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Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 1|2022
ist eine repräsentative Arbeitgeberbefragung zu betrieblichen Bestimmungsgrößen Aktuell liegt dieser auch als Gender Leadership
der Wirtschaft. Dabei werden rund 16.000 Betriebe aller Betriebsgrößen und Wirt- Gap bezeichnete Wert für die erste Führungsebe-
schaftszweige jährlich befragt. Grundgesamtheit sind Betriebe mit mindestens einem
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Befragung existiert seit 1993 in den ne bei 0,63. Frauen sind demnach auf der ersten
westdeutschen und seit 1996 in den ostdeutschen Bundesländern und stellt als um- Führungsebene noch immer deutlich unterreprä-
fassender Längsschnittdatensatz die Grundlage für die Erforschung der Nachfrageseite
des Arbeitsmarkts dar. sentiert. Dieses Ergebnis ist seit Jahren nahezu un-
Seit 2004 werden die Betriebe zur Zahl der Männer und Frauen in Führungspositionen verändert. Selbst wenn man – optimistischerweise –
befragt. Zunächst wurde diese Frage alle vier Jahre gestellt, seit 2012 alle zwei Jahre. einen Anstieg von 1 Prozentpunkt alle zwei Jahre
Mehr zum IAB-Betriebspanel finden Sie bei Ellguth et al. (2014) oder auf der Internetsei-
te des IAB (http://www.iab.de/de/erhebungen/iab-betriebspanel.aspx/).
1
Ein Viertel der befragten Betriebe hat eine zweite Führungsebene.
2 IAB-Kurzbericht 1|2022
annehmen würde, wären Frauen erst im Jahr 2052 A2
ihrem Anteil in der Gesamtbeschäftigung2 entspre- Frauenanteile auf zwei Führungsebenen und an allen Beschäftigten
sowie Repräsentanzmaße1) nach Betriebsgröße und Branchen
chend in Führungspositionen vertreten.
– nur Privatwirtschaft, 2020
Auf der zweiten Führungsebene sind Frauen
deutlich häufiger anzutreffen: Hier liegt der Frau- Frauenanteil in % 1. Führungsebene 2. Führungsebene alle Beschäftigten
27
seit sechs Jahren nahezu unverändert. 10 bis 49 Beschäftigte 42
45
Betrachtet man den Anteil von Frauen auf bei-
27
den Führungsebenen für Ost- und Westdeutsch- 50 bis 99 Beschäftigte 38
44
land getrennt, zeigt sich – wie in den Vorjahren –,
24
dass Frauen in Ostdeutschland besser vertreten 100 bis 199 Beschäftigte 36
44
sind. Eine Angleichung zwischen Ost- und West-
21
deutschland ist nicht zu erkennen. 200 bis 499 Beschäftigte 32
43
Wie in den Vorjahren ist der Frauenanteil in Ost-
15
deutschland auf beiden Führungsebenen höher: 500 und mehr Beschäftigte 24
36
Der Unterschied beträgt 5 Prozentpunkte auf der
Branchen (sortiert nach Frauenanteil auf der 1. Führungsebene)
ersten und 7 Prozentpunkte auf der zweiten Füh-
Gesundheits- und 55
rungsebene. Auf Letzterer sind ostdeutsche Frauen Sozialwesen, Erziehung und 72
Unterricht 76
inzwischen ihrem Anteil an den Beschäftigten ent- 40
sprechend repräsentiert (vgl. Tabelle T1). Einzelhandel 64
65
40
Gastgewerbe und Sonstige
Betriebsgröße Dienstleistungen
53
57
Mit zunehmender Betriebsgröße nimmt sowohl der Wirtschaftliche, wissen- 21
schaftliche und freiberufliche 40
Anteil von Frauen auf der ersten und zweiten Füh- Dienstleistungen 45
rungsebene als auch der Anteil von Frauen an der Finanz- und Versicherungs- 18
28
Gesamtbeschäftigung ab (vgl. Abbildung A1). Dieser dienstleistungen 54
16
größten Betrieben (mit 500 und mehr Beschäftigten), Verarbeitendes Gewerbe 20
26
wo der Frauenanteil auf der ersten Führungsebene
14
– im Vergleich zu Betrieben mit 200 bis 499 Beschäf- Information und
26
Kommunikation 33
tigten – um 6 Prozentpunkte und auf der zweiten
13
Großhandel, Kraftfahrzeug-
Führungsebene um 8 Prozentpunkte niedriger liegt. 25
handel und -reparatur 28
In den größten Betrieben sind die Repräsentanzwer-
11
te mit 0,42 für die erste und 0,67 für die zweite Füh- Baugewerbe 20
15
rungsebene ebenfalls am niedrigsten. 10
Energie, Wasser, Abfall
18
und Bergbau 24
Branche
Betriebe insgesamt
Die Wirtschaftszweige Gesundheits-, Sozialwe- 1. Führungsebene 27
2. Führungsebene 40
sen, Erziehung und Unterricht sind Frauendo- alle Beschäftigten 43
IAB-Kurzbericht 1|2022 3
mänen. Sowohl für die Gesamtbeschäftigung als weit unterdurchschnittliche Frauenanteile einer-
auch auf den beiden Führungsebenen finden sich seits an allen Beschäftigten und andererseits auch
die höchsten Frauenanteile der Privatwirtschaft an den Führungskräften. Dennoch sind Frauen
(vgl. Abbildung A1). Auch der Repräsentanzwert im Baugewerbe mit 0,73 und im Bereich Verkehr
erreicht für die erste Führungsebene mit 0,72 und Lagerei mit 0,89 auf der ersten Führungsebene
ebenfalls einen überdurchschnittlich hohen Wert. überdurchschnittlich repräsentiert. Auf der zwei-
Allerdings sind auch hier die Frauen noch nicht ten Führungsebene sind sie gemessen an ihrem
ihrem Anteil an den Beschäftigten entsprechend Beschäftigtenanteil sogar überrepräsentiert und
als Führungskräfte repräsentiert. Auf der zweiten erreichen Werte von 1,38 im Baugewerbe und 1,50
Führungsebene entspricht der Repräsentanzwert im Bereich Verkehr und Lagerei.
mit 0,94 annähernd dem Durchschnitt. Ganz ähn-
liche Repräsentanzwerte finden sich im Gastge-
„Frauenbranchen“ sind von der Corona-
werbe, den Sonstigen Dienstleistungen und dem
Krise deutlich häufiger
Einzelhandel. Allerdings liegen hier die jeweiligen
wirtschaftlich negativ betroffen
Anteile auf niedrigerem Niveau.
Während über die Hälfte der Beschäftigten im In der Erhebung des IAB-Betriebspanels im dritten
Sektor Finanz- und Versicherungsdienstleistungen Quartal 2020 waren die Folgen der Corona-Krise für
weiblich ist, liegt der Frauenanteil auf der ersten die Betriebe ein wichtiges Thema. Unsere Auswer-
Führungsebene mit 18 Prozent und auf der zweiten tungen zeigen, dass Frauen häufig in Branchen ar-
Führungsebene mit 28 Prozent deutlich niedriger. 3
beiten, deren Betriebe wirtschaftlich negativ von
Entsprechend ist der Gender Leadership Gap in der Pandemie betroffen4 waren (vgl. Tabelle T2). Zu
diesem Sektor am höchsten und beträgt 0,34 auf diesen Wirtschaftszweigen zählen beispielsweise
der ersten und 0,51 auf der zweiten Führungsebene. das Gastgewerbe und die Sonstigen Dienstleistun-
Hervorzuheben sind das Baugewerbe und der gen5. In diesem Bereich sind über 90 Prozent der
Sektor Verkehr und Lagerei. Beide Sektoren haben Betriebe negativ von der Corona-Krise betroffen.
Gleichzeitig arbeiten in diesen Wirtschaftszweigen
T2
überdurchschnittlich häufig Frauen (57 %). Deut-
Betroffenheit der Betriebe von der Corona-Krise lich wird der Zusammenhang auch im Bereich
und Frauenanteile auf der 1. Führungsebene sowie an allen Beschäftigten
Gesundheits- und Sozialwesen, in dem über drei
– nach Wirtschaftszweigen, 2020
Anteile in Prozent
Viertel der Betriebe angeben, negativ betroffen zu
sein und der von allen Wirtschaftszweigen den
negativ betroffen Frauenanteil Frauenanteil
von der Corona- an allen auf der höchsten Frauenanteil an der Gesamtbeschäfti-
Pandemie Beschäftigten 1. Führungsebene gung (76 %) aufweist. Der Anteil der negativ betrof-
Energie, Wasser, Abfall und
31 24 10
Bergbau fenen Betriebe des Einzelhandels – der Branche
Verarbeitendes Gewerbe 72 26 16 mit einem überdurchschnittlichen Frauenanteil
Baugewerbe 44 15 11
von 65 Prozent – beträgt 66 Prozent und liegt damit
Großhandel, KfZ-Handel
70 28 13
und -reparatur auf durchschnittlichem Niveau.
Einzelhandel 66 65 40 Insgesamt hat die Pandemie Wirtschaftsbe-
Verkehr und Lagerei 70 20 18
reiche getroffen, in denen überdurchschnittlich
Information und
69 33 14
Kommunikation viele Frauen beschäftigt sind. In diesen Branchen
Finanz- und Versicherungs-
65 54 18 arbeiten außerdem viele geringfügig Beschäftigte,
dienstleistungen
Gastgewerbe und
91 57 40
Sonstige Dienstleistungen 3
Kirsch und Wrohlich (2021) berichten auch über unterdurch-
Gesundheits- und Sozialwesen 76 76 53 schnittliche Frauenanteile in den Vorständen und Aufsichtsräten
in den TOP-100-Banken.
Erziehung und Unterricht 70 73 64
4
Die Betriebe im IAB-Betriebspanel wurden gefragt, ob sich die
Wirtschaftliche, wissen Corona-Pandemie wirtschaftlich negativ auf ihren Betrieb ausge-
schaftliche und freiberufliche 52 45 21 wirkt hat. Dabei handelt es sich um eine subjektive Einschätzung.
Dienstleistungen
Bei Sonstigen Dienstleistungen handelt es sich beispielsweise
5
4 IAB-Kurzbericht 1|2022
deren Jobs vor allem zu Beginn der Pandemie ab- T3
gebaut wurden und die keinen Anspruch auf Kurz- Betroffenheit der Betriebe von der Corona-Krise
– nach Frauenpräsenz auf der 1. Führungsebene, 2020
arbeitergeld hatten. Diese sogenannten Minijobs
Anteile der Betriebe in Prozent
werden häufig von Frauen ausgeführt (Hammer-
schmid/Schmieder/Wrohlich 2020). keine Frau mindestens eine Frau
an der Spitze an der Spitze
Tabelle T2 zeigt darüber hinaus, dass die beson- Keine negativen Auswirkungen 38* 30*
ders häufig von der Corona-Krise negativ betroffe- Negativ, aber nicht existenzbedroht 52* 58*
nen Branchen – das Gastgewerbe und die Sonsti- Existenzbedroht 10 11
gen Dienstleistungen – auch überdurchschnittlich
* Die Unterschiede sind mindestens auf dem 95 %-Niveau statistisch signifikant.
häufig von Frauen geführt werden. Der Bereich Quelle: IAB-Betriebspanel 2020, gewichtete Werte. © IAB
zent waren. Nur die Anteile der in ihrer Existenz 2008 37 36 58 0,64 0,62
IAB-Kurzbericht 1|2022 5
18 Prozentpunkte über dem der Privatwirtschaft sind Frauen im öffentlichen Sektor schlechter in
(vgl. Tabelle T1). Ebenso sind Frauen im öffentli- Führungspositionen repräsentiert. Auf der ersten
chen Sektor häufiger in Führungspositionen zu Führungsebene liegt der Repräsentanzwert mit
finden. Auf der ersten Ebene beträgt der Frauen- 0,61 knapp unter dem entsprechenden Wert in der
anteil 37 Prozent – und liegt damit um 10 Prozent- Privatwirtschaft (0,63). Auf der zweiten Führungs-
punkte höher als in der Privatwirtschaft – und auf ebene fällt der Repräsentanzwert mit 0,75 jedoch
der zweiten Ebene 46 Prozent, das sind 6 Prozent- deutlich niedriger aus als in der Privatwirtschaft
punkte mehr als in der Privatwirtschaft. Dennoch mit 0,93. Grund für die niedrigere Repräsentanz auf
beiden Führungsebenen ist der hohe Frauenanteil
an allen Beschäftigten im öffentlichen Sektor.
A3 Während die Anteils- und Repräsentanzwerte für
Frauenanteile auf zwei Führungsebenen und an allen Beschäftigten Frauen auf der ersten Führungsebene im west- und
sowie Repräsentanzmaße nach Betriebsgröße und Branchen ostdeutschen öffentlichen Sektor nahezu gleich
– nur öffentlicher Sektor, 2020
hoch sind, sind Frauen in Ostdeutschland auf der
Frauenanteil in % 1. Führungsebene 2. Führungsebene alle Beschäftigten zweiten Führungsebene etwas häufiger zu finden.
Repräsentanzmaß1) 1. Führungsebene 2. Führungsebene
Im öffentlichen Sektor haben Betriebe des mitt-
Betriebsgröße leren Größensegments am häufigsten Frauen in
31 Führungspositionen: Auf der ersten Führungsebe-
1 bis 9 Beschäftigte2)
56 ne weisen Betriebe mit 10 bis 49 Beschäftigten mit
44 einem Frauenanteil von 44 Prozent den höchsten
10 bis 49 Beschäftigte 42
62 Wert auf. Betriebe mit 50 bis 99 Beschäftigten lie-
34 gen bei der zweiten Ebene mit einen Frauenanteil
50 bis 99 Beschäftigte 53
65 53 Prozent vorn (vgl. Abbildung A3). Auch die Re-
35 präsentanz ist in diesen Größenklassen am höchs-
100 bis 199 Beschäftigte 50
63 ten. Je größer die Betriebe, desto geringer ist der
28 Anteil weiblicher Führungskräfte. Wie in privat-
200 bis 499 Beschäftigte 40
57 wirtschaftlichen Betrieben sind auch hier in den
26 Großbetrieben mit 500 und mehr Beschäftigten am
500 und mehr Beschäftigte 45
60 seltensten Frauen in Führungspositionen.
Branchen (sortiert nach Frauenanteil auf der 1. Führungsebene)
3)
Es gibt Branchen, in denen sowohl Betriebe der
Gesundheits- und 58
Soziawesen, Erziehung und 66 Privatwirtschaft als auch des öffentlichen Sektors
Unterricht 71
angesiedelt sind. Zu diesen Wirtschaftszweigen
33
Finanz- und Versicherungs- 22 gehören beispielsweise die Energie- und Wasser-
dienstleistungen 60
versorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, der
29
Organisationen ohne 52 Bergbau, das Gesundheits- und Sozialwesens, Er-
Erwerbscharakter 68
ziehung und Unterricht sowie die Finanz- und Ver-
26
Energie, Wasser, Abfall
und Bergbau
10 sicherungsdienstleistungen.
21
26
Ähnlich wie in der Privatwirtschaft werden
Öffentliche Verwaltung und 40
Sozialversicherung 59
Betriebe des Gesundheits- und Sozialwesens, Er-
Betriebe insgesamt ziehung und Unterricht im öffentlichen Sektor
1. Führungsebene 37 überdurchschnittlich häufig von Frauen geleitet.
2. Führungsebene 46
alle Beschäftigten 61 Mit einem Repräsentanzwert von 0,82 sind Frauen
0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 auf der ersten Führungsebene entsprechend gut
Repräsentanzmaß1) repräsentiert. Der Führungsanteil von Frauen im
1)
Repräsentanzmaß = Frauenanteil auf der jeweiligen Führungsebene / Frauenanteil an allen Beschäftigten Bereich Energie, Wasser, Abfall und Bergbau im öf-
2)
Auf der 2. Führungsebene sind aufgrund geringer Fallzahl keine Werte ausgewiesen.
3)
In den Branchen Landwirtschaft, Verkehr/Lagerei, Information und Kommunikation, Gastgewerbe und
fentlichen Sektor ist auf der ersten Führungsebe-
Sonstige Dienstleistungen sowie wirtschaftliche, wissenschaftliche oder freiberufliche Dienstleistungen ne um 16 Prozentpunkte höher als bei privatwirt-
befinden sich keine öffentlichen Betriebe oder die Fallzahl ist zu gering.
Quelle: IAB-Betriebspanel 2020, gewichtete Werte. © IAB schaftlichen Betrieben dieses Bereichs. Mit einem
6 IAB-Kurzbericht 1|2022
Wert von 1,24 sind Frauen in dieser Branche auf zentpunkte erhöht. Damit ist für Deutschland ein
der ersten Führungsebene überrepräsentiert. Repräsentanzwert von 0,93 erreicht. In privatwirt-
Im Vergleich zur Privatwirtschaft werden auch schaftlichen Betrieben im Osten haben Frauen auf
Betriebe der Finanz- und Versicherungsdienstleis- der zweiten Führungsebene – gemessen an ihrer
tungen des öffentlichen Sektors häufiger von Frau- Repräsentanz – bereits mit den Männern gleich-
en geleitet (33 % auf der ersten Führungsebene). gezogen.
Frauen dieser Branche sind zwar auf der ersten Der seit vielen Jahren relativ hohe Anteil von
Ebene besser repräsentiert, mit 0,55 dennoch auf Frauen auf der zweiten Führungsebene führte
einem vergleichsweise niedrigen Niveau. aber bislang nicht dazu, dass Frauen häufiger in
In den Organisationen ohne Erwerbscharakter Spitzenpositionen kommen. Über die Gründe
und der öffentlichen Verwaltung inklusive der Sozi- hierfür kann an dieser Stelle nur spekuliert wer-
alversicherung finden sich unterdurchschnittliche den. Offensichtlich ist es nicht nur eine Frage der
Anteile von Frauen in Führungspositionen auf der Zeit, bis genug Frauen Erfahrung auf der zweiten
ersten Ebene mit entsprechend geringen Reprä- Führungsebene gesammelt haben und dann auch
sentanzwerten von 0,43 und 0,44. Auf der zweiten in die obersten Führungsetagen aufsteigen. Seit
Ebene sind Frauen häufiger in Führungspositionen, 2016 liegt der Anteil von Frauen auf der zweiten
wobei die Repräsentanz durchschnittlich ausfällt. Führungsebene bei rund 40 Prozent, was fast ih-
rem Anteil an allen Beschäftigten entspricht. Mög-
licherweise ist das ein Ergebnis der in der Litera-
Fazit und Ausblick
tur berichteten „gläsernen“ Decken, die Frauen
Frauen sind im Management der Privatwirtschaft den Weg in Toppositionen versperren (für einen
nach wie vor seltener vertreten als es ihrem Anteil Überblick siehe Holst/Wiemer 2010). Dazu zählen
an den Beschäftigten entsprechen würde. Auf der strukturelle Barrieren wie nicht standardisierte
ersten Führungsebene hat sich seit 2004 nicht viel und wenig transparente Auswahlverfahren bei
verändert: 27 Prozent der Positionen auf der ersten der Stellenbesetzung oder der fehlende Zugang zu
Führungsebene in der Privatwirtschaft waren 2020 karriererelevanten Netzwerken. Auch Stereotype,
mit Frauen besetzt, 2004 waren es 24 Prozent. die Frauen bestimmte Verhaltensmuster wie eine
Nach wie vor partizipieren Frauen in Ost- geringere Karriereorientierung zuweisen, stellen
deutschland stärker an Führungspositionen als in weitere Hindernisse auf dem Weg nach oben dar.
Westdeutschland, aber auch sie erreichen auf der Vielleicht könnten die durch die Pandemie ver-
ersten Führungsebene nicht den Wert, der ihrem änderten Arbeitsprozesse aber auch eine Chan-
Beschäftigtenanteil entspräche. ce für Frauen in Führungspositionen oder auf
Auch die Einführung des Gesetzes zur gleichbe- dem Weg dorthin sein: In der Corona-Krise kam
rechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in es durch die intensive Nutzung von Homeoffice
Führungspositionen im Jahr 2016 hat an diesem zu einer Flexibilisierung von Arbeitsort und Ar-
Bild nicht viel geändert. Mit der Verpflichtung beitszeit. Viele Arbeitgeber haben die Erfahrung
zur Festlegung und Veröffentlichung verbindli-
cher Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils
in Vorständen und obersten Managementebenen
sollte diese gesetzliche Regelung in das Personal-
management von Unternehmen (mit mehr als 500
Beschäftigten) hineinwirken. Ob das neue Zweite
Führungspositionen-Gesetz, das im August 2021 in
Kraft trat, mehr bewirken wird, kann noch nicht
beurteilt werden. Dr. Susanne Kohaut Dr. Iris Möller
Auf der zweiten Führungsebene sieht es deut- ist kommissarische Leiterin ist Mitarbeiterin im
des Forschungsbereichs „Betrie- Forschungsbereich „Betriebe
lich besser aus. Dort hat sich der Anteil der Frau- be und Beschäftigung“ im IAB. und Beschäftigung“ im IAB.
en auf Führungspositionen seit 2004 um 7 Pro- susanne.kohaut@iab.de iris.moeller@iab.de
IAB-Kurzbericht 1|2022 7
gemacht, dass die Leistungserbringung dadurch noch im öffentlichen Sektor wesentlich verändert
nicht wesentlich beeinträchtigt wurde. Die sonst hat. Die Erwartung, dass das 2016 eingeführte Ge-
übliche Orientierung der Arbeitsprozesse an der setz für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und
Lebensrealität von Männern mit ständiger Er- Männern an Führungspositionen für die Privat-
reichbarkeit und überlangen Präsenzzeiten wurde wirtschaft zu einer deutlichen Erhöhung des Frau-
dadurch abgeschwächt (Gulden/Thomsen 2021). enanteils auf oberster Ebene führt, wird nicht er-
Durch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Fa- füllt. Allerdings wurden auch keine verbindlichen
milie könnte das den Frauen bei der Übernahme gesetzlichen Vorgaben für hohe Managementposi-
von Führungsaufgaben langfristig helfen – nicht tionen festgelegt. Es wird nach wie vor auf Frei-
zuletzt, weil sie sich mit einem größeren Arbeits- willigkeit gesetzt, bislang ohne erkennbaren Er-
zeitumfang engagieren können. Allerdings kann folg. Mit dem neuen Führungspositionen-Gesetz
Homeoffice auch zu einer zusätzlichen Belastung sind erstmals Sanktionen bei Nichterreichung von
von Müttern führen, da die Grenzen zwischen be- Zielgrößen vorgesehen – ihre Wirkung bleibt ab-
zahlter Arbeit und Kinderbetreuung verwischen. zuwarten.
Insgesamt könnten Arbeitgeber die Arbeitsbedin-
gungen so gestalten, dass sie den Bedürfnissen von
Literatur
Führungskräften mit Betreuungspflichten besser
Brixy, Udo; Egeln, Jürgen; Gottschalk, Sandra; Kohaut, Su-
entsprechen. sanne (2021): Junge Unternehmen spüren die Corona-
Der öffentliche Sektor hat bereits seit vielen Jah- Krise stärker. IAB-Kurzbericht 4/2021.
ren gesetzliche Regelungen zur Gleichstellung von Bundesgesetzblatt (2015): Gesetz für die gleichberechtigte
Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositio-
Frauen und Männer und deshalb ließe sich eine nen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst.
Vorreiterrolle in Sachen Gleichstellung vermuten. Jg. 2015, Teil I, Nr. 17, Dienst vom 24. April 2015, Bonn.
Der Anteil der Frauen in Positionen auf beiden Bundesgesetzblatt (2021): Gesetz zur Ergänzung und Ände-
rung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe
Führungsebenen ist auch deutlich höher als in der von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirt-
Privatwirtschaft. Bezogen auf ihre Beschäftigten- schaft und im öffentlichen Dienst. Teil I, Nr. 51, 11. Au-
gust 2021, Bonn.
anteile ist die Situation für Frauen – zumindest auf
Ellguth, Peter; Kohaut, Susanne; Möller, Iris (2014): The
der zweiten Führungsebene mit einem Repräsen- IAB Establishment Panel – methodological essentials
tanzwert von 0,75 – im öffentlichen Dienst jedoch and data quality. In: Journal for Labour Market Research
47, S. 27–41.
ungünstiger als in der Privatwirtschaft (0,93). Wie
Gulden, Vivien-Sophie; Thomsen, Stephan L. (2021): Frau-
in der Privatwirtschaft ist der Anteil der Frauen auf en in Führungspositionen: Chancen und Risiken durch
der ersten Führungsebene 2020 um 1 Prozentpunkt die COVID-19-Pandemie. Wirtschaftsdienst 4, S. 305–310.
im Vergleich zu 2018 gestiegen. Auf der zweiten Hammerschmid, Anna; Schmieder, Julia; Wrohlich, Katha-
rina (2020): Frauen in Corona-Krise stärker am Arbeits-
Führungsebene ist der Anteil um 3 Prozentpunk- markt betroffen als Männer. DIW aktuell 42, 15. Mai 2020.
te auf 46 Prozent gestiegen. Insgesamt hat sich Holst, Elke; Wiemer, Anita (2010): Zur Unterrepräsentanz
die Repräsentanz von Frauen auf der ersten und von Frauen in Spitzengremien der Wirtschaft – Ursachen
und Handlungsansätze. DIW Discussion Papers 1001.
zweiten Führungsebene jedoch wenig verändert:
Kirsch, Anja; Wrohlich, Katharina (2021): Managerinnen-
Immer noch sind sie nicht ihrem Anteil an den Be- Barometer. DIW Wochenbericht 3, S. 22–34.
schäftigten entsprechend vertreten. Kohaut, Susanne; Möller, Iris (2019): Frauen in leitenden
Positionen: Leider nichts Neues auf den Führungseta-
Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich der
gen. IAB-Kurzbericht 23/2019.
Frauenanteil auf der ersten Führungsebene seit Walwei, Ulrich (2021): Erwerbsformen in Krisenzeiten: Was
sechzehn Jahren weder in der Privatwirtschaft folgt aus Corona? WSI-Mitteilungen 74 (2), S. 151–159.
Impressum | IAB-Kurzbericht Nr. 1, 11.1.2022 | Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für
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oder Tel. 0911-179-5942 | ISSN 0942-167X | DOI 10.48720/IAB.KB.2201
8 IAB-Kurzbericht 1|2022