Sie sind auf Seite 1von 9

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

https://doi.org/10.1007/s00767-018-0407-2

TECHNISCHE MITTEILUNGEN UND FALLBEISPIEL

Auftreten und Herkunftsbestimmung von Antibiotika in viehstarken


Regionen Niedersachsens
Christel Karfusehr1 · Annette Kayser1 · Ralf te Gempt2 · Arne Hein3 · Lars Germershausen4

Eingegangen: 27. April 2018 / Überarbeitet: 3. September 2018


© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

Zusammenfassung
Die Belastung des Grundwassers durch Antibiotika aus der Gruppe der Sulfonamide und Trimethoprim wurde in Nieder-
sachsen in Gebieten mit hohem Viehbesatz an 159 oberflächennahen Grundwassermessstellen untersucht. Die Indikatoren
Carbamazepin und Acesulfam-K zeigen den möglichen Einfluss häuslicher Abwässer aus Kleinkläranlagen. Die aus-
schließliche Verkehrsfähigkeit einiger Ausgangswirkstoffe als Tierarzneimittel belegt eine landwirtschaftliche Herkunft.
32 Messstellen enthielten Antibiotikawirkstoffe, die sowohl in der Tier-, als auch in der Humanmedizin Verwendung fin-
den. 16 Messstellen enthielten ausschließlich das Tierarzneimittel Sulfadimidin. Bei neun Messstellen ist aufgrund des
Fundspektrums eine Mischbelastung mit Humanarzneimitteln aus häuslichem Abwasser möglich. Funde von Sulfadiazin
und Sulfamethoxazol an fünf Messstellen erfordern eine weitere Aufklärung. Für weitere zwei Messstellen belegt eine
Detailuntersuchung eine landwirtschaftliche Quelle und einen Abwassereintrag. Lediglich an zwei Messstellen überstiegen
die Funde den vom Umweltbundesamt vorgeschlagenen Schwellenwert. Neben landwirtschaftlichen Quellen erwiesen sich
Kleinkläranlagen als bedeutende Eintragsquelle für Antibiotikawirkstoffe. Aufgrund der häufigen Kombinationsfunde von
Wirkstoffen sollte neben einem Schwellenwert für Einzelstoffe auch ein Summenschwellenwert diskutiert werden.

Concentrations and sources of antibiotics in regions with intensive livestock production in


Lower-Saxony

Abstract
This study aims at investigating antibiotics in groundwater of areas in Lower Saxony with high livestock density. We
analyzed 159 shallow monitoring wells for the antibiotics Sulfonamides and Trimethoprim and for Carbamazepine and
Acesulfam-K as indicators for domestic sewage. In 32 observation wells, we detected antibiotics applied in human-
as well as in veterinary medicine. Sixteen wells contained the veterinary antibiotic sulfadimidine (sulfamethazine),
proving livestock production as the source. Nine wells had a mixed origin of human and veterinarian sources. De-
tection of sulfadiazine and sulfamethoxazole in five wells requires further analysis. For two wells, a more detailed
investigation proved that domestic sewage and livestock production were input sources. Concentrations exceeded the
threshold values suggested by German Environment Agency at only two wells. Apart from livestock production, do-
mestic sewage also proved to be an important source of antibiotics. Frequently we found combinations of compounds
and therefore propose to introduce a group threshold value in addition to threshold values for individual compounds.

 Christel Karfusehr
christel.karfusehr@nlwkn-clp.niedersachsen.de
1
NLWKN Cloppenburg, Drüdingstr. 25, 49661 Cloppenburg,
Annette Kayser Deutschland
annette.kayser@nlwkn-clp.niedersachsen.de
2
NLWKN Meppen, Haselünner Str. 78, 49716 Meppen,
Ralf te Gempt Deutschland
ralf.tegempt@nlwkn-mep.niedersachsen.de 3
Umweltbundesamt, Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau-Roßlau,
Arne Hein Deutschland
arne.hein@uba.de 4
NLWKN Hannover-Hildesheim,
Lars Germershausen An der Scharlake 39, 31135 Hildesheim,
lars.germershausen@nlwkn-hi.niedersachsen.de Deutschland

K
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Keywords Veterinary medicines · Antibiotics · Sulfonamides · Groundwater · Livestock

Zielsetzung oder auch durch Bodenablauf oder direkt durch Weidetie-


re das Oberflächengewässer erreichen. Insbesondere der
Der NLWKN führt seit 2015 ein landesweites Screening hohe Einsatz von antibiotischen Wirkstoffen ist vor dem
seiner Grundwassergüte-Messstellen auf Antibiotika-Belas- Hintergrund nicht auszuschließender Resistenzbildungen
tungen des Grundwassers durch (NLWKN 2015, NLWKN und nicht abschätzbarer ökotoxikologischer Wirkungen auf
2016). Zwischen 2015 und 2016 wurden landesweit 209 Nichtzielorganismen terrestrischer und aquatischer Um-
Grundwassermessstellen untersucht. 15 % der Messstellen weltkompartimente kritisch zu sehen.
wiesen dabei Antibiotikarückstände auf, wobei die Belas- Neben dem Eintrag von Tierarzneimitteln sind die in
tungen in viehstarken Regionen (über 1,75 GV/ha LF) mit der Humanmedizin eingesetzten Arzneimittelwirkstoffe ei-
einem Anteil von 26 % gegenüber Gebieten mit geringerem ne weitere Belastungsquelle für das Grundwasser. In einer
Viehbesatz (10 %) deutlich erhöht waren. Diese Untersu- Grundwasser-Pilotstudie der Europäischen Kommission be-
chungen dauern an und wurden 2017–2018 um die Unter- richteten 13 EU-Länder über ihre Grundwassermessungen
suchung ausgewählter Humanarznei- und Röntgenkontrast- (Amec Foster Wheeler 2016). Bis zu 135 Arzneimittelwirk-
mittel ergänzt. Die Veröffentlichung eines Berichts ist für stoffe wurden untersucht. Abhängig vom Wirkstoff wur-
2019 geplant. den in bis zu 24 % der Messstellen Wirkstoffe über deren
Auf Basis der Erkenntnisse aus dem landesweiten Scree- Bestimmungsgrenze nachgewiesen. 36 Wirkstoffe darunter
ning und weiterer Projekte des Umweltbundesamtes und 4 Antibiotika wurden sogar mehrfach über 0,1 µg/l gemes-
des NLWKN zur Ermittlung der Eintragspfade der im sen.
Grundwasser vorgefundenen Antibiotika-Wirkstoffe und Insbesondere im ländlichen Raum stellen Kleinkläran-
Indikatoren aus dem Humanarzneimittelbereich (Hannap- lagen (KKA) insbesondere bei Verrieselung in das Grund-
pel et al. 2014, 2016a; NLWKN 2017) erfolgte im Zeitraum wasser oder über Leckagen eine nicht zu unterschätzende
2016–2017 eine Schwerpunktuntersuchung des Grundwas- Eintragsquelle für medizinische Wirkstoffe dar.
sers innerhalb viehstarker Regionen (> 1,75 GV/ha LF). Seit 2012 hat sich das Umweltbundesamt (UBA) ver-
Ziel der Untersuchung war es: stärkt mit der Tierarzneiproblematik und den Eintragspfa-
den von Antibiotika in das Grundwasser auseinandergesetzt
● die Belastungssituation in viehstarken Regionen > 1,75
und in verschiedenen Bundesländern, unter anderem auch
GV/ha LF zu ermitteln
in Niedersachen, Antibiotika im Grundwasser viehstarker
● mögliche Ursachen der Grundwasserbelastungen in vieh-
Regionen untersucht (Hannappel et al. 2014). Die Untersu-
starken Regionen abzuleiten
chung umfasste insbesondere Verbindungen aus der Grup-
● Messstellen zu identifizieren, die einer weiteren, detail-
pe der Sulfonamide, Fluorchinole, Tetrazykline und Ma-
lierten Untersuchung hinsichtlich der Eintragsursachen
krolide sowie Trimethoprim. Dabei konnten ausschließlich
bedürfen.
Sulfonamide im Grundwasser festgestellt werden, in eini-
gen Messstellen in niedrigen, in wenigen Messstellen je-
Anlass und Hintergrund doch auch in hohen Gehalten. In den folgenden Projek-
ten des UBA (Hannappel 2016a, 2016b) und des NLWKN
In der intensiven Tierhaltung werden große Mengen an (NLWKN 2017) wurde der Fokus der Untersuchungen da-
Tierarzneimitteln (TAM) eingesetzt. Antibiotika rangie- her auf die Wirkstoffgruppe der Sulfonamide sowie auf das
ren im Tierarzneimittelmarkt mit einem Anteil von 19 % in den Kombipräparaten mit eingesetzte Trimethoprim ge-
auf dem dritten Rang (BFT 2018). 733 t Antibiotika wur- legt.
den 2017 an Tierärzte abgegeben. 2011 konnte allerdings Als Ergänzung zu dem UBA-Projekt „Aufklärung der
noch eine Abgabe von 1706 t verzeichnet werden (BVL Ursachen von Tierarzneimittelfunden im Grundwasser
2018). Im Vergleich dazu werden in der Humanmedizin – Untersuchung eintragsgefährdeter Standorte in Nord-
ca. 700–800 t Antibiotika eingesetzt, 85 % davon im ambu- deutschland“ (Hannappel et al. 2016a) hat der NLWKN
lanten Bereich (BVL 2016). Die verabreichten Wirkstoffe 2015 und 2016 Zusatzuntersuchungen durchgeführt, um
werden zu einem Großteil unverändert von den behan- wichtige Kenntnislücken zu den möglichen Ursachen des
delten Tieren ausgeschieden und mit Gülle oder Mist Eintrages von Tierarzneimitteln in das oberflächennahe
auf landwirtschaftliche Flächen in diffuser Form ausge- Grundwasser an sechs betroffenen Standorten in Nieder-
bracht. Durch Versickerung gelangen die Wirkstoffe in sachsen zu schließen (NLWKN 2017). Dies betraf vor
den Boden. Von dort können diese in die ungesättigte Zo- allem die Verdichtung der Wasserstandsmessungen zur Lo-
ne und letztlich in das Grundwasser eingetragen werden kalisation der örtlichen Anstromverhältnisse zu den Lan-

K
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Abb. 1 Antibiotika- und In-


dikatornachweise im Zeitraum
2015 bis 2017 in viehstarken
Regionen (> 1,75 GV/ha LF)

desmessstellen, weitere Grundwasseruntersuchungen sowie orte) nachvollzogen werden. Nach Kenntnis der Autoren
die Beprobungen zusätzlicher Umweltmedien, um für die ist dies in ihrem Umfang die bis dahin systematischste Un-
standortbezogene Aufklärung einen möglichst lückenlosen tersuchung von Antibiotika im Grundwasser in viehstarken
Datenbestand zur Verfügung zu haben. Untersucht wurden Regionen in Deutschland mit ausführlicher Herkunftsauf-
Gülle/Gärreste, Böden und Grundwasser, sowie Gräben, klärung (Hannappel 2016a, 2016b; NLWKN 2017).
Dränageauslässe und an einem Standort auch das Sicker- Bis auf wenige Ausnahmen lagen die nachgewiese-
wasser. Voraussetzung für die Durchführung der Projekte nen Antibiotikakonzentrationen weit unterhalb des vom
zur Ermittlung der Eintragsquellen war u. a. eine enge Zu- Umweltbundesamt vorgeschlagenen Schwellenwertes von
sammenarbeit mit den Landwirten und ihren Interessens- 100 ng/l im Grundwasser in Anlehnung an die geltenden
vertretern. Nahezu alle ansässigen Landwirte waren zur Grundwasserqualitätsnormen für Pestizidwirkstoffe (Han-
Mitarbeit bereit, gaben Auskünfte zum Antibiotikaeinsatz nappel et al. 2016a).
in ihrem Tierbestand und ermöglichten die Probennahmen Neben dem Projekt zur Ermittlung der Eintragspfade
von Wirtschaftsdüngern und Boden. führt der NLWKN seit 2015 ein landesweites Antibiotika-
Auf Basis der detaillierten Untersuchungen und Zusatz- Screening an Grundwassergüte-Messstellen zur Ermittlung
informationen konnten die Eintragspfade der Wirkstoffe aus der Antibiotikabelastung insbesondere der Wirkstoffgruppe
der Tier- (alle Standorte) und der Humanmedizin (2 Stand- der Sulfonamide und ihrer Transformationsprodukte durch

K
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Tab. 1 Übersicht über die untersuchten Sulfonamidwirkstoffe, punktvorhaben (Projektdauer 2016 bis 2017) in viehstarken
Transformationsprodukte, Trimethoprim sowie Indikatoren mit Regionen über 1,75 GV/ha LF durchzuführen. Die Ergeb-
Nachweis- und Bestimmungsgrenzen
nisse der Schwerpunktuntersuchung 2016 bis 2017 als auch
Parameter GWA-Umweltanalytik NLWKN-Labor die Erkenntnisse aus dem landesweiten Screening der Jahre
Hildesheima
2015 bis 2016 werden hier auf Ebene viehstarker Regionen
Nachweis- Bestimmungs- Bestimmungs-
grenze grenze grenze zusammenfassend dargestellt und ausgewertet.
4-Hydroxy- 6 18 6
Sulfadiazin
Sulfaethoxy- 2 6 2 Untersuchungsgebiet, Messstellenauswahl
pyridazin und Untersuchungsspektrum
Sulfamerazin 2 6 2
Sulfadiazin 2 6 2 Das Untersuchungsgebiet für die Durchführung des Schwer-
Sulfathiazole 2 6 2 punktvorhabens bilden die viehstarken Regionen in Nie-
Sulfadimidin 2 6 1 dersachsen, definiert als Gemeinden mit einem Viehbesatz
Sulfadoxin 2 6 2 größer oder gleich 1,75 GV/ha LF. Hierzu gehören entspre-
Sulfamethoxy- 2 6 2 chende Gemeinden innerhalb der Landkreise Grafschaft
pyridazin Bentheim, Emsland, Leer, Wittmund, Friesland, Weser-
N-Ac-Sulfadiazin 2 6 2 marsch, Ammerland, Oldenburg, Cloppenburg, Vechta,
Sulfachloro- 6 18 2 Osnabrück, Cuxhaven, Stade und Rotenburg (Wümme).
pyridazin
Die Auswahl der Grundwassermessstellen erfolgte nach
Sulfamethoxazol 4 6 4
einem Worst-case-Ansatz. Die Messstellen sollten:
Sulfadimethoxin 2 6 2
N-Ac-Sulfa- 6 18 6 ● im Bereich sandiger, gut durchlässiger Böden liegen
methoxazol ● möglichst oberflächennah verfiltert sein
Trimethoprim 2 6 2 ● möglichst hohe N-Gehalte aufweisen (bzw. PSM-Funde
Carbamazepin 0,3 0,9 5 usw.)
Acesulfam-K 6 18 Nicht untersucht ● an Standorten ohne Deckschichten und
a
auf Benennung der Nachweisgrenzen wurde aufgrund der niedrigen ● mit hohen Grundwasserneubildungs- bzw. Auswa-
Bestimmungsgrenzen verzichtet schungsraten liegen.
Insgesamt erfüllen im Untersuchungsgebiet 94 Grund-
(NLWKN 2015). Ab 2017 werden auch Humanarznei- und wassermessstellen des NLWKN die o. a. Kriterien. Hinzu
Röntgenkontrastmittel untersucht. Das landesweite Scree- kommen 65 Grundwassermessstellen aus dem landesweiten
ning beinhaltet ausschließlich Untersuchungen des Grund- Screening, die innerhalb der vordefinierten viehstarken Ge-
wassers. meinden verortet sind. Für die Untersuchung der Antibio-
Erste Erkenntnisse aus dem Screening (NLWKN 2015, tikabelastungen des oberflächennahen Grundwassers vieh-
NLWKN 2016) zeigen, dass aufgrund der deutlich höhe- starker Regionen standen somit 159 Grundwassermessstel-
ren Abgabemengen von antibiotisch wirksamen Substanzen len zur Verfügung (Abb. 1). Durch das Schwerpunktvor-
in Regionen mit hohem Viehbesatz (BVL 2016) von ei- haben hat sich die Untersuchungsdichte in viehstarken Re-
nem höheren Belastungsdruck ausgegangen werden kann. gionen von 1 Messstelle/350 km2 auf 1 Messstelle/140 km2
So wiesen in Niedersachen insgesamt 15 % der im Zeit- erhöht.
raum 2015 bis 2016 untersuchten 209 Messstellen mindes- 87 (55 %) der untersuchten 159 Messstellen weisen
tens einmalig einen Nachweis von Antibiotikawirkstoffen Filteroberkanten (FOK) bis 10 m unter Geländeoberkante
auf. Bei ausschließlicher Betrachtung viehstarker Regio- (GOK) auf. Bei 52 (33 %) der Messstellen liegt die FOK im
nen, hier definiert über Gemeinden mit einem Viehbesatz Bereich von 10–20 m unter GOK. Lediglich 20 Messstellen
von mindestens 1,75 Großvieheinheiten pro landwirtschaft- (13 %) sind mit FOK unterhalb von 20 m tiefer verfiltert.
lich genutzter Fläche (GV/ha LF), erhöhte sich der Anteil Die Mehrzahl der ausgewählten Messstellen (84 %) weist
belasteter Messstellen auf 26 % (17 von 65 Messstellen). Filterstrecken bis 2 m auf, sodass der Eintragsbereich der
In Gebieten mit geringeren Tierzahlen (unter 1,75 GV/ha Messstelle begrenzt ist. 16 % der Messstellen sind mit län-
LF) konnten dagegen nur an rund 10 % der untersuchten geren Filterstrecken ausgebaut, wobei 4 % eine Filterlänge
Messstellen Antibiotikawirkstoffe festgestellt werden (14 von 10 m überschreiten. Bei diesen Messstellen kann von
von 144 Messstellen). einem größeren Eintragsbereich ausgegangen werden.
Der NLWKN hat diese Erkenntnisse zum Anlass genom- Die Auswahl der untersuchten Antibiotika-Wirkstoffe
men, ergänzend zum landesweiten Screening ein Schwer- und deren Transformationsprodukte basierte auf den Er-

K
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Abb. 2 Anzahl von Messstellen


mit Einzel- und Mehrfachfunden
von Antibiotika differenziert
nach Wirkstoffkombinationen

kenntnissen vorausgegangener Projekte (NLWKN 2017) Ergebnisse und Diskussion


und umfasste ausschließlich Stoffe aus der Gruppe der
Sulfonamide sowie Trimethoprim. Antibiotika- und Indikatoren-Funde in viehstarken
Probennahme und Analytik erfolgten im Rahmen des Regionen
landesweiten Antibiotik-Screenings durch den NLWKN.
Das Institut für Wasser- und Umweltanalytik Luisenthal An 32 der 159 in viehstarken Regionen untersuchten Grund-
der Gesellschaft für Wasser- und Abwasserservice mbH wassermessstellen konnten Sulfonamid-Wirkstoffe bzw. ih-
führte die Arbeiten im Rahmen des Schwerpunktvorha- re Transformationsprodukte als Einzelnachweis oder als
bens für den NLWKN durch. Die Probennahme erfolgte Nachweise mehrerer Wirkstoffe in Kombination nachge-
als Pumpprobe mittels Tauchpumpe Grundfos MP 1. Die wiesen werden (Abb. 2). Dies sind 20 % der untersuch-
Arzneimittelproben wurden in mit Reinstwasser gespülten ten Grundwassermessstellen und ca. doppelt so häufig wie
1000 ml-Standflaschen abgefüllt. Die Bestimmung der aus- in den Voruntersuchungen des Umweltbundesamtes (Balzer
gewählten Arzneimittelwirkstoffe und Indikatoren erfolgte 2016; Hannappel et al. 2014). Die Belastung des Grundwas-
mittels Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie und sers ist daher nicht auf Einzelstandorte beschränkt, sondern
massenspektrometrischer Detektion nach Direktinjektion. diffus verteilt. Die Sulfonamidfunde bestätigen die höhere
Eine Zusammenstellung der untersuchten Wirkstoffe und Antibiotikabelastung des Grundwassers in Gebieten mit in-
Transformationsprodukte sowie der verwendeten Nach- tensiver Tierhaltung. Innerhalb der viehstarken Gebiete ist
weis- und Bestimmungsgrenzen enthält Tab. 1. eine weitere Zunahme der Belastungshäufigkeit proportio-
Sulfamethoxazol wird vor allem in der Humanmedizin nal zur Viehbesatzdichte jedoch nicht eindeutig erkennbar.
und nur in geringem Umfang in der Tiermedizin eingesetzt. Auffällig ist ein verstärktes Auftreten von Antibiotikafun-
Die Abgabemenge von Sulfadiazin an die Humanmedizin den im Grundwasser in Bereichen mit einer Konzentration
beträgt im Vergleich zur Tiermedizin dagegen nur ca. 10 %. an Intensivtierhaltungs-Betrieben (Abb. 1).
Als Ursache für Sulfonamid-Funde im Grundwasser wur- Die häufigsten Antibiotikanachweise im Grundwasser
de bereits nachgewiesen, dass diese sowohl über landwirt- entfielen auf den Wirkstoff Sulfadimidin, einem Wirkstoff,
schaftlich bedingte Einträge mit der Gülle über den Boden der ausschließlich in der Tiermedizin (Tab. 2) eingesetzt
und das Sickerwasser als auch über Emissionen aus dem wird und auch als Indikator für intensive Tierproduktion
häuslichen Abwasser in das Grundwasser gelangen (Han- gilt (Jekel 2015). 25 der 32 Befundmessstellen wiesen die-
nappel et al. 2016a; NLWKN 2017). sen Wirkstoff als Einzelnachweis oder in Kombination mit
Carbamazepin und Acesulfam-K sind anerkannte Indi- weiteren Sulfonamid-Wirkstoffen auf (Abb. 2). Die Sulfa-
katoren für häusliche Abwässer und somit für den Eintrag dimidin-Konzentrationen lagen allgemein auf einem nied-
aus dem Humanmedizinbereich (Jekel 2015). Das Antiepi- rigen Niveau und deutlich unterhalb des vom UBA vorge-
leptikum Carbamazepin wurde in allen 159 Messstellen un- schlagenen Schwellenwertes von 0,1 µg/l für Antibiotika.
tersucht, der Süßstoff Acesulfam-K in 97 Messstellen der Auffällig ist die Beständigkeit der Sulfadimidingehalte im
Schwerpunktuntersuchung. Grundwasser, die Funde werden häufig in Folgeuntersu-
Die Probennahmen des Grundwassers erfolgten in der chungen bestätigt.
Regel in zwei Beprobungszyklen im Frühjahr und im An zwei Messstellen wurde der vom UBA vorgeschlage-
Herbst. ne Schwellenwert von 0,1 µg/l für Antibiotika überschritten.

K
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Tab. 2 Übersicht über die in viehstarken Gebieten untersuchten Sulfonamidwirkstoffe und Transformationsprodukte sowie die Verkehrsfähigkeit
der Ausgangswirkstoffe (DIMDI 2017)
Wirkstoff Tierarzneimittel Humanarzneimittel
Verkehrsfähigkeit in D Arzneimittel im Handel Verkehrsfähigkeit in D Arzneimittel im Handel
[Anzahl Zulassungen] [Anzahl Zulassungen]
Sulfadiazin: Ja 14 Ja 11
4-Hydroxy-Sulfadiazin,
N-Ac-Sulfadiazin
Sulfamethoxazol: N-Ac- Ja 4 Ja 26
Sulfamethoxazol
Sulfadimidin Ja 17 Bis 1996 Nein
Sulfamerazin Ja 1 Bis 2005 Nein
Sulfathiazol Bis 2013 Nein Bis 2001 Nein
Sulfadoxin Ja 6 Bis 1998 Nein
Sulfadimethoxin Ja 7 Bis 1992 Nein
Sulfachloropyridazin Nicht bekannt Nein Nicht bekannt Nein
Sulfaethoxypyridazin Bis 1988 Nein Nicht bekannt Nein
Sulfamethoxypyridazin Ja 1 Bis 1992 Nein
Trimethoprim Ja 37 Ja 32

● Das Grundwasser der Messstelle Bösel I (LK Cloppen- ● Die Herbstbeprobung 2016 der Messstelle Calveslage I
burg) wies 2015 mit 0,13 und 0,135 µg/l erhöhte Sulfa- (LK Vechta) zeigte am Standort lediglich Sulfadimidin in
methoxazol-Konzentrationen auf, überschritt 2016 mit geringen Konzentrationen oberhalb der Nachweisgrenze.
Gehalten von 0,089 und 0,095 µg/l den vom UBA vorge- Im Frühjahr 2017 traten zusätzlich Funde von Sulfachlo-
schlagenen Schwellenwert jedoch nicht mehr. Sulfadimi- ropyridazin mit Konzentrationen von 0,15 µg/l auf. Die
din wurde in diesem Zeitraum in geringen Konzentratio- Nachbeprobung im Herbst 2017 bestätigte den Fund mit
nen von bis zu 11 ng/l nachgewiesen. Die Messstelle Bö- einer Konzentration von 0,17 µg/l. Laut DIMDI 2017,
sel I ist einer der sechs Standorte, die in den Jahren 2012 Datenbank des Deutschen Institutes für medizinische
bis 2016 der im Rahmen der Ermittlung der Eintrags- Dokumentation und Information, ist für den Wirkstoff
pfade intensiv untersucht wurde (NLWKN 2017). Die Sulfachlorpyridazin in Deutschland jedoch keine Ver-
Untersuchungen bezogen sich auf Wirtschaftsdünger, kehrsfähigkeit bekannt (Tab. 1). Hier ist weiterer Unter-
Boden, Grundwasser, Abwasser aus Kleinkläranlagen, suchungsbedarf und eine Ermittlung der Eintragsursache
Gräben und Drainageauslässe. Hinzu kamen Befragun- angeraten.
gen der Landwirte zu eingesetzten Antibiotika-Wirkstof-
fen. Fast durchgängig wurden der hauptsächlich in der Die Fundhäufigkeit der untersuchten Antibiotika-Wirk-
Humanmedizin eingesetzte Wirkstoff Sulfamethoxazol stoffe nahm von Sulfadimidin über Sulfadiazin zu Sulfa-
und der ausschließlich in der Tiermedizin eingesetzte methoxazol ab. Weitere Wirkstoffe (Sulfamethoxpyridazin,
Wirkstoff Sulfadimidin nachgewiesen. Sulfametoxypyridazin, Sulfadimetoxin, Sulfachloropyrida-
Sulfamethoxazol wurde in diesem Zeitraum zeitweilig zin) konnten nur sporadisch detektiert werden.
in extremen Konzentrationen von bis zu 0,95 µg/l erfasst Die Wirkstoffe Sulfadoxin, Sulfathiazol, Sulfamerazin
(NLWKN 2017). Der Fund von Sulfamethoxazol konn- sowie Sulfaethoxypyridazin wurden innerhalb des Unter-
te durch Nachweise in der benachbarten Kleinkläranlage suchungszeitraumes des Schwerpunktvorhabens im Grund-
erklärt werden. Über hohe Acesulfam-K-Gehalte zeigte wasser nicht nachgewiesen. Auch das Transformationspro-
sich ein deutlicher Abwassereinfluss in der Messstelle. dukt N-Ac-Sulfadiazin wurde nicht detektiert.
Sulfadimidin wurde innerhalb der Projekte zur Ermitt- Zur Feststellung einer Beeinflussung der Grundwasser-
lung der Eintragsursachen von Tierarzneimitteln in das messstellen durch häusliche Abwässer wurden die Indikato-
Grundwasser durchgängig in geringen Konzentrationen ren Acesulfam-K (97 Messstellen) und Carbamazepin (alle
bis 16 ng/l nachgewiesen. Über Sulfadimidin-Nachweise 159 Messstellen) untersucht.
in Boden und Wirtschaftsdünger konnte dabei eindeutig An 21 Messstellen wurde mindestens einmal Acesul-
eine landwirtschaftliche Eintragsquelle als Ursache be- fam-K oberhalb der Nachweisgrenze von 6 ng/l analysiert.
nannt werden (NLWKN 2017). An drei dieser Standorte wurden Konzentrationen über
1000 ng/l festgestellt, die auch in Folgeuntersuchungen
bestätigt werden konnten. Vier Messstellen wiesen zusätz-

K
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Für 16 der 32 Befundmessstellen konnte der Antibio-


tikaeintrag aufgrund der ausschließlichen Anwendung des
Wirkstoffes Sulfadimidin in der Tiermedizin (Tab. 2) einer
landwirtschaftlichen Quelle zugeordnet werden.
Bei weiteren 16 Messstellen ist eine Benennung der
Ursachen ohne detaillierte Untersuchung weiterer Quellen
oder Eintragspfade ohne detaillierte Fundaufklärung nicht
zweifelsfrei möglich, da Sulfonamide nachgewiesen wer-
den konnten, die sowohl in der Tier- als auch in der Hu-
manmedizin eingesetzt werden (Tab. 2).
● An zwei der 16 Messstellen konnten die im Vorfeld
durchgeführten Fundaufklärungen (NLWKN 2017) ein-
Abb. 3 Auf Antibiotika untersuchte Messstellen (n = 159) und Mess- deutig eine wirkstoffbezogene Eintragsquelle benennen.
stellen mit Antibiotikafunde (n = 32) innerhalb viehstarker Gebiete dif- Für Bösel I (LK Cloppenburg) konnte eine Mischbe-
ferenziert nach Filterlagen
lastung durch Einträge landwirtschaftlichen Ursprungs
(Sulfadimidin) und Einträge aus häuslichem Abwasser/
Wirtschaftsdünger (Sulfamethoxazol) identifiziert wer-
lich Carbamazepin auf. An zwei Messstellen wurde kein
den. Am Standort Markhausen stammt neben Sulfadi-
Acesulfam-K nachgewiesen, Carbamazepin trat jedoch in
midin auch 4-OH-Sulfadiazin aus Tierarzneimitteln, wie
geringen Konzentrationen (< 0,9 bis 31 ng/l) auf, wobei
Funde in Wirtschaftsdüngern und Boden belegen.
eine Messstelle nicht parallel auf Acesulfam-K untersucht
● An neun weiteren Standorten ist aufgrund der Mehrfach-
wurde.
funde von Wirkstoffen eine Mischbelastung möglich.
13 Messstellen zeigten ausschließlich Abwasserindikato-
Neben dem Tierarzneimittel Sulfadimidin konnten Wirk-
ren an. An zehn weiteren Messstellen wurden sowohl Sul-
stoffe bzw. Transformationsprodukte von Sulfamethoxa-
fonamide als auch Indikatoren nachgewiesen, sodass ins-
zol und/oder Sulfadiazin detektiert werden. Insbesondere
gesamt an 23 Messstellen ein Abwassereinfluss festgestellt
lassen die Messstellen Bethen 2/6 (LK Cloppenburg) und
wurde. Da Acesulfam-K nicht in allen Messstellen unter-
Oeveringen I (LK Grafschaft Bentheim) einen zusätzli-
sucht wurde, muss aufgrund der Fundhäufigkeit von Ace-
chen Antibiotikaeintrag über Hausabwasser vermuten,
sulfam-K in den untersuchten Messstellen (22 %) von einer
da Sulfamethoxazol detektiert und durch Indikatoren ein
höheren Anzahl abwasserbeeinflusster Messstellen ausge-
deutlicher Abwassereinfluss identifiziert werden konnte.
gangen werden.
Für drei Standorte wird eine zusätzliche Beeinflussung
Von den in viehstarken Gebieten insgesamt untersuch-
durch häusliches Abwasser als unwahrscheinlich ange-
ten 159 GWM weisen 87 GWM Filteroberkanten bis 10 m
sehen, da sich keine KKA im Zustrom zur Messstelle
unter GOK auf (Abb. 3). 27 der 32 GWM mit Antibioti-
befinden bzw. durch das Einzugsgebiet der Messstelle
ka-Nachweis sind sehr flach verfiltert (FOK bis 10 m unter
(nach Beurteilung von Filterlage und Schichtenverzeich-
GOK). Bei Messstellen mit einer Filteroberkante der Klasse
nissen) kein Einfluss zu erwarten ist. Für vier Messstellen
10–20 m u. GOK konnte lediglich bei 10 % der Messstellen
kann keine Einschätzung abgegeben werden. KKA in un-
(Anzahl 5) ein Antibiotika-Nachweis erfolgen. Bei Mess-
mittelbarer Nähe zur Messstelle lassen zwar eine Grund-
stellen mit FOK unter 20 m unter GOK konnten hingegen
wasserbeeinflussung erwarten, Sulfadiazin kann jedoch
keine Antibiotika-Wirkstoffe nachgewiesen werden.
nicht eindeutig einer Eintragsquelle zugeordnet werden.
Hier ist eine Fundaufklärung unbedingt anzuraten.
● In fünf Messstellen konnte Sulfadiazin oder Sulfameth-
Standort- und wirkstoffbezogene
oxazol bzw. Transformationsprodukte der Wirkstoffe als
Beurteilung möglicher Eintragsquellen
Einzelnachweise nachgewiesen werden. Drei Messstel-
len zeigen eine deutliche Abwasserbeeinflussung an, so-
32 Messstellen wiesen Sulfonamidfunde auf. Anhand der
dass hier auch Humanarzneimittel als Quelle zu vermu-
bisherigen Erkenntnisse (NLWKN 2017), der Kenntnis über
ten sind. Bei Hagel I (LK Cloppenburg) hat sich der N-
die Verkehrsfähigkeit als Tierarznei- oder Humanarzneimit-
Ac-Sulfamethoxazolfund in der Folgeuntersuchung nicht
tel als auch der Kenntnis der Lage von ins Grundwasser ent-
bestätigt. Aufgrund der Lage in einem Waldgebiet und
wässernde Kleinkläranlagen im Umfeld der Grundwasser-
ohne Kenntnis der Grundwasserströmung bleibt die Ein-
messstellen erfolgte eine erste Einschätzung zur Eintrags-
tragssituation insgesamt unklar. Die Indikatorbewertung
ursache.
der Messstelle Hollenstede (LK Osnabrück) ist ebenfalls

K
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

nicht eindeutig, da keine Acesulfam-K-Untersuchungen weise ohne öffentliche Kanalisation und nutzen größten-
vorliegen. Eine Fundaufklärung ist auch hier anzuraten. teils Kleinkläranlagen oder auch abflusslose Gruben (LSN
2016). Bei hohen Arzneimittelfrachten im häuslichen Ab-
Im Untersuchungsraum sind in 27 der 32 Grundwas- wasser kann die Konzentration im Grundwasser punktuell
sermessstellen eindeutig Antibiotika aus der Tiermedizin hohe Gehalte bis deutlich über dem vom UBA vorgeschla-
festgestellt worden. Bei 9 dieser 27 Fundstellen ist auf- genen Schwellenwert von 0,1 µg/l erreichen. Für eine bes-
grund des Fundspektrums auch eine Mischbelastung durch sere Bilanzierung der Eintragsquelle durch Privathaushalte
Humanarzneimittel aus häuslichem Abwasser möglich. Bei im Außenbereich ist weiterer Forschungsbedarf dringend
fünf Messstellen mit Funden von ausschließlich Sulfadiazin anzuraten. Ein hoher Anschlussgrad der ländlichen Bevöl-
oder Sulfamethoxazol kann erst eine weitergehende Fund- kerung an die öffentliche Abwasserversorgung kann dazu
aufklärung die Eintragsquelle Tier- oder Humanarzneimittel beitragen, den Eintrag aus Kleinkläranlagen in das Grund-
aufklären. wasser zu reduzieren, verlagert das Problem allerdings in
An 23 Messstellen konnte eine Beeinflussung durch die Abwasseraufbereitung und in die Fließgewässer. Gene-
häusliches Abwasser über Indikatorfunde nachgewiesen rell ist daher die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes auch
werden. Berücksichtigt werden muss jedoch, dass einige in der Humanmedizin als vorrangiges Ziel anzusehen.
Acesulfam-K-Gehalte nur in sehr geringen Konzentrationen Antibiotika aus der Gruppe der Sulfonamide konnten an
(< 18 ng/l) detektiert werden konnten. 20 % der in viehstarken Regionen untersuchten Messstellen
festgestellt werden, wobei in der Mehrzahl der Messstellen
zeitgleich mehrere Wirkstoffe bzw. Abbauprodukte nach-
Ausblick und Handlungsbedarf gewiesen werden konnten. Neben einem Schwellenwert für
Einzelwirkstoffe sollte daher auch über einen Summenwert
Aufgrund des relativ hohen Anteils an Messstellen mit analog zu Pestizidwirkstoffen diskutiert werden.
Antibiotikafunden muss von einer weitergehenden Belas-
tung des Grundwassers durch Tier- und Humanarzneimit- Literatur
teln ausgegangen werden. Es handelt sich nicht um ein
Problem einiger weniger Messstellen. Neben den Stoffen Amec Foster Wheeler: Groundwater watch list: pharmaceuticals pilot
study – monitoring data collection and initial analysis (2016).
mit nachgewiesener Überschreitung des vorgeschlagenen https://circabc.europa.eu/d/a/workspace/SpacesStore/a1e23792-
Schwellenwertes sollte ein besonderes Augenmerk auch 6ecd-4b34-b86c-dcb6f1c7ad1c/1600204, Zugegriffen: 10. Aug.
auf den Tierarzneimittelwirkstoff Sulfadimidin gelegt wer- 2018
Balzer, F., et al.: Antibiotics in groundwater under locations with high
den, der zwar nur in geringen Konzentrationen auftritt
livestock density in Germany. Water Sci. Technol. Water Supply
aber am häufigsten im Grundwasser detektiert wird. Funde 16(5), 1361–1369 (2016)
vermutlich in Deutschland nie zugelassener Wirkstoffe wie BFT: Bundesverband für Tiergesundheit: Tierarzneimittelmarkt 2017
Sulfachloropyridazin werfen Fragen nach Herkunft und (2018). http://www.bft-online.de/portraet/tierarzneimittelmarkt/,
Zugegriffen: 10. Aug. 2018
Eintragsursachen der Mittel auf. Hier ist Untersuchungsbe- BVL, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit:
darf angezeigt. Menge der abgegebenen Antibiotika in der Tiermedizin sinkt wei-
Antibiotika sind unverzichtbar zur Gesunderhaltung von ter (2018). https://www.bvl.bund.de/DE/08_PresseInfothek/01_
Tieren und Tierbeständen. Antibiotika aus der Gruppe der FuerJournalisten_Presse/01_Pressemitteilungen/05_Tierarznei
mittel/2018/2018_07_23_pi_Antibiotikaabgabemenge2017.html,
Sulfonamide sind dabei nicht einfach ersetzbare Wirkstof- Zugegriffen: 10. Aug. 2018
fe, da derzeit keine ausreichenden Alternativen bestehen BVL, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit,
(NLWKN 2017). Durch optimierte Handlungsbedingungen Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V.: GERMAP
2015 – Bericht über den Antibiotikaverbrauch und die Verbrei-
und Management sowie hohe Hygienestandards kann der tung von Antibiotikaresistenzen in der Human- und Veterinär-
Antibiotikaeinsatz und der Austrag in die Umwelt mini- medizin in Deutschland. Antiinfectives Intelligence, Rheinbach
miert werden (Hannappel et al. 2016a). Aufgrund der Fun- (2016)
de im Grundwasser sollte der Einsatz von Sulfonamiden in DIMDI: Arzneimittel-Informationssystem (2017). https://www.pharm
net-bund.de/dynamic/de/arzneimittel-informationssystem/
der Tiermedizin zukünftig einer Nutzen-/Risikoabwägung index.html, Zugegriffen: 3. Nov. 2017
unterzogen werden (NLWKN 2017). Hannappel, S., Groeneweg, J., Zühlke, S.: Antibiotika und Antiparasi-
Nicht zu vernachlässigen ist der Eintrag von Antibiotika- tika im Grundwasser unter Standorten mit hoher Viehbesatzdich-
te. Texte 27/2014. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau (2014)
wirkstoffen und weiterer Verunreinigungen über das häus- Hannappel, S., Köpp, C., Zühlke, S.: Aufklärung der Ursachen von
liche Abwasser. Im ländlichen Raum sind viele Haushalte Tierarzneimittelfunden im Grundwasser – Untersuchung eintrags-
nicht an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlos- gefährdeter Standorte in Norddeutschland. Texte 54/2016. Um-
sen. Im Untersuchungsraum sind durchschnittlich 88 % der weltbundesamt, Dessau-Roßlau (2016a)
Einwohner an die öffentliche Abwasserentsorgung ange-
schlossen, 12 % der Einwohner sind vollständig oder teil-

K
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Hannappel, S., Köpp, C., Zühlke, S., Balzer, F., Schulz, D.: Identifi- nahme „TAM im Grundwasser 2016“, interner Arbeitsbericht, un-
zierung der Eintragsquellen von Antibiotika in das Grundwasser veröffentlicht. Hannover-Hildesheim (2016)
viehstarker Regionen. Grundwasser 21(4), 295–304 (2016b) NLWKN, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küs-
Jekel, M., et al.: Selection of organic process and source indicator sub- ten- und Naturschutz: Regionaler Themenbericht, Ermittlungen
stances for the anthropogenically influenced water cycle. Chemo- der Ursachen des Eintrages von Tierarzneimitteln in das oberflä-
sphere 125, 155–167 (2015) chennahe Grundwasser, Datenauswertung 2012 bis 2016. Reihe
LSN, Landesamt für Statistik Niedersachsen: Statistische Berichte Grundwasser, Bd. 29. NLWKN, Norden (2017)
Niedersachsen, Öffentliche Wasserversorgung- und Abwasse- NLWKN, Niedersächsischer Landesbetriebe für Wasserwirtschaft,
rentsorgung 2013, korrigierte Version vom 05.10.2016. LSN, Küsten- und Naturschutz: Tierarzneimittelwirkstoffe im Grund-
Hannover (2016) wasser Niedersachsens, Landesweite Bestandsaufnahme, 1. und
NLWKN, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küs- 2. Halbjahr 2015, Interner Arbeitsbericht, unveröffentlicht. Han-
ten- und Naturschutz: Ergebnisse der landesweiten Bestandsauf- nover-Hildesheim (2015)

Das könnte Ihnen auch gefallen