtung. Die Sprache erscheint hier wie eine
unüberbrückbare Barriere, eine Mauer zwischen zwei Kulturen, die das schlechte Gefühl, fremd zu
sein, noch verstärkt. Die Autorin hat nämlich all diese Vorurteile über die Eleganz der französischen
Sprache verloren und merkt, wie schwer es ist, sich verständlich zu machen und eine unbekannte
Sprache zu sprechen. Die Metapher des Ausdrucks "comment", schneidend wie ein Messer,
verstärkt diesen Eindruck. Die Autorin ist entnervt von den fremden und komplexen Merkmalen
dieser Sprache wie Nasalen und Endungen, die sie so schwer aussprechen kann. Der Ausdruck
"sprich also wie ein normaler Mensch" verstärkt dieses Gefühl des Leidens und der Ermüdung
angesichts der Schwierigkeit, sich für eine so banale Handlung (Sprechen) zwingen zu müssen. Das
Leiden prägt also diese schwierige Integration in ein fremdes Land. Die abschließende Feststellung
füllt den dritten Absatz: "Ich bin eine Fremde", sagt die Autorin. Diese Erkenntnis ist hart, aber sie
erleichtert sie, weil das, was früher ein vages Gefühl des Unbehagens war, nun als das Gefühl, eine
Fremde zu sein, identifiziert wird. Sie hat nicht wirklich Heimweh, weil sie keine richtige Nation hat,
sondern eher Herzweh, weil ihre Religion sie allen fremd macht, egal wo sie hingeht.

3. Die Essayistin und Schriftstellerin Susan Sonntag sagte 2004: "Literatur ist nach wie vor eines der
wichtigsten Wege, die Welt zu verstehen".

Dieses Zitat bedeutet, dass die Literatur das Leben, die Welt und den Menschen durch Geschichten,
in denen sich jeder wiederfindet, verständlich macht. Außerdem wird oft die Psychologie der
Figur(en) und ihre Entwicklung in den Vordergrund gestellt, sodass sich der Leser mit ihnen
identifizieren und das, was der Autor beschreibt, fühlen kann. Begriffe, die uns bis jetzt abstrakt
erschienen, werden klar und ermöglichen uns einen besseren Zugang zur Welt und ihren
Mechanismen. In dem Auszug aus dem Roman, den wir gerade untersucht haben, steht zum Beispiel
der Begriff des Fremden im Mittelpunkt des Textes. Aber dank der Erzählung, der verschiedenen
literarischen Mittel und vor allem dank der Figur verstehen wir dieses Gefühl, das uns sicherlich
unbekannt war. Diese Lektüre ermöglicht es uns auch, den Kontext der damaligen Zeit und die
Schwierigkeiten der jüdischen Bevölkerung zu erfassen, die von Exil zu Exil, von einem Land ins
andere ziehen musste, ohne sich integrieren zu können. Literatur ist also ein wunderbares Mittel,
um die Welt zu verstehen und sich die Begriffe und Werte einzuprägen, die durch den Roman
vermittelt werden.

Schluss:

Wir können also schließen, dass dieser Auszug aus Barbara Honigmanns Roman ein sehr gutes
Mittel ist, um das Gefühl des Fremdseins zu verstehen. Durch die Analyse dieses Gefühls dringen wir
in die Psychologie der Figur ein und verstehen die Schwierigkeiten, sich in einem neuen Land zu
integrieren. Der Kontext der damaligen Zeit wird in diesem Auszug implizit beschrieben. In einem
anderen Buch, "Damals, dann und danach", das 1991 veröffentlicht wurde, beschreibt Barbara
Honigmann ihr Leben in der DDR und den Druck, den die Regierung ausübte, um die überlebenden
Juden zu assimilieren.

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