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Das Parlament, Nr. 03 2005, 17.01.

2005 - Kein Traumland für Kiffer

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Peter von Heygendorff
Das Parlament Kein Traumland für Kiffer
Niederlande: Drogenpolitik zwischen Liberalisierung und Repression
Nr. 03 / 17.01.2005
Nicht selten wird in deutschen Medien der Eindruck erweckt, als seien die
Niederlande ein Paradies für Junkies und Drogenhändler und die offizielle Politik des
Thema Landes würde den Drogenkonsum durch die Freigabe von Drogen und der
Plenum und Ausschüsse Einrichtung von Koffieshops unterstützen. Nichts an diesen Vorurteilen ist richtig.

Inland Die Niederlande sind isoliert betrachtet gar nicht in der Lage, im europäischen
Europa Kontext eine Sonderrolle zu spielen. Demzufolge hat das Land alle wichtigen
Verträge ratifiziert, die den internationalen Drogenhandel und die mit ihm verbundene
Das politische Buch Kriminalität eindämmen soll. Selbstverständlich sind die Holländer in allen wichtigen
Kehrseite multilateralen und bilateralen Gremien vertreten. Ermittlungstechnische
Vereinbarungen bestehen sowohl zu Deutschland, Luxemburg und Belgien
einerseits, wie auch zu Frankreich und Belgien an der Südgrenze. Aufgrund des
engen Zusammenwirken von Terrornetzwerken und weltweit agierenden Mafia-
Kartellen wäre ein niederländischer Alleingang in der Drogenpolitik ohnehin völlig
illusorisch. Auch in den Niederlanden gibt es ein Betäubungsmittelgesetz
("Opiumwet"), das den Drogenbesitz und den Drogenhandel mit äußerst
empfindlichen Strafen von bis zu 16 Jahren Freiheitsstrafe und Geldbußen in
Millionenhöhe belegt. Lediglich der Drogengebrauch ist nicht unter Strafe gestellt.

Wie in den anderen europäischen Ländern auch besteht das Hauptziel der
niederländischen Drogenpolitik in einem Schutz der Gesundheit des Individuums. Um
dieses übergeordnete Ziel bestmöglich zu realisieren, werden Anstrengungen auf den
Gebieten der Prävention, der Fürsorge und des Schutzes der öffentlichen Ordnung
unternommen.

Auch in unserem Nachbarland wird aktive Prävention groß geschrieben, so durch


Kampagnen im Fernsehen oder intensive Aufklärung über die Folgen des
Drogenkonsums in Schulen. Beispielhaft liefen im Jahr 1996 landesweite TV-Spots
gegen den Gebrauch von Cannabis und seit 1997 gegen den von Ecstasy. Auf dem
Gebiet der Fürsorge geht es darum, die Abhängigen zu "begleiten" und weitere
Gesundheitsrisiken nach Möglichkeit abzumildern. Hierfür werden weit mehr als 150
Millionen Euro investiert, es gibt zwölf Kliniken zur Behandlung von
Drogenabhängigkeit. Immerhin etwa 75 Prozent der Abhängigen haben Kontakt zur
öffentlichen Drogenhilfe, was als direktes Ergebnis der Straflosigkeit des
Drogenkonsums zu werten ist. Es gibt das Angebot des kostenlosen Nadeltausches
und ein umfangreiches Methadonprogramm.

Die Strafverfolgungsmaßnahmen mit Bezug zur Drogenkriminalität sind im engen


Zusammenwirken mit den europäischen Partnern intensiviert worden. Nach der
Abschaffung der Binnengrenzen im März 1995 sind die Kontrollen auf den
niederländischen Häfen und Flughäfen verschärft worden, polizeiliche Maßnahmen

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wurden mit den Nachbarländern koordiniert, die Zellenkapazität der niederländischen


Gefängnisse ist mehr als verdoppelt worden. Die Menge beschlagnahmten
Rauschgifts hat sich in den letzten 20 Jahren potenziert, leider demzufolge auch die
Aktivitäten der Drogenhändler.

Durch dieses Maßnahmenbündel unterscheiden sich die Niederlande von ihren


Nachbarn aber nur unwesentlich. Entscheidender Unterschied ist die Behandlung von
weichen und harten Drogen durch das niederländische Betäubungsmittelgesetz seit
der Gesetzesänderung im Jahr 1976. Seitdem wird zwischen akzeptablen und
inakzeptablen Risiken für die "Volksgesundheit" unterschieden. Die Verbreitung und
der Handel von allen Drogen ist unter Strafe gestellt, der Besitz von Drogen
grundsätzlich ebenfalls. In der Frage der Strafverfolgung gilt das Primat, den
internationalen Drogenhandel zu bekämpfen. Da der Drogenkonsum als solcher
straffrei ist, wird auch der Besitz von Drogenmengen, die dem persönlichen Gebrauch
dienen (bis zu 30 Gramm Softdrugs), lediglich als Vergehen eingestuft und
strafrechtlich nicht verfolgt.

Die Koffieshop-Kultur

Die Differenzierung zwischen weichen und harten Drogen hat in den Niederlanden
zur Zulassung beziehungsweise Duldung der im (In- und) Ausland argwöhnisch
betrachteten Koffieshops geführt. Ziel dieser Liberalisierung ist die Hoffnung, durch
eine begrenzte Freigabe weicher Drogen, die Märkte für weiche und harte Drogen
trennen zu können. Es soll verhindert werden, dass Jugendliche, die mit Softdrugs
experimentieren, schnell in Kontakt mit harten Drogen kommen. Insofern geht es um
den Aspekt der Risikominimierung. Zudem soll die Beschaffungskriminalität zurück
gedrängt werden. Selbstverständlich spielt auch die Möglichkeit behördlicher
Kontrolle eine nicht unwesentliche Rolle.

Die Vorstellung, man könne sich im Koffieshop mit jeder beliebigen Menge einer
beliebigen Droge eindecken ist genauso verfehlt wie die, dass man dort Kaffee
kaufen könne. Nur unter eng begrenzten gesetzlichen Vorgaben ist die Abgabe von
Betäubungsmitteln geduldet. Formal gesehen handelt es sich um eine gesetzliche
Übertretung, die aber unter bestimmten Voraussetzungen strafrechtlich nicht verfolgt
wird. Voraussetzungen für das legale Betreiben eines Koffieshops sind: Es dürfen
keine harten Drogen (Kokain, Heroin, LSD, Amphetamine) verkauft werden, sondern
lediglich Cannabisprodukte (wie Haschich, Marihuana). Die Abgabemenge pro
Person liegt bei maximal fünf Gramm. Ein Verkauf an Minderjährige ist genauso
verboten wie deren Aufenthalt in einem Koffieshop. Der Koffieshop unterliegt einem
Werbeverbot und es darf durch das Betreiben von Koffieshops keine Störung der
öffentlichen Ordnung geben. Das Zuwiderhandeln gegen diese Auflagen kann zu
strafrechtlicher Verfolgung sowie zur Schließung der Läden führen. Gerade in dieser
Frage ist den Kommunen in den letzten Jahren durch mehr Autonomie der Rücken
gestärkt worden. Immer wieder kam es gerade in den grenznahen Städten wie
Maastricht, Venlo oder Arnhem - nicht zuletzt verursacht durch einen starken
Drogentourismus aus Deutschland - zu Belästigungen und Ruhestörungen in der
unmittelbaren Nachbarschaft. Seit den frühen 90er-Jahren, als die Koffieshop-Kultur
in ihrer Blüte stand, sind etwas mehr als zehn Prozent der Koffieshops - gerade in der
Nähe von Schulen - geschlossen worden. Die Kommunen entscheiden
selbstverantwortlich, ob sie einen Koffieshop auf ihrem Gemeindegebiet dulden. Von
den 504 niederländischen Gemeinden tun dies nur 105. In den Niederlanden ist man
sich bewusst, dass man dabei ist, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben, dass
man eine Gratwanderung betreibt. Aber auch in der Drogenpolitik zeigt sich die
grundsätzliche Fähigkeit des Landes, in äußerst kontrovers geführten Fragen
differenzierte Antworten zu finden.

Kein Königsweg

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Hat die liberale Drogenpolitik nun die erwünschten Früchte getragen? Dies kann nur
bedingt bestätigt werden. Immerhin können die Niederlande in einigen relevanten
Statistiken mit Erfolgen aufwarten: Die Sterblichkeitsrate durch Drogengebrauch liegt
in Holland bei unter fünf, in Frankreich bei 9,5, in Deutschland bei 20 und in Spanien
bei 27,1 pro einer Million Einwohner. Bei der AIDS-Infizierung von Drogenabhängigen
weisen die Niederlande eine Quote von 10,5 Prozent aus, während sich das
europäische Mittel bei 40 Prozent bewegt. Es gibt kaum jugendliche Heroinabhängige
- Ergebnis der Trennung der Märkte. Dennoch sind andere Kennzahlen in den
Niederlanden ebenso wie in anderen Ländern wenig ermutigend. Die
Internationalisierung des Drogenhandels hat auch bei unserem Nachbarn dazu
geführt, das mehr als 100 kriminelle Organisationen meist ausländischer Provinienz
agieren. Die Zahl der Drogenabhängigen ist auch in den Niederlanden etwa
proportional zum europäischen Durchschnitt gestiegen. Das Problem mit den
synthetischen Drogen (insbesondere Crack und Extasy) ist in Holland genauso
virulent wie anderswo in Europa. Auch die drogenindizierte Kriminalität, zudem
verstärkt durch ausländische Drogenbanden und Drogentourismus, spielt in den
Niederlanden eine ähnliche Rolle wie in Deutschland. Man rechnet damit, dass etwa
ein Drittel aller Vermögensdelikte als direkte Beschaffungskriminalität zu werten ist,
aufgrund von Zuordnungsproblemen könnte die Quote sogar noch höher liegen.
Diese Zahlen belegen, dass es in der Drogenpolitik den Königsweg nicht gibt.

Der europäische Maßstab der strikten Prohibition hat jedenfalls nicht zu besseren
Ergebnissen geführt als der niederländische Weg einer teilweisen Liberalisierung
beziehungsweise Segmentierung. Die Diskussion wird in den Niederlanden weiter
gehen. Das Meinungsspektrum reicht von einer stringenteren Verbotshaltung bis hin
zu einer Forderung nach völliger Freigabe aller Drogen. Die Verfechter dieses Weges
versprechen sich hiervon ein Austrocknen des internationalen Drogenhandels und
damit mittelbar auch einen Schlag gegen den internationalen Terrorismus, der seine
immensen Finanzmittel in nicht unerheblichem Umfang aus Drogengeschäften
bezieht. Zudem glaubt man durch die Freigabe von Drogen der
Beschaffungskriminalität Einhalt bieten zu können. Bei der linksliberalen D'66 -
immerhin Regierungspartei - gibt es starke Tendenzen für eine Legalisierung
zumindest der weichen Drogen. Ob die Niederlande in der Drogenpolitik allerdings
eine Inselfunktion ausüben können, erscheint eher fraglich. Auch in den Niederlanden
ist zu beobachten, dass sich die öffentliche Meinung deutlich restriktiver gegenüber
der Drogenproblematik entwickelt hat. Der resortübergreifende "Cannabisbrief" mit
deutlich repressiverer Tendenz aus dem Innen-, Justiz und Gesundheitsministerien,
der dem Parlament im Juni 2004 vorgelegt wurde, zeigt, dass die aktuelle
niederländische Regierung dabei ist, die liberale Drogenpolitik zumindest auf den
Prüfstand zu stellen.

Dr. Peter von Heygendorff arbeitet als Rechtsanwalt und Journalist in Cuxhaven.

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