Z E IT U NG FÜ R D E U T S C H LA N D
Mittwoch, 30. August 2023 · Nr. 201 / 35 E1
Steueranreize
zur Stärkung
der Wirtschaft
loe./mas. BERLIN. Die Steuererleich-
terungen für Unternehmen sollen grö-
ßer ausfallen als geplant. Im Entwurf
zum Wachstumschancengesetz von Fi-
nanzminister Christian Lindner
(FDP), den das Kabinett an diesem
Mittwoch beschließen will, sind nun
auch verbesserte Abschreibungen für
den Wohnungsbau vorgesehen. Zu-
dem sollen Unternehmen Verluste
stärker mit Gewinnen verrechnen
können. Damit wird die Wirtschaft
Regierungsangaben zufolge um sieben
Milliarden Euro im Jahr entlastet. Das
Gesetz ist Teil eines am Dienstag ver-
öffentlichten Zehn-Punkte-Plans „für
den Wirtschaftsstandort Deutsch-
land“. Etliche der Punkte hat die Am-
pelkoalition längst auf den Weg ge-
bracht, etwa den Klima- und
Transformationsfonds. Ein Industrie-
strompreis, wie ihn die SPD-Fraktion
und die Grünen fordern, wird nicht er-
wähnt. Es hieß, die Regierung arbeite
an „einer konsistenten und belastba-
ren Strategie für die zukünftige Ener-
gieversorgung“. Am Abend sprach sich
Lindner in der ARD gegen einen In-
dustriestrompreis aus. Zudem sagte er,
Deutschland müsse „der Goldstandard
der Staatsfinanzierung“ bleiben. „Und
deshalb darf auf den Doppelwumms
nicht die Bazooka und dann der
nächste Doppelwumms folgen.“ (Sie-
he Seite 2 und Wirtschaft, Seite 15.)
Wettlauf
ums Weltall
Die Nationen wetteifern
darum, das All zu erschließen.
Dabei verfolgen sie
unterschiedliche Ziele.
Unternehmen, Seite 19
Hilfe aus dem Off
An vielen Orten gibt es zu
wenig Notärzte – und immer
mehr Notrufe. Teleärzte
sollen weiterhelfen.
Politik, Seite 4
Hoch hinaus aus Holz
In Schweden und Deutschland
sprießen Holztürme aus dem
Boden. Ist das die Zukunft
klimafreundlicher Architektur?
Feuilleton, Seite 9
Big Data für Patienten
Am Mittwoch diskutiert das
Kabinett die Digitalisierung des
Gesundheitswesens. Was bringt
es den Patienten?
Wirtschaft, Seite 17
Alle zwölfe
Beim dritten Sieg im dritten
Spiel der Basketball-WM
beweist das deutsche Team
eine seiner größten Stärken.
Sport, Seite 28
Hilfe bei Ärztepfusch
Der Medizinische Dienst soll
Behandlungsfehler erkennen.
Das kann für alle
Beteiligten erleichternd sein.
Rhein-Main-Zeitung, Seite 1
Briefe an die Herausgeber, Seite 6
Heil will Mindestlohn
für Pflegekräfte erhöhen
dc. BERLIN. Für Hilfskräfte in der Alten-
pflege soll von Mai 2024 an ein Mindest-
lohn von 15,50 Euro je Stunde gelten, für
examinierte Fachkräfte ein Mindestlohn
von 19,50 Euro. Das ergibt sich aus einem
am Dienstag veröffentlichten Beschluss
der von Arbeitsminister Hubertus Heil
(SPD) eingesetzten Pflegekommission.
Für Juli 2025 ist eine Anhebung auf 16,10
Euro für Hilfskräfte und 20,50 Euro für
Fachkräfte geplant. Heil lobte den Be-
schluss und kündigte an, ihn durch eine
Rechtsverordnung umzusetzen. Heimbe-
treiber kritisieren, dass es an einer Finan-
zierung fehle. (Siehe Wirtschaft, Seite 15.)
4BTACTP*eadfae+[N\A\K\D\F Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH; Kundenservice: (069) 75 91 - 10 00, Telefax: (069) 75 91 - 21 80 oder www.faz.net/meinabo. Briefe an die Herausgeber: leserbriefe@faz.de
Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Niederlande, Portugal (Cont.), Spanien 4,30 € / Kanaren, Balearen 4,50 € / Schweiz 5,20 sfrs
HERAUSGEGEBEN VON GERALD BRAUNBERGER, JÜRGEN KAUBE, CARSTEN KNOP, BERTHOLD KOHLER
Fordert Antworten von Aiwanger: Markus Söder, Ministerpräsident Bayerns und Parteivorsitzender der CSU, spricht am Dienstag
bei der Pressekonferenz in München
Söder verlangt von Aiwanger
Antworten auf 25 Fragen
Entlassung derzeit „ein Übermaß“ / SPD, Grüne und FDP beantragen Sondersitzung
alri. FRANKFURT. In der Affäre um ein
antisemitisches Flugblatt hat der bayeri-
sche Ministerpräsident Markus Söder
(CSU) von seinem Stellvertreter Hubert
Aiwanger weitere Auskünfte verlangt. Der
Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-
Vorsitzende solle 25 Fragen schriftlich be-
antworten, sagte Söder am Dienstag in
München nach Beratungen im Koalitions-
ausschuss. Was Aiwanger im Ausschuss
und im Kabinett zu dem Fall gesagt habe,
reiche für eine abschließende Bewertung
nicht aus. Aiwanger habe zugesichert, er
werde die Fragen „nach bestem Wissen
und Gewissen“ beantworten und dafür ge-
gebenenfalls auch Schulakten hinzuzie-
hen, insofern diese zugänglich seien.
Eine Entlassung Aiwangers, wie von
der Opposition gefordert, sei zum jetzigen
Zeitpunkt aber „ein Übermaß“, sagte der
CSU-Vorsitzende. Er fügte hinzu: „Das ist
aber kein Freispruch oder Freibrief.“ Es
Erdoğan möchte Putin in Sotschi treffen
Türkischer Staatschef reist nach Russland / Ankara sucht Vermittlerrolle im Krieg
boe. ANKARA. Der türkische Präsident
Recep Tayyip Erdoğan will „bald“ nach
Russland reisen, um mit Präsident Wladi-
mir Putin in Sotschi über eine Neuauflage
des Getreideabkommens zu verhandeln.
Das sagte der Sprecher der Regierungs-
partei AKP, Ömer Çelik, am Montag-
abend in Ankara. „Wir gehen davon aus,
dass es neue Entwicklungen in dieser
Frage geben wird und eine neue Phase er-
reicht werden kann.“ Erdoğans Ziel sei
es, „dabei zu helfen, eine globale Nah-
rungsmittelkrise zu verhindern“. Über
den genauen Termin des Treffens gab es
unterschiedliche Angaben. Die Website
„Middle East Eye“ nannte unter Beru-
fung auf informierte Kreise den kom-
menden Montag, die Agentur Bloomberg
dagegen Donnerstag nächster Woche.
Eine ursprünglich angekündigte Reise
Putins in die Türkei scheint damit vorerst
Sachsen schickt Polizei
an polnische Grenze
lock. DRESDEN. Angesichts seit Wo-
chen erheblich steigender Zahlen ge-
schleuster Migranten schickt Sachsen von
nun an die Landespolizei zur Unterstüt-
zung der Bundespolizei vor allem an die
polnische Grenze. Es gehe um Gefahren-
abwehr, weil Schleuser und deren Hinter-
männer die Not der Menschen ausnutzten,
sagte Sachsens Innenminister Armin
Schuster (CDU). Zugleich kritisierte er die
Bundesregierung scharf, weil sie trotz Zu-
sage weiterhin lageabhängige Grenzkon-
trollen etwa zu Polen verweigere, die sie
jedoch – zu Recht – in Richtung Österreich
halbjährlich verlängere. (Siehe Seite 2.)
dürfe jetzt „auch nichts mehr hinzukom-
men“. Eine Frist für die Beantwortung
der Fragen nannte Söder zunächst ebenso
wenig wie Details zu den Fragen. Viel-
mehr wolle er bis auf Weiteres an dem seit
2018 bestehenden Bündnis mit den
Freien Wählern festhalten. Koalitionen
hingen nicht an einer einzigen Person.
Das in der Kritik stehende antisemitische
Flugblatt nannte Söder „ekelhaft“ und
„widerlich“. Er sprach von „übelstem Na-
zijargon“ und „Dreck“. Allein der Ver-
dacht, Aiwanger könnte in seiner Schul-
zeit mit diesem „Hetzflugblatt“ befasst
gewesen sein, beschädige das Ansehen
Bayerns und die Glaubwürdigkeit des
Freie-Wähler-Vorsitzenden.
Am Samstag hatte Aiwanger in einer
schriftlichen Stellungnahme in der „Süd-
deutschen Zeitung“ erhobene Vorwürfe
bestritten, das antisemitische Flugblatt als
Schüler in den Achtzigerjahren verfasst zu
vom Tisch. Erdoğan hatte wiederholt
mitgeteilt, der russische Präsident werde
im August in die Türkei kommen. Da das
Land das Statut für den Internationalen
Strafgerichtshof nicht unterzeichnet hat,
hatte dies anders als in Südafrika nicht zu
Debatten über eine mögliche Festnahme
Putins geführt. Eine Begründung für des-
sen Fernbleiben wurde nicht genannt.
Seitdem Russland das Abkommen über
den Export ukrainischen Getreides über
das Schwarze Meer im Juli auslaufen ließ,
wirbt Ankara intensiv um eine Wiederbe-
lebung der Vereinbarung. Eine Vermitt-
lerrolle zwischen der Ukraine und Russ-
land ist für Erdoğan wichtig, um die
strategische Bedeutung seines Landes
hervorzuheben. Er bietet sich regelmäßig
als Vermittler für etwaige Friedensge-
spräche an. Die Verhandlungen dienen in
Ankara zugleich als Begründung dafür,
Bürgergeld steigt auf
563 Euro im Monat
dc. BERLIN. Die monatlichen Leistun-
gen für 5,5 Millionen Bezieher der Grund-
sicherung „Bürgergeld“ werden zum 1. Ja-
nuar 2024 um gut zwölf Prozent steigen.
Die Geldleistung für allein lebende Er-
wachsene erhöht sich damit von 502 Euro
auf 563 Euro. Das kündigte Arbeitsminis-
ter Hubertus Heil (SPD) am Dienstag an.
Schon zum 1. Januar 2023 waren die Re-
gelsätze um knapp zwölf Prozent erhöht
worden. Grundlage ist ein neues Berech-
nungsverfahren, das die Ampelkoalition
mit ihrer Bürgergeldreform beschlossen
hatte. Es soll die Inflation stärker berück-
sichtigen. (Siehe Wirtschaft, Seite 17.)
Foto Finn Winkler
haben. Kurz nach seiner Stellungnahme
bezichtigte sich sein Bruder, Urheber des
Textes zu sein. Am Montag setzte Söder
die Sondersitzung des Koalitionsausschus-
ses an. Staatskanzleichef Florian Herr-
mann (CSU) äußerte, eine schriftliche
Stellungnahme zu den Vorwürfen sei nicht
ausreichend.
Die Opposition im Bayerischen Landtag
kritisierte das Ergebnis des Treffens am
Dienstag scharf und warf Söder unter an-
derem eine Hinhaltetaktik vor. SPD, Grü-
ne und FDP beantragten nach eigenen An-
gaben eine Sondersitzung des Landtags.
„Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen
Hubert Aiwanger sind keine exklusive Sa-
che zwischen CSU und Freien Wählern“,
äußerte der FDP-Fraktionsvorsitzende
Martin Hagen. In Bayern wird am 8. Okto-
ber ein neuer Landtag gewählt. Die Ab-
stimmung per Briefwahl ist seit Montag
möglich. (Siehe Seite 3.)
dass die Türkei sich als einziges NATO-
Mitglied nicht an den Sanktionen gegen
Russland beteiligt.
Am Freitag war der türkische Außen-
minister Hakan Fidan in Kiew vom ukrai-
nischen Präsidenten Wolodymyr Selens-
kyj empfangen worden. Anschließend
sprach sich Fidan gegen alternative Ex-
portrouten ohne Beteiligung Russlands
aus, wie die Ukraine sie vorgeschlagen
hatte. Ein Treffen Fidans mit seinem rus-
sischen Amtskollegen Sergej Lawrow ist
laut der russischen Agentur Tass eben-
falls geplant. Die Türkei hofft offenbar,
dass Istanbul wie schon 2022 als Ort di-
rekter Gespräche zwischen ukrainischen
und russischen Unterhändlern dienen
könnte. Einen entsprechenden Bericht
der regierungsnahen Zeitung „Daily Sa-
bah“ verbreitete die Kommunikationsab-
teilung des Präsidialamts.
Ermittlungen gegen Till
Lindemann eingestellt
sede. FRANKFURT. Die Staatsanwalt-
schaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren
gegen Till Lindemann wegen des Ver-
dachts der Begehung von Sexualdelikten
eingestellt. Es gebe keine Anhaltspunkte
dafür, dass der Rammstein-Sänger
sexuelle Handlungen an Frauen gegen
deren Willen vorgenommen habe, teilte
die Behörde mit. Anonyme Zeuginnen
hatten gegenüber Medien Vorwürfe gegen
Lindemann erhoben, sich aber nicht bei
den Behörden gemeldet. Die Ermittlun-
gen waren wegen Anzeigen Unbeteiligter
eingeleitet worden. (Siehe Deutschland
und die Welt; Kommentar Seite 8.)
25 Fragen
Von Berthold Kohler
er Ministerpräsident traut sei-
D nem Stellvertreter nicht über
den Weg. Das ist keine ganz
neue Erkenntnis über das Verhältnis
Söders zu Aiwanger. Doch nun reicht
dem CSU-Chef nicht einmal mehr das
Wort des Vorsitzenden der Freien
Wähler hinter verschlossenen Türen.
25 Fragen zur Flugblatt-Affäre muss
Aiwanger schriftlich und zur Zufrie-
denheit des größeren Koalitionspart-
ners beantworten, um im Kabinett
bleiben zu können. Es dürfe auch
„nichts mehr dazukommen“, stellte
Söder klar, nachdem er Aiwanger
„einbestellt“ hatte, als wäre dieser der
russische Botschafter.
Söder sucht sich und seine Partei
abzusichern für den Fall, dass noch et-
was auftaucht, das im Widerspruch zu
den Einlassungen Aiwangers steht.
Die bisherigen Vorwürfe reichen dem
Ministerpräsidenten nicht, um den
ersten Mann der Partei zu entlassen,
die auch nach der Wahl der CSU dazu
verhelfen soll, an der Macht zu blei-
ben. Den Umfragen nach könnten das
sonst nur die Grünen, denen Söder
aber den Kampf angesagt hat. Weil er
Das deutsche Maut-Trauma
Von Corinna Budras
R
eisen bildet. Wer im Sommer-
urlaub in Europa unterwegs
war, konnte auf den Autobah-
nen wieder einmal erleben, wie Staa-
ten die Nutzer ihrer Infrastruktur zur
Kasse bitten: Gezahlt wird mal mit
einem schwungvollem Wurf von ab-
gezähltem Kleingeld in ein Plastik-
netz, mal per Kreditkarte, in Form
einer Vignette oder digital. So oder
so: Überall summieren sich diese Ga-
ben zu Milliardenbeträgen, die ihren
Beitrag zum Erhalt des Fernstraßen-
netzes leisten. In Deutschland hin-
gegen gilt das Recht auf freie Fahrt
für freie Bürger. Weder Tempolimit
noch Mautgebühren können hierzu-
lande die Fahrfreude trüben. Im
Gegenteil: Der Staat hat sich gerade
bereit erklärt, 243 Millionen Euro zu
zahlen – um keine Maut einzuführen.
Dieser Befund ist schon reichlich
bizarr. Er hat seinen Ursprung in
dem Agieren des Bundesverkehrsmi-
nisters Andreas Scheuer (CSU), der
2019 kläglich daran scheiterte, eine
europarechtskonforme Pkw-Maut
einzuführen. Auf eine Klage des
Mautlandes Österreich stoppte der
Europäische Gerichtshof diese Be-
mühungen, leider erst kurz nachdem
die Tinte unter den Verträgen mit
den Mautbetreibern getrocknet war.
Groteskerweise kann man Scheuer in
diesem Zusammenhang viele Ver-
säumnisse vorwerfen, aber nicht,
dass er die Maut überstürzt einge-
führt hätte: Auf der CSU-Wunschlis-
te fand sich die zur „Ausländermaut“
verhunzte Abgabe schon seit 2013.
Auch nach dem Warnschuss aus
Luxemburg hätte es noch reichlich
Wege gegeben, die Maut europa-
rechtskonform zu gestalten. Stattdes-
sen entschied die damalige Bundes-
regierung unter Angela Merkel
(CDU), das Vorhaben nicht weiter zu
verfolgen. Scheuer musste die Verträ-
ge kündigen. In einem jahrelangen
Schiedsverfahren haben die Parteien
die Schadensumme für die Betreiber
ermittelt, kurz vor der Sommerpause
wurde den Steuerzahlern die stolze
Rechnung präsentiert: 243 Millionen
Euro – für nichts. Das deutsche
Mautdebakel ist Ergebnis eines be-
merkenswerten Kollektivversagens.
Das wäre genug Stoff für ein laut-
starkes Lamento, wenn nicht noch
tragischer wäre, was dem Staat seit-
dem entgeht: Deutschland kämpft
mit einem Pkw-Maut-Trauma, das
sich nicht nur durch die politischen
Parteien zieht, sondern auch Um-
weltverbände erfasst. Anders ist
nicht zu erklären, warum viele gera-
dezu ein Faible für ein Tempolimit
entwickelt haben und sich mit Verve
für den Abbau „klimaschädlicher
Subventionen“ ins Zeug legen, ob-
wohl diese häufig so tief in der Syste-
matik des Steuerrechts verankert
sind, dass sie sich nur unter größten
Anstrengungen beseitigen ließen.
3,50 € F. A. Z. im Internet: faz.net
auf Gedeih und Verderb auf die Fort-
setzung des Bündnisses mit den Freien
Wählern angewiesen ist, hob der CSU-
Chef hervor, dass Koalitionen nicht
am Schicksal einzelner Personen hin-
gen. Das sieht vielleicht sogar das eine
oder andere Mitglied der Freie-Wäh-
ler-Spitze so. Doch könnte es auch
sein, dass eine Entlassung Aiwangers
dessen Partei und seine Stellung in ihr
stärkte – und die CSU Stimmen koste-
te. Was täte Söder, wenn Aiwanger am
Wahlabend als Problembär wiederge-
boren würde?
Für Söder steht in dieser Affäre
nicht nur sein Amt in München auf
dem Spiel, sondern auch die Chance,
Kanzlerkandidat der Union zu wer-
den. Dazu brauchte er ein besseres
Wahlergebnis als vor fünf Jahren.
Doch wie Söder sich auch entscheidet,
nachdem die 25 Fragen beantwortet
sind: Er wird Wähler enttäuschen.
Entweder jene, die Aiwanger schon
jetzt nicht mehr für tragbar halten,
oder die anderen, die meinen, eine
diesem gar nicht nachgewiesene „Ju-
gendsünde“ werde genutzt, um ihn
politisch ein für alle Mal zu erledigen.
Die Vorzüge einer streckenbezoge-
nen Pkw-Maut liegen dagegen auf
der Hand: 24 europäische Staaten,
die Autofahrer auf unterschiedlichen
Wegen für die Nutzung ihrer teuren
Infrastruktur zur Kasse bitten, kön-
nen nicht irren.
Um die Vorteile zu entdecken, muss
man noch nicht einmal über die Gren-
zen schauen. Die Lkw-Maut, seit 2005
in Kraft, bereitet – jedenfalls außer-
halb der Logistikbranche – schon
lange helle Freude, weil dieses Steue-
rungsinstrument sowohl das klima-
schädliche Treibhausgas CO2 redu-
ziert als auch die Einnahmen des
Staates mehrt. Im vergangenen Jahr
spülte sie 7,4 Milliarden Euro in die
Kassen. In den kommenden Jahren
werden die Erlöse deutlich steigen,
Überall in Europa zahlen
Autofahrer eine Maut,
Deutschland verzichtet
darauf. Das ist ein Fehler.
weil die Maut durch eine Klimaschutz-
komponente kräftig erhöht und noch
dazu auf kleinere Lastwagen ausge-
weitet wird. Darüber kann sich sogar
die Bahn freuen – etliche der zusätzli-
chen Milliarden sollen in die Sanie-
rung des Schienennetzes fließen. Der
Logistikbranche gehen die zusätzli-
chen Belastungen dagegen gehörig
gegen den Strich: Sie organisiert gera-
de einen verzweifelten Widerstand
gegen die geplante Erhöhung. Auch
dieser Protest wird von all denjenigen
gerne übersehen, die behaupten, im
Verkehrssektor passiere im Klima-
schutz nicht viel.
Dabei ist die Lkw-Maut die mit Ab-
stand effektivste Maßnahme zuguns-
ten des Klimaschutzes, wenn man ein-
mal vom Homeoffice absieht, das der
Staat allerdings nur in Zeiten einer
Pandemie steuern kann. Richtig
konstruiert hilft eine Maut auch, Ver-
kehrsflüsse besser zu steuern, und ani-
miert die Unternehmen, in klimascho-
nendere Antriebe zu investieren.
Der Gedanke, dass sich das etablier-
te Mautsystem auch beim „motorisier-
ten Individualverkehr“ installieren lie-
ße, drängt sich deshalb geradezu auf.
Das Prinzip Nutzerfinanzierung funk-
tioniert schließlich auch bei anderen
Verkehrsmitteln: Bahnunternehmen
zahlen Trassenpreise dafür, dass sie
die Schieneninfrastruktur in Deutsch-
land benutzen dürfen – und fragen
sich schon lange, warum Millionen
Autos kostenlos über den Asphalt rol-
len dürfen.
Höchste Zeit also, dass Deutschland
sein Maut-Trauma überwindet. Statt
Millionen für ein gescheitertes Maut-
projekt zu zahlen, sollte der Staat be-
ginnen, die Milliarden einzusammeln,
die praktisch auf der Straße liegen.
SE I TE 2 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201 FPM Politik FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG

Sachsen schickt Landespolizei

Mehr Wachstum und mehr Ruhe
Die Ampel bemüht sich lich gut, wenn alle mit ihren Kommunika-
tionsstrategien dazu beitragen.“ Er habe
um geordnetes das Gefühl, dass die Klausur einen sol-
chen Beitrag leisten könne. Nachdem die
Regierungshandeln und Ampelpartner Grüne und FDP durch
ihren Streit über die Kindergrundsiche-
spricht über Wirtschaft. rung (auf deren Eckpunkte sich immerhin
das Kabinett geeinigt hat) zum Ende der
Von Eckart Lohse, Sommerpause den Eindruck erweckt hat-
ten, man wolle so unharmonisch weiter-
Berlin, und Timo machen wie in der ersten Jahreshälfte et-
Steppat, Wiesbaden wa beim Heizungsgesetz, überstrahlt das
Fehlen der Harmonie bislang die inhaltli-
chen Fragen. So gab Rolf Mützenich am
Ende der Klausur der SPD-Bundestags-
schen. Unter anderem beschloss sie ein
Positionspapier zum bezahlbaren Woh-
nen. Das im Bundestagswahlkampf aus-
gegebene Ziel, 400.000 neue Wohnungen
pro Jahr zu bauen, wird darin wiederholt.
Bislang wird es nicht eingehalten. Vor al-
lem aber will die SPD-Fraktion die Miet-
preisbremse verlängern und verschärfen.
Derzeit darf die Miete unter bestimmten
Voraussetzungen in angespannten Woh-
nungsmärkten um nicht mehr als 15 Pro-
zent steigen, diese Grenze soll auf elf
Prozent gesenkt werden. Die FDP re-
agierte ablehnend. Mützenich mahnte,
kein Liberaler solle sich von den Forde-
beck ins Spiel gebracht hatte, ist eine
Forderung, mit der sich die Fraktion
vom Kanzler abgrenzte. Scholz ist gegen
diese Form der Förderung. Trotzdem
verlief die Aussprache zwischen den Ab-
geordneten und dem Kanzler friedlich,
fast freundschaftlich, wie Teilnehmer
berichteten. Das Thema Industriestrom-
preis, das erst nach Scholz’ Rückreise
nach Berlin auf der Tagesordnung stand,
wurde nur gestreift. Von einer Einigung,
so sagten führende Sozialdemokraten,
sei man noch weit entfernt. Nur die Bitte
an den Kanzler blieb, seine Politik bes-
ser zu erklären.
an die Grenze zu Polen
Scharfe Kritik an Bundesinnenministerin Faeser
lock. DRESDEN. Sachsens Innenmi-
nister Armin Schuster neigt gelegent-
lich zu langen Ausführungen, doch an-
gesichts der Migrationslage an der
Grenze zu Polen fasste sich der CDU-
Politiker am Dienstag vergleichsweise
kurz: „Die Zahl der Schleusungen hat in
den letzten Wochen derart zugenom-
men, dass wir uns jetzt zum Handeln ge-
zwungen sehen.“ Konkret bedeutet das,
dass Sachsen von nun an die Landes-
polizei zur Unterstützung der Bundes-
polizei an Deutschlands Ostgrenze ent-
unter anderem Autodiebe und Drogen-
händler im Blick haben.
Mit scharfen Worten kritisierte
Schuster zudem die Bundesregierung,
vor allem Innenministerin Nancy Fae-
ser (SPD), die bei der Ministerpräsiden-
tenkonferenz im Mai zugesagt habe, die
bereits seit acht Jahren bestehenden
Grenzkontrollen zu Österreich lageab-
hängig auch auf andere Gebiete auszu-
dehnen. Der Beschluss werde nicht um-
gesetzt, „obwohl die illegale Migration
aus Richtung Polen inzwischen die mit

O
laf Scholz gehört nun bald ein
halbes Jahrhundert zur SPD,
also nimmt er ernst, wozu sei-
ne Genossen ihn auffordern.
Die haben ihn beim Treffen der Bundes-
tagsfraktion in Wiesbaden am Montag
gebeten, so war zu hören, seine Politik
besser zu erklären. Schon einen Tag spä-
ter unternimmt der Bundeskanzler einen
Anlauf, diesen Wunsch zu erfüllen.
Er ist wieder bei einem Klausurtreffen,
dieses Mal dem seiner Regierung. Im
Schloss Meseberg, dem Gästehaus der
Bundesregierung, nördlich von Berlin,
wollen die Kabinettsmitglieder zwei Tage
lang über Erreichtes und noch zu Errei-
chendes sprechen, über Digitalisierung,
Künstliche Intelligenz, Bürokratieabbau
und darüber, wie es ökonomisch weiter-
gehen soll mit der größten Volkswirt-
schaft der Europäischen Union. „Wir
werden uns auch beschäftigen mit der
Frage, wie wir angesichts der Tatsache,
dass unsere Konjunktur“ – Scholz hält
eine Sekunde inne – „noch mehr Wachs-
tum verkraften kann, wir auch alles dafür
tun, Wachstum zu beleben.“ Gemessen
daran, dass das Bruttoinlandsprodukt
nach Auskunft des Statistischen Bundes-
amtes von April bis Juni auf dem Niveau
des Vorquartals stagnierte, ist „noch
mehr Wachstum“ eine mindestens eigen-
willige Beschreibung.
Doch noch wichtiger als die Kunst des
Redens scheint vielen Verantwortlichen in
der Ampel derzeit die Kunst des Schwei-
gens zu sein. Kanzleramtschef Wolfgang
Schmidt (SPD) sagte dazu dem „Stern“:
„Aus Sicht des Kanzleramtsministers ist es
immer gut, wenn Verhandlungen intern
geführt werden und erst dann kommuni-
ziert wird, wenn eine Einigung steht.“
Scholz selbst äußerte am Ende seines
Drei-Minuten-Erklärauftritts in Meseberg
einen ähnlichen Wunsch. Es gebe ein gu-
tes Miteinander in der Koalition, eine „er-
folgreiche Leistungsbilanz“ im vorigen
und in diesem Jahr. „Und es wäre natür-
fraktion, deren Vorsitzender er ist, den rungen erschüttern lassen. „Es heißt Ganz im Sinne der guten Vorsätze in sendet. „Ziel ist es, so viele Schleuser
Kabinettsmitgliedern in Meseberg zwei nicht, wenn wir in eine Koalition gehen, Sachen Kommunikation und Harmonie mit ihren Fahrzeugen zu stellen wie nur
Ratschläge mit auf den Weg. Den Kanzler dass wir unsere grundsätzlichen Inhalte traten Scholz, Habeck und Lindner dann möglich“, sagte Schuster nach der Kabi-
nahm er explizit aus, als er sagte, politi- beiseiteschieben.“ am Dienstagnachmittag in Meseberg vor nettsitzung am Dienstag in Dresden.
sche Initiativen sollten künftig nicht mehr Teilnehmer der Klausur wünschten die Presse. Scholz sprach von einer „Of- Die Einsatzkräfte würden sowohl in Zi-
„gegeneinander ausgespielt werden“. Die sich mehr sozialdemokratisches Profil. fensive“ und stellte einen Zehn-Punkte- vil als auch offiziell unterwegs sein, mit
Bundesregierung müsse „geräuschloser“ Die SPD solle innerhalb des Dreierbünd- Plan „für den Wirtschaftsstandort dem Vorteil, dass sie – anders als die
arbeiten, sagte Mützenich in Wiesbaden. nisses stärker hervortreten. Die Subven- Deutschland“ vor, der allerdings etliche Bundespolizei, die nur im 30-Kilometer-
Dabei will die Fraktion selbst deutli- tion des Industriestrompreises, die der Punkte enthält, die die Bundesregierung Grenzraum operieren darf – auch lan-
cher erkennbar werden mit ihren Wün- grüne Wirtschaftsminister Robert Ha- längst auf den Weg gebracht hat. desweit fahnden können.
Schuster illustrierte die Entscheidung
mit drastischen Schleusungsbeispielen
aus den vergangenen Tagen. Darunter
war ein Kleintransporter, dessen Fah-
rer, nachdem er die polnisch-deutsche
Grenze passiert hatte, auf der Überhol-
spur aus dem Wagen gesprungen war
und die Migranten im Laderaum sich
selbst überlassen hatte, die dann auf der
stark befahrenen Autobahn 4 umherirr-
ten. Ähnliche Fälle gebe es inzwischen
fast täglich, sagte Schuster, darunter im
Juli auch ein tödlicher, als sich ein
Schleuser auf der Flucht vor der Polizei
mit einem mit Menschen vollgepackten
Transporter überschlug und eine Frau
starb. „Was wir jetzt tun, dient deshalb
der Gefahrenabwehr und ist eine Frage
der Humanität“, sagte der Minister.
Zudem stehen die erfahrungsgemäß
fluchtstärksten Monate unmittelbar be-
vor. Von September bis November stei-
gen die Migrationszahlen jedes Jahr
deutlich. Bereits bis Mitte August griff
die Bundespolizei an der sächsisch-pol-
nischen Grenze 1884 Migranten auf,
fast so viele wie im gesamten Juni. Und
das ist nur das Hellfeld. Die Schleuser
hätten die Kontrolle übernommen, so
Schuster. Die Bundespolizei arbeite her-
vorragend, sei aber mit der Registrie-
rung der Migranten am Limit, weshalb
der Fahndungsdruck sinke. Dieser soll
nun durch die landespolizeiliche Ver-
stärkung wieder steigen. Schon seit
mehreren Jahren gibt es in Sachsen
auch gemeinsame Fahndungsgruppen
Wunsch nach Ruhe: Bundeskanzler Scholz vor Schloss Meseberg Foto dpa aus Landes- und Bundespolizei, die
Abstand höchste“ sei. Seit Februar hät-
ten sich die Zahlen dort mehr als ver-
doppelt. Danach folgten Österreich, die
Tschechische Republik und die Schweiz.
Weil Prag bereits an der Grenze zur Slo-
wakei kontrolliere, sinke der Druck an
der deutsch-tschechischen Grenze, so
Schuster, der erwähnte, wie anerken-
nend sich Faeser erst kürzlich bei einem
Besuch an der deutsch-tschechischen
Grenze über die Kontrollen der tsche-
chischen Kollegen geäußert habe. Auch
Frankreich habe bereits lageabhängige
Grenzkontrollen eingeführt.
„Wir haben die Bundesinnenministe-
rin mehrfach zum Handeln aufgefor-
dert, doch dem ist sie bisher nicht
gefolgt“, sagte Schuster. Zugleich ge-
nehmige Faeser jedoch halbjährlich –
und zu Recht – die Verlängerung der
Kontrollen zu Österreich. Diese Inkon-
sequenz sei nicht vermittelbar. Mit
Kontrollen wären darüber hinaus
Schleuser leichter herauszufiltern, so-
dass diese gefährliche Art der illegalen
Migration zurückgedrängt werden
könnte. Schuster zufolge habe Sachsens
Landespolizeipräsident erklärt, dass es
nicht mehr eine Frage des Ob, sondern
nur des Wann sei, bis es zu einer Kata-
strophe im Zusammenhang mit „Be-
hältnisschleusungen“ (so der Fachbe-
griff) komme – also einem schweren
Unfall oder in Laderäumen erstickten
Menschen.
Jetzt zu handeln sei für ihn keine par-
teipolitische, sondern eine gesellschaft-
lich notwendige Frage, sagte Schuster.
„Bei mir stapeln sich die Sorgen von
Landräten, die täglich damit ringen,
dass die Kommunen die Zahl der Mi-
granten noch schultern können.“ Unter
ihnen seien auch viele Kommunalpoliti-
ker mit Parteibüchern in Farben der
Ampelkoalition. „Wir sind am Integra-
tionslimit“, so Schuster. Bund und Län-
der müssten das Problem jetzt schnell in
den Griff bekommen.

„Ich bin sehr offen für eine deutliche Senkung der Stromsteuer“
FDP-Fraktionschef Christian Dürr über Entlastungen für Betriebe, Streit in der Ampelkoalition und seine Erkenntnisse über die Grünen
Herr Fraktionsvorsitzender, die FDP re-
giert seit bald zwei Jahren zusammen
mit den Grünen. Haben Sie über diese
etwas gelernt, das Sie vorher noch nicht
wussten?
Ich habe gelernt, dass die Grünen großen
Wert auf interne Abstimmung legen. Da-
durch brauchen Dinge oft ein bisschen
länger – und ich bin manchmal ein etwas
ungeduldiger Mensch. Das Wichtigste ist
aber, dass man zu vernünftigen Ergebnis-
sen kommt. Wir hatten uns viel vorge-
nommen. Wenn ich jetzt Zwischenbilanz
ziehe, sehe ich, dass wir zum ersten Mal
wirklich Planungsbeschleunigung in
Deutschland haben, dass wir ein Einwan-
derungsrecht haben, das sich am Arbeits-
markt orientiert, dass wir in der schwieri-
gen Phase der Energiekrise reagiert
das wir um 180 Grad gedreht haben. Das
waren keine leichten Debatten, und
manchmal hätte ich mir gewünscht, dass
sie mehr intern geführt werden als öffent-
lich. Aber in einem Dreierbündnis muss
man eben viel diskutieren. Man muss we-
nig diskutieren, wenn man wenig ent-
scheiden will. Man kann sich es auch
leicht machen. Das war der Modus in
Deutschland in den letzten 16 Jahren
unter Führung der CDU.
Sie haben den Unterschied angesprochen
zwischen konstruktivem Streit und öf-
fentlichem Hickhack. Aber auch die
FDP-Fraktion beteiligt sich am Hick-
hack. Am Montag zum Beispiel kom-
mentierte Ihr Fraktionskollege Schäffler
die Einigung zur Kindergrundsicherung
Finanzen, und wir wollen wirtschaftli-
chen Erfolg fürs Land.
Das erklärt doch nicht, warum aus der
FDP heraus Unterstützung für arme
Kinder als „Sozialklimbim“ denunziert
wird.
Auf Twitter wird ja meistens etwas zuge-
spitzt formuliert. Da könnte man auch
ganz viele Zitate aus anderen Fraktionen
finden, die auch sehr zugespitzt waren.
Das will ich nicht gegeneinander aufrech-
nen. Mein Ziel ist, dass wir konstruktiv
zusammenarbeiten. Aber die FDP wird
immer dort, wo sie eine sehr klare Posi-
tion hat, auch sehr deutlich öffentlich sa-
gen, dass diese unverrückbar für uns ist.
Das tun Sie, seit Sie regieren. Trotzdem
stimmte Unternehmen. Auch da gibt es
Streit. Gerade warf SPD-Ministerpräsi-
dent Stephan Weil Ihrem Parteivorsit-
zenden Christian Lindner vor, er solle
seinen „ordnungspolitischen Kreuzzug“
beenden.
Das Gebot der Stunde ist es, die wirt-
schaftliche Basis unseres Landes zu stär-
ken, also die Wettbewerbsbedingungen
in Deutschland zu verbessern. Es geht
darum, zu entlasten. Deswegen das
Wachstumschancengesetz. Und ich will
ganz offen sagen: Ich bin auch sehr offen
dafür, im Strombereich etwas zu machen,
zum Beispiel durch eine deutliche Sen-
kung der Stromsteuer. Es ist doch we-
sentlich sinnvoller, Betriebe steuerlich zu
entlasten, als die Belastung hoch zu hal-
ten und dann mit Steuerzahlergeld zu
Welche konkreten Entlastungen können
Sie sich noch vorstellen, außer der Sen-
kung der Stromsteuer?
Man könnte an die Unternehmensteuer
rangehen. Beispielsweise zahlen Kapital-
gesellschaften nach wie vor den Solidari-
tätszuschlag. Das belastet zurzeit den
Standort. Es ist zuletzt ein bisschen der
Eindruck entstanden, den Soli würden nur
noch einige wenige Wohlhabende zahlen.
Nein! Den zahlen vor allem Unternehmen
in Deutschland. Im ersten Schritt ist jetzt
wichtig, das Wachs-
tumschancengesetz
auf den Weg zu brin-
gen und die Energie-
preise zu senken.
Neben niedrigeren
Steuern muss die Poli-
Foto Imago
Mietpreise für die nächsten Jahre ein-
friert.
Das ist genau falsch herum gedacht. Die
Mieten sind hoch, weil das Wohnungsan-
gebot zu knapp ist. Also müssen wir mehr
Angebot schaffen. Das ist wie bei der
Energie. Wir brauchen mehr Angebot, da-
mit Preise dauerhaft sinken können. Ich
würde mir wünschen, dass wir bei den
Baukosten ansetzen. Wir müssen die Vor-
schriften reduzieren, damit günstiger und
schneller gebaut werden kann. Das senkt
die Mieten. Wenn man einfach nur den
Preis deckelt, das wissen wir aus der Plan-
wirtschaft, dann wird es weniger Angebot
geben. Menschen werden noch mehr als
heute unheimliche Schwierigkeiten haben,
überhaupt eine Wohnung zu finden. Und
ich habe die Bundesbauministerin auch so

haben. Unterm Strich würde ich sagen,
dass wir das Land wirklich vorangebracht
haben. Wenn Sie mich vor Regierungs-
eintritt gefragt hätten, ob es beispielswei-
se mit den Grünen möglich ist, ein LNG-
Terminal in Wilhelmshaven zu bauen,
wäre ich sehr skeptisch gewesen. Jetzt
muss ich sagen: Das hat geklappt.
Die Grünen können Sie also auch positiv
überraschen.
Na ja, ich will kein Geheimnis daraus ma-
chen, dass mich beispielsweise Frau Paus’
Veto beim Wachstumschancengesetz irri-
tiert hat – so wie alle Beteiligten. Im
Nachhinein hat ja sogar Robert Habeck
gesagt, das sei kein Glanzstück gewesen.
Das will ich unterstreichen. Aber gleich-
zeitig führen die intensiven Diskussionen
in der Koalition zu Ergebnissen. Denken
Sie an die Debatte übers Heizungsgesetz,
auf der Plattform X (früher Twitter) mit
der Bemerkung, es müsse jetzt auch mal
wieder um etwas anderes gehen als „So-
zialklimbim“. Können Sie nachvollzie-
hen, dass Bürger abgestoßen sind von sol-
cher Herablassung?
Wir formulieren immer sehr präzise, wo
wir Grenzen der wirtschaftlichen Leis-
tungsfähigkeit sehen. Ich glaube, ein Feh-
ler war, dass sehr viel über die Auswei-
tung des Sozialstaates in Deutschland
gesprochen worden ist. Da machen wir
ein Stoppzeichen. Wir werden in
Deutschland keine weiteren Sozialleis-
tungen beschließen können; zuerst muss
jetzt der wirtschaftliche Erfolg unseres
Landes kommen. Und wenn andere dann
vom Aussetzen der Schuldenbremse re-
den oder von weiteren sozialen Wohlta-
ten, dann muss ich sagen, nein, wir wol-
len klare und sortierte öffentliche
äußern in Umfragen immer mehr Bürger,
unzufrieden mit der Bundesregierung zu
sein, zuletzt waren es drei Viertel der
Deutschen. Warum?
Entscheidend ist die Bilanz nach vier Jah-
ren Regierungsverantwortung. Es ist
nicht leicht, in einer Dreierkonstellation
immer harmonisch zu erscheinen. Aber
ich glaube, wir regieren mit Parteien, die
anders sind als wir, und schaffen es
gleichzeitig bei den wichtigen Punkten,
uns als FDP durchzusetzen. Das ist mein
Fokus. Was ich als Fraktionsvorsitzender
nicht machen kann und wir als Partei
auch nicht wollen, ist, inhaltlich zurück-
zustecken um der Harmonie willen.
Aktuell trifft sich die Koalition in Mese-
berg. Sie will die Wirtschaft ankurbeln,
nach Ansicht von SPD und Grünen gern
mit subventioniertem Strom für be-
subventionieren.
Sie meinen eine Senkung der Strom-
steuer von jetzt 2,05 Cent pro Kilowatt-
stunde auf das EU-Minimum von 0,05
Cent?
Ja, ich bin sehr dafür, genau darüber in-
nerhalb der Koalition zu sprechen. Damit
würden wir das Problem bei der Wurzel
packen. Das würde alle Unternehmen
entlasten, nicht nur die energieintensi-
ven. Denn auch für Mittelständler sind
die hohen Strompreise eine Herausforde-
rung. Dass jetzt im Konzept der SPD, wie
es momentan vorliegt, vor allem der Mit-
telstand und die privaten Haushalte, viel-
leicht der Bundeshaushalt dafür zahlen
sollen, dass die Industrie subventioniert
wird, halte ich für falsch. Übrigens sieht
es anscheinend auch der Bundeskanzler
eher so wie die FDP.
tik natürlich auch das
Stromangebot auswei-
Christian Dürr
ten. Wir müssen über
neue Formen der
Energiegewinnung neben den Erneuerba-
ren nachdenken. Deswegen ist die FDP of-
fen für Kernfusion. Wir werden in Zukunft
im Mobilitätssektor nicht nur auf Strom
setzen können, das belastet ja wieder den
Strompreis, sondern beispielsweise auf
synthetische Kraftstoffe. Auch da gilt:
Wenn Sie mich vor zwei Jahren gefragt
hätten, ob es uns mit den Grünen gelingt,
den Verbrennungsmotor auf europäischer
Ebene zu erhalten, wäre ich vielleicht
skeptisch gewesen. Aber es ist der FDP in
dieser Regierung gelungen, das zu tun.
Ihren Koalitionspartnern schweben ande-
re Ideen vor, um Bürger zu entlasten. Die
SPD will Mietern helfen, indem sie die
verstanden, dass sie wie die FDP auch gro-
ßes Interesse daran hat, dass die Baukos-
ten runtergehen. Wer einfach nur ver-
spricht, dass Mieten eingefroren werden,
verspricht das Blaue vom Himmel.
Wenn die Klausur in Meseberg vorbei ist,
geht es gleich weiter – mit der FDP-
Fraktionsklausur in Dresden. Was wol-
len Sie besprechen?
Wir werden in Dresden über die wirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen spre-
chen – wie mehr erwirtschaftet werden
kann, wie wir auf die Erfolgsspur zu-
rückkommen in Deutschland, wie wir
wettbewerbsfähiger werden, wie sich In-
vestitionen lohnen. Die Themen werden
ja in Meseberg nicht abgeräumt, sondern
erst anschließend richtig angepackt.
Die Fragen stellte Friederike Haupt.

| STIMMEN DER ANDEREN |

Spaniens Fußball braucht einen Neustart
„La Vanguardia“ (Barcelona) kommentiert die Lage
im spanischen Fußballverband nach der Kussaffäre
des Präsidenten:
„Es stinkt zum Himmel in der Welt des Königssports.
Als ob das Verhalten von Rubiales nicht schon genug
gewesen wäre, sattelte das groteske Spektakel einer
RFEF-Versammlung mit Vertretern der Regionalver-
bände, der Trainerteams und Schiedsrichter, die
einem wütenden und die Realität leugnenden Präsi-
denten applaudierten, der sich zum Verteidiger eines
vermeintlich wahren, an seine eigenartigen Verhal-
tensweisen angepassten Feminismus gerierte, noch
eins drauf. Ein klarer Beweis dafür, dass dieses Gre-
mium nicht die Mehrheit des spanischen Fußballs re-
präsentiert und dass seine ethischen und professio-
nellen Kriterien im Widerspruch zu denen der Gesell-
schaft stehen. Jetzt müssen alle Anstrengungen unter-
nommen werden, die Welt des Fußballs zu erneuern.
Der einfachste, aber zugleich gefährlichste Weg wäre,
eine oder mehrere Personen auszutauschen und so
den Eindruck zu erwecken, die Krise sei vorbei. Tat-
sächlich aber ist es notwendig, das gesamte Modell
Fußball auf den Prüfstand zu stellen und sich darum
zu bemühen, ein besseres, gesünderes, gleicheres,
transparenteres und somit gerechteres System zu
schaffen.“
Skandal muss ein Wendepunkt sein
„Aftenposten“ (Oslo) sieht es so:
„Die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen war ein
neuer Durchbruch, aber weiterhin stehen mächtige
Männer den Frauen im Weg. Spaniens WM-Sieg hät-
te ein Tag des Glücks für die Nation sein sollen.
Aber die Ehrung der Spielerinnen wurde vom Ver-
halten des spanischen Fußballpräsidenten über-
schattet. Luis Rubiales packte den Kopf von Natio-
nalspielerin Jennifer Hermoso und küsste sie auf
den Mund. Die Aktion war an sich schon ernst ge-
nug. Das Schlimmste ist jedoch, was danach passier-
te. Rubiales spielte die Opferrolle. Die Spielerinnen
verdienen einen ganz anderen Respekt als den, der
ihnen gezeigt wurde. Der Fußball-Weltverband FIFA
hat Luis Rubiales für 90 Tage suspendiert, seine Ta-
ge als Präsident scheinen gezählt. Aber der Fußball
sollte sich fragen, warum Führungskräfte wie er
überhaupt so mächtig werden. Und warum es an den
Frauen liegt, gegen solche Kräfte zu kämpfen. Nur
dann kann dies zu einem äußerst notwendigen Wen-
depunkt werden.“
Trumps Prozess wird sich auf die Wahl auswirken
Das „Wall Street Journal“ (New York) befasst sich mit
den juristischen Problemen des ehemaligen Präsiden-
ten und blickt in diesem Zusammenhang auf die Ter-
mine der Vorwahlen:
„Als Donald Trump 2016 die Präsidentschaftskandi-
datur der Republikaner gewann, verbrachte er den
Super Tuesday damit, durch Columbus (Ohio) und
Louisville (Kentucky) zu ziehen und seine typischen
Kundgebungen abzuhalten. Im kommenden Jahr
könnte Trump stattdessen im Bundesgerichtshof in
Washington, D.C., auf der Anklagebank sitzen, und
wie die Öffentlichkeit darauf reagieren wird, ist un-
gewiss. ... Es ist schön und gut zu argumentieren,
dass niemand über dem Gesetz steht und dass die
geschäftlichen oder persönlichen Verpflichtungen
eines Angeklagten nicht über seinen Prozessplan
entscheiden. Doch was auch immer in Richterin
Chutkans Gerichtssaal geschieht, einschließlich
ihrer Entscheidung über den Zeitpunkt, wird sich
zwangsläufig auf die Präsidentenwahl 2024 auswir-
ken. Dies ist eine Frage des Urteils, und es reicht
nicht aus, so zu tun, als sei der Gerichtssaal herme-
tisch abgeriegelt.“
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Die Partei, das
ist vor allem er
Die Freien Wähler haben nicht nur
Hubert Aiwanger. Aber niemand könnte
ihn derzeit ersetzen.
Von Timo Frasch
D
ie Freien Wähler in Bayern gab
es auch schon, bevor Hubert
Aiwanger 2006 ihr Vorsitzen-
der wurde. Aus einem Verband
Freier Wählergruppen wurde Ende der
Neunzigerjahre eine Wählervereinigung.
Der Weg in Richtung Partei fand zunächst
nur eine knappe Mehrheit, wurde dann
aber vehement beschritten, als Aiwanger
die Führung übernahm – dies im Wesentli-
chen aufgrund einer mitreißenden Rede.
Die Gabe dazu kann bekanntlich Segen
und Fluch zugleich sein.
Die Freien Wähler verstehen sich selbst
als „Vor-Ort-Partei“, die ihre Kraft aus der
kommunalen Verankerung bezieht. Groß-
projekten gegenüber sind sie skeptisch,
und Probleme versuchen sie pragmatisch
zu lösen, ohne Rücksicht auf „Parteiideo-
logie“. Dies musste umso mehr zu einer
gewissen Spannung führen, je mehr die
Freien Wähler eben doch zu einer Partei
mit einer bestimmten, überwiegend kon-
servativen Programmatik wurden. Die
Freien Wähler haben die Spannung zum
Teil dadurch aufzulösen versucht, dass sie
in München so, an Ort und Stelle aber
ganz anders gesprochen haben – ein Vor-
gehen, das der CSU nicht gänzlich fremd
ist. Aiwanger hat darüber hinaus immer
wieder versucht, bestimmte Themen zu
identifizieren, die er in ganz Bayern hoch-
ziehen konnte. Darunter sind übergeord-
nete wie der angebliche Stadt-Land-Kon-
flikt, den er zuletzt etwa am Beispiel
Gefahr durch Bär und Wolf ausagierte.
Ökologen sind für Aiwanger dann nicht
Ökologen, sondern „Großstadtökologen“.
Darin mag ein Jugendkomplex zum Aus-
druck kommen, den Leute vom Dorf ken-
nen – und der nun in den Aussagen von
Aiwangers Bruder zum „Auschwitz-Pam-
phlet“ wieder aufscheint.
Aiwanger, der sich lange als eine Art
Guerillero im Selbstbehauptungskampf
gegen die übermächtige CSU sah, hat ein
Gespür dafür, wie er mit vergleichsweise
geringen Mitteln große Wirkung erzielen
kann. Beispiele sind die Unterschriften-
sammlung gegen das achtjährige Gymna-
sium oder der Kampf gegen die Anwoh-
nerbeiträge für den Straßenausbau. Beides
hatte Erfolg – und beides brachte in der
Umsetzung Probleme mit sich. In der
Staatsregierung, der die Freien Wähler seit
2018 angehören, geben sie auch nicht so
viel Ruhe, wie es der Koalitionspartner
gerne hätte. Mal schimpft die CSU darü-
ber, Aiwanger sei unseriös, etwa bei seiner
angeblich unfinanzierbaren Forderung,
die Einkommensteuer solle erst bei 2000
Euro im Monat beginnen. Mal zieht man
nach, etwa bei der Erbschaftsteuer, die Ai-
wanger komplett abschaffen will, die CSU
nun immerhin für das Elternhaus. Im ver-
gangenen Sommer gelang Aiwanger ein
medialer Coup. Im „Kuhfladenstreit“ warf
er sich für einen Landwirt gegen angeblich
„Zugezogene“ in die Bresche. Der Fall war
bei genauerem Hinsehen nicht so klar ge-
Versteckspiel auf den Friedhöfen
Wie Russland mit den Bestattungen der Opfer des Absturzes von Jewgenij Prigoschins Flugzeug umgeht / Von Friedrich Schmidt
Sankt Petersburg ist am Dienstag Schau-
platz eines regelrechten Katz-und-Maus-
Spiels um Bestattungen geworden. Gerät-
selt wurde, wo Jewgenij Prigoschin und
dessen wichtigste Mitstreiter zu Grabe ge-
tragen würden, die am vergangenen Mitt-
woch zusammen mit dem Milizenführer
nordwestlich von Moskau mit dem Privat-
flugzeug abgestürzt waren. Alles, was die
Bestattungen des 62 Jahre alten Anfüh-
rers der Wagner-Miliz betraf, der im Juni
zum Aufständischen wurde, war geheim.
Das wurde dem Petersburger Nachrich-
tenportal „Fontanka“ aus der Stadtver-
waltung bestätigt, freilich anonym.
Reporter bezogen also vor mehreren
Friedhöfen von Prigoschins Heimatstadt
Stellung und meldeten, wenn sie irgend-
wo Polizisten mit Metalldetektoren und
Nationalgardisten einerseits sichteten
oder andererseits Männer mit Wagner-
Emblemen und Nelken in den Händen
sowie Fahrzeuge von Bestattungsinstitu-
ten. Eine Zeit lang galt der Serafim-
Friedhof als Favorit für die Bestattungen.
Dagegen sprach, dass dort Präsident
Wladimir Putins Eltern bestattet sind.
Auf Spurensuche entdeckte ein „Fontan-
ka“-Mitarbeiter auf einem anderen Pe-
tersburger Friedhof einige Gräber mit
den bei Wagner üblichen schwarz-roten
Plastikblumengestecken und Fahnen mit
dem Wagner-Totenkopfemblem. Doch
die findet man längst auf vielen russi-
schen Friedhöfen. Sollten die als „Helden
Russlands“ ausgezeichneten Prigoschin
und Dmitrij Utkin – der ebenfalls beim
Absturz getötete, wichtigste Wagner-
lagert, wie Aiwanger getan hatte. Die
„Süddeutsche Zeitung“ nannte seinen
Auftritt „einfach nur peinlich“. Die CSU
war dennoch neidisch darauf – weil sie das
Monopol auf Coups zu haben meint.
Im Großen und Ganzen sind die Freien
Wähler Fleisch vom Fleisch der CSU. Zu
ihrer DNA gehört dennoch und gerade
deshalb auch die ständige Reibung. Für Ai-
wanger, der einst von der CSU-nahen
Hanns-Seidel-Stiftung gefördert wurde,
gilt das im Besonderen. Sollte tatsächlich
ein Weg führen vom „Auschwitz-Pam-
phlet“ zum heutigen Aiwanger – dann wä-
re auch interessant, welche Rolle dabei Ai-
wangers Stipendiatenzeit im CSU-Umfeld
zugedacht wird.
Allzu leicht, so scheint es, kann man Ai-
wanger dann doch nicht auf einen Nenner
bringen. Er hat zwar schon viel Stuss er-
zählt. Seine Tweets zum Sommerwetter
tendieren in Richtung Desinformation
über den Klimawandel. Zum ganzen Bild
gehört aber auch, dass er anders als viele
in der CSU seit Langem ein Windkraftbe-
fürworter ist und auch daran beteiligt war,
dass die 10-H-Abstandsregel in Bayern ge-
lockert wurde. Eines seiner Leib-und-Ma-
gen-Themen ist der grüne Wasserstoff. In-
wieweit der sich für die Lösung aller
Klimaprobleme eignet, ist unter Fachleu-
ten umstritten, fürs Schenkelklopfen im
Bierzelt taugt er jedenfalls nicht. Und
trotzdem thematisierte Aiwanger den
Wasserstoff zuletzt bei seinem Auftritt
zum hundertfünfzigjährigen Bestehen der
Freiwilligen Feuerwehr in Eitting, und
zwar an prominenter Stelle.
In Sachen Asylpolitik vertritt Aiwanger
seit Jahren eine ähnliche Position: Begren-
zung, aber pragmatischer Umgang mit
denen, die da sind. Das heißt auch: sie
schnellstmöglich in Arbeit bringen. Seine
Lebensgefährtin, die Landrätin im Kreis
Regensburg, Tanja Schweiger, die auch
schon für die Freien Wähler im Landtag
saß, hat ein Schiff auf der Donau angemie-
tet, um Flüchtlinge vernünftig unterbrin-
gen zu können. In den Chor, der jüngst in
der CDU angestimmt wurde – Einschrän-
kung des Asylrechts –, stimmte Aiwanger
ausdrücklich nicht ein.
A
ls Beweis für seine angebliche
Gefährlichkeit wurde zuletzt
auch wieder an seine skepti-
sche Position in Sachen Imp-
fung erinnert. Er habe sie genutzt, um sich
beim problematischen Publikum anzudie-
nen. Mal abgesehen davon, dass manche
von Aiwangers Aussagen, etwa die zur be-
grenzten Wirksamkeit von Impfungen,
heute in etwas anderem Licht erscheinen
als vor zwei Jahren, war nicht er es, der das
Thema aufgebracht hat. Vielmehr wurde
aus der CSU gezielt gestreut, dass Aiwan-
ger noch nicht geimpft sei. Er hat es dann
für sich zu nutzen gewusst. Seither ist das
Thema Corona in der bayerischen Staats-
regierung immer wieder eingesetzt wor-
Kommandeur – am Ende trotz allem gar
auf einem als „Pantheon der Vaterlands-
verteidiger“ bezeichneten Ehrenfriedhof
nahe Moskau bestattet werden? Nach
Rechtslage müssten den beiden „Helden
Russlands“ als solchen gar militärische
Ehren zuteilwerden. Doch am Dienstag-
mittag tauchten dann immer mehr Wag-
ner-Männer mit Nelken und Rosen in den
Händen am Nordfriedhof von Petersburg
auf. Dort machten die Reporter weitere
Reihen von Wagner-Gräbern aus. Würde
auch Prigoschin dort bestattet werden?
Gewiss war am Dienstag nur, dass Pu-
tin nicht zur Beerdigung in seine und Pri-
goschins Heimatstadt kommen würde.
Die beiden lernten einander kennen, als
Leningrad schon wieder Sankt Peters-
burg hieß. Von dort baute der Restau-
rantbesitzer Prigoschin, der die Zwanzi-
gerjahre seines Lebens als verurteilter
Räuber in sowjetischen Straflagern ver-
bracht hatte, sein opakes Gastronomie-,
Medien-, Paramilitär- und Rohstoffimpe-
rium auf. Es lebte vom Zugang zur Macht.
Von der bekam Prigoschin im Zuge des
Kriegs in der Ukraine immer mehr, als er
mit seiner Miliz Russlands reguläre Ar-
mee erst unterstützte, dann unter Druck
setzte, herausforderte und schließlich die
Militärführung offen bedrohte. Putin
schwieg dazu, monatelang.
Am vergangenen Donnerstag, einen
Tag nach dem Flugzeugabsturz, lobte der
Präsident Prigoschin als „talentierten
Geschäftsmann“ mit „schwerem Schick-
sal“, der „ernste Fehler“ begangen habe.
Das war weit weg von der Wutrede wäh-
Politik
Hat schon öfter für Aufreger gesorgt: Freie-Wähler-Chef Aiwanger am Sonntag in Ansbach
den, um politische Geländegewinne zu er-
zielen – von beiden Seiten. Zuletzt, als Sö-
der in einer Kabinetts-Pressekonferenz re-
lativ anlasslos darauf hinwies, dass
Aiwanger im Ministerrat alle Entschei-
dungen in der Pandemie mitgetragen ha-
be.
Auch das Reden über die denkwürdige
Demonstration in Erding war von Anfang
an vergiftet, weil in der Berichterstattung
sofort ein Konflikt zwischen Ministerprä-
sident Markus Söder und Aiwanger aufge-
macht wurde – jener sei ausgebuht wor-
den, dieser bejubelt, jener habe sich von
der AfD distanziert, dieser nicht. Aiwan-
ger hat dort hochproblematische Sätze ge-
sagt, zumal für einen stellvertretenden Mi-
nisterpräsidenten. Etwa dass sich die
angebliche „schweigende große Mehrheit
dieses Landes“ die Demokratie zurückho-
len müsse. Er hat danach erklärt, wie er
das gemeint hat – ohne freilich klarma-
chen zu können, warum er bei anderen
Fragen, bei denen er anderer Meinung als
die Mehrheit ist, nicht auch die Mehrheits-
meinung berücksichtigt. Aiwanger sagte
auch, man könne sich nicht „vor über
10.000 verärgerte Menschen hinstellen
rend des Aufstands vom 24. Juni, als Pu-
tin ankündigte, auf den „Verrat“ werde
eine „unausweichliche Strafe“ folgen.
Schon drei Tage bevor Russlands Ermitt-
lungskomitee am Sonntag mitteilte, Gen-
tests hätten die Identität Prigoschins und
der neun weiteren Insassen des Flugzeugs
bestätigt, machte Putins Sprecher klar,
dass der Präsident wohl nicht zur Beerdi-
gung kommen würde: Dmitrij Peskow
sprach von einem „derzeit ziemlich ge-
sättigten Arbeitsterminplan des Präsi-
denten“. Am Dienstag präzisierte Pes-
Geschlossener Sarg: Trauer um Concord-Logistiker Valerij Tschekalow Foto AP
und denen erklären, dass alles ja gar nicht
so schlimm ist“. Da ist was dran. Anderer-
seits galt es mal als Tugend guter Politiker,
Stimmungen nicht nur aufzunehmen und
zu verstärken, sondern sie einzufangen
und zu drehen.
Viele Aufreger, die Aiwanger im Lauf
der Jahre produzierte, waren der Wort-
wahl geschuldet, die bisweilen historische
Sensibilität vermissen ließ. Etwa als er
gegenüber der F.A.Z. vor einer „Apart-
heidsdiskussion“ im Umgang mit Unge-
impften warnte. Bis zuletzt hatte es Ai-
wanger aber geschafft, bundesweite
Aufmerksamkeit und auch Sympathien
auf sich zu ziehen. Selbst in Formaten wie
der „heute-show“ kam er vergleichsweise
kultig davon, was seinen Ehrgeiz, die
Freien Wähler in ganz Deutschland zu
einer relevanten Kraft zu machen, noch
befeuerte.
Aiwanger ist auch in seiner eigenen Par-
tei nicht unumstritten. Das Verhältnis zu
Umweltminister Thorsten Glauber etwa
gilt als sehr gespannt, auch mit seinem
eigenen Staatssekretär soll er nicht viel
sprechen. Ohne Aiwanger würde es für die
Freien Wähler allerdings sehr schwierig
kow, „eine Anwesenheit des Präsidenten
ist nicht vorgesehen“. Der Kreml habe
nicht einmal Informationen zur Bestat-
tung. „Verwandte und Nächste“ entschie-
den alles, man könne „gar nichts sagen“,
so Peskow. Mit dem Tod der sieben Wag-
ner-Leute und drei Besatzungsmitglieder
an Bord des Flugzeugs hat der Kreml offi-
ziell nichts zu tun, also demonstrativ
auch nicht mit den Bestattungen. Auch
der Umgang mit den Toten ist politisch:
So hatte es zu Lebzeiten auch Prigoschin
selbst gehalten.
M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 3
Foto Picture Alliance
werden. Dass die Führung diese Einschät-
zung teilt, sieht man schon daran, dass sie
sich nach der Veröffentlichung in der
„Süddeutschen Zeitung“ klar hinter ihn
gestellt hat. Die Freien Wähler haben
nicht nur Aiwanger. Im Landtag stechen in
erster Linie die Minister Glauber und Mi-
chael Piazolo sowie der Fraktionsvorsit-
zende Florian Streibl ins Auge. Außerdem
der Landtagsvizepräsident und ehemalige
Fernsehrichter Alexander Hold. Und dann
scharrt auch noch Fabian Mehring, der
parlamentarische Geschäftsführer, mit
den Hufen. Aber gegen jeden von ihnen
spricht etwas, keiner von ihnen könnte Ai-
wanger ersetzen.
Die Freien Wähler sind im Landtag
nicht unbeliebt, auch Aiwanger nicht, was
man daran sieht, dass er sich zum Beispiel
mit der Grünen-Fraktionschefin Kathari-
na Schulze duzt. Das Pech der Freien Wäh-
ler in der gegenwärtigen Lage ist, dass von
ihrer Schwächung alle anderen Parteien
profitieren könnten. Die AfD, die hofft,
Stimmen vom rechten Rand abzugreifen.
Die SPD, die mit den Freien Wählern nicht
nur um Stimmen etwa unter Arbeitneh-
mern konkurriert, sondern sich auch
Seit der Milizenführer im Sommer vo-
rigen Jahres durch Russlands Straflager
reiste, um Kämpfer für Wagner zu rekru-
tieren, häuften sich seine öffentlichen In-
szenierungen. Darin spielte der Tod eine
zentrale wiewohl doppelte Rolle. Einer-
seits zeigten sich Prigoschin und Wagner
lässig, todesmutig-tollkühn und furcht-
los, als hätten sie nichts zu verlieren. Wie
in dem Wagner-Spruch „In der Hölle wer-
den wir die Besten sein“, den Prigoschin
auch selbst in den Mund nahm. Zudem
sind bei der Miliz Aufnäher verbreitet,
die ein rotäugiges Skelett mit Sturmge-
wehr und Klaue zeigen. „Unser Geschäft
ist der Tod, und das Geschäft läuft gut“,
steht darunter.
Andererseits stellte sich Prigoschin als
Kümmerer dar, den der Tod seiner Leute,
die zu Zigtausenden in der Ukraine fie-
len, trotz aller zur Schau getragenen
Hemdsärmeligkeit nicht kaltlasse. Er trat
mit dem Schriftzug „Fracht 200 – Wir
sind zusammen“ an der Tarnkleidung
auf, unter Verwendung des russischen
Ausdrucks für Gefallene. Auch am 24. Ju-
ni stand dieser Spruch an der Schutzwes-
te des Milizenführers, der zum Aufständi-
schen geworden war und im ohne
Gegenwehr eingenommenen Stab des
Südlichen Militärbezirks in Rostow am
Don auftrat. Er ließ in Russland Friedhö-
fe für Wagner-Kämpfer einrichten und
setzte Behördenvertreter unter Druck,
wenn die irgendetwas dagegen hatten.
Unter anderem enthüllte der Milizenfüh-
rer im April im Gebiet Samara ein Denk-
mal auf einem solchen Friedhof, das
Hoffnungen macht, als Koalitionspartner
der CSU infrage zu kommen. Die Grünen,
die unbedingt an die Regierung wollen.
Sowohl ihnen als auch der SPD fehlte bis-
her das zündende Wahlkampfthema – und
schon oft hat sich gezeigt: Antifaschismus
geht immer. Zuletzt die FDP, die um den
Einzug in den Landtag bangt und womög-
lich durch die Stimme des einen oder an-
deren Mittelständlers, der eigentlich Freie
Wähler wählen wollte, nun über die Fünf-
prozenthürde gewuchtet wird. Auch unter
den Freien Demokraten gibt es welche, die
auf den Jackpot, eine Koalitionsbeteili-
gung, spekulieren.
A
m kompliziertesten dürfte die
Lage wohl für die CSU sein. In
den vergangenen Tagen glüh-
ten die Telefone, insbesondere
das Handy von Parteichef Söder. Er wollte
bewusst nur bilaterale Gespräche, keine
Vorstandssitzung, um keine Gruppendy-
namik zu erzeugen. Die Junge Union wies
er an, in Sachen Aiwanger erst einmal
stillzuhalten. Einerseits scheint die Gele-
genheit günstig, die Freien Wähler ent-
scheidend zu schwächen. Andererseits
sind sie trotz allem ein ganz verträglicher
Partner. Vor allem aber verbindet sich mit
ihnen das Projekt einer „bürgerlichen Bay-
ern-Koalition“, auf das sich Söder in den
vergangenen Monaten stärker festgelegt
hatte, als mancher das in der Partei für gut
erachtete. In der weiteren CSU-Führung
gab es unterschiedliche Meinungen: Gene-
ralsekretär Martin Huber etwa soll zur At-
tacke auf Aiwanger geraten haben. Bei
Antisemitismus sei es aus – zumal Söder
im Einsatz für die in Bayern lebenden Ju-
den eine hohe Glaubwürdigkeit habe, was
auch Vertreter der jüdischen Gemeinde so
sehen. Andere in der CSU gaben zu beden-
ken, dass das zwar stimme, aber auch nicht
der Königsweg zur absoluten Mehrheit sei.
Als groß wurde die Gefahr angesehen,
dass manche Wähler bei einer Entlassung
Aiwangers diesem eine Art Märtyrerstatus
zuerkennten oder zumindest Schwarz-
Grün am Horizont dräuen sehen könnten
– und deswegen der CSU das Vertrauen
entziehen würden. Auch die Rückmeldun-
gen aus den Parteigliederungen waren dis-
parat. Es ging von Aiwanger rausschmei-
ßen bis: Ihm werde von den Medien übel
mitgespielt – da dürfe man nicht mitma-
chen.
Aiwanger ist ein Mann, der sich Me-
dien gegenüber eine gewisse Urwüchsig-
keit bewahrt hat. Man kann von ihm Zi-
tate per SMS bekommen, die in anderen
Ministerien erst eine Woche lang zwi-
schen den Referaten abgestimmt werden
müssen. Gleichzeitig ist Aiwanger, der
das Gespräch mit Leuten gegenüber der
Lektüre von Zeitungen bevorzugt, skep-
tisch gegenüber Journalisten, zum Teil
mangels Kenntnis, zum Teil, weil er
Grund dazu hat: Man denke nur an die
jüngste Kolportage aus Bayreuth, als
durch einen bestimmten Bildausschnitt
suggeriert wurde, Aiwanger habe auf
dem Weg zu den Festspielen seine Le-
bensgefährtin im Regen stehen lassen,
sich selbst aber gut beschirmt. In diesem
Fall ist es Aiwanger gelungen, die Dinge
durch ein Video der vollen Sequenz ge-
radezurücken – das war wichtig für
einen wie ihn, der davon lebt, dass viele
ihm zubilligen, im Grunde kein verkehr-
ter Kerl zu sein und über mehr Glaub-
würdigkeit zu verfügen als im politi-
schen Feld üblich.
Die Glaubwürdigkeit steht nun, nach
dem, was die „Süddeutsche Zeitung“ über
seine Antworten auf ihre Fragen berich-
tet, zur Disposition. Wie es mit ihr weiter-
geht, wird wohl auch von seinen Antwor-
ten auf die 25 Fragen abhängen, die ihm
Söder und das Kabinett nach einer Sit-
zung des Koalitionsausschusses am
Dienstag stellen wollten.
„Jahrhunderte“ stehen und an das „Hel-
dentum“ der Gefallenen erinnern solle.
„Ihre Erinnerung wird immer mit uns
sein“, sagte Prigoschin wenig später vor
frischen Gräbern auf einem anderen
Wagner-Friedhof in der Region Krasno-
dar. Ein Wagner-Milizionär verbreitete
Ende voriger Woche Aufnahmen von
dem Friedhof der Miliz im Gebiet Sama-
ra. Da sieht man Haufen von Holzkreu-
zen und Kränzen der Wagner-Toten so-
wie eine planierte Fläche. „Die Leute
sind für Russland gestorben, und hier eb-
nen sie alle Gräber ein“, ereiferte sich der
Milizionär. Doch er saß wohl einem Miss-
verständnis auf: Berichtet wurde, kleine
schwarze Pyramiden sollten auf allen
Wagner-Friedhöfen als Grabmale folgen.
Auf dem Petersburger Nordfriedhof
wurde dann am Dienstag zunächst Valerij
Tschekalow bestattet, der mit Prigoschin
abgestürzt war. Tschekalow war für die
Concord-Holding Prigoschins tätig und
für dessen Logistik verantwortlich. Man
beerdigte ihn in einem verschlossenen
Sarg, wie es in Russland in Fällen üblich
ist, in denen die Leiche in einem schlim-
men Zustand ist. Denn die Leichname
der Toten des Flugabsturzes sollen alle-
samt stark verbrannt sein.
Am Abend teilte Prigoschins Presse-
dienst in der ersten Meldung seit Ende
Juni mit, Prigoschin sei in „geschlosse-
nem Format“ bestattet worden, und
nannte für Leute, die sich verabschieden
wollten, einen Petersburger Friedhof, der
tagsüber auf keiner Rechnung gestanden
hatte: den Friedhof Porochowskoje.
SE I TE 4 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201 Politik FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG

B Angriff auf
is die Verbindung aufgebaut
ist, dauert es. Eine zähe Minu-
te lang blickt Notarzt Chris-
toph Schmidt in seinem klei-
nen Büro in einem Kran-
Russland-Kurs
kenhaus in Ludwigshafen auf die drei
Bildschirme, die in weiten Teilen grau bin. HANNOVER. Der langjährige
bleiben. Dann ist auf einmal der Rettungs- SPD-Politiker und frühere EU-Kom-
sanitäter im Einsatz zu sehen, er hat die missar Günter Verheugen hat die
Handykamera auf sich gerichtet. Kurze Russlandpolitik der Bundesregierung
Begrüßung, dann geht es um die Patientin angegriffen. In einem Interview im
neben ihm: eine Frau Anfang 60, sie ist ge- Bremer „Weser-Kurier“ spricht Ver-
stolpert und gestürzt. Der Verdacht: Bruch heugen von einer „fundamentalisti-
des Oberschenkelknochens. Nachdem die schen Außenpolitik der Grünen“. Er
Frau der telemedizinischen Behandlung selbst indes sei „sehr geprägt von der
zugestimmt hat, bestätigt sie dem zuge- frühen Entspannungspolitik“, äußert
schalteten Notarzt, dass die Schmerzen Verheugen. Er vertritt die Auffassung,
stark sind: Auf einer Skala bis zehn vergibt dass ohne Willy Brandts Dialogbereit-
sie eine Acht. schaft „der Kalte Krieg bis heute nicht
Den Herzschlag der Frau kann beendet“ wäre.
Schmidt da schon auf dem Monitor nach- Den demokratischen Umsturz in
verfolgen. Das Elektrokardiogramm der Ukraine vor der Annexion der
(EKG) bildet die Aktivität des Herzens Krim durch Russland im Jahr 2014
als Linie ab, der Notarzt kann sie aus der nennt Verheugen in dem Interview
Ferne genauso auswerten, als wäre er vor eine „fabelhafte PR-Nummer“. Es sei
Ort. Er lässt sich über Video schildern, „ein vorbereiteter Staatsstreich“ ge-
welche Krankheiten und Unverträglich- wesen. Diese Vorgeschichte zu verges-
keiten die Frau hat, kurz danach blickt er sen sei das Gleiche wie die Behaup-
auf ein Foto des Medikationsplans seiner tung, „der Zweite Weltkrieg sei allein
Patientin. Das hat der Sanitäter ge- auf einen Verrückten namens Hitler
schickt. Die Mittel lassen auf Diabetes zurückzuführen“. Es mache ihn auch
und Bluthochdruck schließen, Schmidt „betroffen“, dass sein Parteifreund
verschreibt ihr ein starkes Schmerzmittel, Frank-Walter Steinmeier die 2014 und
fünf Milligramm. Zum Sanitäter sagt er: 2015 vereinbarten Minsker Abkom-
„Ich schick’s dir gleich noch, um sicher- men im Rückblick als Fehler ansieht.
zugehen.“ Auf dessen Bildschirm er- Der SPD-Außenpolitiker Michael
scheint kurz darauf das Rezept. Der Sani- Roth kritisierte Verheugens Aussa-
täter zieht das Medikament in einer gen. „Was mich wieder fassungslos
Spritze auf und zeigt dem Arzt über Ka- macht, sind 0,0 vorhandene Empa-
mera die Menge. Der bestätigt, und schon thie gegenüber den angegriffenen,
kann die Behandlung beginnen. ermordeten, entführten, vertriebe-
Oder besser: Sie könnte beginnen. nen, vergewaltigten Menschen der
Vor dem nächsten Alarm: Rettungssanitäter des DRK-Kreisverbands Gelnhausen-Schlüchtern bereiten sich auf den nächsten Einsatz vor. Foto Picture Alliance
Denn der Knochen der Frau auf dem Mo- Ukraine“, schrieb er auf der Plattform
nitor ist nicht wirklich gebrochen, das X. Außerdem warf er Verheugen vor,
Medikament bleibt in der Spritze. Alles „die Entspannungspolitik im Sinne
nur eine Übung – für den Sanitäter vor die Retter im vergangenen Jahr in etwa der Arzt als Weichensteller und Berater Putins diabolisch umzudeuten“.
Ort und für Notarzt Christoph Schmidt
von der Ludwigshafener BG-Klinik. Dort
befindet sich seit Juli der erste Telenot-
arztarbeitsplatz in Rheinland-Pfalz.
Wenn sich das Projekt bewährt, soll es
Retter aus 23.000 Fällen zu spät vor Ort. In anderen
Bundesländern, die entsprechende Daten
erheben, ist der Anteil ähnlich.
Um flexibel eingesetzt werden zu kön-
nen, sind Sanitäter und Notärzte meist in
für die weitere Behandlung hinzugezo-
gen wird, kann die Digitalisierung hel-
fen“, sagt er. „Wo ein Arzt handwerklich
tätig sein und direkt am Patienten arbei-
ten muss natürlich nicht.“ Der Mediziner
Mit dem Kreml hatte Verheugen in
dem Interview Verhandlungen gefor-
dert. Zum Absturz des Flugzeugs von
Wagner-Führer Prigoschin sagte er
dem „Weser-Kurier“, man könne bloß

bald im ganzen Bundesland Telenotärzte
geben. Die dafür nötige technische Aus-
stattung haben alle Rettungswagen nach
Auskunft des Mainzer Innenministe-
riums bereits erhalten.
Für Notarzt Christoph Schmidt bringt
das Projekt viele Vorteile: Er ist virtuell
immer schon vor Ort, wenn der erste Sani-
täter eintrifft, und kann sogar bei zwei
Einsätzen gleichzeitig helfen. In immer
mehr Regionen Deutschlands setzen die
Rettungsdienste bereits darauf, dass der
Notarzt nicht mehr jedes Mal mit hinaus-
fahren muss – sondern immer dann, wenn
es sinnvoll erscheint, ein Kollege von
einem Telearbeitsplatz aus übernimmt.
„Wenn es Engpässe gibt, kann das sehr
helfen“, sagt Schmidt. Baden-Württem-
berg, Sachsen-Anhalt und Bayern arbei-
ten an ähnlichen Konzepten, in Schles-
wig-Holstein gibt es ein Modellprojekt.
Und Engpässe gibt es bei der Besetzung
von Notarztdiensten ohnehin immer wie-
der. „Vor allem im ländlichen Raum be-
stehen Schwierigkeiten“, sagt Florian
Reifferscheid. Der Mediziner ist Vorsit-
zender der Bundesvereinigung der
Arbeitsgemeinschaften der deutschen
Notärzte und kennt die Probleme gut. Vor
allem in Flächenländern haben die für
den Rettungsdienst zuständigen Kommu-
nen damit zu kämpfen, dass nicht überall
genügend Notärzte bereitstehen.
In Sachsen blieben im vergangenen
Jahr mehr als 900 Notarztdienste, die üb-
licherweise als Zwölf-Stunden-Schichten
organisiert sind, unbesetzt. Das geht aus
einer Antwort der Landesregierung auf
eine parlamentarische Anfrage der
Linksfraktion im Dresdner Landtag her-
vor. Die Zahl entspricht fast zwei Prozent
aller Schichten.
Im rheinland-pfälzischen Neustadt an
der Weinstraße ist Reinhard Wuttke seit
1995 zuständig für die Notarztversorgung.
Auch wenn er als Leiter der Notfallmedi-
zin am Hetzelstift Anfang des Jahres in
den Ruhestand gegangen ist, macht er
weiterhin die Dienstpläne und führt die
Akten, bis ein Nachfolger eingearbeitet
ist. Wuttke ist stolz, dass in den bald 30
Jahren, die er zuständig ist, in seinem Be-
reich keine einzige Schicht ausgefallen sei.
In anderen Städten sieht es anders aus. Da
der Notarztbetrieb meist an Kliniken ge-
bunden ist, lösten die Schließungen von
Häusern in den vergangenen Jahren auch
Lücken in der Notarztversorgung aus.
Tagsüber starten die Ärzte aus dem Kli-
nikbetrieb in ihre Einsätze, entscheidend
sind die Besetzungen von Schichten am
Wochenende und in der Nacht. „Sie brau-
chen eine Klinik, die die Ausbildung und
Freistellung von Notärzten fördert“, sagt
der Ferne
Mehrere Bundesländer setzen neuerdings
auf Telenotärzte.Vor allem auf dem Land
können sie Engpässe ausgleichen – und
ein strukturelles Problem lösen.
Von Kim Björn Becker
und Timo Steppat, Ludwigshafen
Probt den Ernstfall: Telenotarzt Christoph Schmidt
Wuttke. Das habe er zum Glück immer ge-
habt. Teilweise hat in Rheinland-Pfalz das
Deutsche Rote Kreuz die Notarztversor-
gung übernommen.
Doch Wuttke merkt, dass es schwieri-
ger wird, junge Mediziner für die Arbeit
im Rettungsdienst zu gewinnen. Das habe
mit dem höheren Stellenwert von Freizeit
zu tun, glaubt er. „Viele wollen nach
Nachtschichten im Krankenhaus nicht
noch zusätzlich Notarztdienste fahren.“
Nicht nur werden die Jungen weniger, es
geht auch eine ganze Generation von
Ärzten wie Wuttke in Rente, der neben
Hausarztpraxis und Klinikalltag sechs
Notarztdienste im Monat besetzt hat.
Hört man Wuttke zu, wenn er über die
Arbeit als Notarzt spricht, entsteht das
Bild einer abwechslungsreichen Tätigkeit:
Nie wisse man, was als Nächstes komme,
Foto Timo Steppat
immer müsse man sich an neue Bedin-
gungen anpassen. „Man ist selbständig
und absolut eigenverantwortlich. Es gibt
keinen Oberarzt, mit dem man Dinge ab-
sprechen muss.“ Genau das sei teilweise,
was manche jungen Ärzte beunruhige,
sagt Wuttke. Seit Jahrzehnten gebe er
auch seine private Handynummer an Sa-
nitäter und Notärzte. „Manchmal braucht
man einfach eine zweite Meinung.“ Das
Projekt Telenotarzt begrüßt er deshalb
grundsätzlich.
Nicht immer gelingt es den Rettern in
der Fläche, die Hilfsfristen einzuhalten –
die regelt jedes Bundesland selbst, sie be-
tragen meist zwischen zehn Minuten und
einer Viertelstunde vom Zeitpunkt der
Alarmierung an. In Rheinland-Pfalz wur-
de die Frist in 90 Prozent der Fälle er-
reicht, laut Ministeriumsangaben waren
unterschiedlichen Fahrzeugen unterwegs
und haben deshalb auch oft getrennte An-
fahrtswege zum Einsatzort. Telemedizin
kann da viel bringen – vor allem weil nicht
immer ein Arzt vor Ort sein muss. Eine
Umfrage unter Aachener Notärzten hat
vor zwei Jahren ergeben, dass in 60 Pro-
zent aller Einsätze kein Arzt nötig gewe-
sen wäre. Rettungssanitäter wären also
ausreichend gewesen. In der Stadt in
Nordrhein-Westfalen gibt es schon seit
2014 Telenotärzte. Nach zwei Modellpro-
jekten war Aachen damals nach Angaben
der dortigen Universitätsklinik die erste
Stadt in Europa mit einem solchen Ange-
bot im Regeldienst. Seitdem waren Tele-
notärzte im Stadtgebiet in fast 28.000 Ein-
sätzen dabei.
Nach Angaben von Stefan Beckers, dem
ärztlichen Leiter des Aachener Rettungs-
dienstes, war ein Telemediziner in 93 Pro-
zent der Einsätze der einzige Arzt im Ein-
satz, er ersetzte also einen Kollegen, der
sonst zum Ort des Geschehens geeilt wä-
re. In weiteren knapp fünf Prozent der Fäl-
le schickte der Telemediziner einen Kolle-
gen hinterher und in fast einem Prozent
unterstützte der Telenotarzt die Sanitäter
vor Ort vorübergehend, bis ein parallel
alarmierter Notarzt mit dem Auto eintraf.
Zu technischen Ausfällen kam es dabei
laut den Angaben selten. In sieben Pro-
zent funktionierte die Übermittlung der
EKG-Daten nicht, in zwei Prozent hakte
es bei der Tonverbindung. Becker sagt:
„Das Telenotarztsystem zeigt eine zuver-
lässige technische Performance.“
Ähnlich zuversichtlich ist man in Nie-
dersachsen. Im Landkreis Goslar gibt es
seit 2021 ein Telenotarztprojekt. In den
ersten zwei Jahren gab es insgesamt fast
13.000 Notarzteinsätze, fast 3000-mal
übernahm zunächst ein zugeschalteter
Notarzt aus der Ferne den Einsatz. In
einer Studie wird gerade ermittelt, in wel-
chen Situationen die digitale Lösung Sinn
ergibt. Auch in Goslar sieht es so aus, als
könnte die Digitalisierung den 26 haupt-
amtlichen Notärzten viele Fahrten erspa-
ren. „Gefühlt ist der überbrückende tele-
notärztliche Einsatz bis zum Eintreffen
des Notarzteinsatzfahrzeugs die Ausnah-
me“, sagt eine Sprecherin des Landkrei-
ses. Einen technischen Ausfall verzeich-
net der Kreis nur in knapp zwei Prozent
der Fälle – meist fehlt es vor Ort an ausrei-
chendem Datenempfang. Die Ausfallquo-
te sei aus fachlicher Sicht „sehr niedrig“,
teilt der Landkreis mit, die eingesetzte
Technik gelte als „ausreichend sicher“.
Für den Chef der Dachvereinigung der
Notärzte, Florian Reifferscheid, bringt
der Einsatz eines Telenotarztes in be-
stimmten Fällen klare Vorteile. „Wenn
glaubt, dass es nicht mehr lange bei An-
kündigungen und Modellprojekten wie in
Rheinland-Pfalz bleibt: „In fünf Jahren
wird es überall Telenotfallmedizin ge-
ben.“ Für Reifferscheid ist die Digitalisie-
rung eine mögliche Lösung für ein struk-
turelles Problem im Gesundheitswesen.
Immer häufiger alarmierten Patienten
den Rettungsdienst, obwohl sie mit ihren
Beschwerden eigentlich zum Haus- oder
Facharzt müssten. Bei diesen „Lückenbü-
ßereinsätzen“ könne die Telemedizin die
Ärzte bei Alarmierungen entlasten. „Wo
heute ein Notarzt hinfährt, da wäre vor
zwanzig Jahren der Hausarzt zum Haus-
besuch hingefahren.“
In Ludwigshafen entscheidet die ei-
gens dafür geschulte Leitstelle, ob der Te-
lenotarzt alarmiert wird oder ein konven-
tioneller Mediziner. Ein typischer Fall ist
der Stolpersturz, bei dem es vor allem da-
rum geht, zunächst ein starkes Schmerz-
mittel zu verabreichen. Ein anderer Ein-
satzbereich ist laut Projektchef Johannes
Becker ein großer Autounfall, bei dem
der zugeschaltete Arzt gleichzeitig mit
den ersten Sanitätern vor Ort ist, bis ein
anderer Notarzt in Person eintrifft. „Wir
haben keine Hände am Patienten. Das ist
der größte Nachteil“, sagt Becker. Das
sieht auch Hans-Jörg Busch so, der Leiter
des Zentrums für Unfall- und Notfallme-
dizin in Freiburg und Mitglied im Vor-
stand der Deutschen Gesellschaft für in-
ternistische Intensivmedizin und
Notfallmedizin. „Einen Patienten mit
einem schweren Trauma bekommt man
so natürlich nicht hinreichend versorgt“,
sagt er. „Aber wenn es darum geht, ho-
hen Blutdruck oder Schmerzen zu behan-
deln, ist der Telenotarzt optimal.“ Auch
in Freiburg soll es bald einen Telenotarzt
geben. „Ein Mediziner soll dann mehrere
Rettungsbereiche betreuen“, sagt Busch.
Thomas Luiz, der im Bereich digitale
Gesundheitsversorgung am Fraunhofer-
Institut in Kaiserslautern forscht, hat das
Projekt in Ludwigshafen wissenschaftlich
begleitet. Nicht nur könnten Engpässe
ausgeglichen werden und die Qualität der
Versorgung auf identischem Niveau blei-
ben, so geht aus seiner Auswertung her-
vor. Es entstünden auch Vorteile, etwa
bei Erkrankungen, bei denen die Ge-
schwindigkeit der Behandlung besonders
wichtig ist: „In der berühmten ‚golden
hour‘, die es nach Schlaganfällen gibt,
können im Schnitt 15 Minuten gewonnen
werden”, sagt Luiz. Insgesamt konnte in
der Pilotphase die Zahl der ärztlichen
Einsätze deutlich verringert werden. Es
gehe allerdings nicht darum, Notärzte zu
ersetzen, sagt Luiz, sondern sie zu ergän-
zen und zu entlasten.
spekulieren. „Die üblichen Theorien
kursieren: Dahinter steckt Putin, der
russische Generalstab, die Ukraine,
die CIA . . . ich weiß nicht das Gerings-
te.“ Mit diesen Ansichten dürfte Ver-
heugen nicht weit von Teilen der Bre-
mer SPD entfernt liegen, die tief von
Entspannungspolitik und Friedensbe-
wegung geprägt ist. Einflussreiche
Bremer SPD-Parlamentarier opponie-
ren beständig gegen eine bessere Aus-
stattung der Bundeswehr, einen schär-
feren Kurs gegen China sowie eine
harte Haltung gegenüber Putin.
Wichtiges in Kürze
14 Jahre Haft für
IS-Rückkehrerin
Rund acht Jahre nach dem Tod eines
jesidischen Mädchens durch Verdurs-
ten ist eine islamistische Extremistin
in München wegen Verbrechens
gegen die Menschlichkeit zu 14 Jah-
ren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Das Oberlandesgericht München las-
tete ihr am Dienstag unter anderem
Versklavung mit Todesfolge an und
warf ihr vor, aus Menschenverach-
tung gehandelt zu haben. Die Frau
aus Lohne in Niedersachsen hatte zu-
vor gestanden, im Sommer 2015 in
ihrem Haus im Irak dabei zugesehen
haben, wie ein von ihr und ihrem da-
maligen Ehemann versklavtes Mäd-
chen starb. Der Mann hatte das Kind
zuvor in praller Mittagssonne ange-
kettet, um es zu bestrafen. dpa
Justiz geht gegen
Guatemalas Wahlsieger vor
In Guatemala sorgt ein weiterer Ver-
such für Verwirrung, die Partei des
am 20. August mit deutlicher Mehr-
heit zum Präsidenten gewählten Ber-
nardo Arévalo von der weiteren poli-
tischen Betätigung auszuschließen.
Der Antrag soll laut Medienberichten
von der Staatsanwaltschaft einge-
reicht worden sein. Diese hatte be-
reits vor der Wahl versucht, Arévalo
auszuschließen und dessen Partei
„Semilla“ zu suspendieren. Am Mon-
tag bestätigte die oberste Wahlbehör-
de den Sieg des 64 Jahre alten Mitte-
links-Politikers. Arévalo sagte, der
Antrag sei illegal, und kündigte an,
Berufung einzulegen. tjb.

Frankfurter Zeitung
Gründungsherausgeber Erich Welter †
VERANTWORTLICHE REDAKTEURE: für Innenpolitik: Dr. Jasper von Altenbockum;
für Außenpolitik: Dr. Nikolas Busse; für Nachrichten und Politik Online: Andreas Ross,
Philip Eppelsheim (stv.), Tatjana Heid (stv.), Mona Jaeger (stv.); für „Zeitgeschehen“:
Dr. Reinhard Müller; für „Die Gegenwart“: Dr. Daniel Deckers; für Deutschland und
die Welt: Dr. Alfons Kaiser; für Wirtschaftspolitik: Heike Göbel; für Wirtschaftsbericht-
erstattung: Johannes Pennekamp; für Unternehmen: Sven Astheimer; für Finanzen:
Inken Schönauer; für Wirtschaft und Finanzen Online: Alexander Armbruster; für
Sport: Anno Hecker, Peter Penders (stv.); für Sport Online: Tobias Rabe, Sönke Sievers
(stv.); für Feuilleton: Sandra Kegel, Dr. Matthias Alexander (stv.), Jakob Strobel y Serra
(stv.); für Literatur und literarisches Leben: Andreas Platthaus; für Feuilleton Online:
Michael Hanfeld; für Rhein-Main: Manfred Köhler und Jacqueline Vogt (verantwort-
lich), Marie Lisa Kehler (stv.).
FÜR REGELMÄSSIG ERSCHEINENDE BEILAGEN UND SONDERSEITEN: Beruf und
Chance: Nadine Bös; Bildungswelten: Dr. h.c. Heike Schmoll; Der Betriebswirt: Mark
Fehr; Der Volkswirt: Dr. Tillmann Neuscheler; Die Lounge: Britta Beeger; Die Ordnung
der Wirtschaft: Heike Göbel; Digitec: Alexander Armbruster; Forschung und Lehre:
Thomas Thiel; Geisteswissenschaften: Patrick Bahners; Immobilien: Jan Hauser; Ju-
gend schreibt: Dr. Ursula Kals; Jugend und Wirtschaft: Lisa Becker; Kunstmarkt:
Ursula Scheer; Medien: Michael Hanfeld; Menschen und Wirtschaft: Philipp Krohn;
Natur und Wissenschaft: Dr. Sibylle Anderl und Joachim Müller-Jung; Neue Sachbü-
cher: Helmut Mayer; Politische Bücher: Dr. Peter Sturm; Recht und Steuern: Corinna
Budras; Reiseblatt: Jakob Strobel y Serra; Staat und Recht: Dr. Reinhard Müller; Tech-
nik und Motor: Holger Appel.
Bildredaktion: Henner Flohr; Chefin vom Dienst: Dr. Elena Geus; Grafische Gestal-
tung/Informationsgrafik: Holger Windfuhr (Art Director), Benjamin Boch (Stv. Grafi-
sche Gestaltung), Informationsgrafik: Andre Piron.
ARCHIV: Olivera Kipcic.
DIGITALE PRODUKTE: Cai Tore Philippsen (verantwortlicher Redakteur), Dr. Holger
Schmidt (verantwortlicher Redakteur Newsletter und Verticals), Stefanie Michels (So-
cial Media), Robert Wenkemann (Art Director), Andreas Krobok (Audio/Video), Felix
Hooß (Paywall).
GESCHÄFTSFÜHRUNG: Thomas Lindner (Vorsitzender), Dr. Volker Breid.
DIGITALE PRODUKTION UND VERTRIEB: Stefan Buhr, Nico Wilfer.
ANZEIGEN: Ingo Müller (verantwortlich) und Jürgen Maukner, REPUBLIC Marke-
ting & Media Solutions GmbH, Mittelstraße 2–4, 10117 Berlin, www.republic.de.
HERSTELLER: Andreas Gierth.
MONATSBEZUGSPREIS: Inland: Abonnement Frankfurter Allgemeine Zeitung 75,90 €;
einschließlich Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 82,90 €. Abonnenten der ge-
druckten Zeitung lesen für einen Aufpreis von 10,00 € die digitalen Ausgaben der
F.A.Z. und Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Darin enthalten ist außerdem
der vollständige Zugang zur Website FAZ.NET (F+). Mehr Informationen zu allen An-
geboten und Preisen (z. B. für junge Leser, Geschäftskunden, Digital- und Auslands-
abonnements) im Internet unter abo.faz.net. Ihre Daten werden zum Zweck der Zei-
tungszustellung an Zustellpartner und an die Medienservice GmbH & Co. KG, Pariser
Straße 1, 60486 Frankfurt am Main, übermittelt. Gerichtsstand ist Frankfurt am Main.
NACHDRUCKE: Eine Verwertung der urheberrechtlich geschützten Zeitung oder
der in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen, besonders durch Vervielfältigung
oder Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzuläs-
sig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nicht anderes ergibt. Besonders
ist eine Einspeicherung oder Verbreitung von Zeitungsinhalten in Datenbanksyste-
men, zum Beispiel als elektronischer Pressespiegel oder Archiv, ohne Zustimmung
des Verlages unzulässig.
Sofern Sie Artikel dieser Zeitung nachdrucken, in Ihr Internet-Angebot oder in Ihr
Intranet übernehmen oder per E-Mail versenden wollen, können Sie die erforderli-
chen Rechte bei der F.A.Z. GmbH online erwerben unter www.faz-rechte.de. Aus-
kunft erhalten Sie unter nutzungsrechte@faz.de oder telefonisch unter (069) 75 91-
29 01. Für die Übernahme von Artikeln in Ihren internen elektronischen
Pressespiegel erhalten Sie die erforderlichen Rechte unter www.presse-monitor.de
oder telefonisch unter (0 30) 28 49 30, PMG Presse-Monitor GmbH.
© FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG GMBH, FRANKFURT AM MAIN
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH behält sich eine Nutzung ihrer Inhalte für
kommerzielles Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor. Für
den Erwerb einer entsprechenden Nutzungslizenz wenden Sie sich bitte an nut-
zungsrechte@faz.de.
DRUCK: Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH & Co. KG, Kurhessenstraße 4–6,
64546 Mörfelden-Walldorf; Märkische Verlags- und Druck-Gesellschaft mbH Pots-
dam, Friedrich-Engels-Straße 24, 14473 Potsdam; Süddeutscher Verlag Zeitungs-
druck GmbH, Zamdorfer Straße 40, 81677 München.
Amtliches Publikationsorgan der Börse Berlin, Rheinisch-Westfälischen Börse zu
Düsseldorf, Frankfurter Wertpapierbörse, Hanseatischen Wertpapierbörse Hamburg,
Niedersächsischen Börse zu Hannover, Börse München, Baden-Württembergischen
Wertpapierbörse zu Stuttgart
ANSCHRIFT FÜR VERLAG UND REDAKTION:
Postadresse: 60267 Frankfurt am Main, Hausanschrift: Pariser Straße 1, 60486 Frank-
furt am Main; zugleich auch ladungsfähige Anschrift für alle im Impressum genann-
ten Verantwortlichen und Vertretungsberechtigten.
TELEFON: (0 69) 75 91- 0. Anzeigenservice: (069) 75 91 - 33 44. Kundenservice: (0 69)
75 91 - 10 00 oder www. faz.net/meinabo. Telefax: Anzeigen (0 69) 75 91- 80 89 20;
Redaktion (0 69) 75 91 - 17 43; Kundenservice (0 69) 75 91 - 21 80.
BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER: leserbriefe@faz.de

Für die Herstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird ausschließlich Papier mit einem hohen Recyclingfaseranteil verwendet. An allen Druckereistandorten in Deutschland lässt die F.A.Z. mit Ökostrom produzieren.
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG Politik M IT T WOc H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 5

Streit über Beschaffung

Von Franziskus „tief enttäuscht“ amerikanischer Hubschrauber
Nach neuen Aussagen Viper sind Wahlkampfthema in der Slowakei
über Russland löw. WIEN. Bei der Parlamentswahl
in der Slowakei Ende September wird
äußern katholische es auch um die künftige rüstungspoli-
tische Ausrichtung des NATO-Landes
Bischöfe in der Ukraine gehen. Ein Beispiel dafür ist die der-
ihren Unmut über den zeit noch geplante Neubeschaffung
von Viper-Kampfhubschraubern des
Papst. Sie verlangen von amerikanischen Herstellers Bell. Die
übergangsweise eingesetzte Beamten-
Rom eine Erklärung. regierung unter dem Ökonomen
Ľudovít Ódor will das Projekt mög-
Von Gerhard Gnauck, lichst bis zur Entscheidungsreife vo-
ranbringen. Laut Medienberichten
Warschau wird dieser Tage ein amerikanisches
Angebot erwartet. Da sie aber ohne
Mehrheit und Vertrauen des Parla-
ments amtiert, nur gestützt auf Präsi-
kritisierte auch die bereits beschlossene
Beschaffung von 160 leichten gepan-
zerten Fahrzeugen amerikanischer
Herstellung. Die Kosten von 190 Millio-
nen Dollar werden aus einem US-Zu-
schuss für Rüstungsbeschaffungen der
Verbündeten finanziert.
Fico hat erklärt, dass sich eine von
ihm geführte neue Regierung in diesem
Bereich nicht an Entscheidungen des
Beamtenkabinetts gebunden fühlen
werde. Das bedeutet umgekehrt nicht
zwangsläufig, dass er aus den Projekten
tatsächlich aussteigen würde. Fico hat
mit seiner linkspopulistischen Smer-
Partei, die Mitglied der Sozialdemokra-
tischen Partei Europas ist, das Land be-

P
apst Franziskus hat mit Aussa-
gen über Russland abermals für
Irritationen gesorgt. In einer Vi-
deoschalte zu einer zentralen
Veranstaltung russischer katholischer Ju-
gendlicher hatte das Oberhaupt der ka-
tholischen Kirche gesagt: „Vergesst nicht
das Erbe. Ihr seid die Erben des großen
Russlands, des großen Russlands der Hei-
ligen, der Könige, des großen Russlands
Peters des Großen, Katharinas II., des
großen russischen Reiches, aufgeklärt, so
viel Kultur, so viel Menschlichkeit. Ihr
seid die Erben der großen Mutter Russ-
land. Geht voran.“
Daraufhin hagelte es Kritik, in der
Ukraine sogar aus der dortigen römisch-
katholischen Kirche. Deren Oberhaupt,
Bischof Witalij Skomarowskyj, beklagte
am Dienstag, diese Worte hätten unter
den Gläubigen im Land und darüber hi-
naus „großes Unverständnis und Schmerz
hervorgerufen“. Die Aussagen über das
„große Russland, seine große Kultur und
Menschlichkeit“ zeigten, dass der „My-
thos von Humanität und Größe dieses
Staates, der seit neun Jahren gegen die
Ukraine einen blutigen und brutalen
Krieg führt“, weiterhin existiere.
Man glaube jedoch, dass der Papst
„den Imperialismus und seine Erobe-
rungspläne nicht unterstützt“, so der rö-
misch-katholische Bischof. „Missver-
ständnisse“ wie das jetzige hätten ihre
Ursache „in einem Mangel an Dialog zwi-
schen dem Papst und der Ukraine auf
kirchlicher und diplomatischer Ebene“.
Die Reaktion der ukrainischen Gesell-
Dem Papst unterstellt: Der griechisch-katholische Erzbischof Schewtschuk bei einem Treffen im Jahr 2021
schaft auf diese Worte könne helfen, so
etwas in Zukunft zu verhindern.
Während die römisch-katholische Kir-
che in der Ukraine knapp eine Million
Menschen umfasst, zählt die ebenfalls dem
Vatikan unterstehende griechisch-katholi-
sche Kirche, die mit den orthodoxen Kir-
chen den byzantinischen Ritus teilt, fünf
Millionen Gläubige. Ihr Oberhaupt, Groß-
erzbischof Swjatoslaw Schewtschuk,
schrieb in einer Erklärung von „großem
Schmerz und großer Sorge“. Die Worte
des Papstes hätten eine „tiefe Enttäu-
schung“ verursacht. Die Worte über das
große Russland seien ein schlimmes Bei-
spiel „für Imperialismus und extremen
russischen Nationalismus“. Es bestehe die
Gefahr, dass sie als Unterstützung für die-
se Haltungen verstanden würden, die für
den Krieg verantwortlich seien, so der
Geistliche. Schewtschuk verlangte eine
Stellungnahme: „Um jegliche Manipula-
tion der Absichten, des Kontextes und der
Aussagen, die dem Heiligen Vater zuge-
schrieben werden, zu vermeiden, erwarten
wir vom Heiligen Stuhl, dass er diese Situ-
ation erklärt.“ Schewtschuk hatte dem
Papst schon im November gesagt, die
Ukrainer seien der Meinung, dass Franzis-
kus, der Dostojewski gelobt hatte, diesen
nicht richtig gelesen habe. Offenbar mein-
te Schewtschuk verächtliche Aussagen des
Schriftstellers über die Minderheiten im
Zarenreich, darunter die jüdische.
Schon zuvor hatte der Sprecher des Kie-
wer Außenministeriums kritisiert, „dass
russisches Großmachtdenken, das in
Wirklichkeit die Ursache für Russlands
chronische Aggressivität ist, bewusst oder
unbewusst aus dem Mund des Papstes
Foto Imago
kommt“. Mit solcher „Propaganda“ recht-
fertige der Kreml die Ermordung Tausen-
der Ukrainer. Das italienische Portal „Il
Sismografo“ nannte Franziskus’ Worte
„merkwürdig“ und wies darauf hin, dass
die erwähnten Zaren große Gebiete er-
obert hatten, darunter die Krim.
Inzwischen hat der Heilige Stuhl, was
selten vorkommt, versucht, die Aussagen
des Papstes zurechtzurücken. Mit seinen
spontan formulierten Worten habe er Ju-
gendliche ermutigt, beizubehalten, was es
an Positivem im kulturellen Erbe Russ-
lands gebe, sagte der Sprecher des Heili-
gen Stuhls am Dienstag. Die imperialisti-
schen Konzepte früherer Epochen habe
der Papst in keiner Weise loben wollen.
Zudem standen die kritisierten Aussagen
nicht in der vom Heiligen Stuhl verbreite-
ten Mitteilung über die Videoschalte.
dentin Zuzana Čaputová, wird sie das
Rüstungsgeschäft nicht abschließen
können. Der in den Umfragen führen-
de Oppositionspolitiker Robert Fico
hat angekündigt, dass er sich an Ver-
einbarungen dieser Regierung nicht
gebunden fühle und das Viper-Projekt
ablehne.
In Rede steht eine Beschaffung von
12 Exemplaren des Kampfhubschrau-
bers. Verteidigungsminister Martin
Sklenár nannte im Juli einen Paketpreis
von 340 Millionen Dollar für Beschaf-
fung, Ausrüstung, Munition, Ausbil-
dung und anfängliche logistische
Unterstützung. Das liegt nach seinen
Angaben weit unter dem Marktpreis
von mehr als einer Milliarde Dollar.
Der Rabatt dürfte damit zu tun haben,
dass die Slowakei dieses Jahr rund ein
Dutzend MiG-29-Kampfflugzeuge an
die Ukraine abgegeben hat. Das war
der gesamte slowakische Bestand an
Kampfflugzeugen, die allerdings be-
reits außer Dienst gestellt und auch
nicht mehr allesamt flugfähig waren.
Oppositionsführer Fico sagte im
Wahlkampf zuletzt, er sehe keinen Be-
darf für die Hubschrauber. „Für mich ist
ein Krankenhaus in einer slowakischen
Kreisstadt wichtiger als die Viper. Es ist
auch nicht Aufgabe der Slowakei, die
amerikanischen Lagerhäuser zu lee-
ren.“ Im Unterschied zu den MiG han-
delt es sich beim Viper-Hubschrauber,
der seit 2010 in den amerikanischen
Streitkräften im Einsatz ist, nicht um
einen aussortierten Restbestand. Fico
reits für zehn Jahre als Minister-
präsident geführt. Seine Regierungen
standen wegen Vorwürfen der Korrup-
tion und mafiöser Verfilzungen in der
Kritik, weswegen er 2018 zurücktreten
musste. Aber im Rahmen der EU und
der NATO hat er sich nach Einschät-
zungen aus westlichen Ländern nicht
besonders auffällig verhalten.
In der Tschechischen Republik wird
die Entwicklung im Nachbarland mit
Interesse beobachtet. Die Slowakei
wird in Prag als enge Verbündete be-
trachtet. Zudem beschaffen die tsche-
chischen Streitkräfte amerikanische
Venom-Unterstützungshubschrauber
sowie auch Viper-Kampfhubschrauber.
Die ersten sind bereits ausgeliefert, ins-
gesamt sollen es von jedem Typ zehn
Stück sein. Auch diese Beschaffung ist
von den USA hoch subventioniert, als
Ausgleich für tschechische Waffenlie-
ferungen an die Ukraine. Unter ande-
rem hat Prag seine Mi-24-Kampfhub-
schrauber sowjetischer Bauart
abgegeben, die nun ersetzt werden. Da-
für wurde die ursprünglich geringere
Neubestellung durch die USA um acht
modernisierte Helikopter kostenlos er-
gänzt. Wie Verteidigungsministerin Ja-
na Černochová bei der Übernahme
einer Lieferung Mitte August sagte,
geht es bei dem Austausch nicht nur
um technischen Fortschritt, sondern
vor allem um die Verteidigungsfähig-
keit. Man dürfe nicht länger „von ris-
kanten Quellen aus dem Osten abhän-
gig sein“.

F.A.Z.-Weinselection
Pink Pur: 6×Rosé aus deutschen Weinbergen

Unsere Auswahl zeigt das ganze Potential der unvergleichlichen, weingewor-

denen Leichtigkeit des deutschen Rosé. Der Trend zum deutschen Rosé – nicht
nur als Sommerwein - weitet sich weltweit aus. Ob als Blend oder als reinsortige
Abfüllungen rund um Spätburgunder, Lemberger oder Portugieser feiert der
Rosé einen unaufhaltsamen Siegeszug - nicht nur als Sommerwein. Die sechs
Weingüter stellen sich samt individuellen Beiträgen zum Thema Wein in dem
beigefügten Booklet vor.

Der Autor und Weinexperte Fabian Lange hat dieses exklusive Weinpaket
für F.A.Z.-Leser zusammengestellt:

6 Weine aus der Pfalz, Baden, Rheinhessen und Württemberg:

Durbacher Winzer (Baden) | 2022 Durbacher Spätburgunder Rosé, trocken

Weingut Heitlinger (Baden) | 2022 Heitlinger Rosé, trocken

Weingut Graf Neipperg (Württemberg) | 2022 Lemberger Rosé, trocken

Weingut Hemmes (Rheinhessen) | 2022 Blanc de Noir, trocken

Weinhof Scheu (Pfalz) | 2022 Rosé, trocken

Weingut Hahnewald-Schwerdt (Pfalz) | 2022 Rosé „Koralle“, trocken

Sichern Sie sich das exklusive Paket Pink Pur mit Weinkompass
für 69,50 Euro inkl. Versand.

F.A.Z. Selection steht für herausragende Qualität und anspruchsvolle Produkte – exklusiv für F.A.Z.-Leser
gefertigt in deutschen Manufakturen und von renommierten Herstellern. Besuchen Sie unseren Onlineshop!
faz.net/selection, Info: (069) 75 91-10 10, Fax: (069) 75 91-80 82 52
SE I TE 6 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
Ende der syrischen Friedhofsruhe
Assad steht wegen der
Wirtschaftsmisere unter
Druck. Es gibt Unruhen.
Das Regime wirkt nervös.
Von Christoph Ehrhardt,
Beirut
D
er Sitz der Staatspartei wird
angegriffen, auf den Straßen
brennen Reifen, Demonst-
ranten verlangen im Namen
des Volkes den Sturz des Regimes. Die
Bilder und Berichte, die örtliche Journa-
listen aus Sweida im Südwesten Syriens
verbreiten, wecken Erinnerungen an die
Anfangsphase des Aufstands gegen Ba-
schar al-Assad, der 2011 begann. Die
Stadt, eine Hochburg der drusischen
Minderheit, kommt seit mehr als einer
Woche nicht zur Ruhe. Proteste hat es
dort schon öfter gegeben. Aber inzwi-
schen ist Damaskus so beunruhigt, dass
eine Sondereinheit mit ihrem Aufstand
befasst wurde, zu der nach übereinstim-
menden Angaben syrischer Beobachter
Vertreter der gefürchteten Geheim-
dienste und des Militärs gehören. Für
die Menschen in Sweida heißt das nichts
Gutes. Zumal sich die Drusen von Swei-
da aus dem Krieg um Assads Herrschaft
bisher so gut es ging herausgehalten
hatten und weniger als andere Bevölke-
rungsgruppen die harte Hand des bruta-
len Repressionsapparats fürchten muss-
ten.
„Es sieht nach Eskalation aus“, sagt ein
Journalist der Internetplattform „Suway-
da24“ der F.A.Z. „Früher ebbten die Pro-
teste nach kurzer Zeit ab, aber dieses Mal
ist es anders.“ Inzwischen hätten sich auch
Leute den Protesten angeschlossen, die
Äquidistanz zu Assad und seinen Gegnern
gewahrt hätten. Außerdem rege sich auch
in anderen Regionen Unmut. Man stehe
also nicht allein.
Die derzeitigen Proteste stellen wo-
möglich die größte Herausforderung für
Assad dar, seit er seine Gegner mit russi-
scher und iranischer Unterstützung auf
dem Schlachtfeld besiegt hat. Das Re-
gime sei nervös wie lange nicht, heißt es
von Beobachtern aus Assads Reich. Der
Rumpfstaat, über den der syrische
Machthaber herrscht, ist ausgeblutet und
ausgepresst, die wirtschaftliche Not der
Bevölkerung so schlimm wie noch nie.
Trump gegen
Prozesstermin
Anwälte fordern
Beginn nach der Wahl
fia. WASHINGTON. Donald Trump
hat angekündigt, gegen das Datum
des Prozessbeginns im Fall der Bun-
desklage wegen versuchten Wahlbe-
trugs vorzugehen. Das schrieb der
frühere amerikanische Präsident am
Montag auf seiner Plattform „Truth
Social“. Kurz vorher hatte die zustän-
dige Richterin Tanya Chutkan in Wa-
shington festgelegt, dass die Ver-
handlung am 4. März 2024 beginnen
soll. Trumps Anwälte forderten, den
Prozess bis zum April 2026, lange
nach der Präsidentenwahl im nächs-
ten Jahr, hinauszuzögern. Wie die
Nachrichtenagentur Reuters schreibt,
sehen Fachleute in der Terminent-
scheidung eines Gerichts jedoch kei-
ne Grundlage für eine Berufung.
Trumps Anwalt John Lauro hatte in
der Anhörung am Montagvormittag
zugesagt, man werde sich an den Ter-
min halten. Trump bezeichnete den
Sonderermittler Jack Smith, der die
Ermittlungen leitet, am Montag aber-
mals aus „zurückgeblieben“ und des-
sen Team als „Verbrecher“.
Im Falle der Anklage Trumps und
18 weiterer Personen wegen Wahlbe-
trugs in Georgia kam es am Montag
überraschend zu einer Aussage Mark
Meadows’. Der frühere Stabschef des
Weißen Hauses fordert, seinen Pro-
zess statt vor einem Landesgericht
vor einem Bundesgericht zu verhan-
deln. Würde Trump wiedergewählt,
könnte er Ermittlungen auf Bundes-
ebene einstellen lassen, nicht jedoch
in den Bundesstaaten. Es war das ers-
te Mal, dass die Vorwürfe gegen
Trump und seine Mitverschwörer in
einer öffentlichen Sitzung erörtert
wurden.
Meadows berief sich darauf, dass
er in „offizieller Funktion“ gehandelt
habe, als er die Ergebnisse der Präsi-
dentenwahl 2020 infrage stellte. Es
sei seine Aufgabe gewesen, „sicher-
zustellen, dass die Ziele der Kampag-
ne“ auf Bundesebene umgesetzt wür-
den. Meadows hatte damals an dem
Anruf teilgenommen, in dem Trump
den damaligen republikanischen
Gouverneur von Georgia, Brad Raf-
fensperger, aufgefordert hatte, die für
seinen Sieg fehlenden Stimmen „zu
finden“. Am Montag bezeichnete
Meadows das Telefonat von Januar
2021 als ein „Wahlkampfgespräch“.
Protest in Syrien: Menschen versammelten sich am 25. August in Sweida und schwenkten drusische Fahnen
Millionen von Menschen leben in Armut.
Als Assad vor einigen Wochen die Treib-
stoffsubventionen weiter kürzte, brachte
das für viele das Fass zum Überlaufen.
Das Regime verdoppelte zwar die mage-
ren Löhne und Renten im öffentlichen
Dienst und den Sold im Militär. Aber das
half angesichts des dramatischen Wert-
verlustes der syrischen Währung nicht,
den Schlag wirksam zu dämpfen.
Türkisch dominiert Kurden/Rebellen
Syrische Armee Rebellengruppen
„Islamischer Staat“ (IS)
TÜRKEI
Aleppo Ar-Raqqah
Latakia
Tartus
Homs
LIBA- SYRIEN Euphrat
NON
Damaskus IRAK
Golan-
höhen Sweida
150 km
JORDANIEN
Quelle: syria.liveuamap.com; Stand: 29.8.2023 F.A.Z.-Karte sjs./sie.
Xi fordert mehr Härte gegen Uiguren
Chinas Staats- und Parteichef will Repressionen in Xinjiang fortsetzen
stah. PEKING. Für Xi Jinping waren die
„hart erkämpften“ Maßnahmen zur „so-
zialen Stabilität“ in der muslimisch ge-
prägten Region Xinjiang erfolgreich. Die-
se müsse immer „oberste Priorität“
bleiben, die „richtige Xinjiang-Politik“
müsse fortgesetzt werden, und das stärker
noch als bisher, befahl Chinas Staats- und
Parteichef am Wochenende. Xi hatte auf
dem Rückweg vom BRICS-Gipfeltreffen
in Südafrika einen Zwischenstopp in
Urumqi eingelegt, der Hauptstadt von
Xinjiang. Es war sein erster Besuch in der
mehrheitlich von Uiguren bewohnten Re-
gion seit mehr als einem Jahr. In einer Re-
de vor ranghohen Parteifunktionären be-
tonte Xi die Sicherheit ebenso wie die
wirtschaftliche Entwicklung in der Re-
gion, die er jedoch dahinter setzte.
Vielmehr wies Xi an, die harte Politik
der „Sinisierung“ des Islams und der Kul-
tur der Uiguren, der dortigen Kasachen
und anderer Minderheiten zu „vertiefen,
um alle Arten von illegalen religiösen Ak-
tivitäten wirksam zu bekämpfen“. Auswir-
kungen dieser Politik sind etwa die Zer-
störung und Umwidmung von Moscheen
oder auch der Umbau von Moscheen im
arabischen Baustil in als „chine-
sisch“-konform angesehene Bauten. Wei-
ter verlangte Xi nach Angaben der staatli-
chen Nachrichtenagentur Xinhua, die
„chinesische Standardsprache“ Mandarin
Ugander könnte Todesstrafe drohen
Erste Anklagen wegen Verstößen gegen das neue Anti-Homosexuellen-Gesetz
clb. KAPSTADT. Drei Monate nach In-
krafttreten des sogenannten Anti-Homo-
sexuellen-Gesetzes in Uganda ist ein 20
Jahre alter Mann Berichten zufolge we-
gen Homosexualität in besonders
„schwerer Form“ angeklagt worden.
Nach dem Gesetz droht in solchen Fällen
bei einer Verurteilung die Todesstrafe.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters
berichtete, wurde der Mann am 18. Au-
gust vor einem Gericht im Osten des Lan-
des angeklagt. Weshalb es sich um eine
„schwerwiegende“ Straftat handeln soll,
ist bislang unklar. Nach dem Gesetzestext
gehören in diese Kategorie unter ande-
rem Vergewaltigung, Missbrauch von
Kindern, älteren oder behinderten Men-
schen und Fälle, in denen „die Person,
gegen die die Straftat begangen wurde,
infolge der sexuellen Handlung eine töd-
liche Krankheit erleidet“.
Politik
Überall in den vom Regime kontrol-
lierten Regionen führt der wirtschaftli-
che Niedergang zu einem Autoritätsver-
lust für Assad. Die Proteste in Sweida
sind dafür das sichtbarste Zeichen. Ge-
fährlicher für Assads Herrschaft sind
aber Unmutsbekundungen, über die
kaum etwas an die Öffentlichkeit gelangt.
Sie ereignen sich in den Küstenregionen,
dem Siedlungsgebiet der Alawiten, der
Bevölkerungsgruppe des syrischen Präsi-
denten. Auch dort gärt es schon länger in
der Bevölkerung. Die Alawiten, auf deren
Gefolgschaft sich das Assad-Regime
stützt, haben in den Kriegsjahren einen
hohen Blutzoll entrichtet. Aber auch die
meisten von ihnen leben in Armut. So
dämmert immer mehr Alawiten, dass sie
Geiseln einer korrupten Clique sind, die
vorgibt, sie vor der sunnitischen Bevölke-
rungsmehrheit zu beschützen. Und im-
mer mehr von ihnen wagen, öffentlich
Kritik zu äußern.
Waseem al-Assad, ein entfernter Vetter
des syrischen Machthabers, der eine Miliz
im Bergland der Küstenregion komman-
diert, stieß unlängst in einer Videobot-
schaft unverhohlene Drohungen aus:
„Geht das Land bewirtschaften und macht
keine Videos, Sit-ins und diesen Unsinn“,
„entschlossen“ weiter zu fördern und zu
unterrichten. Nicht also Uigurisch, das
Berichten zufolge mehr und mehr aus
dem Straßenbild verschwindet.
Nach internationalen Angaben haben
die chinesischen Behörden in Xinjiang
mindestens eine Million Angehörige des
Turkvolks der Uiguren und anderer musli-
mischer Minderheiten in Gefängnissen
und Umerziehungslagern inhaftiert und
Muslime systematisch unterdrückt und
verfolgt. In einem Gutachten des Büros
der Hohen Kommissarin der Vereinten
Nationen für Menschenrechte hieß es im
vergangenen Jahr, „ernste Menschen-
rechtsverletzungen“ seien in Xinjiang be-
gangen worden, die „Verbrechen gegen
die Menschlichkeit darstellen könnten“.
Berichte von Folter und sexueller Gewalt
seien glaubhaft. Die chinesische Führung
weist alle Vorwürfe zurück.
Zuletzt mehrten sich Berichte, dass vie-
le der Lager stillgelegt worden seien. Nach
Angaben uigurischer Menschenrechtler
wurden dort festgehaltene Uiguren über-
wiegend in reguläre Gefängnisse verlegt,
unter Hausarrest gestellt oder unter stän-
diger Überwachung und anderen harten
Auflagen entlassen. Vor knapp zwei Jah-
ren wurde der Parteisekretär für Xinjiang,
Chen Quanguo, ersetzt, in dessen Amts-
zeit der Aufbau der Internierungslager
fiel. Etwaige Hoffnungen, dass sich mit
Nach Angaben der Anwältin des Ange-
klagten wurden noch vier weitere Men-
schen angeklagt, ihr Mandant sei der Ers-
te, der wegen Homosexualität in
„schwerer Form“ belangt werde. Wie an-
dere Rechtsexperten nannte sie das Ge-
setz verfassungswidrig. Vor dem Verfas-
sungsgericht sind bisher drei Klagen
eingereicht worden.
Das Gesetz wurde im März von fast al-
len Abgeordneten verabschiedet. Ugan-
das Präsident Yoweri Museveni verwies
zur Rechtfertigung auf afrikanische Tra-
ditionen und Werte sowie auf die Souve-
ränität des Landes. Homosexualität war
in Uganda bereits vorher – nach einem
Gesetz aus Kolonialzeiten – verboten.
Verurteilungen allein auf Grundlage die-
ses Gesetzes gab es jedoch kaum. Die To-
desstrafe ist weiterhin zulässig, wurde
aber ebenfalls lange nicht vollstreckt.
Foto Suwayda24/AFP
riet er den Unzufriedenen. Diese sollten
besser davon absehen, die Misere mit der
Baath-Partei und dem Sicherheitsapparat
in Verbindung zu bringen. „Säen Sie kei-
nen Aufruhr“, sagte der Assad-Vetter. Er
gehöre zu denen, die wüssten, wozu die
Führung imstande sei.
Überall in den Regimegebieten habe
der Sicherheitsapparat seinen Griff ver-
stärkt, sagt ein dort gut vernetzter syri-
scher Beobachter, der unerkannt bleiben
will. In alawitischen Regionen herrscht
zunehmende Sorge, weil sich Berichte
mehren, laut denen Milizionäre der liba-
nesischen Schiitenorganisation Hizbullah
ihre Präsenz verstärken. Das wird als Zei-
chen gewertet, dass Assad auch vor Ge-
walt gegen aufständische Alawiten nicht
zurückschreckt. Militär und Geheim-
dienste, an deren Schaltstellen viele ala-
witische Offiziere sitzen, dürften weit
größere Hemmungen haben als die aus-
ländischen Alliierten.
Unter Assads alawitischen Kritikern
herrschen weiterhin erhebliche Zweifel,
dass sein Regime durch die Wirtschafts-
krise ernsthaft ins Wanken gerät. Auch
deshalb, weil der Machthaber auf eine
weitere Angst setzen kann: die Angst vor
dem Ungewissen.
seinem Nachfolger eine ernsthafte Ver-
besserung der Lage der Uiguren einstellen
könnte, wurden nun spätestens durch Xis
Besuch zunichtegemacht.
Xi verlangte, dass Chinas Parteifunk-
tionäre „tief in die Basis und die Massen
eindringen“, um „den Antiterrorkampf
und den Kampf gegen Separatisten mit
der Normalisierung der Stabilitätsarbeit
zu verbinden“. Parteikader sollen stärker
als bisher in die Dörfer von Xinjiang ge-
hen. Xi sagte, es gelte „ein Gefühl für die
Gemeinschaft der chinesischen Nation
aufzubauen“, was er mit der Forderung
nach weiterem Austausch der Bevölke-
rung verband. Uiguren sollen ins chinesi-
sche Kernland ziehen, dort arbeiten und
sich anpassen, während weitere Han-Chi-
nesen nach Xinjiang umziehen sollen.
Neu an Xis Rede war sein Eingeständ-
nis, dass die Xinjiang-Politik dem interna-
tionalen Ansehen Chinas geschadet hat.
So forderte Xi die Nomenklatura dazu auf,
vermehrt Öffentlichkeitsarbeit zu leisten,
„um das neue Gesicht und die neue Atmo-
sphäre der Offenheit Xinjiangs zu zeigen“
und um „alle Arten falscher, negativer öf-
fentlicher Meinungen zu widerlegen und
schädliche Äußerungen gezielt zu verhin-
dern“. Dazu will Xi die Region noch wei-
ter für den Tourismus öffnen und „in- und
ausländische Touristen ermutigen, nach
Xinjiang zu reisen“.
Nach Angaben der „Weltkoalition gegen
die Todesstrafe“, eines Zusammenschlus-
ses von Nichtregierungsorganisationen,
fand die letzte Hinrichtung 2005 statt.
In Uganda werden Folgen für interna-
tionale Entwicklungsprogramme befürch-
tet. Die Weltbank stoppte Anfang August
weitere Finanzhilfen, bis sich „zusätzliche
Maßnahmen“ bewährt hätten. Diese Maß-
nahmen sollen sicherstellen, dass Projekte
im Einklang mit den Standards der Welt-
bank umgesetzt werden. Armut auf der
Erde könne nur beseitigt werden, „wenn
alle Menschen, unabhängig von Rasse,
Geschlecht oder Sexualität“, eingebunden
seien, hieß es. Die Weltbank setze sich
aber weiterhin dafür ein, „allen Ugandern
– ohne Ausnahme – zu helfen, der Armut
zu entkommen, Zugang zu lebenswichti-
gen Dienstleistungen zu erhalten und ihr
Leben zu verbessern“.
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
| BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER
Völkerrechts- und verfassungswidrig
Zu den Beiträgen zur Cannabislegali-
sierung („Wie Cannabis legalisiert
werden soll“, „Lauterbach verteidigt
Cannabisgesetz“, F.A.Z. vom 16. und
17. August): Als Jurist, der sich seit
1973 intensiv, seit 1982 auch als Autor
eines Fachkommentars zum Betäu-
bungsmittelrecht befasst, weiß ich
nicht, ob ich über die Beratungsresi-
stenz der Bundesregierung oder über
die Dreistigkeit mehr staunen soll, mit
welcher der Entwurf zur „Teil“-Legali-
sierung durchgepeitscht wird. Vorsich-
tig hatte man im Frühjahr ein Eck-
punktepapier der Europäischen
Kommission (EU) vorgelegt, das dort
aber durchgefallen ist. Die Bedenken
der EU hielt man in der Folge sorgsam
unter Verschluss und behauptet jetzt
einfach, man habe ihnen Rechnung
getragen. Nachprüfbar ist das freilich
nicht.
Tatsächlich bricht der Entwurf ein-
deutig und ungeniert das Völkerrecht.
Die maßgebliche Richtlinie der EU
vom 25. Oktober 2004 (Rahmenbe-
schluss 2004/757/JI des Rates) bezieht
sich für den Begriff dessen, was eine
zwingend zu bekämpfende „Droge“
ist, unmittelbar auf die beiden zentra-
len Übereinkommen der Vereinten
Nationen von 1961 und 1974, denen
auch die Bundesrepublik Deutschland
vorbehaltlos beigetreten ist. Beide
Übereinkommen verlangen die Ein-
stufung von Cannabis als Suchtmittel
und lassen eine Herausnahme aus der
Auflistung der als solche zu kontrollie-
renden Stoffe (in Deutschland: Betäu-
bungsmittel) nicht zu. Der in diesem
Zusammenhang reklamierte Grund-
satz der Verhältnismäßigkeit, der der
Cannabisprohibition entgegenstehen
soll, greift nach der auf 42 Seiten aus-
führlich begründeten Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom
14. Juni 2023 eben gerade nicht. Viel-
mehr sind die Strafvorschriften beim
Umgang mit Cannabis mit der Verfas-
sung vereinbar.
Der Entwurf begnügt sich aber nicht
mit dem Bruch des Völkerrechts. Er ist
auch eklatant verfassungswidrig. Die
Zulassung des Erwerbs von maximal 50
Gramm Cannabis im Monat soll von der
Mitgliedschaft in einem Verein abhän-
gig sein, was nichts anderes bedeutet, als
dass der Vorstand eines privatrechtlich
organisierten Zusammenschlusses einer
nach oben begrenzten Anzahl von Men-
schen durch die Aufnahme oder Ableh-
nung eines Interessenten faktisch darü-
ber entscheidet, wer legal und wer illegal
und damit strafbar Zugang zu Cannabis
erhält. Dass überdies die Voraussetzun-
Lorbeerstrauch und Schilfrohr
Mit Interesse und ohne Resignation
habe ich den Artikel „Ein Shirt als
Schutzschild“ von Julia Anton in der
F.A.Z. vom 19. August gelesen. Wir
Frauen verstecken uns schon seit Tau-
senden von Jahren.
Der römische Dichter Ovid schreibt
in seinen „Metamorphosen“: Als
Apollon die Nymphe Daphne verge-
waltigen wollte, floh sie und bat ihren
Vater (den Flussgott Peneios), ihre
Gestalt zu verwandeln. Sie wurde zum
O Eva!
Zum Leitartikel von Julia Anton „Ein
Shirt als Schutzschild“ in der F.A.Z.
vom 19. August: Männer laufen in den
Fußgängerzonen der Innenstädte der
westlichen Welt immerhin noch nicht
wie einst in der Renaissance mit eng
anliegenden Strumpfhosen und
Schamkapseln herum, die auch schon
damals mehr ent- als verhüllten, und
nur äußerst selten mit knapp und
schräg direkt an der Scham abge-
schnittenen zerfetzten Jeans, bei
denen das halbe Hinterteil raushängt,
und bauchnabelfrei mit einem Mini-
mum von T-Shirt. Männer, wenigstens
sportliche Männer, könnten ebenfalls
körperliche Reize mit übergroßer Os-
tentation zur Schau stellen, tun es
aber nicht. Die (Ent)Kleidungsexzes-
se von (jungen) Frauen im – nennen
wir es pauschal: Madonna-Stil – sieht
man bei Männern selten. Natürlich
will niemand sexueller Übergriffigkeit
das Wort reden oder sie entschuldi-
gen. Das ist selbstverständlich.
Aber wenn sich so viele Frauen wie
heutzutage nuttig und geradezu auf-
reizend kleiden, brauchen sie sich
nicht über entsprechende Blicke und
womöglich Flötentöne zu wundern.
Diese Art, sich zu kleiden, ist, anders
als Frau Anton meint, keine „Mode“
und kein Spaß, sondern einfach de-
Großartig
Zu dem Foto auf der Titelseite „Hier
baut die Bundesrepublik“ (F.A.Z. vom
28. Juli): Wie es Ihnen immer wieder
gelingt, non- oder kaum verbalisierba-
ren Zeitgeist mit einem Foto darzustel-
len, finde ich großartig. Der zugehöri-
ge Text steht dem in nichts nach.
DR. BERND KLEMEYER, MARSCHACHT
|
gen für die Zulassung der „Cannabis-
Clubs“ in den Ländern geregelt werden
sollen und damit unterschiedlich ausfal-
len können, macht die damit zu erwar-
tende Ungleichbehandlung der Geset-
zesadressaten noch augenfälliger.
Die Bundesregierung behauptet fer-
ner, die neue Regelung solle die Ver-
braucher vor mit „giftigen Beimengun-
gen“ verschnittenen Cannabispro-
dukten schützen und hohe Qualitäts-
standards garantieren. Der Nachweis,
dass es überhaupt einen namhaften An-
teil solchermaßen gefährlich verunrei-
nigter Cannabisprodukte gibt, die in den
kriminaltechnischen Laboren unter-
sucht worden sind, fehlt ebenso wie der
Nachweis von darauf zurückzuführen-
den Schäden bei Konsumenten.
Das Gegenteil dieser nur als Mythos
zu bezeichnenden Behauptung ist rich-
tig: Seit Jahren steigt der durchschnittli-
che THC-Gehalt des sichergestellten
Cannabis; das allein ist es, was große
Sorge bei Medizinern auslöst, zumal die-
se hohe „Qualität“ in so ausreichender
Menge verfügbar ist, dass minderwerti-
ges Cannabis kaum noch an den Mann
zu bringen ist. Das wissen natürlich
auch die Verfasser des Entwurfs; die
Verfolgung ihres strategischen Ziels
lässt sie aber zu diesem Täuschungsma-
növer greifen. Zu den Absurditäten des
Entwurfs gehört auch, dass Jugendli-
chen unter 18 Jahren der Konsum von
Cannabis verboten wird, während es ein
solches Verbot für die weiter unter das
Betäubungsmittelgesetz fallenden Sub-
stanzen wie Kokain, Heroin und Meth-
amphetamin nicht gibt. Der öffentliche
schlichte Konsum von Cannabis soll in
bestimmten Fällen sogar strafbar sein,
was bei den sogenannten harten Drogen
nicht der Fall ist. Auch das lässt sich
unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes
des Grundgesetzes nicht halten.
KARL-RUDOLF WINKLER, LEITENDER OBER-
STAATSANWALT A.D. , KOBLENZ
Vielschichtig
Zu „Zurück auf dem sinkenden Schiff“
von Jochen Buchsteiner (F.A.Z. vom 26.
August): Die vielschichtige Gefühlslage
meiner Rückkehr nach Deutschland
nach vielen Jahren im Ausland zu schil-
dern war und ist für mich immer wieder
nur ansatzweise möglich. Jochen Buch-
steiner ist dies hingegen perfekt gelun-
gen. Vielen Dank!
WOLFGANG KLAWS, NEU-ISENBURG
Lorbeerstrauch. Ovid: „Fer, pater in-
quit opem si flumina numen habetis.
Qua nimium placui mutando perde fi-
guram.“
„Hilf, Vater, sagt sie, wenn ihr Flüsse
göttliche Macht habt. Durch Verwand-
lung verdirb die Gestalt, mit der ich zu
sehr gefiel.“ Syrinx wurde von Pan ver-
folgt und rettete sich durch Verwand-
lung in ein Schilfrohr.
DR. URSULA VOGEL, MÜNCHEN
goutant. Man sieht es in unseren Fuß-
gängerzonen, man sieht es gehäuft in
den südlichen Touristenmetropolen.
Ich habe es Anfang dieses Jahres in
geradezu exzessiver und provozieren-
der Weise auf Bali bemerkt, wo von
westlichen und auffallend vielen ost-
europäischen Touristinnen keinerlei
Rücksicht auf die Sitten und Gefühle
der einheimischen Bevölkerung ge-
nommen wird. Deren Aufmachungen
sind einfach ekelhaft.
Angesichts der gegenwärtigen
Halbnacktmode im Madonna-Stil sol-
len Männer wie Klosterknaben nun
stets schamhaft den Blick senken und
die Augen verhüllen – o Eva, führe
mich nicht in Versuchung!
Es ist eine verkehrte Welt, und es
geht nicht um Frauenemanzipation
versus Übergriffigkeit, sondern es ist
auch eine Frage des guten Ge-
schmacks versus dégouté. Und ausge-
rechnet die modisch und in Stilfragen
so biedere F.A.Z. plädiert nun unter
dem Vorwand von fadenscheinigem
Emanzipationismus für das Degou-
tante. Ich möchte in der Tat mal eine
Woche erleben, in der die Männer
konsequent nicht mehr hingucken.
Was dann wohl los ist ?
WOLFGANG SEIDEL, MÜNCHEN
Auftrag an alle
Zum Leserbrief „Kein Narrativ“ von Dr.
Harald Kallmeyer (F.A.Z. vom 26. Au-
gust): Solange Männer wie Harald Kall-
meyer glauben, Frauen würden sich für
ihre lüsternen Blicke kleiden, bleibt Me-
Too auf der Tagesordnung und Wider-
stand gegen Sexismus Auftrag an alle.
KLAUS FRIELING, ASCHAFFENBURG
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Ermittlungen gegen
Lindemann eingestellt
Die Staatsanwaltschaft
in Berlin findet keine
Beweise gegen den
Rammstein-Sänger.
sede. FRANKFURT. Die Staatsanwalt-
schaft Berlin hat ein Ermittlungsverfah-
ren gegen Till Lindemann wegen des
Verdachts der Begehung von Sexual-
delikten eingestellt. Die Auswertung der
Beweismittel habe keine Anhaltspunkte
dafür erbracht, dass der Rammstein-
Sänger sexuelle Handlungen an Frauen
gegen deren Willen vorgenommen
habe, teilte die Behörde am Dienstag
mit. Es gebe auch keine Beweise dafür,
dass er Frauen „willensbeeinflussende
oder -ausschaltende Substanzen“ ver-
abreicht habe oder gegenüber minder-
jährigen Sexualpartnerinnen ein Macht-
gefälle ausgenutzt habe, um sie zum
Geschlechtsverkehr zu bewegen.
Ende Mai hatte die Irin Shelby Lynn
auf Instagram Fotos von sich veröffent-
licht, die sie nach einem Rammstein-
Konzert in der litauischen Stadt Vilnius
mit blauen Flecken zeigten. Sie äußerte
den Verdacht, dass ihr jemand im Back-
stagebereich ohne ihr Wissen Rausch-
gift verabreicht habe, weil sie sich an
Teile des Abends nicht mehr erinnern
könne. Lindemann habe Geschlechts-
verkehr mit ihr gewollt, ihr „Nein“ aber
akzeptiert. Später veröffentlichte die
Youtuberin Kayla Shyx ein Video, in
dem sie von eigenen verstörenden
Erfahrungen mit Lindemann auf einer
After-Show-Party berichtete. Es folgten
zahlreiche Medienberichte, in denen
anonyme Zeuginnen behaupteten, bei
Rammstein-Konzerten ohne ihr Wissen
als Sexualpartnerinnen für Lindemann
Chaos bei Flugreisen
Störung des Planungssystems in Großbritannien
Lt. LONDON. Das größte Flugreise-
Chaos seit einem Jahrzehnt hat zum
Ferienende die Reisepläne Hunderttau-
sender Fluggäste zunichtegemacht, die
nach Großbritannien zurückkehren
oder von dort aufbrechen wollten. Eine
sieben Stunden lange Störung des auto-
matischen Flugplanungssystems führte
allein am Montag zu fast 1000 Flugaus-
fällen. Die Fluglinien und Flughafen-
betreiber warnten, die Folgen der Hava-
rie seien auch am Dienstag und an den
weiteren Tagen der Woche noch für Ver-
spätungen und gestrichene Flugverbin-
dungen verantwortlich.
Der britische Verkehrsminister Mark
Harper sagte, die Regierung und die
Flugkontrolle hielten einen Cyber-
angriff nicht für die Ursache der
Störung. Harper gestand im Blick auf
die Ausfälle und Verspätungen ein, es
werde „einige Tage dauern, jeden dort-
hin zu bringen, wohin er möchte“. Der
Nationale Luftverkehrsdienst hatte am
Montag gegen Mittag mitgeteilt, dass es
eine Störung im Flugleitsystem gebe.
Die Flugbewegungen zu und von briti-
schen Flughäfen mussten offenbar des-
wegen manuell im System gelenkt wer-
den. Nach 15 Uhr britischer Zeit hieß es,
Glücksradfahrer
Ein Politiker stellt den Dieb seines Fahrrads
FRANKFURT. Sein Fahrrad hätte
Thomas Hering immer noch nicht wie-
der, wenn der hessische CDU-Land-
tagsabgeordnete nicht am Sonntag mit
seinem Team Wahlkampfplakate in
Fulda aufgehängt hätte. Wenn er nicht
an der Südseite des Bahnhofs gestan-
den hätte, weil sein Helfer meinte,
dass da viele Leute vorbeilaufen.
Wenn die Laterne nicht schief gestan-
den hätte und sie nicht so lange für das
waagerechte Anbringen des Plakats
gebraucht hätten. Und wenn nicht ein
alter Schulfreund mit dem Auto ange-
halten hätte, um ein Schwätzchen zu
halten. Aber dank all dieser Zufälle
hat Thomas Hering nun sein Fahrrad
zurück.
Am 22. August war es passiert. Der
Politiker war mit seinem Rad, das nach
eigenen Angaben mehr als 2000 Euro
gekostet hat, am vergangenen Diens-
tag zum Campus Fulda im Fuldaer Kli-
nikum gefahren, der an diesem Tag
vom hessischen Ministerpräsidenten
Boris Rhein eröffnet wurde. Hering
stellte sein Fahrrad am Haupteingang
des Klinikums ab und schloss es an.
Wegen Gesprächen mit Medizinern
habe der Termin länger gedauert als
gedacht. Als Hering die Veranstaltung
verließ und losradeln wollte, war das
Rad weg.
„Ich war unter Zeitdruck. Meine Frau
und ich hatten silberne Hochzeit und
wollten essen gehen. Als ich mein Fahr-
rad nicht fand, dachte ich: O mein Gott“,
sagt Hering. „Mir war direkt klar, dass es
geklaut wurde.“ Das Rad habe er sich als
leidenschaftlicher Radler extra im Breis-
Deutschland und die Welt
ausgewählt worden zu sein. Vereinzelt
wurde der Geschlechtsverkehr als nicht
einvernehmlich beschrieben. Linde-
manns Anwälte wehrten sich gegen vie-
le der Berichte erfolgreich vor Gericht,
er beteuert bis heute seine Unschuld.
Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte
ihre Ermittlungen gegen Lindemann
wegen Anzeigen von Unbeteiligten ein-
geleitet. Mutmaßliche Geschädigte mel-
deten sich bei ihr nicht, sondern nur bei
Journalisten, die sich laut der Behörde
auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht be-
riefen. Kayla Shyx habe man befragt,
ihre Angaben seien aber „zu unkonkret“
geblieben. Ausgewertet habe man auch
Unterlagen der litauischen Behörden zu
den Vorwürfen von Shelby Lynn. Auch
dabei hätten sich „keine konkreten tat-
sächlichen Anhaltspunkte für Sexual-
straftaten“ durch Lindemann ergeben.
Der Vorwurf des sexuellen Miss-
brauchs einer Jugendlichen, über den
berichtet worden war, konnte laut
Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht er-
härtet werden, weil die Betroffene ano-
nym bleiben wollte und nicht vernom-
men werden konnte. Eingestellt wurden
auch Ermittlungen gegen eine Tour-
managerin, die Lindemann junge Frau-
en zugeführt haben soll.
Till Lindemann meldete sich am
Dienstagnachmittag auf seinem Insta-
gram-Account zu Wort: „Ich danke
allen, die unvoreingenommen das Ende
der Ermittlungen abgewartet haben.“
Zuvor hatte ein Anwalt des Sängers den
Ausgang der Ermittlungen der Staats-
anwaltschaft kommentiert: „An den An-
schuldigungen war schlichtweg nichts
dran.“ Gegen „unzulässige Darstellun-
gen“ und „rechtswidrige Verdachts-
berichterstattung“ will die Kanzlei
Schertz Bergmann weiter zivilrechtlich
vorgehen.
der Fehler sei behoben. Der britische
Verkehrsminister Harper gab an, zuletzt
habe es eine derart schwere Störung des
Flugverkehrs vor einem Jahrzehnt gege-
ben. Die Panne trat an einem der ver-
kehrsreichsten Tage im Jahr auf. Der
letzte Montag im August ist in Groß-
britannien ein Feiertag, der zugleich das
Ende der Schulferien markiert. Die Lon-
doner Flughäfen baten am Dienstag alle
Reisenden, erst zur Abflughalle zu kom-
men, wenn sicher sei, dass ihre Flug-
verbindung tatsächlich gewährleistet
werde. Es werde noch tagelang zu weite-
ren Verspätungen und Streichungen von
Flügen kommen.
Nun richten sich Fragen auf die
Ursache des Fehlers im automatischen
Datenverarbeitungssystem der Flug-
sicherung. Die „Times“ erinnerte am
Dienstag an einen Vorfall, der 2017 die
Flugzeugflotte von British Airways
lahmlegte. Damals habe eine Firma, die
im Mai über einen Feiertag hinweg War-
tungsarbeiten ausführte, danach die
Stromverbindung eines Datenverarbei-
tungszentrums nicht wieder ordnungs-
gemäß hergestellt und ein Chaos ver-
ursacht, das für die Fluggesellschaft
einen Millionenschaden verursachte.
gau zusammenstellen lassen, Wartezeit
neun Monate. Hering, ein ehemaliger
Polizist, rief direkt seine Ex-Kollegen
an: Sie sollten doch nach seinem Rad
Ausschau halten. Er nannte die Marke,
racextract, Typ Mountainbike, kobalt-
blau, anthrazitfarbene Schrift. Dann
ging es erst einmal zu Fuß nach Hause.
Dort habe er Anzeige erstattet und die
Versicherung eingeschaltet. Große
Hoffnungen, sein Rad wiederzusehen,
machte er sich jedoch nicht. „Ich dachte,
das ist bestimmt bald im Ausland, wird
zersägt oder verschrottet oder so was.
Dass damit fast eine Woche später noch
jemand in Fulda rumfahren würde, hät-
te ich nicht gedacht.“
Am Sonntagabend dann die Überra-
schung. Die Laterne stand schief, sie
brauchten lange fürs Aufhängen und
dann noch der Schulfreund. „Wir stan-
den bestimmt fünf Minuten länger da als
geplant“, sagt Hering. „Und dann sehe
ich plötzlich jemanden mit meinem
Fahrrad vorbeifahren.“ Er erkannte die
Farben, die Rückleuchte, „die ver-
schrammte Klingel“. Er rief: „Stehen
bleiben!“ Sein Helfer telefonierte die
Polizei herbei. „Der Mann meinte, er ha-
be es woanders mitgenommen, es sei
nicht angeschlossen gewesen. Ansons-
ten war der mutmaßliche Dieb ent-
spannt, hat mich nicht angegriffen.“ Die
Polizei war schnell zur Stelle und nahm
die Personalien auf. Thomas Hering
freut sich über den „krassen Zufall“.
Sein Sohn auch. Denn tagelang fuhr der
Politiker im Wahlkampf auf dem Rad
des Sohnes umher. „Und der möchte ja
auch mobil sein.“ OLE KAISER
Land unter: Im Salzburger Land – wie hier in Niedernsill – und in Tirol traten viele Flüsse über die Ufer.
Vom Hagel in den Regen
Er sei überwältigt von dem Zusammen-
halt im Kloster, schreibt Pater Heinz
Menz auf der Internetseite des Klosters
Benediktbeuern in Oberbayern. Seitdem
dort am Samstagnachmittag tennis-
ballgroße Hagelkörner schwere Schäden
am Kloster verursacht hätten, seien
45 Jugendliche damit beschäftigt, „Glas-
splitter aufzufegen, Fenster abzudichten
und Wasserschäden zu beseitigen“.
Die Jugendlichen, so der Direktor der
Salesianergemeinschaft im Kloster,
gehörten zu den vielen jungen Leuten,
die sich gerade im Kloster weiterbildeten,
dort Urlaub verbrächten oder ein Frei-
willigenjahr absolvierten.
Sie waren auch dabei, als am Samstag
gegen 16.30 Uhr das Unwetter über die
Region hereinbrach. Die Schäden, die
Sturm und Hagel angerichtet hätten,
stellten das Kloster vor eine „Riesenauf-
gabe“, hebt auch Pater Claudius Amann
hervor. Er bedankt sich beim Technischen
Da steckt der Wurm drin
Ärzte entdecken einen Fadenwurm im Gehirn einer Australierin
fäh. SINGAPUR. Ärzte in Australien
haben im Gehirn einer Vierundsechzigjäh-
rigen einen acht Zentimeter langen leben-
digen Wurm gefunden. Der parasitäre
Wurm kommt normalerweise nur in Py-
thons vor. Die Frau hatte zuvor über drei
Monate lang über Vergesslichkeit und De-
pression geklagt. Im Jahr davor waren an-
dere Beschwerden wie Magenschmerzen,
Durchfall, trockener Husten und Nacht-
schweiß aufgetreten. Eine Kernspintomo-
graphie zeigte schließlich eine Anomalie
im rechten Frontallappen ihres Gehirns,
die sich bei späteren Untersuchungen
schnell verändert hatte. Bei einer Biopsie
im Krankenhaus Canberra im Juni 2022
entdeckten die Chirurgen das fadenartige
Objekt, wie sie im Fachmagazin „Emerging
Infectious Diseases“ berichteten. „Mein
erster Gedanke war, dass es eine Art Kabel
Krummes Ding: Die Fotos zeigen eine Magnetresonanztomographie des Hirns der
Patientin sowie den fraglichen Wurm.
Hilfswerk, beim Katastrophenschutz und
der Feuerwehr, die ihnen zur Seite stehen.
An fast allen Gebäudeteilen der Kloster-
anlage sind demnach die nach Westen
ausgerichteten Fassaden und Dächer
schwer beschädigt worden. Der Sturm hat
ganze Fensterreihen eingedrückt und in-
nen zu Wasserschäden geführt.
Ebenfalls betroffen ist die barocke
Basilika. Der Schaden belaufe sich auf
einen „höheren Millionenbetrag“, sagte
eine Sprecherin des Klosters der
Katholischen Nachrichten-Agentur. Bis
mindestens zum Sonntag bleibt das
Kloster noch geschlossen.
Das Unwetter im bayerischen Oberland
mit Sturm, heftigen Regen- und Hagel-
schauern hat in der Region zu schweren
Schäden geführt. Besonders betroffen war
auch der Ort Bad Bayersoien. „Wir haben
im Dorf knapp 400 Häuser. Davon sind
bestimmt 370 betroffen. Teilweise ist auf
den Dächern kein Dachziegel mehr ganz“,
war. Doch dann merkte ich, dass es sich be-
wegte“, sagte die Neurochirurgin Hari Pri-
ya Bandi dem australischen Sender ABC.
Die Ärztin war auf den ungewöhnlichen
Fund nicht vorbereitet. „Als ich sah, wie es
sich bewegte, sagte ich: ‚Nehmt es mir so-
fort aus den Händen!’“ Sie rief eine Kolle-
gin zu sich, um sich zu beraten. „Uns über-
kam alle eine Welle der Übelkeit, und wir
taten das Ding in einen Topf, wo es schnell
zappelte und zu fliehen versuchte.“
Fachleute der nationalen Wissen-
schaftsagentur CSRIO identifizierten die
Spezies als einen Fadenwurm mit dem Na-
men Ophidascaris robertsi. Demnach war
es der erste dokumentierte Fall einer
Gehirninfektion mit dem Parasiten bei
einem Menschen überhaupt. Nach Ab-
sprache mit Fachleuten für ansteckende
Krankheiten sei entschieden worden, dass
Foto EPA
Foto AFP
sagte die Bürgermeisterin, Gisela Kieweg,
der Deutschen Presse-Agentur. Am
Samstag habe man zuschauen können,
„wie die Scheiben angefangen haben, sich
durchzubiegen – und wie sie dann zer-
sprungen sind“. Die Hagelkörner hätten
einen Durchmesser von bis zu acht Zenti-
metern gehabt. Aus ganz Bayern sei
Unterstützung gekommen. Notdächer der
Versicherungskammer Bayern wurden
teils aus Unterfranken herangeschafft.
Auch Österreich war von heftigen Re-
genfällen betroffen. Inzwischen sind bei
nachlassendem Regen viele Pegelstände
gesunken. Im Bundesland Tirol hatte der
Regen zu Pegelständen bei Bächen und
Flüssen geführt, die seit Jahrzehnten
nicht mehr so hoch waren. Im Zillertal
führte die Ziller gewaltige Wassermassen.
Überflutungen, Verkehrsbehinderungen
und gesperrte Straßen waren die Folge. In
einigen Regionen waren auch am Diens-
tag noch Straßen gesperrt. ktr.
zunächst die Wunde gewaschen und ver-
schlossen werden sollte. Danach seien der
Frau Medikamente verabreicht worden,
um weitere möglicherweise in ihrem Kör-
per vorhandene Parasiten zu töten.
In ihrer Studie berichteten die Ärzte,
wie der Wurm in das Gehirn der in Groß-
britannien geborenen Frau gelangt war.
Demnach wohnt sie in einem Seengebiet
im ostaustralischen Bundesstaat New
South Wales, in dem auch Teppichpythons
lebten. Die Australierin habe regelmäßig
eine örtliche Sorte Spinat gesammelt und
zum Kochen verwendet. Die Ärzte neh-
men an, dass die Larveneier durch den Kot
der Schlangen übertragen wurden. Nor-
malerweise werden die Eier über den Kot
von kleinen Säugetieren aufgenommen,
die als Zwischenwirte dann wiederum von
den Pythons gefressen werden. Dadurch
entsteht ein Infektionskreislauf. Die Frau
habe sie entweder direkt durch den Kon-
sum des Gewächses oder über Hände oder
Küchenutensilien aufgenommen.
Die insgesamt 16 Monate währende
Krankheitsgeschichte der Patientin lege
nahe, dass der Parasit daraufhin durch ver-
schiedene Organe gewandert sei, darunter
die Lungen und die Leber. Laut den Ärz-
ten kommt es häufig zu Übertragungen
von Parasiten und Krankheiten aus der
Tierwelt auf den Menschen. Eine Anste-
ckungsgefahr bestand den Ärzten zufolge
aber nicht. Sie mahnten aber dazu, beim
Verzehr von gesammelten Wildpflanzen
auf die Hygiene zu achten.
NR. 2 0 1 · SE I TE 7
M IT T WOC H, 30. AU GU S T 2 0 2 3
Urteil wegen
Missbrauchs
gegen Betreuer
reb. DÜSSELDORF. Das Land-
gericht Köln hat am Dienstag den
34 Jahre alten ehemaligen Babysitter
und Kitabetreuer Tobias W. wegen
Missbrauchs, Vergewaltigung und
Herstellung kinderpornografischer
Schriften zu zehn Jahren Haft mit an-
schließender Sicherungsverwahrung
verurteilt. Zudem muss W. hohe – teil-
weise fünfstellige – Schmerzensgeld-
zahlungen an seine Opfer leisten. Der
Mann, der bei den Ermittlungen ge-
schwiegen hatte, gab in der seit April
laufenden Hauptverhandlung zu, zwi-
schen November 2019 und Ende Mai
2022 mehr als 20 Jungen und Mäd-
chen im Alter zwischen einem und
sechs Jahren vergewaltigt und gequält
zu haben. Eines der Opfer war
schwerbehindert.
Tobias W. hatte sein Leben kom-
plett auf den Missbrauch von Klein-
kindern ausgerichtet und verstand es,
sich immer neue Tatgelegenheiten zu
schaffen. Zunächst bot er sich über ein
Internetportal als Babysitter an und
schaffte es dann, als geringfügig Be-
schäftigter eines privaten Anbieters
stunden- und tageweise in mehreren
Kölner Kinderbetreuungseinrichtun-
gen eingesetzt zu werden. Offenbar
weil W. einen guten Eindruck hinter-
ließ und überzeugende Bewerbungs-
unterlagen inklusive Führungszeugnis
und (wie sich im Verfahren heraus-
stellte) gefälschter Empfehlungs-
schreiben vorlegen konnte, wurde er
auch von zwei Kitakolleginnen privat
zur Kinderbetreuung gebucht. Mit sei-
nen Schützlingen kommunizierte W.
in einer Art Geheimsprache über inti-
me Berührungen. Auf die Spur kamen
die Ermittler ihm durch die Anzeige
einer Mutter, deren vier Jahre alte
Tochter W. missbraucht hatte.
Als der junge Mann im Juni 2022
festgenommen wurde, standen zu-
nächst vier Missbrauchsfälle im
Raum. Nach Hinweisen weiterer El-
tern und der Durchsuchung seiner
Wohnung im Kölner Stadtteil Zoll-
stock, wo die Polizei umfangreiches
Beweismaterial wie Computer oder
Datensticks sicherstellte, war klar,
dass der Fall größere Dimensionen
hat. Während der Hauptverhandlung
kamen weitere Missbrauchsfälle ans
Licht, die von der Staatsanwaltschaft
in einer Nachtragsanklage eingeführt
wurden. Die meisten seiner Taten do-
kumentierte W. auf Fotos und Videos.
Tatorte waren seine oder die Woh-
nungen seiner Auftraggeber, Kitaräu-
me, aber auch Umkleidekabinen von
Schwimmbädern.
Erst Ende Februar hatte das Land-
gericht Köln einen anderen Mann ver-
urteilt, der sich jahrelang als ver-
meintlich kinderlieber Betreuer
Zugang zu Mädchen und Jungen ver-
schafft hatte, um sie vergewaltigen
und quälen zu können. Anders als W.
arbeitete der erfolgreiche IT-Fach-
mann Marcus R. aus Wermelskirchen
jedoch nebenher als Babysitter.
Kurze Meldungen
Adele erstellt Listen
Die britische Sängerin Adele überlegt
sich bereits den Namen für ihr mögli-
ches nächstes Kind. „Ich möchte wirk-
lich bald wieder Mutter werden“, sag-
te die 35 Jahre alte Sängerin in einer
Handyaufnahme von ihrem Konzert,
die auf einem Fan-Account geteilt
wurde. In dem Mitschnitt bittet eine
schwangere Frau aus dem Publikum
Adele, ihr bei der Wahl eines Kinder-
namens zu helfen. Sie selbst habe
schon Listen geschrieben, erklärt
Adele ihren Fans. „Jedes Mal, wenn
ich einen Namen sehe, der mir gefällt,
notiere ich ihn in meinem Handy.“
Die Sängerin hatte schon zuvor darü-
ber gesprochen, dass sie ihrem Sohn
Angelo, der aus ihrer früheren Ehe
mit Simon Konecki stammt, ein Ge-
schwisterkind schenken möchte. Die
Musikerin ist seit 2021 mit dem ame-
rikanischen Sportmanager Rich Paul
liiert. dpa
Chrissie Hynde führt an
Sängerin und Gitarristin Chrissie
Hynde von der Rockgruppe The Pre-
tenders („Don’t Get Me Wrong“) hält
nichts von Demokratie in einer Band.
Bei allen musikalischen Entscheidun-
gen habe sie das letzte Wort, sagte die
71 Jahre alte Hynde der Deutschen
Presse-Agentur. „Jeder, der in einer
Band ist, wird bestätigen, dass das
Wort Demokratie vielleicht benutzt
wird, damit alle glücklich sind. Aber in
Wirklichkeit braucht jede Organisa-
tion einen Anführer, ansonsten wird
es echt chaotisch.“ Es sei ihre Aufga-
be, dafür zu sorgen, dass alle Band-
mitglieder so gut wie möglich klän-
gen. „Wenn ich einen Erfolg zu
verbuchen habe, dann ist es, dass mir
das gelungen ist“, sagte die Amerika-
nerin, die The Pretenders 1978 mit
drei britischen Musikern gegründet
hatte. dpa
SE I TE 8 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
Unschuldig
Von Jasper von Altenbockum
icht nur der Verdacht auf
N strafrechtlich relevante Ver-
fehlungen führte dazu, dass
der Rammstein-Sänger Till Linde-
mann wochenlang an den Pranger ge-
stellt wurde. Machtmissbrauch und
Frauenverachtung wurden ihm vorge-
worfen. Aber die Wucht und Selbstge-
wissheit der Medienkampagne, die
den Sänger traf, wären wohl nicht so
stark gewesen, wenn nicht im Hinter-
grund die Hoffnung gelauert hätte,
Schuld müsse Strafe nach sich ziehen.
Davon ist nun nichts übrig geblieben.
Selbst für den Vorwurf, Lindemann
habe Frauen K.-o.-Tropfen verab-
reicht oder seine Macht gegenüber
minderjährigen Sexualpartnerinnen
ausgenutzt, gab es keinen Anlass für
weitere Ermittlungen. Mit anderen
Worten: Das Monster ist unschuldig.
Und nun? Werden nun lange Es-
says über den Missbrauch von Me-
dienmacht erscheinen? Werden tief-
schürfende Beobachtungen angestellt
über den Untergang der abendländi-
schen Unschuldsvermutung? Wahr-
scheinlicher ist, dass die Karawane
der Verdachtspublizisten längst wei-
tergezogen ist, auf Denunzianten
wartet, um die nächste Trophäe zu er-
jagen. Das Schlimme an Fällen wie
der Rammstein-Nummer ist, dass
Frauen, die misshandelt werden, es
noch schwerer haben, sich Glauben
zu verschaffen. Fast noch schlimmer
ist, dass Frauenverächter sich als un-
schuldig verfolgte Opfer aufführen.
Es bewahrheitet sich immer wieder,
dass moralisierende Aktivisten mehr
Schaden anrichten als Nutzen. Die
Schuld liegt nun ganz bei ihnen.
Wirksames Symbol
Von Alexander Haneke
er Streit, ob sich Migration
D durch stationäre Grenzkon-
trollen steuern lässt, ist so alt
wie die große Flüchtlingskrise. Die
Skeptiker verweisen darauf, dass Mi-
granten auch nach einer Kontrolle ins
Land gelassen werden müssten, wenn
sie zuvor nicht registriert waren –
denn ihr Schutzanspruch muss ge-
prüft werden. Auch die Überlastung
der Polizei wird gern ins Feld geführt,
da stationäre Grenzposten rund um
die Uhr ausgesprochen personalin-
tensiv sind. Das würde sich kaum loh-
nen, wenn der Effekt doch eher sym-
bolischer Natur sei, heißt es.
Doch schon die Daten aus Bayern
lassen aufhorchen. Dort wurden im
vergangenen Jahr gut 15.000 Migran-
ten durch Grenzkontrollen zurückge-
wiesen. Ob diese Zahlen auch in
Sachsen erreicht würden, lässt sich
schwer abschätzen. Entscheidend ist
jedoch ein anderer Punkt: In der Mig-
rationspolitik sind auch symbolische
Maßnahmen mehr als nur leere Sym-
bolpolitik. Denn nach außen kommu-
niziert Deutschland mit stationären
Kontrollen, dass die Grenzen nicht of-
fen stehen. Nach innen zeigt die Re-
gierung, dass sie alles tut, um Einwan-
derung zu kontrollieren. Indem
Innenministerin Nancy Faeser solche
Kontrollen in Bayern zulässt, ausge-
rechnet Sachsen damit aber nicht
unterstützt, macht die Sozialdemo-
kratin die Debatte zu einem anderen
Symbol – einem Symbol für die Un-
willigkeit der Ampel in der Migra-
tionspolitik.
Im Juli 2021 wälzte sich eine gigantische Flutwelle durch das Ahrtal und riss alles mit, was im Weg stand – und 136 Men-
schen. Das Buch beleuchtet das politische Versagen rund um die verheerende Jahrhundertflut und bezieht die Ergebnis-
se des nachfolgenden Untersuchungsausschusses mit ein. Es zeigt ein Land, das nicht in der Lage war, seine Menschen
zu schützen – und sagt, was getan werden muss, um zukünftig besser vorbereitet zu sein.
Flutkatastrophe Ahrtal – Chronik eines Staatsversagens
Gisela Kirschstein
192 Seiten – 24 Euro – ISBN 978-3-96251-149-4
www.fazbuch.de – 0711-7860 2254
kundenservice@zeitfracht.de
Vielleicht bald Fischer-Turnschuh?
D Gemeinsame Doppelnamen sollen für
iskriminierungen von Deut-
schen gegenüber Ausländern
aufzudecken reklamiert gerne
die AfD für sich. Das Namens-
recht hatte aber selbst sie bisher nicht auf
der Rechnung. Es war Bundesjustizminis-
ter Marco Buschmann, der hier jüngst eine
„Inländerdiskriminierung“ diagnostizier-
te. Auch deshalb sei die geplante Reform
des Namensrechtes nötig. Er hoffe, dass
das Kabinett sie an diesem Mittwoch in
Meseberg beschließen werde. Als Busch-
mann das Vorhaben der Ampelkoalition
im März angekündigte, hatte er den Ak-
zent noch anders gesetzt: Damals war vor
allem von der Vielfalt der Lebensentwürfe
die Rede, der das geltende Namensrecht
nicht mehr gerecht werde.
Ob Diskriminierung oder Vielfalt, aus
Buschmanns Sicht reformbedürftig ist vor
allem eines: Deutschen Staatsbürgern ver-
bietet das Namensrecht bisher, nach der
Eheschließung einen gemeinsamen Dop-
pelnamen zu tragen. Einen Doppelnamen
darf derzeit jeweils nur ein Ehepartner tra-
gen; er entsteht dann, wenn er seinen eige-
nen Geburtsnamen als sogenannten Be-
gleitnamen neben dem gemeinsamen
Ehenamen weiter führt, Kinder dürfen
keinen Doppelnamen tragen. In Deutsch-
land lebende Ausländer unterliegen hin-
gegen dem Namensrecht ihres jeweiligen
Heimatlandes, und das erlaubt in vielen
Fällen gemeinsame Doppelnamen. Mit
ihrem Gesetzentwurf will die Ampelkoali-
tion nun sogenannte echte Doppelnamen
ermöglichen, mit oder ohne Bindestrich,
auch für Kinder. Längere Namensketten
bleiben jedoch verboten.
Schon die Regierung Adenauer sah sich
zumindest zu einer Rechtfertigung des
Verbots genötigt, als sie einen Entwurf für
ein Gesetz „über die Gleichberechtigung
von Mann und Frau“ einbrachte: „Solche
Regelungen würden in breitesten Schich-
ten des Volkes kein Verständnis finden
und sich kaum durchsetzen“, äußerte sie
1952. Überdies würden Doppelnamen den
Rechtsverkehr erschweren. Eine „erhebli-
che Mehrbelastung“ für die Verwaltung
brachte in den Siebzigerjahren auch die
Selbstbewusste, demokratische Nachrichtendienste
Spionage, Putsch-Pläne, Verschwörun-
gen und ein Angriffskrieg mitten in
Europa – die Bedrohungen für die inne-
re und äußere Sicherheit haben eine in
den letzten Jahren ungekannte Intensi-
tät erreicht. Viele Menschen fragen
sich, ob unsere Nachrichtendienste für
diese Lage gewappnet sind. Im Zusam-
menhang mit dem sogenannten Wag-
ner-Aufstand Ende Juni in Russland
entstand in der Öffentlichkeit der Ein-
druck, der Bundesnachrichtendienst sei
von der Entwicklung überrascht wor-
den. Wenige Wochen später forderten
zwei ehemalige Präsidenten des deut-
schen Auslandsnachrichtendienstes
mehr Befugnisse für die Behörde. Sie
nannten den BND einen „zahnlosen
Wachhund“ und gaben die Schuld daran
vor allem der politischen und parlamen-
tarischen Kontrolle, welche die Arbeit
der Behörden behindern würden.
Diese Vorwürfe verkennen die Be-
ziehung zwischen den Nachrichten-
diensten und der Verfassung, die sie
schützen sollen. Die deutschen Nach-
richtendienste informieren die Regie-
rung über Bedrohungen für die innere
und äußere Sicherheit. Sie sind ein
wichtiger Teil der deutschen Sicher-
heitsarchitektur und dienen dem
Schutz der verfassungsmäßigen Ord-
nung. Diese Maxime kommt schon in
der Bezeichnung des deutschen In-
landsnachrichtendienstes als „Bundes-
amt für Verfassungsschutz“ zum Aus-
druck. Dementsprechend ist der
Rahmen unserer Verfassung – da-
Wie Politik und Behörden während
der Flutkatastrophe im Ahrtal versagten
Zeitgeschehen
Ehepaare nicht länger verboten sein.
Von Thomas Jansen
Mehrheit der unionsregierten Länder vor,
als sie ein entsprechendes Vorhaben der
sozialliberalen Koalition ablehnte. Die
Häufung von Doppelnamen würde zu
Schwierigkeiten mit „modernen Datenver-
arbeitungsanlagen“ führen. Außerdem
werde das „Problem des Untergangs eines
Namens“ damit nur auf die folgende
Generation verschoben. Unter dem Ge-
sichtspunkt der Gleichberechtigung sei ein
gemeinsamer Doppelnamen „nicht gebo-
ten“. Zumindest in dieser Einschätzung
stimmten die Union und die Frauenbewe-
gung überein. Letzterer galt die
Verknüpfung beider Geburtsnamen kei-
neswegs als emanzipatorische Nomenkla-
tur. Davon inspiriert war 1989 auch der
Reformvorschlag der Grünen: Er sah eine
völlige Abkehr vom gemeinsamen Ehena-
men vor, beide Ehepartner sollten ihren
Legendärer Doppelnamenträger: Loriot-Brunnen in Münsing mit der Figur
Müller-Lüdenscheidt (rechts) neben Dr. Klöbner
Fremde Federn: Konstantin Kuhle, Stephan Thomae
runter ein funktionierender Rechts-
staat und der Schutz der Grundrechte
– keine Schwäche, sondern Grundlage
und Vertrauensbasis der Tätigkeit
unserer Nachrichtendienste.
Mit einer Reihe wichtiger Entschei-
dungen hat das Bundesverfassungsge-
richt in den letzten Jahren den rechtli-
chen Rahmen für die Arbeit der
Behörden neu abgesteckt. Infolge die-
ser Entscheidungen führte der Gesetz-
geber umfassende Reformen durch. So
wurde etwa zur Genehmigung be-
stimmter Aufklärungsformen im Aus-
land mit dem Unabhängigen Kontroll-
rat eine eigene gerichtsähnliche
Institution geschaffen. Auch aktuell
diskutiert die Politik über den richti-
gen Umgang mit der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts. Bis
Ende des Jahres 2023 müssen die so-
genannten Übermittlungsvorschriften
neu gefasst werden, weil diese in Tei-
len mit dem Grundgesetz als unverein-
bar erklärt wurden. Es geht dabei um
die Voraussetzungen, unter denen ein
Nachrichtendienst seine Informatio-
nen an andere Sicherheitsbehörden
weitergeben darf. Gerade vor dem
Hintergrund des verfassungsrechtli-
chen Trennungsgebots zwischen Poli-
zei und Nachrichtendiensten braucht
es eine klare und praxistaugliche ge-
setzliche Grundlage.
Der Gesetzgeber darf sich in dieser
Legislaturperiode allerdings nicht da-
rauf beschränken, nur das unbedingt
Notwendige zu regeln. Wenn das
Namen behalten. In den Reihen der Union
verlor die Vorstellung von „Bindestrich-
Ehegatten“ an Schrecken. So brachte die
Regierung Kohl Anfang der Neunzigerjah-
re einen Gesetzentwurf ein, der echte
Doppelnamen vorsah. Er scheiterte je-
doch am Widerstand der Koalitionsmehr-
heit im Rechtsausschuss des Bundestages
und den unionsregierten Bundesländern.
Ein neues Gegenargument lautete, der Na-
me verliere auf diese Weise sehr bald „sei-
ne identitätsstiftende Wirkung“.
Umso bemerkenswerter war, dass die
Bundestagsmehrheit 1993 zugleich einen
Paradigmenwechsel im Namensrecht ab-
segnete, der familienpolitisch einen viel
radikaleren Bruch markierte: den Verzicht
auf einen obligatorischen Ehenamen für
beide Partner. Familienpolitische Grund-
überzeugungen spielten offenbar in der
Foto Lookphotos
Recht der Nachrichtendienste über-
sichtlicher werden soll, darf eine Re-
form der Rechtsgrundlagen nicht bloß
Stückwerk sein. Die Systematik des
Nachrichtendienstrechts sollte mög-
lichst so gestaltet sein, dass sie für alle
drei Nachrichtendienste des Bundes
anwendbar ist – für das Bundesamt für
Verfassungsschutz, den Bundesnach-
richtendienst und das Bundesamt für
den Militärischen Abschirmdienst.
Nachrichtendienste haben besondere
Befugnisse und arbeiten im Verborge-
nen. Umso wichtiger ist es, dass das
Nachrichtendienstrecht kein Eliten-
recht ist, das nur von wenigen verstan-
den wird. Es braucht klare und nach-
vollziehbare Regeln, um die Arbeit der
Nachrichtendienste in den Augen der
Bevölkerung und des Parlaments zu le-
gitimieren.
Daneben müssen in dieser Legisla-
turperiode auch rechtliche Grundlagen
für die Plattformen geschaffen werden,
auf denen die Behörden ihre Informa-
tionen derzeit informell austauschen.
Dazu gehört etwa das Gemeinsame
Terrorismusabwehrzentrum von Bund
und Ländern. Hier muss klar definiert
werden, welche Informationen ausge-
tauscht werden dürfen oder auch müs-
sen, wer die Prozesse koordiniert und
wer letztendlich die Verantwortung
trägt. Auch die Vorabkontrolle des Ein-
satzes von Vertrauenspersonen sowie
weiterer grundrechtsintensiver nach-
richtendienstlicher Mittel sollte jetzt
geregelt werden.
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Doppelnamen-Debatte keine entschei-
dende Rolle. Hinzu kam ein schwer zu
taxierender Faktor, das Herr-Müller-Lü-
denscheidt-Phänomen: Ein spezifisch
deutscher Hang zum Veralbern von Dop-
pelnamen.
Eine Kostprobe: „Sie heißen dem-
nächst vielleicht Fischer-Turnschuh“, be-
schied Thomas Goppel, Bevollmächtigter
des Landes Bayern beim Bund, am 5. Juni
1992 im Bundesrat dem Zwischenrufer
Joschka Fischer, damals hessischer
Staatsminister für Bundesangelegenhei-
ten. Jürgen Trittin, für Niedersachsen in
der Länderkammer, frotzelte: „Ist Gop-
pel-Bayern ein Doppelname?“ Zur Erhei-
terung trug auch die Rechtswissenschaft
bei. In einem viel beachteten Aufsatz
kombinierte der Regensburger Familien-
rechtler Dieter Schwab 1992 die Namen
bekannter Politiker, um zu illustrieren,
welches Chaos gemeinsame Doppelna-
men aus seiner Sicht verursachen wür-
den. Wenn eine geborene Frau Däubler-
Gmelin, die in erster Ehe mit Herrn
Schwaetzer-Möllemann verheiratet ge-
wesen sei, einen geborenen Herrn Kin-
kel-Schnarrenberger eheliche, der zuvor
mit Frau Gauweiler-Süssmuth liiert ge-
wesen sei, böten sich bis zu 125 Namens-
kombinationen, rechnete Schwab vor –
die Bundesregierung kam nur auf 64.
Aber derlei Rechenexempel verblassten.
Im Jahr 2020 sprachen sich alle sieben von
der Bundesregierung um Rat gefragten
Fachleute für gemeinsame Doppelnamen
aus. Die traditionelle Namenskontinuität
lasse sich angesichts des allgemeinen Per-
sönlichkeitsrechts nicht mehr in vollem
Umfang aufrechterhalten, so die Juristen.
Außerdem sei das geltende Namensrecht
inkonsequent. Ein Beispiel: Wer nach
Scheidung seiner ersten Ehe weiter den
Ehenamen und seinen Geburtsnamen
trägt, kann diesen Doppelnamen bei einer
weiteren Heirat auch an seinen neuen
Partner weitergeben. Als Diskriminierung
von Paaren in erster Ehe hat das bisher
niemand angeprangert. Vielleicht weil der
Preis hoch ist: Der neue Partner muss den
Namen seines Vorgängers tragen.
Im Mittelpunkt einer umfassenden
Reform sollte die Stärkung der Kon-
trolle der Nachrichtendienste stehen.
Aktuell ist sie zersplittert und unüber-
sichtlich. Ziel muss es sein, die Kon-
trolle wirksamer, einfacher und effizi-
enter zu machen. Dazu braucht es eine
bessere Vernetzung aller Kontrollins-
tanzen wie des Unabhängigen Kon-
trollrats und des Bundesdatenschutzbe-
auftragten mit der parlamentarischen
Kontrolle. Zudem muss die Betroffe-
nenperspektive in der Kontrollarchi-
tektur künftig eine stärkere Rolle spie-
len. So könnte ein „Betroffenenanwalt“
kompensieren, dass die von nachrich-
tendienstlichen Mitteln Betroffenen
aus nachvollziehbaren Gründen regel-
mäßig keine Kenntnis von den Maß-
nahmen erlangen.
Eine liberale Demokratie, in der
staatliches Handeln an rechtsstaatliche
Grundsätze gebunden ist, muss sich
gegen ihre Feinde verteidigen. Dazu
benötigt sie die richtigen Instrumente,
zu denen auch funktionierende und
hinreichend ausgestattete Nachrich-
tendienste gehören. Diese müssten
gleichwohl einer umfassenden behörd-
lichen und parlamentarischen Kontrol-
le unterliegen. Das schwächt nicht die
Arbeit der Nachrichtendienste, son-
dern stärkt und legitimiert sie.
Konstantin Kuhle ist stellvertretender Vor-
sitzender der FDP-Fraktion im Deutschen
Bundestag. Stephan Thomae ist Parlamen-
tarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion.
Gabriel ATTAL Foto AFP
Vorkämpfer der
Laizität
Bildungsminister Gabriel Attal hat
nicht das Ende der französischen
Sommerferien abgewartet, um ein
klares Bekenntnis zur Laizität abzu-
geben. „Wenn Sie ein Klassenzimmer
betreten, sollten sie die Religion der
Schüler nicht an ihrer Kleidung er-
kennen können“, sagte er. Die Abaja
genannten islamischen Überkleider
will der 34 Jahre alte Minister des-
halb aus den Klassenräumen verban-
nen. Er schreibt sich in eine französi-
sche Tradition ein, die staatlichen
Schulen als geschützten Ort der indi-
viduellen Emanzipation zu betrach-
ten, der vor religiösen Einflüssen be-
wahrt werden muss.
Bereits 2004 wurden religiöse
Symbole und Kleidung in den staatli-
chen Schulen per Gesetz verboten.
Vorangegangen waren Versuche isla-
mistischer Verbände, Mädchen mit
Kopftuch in den Unterricht zu schi-
cken. Die 1905 per Gesetz beschlos-
sene Trennung von Kirche und Staat
richtete sich in den Anfängen gegen
Versuche einer katholischen Restau-
ration. Inzwischen dient das Gesetz
als Bollwerk gegen den politischen
Islam. „Wenn die Republik getestet
wird, müssen wir einen Block bil-
den“, sagte Attal kürzlich den ver-
sammelten Schulleitern.
Auf den Posten des Bildungsminis-
ters war Attal erst im Juli nach den
jüngsten Banlieue-Unruhen berufen
worden, an denen sich viele schul-
pflichtige Jugendliche beteiligten.
Nun will er das Laizitätsgebot ver-
stärkt in Erinnerung rufen. Er knüpft
damit an seinen Vorvorgänger Jean-
Michel Blanquer an. Blanquer trug
die Überzeugung, dass die staatli-
chen Schulen zum Zurückweichen
vor islamischen Forderungen ge-
zwungen werden soll. Die Ermor-
dung des Lehrers Samuel Paty, der
Allah-Karikaturen gezeigt hatte,
prägte Attal. Als jüngstes Regie-
rungsmitglied arbeitete er zwischen
2018 und 2020 als Staatssekretär für
die Jugend mit Blanquer zusammen
und führte den Dienst an der Nation,
den Service national universel (SNU)
ein. Der freiwillige Dienst soll zu
einem gemeinsamen Wertekanon
beitragen und Verbindungen zwi-
schen Jugendlichen unterschiedli-
cher sozialer Herkunft schaffen.
Attal wuchs in einem großbürger-
lichen Pariser Milieu mit drei
Schwestern auf. Sein Vater, der 2015
verstorbene Filmproduzent Yves At-
tal, produzierte Filme mit Pedro Al-
modóvar oder Roberto Benigni. Attal
besuchte die Privatschule Ecole Alsa-
cienne. Im Alter von 17 Jahren trat er
in die Sozialistische Partei ein und
unterstützte Präsidentschaftskandi-
datin Ségolène Royal. Er studierte an
der Elitehochschule Sciences Po und
begeisterte sich 2016 für Emmanuel
Macron. Im Alter von 28 Jahren zog
er nach dessen Wahlsieg in die Natio-
nalversammlung ein. Attals Lebens-
gefährte ist der EU-Abgeordnete Sté-
phane Séjourné, der die Renew-
Fraktion leitet. MICHAELA WIEGEL
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Geschichte
im Kreis
Der Bund plant ein
Polen-Haus in Berlin
Bis vor Kurzem dachte man, das „Do-
kumentationszentrum Zweiter Welt-
krieg und deutsche Besatzungsherr-
schaft in Europa“, wie es offiziell
heißt, sei das komplizierteste kultur-
politische Projekt der amtierenden
Bundesregierung. Das Zentrum soll
etwa 140 Millionen Euro kosten, den
Umfang eines größeren Museums ha-
ben und an noch unbekanntem Ort in
Berlin entstehen. Seine Bauzeit wird
sich wahrscheinlich bis ins nächste
Jahrzehnt erstrecken.
Jetzt ist ein neuer Kandidat für das
heikelste Bundeskulturvorhaben auf-
getaucht. Am Dienstag stellte Claudia
Roth im Kanzleramt die Pläne der Re-
gierung für ein „Deutsch-Polnisches
Haus“ vor. Neben ihr saßen Uwe Neu-
märker, der Direktor der Stiftung
Denkmal für die ermordeten Juden
Europas, Peter Oliver Loew, der Leiter
des Deutschen Polen-Instituts in
Darmstadt, und Anna Lührmann, die
für Europa zuständige Staatsministe-
rin im Auswärtigen Amt. Das Eck-
punktepapier, das Neumärker und
Loew erarbeitet haben, ist die Grund-
lage für einen Realisierungsvorschlag,
mit dem sich der Bundestag im kom-
menden Frühjahr befassen soll.
Im Kern zielt das Papier darauf ab,
anstelle eines Denkmals für die polni-
schen Opfer des Zweiten Weltkriegs,
über das jahrelang gestritten wurde,
eine Begegnungs- und Bildungsstätte
mit Dauer- und Wechselausstellungen
zu errichten, die zugleich als Gedenk-
ort für Kranzniederlegungen dienen
kann – sozusagen das komplette Me-
nü der Geschichtspolitik in einem ein-
zigen Bau. Entstehen soll das histori-
sche Multifunktionszentrum in Sicht-
weite des Kanzleramts an der Stelle,
an der früher die Krolloper gestanden
hat, jener Theaterbau, in dem nach
dem Reichstagsbrand das Parlament
der Nationalsozialisten tagte und in
dem Hitler am 1. September 1939 den
Überfall auf Polen verkündete.
Doch nicht nur der Ort im Tiergar-
ten, an dem sich heute eine Rasenflä-
che mit Skulpturen aus den frühen
Sechzigerjahren erstreckt, ist ein sym-
bolisches Minenfeld, sondern auch die
Dauerausstellung, die das Rückgrat
des geplanten Hauses sein soll. Zwi-
schen Polen und Deutschen steht heu-
te nicht nur die PiS-Regierung in War-
schau mit ihren geschichtsrevisionisti-
schen Entschädigungsforderungen,
sondern die gesamte Gewaltgeschich-
te des zwanzigsten Jahrhunderts. Das
Eckpunktepapier versucht diesen Ab-
grund zu überbrücken, indem es ei-
nerseits „Prozesse der Verfeindung“
wie den gewaltsamen Tod von mehr
als fünf Millionen Polen im Zweiten
Weltkrieg, andererseits die lange „ge-
meinsame Verflechtungsgeschichte“
als Ausstellungsthemen aufruft.
Aber schon die auffällige Vermei-
dung des Begriffs „Vertreibung“ zeigt,
dass sich das Konzept auf dünnem Eis
bewegt. Das „oft grundsätzliche Un-
oder Missverständnis“ zwischen bei-
den Nationen soll aufgelöst werden,
doch um gewisse Themen macht man
lieber einen Bogen. Dafür sollen die
„Bedürfnisse jüngerer Generationen“
sowie „unterschiedliche Wissensstän-
de“ internationaler Berlin-Touristen
besondere Beachtung finden.
Der Fluchtpunkt des Vorhabens
liegt, so scheint es, in einer Zukunft,
in der die Wunden des zwanzigsten
Jahrhunderts nicht mehr so weh tun
und die Zeitzeugen verstummt sind.
Doch das kann dauern, weit mehr als
„ein paar Jährchen“, wie sie Loew und
Neumärker für die Realisierung ver-
anschlagen. Bis dahin sollen „Exper-
tenforen“ von Historikern und Mu-
seumsleuten, Zoom-Konferenzen mit
„Vertreterinnen der Zivilgesellschaft“
und Teilnehmer des Darmstädter Pro-
jekts „Jugend-Ideenlabore“ jeweils für
sich über das Deutsch-Polnische Haus
diskutieren. Damit ihre Gedankenar-
beit nicht unbemerkt bleibt, will der
Bund zum 85. Jahrestag des Kriegs-
ausbruchs im September 2024 immer-
hin eine „historisch-kritische Markie-
rung“ am einstigen Standort der
Krolloper anbringen. Eine Hausnum-
mer, sozusagen, nur ohne Haus.
Doch die eigentliche Klippe für das
Deutsch-Polnische Haus ist nicht sei-
ne Konzeption, es ist das Haus selbst.
Wie alle Bundesbauprojekte soll es in
einem mehrstufigen Verfahren mit
Gestaltungswettbewerb und Juryvo-
tum entstehen und nicht nur „Aus-
druck der bleibenden Verantwortung
Deutschlands“, sondern auch eine
Hülle für Museums- und Veranstal-
tungssäle, Büroräume, Lagerflächen,
Cafés, ein Restaurant mit „wechseln-
dem Angebot der Küchen und Ge-
tränke beider Länder“, Bibliothek,
Buchladen und Museumsshop sein.
Ein Gebrauchsgegenstand – und zu-
gleich ein Zeichen. Das klingt nach
der architektonischen Quadratur des
politischen Kreises. Und vor allem
nach sehr viel Geld. ANDREAS KILB
V
or einiger Zeit gab es am New
Yorker Museum of Modern
Art eine Diskussion zum The-
ma „Mass Timber“, was man
einerseits als „Massivholz“,
andererseits als „massig Holz“ übersetzen
kann oder eben als „Holz für die Massen“.
Genau darum geht es seit einiger Zeit auf
immer mehr Kongressen zur Zukunft der
Architektur: Kann der Holzbau, der lange
als vormoderne, statisch auf kleinere Bau-
ten beschränkte Form der Architektur galt,
auch für den Massenwohnungsbau einge-
setzt werden und Stahl und Beton ersetzen;
werden in Zukunft Hochhäuser und Kon-
zerthallen in Holzbauweise entstehen,
kann der zu Brettern verarbeitete Wald das
Bauwesen auch im großen Maßstab aus
seiner Misere als einer der größten CO2-
Produzenten befreien?
In Schweden hat man gerade ein zwan-
zigstöckiges Holzhaus aus dem Boden ge-
stampft. Es steht in dem kleinen Ort Skel-
lefteå hoch im Norden, nicht weit weg vom
Polarkreis, wo selbst der Flughafen ein
Holzbau ist, allerdings ein eher kleiner.
Der Ort zieht kaum Touristen an, wie zwei
schwäbische Geschäftsleute murrend am
Flughafen bestätigen, als die Kontrollen
etwas länger dauern: „Mir krieget hier
nimmer mehr Gschäfte, wenn mir jetzt zu
spät sin“, brummelt einer. Was hier vor al-
lem floriert, ist das Geschäft mit dem Re-
cycling von Mobiltelefonen. Jeden Tag
werden in Skellefteå nicht weniger als drei
Millionen Geräte professionell zerdep-
pert, um ihnen die verschiedenen Edelme-
talle zu entnehmen. Ansonsten ernährt
sich die kleine Stadt von der Stromerzeu-
gung: „Wir waren jahrhundertelang die
Kolonien des Südens, das ist jetzt anders“,
sagt die Fremdenführerin: Seit der Strom
aus Wind- und Wasserenergie stamme, sei
das rauere Klima hier ein unbezahlbarer
Standortvorteil. Bald wird eine Gigafacto-
ry, die Batterien für Elektroautos und -rol-
ler herstellt, eröffnen und 3000 Arbeits-
plätze schaffen.
Die ökologische Wende lässt aber nicht
nur Wind und Wetter, sondern auch den
Wald zur Einnahmequelle werden. 35.000
Bäume wachsen jedes Jahr auf den
480.000 Hektar Wald. Für jeden gefällten
Baum müssen zwei neue gepflanzt wer-
den. Der Holzbau hat Tradition hier, wie
man am gut erhaltenen, denkmalgeschütz-
ten Dorfkern erkennen kann. Heute sind
die alten Hütten für Wochenendbesucher
hergerichtet, die nostalgische Spitzengar-
dinen an den kleinen Fenstern angebracht
haben und hier den Traum vom alten, vor-
modernen Schweden reinszenieren. Was
man an diesen Hütten aber auch sehen
kann, ist die Veränderung des Baumate-
rials Holz über die Jahrhunderte. Wenn
man will, dann kann man die Hütten als
eine Langzeitstudie zum Verhalten von
Holz in schwerer Witterung lesen. Mit der
Zeit wird es dunkler; nach mehreren Jahr-
hunderten sieht es gar nicht mehr aus wie
Holz, sondern eher wie Beton, den man in
Holzform gegossen hat.
Das neue Hochhaus aus Holz steht nur
wenige Meter weiter, mitten im Zentrum
der Stadt. Sein Holz ist noch ganz hell. Die
gesamte Gegend rund um das Haus, das
zwanzig Stockwerke auf achtzig Meter Hö-
he unterbringt, riecht nach Wald, ein Ge-
ruch, der den Besucher olfaktorisch in eine
Mischung aus Ikea-Filiale und Sauna ver-
setzt. In ungefähr zwei Jahren wird das
Haus seine Farbe von hellbraun zu grau
verändert haben.
2015 wurde ein Wettbewerb für den
Entwurf des Gebäudes ausgelobt. Von
fünfzig Wettbewerbsteilnehmern ent-
schlossen sich 45 für Holz als Baumaterial;
gewonnen haben den Auftrag White Arki-
tekter aus Malmö, die auch beim Bau eines
der momentan höchsten Holzhäuser der
Welt in Norwegen beteiligt waren. Das
Gebäude soll zeigen, was Holz alles kann
und welche Vorteile es neben der immer
wieder behaupteten Qualität, weniger Kli-
magase freizusetzen, bietet.
In Skellefteå hat man ein paar verblüf-
fende weitere Qualitäten ermittelt. Bei der
Holzbauweise ist vieles vorgefertigt, die
einzelnen Bauteile werden auf der Bau-
stelle nur noch zusammengefügt. So ver-
kürze sich die Bauzeit, in der die Anwoh-
ner komplizierte Kreise um abgesperrte
Bürgersteige drehen und auf unschöne
Baugerüste blicken müssten. Gleichzeitig
sei eine Holzbaustelle weniger laut. Der
Lärmpegel sei auch für die Gesundheit der
Bauarbeiter ein entscheidender Faktor.
Die Architekten haben eine Umfrage
unter den Arbeitern durchgeführt und
wollen herausgefunden haben, dass es den
meisten bei dem Holzverarbeitungsprojekt
Spekulative Nüchternheit
Aufhellung der Gründe: Zum Tod des Heidelberger Philosophen Hans Friedrich Fulda
Wer etwas schon weiß, hat Hans Friedrich
Fulda einmal geschrieben, „und sei’s im
Glauben, für den werden Gründe, aus
denen man es erkennen kann, ziemlich
witzlos.“ Das war damals in Richtung der
Theologen und ihres Umgangs mit dem
Wort „Gott“ gesagt. Fulda war es um die
Aufhellung solcher Gründe zu tun. Sein
ganzes Leben lang hat er sich mit den
schweren Begriffen der Philosophie He-
gels auseinandergesetzt: absoluter Geist,
Unendlichkeit, Begriff des Begriffs. Dabei
war seine Devise, dass man die fundamen-
talen Probleme der philosophischen Tra-
dition, etwa den Dualismus von Geist und
Natur wie auch den Versuch einer „monis-
tischen“ Vereinigung beider, nicht da-
durch loswird, dass man sich von ihnen
Feuilleton
Leben wie im Inneren einer Tanne: Das aus Holz gebaute Kulturzentrum Sara im schwedischen Skellefteå
Baukunst als Baumkunst
Im schwedischen Skellefteå wurde ein Hochhaus mit Kulturzentrum ganz aus
Holz gebaut, auch hierzulande sprießen ähnliche Türme aus dem Boden. Ist das
die Zukunft einer klimafreundlicheren Architektur – oder ein Holzweg?
besser ginge als auf einer herkömmlichen
Baustelle, auch weil die Holzteile prinzi-
piell leichter seien, das Verletzungsrisiko
also geringer sei, als wenn mit schweren
Stahlträgern hantiert werde – ein Argu-
ment, das man angesichts des Gewichts
langer und besonders hier schwerer Holz-
träger kritisch sehen kann.
Bemerkenswert ist, dass das Tragwerk
des Turms von Skellefteå nicht, wie sonst
bei angeblichen „Holztürmen“, in Holz-
Hybridbauweise, also unter Verwendung
von doch recht viel Beton und Stahl, son-
dern ganz ohne Betonkern errichtet wur-
de; selbst die Aufzugschächte sind aus
CLT-Elementen gefertigt, laminiertem
Holz, das entgegen der Angst des Laien
besseren Brandschutz bietet als viele
Stahltürme. Ob solche Reinholzbauten
nicht nur möglich, sondern im Sinne der
Ressourcenschonung auch sinnvoll sind,
darüber dürfte die Fachwelt streiten. Die
Architekten haben ausgerechnet, dass ihr
Haus in fünfzig Jahren Klimaneutralität
erreicht haben wird. Sollte man es vorher
abreißen wollen, könne man so, wie die
vorfabrizierten Elemente miteinander ver-
bunden seien, das Holz wiederverwenden.
Im Inneren der Anlage ist das Sara-Kul-
turhaus untergebracht. Es beherbergt die
abwendet und das eigene Denken zu
einem „nachmetaphysischen“ erklärt.
Das war in Richtung von Jürgen Haber-
mas gesagt. Wie Fulda das späte Gottes-
programm seines Gegenübers wahrge-
nommen hat, wissen wir nicht, aber es ist
zu vermuten, dass ihm das Innehalten von
Habermas beim frühen Hegel aufgefallen
wäre. Fulda beschäftigte sich in seinen
Schriften vor allem mit dessen ausgereif-
ten System. Promoviert wurde der 1930 in
Stuttgart geborene Fulda 1961 in Heidel-
berg über die „Wissenschaft der Logik“
und ihre Einleitung in Gestalt der „Phäno-
menologie des Geistes“. Das Buch, das der
Frage nach Hegel als einem Denker nach-
geht, der es sehr mit Einleitungen und Vor-
reden hatte, wirkt heute noch frisch. Später
öffentliche Stadtbibliothek, die städtische
Galerie und das Theater der kleinen
Stadt. Das Gebäude ist multifunktional
angelegt und lässt eine flexible innere Or-
ganisation zu.
D
as ist einerseits eine gute
Idee, denn warum sollte
man eine Theaterbühne,
die tagsüber leer steht,
nicht in dieser Zeit auch
ganz anders nutzen können – und warum,
fragen die Planer, sollte jede Sparte ihr
eigenes Haus haben, statt sich einen ein-
zigen eingeübten Ort für Kultur für viele
verschiedene Künste zu teilen? Anderer-
seits ist die Nutzung des Holzbaus durch
eine Private-public-Partnerschaft ge-
prägt, bei der der Immobilienkonzern
Samhällsbyggnadsbolaget als Vermieter
an die Stadt fungiert. Im eigentlich beson-
deren Teil des Gebäudes – dem Turm – ist
ein hochpreisiges Hotel untergebracht.
Das sehr schöne, privat betriebene Res-
taurant mit seiner großen Terrasse wird
sicherlich nicht zu einem Ort werden, an
dem Schülerinnen und Schüler nach
einem Besuch in der Bibliothek oder die-
jenigen, die neu in Skellefteå angekom-
men sind, ihre Freizeit verbringen. Bil-
schrieb Fulda über Hegels Rechtsphiloso-
phie und seine „Enzyklopädie der philoso-
phischen Wissenschaften“. Die dreißig Sei-
ten, die er in Otfried Höffes „Klassiker der
Philosophie“ von 1981 geschrieben hat, ge-
hören zum Besten, was in diesem knappen
Umfang über Hegel zu lesen ist.
Nach seiner ersten Professur in Bielefeld,
die er 1974 antrat, kehrte Fulda 1981 nach
Heidelberg zurück. Von dort war Dieter
Henrich, der die Heidelberger Schule der
analytischen Erschließung des Deutschen
Idealismus gegründet hatte, gerade nach
München berufen worden. Fulda gehörte
im Zusammenhang dieser Schule zu den
trockensten Autoren, Romantik und Kriti-
sche Theorie lagen ihm ebenso fern wie
Grenzüberschreitungen der Philosophie in
Foto Åke Eson Lindman
dung, Kultur und die lokale Bevölkerung
bleiben unten, die Luxushotellerie reser-
viert die oberen Ebenen und der weite
Blick – das ist ein symbolisches Bild, des-
sen soziale Botschaft auch in warme
Holztöne gekleidet nicht besser aussieht.
Auch anderswo boomt der Holzbau: In
Berlin-Kreuzberg wird das sogenannte
WoHo geplant: ein Wohnhochhaus – da-
her der ans New Yorker oder Londoner
SoHo erinnernde Name –, das sogar 98
Meter hoch sein und damit zum höchsten
Holzhochhaus der Welt aufsteigen soll.
Den Bau des WoHo planen MAD Arkitek-
ter, die aus Norwegen stammen. Im Inne-
ren wird ein Stahl-Beton-Kern verbaut,
drum herum werden die Holzmodule an-
gebracht. Beherbergen soll es eine typi-
sche Kreuzberger Mischung aus Kinder-
gärten, Wohnungen und Gastronomie.
In Skellefteå ist die Bauweise so nach-
haltig, weil das Holz aus der Nachbar-
schaft stammt. In Berlin wird das wohl an-
ders aussehen. Die Klimabilanzen des
Bauwesens mit Holzpaneelen zu verklei-
den wird nicht ausreichen. Es braucht eine
Architektur, die mehr auf Erhalt und Um-
nutzung als auf Abriss und Neubau setzt.
Selbst wenn der ganz in Holz daher-
kommt. LAURA HELENA WURTH
Richtung einer Weisheitslehre. Er stritt mit
Michael Theunissen über Hegels Logik als
universale Kommunikationstheorie, er
lehnte, sich akribisch auf die Gegner ein-
lassend, die „Umstülpung“ Hegels durch
den Marxismus ab, er rekonstruierte Fried-
rich Jacobis Kritik der materialistischen
Aufklärung. Das Heidelberger Verzeichnis
seiner digitalisierten Texte umfasst mehr
als einhundert Bücher und Aufsätze.
Nach Dieter Henrich, Ernst Tugend-
hat, Klaus Düsing und Peter Bieri, die
alle in diesem Jahr starben, ist nun auch
Hans Friedrich Fulda am vergangenen
Donnerstag im Alter von 93 Jahren in
Berlin verschieden. Eine ganze Genera-
tion der Philosophie in Deutschland
tritt ab. JÜRGEN KAUBE
NR. 2 0 1 · SE I TE 9
M IT T WOC H, 30. AU GU S T 2 0 2 3
Stadtträume
Von Niklas Maak
erlin streitet wieder einmal
B über das Tempelhofer Feld.
Seit der berühmte Berliner In-
nenstadtflughafen 2008 geschlossen
wurde, besitzt die Hauptstadt die
größte innerstädtische Freifläche der
Welt: mehr als 350 Hektar. Die Berli-
ner können auf dem Feld kostenlos
Sport machen, feiern, Gemüse anbau-
en oder sich in kleinen Wäldchen ver-
laufen. Das einmalige Sozio- und Bio-
top ist wichtig für die Abkühlung der
umliegenden Kieze und einer der we-
nigen Orte, an denen sich Bürger
unterschiedlichster Einkommensklas-
sen friedlich treffen. 2014 votierten
die Berliner in einem Volksentscheid
dafür, weder das Feld selbst noch des-
sen Ränder zu bebauen. Die neue
Stadtregierung will angesichts der
Wohnungsknappheit jetzt aber über
einen städtebaulichen Wettbewerb
herausfinden, ob sich das, bei Erhal-
tung der Qualitäten des Felds, nicht
doch machen ließe – und schon wird
wieder gestritten: Die Gegner des
Plans haben bereits Zehntausende
Unterschriften gesammelt, die Befür-
worter argumentieren, wenn man
nicht am Feld baue, wachse der
Druck, andere fürs Stadtklima wichti-
ge Grünflächen dem Wohnungsbau
zu opfern, etwa den Neuköllner Em-
mauswald. Bei genauerer Betrachtung
ist aber der Mangel an Bauflächen gar
nicht der Grund für die dramatische
Wohnungsnot: In Berlin gibt es mehr
als zwanzig neu ausgewiesene Neu-
baugebiete, allein an der Frankfurter
Allee könnten auf den landeseigenen
Flächen sehr viele Wohnungen entste-
hen. Das Problem liegt anderswo: Das
Bauen verspricht wegen explodieren-
der Baukosten und der Zinssituation
keine Gewinne mehr, deswegen wird
nicht gebaut. Profitorientierte Woh-
nungskonzerne wie Vonovia haben
angekündigt, alle für 2023 in Berlin
geplanten Wohnungen – das sind
1500 – so lange nicht zu bauen, bis
„die Rahmenbedingungen wieder
passen“. Zu Recht beklagte Senats-
baudirektorin Petra Kahlfeldt schon
zu Amtsbeginn, dass der Bauüber-
hang, also die Zahl der genehmigten
Bauvorhaben, die am Ende eines Jah-
res nicht fertiggestellt sind, zwischen
2010 und 2020 von 12.405 auf 66.553
Wohnungen gestiegen ist – oft, weil
Investoren das Bauland trotz Bauge-
nehmigung einfach brachliegen lie-
ßen, um zu warten, bis die Preise stei-
gen und das Bauland mit Gewinn an
den nächsten Spekulanten verkauft
werden kann. Statt sich in Flächendis-
kussionen zu verzetteln, müsste die
Politik attraktivere Bedingungen fürs
Bauen schaffen und gleichzeitig die
Spekulation einschränken. Mittelfris-
tig könnte beim Wohnungsbau auch
der digitale Strukturwandel helfen:
Wo wegen der Popularität des
Homeoffice immer mehr Bürobauten
aufgegeben werden, kann man sie
nachnutzen: zum Beispiel als Wohn-
raum. Gerade hat Berlins Kultursena-
tor Joe Chialo vorgeschlagen, im bald
leer stehenden Kaufhaus Lafayette in
Berlin-Mitte die geplante Zentral- und
Landesbibliothek unterzubringen,
was im Vergleich zu einem Neubau so-
gar 64 Prozent Klimagase einsparen
würde. Vielleicht liegt die Zukunft der
Stadt eher im Umbau ihrer neuen Rui-
nen als auf dem offenen Feld.
Bayreuth fast
ausverkauft
Mit einer Durchschnittsauslastung
von 97 Prozent für alle 31 Vorstellun-
gen schlossen die Bayreuther Fest-
spiele laut eigenen Angaben in die-
sem Jahr. Alle neunzehn Vorstel-
lungen der Einzelwerke („Parsifal“,
„Tannhäuser“, „Tristan und Isolde“
und „Der fliegende Holländer“) wa-
ren demnach ausverkauft. Die Aus-
lastung bei Richard Wagners Tetra-
logie „Der Ring des Nibelungen“ in
der Inszenierung von Valentin
Schwarz und der musikalischen Lei-
tung von Pietari Inkinen habe bei
durchschnittlich 92 Prozent gelegen.
Aufgrund der am Ende doch noch
ganz guten Nachfrage im Einzelver-
kauf für die vier Opern des „Rings“,
der bislang nur komplett angeboten
wurde, erwarte die kaufmännische
Geschäftsführung für das kommende
Jahr auch hier wieder eine Vollaus-
lastung. Die Nachfrage nach AR-
Brillen für den „Parsifal“ habe das
Angebot weit übertroffen. F.A.Z.
SE I TE 1 0 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
Es wird mit dem
Hammer erzählt
Michael Kleeberg
beendet mit
„Dämmerung“ seine
2007 begonnene
Romantrilogie um
den Protagonisten
Karlmann Renn.
E
s braucht sozusagen zwei,
um zu altern. Einen Körper,
der das automatisch tut, und
einen Geist, der sich dazu
verhält, indem er sich seinerseits ver-
ändert.“ Das stellt der Erzähler von
„Dämmerung“ bei der rauschenden
Feier des sechzigsten Geburtstags von
Charly Renn fest. Altern ist ein großes
Thema des dritten und abschließen-
den Bandes von Michael Kleebergs
dreiteiligem Romanprojekt um diesen
Karlmann Renn, dessen erster Teil,
„Karlmann“, 2007 erschien und dem
2014 „Vaterjahre“ folgte.
Mit Charly, wie Karlmann Renn von
Familie und Freunden genannt wurde,
brachte der damals 48 Jahre alte Klee-
berg im Jahr 2007 ein zumindest dem
Geburtsjahr nach literarisches Alter Ego
zur Welt: wie sein Autor 1959 geboren.
Kleeberg unterstrich die besondere Nä-
he zur Hauptfigur durch die Wahl seiner
Erzählperspektive: In allen drei Roma-
nen wird Charlys Leben geschildert von
einer ihm freundschaftlich gesinnten
Instanz, die nicht direkt am Geschehen
beteiligt ist, aber stets in Charlys Inneres
blicken kann, sich hin und wieder als
wohlwollend-wissender, im dritten der
drei Teile – Stichwort „Altern“ – zuneh-
Michael Kleeberg:
„Dämmerung“. Roman.
Penguin Verlag,
München 2023.
480 S., geb., 26,– €.
mend onkeliger Kommentator einschal-
tet, der die Leser direkt anspricht, dann
wieder in den Hintergrund tritt, auf Ab-
stand geht, das Erzählte aber stets kon-
trollieren und das Geschehen bewerten
kann. Die Nähe zwischen Autor, Erzäh-
ler und Hauptfigur unterstreicht auch
die Widmung des Romans: „Karlmann
Renn gewidmet, im Gedenken der ge-
meinsamen Jahre.“
Setzte das Geschehen von „Karl-
mann“ mit dem legendären Wimble-
don-Sieg von Boris Becker am 7. Juli
1985 ein, so endet „Dämmerung“ mit
dem letzten Maitag des Jahres 2022.
Kleebergs Trilogie umspannt damit
einen Zeitraum von 37 Jahren, erzählt
von Charly als Verfallsgeschichte ent-
lang der Zeitgeschichte, zeitweise stark
gerafft, dann wieder kleinteilig. Die
Handlung in „Dämmerung“, dessen Ti-
tel man als Anspielung auf Richard
Wagners „Götterdämmerung“ oder
Friedrich Nietzsches „Götzen-Dämme-
rung“ lesen kann, umfasst vier Jahre, in
denen der Ausbruch von Corona und
der Krieg Russlands gegen die Ukraine
als einschneidende Ereignisse auch auf
das Leben Charly Renns entscheidend
Einfluss nehmen.
Wer einen oder beide der vor „Däm-
merung“ erschienenen Teile kennt,
weiß, dass man es in Charly, dem Sohn
aus gutem hanseatischen Haus, mit
einem rechtschaffenen Kotzbrocken zu
tun hat. Er braucht Frauen, hält es aber,
obwohl zunächst lange in der Rolle des
Familienvaters, mit keiner der fünf
Nachfolgerinnen seiner Gattin lange gut
aus. Seinen Aufstieg vom Autohaus-
inhaber zum Geschäftsführer der Ham-
burger Kautschukfirma Sieveking & Jes-
sen, die ihren Sitz im altehrwürdigen
Chile-Haus hat, verdankt er seiner mehr
als pragmatischen Gerissenheit. Charly
Renn ist der Typus Mann, der Golf, sei-
nen alten Mercedes, teure Uhren und
guten Wein liebt, der mit Viagra und
Hyaluron seinen fortschreitenden kör-
perlichen Verfall aufzuhalten versucht.
Umwege, die doch konstitutiv für Kul-
tur sind, findet er dagegen meistens läs-
tig. Er ist ein Upperclass-Konformist
erster Sorte. Und so sammeln sich denn
auch zu seiner Geburtstagsfeier, der ers-
ten von insgesamt drei großen feierli-
chen Zusammenkünften im Roman
„keine Gescheiterten, keine Künstler“,
auch „keine Politiker, keine Fernsehna-
sen, kein Olympiasieger, kein Bundes-
ligafußballer“, erst recht kein Toskana-
fraktionär, Drittwelt- oder Klima-
aktivist“. Die Partygesellschaft besteht
aus „Anwälten, Ärzten, Zahnärzten“,
aus „Immobilienverwaltern, Technikern
vom Agrar- bis zum Maschinenbauinge-
nieur. Pharmazeuten, Verwaltungsjuris-
ten, Bankern, Tradern“, und unter den
Gästen sind auch „Psychologen (die
aber alle studierte Ärzte sind, also keine
Quacksalber). Versicherungsmathema-
tiker. Informatiker“, wie es heißt – und
womit sich hier wie im gesamten Roman
zeigt, dass Michael Kleebergs Erzähler,
anders als Charlys Werdegang, nicht un-
bedingt geraden Wegen folgt.
Charlys Leben steht, mit Anspielung
auf Gustave Flauberts „Erziehung der
Gefühle“, unter dem Diktum einer „Re-
gulierung des Herzens“, die der Erzähler
als ein Eindämmen allzu starker, vor al-
lem affektiver Regungen schildert, als
eine Haltung, die „dem Willen und dem
Bewusstsein ihre Aufgabe als Rückhol-
feder lässt, wenn die Hingabe ins Bo-
denlose zu fallen droht“. Je älter, umso
stärker prägt Charly sie aus. Die Tren-
nung von seiner Frau, den Tod der Mut-
ter, die Abwege seiner Tochter aus dem
bürgerlichen Leben, die Demenz des Va-
ters bis zu dessen langsamem Tod, an
dessen Ende die zweite der drei feierli-
chen Zusammenkünfte, die Beerdigung
steht, lassen das Ausmaß seiner Er-
schütterung nur zeitweilig groß werden.
Selbst den Umstand, dass ihm nach dem
Abklingen der Corona-Pandemie sein
Geschäftsführerposten durch die nach-
folgenden jungen Inhaber der Firma ge-
kündigt wird, hegt Charly rasch ein.
Er übernimmt die Geschäftsführung
des Lessinghauses, einer Kultureinrich-
tung, der sein Vater als Vereinsvorsit-
zender angehörte und die tendenziell
verschlafen vor sich hindümpelt, bis der
Krieg in der Ukraine beginnt und Charly
das Haus zum „Ukraine-Zentrum“ um-
krempelt: Er will mehr Öffentlichkeits-
wirksamkeit, gegen den Willen der Mit-
arbeiter, unter ihnen die aus Berlin
stammende Programmverantwortliche
Yelda Dereli, promovierte Kultur- und
Theaterwissenschaftlerin, Tochter türki-
scher Arbeitsmigranten und vorher Dra-
maturgin am Thalia Theater. Nicht zu-
letzt ihretwegen wird Charly seinen
Posten sehr schnell wieder räumen müs-
sen. Denn bei der Ukraine-Benefiz-Ga-
la, der dritten der drei Feierlichkeiten,
die er unter der Conférence des un-
schwer als Thomas Gottschalk zu erken-
nenden Moderators organisiert, kommt
es zum Eklat. Zwei ukrainische Frauen
behaupten mit Yeldas Unterstützung in
einem Brief an den Senat, Charly habe
sie sexuell belästigt. „Deconstructing
Charly“ nennt Kleeberg das letzte Kapi-
tel, mit unverkennbarer Anspielung auf
Woody Allens Film „Deconstructing
Harry“. Damit stellt Kleeberg eine nicht
unproblematische Parallele her: Charly
Renn wird im Roman tatsächlich als Op-
fer einer Ranküne dargestellt und er-
greift damit indirekt auch Partei für
Woody Allen, dem seit Jahren der Miss-
brauch seiner Adoptivtochter nachge-
sagt wird, was er bis heute zurückweist.
D
ämmerung“ wandert an vie-
len Stellen auf dem schmalen
Grat einer Figurenrede, von
dem aus man immer wieder
hinunterschauen muss in weltanschau-
liche Abgründe. Charly, charakterisiert
als „Meister trügerischer oder produkti-
ver Selbstprojektionen, denen es dann
nachzuleben gilt“, hat, so möchte uns
der Erzähler glaubhaft machen, „offen-
bar und vielleicht verständlicherweise“
den Ernst der Lage auch nach Tagen der
Anschuldigungen noch immer nicht er-
fasst. Das ist höchst tragisch, denn der
Zeitgeist – verkörpert durch die jungen
Mitarbeiter im Lessinghaus, die er zuvor
wochenlang ohne Arg, so scheint es, ku-
joniert hat, indem er ohne jeden Sinn für
Unterschiede und Zwischentöne, seine
Geschäftsführungserfahrungen aus dem
Kautschuk-Geschäft auf die Kultur-
institution übertragen hat – ist einfach
gegen ihn.
In Charly, so suggeriert der Roman,
ist ein bestimmter Typus Mann gealtert
und vom Zeitgeist zu Fall gebracht. Dass
damit zugleich ein Zeitalter verabschie-
det wird, legt der Epilog nahe. Die Kon-
gruenz zwischen Charly und seiner Zeit
und die zwischen der Stimme, die seine
Geschichte erzählte, hat durch den
MeToo-Vorwurf den „brutalstmöglichen
Bruch“ erlitten. Schwarz-weiß gestreifte
oder gesprenkelte Seelen wie die von
Charly, so der Erzähler, fielen nicht
unter die Schnellgerichtsbarkeit des
Netzes wie unter das offizielle Straf-
recht. Kleeberg entlässt mit „Dämme-
rung“ seinen Protagonisten und die Le-
ser in jene obskure Ambivalenz, die man
bei diesem Autor immer wieder findet,
schon in der frühen SM-Novelle „Bar-
fuß“, an deren Schluss eine Kreuzigung
steht. Manch einer mag sich beim Ende
von „Dämmerung“ auch an Kleebergs
Frankfurter Poetikvorlesungen erinnert
fühlen, die von einem Eklat begleitet
waren, nämlich um die Äußerungen
Kleebergs über das Aufeinandertreffen
„einer Mehrheitsidentität, die sich auf-
lösen, mit einer Minderheitsidentität,
die sich durchsetzen will“.
„Dämmerung“ erzählt also mit dem
Hammer, kokettiert recht kalkuliert
mit dem Unterschied zwischen Figu-
renrede und allenfalls mutmaßlicher
Autorenmeinung. Dass dem redseligen
Erzähler zukünftig tatsächlich die
Sprache wegbleiben wird, mag man
ihm angesichts seiner Wortgirlanden
und -kaskaden und seinem Drang,
einer Zeit nachzutrauern, nur halb ab-
nehmen. Es sei ihm hier aufmunternd
gesagt: So schnell geht die Welt nicht
unter. BEATE TRÖGER
Literatur und Sachbuch
Fröhliche Stimmen werktätiger Menschen – die suggerierte Maos China als Träger der Kulturrevolution. Liao Yiwus Roman erzählt, was da wirklich geschah.
Chronik einer Massenhysterie
Drastik bringt dieses Thema mit sich: Liao Yiwus Romanrückblick auf die chinesische Kulturrevolution
„Blut, Sperma, Kotze, Kacke, Pisse“ – so
hat der Schriftsteller Reinhard Lettau die
Dramen seines Freundes Heiner Müller
karikiert, und diese Charakteristik passt
auch zum neuen Roman „Die Liebe in Zei-
ten Mao Zedongs“ des Friedenspreisträ-
gers und chinesischen Dissidenten Liao
Yiwu, der seinen Lesern kein schockieren-
des Detail erspart. Im Gegenteil: Er setzt
noch eins drauf und erweitert die Liste
ekliger Körperflüssigkeiten um ein Wort,
das kürzlich erstmals im Bundestag fiel:
Rotz. Alle im Roman erwähnten Kinder
sind rotznäsig, und der Schnodder wird
gleichmäßig über vierhundert Seiten ver-
teilt, deren heute in Berlin lebender Autor
so seine Kindheit und Jugend im kommu-
nistischen China rekapituliert. Sex und
Gewalt sind das Mantra des Romans, und
wer wie das einstige Schmuddelkind Gün-
ter Grass gern mit Exkrementen spielt,
kommt auf seine Kosten bei der Lektüre
des trotz einiger Längen fesselnden Buchs.
Aber sprachlich? „Da fiel er mit einem
gewaltigen Schlag aus Himmel und Bett,
krachte in das überall auf dem Boden ver-
streute Essen, zog sich ein paar Porzellan-
splitter in den nackten Hintern, blutete
wie ein Schwein und von seinem pfeilrech-
ten Glied hingen Fleisch und Fisch, von
seiner Eichel ein Büschel Glasnudeln.“
Und das klingt immer noch plausibler als
der Vergleich der Sonne mit einem Hunde-
fell oder ein Satz wie „Der Strohhut drehte
sich wie eine schwarz glänzende, Mutter-
liebe verströmende Schallplatte“.
Was ist passiert? Handelt es sich um ein
Übersetzungsproblem, oder tritt Liao Yi-
wu, ein ausgefuchster Autodidakt, der chi-
nesische Klassiker ebenso gut kennt wie
die westliche Moderne, in die Fußstapfen
von Henry Miller und Curzio Malaparte,
An verlässlicher Forschung führt kein Weg vorbei
Über die Macht der Expertise: Klaus Ferdinand Gärditz analysiert das Verhältnis von Politik und Wissenschaft
König Charles III. kauft seine Hemden
seit mehr als vierzig Jahren bei der Fir-
ma Turnbull & Asser in London, der er
noch als Prinz von Wales den Titel des
Royal Warrant verliehen hat. Die über
800 Hoflieferanten des britischen Kö-
nigshauses tragen den exklusiven Titel
mit Stolz und betrachten ihn als Ver-
pflichtung zur Tradition und größten
Qualität ihrer Produkte. Aber bekannt-
lich spinnen die ja, die Briten.
In Deutschland dagegen assoziiert
man mit dem Hoflieferanten Bückling
und Kratzfuß, die untertänige Haltung
des bürgerlichen Krämers, der seine Deli-
katessen mit der ihm gnädigerweise von
ganz oben verliehenen Gunst bewirbt, sie
genügten selbst den höchsten Ansprü-
chen der örtlichen Majestäten. Doch als
diese 1918 Titel und Höfe abgeben muss-
ten, verloren auch ihre Lieferanten die
prestigereiche Auszeichnung.
Wer heute noch jemanden als Hof-
lieferanten tituliert, tut dies also in
polemischer Absicht. So wie Klaus Fer-
dinand Gärditz in seiner „essayisti-
schen Streitschrift“ darüber, wie sich
die Politik der Wissenschaft als ihres
Hoflieferanten „bedient und selbst da-
ran zerbricht“. Der Titel ist reißerisch.
Er klingt nach einer dramatischen
Diagnose. Man erwartet eine ganze
Reihe aktueller Fälle, die zunächst die
Unterstellung des Hoflieferantentums
der Wissenschaft zumindest plausibili-
sieren; und dann anschließend Belege
für die weitere These, dass „die Politik“
als die zeitgenössische Verkörperung
um sie an drastischer Obszönität zu über-
treffen? Hat der Sinologe und Übersetzer
Wolfgang Kubin recht mit seiner These,
dass anders als die Poesie chinesische Ro-
mane der Gegenwart platt und vulgär sei-
en? Aus dem Dilemma heraushelfen kann
ein Zitat aus Büchners „Dantons Tod“:
„Geht einmal euren Phrasen nach bis zu
dem Punkt, wo sie verkörpert werden. Die-
se Elenden, ihre Henker und die Guilloti-
ne sind eure lebendig gewordnen Reden.“
Der auf Robespierres Terror gemünzte
Satz gilt in noch höherem Maße für die
von Mao inszenierte und manipulierte
Kulturrevolution. Aus dieser Sicht offen-
bart Liao Yiwus Buch seine politische Bri-
sanz als Chronik einer Massenhysterie, die
den Gewaltexzessen unter Hitler und Sta-
lin nicht nachstand. Die Kulturrevolution
(1966 bis 1976) war keine bloße Abrech-
nung mit der Bürokratie, wie in Deutsch-
land nicht nur linksradikale Studenten,
sondern auch seriöse Zeitungen blauäugig
meinten, sondern ein Massenmord mit
Millionen Toten unter den Führungska-
dern der Partei ebenso wie unter jenen sie
bekämpfenden Rotgardisten, die später
zwecks Umerziehung in ferne Provinzen
verbannt wurden. Der Slogan „Zerschlagt
die Konterrevolution“ wurde wörtlich ge-
nommen, und Westberliner Maoisten dro-
schen mit Armierungseisen auf angebliche
Trotzkisten ein. Schlimmer noch: Kam-
bodschas Rote Khmer versuchten, die Kul-
turrevolution zu überbieten durch Tren-
nung der Familien und Zwangsumsiedlung
der Stadtbewohner aufs Land, was ein
Viertel der Kambodschaner das Leben
kostete. Pol Pot, Maos gelehrigster Schüler,
wurde ehrenvoll in Peking empfangen,
und auch der „Leuchtende Pfad“, dessen
Kämpfer Perus Andenregion entvölkerten,
des „Hofes“ am Gelieferten irgendwie
zerbreche.
Die Lektüre des Buches ist an diesen
Erwartung gemessen eine Enttäuschung.
Gärditz widmet sich dem eigentlichen
Thema seines Textes auf kaum zehn Sei-
ten. Das ist eigentlich auch plausibel,
schließlich bemüht er sich auf den ver-
bleibenden fast zweihundert Seiten auf
profunde Weise, das schlichte Bild der
wissenschaftlichen Hoflieferanten zu
entkräften, indem er das viel komplexere
Verhältnis von Wissenschaft und Politik
fundiert und kenntnisreich analysiert.
Klaus Ferdinand Gärditz:
„Hoflieferanten“. Wie sich
Politik der Wissenschaft
bedient und selbst daran
zerbricht.
S. Hirzel Verlag,
Stuttgart 2023.
232 S., geb., 24,– €.
Es gelingt ihm dabei durchaus, die Ri-
siken eines „dienlichen Hoflieferanten-
tums“ der Wissenschaft herauszuarbei-
ten. Aber die eigentliche Leistung seines
Buches besteht gerade darin, aus der
Perspektive des Juristen die Schutzfunk-
tion des Rechts für die vulnerable Wis-
senschaft zu verdeutlichen. Kurz: Was
hat Autor und Verlag bloß geritten, dem
Buch diesen Titel zu geben?
Ärgerlich ist das auch darum, weil
Gärditz ausgerechnet in dem knappen
Abschnitt zum Hoflieferantentum der
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
war vom chinesischen Vorbild inspiriert.
Was Maos Weisung „Stürmt das feindliche
Hauptquartier“ in sich barg, schildert Liao
Yiwu so: „Überall lagen abgerissene
Hemdkragen, ausgerissene Haare, abge-
bissene Ohren, Nasen, Lippen. Mit zertre-
tenen Hoden und laut winselnd, rollten ge-
krümmte Körper die Treppe hinunter wie
brennende Reifen. [...] Überlebte einer
den Aufprall, überschlug er sich noch ein
paar Mal, bis er schließlich beide Beine
von sich streckte.“
Liao Yiwu: „Die Liebe
in Zeiten Mao Zedongs“.
Roman.
Aus dem Chinesischen von
Brigitte Höhenrieder und
Hans Peter Hoffmann.
Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2023.
448 S. geb., 26,– €.
„Die Liebe in Zeiten Mao Zedongs“ ist
eine Trilogie, beginnend in den Wirren der
Kulturrevolution und wie ein amerikani-
sches Roadmovie endend mit einer Reise
nach Tibet, dem Höhepunkt des Romans
in geographischer wie literarischer Hin-
sicht. Der Mittelteil erzählt von jahrelan-
ger Verschickung aufs Land, wo die soge-
nannte „gebildete Jugend“ konfrontiert
wird mit armen Bauern, die, angeblich be-
freit, in Elend und Unwissenheit vegetie-
ren – Idiotie des Landlebens im ursprüng-
lichen Sinn. Der aus Sichuan verbannte
Ich-Erzähler wird marginalisiert und
drangsaliert, weil er gegen angemaßte
Autoritäten aufbegehrt und deshalb wie
sein Autor ins Gefängnis kommt. Was die
Härten der Flucht und des Abtauchens in
die Illegalität erträglich macht, waren und
Wissenschaft sowohl argumentativ als
auch sprachlich unter das Niveau seines
Textes geht. Hier polemisiert er gegen
die „kleinen Sonnenkönige“, die sich in
„Berlin-Mitte-Kaffeekränzchen“ minis-
terialer Beiräte „herumlümmeln“ und an
„verschwurbelten Positionspapieren“ be-
teiligten. „Auch Talk bei Lanz“ fülle
dann die „eher gähnende Leere akade-
mischer Midlife-Crisis“.
Zum Glück belässt Gärditz es nicht bei
solchen Gehässigkeiten, sondern findet
zur Sachlichkeit zurück, wenn er die
Problematik aus der Perspektive der par-
lamentarischen Gesetzgebungsverfahren
untersucht. Hier könne Hoflieferanten-
tum zur Langzeitstrategie werden, wenn
Wissenschaftler bereits mit der Intention
veröffentlichten, sich bestimmten politi-
schen Positionen anzudienen. Die Frak-
tionen würden dann nur noch solche
Experten anhören, die mit ihren wissen-
schaftlichen Positionen die eigenen poli-
tischen Absichten stützen. Könnte man
dann auf das Anhören solcher Experten
nicht gleich verzichten?
Was Parlament und Regierung für eine
„gebündelte Selbstinformation“ bräuch-
ten, so Gärditz, wären stattdessen „ver-
lässliche Zulieferer“ wissenschaftlicher
Expertise, deren „institutionelle Profes-
sionalisierungsdienstleistung“ es einer
anderenfalls „völlig überforderten“ Poli-
tik erst ermöglichen würde, aus dem „dif-
fusen Rauschen des wissenschaftlichen
Blätterwaldes“ eine informierte Auswahl
zu treffen. Aber gibt es diese nicht längst
in Gestalt der Ressortforschung? Natür-
Foto dpa
sind die Frauen, in die er sich verliebt und
denen der Text ein Denkmal setzt. Auf der
Rückfahrt nach Sichuan trifft Zhuang Zi-
gui zufällig im Zug seine Ex-Geliebte Yang
Dong, der er nach Tibet nachgereist ist,
und das Wiedersehen fällt zusammen mit
dem Tod des Vorsitzenden Mao, den das
Zugpersonal schluchzend bekannt gibt.
Ähnlich wie bei Stalins Tod, der sogar
Gulag-Häftlingen Tränen in die Augen
trieb, zeigt sich, dass nicht nur Nutznießer,
sondern auch Dissidenten und Oppositio-
nelle in Hassliebe der Tyrannei verbunden
sind, als hätte jemand „auf allzu eiliger
Durchreise verfrüht eine Eintrittskarte in
die Hölle gelöst“. Auch kritischer Durch-
blick löste das double bind nicht, denn
„viele, die in politische Bewegungen ver-
strickt waren, waren, bevor sie klar sahen,
schon tot. Die Roten Garden“, heißt es,
„waren der Affe Sun Wukong aus der Rei-
se nach Westen, [...] ihre Lebenserwar-
tung war abhängig von der Zahl der politi-
schen Gegner Maos. Mao rief die Geister
hervor, und Mao rief sie wieder zurück.“
Der Hinweis auf den Schelmenroman
„Die Reise nach Westen“, in dem ein bud-
dhistischer Mönch mit einem Affen und
einem Schwein nach Indien pilgert, um
heilige Schriften zu holen, steht hier nicht
von ungefähr. Gemessen an Versen von Su
Dongpo ist Liao Yiwus Text so grob ge-
strickt wie Maos Lieblingsbuch „Die Räu-
ber vom Liangshan-Moor“, und das gilt
auch, wenn man die Gedichte des von Liao
Yiwu zitierten Poeten Bei Dao mit „Die
Liebe in Zeiten Mao Zedongs“ vergleicht.
So besehen hat Wolfgang Kubin recht und
unrecht zugleich, weil in Chinas klassi-
scher Literatur feinsinnige Lyrik seit jeher
mit tolldreister Prosa kontrastiert und ko-
existiert. HANS CHRISTOPH BUCH
lich, und Gärditz lobt diese staatlichen
Zulieferer wissenschaftlicher Expertise
auch ausdrücklich für diese epistemische
Vorleistung. Erstaunlicherweise nennt er
die Ressortforschung dann aber auch
„Hoflieferantentum“, allerdings im „bes-
ten Sinne“. Weil sich der Hof hier quasi
selbst beliefert?
Dass es sich dabei traditionell um solch
honorige Einrichtungen wie das Greifs-
walder Friedrich-Loeffler-Institut (zu-
ständig für Tierseuchen und Zoonosen)
oder die Physikalisch-Technische Bundes-
anstalt handelt, ist aber kein Garant
dafür, dass die Ressortforschung grund-
sätzlich immun ist gegenüber den Selbst-
legitimierungsinteressen der Politik. Gär-
ditz’ Unterscheidung von „schlechtem“
Hoflieferantentum und gutem, wenn es
dabei um forschende Bundesbehörden
geht, ist analytisch schwach. Hier macht
sich negativ bemerkbar, dass Gärditz auf
die jüngere Zunahme der Ressort-
forschung auch in solchen Häusern wie
dem Bundesfamilienministerium oder
dem Bundesforschungsministerium nicht
eingeht.
Man kann nicht erwarten, dass der Au-
tor die Frage der politischen Einflussnah-
me auf die Finanzierungsbedingungen ins-
besondere der akademischen Forschung
umfassend in seine Analyse einbezieht.
Aber zumindest die direkte Finanzierung
beispielsweise der Migrationsforschung
durch ein Bundesministerium wirft grund-
sätzliche Fragen auf, die in diesem ansons-
ten sehr lesenswertem Buch hätten disku-
tiert werden müssen. GERALD WAGNER
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Der Unzeitgemäße
im Ohrensessel
Die Klassik Stiftung Weimar präsentiert erstmals
Nietzsches Möbel und Haushaltsgegenstände
In Weimar lebte Friedrich Nietzsche als
kraftloser Organismus. Sein Geist hatte
ihn verlassen. Er dachte nicht mehr, er
fühlte nur noch. So jedenfalls geht die
historisch-kritische Erzählung. Im
Zentrum der Kritik steht von jeher
Nietzsches Schwester Elisabeth, die
nicht nur freihändig Fassungen seiner
Texte herstellte, sondern – so lehrt jetzt
eine kleine Ausstellung im Museum
Neues Weimar – auch seine Wohnräu-
me einrichtete. Schon in Basel wählte
Elisabeth das Mobiliar aus – pikanter-
weise im historistischen Stil, jener Strö-
mung also, die ihr Bruder in seinen
Schriften als kraftlos geißelte. Und auch
nach ihrem gemeinsamen Umzug von
Naumburg nach Weimar 1896 suchte
das „Lama“ (so Nietzsches Kosename
für seine Schwester) die Möbel und Ge-
brauchsgegenstände aus.
Mehr als um eine angenehme Atmo-
sphäre für den schwer kranken Philoso-
phen ging es Elisabeth darum, die ge-
meinsame Wohnung mit Devotionalien
zu bestücken, die später verehrt werden
könnten. Als Vorbild dienten ihr dabei
offensichtlich die benachbarten Dich-
terhäuser von Goethe und Schiller, die
in dieser Zeit eine regelrechte Wall-
fahrt erlebten. Elisabeth richtete die
Wohnung also mit einer rezeptionsstra-
tegischen Absicht ein: In Weimar woll-
te sie den anerkannten Denker zur ver-
ehrten Ikone machen. Oder kann man
nicht auch schlichter sagen: Sie sorgte
für seinen Nachruhm? Die Leuchter,
Tischuhren und Beistelltische, die sie
erwarb, zeichneten mit an dem Bild,
das sich eine spätere Zeit von dem Un-
zeitgemäßen machen sollte.
Während das faschistische Deutsch-
land sich Nietzsche zum Vordenker er-
kor, verbannte die DDR ihn und seine
Gedanken in den Giftschrank. Den re-
zeptionsgeschichtlichen Volten ent-
sprach auch der Umgang mit seinen Mö-
beln. Nach Nietzsches Tod im August
1900 inszenierte Elisabeth sein Sterbe-
zimmer in der Tradition der Weimarer
Dichterverehrung als Memorialraum.
Henry van de Velde baute die Wohnung
wenige Jahre später zu begehbaren
Hier saß der
Philosoph entspannt:
Ohrensessel von
Friedrich Nietzsche
Foto Klassik Stiftung Weimar
Crumb und wie er die Welt sieht
Seinen Manien ist er treu geblieben: Zum achtzigsten Geburtstag des amerikanischen Comiczeichners
Die Revolution begann der Legende
nach im Kinderwagen. Aus dem heraus
soll Robert Crumb 1967 in San Francis-
co die erste Ausgabe seines selbst pro-
duzierten Comichefts „Zap“ verkauft
haben. Zuvor hatte der einer streng ka-
tholischen Ostküsten-Familie entlaufe-
ne Zeichner vor allem Werbung und
Plakate illustriert, allerdings auch schon
erste Comics publizieren können, in
dem kurzlebigen Satiremagazin
„Help!“, das Harvey Kurtzman, der ge-
schasste Erfinder von „Mad Magazine“,
gegründet hatte. Diese Comics waren
stilistisch so uneinheitlich wie die Skiz-
zenbücher, die Crumb seit frühester Ju-
gend unermüdlich füllte: Niemand unter
den Comiczeichnern außer Moebius
verfügt über ein solch breites grafisches
Repertoire. Aber „Zap“ änderte alles.
Besonders die Wahrnehmung von Ro-
bert Crumb.
Er wurde als Außenseiter ein Star,
zum Paten des amerikanischen Under-
grounds. Berühmt machten ihn dabei
seine autobiographischen Comics, weil
sie rücksichtslos gegen alles waren: die
amerikanische Gesellschaft im Allge-
meinen, Frauen im Speziellen, vor allem
aber sich selbst. Allerdings war der erste
Achtungserfolg Crumbs eine Fiktion im
Stil der von ihm als Kind geliebten Dis-
ney-Comics: „Fritz the Cat“. Und da war
auch noch „Mr. Natural“, ein skurriler
Guru, der dem Hippie-Zeitgeist der
Sechzigerjahre entsprungen war. Beide
Serien brachen aber mit ihren jeweiligen
Einflüssen: „Fritz the Cat“ eilte von
Archivräumen aus und schuf damit ein
Gesamtkunstwerk im Jugendstil. Die Na-
tionalsozialisten nahmen die modernis-
tische Architektur hin und gemeindeten
Nietzsche und sein bürgerlich eingerich-
tetes Heim ideologisch ein. Die sowjeti-
schen Besatzer schlossen das Archiv.
Zu DDR-Zeiten wurden die Gegen-
stände dann eingelagert und dem Blick
der Öffentlichkeit entzogen. Als para-
digmatischen Epochenbruch zerstörte
die „Nationale Forschungs- und Ge-
denkstätte der klassischen deutschen Li-
teratur“ in den Achtzigerjahren Nietz-
sches Sterbezimmer, um moderne
Nasszellen einzubauen. Nietzsches Ster-
bebett ist mit Ausnahme der Bekrönung
dabei verloren gegangen. Für mehre
Jahrzehnte wanderte Nietzsches Wohn-
einrichtung ins Depot – immerhin an
einem nahe gelegenen locus genii, auf
Schloss Ettersburg.
Nun präsentiert die Klassik Stiftung
Weimar der Öffentlichkeit erstmals
Nietzsches Möbel. Allerdings in jenem
unrestaurierten, teils desolaten Zustand,
in dem sie sich inzwischen befinden.
Ohne Scheinwerferlicht, ohne Panzer-
glas werden sie im zeitgeistigen Stil des
„shabby chic“ in gebrauchten Kunst-
transportkisten ausgestellt. Damit will
man die reliquienhafte Inszenierung
früherer Epochen aufbrechen und die
Besucher rhetorisch fragen, was mit die-
sen kunstgeschichtlich wertlosen
Gegenständen geschehen soll. In gewis-
ser Weise manifestiert die Ausstellung
so die Ratlosigkeit einer Zeit, die mit
dem mythischen Denker Nietzsche
nichts mehr anzufangen weiß.
Der Gang durch den Raum lohnt trotz
der museumsdidaktischen Betonung.
Denn gerade wegen der chaotischen Prä-
sentationsform stellt sich schon nach
Kurzem ein Wunderkammer-Gefühl ein.
Vorbei an Rollstühlen, Schreibtischauf-
sätzen und Kabinettschränkchen aus
verschiedenen Stilen und Epochen bleibt
der Blick an einem Ohrensessel hängen.
Einem repräsentativen barocken Sitzmö-
bel, das von seinem Polster befreit aller-
dings ein wenig skeletthaft wirkt. Der
schwarze Anstrich verstärkt das morbide
Flair. Nietzsche selbst beschrieb 1864
den „Großvaterstuhl“ in seiner Naum-
burger Stube. Aber auch in der Zeit sei-
ner Umnachtung muss der schwer kran-
ke Philosoph auf ihm gesessen haben.
Das belegt eine Statuette, die der Bild-
hauer Arnold Kramer 1898 anfertigte.
Sie zeigt Nietzsche entspannt in seinem
barocken Ohrensessel. Elisabeth gefiel
die Statuette so sehr, dass sie gleich eine
Serie in Auftrag gab und damit nicht we-
nige Nietzscheaner erfreute. Nichts,
was in Nietzsches vier Wänden
stand, war vor der ikonographischen
Vermarktung sicher.
Trotz aller pädagogischen Vorsichts-
maßnahmen steht der Besucher am
Ende doch wieder staunend inmit-
ten all der aus dem Keller geholten
Trouvaillen. Und stellt sich vor,
wie Nietzsches Hand über diese
Lehne geglitten, wie sein Fuß an
jenen Standspiegel gestoßen ist.
Die Aura des Originals ist eben
selbst mit shabby chic nicht totzu-
kriegen. SIMON STRAUSS
Nietzsche privat – eine unmögliche Ausstel-
lung. Museum Neues Weimar, bis 15. Januar
2024. Kein Katalog.
einem Sex- und Gewaltexzess zum
nächsten (undenkbar bei Disney), und
„Mr. Natural“ konfrontierte die Alterna-
tivkultur mit sardonischem Humor (un-
denkbar für die Hippies). Doch zwi-
schen solchen delirierenden
Geschichten fanden sich von Beginn an
gezeichnete Selbstauskünfte: Crumb
und wie er die Welt sieht. Und die waren
kein bisschen gefälliger. Aber sie gefie-
len einem immer größeren Publikum.
Als dann noch „Fritz the Cat“ zei-
chentrickverfilmt wurde (im Resultat
Robert Crumb, fotografiert 2010 Foto Getty
Feuilleton
Wo der Begriff Korruption seine Wirkung figürlich entfaltet: Militärs in einer Szene aus „Motherland“ von Alexander Michalkowitsch und Hanna Badziaka
Wenn die Gewalt die Gesellschaft ist
Der Dokumentarfilm
„Motherland“ zeigt
eindringlich das System
der Erniedrigung, mit
dem es junge Soldaten im
postsowjetischen Militär
zu tun bekommen.
D
er kleine Vorort Peschi bei
Baryssau, ein paar Dutzend
Kilometer nordöstlich von
Minsk, hat bei Menschen in
Belarus einen unheimlichen Klang. Die
Armee hat dort ein Ausbildungszentrum,
und es gibt immer wieder Vorfälle, nach
denen junge Männer tot zu ihren Ange-
hörigen zurückgebracht werden. Die Lei-
chen sind dann stark geschminkt, die An-
gaben zu den Todesursachen vage, die
Blutergüsse häufig kaum übersehbar. Die
Rückfragen, die sie provozieren, bleiben
von den Behörden unbeantwortet.
Für den Film „Motherland“ von Ale-
xander Michalkowitsch und Hanna Bad-
ziaka steht Peschi im Mittelpunkt eines
Systems. Man muss dafür nach einem gro-
ßen Begriff suchen. Es geht um institutio-
nelle Gewalt, die eine ganze Gesellschaft
erfasst. In einem Staat, der für junge Män-
ner Militärpflicht vorsieht, ist das Leben
durch einen Ritus der Initiation versperrt,
der in Belarus – als einem Nachfolgestaat
der Sowjetunion – unseren Vorstellungen
von Gewalt ganz neue Dimensionen ver-
leiht. Dedowschtschina nennt man im
Russischen die Autorität, die Rangältere
beim Militär über die Jüngsten ausüben.
Es ist eine Mischung aus sadistischen La-
gerritualen und Abhärtungsübungen, sie
dienen dazu, Individuen „auf den Durch-
sehr zum Missfallen Crumbs, doch fort-
an verkauften sich seine Comics weit
über den Kinderwagen hinaus), stand er
auf dem Gipfel – und stürzte tief. Nicht
künstlerisch, aber finanziell, denn die
amerikanische Steuerbehörde hatte für
hippie-übliche Buchführung nichts üb-
rig, und Crumb hatte sein Vermögen mit
Drogen, Schellackplatten und seiner
zweiten Frau Aline Kominsky durchge-
bracht, die selbst Comiczeichnerin von
Rang und zugleich unentbehrliche Muse
und Organisatorin von Crumbs Leben
war. Finanziell gerettet wurde er aus
Deutschland, wo der Zweitausendeins-
Versand seine Skizzenbücher mit Erfolg
verlegte, er selbst rettete sich nach Süd-
frankreich, wo er seit den frühen Neun-
zigern lebt. Und immer manischer seine
privaten Vorlieben zum Thema gemacht
hat: Frauenbodybuilding in „Art &
Beauty“, das Familienleben mit Frau
und Tochter in zahllosen Episoden und
seine Liebe zum Folk, der er auch als
Banjospieler in der Band Les Primitifs
du Futur frönte.
Als Titelbildzeichner des „New Yor-
ker“ erhielt Crumb dann die Weihen der
Hochkarikaturkultur, und schließlich
übernahm die einflussreiche amerikani-
sche Galerie David Zwirner die Vertre-
tung eines Mannes, der für Auftritte in
der Öffentlichkeit nicht viel übrig hat.
Die erste große Retrospektive gab es
schon 2004 im Kölner Museum Ludwig,
andere folgten rund um die Welt. Und
Crumb zeichnete unbeeindruckt weiter.
Zwei Literaturadaptionen gibt es in sei-
schnitt“ zu bringen. So sagt es der Groß-
vater zu einem jungen Mann namens Ni-
kita, der mit ihm ein letztes Mal zu Abend
isst, bevor er sich nachts bei der zuständi-
gen Stelle zum Einrücken meldet.
Alexander Michalkowitsch hat an die-
sem Film offensichtlich lange gearbeitet.
Manche Projekte finden erst allmählich
den Kontext, der zu ihnen passt. In die-
sem Fall ist es ein schrecklicher Kontext,
der sich zwischen Alexander Lukaschen-
kos brutalem Festhalten an der Macht
nach den Präsidentenwahlen in Belarus
im Jahr 2020 und dem Krieg in der Ukrai-
ne bewegt.
„Motherland“ beginnt mit seinen Be-
obachtungen aber schon weit davor, zu
einer Zeit, als es noch üblich war, dass
Frauen sich mit ihren Anliegen in Briefen
direkt an den Präsidenten wandten, in
fast vertraulichem Tonfall und mit den
impliziten Demutsgesten eines Systems,
das erst allmählich diktatorische Züge
bekam. Es sind die Soldatenmütter, die in
Russland schon lange eine wichtige In-
stanz darstellen, einen Teil einer Zivilge-
sellschaft, die wissen möchte, welcher
Frieden denn da eigentlich bewahrt wer-
den soll, wenn die „Großväter“ (also die
Älteren) in den Kasernen die neuen Re-
kruten dazu zwingen, den Boden mit
ihrer eigenen Unterwäsche aufzuwi-
schen, wenn sie mit nacktem Gesäß auf
dem Boden kauern müssen und sich so-
fort die Krätze holen.
Peschi ist der Ort, an dem die Korrup-
tion endemisch ist. Der Begriff Korrup-
tion hat hier einen weit gefassten Sinn,
man kann durchaus auch an Verderbnis
und Verkommenheit denken. Eine Frau
namens Svetlana wird zur stellvertreten-
den Protagonistin in „Motherland“, sie
steht für viele andere und trifft auch viele
andere. Man sieht sie unterwegs im Zug
durch das Land, mit einer jungen Mutter
unterhält sie sich über die Aussichten für
deren kleinen Jungen, das Gespräch en-
ner endlosen Publikationsliste, und sie
zeigen die beiden Pole seiner psycho-
logischen Prägung: 1993 illustrierte er
Kafkas Biographie als Comic, nach
einem Szenario von David Zane Mairo-
witz. In deren Bildern unterwirft Crumb
Leben und Werk Kafkas derselben gna-
denlosen Autopsie, wie er es in seinen
autobiographischen Arbeiten tut. Seine
Bebilderungen zu „Der Prozeß“ oder
„Die Verwandlung“ sind unvergesslich,
weil er in Kafkas Figuren die Außensei-
terposition widergespiegelt fand, die er
selbst einzunehmen wünscht. Und 2009
erschien die zweihundertseitige Adap-
tion des Buchs Genesis – verstörend für
seine Fans in der geradezu sklavischen
Treue zum Bibeltext, aber spätes Zeug-
nis für die tiefe religiöse Prägung, die
Crumb als Kind erfahren hat und die im
Umgang mit Schuld und Sühne den
Grundantrieb für seine lustvoll-selbst-
quälerischen Eigenanalysen darstellt.
Heute wird Robert Crumb achtzig
Jahre alt. Im vergangenen November
ist seine Frau Aline überraschend ge-
storben, die symbiotische Partnerin.
Es wird also nichts groß zu feiern ge-
ben in Südfrankreich, die Selbstisola-
tion wohl noch wachsen. Auf dem Ti-
telbild des grandiosen kleinformatigen
„R. Crumb Handbook“ aus dem Jahr
2005, das den besten Überblick zu Le-
ben und Werk gewährt, hatte Crumb
sich als gewohnt grantigen Mann ge-
zeichnet: „I’m not here to be polite!“
Nein, ist er nicht. Wir gratulieren trotz-
dem höflich. ANDREAS PLATTHAUS
M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 1 1
Foto déjà-vu Filmverleih
det in Resignation. Später wird Svetlana
auf einem Friedhof einen Priester su-
etwas wie sein eigener Kronzeuge, er geht
aber auch zu sich auf Distanz, indem er
chen, der das Grab ihres Sohnes segnen einen beinahe literarischen Ton anschlägt,
soll, aber die Nachfrage nach solchen eine melancholische Beobachterdistanz
Amtshandlungen ist riesig, auch von der einnimmt, aus der er aber in einer Schlüs-
Kirche bekommt sie keinen Trost. selszene herausgerissen wird. Michalko-
Mit dem jungen Nikita erleben wir den witsch deutet dabei an, dass ihn das Sys-
Ablauf eines jungen militärischen Lebens
einmal von Anfang bis zum Ende. Seine
tem schon einigermaßen in der Hand
hatte, er hat es aber ins Exil geschafft und
Freunde haben alle auf unterschiedliche kann nun Zeugnis ablegen.
Weise dafür gesorgt, dass sie nicht einbe- Es gibt Szenen in „Motherland“, die
rufen wurden. Er aber wird sich stellen, beinahe deckungsgleich sind mit „Cou-
ein junger Mann mit Brille aus einem rage“ von Aliaksei Paluyan, dem großen
urbanen, aufgeklärten Milieu, vielleicht Dokumentarfilm über die Demokratiebe-
ein bisschen introvertiert. An Familie wegung in Belarus. Die Menschen stehen
scheint er nur seinen Großvater zu ha- da vor einer Tür, durch die das System
ben, und der ist noch stark der sowjeti- diejenigen entlässt, die es in seiner direk-
schen Mentalität verschrieben. Nikita ten Gewalt hatte. Menschen warten auf
meldet sich später manchmal auch von ihre Angehörigen, unsicheren Schrittes
drinnen, ab und zu schaltet er sogar das treten Versehrte eines Kampfes ins Freie,
Video ein. Die ersten Bewährungsproben der mit dem nackten Körper geführt
für die Neuen hat er überstanden. Nun wird. Von der Ukraine aus, wo „Mother-
aber kommen unerwartete Entscheidun- land“ entscheidende Phasen seiner Fer-
gen, denn es nahen die Wahlen von 2020. tigstellung durchlief, kann man nur sa-
Und die Soldaten werden ausgeschickt, gen: Dies ist das System, aus dem sich das
um im Land für Ordnung zu sorgen. Land befreien wollte, in das der Krieg der
Kunstvoll verschränken Michalkowitsch Russischen Föderation es zwingen will.
und Badziaka die verschiedenen Ebenen In einer Situation wie der gegenwärti-
ihrer Beobachtungen. Das System der De- gen, in der unentwegt über Marschflug-
dowschtschina wird dabei immer nur indi- körper, Kampfflugzeuge, Artilleriepro-
rekt kenntlich, man muss sich die Zusam- duktion zu reden ist, braucht es auch
menhänge erschließen aus den geschickt immer wieder Orientierungsmarken, die
verstreuten Informationen. Neben den deutlich machen, worum es eigentlich
Geschichten von Svetlana und Nikita gibt geht. Belarus hatte seit jeher ein wichtige
es noch einen dritten zentralen Strang: Ein Rolle in diesem Krieg. „Motherland“
Mann schickt Briefe aus den Kasernen an macht nun einerseits deutlich, wie über-
seine Verwandten, an die Mutter und an mächtig die Gewalt ist, gegen die es nach
die Großmutter. Diese Texte stammen von Strategien zu suchen gilt.
Michalkowitsch selbst, sie beruhen auf Er macht andererseits aber auch Mut,
dessen eigenen Erfahrungen, und sie ma- für die Ukraine und für Belarus und für
chen nachvollziehbar, wie sehr das System das Europa, das nicht genug Anstren-
die Menschen korrumpiert. Es erlaubt kei- gungen unternehmen kann, all die Fil-
nen Rückzug unter die Bettdecke. Der ein- memacher zu unterstützen, die wie Ale-
zige Ort, an dem man sich verstecken xander Michalkowitsch und Hanna
könnte vor den Zumutungen, wäre der Badziaka mit ihren Protagonisten in das
Ort, an dem die Gewalt fortgesetzt und Innerste einer zivilisationsfeindlichen
ausgeübt wird. Michalkowitsch ist also so Welt führen. BERT REBHANDL
Ernst Ludwig Kirchner Zwei Frauen. 1912. Ergebnis 504.000 €
2 25 JA H R E
JUBILÄUMSSAISON
16.–18. Nov. Alte Meister, Schmuck und Uhren, Kunstgewerbe
1./2. Dez. Moderne und Zeitgenössische Kunst, Photographie
8. Dez. Asiatische Kunst
31. Jan. 2024 Art of Africa, the Pacific and the Americas (in Brüssel)
Wir nehmen gerne Einlieferungen jetzt entgegen
Köln 0221/92 57 290 München 089/98 107767 Berlin 030/278760 80
Brüssel 0032 2 514 05 86 info@lempertz.com www.lempertz.com
SE I TE 1 2 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
W
eihnachten 1993 ist
kalt, feucht und ziem-
lich grau, als ein blon-
der, schlaksiger Ameri-
kaner in Berlin landet.
Trotzdem „hat es gleich klick gemacht“,
sagt er heute. Er ist Architekt, spricht
elanvoll Deutsch mit starkem Akzent und
stürzt sich in das wilde Berliner Leben
der Nachwendezeit. Stern, Ralph Stern
ist sein Name. In New York, wo er die vo-
rangegangenen Jahre gelebt und
Deutschkurse genommen hatte, verliebte
er sich in seine Deutschlehrerin, denn sie
unterrichtet im wahrsten Sinne des Wor-
tes seine Muttersprache. Es ist der Sound
seiner Kindheit in Colorado, wenn die
Eltern miteinander Deutsch sprechen,
damit er, der amerikanische Junge, nichts
versteht. Für ihn gibt es nur ein paar ein-
fache Schlüsselwörter wie Mutter, Vater,
Oma und Opa.
Ralph Stern und seine Familie leben in
Denver, sein Vater hat den deutschen
Vornamen August in einen amerikani-
schen Gus verwandelt, Gus Stern. Reli-
gion spielt in der Familie keine Rolle. Va-
ter und Mutter kennen sich schon seit
ihren Kindertagen in Köln. Beide sind
traumatisiert, er vom Verlust seiner Fa-
milie im Holocaust, sie von den Bomben-
nächten. In Amerika wollen sie nach der
grauenvollen Zeit mit dem richtigen Le-
ben beginnen. Der kleine Ralph, ihr ein-
ziges Kind, erfährt deshalb nichts vom
„alten Land“, wie der Vater immer sagt,
aber er spürt eine Nebelwand, die ihn von
den Eltern fernhält. Wenn die Groß-
eltern, sowohl die Eltern seiner Mutter
wie auch die Mutter seines Vaters, aus
Deutschland zu Besuch kommen, schei-
tert die Begegnung an der Sprache. Zwar
begleitet er als Jugendlicher seinen Vater
einmal nach Köln, aber auch das ist vor
Ralph Stern Foto privat
allem ein merkwürdiger Ausflug in ein
unverständliches Land. Ralphs Mutter
Sonja ist nach einer unbehandelten He-
patitis im kalten Köln der Nachkriegszeit
nie wieder gesund geworden, sie stirbt,
als er gerade 15 Jahre alt ist. Mit 16 ver-
lässt er das Familienhaus.
Nun ist er also in Deutschland, ausge-
rechnet in Berlin, obwohl die Wurzeln
der Familie Stern vor allem in Köln,
Frankfurt, Soest liegen. Berlin, das sind
für ihn in diesen Jahren kurz nach dem
Fall der Mauer interessante Architektur-
aufgaben, Wettbewerbe bei guten Büros,
ungewöhnliche Clubs, Pop-up-Bars und
dazu noch ein Hauch Walter Benjamin.
Anfänglich steht dieses Leben im Vorder-
grund, erst langsam schiebt sich die Fa-
miliengeschichte ins Bild. Ralph Stern
hat nur ein dürres Faktenwissen, keine
Fotos, keine Tagebücher, keine Briefe,
keine Adressen, nur zwei, drei Namen.
Die Rekonstruktion dessen, wie etabliert
und verzweigt die Familie Stern in
Deutschland war, wird Ralph Stern von
nun an Jahre, Jahrzehnte beschäftigen.
Hilfe, Entgegenkommen seitens bundes-
deutscher Institutionen – Fehlanzeige.
Das hat sich erst in den vergangenen Jah-
ren geändert.
„Mein Zweig der Familie Stern war
nicht reich, aber wohlhabend“, berichtet
Ralph Stern. „1860 gründet mein Urgroß-
vater Louis Stern in Köln das Bankhaus
August Stern & Cie. mit Geschäftsräumen
in der Nähe des Doms. Ende der 1860er-
Jahre eröffnet die Familie eine Berliner
Niederlassung, unweit der Neuen Synago-
ge in der Oranienburgerstraße. Die Filiale
leitet Louis’ jüngerer Brüder August, nach
seinem frühen Tod wird sie geschlossen.“
Hilke Brigitte Stamatiadis-Smidt
* 22. September 1938
Wilhelmshaven
Ehrenmitglied der Deutschen Krebsgesellschaf
Trägerin des Verdienstkreuzes 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland
Antje Lawrence, geb. Smidt
Dr. Wolbert G. C. Smidt und Dr. Chikage Oba-Smidt
Dr. Christian Lawrence und Susanne Lawrence
Dr. Alexander Lawrence und Cornelia Lawrence
im Namen der Angehörigen und Freunde
Die Bestattung fand im engsten Kreis auf dem Bergfriedhof in Heidelberg statt.
Kondolenzadresse: Bestattungshaus Heidelberg, Bergheimer Straße 114, 69115 Heidelberg
Somit existiert die Stern-Bank ausschließ-
lich in Köln, von 1911 an führt sie Ralph
Sterns Großvater Philipp. Als die Nazis an
die Macht kommen, ahnt er bereits, dass
die Zeichen für ihn und sein Unterneh-
men schlecht stehen. Spät, erst Ende der
Dreißigerjahre, versucht er noch, die
Bank und verschiedene Grundstücke in
der Kölner Innenstadt auf seine Frau, die
keine Jüdin ist, zu überschreiben. „Da-
gegen interveniert der lokale ,Nazihäupt-
ling‘ und sagt, wenn sie so dämlich gewe-
sen sei, einen Juden zu heiraten, traue
man ihr nicht zu, ein solches Vermögen
angemessen zu verwalten.“ Als Letztes
wird auch noch die Bank „arisiert“.
Die Gestapo drängt Emilie Stern
mehrmals zur Scheidung, um ihren Mann
deportieren zu können, denn sogenannte
Mischehen bieten zu dieser Zeit noch
Schutz. Sie verweigert sich beharrlich
diesem Ansinnen. Die Gestapo verliert
mit den Jahren die Geduld und stellt An-
fang 1944 beiden gemeinsam den Befehl
zur Deportation nach Theresienstadt zu.
An diesem Tag geht Philipp Stern nach
dem Mittagessen an den Rhein und er-
tränkt sich. Eine kleine Notiz für seine
Frau auf dem Esstisch sagt, er wolle dem
Sohn die Mutter erhalten.
Der Sohn, Ralph Sterns Vater, besucht
seit seinem elften Lebensjahr ein Inter-
nat in Genf. Philipp Stern hat ihn voraus-
schauend schon Anfang 1938 im Institut
für die Kinder der internationalen Diplo-
maten des in Genf ansässigen Völker-
bunds untergebracht. Der Vater will sein
einziges Kind, August, in Sicherheit wis-
sen. Der langjährige Prokurist der Stern-
Bank, die mit der Arisierung zum Bank-
haus Mertins & Co. wird, sorgt dafür,
dass das Schulgeld pünktlich in die
Schweiz überwiesen wird. Als August
Stern im Jahr 1944 dort sein Abitur ab-
legt, der Krieg aber noch nicht zu Ende
ist, beschäftigt ihn die Schule als Hilfs-
lehrer, er muss noch nicht zurück ins zer-
störte Köln.
Nach dem Krieg fungiert der vormalige
Prokurist Karl Paul Jakobi als Direktor
der Mertins-Bank und denkt nicht an die
Rückgabe des Geldinstituts. Später fährt
er das einstmals solide Unternehmen an
die Wand und nimmt sich schließlich das
Leben. Der „Spiegel“ berichtet über die
Pleite der Bank im August 1966, ohne mit
einem Satz deren „Arisierung“ zu erwäh-
nen. Der Artikel liest sich, als wäre die
Mertins-Bank als solche eine Gründung
aus dem Jahre 1860. Zum Tod Jakobis zi-
tiert Ralph Stern seinen Vater, der im fer-
nen Colorado sagt: „Nothing good comes
from having stolen goods.“
Nach seiner Rückkehr aus der Schweiz
1945 und noch vor der Gründung der
Bundesrepublik bemüht sich August
Stern, die Bank der Familie zurückzube-
kommen. Erfolglos, der Antisemitismus
ist noch sehr virulent. Frustriert kauft er
das Ticket für eine Schiffspassage nach
New York, wo er als Verfolgter und Staa-
tenloser ankommt. Die Amerikaner zie-
hen ihn umgehend zur Armee ein. So
kommt er als amerikanischer Besat-
zungssoldat abermals nach Deutschland
und wird in Frankfurt stationiert. We-
nigstens kann er jetzt seine Mutter in
Köln besuchen. Mit seiner Ausmusterung
und der darauffolgenden Einbürgerung
in die USA kehrt er nach New York zu-
rück und holt die schöne Kölnerin nach,
die er aus seinen Kindertagen kennt. Die
beiden lassen sich in Colorado nieder,
denn hier erinnern ihn die Berge an die
Schweiz. An Deutschland will er nicht
denken, geschweige denn über die Ver-
gangenheit reden.
A
nstoß für die Recherchen
über eine Familienge-
schichte, von der er kaum
etwas weiß, ist für Ralph
Stern ein Leitz-Ordner, den
seine Großmutter, die Witwe von Philipp
Stern, in den Sechzigerjahren zusam-
mengestellt hat. „Für Ralph, damit er die
traurige Geschichte seiner Familie ken-
nenlernen kann“ steht auf dem Deck-
blatt. Darin ist die Rede von 32 Familien-
mitgliedern, die von den Nazis ermordet
wurden, aber Emilie Stern hat leider kei-
nen einzigen Namen notiert. Dazu sind
die Briefe und Postkarten eingeheftet, die
ihr Sohn August aus dem Schweizer In-
ternat an sie geschrieben hatte.
Ralph Stern nimmt den Faden auf.
„Als ich 1993 nach Berlin kam, hatte ich
ein paar Anhaltspunkte, Fragmente. Eine
Freundin arbeitete bei einer Bank in
Hamburg, ihr habe ich die Geschichte der
Stern-Bank erzählt. Sie hat sich sofort
drangemacht, denn sie wusste, wie man
Ein reiner und unbefeckter Gottesdienst vor Gott,
dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer
Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefeckt erhalten.
Jakobus 1,27
† 13. August 2023
Heidelberg
In Liebe und Trauer
Takis Stamatiadis
Sara Smidt Bill
Feuilleton
Porträt des jüdischen Geschäftsmannes Süßkind Stern von 1671
Auf der Suche
nach der
verlorenen Familie
Der amerikanische Architekt Ralph Stern spürt der Geschichte
seiner jüdischen Vorfahren in Deutschland nach –
und stößt auf rational Unerklärliches.
Von Margit Miosga
eine derartige Suche angehen muss. Die tion 1944.“ Der Name auf der zehn mal
Banken haben gleich abgeblockt, sie sag- zehn Zentimeter großen Messingplatte,
ten, da ist etwas ausbezahlt worden, die die auf dem eigentlichen Stolperstein
Akten sind nicht zugänglich, wir haben sitzt, ist falsch geschrieben. Der Stein
weiter nichts zu sagen. Schluss aus. Auch wird neu gefertigt. Wo kommen die Stol-
das NS-Dokumentationszentrum in Köln persteine mit orthographischen Fehlern
hätte helfen können, blockierte aber mei- hin? Der Arbeiter, der den neuen Stein
ne Anfrage. Mir wurde empfohlen, einen verlegt, drückt ihn Ralph Stern in die
Rechtsanwalt einzuschalten. Da ich ganz Hand. Jetzt heißt es richtig: Hier wohnte/
neu in Deutschland war, wollte ich nicht arbeitete Philipp Joseph Stern I JG 1876 I
gleich einen Rechtsstreit beginnen und Flucht in den Tod vor Deportation I, auf-
die Stadt Köln verklagen . . .“ gefunden am 23.3.1944. Trotz des Hol-
Der Sohn hat keinen Erfolg, wie sein perers: Für Ralph Stern sind die Stolper-
Vater knapp 50 Jahren zuvor. Erst zwan- steine die berührendsten Denkmale für
zig Jahre später findet Ralph Stern im die Opfer des nazistischen Rassenwahns,
Internet einen Hinweis, dass in Köln ein des Massenmordes, sie heben die Einzel-
Stolperstein für seinen Großvater an der nen aus der überwältigenden Zahl der
Stelle verlegt worden ist, an der die Opfer hervor, nennen Namen und datie-
Stern-Bank gestanden hatte: Drususgas- ren Schicksale. Wer vor einem Stolper-
se 3. „Hier wohnte Phillip Stern (Jahr- stein steht, kann sich einen Menschen
gang 1876) Selbstmord vor der Deporta- imaginieren.
IN MEMORIAM
Dr. rer. pol. Götz Birken-Bertsch
1936 – 2018
In Liebe und Dankbarkeit
Seine Familie
In stiller Erinnerung
„Lebenswege“, das Trauerportal der F.A.Z., bietet
Hinterbliebenen Raum, ihrem Schmerz angemessen
Ausdruck zu verleihen.
Mehr erfahren Sie unter lebenswege.faz.net
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
A
Foto Jüdisches Museum Frankfurt
Die Suche nach seiner verlorenen Fa-
milie entwickelt zunehmend eine eigene
Dynamik: „Obwohl ich nicht die geringste
Tendenz zur Esoterik habe, erlebe ich
Dinge, die über jede rationale Erklärung
hinausgehen und die mich zutiefst berüh-
ren. Ich lernte, dass in meiner unmittelba-
ren Nähe in Friedenau Verwandte von mir
gelebt haben. Meine Steglitzer Wohnung
ist fünf Fußweg-Minuten von der von Paul
Stern und seiner Familie entfernt. In dem
gegenüberliegendem Lokal habe ich jah-
relang gegessen und dabei – ohne es zu
wissen – auf die Wohnung meiner Ver-
wandten geschaut.“ Verwandte, von deren
Existenz er keine Ahnung hat. Immer
neue Namen, Personen, Adressen tauchen
auf, das Muster der Familienbande wird
kleinteiliger, das Netz auf der Landkarte
dichter. Er stößt beispielsweise auf eine
Cousine Sarah in Neuseeland, sie berich-
tet bei einem Zoom-Gespräch von ihrer
Großmutter Dora Stern, die immer, wenn
sie von Deutschland sprach, angefangen
habe zu weinen. Dora ist eine der beiden
Töchter von Paul Stern.
Und dann ist da die Cousine Susan in
den USA, die beim ersten virtuellen Kon-
takt mit Ralph Stern angesichts seiner
Kindheitserinnerungen ausrief: „I
thought only my childhood was fucked
up!“, um sofort über den spontanen Aus-
bruch zu erschrecken. Erst im Alter von
16 Jahren hat sie erfahren, dass ihre El-
tern jüdisch sind. Der Vater, Gerd Ehrlich,
ein Cousin von Ralphs Vater, hatte als „U-
Boot“, als Illegaler in Berlin, überlebt, bis
er gerade noch rechtzeitig in die Schweiz
entkommen konnte. Er war mit Felice
Schragenheim befreundet, dem Vorbild
für die Figur der Jaguar in der Liebesge-
schichte „Aimée & Jaguar“. Die Autorin
Erica Fischer verarbeitet die wahre Ge-
schichte; das Buch, 1994 erschienen, ist
ein großer Erfolg. Im Archiv des Jüdi-
schen Museums in Berlin befindet sich die
Aktentasche samt Inhalt, mit der Gerd
Ehrlich in die Schweiz geflüchtet ist.
Noch eine merkwürdige Geschichte,
die erst in jüngster Zeit Formen ange-
nommen hat: Philipp Stern, der die Bank
in Köln bis zur „Arisierung“ geleitet hat,
ist nicht der älteste Sohn der Familie, das
ist sein Bruder August Stern. Der wollte
offenbar nicht ins Bankgeschäft einstei-
gen, ihn interessierte die Welt der Pflan-
zen, er schrieb sich an der Universität
Leipzig für Biologie ein. Als Privatdozent
gründete er dort 1921 die „August-Stern-
Stiftung für Habilitanden“. Im Studium
hatte er sich in eine Kommilitonin ver-
liebt, Ella Mitscherlich, die Tochter des
Chemikers Alexander Mitscherlich. Das
Paar heiratet, bekommt Kinder und gibt
einer Tochter den exotischen Namen Mi-
tella Johanna. Die Pflanze Mitella, auch
Bischofskappe genannt, gehört zur Fami-
lie der Steinbrechergewächse. Mitella
flüchtet aus Deutschland über Kuba nach
New York, sie ändert ihren Namen und
bricht den Kontakt zur Familie ab. Puz-
zleteile einer im Nationalsozialismus zer-
schlagenen Familie.
Der historische Teil der Geschichte
kulminiert in einem ungewöhnlichen
Bild, einem Ölporträt von Süßkind Stern
aus dem Jahr 1671. Es ist das erste reprä-
sentative Porträt eines jüdischen Ge-
schäftsmannes in Deutschland, es hängt
heute im Jüdischen Museum von Frank-
furt am Main. Ein anderer Verwandter
von Ralph Stern, der als Häftling die
Konzentrationslager Sachsenhausen und
Dachau überlebt, kehrte 1945 als ameri-
kanischer Soldat nach Deutschland zu-
rück. Er stürzte sich bis zu seinem Tod in
die Recherche nach verschollenen, ge-
stohlenen, verschwundenen Belegen und
Besitztümern der Familie. Er fand auch
das Porträt und sorgte dafür, dass es ins
Museum kam.
uf Nachfrage, was man
über die Provenienz des
Bildes berichten könne und
wo es in der NS-Zeit ver-
steckt gewesen sei, habe es
als Reaktion ein Schulterzucken gegeben,
berichtet Ralph Stern. Man sei froh, es zu
haben, habe die Auskunft gelautet. Und:
„Wir zeigen es, weil Anne Frank, die be-
rühmte Anne Frank, eine Nachfahrin
ist.“ In ihrem Tagebuch schreibt sie auch
über ihre Großmutter Alice Frank, gebo-
rene Stern, sie kann 1933 in die Schweiz
emigrieren.
Die Vorfahren der Familie Stern waren
von Bingen am Rhein nach Frankfurt ge-
zogen. In einem historischen Dokument
wird besagter Süßkind Stern als Bäcker
aufgeführt. Ist er derjenige, der Matze, die
dünnen ungesäuerten Brotfladen, produ-
ziert? Dann hat er gute Beziehungen zu
Bauern, die ihm ihr Getreide verkaufen.
Wahrscheinlich gibt es deswegen eine
Fortsetzung in Soest. In der damals preußi-
schen Stadt wird Jakob Stern, der jüngste
Sohn von Süßkind Stern, 1705 als Schutz-
jude von König Friedrich I. privilegiert, um
vermutlich dessen altpreußisches Infante-
rieregiment Nr. 9 mit Brot zu versorgen. Er
verdient gut, kauft in der Thomästraße 22
ein Fachwerkhaus und richtet zu ebener
Erde eine Betstube ein. Das Gebäude
übersteht alle Attacken auf jüdischen Be-
sitz, es ist weder niedergebrannt noch ent-
eignet worden. Bis in die Siebzigerjahre
des 20. Jahrhunderts hinein bewohnt es
ein Mitglied der Familie Stern, der Sohn
der späteren Käuferin lässt es grundlegend
und fachgerecht renovieren.
Ralph Stern reist nach Soest, fotogra-
fiert das Haus und besucht das Stadtarchiv.
Er macht die Erfahrung, dass man dort nur
an den Archivalien interessiert ist. Zu Fra-
gen wie jenen, warum Jakob Stern ausge-
rechnet aus Frankfurt nach Soest gekom-
men ist, warum das Haus die Zeitläufte
überdauert hat und aus welchem Grund
Jakob Stern den Status eines Soester
Schutzjuden erhalten hat, hat ein Archiv
keine Antworten parat. „„Ich habe gelernt,
wie Wissen in Deutschland verwaltet
wird“, berichtet Ralph Stern. Er habe eine
interessante Diskussion mit der Archiva-
rin in Soest über ihre Arbeitsweise gehabt.
Sie kümmere sich nur um die Archivalien,
die Bestände zu ihrem Thema, aber das
Schreiben der Geschichte überlasse sie
Wissenschaftlern. „Es existiert eine Tren-
nung des Wissens. Archivare interessieren
sich für ihr Forschungsfeld, aber nicht für
das Nebenan, den Kontext.“
Erst in den vergangenen Jahren hat sich
daran laut Stern etwas geändert, Verbin-
dungen würden leichter hergestellt. Hilf-
reich sei etwa, dass das NS-Dokumenta-
tionszentrum der Stadt Köln einen
Genealogen beschäftige. Aaron Knapp-
stein recherchiert jüdische Familienge-
schichten, führt Interessierte durch das
Zentrum, ist in der Orthodoxen und der
Liberalen Gemeinde aktiv und Vorsitzen-
der des jüdischen Karnevalvereins Statt-
Garde Colonia Ahoj. „90 Prozent von
dem, was ich weiß, habe ich entweder di-
rekt oder indirekt von Aaron“, sagt Ralph
Stern. „Es ist schade, dass es ihn oder
einen vergleichbar kompetenten Mitarbei-
ter vor 25 Jahren noch nicht am Doku-
mentationszentrum gab, denn damals wä-
ren noch viele Zeitzeugen am Leben
gewesen. Alles ist mittlerweile historisch.
Was ich bis jetzt herausgefunden habe,
sind verstreute Informationen, Hinweise,
Belege. Die Geschichte meiner Familie se-
he ich in groben Umrissen, aber ich habe
noch kein ganzes Bild.“
Ralph Stern lehrt inzwischen in Kanada
Architektur, seine Forschungssemester
verbringt er häufig in Berlin, er wohnt
dann wieder um die Ecke von jenem Haus,
in dem Dora und ihr Vater Paul Stern einst
lebten. Er geht nach wie vor allen Hinwei-
sen auf unbekannte Verwandte und verlo-
ren gegangene Bilder nach, aber zuneh-
mend fragt er sich: „Was mache ich mit
dem Ganzen? Es wäre Material für eine
Doktorarbeit, oder – weniger wissen-
schaftlich – für eine jüdische Familienge-
schichte, auch einen Roman.“
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
„Equal Pay“
für Birte Meier
ZDF zahlt Journalistin
eine Entschädigung
Die Journalistin Birte Meier und das
ZDF haben ihren Rechtsstreit über
eine finanzielle Entschädigung für
Lohnungerechtigkeit beendet. Am
Dienstagmorgen schrieb Meier auf X
(vormals Twitter): „Finally. Acht Jah-
re später: Das ZDF hat überwiesen.
Bin sehr froh, dass das Klagen nun ein
Ende hat.“ Der öffentlich-rechtliche
Sender zahlt der langjährigen Mit-
arbeiterin des Magazins „Frontal 21“
eine nicht näher bekannte Summe,
mit dem Vergleich ist der vor dem
Arbeitsgericht Berlin anhängige Pro-
zess erledigt.
Als sogenannte „feste-freie“ Mit-
arbeiterin hatte Meier über Jahre hin-
weg einen hohen dreistelligen Betrag
im Monat weniger verdient als ihre
männlichen Kollegen in vergleichba-
rer Position. In einem Grundsatzurteil
des Bundesarbeitsgerichts hatte Meier
2020 erstritten, dass das Entgelttrans-
parenzgesetz auch für die Auskunfts-
ansprüche freier Mitarbeiter gilt. Das
Beispiel der heute 52 Jahre alten TV-
Journalistin machte anderen Kläge-
rinnen Mut: Im Februar entschieden
die Erfurter Bundesrichter in einem
Folgeurteil, dass nicht vom „Equal
Pay“-Grundsatz abgewichen werden
darf, wenn ein männlicher Kollege ein
höheres Gehalt fordert und der
Arbeitgeber nachgibt.
Eine Sprecherin des ZDF wollte
sich auf Anfrage der F.A.Z. nicht über
den Rechtsstreit und die frühere Mit-
arbeiterin äußern. Meier hat ihrer Re-
daktion auf dem Mainzer Lerchenberg
im Oktober 2022 den Rücken gekehrt
und ist seitdem als Chefreporterin In-
vestigativ für RTL News tätig. „Gut,
dass Birte Meier dieses Kapitel end-
lich abschließen kann“, sagt Sarah
Lincoln von der Gesellschaft für Frei-
heitsrechte (GFF), die die Klägerin
jahrelang durch die Instanzen unter-
stützt hat. Es bleibe jedoch ein Skan-
dal, dass sie so viele Jahre habe kämp-
fen müssen, um endlich Geld zu
sehen. „Mit ihrer Hartnäckigkeit
konnte sie viel für Frauen in Deutsch-
land erreichen“, sagt Lincoln und ver-
weist darauf, dass es künftige Kläge-
rinnen wesentlich leichter hätten,
gleiche Bezahlung einzufordern. Nach
jüngsten Angaben des Statistischen
Bundesamtes beträgt der Abstand von
Birte Meier Foto RTL/Andreas Friese
Frauen und Männern beim durch-
schnittlichen Bruttostundenlohn zur-
zeit 18 Prozent (unbereinigter Gen-
der-Pay-Gap) – im EU-Vergleich liegt
Deutschland damit auf einem der hin-
teren Plätze.
Bis zum Frühjahr 2023 hatte sich
Meier nicht zu dem Verfahren geäu-
ßert. Dann veröffentlichte sie ihre
Recherchen zu Lohnungleichheiten
von Frauen und Männern in zahlrei-
chen Berufsgruppen in Buchform: In
„Equal Pay Now!“ prangert sie den
„knallharten Lohnraub“ an Frauen
an (F.A.Z. vom 4. April). Öffentlich
wurde damit auch eine Schweige-
klausel des ZDF, die Meier im Juni
2022 ausgeschlagen hatte. Der Sen-
der hatte ihr 110.000 Euro und vier
bezahlte Monate Urlaub angeboten,
sollte sie ihre Vorwürfe nicht weiter
öffentlich erheben. MARCUS JUNG
Katzenvideos
DJV findet Urteil dubios
Der Deutsche Journalisten-Verband
(DJV) hält es für „befremdlich“, dass
das Verwaltungsgericht Minden einen
Youtuber mit professionellen Journa-
listen gleichstellt. Das Gericht hat
dergestalt, wie hier gestern berichtet,
entschieden (Az. 1 L 729/23) und be-
stimmt, dass einem Youtuber, wenn er
mit Videoausrüstung auftaucht, bei
Gericht derselbe Zugang zur „Bericht-
erstattung“ zusteht wie Journalisten.
Diese Entscheidung nennt der DJV-
Bundesvorsitzende Frank Überall
„verhaltensoriginell“ und fern der
notwendigen Kenntnis sozialer Netz-
werke und etablierter Medien: „Wie
will man“, fragt Überall, „eigentlich
noch journalistische Angebote von
lustigen Katzenvideos und anderem
Klamauk unterscheiden?“ F.A.Z.
Sonntagsblatt von Rechtsaußen
In Frankreich hat der
Industrielle Vincent
Bolloré dem „Journal
du Dimanche“ einen
rechtsgerichteten
Chefredakteur verpasst.
Die Redaktion geht.
Und der Neue legt einen
Fehlstart hin.
Von Jürg Altwegg, Genf
A
m Sonntag erscheinen in
Frankreich die Sportzeitung
„L’Equipe“, verschiedene Re-
gionalzeitungen und das Bou-
levardblatt „Le Parisien“ – allesamt Werk-
tageszeitungen, deren Magazine am
Freitag oder Samstag beigelegt werden.
Die einzige echte Sonntagszeitung ist
eine, die den Sport vom Samstagabend
auch dabeihat: das „JDD“ genannte „Jour-
nal du Dimanche“. Seit Anfang August
hat dieses Blatt nicht nur einen neuen,
extrem rechten Chefredakteur, sondern
eine Redaktion gleichgesinnter Journalis-
ten. Die alte Belegschaft ist nämlich weg.
Vierzig Tage lang hatten die bisherigen
Redakteure gegen die Ernennung von
Geoffroy Lejeune zum Chefredakteur ge-
streikt. Bei der rechtsgerichteten Wochen-
schrift „Valeurs Actuelles“ war er als Chef
wegen der sinkenden Auflage entlassen
worden. Umgehend holte ihn der Indus-
trielle Vincent Bolloré an die Spitze seines
JDD und vollzog dort, was er schon bei der
Übernahme der Radiostation Europe 1
und des Nachrichtensender C-News exer-
ziert hatte: die streikenden Redaktionen
wurden ausgewechselt. C-News machte
Bolloré sodann zur Plattform der Präsi-
dentschaftskandidatur des ebenfalls ex-
trem rechts gesinnten Journalisten und
Politikers Éric Zemmour. Die Idee für die-
sen politischen Ausritt hatte Lejeune 2015
in die Welt gesetzt. Er schrieb damals
einen Roman über sein Idol, einen Journa-
listen des „Figaro“, der damals noch keine
politischen Ambitionen hegte: „Zemmour
Président“. So schloss und schließt sich ein
Kreis. Der stockkonservative Katholik und
Medienzar Bolloré glaubt offensichtlich
auch nach Zemmours Scheitern bei der
Wahl an Lejeunes Fiktion. Und so berief
Bolloré ihn ohne Rücksicht auf Verluste
als Chefredakteur seiner Sonntagszeitung.
Vor dem Streik der Redaktion, der da-
raufhin eingesetzt hatte, war JDD am 18.
Juni mit einer Titelgeschichte über Mari-
ne Le Pen erschienen: „Was die Franzo-
sen wirklich über sie denken“, wollte das
Blatt seinen Lesern verraten. Lejeune
übernahm am 1. August. Sechs Tage da-
rauf war das JDD wieder am Kiosk, mit
halbem Umfang von 32 Seiten, was wie
eine Notausgabe aussah und kein Wun-
der war. Kein einziger Redakteur der Zei-
tung wollte unter Lejeune bleiben, alle
haben gekündigt.
Unter solch schwierigen Bedingungen
legte Lejeune prompt einen kapitalen
Fehlstart hin. Das JDD veröffentlichte
einen „Offenen Brief der Angehörigen
„Die Zeit der Sonnenkönigin ist vorbei“
Berlin und Brandenburg einigen sich auf einen neuen Staatsvertrag für den RBB und sorgen für klare Verhältnisse
Gut ein Jahr nach dem Bekanntwerden
der Misswirtschaft, des Beitragsmiss-
brauchs und mangelnder Kontrolle im
Rundfunk Berlin-Brandenburg wird der
gesetzliche Rahmen der Zweiländeranstalt
neu abgesteckt. Berlin und Brandenburg
haben sich auf einen neuen Staatsvertrag
für den Sender verständigt.
Sollte der vorliegende Entwurf ohne we-
sentliche Änderungen die beiden Landes-
parlamente passieren und im ersten Quar-
tal 2024 in Kraft treten, wird es das am
weitesten gehende Regelwerk für den öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunk sein. Kern
der Novellierung sind eine bessere Kont-
rolle durch Verwaltungsrat und Rundfunk-
rat sowie durch die Rechnungshöfe, eine
höhere Wirtschaftlichkeit, ein wirksames
Compliance-System und größere Transpa-
renz. Das jetzt von beiden Landesregierun-
gen erarbeitete Papier greift auch Vor-
schläge der Landesrechnungshöfe auf, die
diese nach umfangreichen Prüfungen des
RBB im Juni erarbeitet hatten. Darin hat-
ten die Prüfer unter anderem selbstherrli-
che Entscheidungen, eine Verschwendung
von Beitragsmitteln und ungerechtfertigte
Gehaltsstrukturen kritisiert. „Der RBB hat
lange über seine Verhältnisse gelebt“, stell-
te Berlins Rechnungshofspräsidentin Ka-
rin Klingen fest. Sehenden Auges habe
sich der Sender seit Beginn des Prüfungs-
zeitraums 2017 „zusätzliche Ausgaben ge-
leistet“, ohne dass dem ausreichende Ein-
nahmen gegenübergestanden hätten.
Dem soll nun ein Riegel vorgeschoben
werden. Wie der Chef der Berliner Senats-
kanzlei, Florian Graf (CDU), und der
Brandenburger Medienstaatssekretär,
Benjamin Grimm (SPD), bei der Erläute-
rung des Entwurfs sagten, habe es bei den
Verhandlungen keine Tabus gegeben. Al-
lerdings sei bei allen vorgeschlagenen Än-
derungen auch das verfassungsrechtliche
Gebot der Staatsferne beachtet worden.
Medien
Kein gelungener Einstand: Die erste Ausgabe des „Journal du Dimanche“, für
die der neue Chef Geoffroy Lejeune verantwortlich zeichnet.
von Opfern an den Präsidenten“. Aufge-
hängt ist die Geschichte an dem Tod eines
16 Jahren alten Jugendlichen namens En-
zo, der in der Normandie bei einem Mes-
serangriff ums Leben kam. Zu sehen wa-
ren Familienangehörige in weißen Shirts,
auf die das Porträt eines Jungen gedruckt
ist, dem sie wünschen, er möge in Frieden
ruhen. „Nous ne sommes pas de faits di-
vers“ lautete der Titel, was soviel bedeuten
soll wie: Wir sind keine Schlagzeilen wert.
Im Blatt kritisierte eine frühere Staatsse-
kretärin, dass es in Frankreich eine „Hie-
rarchie der Opfer“ von Gewaltverbrechen
gebe, ein Anwalt plädierte für eine Justiz,
die „auf der Seite der Opfer“ stehen müsse.
Das Gruppenbild auf Seite eins hat al-
lerdings einen Haken: Es zeigt nicht die
trauernden Angehörigen des bei einem
Messerangriff getöteten Enzo, sondern
die Hinterbliebenen eines Jungen glei-
chen Namens, der bei einem Verkehrsun-
fall ums Leben kam. Die Verwechslung
kam schnell heraus. Und schließlich ent-
hüllte eine Zeitung, dass nicht die auf
dem Titel des JDD gezeigten, vermeintli-
chen Absender den Aufruf an den Staats-
präsidenten geschrieben hatten, sondern
dieser von der Journalistin Charlotte
d’Ornellas stammt.
Für seine Premiereninszenierung hatte
Lejeune sogar eine amtierende Ministerin
gewinnen können. „Die Scheckbuch-Poli-
tik ist zu Ende, sie funktioniert nicht“, pro-
klamierte die im Kabinett der Premiermi-
nisterin Élisabeth Borne für Stadtpolitik
Beim RBB sollen neue Zeiten anbrechen.
Künftig soll beim RBB an die Stelle einer
Intendantin oder eines Intendanten mit
den „Attributen eines absolutistischen Al-
leinherrschers“ ein Direktorium treten, zu
dem neben der Intendantin oder dem In-
tendanten zwei Direktoren gehören. Die-
ses Kollegialorgan soll alle wesentlichen
Entscheidungen gemeinsam treffen. Dazu
gehört die Aufstellung des Wirtschafts-
plans, des Jahresabschlusses und der mit-
telfristigen Finanzplanung. Es gelte künf-
tig nicht nur das Vieraugenprinzip,
sondern einvernehmliche Beratung und
Verantwortung bei wichtigen Themen, sag-
te Grimm. Die Gesamtverantwortung trägt
aber weiterhin die Intendantin oder der In-
tendant. Deren Gehalt soll sich an der Be-
soldungsgruppe B 11 für Berliner Senato-
ren orientieren und bei zirka 180.000 bis
200.000 Euro jährlich liegen. Die genaue
Höhe muss der Verwaltungsrat festlegen.
Die ehemalige Intendantin Patricia
Schlesinger hatte inklusive Zulagen rund
350.000 Euro pro Jahr kassiert. Auch die
anderen außertariflichen Einkünfte sollen
dementsprechend reduziert werden. Zu-
sätzliche Vergütungen wie bisher, zum Bei-
spiel ein Altersruhegeld, wird es nicht
mehr geben. „Der Rundfunk Berlin-Bran-
Foto EPA
zuständige Ministerin Sabrina Agresti-
Roubache, im Rückblick auf die Krawalle,
die Frankreich in diesem Sommer erschüt-
tert haben. Einen hämischen Artikel ver-
öffentlichte das JDD über den von Rechts-
außen gehassten, von Macron entlassenen
schwarzen Unterrichtsminister Pap
Ndiaye. Seinem Nachfolger sagte der Phi-
losoph Luc Ferry im JDD, wie er die Schu-
le reformieren müsse. Ausführlich lässt
der neue Chefredakteur des JDD, Lejeune,
die notorischen Stars der Bolloré-Sender
zu Wort kommen, ihre Konterfeis überra-
gen das Format ihrer Texte, in denen sie
mit linken Journalisten abrechnen und de-
ren ideologische Ausfälle rezitieren.
Interessanter sind im JDD die Berichte
über Bäckereien, die wegen der hohen
Strompreise streiken, oder über die Ka-
tholischen Weltjugendtage. Die Titelge-
schichte der zweiten Ausgabe war dem
Unbehagen der Polizei nach den Krawal-
len gewidmet. In der Woche danach wur-
de der Armee und dem während einer
Wanderung verstorbenen Jean-Louis
Georgelin ein Denkmal errichtet. Ihn hat-
te Macron mit dem Wiederaufbau der ab-
gebrannten Kathedrale beauftragt: „No-
tre-Dame verliert ihren General.“
Am vergangenen Sonntag nun erwei-
terte das JDD seinen Umfang von 32 auf
52 Seiten. Titelthema war die Schule. Ma-
crons neuer Minister wird als Hoffnungs-
träger gefeiert. Das Freihandelsabkom-
men mit der Ukraine, die monatlich
25.000 Tonnen Geflügelfleisch nach
Foto dpa
denburg sollte das Ziel verfolgen, bei der
Besetzung von Führungspositionen Bewer-
berinnen und Bewerber mit biografischen
Bezügen zu den Ländern Berlin und Bran-
denburg, speziell Personen mit ostdeut-
scher Biografie, bevorzugt zu berücksichti-
gen“, heißt es im Staatsvertragsentwurf.
Künftig müssen sämtliche Stellen ausge-
schrieben werden. In die Tarifhoheit für die
Mitarbeiter wollten die Länder allerdings
nicht eingreifen und somit hier auch keine
Lohnobergrenzen festlegen, sagte Graf.
Ein weiteres Novum bei einem Staats-
vertrag für einen öffentlich-rechtlichen
Sender ist die geplante Aufwertung des
Verwaltungsrats. Er soll nicht mehr ehren-
amtlich geführt werden, sondern als aus-
gewiesenes Expertengremium, dessen Tä-
tigkeit angemessen vergütet wird. Daraus
ergebe sich, so Graf, auch eine Haftungs-
pflicht bei falschen Entscheidungen, ähn-
lich dem Aktienrecht.
Breiten Raum räumt der Staatsvertrags-
entwurf einer Veränderung des Auftrags für
das dritte Programm und die RBB-Hörfunk-
angebote ein. „Wenn es uns nicht gelingt,
alle Altersgruppen mit regionalen Themen
zu erreichen, die sie interessieren, wird bald
keiner mehr den RBB sehen oder hören“,
M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 1 3
Europa exportiert, bedrohe die französi-
sche Landwirtschaft, meint das JDD. Es
geht um den Tod von Jewgenij Prigoschin
(„Wagners Götterdämmerung“ und den
Absturz der russischen Mondsonde Luna
(„Der Krieg wird auch im All verloren“).
Paris, lesen wir, wolle zwischen Arme-
nien und Aserbaidschan vermitteln –
aber dafür müsse man mit Putin verhan-
deln. Jean-Thomas Lesueur vom Institut
Thomas More kritisiert die „gemeinsame
Migrationspolitik von Macron und
Scholz“ und nennt deren „europäische
Lösung“ für die Zuwanderung eine „Fik-
tion“. Auf der Meinungsseite kommen
Stimmen zu Wort, die man bisher in der
Öffentlichkeit nicht hörte.
„Requiem für Enzo“ ist eine Rezension
im Feuilleton überschrieben. Besprochen
wird ein „schonungsloser“ Emanzipa-
tionsroman über die Auswirkungen der
Einwanderung „auf die von den Eliten
verkaufte Mittelschicht“, das sei die „Sen-
sation des literarischen Herbsts“. Der
Held des Romans spricht vor seiner
Selbstverbrennung das Vaterunser. Das
Buch erscheint in einem Bolloré-Verlag.
Auch hier geht es also um einen Jungen
mit dem Namen Enzo, und das gibt dem
„Journal du Dimanche“ die Gelegenheit,
die journalistische Sünde der ersten Aus-
gabe unter Lejeune verklausuliert zu
beichten: „Er hätte auf der Liste des offe-
nen Briefs stehen können“, heißt es da,
denn auch dieser Enzo zähle zu den „na-
menlosen Opfern, deren Trauer Charlot-
te d’Ornellas beschrieben hat“.
Das neue JDD beweist so zumindest
ein wenig Selbstironie. Es ist kein brau-
nes Kampf- und fremdenfeindliches, ras-
sistisches Hetzblatt. Doch es frönt den
Themen und Obsessionen der populisti-
schen und extremen Rechten. Für Politi-
ker und Beobachter könnte es zur Pflicht-
lektüre werden, um zu beobachten, was
sich auf dieser Seite des politischen
Spektrums tut. Zur anregenden sonntäg-
lichen Lektüre würde das neue JDD frei-
lich erst, wenn es auf Inszenierungen wie
in Lejeunes erster Ausgabe verzichtete
und den immer wieder beschworenen
Pluralismus der Meinungen im eigenen
Blatt zum Ausdruck brächte.
Die Machtübernahme beim „Journal
du Dimanche“ bleibt indes eine Schande:
Ein Milliardär kauft eine bestens einge-
führte, traditionsreiche Zeitung, verord-
net ihr eine radikal andere Ausrichtung,
die Redaktion tritt geschlossen ab, ein
neuer Chef tritt an. Als Reaktion auf Bol-
lorés Übernahme des JDD hat Emmanuel
Macron angekündigt, die französische
Medienlandschaft gesetzlich neu zu ord-
nen. Zunächst soll es um die Presseförde-
rung und das Steuersystem gehen. Ohne
staatliche Subventionen kommen viele
Zeitungen und Magazine nicht über die
Runden. Beherrscht wird die Branche –
Buchverlage inklusive – von einem Dut-
zend branchenfremder Milliardäre. Nicht
allen geht es wie Bolloré um politische
Einflussnahme. Aber alle können die
Verluste ihrer Medienhäuser mit den Ge-
winnen ihrer übrigen Unternehmen ver-
rechnen – und von der Steuer absetzen
Ohne dieses System hätte es manche
Übernahme nicht gegeben. Rodolphe
Saadé, Milliardär und Reeder in Marseille
(CMA CGM), hat für Anfang Oktober
den nächsten Mediencoup angekündigt:
eine neue Sonntagszeitung.
sagte Grimm. So soll es ein 60-minütiges re-
gionales TV-Angebot für Berlin und Bran-
denburg geben, und die Ressourcen müssen
angemessen auf beide Länder verteilt wer-
den. Die Zweiländeranstalt soll nicht länger
der „Hauptstadtsender“ sein, wie es einst
Patricia Schlesinger postuliert hatte. Des-
halb entsteht auch in Brandenburg an der
Havel ein weiteres Regionalbüro.
Zudem sind für den Hörfunk Verände-
rungen geplant. Für drei Programme be-
steht nun die Möglichkeit, diese nur noch
im Internet auszustrahlen, wenn der Rund-
funkrat dem zustimmt. Die Werbung wird
mit Rücksicht auf private Medien werktäg-
lich auf 90 Minuten gesenkt und darf nicht
mehr lokal und regional ausgerichtet sein.
Durch die Neuordnung des Auftrags ent-
stünden keine Mehrkosten, im Gegenteil
werde die Wirtschaftlichkeit erhöht, pro-
phezeit Graf.
Berlin und Brandenburg halten Refor-
men beim RBB für dringend erforderlich,
das machten die Ausführungen der beiden
Staatssekretäre deutlich. „Wir wollten
nicht noch mehr Zeit verlieren und hielten
es für richtig, jetzt die Veränderungen vor-
zunehmen“, sagt der Brandenburger Me-
dienstaatssekretär Grimm: „Andere Län-
der werden uns folgen.“
Betrachtet man sich die Skandalge-
schichte des RBB, die Empörung in der Öf-
fentlichkeit und die sich daraus ergebenden
notwendigen Konsequenzen durch den
neuen Staatsvertrag, wird verständlich, wa-
rum sich der Regierende Bürgermeister
Berlins, Kai Wegner, und der Ministerprä-
sident Brandenburgs, Dietmar Woidke,
gegen eine mögliche Erhöhung des Rund-
funkbeitrags von 2025 an aussprechen. Im
Rückblick auf die Amtszeit der fristlos ge-
kündigten Intendantin Patricia Schlesinger
sagt der Brandenburger Staatssekretär
Grimm: „Die Zeit der Sonnenkönigin beim
RBB ist vorbei.“ HELMUT HARTUNG
Was wird aus
der Musik?
ARD kürzt Zuschuss zu
eigenem Wettbewerb
Der Deutsche Musikrat fordert die
ARD auf, die Fortführung des ARD-
Musikwettbewerbs durch eine ange-
messene und dauerhafte Finanzie-
rung zu gewährleisten. Die ange-
kündigte Halbierung der ARD-Um-
lage für den Wettbewerb drohe das
über sieben Jahrzehnte gewachsene
Renommee der Begegnung, durch die
junge Spitzenmusiker nachhaltig ge-
fördert würden, zu verspielen, sagte
der Generalsekretär des Musikrats,
Christian Höppner, anlässlich des
72. Internationalen Musikwettbe-
werbs der ARD, der am Montag in
München begonnen hat.
Die ARD kürzt ihre Umlage für den
Wettbewerb ab 2025 von zurzeit jähr-
lich 740.000 Euro um 50 Prozent auf
dann 370.000 Euro. Die weitere Fi-
nanzierung über 2025 hinaus ist noch
ungeklärt. Der Bayerische Rundfunk
(BR), der die Veranstaltung seit 1952
federführend ausrichtet, will seinen
Beitrag erhöhen, um die Reduzierung
der ARD-Mittel zum Teil auszuglei-
chen. Zudem wolle man mehr aus
Sponsoren zugehen. Der BR taxiert
die Kosten für den Wettbewerb für
dieses und das kommende Jahr auf je-
weils eine Million Euro. Privater
Hauptsponsor ist augenblicklich die
Siemens AG mit 100.000 Euro.
Wie es von 2026 an mit dem Musik-
wettbewerb weitergeht, wollen die
Ausrichter im kommenden Frühjahr
besprechen. „2025 ist gesichert und
2026 nicht abgesagt“, sagte BR-Spre-
cher Markus Huber auf eine Frage zur
weiteren Zukunft der Veranstaltung,
die sich mit prominenten Preisträgern
schmückt, wie der 2019 verstorbenen
amerikanischen Sopranistin Jessye
Norman oder der Cellistin Sol Gabet-
ta. Einen Einschnitt wird es 2025 be-
reits geben: Die Zahl der jedes Jahr
wechselnden Fächer sinkt von vier auf
drei. Zudem müssen dem BR zufolge
drei wohl ganz aus dem Wettbewerb
gestrichen werden. Im Gespräch seien
Orgel, Gitarre und Bläserquintett,
hieß es. Die langfristige Aufstellung
des Wettbewerbs macht der BR – wie
es bei öffentlichkeitswirksamen Pro-
jekten der öffentlich-rechtlichen Sen-
der, insbesondere bei der Kultur, üb-
lich ist – von der künftigen Höhe des
Rundfunkbeitrags abhängig.
Der Musikwettbewerb findet dieses
Jahr noch bis zum 15. September in
den Fächern Harfe, Kontrabass, Kla-
viertrio und Viola statt. Die Begeg-
nung der weltweit besten Nachwuchs-
talente in München werde von der
Ankündigung der gravierenden Spar-
maßnahmen und den unsicheren Zu-
kunftsprognosen überschattet, sagte
der Generalsekretär des Musikrats,
Christian Höppner: „Die Intendantin-
nen und Intendanten brauchen end-
lich den Mut zur Prioritätensetzung –
Kultur und unabhängiger Qualitäts-
journalismus gehören zu den Kern-
aufgaben.“ dpa/epd/F.A.Z.
„Spiegel“
spielt Fußball
Verlag übernimmt
„11 Freunde“ von RTL
Der Ausverkauf von Gruner + Jahr
schreitet weiter voran. Nachdem Ma-
gazine wie „Landlust“ und „Essen &
Trinken“ veräußert worden sind, hat
RTL Deutschland nun auch die Betei-
ligung an dem Fußballmagazin „11
Freunde“ abgegeben. Die „Spie-
gel“-Gruppe erwirbt zu einem nicht
genannten Kaufpreis 51Prozent der
Anteile und wird damit Hauptanteils-
eigner des monatlich erscheinenden
„Magazins für Fußballkultur“. Weite-
re Gesellschafter sind der Heraus-
geber Matthias Hörstmann mit 33,3
Prozent und der Gründer und Chef-
redakteur des Magazins, Philipp Kös-
ter, mit 15,7 Prozent. „Gerade digita-
len Leserinnen und Lesern werden
wir in dieser herausragenden Kombi-
nation ein einmaliges Sportportfolio
bieten“, sagt der „Spiegel“-Geschäfts-
führer Stefan Ottlitz, der zweiter Ge-
schäftsführer neben Philipp Köster
wird. Kaum eine andere Marke habe
sich in den vergangenen Jahrzehnten
so um die Fußballkultur in Deutsch-
land verdient gemacht. „Wir können
anders digital wachsen als bisher und
weiter unabhängig hochwertigen
Fußballjournalismus machen“, sagt
der Chefredakteur Köster. Beim Ver-
lag Gruner + Jahr bleiben derweil nur
wenige Kernmarken übrig. Das Ma-
gazin „Beef!“, das als verkaufsträchti-
ge Marke galt, wird eingestellt. Das
rührt angeblich auch daher, dass RTL
die Zeitschrift zwar verkaufen, die
Vermarktung über den eigenen An-
zeigenvermarkter Ad Alliance aber
behalten wollte. Auf der Gruner-+-
Jahr-Verkaufsliste von RTL steht
noch das Kunstmagazin „Art“. Am
Ende besteht Gruner + Jahr nur noch
aus den Marken „Stern“, „Geo“, „Ca-
pital“, „Brigitte“ und „Gala“. henr.
SE I TE 1 4 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
Fernsehen am Mittwoch
ARD
5.00 Report München 5.30 ARD-Morgen-
magazin 9.00 Tagesschau 9.05 Live nach
Neun 9.55 Verrückt nach Meer. Im Land
der Hobbits 10.45 Meister des Alltags.
Show. Moderation: Florian Weber 11.15
Gefragt – Gejagt 12.00 Tagesschau 12.15
ARD-Buffet. Rezept: Hähnchenkeule mit
Zwetschgensauce von Jacqueline Amir-
fallah 13.00 ZDF-MiMa. Mit heute Xpress
14.00 Tagesschau 14.10 Rote Rosen. Te-
lenovela. Mit Sarah Masuch 15.00 Tages-
schau 15.10 Sturm der Liebe 16.00 Ta-
gess. 16.10 Verrückt nach Meer.
Kapitänswechsel in der Karibik 17.00 Ta-
gesschau 17.15 Brisant. Boulevardmaga-
zin 18.00 Gefragt – Gejagt 18.50 Hubert
ohne Staller 19.45 Wissen vor acht – Erde
19.50 Wetter 19.55 Wirtschaft vor acht
20.00 Tagesschau
20.15 Sag mir nichts Dt. Drama mit Ur-
sina Lardi, Ronald Zehrfeld, Sarah
Hostettler. Regie: Andreas Klei-
nert, 2016. Lena und Martin sind
glücklich in ihren jeweiligen
Ehen. Trotzdem lassen sie sich
auf einen Seitensprung ein.
21.45 Plusminus Schadstoffcocktail im
Gartenpool / Leidtragende der
Energiewende auf dem Land /
Biogasstrategie wackelt:
22.15 Tagesthemen
22.50 Allein im All – Die einsame Rei-
se zum Mars Dt./Israel. Doku-
mentarfilm. Regie: Ido Mizrahy,
Nir Saar, 2022. Einblick in die psy-
chischen Herausforderungen,
denen sich Weltraum-Crews auf
ihren Missionen stellen.
0.15 Tagesschau
0.25 Sag mir nichts Dt. Drama mit Ur-
sina Lardi, R. Zehrfeld, Sarah Hos-
tettler. Regie: A. Kleinert, 2016
1.55 Tagesschau
ZDF Neo
5.00 Eisige Welten 5.50 Tabu – Geheim-
nisvolle Orte 6.30 WIR 6.55 Die Rettungs-
flieger 7.35 Die Küchenschlacht 8.20
Stadt, Land, Lecker 9.05 Löwenzahn Clas-
sics 10.00 Duell der Gartenprofis 10.40
Bares für Rares. Show 12.30 Death in Pa-
radise 14.10 The Rookie 15.30 Death in
Paradise 17.15 The Rookie 18.35 Duell
der Gartenprofis. Show 19.20 Bares für
Rares. Show 20.15 Wilsberg. Fette Beute.
Dt. Krimi, 2022 21.45 Wilsberg. Folge mir.
Dt. Krimi, 2023 23.15 Teufel in Blau. Ame-
rik. Thriller, 1995 0.50 Die glorreichen 10
Phoenix
5.30 MoMa 9.00 vor ort 9.30 plus 10.00
vor ort 10.30 plus 11.30 phoenix plus
12.00 vor ort 12.45 phoenix runde 13.30
phoenix plus 14.00 vor ort 14.45 phoenix
plus 16.00 Tour de France – Auf Entde-
ckungsreise durch Frankreich 16.45 Kri-
tisch reisen 17.30 der tag 18.00 MDR
Zeitreise. Kinderliteratur in der DDR:
Hirsch Heinrich & Co. 18.30 Luxus in der
DDR – Wie Träume im Osten wahr wur-
den. Dokumentation 19.15 Phantasti-
scher Osten – Traumwelten in der DDR.
Dokumentation 20.00 Tagesschau 20.15
Der Galapagos-Krimi: Ein Drama unter
deutschen Aussteigern 21.00 Cold Cases.
Ungelöste Kriminalfälle der Geschichte
21.45 heute-journal. Magazin 22.15 die
runde 23.00 der tag 0.00 die runde
Pro Sieben
8.05 The Big Bang Theory 9.20 How I Met
11.35 Brooklyn Nine-Nine 13.50 Modern
Family 14.40 Die Goldbergs 15.35 The
Big Bang Theory 17.00 taff. Mag. 18.00
:newstime 18.10 Die Simpsons 19.05 Ga-
lileo. Arbeiten in luftiger Höhe – der Ge-
haltscheck 20.15 Breaking Dawn – Biss
zum Ende der Nacht – Teil 1. Amerik.
Abenteuerfilm, 2011 22.35 Breaking
Dawn – Biss zum Ende der Nacht – Teil 2.
Amerik. Fantasyfilm, 2012 0.40 Breaking
Dawn – Biss zum Ende der Nacht – Teil 1.
Amerik. Abenteuerfilm, 2011
Tele 5
5.10 Haus gesucht in Alaska 5.30 Joyce
Meyer 6.25 Infom. 7.25 Joyce Meyer 7.55
Infomercial 15.05 Babylon 5 (6) 16.10
Star Trek – Das nächste Jahrhundert
17.10 Star Trek: Enterprise (9) 18.10 Ba-
bylon 5 (7) Sci-Fi-Serie 19.05 Star Trek –
Das nächste Jh. Sci-Fi-Serie 20.15 Un-
heimliche Videos – Wahrheit oder Fake?
(6+4) 22.00 A Nightmare on Elm Street.
Amerik. Horrorfilm, 2010 0.00 Saw V.
Amerik./Kanad. Horrorfilm, 2008
KIKA
6.10 Mascha 6.20 Shaun 6.35 Sam 6.55
Die Sendung mit dem Elefanten 7.20 Der
kleine Rabe Socke 7.45 Sesamstraße 8.10
Zacki und die Zoobande 8.30 Die Biene
Maja 9.00 Anna und die wilden Tiere 9.25
Belle und Sebastian 10.00 Zoom – Der
weiße Delfin 10.50 Lassie 11.35 H2O –
Abenteuer Meerjungfrau 12.25 The Gar-
F.A.Z. Selection steht für herausragende Qualität und anspruchsvolles Design – exklusiv für F.A.Z.-Leser
gefertigt in deutschen Manufakturen und von renommierten Herstellern. Besuchen Sie unseren Online-Shop!
faz.net/selection, Info: (069) 75 91-10 10, Fax: (069) 75 91-80 82 52
Aktualisiertes und ausgewähltes Programm
ZDF
9.00 heute Xpress 9.05 Volle Kanne – Ser-
vice täglich. Gesundheitsupdate: Dr.
Christoph Specht informiert 10.30 Notruf
Hafenkante. Krimiserie. Das Greenhorn.
Mit Uwe Fellensiek 11.15 SOKO Wismar.
Krimiserie. Himmelfahrt 12.00 heute
12.10 drehscheibe 13.00 MiMa 14.00 In
Deutschland 14.15 Die Küchenschlacht
15.00 heute Xpress 15.05 Bares für Rares
16.00 In Europa 16.10 Die Rosenheim-
Cops 17.00 heute 17.10 hallo deutsch-
land 17.45 Leute heute 18.00 SOKO Wis-
mar. Gemeiner Stechapfel. Mit Udo
Kroschwald 18.54 Lotto 19.00 heute
19.20 Wetter. Magazin 19.25 Duell der
Gartenprofis. Experten: Alexandra Lehne
(Landschaftsgärtnerin), Frank Dietl (Gar-
tenbauer). Moderation: Eva Brenner
20.15 Da kommst du nie drauf! Die
große Show der schrägen Fra-
gen. Rateteam: Sonja Zietlow,
Oliver Mommsen, Sabine Hein-
rich, Bettina Zimmermann, The
BossHoss. Moderation: Johannes
B. Kerner. Zwei Rateteams spie-
len in der Quizshow in zehn Run-
den gegeneinander um den Sieg
und für einen guten Zweck.
21.45 heute journal
22.15 auslandsjournal Die Rache des
Kreml – Was steckt hinter Prigo-
schins Tod? / Mafiastaat Russ-
land – Putin und die kriminellen
Oligarchen / Wie der Kuss-Skan-
dal Spanien spaltet – Meuterei
gegen die Machos / Ägypten
zwischen Leben und Tod –
Kampf ums Nil-Wasser
22.45 Die Spur Drogen für Europa –
Kokain-Mafia gegen Staat
23.15 Markus Lanz Talkshow
Moderation: Markus Lanz
0.30 heute journal update
field Show 13.05 krass nass! Die Tigeren-
ten Club Sommerspiele (8) 13.30 logo!
13.40 Tiere bis unters Dach 14.10 Ein-
stein 15.00 Eine lausige Hexe 15.50 Las-
sie 16.35 Geronimo Stilton 17.20 The
Garfield Show 17.45 Die Muskeltiere
18.10 Feuerwehrmann Sam 18.35 Meine
Freundin Conni 18.50 Sandmann 19.00
Das Dschungelbuch 19.25 Pia 19.50 lo-
go! Magazin 20.00 KiKA Live. Magazin
20.10 Die Erben der Nacht. Serie
Hessen
5.05 Max & Maestro 5.45 Rote Rosen 6.35
Sturm der Liebe 7.25 Alle mal herhören
7.45 Die Klangkiste – Ein Orchester stellt
sich vor 7.55 Maintower 8.20 hessen-
schau 8.50 Die Ratgeber 9.20 1923! Der
lange Schatten der Inflation 10.05 Meine
Traumreise in die Normandie: Auszeit als
Austernbauer 10.35 Galapagos (2) 11.20
Giraffe & Co. 12.10 Wer weiß denn so-
was? 12.55 Morden im Norden 13.40
WaPo Berlin (6) 14.30 Eine Sennerin zum
Verlieben. Dt. Heimatfilm, 2010 16.00
hallo h. 16.45 hessenschau 17.00 hallo
hessen 17.45 hessenschau 18.00 Main-
tower 18.25 Brisant 18.45 Die Ratgeber
19.15 alle wetter 19.30 hessenschau
20.00 Tagess. 20.15 mex. das marktma-
gazin 21.00 Mittendrin 21.45 Auf den
Spuren des Bösen – Der Mörder von Ja-
kub Fiszman (3/3) 22.15 hessenschau.
Magazin 22.30 Vorstadtweiber 23.20 Ein-
fach Liebe – Kinder und andere Proble-
me (6) 0.05 Unternehmen Rentnerkom-
mune (5) Serie 0.30 Eine Sennerin zum
Verlieben. Dt. Heimatfilm, 2010
NDR
5.15 DAS! 6.00 Sesamstraße 6.20 mareTV
kompakt 6.35 Traumhäuser von Innen
7.20 Rote Rosen 8.10 Sturm der Liebe
9.00 Nordmag. 9.30 H.-Journal 10.00 SH-
Magazin 10.30 buten un binnen 11.00
Hallo Nieders. 11.30 Park in den Wolken –
Ein Bunker wird grün 12.00 Brisant 12.25
In aller Fr. 13.10 In aller Fr. – Die jungen
Ärzte 14.00 NDR Info 14.10 WaPo Boden-
see 15.00 Brause, Bier und bunte Büd-
chen – Kioskmetropole Hannover 16.00
NDR Info 16.15 Wer weiß denn sowas?
17.00 NDR Info 17.10 Seehund & Co.
18.00 Regional 18.15 Campen auf Sylt –
Watt statt Sand. Reportage 18.45 DAS!
Norddeutschland und die Welt 19.30 Re-
gional 20.00 Tagesschau 20.15 Die Alpen
21.00 Meyer-Burckhardts Zeitreisen
21.45 NDR Info 22.00 extra 3 22.45 Strä-
ter – Schnee, der auf Ceran fällt 23.30
Zapp 0.00 extra 3 0.45 Traumhäuser von
Innen 1.30 Panorama 3. Magazin
RBB
5.00 rbb24 Brandenburg aktuell 5.30
rbb24 Abendschau 6.00 Guten Morgen
Berlin 8.00 rbb24 Brandenburg aktuell
8.30 rbb24 Abendschau 9.00 In aller Fr.
10.30 In aller Fr. – Die jungen Ärzte 11.20
Leopard, Seebär & Co. (3) 12.10 Haupt-
stadtrevier 13.00 rbb24 13.10 Trecker-
fahrer dürfen das! 13.40 Hauptstadtre-
vier 14.30 Alle Sehnsucht dieser Erde. Dt.
ARTE
7.25 Stadt Land Kunst. Magazin 9.00
Rendezvous mit einem Kometen: Missi-
on Rosetta. Franz. Dokumentarfilm, 2017
10.30 Marokko: Die Nomaden des Hohen
Atlas 12.05 Invasion der Riesenkrabbe –
Norwegens monströse Delikatesse 12.40
Stadt Land Kunst. Magazin 14.15 Kick It
Like Beckham. Engl./Dt./Amerik. Komö-
die mit Parminder Nagra. Regie: Gurinder
Chadha, 2002 16.00 Vermisst – Wo sind
die Vögel? Dokumentation 16.55 Sanfte
Berge, wilde Moore – Das Alpenvorland
17.50 Bären wie wir (1/2) Lebensgrund-
lagen: Ernährung, Zuflucht, Lebensraum
18.30 Kanadas Nationalparks (3/5) Wa-
terton Lakes 19.20 Journal 19.40 Woh-
nen nur für Reiche? – Kitzbühel und der
Immobilienboom (1/3) Reportage
20.15 Hitchcock Engl./Amerik. Drama
mit Anthony Hopkins, Helen Mir-
ren, Scarlett Johansson. Regie:
Sacha Gervasi, 2012. Hollywood,
1959: Alfred Hitchcock ist nicht
bereit, sich zur Ruhe zu setzten.
Der 60-Jährige will den frisch er-
schienenen Roman„Psycho“ ver-
filmen, den in Hollywood jedoch
niemand anfassen will.
21.45 Helen Mirren – Eine königliche
Schauspielerin Dokumentation
Porträt der britischen Schauspie-
lerin Helen Mirren, einer Kämpfe-
rin für die weibliche Emanzipati-
on und gegen Sexismus.
22.40 Rififi am Karfreitag Engl. Drama
mit Bob Hoskins, Helen Mirren
Regie: John MacKenzie, 1980
0.35 Die schönen Wilden Franz./Ital.
Komödie mit Yves Montand. Re-
gie: Jean-Paul Rappeneau, 1975
2.15 Geschehen, neu gesehen. –
„Wahre Geschichte“ Résistance
Im Dienste seiner Majestät
ARD, 20.15 Uhr, Sag mir nichts: Lena (Ursina Lardi) ist glücklich
verheiratet. Doch ein fremder Mann zieht sie in den Bann.
Drama, 2009 16.00 rbb24 16.15 In aller
Fr. – Die jungen Ärzte 17.05 Panda, Go-
rilla & Co. 17.53 Sandmann 18.00 rbb24
18.15 schön + gut. in den Feierabend
18.45 STUDIO 3. Talkshow 19.30 rbb24
Abendschau. Magazin 20.00 Tagess.
20.15 rbb Praxis 21.00 Die Ernährungs-
Docs 21.45 rbb24 22.00 Wald in Flam-
men – Feuerwehr im Dauereinsatz 22.30
Eine deutsche Partei. Dt. Dokumentar-
film, 2022 0.20 You Shall Not Lie – Tödli-
che Geheimnisse (1–2) Krimiserie
WDR
5.25 Lokalzeit 5.50 Lokalzeit Südwestfa-
len 6.20 Lokalzeit aus Bonn 6.50 Lokal-
zeit aus Duisburg 7.25 Alors grammaire
7.35 David and Red Clips (1) 8.13 Knietz-
sche, der kleinste Philosoph der Welt
8.25 Wer weiß denn sowas? 9.10 Service-
zeit 9.40 Akt. Stunde 10.25 Lokalzeit
10.55 Planet Wissen 11.55 Eisbär, Affe &
Co. 12.45 aktuell 13.00 Seehund & Co.
13.50 Nashorn, Zebra & Co. 14.20 In aller
Freundschaft – Die jungen Ärzte 16.00
WDR aktuell 16.15 Hier und heute 18.00
WDR aktuell / Lokalzeit 18.15 Servicezeit.
Magazin 18.45 Akt. Stunde. Magazin
19.30 Lokalzeit. Magazin 20.00 Tages-
schau 20.15 Markt 21.00 Doc Esser
macht den Westen fit 21.45 WDR aktuell
22.15 Das giftige Stahlwerk – Chronik ei-
nes langen Versagens 23.00 Krieg vor
Gericht – Die Jugoslawien-Prozesse. Dt.
Dokumentarfilm, 2021 0.30 Tatort. Gott
ist auch nur ein Mensch. Dt. Krimi, 2017
MDR
5.05 Thüringen-Journal 5.35 Rote Rosen
6.25 Sturm der Liebe 7.15 Rote Rosen
Feuilleton
3 sat
8.30 ZIB 8.33 Alpenpanorama 9.00 ZIB
9.05 Kulturzeit 9.45 nano 10.15 Mythos
Australien – Eine Spurensuche 11.00
Fährpassagen 11.45 Mit Herz am Herd
12.15 Servicezeit 12.45 Bergauf-Bergab
13.20 Traumorte 14.05 Neuseeland – Ri-
valen der Urzeit (1–5/5) 17.45 Neusee-
land von oben. Rauchende Vulkane und
dampfende Quellen. Die Reise führt auf
der Nordinsel Neuseelands in das von
zahlreichen Feuer speienden Bergen ge-
prägte Hochland. 18.30 nano 19.00 heu-
te 19.18 Wetter 19.20 Kulturzeit. Das
3sat-Kulturmagazin von ZDF, ORF, SRF
und ARD. Moderation: Lillian Moschen.
Das Kulturmagazin bietet Hintergrund-
informationen, Porträts und Gespräche
zu aktuellen und brisanten Themen.
20.00 Tagesschau
20.15 The Princess – Lady Diana Engl.
Dokumentarfilm mit Princess Di-
ana, Queen Elizabeth II, Prinz
Harry. Regie: Ed Perkins, 2022.
Nach einem Unfall in den frühen
Morgenstunden des 31. August
1997 starb Lady Di in Paris. Men-
schen auf der ganzen Welt trau-
erten um ihre„Königin der Her-
zen“. Seit 1980 stand Diana Spen-
cer im Fokus der Medien.
22.05 ZIB 2
22.30 Wilder Serie. Dampf / Schuss /
Schande. Mit Sarah Spale. Ein tra-
gisches Unglück überschattet die
Feier der Räbers zum Abschluss
des Staudammprojekts. Kägi bit-
tet Rosa bei den Ermittlungen
gegen das Baukartell der Räbers
um Mithilfe. Damit nimmt sie
ein grosses Risiko auf sich.
1.25 10vor10
1.55 Stöckl. Talkshow
2.55 Neuseeland – Rivalen der Urzeit
Foto ARD
8.05 Sturm der Liebe 8.55 In aller Fr. 9.40
Quizduell – Olymp 10.30 Elefant & Co.
11.00 Um elf 11.45 In aller Fr. 12.30 El-
tern allein zu Haus. Frau Busche. Dt. Ko-
mödie, 2017 14.00 Um zwei 14.25 Ele-
fant & Co. 15.15 Wer weiß denn sowas?
16.00 MDR um 4 17.45 MDR aktuell
18.10 Brisant 18.54 Sandmann 19.00 Re-
gional 19.30 MDR aktuell. Magazin 19.50
Tierisch, tierisch 20.15 Exakt 20.45 Ver-
lorene Schätze – Schlossbergungen nach
dem Krieg 21.15 Past Forward 21.45 ak-
tuell. Magazin 22.10 Tatort. Bei Auftritt
Mord. Dt. Krimi, 1996 23.40 Das Gipfel-
treffen 0.10 extra 3. Magazin 0.55 Exakt
1.25 Verlorene Schätze – Schlossbergun-
gen nach dem Krieg 1.55 Past Forward
SWR
5.30 Big Cities 6.00 Morningshow 7.55
Pinguin, Löwe & Co. 8.40 In aller Fr. – Die
jungen Ärzte 9.30 WaPo Duisburg (6)
10.20 Familien-Kochduell 11.10 Das Wai-
senhaus für wilde Tiere 12.05 Pinguin,
Löwe & Co. 12.55 Brisant 13.25 WaPo
Duisburg (7) 14.15 Eisenbahn-Romantik
14.45 Meister des Alltags 15.15 Wer weiß
denn sowas? 16.05 Kaffee oder Tee 18.00
Aktuell 18.15 Landesschau BW 19.30 Ak-
tuell 20.00 Tagesschau 20.15 So war’s im
Südwesten 21.45 Aktuell 22.00 Tatort.
Wegwerfmädchen. Dt. Krimi, 2012 23.25
Tatort. Das goldene Band. Dt. Krimi, 2012
1.00 Der Usedom-Krimi (5) Trugspur. Dt.
Krimi mit Katrin Sass, Emma Bading 2017
BR
5.10 Space Night 6.00 Dahoam is
Dahoam 6.30 Sturm der Liebe 7.20 Tele-
Gym (2) 7.35 Panoramabilder 8.40 Tele-
Rucksack Portofino
Die F.A.Z. Edition – gefertigt aus Korkleder und robustem Textil
– macht den Rucksack für sie und ihn zum ständigen Begleiter.
Bewusst werden von Beluga Lazuli Materialien eingesetzt, die
nachhaltig sind und das maritime Design vollenden.
Sichern Sie sich Ihren Rucksack zum Preis von 390 Euro.
RTL
5.15 CSI: Den Tätern auf der Spur 6.00
Punkt 6. Magazin 7.00 Punkt 7. Magazin
8.00 Punkt 8 9.00 GZSZ. Soap 9.30 Unter
uns 10.00 Ulrich Wetzel – Das Strafgericht
(6) 11.00 Barbara Salesch – Das Strafge-
richt. Skrupelloser Einbruch wird für Al-
leinstehende zum Alptraum 12.00 Punkt
12 15.00 Barbara Salesch – Das Strafge-
richt. Wollte arme Altenpflegerin reiche
Rentner ausnehmen und ging dabei bis
zum Äußersten? 16.00 Ulrich Wetzel – Das
Strafgericht (10) 17.00 Ulrich Wetzel – Das
Jugendgericht. Beautyverrückte Stief-
mutter hat schweres Erbe 17.30 Unter
uns. Soap 18.00 Explosiv 18.30 Exclusiv –
Star-Magazin 18.45 Aktuell. Magazin
19.03 Wetter 19.05 Alles was zählt 19.40
GZSZ. Soap. Mit Felix von Jascheroff
20.15 Die Bachelorette (8) Mit Jennifer
Saro. Moderation: Frauke Ludo-
wig. Bevor Jennifer die letzte Ro-
se vergibt, lernen die verbliebe-
nen drei Männer noch ihre Eltern
und Freundinnen kennen. Für ei-
nen Kandidaten heißt es kurz vor
dem Finale Lebewohl sagen.
22.15 RTL Direkt
22.35 stern TV Dubiose Anlagegeschäf-
te: Wie Betrüger mit Prominenten
Kasse machen / Lachgas-Boom:
Harmlose Party-Droge oder ge-
fährlicher Trend? / Nach Urlaub
und Hitze: Mit welchen Tricks Sie
Ihre Zimmerpflanzen wieder fit
kriegen. Moderation: Steffen Hal-
laschka. Thema: Dubiose Anlage-
geschäfte: Wie Betrüger mit Pro-
minenten Kasse machen
0.00 RTL Nachtjournal
0.33 RTL Nachtjournal – Das Wetter
0.35 CSI: Miami Krimiserie
1.25 CSI: Miami Krimiserie
2.15 CSI: Miami Krimiserie
Gym (2) 8.55 Panoramabilder 9.10 Pan-
da, Gorilla & Co. 10.00 Elefant, Tiger & Co.
10.50 Dumme Gans, gescheite Gans
11.20 Wildes Südostasien 12.05 Eisen-
bahn-Romantik 12.35 Wer weiß denn
sowas? 13.20 Meister des Alltags 13.50
Handwerkskunst! 14.15 aktiv und ge-
sund 14.40 Giraffe, Erdmännchen & Co.
15.30 Schnittgut 16.00 BR24 16.15 Wir
in Bayern – Sommerprogramm 17.30
Abendschau 18.00 Abendschau 18.30
BR24. Magazin 19.00 Stationen 19.30
Dahoam 20.00 Tagesschau 20.15 Klein
gegen Groß – Das unglaubliche Duell
23.30 BR24 23.45 Conny Plank – Mein
Vater der Klangvisionär. Dt. Dokumen-
tarfilm, 2017 1.10 Schumanns Bargesprä-
che. Dt. Dokumentarfilm, 2015
RTL 2
5.10 Der Trödeltrupp 10.05 Die Schnäpp-
chenhäuser 10.55 „Die Schnäppchen-
häuser“ (2) 12.55 Die Schnäppchenhäu-
ser (1) 13.55 Hartz und herzlich – Tag für
Tag Rostock 18.05 Köln 50667 19.05 Ber-
lin – Tag & Nacht 20.15 Die Schnäpp-
chenhäuser – Promi-Spezial (3) Calvin nie
allein zu Haus 22.15 Die Schnäppchen-
häuser – Jeder Cent zählt. Ein Teenie-
Traum im Dachgeschoss 23.20 Die
Schnäppchenhäuser. Heiratsantrag mit
Hindernissen 0.20 Autopsie (6–7) Reihe
Super RTL
5.30 Paw Patrol 5.50 44 Cats (10) 6.00
CoComelon – Spiel mit uns 6.10 Coco-
melon 6.20 Oggy Oggy 6.50 Peppa 7.00
Paw Patrol 7.30 Caillou (8) 8.00 Voll zu
spät! (9–13) 10.25 Angelo! (10–14) 12.55
Dreamzzz 13.25 Idefix und die Unbeug-
samen 13.55 Bo, Flo & Co. – Familie und
so 14.25 LEGO City Abenteuer 14.50
Grizzy & die Lemminge 15.20 Angelo! (6)
15.50 100% Wolf – Die Legende des
Mondsteins 16.20 Jade Armor 16.50
Woozle Goozle (10) 17.20 ALVINNN!!!
18.00 Paw Patrol 18.30 Grizzy & die Lem-
minge 19.25 Tom und Jerry 19.45 Ange-
lo! Serie (7) 20.15 Snapped – Wenn Frau-
en töten 0.20 Teleshopping. Magazin
Kabel 1
5.15 Castle 5.55 Navy CIS 10.15 Bull
14.55 Castle. Krimiserie 15.50 Kabel Eins
:newstime 16.00 Castle. Serie 16.55
Abenteuer Leben täglich 17.55 Mein Lo-
kal, Dein Lokal – Der Profi kommt 18.55
Achtung Kontrolle! . Feuerwerk auf der
Donau – Technisches Hilfswerk bei der
Lichterserenade Ulm 20.15 Ice Age. Ame-
rik. Animationsfilm, 2002 22.00 James
Bond 007 – Sag niemals nie. Engl./Ame-
rik./Dt. Agentenfilm, 1983 0.50 Ice Age.
Amerik. Animationsfilm, 2002
Vox
5.00 CSI: NY (9+3–4) 7.30 CSI: Den Tätern
auf der Spur (2+6+8) 10.10 CSI: Miami
13.00 Zwischen Tüll und Tränen 14.00
Mein Kind, dein Kind 15.00 Shopping
Queen. Soap 16.00 Zwischen Tüll und
Tränen (5+98) 18.00 First Dates 19.00
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
www.faz.net/tv
SAT 1
5.30 SAT.1-Frühstücksfernsehen. Magazin
10.00 Auf Streife. Hört mal, wer da spricht.
Die gescriptete Doku zeigt auf der Basis
realer Polizeifälle den harten und gefähr-
lichen Einsatz echter Polizisten. 11.00 Auf
Streife – Die Spezialisten. Wenn ich groß
bin 12.00 Auf Streife. Doku-Soap. Baby-
Mania / Wenn der (Geld)Schein trügt. Die
gescriptete Doku zeigt auf der Basis rea-
ler Polizeifälle den harten und gefährli-
chen Einsatz echter Polizisten. 14.00 Kli-
nik am Südring. Doku-Soap. Der Fluch
des Piraten / Sprayer in Not. In der Reihe
wird mit echten Medizinern, Pflegern
und Krankenschwestern der Kranken-
hausalltag nachgestellt. 16.00 Volles
Haus! SAT.1 Live 18.00 Lenßen über-
nimmt. Soap 19.55 SAT.1 :newstime
20.15 Das große Backen Jury: Bettina
Schliephake-Burchardt, Christian
Hümbs. Moderation: Enie van de
Meiklokjes. Zum Auftakt der elf-
ten Staffel geben die Hobbybä-
cker ihre Lieblingsrezepte zum
Besten. Dazu zählen u. a. eine
Schwarzwälder Torte, ein Vanille-
Cheesecake mit Erdbeer-Rosma-
rin-Gelee. Wer holt sich den Titel?
23.00 TopTen! Der Geschmacks-Count-
down Fabelhafte Torten-Träume.
In der Ranking-Show dreht sich
alles ums Essen. Welche Gerichte
sind im Trend, was speisen die
Reichen und Schönen?
0.00 Das große Backen Jury: Bettina
Schliephake-Burchardt, Christian
Hümbs. Moderation: Enie van de
Meiklokjes. Hobby-Bäcker kreie-
ren raffiniertes Backwerk, das
dann von einer Jury verkostet
und anschließend bewertet wird.
2.15 Auf Streife – Die Spezialisten
Doku-Soap
Das perfekte Dinner. Tag 3: Christina, Zwi-
schen Tüll und Tränen 20.15 Bones 0.00
vox nachrichten 0.20 Medical Detectives
ARD-alpha
5.30 Bob Ross – The Joy of Painting 6.00
Bon courage 6.30 Telekolleg Grundlagen
der Betriebswirtschaftslehre 7.00 Grips
Englisch 7.30 Klasse Segel Abenteuer
8.00 Tele-Gym (6/8) 8.15 Panoramabilder
9.30 Klassiker der Weltliteratur 10.00 Das
Märchen von der bösen Kuh 10.45 nano
11.15 Expedition in die Heimat 12.05 Ta-
gesgespräch 13.00 Tele-Gym (3+2/8)
13.30 Planet Wissen 14.30 RESPEKT kom-
pakt 14.45 10 Tage ohne… (1/4) 15.30
Wen dürfen wir essen? (3/5) 16.00 So
schön ist Panama 16.45 RESPEKT kom-
pakt 17.00 Hauptsache gesund 17.45
nano 18.15 W wie Wissen – Spezial 18.45
Leidenschaft Radsport – neues Label und
Radlertreff im Taunus 19.30 alpha-De-
mokratie 20.00 Tagess. 20.15 Wunder-
schön! 21.00 Die Wiege des Univer-
sums – Ende der Dunkelheit 21.50
42 – Die Antwort auf fast alles 22.20 Die
Jagd nach den Schwarzen Löchern 22.50
beta stories 23.15 alpha-Demokratie
23.45 Die Tagesschau 2022 0.00 The Day
0.30 Kulturzeit 1.10 Bob Ross. Magazin
WELT
Stündlich Nachrichten 5.15 Die Welt in
Flammen (4) 6.00 Die Welt am Morgen
8.45 Die Welt am Morgen 9.00 News-
room 11.30 Newsroom 12.00 Die Welt
am Mittag 12.45 Börse. Magazin 13.00
Die Welt am Mittag 14.00 Newsroom
17.00 WELT Talk 18.00 Die Welt am
Abend 20.05 Lost Places 22.50 Geschich-
te in Zahlen (10) 23.45 Cracking the Code
(7+5) 1.30 Lost Places. Dokureihe
ntv
Stündlich Nachrichten 5.40 ntv Service
6.05 Telebörse 12.30 News 13.10 Tele-
börse 13.30 News Spezial 14.15 Telebör-
se 14.35 ntv Service 15.25 Telebörse
15.40 News Spezial 16.15 Telebörse
16.30 News 17.15 Telebörse 17.30 News
18.20 Telebörse. Magazin 18.35 ntv Ser-
vice 19.15 Telebörse. Magazin 19.30
News 20.15 Rätselhafte Phänomene (5–
6) 22.05 Wissen 23.15 Telebörse 23.30
Nicht von dieser Welt (5–6) 1.10 Rätsel-
hafte Phänomene (5–6) Dokureihe
CNN
6.45 World Sport 7.00 Newsroom 8.00
Newsroom 8.45 World Sport 9.00 News-
room 10.00 CNN Newsroom with Max
Foster and Bianca Nobilo 11.00 Early
Start 12.00 CNN This Morning. Magazin
14.00 CNN Newsroom with Max Foster
14.30 World Sport 15.00 First Move
16.00 Connect the World 16.45 World
Sport. Magazin 17.00 Connect the World.
Magazin 18.00 One World with Zain As-
her 19.00 Amanpour. Magazin 20.00 Isa
Soares Tonight 21.00 Quest Means Busi-
ness 22.00 The Lead with Jake Tapper
23.30 Sport 0.00 The Situation Room
Radio am Mittwoch
HÖRSPIEL
20.05 „Neues von Dickie Dick Dickens!“ – BR 2
Von Alexandra Becker, Rolf Becker,
ca. 55 Min.
22.03 „Peymannbeschimpfung“ – Deutsch-
landfunk Kultur Von Helgard Haug, Daniel
Wetzel, ca. 57 Min.
KLASSIK
13.05 Mittagskonzert – SWR 2
Pärt: Fratres; W.A. Mozart: Concertone für 2
Violinen und Orchester C-Dur KV 190; Sinfo-
nia concertante Es-Dur KV 364 (Benjamin
Schmid, Violine; Benjamin Marquise Gilmore,
Violine und Viola; Staatsorchester Rheinische
Philharmonie, Leitung: Daniel Raiskin) (Kon-
zert vom 19. April 2015 im Kaisersaal in Kob-
lenz); Poulenc: Trio (Céline Moinet, Oboe;
Sophie Dervaux, Fagott; Florian Uhlig, Kla-
vier); R. Strauss „Meinem Kinde“ op. 37/3
(Sandrine Piau, Sopran; Orchestre Victor
Hugo Franche-Comté, Leitung: Jean-Fran-
çois Verdier); Kodály: Tänze aus Galánta
(SWR-Rundfunkorchester Kaiserslautern, Lei-
tung: Grzegorz Nowak); Jaëll: Voix du print-
emps (Roberto Prosseda, Alessandra Amma-
ra, Klavier), ca. 113 Min.
20.03 Krzyżowa Music Kammermusikfestival
– Deutschlandfunk Kultur
Tansman: Triptyque (1930) (Daniel Stabrawa
und Usha Kapoor, Violine; Kinga Wojdalska,
Viola; Annie Jacobs-Perkins, Violoncello);
Hindemith: Streichquartett Nr. 3 C-Dur op.
16 (Nathan Meltzer und Roksana
Kwaśnikowska, Violine; Tabea Zimmermann,
Viola; Oliver Herbert, Violoncello); Weinberg:
Streichtrio op. 48 (Juliette Beauchamp, Violi-
ne; Kinga Wojdalska, Viola; Alexej Stadler,
Violoncello), ca. 87 Min.
JAZZ, POP, ROCK
23.30 Jazz – BR-Klassik Zwischen Mut und
Demut – moers festival 2023, ca. 30 Min.
FEATURE & MAGAZIN
6.05 radioWelt – BR 2
Dr. Sarah Pagung, Expertin für Außenpolitik
Körber-Stiftung, zu eine Woche nach Flug-
zeugabsturz Prigoschin / Wolfgang Schrö-
der, Photovoltaik-Sachverständiger, zu Pho-
tovolataik- und Solar-Anlagen und Unwet-
ter / Prof. Uwe Jun, Politikwissenschaftler
Uni Trier, zu Klausur Meseberg / Peter Jamin,
Experte für Menschen, die verschwinden /
Schultüte 2023 – Geschenke zur Einschu-
lung / ARD-Musikwettbewerb: Porträt Kont-
rabass, ca. 145 Min.
9.05 Im Gespräch – Deutschlandfunk Kultur
Mit Leah Weigand, Poetry-Slammerin,
ca. 55 Min.
9.05 radioWissen – BR 2
Fernweh. Ich muss hier weg! / Heimat. Ein
Begriff mit vielen Gesichtern / Das Kalender-
blatt 30.08.1797: Frankenstein-Tag. Von Justi-
na Schreiber, ca. 55 Min.
10.05 Notizbuch – Gesundheitsgespräch –
BR 2 Wenn der Körper sich selbst angreift.
Was steckt hinter Autoimmunerkrankun-
gen?, ca. 55 Min.
10.08 Agenda – Deutschlandfunk
Dringender Handlungsbedarf? Die schwieri-
ge Lage der Krankenhäuser, ca. 82 Min.
12.00 Doppelkopf – HR 2 Am Tisch mit Antonia
Baum „Provinzinfragestellerin“, ca. 60 Min.
15.05 Leben – SWR 2
Allein, aber nicht einsam – Zufrieden leben
ohne Partner, ca. 25 Min.
15.05 radioWissen am Nachmittag – BR 2
Edith Stein. Nonne und Philosophin / Ver-
pflichtung zur Wahrheit. Eine altmodische
Forderung?, ca. 55 Min.
16.05 Eins zu Eins. Der Talk – BR 2
Mit Christian Redl, Schauspieler, ca. 55 Min.
17.45 ZeitZeichen – WDR 3 30. August 1948:
Gründung des rumänischen Geheimdiens-
tes Securitate, ca. 15 Min.
18.30 Weltzeit – Deutschlandfunk Kultur
Frankreichs Kirchen – Schlecht besucht und
sanierungsbedürftig, ca. 30 Min.
19.05 Zündfunk – BR 2 Perlen aus unserem
Archiv: Dieter Meier von Yello legt seine
Lieblingsplatten auf, ca. 55 Min.
19.05 Tandem – SWR 2
Mit Kindern durch die Trennung – Die Erzie-
hungswissenschaftlerin Ute Steffens unter-
stützt Eltern, ca. 49 Min.
19.30 Feature – Deutschlandfunk Kultur
Kulturgeschichte der Bassgitarre. „Bass is
Boss“: Über die Liebe zu tiefen Tönen und
ihre Bedeutung für die Musik, ca. 30 Min.
20.04 Tischgespräch – WDR 5
Mit Roland Kaiser, ca. 56 Min.
20.10 Aus Religion und Gesellschaft
– Deutschlandfunk
Staatsreligion: Islam. Die religiösen Macht-
verhältnisse in Pakistan, ca. 20 Min.
0.03 Reflexionen – BR 2
31.8.1943 Die Frankfurter Zeitung darf nicht
mehr erscheinen, ca. 7 Min.
LESUNG
8.30 Am Morgen vorgelesen – NDR Kultur
Hans Fallada: „Kleiner Mann – was nun?“
(3/10), ca. 30 Min.
15.00 Die Klassikerlesung – MDR Kultur
Fred Vargas: „Das Orakel von Port-Nicolas“
(23/24), ca. 30 Min.
Auf die Sprachgepflogenheiten der
Fernsehsender in ihren Programmhinweisen
hat die F.A.Z. keinen Einfluss
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Pflege-Mindestlohn steigt über 20 Euro
Die Lohnkommission
hat gesprochen – der
Arbeitsminister lobt.
Aber die Kostenkrise in
der Altenpflege wächst.
Von Dietrich
Creutzburg, Berlin
F
ür Beschäftigte in der Altenpfle-
ge gibt es einen eigenen Mindest-
lohn, der schon bisher deutlich
über dem allgemeinen Mindest-
lohn liegt. Nun soll er ein weiteres Mal
kräftig steigen: Für Hilfskräfte ohne Aus-
bildung müssen Pflegeheime und -dienste
von Mai 2024 mindestens 15,50 Euro je
Stunde zahlen, von Juli 2025 an dann
16,10 Euro. So hat es die von Arbeitsmi-
nister Hubertus Heil (SPD) berufene
Pflegelohnkommission mit einem am
Dienstag verkündeten Beschluss verein-
bart. Verglichen mit dem derzeitigen Min-
destsatz von 13,90 Euro für Hilfskräfte, ist
das ein Plus von 16 Prozent.
Der separate Mindestlohn für exami-
nierte Pflegekräfte soll dem neuen Be-
schluss zufolge ebenfalls deutlich steigen:
von heute 17,65 Euro bis auf 20,50 Euro je
Stunde im Juli 2025. Daneben gibt es noch
eine mittlere Mindestlohnstufe, sie gilt für
Beschäftigte mit einjähriger Ausbildung.
Diese beträgt zurzeit 14,90 Euro. Mit dem
neuen Beschluss soll sie im Mai kommen-
den Jahres auf 16,50 Euro steigen und im
Juli 2025 dann auf 17,35 Euro. Auch das
entspricht einem Plus von 16 Prozent. Ins-
gesamt arbeiten hierzulande in der Alten-
pflege rund 1,3 Millionen Menschen.
Während Heil mit Lob und Freude re-
agierte, gibt es aus der Branche allerdings
auch warnende Stimmen. Etwa vom
Deutschen Roten Kreuz (DRK): Die Er-
höhung der Mindestlöhne sei aus seiner
Sicht zwar „notwendig“, sagte DRK-Ge-
neralsekretär Christian Reuter, der auch
der Kommission angehört. Zugleich aber
„verschärft diese die mittlerweile exis-
tenzielle Krise in der Pflege weiter“,
warnte er. Die Finanzierung der Mehr-
kosten bleibe ungeklärt.
Heil stellte hingegen heraus, „dass die
Pflegekommission einstimmig entschie-
den hat und wir den Pflegerinnen und
Pflegern so zu deutlich mehr Lohn ver-
helfen“. Er sagte zu, den Beschluss per
Rechtsverordnung festzuschreiben. Ähn-
lich erfreut reagierte Gesundheitsminis-
ter Karl Lauterbach (SPD). Er schränkte
aber ein: Die Mindestlohnerhöhung sei
„nur ein erster wichtiger Schritt auf dem
Weg zu einer fairen Entlohnung des Pfle-
gepersonals“. Zur Frage, welche Kosten
auf Einrichtungen und Pflegebedürftige
zukommen, äußerten sie sich nicht.
Offenen Widerspruch meldete indessen
der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP)
Steuererleichterung soll den Wohnungsbau anschieben
Zudem großzügigere Verlustverrechnung im Wachstumschancengesetz / Zehn-Punkte-Plan der Regierung
itz./loe./mas. BERLIN. Das Warten hat
sich auch für Finanzminister Christian
Lindner (FDP) gelohnt. Die zwei Wochen
seit dem Veto von Familienministerin Li-
sa Paus (Grüne) gegen das Wachstums-
chancengesetz hat er genutzt, um die
steuerlichen Erleichterungen für Unter-
nehmen in seinem Gesetzentwurf noch
etwas zu erweitern. Die Wirtschaft wird
damit um 7 Milliarden Euro entlastet –
1,3 Milliarden Euro stärker als zunächst
geplant. Der überarbeitete Gesetzent-
wurf liegt der F.A.Z. vor. Er soll an die-
sem Mittwoch auf der Kabinettsklausur
in Meseberg beschlossen werden.
Folgende Maßnahmen sind zusätzlich
vorgesehen: Erstens soll der darnieder-
liegende Wohnungsbau angeschoben
werden. Hier sollen Investoren die Kos-
ten schneller beim Finanzamt geltend
machen können. Die Rede ist von einer
„geometrisch-degressiven Abschreibung
für Gebäude mit fallenden Jahresbeträ-
gen“. Ein Satz von 6 Prozent soll für sechs
Jahre bei der Absetzung für Abnutzung
(AfA) gelten. Das damit verbundene Ent-
lastungsvolumen beziffert das Bundesfi-
nanzministerium auf 540 Millionen Euro.
Die erleichterte Abschreibungsregelung
soll für einen Baubeginn von Oktober
2023 an gelten – „also auch für Bauvorha-
ben, für die bereits eine Baugenehmigung
vorliegt, die aber noch nicht begonnen
wurden“, heißt es.
Mit der zweiten nachgeschobenen
Maßnahme sollen Unternehmen Verluste
aus der Vergangenheit stärker mit späte-
ren Gewinnen verrechnen können. Über
BIG DATA ZUM WOHL DER KRANKEN
Was bringt die Digitalisierung im
Gesundheitswesen? Antworten auf
die wichtigsten Fragen.
Wirtschaft, Seite 17
Kaffeezeit im Pflegeheim Pro Civitate in Meißen: Die Kosten in den Pflegeeinrichtungen steigen rasant.
an: „Es gibt keine gute Altenpflege, wenn
sie für die Pflegebedürftigen unbezahlbar
ist oder Pflegeeinrichtungen unter einer
Insolvenz- und Schließungswelle begra-
ben werden“, warnte dessen Präsident
Thomas Greiner. Die Kommission dürfe
Belange von Pflegebedürftigen nicht
übergehen, nur weil diese nicht mit am
Tisch säßen, kritisierte er.
Der AGVP hat in dem Gremium zusam-
men mit dem DRK und den kommunalen
Arbeitgebern ein Mandat, war damit aber
nicht unmittelbar stimmberechtigt. Je zwei
der insgesamt acht Kommissionsmitglie-
der stellen die Gewerkschaft Verdi, die Ca-
ritas und die Diakonie. Ein weiteres Man-
dat hat der Pflege-Arbeitgeberverband
BPA. Auch dieser trug den neuen Mindest-
lohnbeschluss mit – und äußerte zugleich
Zweifel an der Kommission: Sie wirke wie
ein „Anachronismus“, erklärte BPA-Präsi-
dent Rainer Brüderle. Da seit Jahren oh-
nehin ein starker Anstieg der Pflegelöhne
zu verzeichnen sei und obendrein neuer-
dings ein weiterer Mindestlohnmechanis-
mus für die Altenpflege greife, wirke das
Gremium kaum noch „zeitgemäß“. Tat-
sächlich geben seit 2022 auch die Pflege-
kassen den Heimen und Diensten Lohn-
untergrenzen vor; sie orientieren sich an
landesbezogenen Durchschnittslöhnen.
Die Lohnkommission hatte zuletzt im
vergangenen Jahr Erhöhungen beschlos-
sen, gültig für die Zeit bis Januar 2024.
Dieser alte Beschluss sieht noch eine Er-
höhungsstufe für Dezember 2023 vor, mit
ihr steigt der Mindestlohn für Hilfskräfte
von derzeit 13,90 auf 14,15 Euro. Der
neue Beschluss gilt dann von Februar
2024 bis Juni 2026. Nebenbei wächst so
der Vorsprung des Pflegemindestlohns
auf den allgemeinen Mindestlohn: Letz-
terer beträgt heute 12 Euro. Die dafür zu-
vier Jahre sollen sie nunmehr 80 Prozent
verrechnen können. Üblich sind 60 Pro-
zent. In Lindners erstem Gesetzentwurf
stand ein Schwellenwert von 70 Prozent
für vier Jahre. Die großzügigere Ent-
schärfung der Mindestgewinnbesteue-
rung entlastet den Mittelstand um 1,6
Milliarden Euro statt um 800 Millionen
Euro. Das Wachstumschancengesetz soll
die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts
Deutschland verbessern. Dem sollen
nicht zuletzt die Investitionsprämie für
Klimaschutzinvestitionen und die verbes-
serte steuerliche Förderung von For-
schung und Entwicklung dienen.
Das Gesetz ist Teil eines Zehn-Punkte-
Plans „für den Wirtschaftsstandort
Deutschland“, den die Bundesregierung
am Dienstag veröffentlichte. Weitere
Punkte sind etwa der Klima- und Transfor-
mationsfonds, das vom Kabinett schon be-
schlossene Zukunftsfinanzierungsgesetz
zur Stärkung von Start-ups oder auch der
mit den Ländern geplante „Pakt für Pla-
nungs-, Genehmigungs- und Umsetzungs-
beschleunigung“, an dem seit einem Jahr
gearbeitet wird. Ein vergünstigter Indust-
riestrompreis, wie er vielfach gefordert
wird, findet sich in dem Papier nicht. „Die
Bundesregierung arbeitet an einer konsis-
tenten und belastbaren Strategie für die
zukünftige Energieversorgung in Deutsch-
land, auch für bezahlbare Strompreise, ge-
rade auch für Wirtschaft und Industrie“, ist
zu lesen. Genannt werden anschließend
unter anderem die Steuern und Abgaben.
„Klar ist, dass eine Dauersubvention keine
Lösung ist“, heißt es weiter.
DER KONKURRENZ TROTZEN
In München können Fahrgäste im
Taxi nun vorab Festpreise
vereinbaren wie bei Uber.
Unternehmen, Seite 18
Wirtschaft
ständige Kommission beschloss im Juni
eine Erhöhung auf 12,41 Euro im Januar
2024 und auf 12,82 Euro im Januar 2025.
Dort stimmten die Gewerkschaften dem
aber nicht zu und fordern nun von der
Regierung ein gesetzliches Eingreifen
gegen die Arbeitgeber in dem Gremium.
In der Pflegekommission hatten die Be-
fürworter stärkerer Erhöhungen die länge-
ren Hebel. Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia
Bühler nannte den Beschluss am Dienstag
„gut“ – aber auch mit Einschränkung: „Für
einen echten Inflationsausgleich gab es in
der Pflegekommission aber leider keine
Mehrheit“, kritisierte sie. Zumindest sei
der Mindestlohn ein Instrument, das die
„jahrelang praktizierte Ausbeutung in
kommerziellen Pflegeunternehmen“ ver-
hindere, wetterte die Gewerkschafterin.
Greiner kritisierte hingegen, dass Pfle-
gebedürftige nun „auf doppelte Weise die
Mindestlohn in der Altenpflege
Gesetzliche Mindestlöhne, in Euro pro Stunde
Hilfskräfte Einjährige Ausbildung
13,70
1.9.2022
13,90
1.5.2023
1.12.2023
1.5.2024
1.7.2025
Quelle: Bundesarbeitsministerium / F.A.Z.-Grafik niro.
Die SPD hat auf ihrer Fraktionsklausur
Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD) sowie Lindner und seine FDP aus-
geübt, ihre ablehnende Haltung zu einem
vergünstigten Strompreis für die Indust-
rie aufzugeben. Die SPD-Fraktion möch-
te den Strompreis für ausgewählte Betrie-
be für mindestens fünf Jahre auf 5 Cent je
Kilowattstunde deckeln. Gegenüber dem
aktuellen Börsenpreis entspräche das et-
wa einer Halbierung. Wirtschaftsminis-
ter Robert Habeck (Grüne) hatte 6 Cent
für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs
vorgeschlagen. Habeck warb am Diens-
tag abermals für sein Konzept. „Wenn wir
noch lange hier herumdiskutieren, ist es
auch fast egal, was wir entscheiden“, sag-
te er im ARD-Morgenmagazin. Die
Unternehmen würden jetzt ihre Investi-
tionspläne für die nächsten Jahre ma-
chen, dafür brauche es eine Entlastung.
Die Wirtschaft zeigt sich zu dem In-
strument gespalten. „Deutschland und die
deutsche Wirtschaft lebt vom Mittelstand,
den Familienunternehmen, den vielen
kleinen und mittleren Unternehmen. Die-
ser Industriestrompreis wird bei denen
nicht ankommen“, sagte Stefan Wolf, Prä-
sident des Arbeitergeberverbands Ge-
samtmetall, dem Sender Phoenix. Er for-
derte eine Senkung oder Abschaffung der
Stromsteuer. Die Familienunternehmer
sehen es ähnlich: „Wir brauchen keine
weiteren wettbewerbsverzerrenden Sub-
ventionen, die weder finanzpolitisch
nachhaltig sind noch die Breite der Unter-
nehmen entlasten“, sagte Verbandspräsi-
dentin Marie-Christine Ostermann. Auch
Foto Hannes Jung/Laif
Zeche zahlen“ müssten: Zum einen wür-
den die von Pflegebedürftigen selbst zu
zahlenden Eigenanteile weiter steigen.
Zum anderen werde die Pflegeplatzsuche
noch beschwerlicher – „denn viele Ein-
richtungen kollabieren unter der Last, ge-
stiegene Löhne vorzufinanzieren“. Seine
Begründung dazu: Pflegekassen und So-
zialbehörden ließen es in der Regel nicht
zu, dass Heime und Dienste für absehba-
re Kostensteigerungen schon vorab hö-
here Pflegesätze genehmigt bekommen –
die Betreiber müssen dann ein Jahr war-
ten, bis sie entsprechend höhere Pflege-
sätze abrechnen dürfen.
Auf der anderen Seite hatte jüngst ein
Bündnis um die Gewerkschaft Verdi ver-
langt, eine sogenannte Pflegevollversiche-
rung einzuführen. Im Gegensatz zur bis-
herigen Beitragskasse würde diese den
Pflegebedürftigen alle Pflegekosten ab-
nehmen und an Beitrags- oder Steuerzah-
Examinierte
ler weiterreichen. Allerdings hat sich mit
Caritas-Präsidentin Eva-Maria Welskop-
Deffaa eine wichtige Stimme aus dem So-
zialsektor gegen diesen Weg gewandt. Es
müssten notwendige Leistungen abge-
deckt werden – „aber wir brauchen kein
14,60
17,10 Erbenschutzprogramm“, sagte sie.
Wie stark die Eigenanteile steigen,
zeigen Erhebungen des Ersatzkassenver-
14,90
17,65 bands VDEK: Für vollstationäre Betreu-
ung mussten Pflegebedürftige demnach
14,15 zuletzt im Mittel 2548 Euro monatlich
15,25 aus eigener Tasche zahlen. Das sind 795
18,25
Euro oder 42 Prozent mehr als vor fünf
15,50 Jahren. Zugleich wächst die Last für Bei-
16,50 trags- und Steuerzahler, welche die Pfle-
19,50 gekassen und die ergänzende Sozialhilfe
16,10 finanzieren. Der Pflegebeitragssatz wur-
17,35 de zum 1. Juli erhöht; für Kinderlose
20,50 stieg er um 0,6 Prozentpunkte auf 4 Pro-
zent des Bruttolohns.
die Deutsche Industrie- und Handelskam-
mer ist gegen einen Industriestrompreis,
der Verband der Chemischen Industrie
plädiert indes dafür.
Viele mittelständische Betriebe be-
mängeln, dass Habeck die Vergünstigun-
gen nur für Großabnehmer vorsehe, die
auf der Liste der europäischen Klima-,
Umwelt- und Energiebeihilferichtlinie
stünden – der sogenannten KUEBLL-
Liste. Einer neuen Erhebung zufolge
steht ein Großteil der Betriebe des in-
dustriellen Mittelstands nicht auf dieser
Liste und hätte daher keinen Anspruch
auf den verbilligten Strompreis. Gäbe es
für sie keine Entlastung, müssten fast 30
Prozent einen oder mehrere Standorte
schließen, heißt es in einem offenen Brief
von 400 Unternehmen an die Bundesre-
gierung und den Wirtschaftsausschuss
des Bundestags. 58 Prozent könnten die
Produktion herunterfahren, 62 Prozent
Mitarbeiter entlassen. Ohne gedeckelte
Strompreise halten es 32 Prozent der Be-
fragten für unmöglich, ihre Herstellung
wie gewünscht zu dekarbonisieren.
Justizminister Marco Buschmann
(FDP) will in Meseberg derweil Eckpunk-
te für den Bürokratieabbau auf den Weg
bringen. Im Vorfeld bekannt gewordene
Details wie kürzere Aufbewahrungsfris-
ten für Belege hatten aber Enttäuschung
ausgelöst. Die Unternehmen kritisieren
vor allem den Aufwand, den das Liefer-
kettengesetz für sie bedeutet. Am Diens-
tag lenkten Habeck und Buschmann den
Blick auf die EU-Ebene. Das „Bürokratie-
Dickicht“ müsse dort gelichtet werden.
GEFAHR DER PRODUKTIONSVERLAGERUNG
Die chemische Industrie fordert
günstigere Strompreise, um eine
Abwanderung zu verhindern.
Unternehmen, Seite 22
Und wer zahlt?
Von Dietrich Creutzburg
ie ganze Wirtschaft steuert
D in die Rezession. Immer
mehr Pflegeheime schlie-
ßen, da ein wirtschaftlicher Betrieb
nicht mehr gelingt. Pflegeplätze
werden knapp, die von Pflegebe-
dürftigen zu zahlenden Eigenanteile
schießen hoch – und zugleich droht
ein kaum noch zu bremsender An-
stieg der Belastungen für Beitrags-
und Steuerzahler. Aber was tun Karl
Lauterbach und Hubertus Heil, die
zuständigen Minister? Man wüsste
zu gern, wie sie dieses System wie-
der in eine ökonomisch und sozial-
politisch vernünftige Balance brin-
gen wollen. Stattdessen feiern sie
eine in ihrem Auftrag tätige Kom-
mission dafür, dass sie nun beson-
ders starke Mindestlohnerhöhungen
beschlossen hat; für Hilfskräfte geht
es erstmals über 16 Euro hinaus. Ob
sie heimlich darauf bauen, dass sich
die Pflegelobby in derart desolater
Lage bald mit ihrer Forderung nach
einer Pflegevollversicherung durch-
setzt? Dann würde es zwar noch viel
teurer – aber politisch wäre ein sol-
cher Umbau die Gelegenheit, fast
alle Finanzierungsfragen an den Fi-
nanzminister durchzureichen.
Extremwetter stresst die Lieferketten
Von Mark Fehr
m goldenen Zeitalter der Globa-
I lisierung schien die Natur so gut
wie besiegt. Immer größere
Ozeanriesen mit Containerstapeln so
hoch wie Wolkenkratzer durchpflüg-
ten die Weltmeere. Dem Angebot
und der Nachfrage schienen kaum
noch natürliche Grenzen gesetzt.
Doch mit dem Klimawandel melden
sich die Gewalten des Wetters zurück
und bremsen die Logistik aus.
Wegen einer Dürre in Mittelameri-
ka fehlt derzeit Wasser im Panama-
kanal, dem Nadelöhr für den sonst so
regen Seehandel zwischen Asien,
Nordamerika und Südamerika. Vor
der künstlichen Wasserstraße zwi-
schen dem Atlantik und dem Pazifik
stauen sich gerade die Schiffe, weil
sie länger auf die Durchfahrt warten
müssen. Kapitäne ohne langfristige
Reservierung müssen tagelang
ankern. Fabriken und Verbraucher
rund um die Welt warten länger auf
die begehrte Fracht und zahlen mehr
für den Transport. Das sind schlechte
Nachrichten für die Logistik, die ge-
rade den Nachschub für das bevorste-
hende Weihnachtsgeschäft in Ameri-
ka und Europa anlaufen lässt. Auch
das treibt die Inflation.
In Europa blockiert Niedrigwasser
im Rhein seit einigen Jahren immer
wieder die Schifffahrt. Im Oktober
2018 hatte die Bundesregierung so-
gar Teile der staatlichen Ölreserven
freigegeben, damit die Tankstellen
nicht trocken liefen. Das passierte
zuvor nur im Fall schwerer Konflikte
oder Naturkatastrophen mit interna-
tionalen Auswirkungen wie der Liby-
en-Krise 2011, dem Hurrikan Katri-
na in den USA 2005 oder dem
Golfkrieg 1990. Drastischer Schnee-
mangel in den Alpen ließ Anfang die-
sen Jahres abermals befürchten, dass
der Rhein an der seichten Stelle bei
Kaub im Sommer wieder zum Eng-
pass für die Binnenschifffahrt wer-
den würde. Es war knapp. Nur der
ungewöhnlich lange und starke Re-
gen im Juli und August hielt den
Rhein im wahrsten Sinne des Wortes
über Wasser.
Ein Segen war der Starkregen je-
doch nicht überall. In Deutschland
überschwemmte er Bahnhöfe und
Straßen, in Slowenien sorgte er für
eine verheerende Naturkatastrophe.
Betriebe und Transport stehen in
dem schwer getroffenen Land viel-
fach noch immer still. Das belastet –
neben dem menschlichen Leid – dort
die Lieferketten: In Slowenien sitzen
viele Autozulieferer, die für interna-
tionale Markenhersteller arbeiten.
Der Ausstoß von Kohlendioxid
durch Fabriken, Heizungen und Mo-
toren gilt als eine Hauptursache des
Klimawandels, der hier zu Flut führt
und dort zu Dürre. Viele Regierun-
NR. 2 0 1 · SE I TE 1 5
M IT T WOC H, 30. AU GU S T 2 0 2 3
Taten statt Worte
Von Heike Göbel
ie Bundesregierung will sich
D in ihrer Klausur auch mit
einem Vorhaben befassen, mit
dem sie zur Mitte der Wahlperiode
nicht vorangekommen ist: dem Abbau
von Bürokratie. Jenseits zügig gebau-
ter Flüssiggasterminals hat die Ampel
schon national wenig aufzuweisen.
Meseberger Beschlüsse werden daran
nichts ändern, solange neue Regulie-
rung – ob aus Berlin oder Brüssel –
schneller aufgebaut wird, als alte Ge-
setze entfallen. Auf jede gestrichene
Regel kamen 2022 allein aus der EU
dreieinhalb neue, zählte der DIHK.
Wirtschafts- und Justizminister tönen
nun von einer deutsch-französischen
Bürokratieentlastungsinitiative. Doch
von solch billigen Ankündigungen ha-
ben Wirtschaft und Bürger genug.
Was wäre, wenn die Ampel jetzt Taten
sprechen ließe? Es ist nicht zu spät,
das EU-Lieferkettengesetz zu stoppen,
das hiesige Unternehmen verpflichten
will, bis ins letzte Glied ihrer globalen
Lieferketten soziale und ökologische
Standards nach europäischem Gusto
durchzusetzen. Die Ampel hat es in
der Hand. Stoppt sie diese maßlose
Richtlinie nicht, sollte sie vom Büro-
kratieabbau schweigen.
gen wollen daher die CO2-Emissio-
nen auf null reduzieren. Erreicht
werden soll das Ziel mit Verboten
und Milliardensubventionen. Mit
Maßnahmen gegen die Folgen des
Extremwetters dagegen hält sich die
Politik eher zurück. Hier muss sie
mehr tun oder ermöglichen.
Es darf bezweifelt werden, dass der
Rheinpegel oder das Wasser im Pana-
makanal wieder brav auf Normal-
niveau steigen, sobald die Deutschen
ihre Gasheizungen aus den Kellern
reißen oder oft genug mit Lastenrä-
dern über den Bürgersteig brettern.
So berechenbar sind das Klima und
das Wetter nicht. Neben Einsparun-
Wir brauchen nicht nur
Lastenräder, sondern
handfeste Investitionen in
wetterfeste Infrastruktur.
gen von CO2 braucht es daher hand-
feste Investitionen in wetterfeste In-
frastruktur überall auf der Welt.
Nicht allein der Staat ist hier ge-
fragt, auch die Unternehmen. So hat
der Chemiekonzern BASF Spezial-
schiffe mit wenig Tiefgang ange-
schafft, die auch bei Niedrigwasser
im Rhein zumindest einen Notbetrieb
des energiehungrigen Dampfspalters
in Ludwigshafen aufrechterhalten
können. Großprojekte wie eine
Rheinvertiefung oder der Bau von gi-
gantischen Wasserspeichern hin-
gegen dürften eher eine langfristige
Aufgabe für die öffentliche Hand
sein. Die Anstrengungen könnten
sich auf Engpässe, Nadelöhre und
Achillesfersen der Weltwirtschaft
wie den Rheinpegel bei Kaub, wichti-
ge Häfen, große Kraftwerke oder
eben den Panamakanal konzentrie-
ren. Für solche Aufgaben ließen sich
Steuermilliarden zur Abwechslung
einmal so einsetzen, dass alle etwas
davon haben.
Im umweltbewegten Deutschland
herrscht das Vorurteil, dass wirt-
schaftlich motivierte Eingriffe in den
natürlichen Lauf von Flüssen Haupt-
grund für Überflutungen seien. Doch
das stimmt nicht in jedem Fall. So er-
löste erst der Bau und Ausbau des
Main-Donau-Kanals ab den 1960er-
Jahren oberfränkische Städte wie
Bamberg vor den zuvor immer wie-
der auftretenden Überschwemmun-
gen der Regnitz, um nur ein Beispiel
zu nennen. Für den Bau und die Er-
tüchtigung von Infrastruktur braucht
es Arbeitskräfte, Finanzierung und
Planung in jeweils gigantischen Di-
mensionen. Deshalb heißt es, hier
keine Zeit mehr zu verlieren.
SE I TE 1 6 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
D
ie Kindergrundsicherung
kommt“, verkündete Bundes-
familienministerin Lisa Paus
(Grüne) am Montag, nach-
dem sie monatelang mit Bundesfinanz-
minister Christian Lindner (FDP) über
Ausgestaltung und Finanzierung der im
Koalitionsvertrag vereinbarten Reform
familienpolitischer Leistungen gestritten
hatte. Was genau nun aber kommt, dazu
gibt es nach wie vor viele Fragen und
Kontroversen.
Groß ist die Enttäuschung der Sozial-
verbände. Sie pochten darauf, finanz-
schwache Familien müssten mehr Geld
vom Staat erhalten. Paus hatte diese Er-
wartungshaltung durch ihre hartnäckige,
aber nicht näher begründete Forderung
von 12 Milliarden Euro genährt. Nun soll
für das geplante Startjahr der Kinder-
grundsicherung 2025 der Betrag von 2,4
Milliarden Euro zur Verfügung stehen –
etwas mehr als Lindners „Merkposten“
von 2 Milliarden Euro. Aus Sicht der So-
zialverbände reicht das nicht, um Kinder-
armut wirksam zu bekämpfen. Unterstüt-
zung bekommen sie von Marcel
Fratzscher, dem Präsidenten des Deut-
schen Instituts für Wirtschaftsforschung
(DIW): Die Einigung sei „eine verpasste
Chance, sowohl die Kinderarmut in
Deutschland erheblich zu reduzieren als
auch enorme Folgekosten für Staat und
Wirtschaft zu verhindern“.
Deftige Kritik kommt von den Oppo-
sitionsparteien im Bundestag: Aus dem
„größten sozialpolitischen Projekt“ sei
„die größte sozial- und familienpoliti-
schen Mogelpackung geworden“, sagte
die familienpolitische Sprecherin der
Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU).
Und Dietmar Bartsch, der Fraktions-
vorsitzende der Linken, bezichtigt die
Ampelregierung gar des „faktischen
Wahlbetrugs“.
Nach dem Eckpunktepapier sind die
2,4 Milliarden Euro „für die Zusammen-
führung der Leistungen und Verwal-
tungskosten“ vorgesehen. Gebündelt
werden sollen das Kindergeld, das künf-
tig Garantiebetrag heißt, der Kinderzu-
schlag und Leistungen aus dem Bürger-
geld und der Sozialhilfe für Kinder.
„Einzelne Leistungen“ würden verbes-
sert, aber man habe „keine generellen
Leistungserhöhungen“ verabredet, be-
tonte Lindner. Mehr Geld sollen Allein-
erziehende bekommen, die Anspruch
auf den neuen, einkommensabhängigen
Zusatzbetrag haben. Unterhaltsleistun-
gen und Unterhaltsvorschuss werden bis
zu höchstens 45 Prozent angerechnet.
„Davon profitieren Kinder, die bisher
Bürgergeld erhalten, da dort bisher 100
Prozent angerechnet werden“, heißt es
in den Eckpunkten.
Verknüpft wird diese Regelung aber
mit Erwerbsanreizen, worauf vor allem
die FDP Wert legte. Alleinerziehende
mit Kindern ab sechs Jahren müssen
mindestens 600 Euro im Monat verdie-
Erbschaftsteuer gefährdet die Energiewende
Für die Stromgewinnung
aus Photovoltaik werden
Agrarflächen gebraucht.
Doch es gibt Hürden, wo
man sie nicht vermutet:
bei der Erbschaftsteuer.
Von Sebastian Baum
und Verena Scheibe
I
n gut zehn Jahren soll aus deut-
schen Steckdosen nahezu aus-
schließlich klimaneutraler Strom
fließen. Erreichen will die Bundes-
regierung dieses Ziel durch eine Kombi-
nation von erneuerbaren Energien und
grünem Wasserstoff. Bis 2030 soll sich
der Anteil erneuerbarer Energien von ak-
tuell gut 40 auf 80 Prozent am Brutto-
Stromverbrauch verdoppeln. Parallel da-
zu sollen Kapazitäten für die Produktion
von zehn Gigawatt grünen Wasserstoffs
entstehen.
Während die öffentliche Aufmerksam-
keit in großem Umfang den Trendthemen
Wasserstoff und Windkraft gilt, verrich-
tet im Hintergrund die bewährte Photo-
voltaik zuverlässig ihren Dienst. Tatsäch-
lich wird ihre Bedeutung weiter
zunehmen: Nach der Photovoltaik-Strate-
gie der Bundesregierung soll sich das
Ausbautempo von gut sieben Gigawatt in
2022 auf 22 Gigawatt pro Jahr verdreifa-
chen, damit bis 2030 eine Kapazität von
215 Gigawatt zur Verfügung steht.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen in
großem Umfang Agrarflächen für die
Stromgewinnung erschlossen werden. Es
läge daher im Interesse des Gesetzge-
bers, die Realisierung entsprechender
Photovoltaik-Projekte so einfach wie
möglich zu gestalten. Stattdessen zeich-
net sich ab, dass ausgerechnet ein schein-
barer Nebenaspekt wie die Erbschaft-
und Schenkungsteuer die gewünschte
und dringend notwendige Dynamik aus-
bremsen könnte.
Die Problematik liegt, verkürzt darge-
stellt, in der Unterscheidung zwischen
landwirtschaftlichem Betriebsvermögen
einerseits und Grundvermögen anderer-
Was bedürftige Familien
jetzt erwartet
Einen Neustart der Familienförderung verspricht die Ampel.
Aufbruchstimmung kann sie nicht erzeugen.
Es gibt viel Frust und viele skeptische Fragen.
Von Katja Gelinsky, Berlin
Bessere Aussichten für Kinder? An den Plänen zur neuen Grundsicherung gibt es Zweifel.
nen, damit dieses Einkommen beim Zu-
satzbetrag nur zu 45 Prozent berücksich-
tigt wird. Bei Kindern unter sechs Jahren
gibt es diese Mindestverdienstgrenze
nicht. Auch der Unterhaltsvorschuss soll
nur bis zum Schuleintritt ohne Mindest-
einkommensgrenze gezahlt werden. Für
Photovoltaik in luftigen Höhen: Solarpanels über einem Hopfenfeld
seits. Landwirtschaftliches Betriebsver-
mögen ist bei einer Schenkung oder Erb-
schaft bis zu 100 Prozent steuerbefreit,
während bei dem Grundvermögen die
volle Schenkung- oder Erbschaftsteuer
fällig werden kann.
Vermietet ein Landwirt eine zu seinem
Betrieb gehörende Fläche an einen Pro-
jektentwickler zur Errichtung einer PV-
Anlage, gilt diese Fläche unter bestimm-
ten Umständen nicht mehr als Betriebs-,
sondern als Grundvermögen. Übliche
Vertragslaufzeiten von rund 30 Jahren
machen es relativ wahrscheinlich, dass
innerhalb dieses Zeitraums der Hof über-
geben oder vererbt wird. Der Eigentümer
würde also mit einem Federstrich die
künftige Steuerbelastung des Areals
drastisch erhöhen.
Einen Ausweg bietet eine Minimalbe-
teiligung des Landbesitzers am Betriebs-
vermögen der PVA-Projektgesellschaft.
Dann wird die vermietete Fläche als
Sonderbetriebsvermögen dem Gewerbe-
betrieb zugeordnet und schenkungs- be-
ziehungsweise erbschaftsteuerrechtlich
genauso behandelt wie landwirtschaftli-
ches Betriebsvermögen. In der prakti-
Wirtschaft
Schulkinder gilt dann wieder die Grenze
von 600 Euro.
Für die Höhe der Kindergrundsiche-
rung wird es auch auf die Neubemessung
des sogenannten soziokulturellen Exis-
tenzminimums für Kinder ankommen.
Der Bedarf für Kinder soll an die Lebens-
| RECHT UND STEUERN
Foto dpa
schen Umsetzung jedoch schafft dieses
Vorgehen aber eine ganze Reihe von
Problemen.
Zunächst einmal entsteht dem Land-
wirt, der ja eigentlich nur eine Fläche
vermieten will, durch die unternehmeri-
sche Beteiligung zeitlicher, bürokrati-
scher und finanzieller Aufwand. Beim
Betreiber der PVA-Projektgesellschaft
wiederum verkompliziert die Aufnahme
eines fachfremden Minderheitsgesell-
schafters nicht nur Organisation und Be-
richtswesen, sondern auch einen mögli-
chen späteren Verkauf der Gesellschaft.
Aber auch die Vertragsgestaltung wird
deutlich anspruchsvoller, weil der Ab-
schluss des Nutzungsvertrages zur Siche-
rung der benötigten Fläche einen der al-
lerersten Schritte in der Umsetzung eines
Photovoltaik-Projekts darstellt. Erst da-
nach können weitere Prozessphasen wie
die Finanzierung oder das Genehmi-
gungsverfahren angestoßen werden. Des-
halb lässt sich beispielsweise ein fairer
Preis für die Beteiligung des Vermieters
zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht seriös
ermitteln. Es kommt sogar vor, dass die
PVA-Projektgesellschaft zum Zeitpunkt
Foto Nerea Lakuntza
wirklichkeit angepasst werden. „In der
Folge werden sich die Regelbedarfe im
Kinderzusatzbetrag erhöhen“, heißt es in
den Eckpunkten – werden also zu mehr
Geld vom Staat führen. Der neue Bericht
über die Höhe des Existenzminimums
wird Ende des Jahres 2024 für die Jahre
|
der Sicherung der Grundstücke noch
nicht einmal gegründet wurde.
Als Konsequenz daraus sind selbst
dann, wenn der Projektentwickler eine
aufsichtsrechtlich zulässige Beteiligungs-
option anbietet, deren Bestimmungen
häufig so vage gehalten sind, dass sie den
Anforderungen des Bundesgerichtshofs
zum sogenannten Schriftformerfordernis
gewerblicher Mietverträge nicht genügen
dürften. Voraussetzung ist nach dieser
Rechtsprechung die schriftliche Fixierung
zentraler Inhalte gewerblicher Mietverträ-
ge wie Laufzeitbeginn oder Vergütung.
Mangels erteilter Betriebsgenehmigung
oder bestätigter Finanzierungskonditio-
nen mag das aber zum aktuellen Zeitpunkt
noch gar nicht möglich sein.
Verletzungen des Schriftformerforder-
nisses wiederum können ein Recht zur or-
dentlichen Kündigung durch den Eigentü-
mer der Flächen bereits während der
Vertragslaufzeit auslösen. Solche Szena-
rien sind im Kontext von Wind- und
Photovoltaik-Projekten durchaus bekannt,
wenn beispielsweise ein konkurrierender
Projektentwickler dem Vermieter höhere
Mietzahlungen in Aussicht stellt. Erklärt
ein Gericht eine solche Kündigung für
rechtens, entstehen dem Projektbetreiber
in aller Regel erhebliche finanzielle und
operative Nachteile.
Steuerliche Aspekte, die man zunächst
als Marginalie abtun könnte, führen also
zu einer Reihe schwerwiegender Konse-
quenzen und schaffen erhebliche Unsi-
cherheit sowohl für Vermieter als auch
für Projektentwickler und Anlagenbetrei-
ber. Unsicherheiten wiederum sind im
Geschäftsverkehr wie im juristischen
Umgang gleichbedeutend mit Verzöge-
rungen, zusätzlichem Aufwand und dem
Risiko, dass eine Transaktion gar nicht
erst zustande kommt.
Für den angestrebten massiven Ausbau
der Photovoltaik sind solche Aussichten
kontraproduktiv. Das Thema ist bei den zu-
ständigen Ministerien bekannt; nötig wäre
eine zeitnahe Anpassung der Steuergeset-
ze oder zumindest der Verwaltungspraxis
zur Einordnung der betroffenen Landwirt-
schaftsflächen. Andernfalls besteht die
Gefahr, dass ein scheinbarer Nebenaspekt
die gesamte Photovoltaik-Strategie der
Bundesregierung ins Wanken bringt.
Die Autoren sind Partner bei
Watson Farley & Williams, Hamburg.
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
2025 und 2026 kommen. Der befristete
Sofortzuschlag von monatlich 20 Euro,
soll in der Neubemessung des Existenz-
minimums aufgehen. Unter Verrechnung
dieser 20 Euro ergibt sich nach Ausfüh-
rungen Lindners nur für Kinder im Alter
bis zu fünf Jahren eine Verbesserung in
Höhe von 8 Euro. Allerdings gibt es noch
einige Unsicherheiten.So fehlen noch
Daten des Statistischen Bundesamtes.
Auch sind Diskussionen zu erwarten, wie
genau der Bedarf von Kindern an die Le-
benswirklichkeit anzupassen ist. Nach
Ansicht des Paritätischen Gesamtver-
bandes sind die Regelsätze derzeit um 44
Prozent zu niedrig, um das Existenzmini-
mum sicherzustellen. Doch wurden die
Bürgergeld-Regelsätze nun für 2024
nochmals um rund 12 Prozent erhöht. .
Dieser Anstieg wirkt sich auch auf die
Kindergrundsicherung aus.
Anlaufstelle für die Leistungen der
Kindergrundsicherung sollen die Fami-
lienkassen der Bundesagentur für Arbeit
werden. Über ein Internetportal des neu-
en „Familienservices“ sollen alle Leistun-
gen beantragt werden können. Familien
sollen außerdem informiert werden, wel-
che Ansprüche ihnen zustehen. Derartige
proaktive Beratungen sind gemeint,
wenn die Familienministerin davon
spricht, die „Holschuld“ von Familien
beim Bezug staatlicher Leistungen in
eine „Bringschuld“ des Staates zu ver-
wandeln. Ob der von Paus angestrebte
„System- oder Paradigmenwechsel“ tat-
sächlich ein Gewinn wäre, scheint aber
nicht ausgemacht. Der Deutsche Land-
kreistag kritisiert den Aufbau zusätzli-
cher Behördenstrukturen bei den Fami-
lienkassen als teuer und ineffizient. Dort
würden Tausende neue Mitarbeiter ge-
braucht. Zugleich müssten bedürftige Fa-
milien weiterhin auch andere Behörden
ansteuern. Die Unionsfraktion im Bun-
destag hat die Kritik aufgegriffen. Die
Kindergrundsicherung drohe „zu einem
der größten Bürokratiemonster der Le-
gislaturperiode zu werden“, mahnt CDU-
Familienpolitikerin Breher.
Für die Leistungen aus dem Bildungs-
und Teilhabepaket (BuT) sollen weiter-
hin die Kommunen zuständig sein. „In
den nächsten Jahren“ soll dann ein digi-
tales „Kinderchancenportal“ entwickelt
werden, über welches die Leistungen
einfach zugänglich sein sollen. Paus hin-
gegen hatte den monatlichen Pauschal-
betrag für soziale Teilhabe in Höhe von
15 Euro sowie das Schulstarterpaket in
Höhe von derzeit 174 Euro ursprünglich
in die Kindergrundsicherung eingliedern
wollen. Für die FDP hingegen war zent-
ral, dass die BuT-Leistungen in ihrer Ge-
samtheit über das Kinderchancenportal
zur Verfügung stehen. Gyde Jensen,
stellvertretende FDP-Fraktionsvorsit-
zende, sprach von einer „elementaren
Säule“. Das Familienministerium müsse
den Aufbau des Kinderchancenportals
„dringend priorisieren“.
Rolle rückwärts im
Insolvenzrecht
In der Corona-Krise hat der Gesetzgeber die
Insolvenzregeln gelockert. Damit ist bald Schluss.
In der Corona-Pandemie hat der Gesetz-
geber den Unternehmen nicht nur mit
Finanzhilfen, sondern mit schnellen Än-
derungen am Insolvenzrecht unter die
Arme gegriffen: Durch das sanierungs-
und insolvenzrechtliche Krisenfolgen-
abmilderungsgesetz, kurz SanInsKG, ist
die Insolvenzantragspflicht bei Über-
schuldung seit dem 9. November 2022
gelockert. Seitdem reicht es aus, dass ein
Unternehmen nachweisen kann, dass es
die nächsten vier Monate durchfinan-
ziert ist, um keinen Insolvenzantrag we-
gen Überschuldung stellen zu müssen.
Vor der Anpassung war eine Fortfüh-
rungsprognose für die nächsten zwölf
Monate notwendig – und die kehrt nun
zum Monatswechsel wieder relevant.
Denn ausschlaggebend ist, wenn man
auf Nummer sicher gehen möchte, nicht
der viermonatige Zeitraum an sich, son-
dern vielmehr der Zeitpunkt, an dem die
vier Monate vorüber sind. Und der liegt
ab dem 1. September in jedem Fall nach
dem Jahreswechsel und dem Auslaufen
der Regelungen..
Das bedeutet: Wenn für ein Unter-
nehmen zwischen dem 1. September
und dem Jahreswechsel feststeht, dass es
(unmittelbar) nach dem Auslaufen der
viermonatigen Frist überschuldet sein
wird, ist dieser Befund mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit für die
Überschuldungsprüfung relevant. Ge-
schäftsleiter wären in einem solchen
Fall verpflichtet, bei der Fortführungs-
prognose trotz SanInsKG nicht mehr die
vier, sondern wieder die zwölf Monate
zu Grunde zu legen. Wenn klar ist, dass
das Unternehmen für diesen Zeitraum
nicht durchfinanziert ist, müssen Ge-
schäftsleiter innerhalb der gesetzlichen
Frist einen Insolvenzantrag stellen – ge-
rade auch, um sich vor einer möglichen
persönlichen Haftung zu schützen.
Die Höchstfrist für einen Insolvenz-
antrag wegen Überschuldung ist mit
dem SanInsKG – also bis zum Jahres-
wechsel – temporär von sechs auf acht
Wochen erhöht worden, damit Unter-
nehmen etwas mehr Zeit für den Ver-
such einer außerinsolvenzlichen Sanie-
Gesamtschulden:
17,3 Billionen
mas. BERLIN. Der deutsche Staat
gerät in immer größere finanzielle
Schieflage. Rechnet man die ver-
schleierten Lasten, die sich etwa in
den Sozialversicherungen aus be-
stehenden Leistungszusagen bei den
geltenden Beiträgen ergeben, zu den
offen ausgewiesenen Staatsschulden
hinzu, kommt man auf die stolze Sum-
me von 17,3 Billionen Euro. Das ist
das Viereinhalbfache der jährlichen
Wirtschaftsleistung in Deutschland.
Zu diesem Ergebnis ist der Finanzwis-
senschaftler Bernd Raffelhüschen mit
seinem Forschungsteam gekommen.
„Jeder muss also 4,5 Jahre arbeiten
und alles an den Staatshaushalt abfüh-
ren, erst dann sind wir die Lücke los“,
erläuterte der Ökonom.
Der Freiburger Wissenschaftler er-
stellt jedes Jahr eine sogenannte Ge-
nerationenbilanz für die Stiftung
Marktwirtschaft. Im Vergleich zum
Vorjahr ist die Lücke größer gewor-
den, obwohl die offene Staatsver-
schuldung zuletzt kleiner geworden
ist. Die öffentlichen Finanzen sind
damit weniger nachhaltig, obwohl
das Freiburger Forschungszentrum
eine optimistischere Zuwanderungs-
prognose des Statistischen Bundes-
amtes berücksichtigt. Unterstellt
wird, dass jährlich netto 290.000
Menschen nach Deutschland kom-
men, hier sofort eine Beschäftigung
finden – und damit gleich Steuern so-
wie Beiträge zahlen. Das sind rund
70.000 mehr als zuvor einkalkuliert.
Offene und verdeckte Schulden in
Form von Leistungsansprüchen las-
sen sich nicht gleichsetzen. Während
der Staat seine Kredite bedienen
muss, beruhen seine Leistungszusa-
gen auf Gesetzen. Regierungen kön-
nen die Ansprüche kürzen oder strei-
chen. Weil das politisch schwierig ist,
ist es wichtig, sich die riesigen Lü-
cken in den Sozialkassen heute be-
wusst zu machen. Für die Kranken-
kassen kommen die Wissenschaftler
beim Status quo auf implizite Schul-
den von 66 Prozent des Bruttoin-
landsprodukts. Unter Einbeziehung
des üblichen Kostendrucks sehen sie
eine Lücke von fast 200 Prozent. Jün-
gere Beitragszahler müssten ältere
Leistungsempfänger mitfinanzieren,
warnt Raffelhüschen. Ähnlich sehe
es in der Pflegeversicherung aus. Die
Forscher werben für kostendämpfen-
de Maßnahmen, wie einen Selbstbe-
halt in der gesetzlichen Krankenver-
sicherung und schlagen vor,
Pflegeleistungen erst nach einem Ka-
renzjahr zu zahlen und einen Nach-
haltigkeitsfaktor einzubauen.
rung haben. Wichtig ist für Geschäfts-
leiter aber: Die Frist darf nicht ausge-
schöpft werden, wenn bereits zu einem
früheren Zeitpunkt feststeht, dass die
Überschuldung aller Voraussicht nach
nicht beseitigt werden kann.
Dass die verkürzte Frist für die Fort-
führungsprognose zwar noch bis zum
31. Dezember 2023 gilt, allerdings be-
reits schon vor dem Ablauf der Gel-
tungsdauer ihre praktische Relevanz
einbüßt, führt dazu, dass die Überschul-
dung als Insolvenzgrund wieder an Be-
deutung gewinnt. Die Zahlungsunfähig-
keit wird aber auch weiterhin der mit
Abstand häufigste Grund für Unterneh-
mensinsolvenzen bleiben.
Da die wirtschaftliche Erholung
weiterhin auf sich warten lässt, sollten
sich Geschäftsleiter daher – so hart
das zunächst klingen mag – regelmä-
ßig auch mit der Frage „Ist mein
Unternehmen noch zahlungsfähig?“
befassen. Denn die Antwort hat nicht
nur für das Unternehmen, sondern ge-
rade auch für Geschäftsleiter in Bezug
auf ihre persönliche finanzielle Haf-
tung eine große Bedeutung – zumal es
durch das SanInsKG bei der Zahlungs-
unfähigkeit keine Änderungen gege-
ben hat. Grundsätzlich gilt: Kann ein
Unternehmen seine fälligen Verbind-
lichkeiten nicht mehr begleichen, ist
es zahlungsunfähig. In einem solchen
Fall ist ein Geschäftsleiter dazu ver-
pflichtet, innerhalb der gesetzlichen
Frist – in der Regel drei Wochen –
einen Insolvenzantrag zu stellen.
Wichtig ist: Geschäftsleiter sollten
eine notwendige Restrukturierung oder
Sanierung rechtzeitig angehen, wenn ihr
Unternehmen noch Reserven hat. Wer-
den Gegenmaßnahmen frühzeitig ein-
geleitet, bestehen bessere Chancen auf
einen erfolgreichen und nachhaltigen
Ausgang. Einfach abzuwarten und auf
eine baldige Besserung der Konjunktur
zu setzen, ist keine empfehlenswerte
Strategie. JÜRGEN ERBE
Der Autor ist Rechtsanwalt und Insolvenz-
verwalter bei der Kanzlei Schultze & Braun.
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Big Data zum Wohle der Kranken
Am Mittwoch disku-
tiert das Kabinett
zwei Entwürfe zur
Digitalisierung.
Was bringt es den
Patienten?
Von Christian
Geinitz, Berlin
■ Kommt jetzt endlich die
Elektronische Patientenakte ePA?
Nach fast 20 Jahren Vorlauf sieht es so
aus. Die ePA ist in anderen Ländern
längst Standard, theoretisch gibt es sie
hierzulande seit 2021. Bisher jedoch muss
man sie bei der Krankenkasse anfordern.
Da es zudem an der Technik hapert, nutzt
sie nicht einmal 1 Prozent der 74 Millio-
nen gesetzlich Versicherten. Das neue
Gesetz zur Beschleunigung der Digitali-
sierung des Gesundheitswesens (Digital-
gesetz) sorgt dafür, dass alle Versicherten
– auch mitversicherte Kinder – vom 15.
Januar 2025 an von ihren Kassen automa-
tisch eine ePA erhalten. Es sei denn, sie
widersprechen (Opt-out). Bei Kindern
können das die Eltern tun. Bis Ende 2025
sollen 80 Prozent der gesetzlich Versi-
cherten mit einer ePA ausgestattet sein.
Privatversicherungen sind dazu nicht ver-
pflichtet, viele Anbieter wollen sich aber
trotzdem beteiligen. Die ePA gibt es als
App für das Smartphone oder den Com-
puter. Sie existiert auf den Servern der
Telematik aber auch, wenn Patienten die
App nicht einrichten oder freischalten.
Auch ohne App können Praxen, Kliniken,
Apotheken sie also nutzen, sofern die
Versicherten das nicht unterbinden.
■ Was bringt die ePA?
Sie soll die Krankengeschichte umfassend
abbilden, damit Behandlungen schneller,
zielgerichteter, sicherer und vernetzter
als bisher verlaufen. Alle relevanten
Daten können von berechtigten Personen
und Patienten hochgeladen werden:
Diagnosen, Therapien, Vorerkrankun-
gen, Unverträglichkeiten, Impfungen, La-
borwerte, Röntgen-, Ultraschallbilder,
Arzneimittelverschreibungen und vieles
mehr. Ein Ziel besteht darin, dass bis En-
de 2025 mindestens 80 Prozent der ePA-
Nutzer in medikamentöser Behandlung
über eine digitale Medikationsübersicht
verfügen. „So können unnötige, belasten-
de Mehrfachuntersuchungen sowie un-
erwünschte Arzneimittelwechselwirkun-
gen vermieden werden“, wirbt das
Ministerium, „und es bleibt mehr Zeit für
die Behandlung der Patienten.“
■ Bin ich noch Herr meiner Daten?
Ja. Zum einen kann man der Ausstellung
der ePA innerhalb von sechs Wochen wi-
dersprechen. Selbst nach der Ausgabe ist
das noch möglich, dann wird die Akte ge-
löscht. Zum anderen können Versicherte
den Zugriff zeitlich und inhaltlich be-
grenzen und nur bestimmten Leistungs-
erbringern gestatten. Wer möchte, ent-
scheidet also selbst, wer was nutzen darf.
Zur Speicherung einiger Daten werden
Ärzte gesetzlich verpflichtet, andere kön-
nen diese von sich aus einstellen. Bei sen-
Importkontrollen
erst 2024
Reuters. LONDON. Großbritannien
verschiebt die vollständige Einfüh-
rung von Einfuhrkontrollen für EU-
Waren um drei Monate. Starttermin
soll nun der Januar 2024 sein, wie die
Regierung am Dienstag in London
ankündigte. Noch im April hatte sie
erklärt, ab dem 31. Oktober Gesund-
heitszertifikate für einige tierische
Produkte, Pflanzen sowie Lebens-
und Futtermittel aus Europa zu ver-
langen. Die EU hat dagegen bereits
Kontrollen für britische Waren ein-
geführt, was zu Verzögerungen und
höheren Kosten führt. Großbritan-
nien hat den EU-Binnenmarkt im Ja-
nuar 2021 verlassen, die vollständige
Einführung von Grenzkontrollen
aber aus Sorge vor Störungen an den
Häfen und einem weiteren Befeuern
der Inflation mehrmals verschoben.
Nach Anhörung der Wirtschaft ha-
be man sich für den Aufschub ent-
schieden, teilte die britische Regie-
rung mit. Weitere Anforderungen –
etwa Warenkontrollen und Sicher-
heitserklärungen – sollen schrittweise
bis 2024 eingeführt werden. Der Start-
termin für einige Bereiche, etwa die
Kontrolle von tierischen Erzeugnissen
und Pflanzen mit mittlerem Risiko,
wird ebenfalls um drei Monate ver-
schoben. Das soll den Unternehmen
mehr Zeit zur Vorbereitung geben.
Das nun veröffentlichte neue Modell
für die Grenzkontrollen sieht eine ver-
besserte Nutzung von Daten und
Technologien vor. Auch soll Doppel-
arbeit beseitigt werden, um den büro-
kratischen Aufwand der Unterneh-
men bei der Einfuhr zu verringern.
Auf zum digitalen Gesundheitswesen: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat zwei Gesetzentwürfe im Gepäck.
siblen Angaben werden die Patienten
noch einmal gesondert auf ihre Wider-
spruchsmöglichkeit hingewiesen. Zugriff
haben ohnehin nur „Berufsgeheimnisträ-
ger“, die nachweislich den Patienten ver-
sorgen oder behandeln, einschließlich
Notfallsanitätern. Krankenkassen haben
keine Berechtigung.
■ Wie sicher ist das Verfahren?
Sehr sicher, behauptet das Ministerium.
Die Daten sind nicht auf den Endgeräten
der Patienten oder der Ärzte hinterlegt –
dort erfolgt lediglich der Zugriff –, son-
dern auf angeblich sicheren Servern der
Telematikinfrastruktur. Dort sind die In-
formationen verschlüsselt. „Niemand
außer den Versicherten und denjenigen,
die aufgrund des Behandlungskontexts
eine Berechtigung besitzen, können die
Inhalte lesen“, versichert das Ministerium.
Über die Protokolldaten erhalten die Pa-
tienten Überblick, wer wann auf welche
Daten zugegriffen hat. Zur Nutzung der
App ist eine einmalige Authentifizierung
nötig. Diese erfolgt entweder über eine
von den Kassen bereitzustellende digitale
Identität (Gesundheits-ID) oder über die
elektronische Gesundheits- oder Versi-
chertenkarte samt PIN. Diesen Code ver-
senden die Kassen per Brief, er muss in
einer Postfiliale unter Vorlage von Pass
oder Personalausweis abgeholt werden.
■ Wie weit ist das E-Rezept?
Wie die ePA treten auch die Onlinever-
schreibungen seit Jahren auf der Stelle.
Nicht einmal 2,5 Millionen E-Rezepte
Erdrutsch behindert den Warenverkehr mit Italien
Die Wirtschaft beklagt Blockaden an wichtigen Alpen-Übergängen
chs. ROM. Die italienische Wirtschaft
befürchtet, vom nördlichen Europa regel-
recht abgeschnitten zu werden. Denn
eine Reihe von Ereignissen behindert den
Lastverkehr über die Grenzen bei Frank-
reich, Schweiz und Italien. Jüngstes Er-
eignis ist ein heftiger Erdrutsch an der
A 43 in der Nähe des Tunnels von Fréjus
zwischen dem französischen Savoyen und
dem italienischen Piemont, bei dem keine
Personen zu Schaden kamen. Seit Sonn-
tag ist der Tunnel für den Schwerlastver-
kehr geschlossen, die Zugverbindungen
sind ebenfalls betroffen. Empfohlen wird
den Transporteuren nun der Umweg über
den Tunnel des Mont Blanc. Doch der soll
vom kommenden Montag an für Renovie-
rungsarbeiten fast vier Monate geschlos-
sen werden. Mehr als sechzig Jahre nach
seinem Bau gelten die Arbeiten aus Si-
cherheitsgründen als unverzichtbar.
Indes läuft wegen eines Unfalls mit
einem Güterzug im Gotthardtunnel am
10. August der Verkehr dort auch langsa-
mer. Obendrein war wegen eines kleine-
ren Erdrutsches die Brennerbahnstrecke
in Nordtirol am Montag geschlossen. We-
gen des Brennertunnels tobt ohnehin der
Streit über die von Österreich aus Um-
weltschutzgründen verhängten Zugangs-
und Nutzungsbeschränkungen für Last-
wagen. Die Gesamtlage sei „dramatisch“,
sagte der Präsident des Spediteur-Ver-
bandes Conftrasporto, Paolo Uggè.
Gespräche laufen nun, um die Ausbes-
serungsarbeiten im Mont Blanc-Tunnel
aufzuschieben. Schockiert hatte italieni-
sche Wirtschaftsvertreter die kürzlich er-
folgte Ankündigung der Mont-Blanc-Tun-
nelbetreiber, dass ihre Durchfahrt über 18
Jahre immer wieder pro Jahr mehrere
Wirtschaft
wurden bisher eingelöst, bei 450 Millio-
nen Papierausfertigungen im Jahr. Jetzt
aber soll das Digitalverfahren zum 1. Ja-
nuar 2024 verbindlicher Standard wer-
den. Die meisten Apotheken seien schon
entsprechend ausgestattet, heißt es, nun
müssten die Mediziner folgen: Alle Ärzte
und Zahnärzte sind verpflichtet, ihre
Praxen bis zum 1. Januar auf das E-Re-
zept umzustellen. Gelingt das nicht, dro-
hen pauschale Honorarkürzungen um 1
Prozent. Digitale Rezepte lassen sich
schon seit Juli über die Gesundheitskarte
einlösen. Es gibt zudem eine eigene E-
Rezept-App der Gematik, der Telematik-
gesellschaft des Bundes. Vom kommen-
den Jahr an soll das Einlösen auch über
die ePA-App der Krankenversicherun-
gen möglich sein.
Morgen im Reiseblatt
Sinn
Sommerserie, sechster
Teil: Bisher war der
Urlaub reines Vergnügen,
jetzt hat er zum ersten
Mal einen guten Zweck –
als freiwilliger Retter
im Schweizer Bergwald.
Verstand
Die Waldbrände sind nicht das Ende:
Rhodos oder die Rückkehr zur Normalität
Wert
Kann ich mal Ihre Wohnung sehen:
Naomi Schenck sucht Drehorte in New York
Monate geschlossen werden müsse. So
werden langfristige Lösungen gebraucht:
Immerhin soll der Bau einer zweiten Röh-
re des Fréjus-Tunnels Ende dieses Jahres
oder Anfang 2024 fertiggestellt werden.
Auch am Gotthard ist eine zweite Röhre
in Bau. Für den Mont Blanc drängen ita-
lienische Politiker und die Wirtschaft
ebenfalls auf eine derartige Erweiterung,
doch stoßen sie in Frankreich damit nicht
auf ungeteilte Zustimmung.
Die Alpendurch- und Überquerung ist
für die italienische Wirtschaft von zen-
traler Bedeutung. Abgesehen von Erdöl-
erzeugnissen entfallen 60 Prozent des
grenzüberschreitenden Warenverkehrs
(über 170 Millionen Tonnen) auf euro-
päische Länder; die Güter werden meist
auf den Landstrecken Richtung Norden
oder von dort nach Italien gebracht. Es
gibt sieben wichtige Alpenpässe: Venti-
miglia, Fréjus, Mont Blanc, Simplon und
Engpass erwartet: Gotthard-Tunnel in der Schweiz.
Foto dpa
■ Der rosa Zettel ist dann passé?
So gut wie. Anders als bei der ePA gibt es
für das E-Rezept keine Ablehnungsmög-
lichkeit. Es soll nach dem Willen des Mi-
nisteriums „das bisherige Papierrezept
perspektivisch vollständig ersetzen“. Wer
weder App noch Versichertenkarte nut-
zen möchte, kann sich aber vom Arzt
einen Papierausdruck geben lassen, mit
dem sich in der Apotheke das E-Rezept
abrufen lässt. Neben der ePA und dem E-
Rezept will das Digitalgesetz auch die di-
gitalen Gesundheitsanwendungen (Diga)
sowie die Telemedizin stärken. Die bishe-
rige Mengenbegrenzung in der Telemedi-
zin entfällt.
■ Wozu dient das neue
Gesundheitsdatennutzungsgesetz?
Es zielt darauf ab, die öffentliche und pri-
vate Forschung im Sinne der Patienten zu
verbessern. Aufbereitete und vernetzte
Daten in riesigen Mengen sind für neue
Therapien unerlässlich, etwa gegen De-
menz oder Krebs. Bei der Entwicklung
sollen auch Künstliche Intelligenz und
ein neuer Europäischer Gesundheits-
datenraum helfen. Das Gesetz will die
Rechts- und Datenschutzgrundlagen ver-
einheitlichen und im Bundesamt BfArM
eine zentrale Zugangs- und Koordinie-
rungsstelle für die Forschung schaffen,
die bestehende und künftige Datenban-
ken verknüpft. Die Behandlungsdaten
aus der ePA sollen – wie alle Informatio-
nen nicht zurückverfolgbar – ebenfalls
einfließen. Dem kann der Versicherte
aber widersprechen.
Gotthard, Brenner und Tarvisio. Der
Brenner ist mit 49,4 Millionen Tonnen
Gütern pro Jahr im Import und Export
bei Weitem der wichtigste Alpenüber-
gang. Der italienische Verkehrsminister
Matteo Salvini drängt die EU-Kommis-
sion, wegen der von Österreich verhäng-
ten Beschränkungen am Brenner ein Ver-
tragsverletzungsverfahren gegen das
Land zu eröffnen – bisher erfolglos. Auch
Deutschland unterstützt die Proteste,
doch die österreichische Regierung gibt
der Luftqualität bisher Vorrang.
Auch die Tunnel von Frejus gehören zu
den bedeutenden Übergängen. Dort wur-
den 2022 Waren von 13,8 Millionen Ton-
nen transportiert, davon 11,1 Millionen
Tonnen auf der Straße. Insgesamt werden
heute zwei Drittel des gesamten Import-
und Exportvolumens Italiens mit euro-
päischen Ländern auf der Straße und ein
Drittel auf der Schiene befördert.
Foto dpa
M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 1 7
Bürgergeld für Arbeitssuchende
steigt auch 2024 um 12 Prozent
Heil: Starker Sozialstaat / FDP befürchtet Jobabbau
dc. BERLIN. Die geplanten Mehraus-
gaben für die neue Kindergrundsiche-
rung sollen mit 2,4 Milliarden Euro im
Jahr 2025 zunächst am unteren Rand
der Erwartungen bleiben. Dafür steht
Beziehern der Grundsicherung Bürger-
geld nun schon 2024 eine Erhöhung im
Gesamtumfang von 4,3 Milliarden
Euro in Aussicht: Wie Arbeitsminister
Hubertus Heil (SPD) am Dienstag an-
kündigte, steigen die monatlichen Re-
gelsätze zum 1. Januar 2024 ein weite-
res Mal um rund 12 Prozent. Der Satz
für alleinlebende Erwachsene erhöht
sich um 61 Euro auf 563 Euro im Mo-
nat. Zum 1. Januar 2023 war dieser Satz
um 53 Euro oder 11,8 Prozent auf 502
Euro angehoben worden.
Die deutliche Anhebung ist Heil zu-
folge darauf zurückzuführen, dass seit
der Einführung des Bürgergelds zu Jah-
resbeginn eine geänderte Berechnungs-
methode greift, die neben der Lohnent-
wicklung die Inflation stärker berück-
sichtigen soll. Es handelt sich demnach
also nicht um eine aktuelle politische
Entscheidung, die Regelsätze wegen des
Streits über die Kindergrundsicherung
nun stärker zu erhöhen. Mit der Bürger-
geldreform war festgelegt worden, der
„regelbedarfsrelevanten Preisentwick-
lung“ mehr Gewicht zu geben.
Der damit vom Arbeitsministerium
errechnete Prozentsatz – diesmal gut 12
Prozent – gilt auch für alle anderen Re-
gelbedarfsstufen. Beispielsweise steigt
monatlich die Geldleistung für Jugend-
liche im Bürgergeld zum Jahreswechsel
von bisher 420 Euro auf 471 Euro. Für
ein Paar mit drei Kindern steigt der mo-
natliche Gesamtbetrag von bisher 1988
Euro auf 2230 Euro. Hinzu kommt die
Kostenerstattung für eine angemessene
Wohnung, die bisher im bundesweiten
Durchschnitt mit 917 Euro im Monat
veranschlagt wurde. Bei unveränderten
Wohnkosten steigt der Gesamttransfer
für diesen Haushalt damit von 2905 auf
3147 Euro im Monat.
Biden will Arzneien verbilligen
Staatliche Versicherung verhandelt Pharma-Preise
wvp. WASHINGTON. Die amerikani-
sche Regierung unternimmt einen neu-
en Vorstoß, verschreibungspflichtige
Medikamente günstiger zu machen.
Das Weiße Haus präsentierte am
Dienstag eine Liste von zehn beson-
ders umsatzstarken Arzneimitteln, für
die nun erstmals Preise zwischen der
staatlichen Seniorenversicherung Me-
dicare und den Pharmakonzernen ver-
handelt werden. Auf der Liste stehen
Medikamente, mit denen Herzerkran-
kungen, Diabetes, Arthritis, Blutge-
rinnsel oder Immunkrankheiten be-
handelt werden. Präsident Joe Biden
sagte, Amerikaner zahlten mehr für
Medikamente als die Bürger aller ande-
ren Industrieländer.
Berechnungen des Weißen Hauses
zufolge werden neun Millionen Rentner
von den erwarteten Preissenkungen
profitieren. Nach Darstellung des ame-
rikanischen Gesundheitsministeriums
bezahlen die mit dem Medicare D versi-
cherten Senioren zurzeit jährlich bis zu
6500 Dollar aus eigener Tasche drauf
für rezeptpflichtige Medikamente. Sie
müssen in dem komplexen System ent-
weder einen Teil der Medikamenten-
kosten übernehmen oder bekommen
Kosten erst erstattet, wenn sie ein be-
stimmtes Ausgabenniveau überschrit-
ten haben. Das Weiße Haus zitiert eine
Berechnung der überparteilichen Rech-
nungsprüfer des Kongresses, der zufol-
ge Medicare dank der neuen Politik
160 Milliarden Dollar einsparen werde.
Auf der Liste der Regierung steht
unter anderem der Gerinnungshemmer
Großes Plus an
Subventionen
Reuters. BERLIN. Die Subventionen
in Deutschland steigen einem der
Nachrichtenagentur Reuters vorlie-
genden Regierungsdokument zufolge
rasant an. 2024 wird demnach mit
einem Subventionsvolumen von 67,1
Milliarden Euro gerechnet. Zum Ver-
gleich: 2021 waren es 37,9 Milliarden
Euro. Das geht aus der Kabinettsvor-
lage des FDP-geführten Finanzminis-
teriums für den Subventionsbericht
der Regierung hervor, der alle zwei
Jahre erstellt wird. Der Bericht soll
am Mittwoch vom Kabinett in Mese-
berg beschlossen werden.
Die Entwicklung beruhe aus-
schließlich auf dem Anstieg von Fi-
nanzhilfen um rund 30 Milliarden
Euro. Die meisten davon werden laut
Bericht nur befristet gewährt. „Tem-
porär angelegte Unternehmenshilfen
zur Überwindung der wirtschaftlichen
Folgen des russischen Angriffskriegs
gegen die Ukraine sind hierbei nicht
berücksichtigt.“ Die auf den Bund
entfallenden Steuervergünstigungen
sänken dagegen von 19,5 Milliarden
Euro im Jahr 2021 auf 18,4 Milliarden
2024. Der Löwenanteil der Subventio-
nen hat mittlerweile einen Bezug zu
Umwelt- und Klimazielen.
Heil wertete die Erhöhung als Beleg
für die Stärke des deutschen Sozial-
staats. „Gerade in der Krise und in Kri-
senzeiten und Umbrüchen muss man
sich auf den Sozialstaat verlassen kön-
nen“, sagte er und bezifferte die nötigen
Mehrausgaben mit 4,3 Milliarden Euro
im Jahr. Auch der Koalitionspartner
FDP bekannte sich am Dienstag zur ge-
planten Erhöhung – allerdings mit war-
nenden Tönen: Man sei „verpflichtet,
das Existenzminimum zu gewähren“,
sagte der FDP-Sozialexperte Pascal Ko-
ber. Es dürfe aber „nicht verschwiegen
werden, dass sich die Höhe des Exis-
tenzminimums auch auf andere Berei-
che auswirkt“.
In der Folge, so erläuterte er, werde es
immer schwieriger, für einfache Tätig-
keiten das sogenannte Lohnabstandsge-
bot einzuhalten – also sicherzustellen,
dass Menschen mit Arbeit spürbar mehr
Einkommen erzielen als ohne Arbeit.
Zusammen mit dem davon ausgehenden
Kostendruck werde dies „zu mehr Verla-
gerung von Arbeiten ins günstigere Aus-
land und zu mehr Automation führen“.
Im Gegenzug würden sich Arbeits-
marktchancen für Geringqualifizierte
verschlechtern. Umso wichtiger seien
daher Bürokratieabbau und bessere Zu-
verdienstregeln für Menschen im Sozial-
leistungsbezug, mahnte Kober.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband
kritisierte die Bürgergelderhöhung um
24 Prozent binnen zwei Jahren hingegen
als „viel zu niedrig“. Er verlangte allein
für kommendes Jahr eine Erhöhung um
62 Prozent – der Erwachsenenregelsatz
müsse um 311 Euro auf 813 Euro stei-
gen. Arbeitsmarktpolitiker sehen indes
mit Sorge, dass die Langzeitarbeitslosig-
keit seit Jahresbeginn wieder steigt. Ins-
gesamt erhalten derzeit 3,5 Millionen
Erwachsene und knapp 2 Millionen Kin-
der für ihren Lebensunterhalt Bürger-
geld, unter ihnen knapp 600.000 Kinder,
die seit 2015 durch Flucht und Asyl nach
Deutschland gekommen sind.
Xarelto, einer der Bestseller des Bayer-
Konzerns, der in den Vereinigten Staa-
ten von Johnson & Johnson vermarktet
wird. Ebenfalls auf der Liste enthalten
ist das Diabetesmittel Jardiance, das
der deutsche Pharmakonzern Boehrin-
ger Ingelheim gemeinsam mit dem
Wettbewerber Eli Lilly vermarktet.
Boehringer Ingelheim und Johnson
& Johnson gehört zu einer Gruppe von
sechs Pharmakonzernen, die Klage
gegen die neue Medikamentenpolitik
erhoben haben. Dazu kommen Klagen
der amerikanischen Handelskammer
und der zentralen Pharmalobby-Orga-
nisation. Biden behauptet in der Stel-
lungnahme des Weißen Hauses, dass
„Big Pharma“ voriges Jahr 400 Millio-
nen Dollar ausgegeben habe, um die
neue Politik und den Fortschritt zu stop-
pen. Er werde aber nicht einknicken.
Die rechtliche Basis für die neue Ver-
handlungsmacht der staatlichen Ge-
sundheitsversicherung Medicare liefert
der Inflation Reduction Act, der bisher
vor allem als Förderprogramm für den
klimafreundlicheren Umbau der Indust-
rie wahrgenommen wird. Die Ankündi-
gung des Weißen Hauses fügt sich ein in
die Wahlkampfstrategie Bidens. Der
Präsident versucht, den Bürgern die
Vorzüge von „Bidenomics“ nahezubrin-
gen. Die Ausstattung von Medicare mit
einem Preisverhandlungsmandat findet
Umfragen zufolge große Unterstützung
in der Bevölkerung über das gesamte
politische Spektrum hinweg. Republika-
nische Politiker positionieren sich aber
bisher dagegen.
Reallöhne
steigen leicht
dpa-AFX. WIESBADEN. Nach har-
ten Pandemiejahren wächst die
Hoffnung auf eine Kehrtwende bei
den um die Inflation bereinigten
Reallöhnen. Sie sind im zweiten
Quartal dieses Jahres um 0,1 Prozent
gegenüber dem Vorjahreszeitraum
gestiegen, wie das Statistische Bun-
desamt am Dienstag berichtete.
Neben der etwas nachlassenden In-
flation waren es vor allem die ver-
gleichsweise hohen Tarifabschlüsse,
die zu einem sehr starken Anwach-
sen der Nominallöhne führten. Sie
übertrafen mit einem Plus von 6,6
Prozent die Steigerungen bei den
Verbraucherpreisen (6,5 Prozent).
Das hatte es zuletzt im zweiten
Quartal 2021 gegeben.
In der Jahressicht sind die Reallöh-
ne bereits seit 2020 rückläufig, als
der Corona-Schock zu massenhafter
Kurzarbeit führte. In den vergange-
nen zwei Jahren war dann der starke
Anstieg der Verbraucherpreise der
wichtigste Grund für den Reallohn-
Schwund. Die Veränderung des Real-
lohns wird berechnet, indem man
vom durchschnittlichen Zuwachs des
nominalen Bruttolohns den Anstieg
der Verbraucherpreise abzieht.
SE I TE 1 8 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
Adler verkauft und wertet ab
Die umstrittene Adler
Group kämpft mit der
Immobilienflaute. Hinzu
kommen hausgemachte
Probleme.
Von Mark Fehr,
Frankfurt
D
er Umschwung des Immo-
bilienmarktes trifft auch die
ohnehin angeschlagene Adler
Group. Das Unternehmen
unterzieht sich einer tiefen Umstrukturie-
rung und wurde neulich sogar wegen des
Verdachts auf Falschbilanzierung von
Polizei und Staatsanwaltschaft durch-
sucht. Wie Adler-Chef Thierry Beau-
demoulin am Dienstag anlässlich der Ver-
öffentlichung des Berichts zum zweiten
Quartal erläuterte, führten die steigenden
Zinsen im ersten Halbjahr zu einer Ab-
wertung des Immobilienportfolios. So
sank der aktuelle Zeitwert des gesamten
Portfolios einschließlich der Entwick-
lungsprojekte um eine Milliarde Euro auf
6,4 Milliarden Euro. Betrachtet man den
aus vermieteten Immobilien bestehenden
Teil des Portfolios separat, fiel der Wert-
verlust mit einem Rückgang auf 4,8 Mil-
liarden Euro von 5,2 Milliarden Euro im
Vorjahr weniger schwer ins Gewicht.
Adler will sich im Zuge der Umstruktu-
rierung weitgehend von den riskanten
Entwicklungsprojekten trennen, um sich
künftig auf die Vermietung mit Schwer-
punkt in Berlin zu konzentrieren. Von
den durch Adler derzeit 25.000 vermiete-
ten Wohnungen befinden sich 18.000 in
der Bundeshauptstadt, wo auch die ope-
rative deutsche Tochtergesellschaft Adler
Real Estate sitzt. Die Muttergesellschaft
Adler Group befindet sich in Luxemburg.
Trotz der Flaute am Transaktionsmarkt
ist es dem Unternehmen gelungen, im
zweiten Halbjahr den Verkauf von zwei
weiteren Immobilienprojekten in die We-
ge zu leiten – eines in Berlin und eines in
Offenbach. Ob es sich in Offenbach um
Wissenschaft im Dialog
Angriff der Hacker
Was tun gegen Cyberkriminelle?
Seien Sie am am 21. September 2023 um 19.30 Uhr in der Evangelischen Akademie
Frankfurt oder im Livestream der F.A.Z.-Vorteilswelt mit dabei.
Jetzt anmelden unter: meinabo.faz.net/vorteilswelt
Haya Shulman, die in Frankfurt und Darmstadt forschende Informatikerin
und Expertin für digitale Sicherheit, im Gespräch mit Sascha Zoske, F.A.Z.
In Kooperation mit:
Sie sind Abonnent und noch nicht registriert? Unter faz.net/online-service
erhalten Sie alle Informationen, die Sie für die Erstanmeldung benötigen.
Anmeldeschluss zur Teilnahme an der virtuellen Veranstaltung Wissenschaft
im Dialog ist der 21. September 2023 um 16 Uhr.
Unternehmen
Soll verkauft werden: Ruhendes Adler-Immobilienprojekt in Offenbach-Kaiserlei
das stillstehende Projekt im Stadtteil Kai- Steigt der für diese Rechnung verwendete
serlei handelt, konnte Adler aufgrund Zins, sinkt der Immobilienwert. Daher
einer Vertraulichkeitsvereinbarung auf führen die inflationsbedingten Zinserhö-
Nachfrage am Dienstag nicht bestätigen. hungen derzeit zu Abwertungen vieler
Weil die Europäische Zentralbank im Immobilienportfolios nicht nur bei Adler.
Kampf gegen die Inflation den Leitzins Anders als der Rest der Immobilien-
mehrfach deutlich erhöht hat, verlangen branche muss Adler aber nicht nur mit den
Banken höhere Zinsen für Immobilien- Folgen des Umschwungs am Immobilien-
kredite. Die Marktzinsen spielen zudem markt kämpfen, sondern auch hausge-
eine Rolle für die Bewertung von Immo- machte Probleme bewältigen. Seitdem der
bilien im Rahmen der von Adler genutz- Profispekulant Fraser Perring dem Unter-
ten Zeitwertmethode. Dabei wird das Im- nehmen im Herbst 2021 Bilanzmanipula-
mobilienportfolio nicht zu den tion und undurchschaubare Geschäfte zum
Anschaffungskosten bewertet, sondern Nachteil der Aktionäre vorgeworfen hat,
zu aktuellen Werten. Ermittelt werden herrschen große Zweifel an der Zuverläs-
diese im Fall vermieteter Immobilien ver- sigkeit. Der Aktienkurs hat sich von dem
einfacht dargestellt durch Abzinsung der dadurch entstandenen Einbruch nicht er-
künftig zu erwartenden Mieten abzüglich holt. Ähnlich schwerwiegend wie die Vor-
der Kosten für die kommenden zehn Jah- würfe des Leerverkäufers klingen die Ver-
re nach dem jeweiligen Bilanzstichtag. dachtspunkte, welche die
Exklusiv für
F.A.Z.-Abonnenten
Foto Hannes P. Albert
Staatsanwaltschaft als Grund für die
Durchsuchung von Adler im Juni nannte:
Bilanzfälschung, Marktmanipulation und
Untreue. Vor diesem Hintergrund wirkt es
verheerend, dass Adler immer noch keine
geprüfte Bilanz für das Geschäftsjahr 2022
vorweisen kann. Denn mit der bisher zu-
ständigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
hatte das Unternehmen sich überworfen
und lange keinen Ersatz gefunden. Immer-
hin hat sich mittlerweile die Wirtschafts-
prüfung Rödl & Partner bereit erklärt, den
Prüfauftrag für die deutsche Tochtergesell-
schaft Adler Real Estate zu übernehmen.
Für die Muttergesellschaft Adler Group
wird aber nach wie vor ein Prüfer benötigt.
Das Unternehmen wollte dafür zunächst
eine internationale Prüfungsgesellschaft
gewinnen, spricht nun aber mit einer loka-
len Prüfungsgesellschaft aus Luxemburg.
München führt Taxi-Festpreise ein
Die Branche will so der Konkurrenz durch Uber standhalten
dpa. MÜNCHEN. Im Taxi ist Zeit oft
auch Geld – denn mit den Sekunden
und Minuten, die die Fahrt wegen eines
Staus länger dauert, steigt der Fahrpreis
auf dem Taxameter. Wer in München
ein Taxi bestellt, muss sich darum künf-
tig keine Sorgen mehr machen, selbst
wenn es nur zäh vorangeht. Ab Freitag
(1. September) können Fahrgäste hier
vorab Festpreise vereinbaren, wie es bei
Konkurrenzanbietern wie Uber schon
lange möglich ist. Als erste Stadt in
Deutschland macht die Landeshaupt-
stadt damit von einer gesetzlichen
Neuerung Gebrauch. Städte wie Ham-
burg oder Berlin wollen nachziehen.
„Die neue Regelung war dringend
notwendig, damit die Taxibranche kon-
kurrenzfähig bleiben kann“, erklärte
Münchens Oberbürgermeister Dieter
Reiter (SPD). Er hofft auf rege Nutzung
bereits zur demnächst startenden Mobi-
litätsmesse IAA und zum Oktoberfest
ab 16. September. Voraussetzung: Pas-
sagiere müssen vorab das Taxi bestellen
und einen Festpreis vereinbaren, telefo-
nisch, per App, E-Mail oder SMS. Wird
dagegen ein Wagen am Straßenrand
herbeigewunken, läuft das Taxameter.
Vor allem junge Leute rufen am liebs-
ten ein Uber oder ähnliche Anbieter.
Ein paar Klicks auf der App und schon
ist der Mietwagen samt Fahrer gebucht.
Und auch der Preis steht gleich fest und
ist meist deutlich günstiger. Reguläre
Taxis, die sich an die von den Kommu-
nen festgelegten Tarife halten müssen,
nutzen die Jüngeren oft gar nicht mehr.
Kurze Meldungen
Politische Werbung auf X
Elon Musks Online-Plattform X wird
nach rund vier Jahren wieder Werbung
mit politischen Inhalten erlauben. Das
im Oktober 2019 eingeführte Verbot
solle zunächst in den USA aufgehoben
werden, hieß es in einem Blogeintrag
am Dienstag. Der damalige Chef Jack
Dorsey hatte den Stopp damit begrün-
det, dass politische Reichweite verdient
und nicht erkauft werden müsse. Die
Plattform X verwies jetzt auf ein Be-
kenntnis des Dienstes zur Redefreiheit.
Die Plattform betonte zugleich, dass es
bei der bezahlten Verbreitung politi-
scher Botschaften einige Regeln geben
werde. So sei es verboten, falsche oder
irreführende Informationen zu platzie-
ren. Dazu gehörten auch falsche Dar-
stellungen, mit denen das Vertrauen der
Öffentlichkeit in die Rechtmäßigkeit
von Wahlen untergraben werden solle.
Seit Musk im vergangenen Oktober
Twitter für rund 44 Milliarden Dollar
kaufte, kämpft der Dienst unter ande-
rem mit Erlösproblemen. dpa-AFX
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Mehr Rabatt auf Verbrenner
und Preisschock bei E-Autos
Verkehrswende gerät ins Stocken
dpa. DUISBURG/FRANKFURT.Un-
mittelbar vor der Autoschau IAA Mobi-
lity in München haben viele Hersteller
von Verbrennerfahrzeugen höhere
Kaufanreize gesetzt. Gleichzeitig droht
laut der regelmäßigen Marktstudie des
Duisburger CAR-Instituts bei E-Autos
ein Preisschock, weil der deutsche Staat
zum Jahreswechsel seine Subventionen
von bisher 4500 auf 3000 Euro kürzt.
Diese „Umweltprämie“ gibt es ab dem
1. Januar 2024 für private Käufer klei-
nerer Elektrofahrzeuge, was viele Her-
steller wegen ihrer langen Lieferfristen
schon in ihre aktuellen Angebote ein-
rechnen, beschreibt Studienleiter Fer-
dinand Dudenhöffer die Lage. Unter-
nehmen werden schon ab dem
1. September 2023 keine Umweltprä-
mie mehr für Neuwagenkäufe erhalten.
Derzeit sei zwar unter anderem der
VW-Konzern noch in der Lage, be-
3M schließt Milliardenvergleich
Lieferung angeblich mangelhafter Ohrstöpsel
Reuters. NEW YORK. Der US-Misch-
konzern 3M legt mit einer Milliarden-
zahlung den Streit um die Lieferung
angeblich mangelhaften Gehörschut-
zes an das US-Militär bei. Der Herstel-
ler von Klebebändern, Haftnotizen,
Elektrowerkzeugen und medizinischen
Produkten habe sich auf einen Ver-
gleich in Höhe von 6 Milliarden Dollar
geeinigt, teilte 3M am Dienstag mit und
bestätigte damit einen Bericht der
Nachrichtenagentur Reuters. Mit der
Einigung will der Mischkonzern
260.000 Klagen aus dem Weg räumen.
Die Einigung folgt auf einen geschei-
terten Versuch von 3M Anfang des Jah-
res, die größte Sammelklage in der Ge-
schichte der USA vor ein
Insolvenzgericht zu bringen, um die
Haftung des Unternehmens zu begren-
zen. Die angeblich fehlerhaften Ohr-
stöpsel wurden von Aearo Technologies
hergestellt, einem Unternehmen, das
3M im Jahr 2008 übernommen hatte.
Sie wurden von 2003 bis 2015 vom US-
Ein unfairer Wettbewerb, findet der
Präsident des Bundesverbandes Taxi
und Mietwagen, Herwig Kollar. Das re-
gulierte Taxigewerbe treffe auf Mietwa-
genfahrer, die teils illegal oder konzes-
sionslos und zu unmenschlichen
Konditionen arbeiteten. „Ermöglicht
wird dies durch ein Wegschauen der zu-
ständigen Ordnungsbehörden, die
schlichtweg Angst vor juristischen
Übergriffen der amerikanischen Platt-
formbetreiber haben.“ Seine Forderung:
Mindestpreise für den App-vermittelten
Mietwagenverkehr, die sich am Taxitarif
orientieren. „Nur so lassen sich Lohn-
dumping und Steuerhinterziehung ver-
meiden.“
Für die Festpreise in München gilt ein
Tarifkorridor, wie das Kreisverwal-
tungsreferat erläutert. Bezugsgröße sei
der Grund- und Kilometerpreis des gel-
tenden Taxitarifs. Der vereinbarte Preis
dürfe davon um bis zu 20 Prozent nach
oben und 5 Prozent nach unten abwei-
chen. Zudem sollen die Preise behörd-
lich überwacht werden. Auch der Ver-
mittlungsdienst Free-Now will diesen
Tarifkorridor nach Behördenangaben
umsetzen.
In Hamburg und Berlin könnte es
ebenfalls irgendwann losgehen. Die
Einführung einer Festpreisregelung in-
nerhalb eines Tarifkorridors für Taxi-
fahrten auf Bestellung sei geplant, teilt
die Hansestadt mit. Man sei im Ge-
spräch mit dem Taxigewerbe. Auch die
Verkehrsverwaltung in Berlin ist für
entsprechende Vorschläge aus der
Hackerangriff belastet Evotec Angriff auf Moderna-Patente
Der Wirkstoffforscher Evotec hat im
ersten Halbjahr wegen einer Cyberatta-
cke deutliche Blessuren einstecken
müssen. So sackte der um Sondereffekte
bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern
und Abschreibungen um gut 22 Prozent
auf 26,1 Millionen Euro ab, wie das
Unternehmen am Dienstag in Hamburg
mitteilte. Der Hackerangriff habe im
zweiten Quartal für Kosten von
39,3 Millionen Euro gesorgt, hieß es.
Die für die Novartis-Tochtergesellschaft
Sandoz erbrachten Leistungen sowie
die Kooperation mit dem Pharmakon-
zern Bristol-Myers-Squibb hätten die
Folgen der Attacke jedoch teils kom-
pensiert. Der Umsatz wuchs in den ers-
ten sechs Monaten um 14 Prozent auf
383,8 Millionen Euro und damit etwas
stärker als zuletzt angepeilt. Evotec be-
stätigte den im Juli infolge der Hacker-
attacke gesenkten Jahresausblick. Unter
dem Strich reduzierte Evotec den Perio-
denverlust von 101,2 Millionen Euro ein
Jahr zuvor auf nun 28,8 Millionen. dpa
stimmte Modelle innerhalb dieses Jah-
res zu den alten, günstigeren Förder-
Konditionen zu liefern. Doch schon
bald dürfte Tesla nach Dudenhöffers
Einschätzung eine neue Preissen-
kungsrunde einläuten. Dies werde wie-
derum zu deutlich niedrigeren Gewin-
nen insbesondere bei den deutschen
Herstellern führen.
Gemessen an den Kaufanreizen
müssten sich Konsumenten aktuell oh-
nehin auf die herkömmlichen Ver-
brennermodelle konzentrieren. Die
30 gefragtesten Modelle wurden laut
Studie im August mit einem durch-
schnittlichen Preisnachlass von
17,8 Prozent angeboten, dem höchsten
Rabatt seit zwei Jahren. Gleichzeitig
haben die Hersteller ihre eigenen Ra-
batte für E-Autos innerhalb eines Mo-
nats von 9,3 Prozent auf 8,7 Prozent der
Listenpreise zurückgefahren.
Militär in der Ausbildung und im Kampf
eingesetzt, unter anderem in Afghanis-
tan und im Irak. Die Kläger warfen dem
Unternehmen vor, Konstruktionsfehler
verschwiegen, Testresultate gefälscht
und keine Anweisungen für den richti-
gen Gebrauch gegeben zu haben, was zu
Hörschäden geführt habe.
3M gestehe mit dem Vergleich keine
Schuld ein, die Ohrstöpsel seien bei
richtigem Gebrauch sicher und effektiv,
so der Konzern. Das Geld – 5 Milliarden
Dollar in bar und eine Milliarde Dollar
in Aktien – will 3M zwischen 2023 und
2029 auszahlen. Im dritten Quartal ver-
buche der Mischkonzern wegen des
Vergleichs eine Belastung von 4,2 Mil-
liarden Dollar in seiner Bilanz. Es ist be-
reits der zweite große Rechtsstreit für
3M in diesem Jahr, der mit einem Ver-
gleich beigelegt werden soll: Im Juli hat-
te 3M angeboten, eine Klage wegen
Wasserverschmutzung durch „Ewig-
keits-Chemikalien“ mit einer Zahlung
von 10,3 Milliarden Dollar beizulegen.
Branche offen. Es müsse jedoch eine
manipulationssichere und eichrechtlich
zulässige Umsetzung gefunden werden,
sagte eine Sprecherin.
In Leipzig treibt die SPD-Fraktion
das Thema voran. Taxis als Teil des öf-
fentlichen Personennahverkehrs müss-
ten konkurrenzfähig bleiben und durch
ein modernes Buchungsverhalten für
jüngere Kundengruppen attraktiv blei-
ben, heißt es in einer Anfrage an die
Ratsversammlung.
In Köln oder auch Nürnberg dagegen
gibt es vonseiten der Städte noch keine
Überlegungen in diese Richtung. Das
klassische Taxameter sei oft das Mittel
der Wahl, da es streckengenau abrech-
ne, schreibt die Stadtverwaltung in
Nürnberg. „Ob das also in Zukunft
auch in Nürnberg relevant wird, hängt
sicher von der Marktentwicklung ins-
gesamt ab.“
Beim Landesverband Bayerischer Ta-
xi- und Mietwagen dagegen berichtet
man von vielen Anfragen aus ganz
Deutschland. Der Vorsitzende Thomas
Kroker hofft, dass weitere Städte dem
Münchner Vorbild folgen. Und dass der
Markt der Mietwagenanbieter ebenfalls
reguliert wird. Auch die Kommunen
profitieren: „Phasenweise sind auf Mün-
chens Straßen mehr sogenannte Miet-
wagen als echte Taxis im Einsatz, größ-
tenteils von auswärtigen Betrieben, die
in München keine Gewerbesteuer be-
zahlen“, sagt Kroker. Sein Wunsch:
„Kein Wildwuchs, sondern ein geordne-
tes Gewerbe.“
Der US-Pharmakonzern Pfizer und sein
deutscher Partner Biontech beantragen
in den USA die Aufhebung der Patente
von Moderna auf die Corona-Impftech-
nologie. Die beiden Patente seien „un-
vorstellbar allgemein“ und deckten eine
Grundidee ab, die schon „lange be-
kannt“ war, erklärten die Impfstoffher-
steller am Montag vor der Beschwerde-
kammer des US-Patentamts. Die
Pharmahersteller legten auch Ein-
spruch gegen ein drittes, verwandtes
Moderna-Patent ein. Vertreter von Mo-
derna reagierten zunächst nicht auf eine
Anfrage zur Stellungnahme. Moderna
wirft den beiden Konkurrenten vor, ihre
Patentrechte an der Boten-RNA-Impf-
stofftechnologie im Zusammenhang
mit der Entwicklung des Corona-Impf-
stoffs in drei Fällen verletzt zu haben.
Dieser Fall ist einer von mehreren, die
von Biotechunternehmen angestrengt
wurden, um Patentgebühren für den er-
folgreichen Impfstoff von Moderna, Pfi-
zer und Biontech zu erhalten. Reuters
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Für die
Menschheit?
Es ist ein regelrechtes Weltraumrennen
entbrannt: Zahlreiche Nationen auf der ganzen
Welt wollen in das All und zum Mond.
Damit bezwecken sie ganz unterschiedliche Dinge.
China
Eine Seidenstraße
im All
Zu Zeiten des Kalten Krieges lieferten
sich die Sowjetunion und die USA ein
Wettrennen im Weltall, längst hat China
diese Rolle übernommen und ist der wich-
tigste Konkurrent der Vereinigten Staa-
ten. Seit gut zwei Jahren betreibt China
seinen „Himmelspalast“ (Tiangong), sei-
ne eigene Raumstation. Als Hauptgrund
dafür gilt ein US-Gesetz, das der NASA
Taikonaut Deng Qingming bei sei-
ner erfolgreichen Landung auf der
Erde. Foto AFP
eine Zusammenarbeit mit dem chinesi-
schen Raumfahrtprogramm untersagt.
Deshalb reisen auch keine chinesischen
Taikonauten zur Internationalen Raum-
station ISS und bevölkern stattdessen den
Himmelspalast, der etwa ein Drittel so
groß ist wie die ISS.
Die Volksrepublik gilt als schärfster
US-Konkurrent, immer wieder gibt es
Warnungen vor einer möglichen Domi-
nanz der Chinesen im Weltall. China will
innerhalb eines Jahrzehnts eine Mondba-
sis bauen und Taikonauten auf den Mond
schicken, es wäre das erste Land außer
den USA, dem das gelingt. Auch von
Marsmissionen ist in China längst die Re-
de. Das Raumfahrtbudget der Regierung
wird auf deutlich über 10 Milliarden Dol-
lar geschätzt, damit liegt China weltweit
auf Rang zwei, aber deutlich hinter den
USA, wo allein die Nasa auf ein Budget
von rund 25 Milliarden Dollar kommt.
Vereinigte Staaten
Von Apollo zu
Artemis
Mehr als 50 Jahre ist es her, dass Ameri-
kaner auf dem Mond waren. Zwischen
Juli 1969 und Dezember 1972 haben im
Rahmen der berühmten Apollo-Missio-
nen insgesamt zwölf amerikanische As-
tronauten den Erdtrabanten betreten.
Seither gab es eine lange Durststrecke,
aber die US-Raumfahrtbehörde NASA
bereitet ein Comeback vor. Das neue
Mondprogramm heißt „Artemis“, nach
der Mondgöttin und Zwillingsschwester
von Apollo in der griechischen Mytholo-
gie. Es wurde 2017 unter dem früheren
US-Präsidenten Donald Trump ins Leben
gerufen und wird von dessen Nachfolger
Joe Biden weiter vorangetrieben. Eine
Artemis-Mission, die Astronauten auf
den Mond bringt, ist derzeit für 2025 an-
gepeilt, wobei es als sehr wahrscheinlich
gilt, dass sich der Zeitplan verzögert,
möglicherweise sogar deutlich. In jedem
Fall gibt es aber Fortschritte bei dem Pro-
jekt. Ende vergangenen Jahres absolvier-
te die NASA mit ihrem Raketensystem
Space Launch System und dem Raum-
Unternehmen
Indien
Mit wenig Geld
zum Mond
„Der Mond ist indisch“ lautete die
Schlagzeile, welche die Stimmung auf
dem Subkontinent nach der Landung der
Sonde „Chandrayaan-3“ Mitte vergange-
ner Woche am besten fasste. Die Regie-
rung, aber auch die Menschen feierten
einen weiteren Erfolg auf ihrem Weg, In-
dien im Kreis der führenden Nationen zu
verankern – sie schlagen den Bogen mü-
helos von der ersten Mondlandung In-
diens über das Heranwachsen zur fünft- In Indien war die erfolgreiche
größten Wirtschaftsnation, indem Mondmission ein nationales Groß-
Indien seine frühere Kolonialmacht ereignis. Foto AFP
Großbritannien überholte, bis zum Aus-
richten des G-20-Gipfels im nächsten
Monat. Die Landung wurde in Schulen die den Südpol des Mondes erreicht, wo
übertragen und Ministerpräsident Na- Wasser vermutet wird. Ein 26 Kilo
rendra Modi bezeichnete sie als „Sieges- schweres Fahrzeug, der Rover Pragyan,
schrei eines entwickelten Indiens“: „Die- soll mindestens 14 Tage lang die Mond-
se Errungenschaft bringt Indien viel oberfläche untersuchen. Nur Stunden
weiter als nur auf den Mond.“ zuvor war die russische Mission Luna-25
Mit „Chandrayaan-3“, in Sanskrit der kollabiert. Auch das ein Zeichen: Denn
„Mondwagen“, wurde Indien nach den nachdem die Amerikaner Indien nach
Vereinigten Staaten, Russland und Chi- dessen Atomtests 1974 mit Sanktionen
na die vierte Nation, die den Mond er- belegten, wandte sich Neu Delhi notge-
reichte. „Chandrayaan-2“ war im Jahr drungen Russland als großem Partner
2019 noch gescheitert, kurz nachdem zu, beim Aufbau der Landwirtschaft, der
ausgerechnet der ewige Konkurrent Chi- Rüstung aber auch bei der Entwicklung
na eine erfolgreiche Landung vorgelegt seines Atomprogramms. Indien sah sich
hatte. Nun aber ist die Mission die erste, gezwungen, aus eigenen, sehr be-
Im vergangenen Jahr kam die chinesi- lich schloss sich Südafrika dem chinesi-
sche Raumfahrt auf etwa ein Drittel aller schen Mondprogramm an.
weltweiten Raketenstarts, die USA auf Zudem hat China eine aktive Start-up-
knapp die Hälfte. Allerdings gab es in der Szene, die Unternehmensberatung
Vergangenheit auch schon Jahre, in McKinsey geht von 30 bis 50 Unterneh-
denen die Chinesen die meisten Raketen men in der Volksrepublik aus. In einem
starteten. Bericht der ESA ist von mehr als 100 chi-
Wie in der Raumfahrt nicht unüblich, nesischen Unternehmen die Rede, mehr
nutzt auch die chinesische Regierung die als 15 davon würden eigene Raketen bau-
Missionen für Propagandazwecke und en. Raketenstarts chinesischer Privat-
demonstriert so ihre technologische und unternehmen sind aber bisher die Aus-
politische Macht. Weltraum-Kooperation nahme. Im vergangenen Jahr waren es
gelten als wichtiger Teil der Neuen-Sei- insgesamt fünf. Ende des Jahres soll ganz
denstraßen-Initiative, es gibt Kooperatio- im Süden Chinas eine neue Station für
nen mit arabischen, afrikanischen und Raketenstarts von Privatunternehmen
südamerikanischen Ländern. Erst kürz- fertig werden. guth.
zu etablieren. Und Erkenntnisse aus die-
sen Missionen zum Mond sollen dann
eines Tages genutzt werden, um die ers-
ten Astronauten zum Mars zu bringen,
also noch viel tiefer in den Weltraum.
Beim Artemis-Projekt arbeitet die NASA
mit Elon Musks Raumfahrtunternehmen
SpaceX zusammen, das einen Milliar-
denauftrag zur Entwicklung einer Lan-
defähre bekam. SpaceX will dabei eine
Variante seiner neuen Starship-Rakete
verwenden. Dies ist die größte und leis-
tungsstärkste Rakete, die jemals gebaut
worden ist. Ihr Jungfernflug im März en-
dete allerdings in einer Explosion. Der-
zeit laufen die Vorbereitungen für einen
Die Artemis-I-Mission im Vorjahr zweiten Versuch, der nach Musks Wor-
ten bald stattfinden soll. Neben SpaceX
war der Startschuss zu dem neuen
Weltraumprogramm. Foto NASA
hat auch Blue Origin, das Raumfahrt-
unternehmen des Amazon-Gründers
Jeff Bezos, einen Auftrag für ein Mond-
fahrzeug Orion eine noch unbemannte landesystem erhalten, das bei späteren
Testmission Artemis 1 zum Mond. Der Artemis-Missionen zum Einsatz kom-
nächste Schritt ist Artemis 2, ein Flug von men soll. Bezos hat es als prägenden
vier Astronauten in die Mondumlauf- Moment in seinem Leben beschrieben,
bahn, die aber noch nicht auf dem Mond als er im Alter von fünf Jahren mit sei-
landen. Dies ist im Moment für den nen Eltern und Großeltern vor dem
Herbst 2024 vorgesehen. Artemis 3 soll Fernseher zuschaute, wie Neil
dann die Mission sein, bei der Astronau- Armstrong als erster Mensch den Mond
ten wieder den Mond betreten. betrat. Vor einiger Zeit sagte er: „Es ist
Die NASA hat das Ziel ausgegeben, Zeit, auf den Mond zurückzukehren, und
auf dem Mond eine „Langzeitpräsenz“ dieses Mal, um zu bleiben.“ lid.
M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 1 9
Mond von
der ISS aus gesehen
Foto NASA
schränkten Mitteln heraus Großes zu Europa
leisten: Die Teile einer frühen Rakete
transportierten Ingenieure noch auf dem
Fahrrad zum Bauplatz. Bis heute arbei- Raketenkrise zum
tet die Raumfahrtbehörde Indian Space
Research Organisation (ISRO) in Banga- schlechten Zeitpunkt
lore mit nur rund 1,5 Milliarden Dollar
jährlich. Die Mission der „Chandrayaan- Bei der aktuellen Mondmission der Inder
3“ soll etwa 75 Millionen Dollar gekostet sind die Europäer nicht nur Zuschauer.
haben. Zum Vergleich: Der Etat für Die Ariane 5 kurz Man unterstütze die Inder von den Boden-
einen Weltraumfilm wie der Hollywood- vor ihrem letzten stationen in Französisch-Guayana und
Streifen Interstellar liegt beim Doppel- Start im Juli. Nun Großbritannien aus bei der Kommunika-
ten. Der amerikanischen NASA stehen fehlt es an einem tion, hob die Europäische Weltraumorga-
rund 25 Milliarden Dollar jährlich zur Nachfolgermodell. nisation (ESA) nach der erfolgreichen Lan-
Verfügung. Und Deutschland unterstützt Foto AFP dung der Raumsonde „Chandrayaan-3“
Indien, seinen „wichtigsten Partner in hervor. Europa ist in der Raum-
der bilateralen Entwicklungszusammen- fahrt seit Jahrzehnten ein wichti-
arbeit“ bei dessen „grüner Entwicklung“ ger Akteur. Auf Feldern wie der
bis 2030 mit 10 Milliarden Euro Steuer- Erdbeobachtung, Navigation
geldern. oder Telekommunikation spielt
Mit der Aditya-L-1, benannt nach dem es technologisch in der ersten Li-
Hindu-Wort für Sonne, will die ISRO in ga, und auch an der Raumstation
der nächsten Woche eine Beobachtungs- ISS und Mond- und Marsmissio-
station in Richtung Sonne vom Welt- nen ist die ESA beteiligt. In der
raumbahnhof Sriharikota ins All entsen- Trägerraketenindustrie haben die
den. Im nächsten Jahr soll dann ein Europäer jedoch den Anschluss
erster indischer Raumfahrer ins All ge- verpasst. Ausgerechnet zu einem
schickt werden. Welche politische Di- Zeitpunkt, wo das Wettrennen
mension dem Raumfahrtprogramm zu- um das All auch aus geopoliti-
kommt, zeigte das indische Fernsehen: schen und militärischen Gründen
Nach der Landung übertrug es Bilder aus Fahrt aufnimmt, sind sie in ihre
dem schlichten Haus des ISRO-Pro- bislang tiefste Krise geschlittert.
grammdirektors P. Veeramuthuvel. Dort Die Produktion des Erfolgsmodells Ariane
saß sein Vater, einst einfacher Beamter 5 wurde eingestellt, Anfang Juli beförderte
bei der indischen Bahn. Er weinte vor die letzte Schwerlastrakete dieser Art Satel-
Glück über den Aufstieg seines Sohnes liten ins All. Das Nachfolgemodell Ariane 6
und der ganzen Nation. che. lässt noch immer auf sich warten. Ur-
sprünglich für 2020 geplant, steht der Erst-
flug aufgrund von technischen Schwierig-
keiten und Corona-bedingten Verzö-
gerungen immer noch aus. Vor wenigen
Russland die Rede. Dabei hat die Aggres- Tagen teilte die ESA mit, dass der auch für
sionspolitik des Präsidenten die Ende dieses Jahres anvisierte Starttermin
Mondmission eher behindert, die nicht mehr zu halten sei. Irgendwann im
Rückschlag mit auch westliche Sanktionen brems- Jahr 2024 soll es nun so weit sein. Schon
ten: Schon seit dem Jahr 2014 jetzt diskutiert man, wie sich die Trägerra-
Ansage musste eigentlich vorgesehene ketenentwicklung, angelehnt an den Erfolg
Technik ersetzt werden. Eine Ver- von SpaceX, künftig freier von politischen
Als es Indien vorige Woche ge- mutung zum Ende von „Luna-25“ Vorgaben und mit mehr wettbewerblichen
lang, die Sonde „Chandrayaan-3“ ist nun, dass Ersatznavigations- Elementen gestalten lässt. Eine Reihe von
auf dem Mond zu landen, gratu- technik nicht richtig funktionier- Start-ups schickt sich mit privatem Kapital
lierte der russische Präsident te. So wirft das Ende der Sonde an, schon bald mit kleinen Raketen, soge-
Wladimir Putin dem indischen Fragen zum gesamten russischen nannten Microlaunchern, abzuheben. Zu-
Ministerpräsidenten Narendra Mondprogramm auf. Es wurde gleich buhlt die ESA bei ihren Mitglied-
Modi prompt. Das sei ein „großer 2018 aufgestellt und umfasst drei staaten, zu denen neben den meisten EU-
Schritt zur Aneignung des Welt- Etappen, von denen aber bisher Ländern Großbritannien, Norwegen und
raums“ und zeuge von „beeindru- nur die erste staatlich finanziert die Schweiz gehören, um mehr Geld. Euro-
ckendem Fortschritt“ Indiens, äu- ist. Sie heißt „Abstecher“, sollte pas Raketenmisere wäre nicht so drama-
ßerte Putin. Dass sein eigenes 2021 beginnen, bis 2025 andau- tisch, hätte Moskau kurz nach Beginn des
Land kurz zuvor einen Rück- ern und mit „Luna“-Sonden den Ukrainekriegs nicht die Raumfahrtkoope-
schlag im Mondprogramm hin- Erdtrabanten untersuchen. Doch ration mit den Europäern in Guayana auf-
nehmen musste, ließ Russlands hat Borissow die nächsten drei gekündigt. So stehen als Überbrückung bis
Präsident gänzlich unkommen- geplanten Missionen der „Lu- zur Indienststellung der Ariane 6 nicht län-
tiert. Zwei Tage vor der geplanten na“-Reihe schon auf die Zeit ab ger die mittelgroßen Sojus-Raketen aus
Landung einer Sonde nahe dem 2027 gelegt. Dann soll eigentlich russischer Fertigung zur Verfügung. Oben-
Südpol des Mondes hatte die schon die zweite Etappe des Pro- drein misslang unlängst auch noch der
Weltraumbehörde Roskosmos die gramms laufen: „Vorposten“ soll kommerzielle Erstflug der kleineren Vega-
Verbindung zu „Luna-25“ verlo- von 2025 bis 2035 prüfen, welche C-Rakete aus europäischer Fertigung. niza.
ren. Ihr Leiter, Juri Borissow, er- Stoffe auf dem Mond verfügbar
läuterte, ein Triebwerk habe statt sind und nach dem Jahr 2030 Kos-
den vorgesehenen 84 Sekunden monauten dorthin bringen. Die
127 Sekunden Schub gegeben. dritte Etappe sieht dann von 2035
Die Sonde sei auf die Mondober- an einen Stützpunkt auf
fläche geprallt. „Luna-25“ war dem Mond vor und
eine Geschichte der Verzögerun- wird daher „Basis“ ge-
gen. Das Projekt begann in den nannt. Offenkundig,
Neunzigerjahren, trug lange um bei Putin für die
einen anderen Namen, ehe man Haushaltsmittel zur
es an Moskaus letzte erfolgreiche Fortführung des Pro- Die Sojus-2.1b
mit dem
Mondmission anknüpfen ließ, die gramms zu werben,
1976 stattfand und „Luna-24“ sagte Borissow nun, da- Mondmodul
hieß. Die Nachfolgemission sollte mit Russland technolo- Luna-25
vor allem die Premiere einer sanf- gisch souverän werde, während des
ten Landung nahe des Südpols müsse es am „Mond- Starts anfang
des Mondes bewerkstelligen, rennen“ mit anderen August
Foto AP
dann dessen Boden untersuchen, Ländern teilnehmen.
insbesondere mit Blick auf Was- Aus dem Ende von „Lu-
serreserven. Als „Luna-25“ am na-25“ dürfe man „kei-
11. August erfolgreich an Bord ne Tragödie machen“
einer Sojus-Trägerrakete vom und prüfe eine „Wie-
fernöstlichen Weltraumbahnhof derholung der Mission“
Wostotschny startete, war viel in den Jahren 2025
von Putins Ehrgeiz und Erfolgen oder 2026. frs.
SE I TE 2 0 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
Mission Turnaround
Margherita Della Valle soll bei Vodafone den Laden
aufräumen, doch der Gegenwind ist groß. Der Konzern verliert
gerade in Deutschland Kunden.
D
ie neue Vodafone-Vor- 19 Milliarden Pfund (22 Milliarden
standschefin redet nicht Euro) inzwischen auf den tiefsten Stand
um den heißen Brei he- seit den späten 1990ern gefallen.
rum. „Wir sind verglichen Dabei hat Della Valle schon tiefe Ein-
mit unseren Wettbewer- schnitte angekündigt, um Kosten zu sen-
bern nicht gut genug“, sagt Margherita ken und die Profitabilität zu erhöhen.
Della Valle. Über Jahre sei die Kunden- Rund 11.000 Stellen wird der Konzern in
zufriedenheit immer schlechter gewor- den nächsten drei Jahren abbauen, das
den. Vodafone verdiene weniger als an- ist mehr als ein Zehntel der derzeit
dere, das Telekomunternehmen setze 104.000 Mitarbeiter. In Deutschland
sein Kapital oft nicht rentabel ein. Als werden 900 Stellen gestrichen. Della
Della Valle ihr Amt antrat, hat sie ein Valle hat ambitionierte Effizienzsteige-
18-minütiges Video mit einer scho- rungsziele ausgegeben („jährliche Rate
nungslosen Analyse der Lage und der verdoppeln“). Die Organisation des glo-
Schwächen des britischen Telekommu- balen Konzerns, der in vierzig Ländern
nikationsriesen veröffentlicht, der auch in Europa, Asien, Amerika und Afrika
in Deutschland, seinem größten Einzel- aktiv ist, soll „simplifiziert“ werden.
markt, seit Jahren nur stagnierendes Kunden sollen ein klareres, besseres An-
oder sogar sinkendes Geschäft erlebt. gebot vorfinden, verspricht sie. „Wachs-
„Wir müssen besser werden“, lautete tum ist möglich, das zeigen ja einige
die Botschaft. Vodafone müsse sich unserer Märkte“, betont Della Valle,
wandeln, tiefgreifend, so Della Valle. „aber je nach Geographie ist unsere Per-
Und die ersten, schmerzhaften Maß- formance sehr unterschiedlich.“
nahmen hat sie schon verkündet: Voda- Die 1965 in Rom geborene Manage-
fone entlässt Tausende Mitarbeiter, rin kennt die Telekombranche in- und
auch in der Düsseldorfer Zentrale der auswendig, seit drei Jahrzehnten. Nach
deutschen Tochtergesellschaft wird der ihrem Wirtschaftsstudium an der Uni-
Spargürtel angezogen. versität Bocconi in Mailand fing sie
Ohne Zweifel steckt der Konzern in beim Start-up Omnitel Pronto an, das zu
einer Krise. In der fünfjährigen Amts- Vodafone Italien wurde. Später wechsel-
zeit ihres Vorgängers Nick Read ist der te sie nach Großbritannien. 2018 wurde
Aktienkurs um 44 Prozent gefallen. sie in den Vorstand berufen, wo sie sich
Read wurde Ende 2022 ziemlich plötz- um die Finanzen kümmerte. Dieses Jahr
lich vor die Türe gesetzt. Seit Jahresbe- machte sie den großen Sprung an die
ginn, als die 58-jährige Della Valle zu- Spitze. Der frühere Vodafone-Vor-
nächst als Interimschefin das Ruder standschef Vittorio Colao gibt sich als
übernahm, ist der Aktienkurs aber um großer Fan von ihr. „Ich freue mich sehr
weitere 17 Prozent gefallen. Im Mai über die Wahl für Margherita – einen
hatte sie nochmals schlechte Ergebnis- der klügsten, entschlossensten und
se für das Vorjahr verkünden müssen: kompetentesten Menschen in der Bran-
sinkende Service-Einnahmen und rück- che international“, jubelte er bei ihrer
läufige Gewinne. Bislang haben die In- Berufung.
vestoren ihre Bemühungen, den Tele- Tatsächlich kann sie Menschen für
komriesen wieder flott und effizienter sich einnehmen mit ihrer ruhigen, kon-
zu machen, nicht honoriert, auch wenn trollierten Art. Gleichzeitig herrscht
das Frühjahrsquartal besser lief. Voda- keinerlei Zweifel, was ihre Ziele sind,
fones Börsenwert ist mit nur noch gut die sie in geschliffenem Business-Eng-
Zwischen Klima
und Kalorien
Müssen wir anders essen, um unsere Gesundheit und den Planeten
zu retten? Die neue Ausgabe von SPIEGEL SPEZIAL widmet sich Fragen
rund ums Essen, Kochen und Genießen.
Unternehmen
lish mit hörbar italienischem Akzent
vorträgt. Della Valles Berufung an die
Spitze von Vodafone hat auch Aufsehen
erregt, weil sie die erste Frau an der
Spitze des vor knapp vierzig Jahren ge-
gründeten Konzerns ist.
Von den hundert Großunternehmen
im britischen Aktienleitindex FTSE 100
werden derzeit nur noch acht von einer
Frau geführt, seit die Natwest-Chefin
Alison Rose im Juli wegen der Farage-
Affäre gehen musste. Andere bekannte
weibliche Konzernlenkerinnen sind
Emma Walmsley (GSK) und Amanda
Blanc (Aviva). Insgesamt sind die Chef-
etagen aber doch noch ganz überwie-
gend männlich besetzt. Damen wie Del-
la Valle, die elegant-schlichte Seiden-
blusen trägt, sind eher selten. Dass sie
ebenso hart durchgreifen kann wie
Männer, bestätigen sie im Unterneh-
men sofort.
Gleich nach ihrer Berufung zur Inte-
rimschefin hat sie bei Vodafone erste
personelle Konsequenzen gezogen
und einen neuen Chief Operating Of-
ficer berufen. Spanien, wo die Ge-
schäfte schlecht laufen, wurde in die
zweite Reihe der „Europe Clus-
ter“-Märkte geschoben. Eine Mam-
mutaufgabe wird die Fusion mit Three
UK werden, die Della Valle im Juni
verkündet hat, die aber noch ihr Vor-
gänger Read eingefädelt hatte. Sofern
das Kartellamt zustimmt, wird die
Übernahme der britischen Telekom-
Tochtergesellschaft von CK Hutchison
einen Mobilfunk-Riesen mit 26 Millio-
nen Kunden aus der Insel schaffen.
Um der Politik und den Wettbewerbs-
hütern die Fusion schmackhaft zu ma-
chen, verspricht Della Valle rund
11 Milliarden Pfund Investitionen in
den 5G-Ausbau in Großbritannien.
In Deutschland steht der Chef der
Tochtergesellschaft, der gebürtige Bel-
gier Philippe Rogge, vor der delikaten
neu
Jetzt del
an
im H
Margherita Della Valle
Aufgabe, das lahmende Geschäft wie-
derzubeleben und Qualitätsprobleme
im Kabelnetz zu bekämpfen. Vodafone
hat in den zurückliegenden sechs Quar-
talen Hunderttausende Kunden in
Deutschland verloren, zuletzt waren es
nur noch 10,6 Millionen Kabelverträge.
Unter Della Valles scharfer Aufsicht
wird Rogge nun versuchen, die Kapazi-
tät der Einzelanschlüsse durch soge-
nannte Nodesplits, mit denen sich weni-
ger Kunden eine Leitung teilen müssen,
zu steigern. Der Wettbewerb in
Deutschland mit den starken Konkur-
renten Deutsche Telekom und dem O2-
Anbieter Telefónica ist hart und Voda-
fone fällt zurück. Rogge hat sich jüngst
demütig gezeigt. Man habe oft „große
Rochade bei Voestalpine
Die Hälfte der Führungsetage wird neu besetzt
Im Vorstand des österreichischen Stahl-
verarbeitungskonzerns Voestalpine
kommt es zu einem größeren Wechsel.
Drei von sechs Mitgliedern hören am
31. März 2024 auf. Überraschend wird
sich der Finanzvorstand Robert Ottel
zurückziehen und eine Verlängerung
seines Vertrages ablehnen. Auch Vor-
standsmitglied Peter Schwab, er leitet
eine der Metalldivisionen des Unter-
nehmens und verantwortet etwa die Be-
schaffungsstrategie, verlängert sein
Mandat nicht. Schwab, Jahrgang 1964,
war dann zehn Jahre im Führungsgre-
mium der Stahlkocher und 30 Jahre in
Führungspositionen. Er mache aus per-
sönlichen Gründen nicht weiter.
Nächste Strafanzeige gegen Olaf Scholz
Warburg-Affäre: Fabio De Masi wirft dem Bundeskanzler Falschaussage vor
Wer die politische Führung eines Landes
verantwortet, muss mit Einschränkun-
gen leben. Im Interview-Podcast „Hotel
Matze“ sprach Bundeskanzler Olaf
Scholz mit Gastgeber Mathias Hielscher
vor wenigen Wochen über die Anforde-
rungen an seine Termine. Als er in Ham-
burg Anwalt wurde, erzählt Scholz, habe
er seinen Kalender abgegeben und priva-
te Termine in den Kanzleikalender ein-
getragen. So konnte sein Büro Termine
vergeben, ohne ihn jedes Mal fragen zu
müssen – „so ungefähr ist es bis heute“.
Über Scholz’ Erinnerungen zu Treffen
mit Christian Olearius und Max War-
burg, den Gesellschaftern der Hambur-
ger Warburg-Bank, in den Jahren 2016
und 2017, gibt es unterschiedliche An-
sichten. Ein parlamentarischer Untersu-
chungsausschuss (PUA) versucht sich in
der Hansestadt an der Aufklärung, ob es
in der Steuergeldaffäre der an Cum-ex-
Geschäften beteiligten Bank eine politi-
sche Einflussnahme durch Scholz als da-
mals Ersten Bürgermeister sowie
Finanzsenator Peter Tschentscher gab.
Beide weisen die Vorwürfe zurück.
Scholz ließ die Existenz der Treffen im
Rathaus zunächst verneinen. Als Zeuge
gab der SPD-Politiker, damals noch Bun-
desfinanzminister, vor den Parlamenta-
riern in Hamburg an, sich nicht an die
Treffen erinnern zu können. Zuvor, im
Februar 2020, hatte Scholz’ Sprecher
Steffen Hebestreit aber mitgeteilt, dass es
im November 2017 ein Treffen zwischen
Scholz und den Bankiers gegeben habe –
ausweislich eines Kalenders, der der Se-
natskanzlei vorliegen müsste. Vor weni-
gen Tagen veröffentlichte der „Stern“
eine interne E-Mail der langjährigen Bü-
roleiterin von Scholz: „Ich habe noch nie
einen Termin mit Olearius von Novem-
ber 2017 im Kalender gesehen.“
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Versprechen gemacht, wir halten sie
aber zu selten ein“.
Das wird auch Delle Valle wissen. Ihr
sitzen nun eine Reihe von Großaktionä-
ren im Nacken, darunter die amerikani-
sche Liberty Global, der Milliardär Xavier
Niel und das staatliche Technologieunter-
nehmen E& (früher Etisalat) aus den Ver-
einigten Arabischen Emiraten, die ihren
Anteil auf fast 15 Prozent aufgestockt ha-
ben. In der Branche wird spekuliert, dass
der Druck zu weiteren Fusionen zuneh-
me. Auch der Verkauf von weiteren Teilen
der Funkturminfrastruktur wird für mög-
lich gehalten, um damit die Verschuldung
des Konzerns abzubauen. Im vergange-
nen Jahr hatte Vodafone große Teile sei-
ner Funkturminfrastruktur, die im Toch-
Herbert Eibensteiner bleibt weitere
fünf Jahre Vorstandsvorsitzender des
Industrieflaggschiffs mit kombinierter
Werkstoff- und Verarbeitungskompe-
tenz. Das Unternehmen mit gut 51.000
Mitarbeitern und einem Umsatz von
mehr als 18 Milliarden Euro gehört zur
Riege der wichtigen Branchenvertreter.
Reinhard Nöbauer wird zum April kom-
menden Jahres Vorstandsmitglied und
verantwortet die High Performance
Metals Division. Er folgt damit Franz
Rotter, der seinen Ruhestand antritt,
nach. Die Laufzeit seiner Vorstandspe-
riode beträgt vorerst drei Jahre. Über
die Nachfolge von Ottel wird der Auf-
sichtsrat zeitnah entscheiden. Die
Für Fabio De Masi, den früheren
Bundestagsabgeordneten der Linken
und Fellow der Bürgerbewegung Fi-
nanzwende, war damit klar, dass der
Zeuge Scholz vor dem PUA nicht die
Wahrheit sagte. Wie De Masi zu Wo-
chenbeginn auf der Plattform X (vor-
mals Twitter) mitteilte, hat er gegen
Scholz Strafanzeige wegen falscher un-
eidlicher Aussage gestellt. Wenn es kei-
nen Termineintrag gegeben habe, könn-
te eine Bestätigung des Treffens nur auf
Grundlage einer Erinnerung durch Olaf
Scholz möglich sein, schreibt De Masi
auf sieben Seiten an die Generalstaats-
anwaltschaft Hamburg und Justizsena-
torin Anna Gallina (Grünen). Obwohl
Scholz doch gar keine Aufzeichnungen
vorlägen, müsste er sich dazu erklären.
Fabio de Masi
Foto Reuters
terunternehmen Vantage Towers ausgela-
gert ist, für einen Milliardenbetrag an
amerikanische Investoren – die Privat-
Equity-Gesellschaft KKR und den Infra-
strukturfondsanbieter GIP – verkauft.
Della Valle als ehemalige Finanzvor-
ständin hat ein besonders scharfes Auge
auf die Bilanz. Häufig reist sie vom Vo-
dafone-Hauptquartier, das in der teils
noch mittelalterlich anmutenden Markt-
stadt Newbury in der Grafschaft Berk-
shire liegt, zum Finanzplatz London, um
Gespräche in der City zu halten. Sie
weiß, wenn ihre Mission Turnaround
nicht gelingt und die negative Aktien-
kursentwicklung sich nicht bald ändert,
wird ihre Zeit an der Spitze extrem unge-
mütlich. PHILIP PLICKERT
Nachfolge von Schwab soll noch im
September bekannt gegeben werden.
Diesmal könnte aus Gründen der zu-
nehmenden Diversitätsnotwendigkeit
die Wahl auf eine Frau fallen.
Noch immer sind Frauen in den Aus-
tro-Vorstandsetagen weitgehend unter-
repräsentiert. Während für die Auf-
sichtsräte börsennotierter Unter-
nehmen seit 2018 eine Quote von
mindestens 30 Prozent gilt, bleibt die
Vorstandsebene weiter männerdomi-
niert. Wie ein entsprechender Bericht
der Arbeiterkammer zeigt, sind nur 9
Prozent der Vorstandspositionen weib-
lich besetzt. Österreich rangiert im EU-
Vergleich auf dem vorletzten Platz. ela.
„Da Herr Scholz sich jedoch nicht zu
diesem eklatanten Widerspruch äußert,
ist eine Befragung durch die Staatsan-
waltschaft erforderlich“, schreibt De
Masi. In seiner Anzeige setzt er sich
auch mit möglichen entlastenden
„Blackouts“ auseinander. Diese zu be-
werten sei letztlich aber Sache der Er-
mittler, deren Einschreiten erforderlich
sei, um dem Eindruck entgegenzutre-
ten, dass „die Hamburger Justiz das
Strafrecht auf Hamburger Politiker in
hohen Staatsämtern und in der Causa
Cum-ex nicht anwendet“. Eine frühere
Strafanzeige des Hamburger Anwalts
Gerhard Strate gegen Scholz blieb ohne
Folgen. Die Staatsanwälte nahmen die
Ermittlungen nicht auf. Es bestehe kein
Anfangsverdacht, hieß es damals. mj.
Foto dpa
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG Unternehmen M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 2 1

Kinderfreier Bereich
auf dem Urlaubsflug
Airline Corendon schafft Adults-Only-Sitzreihen
tko. FRANKFURT. Keinen Lärm und
kein Geschrei soll es in den ersten zwölf
Sitzreihen eines Flugzeugs mehr geben
– auch nicht von kleinen Kindern. Die
niederländisch-türkische Fluggesell-
schaft Corendon sorgt mit einer beson-
deren Idee für ihre Winterurlaubsflüge
von Amsterdam nach Curaçao für Auf-
sehen: Der vordere Teil des A350-Flug-
zeugs soll zum Adults-Only-Bereich
werden – insgesamt 93 Standardsitze
und neun Plätze mit größerem Abstand,
die allen Passagieren vorbehalten blei-
ben, die älter als 16 Jahre sind. Dahinter
bleiben mehr als 300 Sitze, auch für
Kinder.
Es ist ein Aufteilungskonzept, das in
der Ferienhotellerie mit Familienher-
bergen und Adults-Only-Häusern
längst etabliert ist – bisher nicht auf Flü-
gen. Corendon-Gründer Atilay Uslu er-
klärte das neue Angebot damit, dass
man stets bestrebt sei, „auf die unter-
schiedlichen Bedürfnisse unserer Kun-
den einzugehen“. Mit dem Bereich nur
für Erwachsene wolle man „Reisenden
gerecht werden, die während des Fluges
etwas mehr Ruhe suchen“. Aus Sicht
von Uslu sei das eine sinnvolle Auftei-
lung, auch Eltern mit kleinen Kindern
könnten dann „den Flug genießen, ohne
sich Sorgen machen zu müssen, wenn
ihre Kinder etwas mehr Lärm machen“.
Doch diese Worte verhinderten nicht
eine scharfe Diskussion in Onlinefo-
ren. Auf der einen Seite stehen dabei
Vielflieger, die berichten, wie ein Säug-
ling die gesamte Businessclass auf
einem Langstreckenflug mit Geschrei
wach gehalten habe. Auf der anderen
Seite stehen diejenigen, die eine immer
kinderfeindlichere Gesellschaft bekla-
gen, dazwischen diejenigen, die darin
Geschäftemacherei sehen: Die Luft-
fahrtgesellschaft schaffe bloß einen
neuen Anlass, um Aufpreise zu kassie-
ren. Die Reservierung eines Erwachse-
nensitzes soll nämlich 45 Euro kosten,
ein Platz mit mehr Raum für die Beine
gar 100 Euro. Uslu wirbt, Corendon sei
nur „die erste niederländische Flugge-
sellschaft“ mit dieser Idee. Die erste
Luftfahrtgesellschaft der Welt ist man
damit aber nicht. Malaysia Airlines
sperrte einst auf einigen Strecken das
Oberdeck eines A380-Fliegers für Kin-
der, auch andere Anbieter in Asien ver-
suchten sich mit verschiedenen Berei-
chen an Bord. Dauerhaft durchgesetzt
hatten sich diese Konzepte aber nicht.

Sucht Einnahmequellen: Open-AI-Chef Sam Altman bringt ChatGPT Enterprise auf den Markt. Foto dpa

Toyota-Werke
liegen still
Reuters. TOKIO. Bei Toyota stehen
in Japan alle Bänder still. Der Auto-
hersteller habe wegen eines Fehlers
in seinem Produktionssystem die
Arbeit in allen 14 Montagewerken in
Japan eingestellt, teilte Toyota am
Dienstag mit. Der Fehler sei „wahr-
scheinlich nicht auf einen Cyberan-
griff zurückzuführen“, sagte ein Kon-
zernsprecher. Das Ausmaß des
Produktionsausfalls sei noch unklar.
Die Störung habe dazu geführt, dass
das Unternehmen keine Bauteile bei
Lieferanten bestellen konnte. Das
deutet nach Einschätzung von Auto-
professor Ferdinand Dudenhöffer
auf einen Fehler in der zentralen Pro-
duktionssteuerung hin.
Der größte Autokonzern der Welt
ist ein Pionier der Just-in-time-Pro-
Kochroboter
Aitme verkauft
smo. AMSTERDAM. Der Kochro-
boterhersteller Aitme hat einen Käu-
fer gefunden. Wie von der F.A.Z. im
Juli berichtet, hatte das Berliner Start-
up die Fusionsberatung Peryton man-
datiert, den Markt zu sondieren. Neu-
er Eigner wird nun das Koch- und
Essenliefer-Start-up Circus Kitchens.
Der Hamburger Anbieter kocht für
Privatleute in Kleinküchen in Wohn-
gebieten in Hamburg und Köln, wo
Mitarbeiter Bestellungen nach Vor-
schrift zubereiten. Das Essen wird
dann nach Hause geliefert. Aitmes
Kochroboter sollen den Dienst nun
effizienter machen. Circus wurde
2021 gegründet und hat nach eigenen
Angaben bisher 18 Millionen Euro
von Investoren eingesammelt.
Aitmes Angebot richtete sich bis-
Open AI konkurriert mit Microsoft
grenzten Zugang zu GPT-4 ermöglichen, bis ChatGPT kam im vergangenen No- legierten Zugriff auf die Technologien
Der Entwickler von zu zweimal so schnell sein wie die gewöhnli- vember heraus und ist in seiner Grund- von Open AI. Der Softwarekonzern hat
ChatGPT will mehr che Variante und die Eingabe von längeren
Texten erlauben. Vor allem soll sie nach
version kostenlos. Open AI hat allerdings
schon nach wenigen Monaten die Bezahl-
gesagt, er wolle Programme seines Part-
ners über seine gesamte Produktpalette
Geld mit Unternehmen Darstellung von Open AI mehr Sicherheit variante ChatGPT Plus eingeführt, die 20 hinweg integrieren, und er hat eine Reihe
und Privatsphäre bieten. Dollar im Monat kostet und ähnlich wie öffentlichkeitswirksamer Ankündigun-
verdienen – und bringt In vielen Unternehmen wird die Nut- nun auch ChatGPT Enterprise schnellere gen entsprechender Initiativen gemacht.
zung von Sprachmodellen wie ChatGPT Antworten und unbegrenzten Zugang Erst im Juli stellte Microsoft Bing Chat
ein ähnliches Produkt mit Sorge gesehen. Es wird zum Beispiel verspricht. Es gab auch bisher schon eini- Enterprise vor, einen KI-Chatbot, der auf
befürchtet, dass Mitarbeiter sensible ge Angebote für Unternehmen. Open AI Software von Open AI basiert und auch
wie sein Partner heraus. Daten in die Systeme eingeben, die dann sagte jetzt, seine Sprachmodelle würden ganz ähnlich beschrieben wird wie nun
nach außen gelangen könnten, zum Bei- in mehr als 80 Prozent der 500 umsatz- ChatGPT Enterprise. Auch Microsoft
Von Roland Lindner, spiel wenn sie zum Trainieren der Pro- stärksten amerikanischen Unternehmen stellte dabei Sicherheit in den Vorder-
gramme genutzt werden. Eine ganze Rei- genutzt. Der Entwickler von ChatGPT grund. In den Chatbot eingegebene Infor-
New York he von Unternehmen haben Restriktionen steht unter Druck, Umsatzquellen aufzu- mationen würden nicht gespeichert, nicht
oder gar Verbote für das Verwenden von bauen, zumal der Betrieb seiner Sprach- nach außen dringen und nicht zum Trai-
KI-Systemen verhängt, zum Beispiel modelle sehr teuer ist, allein wegen der nieren des Modells verwendet, hieß es.
Apple, Samsung oder einige Banken. dafür notwendigen Computerleistung. Bing Chat Enterprise ist in einigen Varian-

duktion, bei der Zulieferer die Teile
zu dem Zeitpunkt an die Bänder lie-
fern, zu dem sie benötigt werden. Da-
durch werden zwar die Lagerkosten
niedrig gehalten, die Strategie führt
aber dazu, dass bei einem Engpass in
der Logistikkette die Produktion aus
dem Takt geraten kann. Im vergange-
nen Jahr hatte Toyota seine Produk-
tion kurzzeitig aussetzen müssen, als
einer seiner Zulieferer von einem
Hackerangriff betroffen war. Damals
hatte der Autokonzern den Betrieb
dank eines Back-up-Netzwerks wie-
der aufnehmen können. Die 14 Wer-
ke stehen für insgesamt rund ein
Drittel der weltweiten Produktion
von des Autoherstellers. Die Aktien
schlossen an der Tokioter Börse
leicht im Minus.
her an Kantinen. Einige wenige Ma-
schinen wurden an erste Kunden aus-
geliefert, darunter an den Caterer
Aramark. Auch der Autobauer BMW
hatte für eine Kantine in einem For-
schungszentrum einen Roboter be-
stellt. Der Betreiber beschickt das
Gerät mit Zutaten, der Roboter wiegt
die Mengen ab und bereitet die Ge-
richte innerhalb von etwa fünf Minu-
ten zu. Der Kantinenbesucher be-
stellt an einer Konsole oder über eine
App. Die Kochroboter – eine Art
Großvariante eines Thermomix –
messen 3,70 mal 1,80 Meter und kos-
ten etwa 250.000 Euro je Stück. An
Aitme halten die beiden Gründer zu-
sammen etwas weniger als die Mehr-
heit; der Rest liegt bei Geldgebern
der Start-up-Szene.
O
pen AI hat eine seiner bislang
größten Initiativen gestartet, um
mit dem Sprachmodell ChatGPT
Geld zu verdienen. Der kalifor-
nische Softwareentwickler hat jetzt die Ein-
führung von ChatGPT Enterprise angekün-
digt, einer Version des mit Künstlicher
Intelligenz (KI) arbeitenden Programms, die
sich speziell an Unternehmen richtet. Sie
basiert auf GPT-4, der jüngsten Generation
des KI-Systems von Open AI. Sie soll unbe-
FIRMENINDEX Seite
3M.........................................................18
Adler Group...................................18
Air Liquide......................................22
Aitme..................................................21
Open AI verspricht nun, dass Kunden Die Einführung von ChatGPT Enter- ten der Bürosoftware Microsoft 365 als
ihre Daten bei ChatGPT Enterprise weiter prise ist insofern besonders bemerkens- Zusatzfunktion ohne Aufpreis enthalten.
„besitzen und kontrollieren“. Die Informa- wert, weil Open AI damit stärker in Kon- Der für das Tagesgeschäft von Open AI
tionen würden nicht genutzt, um das Pro- kurrenz mit seinem engen Partner zuständige Chief Operating Officer Brad
gramm zu trainieren. ChatGPT Enterprise Microsoft tritt. Der Softwaregigant ist Lightcap sagte dem „Wall Street Journal“,
lerne nicht davon, wie es eingesetzt werde. 2019 mit einer Beteiligung im damaligen er sehe ChatGPT Enterprise nicht unbe-
Zum Preis der neuen Unternehmenssoft- Wert von einer Milliarde Dollar bei Open dingt als Konkurrenzprodukt zu Micro-
ware machte Open AI keine konkreten AI eingestiegen, in diesem Jahr hat er das softs Angebot. Er fügte aber hinzu: „Wir
Angaben. Es hieß lediglich, der Preis kön- Bündnis mit einer weiteren Milliardenin- sind zwei separate, unabhängige Unter-
ne ja nach Nutzung und Unternehmens- vestition noch vertieft. Im Rahmen dieser nehmen, und so verhalten wir uns auch.“
größe unterschiedlich ausfallen. Kooperation bekommt Microsoft privi- (Kommentar Seite 22.)
Aldi Süd............................................22 Deutsche Telekom...................20 Nvidia.................................................23 SAP.......................................................18 Thyssenkrupp.............................22
Biontech...........................................18 DZ Bank............................................22 Open AI.....................................21, 22 Schwäbisch Hall.........................22 Toyota................................................21
Blue Origin.....................................19 Evotec................................................18 Pfizer...................................................18 Siemens Energy.........................18 Uber............................................15, 18
BYD.......................................................22 KKR.......................................................20 Picnic..................................................22 SpaceX...............................................19 Vodafone.........................................20
Circus Kitchens...........................21 Microsoft.................................21, 22 R+V-Versicherung....................22 Telefónica.......................................20 Voestalpine...................................20
Corendon........................................21 Moderna..........................................18 Rödl & Partner.............................18 Tesla.....................................................18 Volkswagen..................................18

Die F.A.Z.-Wetterinformationen im Internet: www.faz.net/wetter

Anzeige Städtewetter Deutschland Vorhersage für heute Wetterlage 30.08. 31.08. 01.09.
30.08. 31.08. 01.09. Vorhersage: heute Mittag Städtewetter Afrika
Reykjavik Accra 25° 25° 25°
Aachen 18° 18° 20° Kiel Der letzte Regen zieht aus dem
Arkona 20° 19° 20° 21°
Rostock Südosten ab, und die Wolken lo- Algier 31° 29° 32°
Berlin 22° 20° 21° 21° ckern sich allmählich auf. Von Casablanca 28° 29° 29°
Hamburg Westen und Nordwesten bis zur
Bis 75 % Rabatt Bremen 21° 18° 20° 21° 22° Mitte kommt es bei wechselnder Helsinki
Johannesburg 21° 22° 24°
für Unternehmen Brocken 12° 9° 12° Bremen
Bewölkung zu einigen Regen- Oslo Stockholm Kairo 39° 40° 38°
Cottbus 21° 20° 22° Hannover 22° schauern oder Gewittern, die ört- Kapstadt 21° 14° 15°
20° 18° 20° 21° Berlin lich kräftig ausfallen können. Die Städtewetter Nordamerika
Cuxhaven 23° Dublin Kopenhagen Moskau
Magdeburg Temperaturen bewegen sich am
Dresden 20° 19° 22° 21° Nachmittag bei Höchstwerten Chicago 23° 27° 32°
Düsseldorf 20° 20° 21° Dortmund 21° zwischen 15 und 22 Grad. Dazu London Los Angeles 28° 26° 26°
Leipzig Brüssel Berlin Warschau Kiew
Erfurt 21° 19° 22° 22° weht ein schwacher bis mäßiger Miami 32° 36° 36°
20° Wind aus Nordwest bis Südwest.
Essen 20° 19° 20° Köln Erfurt Dresden Wien Montreal 23° 21° 23°
21° Bei Schauern und Gewittern Paris
Feldberg 10° 10° 14° 23° Zürich NewYork 30° 26° 26°
frischt der Wind stark böig auf.
17° 16° 18° Frankfurt Budapest Vancouver
Feldberg/Ts. 21° 16° 26°
iPad ist eine Marke von Apple Inc.

Frankfurt 23° 22° 24° Nürnberg Biowetter Lissabon Madrid Varna Städtewetter Lateinamerika
Freiburg 23° 22° 25° Saarbrücken 20°
22° Zurzeit leiden Patienten mit Herz- Rom Istanbul Buenos Aires 22° 19° 20°
Garmisch 16° 19° 23° Stuttgart Kreislauf-Erkrankungen unter der Palma Caracas 34° 35° 34°
Greifswald 21° 19° 20° 21°
Wetterlage. Sie sollten sich scho- Athen Ankara Lima 22° 22° 22°
Großer Arber 10° 10° 13° nen und auf Anstrengungen Tunis Mexiko-Stadt 22° 22° 21°
München verzichten. Bei Wetterfühligen
Hamburg 22° 19° 21° 19° Las Palmas Rio de Janeiro 24° 24° 26°
Freiburg kommt es zu Kopfschmerzen.
Hannover 21° 19° 21° 23° Bei vielen Menschen ist die Leis- Santiago 16° 19° 14°
Helgoland 18° 18° 19° tungsfähigkeit herabgesetzt. Städtewetter Naher Osten
Hof 18° 17° 19° Rheumakranke müssen sich auf H Hoch T Tief Warmfront Kaltfront Mischfront
eine Verschlimmerung ihrer Ankara 34° 35° 35°
Kahler Asten 15° 14° 15° -15° -10° -5° 0° 5° 10° 15° 20° 25° 30° 35°
Antalya 33° 32°
Schmerzen einstellen. Städtewetter in Europa 33°
Karlsruhe 22° 21° 24°
Erfolg entsteht aus Wissen.
Bagdad 40° 42° 45°
Kassel 21° 19° 21° Sonne & Mond Mondphasen 30.08. 31.08. 01.09. 30.08. 31.08. 01.09.
Dubai 46° 46° 44°
Köln 22° 21° 23° Amsterdam 19° 20° 21° Mailand 26° 26° 27°
06:36 20:29 31.08. 07.09. Riad 44° 42° 41°

Unsere attraktiven
Konstanz 20° 21° 24° Athen 32° 32° 33° Malaga 32° 29° 30°
20:14 05:07 Teheran 34° 33° 34°
Leipzig 21° 20° 22° Angaben für Frankfurt am Main 15.09. 22.09. Barcelona 27° 28° 29° Mallorca 28° 29° 30°
Städtewetter Asien
Lübeck 21° 18° 20° Belgrad 27° 27° 30° Moskau 23° 27° 27°

Konditionen für
26° 26° 28° 26° 28° 29°
Bangkok 34° 35° 34°
Magdeburg 23° 20° 22° Wetter in Deutschland heute Bozen Neapel
19° 19° 22° 25° 25° 25°
Hongkong 32° 32° 26°
Mannheim 22° 22° 24° Brüssel Nizza
Bremen, Niedersachsen, peraturanstieg in den Nachmittags- Baden-Württemberg, Bayern
22° 26° 29° 19° 20° 20°
Shanghai 24° 27° 27°
Budapest Oslo

Geschäftskunden.
München 19° 21° 24° Hamburg, Schleswig-Holstein, stunden auf 19 bis 22 Grad. Schwa- An den Alpen anfangs noch Regen, Neu Delhi 38° 38° 38°
Norderney 19° 18° 19° cher Wind aus südwestlicher bis später wechselnd bis stark bewölkt Bukarest 33° 34° 32° Palermo 28° 27° 28°
Mecklenburg-Vorpommern Peking 32° 31° 31°
Nürnberg 20° 20° 23° Bei wechselnder bis starker Bewöl- nordwestlicher Richtung. Nachts mit Schauern. Höchsttemperaturen Dublin 18° 18° 18° Paris 22° 21° 25°
immer dichtere Wolken, gegen am Nachmittag zwischen 16 und 23 25° 24° 26° 19° 19° 22°
Seoul 24° 27° 30°
Oberstdorf 16° 19° 23° kung gebietsweise Schauer, örtlich Dubrovnik Prag
Gewitter. Höchsttemperaturen am Morgen vermehrt Regenschauer. Grad. Meist nur schwacher Südwest- Australien und Neuseeland
Osnabrück 21° 20° 22° Helsinki 20° 20° 18° Riga 24° 18° 20°
Nachmittag zwischen 18 und 22 bis Westwind, im Hochschwarzwald
Passau 19° 21° 25° frische Böen. In der kommenden Istanbul 32° 30° 29° Rom 25° 27° 28° Auckland 15° 16° 17°
Grad. Meist schwacher bis mäßiger, Nordrhein-Westfalen, Hessen,
Rostock 21° 19° 20° an der See in Böen frischer Wind um Nacht Tiefstwerte von 12 bis 8 Grad. Kiew 35° 33° 28° Sofia 29° 28° 29° Melbourne 15° 15° 13°
Rheinland-Pfalz, Saarland
Saarbrücken 22° 21° 24° Südwest. In der kommenden Nacht Kopenhg. 20° 19° 20° Stockholm 15° 17° 14° Sydney 26° 20° 18°
Anfangs wechselnd bewölkt und
Jetzt informieren unter Abkühlung auf 13 bis 9 Grad. meist trocken, im Tagesverlauf zum Las Palmas 28° 28° 28° St. Petersbg. 24° 29° 23°
Stuttgart 21° 21° 25° Weitere Wetter- Das besondere Wetterereignis
faz.net/business oder Sylt 18° 18° 19° Berlin, Brandenburg, Sachsen-
Teil kräftige Regengüsse und Gewit- informationen Lissabon 28° 30° 27° Venedig 22° 24° 26°
Laut National Hurricane Center soll
ter. Maximal 16 bis 22 Grad. Abseits
anrufen: (069) 75 91-11 22 Trier 22° 21° 24° Anhalt, Thüringen, Sachsen: von Schauern und Gewittern meist
und -daten
finden Sie
Ljubljana 13° 22° 25° Warschau 19° 23° 22° Hurrikan Idalia morgen mit extremem
Zugspitze -1° 1° 5° Wechselnd bis stark bewölkt und ein schwacher bis mäßiger Wind im Internet: London 21° 19° 22° Wien 19° 24° 25° Regen und Böen über 200 km/h auf
Prognosen der Tageshöchsttemperaturen nachmittags örtlich Schauer. Tem- aus Südwest bis West. www.faz.net Madrid 29° 32° 32° Zürich 20° 21° 24° die Golfküste von Florida treffen.
SE I TE 2 2 · NR. 2 0 1
M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3
Noch ein Experiment: In einer Halle auf dem Gelände von Air Liquide in Oberhausen steht ein Elektrolyseur für die Produktion von grünem Wasserstoff.
„Akute Gefahr“ für Verlagerung ins Ausland
Die energieintensive
Industrie fordert günsti-
gere Strompreise, damit
Unternehmen nicht
abwandern. Man stehe
am Scheideweg.
Von Jonas Jansen,
Düsseldorf
A
ls Aufsichtsratsvorsitzender
von Air Liquide Deutschland
weiß Gilles Le Van ziemlich
genau, wie es der Industrie
geht. Mit seinen hunderttausend Kunden
aus der Chemie, dem Bau, dem Gesund-
heits- oder Lebensmittelsektor hat der
französische Gasehersteller praktisch
überall eine Art Stimmungsthermometer
installiert. „Das ganze System ist im Mo-
ment etwas fragiler geworden“, sagte Le
Van am Montagabend vor der Wirt-
schaftspublizistischen Vereinigung in
Düsseldorf. „Die Industrie steht am Schei-
deweg. Und das nicht nur in Deutschland,
sondern grundsätzlich in Europa.“
Der Deutschfranzose ist auch Vorsit-
zender des Verbands der industriellen
DZ Bank erhöht Ziel
Zum Halbjahr fast 2 Milliarden erwirtschaftet
mabr. FRANKFURT. Die DZ-Bank-
Gruppe hat im ersten Halbjahr einen
Vorsteuergewinn von 1,95 Milliarden
Euro erwirtschaftet. „Wir haben gute
Ergebnisse in einem ambivalenten Um-
feld erzielt“, sagte Cornelius Riese, als er
am Dienstag mit seinem Ko-Vorstands-
vorsitzenden Uwe Fröhlich die Ge-
schäftszahlen für das erste Halbjahr
2023 vorstellte. Damit habe man das
Ziel, im Gesamtjahr 2023 einen Vor-
steuergewinn am oberen Ende der Ge-
winnspanne von 1,5 bis 2 Milliarden
Euro einzufahren, schon zum Halbjahr
erreicht. In den ersten sechs Monaten
2022 hatte das Konzernergebnis vor
Steuern 940 Millionen Euro betragen.
Die DZ Bank erhöhte dann auch die
Prognose für das Gesamtjahr auf „über“
2,5 Milliarden Euro.
Die positive operative Entwicklung
in allen Geschäftsfeldern spreche für
die Stärke des Geschäftsmodells und
die langfristige strategische Ausrich-
tung, sagt Riese, der vom Sommer 2024
an den Konzern als alleiniger Vor-
standsvorsitzender führen wird. Die
DZ-Bank-Gruppe ist innerhalb des ge-
nossenschaftlichen Finanzsektors als
Zentralinstitut für alle rund 800 deut-
schen Kreditgenossenschaften zustän-
dig. „Wir freuen uns, dass die Verbund-
und Geschäftsbank mit knapp 700 Mil-
lionen Euro einen signifikanten Bei-
trag zum Ergebnis der DZ-Bank-Grup-
pe geleistet hat – ganz besonders
getrieben vom fortgesetzten Wachs-
tumspfad in allen Geschäftsfeldern der
DZ Bank“, sagte Fröhlich. Als Gründe
führt er die sehr gute Entwicklung des
Kundengeschäfts sowie die weiterhin
unauffällige Risikosituation an. Im Pri-
vatkundengeschäft profitiere die Bank
von der Zinswende und dem „überra-
Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), des-
sen 300 Mitgliedsunternehmen für etwa
vier Fünftel des industriellen Energiever-
brauchs hierzulande stehen. Kein Wun-
der, dass er sich wie viele seiner Bran-
chenkollegen für einen subventionierten
Brückenstrompreis ausspricht. „Wenn
wir mit den Energiepreisen nicht deutlich
runterkommen, gefährden wir einen Teil
der energieintensiven Industrie, 30 Pro-
zent sehe ich wirklich als gefährdet an“,
sagte Le Van.
Das deckt sich mit anderen Untersu-
chungen: So teilte die Deutsche Industrie-
und Handelskammer am Dienstag auf Ba-
sis einer Umfrage mit, dass fast ein Drittel
der Industrieunternehmen eine Verlage-
rung von Kapazitäten ins Ausland oder
die Einschränkung der Produktion im In-
land planen. Gegenüber einer Umfrage
im Vorjahr sei dies eine Verdopplung. Die
Stimmung ist schlecht: Der Verband der
Chemischen Industrie (VCI) hat gar das
erste Mal in seiner Geschichte einen
Brandbrief an die Bundesregierung ge-
schrieben. In seiner „Allianz pro Brücken-
strompreis“ sind neben den energieinten-
siven Branchen auch die Gewerkschaften
mit von der Partie, die eine Gefährdung
des Standortes fürchten.
Mit ihren Warnrufen dringen sie auch in
die Politik vor, so hat sich in den Ländern
mit Chemiestandorten eine Allianz zum
„Erhalt der chemischen Industrie in
Deutschland“ gebildet. Nach Informatio-
nen der F.A.Z. schreiben die Ministerprä-
genden“ Absatz von Zinsprodukten
und Anlagezertifikaten, der sich von
4,6 Milliarden Euro auf 16,4 Milliarden
Euro fast vervierfacht hat.
Bei der Bausparkasse Schwäbisch
Hall drückt die Zinswende dagegen auf
das Ergebnis. Statt 168 Millionen Euro
steht im ersten Halbjahr ein Verlust vor
Steuern von 14 Millionen Euro in den
Büchern. „Auf den ersten Blick ist das
Ergebnis der Bausparkasse enttäu-
schend“, räumt Riese ein. Er geht aber
davon aus, dass sich die Belastungen
durch den Zinsanstieg mittelfristig rela-
tivieren. Im Jahresverlauf erwartet der
Konzern ein leichtes Aufholen beim Er-
gebnis. Auch die R+V-Versicherung
konnte dank einer bisher unauffälligen
Schadenentwicklung und eines positi-
ven Kapitalanlageergebnisses ein Er-
gebnis vor Steuern von 762 Millionen
Euro beisteuern. Cornelius Riese warnt
jedoch davor, dieses Ergebnis auf das
ganze Jahr hochzurechnen, immerhin
stehe die Sturmsaison noch bevor.
Anders sah es dagegen bei der DZ
Hyp aus, deren Ergebnis vor Steuern um
36,7 Prozent im Vergleich zum Vorjah-
reszeitraum sank. Infolge des herausfor-
dernden Immobilienumfelds ging das
Neugeschäft mit Firmen- und Privat-
kunden von 5 Milliarden auf 3,4 Milliar-
den Euro zurück. Die Stimmung richte
sich aktuell sehr stark gegen Bauträger
und Projektentwickler, sagte Fröhlich
und fügte hinzu: „Keiner der Projektent-
wickler in Schwierigkeiten ist Kunde der
DZ Bank.“ Man schaue aber mit beson-
derer Sensibilität auf jeden Kunden.
„Die wirtschaftlichen Rahmenbedin-
gungen sind weiter von zahlreichen Un-
sicherheiten geprägt. Gleichwohl bli-
cken wir optimistisch in die Zukunft“,
sagte Riese.
Unternehmen
sidenten der Länder Bayern, Hessen, Nie-
dersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rhein-
land-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt
in einem Standpunktpapier zur Allianz
wörtlich: „Ohne ein entschlossenes Ent-
gegensteuern besteht die akute Gefahr der
Verlagerung von Produktion und damit
Arbeitsplätzen an kostengünstigere Stand-
orte im Ausland.“ Neben einer Absenkung
der Stromsteuer schlägt die Bundesländer-
Allianz auch einen „zeitlich befristeten
Brückenstrompreis“ vor. Eine Abwande-
rung würde sonst zu einem „erheblichen
Schaden für die Volkswirtschaft“ führen.
Der VCI rechnet vor, dass bis zu 2,4 Millio-
nen Arbeitsplätze und gut 240 Milliarden
Euro Wertschöpfung an der Chemie und
den anderen energieintensiven Branchen
hingen. Das wiederum würde rund 90 Mil-
liarden Euro an Steuerzahlungen und So-
zialversicherungsbeiträgen entsprechen,
also etwa einem Fünftel des Bundeshaus-
halts für 2024.
Da setzt auch Le Van an: „Aus ord-
nungspolitischer Sicht verstehe ich, dass
man Bedenken hat und sagt, wir können
nicht überall subventionieren“, sagte der
Manager. „Aber was steht auf dem Spiel:
dass wir einen Teil der Industrie verlie-
ren?“ Würde ein Drittel der energieinten-
siven Unternehmen abwandern, fielen 30
Milliarden Euro an wiederkehrenden
Steuereinnahmen weg, argumentierte Le
Van. Die Finanzierung eines Brücken-
strompreises würde nach Plänen des
Bundeswirtschaftsministeriums hin-
BYD trotzt Chinas Preiskrieg
Umsatz und Gewinn steigen rasant / Unternehmen dominiert Chinas Automarkt
guth. SCHANGHAI. Der chinesische In-
dustriekonzern BYD ist trotz des Preiskrie-
ges auf dem weltgrößten Automarkt weiter
auf Erfolgskurs. Der Umsatz legte im ers-
ten Halbjahr dieses Jahr um knapp drei
Viertel auf umgerechnet 33 Milliarden
Euro zu. Ein Großteil davon ging auf das
Konto des Autogeschäfts, dort stieg der
Umsatz um mehr als 90 Prozent auf 26 Mil-
liarden Euro. Allerdings scheint sich das
Wachstum inzwischen abzuschwächen.
BYD ist der große Dominator des chine-
sischen Elektroautomarktes, zu dem reine
batterieelektrische Autos und Plug-in-Hy-
bride gezählt werden. Im laufenden Jahr
sind fast zwei von fünf in China verkaufte
Elektroautos BYD-Modelle. Zählt man
Elektroautos und Plug-in-Hybride zusam-
men, ist das Unternehmen mit Abstand
der größte Elektroautobauer der Welt.
Tesla verkaufte im ersten Halbjahr knapp
900.000 Autos, BYD mehr als 1,2 Millio-
nen. Bei reinen Elektroautos liegt Tesla
noch vorne. Vor einigen Monaten hat BYD
den deutschen VW-Konzern als größten
Autohersteller Chinas abgelöst. Für das
Gesamtjahr peilt das Unternehmen einen
Absatz von 3 Millionen Fahrzeugen an.
Vor einigen Wochen feierte der Konzern
das fünfmillionste Elektroauto aus eigener
Produktion.
Auf dem chinesischen Heimatmarkt
herrscht ein harter Preiswettbewerb, den
vor allem Tesla immer wieder anzettelt.
Die Zahl der Hersteller ist kaum zu überbli-
cken, die Schätzungen reichen von einigen
Dutzend bis zu mehreren Hundert. Die we-
nigsten Hersteller arbeiten profitabel, gera-
de im Massenmarkt und unter den Elektro-
autoproduzenten.
Auch BYD senkt seine Preise aggressiv
und expandiert immer stärker in andere
Länder. Dennoch steigerte der Konzern
laut dem Halbjahresbericht seine Brutto-
gegen jährliche Ausgaben von 4 bis 5 Mil-
liarden Euro bedeuten. „Da würde ich
doch sofort sagen, das mache ich“, sagte
Le Van, auch in Richtung des Bundesfi-
nanzministeriums.
Nötig sei solch eine Unterstützung, bis
die erneuerbaren Energien im Umfang
und zu Preisen vorhanden seien, die lang-
fristig für die Transformation der Indus-
trie nötig seien, Le Van rechnet dabei et-
wa mit sechs bis sieben Jahren. In der
Höhe der Subventionierung setzt der Air-
Liquide-Aufsichtsrat bei den derzeit kur-
sierenden Vorschlägen zwischen 4 und 6
Cent je Kilowattstunde an. Das sei trag-
bar. „Alles drüber wäre schon eng“, sagte
Le Van, schließlich entspreche schon ein
Industriestrompreis von 4 Cent einem
Preis von 40 Euro je Megawattstunde,
während die globale Konkurrenz mit-
unter nur die Hälfte zahle.
Die Energiepolitik stehe im Zentrum je-
der Industriepolitik, dabei gehe es immer
um das „magische Dreieck“ aus Versor-
gungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit
und Nachhaltigkeit, sagte Le Van. Obwohl
sich die Versorgungslage inzwischen ver-
bessert habe, gebe es noch viele Heraus-
forderungen. „Es ist sehr schwer, eine In-
dustrie am Leben zu halten, wenn wir
zwar grün sind, aber nicht wettbewerbsfä-
hig.“ Sein Unternehmen ist eines, das ge-
rade für die Anstrengungen, grün zu wer-
den, eine wichtige Rolle spielt. Air Liquide
betreibt das größte Wasserstoffnetz in
Deutschland, allerdings ist es nur 240 Ki-
marge binnen zwölf Monaten von 13,5
auf 18,3 Prozent und führte das vor allem
auf das Autogeschäft zurück. Der Roh-
ertrag stieg um 134 Prozent auf mehr als
6 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb
ein Gewinn von 1,3 Milliarden Euro,
dreimal mehr als im gleichen Vorjahres-
zeitraum. Anders als fast alle anderen
Autohersteller stellt BYD auch die Batte-
rien selbst her, die für einen Großteil der
Wertschöpfung von E-Autos stehen.
An der Börse kamen die Zahlen sehr gut
an, die Aktie legte um mehr als 5 Prozent
zu. BYD ist längst einer der wertvollsten
Autohersteller der Welt. Einer der größten
Profiteure ist der US-Investor Warren Buf-
fett, der mit seinem Unternehmen Berk-
shire Hathaway schon vor Jahren ein gro-
ßes Aktienpaket gekauft hat und bis heute
Großaktionär von BYD ist. Konzernchef
Wang Chuanfu gründete den Industriekon-
Gefragt: Das Elektroauto ATTO 3 des Herstellers BYD
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Foto Lucas Bäuml
lometer lang. Zum Vergleich: Der Plan für
ein Nord-Süd-Netz in der Nationalen Was-
serstoffstrategie sieht mindestens 1800 Ki-
lometer vor. Gleichwohl sei das Netz von
Air Liquide schon groß genug, um den
Hochlauf von Wasserstoff zu testen. Wett-
bewerbsfähig ist das aber noch lange nicht,
eher ein Experiment.
Die Anlage des Unternehmens in
einem Chemiepark in Oberhausen wird
auch im Rahmen der Nationalen Wasser-
stoffstrategie gefördert. Die dort aufge-
bauten Elektrolyseure spalten Wasser mit
Ökostrom in Sauerstoff und Wasserstoff.
Noch ist der grüne Wasserstoff deutlich
teurer als die grauen oder blauen Varian-
ten, die aus Erdgas gewonnen werden.
Außerdem ist die Produktion noch sehr
klein. Die Anlage ist zwar die größte die-
ser Art in Deutschland. Mit ihren 20
Megawatt kann sie 2900 Tonnen Wasser-
stoff im Jahr herstellen. Der Stahlkon-
zern Thyssenkrupp, der nahe Oberhau-
sen mit seinem Stahlwerk in Duisburg
auch über eine Air-Liquide-Pipeline an-
geschlossen ist, braucht allein für seine
eine Direktreduktionsanlage, die einen
Hochofen ersetzen soll, vom Jahr 2029 an
143.000 Tonnen Wasserstoff im Jahr.
In der Wasserstoff-Infrastruktur ist al-
so noch einiges zu tun. Und grüner Was-
serstoff allein wird nicht reichen, ist Le
Van überzeugt. „Als Unternehmen möch-
ten wir nicht investieren in einen Be-
reich, der nur subventioniert eine Zu-
kunft hat.“
zern Mitte der Neunzigerjahre unweit von
Hongkong in Shenzhen, wo heute viele der
großen Techkonzerne ihren Sitz haben.
Wang ist bis heute Großaktionär, sein Ver-
mögen wird auf umgerechnet 17 Milliarden
Euro geschätzt. Er ist damit einer der
reichsten Chinesen.
Der Konzern mit 630.000 Mitarbeitern
ist weit mehr als ein Autohersteller. Die
Ursprünge gehen auf die Batterieproduk-
tion zurück, vor etwa zwei Jahrzehnten
stieg BYD in die Autoproduktion ein. Bis
heute produziert das Unternehmen Bat-
terien auch für andere Anwendungen
und ist auch in der Photovoltaikbranche
tätig. Zudem ist der Konzern Zulieferer
für Apples iPad. Das Buchstabenkürzel
BYD ergibt sich aus der Umschrift des
chinesischen Unternehmensnamens, der
Konzern ist auch unter seinem Slogan
„Build Your Dreams“ bekannt.
Foto EPA
Open AI prescht vor
Von Roland Lindner
und um Künstliche Intelli-
R genz (KI) herrscht im Mo-
ment gewaltige Euphorie.
Wie sich auf diesem zukunftsträchti-
gen Gebiet Geld verdienen lässt, ist
aber noch eine weitgehend offene
Frage. Open AI, der Entwickler des
Sprachmodells ChatGPT und maß-
geblicher Auslöser der gegenwärti-
gen Goldgräberstimmung in der
Technologiebranche, steht zum Bei-
spiel noch am Anfang damit, Um-
satzquellen aufzubauen. Jetzt haben
die Amerikaner ihre bislang wohl
wichtigste Offensive gestartet: Eine
Version von ChatGPT, die sich spe-
ziell an Unternehmen richtet. Sie soll
mehr Sicherheit bieten und mögli-
chen Kunden die Sorge nehmen, dass
Unternehmensdaten, die in das KI-
System eingegeben werden, nach
außen dringen.
Die Bedeutung dieses Vorstoßes
geht indessen weit darüber hinaus,
mehr Kasse mit KI machen zu wol-
len. Die neue ChatGPT-Version für
Unternehmen rückt auch die Part-
nerschaft mit Microsoft in ein ganz
anderes Licht. Open AI und Micro-
soft unterhalten eine der im Moment
am meisten beachteten Allianzen in
der Technologiebranche. Microsoft
hat sich schon vor einigen Jahren an
dem KI-Spezialisten beteiligt und ihn
nach der Einführung von ChatGPT
mit einer weiteren Milliardeninvesti-
tion noch enger an sich gebunden.
Der Softwaregigant bekommt dafür
bevorzugten Zugang zu Technolo-
gien von Open AI und nutzt das auch
weidlich aus. Er hat eine ganze Reihe
von neuen Angeboten angekündigt,
die mit KI-Systemen von Open AI
aufgerüstet sind.
Die neue Initiative von Open AI
markiert nun aber ein Stück weit eine
Emanzipation von seinem Förderer
Microsoft. Erst im Juli hatte auch
Microsoft ein auffällig ähnliches KI-
System für Unternehmen mit zusätz-
lichen Sicherheitsfunktionen vorge-
stellt. Mehr als bisher scheinen die
beiden Partner also auch zu direkten
Wettbewerbern zu werden. Zwar war
auch schon vorher bekannt, dass die
Kooperation keinen exklusiven Cha-
rakter hat, und Open AI hat auch
schon Partnerschaften mit anderen
Unternehmen geschlossen. Aber nun
ist noch deutlicher geworden, dass
das Bündnis von Open AI und Micro-
soft nicht immer eine vereinte Front
bedeuten muss – sondern auch
reichlich Potential für Interessenkon-
flikte bietet.
Aldi Süd testet
Lieferdienst
dpa. MÜLHEIM/RUHR. Der Dis-
counter Aldi Süd macht einen wichti-
gen Schritt in Richtung E-Com-
merce. Der Handelsriese gab am
Dienstag den Startschuss für den
Testlauf eines Lebenmittelliefer-
dienstes, bei dem Aldi-Kunden im
Ruhrgebiet erstmals online frische
Produkte wie Obst, Gemüse, Brot,
Käse oder Milch bestellen können.
Ab sofort könnten sich Kunden
in Mülheim an der Ruhr, Duisburg
und Oberhausen für den Lieferdienst
registrieren, teilte Aldi Süd am
Dienstag mit. Zuvor hatte das „Han-
delsblatt“ darüber berichtet.
Perspektivisch sei auch ein Test
mit einem „Click and Collect“-Mo-
dell geplant, bei dem die Kunden die
Ware online bestellen und dann
selbst im Markt abholen, ergänzte
Aldi Süd. Bislang hatte der Discoun-
ter in seinem deutschen Onlineshop
nur Non-Food-Artikel vom Staubsau-
ger bis zum Messerblock angeboten
und einen Bogen um das aufwendige
und schwierige Geschäft mit frischen
Lebensmitteln gemacht. Experimen-
te mit Lebensmittellieferungen gab
es allerdings bei Auslandstöchtern in
den USA, in Großbritannien und der
Schweiz.
Der Discounter betonte, dass es
sich um einen lokal und zeitlich be-
grenzten Testlauf handele. Denn der
Onlinehandel mit Lebensmitteln in
Deutschland sei wegen der hohen
Kosten für Personal und Logistik
„aktuell kein rentables Geschäftsmo-
dell“. Das Aldi-Süd-Konzept ähnelt
dem des Wettbewerbers Picnic. Das
heißt, die Zustellung soll nach dem
Milchmann-Prinzip erfolgen, bei
dem die Lieferfahrzeuge innerhalb
eines Liefergebietes feste Routen ab-
fahren. Für die Kunden schränkt dies
die freie Wahl der Lieferzeit ein.
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG Finanzen NR. 2 0 1 · SE I TE 2 3
M IT T WOC H, 30. AU GU S T 2 0 2 3

Von Baydöner gibt’s jetzt auch Aktien

Die Währungs- und ra-Kursgewinne von knapp 6 Prozent
nach der Zinsentscheidung auch bald
Finanzkrise schert den wieder zur Hälfte ausgelöscht.
Selbst wenn die Notenbank den einge- Achtung, Blase
türkischen Aktienmarkt schlagenen restriktiven Kurs beibehält,
Von Andreas Mihm
dürften die realen Zinsen noch längere
wenig. Immer neue Zeit negativ bleiben. Zu schnelle Zins-
erhöhungen könnten das Wirtschafts-
Rekorde locken mehr olitische Börsen haben be-

Kleinanleger aufs
Parkett. 8000
wachstum vor den im kommenden Jahr
anstehenden Kommunalwahlen abwür-
gen. Manche Beobachter fürchten gerade
vor diesem Hintergrund ein abermaliges
Eingreifen Erdoğans in die Geldpolitik.
Schnell steigende Zinsen könnten auch
Von Andreas Mihm, 7000 die Banken destabilisieren. Denn diese
sitzen auf umfangreichen Volumina nied-
Wien rig verzinster Staatsanleihen. Bei schnell
6000 steigenden Zinsen würde hoher Ab-
schreibungsbedarf entstehen.
Wenn aber die Inflation, wie von der
P kanntlich kurze Beine. Wenn
dann der Run der Kleinanleger
einsetzt, ist es erst recht an der Zeit,
Gewinne einzustreichen, das Weite zu
suchen. Nur: In der Türkei scheint die-
se Börsenregel außer Kraft gesetzt.
Ohne Frage ist der rasante Kursan-
stieg, den die Istanbuler Börse seit
nunmehr zwei Jahren erfährt, allen-
falls zum Teil fundamentalen Fakto-
ren geschuldet. Dafür ist das wirt-

K
orkmaz Enes Ergun hat viel
Zeit in Akquise gesteckt. Der
Vorstandsvorsitzende der
Börse Istanbul und seine Leu-
te haben 150 Unternehmen in der Türkei
besucht, die auf der Liste der 500 größten
Betriebe stehen, aber nicht börsennotiert
sind. Die Mühe hat sich gelohnt. Allein in
diesem Jahr gingen mehr als 30 Unter-
nehmen an den Markt, weitere sind
Notenbank erwartet, weiter steigt und bis
5000
weit ins nächste Jahr hoch und die realen
Türkischer Zinsen damit stark negativ bleiben, dürf-
te die Lage am türkischen Aktienmarkt
4000 Aktienindex bleiben, wie sie ist: Ein durch die Finanz-
BIST 100 in Punkten und Geldpolitik sich selbst verstärkender
Boom, der durch fundamentale Wirt-
3000 schaftsdaten allenfalls in Teilen gerecht-
fertigt erscheint.
schaftliche Umfeld zu risikobehaftet,
die Inflation zu hoch, die Schwäche
der Lira zu groß. Nicht zufällig fassen
internationale Investoren türkische
Aktien nur mit spitzen Fingern an.
Dass die inländischen Anleger nun
umso stärker zugreifen, ist Folge der
Politik. Mickrige Einlagenzinsen rei-
chen nicht zum Werterhalt, Sachwerte

unterwegs. Für eines läuft seit Dienstag
die Zeichnungsfrist: Der Hersteller von
Baby- und Kindersachen Ebebek
Mağazacılık bietet 25 Prozent seiner Ak-
tien zur Zeichnung an.
Nach Daten des Dienstleisters Dealo-
gic haben Börsengänge in Istanbul in die-
sem Jahr bisher umgerechnet 1,9 Milliar-
den Dollar eingespielt. Damit habe sich
der Finanzplatz einen Rang unter den 10
aktivsten Emissionsplätzen der Welt er-
kämpft. „Der Erfolg der Türkei und ande-
rer Schwellenländer wie Rumänien und
Indonesien zeigt, dass es einer Reihe gro-
ßer westlicher Börsen nicht gelingt, gro-
ße Aktiengeschäfte anzuziehen“, analy-
siert die „Financial Times“ und verweist
darauf, dass Initial Public Offerings (IPO)
in London seit Januar nur 967 Millionen
Dollar und in Frankfurt nur 1,1 Milliar-
den Dollar eingespielt haben.
Genaue Vergleiche fallen angesichts
der galoppierenden Inflation und der
kontinuierlichen Abwertung der Lira
zwar schwer, der Trend ist allerdings
eindeutig: Es kommen immer mehr
Unternehmen an den Markt. Manchen
scheint der Rekordwert des Jahres 2021
mit seinen 52 Börsengängen in Reich-
weite zu sein. „Sogar der Schnellimbiss
um die Ecke macht jetzt ein IPO“, sagt
Pinar Ersoy, Leiterin der Niederlassung
der DZ Bank in der Türkei. Tatsächlich
ging in der vorigen Woche auch die
Schnellrestaurantkette Baydöner an
den Markt und sammelte 14 Millionen
Dollar ein. 1,2 Millionen Anleger waren
bereit, ihr Geld in den Ausbau des Ge-
schäftes mit 110 Niederlassungen in der
Türkei und im Irak zu investieren. Vor-
her hatte der Windstromerzeuger
Tatlıpınar Enerji Uretim 60 Millionen
Dollar eingeworben, der Fliesenherstel-
ler Kaleseramik im Juli gut 100 Millio-
nen Dollar.
2000
1000
Januar 2021
Es ist nicht allein das Werben von Bör-
senchef Ergun, das derzeit viele mittel-
ständische Unternehmen an den Aktien-
markt treibt. Es ist oft die blanke Not:
„Für einen Teil der kleinen und mittleren
Unternehmen gestaltet sich die Kredit-
vergabe durch die Banken derzeit schwie-
rig“, sagt Markus Slevogt, Unterneh-
mensberater und Finanzexperte in
Istanbul mit zwei Dutzend Jahren Türkei-
erfahrung. Slevogt ist mit dieser Auffas-
sung nicht allein. Seine Mitglieder spür-
ten den Anstieg der Kreditzinsen als
Folge der strafferen Geldpolitik mit dem
Ziel, das Wirtschaftswachstum und vor
allem die Inflation abzukühlen, kritisier-
te erst am Montag der Chef des Einzel-
handelsverbands BMD, Sinan Öncel.
Unternehmer wie Albert Saydam, Chef
des Verbands der Autozulieferer, klagen,
sie bekämen keine Kredite und wenn, nur
kurzfristige. Datenreihen zur Kreditver-
gabe der Banken bestätigen das.
„Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Ka-
pitalmärkte für unsere Unternehmen
von zentraler Bedeutung“, sagt Börsen-
chef Ergun. Slevogt formuliert es so:
„Ein IPO ist in dieser Situation oft eine
gute Möglichkeit, manchmal sogar die
einzige, an frisches Geld zu kommen.“
Das Angebot der Unternehmen trifft
auf große Nachfrage von Kleinanlegern
und Kleinstinvestoren. Diese hoffen,
wenn nicht eine schnelle Lira zu ma-
chen, so doch zumindest auf eine wert-
beständige Anlage, auch wenn die Eig-
Quelle: Bloomberg /Foto Hikari / Adobe Stock / F.A.Z.-Grafik fbr.
ner meist nur einen kleinen Teil des
Unternehmens abgeben.
Aber bei einer steigenden Inflation,
die zuletzt wieder an der Marke von 50
Prozent kratzte und bei Leitzinsen, die
nach der zwar unerwartet starken Erhö-
hung in der vergangenen Woche immer
noch bei nur 25 Prozent liegen, sind die
realen Zinsen tiefrot. Anleger suchen
deshalb Alternativen. Doch die sind be-
grenzt: Immobilien haben ihren Wert
schon vervielfacht, das Angebot von
Gold ist eingeschränkt. Jetzt fährt die Re-
gierung auch das vom Staat gegen Wäh-
rungsverluste gesicherte Programm für
den Tausch von Devisen und Lira zurück.
Wer den Aktienmarkt nicht schon für
sich entdeckt hat, kommt jetzt auf den
Geschmack. „Ganze Familien investieren
jetzt in Aktien, darunter viele, von denen
man das nie gedacht hätte“, sagt Banke-
rin Ersoy. Allein in der ersten August-
hälfte strömten nach amtlichen Daten
537.000 neue Anleger an die Börse, die
jetzt 5,64 Millionen Investoren zählt. Zu-
letzt waren eigens die Voraussetzungen
für Privatanleger gelockert worden.
Alle wollen von den immer neuen Re-
kordständen profitieren, die nicht nur der
Index der 100 wichtigsten Aktien, der
BIST- oder ISE-100, im Wochenrhythmus
erreicht. Nach dem Erdbeben im Februar
und vor den Wahlen Ende Mai gab es
zwar Kurseinbrüche, der letzte war nach
der Wiederwahl von Staatschef Recep
Tayyip Erdoğan schnell ausgebügelt: Am
August 2023
Dienstag stand der BIST 100 bei knapp
unter 7900 Punkten, das waren aber im-
mer noch 150 Prozent mehr als vor einem
Jahr. Dabei hatte in puncto Kursgewinne
der Börse Istanbul schon im vergangenen
Jahr kein anderer Handelsplatz das Was-
ser reichen können. Der Börsenindex, der
nur die Kursentwicklung der Börsenneu-
linge widerspiegelt, legte gemessen in Li-
ra seit Anfang des Jahres 2022 sogar um
550 Prozent zu, wie die „Financial Times“
ausgerechnet hat.
Doch hält so ein Investment auch mor-
gen, was es heute verspricht? Durch die
fundamentalen Wirtschaftsdaten der Tür-
kei sei der schier unaufhaltsame Kursauf-
schwung nicht gedeckt, findet Ersoy. „Das
ist schon eine Blase.“ Aber ob und wann
und mit welchen Folgen diese platzt, weiß
niemand. Überhaupt schweben über der
Finanz- und Wirtschaftspolitik der Türkei
einige Fragezeichen. So lobte zwar die
Ratingagentur Scope die jüngsten Zins-
erhöhungen der Notenbank, weil diese
dazu beitrügen, die Glaubwürdigkeit des
Inflationsziels wiederherzustellen. „Aber
die schnell steigenden Verbraucherpreise
werden das Engagement für den aktuellen
geldpolitischen Kurs angesichts früherer
politisch motivierter Kehrtwenden auf die
Probe stellen“, bleibt Scope-Direktor
Thomas Gillet skeptisch.
Tatsächlich warten viele auf ein klares
Signal Erdoğans, dass dieser den neuen
geldpolitischen Kurs wirklich unter-
stützt. Am Devisenmarkt waren die Li-
I
st das ein Szenario, das für deut-
sche Investoren attraktiv sein
könnte? Denn selbst unter Ein-
rechnung von Wechselkursverlus-
ten versprechen die Zuwachsraten in Is-
tanbul interessante Gewinnaussichten.
Andererseits haben internationale Kapi-
talinvestoren dem türkischen Aktien-
markt in den vergangenen Jahren eher
den Rücken gekehrt und auch die Kursge-
winne seit Anfang des vergangenen Jah-
res haben nicht dazu geführt, dass aus-
ländisches Spekulationskapital in
großem Maß an den Markt geflossen wä-
re. Bis Anfang August registrierte die
Zentralbank zwar neun Wochen lang in
Folge Zuflüsse von in Summe fast zwei
Milliarden Dollar. Doch Mitte August
wurden wieder mehr Positionen aufge-
löst als neue eingegangen.
Slevogt ist überzeugt von den mittel-
und langfristigen Chancen des türki-
schen Aktienmarktes, die dieser mit allen
Chancen und Gefahren eines Schwellen-
ländermarkt biete. Aber er rät davon ab,
in den Neuemissions-Boom einzusteigen,
selbst wenn zum Teil hohe zweistellige
Kursgewinne in wenigen Tagen winken.
„Ich würde einfach den BIST 100 über
einen ETF kaufen. Damit kaufe ich den
Markt, da kann man nicht viel falsch ma-
chen, wenn man das entsprechende Risi-
koprofil hat.“ Groß ist die Auswahl aller-
dings nicht. Gerade einmal drei ETF
stehen zur Auswahl, die den Index MSCI
Turkey zugrundelegen, der nur 18 Werte
enthält, die aber 85 Prozent des Marktes
abdecken sollen. Dies sind der Lyxor
MSCI Turkey (WKN LYX02F) und der
HSBC MSCI Turkey (WKN A1H436) so-
wie der iShares MSCI Turkey (WKN
A0LEW5). Der in Dollar nominierte iS-
hares-ETF hat auf Jahresfrist 47 Prozent
hinzugewonnen, der auf Euro lautende
Lyxor-ETF 56 Prozent.
wie Immobilien und Edelmetalle auf
der Flucht vor der 50-Prozent-Infla-
tion sind oft kaum mehr erschwing-
lich. Viele haben sich mit Kryptoanla-
gen die Finger verbrannt. Da bleibt
wenig als das Aktieninvestment. So
entfacht die Politik mit ihrer mangel-
haften Bekämpfung der Inflation ein
Kursfeuerwerk am Aktienmarkt. Das
zieht neue Spekulanten an. Das Feuer
wird in Gang gehalten durch Neu-
emissionen von Unternehmen, denen
der Zugang zum regulären Kredit-
markt immer öfter verwehrt ist. Selbst
wenn sich der neue finanzpolitische
Kurs als stabil erweist, könnte es noch
dauern, bis die Blase platzt. Das Istan-
buler Kurswunder bleibt eine politi-
sche Börse ohne ausreichende wirt-
schaftliche Substanz, selbst wenn sie
auf langen Beinen daherkommt.
Mehr Schäden
durch Insolvenzen
dpa. FRANKFURT. Angesichts zu-
nehmender Unternehmensinsolven-
zen in Deutschland müssen sich Ban-
ken und andere Gläubiger auf
steigende Zahlungsausfälle einstel-
len. Die Summe der Gläubigerschä-
den von 36 Milliarden Euro im ver-
gangenen Jahr dürfte 2023 deutlich
überschritten werden, sagte der Lei-
ter Wirtschaftsforschung von Credit-
reform, Patrik-Ludwig Hantzsch. Die
Wirtschaftsauskunftei rechnet mit
einer Verschärfung der Situation in
den kommenden Monaten. Das Sta-
tistische Bundesamt hatte im Juli auf
Basis vorläufiger Angaben fast ein
Viertel (23,8 Prozent) mehr Anträge
von Unternehmen auf Regelinsol-

Führerschein für Kredite
Österreichs Notenbanker für Pflichtschulung
ami. WIEN. Wer in Österreich einen
Immobilienkredit aufnehmen will,
muss künftig womöglich erst eine spe-
zielle Kreditschulung durchlaufen. Die-
sen Vorschlag hat der Präsident der ös-
terreichischen Nationalbank, Robert
Holzmann, jetzt gemacht und damit die
seit Wochen wogende Debatte um die
Begrenzung von Zinsrisiken weiter be-
lebt. Der Plan liefe auf eine Art Kredit-
führerschein hinaus. Die Vergabe von
Immobilienkrediten wird zwar in Ös-
terreich grundsätzlich strikter gehand-
habt als in Deutschland. Allerdings ha-
ben in Österreich mit 51 Prozent der
seit Mitte des Jahres 2022 neu vergebe-
nen Hypotheken weitaus mehr Kredite
eine variable Verzinsung als in
Deutschland. Dort sind es laut EZB nur
16 Prozent.
In Zeiten anziehender – und nach
Auffassung des EZB-Direktoriumsmit-
glieds Holzmann weiter steigender –
Zinsen führt das zu höheren, teils nicht
erwarteten Belastungen für die Kredit-
nehmer. Zwar sehen die Banken nach
eigener Darstellung noch keine stei-
genden Ausfallraten, doch auf wach-
senden politischen Druck hin haben sie
schon Entgegenkommen gezeigt. Im
Falle eines Zahlungsverzugs wollen sie
ein Jahr lang auf Mahnspesen und Ver-
zugszinsen verzichten.
Holzmann fehlt es an Aufklärung.
Statt an einen „Zinsdeckel“, wie er von
Teilen der Politik verlangt wird, denkt
er an Fortbildung: „Mein Vorschlag wä-
ACHTUNG, SHRINKFLATION!
Der Preis bleibt gleich, der
Inhalt wird weniger – derartige
Preiserhöhungen nehmen zu.
Finanzen, Seite 25
re eine verpflichtende Schulung, bevor
ein Hypothekarkredit aufgenommen
werden kann“, sagte er der Zeitung
„Die Presse“. So ein Kredit sei im Le-
ben der meisten Leute die größte finan-
zielle Entscheidung. „Da sollten sie
sich einige Stunden mit den möglichen
Risiken auseinandersetzen.“ Als Vor-
bild nannte er das von einigen Bundes-
staaten der USA nach der Finanzkrise
eingeführte „event-oriented learning“.
Menschen müssten lernen, Kreditri-
siken besser abzuschätzen, bevor sie
Entscheidungen über „ein paar Hun-
derttausend Euro“ träfen, wo ihr Ein-
kommen nur einen Bruchteil davon be-
trage. Ein Bankberater könne das in
der kurzen Zeit eines „normalen Bera-
tungsgesprächs“ gar nicht leisten.
Holzmann, der für seine Idee auch
im Österreichischen Rundfunk warb,
hat auch einen Vorschlag, wie diese
Kreditnehmerschulungen zu organisie-
ren wären. Er sieht dort „gute Möglich-
keiten für Sozialpartner und Banken,
sich gemeinsam einzubringen“. Zudem
sollten bei einem Kredit von 200.000
Euro einige Hundert Euro für Finanz-
bildung, gemessen am potentiellen Ri-
siko, „nur eine kleine Rolle spielen“.
Die von Banken und Bauwirtschaft
verlangte Abschwächung der Eigenka-
pitalregel lehnt Holzmann indes ab.
Diese sieht ein Eigenkapital von min-
destens 20 Prozent vor, auch darf die
Kreditrate 40 Prozent des Nettoein-
kommens nicht überschreiten.
TROTZ SINKENDEM KURS
Datagroup bietet IT-Sicherheit
für den Mittelstand, Analysten
empfehlen den Aktienkauf.
Finanzen, Seite 25
Wie lange der Nvidia-Höhenflug anhält venzverfahren als im Vorjahresmo-
nat verzeichnet. Damit setzte sich
der Anstieg aus den Vormonaten
fort. Im Insolvenzfall erhalten die
Konzern mit viel Potential und einer Schwachstelle Gläubiger nach Creditreform-Anga-
ben in Deutschland durchschnittlich
fne. FRANKFURT. Die Analysten über- Andreas Lipkow und verweist darauf, tuell „der beste Weg, um das KI-Thema nur einen niedrigen einstelligen Pro-
schlugen sich nach den jüngsten Nvidia- dass das hohe Bewertungsniveau der Ak- zu spielen“. Analyst Vivek Arya von der zentsatz ihrer offenen Forderungen
Zahlen regelrecht: Von „hervorragenden tie auch den aktuellen Optimismus für Bank of America nennt Nvidia seinen zurück – was im Zweifel deutlich bes-
Geschäftszahlen“ und dem „sehr optimis- den gesamten KI-Sektor spiegele. „Top Sector Pick“. Dabei mache es Nvidi- ser sei als ein Totalverlust, sagte
tischen Ausblick“ ist die Rede. Und natür- Daher sind sich die Analysten über- as „ganzheitlicher Ansatz“ den Konkur- Hantzsch. Grundsätzlich könne eine
lich: Der Umsatz ist mit 13,5 Milliarden wiegend einig: Die Aktie ist ein Kauf. Die renten extrem schwer, aufzuholen. Insolvenz auch ein Neustart für ein
beeindruckend und doppelt so hoch wie von der Finanzagentur Bloomberg be- Die Architektur von Grafikchips, dem Unternehmen sein: „Im Erfolgsfall
vor einem Jahr. Mehr als 10 Milliarden fragten Analysten sehen einen Zielkurs eigentlichen Steckenpferd von Nvidia, ist kann der Betrieb seine Verpflichtun-
kommen aus dem Geschäft mit Daten- innerhalb von zwölf Monaten von 640 besonders: Sie ist parallel aufgebaut und gen gegenüber Gläubigern dann bes-
zentren – also dem Geschäft rund um Dollar – aktuell notiert das Papier noch schneller im gleichzeitigen Verarbeiten ser bedienen. Dann wird die Insol-
Künstliche Intelligenzen –, weitere 2,5 bei 460 Dollar. Das entspricht also einem sich ähnelnder Prozesse als herkömmli- venz zu einer Restrukturierung.“
Milliarden aus dem Geschäft mit Grafik- Kursplus von rund 40 Prozent. Von den che Prozessoren, die für allgemeinere
karten. Der Nettogewinn hat sich auf 60 befragten Analysten ist das Papier für Aufgaben gemacht sind. Dadurch sind sie
6,2 Milliarden Dollar mehr als verneun- 56 ein klarer Kauf, vier weitere empfeh- etwa bei der automatischen Bilderken-
facht. Dazu noch eine weit bessere Pro- len zumindest, die Aktie zu halten. nung im Vorteil, die für autonomes Fah-
Die Börse
gnose als von Analysten erwartet: Im Für den Bernstein-Analysten Stacy ren wichtig ist, oder beim Sprachver- Dax Bundesanleihe
kommenden Quartal erwartet der Kon- Rasgon bleibt die Nvidia-Aktie daher ak- ständnis für die zahlreichen digitalen in Punkten Rendite 10 Jahre
zern einen Umsatz von 16 Milliarden Dol- Helferlein – aber eben auch für Künstli-
lar – die Analysten hatten im Schnitt „nur“ che Intelligenzen. Viele Betreiber von
mit 12,6 Milliarden Dollar gerechnet. Nvidia Serverzentren setzen daher auf Nvidia,
Das Ganze wirkt sich natürlich auch in Dollar sei es AWS (Amazon), Azure (Microsoft)
auf den Aktienkurs aus, der auf mehr als oder Google Cloud (Alphabet).
500 Dollar gestiegen ist. Das Unterneh- 500 Nvidia also eine nahezu unzerstörbare 30.5.23 29.8.23 30.5.23 29.8.23
men ist aktuell rund 1150 Milliarden Dol- Aktie? Nicht ganz. Analysten weisen auf
lar wert. Dadurch gelangte das Kurs-Ge- 400 ein sensibles Feld hin: die Produktionska- 28.8.23 29.8.23
winn-Verhältnis (KGV) in große Höhe. pazitäten. Zwar zeichnet Nvidia nur für F.A.Z.-Index 2400,30 2423,85
Auf Basis der erwarteten Gewinne für die rund 5 Prozent der jährlichen Chippro-
kommenden zwölf Monate liegt das KGV 300 duktion verantwortlich. Allerdings hat der Dax 15792,61 15930,88
bei 34. Das ist nach allen herkömmlichen Konzern selbst keine einzige eigene Fa- M-Dax 27287,46 27664,93
Maßstäben sehr teuer. Das heißt nicht, brik zur Fertigung von Chips. Stattdessen Tec-Dax 3119,53 3157,29
200
dass der Aktienkurs zeitnah abstürzt – werden Auftragsfertiger beauftragt, allen Euro Stoxx 50 4293,69 4326,47
aber es gibt eben Aktien, die günstiger zu voran TSMC. Doch die Prognose für das F.A.Z.-Euro-Index 146,55 147,82
haben sind und ein hohes Gewinnpoten- 100 kommende Jahr scheint diese Bedenken Dow Jones 34559,98 34852,67
tial haben. Doch gerade bei Technologie- hinfällig zu machen: Offensichtlich hat Nasdaq Index 13705,13 13943,76
werten – klassische Wachstumstitel – ist 0 man sich mit den Fertigern auf langfristi- Bund-Future 132,12 132,50
das KGV nicht unbedingt ein aussage- 28.8.2018 28.8.2023 ge Verträge geeinigt, die den Nachschub
kräftiges Maß, sagt der Marktfachmann Quelle: Bloomberg F.A.Z.-Grafik nbl. an Chips noch sichern. Tagesgeld Frankfurt 3,73 % 3,70 %
Bundesanl.-Rendite 10 J. 2,56 % 2,55 %
F.A.Z.-Renten-Rend. 10 J. 3,28 % 3,24 %
US-Staatsanl.-Rend. 10 J. 4,20 % 4,12 %
SCHLAMMSCHLACHT IN DER NACHT WIE EIN DOPPELLEBEN Gold, Spot ($/Unze) 1919,69 1937,54
Rohöl (London $/Barrel) 84,42 85,52
Laura Siegemunds Spiel gegen Selin Oruz ist Hockeyspielerin 1 Euro in Dollar 1,0808 1,0803
Coco Gauff wird von einem und hat nebenbei Medizin 1 Euro in Pfund 0,8582 0,8586
1 Euro in Franken 0,9559 0,9558
Streit überlagert. studiert. 1 Euro in Yen 158,35 158,93
Sport, Seite 27 Sport, Seite 28 Alle Werte Stand: 22:07 Uhr
SE I TE 2 4 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201 Finanzen FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG

Dax, M-Dax und Tec-Dax Internationale Finanzmärkte

Börsenwert Xetra Xetra Umsatz
52 Wochen in Mrd. Landeswähr. KGV 28.8.23 29.8.23 Tages Veränd. in % seit 52 Wochen Div.- Tsd St.
Tief Vergleich Hoch Gesamt Streubes. 2023 2024 Schluss Schluss Hoch Tief 28.8. 30.12.22 Hoch Tief Div. Rend. 29.8.
Statistik (aus dem H-Dax)
Tagesgewinner Veränd. % 52-Wochen-Gewinner Veränd. %
Hilfen stimmen Anleger zuversichtlich
WWWWWWWWWWW 11,5 10,6 Dax 15792,61 15930,88 15942,12 15805,42 +0,9 +14,4 16528,97 11862,84 581,11 3,65 2229985 Evotec +6,52 Gerresheimer +116,42
Die jüngsten Hilfen der chinesischen Regierung von bezahlbarem Wohnraum spekulierten Inves-
WWWWWWWWWWW 32,67 28,87 0,0 43,4 Adidas NA I 177,80 181,52 182,18 177,36 +2,1 +42,4 188,60 93,40 0,701x 0,39 388 Encavis +4,77 Hochtief +95,95
WWWWWWWWWWW 104,82 77,79 23,5 19,2 Airbus (NL) I P 132,28 132,62 132,64 131,38 +0,3 +19,1 138,72 86,53 1,801x 1,36 165
Verbio +4,77 Redcare Pharmacy +79,26 für den angespannten Aktienmarkt und den an- toren auf weitere Unterstützung. Dies sorgte
CTS Eventim +3,29 Talanx NA +76,95
WWWWWWWWWWW 90,95 88,16 9,7 8,6 Allianz vNA I P 224,70 225,50 226,80 224,70 +0,4 +12,2 228,40 156,22 11,401x 5,06 817 geschlagenen Immobiliensektor stimmen die auch für Rückenwind am Rohstoffmarkt. „Wir er-
WWWWWWWWWWW 41,04 41,04 12,1 10,2 BASF NA I P 45,40 45,98 46,02 45,47 +1,3 –0,9 54,04 37,90 3,401x 7,39 1597 Tagesverlierer Veränd. % 52-Wochen-Verlierer Veränd. %
WWWWWWWWWWW 49,78 48,05 8,0 7,3 Bayer NA I P 50,38 50,67 50,88 50,41 +0,6 +4,9 65,66 46,70 2,401x 4,74 1451 Adtran Hold. –0,91 Adtran Hold. –68,92
Anleger in Europa weiter zuversichtlich. „Dank warten weiterhin, dass überraschend schwache
WWWWWWWWWWW 30,43 11,81 30,7 27,3 Beiersdorf 120,95 120,75 121,65 120,55 –0,2 +12,6 128,60 93,38 0,701x 0,58 130 Henkel Vz.
Redcare Pharmacy
–0,72
–0,70
Encavis
Telefónica Deutschl.
–32,78
–31,81
der neuen Maßnahmen der Regierung sind die Daten die Wahrscheinlichkeit für ein großes
WWWWWWWWWWW 56,58 29,14 5,7 5,9 BMW St I 96,60 97,58 97,58 96,48 +1,0 +17,0 113,46 68,44 8,501x 8,71 790 MorphoSys –0,66 Verbio –31,71 Sorgen um Chinas Wirtschaft fürs Erste in den Konjunkturpaket in China erhöhen, was unserer
WWWWWWWWWWW 11,32 9,74 13,8 12,7 Brenntag NA 72,78 73,30 73,52 72,70 +0,7 +22,7 77,60 53,58 2,001x 2,73 300
WWWWWWWWWWW 12,94 10,54 6,2 5,3 Commerzbank 10,19 10,34 10,36 10,13 +1,5 +17,0 12,01 6,47 0,201x 1,94 5985
Hintergrund gerückt“, sagte Thomas Altmann, Meinung nach bis zum Jahresende positiv für die
WWWWWWWWWWW 13,72 7,41 9,2 7,3 Continental 68,24 68,60 68,64 67,62 +0,5 +22,5 79,24 44,31 1,501x 2,19 187
Dax im Jahresverlauf (Xetra) Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Preise von Basismetallen sein wird“, konstatier-
WWWWWWWWWWW 9,46 9,45 141,9 17,7 Covestro 48,44 48,95 49,22 48,34 +1,1 +33,9 50,72 27,69 0,001x 0,00 473 Partners. Nach einem freundlichen Wochenstart ten die Analysten der National Australia Bank.
WWWWWWWWWWW 26,77 26,77 8,4 7,8 Daimler Truck 32,68 32,53 32,85 32,38 –0,5 +12,4 34,31 22,48 1,301x 4,00 1140
WWWWWWWWWWW 20,95 19,64 5,2 4,7 Deutsche Bank NA 10,13 10,27 10,30 10,18 +1,4 –3,0 12,36 7,25 0,301x 2,92 6914 legte der Dax am Dienstag erneut um 0,9 Prozent Die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Zins-
WWWWWWWWWWW 31,23 31,23 17,2 16,5 Deutsche Börse NA I 164,20 164,35 164,75 163,75 +0,1 +1,8 186,35 154,95 3,601x 2,19 278 auf 15.931 Punkte zu. Sein europäisches Pen- erhöhungen der amerikanischen Notenbank Fed
WWWWWWWWWWW 53,34 40,80 12,6 11,8 Deutsche Post NA I P 42,69 43,05 43,13 42,50 +0,8 +22,4 47,05 29,68 1,851x 4,30 1481
WWWWWWWWWWW 97,55 63,43 11,0 10,6 Deutsche Telekom NA W I P 19,46 19,56 19,63 19,42 +0,5 +5,0 23,13 17,35 0,701x 3,58 4032
dant, der Euro Stoxx 50, gewann 0,8 Prozent auf nach den jüngsten Konjunkturdaten gibt auch der
WWWWWWWWWWW 30,22 25,32 10,6 11,5 E.ON NA 11,34 11,44 11,49 11,39 +0,9 +22,6 12,29 7,28 0,511x 4,46 3441 4326 Punkte. Wall Street Auftrieb. Der Dow-Jones-Index der
WWWWWWWWWWW 16,67 12,17 11,0 9,4 Fresenius 29,53 29,59 29,74 29,49 +0,2 +12,7 30,35 19,69 0,921x 3,11 714 Nach mehreren Einzelmaßnahmen wie etwa Standardwerte notierte am Dienstag bis zum
WWWWWWWWWWW 23,59 11,74 13,1 11,4 Hannover Rück NA 196,55 195,60 197,25 194,70 –0,5 +5,4 206,80 143,30 6,001x 3,07 98
WWWWWWWWWWW 14,52 10,50 7,8 7,4 Heidelberg Materials 74,38 75,20 75,46 74,18 +1,1 +41,1 77,78 38,73 2,601x 3,46 321 der Halbierung der sogenannten Stempelsteuer Handelsschluss 0,9 Prozent im Plus bei 34.853
WWWWWWWWWWW 12,73 12,52 17,0 15,5 Henkel Vz. 71,96 71,44 72,38 71,40 –0,7 +9,9 78,84 59,12 1,851x 2,59 387 für den Aktienhandel, der Lockerung von Darle- Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 gewann
WWWWWWWWWWW 43,38 40,72 12,7 12,7 Infineon NA W I 32,60 33,22 33,36 32,51 +1,9 +16,8 40,27 21,87 0,321x 0,96 3137 Schluss: 15930,88 30.12.2022: 13923,59 52 Wochen Hoch/Tief: 16528,97/11862,84 hensregeln sowie Maßnahmen zur Förderung 1,5 Prozent auf 4498 Zähler. Reuters
WWWWWWWWWWW 72,57 56,85 5,6 5,5 Mercedes-Benz I P 67,43 67,83 67,93 67,24 +0,6 +10,5 76,10 50,65 5,201x 7,67 2264
WWWWWWWWWWW 21,22 21,22 18,5 16,6 Merck 162,10 164,20 164,40 161,40 +1,3 –9,2 202,80 145,60 2,201x 1,34 246
WWWWWWWWWWW 11,16 10,82 19,0 17,0 MTU Aero Engines 207,30 207,40 208,30 205,60 ±0,0 +2,6 245,10 149,20 3,201x 1,54 83
WWWWWWWWWWW
WWWWWWWWWWW
48,95 48,93 11,1
46,76 7,83 17,4
10,1
16,2
Münch. Rück vNA I
Porsche AG Vz.
356,00
100,35
358,70
102,65
359,90
102,65
356,40
100,70
+0,8
+2,3
+18,0
+8,3
359,90
120,80
231,10
81,00
11,601x
1,011x
3,23
0,98
218
202
Deutsche Börsen Kurse in Euro
WWWWWWWWWWW 7,58 7,58 2,7 2,7 Porsche Vz. 48,88 49,52 49,64 49,00 +1,3 –3,4 74,04 48,19 2,561x 5,17 577 Biotest Vz. 31,00 31,20 Fielmann Grp. 43,16 43,30 KAP 13,50 13,50 PSI Software NA 25,40 25,45 Ernst Russ 5,15 5,15
28.8. 29.8. USU Software 18,05 16,65
WWWWWWWWWWW 9,66 9,30 20,2 19,0 Qiagen (NL) W 41,59 41,87 41,87 41,60 +0,7 –10,9 48,36 39,21 0,001x 0,00 311 BMW Vz. Δ 90,20 90,00 First Sensor 57,20 57,60 Katek 14,50 14,20 PVA TePla 17,07 17,86 Va-Q-Tec NA 25,70 25,75 ERWE Immobilien 0,466 0,464
Frankfurt Schluss Schluss
WWWWWWWWWWW 10,89 10,84 17,8 13,6 Rheinmetall 248,80 249,90 249,90 246,80 +0,4 +34,3 281,30 140,45 4,301x 1,72 93 Borussia Dortmund 4,48 4,56 flatexDEGIRO 7,91 8,02 Klöckner & Co. NA 7,35 7,85 q.beyond 0,69 0,69 Varta 20,16 20,01 EV Digital Invest 5,35 5,25
29,71 25,08 8,4 13,1 RWE St. 39,45 39,94 40,01 39,58 +1,2 –4,0 43,96 36,05 0,901x 2,25 1142 Brain Biotech 4,67 4,67 Fortec 27,70 28,00 Knaus Tabbert 53,90 54,20 Qingdao Haier (CN) 1,08 1,10 Villeroy & Boch Vz. 16,60 16,50
WWWWWWWWWWW
WWWWWWWWWWW 158,23 138,96 25,1 21,0 SAP W I P 127,86 128,80 129,08 127,26 +0,7 +33,6 129,98 79,58 2,051x 1,59 1439
Prime Standard Brockhaus Techn. 21,50 21,10 Fr. Vorwerk Group 10,88 11,10 Koenig & Bauer 14,72 14,86 R. Stahl NA 21,80 21,40 Viscom 8,95 8,85
Exasol
fashionette
2,88
7,52
3,09
6,92
Ceconomy St. 2,42 2,39 Francotyp-Postalia 3,22 3,22 KPS NA 1,68 1,62 Rhön-Klinikum 11,80 11,90 Vita 34 NA 4,40 4,31
13,40 9,65 58,7 46,7 Sartorius Vz. W 352,70 358,00 358,30 350,90 +1,5 –3,1 471,70 291,90 1,441x 0,40 32 1&1 13,10 13,38 Formycon 60,30 60,90
WWWWWWWWWWW
11 88 0 Solutions 0,84 0,835 Cenit 13,20 13,40 Fuchs St. 30,05 30,05 KWS Saat 54,60 54,30 SAF Holland Δ 11,36 11,44 Volkswagen St. 132,30 131,95
WWWWWWWWWWW 10,77 7,01 0,0 22,8 Siemens Energy 13,12 13,48 13,48 13,08 +2,7 –23,3 24,81 10,25 0,001x 0,00 2161 CeWe Stiftung 88,70 89,10 Gateway Real Est. 2,32 2,32 Leifheit 18,75 18,85 Salzgitter 26,68 27,06 Voltabox 1,97 1,91 Geratherm Medical – 6,70
3U Holding 2,26 2,29
Cherry 4,89 5,08 Gesco NA 22,20 22,70 Logwin NA (L) 252,00 256,00 Sartorius St. 282,00 286,00 Vossloh 40,10 39,95 Heliad Eq.Part. konv. 3,86 3,82
WWWWWWWWWWW 52,05 12,43 22,6 19,5 Siemens Health. W 45,75 46,14 46,15 45,74 +0,9 –1,3 58,08 40,32 0,951x 2,06 499 4SC konv. 9,00 9,00
Corestate Capital (L) 0,428 0,47 GFT Technologies 24,42 25,12 LPKF Laser&Electr. 7,44 7,51 Schaeffler Vz. 5,49 5,56
Aareal Bank 32,80 32,85 Vulcan Energy Res. (AUS)2,00 2,04 HELMA Eigenheimbau 4,15 3,81
WWWWWWWWWWW 112,06 110,81 14,0 13,7 Siemens NA I P 138,00 140,08 140,26 138,00 +1,5 +8,1 167,00 95,07 4,251x 3,03 1236 Creditshelf 6,00 5,60 Gigaset 0,496 0,48 Manz 14,84 14,46 Secunet 221,00 220,00 Wacker Neuson NA 19,54 19,82
About You Hold. 5,96 6,01 IBU-Tec Advanced 22,90 23,75
WWWWWWWWWWW 13,38 12,70 31,2 26,4 Symrise Inh. 93,66 95,70 95,70 93,98 +2,2 –5,9 112,55 87,96 1,051x 1,10 357 Accentro Real Est. 1,69 1,69 CropEnergies 8,67 8,66 Global Fashion Grp. (L) 0,429 0,416 Masterflex 9,20 8,84 Serviceware 8,08 8,30 Washtec 34,75 33,90 JDC Group 16,95 17,00
WWWWWWWWWWW 23,45 20,82 3,5 3,6 Volkswagen Vz. I 112,92 113,72 114,00 112,84 +0,7 –2,3 153,74 111,22 8,761x 7,70 672 ad pepper media (NL) 2,42 2,46 Data Modul 51,50 51,00 Grammer 13,70 13,60 MAX Automation 5,72 5,64 SFC Energy 23,65 25,00 Westwing Group 9,45 9,31
Delticom 2,16 2,17 Grand City Prop. (L) 7,44 7,80 MBB 75,40 73,90 SGL Carbon 7,09 6,99 Laiqon 8,04 7,86
WWWWWWWWWWW 17,09 16,25 9,5 11,2 Vonovia NA I 20,38 20,98 21,03 20,43 +2,9 –4,7 28,72 15,27 0,851x 4,05 3179 adesso 110,20 112,60 Wüstenr. & Württemb. 15,30 15,24
Demire Real Estate 1,49 1,51 Grenke NA 23,25 23,25 Mediclin 2,88 2,86 Shelly Group (BG) 23,50 23,50 YOC 12,00 11,70 Media & Games Inv. (SE) 1,41 1,40
Adler Group (L) 0,68 0,58
WWWWWWWWWWW 7,36 6,52 48,1 29,1 Zalando 27,09 27,92 28,06 27,07 +3,1 –15,7 45,81 19,18 0,001x 0,00 824 Adler Real Estate 8,42 8,42 Dermapharm Holding 48,80 46,50 H+R 4,91 4,88 Medigene NA 1,83 1,81 Sixt Vz. 60,70 61,30 Zeal Network 32,15 32,15 Mensch & Maschine 53,70 54,00
All for One Group 39,20 39,60 Deutsche Konsum REIT 6,26 6,10 Hamborner Reit – 6,53 Medios 15,26 15,10 SNP 33,50 33,40 MPC Münchmeyer 3,04 3,04
Allane 11,60 11,50 Deutz 4,24 4,41 Hamburger Hafen 10,08 10,06 Metro St. 7,35 7,36 Softing 6,50 6,50 Scale mVISE 0,78 0,78
WWWWWWWWWWW 18,6 14,8 M-Dax 27287,46 27664,93 27690,51 27374,24 +1,4 +10,1 29815,39 21456,66 569,36 2,06 360954 alstria office REIT 4,80 4,71 DFV Dt. Familienvers.
DIC Asset NA
7,24
4,22
7,28
4,26
Hapag-Lloyd NA
Hawesko
184,00 184,80
36,10 35,70
Metro Vz.
Mister Spex
6,80
3,73
6,70
3,61
Software 31,46 31,50
Steinhoff Intern. (NL) 0,002 0,002 2G Energy 25,40 25,55 Mynaric 18,65 18,15
AlzChem Group 20,70 20,70 Nabaltec 18,20 18,40
WWWWWWWWWWW 3,97 3,97 27,1 24,5 Aixtron NA W 34,68 34,99 35,11 34,50 +0,9 +29,7 37,20 22,33 0,31 1x 0,89 228 Amadeus Fire 110,40 110,80 DMG Mori 42,90 42,70 Heidelb. Druck 1,28 1,29 MLP 4,88 4,90 Stemmer Imaging 32,40 31,90 Advanced Blockchain 2,91 3,01
WWWWWWWWWWW 3,42 2,29 8,9 8,8 Aurubis 74,32 76,10 76,26 74,40 +2,4 –0,3 103,15 51,00 1,801x 2,37 55 Aroundtown (L) 1,41 1,41 Dr. Hönle 21,20 20,80 Heidelberg Pharma 3,37 3,38 Mutares 21,55 21,50 Stratec 49,60 49,45 Apontis Pharma 4,92 4,92 Noratis 8,60 8,15
WWWWWWWWWWW 5,57 3,62 21,2 19,4 Bechtle W 44,44 44,24 44,83 42,95 –0,5 +33,8 44,85 32,45 0,651x 1,47 193 Artnet NA 8,70 8,55 Drägerwerk St. 37,50 38,20 Henkel & Co. 64,54 64,46 MVV Energie NA 30,60 31,10 Südzucker 15,03 15,00 Artec Technologies 1,79 1,79 Nürnb. Bet. vink. NA 70,00 70,00
Aumann 15,10 15,32 Drägerwerk Vz. 45,05 45,25 hGears 3,21 3,19 New Work 92,30 91,80 Surteco Group 18,10 18,60 Beaconsmind (CH) 5,00 4,84 Nynomic 33,60 33,40
WWWWWWWWWWW 1,32 1,32 16,6 12,3 Befesa (L) 32,12 33,00 33,12 32,36 +2,7 –26,8 56,15 29,04 1,252x 3,79 44 Dt. Beteiligung 31,50 31,60 Highlight Comm. (CH) 3,28 3,22 Nexus 55,00 55,50 Suse (L) 15,52 15,54 Beta Systems Software – 41,60
Auto1 Group 7,45 7,64 Ökoworld NA Vz. 33,90 34,00
WWWWWWWWWWW 8,22 3,37 30,4 27,6 Carl Zeiss Meditec W 90,16 91,88 92,04 90,42 +1,9 –22,1 142,75 86,06 1,101x 1,20 86 Basler 13,60 13,46 Dt. EuroShop NA 24,00 23,55 HomeToGo (L) 2,79 2,63 NFON 6,96 7,12 Süss MicroTec NA 22,00 21,60 Blue Cap 20,20 19,60
Pantaflix 0,75 0,77
WWWWWWWWWWW 5,57 3,24 26,0 23,4 CTS Eventim 56,15 58,00 58,30 56,10 +3,3 –2,7 71,70 40,32 1,061x 1,83 172 Bastei Lübbe 4,98 5,00 Dt. Pfandbriefbank 7,19 7,25 Hornbach Hold. 69,45 71,25 Norma Group NA 15,69 16,63 Synlab 9,16 9,14 Cantourage Grp. 9,50 9,26
DWS Group 31,82 31,92 Hypoport SE 167,50 167,60 Novem Group (L) 9,96 9,82 Syzygy 4,00 4,06 Cliq Digital 19,52 20,65 Partec 134,00 132,00
WWWWWWWWWWW 9,64 6,24 0,0 0,0 Delivery Hero 34,94 35,76 36,03 35,08 +2,4 –20,1 57,82 29,31 0,001x 0,00 385 BayWa NA 46,00 45,90
BayWa vNA 32,20 32,45 Ecotel Communic. 16,50 17,20 Indus Holding 22,35 22,45 OHB 42,05 42,30 Takkt 12,78 12,88 cyan 1,75 1,70 publity 19,45 19,25
WWWWWWWWWWW 1,91 1,34 10,7 8,8 Dürr 27,12 27,64 27,64 27,28 +1,9 –12,3 36,70 19,74 0,701x 2,53 50 BB Biotech NA (CH) 41,50 42,50 EDAG Engineer. (CH) 11,45 11,50 Init Innovation 27,80 27,60 OVB Holding 21,60 21,80 technotrans NA 20,00 19,75 Daltrup & Söhne 9,76 9,42 Pyramid 1,50 1,49
WWWWWWWWWWW 2,03 1,32 25,7 24,0 Encavis 13,94 14,60 14,60 14,19 +4,8 –21,0 22,72 13,13 0,001x 0,00 372 Beck, Ludwig 25,20 25,20 Einhell Germany Vz. 142,00 145,80 Instone Real 5,88 5,83 Paion AG 5,03 5,07 Teles 1,20 1,22 Datagroup IT Serv. 52,90 52,50 Pyrum Innovations 45,00 47,60
WWWWWWWWWWW 8,21 3,61 17,3 12,2 Evonik Industries 17,40 17,63 17,68 17,52 +1,3 –1,7 21,70 16,48 1,171x 6,64 787 Bertrandt 45,30 45,70 Elmos Semicond. 65,20 65,30 Intershop Communic. 1,72 1,56 paragon GmbH 5,48 5,22 The Social Chain 0,17 0,151 Datron 10,90 10,80 RCM 1,63 1,65
Bet-at-home.com 3,75 3,76 ElringKlinger NA 5,76 5,98 InTiCa Systems 6,80 6,90 Patrizia 8,37 8,57 thyssenkr. nucera 22,00 21,62 Delignit 4,72 4,74 Scherzer & Co. 2,44 2,44
WWWWWWWWWWW 3,91 3,31 648,8 87,2 Evotec W 20,71 22,06 22,11 20,60 +6,5 +44,6 24,44 14,80 0,001x 0,00 616 Bike24 2,42 2,47 elumeo 3,00 2,64 InVision – – Pfeiffer Vacuum 147,40 147,20 tonies SE (L) 4,98 4,89 Deutsche Rohstoff 26,80 26,70
4,54 1,81 13,7 10,5 Fraport 49,00 49,13 49,45 48,71 +0,3 +29,1 54,58 35,56 0,001x 0,00 90 Dt. Grundst. Aukt. 12,20 12,20 SGT German Private Eq. 1,68 1,70
WWWWWWWWWWW Bilfinger 31,08 31,50 Exceet Group (L) 6,50 6,40 Ionos Group 15,66 15,70 PharmaSGP Hold. 24,60 24,30 Traton 18,72 18,93
Biofrontera NA 0,522 0,54 Fabasoft (A) 18,20 18,10 IVU Traffic Techn. 13,64 13,92 ProCredit Holding ° 7,22 7,24 Uniper NA 6,15 6,16 Edel 4,26 4,32 Vectron Systems 5,00 5,12
WWWWWWWWWWW 2,59 2,45 12,2 9,4 freenet NA W 21,62 21,76 21,80 21,64 +0,6 +6,6 26,46 18,62 1,681x 7,72 127
Biotest St. 42,20 42,20 Ferratum Oyj (FI) 3,52 3,44 Jost Werke 46,65 46,95 Progress 31,20 – United Labels 1,86 1,86 EQS Group 27,70 27,70 Veganz Group 26,90 25,00
WWWWWWWWWWW 13,12 8,90 19,0 15,6 Fresenius M. C. St. 44,43 44,73 44,99 44,41 +0,7 +46,3 49,62 25,95 1,121x 2,50 246
WWWWWWWWWWW 2,64 2,64 18,5 16,7 Fuchs Vz. 37,96 38,00 38,22 37,90 +0,1 +16,1 39,62 24,72 1,071x 2,82 52
WWWWWWWWWWW 6,57 6,02 15,0 14,5 GEA Group 36,09 36,39 36,48 36,09 +0,8 –4,7 44,52 31,18 0,951x 2,61 216
WWWWWWWWWWW
WWWWWWWWWWW
4,01
7,31
4,01 24,2
1,19 17,1
20,2
K.A.
Gerresheimer
Hella
115,30
65,10
116,00
65,80
116,30
66,10
115,10
65,30
+0,6
+1,1
+84,7
–13,5
119,90
83,55
46,66
64,10
1,251x
2,881x
1,08
4,38
62
6
Europäische Börsen Kurse in Euro / Schweizer Franken
WWWWWWWWWWW 4,65 4,45 31,6 18,5 HelloFresh 27,00 26,96 27,28 26,75 –0,1 +31,3 28,45 15,40 0,001x 0,00 584
Bank of Ireland (IRL) 9,23 9,25 EDP (PT) 4,29 4,31 Hexagon B (SE) 8,12 8,23 Michelin (F) 28,62 28,68 Sainsbury PLC (GB) 3,05 3,08 Swisscom NA (CH) 532,20 533,80
WWWWWWWWWWW 3,21 1,60 20,1 16,6 Hensoldt W 30,34 30,60 30,90 30,36 +0,9 +38,5 37,54 18,98 0,301x 0,98 84 28.8. 29.8. Bankinter (E) 5,92 6,08 Electrolux B fr (SE) 9,92 10,05 Holcim N (CH) 58,12 58,36 Naturgy Energy (E) 26,28 26,90 Saipem (I) 1,48 1,51 TechnipFMC (GB) 16,97 17,11
WWWWWWWWWWW 6,91 1,83 14,3 13,5 Hochtief 95,50 97,80 98,10 95,85 +2,4 +85,6 98,10 45,60 4,001x 4,09 70 Barry Callebaut NA (CH) 1564 1574 Ems-Chemie (CH) 656,00 659,50 Icade (F) 32,76 33,28 NatWest Group (GB) 2,64 2,75 Sampo (FI) 40,31 40,23 Telecom Italia (I) 0,274 0,283
Frankfurt / Schweizer Aktien Zürich
WWWWWWWWWWW 4,82 3,65 18,3 14,8 Hugo Boss NA 68,70 68,50 69,06 68,08 –0,3 +26,5 75,76 44,41 1,001x 1,46 200 BB Biotech NA (CH) 39,70 40,20 Enagás (E) 15,55 15,62 Imerys (F) 30,56 30,94 Next (GB) 80,50 81,50 Sandvik (SE) 17,22 17,66 Telefónica (E) 3,73 3,79
WWWWWWWWWWW 1,52 1,36 15,3 14,0 Jenoptik W 26,18 26,62 26,68 26,14 +1,7 +4,1 33,36 18,44 0,301x 1,13 46 A. B. Foods (GB) 22,65 22,60 Bollore (F) 5,34 5,34 Endesa (E) 19,01 19,04 IMI (GB) 17,30 17,30 Norsk Hydro (N) 5,03 5,10 SCA B fr (SE) 11,70 11,79 Telekom Austria (A) 6,81 6,81
WWWWWWWWWWW 1,45 1,45 11,6 10,6 Jungheinrich 29,52 30,24 30,24 29,74 +2,4 +13,8 37,22 19,77 0,681x 2,25 40 Abrdn (GB) 1,85 1,86 Bouygues (F) 31,62 31,75 Engie (F) 14,89 14,80 Immofinanz (A) 17,84 18,00 Novozymes B (DK) 40,67 40,66 Schibsted (N) 19,01 19,37 Telenet (BE) 21,00 21,06
WWWWWWWWWWW 3,33 3,24 13,1 14,0 K+S NA 17,28 17,42 17,47 17,27 +0,8 –5,2 23,95 14,35 1,001x 5,74 437 Accor (F) 32,54 32,86 Brit. Land (GB) 3,64 3,65 Equinor ASA (N) 28,00 28,37 Int. Cons. Airlines (E) 1,85 1,88 OC Oerlikon NA (CH) 4,14 4,12 Schindler PS (CH) 195,10 197,40 Telenor (N) 9,48 9,56
WWWWWWWWWWW 4,69 2,50 12,0 9,3 Kion Group 35,34 35,75 35,87 35,01 +1,2 +33,5 40,86 18,66 0,191x 0,53 129 ACS (E) 32,08 32,40 BT Group (GB) 1,33 1,35 Ericsson B fr (SE) 4,57 4,63 InterCont. Hotels (GB) 69,50 70,00 OCI N.V. (NL) 22,39 22,72 Schroders (GB) 4,79 4,72 Telia Comp. (SE) 1,79 1,81
Adecco Group NA (CH) 37,91 37,78 Bunzl (GB) 32,30 32,28 Erste Group Bank (A) 33,32 33,35 Intesa Sanpaolo (I) 2,48 2,48 OMV (A) 41,79 42,14 Scor SE (F) 28,94 28,86 Tenaris (L) 14,97 15,30
WWWWWWWWWWW 10,03 4,11 18,0 16,0 Knorr-Bremse 61,62 62,22 62,32 61,32 +1,0 +21,9 70,46 42,31 1,451x 2,33 138
Aegon (NL) 4,80 4,74 Burberry Group (GB) 25,40 25,75 Eutelsat Comm. (F) 5,50 5,48 Investor B (SE) 17,73 17,75 Orange (F) 10,33 10,36 Scot.&South. En. (GB) 18,90 18,90 Terna (I) 7,52 7,48
WWWWWWWWWWW 3,13 1,50 13,6 11,7 Krones 98,05 99,10 99,65 98,15 +1,1 –5,6 120,30 78,00 1,751x 1,77 30 Bureau Veritas SA (F) 24,49 24,68 Exor (NL) 80,88 80,98 ITV (GB) 0,78 0,783 Orkla (N) 6,94 6,95 SE Banken A fr (SE) 10,30 10,51 Tesco (GB) 3,06 3,00
Aeroports de Paris (F) 121,00 124,20
WWWWWWWWWWW 2,48 2,41 54,5 10,9 Lanxess 28,18 28,73 28,78 28,29 +2,0 –23,8 47,83 25,75 1,051x 3,65 190 Ageas (BE) 36,81 36,72 Caixabank (E) 3,86 3,82 Experian Group (JE) 31,80 32,00 JCDecaux (F) 16,86 17,02 Österreich. Post (A) 31,75 31,75 Semperit (A) 20,70 21,50 Thales (F) 133,40 134,30
WWWWWWWWWWW 4,62 4,53 10,5 12,7 LEG Immobilien 61,66 62,32 63,66 61,16 +1,1 +2,4 78,00 46,17 0,001x 0,00 202 Air France-KLM (F) 1,43 1,42 Capgemini (F) 163,80 165,55 Ferguson PLC (JE) 142,00 142,00 Jeronimo Martins (PT) 23,98 23,76 Pandora A/S (DK) 94,46 95,70 SES S.A. (L) 6,59 6,60 TomTom (NL) 7,13 7,25
WWWWWWWWWWW 10,00 8,34 6,0 5,6 Lufthansa vNA 8,24 8,37 8,41 8,28 +1,5 +7,7 11,16 5,48 0,001x 0,00 3555 Akzo Nobel (NL) 74,08 74,46 Capita PLC (GB) 0,194 0,194 Ferratum Oyj (FI) 3,52 3,44 Julius Bär NA (CH) 59,60 60,20 Partners Group (CH) 929,00 946,00 SGS NA (CH) 79,50 79,82 Tullow Oil PLC (GB) 0,394 0,394
WWWWWWWWWWW 7,31 3,78 45,3 38,0 Nemetschek W 62,44 63,28 63,34 62,10 +1,3 +32,7 75,32 42,78 0,451x 0,71 59 Alfa Laval AB (SE) 31,08 31,55 Carlsberg B (DK) 137,35 137,90 Flughafen Zürich (CH) 177,00 180,60 KBC Group (BE) 60,68 61,04 Pearson (GB) 9,65 9,75 Sika N (CH) 242,60 246,00 UCB (BE) 82,06 82,26
WWWWWWWWWWW 1,86 1,26 0,0 55,6 Nordex W 11,31 11,63 11,63 11,29 +2,8 –11,9 15,63 7,23 0,001x 0,00 335 Alstom (F) 25,61 25,54 Carnival PLC (GB) 13,27 13,11 Fortum (FI) 12,20 12,33 Kerry Group A (IRL) 87,52 85,76 Philips Electr. (NL) 20,37 20,73 Skanska B fr (SE) 12,93 13,17 United Utilities (GB) 10,70 10,80
WWWWWWWWWWW 1,71 1,00 6,9 5,8 ProSiebenSat.1 7,32 7,32 7,44 7,24 ±0,0 –12,3 10,23 6,44 0,051x 0,68 297 Amadeus IT (E) 61,42 62,24 Carrefour (F) 18,38 18,22 Fresnillo PLC (GB) 6,51 6,49 Kingfisher (GB) 2,68 2,75 Poste Italiane (I) 10,20 10,31 SKF B fr (SE) 14,96 15,29 UPM-Kymmene (FI) 30,25 30,97
Andritz (A) 47,18 47,44 Casino Guich. (F) 3,58 3,49 GALP (PT) 12,33 12,43 Kinnevik B (SE) 10,33 10,35 Proximus (BE) 6,67 6,80 Smith & Nephew (GB) 12,36 12,41 Valeo (F) 17,62 17,74
WWWWWWWWWWW 9,31 6,29 25,0 18,9 Puma 60,48 61,72 61,72 60,48 +2,1 +8,9 67,34 41,31 0,821x 1,33 208
Anglo American (GB) 24,40 24,40 Centrica (GB) 1,74 1,74 GBL (BE) 73,18 73,52 Klepierre (F) 23,68 24,21 Prudential (GB) 11,00 11,00 Snam Rete Gas (I) 4,69 4,73 Vallourec (F) 12,29 12,40
WWWWWWWWWWW 7,91 3,31 40,1 36,2 Rational 692,00 695,50 698,00 687,00 +0,5 +25,3 705,50 401,00 13,501x 1,94 5 CEZ Inh. (CZ) 39,84 39,12 Geberit NA (CH) 448,30 451,70 Komercni (CZ) 29,48 29,06 Publicis Group (F) 71,70 72,18 Sodexo (F) 99,36 99,18 Veolia Environnem. (F) 28,32 28,50
Antofagasta (GB) 16,45 16,54
WWWWWWWWWWW 1,93 1,34 0,0 0,0 Redcare Pharmacy (NL) 107,30 106,55 108,20 105,90 –0,7 +141,6 119,20 36,51 0,001x 0,00 43 AP Moeller-Maersk (DK) 1748 1768 Christian Dior (F) 748,00 754,50 Gecina (F) 95,90 97,15 Kon. Vopak (NL) 33,40 33,37 Randstad Hold. (NL) 54,00 54,36 Solvay (BE) 102,90 104,05 Vestas Wind (DK) 22,06 22,76
WWWWWWWWWWW 5,38 1,28 9,0 8,0 RTL Group (L) 33,82 34,74 34,96 34,04 +2,7 –11,9 49,64 30,86 4,001x 11,51 59 ArcelorMittal (L) 24,22 24,75 Clariant NA (CH) 14,02 14,28 Generali (I) 18,92 18,97 Kone (FI) 42,42 42,93 Redeia Corporacion (E) 14,93 14,89 Sonova Hold. NA (CH) 234,50 232,50 Vienna Insurance (A) 24,95 25,00
WWWWWWWWWWW 4,72 4,63 27,0 23,3 Scout24 NA 61,82 62,98 63,10 61,96 +1,9 +34,2 63,32 46,12 1,001x 1,59 83 Arkema (F) 94,78 96,80 Coca-Cola HBC (CH) 26,57 26,46 Getinge (SE) 15,65 16,00 Kühne + Nagel NA (CH) 268,30 272,70 Relx (GB) 29,57 29,63 Standard Ch. PLC (GB) 8,32 8,40 Vivendi (F) 8,17 8,31
WWWWWWWWWWW 3,05 1,27 13,7 13,3 Sixt St. 97,95 100,30 101,00 99,00 +2,4 +16,7 132,40 79,90 6,111x 6,09 21 Aryzta NA (CH) 1,39 1,42 Coloplast (DK) 106,45 104,20 Getlink (F) 15,07 15,08 Land Securities (GB) 6,80 6,85 Renault (F) 36,70 37,02 STMicroelectronics (NL) 43,23 44,10 Voest-Alpine (A) 26,98 27,00
WWWWWWWWWWW 2,63 1,08 36,4 23,4 SMA Solar Techn. W 74,20 75,75 75,95 73,80 +2,1 +13,3 112,70 38,42 0,001x 0,00 74 Assa-Abloy AB (SE) 20,37 20,70 Colruyt (BE) 34,84 34,88 Givaudan NA (CH) 2863 2901 Legal & General (GB) 2,60 2,59 Repsol YPF (E) 14,23 14,19 Stora Enso Oyj (FI) 11,13 11,29 Volvo B (SE) 18,68 18,76
WWWWWWWWWWW 1,26 1,26 11,7 11,3 Stabilus S.A 50,40 51,15 51,20 50,50 +1,5 –18,7 66,60 42,62 1,751x 3,42 14 Atlas Copco A (SE) 12,21 12,35 Compass Group (GB) 23,40 23,80 Gjensidige Forsikr. (N) 13,69 13,59 Legrand (F) 90,32 90,38 Rexel (F) 21,08 21,03 Subsea 7 (L) 11,60 11,65 Wärtsilä (FI) 11,03 11,25
Atos (F) 6,90 7,00 Crédit Agricole (F) 11,52 11,63 Grifols (E) 12,94 12,78 Linde PLC (IRL) 352,25 354,95 Richemont (CH) 124,65 126,65 Sulzer NA (CH) 88,40 89,40 Wendel (F) 83,15 83,30
WWWWWWWWWWW 2,38 1,30 14,8 11,9 Ströer & Co. 41,82 42,02 42,44 41,60 +0,5 –3,5 55,80 34,44 1,851x 4,40 49
Aviva PLC (GB) 4,34 4,36 Danske Bank (DK) 20,64 21,02 Hargreaves Lans. (GB) 8,42 8,90 Lindt & Spr. NA (CH) 102800 104600 Rolls-Royce Group (GB) 2,37 2,46 Svenska Handelsbk. (SE) 7,57 7,74 Whitbread (GB) 39,08 39,11
WWWWWWWWWWW 1,75 1,75 10,5 10,3 TAG Immobilien 9,86 10,00 10,13 9,83 +1,4 +65,4 10,63 5,37 0,001x 0,00 507 Babcock Int. (GB) 4,37 4,45 Dassault Systemes (F) 35,96 36,18 Heineken Hold. (NL) 74,65 75,30 London Stock Ex. (GB) 96,00 96,00 Royal KPN (NL) 3,17 3,20 Swatch Group Inh. (CH) 248,10 249,30 Wienerberger (A) 25,02 25,50
WWWWWWWWWWW 15,58 3,27 11,1 10,2 Talanx NA 61,90 61,65 62,20 61,55 –0,4 +39,1 62,20 34,44 2,001x 3,24 141 BAE Systems (GB) 11,73 11,90 DSM-Firmenich (CH) 84,52 84,00 Heineken N.V. (NL) 89,90 90,70 Mapfre (E) 1,90 1,95 RTL Group (L) 33,72 34,94 Swedbank A (SE) 15,85 16,16 Wolters Kluwer (NL) 110,50 110,10
WWWWWWWWWWW 3,07 2,11 19,8 19,0 TeamViewer SE W 17,15 17,06 17,14 16,93 –0,5 +41,6 17,75 7,67 0,001x 0,00 396 Bâloise NA (CH) 136,70 137,60 Easyjet (GB) 4,87 4,79 Hellenic Telecom (GR) 13,95 13,92 Marks & Spencer (GB) 2,60 2,46 Ryanair Holdings (IRL) 15,53 15,49 Swiss Life NA (CH) 541,40 548,60 WPP (JE) 8,73 8,75
WWWWWWWWWWW 5,25 1,55 20,0 15,3 Telefónica Deutschl. W 1,71 1,76 1,76 1,71 +3,2 –23,4 3,15 1,69 0,181x 10,20 4311 Banco Sabadell (E) 1,09 1,11 Edenred (F) 59,08 59,28 Hennes & Mauritz (SE) 13,48 13,57 Mediobanca (I) 11,84 11,91 Sage Group (GB) 10,90 10,88 Swiss Re NA (CH) 85,24 85,90 Yara (N) 33,22 33,44
WWWWWWWWWWW 4,37 3,35 26,8 9,4 thyssenkrupp 6,84 7,01 7,03 6,85 +2,5 +23,1 7,77 4,17 0,151x 2,14 2000
WWWWWWWWWWW 2,93 2,93 18,7 9,1 Vitesco Techn. Grp. 72,15 73,30 73,35 71,30 +1,6 +35,1 82,90 46,62 0,001x 0,00 36
WWWWWWWWWWW 7,29 2,41 18,5 14,7 Wacker Chemie 136,80 139,80 140,90 137,10 +2,2 +17,1 161,55 98,58 12,001x 8,58 133
Übersee Börsen
WWWWWWWWWWW 22,5 19,6 Tec-Dax 3119,53 3157,29 3159,21 3120,27 +1,2 +8,1 3350,46 2588,59 52,20 1,65 522134
Dow Jones Industrial Average New York (USD) Cigna Group 281,55 281,64 Kimberly-Clark 129,49 129,51 UPS 168,84 171,75 NXP Semiconduct. 199,23 205,16
WWWWWWWWWWW 0,58 0,51 0,0 15,2 Adtran Hold. (USA) 7,50 7,43 7,53 7,41 –0,9 –56,0 23,80 6,37 0,09$2x 2,23 20 Citigroup 41,32 41,72 Kroger Co. 46,63 46,49 Valero Energy 131,60 131,39 Paccar Inc. 85,18 82,86
WWWWWWWWWWW 1,81 1,26 63,1 54,3 Atoss Software 222,50 227,00 227,50 222,50 +2,0 +63,1 234,50 109,60 2,831x 1,25 2 Heimatbörse Frankfurt Colgate-Palmolive 73,64 73,47 Lilly (Eli) 553,92 553,90 Waste Managem. 157,94 158,13 Paychex 122,20 121,98
28.8. 29.8. ConAgra Brands 30,31 30,28 Lockheed Mar. 452,32 448,40 Wells Fargo 41,88 42,00
WWWWWWWWWWW 0,98 0,85 20,8 15,9 Cancom 24,90 25,20 25,46 24,30 +1,2 –7,9 35,10 23,04 1,001x 3,97 169 52 Wochen 28.8. 29.8. 29.8. Ver. PayPal 61,67 62,50
Vergleich Dividende Schluss Schluss Schluss in % Heimatbörse ConocoPhillips 117,52 117,66 Loews 62,23 62,27 Western Digital 41,41 41,55
WWWWWWWWWWW 2,25 0,90 19,4 17,6 CompuGroup Med. 42,16 42,28 42,28 40,50 +0,3 +17,5 52,05 30,56 0,501x 1,18 60 Qualcomm Inc. 111,68 113,78
Corning Inc. 32,65 32,90 Lowe’s 222,72 226,41 Weyerhaeuser 32,87 33,01
WWWWWWWWWWW 0,70 0,47 24,9 19,8 Eckert & Ziegler 32,38 33,24 33,36 32,48 +2,7 –28,4 59,00 31,72 0,501x 1,50 24 Abb Vie 147,43 147,59 Crown Castle Inc. 99,87 100,60 Macys 12,16 12,26 Williams Cos. 34,87 34,88 Ryanair 98,46 98,64
WWWWWWWWWWW 3M Co. 1,50$4x 104,12 105,57 96,91 +0,9 Abbott Labor 102,79 103,87 Starbucks 97,04 99,15
WWWWWWWWWWW 1,36 0,87 19,0 15,9 Kontron (A) 20,16 20,56 20,84 20,04 +2,0 +34,5 21,16 13,28 1,001x 4,86 128 CVS Caremark 67,24 67,13 Marsh & McL. 194,77 196,61 Yum! Brands 129,31 128,90
WWWWWWWWWWW American Express 0,60$4x 159,19 160,24 146,35 +0,1 Accenture 320,91 323,45 Danaher Corp. 261,50 264,00 T. Rowe Price 110,39 111,74
0,98 0,92 0,0 0,0 MorphoSys 28,86 28,67 29,25 28,28 –0,7 +117,0 31,34 11,81 0,001x 0,00 71 MasterCard 407,44 411,65
Nasdaq (USD)
WWWWWWWWWWW WWWWWWWWWWW Amgen 2,13$4x 256,55 259,64 236,00 –0,3 Aflac Inc. 74,58 74,66 Deere & Co. 394,69 404,10 Medtronic PLC 81,39 82,08 28.8. 29.8. Tesla 238,82 257,18
WWWWWWWWWWW 1,03 0,65 19,1 15,2 Nagarro 74,95 74,80 75,55 74,10 –0,2 –32,4 135,00 72,85 0,001x 0,00 23 WWWWWWWWWWW Apple Inc. 0,24$4x 180,19 184,12 169,70 +1,9 Agilent Technol. 119,92 122,02 Dell Techs 57,19 56,50 MetLife 62,53 62,85 Adobe 529,92 540,57 Vertex Pharm. 351,60 351,26
WWWWWWWWWWW 1,00 0,43 0,01300,0 PNE NA 12,62 13,00 13,02 12,62 +3,0 –39,1 24,10 12,16 0,081x 0,62 65 WWWWWWWWWWW Boeing Co. 2,06$4x 227,06 227,25 210,65 +0,9 Air Products & Chem.289,86 293,66 Dominion Energy 48,93 49,56 Morgan Stanley 84,38 85,55 Alphabet Inc. A 131,01 134,57 Wynn Resorts 96,79 98,07
WWWWWWWWWWW 2,24 1,24 13,1 17,1 Siltronic NA 74,30 74,70 75,10 73,45 +0,5 +9,6 87,25 51,65 3,001x 4,02 18 WWWWWWWWWWW Caterpillar Inc. 1,30$4x 274,79 280,03 257,00 +1,2 Alibaba 92,24 94,03 Duke Energy 90,02 90,29 Newmont Corp. 39,04 39,52 Amazon.com 133,14 134,91
WWWWWWWWWWW 3,32 1,36 8,7 7,9 United Internet NA 17,25 17,30 17,48 17,26 +0,3 –8,4 23,12 12,38 0,501x 2,89 140 WWWWWWWWWWW Chevron Corp. 1,51$4x 160,21 159,96 147,32 –0,5 Allstate
Altria Group Inc.
105,42
43,97
106,56
44,22
Eaton Corp.
Emerson Electric
226,24
98,12
228,08
98,65
Nextera Energy
Norfolk South.
68,02
211,20
67,51
207,73
Applied Mater. 145,42 149,98 Hongkong (HKD) 28.8. 29.8.
WWWWWWWWWWW 2,80 0,71 18,9 17,7 Verbio 42,14 44,15 44,20 42,51 +4,8 –27,1 87,65 29,93 0,201x 0,45 93 WWWWWWWWWWW Cisco Systems 0,39$4x 56,20 56,56 51,94 –0,1 ASML Hold. 658,99 667,51
Bank of China 2,66 2,72
Am. Electric Power 79,20 79,63 Exxon Mobil Corp. 109,16 109,81 Northrop Grumman 431,15 430,06 Autom. Data 254,39 254,35
WWWWWWWWWWW Coca Cola Co. 0,46$4x 60,56 60,50 55,60 –0,7
Am. Intl. Group 57,87 58,35 FedEx Corp. 258,35 260,58 Occidental P. 62,24 62,40 Baidu Inc. 137,28 140,71 BOC (HK) 21,35 21,65
WWWWWWWWWWW Disney Co. 0,88$1x 84,16 84,40 77,69 –0,1 AMD Inc. 102,61 105,92 CCB 4,14 4,19
Ferrari N.V. 313,31 320,59 Omnicom 80,44 80,71 Biogen Inc. 265,05 268,00
WWWWWWWWWWW Dow Inc. 0,70$4x 54,60 55,24 50,90 +2,3 Americ. Tower Reit 178,17 181,50
Aktien-Indizes Euro Stoxx 50, Stoxx Europe 50
Fiserv Inc. 122,74 122,73 Oracle Corp. 116,84 120,65 BioNTech 120,68 122,56 China Mobile 65,55 66,00
WWWWWWWWWWW Goldman Sachs 2,50$4x 325,97 332,55 302,80 +2,4 Aon PLC 331,51 333,20 Ford Motor 11,90 12,05 Parker Hannifin 408,54 416,50 China Nat. Offs. Oil 12,96 13,08
Booking Hold. 3070 3111
WWWWWWWWWWW Home Depot 2,09$4x 325,91 329,38 301,20 –0,4 Apache Corp. 42,90 43,57 Franklin Resources 25,95 26,52 PepsiCo 180,25 180,93 Broadcom 861,08 889,93 CK Hutchison 41,30 42,20
52 Wochen 52 Wochen 28.8. 29.8. Veränd. in % Heimatbörse Frankfurt WWWWWWWWWWW Honeywell Intl. 1,03$4x 187,88 189,52 174,78 +0,9 Archer-Daniels 80,87 81,61 Freeport-McMoRan 38,96 40,19 Pfizer 36,21 36,15 Cincinnati Fin. 104,42 104,86 Hang Seng Bank 97,55 99,60
IBM 1,66$4x 146,02 146,45 134,60 –0,4 AT&T 14,21 14,77 Gap Inc. 10,41 11,10 Philip Morris 95,88 96,25 Cognizant Techn. 70,62 71,40
Tief Vergleich Hoch Hoch Tief Schluss 22.06 h 28.8. 30.12. WWWWWWWWWWW Ping An Insur. 45,45 46,90
52 Wochen 28.8. 29.8. 29.8. Ver. Baker Hughes 36,00 36,10 General Dynamics 225,35 226,15 PP&L Res. 25,27 25,27
WWWWWWWWWWW Intel Corp. 0,13$4x 33,62 34,31 31,58 +2,2 Comcast A 45,98 46,78 Sun Hung K.P. 87,90 89,10
Vergleich Dividende Schluss Schluss Schluss in % Johnson & Johnson 1,19$4x 164,29 164,31 150,70 –0,6 Bank of America 28,76 29,17 General Electric 113,96 115,33 PPG Ind. 138,83 140,96 Costco 536,19 542,77
Deutsche Indizes WWWWWWWWWWW
Bank of N.Y. Mellon 44,25 44,34 General Mills 68,55 68,49 ProLogis 124,00 125,10
WWWWWWWWWWW 2540,09 1882,45 F.A.Z. 2400,30 2423,85 +0,98 +10,4
WWWWWWWWWWW AB Inbev
WWWWWWWWWWW McDonald’s 1,52$4x 283,68 283,59 260,20 –1,5
Barrick Gold 16,19 16,34 General Motors 33,12 33,46 RTX Corp. 85,74 85,35
CSX Corp.
eBay
30,86
43,87
30,75
44,32
Tokio (JPY) 28.8. 29.8.
WWWWWWWWWWW 4632,02 3202,64 F.A.Z.-Auto- und Zulieferind. 4104,90 4142,52 +0,92 +10,0 0,751x 52,82 52,82 52,88 –0,2 WWWWWWWWWWW Merck & Co. 0,73$4x 108,93 109,99 101,00 –0,2 Baxter Int. Inc. 41,65 42,33 Grainger Inc. 710,22 717,80 Schlumberger 57,83 58,22 Gilead Science 77,04 78,21 Canon Inc. 3602 3599
WWWWWWWWWWW 358,88 223,00 F.A.Z.-Banken 310,02 314,38 +1,4 +3,8 WWWWWWWWWWW ABB NA 0,84F1x 33,35 33,63 – – WWWWWWWWWWW Microsoft 0,68$4x 323,70 328,36 301,10 +1,0 Becton D.& C. 281,55 281,47 Halliburton 38,71 38,75 Sherwin Will. 266,36 270,46 Illumina 158,20 161,93 Honda Motor 4643 4616
WWWWWWWWWWW 4303,23 2844,10 F.A.Z.-Bau und Immobilien 4055,24 4135,83 +2,0 +20,6 WWWWWWWWWWW Adyen 0,001x 786,60 773,40 776,00 –1,7 WWWWWWWWWWW Morgan (J.P.) 1,00$4x 147,56 148,76 136,40 –0,2 Berkshire Hath. A 539605 543593 Harmony G.ADR 4,10 4,09 Snap 9,45 9,89 Intuit Inc. 518,87 536,49 Japan Tobacco 3170 3167
WWWWWWWWWWW 2544,03 2034,37 F.A.Z.-Chemie und Pharma 2260,90 2282,26 +0,94 +1,8 WWWWWWWWWWW Nike 0,34$4x 99,63 101,77 93,84 +1,9 Berkshire Hath. B 355,55 358,29 Hershey Co. 218,01 217,69 Southern Co. 68,13 68,57 Intuitive-Surgical 301,48 310,39 Mitsub. UFJ Fin. 1156 1156
WWWWWWWWWWW Ahold Delhaize 0,492x 30,31 30,37 30,28 +0,4 Blackrock 679,00 691,03 Hess Corp. 153,39 154,68
WWWWWWWWWWW 714,55 511,98 F.A.Z.-Erneuerb. Energien 542,21 561,68 +3,6 –13,7 WWWWWWWWWWW Procter & Gamble 0,94$4x 153,78 153,87 141,28 –0,3 State Street 68,40 68,52 Kraft Heinz Co 33,84 33,76 Mizuho Financ. 2386 2377
WWWWWWWWWWW Air Liquide 2,951x 165,30 165,52 166,14 +0,4 Salesforce Inc. 0,001x 211,72 211,96 192,30 –2,2 Boston Scientific 53,79 54,68 Howmet Aerospace 48,86 49,31 Stryker 278,31 285,02 Liberty Global A 18,04 18,27
WWWWWWWWWWW 706,80 453,27 F.A.Z.-Grundstoffe 579,70 587,77 +1,4 +1,6 WWWWWWWWWWW Nissan Motor 607 617
WWWWWWWWWWW ASML Hold. 1,452x 606,50 613,00 614,60 +1,5 Travelers Comp. 1,00$4x 160,83 161,28 148,15 –1,0 BP PLC 36,64 37,10 HP Enterprise 16,79 16,84 Sysco 70,28 70,48 Marriott Intl. 202,53 206,15
WWWWWWWWWWW 2594,17 1736,29 F.A.Z.-Handel und Verkehr 2063,54 2085,73 +1,1 +10,1 WWWWWWWWWWW
Bristol-Myers Sq. 61,64 62,85 HP Inc. 31,33 31,37 Target Corp. 123,43 126,16
Softbank 6572 6604
UnitedHealth 1,88$4x 491,28 492,83 455,00 +0,3 Meta Platforms 290,26 297,99
WWWWWWWWWWW 8974,81 5506,51 F.A.Z.-IT und Elektronik 8098,02 8192,49 +1,2 +18,6 WWWWWWWWWWW AstraZeneca 0,718£2x10660,00 10804 126,95 +0,5
WWWWWWWWWWW
Canadian Pac.Kan.C. 78,76 79,27 Illinois Tool Works 242,43 245,63 Teva Pharmac. 9,67 9,75 Mondelez Intern. 71,55 71,48 Sony Corp. 12000 11950
WWWWWWWWWWW 1995,89 1374,86 F.A.Z.-Konsum, Medien 1899,15 1922,92 +1,3 +13,6 WWWWWWWWWWW Verizon 0,65$4x 33,55 34,69 31,78 +2,7 Capital One 101,59 103,52 Int. Paper 34,45 34,68 Texas Instr. 168,70 170,69 Sumitomo Mit.Fin. 6580 6580
WWWWWWWWWWW AXA 1,701x 27,71 27,93 27,84 +0,3 Netflix 418,06 429,99
WWWWWWWWWWW 1243,26 774,91 F.A.Z.-Maschinenbau 1123,80 1130,38 +0,59 +13,6 WWWWWWWWWWW VISA 0,45$4x 243,83 245,34 225,35 –0,1 Carnival Corp. 15,71 16,04 Intercont. Exch. 117,50 118,57 Trane Technologies 203,61 205,77 Northern Trust 75,53 76,05 Toyota Motor 2437 2432
WWWWWWWWWWW Banco Santander 0,062x 3,64 3,63 3,63 +1,1 WWWWWWWWWWW Walgreens Boots 0,48$4x 25,17 25,54 23,50 +1,1 Charles Schwab 59,05 59,45 Johnson Controls 58,63 58,96 Truist Financial 29,37 30,33 NortonLifeLock 20,41 20,54
WWWWWWWWWWW 47215,84 31641,65 F.A.Z.-Versicherungen 46878,32 47012,97 +0,29 +14,9
WWWWWWWWWWW 1301,13 1003,08 F.A.Z.-Versorger,Telekom. 1148,54 1157,61 +0,79 +3,9 WWWWWWWWWWW BBVA 0,312x 7,28 7,35 7,36 +2,4
WWWWWWWWWWW Walmart Inc. 0,57$4x 158,72 160,05 146,98 +0,4 Chubb Ltd. 200,77 201,93 Kellogg 61,37 61,49 Union Pacific 224,54 223,44 NVIDIA Corp. 468,35 487,84 Letzte Kursfeststellung um 22.06 Uhr.
WWWWWWWWWWW 16528,97 11862,84 Dax 15792,61 15930,88 +0,88 +14,4 WWWWWWWWWWW BNP Paribas 3,902x 59,50 59,90 59,90 +0,3
WWWWWWWWWWW 29815,39 21456,66 M-Dax 27287,46 27664,93 +1,4 +10,1
Intern. Devisenmärkte Anleihen
WWWWWWWWWWW BP 0,073$4x 475,60 485,70 5,66 +0,7
WWWWWWWWWWW
WWWWWWWWWWW
3350,46
8950,57
2588,59
6461,30
Tec-Dax
H-Dax
3119,53
8552,94
3157,29
8632,68
+1,2
+0,93
+8,1
+14,0 WWWWWWWWWWW Brit. Am. Tobacco 0,577£2x 2589,00 2611,0 30,62 +0,4 Zinsen, Renditen, Terminkontrakte und Indizes
WWWWWWWWWWW 13880,68 10102,75 S-Dax 13130,36 13258,52 +0,98 +11,2 WWWWWWWWWWW CRH 0,9392x 52,90 52,98 52,94 +0,3 Devisenkurse für 1 Euro EZB Notenpreise für 1 Euro
WWWWWWWWWWW 1459,72 1050,04 C-Dax 1391,23 1404,49 +0,95 +14,3 WWWWWWWWWWW Danone 2,001x 53,78 53,67 53,79 –0,1 Benchmark-Anleihen Terminkontrakte EZB-Daten Interbk.kurse (22 Uhr) kurs aus Sicht der Bank Unternehmensanleihen
WWWWWWWWWWW 16468,59 11928,51 Late Dax 15786,34 15941,66 +0,98 +13,7 28.08. 29.08. 29.08. 30.12.22 28.08.23 29.08.23 EZB-Zinsen (ab 02.08.2023) 29.08. 29.08. 29.08. Zins- 29.08. 29.08.
WWWWWWWWWWW Diageo 0,492£2x 3267,50 3306,5 38,62 +0,2
WWWWWWWWWWW 29701,48 21766,83 Late M-Dax 27210,14 27564,09 +1,3 +9,2 Laufzeit Rend. Rend. Kurs Rend. Schluss Schluss Spitzenrefinanzierung 4,50 % Geld Brief Währung Ankauf Verkauf Zins Laufzeit termin Schluss Rend.
WWWWWWWWWWW 3329,96 2596,16 Late Tec-Dax 3118,67 3156,94 +1,2 +7,6 WWWWWWWWWWW Enel 0,202x 6,13 6,21 6,22 +1,4 Einlagefazilität 3,75 %
WWWWWWWWWWW 13808,16 10203,43 Late S-Dax 13104,53 13210,17 +0,81 +10,8 WWWWWWWWWWW Eni 0,222x 14,30 14,36 14,37 +0,2 Deutschland Euro-Bund-Future 132,12 132,50 Hauptrefinanzierung 4,25 % 1,0883 1,0885 1,0803 Am. Dollar* 1,022 1,135 1,5 3M 16/31 2.6. 83,55 4,0094
2 Jahre 3,05 3,03 100,12 2,68 Euro-Bobl-Future 115,58 115,70 Mindestreserve (Verzinsung) 3,50 % 1,6784 1,6794 1,6832 Austr. Dollar* 1,594 1,762 2 AB Inbev 18/35 23.1. 83,02 3,8696
WWWWWWWWWWW 33,45 12,68 V-Dax-New 16,00 15,12 –5,5 –26,5 5,2805 5,2885 5,2762 Bras. Real* 4,470 6,580
WWWWWWWWWWW EssilorLuxottica 3,231x 176,12 176,40 176,32 +0,3 5 Jahre 2,60 2,57 99,20 2,52 DAX-Future 15854,00 16002,00 3,125 Adidas 22/29 21.11. 97,96 3,4936
WWWWWWWWWWW 453,90 323,42 DivDax (Perf.) 432,66 436,05 +0,78 +16,4 S&P500-Future 4442,25 4506,25 Hauptrefinanzierungsgeschäft (Refi) 0,8604 0,8606 0,8586 Brit. Pfund* 0,806 0,900
WWWWWWWWWWW Flutter Entertain. 0,67£2x 167,80 167,85 168,45 +1,6 10 Jahre 2,56 2,55 100,46 2,50 2,375 Airbus 20/40 9.6. 78,25 4,2080
WWWWWWWWWWW 6617,77 4794,27 Prime-All-Share 6322,11 6380,00 +0,92 +13,6 7 Tage (fällig 30.08.) 7.036 Mio.; 1,9484 1,9634 1,9558 Bulg. Lew*
30 Jahre 2,66 2,66 82,46 2,43 2,121 Allianz 20/50 8.7. 82,49 3,0898
WWWWWWWWWWW 4165,54 3264,46 Tec-All-Share 3813,28 3866,24 +1,4 +4,6 WWWWWWWWWWW Glencore 0,22$2x 426,15 438,30 5,11 +1,6 Frankreich Wachstum Euro-Geldmenge M 3 7,8095 7,8295 7,880 Chin. Yuan* 6,290 10,220 0,5 Apple 19/31 15.11. 79,99 3,3255
WWWWWWWWWWW 9818,91 7176,75 Classic-All-Share 9240,77 9339,23 +1,1 +11,5 WWWWWWWWWWW GSK PLC 0,14£4x 1374,00 1397,8 16,11 +0,4 2 Jahre
5 Jahre
3,31
2,95
3,30
2,93
95,29
90,94
2,79
2,82
Umsätze der dt. Börse Jahresrate 07/2023 –0,40 %
3 Monats Durchschnitt 06/2023-06/2023 0,40 %
7,4537
8,5378
7,454
8,5428
7,4529
8,477
Dän. Krone*
Hongk. Dollar*
7,080
7,610
7,820
9,560
0,75
1,125
BASF SE 22/26
Bayer 20/30
17.3. 92,98
6.1. 83,64
3,6905
4,1035
WWWWWWWWWWW 2109,53 1432,74 GEX (Preis) 1885,11 1894,27 +0,49 +5,1 Referenzwert für das Geldmengenwachstum 89,830 89,990 89,4335 Indische Rupie 66,800 115,800
WWWWWWWWWWW Hermes Internat. 9,5112x 1917,60 1937,81923,60 +1,2 10 Jahre 3,09 3,07 99,43 3,04 Kurswert 4,5 Bilfinger 19/24 14.6. 98,49 6,4984
Europäische Indizes 30 Jahre 3,53 3,52 90,24 3,23 Börsenplatz in Tsd Euro der 3 Monats-Jahresrate 4,50 % 141,969 142,638 141,900 Isländ. Krone 121,000 170,000 4 Coba 17/27 30.3. 98,55 4,4406
WWWWWWWWWWW HSBC Hold. 0,10$2x 587,80 595,70 7,02 –1,5 158,700 158,730 158,930 Jap. Yen* 151,900 167,700
WWWWWWWWWWW 152,37 114,88 F.A.Z.-Euro 146,55 147,82 +0,87 +12,2 Großbritannien Xetra 28.08. 29.08. Notenumlauf im Euro-Raum 1,375 Colgate-Pal. 19/34 6.3. 81,84 3,4647
273,82 200,86 F.A.Z.-Euro Performance 263,46 265,74 +0,87 +15,1 WWWWWWWWWWW Iberdrola 0,0251x 11,07 11,25 11,14 +0,3 zum 25.08.2023: 1563 Milliarden Euro. 1,4751 1,4757 1,4722 Kan. Dollar* 1,400 1,547 2,5 Continental 20/26 27.8. 97,00 3,5759
WWWWWWWWWWW 2 Jahre 4,97 4,98 92,71 3,67 18,269 18,284 18,1299 Mex. Peso* 14,460 22,600
WWWWWWWWWWW 4491,51 3249,57 Euro Stoxx 50 (Europa) 4293,69 4326,47 +0,76 +14,0 5 Jahre 4,61 4,60 88,17 3,68 Euro-Inflationsrate 5,30 % 1,375 Covestro 20/30 12.6. 84,68 3,9980
WWWWWWWWWWW Inditex 0,602x 34,96 35,24 35,31 +3,6 Aktien im Dax 1.849.614 2.205.289 1,8209 1,8224 1,8307 Neus. Dollar* 1,621 2,040 1,5 Delivery Hero 20/28 15.1. 72,12 9,6489
WWWWWWWWWWW 4089,95 3279,47 Stoxx Europe 50 (Europa) 3956,11 3986,52 +0,77 +9,2 10 Jahre 4,53 4,52 97,40 3,70 Aktien im M-Dax 214.055 347.140 11,5061 11,5091 11,5645 Norw. Krone* 10,950 12,160
WWWWWWWWWWW ING Groep 0,352x 13,36 13,41 13,44 +0,5 30 Jahre 4,60 4,59 47,69 3,99 3,625 Dt. Bahn Fin. 23/3718.12. 98,04 3,8043
WWWWWWWWWWW 472,04 356,28 Euro Stoxx (Europa) 453,54 457,40 +0,85 +11,6 Aktien im Tec-Dax 513.582 509.269 4,463 4,465 4,472 Poln. Zloty* 4,010 4,910 4 Dt. Bank 22/27 29.11. 99,19 4,2096
WWWWWWWWWWW Intesa Sanpaolo 0,092x 2,48 2,49 2,48 ±0,0 Japan Aktien im S-Dax 57.344 85.557 4,937 4,942 4,9418 Rumä. Leu* 1,625 Dt. Börse 10/25 8.10. 96,50 3,3748
WWWWWWWWWWW 472,69 379,72 Stoxx Europe 600 (Europa) 455,41 459,83 +0,97 +8,2 2 Jahre 0,00 0,01 99,98 0,03 11,8195 11,8225 11,882 Schw. Kron.* 11,330 12,570 2,875 Dt. Post 12/24 11.12. 99,05 3,6440
WWWWWWWWWWW 1918,74 1541,01 S&P Euro 350 (Europa) 1850,84 1868,27 +0,94 +8,6 WWWWWWWWWWW Kering 9,502x 494,40 499,00 500,00 +1,0 5 Jahre 0,23 0,23 99,87 0,23 Leitzinsen im Ausland 0,9554 0,9557 0,9558 Schw. Franken* 0,912 1,008 2,25 Dt. Telekom 19/39 29.3. 84,25 3,5865
WWWWWWWWWWW 1406,01 1091,44
WWWWWWWWWWW 795,20 611,74
Euronext 100 (Europa)
AEX Index (Amsterdam)
1354,95 1364,33 +0,69
741,76 745,89 +0,56
+10,8
+8,3
WWWWWWWWWWW L’Oréal 6,0361x 405,20 409,15 409,70 +0,8 10 Jahre
30 Jahre
0,66
1,67
0,64
1,65
97,77
90,96
0,41
1,61 Renten-Indizes Australien 4,10 % (Target-Cash Rate)
1,4683 1,4698
20,0983 20,1083
1,4649
20,0496
Sing. Dollar*
Südaf. Rand*
1,361 1,639
17,010 23,410
1,5
6,375
Dt. Wohnen 20/30 30.4. 82,44
E.ON 02/32 7.6. 103,20
4,6201
5,8924
WWWWWWWWWWW 1351,68 783,06 Comp. Index (Athen) 1316,27 1318,34 +0,16 +41,8
WWWWWWWWWWW LVMH Moët Hen. 7,00 798,50
2x 810,00 811,90 +1,3 USA China 6,00 % (Lending Rate) 33,505 35,505 Taiwan Dollar 27,400 42,900 1,375 Equinor 20/32 22.5. 83,04 3,6826
28.08.23 29.08.23
WWWWWWWWWWW National Grid 0,376£2x 977,80 986,80 11,70 +1,7 2 Jahre 5,06 4,98 100,05 4,39 Dänemark 3,35 % (Diskont) 38,061 38,131 38,027 Thail. Baht* 32,200 45,500 2,25 Evonik Ind. 22/27 25.9. 93,06 4,1390
WWWWWWWWWWW 11427,06 9448,30 OMX Index (Helsinki) 9671,01 9823,30 +1,6 –9,1
5 Jahre 4,42 4,34 100,17 3,97
Schluss Schluss Rendite
Großbritannien 5,25 % (Repo-Satz) 24,075 24,095 24,163 Tsch. Krone* 22,300 26,600 0,25 EWE 21/28 8.6. 84,40 3,8964
WWWWWWWWWWW 8013,52 49,00 Nat. 100 Index (Istanbul) 7941,73 7907,13 –0,44 +43,5 WWWWWWWWWWW Nestlé NA 2,95F1x 106,56 106,96 – – 10 Jahre 4,20 4,12 98,01 3,88 Hongkong 0,86 % (Prime Rate) 28,9558 28,9588 28,7651 Türk. Lira* 23,820 32,220
Rex-Gesamt 123,8605 124,0851 2,6154 5,875 Fraport 09/29 10.9. 108,00 4,3376
WWWWWWWWWWW 2207,94 1499,87 OMXC 20 Ind. (Kopenhagen) 2185,20 2193,69 +0,39 +19,5 WWWWWWWWWWW Nokia 30 Jahre 4,28 4,23 98,19 3,97 Indien 6,50 % (Repo-Satz) 380,950 381,150 382,250 Ungar. Forint* 343,000 438,000 1 Fresenius 20/26 29.5. 92,32 4,0108
0,034x 3,55 3,65 3,66 +3,2 Rex-Performance 432,1187 432,9303 2,6154
WWWWWWWWWWW 4830,03 3915,71 PSI-GERAL (Lissabon) 4559,05 4595,00 +0,79 +3,9 Japan -0,10 % (Diskont) * Interbankenkurse von der Commerzbank, Notenpreise der HypoVereinsbk 1,5 Heid.Cem. 16/25 7.2. 96,50 4,0484
WWWWWWWWWWW Nordea Bank Abp 0,801x 10,10 10,17 10,05 +1,9 25.08.23 28.08.23
WWWWWWWWWWW 1635,13 1369,03 S&P UK (London) gs. 1509,79 – –0,64 Kanada 5,00 % (Diskont) 2,5 ING Groep 18/30 15.11. 90,54 4,0374
WWWWWWWWWWW 9741,90 7189,60 IBEX 35 (Madrid) 9490,10 9581,20 +0,96 +16,4 WWWWWWWWWWW Novartis NA 3,20F1x 90,46 90,57 – – Renditen/Kreditzinsen FAZ-Anleihen 108,7900 108,7600 –
Norwegen 4,00 % (Deposite Rate) 1,65
3
Johns. & J. 16/35 20.5. 84,07
JP Morgan 14/26 19.2. 98,05
3,3117
3,8360
WWWWWWWWWWW 3130,04 2117,80
WWWWWWWWWWW 7581,26 5628,42
DJ Italy Titans 30 (Mailand)
CAC 40 (Paris)
3000,86 3036,75 +1,2
7324,71 7373,43 +0,67
+22,4
+13,9
WWWWWWWWWWW Novo-Nordisk AS B 6,00DKK
WWWWWWWWWWW Pernod Ricard
1293,00
2x

2,062x 194,40
1295,0 175,34 +0,5
195,65 194,70 +0,6
Umlaufrendite der Bundesanleihen
29.08.2023 (28.08.23) 2,58 % (2,61 %) New Yorker Geldmarkt
Polen
Rumänien
3,55 % (Diskont)
7,00 % (Reference Rate) Intern. Warenmärkte 3,25
1,75
K+S 18/24
Lanxess 22/28
18.7. 98,81
22.3. 88,28
4,6573
4,6613
WWWWWWWWWWW 886,66 682,70 All-Sh. Priceind. (Stockholm) 805,21 811,01 +0,72 +3,7 Schweden 3,75 % (Pensionssatz) 1,625 LEG Immob. 19/34 28.11. 68,54 5,4370
WWWWWWWWWWW Prosus
3 bis 5 Jahre 2,61 % (2,64 %) USA Primerate 8,50 % Titel Vortag aktuell ±%
WWWWWWWWWWW 72440,23 45017,50 WIG Index (Warschau) 68721,61 68794,91 +0,11 +19,7 0,142x 64,14 64,97 64,44 +0,7 Schweiz 1,7074 % (Average Rate ON) 0,55 Linde 20/32 19.5. 77,39 3,6210
5 bis 8 Jahre 2,49 % (2,52 %) TR/J CRB 312,57 313,91 +0,43
Treasury Bills Südafrika 11,75 % (Repo-Satz) 0,25 Lufthansa 19/24 6.9. 96,21 4,1341
WWWWWWWWWWW 11616,37 10010,78 SMI (Zürich) 11032,76 11106,24 +0,67 +3,5 WWWWWWWWWWW Reckitt Benckiser 0,766£2x 5688,00 5776,0 66,78 +0,4 8 bis 15 Jahre 2,59 % (2,59 %) S&P GSCI Index (Spot) 585,12 586,73 +0,27 0,375 LVMH 20/31 11.2. 81,30 3,2405
3 Monate 5,57 % Tschechien 4,00 % (Diskont)
Amerikanische Indizes WWWWWWWWWWW Relx 0,17£2x 2528,00 2556,0 29,63 +0,2 15 bis 30 Jahre 2,65 % (2,67 %)
6 Monate 5,55 % Ungarn 13,00 % (Base Rate) DAXglobal® Gold Miners 259,05 264,80 +2,22 1,875 Mercedes-B. 14/24 8.7. 98,34 3,8844
WWWWWWWWWWW 35679,13 28660,94 Dow Jones (New York) 34559,98 34852,67 +0,85 +5,1 WWWWWWWWWWW Richemont
Spareinlagen (3 M Kündigungsfr.): ca. 0,33 %* 1 Jahr 5,35 % USA 5,50 % (Federal Fund Rate) American Gold Bugs (HUI) 221,00 226,54 +2,51 2,5 Merck & Co. 14/34 15.10. 90,86 3,5059
3,25F1x 124,65 126,65 – – Gold, Spot (€/Unze) 1774,2 1780,1 +0,33 2,625 Microsoft 13/33 2.5. 97,04 2,9808
WWWWWWWWWWW 15932,05 10440,64 Nasdaq 100 (Nasdaq) 15052,46 15376,55 +2,2 +40,6 Private Dispositionskredite etwa 11,75 %*
WWWWWWWWWWW Rio Tinto 1,377£2x 4745,50 4824,0 57,27 +0,6 Gold, New York ($/Unze) 1946,8 1965,4 +0,96 0 NRW.Bank 20/30 18.2. 81,74 3,1671
WWWWWWWWWWW 14446,55 10088,83 Nasdaq Com. (Nasdaq) 13705,13 13943,76 +1,7 +33,2 Sparbriefe
Silber, NY ($/Unze) 24,25 24,79 +2,20 3 ÖBB-Infr. 13/33 24.10. 98,31 3,1969
WWWWWWWWWWW 4607,07 3491,58 S&P 500 (New York) 4433,31 4497,63 +1,5 +17,1 WWWWWWWWWWW Roche Hold. GS 9,50F1x 259,15 261,05 – – 1 Jahr 2,65 %* Emissionsrendite Anleihen, Hypothekenpfandbriefe Daten der EZB; Laufzeit in Jahren
Kupfer, NY ($/lb) 3,76 3,79 +1,00 1,875 Sanofi 18/38 21.3. 83,55 3,3176
WWWWWWWWWWW 123009,90 97687,66 Bovespa (São Paulo) 116304,50 118201,27 +1,6 +7,0 WWWWWWWWWWW Safran 1,351x 147,68 148,32 148,28 +0,7 2 Jahre 2,77 %* 1-2 2-3 3-4 4-5 5-6 6-7 7-8 8-9 9-10 1 SAP SE 15/25 1.4. 97,20 2,8328
WWWWWWWWWWW 55626,51 44518,73 Mexiko SE (Mexiko) 53442,64 53650,65 +0,39 +10,7 3 Jahre 2,78 %* 25.08.2023 3,66 3,58 3,43 3,33 3,32 3,31 3,26 3,27 3,31 1,875 Schaeffler 19/24 26.3. 98,59 4,4293
WWWWWWWWWWW 20843,21 17873,18 TSX Comp. Ind. (Toronto) 20025,14 20290,41 +1,3 +4,7
WWWWWWWWWWW Sanofi S.A.
WWWWWWWWWWW Schneider Electr.
3,561x 99,28
3,151x 158,86
99,67 100,00 +1,0
160,44 158,88 –0,1
4 Jahre
5 Jahre
2,71 %*
2,75 %*
28.08.2023 3,70 3,63 3,48 3,39 3,36 3,35 3,29 3,35 3,32 Münzen, Barren 4
0,75
Siemens En. 23/26 5.4. 97,87
Stellantis 21/29 18.1. 83,32
4,8840
4,2842
Weitere Übersee Indizes 4 Talanx 22/29 25.10. 100,42 3,9209
WWWWWWWWWWW Shell Festgeld bis 5 000 Euro Schalterpreise 28.08.2023 29.08.2023
WWWWWWWWWWW 1695,99 1461,61 SET Index (Bangkok) 1562,31 1568,80 +0,42 –6,0 0,004x 28,39 28,39 28,50 +0,7 1,528 Telefonica 17/25 17.1. 96,87 3,8949
WWWWWWWWWWW 22700,85 14597,31 Hang-Seng (Hongkong) 18128,98 18469,55 +1,9 –6,6 WWWWWWWWWWW Stellantis 1,341x 16,93 17,22 17,28 +1,7
1 Monat 0,32 %* F.A.Z.-Renten-Rendite in Euro Ankauf Verkauf Ankauf Verkauf 2,875 Vier Gas 13/25 12.6. 97,88 4,1279
WWWWWWWWWWW 7375,96 6542,79 Jakarta SE (Jakarta) 6921,73 6957,83 +0,52 +1,6 3 Monate 1,49 %* 1 kg Gold 55641,00 58732,00 55819,00 58879,00 1,125 Vonovia 19/34 14.9. 63,94 5,5903
WWWWWWWWWWW TotalEnergies 0,744x 57,89 57,86 58,00 +0,1 6 Monate 2,20 %* Restlaufzeit*) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1 Würth 18/25 26.5. 95,50 3,7242
WWWWWWWWWWW 3534,50 2730,87 S&P S. Africa 50 (Johannesb.) 3372,31 3367,97 –0,13 +4,1 10 g Gold 556,00 615,50 558,00 617,00
1 Jahr 2,68 %* 1 oz Krügerrand 1739,00 1882,00 1744,50 1887,00
WWWWWWWWWWW 8959,73 7406,92
WWWWWWWWWWW 2668,21 2134,77
SSE 180 (Schanghai)
Kospi (Seoul)
8057,07 8100,22 +0,54 –1,6
2543,41 2552,16 +0,34 +14,1
WWWWWWWWWWW UBS Group N 0,55$1x 21,98 22,07 – –
Ratenkredite bis 5 000 Euro
Öffentliche Anleihen
Hoch 52 Wochen 3,85 4,51 3,50 3,23 3,14 3,21 2,95 2,90 2,95 3,40
1/2 oz Krügerrand 869,50 980,50 872,00 982,90 Öffentliche Anleihen
WWWWWWWWWWW UniCredit 0,9871x 22,17 22,60 22,66 +3,0 1/4 oz Krügerrand 434,50 508,40 436,00 509,60
3 Jahre, effektiv etwa 7,18 %* Tief 52 Wochen 1,10 1,56 1,72 1,93 1,81 1,96 1,93 1,29 1,80 1,78 6,25 Bund v. 94/24 4.1. 100,98 3,2896
WWWWWWWWWWW 1959,09 1710,72 Stoxx Singapore 20 (Singapur) 1853,45 1858,21 +0,26 –0,47 WWWWWWWWWWW Unilever plc. 0,37£4x 4036,50 4061,0 47,33 ±0,0 1/10 oz Krügerrand 173,50 211,60 174,00 212,00
5 Jahre, effektiv etwa 7,06 %* 25.08.2023 3,41 3,33 3,23 3,01 2,91 2,88 2,78 2,76 2,74 3,26 1 oz Britannia 1739,00 1877,00 1744,50 1882,00 5,625 Bund v. 98/28 4.1. 112,47 2,5518
WWWWWWWWWWW 7779,40 6609,80 All Ordinaries (Sydney) 7365,90 7416,40 +0,69 +2,7 Ratenkredite bis 10 000 Euro 5,5 Bund v. 00/31 4.1. 120,02 2,4821
WWWWWWWWWWW Vinci 3,001x 103,84 103,78 103,50 –0,4 28.08.2023 3,54 3,37 3,30 3,06 2,95 2,93 2,84 2,79 2,77 3,28 1/2 oz Britannia 869,50 980,50 872,00 982,90
WWWWWWWWWWW 17463,76 12630,13 Taiwan Weighted (Taipeh) 16509,26 16623,65 +0,69 +17,6 1,75 Bund v. 14/24 15.2. 99,27 3,3655
3 Jahre, effektiv etwa 7,16 %* 29.08.2023 3,59 3,33 3,27 3,01 2,91 2,89 2,80 2,76 2,74 3,24 1/4 oz Britannia 434,50 508,40 436,00 509,60 1,5 Bund v. 14/24 15.5. 98,68 3,4268
WWWWWWWWWWW 33772,89 25621,96 Nikkei 225 (Tokio) 32169,99 32226,97 +0,18 +23,5 WWWWWWWWWWW Zurich Insur. Grp 24,00F1x 410,10 413,20 – – 5 Jahre, effektiv etwa 7,04 %* Hypotheken- und öffentliche Pfandbriefe 1/10 oz Britannia 173,50 211,60 174,00 212,00 2,5 Bund v. 14/46 15.8. 97,71 2,6342
20 Mark 403,20 435,00 404,50 436,10 0,5 Bund v. 15/25 15.2. 96,25 3,1662
Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke (effektiv, Hoch 52 Wochen 4,05 4,05 3,88 4,83 4,24 3,74 3,63 3,49 3,46 – 20 Fr. Vreneli 326,60 372,50 327,60 373,50 0,5 Bund v. 16/26 15.2. 94,41 2,8860
100 % Auszahlung): Fest 5 Jahre 4,21 %*; Fest 10 Tief 52 Wochen 1,63 2,16 2,21 2,34 2,63 2,14 2,46 1,82 2,38 – 2 Rand 402,70 427,50 404,00 428,50 1 Bund v. 15/25 15.8. 96,15 3,0576
Börsenkennzahlen von Bloomberg. Alle Angaben ohne Gewähr. k.A.=keine Angaben; W = auch im Tec-DAX enthalten; I = auch im Euro Stoxx 50 enthalten;P Jahre 3,95 %*. *ungefähr: Zinssätze sind instituts- 25.08.2023 3,86 3,71 3,61 4,55 3,59 3,39 3,51 3,36 – – 1 Österr. Dukat 193,60 213,50 194,20 214,00 0,375 Hessen 16/26 6.7. 92,11 3,3251
= auch im Stoxx Europe 50 enthalten; Δ = 1Euro; Die Dividenden sind die letztgezahlten Ausschüttungen in Landeswährung bereinigt um Kapitalmaßnahmen. abhängig 50 Chile Pesos 502,50 551,50 504,00 553,00 0 Hessen 20/25 10.3. 94,62 3,6939
28.08.2023 3,87 3,76 3,66 4,59 3,62 3,42 3,53 3,34 – –
Hochzahl hinter Dividende: Zahl der Ausschüttungen je Jahr; Dividendenrendite: Brutto-Dividendenrendite auf Basis der letztgezahlten Jahresdividende; Das 52- 1 kg Silber 701,00 950,57 718,50 955,93 1,25 NRW 14/25 14.3. 96,57 3,5818
Wochen-Hoch/Tief wird berechnet auf Basis von Tageshoch- und -tiefkursen bereinigt um Kapitalmaßnahmen; Börsenkapitalisierung: Berechnung ausschließlich mit der relevanten Gattung (x Streubesitzfaktor); KGV: €STR(28.08.2023) 3,65 % 29.08.2023 3,86 3,74 3,63 4,57 3,62 3,41 3,54 3,33 – –
1 oz Maple Platin 829,00 1278,06 834,00 1284,01 1,25 KfW 16/36 4.7. 79,31 3,2456
Kurs/Gewinnverhältnis auf Basis der Ergebnisse je Aktie vor Goodwillabschreibung. Dividendenrendite und KGV berechnet von Infront Financial Technology GmbH auf Basis von Verlaufs- bzw. Schlusskursen am Bör- SOFR(25.08.2023) 5,30 % *) In Jahren. Die in die Berechnung einbezogenen Papiere haben Restlaufzeiten von einem halben Jahr weniger bis 1,5 KfW 14/24 11.6. 98,42 3,5850
senplatz Xetra bzw. Frankfurt. Nikkei-Index = © Nihon Keizai Shimbun. Basiszins nach § 247 BGB (01.07.2023) 3,12 % zu sechs Monaten mehr als die angegebenen vollen Jahre. – Berechnung vom 31. Oktober 1995 an mit Stückzinsen. Quelle: Degussa Goldhandel, Endkundenpreise 3,75 KfW 23/28 15.2. 96,98 4,5559
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
V
erbraucherschützer melden
einen neuen Rekord an verdeck-
ten Preiserhöhungen: Immer
häufiger verteuerten Anbieter
Produkte, indem sie in weitgehend ge-
wohnter Verpackung weniger Inhalt ver-
kaufen, wie die Verbraucherzentrale Ham-
burg und die Stiftung Warentest am
Dienstag mitteilten. Sie nannten mehrere
Beispiele. So schrumpfte das Kakaopulver
Suchard Express von 500 auf 400 Gramm
und ist damit 25 Prozent teurer. Das
Duschgel Duschdas Sport hat weniger In-
halt, und gleichzeitig steigt der Preis – eine
Verteuerung um 22 Prozent. Auch die ak-
tuelle „Mogelpackung des Monats“ der
Verbraucherzentrale Hamburg, die Mund-
spülung Listerine von Johnson & Johnson,
führt ebenfalls zu einer doppelten Preis-
erhöhung: Sie ist um mehr als ein Drittel
teurer geworden.
„Shrinkflation“ nennt sich das Phäno-
men: eine Wortneuschöpfung aus
„shrink“, englisch für schrumpfen, und
„inflation“, Teuerung. Die amerikanische
Ökonomin Philippa „Pippa“ Malmgren, 61
Jahre alt, hat den Begriff 2009 geprägt. Im-
mer mal wieder soll das Phänomen ver-
stärkt aufgetreten sein – unter anderem in
Großbritannien, als das britische Pfund im
Zusammenhang mit dem Brexit eine
schwache Phase hatte.
Drei Untertypen des Phänomens sind
von Ökonomen beschrieben worden:
Einmal die Variante, in der die Packungs-
größe schrumpft, aber der Preis ungefähr
gleich bleibt. Dann die Variante, in der
die Packung größer wird, oft als Groß-
oder Familienpackung vermarktet, aber
der Preis gleichzeitig noch stärker steigt.
Und drittens die Variante, in der die Pa-
ckung gleich groß bleibt, aber die Zutaten
weniger hochwertig sind, also beispiels-
weise im Pesto mehr billigeres Sonnen-
blumenöl statt teuren Olivenöls verwen-
det wird. Den letztgenannten Unterfall
nennen manche auch „Skimpflation“,
von englisch „skimp“ für knausern.
Aktuell begleitet diese verdeckte Teue-
rung offenbar die ganz reguläre mit In-
flationsraten wie 6,2 Prozent im Juli in
Deutschland und Preissteigerungen für
Lebensmittel auf Jahressicht um 11 Pro-
zent. Die Bürger reagieren auf die stei-
genden Preise von Lebensmitteln, indem
sie vermehrt auf Discounter und Eigen-
marken der Handelsketten ausweichen,
wie das Beratungsunternehmen PWC
anhand konkreter Zahlen dargelegt hat.
Und Handelsketten und Hersteller wie-
derum reagieren mit kleineren Pa-
ckungsgrößen zum selben Preis.
Datagroup bietet IT-Sicherheit für den Mittelstand
Wenn einer der 660 Beschäftigten der
Stadtwerke in Neuss Probleme mit sei-
nem Computer oder sonstiger IT-Tech-
nik hat, wendete er sich bisher an die
hauseigenen Spezialisten. Das ist nun
anders. Denn seit Kurzem ist der gesam-
te IT-Bereich vollumfänglich an den im
baden-württembergischen Pliezhausen
ansässigen IT-Dienstleister Datagroup
SE ausgelagert. „Wenn der PC nicht
funktioniert, wird nun vom Stadtwerke-
mitarbeiter bei unserem Service-Desk
angerufen. Wir helfen dann weiter,“ sagt
der Vorstandsvorsitzende des börsenno-
tierten Unternehmens, Andreas Bar-
esel. Dieses sogenannte Service-Desk
bieten die Schwaben als Modul in ihrer
Lösung mit dem Namen „Corbox“ an –
die praktisch als Komplettlösung, die
gesamte Bandbreite der Dienstleistun-
gen der Informationstechnologie für
Unternehmen abdeckt. „Bis zu 30 Pro-
zent unserer Leistungen können exakt
für den Kunden zugeschnitten werden,
während dann für 70 Prozent standardi-
sierte Services genutzt werden.“
Der Kurs der Datagroup-Aktie, die an
der Frankfurter Wertpapierbörse im
Segment Open Market gehandelt wird,
gab in den letzten Monaten nach. Wäh-
rend er Anfang März noch bei
69,80 Euro notierte, betrug der Kurs am
Dienstag 53,60 Euro je Aktie. Doch die
sieben von Bloomberg befragten Ana-
lysten glauben weiterhin an den Titel.
Alle empfehlen das Papier zum „Kau-
fen“ und rechnen in den nächsten zwölf
Monaten mit einem Kurs zwischen
75,00 und 113,50 Euro. Rund 42 Pro-
zent der Papiere befinden sich im Streu-
besitz. 53,6 Prozent der Anteile werden
von der HHS Beteiligungsgesellschaft
gehalten, hinter der der Unternehmer
Max Schaber steht, der auch lange Vor-
standsvorsitzender war und nun im Auf-
sichtsrat ist. Angefangen hatte Schaber
in den Achtzigerjahren mit einem klas-
sischen Systemhaus, er verkaufte Hard-
ware und wartete sie.
Datagroup-Chef Baresel sieht noch
viel Potential im Bereich Outsourcing.
„Früher ging es bei der IT-Auslagerung
hauptsächlich um das Thema Kosten.
Heute kommt noch dazu, dass viele
Unternehmen den IT-Service mit dem
entsprechenden Standard selbst auch
nicht mehr so hinbekommen, wie er den
heutigen Herausforderungen angemes-
sen ist. Ein Grund sind die fehlenden
Fachkräfte.“ Der Mittelständler belegt
in der aktuellen Lünendonk-Liste der
führenden 25 IT-Beratungs- und Sys-
temintegrations-Unternehmen in
Deutschland den sechsten Platz. In den
ersten neun Monaten des Geschäftsjah-
res 2022/2023 (30. September) liegen
die Umsatzerlöse bei 375 Millionen
Euro. Das operative Ergebnis vor Zin-
sen, Steuern und Abschreibungen (Ebit-
Achtung, Shrinkflation
„Shrinkflation“ nennt sich eine Form der versteckten Teuerung. Der Preis bleibt
ungefähr gleich, aber die Packung wird kleiner. Die Beschwerden darüber nehmen zu.
Von Christian Siedenbiedel, Frankfurt
vorher ...
... nachher
„Die meisten der von uns gezeigten Bei-
spiele übertreffen bei Weitem die Infla-
tionsrate“, sagt Ina Bockholt von der Stif-
tung Warentest. Die Verbraucherzentrale
Hamburg berichtet, schon voriges Jahr ha-
be es mehr Beschwerden zu diesem The-
ma gegeben als üblich. Vom ersten auf das
| AKTIE IM BLICK |
Ausbildung in Mainz: Java-Academy von Datagroup und Triona
da) legt in diesem Zeitraum um 2,2 Pro-
zent auf 59,6 Millionen Euro zu. Das Er-
gebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit)
kann um 7,4 Prozent auf 34,3 Millionen
erhöht werden. Die Ebitda-Marge im
Neunmonatszeitraum verbessert sich
leicht auf 15,9 gegenüber 15,6 Prozent.
Hingegen steigt die Ebit-Marge deutlich
auf 9,1 im Vergleich zu 8,6 Prozent in
der Vorjahresvergleichsperiode. „Mit
dem operativen Geschäft sind wir zu-
frieden“, so der Vorstandschef.
Wegen Sondereffekten muss das
Unternehmen aber seine Umsatzpro-
gnose kappen und erwartet nun nur
noch Erlöse in einer Bandbreite zwi-
schen 485 und 500 Millionen Euro im
laufenden Geschäftsjahr. Vorher war
man von 520 bis 540 Millionen Euro
Umsatz im Jahr 2022/2023 ausgegan-
gen. Als Grund für weniger Umsatz
wird das Ende der Impfzentren ge-
nannt, die früher schlossen als erwartet
sowie die vorzeitige Reduzierung von
nicht so lukrativen Bestandsverträgen
aus früheren Zukäufen. Als ein weiterer
Grund wird auch eine Änderung im Be-
Datagroup SE
in Euro
70
65
60
55
50
1.3.2023 29.8.2023
Quelle: Bloomberg F.A.Z.-Grafik nbl.
Finanzen
Weniger Inhalt – höherer Preis
Die Preissteigerungen durch geänderte Packungsgrößen
Tuc-Bake Rolls: Vorher: 250 g für 1,39 € (100 g für 0,56 €), nachher: 150 g für 1,89 € (100 g für 1,26 €)
Oreo-Eis: Vorher: 4 x 110 ml für 3,99 € (100 ml für 0,91 €), nachher: 3 x 90 ml für 3,99 € (100 ml für 1,48 €)
Milka-Eis: Vorher: 4 x 100 ml für 3,99 € (100 ml für 1,00 €), nachher: 3 x 90 ml für 3,99 € (100 ml für 1,48 €)
Trolli-Glühwürmchen: Vorher: 200 g für 1,09 € (100 g für 0,55 €), nachher: 150 g für 1,09 € (100 g für 0,73 €)
+33%
Listerine-Total Care: Vorher: 600 ml für 4,45 € (100 ml für 0,74 €), nachher: 500 ml für 4,95 € (100 ml für 0,99 €)
+33%
Lorenz-Jumbos-Erdnusslocken: Vorher: 175 g für 1,99 € (100 g für 1,14 €), nachher: 150 g für 2,19 € (100 g für 1,46 €)
+28%
Moser-Roth-Schokolade: Vorher: 184 g für 1,59 € (100 g für 0,86 €), nachher: 150 g für 1,49 € (100 g für 0,99 €)
+15%
Quelle: Stiftung Warentest (Test 9/2023). Foto Stiftung Warentest/F.A.Z.-Grafik Niebel
zweite Halbjahr 2022 habe sich die Zahl
der gemeldeten Fälle ungefähr verdop-
pelt, von 493 auf 1050. In diesem Jahr gab
es bis einschließlich 29. August allein
1328 solcher Meldungen per Mail, insge-
samt sollen es schon rund 2000 sein. Auch
die Zahl der von der Verbraucherzentrale
Foto Frank Röth
reich der Rechnungslegung angegeben.
Datagroup, deren Marktkapitalisierung
derzeit deutlich über 400 Millionen
Euro liegt, sieht sich breit aufgestellt.
Zielgruppe sind mittelständische und
große Unternehmen sowie öffentliche
Aufraggeber, wie Baresel berichtet. Es
geht um Unternehmen zwischen 100 bis
5000 IT-Arbeitsplätze und mit bis zu 5
Milliarden Euro Umsatz im Jahr. den
betreuten Branchen her besteht keine
Abhängigkeit. Die Hälfte macht die pri-
vate Wirtschaft aus. Und je ein Viertel
der öffentliche Bereich und die Banken
und Versicherungen.
Das Unternehmen ist nur in Deutsch-
land aktiv. „Weiße Flecken für Data-
group gibt es in Sachsen und in Thürin-
gen“, sagt Finanzvorstand Oliver
Thome, der zusammen mit Baresel auch
für Zukäufe zuständig ist. Pro Woche
landen zwei bis drei Angebote auf dem
Tisch der beiden Manager. Thome sagt:
„Wir haben für Zukäufe aktuell kurzfris-
tig rund 70 Millionen Euro zur Verfü-
gung.“ Bislang hat Datagroup 30 Unter-
nehmen übernommen. Bei Akquisi-
tionen orientiert sich der Mittelständler
an Unternehmen mit einem Umsatz
zwischen 5 und 50 Millionen Euro.
Nebenbei erleichtert diese Zukauf-
strategie auch den Kampf um Talente.
Gerade im IT-Bereich ist der Wettbe-
werb riesig, gut ausgebildete Informati-
ker können sich die Stelle praktisch aus-
suchen. Übernahmen sind wichtig, weil
sie zugleich auch als Türöffner zu vielen
Mittelstandsunternehmen fungierten,
so das Credo des IT-Spezialisten, der im
abgelaufenen Geschäftsjahr 2021/2022
eine Dividende von 1,10 Euro (Vorjahr:
1,00 Euro) zahlte. Zunächst soll die Prä-
senz der Schwaben in Deutschland noch
weiter ausgebaut werden. Eine Expan-
sion ins deutschsprachige Ausland sei
dennoch denkbar, ergänzt ein Sprecher
auf Nachfrage. OLIVER SCHMALE
M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 2 5
+127%
+63%
+48%
verifizierten „Mogelpackungen“ habe auf, seien inzwischen öfter auch Discoun-
deutlich zugenommen, sagte Armin Valet ter- und Biomarken betroffen. Illegal ist
von der Verbraucherzentrale der F.A.Z. die Praxis der Hersteller in der Regel zwar
Bislang seien es in diesem Jahr 75 Fälle, nicht, wie die Verbraucherschützer her-
im selben Zeitraum des Vorjahres seien es vorheben, aber „äußerst intransparent“.
50 gewesen. Und: Fiel das Phänomen frü- Die Inhaltsänderung werde oft versteckt
her überwiegend bei klassischen Marken oder verschleiert, teils werde sie auch
KI-Briefing
Die wichtigsten
KI-News der Woche
Künstliche Intelligenz verändert die Wirtschaft – aber wie?
Wie können wir mit KI neue Firmen gründen? Und alte neu erfinden?
Wie kann KI uns Arbeit abnehmen? Und gleichzeitig Jobs schaffen?
Und welche Köpfe treiben die Entwicklung?
Diese Fragen beantwortet das neue Handelsblatt KI-Briefing.
Jeden Freitag neu.
Jetzt kostenlos anmelden:
handelsblatt.com/ki-briefing
kommuniziert, aber so, als wäre es ein
Vorteil: „New Size“ heiße es dann oder
„Neue Form für feineren Genuss“.
Auch die amtliche Inflations-Statistik
hat mit diesem Phänomen zu kämpfen. Sie
arbeitet mit unterschiedlichen Verfahren
zur „Bereinigung“, wie das Statistische
Bundesamt in Wiesbaden berichtet:
„Durch die Qualitätsbereinigung wird ge-
währleistet, dass trotz Produktänderungen
bei der Preismessung Gleiches mit Glei-
chem verglichen wird und somit Preisän-
derungen als reine Preisentwicklung inter-
pretiert werden können.“
H
at sich nur die Packungsgröße
verändert, hilft beim Preisver-
gleich schon die Umrechnung
auf eine Standardmenge, etwa
100 Gramm oder 100 Milliliter. Beispiel:
Das Shampoo Garnier „Wahre Schätze“
kostete laut Verbraucherzentrale in der
300-Milliliter-Packung 2,75 Euro, das wa-
ren 0,92 Euro je 100 Milliliter. In der neuen
250-Milliliter-Packung kostet es 2,49 Euro,
das sind knapp 1 Euro je 100 Milliliter.
Macht also eine verdeckte Preiserhöhung
um 8,7 Prozent.
Über ähnliche Preiserhöhungen durch
veränderte Packungsgrößen berichtet die
Stiftung Warentest im „Test“-Heft 9/2023
beispielsweise für „Trolli Glühwürmchen“
um 33 Prozent, für Erdnussflips „Jumbos“
um 28 Prozent, für „Keks Freunde“ um 33
Prozent und für „Oreo“-Eis am Stil um 63
Prozent. Die Verbraucherzentrale Ham-
burg hatte im vergangenen Jahr Valet zufol-
ge eine Margarine-Packung von Rama zur
„Mogelpackung des Jahres“ gekürt und da-
mit viel Aufmerksamkeit bekommen. Sie
monierte: „Im gleich großen Becher sind
seit 2022 nur noch 400 statt 500 Gramm
Aufstrich enthalten – bei identischem Preis
im Handel entspricht das einer versteckten
Preiserhöhung von 25 Prozent.“
Die Gründe, die Unternehmen für die
Umstellungen der Packungsgrößen ange-
ben, sind unterschiedlich. Sie reichen von
eigenen gestiegenen Kosten für Produk-
tion und Rohstoffe über die Anpassung
an Standards bis zu Änderungswünschen
von Kunden („zu voluminös, zu dick“).
Marketingfachmann Christopher Maasz
von der Universität Marburg erwähnt
einen anderen aus seiner Sicht nahelie-
genden Grund: Unternehmen könnten
über die Veränderung von Packungsgrö-
ßen indirekt Preise erhöhen, ohne über
bestimmte Preisschwellen wie beispiels-
weise 1,99 Euro zu kommen, auf deren
Überschreiten Verbraucher gemeinhin
mit stärkerer Zurückhaltung reagierten.
SE I TE 2 6 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201 Fonds FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG

ANZEIGE Tä gliche Veröffentlichung der Anteilspreise von Qualitä tsfonds - mitgeteilt von Infront Financial Technolog y GmbH

Name Whrg. Ausg./Rückn. Perf. UniNachh AkEu A €* 66,61 / 63,44 –2,65 Catella Mod Wohnen € 10,12 / 10,12 –1,65 Multizins-INVEST € 24,19 / 23,49 –0,38 Deka-PfSel moderat € 94,92 / 93,06 –1,41 Fonds Direkt Sicav Metzler Asset Management GmbH Union Investment Real Estate
Stand: 29.08.2023 1 Monat Catella Nachh Immo € 11,68 / 11,34 –0,18 NachSeAkReEdTF € 42,23 / 42,23 –4,52 DekaStruk.5Chance € 185,55 / 181,91 –2,26
UniNachh AkEu netA €* 53,26 / 53,26 –2,67 Skyline Dynamik € 200,79 / 200,79 –6,42 RWS-DYNAMIK A €* 34,25 / 32,62 –1,67 UniImmo:Dt. €* 99,92 / 95,16 0,27
*Preise vom Vortag / letzt verfügbar
UniNachh Akt Glob €* 130,74 / 130,74 –1,34 Catella Parken Eur €* 11,29 / 10,75 –0,09 Naspa-Fonds € 38,10 / 37,17 –1,06 DekaStruk.5Chance+ € 294,70 / 288,92 –3,51 RWS-ERTRAG A €* 14,81 / 14,38 –0,42 UniImmo:Europa €* 57,33 / 54,60 0,17
UniNachh AktDeu nA €* 84,71 / 84,71 –3,18 Catella Wohnen Eur € 10,90 / 10,90 –0,18 RenditDeka € 21,63 / 21,00 –0,66 DekaStruk.5Ertrag+ € 91,23 / 89,44 –1,32 UniImmo:Global €* 51,25 / 48,81 0,27
UniNachh AktDeut A €* 229,88 / 218,93 –3,16 Focus HealthCare €* 7,96 / 7,96 0,51 RenditDeka TF € 27,13 / 27,13 –0,66 DekaStruk.5Wachst. € 96,06 / 94,18 –1,76
UniNachhaltig A Gl €* 152,36 / 145,10 –1,31 FocusNordicCities € 0,21 / 0,21 0,00 RentenStratGl TF € 73,93 / 73,93 –0,90 Hamb Stiftung D € 936,95 / 918,58 –0,76 www.kanam-grund.de
Nachhaltigkeits-Fonds (ESG) UniRak Na.Kon. A €* 103,03 / 101,01 –1,09 Immo-Spez-Süddeut. €* 14,48 / 14,48 –0,82 RentenStratGlob CF € 76,74 / 74,50 –0,87 Hamb Stiftung I € 850,72 / 834,04 –0,76 info@kanam-grund.de I Tel. 069-7104110 Universal Investment
UniRak Nach.K-net- €* 100,12 / 100,12 –1,12 Multiten. Stiftung €* 13,89 / 13,23 0,23 RentenStratGlob PB € 76,01 / 74,52 –0,87 Hamb Stiftung P € 84,97 / 81,70 –0,78 Leading Cities € 110,56 / 104,80 0,21 Degussa Univ.Rent €* 48,56 / 47,61 –0,21
UniRak Nachh.A net €* 85,31 / 85,31 –1,66 PaRhei Dutch Resid €* 13,53 / 13,53 0,07 Rntfds RheinEdit € 28,79 / 27,78 –0,18 Hamb Stiftung T € 111,20 / 106,92 –0,79 www.franklintempleton.de I info@franklin-
UniRak NachhaltigA €* 91,02 / 88,37 –1,64 Sar Sust Prop-EuCi €* 1301 / 1301 0,04 Rntfds RheinEdit oA € 28,45 / 28,45 –0,28 Haspa TrendKonz P € 88,11 / 84,72 –0,21 LiLux Convert €* 245,42 / 238,27 –1,41
templeton.de I Tel. 0800 / 073 80 02 LiLux-Rent €* 221,41 / 214,96 –0,44
UniZukunft Klima A €* 43,66 / 42,80 –1,21 Wirtsch.-reg SüdDE €* 12,83 / 12,22 0,33 Technologie CF € 69,85 / 67,33 –2,24 Haspa TrendKonz V € 94,26 / 90,63 –0,18 FRK FTSE China $* / 21,76 –4,93
Universal-Investment-Luxembourg S.A.
UniZukunft Kli-neA €* 43,45 / 43,45 –1,21 Technologie TF € 53,49 / 53,49 –2,28 LBBW Bal. CR 20 € 43,06 / 42,22 –0,87 CondorBalance-UI €* 94,15 / 89,67 –1,99
FRK Gl.Fd.Stra.A d €* 10,91 / 10,34 –1,72
UmweltInvest CF € 197,48 / 190,34 –6,37 LBBW Bal. CR 40 € 50,05 / 49,07 –1,49 CondorChance-UI €* 96,90 / 92,29 –2,55
Commerz Real FRK India Fd. A d €* 94,81 / 89,83 1,74 ODDO BHF Asset Management
UmweltInvest TF € 169,23 / 169,23 –6,43 LBBW Bal. CR 75 € 65,71 / 64,42 –2,76 CondorTrends-UI €* 100,09 / 95,32 –4,81
info@arete-ethik.ch; www.arete-ethik.ch Weltzins-Invest P € 19,71 / 19,14 –0,31 FRK Innovation A d €* / 14,54 –2,30 Legg Mason Dublin Funds Basis-Fonds I Nach €* 140,12 / 140,12 0,12
hausInvest € 45,68 / 43,50 0,12 Priv BaPrem Chance € 163,88 / 154,60 –1,68
PRIME VAL Growth A € 142,45 / 135,66 –2,21 FRK S&P Par AlClim $* / 35,59 –1,94 Legg Mason Global Funds Plc DC Value One I(t) €* 252,51 / 252,51 –0,30
Priv BaPrem Ertrag € 46,82 / 45,02 0,07
PRIME VAL IncomeA € 127,39 / 123,67 –1,11 Alte Leipziger Trust TEM East.EuropeA a €* 12,77 / 12,10 1,01 BW Gl Def. HY S(IH) €* / 72,65 0,03 DC Value One P(t) €* 232,56 / 221,49 –0,35 Warburg Invest
€uro Short Term € 40,16 / 39,76 0,28 DAVIS FUNDS SICAV Deka Intern. (Lux.) (Deka-Gruppe) TEM Em.Mkts Bd A d €* 2,79 / 2,71 –2,87 BW Gl Fi In Prt €* / 128,55 –3,32 FT EuroGovernm. M €* 50,05 / 48,59 –0,02 DMüller Prem Akt € € 88,28 / 84,88 –0,47
Aktien Deutschland € 118,72 / 113,07 –4,68 Global A $* 47,13 / 44,42 –5,39 1822 Str.Cha.Pl. € 137,74 / 132,44 –3,56 TEM Gb ClimCha A d €* 30,53 / 28,93 –6,56 BW GlFixIn AbRe Ah €* / 89,64 –4,40 Substanz-Fonds €* 1254 / 1217 –1,94
AL Trust €uro Relax € 49,00 / 47,57 –1,02 Value Fund A $* 73,07 / 68,87 –3,80 1822 Str.Chance € 92,01 / 88,90 –2,36 TEM Gl.Bd. A d €* 10,94 / 10,61 –2,12 CB TacDivInc At $* / 146,00 –3,72 Vermögens-Fonds €* 806,86 / 783,36 –1,56
AL Trust Stab. € 61,76 / 59,96 –1,47 1822 Str.Ert.Pl. € 42,38 / 41,35 –1,55 TEM Gr.(Eur) Aa €* 20,56 / 19,48 –1,88 CB US Ag Gr At $* / 212,52 –5,16 W&W Asset Management Dublin
AL Trust Wachst IT € 62,65 / 62,65 –2,05 1822 Str.Wachstum € 48,30 / 46,89 –1,78 CB US Appr At $* / 313,22 –2,39 SouthEast Asian Eq €* / 121,59 –2,81
AL Trust Wachstum € 81,19 / 78,07 –2,12 Berol.Ca.Chance € 64,92 / 63,03 –2,39 www.dje.lu I info@dje.lu CB US Eq Sust.L A(A) $* / 234,59 –5,10 ODDO BHF Asset Management Lux.
www.deka.de I Tel. 069 / 7147-652 Trust €uRen IT € 41,21 / 41,21 –0,58 Berol.Ca.Premium € 82,54 / 79,75 –3,54 Tel. 00352 26925220 CB US LCapGr At $* / 435,23 –4,04 Grand Cru € 172,33 / 170,62 –2,28
DBA ausgewogen € 119,29 / 114,70 –1,19 Trust €uro Renten € 37,82 / 36,72 –0,62 Berol.Ca.Sicherh. € 39,47 / 38,51 –1,51 DJE - Asien PA€ € 168,19 / 160,18 –6,08 Grand Cru (CHF) F 122,67 / 121,46 –2,46
CB Value At $* / 167,69 –4,71
DBA dynamisch € 107,53 / 103,39 –1,50 Trust Akt Europa € 54,57 / 51,97 –4,68 Berol.Ca.Wachst. € 37,53 / 36,53 –2,25 DJE - Concept PA € 128,95 / 122,81 –0,12 F MA EUBal Aa(A) €* / 112,17 0,01 SONSTIGE FINANZPRODUKTE
DBA konservativ € 101,14 / 99,16 –0,28 Trust Chance € 95,38 / 90,84 –2,99 www.deka.de I Tel. 069 / 7147-652 DJE Gold&Stabfd PA F 123,04 / 117,18 –0,61
DekaEuAktSpezAV € 132,61 / 132,61 –2,95 F MA EuCon Aa(A) €* / 104,74 0,44
DBA moderat € 110,05 / 106,84 –0,66 Trust Chance IT € 73,92 / 73,92 –2,89 AriDeka CF € 84,72 / 80,49 –2,57 DJE-Ag&Ernährung PA € 162,55 / 154,81 –2,42 UBS Funds Services Lux S.A.
DekaEuAktSpezCF(A) € 193,90 / 186,89 –2,95 www.hal-privatbank.com F MA EUPrf (A) €* / 120,81 –1,09
DBA offensiv € 224,67 / 213,97 –2,82 Trust Glb Inv IT € 70,81 / 70,81 –4,19 UBS (L) EM Eq P AA $* / 116,11 –5,84 Luxembourg Placement Funds
BasisStrat Flex CF € 107,46 / 103,58 –2,44 Deka-EuropaVal.TF € 56,77 / 56,77 –2,53 DJE-Alpha Glob PA € 295,65 / 284,28 –1,19 ERBA Invest OP € 28,52 / 27,16 –2,98 F MV APexJ EqGIFAt €* / 135,81 –6,27
Deka-BaAZSt off 23 € 104,75 / 102,70 –2,76 Trust Glbl Invest € 112,48 / 107,12 –4,26 Solitär €* 2131 / 2131 –1,63
BasisStrat Re.TF A € 93,91 / 93,91 –0,04 Deka-FlexZins CF € 954,89 / 950,14 0,21 DJE-Div&Sub P € 511,55 / 487,19 –1,80 HAL Europ SmCap Eq € 149,78 / 142,65 –5,62 LM BW GlIncOpt A € €* / 96,26 –2,40 UBS (L) EM Eq P XA $* / 123,72 –5,82
Deka-Nach.E.St CF A € 99,07 / 99,07 –0,28 Trust Stab IT € 54,09 / 54,09 –1,41 Solitär II €* 1506 / 1506 –0,79
BerolinaRent Deka € 37,78 / 36,46 –0,77 Deka-FlexZins PB € 956,78 / 956,78 0,20 DJE-Europa PA € 393,65 / 374,90 –3,24 HAL Global Bnd Opp €* 99,96 / 95,20 –0,45 LM CB Infr Val A€A €* / 14,01 –3,92 UBS (L) GCB AD T2 €* 181,26 / 175,98 –2,40
Deka-Nachh ManSel € 108,95 / 105,01 –2,45
BW Zielfonds 2025 € 40,38 / 39,59 –0,15 Deka-FlexZins TF € 951,57 / 951,57 0,20 DJE-Gold&Ressou PA € 172,20 / 164,00 –5,05 HAL MultiAsset Con € 101,28 / 101,28 –0,77 LM WA Gl HY A Euro €* / 108,91 1,21
Deka-NachhAkt CF € 254,84 / 245,63 –2,93
BW Zielfonds 2030 € 52,01 / 50,99 –0,80 DekaGlobAktLRCF(A) € 230,02 / 221,71 –1,53 DJE-Mittel&Innov PA € 169,06 / 161,01 –4,02 HAL MultiAsset Dyn € 129,81 / 123,63 –1,71 MC As L-T Unc M€da €* / 15,27 3,52
Deka-NachhRent CF A € 119,44 / 116,53 –0,36
Deka-Europ.Bal. CF € 53,94 / 52,37 –1,23 Deka-Indust 4.0 CF € 188,99 / 182,16 –4,60 DJE-Renten Glob PA € 134,25 / 131,62 0,53 Roy.USSCapOp At $* / 279,45 –4,81
Deka-NachStrInv CF € 137,73 / 132,75 –1,94 MB Fd Max Value € 166,65 / 158,71 –4,57
Deka-NachStrInv TF € 128,18 / 128,18 –2,01 MB Fund Flex Plus € 61,69 / 61,08 –0,38 Royce US SmCo At $* / 237,05 –5,04
Nachh Dynamisch CF € 88,13 / 83,93 –2,32 MB Fund Max Global € 111,35 / 106,05 –2,98 WA Asian Op At €* / 217,66 –0,41
Nachh Mlt Asset CF € 100,64 / 97,71 –2,19 www.axxion.lu / info@axxion.lu MB Fund S Plus € 81,06 / 77,20 –4,29 WA ECore+Bd Aa(D) €* / 91,91 –0,49
www.union-investment.de
Nachh Mlt Asset TF € 96,30 / 96,30 –2,23 MAS Val-Priv Inv P €* 372,29 / 354,56 –2,54 PTAM Defensiv P. I € 89,26 / 89,26 –0,69 WA Gl Credit At(H) €* / 106,60 –1,64
Tel. 069 589 98-6060
Nachhltg Gl Champ CF € 130,20 / 125,49 –1,89 Mlt Axx-Europa A €* 346,97 / 330,45 –3,22 DIE BESTEN WERTGESICHERTEN FONDS IM VERGLEICH WA Gl M St Aa(M) H €* / 68,13 –1,85 PrivFd:Kontr. €* 118,94 / 118,94 –1,07
NachSeAkREd CF € 86,23 / 83,11 –4,46
Naspa Na PS-Chance € 60,54 / 58,21 –2,54
Mlt Axx-Europa B €* 159,32 / 151,73 –3,31
Preis Performance in %
WA GlCore+Bd Aa(A) $*
WA Macro OpBd Aa €*
/ 90,46
/ 87,69
–1,48
–0,60
PrivFd:Kontr.pro €* 158,37 / 158,37 –1,76 Weiterführende
Uni21.Jahrh.-net- €* 43,92 / 43,92 –2,50
Naspa Na PS-ChanceP € 122,94 / 117,09 –2,72 Titel ISIN 29.8.’23 1 M. 6 M. 1 J. 3 J. 5 J. Lfd. Kosten % WA Multi-Asset Cr. A €* / 92,66 –1,24 UniDeutschl. XS €* 170,19 / 163,64 –4,36
Fondsinformationen
Naspa Na PS-Ertrag € 42,75 / 41,91 –1,48
Naspa Na PS-Wachst € 41,52 / 40,31 –2,24
Deka Deka GlobalControl LU0324236479 131,57 EUR – 2,79 + 0,05 – 0,59 + 6,92 + 1,96 WWWWW0,93 WA ShD BChip At H €* / 90,16 –0,47 UniEuroAktien €* 88,05 / 83,86 –3,58 finden Sie unter
Deka Deka EuropaGarant LU0508319497 190,14 EUR – 2,77 – 0,72 – 0,42 + 5,63 + 4,05 WWWWWWWWWWW 1,97 WA ShD HI BF AtH €* / 134,78 0,46 UniEuropa-net- €* 85,39 / 85,39 –2,43
Naspa-Ak.Gb NachCF € 85,43 / 82,74 –1,72 WA US Cor+Bd At $* / 142,13 –2,46
Deka Deka: EuroPro 90 II LU0395920373 110,08 EUR + 0,35 + 1,56 + 2,08 + 3,12 + 4,15 WWWW 0,71 Telefon +49 89 287238-0 UniEuroRenta €* 59,39 / 57,66 –0,19
Naspa-Ak.Gb NachTF € 121,35 / 121,35 –1,77 Deka Verm. DBA ausgewogen DE000DK2CFR7 114,70 EUR – 1,19 + 0,50 – 4,52 + 1,32 – 3,47 WWWWWWWW 1,48 WA US CorBd At $* / 127,15 –1,95
www.hellerich.de, info@hellerich.de UniEuroRentaHigh Y €* 31,98 / 31,05 0,26
BNP Paribas Funds Deka Deka:DtlProtSt90II LU0395920456 115,26 EUR – 0,13 + 1,70 + 4,33 + 0,78 + 1,73 WWWW 0,71 WA US Gov.Liq A $* / 114,04 0,42
Aqua €* / 196,19 –3,47 Global Flexibel B € 764,02 / 764,02 –2,47 UniFav.:Akt. -net- €* 128,31 / 128,31 –0,96
Deka Nachh ManSel DE000DK1CJS9 105,01 EUR – 2,45 + 1,01 – 1,71 – 0,50 + 2,50 WWWWWWWWWWWWW 2,27 WA US HY Aa(D) $* / 66,88 –0,35 Unifavorit: Aktien €* 214,33 / 204,12 –0,92
China Equity €* / 148,88 –5,52
Deka Verm. DBA moderat DE000DK2CFQ9 106,84 EUR – 0,66 + 0,58 – 3,66 – 1,12 – 1,25 WWWWWWWW 1,41 Weitere Anteilsklassen und Fonds unter UniFonds €* 55,82 / 53,16 –3,71
Climate Impact €* / 253,09 –5,30
Intl Fund HMI Ertrag+ LU0194942768 35,88 EUR – 0,19 + 1,10 + 1,47 – 1,65 – 5,33 WWWWWWWW 1,34 www.LeggMason.de UniFonds-net- €* 78,29 / 78,29 –3,75
Consumer Inn €* / 281,52 –3,07
Deka DtlPr Strat 90 III LU0569059289 106,93 EUR – 1,05 + 0,98 + 3,80 – 1,78 – 2,18 WWWW 0,71 UniGlobal €* 365,62 / 348,21 –1,55
Disruptive Techno €* / 1914 –2,80
Tel. +41 41 55 20 255, info@ethius-invest.ch,
www.ethius-invest.ch
Energy Transition
Euro Equity
€*
€*
/ 640,40 –18,65
/ 673,11 –4,60
Deka Deka EurProSt 90III LU0656616918 115,33 EUR – 1,22 ± 0,00 – 0,83 – 2,34 – 1,39 WWWW 0,71
LRI Invest S.A.
UniGlobal-net-
UniNordamerika
€* 209,03 / 209,03
€* 545,27 / 519,30
–1,67
–0,43
faz.net/fondsinfo
ETH Global Impact €* 95,89 / 95,89 –4,20 Alle dargestellten Investmentfonds sind Teilnehmer am Funds Service, sortiert nach 3-Jahresperformance, berechnet nach BVI Methode. Lau- www.hwb-fonds.com | info@hwb-fonds.com NW Global Strategy €* 96,15 / 91,57 –1,10 UnionGeldmarktfds €* 47,29 / 47,29 0,32
Euro HY ShortDu Bd €* / 112,35 0,40 fende Kosten % = Anteil der Verwaltungskosten eines Fonds, hoher Prozentsatz = hoher Kostenanteil. Erscheinungstäglich wechselnde Katego-
Health Care Innov €* / 1519 0,69 Tel +49 651 1704 301 | +352 48 30 48 30 UniRak €* 139,76 / 135,69 –1,09 Allgemeine Erläuterungen
rien: Aktien-, Renten-, Geldmarkt-, Misch-, Immobilien- und wertgesicherte Fonds. Keine Anlageberatung und -empfehlung.
SMaRT Food €* / 121,36 –5,90 HWB Alex.Str.Ptf R €* 77,37 / 73,69 –3,12 UniRak Kons.-net-A €* 105,20 / 105,20 –0,86 Investmentfonds nach Kapitalanlagegesetzbuch
Metzler Asset Management GmbH HWB Alex.Str.Ptf V €* 77,40 / 73,71 –3,11 UniRak Konserva A €* 109,25 / 107,11 –0,83 (KAGB)
BNP Paribas Real Estate Whrg.: Währung (A = Australischer Dollar, € = Euro,
RWS-Aktienf.Nachh €* 98,12 / 93,45 –1,34 HWB Europe Pf. €* 4,12 / 3,92 –3,46 UniRak -net- €* 72,61 / 72,61 –1,11
BNP Pa MacStone P € 24,44 / 23,28 –0,77 F = Schweizer Franken, £ = Brit. Pfund, ¥ = Japani-
HWB Inter.Pf. €* 4,36 / 4,15 –3,04 UniRenta €* 16,86 / 16,37 –0,49
INTER ImmoProfil € 59,51 / 56,68 0,39 sche Yen, P = Polnischer Zloty, S = Schwedische
Deka-Europ.Bal. TF € 103,53 / 103,53 –1,40 Deka-Indust 4.0 TF € 173,76 / 173,76 –4,65 DJE-Sht Term Bd PA € 109,08 / 108,00 0,22 HWB Pf. Plus CHF F* 63,02 / 60,02 –3,15 UniStrat: Ausgew. €* 69,15 / 67,14 –1,51 Krone, $ = US-Dollar).
ODDO BHF Asset Management www.meag.com UniStrat: Konserv. €* 68,68 / 66,68 –1,08
Deka-Europa Akt Str € 84,77 / 80,73 –2,20 Deka-Mul Asset Ert € 92,03 / 91,12 –0,13 DJE-Zins&Divid PA € 161,53 / 155,32 –0,50 HWB Pf. Plus R €* 102,45 / 97,57 –3,16 Ausg.: Ausgabepreis eines Fondsanteils zum ange-
Exk:PolarisBal DRw € 85,08 / 82,60 –1,15 privatanleger@meag.com
DekaFonds CF € 124,49 / 118,27 –3,36 HMI Chance € 74,93 / 72,75 –2,48 HWB Pf. Plus V €* 102,46 / 97,58 –3,17 gebenen Tag.
Exk:PolsDyn DRw € 102,21 / 99,23 –2,41 FMM-Fonds € 644,93 / 614,22 –0,63 Dividende A €* 60,61 / 57,72 –2,34
DekaFonds TF € 286,91 / 286,91 –3,43 HMI Chance+ € 79,89 / 77,19 –2,19 Rückn.: Rücknahmepreis eines Fondsanteils zum an-
HWB Vict.Str.Pf. R €* 1256 / 1196 –3,15 EM Rent Nachh. €* 42,43 / 40,80 –0,80
Polaris Flexi DRw € 90,47 / 86,16 –1,31 Union Investment Luxemburg gegebenen Tag.
Deka-Global Bal CF € 102,42 / 99,44 –1,15 HMI Ertrag+ € 36,60 / 35,88 –0,19 HWB Vict.Str.Pf. V €* 1257 / 1197 –3,15
Polaris Mod DRw €* 71,48 / 69,40 –0,80 ERGO Vermög Ausgew€* 54,08 / 51,75 –1,81 PrivFd:Konseq.pro €* 101,97 / 101,97 –0,84 NAV.: Nettoinventarwert.
Deka-Global Bal TF € 97,17 / 97,17 –1,18 HMI Wachstum € 40,88 / 39,88 –1,05 DWS Offene Immobilienfonds HWB Wdelan + R €* 47,54 / 46,16 –0,92
PB Balanced € 55,09 / 52,47 –1,08 ERGO Vermög Flexi €* 56,73 / 54,03 –2,18 UniAsia Pac.net €* 127,36 / 127,36 –5,01 Perf.: Performance auf Basis der letzten verfügbaren
Deka-MegaTrends CF € 130,46 / 125,74 –2,38 Köln Str.Chance € 66,10 / 64,80 –2,43 HWB Wdelan + V €* 47,86 / 46,47 –0,92 NAVs (Nettoinventarwerte). Berechnung nach BVI-
PB Europa €* 53,01 / 50,49 –2,34 grundb. europa IC: € 41,55 / 39,57 0,05 ERGO Vermög Robust €* 48,18 / 46,33 –0,86 UniAsia Pacific A €* 129,96 / 124,96 –4,97
Deka-Na.Div Str CF € 124,56 / 120,06 –2,26 Köln Str.Ertrag € 40,19 / 39,40 –1,40 Methode.
PB Eurorent €* 50,15 / 48,69 –0,08 grundb. europa RC € 41,40 / 39,43 0,00 EuroBalance €* 60,22 / 57,90 –2,19 UniAusschü. net- A €* 46,12 / 46,12 –1,35
Deka-Nach Div RhEd € 102,27 / 98,57 –3,14 Köln Str.Wachstum € 39,40 / 38,63 –1,83 * Fondspreise etc. vom Vortag oder letzt verfügbar.
PB Megatrend € 183,07 / 174,35 –3,84 grundb. Fok Deu RC € 56,43 / 53,74 0,11 EuroErtrag €* 65,42 / 63,21 –0,09 UniAusschüttung A €* 47,11 / 45,74 –1,31
Deka-Sachwer. CF € 110,21 / 107,00 –0,53 KölnStr.Chance+ € 58,05 / 56,91 –3,76 IFM Independent Fund Management AG Ausgabe / Rücknahmepreise werden bei mehr als vier
PB Triselect € 49,09 / 46,75 –0,04 EuroFlex €* 40,98 / 40,57 0,35 UniDividAss net A €* 57,25 / 57,25 –4,47 Vorkomma- ohne Nachkommastellen abgebildet.
Deka-Sachwer. TF € 104,25 / 104,25 –0,56 UnterStrat Eu CF € 168,06 / 161,99 –3,84 grundb. Fokus D IC: € 56,87 / 54,16 0,15
ACATIS FV Akt.Gl. €* 252,83 / 240,79 –1,78 EuroInvest A €* 96,38 / 91,79 –1,79 UniDividendenAss A €* 60,62 / 58,29 –4,42 Alle Angaben ohne Gewähr, keine Anlageberatung und
www.oekoworld.de DekaSpezial CF € 536,92 / 517,51 –2,10 grundb. global IC: € 54,50 / 51,90 0,19
DekaTresor € 85,02 / 82,95 –0,01 EuroKapital €* 52,78 / 50,27 –2,36 UniDyn.Europa A €* 136,31 / 131,07 –1,16 -empfehlung.
Growing Mkts 2.0 € 229,92 / 218,97 –3,97 C&P Funds (Creutz & Partners) grundb. global RC € 54,13 / 51,55 0,14
Div.Strateg.CF A € 189,57 / 182,72 –1,80 Deka Immobilien Investment EuroRent A €* 27,00 / 26,09 0,00 UniDynamic Gl. A €* 104,75 / 100,72 –1,73
Klima € 98,82 / 94,11 –6,55 C&P Funds ClassiX €* 86,80 / 86,80 –1,16 INKA Intern. Kapitalanlagegesellschaft FairReturn A €* 52,80 / 51,26 –0,12
DivStrategieEur CF € 104,67 / 100,89 –2,50 Deka Immob Europa € 50,49 / 47,97 0,06 UniEMGlobal €* 83,42 / 79,45 –4,51
Öko Rock‘n‘Roll € 144,11 / 137,25 –2,93 C&P Funds QuantiX €* 147,64 / 147,64 –2,98
Euro Potential CF € 151,05 / 145,59 –6,25 Deka Immob Global € 58,19 / 55,28 0,09 HiYld Spez INKA €* 9524 / 9071 –0,51 GlobalAktien €* 52,76 / 50,25 –1,09 UniEurKap Corp-A €* 35,21 / 34,52 0,23
ÖkoVision Classic € 203,14 / 193,47 –4,73
EuropaBond CF € 92,32 / 89,63 –1,53 Deka-Immo Nordam $ 57,28 / 55,21 0,31 StSk. Dü. Abs. Ret. €* 106,67 / 101,59 –0,78 GlobalBalance DF €* 68,33 / 65,70 –1,55 UniEurKap.Co.net A €* 35,01 / 35,01 0,20
Water For Life C € 192,48 / 183,31 –3,71
EuropaBond TF € 32,58 / 32,58 –1,57 Deka-ImmoMetropol € 54,62 / 51,89 0,08 GlobalChance DF €* 75,88 / 72,27 –2,95 UniEuropa €* 2705 / 2576 –2,32
Frankf.Sparinrent € 50,22 / 49,72 –0,08 WestInv. InterSel. € 50,42 / 47,90 0,34 Nachhaltigkeit A €* 143,36 / 136,53 –0,93 UniGlobal Div A €* 126,72 / 120,69 –1,28
Frankf.Sparinvest € 160,70 / 153,05 –3,84 ProInvest €* 205,65 / 195,86 –3,62 UniGlobal Div-netA €* 118,44 / 118,44 –1,31
www.flossbachvonstorch.de
GlobalChampions CF € 293,79 / 283,17 –1,74 VermAnlage Komfort €* 59,71 / 57,69 –2,11 UniIndustrie 4.0A €* 72,98 / 70,17 –1,26
Deka-Vermögensmanagement GmbH Tel. +49 221 33 88 290 VermAnlage Ret A €* 71,68 / 68,92 –3,43
Cat Dutch Resid II €* 10,77 / 10,77 0,19 GlobalChampions TF € 254,95 / 254,95 –1,80 UniOpti4 €* 96,45 / 96,45 0,31 +49 69 26095760
Mainfr. Strategiekonz. € 173,65 / 173,65 –2,13 MuAsset-Balanced R € 165,62 / 157,73 –0,89 UniSec. BioPha. €* 173,74 / 167,06 0,79
Cat.Scandia Chance €* 13,98 / 13,98 2,12 Deka-BaAZSt off 25 € 103,52 / 101,49 –1,40 fundsservice@infrontfinance.com
www.union-investment.de Catella Bavaria € 10,84 / 10,32 –2,82 Mainfr. Wertkonz. ausg € 95,62 / 95,62 –0,33 Deka-PB Wert 4y € 104,11 / 101,57 0,21 MuAsset-DefensiveR € 132,72 / 128,85 –0,60 www.ipconcept.com I Die Fonds-Designer UniSec. High Tech. €* 192,76 / 185,35 –2,80 Infront publiziert die Fondsdaten im
Tel. 069 589 98-6060 Catella European R € 15,66 / 15,66 –0,38 Multi Asset In.CFA € 84,14 / 81,69 –1,12 Deka-PfSel ausgew € 103,59 / 100,57 –2,03 MuAsset-Growth R € 194,95 / 185,67 –1,13 ME Fonds PERGAMONF€ 835,82 / 796,02 –4,59 Meridio Funds UniStruktur €* 106,54 / 103,44 –1,15 Auftrag der Fondsgesellschaften als
PrivatFonds: Nachh €* 50,11 / 50,11 –1,96 Catella MAX € 24,41 / 23,25 –2,43 Multirent-Invest € 29,85 / 28,98 –0,24 Deka-PfSel dynam € 116,57 / 113,17 –2,31 Multiple Opp R € 304,73 / 290,22 –1,36 ME Fonds Special V € 3390 / 3229 –3,49 Green Balance P € 150,48 / 143,31 –1,36 UniVa. Global A €* 150,21 / 144,43 –2,35 besonderen Service für deren Anleger.

Nehmen Sie sich die Freiheit: Ihre Vorteile

6 Wochen F.A.Z. lesen für nur 20 €.

Von Montag bis Samstag
erstklassig informiert
Hintergründe und Analysen zum
aktuellen Weltgeschehen
Erleben Sie Freiheit im Denken und auf der Straße. Mit der Frankfurter Allgemeinen Angebot sowohl gedruckt als
Zeitung erhalten Sie eine unabhängige Berichterstattung zum Geschehen in auch digital erhältlich

Deutschland und der Welt und gewinnen mit etwas Glück ein ViveLaCar Auto-Abo. Automatische Gewinnchance

Ihre Gewinnchance

Auto-Abos im Wert von Gewinnen Sie ein ViveLaCar Auto-Abo

45.000 € gewinnen im Wert von 25.000 € als Hauptpreis
oder eines im Wert von 10.000 € als
zweiten und dritten Preis. Mit dieser
flexiblen, unkomplizierten und günstigen
Alternative zum Auto-Leasing können
Sie Ihr Wunschauto genießen. Das
Fintech-Unternehmen aus Stuttgart
bietet Ihnen Autos unterschiedlicher
Anbieter im Abonnement an – Modell-
wechsel und Nebenkosten inklusive.
PR23043

Jetzt Angebot sichern:

(069) 75 91-33 59
faz.net/faz-gewinnen
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG Sport M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE 2 7

Zverev ohne
Turbulenzen
Souveräner Sieg zum
Auftakt der US Open
kle. NEW YORK. Court 17 ist nichts für
schwache Nerven. Von allen Tennisplät-
zen der Anlage im New Yorker Stadtteil
Queens ist er der Startbahn des Flugha-
fens LaGuardia am nächsten gelegen. Al-
le paar Minuten donnert ein Flugzeug
über das viertgrößte Stadion der US
Open, was zartere Spielergemüter durch-
aus auf die Palme bringen könnte. Dazu
kommt der Geruch von Marihuana, das
viele Leute um die Arena herum konsu-
mieren. Unter diesen Umständen kommt
es sehr gelegen, wenn der Gegner unten
auf dem Platz die Arbeit nicht zusätzlich
über Gebühr erschwert. Alexander Zve-
rev hatte am Dienstagmittag New Yorker
Ortszeit das Losglück, dass Alexander
Vukic auf jenem Court 17 ein sehr ange-
„Winning ugly“: nehmer Gegner war zum Start in das
Coco Gauff lernt schnell dazu. vierte und letzte Grand-Slam-Turnier des
Jahres. Der Australier offenbarte zwar
Foto EPA
einen ordentlichen Doppel-Wumms bei
Aufschlag und Vorhand sowie ein paar
nette Spielzüge. Aber weil Zverev solider
spielte und weitgehend die innere Ruhe
bewahrte, sicherte er sich den Einzug in

Schlammschlacht die zweite Runde. 6:4, 6:4, 6:4 siegte der

Hamburger gegen Vukic, der in der Welt-
rangliste auf Position 50 steht und damit
38 Plätze hinter ihm. „Für eine erste Run-
de war es sehr gut und souverän“, sagte

in der Nacht Zverev, der sich früher oft schwertat beim

Start in ein großes Turnier.
In seinem ersten US-Open-Match seit
zwei Jahren geriet der Favorit nur in den
ersten Spielen ein wenig ins Straucheln.
Laura Siegemund liefert sich bei den Er ließ sich vom Australier hinter die
Grundlinie zurückdrängen und das eine
US Open ein packendes Duell mit oder andere Mal ausspielen. Weil er zu-
dem seine Vorhand anfangs schludrig
Mitfavoritin Coco Gauff. Doch ihr Streit spielte, schrie Zverev mal kurz auf. Dass
ihm unmittelbar danach das erste Break
mit Publikum, Schiedsrichterin und gelang, hatte er vor allem Vukics Fehlern
zu verdanken. Es genügte, um sich den
Gegnerin überlagert das Geschehen ersten Durchgang zu sichern.
Und so setzte sich das Spiel im zweiten
auf dem Platz. Satz fort, den er ebenfalls gewann, indem
er dem US-Open-Debütanten einmal den
Aufschlag abnahm. Im dritten Durch-
Von Thomas Klemm, New York gang benötigte Zverev zwei solcher
Breaks, weil er sich mal wieder selbst
einen Aussetzer gönnte. Der Schaden
war schnell behoben, nach 2:09 Stunden
Spielzeit hatte Zverev seinen Job erledigt
Unverständnis auf – mit seinem 13. Ass. Danach konnte er
beiden Seiten: in Ruhe abwarten, wer sein Gegner in der
Die Schiedsrichterin kanzelt zweiten Runde würde. Das Ergebnis: Er

A
n dieser Stelle hätte die Ge-
schichte eines hochklassi-
gen Tennismatches erzählt
werden können. Eines
Spiels über drei Sätze und
fast drei Stunden voller spektakulärer
Schläge, höchst intensiver Ballwechsel,
spielerischer Tricks und Kniffe, Drehun-
gen und Wendungen inklusive eines ver-
rückten Aufschlagspiels, das sich über sa-
ge und schreibe 30 Ballwechsel hinzog
und mit 26 Minuten so lang war wie in
manch anderem Match ein ganzer Satz.
Was aber letztlich blieb von der ersten
Night Session der US Open 2023 im größ-
ten Tennisstadion der Welt, war eine
Schlammschlacht sondergleichen.
Im Mittelpunkt der langen Nacht der
Messer stand eine Deutsche: Laura Sie-
gemund, 35 Jahre alt, hatte sich während
ihres Erstrundenduells mit der Amerika-
nerin Coco Gauff am späten Montag-
abend im Arthur Ashe Stadium immer
wieder kleine Verschnaufpausen ge-
gönnt, mit denen sie alle gegen sich auf-
brachte: erst das amerikanische Publi-
kum, das ihr Verhalten als
ungebührliche Spielverzögerung werte-
te, auf Siegemund pfiff und ihre Fehler
beklatschte; dann die Schiedsrichterin,
die die Beschwerden der Deutschen über
die Zuschauer abkanzelte und ihr statt-
dessen eine Strafe wegen Überschrei-
tung des 25-Sekunden-Limits vor dem
Aufschlag aufbrummte; und zuletzt die
Weltranglistensechste Gauff, die ihrer
Gegnerin am Ende der Tennisnacht
schnippisch hinterherrief, sie solle doch
bitte schön die Regeln beachten und sich
an die vorgegebenen Pausen halten.
„Ausdauer ist ein Teil des Tennis. Ich ge-
he vier Stunden ins Fitnessstudio, mache
Läufe und bringe meinen Kreislauf auf
Hochtouren. Wenn ich mich auf solche
Momente vorbereite, dann sollte sie ge-
nauso darauf eingestellt sein.“ Siege-
mund hätte sich aber selbst nach kurzen
Ballwechseln ausgeruht. Wenn sie nicht
mit dem früheren US-Präsidenten Ba-
rack Obama und seiner Frau Michelle
nach dem Match ein nettes Pläuschchen
gehalten hätte, würde sie noch ganz an-
dere Dinge von sich geben, sagte die 19-
Jährige: „Aber so bin ich ein wenig
freundlicher gesinnt.“
Laura Siegemund machte aus ihrem
Herzen noch weniger eine Mördergrube,
sie schien nur auf Fragen zu Krach und
Krawall in der Arena gewartet zu haben,
als sie sich um Mitternacht den Medien
stellte. Ihre Publikumsbeschimpfung kam
aus gebrochenem Herzen: „Sie hatten
keinen Respekt für mich, sie hatten kei-
nen Respekt für gutes Tennis, das tut sehr
weh“, wetterte die Filderstädterin nach
ihrer 6:3, 2:6, 4:6-Niederlage über die Zu-
schauer. Ein derartig unfaires Verhalten
hätte sie bisher nur im Arthur Ashe Sta-
dium erlebt, sonst nirgendwo. Kurz nach
ihrer Wutrede schossen Siegemund Trä-
nen in die Augen, ihr brach die Stimme.
Nun ist es alles andere als eine Über-
raschung, dass die Zuschauer beim New
Yorker Grand-Slam-Turnier auf jeden
pfeifen, der nicht die amerikanische
Staatsbürgerschaft besitzt und gegen
einen US-Profi spielt. Das ist zum einen
dem Patriotismus geschuldet, zum ande-
ren gehört es einfach zum Spektakel in
der Stadt, die angeblich niemals schläft.
Dieses Drumherum strapaziert die Ner-
ven vieler Tennisprofis, die sich mehr
auf ihren Sport als auf eine grelle Show
konzentrieren wollen. Ob Siegemund,
die bei diesen US Open noch fürs Dop-
pel und Mixed gemeldet hat, sich das Bo-
hei im nächsten Jahr wieder antun will,
ließ sie offen. „Ich komme jedenfalls
nicht zurück, um den Leuten eine Show
zu bieten.“
Jedoch hat die Schwäbin selbst mit
dem Feuer gespielt. Tatsächlich nimmt
sie sich nach aufreibenden Ballwechsel
viel Zeit, um zu ihrem Handtuch zu ge-
hen und ihre Routinen zu pflegen. Sie
sei halt nicht mehr die Jüngste, schwitze
stark und schaffe es binnen weniger Se-
kunden nicht zum Handtuch am Spiel-
feldrand, sagte die auf Platz 121. der
Weltrangliste abgerutschte Siegemund
zur Begründung. Daraufhin hätte die
Schiedsrichterin „nur gelacht“. Besser
als mit dieser Reaktion konnte die Deut-
sche mit den zwei Verwarnungen wegen
Zeitüberschreitung leben, die zu einem
Punktabzug führten.
Gauff beobachtete die Scharmützel
so lange mit äußerer Gelassenheit, bis
ihr Trainerteam um Brad Gilbert ihr
von der Tribüne zuraunte, sie solle jetzt
gefälligst einschreiten und die Schieds-
richterin zum Durchgreifen animieren.
Die Weltranglistensechste, allmählich
selbst zunehmend verärgert, tat wie ihr
geheißen. „So viele Regeldiskussionen
wie heute habe ich noch nie erlebt“, äu-
ßerte Gauff ihr Unverständnis über
Schiedsrichterin und Gegnerin. Sie sei
keine schnelle Aufschlägerin, die ihrer
Gegnerin die Zeit zur Konzentration
Siegemunds Beschwerden
über die Zuschauer ab.
Foto AP
nehme, sondern verhalte sich wie ein
gewöhnlicher Profi: Bälle entgegenneh-
men, zwei auswählen, sie vor dem Ser-
vice ein paarmal auftippen lassen, erst
dann lege sie los.
Dass der frühere Tennisprofi Gilbert
sie in den ersten Wochen ihrer Zusam-
menarbeit gut beraten hat, ist offen-
sichtlich. Gauff gewann zuletzt zwölf
von dreizehn Matches und damit zwei
Turniere und gehört bei den US Open
zu den Mitfavoritinnen. Dass sie für
ihren Auftaktsieg gegen Siegemund
keinen Schönheitspreis erhalten würde,
war ihr herzlich egal. „Ja, ich habe defi-
nitiv hässlich gewonnen.“ „Winning
ugly“, so heißt auch das wegweisende
Lehrbuch, das ihr neuer Mitstreiter Gil-
bert vor dreißig Jahren veröffentlicht
hat. Coco Gauff hat ihre Lektion
schnell kapiert. Das New Yorker Publi-
kum, sofern es das Buch überhaupt
gelesen hat, muss etwas missverstan-
den haben.
trifft in einem deutschen Duell auf Da-
niel Altmaier, der den Franzosen Cons-
tant Lestienne nach anfänglichen Proble-
men klar mit 6:7 (5:7), 6:3, 6:1, 6:2
bezwang.
Vor Zverev hatte Tamara Korpatsch als
erste Deutsche die zweite Runde erreicht.
Die 28 Jahre alte Hamburgerin besiegte
zum Auftakt die Rumänin Irina-Camelia
Begu 6:3, 6:2. „Ich habe heute frei durch-
gespielt“, sagte die 28-Jährige.
In Kürze
Bauer beendet Karriere
Stabhochspringerin Katharina Bauer
wird Anfang September ihre Karriere
beenden. Die 33-Jährige sprang seit
2018 wegen einer Herzerkrankung mit
einem Defibrillator. Damit erreichte sie
die Hallen-EM 2019 und die Weltmeis-
terschaft im selben Jahr. „Das sind quasi
meine Medaillen“, sagte die Team-Euro-
pameisterin von 2014, deren größter
sportlicher Einzel-Sieg der bei der deut-
schen Hallen-Meisterschaft 2018 war –
kurz nach der ersten Herz-OP und weni-
ge Monate bevor der Defibrillator einge-
setzt wurde. dpa

Sabotage bei Schläge gegen den Kopf Keine Dopingmittel gefunden

der Vuelta?
dpa. LEIDA. Die spanische Polizei
hat offenbar einen Sabotage-Akt bei
der Spanien-Rundfahrt verhindert.
Nach Angaben der Behörden wurden
Pläne vereitelt, das Radrennen mit Öl
auf der Fahrbahn auf dem Streckenab-
schnitt durch Katalonien zu sabotie-
ren. Beamte hätten vier Personen fest-
genommen, als sie am Samstag
oberhalb eines Streckenabschnitts
zwei große Fässer mit insgesamt rund
400 Litern einer ölähnlichen Substanz
platziert hätten, stand in einer Mittei-
lung vom Dienstag. Es wurde nicht
ausgeschlossen, dass es sich um An-
hänger der katalanischen Separatis-
tenbewegung handelt. Den Verdächti-
gen werde Mitgliedschaft in einer
kriminellen Vereinigung, Gefährdung
der öffentlichen Ordnung, der Sicher-
heit des Straßenverkehrs und der Um-
welt vorgeworfen. Die mit Sträuchern
getarnten Fässer seien in der Region
von Solsonès, auf halbem Weg von
Barcelona nach Andorra, mit einem
Schlauch verbunden gewesen, durch
den das Öl auf die Fahrbahn geleitet
werden sollte. Die Auslösung habe
mithilfe eines elektrisch gesteuerten
Ventils erfolgen sollen, das mit einer
Zeitschaltuhr verbunden gewesen sei.
Die drittgrößte Rundfahrt der Welt
passierte die Stelle am Montag auf der
dritten Etappe. Die erste Sprintan-
kunft gewann am Dienstag in Tarra-
gona der Australier Kaden Groves.
Eine Studie legt nahe, wie stark junge Sportler vom Risiko betroffen sein können, Gehirnschäden zu erleiden
NEW YORK. Die Erkrankung mit dem
langen Namen galt bislang als klassisches
Leiden ehemaliger Athleten fortgeschrit-
tenen Alters, die ihre Körper in harten
Sportarten verschlissen hatten. Sie wird
chronisch-traumatische Enzephalopathie
genannt, abgekürzt CTE. Der Sammelbe-
griff für pathologische Veränderungen,
die die Gehirne von Sportlern im Box-
ring oder auf dem Rasen erleiden. Sie be-
treffen vor allem die sogenannte „weiße
Substanz“: die Leitungsbahnen des zen-
tralen Nervensystems.
Das Symptombild ist umfangreich und
hinreichend dokumentiert. Es reicht von
Demenz über Alzheimer und Depression
bis hin zum Selbstmord. Das Problem: Mit
Gewissheit lässt sich CTE erst anhand
von Laboruntersuchungen an den Gehir-
nen Verstorbener feststellen. Die Tomo-
graphie-Technik der Radiologen kann bei
der Diagnostik nichts ausrichten.
Wie stark bereits junge Menschen ge-
fährdet sind, legt eine soeben in der ame-
rikanischen Fachzeitschrift „JAMA Neu-
rology“ veröffentlichte Studie nahe. Sie
basiert auf der Arbeit am CTE Center der
Boston University, die eine Gehirnbank
unterhält. Untersuchungen an 152 Gehir-
nen toter Sportler in der Altersgruppe
unter 30 – die Mehrheit hatte an der
Highschool und am College Football ge-
spielt – ergab, dass 41,4 Prozent die für
CTE typischen Veränderungen aufwie-
sen. Von den untersuchten Gehirnen von
Fußballspielern wurden bei 17,4 Prozent
degenerative Veränderungen dokumen-
tiert. Darunter befand sich auch das einer
28-jährigen Frau, die 18 Jahre lang Fuß-
ball gespielt hatte. Am intensivsten in
ihrer Zeit in der obersten Leistungskate-
gorie, genannt Division 1, am College. Sie
hatte sich das Leben genommen und ist
die erste Frau in der Geschichte der Medi-
zin mit einem CTE-Befund.
Den auffällig hohen Anteil an nach-
weisbaren Fällen findet Dr. Ann McKee,
Hauptautorin der Studie, Direktorin des
Center und seit Jahren eine der treibenden
„Guardian Caps“: Erhöhter Schutz im Footballtraining
Kräfte in der Erforschung des Krankheits-
bildes, bemerkenswert. Denn ähnliche
Studien mit Blick auf die Allgemeinbevöl-
kerung legen nahe, dass die Zahl der Er-
krankungen bei unter einem Prozent liegt.
Allerdings sind auch die jüngsten
Untersuchungsergebnisse nicht in der La-
ge, einen unmittelbaren kausalen Zusam-
menhang zwischen den Risiken in Sport-
arten, in denen Schläge und Stöße gegen
den Kopf und Gehirnerschütterungen an
der Tagesordnung sind, und den Lang-
zeitschäden herzustellen. Die Korrelation
zeige jedoch, wie wichtig es sei, „die
Foto Picture Alliance
Symptome und das klinische Erschei-
nungsbild von CTE bei lebenden Sport-
lern zu untersuchen, die wiederholt Kopf-
verletzungen erlitten haben“. Das sagt Dr.
Nsini Umoh vom National Institute of
Neurological Disorders and Stroke in Be-
thesda, welches die Studie finanziell
unterstützt hatte. Zur Forschungsarbeit
gehört nach Meinung der Neurowissen-
schaftlerin auch die Untersuchung von
jungen Gehirnspenden, die keine Kon-
taktsportarten betrieben haben.
Dr. McKee und ihre Kollegen in Boston
hatten zuletzt einen Ratgeber zusammen-
gestellt, der Sportverbände und Ligen da-
bei unterstützen soll, Regeln und Hand-
lungsanweisungen über den Umgang mit
den Risiken zu entwickeln. Ein Informa-
tionskompendium, das über inzwischen
gebräuchliche Vorsorgemaßnahmen bei
Gehirnerschütterungen hinausgeht. So
werden in Deutschland im Jahr im Sport
mehr als 40.000 Gehirnerschütterungen
diagnostiziert. Die Dunkelziffer liegt
nach Expertenschätzungen weit darüber.
Das Papier entstand in Zusammen-
arbeit zwischen der Concussion Legacy
Foundation und den Experten an der
Boston University. Es enthält die Forde-
rung, alle gefährlichen Sportarten zu mo-
difizieren, um die Zahl der Schläge gegen
den Kopf und deren Intensität zu reduzie-
ren. Denn: „Es gibt für CTE keine Hei-
lung.“ Und auch keine Therapie, um die
Erkrankung zu stoppen. JÜRGEN KALWA
Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat wäh-
rend der Hausdurchsuchung beim deut-
schen Radprofi Michael Heßmann keine
im Sport verbotenen Substanzen ent-
deckt. Das bestätigte die Behörde der
Deutschen Presse-Agentur. Nach einem
positiven Doping-Test bei Heßmann auf
ein Diuretikum hatte die Behörde laut
eigener Angabe „Datenträger sicherge-
stellt. Dopingmittel wurden nicht aufge-
funden. Die sichergestellten Datenträger
werden derzeit ausgewertet.“ Heßmann
fährt für das niederländische Jumbo-Vis-
ma-Team. Er war am 14. Juni beim Trai-
ning in Deutschland getestet worden. Die
Staatsanwaltschaft muss Heßmann einen
Verstoß gegen das Strafrecht nachweisen.
Im Verbandsverfahren liegt die Beweis-
last beim Athleten. dpa
Positives Fazit zur Hockey-EM
Der Deutsche Hockey-Bund (DHB) zieht
nach der EM in Mönchengladbach trotz
der verpassten Titel ein positives Fazit.
„Wir sind mit dem Ablauf und der Organi-
sation der Hockey-Europameisterschaft
sehr zufrieden. Die Zuschauerzahlen ha-
ben unsere Erwartungen übertroffen“,
sagte der Kaufmännische Vorstand Niclas
Thiel. Mehr als 70.000 Menschen verfolg-
ten laut DHB die 40 Spiele an zehn Tagen
im Hockeypark, wo erstmals seit zwölf
Jahren wieder ein internationales Feldho-
ckey-Großereignis in Deutschland stattge-
funden hatte. Die deutschen Teams ver-
passten jeweils das Finale. Während die
Frauen sich Bronze sicherten, verloren die
Männer im Spiel um Platz drei. sid
SE I TE 2 8 · NR. 2 0 1
M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3
Druck auf
Rubiales steigt
UN: „Problem des
Sexismus im Sport“
dpa/F.A.Z. NEW YORK/MADRID.
Wegen des Kuss-Skandals um den in-
zwischen suspendierten spanischen
Fußballverbandschef haben sich die
Vereinten Nationen (UN) kritisch zu
Luis Rubiales geäußert. „Wie schwie-
rig ist es, jemanden nicht auf die Lip-
pen zu küssen?“, sagte der Sprecher
von UN-Generalsekretär António
Guterres, Stéphane Dujarric, in New
York. Er sehe „keinen Hinweis da-
rauf“, dass der Kuss von Rubiales ein-
vernehmlich gewesen sei, sagte Du-
jarric: „Es gibt weiterhin ein
kritisches Problem des Sexismus im
Sport, und wir hoffen, dass die spani-
schen Behörden und die spanische
Regierung dieses Problem auf eine
Weise angehen, die die Rechte aller
Sportlerinnen respektiert.“
Rubiales hatte Jennifer Hermoso
bei der Siegerehrung nach dem ge-
wonnenen Finale bei der Fußball-
Weltmeisterschaft der Frauen auf
den Mund geküsst. Die Spielerin be-
schrieb den Kuss anschließend als
von ihr nicht gewollt. Rubiales war
nach dem Vorfall in Sydney am 20.
August vom Weltverband FIFA für
90 Tage suspendiert worden. Zudem
hat die FIFA ein Disziplinarverfah-
ren gegen ihn eingeleitet. Einen
Rücktritt lehnt Rubiales bislang ab.
Auch das UN-Menschenrechtsbü-
ro äußerte am Dienstag auf der
Plattform X (vormals Twitter) Soli-
darität mit Hermoso und rief dazu
auf, Verhaltensweisen wie die von
Rubiales nicht zu dulden: „Frauen
sind im Sport weiterhin sexueller
Belästigung und Missbrauch ausge-
setzt. Jeder von uns hat Verantwor-
tung dafür, dass solcher Missbrauch
angeprangert wird. Wir schließen
uns der Spanierin Jenni Hermoso
und all jenen an, die sich für ein En-
de von Missbrauch und Sexismus im
Sport einsetzen. Machen Sie dies zu
einem Wendepunkt.“
Am Montag hatten die Regional-
präsidenten des spanischen Fuß-
ballverbands RFEF den 46 Jahre al-
ten Rubiales zum sofortigen
Rücktritt aufgefordert. „Nach den
jüngsten Ereignissen und den inak-
zeptablen Verhaltensweisen, die
dem Image des spanischen Fußballs
schwer geschadet haben“, müsse
Rubiales zurücktreten, teilte der
Verband nach einer Sitzung der Prä-
sidenten der Regionalverbände mit.
Es brauche „eine neue Phase in der
Führung des spanischen Fußballs“,
hieß es in der Mitteilung weiter.
Anfang der Woche kam es zu lan-
desweiten Demonstrationen gegen
Rubiales. Allein in Madrid sind Tau-
sende Menschen auf die Straße ge-
gangen – mit lautstarkem Unmut
gegen den Vereinspräsidenten und
Unterstützungsbotschaften an Her-
moso.
Ergebnisse auf FAZ.NET
Immer aktuell:
Mit Ihrem Handy
finden Sie an dieser
Stelle jederzeit
Sport-Resultate aus
aller Welt.
faz.net/ergebnisse
Selin Oruz ist Hockeynationalspielerin und hat nebenbei Medizin studiert – nun arbeitet sie als Ärztin. Wie geht beides zusammen?
HAMBURG. Neulich hat Selin Oruz
einen Roman gelesen, etwas von Jojo
Moyes. Und bei einem der Lehrgänge vor
der Hockey-Europameisterschaft sah man
sie abends am Tisch mit den Gesellschafts-
spielen. Etwas „Nichtmedizinisches“ vor
dem Einschlafen zu genießen, nicht jede
freie Minute mit Folien und Lernkarten zu
verbringen war für Oruz, 26 Jahre, ein un-
gewohnter Luxus. Seit sie das dritte Staats-
examen in Humanmedizin in der Tasche
hatte, ist der jahrelange Stress der Doppel-
belastung erst einmal vorbei.
Seit sie zwölf Jahre alt ist, kennt sie es
gar nicht anders. Da waren immer Schule,
dann Studium und Hockey. Sie wurde früh
als Ausnahmetalent ge- und behandelt.
Und ein Instrument lernen musste sie ja
auch noch! Sie spielte in der Landesaus-
wahl, in allen U-Nationalmannschaften,
sie ist eine der Führungsspielerinnen der
deutschen Damen. Nebenbei machte sie
ihr Abitur, Note: 1,1. Das dritte Staats-
examen hat sie mit „sehr gut“ abgeschlos-
sen. Und der Zusammenhalt bei den „Da-
nas“, wie sich die Damen-
Nationalmannschaft einprägsam nennt,
ist groß. Als sie herauskam mit dem Exa-
men, standen da die Teamkolleginnen
und haben sie beglückwünscht. Auch sie
wissen, was diese Doppelbelastung be-
deutet.
„Es gab zu Hause einen klaren Ablauf.
Bevor ich rausgegangen bin, habe ich
meine Pflicht gemacht. Ich habe nach
Alle zwölfe
Beim dritten Sieg im
dritten Gruppenspiel der
Basketball-WM
beweist die deutsche
Nationalmannschaft ihre
große Stärke:
Alle Spieler im Kader
können einen
entscheidenden Beitrag
leisten.
Von Anno Hecker,
Frankfurt
D
iese Mannschaft braucht kei-
nen Tritt. 101:75 gegen Finn-
land, der dritte Sieg im dritten
Vorrundenspiel der Weltmeis-
terschaft, ein souveräner Einzug in die
zweite Runde als Tabellenführer der Grup-
pe E. Beim ersten Blick auf die Zahlen
vom Spiel am Dienstag deutet nichts auf
eine Anschubhilfe für die besten Spieler
der deutschen Basketball-Nationalmann-
schaft hin. Aber ein Kick war doch nötig.
„Im ersten Viertel waren wir etwas lazy in
der Defensive“, sagte Bundestrainer Gor-
don Herbert. Er wechselte und sah, was er
als Reaktion auf die von ihm erkannte
kleine Faulheit forderte nach dem Rück-
stand zum Ende der ersten zehn Minuten
(19:22): eine energischere Verteidigung im
zweiten Viertel; die Nerven- und Spielstär-
ke von Profis, die mitunter lange warten
müssen, ehe sie zum Zuge kommen. Die
brauchten keine Aufwärmphase vor den
Augen der teils auf der Bank sitzenden, be-
geisterten ersten Reihe. „Von drei tief auf
acht hoch“, wie in der Szene solche Sprün-
ge beschrieben werden, kam es zur Halb-
zeitführung ( 47:39), ein offenbar aufwe-
ckender Auftritt: „Der Schlüssel für uns“,
sagte Herbert dem Sender Magenta TV,
„war heute die zweite Reihe, die reinge-
kommen ist und das Spiel gedreht hat.“
Anders gesagt: Die Auswahl des Deut-
schen Basketball-Bundes (DBB) befreit
sich aus halbwegs kritischen Lagen mit
eigenen Mitteln im Handumdrehen. Das
macht sie so stark.
Seit dem vergangenen Freitag gab es
drei Situationen, in denen die Mannschaft
mehr oder weniger ernsthaft auf die Probe
gestellt wurde. Auf die Verletzung ihres
Jungstars Franz Wagner reagierte sie mit
einem Sieg gegen die als Medaillenkandi-
daten eingeschätzten Australier. Isaac
Bonga sprang in die große, ernsthafte Sor-
gen auslösende Lücke. Gegen die Finnen
steigerte der in Frankfurt ausgebildete,
über die NBA zum FC Bayern gewanderte
23-Jährige sein Spiel. 15 Punkte in gut 18
Minuten, so viele wie Aufbauspieler Den-
nis Schröder, aber effektiver von
„draußen“ wie „drinnen“ mit einer Tref-
ferquote von 86 Prozent. „Geil“, rief ihm
Center Daniel Theis (acht Punkte) hinter-
her und leitete über zum Thema des Tages,
zum Thema der Deutschen: „Jedes Mal
kommt ein anderer.“
Zugegeben, das Spiel der Finnen zählte
überraschend zu den Enttäuschungen in
der Gruppe E. Zwei Niederlagen gegen
Australien, Japan und nun eine weitere,
deftige gegen Deutschland. Aber was,
wenn sie ihre Dreier-Spezialität nicht erst
Wie ein Doppelleben
den Hausaufgaben Geige geübt. Ich lebe
meinen Alltag auch heute diszipliniert
und strukturiert“, sagt die defensive Mit-
telfeldspielerin. Angetrieben hat sie eine
Mischung aus Ehrgeiz und Pflichtbe-
wusstsein: „Das habe ich von meinen El-
tern übernommen.“ Beide sind Ärzte. Ihr
Bruder Timur ist im Januar Hockey-Welt-
meister geworden.
Im Hockey ist die duale
Karriere nicht ungewöhn-
lich. Auch Selin Oruz hat
sich bei erfahrenen Kolle-
ginnen abgeschaut, wie
man beides hinbekommt,
bei Luisa Steindor etwa, die
jetzt als Kinderärztin arbei-
tet, eine Fachrichtung, die
auch Oruz interessiert –
ihre Mutter hat ebenfalls
eine Kinderarztpraxis.
Schon früh hatte Selin
Oruz ihr Berufsziel vor Au-
gen. Doch Hockey sollte
nicht zu kurz kommen. Das
war oft eine knifflige An-
gelegenheit, aber nichts,
woran sie verzweifeln
musste. Sie hat studiert,
und sie hat alles in der Na-
tionalmannschaft mitge-
macht – gefehlt hat sie nur
bei Verletzungen. Gute Pla-
nung, aber ohne Verzicht, Mag klare
so hat sie es hinbekommen: sagt Oruz.
Sport
Gewinnbringend: digung und Offensive wie selbstverständ-
Hollatz beweist gegen Finnland lich eine gewinnbringende Rolle: Körbe,
die Tiefe des Kaders. Rebounds, gute Pässe, energisch in der De-
Foto Reuters
fensive. Als er ging, führte Deutschland
31:27. Das Spiel nahm seinen Lauf, weil
Hollatz, Niels Giffey (7), vor allem Johan-
vorgeführt hätten, als das Spiel entschie- nes Thiemann als effektivster Profi des
den war, wenn sie ihre Fünf-Punkte-Füh- Matchs (13) in dieser Phase nichts zu wün-
rung trotz des indisponierten Stars Lauri schen übrig ließen. Wie das von außen
Markkanen mit ein paar Volltreffern aus- aussah? Mitreißend. Die „Starting Five“
gedehnt, gespürt hätten, dass doch etwas ließ sich nicht zum Jubel bitten auf der
geht? Finnland hatte seine Chance auf Bank und über die Halbzeit (47:39) hinaus
eine Olympiateilnahme offenhalten wol- auf die Sprünge helfen. Mit einem 8:0-
len. In dieser zweiten schwierigen Phase Lauf entschied sie das Spiel und übergab
seit Turnierbeginn offenbarte Chefcoach weitgehend in die geschickten Hände der
Herbert sein Vertrauen in die Tiefe seines Teamkollegen.
Kaders. Plötzlich stand Justus Hollatz auf Mitunter entsteht in diesen Momenten
dem Feld, früh und lange. 17:34 Minuten ein „Run-and-Gun“, die Auflösung der
insgesamt, sechs Punkte mit drei von vier Ordnung, die Verwandlung des Zusam-
Würfen. Hollatz ist quasi der dritte Auf- menspiels in eine Soloshow. Weil jener
bauspieler, der Jüngste im Team mit 22 oder dieser noch was zu beweisen hat.
Jahren, eine Option nach Schröder, nach Nicht unter Herbert, der seinem En-
Maodo Lô, also eher keine? Von wegen. semble keine Kursabweichung erlaubte.
Eingesetzt, als die Finnen mit vier Punkten Denn der Turniermodus belohnt alle, die
führten, spielte der Hamburger in Vertei- bis zur letzten Sekunde am Ball bleiben.
„In Sport und Job hilft mir, gut vorberei- te, dass sich alles auszahlt, war die Teil-
tet zu sein, um die maximale Leistung zu nahme an den Olympischen Spielen 2016
bringen. Ich bin sehr fokussiert auf meine – als 19-Jährige. Eine große Belohnung,
Ziele und versuche immer, das Beste garniert mit der Bronzemedaille.
rauszuholen. Mir ist das alles nicht zuge- Doch nicht immer bekommt man das,
flogen. Aber die Rückmeldung vom Le- was man sich wünscht. Bei der EM in
ben war – wie du es machst, ist es gut.“ Mönchengladbach war sie fest überzeugt,
Der entscheidende Moment, als sie merk- „dass uns keine Mannschaft etwas anha-
ben kann“. Das Finale
gegen die übermächtigen
Niederländerinnen war da
Ziel – und das unglückliche
0:1 gegen Belgien im Halb-
finale am vergangenen
Freitag hatte sie tief getrof-
fen. „Ich denke ja immer,
dass alles im Leben aus
einem bestimmten Grund
passiert. Aber ich bin nicht
hierhergekommen, um
Dritte zu werden“, sagte sie
völlig niedergeschlagen.
Zwei Tage später tanzte sie
mit der Bronzemedaille um
den Hals und strahlte.
„Nach so einem Frust so
stark zurückzukommen
sagt viel über uns aus“, sag-
te sie. Und über sie: Nach
dem 3:0 gegen England
wurde sie als „player of the
match“ ausgezeichnet.
Angetrieben hat sie im-
Abläufe: „Ich bin sehr fokussiert auf meine Ziele“, mer der Teamgedanke. Se-
Foto dpa lin Oruz ist jemand, der die
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Jeder Punktgewinn wird „mitgenom-
men“ und könnte beim Kampf um den
Einzug ins Viertelfinale entscheidend
sein, auch die Korbdifferenz. Die Deut-
schen nehmen ins erste Spiel der Zwi-
schenrunde am Freitag gegen zunächst
eines der beiden besten Teams der Grup-
pe F, unter anderem mit Sloweniens
Supermann Luka Dončić, mehr mit als
eine optimale Ausbeute. „Der Coach
sagt, dass wir von Spiel zu Spiel besser
werden wollen“, erzählte Theis: „Das ist
uns gelungen.“ Zwar nicht in jeder Ver-
teidigungsphase, aber dort, wo die Wir-
kung nicht minder gewaltig sein kann.
Distanzschütze Andreas Obst (11) be-
wies endlich und früh genug, was ihm al-
le zutrauen. Und selbst der zwölfte Mann
zeigte, warum ihn Herbert nominiert
hat. David Krämer ließ der Bundestrai-
ner 33 Minuten lang sitzen. Dann fügte
er sich sofort ins Spiel, traf zwei von drei
Dreiern. Das gibt Selbstbewusstsein –
und den Deutschen in der Not vielleicht
mal entscheidende Punkte.
Fäden zusammenhält, Menschen rein-
holt, statt sie draußen stehen zu lassen.
Dabei ausgestattet mit viel Pflichtgefühl.
Wie schafft man das, sich nie hängen zu
lassen? Beim Training um sechs Uhr
morgens half der Gedanke an die Kolle-
ginnen, die auf sie warteten oder woan-
ders ebenfalls trainierten. „Es war gar
keine Wahl, liegen zu blieben. Ich ziehe
das alles durch, habe sicher mehr ge-
macht als andere. Aber ich übertreibe
nicht. Mehr ist nicht mehr.“ Dabei hilft
ihr Yoga, denn sie braucht eine Balance:
„Ich finde da ein Mittel, um im Stress zur
Ruhe zu kommen.“ Sie weiß, dass sie pri-
vilegiert ist. Mit den Mitteln der Sporthil-
fe und als Stipendiatin einer Großbank
musste sie weder jobben noch elterliche
Mittel anzapfen. Bis zu den Olympischen
Spielen 2024 in Paris wird sie in einer
HNO-Praxis arbeiten. Vorher war sie im
Kinderkrankenhaus in der Chirurgie tä-
tig. Schichtdienst lässt sich jedoch
schlecht mit dem Hockey vereinbaren.
Selin Oruz strahlt Positives aus; ihr
Glas scheint immer halb voll. Sie zögert.
Etwas ist ihr wichtig. Durch ihren 34-jäh-
rigen Bruder, der geistig behindert ist,
habe sie das Leben mehr zu schätzen ge-
lernt: „Vielleicht sind es manchmal
Schicksalsschläge, die ein positives Mind-
set ermöglichen. Wenn man so etwas an-
nimmt, ist es möglich, auch nach einer
schlechteren Phase das halb volle Glas zu
sehen.“ FRANK HEIKE
Dreister
Weltmeister
Von Pirmin Clossé
as fällt bloß diesem Typen
W ein? Da gewinnt Noah
Lyles einmal drei Gold-
medaillen bei der Leichtathletik-
WM, einem wahrlich internationa-
len Sportfest in Budapest, und
schon glaubt er, die Welt drehe sich
nicht allein um sein alles überragen-
des Heimatland. „Jemand muss dem
Bruder helfen“, sagte Kevin Durant,
ein NBA-Spieler und großer Star des
Basketballs. „Wenn klug sein schief-
geht“, urteilte Draymond Green,
Durants hochdekorierter ehemali-
ger Teamkollege von den Golden
State Warriors.
Lyles, Amerikaner und neuer-
dings Weltmeister über 100 Meter,
200 Meter und mit der 4×100-Meter-
Staffel, hatte sich über die Tradition
seiner Landsleute, die Meister der
nordamerikanischen Sportligen als
„World Champion“ –
im US-Basketball nennt
sich so der NBA-Meister.
Darüber lacht nicht nur
der Sprinter Noah Lyles.
„World Champions“ zu würdigen,
lustig gemacht. „Weltmeister von
was?“, fragte er lachend: „Der Ver-
einigten Staaten? Versteht mich
nicht falsch. Ich liebe – zumindest
teilweise – die USA. Aber das ist
nicht die Welt.“ Unerhört, dieser
Lyles! Recht hat er ja. Aber respekt-
los ist das schon.
Die NBA (Basketball) genau wie
die NFL (Football) und die MLB
(Baseball) berufen sich darauf, dass
der Sieger in der besten Liga der
Welt ihrer jeweiligen Sportart auto-
matisch auch die beste Mannschaft
auf dem Globus stellt. Wer hier ge-
winnt, gewinnt überall. Zumindest
theoretisch. Weltmeister also. Ist
doch logisch, oder? Recht haben sie
ja, die Amerikaner. Aber respektlos
ist das schon.
In Japan und Indonesien findet in
diesen Tagen die Basketball-Welt-
meisterschaft statt. Auch dort war
Lyles’ süffisanter Kommentar ein
Thema. „Nicht gerade die intelli-
genteste Antwort“, sagte Tyrese Ha-
liburton: „Lassen wir das mal vorü-
berziehen.“ Der Aufbauspieler will
mit der US-Nationalmannschaft die
Goldmedaille gewinnen, dabei ste-
hen nicht die größten Stars im Ka-
der. Beim vergangenen WM-Turnier
vor vier Jahren wurde die Auswahl
der Vereinigten Staaten übrigens
Siebter. Ist aber nicht so wichtig.
Weltmeister werden sie zu Hause
ohnehin jedes Jahr.
DOSB reagiert
auf Kürzungen
dpa. FRANKFURT. Mit der Kam-
pagne „Sport ist Mehrwert“ reagiert
der Deutsche Olympische Sportbund
(DOSB) auf die Auswirkungen der
geplanten Mittelkürzungen für den
Sport durch den Bund. „Der Sport
leistet einen unverzichtbaren Mehr-
wert für unsere Gesellschaft. Ihm für
das olympische Jahr 2024 die Mittel
kürzen zu wollen, sendet das völlig
falsche Signal an alle Athleten, Trai-
ner und Unterstützer des Sports“, er-
klärte DOSB-Präsident Thomas Wei-
kert laut einer Mitteilung am
Dienstag.
Die Sportvereine und -verbände
würden mit einem im Verhältnis zum
Gesamthaushalt äußerst kleinen, öf-
fentlichen Invest „ein Vielfaches an
positiven Wirkungen für unsere Ge-
sellschaft“ erzeugen. „Das sollte der
Politik jeden Cent wert sein“, betonte
er. Der Sporthaushalt des Bundesin-
nenministeriums sieht im Vergleich
zum aktuellen Jahr eine Kürzung um
rund zehn Prozent von rund 303 auf
etwa 276 Millionen Euro vor. Von den
Einsparungen wären nach Angaben
des DOSB die Finanzierung von wich-
tigen Trainingsmaßnahmen vor den
Olympischen Sommerspielen 2024 in
Paris als auch die Bezahlung des Leis-
tungssportpersonals in den Sportver-
bänden betroffen. Hinzu kämen dras-
tische Kürzungen in Höhe von 20
Prozent für das Institut für angewand-
te Trainingswissenschaft sowie das
Institut für Forschung und Entwick-
lung von Sportgeräten.
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
N
ach der Geburt eines Kindes
erschöpft zu sein, sich über-
fordert zu fühlen, gereizt zu
reagieren und sich nicht so
sehr über das Baby zu freuen
ist normal. Es kostet Kraft, ein Neugebore-
nes zu versorgen, das Baby schreit ständig,
und die Mutter kommt kaum zum Schla-
fen. So ein „Baby-Blues“ verschwindet
meist nach einigen Tagen von selbst. Dau-
ern die Symptome aber länger an, könnte
es sich um eine behandlungsbedürftige
postpartale Depression handeln. Sie
unterscheidet sich nicht von einer Depres-
sion außerhalb des Wochenbettes, und sie
wird bisher auch genauso behandelt: mit
Psychotherapie oder Antidepressiva.
Doch hier beginnen für Mütter mit post-
partaler Depression die Probleme: Denn
einen Psychotherapieplatz zu bekommen
ist schwierig, und eine alleinige Psycho-
therapie reicht in schweren Fällen nicht
aus. Die gängigen Antidepressiva wiede-
rum wirken meist erst nach zwei bis drei
Wochen. Diese Latenz kann für Mutter
und Kind Konsequenzen haben. Die Mut-
ter baut keine Bindung zum Kind auf, sei-
ne emotionale und kognitive Entwicklung
wird gestört. Abgesehen davon birgt die
Depression das Risiko eines Suizids: Jeder
fünfte Todesfall nach der Geburt ist durch
einen Suizid verursacht.
Solche gravierenden Folgen könnte ein
neues Medikament verhindern, das gerade
in den Vereinigten Staaten zugelassen
wurde. Zuranolon wirkt rascher als die
herkömmlichen Antidepressiva – und ers-
ten Erkenntnissen zufolge vermutlich ver-
gleichbar gut. Grundlage der Zulassung
sind zwei Studien mit insgesamt 349 Frau-
en, die im letzten Trimester oder in den
ersten Wochen nach der Geburt an einer
schweren Depression erkrankt waren.
In beiden Studien besserte sich die De-
pression sowohl mit Zuranolon als auch
mit Placebo, der Effekt war mit Zuranolon
aber stärker. Gemessen wurde die Verbes-
serung mit der Hamilton-Depressions-
Skala. Der Arzt vergibt für 17 Krankheits-
zeichen jeweils Punkte, je nachdem, wie
ausgeprägt er die Symptome einschätzt.
Ab neun Punkten spricht man von einer
leichten Depression, ab 17 von einer mit-
telschweren und ab 25 von einer schweren.
Zu Beginn der Studie hatten die Frauen im
Schnitt einen Wert von etwas mehr als 28.
Schon nach drei Tagen sank der Wert.
Nach 15 Tagen hatten Frauen mit Zurano-
lon je nach Dosis im Schnitt um 17,8 be-
ziehungsweise 15,6 Punkte verringerte
Werte. Mit Placebo sank der Wert um 13,6
beziehungsweise 11,6 Punkte. „Allein der
Gedanke, womöglich ein wirksames Medi-
kament zu bekommen, scheint die Depres-
sion zu lindern“, erklärt Cornelius Schüle,
Leiter der Station für Depression im Klini-
kum der Ludwig-Maximilians-Universität
München den Placeboeffekt. Zuranolon
senkte den Wert aber um durchschnittlich
vier Punkte mehr als Placebo. „Das mag
sich wenig anhören, die Frau kann das
aber deutlich merken“, sagt er. Werde eine
schwere Depression aber zu einer mittel-
schweren, so habe die Frau wieder etwas
mehr Freude an ihrem Kind und meistere
den Alltag etwas besser.
Zuranolon ahmt die Wirkung des kör-
pereigenen Hormons Allopregnanolon
nach. Während die herkömmlichen Anti-
depressiva die Konzentration der Boten-
stoffe Serotonin und Noradrenalin im Ge-
hirn erhöhen, setzt Zuranolon an
Rezeptoren für den Botenstoff Gamma-
ichter Nebel ist aufgezogen, wie
D so oft in den vergangenen Tagen.
Die Polarstern ist nur schemen-
haft zu erkennen. Wenige Hundert Meter
vom Schiff entfernt taucht vor Kim Vane,
Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Insti-
tut (AWI), ein Tauchroboter in einem
Loch der Scholle auf. An seinem Heck
hängt ein fünf Meter langes feinmaschiges
Netz, an dessen Einlass der Kopf eines
Straßenbesens nach oben zeigt. Damit
wurde die Unterseite des Meereises „ge-
kehrt“, um Zooplankton zu sammeln.
Nachdem Vane die Probe aus dem Netz in
ein Gefäß überführt hat, taucht der Robo-
ter abermals ab. Nun wird das Netz in zehn
LOGBUCH DES
KLIMAWANDELS
Auf Forschungsfahrt
in der Arktis
Meter Tiefe durchs Wasser gezogen.
Eine Stunde später inspiziert Vane an
Bord den Fang des Tages. Direkt unter
dem Eis sind ihr Dutzende Flohkrebse
ins Netz gegangen, die andere Probe
wimmelt von Ruderfußkrebsen mit roten
Antennen; dazwischen entdeckt Vane
zwei Leuchtgarnelen und ein paar winzi-
ge Quallen. Mit einer Pinzette sortiert
sie die Arten in kleine Glasschälchen
und fotografiert sie unter dem Mikros-
kop. Danach werden sie eingefroren
oder in Alkohol konserviert, für geneti-
FEST STATT FLÜSSIG
Lithium-Ionen-Batterien sind für die Elektrifizierung
des Verkehrs bislang unverzichtbar – trotz zahlreicher
Nachteile. Sind Feststoffbatterien eine Alternative?
Seite N2
Natur und Wissenschaft
Psychisch herausfordernde Zeit mit dem Neugeborenen: Zu wenige Frauen sind sich der Gefahr postpartaler Depressionen bewusst.
Das Tief nach
der Geburt
Müttern mit einer postpartalen Depression
soll ein neues Medikament helfen. Unklar
ist, wie lange dessen Wirkung anhält.
Von Felicitas Witte
Amino-Buttersäure (GABA) im Gehirn
an. GABA reguliert über den GABA-A-
Rezeptor unter anderem Stress und Stim-
mung und wirkt dadurch angstlösend und
beruhigend. Nach der Geburt sinkt der
Spiegel von Allopregnanolon, was als eine
der Ursachen für die postpartale Depres-
sion gesehen wird.
In einer früheren Studie hatte die glei-
che Forschergruppe mit Magnetresonanz-
tomographie gezeigt, dass Frauen mit
postpartaler Depression geringere Allo-
pregnanolon-Spiegel aufwiesen, dass dies
bestimmte Nervennetzwerke im Gehirn
stört und der GABA-A-Rezeptor hierbei
involviert ist. Zuranolon moduliert den
Kleinstlebewesen im Klimawandel
Was das wärmere Meer für Krebstierchen und Algen unter dem Eis bedeutet
sche und biochemische Analysen in den
Laboren des AWI.
Zooplankton spielt eine wichtige Rolle
im Nahrungsnetz des Arktischen Ozeans,
als Futterquelle für Seevögel und Fische –
und damit auch für Robben, Wale und Eis-
bären. Die kleinen Krebstierchen und
Quallen ernähren sich ihrerseits zum
Großteil von Mikroalgen, die sie unter den
Schollen abweiden oder aus dem Wasser
filtern. „Ich will verstehen, wie sich der
Eisrückgang auf die Produktivität im Ark-
tischen Ozean auswirkt und wie das Öko-
system in einer eisfreien Zukunft ausse-
hen könnte“, sagt Vane. Dafür nutzt sie
Biomarker, bestimmte Moleküle wie Ami-
nosäuren oder Fettsäuren, die von Algen
produziert werden und die das Zooplank-
ton frisst. Die Moleküle verraten, welche
Algengruppen als Energiequelle dienen.
„Die Arktis ist ein extremer Lebens-
raum, aber keine leblose Wüste. Rund um
den Nordpol gibt es hoch angepasste Or-
ganismen, die der Kälte und der Dunkel-
heit in der langen Polarnacht trotzen“, er-
klärt Vane. „Zugleich verändert sich die
Arktis rasant.“ Durch die Ozeanerwär-
mung wandern etwa Algenarten aus dem
Atlantik ins Nordpolarmeer ein, die weni-
ger energiereiche Fette als hier heimische
Kieselalgen enthalten, so die Forscherin.
Sinkt die Futterqualität des Zooplanktons,
wirkt sich das langfristig auf das gesamte
Rezeptor so, dass GABA leichter binden
kann. Der Rezeptor wird aktiviert und
kann seine Effekte entfalten. Gemäß Bei-
packzettel ist eine Dosis von 50 Milli-
gramm über einen Zeitraum von nur zwei
Wochen vorgesehen. Zum Vergleich: Klas-
sische Antidepressiva werden in der Regel
über mehrere Jahre oder gar Monate ver-
schrieben.
Auf die Frage, ob schon der Zulassungs-
antrag für Europa gestellt worden sei, äu-
ßerte sich die Herstellerfirma nicht. Man
konzentriere sich vorerst darauf, Zurano-
lon in den Vereinigten Staaten erfolgreich
auf den Markt zu bringen. „Gäbe es Zura-
nolon in Deutschland, würde ich es ver-
Nahrungsnetz aus. So warnt beispielswei-
se eine aktuelle Studie unter Beteiligung
des AWI, dass der Klimawandel die Be-
stände des Polardorsches bedroht. Von
dieser häufigsten Fischart der Arktis er-
nähren sich Ringelrobben, Narwale und
Belugas. Als Larven und Jungfische leben
sie in Spalten unter dem Meereis, wo sie
Schutz vor Räubern und Nahrung finden.
Wenn wir mit der Polarstern durch Schol-
len brechen, sehen wir immer wieder klei-
Ruderfußkrebse aus dem Arktischen Ozean
ALLES SEHEN, ALLES WISSEN, NICHTS ERZÄHLEN
Geheimdienste möchten am liebsten geheim halten, ob
sie ihren Dienstauftrag erfüllen. Was unterscheidet den
BND von der Stasi? Er bleibt Herr über seine Akten.
Seite N3
schreiben“, sagt Stephanie Wallwiener,
Leiterin der Geburtshilfe und Pränatalme-
dizin in der Uniklinik Heidelberg. „Mich
überzeugen die publizierten Daten und
vor allem der rasche Wirkungseintritt.
Eine nicht oder nicht richtig behandelte
postpartale Depression kann schwerwie-
gende Auswirkungen haben.“
Es bleiben jedoch noch einige Fragen
offen. Es ist nicht klar, wie lang der anti-
depressive Effekt andauert. In der Studie
wurden die Frauen maximal 45 Tage
nachbeobachtet. Womöglich bräuchten
die Frauen eine zweite zweiwöchige The-
rapie oder gar eine dauerhafte, sagt Psy-
chiater Cornelius Schüle. Die Studiendau-
er ist zudem sehr kurz, um die Sicherheit
des Medikamentes endgültig beurteilen zu
können. So könnten die Frauen nach län-
gerem Gebrauch von Zuranolon abhängig
werden, wie es bei Benzodiazepinen der
Fall ist, die ebenfalls am GABA-A-Rezep-
tor wirken. Nach Absetzen von Zuranolon
berichteten gesunde Probanden über
Nebenwirkungen, die Entzugserscheinun-
gen gewesen sein könnten: Schlaflosig-
keit, Herzklopfen, Schwitzen, Übelkeit
und Albträume. In den Zulassungsstudien
wurde aber kein abhängig machender Ef-
fekt von Zuranolon nachgewiesen, und es
wurde insgesamt gut vertragen. Neben-
wirkungen, die dazu führten, dass die Do-
sis reduziert werden musste, waren am
häufigsten Schläfrigkeit und Schwindel.
Unbeantwortet bleibt bisher die Frage,
ob Zuranolon besser oder genauso gut
wirkt wie herkömmliche Antidepressiva.
In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2008
mit 35 Studien zu gängigen Antidepressiva
senkten diese den Wert auf der Hamilton-
ne Polardorsche, die zappelnd auf dem Eis
landen. Mit dem Eisrückgang verlieren sie
ihren Lebensraum, ihre Nahrungszusam-
mensetzung wird sich verändern. Das
könnte ihr Wachstum verlangsamen und
ihre Sterblichkeit erhöhen. Zudem bekom-
men sie neue Nahrungskonkurrenten, weil
Atlantische Dorsche und Seevögel ihr Ver-
breitungsgebiet nach Norden ausdehnen.
Kim Vane lässt zusammen mit ihrer
Kollegin Kathryn Cook von der Universi-
Foto Tim Kalvelage
Foto Getty
Skala je nach Medikament und Studie zwi-
schen 6 und 14,2 Punkten, aber auch hier
erzielten Placebos deutliche Verbesserun-
gen zwischen 3 und 10,9 Punkten. Zum jet-
zigen Zeitpunkt lässt sich also nur indirekt
schließen, dass Zuranolon vermutlich ge-
nauso gut, aber rascher wirkt als her-
kömmliche Antidepressiva und es ähnlich
hohe Placeboeffekte gibt.
Je früher eine Depression erkannt und
behandelt wird, desto größer ist die Chan-
ce, dass es bei einer einmaligen Episode
bleibt und die Depression nicht chronisch
wird – egal, ob es sich um eine postpartale
Depression oder um eine außerhalb der
Schwangerschaft handelt. Ein standardi-
sierter Fragebogen, die Edinburgh Postna-
tal Depressions-Skala, kann einen Hin-
weis darauf geben, ob eine Frau nach der
Geburt eine Depression entwickelt. Emp-
fohlen wird, den Fragebogen mehrmals
im Jahr nach der Geburt auszufüllen.
Frauen würden so ein Screening befür-
worten, wie jüngst eine Umfrage mit 732
Frauen in Praxen und Kliniken in Baden-
Württemberg zeigte. Fast acht von zehn
der Befragten fanden den Fragebogen
nützlich, fast neun von zehn sagten, er sei
leicht auszufüllen und es war ihnen nicht
unangenehm. Nur gut jede zweite Frau
wusste aber von dem Thema „psychische
Probleme um die Geburt herum“, und
mehr als zwei von dreien empfand solche
Probleme als stigmatisierend. „Das Stig-
ma kann Frauen dazu bringen, ihre Symp-
tome zu ignorieren und keine Hilfe zu su-
chen“, sagt Stephanie Wallwiener.
„Gleichzeitig versuchen sie, eine gute
Mutter zu sein, und vergessen dabei ihre
eigene Gesundheit.“
tät Exeter vom Schiff aus regelmäßig
Planktonnetze bis in 1500 Meter Wasser-
tiefe hinab. Am vergangenen Freitag wird
das Multinetz um halb vier morgens mit-
hilfe der Schiffscrew ausgesetzt. Geforscht
wird rund um die Uhr. Gut eine Stunde
später werden fünf Proben aus verschiede-
nen Wasserschichten an Deck gehievt.
Nach einem zweiten Einholen und dem
Frühstück sortieren, mikroskopieren und
konservieren Cook und Vane wieder Zoo-
plankton im Kühllabor.
Cook interessieren Ruderfußkrebse.
Die zwei bis acht Millimeter kleinen Tiere
machen den Großteil der Biomasse des
Zooplanktons aus. „Wir finden Ruderfuß-
krebse aktuell in den oberen 200 Metern“,
sagt sie. „Viele sind ziemlich fett.“ Die
Krebse fressen sich im Frühjahr und Som-
mer, wenn das Phytoplankton blüht, Fett-
reserven an. Davon zehren sie in der dunk-
len Jahreshälfte, die sie in einer Art
Winterruhe in gut 1000 Meter Tiefe ver-
bringen. Im Frühjahr schwimmen sie zu-
rück an die Meeresoberfläche, wo sie Eier
legen. „Durch die Wanderung der Ruder-
fußkrebse gelangt Kohlendioxid, das Al-
gen an der Oberfläche gebunden haben, in
die Tiefsee“, sagt Cook. Wie viel Kohlen-
stoff in der Tiefe bleibt, will sie herausfin-
den. Dazu wird sie später an Land den
Kohlenstoffgehalt und -umsatz der Krebse
analysieren.
Das Expeditionsteam beendet die
Arbeiten an der vierten Eisstation. Die
Polarstern bricht zur nächsten Scholle auf:
zur Startposition der MOSAiC-Expedi-
tion, bei der das Schiff 2019 und 2020 zehn
Monate lang eingefroren im Eis über den
Arktischen Ozean trieb, um den Klima-
wandel zu studieren. TIM KALVELAGE
DER ULTIMATIVE CONTEST
Die unternehmerische Hochschule funktioniert im
Grunde wie ein Schönheitswettbewerb. Was kann sie
dabei von Heidi Klum lernen?
Seite N4
NR. 2 0 1 · SE I TE N 1
M IT T WOC H, 30. AU GU S T 2 0 2 3
Mozart-Effekt
Von Hinnerk Feldwisch-Drentrup
er Salzburger Komponist
D dürfte kaum geahnt haben,
dass nicht nur runde Nougat-
Süßwaren seinen Namen für alle
Ewigkeit im kulturellen Gedächtnis
halten: „Mozart-Wiegenlied kann
Schmerzen bei Neugeborenen wäh-
rend eines Bluttests lindern“, heißt es
in einer Mitteilung des Verlags Sprin-
ger Nature zu einer Studie im Fach-
blatt „Pediatric Research“. Oder dort
etwas prosaischer: „Musikaufnahmen
sind zusätzlich zu Saccharose wirksam
zur Schmerzlinderung.“ Mozarts Mu-
sik soll also nicht nur den Puls senken,
Sauerstoffsättigung und Intelligenz
erhöhen, besser einschlafen lassen
oder die Kreativität verbessern – na-
türlich neben der erhöhten Milchpro-
duktion von Kühen, die seine Stücke
hören. Derartige Studien beruhen je-
doch oft auf schlechter Statistik ohne
adäquate Vergleichsgruppe, kritisiert
auch der Wikipedia-Artikel zum „Mo-
zart-Effekt“. Letzterer werde „als
nicht-existent betrachtet“. Zwar kann
Musik sicher positive Effekte mit sich
bringen, allein durch die Steigerung
von Aufmerksamkeit oder durch Ab-
lenkung. Dass gerade Mozarts Werke
Wunder wirken, ist aber kaum plausi-
bel – ansonsten könnte wohl eine
Rundumbeschallung unseres Planeten
für ewigen Frieden sorgen. Auch
einem Klärwerk im südwestlich von
Berlin gelegenen Treuenbrietzen ge-
lang kein derartiger Nachweis: Dort
wurden Bakterien im Belebungsbe-
cken rund um die Uhr mit Stücken aus
der „Zauberflöte“ beschallt, um sie
„zu mehr Leistung zu motivieren“, wie
es hieß. Die Versuche wurden been-
det, offenkundig reduzierten sie, an-
ders als erhofft, nicht die Klär-
schlamm-Menge. Plausibel hingegen
ist folgender Mozart-Effekt: Die Ver-
wendung seines Namens erhöht die
mediale Aufmerksamkeit – so wäre
auch die Studie zu den Babys kaum an
dieser Stelle diskutiert worden, wäre
Musik eines unbekannten Urhebers
genutzt worden. Andere naheliegende
Interventionen wurden nicht getestet,
wie etwa Aufnahmen der Stimmen
der Eltern. Dabei stellt sich die Frage,
ob die rund 100 Neugeborenen tat-
sächlich Wolfgang Amadeus hörten:
Das in der Pressemitteilung verlinkte
Youtube-Video, das ein Stück eines
Albums „Bedtime Mozart: Classical
Lullabies for Babies“ enthalten soll,
klingt blechern und ist für Erwachse-
ne schwer ertragbar – das unter dem
Songtitel „Deep Sleep“ veröffentlichte
Gedudel dürfte kaum Mozarts Feder
entsprungen sein. Doch das spielt für
den Effekt wohl ohnehin keine Rolle.
Lang leben mit
stabilem Gewicht
Frauen können ihre Chance auf ein
langes Leben dadurch erhöhen, dass
sie nach ihrem 60. Lebensjahr auf ihr
Gewicht achten, konkreter: es stabil
halten und nicht abnehmen. Medizi-
ner der University of California be-
richten im „Journal of Gerontology“,
dass dann die Wahrscheinlichkeit auf
Hochaltrigkeit von mehr als 90, ja so-
gar 100 Jahren um das 1,2- bis 2-Fa-
che erhöht sei. Im fortgeschrittenen
Alter nehmen viele Frauen unwil-
lentlich ab, was unter anderem an
mangelndem Appetit liegt. Wenn
Frauen mehr als fünf Prozent ihres
Körpergewichtes verlieren, verrin-
gert das ihre Chance, älter als 90 Jah-
re zu werden, um 51 Prozent. Das gilt
auch für übergewichtige Frauen.
Wenn Frauen, ohne es zu wollen, Ge-
wicht verlieren, könne dies ein
Warnsignal für Krankheiten sein, so
die Forscher. Sie hatten Daten von
mehr als 50.000 Frauen untersucht,
die an der „Women’s Health Initiati-
ve“ teilnahmen, welche die Ursache
chronischer Erkrankungen bei post-
menopausalen Frauen untersucht.
Die Forscher betonen, dass Überge-
wicht mit vielen Krankheiten assozi-
iert ist. Sollte ein Arzt also zu einer
moderaten Gewichtsabnahme raten,
sei die trotz der aktuellen Studien-
ergebnisse angeraten. ph
SE I TE N 2 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201
Methan vor
dem Gletscher
Eis versiegelt Quellen
von Treibhausgas
Das Klima der Zukunft vorherzusa-
gen ist auch wegen sogenannter
Rückkopplungen mit vielen Unsi-
cherheiten verbunden. Tauen durch
steigende Temperaturen Permafrost-
böden auf, wird beispielsweise das in
ihnen gespeicherte Treibhausgas
Methan freigesetzt, was wiederum
eine noch stärkere Erwärmung ver-
ursacht. Eine weitere positive Rück-
kopplung dieser Art hat ein britisch-
norwegisches Forscherteam nun auf
der norwegischen Inselgruppe Sval-
bard entdeckt. In der Fachzeitschrift
„Nature Geoscience“ beschreiben
sie, wie sich im Vorfeld von
schrumpfenden Gletschern Quellen
bilden, die methanhaltiges Grund-
wasser an die Oberfläche und Me-
than in die Atmosphäre befördern.
„Es eröffnen sich neue Austrittsmög-
lichkeiten, die zuvor durch das Glet-
schereis versiegelt waren“, sagt Erst-
autorin Gabrielle Kleber von der
Universität Cambridge.
Einem Kollegen sei aufgefallen,
dass an Gletschern austretendes
Wasser auf Svalbard nach Schwefel
roch und somit Methan enthalten
könnte, sagt sie. Die Forscher nutz-
ten Satellitenbilder, um geeignete
Untersuchungsorte zu finden: Blaue
Rinnsale aus Eis legten nahe, dass
hier Grundwasser an die Oberfläche
gelangt und wieder gefroren war.
Kleber und ihr Team lokalisierten
123 Grundwasserquellen im Vorfeld
von 78 Gletschern und analysierten
vor Ort genommene Wasserproben.
Das Ergebnis ist eindeutig: In 122
von 123 Fällen enthielt das Grund-
wasser Methan, und zwar in bis zu
600.000 Mal höherer Konzentration
als in der Atmosphäre. Gelangt sol-
ches Wasser an die Oberfläche, fin-
det zwischen Luft und Wasser ein
Gasaustausch statt, der steigende
Methankonzentrationen in der At-
mosphäre zur Folge hat. Methan hat
mit etwa 20 Jahren eine vergleichs-
weise kurze Lebensdauer, besitzt in
diesem Zeitraum aber eine 80 Mal
stärkere Treibhauswirkung als Koh-
lenstoffdioxid.
Mithilfe von Simulationen be-
rechneten die Forscher, dass Grund-
wasserquellen alleine auf Spitzber-
gen rund 2300 Tonnen Methan pro
Jahr emittieren könnten. „Das ent-
spricht etwa zehn Prozent der Men-
ge, die in Norwegen jährlich durch
Öl- und Gasverbrennung entsteht“,
sagt Kleber. Wie viel Methan eine
Quelle im Einzelnen zutage fördert,
hänge mit der Geologie des Unter-
grunds zusammen. Auf Svalbard war
untersuchtes Grundwasser immer
dann besonders methanhaltig, wenn
kohlenstoffreiche Gesteinsschich-
ten wie beispielsweise Schiefer
unter der Quelle lagen.
Noch nicht geklärt ist, wann und
wie das an die Oberfläche gebrachte
Methan entstanden ist. Jesper Riis
Christiansen, Biogeochemiker an
der Universität Kopenhagen und im
Jahr 2018 Mitautor einer Studie, die
erstmals von signifikant höheren
Methankonzentrationen über dem
Schmelzwasser eines Gletschers auf
Grönland berichtet hatte, hält die-
sen Punkt für wichtig. Methan könn-
te aus Hydraten oder Gestein unter-
halb der Gletscher stammen, aber
auch fortlaufend von Mikroorganis-
men gebildet werden, die organi-
sches Material abbauen. „Einige
Antworten fehlen uns noch“, sagt er.
Kleber will mithilfe der Radiokar-
bonmethode überprüfen, ob das
nachgewiesene Methan bereits Mil-
lionen von Jahren in Gesteinsforma-
tionen existiert hat oder aber neu-
eren Ursprungs ist. Die erste Variante
hätte klimatisch gesehen gewaltige
Implikationen: Einmal freigelegt,
könnte eine Quelle bei großen Kohle-
vorkommen für sehr lange Zeit Me-
than an die Oberfläche befördern.
Von Bedeutung sei auch, ob die
Ergebnisse aus Svalbard übertragbar
sind. Die Durchschnittstemperatu-
ren auf der norwegischen Inselgrup-
pe sind seit 1850 rund sechsmal stär-
ker als im globalen Mittel gestiegen,
doppelt so stark wie im Rest der
Arktis. Nehmen die Beobachtungen
voraus, was in Zukunft auch an an-
deren Orten geschehen wird?
„Spitzbergen ist mit dem gleichzeiti-
gen Vorkommen von Gletschern
und beträchtlichen Kohlevorkom-
men möglicherweise einzigartig in
der Arktis“, sagt Claire Treat vom
Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung. Dass die beobach-
teten Emissionen mit den lokalen
Bodenschätzen zusammenhängen,
hält sie für höchstwahrscheinlich.
„Ähnliche Emissionen sind auch in
anderen Regionen zu erwarten, die
reich an fossilen Brennstoffen sind,
wenn sich die Gletscher zurückzie-
hen, doch dürfte dies in der gesam-
ten Arktis nur in begrenztem Um-
fang und hauptsächlich in Grönland
auftreten.“ Kleber will dazu weitere
Feldforschung betreiben: Auch in
Kanada, Russland und Grönland
sollen Grundwasserproben unter-
sucht werden. OLIVER BECHT
„Perlen-Oktopoden“ haben die Forscher sie genannt. Die Molluskenweibchen der Art Muusoctopus robustus brüten hier in 3200 Meter Meerestiefe ihre Eier aus.
Tief unten im Meer im Garten der Oktopoden
Seamounts sind Berge in der Tiefsee und
oft noch kaum erforschte Zentren der
Artenvielfalt. Davidson Seamount im Pa-
zifik, 130 Kilometer südwestlich der kali-
fornischen Stadt Monterey, wurde 1933
bei Kartierungen entdeckt. Näher unter-
sucht wurde er aber erst 2002, denn
selbst sein Gipfel liegt in 1250 Meter
Tiefe und damit einen Kilometer unter-
halb der Zone, bis zu der Sonnenlicht
vordringt. 2018 untersuchten Forscher
einen Hügel zwölf Kilometer südöstlich
des Seamount und fanden in 3200 Meter
Tiefe Tausende grapefruitgroße lila-
weißliche Oktopoden der Art Muusocto-
Bessere Akkus für E-Autos
D
ie Elektrifizierung des Stra-
ßenverkehrs ist noch nicht
richtig angelaufen, da suchen
die Batterieentwickler schon
nach einem Ersatz für die Lithium-Ionen-
Akkus, die die E-Autos von morgen mit
Strom versorgen sollen. Zwar sind die
wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batte-
rien noch unerreicht, was Energiedichte
(maximal 300 Wattstunden pro Kilo-
gramm) und Stabilität betrifft. Ihre
Reichweite ist aber nach wie vor be-
grenzt, und bisweilen dauert es Stunden,
bis sie vollständig aufgeladen sind.
Ein großes Manko ist der flüssige
Elektrolyt. Das Medium, das die Lithium-
ionen leitet, besteht aus Lithiumsalzen,
die in anorganischen Lösungen aus Lithi-
umhexafluorophosphat und Ethylenkar-
bonat gelöst sind. Wird die Batteriehülle
etwa infolge eines Unfalls beschädigt,
droht diese leicht entflammbare Flüssig-
keit auszulaufen. Auch bei Unregelmä-
ßigkeiten während des Aufladens kann
sich der sich der Akku erhitzen und Feuer
fangen oder explodieren. Das soll mit
einer neuen Generation von Lithiumbat-
terien nicht mehr passieren.
Sicherer sollen, so die Hoffnung der
Forscher, wiederaufladbare Feststoffbat-
terien sein. Diese Akkutechnologie ver-
spricht je nach Design zudem schnellere
Ladezeiten und größere Reichweiten. Si-
cherer kann dieser Batterietyp werden,
da der Elektrolyt aus einem schwer ent-
flammbaren Feststoff besteht. Flüssige
und entzündliche Bestandteile sind nicht
nötig. Als Anodenmaterialien können die
Alkalimetalle Lithium, Natrium und Ka-
lium verwendet werden. Solche Elektro-
den weisen im Vergleich zu Graphitano-
den, wie sie üblicherweise in Lithium-
Ionen-Akkus verwendet werden, eine bis
zu zehnfach höhere Energiedichte auf.
Zudem können sich an den Metallano-
den keine gefährlichen Dendriten bilden,
wie es bei einem flüssigen Elektrolyten
häufig der Fall ist. Die Lithiumkristallite
verringern die Leitfähigkeit und die Le-
bensdauer eines herkömmlichen Lithium-
Ionen-Akkus und können mitunter zu
einem Kurzschluss führen.
Die Idee der festen Elektrolyte ist nicht
neu: Bereits in den Sechzigerjahren des
vergangenen Jahrhunderts wurden sie aus
einer Aluminiumoxid-Keramik herge-
stellt. Das Material zeichnet sich durch
eine hohe Leitfähigkeit und eine hohe
theoretische Energiedichte von mehr als
500 Wattstunden pro Kilogramm aus.
Hinzu kommt eine gute mechanische und
thermische Stabilität. Letztere ermöglicht
auch einen Betrieb bei hohen Temperatu-
ren. Aluminiumoxid-Keramiken bestehen
aus kristallartigen Strukturen mit Gitter-
defekten, die den Transport von Ionen
durch das Material ermöglichen. Als kera-
mische Elektrolyte eignen sich auch an-
organische Verbindungen mit kubischer
Granatstruktur wie Lithium-Lanthan-Zir-
konoxid (LLZO) und Lithium-Alumi-
nium-Titan-Phosphat (LATP).
Natur und Wissenschaft
pus robustus. Die meisten Tiere lagen
kopfüber in der Haltung, in der Oktopus-
weibchen ihre Gelege ausbrüten. Doch
warum konzentrierten sie sich hier ent-
lang von Linien? Forscher um James
Barry vom Monterey Bay Aquarium Re-
search Institute (MBARI) berichten nun
in „Science Advances“ über die Ergeb-
nisse von 14 Fahrten zum „Octopus Gar-
den“, wie sie die Stelle genannt haben.
Mittels ferngesteuerter Unterseeboote,
diverser Sonden und einer Kamera, die
über sechs Monate hinweg alle 20 Minu-
ten eine Aufnahme machte, konnten sie
der Sache nachgehen. Demnach kom-
Sicher, leistungsfähig und günstig – die Ansprüche
an künftige Lithiumbatterien sind groß. Sind
Stromspeicher mit festen Elektrolyten die Lösung?
Von Silvia Benetti
Feststoffakku als handliche Batteriezelle
Ein großes Dilemma einer Feststoff-
batterie ist allerdings der mangelnde
Kontakt zwischen dem festen Elektroly-
ten und der Elektrodenoberfläche, da
Letztere hier nicht wie bei einem flüssi-
gen Elektrolyten benetzt wird. Das
hemmt die Ionenübertragung vom
Elektrolyten zu Elektrode und umge-
kehrt – und minderst somit die Leistung
des Akkus.
Um das Problem zu beheben, verwen-
den Forscher des Karlsruher Instituts für
Technologie eine dünne Zwischenschicht
aus ionischen Flüssigelektrolyten an den
Grenzflächen. Die organische Lösung ist
nicht brennbar und stellt somit, anders als
herkömmliche flüssige Elektrolyte, kein
Sicherheitsrisiko dar. Wie die Wissen-
schaftler um Maximilian Fichtner in der
Fachzeitschrift „Nano Micro Small“ (doi:
10.1002/smll.202000279) berichten, er-
reichte ihre Prototypbatterie einen cou-
lombschen Wirkungsgrad von 99,9 Pro-
zent. Der coulombsche Wirkungsgrad
beschreibt das Verhältnis zwischen aufge-
ladenem und entnommenem Strom in
einer Batterie: Ein Wert von fast 100 Pro-
zent lässt somit auf eine problemlose La-
dungsübertragung zwischen dem Elektro-
lyten und der Elektrode schließen.
Eine weitere Hürde ist die Fertigung
der keramischen Elektrolyte. Da die Ma-
terialien sehr steif und spröde sind, lassen
sie sich in der Praxis nur schwer handha-
ben. Weil die Keramikwerkstoffe gesin-
tert werden müssen, ist der Energieauf-
wand bei der Herstellung hoch.
Wissenschaftler um Martin Finsterbusch
des Forschungszentrums Jülich präsentie-
men die Kopffüßer tatsächlich nur hier-
her, um sich zu paaren und ihre Eier aus-
zubrüten. Weder beobachtete man fres-
sende Tiere noch solche mittlerer Größe.
Messungen bestätigten dann eine Ver-
mutung, die „Schlieren“ im Wasser be-
reits 2018 hatten aufkommen lassen:
Aus den Spalten, entlang derer die Tiere
brüten, dringt vulkanisch erwärmtes
Wasser. Statt der 1,6 Grad Celsius, die
der Ozean in solcher Tiefe hat, war es
hier 10,8 Grad warm. Das verkürzt die
Brutzeit der wechselwarmen Mollusken
von mehr als acht Jahren auf weniger als
zwei und steigert den Bruterfolg enorm.
Foto Gabrial hasbun/NYT/Laif
ren im Fachmagazin „Green Chemistry“
(doi: 10.1039/D2GC03368B) ein umwelt-
schonendes Verfahren, mit dem sich
Oxidkeramiken kostengünstig herstellen
lassen und das bis hin zum Industriemaß-
stab skaliert werden kann.
Ausgangspunkt für die Entwicklung
war eine Batteriezelle, bestehend aus
einer Lithiumanode, einem Elektrolyten
aus LATP und einer Kathode aus Nickel-
Mangan-Kobalt (NMC), der mit dem
Elektrolyt vermengt wurde. Der soge-
nannte Katholyt, eine Zusammenset-
zung aus Kathode und Elektrolyt, er-
möglicht eine ausreichende
Leitfähigkeit der Ionen. Die Montage
der kompakten Zelle im Labor macht et-
wa nur 30 Prozent des Gesamtenergie-
verbrauchs aus. In einer Industrieanlage,
so die Forscher, könnten mehrere Zellen
gleichzeitig gefertigt werden, sodass der
Energiebedarf pro Zelle sinken würde.
Eine noch höhere Leitfähigkeit als
Oxidelektrolyte zeigen Sulfidverbindun-
gen, die zu Glas oder Glaskeramik ver-
arbeitet werden. Im Vergleich zu den
Oxidmolekülen zeigen die Lithiumionen
in der Glaskeramik eine höhere Mobilität,
weil die Wechselwirkung mit den Schwe-
felatomen schwächer ist. Allerdings ist die
elektrochemische Stabilität der Elektroly-
te in Kombination mit Lithiumanoden ge-
ringer, zudem bereitet auch hier die
Grenzfläche zwischen Elektrode und
Elektrolyt Probleme.
Ungeachtet der noch bestehenden
Schwierigkeiten räumt eine Studie des
Fraunhofer Instituts für System- und Inno-
vationsforschung (ISI) Sulfidelektrolyten
FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Foto MBARI
Da die Oktopoden nach dem Schlüpfen
der Jungtiere verendeten, ernähren sie
auch eine ganze Gemeinschaft aus Fi-
schen und Wirbellosen. Allerdings ist
diese Fauna nicht so unabhängig von der
lichtdurchfluteten Oberwelt wie das Le-
ben in den berühmten Röhrenwurmko-
lonien nahe den „Schwarze Raucher“ ge-
nannten heißen Quellen, da die
Oktopoden sich die Reserven, die sie
während der Brut am Leben erhalten,
anderswo zulegen. Unklar ist noch, wie
die geschlechtsreifen Oktopoden die
warmen Quellen finden beziehungswei-
se wiederfinden. ULF VON RAUCHHAUPT
das höchste Marktpotential unter den fes-
ten Elektrolyten ein. Eine künstliche Be-
schichtung oder eine Dotierung der
Grenzflächen mit Sauerstoff könnte die
Stabilität verbessern.
Zu den vielversprechenden Festkörper-
elektrolyten zählen Polymere aus Poly-
ethylenoxid. Im Vergleich zu keramischen
Elektrolyten funktioniert der Ladungs-
transfer an der Grenzfläche zwischen
Elektrolyt und Anode besser. Zudem ist
das Material elastischer. Allerdings fällt
die Leitfähigkeit bei Raumtemperatur ge-
ringer aus als bei den Oxid- und Sulfid-
elektrolyten. Batteriezellen mit einem
Polymerelektrolyten müssen typischer-
weise bei einer Temperatur zwischen 50
und 80 Grad betrieben werden, was die
Haupthürde für eine erfolgreiche Kom-
merzialisierung darstellt.
Die Batterieforschung versucht mit ver-
schiedenen Ansätzen, die Leitfähigkeit der
Polymere bei Raumtemperatur zu erhö-
hen. Eine Option ist die sogenannte Poly-
mervernetzung, mit der sich etwa elektri-
sche Eigenschaften der Polymere
maßschneidern lassen. Eine Forscher-
gruppe von der Cornell University in Itha-
ca um Lynden A. Archer zeigte beispiels-
weise, dass vernetzte Polymere mit einem
Grundgerüst aus Polyethylenglykol-Di-
methacrylat die Kapazität einer Batterie-
zelle mit einer Lithiumanode um bis zu 85
Prozent erhöhten („Nature Communicati-
ons“, doi: 10.1038/s41467-019-12423-y).
Mehrere Studien befassten sich auch
mit der Möglichkeit, die Leitfähigkeit der
Polymere mit zusätzlichen Ladungsträ-
gern zu erhöhen, die gezielt in das Mate-
rial eingeschleust werden. Wissenschaftler
von der Stanford University beispielsweise
erzielten unlängst gute Ergebnisse für den
Temperaturbereich von 30 bis 60 Grad
Celsius, in dem sie die Polymerstruktur
mit Nanopartikeln beispielsweise aus Sili-
ziumoxid dotierte („Nano Letters“, doi:
10.1021/acs.nanolett. 5b04117).
Angesichts der vielen Forschungsan-
strengungen und der bereits erzielten Er-
gebnisse erscheint es möglich, dass Fest-
körperbatterien zumindest im Bereich
der Elektromobilität innerhalb der kom-
menden Dekade schrittweise herkömmli-
che Lithium-Akkus mit flüssigen Elektro-
lyten ergänzen.
Dass es zu einem Marktdurchbruch
kommen wird, ist laut Maximilian Ficht-
ner allerdings keineswegs sicher: Die
Technologie erfordere völlig neue Produk-
tionsverfahren, die derzeit noch nicht aus-
gereift sind. Auch verpuffe der Vorteil der
um 40 Prozent höheren Kapazität ange-
sichts neuer Entwicklungen wie Silizium-
anoden, mit denen auch mit flüssigen
Elektrolyten eine ähnliche Kapazitätsstei-
gerung möglich ist. „Es bleibt der Sicher-
heitsaspekt übrig“, erklärt KIT-Forscher
Fichtner. „Letztendlich wird der Preis ent-
scheidend sein. Es lässt sich allerdings
schwer vorhersagen, ob es gelingen wird,
die hohen Material- und Fertigungskosten
zu drücken.“
Wissen in Kürze
Schlangenluft
Das Grabungsteam des Senckenberg-
Instituts ist in der einstigen Ölschie-
fer-Grube Messel bei Darmstadt auf
das vollständige Fossil einer Schlange
gestoßen, wahrscheinlich eines jun-
gen Pythons, der vor 47 Millionen Jah-
ren in dem damaligen Maar-See ver-
endete. Der Ölschiefer hat das 41
Zentimeter lange Tier so gut konser-
viert, dass auch die Knorpelringe der
Luftröhre erhalten blieben. Die dies-
jährige Senckenberger Grabungskam-
pagne hat 820 neue Funde ans Licht
gebracht. 80 Prozent waren Insekten
und Pflanzen, der Rest Wirbeltiere,
hauptsächlich Fische. Pythons waren
in der Grube Messel bereits 2020 und
2022 entdeckt worden, bei dem aktu-
ellen Fund handelt es sich vermutlich
um eine unbekannte Art. UvR
Schnelle Mutationen
Weißwedelhirsche sind offenbar eine
Art Katalysator für die Evolution von
SARS-CoV-2. Wissenschaftler der
Ohio State University berichten in
„Nature Communications“, dass sich
die Viren in den Hirschen dreimal
schneller verändern als in Menschen.
Das ist nicht allein akademisch inte-
ressant, sondern könnte klinisch re-
levant werden. Denn die Corona-In-
fektionen sind keineswegs eine
Einbahnstraße, bei der Menschen
Hirsche anstecken. Vielmehr können
die Viren auch von den Hirschen
wieder auf Menschen und andere
Säugetiere übergehen. Man sollte
Wildtiere deshalb weiterhin überwa-
chen, so die Forscher. ph
Weißwedelhirsche sind empfänglich
für SARS-CoV-2. Foto Picture Alliance
Altersschätzung
In Meteoriten ist noch heute das
Baumaterial unseres Sonnensystems
unverändert erhalten. Ihre Analyse
öffnet so den Blick in die Anfangs-
zeit des Planetensystems vor mehr
als 4,5 Milliarden Jahren. Die ältes-
ten dieser Gesteinskörper durchlie-
fen bald nach ihrer Entstehung
Schmelzprozesse, nachdem sie
durch den Zerfall des kurzlebigen
Isotops Al-26 in Mg-26 erwärmt
wurden. Dessen kurze Halbwertszeit
von 700.000 Jahren ermöglicht eine
sehr genaue relative Datierung von
Material, sofern man ein konkretes
Anfangsverhältnis der Aluminium-
Isotope Al-26 zu Al-27 annimmt.
Für dieses Verhältnis wurde meist
ein einziger Wert innerhalb des Son-
nensystems verwendet. Nun argu-
mentieren Wissenschaftler aber in
„Nature Communications“ anhand
einer zusätzlichen Altersvermes-
sung des Meteoriten Erg Chech 002
mithilfe der Uran-Blei-Datierung,
dass dieses Verhältnis in der proto-
planetaren Scheibe um einen Faktor
drei bis vier variiert haben muss. Die
Forscher nehmen an, dass diese Va-
riationen durch die späte Zuführung
von radionuklidhaltigem Material
ins entstehende Sonnensystem er-
klärt werden, das in anderen Sternen
gebildet wurde. sian
Bedenkliche Strohhalme
Im Zuge des Verbots von Einweg-
plastik durch die EU-Kommission
sind die Kunststoffhalme durch
Trinkhalme aus Papier, Bambus und
anderen Materialien ersetzt wor-
den. Doch sind die alternativen
Trinkhalme tatsächlich so umwelt-
freundlich, wie sie angepriesen
werden? Belgische Umweltforscher
von der Universität Antwerpen ha-
ben nun eine überraschende Entde-
ckung gemacht: Die Trinkhalme aus
Papier, Bambus und Glas können
langlebige und potentiell schädliche
Ewigkeitschemikalien, sogenannte
per- und polyfluorierte Alkylver-
bindungen (PFAS), enthalten. Wie
Thimo Groffen und seine Kollegen
in der Zeitschrift „Food Additives &
Contaminants“ schreiben, haben sie
in 27 von 39 untersuchten Trink-
halmen 18 Substanzen aus der
Gruppe der PFAS-Chemikalien
nachweisen können. Einzig Halme
aus Edelstahl waren PFAS-frei. Die
Konzentrationen seien bei einem
einmaligen Gebrauch der Halme
zwar gering. Doch können die
schwer abbaubaren Stoffe mit den
Halmen leicht in die Umwelt gelan-
gen. Weil PFAS im Verdacht stehen,
das Immun- und Hormonsystem zu
schädigen, sollen sie in Europa ver-
boten werden. mli
FRANK FU RTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG
Die Reste in Geschenkpapier
Anekdoten, Tickets,
Zettel über Zettel:
Die „Zeitschrift für
Ideengeschichte“
zerteilt das Werk
Niklas Luhmanns
unsauber.
G
eschichte, heißt es bei
Schelling, kann man von
etwas schreiben, das einen
Anfang, eine Mitte und ein
Ende hat. Damit ist schon
das Problem einer Geschichtsschreibung
angedeutet, die sich mit Gegenwärtigem
befasst. Je stärker ein historisches Objekt
in unsere Zeit hineinreicht, desto weni-
ger ist es im strengen Sinne historisch. So
ist weder die Geschichte des Automobils
abgeschlossen noch die der CDU oder
der Stammzellforschung. „Ich dachte, es
kommt nichts mehr“, begründet der klei-
ne Hanno Buddenbrook, dass er in der
Chronik seiner Familie einen Schluss-
strich zog. Wenn also noch etwas kommt,
kann die Chronik nicht geschlossen, die
Geschichte nur als vorläufige geschrie-
ben werden.
In der Ideengeschichte ist dieser Um-
stand noch mit weiteren Komplikationen
verbunden. Denn so leicht sich sagen
lässt, wann das Leben Maria Theresias zu
Ende ging, so schwer wäre es, das Ende
der Ideen Platons oder Rousseaus zu be-
stimmen. „Rezeption“ ist ein Name dafür
ist, dass sie weiterwirken. Der Philosoph
Hans Blumenberg hat als Geschichte
einer Idee einen ganzen Wälzer darüber
geschrieben, wie Platons Höhlengleichnis
bis weit in unsere Zeit hinein immer neue
Varianten abgewonnen wurden.
Zum anderen gibt es Werke, die eine
Zeit analysieren, die ihrerseits noch
nicht vergangen ist. Zur Geschichte
könnte man sie nur unter der entgegen-
gesetzten Voraussetzung erklären, dass
sie ins Museum gehören, weil man sich
nicht mehr darum kümmern muss, was
sie sagen, sondern sich ganz der Frage
widmen kann, unter welchen Umstän-
den sie etwas gesagt haben. Wenn wir
das sachliche Interesse an einer Theorie
weitgehend verloren haben, kann die
Ideengeschichte kommen und sie histo-
risieren. Dem Autor einer solchen Theo-
rie kann dann das mit Anekdoten ausge-
schmückte Grab eines „Klassikers“
errichtet werden.
Ein Beispiel für die Schwierigkeiten
liefert das jüngste Heft der bei C. H. Beck
erscheinenden „Zeitschrift für Ideenge-
schichte“. Unter dem albernen Titel
„Sankt Niklas“ – vermutlich ist nicht ein-
mal Feuerzangenbowle für diesen Na-
menswitz geflossen, der im Editorial in
der sinnlosen Formel aufgenommen
wird, das Heft handele von einem „heili-
gen Aufklärer“ – versammelt sie Beiträge
zum Soziologen Niklas Luhmann. Der
lebte von 1927 bis 1998 und schrieb etwa
sechzig Bücher zur Theorie der moder-
nen Gesellschaft und Hunderte von Auf-
sätzen. Die meisten der Ideenhistoriker,
die sich jetzt mit ihm befassen, dürften
nur einen Bruchteil davon gelesen, ge-
schweige denn studiert haben, was auch
kaum verlangbar ist, aber ein wenig An-
lass zur Reserve geben könnte, im Fall
Luhmanns die Akten der Argumentation
zu schließen. Nähme man sich etwa die
Akribie zum Vorbild, welche die größten
lebenden Ideenhistoriker, John G. A. Po-
cock und Quentin Skinner, in ihrem Um-
gang mit der politischen Gedankenwelt
der Frühneuzeit walten lassen, wäre der
nonchalante und gezwungen humoreske
Nicht nur für den Dienstgebrauch
Welchen Nutzen hatten Berichte von MfS und BND im Kalten Krieg für die Politik? Eine Tagung des Stasi-Unterlagen-Archivs
Mit den Geheimdiensten im Kalten Krieg
beschäftigte sich in Berlin eine Tagung
des Stasi-Unterlagen-Archivs. Daniela
Münkel, die Leiterin der Forschungsab-
teilung der früheren Gauck-Behörde,
stellte gleich zu Beginn heraus, dass die
Geschichte des Kalten Kriegs ohne die
Untersuchung der Geheimdienste unvoll-
ständig sei. Diesem Anspruch gerecht zu
werden scheint nicht leicht. Während das
2021 ins Bundesarchiv überführte Stasi-
Unterlagen-Archiv den vollständigen Be-
stand des Ministeriums für Staatssicher-
heit samt den Überbleibseln geschredder-
ter Akten übernahm, ist die Bereitstel-
lung der Akten des Bundesnachrichten-
diensts für das Bundesarchiv deutlich
schwieriger, wie Michael Weins erläuter-
te. Den Interessen von Wissenschaft und
Archiv an Akteneinsicht und Aktenerhalt
steht das Sicherheitsinteresse des Ge-
heimdiensts entgegen. Obwohl der BND
einer Anbietungspflicht an das Bundes-
archiv unterliegt, sobald die Akten nicht
mehr benötigt werden, spätestens aber
nach dreißig Jahren, gilt diese Pflicht nur
für Dokumente, die nicht die Methoden,
Quellen oder Mitarbeiter des BND offen-
legen. Sprich: Sehr wenig Akten gelangen
Vicco von Bülow, der unter dem emblematischen Künst-
lernamen Loriot in die Witzgeschichte einging, wurde am
12. November 1923 geboren. Barbara Stollberg-Rilinger,
der Historikerin der zeremoniellen Kommunikation und
Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin, einer der
sechs die „Zeitschrift für Ideengeschichte“ verwaltenden
Institutionen, ist aufgefallen, dass ihn mit dem vier Jahre
jüngeren Niklas Luhmann das Interesse an den „Parado-
xien doppelter Kontingenz“ verbindet. Fünf Gegenüber-
stellungen, „willkürlich herausgegriffen“, wie Stollberg-
Rilinger selbstironisch mitteilt, von „Loriots Heiler Welt“
Umgang mit Luhmann im vorliegenden
Heft nicht die einzige Möglichkeit. Ideen-
geschichte sollte nicht ohne Kenntnis der
Ideen geschrieben werden.
Hier hält sie sich in engen Grenzen.
Zumeist werden Anekdoten erzählt. Da-
runter sind interessante Geschichten
über Luhmanns Umgang mit seinem le-
gendären Zettelkasten, der ihm mitunter
unter vorgeblicher Verlustangst als Aus-
rede diente, irgendwo ein Stipendium
anzunehmen. Die Behauptung, der Kas-
ten sei ihm tatsächlich einmal verloren
gegangen, ist nach den Recherchen Jo-
hannes Schmidts, des Nachlassverwal-
ters, aus der Luft gegriffen.
Es folgt ein Text über eine Fußnote,
die Luhmann einmal zu einer postumen
Schrift des Autors und Fliegers Antoine
de Saint-Exupéry machte, in der 1948
vorgeschlagen wurde, auf vormoderne
Ordnungsvorstellungen und Weisheits-
lehren zurückzugreifen. Danilo Scholz
garniert das mit Zitaten, in denen Luh-
mann das Wort „Flug“ verwendet, und
bleibt zwanghaft im Wortfeld. Luh-
manns Soziologie biete „Tickets für den
Adlerhorst der Theorie“. Tickets für
einen Adlerhorst – geht’s noch? Das
schiefe Bild indiziert, dass gar kein Inte-
resse an den Sachaussagen Luhmanns
besteht. Es werden Zettel aus seinem
Kasten referiert, es wird Saint-Exupéry
an das Bundesarchiv. Werden Akten
trotzdem abgegeben, spricht der BND ei-
ne Empfehlung über die Archivwürdig-
keit aus. Dem Bundesarchiv ist es trotz-
dem vorbehalten, alle ihm zur Verfügung
stehenden Akten einzusehen und Archiv-
würdiges zu sichern. Dennoch entstand
der Eindruck, dass die überhaupt zur Ver-
fügung gestellten Akten rar sind.
Trotz aller systemlogischen Neigung
zur Abschottung sind Geheimdienste in
ihrer Arbeit hochgradig vom Zusam-
menspiel mit anderen Institutionen ab-
hängig. Beim MfS ergaben sich aus dem
Spannungsverhältnis zwischen profes-
sionellem Selbstverständnis und politi-
schen Erwartungen kaum auflösbare
Paradoxien, wie Stephan Wolf darlegte.
Einerseits sollte die Beliebtheit des Mi-
nisteriums in der SED mit geschönten
Berichten gesteigert werden, die schein-
bar die Überlegenheit über den Westen
belegten. Anderseits galt es, die Partei-
führung nüchtern über die gesellschaft-
liche Wirklichkeit und damit auch über
Probleme und Gefahren zu informieren.
Obwohl ideologische Grundannahmen
die Berichte der Zentralen Auswer-
tungs- und Informationsgruppe (ZAIG)
Geisteswissenschaften
und Zitaten Luhmanns illustrieren die Beobachtung.
„Nachdem auf seiten der Organisation die Be-
schränkung der wissenschaftlichen Forschung auf die
formal normierten Verhaltensaspekte aufgegeben wor-
den ist, läßt sich das erweiterte Repertoire an Verhal-
tensmöglichkeiten des Menschen in der Organisation
nicht länger ignorieren und die Frage nicht länger ab-
weisen, nach welchen Gesichtspunkten das Organisati-
onsmitglied unter den Verhaltensmöglichkeiten wählt,
die ihm die Organisationsstruktur faktisch eröffnet.“
(Die Grenzen der Verwaltung) Foto Diogenes Verlag
nacherzählt, dass Luhmann angeblich Seinen letzten öffentlichen Vortrag
einmal fast Syndikus bei der Lufthansa hat Luhmann übrigens nicht, wie Reh-
geworden wäre, wird als weiterer Beleg berg behauptet, auf jenem Soziologen-
für sein Interesse am Fliegen verwendet. tag in Dresden 1996 gehalten. Es kamen
Hätten sich im Nachlass alte Flugbu- danach, wie eine einfache Anfrage beim
chungen gefunden, sie wären hier gewiss Archiv ergibt, mindestens noch sechs
abgebildet worden. Luhmanns Bemer- weitere. Im November 1996 sprach der
kung, er habe im Unterschied zum von Krankheit Gezeichnete in Bielefeld
Schriftsteller Wissenschaft vor, bleibt in gespenstisch schleifenartigen Wieder-
folgenlos. „Die Geschichte der Wissen- holungen über die Möglichkeiten, den
schaft ist keine wie alle anderen“, heißt biologisch-kybernetischen Begriff der
es in Gaston Bachelards Buch „Die Bil- „Mikrodiversität“ soziologisch zu ver-
dung des wissenschaftlichen Geistes“: wenden. Der letzte gesicherte Auftritt
„Der Palast der Entdeckungen ist kein erfolgte im März 1997 auf dem interna-
Museum für müßige Gaffer. Man geht tionalen Münchner Haftpflichtforum zu
nicht an Regentagen dorthin, um die „Risiko und Kausalität“.
Zeit totzuschlagen.“ Manche tun es doch Schon die Details stimmen also nicht,
und schlagen die Zeit ihrer Leser gleich aber es wurde ja auch nicht ideenge-
mit tot. schichtlich geforscht, sondern bloß erin-
Der Soziologe Karl-Siegbert Rehberg nert. Detlef Pollacks Erinnerungen an
hält sich nicht an die Lufthansa, sondern einen Vortrag Luhmann 1986 in Leipzig
an die Bahn und schließt aus Luhmanns und Rudolf Stichwehs Schilderungen
Wahl der 2. Klasse, wo ihm doch vom von Luhmann in einem Dubrovniker
Dresdner Soziologentag 1996 die Fahrt Kolloquium zehn Jahre zuvor bringen
1. Klasse finanziert worden wäre, auf Kolorit, aber inwiefern es sich um Bei-
seine „Enthobenheit von den physischen träge zur Ideengeschichte handelt, bleibt
Gegebenheiten“. In die Form einer ganz offen. Sofern jedenfalls Ideenge-
Klugheitslehre gebracht, lautet das: schichte nicht heißt, die nicht verschrift-
Wählen Sie stets die 1. Klasse, sonst lichen oder unpublizierten Äußerungen
wird Ihnen das ideengeschichtlich als In- des Professors nachtragen.
diz dafür ausgelegt, dass Sie leider weder Hübsch ist Rehbergs Formulierung,
eine Anthropologie vorhaben noch der frühe Luhmann habe auf ihn gewirkt
überhaupt am Körper interessiert sind. „wie ein Weltbuchhalter, der mit der
prägten, wurden sie mit der Zeit immer tion der geheimdienstlichen Berichte
genauer, berichtete Martin Stief. mit politischen Entscheidungen stets im
Wie Ronny Heidenreich ausführte, Einzelfall zu erforschen ist.
konzentrierte sich das MfS in seiner Be- Dass aus amtlicher Politikberatung
richterstattung nach dem Volksaufstand nicht zwingend politisches Handeln her-
des 17. Juni 1953 und dem Mauerbau auf vorging, galt auch für die andere Seite
politisch Andersdenkende. In den späte- der Mauer. Der BND und seine Vorgän-
ren Sechziger- und den Siebzigerjahren gerinstitution, die schon 1946 gegründe-
prägten wirtschaftliche Mängel die Be- te Organisation Gehlen, hatten Informa-
richte, während in den Achtzigern die tionen über den Ostblock zu sammeln.
sich formierende politische Opposition Andreas Hilger und Jost Dülffer beton-
erneut in den Fokus rückte. In welcher ten, dass die Rekrutierung und Selbst-
Weise wurden die Erkenntnisse des MfS rekrutierung ehemaliger Wehrmachtsof-
in der Politik rezipiert? Auf ein sozial- fiziere in der Berichterstattung des Aus-
historisches, von der marxistischen landsgeheimdienstes ideologisch durch-
Schulung der Kader bestimmtes Rezep- schlug. Informationen, gesammelt nach
tionshindernis machte Jens Schöne auf- dem Prinzip Masse statt Klasse, wurden
merksam: Berichte über eine in ländli- im propagandistischen Kampf gegen
chen Lebenswelten entstehende markt- den „Weltkommunismus“ veredelt und
wirtschaftliche Schattenwirtschaft und manipuliert. Laut Dülffer, der zu den
Akten über desillusionierte SED-Mit- Veröffentlichungen der Unabhängigen
glieder auf den Dörfern wurden in den Historikerkommission zur Erforschung
Achtzigerjahren von der urban gepräg- der Geschichte des BND den Band „Ge-
ten SED ignoriert. Auch Berichte über heimdienst in der Krise. Der BND in den
wirtschaftliche Mängel in den Jahren 1960er-Jahren“ beisteuerte, lässt sich
vor 1989 blieben ohne nachweisbare auch bei der Organisation Gehlen und
Folgen in der Wirtschaftspolitik. Über- dem frühen BND nur individuell prüfen,
einstimmung unter den Teilnehmern der wie die Berichte von der Politik rezipiert
Tagung bestand darin, dass die Korrela- wurden. Auch auf den Kanzler kam es
M IT T WOC H, 30. AUGUS T 2023 · NR. 2 0 1 · SE I TE N 3
Kasse durchgegangen ist und nun auf
großem Fuße lebt“. Sie hält nicht nur die
eigensinnigen Aspekte von Luhmanns
Theorie fest, ohne sie näher zu belegen,
sondern passt auch auf Rudolf Stichwehs
Bemerkung, zunächst habe man als Stu-
dent in Bielefeld, wo Luhmann lehrte, in
ihm einen Verwaltungsmann gesehen,
um bald festzustellen, dass er die Uni-
versität war. Weil er sich in fast allem,
Sport und Tourismus ausgenommen, in
verblüffender Weise auskannte, weil er
gewaltige Lektüren in seiner Theorie
verarbeitet hatte und weil ihm eben Wis-
senschaft im Sinn stand und nicht Moral,
Politikberatung, Tänze in den Medien.
Zu dem, was die Herausgeber des Hef-
tes frech „Zufallsfunde aus dem Archiv“
nennen, als hätten sie selbst recherchiert
und nicht dessen Mitarbeiter, gehört
auch ein kleiner Schriftwechsel zwi-
schen Luhmann und einer Studenten-
gruppe, die 1971 von ihm erbat, für ihre
selbstorganisierte Übung zur marxisti-
schen Erkenntnistheorie individuelle
Seminarscheine auszustellen. Dem De-
kan schreibt Luhmann, diese Art von Er-
kenntnistheorie gelte einerseits seit
1900 weitgehend für überwunden, und
er sei andererseits nur bereit, Scheine für
individuelle Beiträge zu unterschreiben.
Eva Geulen sieht nicht, dass Luhmann
auf Husserls Widerlegung psychologi-
scher Erkenntnistheorien anspielt, wes-
wegen die Antwort, die marxistischen
Theorien seien erst nach 1900 diskutiert
worden, ins Leere zielt. Sie waren schon
vorher obsolet. Geulen aber hält es mit
den Studenten. Luhmann berufe sich,
gegen seine eigene Soziologie der Wis-
senschaft, auf „charismatische Instan-
zen“ bürgerlicher Autorschaft, wenn er
individuelle Beiträge verlange. Dass
Frau Geulen ihren Beitrag von drei Sei-
ten mit dem eigenen Namen über-
schreibt, wäre dann ebenso bürgerlich?
„Charismatisch“ wirkt es jedenfalls
nicht, der Begriff wird soziologisch an-
ders gebraucht, aber Geulen ist ja auch
keine Soziologin. Deswegen entgeht ihr
auch der Unterschied zwischen der Aus-
sage, Autorschaft sei eine Konstruktion,
und der Behauptung, Autorschaft sei
eine – etwa in Zusammenhängen der
Universität – überflüssige Konstruktion.
Der Griff zur Anekdote ist deutlicher
Ausdruck des Unwillens, sich mit dem
Werk auseinanderzusetzen. Worauf hat
es geantwortet? Was war seine ideenge-
schichtliche Situation? Was versuchte es
in seinem Fach auszurichten? Das alles
interessiert diese Art von Ideenge-
schichte nicht. Stephan Schlak, der fe-
derführende Redakteur der Zeitschrift,
der um falsche Bilder nie verlegen ist
(„Luhmann findet leichte Kost für einen
Zeitungsartikel“, „formuliert eine Binse
aus seinem Besteckkasten“, formuliert
eine „Belegstelle für die eigene Fahne“),
erzählt einen Beitrag Luhmanns zum
Fußball aus dieser Zeitung nach, um ihn
als Soziologen der Bundesrepublik dar-
zustellen. Was das sein soll, wird nicht
erläutert. Selbst Petra Gehrings kluger
Beitrag zum Begriff der „Kontingenz“
(des Anders-möglich-Seins von etwas)
bei Luhmann bremst ab, bevor die Prü-
fung des Begriffs ein Gebiet erreicht, in
dem ersichtlich würde, welchen Ertrag
in der Deutung der modernen Gesell-
schaft er hat.
Das Heft macht so insgesamt den Ein-
druck, als bedeute „Ideengeschichte“,
sich für alles, nur nicht für die Ideen zu
interessieren. Das war schon vor zwei
Jahren so im Heft „H wie Habermas“,
das ist hier erneut der Fall. „Zwischen
der gewöhnlichen und der wissenschaft-
lichen Neugier“, schreibt Bachelard,
„besteht eine Dialektik: die erste will be-
sichtigen, die zweite begreifen.“ Die
„Zeitschrift für Ideengeschichte“ hat
sich für das Besichtigen und für das Mu-
seum, nein, für das Kuriositätenkabinett
entschieden. JÜRGEN KAUBE
an: Während Konrad Adenauer den
Austausch mit der BND-Spitze schätzte,
zeigte sein Nachfolger Ludwig Erhard
wenig Interesse für den BND.
Wie Erich Mielke, der im 1950 ge-
gründeten Ministerium für Staatssi-
cherheit zunächst im Rang eines Staats-
sekretärs tätig war und von 1957 bis
1989 als Minister amtierte, musste Geh-
len im politischen Betrieb als Lobbyist
für sich und seine Organisation operie-
ren. Ideologische Grundannahmen
färbten die Berichte, die Dienste nutz-
ten ihre Informationen in der Macht-
konstellation des Behördengefüges zum
eigenen Vorteil: Für die Organisations-
forschung liegen die strukturellen Ähn-
lichkeiten zwischen ost- und westdeut-
schen Geheimdiensten auf der Hand.
Wie stark wirkte sich demgegenüber
der Systemunterschied zwischen Partei-
diktatur und parlamentarischer Demo-
kratie aus? Erkenntnisse jenseits von
Einzelfällen wird die Forschung nur
dann gewinnen können, wenn BND und
Verfassungsschutz auch im Umgang mit
den eigenen Akten beherzigen, dass ihr
Daseinszweck Sicherheit für die Frei-
heit sein soll. JULIA BAUMANN
Vom Asyl
überfordert
Heinrich August Winkler
als Verfassungshistoriker
Der Historiker Heinrich August Winkler
hat in dieser Zeitung (Staat und Recht, 24.
August 2023) aus scheinbar kalendari-
schem Anlass an die wechselvolle Historie
des deutschen Asylgrundrechts erinnert
und diese als Narrativ der „unrealistischen
Einschätzung der deutschen Möglichkei-
ten in Sachen Asyl und Migration“ prä-
sentiert. Dabei sind ihm zahlreiche Unge-
nauigkeiten unterlaufen.
Im Parlamentarischen Rat hatte man
1948/49, als Artikel 16 des Grundgesetzes
entstand, keine konkreten Vorstellungen
davon, was ein Grundrecht auf Asyl garan-
tieren soll. Dass man Lehren aus der Ver-
folgung unter NS-Gewaltherrschaft ziehen
wollte, ist eine naheliegende Vorstellung,
die sich aus den Quellen allerdings nicht
belastbar belegen lässt. Die Geschichte
des Grundrechts war bunt und kannte ver-
schrobene Arabesken, so den Vorschlag,
Asyl nur Deutschen zu gewähren oder das
Eintreten „für Freiheit, Demokratie, sozia-
le Gerechtigkeit oder Weltfrieden“ zu prä-
mieren. Vor allem gab es 1948 – anders als
es Winkler suggeriert – keine allgemeinen
Grundsätze des Völkerrechts zum Asyl.
Der Parlamentarische Rat bezog zwar
Position im internationalen Konzert der
Nachkriegsordnung, schuf aber mit einem
Grundrecht auf Asyl etwas völlig Neues.
Vage wahrgenommen wurden die De-
batten um die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte vom Dezember 1948.
Diese war aber als Resolution der UN-
Vollversammlung kein bindendes Völker-
recht. Und sie enthielt in ihrer Endfassung
gerade kein Recht auf Asyl, sondern nur
ein Recht, freiwillig angebotenes Asyl an-
nehmen zu dürfen. Asylgewährung war al-
so keine unzulässige Einmischung in die
inneren Angelegenheiten des Heimat-
staats mehr. Diese Frage hat, wenn man
auf die wachsende Aggression autoritärer
Staaten wie Russland, Vietnam, Iran oder
China gegenüber Exilanten blickt, wieder
traurige Aktualität.
Das Prinzip des „non refoulement“ (das
Verbot, Verfolgte an der Grenze zurückzu-
schieben), das Winkler als vermeintlich
völkerrechtliche Referenz anführt, tauchte
erstmals in der Genfer Flüchtlingskonven-
tion vom Juli 1951 auf, zwei Jahre nach In-
krafttreten des Grundgesetzes. Gewiss
standen im Mittelpunkt der Zielgruppe des
Asylgrundrechts Flüchtlinge aus dem Ost-
block. Gleichwohl spielten im Parlamenta-
rischen Rat auch andere Szenarien eine
Rolle. So gab es etwa eine Debatte, ob man
bei einer unkonditionierten Asylgewäh-
rung künftig Legionen italienischer Fa-
schisten aufnehmen müsse. Die Idee, Asyl
nur politisch Erwünschten zu gewähren,
wurde mit der heute verträumt wirkenden
Begründung abgelehnt, dass solche Prü-
fungen die Grenzpolizei überforderten.
Die Rechtsprechung tastete sich an das
neue Grundrecht heran, dessen quantita-
tive Bedeutung zunahm. Maßgeblich das
Bundesverwaltungsgericht richtete den
Begriff der politischen Verfolgung seit
1957 am Flüchtlingsvölkerrecht aus und
sorgte so für eine inhaltliche Konkordanz.
Mehr als das Völkerrecht hat es also im
Kern nie gegeben. Die einzig relevante
Abweichung war die Anerkennung grup-
penbezogener Verfolgung iranischer Ho-
mosexueller durch das Gericht 1988.
Die umstrittene Asylreform von 1993,
die den heutigen Artikel 16a des Grundge-
setzes schuf, hat das Asylrecht im Prinzip
auf diejenigen begrenzt, die auf dem Luft-
weg einreisen. Das Völkerrecht hatte man
auch damals im Blick. Zum einen gab es
im Flüchtlingsvölkerrecht bereits ver-
gleichbare – nur weniger strenge – Argu-
mente wie die heutige Drittstaatsregelung.
Zum anderen stellte man das Recht in Ab-
satz 5 ausdrücklich unter den Vorbehalt
völkerrechtlicher Vereinbarungen.
Das deutsche Asylgrundrecht wurde
seit der Jahrtausendwende sukzessive vom
Recht der Europäischen Union abgelöst,
die über ein eigenes Asylgrundrecht sowie
ein elaboriertes Regelungswerk (von der
Qualifikations- und der Verfahrensricht-
linie bis zum missglückten Mechanismus
der Dublin-Verordnung) verfügt. Die Vo-
raussetzungen des europäischen Flücht-
lingsschutzes folgen jedoch akzessorisch
dem Flüchtlingsvölkerrecht. Der Europä-
ische Gerichtshof hat wiederum den Mit-
gliedstaaten weitgehend die Option ge-
nommen, nach nationalem Recht großzü-
gigere Asyläquivalente zu schaffen. Wenn
Winkler jetzt über einen Zusammenhang
von „Flüchtlingskrise“ und Asylgrund-
recht spekuliert sowie als Remedur eine
Verfassungsänderung ins Spiel bringt, be-
spielt er populistische Debatten, welche
die Rechtswirklichkeit grundlegend ver-
fehlen. Das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge stützte von den Asylentschei-
dungen 2016 und 2017 grob 0,5 Prozent
auf das deutsche Asylgrundrecht, alle an-
deren auf das im Asylgesetz umgesetzte
Unions- und Völkerrecht. Würde man das
deutsche Asylgrundrecht komplett strei-
chen, würde kein Fall anders entschieden.
Das Asylgrundrecht ist so vor allem ein
Referenzfall für die vielschichtigen Ver-
flechtungen des deutschen Verfassungs-
rechts in internationale sowie europä-
ische Regelungsprozesse, die mitunter
schwerfällig sind und auch Reibungen
kennen. Wer Handlungsoptionen realis-
tisch bewerten will, statt Mythen und
Ressentiments zu pflegen, braucht
Wissen. KLAUS FERDINAND GÄRDITZ
SE I TE N 4 · M I T T WOC H, 3 0 . AU GU S T 2 0 2 3 · NR. 201 Forschung und Lehre FRANK FURTE R AL LGE M E I NE Z E I TU NG

E
s ist noch nicht lange her,
da waren Universitäten
nachgeordnete Behörden
der Wissenschaftsministe-
rien. Rektoren waren
Grüßauguste, die nach
zweijähriger Amtszeit wieder zurück ins
Glied der Ordinarien traten und die wich-
tigen Entscheidungen Leuten überließen,
die etwas von der Sache verstanden: ihren
Kanzlern und den Fachleuten in der Mi-
nisterialbürokratie. Universitäten wurden
verwaltet. Das war wenig sexy, aber es
funktionierte ganz ordentlich. Visionen
überließ man Leuten, die man zum Arzt
schickte, Strategien den Generälen.
Nachdem die Achtundsechziger den
akademischen Muff von tausend Jahren
weggeblasen hatten, nahm sich der „en-
trepreneurial turn“ der Neunzigerjahre
endlich des Mehltaus an, der seit Hum-
boldt über der verwalteten Universität
gelegen hatte. Die Hochschulen sollten
Orte des Aufbruchs werden, auch in
Deutschland. Es galt, zumindest für die
politische Vorderbühne, den Kampf um
die besten Köpfe zu gewinnen und Welt-
spitze zu werden: Heidelberg in einer Li-
ga mit Harvard, Karlsruhe dem MIT
dicht auf den Fersen.
Konkurrenz belebt das Geschäft, und
so wurde der Kampf um knappe oder
knapp gehaltene Ressourcen zur eigent-
lichen Mission der Hochschulen. Die res
publica litterarum verwandelte sich in
ein Haifischbecken, in dem die Drittmit-
telkönige die kleinen Fische fraßen. Ma-
ribel Guerrero und David Urbano haben
es 2012 so formuliert: Die Entrepreneu-
rial University ist der Überlebende in
einem kompetitiven Umfeld.
Die erste akademische Revolution hat-
te aus scholastischen Lehranstalten For-
schungsinstitutionen gemacht, jetzt ver-
wandelte eine zweite Revolution die
Universitäten in global operierende Play-
er auf dem großen Marktplatz des Wis-
sens, mit dynamischen CEOs statt bräsi-
gen Rektoren an der Spitze. Der
Wissenschaftsbetrieb nahm Dimensio-
nen an, die selbst ein Max Weber vor
hundert Jahren nicht in seinen kühnsten
Träumen hatte erahnen können.
Wurden damit die Unis zu Wurstfabri-
ken, wie Berthold Wigger in der F.A.Z.
einmal mutmaßte (F.A.Z. vom 22. Juli
2015)? Nein, sie wurden zur Kulisse in
einem Universum, das wir aus Fernseh-
shows kennen. Doch merke: Wie bei
Germany’s Next Topmodel gewinnen
nur die Organisatoren der Wettbewerbe,
das gesamte Feld der Teilnehmer und Be-
werber verliert.
Belohnte Versprechen
Im deutschen Wissenschaftsföderalis-
mus eröffnete die Entrepreneurial Uni-
versity ungeahnte Möglichkeiten der
Hochschulfinanzierung. Endlich waren
die Zeiten vorbei, in denen notorisch
klamme (oder ihre Unis knapp haltende)
Länder die Hochschulen halbwegs aus-
kömmlich finanzieren mussten. Ohne
dass das Kooperationsverbot fallen
musste, konnte der Bund über Drittmit-
tel, die er über die Zwischenstationen
Deutsche Forschungsgemeinschaft und
Exzellenzinitiative großzügig über For-
scher regnen ließ, seinen Beitrag zur
Hochschulfinanzierung leisten.
Findige Professoren fanden sich im Top-
model-Universum der Entrepreneurial
University schnell zurecht. Bücherschrei-
ben war out, die Zukunft gehörte der An-
tragsprosa: you get what you pay for! Aus
Wissenschaftlern wurden Teilnehmer an
Projektwettbewerben, die immer mehr
(Zwangs-)Teilnehmer anzogen und damit
– gut für die Organisatoren der Wettbe-
werbe – immer weniger Prämien ausschüt-
ten mussten.
Willkommen an der
Heidi-Klum-Universität!
Die entfesselte Hochschule wurde uns versprochen, einen
Schönheitswettbewerb bekamen wir. Zünden wir die nächste Stufe.
Von Thomas Ehrmann und Michael Sommer
Knallhart kompetenzorientiert: die Beauty-Exzellenzgutachterin Heidi Klum
Sie wurden aber auch Wissenschafts-
manager, die Forschung versprachen und
Drittmittel verwalteten. Aus Forscher-
persönlichkeiten wurden Gutachter und
Begutachtete, aus Public Intellectuals die
Sprecher von Sonderforschungsberei-
chen und Graduiertenkollegs.
Endlich hielt das Leistungsprinzip Einzug
in die Wissenschaft. Und mit welch tollen
Erfolgen: Das geschleifte Hochschullehrer-
privileg sollte Milliarden durch Patentein-
nahmen in die Unikassen spülen (ok, klappt
noch nicht so ganz), die Exzellenzinitiative
die Unis in die globale Champions League
hieven (ok, in vorexzellenten Zeiten war die
beste deutsche Uni höher platziert als nach
vielen Milliarden Exzellenz, aber was
soll’s). Hier wie auch bei Heidi Klum fühlt
sich der Gewinn an wie beim Wurstschnap-
pen auf Kindergeburtstagen. Keiner der
Drittmittelgewinner wird je Nobelpreisträ-
ger, keine der jungen Damen wird ein ech-
tes Topmodel. Aber die einen wie die ande-
ren werden pausenlos evaluiert: die Models
von Jurys, die Wissenschaftler von Ministe-
rien, Rektoraten und ihren Stabsstellen.
Wer hätte je von Evaluationen in der
Gegenrichtung gehört? Egal, nicht das Er-
reichte zählt, das Erzählte reicht!
Denn Uni-Leitungen verfügten nun
endlich über Kennzahlen, anhand derer
sie die Qualität ihres Personals bis zur
fünften Nachkommastelle messen, Mi-
Foto Richard Hübner/ProSieben/Picture Alliance
nisterien über Daten, mit denen sie über-
prüfen konnten, ob die Universitäten lie-
ferten. Und wie die lieferten, genauso
wie Klums Topmodels: Sie stießen heka-
tombenweise Absolventen und Dokto-
randen aus, sie generierten Forschungs-
daten im Akkord, sie schufen sich
Strukturen, die sie auf dem Drittmittel-
markt wettbewerbsfähig machten.
Die Entrepreneurial University trieb,
getreu ihren Grundsätzen, die Innova-
tion des Geschäftsmodells Germany’s
Next Topmodel voran und schuf Chan-
cen ohne Ende. Vor allem für die eigenen
Alumni: Wer keine der raren Professuren
ergatterte, fasste Fuß in der schönen
neuen Welt der Stabsstellen und Refera-
te. Ein zweiter Arbeitsmarkt für Akade-
miker war geboren, der für die mit der
Koordinatoren-Koordinationskompe-
tenz. Und auch an die anderen war ge-
dacht: Wer fragt noch nach Wettbe-
werbsergebnissen, wenn man schon für
die Antragstellung Mittel in die Hand ge-
drückt bekommt? Niemand, denn es geht
darum, wie die Klums dieser Welt an der
Organisation der Wettbewerbe zu verdie-
nen. Dabeisein ist alles, wer seinen Hut
in den Ring wirft, darf auf der Seite der
Organisatoren mitspielen.
Aufbruch in eine neue Dimension
Die Entrepreneurial University stellte
Reputationslogiken vom Kopf auf die
Füße: Wissenschaft war gestern, der
Beauty-Contest der Anträge und Projek-
te ist Trumpf! Man ist auf dem richtigen
Weg: Während Unternehmer vom Markt
bewertet werden, mit oft unangeneh-
men Konsequenzen, stehen Rektorate
und Stabsstellen über dergleichen. Sie
haben es einfach drauf!
Doch Innovation ist ein kontinuierli-
cher Prozess, jede Reform erzwingt ge-
bieterisch die nächste. Wer dem Exzel-
lenzelysium näherkommen möchte, darf
also bei der jetzigen Version der Entre-
preneurial University auf keinen Fall
stehen bleiben. Wir brauchen dringend
eine dritte akademische Revolution, wir
brauchen die Entrepreneurial Universi-
ty 2.0. An ihrem Werden und Gelingen
wollen wir mit ein paar konstruktiven
Vorschlägen mitwirken.
Erstens müssen die Wettbewerbe
spannender, öffentlichkeitstauglicher
werden. Warum nicht die Antragsrun-
den und Bewertungen nach dem Prinzip
des Klagenfurter Bachmann-Wettbe-
werbs im TV übertragen? Warum nicht
mit Karten à la Klum arbeiten, wenn
kleine Fehler gemacht werden? Und wa-
rum sich nicht an Ninja Warrior orien-
tieren? Anträge erreichen nur dann die
nächste Runde, wenn – Stichwort Inter-
disziplinarität! – das athletische Teil-
team der Forscher erfolgreich einen
Warrior-Parcours absolviert hat. Das
wäre, Science-Slam lässt grüßen, Entre-
preneurial University at its best.
Die Wettbewerbe müssen aber auch
billiger werden, damit die Organisato-
ren höhere Renten abschöpfen können.
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz
drängt sich förmlich auf. Warum nicht
ChatGPT die Anträge schreiben und sie
von der Stabsstelle im Rektorat voreva-
luieren lassen? Die Endauswahl kann
dann bei der DFG in Bonn wieder die KI
vornehmen. Studenten könnte man das
Examen bereits am Tag der Immatriku-
lation in die Hand drücken. Die Univer-
sitäten könnten sich so endlich auf ihren
eigentlichen Kern, die Rektorate und
Stabsstellen, gesundschrumpfen. Wie
viel sinnlos verprasstes Steuergeld ließe
sich so einsparen!
Natürlich wird die Entrepreneurial
University 2.0 allerlei Nörgler auf den
Plan rufen, die aus falschem Bewusst-
sein schon in der Vergangenheit Pro-
jektlogik und Interdisziplinarität kriti-
siert haben. Ihnen sei gesagt, dass es
zwecklos ist, sich dem Fortschritt ent-
gegenzustemmen. Vorwärts immer,
rückwärts nimmer. So viel ist wissen-
schaftlich erwiesen.
Thomas Ehrmann ist Professor für
Volkswirtschaft an der Universität Münster.
Michael Sommer ist Professor für Alte
Geschichte an der Universität Oldenburg.

Evidenzlose Selbstbestimmung
Der medizinische Standard für die Durchführung körperlicher Geschlechtsangleichungen steht in der Kritik: Es fehle an wissenschaftlichen Grundlagen.
Seit etwa zehn Jahren stehen Mediziner
vor der Frage, wie sie auf die massiv ge-
stiegene Anfrage nach Geschlechtsan-
gleichungen reagieren sollen. Laut Statis-
tischem Bundesamt ist die Zahl der
Operationen von 419 im Jahr 2007 auf
2598 im Jahr 2021 gestiegen. Die höchste
Zuwachsrate verzeichnen Minderjährige
und besonders Mädchen, die ihr Ge-
schlecht verändern wollen. Neu ist auch
der Patiententypus: Immer mehr Jugend-
liche entdecken ihren Transitionswunsch
relativ plötzlich in der Pubertät. Ihr Un-
behagen am Körper hat nicht wie früher
üblich eine lange Vorgeschichte und geht
nun häufiger mit anderen psychischen
Problemen wie Depressionen einher. Soll
man vor diesem Hintergrund die Alters-
grenzen für die medizinische Transition
aufheben, wie es die World Professional
Association for Transgender Health for-
dert, oder sollte man die Pubertät abwar-
ten, weil der Wunsch zum Geschlechts-
wechsel Studien zufolge in den meisten
Fällen wieder verschwindet?
Den internationalen Standard für die
Behandlung von Transitionswünschen
bei Minderjährigen gibt bislang das
Dutch Protocol vor, die Behandlungs-
grundlage einer Kohortenstudie, die von
einem Team um Annelou de Vries an
einer Amsterdamer Genderklinik durch-
geführt wurde. Sie behaupten eine posi-
tive Wirkung von medizinischen Ge-
schlechtsangleichungen im Kindes- und
Jugendalter und geben auf dieser
Grundlage Empfehlungen für den drei-
stufigen Prozess der Transition, be-
stehend aus der Vergabe von Pubertäts-
blockern, gefolgt von gegengeschlechtli-
chen Hormonen und der abschließenden
Operation.
Das Dutch Protocol empfiehlt die An-
wendung von Pubertätsblockern schon
vom frühesten Stadium der Pubertät an.
Es gibt indes Hinweise auf Nebenwir-
kungen wie Osteoporose, Unfruchtbar-
keit oder Anorgasmie, auch die kogniti-
ve Reifung wird möglicherweise
beeinträchtigt. Gestritten wird auch da-
rüber, ob der Eingriff in den sexuellen
Entwicklungsprozess durch die Blocker
reversibel ist und ob die Blocker die Wei-
chen für die spätere Gabe von gegenge-
schlechtlichen Hormonen stellen, die in
der Praxis fast immer folgt. All das ist
nicht abschließend zu beantworten, weil
die Langzeitwirkungen noch nicht er-
forscht sind. In der Praxis wird meist
nach den freizügigen Vorgaben des
Dutch Protocols behandelt.
Laut einer im „Journal of Sex and Ma-
rital Therapy“ publizierten Analyse aus
diesem Januar steht das Protokoll jedoch
selbst auf tönernen Füßen. Der Hauptkri-
tikpunkt der Wissenschaftler um die Psy-
chologin Elvira Abbruzzese ist, dass die
Ergebnisse des Protokolls an Probanden
gewonnen wurden, die sich vom heute
dominierenden Patiententypus stark
unterscheiden. Das Protokoll beziehe
sich auf Minderjährige, die schon seit
frühester Kindheit den Wunsch nach Ge-
schlechtsangleichung hatten. Heute habe
man es dagegen hauptsächlich mit plötz-
lichen Transitionswünschen in der Pu-
bertät zu tun. Außerdem gehe die Studie
fälschlich davon aus, dass Jugendliche
ihren Transitionswunsch im Erwachse-
nenalter so gut wie nie aufgeben.
Kritik trifft auch die Auswahl der Pro-
banden. Die Amsterdamer Wissenschaft-
ler hätten nur Patienten untersucht, die
keine psychischen Komorbiditäten wie
eine Depression aufwiesen. Genau dies
sei heute jedoch bei vielen Jugendlichen
mit Transitionswunsch zu beobachten.
Fragwürdig sei auch, dass in die Bewer-
tung nur die Aussagen von Patienten ge-
flossen seien, die alle drei Stufen des Pro-
tokolls absolvierten, und ausscheidende
Kandidaten ignoriert worden seien, was
die Quote der zufriedenen Probanden
künstlich erhöhe.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Er-
folgsmessung. Den männlichen und
weiblichen Probanden hätten die hollän-
dischen Forscher vor der Behandlung
einen geschlechtsspezifischen Fragebo-
gen vorgelegt, der nach dem Durchlaufen
des vollständigen Protokolls einfach ver-
tauscht worden sei. Jungen, die zu Trans-
frauen transitionierten, sollten nun bei-
spielsweise die Frage beantworten, ob
die Regelblutung sie unglücklich mache –
obwohl sie nie eine hatten.
Man mag kaum glauben, dass auf einer
solch dünnen Evidenzgrundlage weltweit
Zehntausende von Kindern behandelt
wurden und werden. Einige Länder wie
Großbritannien, Finnland und Schweden
sind in der jüngeren Vergangenheit von
dem Protokoll abgerückt. In Großbritan-
nien bewirkte der Skandal um die welt-
weit größte Genderklinik, das Gender
Identity Development Service im Londo-
ner Tavistock Center, einen Meinungs-
umschwung. Die nationale Gesundheits-
behörde kündigte an, das Institut wegen
fahrlässiger Behandlungsmethoden bis
2024 zu schließen. Der Bericht der Regie-
rungskommission bezweifelte auch die
wissenschaftliche Belastbarkeit des an
der Klinik verwendeten Dutch Protocols.
Zu ähnlichen Schlüssen kamen Meta-
analysen der schwedischen und finni-
schen Gesundheitsbehörden. Erstmals
fanden hier unabhängige Prüfungen des
Dutch Protocols statt, das von Unterneh-
men mitfinanziert worden war, die selbst
Pubertätsblocker vertreiben. Seltsam ist
auch, dass Annelou de Vries Fördergel-
der der niederländischen Organisation
für wissenschaftliche Forschung (NWO)
bewilligt wurden, um die „fehlende Be-
weisgrundlage“ nachzuliefern, wie der
niederländische Journalist Jan Kuiten-
brouwer schreibt. Es klingt nach dem
Eingeständnis, dass man Kinder und Ju-
gendlich jahrelang ohne wirklichen Evi-
denznachweis behandelt hat. Die NWO
beantwortet eine entsprechende Nach-
frage der F.A.Z. nicht.
Mit den Bemühungen der Ampel um
ein neues Gesetz zur Selbstbestimmung
des Geschlechtseintrags (SBGG) hat all
das nur indirekt zu tun. Der gerade von
der Bundesregierung beschlossene Ge-
setzentwurf befasst sich nur mit dem
personenstandsrechtlichen Geschlechts-
wechsel und klammert den medizini-
schen Aspekt aus. Ärzte und Psychologen
halten es jedoch für wahrscheinlich, dass
die Senkung der juristischen Schwelle
den Wunsch nach körperlicher Anglei-
chung erhöht.
Die Vorgaben dafür treffen die medizi-
nischen Leitlinien für das Kindheits- und
Jugendalter, die gerade überarbeitet wer-
den. Die Kommission steht nun vor der
Frage, wie sie auf der Basis fragmentari-
scher Forschung sinnvolle Regeln
definieren soll. Der Vorsitzende der
Kommission, der Kinder- und Jugendpsy-
chiater Georg Romer vom Universitäts-
klinikum Münster, gab in der Fachzeit-
schrift „Nervenheilkunde“ (2022, 41) die
Richtung vor. Er plädiert dafür, das Un-
behagen am körperlichen Geschlecht
nicht mehr als Störung zu verstehen und
dem Patienten den Wechsel in sein emp-
fundenes Geschlecht zu erleichtern, wo-
für medizinische Maßnahmen meist sinn-
voll und notwendig seien. Frühere
Annahmen, wonach der Wunsch nach
einem anderen Geschlecht auch auf eine
psychopathologische Fehlentwicklung
zurückgehen könnte, hätten sich als nicht
haltbar erwiesen. Psychische Leiden und
Selbstmordtendenzen gingen deutlich
zurück, wenn eine geschlechtsanglei-
chende Hormonbehandlung schon im Ju-
gendalter begonnen wurde.
Es verwundert, dass die zentrale Refe-
renz für diese Behauptung trotz seiner
methodischen Mängel das Dutch Proto-
col ist. Es folgt ein Hinweis auf neuere
Studien, die zu ähnlichen Ergebnissen
kämen. Der Kinder- und Jugendpsychia-
ter, Psychotherapeut und Sexualmedizi-
ner Alexander Korte von der LMU Mün-
chen wirft auch diesen Studien gravie-
rende methodische Schwächen wie das
Fehlen einer Vergleichsgruppe und Män-
gel in der Datenanalyse vor. Der Nach-
weis über den langfristigen Nutzen frü-
her Hormonbehandlung könne auf dieser
Grundlage nicht geführt werden. Solange
dies so sei, gelte der medizinische Grund-
satz „Primum non nocere“: zuallererst
nicht schaden.
In der Ärzteschaft schwelt ein Rich-
tungsstreit. Die sächsische Landesärzte-
kammer artikulierte ihre Zweifel in
einem Antrag für den letzten Ärztetag:
Es gebe bis heute keine hinreichende
wissenschaftliche Bewertungsgrundlage
für die Behandlung, besonders was Lang-
zeitstudien zu Pubertätsblockern und
gegengeschlechtlichen Hormonen be-
trifft. Wichtige Schlussfolgerungen, was
den Therapieerfolg und die Behand-
lungsmethoden betrifft, könnten so gar
nicht gezogen werden. Die Lücke sei
dringend zu schließen.
Auch der Deutsche Ethikrat mahnt
angesichts des lückenhaften For-
schungsstands zur Zurückhaltung.
Schließlich handele es sich um einen ir-
reversiblen, lebensprägenden Eingriff
in einer Phase, in der die Persönlich-
keitsentwicklung noch nicht abge-
schlossen sei, was die ethische Entschei-
dungslast für den Therapeuten erhöhe.
Er kann der Verantwortung nur gerecht
werden, wenn er die Langzeitfolgen
einer Behandlung abschätzen kann.
THOMAS THIEL