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Internationale Menschenrechtsnormen, transnationale Netzwerke und politischer

Wandel in den Ländern des Südens


Author(s): Sieglinde Gränzer, Anja Jetschke, Thomas Risse and Hans Peter Schmitz
Source: Zeitschrift für Internationale Beziehungen , Juni 1998, 5. Jahrg., H. 1. (Juni
1998), pp. 5-41
Published by: Nomos Verlagsgesellschaft mbH

Stable URL: https://www.jstor.org/stable/40843818

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Forschungsgruppe Menschenrechte
(Sieglinde Gränzer / Anja Jetschke / Thomas Risse / Hans Peter Schmitz)

Internationale Menschenrechtsnormen, transnationale


Netzwerke und politischer Wandel in den Ländern des
Südens

Unter welchen Bedingungen werden internationale Menschenrechtsnormen in die


innenpolitische Praxis von Staaten internalisiert? Wie ist die beträchtliche Varianz
in der Implementation von Menschenrechtsnormen zu erklären? Der Aufsatz unter-
sucht insbesondere die Rolle transnationaler Menschenrechtsnetzwerke bei der in-
nenpolitischen Durchsetzung internationaler Menschenrechtsnormen in ausgewählten
Ländern des Südens (Kenia, Uganda, Tunesien, Marokko, Indonesien, Philippinen).
Es wird argumentiert, daß deren Diffusion und Durchsetzung entscheidend davon
abhängt, ob es diesen transnationalen Netzwerken gelingt, sowohl Druck »von
oben« als auch »von unten« auf die Zielregierungen zu erzeugen. Dies streben die
Netzwerke an, indem sie zum einen westliche Staaten und deren öffentliche Meinung
sowie internationale Organisationen mobilisieren, zum anderen dauerhafte Verbin-
dungen zur gesellschaftlichen Opposition in den menschenrecht sv e Hetzenden Staa-
ten herstellen. Dazu entwickeln wir ein Spiralmodell innenpolitischen Wandels. Dieses
integriert systematisch Aktivitäten auf der internationalen, transnationalen und in-
nenpolitischen Ebene. Den Prozeß der Verinnerlichung internationaler Menschen-
recht s standards bezeichnen wir als Sozialisierung und unterscheiden drei Idealtypen
von Sozialisationsprozessen, die auf unterschiedlichen Handlungsmodi beruhen: (1)
strategisches Verhandeln (bargaining) und instrumenteile Anpassung; (2) morali-
sche Bewußtseinsbildung, Argumentation und kommunikative Überzeugungsprozes-
se; (3) Institutionalisierung und Habitualisierung.

1. Einleitung

Im Dezember 1948 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allge-
meine Erklärung der Menschenrechte angenommen. 50 Jahre später wissen wir im-
mer noch wenig darüber, welche Auswirkungen das inzwischen in zahlreichen Ab-
kommen kodifizierte internationale Menschenrechtsregime auf das konkrete
Verhalten von nationalen Regierungen gegenüber ihren Bürgerinnen gehabt hat.
Unter welchen Bedingungen werden internationale Menschenrechtsnormen in die
innenpolitische Praxis von Staaten internalisiert? Wie ist die beträchtliche Varianz in
der Implementation von Menschenrechtsnormen zu erklären? Und was können wir

Zeitschrift für Internationale Beziehungen 5


5. Jg. (1998) Heft 1,S. 5-41

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Aufsätze

aus dem Menschenrechtsbereich generell für die Wirkung internationaler Normen


auf innenpolitische Prozesse lernen? Diese Fragen versuchen wir im folgenden zu
beantworten.1
Dieser Aufsatz untersucht insbesondere die Rolle transnationaler Menschen-
rechtsnetzwerke bei der innenpolitischen Durchsetzung internationaler Normen in
ausgewählten Ländern des Südens. Im Vergleich zu früheren Analysen zur Rolle
transnationaler Beziehungen (Kaiser 1969; Keohane/Nye 1971) steht dabei nicht
ein möglicher Machtverlust staatlicher zugunsten anderer Akteure im Mittelpunkt,
sondern die Einbettung staatlicher Entscheidungsträger in eine internationale Um-
welt, in der nichtstaatliche Akteure zunehmend über die Zuteilung von Werten wie
Reputation oder Legitimation mitentscheiden. Die abhängige Variable der Studie ist
der nachhaltige innenpolitische Wandel im Sinne einer verbesserten Menschen-
rechtspraxis, wobei wir uns aus Gründen der Meßbarkeit auf Normen konzentrie-
ren, die sich auf die »Freiheit von staatlicher Repression« beziehen.2 Die innenpo-
litische Durchsetzung internationaler Menschenrechtsnormen stellt angesichts eines
auf der Souveränität seiner Mitgliedstaaten basierenden internationalen Systems
noch immer eine große Herausforderung für die internationale Politik dar.
Wir argumentieren im folgenden, daß die Diffusion und Durchsetzung internatio-
naler Menschenrechtsnormen entscheidend davon abhängt, ob es transnational ope-
rierenden Menschenrechtsnetzwerken gelingt, zum einen westliche Staaten und de-
ren öffentliche Meinung sowie internationale Organisationen zu mobilisieren und
zum anderen dauerhafte Verbindungen zur gesellschaftlichen Opposition in den
menschenrechtsverletzenden Staaten herzustellen. Auf diese Weise geraten deren
Regierungen »von oben« und »von unten« unter Druck, eine notwendige Vorausset-
zung für die allmähliche Institutionalisierung und Internali sierung von Menschen-
rechten. Dazu entwickeln wir ein »Spiralmodell« innenpolitischen Wandels, das Ak-
tivitäten auf vier Ebenen systematisch integriert:
- Interaktionen zwischen normverletzenden Regierungen und der innenpolitischen
Opposition;
- Interaktionen zwischen der innenpolitischen Opposition und transnational operie-
renden Menschenrechtsnetzwerken;
- Interaktionen zwischen den transnationalen Netzwerken einerseits und internatio-
nalen Organisationen sowie westlichen Staaten andererseits;

1 Dieser Aufsatz präsentiert Ergebnisse eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft


(DFG) geförderten Projektes. Siehe auch Risse et al. (1999). Eine erste Fassung wurde
auf dem 20. Kongreß der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft in Bam-
berg (13.-17. Oktober 1997) vorgestellt. Wir danken Ernst-Otto Czempiel, Markus Jach-
tenfuchs, Christoph Weller, Klaus Dieter Wolf und den anonymen Gutachterinnen der
ZIB für ihre Kritik und wertvollen Anregungen.
2 Gemeint sind hier Freiheit von Folter, extra-legalen Hinrichtungen, Verschwindenlassen
und Verhaftungen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Die entsprechenden Daten über
den jeweiligen Untersuchungszeitraum und die untersuchten Länder wurden von uns an-
hand der Berichte von Amnesty International und anderen NGOs und des U.S. State De-
partment erhoben. Entsprechende Dokumentationen können auf Anfrage zur Verfügung
gestellt werden.

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Forschungsgruppe Menschenrechte: Transnationale Menschenrechtsnetzwerke

- Interaktionen zwischen Akteuren in der internationalen Umwelt und den norm-

verletzenden Regierungen.
Dieses Spiralmodell wird im Anschluß an eine Diskussion des theoretischen For-
schungsstandes vorgestellt. Danach illustrieren wir das Modell empirisch anhand
der Ergebnisse von sechs Länderfallstudien (Tunesien, Marokko, Kenia, Uganda,
Indonesien, Philippinen). In den Schlußfolgerungen diskutieren wir alternative Er-
klärungen, Varianten des Realismus einerseits und der Modernisierungstheorie an-
dererseits, und kommen auf die theoretischen Fragestellungen zurück.

2. Theoretische Einordnung und Forschungsstand

2.1. Zur Sozialisation internationaler Normen in innenpolitische Praxis

Unsere Untersuchungen stehen im Kontext der neueren Forschung über die Wirkun-
gen von Normen und Ideen in der internationalen Politik, die von der »konstruktivis-
tischen Wende« im Fach Internationale Beziehungen (IB) angestoßen wurde.3 Dabei
geht es nicht darum, materielle Strukturen zu ignorieren, sondern das kausale Ver-
hältnis zwischen ideellen und materiellen Faktoren neu zu bestimmen. Materiell-

strukturalistische Theorien der internationalen Politik privilegieren ökonomische


und/oder militärische Machtverhältnisse und Interessen und gestehen ideellen Fakto-
ren allenfalls die Bedeutung von intervenierenden Variablen zwischen diesen Interes-
sen und politischem Verhalten zu (vgl. z.B. Goldstein/Keohane 1993). Demgegenüber
betonen Sozial-Konstruktivisten, daß Ideen und Normen zuallererst definieren, welche
materiellen Faktoren von den Akteuren als relevant wahrgenommen werden. Akteure
werden sich über kognitive und kommunikative Prozesse, dem »Wettstreit der
Ideen«, über ihre Identitäten und Interessen klar und verständigen sich kollektiv über
die jeweilige Handlungssituation und die ihr zugrundeliegenden Normen.
Checkel (1998) hat neueren konstruktivistischen Studien zur Wirkung internatio-
naler Normen einen Rückfall in strukturalistische Denkmuster und eine Vernachläs-
sigung der Akteursdimension vorgeworfen. Wir teilen diese Kritik insofern, als
häufig über die Beschreibung der Relevanz von nicht-materiellen Strukturen des in-
ternationalen Systems die Rolle von Akteuren bei der Vermittlung von international
verankerten Normen in einen innenpolitischen Kontext vernachlässigt wurde. Ar-
beiten, die dieses Problem explizit thematisierten (z.B. Finnemore 1996), unter-
suchten die Rolle von prinzipiengeleiteten Akteuren vorwiegend bei der Norment-
stehung, weniger bei der Normdurchsetzung. Unser eigener Beitrag analysiert
dagegen systematisch die Rolle ausgewählter Akteure im Prozeß der Internalisie-
rung von Normen. Dabei verstehen wir unter Normen kollektiv geteilte Standards
angemessenen Verhaltens auf der Grundlage gegebener Identitäten einer Ge-
meinschaft von Akteuren (vgl. Jepperson et al. 1996: 54; Finnemore 1996: 23).
3 Vgl. Adler (1997); Checkel (1998); Finnemore/Sikkink (1998); Jachtenfuchs (1995);
Jacobson (1995); Katzenstein (1996); Müller (1994); Schaber/Ulbert (1994); Wendt
(1992, 1999).

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Uns interessieren also die Bedingungen, unter denen internationale Normen, die
in internationalen Regimen und anderen Institutionen verankert sind, innenpolitisch
durchgesetzt und internalisiert werden und zu dauerhaften Verhaltensänderungen
führen. Die konstruktivistisch beeinflußte neuere IB-Forschung hat in diesem Zu-
sammenhang eine wichtige Hypothese entwickelt (Checkel 1997; Cortell/Davis
1996; Ulbert 1997a, 1997b). Danach wird die innenpolitische Umsetzung und
Durchsetzung internationaler Normen um so wahrscheinlicher, je mehr diese Nor-
men anschlußfähig sind an kollektive Überzeugungen, die in nationalen Institutio-
nen und der politischen Kultur eines Landes verankert sind.
Unser theoretischer Ansatz geht über diese Annahme hinaus. Ausgangspunkt un-
serer empirischen Untersuchungen sind Fälle gravierender und anhaltender Men-
schenrechtsverletzungen. Mit anderen Worten, wir analysieren Länder, in denen die
internationalen Menschenrechtsnormen alles andere als »anschlußfähig« sind und
somit eine gravierende Diskrepanz zwischen internationalen Verhaltensstandards
und innenpolitischer Normimplementation besteht. Wir interessieren uns also für
die Frage, inwieweit transnationale Menschenrechtsnetzwerke bei der dauerhaften
Implementation von internationalen Normen eine Rolle spielen.
Dieser Prozeß kann auch als Sozialisationsprozeß bezeichnet werden, in dessen
Verlauf Akteure - hier Staaten - institutionalisierte Denk- und Verhaltensweisen
aus ihrer sozialen Umwelt verinnerlichen und sich »zu eigen machen« (Schimmel-
fennig 1994: 337f; vgl. auch Finnemore 1993; Ikenberry/Kupchan 1990; Müller
1993). Sozialisation impliziert also das Vorhandensein einer Gesellschaft, in die
hinein Akteure sozialisiert werden, in unserem Fall die Existenz einer internatio-
nalen Gesellschaft, die bestimmte Standards angemessenen Verhaltens setzt (Bull
1977). Ein Sozialisationsprozeß zielt auf die Verinnerlichung der Verhaltensstan-
dards ab, so daß externer Druck nicht mehr notwendig ist, um die Normeinhaltung zu
gewährleisten. Dabei lassen sich drei Idealtypen von Sozialisationsprozessen unter-
scheiden, die auf unterschiedlichen sozialen Handlungsmodi beruhen:
(1) strategisches Verhandeln (bargaining) und instrumenteile Anpassung;
(2) moralische Bewußtseinsbildung, Argumentation und kommunikative Überzeu-
gungsprozesse;
(3) Institutionalisierung und Habitualisierung.
(1) Der erste Handlungstypus bezieht sich vor allem auf die instrumenteile An-
passung an Außendruck sowie auf Zugeständnisse im Rahmen strategischer Ver-
handlungsprozesse zwischen normverletzenden Regierungen einerseits und ihren
gesellschaftlichen Umfeldern bzw. ihrer internationalen Umwelt andererseits. Sol-
che Adaptationsprozesse werden vor allem von »rational choice«-Modellen kon-
zeptualisiert. Menschenrechtsverletzende Regierungen, die innenpolitisch oder in-
ternational unter Druck gesetzt werden, machen häufig taktische Konzessionen,
um ihren eigenen Handlungsspielraum zu erweitern. Sie lassen beispielsweise poli-
tische Gefangene frei oder unterzeichnen internationale Menschenrechts vertrage.
Wir argumentieren im folgenden, daß solche Verhaltensweisen instrumenteller
Anpassung vor allem in frühen Phasen von Sozialisationsprozessen zu erwarten
sind.

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(2) Der zweite Handlungstypus bezieht sich auf kommunikatives Handeln und ar-
gumentative Überzeugungsprozesse, über deren Stellenwert in der internationalen
Politik in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen eine heftige Kontroverse
stattgefunden hat.4 Unsere Untersuchungen zielen unter anderem darauf ab, empi-
risch herauszufinden, welche Rolle moralische Überzeugungen und argumentatives
Handeln bei der internationalen Normdurchsetzung spielen. Wir zeigen, daß morali-
sche Bewußtseinsbildung vor allem in den Interaktionen zwischen transnationalen
Netzwerken und westlichen Regierungen stattfindet, wobei letztere an ihre Identität
als (menschenrechtsbeachtende) liberale Staaten erinnert werden. Kommunikative
Überzeugungsprozesse zwischen normverletzenden Regierungen und ihren Kriti-
kern spielen dagegen vor allem in späteren Phasen des Sozialisationsprozesses eine
Rolle. Dabei läßt sich beobachten, daß menschenrechtsverletzende Regierungen mit
ihren Kritikerinnen häufig zunächst im Modus rhetorischen Handelns interagieren
(Schimmelfennig 1995, 1997). Sie tauschen Argumente aus, um bestimmte Inter-
essen durchzusetzen, wobei diese Präferenzen selbst nicht zur Disposition stehen.
Im weiteren Verlauf verstricken sich aber beide Seiten in einen Argumentationspro-
zeß, der immer deutlichere Züge eines genuinen Dialogs trägt, bei dem moralische
Überzeugungen und Situationsdefinitionen zur Debatte stehen.
(3) Der dritte Handlungstypus schließlich bezieht sich auf Prozesse der Institutio-
nalisierung und Habitualisierung im Sinne des soziologischen Institutionalismus
(Hall/Taylor 1996; Jepperson 1991; March/Olsen 1989; Powell/DiMaggio 1991).
Habitualisierung bezieht sich im Unterschied auf die oben diskutierten Handlungs-
modi auf die unreflektierte Übernahme und nicht mehr an explizite Überzeugungs-
prozesse gebundene Einhaltung von Handlungsnormen. Am Ende eines erfolg-
reichen Sozialisationsprozesses müssen die Normen den Akteuren »in Fleisch und
Blut« übergegangen, d.h. in der Folge auch unabhängig von individuellen Überzeu-
gungsprozessen wirksam sein. Dazu ist die Institutionalisierung internationaler
Normen in die jeweiligen nationalen Rechtssysteme eine notwendige Bedingung.
Normreguliertes Verhalten wird damit über Zeit zum »normalen« Verhalten (vgl.
dazu Thomson 1993).
Wir argumentieren im folgenden, daß alle drei Handlungsmodi notwendig sind,
damit internationale Normen internalisiert und handlungsleitend für die nationale
Praxis werden. Allerdings dominieren unterschiedliche Handlungstypen in ver-
schiedenen Phasen des Sozialisationsprozesses. Unser Spiralmodell zeigt auf, wel-
cher Handlungsmodus in welcher Phase dieses Prozesses dominiert.

2.2. Zur Wirkung transnationaler Akteursnetzwerke

Wenn wir die innenpolitische Durchsetzung internationaler Normen als Sozialisa-


tionsprozeß konzeptualisieren, stellt sich sofort die Frage, wer eigentlich sozialisiert

4 Vgl. u.a. Müller (1994); O. Keck (1995); Risse-Kappen (1995d); Schmalz-Bruns (1995);
Schneider (1994).

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und wer sozialisiert wird. Mit anderen Worten, es muß nach den Akteuren des Sozia-
lisationsprozesses gefragt werden, damit wir uns nicht dem Vorwurf des konstruktivi-
stischen Strukturalismus aussetzen (Checkel 1998). Unsere Untersuchungen konzen-
trieren sich darauf, die Rolle und Wirkungen transnationaler Akteursnetzwerke im
Prozeß der innenpolitischen Durchsetzung internationaler Menschenrechtsnormen zu
bestimmen.
In der neueren IB-Forschung wurde das Thema transnationaler Beziehungen als
Gegenstand der Analyse wiederbelebt (vgl. E. Haas 1990; P. Haas 1990; Risse-Kap-
pen 1995a; Sikkink 1993). Dabei wurde gezeigt, daß solche transnationalen Akteure
einen meßbaren Einfluß auf staatliches Handeln haben. Nach Keck/Sikkink (1998)
können transnationale Netzwerke vor allem dann dauerhaften politischen Wandel
staatlicher Politik herbeiführen, wenn sie sich in sogenannten advocacy coalitions
zusammenschließen (vgl. auch Sikkink 1993; Sabatier/Jenkins-Smith 1993).
Transnationale advocacy coalitions sind als Netzwerke von individuellen und kol-
lektiven Akteuren definiert, die verbunden sind durch gemeinsame Werte, einen ge-
meinsamen Diskurs und einen engen Austausch von Informationen und Dienstlei-
stungen.5 Solche Netzwerke vereinigen verschiedene Gruppen von sozialen Akteuren
(z.B. Vertreter/-innen von Stiftungen, Medien, Kirchen, Gewerkschaften etc.), die
Aktionen initiieren, sonst schwer verfügbare Informationen liefern und staatliche
Akteure dazu drängen, ihre Menschenrechtspraxis zu rechtfertigen. Die einheimi-
schen und internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bilden das dauer-
hafte Rückgrat eines solchen Netzwerks (Keck/Sikkink 1998; Gaer 1996).
In der Literatur werden verschiedene Hypothesen über die Erfolgsbedingungen
transnationaler Akteure diskutiert. Einige Autoren betonen die innenpolitischen in-
stitutionellen Strukturen (domestic structure) als intervenierende Variable zwischen
transnationalen Netzwerken und politischem Wandel. Die innenpolitische Struktur
wirkt demnach als eine Art Opportunitätsstruktur (Kitschelt 1986), die bestimmte in-
stitutionelle Anreize oder Hindernisse für die Durchsetzung von Normen setzt (Cor-
tell/Davis 1996: 454; Checkel 1997). Bereits vor dem Stadium der Internali sierung
kann die innenpolitische Struktur jedoch schon Einfluß auf transnationale Netzwerke
ausüben, indem sie nämlich determiniert, inwiefern Zugangspunkte (access points)
zum politischen System des Zielstaats bestehen, und indem sie Aussagen darüber er-
laubt, unter welchen Bedingungen erfolgreiche Koalitionen (winning coalitions) mit
innerstaatlichen Akteuren gebildet werden können (vgl. Risse-Kappen 1995b).
Dagegen stellten Keck/Sikkink (1998) und Cortell/Davis (1996) erstens fest, daß
transnationale Akteure innerhalb derselben domestic structure je nach Sachbereich un-
terschiedlich starke Erfolge erzielen konnten. Zweitens könne gerade die Transnationali-
sierung der Menschenrechtspolitik innerstaatliche Hindernisse der Mobilisierung für die

5 Dieser Netzwerk-Begriff ist enger gefaßt als der in den Sozialwissenschaften sonst übliche
Gebrauch des Konzepts, das auf nicht-hierarchische, interdependente und stabile Bezie-
hungen zwischen Akteuren abzielt, die gemeinsame Interessen in einem Politikbereich
verfolgen und dazu Ressourcen austauschen (vgl. dazu Börzel 1998). Wir konzentrieren
uns auf solche Netzwerke, die durch gemeinsame Wertüberzeugungen zusammengehalten
werden.

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Einhaltung von Menschenrechten umgehen helfen (Keck/S ikkink 1998). Diesen Punkt
thematisieren wir im folgenden im Zusammenhang mit dem »Bumerang-Effekt« und
unserem Spiralmodell (ähnlich Tarrow 1996; Rucht 1990). Drittens zeigen empirische
Studien, daß transnationale Akteure nicht nur die Menschenrechtspolitik beeinflussen,
sondern daß die Verhaltensänderung mit einer grundlegenden Demokratisierung des
Staates und damit einer Transformation der innenpolitischen Struktur selbst einherge-
hen kann (z.B. Brysk 1994). Unsere Untersuchungen sind im Kontext dieser Analysen zu
sehen. Die innenpolitischen Strukturen und Institutionen werden zur abhängigen statt
intervenierenden Variable, insofern die dauerhafte Implementierung und Einhaltung
von Menschenrechtsnormen einen Wandel der domestic structure selbst impliziert.
Als weitere Einflußvariable wird in der Literatur die materielle und soziale Ver-
wundbarkeit der Zielstaaten angeführt. Während eine mit dem Realismus vereinbare
Position die materielle Abhängigkeit eines Landes in den Vordergrund stellt, zeigte
Klotz (1995) am Beispiel Südafrikas, wie Staaten durch den Wunsch nach Aner-
kennung innerhalb einer internationalen Gemeinschaft in Legitimationsdruck geraten
können, und dadurch eine Internalisierung der Normen befördert wird. M. Keck
und Sikkink vereinigen beide Positionen in einer Kausalkette und machen den Erfolg
von dem mehr oder weniger stark ausgeprägten Wunsch des Zielstaates nach sozialer
Anerkennung abhängig (Keck/Sikkink 1998; Sikkink 1993).
Als Einflußfaktoren auf Seiten der Netzwerke werden deren Dichte bzw. Stärke
genannt (Keck/Sikkink 1998). Je größer bzw. dichter das jeweilige Netzwerk, desto
größer seien dessen Erfolgschancen bei der Durchsetzung einer Politikänderung.
Beide Größen ergeben sich aus der absoluten Zahl und Größe der Organisationen,
die das Netzwerk konstituieren. Kritisch anzumerken ist erstens, daß Netzwerkdich-
te und -große selbst eine Funktion von vorherigen Interaktionen zwischen Zielstaat
und transnationalen Akteuren sein kann. In vielen Fällen verdichtet sich das Netz-
werk nach anfänglichen Erfolgen durch den erhöhten Handlungsspielraum, den
Nichtregierungsorganisationen durch die internationale Delegitimierung des Ziel-
staates erreicht haben. Zweitens zeigt sich, daß der Erfolg transnationaler Netz-
werke oft in keinem Verhältnis steht zur Zahl, den Ressourcen und dem Zugang
zum politischen System der im Netzwerk vereinten Organisationen (Brysk 1994:
6f; Willetts 1982: 193). Empirische Untersuchungen, die Netzwerkdichte und -stärke
systematisch mit deren Einfluß in Zusammenhang bringen, stehen bislang aus.
Aussagen über die sachbereichspezifischen Einflußfaktoren beziehen sich vor al-
lem darauf, daß nicht alle normativen Themen, die von transnationalen Netzwerken
besetzt werden, gleiche Chancen auf Durchsetzung haben. Aus empirischen Unter-
suchungen wurde die These abgeleitet, daß universalistische Themen wie körperliche
Unversehrtheit oder soziale Gleichheit sich besser zur Mobilisierung von (interna-
tionalem) Protest eignen als kulturell gebundene Forderungen (Brysk 1993: 265;
Keck/Sikkink 1998). Diese Unterschiede werden häufig mit dem Grad der Verre -
gelung einer Norm auf der internationalen Ebene erklärt. Es wird angenommen, daß
der moralische und politische Handlungsbedarf für einen normverletzenden Staat
um so größer ist, je robuster die internationalen Normen als Regelsystem institutio-
nalisiert sind (Risse-Kappen 1995c; Legro 1997).

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3. Ein Spiralmodell für die Wirkung internationaler Normen auf innenpolitischen


Wandel

Wir integrieren im folgenden die in der Literatur genannten Erfolgsbedingungen für


transnationale Akteure systematisch in ein Spiralmodell (vgl. dazu ausführlich Ris-
se/Sikkink 1999). Es entstand ursprünglich aufgrund einer empirischen Überprü-
fung unterschiedlicher Leithypothesen an sechs Länderfallstudien, die unten zur
empirischen Illustration des Modells herangezogen werden (vgl. Kap. 4). Inzwi-
schen wurde das Modell erfolgreich an fünf weiteren Länderfallstudien getestet
(Tschechoslowakei, Polen, Südafrika, Chile, Guatemala; vgl. Risse et al. 1999).
Das Spiralmodell baut auf dem sogenannten »Bumerang-Effekt« auf, den verschie-
dene Studien zur Wirkung von Menschenrechtsideen in Lateinamerika nachgewiesen
haben (Brysk 1993; Osiel 1986; Sikkink 1993). Ein »Bumerang-Effekt« entsteht,
wenn innergesellschaftliche Oppositionsgruppen in einem repressiven Staat Verbin-
dungen zu transnationalen Netzwerken und zu den internationalen Menschenrechts-
regimen und -Organisationen aufnehmen, um diese dazu zu veranlassen, von außen
auf die repressive Regierung Druck auszuüben. Nationale Oppositionsgruppen,
NGOs und soziale Bewegungen finden Verbündete in transnationalen advocacy co-
alitions, die wiederum internationale Menschenrechtsorganisationen, Geberinstitu-
tionen und westliche Regierungen sowie die internationale Öffentlichkeit mobilisie-
ren, um auf diese Weise den normverletzenden Staat zur Änderung seines
Verhaltens zu bewegen. Transnationale Menschenrechtsnetzwerke versorgen die
gesellschaftliche Opposition im repressiven Staat mit Zugangsmöglichkeiten zur
Weltöffentlichkeit, mit Informationen und oft auch mit materiellen Ressourcen.

Abbildung 1: Der »Bumerang-Effekt«

/^GLOBALES MENSCHENRECHTS-REGIME^.

/ Internationale Organisationen '


V I Menschenrechts- I I Westliche Staaten I /
X INGQs I I

Staat X /
' Regierung «

' i ' /

^ - Gesellschaftliche «_- -^
Opposition, NGOs

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Unser Spiralmodell (vgl. Abb. 2) dynamisiert das Bild des »Bumerang-Effektes«,


um die Wirkungen dieser Vernetzungen zwischen gesellschaftlichen, transnationalen
und internationalen Akteuren auf den innenpolitischen Wandel zu konzeptualisie-
ren. Es besteht im Grunde aus mehreren »Bumerang-Würfen«. Das Spiralmodell
etabliert somit erstens einen kausalen Mechanismus, der internationale, staatliche
und gesellschaftliche Ebenen gleichermaßen in die Analyse mit einbezieht. Zwei-
tens erklärt das Modell die Varianz bei der Normdurchsetzung, da es die Bedingun-
gen spezifiziert, unter denen Menschenrechtsnetzwerke erfolgreich sind. Unser Mo-
dell impliziert also keineswegs einen Determinismus bei der Normdurchsetzung,
sondern thematisiert die Bedingungen, unter denen es zum Übergang von einer
Phase zur nächsten kommt. Drittens beschreibt das Spiralmodell einen Sozialisa-
tionsprozeß, an dessen Ende die erfolgreiche Internalisierung internationaler Men-
schenrechtsnormen im Sinne der dauerhaften Regeleinhaltung steht.6
Den Ausgangspunkt unseres dynamischen Modells bildet auf der internationalen
Ebene das Menschenrechtsregime, also eine soziale Struktur bestehend aus internatio-
nalen Institutionen, in denen Menschenrechtsnormen als verhaltensleitend festge-
schrieben sind. Zugleich gehen wir von der Existenz transnationaler Menschenrechts-
netzwerke aus, die aus internationalen Nicht-Regierungsorganisationen (INGOs),
menschenrechtsfördernden Stiftungen sowie aus Individuen bestehen, die für in-
ternationale Organisationen und (westliche) nationale Regierungen arbeiten. Dies
sind die normenfördernden Akteure, unter deren maßgeblichem Einfluß sich das in-
ternationale Menschenrechtsregime fortentwickelt hat (Gaer 1996; Schmitz 1997).
Phase 1: Repression: In der ersten Phase des Modells ist im Zielstaat eine repres-
sive Regierung an der Macht, die Menschenrechte systematisch verletzt, während
zugleich die innenpolitische gesellschaftliche Opposition zu schwach bzw. politisch
zu unterdrückt ist, um Wandlungsprozesse selbständig einleiten zu können. Der Re-
pressionsgrad der Regierung determiniert im wesentlichen, ob Informationen über
die Menschenrechtslage im Land überhaupt nach außen gelangen. Wenn eine sol-
che Informationsweitergabe an transnationale Menschenrechtsgruppen und interna-
tionale Organisationen gelingt, kommt es zu einem Übergang in die zweite Phase
des Modells.
Phase 2: Leugnen: In der zweiten Phase setzt das transnationale Menschenrechts-
netzwerk den normverletzenden Staat erstmals auf die internationale Agenda. Diese
Phase zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß in Zusammenarbeit mit lokalen Men-
schenrechtsorganisationen Informationen über die Menschenrechtspraktiken im Ziel-
staat veröffentlicht und verbreitet werden. Dies setzt zumindest minimale Kontakte
zwischen lokalen Menschenrechtsorganisationen und internationalen Organisationen
voraus. Nur dadurch ist gewährleistet, daß das Netzwerk überhaupt Zugriff auf den
Zielstaat erhält. Dieses transnationale Netzwerk versucht, internationale Organisatio-
nen und westliche Staaten - beginnend bei der öffentlichen Meinung bis hin zu Ent-
scheidungsträgern und nationalen Regierungen - zu lobbyieren. Diese Mobilisie-
rungstätigkeit beinhaltet zumeist auch moralische Bewußtseinsbildung. Die

6 Zu diesem Spiralmodell vgl. auch Risse/Sikkink (1999).

ZIB 1/1998 13

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Aufsätze

Abbildung 2: Ein Spiralmodell der Menschenrechtsentwicklung

Gesellschaft Staat Weltgesellschaft


Menschenrechtsregime

unterdrückte Opposition 1 . REPRESSION -x

^
4 ' erhält Informationen von
2. LEUGNEN innenpolitischen Akteuren

S~

/ internationaler Men- g
♦ schenrechtsnormen Regimen ein
schwache Opposition und Kontrollen (Verweis • mobilisiert internatio
auf Nichtinterven- Organisationen und libe-
tionsgebot)

yS^ 3. TAKTISCHE Ausbau des internationalen


X__

I • Handlungsoptionen der >/


/ Regierung verringern sich ^

I • Zugeständnisse an das
f Menschenrechtsnetzwerk ,
Erweiterung des innen-
politischen Spielraums: -^ ^ /
• Entstehung neuer Politikwandel oder ^/
Akteure und Schutz der Machtwechsel -*
Menschenrechts- i
aktivistlnnen durch I
Netzwerk ▼ /
• verbesserte
• Menschenrechte ^/
werden integraler Staatliche Akteure ak- ^
Bestandteil des gesell- zeptieren vollständig die
schaftlichen Diskurses Gültigkeit internationaler
Menschenrechtsnormen: -
• Anerkennung internado-
naler Kontrollen und ent- '
sprechende Angleichung '
nationaler Gesetze '
• Einrichtung individueller
Beschwerdeverfahren und
rhetorische Stützung der
Normen i ,

5' V?RHA?TENITETES VfcKHALlfcN Netzwerkmobilisierung


VfcKHALlfcN nimmt ab

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Forschungsgruppe Menschenrechte: Transnationale Menschenrechtsnetzwerke

westliche Öffentlichkeit zum Beispiel wird daran erinnert, daß Menschenrechte zu


ihrer eigenen liberalen Identität gehören. Daraus resultiert anfänglicher Druck auf
den Zielstaat, seine Menschenrechtssituation zu verbessern. Die erste Reaktion des
normverletzenden Staates besteht fast immer darin, die Geltungsansprüche interna-
tionaler Menschenrechtsnormen generell zurückzuweisen. Leugnen bedeutet hier,
daß die Regierung des Zielstaats Kritik an ihrer Menschenrechtspraxis als eine illegi-
time Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten zurückweist.
Darüber hinaus versuchen Regierungen, die der Menschenrechtsverletzung be-
schuldigt werden, oftmals, mittels nationalistischer Parolen innenpolitische Unterstüt-
zung gegen die internationale Kritik zu mobilisieren. Existiert in dem Zielstaat eine
bewaffnete Untergrundbewegung, kann dies die internen Perzeptionen von Instabilität
und die Bedrohung der nationalen Integrität noch verstärken. Die Zielregierung ver-
fügt über mehrere gleichzeitig einsetzbare Gegenstrategien, um diesen anfänglichen
internationalen Druck abzuwehren. Sie kann jeglichen Dialog ablehnen, die Repres-
sion erhöhen, die Opposition kooptieren oder versuchen, die Kritikerinnen im In- und
Ausland zu diskreditieren. Der Übergang zur dritten Phase des Modells ist damit die
größte Herausforderung für das transnationale Menschenrechtsnetzwerk, denn die
Handlungsoptionen der repressiven Regierung sind noch kaum eingeschränkt. Dieser
Übergang hängt in erster Linie von der Stärke des internationalen Netzwerks ab und da-
von, wie verwundbar die menschenrechtsverletzende Regierung gegenüber internatio-
nalem Druck ist (vgl. Keck/Sikkink 1998; Sikkink 1993; Klotz 1995).
Phase 3: Taktische Konzessionen: Die dritte Phase unseres Modells ist gekenn-
zeichnet von einer zunehmenden Einschränkung der Handlungsfähigkeit repressi-
ver Regime und einer umfassenden internationalen und lokalen Mobilisierung. Re-
gierungen fühlen sich nun gezwungen, taktische Konzessionen an ihre Kritiker zu
machen und verlieren langsam die Kontrolle über den Menschenrechtsdiskurs.
Menschenrechte werden zu einem akzeptierten Thema der innenpolitischen Diskus-
sion; sie führen zur Bildung neuer gesellschaftlicher Akteure oder beeinflussen die
Interessenformulierung existierender Gruppen. Lokale Menschenrechtsaktivistln-
nen stehen nun unter dem weitgehenden Schutz des internationalen Netzwerks. Die
wichtigste Konsequenz dieser Phase ist daher die Stärkung und Mobilisierung der
innergesellschaftlichen Opposition. Dadurch verdichtet sich das Netzwerk (vgl. die
Ausführungen oben zu Netzwerkdichte und -stärke).
Einige Staatsführungen beginnen deshalb einen Prozeß der kontrollierten Liberali-
sierung, in dessen Verlauf die herrschenden Eliten sich häufig über das Ausmaß der
Reformen spalten (O'Donnell/Schmitter 1986: 15-21). Gleichzeitig verändern sich in
dieser Phase die kommunikativen Prozesse zwischen der normverletzenden Regie-
rung und ihren Kritikern. Erstere lassen sich zunehmend auf den Menschenrechtsdis-
kurs ein, der Geltungsanspruch der internationalen Normen wird nicht mehr in Frage
gestellt. Zunächst handelt es sich um reine Rhetorik. Regierungen versuchen, auch
auf dieser Ebene die Kontrolle über den Diskurs wiederzugewinnen, indem sie argu-
mentative Zugeständnisse machen. Sie lassen sich auf Argumentation ein, ver-
stricken sich aber damit zugleich in ihren eigenen Aussagen. Denn die rhetorische
Öffnung des Diskurses erlaubt es den Kritikerinnen, nun ihrerseits Gegenargumente

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ins Feld zu führen. Am Ende dieses argumentativen Prozesses steht in vielen Fällen
ein Dialog zwischen Regierung, gesellschaftlicher Opposition und transnationalen
Netzwerken, bei dem es nicht mehr um die Geltung der Menschenrechte geht, sondern
vielmehr um die zur Normdurchsetzung notwendigen Schritte.
Andere Regierungen halten an ihrem Kurs fest und provozieren damit eine Stär-
kung der oppositionellen Kräfte. Versuche eines Regimes, durch fortgesetzte Ein-
schüchterungsmaßnahmen die Kontrolle zurückzuerlangen, werden vom transnatio-
nalen Menschenrechtsnetzwerk und der gesellschaftlichen Opposition zu einer
weiteren Mobilisierung genutzt. Normverletzende Regierungen stehen jetzt »von
unten« und »von oben« gleichzeitig unter Druck. Es kommt zu einem Übergang in
die vierte Phase des Modells, wenn es dem internen Netzwerk gelingt, das Thema
Menschenrechte zur konsensualen Basis der gesellschaftlichen Opposition gegen
die Regierung zu machen. In diesem Falle sind repressive Regime nicht mehr in der
Lage, die gesellschaftliche Opposition durch taktische Konzessionen aufzuspalten.
Ein Machtwechsel wird wahrscheinlich.

Phase 4: Präskriptiver Status: Zu Beginn der vierten Phase stehen normverletzende


Regierungen einer voll mobilisierten nationalen und mit transnationalen Netzwerken
verbundenen Opposition gegenüber. In dieser Situation wird entweder ein Macht-
wechsel wahrscheinlich, oder die Regierung leitet einen grundsätzlichen Kurswechsel
ein. In jedem Fall erreichen die hier untersuchten Menschenrechte im jeweiligen Ziel-
staat »präskriptiven Status«: Wenn Akteure sich regelmäßig auf die Norm beziehen, um
ihr eigenes Verhalten und das der anderen zu beschreiben und zu kommentieren, sind
die Geltungsansprüche dieser Norm nicht länger kontrovers, selbst wenn das tatsächli-
che Verhalten weiterhin die Regeln verletzt (vgl. dazu auch Rittberger 1993: 10-11).
Dabei interessieren uns weniger die individuellen Überzeugungen der Akteure, als
vielmehr die Konsistenz und Umsetzung ihrer Aussagen. Regierungen akzeptieren
die Gültigkeit der Menschenrechtsnormen (»präskriptiver Status«), wenn
- sie die entsprechenden internationalen Menschenrechtskonventionen einschließ-
lich der Fakultativprotokolle ratifizieren;7
- die Normen in Verfassung und/oder nationales Recht übernommen werden;
- es nationale Möglichkeiten zur Individualbeschwerde gibt;
- die Regierung in ihren offiziellen Verlautbarungen die Gültigkeit der Menschen-
rechtsnormen anerkennt, unabhängig vom nationalen oder internationalen Publi-
kum (argumentative Konsistenz).
Mit anderen Worten, in dieser Phase kommt es zur Institutionalisierung von Men-
schenrechtsnormen in die nationale Gesetzgebung und nationale Praxis.
Phase 5: Normgeleitetes Verhalten: Präskriptiver Status ist nicht mit regelgeleitetem
Verhalten identisch. Regierungen können zwar die Gültigkeit von Normen anerken-
nen, aber dennoch weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen. Dies gilt insbeson-
dere, wenn Staatsapparate die eigenen Sicherheitskräfte nicht unter Kontrolle haben.

7 Zu den entsprechenden internationalen Instrumenten der Vereinten Nationen zählen die


Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, der Internationale Pakt über bür-
gerliche und politische Rechte von 1966, das erste Fakultativprotokoll dieses Pakts über
die Individualbeschwerde und die Anti-Folter- Konvention von 1984.

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Forschungsgruppe Menschenrechte: Transnationale Menschenrechtsnetzwerke

Zu einem Übergang zur fünften Phase des Modells kommt es deshalb, wenn die inter-
nationale und lokale Mobilisierung in Sachen Menschenrechte weiter aufrechterhalten
wird. Wenn sich die Menschenrechtssituation verbessert, läßt die Fähigkeit des transna-
tionalen Netzwerks zur Mobilisierung internationaler Aufmerksamkeit nach. Vertre-
terinnen von internationalen Organisationen und westlichen Staaten werden dann selte-
ner im Sinne des Netzwerks aktiv. Dies gilt insbesondere nach einem Regimewechsel,
der die Opposition einschließlich der Menschenrechtsaktivistinnen an die Macht
bringt. Dennoch gilt auch hier, daß der dauerhafte Wandel der Menschenrechtssituation
einen fortgesetzten Druck »von unten« und »von oben« erfordert.
Abbildung 3 faßt das Spiralmodell nach zwei Gesichtspunkten zusammen. Zum
einen bezeichnet es die Akteursgruppen, die jeweils in erster Linie dafür sorgen, daß
sich der Sozialisationsprozeß in die nächste Phase bewegt (dominante Akteure) und
daß normverletzende Regierungen ihr Verhalten ändern. Zum zweiten werden die
sozialen Handlungsmodi benannt, die die Interaktionen in der jeweiligen Phase maß-
geblich kennzeichnen. Es zeigt sich hier ein allmählicher Übergang von Prozessen
instrumenteller Rationalität und strategischen Verhaltens zu kommunikativ-argu-
mentativer Rationalität und Prozessen der Institutionalisierung und Habitualisierung.

Abbildung 3: Dominante Akteure und Handlungsmodi nach Phasen

Phase I. Repression 2. Leugnen 3. Taktische 4. Präskriptiver 5. Normgeleitetes


Konzessionen Status Verhalten

Dominante Transnationale Transnationale Transnationale Nationale Nationale


Akteure" Menschen- Menschen- Menschen rechtsnetzwerke Regierung und Regierung und
rechtsnetzwerke rechtsnetzwerke und innenpolitische gesellschaftliche gesellschaftliche
Opposition Gruppen Gruppen

Dominanter Instrumentelle Instrumentelle Instrumentelle Argumentation Institutiona-


Handlungs- Rationalität Rationalität Rationalität und Institutionali- lisierung und
modus > Rhetorisches Verhalten sierung Habitualisierung
-Argumentation, Dialog

Im folgenden illustrieren wir das Spiralmodell em


aus sechs Länderfallstudien. Diese wurden ursprün
Vergleiche von Staaten aus unterschiedlichen Welt
weisen darauf hin, daß diese Illustration im Rahmen eines Aufsatzes nur verkürzt
stattfinden kann und selbstverständlich nicht eine vollständige empirische Prüfung
des Spiralmodells bedeutet.10

8 Unter »dominanten Akteuren« werden hier diejenigen Akteursgruppen verstanden, die in


erster Linie dafür verantwortlich sind, daß sich der Sozialisationsprozeß zur nächsten
Phase weiterbewegt und daß sich das Verhalten der normverletzenden Regierungen ändert.
9 Arabische Welt: Marokko und Tunesien (vgl. Gränzer 1999); Afrika südlich der Sahara:
Uganda und Kenia (vgl. Schmitz 1999); Südostasien: Philippinen und Indonesien (vgl.
Jetschke 1999).
10 Ausführlichere Dokumentationen stellen wir auf Anfrage gern zur Verfügung. Die elf
ausführlichen und vergleichenden Länderstudien finden sich in Risse et al. (1999).

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4. Transnationale Menschenrechtsnetzwerke und innenpolitischer Wandel:


Empirische Fallbeispiele

4.1. Phase 1: Repression

Alle von uns untersuchten Länder durchliefen eine Phase der Repression, wobei das
Ausmaß und die Schwere der staatlichen Menschenrechtsverletzungen erheblich
variierte. In fünf der sechs Länder (Philippinen, Indonesien, Uganda, Tunesien,
Marokko) konstatierten internationale Menschenrechtsorganisationen in den siebziger
Jahren die für die erste Phase charakteristischen systematischen Verletzungen indi-
vidueller Menschenrechte, während diese für Kenia etwa zehn Jahre später bekannt
wurden. Hauptursache der Menschenrechtsverletzungen seitens staatlicher Stellen
waren in allen Ländern Auseinandersetzungen um die Kontrolle der politischen Sy-
steme. Innenpolitische Opposition von bewaffneten Kräften (Militärputsche in Ma-
rokko, Indonesien und Kenia, bewaffnete Rebellen in Uganda, Indonesien und den
Philippinen) sowie Massenproteste der Zivilbevölkerung (Tunesien) beantworteten
die Staatsführungen mit zum Teil massiven Repressionsmaßnahmen, wenn ihre Le-
gitimität in Frage gestellt wurde. In zwei Fällen (Indonesien und Marokko) wurde
die staatliche Repression zusätzlich verschärft im Zusammenhang mit der militäri-
schen Besetzung angrenzender Gebiete (Osttimor bzw. Westsahara).
In Uganda fanden die massivsten Menschenrechtsverletzungen statt. Hier begann
die innenpolitische Repression 1966/67 mit einem Machtkampf zwischen dem ersten
Premierminister Milton Obote als Vertreter der Zentralregierung und dem Präsidenten
Mutesa II, der zugleich als König von Buganda die politisch stärkste Region im Süd-
westen des Landes anführte. Mit Hilfe der Armee gewann Obote diese Auseinander-
setzung, setzte die Verfassung außer Kraft, befahl die Abschaffung der Königreiche
und führte ein Einparteiensystem ein (Ofcansky 1996: 40). Diese Situation ver-
schärfte sich weiter, nachdem am 25. Januar 1971 Obote durch seinen Armeechef
Idi Amin Dada gestürzt worden war. Nach einer kurzen Phase abnehmender Repression
befahl Amin die Verfolgung von politischen Oppositionellen und der Bevölkerung im
Norden des Landes, wo Obote besonders populär war (Republic of Uganda 1994:
Kap.6;Seftel 1994: 105-113).
Auf den Philippinen nahmen Menschenrechtsverletzungen unmittelbar nach Aus-
rufung des Kriegsrechts 1972 drastisch zu. Offiziell rechtfertigte Präsident Ferdinand
Marcos sein Vorgehen mit der durch Massenproteste und eine bewaffnete Unter-
grundbewegung gestörten öffentlichen Ordnung. Der Schritt markierte die Wende
von einem demokratischen System mit einer Zwei-Parteien-Herrschaft zu einer offe-
nen Diktatur (International Commission of Jurists 1977a: 12). In den ersten drei
Monaten nach Verhängung des Kriegsrechts ließ Marcos über 50.000 Oppositionel-
le verhaften, die kein Recht auf Haftprüfung (habeas corpus) hatten (International
Commission of Jurists 1977a: 32; Espíritu 1986: 70).
In Marokko und Indonesien verschärfte sich die staatliche Repression Mitte der
siebziger Jahre mit der militärischen Besetzung angrenzender Gebiete. Der marok-
kanische König begann nach zwei kurz aufeinander folgenden Militärputschen

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1971/72, das Militär umzustrukturieren und die staatliche Kontrolle zu verschärfen


(Damis 1992; Laurent 1996). Angebliche Putschisten samt ihren Familien ver-
schwanden auf Jahre in von der Außenwelt abgeschnittenen geheimen Haftzentren.
Mit der Besetzung der Westsahara 1 914/15 wurde diese Methode auf immer mehr
Bevölkerungsgruppen erweitert. Umfassenden Verhaftungswellen in den 80er Jahren
folgten in zahlreichen Fällen Folterungen während der garde-á-vue-Haft. Die staatli-
chen Menschenrechtsverletzungen wurden in den folgenden Jahren durch den Aus-
bau des Polizeiapparates weiter systematisiert (Bennani-Chraibi/Leveau 1996: 52f)-
In Indonesien wurden im Zusammenhang mit einem Putsch 1965 rund 250.000
mutmaßliche Anhängerinnen der kommunistischen Partei verhaftet, gleichzeitig
starben vermutlich ebenso viele Personen bei landes weiten Unruhen (Fealy 1995:
4f). Internationale Aufmerksamkeit zog die indonesische Regierung mit der Invasion
und völkerrechtswidrigen Integration Osttimors 1975/76 auf sich. Hier wie in Indo-
nesien kritisierten Menschenrechtsorganisationen die mit der Besetzung einher-
gehenden Menschenrechtsverletzungen wie Folter, extra-legale Hinrichtungen und
willkürliche Verhaftungen (Amnesty International 1985: 292).
In Kenia übernahm nach dem Tod des ersten Präsidenten Jomo Kenyatta 1978
der derzeitige Amtsinhaber Daniel arap Moi verfassungsgemäß die Macht. Bereits
unter Kenyatta kam es zu einer staatlich gelenkten Verfolgung Oppositioneller, die
sich nach einer kurzen Liberalisierungsphase unter Moi weiter verstärkte. Nach ei-
nem gescheiterten Putsch von Luftwaffenoffizieren im August 1982 schüchterte
Moi (ähnlich wie der marokkanische König Hassan zehn Jahre zuvor) seine politi-
schen Gegner mit wachsenden Repressionsmaßnahmen ein. Folter und andere For-
men der Mißhandlung wurden zu Routinemaßnahmen der Sicherheitskräfte (Amne-
sty International 1987: 7-36; Andreassen 1993: 186; Howard 1991).
Tunesien ist das einzige Fallbeispiel mit einer rein zivilen Oppositionsbewegung.
Hier lösten die wiederholten Partizipationsforderungen linker Oppositionsgruppen
und der Gewerkschaften ab Mitte der siebziger Jahre eine Verstärkung der staatli-
chen Sicherheitskontrolle aus. Willkürliche Verhaftungen und Tötungen von Zivili-
sten nach Zusammenstößen mit Polizei und Armee im Zuge eines Generalstreiks im
Januar 1978 und die massiven Folterungen sowie die rasche Vollstreckung von To-
desurteilen 1980 führte zu heftigen innenpolitischen und internationalen Protesten
(Amnesty International 1977b).

4.2. Phase 2: Leugnen

Transnationale Menschenrechtsnetzwerke waren in allen von uns untersuchten Fäl-

len die zentralen Akteure, die im Rahmen eines moralischen Bewußtseinsbildungs-


prozesses menschenrechtsverletzende Regierungen auf die internationale Agenda
setzten und sie zu öffentlichen Rechtfertigungen zwangen. Die zeitliche Entwick-
lung und der Aufbau der transnationalen Netzwerke gestalteten sich jeweils regional
unterschiedlich, forderten aber im Ergebnis - mit Ausnahme von Tunesien - die
gleiche staatliche Reaktion des Leugnens heraus. Als Antwort auf die internationale

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Mobilisierung verbaten sich die Regierungen unter Berufung auf ihre nationale Sou-
veränität die Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Die im einzelnen von
Menschenrechtsaktivisten vorgebrachten Vorwürfe über die Nichtbeachtung interna-
tionaler Menschenrechtsnormen wurden in dieser Phase ignoriert, abgestritten oder
heruntergespielt.
In Indonesien und Tunesien wurde eine anfängliche Mobilisierung des Men-
schenrechtsnetzwerks durch taktische Konzessionen der Regierung unterbrochen.
Die tunesische Regierung leugnete nicht den Geltungsanspruch der internationalen
Normen, sondern versuchte über die Kooptation von Kritikerinnen und eine Über-
nahme des internationalen Menschenrechtsdiskurses, die innen- und außenpoliti-
sche Kritik an ihrer Politik zu entschärfen. Diese Strategie konnte im tunesischen
Fall eine internationale Mobilisierung effektiv verhindern, wohingegen in Indonesien
eine Netzwerkmobilisierung Mitte der achtziger Jahre erneut einsetzte. Hier bilde-
ten sich zwei Netzwerke heraus, die bis 1991 nur wenig untereinander kooperierten:
Ein Osttimor-Netzwerk, das nach der Invasion des Territoriums 1975 entstanden
war, und ein Indonesien-Netzwerk. Das Osttimor-Netzwerk war vor allem durch
den erschwerten Zugang zu Osttimor geschwächt. Den spärlichen Informationen
über Menschenrechtsverletzungen hielt die Suharto-Regierung zwischen 1976 und
1986 konsequent entgegen, daß das osttimoresische Volk sein Recht auf Selbstbe-
stimmung bereits ausgeübt habe und daß Indonesien die Einmischung in seine inne-
ren Angelegenheiten ablehne.
Eine ähnliche Argumentation benutzte auch die marokkanische Staatsführung,
die bis gegen Ende der achtziger Jahre die Einmischung in die inneren Angelegen-
heiten kategorisch ablehnte, da sich König Hassan aufgrund seiner allumfassenden
Autorität in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten das alleinige Recht auf die
Definition von Menschenrechten vorbehielt. Allerdings erklärte sich die marokka-
nische Regierung im Gegensatz zu Indonesien pro forma durchaus dazu bereit, in
der besetzten Westsahara unter Aufsicht der UNO ein Referendum zur Selbstbe-

stimmung des sahaurischen Volkes durchführen zu lassen (Lawless 1994). Durch


diese konziliante Haltung der Regierung wurde ein mögliches Westsahara-Netz-
werk geschwächt.
Auffällig ist in drei der untersuchten Staaten (Philippinen, Indonesien, Kenia) die
Rolle der Kirchen, deren eigene transnationale Netzwerke Informationen über Men-
schenrechtsverletzungen dokumentierten und international weiterleiteten. Unter Präsi-
dent Marcos gründeten sich auf den Philippinen bereits zwei Jahre nach Verhängung
des Kriegsrechts Menschenrechtsorganisationen, deren Arbeit durch die Nutzung ihrer
Kontakte mit der katholischen Kirche wesentlich erleichtert wurde. Die detaillierten
und glaubwürdigen Informationen ermöglichten es internationalen Menschenrechts-
organisationen, die Philippinen ab Mitte der 70er Jahre auf die internationale Agenda zu
setzen (Amnesty International 1977a, 1982; International Commission of Jurists
1977a), wie es in Indonesien und in Kenia erst zehn Jahre später möglich wurde. Die
Marcos-Regierung stritt die Vorwürfe kategorisch ab und bezeichnete Amnesty Inter-
national in öffentlichen Stellungnahmen als Handlanger der kommunistischen Unter-
grundbewegung. In Indonesien sickerten ab 1985 über die katholische Kirche in Ostti-

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mor Informationen über Menschenrechtsverletzungen durch und wurden von interna-


tionalen Organisationen wie Pax Christi, Pax Romana und Amnesty International ver-
breitet (Amnesty International 1985; Neyer/Protz-Schwarz 1986: 62f). Damit wuchs
der internationale Druck auf die indonesische Regierung, humanitären Organisationen
Zugang zu dem Territorium zu gewähren. In Kenia begann ab 1986 die Mobilisierung
des Menschenrechtsnetzwerks. Auch hier spielte die Informationsweitergabe über
Menschenrechtsverletzungen durch die Kirchen und einzelne engagierte Individuen
eine Rolle (Peters 1996: 20-23), vor allem, da sich bis 1990 aufgrund der Repression kei-
ne lokalen Menschenrechtsorganisationen bilden konnten.
In drei der untersuchten Länder (Kenia, Marokko, Indonesien) stärkte und verfe-
stigte gerade die kompromißlose Haltung der Regierungen die transnationale Mobi-
lisierung. Transnationale Menschenrechtsorganisationen nutzten vor allem Staats-
besuche der Regierungsführung im Ausland, um das jeweilige Land vor der
internationalen Öffentlichkeit anzuklagen. Im Falle Kenias z.B. führten zwei 1987
geplante Auslandsreisen Präsident Mois zu verstärkter öffentlicher Kritik. Einen
Tag nach einem offiziellen Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten Ronald
Reagan titelte die Washington Post auf der ersten Seite »Police Torture is Charged in
Kenya« (13.3.1987). Noch am gleichen Tag forderte das US-Außenministerium
eine Aufklärung der Vorwürfe und eine Veröffentlichung der Ergebnisse. Moi rea-
gierte mit der Absage seines weiteren Besuchsprogramms und erklärte bei seiner
Rückkehr in Nairobi, daß alle Vorwürfe gegen sein Land erfunden seien. Im Herbst
desselben Jahres sagte Moi aus den gleichen Gründen einen Besuch in Norwegen
und Schweden ab (Baehr et al. 1995: 69). Nur wenige Tage nach einem weiteren
Staatsbesuch Mois in den USA im Januar 1990 fand man den langjährigen keniani-
schen Außenminister, Robert Ouko, ermordet auf. Ouko galt seit Jahren als ver-
gleichsweise moderater Vertreter der Regierung und war für die USA ein möglicher
Kandidat für die Nachfolge Mois. Nach dem Bekanntwerden des Todes von Ouko
kam es in Kenia zu Straßendemonstrationen, die das Regime zunächst wiederum
mit Repression beantwortete. Im Juli 1990 starben mehrere Dutzend Demonstran-
tinnen während der sogenannten Saba-Saba-Unruhen. Zu diesem Zeitpunkt war
aber der Spielraum der Regierung durch die Mobilisierung des Menschenrechts-
netzwerks bereits so weit eingeschränkt, daß sie den Konfrontationskurs des kom-
promißlosen Leugnens aufgeben mußte. Die Aktivitäten des transnationalen Netz-
werks hatten binnen weniger Jahre die Wahrnehmung Kenias als stabiler und
verläßlicher Partner des Westens durch die kontinuierliche Berichterstattung zu sy-
stematischen Menschenrechtsverletzungen nachhaltig erschüttert.
Marokko hatte zwar 1979 die internationalen Menschenrechtsabkommen unter-
zeichnet, wehrte aber gleichzeitig weiterhin Kritik als Einmischung in die inneren
Angelegenheiten ab und bestritt Menschenrechtsverletzungen kategorisch. Infolge
des wachsenden Drucks auf die Regierung unterzeichnete das Land 1986 die Anti-
Folter-Konvention der Vereinten Nationen. Die wachsende Diskrepanz zwischen Un-
terzeichnung von internationalen Konventionen einerseits und der offensichtlichen
Nichteinhaltung dieser Normen im politischen Alltag Marokkos andererseits wurde
kontinuierlich von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen

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dokumentiert und durch öffentliche Aktionen im europäischen Ausland verbreitet


(Waltz 1995: 204f). Das Netzwerk nutzte mehrere Staatsbesuche des marokkani-
schen Königs ab Mitte der achtziger Jahre in Europa für eine Mobilisierung gegen
Menschenrechtsverletzungen. Marokkanische Exilgruppen und Menschenrechtsakti-
visten legten während König Hassans Besuch beim Europäischen Parlament im De-
zember 1986 einen Menschenrechtsbericht vor. Zwei Jahre später beauftragte das Eu-
ropäische Parlament seinen Präsidenten, gegenüber der marokkanischen Regierung
ernste Bedenken wegen der Menschenrechtslage auszudrücken (Waltz 1995: 206).
Im Januar 1988 organisierte eine in Paris ansässige marokkanische Exilgruppierung
Demonstrationen in Belgien, Frankreich, Deutschland und Holland. 1988 mußte Ma-
rokko vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen einen Bericht ab-
geben und versuchte durch beschönigende Darstellungen, seinen schlechten Ruf zu
verbessern (Lawless 1994: 726). Noch im Dezember 1989 stritt König Hassan II
während eines Interviews im französischen Fernsehen Menschenrechtsverletzungen
ab und lud Amnesty International öffentlich zu einer Untersuchungsmission nach
Marokko ein (Waltz 1995: 207). Dies bedeutete einen maßgeblichen Durchbruch für
das internationale Netzwerk und leitete für Marokko den Übergang in die Phase der
taktischen Konzessionen ein. Zugleich markierte diese Einladung den Beginn einer
öffentlich geführten Auseinandersetzung um die Geltung von Menschenrechts-
normen zwischen König Hassan II und seinen in- und ausländischen Kritikerinnen.
In Indonesien wurde das transnationale Menschenrechtsnetzwerk erst vollständig
nach dem sogenannten Dili-Massaker mobilisiert, bei dem am 12. November 1991 in-
donesisches Militär mehr als 50 Menschen erschoß. Der Vorfall löste internationale
Empörung aus. Kanada, Dänemark und die Niederlande froren ihre Entwicklungshilfe
ein, während die USA, Japan und die Weltbank mit einem Stop der Zahlungen drohten
(Feith 1992: 70; Baehr et al. 1995; Schulte-Nordholt 1995: 149). Die Bemühungen
Präsident Suhartos - er hatte sofort eine Kommission benannt, die innerhalb eines
Monats einen außergewöhnlich kritischen Bericht erstellte - ließen die Kritik der
größten Geberstaaten wieder verstummen. Aber die niederländische Androhung, man
werde sich an die europäischen Partner wenden und Konsequenzen diskutieren, sollte
Indonesien nicht in Verhandlungen mit dem UN-Generalsekretär bezüglich Osttimors
treten, hatten ein Nachspiel. Präsident Suharto setzte die niederländisch-indonesische
Entwicklungszusammenarbeit am 25. April 1992 unbefristet aus. Die beabsichtigte
Konsolidierung der Machtbasis Suhartos schlug jedoch fehl. Das Dili-Massaker hatte
bereits den Wendepunkt für das transnationale Menschenrechtsnetzwerk markiert:
Osttimor war wieder auf der internationalen Agenda. Ein Wechsel der jeweiligen
Strategien ermöglichte nunmehr die Kooperation zwischen dem Osttimor- und dem
Indonesien-Netzwerk, was die Mobilisierung der innergesellschaftlichen Opposition
beträchtlich förderte. Menschenrechte in Osttimor wurden als Aufhänger der Kritik
des indonesischen Repressionssystems insgesamt genutzt. Dies führte zum Übergang in
die Phase der taktischen Konzessionen.
In Uganda begann die Phase des Leugnens Mitte der 70er Jahre und dauerte bis
zum Regimewechsel 1986. Ab 1974 berichteten die Internationale Juristenkommis-
sion und Amnesty International regelmäßig und mit wachsender Dringlichkeit über

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Fälle von systematischer Folter und extra-legalen Hinrichtungen. Die Internationale


Juristenkommission reichte 1974 eine vertrauliche Beschwerde gegen Uganda bei
der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen ein. 1975 erklärte Ugandas
Präsident Idi Amin vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, daß Am-
nesty International »von unwürdigen Kriminellen und Ausgewiesenen mit Gerüchten
und Gewäsch gefüttert würde« und es versäumt habe, sich ein Bild vor Ort zu ma-
chen (Amnesty International 1976: 104). Die Internationale Juristenkommission
veröffentlichte ihre vertraulichen Eingaben an die Vereinten Nationen, um so den
moralischen Druck nochmals zu erhöhen (International Commission of Jurists
1977b). Dies blieb aber ohne Folgen. Bis zum Einmarsch tansanischer Truppen
1979 entschloß sich lediglich der US-amerikanische Senat, ein Handelsembargo ge-
gen das Land zu verhängen (Forsythe 1988: 78).
Nach drei schnell aufeinanderfolgenden Machtwechseln in Uganda 1979/80, kehrte
der erste Präsident des Landes, Milton Obote, mit Hilfe manipulierter Wahlen im
Dezember 1980 an die Spitze des Staates zurück. Die internationale Mobilisierung
setzte bald darauf mit neuen Berichten über Menschenrechtsverletzungen ein. Ugan-
dische Regierungsvertreter bestritten gegenüber einer Delegation von Amnesty In-
ternational, daß es »systematische Verstöße gegen die Menschenrechte gegeben
habe« (Amnesty International 1984a: 124) und legten Stellungnahmen zu 350 Fällen
vor. Als Amnesty International in ihrem Abschlußbericht auf den Vorwürfen be-
stand, warf die Regierung der Menschenrechtsorganisation »grobe Unhöflichkeit«
und »feindselige Kritik« vor (Amnesty International 1984a: 124). Sowohl Idi Amin als
auch Milton Obote während seiner zweiten Präsidentschaft reagierten nicht mit einer
vollständigen Ablehnung oder Schweigen auf die Vorwürfe des Menschenrechts-
netzwerks. Es dominierte aber von 1974 bis 1985 eine Mischung des für die ersten
beiden Phasen kennzeichnenden Verhaltens. Dennoch kam es auch unter den Bedin-
gungen des sich ausweitenden Bürgerkriegs zu einer lokalen Mobilisierung gegen
das Regime. Der wachsende Erfolg der nationalen Widerstandsbewegung (NRM)
unter Yoweri Museveni stützte sich vor allem auf dessen Respekt für minimale Men-
schenrechtsstandards, die erstmals auch von der Führung einer Rebellenarmee gegen
die eigenen Soldaten, bis hin zur Todesstrafe, durchgesetzt wurden (Ofcansky 1996:
54). Museveni war damit schon vor seiner Machtübernahme der lokale Bündnispartner
des internationalen Menschenrechtsnetzwerks. Nach dem gewonnenen Bürgerkrieg
1986 erreichten die Menschenrechte in Uganda umgehend präskriptiven Status.

4.3. Phase 3: Taktische Konzessionen

Die dritte Phase wurde in den untersuchten Ländern dadurch erreicht, daß Regierun-
gen auf die wachsende Legitimierung des Menschenrechtsdiskurses im internationalen
Umfeld mit taktischen Konzessionen zu reagieren begannen. In vier der sechs Staaten
(Philippinen, Indonesien, Kenia, Marokko) sind diese Konzessionen der Regierun-
gen auf die Aktivitäten des jeweiligen transnationalen Menschenrechtsnetzwerks
zurückzuführen, dem es gelang, die internationale Öffentlichkeit medienwirksam zu

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mobilisieren und moralischen Druck »von oben« zu erzeugen. In diesen Staaten


führten die taktischen Zugeständnisse zu einer allmählichen Stärkung und zuneh-
menden Aktivierung der innergesellschaftlichen Oppositionsbewegungen, die nun
begannen, die menschenrechtsverletzenden Regierungen zusätzlich »von unten« unter
Druck zu setzen. Die Ausnahmen bilden Uganda (s.o.) und Tunesien. In Tunesien
erfolgten die taktischen Konzessionen der Regierung, ohne daß zuvor die Geltung
der internationalen Menschenrechtsnormen geleugnet worden wäre. Im Ergebnis ge-
lang es dem Regime, seine internationalen und innenpolitischen Kritikerinnen zum
Schweigen zu bringen. Inzwischen hat hier die Repression wieder zugenommen.
In vier Ländern (Indonesien, Marokko, Philippinen, Kenia) läßt sich deutlich eine
Beziehung zwischen der Stärke des jeweiligen Menschenrechtsnetzwerks und der
»Verwundbarkeit« der menschenrechtsverletzenden Regierung zeigen. In Indone-
sien, den Philippinen und Kenia versuchten die Menschenrechtsnetzwerke, die Ab-
hängigkeit der Staaten von westlicher Entwicklungshilfe auszunutzen, um sie dem
Druck der Geberländer auszusetzen und Zugeständnisse zu erzwingen. Marokko war
zwar nicht finanziell verwundbar (Frankreich als wichtigster Partner setzte keine
Druckmittel ein), aber das Regime war zunehmend über sein »Image« in der interna-
tionalen Umwelt besorgt. Marokko, das 1987 ein Beitrittsgesuch zur Europäischen
Union gestellt hatte, wollte seinen »guten Ruf« als zivilisierte Nation nicht weiter
aufs Spiel setzen und war aus diesem Grund zu taktischen Konzessionen in seiner
Menschenrechtspolitik bereit.
Auf den Philippinen führte der kontinuierliche internationale Druck und eine
wachsende interne Mobilisierung ab 1977 zu taktischen Konzessionen wie der Frei-
lassung von politischen Gefangenen bis hin zur Aufhebung des Kriegsrechts im Januar
1981 (Corsino 1981: 239f; Sodusta/Palongpalong 1982: 285). Gleichzeitig erhöhte
Präsident Marcos den Repressionsgrad (Amnesty International 1982: 4). Die Ermor-
dung der prominentesten Symbolfigur des Menschenrechtsnetzwerks, Benigno
Aquino, am 21. August 1983 erwies sich als »Kardinalfehler« der Marcos-Regierung
und mobilisierte das gesamte transnationale Netzwerk. Die USA unter Präsident
Reagan erwiesen sich in dieser Situation eher als zögerliche, am (militär-strate-
gischen) Status quo orientierte Macht (Forsythe 1991: 131) denn als menschen-
rechtsdurchsetzender Hegemon. Reagan schickte mehrere Sondergesandte, um Marcos
von Reformen zu überzeugen. Materiellen Druck setzte der US-Kongreß allerdings
erst im Haushaltsjahr 1985 ein, indem er einen Teil der Militärhilfe als symbolische
Geste in ökonomische Hilfe umwandelte (U.S. Congress/Senate 1984: 398f). Marcos
reagierte beinahe ausschließlich mit instrumenteller Anpassung, was die allgemeine
Perzeption, daß das Marcos-Regime reformunfähig sei, verstärkte.
Prozesse der moralischen Bewußtseinsbildung fanden in erster Linie zwischen
transnationalem Netzwerk und innenpolitischer Opposition statt und wurden neben
der katholischen Kirche auch von der kommunistischen Partei (CPP) befördert, die
sich aus taktischen Überlegungen (Mobilisierbarkeit) auf einen Menschenrechts-
diskurs eingelassen hatte. Innenpolitische Oppositionsgruppen jeglicher politischer
Strömung und die katholische Kirche schlössen sich jetzt zusammen und forderten
die Einhaltung der Menschenrechte (Lane 1990: 7; Youngblood 1987: 1241). Die

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Verschlechterung der Menschenrechtssituation ab 1983, eine hausgemachte wirt-


schaftliche Krise und der massenhafte Zulauf zu Untergrundbewegungen überzeugte
auch die letzten Verbündeten Marcos' von der Notwendigkeit eines Machtwechsels
(Karnow 1989: 403-409). Im November 1985 machte Marcos die Konzession einer
vorgezogenen Präsidentschafts wähl. Corazón Aquino führte die politische Opposition
unter dem Banner der Menschenrechte am 7. Februar 1986 in diese Wahl. Marcos ge-
wann, mußte jedoch abtreten, nachdem ihm massive Wahlfälschungen nachgewiesen
werden konnten und ihm das Militär mit einem Putschversuch die Unterstützung
entzogen hatte. Die Verbindung von taktischen Konzessionen und erhöhter Repres-
sion erwies sich für das Marcos-Regime somit als politischer Bumerang.
Für die von uns untersuchten Länder, die erst Anfang der neunziger Jahre die dritte
Phase erreichten (Indonesien, Kenia, Marokko), dauert der Prozeß der taktischen
Konzessionen noch an. In Kenia und Indonesien wurden taktische Konzessionen
zeitweise von wachsender Repression begleitet, da die Regierungen verschiedene
Möglichkeiten ausprobierten, die Kontrolle über die politische Situation im Lande
aufrechtzuerhalten. Diese Kombination widersprüchlicher Maßnahmen führte aber
eher zu weiterer Mobilisierung des transnationalen Netzwerks. Gleichzeitig sammelte
und verstärkte sich die innenpolitische Opposition gegen die menschenrechtsverlet-
zende Regierung. Allein in Marokko hat sich seit Beginn der taktischen Konzessionen
die Menschenrechtssituation deutlich verbessert, und das Land befindet sich zur Zeit
im Übergang zur vierten Phase des präskriptiven Status. Schließlich kann für alle
drei Länder gezeigt werden, daß sich der kommunikative Modus der Aus-
einandersetzung zwischen normverletzender Regierung und der in- und ausländi-
schen Kritik allmählich veränderte. Rhetorische Zugeständnisse wurden von den
Menschenrechtsnetzwerken dazu genutzt, die Widersprüche zwischen Worten und
Taten anzuprangern. Gleichzeitig wurde die Argumentation der Regierungen in in-
ternationalen Gremien und in der Öffentlichkeit immer differenzierter; Kritiker der
Menschenrechtssituation wurden zunehmend weniger denunziert.
In Indonesien verdichtete sich das Netzwerk nach dem Dili-Massaker schlagartig
und umfaßte neben zahlreichen nichtstaatlichen Akteuren, einer wachsenden Zahl
an indonesischen Menschenrechtsgruppen (Aditjondro 1997; Uhlin 1995: HOf) und
internationalen Organisationen auch staatliche Akteure, unter anderem auch Teile
der U.S. -Administration. Die USA sanktionierten Exzesse von Gewaltanwendung
durch das indonesische Militär punktuell: Ein Militärhilfeprogramm wurde nach
dem Dili-Massaker eingefroren (1992) und 1996 der geplante Verkauf von ameri-
kanischen F-16 Kampfflugzeugen ausgesetzt, nachdem die indonesische Regierung
gegen die nunmehr mutiger werdende politische Opposition vorgegangen war. Vom
Finanzvolumen standen diese Maßnahmen allerdings in keinem Verhältnis zum po-
tentiellen Einfluß, den externe Mächte aufgrund der finanziellen Abhängigkeit In-
donesiens vom Ausland hätten haben können. Exemplarisch dafür waren die Ver-
handlungen zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der
indonesischen Regierung anläßlich der Finanzkrise im Frühjahr 1998, an denen
Menschenrechtsorganisationen kritisierten, daß sie keine politischen und menschen-
rechtlichen Reformen beinhalteten (Barr 1998).

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Aufgrund des internationalen und innenpolitischen Drucks richtete Präsident Su-


harto als bislang weitreichendste Anpassungsmaßnahme 1993 eine nationale Men-
schenrechtskommission ein, deren Einsetzung eine Woche vor Beginn der interna-
tionalen Menschenrechtskonferenz in Wien bekanntgegeben wurde. Diese nahm in
der Vergangenheit trotz der Abhängigkeit vom Willen des Präsidenten überra-
schend kritisch Stellung zu eklatanten Fällen von Menschenrechtsverletzungen.
Ihre wichtigste Funktion bestand in der Legitimierung des Menschenrechtsdiskur-
ses in Indonesien (Human Rights Watch/Asia 1994: 177; Eldridge 1996: 304). Die
Kommission wurde zum Referenzpunkt für lokale NGOs, internationale Menschen-
rechtsorganisationen und andere Staaten, was ihre innenpolitisch eher schwache
Stellung gegenüber dem Präsidenten und dem Militär stärkte.
Das transnationale Netzwerk gewährleistete in erster Linie Schutz für einzelne
Aktivistinnen und Oppositionspolitikerinnen. Durch die Erzeugung von Druck
»von oben« und »von unten« gelang es, Suharto zu instrumentellen Anpassungslei-
stungen zu zwingen, die sich auch in der innenpolitischen Rhetorik niederschlugen.
Die indonesische Regierung gab öffentlich zu, wenn auch in sehr allgemeiner Form,
daß Folter ein Problem sei. Ansätze zu einem genuinen Dialog über die Menschen-
rechtssituation in Indonesien waren dort erkennbar, wo die indonesische Regierung
inklusive des Militärs ihre Macht durch menschenrechtsfördernde Maßnahmen
nicht gefährdet sahen (vgl. Suryadinata 1997: 275). Das Beispiel der nationalen
Menschenrechtskommission zeigt jedoch, daß es transnationalen Akteuren über
diese instrumentelle Anpassung gelang, die Regierung in ihre eigene Rhetorik zu
verstricken und die Grenzen des politisch Möglichen sukzessive zu erweitern.
Eine ähnliche Entwicklung ist in Kenia zu verzeichnen. Zu den seit 1989/90 von
der Regierung gemachten Konzessionen zählen die verbesserte Pressefreiheit seit
1989, die Wiederherstellung der formalen richterlichen Unabhängigkeit 1990, die
Wiedereinführung des Mehrparteien systems Ende 1991, die Tolerierung von unab-
hängigen Menschenrechtsorganisationen im Lande seit 1992, die Schaffung zweier
Menschenrechtsorgane 1995 bzw. 1996 und die Unterzeichnung der internationalen
Anti-Folter- Konvention Anfang 1997. Entsprechend unserer Erwartungen handelte
es sich hierbei vorwiegend um Fälle instrumenteller Anpassung, in denen die kenia-
nische Regierung regelmäßig wenige Tage vor Gebertreffen taktische Konzessionen
bekanntgab. Parallel zu der langsamen Öffnung des politischen Systems setzte das
Regime seinen Repressionskurs mit einigen Modifikationen fort (Mair 1994: 32f)-
So kam es nach der Wiedereinführung von Mehrparteienwahlen zu »ethnischen Aus-
einandersetzungen«, in deren Zusammenhang hochrangige Politiker der Regierungs-
partei als Anstifter genannt wurden.1 1
Trotz dieses auffälligen Zusammenhangs zwischen Gebertreffen, taktischen Kon-
zessionen und der fortgesetzten Repression können die Veränderungen nicht ein-
fach auf den Druck westlicher Staaten zurückgeführt werden. Erstens haben die Ge-
berstaaten erst nach einer anhaltenden Mobilisierung des Netzwerks seit 1984 ihren

11 Vgl. Harnischfeger (1994); Haugerud (1995: 38); Republic of Kenya (1992: 9); Africa
Watch/Human Rights Watch (1993).

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(immer noch ungleichmäßigen) Druck auf Kenia verstärkt. Zweitens ergibt die Eva-
luierung der strategischen und ökonomischen Interessen der wichtigsten westlichen
Partner Kenias, daß sich diese durch das Ende des Kalten Krieges nur unwesentlich
verändert haben. Aufgrund des ökonomischen Engagements, der relativ hohen Zahl
britischer Staatsbürger in Kenia und der durch politische Unruhen steigenden Ge-
fahr eines Zustroms von Flüchtlingen, steht für Großbritannien weiterhin politische
Stabilität im Vordergrund. Die USA hat zwar rhetorisch häufig eine deutlich kritische
Position gegenüber Präsident Moi bezogen, doch bleibt sie immer wieder auf des-
sen strategische Hilfe angewiesen. In den neunziger Jahren galt dies insbesondere
für den Golfkrieg und die Intervention in Somalia (Hempstone 1997: 172-231).
Insbesondere im Vorfeld der zweiten Mehrparteienwahlen Ende 1997 nahm die
internationale und innenpolitische Mobilisierung wieder stark zu. Zugleich entfernte
sich die kenianische Regierung zunehmend von einer Position des grundsätzlichen
Leugnens und begann einen offeneren Menschenrechtsdialog mit ausgewählten Ak-
teuren wie Amnesty International. Drei weitere umfassende Berichte (African
Rights 1996; Human Rights Watch/Africa 1997a, 1997b) und die Gründung einer
oppositionellen Sammlungsbewegung für eine Verfassungsreform setzten das Re-
gime weiter unter Druck. Im Vergleich zur Situation der frühen neunziger Jahre
reagierte das Regime mit einer stärkeren Öffnung. Im Juni 1997 wurde eine Amne-
sty-Delegation unter Führung des Generalsekretärs Piere Sané von hochrangigen
Vertretern der kenianischen Regierung empfangen (Amnesty International 1997 a,
1997b). Die nun eingeleiteten (allerdings unzureichenden) Reformen zeigten immer
weniger die Merkmale taktischer Konzessionen, sondern markierten erstmals ein-
setzende Prozesse der Argumentation und Institutionalisierung.
Auch die marokkanische Staatsführung begann ab 1990, mit taktischen Konzessio-
nen auf den wachsenden internationalen Druck zu reagieren (Amnesty International
1994: 79). Den Auftakt hierfür bildete die erwähnte Einladung des marokkanischen
Königs an Amnesty International. Die Amnesty-Delegation präsentierte nach ihrer
Ankunft im Februar 1990 dem König ihren Bericht über die garde -à-vue-W&ïi (Amne-
sty International 1990), der nach der Rückkehr der Delegation veröffentlicht wurde.
Dies verurteilte der König als Verletzung des diplomatischen Protokolls und veran-
laßte als Gegenreaktion eine groß angelegte Anzeigenkampagne in allen namhaften
europäischen Tageszeitungen, die den Amnesty- Bericht als Verunglimpfung Marokkos
im Ausland verurteilte (Waltz 1995: 207). Mit dieser Gegenreaktion wechselte der
König seinen Handlungsmodus. Er begann mit einer taktischen Maßnahme, sich auf
eine moralische Argumentationsebene einzulassen. Damit setzte sich die marokkani-
sche Staatsführung selbst ins Rampenlicht der internationalen Öffentlichkeit. Der in
der Folge verstärkte internationale Protest (vor allem aus Europa) ermutigte die
innenpolitische Opposition, ihrerseits nun ebenfalls verstärkt moralische Argumenta-
tionen zu benutzen. Oppositionsparteien und die Presse verbreiteten die Menschen-
rechtskritik auf Kongressen und durch Veröffentlichungen in marokkanischen Zeitun-
gen. Die wichtigsten marokkanischen Menschenrechtsgruppen veröffentlichten 1990
gemeinsam mit der Juristenvereinigung und der Moroccan Bar Association eine ma-
rokkanische Charta der Menschenrechte (Faath 1992: 402f). Der vom König selbst

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eingeleitete Prozeß der öffentlichen moralischen Bewußtseinsbildung innerhalb der


marokkanischen Gesellschaft war nun nicht mehr zu stoppen und übertrug sich auch
auf die Ebene des Parlaments. Hier wurde der erste Mißtrauensantrag gegen die Re-
gierung gestellt (Lawless 1994: 726). Das Verhalten des Königs und seine Fehlein-
schätzungen der Situation führten zu einem allmählichen Verlust der traditionellen
Definitionsmacht der Staatsführung über die interne Menschenrechtspolitik.
Im Laufe dieses öffentlichen Kommunikationsprozesses, der sich sowohl auf der in-
ternationalen als auch auf der nationalen Ebene abspielte, wurde der König allmählich in
die Menschenrechtsnormen hineinsozialisiert. Als zentraler Regierungsakteur mußte
er von der Notwendigkeit eines Politikwandels überzeugt werden. Seine Definition
der marokkanischen Identität stand zunehmend zur Disposition. Die taktischen Kon-
zessionen des Königs waren in Marokko Bestandteil eines ständigen öffentlichen Ar-
gumentationsprozesses auf der innenpolitischen Ebene, die in der Folge bis heute po-
sitive Auswirkungen auf die Menschenrechtssituation in Marokko hatte. Neu geschaf-
fene Menschenrechtsinstitutionen bildeten eine Art strukturellen Rahmen, der letztlich
die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen nichtstaatlichen und staatlichen Akteu-
ren in Marokko verbesserte. Die Ernennung des »Conseil Consultative des Droits de
l'Homme« (CCDH) leitete im April 1990 die Institutionalisierung des Menschen-
rechtsbereichs in Marokko ein (Faath 1992: 410). 1991 entstand zusätzlich die Direction
des Libertés Publiques im Innenministerium (Basii et al. 1994: 499). Nach der marok-
kanischen Verfassungsänderung vom September 1992 wurde in der Präambel erstmalig
ausdrücklich auf die internationalen Normen Bezug genommen, was den nationalen
Menschenrechtsorganisationen eine neue Referenzmöglichkeit für ihre Kritik bot. Im
November 1993 richtete der König ein Menschenrechtsministerium unter breiter Be-
teiligung der wichtigsten nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen ein. Im Zu-
sammenhang mit den Wahlen 1997 wurde der ehemalige Menschenrechtsminister
Omar Azziman zum Justizminister ernannt und konnte in dieser Position effektive in-
stitutionelle Verbesserungsmaßnahmen ergreifen. Nach allgemeiner Einschätzung
internationaler Beobachterinnen hat sich die marokkanische Menschenrechtssituation
inzwischen deutlich verbessert (Amnesty International 1994: 68-83; Engelhardt 1996;
Hegasy 1997: 171). In Marokko kann also von einem Prozeß der kontrollierten Libera-
lisierung ausgegangen werden, der bisher nicht gestoppt wurde.
Die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Marokko steht in starkem Kon-
trast zur Entwicklung in Tunesien. Hier wurde die Phase der taktischen Konzessionen
1987 mit einem eliteninternen Machtwechsel - Absetzung des Präsidenten Bourguiba
unter Berufung auf seine altersbedingte Unzurechnungsfähigkeit - eingeleitet. Der am-
tierende Premierminister Ben Ali übernahm die Präsidentschaft und kündigte eine so-
fortige Verbesserung der Menschenrechtssituation an. Die neue tunesische Staats-
führung erkannte die internationalen Menschenrechtsnormen an und verpflichtete sich
rhetorisch auf ihre Einhaltung. Durch taktische Konzessionen wurde die nationale und
internationale Menschenrechtskritik entschärft und eine weitergehende Mobilisierung
des transnationalen Netzwerks gestoppt. Nach kurzer Amtszeit Ben Alis wurde jedoch
deutlich, daß er die rhetorische Selbstverpflichtung nicht in die Praxis umsetzte. Ver-
schiedene Institutionalisierungsmaßnahmen zwischen 1991 und 1993 hatten zunächst

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den Eindruck einer dauerhaften Verbesserung der Situation erweckt. Die tunesische
Regierung richtete 1991 eine Menschenrechtskommission, beratende Menschen-
rechtsbüros und Sonderabteilungen in den Ministerien ein und ernannte einen Sonder-
beauftragten des Präsidenten für Menschenrechtsfragen. Auch die Ernennung eines
»médiateur administratif« (Ombudsmanns) 1993 zur Entgegennahme von Individual -
beschwerden erschien anfangs als positive Regierungsmaßnahme, obwohl sich bald
herausstellte, daß er Bestandteil des staatlichen Repressionsapparates war. Nach Be-
richten von Amnesty International und anderen internationalen Beobachterinnen blieben
diese institutionellen Maßnahmen wirkungslos bis kontraproduktiv. 1992 befanden
sich mehr als 3.000 politische Gefangene unter dem Vorwurf des Islamismus nach un-
fairen Gerichtsprozessen in Haft. Die nationale und internationale Kritik wegen der
fortlaufenden Folterpraxis und wachsenden Repression gegen Oppositionelle setzte er-
neut ein (Macha 1994; Callies de Salies 1995; Ibrahimi 1997).
Der tunesische Fall zeigt, daß ohne eine umfassende interne und internationale
Mobilisierung des transnationalen Menschenrechtsnetzwerks keine langfristige Ver-
besserung der Menschenrechtssituation erreicht werden kann. Diese Mobilisierung
wiederum wird nur erreicht, wenn paradoxerweise die taktischen Konzessionen der
Zielregierung erst nach einer Phase des Leugnens erfolgen, die zur Netzwerkmobili-
sierung beiträgt. Zwar wurden die fortwährenden Verschlechterungen der Men-
schenrechtssituation in Tunesien weiterhin international dokumentiert, dies löste je-
doch bis 1997 keine nennenswerte innergesellschaftliche und internationale
Reaktion aus. Damit bestätigt die ausbleibende Verbesserung der Menschenrechte in
Tunesien den in unserem Spiralmodell erwarteten Verlauf des Sozialisationsprozesses.

4.4. Phasen 4 und 5: Präskriptiver Status und normkonformes Verhalten

Bisher können wir von zwei der von uns untersuchten Länder (Philippinen, Uganda)
sagen, daß hier internationale Menschenrechtsnormen präskriptiven Status im Sinne
der internen Anerkennung und Institutionalisierung erreicht haben. Marokko befindet
sich unserer Einschätzung nach im Übergang zur vierten Phase. Auf den Philippi-
nen und in Uganda gelangte eine voll mobilisierte und gut organisierte Opposition an
die Macht. In Uganda übernahmen die Rebellen der National Resistance Movement
(NRM) unter der Führung von Yoweri Museveni im Januar 1986 die Macht. Muse-
veni war es bereits während des Bürgerkriegs gelungen, die internationale und in-
nenpolitische Mobilisierung gegen das menschenrechtsverletzende Obote-Regime
in eine Unterstützung seiner Rebellen umzuwandeln. Während die eigenen Soldaten
mit harten Strafen für Vergehen gegen die Zivilbevölkerung bestraft wurden, ge-
lang es Museveni vor allem auch im Ausland, sich als Verteidiger der Menschen-
rechte und glaubwürdige Alternative darzustellen (Weyel 1995: 555). Auf den Phi-
lippinen existierte dagegen ein breiter Konsens über die Durchsetzung von
Menschenrechten, der die gesamte legale Opposition sowie bewaffnete Untergrund-
organisationen umfaßte. Corazón Aquino übernahm hier im Februar 1986 nach einer
friedlichen »People Power«-Revolution die Macht und setzte Ferdinand Marcos ab.

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Menschenrechtsstandards erlangten somit in beiden Ländern unmittelbar nach


den Machtübernahmen präskriptiven Status. Die ugandische und die philippinische
Regierung verpflichteten sich jeweils zur Einhaltung von Menschenrechten, indem
sie den Pakt über Politische und Bürgerrechte einschließlich des Fakultativproto-
kolls zur Individualbeschwerde und die Anti-Folter-Konvention unterzeichneten
und ratifizierten. In den folgenden Jahren kam es zu einer schrittweisen Umsetzung
dieser internationalen Verpflichtungen in die nationalen Gesetzgebungen. Auf den
Philippinen fand diese Umsetzung relativ kohärent statt: Die Aquino- Administration
führte das Recht auf Haftprüfung wieder ein, Folter und jedwede Form von Isola-
tionshaft sind verfassungsrechtlich verboten (Green 1989: 188f). In beiden Ländern
besteht die Möglichkeit der Individualbeschwerde: Auf den Philippinen wurde
1986 zunächst eine präsidentielle Menschenrechtskommission eingerichtet, die
1987 von einer verfassungsrechtlich verankerten Menschenrechtskommission ab-
gelöst wurde. In Uganda standen der Bevölkerung seit 1986 mit der Untersuchungs-
kommission zu Menschenrechtsverletzungen und dem Inspector General for Go-
vernment (IGG) zwei individuelle Beschwerdeverfahren zur Verfügung.
In der Praxis ging die formale Umsetzung von Menschenrechtsnormen in die na-
tionale Verfassung oder Gesetzgebung jedoch nicht mit einer sofortigen und auto-
matischen Verbesserung der Menschenrechtssituation einher. Insbesondere auf den
Philippinen erforderte es fortgesetzten Drucks »von oben« und »von unten«, um
reale Verbesserungen herbeizuführen. Im Zuge der Bekämpfung der bewaffneten
Untergrundbewegung »New People's Army« kam es auch unter Aquino zu Men-
schenrechtsverletzungen durch paramilitärische Gruppen. Viele sogenannte präsi-
dentielle Dekrete, die noch aus der Marcos-Zeit stammten, blieben bis 1992 gültig
und wurden von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen für anhaltende Ver-
stöße gegen Menschenrechte auch an Zivilpersonen verantwortlich gemacht. Hier
ebenso wie in Uganda erwiesen sich die Organe zur Individualbeschwerde zunächst
als unfähig, ihre Aufgaben zufriedenstellend zu erfüllen (Oloka-Onyango 1993).
Eine fortgesetzte Bewegung in Richtung auf normkonformes Verhalten (Phase 5)
kann im wesentlichen auf anhaltenden (innenpolitischen) Druck auf die ugandische
und philippinische Regierung sowie auf eine Abnahme der Zusammenstöße zwi-
schen Regierungstruppen und Rebellen- bzw. Untergrundorganisationen zurückge-
führt werden. In beiden Ländern ist eine langsame, aber stetige Verbesserung der
Menschenrechtssituation beobachtbar, die der Institutionalisierung von Menschen-
rechten in der nationalen Gesetzgebung folgte. In Uganda trat im Oktober 1995 eine
neue Verfassung in Kraft, deren erweiterter Grundrechtskatalog die international
eingegangenen Verpflichtungen widerspiegelt. Der Schutz der Bevölkerung gegen
Übergriffe durch die Armee wurde durch entsprechende Regelungen seit 1986 er-
weitert (Amnesty International 1989: 15). Mit der neuen Verfassung wurde eine
Menschenrechtskommission eingesetzt, die im Vergleich zum Inspector General
for Government (IGG) mit umfassenderen Kompetenzen ausgestattet ist.
Auf den Philippinen wurde die Dokumentations- und Überzeugungsarbeit durch
einen wesentlich verbesserten Zugang von Menschenrechtsorganisationen im Land
und eine freie Presse erleichtert. Dies sorgte für anhaltenden Druck auf die Aquino-

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und die nachfolgende Ramos-Administration, weitere menschenrechtsfördernde


Maßnahmen einzuleiten. Internationale Beobachter kritisierten weiterhin anhaltende
Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Bekämpfung von Untergrundbewegungen,
die Kriminalisierung von politischen Oppositionellen und besonders die Straflösig-
keit von Menschenrechtsverletzern (Lawyers Committee for Human Rights 1988,
1990; PAHRA 1996). In Uganda werden im größten Teil des Landes die hier unter-
suchten Menschenrechte überwiegend eingehalten. In den Grenzgebieten zum ehe-
maligen Zaire (Republik Congo) und zum Sudan kommt es jedoch immer wieder zu
Verletzungen der Menschenrechte (Amnesty International 1996: 504).
Beide Regierungen zeichnen sich inzwischen durch überwiegend rhetorisch konsi-
stentes Verhalten aus. Sie reagieren auf Anschuldigungen von internationalen und na-
tionalen Menschenrechtsorganisationen, indem sie gravierende Mißstände anerken-
nen. Am deutlichsten wird der rhetorische Wandel im Verhalten gegenüber
individuellen Menschenrechtsorganisationen. Diese werden in der Regel nicht mehr
denunziert, sondern als gleichwertige Akteure anerkannt, deren Kooperation teilweise
sogar gesucht wird. Exemplarisch dafür ist die Reaktion der ugandischen Regierung
auf einen Bericht von Amnesty International 1995, in der die Regierung zugesteht,
daß »Amnesty generally has a proper appreciation of the country's human rights si-
tuation« (Republic of Uganda 1994: 2). Ähnlich reagierte die philippinische Delegation
in den letzten Jahren auf Vorwürfe von Nichtregierungsorganisationen in der Men-
schenrechtskommission der Vereinten Nationen, in der sie immer wieder die Unter-
stützung dieser Organisationen bei der weiteren Verbesserung der Menschenrechts-
situation einklagte.
Sowohl in Uganda als auch auf den Philippinen stellen Rebellenaktivitäten, ein
schlecht ausgebildeter Polizeiapparat, Korruption im Justizwesen und die ungenü-
gende Umsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien nach wie vor Herausforderungen für
eine Normeinhaltung dar. Durch das faktische Auslassen der dritten Phase fehlt es in
Uganda bis heute an einer etwa mit Kenia vergleichbaren gesellschaftlichen Mobili-
sierung für Menschenrechte als Voraussetzung für deren dauerhaften Schutz auch
nach dem Ende der Herrschaft des »benevolent dictator« Museveni. Auf den Philip-
pinen geht dagegen der stärkste Institutionalisierungsdruck von einer aktiven Zivil-
gesellschaft aus (Casiple 1995: 83), die im Zusammenspiel mit einem starken Präsi-
denten (Ramos) Verbesserungen im Menschenrechtsbereich hervorgebracht hat.
Die Habitualisierung in der Bürokratie schreitet dagegen nur langsam voran oder
stockt sogar. So hat die staatliche Menschenrechtskommission seit 1995 nicht mehr
auf Anfragen der thematischen Prozeduren der Vereinten Nationen zu einzelnen
Menschenrechtsverletzungen reagiert.

5. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Prozesse innenpolitischen Wandels in vielen Staaten werden zunehmend von in-


ternationalen Normen beeinflußt. Diese Normen werden von Akteuren weiterent-
wickelt und vertreten, die sich in transnational operierenden Netzwerken organisieren

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und damit zumeist staatliche Entscheidungsträger zugleich »von oben« und »von
unten« zu sozialisieren suchen. Damit behaupten wir nicht die Entstehung oder Ent-
deckung einer neuen Klasse von determinierenden Strukturen und Akteuren, son-
dern betonen zunächst einmal die Relevanz von Normen und der Gruppen, die diese
im Bereich der internationalen Menschenrechtspolitik vertreten. Mit dem Spiral-
modell zeigen wir im weiteren nicht nur, wie es diesen Akteuren gelingt, insbeson-
dere nicht-materielle Machtressourcen zu mobilisieren, sondern wir geben darüber
hinaus Bedingungen für deren Erfolg oder Mißerfolg an. Hierbei spielen die Über-
gänge zwischen den einzelnen Phasen eine entscheidende Rolle. Dies gilt insbeson-
dere zwischen den Phasen zwei und vier, da wir dort jenseits der instrumentellen
Rationalität alternative Handlungsmodi feststellen konnten.
Aktivistinnen von transnationalen Menschenrechtsnetzwerken nehmen staatliche
Repressionen zum Anlaß, die verantwortlichen Regierungen zunächst vor der interna-
tionalen Öffentlichkeit anzuklagen. Zu diesem Zweck nutzen sie international veran-
kerte Normen, in deren Sprache sie häufig ihre Anschuldigungen kleiden. In allen
Fällen konnte gezeigt werden, daß es nicht-staatliche Organisationen wie Amnesty
International waren, die vorher wenig oder nicht bekannte Informationen über Men-
schenrechtsverletzungen in der internationalen Öffentlichkeit verbreitet haben. Mit
der Ausnahme von Tunesien reagierten alle angeklagten Regierungen zunächst mit
dem Leugnen der Anschuldigungen und einem Rückgriff auf das Prinzip der Nicht-
einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Bereits hier zeigt sich eine
Normwirkung, da in der Regel die Regierungen eine öffentliche Entgegnung einer
prinzipiell ebenfalls möglichen Nichtbeachtung der Vorwürfe vorziehen. Staatliche
Akteure sind hier der Meinung, daß die Norm der Nichteinmischung höher zu bewerten
sei als die Menschenrechtsnormen. Damit beginnt im Übergang zu Phase zwei (Leug-
nen) bereits ein Diskurs über die Gültigkeit von Normen, der über den reinen Aus-
tausch von Informationen zu den jeweiligen Interessen hinausgeht. Allerdings wird
dieser Diskurs zunächst überwiegend rhetorisch und instrumenten geführt, so daß die
Regierungen ihn als weitgehend unproblematisch ansehen. Problematischer erschei-
nen sowohl der Übergang von der Phase des Leugnens zu taktischen Konzessionen,
als auch die folgende Etablierung des präskriptiven Status. Hier geht es nicht mehr
nur um den Austausch von feststehenden Präferenzen und das taktische Aushandeln
bestehender Interessen, sondern um die grundsätzliche Veränderung der Vorausset-
zungen, unter denen die relevanten Akteure ihre Interessen kalkulieren.
Die ausgewählten Fälle zeigen zunächst, daß eine fortgesetzte Netzwerkmobili-
sierung und die Verwundbarkeit des jeweiligen Ziellandes von besonderer Bedeu-
tung für den Übergang zu Phase drei (Taktische Konzessionen) sind. Für Kenia
konnte nachgewiesen werden, daß die transnationale Mobilisierung zwischen 1984
und 1990 nicht nur das internationale Image des Landes und damit die Perzeptionen
der Geberländer nachhaltig verändert hat. Zudem resultierten diese Aktivitäten in
einer deutlichen Erweiterung des innenpolitischen Spielraums für gesellschaftliche
Akteure, als weitere Voraussetzung für verstärkten Druck »von unten« und »von
oben«. Auch im Falle Indonesiens und der Philippinen wurde die Verwundbarkeit
mittelbar über die Mobilisierung von materiellem Geberdruck (mit-)erzeugt. Für

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Marokko spielte dagegen vor allem der direkte Angriff auf das internationale Image
des Königs und damit nicht-materielle Faktoren eine wichtige Rolle. Von entschei-
dender Bedeutung für diese (und die folgende) Phase ist die Wirkung von takti-
schen Konzessionen als rhetorische Selbstverpflichtung. Auch wenn diese lediglich
mit instrumenteilen Absichten zur Abwehr weiterer Kritik eingeführt werden, die-
nen sie in vielen Fällen als zusätzliche Argumente für eine verbesserte Einhaltung der
Menschenrechte. Auch hier spielen die transnationalen Netzwerke eine entschei-
dende Rolle, da sie Widersprüche zwischen rhetorisch eingegangenen Konzessio-
nen und Handeln aufzeigen, zusätzliche Maßnahmen fordern und damit zur Ver-
wicklung einer Regierung in den Menschenrechtsdiskurs beitragen.
Während der dritten und im Übergang zur vierten Phase (Präskriptiver Status) läßt
die Empirie ebenfalls wichtige Rückschlüsse für die theoretischen Annahmen und
alternativen Erklärungen zu. Indonesien und Kenia zeigen exemplarisch, daß takti-
sche Konzessionen von fortgesetzter Repression begleitet sein können. Zusätzlich zu
diesen beiden Fällen bietet Tunesien ebenfalls ein Beispiel dafür, mit welchen Hand-
lungsoptionen Regierungen eine wirksame Mobilisierung untergraben oder zumin-
dest verzögern können. Es überrascht deshalb nicht, daß ein Übergang zu Phase vier
(bisher nur Philippinen und Uganda) jeweils mit einem Regierungswechsel verbunden
war. Dennoch treten gerade in dieser dritten Phase (Taktische Konzessionen) Hand-
lungsmodi auf, die nicht dem Modell der instrumenteilen Rationalität entsprechen.
Unter dem Einfluß transnationaler Menschenrechtsnetzwerke und einer wachsenden
innenpolitischen Mobilisierung werden die staatlichen Akteure zur Rechtfertigung
einer widersprüchlichen Politik zwischen Repressionen und Konzessionen gezwun-
gen. Während Fälle weiterer Repression zur Entlarvung der rhetorisch gemachten
Konzessionen dienen, werden zugleich die Konzessionen als zusätzliche Anknüp-
fungspunkte für Anklage oder Dialog genutzt. Sowohl Repressionen als auch Kon-
zessionen verfehlen damit das von den Regierungen gesteckte Ziel, die Kontrolle
über den Menschenrechtsdiskurs zurückzugewinnen. Schließlich erwarten wir beim
Übergang von der vierten zur fünften Phase (Normgeleitetes Verhalten) die Domi-
nanz von Institutionalisierungs- und Habitualisierungsprozessen. Hierbei sind die
handlungsleitenden Normen im wesentlichen unbestritten und es erfolgt deren
Internalisierung in das jeweilige politische System des Landes.
Diese Ergebnisse haben theoretische Konsequenzen sowohl für die Lehre von
den Internationalen Beziehungen als auch für die vergleichende Analyse politischer
Systeme. In beiden Teil-Disziplinen der Politikwissenschaft werden hierbei zwei al-
ternative und vorwiegend materiell-strukturalistische Erklärungen herausgefordert,
die entweder eine ausschließlich innenpolitische (Modernisierungsansätze) oder ex-
terne (Neorealismus) Perspektive einnehmen (vgl. dazu auch Hartmann 1997).
Aber auch im Bereich der akteurszentrierten Demokratisierungsforschung stellt die
hier entwickelte Perspektive einen wichtigen Beitrag dar. Im folgenden soll dies in
Kürze erläutert werden.
Die vergleichende Auswertung der Fallstudien hat ergeben, daß die Menschen-
rechtsentwicklung in den ausgewählten Ländern keine systematische Korrelation
mit der jeweiligen ökonomischen Entwicklung aufweist. Diese fehlende Korrelation

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widerlegt die kausale Grundaussage des Modernisierungsparadigmas, demnach


ökonomische Entwicklung die wichtigste Voraussetzung für eine Demokratisierung
darstellt. Einzelne Länder (z.B. Philippinen und Uganda) legen sogar eher einen
umgekehrten Wirkungspfad nahe: Eine verbesserte Einhaltung des Kerns der bür-
gerlich-politischen Menschenrechte hat signifikant positive Auswirkungen auf die
wirtschaftliche Entwicklung. Obwohl aufgrund der Auswahl der Fälle und abhängi-
gen Variable keine abschließenden Aussagen über den kausalen Zusammenhang
gemacht werden können, spricht unsere Evidenz deutlich gegen eine ausschließlich
innenpolitische und materialistische Erklärung politischen Wandels.
Damit fügen sich unsere Ergebnisse in einen allgemeinen Trend innerhalb der
Demokratisierungsforschung ein, deren prominenteste Vertreter (O' Donneil/
Schmitter 1986; Przeworski 1986) von objektiv -Struktur eilen Faktoren Abstand
nehmen und statt dessen eine dezidiert akteurszentrierte Sichtweise von Transi-
tionsprozessen entwickelt haben (vgl. Schmitz 1998). So weisen Przeworski/Li-
mongi (1997) in ihrer Überprüfung quantitativer Studien zu diesem Thema darauf
hin, daß in der entsprechenden Literatur häufig die abhängigen Variablen Demokra-
tie und Demokratisierung nicht unterschieden werden. Die Aussage, daß relativ
wohlhabende Demokratien eine vergleichsweise höhere Überlebenschance haben
als ärmere Demokratien, belegt eben gerade nicht die kausale Wirkung von ökono-
mischer Entwicklung auf Demokratisierung.
Im Bereich der Internationalen Beziehungen fordern die Ergebnisse vor allem
(neo-)realistische Erklärungen heraus. Hier kommen wir aufgrund unserer Fallstu-
dien zu dem Schluß, daß die von Neorealisten hervorgehobenen Wirkungsmecha-
nismen als Teil unserer Netzwerkerklärung integriert werden können. Zwei Ergeb-
nisse stechen besonders hervor. Erstens kann ein systematischer und konsistenter
zwischenstaatlicher Druck im Sinne der Verbesserung von Menschenrechten weder
vor noch nach dem Ende des Kalten Krieges gegenüber den ausgewählten Ländern
festgestellt werden. Kommt es zweitens tatsächlich einmal zur Anwendung von
Zwang, ging dies stets auf eine vorhergehende und anhaltende Mobilisierung durch
das Netzwerk zurück. Die (neo-)realistische Erklärung innenpolitischen Wandels
(unter der Bedingung existierender formaler externer Souveränität) ist somit selbst
Teil des hier vorgestellten Bumerang-Effekts und keine eigenständige Alternative.
Neben dieser deutlichen Abgrenzung gegenüber materiell-strukturalistischen Er-
klärungen, fordern die hier vorgestellten Ergebnisse aber auch bestehende akteurs-
zentrierte Ansätze und deren Annahmen über Demokratisierungsprozesse heraus.
Häufig wird auch hier sowohl die internationale Dimension gesellschaftlichen
Wandels als auch die Rolle nicht-materieller Faktoren vernachlässigt. Als Beispiel
soll hier kurz auf das Konzept der »Strategischen- und Konfliktfähigen Gruppen
(SKOG)« eingegangen werden, wie es von den Bielefelder Soziologen E vers und
Schiel (1988) entwickelt und später von Schubert, Tetzlaff und Vennewald (1994)
auf die Analyse von Demokratisierungsprozessen übertragen wurde.
In der Analyse von Schubert et al. (1994) können die Menschenrechtsnetzwerke als
Teil der konfliktfähigen (Oppositions-)Gruppen angesehen werden. Für den Erfolg
dieser Gruppen bei der Durchsetzung ihrer Forderungen sind danach vor allem die

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Faktoren Institutionalisierung, Geschlossenheit, Glaubwürdigkeit, Mobilisierungspo-


tential und Legitimation verantwortlich (Schubert et al. 1994: 69). Problematisch hieran
ist vor allem, daß diese Faktoren häufig erst am Ende des Mobilisierungsprozesses ste-
hen, also bereits den Erfolg einer Bewegung statt dessen Voraussetzungen abbilden.
Gegenüber diesen allgemein gehaltenen Kategorien zeigen wir, daß Mitglieder von
Menschenrechtsnetzwerken mit Hilfe moralischer Bewußtseinsbildung und Argumen-
tation mobilisieren, wie sie dadurch gerade auch nicht-materielle Machtressourcen zu
nutzen wissen, welche Wirkungen dies auf die jeweilige Legitimität von anderen Ak-
teuren hat und wie die internationale Arena hier als entscheidende Opportunitäts-
struktur genutzt werden kann. Im Vergleich zu den vorgeschlagenen zwei separaten
Welten der »objektiv-strukturellen und subjektiv-handlungsspezifischen Faktoren
gesellschaftlicher Entwicklung« (Schubert et al. 1994: 57) stellt unser Modell mit
größerer Systematik und Spezifität die Interaktion von staatlichen und nicht-staatli-
chen Akteuren, internationalen und innenpolitischen Prozessen sowie materiellen und
nicht-materiellen Faktoren dar. Netzwerke bieten dazu einen Rahmen, um die Folgen
der zeitweisen oder dauerhaften Integration von Akteuren jenseits unterschiedlicher
sozialer und geographischer Positionen zu erfassen.
Schließlich können unsere Forschungsergebnisse als eine der ersten empirischen
Beiträge zu der in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen in den letzten Jahren
geführten Debatte über die Relevanz kommunikativen Handelns und argumentativer
Überzeugungsprozesse gelesen werden. Zwar läßt sich im Rahmen eines kurzen Auf-
satzes die empirische Relevanz von Dialog und Argumentationsvorgängen nur andeu-
tungsweise zeigen (vgl. ausführlicher die Beiträge in Risse et al. 1999). Wir meinen
aber belegen zu können, daß argumentative Überzeugungsprozesse eine notwendige
Bedingung für die Sozialisation internationaler Normen in innenpolitische Praxis dar-
stellen. Insbesondere läßt sich in den öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen
menschenrechtsverletzenden Regimen und ihren innenpolitischen bzw. transnationa-
len Kritikerinnen ein gradueller Übergang von einem argumentativen Schlagab-
tausch, der dem Modell des instrumenteil motivierten rhetorischen Handelns ent-
spricht (vgl. Schimmelfennig 1997), zu einem Handlungsmodus zeigen, der empi-
risch kaum noch von einem dialogischen und den Kriterien argumentativen Handelns
genügenden Kommunikationsprozeß zu unterscheiden ist. Das marokkanische Fall-
beispiel kommt diesem Handlungsmodus am nächsten, aber auch für Kenia und Indo-
nesien lassen sich solche Prozesse ansatzweise nachweisen. Wir behaupten keines-
wegs, daß es sich hierbei um eine »ideale Sprechsituation« im Habermasschen Sinne
handelt (Habermas 1981, 1992), denn es fehlt selbstverständlich das Element der
Freiwilligkeit. Menschenrechtsverletzende Regierungen werden sozusagen von den
innenpolitischen und transnationalen Netzwerken »zum Dialog gezwungen« - oder
aus dem Amt verjagt wie in Uganda und auf den Philippinen. Aber es handelt sich vor
allem in der Übergangsphase von taktischen Konzessionen zum präskriptiven Status
um argumentatives Handeln als »kontrafaktische Präsupposition« (Habermas 1981).
Beide Seiten - Kritikerinnen und Regierungen - erkennen die Legitimität der jeweili-
gen Äußerungen an und diskutieren nun, mit welchen praktischen Maßnahmen den
Menschenrechtsnormen zur innenpolitischen Durchsetzung verholfen werden kann.

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