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Faszien Manuelle Therapie
Faszien Manuelle Therapie
Therapie
Robert Schleip, München
A.T. Still sah in den Faszien den wich- präzise Abgrenzung zwischen geformten nicht nur feine Kapillargefäße, sondern
tigsten und faszinierendsten Aspekt und ungeformten Formen ist daher oft auch die Grundmatrix mit deren intersti-
des lebendigen Körpers: schwierig. Im Folgenden bezieht sich der tiellen Flüssigkeit, die eine grundlegende
„Die Seele des Menschen mit all ihren Begriff Faszien deshalb auf alle Formen Rolle für Stoffwechsel- und Immun-Regu-
Strömen puren Lebenssaftes scheint in von straffen faserigen Bindegewebe beim lation besitzt. Eine therapeutische Beein-
den Faszien des Körpers zu fließen. (…) Menschen (N 2). flussung dieser Grundsubstanz kann
Ich kenne keinen Teil des Körpers, der daher weitreichende gesundheitliche
es den Faszien als Forschungsfeld gleich Auswirkungen haben (Pischinger 1998).
tun kann. Ich glaube, dass sich beim Funktionen Diese Funktionen hat das Fasziengewebe
Studium der Faszien mehr reichhaltige auch mit anderen Formen von Bindege-
und goldene Einsichten auftun werden, Faszien bestehen hauptsächlich aus webe gemeinsam. Die darüber hinaus
als bei irgend einem anderen Aspekt des einem dichten Netz von Kollagenfasern gehenden mechanischen Stütz- und Ver-
Körpers“ (Still 1899). (plus in geringeren Maße elastische und bindungsfunktionen sind jedoch bei den
Nicht nur in der Osteopathie sondern retikuläre Fasern), aus Fibroblasten und Faszien besonders ausgeprägt. Wie kräftig
auch in anderen Formen manueller anderen Zellen, sowie aus einer was- sich ein Faszienelement ausbildet, hängt
Therapie rückt die gezielte Beeinflus- serbindenden Grundsubstanz. Faszien wesentlich von den regelmäßig darauf
sung der Faszien zunehmend in den bilden ein nahezu omnipräsentes Netz-
Vordergrund. werk aus derben Bindegewebs-Hüllen,
-Strängen und –Schichten, das den Kör-
per vielverzweigt durchdringt, umhüllt
U
nter dem Begriff Faszien werden und in unzählige Beutel und Unterbeutel
verschiedene Arten von faserigem verpackt. Dadurch erfüllt es eine wich-
Bindegewebe zusammengefasst. tige Schutzfunktion durch die Bildung
Ob lockeres Bindegewebe oder geordnetes von Barrieren gegen ein Eindringen von
Bindegewebe auch als „Faszien“ verstan- Fremdkörpern. Einer mindestens ebenso
den werden, hängt vom jeweiligen Autor wichtigen Abwehrfunktion dienen die
ab (Friedlin 2003). Ligamente sind häufig phagozytierenden Zellen, die sich als Teil
lokale Verdickungen von umfassenderen des Immunsystems im Fasziengewebe
flächigen Faszien. Auch die Übergän- befinden. In den Faszien befinden sich
ge von umhüllender Muskelfaszie zur ferner zahlreiche Transportwege mit
Sehne sind meist kontinuierlich. Eine einer Ernährungsfunktion. Dazu gehören
N 1 Tensegrity-Modell.
DO · Focus
Faszien auch als Thixotropie bezeichnete Konzept
straffes mehrfach bestätigt. Ob es auch hinsicht-
lich der kurzzeitigen Druckeinwirkun-
gen im Rahmen eines therapeutischen
Bindegewebe Sehnen
hyalines Manipulationsgriffes gilt, ist hingegen
umstritten.
Zur Klärung ist ein Blick in die biomecha-
geformt Bänder nische Literatur zum viskoelastischen
Knorpelgewebe elastisches
Verhalten verschiedener Ligamente hilf-
reich. N 3 zeigt die typischen 4 Phasen
Aponeu- von derben faserigem Bindegewebe unter
kollagen-
faseriges
rosen kurzzeitiger Belastung. Im Matrixbelas-
tungsbereich (Zone A) steigt mit zuneh-
mender Dehnung der Widerstand kaum
Knochengewebe an. Man nimmt jedoch an, dass in diesem
und Zahnzement unteren Bereich vorübergehende wasser-
lösliche Crosslinks im Bindegewebe, die
durch Immobilität entstanden sind, gelöst 11
Zahnbein werden können, so wie dies auch bei
normalen aktiven Bewegungen der Fall
ist. Die einzelnen Kollagenfasern werden
N2 Faszienformen. hier aus ihrer Wellenform in die Länge
gestreckt, jedoch noch nicht gedehnt. Der
nun folgende Kollagenbelastungsbereich
einwirkenden Belastungskräften ab. Die Eine solche Struktur ist durch ein vielver- (Zone B) ist durch einen linearen Anstieg
Festigkeit der faszialen Muskelhülle hat zweigtes kontinuierliches Netzwerk an der Widerstandstärke gekennzeichnet.
nachweislich einen signifikanten Einfluss Spannungs-Verbindungen gekennzeich- Erst im sog. Creep-Bereich (Zone C)
auf das Ausmaß der effektiven Muskel- net, welches Form und Belastungsver- kommt es nach einiger Zeit zu einer all-
kraft (Garfin 1981). halten eines Körpers wesentlicher beein- mählichen plastischen Verformung der
Einige Autoren sprechen daher auch von flusst als die darin befindlichen Festkörper Kollagenfasern. Dies ist bei einer Deh-
den Faszien als dem „Organ der Form“ (Myers 2001). Dieses Verständnismodell nung um 1–1,5% der Fall. Laut neueren
(Varela & Frenk 1987, Rolf 1997). In bietet eine wohltuende Alternative oder Erkenntnissen tritt dieser Creep-Effekt
neuerer Zeit wird das Fasziennetz auch Ergänzung zur klassischen Denkweise jedoch erst nach wesentlich längeren
zunehmend als eine architektonische von tragender „Wirbelsäule“ und dem Wirkzeiten ein als in einer manualthera-
Tensegrity Struktur gesehen (N 1). Skelett als Stützapparat. peutischen Sitzung üblich, nämlich erst
nach 16 Stunden (Dölken 2002). Bei einer
noch stärkeren Dehnung (Zone D) kommt
Typ I b
» tiefe Kapselschichten
» spinale Ligamente
» einhüllende Muskelfaszien
Typ II FA
Ruffini » Ligamente peripherer Gelenke » Bei wechselndem als auch anhaltendem » Propriozeption
Druck.
» äußere Kapselschichten » Sympathikus-
» Speziell empfindsam für Tangentialbelas- Inhibition
» Dura mater u. andere auf regelmäßige tungen
Dehnung angelegte fasziale Gewebe
DO · Focus
Typ II SA
Freie » Häufigster Rezeptor. » 50% mit hoher u. 50% mit niedriger » Modulation der Schmerzschwelle
Nervenenden Vorkommen fast überall Reizschwelle.
» Propriozeption
» Besonders zahlreich im Periosteum. » Typ III nur bei Druckwechsel. Typ IV
auch bei anhaltendem Druck » Vegetativum
nungen stimuliert werden, sondern nur gen manualtherapeutischen Techniken Ruffini-Rezeptoren haben eine geringe
bei aktiver muskulärer Kontraktion. Dies der Fall ist) wirksam ist. Reizschwelle, sind jedoch sehr langsam
beruht auf der seriellen Anordnung der Pacini-Rezeptoren (und die funktionell adaptierend, was bedeutet, dass man sie
Golgi-Sehnen-Organe mit den damit ver- ähnlichen paciniformen Rezeptoren) auch mit ruhigeren Griffen stimulieren
bundenen Muskelfasern. Passive Dehnun- haben oft eine sehr geringe Reizschwelle. kann. Für Manualtherapeuten ist die Tat- 13
gen werden so zuerst von dem wesentlich Sie sind rasch adaptierend, was bedeutet, sache wertvoll, dass diese Rezeptoren für
nachgiebigeren Muskelgewebe aufgefan- dass sie bei ruhigeren Griffen nicht sti- tangentiale Dehnungen besonders emp-
gen, so dass die verbleibende Zugwirkung muliert werden, sondern nur bei vibrato- fänglich sind und dass deren Stimulation
an den Sehnen-Organen deren hohe rischen, ruckartigen oder schaukelnden offenbar zu einer Senkung der Sympathi-
Reizschwelle nicht überschreitet (Leder- Behandlungstechniken. Sie dienen dem kus-Aktivität führt (Kruger 1987, van den
man 1997). 90% der Golgi-Rezeptoren Körper als propriozeptives Feedback Berg & Capri 1999). Die oft weit über das
liegen jedoch außerhalb der Sehnen. Es und können mit dieser Intention auch Behandlungsgebiet reichende Wirkung
ist möglich, dass diese Rezeptoren bei therapeutisch genutzt werden. Diese von langsam-schmelzenden Faszientech-
passiven Manipulationen (bei denen der recht großen Sinneszellen befinden sich niken (z.B. nach Rolf, Schwind, Paoletti)
Patient also nicht dagegen anspannt) in allen Arten faszialen Gewebes, vor könnte auf einer gezielten Nutzung der
stimuliert werden. Allerdings scheint allem in den tendinösen Bereichen myo- Ruffini-Rezeptoren beruhen. Ruffini-
die Reizschwelle von Golgi-Rezeptoren faszialer Übergänge, in tieferen Schichten Rezeptoren befinden sich in allen Arten
allgemein recht hoch zu liegen. Es ist von Gelenkkapseln, in den Ligamenten von faszialem Gewebe, ganz besonders
daher wahrscheinlich, dass eine Nutzung der Wirbelsäule, im Periosteum, sowie jedoch in solchen, die auf eine häufige
des muskelentspannenden Golgi-Reflex- in einhüllenden Muskelfaszien wie der große Dehnung angelegt sind, wie bei-
bogens in der therapeutischen Arbeit nur Palmar-, Plantar-, Krural-, Antebrachial-, spielsweise in der Dura mater, der Faszia
bei äußerst kräftigen Manipulationen Abdominal-, Masseter-Faszie oder der thoracolumbalis, den äußeren Schichten
oder bei gleichzeitiger muskulärer Kon- Fascia lata. von Gelenkkapseln, der tiefen Dorsalfas-
traktion des Patienten (wie dies bei eini- zie der Hand, sowie in den Ligamenten
DO · Focus
fasern es auch einer relativ geringen
Anzahl von Muskelzellen ermöglicht,
eine signifikante Kontraktionswirkung zu Robustheit des Bewegungsapparates
haben. Die spezielle Morphologie glatter herstellen, ohne dadurch wesentlich an
Muskelzellen befähigt diese zu langan- Energie und Ausdauer zu verlieren.
dauernden Kontraktionen mit zwar klei-
N 5 Der Dehnungswiderstand der ner Amplitude jedoch großer Kraft und
Fascia thoracolumbalis nimmt zwi- geringem Energieverbrauch. Offenbar Faszien und
schen wiederholten isometrischen
Dehnungen deutlich zu. Hier ist das
erlauben solche faszialen Muskelzellen Vegetativum
dem Organismus eine Faszien-Vorspan-
Verhalten in einer Ringer-Nährlösung
dargestellt mit 30 Minuten Ruhezeit nung über das vegetative Nervensystem Über Ruffini-Rezeptoren und freie
zwischen der ersten und zweiten und zu regulieren. So kann er etwa in sympa- Nervenendigungen beeinflussen faszi-
1 Stunde zwischen der zweiten und thikotonen (Kampf-Flucht orientierten) ale Stimulationen direkt das vegetative
dritten Dehnung. Zuständen eine höhere Spannung und Nervensystem. Umgekehrt kann beim
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