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Abschlussarbeit

Darstellung von Sexualität in Videospielen, mit explizitem Bezug auf


das Onlinespiel „Queer Power“

Nina Mihailovic
01603240
01603240@unet.univie.ac.at

Übung: „Körperpraktiken und Geschlechterinszenierungen" - Queering binaries - Von der


Repräsentations - zur Subjektkritik im digitalen Spiel

LV-Leiter: Viktoria Drexler, Mag.


24.3.2019
Inhalt
Einleitung ................................................................................................................................................. 3
1. Was bedeutet Sexualität? ............................................................................................................... 5
2. Darstellungen von Sexualität, Feindseligkeit und Gewalt in Videospielen ..................................... 6
3. Neue Konzepte – Queer Games ...................................................................................................... 8
4. Beispiel „Queer Power“ – Eine Analyse und Deutung................................................................... 10
Fazit ....................................................................................................................................................... 13
Quellen .................................................................................................................................................. 14
Einleitung
Ein immer relevanter werdender Sektor innerhalb der Kulturwissenschaften sind Game
Studies. Zu dem Versuch diese eventuell, als von Film – oder Medienwissenschaften
unabhängige Wissenschaft zu etablieren, soll auch die vorliegende Arbeit beitragen.
Spezifisch soll hierbei ein Segment herausgearbeitet werden im Zuge der Untersuchung von
„Darstellung von Sexualität in Videospielen, mit explizitem Bezug auf das Onlinespiel ‚Queer
Power‘ “.

Da Sexualität ab der Pubertät eine signifikante Rolle in den Leben der Menschen spielt,
bietet sich die Analyse ihrer Darstellung in Videospielen als relevant, vor allem, wenn
bedacht wird, dass Spiele einen wichtigen Bestandteil der Unterhaltung ausmachen. Darüber
hinaus können sie auch als Plattform dienen, Normen bzw. soziale Verhaltensregeln zu
vermitteln. Hier eröffnet sich ein weites und oft aufgegriffenes Diskursfeld der Neuzeit.
Insbesondere in Hinblick auf Sexualität kann es prägend sein und entweder ein offenes oder
feindseliges Weltbild konstruieren.

In dieser Arbeit soll primär anhand verschiedener Literaturquellen untersucht werden, wie
Sexualität allgemein dargestellt wird und, Problematiken beispielsweise feinseliger oder
misogyner Spiele hervorheben. Weiter sollen ebenso Queer Games, mit beispielhafter
Bezugnahme auf „Queer Power“, und deren möglichen Prägungen untersucht werden. Alle
Untersuchungen werden dabei auf Sekundärliteratur gestützt, wobei zur Analyse
ausschließlich das Onlinespiel herangezogen wird.

Wichtig anzumerken ist, dass in diesem Zusammenhang der Sexualitätsbegriff nicht nur die
möglichen Präferenzen der Spieler*innen meint, sondern auch sexuelle Verhaltensoptionen
der Gamer*innen innerhalb der virtuellen Realität. So etwa, zwecklose gewalttätige
Handlungen einerseits und Diskriminierung von Mitspieler*innen aufgrund ihres
Geschlechtes, ihrer Abstammung oder sexueller Orientierung andererseits.

Aufgeteilt wird die Arbeit in vier Kapitel, wobei zunächst die Auffassung des
Sexualitätbegriffes konkretisiert werden soll innerhalb eines kulturwissenschaftlichen
Diskurses. Daraufhin wird dieses Verständnis in den medienwissenschaftlichen Kontext
integriert und Problematiken der Darstellung dieser herausgearbeitet werden. Um neue
Konzepte zu präsentieren, die zu einer liberaleren Auffassung von Sexualität in der
Gameindustrie beitragen, werden Fortschritte untersucht und es wir auf Queer Games
erstmals Bezug genommen. Abschließend wird das Spiel „Queer Power“ auf Form und Inhalt
analysiert.
1. Was bedeutet Sexualität?
Sexualität fällt in den diskursiven Sektor wichtiger und zugleich bis heute teils tabuisierter
Themen. Trotz der enormen Wichtigkeit, wird nur sehr oberflächlich über Sex gesprochen,
wenn überhaupt, in Abhängigkeit vom kulturellen Kontext, Normen und Traditionen. Im
schulischen Umfeld beispielsweise wird hauptsächlich auf formelle Sachverhalte, die dem
persönlichen Schutz dienen, eingegangen. Die Thematik in ihrer gesamten Weite, wird nur
rar aufgegriffen, denn die Aufklärung junger Menschen geht weit über das bloße Informieren
bezüglich z.B. Verhütungsmethoden hinaus. Konsens, sexuelle Orientierungen und weitere
brisante Sachverhalte sind kaum im Lehrstoff inkludiert. Einhergehend mit der Mystifizierung
von Sex im alltäglichen Austausch kommt das Zurückgreifen auf andere Quellen, um
Erkenntnisse darüber gewinnen zu können. Davon sind allerdings nicht nur neugierige Kinder
in der Pubertät, sondern teils auch Erwachsene betroffen: Um sich ein Bild von Sex
verschaffen zu können, zum Lernen oder aufgrund anderer Bedürfnisse, wird schlussendlich
auf mediale Quellen zurückgegriffen, in welchen Sex ein weit verbreitetes und beliebtes
Thema ist, das sich zu einem guten Verkaufsattribut entwickelt hat.

Festzustellen ist, im Diskurs über den Komplex Sexualität, dass diese vor allem ein von
Ideologien, Normen und Traditionen geprägtes Thema ist, mit dem sich einerseits
praktizierende Laien, andererseits akademische Forscher auseinandersetzen. Somit ist es
mittlerweile nicht mehr ausschließlich ein, den naturwissenschaftlichen Disziplinen
zuzuordnendes Thema, sondern etabliert ebenso in Geisteswissenschaften, vor allem in
Bezug auf soziale Fragen, ihre Relevanz. In ihrem Text zur Sexualität beschreibt Birgitta
Wrede eine persönliche Unterteilung dieser in drei Kategorien: Sexualität als 1. „eine
natürliche Kraft“, 2. „eine biologische Disposition, die gesellschaftlich geformt ist und damit
ein Lernprodukt“ und 3. als „ein ideelles Konstrukt, ein Diskursprodukt“1.

In der Auffassung von Sexualität als naturalistisch, werden v.a. die Komponenten des Triebes
und des gesellschaftlichen Nutzens, also Fortpflanzung, inkludiert. Der Fokus auf
Fortpflanzung allerdings birgt die „zwanghafte Fixierung auf Heterosexualität“2 und die
Reduzierung der Sexualität auf den Akt an sich. Hierbei wird ein Versuch eingeleitet, Sex
Sinnhaftigkeit zuschreiben, die alle Praktiken, welche nicht lediglich Koitus sind, als pervers

1
Wrede, Was ist Sexualität, S.25
2
Ebd.
klassifizieren. Das naturalistische Verständnis exkludiert zudem alle nicht-heteronormativen
Formen von Sexualität und baut stereotype Auffassungen von weiblicher bzw. männlicher
Sexualität auf.3

Das Verständnis von Sexualität als biologische Disposition, die gesellschaftlich geformt wird,
baut teils auf das zuvor gehende Begriffsvermögen auf. In Bezug auf Wredes Theorie
unterscheidet Sonja Kleinevers in „Sexualität und Pflege“4 zwei grundlegende Theorien:
Sigmund Freuds „Triebmodell“5, das vordergründig auf die sexuellen Triebe und deren
gesellschaftliche Unterdrückung eingeht und Gunter Schmidts „Lustsuche-Modell“6, das
ebenso biologisch begründet, allerdings auf den menschlichen Drang zielt, sexuelle
Befriedigung zu erlangen. Dabei wird deutlich, dass Sexualität nicht bloß ein
„kulturabhängiges und individuelles Phänomen [sondern] zudem ein ideelles Konstrukt bzw.
Diskursprodukt ist.“7

2. Darstellungen von Sexualität, Feindseligkeit und Gewalt in


Videospielen
Um die sexuellen Normen einer Gesellschaft zu erkennen, dienen Medien als möglicher
Ausgangpunkt der Analyse. In den Medien – ausgehend vom Radio über das Fernsehen hin
zum Videospiel – werden Moralvorstellungen wiedergespiegelt. Durch das Maß an
Repräsentation, lässt sich normiertes vom marginalisierten sexuellen Verhalten trennen und
unterscheiden.8

Allerdings ist nicht nur die Darstellung der einzelnen Personengruppen an sich zu beachten,
sondern die Art und Form des Zeigens. Insgesamt ist hervorzuheben, dass männliche
Charaktere die Branche der Videospiele Dominieren und wenig Platz für Identifikation nicht
– männlicher Spieler*innen lassen. Im Falle einer Auswahlmöglichkeit des Geschlechts,
innerhalb eines binären Systems, ist ein starker Unterschied zwischen den prägenden
Attributen der jeweils männlichen bzw. weiblichen Figuren zu erkennen. So werden
beispielsweise weibliche Charaktere zumeist körperbetont und erotisch im Sinne der „Male

3
Vgl. Wrede, Was ist Sexualität, S.25f.
4
Kleinevers, Sexualität und Pflege
5
Ebd. S. 14
6
Ebd. S. 16
7
Ebd. S. 17
8
Vgl. Döring, „Medien und Sexualität“, S. 4
Gaze“9 portraitiert, während Männer als eigenständige Subjekte agieren können. Als
geeignetes Beispiel dafür dient die Protagonistin Lara Croft, die im Spiel „Tomb Raider“
durch ihren Status als Lustobjekt bekannt ist, nicht etwa als Archäologin, die sie im Prinzip
personifizieren soll.10 Eine solche Inszenierung des weiblichen Körpers setzt zudem
Erwartungen und Druck auf Frauen, dem diese schließlich versuchen gerecht zu werden, was
immer häufiger zur „Selbst – Sexualisierung“ in der medialen Öffentlichkeit führt.11

In Bezug auf die Analyse von LGBTQ Inhalte in Spielen wird kontinuierlich die Relevanz der
Untersuchung von Homo- und Transphobie unterstrichen. Bestimmte Verhaltensoptionen
und Aktionen, die innerhalb des Spiels geboten werden, sind aussagekräftig für die
Repräsentation von LGBTQ Spieler*innen. So ist es in manchen Videospielen möglich,
aufgrund von Erkenntnis der Spieler*innensexualität, sexueller Präferenzen oder einfachem
Desinteresse am jeweils gegenteiligen Geschlecht, diese zu jagen, bestrafen, verbal
anzugreifen oder schikanieren.12

Um auf ein Genre zu spezifizieren, eignet sich vor allem das „Survival Horror – Spiel“13, in
dem ein Heldenbild konstruiert wird, das durch Brutalität und Barbarei geprägt ist. Hierbei
werden alle nicht heterosexuellen Mitspieler*innen als inferior wahrgenommen und sind
demnach virtuellen Angriffen ausgesetzt. Parallel dazu ist zu beachten, dass heterosexuell
veranlagte, jedoch im Kampf um Partnerinnen geschlagene Männer oftmals den virtuellen
Raum nutzen, um ihre Fähigkeiten und Dominanz zu messen und kompensieren. Dies
geschieht entweder im Kampf gegen beziehungsweise Sieg über andere Spieler*innen oder
„virtuelle[n] Widersacher[n]“14. Wird während des Spielens eine weibliche Spielerin
konstatiert, so unterliegt diese häufig Belächelungen oder gar sexueller Belästigung, weshalb
es bei Frauen üblich ist, um eben diese sexistische Konfrontation zu vermeiden, anonym zu
bleiben. Dominanz wird ferner durch sogenanntes „Tea Bagging, bei dem ein Spieler der
virtuellen Leiche eines anderen, den er gerade getötet hat, durch ‚Ducken‘ der Spielfigur
seine Genitalen ins Gesicht hält“15, zum Ausdruck gebracht.

9
Döring, „Medien und Sexualität“, S. 5
10
Vgl. ebd. S. 8f.
11
Vgl. ebd. S. 10
12
Vgl. Friesem/Shaw, „Where Is the Queerness in Games? “, S. 3885
13
Michalek, „Outlast and Cry of Fear“, S. 12
14
Ebd.
15
Ebd.
Mit dem konstruierten Image von Männlichkeit werden somit Verachtung, Rivalität, Gewalt-
und Risikobereitschaft assoziiert, denn man hat nur dann gut gespielt, wenn man selber
überlebt und andere umgebracht hat.16

Vermehrtes Darstellen von Gewaltakten wirkt sich auf Konsument*innen hinsichtlich ihrer
Sensibilität auf eben diese Inhalte aus. Es läuft die Gefahr einer Desensibilisierung und
Gleichgültigkeit gegenüber virtuell rezipierter Gewalt. Mit dem Erhöhen der
Akzeptanzschwelle werden immer brutalere Taten, Misogynie, Homo-und Transphobie
wehrlos erduldet bzw. darüber hinaus, in einzelnen Sparten, normalisiert. „Kulturelle
Desensibilisierung zeigt sich auch in der gesteigerten Fähigkeit, mehr und mehr
Gewaltdarstellungen in den Medien zu tolerieren.“17

3. Neue Konzepte – Queer Games


Eine Herausforderung der alle medialen Formate, so auch Videospiele, ausgesetzt sind, ist
die Zersetzung normativer Geschlechterrollen und Sexualität. Durch bereits gewohnt
strukturelle Vorgehensweisen der Gaming Industrie werden häufig Problematiken
reproduziert. Dabei ist zu akzentuieren, dass Digitale Spiele seit den 1970er Jahren als
kommerzielle Konsumgüter existieren und LGBTQ Bewegungen nur wenige Jahre später
einsetzten. Trotzdem muss weiterhin eine bessere Verbindung dieser zwei Sparten erst
geschafft werden, sowohl auf praktischer, als auch auf wissenschaftlicher Ebene. 18

Die Hoffnung für Besserung liegt dabei vor allem im „independent game development“19,
das der Schlüssel zur Schaffung neuer LGBTQ – Formate ermöglichen soll. Dabei spielt die
Bezugnahme auf, unter anderem auch theoretische, Historizität eine bedeutende Rolle.
Bisher lag bzw. liegt teils bis heute der Fokus – wie der Wissenschaft, so auch der Produktion
– auf Sexualität, wobei allerdings, außerhalb des binären Systems liegende Fälle, kaum
adressiert werden. Zwar gibt es Spiele, die gleichgeschlechtliche Paarung legitimieren, dabei
wird jedoch nicht bedacht, dass dies keinen direkten Bezug zur Sexualität haben muss. 20

16
Vgl. Michalek, „Outlast and Cry of Fear“, S. 12
17
DeGaetano/Großmann, Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht, S. 235
18
Vgl. Friesem/Shaw, „Where Is the Queerness in Games? “, S. 3877
19
Friesem/Shaw, „Where Is the Queerness in Games? “, S. 3878
20
Vgl. Ebd.
Adrienne Shaw und Elizaveta Friesem klassifizieren binnen ihrer Analyse spielerische LGBTQ
Inhalte in neun Überkategorien und zwar: Charaktere, Beziehungen, Aktionen,
Erwähnungen, Artefakte, Merkmale, Narration und Homo-bzw. Transphobie.21

Sie wollen zudem so zeigen, dass die Komplexität von LGBTQ Spielen, das bloße Erlauben
von homosexuellen Beziehungen oder expliziten Nennungen der LGBTQ Charaktere
übersteigt und Herausforderungen bei der Kategorisierung der Spiele als solche sichtbar
machen.22 Dafür archivierten sie Spiele und fertigten Listen an, um zu erkennen, dass die
ersten Vorläufer von LGBTQ Games aus dem Jahr 1986 stammen.23 Eine wichtige
Unterscheidungskomponente tritt bei der Gegenüberstellung von impliziten versus
expliziten queeren Inhalten vor. Als explizit wird dabei die deutliche Markierung und
Lesbarkeit der Charaktere als Queer angesehen, während bei impliziter Sexualität
Andeutungen gemacht werden, die aber in keinem Moment konkret deklariert werden. 24
Beispielhaft dafür ist, dass etwa zwei Frauen, die in einer Beziehung gezeigt werden, nicht
ausreicht, um sie als lesbisch zu kennzeichnen. Mit der mangelnden Definierung der
Sexualität kann ein Prozess der kontinuierlichen Entwirrung implizierter Sexualität angeregt
werden.25

Es gilt auch hierbei nachdrücklich zu betonen, dass homo – oder bisexuelle Figuren weitaus
frequentierter repräsentiert werden, als etwa explizite transgender, genderqueer oder
intersexuelle Charaktere.26 Damit einhergehend ist die Kategorie der Narration von LGBTQ
Inhalten am rarsten. Zentral wird dabei oft die Thematisierung der Erfahrungen von LGBTQs
betrachtet oder die ledigliche Repräsentation von „queerness“27. Auch in diesem Fall
erschient die Produktion solcher Spiele interessant, da diese sich hauptsächlich auf LGBTQ
Designer begrenzt. In den vergangenen Jahren verbreitet sich das Interesse nach diesem
Thema vermehrt unter Wissenschaftler*innen, weiteren Game Designern und scheint ein
immer weiteres Publikum, etwa auf jährlich gehaltenen Kongressen, zu erreichen.28 Somit
wird eine unabhängige LGBTQ Bewegung ermöglicht und darüber hinaus expandiert. Die

21
Vgl. Friesem/Shaw, „Where Is the Queerness in Games? “, S. 3877
22
Vgl. Friesem/Shaw, „Where Is the Queerness in Games? “, S. 3878
23
Vgl. ebd. S. 3879
24
Vgl. Ebd.
25
Vgl. Ebd. S. 3880
26
Vgl. ebd. S. 3882
27
Vgl. ebd. S. 3885
28
Vgl. ebd.
Variabilität von LGBTQ Spielen wächst ebenso immer weiter und begrenzt sich nicht nur auf
die Implizität oder Explizität der Charaktere, sondern umfasst neue Räume eines möglichen
Zusammentreffens und Interagierens.29

Vorgeschlagen wird seitens der Autor*innen, Game Studies müssten eine noch viel
weitergehende Repräsentation von LGBTQs in Betracht ziehen, als sie es bisher gemacht
haben. Dabei sollten auch weiterhin Widerstände innerhalb der virtuellen Realität, siehe
beispielsweise Homo –und Transphobie, berücksichtigt und untersucht werden.30

4. Beispiel „Queer Power“ – Eine Analyse und Deutung


„Queerland inhabitants don’t have fixed sexual orientations and roles. They fornicate
following their highly changeable desires. Forget what you learned at school about the two
genders and enjoy a trip in this odd world!”31 Eine Beschreibung des Spieles „Queer Power“,
die Spieler*innen präsentiert wird, bevor sie mit dem Spielen anfangen.

Das italienische Unternehmen Molleindustria arbeitet seit 2003 daran, sich Videospiele
wieder anzueignen und die Popkultur zu radikalisieren. Produziert werden kurze
Onlinespiele, die eine weite Bandbreite umfassen, von satirischen
Unternehmenssimulationen, z.B. „McDonald’s Video game“, über Beobachtung und
Entfremdung des Alltags und täglicher Praxen, hin zu politisch inkorrekten Pseudospielen,
wie etwa „Pedopriest“.32

Im Jahr 2004 entwickelten sie schließlich das Onlinespiel „Queer Power“. Hierbei müssen
Spielende zunächst, um mit dem Spiel beginnen zu können, auswählen, ob sie Player eins
oder zwei sein wollen. Es ist für maximal zwei Spieler*innen gedacht, jedoch kann auch eine
Einzelperson gegen den Computer ankämpfen. Im Hintergrund dieser Seite sind
Geschlechtersymbole abgebildet, die sich kontinuierlicher in kreisenden Bewegungen
drehen und von männlich zu weiblich verändern. Hat man sich für den einen oder anderen
Player entschieden, folgt eine weitere Entscheidung. An diesem Punkt gilt es auszuwählen,
ob man eher zu „Dick – Lover“, „Pussy – Lover“ beziehungsweise „Other or Confused“
tendiert. Es muss zwar eine Auswahl getroffen werden, wie in vielen anderen Spielen auch

29
Vgl. Friesem/Shaw, „Where Is the Queerness in Games? “, S. 3886
30
Vgl. ebd.
31
https://www.newgrounds.com/portal/view/173579
32
Vgl. Website: http://www.molleindustria.org/blog/about/
üblich ist, um das Spiel überhaupt starten zu können. Im Gegensatz zu anderen Spielen
allerding, heißt es hierbei nicht, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung anzugeben,
sondern die persönliche Präferenz, wozu man sich hingezogen fühlt. Sobald man das
eingegeben hat, fängt das Spiel an.

Auf formaler Ebene lassen sich folgenden Dinge hervorheben:

Auf dem Computerscreen ist ein weiterer Screen, umrandet von rosa Farbtönen, abgebildet,
in dem sich alles abspielt. Im obersten Abschnitt des Screens im Screen ist eine Leiste
gegeben, an deren Rändern, jeweils links und rechts, in kleinen Feldern die ausgewählte
Präferenz angegeben wird. Ein weiteres Leistensegment zeigt die voranschreitende sexuelle
Befriedigung und den momentanen Zustand. Darunter wird das Begehren und Verlangen
nach einer bestimmten Position der Figuren abgebildet. So habe die Frau beispielsweise in
manchen Fällen ein geringeres Verlangen nach oraler Befriedigung des Partners, als dieser
selbst. Käme es trotz dessen zum Oralverkehr, so würde der Mann schneller zum Orgasmus
kommen. Stehen sich so aber z.B. zwei Männer gegenüber, ist kein Verlangen zu sehen.
Somit suchen Spieler*innen jene Positionen, die deren Charakteren das maximale
Vergnügen ermöglichen.

Der Hintergrund des Spieles ist geprägt von warmen rosa, gelben und blauen Farbtönen.
Abgebildet sind Silhouetten von Brüsten und Penissen, die in kontinuierlichen Bewegungen
seitlich bzw. auf – und abwärts schwanken. Auch die Wolken sind zumeist in Form
männlicher Genitalien zu sehen.

Die Figuren selbst sind ebenso nur in Umrissen gezeigt. Deren Farben ändern sich je nach
Geschlecht oder Körperhaltung. Männern ist die Farbe rosa zugeteilt worden; Frauen violett;
auf Füßen, Händen und mit dem Gesäß zum Partner gewandten Figuren, deren Geschlecht
undefiniert bleibt ebenso violett und hockenden und zum Partner gedrehten Figuren
schlussendlich ein schmutziges rosa.

Interessant zu erwähnen ist schließlich auch, dass sich aufeinander zugehende, stehende
Männer entweder abstoßen oder aneinander vorbeigehen und Seite tauschen.

Inhaltliche Merkmale auf der anderen Seite bieten weitere Möglichkeiten zur Interpretation.
Zunächst, um am vorherigen Punkt anzuschließen, erinnert „Queer Power“ zeitweise an ein
Aktionsspiel, bei dem das Ziel lautet, den Gegner mit physischer Gewalt zu besiegen, denn
den Figuren ist es ermöglicht, in Gegenüberstellung aufeinander zuzugehen, auszuweichen
und anzugreifen. In diesem Spiel allerdings, soll es insofern modifiziert sein, dass es vielmehr
um ein Miteinander und Kollaboration geht, darum ein gemeinsames Genusserlebnis zu
erfahren, anstatt gegeneinander anzukämpfen. Obwohl der Gewaltaspekt ausgespart
bleiben soll, können Aktionsoptionen als mögliche Vergewaltigungsangriffe rezipiert werden,
etwa, wenn man gegen den Computer spielen muss und das Gegenüber trotzpersönlicher
Ausweichversuche sexuelle Handlungen vollzieht.

Die einheitliche Identität der Charaktere im Spiel wird durch fluide ersetzt. Die dynamische
und fragmentarische sexuelle Orientierung spiegelt sich in der Austauschbarkeit der Rollen
wieder, denn man kann trotz ausgewählter Präferenz während des fortlaufenden Spiels die
Meinung und damit verbundene Aktionsmöglichkeiten verändern.33

Das Spiel endet mit dem erreichten Orgasmus einer oder beider Figuren. Unklar bleibt dabei
allerdings, ob man den Orgasmus des Partners als „Game Over“, also eventuell verlorenes
Spiel lesen sollte bzw. umgekehrt, den der eigenen Figur, als Gewinn oder ist das Ziel der
gemeinsame, simultane Höhepunkt.

33
Vgl. https://www.newgrounds.com/portal/view/173579
Fazit
Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass durch die Radikalisierung der Popkultur neue
Flächen geschaffen werden, um Spieler*innenfreundlichere Games zu ermöglichen.
Exklusion marginalisierter Personengruppen soll minimiert werden und Spiele sollen allen
Gamer*innen Identifikationsmöglichkeiten bieten.

Außerdem ist abschließend zu sagen, dass sich die Darstellung von Sexualität bisher zwar
positiv verändert hat, dennoch viel Aufwand investiert werden muss, um Feindseligkeit und
Gewalt innerhalb der virtuellen Realität zu reduzieren. Dies ist ein Prozess, der eine
Veränderung im Ursprung erfordert. So sollen beispielsweise Spiele nicht für eine spezifische
Publikumsbandbreite maßgeschneidert sein, etwa europäische, heterosexuelle, junge
Männer, sondern all jenen entsprechen, die spielen wollen.

Für die Zukunft wäre es aufschlussreich zu untersuchen, inwiefern Queer Games das
Verhalten in der physischen Realität beeinflussen können und, ob sie, wenn von frühem
Stadium aus gespielt, Toleranz oder besser Akzeptanz menschlicher Diversität gewähren
können.
Quellen
DeGaetano, Gloria/Großmann, Dave, Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht? Ein
Aufruf gegen Gewalt in Fernsehen, Film und Computerspielen, Stuttgart: Freies
Geistesleben, 2. Auflage 2002

Döring, Nicola, „Medien und Sexualität“, In: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online,


Hg. Meister, Dorothee/von Gross, Friederike/Sander, Uwe, http://www.nicola-
doering.de/wp-content/uploads/2014/08/D%C3%B6ring-2013-Medien-und-Sexualitaet.pdf,
24.3.2019

Kleinevers, Sonja, Sexualität und Pflege. Bewusstmachung einer verdeckten Realität,


Hannover: Schlütersche VG 2004

Friesem, Elizaveta/Shaw, Adrienne, „Where Is the Queerness in Games? Types of Lesbian,


Gay, Bisexual, Transgender, and Queer Content in Digital Games“, In: International Journal of
Communication 10, 2016, USC Annenberg, file:///C:/Users/user/AppData/Local/Temp/5449-
21339-1-PB.pdf, 24.3.2019

Michalek, Nicolai-Alexander, „Outlast and Cry of Fear. Zum queeren Potenzial des Survival
Horrors im Videospiel“, In: onlinejournal kultur & geschlecht 19, 2017, Ruhr – Universität
Bochum, https://kulturundgeschlecht.blogs.ruhr-uni-bochum.de/wp-
content/uploads/2017/07/Michalek_Survival-Horror.pdf, 24.3.2019

Wrede, Brigitta, Was ist Sexualität? Sexualität als Natur, als Kultur und als Diskursprodukt, In:
Sexuelle Szenen. Inszenierungen von Geschlecht und Sexualität in modernen Gesellschaften,
Schmerl C., Soine S., Stein-Hilbers M. (Hg.); Opladen: Budrich Verlag: 25-43.

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