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04.12.2006 20:01

EU-Minister uneins über Verbot von "Killerspielen"


Die Justiz- und Innenminister der EU konnten sich bei ihrem heutigen Ratstreffen[1] (PDF-Datei) in Brüssel nicht
auf gemeinsame Aktionen zur Verschärfung des Jugendschutzes einigen. Vor allem auf Druck von
EU-Justizkommissar Franco Frattini[2] beschäftigten sich die Vertreter des Gremiums der nationalen Regierungen
mit einem europaweiten Verbot brutaler Computerspiele und Gewaltvideos. "Die EU hat hier keine
Gesetzgebungskompetenz", erteilte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries einem koordinierten Vorgehen aber eine
deutliche Absage.

Die SPD-Politikerin betonte im Einklang mit jüngsten Verlautbarungen[3] aus dem Bundesfamilienministerium,
dass hierzulande Gewalt verherrlichende Spiele bereits verboten seien. Sie lobte zudem das seit der jüngsten Reform
der Jugendschutzgesetzgebung[4] dazu kommende ausgeklügelte System[5] der sogenannten Ko-Regulierung, das
auf freiwilligen Vereinbarungen mit der Industrie beruhe und staatlich kontrolliert werde.

Zuvor hatte sich EU-Medienkommissarin Viviane Reding erstaunt gezeigt über den Vorstoß Frattinis. Sie beklagte,
dass ihre Mitarbeiter nicht vorab über die Initiative unterrichtet worden seien. Zugleich erinnerte sie ihren
Kommissionskollegen daran, dass seit 2003 europaweit Vorschriften für Systeme zur Altersfreigabe von Medienarten
wie Computerspielen oder Videos in Kraft seien und diese Eltern als Kaufentscheidungen mit an die Hand gegeben
würden. "Das ist im Einklang mit der Ansicht der Kommission, dass Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen
und der Menschenwürde mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sorgfältig ausbalanciert werden müssen",
zeigte sich Reding erbost über den Alleingang des Italieners innerhalb der Brüsseler Behörde.

Frattini wiederum erhält vor allem aus Großbritannien Unterstützung für seinen Kampf gegen sogenannte
Killerspiele, die hierzulande Landespolitikern aus Bayern und Niedersachsen gerade nach dem Amoklauf von
Emsdetten erneut ein Dorn im Auge[6] sind. Der britische Innenminister John Reid hatte sich im Vorfeld der
Ratstagung dafür ausgesprochen, dass die anderen EU-Länder dem Vorbild Großbritanniens und der Niederlande
folgen und den Verkauf von Spielen ohne Freigabe für Heranwachsende verbieten sollten. Bislang dürfen hierzulande
entsprechende Computermedien zwar nicht mehr beworben, aber beispielsweise in geschlossenen Bereichen von
Videotheken an Erwachsene verliehen und verkauft werden.

Am heutigen Montag machte sich Reid nun generell für stärkere Jugendschutzvorkehrungen und hauptsächlich für
eine verschärfte Bekämpfung der Kinderpornographie stark. Brutale Videospiele seien zwar eine Gefahr, so der
Labour-Politiker. Noch mehr besorge ihn aber die nach wie vor starke Verbreitung "extremer und schädlicher"
kinderpornographischer Inhalte über das Internet, wo sich die Minister auch einfacher auf gemeinsame Standards
einigen könnten. Reid forderte unter anderem die Einrichtung eines europäischen Aktionstages und eine verbesserte
Koordination polizeilicher Anstrengungen zur Identifizierung und Verfolgung von Päderasten. Bei einem Treffen mit
Providern sei zudem über "konzertierte Handlungen" zur "Entfernung oder Blockade von Web-Seiten zu sprechen,
die Kindesmissbrauch einschließen."

Bei einer Pressekonferenz am Abend räumte Frattini ein, dass das von ihm unter anderem befürwortete Verbot eines
Verkaufs brutaler Spiele an Kinder unter 16 Jahren "nicht von Brüssel aus auferlegt" werden könne. Er wolle aber
eine "bessere Verständnisgrundlage" schaffen und bei den Herstellern Überzeugungsarbeit leisten, dass die
Verbreitung Gewalt verherrlichender Medien für Kinder schädlich sei. Über der ganzen Grundrechtsdebatte in der
EU, die mit der Einrichtung einer gesonderten Agentur gestärkt werden soll, dürften die Schutzrechte von
Heranwachsenden nicht vergessen werden.

"Die Selbstregulierung ist ein gutes Instrument, aber es reicht nicht", erklärte der Justizkommissar. Er wolle daher das
im Sommer eingerichtete Forum für eine EU-Kinderrechtsstrategie[7] (PDF-Datei) nutzen, um 2007 alle Beteiligten
an einen Tisch zu bringen und über "Vorbeugung" zu sprechen. Handeln müssten dann die Mitgliedsstaaten. Die
finnische Justizministerin Leena Luthanen berichtete, dass man zunächst nur kurz über die Eingabe Frattinis und
Großbritanniens gesprochen habe. Zunächst müssten die bestehenden Rechtsgrundlagen in den EU-Ländern
begutachtet werden. (Stefan Krempl) /

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[4] http://www.heise.de/newsticker/meldung/58310
[5] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81707
[6] http://www.heise.de/newsticker/meldung/81375
[7] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2006/com2006_0367de01.pdf
[8] mailto:pmz@ct.heise.de

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