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Chinas Alleinherrscher Xi Jinping hat die Macht in seinen Händen https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/chinas-alleinherrscher-xi-jin...

11.10.2022 - Aktualisiert: 12.10.2022, 07:42 Uhr


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Xi Jinping

Chinas roter Alleinherrscher


Xi Jinpings Vater fiel unter Mao in Ungnade und wurde misshandelt. Am
Sonntag will sein Sohn sich als Chinas Staats- und Parteichef bestätigen lassen.
Was treibt ihn an?

Von FRIEDERIKE BÖGE, PEKING

© AP
In der Bevölkerung beliebt: Xi Jinping Ende September in der großen Halle des Volkes in
Peking

Als Xi Jinping 2012 an die Macht kam, machte ein Kolumnist der „New York Times“ eine
gewagte Vorhersage: Der neue Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas werde
Maos einbalsamierte Leiche vom Tiananmen-Platz entfernen lassen und den
Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo aus dem Gefängnis entlassen. Es war eine komplette
Fehleinschätzung.

Staatsgründer Mao Zedong, der für den Tod von Millionen Chinesen verantwortlich ist, wird
heute in China wieder verherrlicht wie seit seinem Tod 1976 nicht mehr. Der Dissident Liu
Xiaobo ist 2017 in Gefangenschaft gestorben. Chinas Haftanstalten sind voll mit politischen
Gefangenen.

Der Kolumnist der „New York Times“, Nicholas Kristof, zweifacher Pulitzer-Preisträger und
Autor mehrerer Chinabücher, war nicht der Einzige, der sich damals in Xi Jinping geirrt hat.
Selbst die amerikanischen Geheimdienste und chinesische Regimekritiker hielten den neuen
Staats- und Parteichef für einen Hoffnungsträger. Stattdessen entpuppte Xi sich als
Herrscher mit totalitären Reflexen und einer revisionistischen Weltsicht.

1 von 6 12.10.2022, 09:10


Chinas Alleinherrscher Xi Jinping hat die Macht in seinen Händen https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/chinas-alleinherrscher-xi-jin...

Es gibt gute Gründe, warum so viele Kenner sich so täuschen konnten: Zum einen ist Chinas
Machtapparat eine Blackbox. Geheimhaltung gehört zu den Herrschaftsinstrumenten der
Partei. Das galt vor zehn Jahren und gilt heute noch viel mehr. Zum anderen steckten hinter
Kristofs Vorhersage der Glaube und die Hoffnung, dass Chinas rasanter Aufstieg aus der
Armut und die Bedürfnisse der neuen Mittelschicht früher oder später eine politische
Öffnung erzwingen würden.

„Die Wolfsmilch der Partei in sich aufgesaugt“

Genau diesen Fliehkräften hat Xi Jinping sich mit aller Macht entgegengestellt. Wenn es ein
Leitmotiv gibt, das sich durch die zehn Jahre seiner bisherigen Herrschaft zieht, dann sind es
der Zerfall der Sowjetunion und die Angst, dass Chinas Kommunistische Partei das gleiche
Schicksal ereilen könnte wie die KPdSU. Der kürzlich verstorbene Michail Gorbatschow war
in Xis Augen ein Narr, der westlichem Gedankengut, Ideen von Freiheit und Demokratie Tür
und Tor geöffnet habe und damit dem Westen in die Falle gegangen sei.

Immer wieder hat Xi in seinen Reden darüber gesprochen, welche Lehren China daraus
ziehen müsse. „Der Zerfall eines Regimes beginnt oft im Bereich der Ideologie“, sagte er kurz
nach seinem Machtantritt. Schritt für Schritt hat Xi seither westliches Gedankengut aus
Schulen und Universitäten, Kinos, Popmusik, Computerspielen sowie dem chinesischen
Internet verbannt und durch seine eigene nationalistisch-leninistische Ideologie ersetzt.

Zugleich hat er die Macht so sehr in seinen Händen konzentriert, dass ein Ende seiner
Herrschaft nicht absehbar ist. Beim bevorstehenden Parteitag, der am Sonntag beginnt, wird
er sich für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen lassen. Damit bricht er mit einer
Konvention, die die Partei nach den Erfahrungen der Mao-Tyrannei etabliert hatte, um die
Wiederkehr einer Ein-Mann-Herrschaft zu verhindern. Es sieht auch nicht so aus, als ob der
69 Jahre alte Xi vor hat, 2027 abzutreten. Ein potentieller Nachfolger ist jedenfalls nicht in
Sicht. Der frühere australische Premierminister Kevin Rudd, ein anerkannter
Chinafachmann, meint gar, Xi werde „mindestens bis 2037“ an der Macht bleiben.

Als Xi selbst 2007 zum potentiellen Nachfolger von Parteichef Hu Jintao aufstieg, pries die
Partei noch die „kollektive Führung“ als „Aufteilung von Verantwortung, um willkürliche
Entscheidungen eines einzelnen Führers zu verhindern“. Ein solcher Satz könnte heute nicht
mehr in der Zeitung stehen. Er würde von der Zensur gelöscht. In dem Satz klingen die
Schrecken der Mao-Ära nach. Um einen Rückfall in die Raserei zu verhindern, verankerte die
Partei in ihren Statuten ein Verbot jeglichen Personenkults. Sie strebte eine Trennung von
Staat und Partei, eine Institutionalisierung der Macht und die Entideologisierung des öffent-
lichen Lebens an. All das hat Xi rückgängig gemacht.

Auf den ersten Blick überrascht das. Schließlich hat Xi selbst als Jugendlicher unter den
Exzessen von Maos Kulturrevolution gelitten. Zunächst wuchs er in privilegierten
Verhältnissen als Sohn eines ranghohen Funktionärs auf. Xi Zhongxun hatte als
Guerillaführer an Maos Seite gekämpft. Die Xis gehörten damit zum „roten Adel“, für den es
in Peking nach der Revolution eigene Wohncompounds gab. „Prinzlinge“ wie Xi Jinping
wuchsen mit dem Selbstbewusstsein auf, für Höheres bestimmt zu sein. Doch als er neun
war, fiel sein Vater bei Mao in Ungnade. Xi Zhongxun wurde in eine Traktorenfabrik aufs
Land verbannt, schwer misshandelt und später inhaftiert.

2 von 6 12.10.2022, 09:10


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Die ganze Familie geriet ins Visier der Rotgardisten. Jinpings Halbschwester Heping beging
Suizid. Jinping wurde im Alter von 13 Jahren einer geifernden Menge als Klassenfeind
vorgeführt, vor den Augen seiner Mutter gedemütigt und gezwungen, seinen Vater zu
verleugnen. Später wurde er wie Millionen anderer Jugendlicher unter ärmlichsten
Bedingungen zu den Bauern aufs Land geschickt.

Der Historiker Joseph Toirigian schreibt über diese Zeit: „Wir haben einigen Grund zu
glauben, dass Xis Erfahrungen für eine Obsession mit Dominanz und Kontrolle förderlich
waren.“ Der in Amerika lebende Demokratieaktivist Gao Wenqian formuliert es so: „Es
waren deformierte Kinder, die in eine verrückte Zeit hineingeboren wurden und deren
Erziehung vollständig von totalitärer Politik dominiert war.“ Sie hätten „die Wolfsmilch der
Partei in sich aufgesaugt“.

Studium der Tochter in Harvard

In seinen offiziellen Biographien wird Xis Leidenszeit in ein Narrativ von Volksnähe,
Opferbereitschaft und Zähheit umgewandelt. Das Dorf Liangjiahe in der Präfektur Yan‘an, in
dem er sechs Jahre verbracht haben soll, ist zum Wallfahrtsort für Parteigruppen geworden.
Xi selbst sagte einmal in einem Interview, „viele meiner grundlegenden Ideen und Qualitäten
wurden in Yan’an geprägt“. „Vorher war ich gewohnt, feinen Reis zu essen. Dort waren es
grobe Körner. Aber bald lernte ich, sie zu schlucken. Bis heute habe ich eine große Vorliebe
für das Essen in den ländlichen Gebieten von Shaanxi.“

Trotz allem, was die Partei ihm angetan hatte, stellte Xi anschließend acht Mitgliedsanträge,
bevor er in die Jugendliga aufgenommen wurde. Xi habe „entschieden zu überleben, indem
er roter als rot wurde“, berichtete ein früherer Weggefährte Xis 2009 der amerikanischen
Botschaft. Andere Jugendliche hätten das Trauma anders verarbeitet, sie hätten „die
verlorene Zeit kompensiert, indem sie sich amüsierten“, mit „Liebesbeziehungen, Trinken,
Kino und westlicher Literatur“. So steht es in einer von Wikileaks enthüllten Depesche. Der
Informant war demnach selbst ein „Prinzling“, der später als Politikwissenschaftler nach
Amerika ging.

Der Aufstieg schien schon 2007 besiegelt

Zurück in Peking, begann Xi seine Karriere als Assistent des ersten Verteidigungsministers
der Volksrepublik Geng Biao. Dieser war ein enger Vertrauter von Xis Vater, der inzwischen
rehabilitiert worden war und sich einen Ruf als Wirtschaftsreformer machte. Sein Sohn
entschied sich dann doch für eine klassische zivile Laufbahn. Offenbar hatte er früh Großes
im Sinn. Der Informant der amerikanischen Botschaft berichtete, Xi, der damals sein
Nachbar auf einem jener Elitecompounds war, habe ihm erzählt, der Weg über die Provinzen
sei „der einzige Weg zur zentralen Macht“. 16 Jahre wirkte Xi in der Küstenprovinz Fujian,
die Taiwan am nächsten liegt. In der wirtschaftlich bedeutenden Provinz Zhejiang stieg er
2002 zum Parteichef auf.

Fünf Jahre später schien sein Aufstieg besiegelt, als er zum Parteichef von Schanghai
befördert wurde. Der Posten gilt als Sprungbrett für höhere Weihen. Viele Funktionäre, die in
diesen drei Provinzen seinen Weg kreuzten, hat Xi später in seinen engeren Kreis geholt und
sie an zentrale Schaltstellen gesetzt. Nach einer Studie der amerikanischen Denkfabrik

3 von 6 12.10.2022, 09:10


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Macropolo überschneiden sich die Biographien von 15 der 25 Mitglieder des Politbüros mit
Xis Lebensweg.

Ein früherer europäischer Generalkonsul, der Xi in seiner Schanghaier Zeit öfter traf,
beschreibt die Begegnungen als nichtssagend. Sich nicht nach außen zu exponieren, war
vermutlich eine Voraussetzung für seinen Aufstieg. Lange war Xi als Funktionär so
unauffällig, dass er vor allem als Ehemann der Opernsängerin Peng Liyuan bekannt war. In
seiner ersten Amtszeit als Staats- und Parteichef wurde sie in China als Stilikone und
glamouröse First Lady bewundert. Trotz seiner anti-westlichen Rhetorik ließ Xi seine Tochter
Mingze in Harvard studieren, so wie die meisten Kinder hoher Parteifunktionäre seiner
Generation.

Permanente Säuberungskampagnen

Bei seinem Amtsantritt 2012 nutzte er geschickt die damalige Krisenstimmung in der
politischen Elite. Sie sah den Machterhalt der Kommunistischen Partei durch interne
Machtkämpfe und endemische Korruption bedroht und rief nach einem starken Führer. Xis
Vorgänger Hu Jintao galt als schwach, dessen Regierungszeit als „zehn verlorene Jahre“.
Zwar brummte die Wirtschaft, doch die Unzufriedenheit mit der Partei wuchs, weil die
Familien der Kader sich die Taschen vollstopften. Selbst das Militär verschacherte
Führungsposten. Lokale Parteifunktionäre regierten ihre Provinzen wie private Fürstentümer
und ignorierten Vorgaben aus Peking.

Der damalige Parteichef von Chongqing Bo Xilai forderte die Parteiführung mit einem
linkspopulistischen Programm aus Mao-Nostalgie und Hexenjagd gegen Reiche offen heraus.
„Die Vorstellung, dass Xi die Parteielite ausgetrickst und so dazu gebracht hat, zuzulassen,
dass er in einer Art weichem Putsch die Macht an sich gerissen hat, ist falsch. Xis Politbüro-
Kollegen und Mentoren haben ihn dafür ‚angeheuert‘, mit Macht eine Krise zu managen, die
sie alle als existentiell betrachteten“, sagt Christopher Johnson vom China-Analyse-Zentrum
der Asia Society. Seine Medizin gegen die Krise erwies sich aber bald als Überdosis.

© Friederike Böge
Kein Widerstand gegen Xis Kurs: Haus eines lokalen Parteichefs in der Provinz Fujian

Kaum im Amt, zementierte Xi seine Macht im Sicherheitsapparat und im Militär. Er ließ den

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einflussreichen früheren Sicherheitschef Zhou Yongkang und zwei der obersten Militärführer
festnehmen. Sein Schlag gegen Mitglieder des höchsten Führungszirkels war ein Tabubruch.
Womöglich spielten dabei Ereignisse eine Rolle, die bis heute im Dunkeln liegen. Zwei
Monate vor seinem Amtsantritt verschwand Xi von der Bildfläche. Ein Treffen mit der
damaligen Außenministerin Hillary Clinton ließ er ohne triftigen Grund ausfallen.

Die Gerüchte brodelten so sehr, dass ein ausländischer Journalist bei einer Pressekonferenz
fragte, ob Xi überhaupt noch am Leben sei. Viele Beobachter halten seine zweiwöchige
Abwesenheit für einen Schlüsselmoment. Manche glauben, dass Xi die Parteiführer mit der
Drohung, sich zurückzuziehen, erpresst hat und Carte Blanche forderte. In seiner Zeit als
Vizepräsident hatte er miterlebt, wie Staatschef Hu Jintao von seinem Vorgänger klein
gehalten wurde.

Mit dem Ausschalten von Rivalen muss Xi sich anfangs mächtige Feinde gemacht haben.
Doch durch permanente Säuberungskampagnen erzwang er Gehorsam und schwächte jene
Seilschaften, die bis dahin den Ton in der Partei angegeben hatten. Trotz seiner scheinbar
allumfassenden Macht hat Xi nie aufgehört, überall Gegner zu sehen. Erst vor wenigen Tagen
ließ er Mitglieder einer vermeintlichen Seilschaft im Sicherheitsapparat demonstrativ zu
lebenslangen Haftstrafen verurteilen. Die Angst, in Ungnade zu fallen, beherrscht inzwischen
alle Ebenen des Machtapparats. Zeichen des vorauseilenden Gehorsams sind allgegenwärtig.
So beginnt fast jede öffentliche Rede heute mit einer Huldigung Xis, vom kleinen Kader bis
hoch zum Ministerpräsidenten.

In der Bevölkerung noch immer beliebt

Mit der Zentralisierung der Macht erhöhte Xi die Schlagkraft des Staats- und Parteiapparats.
Wo Kader früher Vorgaben aus Peking ignorierten, neigen sie jetzt zur Übererfüllung. Xi
selbst scheint das als eine seiner größten Errungenschaften zu begreifen. In einem Aufsatz in
der Parteizeitschrift „Qiushi“ schrieb er kürzlich: „Viele Entwicklungsländer schauen mit
Neid auf China und wollen von unserem Regierungsmodell lernen.“

Während der Pandemie half die Mobilisierungskraft anfangs, das Virus unter Kontrolle zu
halten. Xi strickte daraus ein Narrativ von der vermeintlichen Überlegenheit des
chinesischen Systems gegenüber dem Westen. Das erschwert nun die Abkehr von der Null-
Covid-Strategie, deren verheerende wirtschaftliche Folgen längst für jedermann
offensichtlich sind. Die Propaganda hat Xi für unfehlbar erklärt. Ein allzu offensichtlicher
Kurswechsel wäre ein Gesichtsverlust.

Am Dienstag bekräftigte die Partei in ihrem Sprachrohr „Volkszeitung“ ein Festhalten an den
strikten Maßnahmen. „In letzter Zeit haben manche Leute darauf verwiesen, dass andere
Länder sich entschieden haben, sich der Pandemie zu ergeben und das unser Land dem
folgen sollte. Das ist extrem falsch und unverantwortlich.“ Die Virusbekämpfung ist längst
zur politischen Metapher geworden. Kürzlich rief Xi dazu auf, „alle Viren auszurotten, die die
Gesundheit der Partei bedrohen“. Früher war der ganze Parteiapparat darauf ausgerichtet,
Wirtschaftswachstum zu generieren. Heute sind die Kader darauf getrimmt „Risiken“ zu
erkennen. Der Machterhalt der Partei ist zum Leitmotiv geworden, dem die Interessen der
Wirtschaft untergeordnet sind.

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Xi ist in der Bevölkerung noch immer beliebt, soweit man das in einer Diktatur ermessen
kann. Seine Antikorruptionskampagne mit Ermittlungen gegen 4,7 Millionen Kader hat ihm
viel Zustimmung gebracht. Dass Medien, Gerichte und Zivilgesellschaft die Korruption
ebenso effektiv bekämpfen könnten, wenn Xi sie nicht unterworfen hätte, ist in Vergessenheit
geraten. Seine verbalen Breitseiten gegen die Dekadenz der Reichen kommen bei einfachen
Leuten gut an.

Ihm wird auch zugutegehalten, dass er mit seiner Kampagne zur Armutsbekämpfung
Ressourcen in die vernachlässigten ländlichen Gebiete gepumpt hat, auch wenn Fachleute
darauf hinweisen, dass es an strukturellen Reformen fehle. Die Modernisierung des Militärs
und die von Xi beförderte Wolfskrieger-Diplomatie hat den Nationalismus befeuert.
Indoktrination in Schulen und Universitäten haben eine parteifreundliche Jugend
hervorgebracht.

Der patriotische Eifer kennt Grenzen

Auch ihr patriotischer Eifer dürfte allerdings nachlassen, wenn ihnen der Einstieg in den
Arbeitsmarkt nicht gelingt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf 20 Prozent gestiegen. Die
chinesische Wirtschaft steht so schlecht da wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Seit einigen
Monaten wächst der Unmut in der Bevölkerung über die strikte Coronapolitik. Breite
Proteste wie derzeit in Iran sind in China dennoch schwer vorstellbar. Die flächendeckende
digitale Überwachung, die Zensur des Internets, das Fehlen alternativer Informationsquellen
und die Verfolgung von Kritikern erschwert die Mobilisierung.

In der Parteiführung ist bisher kein Widerstand gegen Xis Kurs erkennbar. Ohnehin wäre es
gefährlich, sich offen gegen ihn zu stellen. In den vergangenen Monaten gab es vereinzelte
Medienberichte über einen angeblichen Dissens zwischen Xi und Ministerpräsident Li
Keqiang. Eine frühere Professorin der Zentralen Parteihochschule, die in Amerika im Exil
lebt, behauptete jüngst in einem Text in der Zeitschrift „Foreign Affairs“, „hinter den
Kulissen wird seine Macht infrage gestellt wie nie zuvor“. Der Sinologe Kerry Brown vom
King’s College in London hält solche Berichte für wenig stichhaltig. „Wenn es eine tiefe
Unzufriedenheit in der politischen Elite gäbe, hätten wir wenigsten ein paar Belege dafür
gesehen. Ich glaube, das ist Wunschdenken.“ So wie 2012, als Nicholas Kristof einen
Reformer kommen sah.

Quelle: F.A.Z.

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