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Die Parteien

Begriffsbestimmung

In der Politikwissenschaft besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass eine politische


Partei drei Elemente aufweisen muss.
Das erste Element: Es muss sich um einen Zusammenschluss von Menschen, eine Vereini-
gung handeln, die sich durch ein festes Personal, eine feste Organisation und eine gewisse
Dauerhaftigkeit auszeichnet.
Das zweite Element bezieht sich auf die Zielsetzung. Parteien streben die unmittelbare Gestal-
tung öffentlicher Angelegenheiten an. (Öffentliche Angelegenheiten betreffen – anders als
private Angelegenheiten – alle Bürger eines Staates, wie zum Beispiel: Bildung, Steuersystem
oder Energieversorgung)
Das dritte Element ist das Mittel, mit dem die Verwirklichung des politischen Programms
angestrebt wird, nämlich die Eroberung staatlicher Herrschaftspositionen. Der Weg zur Herr-
schaft in Parlament und Exekutive führt über Wahlen. Deshalb ist es für eine politische Partei
begriffsnotwendig, dass sie sich an Parlaments- und gegebenenfalls Präsidentschaftswahlen
mit eigenen Kandidaten beteiligt.

Funktionen der Parteien

• Interessenartikulation: Parteien formulieren öffentlich Erwartungen und Forderun-


gen gesellschaftlicher Gruppen und Kräfte an das politische System.

• Integration: Parteien integrieren unterschiedliche Interessen in eine Gesamtvorstel-


lung von Politik, in ein politisches Programm, für das sie um Zustimmung und um
Mehrheit werben.

• Führungsauslese/Personalrekrutierung: Parteien wählen Personen aus und präsen-


tieren sie bei Wahlen zur Besetzung politischer Ämter.

• Herrschaftsausübung: Die Ausübung der staatlichen Herrschaft auf Zeit ist Aufgabe
der siegreichen Regierungspartei(en), deren Kandidaten die Parlamentsmehrheit bil-
den und die Exekutive stellen.

• Herrschaftskontrolle: Die Hauptaufgabe der Oppositionsparteien besteht in der Kon-


trolle und Kritik der Herrschaftsausübung durch Regierung und Parlamentsmehrheit.

AUFGABEN

1. Definieren Sie unter Einbeziehung der oben genannten drei Elemente:


Unter einer Partei versteht man …
2. Erläutern Sie die Hauptfunktionen der Parteien mit eigenen Worten.
Verfassungsrechtliche Stellung

Gesetz
über die politischen Parteien
(Parteiengesetz)
In der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), zuletzt geändert durch Art. 2
des Gesetzes vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3673)
Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen
§1
Verfassungsrechtliche Stellung und Aufgaben der Parteien
(1) Sie erfüllen mit ihrer freien, dauernden Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes eine
ihnen nach dem Grundgesetz obliegende und von ihm verbürgte öffentliche Aufgabe.
Die Parteien sind ein verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung
(2) Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öf-
fentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss neh-
men, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben
fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung
von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, auf die politische Entwick-
lung in Parlament und Regierung Einfluss nehmen, die von ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Pro-
zess der staatlichen Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem
Volk und den Staatsorganen sorgen.
(3) Die Parteien legen ihre Ziele in politischen Programmen nieder.
(4) Die Parteien verwenden ihre Mittel ausschließlich für die ihnen nach dem Grundgesetz und diesem
Gesetz obliegenden Aufgaben.
§2
Begriff der Partei
(1) Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des
Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des
Volkes im Deutschen Bundes- tag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild
der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl
ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernst-
haftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein.
(2) Eine Vereinigung verliert ihre Rechtsstellung als Partei, wenn sie sechs Jahre lang weder an einer
Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat.

Das Grundgesetz stellt die politischen Parteien – anders


als etwa die Interessenverbände oder die Bürgerinitiativen
– unter einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz,
der auch als Parteienprivileg bezeichnet wird: Ihre Grün-
dung ist frei; keine Regierung kann die unliebsame Kon-
kurrenz neuer Parteien verhindern. Ein Parteienverbot
kann nicht von der Regierung, sondern nur vom Bundes-
verfassungsgericht ausgesprochen werden, und zwar nur
dann, wenn ihre Verfassungsfeindlichkeit, das heißt ihre
Demokratiefeindlichkeit, bewiesen ist.

AUFGABE: Fassen Sie zusammen, welche Bedeutung das Parteiengesetz und das Grundge-
setz den Parteien in Deutschland geben.  
Parteienverbote in einer streitbaren Demokratie

Das Recht, ein Parteienverbot zu beantragen, haben Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung.


Die Entscheidung, ob eine Partei verfassungskonform oder verfassungswidrig ist, trifft allein
das Bundesverfassungsgericht. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bun-
desverfassungsgericht hat die Auflösung der Partei und das Verbot, Ersatzorganisationen zu
schaffen, zur Folge.
In der Geschichte der Bundesrepublik hat es bisher zwei Parteienverbote gegeben: 1952 ge-
gen die Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 gegen die Kommunistische Partei (KPD).
Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat hatten 2001 ein Verbotsverfahren gegen die NPD
beantragt. In dem Verbotsantrag wurden die folgenden „prägenden Wesensmerkmale“ der
NPD aufgelistet und durch entsprechende Quellen und Zitate belegt:
• Ablehnung des Grundgesetzes
• Feindschaft gegenüber Demokratie und Rechtsstaat
• Missachtung und Abqualifizierung der Menschenwürde und der Grundrechte
• Ideologische Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und Fremden
• Totalitäre Partei-Programmatik
• Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus
• Antisemitismus
• Friedensfeindlichkeit, Revisionismus
• Aktiv kämpferisches Verhalten und Gewaltbereitschaft.
Nach eingehender Prüfung des Verbotsantrags lehnte im März 2003 das Bundesverfassungs-
gericht ein Verbot der NPD ab, da aufgrund schwerwiegender Verfahrensfehler die Beweisla-
ge unklar geblieben sei.

AUFGABEN

1. Wer kann ein Parteienverbot beantragen?


2. Warum darf nur das Bundesverfassungsgericht ein Parteienverbot aussprechen?
3. Fassen Sie in einem kurzen Satz zusammen, weshalb gegen die NPD ein Verbotsver-
fahren eingeleitet worden war.
4. Aus welchem Grund kam es zu keinem Verbot der NPD?
5. Beurteilen Sie, wie das Bundesverfassungsgericht bisher mit dem Machtinstrument
‚Parteienverbot’ umgegangen ist.

   
 

Die Bundesrepublik Deutschland ist im Gegensatz zur Weimarer Republik eine Demokratie,
die einen Missbrauch der Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche Ordnung des
Grundgesetzes nicht hinnimmt, vielmehr von ihren Bürgern eine Verteidigung dieser Ord-
nung erwartet und Feinde dieser Grundordnung, auch wenn sie sich formal im Rahmen der
5   Legalität bewegen, nicht toleriert. Damit hat sich die Bundesrepublik Deutschland von einer
wertneutralen Demokratie, wie sie die Weimarer Republik war, zu einer wertgebundenen und
ihren Gegnern gegenüber wachsamen und insoweit streitbaren Demokratie gewandelt. Im
Einzelfall bedeutet das, dass keiner ihrer Bürger sich auf ein Grundrecht berufen kann, um mit
dessen Hilfe die verfassungsmäßige Ordnung zu zerstören. Allerdings darf diese streitbare
10   Demokratie zum Schutz ihrer Ordnung nur demokratisch-rechtsstaatliche Mittel einsetzen und
in der Abwehr der Angriffe auf die Grundwerte der Verfassung nicht die freiheitliche Demo-
kratie so begrenzen, dass der Schutz der Freiheit die Freiheit selbst bedroht.
Vor diesem Hintergrund ist die ganze Diskussion um Parteienverbote in Deutschland zu se-
hen. Da argumentieren die einen, der demokratische Staat habe dafür zu sorgen, dass antide-
15   mokratische Parteien ihn nicht eines Tages zerstören. Freiheit lasse sich leider nicht absolut
verstehen. Sie könne eben nur für die Parteien gelten, die demokratische Prinzipien respektie-
ren. Gerade ein an den Grundsätzen der Demokratie orientiertes Verfahren beim Verbot einer
Partei garantiere, dass die parlamentarische Demokratie keinen Schaden leidet.
Andere vertreten die Auffassung, dass extreme Positionen politisch bekämpft werden müssen.
20   Bringe man sie administrativ zum Schweigen, ließen sich die Symptome, keinesfalls jedoch
die tieferen Ursachen antidemokratischer Gedanken beseitigen. Eine extremistische Partei
könne der Staat, wenn sie nicht verboten ist, zudem viel besser unter Kontrolle halten. Bei
einem Verbot bildeten sich möglicherweise Nachfolgeorganisationen, die Untergrundarbeit
betreiben. Bei uneingeschränkter Parteienkonkurrenz besitze eine antidemokratische Partei
25   ohnehin keine Chancen. Schließlich gerate ein System, das Parteienverbote rechtlich zulässt,
leicht in den Ruf mangelnder demokratischer Offenheit.

AUFGABEN

1. Erklären Sie mit eigenen Worten, was man unter streitbarer Demokratie versteht.
2. Arbeiten Sie aus dem Text Pro- und Contra-Argumente zu Parteienverboten heraus
und tragen Sie sie in eine Tabelle ein:
Pro Contra

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