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Soziale Kompetenz
Entwicklungstrends und Förderung in der Schule
Humboldt-Universität zu Berlin
Zusammenfassung. Neben Wissensvermittlung gehört zum schulischen Erziehungsauftrag die Förderung sozialer Kom-
petenzen mit dem Ziel, Schlüsselqualifikationen wie Team- und Kommunikationsfähigkeiten auszubilden und möglichen
Risikoentwicklungen wie Gewalt oder Delinquenz frühzeitig vorzubeugen. Dieser Beitrag gibt einen Forschungsüberblick zur
Entwicklung sozialer Kompetenzen und zu schulischen Präventions- und Interventionsansätzen. Einer Beschreibung von
Entwicklungstrends im Kindes- und Jugendalter folgt eine Diskussion der Bedeutung schulischer Lernumwelten für soziale
Kompetenzen. Anschließend werden Zusammenhänge zwischen der Entwicklung sozialer Kompetenzen und der Leistungsent-
wicklung analysiert, um Synergieeffekte oder auch Zielkonflikte unterschiedlicher schulischer Fördermaßnahmen zu identifi-
zieren. Im Hinblick auf Präventionsmaßnahmen wird dann ausführlich auf die Förderung sozialer Selbstwirksamkeitserwartun-
gen, die sich als besonders bedeutsam zur Vorhersage sozial kompetenten Verhaltens erwiesen haben, eingegangen. Der Beitrag
schließt mit einem Überblick zu unterschiedlichen Ansätzen zur Förderung sozialer Kompetenzen.
Schlüsselwörter: Perspektivenübernahme, Schlüsselqualifikationen, soziale Kompetenz, soziale Selbstwirksamkeitserwartung
Abstract. Along with imparting of knowledge the promotion of social competencies is an important educational goal in
schools. Aims are to foster social skills like team work or communication competencies and to prevent at-risk behaviors (e. g.
delinquency, violence). This review provides a research overview on developmental issues and school-based prevention
regarding social competencies. Developmental trends in childhood and adolescence and influences of the school environment
on social competencies are discussed first. Then, interrelationships between social and academic competence developments
are analyzed in order to identify synergic effects or goal conflicts of different school-based promotion measures. The
following chapter focuses on the promotion of social self-efficacy since there is convincing empirical evidence that social
competence expectancies are powerful predictors of competent social behavior. Finally, different prevention approaches are
presented.
Key words: perspective taking, key skills qualifications, social competence, social self-efficacy
DOI: 10.1026//0044-3409.210.4.164
Förderung sozialer Kompetenz in der Schule 165
Kompetenzen betreffen das Anerkennen sozialer Regeln und in sozialen Problemsituationen mehr und adäquatere
oder angemessen auf konstruktive Kritik zu reagieren; Handlungsalternativen generieren. Dabei gibt es jedoch
5. Durchsetzungsfähigkeiten schließlich kennzeichnen große interindividuelle Unterschiede innerhalb von Al-
Kompetenzen, Gespräche zu initiieren oder Freundschaf- tersgruppen (z. B. zeigen aggressive und sozial unsichere
ten schließen zu können. Kinder häufig ein beschränktes Reaktionsrepertoire bei
wahrgenommenen sozialen Konflikten). Zugleich sind er-
In ihrem Modell der sozial-kognitiven Informations- worbene Kompetenzen situationsspezifisch. Es gibt Kin-
verarbeitung beschreiben Dodge, Pettit, McClaskey und der, die etwa für die Konfliktsituation „Streit um ein Spiel-
Brown (1986) soziale Kompetenzen in einem mehrstufigen zeug“ ein reichhaltiges Spektrum potentieller Reaktionen
Prozess. Ausgangspunkt sind zunächst soziale Schlüs- benennen können, für den Streit mit den Eltern aber kaum
selreize, die bestimmte Anforderungen implizieren und
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Einstellungen und Werten zu betrachten, die über längere Besonderen Einfluss auf die Entwicklung sozialer
Zeit stabil sind. Zugleich wird erkannt, dass reziproke Per- Kompetenzen hat die Qualität der frühen Eltern-Kind-
spektiven in befriedigenden Beziehungen miteinander Interaktion. Eine unmittelbare, kontingente und einfühl-
koordiniert und ausbalanciert werden müssen. Das höchs- same elterliche Reaktion auf die Signale des Säuglings
te Niveau schließlich (zwölf Jahre bis ins Erwachse- begünstigt eine sichere Eltern-Kind-Bindung und stellt
nenalter) bezeichnet Selman als tiefenpsychologische damit die Basis für eine weitere positive kognitive, emotio-
und gesellschaftlich-symbolische Perspektivenübernah- nale und soziale Entwicklung her (Bartholomew & Horo-
me. Kennzeichen dieses Niveaus ist die Erkenntnis, dass witz, 1991; Spangler, 1999). Bindungssicherheit scheint
nicht alle Motive und Emotionen selbstreflexiv erschlos- sich beispielsweise günstig auf das Explorationsverhalten
sen werden können und Beziehungen zwischen Personen von Kleinkindern und das Niveau des kindlichen Spiels
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auf mehreren Ebenen existieren (von der Ebene oberfläch- auszuwirken, so dass die Eltern-Kind-Beziehung unter
licher Informationen bis zu tiefer gehenden Gefühlen). anderem über die Qualität der spielerischen Interaktion mit
Praktische Ansätze zur Förderung der sozio-moralischen anderen Kindern auch den Erwerb sozialer Kompetenzen
Entwicklung beschreibt Schuster (2001). So sollen bei- beeinflussen kann (vgl. Schölmerich, 1998). Förderlich
spielsweise mit der Diskussion moralischer Dilemmata im sind im Laufe der weiteren Entwicklung ein autoritativer
Unterricht kognitive Konflikte ausgelöst werden, deren Erziehungsstil und ein positives Familienklima (Eickhoff,
Bearbeitung u.a. Perspektivenübernahmekompetenzen, 2000). Ein autoritativer Erziehungsstil ist durch emotionale
Diskursfähigkeiten (im Sinne von Zuhören und Argumen- Wärme und Zuwendung (Unterstützung, Einfühlung,
tieren) und ein tieferes Verständnis sozialer und morali- Verständnis) bei gleichzeitig klaren Anforderungen (hohe
scher Zusammenhänge fördert. Erwartungen, Autonomie innerhalb klar gesetzter Gren-
zen) gekennzeichnet. Merkmale eines positiven Familien-
Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung so- klimas sind Erziehung durch Lob und Ermutigung, rationa-
zialer Kompetenzen sind hinreichende sprachliche Fähig- le Begründungen für Entscheidungen, demokratische
keiten, die die Initiierung und Aufrechterhaltung sozialer Kommunikationsstrukturen und Sensibilität, Offenheit
Beziehungen und damit das Erleben sozialen Eingebun- sowie Verständnis für kindliche Probleme. Positive häus-
denseins begünstigen. Sprachliche Defizite hingegen kön- liche Bedingungen fördern zugleich eine günstige sozio-
nen die Entwicklung sozialer Kompetenzen auf den ver- moralische Entwicklung in Bezug auf die Internalisierung
schiedenen Stufen des sozial-kognitiven Informationsver- von Normen und positiven sozialen Einstellungen. Un-
arbeitungsmodells von Dodge et al. (1986) verzögern. günstig sind dagegen familiäre Interaktionen, in denen
Sprachgestörte Vorschulkinder etwa haben in der Kom- Eltern ihre Ziele vorwiegend mit Zwang und Bestrafung
munikation Schwierigkeiten sich auszudrücken, reagieren durchzusetzen versuchen. Zur Prävention von Risikoent-
langsam, sind unflexibel und passiv und werden von an- wicklungen durch frühzeitige, vorschulische Förderung
deren als sozial inkompetent eingestuft und abgelehnt. sozialer Kompetenzen empfehlen sich demnach familien-
Die soziale Zurückweisung kann dann zu Selbstwertbe- bezogene oder an Eltern gerichtete Maßnahmen wie etwa
einträchtigungen und weiteren psychosozialen Proble- Angebote zur Förderung von Erziehungskompetenzen im
men führen (Außenseiterkarriere, Risikoverhaltensweisen Rahmen der Elternbildung.
etc.; vgl. Grimm & Wilde, 1998). Zusammenhänge zwi-
schen den Entwicklungen von Sprache und kindlichem
Spielverhalten deuten schließlich darauf hin, dass es Schule als Lernumwelt für soziale
wechselseitige Einflüsse zwischen sprachlichen Fähigkei-
ten und dem Erwerb sozialer Kompetenzen im Rahmen der Kompetenzen
spielerischen Auseinandersetzung zwischen Gleichaltri-
gen zu geben scheint (vgl. McCune, 1995). Zusammen- In der Schule findet der Erwerb sozialer Kompetenzen in
hänge zwischen den sprachlichen und sozialen Kompe- der Regel informell und ohne didaktisches Konzept in der
tenzen Jugendlicher konnten in einer eigenen Studie zur natürlichen Interaktion zwischen Schülern sowie zwi-
Akkulturation ausländischer Jugendlicher in Deutschland schen Schülern und Lehrkräften statt (Schmidt-Denter,
gezeigt werden (Jerusalem, 1992). Die Sprachbeherr- 1999). Im Rahmen schulischer Interaktionserfahrungen
schung förderte bei den untersuchten 16–21jährigen wird die Entwicklung sozialer Kompetenzen im Wesent-
Jugendlichen Anpassungsprozesse im Sinne von Assimi- lichen durch die Beziehungen innerhalb der Gleichal-
lation bzw. aktiver gesellschaftlicher Teilhabe, während trigengruppe beeinflusst (von Salisch, 2000). Die Peers
Sprachdefizite die soziale Integration behinderten. Spra- haben nicht nur subjektiv große Bedeutung (die Qualität
che erleichtert soziale Kontakte und ermöglicht eine von Schule wird für Schülerinnen und Schüler wesentlich
differenziertere Selbstdarstellung mit dem Ziel sozialer durch die Qualität der Beziehungen zu den Mitschülern
Akzeptanz bzw. dem Abbau von Vorurteilen. Wenn mit determiniert), sondern Schule ist auch objektiv der
Sprachfähigkeiten eine positive Ressource für die Ent- wichtigste Lebensbereich zum Aufbau von Freundschaf-
wicklung sozialer Kompetenzen darstellen, dann ist in ten sowie anderer, dauerhafter sozialer Beziehungen
der Konsequenz die Förderung von Sprachfähigkeiten ein (Krappmann & Oswald, 1995). Auf die Bedeutung
elementarer Ansatz zur Entwicklung sozialer Kompeten- der Peers soll daher im Folgenden näher eingegangen
zen – insbesondere dann, wenn es um Risikogruppen wie werden.
nicht-integrierte ausländische Kinder und Jugendliche
geht.
Förderung sozialer Kompetenz in der Schule 167
Die Bedeutung der Gleichaltrigengruppe festigkeitstraining). Ein zweiter und breiterer Ansatz, der
sich mit der individuellen Stärkung gegenüber schäd-
Die Forschung belegt die große Relevanz der Interaktio- lichen Einflüssen auf die gesamte Persönlichkeitsentwick-
nen in der Peer-Gruppe für die Persönlichkeitsentwick- lung und der Prävention von Problemverhalten beschäf-
lung. Soziale Selbstwirksamkeitserwartungen verändern tigt, zielt auf die Förderung allgemeiner Lebens- und Be-
sich deutlich, sobald Kinder in größeren Gemeinschaften wältigungskompetenzen (Dusenbury & Botvin, 1990). Die
(z. B. Kindergartengruppe, Schulklasse) im Kontakt mit Evaluation eines eigenen schulischen Gesundheitsförde-
Gleichaltrigen im Sinne sozialen Lernens das Wissen über rungsprogramms zur Stärkung von Lebenskompetenzen
ihre eigenen Fähigkeiten erweitern und differenzieren zeigte, dass unter den vielfältigen Programmelementen
(Bandura, 1997). Aus psychologischer Sicht und auch insbesondere Übungen zur sozialen Interaktion und zur
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nach Einschätzung fast aller Jugendlicher ist der Aufbau Standfestigkeit gegen Gruppendruck (z. B. durch Pro-
befriedigender sozialer Beziehungen zu Gleichaltrigen eine grammkomponenten zum Selbstkonzept und Selbstwert-
wichtige Entwicklungsaufgabe, bei deren Bewältigung gefühl, zur Selbstbehauptung und Konfliktbewältigung
soziale Fertigkeiten, Vernunft- und Wertmaßstäbe ausdif- sowie zu sozialen und kommunikativen Fertigkeiten) für
ferenziert werden (Dreher & Dreher, 1985; Fleer, Klein- erfolgreiche schulische Gesundheitsförderung unver-
Heßling & Hassebrauck, 2002; von Salisch, 2000). Dabei zichtbar sind (Mittag & Jerusalem, 2000). Zusätzlich be-
verlaufen die Beeinflussungen in zwei Richtungen. Einer- darf es aber auch risikogruppen-spezifischer Maßnahmen,
seits bestimmen die bereits verfügbaren sozialen Kompe- da von Breitbandinterventionen zur Förderung sozialer
tenzen und Selbstwirksamkeitserwartungen, welchen an- Kompetenzen häufig nur Jugendliche mit geringer oder
deren Kindern sich ein Kind anschließt, in welche Gruppe ohne Problembelastung profitieren (s. auch Leppin, 1999).
es eingebunden wird, von welcher Gruppe es sich abgren- Eine soziale Fertigkeit, die in starkem Maße mit einer
zen kann oder von welcher Gruppe es ausgeschlossen guten psychosozialen Anpassung einhergeht, ist die
wird. Schwache soziale Selbstwirksamkeitserwartungen Kompetenz, in Problem- oder Belastungssituationen auf
behindern beispielsweise den Aufbau günstiger Peer-Be- soziale Unterstützung zurückgreifen bzw. soziale Unter-
ziehungen, da Kinder, die bezweifeln, selbst sozial kompe- stützung mobilisieren zu können (Klein-Heßling & Lo-
tent handeln zu können, vor sozialen Anforderungen eher haus, 2002). In prospektiven Längsschnittuntersuchun-
zurückschrecken, sich häufiger zurückziehen, nicht akzep- gen konnte gezeigt werden, dass höhere soziale Kompe-
tiert fühlen, einen niedrigen Selbstwert haben und damit tenzen auch bei schwierigen sozialen Anforderungen (wie
für andere Kinder auch wenig attraktiv sind (Connolly, beim Wechsel der Schule oder des Wohnortes) mit einer
1989; Wheeler & Ladd, 1982). Andererseits beeinflusst die erhöhten wahrgenommenen sozialen Unterstützung ein-
Gruppe, der ein Kind angehört, die Entwicklung seiner hergehen (Lakey & Dickinson, 1994). Jugendliche, die von
Interessen, Einstellungen und Werte. Die Auseinander- ihrer sozialen Selbstwirksamkeit überzeugt sind, können
setzung mit den Meinungen, Sicht- und Verhaltensweisen auch in Belastungssituationen Freundschaftsbeziehun-
von Peers, vor allem von engen Freunden, unterstützt den gen pflegen und als Entlastung erleben (Connolly, 1989;
Aufbau eines angemessenen Selbstbildes, das weder von Wheeler & Ladd, 1982). Im Besonderen konnte für die Ent-
Selbstüberschätzung noch von übertriebener Selbstun- wicklung von Depressionen im Jugendalter gezeigt
sicherheit geprägt ist (Youniss, 1982). Interaktionen in werden, dass Peer-Beziehungen nur dann eine protektive
Peergruppen können jedoch auch ungünstig verlaufen Wirkung entfalten können, wenn die gefährdeten Jugend-
und Entwicklungsrisiken mit sich bringen. Soziale Ableh- lichen zugleich über positive soziale Selbstwirksamkeits-
nung etwa, in der schlimmsten Form als Viktimisierung erwartungen als Voraussetzung für die tatsächliche Mobi-
durch Gleichaltrige (Bullying) kann negative Folgen für lisierung von Unterstützung verfügen (McFarlane, Bellis-
die seelische Gesundheit haben (Depressivität, vermehrte simo & Norman, 1995).
Angst, sozialer Rückzug) und zu psychosomatischen
Störungen (Mohr, 1999; Mynard, Stephen & Alexander, Die Qualität der Schüler-Schüler-Interaktionen kann
2000) oder als subjektiv wahrgenommene ultimative Prob- in Indikatoren wie dem Schülersozialklima oder dem Klas-
lemlösung sogar zum Suizid führen. Peer-Einflüsse kön- senklima sichtbar werden. Satow (1999) konnte in einer
nen auch zur Entwicklung und Aufrechterhaltung abwei- Längsschnittuntersuchung zeigen, dass ein Klima, das
chenden und antisozialen Verhaltens sowie devianter durch supportive Schüler-Schüler-Interaktionen und indi-
Lebensstile und gesundheitlichen Risikoverhaltens (z. B. vidualisierte Lehrer-Schüler-Beziehungen charakterisiert
Alkohol- und Drogenkonsum) beitragen (Lösel & Bliese- ist, längerfristig zur Entwicklung positiver sozialer Selbst-
ner, 1998; Rodkin et al., 2000). wirksamkeitserwartungen führt. In diesem so genannten
Mastery-Klima unterstützen sich Schüler gegenseitig,
Angesichts möglicher negativer Einflüsse der Gleich- sind untereinander hilfsbereit, zeigen Rücksichtnahme,
altrigengruppe kann sozial kompetentes Verhalten bedeu- soziale Verantwortung und einen starken Zusammenhalt
ten, über Mittel zu verfügen, um sich dem Gruppendruck innerhalb der Klasse. Schüler, die von ihren Mitschülern
und schädlichen Normen der Peer-Gruppe zu widersetzen. Hilfe und Unterstützung erwarten können, glauben, auch
Evans (1988) hat Präventionsprogramme zur „sozialen selbst mit neuen und schwierigen sozialen Anforderun-
Immunisierung“ entwickelt, die an der Bedeutung der gen gut umgehen zu können. Eine individualisierte Lehrer-
Gleichaltrigengruppe für gesundheitliches Risikoverhal- Schüler-Beziehung ist gekennzeichnet durch Fürsorglich-
ten ansetzen und spezifische soziale Fertigkeiten schulen, keit des Lehrers verbunden mit Forderung und Förderung
mit denen man dem Druck anderer begegnen kann (Stand- jedes Schülers in Abhängigkeit von der individuellen Leis-
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tungsfähigkeit im Sinne einer individuellen Lehrerbezugs- Schülern eher zu einer stärkeren Orientierung an den Lern-
normorientierung (auf die Lehrer-Schüler-Interaktion wird handlungen als an den Leistungsresultaten. Der Schüler
weiter unten ausführlicher eingegangen). Diese Befunde entwickelt dabei Interesse am Lernen selbst, was wieder-
legen die Förderung eines Mastery-Klimas in einer Klasse um die Akzeptanz sozialer Unterstützung weniger bedroh-
als einen Ansatz zur Stärkung sozialer Kompetenzen in der lich macht sondern begünstigt. Zur Förderung sozialer
Schule nahe. Kooperative und tutorielle Lernformen, die Kompetenzen sollten daher Phasen der Lernorientierung
die Interdependenz zwischen Schülern fördern und den mindestens gleichwertig neben Phasen der Leistungs-
Wettbewerb und Konkurrenzdruck mindern, können orientierung stehen, damit Kooperation unter Schülern
ebenfalls einen Beitrag zur Erreichung eines Mastery-Kli- nicht generell verhindert wird.
mas leisten, das positivere Beziehungen zwischen den
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petenzen (wie prosoziales Verhalten oder Fähigkeiten zur petenzen mitbeeinflusst werden (z. B. über die wahrge-
Kooperation) emotionale und soziale Ressourcen (wie die nommene Attraktivität der Schüler oder bei der Bewertung
tatsächliche oder antizipierte Unterstützung durch Gleich- mündlicher Leistungen), so dass Kriterium und Prädiktor
altrige) gebildet werden, um akademische Leistungspoten- konfundiert sind. Für die vorliegende Fragestellung ist
ziale ausschöpfen zu können (Wentzel & Asher, 1995). wichtig festzuhalten, dass die Zusammenhänge von Leis-
Andererseits kann die Ablehnung durch Mitschüler einen tungen und sozialen Fähigkeiten keine Hinweise enthal-
einzigartigen Beitrag zum Misserfolg in der Schule und im ten, dass die Förderung sozialer Kompetenzen der Leis-
Arbeitsleben bis ins frühe Erwachsenenalter hinein leisten tungsentwicklung in der Schule generell abträglich sein
(de Rosier, Kupersmidt & Patterson, 1994). Andere Befun- könnte. Allerdings deuten vereinzelte negative Zusam-
de sprechen dafür, dass Kinder mit guten Schulleistungen menhänge darauf hin, dass nicht durchgängig eine allge-
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am Beginn ihrer Schulkarriere im Weiteren schnell zu be- meine Förderung sozialer Kompetenzen angezeigt ist, son-
gehrten Mitschülern avancieren (Petillon, 1993). Umge- dern in Abhängigkeit von motivationalen Bedingungen
kehrt können Defizite in der schulischen Leistungsfähig- (z. B. „Overachiever“-Situation) spezifische Formen sozia-
keit das Sozialverhalten negativ beeinflussen, wenn bei- ler Kompetenzen (z. B. nicht nur an Vergnügen und Frei-
spielsweise schlechte Noten zu einer negativen Selbst- zeit orientiert) gefördert werden sollten.
wahrnehmung und einem geringen Selbstwert führen, die
ihrerseits die Entwicklung unangemessener sozio-emotio-
naler Bewältigungsstrategien begünstigen und dadurch
zu einem geringen sozialen Status beitragen (McGee et al., Förderung sozialer Selbstwirksamkeit
1986). Denkbar sind auch bidirektionale, wechselseitige
Beeinflussungen von Leistung und sozialer Kompetenz. In den vorangehenden Abschnitten wurde an verschiede-
So zeigten Chen, Rubin und Li (1997) in einer Längs- nen Stellen auf die zentrale Bedeutung sozialer Selbstwirk-
schnittuntersuchung mit Hilfe einer Kreuzkorrelations- samkeitserwartungen für die Ausführung von kompeten-
Analyse, dass Schulleistungen in der zweiten Klasse die tem sozialen Verhalten hingewiesen. Denn kognitive, mo-
von Gleichaltrigen und Lehrern eingeschätzten sozialen tivationale, emotionale und aktionale Prozesse werden
Kompetenzen in der vierten Klasse vorhersagen konnten. durch subjektive Erwartungen gesteuert (Bandura, 1997),
Umgekehrt waren zugleich die sozialen Kompetenzen und insbesondere von Konsequenzerwartungen und Selbst-
die soziale Anpassung in der zweiten Klasse gute Prädik- wirksamkeits- bzw. Kompetenzerwartungen. Ob etwa ein
toren der schulischen Leistungen zwei Jahre später. Zur Kind, das in eine neue Klasse kommt, andere Kinder fragt,
Interpretation linearer Beziehungen zwischen dem Peer- ob es bei einem Pausenspiel mitmachen darf, hängt zum
Status und Schulleistungsindikatoren, die mit Schulnoten einen von den antizipierten Konsequenzen ab (z. B.
in Zusammenhang stehen, stellt von Salisch (2000) aller- „Wenn ich die anderen anspreche, werden sie über mich
dings fest, dass angesichts der großen Stabilität von lachen“ oder „Wenn ich frage, muss ich als Neuling zuerst
Schulnoten deren Ausgangsniveau zu berücksichtigen eine eklige Mutprobe machen“). Für die Handlungsaus-
ist, wenn der Einfluss von Peers angemessen eingeschätzt führung ist zum anderen die Frage nach der erlebten
werden soll. Selbstwirksamkeit bzw. der persönlichen Verfügbarkeit
von Handlungen entscheidend („Ich bin mir sicher, dass
Eine andere Erklärung für die positiven Zusammen-
ich es schaffe, die anderen anzusprechen“ oder „Ich bin
hänge zwischen sozialer Kompetenz und schulischen davon überzeugt, dass ich Klassenkameraden um Hilfe
Leistungen wird in einer gemeinsamen globalen Kompe-
bitten kann, auch wenn sie nicht meine Freunde sind“).
tenz (z. B. sprachliche Kompetenzen, Intelligenz) gesehen,
Zahlreiche empirische Untersuchungen belegen, dass
die den Korrelationen zugrunde liegt. Denn sozial erfolg- optimistische Kompetenz- oder Selbstwirksamkeitserwar-
reich zu handeln und akademisch erfolgreich zu sein setzt
tungen eine Grundbedingung dafür sind, schwierige An-
teilweise vergleichbarere Kompetenzen voraus (Ford &
forderungen anzugehen, mit Anstrengung und Ausdauer
Tisak, 1983). Beispielsweise ist anzunehmen, dass Kinder beharrlich zu verfolgen und sich durch Hindernisse und
mit ausgeprägteren sprachlichen Kompetenzen und Fä-
Rückschläge nicht entmutigen zu lassen. Selbstwirksam-
higkeiten im schlussfolgernden Denken differenziertere
keitsüberzeugungen unterstützen auch die persönliche
soziale Urteile bilden, sich angemessenere soziale Ziele Tendenz, erfolgreiches Verhalten als Beleg für die eigene
setzen und adaptivere Handlungsstrategien auswählen
Kompetenz zu bewerten. Soziale Selbstwirksamkeit und
können. Damit sind sie in der Lage, sowohl ihr Verhalten
soziale Kompetenzen stützen und verstärken sich auf die-
feiner auf soziale Anforderungssituationen abzustimmen se Weise gegenseitig.
als auch viele schulische Leistungsanforderungen besser
zu bewältigen.
Wie lassen sich soziale Selbstwirksamkeitserwartun-
Zusammenfassend weist die aktuelle Forschungslage gen gezielt fördern? Nach Bandura (s. auch Schwarzer &
auf verschiedene Möglichkeiten der wechselseitigen Be- Jerusalem, 2002) gibt es vier Quellen für den Erwerb von
einflussung von sozialen und akademischen Kompeten- Selbstwirksamkeitserwartungen: (1) Handlungsergebnis-
zen hin. Für ein profunderes Verständnis der Dynamik die- se in Gestalt eigener Erfolge und Misserfolge; (2) stell-
ser Zusammenhänge ist jedoch mit von Salisch (2000) für vertretende Erfahrungen durch Beobachtung von Ver-
die zukünftige Forschung zu fordern, schulische Leistun- haltensmodellen; (3) sprachliche Überzeugungen (z. B.
gen in stärkerem Maße durch standardisierte Leistungs- Fremdbewertung oder Selbstinstruktion) und (4) Wahr-
tests zu erfassen, da Schulnoten häufig von sozialen Kom- nehmung von Gefühlserregung.
170 Matthias Jerusalem und Johannes Klein-Heßling
Eigene Erfolgserfahrungen sind die stärkste Quelle tatsächlich Handlungen und positive Handlungsergebnis-
zum Aufbau von Selbstwirksamkeitswartungen, da der se im Alltag. Als schwächste Informationsquelle für
Zusammenhang zwischen eigenen Handlungen und per- Selbstwirksamkeitserwartungen, die nur sehr indirekt aus
sönlichem Erfolg unmittelbar erlebt wird. Sozial erfolgrei- Emotionen auf mögliche Handlungs-Ergebnis-Zusam-
ches Verhalten, das auf persönliche Anstrengung und menhänge schließen lässt, kann die gefühlsmäßige Erre-
Kompetenzen zurückgeführt wird, stärkt die soziale Selbst- gung die Interpretation der eigenen Bewältigungskompe-
wirksamkeit. Möglichkeiten zur Sicherstellung dieser Er- tenz mitbestimmen. Eine große Aufgeregtheit, bevor man
fahrungen in der Schule sind z. B. gezielt durchgeführte z.B. einem von anderen Schülern gehänselten Mitschüler
Rollenspiele. Ebenfalls geeignet sind kooperative und zur Seite springt, kann als Hinweis auf die unzureichenden
tutorielle Lernsettings, die planbare in vivo Interaktionen eigenen Kompetenzen verstanden werden. Eine kognitive
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ermöglichen, in denen durch entsprechendes Feedback Kontrolle der Erregung (z. B. durch die Interpretation als
von Lehrern und Schülern angemessenes Sozialverhalten Lampenfieber, das andere in dieser Situation auch hätten)
erprobt und dessen Interpretation im Sinne von Eigenver- kann die Erwartung von Erregung im Vorfeld und die
antwortung zur Stärkung von Kompetenzerwartungen tatsächliche Erregung bei der Handlungsausführung
sichergestellt werden kann. Die Vereinbarung von Klas- senken.
senregeln für sozial kompetentes Verhalten (z. B. Kommu-
nikationsregeln) und die systematische Rückmeldung der In der Schule gibt es eine Reihe von Möglichkeiten,
Regelbefolgung an Schüler schaffen auch Potenziale für soziale Selbstwirksamkeitserwartungen zu fördern, wobei
eigene Erfolgserfahrungen. Eine weitere Fördermöglich- der größte Erfolg zu erwarten ist, wenn man Lernsituatio-
keit sind Programme, in denen Gleichaltrige als Streit- nen so gestaltet, dass Schüler sich selbst aufgrund eige-
schlichter eingesetzt werden (z. B. Jefferys-Duden, 1999) nen Verhaltens als kompetent erleben können. Dabei ist
und bei denen sowohl die Streitschlichter selbst als auch das Setzen von Nahzielen eine grundlegende Vorausset-
die beteiligten Konfliktparteien eigene soziale Erfolgser- zung. Das Ziel eines Schülers, beliebt zu sein, ist beispiels-
fahrungen machen können. weise viel zu unspezifisch und liefert für sich genommen
noch keine Hinweise auf das konkrete Verhalten zur Ziel-
Die Beobachtung von Modellen und ihre Nachah-
erreichung. Oder das Ziel, eine bestimmte Schülerin als
mung ist die zweitstärkste Quelle für die Entwicklung von
Selbstwirksamkeitserwartungen. Modelle erzielen dann Freundin zu gewinnen, ist eine vielleicht zeitlich zu weit
entfernte Option, als dass sich daraus konkrete Verhal-
eine gute Wirkung, wenn sie dem Lernenden in Alter, Ge-
tensweisen ableiten ließen. Hierzu sind Nahziele bzw. Zwi-
schlecht und sonstigen Attributen möglichst ähnlich sind.
In der Schule können zwar auch Lehrer eine Modellwir- schenabschnitte hilfreicher, wie die betreffende Schülerin
ansprechen, sie ins Kino oder auf eine Party einladen, ge-
kung ausüben (und sollten daher selbst sozial kompetent
meinsame Gespräche arrangieren zum Kennenlernen etc.
agieren). Jedoch wird der soziale Vergleich, der Auf-
schluss über eigene Kompetenzen liefern kann, mit stei- Nahziele bieten direkte Anreize im Hinblick auf erstrebens-
werte, überschaubare und erreichbare Ziele und bieten die
gender Distanz zu Schülerattributen erschwert. Mitschü-
Gelegenheit, durch mehr oder minder planbares eigenes
ler, die man beispielsweise bei den o. g. Maßnahmen (wie
kooperativem und tutoriellem Lernen, Streitschlichtung) Verhalten zu Erfolgserlebnissen zu kommen. Die Konzen-
tration auf Nahziele stellt eine wirksame Strategie für die
beobachten kann, sind daher geeignetere Verhaltensmo-
Entwicklung von Selbstwirksamkeit dar, weil eine schritt-
delle. In der schulischen Gesundheitsförderung werden
häufig Mitschüler als „Peer educators“ eingesetzt, da sich weise Erreichung von Teilzielen zunehmende Hinweise
auf das eigene Können und die wachsenden Fähigkeiten
Gleichaltrige meist besser in alltägliche Entwicklungs-
liefert und damit die Selbstwirksamkeit wie die Kompetenz
probleme ihrer Altersgenossen hineinversetzen können
und über eine größere Glaubwürdigkeit und Echtheit bei kontinuierlich erhöht. Für den Erwerb sozialer Selbstwirk-
samkeitserwartungen in der Schule ist schließlich darauf
der Vermittlung von Vorschlägen verfügen als Erwachse-
zu achten, dass Schüler regelmäßig Rückmeldungen über
ne (Backett-Milburn & Wilson, 2000). Anlässe zur Beach-
tung von erfolgreichen Verhaltensmodellen ergeben sich Fortschritte bei der Erreichung der Teilziele erhalten und
dafür das eigene Können als ursächlich ansehen.
auch bei Vorliegen eines Mastery-Klimas (s. o.), das er-
warten lässt, dass sich Mitschüler sozial kompetent (z. B.
prosozial, sozial verantwortlich oder rücksichtsvoll) ver-
halten. Ansätze zur Förderung sozialer
Überredung ist eine weitere, aber schwächere Quelle Kompetenzen im Überblick
für Selbstwirksamkeitserwartungen, da die Beziehung von
Verhalten und Ergebnis weder erfahren noch beobachtet, Zur Förderung sozialer Kompetenzen von Kindern und
sondern nur kommunikativ vermittelt wird. Ziel ist dabei, Jugendlichen in der Schule gibt es eine Vielzahl unter-
Schüler davon zu überzeugen, dass sie auf die eigenen schiedlicher Vorschläge an Interventionen, Trainings,
sozialen Fertigkeiten vertrauen können („Du schaffst Programmen und Maßnahmen, die sich mit unterschied-
das!“), weil das Potenzial dafür vorhanden ist. Vorausset- lich breiten Zielsetzungen und mehr oder weniger theore-
zungen für das Gelingen sind eine gewisse Autorität und tisch fundiert an unterschiedliche Zielgruppen richten.
Glaubwürdigkeit (z. B. gute Freunde oder Lehrer). Die Topping, Holmes und Brenner (2000) haben dazu in einer
Überredung kann soziale Selbstwirksamkeitserwartungen Sichtung der internationalen Literatur mehr als 700 schul-
allerdings nur kurzfristig steigern, es sei denn, ihr folgen bezogene Maßnahmen zur Förderung sozialer Kompeten-
Förderung sozialer Kompetenz in der Schule 171
zen identifiziert und zur Strukturierung folgende sieben terprogramme (z. B. Jefferys-Duden, 1999), kooperative
Maßnahmenkategorien vorgeschlagen: 1) Verhaltensana- und tutorielle Lernarrangements oder „Peer education“ in
lyse und Modifikation; 2) Beratung und Therapie; 3) Gesundheitsförderungsprogrammen (s. Backett-Milburn
Social-Skills-Trainings; 4) Peer-Mediation; 5) Kognitive & Wilson, 2000). Als Vermittler werden Gleichaltrige oder
Interventionen und Selbstmanagement; 6) Multiple Inter- ältere Mitschüler eingesetzt. Ziel dieser Ansätze ist, für
ventionen; 7) Sonstige Maßnahmen. alle Beteiligten in der Interaktion Lernanlässe zu schaffen,
um soziale Kompetenzen zu erproben. Wenngleich beim
Verhaltensanalyse und -modifikation: Hier geht es kooperativen und tutoriellen Lernen die Leistungsförde-
um lerntheoretisch fundierte Maßnahmen zur gezielten rung im Vordergrund steht, werden auch günstige Effekte
Veränderung eines umschriebenen Verhaltensbereiches. im Bereich der sozialen Kompetenzen bewirkt.
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schiedliche Ansätze gefördert werden können. Neben dem Dodge, K. A., Pettit, G. S., McClaskey, C. L. & Brown, M. M.
Kriterium der Effektivität ist für einen nachhaltigen Einsatz (1986). Social competence in children. Monographs of the
in der Schule jedoch auch die Effizienz von Maßnahmen Society for the Research in Child Development, 51, (2, Serial
No. 213).
einzuschätzen. Dazu ist zunächst die Frage der Universali-
tät bzw. Spezifität zu beantworten: Wirken bestimmte Dreher, E. & Dreher, M. (1985). Entwicklungsaufgaben im
Maßnahmen eher bei definierten Risikogruppen (etwa im Jugendalter: Bedeutsamkeit und Bewältigungskonzepte. In
Sinne einer Aptitude-Treatment-Interaction) und welche D. Liepmann & A. Stiksrud (Hrsg.), Entwicklungsaufgaben
und Bewältigungskonzepte in der Adoleszenz (S. 56–70).
primärpräventiven Breitbandinterventionen gibt es, von Göttingen: Hogrefe.
denen alle Kinder und Jugendlichen profitieren? So könn-
te man beispielsweise überlegen, bei welchen Zielsetzun- Dusenbury, L. & Botvin, G.J. (1990). Competence enhance-
ment and the prevention of adolescent problem behaviour.
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gen das sehr umfassende Training sozialer Kompetenzen In K. Hurrelmann & F. Lösel (Eds.), Health hazards in
von Petermann et al. (1998) mit welchen Zielgruppen sinn- adolescence (pp. 459–478). Berlin: deGruyter.
voll durchgeführt werden kann. Daneben sind Ansätze
auf ihre entwicklungspsychologischen Anforderungen zu Eickhoff, C. (2000). Schutz oder Risiko? Familienumwelten im
Spiegel der Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kin-
überprüfen, d. h. welche Entwicklungsvoraussetzungen dern. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
müssen Teilnehmer bei welchen Maßnahmen mitbringen.
Elliott, S. N. & Gresham, F.M. (1993). Social skills interven-
Bezogen auf die Effizienz von Interventionen ist tions for children. Behavior Modification, 17, 287–313.
schließlich zu bedenken, dass viele Maßnahmen extracur-
ricular durchgeführt werden, z. B. im Rahmen von Projekt- Evans, R. I. (1988). Prevention of smoking in adolescence: Con-
ceptualization and intervention strategies of a protopypical
wochen oder als Ersatz für regulären Schulunterricht. Die research program. In S. Maes, C. D. Spielberger, P. B.
breite Implementation von Maßnahmen ist jedoch eher Defares & I. G. Sarason (Eds.), Topics in health psychology
unwahrscheinlich, wenn ihre Durchführung den Verzicht (pp. 107–125). Chichester: Wiley.
auf regulären Unterricht bedeutet. Für einen längerfristi-
Ferrari, J. R. & Parker, J. T. (1992). High school achievement,
gen und breiten Erfolg, der über einzelne Projekttage und self-efficacy, and locus of control as predictors of freshman
Modellprojekte hinausgehen soll, müssen Maßnahmen in academic performance. Psychological Reports, 1, 515–518.
den regulären Unterricht integrierbar sein. Prototypisch
sind dazu kooperative Lernarrangements zu nennen, in Fleer, B., Klein-Heßling, J. & Hassebrauck, M. (2002). Konzep-
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