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Berufsbegleitender Fernstudiengang

Master of Health Business Administration


Studienjahrgang 2021

Semester 1:
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre

Modul 2:
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre II

Text 12:
Personalwesen
Text 12: Personalwesen 12/2

Gliederung

12.1. Einführung
12.1.1. Wesen und Entwicklung des Personalwesens
12.1.2. Theoretische Grundlagen
12.2. Handlungsfelder des Personalwesens
12.2.1. Personalbedarfsplanung
12.2.2. Personalbeschaffung
12.2.3. Personalfreisetzung
12.2.4. Personalentwicklung
12.2.5. Arbeitsgestaltung
12.2.6. Personalentlohnung
12.3. Personalführung
12.3.1. Führungskraft
12.3.2. Menschenbilder
12.3.3. Führungstheorien
12.3.3.1. Eigenschaftstheorien
12.3.3.2. Verhaltens-/Führungsstiltheorien
12.3.3.3. Situative Führungstheorien
12.3.3.4. „Management by“-Konzepte
12.3.3.5. Eignung der Theorien für die Praxis

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Qualifizierte und motivierte Mitarbeitende gelten zunehmend als eine der


wichtigsten Ressourcen von Unternehmen. Dementsprechend kam in den ver-
gangenen Jahren auch der Beschäftigung mit dem Management der Ressource
Mensch steigende Bedeutung zu. Modernes Personalwesen bzw. Personalma-
nagement geht dabei weit über administrative Tätigkeiten wie Lohn- und Ge-
haltsabrechnungen bzw. das Führen von Personalakten hinaus und gilt als
strategischer Erfolgsfaktor von Unternehmen. Dies gilt insbesondere für den
Dienstleistungssektor und damit auch für Krankenhäuser und Arztpraxen, da
hier der Personalanteil an der Produkterstellung im Vergleich zum produzie-
renden Gewerbe besonders groß ist. Auch stellen Lohnkosten einen großen
Kostenfaktor dar. Im Mittelpunkt des vorliegenden Lehrtextes stehen die zent-
ralen Handlungsfelder des Personalwesens (Personalbedarfsplanung, Perso-
nalbeschaffung und Personalfreisetzung). Zuvor erfolgt eine kurze Darstellung
der Entwicklung und des Wesens der Personalarbeit sowie der theoretischen
Grundlagen. Darüber hinaus beschäftigt sich der vorliegende Lehrtext mit
Fragen der Personalentwicklung und der Arbeitsgestaltung. Weitere Themen-
schwerpunkte sind die Ausgestaltung der Vergütung sowie betriebliche Sozial-
leistungen. Eine Abhandlung zum Thema Mitarbeiterführung und der einzelnen
Führungsstiltheorien rundet den Lehrtext ab. Nach der Bearbeitung dieses
Moduls sollte Ihnen klar sein, dass Personalführung nichts ist, was man intui-
tiv richtig macht, sondern etwas, das erlernt werden muss. Auch stellen finan-
zielle Anreize nur einen Aspekt unter vielen, um eine gewünschte Arbeitsleis-
tung von den Mitarbeitenden zu erhalten.

12.1. Einführung
12.1.1. Wesen und Entwicklung des Personalwesens

Während das Personalwesen bzw. das Personalmanagement lange Zeit mit ad-
ministrativen Tätigkeiten wie der Gehaltsabrechnung bzw. dem Führen von
Personalakten in Verbindung gebracht wurde, hat es sich mittlerweile zu einem
strategischen Erfolgsfaktor für das gesamte Unternehmen gewandelt. Das Per-
sonalwesen bzw. das Personalmanagement kann und muss insbesondere im
Dienstleistungssektor als strategischer Ansatz der Unternehmensleitung ver-
standen werden, der sich mit den wertvollsten Anlagen des Unternehmens,
nämlich den Mitarbeitenden beschäftigt. Das Personalwesen bezeichnet eine
betriebswirtschaftliche Funktion, deren Kernaufgabe die Bereitstellung, der
zielorientierte Einsatz und die Steuerung des Verhaltens von Personal ist.
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Die Fragestellungen des Personalwesens ergeben sich dabei aus dem Span-
nungsfeld zwischen dem Streben nach effizientem Einsatz des Produktionsfak-
tors Arbeit, bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Fak-
tors. Anders als Boden oder Kapital ist der Produktionsfaktor Arbeit nämlich Besonderheiten des
Faktors Arbeit
untrennbar mit dem Menschen verbunden, der sie verrichtet. Um den Faktor
Arbeit effizient einsetzen zu können, muss man beispielsweise zunächst einmal
verstehen warum Menschen überhaupt arbeiten, was sie dazu motiviert und
antreibt. Hierbei ist sicherlich das Gehalt zu nennen. Daneben existieren aber
auch noch eine Reihe anderer Motive: So spielen beispielsweise soziale Kon-
takte eine große Rolle. Arbeit bestätigt einem Individuum aber auch seine
Nützlichkeit für die Gesellschaft und liefert Anreize, sich weiterzuentwickeln.
Fragen Sie sich doch einmal selbst: Welche Art von Motiven spielt für Sie eine
wichtige Rolle? Arbeiten Sie lieber auf einer Station mit netten Kolleginnen
und Kollegen oder auf einer, bei der man mehr Geld verdient, sich aber jeden
Tag nur ärgert?

Die Anfänge des Personalwesens reichen weit in die Vergangenheit zurück. Anfänge des
Personalwesens
Die ersten Personalabteilungen entstanden im 19. Jahrhundert in industriellen
Großunternehmungen. Ihre ursprüngliche Aufgabe war es, den Faktor Arbeit
möglichst optimal an die rechtlichen, technologischen, organisatorischen und
marktlichen Rahmenbedingungen der Unternehmung anzupassen. Dabei wur-
den primär zwei Ziele verfolgt: zum einen die Sicherstellung der Rechtmäßig-
keit aller personalpolitischen Aktivitäten, zum anderen die Erzielung einer
möglichst hohen Arbeitsproduktivität. Dies hatte zur Folge, dass in den Per-
sonalabteilungen vorwiegend Juristen und Ingenieure beschäftigt waren. Der
Mensch wurde als Produktionsfaktor gesehen, die menschlichen Eigenschaften
(z. B. Wünsche, Emotionen, Ängste) stellten lediglich Rahmenbedingungen
dar, die beim Einsatz dieses Produktionsfaktors berücksichtigt werden muss-
ten. Damals war die Personalabteilung in der Regel eine zentrale Stabsabtei-
lung ohne Weisungsbefugnis, die mit administrativen und operativen Aufga-
ben betraut war und folglich nur geringen Einfluss auf unternehmenspolitische
Entscheidungen hatte.

Was die Auffassung von Personalwesen betrifft, ist seit Beginn der 1980er Mitarbeitende als
strategischer
Jahre jedoch ein grundlegender Wandel zu beobachten, der sich in den vergan- Wettbewerbsvorteil
genen Jahren im Zuge der Digitalisierung und einer zunehmenden Globalisie-
rung verstärkte. Während Menschen früher lediglich als Produktionsfaktor be-
trachtet wurden, gelten qualifizierte Mitarbeitende heute als strategischer
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Wettbewerbsvorteil und damit als unverzichtbar für den langfristigen Erfolg


eines Unternehmens. Dieser Bedeutungswandel macht sich auch an der Be- Personalmanagement
grifflichkeit bemerkbar. So spricht man heute vermehrt von Personalma-
nagement und betrachtet dieses als eine ganzheitliche Führungsaufgabe, die
auf allen Ebenen und in allen Funktionsbereichen integriert ist. Auch Mitar-
beitende werden nicht mehr nur als reiner Produktionsfaktor verstanden, son-
dern als „complex women and men“ betrachtet, die rationale Züge besitzen,
soziale Kontakte haben und versuchen, sich selbst weiterzuentwickeln. Dieses
Menschenbild zeigt sich teilweise auch an den veränderten Zielen, die nun ver-
folgt werden. Zum einen soll die Zufriedenheit der Mitarbeiter sichergestellt
werden, zum anderen die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Dabei kommt
dem Personalmanagement neben der Verhaltensorientierung auch eine ver-
stärkte Marktorientierung zu und damit eine zentrale Rolle im Rahmen der
Unternehmungsführung zu. Sie ist nicht mehr nur auf die Implementierung von
Strategien beschränkt, sondern setzt auch auf deren Initiierung. Analog ver-
schieben sich die Anforderungen an das Personalmanagement: Von Routinetä-
tigkeiten findet ein Wandel hin zu strategischen und strategieunterstützenden
Tätigkeiten statt, die in enger Abstimmung zwischen Personalabteilung und
Linienvorgesetzten durchgeführt werden.

12.1.2. Theoretische Grundlagen

Etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann man sich systematisch mit Perso- Theorie der
wissenschaftlichen
nal als Element des wirtschaftlichen Erfolgs eines Unternehmens auseinander- Betriebsführung
zusetzen. Aus dieser Zeit stammt auch die Theorie der wissenschaftlichen
Betriebsführung. Die Theorie geht auf den amerikanischen Ingenieur Taylor
zurück und wird daher auch als Taylorismus bezeichnet. Nach der Theorie
denken und handeln Menschen rational (homo oeconomicus) und streben aus-
schließlich, danach ihre monetären Ziele zu erreichen. Unternehmen hingegen
streben primär danach, den Produktionsfaktor Arbeit möglichst produktiv ein-
zusetzen. Ziel ist die Maximierung der Produktivität. Konsequente Trennung
von anweisender und ausführender Arbeit, radikale Arbeitsteilung, Optimie-
rung der Arbeitsgänge mittels wissenschaftlicher Methoden und die Einfüh-
rung einer leistungsbezogenen Entlohnung sollte die Zielerreichung in greifba-
re Nähe rücken lassen. Obwohl die dadurch erzielten Fortschritte hinsichtlich
der Produktivität enorm waren und die damit eingeleitete Arbeitsgestaltung
auch heute noch viele Unternehmen maßgeblich beeinflusst, ist die Theorie
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nicht ohne Kritik geblieben. Die Kritikpunkte beziehen sich v. a. auf die strikte
Arbeitsteilung und die damit verbundene Monotonie der Arbeit. Dies führt zu
einer Entfremdung zwischen Mensch und Arbeit und entspricht nicht dem
menschlichen Naturell. Auch die Einteilung von Menschen in Entscheidungs-
träger und Ausführende scheint wenig überzeugend. Vor dem Hintergrund,
dass Unternehmen heute in einem zunehmend komplexer werdenden Umfeld
agieren, verliert die Theorie zunehmend an Sinnhaftigkeit.

Die Mängel der Theorie der wissenschaftlichen Betriebsführung zeigten sich Human-Relations-
Ansatz
erstmals, als Wissenschaftler in den Hawthorne-Werken versuchten, durch
verbesserte Arbeitsbedingungen eine Erhöhung der Arbeitsleistung herbei zu
führen. Hierzu wurde die Beleuchtungsstärke in den Arbeitsräumen deutlich
erhöht. Die Arbeitsleistung der Beschäftigten stieg erwartungsgemäß zwar an,
allerdings verbesserte sich auch die Leistung der Kontrollgruppe, die unter den
alten, unveränderten Bedingungen arbeitete. Selbst als die Beleuchtungsstärke
der Testgruppe wieder auf die Ausgangsstärke gesenkt wurde, blieb die Pro-
duktivität auf dem höheren Niveau. Ursächlich für die Leistungssteigerung
konnte also nicht die Verbesserung der Beleuchtungssituation sein. Vielmehr
führte die Beachtung, welche die Beschäftigten während der Versuche durch
die Wissenschaftler erfuhren, zu höherer Zufriedenheit und damit zu höherer
Arbeitsproduktivität. Diese Beobachtung bildet u. a. der Human-Relations-
Ansatz ab. Demnach können auch andere Faktoren, wie die Verbesserung der
zwischenmenschlichen Beziehungen oder der betrieblichen Sozialleistungen zu
einer Erhöhung der Zufriedenheit und damit der Arbeitsleistung führen. Ande-
re wichtige Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit und die Arbeitsleistung, wie
beispielsweise Arbeitsinhalt oder Entlohnung, werden aber außen vorgelassen.
Damit bleibt auch dieser Ansatz nicht ohne Kritik.

Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen zu personaltheoretischen Konzep- Motivationstheore-


tische Ansätze
ten stehen die sogenannten motivationstheoretischen Ansätze. Motivation
wird gemein als treibende Kraft menschlichen Verhaltens gesehen. Ursache
bzw. Ursprung jeder Motivation ist ein zugrundeliegendes Bedürfnis, welches
nicht befriedigt ist, also beim Individuum gewissermaßen einen Mangelzustand
hervorruft. Der Mensch wird nunmehr versuchen durch bestimmte Handlungen
oder Verhaltensweisen den Mangel zu beseitigen bzw. dieses Bedürfnis zu
befriedigen. Damit beschreibt der Begriff der Motivation die Bereitschaft von
Individuen zu handeln, um gewisse Ziele zu erreichen. Abgesehen von einem
vollkommen ziellosen Handeln ist damit jedes Verhalten von einer bestimmten
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Motivation getrieben. Die konkrete Ausprägung der Motivation ist allerdings


von Individuum zu Individuum unterschiedlich und auch stark situationsab-
hängig. Obwohl man in der Motivationsforschung auf eine lange Geschichte
zurückblicken kann, hat sich bislang keine Motivationstheorie wirklich durch-
gesetzt. Die Vielzahl der bestehenden Theorien lassen sich in zwei große Kate-
gorien unterteilen: Inhalts- und Prozesstheorien. Während Inhaltstheorien pri-
mär danach fragen, was Motivation erzeugt, beschäftigen sich Prozesstheorien
mit der Frage, wie Motivation das Verhalten beeinflusst. Motivation kann also
aus zwei Perspektiven betrachtet werden. Die zwei wohl bekanntesten Vertre-
ter der Inhaltstheorien sind die Bedürfnispyramide von Maslow (1943/55) und Inhalts- vs.
Prozesstheorien
die Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg (1959/68). Die Gleichgewichtstheo-
rie nach Adams (1963) und die Erwartungstheorie nach Vroom (1964) sind
zwei der bekanntesten Ansätze aus dem Bereich der Prozesstheorien. Abbil-
dung 12.1 gibt eine Übersicht über die Motivationstheorien:

Abb. 12.1: Motivationstheorien im Überblick (Quelle: HERZ in Anleh-


nung an Hungenberg, H., Wulf, T. (2015), S. 242)

Der am weitesten verbreitete inhaltstheoretische Ansatz ist die Bedürfnistheo- Maslowsche


Bedürfnistheorie
rie von Maslow. Maslow geht davon aus, dass sich ein Bedürfnis nur dann auf
menschliches Verhalten auswirkt, wenn es nicht vollständig befriedigt ist. Er
unterteilt die Bedürfnisse des Menschen in fünf Stufen, die hierarchisch aufei-
nander aufbauen (s. dazu die Ausführungen in Text 6 und Abb. 12.2). Sind die
Bedürfnisse einer Stufe befriedigt, so werden die Bedürfnisse der nächsthöhe-
ren Stufe der Pyramide verhaltenswirksam.

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Abb. 12.2: Bedürfnispyramide nach Maslow (Quelle: HERZ in Anleh-


nung an Hungenberg, H., Wulf, T. (2015), S. 244)

In Anlehnung an die Maslow‘sche Bedürfnishierarchie hat Alderfer (1969) die ERG-Theorie (Alderfer)
ERG-Theorie entwickelt. Diese Theorie konzentriert sich auf die Offenlegung
der Beziehung zwischen Bedürfnisaktivierung und -befriedigung sowie die
empirische Stützung der Hypothesen und greift damit die Schwachpunkte der
Maslowschen Bedürfnispyramide auf. Im Gegensatz zu Maslow unterscheidet
Alderfer lediglich drei Bedürfnisklassen und verzichtet auf die hierarchische
Ordnung der Bedürfnisklassen.

* Existenzbedürfnisse (existence needs): Physiologische Bedürfnisse und


der materielle Teil der Sicherheitsbedürfnisse (Bezahlung, Wohnung
etc.).
* Beziehungsbedürfnisse (relatedness needs): Soziale Bedürfnisse, Be-
dürfnis nach Anerkennung und ein Teil der Sicherheitsbedürfnisse (z. B.
Schutz vor anderen).
* Wachstumsbedürfnisse (growth needs): Bedürfnisse nach Selbstver-
wirklichung, Leistung, Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Selbstver-
trauen.

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Im Gegensatz zu Maslow wird beispielsweise angenommen, dass die Bedürf-


nisse auch nach der Befriedigung noch aktivierend wirken. Empirische Studien
zeigten jedoch, dass die ERG-Theorie eine nur geringfügig größere Erklä-
rungskraft besitzt als die Bedürfnispyramide von Maslow – daher ist auch sie
für allgemein gültige Grundaussagen nicht geeignet.

Ein dritter inhaltstheoretischer Ansatz ist die Zwei-Faktoren-Theorie von Zwei-Faktoren-Theorie


(Herzberg)
Herzberg (1966). Im Rahmen einer Studie wurden damals 200 Angestellte über
angenehme und unangenehme Arbeitssituationen befragt (s. Abb. 12.3).

Abb. 12.3: Einflussfaktoren auf Arbeitseinstellungen nach Herzberg


(Quelle: Herz in Anlehnung an Holtbrügge, D. (2018), S. 18)

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Dabei stellte sich heraus, dass für besonders angenehme bzw. besonders unan-
genehme Situationen unterschiedliche Ursachen bzw. Faktoren angegeben
wurden. Herzberg folgerte, dass Unzufriedenheit durch externe Faktoren der
Arbeitswelt hervorgerufen wird (dissatisfiers, Hygienefaktoren), Zufriedenheit
aber nur durch Faktoren erzeugt werden kann, die den Arbeitsinhalt betreffen
(satisfiers, Motivatoren).

Die Hygienefaktoren variieren von unzufrieden bis nicht-unzufrieden und


umfassen beispielsweise die Bezahlung, interpersonelle Beziehungen mit Mit-
arbeitern, Vorgesetzten und Kollegen, Unternehmungspolitik und Unterneh-
mensverwaltung, physische Arbeitsbedingungen sowie Arbeitsplatzsicherheit.
Diese Faktoren können lediglich Arbeitsunzufriedenheit verhindern, jedoch
noch keine Zufriedenheit erzeugen. Die sogenannten Motivatoren hingegen
unterliegen einer Bewertung von zufrieden bis unzufrieden und äußern sich
beispielsweise durch Leistungserfolg, Anerkennung, Arbeitsinhalt, Verantwor-
tung, Aufstieg sowie Entfaltungsmöglichkeiten. Das traditionell angenommene
Kontinuum zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit verliert dieser Theorie
nach seine Gültigkeit. Für das Personalwesen impliziert diese Theorie, dass
Hygienefaktoren in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden müs-
sen, um die Unzufriedenheit beim Personal zu beseitigen. Für die Erreichung
von Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist das aber noch nicht hinreichend.
Hierzu müssen zusätzlich gezielt Motivatoren eingesetzt werden.

Abbildung 12.4 verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen


Inhaltstheorien.

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Abb. 12.4: Vergleich der Inhaltstheorien (Quelle: HERZ in Anlehnung


an Staehle, W. H., Conrad, P. (2020), S. 230)

Die zweite Gruppe der Motivationstheorien bilden die Prozesstheorien. Sie Prozesstheorien
VIE-Theorie (Vroom)
beschreiben Motivation als Folge des Zusammenwirkens von verschiedenen
Faktoren und versuchen zu erklären, wie Motivation das Verhalten beeinflusst.
Eine Theorie ist die Gerechtigkeitstheorie (Gleichgewichtstheorie) von Gerechtigkeitstheorie
(Adams)
Adams (1963). Diese besagt, dass Mitarbeitende einen gerechten Ausgleich
zwischen ihrer Leistung und ihrer Entlohnung anstreben. Da ein direkter Ver-
gleich schwierig ist, findet häufig ein Vergleich mit Kollegen statt. Stellen
Mitarbeitende dabei eine Ungerechtigkeit fest, werden sie der Theorie nach
versuchen diese „Ungerechtigkeit“ zu beseitigen. Dafür stehen ihnen verhal-
tenswirksame (beispielsweise die Verringerung der Arbeitsleistung) und kog-
nitive Strategien (der Wechsel der Vergleichsperson) zur Verfügung. Als
Basismodell für die Prozesstheorie kann die VIE-Theorie (Valenz-Instru-
mentalitäts-Erwartungs-Theorie) von Vroom (1964) betrachtet werden. Diese
Theorie geht von einem nutzenmaximierenden Individuum aus, dessen Motiva-
tion sich aus folgenden Komponenten ergibt (s. Abb. 12.5):

* Valenz: Wahrgenommener Wert eines Handlungsergebnisses oder einer


Handlungsfolge. Ergebnisse mit positivem Wert werden angestrebt, die
mit negativem Wert eher gemieden.
* Instrumentalität: Drückt den Verknüpfungsgrad zwischen Handlungs-
ergebnis und Handlungsfolge aus.

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* Erwartung: Subjektiv wahrgenommene Wahrscheinlichkeit, dass eine


Handlung zum gewünschten Ergebnis führt.

Abb. 12.5: Konzept der Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungstheorie


(Quelle: HERZ in Anlehnung an Holtbrügge, D. (2018), S.
21)

Die Stärke der Handlungstendenz ergibt sich aus der Multiplikation der Valen-
zen der Handlungsergebnisse mit den Erwartungen. Diese Handlungstendenz
liefert Aussagen über den Anstrengungsgrad, nicht jedoch über das Hand-
lungsergebnis. Dazu müssten zusätzlich Variablen wie Fähigkeiten, soziokultu-
relle Realisierungsmöglichkeiten etc. berücksichtigt werden. Die sich daraus
ergebenden Implikationen für das Personalmanagement sind in Tabelle 12.1
dargestellt.

Neben den motivationstheoretischen Ansätzen gibt es eine Reihe weiterer theo- Weitere theoretische
Ansätze
retischer Ansätze (z. B. Kontingenzansatz, konfliktorientierter Ansatz, ressour-
cenorientierter Ansatz, Systemansatz, personalökonomischer Ansatz). Ein ak-
tueller Entwurf ist beispielsweise der Human Ressource Management An-
satz. Diese ganzheitliche Betrachtung integriert Ideen anderer Ansätze in ein
Unternehmenskonzept, in dem Mitarbeitende als zentrale Erfolgsfaktoren ge-
sehen werden, die geführt, motiviert und entwickelt werden müssen, um zu-
sammen mit den anderen Produktionsfaktoren den Erfolg im Wettbewerb si-
cher zu stellen.

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Theorie-Element Mitarbeitende Implikationen für das


Personalmanagement
Valenz Wie wichtig sind die Ziele, Identifikation der
die ich mit meinen Arbeits- Bedürfnisse der Mitarbei-
ergebnissen erreichen tenden
kann?
Instrumentalität Welche meiner Ziele kann Ausrichtung des Anreizsys-
ich mit verschiedenen Leis- tems auf die Bedürfnisse
tungsgraden erreichen? der Mitarbeitenden
Handlungs-Ergebnis- Kann ich die gewünschte Personalauswahl, Personal-
Erwartung Leistung erreichen? entwicklung, Klärung der
Leistungsziele
Ergebnis-Folge-Erwartung Werde ich tatsächlich die Enge Kopplung von Leistung
versprochenen Belohnun- und Anreizen,
gen erhalten? strikte Einhaltung von
Belohnungsversprechen

Tab. 12.1: Implikationen aus der VIE-Theorie für das Personalmanage-


ment (Quelle: Holtbrügge, D. (2018), S. 22)

12.2. Handlungsfelder des Personalwesens

Die Handlungsfelder des Personalwesens sind mannigfaltig. Beispielhaft seien


einige Handlungsfelder inklusive zentraler Fragestellungen genannt:

* Personalbedarfsplanung: Wie viele Beschäftigte benötigt das


Unternehmen zur Sicherstellung seiner Leistungsfähigkeit? Welche
Qualifikationen erfordern diese?
* Personalbeschaffung: Über welche Wege kann das Personal beschafft
werden? Wie sollen Bewerbung, Auswahl und Arbeitsvertrag gestaltet
werden?
* Personaleinsatz: Wie werden die Arbeitsbedingungen gestaltet: Mit
welchen Arbeitsinhalten soll sich das Personal an welchem Ort
beschäftigen? Wie sollen Arbeitszeiten organisiert sein?
* Personalführung: Welche Führungsmittel stehen zur Verfügung?
Welcher Führungsstil ist angebracht?
* Personalmotivation: Welche Anreizsysteme können eingesetzt werden?
* Personalentlohnung: Welcher Lohn ist gerecht fertigt? Wie kann das
Entgelt gestaltet werden?
* Personalentwicklung: Welche Möglichkeiten bestehen zur Fort- und
Weiterbildung der Beschäftigten?
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* Personalfreistellung: Wie kann der Personalbestand sozialveträglich


abgebaut werden?
* Personalverwaltung: Welche Methoden stehen für die administrativen,
routinemäßigen Aufgaben zur Verfügung?
* Personalpolitik: Wie wirken sich die unternehmenspolitischen Ziele auf
die gesamten personalwirtschaftlichen Aufgaben aus?

Im Folgenden werden ausgewählte Handlungsfelder des Personalwesens näher


vorgestellt. Aufgrund ihrer enormen Bedeutung wird die Personal- bzw.
Mitarbeitendenführung in einem separaten Kapitel (s. Kap. 12.3.) abgehandelt.

12.2.1. Personalbedarfsplanung

Um die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu gewährleisten bzw. zu stär-


ken, bedarf es der Ermittlung der zukünftigen personellen Erfordernisse und
der Ableitung der daraus resultierenden Maßnahmen. Eine bedarfsgerechte
Personalplanung kann dabei helfen, Fehlentwicklungen zu vermeiden und Un-
Aspekte der
sicherheiten zu reduzieren. Die Personalbedarfsplanung umfasst drei Kompo- Personalplanung
nenten:

* Quantität:
Anzahl der notwendigen Mitarbeitenden. Dabei handelt es sich um eine
statistische Größe, deren Aussagekraft ohne weiterführende Details hin-
sichtlich des zu beschaffenden bzw. freizusetzenden Personals recht ge-
ring ist.
* Qualität:
Art und Umfang der benötigten Qualifikation im Sinne von Anforde-
rungsprofilen für einen Arbeitsplatz. Insbesondere bei der Rekrutierung
bzw. Bindung hoch qualifizierter, spezialisierter Mitarbeitenden hat die
Ausgestaltung der realisierten Personalpolitik einen maßgeblichen Ein-
fluss.
* Terminierung/Zeit:
Länge des Planungshorizontes. Dieser kann je nach Branche, Arbeits-
platzbereich bzw. Position sehr unterschiedlich ausfallen.

Als weitere Einflussgröße sei der Vollständigkeit halber noch auf den Einsatz-
ort verwiesen.
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Bei dem Personalbedarf wird unterschieden zwischen dem Brutto- und dem
Nettopersonalbedarf. Während der Bruttopersonalbedarf den gesamten Per-
sonalbedarf zu einem bestimmten Zeitpunkt angibt, zeigt der Nettopersonal- Brutto- vs. Netto-
personalbedarf
bedarf lediglich die zusätzlich zum Bestandspersonal benötigte Anzahl von
Beschäftigen an. Der Nettopersonalbedarf errechnet sich mithilfe der folgenden
Gleichung (vgl. Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K. (2017), S. 380):

Bruttopersonalbedarf (Soll-Personalbestand) zum Zeitpunkt ti


- Personalbestand im Zeitpunkt t0
+ Personalabgänge im Zeitraum t0 bis ti
* feststehende Abgänge (z. B. Pensionierungen, Kündigungen)
* statistisch zu erwartende Abgänge (Fluktuation, Invalidität, Tod)
- Personalzugänge (feststehend) im Zeitraum t0 bis ti
= Nettopersonalbedarf zum Zeitpunkt ti

Der Personalbedarf basiert auf den übergeordneten Plänen anderer betriebli-


cher Funktionsbereiche wie dem Marketing oder der Produktion (Sekundärpla-
nung).

Bei der Ermittlung des quantitativen Personalbestands können verschiedene Fehlzeiten,


Fluktuation
Hindernisse auftreten. Während die benötigten Personen im Fertigungsbereich
beispielsweise anhand von Maschinenbelegungsplänen abzuleiten sind, können
andere Aufgaben wie z. B. Führungsaufgaben kaum bis gar nicht quantifiziert
werden. Darüber hinaus können sich Schwierigkeiten infolge von nicht prog-
nostizierbaren Fehlzeiten und Fluktuationen ergeben. Aus betriebswirtschaft-
licher Sicht handelt es sich bei Fehlzeiten um jedes Fernbleiben von der ver-
traglich festgelegten Arbeitszeit unabhängig von der Ursache. In diesem Sinne
können sich Fehlzeiten in Form von Urlaub, Krankheit, Unfall, betrieblicher
Weiterbildung, staatsbürgerlichen Pflichten oder unentschuldigtem Fehlen be-
gründen. Unter Fluktuation versteht man hingegen die Schwankungen der Be-
legschaft aufgrund von Kündigung, Invalidität oder Tod. Dazu gehören sowohl
das freiwillige Beenden des Arbeitsverhältnisses seitens der ArbeitnehmerIn-
nen als auch Entlassungen seitens der Arbeitgeber. Die Fluktuation eines Be-
triebes wird mithilfe einer Kennzahl, der sogenannten Fluktuationsrate, gemes-
sen (vgl. Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K. (2017), S. 381):

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Da die Neubesetzung frei gewordener Stellen mit einem hohen Arbeits- und
Kostenaufwand verbunden ist, sind viele Unternehmen bestrebt, die Fluktuati-
onsrate mithilfe einer adäquaten Personalpolitik möglichst gering zu halten.

Die Personalbedarfsplanung ermittelt den erforderlichen Bruttobedarf (Soll-


Bedarf) zum einen quantitativ mittels summarischer oder analytischer Me-
thoden (quantitativer Bedarf) und zum anderen qualitativ mittels Anforde-
rungsprofilen oder Stellenbeschreibungen (qualitativer Bedarf).

Je nach Planungshorizont kann die quantitative Soll-Bedarfsplanung strate- Quantitative Perso-


nalbedarfsplanung
gisch, taktisch oder operativ durchgeführt werden. Infolgedessen unterscheiden
sich auch die zu verwendenden Methoden. Folgende Systematik gibt einen
Überblick über die Modelle der Personalbedarfsermittlung:

* Globale Bedarfsanalyse (strategisch): Anhand der Entwicklung vergan-


gener Größen (Umsatz, Anzahl Angestellte etc.) wird mittels Trend-
extrapolation, Trendanalogie bzw. Regressionsrechnung auf den zukünf-
tigen Personalbedarf geschlossen.
* Kennzahlenmethode (taktisch): Basiert auf der Annahme, dass eine
funktionelle Beziehung zwischen dem Personalbedarf und bestimmter
Bezugsgrößen besteht (z. B. zwischen Arbeitsproduktivität, Anzahl der
Kunden und dem Umsatzvolumen). Sie vollzieht sich in drei Schritten.
Zunächst wird eine Kennzahl für den Personalbedarf je Vorgang ermit-
telt. Dann erfolgt eine Prognose der Vorgangsmengen. Der letzte Schritt
vollzieht die Ermittlung des Personalbedarfs durch die Multiplikation der
jeweiligen Kennzahl mit der entsprechenden Vorgangsmenge.
* Stellenplanmethode (taktisch/operativ): Aus der Organisationsplanung
werden die resultierenden Stellen als Indikator für den Personalbedarf
abgeleitet. Unter einem Stellenplan versteht man dabei eine Zusammen-
fassung aller genehmigten und zur Besetzung freigegebenen Stellen einer
Abteilung, eines Bereiches oder des ganzen Unternehmens.
* Festlegung des Reservebedarfs (operativ): Infolge von Urlaubszeiten,
Krankheiten und Unfällen kommt es zu Fehlzeiten von Mitarbeitenden.
Um diese Engpässe abzufangen, ist ein Reservebedarf durch die Analyse
von Fehlzeiten, Fluktuationen sowie der Prognose der tariflichen Ar-
beitszeit einzuplanen.

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Die quantitativen Methoden beruhen allesamt auf verfügbaren statistischen


Erfahrungsdaten. Liegen nur wenige Daten vor, so verlieren die davon abgelei-
teten Ergebnisse an Aussagekraft. Insbesondere für Ausfälle und Kündigungen
sowie für die oberen Hierarchieebenen liegen dann kaum noch Erfahrungen
vor.

Die qualitative Personalbedarfsplanung verfolgt das Ziel, die Anforderun- Qualitative Personal-
bedarfsplanung
gen der erforderlichen Stellen zu ermitteln, diese mit den Qualifikationen der
verfügbaren Mitarbeitenden zu vergleichen und ggf. Entwicklungslücken auf-
zuzeigen. Dabei werden zunächst die gegenwärtigen und zukünftigen Anforde-
rungen, die eine Stelle von Mitarbeitenden verlangt, ermittelt. In einem nächs-
ten Schritt wird die Qualifikation und Eignung der Mitarbeitenden, die sie zur
gegenwärtigen und zukünftigen Aufgabenerfüllung benötigen, beurteilt. So-
dann werden beide Profile gegenübergestellt. Daraus ergeben sich Implikatio-
nen für den individuellen Entwicklungsbedarf und die Durchführung von Maß-
nahmen der Personalentwicklung.

Die Treffsicherheit der Planung des qualitativen Personalbedarfs hängt stark


von der Änderungsrate der Umfeldbedingungen ab. Ändern sich die Umfeld-
bedingungen kaum oder kontinuierlich, ist eine Fortschreibung des Ist-Zu-
stands möglich. Bei Strukturbrüchen kann die qualitative Personalbedarfspla-
nung im ungünstigsten Fall lediglich Mindestkenntnisse oder Mindestfähigkei-
ten der zu besetzenden Stellen bestimmen. Gerade in Zeiten zunehmender Di-
gitalisierung unterliegt die Personalbedarfsplanung einem stetigen Wandel.

12.2.2. Personalbeschaffung

Die Deckung des ermittelten Personalbedarfs erfolgt durch die Personalrekru-


tierung und die Personalauswahl.

Bei der Personalrekrutierung kommen interne und externe Beschaffungswe- Interne


Personalbeschaffung
ge in Frage. Eine interne Anwerbung, also die Besetzung einer Stelle aus dem
Unternehmen heraus, kann mittels interner Stellenausschreibung, also bei-
spielsweise Stellenaushängen an einer Art Schwarzen Brett, in der Firmenzeit-
schrift, im Intranet oder durch persönliches Ansprechen geeigneter Bewerben-
den erfolgen. Diese Form der Personalrekrutierung weist verschiedene Vorteile
auf:
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* Geringerer Kosten- und Zeitaufwand,


* die vorhandenen Kenntnisse über die Angestellten verringern das Risiko
einer Fehlbesetzung,
* vorhandene Betriebskenntnisse seitens der Mitarbeitenden reduzieren die
Einarbeitungszeit,
* motivationssteigernde Wirkung auf die Angestellten (Karriereplanung).

Als problematisch kann eine ggf. bestehende oder sich entwickelnde „Be-
triebsblindheit“ interner Bewerbenden genannt werden. Damit bezeichnet man
eine unflexible, routinierte Arbeitsweise, die u. a. aus langen Angestelltenver-
hältnissen im Unternehmen resultiert, da Perspektiven von außen weniger Be-
trachtung finden. Dies kann sich beispielsweise in einem sehr risikoaversen
bzw. innovationsscheuen Verhalten äußern. Grundsätzlich ist die interne An-
werbung nur dann sinnvoll, wenn genügend geeignete Kandidatinnen oder
Kandidaten aus den eigenen Reihen zur Verfügung stehen.

Bei der externen Personalbeschaffung handelt es sich um die Rekrutierung Externe


Personalbeschaffung
von Mitarbeitenden außerhalb des eigenen Unternehmens. Ihre wesentlichen
Vorteile sind:
* Die größeren Auswahlmöglichkeiten,
* die häufig geringeren Weiterbildungskosten,
* die Vermeidung von Betriebsblindheit sowie
* die Förderung des Wettbewerbs.

Als nachteilig gelten hauptsächlich die höheren Kosten, vor allem bedingt
durch die Anwerbung geeigneter KandidatInnen von extern, sowie aufwändige
Auswahlverfahren und das höhere Risiko einer Fehlentscheidung, da Qualifi-
kationen und Absichten der Bewerbenden schwieriger abzusehen sind. Darüber
hinaus besteht die Gefahr, Angestellte zu enttäuschen oder verunsichern, die
ihre eigenen Aufstiegschancen gefährdet sehen.

Als Kriterien für die Menge und Qualität der eingehenden Bewerbungen sind
sowohl unternehmensinterne Faktoren (z. B. Wahl des Beschaffungsweges,
angebotene Vergütung, Unternehmensimage) als auch betriebsexterne Faktoren
(z. B. Arbeitsmarktlage) ausschlaggebend.

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Text 12: Personalwesen 12/19

Im Rahmen der externen Personalbeschaffung stehen folgende Beschaffungs- Wege der externen
Personalbeschaffung
wege zur Verfügung:

* Arbeitsvermittlung: Das Unternehmen bedient sich Institutionen, die


direkten Zugang zum externen Beschaffungsmarkt suchen. Das sind zum
einen die Agenturen für Arbeit sowie die ARGEn und zum anderen pri-
vate Arbeitsvermittler, deren Leistungen oft über die Personalbeschaf-
fung i. e. S. hinaus reichen. Sie beraten die Unternehmen teilweise auch
bei der Personalauswahl und der Gestaltung von Arbeitsverträgen.

* Anwerbung: Auf der Basis von verschiedenen Suchmedien werden An-


zeigen geschaltet, wobei Printmedien eine zunehmend untergeordnete
Rolle einnehmen. Vorteilhaft sind hierbei allerdings die Möglichkeiten
zur zielgruppenorientierten und v. a. regionalen Gestaltung sowie der ho-
he Durchdringungsgrad. Dagegen stehen die vergleichsweise hohen Kos-
ten und die kurze Anzeigenlaufzeit. Ferner können potenzielle Bewer-
bende ihre Suche nicht so systematisch durchführen, wie es bei Online
Stellenbörsen möglich ist. Solche Online Stellenbörsen, wie StepStone
oder Indeed, werden zunehmend populärer. Hierbei handelt es sich um
eine weitere Form der Anwerbung, deren Vorteile v. a. in der individuel-
len Eingrenzung der Suchergebnisse für Stellensuchende und einer damit
verbundenen hohen Transparenz zu finden sind. Zudem können die Da-
ten räumlich sehr weit verbreitet werden. Bei hoher Bedienungsfreund-
lichkeit (beispielsweise bei der Aktualisierung von Anzeigen) bleibt der
Kostenaufwand vergleichsweise gering. Zu nennen an dieser Stelle seien
auch noch soziale Business-Netzwerke, wie LinkedIn oder Xing, die zum
Knüpfen von Geschäftskontakten und zum Rekrutieren von Talenten
dienen können. Eine dritte Form der Anwerbung stellt die Nutzung von
Kontakten zu Institutionen, die über Personalpotenziale verfügen, dar.
Als Beispiel sei das On Campus Recruiting zu nennen, bei dem Unter-
nehmen in Hochschulen z.B. durch Fachvorträge, Informationsstände
und Unterstützung von Dissertationen oder Diplomarbeiten frühzeitig
Kontakte zu geeigneten Kandidaten knüpfen.

* Personalleasing, im allgemeinen Sprachgebrauch besser bekannt unter


dem Begriff der „Zeitarbeit“, ist eine Methode der temporären Personal-
beschaffung. Hierbei werden Mitarbeitende nicht dauerhaft für das Un-
ternehmen gewonnen, sondern aufgrund von Überlassungsverträgen von
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Text 12: Personalwesen 12/20

Verleihenden vorübergehend dem Entleihenden zur Verfügung gestellt


(s. Abb. 12.6).

Beim Personalleasing sind drei Parteien beteiligt: die Verleihfirma, der Auf-
traggeber (Entleiher) und der Zeitarbeitnehmer. Der Verleiher stellt seine Mit-
arbeiter (Zeitarbeitnehmer) vorübergehend einem Auftraggeber (Entleiher) im
Rahmen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages zur Verfügung. Die Zeitar-
beitnehmer werden dabei ausschließlich über die Verleihfirma verwaltet (Ab-
rechnung, Gehalt, Zuweisung etc.). Der Entleiher zahlt dafür die vereinbarte
Gebühr und leistet Arbeitsanleitungen. Der große Vorteil für den Entleiher
besteht darin, dass der Personalbedarf flexibel gedeckt werden kann. Entgegen
der verbreiteten Meinung sind die (variablen) Kosten für die Beschäftigung
von Leiharbeitern für das Kundenunternehmen in der Regel sogar höher als bei
festangestellten Mitarbeitern. Allerdings können die Fixkosten damit gering
gehalten werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Entleiher das Beschäfti-
gungsrisiko nicht trägt. Nachteilig ist hingegen beispielsweise, dass die Mitar-
beiter zunächst über kein unternehmensspezifisches Wissen verfügen. Zudem
genießt die Beschäftigung von Leiharbeitern in der Öffentlichkeit keinen guten
Ruf.

Abb. 12.6: Rechtsbeziehungen innerhalb der Arbeitnehmerüberlassung


(Quelle: HERZ in Anlehnung an Berthel, J., Becker, F. G.
(2017), S. 345)

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Text 12: Personalwesen 12/21

Im Rahmen der Personalauswahl werden die eingegangenen Bewerbungen im Personalauswahl


Hinblick auf die am besten geeigneten KandidatInnen für die zu besetzende
Stelle überprüft. Auswahlkriterien sind dabei die Qualifikation der Bewerber
und die qualitativen Anforderungen, die im Rahmen der Personalbedarfspla-
nung festgelegt wurden. In der Regel werden die Bewerbenden zunächst auf
Basis der vorliegenden Unterlagen vorselektiert. Im Anschluss daran versucht
man sich von den verbleibenden Interessierten ein umfassendes Bild zu ma-
chen. Folgende Instrumente können dabei zum Einsatz kommen (s. Abb. 12.7):

Abb. 12.7: Instrumente der Personalauswahl (Quelle: HERZ in Anleh-


nung an Berthel, J., Becker, F. G. (2017), S. 370)

Im Folgenden werden einige Instrumente der Personalauswahl kurz vorgestellt:

* Auswertung der schriftlichen Unterlagen


Dient hauptsächlich der Vorselektion der Bewerber. Es wird die grund- Instrumente der
Personalauswahl
sätzliche Eignung im Hinblick auf Ausbildungsstand oder Berufserfah-
rung überprüft, um Hinweise auf die Leistungsfähigkeit zu erhalten.

* Interview (Einzelinterview, Gruppeninterview)


Dient dazu, Informationen über die Erwartungen, das Eignungsprofil, das
Sozialverhalten etc. des Bewerbers zu gewinnen. Problematisch dabei ist,
dass insbesondere bei unstrukturierten Interviews die Gefahr einer sub-
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Text 12: Personalwesen 12/22

jektiven Beurteilung, beispielsweise durch die Überbewertung des ersten


Eindrucks oder einzelner Verhaltensmerkmale, besteht. Unterschieden
wird darüber hinaus in Telefon- und Videointerviews sowie Interviews
vor Ort.

* Psychologische Testverfahren
Mithilfe von Eignungstests soll das Bild über die Bewerbenden abgerun-
det werden. Dabei können folgende Testverfahren unterschieden werden:
- Persönlichkeitstests,
- Intelligenztests und
- Leistungstests.
Während bei Persönlichkeitstests die Erfassung von Interessen und Ein-
stellungen im Vordergrund steht, geht es bei Intelligenz- bzw. Leistungs-
tests um die Erfassung der intellektuellen Fähigkeiten bzw. der motori-
schen und kognitiven Belastbarkeit. Als vorteilhaft gelten dabei die
Chancengleichheit aller Bewerbenden und die Vermeidung von Wahr-
nehmungsfehlern durch Beobachtende. Als nachteilig sind der hohe
Aufwand und die damit verbundenen hohen Kosten zu nennen. Zudem
genießen diese Tests eine nur sehr geringe Akzeptanz, da man ihnen
vorwirft, nur einen kleinen Ausschnitt des Persönlichkeits- bzw. Fähig-
keitsspektrums von Bewerbenden zu erfassen. Rechtlich sind derartige
Tests nur zulässig, wenn Bewerbende über Inhalt und Reichweite des
Vorgehens informiert wurde, diese ihr Einverständnis gegeben haben, der
Test sich ausschließlich auf arbeitsplatzspezifische Merkmale bezieht
und der Test für den Arbeitsplatz der Bewerbenden bedeutsam ist.
* Assessment Center
Im Rahmen von Eignungstests erfreuen sich Assessment Center einer
zunehmenden Beliebtheit. Mit ihrer Hilfe sollen systematisch die Verhal-
tensleistungen sowie Verhaltensdefizite der Bewerbenden durch ver-
schiedene Beobachter aufgedeckt werden. Typischerweise findet ein As-
sessment Center für die Dauer von ein bis drei Tagen statt und setzt sich
aus verschiedenen Übungen zusammen. Folgende Beispiele sind beliebte
Übungen bei Assessment Centern:

- Postkorb: Bei dieser Übung wird eine Situation simuliert, bei der
unter Zeitdruck die Eingangspost einer Führungskraft (z. B. Briefe,
Aktennotizen, Mitteilungen, ...) bearbeitet werden muss.

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Text 12: Personalwesen 12/23

- Rollenspiel: Simulation einer praxistypischen Gesprächssituation,


z. B. Beurteilungsgespräch schwieriger Angestellten.
- Gruppenarbeit: In Gruppen bearbeiten die Teilnehmenden be-
triebsbezogene Aufgaben bzw. diskutieren Themen in der Gruppe.
- Präsentation: Themen- oder Stresspräsentation, bei der ein be-
stimmtes Thema (unter Zeitdruck) aufbereitet und anschließend
vorgetragen werden muss.

Obgleich infolge dieses methodisch anspruchsvollen Verfahrens die


Prognosevalidität über das Sozialverhalten von Bewerbenden erhöht
werden kann, handelt es sich um ein sehr zeit- und personalintensives
Eignungstestverfahren.

Als letzte Schritte erfolgen eine Gesamtbewertung der Kandidaten, die sich in
der engeren Auswahl befinden, und schließlich die endgültige Entscheidung.

Abschließend sei noch kurz auf die Personalbeschaffung im Krankenhaussek-


tor hingewiesen: Empirische Untersuchungen zur Personalakquisition haben
gezeigt, dass in der Vergangenheit das Personalbeschaffungsverhalten durch
eine passive Haltung (Selbstwerbung, externe Empfehlungen) und informelle
Beziehungen (persönliche Kontakte, auch über zufriedene Mitarbeiter) ge-
kennzeichnet war und bei der Auswahl eher unstrukturierte Formen dominier-
ten. Durch die veränderte Arbeitsmarktkonstellation vollzieht sich aber auch
hier ein Wandel hin zu aktiveren Personalbeschaffungsstrategien.

12.2.3. Personalfreisetzung

Unter Personalfreisetzung werden alle Maßnahmen subsumiert, die dem Ab- Ursachen der
Personalfreisetzung
bau personeller Überdeckung in quantitativer, qualitativer, örtlicher und zeitli-
cher Hinsicht dienen. Die Hintergründe sind vielfältig und können sowohl
markt-, als auch betriebs- oder mitarbeiterbedingter Natur sein. Als marktbe-
dingte Ursachen sind beispielsweise eine rückläufige Konjunktur oder saiso-
nale Schwankungen zu nennen. Betriebsbedingte Ursachen sind u. a. Stand-
ortverlagerungen, Stilllegung von Unternehmensbereichen oder technologi-
scher Wandel der Produktions- oder Kommunikationsmethoden. Mitarbeiter-
bedingte Gründe können in der Person oder dem Verhalten von Beschäftigten
liegen.
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Text 12: Personalwesen 12/24

Des Weiteren sind personenbedingte Gründe nachlassende Arbeitsleistungen


(leistungsbedingte Freisetzung) oder steigende Arbeitsanforderungen, denen
Angestellte nicht gewachsen sind (anforderungsbedingte Freisetzung) möglich.
Verhaltensbedingte Personalfreisetzung ist dann gegeben, wenn das Verhalten
der Mitarbeitenden eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen ausschließt
(z. B. Alkoholmissbrauch, Straftaten, unentschuldigtes Fernbleiben).

Personalfreisetzung kann mit und ohne eine Änderung der Anzahl der Arbeit-
nehmerInnen erfolgen. Bleibt die Anzahl der ArbeitnehmerInnen unverändert
und sinkt das Arbeitsvolumen, spricht man von interner bzw. partieller Frei-
setzung. Eine solche Freisetzung erfolgt zumeist in Form von Kurzarbeit,
durch Abbau von Mehrarbeit und Überstunden, oder durch eine dauerhafte
Arbeitszeitverkürzung. Wenn hingegen die Anzahl der ArbeitnehmerInnen
sinkt, spricht man von Personalabbau. Als Maßnahmen stehen hierfür bei-
spielsweise die Nichtverlängerung von befristeten Arbeitsverträgen (ein-
schließlich der Nichtübernahme von Auszubildenden), ein Einstellungsstopp,
das Angebot von Aufhebungsverträgen, eine frühzeitige Pensionierung sowie
Kündigungen bzw. Entlassungen zur Verfügung.

Bei der Entscheidung, welche Art von Personalfreisetzung gewählt wird, sind
viele Beurteilungskriterien einzubeziehen. So sollten beispielsweise die Aus-
wirkungen auf die Produktivität und das Image, die Folgen für die im Betrieb
verbleibenden Mitarbeitenden sowie rechtliche Rahmenbedingungen berück-
sichtigt werden. Auf jeden Fall ist bei Personalfreisetzungen aber der Betriebs-
/ Personalrat zu beteiligen (s. Text 3). Während der Betriebsrat im Einzelfall
einer Kündigung als Interessensvertreter des Betroffenen eintritt, ist seine Rol-
le bei Massenentlassungen problematischer. Dabei geht es in der Regel weni-
ger darum, die Entlassungen generell zu verhindern, sondern die Entlassungen
möglichst sozial verträglich zu gestalten. Solche Entlassungen geschehen
i. d. R. im Rahmen eines mit dem Betriebsrat abgestimmten Sozialplans. Dabei
wird es aber immer Verlierer geben, deren Situation sich ohne die Beteiligung
des Betriebs-/Personalrats vielleicht besser dargestellt hätte.

Um die negativen Folgen von Personalfreisetzungen für das Unternehmen so- Outplacement
wie für die Mitarbeitenden zu verringern, kann das sogenannte Outplacement
eingesetzt werden. Hierbei wird ausscheidenden Angestellten Hilfe bei der
Suche nach einem neuen Arbeitsplatz gewährt (z. B. Aufbau von Kontakten,
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Text 12: Personalwesen 12/25

Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche, Entwicklung von beruflichen Alter-


nativen) und versucht, ihnen bei der Bewältigung der Situation beizustehen.
Das Unternehmen kann damit die Trennungskosten reduzieren, Imageverluste
in der Öffentlichkeit vermeiden, z. B. auf Beurteilungsplattformen wie
Kununu.com, und negative Wirkungen auf die im Betrieb verbleibenden Mit-
arbeitenden verringern.

12.2.4. Personalentwicklung

Personalentwicklung umfasst neben der Aus- und Weiterbildung (Erlangung


neuer Kenntnisse, Aktualisierung vorhandener Kenntnisse) auch die Beförde-
rung oder Umsetzung (Verbesserung der Übereinstimmung von Fähigkeiten
der Beschäftigten und Anforderungen einer Stelle) sowie konzeptionelle
Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit (z. B. Mitarbeiterge-
spräch). Aber auch eine Aufgabenreduktion als Anpassung an verminderte
Leistungsfähigkeit fällt unter den Bereich der Personalentwicklung. Damit ist
Personalentwicklung neben der Einstellung neuer Mitarbeitenden ein Mittel,
um die bei der Personalbedarfsplanung ermittelten Bedarfe qualitativer Art zu
decken.

Mit Maßnahmen der Personalentwicklung wird die optimale Nutzung der Fä-
higkeiten und Kenntnisse der Mitarbeitenden verfolgt. Sie dient dabei der Er-
höhung der Wettbewerbsfähigkeit durch Sicherung eines qualifizierten Mitar-
beitendenbestandes und Steigerung der Flexibilität. Sie kann ein wichtiges Mit-
tel zur Motivation der ArbeitnehmerInnen sein. Für sie kann Personalentwick-
lung u. a. eine Verbesserung der Aufstiegschancen bedeuten, die Erreichung
von Arbeitsaufgaben, die den individuellen Wünschen besser entsprechen oder
eine Erhöhung der Arbeitsplatzsicherheit. Damit ist die Personalentwicklung
ein wichtiges Mittel der Abstimmung persönlicher und betrieblicher Interessen.

Im Folgenden werden einige Methoden der Personalentwicklung kurz vorge- Methoden der
Personalentwicklung
stellt:

* Into the job nennt man Maßnahmen berufsvorbereitender Art. Darunter


fallen beispielsweise die Anlernausbildung (praktische Unterweisung),
die Berufsausbildung, aber auch Praktika und Volontariate, Trainee-
Programme (betriebliche Einarbeitung von HochschulabsolventInnen)
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Text 12: Personalwesen 12/26

oder die Einarbeitung neuer Mitarbeitenden in die unternehmensspezifi-


schen Prozesse.
* On the job heißen Maßnahmen, die direkt am Arbeitsplatz durchgeführt
werden: learning by doing, Projektarbeit (zeitlich befristete Zuordnung
von Mitarbeitenden zu einem bestimmten Projekt) oder Arten der Ar-
beitsgestaltung wie job rotation, job enlargement oder job enrichment (s.
Kap. 12.2.5).
* Off the job bedeutet Weiterbildung außerhalb des Arbeitsplatzes; darun-
ter fallen innerbetriebliche Einrichtungen ebenso wie überbetriebliche
Möglichkeiten (z. B. durch Kammern und Innungen) sowie externe Bil-
dungsinstitute.
* Near the job sind Maßnahmen, die nicht direkt am Arbeitsplatz erfolgen,
aber einen engen Zusammenhang zur täglichen Arbeit haben. In Frage
kommen hier Qualitätszirkel, Lernstätten oder Vorschlagsgruppen.
* Along the job bezeichnet längerfristig angelegte Maßnahmen der Perso-
nalentwicklung wie Laufbahn- oder Karriereplanung. Durch einen Ab-
gleich der Wünsche der Mitarbeiter und ihrem Leistungspotenzial wird
eine erreichbare Position bestimmt und der Weg dorthin beschrieben.
* Out of the job sind Maßnahmen, die den Übergang vom Erwerbsleben
in den Ruhestand vorbereiten sollen (z. B. Nachfolgeplanung oder glei-
tender Ruhestand).

Aufgrund der Folgen, die falsche oder fehlende Personalentwicklung verursa-


chen kann, ist eine ständige Überprüfung der Maßnahmen und Methoden der
Personalentwicklung auf ihre Wirksamkeit, sowohl in Hinblick auf die Ziele
der Mitarbeitenden als auch des Unternehmens nötig, um gegebenenfalls eine
Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen vornehmen zu können. In der
Analyse der gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutung unterschiedlicher Me-
thoden der Personalentwicklung wurde deutlich, dass v. a. die Personalent-
wicklung „on the job“ und „near the job“ an Bedeutung gewinnen werden. Das
liegt daran, dass z. B. die Personalentwicklung „off the job“ häufig nur einen
geringen Transfererfolg aufweist, d.h. z.B. das Erlernte in Seminaren nur in
geringem Maße auf praktische Arbeitsaufgaben übertragen werden kann. Eine
Studie zeigte darüber hinaus, dass auch „out of the job“ an Bedeutung zu-
nimmt, wohingegen „into the job“ an Bedeutung verliert.

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Text 12: Personalwesen 12/27

12.2.5. Arbeitsgestaltung

Die Gestaltung des Arbeitsplatzes dient der bestmöglichen Vorbereitung der


Arbeitsdurchführung unter der Voraussetzung von menschengerechten Ar-
beitsbedingungen. Dabei kann man die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung,
die organisatorische Arbeitsplatzgestaltung sowie die technologische Arbeits-
platzgestaltung unterscheiden.

Die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung widmet sich vor allem der Gestal- Ergonomische
Arbeitsplatzgestaltung
tung von Arbeitsinstrumenten und -hilfsmitteln. Sie basiert auf verschiedenen
Ansätzen:

* Die Anthropometrie strebt die Anpassung des Arbeitsplatzes an die


Abmessungen des menschlichen Körpers an (z. B. Arbeitsplatzhöhe,
Griffbereich, Gesichtsfeld).
* Die Arbeitsphysiologie zielt auf die Erhaltung der individuellen Leis-
tungsfähigkeit, die Verringerung von krankheitsbedingten Ausfällen und
die Gewährleistung der effizienten Ausführung des Arbeitsprozesses ab
(z. B. Stellung und Körperhaltung).
* Die psychologische Arbeitsplatzgestaltung versucht, u. a. mithilfe von
optischen und akustischen Abwechslungen, eine angenehme Arbeitsum-
welt zu schaffen (z. B. Klima, Lärm, Lüftung).
* Informationstechnik unterstützt die Erleichterung bzw. Beschleunigung
des Wahrnehmungsvorgangs, mit dem Ziel, den Wirkungsgrad der Arbeit
zu erhöhen.

Die organisatorische Arbeitsplatzgestaltung bezieht sich auf sämtliche Maß- Organisatorische


Arbeitsplatzgestaltung
nahmen rund um den zeitlichen Arbeitsablauf sowie Fragen der Arbeitsteilung
und -verteilung. Wichtige Elemente sind hierbei Arbeitsinhalte, Arbeitsbedin-
gungen und Arbeitszeiten. Arbeitsinhalte beschreiben dabei Art und Umfang
der zu leistenden Arbeit, ihre Vielfalt sowie die zu tragende Verantwortung der
einzelnen Mitarbeitenden.

Eine stark arbeitsteilige Produktionsweise (vgl. Taylorismus) führt zwar oft


durch zunehmende Übung zu höherer Produktion und besserer Qualität, ist
aber unter Umständen für die Mitarbeitenden monoton und führt zu einseitiger
Belastung. Im Rahmen des Human-Relations-Ansatzes wurden, sowohl auf
individueller als auch auf Gruppenebene, neue Formen der Arbeitsgestaltung
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Text 12: Personalwesen 12/28

entwickelt, die eine bessere Verbindung der Bedürfnisse der Menschen und der
Anforderungen der Arbeit ermöglichen sollten. Diese Modelle sind:

* Job Rotation: Wechsel von Tätigkeiten, meist zwischen den Mitgliedern


einer Arbeitsgruppe. Ziel ist die Vermeidung von Monotonie und einsei-
tigen Belastungen sowie eine Erhöhung der Aufgabenvielfalt und die
Entwicklung von Mehrfachqualifikationen. Zudem wird auf diese Weise
eine Steigerung der Flexibilität, der Qualifikation und der Motivation an-
gestrebt. Dabei muss jedoch nicht in die Gestaltung der Arbeitsplätze
eingegriffen werden. Man kann beispielsweise die Beschäftigten zwi-
schen den verschiedenen Geschäftsbereichen eines Unternehmens hin
und her wechseln lassen, um ihnen ein umfassenderes Verständnis für die
Gesamtzusammenhänge zu vermitteln. Im Zuge des demographischen
Wandels und damit einhergehend der Alterung der Belegschaften ge-
winnt das Instrument zunehmend an Bedeutung, um die geistige Flexibi-
lität älterer Mitarbeitenden zu erhalten.
* Job Enlargement: Aufgabenerweiterung, indem qualitativ und struktu-
rell gleichartige oder ähnliche Aufgabenelemente den bisherigen Ele-
menten hinzugefügt werden. Der Arbeitszyklus wird verlängert und die
Arbeitsteilung reduziert. Der Entscheidungs- und Kontrollspielraum des
Einzelnen wird dabei nicht vergrößert, sondern lediglich die Anzahl der
unterschiedlichen Tätigkeiten erhöht, was den Arbeitsplatz für den Mit-
arbeiter vielfältiger und abwechslungsreicher macht. Ein Beispiel aus
dem Gesundheitswesen wäre die Einführung einer Bezugspflege anstelle
einer personellen Aufteilung der pflegerischen Verrichtung.
* Job Enrichment: Aufgabenbereicherung, indem das Arbeitsfeld einer
Stelle durch Planungs-, Entscheidungs- und Kontrolltätigkeiten erweitert
wird, die vorher überwiegend auf höheren Hierarchieebenen erfüllt wur-
den. Dadurch verlängert sich der Arbeitszyklus und die Arbeitsanforde-
rungen steigen. Die Mitarbeitenden sind dann für einen ganzen Aufga-
benkomplex, wie beispielsweise den Aufbau einer Tagesklinik, verant-
wortlich. Ziele dieser Form der Arbeitsplatzgestaltung sind die Personal-
entwicklung und die Vorbereitung der Mitarbeitenden auf Führungsauf-
gaben.
* Teilautonome Arbeitsgruppe: Kleine Gruppe von Mitarbeitenden, die
in eigener Verantwortung und selbstorganisierend eine definierte Aufga-
be bearbeitet.

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* Qualitätszirkel: Gruppe von Mitarbeitenden, die sich auf freiwilliger


Basis unter Leitung von Moderatoren treffen, um Probleme des eigenen
Arbeitsplatzes zu diskutieren und Verbesserungsvorschläge zu erarbei-
ten.
* Projektgruppen: Arbeitsgruppen, die zur Bearbeitung bestimmter, ge-
nau definierter Probleme gebildet werden, wobei die Mitglieder aus ver-
schiedenen Bereichen des Unternehmens stammen können.

Die Arbeitsbedingungen umfassen Fragen der ergonomischen Gestaltung des Arbeitsbedingungen


Arbeitsplatzes und der Unfallverhütung sowie den Themenkomplex rund um
Belastungen am Arbeitsplatz, etwa durch Klima, Lärm, Erschütterungen oder
Schadstoffe.

Zentrale Gestaltungsparameter der Arbeitszeitgestaltung sind die Dauer bzw. Arbeitszeitgestaltung


die Länge der Arbeitszeit (Chronometrie), die Lage der Arbeitszeit (Chronolo-
gie) sowie die Gestaltung der Arbeitspausen. In der heutigen Zeit gewinnen
zunehmend verschiedene Formen flexibler Arbeitszeitgestaltung an Bedeutung.
Zu den Modellen flexibler Arbeitszeitgestaltung zählen beispielsweise Teil-
zeitarbeit, Sabbaticals (über längere Zeit auf einem Konto angesparter Sonder-
urlaub), Gleitzeit oder Job-Sharing (hier teilen sich zwei oder mehr Mitarbei-
tende einen Arbeitsplatz). Insbesondere Sabbaticals finden zunehmend An-
wendung. Die verschiedenen Möglichkeiten im Rahmen einer flexiblen Ar-
beitszeitgestaltung werden auch im Gesundheitswesen immer wichtiger. Job-
Sharing beispielsweise ist im ambulanten Bereich eine interessante Möglich-
keit in einem für Neuzulassungen eigentlich gesperrten Planungsbereich ver-
tragsärztlich tätig zu werden. Daneben gibt es aber auch Modelle, die bereits
seit geraumer Zeit erfolgreich angewandt werden. So ist Schichtarbeit, die äl-
teste Form flexibler Arbeitszeitgestaltung, oder auch die Beschäftigung von
Teilzeitkräften aus dem Krankenhausbereich schon lange nicht mehr wegzu-
denken. Verschiedene Arbeitszeitgestaltungen gewinnen auch im Recruiting
eine zunehmende Rolle, um als Arbeitgeber für potenzielle Fachkräfte interes-
sant zu wirken.

12.2.6. Personalentlohnung

Die Personalentlohnung ist ein weiteres zentrales Handlungsfeld des Personal- Anforderungen an ein
Vergütungssystem
wesens. Sie spielt im Unternehmen in zweifacher Hinsicht eine zentrale Rolle.
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Auf der einen Seite ist sie ein Kostenfaktor, der gerade in Dienstleistungsun-
ternehmen einen bedeutenden Anteil an den Gesamtkosten ausmacht, zum an-
deren hat sie wichtige Funktionen für die Anwerbung und die Leistungsbereit-
schaft der Beschäftigten. Unter Vergütung (auch Lohn oder Gehalt) versteht
man im Allgemeinen das Arbeitseinkommen von Beschäftigten, das vom Ar-
beitgeber aufgrund geleisteter Arbeit bezahlt wird. Um Anreizfunktion zu ha-
ben, bedarf es einer differenzierten Gestaltung der Vergütung. Ein Vergütungs-
system sollte den folgenden Anforderungen gerecht werden:

* Individualisierbarkeit,
* Leistungsbezug,
* Transparenz,
* Zielorientierung,
* Wirtschaftlichkeit.

Bei der Ausgestaltung des Vergütungssystems muss zunächst die Art der An-
reize bestimmt werden. Diese können sowohl materieller als auch immateriel-
ler Natur sein. Unter materiellen Anreizen versteht man das Arbeitsentgelt im
weiteren Sinn. Hier kann dann noch einmal in monetäre und nicht-monetäre
Komponenten differenziert werden, bei ersteren ist zudem eine Unterscheidung
in variable und fixe Formen möglich (s. Abb. 12.8). Im Gegensatz zu den ma-
teriellen Anreizformen, ist der Geldwert von immateriellen Anreizen wie der
Gestaltung des Arbeitsplatzes oder der Arbeitszeit i. d. R. nicht quantifizierbar.
Die folgende Abbildung (s. Abb. 12.8) zeigt die verschiedenen Anreizformen
im Überblick.

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Text 12: Personalwesen 12/31

Abb. 12.8: Anreizformen im Überblick (Quelle: Herz in Anlehnung an


Holtbrügge, D. (2018), S. 219)

Ein Unternehmen wählt dabei diejenigen Anreize aus, von denen erwartet
wird, dass sie das Leistungsverhalten der Mitarbeitenden besonders positiv
beeinflussen.

Der nächste Schritt ist die Bestimmung der Bemessungsgrundlage. Dabei


handelt es sich um die Größen, anhand derer die Zielerreichung eines Mitarbei-
tenden gemessen und seine Leistung beurteilt wird. Sie muss konkret mess-
und beurteilbar sowie in ihrer Ausprägung direkt vom Mitarbeitenden beein-
flussbar sein. Danach muss die Vergütungsfunktion bestimmt werden, mit der
das Leistungsverhalten und die variablen Anreize verknüpft werden. Oftmals
ist die Vergütung nur in einem engen Korridor variabel. Die maximale Vergü-
tung wird dabei auf eine bestimmte Höhe begrenzt, während auch die Verluste
bei fehlender Zielerreichung eingedämmt werden. In letzter Zeit ist zu be-
obachten, dass sich dieser Korridor tendenziell verbreitert. Sind Mitarbeitende
eher risikoavers oder möchten das Unternehmen gezielt im Eingehen von Risi-
ken fördern (z. B. in einem stabilen Umfeld), weisen die Vergütungsfunktionen
eine geringe Variabilität auf. Sollen dagegen nur kontrollierte Risiken einge-
gangen werden, oder sind die Mitarbeitenden sehr risikofreudig, liegt dagegen
eine hohe Variabilität vor. Zuletzt muss noch der Ausschüttungsmodus be-
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Text 12: Personalwesen 12/32

stimmt werden. Auch hier sind verschiedene Modi möglich. Eine sofortige
Ausschüttung hat die größte Anreizwirkung, es ist jedoch zu diesem Zeitpunkt
oft noch nicht zu erkennen, ob die beurteilte Leistung auch einen nachhaltigen
Erfolg erzeugt. Gegenteilig verhält es sich bei einer langfristigen Ausschüt-
tung: Hier besteht weitgehende Gewissheit über den Erfolg bzw. Misserfolg,
die Anreizwirkung ist jedoch nur noch gering. Es erscheint daher sinnvoll mit
einer Kombination aus sofortiger und langfristiger Ausschüttung, beispielswei-
se in Form von Bonusbanken, einen Kompromiss einzugehen. Auf diese Weise
können Bonuszahlungen über mehrere Perioden verteilt werden.

Ein Vergütungssystem dient dazu, drei Grundprobleme zu lösen. Das erste ist Probleme der
Vergütung
die Gewichtung sozialer Faktoren. Der Leistungslohn richtet sich beispiels-
weise nach der erbrachten Leistung (dies hat Anreizwirkungen auf eine Leis-
tungserhöhung), während sich der Soziallohn an Einflussgrößen wie Alter,
Familienstand oder kulturellem Existenzminimum orientiert. Zum zweiten gilt
es, die Höhe der Entlohnung an den Anforderungen der Arbeit und an den
Ergebnissen zu orientieren. Dazu müssen die Arbeitsplätze nach der Höhe
ihrer Anforderungen (Arbeitswertigkeit, ermittelt durch analytische oder sum-
marische Arbeitsbewertung) geordnet und die Spannweite der Entlohnung von
der niedrigsten bezahlten bis zur höchst bezahlten Tätigkeit fixiert werden.

Darüber hinaus kann die Frage nach der Lohnform als problematisch angese- Lohnformen
hen werden, also die Frage, inwieweit die Bemessungsgrundlage den Lohn
bestimmt. Hierbei wird hauptsächlich in Zeitlohn und Leistungslohn unter-
schieden.

Beim Zeitlohn ist die Berechnungsgrundlage der Lohnhöhe eine bestimmte Zeitlohn
Zeiteinheit (Stunde, Woche, Monat). Entlohnt wird eine Normalleistung, die
trotz eventueller Abweichung von dieser Leistung keine Konsequenzen nach
sich zieht. Der Zeitlohn bietet sich bei Tätigkeiten an, bei denen Qualitätsge-
sichtspunkte eine Rolle spielen, deren Ablauf durch nicht direkt beeinflussbare
Faktoren bestimmt werden, die schwer messbare Tätigkeiten geistig-schöpfe-
rischer Art voraussetzen, die sich nicht im Voraus bezüglich Inhalt, Reihenfol-
ge, Ergebnis oder Dauer bestimmen lassen sowie dann, wenn besondere Vor-
sichtsmaßnahmen erforderlich sind.

Beim Akkord- oder Stücklohn wird hingegen für die Erstellung einer festge- Akkordentlohnung
legten Leistungseinheit ein bestimmter Lohnsatz festgelegt. Dabei geht man
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Text 12: Personalwesen 12/33

vom Normallohnsatz aus, der bei einer Normalleistung, also bei einer Leis-
tung, die der arbeitende Mensch bei voller Übung und Einarbeitung auf Dauer
ohne Gesundheitsschädigung erreichen kann, gewährt wird. Im Gegensatz zum
Zeitlohn sinkt oder steigt der Verdienst entsprechend der Anzahl der pro Zeit-
einheit erstellten Leistungseinheiten, während die Lohnkosten wiederum im
Gegensatz zum Zeitlohn zeitunabhängig sind. Der Akkordlohn bietet sich zur
Entlohnung ausgeprägt „mechanischer“ Tätigkeiten an, die regelmäßig wieder-
kehren und sowohl von ihrem Ergebnis als auch von ihrer Dauer eindeutig be-
stimmbar sind, z. B. Fließbandarbeit. Da der Akkordlohn eine Tendenz zur
quantitativen Leistungssteigerung bewirkt, ist sowohl die Gefahr einer Ver-
nachlässigung der Arbeitsqualität als auch die einer psychophysischen Überan-
strengung gegeben, die die Leistungskontinuität in Frage stellt. Der Akkord-
lohn ist gemäß diesen Überlegungen immer dann von Vorteil, wenn es nicht
maßgeblich auf eine hohe Qualität der Arbeit ankommt und/oder eine Leis-
tungserhöhung nicht primär über eine erhöhte Anstrengung, sondern vor allem
über erhöhte Übung und verbesserte Fertigkeiten bewirkt werden kann.

Beim Prämienlohn wird zu einem vereinbarten Grundlohn ein zusätzliches Prämienlohn


Entgelt (Prämie) gewährt, dessen Höhe sich nach einer definierten Mehr- oder
Besserleistung richtet. Es sind u. a. Mengenprämien, Güteprämien, Ersparnis-
prämien oder Terminprämien möglich.

Abbildung 12.9 stellt die verschiedenen Lohnformen im Überblick dar.

Lohnformen

Abb. 12.9: Lohnformen im Überblick (Quelle: HERZ in Anlehnung an


Wöhe, G., Döring, U. (2016), S. 142)

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Neben der regelmäßig gezahlten Vergütung gibt es noch weitere Anreizsyste- Erfolgsbeteiligung

me. Einen ebenfalls finanziellen Anreiz stellt die Erfolgsbeteiligung dar. Die
Mitarbeitenden werden dabei unmittelbar am Ergebnis des Unternehmens be-
teiligt. Grundlage kann der Gewinn, der Ertrag (z. B. der Umsatz) oder die
Leistung (z. B. Produktionsmenge oder Kosteneinsparung) sein. Möglich ist
eine sofortige Auszahlung oder ein zumindest vorübergehendes Verbleiben im
Betrieb als Eigenkapital (z. B. Aktien) oder Fremdkapital (z. B. Darlehen). Die
Aufteilung kann pro Kopf oder aufgrund der Jahreslohnsumme erfolgen. Ziel
ist eine Beteiligung der Mitarbeitenden am Erfolg des Unternehmens, eine Ver-
ringerung des Konfliktpotenzials zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und
Kapital und die Übernahme von mehr Verantwortung der Beschäftigten für den
Betrieb.

Betriebliche Sozialleistungen sind Geld- und Sachleistungen, die über das Sozialleistungen
Arbeitsentgelt hinausgehen und nicht der direkten Abgeltung der Arbeitsleis-
tung dienen. Sie lassen sich in gesetzliche (z. B. Sozialversicherungsbeiträge
des Arbeitgebers), tarifvertragliche (z. B. Urlaubsgeld und Sonderzahlungen)
und freiwillige Sozialleistungen (z. B. Fahrtkosten- und Kantinenzuschüsse)
unterteilen. Ziele der betrieblichen Sozialleistungen sind, neben der sozialen
Absicherung, auch die Gewinnung neuer Mitarbeitenden sowie die Motivation
und die Betriebsbindung des bereits beschäftigten Personals.

Ein interessanter, in Deutschland noch wenig verbreiteter Ansatz ist das soge- Cafeteria-System
nannte Cafeteria-System. Bei dem Cafeteria-System handelt es sich um ein
Konzept der individualisierten Entgeltgestaltung, bei dem jeder Mitarbeiter im
Rahmen eines vorgegebenen Budgets materielle und immaterielle Leistungen
zusammenstellen kann, die seinen Wünschen am besten entsprechen. Ziel ist
es, den Nutzen für die Mitarbeitenden zu erhöhen, auch und gerade in Zeiten,
in denen Unternehmen wenig Spielraum für Lohnerhöhungen haben. Aller-
dings ist die Ausgestaltung dieses Systems meist sehr aufwändig.

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Text 12: Personalwesen 12/35

12.3. Personalführung
12.3.1. Führungskraft

Die Mitarbeiterführung ist ein zentraler Punkt der Personalarbeit. Sie ist als Mitarbeiterführung
absichtliche Verhaltensbeeinflussung der Beschäftigten durch Führungskräfte
im Rahmen einer unmittelbaren Vorgesetzten-Mitarbeitenden-Beziehung zu
sehen. Der Zweck besteht in der Durchsetzung der angestrebten Unterneh-
mensziele. Dabei bedient man sich den Mitteln der Motivation (Änderung von
menschlichem Verhalten in eine bestimmte Richtung) und Macht (Möglichkeit,
in einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben an-
derer durchzusetzen). Macht erhalten Menschen beispielsweise durch Legiti-
mation, Belohnungs- oder Bestrafungsmöglichkeit. Nachhaltiger ist hingegen
Macht durch Persönlichkeit oder Expertise. Als Kriterium für Führungserfolg
ist dabei der Zielerreichungsgrad der vorgegebenen Ziele zu sehen.

Doch nicht jeder Mensch ist in der Lage, andere für gewisse Ziele zu begeis- Rolle und Aufgaben der
tern und sie dazu zu bringen, diese Ziele zu erreichen. Eine Führungskraft Führungskraft

muss auch zum Führen von Mitarbeitenden geeignet sein. Beispielsweise wäre
es für das Unternehmen nicht förderlich, wenn Vorgesetzte zwar fachlich bes-
ser qualifiziert sind und sich durch zielgerichtetes Handeln auszeichnen, sich
jedoch als Motivatoren schwer tun.

Der Kostensenkungsdruck hat in den vergangenen Jahren vermehrt zu Ver-


schlankungen der vorhandenen Organisationsstrukturen geführt. Im Zuge der
Abschaffung ganzer Führungsebenen kam es zu erheblichen Veränderungen
und zur Verlagerung von Kompetenzen und Verantwortung. Auch im Gesund-
heitswesen werden immer mehr Kompetenzen und damit auch die Verantwor-
tung für die Zielerreichung auf untere Ebenen delegiert. Die Qualifikation und
die Eignung der Mitarbeitenden als Führungskräfte müssen diesen neuen An-
forderungen gerecht werden. Die Übernahme der neuen Aufgaben erfolgt in
der Regel bei gleich bleibenden Arbeitsvolumina. Dies kann mitunter proble-
matisch sein. Daher rückt lebenslanges Lernen im Berufsalltag zunehmend in
den Vordergrund.

In dem Zusammenhang sei auch kurz auf die beiden Begrifflichkeiten der De- Exkurs: Delegation vs.
legation bzw. Substitution ärztlicher bzw. pflegerischer Tätigkeiten hingewie- Substitution

sen. Während bei der Delegation ärztlicher Tätigkeiten der Arzt weiterhin die
Verantwortung trägt, geht bei der Substitution die fachliche, rechtliche und
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wirtschaftliche Verantwortung auf denjenigen über, der die medizinische Leis-


tung letztendlich erbringt. Sowohl die Delegation als auch die Substitution
ärztlicher Tätigkeiten auf PflegerInnen sowie die Delegation pflegerischer
Leistungen auf ungelernte Arbeitskräfte gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Führungskräfte besitzen das formale Recht, Weisungen zu erteilen. Sie haben Führungskraft vs.
außerdem die Interessen der Anteilseigner gegenüber Mitarbeitenden durchzu- Personalabteilung

setzen. Sie beeinflussen das Verhalten der Angestellten entweder direkt, bei-
spielsweise durch Arbeitsanweisungen, oder indirekt, beispielsweise indem sie
Leistungsbeurteilungen aussprechen. Während Führungskräfte überwiegend
gestaltende Aufgaben wahrnehmen (Personalführung von Individuen und
Gruppen, Arbeitsgestaltung), liegt die Verantwortung der Personalabteilung
vorwiegend bei beratenden und verwaltenden Aufgaben (Auszahlung der Ver-
gütung, Führen von Personalakten, Abwicklung von Einstellung, Versetzung
und Entlassung, Kenntnisse des Arbeits- und Tarifrechts etc.). Diese Aufgaben
sind gekennzeichnet durch eine hohe Standardisierung und die Notwendigkeit
umfangreicher personalwirtschaftlicher und arbeitsrechtlicher Kenntnisse. Eine
umfassende Kenntnis des konkreten Arbeitsplatzes oder einzelner Beschäftig-
ter ist hingegen nicht notwendig.

12.3.2. Menschenbilder

Der Führungsstil einer Führungskraft, also die Art und Weise, wie jemand
führt, wird zu einem großen Teil durch ihr Menschenbild bzw. ihre Füh-
rungsphilosophie beeinflusst. Menschenbilder sind vereinfachende und ver-
allgemeinernde Annahmen über Menschen und menschliche Verhaltensweisen.
Sie dienen als Grundlage für das Verständnis des Umgangs mit Mitarbeitern.
„Hinter jeder Entscheidung oder Maßnahme eines Managers“ so McGregor
„stehen Auffassungen über die Natur des Menschen und sein Verhalten“ (zi-
tiert nach Holtbrügge, D. (2013), S. 219). McGregor war einer der ersten, die
sich systematisch mit der Erforschung von Menschenbildern auseinanderge-
setzt haben. Der 1960 von ihm entwickelte Ansatz eines pessimistischen bzw.
optimistischen Menschenbildes ist nach wie vor weit verbreitet. Nach der
„Theorie X“ hat der Mensch keinerlei Interesse daran, Verantwortung zu
übernehmen. Er zieht es vor, geführt zu werden und hat überwiegend Sicher-
heitsmotive. Demnach existieren auch nur zwei Möglichkeiten Angestellte zur
Verfolgung der Unternehmensziele zu bewegen: Zum einen das Geld als allein
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wirksames Anreizmittel sowie zum anderen Druck und Strafe respektive die
Furcht vor der Strafe. Wenngleich dieses Menschenbild nicht dem heutigen
Mitarbeitenden entspricht, bestätigt es sich jedoch in Form einer „selbsterfül-
lenden Prophezeiung“. Werden Beschäftigte ständig kontrolliert, steigt das
Bedürfnis, sich dieser Kontrolle zu entziehen oder nur das zu leisten, was auch
beobachtbar und kontrollierbar ist. Dies führt wieder zu verstärktem Kontroll-
verhalten usw.. Daher sollte der Führende von einem optimistischen Men-
schenbild ausgehen, das sich in der „Theorie Y“ niederschlägt. Arbeit wird
hier nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern kann unter geeigneten Vorausset-
zungen als Bestandteil der Selbstverwirklichung gesehen werden. Daraus folgt,
dass die Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeitenden in die Unternehmens-
pläne einbezogen werden, um sicherzustellen, dass diese sich besonders stark
für die Realisierung dieser Pläne einsetzen. Kritisch an dieser Theorie ist an-
zumerken, dass diese Thesen bislang keine empirischen Bestätigungen fanden
(s. Tab. 12.2).

Daneben gibt es eine Reihe weiterer Theorien, beispielsweise das Modell von Menschenbild nach
Schein
Schein (1980). Schein vertritt ein wesentlich komplexeres Menschenbild als
McGregor. Er unterscheidet den rational-ökonomischen Menschen (primär
durch monetäre Anreize motivierbar), den sozialen Menschen (motiviert durch
soziale Bedürfnisse), den sich selbst verwirklichenden Menschen (eine zent-
rale Rolle spielt die Selbstverwirklichung) und den komplexen Menschen
(flexibel, wandel- und anpassungsfähig). Schein sieht insbesondere in Letzte-
rem ein Menschenbild, das für die westlichen Industriestaaten charakteristisch
ist. Im Zuge der Digitalisierung und Globalisierung nimmt die Bedeutung des
komplexen Menschen zu.

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Theorie X Theorie Y
Dem Durchschnittsmenschen ist eine Abneigung Sich physisch oder geistig anzustrengen, ist dem
gegenüber der Arbeit angeboren, und er versucht, Menschen ebenso eigen wie der Spieltrieb. Darüber
Arbeit zu vermeiden, wo immer er kann. hinaus kann die Arbeit sowohl Befriedigung als
auch Enttäuschung hervorrufen.
Als Folge der Abneigung gegenüber der Arbeit muss Äußere Kontrolle und Androhung von Strafen sind
der Mensch gezwungen, kontrolliert, ausgerichtet, allgemein nicht wirksam, um einen Menschen zu
bedroht, bestraft werden, um die erwartete Leistung veranlassen, bestimmte Ziele zu erreichen. Er zieht
zu erbringen. es vor, innerhalb des Zielsystems, mit dem er sich
identifiziert, eigenverantwortlich und selbstkontrol-
liert zu handeln.
Der Durchschnittsmensch zieht es vor, angeleitet zu Der Mensch übernimmt nicht Verantwortung, son-
werden; er versucht, Verantwortung abzuwälzen, dern sucht sie. Scheu vor Verantwortung, Mangel
entwickelt wenig Ehrgeiz, verlangt nach Sicherheit an Ehrgeiz sowie vorherrschendes Sicherheitsden-
und möchte sich vor allem wie die Mehrheit der ken sind Folgen misslicher Erfahrungen, nicht je-
Menschen verhalten. doch charakteristisch für die Menschen.
Die intellektuellen Fähigkeiten des Durchschnitts- Einfallsreichtum und Kreativität finden sich unter
menschen werden nur teilweise genutzt. Menschen weit mehr, als generell vermutet.
Das zentrale Führungsprinzip besteht aus Anleitung Das zentrale Führungsprinzip besteht in der Integra-
und Kontrolle, die nur mit Autorität durchgesetzt tion: Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, un-
werden können. ter denen die Mitglieder der Organisation ihre eige-
nen Anstrengungen so ausrichten, dass sie ihre ei-
genen Ziele im Rahmen der Gesamtleistung des Un-
ternehmens erreichen können.
Die organisatorischen Erfordernisse bestehen ohne Das Unternehmen wird in dem Maße leistungsfähi-
Rücksicht auf die Bedürfnisse der Organisierten. ger, in dem die persönlichen Wünsche und Ziele
Für die gebotene Belohnung akzeptiert der Mensch seiner Mitarbeitenden mitberücksichtigt werden.
Autorität und Kontrolle.
Ungenutzte Fähigkeiten gibt es nicht. Deshalb be- Das Management ist herausgefordert, Neuerungen
steht auch kein Grund, Zeit, Geld und Anstrengun- einzuführen, neue Möglichkeiten der Zusammenar-
gen zu investieren, um eventuelle Fähigkeiten voll beit zu entdecken, und den menschlichen Einsatz
zu nutzen. anzuleiten.

Tab. 12.2: Die wichtigsten Annahmen der Theorie X und Y (Quelle:


Jung, H. (2016), S. 967)

12.3.3. Führungstheorien

Führungstheorien (auch Modelle des Führungsstilhandelns genannt) sind Führungsstilhandeln


durch die ihnen zugrunde liegenden Menschenbilder beeinflusst. Führungsthe-
orien versuchen die für Führung und Führungserfolge notwendigen Bedingun-
gen, Strukturen und Prozesse zu beschreiben bzw. zu erklären. Damit bilden
sie die Grundlage für die Ableitung von Handlungs- und Gestaltungsempfeh-
lungen. Es existieren drei Hauptrichtungen unter den Führungstheorien, die in
der folgenden Tabelle 12.3 systematisiert werden.

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Situative
Eigenschaftstheorien Führungsstiltheorien
Führungstheorien
Annahmen Gute Führungsperso- Effektivität der Füh- Effektivität des Füh-
nen unterscheiden rung hängt vom Füh- rungsverhaltens wird
sich durch ihre Per- rungsstil ab, d. h. vom von situativen Fakto-
sönlichkeitseigen- Verhalten der Füh- ren beeinflusst.
schaften. rungskraft gegenüber
Mitarbeitenden.
Beispiele/ * Stogdill (1974) * Kontinuum-Theorie * Kontingenztheorie
Studien * Theorie charismati- * Michigan Studies (Fiedler)
scher Führung * Ohio State Studies * Situative Führungs-
* Managerial Grid theorie (Hersey/
Blanchard)

Kritik Bestimmte Persönlich- Kein einzelner Füh- Situative Faktoren sind


keitseigenschaften rungsstil ist in jeder multidimensional und
allein machen keine Situation allen ande- schwer vorhersehbar.
gute Führungskraft ren überlegen.
aus.

Tab. 12.3: Führungstheorien im Überblick

12.3.3.1. Eigenschaftstheorien

Eigenschaftstheorien erklären Führungserfolg mit bestimmten Eigenschaften Eigenschaftstheorien


von Führungskräften (z. B. Intelligenz, Zielstrebigkeit, Menschenkenntnis).
Stogdill (1974) hat die zahlreichen Studien, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts
zu diesem Thema entstanden sind, in einer Metaanalyse ausgewertet. Die in
diesen Studien identifizierten Eigenschaften erfolgreicher Führungskräfte ord-
nete er den Kategorien Fähigkeiten (z. B. Intelligenz, Ausdrucksfähigkeit),
Leistungen (z. B. Schulerfolg, sportlicher Erfolg), Verantwortung (z. B. Zu-
verlässigkeit, Eigeninitiative), Partizipation (z. B. soziale Aktivität, Anpas-
sungsfähigkeit) und Status (z. B. Popularität, soziökonomischer Hintergrund)
zu. Es war allerdings nicht möglich, aus den Eigenschaften ein konsistentes
Muster abzuleiten, das eine erfolgreiche Führungsperson ausmacht. Aufgrund
dieser Inkonsistenz und Widersprüchlichkeit galten die Eigenschaftstheorien
als weitgehend gescheitert. Im amerikanischen Raum erleben sie in jüngster
Zeit in Form der Theorie charismatischer Führung eine kleine Renaissance.
Diese Theorie versucht, Merkmale und Verhaltensweisen zu identifizieren, die
charismatische und damit erfolgreiche Führungskräfte (z. B. Jack Welsh oder
Steve Ballmer) von nicht-charismatischen Führungskräften unterscheiden.

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12.3.3.2. Verhaltens-/Führungsstiltheorien

Die seit den 1930er Jahren entwickelten Führungsstiltheorien rücken davon ab, Führungsstiltheorie
die Eigenschaften der Führungskräfte als Ursache für Führungserfolg zu sehen
und stellen vielmehr deren Verhalten in den Vordergrund. Unter Führungsstil
versteht man das durchgängig und dauerhafte, d. h. immer wieder beobachtbare
Führungsverhalten von Vorgesetzten ihren Mitarbeitenden gegenüber. Man
unterscheidet dabei ein- und zweidimensionale Führungsstiltheorien. Das
Unterscheidungskriterium bei Führungsstilen, die nur eine Dimension betrach-
ten, ist meist die Entscheidungsautorität, also die Frage, wer Entscheidungen
letztendlich trifft.

Bei der Kontinuum-Theorie von Tannenbaum/Schmidt (1973) wird das Füh- Kontinuum-Theorie
rungsverhalten in einem bipolaren Kontinuum mit sieben Verhaltensklassen
nach dem Ausmaß der Anwendung von Autorität durch den Vorgesetzten und
der Entscheidungsfreiheit der Mitarbeitenden angeordnet. Dabei steigen der
Freiraum der Mitarbeitenden und die Möglichkeit der Entscheidungspartizipa-
tion von links nach rechts (s. Abb. 12.10). Welcher der Führungsstile besser
bzw. empfehlenswerter ist, wird dabei offen gelassen. Vielmehr wird auch in
der Kontinuum-Theorie bereits auf die Bedeutung der Situation hingewiesen
und damit der Flexibilität der Führungskraft eine entscheidende Rolle beige-
messen.

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Abb. 12.10: Kontinuum der Führungsstile (Quelle: HERZ in Anlehnung


an Staehle, W. H., Conrad, P. (2020), S. 337; Berthel, J., Be-
cker, F. G. (2017), S. 176; Wöhe, G. (2016), S. 149; Thom-
men, J.-P., Achleitner, A.-K. (2020), S. 517)

Erweitert man seine Blickrichtung auf das Aufgabengebiet und die zwischen-
menschlichen Beziehungen, so gelangt man in den Bereich der zweidimensio-
nalen Führungsstiltheorien. Diese Theorien basieren im Wesentlichen auf Ar-
beiten eines Forscherteams der Ohio State University, das sich ab etwa 1945
mit der Entwicklung eines Instrumentariums zur Beschreibung von Führungs-
verhalten beschäftigte. Im Gegensatz zu den eindimensionalen Führungsstil-
konzepten findet keine sich ausschließende Trennung von Aufgaben- und Mit-
arbeiterorientierung statt. Vielmehr gibt es zwei unabhängige Faktoren, die
gemeinsam zur Beschreibung von Führungsverhalten dienen.

Bei dem von Blake und Mouton (1964) entwickelten Verhaltensgitter (Ma- Managerial Grid
(Blake & Mouton)
nagerial Grid), handelt es sich um eine einfache, übersichtliche Darstellung in
Form einer zweidimensionalen Matrix, die in anschaulicher Weise einen brei-
ten Spielraum möglicher Führungsstile abbildet (s. Abb. 12.11). Betrachtet
werden dabei die Dimensionen Sach-/Aufgabenorientierung und Menschen-
/Mitarbeiterorientierung. Auf der X-Achse wird der Grad der Aufgabenori-
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entierung, auf der Y-Achse die Ausprägung der Mitarbeiterorientierung abge-


tragen. Die Skalenwerte reichen jeweils von 1 bis 9, sodass theoretisch 81
Kombinationsmöglichkeiten und damit 81 verschiedene Führungsstile existie-
ren. Aus Gründen der Komplexitätsreduktion hat man sich jedoch auf 5 be-
schränkt. Je niedriger (höher) der Wert auf der Skala, desto weniger (mehr)
Wert legt das Unternehmen bzw. die Führungskraft auf die jeweilige Dimensi-
on. Ein Wert von 1 auf der Dimension Menschenorientierung bedeutet dem-
nach, dass das Unternehmen bzw. die Führungskraft wenig bis keinen Wert auf
Menschenorientierung legt.

Abb. 12.11: Managerial Grid/Verhaltensgitter nach Blake und Mouton


(Quelle: HERZ in Anlehnung an Holtbrügge, D. (2018), S.
250; Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K. (2017), S. 519)

Bei der Ausprägung 1.1 wird weder Wert auf die Mitarbeitenden noch auf die
Arbeitsleistung gelegt, was dem Laissez-Faire-Stil (bzw. Überlebensmanage-
ment) entspricht. Dieser Führungsstil ist nicht zielführend und löst bei den
Mitarbeitern nicht selten Resignation und Apathie aus.

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Der 1.9-Führungsstil legt großen Wert auf ein spannungsfreies Miteinander,


bei dem eine freundliche Arbeitsatmosphäre von großer Bedeutung ist, wäh-
rend auf die Ergebnisse weniger Wert gelegt wird, wodurch Mitarbeitende
nicht unter Leistungsdruck geraten. Dieser Führungsstil wird oft auch als
„Country Club Stil“ bzw. „Glacéhandschuh-Management“ bezeichnet und ist
in der Regel in einem Unternehmen aufgrund des Wettbewerbs nicht realisier-
bar.

Beim 9.1-Führungsstil stehen die Arbeitsergebnisse im Vordergrund. Auf die


Bedürfnisse der Mitarbeitenden wird wenig Wert gelegt. Das Einzige, was hier
zählt, ist das Ergebnis. Anwendung findet dieser Führungsstil beispielsweise
bei Akkordlohntätigkeiten.

Der 5.5-Stil wird auch als „Middle of the Road“-Stil bzw. „Organisationsma-
nagement“ bezeichnet. Dabei wird ständig zwischen der Forderung nach Ar-
beitsleistung und dem Wunsch, die Mitarbeitenden zufrieden zu stellen hin und
her gependelt. Es handelt sich um eine Kompromisslösung, bei der unterm
Strich i. d. R. ausreichende Leistungen verbucht werden können. Die Mitarbei-
tenden sind motiviert, zeigen aber keine Höchstleistungen.

Bei der Ausprägung 9.9 wird eine sehr hohe Arbeitsleistung erzielt, bei gleich-
zeitig hoher Zufriedenheit der Mitarbeiter. Bei sehr gutem Arbeitsklima wer-
den dabei die Ziele der Mitarbeiter und der Unternehmung realisiert. Nach
Blake/Mouton sollte dieser Führungsstil angestrebt werden. Dieser Führungs-
stil zeichnet sich durch verschiedene Eigenschaften aus, z. B. eine offene
Kommunikation, Verantwortung, Vertrauen, Macht- und Entscheidungsdelega-
tion, direkte Konfliktlösung sowie eine gemeinsame Problemlösung.

Obwohl dieser zweidimensionale Ansatz wesentlich besser zur Erklärung von


Führung beiträgt, ist er nicht ausreichend. Auch er kann keine allgemeingültige
Erklärung zwischen Führungsstil und Führungserfolg herstellen, da die situati-
ven Rahmenbedingungen außer Acht gelassen werden. Ferner steht die Person
der Führungskraft im Mittelpunkt, Interaktionen zu den Mitarbeitenden werden
hingegen vernachlässigt.

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12.3.3.3. Situative Führungstheorien

Seit den 1960er Jahren setzte sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Füh-
rungserfolg stark von der jeweiligen Situation abhängt. Das Grundprinzip
situativer Führungsansätze (manchmal auch als Situationstheorien bezeichnet)
ist die Erkenntnis, dass der Führungserfolg davon abhängt, inwieweit die Füh-
rungskraft in der Lage ist, die konkrete Situation zu erfassen, sie für sein Füh-
rungsverhalten zu reflektieren und zu nutzen. Kurz gesagt: Analysiere das Um-
feld der zu führenden Personen und passe dein Verhalten zielorientiert an!
Hierbei ist Interaktion der Schlüssel zum Erfolg und nicht das starre Verfolgen
von Führungsprinzipien.

Eine der bekanntesten situativen Führungstheorien ist das Kontingenzmodell Kontingenzmodell


(Fiedler)
von Fiedler (1967). Die Kontingenztheorie nach Fiedler basiert auf der An-
nahme bzw. Hypothese, dass die Effizienz eines Führungsstils von der Füh-
rungssituation abhängig ist. Der Führungsstil der Führungskraft wird dabei
anhand des Messwerts LPC (least preferred coworker) bestimmt. Mittels eines
Fragebogens müssen Führungskräfte dabei den von ihnen am wenigsten ge-
schätzten Mitarbeiter (least preferred coworker LPC) einschätzen und beurtei-
len. Ist dieser Wert niedrig (der am wenigsten geschätzte Mitarbeiter wird dis-
tanziert und streng beurteilt), liegt nach Fiedler ein Indikator für aufgabenbe-
zogenes Führungsverhalten vor. Eine günstige Beschreibung des least prefer-
red coworkers und demzufolge hohe LPC-Werte (d. h. Mitarbeitende werden
trotz grundsätzlicher Ablehnung noch wohlwollend und verständnisvoll beur-
teilt) sprechen hingegen für personenorientiertes Führungsverhalten.

Die situativen Bedingungen, die auf die Führungskraft einwirken, lassen sich
anhand der drei folgenden Dimensionen beschreiben:

* Führer-Mitarbeiter-Beziehung: Der Führende charakterisiert sie für


die Atmosphäre der Gruppe; je positiver diese ist, umso größer ist auch
der Einflussspielraum der Führungsperson.
* Strukturiertheit der Aufgabe: Bekanntheit der Aufgabe, Eindeutigkeit
der Lösung und Erkennbarkeit ihrer Richtigkeit.
* Positionsmacht des Führenden: Möglichkeiten des Führenden, die
Gruppenstruktur zu bestimmen, Mitarbeiter zu belohnen etc.

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Die drei Dimensionen besitzen jeweils zwei Ausprägungen. Aus der Kombina-
tion der unterschiedlichen Ausprägungen ergeben sich dann insgesamt acht
Führungssituationen, die nach der situativen Günstigkeit angeordnet werden
können (s. Abb. 12.12).

Abb. 12.12: Ergebnisse der Kontingenztheorie von Fiedler (Quelle:


HERZ in Anlehnung Berthel, J., Becker, F. G. (2017), S.
191)

Die Effizienz des Führungsstils wird im Modell anhand der Gruppenleistung


abgebildet. Die Gruppenleistung an sich wurde in den verschiedenen Versu-
chen anhand unterschiedlicher Kriterien wie beispielsweise Zeitbedarf, Umsatz
oder Fehlerhäufigkeit quantifiziert.

Fiedlers ursprüngliche Annahme, dass die Gruppenleistung (als Maß für die
Führungseffizienz) mit zunehmender Mitarbeiterorientierung der Führungs-
kraft steigen müsste, konnte in empirischen Studien nicht belegt werden. Im
Gegenteil – es zeigte sich vielmehr, dass die Effizienz eines Führungsstils von
der jeweiligen Situation abhängig ist.

Er kam zu dem Ergebnis, dass in besonders günstigen und in besonders un-


günstigen Führungssituationen ein aufgabenorientierter Führungsstil zu höhe-
rem Erfolg führt, während sich in Situationen mittlerer Günstigkeit der perso-
nenorientierte Führungsstil besser eignet. Daraus leitete Fiedler ab, dass Füh-
rungserfolg nur dann eintritt, wenn Führungssituation und Führungsstil zu-
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sammenpassen. Da der Führungsstil einer Führungskraft, wenn überhaupt, nur


sehr langsam bzw. langfristig an die Führungssituation angepasst werden kön-
ne, solle laut Fiedler vielmehr versucht werden, durch gezielte Beeinflussung
der Aufgabenstruktur, der Positionsmacht und der Führer-Mitarbeiter-Bezieh-
ung die Situation an den Führungsstil anzupassen. So biete es sich beispiels-
weise in bestimmten Situationen an, eine Verschlechterung der Führer-Mitar-
beiter-Beziehung in Kauf zu nehmen, um eine bessere Passung von Führungs-
stil und Situation zu erreichen. Dies bringt jedoch auch gewisse Problematiken
mit sich. Seine Forderung, die Situation dem Führungsstil anzupassen, ist da-
her auch nicht frei von Kritik geblieben.

Ferner muss angemerkt werden, dass diese Ergebnisse in Folgestudien nur sehr
eingeschränkt bestätigt werden konnten. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die
Situationsvariablen dieses Modells. Laut der Meinung zahlreicher Autoren sind
diese nicht in der Lage, die Führungssituation realitätsgetreu abzubilden, da sie
wichtige Faktoren wie Fähigkeiten oder Bedürfnisse der Geführten nicht be-
rücksichtigen. Auch die Wirkungsrichtung der Situationsvariablen scheint frag-
lich. So muss beispielsweise eine hohe Positionsmacht nicht immer die Aufga-
benerfüllung erleichtern. Sie kann auch zu sozialer Distanz zwischen Mitarbei-
tenden und Führungskraft führen, was deren Einflussmacht eher senkt als er-
höht. Die Verwendung des LPC-Werts zur Ermittlung des Führungsstils wird
zudem als zu eindimensional und sehr einseitig kritisiert.

Somit stellt sich dieser als situativ eingeordnete Führungsstil doch als eigen-
schaftsorientierter Ansatz heraus, der durch den Situationsgedanken nur ver-
schleiert wird. Auch wird bei diesem Ansatz die Qualifikation der Geführten
völlig außer Acht gelassen.

Ein weiteres situatives Führungsmodell wurde von Hersey und Blanchard Situative
Führungstheorie von
(1977) entwickelt. Sie verwenden vier verschiedene Führungsstile, die sich aus Hersey/Blanchard
der Kombination der Verhaltensdimensionen Aufgabenorientierung und Perso-
nenorientierung ergeben: den autoritären, den integrierenden, den partizipa-
tiven und den delegierenden Führungsstil. Diese gelten jeweils in unterschied-
lichen Situationen als besonders effektiv. Die Situation wird mit dem Reife-
grad des Mitarbeitenden operationalisiert. Dieser steht in Relation zur jewei-
ligen Aufgabe und wird aus den Kategorien Funktionsreife (Kenntnisse und
Fähigkeiten) und psychologische Reife (Motive und Motivation) ermittelt. Der
Reifegrad wird nach vier Stadien differenziert (s. Abb. 12.13).
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Abb. 12.13: Situatives Führungsmodell von Hersey und Blanchard (Quel-


le: HERZ in Anlehnung an Berthel, J., Becker F. G. (2017),
S. 215)

* M 1: unreife Mitarbeitender, bei denen Motivation, Kenntnisse und Fä-


higkeiten weitgehend fehlen.
* M 2: Mitarbeitende mit geringer bis mäßiger Reife, bei denen die Moti-
vation vorhanden ist, es allerdings an Fähigkeiten fehlt.
* M 3: Mitarbeitende mit mäßiger bis hoher Reife; ihnen fehlen die Moti-
vation, während die Fähigkeiten vorhanden sind.
* M 4: reife Mitarbeitende, die sowohl über Fähigkeiten, Motivation und
Kenntnisse verfügen.

Entsprechend dem Reifestadium werden unterschiedliche Führungsstile als


effektiv angesehen. Diese werden als Telling (Autorität, Führungskraft ent-
scheidet alleine, klare Anweisungen), Selling (integrierender Führungsstil,
Führungskraft entscheidet alleine, Aufbau einer positiven Beziehung), Partici-
pating (Führungskraft zeigt die Probleme auf, Mitarbeitende arbeiten an der
Lösung, Arbeit an der positiven Beziehung) und Delegating (Führungsposition
wird vollständig aufgegeben, Delegieren) bezeichnet. Der Vorgesetzte muss
aufgabenspezifisch den Reifegrad des jeweiligen Mitarbeitenden ermitteln und
dementsprechend situativ den Führungsstil auswählen.
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Kritisch an diesem Führungsmodell ist jedoch anzumerken, dass der Faktor


Reifegrad dominiert. Dieser ist sehr unklar definiert, was eine empirische
Überprüfung der Aussagen des Modells erschwert. Auch sind die Fragen, ob
Führungskräfte wirklich in der Lage sind, gleichzeitig unterschiedliche Füh-
rungsstile zu beherrschen, und ob Aufgaben- und Beziehungsorientierung be-
liebig miteinander kombinierbar sind, bislang weitgehend offen geblieben.

12.3.3.4. „Management by“-Konzepte

Neben den bereits vorgestellten Ansätzen gibt es noch eine Vielzahl weiterer
Modelle. Diese sind Handlungsempfehlungen von allgemeiner Gültigkeit, die
unternehmensunabhängig sind. Sie beziehen sich stets nur auf einzelne Teilas-
pekte des Managementproblems und lassen andere, mindestens ebenso wichti-
ge Gesichtspunkte außer Acht. Damit sind sie kein umfassendes Modell von
Management, sondern nur ein Teil des Problemkomplexes Führung. Solche in
der Praxis als „Management by“-Konzepte bekannte Modelle sind beispiels-
weise:

* Management by Exception (Führung durch Abweichungskontrolle und


Eingriff nach dem Ausnahmeprinzip):
Dieses Modell dient der Entlastung der Führungskräfte, d. h. die Mit-
arbeitenden entscheiden solange selbst, bis sie vorgegebene Toleranz-
grenzen überschreiten oder Ausnahmefälle eintreten. Wann ein Normal-
fall, bei dem Mitarbeitende Entscheidungskompetenz besitzen und wann
ein Ausnahmefall vorliegt, wird von der Führungsinstanz bestimmt. Das
„ständige Einschreiten“ bei Ausnahmefällen lässt jedoch die Motivation
und den Verantwortungswillen der Mitarbeitenden schrumpfen. Vorteilig
dagegen ist die weitgehende Zeitersparnis für Führungskräfte und die da-
raus resultierende effektivere Arbeit. Diese Form der Führung erfordert
eine klare Abgrenzung des Ermessenspielraums. Dies ist bei administra-
tiven und logistischen Prozessen zwar möglich, bei medizinischen jedoch
zum Teil problematisch. So sind beispielsweise die Einschaltung des
ärztlichen Hintergrunddienstes im Krankenhaus oder die Festlegung des
Toleranzbereiches vom individuellen Können des nachgeordneten Arztes
abhängig. Diese Unsicherheit erschwert die Entscheidung bei nachge-
ordneten Mitarbeitenden (z. B. Assistenzarzt). Wendet er sich zu früh an
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den Vorgesetzten, könnte auf mangelnde Kompetenz geschlossen wer-


den. Tut er dies hingegen zu spät, wird ebenfalls die Kompetenz ange-
zweifelt, verbunden mit dem Vorwurf unverantwortlichen Handelns (vgl.
Seelos, H. J. (2007), S. 129).

* Management by Delegation (Führung durch Aufgabendelegation, Füh-


rung im Mitarbeiterverhältnis):
Dieses Modell wird meist mit dem Harzburger Modell gleichgesetzt
(wobei das Harzburger Modell über Management by Delegation eigent-
lich hinausgeht). Der Grundgedanke dieses Führungsstils besteht darin,
dass allen Mitarbeitenden ein eigener Aufgabenbereich zugeordnet wird,
für den sie selbst die Handlungsverantwortung übernehmen, während
Vorgesetzte seinerseits nur die Führungsverantwortung tragen. Ziel des
Modells ist einerseits die Entlastung von Führungspersonen und ande-
rerseits die Erhöhung der Verantwortungsbereitschaft der Mitarbei-
tenden. Vorteile eines Managements by Delegation sind die optimale
Ausnutzung der Mitarbeitendenkompetenzen sowie die Förderung der
Eigeninitiative, der Leistungsmotivation und der Verantwortungsbereit-
schaft. Dem stehen auch Nachteile gegenüber, beispielsweise in Form
der unzureichenden Förderung der Zusammenarbeit der Mitarbeitenden
oder der Gefahr, dass Vorgesetzte nur uninteressante Aufgaben delegie-
ren.

* Management by Objectives (Führung durch Zielvereinbarung, Ziele


werden in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden erarbeitet):
Dieses Führungsmodell setzt sowohl delegationswillige Führungskräfte
als auch delegationsfähige Mitarbeitende voraus. Bei diesem Modell er-
arbeiten Vorgesetzte und nachgeordnete Führungskräfte gemeinsam Ziel-
setzungen für die verschiedenen Führungsebenen und bestimmen den
Rahmen für den jeweiligen Verantwortungsbereich. Die Zielorientie-
rung steht im Vordergrund, wobei die Mittel und Maßnahmen zur Ziel-
erreichung den einzelnen Führungskräften selbst überlassen sind. An-
hand der durch die Vorgesetzten vorgegebenen Hauptziele, bilden die
nachgeordneten Führungskräfte Nebenziele für ihre unterstellten Be-
schäftigten. Die Ziele sind den jeweiligen Mitarbeitenden angepasst und
dienen ihnen als Herausforderung.

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Text 12: Personalwesen 12/50

* Management by System (Führung durch Systemsteuerung bzw. Füh-


rung mit Delegation und weitestgehender Selbstregelung auf der Grund-
lage computergestützter Informations- und Steuerungssysteme):
Das Modell der Führung durch Steuerung basiert auf dem Konzept der
Systemtheorie. Im Vordergrund steht die Erreichung einer möglichst ho-
hen Selbstregulation der beteiligten Subsysteme. Der Ansatz wird daher
auch öfter als Totalmodell bezeichnet. Voraussetzung für ein solches
Führungsmodell ist ein leistungsfähiges, integriertes Planungs-, Informa-
tions- und Kontrollsystem sowie eine zielorientierte Organisation.

Weitere Beispiele solcher „Management by“ Konzepte sind Management by


Decision Rules, Management by Results oder Management by Question.
Zusammengefasst geht es bei Management by Konzepten darum, die Art und
Weise der Führungsaktivitäten im Unternehmen zu beschreiben, mit denen
Einstellungen und Verhalten der einzelnen Beschäftigten, aber auch das Zu-
sammenwirken in und zwischen Gruppen gesteuert werden. Gemeinsame Ziele
sollen effizient erreicht werden.

12.3.3.5. Eignung der Theorien für die Praxis

Zusammenfassend kann man sagen, dass es keine Patentlösung für die Aus-
wahl eines Führungsstils für ein Unternehmen bzw. eine bestimmte Organisa-
tion gibt. Es handelt sich nicht um starres Konzept, das realisiert werden kann
oder muss, vielmehr lebt es durch die Führungskräfte und Mitarbeiterschaft.

Die Führungsstile in deutschen Krankenhäusern orientieren sich bisher häufig


noch am klassischen 3-Säulen-Konzept: Ärztlicher Direktor, Pflegedirektor
und Verwaltungsdirektor. Dieses Dreigespann führt häufig dazu, dass jede Säu-
le für sich alleine steht und kämpft. Die Wandlung des Gesundheitswesens
verlangt ein Umdenken in diesem Bereich. Das Management und somit auch
die Führungsstile sollten bzw. müssen den neuen ökonomischen Zielsetzungen
angepasst werden, wenn ein Krankenhaus langfristig erfolgreich sein will.

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Literaturverzeichnis:
a) Basisliteratur

Wöhe, G., Döring, U., Brösel, G. (2020)


Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 27. Auflage,
München, S. 121-151.
Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K., Gilbert, D. U., Hachmeister, D., Jarchow,
S., Kaiser, G. (2020)
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 9., vollständig überarbeitete Aufla-
ge, Wiesbaden.
Jung, H. (2016)
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 13., aktualisierte Auflage. Mün-
chen.

b) Themenbezogene Spezialliteratur

Berthel, J., Becker, F. G. (2017)


Personal-Management – Grundzüge für Konzeption betrieblicher Perso-
nalarbeit, 11. vollständig überarbeitete Auflage, Stuttgart.
Holtbrügge, D. (2018)
Personalmanagement, 7., überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin.
Hungenberg, H., Wulff, T. (2015)
Grundlagen der Unternehmensführung: Einführung für Bachelorstudie-
rende, 5. Auflage, Berlin, Heidelberg.
Seelos, H. J., (2007)
Personalführung in Medizinbetrieben: Medizinmanagement in Theorie
und Praxis, 1. Auflage, Wiesbaden.
Staehle, W. H., Conrad, P. (2020)
Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 9. Auflage,
München.

c) Internetquellen (letzter Zugriff am 15.05.2021)

Personal-Nachrichten bzw. Magazine:


http://www.haufe.de/personal/
http://www.personalwirtschaft.de/
http://www.haufe.de/personal/zeitschrift/personalmagazin/bookshelf_48_
88944.html

Personal-Wissen:
http://wirtschaftslexikon.gabler.de
https://www.bpb.de/nachschlagen/

Informationen zum Assessment-Center:


https://www.trainee-
gefluester.de/tipps/vorstellungsgespraech/assessment-center

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Kontrollfragen:

12.1. Welche Aufgabe hat das Personalwesen in einem Unternehmen, und


wer leistet die Personalarbeit grundsätzlich?

12.2. Im Lehrtext haben Sie verschiedene „Management by“-Konzepte


kennengelernt. Grenzen Sie die folgenden Konzepte kurz voneinander
ab: Management by Exception, Management by Delegation und Ma-
nagement by Objectives.

12.3. Welchen Handlungsfeldern widmet sich das Personalwesen? Zeigen


Sie jeweils eine beispielhafte Fragestellung auf.

12.4. Bei der Ausgestaltung eines Vergütungssystems kommen verschiede-


ne Anreizformen in Betracht. Welche Anreizformen haben Sie ken-
nengelernt? Wie lassen sich diese klassifizieren?

12.5. Was ist die Aufgabe von Vorgesetzten im Rahmen der Führung von
Mitarbeitenden, und wie lässt sie sich verwirklichen?

12.6. Nennen Sie die verschiedenen Instrumente der Personalauswahl, und


skizzieren Sie diese kurz.

12.7. Erläutern Sie das situative Führungsmodell von Hersey/Blanchard.


Welche Kritik kann an diesem Ansatz geübt werden?

12.8. Beschreiben Sie kurz die Führungsstile der Kontinuum-Theorie von


Tannenbaum/Schmidt, und nehmen Sie dazu kritisch Stellung.

12.9. Nennen Sie die Methoden der Personalentwicklung, und geben Sie
Beispiele dazu.

12.10. Was ist beim Aufbau eines Vergütungssystems von Bedeutung und
wie würden Sie vorgehen?

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