Sie sind auf Seite 1von 3

heise online - Verbot von "Killerspielen" bleibt heftig umstritten http://www.heise.

de/newsticker/meldung/print/82084

06.12.2006 08:42

Verbot von "Killerspielen" bleibt heftig umstritten


Der konkrete Vorstoß[1] des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) für ein Verbot von
"Killerspielen" über eine Verschärfung des Gewaltdarstellungsparagraphen[2] im Strafgesetzbuch (§131 StGB[3])
ist bei Bundes- und Landespolitikern von SPD, Grünen und FDP auf Ablehnung gestoßen. Es handle sich dabei um
"kein Wundermittel", wandte sich etwa der SPD-Innenexperte im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, gegenüber der Welt
gegen die "hilflose und unbegründete Verbotsdebatte". Vielen Politikern falle nach dem Amoklauf in Emsdetten
anscheinend nichts Besseres ein. Bei einzelnen Spielen wollte sich Wiefelspütz aber nicht gegen ein strafrechtliches
Vorgehen sperren. Die brandenburgische Justizministerin Beate Blechinger und der niedersächsische Innenminister
Uwe Schünemann (beide CDU) begrüßten dagegen die "Diskussionsgrundlage" Becksteins für ein allgemeines
Verbot und plädierten für einen restriktiveren Umgang mit brutalen PC-Spielen.

"Der Vorstoß Bayerns ist völlig richtig", hatte Schünemann gegenüber der dpa viel Lob für seinen Kollegen aus dem
Süden übrig. Niedersachsen arbeite selbst[4] an einem Konzept, das dann mit dem bayerischen Entwurf
zusammengeführt werden solle. Ziel sei es, Anfang 2007 eine gemeinsame Bundesratsinitiative zu starten. Blechinger
behauptete derweil im Vorfeld eines einschlägigen Prozesses am Landgericht Cottbus, dass Gewalt in den Medien
aggressiv mache. In dem Fall geht es um einen 19-Jährigen, der nach wiederholten Niederlagen in einem Ringerspiel
auf der Sony Playstation ("SmackDown vs. Raw 2006"[5]) einen Obdachlosen aus "niederen Beweggründen" mit
Faustschlägen und Fußtritten regelrecht zertrümmert haben soll. Im Rahmen des Verfahrens wird Manfred Spitzer,
Hirnforscher an der Universitätsklinik Ulm, ein medizinisches Gutachten zu möglichen Einflüssen des Videospiels
auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten präsentieren.

Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner hält dagegen, dass ein Verbot "nur scheinbar der sicherste Weg ist,
Kinder und Jugendliche zu schützen". Gemäß dem SPD-Politiker ist ein breiterer Ansatz gefragt, mit dem die
Medien- und Computerkompetenz der Heranwachsenden verstärkt geschult wird. Eltern seien gefordert, "ihren
Kindern ein familiäres und soziales Umfeld zu schaffen, sodass diese sich in der realen Welt zurechtzufinden, statt
sich in der virtuellen Welt zu verlieren."

Angesichts der "Arbeitshypothesen" Becksteins rief der Medienexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim
Otto, unterdessen andere Politiker zur Wahrung von Distanz zu Maßnahmen auf, "die den Jugendschutz nicht
verbessern werden, dafür aber erwachsene Verbraucher bevormunden." Verbote könnten rasch in unzulässiger Zensur
enden. Die von Beckstein geforderte Ausweitung von Paragraph 131 StGB hält Otto für einen "undifferenzierten und
naiven Rundumschlag". Er könne dazu führen, weite Teile jugendlicher und erwachsener Computerspieler sowie
Hersteller und Vertreiber zu kriminalisieren, ohne den Jugendmedienschutz auch nur ansatzweise voranzubringen.

Auch laut der kinder- und jugendpolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruss, zeugt der
"erneute Schnellschuss" aus Bayern "von Unkenntnis und einem grenzenlosem Mangel an Realismus." Eine
Verschärfung der Strafen sei nicht notwendig, da Deutschland bereits heute eines der härtesten Jugendschutzregime
besitze. Es reiche daher aus, Paragraph 131 StGB richtig anzuwenden. Ansonsten entstünden weitere Papiertiger,
welche die wirklichen Probleme von orientierungslosen und zu Gewalt neigenden Jugendlichen verkennen würden.
Hilfreicher als ein staatliches Verbot könnte eine staatliche Empfehlung besonders wertvoller Spiele sein.

Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, und Kai Gehring, ihr für Jugend- und
Hochschulpolitik zuständiger Kollege, halten es ebenfalls für einen Irrglauben, "dass sich durch Verbote von Spielen
Amokläufe verhindern ließen". Wer so denke, doktere allein an Symptomen herum und drücke sich vor der – viel
mühevolleren – Bekämpfung der tiefer liegenden Ursachen. Viel wichtigere Fragen lauten ihnen zufolge: "Wie kam
der Täter von Emsdetten an echte Waffen? Wie konnte dieser junge Mensch einen solchen Hass entwickeln? Welche
Sensoren und Frühwarnsysteme brauchen wir, um gefährdete Jugendliche aus sozialer Isolation herauszuholen?"
Über Gewaltdarstellungen und Lösungen, Aggressionen aus den Köpfen Heranwachsender zu bekommen, bedürfe es
eine "alle Medien betreffende Debatte".

Siehe zu dem Thema auch:

Diskussion um Verbot von "Killerspielen" kocht weiter vor sich hin[6]


Beckstein schlägt Formulierung für ein Verbot von "Killerspielen" vor[7]
EU-Minister uneins über Verbot von "Killerspielen"[8]

1 von 3 29.12.2006 14:45


heise online - Verbot von "Killerspielen" bleibt heftig umstritten http://www.heise.de/newsticker/meldung/print/82084

ESL Pro Series: "Kein kausaler Zusammenhang zwischen Killerspielen und realer Gewalt"[9]
Studien: Computerspiele können aggressiv machen[10]
Bundesregierung äußert sich zurückhaltend zu Verbot von Killerspielen[11]
Kieler Landtag will keine neuen gesetzlichen Regelungen gegen "Killerspiele"[12]
Umfrage: Bundesbürger befürworten "Killerspiele"-Verbot[13]

Staatlicher Jugendschützer bricht Lanze für deutsches Jugendschutzsystem[14]


Grüne suchen die Diskussion über Spiele[15]
Jugendschützer: Lücken beim Jugendschutz im anonymen Internet[16]
Nach dem Amoklauf: Rufe nach mehr Netzüberwachung und "hartem Durchgreifen"[17]
Politiker und Forscher gegen pauschale Computerspiele-Kritik[18]

Statt "Killerspiele"-Verbot: Datei für jugendliche Gewalttäter gefordert[19]


Bundestagsgutachten sieht Chancen für "Killerspiele-Verbot"[20]
Kritik an "naiver Scheindebatte" um das Verbot von "Killerspielen"[21]
Niedersachsens Innenminister startet Bundesratsinitiative gegen "Killerspiele"[22]
Neue Forderungen nach Verbot von "Killerspielen"[23]

"Ich hasse es, überflüssig zu sein"[24]: die erwartbaren Reaktionen und Verdächtigen - einmal wieder wird
die Ursache des Amoklaufs in Emsdetten bei den "Killerspielen" gesucht; Artikel in Telepolis
"Ich will R.A.C.H.E"[25]: der vollständige Abschiedsbrief, den Bastian B. im Internet hinterlassen hat, bevor
er auf seinen suizidalen Rachefeldzug in seiner Schule in Emsdetten zog; Artikel in Telepolis

Bundesregierung sieht keinen Bedarf für Verbot von "Killerspielen"[26]


Michigan: Gesetz gegen Gewaltspiele ist verfassungswidrig[27]
FDP-Medienkommission gegen "populistisches" Verbot von "Killerspielen"[28]

Clash of Realities: Die Computerspieler und die "Killerspiele"[29]


Niedersachsens Kultusminister fordert Verbot von "Killerspielen"[30]
Expertenstreit über Auswirkungen von "Killerspielen" auf Jugendliche[31]
Kriminologe Pfeiffer fordert rigides Vorgehen gegen "Killerspiele"[32]

Spielehersteller warnt vor überhastetem Verbot von "Killerspielen"[33]


CDU-Innenminister fordern Verbot von "Killerspielen"[34]
Grüne gegen Verbot von "Killerspielen"[35]
NRW-Minister fordert "sachgerechte Diskussion" über Computerspiele[36]
Rege Debatte um "Killerspiel"-Verbot[37]

CDU-Politikerin verteidigt geplantes Verbot von "Killerspielen"[38]


"Unsere Forderung ist nicht populistisch"[39], ein Gespräch mit der CSU-Abgeordneten Maria Eichhorn in
Telepolis
Schwarz-rote Koalition will Verbot von "Killerspielen"[40]
Hightech-Strategie mit Hindernissen im schwarz-roten Koalitionsvertrag[41] in c't aktuell

Jugendmedienwächter zwischen Startschwierigkeiten und Beschwerdeflut[42]


Zwei Jahre neuer Jugendmedienschutz: Prophylaktisches Modell[43]

Nach Erfurt: Spieler gegen Kritiker von Computerspielen[44]


Diskussion um Wirkung von Gewaltdarstellungen geht weiter[45]
Stoiber will Gewalt in Computerspielen verbieten[46]

(Stefan Krempl) /

(jk[47]/c't) (jk/c't)

URL dieses Artikels:


http://www.heise.de/newsticker/meldung/82084

Links in diesem Artikel:


[1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/82009

2 von 3 29.12.2006 14:45


heise online - Verbot von "Killerspielen" bleibt heftig umstritten http://www.heise.de/newsticker/meldung/print/82084

[2] http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__131.html
[3] http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/index.html
[4] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81332
[5] http://svr2006.com/
[6] http://www.heise.de/newsticker/meldung/82027
[7] http://www.heise.de/newsticker/meldung/82009
[8] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81997
[9] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81923
[10] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81886
[11] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81837
[12] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81730
[13] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81712
[14] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81707
[15] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81645
[16] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81517
[17] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81507
[18] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81451
[19] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81442
[20] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81420
[21] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81375
[22] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81332
[23] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81319
[24] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24030/1.html
[25] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24032/1.html
[26] http://www.heise.de/newsticker/meldung/76492
[27] http://www.heise.de/newsticker/meldung/71722
[28] http://www.heise.de/newsticker/meldung/71198
[29] http://www.heise.de/newsticker/meldung/71184
[30] http://www.heise.de/newsticker/meldung/70895
[31] http://www.heise.de/newsticker/meldung/70848
[32] http://www.heise.de/newsticker/meldung/70701
[33] http://www.heise.de/newsticker/meldung/70672
[34] http://www.heise.de/newsticker/meldung/70525
[35] http://www.heise.de/newsticker/meldung/68815
[36] http://www.heise.de/newsticker/meldung/66850
[37] http://www.heise.de/newsticker/meldung/66360
[38] http://www.heise.de/newsticker/meldung/66294
[39] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21368/1.html
[40] http://www.heise.de/newsticker/meldung/66142
[41] http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/66081
[42] http://www.heise.de/newsticker/meldung/61202
[43] http://www.heise.de/newsticker/meldung/58310
[44] http://www.heise.de/newsticker/meldung/27065
[45] http://www.heise.de/newsticker/meldung/27005
[46] http://www.heise.de/newsticker/meldung/26966
[47] mailto:jk@ct.heise.de

Copyright © 2006 Heise Zeitschriften Verlag

3 von 3 29.12.2006 14:45

Das könnte Ihnen auch gefallen