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Begleitheft zur Ausstellung

Anton Antweiler. Das Fremde zeigen.

Universitäts- und Landesbibliothek, Galerie


Krummer Timpen 3-5
48143 Münster

11. bis 21. Juli 2019

Konzept: Patrick Felix Krüger


Seminar für Allgemeine Religionswissenschaft der WWU /
CERES Bochum
Realisierung: Eckhard Kluth, Jennifer Liebsch
Zentrale Kustodie der WWU

Im Rahmen des Kultursemesterschwerpunkts


Sommersemester 2019 „Grenzüberschreitungen“
gefördert durch
Anton Antweiler
Das Fremde zeigen

Eine Ausstellungskooperation der


Religionswissenschaftlichen Sammlung
der WWU mit dem Centrum für
Religionswissenschaftliche Studien
(CERES) der Ruhr-Universität Bochum
Anton Antweiler (li.) während seiner Asienreise im Jahr 1958
Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Nachlass Antweiler (034,061)

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Anton Antweiler
Ein katholischer Theologe und die Religionen der Welt
„Die Aufgabe der Religionswissenschaft ist weder, die Religi-
on zu beweisen, noch, sie zu verteidigen. Aufgabe der Religi-
onswissenschaft ist es vielmehr, die Religion zu beschreiben“

Anton Antweiler (1900 - 1981) war katholischer Priester und


wurde 1954 als ordentlicher Professor für allgemeine Religi-
onswissenschaften nach Münster berufen. Mit ihm wurde die
Religionswissenschaft als Religionsphänomenologie sichtbar
an der WWU verankert.
Religionswissenschaft galt Antweiler als eine „Wissenschaft
von der Religion“. Seine Lehrtätigkeit, die sich auch außereu-
ropäischen Religionen widmete, führte schließlich zur Grün-
dung der religionskundlichen Sammlung:

„Wenn man das Eigentümliche der verschiedenen Formen


der Religionen deutlich machen will, ist es sehr unzuläng-
lich, sich nur auf das Wort zu verlassen, da Religion sich im-
mer auch im Sichtbaren darstellt, in Kultraum, Kultbild und
Kultgegenständen.“

Als katholischer Theologe war Antweiler jedoch kein Experte


für die Religionen Asiens. In der Sammlung spiegelt sich da-
her vor allem Antweilers eigene Vorstellung außereuropäischer
Religiosität und ihrer verschiedenen Traditionen. Er hat die
Objekte ihrem ursprünglichen Kontext entnommen, sie aus der
Ferne nach Westfalen geholt und sie hier zum musealen Lehr-
und Ausstellungsobjekt gemacht. Heute umfasst die religions-
kundliche Sammlung mehr als 250 Objekte verschiedener Reli-
gionen und aus unterschiedlichen Zeiten.

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Antweiler und Asien
„Das Arbeitsgebiet der Religionswissenschaft, in das ich die
Bemühung um die Entwicklungshilfe mit einbezogen habe
[...]“ (1961)

Ende 1958 unternahm Antweiler eine Reise nach Asien um die


„östliche Geistigkeit“ kennenzulernen. Zunächst besuchte er
den Internationalen Kongress für Religionsgeschichte in Tokyo
und reiste anschließend weiter nach Indien. Den Zweck dieser
Studienreise begründete er mit seinem Lehrauftrag für Religi-
onsgeschichte und Religionsphilosophie, und dass gerade in
Indien eine große Zahl von religiösen Formen vorzufinden sei
und er sich für die „Enteuropäisierung des Christentums“ in-
teressierte. Für Antweilers Bild von „Asien“ und den „Asiaten“
scheint diese Reise ausgesprochen prägend gewesen zu sein.

Anton Antweiler (2. v. li.) während seiner Asienreise im Jahr 1958


Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Nachlass Antweiler (034,061)

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Anfang April 1959 verfasst er einen Bericht über diese Rei-
se, der an das Auswärtige Amt gerichtet ist. Von dort war seine
Reise offenbar teilweise finanziert oder organisatorisch unter-
stützt worden. In dem Bericht fasst er seine wichtigsten Eindrü-
cke zusammen. Es wird deutlich, dass er Indien als beispielhaft
für weite Teile des asiatischen Raumes betrachtet. Gleichzeitig
empfindet er das Land als „zwiespältig“, es schwebe „zwi-
schen Mittelalter und Neuzeit“ und strebe überstürzt in die
moderne Zeit.
Die Kolonialzeit bewertet Antweiler im Geiste seiner Zeit sehr
unkritisch: „Die einsichtigen Asiaten wissen, dass sie ohne die
frühere und jetzige Hilfe der ‚Kolonialmächte‘ nicht imstande
wären, ihren Aufgaben zu genügen; ebenso, dass es seit de-
ren Weggang abwärts geht“. Im Versuch einer Rechtfertigung
des Kolonialismus fügt er hinzu, „dass die Kolonialherren kei-

Veranstaltung während der Asienreise Anton Antweilers im Jahr 1958


Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Nachlass Antweiler (034,061)

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neswegs als erste die Ausbeutung der Einheimischen erfunden
oder als einzige praktiziert haben.“
Auf seiner Reise durch Indien entwickelte Antweiler den
Gedanken, die Entwicklungshilfe in das Arbeitsgebiet der
Religionswissenschaft einzubeziehen. Er betont dabei, dass
Entwicklungshilfe die lokale Gegebenheiten berücksichtigen
müsse:

„Hilfe ist notwendig, wirkt aber zerstörend, wenn sie nicht


auf die Denkweise, Wissensbreite und -tiefe [...] Rücksicht
nimmt“. Damit rückt er die Religionswissenschaft stärker in
die Nähe der Mission, die nun unter dem Deckmantel der Ent-
wicklungshilfe wirken soll.

In diesem Zusammenhang betont er auch die seiner Ansicht


nach schädlichen Einflüsse, die vor allem durch den Film aus
der westlichen Welt nach Asien getragen werden und entwi-
ckelt die Idee einer Wanderausstellung als gegenläufige „Kul-
turpropaganda“.
Die Europäer und Amerikaner bringen viel Geld und guten
Willen auf, um den Asiaten zu helfen. Dieselben Europäer und
Amerikaner exportieren aber auch Filme nach Asien, die sowohl
dem Feingefühl der Asiaten als auch der Menschenwürde als
auch dem europäischen Geist in Gesicht schlagen. [...] Dieser
Export schädigender Filme muß aufhören, an seine Stelle einer
von guten Filmen treten. Wichtiger noch ist eine Kulturpropag-
anda, die mehr in die Tiefe geht und für die Zukunft arbeitet“.

Anlage zu einem Schreiben Anton Antweilers an das Auswärtige Amt


der Bundesrepublik Deutschland vom 26.07.1959
Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Nachlass Antweiler (033,006)

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Zur Herkunft der Sammlungsobjekte
Provenienzforschung in der religionskundlichen
Sammlung

Die religionskundliche Sammlung dient heute nicht mehr al-


lein der Ausbildung künftiger Religionswissenschaftler, sie
ist vielmehr selbst zu einem Forschungsgegenstand gewor-
den. Ein Kooperationsprojekt der Religionswissenschaftlichen
Sammlung mit dem Centrum für Religionswissenschaftliche
Studien (CERES) der Ruhr-Universität Bochum erforscht derzeit
die Geschichte der Sammlung und ihrer Objekte.
Neben Alter und Verwendung werden dabei vor allem die
Herkunft der Sammlungsobjekte und die Umständen ihrer
Erwerbung beleuchtet. Im günstigsten Fall entsteht auf diese
Weise eine Objektbiographie, welche die Geschichte jedes ein-
zelnen Exponats vom Zeitpunkt der Herstellung im Ursprungs-
land bis zur Aufnahme in die Sammlung beschreibt.
Antweiler erwarb die meisten Sammlungsobjekte im Kunst-
handel und durch private Kontakte. Die Erwerbskette ist daher
nicht in allen Fällen vollständig dokumentiert, was eine Prove-
nienzforschung deutlich erschwert. Um die Herkunft der Objek-
te dennoch so lückenlos wie möglich zu rekonstruieren wird
umfangreiches Quellenmaterial aus dem Nachlass Antweilers
ausgewertet. Dieser wird in der Universitäts- und Landesbib-
liothek sowie im Universitätsarchiv Münster aufbewahrt und
ist bislang kaum erschlossen. Die Ausstellung präsentiert eine
erste Auswahl jener Objekten, zu denen genauere Aussagen
hinsichtlich Herkunft und Erwerb getroffen werden können.
Darüber hinaus werden die Umstände der Sammlungsgrün-
dung und Antweilers Sammlungsstrategie betrachtet, bevor
schließlich an ausgewählten Exponaten das Kunstverständnis
Antweilers und sein Bild von Asien und asiatischen Religionen
rekonstruiert werden kann.

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Auf Basis dieses Materials ist es möglich nachzuvollziehen,
wie und warum Antweiler als katholischer Theologe und Uni-
versitätsprofessor ein Interesse für asiatische Religionen und
asiatische Kunst entwickelte, woher er sein Wissen über östli-
che religiöse Traditionen erwarb und wie er diese in den Expo-
naten seiner Sammlung repräsentiert sah.

Nr. 1
Franz Albermann (1877-1959)
Bildnisbüste Anton Antweiler, undatiert

Unbekannter Fotograf: Franz Albermann im Ateiler mit dem Tonmodell der


Bildnisbüste Anton Antweilers
Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Nachlass Antweiler (001,003)

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Das ‚Typische‘ der Religionen
Antweilers erste Ankäufe
„Die Sammlung bezieht sich nicht vorerst auf das Ästhetische
und Geschichtliche, sondern auf das Typische. Sie will Kenn-
zeichen und Ausdrucksformen der Frömmigkeit anschaulich
machen.“

Antweilers Forschung und Lehre konzentrierte sich vor allem


auf die Geschichte der Religionen, in deren sichtbare Hin-
terlassenschaften (Bilder, Gebäude oder Ritualgerät) er das
„Typische“ suchte; dies zu beschreiben verstand er als seine
vordringliche Aufgabe. Die Einrichtung einer religionskundli-
chen Sammlung sollte vor allem der theologischen Ausbildung
dienen, denn Antweiler wollte seinen religionsgeschichtlichen
Unterricht „nicht nur aus Büchern speisen“.
Im Januar 1957 konnte er die ersten Sammlungsobjekte er-
werben: Die Figur eines stehenden Buddha und ein tibetisches
Rollbild. Antweiler vermied in der Sammlung die Begünstigung
christlicher Religionen. Sein Interesse galt vielmehr einer „Ent-
europäisierung des Christentums“, was ihn zur Erforschung
außereuropäischer Religionen und dabei insbesondere einer
„östlichen Geistigkeit“ anregte. Es erscheint daher nicht über-
raschend, dass die Sammlung mit dem Bildnis eines Buddha
begründet wurde. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik
wurden zahlreiche Ausstellungen zur indischen und südostasi-
atischen Kunst veranstaltet, in denen die buddhistische Kunst
regelmäßig einen Schwerpunkt bildete. Es liegt nahe, dass die-
se Entwicklung auch Antweilers Blick auf die asiatischen Reli-
gionen prägte.

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Nr. 2
Buddha
Myanmar, 19./20. Jh., Holz bemalt
Mit dem Bildnis eines stehenden Buddha wurde die religions-
kundliche Sammlung im Januar 1957 begründet. Die hölzerne
Figur zeigt den Religionsstifter stehend auf einer Lotusblüte.
Das schwarze Gewand symbolisiert die Besitzlosigkeit bud-
dhistischer Mönche, während der goldverzierte Saum an die
edle Herkunft des Buddha erinnert.
Antweiler erwarb diese Figur aus der Sammlung des Kunst-
händlers Walter Exner, der in der Nachkriegszeit ein privates
Asien-Institut in Frankenau (später in Bad Wildungen) betrieb.

Nr. 3
Buddhalegende
Tibet, 18./19. Jh., Stoffmalerei
Das Rollbild (Thangka) zeigt Episoden aus dem Leben des Bud-
dha Shakyamuni und Motive buddhistischer Legenden. Thang-
kas dienen im tibetischen Buddhismus zur Meditation oder
werden bei Ritualen und Prozessionen gezeigt.
Das tibetische Rollbild erwarb Antweiler als „lamaistische
Tempelfahne“ bzw. „Tempelbild“ vom Sammler und Kunst-
händler Walter Exner. Dieser bot zu dem Zeitpunkt insgesamt
dreißig Rollbilder zum Kauf an, machte aber keinerlei Angaben,
wann und unter welchen Umständen die Bilder nach Europa
gebracht worden waren.

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Bilder des Unbekannten
Auf der Suche nach dem ‚Eigenen‘ im ‚Fremden‘

Als akademische Schausammlung sollten die gezeigten Objek-


te in erster Linie den Studierenden der katholischen Theologie
als Anschauungsobjekte dienen. Auch die Ausbildung künfti-
ger Missionare wird in Antweilers Sammlungsstrategie berück-
sichtigt worden sein.
Sein Blick auf die Objekte behielt stets eine westliche Prä-
gung. Er hob das ‚Fremde‘, das er zeigen wollte, in Abgrenzung
zum ‚Eigenen‘, das er anscheinend als hinreichend bekannt
voraussetzte, bewusst hervor. Ein tieferes Verständnis für
die Bildsprache der jeweiligen Kulturen entwickelte er nicht.
Stattdessen suchte Antweiler nach Anknüpfungspunkten in
der ihm fremden Religion und er versuchte durch die Selek-
tion gewissermaßen eine „Vermessung“ außereuropäischer
Religiosität durch seine christliche Perspektive. Dazu gehörte
beispielsweise sein Interesse an den Kultbildern der hinduis-
tischen Bhakti-Bewegung um die indischen Götter Vishnu und
Krishna. Diese Tradition ersetzte im Mittelalter das Opferritual
durch die liebende Hingabe an einen persönlichen Gott. Die-
se vordergründige Ähnlichkeit mit der christlichen Vorstellung
eines liebenden Gottes und die monotheistischen Anklänge
erschienen Antweiler vermutlich greifbarer als beispielsweise
die polytheistischen Strömungen oder Göttinnenkulte. Auch
in den Inkarnationen des Gottes Vishnu oder in der Figur der
buddhistischen Gottheit Guanyin scheint Antweiler eine Ähn-
lichkeit zu christlichen Glaubensvorstellungen gesehen haben.

Nr. 4
Krishna
Indien, 18./19. Jh., Basalt
Die Verehrung des hinduistischen Gottes Krishna ist in Indien
weit verbreitet und wird seit dem Mittelalter mit einer besonde-
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ren Art der Gottesliebe praktiziert. Im Mittelpunkt steht dabei
der persönliche Bezug des Gläubigen zur Gottheit, wobei das
Opferwesen durch liebende Hingabe und Frömmigkeit ersetzt
wird.

Nr. 5
Krishna und Yashoda
Indien, 20. Jh., Kunstdruck
Krishna wird von seinen Anhängern in unterschiedlichen Er-
scheinungsformen verehrt. Als Ausdruck volkstümlicher Fröm-
migkeit sind Abbildungen des Gottes als Kleinkind seit langem
verbreitet. Durch den Einfluss christlicher Marienbildnisse wird
Krishna in jüngerer Zeit bevorzugt als Kleinkind in den Armen
seiner Mutter abgebildet.

Nr. 6
Dattatreya
Indien, 20. Jh., Kunstdruck
Im modernen Hinduismus wird Dattatreya als Verkörperung ei-
ner kosmischen Trinität verehrt, die sich als Dreigestalt in den
Göttern Brahma, Vishnu und Shiva manifestiert. Diese stehen
jeweils für Schöpfung, Erhalt und Zerstörung der Welt. Dattat-
reya wird begleitet von vier Hunden und einer Kuh, welche die
vier Veden und die Erde symbolisieren.

Nr. 7
Shiva
Indien, 20. Jh., Elfenbein
Shiva ist einer der höchsten Götter des Hinduismus. Als ‚König
des Tanzes‘, der den zwergenhaften Dämon des Unwissens un-
terwirft, wird er vor allem in Südindien verehrt. Der Tanz sym-
bolisiert sowohl die zyklische Zerstörung der Welt, wie auch die
Befreiung der Seele von den Trugbildern des irdischen Seins.

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Die aus Elfenbein geschnitzte Figur erwarb Antweiler wäh-
rend einer Reise nach Indien bei einem Kunsthandwerker in
Bangalore.

Nr. 8
Vishnu als Mannlöwe mit Begleiterin
Indien, 20. Jh., Elfenbein
Der ‚Mannlöwe‘ gilt als die vierte Inkarnation des Gottes Vis-
hnu. In furchterregender Gestalt, halb Mensch und halb Löwe,
bezwang Vishnu den Dämonenkönig Hiranakashipu und stellte
auf diese Weise die kosmische Ordnung wieder her. Bildnisse
des Mannlöwen zeigen den Gott mit menschlichem Unterleib
und dem Oberkörper eines Löwen.

Nrn. 9-17
Inkarnationen des Gottes Vishnu
Indien, 20. Jh., Elfenbein
In den Mythen der Hindus wird berichtet, dass sich Gott Vishnu
in neun Inkarnationen erschien, um die Welt vor dämonischen
Kräften zu beschützen. Die zehnte Herabkunft des Gottes steht
hingegen noch bevor und wird der Überlieferung zufolge in fer-
ner Zukunft ein goldenes Zeitalter begründen.
Die aus Elfenbein geschnitzten Figuren wurden auf Bestel-
lung Antweilers in Bangalore gefertigt. Sie befanden sich nie-
mals in ritueller Verwendung.

Nr. 18
Ganesha
Indien, 20. Jh., Elfenbein
Der elefantenköpfige Ganesha gilt in der Mythologie der Hin-
dus als älterer Sohn des Gottes Shiva und wird um Erfolg und
Wohlstand angerufen. Er setzt und beseitigt Hindernisse,
schenkt Erfolg bei der Arbeit und gehört damit zu den meist-
verehrten Göttern Indiens.
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Nr. 19
Guanyin
China, 18. Jh. (oder früher), weißglasierte Keramik
Guanyin ist eine chinesische Göttin, die sich seit dem 5. Jh.
aus der Begegnung buddhistischer Erlösungslehren und dao-
istischer Volksfrömmigkeit entwickelte. Neuzeitliche Bildnisse
wurden seit dem 16. Jh. von der christlichen Marienfigur beein-
flusst. Nach dem offiziellen Verbot des Christentums in Japan
wurden Kultbilder der Guanyin anstelle der christlichen Gottes-
mutter für eine heimliche Ausübung des Glaubens verwendet.

Nr. 20
Guanyin oder christliche Gottesmutter
Japan (?), 20. Jh., Kunstdruck
Der vietnamesische Künstler Le Pho (1907-2001) hat sich dem
Thema ‚Mutter mit Kind‘ mehrfach und aus verschiedenen
Richtungen angenähert. In dieser Abbildung sollen die religi-
ösen Anklänge eine Mehrdeutigkeit bewirken. Es bleibt dem
Betrachter überlassen, ob er die chinesische Guanyin oder die
christliche Gottesmutter sieht.

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‚Göttliche‘ Körper
Der Mensch als Sinnbild religiöser Tradition

„Die Asiaten sind Augenmenschen; was sie sehen, halten sie


für wirklich“

Die Frage, ob sich ‚Religion‘ zeigen oder gar ‚abbilden‘ lässt,


schien Antweiler nicht zu bewegen. Für ihn stand beispiels-
weise das Bild der Stifter oder Lehrer symbolisch für die Lehre
und gab der Religion damit gewissermaßen ein Gesicht. Damit
rückt Antweiler den Menschen ins Zentrum religiöser Realität
und ignoriert beispielsweise tiergestaltige Bildnisse oder Mi-
schwesen.
In diesem Sinne enthält die Sammlung auffallend viele
buddhistische Kultbilder, wobei die Abbildungen des Buddha
gegenüber Bodhisattvas und buddhistischen Heiligen zahlen-
mäßig überwiegen. Somit beschränkt sich die Sichtbarkeit des
Buddhismus innerhalb der Sammlung vor allem auf den Stifter
und seine Lehre, während spätere Entwicklungen wie etwa die
Vorstellung der Verdienstübertragung, die sich auf materia-
ler Ebene an den Kultbildern von Bodhisattvas und buddhis-
tischen Gottheiten zeigen ließe, kaum vorkommen. Ebenso
verzichtet Antweiler auf Darstellungen zornvoller Schutz- und
Meditationsgottheiten, die vor allem in den lamaistischen Tra-
ditionen Tibets und der Mongolei von großer Bedeutung sind.
Stattdessen wird die Verbreitung des Buddhismus von Indien
nach Tibet durch ein Bildnis des mythischen buddhistischen
Lehrers Padmasambhava berücksichtigt, der im 8. Jh. als Mis-
sionar in Tibet gewirkt haben soll und als Gründer des tibeti-
schen Buddhismus verehrt wird. Auch Bildnisse von Göttern
oder Ahnenbilder bevorzugte Antweiler in menschlicher Ge-
stalt.

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Nr. 21
Buddha
Thailand, 17. Jh., Bronzeguss
Das Bildnis zeigt den Buddha Shakyamuni unmittelbar nach
seinem Erwachen (‚Erleuchtung‘). Dieser Moment wird in der
buddhistischen Kunst durch die Geste der Erdberührung sym-
bolisiert. In der Buddhalegende wird berichtet, dass die Erdgöt-
tin das Erwachen des Buddha zur höchsten Weisheit bezeugte.

Nr. 22
Bodhisattva
China, 5./6. Jh. (?)
Im Mahayana-Buddhismus gelten Bodhisattvas als vollendete
(‚erwachte‘) Wesen, die aus Mitgefühl auf die eigene Erlösung
verzichten, um allen Geschöpfen auf dem Weg zur höchsten Er-
kenntnis zu helfen. In der Kunst werden Bodhisattvas meistens
mit Krone und königlichem Schmuck dargestellt.

Nr. 23
Padmasambhava
Nepal, 18./19. Jh., Bronzeguss und getriebenes Kupferblech
Nach buddhistischer Überlieferung soll Padmasambhava im 8.
Jh. als Missionar in Tibet gewirkt haben und wird als Begrün-
der des tibetischen Buddhismus verehrt. Ungewöhnlich ist der
aus Kupferblech getriebene ‚Löwenthron‘, der vermutlich erst
in jüngerer Zeit als Sockel hinzugefügt wurde und ursprünglich
einen Buddha getragen haben wird.

Nr. 24
Laozi auf dem Wasserbüffel
China, 17. Jh. (?), Metallguss
Laozi ist der mythische Begründer des Daoismus, der sich ge-
gen Ende seines Lebens auf einem Wasserbüffel reitend in die
Emigration begeben haben soll. Diese Episode verarbeitete
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Bert Brecht während seines Exils in Dänemark (1938) im Ge-
dicht über die „Legende von der Entstehung des Buches Taote-
king auf dem Weg des Laotse in die Emigration“.

Nr. 25
Der Alte des langen Lebens
China, 17. Jh. (?), Holz
Der daoistische Gott des langen Lebens gehört zu einer Gruppe
von drei volkstümlichen Gottheiten, die für Glück, Wohlstand
und Langlebigkeit stehen. Er wird meist als alter Mann mit ho-
her Stirn und langem Bart abgebildet.

Nr. 26
Menschliche Figur auf einem Podest stehend (Ahnenfigur?)
Herkunft unbekannt (vermutlich Afrika oder Melanesien/
Südseeraum), 19./20. Jh., Holz

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Der kunsthistorische Blick
Das Kunstwerk als sichtbarer Ausdruck von Religion
„Die ältesten, größten, schönsten, kühnsten fortschrittlichs-
ten Bauten gehören den Göttern. Die prächtigsten, aufwen-
digsten, seltensten Kleider und Schmuckstücke und Geräte
eignen den Göttern.“

„Das Kunstwerk ist dem ‚höheren‘ menschlichen Leben zuge-


ordnet. Es gibt Kunstwerke, die imstande sind, Jahrtausende
zu überdauern.“

Religion wurde von Antweiler als wesentlicher Antrieb künst-


lerischen Schaffens verstanden und gleichzeitig an die Spitze
kultureller Entwicklung gestellt. Kunst ist in diesem Sinne vor
allem religiöse Kunst. Eine besondere Wirkmacht glaubte Ant-
weiler in den Köpfen einstiger Buddha- und Bodhisattvafiguren
zu erkennen. Solche Artefakte sind häufig in kunsthistorischen
oder archäologischen Sammlungen vertreten. Allerdings ist der
Kopf des Buddha keine Bildvariante des Buddhabildes. Abge-
brochene Teile des Kultbildes sind rituell nicht verwendbar.
Die Figur gilt als zerstört und somit nutzlos. Das Sammeln von
einzelnen, häufig absichtlich abgeschlagenen Buddhaköpfen
setzte im ausgehenden 19. Jh. ein und steht für einen gewis-
sen ‚Souvenir‘-Charakter dieser Objekte. Es ist daher wohl die
nachhaltigste Form der westlichen Rezeption buddhistischer
Kunst und führte gerade in Südostasien zu großen Zerstörun-
gen antiker Stätten. Die Beliebtheit solcher Objekte im Westen
hängt mit der Tradition der Büste zusammen. Dass Antweiler
diese unvollständigen Objekte als „typische“ Bildwerke in sei-
ne Sammlung aufnahm, unterstreicht seinen westlichen Blick.

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Nrn. 26 + 27
Kopf eines Buddha
Thailand, 13./14. Jh. (Lopburi-Stil), Stein

Kopf eines Buddha


Thailand, 12./13. Jh. (Lopburi-Stil), Sandstein
Der Kopf des Buddhabildes ist gekennzeichnet von einer
festgelegten Ikonographie. Die Schädelwölbung (Sanskrit:
uṣṇīṣa), ursprünglich ein Haarknoten, gilt als eines der körper-
lichen Merkmale des Buddha und wird gelegentlich als Sitz sei-
ner Weisheit gedeutet. Die langen Ohrläppchen belegen, dass
der Buddha vor der Weltflucht kostbaren Ohrschmuck trug und
stehen damit für seine edle Herkunft.

Nrn. 28 + 29
Kopf eines Bodhisattva
China, 12. Jh. (Sung-Dynastie), Stein

Kopf eines Buddha oder Bodhisattva


China, 16./17. Jh. (Ming-Dynastie), Holz mit Resten von
Bemalung
Ein Bodhisattva ist ein „Erwachtes Wesen“ (auch: „Erleuch-
tungswesen“), das aus Mitgefühl auf die eigene Erlösung
verzichtet, um allen Lebewesen auf dem Weg zur höchsten Er-
kenntnis zu helfen. Im Gegensatz zum Buddha, der als besitz-
loser Wanderasket stets schmucklos abgebildet wird, tragen
Bildnisse von Bodhisattvas meist eine Krone und Schmuck.

Nr. 30
Kopf eines Buddha
Südost- oder Zentralasien, Datierung unsicher, Bronzeguss
Buddhaköpfe wurden seit dem ausgehenden 19. Jh. zum be-
gehrten Sammlungsobjekt westlicher Kunstliebhaber. Vor al-
lem in den buddhistischen Ländern Südostasiens begannen
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einheimische Kunsthandwerker um die Mitte des 20. Jh. mit der
Herstellung von Buddhaköpfen, die häufig als antike Artefak-
te an Touristen verkauft wurden. Solche Objekte imitieren oft
unterschiedliche Stilmerkmale und orientieren sich in Gestalt
und Ästhetik vor allem am westlichen Stilgefühl. Es handelt
hier um einen Kunstgegenstand ohne direkten Religionsbezug.
Zur Herkunft und Erwerbung gibt es keine Hinweise. Es ist
möglich, dass Antweiler den Buddhakopf im Kunsthandel er-
warb oder ihn während einer Reise nach Asien erwarb.

Nr. 31
Quirlung des Milchmeeres
Indonesien (Bali), 19./20. Jh., Stoffmalerei
Der Schöpfungsmythos von der Quirlung des Milchmeeres
wird u.a. in den indischen Epen Mahabharata und Ramayana
geschildert. Um den Unsterblichkeitstrank zu erlangen schmie-
deten Götter und Dämonen ein Bündnis. Sie wanden den
Schlangenkönig Vasuki um den Weltenberg, zogen an beiden
Enden der gewaltigen Schlange und brachten schließlich das
Bergmassiv in Bewegung. Wie ein Quirl schäumte der Berg das
Milchmeer auf und Gott Vishnu kroch in Gestalt einer riesigen
Schildkröte unter den Berg und hob ihn empor. Aus der Quir-
lung entstanden schließlich die Welt.
Antweiler erwarb das Stoffbild mit weiteren Exponaten von
einem Hamburger Kunsthändler. Obwohl das Motiv der hin-
duistischen Mythologie angehört, handelt es sich hier nicht
um einen rituell genutzten Gegenstand sondern eher um ein
Kunstwerk, das dekorativen Zwecken diente.

Nr. 32
Geburt des Buddha
Pakistan/Afghanistan (Gandhara), 3. Jh., grauer Schiefer
In der Buddhalegende wird berichtet, wie die Königin Maya
auf dem Weg zum Palast ihrer Eltern den künftigen Buddha
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zur Welt brachte. Sie griff in die Zweige eines Baumes, der aus
Mitgefühl seine Krone senkte, während sie aus ihrer Hüfte das
Kind gebar.
Das Relief war ursprünglich Teil des umlaufenden Bild-
schmucks eines mittelgroßen Stupas, eines kuppelförmigen
Bauwerkes, das von buddhistischen Pilgern rituell umschritten
wird. Die Kunst von Gandhara ist gekennzeichnet durch ein Zu-
sammenwirken indischer und hellenistischer Einflüsse.
Antweiler erwarb das Relief aus dem Kunsthandel. Die ge-
naue Herkunft ist daher unbekannt und kann nur durch Stilver-
gleiche einigermaßen eingegrenzt werden.

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Der ethnologische Blick
Sachkultur als sichtbarer Ausdruck traditioneller
Religiosität
„Religion, besonders als Frömmigkeit, umfasst Hingabe und
Abstand, Vertrauen und Erschrecken, Geborgenheit und Ver-
lorenheit, Macht und Ohnmacht, Liebliches und Furchtba-
res, Verworfenheit und Erlösung. Alles das verschließt der
Mensch nicht in sich, sondern gibt es kund durch Kleidung,
Schmuck, Geräte und Gebäude.“ (Antweiler, 1965).

Einen eigenen Sammlungsteil bildet eine Gruppe ethnographi-


scher Objekte, die Antweiler von P. Ernst Adolf Worms (1891-
1963) erwarb. Ernst Worms übersiedelte 1930 nach Australien
und war dort zunächst als Missionar in Kimberley (Westaustra-
lien), später als Leiter des theologischen Kollegs der Pallottiner
in Melbourne tätig. Neben seiner missionarischen Tätigkeit er-
forschte er die Sprachen und Kulturen der australischen Urein-
wohner, über deren Religionen er zahlreiche wissenschaftliche
Arbeiten publizierte.
Die ethnographischen Objekte, die P. Worms der religi-
onskundlichen Sammlung übereignete, repräsentieren die
australischen Religionen in vorkolonialer Zeit, wurden aber
überwiegend im 20. Jh. angefertigt. Viele dieser Objekte sind
Gegenstände des Alltags ohne konkrete religiöse Zuschreibung
und sollten anscheinend eine religiöse (‚magische‘) Durchdrin-
gung des Alltags belegen, die sogenannten ‚primitiven‘ Kultu-
ren bis in die jüngere Vergangenheit nachgesagt wurde.
Neben den australischen Objekten enthält die religions-
kundliche Sammlung auch einige ethnographische Objekte
aus Melanesien und dem Südseeraum.

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Impressum

Herausgeber:
Der Rektor der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster, 2019

Konzept und Texte: Patrick Felix Krüger


Assistenz: Leo Weiß

Redaktion und Layout: Eckhard Kluth

Alle Rechte vorbehalten.

Bildnachweis:
Umschlag (= Exponate Nr. 28 (VG) und Nr. 31 (HG), Fotos: Leo Weiß
Seiten 4, 6, 7 und 11: Fotograf unbekannt

Die Redaktion hat sich bemüht, alle Inhaber*innen von Bildrechten zu ermitteln. Der Bildnach-
weis gibt den Kenntnisstand der Redaktion wieder. Sollten Rechteinhaber*innen nicht genannt
sein, werden diese gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.

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