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1 05 Die Staatsverfassung LV 5662.

003 Politische Bildung WS 2016/17

Die österreichische Staatsverfassung

Als Verfassung wird der zentrale Rechtsbestand eines Staates bezeichnet. Sie regelt den grundlegenden
organisatorischen Staatsaufbau, die territoriale Gliederung des Staates, die Beziehung zu seinen
Gliedstaaten und zu anderen Staaten sowie das Verhältnis zu seinen Normunterworfenen und deren
wichtigste Rechte und Pflichten.

Quelle: Wikipedia

Das österreichische Verfassungsrecht ist nicht in einer einzigen Verfassungsurkunde


zusammengefasst, sondern auf verschiedene Rechtsquellen aufgeteilt.

Blauensteiner, Lattinger, Yilmaz


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Die Entwicklung des (österreichischen) Verfassungsrechts


Ein kurzer historischer Abriss

Als älteste formelle Verfassung gilt die Virginia Bill of Rights (1776), von der auch die französische
"Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen" von 1789 stark beeinflusst war.

In Folge und mit dem Ziel die Allmacht der Monarchen zu beschränken, forderte die konstitutionelle
Bewegung in Europa urkundliche Verfassungen als Fundamente individueller Freiheiten und
parlamentarischer Mitwirkung an der Gesetzgebung.

Im Jahr 1848 wird in Österreich die erste frühkonstitutionelle Verfassung (Pillersdorfsche Verfassung)
erlassen, kurz danach allerdings wieder zurückgenommen. Sie enthält einen für die damalige Zeit
fortschrittlichen Grundrechtskatalog.

1867 unterzeichnet Kaiser Franz Joseph I fünf Staatsgrundgesetze (Dezemberverfassung). Diese


beinhalteten unter anderem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger.

Nach Ende des 1. Weltkriegs fasst die Provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich am
30. Oktober 1918 den „Beschluss über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt“.
Der Staatsvertrag von Saint-Germain wird am 25. Oktober 1919 von der Nationalversammlung
ratifiziert, er gibt unter anderem die Staatsgrenzen vor und legt den Name der neuen „Republik
Österreich“ fest.

Am 1. Oktober 1920 wird das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) von der gewählten


Konstituierenden Nationalversammlung beschlossen. Es werden Teile der Staatsgrundgesetze von
1867 übernommen, die bis heute Teil der Bundesverfassung sind.

Die Bundes-Verfassungsnovelle 1925 regelt die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.

Eine Zweite Bundes-Verfassungsnovelle 1929 bringt eine Machtverschiebung vom Parlament zum
Bundespräsidenten.

1934 nutzt Bundeskanzler Dollfuß eine Gesetzeslücke um das Parlament und den
Verfassungsgerichtshof auszuschalten. Es folgt eine diktatorische Regierung und die Errichtung eines
autoritären Ständestaates mit einer entsprechenden von der Regierung erlassenen Verfassung.

Ab 1938 wird mit dem Anschluss Österreichs die Verfassung des Deutschen Reiches auch im
bisherigen österreichischen Staatsgebiet gültig.

1945 wird die Republik Österreich wiedergegründet. Das Bundes-Verfassungsgesetz wird neuerlich in
Geltung gesetzt („Verfassungs-Überleitungsgesetz“).

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Mit dem Staatsvertrag von Wien wird 1955 die Unabhängigkeit der Republik Österreich
wiederhergestellt. Die Bestimmungen des Staatsvertrags stehen in Verfassungsrang. Am 26. Oktober
1955 wird das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs beschlossen.

Eine Gesamtänderung der Bundesverfassung erfolgt seit der Gründung der Republik nur einmal,
anlässlich des Beitrittes Österreichs zur Europäischen Union 1995. Ermöglicht wurde der Beitritt
durch eine Volksabstimmung 1994. Seit dem EU-Beitritt wurden die Verfassungsregeln mehrmals an
die Erfordernisse in der Union angepasst.

Das „Stammgesetz“, das Bundes-Verfassungsgesetz, ist seit seiner Wiederverlautbarung 1929 mehr
als fünfzigmal novelliert worden.

2003 wird mit der Erarbeitung einer Verfassungsreform begonnen, ein Vorhaben, das 2008 endet,
ohne sein Ziel erreicht zu haben. Ein Verfassungsentwurf liegt nun als Ausgangspunkt für weitere
Bemühungen vor.

Die Grundprinzipien der Verfassung

1. Das Demokratische Prinzip

Das Wort Demokratie kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt:
Volksherrschaft. Das dem Recht unterworfene Volk soll selbst das Recht erzeugen.

Demokratie bedeutet:
 Gleichheit: Alle Staatsbürger haben die gleichen politischen Rechte
 Legitimierung: Jede Staatsgewalt muss durch das Volk legitimiert sein.
 Mehrheitsentscheidung: Minderheiten müssen die Entscheidung der Mehrheit
akzeptieren.
 Schutz: Minderheiten müssen durch Grundrechte vor manchen Entscheidungen
der Mehrheit geschützt sein

Indirekte Demokratie (parlamentarische Demokratie)


Das Volk wählt seine Vertreter (Nationalrats-, Landtags- Abgeordnete).

Direkte Demokratie
Das Volk entscheidet direkt.
Die österreichische Verfassung enthält drei Elemente direkter Demokratie:
Volksabstimmung, Volksbefragung, Volksbegehren

2. Das Republikanische Prinzip

Die gewählte Staatsform Österreichs ist die Republik. Das bedeutet, dass das
Staatsoberhaupt gewisse Eigenschaft aufweist:

 Das Staatsoberhaupt wird gewählt.


 Die Amtszeit ist zeitlich begrenzt (Ö: 6 Jahre)
 Das Staatsoberhaupt ist dem Volk rechtlich und politisch verantwortlich

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3. Das Bundesstaatliche Prinzip

Österreich ist ein Bundesstaat. Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbständigen
Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol,
Vorarlberg, Wien.

Ein Bundesstaat ist somit ein Zusammenschluss von mehreren selbständigen Teilstaaten.
Es gibt mehrere Ebenen (Ö: Bundesländer und Bund) auf die die Staatsfunktionen verteilt
werden.

4. Das Rechtsstaatliche Prinzip

Das rechtsstaatliche Prinzip wird nicht, wie die anderen Prinzipien, in einem Satz
zusammengefasst, sondern erschließt sich aus dem gesamten Verfassungstext.

Der Rechtsstaat begrenzt die Macht des Staates. Sie basiert auf Gesetzmäßigkeiten, an die
sich der Staat und seine Amtsträger und jede/r Staatsbürger/in halten muss.

Dass die Einhaltung dieser Rechtsordnung auch wirksam durchgesetzt werden kann, nennt
man „Rechtsstaat im formellen Sinn“.

Die Rechtsordnung soll Wertvorstellungen entsprechen, wie sie in den Grund- und
Menschenrechten vorkommen. Dies nennt man „Rechtsstaat im materiellen Sinn“.

Somit darf gemäß dem rechtsstaatlichen Prinzip die gesamte Vollziehung nur auf Grund der
Gesetze ausgeübt werden, was durch entsprechende Rechtsschutzeinrichtungen (z.B.
Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof) abgesichert wird.

Das rechtsstaatliche Prinzip wird weiter differenziert in:

5. Das Liberale Prinzip

Das liberale Prinzip stützt sich auf die Grundrechte und bedeutet, dass bestimmte Rechtsgüter
frei von staatlichem Eingriff und staatlichen Regelungen sind, um eine weitgehende
Selbstbestimmung des Einzelnen zu gewährleisten.

Grund- und Menschenrechte sollen die Freiheit aller Menschen, die in einem Staat leben,
sichern. Kein Gesetz darf den Grundrechten widersprechen. Diese sind z.B.:

 Recht auf Leben


 Gleichheitsgrundsatz
 Recht auf freie Meinungsäußerung
 Recht auf Religionsfreiheit

6. Das Prinzip der Gewaltentrennung

Gewaltentrennung heißt, dass die Staatsgewalt (Gesetzgebung = Legislative, Verwaltung und


Rechtsprechung = Judikative) nicht in einer Hand liegen, sondern von voneinander
unabhängigen Organen ausgeübt werden, die jedoch einer gegenseitigen Kontrolle
unterliegen.
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Art. 94 B-VG besagt: „Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.“
Durch die Aufteilung der Gewalt soll:

 die Freiheit des einzelnen Menschen garantiert sein und


 der/die Einzelne vor willkürlicher Machtausübung des Staates geschützt werden.

Die Unvereinbarkeitsbestimmungen sollen die Gewaltentrennung sicherstellen und sind in der


Verfassung verankert.

z.B. Der/Die Bundespräsident/in darf nicht einem Organ der Gesetzgebung (Nationalrat,
Landtag, Bundesrat) angehören.

Wesentliches Element der Gewaltentrennung ist das Verbot, bestimmte unterschiedliche


Ämter und Funktionen gleichzeitig durch denselben Amtsträger zu bekleiden. Die Vollziehung
ist an das Gesetz gebunden. Es darf keine Vollziehung ohne gesetzliche Grundlage erfolgen.

Staatsziele – Staatszielbestimmungen

Neben den Grundprinzipien enthält die Bundesverfassung eine Reihe von


Staatszielbestimmungen. Diese stellen eine Art Auftrag an den Gesetzgeber dar, für die
Umsetzung der deklarierten Staatsziele zu sorgen.

Einzelne Staatszielbestimmungen (Auswahl):


 Das Verbot nazistischer Tätigkeit
Österreich wird verpflichtet alle Spuren des Nazismus zu beseitigen und ein Wiederaufleben
zu bekämpfen.
Artikel 9 StV Wien:

[...] "Österreich wird auch die Bemühungen fortsetzen, aus dem österreichischen politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen, um zu gewährleisten,
dass die obgenannten Organisationen nicht in irgendeiner Form wieder ins Leben gerufen werden, und
um alle nazistische oder militaristische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern."

 Die dauernde Neutralität


Rechtsgrundlage der österreichischen Neutralität ist das BVG vom 26.10.1955. Eine
völkerrechtliche Verpflichtung resultiert aus der Notifikation dieses BVG an die Staatenwelt.
Der Inhalt der Neutralität ergibt sich aus dem Völkerrecht:

 Keine Teilnahme im Kriegsfall und unparteiisches Verhalten gegenüber den


Kriegsparteien
 Im Frieden keine Teilnahme an politischen, militärischen und wirtschaftlichen
Bündnissen
Mit dem Beitritt zur EU wird das ursprüngliches Neutralitätsverständnis reduziert. Art 23f B-VG
erlaubt die Mitwirkung an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU.
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Art I BGBl. Nr. 211/1955; Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität
Österreichs:

„(1) [...] erklärt Österreich [...] seine immerwährende Neutralität.


(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen
beitreten [...]“

 Umfassende Landesverteidigung

Aufgaben:
 Bewahrung der Unabhängigkeit nach Außen
 Bewahrung der Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes
 Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität

Art 9a B-VG:

„(1) Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die
Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren.

(2) Zur umfassenden Landesverteidigung gehören die militärische, die geistige, die zivile und die
wirtschaftliche Landesverteidigung.“

 Umfassender Umweltschutz
BGBl. Nr. 491/1984; Bundesverfassungsgesetz vom 27.November 1984 über den umfassenden
Umweltschutz:

„§1 (1) Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden
Umweltschutz.

(2) Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des
Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in
Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von
Störungen durch Lärm.“

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Literatur, Quellen

HÖGLINGER / BERSCHL / CASSAN-JUEN / FRIEH Demokratie leben - Recht einfach, Politische


Bildung und Recht, Ausgabe für BHS 2009

Bundeskanzleramt: Verwaltung in Österreich, Medieninhaber: Bundeskanzleramt, Sektion III, 1014


Wien, Ballhausplatz 2 Stand: Oktober 2009

Verwaltungsakademie des Bundes (Hg.) (2014): Skriptum zur Lehrlingsausbildung. Verfassungsrecht.


https://www.oeffentlicherdienst.gv.at/vab/seminarprogramm/allgemeine_ausbildung_und_weiterbildun
g/Kapitel_8_Verfassungsrecht.pdf (31.10.2016)

Wikipedia: Bundesverfassung (Österreich).


https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassung_(%C3%96sterreich) (31.10.2016)

rechtslexikon.net: Grundrechtsgeschichte.
http://www.rechtslexikon.net/d/grundrechtsgeschichte/grundrechtsgeschichte.htm (31.10.2016)

OEHLINGER, Theo (2005): Verfassungsrecht. Buchzusammenfassung.


http://www.skripten.at/skripten-mitschriften/oesterreich/wien/wu-wien/diplomstudien-alte-
studienordnung/29--12

konvent.gv.at: Quellensammlung Verfassungsreform. Derzeitige Staatsziele und Verfassungsaufträge.


http://www.konvent.gv.at/K/DE/AVORL-K/AVORL-K_00046/fnameorig_013544.html (31.10.2016)

parlament.gv.at: Grundprinzipien der Bundesverfassung.


https://www.parlament.gv.at/PERK/VERF/GRUND/ (1.11.2016)

eu2006.at: Die Grundprinzipien der österreichischen Verfassung.


http://www.eu2006.at/de/Austria/political_system/principles.html#liberal (1.11.2016)

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