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Anton Antweiler
Ein katholischer Theologe und die Religionen der Welt
„Die Aufgabe der Religionswissenschaft ist weder, die Religi-
on zu beweisen, noch, sie zu verteidigen. Aufgabe der Religi-
onswissenschaft ist es vielmehr, die Religion zu beschreiben“
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Antweiler und Asien
„Das Arbeitsgebiet der Religionswissenschaft, in das ich die
Bemühung um die Entwicklungshilfe mit einbezogen habe
[...]“ (1961)
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Anfang April 1959 verfasst er einen Bericht über diese Rei-
se, der an das Auswärtige Amt gerichtet ist. Von dort war seine
Reise offenbar teilweise finanziert oder organisatorisch unter-
stützt worden. In dem Bericht fasst er seine wichtigsten Eindrü-
cke zusammen. Es wird deutlich, dass er Indien als beispielhaft
für weite Teile des asiatischen Raumes betrachtet. Gleichzeitig
empfindet er das Land als „zwiespältig“, es schwebe „zwi-
schen Mittelalter und Neuzeit“ und strebe überstürzt in die
moderne Zeit.
Die Kolonialzeit bewertet Antweiler im Geiste seiner Zeit sehr
unkritisch: „Die einsichtigen Asiaten wissen, dass sie ohne die
frühere und jetzige Hilfe der ‚Kolonialmächte‘ nicht imstande
wären, ihren Aufgaben zu genügen; ebenso, dass es seit de-
ren Weggang abwärts geht“. Im Versuch einer Rechtfertigung
des Kolonialismus fügt er hinzu, „dass die Kolonialherren kei-
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neswegs als erste die Ausbeutung der Einheimischen erfunden
oder als einzige praktiziert haben.“
Auf seiner Reise durch Indien entwickelte Antweiler den
Gedanken, die Entwicklungshilfe in das Arbeitsgebiet der
Religionswissenschaft einzubeziehen. Er betont dabei, dass
Entwicklungshilfe die lokale Gegebenheiten berücksichtigen
müsse:
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Zur Herkunft der Sammlungsobjekte
Provenienzforschung in der religionskundlichen
Sammlung
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Auf Basis dieses Materials ist es möglich nachzuvollziehen,
wie und warum Antweiler als katholischer Theologe und Uni-
versitätsprofessor ein Interesse für asiatische Religionen und
asiatische Kunst entwickelte, woher er sein Wissen über östli-
che religiöse Traditionen erwarb und wie er diese in den Expo-
naten seiner Sammlung repräsentiert sah.
Nr. 1
Franz Albermann (1877-1959)
Bildnisbüste Anton Antweiler, undatiert
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Das ‚Typische‘ der Religionen
Antweilers erste Ankäufe
„Die Sammlung bezieht sich nicht vorerst auf das Ästhetische
und Geschichtliche, sondern auf das Typische. Sie will Kenn-
zeichen und Ausdrucksformen der Frömmigkeit anschaulich
machen.“
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Nr. 2
Buddha
Myanmar, 19./20. Jh., Holz bemalt
Mit dem Bildnis eines stehenden Buddha wurde die religions-
kundliche Sammlung im Januar 1957 begründet. Die hölzerne
Figur zeigt den Religionsstifter stehend auf einer Lotusblüte.
Das schwarze Gewand symbolisiert die Besitzlosigkeit bud-
dhistischer Mönche, während der goldverzierte Saum an die
edle Herkunft des Buddha erinnert.
Antweiler erwarb diese Figur aus der Sammlung des Kunst-
händlers Walter Exner, der in der Nachkriegszeit ein privates
Asien-Institut in Frankenau (später in Bad Wildungen) betrieb.
Nr. 3
Buddhalegende
Tibet, 18./19. Jh., Stoffmalerei
Das Rollbild (Thangka) zeigt Episoden aus dem Leben des Bud-
dha Shakyamuni und Motive buddhistischer Legenden. Thang-
kas dienen im tibetischen Buddhismus zur Meditation oder
werden bei Ritualen und Prozessionen gezeigt.
Das tibetische Rollbild erwarb Antweiler als „lamaistische
Tempelfahne“ bzw. „Tempelbild“ vom Sammler und Kunst-
händler Walter Exner. Dieser bot zu dem Zeitpunkt insgesamt
dreißig Rollbilder zum Kauf an, machte aber keinerlei Angaben,
wann und unter welchen Umständen die Bilder nach Europa
gebracht worden waren.
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Bilder des Unbekannten
Auf der Suche nach dem ‚Eigenen‘ im ‚Fremden‘
Nr. 4
Krishna
Indien, 18./19. Jh., Basalt
Die Verehrung des hinduistischen Gottes Krishna ist in Indien
weit verbreitet und wird seit dem Mittelalter mit einer besonde-
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ren Art der Gottesliebe praktiziert. Im Mittelpunkt steht dabei
der persönliche Bezug des Gläubigen zur Gottheit, wobei das
Opferwesen durch liebende Hingabe und Frömmigkeit ersetzt
wird.
Nr. 5
Krishna und Yashoda
Indien, 20. Jh., Kunstdruck
Krishna wird von seinen Anhängern in unterschiedlichen Er-
scheinungsformen verehrt. Als Ausdruck volkstümlicher Fröm-
migkeit sind Abbildungen des Gottes als Kleinkind seit langem
verbreitet. Durch den Einfluss christlicher Marienbildnisse wird
Krishna in jüngerer Zeit bevorzugt als Kleinkind in den Armen
seiner Mutter abgebildet.
Nr. 6
Dattatreya
Indien, 20. Jh., Kunstdruck
Im modernen Hinduismus wird Dattatreya als Verkörperung ei-
ner kosmischen Trinität verehrt, die sich als Dreigestalt in den
Göttern Brahma, Vishnu und Shiva manifestiert. Diese stehen
jeweils für Schöpfung, Erhalt und Zerstörung der Welt. Dattat-
reya wird begleitet von vier Hunden und einer Kuh, welche die
vier Veden und die Erde symbolisieren.
Nr. 7
Shiva
Indien, 20. Jh., Elfenbein
Shiva ist einer der höchsten Götter des Hinduismus. Als ‚König
des Tanzes‘, der den zwergenhaften Dämon des Unwissens un-
terwirft, wird er vor allem in Südindien verehrt. Der Tanz sym-
bolisiert sowohl die zyklische Zerstörung der Welt, wie auch die
Befreiung der Seele von den Trugbildern des irdischen Seins.
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Die aus Elfenbein geschnitzte Figur erwarb Antweiler wäh-
rend einer Reise nach Indien bei einem Kunsthandwerker in
Bangalore.
Nr. 8
Vishnu als Mannlöwe mit Begleiterin
Indien, 20. Jh., Elfenbein
Der ‚Mannlöwe‘ gilt als die vierte Inkarnation des Gottes Vis-
hnu. In furchterregender Gestalt, halb Mensch und halb Löwe,
bezwang Vishnu den Dämonenkönig Hiranakashipu und stellte
auf diese Weise die kosmische Ordnung wieder her. Bildnisse
des Mannlöwen zeigen den Gott mit menschlichem Unterleib
und dem Oberkörper eines Löwen.
Nrn. 9-17
Inkarnationen des Gottes Vishnu
Indien, 20. Jh., Elfenbein
In den Mythen der Hindus wird berichtet, dass sich Gott Vishnu
in neun Inkarnationen erschien, um die Welt vor dämonischen
Kräften zu beschützen. Die zehnte Herabkunft des Gottes steht
hingegen noch bevor und wird der Überlieferung zufolge in fer-
ner Zukunft ein goldenes Zeitalter begründen.
Die aus Elfenbein geschnitzten Figuren wurden auf Bestel-
lung Antweilers in Bangalore gefertigt. Sie befanden sich nie-
mals in ritueller Verwendung.
Nr. 18
Ganesha
Indien, 20. Jh., Elfenbein
Der elefantenköpfige Ganesha gilt in der Mythologie der Hin-
dus als älterer Sohn des Gottes Shiva und wird um Erfolg und
Wohlstand angerufen. Er setzt und beseitigt Hindernisse,
schenkt Erfolg bei der Arbeit und gehört damit zu den meist-
verehrten Göttern Indiens.
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Nr. 19
Guanyin
China, 18. Jh. (oder früher), weißglasierte Keramik
Guanyin ist eine chinesische Göttin, die sich seit dem 5. Jh.
aus der Begegnung buddhistischer Erlösungslehren und dao-
istischer Volksfrömmigkeit entwickelte. Neuzeitliche Bildnisse
wurden seit dem 16. Jh. von der christlichen Marienfigur beein-
flusst. Nach dem offiziellen Verbot des Christentums in Japan
wurden Kultbilder der Guanyin anstelle der christlichen Gottes-
mutter für eine heimliche Ausübung des Glaubens verwendet.
Nr. 20
Guanyin oder christliche Gottesmutter
Japan (?), 20. Jh., Kunstdruck
Der vietnamesische Künstler Le Pho (1907-2001) hat sich dem
Thema ‚Mutter mit Kind‘ mehrfach und aus verschiedenen
Richtungen angenähert. In dieser Abbildung sollen die religi-
ösen Anklänge eine Mehrdeutigkeit bewirken. Es bleibt dem
Betrachter überlassen, ob er die chinesische Guanyin oder die
christliche Gottesmutter sieht.
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‚Göttliche‘ Körper
Der Mensch als Sinnbild religiöser Tradition
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Nr. 21
Buddha
Thailand, 17. Jh., Bronzeguss
Das Bildnis zeigt den Buddha Shakyamuni unmittelbar nach
seinem Erwachen (‚Erleuchtung‘). Dieser Moment wird in der
buddhistischen Kunst durch die Geste der Erdberührung sym-
bolisiert. In der Buddhalegende wird berichtet, dass die Erdgöt-
tin das Erwachen des Buddha zur höchsten Weisheit bezeugte.
Nr. 22
Bodhisattva
China, 5./6. Jh. (?)
Im Mahayana-Buddhismus gelten Bodhisattvas als vollendete
(‚erwachte‘) Wesen, die aus Mitgefühl auf die eigene Erlösung
verzichten, um allen Geschöpfen auf dem Weg zur höchsten Er-
kenntnis zu helfen. In der Kunst werden Bodhisattvas meistens
mit Krone und königlichem Schmuck dargestellt.
Nr. 23
Padmasambhava
Nepal, 18./19. Jh., Bronzeguss und getriebenes Kupferblech
Nach buddhistischer Überlieferung soll Padmasambhava im 8.
Jh. als Missionar in Tibet gewirkt haben und wird als Begrün-
der des tibetischen Buddhismus verehrt. Ungewöhnlich ist der
aus Kupferblech getriebene ‚Löwenthron‘, der vermutlich erst
in jüngerer Zeit als Sockel hinzugefügt wurde und ursprünglich
einen Buddha getragen haben wird.
Nr. 24
Laozi auf dem Wasserbüffel
China, 17. Jh. (?), Metallguss
Laozi ist der mythische Begründer des Daoismus, der sich ge-
gen Ende seines Lebens auf einem Wasserbüffel reitend in die
Emigration begeben haben soll. Diese Episode verarbeitete
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Bert Brecht während seines Exils in Dänemark (1938) im Ge-
dicht über die „Legende von der Entstehung des Buches Taote-
king auf dem Weg des Laotse in die Emigration“.
Nr. 25
Der Alte des langen Lebens
China, 17. Jh. (?), Holz
Der daoistische Gott des langen Lebens gehört zu einer Gruppe
von drei volkstümlichen Gottheiten, die für Glück, Wohlstand
und Langlebigkeit stehen. Er wird meist als alter Mann mit ho-
her Stirn und langem Bart abgebildet.
Nr. 26
Menschliche Figur auf einem Podest stehend (Ahnenfigur?)
Herkunft unbekannt (vermutlich Afrika oder Melanesien/
Südseeraum), 19./20. Jh., Holz
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Der kunsthistorische Blick
Das Kunstwerk als sichtbarer Ausdruck von Religion
„Die ältesten, größten, schönsten, kühnsten fortschrittlichs-
ten Bauten gehören den Göttern. Die prächtigsten, aufwen-
digsten, seltensten Kleider und Schmuckstücke und Geräte
eignen den Göttern.“
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Nrn. 26 + 27
Kopf eines Buddha
Thailand, 13./14. Jh. (Lopburi-Stil), Stein
Nrn. 28 + 29
Kopf eines Bodhisattva
China, 12. Jh. (Sung-Dynastie), Stein
Nr. 30
Kopf eines Buddha
Südost- oder Zentralasien, Datierung unsicher, Bronzeguss
Buddhaköpfe wurden seit dem ausgehenden 19. Jh. zum be-
gehrten Sammlungsobjekt westlicher Kunstliebhaber. Vor al-
lem in den buddhistischen Ländern Südostasiens begannen
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einheimische Kunsthandwerker um die Mitte des 20. Jh. mit der
Herstellung von Buddhaköpfen, die häufig als antike Artefak-
te an Touristen verkauft wurden. Solche Objekte imitieren oft
unterschiedliche Stilmerkmale und orientieren sich in Gestalt
und Ästhetik vor allem am westlichen Stilgefühl. Es handelt
hier um einen Kunstgegenstand ohne direkten Religionsbezug.
Zur Herkunft und Erwerbung gibt es keine Hinweise. Es ist
möglich, dass Antweiler den Buddhakopf im Kunsthandel er-
warb oder ihn während einer Reise nach Asien erwarb.
Nr. 31
Quirlung des Milchmeeres
Indonesien (Bali), 19./20. Jh., Stoffmalerei
Der Schöpfungsmythos von der Quirlung des Milchmeeres
wird u.a. in den indischen Epen Mahabharata und Ramayana
geschildert. Um den Unsterblichkeitstrank zu erlangen schmie-
deten Götter und Dämonen ein Bündnis. Sie wanden den
Schlangenkönig Vasuki um den Weltenberg, zogen an beiden
Enden der gewaltigen Schlange und brachten schließlich das
Bergmassiv in Bewegung. Wie ein Quirl schäumte der Berg das
Milchmeer auf und Gott Vishnu kroch in Gestalt einer riesigen
Schildkröte unter den Berg und hob ihn empor. Aus der Quir-
lung entstanden schließlich die Welt.
Antweiler erwarb das Stoffbild mit weiteren Exponaten von
einem Hamburger Kunsthändler. Obwohl das Motiv der hin-
duistischen Mythologie angehört, handelt es sich hier nicht
um einen rituell genutzten Gegenstand sondern eher um ein
Kunstwerk, das dekorativen Zwecken diente.
Nr. 32
Geburt des Buddha
Pakistan/Afghanistan (Gandhara), 3. Jh., grauer Schiefer
In der Buddhalegende wird berichtet, wie die Königin Maya
auf dem Weg zum Palast ihrer Eltern den künftigen Buddha
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zur Welt brachte. Sie griff in die Zweige eines Baumes, der aus
Mitgefühl seine Krone senkte, während sie aus ihrer Hüfte das
Kind gebar.
Das Relief war ursprünglich Teil des umlaufenden Bild-
schmucks eines mittelgroßen Stupas, eines kuppelförmigen
Bauwerkes, das von buddhistischen Pilgern rituell umschritten
wird. Die Kunst von Gandhara ist gekennzeichnet durch ein Zu-
sammenwirken indischer und hellenistischer Einflüsse.
Antweiler erwarb das Relief aus dem Kunsthandel. Die ge-
naue Herkunft ist daher unbekannt und kann nur durch Stilver-
gleiche einigermaßen eingegrenzt werden.
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Der ethnologische Blick
Sachkultur als sichtbarer Ausdruck traditioneller
Religiosität
„Religion, besonders als Frömmigkeit, umfasst Hingabe und
Abstand, Vertrauen und Erschrecken, Geborgenheit und Ver-
lorenheit, Macht und Ohnmacht, Liebliches und Furchtba-
res, Verworfenheit und Erlösung. Alles das verschließt der
Mensch nicht in sich, sondern gibt es kund durch Kleidung,
Schmuck, Geräte und Gebäude.“ (Antweiler, 1965).
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Impressum
Herausgeber:
Der Rektor der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster, 2019
Bildnachweis:
Umschlag (= Exponate Nr. 28 (VG) und Nr. 31 (HG), Fotos: Leo Weiß
Seiten 4, 6, 7 und 11: Fotograf unbekannt
Die Redaktion hat sich bemüht, alle Inhaber*innen von Bildrechten zu ermitteln. Der Bildnach-
weis gibt den Kenntnisstand der Redaktion wieder. Sollten Rechteinhaber*innen nicht genannt
sein, werden diese gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.
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