Vorlesung 1
Worauf beziehen sich die Begriffe…
… Polity?
Strukturen/Regelungen, Beispiel: Verfassung
… Politics?
Prozesse (informal), Beispiel: Willensbildung, Entscheidungen
…. und Policy?
Politikfelder/Inhalte, Beispiel: Gesetze, Programme
Wie heißen die verschiedenen Paradigmen der Analyse des Regierens und was zeichnet sie aus?
Government/Institutionenlehre
Das Government-Paradigma untersucht Verfassungsinstitutionen und deren
verfassungsmäßig festgeschriebenen Kompetenzen. (Wie bilden sie sich heraus, welche
Kompetenzen haben sie?) Die Funktion des Regierens ist hier die Erbringung von
Ordnungs- und Steuerungsleistungen durch den Staat und die Ausübung von Herrschaft.
Es wird nur das verfassungsmäßig festgeschriebene Untersucht, informelle Prozesse
und Akteure werden nicht berücksichtigt. Daher ist die Betrachtungsweise sehr statisch,
zudem wird sich auf typische Regierungssysteme (USA, BRD usw.) konzentriert.
Vorteile sind allerdings eine gute Forschungslage und das Vorliegen von Typologien
und empirisch überprüften Hypothesen.
Gutes Regieren bedeutet hier die Gewährleistung von Stabilität (Regierungsfähigkeit)
und Kontrolle.
Systemtheorie
Nach Eastons Systemtheorie ist ein System definiert durch Strukturen, Prozesse sowie
eine Grenze zu seiner Systemumwelt. Es entwickelt sich um eine bestimmte Funktion
zu erfüllen. Die Funktion des politischen Systems ist die Umwandlung individueller
Interessen in gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen sowie deren
Durchsetzung (daher: Monopol der legitimen Gewaltanwendung, damit Funktion
überhaupt erfüllt werden kann).
Ein politisches System erhält Inputs (in Form von Forderungen/Unterstützung) aus der
Bevölkerung, welches es in Outputs umwandelt (z. B. Gesetze). Eine weitere
Komponente sind die Outcomes, die zwar idealtypisch aus den Outputs entstehen aber
auch durch andere Faktoren beeinflusst werden können (z.B. hängt die Arbeitslosenzahl
nicht nur mit den arbeitspolitischen Maßnahmen eines Staates zusammen, sondern auch
von der allgemeinen Wirtschaftslage).
Informelle Prozesse werden betrachtet aber was in dem politischen System genau
passiert, ist wird nicht untersucht („black box“). Die Systemtheorie ist also ein sehr
abstraktes Paradigma, was den Vorteil mit sich bringt, dass es auf viele Fälle/Bereiche
anwendbar ist, aber auch den Nachteil der Realitätsferne und die Vernachlässigung
einzelner Akteure und deren Interessen.
Gutes Regieren bedeutet hier, dass das politische System die gestellten Anforderungen
erfüllt und sich den Umweltbedingungen anpasst.
Steuerungstheorie/Policy-Zyklus
Hier werden Probleme/Fragestellungen anhand der Politikfelder betrachtet, z.B. die
Energiewende. Es werden die einzelnen Phasen des Zyklus (siehe Folien) betrachtet
sowie Akteure und institutionelle Kontexte.
Dies ist ein problemspezifischer Ansatz, der sehr dynamisch ist, da Veränderungen
schnell erfasst werden und viele Akteure mit einbezogen werden. Allerdings können
keine generalisierbaren Aussagen getroffen werden, da das Paradigma sehr detailliert
und einzelfallorientiert ist.
Gutes Regieren bedeutet hier, dass verantwortliche Akteure von verschiedenen
Interessen und Ressourcenlagen geleitet werden und allgemein verbindlichen
Entscheidungen treffen, die zur Problemlösung beitragen.
Governance
Beim Governance-Ansatz werden koordinierende Arrangements zur Steuerung und
Regulierung gesamtgesellschaftlicher Interessen untersucht. Hierbei werden
verschiedene Koordinationsformen und Akteure (nicht nur staatlich) mit einbezogen
und unterschiedliche „Steuerungs-Modi“ betrachtet (Verhandlung, Wettbewerb,
Hierarchie, Selbst-Regieren,…). Hier wird vor allem ein interdisziplinärer Ansatz
verfolgt und ein realistischeres Bild vom Regieren gebildet, da viele Akteure und
informelle Prozesse mit einbezogen werden. Hauptsächlich wird jedoch die Realität
beschrieben und der Erkenntnisgewinn ist bisher sehr gering.
Gutes Regieren bedeutet hier dass in einem Staat politische Entscheidungen so
diskutiert, getroffen und umgesetzt werden, dass Frieden, Sicherheit, nachhaltige
Entwicklung, Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen sowie die
Verwirklichung der Menschenrechte begünstigt werden.
Vorlesung 3 (Das Grundgesetz)
Welche Funktionen hat eine Verfassung? Was bedeuten diese jeweils?
- Staatsaufbau-, Kompetenz –und Verfahrensfunktion: Institutionelle Grundlagen der
Herrschaftsordnung, -legitimation und -ausübung sowie der Konfliktregelung
- Freiheitssicherungsfunktion: Festlegung der Grenzen der politischen Herrschaft
- Identifikations- und Stabilisierungsfunktion: Verfassung ist Symbol staatlicher
Einheit, sie beinhalten grundlegende politische Werte und Grundsätze des politischen
Zusammenlebens
Was sind die Ziele politischer Herrschaft und wie sind diese im Grundgesetz festgeschrieben?
Ziel politischer Herrschaft ist der Schutz von Freiheit, Beteiligung, Gleichheit, Einrichtungen
und Leistungen. Im Grundgesetz ist dieser Schutz durch die Grundrechte festgehalten (auch in
Kombination mit Art. 20 und Art. 79).
Was besagt das Ewigkeitsgebot und welche Funktion hat es im Rahmen des GG?
- Förderale Staatsaufbau und Artikel 1 und 20 des GG sind nicht veränderbar
- Speziellen Schutz für diese Artikel 1 und 20 und die Bundesratsmitbestimmung war
dem Parlamentarischen Rat sehr wichtig Kern der Verfassung
Vorlesung 4 (Parlamentarismus/Präsidentialismus)
Was ist das zentrale Unterscheidungskriterium von parlamentarischen und präsidentiellen
Systemen?
Das Verhältnis von Exekutive und Legislative steht für die Unterscheidung von
Parlamentarismus und Präsidentialismus im Zentrum. In parlamentarischen Systemen ist dieses
Verhältnis gekennzeichnet durch die Abhängigkeit der Regierung vom Parlament, welche sich
aus der Möglichkeit des Parlaments zur Abberufung der Regierung ergibt. In präsidentiellen
Systemen hingehen hat das Parlament keine Möglichkeit die Regierung abzuberufen, diese ist
also auch nicht von der Parlamentsmehrheit abhängig.
Regierung hat das Recht, das Parlament Keine Auflösung des Parlaments durch die
aufzulösen Regierung
Zugehörigkeit der Regierung zum Parlament Keine Zugehörigkeit der Regierung zum
Parlament (ist verboten)
Formal: Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag
gewählt. Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom
Bundespräsidenten ernannt.
Artikel 65 GG
Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.
Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig
und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den
Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte
nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten
Geschäftsordnung.
(= Richtlinienkompetenz, Ressort- und Kollegialprinzip)
Was spricht dafür/dagegen, dass die BRD eine Kanzlerdemokratie ist? (In einer
Kanzlerdemokratie hat der Kanzler/die Kanzlerin eine herausragende Stellung in der
Regierung)
Pro:
- Als einziges Regierungsmitglied gewählt durch den Bundestag
- Richtlinienkompetenz
- Bei „Abwahl“ (konstruktives Misstrauensvotum, Vertrauensfrage) muss ganze
Regierung zurücktreten
- Entscheidung über Zuschnitt der Ministerien und Auswahl der Minister
- Hat Bundeskanzleramt hinter sich
Contra:
- Abhängigkeit von Machtverhältnissen im Bundestag und parteiinterner Stellung
- Koalitionsregierungen hemmen Spielraum
- Ressortprinzip (Geschäftsbereich eines Ministers wird (innerhalb der Richtlinien
des Kanzlers) selbstständig geleitet)
- Kollegialprinzip (Stimmen sind gleichberechtigt, Vorschläge der Regierung
werden gemeinsam eingebracht)
Was sind politische Strukturen und Fachstrukturen des Bundestages?
- Politische Strukturen: jeweilige Unterteilung in Fraktionen
- Fachstrukturen: Ausschüsse (Ständige Ausschüsse, Sonderausschüsse, Enquête-
Kommissionen, Untersuchungsausschüsse, Vermittlungsausschuss,
Gemeinsamer Ausschuss)
Was sind die Funktionen des Bundestages?
1. Wahl- und Regierungsbildungsfunktion: Wahl z. B. des Bundeskanzlers und des
Bundespräsidenten (letzteren in Bundesversammlung), [zu Regierungsstabilität,
Fragmentierung, Parteiensystemen/Cleavage-Theorie siehe Folien 21 – 25)
Was sind die institutionellen Merkmale von Mehrheits- und Konsensdemokratien? Wie sind
diese Institutionen jeweils in der BRD ausgestaltet?
Mehrheits- Konsens-
Merkmale BRD
demokratien demokratien
Verhältniswahlrecht
(zwar
„personalisiert“, aber
Wahlrecht Mehrheitswahlrecht Verhältniswahlrecht
die Zweitstimme ist
entscheidend für die
Sitzverteilung im BT)
Exekutive-
Parteien- Parteiensystem Zweiparteiensystem Vielparteiensystem Vielparteiensystem
Dimension
Regierung Einparteienregierungen Koalitionsregierungen Koalitionsregierungen
Eher ein
Gleichgewicht
Leg./Ex.
Verhältnis Gleichgewicht
Dominante Exekutive (Parlamentarismus:
Legislative/Exekutive Leg./Ex.
Abhängigkeit der
Regierung vom
Parlament)
BRD ist eher
korporatistisch,
pluralistisch (kleine korporatistisch
allerdings kein
und unabhängige (Dachverbände, mehr
Interessenvermittlung Organisationen, wenig Steuerung durch
typischer Fall eines
korporatistischen
staatliche Regelung) Staat)
Systems (Bsp.:
Tarifautonomie)
unitaristisch
Staatsaufbau (Einheitsstaat)
föderal föderal
Was untersucht Arend Lijphart? Wie geht er dabei vor? Was sind seine Ergebnisse?
- Typenbildung: Mehrheits- und Konsensdemokratien, typische institutionelle Merkmale
(Wahlrecht, Parteiensystem, usw) für jede Demokratieform
- Forschungsfragen:
1. Wirkt sich die Demokratieform (unabhängige Variable) auf die
Leistungsfähigkeit (abhängige Variable) der Demokratie aus?
2. Sind Konsensdemokratien responsiver, aber weniger effizient?
- Operationalisierung:
o Demokratieform: jeweils Operationalisierung und Messung der institutionellen
Merkmale, Zusammenfassung in einer Skala „Grad der Konsensdemokratie“
o Leistungsfähigkeit: Unterteilung in Responsivität und Effizienz, für welche
jeweils diverse Indikatoren festgelegt werden (siehe Folie 15)
- Quantitative Analyse: Multivariate Regression des Effekts von Konsensdemokratie auf die
Indikatoren für die Leistungsfähigkeit
- Ergebnisse:
1. Ja, die Demokratieform wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit aus.
2. Die Ergebnisse sprechen für einen positiven Effekt der Konsensdemokratie
auf Repräsentation/Responsivität.
Konsensdemokratien schneiden bei der Effizienz allerdings nicht schlechter
ab als Mehrheitsdemokratien.
Lijphart würde Konsensdemokratie empfehlen
Vorlesung 7 (Bundesrat)
- Einspruchsgesetze: Alle Gesetze, auf die die Bedingungen für ein Zustimmungsgesetz
nicht zutreffen. Der Bundesrat kann nur einen Einspruch äußern, welcher vom
Bundestag mit absoluter oder qualifizierter Mehrheit zurückgewiesen werden kann.
Eine Enthaltung wirkt hier als „kein Einspruch“.
Warum ist der Bundesrat trotz (zum Bundestag) unterschiedlichen politischen Mehrheiten nicht
automatisch eine Blockadeinstitution?
1. Prozedurale und institutionelle Regelungen stärken die Mehrheitsfähigkeit von
Regierungsvorlagen (z. B. Stellungnahmen des Bundesrats vor Verhandlungen im
Bundestag, Formulierung von Einspruchsgesetzen [Enthaltung = positiv für
Gesetzesvorlage] und damit verbunden das „Splitting“ von Gesetzesvorlagen in
Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen)
2. Nicht nur Parteipolitik spielt im Bundesrat eine Rolle, sondern auch Länderinteressen.
1. Kongruenz
Kongruenter Bikameralismus: Gleiche/Ähnliche Grundlagen der Zusammensetzung
-> Vertretung identischer Interessen
Inkongruenter Bikameralismus: Unterschiedliche Art der Zusammensetzung (Vertretung von
Gliedstaaten oder Bestückung durch Ernennung (BRD)/Vererbung/Entsendung)
-> Vertretung unterschiedlicher Interessen
2. Symmetrie
Machtverteilung zwischen den Kammern (gleich oder ungleich)
Legitimation (direkte oder indirekte Wahl)
Inkongruent Kongruent
Symmetrisch Starker Bikameralismus Mittlerer/Schwacher
(Deutschland, Schweiz, USA, Bikameralismus
Australien) (Italien, Niederlande, Belgien)
Vorlesung 8 (Föderalismus)
Definition und Funktionen von Föderalismus -> siehe Folie 4
Welche Arten von Föderalismus kann man unterscheiden? Wie unterscheiden sich diese?
Es lässt sich zwischen kooperativem Föderalismus (bzw. Verbundföderalismus) und
Wettbewerbsföderalismus (bzw. Trennföderalismus) unterscheiden. Im Verbundföderalismus
sind die Ziele in das Ganze integrierte Glieder und einheitliche Lebensverhältnisse, im
Trennföderalismus hingegen stehen unabhängige, eigenständige Gliedern und einer Vielfalt der
Lebensverhältnisse im Vordergrund. Zu erkennen ist dies an der funktionalen und finanziellen
Verschränkung von Verantwortlichkeiten im Verbundföderalismus und deren Trennung im
Wettbewerbsföderalismus.
Welche Art von Föderalismus haben wir in Deutschland? Woran erkennt man das?
Verbundföderalismus mit starker Politikverflechtung