Sie sind auf Seite 1von 8

Nelly Sachs

(eigentlich Leonie Sachs; geboren am


10. Dezember 1891 in Schöneberg,
gestorben am 12. Mai 1970 in Stockholm)
war eine jüdische deutsch-schwedische
Schriftstellerin und Lyrikerin.
1966 verlieh das Nobelpreiskomitee ihr
– gemeinsam mit Samuel Joseph Agnon
– den Nobelpreis für Literatur „für ihre hervorragenden
lyrischen und dramatischen Werke, die das Schicksal Israels
mit ergreifender Stärke interpretieren“.

Jugend

Gedenktafel an Nelly Sachs’ Geburtshaus in Berlin-Schöneberg, Maaßenstraße 12

Nelly Sachs kam 1891 im damals noch selbständigen Schöneberg als einziges
Kind des Ingenieurs, Erfinders und Gummi- und Guttaperchawaren-Fabrikanten
Georg William Sachs (1858–1930) und seiner Frau Margarete, geborene Karger
(1871–1950), zur Welt. Sie wuchs in einer großbürgerlichen, assimilierten
jüdischen Familie auf. In ihrer frühen Jugendzeit hatte sie den großen Wunsch,
Tänzerin zu werden. Einige Jahre später begann dann ihre Leidenschaft für die
deutsche Lyrik und das Schreiben von Gedichten. Aufgrund ihrer kränklichen
Konstitution wurde sie zunächst drei Jahre von Privatlehrern unterrichtet, bevor
sie 1903 in eine Höhere Töchterschule eintrat, wo sie fünf Jahre später ihr
Einjähriges, das der Mittleren Reife entspricht, absolvierte.
Mit 15 Jahren war sie so fasziniert von Selma Lagerlöfs Debütroman Gösta
Berling, dass sie mit der schwedischen Schriftstellerin in einen Briefwechsel
eintrat, der über 35 Jahre andauerte.

Erste Gedichte

Berliner Gedenktafel im Hansaviertel, Lessingstraße 5, vor der Hansaschule

Erste Gedichte schrieb Nelly Sachs mit 17 Jahren. 1921 erschien mit
Unterstützung des Schriftstellers Stefan Zweig ihr erster Gedichtband unter dem
Titel Legenden und Erzählungen. Die frühen, melancholisch gefärbten Gedichte
sind noch ganz von neoromantischen Einflüssen geprägt und kreisen um Motive
aus Natur und Musik. Bei der Herausgabe ihrer gesammelten Werke nahm
Nelly Sachs diese Gedichte später jedoch nicht mit auf.
Sie lebte mit ihren Eltern zurückgezogen und nahm wenig am gesellschaftlichen
Leben der 1920er Jahre teil. Gegen Ende des Jahrzehnts wurden ihre Gedichte
in verschiedenen Berliner Zeitungen gedruckt, darunter in der Vossischen
Zeitung, dem Berliner Tageblatt und der Zeitschrift Jugend. Kritik und
Publikum erkannten ihre Lyrik gleichermaßen an. Frühere Gedichte mit eher
experimentellem Charakter und einem die traditionellen Wege verlassenden,
schwerer verständlichen Stil hatte die Dichterin hingegen wieder vernichtet.

Zeit des Nationalsozialismus


Nach jahrelanger Krebserkrankung starb ihr Vater 1930, woraufhin Nelly Sachs
mit ihrer Mutter in ein Mietshaus in der Lessingstraße im Berliner Hansaviertel
umzog, das noch in mütterlichem Besitz war. Der Tod des geliebten Vaters war
ein einschneidender Verlust für die Tochter, den sie bis an ihr Lebensende nie
verwunden hat. Ende der 1930er Jahre hatten alle Mitglieder der Familie,
solange dies noch möglich war, bis auf ihre Cousine Vera Sachs, Berlin
verlassen. Freunde und Bekannte wurden drangsaliert, viele waren aus dem
Land gedrängt worden, so dass auch ein geistiges Leben (beispielsweise im
Kulturbund Deutscher Juden) zunehmend unmöglich geworden war. So lebten
Mutter und Tochter möglichst unauffällig und zurückgezogen. Es war, wie sie
selbst aus der Rückschau konstatierte, ein „Leben unter Bedrohung“, und sie
verspürte in sich als „höchsten Wunsch auf Erden: Sterben ohne gemordet zu
werden.“
Nelly Sachs blieb unverheiratet, nachdem eine Liebesbeziehung zu einem
geschiedenen Mann vom Vater unterbunden worden war. Allerdings hielt sie
die Beziehung zu dem namentlich nicht bekannten Mann vermutlich über
Jahrzehnte aufrecht. Dieser Mann wurde auf Grund seiner Affinität zum
Widerstand und wegen seiner Liaison mit einer Jüdin verhaftet und gefoltert.
Wiederholt wurde Sachs zu Gestapo-Verhören einbestellt. Das unmittelbare
Miterleben seines Martyriums war für Nelly Sachs, die ihn „zu Tode getroffen
zusammenbrechen“ sah, traumatisch. In späteren Gedichten ist mehrfach von
einem „Bräutigam“ die Rede, der in einem Konzentrationslager umgekommen
sei. Einzelheiten zur Person und zum Tod des geliebten Mannes wurden von der
Dichterin jedoch nie öffentlich preisgegeben.
In dieser Zeit begann sie auch, sich mit ihrer jüdischen Herkunft
auseinanderzusetzen. Aufgewachsen in einer liberal-jüdischen Familie, suchte
sie in den Jahren äußerer Bedrohung und seelischer Not den Zugang zur
ursprünglichen Religion ihrer Herkunftsfamilie. Die Buber-Rosenzweig-
Übersetzung des „Jesaia“ (1929 erschienen) eröffnete ihr bis dahin unbekannte
Dimensionen der Bibel. Sie findet in diesem Text ihre ganze „Hoffnung auf das
geistige Israel und dessen spirituellen Auftrag“ wieder. Von einer Freundin
erhielt sie Martin Bubers Legenden des Baal-schem und fand darin seelische
Hilfe. In späteren Jahren verband sie in ihrem Denken dieses jüdische
Gedankengut mit der Ideenwelt auch nicht-jüdischer Mystiker.
Flucht nach Schweden

Erst spät entschloss sich Nelly Sachs, mit ihrer Mutter aus Deutschland zu
fliehen. Ihre Freundin Gudrun Harlan (spätere Gudrun Dähnert), eine Nichte des
Schriftstellers und Dramaturgen Walter Harlan, reiste im Sommer 1939 nach
Schweden, um Hilfe von Selma Lagerlöf für ein schwedisches Visum zu
erbitten. Es gelang ihr, ein Empfehlungsschreiben von Lagerlöf zu erhalten, mit
dem sie sich an den „Malerprinzen“ Eugen, einen Bruder des schwedischen
Königs, wandte, der sie schließlich unterstützte. Nach monatelangen
bürokratischen Hemmnissen konnten Nelly Sachs und ihre Mutter im Mai 1940
buchstäblich im letzten Moment – der Befehl für den Abtransport in ein Lager
war bereits eingetroffen – mit einem Flugzeug Deutschland Richtung
Stockholm verlassen. Lagerlöf war bereits gestorben, bevor Sachs in Schweden
eintraf.
In Schweden lebten die beiden Frauen unter ärmlichen Verhältnissen in einer
Einzimmerwohnung im Süden Stockholms. Nelly Sachs kümmerte sich um ihre
alte Mutter und arbeitete zeitweise als Wäscherin, um zum Lebensunterhalt
beizutragen. Die schwedische Staatsbürgerschaft erhielt Nelly Sachs allerdings
erst im Jahr 1953. Sie begann, Schwedisch zu lernen und moderne schwedische
Lyrik ins Deutsche zu übersetzen. Mit dieser Übersetzungsarbeit erreichte ihre
eigene sprachliche Ausdruckskraft völlig neue Qualitäten und entwickelte sich
weg vom früheren romantischen Stil. An der von ihr in die deutsche Sprache
übertragenen Lyrik von Edith Södergran, Karin Boye, Johannes Edfelt, Hjalmar
Gullberg, Anders Österling und Pär Lagerkvist reiften ihre Gedichte und
erreichten jenes hohe Niveau, das Nelly Sachs bis heute ihre bedingungslose
künstlerische Anerkennung garantiert: „Diese starke, an der unerbittlichen
nordischen Natur geformte Sprache und diese unbedingte Wahrhaftigkeit der
Aussage, die keine Gefühligkeit und Stimmung erlaubt, dafür aber Dissonanzen
zulässt, bewirken bei ihr eine Katharsis.“[9] Umgeben von Menschen, die
Schwedisch sprachen und mit denen sie nur in deren Muttersprache
kommunizieren konnte, wurde sie, wie Hans Magnus Enzensberger es
formulierte, auf die deutsche Sprache „als einzige Heimat zurückverwiesen“. [10]
Die Gedichte von 1943/1944, die später in der Sammlung In den Wohnungen
des Todes erscheinen sollten, enthalten Bilder von Schmerz und Tod, sind eine
einzige Todesklage für ihr gequältes Volk. Neben den Gedichten entstanden in
den 1940er Jahren die zwei Dramen Eli und Abram im Salz.
Nachkriegsjahre

Gedenkstein im Nelly-Sachs-Park, Berlin-Schöneberg

In der Nachkriegszeit schrieb Nelly Sachs weiterhin mit einer hochemotionalen,


herben, aber dennoch zarten Sprache über das Grauen des Holocaust. Ihr
Biograf Walter A. Berendsohn nannte die Gedichte 1946 „klagend, anklagend
und verklärend“. Nelly Sachs ist „die erste Schriftstellerin, welche die
Schornsteine von Auschwitz zum Thema ihrer Verse machte“
„O die Schornsteine
Auf den sinnreich erdachten Wohnungen des Todes,
Als Israels Leib zog aufgelöst in Rauch
Durch die Luft –
Als Essenkehrer ihn ein Stern empfing
Der schwarz wurde
Oder war es ein Sonnenstrahl?“
– O die Schornsteine, in: In den Wohnungen des Todes, 1947
Die beiden Bände In den Wohnungen des Todes (1947) und Sternverdunkelung
(1949) wurden zunächst in Ost-Berlin auf Betreiben Johannes R. Bechers
veröffentlicht; weder in der Schweiz noch in den westlichen Zonen
Deutschlands wurden Gedichte von Nelly Sachs gedruckt. Auch 1949 noch
wurde der zweite Gedichtband Sternverdunkelung, in Amsterdam verlegt, von
der Kritik zwar gelobt, in der jungen Bundesrepublik jedoch kaum gelesen. In
der DDR-Zeitschrift Sinn und Form erschienen einige ihrer Texte. Die
finanzielle Misere für Sachs und ihre Mutter dauerte an, so dass sie weiterhin
mit Übersetzungen ein Auskommen suchte.
Anfang 1950 starb die Mutter von Nelly Sachs, was sie psychisch schwer traf.
In den 1950er Jahren begann sie eine Korrespondenz mit Paul Celan, den sie
1960 auch in Paris besuchte. Mit ihm fühlte sie sich in Art einer „Schicksals-
und Seelenverwandtschaft“ verbunden, zu der Peter Hamm urteilte: „Dichtung
war für beide ein über den Abgrund der Vergangenheit gespanntes Rettungsseil
aus nichts als Worten.“[12] Nach Ansicht von Jacques Schuster gibt es im
deutschsprachigen Raum überhaupt nur zwei Schriftsteller, „die es vermochten,
das jüdische Schicksal in Worte zu fassen: Paul Celan und Nelly Sachs“.

Zeit der Anerkennung

Gegen Ende des Jahrzehnts, nach Jahren der Isolation, wurde sie mit ihrem
Werk schließlich auch im gesamten deutschsprachigen Raum zur Kenntnis
genommen. Und niemand weiß weiter und Flucht und Verwandlung,
Gedichtbände mit Einflüssen des französischen Surrealismus, erschienen 1957
und 1959 in Hamburg, München und Stuttgart. Das Mysterienspiel Eli wurde
1959 als Hörspiel beim Südwestfunk ausgestrahlt. Nelly Sachs wurde von der
jungen Literaturwelt der Bundesrepublik „entdeckt“.
Aus Deutschland erhielt sie eine erste Anerkennung als Lyrikerin, durch die
Ehrengabe des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der
Deutschen Industrie, sie wurde ihr 1959 noch in Abwesenheit verliehen.1957
nahmen die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, 1960
die Freie Akademie der Künste in Hamburg Nelly Sachs als Mitglied auf. Nelly
Sachs wollte nicht zurück nach Deutschland, zu groß war immer noch ihre
Angst. Auch zeigten sich Anzeichen einer psychischen Krankheit, und nachdem
sie 1960 zur Verleihung des Meersburger Droste-Preises das erste Mal seit
zwanzig Jahren Deutschland betreten hatte, brach sie nach ihrer Rückkehr nach
Schweden zusammen. Insgesamt verbrachte sie drei Jahre in einer
Nervenheilanstalt bei Stockholm.
Die Stadt Dortmund stiftete 1961 den Nelly-Sachs-Preis und verlieh ihn der
Namensgeberin.
Als erste Frau erhielt sie 1965 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels,
was sie erneut zu einer Reise nach Deutschland veranlasste.
An ihrem 75. Geburtstag erhielt Nelly Sachs am 10. Dezember 1966 zusammen
mit Samuel Joseph Agnon den Literaturnobelpreis aus der Hand des
schwedischen Königs Gustavs VI. Adolf. Ihre kurze Dankesrede hielt sie auf
Deutsch, dabei zitierte sie ein eigens für diese Zeremonie geschriebenes
Gedicht, in dem es heißt:
„An Stelle von Heimat
halte ich die Verwandlungen der Welt“
Ihr Preisgeld verschenkte sie zur Hälfte an Bedürftige, die andere Hälfte ging an
ihre alte Freundin Gudrun Harlan. Sie selbst zog sich in ihren letzten Jahren
wieder von der Öffentlichkeit zurück. 1967 musste sie eine geplante Israel-
Reise auf Anraten des Arztes absagen, setzte sich aber in einem öffentlichen
Telegramm für den Empfang von Günter Grass durch den israelischen
Schriftstellerverband in Jerusalem ein. Ihr psychisches Leiden führte zu einem
weiteren Aufenthalt in der Nervenklinik.
Seit den frühen 1960er Jahren finden sich Vertonungen ihrer Gedichte,
vorzugsweise im deutschsprachigen Raum. Namhafte Komponisten fühlten sich
von ihrer subtil-expressiven Sprache und von den Metaphern und Bildern der
Texte zu ausdrucksstarker Musik angeregt und eröffneten mit ihren Liedern und
Instrumentalklängen öffentlichkeitswirksame Präsentationsformen für die Lyrik.
Aufgewachsen in einem musikliebenden Elternhaus, hatte Nelly Sachs seit ihrer
Kindheit eine besondere Affinität zur Musik. Im Jahr der Nobelpreisverleihung
hat sie selber davon gesprochen, dass sich das Wort „nach seiner Ausatmung in
Mimus und Musik“ verlängere, dass die Ausatmung des Worts schon Musik sei.
Ihr Drama Abram (1944–1956) trägt den Untertitel Ein Spiel für Wort – Mimus
– Musik, und in einem ihrer späten Gedichte heißt es über das Lied, es sei „das
gesegnete Wort entführend / vielleicht zurück zu seinem magnetischen Punkt /
der Gottdurchlässig ist“. Nicht zuletzt durch die Vertonungen ihrer Lyrik und
szenischen Dichtungen wurde im Kulturleben die Auseinandersetzung mit der
Thematik von Judenvernichtung und Holocaust in Gang gesetzt.
1969 unternahm Paul Kersten einen ersten Versuch, Nelly Sachs aus der Rolle
einer „Leidens- und Wiedergutmachungsfigur“ zu befreien, in welche die
meisten der seiner Meinung nach „deutungsbesessenen Nelly-Sachs-
Interpreten“ die Dichterin gezwängt hatten, und korrigierte damit das Bild,
welches sich in der Öffentlichkeit bis dahin herausgebildet hatte. In einer
umfangreichen „vom Wortmaterial ausgehenden Analyse“ untersuchte er die
semantischen Strukturen der Gedichte und vermochte die Metaphorik der Texte
zu entschlüsseln. Nicht zuletzt durch diesen Forschungsbeitrag wurde die
Qualität des künstlerischen Schaffens von Nelly Sachs offenkundig.
Das Grab von Nelly Sachs in Stockholm

Tod

Nelly Sachs starb am 12. Mai 1970 in einem Stockholmer Krankenhaus an einer
Krebserkrankung, am Tag von Paul Celans Beerdigung. Sie ist auf dem
jüdischen Friedhof des Norra begravningsplatsen von Solna im Norden von
Stockholm beigesetzt. Ihre Privatbibliothek befindet sich heute in der
Königlichen Bibliothek in Stockholm.

* die Informationen stammen von der Website https://de.wikipedia.org/wiki/Nelly_Sachs

Das könnte Ihnen auch gefallen