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Der Bürger als Souverän

Das Wahlrecht gilt als das höchste Gut der Demokratie.


Von Barack Obama stammt das weithin bekannte Bonmot, wonach Wahlen allein noch
keine Demokratie machen. Wohl wahr gesprochen – und dennoch: Das Wahlrecht gilt als das
höchste Gut der Demokratie. In der individuellen Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger
bilden Wahlen womöglich sogar die zentralen Handlungsmomente ihrer Teilhabe am
demokratischen Gemeinwesen. In welchem Rahmen sich die Mitwirkung vollzieht, legt
das Grundgesetz fest. Es definiert für die Staatsordnung der Bundesrepublik Deutschland
zunächst den Grundsatz der repräsentativen Demokratie. Das heißt: Das Volk übt die
Staatsgewalt nicht direkt aus, sondern überträgt sie auf gewählte Körperschaften – die
Parlamente. Für den Gesamtstaat ist das Parlament der Bundestag in Berlin. In den 16
Ländern sind es die Landtage; in Kreisen, Städten und Gemeinden kommunale
Selbstverwaltungskörperschaften. Die Parlamente sind in Deutschland die einzigen
Verfassungsorgane, die vom Wahlvolk direkt gewählt werden.
Demokratie ist Herrschaft auf Zeit. Zu Kommunalwahlen wird in Deutschland alle fünf Jahre
aufgerufen. Bei den im gleichen Turnus abgehaltenen Landtagswahlen (mit Ausnahme von
Bremen, wo alle vier Jahre gewählt wird) entscheidet sich die Zusammensetzung der
Landesparlamente. Wegen des föderalen Charakters Deutschlands verfügen die 16 Länder
über eine beachtliche Eigenständigkeit, insbesondere in Angelegenheiten der Polizei, der
Justiz, der Bildung und der Kultur, was den Landesparlamenten relevante
Gestaltungsspielräume eröffnet und vielfältige Möglichkeiten der bundespolitischen
Mitwirkung bietet.

Der Bundestag in Berlin wiederum wird von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern
ab dem 18. Lebensjahr alle vier Jahre in freier, geheimer und direkter Wahl gewählt. Die
Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen ist traditionell hoch und im internationalen
Vergleich ansehnlich, seit den 1970er-Jahren tendenziell aber rückläufig. 2017 gaben 76,2
Prozent von 61,5 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab – zum Vergleich: Im Jahr 1972
waren es 91,1 Prozent.

Gewählt wird der Bundestag nach einer leicht modifizierten personalisierten Verhältniswahl,
wobei die eine Hälfte der mindestens 598 Mandate durch die Wahl von Personen in den 299
Wahlkreisen (Erststimmen) zugeteilt werden, die andere von Landeslisten der Parteien
(Zweitstimmen) stammen. Konkret heißt das: Jeder Wahlberechtigte hat am Wahltag zwei
Stimmen zu vergeben. Die Erststimme gilt dem Kandidaten beziehungsweise der Kandidatin
einer Partei im heimischen Wahlkreis, mit der Zweitstimme wählt man die Landesliste einer
Partei. Grundlage für die spätere Anzahl der Mandate im Bundestag sind die gültigen
Zweitstimmen. Durch sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate kann sich die Zahl der
Abgeordneten (deutlich) erhöhen. Der gegenwärtige Bundestag ist mit 709 Abgeordneten
jedenfalls der größte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Noch einige Zahlen: Seit seiner ersten Sitzung am 7. September 1949 in Bonn bis zum
September 2019 hat der Bundestag 4.215 Mal getagt. Die Gesamtsitzungszeit betrug 29.104
Stunden, die dabei gehaltenen Reden füllen 345.520 Seiten an stenografischen Berichten.
Insgesamt kamen und gingen 4.072 Abgeordnete. Sie verabschiedeten 64.078 Gesetze. Die
Gesetzgebung ist neben der Wahl des Bundeskanzlers die vornehmste Aufgabe des
Parlaments, das sich als Arbeitsparlament versteht.

Das System der personalisierten Verhältniswahl prägt auch den Charakter des Parlaments,
weil dadurch kleinere Parteien proportional zu ihren Wahlergebnissen vertreten sind. Das
Wahlsystem macht es für eine einzelne Partei schwer, allein die Regierung zu bilden, daher ist
in Deutschland das Parteienbündnis die Regel. Bis auf eine Ausnahme wurde die
Bundesregierung deshalb seit 1949 jeweils durch Koalitionen mehrerer bei der Wahl
konkurrierender Parteien gebildet. Damit gleichzeitig eine Zersplitterung der politischen
Landschaft im Parlament verhindert und eine Regierungsbildung vereinfacht wird, müssen
Parteien mindestens fünf Prozent der abgegebenen Wählerstimmen (oder drei Direktmandate)
auf sich vereinen, um im Bundestag vertreten zu sein. Im 19. Deutschen Bundestag sind
mittlerweile sieben Parteien vertreten: CDU, CSU, SPD, AfD, FDP, Die Linke und Bündnis
90/Die Grünen.

Ohnehin haben die politischen Parteien eine Schlüsselstellung im deutschen Wahlsystem inne.
Das Grundgesetz weist ihnen die Aufgabe zu, an der politischen Willensbildung
teilzunehmen. Die Aufstellung von Kandidaten für politische Funktionen und die
Organisation von Wahlkämpfen gewinnen dadurch den Rang einer Verfassungsaufgabe. Der
Aufbau der politischen Parteien muss demokratischen Grundsätzen folgen, von politischen
Parteien wird erwartet, dass sie sich zum demokratischen Staat bekennen. Parteien, deren
demokratische Gesinnung in Zweifel steht, können auf Antrag der Bundesregierung verboten
werden. Das Verbot selbst darf aber ausschließlich vom Bundesverfassungsgericht
ausgesprochen werden.

Die Parteien bleiben im Kern Ausdrucksformen der Gesellschaft, gleichwohl verlieren vor
allem die traditionellen Volksparteien CDU und SPD seit Jahren an Mitgliedern und
Kohäsionskraft. Kleinere Parteien gewinnen oft eine höhere Attraktivität, ebenso kommt den
sozialen Medien als Plattformen für politische Artikulations- und Aktionsformen mehr
Bedeutung zu. Auch über direktdemokratische plebiszitäre Elemente wünschen sich viele
Bürgerinnen und Bürger zunehmend mehr Beteiligungsmöglichkeiten.

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