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Berufliche Kompetenzentwicklung
Prof. Dr. Nicole Kimmelmann
Juniorprofessur für
Berufliche Kompetenzentwicklung
Prof. Dr. Nicole Kimmelmann
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Vorgelegt von:
Helen Schropp
Allersbergerstraße 185
90461 Nürnberg
Matrikel-Nr.: 21525315
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung und theoretischer Zugang ........................................................................ 7
2.1 Kultur......................................................................................................................... 13
5.2 Kritische Diskussion der zentralen Ergebnisse und Empfehlungen für die
Weiterbearbeitung ................................................................................................................ 99
Abbildungsverzeichnis
Zusammenfassung
Die steigende Diversität in der Gesellschaft hat im wesentlichen Maße Einfluss auf die Lebens-
wirklichkeit von Schülerinnen und Schüler. Somit ergibt sich die Notwendigkeit und die Ver-
pflichtung des Bildungssystems – will es seinem allgemeinen Erziehungsauftrag nachkommen
– auf diese Vielfalt zu reagieren und die Schülerinnen und Schüler in der konstruktiven Bewäl-
tigung ihrer privaten und beruflichen Lebenswelt zu unterstützen. Zu dieser Bewältigung bedarf
es interkultureller Kompetenz der Heranwachsenden, die jedoch durch Versäumnisse der Poli-
tik in der allgemeinen Integrationsarbeit sowie in bildungspolitischen Maßnahmen bisher nur
ungenügend und unsystematisch geschult wird. Ziel dieser Arbeit war, diese Lücke zu schließen
und Standards zu entwickeln, die sowohl als Auswahlinstrument als auch als Gestaltungsinstru-
ment von effektiven interkulturellen Trainings in der beruflichen Bildung dienen können. Mit
Hilfe ein zweigleisigen Forschungsprozesses, der sowohl bereits bestehende Erkenntnisse aus
Theorie und Praxis berücksichtigt, als auch eigene empirische Erhebungen umfasst, konnten
am Ende dieses Forschungsprozesses sechs Dimensionen von Standards (Vorbereitung, Ziele,
Inhalte, Methoden, Trainer, Evaluation und Nachhaltigkeit) mit zugehörigen Standardgruppen
identifiziert werden.
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„Zuwanderung und Integration sind Themen, die uns alle etwas angehen – heute sowie in Zu-
kunft“, so das Vorwort in der Informationsbroschüre „Migration und Integration“ des Bundes-
ministeriums des Inneren (BMI 2011, Vorwort).
Die Geschichte Deutschlands ist nicht erst seit der Gründung der Bundesrepublik durch Bevöl-
kerungswanderungen geprägt. Deutsche gingen über Jahrhunderte hinweg in großer Zahl ins
Ausland, während Ausländerinnen und Ausländer nach Deutschland einwanderten. Vor allem
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – während und in Folge der beiden Weltkriege – er-
folgten millionenfache Zuwanderungen (BMI 2011, S. 14). Nach dem Zweiten Weltkrieg im
Jahr 1949 kamen zunächst vor allem Flüchtlinge und Vertriebene deutscher Staatsangehörigkeit
in die spätere Bundesrepublik Deutschland (damalige westliche Besatzungszone). Nach einer
Volkszählung der BRD waren bis 1950 über neun Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, vor
allem aus ehemaligen deutschen Ostgebieten, in das Gebiet der Bundesrepublik gekommen. In
die damalige sowjetische Besatzungszone wanderten nach Kriegsende bis zum Beginn der
1950er Jahre circa 3,6 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene ein (Currle 2004, S. 19). Durch
das deutsche Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren stieg der Bedarf an Arbeitskräften, der
durch das inländische Arbeitskräfteangebot nicht gedeckt werden konnte. Die BRD schloss
aufgrund dessen beginnend im Jahr 1955 mit Italien einen Anwerbevertrag, von dem besonders
ab den 1960er Jahren verstärkt Gebrauch gemacht wurde. Die BRD schloss weitere Abkommen
mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964),
Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968) (BMI 2011, S. 15). Eine weitere Phase des Migrati-
onsgeschehens in Deutschland wurde durch die Öffnung des ‚Eisernen Vorhangs‘ gekennzeich-
net. Einerseits führten erleichterte Ausreisebestimmungen in ehemaligen Ostblockstaaten zu
einem Anstieg der Aussiedler- als auch Asylbewerberzahlen (Currle 2004, S. 17), und anderer-
seits führten aufflammende militärische Konflikte auf dem europäischen Kontinent zu Asylsu-
chenden und Flüchtlingen (Hoffmann, S. 19).
Trotz einer stetig steigenden und zunehmend diversifizierten Einwanderung hat Deutschland
lange an der defensiven Selbstbeschreibung festgehalten, kein Einwanderungsland zu sein
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Da in der deutschen Sprache durch den generischen Maskulin beide Geschlechter gleichermaßen mit einbezo-
gen werden, wird in dieser Arbeit – bis auf seltene Ausnahmen – die männliche Form verwendet. Selbstverständ-
lich sind immer beide Geschlechter angesprochen.
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(Currle 2004, S. 17). Obwohl das Land seit der Wiedervereinigung mehrere Einwanderungs-
wellen erlebte, gingen die wechselnden Bundesregierungen davon aus, dass die so- (und in be-
zeichnender Weise) genannten Gastarbeiter in ihr Heimatland zurückkehren würden (Hoßmann
und Karsch 2011, S. 1). Erst der Machtwechsel von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün und dem Amts-
antritt der Regierung Schröder im Jahre 1998 führte zu einem Paradigmenwechsel in der Mig-
rationspolitik (Hoffmann 2009, S. 19). Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 1999, die
Einsetzung der ‚Unabhängigen Kommission Zuwanderung‘, die Green-Card-Regelung im Jahr
2000 sowie das Zuwanderungsgesetz von 2005, das das erste Gesetzesvorhaben zur Einwande-
rungs- und Asylpolitik in der Geschichte der BRD darstellt, gelten als politische Weichenstel-
lungen der neuen Migrationspolitik.
Diese jahrzehntelange Verzögerung einer systematischen staatlichen Integrationspolitik hat zu
erheblichen Engpässen sowohl im Verständnis von Integration als auch in der praktischen In-
tegrationsarbeit geführt (Zacharaki, Eppenstein und Krummacher 2009, S. 7). Einstige Gastar-
beiter, Spätaussiedler oder Asylsuchende bauten sich während ihres jahrzehntelangen Aufent-
halts in Deutschland eine Existenz auf, ohne dabei auf Maßnahmen der Politik zählen zu kön-
nen, die die Integration der heute rund 16 Millionen Migranten der ersten, zweiten und dritten
Generation in der Gesellschaft gefördert und ihnen das Ankommen in Deutschland erleichtert
hätten (Hoßmann und Karsch 2011, S. 1).
Die bisherigen Ausführungen indizieren, dass mittlerweile Einigkeit über die Notwendigkeit
zur Vermittlung interkultureller Kompetenz innerhalb von Bildungsinstitutionen besteht. In der
Unternehmenswelt fand diese Erkenntnis schon vor längerem Einzug und in den letzten 40
Jahren wurden vor allem im angelsächsischen Raum Konzepte zum Erwerb der interkulturellen
Kompetenz von Mitarbeitern in internationalen Unternehmen entwickelt. Zu den am häufigsten
eingesetzten Maßnahmen zählen die so genannten interkulturellen Trainings (Kovácová 2010,
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S. 20). Auch in Deutschland wurde die Notwendigkeit von interkulturellen Trainings längst
erkannt – auch hier werden diese vorrangig zur Vorbereitung von Fach- und Führungskräften
auf einen (längeren) Arbeitseinsatz im Ausland eingesetzt (Thomas, Kinast & Schroll-Machl
2005, S. 182). Dem Begriff ‚interkulturelles Training‘ scheint es dabei wie so vielen anderen
Trend-Begriffen zu ergehen: Er erfreut sich eines inflationären Gebrauchs und die Vermarktung
interkultureller Weiterbildungsmaßnahmen floriert dank des Versprechens, dass die Teilneh-
mer durch die Trainingsmaßnahmen innerhalb kürzester Zeit auf interkulturelle Situationen
vorbereitet werden (Kovácová 2010, S. 20). In Google findet man zu dem Stichwort ‚interkul-
turelles Training‘ 2 130 000 Einträge2. Die Zahl der Interneteinträge zu diesen Trainings, unter
denen oft Anbieterseiten zu finden sind, verleitet zu der Annahme, dass es sich hierbei um ein
bewährtes und standardisiertes Instrument der Personalarbeit handelt. In Wahrheit werden in-
terkulturelle Trainings nur selten hinsichtlich ihrer Wirkung evaluiert (Kovácová 2010, S. 20).
Ähnlich verhält es sich mit Standards zu interkulturellen Trainings: Bisher gibt es keine ein-
heitlichen Standards innerhalb dieses Trainingssegments. Der Bedarf dafür wurde jedoch er-
kannt und im Jahr 2007 stellte sich der Facharbeitskreis interkulturelle Öffnung zum ersten
Mal der Aufgabe, Qualitätskriterien für die interkulturelle Fort- und Weiterbildung zu formu-
lieren. Diese sollen eine Vergleichbarkeit der Angebote ermöglichen und die Qualität der inter-
kulturellen Bildung sicherstellen (IQ 2010, S. 2). Mittlerweile hat der Facharbeitskreis inter-
kulturelle Öffnung mit der Unterstützung externer Mitglieder konkrete Qualitätsmerkmale für
die interkulturelle Fort- und Weiterbildung entwickelt und sogar eine Checkliste als Handrei-
chung veröffentlicht. Dabei wurden von Expertinnen und Experten fünf entscheidende Bereiche
einer Bildungsmaßnahme identifiziert, denen dann verschiedene Kriterien zugeordnet wurden.
Diese Bereiche bzw. Qualitätsmerkmale umfassen die Rahmenbedingungen, die Inhalte, die
Ziele, die Methodik sowie die Anforderungen an das Weiterbildungspersonal. Die Adressaten
der Handreichung sind Personal-, Aus- und Weiterbildungsverantwortliche in Betrieben und
öffentlichen Verwaltungen. Darüber hinaus sollen die Qualitätsmerkmale Anbietern von inter-
kulturellen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen als Orientierung dienen (IQ 2010, S. 5).
Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat in Kooperation mit der STIF-
TUNG WARENTEST ein- bis dreitägige Seminare für Fach- und Führungskräfte untersucht und
dabei Qualitätsmerkmale erarbeitet, die jedoch wenig konkretisiert wurden. So wurden ledig-
lich die zwei folgenden Kriterien festgelegt, die durch interkulturelle Trainings erfüllt werden
sollten: Erstens, die Teilnehmer müssen sich selbst hinterfragen und erkennen, inwiefern ihr
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Eingabe vom 12.04.2013
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eigenes Verhalten kulturell geprägt ist. Zweitens, die Seminare sollen mit passenden Übungen
gezielt auf Arbeitssituationen mit Menschen aus anderen Kulturkreisen vorbereiten. Ein Trai-
nier aus dem entsprechenden Kulturkreis sei dabei empfehlenswert (bmbf 2005).
Schröer (2004) analysiert Evaluationen von verschiedenen Trainings und trägt damit Mindest-
standards zusammen, die als Messkriterien für die Qualität von Anbietern interkultureller Trai-
nings dienen sollen. Er unterteilt das Training in drei Phasen (Vorphase, Durchführungsphase
und Nachphase) und legt für jede dieser Phasen einzelne Kriterien fest, die es zu beachtet gilt
(S. 48 ff.).
Diese Herangehensweise Schröers (2004) und die daraus resultierenden Ergebnisse indizieren,
dass es zwar bisher nur wenige klar deklarierte und ganzheitliche Konzepte zu Standards in-
terkultureller Trainingskonzepte im Unternehmensbereich gibt, aber durchaus mehrere Ein-
zelerkenntnisse in verschiedenen Studien gewonnen wurden, die Rückschlüsse auf Qualitäts-
standards von Trainingsmaßnahmen erlauben. Diese Vermutung wird durch die Arbeit Kamm-
hubers (2008) bestärkt, da dieser durch die Analyse verschiedener Evaluationsstudien zu dem
Schluss kommt, dass bereits mehrere Ergebnisse in der Literatur bestünden, die zur Qualitäts-
sicherung interkultureller Trainings beitragen können. Die einzelnen, durch verschiedene Stu-
dien gewonnen Aspekte bzw. Qualitätsmerkmale, sind die Lernmethode, die Trainerpersön-
lichkeit, die Trainingsressource, die Trainingsdurchführung sowie der organisationale Kontext
(Kammhuber 2008, S. 17).
Ableitend aus den Erkenntnissen in Kapitel 1.3 lässt sich feststellen, dass bisher nur wenig
eindeutig ausgewiesene Standards für interkulturelle Trainings, die hauptsächlich Unternehmen
als Zielgruppe haben, in Deutschland existieren. Nichtsdestotrotz gibt es mehrere wissenschaft-
liche Abhandlungen, die Rückschlüsse auf Standards erlauben und theoretisch fundierte An-
haltspunkte für die Erstellung dieser bieten. Ob Standards für interkulturelle Trainings, deren
Adressaten Schülerinnen und Schüler sind, eins zu eins von den Erkenntnissen der Unterneh-
menswelt abgeleitet werden können, ist nicht nur fraglich, sondern auch unwahrscheinlich.
Problematisch ist, dass es zur Förderung der interkulturellen Kompetenz von Schülerinnen und
Schülern, vor allem durch interkulturelle Trainings, bisher nur wenig wissenschaftliche Veröf-
fentlichungen gibt. Der Förderung interkultureller Kompetenz in der beruflichen Bildung wurde
bisher nur wenig Zeit eingeräumt und beschränkt sich, vor allem im betrieblichen Teil der Aus-
bildung, auf die Vorbereitung von Auslandsaufenthalten und auf die Kooperation mit ausländi-
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schen Geschäftspartnern (Over & Mienert 2006, S. 47). Sucht man nach Maßnahmen zur Er-
weiterung der interkulturellen Kompetenz im schulischen Bereich, beschränken sich diese häu-
fig entweder auf die Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund (z.B. ‚Nationaler Int-
gegrationsplan‘3) oder auf die Vermittlung interkultureller Aspekte innerhalb des Sprachunter-
richts. Ein kleinerer Teil der Förderkonzepte zielt auf eine Stärkung des interkulturellen Ver-
ständnissen unter den Schülern an (z.B. ‚Fit for Differences‘, ‚TRIKK‘, ‚Training Kit-Reihe‘4).
Weiterhin signifikant ist, dass die Vermittlung interkultureller Kompetenz häufig als Heraus-
forderung bzw. Aufgabe der Unterrichtsgestaltung von Lehrkräften dargestellt wird (Lichtblau,
Over & Mienert 2008, S. 97). Bezeichnender Weise beschäftigen sich viele wissenschaftliche
Veröffentlichungen mit der Unterrichtsgestaltung sowie den dafür nötigen Kompetenzen der
Lehrkräfte und kritisieren gleichzeitig die Weiterbildungslücke von Lehrkräften, um die eben
genannten Kompetenzen zu erwerben (z.B. Ringeisen, Buchwald & Spanowski 2008, Fiebig
2012, Lichtblau, Over & Malte 2008). Die Kultusministerkonferenz forderte in ihrer Empfeh-
lung zum Thema ‚Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule‘ bereits 1996 einen bil-
dungspolitischen Perspektivenwechsel sowie eine gemeinsame interkulturelle Bildung und Er-
ziehung aller Schülerinnen und Schüler (KMK 1996, S. 5) und betont weiter, dass „Angebote
interkultureller Bildung an Hochschulen“ ein „integraler Bestandteil der Lehrerausbildung“
(KMK 1996, S. 13) seien. Heute, fast 20 Jahre später, ist diese Forderung noch immer keine
Realität. Entsprechende Angebote an Hochschulen sowie in der berufsbegleitenden Weiterbil-
dung fehlen weitgehend, was dazu führt, dass nur wenige Lehrkräfte über Fähigkeiten verfügen,
um interkulturelle Kompetenz innerhalb oder außerhalb des Unterrichts zu fördern (Ringeisen,
Buchwald & Spanowski 2008, S. 144).
Die bisherigen Ausführungen über den Stand von interkulturellen Trainings in der beruflichen
Bildung lassen folgende Schlüsse zu:
- Die verspätete Reaktion der Bildungsinstitutionen auf die kulturelle Vielfalt im eigenen
Land, aber auch auf den immer steigenden Bedarf an grenzüberschreitender Kooperation
3
Nähere Informationen zum ‚Nationaler Integrationsplan‘ können unter http://www.bmbf.de/pubRD/migra-
tion.pdf abgerufen werden.
4
Nähere Erläuterungen zu ‚Fit for Differences‘, ‚TRIKK‘, ‚Training Kit-Reihe können online unter
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CC0QFjAA&url=http%3A%2F%2F
www.bibb.de%2Fveroeffentlichungen%2Fen%2Fpublication%2Fdownload%2Fid%2F1164&ei=jfbeUdvR-
PIGHtAaA2YDwDA&usg=AFQjCNHha9hfHQYxqcf_pAjpmkLo3_AaNw abgerufen werden.
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hat dazu geführt, dass bisher nur wenige standardisierte und keine verpflichtenden Maßnah-
men zur Förderung interkultureller Kompetenz innerhalb der beruflichen Bildung verankert
sind.
- Um wettbewerbsfähig zu sein, haben Unternehmen im Angesicht der Globalisierung, der
Verflechtung der internationalen Märkte und des damit einhergehenden internationalen
Wettbewerbs den Bedarf an interkultureller Kompetenz früher erkannt bzw. schneller da-
rauf reagiert als pädagogische Einrichtungen. Demzufolge existiert ein größeres Angebot
an interkulturellen Trainings für Organisationen und an wissenschaftlichen Abhandlungen
über diese. Diese Abhandlungen dienten in mehreren Veröffentlichungen dazu, einen Rück-
schluss auf Qualitätskriterien für interkulturelle Trainings (Standards) zu ziehen.
- Bisher existieren jedoch keine klar ausformulierten und einheitlichen Kriterien zu interkul-
turellen Trainings innerhalb der beruflichen Bildung, die Schulen darin unterstützen kön-
nen, ein passendes und qualitativ hochwertiges Angebot auszuwählen und gleichzeitig den
Anbietern von Trainings bei der Konzeption dieser Orientierung zu bieten.
Ziel dieser Arbeit ist es, diese Lücke zu schließen und Standards zu entwickeln, die sowohl als
Auswahlinstrument als auch als Gestaltungsinstrument von effektiven interkulturellen Trai-
nings in der beruflichen Bildung dienen können. Nach einer Vorstellung grundlegender theore-
tischer Konzepte in Kapitel 2 erfolgt eine Darstellung des methodischen Vorgehens zur Ent-
wicklung der Standards in Kapitel 3. Durch die permanente und wechselseitige Einbindung von
Theorie und eigener Empirie konnte ein Standardsystem entwickelt werden, welches in Kapitel
4 ausführlich vorgestellt wird. Da diese Arbeit den Anfangspunkt eines Entwicklungsprozesses
dieser Standards darstellt, erfolgen in Kapitel 5 eine Diskussion der bisherigen Erkenntnisse
sowie ein Ausblick zur Weiterbearbeitung dieser.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Kultur
Der Begriff ‚Kultur‘ ist im öffentlichen Diskurs allgegenwärtig, sei es in den Tageszeitungen,
in politischen Debatten zur Migrationspolitik der Europäischen Union oder auf der Homepage
von Unternehmen, die ihre Unternehmenskultur der Öffentlichkeit vorstellen. Doch auch viele
wissenschaftliche Disziplinen wie Anthropologie, Ethnologie, Philosophie, Soziologie, Psy-
chologie und Pädagogik sind an der aktuellen Theoriediskussion um den Kulturbegriff beteiligt
(Beer & Fischer 2003, S. 53). Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Verwendungsweisen
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des Wortes ‚Kultur‘ scheint es sinnvoller, von ‚Kulturbegriffen‘ anstatt von einem ‚Kulturbe-
griff‘ im Singular zu sprechen. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass jede wissenschaftliche
Disziplin (s.o.) etwas anderes unter diesem Begriff versteht und diesen auch unterschiedlich
definiert (Nünning 2009, S. 1). Gemäß seiner etymologischen Herkunft von dem lateinischen
Nomen ‚cultura‘ bzw. dem Verb ‚colere‘ bedeutete Kultur zunächst ‚Pflege, Anbau, Bearbei-
tung, Agrikultur‘. Die heutige Bedeutung des Wortes wurde durch eine sinnbildliche Übertra-
gung auf den Menschen gebildet, das heißt, die dem Menschen zugrunde liegende Anlage soll
bearbeitet oder verbessert werden (Zembylas 2006, S. 23). Die erste Verwendung des Kultur-
begriffs in diesem Sinne findet sich bereits im ersten Jahrhundert vor Christus bei Cicero, der
die Feldbestellung mit der philosophischen Erziehung ‚cultura animi‘ verglich (Beer & Fischer
2003, S. 54). Bezogen auf Kollektive wird der Begriff erst im 18. Jahrhundert verwendet, als
die abendländische Kultur begann, reflexiv über eigene Prinzipien und Gesetze in historischer
Perspektive nachzudenken. Der Begriff Kultur meint seither nicht mehr ausschließlich indivi-
duelle Verhaltensweisen, sondern wird zum Kollektivsingular (Landwehr & Stockhorst 2004,
S. 26).5
Die ersten ausführlicheren Auseinandersetzungen mit dem Kulturbegriff entstammen der Eth-
nologie und bildeten die Grundsteine für andere Wissenschaften. Die älteste, aber auch eine der
meist zitierten Definitionen von ‚Kultur‘ im Rahmen der Ethnologie stammt von dem britischen
Ethnologen Edward Burnett Tylor (1832-1917) aus dem Jahr 1871. Er definiert Kultur als „that
complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom and any other capa-
bilities and habits acquired by man as a member of society“ (Tylor in Hammel 2007, S. 2). Seit
der Definition Tylors hat sich eine Vielzahl von wissenschaftlichen Kulturbegriffen entwickelt,
die ein sehr weites, vielfältiges Spektrum umfassen. Während Baecker (2000, S. 33) behauptet,
dass das einzig bestimmende Merkmal des Begriffs Kultur die verbreitete Auffassung sei, „dass
dieser Begriff nicht zu definieren ist“, stellt Hammel (2007, S.4) fest, dass die verschiedenen
wissenschaftlichen Kulturbegriffe zwar unterschiedlich seien, sich jedoch nur selten widersprä-
chen. Vielmehr würden bestimmte Aspekte in den Vordergrund gerückt, die abhängig vom je-
weiligen Arbeitsschwerpunkt oder eben der wissenschaftlichen Disziplin seien.
Ähnlich vielfältig wie die einzelnen Definitionen gestalten sich die Schemata, die versuchen,
diese zu ordnen. Reckwitz (2000) entwickelt zur Typologie des Kulturbegriffes vier Arten, die
der Unterscheidung dienen: der normative Kulturbegriff, der totalitätsorientierte Kulturbegriff,
5
Teilweise wird die Wende zu einem Kollektivsingular auch bereits im 17. Jahrhundert angesiedelt (z.B. Hammel
2007, S. 2).
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Diese Entwicklung hin zu neuen theoretischen Ansätzen wird häufig als cultural turn bezeichnet. Dieser führte
zu einer Ausweitung der Kulturwissenschaften, indem Konzepte und theoretische Ansätze aufkamen, die sich
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beschreibt Kultur als den „von Menschen erzeugte[n] Gesamtkomplex von Vorstellungen,
Denkformen, Empfindungsweisen, Werten und Bedeutungen […], der sich in Symbolsystemen
materialisiert“ (Nünning 2009, S. 2). Der amerikanische Ethnologe Clifford Geertz (1926-
2006), einer der bekanntesten Vertreter des semiotischen Kulturverständnisses, besagt, dass der
Mensch in ein selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe verstrickt ist, das als Sinnbild für seine
Kultur steht. Zur Ordnung der Wirklichkeit bedient sich der Mensch so genannter symbolischer
Codes (auch Symbolen oder Zeichen), die aus einem Bedeutungsträger und einer diesem zuge-
ordneter Bedeutung bestehen. So verweist ein einfacher goldener Ring ohne Stein am linken
Ringfinger in der Slowakei darauf, dass der Träger dieses Ringes verheiratet ist. Ein anderes
Beispiel für diese Codes sind Lautkombinationen oder Gesten: Bestimmte Lautkombinationen
sind innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft bestimmten Bedeutungen zugeordnet und ein
Zucken des Auges wird erst durch die Entstehung eines öffentlichen Codes zur bewusst genutz-
ten Gebärde und somit zum Teil einer Kultur (Kovácová 2009, S. 28). Ein weiterer essentieller
Punkt der Kulturdefinition Geertzs ergibt sich aus der Beschreibung der Kultur als „selbstge-
sponnenes Bedeutungsgewebe“. Das heißt, Kultur stellt für die Menschen ein Orientierungs-
system dar, anhand dessen sie ihre Lebenswirklichkeit deuten, aber auch zugleich konstruieren.
Die Lebenswirklichkeit ist also nicht objektiv und absolut vorgegeben, sondern zum Teil „anth-
ropomorph vom Menschen entsonnen“ (Kovácová 2009, S. 30). Dieses Kulturverständnis
knüpft an die aktuellen Kritiken über das Kohärenz-Paradigma der Kultur an. Immer mehr Wis-
senschaftler kritisieren die Vorstellung über eine statische kulturelle Einheitlichkeit und plädie-
ren für einen dynamischen Kulturbegriff (Rathje 2009, S. 2; Hasenjürgen 2009 S. 6; Priore
2010, S. 204). Es zeichnet sich nunmehr ein Begriffsverständnis ab, das Kultur nicht mehr als
Nationalkultur versteht, sondern deren Dynamik und Prozesscharakter berücksichtigt. Das
heißt, dass kulturelle Zugehörigkeit zum einen vielfach sein kann und zum anderen nicht (mehr)
ausschließlich über die ethnisch-nationale Herkunft definiert werden kann (Priore 2010, S.
205). Im Zuge dieser konstruktivistischen Perspektive sind in den letzten Jahren vielfältige neue
Bezeichnungen für ‚Kultur‘ entstanden: Transkulturalität, Transdifferenz, Hybridisierung,
Diaspora, Intersektionalität und viele mehr. All diese Ansätze fordern – trotz ihrer Unterschied-
lichkeit – eine Öffnung und Überschreitung der herkömmlichen Kulturkonzeptionen, um so den
gegen ein homogenisierendes und begrenzendes Kulturverständnis richten. Allgemein wird unter dem cultural
turn eine seit den 1980ern zu beobachtende Wende hin zu einer stärkeren Ausrichtung der sozial- und kultur-
wissenschaftlichen Forschung auf Fragen der Kultur verstanden (Saal 2007, S. 21).
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zunehmend miteinander verflochtenen Geschichten und Erfahrungen von Individuen oder Kol-
lektiven in einer internationalen Welt und Einwanderungsgesellschaft gerecht zu werden (Ha-
senjürgen 2009, S. 6).
Das bedeutungs- und wissensorientierte Verständnis von Kultur liegt den weiteren Ausführun-
gen dieser Arbeit zugrunde und geht zusammenfassend von einem konstruktivistisch- und se-
miotisch-geprägten Kulturbegriff aus, der die Dynamik und den Prozesscharakter der Kultur
unterstreicht. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass Kulturen in Kollektiven kohäsiv wir-
ken und eine orientierende, sinngebende und identifizierende Funktion erfüllen (Kovácová
2009, S. 30).
Die Anfänge der wissenschaftlichen Forschung zur interkulturellen Kompetenz in den 1980ern
sind auf praktische Erwägungen zurückzuführen und resultieren aus Beobachtungen darüber,
dass sich einige Personen in interkulturellen Situationen besser orientieren und bewähren kön-
nen als andere. Immer mehr Unternehmen sahen sich mit der Aufgabe konfrontiert, geeignetes
Personal für Auslandseinsätze auszuwählen. Hohe Abbruchquoten und Misserfolge in diesen
Einsätzen führten schließlich zu der Frage, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten interkulturell
erfolgreich agierende Personen von den nicht erfolgreichen Personen unterscheiden (Jammal &
Schwegler 2007, S. 58). Das Set solcher Eigenschaften wird in der Regel als interkulturelle
Kompetenz bezeichnet, wobei in der Forschungslandschaft bisher keine Einigkeit darüber be-
steht, was genau unter interkultureller Kompetenz zu verstehen ist (Kovácová 2010, S. 48).
Trotz der Heterogenität der Definitionen und Begrifflichkeiten7, zeichnet sich eine dominante
Strömung innerhalb der Forschung zur interkulturellen Kompetenz ab. In den meisten Defini-
tionen werden Effektivität und Angemessenheit als die zentralen Kriterien interkulturell erfolg-
reichen Handels hervorgehoben (Weidemann, Straub & Nothnagel 2010, S. 17; Jammal & Sch-
wegler 2007, S. 59). Eine erste Annäherung an das Konzept der interkulturellen Kompetenz
bietet eine recht knappe Definition von Chen und Startosa (1996, S. 358), die Interkulturelle
Kompetenz als „effective and appropriate interaction between people who identify with parti-
cular physical and symbolic environments“ definieren. Auch hier sind die beiden Komponenten
Effektivität und Angemessenheit enthalten, wobei Effektivität allgemeinhin als die Fähigkeit
7
Im deutschsprachigen Raum werden neben dem Begriff interkulturelle Kompetenz auch die Begriffe interkultu-
relle Handlungskompetenz oder interkulturelle Kommunikationskompetenz verwandt (Jammal & Schwegler
2007, S. 58).
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gilt, eigene Ziele erreichen zu können und Angemessenheit sich in der Fähigkeit zeigt, auch auf
die Ziele des anderen zu achten und die vorherrschenden Umgangsformen zu beachten (Jammal
und Schwegler 2007, S. 58). Deardorff (2004, S.5) entwickelte eine Definition, die neben der
angemessenen und effektiven Interaktion auch die nötigen Kompetenzen zum Erreichen dieser
beschreibt. Demnach ist interkulturelle Kompetenz „die Kompetenz, auf Grundlage bestimmter
Haltungen und Einstellungen sowie besonderer Handlungs- und Reflexionsfähigkeiten in inter-
kulturellen Situationen effektiv und angemessen zu interagieren“ (Deardorff 2004, S.5). Diese
Definition von interkultureller Kompetenz wird auch den weiteren Ausführungen dieser Arbeit
zugrunde gelegt, wobei der interkulturelle Kompetenzbegriff auf dem zuvor festgelegten Ver-
ständnis von Kultur beruht.
Begriffsverständnis von interkultureller Kompetenz zu sprechen sei (ebd., S. 25). Modelle, die
diese Wechselwirkungen zwischen den Teilbereichen abbilden, werden als Prozessmodelle be-
zeichnet.
Welches Modell zur Beschreibung zur interkulturellen Kompetenz genutzt wird, hängt zu ei-
nem hohen Anteil davon ab, in welchem Kontext dieses benutzt werden soll, welche Ziele damit
verfolgt werden und auch, welches allgemeine Verständnis von Kultur zugrunde gelegt werden
soll. Bevor eine für diese Arbeit begründete Auswahl eines Modells erfolgt, soll zunächst die
derzeit herrschende Debatte in Deutschland skizziert werden, die sich mit dem Grenzen derzeit
existierender Konzepte beschäftigt.
Eine häufig angesprochene Frage ist diejenige, ob derzeitig verfügbare Modelle der interkultu-
rellen Kompetenz tatsächlich allgemeingültige, universale Modelle sind oder ob diese nicht zu
sehr von einem euroamerikanischen, westlichen Kulturverständnis dominiert werden. Indige-
nes Wissen über ‚nicht-westliche‘ Kulturen im Feld der interkulturellen Kompetenzforschung
ist kaum vorhanden und ein interkultureller Dialog, um das bisher bestehende Konzept zu ana-
lysieren und zu reflektieren, ist nur in Ansätzen zustande gekommen (Weidemann et al. 2010,
S. 23; Bolten & Rathje 2010, S. 13).
Auch die Frage, in welchen Situationen interkulturelle Kompetenz verwendbar ist, also ob Mo-
delle darüber einen allgemeinen Geltungsanspruch haben, scheint ungeklärt. Mehrere Autoren
plädieren dafür, dass bestimmte Teilmerkmale in unterschiedlichen Handlungs- und Lebensbe-
reichen mehr oder weniger gefordert sind als in anderen. Zwar kommt interkulturelle Kompe-
tenz sowohl in strategischen Verhandlungen zwischen Managern als auch in bi-kulturellen Part-
nerschaften zu tragen, ob dafür aber das exakt gleiche Bündel ans Fähigkeiten und Fertigkeiten
von Nöten ist, kann angezweifelt werden (Jammal & Schwegler 2007, S. 62; Weidemann et al.
2010, S. 22).
Im Zusammenhang mit der Frage nach den Anwendungsgebieten steht die Frage, welche Ziel-
vorstellungen den Modellen zur interkulturellen Kompetenz und den damit zusammenhängen-
den Konzepten zu Grunde liegen. So gibt es ökonomisch orientierte Konzepte, die insbesondere
Effektivität als Ziel interkultureller Kompetenz ansehen. Dem gegenüber stehen vor allem geis-
tes- und erziehungswissenschaftlich geprägte Ansätze, die dem Aspekt der Effektivität kritisch
gegenüber stehen und anstatt dessen den Aspekt menschlicher Weiterentwicklung in interkul-
turellen Interaktionen betonen (Rathje 2006, S. 4; Jammal & Schwegler 2007, S. 61).
Ein weiterer Streitpunkt, der bereits in Kapitel 2.1 angesprochen wurde, liegt darin, was über-
haupt unter Kultur verstanden wird, wenn von einer Kompetenz zwischen Kulturen gesprochen
wird. In dieser Diskussion lassen sich zwei grundsätzlich gegensätzliche Begriffsverständnisse
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ausmachen. Einerseits gibt es Vertreter der Kohärenzorientierung, unter der sich die eher tradi-
tionellen Ansätze des Kulturverständnissen zusammenfassen lassen und in denen die Vorstel-
lung dominiert, dass Kultur als Kohärente innerhalb eines bestimmtes Kollektivs gesehen wer-
den sollte. Im Gegensatz dazu stehen Ansätze, die sich gegen diese Vorstellung der Homoge-
nität von Kulturen wehren, Differenzdiagnosen in den Vordergrund rücken (Differenzorientie-
rung) und insbesondere auf die individuell verschiedenen Ausprägungen und auf den Prozess-
charakter von Kultur hinweisen (Rathje 2006, S. 11ff.).
Bei der Bestimmung eines im Kontext dieser Arbeit anwendbaren Kompetenzmodells müssen
nicht nur die zuvor genannten Grenzen bisher existierender Modelle berücksichtigt, sondern
auch die Anwendbarkeit dieser in der beruflichen Bildung bedacht werden. Modelle, die vor-
dergründig für die Auswahl und Weiterbildung von Mitarbeitern für Auslandseinsätze konzi-
piert wurden, können nicht unreflektiert auf den schulischen Anwendungsbereich übertragen
werden. So können Merkmalslisten vielleicht für eine Selektion von Mitarbeitern tauglich sein,
erscheinen für Förderzwecke jedoch weniger geeignet (Over, Mienert, Grosch & Hany 2008,
S. 70). Bisher bestehende Strukturmodelle nehmen meist eine Zuteilung bestimmter Merkmale
zu kognitiven, affektiven, motivationalen und volitionalen Aspekten vor und sind somit zwar
strukturierter und systematischer als reine Merkmalslisten, unterschlagen jedoch die Interde-
pendenzen zwischen den einzelnen Kompetenzbereichen. Demgegenüber stellen Prozessmo-
delle den Handlungsbezug interkultureller Kompetenz in den Vordergrund, betonen diese meist
als Teil einer allgemeinen Handlungskompetenz und versuchen die Wechselwirkungen ver-
schiedener Teilkompetenzen abzubilden (Over et al. 2008, S. 68f.; Bolten 2007, S. 25). Derzeit
sprechen sich immer mehr Wissenschaftler (z.B. Bolten 2007, Rathje 2006, Vogler 2010) für
ein prozessuales Konzept der interkulturellen Kompetenz und somit für ein Prozessmodell aus.
Zwei derzeit häufig diskutierte Modelle in diesem Kontext sind das Modell von Bolten (2003)
und von Deardorff (2004) (z.B. in Kovácová 2010; Juch 2012; Bannenberg 201, Bocker und
Jäger 2006).
Bolten (2007) betont vor allem den Aspekt der Handlungskompetenz, die sich durch das Zu-
sammenspiel von Personal- oder Selbstkompetenz, Sozialkompetenz, Fachkompetenz und Me-
thodenkompetenz ergibt (S. 25). Dabei versteht er interkulturelle Handlungskompetenz nicht
als eigenständige fünfte Kompetenz, sondern als „eine auf interkulturelle Kontexte bezogene
Variante einer allgemeinen Handlungskompetenz“ (Bolten 2007, S. 26). Wie in Abbildung 1
ersichtlich, stellt Bolten interkulturelle Kompetenz als ein „synergetisches Zusammenspiel“ der
S e i t e | 21
vier Handlungsspektren dar und erläutert weiter, dass eine Person dann als interkulturell kom-
petent gilt, wenn er oder sie in der Lage ist, dieses Zusammenspiel ausgewogen zu gestalten
(Bolten 2007, S. 88). Das Modell wird durch spezifische Komponenten (Fremdsprachenkennt-
nisse, Polyzentrismus, Fähigkeit, eigen-, fremd-/ interkulturelle Prozesse beschreiben / erklären
zu können) ergänzt, die eine Anwendung der vier Teilbereiche in spezifischen Kontaktsituati-
onen mit Fremden ermöglichen sollen (Kovácová 2010, S. 52).
Abbildung 1: Das Modell interkultureller Kompetenz nach Bolten (übernommen aus Bolten 2007, S. 86).
Das Modell von Deardroff (2004) basiert auf einer Definition und auf Teilelementen interkul-
tureller Kompetenz, über die 23 führende US-amerikanische Experten in Rahmen einer Delphi-
Befragung einen Konsens erzielt haben. Ein Konsens von über 80%8 wurde für die folgende
Definition erreicht: „[Interkulturelle Kompetenz ist] Die Fähigkeit, effektiv und angemessen in
interkulturellen Situationen zu kommunizieren, auf Grundlage eigenen interkulturellen Wis-
sens, eigener Fähigkeiten und Einstellungen“ (Deardorff 2004, S. 15). Ein weiterer wichtiger
Beitrag, den Deardroffs Studie geleistet hat, ist, einen Konsens über die unter dem Begriff in-
terkultureller Kompetenz zu fassenden Teilelemente herzustellen. Innerhalb dieser Umfrage er-
hielten 22 Elemente eine Zustimmung von 80%-100% und können in drei Cluster geordnet
8
Für detaillierte weiterführende Informationen eignet sich die Studie der Bertelsmann Stiftung (Bocker und Jäger
2006), die die US-Wissenschaftlerin Dr. Darla Deardroff damit beauftragt hat, ein Policy Paper über den aktuellen
Stand der amerikanischen Forschung zum Thema interkulturelle Kompetenz auf Basis ihrer Dissertation (2004)
zu geben. Die Thesen und Modelle Deardorffs werden in der Veröffentlichung der Bertelsmann Stiftung ins Deut-
sche übersetzt und diskutiert. Online verfügbar unter: http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/me-
dia/xcms_bst_dms_17145_17146_2.pdf
S e i t e | 22
werden: Haltung und Einstellung, Wissen und Fähigkeiten sowie Interne und externe Konse-
quenzen. In dem in Abbildung 2 dargestellten Modell werden diese Cluster mit den jeweilig
dazu gehörenden Elementen grafisch dargestellt. Dabei steht eine kontinuierliche Prozessori-
entierung im Vordergrund, das heißt, zu jedem Zeitpunkt soll ein Bewusstsein für den gerade
stattfindenden Lernprozess und die Fähigkeiten, die für die Aneignung interkultureller Kompe-
tenz benötigt werden, vorhanden sein (Bannenberg 2011, S. 108). Dabei wird zwischen einer
individuellen Ebene (Haltung & Einstellungen; Wissen & Verständnis und Fähigkeiten) und
einer interaktionalen Ebene (Interne und Externe Wirkung) unterschieden. Das Modell veran-
schaulicht die Bewegung zwischen den einzelnen Bestandteilen, zum Beispiel von der indivi-
duellen zur interpersonellen Ebene (interkulturelle Interaktion). Es kann also beliebig von der
Ebene der Haltung & Einstellungen über das Wissen & Fähigkeiten zur interaktiven Ebene hin-
und her gewechselt werden. Es ist außerdem möglich, bereits durch ein bestimmtes Wissen die
externen Wirkungen unmittelbar zu erreichen. Dieses Auslassen der anderen Ebenen kann al-
lerdings dazu führen, dass die Effektivität der interkulturellen Begegnung schwächer ausfällt,
als wenn der gesamte Prozesszyklus durchlaufen worden wäre. Dies verdeutlich auch, dass der
Erwerb interkultureller Kompetenz ein langwieriger, mehrdimensionaler und komplexer Pro-
zess ist (Deardorff 2004, S. 18ff. Bannenberg 2011, S. 108 f.).
Abbildung 2: Das Modell interkultureller Kompetenz nach Deardorff (2004) (übernommen aus Deardorff 2004, S. 21)
S e i t e | 23
Nachdem nun eine Betrachtung beider Modelle stattgefunden hat und eine plausible Fundierung
keinen der beiden Modelle abgesprochen werden kann, müssen sie hinsichtlich ihrer Anwen-
dungseignung auf den Schulbereich geprüft werden. Wie zuvor bereits erwähnt, ist der An-
spruch an ein interkulturelles Kompetenzmodell aus erziehungswissenschaftlicher Sicht die
menschliche Weiterentwicklung in interkulturellen Situationen (Rathje 2006, S. 4; Jammal &
Schwegler 2007, S. 61; Over et al. 2008, S. 70). Die Empfehlungen der Kultusministerkonfe-
renz (1996) fordern die Unterstützung der Schüler durch die Schule in der Entwicklung von
Einstellungen (Neugier, Offenheit und Verständnis für andere kulturelle Prägungen entwi-
ckeln), Verhaltensweisen (den eigenen Standpunkt reflektieren, kritisch prüfen und Verständnis
für andere Standpunkte entwickeln) und Wissen (Kenntnisse über andere Kulturen erwerben)
(KMK 1996, S. 5f.). Diese Anforderungen scheinen sich eher in dem Modell Deardorffs (2004)
wiederzufinden, da der Lernprozess eindeutiger herausgestellt wird und eine Fokussierung auf
die vom KMK geforderten Aspekte (Einstellungen, Verhalten und Wissen) erfolgt. Darüber
hinaus scheint sich der Punkt „interkulturelle Fachkompetenz“ in Boltens Modell fast aus-
schließlich auf Mitarbeiter zu beziehen, die Auslandsgeschäfte tätigen und somit ökonomische
Effizienz zum Ziel haben. Dies kann – wenn überhaupt – nur ein untergeordnetes Ziel der in-
terkulturellen Trainings für Schülerinnen und Schüler sein, da diese Trainings vor allem ein
„konstruktives Miteinander“ (KMK 1996, S. 5) aller Akteure einer interkulturellen Gesellschaft
erzielen sollen. Folglich beziehen sich alle weiteren Ausführungen dieser Arbeit auf das Modell
von Deardorff (2004).
In diesem Kapitel werden interkulturelle Trainings als Instrumente zur Vermittlung interkultu-
reller Kompetenz dargestellt. Interkulturelles Training stellt eine Unterform des interkulturellen
Lernens dar und umfasst zunächst ganz allgemein jegliche Interventionsmaßnahmen zur Ent-
wicklung interkultureller Kompetenz (Rathje 2010, S. 216). Die Entwicklung dieser Trainings-
programme geht auf die US-amerikanische Forschung der 60er Jahre zurück, die nach den nö-
tigen Kompetenzen zur Verhinderung oftmals konfliktreicher Interaktionen mit fremden Kul-
turen suchte und sich darüber hinaus mit der Frage beschäftigte, wie diese Kompetenzen didak-
tisch vermittelt werden können (Leenen & Grosch 2000, S. 319). Im englischen sowie im
deutschsprachigen Raum hat sich seither eine Reihe von Definitionen entwickelt, die sich in
großer Mehrheit an dem vorherrschenden Verständnis von interkulturellem Training als Teil
der Personalentwicklung von Unternehmen begründen und für das Erkenntnisinteresse dieser
S e i t e | 24
Arbeit nur bedingt sinnvoll erscheinen. Die allgemeine Pädagogik grenzt Training von anderen
Methoden des Unterrichts wie zum Beispiel der Gruppenarbeit ab, ohne dabei eine trennscharfe
Eingrenzung zu liefern (Rathje 2010, S. 216). Stefanie Rathje (2010) unternimmt in ihrem Ar-
tikel „Training/Lehrtraining“ eine Begriffsabgrenzung für interkulturelle Trainings in der
Hochschuldidaktik, die auch im Kontext dieser Arbeit als eine begriffliche Annäherung dien-
lich ist. Sie analysiert dazu zunächst den sportwissenschaftlichen Trainingsbegriff und identi-
fiziert auf dessen Grundlage Kriterien, die für eine Definition des Trainings im (Hoch)Schul-
bereich sinnvoll sind. Die Sportwissenschaften verstehen unter Training „einen komplexen
Handlungsprozess, der mit Hilfe planmäßiger und sachorientierter Einwirkung die Fähigkeit
des Trainierenden zur bestmöglichen Leistungspräsentation in einer Bewährungssituation ver-
bessert“ (Röthing 1992, S. 519f. zitiert in Rathje 2010, S. 217). Rathje (2010, S. 217) leitet
darauf basierend folgende Kriterien des Trainings ab:
Komplexität: Das Lernziel ist vielschichtig.
Aktivität: Die Teilnehmer müssen selbst handelnd tätig werden.
Systematik: Die einzelnen Aktivitäten sind aufeinander sowie auf das Lernziel abge-
stimmt.
Realitätsbezug: Die Aktivitäten wirken erfahrungsbildend in Bezug auf konkrete An-
wendungssituationen.
Auch Leenen und Grosch (2000) beschäftigten sich mit dem interkulturellen Trainingsbegriff
in der Schulpädagogik und kommen zu übereinstimmenden Ergebnissen. So orientieren sich
Trainingsprogramme stark an praktischen Anforderungen und richten sich auf einen bestimm-
ten Ausschnitt umrissener Fähigkeiten (siehe Systematik und Realitätsbezug). Ein weiteres Cha-
rakteristikum des interkulturellen Trainings ist eine erfahrungsnahe, lebendige, abwechslungs-
reiche und intensive Form des Lernens, die sich dadurch von „trockenen“ schulischen Vermitt-
lungsprozessen abgrenzt (siehe Aktivität und Komplexität) (Leenen & Grosch 2000, S. 319).
Ein weiterer Punkt, der mehrheitlich erwähnt wird, ist, dass interkulturelle Trainings Vermitt-
lungsformen beinhalten, die kognitive, affektive und verhaltensbezogene Lernprozesse integ-
rieren und somit einen Zuwachs an interkulturellen Kompetenzen innerhalb dieser Dimensio-
nen ermöglichen sollen (Göbel & Buchwald 2008, S. 124; Leenen & Grosch 2010, S. 319;
Kovácová 2010, S. 71). Interkulturelle Trainings können dabei zwischen Wissensvermittlung,
Simulation oder interkultureller Erfahrung variieren und hängen von der Personengruppe und
deren Vorerfahrungen sowie Zielkompetenzen ab. Dabei können sich die Trainingsprogramme
auf den kulturellen Hintergrund bestimmter Gruppen fokussieren, zwei oder mehrere Kulturen
S e i t e | 25
miteinander vergleichen oder kulturallgemein sein (Leenen und Grosch 2000, S. 319). Während
kulturspezifische Trainings auf eine bestimmte Kultur vorbereiten, sensibilisieren kulturallge-
meine Trainings zwischen kulturell unterschiedlichen Handlungspartnern (Göbel & Buchwald
2008, S. 124). Bei kulturallgemeinen Trainings wird in der gängigen Literatur bezweifelt, ob
die im interkulturellen Training erworbene Sensibilität ausreichend ist, um in konkreten Hand-
lungssituationen zu kulturadäquatem Handeln zu führen. Zwar glaubt man zu wissen, dass die
bei kulturspezifischen Trainings vermittelten Inhalte tatsächlich handlungswirksam werden, al-
lerdings bergen diese eine große Gefahr der Stereotypisierung, da Mitglieder nur noch als Pro-
totypen ihrer Kultur und nicht mehr als Individuen wahrgenommen werden (Kinast 1998, S.
13).
Eine weitere Unterscheidung kann zwischen didaktischen und erfahrungsorientierten Trai-
ningsmethoden getroffen werden. Didaktische Methoden gehen davon aus, dass eine reine Wis-
sensvermittlung ausreicht, um in kulturellen Überschneidungssituationen erfolgreich zu sein
(Kinast 1998, S. 14). Der Lernende bleibt hier in einer passiven Rolle, während ihm das primär
kognitive Lernziel durch einen Trainer mittels Vorträgen, Büchern oder Filmen vermittelt wird.
Im erfahrungsorientierten Training wird der Lernende aktiv mit eingebunden und alle psychi-
schen Funktionsebenen (Emotion, Kognition und Verhalten) werden aktiviert (Schmidt & Neu-
endorff 2007, S. 10). Kombiniert man nun die vier genannten Klassifikationskriterien, ergibt
sich eine Typologisierung von Trainings, die mit Hilfe der folgenden vier-Feld-Matrix (Abbil-
dung 3) dargestellt werden können.
Didaktisch Erfahrungsorientiert
Kulturspezifisch Didaktisch-kulturspezifische Erfahrungsorientiert-Kultur-
Trainings spezifisch
Kulturallgemein Didaktisch-Kulturallgemein Erfahrungsorientiert-Kultur-
allgemein
Abbildung 3: Klassifikation interkultureller Trainings (eigene Darstellung in Anlehnung an Göbel & Buchwald 2008,
S. 121)
Diese Klassifizierung interkulturellen Trainings anhand der Methodik und des Inhalts ent-
spricht dem häufig verwendeten Klassifikationssystem von Gudykunst, Guzley und Hammer
(1996), wobei in der Literatur noch zahlreiche andere Ansätze zur Klassifikation bestehen, zum
Beispiel anhand der Trainingsziele, der Trainingsmethoden, der Trainingsdauer oder der Auf-
gaben und Rollen des Trainers (Bergemann & Sourisseaux 2003, S. 248).
S e i t e | 26
An dieser Stelle sei angemerkt, dass häufig keine klare Trennlinie zwischen den verschiedenen
Trainingstypen gezogen werden kann. So beinhalten viele Trainingsmaßnahmen sowohl erfah-
rungsorientierte als auch didaktische Methoden und ein Training, das zum Beispiel auf den
arabisch-islamischen Kulturraum vorbereitet, kann weder eindeutig der Kategorie kulturspezi-
fisch noch kulturallgemein zugeordnet werden. Außerdem ist es fraglich, ob es zielführend ist,
wenn kognitive von emotionalen Lerneffekten getrennt werden (Jammal & Schwegler 2007, S.
75). In den vergangen Jahren wurde deshalb verstärkt der „Methodenmix“ innerhalb interkul-
tureller Trainings gefordert, um einen optimalen Lernerfolg zu erzielen. Immer mehr Experten
kritisieren jedoch, dass diese Kombination aus kognitiven und verhaltensbezogenen Aspekten
in der Praxis nicht integrativ, sondern rein additiv ist und deshalb keinen Mehrwert für den
Lernenden hat (Bolten 2007, S. 227; Kammhuber 2008, S. 12). Viel mehr berufen sich Trainer
bei der Nachfrage nach deren eingesetzten Methoden auf deren „Intuition“, die zwar eine wich-
tige Rolle innerhalb eines Trainings spielen kann, jedoch keine rationale und in sich konsistente
Begründung des Trainerhandelns ersetzen kann. Um ein Training erfolgreich gestalten zu kön-
nen, müssen Trainer begründen können, welche Methode sie in welcher Situation und bei wel-
cher Zielgruppe einsetzen, und welche Konsequenzen sie sich davon erwarten. Dies kann durch
einen Trainer nur geleistet werden, wenn er sich mit den Theorien interkulturellen Lernens aus-
einandergesetzt hat und die Möglichkeiten und Grenzen einzelner Ansätze kennt (Kammhuber
2008, S. 12ff.). Bevor nun relevante Methoden interkultureller Trainings für Schülerinnen und
Schüler vorgestellt werden, erfolgt eine kurze Einführung in die Erkenntnisse der interkulturel-
len Lernforschung.
Lerntheorien können anhand von drei Paradigmen unterschieden werden: das Empiristische
Paradigma, das Rationalistische Paradigma und das Pragmatisch-Soziohistorische Para-
digma. Während Lernen in der empiristischen Perspektive den Prinzipien der klassischen und
operanten Konditionierung im Behaviorismus folgt, versteht die rationalistische Perspektive
Lernen als interne, informationsverarbeitende Strukturen und Prozesse, mit denen der Mensch
neue Informationen in bestehende integriert. In der pragmatisch-soziohistorischen Sicht wird
der Lernende im Gegensatz zu den anderen beiden Ansätzen nicht isoliert betrachtet, sondern
der Wissenserwerb wird als eine soziale und interaktive Konstruktionsleistung zwischen
Mensch und Umwelt verstanden (Kammhuber 2008, S. 60f). Diese Sicht entspricht dem situ-
ierten Ansatz des Lernen, welcher nach Kammhuber (2010, S. 64) besonders geeignet ist, um
interkulturelle Lernumgebung zu konzipieren. Gemeinsam mit Jean Lave konzipierte Etienne
S e i t e | 27
Wenger 1991 das vielbeachte Werk „Situated Learning. Legitimate peripheral participation“,
in dem die beiden Autoren die Art und Weise sozialer, situierter Aktivität und somit dem Ver-
hältnis von Lernen und Gemeinschaft untersuchten (Grotlüschen 2002, S. 1). Ausgangspunkt
dieser Forschungsrichtung ist vorrangig die „Situiertheitserklärung“ trägen Wissens, das heißt,
dass vorhandenes Wissen nicht angewendet werden kann, wenn sich Lern- und Anwendungs-
situation zu stark voneinander unterscheiden. Damit leitetet sich zugleich das zentrale Merkmal
– nämlich Authenzität - von situierten Lernbedingungen ab, das heißt, die Lernsituation soll
einer realen Anwendungssituation möglichst nahe kommen (Thiel & Ulber 2005, S. 315). Da
eine Lernsituation jedoch niemals völlig authentisch sein kann, sollen Lernende schon während
des Lernprozesses den Lerninhalt aus verschiedenen Perspektiven und in verschiedenen Kon-
texten betrachten. Dadurch soll die flexible Anwendung des erlernten Wissens, auch in unbe-
kannten Situationen, unterstützt werden. Dies wird weiterhin durch Reflexions- und Artikula-
tionsphasen gefördert, da so – zumindest gedanklich – eine Übertragung der Lernsituation auf
weitere mögliche Anwendungssituationen erfolgen kann (Fölling-Albers, Hartinger & Mörtl-
Hafizovic 2011, S. 727).
Ein weiterer Grundsatz situierten Lernens ist die Betonung aktiver und konstruktiver Lernpro-
zesse. Der Lernende ist dabei bestrebt bzw. wird dazu ermutigt, aus Informationen der Umwelt
auf Basis eigener Vorerfahrungen und des Vorwissens einen Sinn zu generieren und in die be-
stehende Wissensstruktur zu integrieren (Kammhuber 2010, S. 66).
Dies leitet zum Prinzip der Subjektzentriertheit situierten Lernens über. Es ist wissenschaftlich
nachgewiesen, dass Erlerntes nicht angewandt werden kann, wenn der Lernende sich den Lern-
gegenstand nicht vor dem Hintergrund seiner individuellen Biographie zu eigen macht. Trai-
ningsteilnehmer brauchen deshalb zunächst einen Grund, warum sie mit dem Lernprozess be-
ginnen sollten. Im Kontext eines interkulturellen Trainings kann es zum Beispiel sinnvoll sein,
den Lernenden erlebte Handlungsbarrieren oder Konfliktsituationen vor Augen zu führen, um
eine Lernmotivation herbeizuführen (Kammhuber 2010, S. 64 f.).
Von besonderer Bedeutung ist weiterhin das Verständnis von Lernen als sozialem Vorgang im
Kontext dieser Lerntheorie. Besonders interkulturelles Lernen geschieht im frühesten Kindes-
alter durch die Interaktion mit der Bezugsgruppe und ist demnach als soziale Konstruktions-
leistung zu betrachten. Interkulturelles Lernen ist also mehr als die Aneignung fachbezogenen
Wissens, sondern es umfasst auch die Fähigkeit, an den Praktiken einer Gemeinschaft teilzuha-
ben. Das Schaffen sozialer Kontexte durch den Trainer ist nicht nur für den Lernprozess be-
günstigend, sondern fördert auch den Erwerb überfachlicher Kompetenzen wie zum Beispiel
die Kommunikationsfähigkeit (Fölling-Albers et. al 2011, S. 727; Kammhuber 2010, S. 6).
S e i t e | 28
Gemäß dieser Lerntheorie sollten sich angewandte Methoden innerhalb eines Trainings dazu
eignen, eine Lernumgebung zu gestalten, die die Teilnehmer mit, aus deren Sicht, authentischen
und relevanten Problemkontexten konfrontiert. Vermitteltes Wissen zum Beispiel in Form von
Modellen oder Theorien sollte dabei als Werkzeug zur Orientierung dienen und nicht als abso-
lute Gewissheit vermittelt werden.
Allgemein gefasst haben sämtliche interkulturelle Trainings dasselbe Ziel: den Aufbau inter-
kultureller Kompetenz. In einem Großteil der wissenschaftlichen Literatur werden unterschied-
liche Komponenten dieser Kompetenz, also heruntergebrochene Teilziele, zur kognitiven, af-
fektiven oder behavioralen Dimension zugeordnet (z.B. in Kinast 1998, Kovácová 2010, Ehnert
2004, Jammal & Schwegler 2007).
Kognitive Lernziele sind auf den Erwerb von Wissen und intellektuellen Fertigkeiten ausge-
richtet. Das erworbene Wissen, das sich entweder kulturspezifisch oder kulturallgemein gestal-
tet, soll den Trainingsteilnehmern eine differenzierte Wahrnehmung, Klassifikation sowie Ori-
entierung in einer fremdkulturellen oder multikulturellen Umgebung bieten (Kovácocá 2010,
S. 71; Jammal & Schwegler 2007, S. 77).
Affektive Lernziele sind auf die emotionale Funktionsebene von Personen gerichtet, wie zum
Beispiel die Fähigkeit zum Umgang mit negativen Emotionen oder die emotionale Selbstkon-
trolle in einer kulturellen Überschneidungssituation (Kinast 1998, S. 13). Ferner implizieren
affektive Ziele die Veränderung von Einstellungen, Interessen und Wertschätzungen um affek-
tive Komponenten interkultureller Kompetenz wie zum Beispiel Empathie oder Ambiguitäts-
toleranz zu fördern (Jammal & Schwegler 2007, S. 77; Kovácová 2010, S. 71).
Behaviorale Lernziele zielen auf die aktionale Funktionsebene von Personen. Trainingsteilneh-
mer sollen Fähigkeiten erwerben, die sie dazu befähigen, kulturadäquat in einer Situation zu
reagieren (Kinast 1998, S. 13; Jammal & Schwegler 2007, S. 77). Dabei ist es wichtig, dass
Verhaltensmuster nicht blind eingeübt werden, sondern es sollen vielmehr Fähigkeiten vermit-
telt werden, die es den Teilnehmern ermöglichen, in interkulturellen Situationen Normalität im
Sinne einer neu ausgehandelten Ordnung zu stiften, Interkultur aufzubauen und Probleme oder
Konflikte zu lösen (Kovácová 2010, S. 71).
S e i t e | 29
3. Die Entwicklung von Standards als Grundlage für die Konzeption ef-
fektiver interkultureller Trainings in der beruflichen Bildung
3.1 Annäherung an ein Begriffsverständnis
Der Begriff Standard wird in der Wissenschaft, aber auch im täglichen Sprachgebrauch, oft
verwandt und hat innerhalb verschiedener Kontexte unterschiedliche Bedeutungen. So be-
schreibt das alltagssprachliche Begriffsverständnis Standards als etwas Gewöhnliches, Norma-
les und Eingespieltes, das jeglicher Extravaganz oder Eigensinns beraubt ist. Spricht der Volks-
mund jedoch von ‚hohen Standards‘, dann meint er damit spezielle Maßstäbe, Forderungen und
Erwartungen, zum Beispiel an die Qualität von Autos, und spricht somit nicht von Selbstver-
ständlichkeiten (Uhle 2006, S. 241). Abgesehen vom alltäglichen Sprachgebrauch haben auch
unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen unterschiedliche Auffassungen davon, was un-
ter einem Standard verstanden werden soll, und sogar innerhalb einzelner Disziplinen besteht
darüber keine Einigkeit.
Wie bereits zu Beginn dieser Arbeit erwähnt, existieren in Deutschland bis auf eine Ausnahme
(IQ 2010) keine umfassenden und systematisierten Standards für interkulturelle Trainingsmaß-
nahmen, sondern meist nur Einzelhinweise bezüglich bestimmter Kriterien, wie zum Beispiel
der Methodenwahl. Zwar findet das Wort Standard des Öfteren Erwähnung in der relevanten
Literatur, einen Hinweis darauf, was unter diesem überhaupt zu verstehen sei, sucht man jedoch
vergebens. Im Zuge dieser Arbeit muss also eine Annäherung an diesen Begriff erfolgen, indem
man Begriffsbestimmungen verwandter Forschungsrichtungen, insbesondere innerhalb der Er-
ziehungswissenschaften, analysiert und an die Zielsetzungen dieser Arbeit anpasst.
Wie Gröschner (2011, S. 22) treffend bemerkt, scheinen Standards in einem engen, mechani-
schen Sinne, bei dem durch einen Standard möglichst präzise bestimmte Eigenschaften defi-
niert werden, um zuvor definierten Qualitätskriterien zu entsprechen, nur mit Einschränkungen
auf den erziehungswissenschaftlichen Bereich übertragbar. Vor allem Standards in Bezug auf
die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften finden derzeit in Deutschland ein hohes Maß an
Beachtung und eignen sich – zumindest bedingt – zur Ableitung von Erkenntnissen im Sinne
dieser Arbeit. Nach Oser (2004, S. 193) handelt es sich bei Standards um „ein professionelles
Kompetenzprofil, mit dem pädagogische Situationen zweckmäßig und sinnvoll bearbeitet und
bewältigt werden können“. Standards sollen dabei in komplexen und unterschiedlichen Situa-
tionen zur Anwendung kommen, wobei nur Experten über Standards verfügen und sich somit
vom Laien unterscheiden (Oser 1997, S. 28). Die von Oser (1997) beschriebenen Standardgrup-
pen werden dabei durch verschiedene Kompetenzen konkretisiert. Diesem Ansatz folgt auch
S e i t e | 30
Sonderegger (2005), der Kompetenzen den Standards zuweist und die Kompetenzen konkreti-
siert, indem er danach fragt, wie sich professionelles Handeln performativ offenbart und wie
dieses Handeln erfasst werden kann. Die Entwicklung von Standards für die Lehrerfortbildung
folgt dabei folgender Argumentationskette: Aus Vorstellungen über einen ‚guten‘ Lehrer wer-
den diejenigen Kompetenzen abgeleitet, die jener besitzen soll. Auf diesen Kompetenzen auf-
bauend und zum Erwerb dieser werden Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte entwickelt,
um im Endeffekt höhere Lerngewinne bei den Schülerinnen und Schülern zu erzeugen (Terhart
2002, S. 10). Diese Kompetenzen können jedoch nicht ohne jegliche theoretische Fundierung
abgeleitet werden, sondern es bedarf grundlegender Theorien, die einen diagnostischen und
prognostischen Zusammenhang zwischen den Standards und deren Wirkung ermöglichen.
Diese Theorien müssen durch exemplarische, empirische Ergebnisse gestützt werden und die
Standards müssen sich in der Praxis innerhalb einer prinzipiellen Umsetzbarkeit bewährt haben.
Außerdem müssen bestimmte Qualitätsmerkmale vorhanden sein, die gutes Handeln von
schlechtem Handeln unterscheiden (Kimmelmann 2010a, S. 156). Aus den bisherigen Ausfüh-
rungen können nach Kimmelmann (2009, S. 156) folgende Aussagen über Standards getroffen
werden:
1. Bei Standards handelt es sich um ein System von Aussagen, das in komprimierter Form
Voraussetzungen oder Ergebnisse professionellen Handelns festlegt.
2. Standards beschreiben nicht nur Wissen oder Skills, sondern ein Bündel von Merkma-
len, die erst durch ihr Zusammenwirken und in der jeweiligen Situation einen Sinn er-
geben sowie effektiv sind.
Die Standards, die in dieser Arbeit erarbeitet werden, orientieren sich an diesen Merkmalen und
– begrenzt - an der oben dargestellten Argumentationskette. Allerdings konzentrieren sich die
Standards nicht ausschließlich auf Persönlichkeitsmerkmale, sondern suchen Antwort auf die
Frage, was ein gutes Training ausmacht. Aus dieser Frage werden dann Merkmale, die ein gutes
Training beinhalten soll, durch empirische Befunde und Erkenntnisse aus Theorie und Praxis
abgeleitet, die dann zur Konzeption und zur Überprüfung von Trainingsmaßnahmen dienen.
Dies soll eine hohe Qualität von Trainings sicherstellen, damit dadurch auf Seiten der Trai-
ningsteilnehmer die gewünschten Wirkungen hinsichtlich der Ziele interkultureller Trainings-
maßnahmen auf kognitiver, affektiver und behavioraler Ebene eintreten. Dabei sei nochmals
betont, dass nicht einzelne, isolierte Merkmale zu einer Qualität des Trainings führen, sondern
nur ein Bündel dieser, eingebettet in einen bestimmten Kontext, die erwünschte Wirkung ent-
falten können. Die Argumentationskette lässt sich also wie folgt darstellen:
S e i t e | 31
Konzeption
Merkmale /Auswahl Kompetenz
Theorie,
guter qualitativ erwerb der
Praxis und hochwertiger
Training- Trainings-
Empirie Trainingsmaß
smaßnahen teilnehmer
nahmen
Wie im vorhergegangenen Kapitel erwähnt wurde, müssen bei der Konzeption von Standards
bestimmte Kriterien beachtet werden, die das methodische Vorgehen dieser Arbeit beeinflus-
sen. Einerseits bedarf es einer theoretischen Fundierung und exemplarischer, empirischer sowie
praktischer Erkenntnisse, um diese Standards zu stützen. Zur Entwicklung der Standards sowie
zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit, Kommunizierbarkeit und einer wissenschaftli-
chen Korrektheit müssen demnach folgende Forschungsschritte Beachtung finden: Analyse vor-
handener Theorie und Empirie zur Fundierung eigener empirische Daten, die wiederum durch
ausgewählte Praxisbeispiele gestützt werden.
menhang erfolgt. Interkulturelle Trainings für Schülerinnen und Schüler sind bisher kaum er-
forscht und lassen sich somit nicht adäquat mit Hilfe rein standardisierter Verfahren beschrei-
ben, verstehen oder erklären, sondern verlangen vielmehr nach einer offenen, explorativen For-
schungsstrategie, um Sinndeutungs- und Sinnsetzungsprozesse nachvollziehen zu können
(Kelle 2008, S. 52).
Nach Flick, Kardoff und Steinke (2010, S.21) sind in der Methodologie qualitativer Forschung
zwei grundlegend verschiedene Perspektiven der Re-Konstruktion zu unterscheiden. Während
die erste Perspektive diejenigen Untersuchungstypen beinhaltet, die Erkenntnisse über die Me-
thoden liefert, mit denen Alltagshandelnde Gespräche führen und Situationen bewältigen, lie-
fern Untersuchungen des zweiten Typus gegenstandsbezogene, inhaltliche Informationen über
subjektiv bedeutsame Verknüpfungen von Erleben und Handeln über inneres Erleben und Ge-
fühle oder über Auffassungen zu Themen wie etwa Gesundheit, Erziehung, soziale Beziehung
(ebd. 2010, S. 22). Aufgrund des Erkenntnisinteresses dieser Arbeit hinsichtlich inhaltlicher
Informationen liegt hier die Methodologie des zweiten Typus zugrunde. Ziel dieser Arbeit ist
es, weitgehend Neues zu entdecken und empirisch begründete Theorien zu entwickeln. Dem-
entsprechend müssen Methoden ausgewählt werden, die der Differenziertheit des Alltags ge-
recht werden und somit durch eine Offenheit gegenüber ihrem Gegenstand gekennzeichnet sind
(Flick 2011, S. 27). Die qualitative Forschung orientiert sich im Gegensatz zur quantitativen
Forschung nicht an einem linearen Modell, das die Geltung zuvor operationalisierter Hypothe-
sen überprüft, sondern verfolgt vielmehr eine zirkuläre Forschungsstrategie. Das heißt, qualita-
tive Forschung folgt einem Modell des Forschungsprozessen, bei dem Datenerhebung, Inter-
pretation und die daraus resultierende Erkenntnisfindung eng miteinander verknüpft sind (Krü-
ger 2000, S. 332). In der Literatur zur qualitativen Sozialforschungen werden - je nach Autor -
unterschiedliche Erhebungsmethoden beschrieben, die jedoch in die vier Kernmethoden Be-
obachtung, Befragung, Inhaltsanalyse sowie Experiment unterteilt werden können. Innerhalb
dieser Arbeit werden diese Methoden jedoch nicht strikt getrennt, sondern es wird vielmehr
eine Kombination verschiedener Methoden gewählt. Während durch eine gezielte Analyse be-
reits vorhandener Theorie und Empirie eine theoretische Fundierung der Standards und durch
Erkenntnisse aus der Praxis (Inhaltsanalyse) die Relevanz dieser dargestellt werden soll, wer-
den mit Hilfe von Gruppendiskussionen und Experteninterviews neue Erkenntnisse zu den
Merkmalen guter interkultureller Trainings für Schülerinnen und Schüler innerhalb einer zir-
kulären Forschungsstrategie gewonnen.
S e i t e | 33
Eine Theorie, die die Zirkularität des Forschungsprozesses als wesentliches Merkmal besitzt,
ist die gegenstandsbezogene Theoriebildung (Grounded Theory). Innerhalb dieses Ansatzes
werden Daten und dem untersuchten Feld eine Priorität gegenüber theoretischen Annahmen
eingeräumt. Die Daten sollen nämlich entgegen des linearen Vorgehens der quantitativen So-
zialwissenschaften nicht an den untersuchten Gegenstand herangetragen werden, sondern in der
Auseinandersetzung mit dem Feld und darin vorfindlicher Empirie entdeckt werden. Demnach
wird auch auf eine Hypothesenbildung ex ante verzichtet, um die Offenheit des Forschers ge-
genüber dem Forschungsgegenstand nicht durch bestimmte Erwartungshaltungen oder Neigun-
gen zu beeinflussen (Flick 2006, S. 69f.). Dies bedeutet nicht, dass der Forschungsprozess als
‚Tabula rasa‘ beginnt – Ausgangspunkt ist ein Vorverständnis des zu untersuchenden Gegen-
standes, welches jedoch nicht als absolut, sondern als vorläufig angesehen werden sollte und
durch neue, nicht kongruente Informationen überwunden wird (Kleining 1982 in Flick 2006, S.
73). Theorien haben also den Charakter von Relativität und Vorläufigkeit, die durch Weiterent-
wicklung der jeweiligen Theorieversion, zum Beispiel durch die zusätzliche Interpretation
neuen Materials, zu einer zunehmenden Gegenstandsbegründetheit führen (Flick 2006, S. 72f.).
Durch die gegenstandsbezogene Theoriebildung wird demnach ein Prozess vollzogen, an des-
sen Ende eine in den Daten verankerte Grounded Theory steht, die somit ein Produkt darstellt,
das nicht nur entstanden ist, weil methodische Regeln befolgt wurden, sondern das durch ein
Wechselspiel des Forschenden und der Arbeit am jeweiligen Forschungsgegenstand konstruiert
wurde (Mey & Mruck 2010, S. 616). Der Prozess gemäß der gegenstandsbezogenen Theorie-
bildung ist nach Kimmelmann (2010a) passend für die Entwicklung von Standards, da „bei der
Standardkonzeption nicht nur vorhandene Theorien aneinandergereiht werden, sondern unter-
schiedlichste theoretische Konzepte aufgrund von Anforderungen und Ergebnissen in der Pra-
xis reflektiert sowie in Verbindung mit Qualitätskriterien netzartig ausdifferenziert in einem
Standard gebündelt werden“ (Kimmelmann 2010a, S. 172). Dabei betont die gegenstandsbezo-
gene Theoriebildung die zeitliche Parallelität und wechselseitige funktionale Abhängigkeit der
Prozesse von Datenerhebung, Datenanalyse und Theoriebildung (vgl. Abbildung 5).
S e i t e | 34
Abbildung 5: Parallelität der Arbeitsschritte in der gegenstandsbezogenen Theoriebildung (Strübing 2008, S. 15)
Die Grundstrategie der gegenstandsbezogenen Theoriebildung ist die Methode des ständigen
Vergleichens und sieht dabei ein mehrstufiges Auswertungsverfahren empirischer Daten vor,
das als Kodieren bezeichnet wird. Die gegenstandsbezogene Theoriebildung wählt dabei eine
Methode der expliziten Ad-hoc- Kodierung des Datenmaterials. Zu Beginn des Analyseprozes-
ses bestehen also keine fixen Kategorien bzw. Kodes, sondern diese werden im Verlauf des
Forschungsprozesses erst allmählich herausgearbeitet (Egger 2005, S. 111; Strübing 2008, S.
18). Die Kodes bieten eine Hilfestellung für das Interpretationsverfahren während der Datener-
hebung und –auswahl und stellen einen Ankerpunkt dar, von dem aus Entscheidungen darüber
zu treffen sind, welche Daten als nächste in die Analyse mit einbezogen werden und mit wel-
chen Methoden diese erhoben werden sollen (Flick 2006, S. 258). Dabei werden sowohl quali-
tativ als auch quantitativ erworbene Daten akzeptiert (Strübing 2008, S. 18). Innerhalb des In-
terpretationsvorganges lassen sich verschiedene Verfahren im Umgang mit dem Datenmaterial
S e i t e | 35
unterscheiden, die meist als offenes, axiales und selektives Kodieren bezeichnet werden. Zwar
schlagen einige Lehrbücher die Trennung der Kodierungsstrategien in unterschiedliche, nach-
einander folgende Phasen vor (z.B. in Egger 2005, S. 111f.), in der Praxis stellen diese Proze-
duren jedoch weder klar voneinander trennbare Vorgehensweisen noch zeitlich getrennte Pro-
zessphasen dar. Der Forscher springt bei Bedarf zwischen den verschiedenen Kodierverfahren
hin und her und kombiniert diese miteinander. Der Interpretationsprozess beginnt jedoch mit
dem offenen Kodieren und weicht gegen Ende des Analyseprozesses dem selektiven Kodieren
(Flick 2006, S. 258f.). Während das offene Kodieren darauf abzielt, Daten und Phänomene in
Begriffe zu fassen, um somit grobe Kategorien zu erhalten, dient das axiale Kodieren der Ver-
feinerung und Differenzierung der im offenen Kodieren entstandenen Kategorien. Schließlich
setzen sich das selektive und axiale Kodieren auf einem höheren Abstraktionsniveau fort, indem
versucht wird, eine Theorie konzentriert vorzubereiten und eine Kernkategorie herauszuarbei-
ten (Flick 2006, S. 259ff.; Egger 2005, S. 111f.; Strübing 2008, S. 21). Während des gesamten
Forschungsprozesses werden mit so genannten Memos alle relevanten Ereignisse und Ergeb-
nisse notiert, um die Theorieentwicklungsarbeit zu strukturieren und zu erleichtern (Mey &
Mruck 2010, S. 616).
Die Auswahl bzw. die Erhebung der Daten orientiert sich in diesem Theorieverständnis am
theoretischen Sampling. Theoretisches Sampling bedeutet, dass sich Auswahlentscheidungen
auf dasjenige Material richten, das im Lichte bereits gewonnener Daten neue Erkenntnisse lie-
fert und somit einen hohen Gehalt an Neuem für die zu entwickelnde Theorie besitzt (Flick
2006, S. 102).
Wie bereits erwähnt, wurde innerhalb dieser Arbeit ein zweigleisiges Forschungsdesign in Ori-
entierung an Kimmelmann (2010a) angelegt, bestehend aus Fachliteratur und eigenen empiri-
schen Ergebnissen. Da bisher nur eine geringfügige Datenlage zur gewählten Fragestellung
existiert, wurde Literatur zu einzelnen theoretischen Konzepten wie Kultur, interkulturelle
Kompetenz und Lerntheorie sowie zu Anforderungen, Merkmalen, Methoden, Zielen und Eva-
luation von interkulturellen Trainings analysiert. Darüber hinaus wurde Literatur bezüglich der
Nachhaltigkeit von interkulturellen Trainingsmaßnahmen in den Forschungsprozess miteinbe-
zogen, die hauptsächlich in der Verantwortung der Schule und der Lehrkräfte liegen. Erkennt-
nisse darüber konnten vor allem in einschlägiger Literatur der Schulentwicklung und
Lehrerfortbildung gefunden werden. Die eigenen empirischen Ergebnisse wurden innerhalb
mehrerer protokollierter Expertendiskussionen sowie eines Gruppen-Delphis gewonnen. Die
Diskussionen sowie das Delphi dienten dabei nicht nur als erster Zugang zum Forschungsfeld,
sondern auch einer kontinuierlichen Eingrenzung, Erweiterung und Präzisierung der durch die
Literaturrecherche gewonnen Ergebnisse unter ständiger Bezugnahme auf Anforderungen in-
terkultureller Trainings für Schülerinnen und Schüler. Darüber hinaus ermöglichten die regel-
mäßigen Sitzungen auch, Kategorien zu bilden, die als Raster für den Umgang mit relevanten
Texten dienten. Somit wurde mittels eines immer größer werdenden Grades an Spezifizierung
und Konkretisierung ersichtlich, welche Daten ausgewählt werden müssen, um neue Erkennt-
nisse zu liefern, bis eine Art Sättigung hinsichtlich theoretischen Materials erreicht wurde.
Durch dieses mehrgleisige Vorgehen wurde auch dem Anspruch Osers (2004, S.195), Exper-
tentum und Praxiserfahrung im gleichen Verhältnis zu berücksichtigen, Rechnung getragen.
Die konkrete Ausgestaltung der empirischen Datenerhebung und –auswertung wird in den fol-
genden Punkten näher erläutert.
3.3.2 Expertendiskussion
Die Expertendiskussion gestaltet sich als eine Gruppendiskussion zwischen Experten und wird
hier als Methode verstanden, mit deren Hilfe individuelle Meinungen einzelner Experten erfasst
werden, die durch die Diskussion mit anderen Experten spontaner, unkontrollierter und durch
die Bezugnahme auf differente oder konträre Ansichten auch deutlicher zum Ausdruck gebracht
S e i t e | 37
werden (Liebig & Nentwig-Gesemann 2009, S. 103)9. Insgesamt wurden während des For-
schungsprozesses sieben Expertentreffen innerhalb eines Zeitraums von fünf Monaten abge-
halten, wobei sich die ersten fünf Treffen als allgemeine, protokollierte Diskussionen nach dem
obigen Verständnis gestalteten und die letzten beiden Treffen der Konsensfindung in Anschluss
an insgesamt zwei Delphi-Befragungen10 (vgl. Kapitel 3.3.3) dienten. Die Anforderungen an
die Experten innerhalb der Expertendiskussionen sind mannigfaltig. So sind eine hohe Fach-
kompetenz, ausgeprägte Fähigkeit zum strategischen Denken, hohe Kommunikationskompe-
tenz, ausgeprägte Kritikfähigkeit sowie eine dauerhafte Motivation nötig, um am Ende qualita-
tive Ergebnisse zu erhalten. Insgesamt nahmen an den Expertentreffen sechs Experten teil, die
nicht immer in voller Zahl allen Diskussionen beiwohnten, jedoch allesamt diese Kompetenzen
aufwiesen. Die Auswahl der Experten erfolgte entgegengesetzt dem Vorgehen beim theoreti-
schen Sampling innerhalb der gegenstandsbezogenen Theoriebildung nicht erst sukzessive im
Laufe der Forschungsprozesses, sondern die teilnehmenden Experten standen bereits zu Beginn
des Forschungsablaufes fest. Eine solche Strategie der Fallauswahl, bei der die Personen vor
der Feldphase festgelegt werden, wird in der Literatur als selektives Sampling bezeichnet und
verlangt die Auswahl der Experten anhand relevanter Merkmalsausprägungen. Als wichtigstes
Merkmal kann dabei die praktische Erfahrung mit interkulturellen Weiterbildungsmaßnahmen
gelten, die jedoch aus verschiedenen Kontexten entstammen sollten. Alle teilnehmenden Ex-
perten vertreten Institutionen, die an einem im Rahmen des Bundesprogrammes XENOS II –
Integration und Vielfalt geförderten Projekt namens KOMM11 beteiligt sind. Da sich das Er-
kenntnisinteresse dieser Arbeit mit dem Erkenntnisinteresse der Kooperationspartner deckt, be-
stand sofort eine Bereitschaft der teilnehmenden Experten zur aktiven Teilnahme innerhalb des
fünfmonatigen Forschungsprozesses. Aufgrund des individuellen Erfahrungswissens aller Ex-
perten sowie deren breiten theoretischen Wissens konnten fundierte, multiperspektivische Mei-
nungen innerhalb der Expertenrunden gesammelt werden.
9
Nicht darunter verstanden wird eine ‚klassische‘ qualitative Gruppendiskussion, die kollektive Wissensbestände
und Strukturen zum Gegenstand hat, die sich auf Basis von existenziellen Gemeinsamkeiten innerhalb bestimm-
ter Milieus bereits gebildet haben (Bohnsack 2007, S. 370).
10
Die letzten drei Treffen wurden mittels eines Diktiergerätes aufgenommen und im Nachgang transkribiert (und
somit im Folgenden als Transkript zitiert).
11
KOMM steht für Kompetenzentwicklung und modulare Übergangsbegleitung in den Ausbildungs- und Arbeits-
markt und hat den Ausbildungsring Ausländischer Unternehmer e.V., die Arbeiterwohlfahrt Nürnberg, die Fried-
rich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg sowie das Institut für Pädagogik und Schulpsychologie als Koope-
rationspartner. Nähere Informationen über das Projekt sowie spezifische Angebote sind auf der Homepage unter
www.KOMMpetenz.net abrufbar.
S e i t e | 38
Bei Anwendungen von Delphi-Befragungen wird zum Teil nur auf ausgewählte Elemente des
klassischen Designs zurückgegriffen, während andere modifiziert oder ausgelassen werden.
Diese Variationen beziehen sich typischerweise auf die unterschiedliche Struktur der Experten-
gruppe (Anzahl und Auswahl der Experten), die unterschiedliche Anzahl erforderlicher Befra-
gungswellen, die unterschiedliche Ansicht über die Konsenskriterien sowie auf unterschiedli-
che Gestaltungen des Feedbacks (Häder 2009, S. 25).
Ein entscheidender Nachteil des traditionellen Delphi-Verfahrens liegt darin, dass keine Be-
gründungen für Urteile abgegeben werden können, die deutlich vom Durchschnitt aller Teil-
nehmer abweichen. Einige Autoren (z.B. Schulz & Renn 2009) haben deshalb eine Modifika-
tion dieses Verfahrens angeregt und schlagen vor, die Experten nicht durch postalische Rück-
kopplung miteinander zu verbinden, sondern diese zu einem gemeinsamen Workshop einzula-
den. Innerhalb dieses Workshops werden die Teilnehmer in Kleingruppen aufgeteilt, die alle
zur Aufgabe haben, einen zuvor erläuterten Fragebogen auszufüllen. Dabei wird ein Konsens
angestrebt, wobei auch abweichende Urteile möglich sind. In einem anschließenden Plenum
müssen dann die Experten, deren Meinungen deutlich von denen der anderen Teilnehmer ab-
weichen, ihren Standpunkt begründen und verteidigen. Ziel dieser Diskussion ist es, herauszu-
finden, wieso der Dissens besteht und ob dieser durch Informationen oder Argumente andere
Teilnehmer aufzulösen ist. Die Abfolge von Einzelgruppensitzungen, die immer wieder neu
gemischt werden, und Plenarsitzungen wird so lange fortgeführt, bis keine relevanten Verschie-
bungen der Standpunkte mehr auftreten. Eine Variation dieses Gruppendelphis sieht es vor,
eine Vorab-Befragung durchzuführen, bei der die Experten ihre Meinungen bereits im Vorfeld
schriftlich und anonym abgeben sollen. So können im Vorfeld strittige Elemente eliminiert
werden und während der Diskussion kann eine Fokussierung auf kontroverse Urteile erfolgen
(Schulz & Renn 2009, S. 13f.).
Diese Variante der Delphi-Befragung diente als Orientierung dieser Arbeit, wobei einige Ele-
mente modifiziert wurden. So wurden zur Operationalisierung der Problemstellung mehrere
protokollierte Expertentreffen einberufen, um konkrete Kriterien abzuleiten, die im weiteren
Verlauf der Befragungs-, Feedback- und Diskussionsrunden vorgelegt werden können. Nach-
dem eine grobe Gliederung innerhalb dieser Treffen durch Gruppendiskussionen erreicht
wurde, wurden die einzelnen Punkte durch Literaturrecherchen über den aktuellen Forschungs-
stand ergänzt, gefüllt und aufbereitet. Anschließend wurden zu Teilbereichen zwei Fragebögen
konzipiert, die den beteiligten Experten per E-Mail zugesandt wurden. Diese waren aufgefor-
S e i t e | 40
dert, den Fragebogen vor dem nächsten einberufenen Treffen schriftlich und anonym auszufül-
len, sodass eine Auswertung der Fragebögen erfolgen konnte. Dies ermöglichte, das Augen-
merk auf die Diskrepanzen innerhalb der Expertenmeinungen zu legen und diese im mündli-
chen Diskurs so weit wie möglich zu beseitigen. Dabei wurde auf die Aufteilung in Kleingrup-
pen verzichtet, da dies bei der Anzahl der Experten jeglicher Logik entbehrt. Innerhalb des
Fragebogens wurde den Teilnehmern zusätzlich die Möglichkeit gegeben, nochmals eigene An-
merkungen und Ergänzungen zu jedem Themenbereich zu geben. Diese konnten dann durch
den Auswertenden aufbereitet und gegebenenfalls zusammengefasst werden, um diese eben-
falls zur Diskussion innerhalb des Expertentreffens zu stellen. Nachdem ein weitgehender Kon-
sens erreicht wurde, erfolgt die Verschriftlichung der Ergebnisse. Der Ablauf der Befragung
lässt sich also wie folgt darstellen:
3.3.4 Fragebogenkonzeption
Die Konzeption eines Fragebogens innerhalb einer Delphi-Umfrage besitzt spezifische Beson-
derheiten, die bei der Erstellung berücksichtigt werden müssen. Da sich der Fragebogen aus-
schließlich an Experten richtet, kann von der Kenntnis bestimmter Fachtermini ausgegangen
werden und es kann außerdem vorausgesetzt werden, dass die Teilnehmer mit wissenschaftli-
chen Umfragen vertraut sind (Häder 2009, S. 122). Es muss weiterhin berücksichtigt werden,
dass das Ziel der hier angewandten Delphi-Methode die Ermittlung von Ansichten einer Exper-
tengruppe sowie die Herstellung eines Konsenses innerhalb der Expertenurteile mit Hilfe eines
S e i t e | 41
iterativen Prozesses ist. Ausgehend von den Zielvorstellungen erscheinen eine qualitative Be-
fragung und Auswertung der Fragebögen als eher ungeeignet, da die Ermittlung einer statisti-
schen Gruppenantwort somit nicht (objektiv) möglich wäre. Außerdem könnten durch die hö-
here Subjektivität Realitätsprobleme entstehen, die sich dann auf die Gruppendiskussionen aus-
wirken (Schulz & Ortwin 2009, S. 23).
Aus diesen Ansprüchen an die Delphi-Befragung resultieren Konsequenzen für die Fragestel-
lung innerhalb der Umfrage und für die Skalierung der Antwortmöglichkeiten. Nach Häder
(2009, S. 36) kommen bei der Ermittlung zur Expertenmeinung üblicherweise sowohl geschlos-
sene als auch offene Fragen zum Einsatz, während bei der Konsensbildung eine ausschließlich
standardisierte Bewertung erfolgt. Im konzipierten Fragebogen wurden deshalb fast ausschließ-
lich geschlossene Fragen gewählt, wobei jedem Experten die Möglichkeit gegeben wurde, zu
jedem Themenblock zusätzliche Anmerkungen in Form von Ergänzungen zu machen. Ge-
schlossene Fragen haben den Vorteil, dass sie eindeutige(re) Antworten für die Datenauswer-
tung liefern. Es wird jedoch häufig darauf hingewiesen wird, dass bei diesem Fragetyp die Ge-
fahr besteht, dass die Teilnehmer die Frage nicht beantworten, beliebig oder gar vorsätzlich
falsch ankreuzen, wenn sie ihre Meinung in der angegebenen Antwortkategorie nicht wieder-
finden (Porst 2011, S. 53). Da es sich hier jedoch um eine Befragung von Experten handelt, die
sowohl mit dem Instrumentarium vertraut sind als auch spezifisches Vorwissen in die Befra-
gung mitbringen, kann diese Gefahr vernachlässigt werden. Innerhalb einer klassischen Delphi-
Befragung stehen den Experten üblicherweise zahlreiche und teilweise sehr unterschiedliche
Sachverhalte zur Bewertung zur Verfügung. Da es nicht zu erwarten ist, dass alle Teilnehmer
die gleiche Expertise in jedem Themengebiet besitzen, finden sich in fast allen Delphi-Studien
Kompetenzfragen wieder, die den Sachverstand der Teilnehmer einschätzbar machen sollen.
Studien, die keine explizite Nachfrage der Kompetenz vorsehen, bieten dann meiste eine
„Kann-ich-nicht-Sagen“ -Antwortkategorie an, sodass auch den nicht kompetenten Teilneh-
mern die Möglichkeit zum Überspringen der jeweiligen Antwort gegeben wird (Häder 2008, S.
126ff.). Im Rahmen dieser Delphi-Befragung wurde jedoch sowohl auf eine Kompetenzfrage
als auch auf eine neutrale Antwortmöglichkeit verzichtet. Dies begründet sich einerseits
dadurch, dass die im Fragebogen zu bewertenden Fragen bereits vorab durch qualitative Befra-
gungsrunden innerhalb der Expertengruppe konkretisiert wurden und diese somit die Möglich-
keit erhielten, sich zusätzliches Wissen im Falle von Unsicherheiten bzw. fehlender Kompeten-
zen anzueignen. Andererseits erstrecken sich die Fragen und Themen über einen relativ eng
abzugrenzenden Sachverhalt, weshalb eine Kompetenz aller Experten zu erwarten ist.
S e i t e | 42
Während des Forschungsablaufes wurden zwei Delphi-Befragungen durchgeführt, die sich je-
weils unterschiedlichen Themenblöcken widmeten. Während die erste Delphi-Befragung die
Themen Ziele und Inhalte abfragte, beinhaltete die zweite Delphi-Befragung die Themen Me-
thoden, Trainer, Evaluation und Nachhaltigkeit. Das Design des Fragebogens blieb dabei un-
verändert. Da alle beteiligten Experten einen Internetzugang haben, wurde dieser zur Übermitt-
lung der Befragungsinstrumente gewählt, indem die Fragebögen online gestellt wurden und den
Teilnehmern der Link zu dem jeweiligen Fragebogen sowie ein offizielles Einleitungsschreiben
per E-Mail übermittelt wurden. Bei der zweiten Delphi-Runde wurde den Experten zusätzlich
ein Katalog mit Erläuterungen zu den einzelnen Items per E-Mail zugesandt, da während der
Diskussion der ersten Befragungsergebnisse ersichtlich wurde, dass die einzelnen Begriffe zu
S e i t e | 43
abstrakt waren und deshalb hohe Unsicherheiten bei der Beantwortung der Fragen bestanden.
An der ersten sowie der zweiten Delphi-Befragung nahmen vier der sechs Experten (67%) teil.
Die Daten der Befragung wurden anhand von zwei Maßzahlen, dem arithmetische Mittel und
der Standardabweichung, analysiert. Das arithmetische Mittel stellt die zentrale Tendenz inner-
halb einer Verteilung dar und drückt somit die Durchschnittsbewertung aller Teilnehmer für
das jeweilige abgefragte Item aus. Da das arithmetische Mittel jedoch allein über das Niveau
eines bestimmten Items informiert und keine Rückschlüsse auf die Streuung der einzelnen
Werte erlaubt, wurde für jedes Item die Standardabweichung berechnet, die mit zunehmender
unterschiedlicher Meinung der Experten größere Werte annimmt (Seipel & Riekler 2003, S.
179). Das Ziel der Delphi-Befragung war eine endgültige Bestimmung der Standards für inter-
kulturelle Trainingsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler durch eine Konsensfindung in-
nerhalb des Expertengremiums. Zur Interpretation der Maßzahlen musste also festgelegt wer-
den, ab welchem Mittelwert ein Konsens erreicht wurde und ab welchem Wert der Standardab-
weichung auf hohen Dissens innerhalb der Expertenmeinungen bezüglich eines bestimmten
Items zu schließen ist, und dieses somit nochmals während einer Gruppendiskussion zum Dis-
kussionsgegenstand gemacht werden muss. Zu diesem Zwecke wurden zunächst Veröffentli-
chungen bereits durchgeführter Delphi-Befragungen analysiert (Deardorff 2004, S. 27; Schulz
& Ortwin 2009, S. 54; Schetula, Schulz, Renn & Scherzer 2008, S. 46ff.). Dies führte zu der
Annahme, dass eine Zustimmung von mindestens 80% sowie eine Standardabweichung von
kleiner gleich 1 angemessene festzulegende Rahmenwerte für das Erreichen eines Konsens
sind. Übertragen auf diese Studie bedeutet das, dass ein Item mindestens einen Durchschnitts-
skalenwert von 4 (entspricht 80%) erreichen muss, um als relevant zu gelten, und die Stan-
dardabweichung von 1 nicht überschreiten darf, da sonst eine zu hohe Uneinigkeit zwischen
den Experten in der individuell bewerteten Wichtigkeit eines Items besteht. In einem nächsten
Schritt wurde aus allen berechneten Mittelwerten und Standardabweichungen einer Frage ein
Punktediagramm erstellt, um festzustellen, ob die Rahmenwerte (80% bzw. σ = 1) auch für
diese Delphi-Befragung Anwendung finden können oder ob dadurch zum Beispiel zu viele Er-
gebnisse als Dissens angesehen würden. Da die Rahmenwerte auch in dieser Arbeit angemessen
waren, wurden die beiden Rahmenwerte an Trennlinien in das Diagramm eingetragen, wodurch
sich vier verschiedene Quadranten ergaben (siehe Abbildung 7).
S e i t e | 44
Gemäß dieser Einteilung wurden alle Items, die in Feld 1 und Feld 2 lagen, während eines sich
der Befragungsrunde anschließenden Expertentreffens zur Diskussion gestellt. Innerhalb der
Expertendiskussion konnte dann mittels weiterer Gespräche und Erläuterungen einzelner Ex-
S e i t e | 45
perten entschieden werden, ob die jeweiligen Items in die Standards aufgenommen oder ver-
worfen werden. Eine finale Liste aller Merkmale wurde auf Grundlage der letzten beiden Ex-
pertentreffen erstellt.
In diesem Abschnitt sollen Determinanten vorgestellt werden, von denen vermutet wird, dass
sie einen positiven Einfluss auf interkulturelle Trainingsmaßnahmen haben. Hier wurde be-
wusst die Bezeichnung ‚positiver Einfluss‘ gewählt, da nicht suggeriert werden soll, dass eine
Beachtung der hier vorgestellten Kriterien einen Erfolg, im Sinne des Erreichens aller er-
wünschten Lernziele, garantiert. Die vorgestellten Determinanten geben jedoch Hinweise da-
rauf, wie sich ein hochwertiges Trainingsangebot gestaltet, und unterstützen somit Entscheider
in der Auswahl einer Trainingsmaßnahme. Andererseits dienen die Kriterien der Orientierung
bei der Konzeption von Trainingsmaßnahmen, was mindestens gleichhohe Bedeutung genießt.
Die Standards stellen den qualitativen Anspruch bei der Beachtung dieser Determinanten durch
den Trainer dar.
4.2 Vorbereitung
4.2.1 Die Bedeutung der Vorbereitung im Paradigma interkultureller Trainings
Der erste Themenblock beschäftigt sich mit der Vorbereitung, also den Maßnahmen und Krite-
rien, die durch den Trainingsleiter im Vorfeld beachtet werden müssen, damit ein effizienter
Trainingseinsatz gewährleistet werden kann. Besonderheit dieses Themenblocks ist, dass er wie
kein anderer vor allem durch das Erfahrungswissen der teilnehmenden Experten entstand und
somit kein Gegenstand der Delphi-Befragung wurde. Ursprünglich wurde dieser Punkt als Rah-
menbedingungen bezeichnet und dann innerhalb der Expertendiskussion in Vorbereitungen
unbenannt, da während des Gesprächsverlaufs immer deutlicher wurde, dass bestimmte Rah-
menbedingungen nicht nur gegeben sein müssen, sondern diese auch von dem Trainer abgefragt
und geprüft werden müssen. Der Begriff Vorbereitung soll also verdeutlichen, dass der Trainer
bereits aktiv in Korrespondenz mit dem jeweiligen Auftraggeber treten muss, bevor er sich
nähere Gedanken zu seiner Trainingskonzeption machen kann. Während der Diskussion konn-
S e i t e | 46
4.2.2 Auftraggeberanalyse
Ein interkulturelles Training sollte immer die Interessen und Ziele des Auftragsgebers sowie
die Besonderheiten der Organisation berücksichtigen. In der einschlägigen Literatur findet sich
bisher wenig über den Punkt der Auftraggeberanalyse, die über die Auftragsklärung hinausgeht.
Es ist aber nicht nur wichtig, die spezifischen Ziele des Auftraggebers und der Trainingsgruppe
zu kennen, sondern auch das Wesen der Organisation an sich zu verstehen. So sollte zum Bei-
spiel geklärt werden, welchen Stellenwert Fort- und Weiterbildungen im Allgemeinen und in-
terkulturelle Trainings speziell in der Schule haben (IQ 2010, S. 12). Der Trainer sollte sich
darüber informieren, ob Trainings schon eine längere Tradition in der Schule haben oder ob
diese für die Beteiligten relativ neu sind. Davon lässt sich ableiten, inwiefern der Trainer zu-
nächst eine ‚Aufklärungsfunktion‘ übernehmen sollte und den Auftraggeber über die allgemei-
nen Möglichkeiten und Zielsetzungen des interkulturellen Trainings informieren muss, bevor
konkretere Zielvereinbarungen besprochen werden können. Außerdem sollte vorher geklärt
werden, inwieweit interkulturelle Trainings bzw. die Verpflichtung zur Interkulturalität an sich
in der Schule verankert sind (Protokoll II). Dazu eignet sich zum Beispiel die Analyse der
Schulleitbilder. In vielen Schulleitbildern spiegelt sich mittlerweile die Verpflichtung zur inter-
S e i t e | 47
kulturellen Erziehung oder zumindest die Achtung der Herausforderungen einer multikulturel-
len Gesellschaft wider. Je nach Ausprägung dieser Verpflichtung zur Interkulturalität kann der
Trainer erste Indizien ableiten, welchen Stellenwert interkulturelle Kompetenz in der Organi-
sation einnimmt und wie diese definiert wird. Steht zum Beispiel das Zusammenleben in einer
multikulturellen Schülerschaft im Vordergrund oder werden Schülerinnen und Schüler darüber
hinaus gefördert, an internationalen Projekten oder Schüleraustauschen teilzunehmen? Außer-
dem können Leitbilder auch Aufschluss darüber geben, inwieweit das pädagogische oder nicht-
pädagogische Personal in die interkulturelle Entwicklung der Schule integriert wird. Ist die
Lehrerschaft zum Beispiel mit interkulturellen Trainings vertraut und integriert in ihrem Unter-
richt auch Elemente der interkulturellen Erziehung oder soll diese Aufgabe alleine durch einen
externen Trainer bewerkstelligt werden? Dies hat vor allem Auswirkungen auf die Nachhaltig-
keit und Wirksamkeit der Bildungsmaßnahme, da diese, wenn sie keine weitere Integration im
Schulsystem findet, keine langanhaltende Wirkung zeigen wird (Protokoll II). Dieser Punkt
wird nochmals ausführlicher im Gliederungspunkt Nachhaltigkeit (Kapitel 4.8) besprochen,
sollte jedoch schon vor dem Trainingseinsatz geklärt und vom Anbieter der Maßnahme thema-
tisiert werden.
Neben einer Analyse der Schule an sich sollten auch die Umwelt der Schule und die Einbettung
in diese analysiert werden. Relevante Punkte in diesem Kontext sind zum Beispiel die Stadt
oder der Stadtteil, in dem die Schule steht. Ist die Stadtverwaltung in etwa dafür bekannt, inter-
kulturelle Projekte zu fördern und macht diese zur gemeinschaftlichen Aufgabe von Schule und
städtischen Aufgaben? Außerdem können aufgrund des Stadtbezirks auch schon erste Schlüsse
über die Zusammenstellung der Schülerschaft gezogen werden. Ohne dabei Vorurteile bilden
zu wollen, gibt dieser des Öfteren Aufschluss darüber, ob ein hoher oder ein niedriger Migrati-
onsanteil in den Klassen zu erwarten ist und/oder der Stadtteil an sich selbst durch Multikultu-
ralität geprägt ist (Protokoll II).
4.2.3 Auftragsklärung
Die Auftragsklärung zählt mit zu den wichtigsten Kriterien, die ein hochwertiges Training aus-
machen. Sie stellt die Grundlage für ein erfolgreiches Training dar, insofern der Trainer bei den
Vorgesprächen die richtigen Fragen adressiert und somit zu einer präzisen Formulierung der
Lernziele unter Berücksichtigung spezifischer Merkmale des Auftragsgebers beiträgt (Frank-
hauser 2005, S. 107). In der Auftragsklärung geht es dabei noch nicht um das konkrete Trai-
ningsdesign, sondern um die Grundlagen, auf denen das Design zu erstellen sein wird (Besser
2004, S. 34f.). In den Gruppendiskussionen wurden diesbezüglich die folgenden Punkte als
S e i t e | 48
essentielle Inhalte beschrieben, die in jedem Falle zum Gegenstand der Auftragsklärung werden
sollten: Erwartungen & Ziele, Anlass, Kontext & Organisationsanbindung sowie Realisierbar-
keit (Protokoll II).
Zunächst gilt es, die Erwartungen und Ziele, die der Auftraggeber an das Training stellt, zu
klären. So sollte geklärt sein, was die Schülerinnen und Schüler nach dem Training wissen oder
können sollen, welche langfristigen Ziele es gibt, die über das Training hinausgehen, oder ob
bestimmte Probleme bestehen, die durch das Training gelöst werden sollen. In der einschlägi-
gen Trainings- oder Seminar-Literatur wird mehrheitlich erwähnt, dass in dieser Phase auch die
Zielgruppe mit einbezogen werden soll und die Ziele dieser antizipiert werden sollen, indem
man sich erkundigt, wie diese ihre Ziele formulieren würden (Frankhauser 2005, S. 107; Besser
2004, S. 34).
Ein weiteres wichtiges Kriterium, das geklärt werden muss, um eine möglichst passgenaue
Trainingsmaßnahme zu ermöglichen, ist der Anlass des Trainings (Protokoll II). Werden Trai-
nings zum Beispiel regelmäßig in der Schule durchgeführt oder gab es bestimmte Vorfälle oder
gar gravierende Konflikte, die den Bedarf an einem Training deutlich gemacht haben? Die
Frage, warum das Training gehalten werden soll, hat direkte Konsequenzen auf die Ziele und
Inhalte des Trainings. So gestaltet sich ein Training, das Schülerinnen und Schüler auf einen
Schüleraustausch vorbereiten soll, entscheidend anders als ein Training, das darauf abzielt, in-
terkulturelle Konflikte innerhalb einer Klassen- oder Schulgemeinschaft zu lösen. In dieser
Phase sollten sowohl Trainer als auch Auftraggeber reflektieren, ob die erwünschten Ziele des
Trainings auch dem Anlass entsprechend und sinnvoll sind. Zieht man hier nochmal das Bei-
spiel eines interkulturellen Konflikts heran, ist es naheliegend, dass hier weder Ziele sinnvoll
sind, die sich ausschließlich auf der kognitiven Dimension befinden, noch Ziele realistisch sind,
die zu hohe Erwartungen an die interkulturelle Effektivität der Teilnehmer haben.
Dieser Punkt ist eng verknüpft mit dem Kontext bzw. der Organisationsanbindung der Maß-
nahme. Es sollte nachgefragt werden, ob das Training einen Einmaligkeitscharakter hat oder ob
dieses in einem größeren Kontext eingebettet ist. Im Speziellen sollte der Trainer sich also er-
kundigen, ob vor oder nach dem interkulturellen Training weitere Maßnahmen der interkultu-
rellen Bildung erfolgt sind bzw. erfolgen werden. Der Anbieter sollte seine Arbeit nicht losge-
löst von der Organisation sehen, sondern es sollte immer eine Bestandsaufnahme der Ausgangs-
situation erfolgen (Prohaska 2009, S. 68) und geklärt werden, was bisher schon im Zusammen-
hang mit dem interkulturellen Training an sich oder den darin beinhalteten Themen unternom-
men wurde oder unternommen werden soll (Besser 2004, S. 35).
S e i t e | 49
Wurden alle bisherigen Punkte besprochen, sollten Auftraggeber und Auftragnehmer eine Ab-
stimmung der einzelnen Punkte vornehmen und die Realisierbarkeit der besprochenen Ziele
untersuchen. Ein glaubhaftes Trainingsangebot zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass dem
Auftraggeber keine utopischen Versprechungen gemacht werden, sondern klar dargestellt wird,
was innerhalb der vorgegebenen Bedingungen realisierbar ist und was der Trainer leisten kann
und was nicht (Bartscher & Stöckl 2011, S. 109). Die Erfahrung der Experten hat gezeigt, dass
interkulturelle Trainings nur dann wirksam sein können, wenn bestimmte institutionelle Fakto-
ren vorhanden sind (Protokoll II). Diese Faktoren inkludieren nicht nur die Inhalte der Auf-
tragsklärung, sondern auch bestimmte Gruppenfaktoren sowie räumliche, zeitliche und logis-
tische Voraussetzungen, die nachfolgend näher erläutert werden. Ein Training kann durchaus
auch dann sinnvoll sein, wenn diese Faktoren nicht (in Gänze) vorhanden sind. Wichtig ist, dass
die Annahme eines Auftrages immer eine Einzelfallentscheidung des Trainers ist und er sich
selbst und dem Auftraggeber bewusst macht, welche Möglichkeiten sich innerhalb der Rah-
menbedingungen ergeben und wo die Grenzen liegen (Protokoll II).
4.2.4 Gruppenfaktoren
Bezüglich der Rahmenbedingungen des Trainings müssen vor der Trainingskonzeption be-
stimmte Gruppenfaktoren berücksichtigt werden, um eine Passung an die Bedürfnisse der
Teilnehmer vornehmen zu können. Dabei sind vom Trainer sowohl individuelle als gruppen-
spezifische Kriterien zu beachten (Landmann & Schmitz 2007, S. 21).
Zunächst sollten, wie bei jeder didaktischen Planung, bestimmte soziodemographische Merk-
male der Teilnehmer erhoben werden. In diesem Kontext relevant sind zum Beispiel das Alter,
das Geschlecht, die Herkunft, der sozioökonomische Hintergrund sowie die (Vor)bildung der
Teilnehmer. Einerseits haben diese Faktoren direkten Einfluss auf das Klassenklima und die
Gruppendynamik und sollten deshalb Berücksichtigung finden (Gruehn 2000, S. 77). Anderer-
seits können darauf auch Rückschlüsse auf das Lernverhalten und somit adäquate Inhalte und
Methoden gezogen werden. In einer Berufsschulklasse, deren Schülerinnen und Schüler mehr-
heitlich das Abitur besitzen, können zum Beispiel andere Vorkenntnisse vermutet werden als
in einem Berufsvorbereitungsjahr.
Es ist außerdem wichtig, die sprachlichen Voraussetzungen innerhalb der Zielgruppe zu klä-
ren. Die sprachliche Aufbereitung eines interkulturellen Trainings hat hohe Bedeutung und
sollte deshalb nicht unterschätzt oder als nebensächlich abgetan werden. Gerade in multikultu-
rellen Gruppen muss hinterfragt werden, welches Sprachniveau angewandt werden kann; dies
S e i t e | 50
stellt eine Voraussetzung für das Gelingen des Trainings dar. In der Vorbereitungsphase sollte
der Trainer deshalb den Sprachstand der Gruppenmitglieder abfragen, zum Beispiel, ob diese
sprachgewandt sind oder ob bestimmte Termini genutzt werden können (Strewe 2010, S. 76).
Das Sprachniveau sollte dem Zielpublikum entsprechen und diese weder unterfordern noch
überfordern. Prinzipiell ist jedoch darauf zu achten, eine klare Sprache zu wählen und auf eine
deutliche Aussprache zu achten.
Ebenso wichtig ist es, die Vorkenntnisse und Vorerfahrungen der Teilnehmer bezüglich der
zuvor besprochenen Zielvorstellungen abzufragen, da diese die Aufnahme und die Umsetzung
der Trainingsinhalte beeinflussen und unterstützen (Landmann & Schmitz 2007, S. 21). Dies
folgt dem Prinzip der Teilnehmerorientierung, da Vorerfahrungen und Vorkenntnisse der Teil-
nehmenden aktiviert und in den Kurs miteinbezogen werden sollen. Dabei soll in jedem Falle
ein bereits vorhandenes Wissen genutzt und darauf aufgebaut werden (Harmeier 2009, S. 70).
Ähnlich gestaltet es sich mit den methodischen Voraussetzungen der Teilnehmer. Viele Trai-
ner haben einen breiten Fundus verschiedenster Methoden, die jedoch teilweise voraussetzen,
dass die Teilnehmer einen gewissen Erfahrungsgrad in diesen Methoden haben. Hat eine Klasse
bisher zum Beispiel keinerlei Erfahrungen in Gruppenarbeiten oder Rollenspielen gesammelt,
birgt der Einsatz eines komplizierten Rollenspiels die Gefahr, dass dieses nicht zum Abschluss
gebracht werden kann oder die Teilnehmer keinerlei Erkenntnisse dadurch erlangen. Will man
trotzdem eine Methode einsetzen, für die bisher keinerlei Vorkenntnisse bestehen, sollte vorab
eine Erläuterung zur Anwendung dieser Methode erfolgen und erklärt werden, was damit be-
wirkt werden soll. Andererseits gibt es auch bestimmte Techniken oder Maßnahmen, die ihre
Wirkung nur entfalten können, wenn die Teilnehmer sie zum ersten Mal durchführen. Vorwis-
sen aus anderen Seminaren oder Schulstunden sind in diesem Fall eher störend als hilfreich.
Neben den individuellen Merkmalen der Teilnehmer hat auch die Zusammensetzung der
Gruppe einen maßgeblichen Einfluss auf das interkulturelle Training. Erste Fragen können
bereits durch die individuellen Merkmale bzw. die Summe dieser beantwortet werden, zum
Beispiel, ob die Zusammensetzung der Gruppe eher homogen oder heterogen bezüglich be-
stimmter Merkmale ist oder wie groß die Gruppe ist. Ein kritischer Punkt, der zum Erfolg oder
zum Scheitern einer Fortbildungsmaßnahme führen kann, ist die Gruppendynamik. Lerngrup-
pen sind voller Überraschungen und kritischer Ereignisse, da sie keine ‚mechanischen‘, sondern
dynamische, emergente und selbstorganisierende Systeme sind (Siebert 2012, S. 100). Jede
Gruppe absolviert im Laufe ihrer Entwicklung verschiedene Phasen, die meist in fünf Stufen
(Forming, Storming, Norming, Performing, Adjourning) unterteilt werden. Innerhalb jeder
S e i t e | 51
Phase zeigen die Teilnehmer typischerweise unterschiedliche Verhaltensweisen, die sich so-
wohl auf das Klima als auch die Produktivität der Gruppe auswirken (Füg 2002, S. 2/8.1). Zur
Gruppendynamik gehören außerdem die unterschiedlichen Rollen, die Personen in einer
Gruppe einnehmen, und die Veränderung dieser Rollen, sodass ein Individuum auch mehrere
Rollen verkörpern kann. In einer Gruppe finden sich zum Beispiel Rollen wie der Leiter, der
Fachmann, der Frager, der Stimmungsmacher, der Witzbold, der Verweigerer, der Vermittler
und weitere (Siebert 2012, S. 100). Während der Vorbereitungsphase sollte der Trainingsan-
bieter versuchen, so viele Informationen wie möglich über die Gruppendynamik der Zielgruppe
zu erlangen. Ist die Gruppe zum Beispiel eine Klassengemeinschaft, die schon seit längerem
besteht, haben sich vermutlich bereits relativ stabile Rollen herausgebildet und anfängliche Ori-
entierungs- und Konfliktphasen sind unter Umständen bereits überwunden. Werden die Trai-
ningsteilnehmer hingegen erst zu dem interkulturellen Training vorstellig, sind die Rollen noch
offen und ein Wir-Gefühl der Gruppe besteht noch nicht. Es ist jedoch wichtig, nochmals darauf
hinzuweisen, dass die Rollen und Gruppenphasen auch in einer länger bestehenden Klassenge-
meinschaft nicht endgültig fixiert sind und sich diese in verschiedenen Kontexten immer wieder
verändern können. Auch auf das Gruppenklima sollte in der Vorbereitungsphase eingegangen
werden. Insbesondere interessant ist die Frage, ob derzeit gravierende Probleme innerhalb der
Klasse herrschen, die sich auf interkulturelle Konflikte zurückführen lassen. Der Professiona-
lität des Trainers obliegt es, sich trotz der eingeholten Informationen eine Unvoreingenommen-
heit gegenüber der Gruppe zu bewahren. Die eingeholten Informationen dürfen auf keinen Fall
dazu führen, dass der Trainingsgruppe sowie einzelnen Schülerinnen oder Schülern schon
vorab konkrete Merkmale zugeschrieben werden.
Die Trainingsteilnahme lässt sich auf verschiedenste Motivationen zurückführen, wie zum
Beispiel inhaltliche Interessen, Kontaktmotive oder Selbstinszenierungsbedürfnisse (Siebert
2012, S. 100). Es ist kaum möglich, sämtliche Motivkombinationen aller Teilnehmer zu ken-
nen, vor allem, weil sich diese während eines Trainings häufig verschieben können (Siebert
2012, S. 100). Zielführend ist es hingegen, die motivationale Grundhaltung der Teilnehmer zu
erfragen, zum Beispiel, indem man sich erkundigt, ob das Training eine freiwillige oder eine
verpflichtende Maßnahme ist, es lediglich als Lückenfüller für andere Aktivitäten (zum Bei-
spiel an Wandertagen) durchgeführt wird, es eine Weiterqualifizierungsmaßnahme mit Bemer-
kung im Zeugnis ist oder ob die Schülerinnen und Schüler diesen Kurs freiwillig außerhalb der
Schulzeit besuchen. Die Motivation der Teilnehmer erlaubt es, Rückschlüsse auf das zu erwar-
tende anfängliche Klima zu ziehen. Bei einer verpflichtenden Maßnahme, die eventuell sogar
S e i t e | 52
außerhalb der Schulzeit stattfindet, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass zu Beginn des Trai-
nings eine abwehrende oder abgeneigte Haltung einzelner Teilnehmer gezeigt wird. Der Trainer
sollte deshalb vorab Techniken und/oder Methoden vorbereiten, die auch unfreiwillige Teil-
nehmer für das interkulturelle Training motivieren.
Bisher wenig in der einschlägigen Trainingsliteratur thematisiert ist, welche Hierarchieebenen
innerhalb einer Trainingsgruppe aufzufinden sind. Innerhalb des Gruppengesprächs wurde
durch mehrere Experten bestätigt, dass die Trainingskonzeption zu einem hohen Maße davon
abhängt, ob die Schülerinnen und Schüler die einzige Zielgruppe darstellen oder ob auch Lehr-
kräfte oder Schulleiter an dem Training teilnehmen (Protokoll II). Einerseits ergibt sich durch
die verschiedenen Hierarchieebenen eine hohe Heterogenität der individuellen Teilnehmer-
merkmale, die durch den Trainer vor und während der Durchführung nur mit einem hohen zeit-
lichen Aufwand Beachtung finden können. Hinzu kommt, dass die Gruppendynamik und das
Klassenklima durch die Anwesenheit von ‚Weisungsbefugten‘ verändert werden. Eine negative
Konsequenz könnte sein, dass Schülerinnen und Schüler sich weniger offen und gelöst zeigen,
wenn ihre Lehrkraft auch an dem Training teilnimmt, und sich in ihrem Handeln eingeschränkt
fühlen. Andererseits können sich auch positive Konsequenzen ergeben, wenn sich die Schüle-
rinnen und Schüler in etwa besonders motiviert oder diszipliniert zeigen, wenn eine Lehrperson
vor Ort ist. Darüber hinaus kann durch die Anwesenheit aller oder mehrerer Hierarchieebenen
die gesamte Schule gemeinsam an der interkulturellen Weiterbildung arbeiten und dies könnte
somit positive Einflüsse auf die Nachhaltigkeit der Trainingsmaßnahme haben.
Das Trainingskonzept wird durch bestimmte Auflagen des Auftraggebers hinsichtlich der
Dauer des Trainings, der Zeit, der Räumlichkeiten sowie anderer Rahmenbedingungen vorbe-
stimmt (Strewe 2010, S. 74). Eine Besprechung der räumlichen, zeitlichen und logistischen
Voraussetzung ist daher unerlässlich für einen reibungslosen Trainingsverlauf (Protokoll II).
Die Dauer eines Trainings bestimmt zu einem hohen Maße, welche Ziele realisierbar sind und
welche Methoden innerhalb eines Trainings zum Einsatz kommen können. Auch die Zeit, zu
der das Training stattfindet, ist wichtig. Im Falle eines eintägigen Trainings ist es zum Beispiel
relevant, ob dieses morgens, nachmittags, nach einer Schulpause oder gar nach den Ferien statt-
findet, da dies je unterschiedliche Auswirkungen auf die Schülermotivation haben kann. Au-
ßerdem ist vorab abzusprechen, in welchem Takt Pausen gemacht werden sollen.
Besonders hinsichtlich verschiedener Methoden spielt der Raum bzw. die Räume, die dem Trai-
ningsanbieter zur Verfügung stehen, eine große Rolle. Es ist demnach wichtig, sich vorher über
S e i t e | 53
die Größe des Raumes sowie dessen technische Ausstattung genau zu informieren. Unter logis-
tischen Voraussetzungen sind weitere Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die Organisation
der Mittags- oder Kaffeepausen zu verstehen. Werden diese zum Beispiel vom Auftraggeber
organisiert und gestellt oder muss jeder Teilnehmer oder der Trainer eigenständig dafür Sorge
tragen?
Die Standards werden in Anlehnung an Kimmelmann (2010, S. 195ff.) in ein System von Di-
mensionen und Standardgruppen eingeordnet. Die Dimensionen beschreiben dabei die überge-
ordnete Kernkategorie, die in einem interkulturellen Training für Schülerinnen und Schüler Be-
achtung bzw. Niederschlag finden sollten. Die Standardgruppen stellen Teilelemente der über-
geordneten Dimension dar und konkretisieren diese hinsichtlich vielfältiger Herausforderun-
gen, die es zur Erfüllung einer Dimension bedarf. Der Standard der Nachhaltigkeit stellt sich
wie folgt dar:
Standardgruppe 1a:
Der Trainer berücksichtigt die allgemeinen Interessen
und Ziele des Auftraggebers sowie die Besonderheiten
der Organisation durch eine detaillierte Auftraggeberana-
lyse.
Standardgruppe 1b:
Der Trainer informiert sich innerhalb der Auftragsklä-
rung über konkrete Erwartungen & Ziele des Auftragge-
Standard 1: Vorberei- bers sowie über den Anlass, den Kontext, die Organisati-
onsanbindung und die Realisierbarkeit der Trainings-
tung
maßnahme.
Standardgruppe 1c:
Der Trainer informiert sich über spezifische Gruppenfak-
toren der Trainingsteilnehmer, um Ziele, Inhalte und Me-
thoden den Anforderungen und Bedürfnissen der Teil-
nehmer anzupassen.
Standardgruppe 1d:
Der Trainer klärt räumliche, zeitliche und logistische Vo-
raussetzungen des Trainings, um einen reibungslosen
Trainingsablauf zu gewährleisten.
Abbildung 8: Standard 1: Vorbereitung (eigene Darstellung)
S e i t e | 54
4.3 Ziele
4.3.1 Die Bedeutung von Zielen im Paradigma interkultureller Trainings
Die Ziele eines interkulturellen Trainings für Schülerinnen und Schüler sind der Ausgangspunkt
jeglicher Überlegungen über Inhalte und Methoden, die in dem jeweiligen Training zum Einsatz
kommen. Da das übergeordnete Ziel das Erwerben interkultureller Kompetenz durch die Ler-
nenden ist, lassen sich die Ziele von einem Modell über diese Kompetenz ableiten.
Als Grundlage für die Entwicklung eines Kompetenzmodells für Schülerinnen und Schüler
wurde das Modell von Deardorff (2004) aufgrund der in Kapitel 2.2.3 erläuterten Gründe ge-
wählt. Dieses Modell wurde jedoch nicht unreflektiert übernommen, sondern es musste sich
innerhalb einer Expertendiskussion vor dem Hintergrund der spezifischen Anforderungen eines
interkulturellen Trainings für Lernende bewähren. Innerhalb dieses Prozesses wurden sowohl
inhaltliche Veränderungen auf der Individual- und Interaktionsebene vorgenommen als auch
eine zusätzliche strukturelle Komponente, nämlich die Umwelt, zu dem Modell hinzugefügt.
Dies ist notwendig, da interkulturelle Kompetenz nicht für sich isoliert betrachtet werden kann,
sondern diese auch immer in einem bestimmten Kontext angewandt wird, der sich wiederum
auf die Lernenden auswirkt. So ist interkulturelle Kompetenz, die innerhalb eines Unterneh-
mens gezeigt bzw. angewandt werden soll, abhängig von der Unternehmenskultur an sich und
in welchem Land dieses Unternehmen liegt und von Aspekten wie Macht und Hierarchie (Tran-
skript IEI). Interkulturelle Kompetenz kann deshalb niemals, und vor allem nicht innerhalb ei-
ner einzelnen Trainingsmaßnahme, endgültig und abschließend erworben werden, sondern der
Erwerb dieser Kompetenz gestaltet sich als ein immer fortwährender Prozess, der durch Ver-
änderungen in der Umwelt immer wieder angestoßen wird und einer individuellen Prüfung un-
terzogen werden muss. Dabei sind sowohl Bewegungen hinsichtlich einer gestiegenen Kompe-
tenz als auch hinsichtlich einer verminderten Kompetenz möglich (Transkript IEII). Die Um-
welt wird zum einen durch verschiedene Kontexte wie in etwa Arbeitsplatz, Schule, Stadt,
Stadtteil, Land bestimmt. Darüber hinaus wirken gesellschaftliche Veränderungen und Ereig-
nisse innerhalb dieser Umwelt, die sich, abhängig vom jeweiligen Ereignis, positiv oder negativ
auf die interkulturelle Kompetenz und den Entwicklungsprozess dieser auswirken. Dies können
sowohl internationale Ereignisse wie der Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 2001
als auch nationale oder regionale Ereignisse wie die Buchveröffentlichung Sarrazins, Über-
griffe auf Migranten in der Heimatstadt oder ein Regierungswechsel sein (Transkript IEI).
S e i t e | 55
Die Inhalte der Individual- und Interaktionsebene nach Deardorff (2004) wurden innerhalb der
Expertendiskussion und der Delphi-Befragung reflektiert und hinsichtlich der Zielsetzung in-
terkultureller Trainingsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler modifiziert. Dabei besteht
weder ein Anspruch auf Vollständigkeit dieser Inhalte, noch soll damit impliziert werden, dass
alle Teilkomponenten erfüllt und von einem interkulturellen Trainer vermittelt werden müssen,
um einen Erwerb interkultureller Kompetenz zu erreichen. Vielmehr soll das modifizierte Mo-
dell als Anhaltspunkt für die Anbieter interkultureller Trainingsmaßnahmen dienen, sich über
sein eigenes Verständnis von interkultureller Kompetenz bewusst zu werden und die einzelnen,
darin enthaltenen Kompetenzen individuell zu reflektieren (Transkript IEIII). Dennoch sollen
die Zielvorstellungen nicht als bloße Sammlung möglicher Teilkompetenzen angesehen werden
– die nachfolgend vorgestellten Modellkomponenten (siehe Abbildung 9; größere Darstellung
siehe Anhang , S. 148) wurden durch einen Konsens innerhalb einer Expertengruppe mit fun-
dierten Kenntnissen über interkulturelle Kompetenz sowie langjährige Erfahrung über spezifi-
sche Ansprüche und Besonderheiten von Schülerinnen und Schülern erreicht.
Abbildung 9: Das Umwelt- & Prozessmodell interkultureller Kompetenz für Schülerinnen und Schüler (in Anlehnung
an Deardorff 2004; eigene Darstellung)
S e i t e | 56
Wie bereits erwähnt, wäre es ein utopischer Anspruch an einen Anbieter interkultureller Trai-
ningsmaßnahmen, alle Teilkompetenzen dieses Modells innerhalb eines interkulturellen Trai-
nings zu vermitteln. Je nach dem Kontext, der Aufgabe und der allgemeinen Themenstellung
einer Trainingsmaßnahme sind in einem Training unterschiedliche Schwerpunkte bezüglich der
oben genannten Ziele zu setzten (Transkript IIEI & IIEII). Darüber hinaus können und müssen
die einzelnen Begrifflichkeiten immer wieder neu, abhängig von der jeweiligen Zielgruppe und
der Auftragssituation, durch den Trainer vor dem Hintergrund seines eigenen Verständnisses
interkultureller Kompetenz ‚heruntergebrochen‘ werden (Transkript IIEIII). Innerhalb dieser
Arbeit wird deshalb bewusst auf eine Eingrenzung der Begrifflichkeit durch eine Definition
dieser verzichtet. Im Folgenden werden jedoch Punkte vorgestellt, die während der Experten-
diskussionen eine besondere Beachtung erhalten haben.
definierte das Item während der Befragungsrunde jedoch nicht als Übermittlung eines starren
Kulturbegriffes, sondern als Aufklärung über ein dynamisches Kulturkonzept in Abgrenzung
zu dem oft noch vorherrschenden nationalen und religiösen Verständnis von Kultur (Transkript
IIEIII). Mit dem zweiten Verständnis konnten sich alle Experten identifizieren und es bestand
ein Konsens darüber, dass das Lernziel eines interkulturellen Trainings die Schaffung eines
umfassenden Kulturverständnissen sein soll, vor allem dadurch, dass man aufzeigt, was Kultur
nicht ist („[Kultur] ist nicht deckungsgleich mit Nationalität und Ethnie, sie ist nicht starr, son-
dern fließend und dynamisch“ Transkript IIEI).
Standardgruppe 2a:
Der Trainer erkennt den Erwerb interkultureller Kompe-
tenz als einen fortwährenden Prozess an, der von indivi-
duellen Faktoren sowie der Umwelt, die durch gesell-
schaftliche Ereignisse und verschiedene Kontexte ge-
prägt ist, an.
Standardgruppe 2b:
Der Trainer entwickelt sein eigenes Verständnis interkul-
Standard 2: Ziele tureller Kompetenz von Schülerinnen und Schülern, lei-
tet daraus seine Lernziele ab und reflektiert die dazu ge-
hörigen Teilkompetenzen vor dem Hintergrund der je-
weiligen Anforderungen einer spezifischen Trainings-
maßnahme.
Standardgruppe 2c:
Der Trainer setzt je nach Kontext der spezifischen Auf-
gabe und der allgemeinen Themenstellung einer Trai-
ningsmaßnahme unterschiedliche Schwerpunkte in den
Lernzielen und definiert diese für jede Auftragssituation
neu.
Abbildung 10: Standard 2: Ziele (eigene Darstellung)
4.4 Inhalte
4.4.1 Die Bedeutung von Inhalten im Paradigma interkultureller Trainings
Die Planung der Lerninhalte muss vor dem Hintergrund der zuvor definierten Lernziele erfol-
gen. Jeder Trainer muss sich also die Frage stellen, welche Themen und Inhalte am geeignetsten
scheinen, um einen Lernprozess anzuregen, der am besten, intensivsten und nachhaltigsten zu
dem Lernziel führt (Strewe 2010,S. 81). Inhalte im interkulturellen Training können vieles um-
fassen und hängen nicht nur allein von den Lernzielen, sondern auch von Erwartungen des
S e i t e | 58
Auftraggebers, den Gruppenfaktoren sowie den räumlichen, zeitlichen und logistischen Vo-
raussetzungen ab. Hier ist vor allem die Erfahrung des Trainers gefragt, die ihm in der Ein-
schätzung helfen soll, welche Inhalte für eine bestimmte Lerngruppe erfolgsversprechend sind
und zu den gewünschten Lernerfolgen führen (Protokoll IV). Darüber hinaus sollten bei der
sachlich-inhaltlichen Planung die Prinzipien des situierten Lernens beachtet werden. Vor dem
Hintergrund dieser Lerntheorie sollte der Trainer bedacht sein, solche Inhalte auszuwählen, die
es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, diese aus verschiedenen Perspektiven und in
verschiedenen Kontexten zu betrachten. Auch die Einbindung des Vorwissens und der Vorer-
fahrung der Lernenden sollte bei der Feinplanung der Inhalte berücksichtigt werden, sodass
sich die Trainingsteilnehmer die möglichst authentischen Inhalte vor dem Hintergrund der je-
weiligen individuellen Biographie zu eigen machen können (vgl. Kapitel 2.3.2). Innerhalb der
Expertendiskussionen konnten sechs inhaltliche Kategorien identifiziert werden: Migration,
Kultur/soziale Milieus/Diversity, Integration, Diskriminierung, Kommunikation, Konflikte und
Ansätze der Konfliktbearbeitung. Diese Grundthemen, die durch weitere Punkte (siehe unten)
präzisiert wurden, können als übergreifende Lehr-Lerninhalte verstanden werden, die sich in
unterschiedlicher Gewichtung in der jeweiligen Trainingssituation wiederfinden können. Diese
Aufteilung deckt sich auch zu einem Großteil mit den Beobachtungen Holzbrechers (2004, S.
98), der bei Sichtung einschlägiger Literatur zum interkulturellen Lernen von Schülerinnen und
Schülern die folgenden vier Grundthemen identifiziert: Verstehen des Fremden/Umgang mit
Fremdheit, Anerkennung des Anderen/Identität, „Alles anders – alles gleich“: Nichtwertender
Umgang mit Differenz und Grenzüberschreitende Verständigung in globaler Verantwortung.
Auch die Kultusministerkonferenz bietet in ihrer Empfehlung ‚Interkulturelle Bildung und Er-
ziehung in der Schule‘ (1996, S. 8f.) eine Liste thematischer Aspekte an, um das Zusammenle-
ben in kultureller Vielfalt zu fördern. Zusammengefasst beinhaltet die Liste die folgende
Punkte: Merkmale, Entwicklung sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kulturen; Men-
schenrechte in universaler Gültigkeit; Entstehung und Bedeutung von Vorurteilen/Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit; Hintergründe von Ungleichheiten; Internationale Bemühungen zur
Regelung religiöser, ethnischer und politischer Konflikte sowie Möglichkeiten des Zusammen-
lebens in multikulturellen Gesellschaften. Während in den Ausführungen von Holzbrecher
(2004) und der Kultusministerkonferenz (1996) auch internationale bzw. globale Aspekte the-
matisiert werden, finden diese in den im Expertengremium festgelegten Punkten keine explizite
Berücksichtigung. Dies soll jedoch nicht suggerieren, dass eine Betrachtung bestimmter As-
pekte außerhalb der Grenzen Deutschlands als nicht relevant erachtet wird. Diese werden viel-
S e i t e | 59
mehr innerhalb anderer Inhalte vermittelt. So wird in der Kategorie Migration auch die Migra-
tionsgeschichte in Deutschland thematisiert und somit auch über die Situationen in den jewei-
ligen Herkunftsländern (z.B. politische Verfolgungen) informiert. Eine Darstellung aller Un-
terpunkte zu den sechs Grundthemen (Kategorien) erfolgt innerhalb der nächsten Gliederungs-
punkte.
4.4.2 Migration
Der erste Themenblock beschäftigt sich mit der Migration und soll vor allem zu einem Ver-
ständnis und zu einer Akzeptanz für Menschen mit Migrationshintergrund und deren Lebens-
weisen führen. Diesbezüglich ist es wichtig, einerseits die Motive für die Migration zu kennen
und andererseits zu entdecken, dass Migration und multikulturelle Vielfalt nichts Neues, son-
dern vielmehr ein zentrales Kennzeichen der Geschichte sind (Holzbrecher 2004, S. 102). Ob-
gleich dies zunächst lediglich durch die Weitergabe von Faktenwissen durch den Trainer an die
Lernenden erfolgt, führt dies häufig zu einem ‚Aha-Effekt‘ innerhalb der Lerngruppe (Tran-
skript IIEII). Vielen Heranwachsenden ist nicht bekannt, dass die Bundesrepublik in den
1960ern gezielt und in großem Maße Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben hat, um die
Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Aufschwung und Arbeitskräftemangel zu kompensie-
ren. Eine Thematisierung der Geschichte der Migrationsbewegung in Deutschland innerhalb
dieses Themenblocks – sei es auch nur einführend und kurz – kann zu einem anhaltenden Per-
spektivenwechsel der Lernenden hinsichtlich Menschen mit Migrationshintergund führen
(Transkript IIEII). Ähnlich verhält es sich mit dem nächsten Unterpunkt Rechtliche Grundla-
gen und Integrationspolitik. Innerhalb aller Bildungsschichten besteht ein großes Maß an Un-
wissenheit bezüglich der Auflagen und Restriktionen, die das Leben in Deutschland für Mig-
ranten beeinflussen. Dies resultiert daraus, dass die Themen nur selten in den öffentlichen Me-
dien und in der Schule thematisiert werden. Darüber hinaus gestalten sich rechtliche und poli-
tische Regelungen der Integration in Deutschland relativ komplex. Eine Einführung in die
rechtlichen Grundlagen und die Integrationspolitik sollte von Trainern jedoch nicht aufgrund
deren Komplexität verworfen werden, vielmehr können durch ausgewählte Beispiele wichtige
Informationen weitergegeben werden, die diskriminierende Aussagen wie „Die können schon
alle kommen, aber nur, wenn sie dann hier was arbeiten“ (Transkript IIEII) verhindern. Hier
seien exemplarisch die rechtlichen Regelungen zu sogenannten ‚geduldeten‘ Ausländern, die
aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abgeschoben werden dürfen, genannt. Etwa die
Hälfte dieser Menschen hält sich seit mehr als sechs Jahren in Deutschland auf, viele von ihnen
sind dabei gut ausgebildet und sprachlich integriert – der Zugang zu eigener Erwerbsarbeit wird
S e i t e | 60
ihnen jedoch gar nicht oder nur sehr eingeschränkt gewährt. Ebenso wird den Kindern der Ge-
duldeten ausdrücklich die berufliche Aus- und Fortbildung versperrt (Oberndörfer 2007, S. 8).
Der letzte Unterpunkt der Kategorie Migration beschäftigt sich mit ethnischen Communities
und deren Lebenswelten. Ethnische Communities (auch ethnische Gemeinden, ethnische Ko-
lonien oder Diasporas genannt) stellen eine Form der sozialen, kulturellen, religiösen und poli-
tischen Selbstorganisation von Minderheiten, meist Zuwanderern, dar. Die Mitglieder unter-
scheiden sich ethnisch von den Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft und organisieren sich
entweder zum Zwecke der Fortsetzung von Beziehungsformen, die einige Mitglieder bereits im
Herkunftsland pflegten, oder als institutionelle Antwort auf die Bedürfnisse von Einwanderern
in der Migrationssituation (Oswald 2007, S. 120). Findet zusätzlich eine räumliche Konzentra-
tion von Mitgliedern einer bestimmten Ethnie statt, wird von ethnischer Segregation gespro-
chen - im Volksmund häufig als Ghettos bezeichnet. Dieser Begriff hat – zumindest in Deutsch-
land – eine negative Konnotation und dies wird teilweise auf die darin lebenden Menschen
übertragen. Folgt man dieser negativen Ansicht, forciert Segregation alleinig eine Verfestigung
von ethnischen Gemeinden, die eine Annäherung an die deutsche Gesellschaft ablehnen
(Gestring, Janßen & Polat 2006, S. 103). Dass diese Segregation jedoch nicht immer aktiv und
freiwillig geschieht, ist nicht allen Schülerinnen und Schülern bekannt. Häufig werden Men-
schen mit Migrationshintergrund und vor allem solche mit geringen Ressourcen in Quartiere
gelenkt, die von der Mehrheitsgesellschaft gemieden werden. Darüber hinaus bestehen noch
immer kulturelle Barrieren wie zum Beispiel ethnische Diskriminierung, die zu einer Konzent-
ration von bestimmten Minderheiten in bestimmten Stadtteilen führt (Häußermann 2008, S.
335).
4.4.3 Diversity
Diversity – ins Deutsche oft als Vielfalt oder Diversität12 übersetzt - wird in Deutschland in-
nerhalb verschiedener Kontexte wie Technik, Management oder Pädagogik genutzt und avan-
ciert vor allem vor dem Hintergrund der Globalisierungsdebatte und einer zunehmend diversi-
fizierten Bevölkerung zu einem neuen Modewort (Kimmelmann 2010a, S. 49; Badura 2004 ,
S. 17). Häufig wird darunter ein Sammelbegriff verstanden, der die Verschiedenheit der Men-
schen hinsichtlich sogenannter Kernkategorien ausdrückt. Unter diese Kernkategorien fallen
die ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Gender, sexuelle Orientierung, Behin-
derung/Befähigung und Alter (Rudolf 2009, S. 156). Obgleich diese Kategorien ein Bestandteil
12
Die Begriffe Diversity, Vielfalt und Diversität werden in dieser Arbeit synonym verwandt.
S e i t e | 61
der Diversität eines Menschen sind, umfasst das Konzept Diversity noch andere Faktoren wie
etwa soziale und regionale Herkunft, Bildung, persönliche Vorlieben, Familienstand und per-
sönliche Erfahrungen, die ausdrücken wollen, dass die Identität eines Menschen von vielfälti-
gen und unterschiedlichen Faktoren geprägt ist (ebd., S. 156). Diese menschliche Identität in
ihrer Vielschichtigkeit darzustellen, stellt einen zentralen Inhalt interkultureller Trainings für
Schülerinnen und Schüler dar. Kulturelle Rechte sind nach Ansicht der UNESCO (2002, S.2)
nicht nur ein integraler Bestandteil der Menschenrechte, sondern um in einer zunehmend viel-
gestaltigen Gesellschaft eine harmonische Interaktion untereinander zu gewährleisten, müssen
Menschen und Gruppen mit zugleich mehrfachen, vielfältigen und dynamischen (kulturellen)
Identitäten respektiert und verstanden werden. Diese Forderung der UNESCO beinhaltet einen
weiteren wesentlichen Punkt, nämlich die Vielfältigkeit und Dynamik der kulturellen Identität
(vgl. Kapitel 2.1). Kultur wird noch von vielen als ein starres, durch den Nationalstaat festge-
legtes Konstrukt verstanden, das sich dann in Form bestimmter Verhaltensweisen in einem
Menschen widerspiegelt. Ein zeitgemäßes Begriffsverständnis der Kultur, dass den Lernen-
den verdeutlicht, dass ein Mensch mehr als nur eine kulturelle Identität besitzt und diese nicht
(ausschließlich) durch nationalstaatliche Grenzen oder die ethnische Herkunft bestimmt werden
kann, scheint unabdingbar für eine effektive, harmonische Interaktion in einer vielfältigen Ge-
sellschaft. Anstatt den Heranwachsenden also Stereotype bezüglich bestimmter Kulturen zu
vermitteln, sollen die Teilnehmer eines interkulturellen Trainings verstehen, dass Kultur kein
geschlossenes, einheitliches und statisches (National-)Konstrukt ist, sondern dass diese durch
eine Vielfalt möglicher Identitäten gekennzeichnet ist, die sich in einer Vielzahl unterschiedli-
cher Lebensformen und Lebensstile ausdrückt (Stichwort Transkulturalität) (Transkript IIEI;
Welsch 1995, S. 2).
Ein zentraler Begriff im Diskurs um Kultur und Inter-, Multi- oder Transkulturalität sind
Werte. Werte können als der wesentliche Angelpunkt für eine Gemeinschaft oder Gruppe an-
gesehen werden, die zur Lebensorientierung dieser Gruppe dienen. Sie können demnach als
Handlungsprioritäten von Menschen angesehen werden - durch die Annahme bestimmter Wer-
tevorstellungen neigt man dazu, den gegebenen Zustand vor anderen zu wählen (Treichel &
Mayer 2011, S. 238). Die Werte einer Kultur werden in einer gegebenen Gemeinschaft respek-
tiert und gepflegt, wobei dies nicht impliziert, dass ständig an diesen festgehalten wird. Werte
zeichnen sich außerdem durch eine evaluative Dimension aus, das heißt, sie zielen ab auf das
Wünschenswerte oder Anzustrebende und geben Orientierung darüber, was als gut oder wichtig
angesehen wird (Gollan 2012, S.11). Werte nehmen in einer Kultur die Form ungeschriebener
Gesetze an, an denen die Gesellschaften sich selbst messen lassen wollen. Das heißt, Werte sind
S e i t e | 62
in Personen internalisiert und steuern das Handeln von Individuen, während sie in der Gesell-
schaft institutionalisiert sind (Meulemann 1996, S. 50). Im Zusammenhang mit interkulturellen
Trainings ist zunächst das Verständnis wichtig, dass jedes Individuum durch seine eigenen
Werte geprägt ist und diese sein Handeln, aber auch seine Sichtweise auf die Handlungen an-
derer bestimmen (Transkript IIEIII). Gleichsam wichtig ist es, sich darüber bewusst zu sein,
dass auch das eigene Handeln durch bestimmte Werte – seien diese gesellschaftlich geprägt
oder individuell – geleitet wird. Eine permanente Reflexion der eigenen Werte bei gleichzeiti-
gem Respekt für die Wertvorstellungen anderer Menschen aus unterschiedlichen kulturellen
Gruppen ist also unverzichtbar für ein harmonisches Miteinander in einer multikulturellen Ge-
sellschaft (Transkript IIEI).
Die Reflexion der eigenen Werte hängt inhaltlich eng mit der Auseinandersetzung von Selbst-
und Fremdbildern zusammen. Der Aufbau eines Selbstbildes und somit einer eigenen Identi-
tät führt immer auch zu einem bestimmten Grad zur Abgrenzung der eigenen Person oder
Gruppe gegenüber anderen Personen und Gruppen. Man besitzt folglich nicht nur ein Selbstbild
über sich selbst, sondern auch ein Fremdbild über andere Menschen. Zum Aufbau eines
Fremdbildes ist es nicht notwendig, der jeweiligen Person oder Gruppe jemals begegnet zu sein,
eine vage Kenntnis vom ‚Hören-Sagen‘ reicht dazu aus. So besitzt man häufig ein bestimmtes
Bild über die Charakteristika von Mitgliedern einer bestimmten Kultur auf Grundlage vager,
schemenhafter Vorstellungen. Treffen die Selbst- und Fremdbilder von Menschen verschiede-
ner Kulturen aufeinander, kann dies aufgrund dieses unpräzisen und oft unfundierten, durch
Stereotype geprägten Wissens zu interkulturellen Konflikten führen (Thomas 2005, S. 120).
Ein weiteres Konfliktpotential ergibt sich dadurch, dass jede Seite auch Vermutungen darüber
besitzt, wie er vom jeweils anderen wahrgenommen wird (vermutetes Fremdbild). Das
Fremdbild sowie das vermutete Fremdbild führen zu unterschiedlichen gegenseitigen Vorstel-
lungen und Erwartungen, die sich negativ auf den Umgang mit ‚Fremden‘ auswirken können
(ebd., S. 120f.). Interkulturelle Trainingsmaßnahmen sollten demnach eine Reflexion der eige-
nen Selbst- und Fremdbilder fördern und verdeutlichen, welche Konsequenzen bzw. Wirkungs-
weisen aus der Konstruktion von Fremdbildern entstehen, vor allem wenn diese sich in Stereo-
typen manifestieren.
4.4.4 Integration
Die Versäumnisse der deutschen Integrationspolitik und die sich daraus ergebenden Folgen für
Menschen mit und ohne Migrationshintergrund wurden bereits einleitend dargestellt. Die öf-
fentliche Diskussion über die Zuwanderungspolitik ist noch immer ein hoch sensibles Thema –
S e i t e | 63
häufig bestimmt von Emotionen anstatt von sachlichen Argumenten und Einsichten. So nutzen
Personen des öffentlichen Lebens und insbesondere Politiker die Migrationsdebatte als Instru-
ment zur Aktivierung von Wählern sowie zur Polarisierung und Polemisierung. Diese Mei-
nungsäußerungen von Politikern oder anderen Personen mit Bekanntheitsgrad in Deutschland
werden dann – sei es subtil, direkt oder gar hetzerisch – durch die (Massen)medien an die
Bevölkerung weitergegeben, die diese verbreiteten Meinungen oder Hypothesen oft ohne jeg-
liche Reflexion als gegebene Wahrheiten ansehen. Die Schlagkraft dieser medialen Berichter-
stattung lässt sich am Beispiel der Debatte über die Thesen Thilo Sarrazins beobachten. Bun-
despräsident Gauck behauptete in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass ledig-
lich der ‚volksnahe Teil‘ der Medien sich positiv zu Sarrazin äußern würde, während der seriöse
Teil der Medien ihm eher kritisch gegenüber stehen würde (Das Gupta & Denkler 2012, S. 5).
Dies allein wäre insofern schon ein Problem, da eben der sogenannte ‚volksnahe Teil‘ 13 der
Medien einen enormen Einfluss auf einen großen Teil der Bevölkerung hat. Verschärft wird die
Lage erst recht dadurch, dass eben auch der ‚seriöse Teil‘ der Medien14 nicht davor zurück-
schreckt, polemisierende und mit Sarrazin sympathisierende Artikel zu drucken. Ein wichtiger
Bestandteil eines interkulturellen Trainings ist deshalb die Auseinandersetzung mit und die
Aufklärung über Medien und ihre Wirkung. Nur so werden Heranwachsenden, die vermutlich
noch stärker durch Medien beeinflusst werden als Erwachsene (TranskriptII EIII), die Möglich-
keit und die Fähigkeit gegeben, Medien kritisch zu hinterfragen und auch die politischen Hin-
tergründe und Motive zu bedenken, die sich hinter vielen Meinungsäußerungen verbergen 15.
Dieser kritische und reflexive Umgang mit Medien ist eine wesentliche Eigenschaft eines mün-
digen Bürgers (Süss, Lampert & Wijnen 2010, S. 108). Unter diesem Begriff wird gemeinhin
ein selbstbewusster und aufgeklärter Bürger verstanden, der sich seiner Welt nicht einfach aus-
geliefert fühlt, sondern sich bewusst ist, dass er durch eigenes Handeln positiv oder negativ auf
13
Wie zum Beispiel die BILD-Zeitung, die mit 2,4 Millionen verkauften Exemplaren im Jahr 2013 die auflagen-
stärkste Zeitung in Deutschland ist und die vor allem Arbeiter und Angestellte zu ihrer Hauptleserschaft zählt
(Hanke 2011, S. 1). In der BILD-Zeitung wurden beispielsweise Artikel mit den Überschriften „Thilo Sarrazin –
Held oder Hetzer?“ oder „Thilo Sarrazins drastische Thesen über unsere Zukunft. Deutschland wird immer ärmer
und dümmer! Deutschland schafft sich ab!“ veröffentlicht (BILD 2010).
14
Wie in etwa die Süddeutsche Zeitung (SZ), die sich als Flaggschiff eines sozialliberalen und kulturell interessier-
ten Bürgertums ansieht (Hanke 2011, S. 1). In der SZ wurden unter anderem Artikel mit der Überschrift „Ich
stehe bereit, Sarrazin zu verteidigen“ oder „Feigheit vor dem Wort. Nur in Deutschland macht man sich unmög-
lich, wenn man das Offensichtliche benennt“ veröffentlicht (Süddeutsche 2011).
15
Die beschränkt sich selbstverständlich nicht ausschließlich auf Printmedien und politische Debatten, sondern
zum Beispiel auch auf die stereotype Rollendarstellung verschiedener ethnischer Gruppen und/oder Geschlech-
ter (der Türke, der in deutschen Soaps oft einen Obstladen besitzt oder die unterdrückte Muslima , die sich gegen
ihre Familie auflehnt) in den Medien.
S e i t e | 64
die Zivilgesellschaft wirken kann (und will) und sich auch den damit verbundenen Verantwor-
tungen im Klaren ist (Transkript IIEI; Leser 2011, S. 93). Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch
das Wissen darüber, wo adäquate Informationen bezüglich interkulturell konnotierter Themen
erhalten werden können, so zum Beispiel zuverlässige Quellen bezüglich der deutschen Integ-
rationspolitik und der dazugehören Rechte und Pflichten und ebenso, wie diese Rechte geltend
gemacht werden können (Transkript IIEIII). Dabei sollte sich das Wissen eines mündigen oder
aufgeklärten Bürgers nicht nur auf seine Rechte beschränken, sondern es sollte Kenntnis dar-
über bestehen, dass diese Rechte nicht für alle in Deutschland lebenden Menschen gleich sind
oder, präziser gesagt, rechtliche und strukturelle Bedingungen als Ausschlusskriterium der
Integration in Deutschland existieren, die die Teilhabe bestimmter Bevölkerungsgruppen an
der Zivilgesellschaft erheblich einschränken (Transkript IIEI). Obgleich innerhalb interkultu-
reller Trainingsmaßnahmen nur in seltenen Fällen eine genaue und differenzierte Darstellung
rechtlicher Bestimmungen zu Integration sinnvoll und möglich ist, muss zumindest ein Ver-
ständnis für diese Ungleichheit, die sich der Beeinflussung durch Zuwanderer entzieht, inner-
halb der Schülerschaft geschaffen werden (Transkript IIEII). Damit einhergehend ist ein Wis-
sen über Inhalt und Grenzen der Integration zu vermitteln, also Antworten darauf, was In-
tegration bedeutet, wie diese gefördert bzw. gehemmt wird. Dies ist insofern wichtig, da der
Begriff Integration (wörtlich: die Wiederherstellung eines Ganzen) in den Medien zwar inflati-
onär, jedoch auch ungenau und darüber hinaus häufig als popularisierendes Schlagwort oder
gar als Kampfbegriff verwandt wird (Knoll 2007, S. 284). Der soziologische Begriff der In-
tegration bezieht sich auf die verhaltens- und bewusstseinsmäßige Eingliederung von Personen
in Wertstrukturen und Verhaltensmuster der Aufnahmegesellschaft. Der Staat kann die Integra-
tion aktiv vorantreiben oder sich eher zurückhalten, indem er lediglich den organisationalen
Rahmen vorgibt und sich die Zuwanderer selbst um ihre eigene soziale Integration kümmern
müssen. Egal welche rechtlichen, strukturellen und unterstützenden Gegebenheiten ein Land
aufweist, eine Assimilation, also die Übernahme von Elementen der Kultur des Einwanderungs-
landes und somit die Aufgabe der mitgebrachten Werte und Kulturmuster, kann nur durch die
Zuwanderer selbst geschehen und stellt somit eine Grenze der Integration dar (Knoll 2007, S.
284).
Will man eine politische Bildung bzw. Thematik innerhalb interkultureller Trainingsmaßnah-
men in einer Art und Weise verfolgen, die die Heranwachsenden nicht affirmativ und blind in
die Gesellschaft ‚einsozialisieren‘ will, muss nicht nur die Frage thematisiert werden, in wel-
cher Gesellschaft wir leben, sondern die Lernenden sollen reflektiert die Frage beantworten
S e i t e | 65
können, in welcher Gesellschaft sie leben wollen. Die Schülerinnen und Schüler sollen inner-
halb der Trainingsmaßnahme dazu aufgefordert werden, ihr demokratisches Selbstverständnis
innerhalb eines ethischen Selbstverständigungsdiskurses zu hinterfragen und dieses – angesto-
ßen durch den Diskurs – kontinuierlich zu aktualisieren (Leser 2011, S. 93). Dies tangiert zum
Beispiel im wesentlichen Maße die eigene Moral sowie Vorstellungen über Respekt und Tole-
ranz, über demokratische Grundsätze wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität, aber auch die
Frage, wie sich das tägliche Miteinander in einer multikulturellen Gesellschaft gestalten soll.
Dass die je individuell erstrebte Gesellschaft nicht nur durch Forderungen des Individuums an
das Verhalten anderer entstehen kann, sondern dass das Individuum aufgefordert ist, sich selbst
entsprechend zu verhalten und dass das eigene Auftreten innerhalb einer Zivilgesellschaft oder
Gruppe Konsequenzen nach sich zieht, ist ein wesentliches und deshalb auch anzustrebendes
Erkenntnisinteresse innerhalb interkultureller Trainingsmaßnahmen für Schülerinnen und
Schüler.
Ein letzter thematischer Schwerpunkt wurde auf die Konstruktion von Wissen und Zusam-
menhang mit Macht gelegt. Im Kontext interkultureller Trainings bedeutet dies, dass die Ler-
nenden für die Kulturgebundenheit und Subjektivität von Wissen sensibilisiert werden und
ihnen die Verbindung zwischen Wissen und Macht verdeutlicht wird (Kimmelmann 2010a, S.
276). Der Mensch wächst von seiner Geburt an mit kulturbedingten Symbolsystemen heran,
die nachgewiesener Weise schon in frühkindlichen Phasen das Denken eines Individuums be-
einflussen. Gleichsam sind auch Wissen, Fühlen, Wahrnehmen, Verhalten und Handeln bei ei-
nem Menschen kulturell präformiert (Wiater & Manschke 2012, S. 22). Als Konsequenz be-
deutet dies, dass neue Wissenskonstruktionen auch immer vor dem Hintergrund persönlicher,
kultureller und sozialer Vorerfahrungen gemacht werden - Wissen ist somit subjektiv (Kimmel-
mann 2010a, S. 276). Der bewusste und reflektierte Umgang mit seinem eigenen Wissen und
der daraus entstehenden Position oder Positionierung spielt dabei besonders im interkulturellen
Kontext eine wichtige Rolle. Denn die Begegnung mit Neuem oder Fremden innerhalb inter-
kultureller Situationen widerfährt den Schülerinnen und Schülern nicht einfach, sondern wird
von ihnen bewusst erlebt und mit bisherigem kulturell geprägtem Wissen und Vorerfahrungen
in Beziehung gesetzt. Diesen Prozess der Wissensentstehung zu verstehen ist Voraussetzung
dafür, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Position nicht absolut setzen, sondern diese be-
wusst in die eigene Kulturgebundenheit einordnen und von dieser Basis aus in Relation zu
Fremden setzen (Kramer 2012, S. 79).
S e i t e | 66
4.4.5 Diskriminierung
Der Themenblock der Diskriminierung ist mit Sicherheit eines der sensibelsten, aber auch eines
der bedeutsamsten Themen, wenn man über ein harmonisches Zusammenleben in einer multi-
kulturellen Gesellschaft spricht. Vor dem Bewusstsein, dass bereits das Schaffen von Fremdbil-
dern zu interkulturellen Konflikten führt (vgl. Kapitel 4.4.3), wird ersichtlich, welche schwer-
wiegenden Auswirkungen diskriminierende Denkweisen, seien sie latent oder offen, haben. Ur-
sachen von Diskriminierung sind Vorurteile, die eine verallgemeinernde Annahme über eine
soziale Gruppe, sogenannte Stereotype, in Verbindung mit negativen Bewertungen darstellen
(Scherr 2011, S. 34). Ferner sind Vorurteile durch eine hohe Änderungsresistenz sowie durch
eine Dominanz der affektiven bzw. emotionalen Komponente gekennzeichnet (Spieß, Kamin-
ski & Dukat 2006, S. 349f.). Menschen, die sich von ihren Vorurteilen leiten lassen, schaffen
eine soziale Wirklichkeit, die ihren Erwartungen entspricht, und kreieren damit häufig das Phä-
nomen der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Das heißt, eine Person hat bestimmte Erwar-
tungen (Vorurteile/Stereotype) gegenüber einem Wahrnehmungsobjekt und verhält sich dem-
entsprechend. Dadurch werden tatsächliche Eigenschaften des Wahrnehmungsobjektes hervor-
gerufen, die den ursprünglichen Erwartungen entsprechen und somit die Vorurteile weiter be-
kräftigen. Das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung beinhaltet darüber hinaus die er-
wartungskonsistente Bewertung von Informationen, das heißt, Personen nehmen Informationen
entsprechend ihrer ursprünglichen Annahmen war (Greitemeyer 2008, S. 80; Görgen 2005, S.
71).
Vorurteile ebnen demnach den Weg für ein diskriminierendes oder rassistisches Verhalten. Es
erscheint demnach essentiell, diese Thematik innerhalb interkultureller Trainingsmaßnahmen
zu behandeln. Dabei ist es nicht nur wichtig, eventuell bestehende Vorurteile herauszufinden,
zu entkräften und abzubauen, sondern die Schülerinnen und Schüler müssen dazu aufgefordert
werden, sich mit den Wirkungen und Folgen von Vorurteilen zu beschäftigen und darüber hin-
aus wissen, wie es zu einer Vorurteilsbildung kommt. In der Wissenschaft existieren verschie-
dene Theorien für die Entstehung von Vorurteilen. Lerntheoretische Ansätze gehen davon aus,
dass Vorurteile wie alle anderen Wissenselemente erlernt werden, indem sie über Modelle wie
Eltern, Lehrer und Medien vermittelt und von den Heranwachsenden übernommen werden.
Gruppentheoretische Ansätze stellen gruppenpsychologische Prozesse in den Fokus des Vor-
urteilsentstehungsprozesses und besagen, dass Vorurteile entstehen, da Gruppen dazu neigen,
sich über eine Fremdgruppe zu stellen und Unterschiede zwischen den Gruppen überzubewer-
ten. Kognitive Ansätze sehen innerpsychische Wahrnehmungs- und Beurteilungsprozesse als
S e i t e | 67
Ursache von Vorurteilen, da Menschen unweigerlich Kategorien zur Vereinfachung einer hoch-
komplexen Realität bilden, die neben Merkmalen und Eigenschaften auch Bewertungen enthal-
ten (Drude 2008, S. 12). Ungeachtet der spezifischen Theorie beinhaltet der Prozess der Vor-
urteilsbildung also immer eine Übernahme von Pauschalisierungen, denen meist keinerlei ei-
gene Erfahrungen zugrunde gelegt werden können. Den Lernenden dies bewusst zu machen
und somit zu einem Hinterfragen der eigenen, aber auch in der Gesellschaft vorherrschenden
Vorurteile zu bewegen, ist ein wichtiger Schritt, um kulturelle Diskriminierungen abzubauen
und zu verhindern.
Spricht man vor dem Hintergrund der Interkulturalität über Diskriminierung, ist eine weitere
zentrale Thematik der Rassismus. Dieser wurde lange Zeit als ein extremes Vorurteil im Sinne
einer Abwertung des Menschen auf Grundlage biologischer Kriterien definiert. Dieses Ver-
ständnis wurde jedoch erweitert bzw. ist überholt und Rassismus umfasst seither nicht nur Dis-
kriminierungen aufgrund naturgegebener, umwandelbarer Merkmale, sondern auch aufgrund
der Abstammung sowie der nationalen und ethnischen Herkunft (Weiß 2013, S. 25). Der ideo-
logische Gehalt des Rassismus liegt dann darin, dass er oben genannte Merkmale als Kriterium
für die Bezeichnung einer Kollektivgruppe hernimmt und zwar in der Weise, dass diesen Grup-
pen ein bestimmter Status und somit eine innewohnende Differenz zu anderen Gruppen zuge-
schrieben wird. Darüber hinaus werden dieser Gruppe negativ bewertete Merkmale zugeschrie-
ben und diese als Bedrohung dargestellt (ebd., S. 24f.). Rassismus beinhaltet also immer eine
Klassifizierung und Hierarchisierung von ethnisch oder kulturell geprägten Gruppen. Viele
Autoren plädieren darüber hinaus noch dafür, dass nur dann von Rassismus gesprochen werden
kann, wenn die Merkmale Klassifizierung und Hierarchisierung durch asymmetrische Macht-
verhältnisse gestützt werden, wobei Rassismus auch als eine fehlgeleitete Reaktion auf eine
wahrgenommene Machtlosigkeit angesehen werden kann (ebd., S. 28f.). Interkulturelle Trai-
nings müssen Schülerinnen und Schüler für die Thematik des Rassismus sensibilisieren und
über den Rassismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen aufklären. Dabei ist es von
entscheidender Bedeutung, den Lernenden keine leeren Phrasen wie „jeder Mensch ist gleich“
vorzubeten, sondern vielmehr muss die individuelle Erfahrungswelt der Trainingsteilnehmer
aufgegriffen werden und konkrete, (tatsächlich erlebte) Situationen dahingehend analysiert
werden, welche diskriminierenden Strukturen hinter den Ereignissen stecken können oder wa-
rum sich eine bestimmte ‚schlechte Erfahrung mit Migranten‘ so abgespielt haben könnte und
diese dennoch nicht zur Verallgemeinerung auf eine gesamte Gruppe führen darf (Transkript
IIIEIII).
S e i t e | 68
4.4.6 Kommunikation
Interkulturelle und multikulturelle Kontakte realisieren sich durch sprachliche und nicht-
sprachliche Zeichen. Wörter und Gesten sind kulturell kodiert – sie sind Symbole unserer Kul-
tur, denen eine bestimmte Bedeutung zugeteilt wird (vgl. Kapitel 2.1). Innerhalb interkultureller
Begegnungen stehen sich Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Wissen sowie unter-
schiedlich kulturell geprägten Symbolen gegenüber und dies erschwert (ungeachtet eventuell
bestehender Sprachprobleme) die Kommunikation, da den Gesprächspartnern nicht immer
möglich ist, die verbal oder non-verbal übermittelte ‚Nachricht‘ des Gegenübers zu dekodieren
(Ekinci-Kocks 2012, S. 97f.; Holzbrecher 2004, S. 106). Eine Sensibilisierung der Schülerinnen
und Schüler für interkulturelle Kommunikationsprozesse ist unerlässlich, um aus einer inter-
kulturellen Kommunikation keine interkulturellen Konflikte entstehen zu lassen. Dazu müssen
die Lernenden sowohl ein Verständnis für die Kulturgebundenheit von Kommunikation entwi-
ckeln als auch ein grundlegendes Wissen über den Ablauf dieser erwerben. Innerhalb interkul-
tureller Trainingsmaßnahmen sollte demnach nicht vorrangig die Vermittlung von sogenannten
‚Türöffnern‘ oder ‚Stolpersteinen‘ innerhalb einer kulturell geprägten Kommunikationssitua-
tion (welche dann nur kulturspezifisch erfolgen kann) erfolgen, sondern vielmehr können durch
die Darstellung von Kommunikationsmodellen (wie zum Beispiel der Kommunikationsquad-
rant sowie das innere Team nach Schulz von Thun) die Lernenden für interkulturelle Kommu-
nikationssituationen sensibilisiert und durch gezielte, darauf aufbauende Übungen darauf vor-
bereitet werden (Transkript IIEI).
Die vorangegangenen Punkte haben verschiedene Auslöser für die Entstehung von Konflikten
im interkulturellen Kontext aufgezeigt. Obgleich sich die Wahrscheinlichkeit dieser mit stei-
gender interkultureller Kompetenz der Schülerinnen und Schüler verringert, kann ein Auftreten
von Konflikten niemals völlig ausgeschlossen werden. Folglich ist es wichtig, den Schülerinnen
und Schülern innerhalb interkultureller Trainingsmaßnahmen Instrumente und Methoden an die
Hand zu geben, um mit diesen Konflikten umgehen zu können. Dabei sollten Konflikte nicht
grundsätzlich als Probleme dargestellt werden, sondern eben auch als Ausgangspunkt einer
konstruktiven Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Perspektiven (Kimmelmann
2010a, S. 403). Um diese konstruktive Auseinandersetzung sicherzustellen, muss ein Konflikt
identifiziert werden, um darauf aufbauend bestimmte Konfliktbehandlungssituationen ableiten
S e i t e | 69
zu können. Die Lernenden sollen reflektieren können, warum ein bestimmter Konflikt entstan-
den ist, ob dieser zum Beispiel durch die aufeinanderprallenden (vermuteten) Fremdbilder oder
eine gestörte Kommunikation entstanden ist. Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt, um
diese Konflikte zu lösen. Es gibt verschiedenste Ansätze zur Konfliktbearbeitung, die in einem
interkulturellen Training nur in den seltensten Fällen in ihrer Gänze vorgestellt werden können.
Allen Ansätzen ist jedoch gleich, dass es innerhalb von Konflikten darum geht, den anderen zu
verstehen und gleichzeitig sich selbst verständlich zu machen, um auf der Basis gegenseitiger
Akzeptanz eine Lösung für den Konflikt suchen zu können (Behn, Kügler, Lembeck, Pleiger,
Schaffranke & Wink 2006 , S. 19). Ist der Konflikt aber schon so verhärtet, dass eine Lösung
‚im Alleingang‘ erfolglos scheint, sollen die Heranwachsenden dazu ermutigt werden, sich
Hilfe bei entsprechenden Institutionen zu holen. Innerhalb eines interkulturellen Trainings sol-
len die Schülerinnen und Schüler einerseits erkennen können, wann ein Konflikt so gravierend
ist, dass er nicht mehr durch eigene Kraft gelöst werden kann, und andererseits wissen, wo sie
sich Hilfe zur Konfliktbearbeitung holen können.
Der Standard Inhalte und die zugehörigen Standardgruppen lauten wie folgt:
Standardgruppe 3a:
Der Trainer plant die Inhalte in Abhängigkeit von den
Lernzielen des Trainings sowie den Erwartungen des
Auftraggebers, den spezifischen Gruppenfaktoren sowie
den räumlichen, zeitlichen und logistischen Vorausset-
zungen.
Standard 3: Inhalte Standardgruppe 3b:
Der Trainer beachtet bei der sachlich-inhaltlichen Pla-
nung die Prinzipien situierten Lernens und bereitet die
Inhalte vor dem Hintergrund dieser Lerntheorie entspre-
chend auf.
Standardgruppe 3c:
Der Trainer setzt sich individuell mit den sechs Kernka-
tegorien der Inhalte auseinander, besitzt fundiertes Hin-
tergrundwissen dazu und beachtet die inhaltlichen Kate-
gorien bei der Planung der Trainingsinhalte.
Abbildung 11: Standard 3: Inhalte (eigene Darstellung)
S e i t e | 70
4.5 Methoden
4.5.1 Die Bedeutung von Methoden im Paradigma interkultureller Trainings
Interkulturelle Trainings können abhängig von den Inhalten entweder kulturspezifisch oder kul-
turallgemein sein, wobei interkulturelle Trainingsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler zu
einem sehr hohen Anteil kulturallgemeine Themen beinhalten (vgl. Kapitel 4.4). Ordnet man
Trainingsmaßnahmen einer bestimmten Methodik zu, können didaktische oder erfahrungsori-
entierte Trainings unterschieden werden.
Die bisherigen Ausführungen zu den Zielen und Inhalten eines interkulturellen Trainings für
Schülerinnen und Schüler haben bereits wichtige Erkenntnisse geliefert, die als erster Filter zur
Auswahl und Sortierung der Methoden dienen sollen. Eine weitere Einschränkung der Metho-
den ergibt sich durch den zeitlichen und finanziellen Rahmen, der den Trainern zur Verfügung
steht. Während der Expertendiskussionen wurde mehrmals betont, dass viele Methoden wün-
schenswert und denkbar sind, diese jedoch oft aufgrund des zeitlichen Rahmens nur begrenzt
durchführbar sind. Die Leistung des Trainers besteht also darin, die Methoden in Hinblick auf
Intention und Umfang des Trainings auszuwählen und gegebenenfalls anzupassen (Transkript
IIIEIII). Darüber hinaus ist auf einen abwechslungsreichen Methodeneinsatz zu achten, der sich
an den Bedürfnissen der Zielgruppe orientiert. Durch den Methodenmix werden verschiedene
Sinneskanäle der Lernenden angesprochen, dies fördert somit die Lernleistung der Trainings-
teilnehmer. Darüber hinaus kann durch einen abwechslungsreichen Methodeneinsatz die Auf-
merksamkeit der Teilnehmer gesteigert werden (Transkript IIIEIII).
In Folge werden die in der interkulturellen Trainingspraxis etablierten Methoden im Paradigma
der eben erwähnten Kriterien und der Prämisse, dass diese sich für interkulturelle Trainings für
Schüler eignen, vorgestellt (ohne dabei einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben). Dabei
wird zwischen didaktischen und erfahrungsorientierten Methoden unterschieden, die wiederum
nach ihrer Zeitintensität bzw. nach ihrem finanziellen Aufwand aufsteigend aufgelistet werden.
Nicht spezifisch unterschieden wird jedoch zwischen kulturallgemeinen oder kulturspezifi-
schen Inhalten, da diese Kriterien nicht die Methode, sondern lediglich die Inhalte dieser be-
einflussen (Kovácová 2010, S. 81).
Der Vortrag oder eine Präsentation (zum Beispiel per Film oder Video) ist klar den didakti-
schen Trainingsmethoden zuzuordnen. Sie fungieren im Training häufig als Bindeglied und
theoretische Rahmung zu anderen methodischen Bausteinen eines Trainings und eignen sich
S e i t e | 71
fast ausschließlich zur Förderung kognitiver Kompetenzen (Leenen & Grosch 2000, S. 328).
Bei diesen Methoden besteht jedoch die große Gefahr, dass die Lernenden in die Zuhörerrolle
gedrängt werden und das Wissen nicht aufnehmen können (Kovácová 2010, S. 74). Außerdem
ist es mehr als fraglich, ob das Wissen, das in Vorträgen erworben wird, flexibel in verschiede-
nen interkulturellen Situationen angewandt werden kann. Vorträge und Präsentationen sollten
demnach äußerst sparsam und wenn überhaupt, dann in Form von kurzen, prägnanten Impuls-
referaten geschehen (Leenen & Grosch 2000, S. 328). Eine Ausnahme hierzu stellen Informa-
tionsveranstaltungen über Zielkulturen dar, die insbesondere Informationen über Geschichte,
Politik, Wirtschaft und Bildungssystem des thematisierten Landes vermitteln sollen. Informa-
tionsveranstaltungen können sich jedoch auch kulturallgemein gestalten, indem die Lernenden
zum Beispiel dazu aufgefordert werden, sich mit Stereotypen oder der eigenen Kulturgebun-
denheit auseinanderzusetzen (Göbel & Buchwald 2008, S. 125).
Eine weitere Methode, die den didaktischen Trainings zugeordnet wird, ist die Fallstudie.
Diese hat zum Ziel, die Lernenden zu selbstentdeckendem Lernen anzuregen, indem sie kom-
plexe, problematische und lebensnahe Situationen im interkulturellen Kontext aufbereitet. Die
Fallstudie eignet sich zur Sensibilisierung und Sichtbarmachung von expliziten und insbeson-
dere impliziten Regeln und Werten (Kumbruck & Derboven 2009, S. 103). Teilweise werden
in Einzel- oder Teilgruppen Lösungsmöglichkeiten und Handlungsstrategien entwickelt, die
anschließend in der gesamten Gruppe diskutiert werden (Kovácová 2010, S. 74f.). Obgleich
diese Methode das selbstentdeckende Lernen fördert, wird dadurch in den meisten Fällen keine
Änderung auf der affektiven oder behavioralen Ebene stattfinden. Auch eine flexible Übertrag-
barkeit auf verschiedene Kontexte, die von der Beispielsituation der Fallstudie abweichen, ist
zweifelhaft, unter anderem deswegen, weil keine tatsächliche Handlung der Teilnehmer gefor-
dert wird.
Die Critical –Incident-Technik ist eine weitere didaktische Methode des interkulturellen Ler-
nens und stellt eine Sonderform der Fallstudie dar. Ein Critical Incident ist eine kritische Situ-
ation oder ein Vorfall, der sich so oder so ähnlich in interkulturellen Situationen abspielen
könnte. Der Vorfall beschreibt jedoch lediglich, was passiert, erklärt jedoch nicht, warum es
passiert ist. Die Aufgabe des Teilnehmers oder der Gruppe ist es dann, eine Lösung oder ein
Erklärungsmuster für ein bestimmtes Verhalten zu finden (Cockwell 2010, S. 64).
Der Culture Assimilator nutzt die Critical- Incident- Methode und bietet neben der interkul-
turellen Konfliktsituation in der Regel vier unterschiedliche Erklärungs- bzw. Lösungsansätze
an, von denen der Lernende diejenige aussuchen soll, die am besten das Verhalten des Fremden
S e i t e | 72
aus der Perspektive seiner Kultur erklärt bzw. die Möglichkeit, die dem Teilnehmer am plausi-
belsten erscheint. Die Bearbeitung dieser Critical Incidents soll zur Entwicklung eines Ver-
ständnisses für kulturelle Unterschiede dienen (Göbel & Buchwald 2008, S. 127). Der Lernende
soll die Spielregeln der jeweiligen Kultur aufdecken und soll einsehen, dass menschliches Han-
deln nicht nur durch persönliche Ziele und Eigenschaften, sondern auch durch kulturelle Regeln
beeinflusst wird. Während sich der Culture Assimilator nur für kulturspezifische Trainings eig-
net, setzt sich der Cultur-General Assimilator mit 18 Themen auseinander, die allgemein in
interkulturellen Situationen vorkommen (z.B. Unsicherheit, Rollenverhalten, Kategorisierung
usw.) (Kovácová 2010, S. 75f.).
Obwohl Critical Incidents reale Fälle nachstellen, stellen sie dennoch Einzelfälle dar und bergen
deshalb die Gefahr in sich, dass Stereotype und bestimmte Erwartungshaltungen aufgebaut wer-
den, die eigentlich abgebaut werden sollten (Kovávová 2010, S. 76). Dies könnte auch zur Folge
haben, dass das erworbene Wissen nur in diesem bestimmten Fall angewandt werden kann, aber
nicht zu Erklärungsansätzen in anderen kritischen interkulturellen Situationen führt. Allgemein
ist jedoch zu sagen, dass die Culture Assimilator- und Critical Incident-Methode geeignet er-
scheint, in Grenzen, affektive oder behaviorale Kompetenzen zu fördern.
Vor allem in Interkulturellen Trainings kommt es darauf an, dass die Teilnehmer sich öffnen
und bereit sind, sich vor anderen Teilnehmern zu offenbaren. Grundlegend dafür ist ein ver-
trauensvolles Verhältnis zwischen den Teilnehmern untereinander, aber auch zwischen Trai-
ningsleitung und den Trainees. Es ist also von enormer Wichtigkeit, bereits zu Beginn des Trai-
nings eine angenehme, von gegenseitigem Vertrauen gekennzeichnete Arbeitsatmosphäre zu
schaffen, die jedem Teilnehmer signalisiert, dass das Training einen geschützten Raum dar-
stellt, in dem jeder in seiner Individualität ernst genommen wird und seine Meinungen offen
aussprechen darf und soll (Transkript IIIEI & IIIEIII). Um solch eine Atmosphäre zu kreieren,
eignet sich der Einsatz sogenannter Icebreaker oder Kennenlern-Methoden. Diese sollten
jedoch nicht vom Training losgelöst sein, sondern ermöglichen den Teilnehmern im Idealfall
bereits einen ersten Bezug zur Thematik des interkulturellen Trainings (Transkript III EIII).
Die Praxiserfahrung der Experten hat gezeigt, dass vor allem in interkulturellen Trainings die-
jenigen Übungen besonders effektiv sind, die die Teilnehmer zur Reflexion und Wahrneh-
mung ihrer eigenen Einstellungen anregen und diese plastisch darstellen. Diese Übungen be-
S e i t e | 73
wirken zunächst einen ‚Aha-Effekt‘ bei den Heranwachsenden, der dann zur Auseinanderset-
zung mit eigenen Einstellungen und der eignen Identität führt. Das heißt, innerhalb dieser Me-
thoden werden den Schülerinnen und Schülern ihr eigenes Verhalten, ihr Denken, ihre Einstel-
lungen in bestimmten, interkulturell geprägten Situationen veranschaulicht, um diese Erkennt-
nis im weiteren Trainingsverlauf zu nutzen und auf dieser aufzubauen. Denn die Heranwach-
senden müssen verstehen, wie sie von ihren Einstellungen und Haltungen beeinflusst werden,
um daraus für sich selbst einen Handlungsbedarf abzuleiten, und somit die vermittelten Trai-
ningsinhalte auch annehmen (Transkript IIIEI & IIIEIII).
Auch das Rollenspiel eignet sich zur Verdeutlichung bestimmter Handlungsmuster und Ein-
stellungen. Die Trainingsteilnehmer versetzten sich hier in vordefinierte Rollen hinein und in-
teragieren entweder nach vorgegebenen Spielregeln oder hinsichtlich eines zu erreichenden
Ziels. Nach einer Interaktionsphase erfolgt eine Rückmeldung zur gewählten Handlungsstrate-
gie (Rathje 2010, S. 220; Kovácová 2010, S. 79). Grundsätzlich sind das Cultural Awareness
und das simulaitve Rollenspiel voneinander zu unterscheiden. Bei einem Cultural Awareness
Rollenspiel interagieren die Teilnehmer als Mitglieder unterschiedlicher Phantasie-Kulturen
miteinander, ohne dabei die Spielregeln zu kennen, die das Verhalten der anderen Gruppe be-
stimmt. Die Lernenden sollen somit dazu angeregt werden, sich fremde Kulturen durch hypo-
thesengeleitetes Explorationsverhalten zu erschließen (Rathje 2010, S. 219). Das situative Rol-
lenspiel konzentriert sich demgegenüber auf reale Situationen. Beide Arten führen (im Ideal-
fall) zu einem Erkennen und Verändern von Verhaltensmustern sowie zur Empathie-Entwick-
lung durch die Nachempfindung der Erfahrung anderer. Außerdem bietet das Rollenspiel einen
geschützten Raum, in dem theoretisches Wissen praktisch angewandt und die eigenen Grenzen
ausgelotet werden können (Rathje 2010, S. 220f.). Durch diese realitätsnahe Methode, die nicht
auf die reine Wissensvermittlung, sondern vielmehr auch auf die affektive Kompetenz abzielt
und den Lernprozess in einen sozialen Kontext einbettet, kann eine nachhaltige Erweiterung
der interkulturellen Handlungskompetenz als sehr wahrscheinlich angesehen werden.
Das Planspiel bzw. die Simulation stellen eine Erweiterung des Rollenspiels dar, wobei der
Begriff Simulation meist in Verbindung mit computerbasierten Vorgehensweisen genutzt wird.
Es unterscheidet sich vom Rollenspiel vor allem dadurch, dass nicht Einzelpersonen, sondern
gesamte Gruppen als Handlungsträger in verschiedenen Situationen agieren (Rathje 2010, S.
221). Die Teilnehmer werden üblicherweise in zwei Gruppen aufgeteilt, die detaillierte kultu-
relle Regeln erhalten. Häufig wird dabei absichtlich eine Stresssituation hergestellt, die sich
S e i t e | 74
einerseits durch die Dynamik innerhalb der Gruppen und andererseits durch die Wettbewerbs-
situation zwischen den Gruppen ergibt. Die Aufgabe der Spieler ist es, zielgerichtet mit der
fremdkulturellen Gruppe in Kontakt zu treten und deren kulturelle Regeln herauszufinden. Die
Probanden erleben somit authentisch die Schwierigkeiten interkultureller Kommunikation
(Kovácocvá 2010, S. 78; Rathje 2010, S. 221). Geuting (2000, S.16) betont dabei, dass vor
allem der Faktor Zeit bei Planspielen eine lernförderliche Wirkung hat, und durch die Simula-
tion eines Zeitablaufes auch die denkmöglichen Folgewirkungen und längerfristigen Konse-
quenzen der verschiedenen Handlungsalternativen zeitlich gerafft bewusst gemacht werden
können. Simulationen und Planspiele ermöglichen den Teilnehmern erworbenes Wissen besser
zu verstehen und/oder dieses konkret und gezielt anzuwenden. Sie wirken sich folglich beson-
ders auf affektive und behaviorale Kompetenzen aus.
In Sonderfällen könnten im schulischen Kontext auch field trips oder bikulturelle Kommu-
nikationsworkshops zum Einsatz kommen. Field trips gestaltet sich als „learning by doing“,
indem Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben wird, den Alltag einer bestimmten
Kultur - zum Beispiel im Rahmen eines Schüleraustausches - kennenzulernen. Bikulturelle
Kommunikationsworkshops ermöglichen ebenfalls eine ‚echte‘ Kulturerfahrung, da hier Teil-
nehmer aus verschiedenen Kulturen partizipieren und die Inhalte des Trainings somit aus ver-
schiedenen Perspektiven belichtet werden können (Göbel & Buchwald 2008, S. 127; Kovácová
2010, S. 80). Bei beiden Methoden werden die Trainees zu einem hohen Grad sowohl affektiv
als auch behavioral aktiviert (Kovácová 2010, S. 80).
Die Standards zu den Methoden und die dazu gehörigen Standardgruppen stellen sich wie folgt
dar:
Dimension Dazu gehörige Standardgruppen
Standardgruppe 4a:
Der Trainer wählt die Methoden abhängig von den zuvor
definierten Lernzielen und Inhalten des Trainings aus.
Standardgruppe 4b:
Der Trainer plant und novelliert die Methoden unter Be-
achtung der Bedürfnisse der Zielgruppe sowie dem zeitli-
chen Rahmen des Trainings.
Standardgruppe 4c:
Der Trainer besitzt einen Fundus verschiedener erfah-
rungsorientierter und didaktischer Methoden, kennt deren
S e i t e | 75
4.6 Trainer
4.6.1 Die Bedeutung des Trainers im Paradigma interkultureller Trainings
Der Erfolg einer Trainingsmaßnahme ist im beträchtlichen Maße von dem Weiterbildungsper-
sonal abhängig (Siegert 2001, S. 168). Es gibt Situationen, in denen eine Trainingsmaßnahme
misslingt, obwohl diese ansonsten zum gleichen Thema mit ähnlichen Zielgruppen mit großem
Erfolg durchgeführt wurde. Oft wird dieses Phänomen mit dem Hinweis beschrieben, ‚die Che-
mie‘ zwischen Trainer und Teilnehmer hätte nicht gestimmt (ebd., S. 168). Selbstverständlich
kann nie völlig ausgeschlossen werden, dass eine Schülergruppe den Trainer nicht akzeptiert
oder ihn als inkompetent empfindet. Durch Beachtung der zuvor beschriebenen Merkmale zu
der Vorbereitung, den Zielen, den Inhalten sowie den Methoden sinkt jedoch die Wahrschein-
lichkeit, dass ein Training unerwartet fehlschlägt. Weiterhin sind aber auch im Folgenden be-
schriebene Merkmale des Weiterbildungspersonals und deren Expertise förderlich für den Er-
folg eines interkulturellen Trainings.
4.6.2 Kompetenz
Die Kompetenz eines Trainers drückt sich durch verschiedene Teilbereiche aus, die jeweils
wichtig für das Gelingen einer Weiterbildungsmaßnahme sind. Einerseits muss ein Trainer über
ein adäquates Fachwissen verfügen, da er im Unterricht die Rolle des Vermittlers von Inhalten
einnimmt, andererseits kann er auch als Manager des interkulturellen Trainings betrachtet wer-
den, da er für die Durchführung des Kurses verantwortlich ist (Kovacová 2010, S. 284). Der
Kompetenzbegriff ist demnach für Bildungsfachleute immer von zweifacher Bedeutung: Einer-
seits werden sie in ihrer beruflichen Tätigkeit dazu aufgefordert, die Kompetenzen der Trai-
ningsteilnehmer mittels geeigneter Maßnahmen zu entwickeln. Andererseits stehen sie stets
auch selbst vor der Aufgabe, das eigene Kompetenzportfolio zu reflektieren und an die Erfor-
dernisse der beruflichen Umwelt anzupassen (Negri, Braun, Werkmann-Karcher & Moser
S e i t e | 76
2010, S. 50). Die berufliche Kompetenz von Weiterbildungspersonal kann verstanden werden
als „die Fähigkeit und Bereitschaft, in offenen, komplexen und dynamischen Situationen selbst-
organisiert, aufgabengemäß, zielgerichtet, situationsbedingt und verantwortungsbewusst zu
handeln“ (Negri et al. 2010, S. 51). Der Bezug auf komplexe und dynamische Situationen ver-
deutlicht, dass die berufliche Kompetenz besonders in Situationen wichtig ist, die nicht der
üblichen Routine entsprechen und deren Ausgangs- und Zielzustände nicht vollständig be-
stimmt werden können (Negri et al. 2010, S. 51). Dem professionellen Handeln im pädagogi-
schen Kontext kommt zudem auch immer eine soziale Dimension hinzu, die die (soziale) Hand-
lung die Verständigung, die Entwicklung, das Lernen und die Bildung der Adressaten zum Ziel
hat (Widulle 2009, S. 18). Berufliche Handlungskompetenz im pädagogischen Kontext kann in
die vier Kompetenzklassen Fach-, Methoden-, Sozial- und Persönlichkeits-/Selbstkompetenz
untergliedert werden, eine Taxonomie, die sich sowohl in der Wissenschaft als auch in der Pra-
xis etabliert hat (Negri et al. 2010, S. 52; Wilbers 2012, S. 360)16.
Nach Wilbers (2012, S.360) beinhaltet die Fachkompetenz neben dem Wissen über Fachin-
halte auch die Fähigkeit zur Planung, Durchführung, Evaluation und Revision der Weiterbil-
dungsmaßnahme. Die Selbstkompetenz hingegen berücksichtigt das Selbstkonzept, das
Selbstwertgefühl, das moralische Selbst des Weiterbildungspersonals sowie die Fähigkeit zur
Selbstreflexion. Andere Autoren sehen darin weiterhin die Fähigkeit, Belastungssituationen zu
steuern, das eigene Verhalten zu strukturieren und zu planen sowie Eigenverantwortung und
Lernfähigkeit des Individuums (Wellhöfer 2004, S. 17; Negri et al. 2010, S. 53). Die Fachkom-
petenz eines interkulturellen Trainers bezieht sich vor allem auf die Inhalte, die er innerhalb
eins Trainings vermitteln will und weniger auf ein kulturspezifisches Wissen wie zum Beispiel
bestimmte Bräuche einer Kultur (Transkript IIIEIII). Eine besondere Bedeutung kommt dabei
dem Wissen über die tatsächliche Situation in der deutschen Gesellschaft zu, also Faktenwissen
darüber, wie und warum es zu Migrationsbewegungen kommt und welche strukturellen, insti-
tutionellen und persönlichen Diskriminierungen in der heutigen Migrationsgesellschaft anzu-
treffen sind (Transkript IIIEI).
Der Begriff Sozialkompetenz ist schwer zu erfassen; er wird kontrovers diskutiert und kritisch
als ‚Regenschirm-Konstrukt‘ bezeichnet, der unterschiedliche Themenbereiche wie Motiva-
tion, soziale Intelligenz, moralische Urteilsfähigkeit, Interaktion, Kommunikation und viele
16
Die meisten Abhandlungen über Kompetenzen im sozialen oder pädagogischen Kontext beschreiben die erfor-
derlichen bzw. erwünschten Kompetenzen von Lehrkräften. Da die Zielgruppe der interkulturellen Trainings, die
den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit darstellen, Schüler sind, eignen sich diese Beschreibungen zu den
Lehrerkompetenzen auch im Kontext dieser Arbeit.
S e i t e | 77
mehr zu einer äußerst komplexen Fähigkeit zusammenfasst (Wellhöfer 2004, S. 2). Vielen Ab-
handlungen ist jedoch gemein, dass soziale Kompetenz vor allem in kommunikativen Situatio-
nen zu tragen kommt, weswegen unter Sozialkompetenz eine kognitive und affektive Disposi-
tion verstanden werden soll, die dem Individuum ermöglicht, variable sozialkommunikative
Situationen selbstständig, erfolgreich und verantwortungsvoll zu gestalten. Dazu gehören auch
Kritik- und Konfliktfähigkeit sowie Verhandlungsfähigkeit und Teamfähigkeit (Wilbers 2012,
S. 98; Negri et al. 2010, S. 53).
Methodenkompetenz hingegen beschreibt nicht die Kommunikation, sondern die Interaktion
in konkreten Situationen und bezeichnet die Bereitschaft und die Fähigkeit zu zielgerichtetem,
planmäßigem Vorgehen bei der Bearbeitung von Aufgaben und Problemen. Beispiele hierfür
sind zum Beispiel die Fähigkeit, Moderationen und Präsentationen zu halten sowie das Projekt-
management und die Prozessgestaltung (Wilbers 2012, S. 62; Negri et al. 2010, S. 53).
Das Weiterbildungspersonal eines interkulturellen Trainings für Schülerinnen und Schüler
sollte stets den Stand seiner eigenen Kompetenzen reflektieren und diese bei Bedarf anpassen
und weiterentwickeln. Denn: Kenntnisse über andere Kulturen oder vielfältige Auslandserfah-
rungen sind zwar nützlich, reichen jedoch nicht aus, dieses Wissen auch anderen vermitteln zu
können. Für Trainer interkultureller Kompetenz bedeutet dies, dass vor allem diejenigen Kom-
petenzen relevant sind, die er seinen Trainingsteilnehmern vermitteln will (vgl. Kapitel 4.3).
Eine Trainingsmaßnahme kann nicht erfolgreich sein, wenn der Trainer seinen Teilnehmern
etwas vermitteln will, das er selbst nicht beherrscht und innerhalb des Trainings vorleben kann
(„Man erlebt oft Dozenten, die etwas über Respekt erzählen und sich selbst total respektlos
gegenüber den Teilnehmern verhalten“ Transkript IIIEIII).
In pädagogischen Situationen ist, wie bereits erwähnt, besonders die soziale Dimension von
enormer Bedeutung und insbesondere bei erfahrungsorientierten Trainings unabdingbar. Der
Trainer muss in der Lage sein, gruppendynamische Prozesse zu steuern sowie heftige Emotio-
nen der Teilnehmer zu kanalisieren und diese für didaktische Zwecke produktiv zu nutzen (Hof-
mann, Mau-Endres & Ufholz 2005, S. 24).
Eine Untersuchung von Leenen, Groß und Grosch (2002) hat ergeben, dass Trainingsmaßnah-
men scheiterten, weil der Trainer von den Teilnehmern nicht akzeptiert wurde, da dieser mit
den Alltagsproblemen der Trainingsteilnehmer nicht vertraut war. Die Akzeptanz eines Trai-
ners kann also nur dann gewährleistet werden, wenn dieser mit dem Alltag der Trainingsteil-
nehmer vertraut ist und sich nicht als „idealistischer Weltverbesserer“ präsentiert (Leenen et al.
S e i t e | 78
Interkulturelle Trainings finden immer in einem pädagogischen Kontext statt, vor allem, wenn
diese für Schülerinnen und Schüler konzipiert wurden. Es ist demnach unerlässlich, dass der
Weiterbildner bestimmte pädagogische Fähigkeiten besitzt, um solche Handlungssituationen
zu gestalten bzw. solche Lernmaterialien auszuwählen und aufzubereiten, die die Lebenswelt
der Schülerinnen und Schüler betreffen sowie deren Bedürfnissen entsprechen (Kovácová
2010, S. 83). Dazu benötigt der Trainer bestimmte allgemeine didaktische Kompetenzen, die
ihm ermöglichen, Inhalte verständlich präsentieren, Gruppendynamiken erkennen und mode-
rieren, sowie Übungen anleiten, durchführen und auswerten zu können (Kammhuber &Schmid
S e i t e | 79
2009, S. 254). Diese, im englischsprachigem Raum oft als pädagogische Kompetenzen (peda-
gogic competences) beschriebenen Fähigkeiten umfassen theoretische als auch praktische Fer-
tigkeiten, die es ermöglichen, Wissen in einer angemessenen Weise und durch verschiedene
Wege zu vermitteln (INTER-TIE 2006, S. 15).
Ein interkultureller Trainer bedarf darüber hinaus jedoch noch weiterer interkulturell-didak-
tischer Kompetenzen, die sich einerseits auf das Wissen über interkulturelle Lernmethoden
und Trainingstechniken beziehen und andererseits auf die Fähigkeit, mit multikulturellen Grup-
pen zu arbeiten (Kammhuber & Schmid 2009, S. 254; INTER-TIE 2006, S. 15).
Ein Trainer ist selbst immer Teil einer Lernumgebung und hat erheblichen Einfluss auf die
Lerneffekte, die sich bei den Teilnehmern einstellen. Es ist deshalb verwunderlich, dass die
Person des Trainers an sich nur selten in den Blickpunkt der (deutschsprachigen) Wissenschaft
rückt. Zwar finden sich immer wieder Hinweise auf die nötige Fachkompetenz oder interkultu-
relle Erfahrungen (z.B. in Kinast 2005 oder Leenen et al. 2002) darüber hinausgehende Kom-
petenzen werden allenfalls durch Nebenbemerkungen innerhalb anderer Themengebiete abge-
handelt und dies verleitet somit zu der Annahme, dass sich ein bestimmter Lernerfolg automa-
tisch einstellen wird, solange richtige Übungen und Techniken eingesetzt werden (Kammhuber
& Schmid 2009, S. 240). Innerhalb der Expertengespräche wurde jedoch ersichtlich, dass der
Trainer neben den zuvor beschriebenen Kompetenzen auch solche Fähigkeiten und Fertigkeiten
besitzen muss, die es ihm ermöglichen, Stimmungen und Gemütszustände innerhalb der Gruppe
zu erkennen und auf diese flexibel zu reagieren (Transkript IIIEI). Zugleich muss der Trainings-
leiter auch seine eigenen Gefühle erkennen und diese steuern können. Ein Fachbegriff, der viele
dieser notwendigen, oft als soft skills bezeichneten Kriterien umfasst, ist emotionale Intelli-
genz. Der von Salovey und Mayer im Jahre 1990 erstmalig eingeführte Begriff beschreibt „die
Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Emotionen zu kontrollieren und zwischen ihnen zu unter-
scheiden und die gewonnen Informationen zu nutzen, um das eigene Denken und Handeln zu
leiten“ (Meves 2013, S. 29). Es existieren verschiedenste Ansätze der emotionalen Intelligenz,
die im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgestellt und verglichen werden können. In allen Theorie-
varianten anerkannt und akzeptiert ist, dass es sich bei emotionaler Intelligenz im Allgemeinen
um die Fähigkeit handelt, Gefühle in sich selbst und in anderen zu erkennen und zu lenken
(Goleman 2009, S. 9). Eine essentielle Rolle spielt dabei die Empathie, das heißt, die Fähigkeit,
Emotionen eines anderen wahrzunehmen, sie nachzuempfinden und entsprechend der Emotion
zu handeln (Krause 2007, S. 20). Insbesondere in interkulturellen Trainingsmaßnahmen kann
S e i t e | 80
17
Der Begriff Selbstwahrnehmung wird in der Theorie nach Goleman verwandt. Andere Theorien wie zum Bei-
spiel die nach Mayer, Salovey & Caruso beschreiben ähnliche Fertigkeiten, nennen dies jedoch Aufnehmen und
Ausdrücken von Emotionen (Krause 2007, S. 20ff.).
S e i t e | 81
die Trainees durch negative Emotionen des Trainers nicht irritiert werden und weiterhin eine
konstruktive Atmosphäre innerhalb der Gruppe herrscht (INTER-TIE 2006, S. 13). Ambigui-
tätstoleranz bezeichnet die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten oder Inkonsistenzen in ihrer
Vielschichtigkeit wahrzunehmen und diese positiv bzw. nicht negativ zu bewerten (Beck 2008,
S. 96). Ambiguitätstoleranz ist vor allem im interkulturellen Kontext eine sehr entscheidende
Fähigkeit, da die Zusammenkunft unterschiedlicher Kulturen immer wieder zu wahrgenomme-
nen Widersprüchlichkeiten und Differenzen führt. Das Weiterbildungspersonal sollte jedoch
nicht nur eine Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden aufzeigen, sondern auch die Schü-
lerinnen und Schüler und deren gegebenenfalls konkurrierende Argumentationen annehmen
können.
Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ermöglicht dem Trainer ein Bewusstsein für seine eigenen
Einstellungen gegenüber Interkulturalität sowie die daraus resultierenden Konsequenzen beim
eigenen Handeln zu entwickeln. Ohne dieses Bewusstsein besteht die Gefahr, Gruppen oder
Personen aufgrund bestimmter Vorurteile unbewusst zu diskriminieren und somit die Trai-
ningsteilnehmer in ihrem Handeln zu beeinflussen (vgl. selbsterfüllende Prophezeiung in Ka-
pitel 4.4.5). Der Trainingsanbieter muss sich über ‚seine Bilder im Kopf‘, die er über die Zu-
sammensetzung der Gesellschaft und über Diversität im allgemeinen besitzt, bewusst werden,
um einerseits die Gefahr der selbsterfüllenden Prophezeiung zu umgehen und um andererseits
auch abschätzen zu können, mit welchen Bildern die Teilnehmer in ein Training kommen
(Transkript IIIEIII). Vor allem die Zusammenarbeit mit multikulturellen Schülerschaften bzw.
die Schulung von interkulturellen Themen verlangt vom Trainer Verständnis und Respekt ge-
genüber verschiedenen kulturellen Hintergründen und Auffassungen über diese sowie den dar-
aus resultierenden Normen und Werten, die die Persönlichkeit und das Verhalten jedes Indivi-
duums formen. Zugleich muss der Trainer sich darüber bewusst sein, dass auch er selbst durch
seine Normen und Werte geprägt ist, die sich in seinem Verhalten widerspiegeln (INTER-TIE
2006, S. 15).
Der Standard Trainer sowie die dazugehörigen Standardgruppen lauten wie folgt:
Dimension Dazu gehörige Standardgruppen
Standardgruppe 5a:
Der Trainer besitzt die für interkulturelle Trainings rele-
vante Fach-, Sozial-, Methoden- und Persönlichkeits-
S e i t e | 82
4.7 Evaluation
4.7.1 Die Bedeutung der Evaluation im Paradigma interkultureller Trainings
Im Allgemeinen dient die Evaluation der Überprüfung von Wirksamkeit und Bewertung eines
bestimmten Objektes. Grundsätzlich lassen sich zwei erkenntnistheoretische Positionen hin-
sichtlich der Auffassung von Evaluation unterscheiden. So kann einmal die Überprüfung der
Wirksamkeit eines Objekts oder die Beurteilung des Wertes eines Objekts der Evaluation sein
(Kinast 2010, S. 20). Die Evaluationsforschung grenzt sich deutlich von anderen Typen der
Forschung ab, da sie sich nicht darauf konzentriert, Hintergrundwissen zu generieren, sondern
praxisorientiert ist. Von einer Evaluation werden also pragmatische und plausible Antworten
auf die Frage des Nutzens der evaluierten Programme erwartet (Kovácová 2010, S. 202). Laut
der Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) sollen Evaluationen neben der Nützlichkeit noch
folgende Eigenschaften aufweisen: Durchführbarkeit, Fairness und Genauigkeit (DeGEval
2004, S. 10). Der Durchführbarkeitsstandard soll sicherstellen, dass die Evaluation realistisch,
gut durchdacht sowie kostenbewusst geplant und durchgeführt wird. Das heißt, Evaluationen
S e i t e | 83
sollen eine möglichst hohe Akzeptanz bei allen Beteiligten erreichen sowie in einem angemes-
senen Verhältnis zum Nutzen der Evaluation stehen. Formale Vereinbarungen zwischen den
Vertragsparteien, der Schutz individueller Rechte, die Offenlegung der Ergebnisse sowie eine
vollständige, faire und unparteiische Überprüfung und Durchführung sollen die Fairness einer
Evaluation sicherstellen. Die Beachtung des Genauigkeitsstandards soll sicherstellen, dass die
Untersuchung gültige Informationen zu der Fragestellung sowie dem jeweiligen Evaluations-
gegenstand liefert. Dazu gehört eine klare und genaue Beschreibung und Dokumentation des
Evaluationsgegenstandes sowie eine detaillierte Analyse des Evaluationsgegenstandes. Dar-
über hinaus sollte eine Dokumentation des Zwecks, der Fragestellung sowie des genauen Vor-
gehens inklusive der angewandten Methoden erfolgen, genauso wie die Angabe der genutzten
Informationsquellen. Die Nützlichkeit soll, wie bereits erwähnt, sicherstellen, dass die Evalua-
tion ihren Zweck erfüllt sowie sich am Informationsbedarf der vorgesehenen Nutzer und Nut-
zerinnen ausrichtet. Um diesen Standard erfüllen zu können, müssen die Beteiligten und Be-
troffenen identifiziert werden sowie der Zweck der Evaluation klar bestimmt und den betroffe-
nen Personengruppen zugänglich gemacht werden. Ferner müssen die Grundlagen der Bewer-
tung klar ersichtlich und die Evaluationsberichte prägnant und leicht zu verstehen sein. Dabei
kommt vor allem auch den Erwartungen des Auftraggebers eine besondere Rolle zu. Vor der
Evaluation muss der Trainer ein klares Bild darüber besitzen, was die auftraggebende Partei
mit dem Training erzielen möchte, um die Erreichung dieser Ziele dann in der Evaluation zu
überprüfen (Transkript IIIEIII). Die in der Evaluation erfassten Informationen sollten einen an-
gemessenen Umfang haben, die einerseits die Behandlung der Fragestellung ermöglicht und
gleichzeitig den Informationsbedarf des Auftraggebers sowie anderen Adressaten berücksich-
tigt18 (DeGEval 2004, S. 10ff.). Das übergeordnete Ziel eines jeden Auftraggebers kann als die
„Optimierung von Handlungen in komplexen Handlungssituationen“ (Kinast 2010, S. 23) be-
schrieben werden. Darüber hinaus kann der Zweck jedoch immer ein anderer sein, weswegen
Evaluationen verschiedene Funktionen erfüllen, die im Wesentlichen vier Kategorien zugeord-
net werden können: Erkenntnisfunktion, Entscheidungsfunktion, Durchsetzungs- und Legitima-
tionsfunktion sowie Steuerungs- und Optimierungsfunktion. Diese Funktionen sind nicht unab-
hängig voneinander, sondern eng miteinander verbunden und Evaluationen erfüllen oft mehrere
dieser Funktionen (Stockmann 2007, S. 39).
18
Nähere Informationen zu den Standards der Gesellschaft für Evaluation können online unter
http://www.alt.degeval.de/calimero/tools/proxy.php?id=24065 abgerufen werden.
S e i t e | 84
Es existieren unterschiedlichste Evaluationsmodelle, die die Art und Weise, den Umfang so-
wie die Kriterien einer Evaluation standardisieren und somit das Vorgehen einer Evaluation
festlegen (Niegemann, Dogmak, Hessel, Hein, Hupfer & Zobel, 2008, S. 401). Prinzipiell kön-
nen ökonomische Evaluationsmodelle von pädagogisch-psychologischen Evaluationsmodellen
unterschieden werden. Während ökonomische Modelle monetäre Kriterien evaluieren, konzent-
rieren sich pädagogisch-psychologische Modelle auf die Wirkungen eines Evaluationsobjektes
und auf die psychischen Prozesse und Handlungen von am Evaluationsobjekt beteiligten Per-
sonen (Kinast 2010, S. 25). Im Rahmen dieser Arbeit ist die Evaluierung monetärer Kriterien
zunächst von minderer Bedeutung, weswegen ausschließlich pädagogisch-psychologische Mo-
delle relevant sind. Es gibt verschiedenste Modelle, die bei der Erfolgsmessung von interkultu-
rellen Trainings zum Einsatz kommen. Populäre Beispiele sind das handlungsorientierte Mo-
dell von Wottawa und Thierau (1990), das zielabhängige Modell von Tyler (1942), das zielun-
abhängige Modell von Scriven (1972), Aktzeptanz und Begleitforschung nach Kromey (1988)
sowie das Modell von Blake und Heslin (1983) (O’Reilly & Arnold 2005, S. 41; Kinast 2010,
S. 25). Als das meist zitierte Evaluationsmodell in Zusammenhang mit interkulturellen Trai-
nings gilt jedoch das ebenenorientierte Modell von Kirkpatrick (1979), welches vier Lern- bzw.
Handlungsebenen beschreibt, auf denen interkulturelle Trainings ihre Wirkung entfalten kön-
nen (O’Reilly & Arnold 2005, S. 41). Auch wenn der Kirkpatriksche Ansatz mittlerweile in
vielerlei Hinsicht kritisiert wurde, bietet die Einteilung in die Evaluationsebenen dennoch ein
brauchbares Raster zur Ableitung und Einordnung von Evaluationskriterien. Die vier unter-
schiedlichen Ebenen bzw. Arten von Effekten nach Kirckpatrick lauten wie folgt: Trainingsbe-
wertung (reaction), Lernresultate (learning), Transferleistung (behavior) und organisationale
Effekte (results) (Bergmann 2006, S. 535).
Auf der Ebene reaction wird geprüft, inwieweit das Training den Lernenden gefallen hat. Durch
die Erfassung der subjektiven Teilnehmermeinungen soll die Akzeptanz des interkulturellen
Trainings bei den partizipierenden Personen festgestellt werden. Auf der Dimension learning
wird der Wissens- und Könnenszuwachs überprüft, das heißt, hier wird überprüft, ob die Teil-
nehmer tatsächlich Komponenten interkultureller Handlungskompetenz erworben haben. Ob
das Gelernte auf die Verhaltensebene übersetzt werden kann und die Komponenten interkultu-
reller Kompetenz auf eine aktuelle Handlungssituation transferiert und in einen Handlungsplan
integriert werden können, wird auf der Ebene behavior überprüft. Die Frage ist also, ob tatsäch-
lich eine Anwendung der im interkulturellen Training erworbenen Kompetenzen stattfindet.
S e i t e | 85
Letztlich werden auf der Stufe results die Auswirkungen des Trainings rückblickend auf die
ursprünglichen Ziele evaluiert und die Wirkungen des interkulturellen Trainings auf überge-
ordnete Ziele der Teilnehmer oder des Kontextes, in den das Training eingebettet ist, erhoben.
In dieser Ebene werden die gesamten Lerneffekte, sowohl positive als auch negative, in Erwä-
gung gezogen, wobei eine eindeutige Zurechenbarkeit der Wirkung des interkulturellen Trai-
nings auf zuvor festgelegte Erfolgskriterien nicht einwandfrei festgestellt werden kann
(O’Reilly & Arnold 2005, S. 41; Kinast 2010, S. 30; Bergmann 2006, S. 535).
In der derzeitigen Evaluationspraxis finden bisher nur selten Evaluationen im Sinne einer um-
fassenden Qualitätssicherung statt. Vielmehr erfolgt in der Praxis lediglich eine Erfolgskon-
trolle der Maßnahme durch die Befragung der Teilnehmer nach deren Zufriedenheit und gege-
benenfalls die Überprüfung der unmittelbaren Lernergebnisse nach dem Training. Will man
jedoch Konzepte und Maßnahmen des interkulturellen Trainings zuverlässig bewerten und ge-
gebenenfalls weiterentwickeln, darf nicht nur eine Evaluation der Teilnehmerzufriedenheit er-
folgen, sondern es sind vielmehr eine Reihe anderer Aspekte zu betrachten (Nerdinger, Blickle
& Schaper 2008, S. 22). Dazu gehört einerseits die Beachtung zuvor vorgestellter Standards
von Evaluationen, aber auch die Auswahl eines passenden Designs der Evaluation sowie dafür
adäquate Methoden.
Typische Designs der quantitativen Forschung sind die Einzelfallanalyse, die Dokumentenana-
lyse, die Handlungsforschung, die Feldforschung und das qualitative Experiment (Mayring
2002, S. 40ff.). Kinast (2010) hebt im Kontext der interkulturellen Trainings insbesondere die
Einzelfallanalyse hervor, da diese die Postulate qualitativer Forschung, insbesondere die Ein-
zelfallbezogenheit, am weitestgehenden erfüllt. Der Gegenstand einer Einzelfallanalyse kann
dabei nicht nur ein Individuum sein, sondern auch ein komplexeres soziales System (Familie,
gesellschaftliche Subgruppe) (Mayring 2002, S. 41). Nach der Entscheidung für einen Unter-
suchungsplan (Design) folgt die Auswahl der konkreten Untersuchungsverfahren, also den Me-
thoden der Datenerhebung, Datenaufbereitung und Auswertung (Mayring 2002, S. 40).
Auf der Ebene reaction geht es um die Teilnehmerbewertung zur Zufriedenheit über das inter-
kulturelle Training. Hier soll also eine subjektive Zufriedenheit eingeschätzt werden, die sich
im Vergleich zu den anderen Ebenen relativ einfach erheben lässt. So eignen sich vor allem
Fragebögen (Seminarbewertungsbögen) oder Interviews zur Teilnehmerbefragung. Typischer-
weise sollen die Teilnehmer der Trainings die Rahmenbedingungen, den Trainer, die Arbeits-
atmosphäre sowie die Erfüllung von Erwartungen bewerten. Im Rahmen einer offenen Frage-
stellung werden die Trainees häufig nach Anregungen für Verbesserungen gebeten (Bak 2007,
S. 408). Wirkungen auf der Ebene learning lassen sich ebenfalls noch relativ einfach evaluie-
ren. Häufig werden im Anschluss an eine Trainingsmaßnahme Wissenstests oder praktische
Übungen wie zum Beispiel Rollenspiele durchgeführt oder man lässt die Teilnehmer selbst ein-
schätzen, ob diese für sich einen Lernfortschritt erkennen können (Bak 2007, S. 409). Wirkun-
gen auf der Ebene behavior sind nur schwer zu erfassen, vor allem im Kontext interkultureller
Trainings. So kann bei anderen Fortbildungsmaßnahmen leichter überprüft werden, ob Teilneh-
mende das Erlernte tatsächlich anwenden – man denke hier zum Beispiel an eine betriebliche
Fortbildungsmaßnahme. Hier können sowohl Teilnehmer als auch Vorgesetzte einschätzen, ob
der Arbeitnehmer das Erlernte auch am Arbeitsplatz anwendet (Bak 2007, S. 409). Bei inter-
kulturellen Trainings besteht die Schwierigkeit, dass nicht von außen beobachtet werden kann,
wie die im Training erworbenen Kompetenzen auf die psychischen Prozesse und Handlungen
der Teilnehmer wirken. Obgleich in der Wissenschaft noch ein großes methodisches Defizit zu
Messung dieser Ebene besteht, eignen sich Interviews, die Tagebuchmethode, die teilnehmende
S e i t e | 87
Standardgruppe 6a:
Der Trainer führt die Evaluation vor dem Hintergrund der
Auftraggeberinteressen durch und beachtet dabei die
Standards der Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Fairness
und Genauigkeit.
Standard 6: Evaluation Standardgruppe 6b:
Der Trainer evaluiert die Teilnehmerzufriedenheit, kurz-
fristige Lernresultate, Transferleistungen sowie organisa-
tionale Effekte der Trainingsmaßnahme.
Standardgruppe 6c:
Der Trainer wählt abhängig von dem Erkenntnisinteresse
der Evaluation ein passendes Evaluationsmodell und Eva-
luationsdesign und wendet dafür geeignete Methoden an.
Abbildung 14: Standard 6: Evaluation (eigene Darstellung)
S e i t e | 88
4.8 Nachhaltigkeit
4.8.1 Die Bedeutung der Nachhaltigkeit im Paradigma interkultureller Trainings
Erfahrungen haben gezeigt, dass die Wirkung von Weiterbildungsmaßnahmen am stärksten ist,
wenn sie ein Personalentwicklungskonzept eingebettet und somit in eine Strategie der interkul-
turellen Öffnung der Institution eingebunden sind (IQ 2010, S. 21). Zwar bezieht sich diese
Erkenntnis zunächst auf Unternehmen, kann aber dennoch auf die Organisation Schule übertra-
gen werden. In Lehrplänen, Rahmenrichtlinien sowie Empfehlungen der Konferenz der Kul-
tusministerien finden sich deutliche Hinweise auf die Wichtigkeit der interkulturellen Bildung
und Erziehung (Clapeyron 2004, S. 5). Die Schule besitzt einen allgemeinen Erziehungsauftrag,
der, wird er gewissenhaft wahrgenommen, auch die interkulturelle Bildung beinhaltet (KMK
1996, S. 5). Dieser Erziehungsauftrag kann jedoch nicht durch isolierte Trainingsmaßnahmen
erfüllt werden, der Aspekt der Interkulturalität nicht innerhalb einzelner Themen, Fächer oder
Projekte vermittelt werden, sondern er ist eine „Querschnittsaufgabe in der Schule“ (ebd. 1996,
S e i t e | 89
S. 7). Mehrere Wege bieten der Schule dabei Möglichkeiten, diesen Erziehungsauftrag zu er-
füllen und die im interkulturellen Training erworbenen Kompetenzen der Schülerinnen und
Schüler nachhaltig zu sichern. Dazu sollten Maßnahmen auf der Organisations-, Personal- und
Unterrichtsentwicklung erfolgen und werden in den folgenden Kapiteln näher beschrieben
(Hunger & Metzger 2013, S. 155).
Die Verankerung der Interkulturalität und im Speziellen des interkulturellen Lernens im Schul-
leitbild bzw. Schulprogramm ist die erste Möglichkeit der interkulturellen Bildungs- und Er-
ziehungsarbeit und kann der Organisationsentwicklung zugeordnet werden. Vor allem in Schu-
len, in denjenigen Regionen und Bundesländern, in denen einerseits ein hoher Anteil an Schü-
lerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund besteht und andererseits eine hohe Konkur-
renz zwischen den Schulen herrscht, ist die Profilentwicklung im interkulturellen Kontext am
weitesten vorangeschritten. Holzbrecher (2004) vergleicht in seinem Buch `Interkulturelle Pä-
dagogik` diejenigen Schulen, die interkulturelles Lernen zu einem Profil im Schulentwick-
lungsprozess gemacht haben, und identifiziert die folgenden Profilmerkmale dieser Schulen:
Die Zielsetzungen Soziales Lernen sowie Wertschätzung und Anerkennung des Anderen
in seiner Differenz zeigen sich nicht nur in der Unterrichtsgestaltung, sondern auch in
den Beratungsangeboten und in der Praxis der Konfliktmediation.
Die Schulen sind in überregionale oder internationale Netzwerke integriert. Die Kom-
munikation mit anderen Schulen wird mit Hilfe neuer Medien weiterentwickelt und
grenzüberschreitende Schüleraustausche und Betriebspraktika werden praktiziert.
Die Schulen sind häufig in Ganztagsform organisiert und bieten ein breites Spektrum
an Förderkursen und Projekten an.
Die Schule pflegt eine Kultur der Unterschiede und der Gemeinsamkeiten durch kollek-
tive Regeln, Rituale und Feste (Holzbrecher 2004, S. 155f.).
Eine längerfristige und stabile Verankerung von interkultureller Bildung kann nur gelingen,
wenn interkulturelle Maßnahmen aus einem gemeinsamen Verständnis von Kollegium, Schü-
lerschaft und Eltern hervorgehen und Niederschlag im Unterrichts- und Schulalltag finden. Eine
Schule, die also noch kein interkulturelles Schulprogramm oder Schulleitbild vorweist, sollte
die Entwicklung eines solchen anstreben. Während ein Schulprogramm das schriftlich fixierte
Handlungskonzept der Schule auf Grundlage staatlicher Rahmenvorgaben beschreibt, drückt
S e i t e | 90
das Schulprofil bzw. -leitbild die Besonderheiten und die Gesamtwahrnehmung der Schule aus
und erläutert, wie sich diese von anderen Schulen unterscheidet (Ange et al. 2000, S. 42f.).
Beide Konzepte entstehen idealer Weise in einem Diskussions- und Planungsprozess im Kol-
legium, wobei alle Anspruchsgruppen wie etwa die Eltern und das nicht-pädagogische Personal
mit einbezogen werden sollten19.
Die Prinzipien situierten Lernens (siehe Kapitel 2.3.1) bieten erste Anhaltspunkte zur Gestal-
tung einer interkulturellen Lernumgebung und gelten nicht nur für isolierte Trainingsmaßnah-
men, sondern auch für die Unterrichtsgestaltung und -entwicklung. Die Gestaltung eines inter-
kulturellen Unterrichts orientiert sich an sozialpsychologischen Theorien, wobei ein Fokus auf
kulturell geprägten Denk-, Handlungs- und Orientierungsmustern liegt. Er unterscheidet sich
demnach von anderen ‚üblichen‘ Unterrichtssituationen, in denen der Anlass zu pädagogischem
Handeln nicht primär durch eine kulturelle Perspektive geprägt ist (Lichtblau, Over & Mienert
2008, S. 98f.). Unterrichtsentwicklung beinhaltet jedoch mehr als alleinige Überlegungen zur
Unterrichtsgestaltung durch die einzelne Lehrkraft, sondern umfasst „die Gesamtheit der sys-
tematischen Anstrengungen, die darauf gerichtet sind, die Unterrichtspraxis im Sinne eines
sinnhaften und effizienten Lernens zu optimieren“ (Berkemeyer 2008, S. 73). Das heißt, Un-
terrichtsentwicklung zielt nicht (nur) auf Anstrengungen der einzelnen Lehrkraft, sondern be-
inhaltet auch schulische Rahmenbedingungen sowie Kompetenzentwicklung der Lehrenden.
Sie bezieht sich dabei nicht auf die Aktualisierung des Unterrichts einer Klasse, sondern auf die
19
In einer Veröffentlichung beschreibt das Niedersächsische Kultusministerium konkrete Handlungsschritte, mit
denen eine Schule die eigene interkulturelle Arbeit gemeinschaftlich reflektieren und weiterentwickeln kann.
Ausführliche Erläuterungen zu den einzelnen Punkten können online unter http://nibis.ni.schule.de/nli1/ikb/ik-
bhandbuchpdf/sichtwechselalles.pdf abgerufen werden.
S e i t e | 91
ganze Schule oder Teile davon und verlangt deshalb nach Teamarbeit innerhalb der Schule und
bedarf der Initiative und Mitarbeit der Schulleitung (ebd., S. 75). Vergleicht man Veröffentli-
chungen zur interkulturellen Unterrichtsgestaltung, so sind sie sich darin einig, dass durch in-
terkulturelle Unterrichtsentwicklung einerseits Unterrichtsinhalte sowie -methoden und ande-
rerseits spezielle pädagogische Grundsätze Beachtung finden müssen (Felgner, Grassau & Fro-
ese 2001, S. 98; Angne et. al. 2000, S. 60; KMK 1996, S. 7ff.). Laut der Konferenz der Kultus-
ministerien kann sich interkulturelle Kompetenz nur in einem Schulklima entwickeln, das von
Sozialbeziehungen und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Die Konferenz hebt unter anderem
die Vorbildfunktion von Lehrkräften als einen pädagogischen Grundsatz hervor (KMK 1996,
S. 7). Pädagogische Kriterien beziehen sich demnach eher auf emotionale und soziale Bezie-
hungen, aber auch auf die soziale Bedeutung innerhalb der jeweiligen Thematik.
Ferner erfordert die interkulturelle Bildung und Erziehung Lernformen und Lehrmethoden, die
die Komplexität spezifischer Sachverhalte und Empfindungen verdeutlichen und die Wahrneh-
mung von Zusammenhängen, Wechselwirkungen und eigener Verantwortung fördern. Die Kul-
tusministerkonferenz betont in diesem Kontext die hohe Bedeutung von Selbstreflexion sowie
der kritischen Beobachtung des eigenen Standpunktes und Handelns (KMK 1996, S. 9). Ver-
gleicht man verschiedene wissenschaftliche Abhandlungen über methodisch-didaktische Prin-
zipien der interkulturellen Bildung, können folgende Kriterien abgeleitet werden.
Interkultureller Unterricht wählt einen situativen Ansatz und beachtet situative Bedingungen
(Agne et al. 2000, S. 84; Felgner et al. 2001, S. 107, Luciak & Binder 2010, S. 18). Das heißt,
einerseits müssen die situativen Bedingungen in der Klasse, aber auch der Schule und des Woh-
norts berücksichtigt werden. Aktuelle Vorfälle, wie zum Beispiel ein Konflikt aufgrund kultu-
reller Differenzen, sollten im Unterricht genauso aufgegriffen werden wie die Biographie der
S e i t e | 92
Schülerinnen und Schüler. Persönliche Erfahrungen und spezifisches Vorwissen der Lernenden
bieten diesen einen unmittelbaren, sinnlichen Zugang zu verschiedenen Themenbereichen und
fördern somit nicht nur die Motivation, sondern auch die Lernleistung. Dies entspricht den Prin-
zipien erfahrungs- und handlungsorientierten Lernens, das bewusst an biographischen Erfah-
rungen und kollektiven Situationsdeutungen der Lernenden anknüpft, die Lernenden an der
Planung und Strukturierung von Lerninhalten beteiligt und ihnen die Möglichkeit zur aktiven
Erprobung der Inhalte gibt. Interkultureller Unterricht sollte also ein handlungsorientierter Un-
terricht sein (KMK 1996, S. 9; Agne et al. 2000, S. 107). Dies entspricht auch den Prinzipien
des situierten Lernens, da der Lernende als aktiver Konstrukteur und nicht als passiver Konsu-
ment von Informationen verstanden wird und ihm ermöglicht wird, sich den eigenen Lernge-
genstand vor dem Hintergrund seiner individuellen Biographie zu eigen zu machen (Subjekt-
zentriertheit) (Kammhuber 2010, S. 64ff.).
Andere Prinzipien, die von den Lehrkräften beachtet werden sollten, sind veranschaulichende
Materialien und Medien zu nutzen (Agne et al. 2000, S. 108; Luciak & Binder 2010, S. 19).
Die geeignete Auswahl von Anschauungsmaterialien ermöglicht die Verbindung von Kogni-
tion und Emotionen und weckt darüber hinaus die Neugier der Lernenden. Auch Kulturaus-
tausch kann durch authentisches Anschauungsmaterial wie zum Beispiel Fotos verschiedener
Lebensstile oder japanische Bücher, die von rechts nach links gelesen werden, sinnlich erlebbar
gemacht werden. Vor allem im elektronischen Zeitalter ergeben sich viele Möglichkeiten, den
kulturellen Austausch ohne großen Aufwand zu fördern. Soziale Netzwerke oder Blogs im In-
ternet ermöglichen es den Lernenden, sich eigenständig Eindrücke über fremde Lebenswelten
zu schaffen (Agne et al. 2000, S. 108; Luciak & Binder 2010, S. 18).
Wie bereits erwähnt, betrifft interkulturelle Unterrichtsentwicklung nicht nur den Unterricht
einer einzelnen Lehrkraft, sondern die ganze Schule und sollte demnach - wenn es Inhalte und
Intentionen erlauben - fächerübergreifend und interdisziplinär organisiert werden (KMK 1996,
S. 9; Agne et al. 2000, S. 108; Luciak & Binder 2010, S. 18). Es sollte jedoch nicht nur ein
Austausch zwischen den Lehrpersonen, sondern auch zwischen den verschiedenen Klassen
stattfinden. Die Organisation von klassenübergreifenden Projekten und Beiträge verschiedener
kultureller Gruppen fördern die (interkulturelle) Kommunikation innerhalb der Schule. Auch
die Einbindung der Eltern in die fachübergreifende Projektarbeit findet erhöhte Aufmerksam-
keit; ebenso wie die Kooperation mit außerschulischen Institutionen (KMK 1996, S. 9; Agne
et al. 2000, S. 109).
S e i t e | 93
4.8.3 Lehrerfortbildung
Interkulturelle Kompetenz von Lehrern ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um der vorherrschenden
Vielfalt in der Schule produktiv zu begegnen und die interkulturellen Kompetenzen der Schü-
lerschaft weiterzuentwickeln. Von vielen Autoren wird ein Fehlen entsprechender Fortbil-
dungsmaßnahmen für das Lehrpersonal kritisiert. Es bestehen zwar bereits einige Weiterbil-
dungsmaßnahmen für Lehrkräfte, die jedoch empirisch nicht abgesichert und angemessen ope-
rationalisiert sind. Das heißt, es besteht noch keine Einigkeit darüber, was interkulturell kom-
petentes Lehrerhandeln auszeichnet, und welche Bedingungen den Erwerb dieser Schlüsselqua-
lifikationen fördern (Auernheimer 2010, S. 201; Rieke et al. 2008, S. 81; Fiebig 2012, S. 78).
Der Prozess der pädagogischen Aus- und Weiterbildung muss darauf abzielen, Lehrerinnen und
Lehrer nicht nur als Fachleute für Lernen, sondern auch als Fachleute für interkulturelle Begeg-
nungen und Beziehungen auszubilden. Nur dann gelingt es nach der Ansicht Lanfrachis (2008,
S. 231), aus Ohnmacht Kompetenz zu entwickeln, in Problemlagen Ressourcen zu erkennen
und die derzeitigen Schulen mit monolingualem und monokulturellem Habitus zu wirksamen
multikulturellen Organisationen zu machen. Die Lehrerausbildung und –fortbildung steht vor
diesem Hintergrund vor der Herausforderung, praxisrelevante Antworten auf die Problemstel-
lung zu geben, wie sich das Anforderungsprofil von Lehrpersonen im multikulturellen Kontext
gestalten kann sowie auf die Frage, wie die dafür nötigen Kompetenzen entwickelt werden
können (ebd. 2008, S. 2f.). Die Veröffentlichung der Kultusministerkonferenz (1996) be-
schreibt den Weiterbildungsbedarf von Lehrpersonen sehr allgemein, indem sie feststellt, dass
Lehrerinnen und Lehrer zur interkulturellen Erziehung befähigt werden müssen, damit diese
„in ihrer pädagogischen Arbeit Raum für unterschiedliche Sichtweisen und Sichtwechsel geben
können“ (KMK 1996, S. 7). Dazu bedürfe es einerseits Angeboten interkultureller Bildung an
Hochschulen während der Lehrerausbildung sowie einer Verstärkung schulnaher und schulin-
terner Fortbildungen (KMK 1996, S. 13f.).
In einer breit angelegten Studie zu den nötigen Kompetenzen hat Kimmelmann (2010a) Kom-
petenzprofile für die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften mit Blick auf eine ethnisch-kul-
turell diverse Zielgruppe in der beruflichen Bildung entwickelt. Durch Auswertungen einschlä-
giger internationaler Literatur sowie durch empirische Erhebungen ergab sich ein Standardsys-
tem mit sieben Dimensionen, bestehend aus 22 Standardgruppen und 58 zugeordneten Einzel-
standards. Eine detaillierte Vorstellung dieser Standards kann im Rahmen dieser Arbeit nicht
S e i t e | 94
erfolgen20, weswegen zunächst eine Vorstellung der sieben Dimensionen erfolgt, die Hinweise
auf die nötigen Kompetenzen von Lehrkräften im Kontext einer diversen Schülerschaft geben,
die (gegebenenfalls) in entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen (weiter)entwickelt werden
müssen (Kimmelmann 2010b, S. 282). Die Dimension umfassen folgende Bereiche: Die Per-
sönlichkeit des pädagogischen Professionals, inhaltliche und curriculare Planung, Gestaltung
von Lernprozessen und Methoden, soziale Beziehungen der Lernenden, Disziplinstörungen und
Konflikte, Umgang mit Sprache sowie Kooperation und Mitarbeit an der Organisationsent-
wicklung (Kimmelmann 2010a, S. 209ff.). Durch diese Auflistung wird augenscheinlich, dass
sich ein angemessener Umgang mit einer multikulturellen Schülerschaft nicht ausschließlich
auf den Unterricht der einzelnen Lehrkraft beschränkt, sondern alle Aufgaben dieser Lehrkraft
wie die Kooperation mit schulexternen Personen und Organisationen sowie kollegiale Zusam-
menarbeit beinhaltet.
Zu diesem Schluss kommen auch Overt und Mienert (2010), die durch 90-minütige Einzelin-
terviews von 42 Lehrkräften, die an Schulen mit einem Anteil von mindestens 15% von Schü-
lern mit Migrationshintergrund arbeiten, sechs Dimensionen eines Anforderungsprofils für
Lehrkräfte ableiten. Die sechs Dimensionen nach Overt und Mienert (2010, S. 46) lauten: Schü-
lerorientierung; individualzentrierte Pädagogische Kompetenz, kulturelle Sensibilität, Füh-
rungskompetenz, Teamarbeit und Konfliktmanagement.
Ebenfalls aufschlussreich sind die Erkenntnisse von Lanfranchi (2008), die gestützt auf das
Dossier Nr. 60 der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektion sowie auf
den European Network for Intercultural Teacher Training, die zu erwerbenden Kompetenzen
der Lehrkräfte ableitet. Dazu identifiziert sie Curriculumelemente und definiert die dazu zu
erreichenden Standards21. Das Standard-Curriculum nach Lanfranchi (2008, S. 246ff.) gestaltet
sich wie folgt: Curriculumbereich A: Differenz (sich als Person und Lehrperson in Schule und
Gesellschaft situieren); Curriculumbereich B: Kommunikation und Antirassismus (Über sich
selbst reflektieren, um mit „Fremden“ adäquat interagieren zu können); Curriculumbereich C:
Didaktik, Integration und Schulerfolg (Schülerinnen und Schüler im Unterricht integrieren und
in ihrem Lernen mittels Fördern und Fordern unterstützen); Curriculumbereich D: Mehrspra-
20
Detaillierte Ausführungen zu den Standards sowie den jeweiligen Standardgruppen und Einzelstandards sind
online unter http://www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus/volltexte/2010/1711/pdf/Dissertation_Kimmel-
mann_FINAL_15.12.09.pdf verfügbar.
21
Ausführungen zu dem Standard-Curriculum nach Lanfranchi (2008) können in Auernheimer (Hrsg.) (2008) In-
terkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität auf den Seiten 231-260 entnommen werden.
S e i t e | 95
Vergleicht man nun diese drei Studien, kristallisieren sich bestimmte Anforderungen an das
interkulturelle Kompetenzprofil von Lehrkräften heraus, wobei betont werden muss, dass hier-
mit hauptsächlich der Umgang mit einer multikulturellen Schülerschaft zugrunde gelegt wird
und nicht primär die Förderung interkultureller Kompetenzen der Schülerschaft. Dennoch bie-
ten die folgend vorgestellten Kriterien wichtige Ansatzpunkte, da nur interkulturell kompetente
Lehrer tatsächlich interkulturelle Kompetenz vermitteln können. Darüber hinaus wurden in den
vorangegangen Punkten bereits didaktische Anforderungen zur interkulturellen Erziehung vor-
gestellt. Die nachfolgend beschriebenen Punkte stellen interkulturelle Teilkompetenzen bzw.
Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer dar, die durch den Abgleich der Studien von Kim-
melmann (20010a), Overt und Mienert (2010) sowie Lanfranchi (2008) herauskristallisiert wer-
den konnten.
1. Lehrerpersönlichkeit
Sich als (Lehr)person in Gesellschaft und Schule situieren
Reflexion der eigenen Identität
2. Schülerschaft
Selbstregulation und individuelle Förderung
Auf die Schüler eingehen und mittels Förderung und Forderung unterstützen
Schüler auf den Beruf vorbereiten und in der Berufswahl begleiten
Förderung sozialer Beziehungen zwischen Lernenden mit diversem kulturellen
Hintergrund
Persönlichkeitsbildung im Kontext von Diversity und die Individualität der
Schüler annehmen und fördern
3. Unterricht
Schaffung eines fördernden Lernklimas für Lernende und Lehrende
Vermittlung von Lerninhalten mit schülerangepassten Methoden
Klare Strukturen und Instruktionen für sowie Partizipation der Schülerschaft
4. Konflikte
Konfliktlösungsstrategien einsetzen
Auf Disziplinstörungen und Probleme eingehen
5. Sprache
Sprachförderung in der deutschen Sprache
Sprachförderung in der Sprache des Herkunftslandes
S e i t e | 96
Es bestehen bisher einige Trainingskonzepte, zum Beispiel koordiniert durch verschiedene Lan-
desinstitute für Schule, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder die Europäische
Kommission, die jedoch in Bezug auf Länge, Struktur und Inhalte noch stark variieren. Außer-
dem sind die angebotenen Trainings oft zeitintensiv und für viele Lehrkräfte nicht mit ihrem
beruflichen Alltag vereinbar (Ringeisen, Buchwald & Spanowski 2008, S. 144). Es müssen also
Programme angeboten werden, die nicht nur standardisiert und theoretisch verankert sind, son-
dern auch so konzipiert werden, dass sie vom Lehrpersonal tatsächlich wahrgenommen werden
(wollen). Laut Ansicht der Experten (Protokoll) stellt vor allem die Ausbildung von Multipli-
katoren eine sehr effiziente Möglichkeit dar, interkulturelle Kompetenzen in der Lehrerschaft
zu implementieren und weiterzuentwickeln. So können Weiterbildungsmaßnahmen ohne weite
Wege und ohne größeren zeitlichen Aufwand angeboten werden und das Angebot qualifizierter
Weiterbildner, die nicht nur Kenntnisse über interkulturelle Kompetenz, sondern auch über die
spezifischen Anforderungen des Lehrerberufs haben, könnte flächendeckend zur Verfügung
gestellt werden.
Innerhalb des Themenkomplexes stellt sich offensichtlich die Frage, inwieweit das Thema
Nachhaltigkeit zu dem Verantwortungsbereich eines Trainers zählen kann, da viele der Maß-
nahmen sich der direkten Einflussnahme und Kontrolle durch das Fortbildungspersonal entzie-
hen. Es ist jedoch essentiell und Zeichen für ein qualitativ hochwertiges interkulturelles Trai-
ning, wenn der Trainer seinem Auftraggeber die Brisanz und Wichtigkeit des Themas Nach-
haltigkeit aufzeigt und ihm Wege und Möglichkeiten skizzieren kann, diese in der Schule zu
implementieren. Über diesen ‚Denkanstoß‘ hinaus können Anbieter interkultureller Trainings-
maßnahmen für Schülerinnen und Schüler durchaus die Schulentwicklung aktiv begleiten, zum
Beispiel als externer Experte in der Erstellung eines Schulprogrammes und –profils sowie als
Ausbilder des pädagogischen Personals.
4.8.4 Lehrerfortbildung
Der Standard Nachhaltigkeit sowie die dazu gehörigen Standardgruppen lauten wie folgt:
S e i t e | 97
Standardgruppe 7a:
Der Trainer weiß, dass bestimmte Bedingungen in einer
Schule vorhanden sein müssen, um eine systematische
Nachhaltigkeit und Effektivität von Trainingsmaßnahmen
zu gewährleisten.
Standardgruppe 7b:
Der Trainer setzt sich mit den Strukturen und der Organi-
Standard 7: Nachhaltigkeit sation einer Schule auseinander und kennt wichtige Krite-
rien und Ansatzpunkte in der Schulentwicklung, der Un-
terrichtsentwicklung sowie der Lehrerfortbildung, die
eine Nachhaltigkeit der interkulturellen Kompetenz för-
dern.
Standardgruppe 7c:
Der Trainer weist den Auftraggeber auf wichtige Faktoren
der Nachhaltigkeit hin, gibt Impulse zur Weiterentwick-
lung und Einbindung interkulturellen Lernens und steht
bei Bedarf beratend zur Seite.
Abbildung 15: Standard 7: Nachhaltigkeit (eigene Darstellung)
Ausgehend von den in Kapitel 1.1 beschriebenen gesellschaftlichen Ereignissen, die zu einer
steigenden Diversität der Gesellschaft führen und somit im wesentlichen Maße Einfluss auf die
Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern haben (Kapitel 1.2), ergibt sich die Not-
wendigkeit und die Verpflichtung des Bildungssystems – will es seinem allgemeinen Erzie-
hungsauftrag nachkommen – auf diese Vielfalt zu reagieren und die Schülerinnen und Schüler
in der konstruktiven Bewältigung ihrer privaten und beruflichen Lebenswelt zu unterstützen.
Zu dieser Bewältigung bedarf es interkultureller Kompetenz der Heranwachsenden, die jedoch
durch Versäumnisse der Politik in der allgemeinen Integrationsarbeit sowie in bildungspoliti-
schen Maßnahmen bisher nur ungenügend und unsystematisch geschult wird. Im Gegensatz
dazu stehen Unternehmen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt nur durch
eine interkulturell organisierte Organisation sowie vor allem durch interkulturell kompetente
Mitarbeiter erhalten konnten. Sie erkannten früh die Bedeutung von Weiterbildungsmaßnah-
men zur Schulung dieser Kompetenz und implementierten entsprechende Maßnahmen (Kapitel
1.3). Zu den am häufigsten eingesetzten Maßnahmen zählen dabei interkulturelle Trainings, die
aus vorher beschriebenen Gründen eine längere Tradition in der Unternehmenswelt haben. De-
ren Potential wurde in den letzten Jahren jedoch auch von Bildungseinrichtungen erkannt und
S e i t e | 98
Um die Lernziele mit größerer Wahrscheinlichkeit zu erfüllen, sowie eine Nachhaltigkeit dieser
zu erhöhen, bedarf es der Beachtung bestimmter Kriterien bei der Planung, Durchführung und
Evaluation von Trainingsmaßnahmen (Kapitel 4). Da bisher keine systematische Zusammen-
fassung dieser Kriterien besteht, mussten diese zunächst entwickelt und beschrieben werden.
Ansatzpunkte dazu finden sich in Theorien und empirischen Erkenntnissen verschiedener wis-
S e i t e | 99
senschaftlichen Disziplinen, die jedoch nur durch einen iterativen und reflektierten Forschungs-
prozess auf interkulturelle Trainings für Schülerinnen und Schüler übertragen werden konnten.
Dabei wurden innerhalb des Forschungsverlaufs Standards erfasst, die Antwort auf die Frage
geben, welche Merkmale interkulturelle Trainings für Schülerinnen und Schüler Beachtung fin-
den müssen. Aufgrund der Offenheit der Frage und des weitgehend unbekannten Forschungs-
gegenstandes wurde ein qualitatives Vorgehen innerhalb des Forschungsprozesses gewählt.
Zielführend erschien dabei ein Prozess, der sowohl bereits bestehende theoretische Erkennt-
nisse berücksichtigt als auch die, durch eigene Erhebungen erfassten Erfahrungen von sechs
Experten mit einbezieht (Kapitel 3). Die Expertenmeinungen dienten dabei als kontinuierlicher
Filter in der Auswahl relevanter Theorie und Empirie sowie zur Konkretisierung der daraus
gewonnen Erkenntnisse mit Hinblick auf die Erfordernisse der Zielgruppe (Schülerinnen und
Schüler). Am Ende dieses Forschungsprozesses konnten sieben zentrale Kategorien interkultu-
reller Trainings für Schülerinnen und Schüler festgestellt und ausdifferenziert beschrieben wer-
den (Kapitel 4; siehe auch Anhang S. 118ff.). Aus diesen Kernkategorien leiten sich unmittelbar
die Standards und dazu gehörige Standardkategorien ab, die den qualitativen Anspruch an das
Trainingspersonal bei der Beachtung dieser Kernkategorien beschreiben.
Im Folgenden erfolgt die Vorstellung der zentralen Ergebnisse und Zusammenhänge der Stan-
dards sowie eine Bewertung des Forschungsprozesses, um daraus Empfehlungen für die Wei-
terbearbeitung der Standards ableiten zu können.
Das Endergebnis dieser Arbeit stellen sieben Standarddimensionen mit dazugehörigen Stan-
dardkategorien dar. Diese Kategorien umfassen sowohl Persönlichkeitsmerkmale des Trai-
ningspersonals als auch spezifische Charakteristika des Trainings sowie deren Vor- und Nach-
bereitung. Diese umfassende Betrachtung ermöglicht ein ganzheitliches Standardkonzept zu
interkulturellen Trainings darzustellen und nicht nur isolierte Teile dieses Trainings zu betrach-
ten. Somit dient das Standardsystem einerseits der Konzeption von interkulturellen Trainings,
da sich Trainingsanbieter reflexiv mit den jeweiligen Dimensionen und Standardgruppen aus-
einandersetzen können, um daraus Konsequenzen für die Entwicklung ihrer Trainingsmaßnah-
men, aber auch ihrer eignen Kompetenz ableiten zu können. Andererseits bietet es den Auftrag-
nehmern von Trainingsmaßnahmen einen Orientierungsrahmen in der Auswahl von Anbietern.
S e i t e | 100
Durch diese breite Fächerung der Standards ergibt sich jedoch ein weiterer Forschungsbedarf
zur Präzisierung der einzelnen Punkte. Ausgehend von den bisherigen Merkmalen müssen Wir-
kungszusammenhänge zwischen diesen untersucht und dargestellt werden. So sollte eine Kon-
kretisierung der Methoden unter Bezugnahme auf die Lernziele und -inhalte vorgenommen
werden, um die Frage zu beantworten, welche Methoden sich für welches Lernziel und für
welchen Inhalt, am lernförderlichsten gestalten. Dies muss wiederum in bestimmte Kontexte
eingebettet werden, wie der zeitliche Rahmen des Trainings, die spezifischen Bedürfnisse der
Lerngruppe sowie die Kompetenz des Trainers. Endergebnis dieser näheren Auseinanderset-
zung der Interdependenzzusammenhänge der einzelnen Merkmale könnte ein Standardsystem
sein, dem verschiedenen Niveaustufen zugeordnet werden. Werden die Standards dabei wieder
durch die Perspektive der Anforderungen an das Trainingspersonal betrachtet, könnten die ein-
zelnen Punkte verschiedene Taxonomiestufen zugeordnet werden. Innerhalb der Expertendis-
kussionen wurde immer wieder ersichtlich, dass Standards nicht als ein absoluter Maßstab dar-
gestellt werden dürfen, welcher unbedingt und umfassend beachtet werden muss, um eine Wirk-
samkeit des Trainings zu erzielen. Es bestand jedoch Einigkeit darüber, dass mit vermehrter
Beachtung der Kriterien und den abgeleiteten Standards eine höhere Effektivität des Trainings
zu erzielen ist. Unterteilt man also die verschiedenen Merkmale in verschiedene Taxonomie-
stufen, ordnet sie also nach deren Komplexität, können dadurch Rückschlüsse auf Qualitätsun-
terschiede getroffen werden. Beispielhaft sei hier der oben genannte Zusammenhang zwischen
Lernzielen und Methoden aufgezeigt. Es stellt einen qualitativen Unterschied dar, ob der Trai-
ner lediglich weiß, dass ein Zusammenhang zwischen diesen besteht, ob er diesem Zusammen-
hang in einer gewohnten Trainingssituation und dessen Planung berücksichtigen kann oder ob
er gar in der Lage ist, eigenständig Zusammenhänge innerhalb ungewohnter Situationen abzu-
leiten, und daraus resultierend einen eigenen Handlungsplan zu entwickeln.
Weitere Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung dieser Standards sind Evaluationen zur Ef-
fektivität bei der Anwendung der Standards, um eine tatsächliche Wirksamkeit dieser nachzu-
weisen sowie weitere qualitative Erhebungen, die eine ausdifferenziertere Zielgruppenorientie-
rung ermöglichen. Dies wurde vor allem in den Diskussionsrunden zur Delphi-Befragung er-
sichtlich: Durch die Konzentration auf einzelne Punkte während der Diskussionen, ist eine dif-
ferenzierte und detaillierte Vorstellungen zu den meist eher abstrakten Begriffen entstanden.
Da innerhalb dieser Gruppendiskussionen jedoch nur die Punkte mit hoher Standardabwei-
chung behandelt wurden, muss ein tieferes Verständnis für die restlichen Punkte Im Zuge wei-
terer Diskussionen hergestellt werden.
S e i t e | 101
Die hier dargestellten Standards leisten einen Beitrag zur fundierten, sowie zielgruppengerech-
ten Konzeption und Auswahl von Trainingseinheiten und schließen so, zumindest teilweise, die
bisherige Lücke in wissenschaftlichen Abhandlungen zu diesen Standards. Es obliegt jedoch
dem Trainingsanbieter sowie dem Auftraggeber, diese Standards kritisch und reflexiv zu be-
trachten, um diese auf spezifische Situationen übertragen zu können. Weitere Forschungspro-
jekte können durch eine weitere Ausdifferenzierung dieser Standards diese Transferleistung
erleichtern.
S e i t e | 102
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S e i t e | 112
Anhang
Zu 1:
Zu 2:
o Personalentwicklung, Organisationsentwicklung
Welches Produkt soll genau erstellt werden? Wie gestalten sich die Trainings?
o Hilfe zur Auswahl und Klassifizierung bzw. Zertifizierung
o In Form eines Leitfadens (Reiseführers): „Wie wähle ich das richtige Training
aus?“
o Einigung auf: Hilfe zur Auswahl und Klassifizierung bzw. Zertifizierung
Zu 3:
Zu 4:
Entwicklungsprozess der Standards
Zu 5:
Formulierung einer ersten Gliederung
o In Anlehnung an die Qualitätsmerkmale für die interkulturelle Fort- und Weiterbildung
1. Rahmenbedingungen
2. Inhalte
3. Ziele
4. Methoden
5. Trainer
6. Evaluation
7. Nachhaltigkeit
Zu 6:
Zielvereinbarungen
S e i t e | 118
o Die Gliederung wird bis zum 03.03.2013 durch ein Umlaufverfahren weiter unterglie-
dert
o Die einzelnen Punkte sind gegebenenfalls mit Quellen zu belegen (auch Ausweis der
eigenen Meinung)
o Nächster Termin und Besprechung des weiteren Vorgehens am 06.03.2013 von 13:00
Uhr bis 14:30 Uhr im IPSN
Zu 1:
Gliederungspunkt ‚1‘
Der Punkt ‚1‘ enthält zunächst die Punkte ‚Standards‘, ‚Interkulturell‘ und ‚Training‘
und wird gegebenenfalls im Laufe der Arbeit um andere Punkte ergänzt wie zum Bei-
spiel ‚interkulturelle Kompetenz‘.
Gliederungspunkt ‚2‘
Zu 2:
Zu 1:
Der Gliederungspunkt ‚2 ‚wurde diskutiert und es erfolgte eine Zu- und Umordnung
von Ober- und Unterpunkten (siehe Gliederung)
In Frage steht der Punkt ‚3.2 Kultur / soziale Milleus / Diversity‘
o Der Begriff ‚soziale Milleus‘ hat unter Umständen eine negative Konnotation.
o Der Begriff ‚soziale Milleus‘ soll nicht als einziger Überpunkt mit dem Begriff
Kultur stehen.
o Der Begriff ‚Diversity‘ wird auch von kommerzieller Seite gebraucht und kann
somit die Wissenschaftlichkeit der Arbeit in Frage stellen.
o Der Begriff ‚Intersektionalität‘ wurde diskutiert, greift aber unter Umständen zu
kurz, da hier hauptsächlich die Begriffe ‚race, gender & class‘ verstanden wer-
den.
o Eine endgültige Formulierung wurde noch nicht festgelegt.
Der Punkt ‚Menschenbild‘ wird zwar in vielen Seminaren thematisiert, jedoch nicht
explizit erwähnt und wird deshalb auch nicht gesondert in der Gliederung aufgeführt.
Zu 2:
S e i t e | 120
Zu 1:
Zu 2:
Zu 3:
Vereinbarungen zum nächsten Treffen
Herwig schickt eine Liste mit essentiellen Bestandteilen der interkulturellen Kom-
petenz an Helen. Die Liste wird dann in die drei Ebenen ‚Verhalten‘, ‚Wissen‘ und
‚Einstellungen‘ unterteilt. Des Weiteren wird die Liste mit Erkenntnissen aus der
wissenschaftlichen Literatur weiter konkretisiert und ggf. erweitert.
Das nächste Treffen findet am 29.05.2013 von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr im PI statt
S e i t e | 122
Standardgruppe 1a:
Der Trainer berücksichtigt die allgemeinen Interessen
und Ziele des Auftraggebers sowie die Besonderheiten
der Organisation durch eine detaillierte Auftraggeberana-
lyse.
Standardgruppe 1b:
Der Trainer informiert sich innerhalb der Auftragsklä-
rung über konkrete Erwartungen & Ziele des Auftragge-
bers sowie über den Anlass, den Kontext, die Organisati-
onsanbindung und die Realisierbarkeit der Trainings-
Standard 1: Vorberei-
maßnahme.
tung Standardgruppe 1c:
Der Trainer informiert sich über spezifische Gruppenfak-
toren der Trainingsteilnehmer um dadurch Ziele, Inhalte
und Methoden den Anforderungen und Bedürfnissen der
Teilnehmer anzupassen.
Standardgruppe 1d:
Der Trainer klärt räumliche, zeitliche und logistische Vo-
raussetzungen des Trainings, um einen reibungslosen
Trainingsablauf zu gewährleisten.
Standardgruppe 2a:
Der Trainer erkennt den Erwerb interkultureller Kompe-
tenz als einen fortwährenden Prozess an, der von indivi-
duellen Faktoren, sowie der Umwelt, die durch gesell-
schaftliche Ereignisse und verschiedene Kontexte ge-
prägt ist, an.
Standardgruppe 2b:
Der Trainer entwickelt sein eigenes Verständnis interkul-
Standard 2: Ziele tureller Kompetenz von Schülerinnen und Schülern, lei-
tet daraus seine Lernziele ab und reflektiert die dazu ge-
hörigen Teilkompetenzen vor dem Hintergrund der je-
weiligen Anforderungen einer spezifischen Trainings-
maßnahme.
Standardgruppe 2c:
Der Trainer setzt je nach Kontext, der spezifischen Auf-
gabe und der allgemeinen Themenstellung einer Trai-
ningsmaßnahme unterschiedliche Schwerpunkte in den
Lernzielen und definiert diese für jede Auftragssituation
neu.
Standard 3: Inhalte Standardgruppe 3a:
Der Trainer plant die Inhalte in Abhängigkeit von den
Lernzielen des Trainings sowie den Erwartungen des
Auftraggebers, den spezifischen Gruppenfaktoren sowie
den räumlichen, zeitlichen und logistischen Vorausset-
zungen.
Standardgruppe 3b:
S e i t e | 123
Standardgruppe 4a:
Der Trainer wählt die Methoden abhängig von den zuvor
definierten Lernzielen und Inhalten des Trainings aus.
Standardgruppe 4b:
Der Trainer plant und novelliert die Methoden unter Be-
achtung der Bedürfnisse der Zielgruppe sowie dem zeitli-
chen Rahmen des Trainings.
Standardgruppe 4c:
Der Trainer besitzt einen Fundus verschiedener erfah-
Standard 4: Methoden rungsorientierter und didaktischer Methoden, kennt de-
ren Wirkungsweise und setzt diese als Methodenmix in-
nerhalb eines Trainings ein, um verschiedene Sinneska-
näle anzusprechen und die Aufmerksamkeit der Beteilig-
ten sicherzustellen.
Standardgruppe 4d:
Der Trainer setzt gezielt Methoden ein, die die kognitive,
affektive und behaviorale Ebene ansprechen. Darüber
hinaus bedient er sich solcher Methoden, die eine ver-
trauensvolle Atmosphäre innerhalb der Lerngruppe
schaffen und diese zur Selbstreflexion anregt.
Standardgruppe 5a:
Der Trainer besitzt die für interkulturelle Trainings rele-
vante Fach-, Sozial-, Methoden- und Persönlichkeits-
/Selbstkompetenz und unterzieht diese Kompetenzen ei-
ner permanenten Reflexion um sie an die Erfordernisse
der Trainingsmaßnahme anzupassen.
Standardgruppe 5b:
Der Trainer besitzt relevante interkulturelle Erfahrungen,
die es ihm ermöglichen, die Lebenswirklichkeit der Teil-
nehmer zu antizipieren und im Training aufzufangen.
Standardgruppe 5c:
Der Trainer besitzt pädagogische Fähigkeiten um lern-
Standard 5: Trainer förderliche Handlungssituationen zu schaffen sowie spe-
zifische, interkulturell-didaktische Kompetenzen, die das
Arbeiten mit interkulturellen Lernmethoden und multi-
kulturellen Gruppen ermöglichen.
Standardgruppe 5d:
Der Trainer besitzt Fähigkeiten und Fertigkeiten (Soft
Skills), die es ihm ermöglichen, seine eigenen Stimmun-
gen, Gemütszustände, Einstellungen, Werte und Normen
S e i t e | 124
Kultu-
Ent- Kenntniss der ei- Emoti- relle
Offenheit/ de- Ambi- Selbst- Selbstbe- genen Stärken, onale Selbs-
Unvoreinge- cker- guitäts- sicher- wusst- Schwächen und Stabi- trefle-
Item Respekt nommenheit Neugier geist toleranz heit sein Bedürfnisse lität xion
Ex-
perte
1 3 5 3 0 3 2 2 3 3 5
Ex-
perte
2 5 5 3 4 5 5 5 5 4 5
Ex-
perte
3 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Ex-
perte
4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Mit-
tel-
wert 4,5 5 4 3,5 4,5 4,25 4,25 4,5 4,25 5
Std 0,86 0 1 2,06 0,86 1,29 1,29 0,86 0,82 0
Reflexion Vorurteilen & Stereotype gegenüber Kultur-ver- Interkulturelles Hinter- Länderspezifische Kenntnisse eigenen Soziolinguistisches Be- Zu-hö- Be- Inter-pre-
anderen Kulturen ständnis grundwissen Kenntnisse Kultur wusstsein ren obachten tieren
5 2 3 1 2 3 4 4 1
5 5 4 3 4 3 5 4 3
5 5 5 3 5 4 5 5 4
5 5 5 3 5 5 5 5 5
5 4,25 4,25 2,5 4 3,75 4,75 4,5 3,25
0 1,29 0,82 0,86 1,22 0,82 0,43 0,5 1,47
Analy- Bewer- Zuor- Verlagerung des Refe- Anpassungs- Flexi- Perspektiven- Relativierung der ethno- Empa- Effektive und angemessene Effektives und angemesse-
sieren ten dnen renzsystems fähigkeit bilität wechsel zentrischen Sicht thie Kommunikation nes Verhalten
2 0 1 0 4 3 5 5 3 3 5
S e i t e | 126
3 1 2 3 4 4 5 5 5 3 5
4 4 4 4 5 5 5 5 5 5 k.A.
5 5 5 k.A. 5 5 k.A. k.A. 5 5 k.A.
3,5 2,5 3 2,33 4,5 4,25 5 5 4,5 4 5
1,11 2,06 1,58 1,69 0,5 0,82 0 0 0,86 1 0
5 4,25 4,5
0,00 0,83 0,87
Interkulturelle Pädagogische
Item Fachkompetenz Selbstkompetenz Methodenkompetenz Sozialkompetenz Erfahgrungen Fertigkeiten Empathie Selbstwahrnehmung
Experte 1 5 5 5 5 3 2 5 3
Experte 2 5 5 5 5 5 5 5 5
Experte 3 5 5 5 5 5 5 5 5
Experte 4 5 5 5 5 5 5 5 5
Mittelwert 5 5 5 5 4,5 4,25 5 4,5
Std 0,00 0,00 0,00 0,00 0,87 1,30 0,00 0,87
Evaluation der Teilneh- Evaluation kurzfristiger Evaluation der Trans- Evaluation organisatio-
merzufriedenheit Lernresultate ferleistung naler Effekte Objektivität der Evaluation Reliabilität der Evaluation Validität der Evaluation
3 2 4 2 1 1 1
5 3 4 3 4 3 3
5 4 5 4 5 4 4
5 5 5 4 5 5 5
4,5 3,5 4,5 3,25 3,75 3,25 3,25
0,87 1,12 0,50 0,83 1,64 1,48 1,48
Experte 2 5 5 5 5 4 4
Experte 3 5 5 5 5 5 5
Experte 4 5 5 5 5 5 5
Mittelwert 5 5 5 5 3,75 4
Std 0,00 0,00 0,00 0,00 1,64 1,22
S e i t e | 130
Transkript (T) I
EI Die einzelnen Begrifflichkeiten innerhalb des Kompetenzmodells haben unter- Interkulturelle Kompetenz Modell
schiedliche Interpretationen abhängig von der Zielgruppe. Somit kann auch das
Endziel unterschiedlich ausfallen.
E II In einem interkultuellen Training kann immer nur ein Prozess angestoßen wer- Interkulturelle Kompetenz Modell
den und häufig nur eine Wirkung innerhalb eines Teilbereiches des Kompe-
tenzmodells erzielt werden. Interkulturelle Kompetenz ist demnach nichts was
man abschließend erworben hat sondern stellt sich als Prozess dar der immer
wieder angestoßen und geprüft werden muss weil sich die das Drumrum ver-
ändert und ich mich selbst verändere in meiner Realität. Was nützt es mir zum
Beispiel wenn eine Schülerin schon relativ weit war und dann hat sie ihre Aus-
bildung abgeschlossen und kommt somit in einen neuen Kontext und alles ist
weg. Ein Training kann also nur daran gemessen werden, ob irgendetwas in-
nerhalb der Komponenten bewegt werden konnte.
EIII Jeder Trainer muss für sich von selbst klarmachen von welchem Konstrukt der Interkulturelle Kompetenz Trainer
interkulturellen Kompetenz er ausgeht.
EI Er muss sich über die interkulturelle Kompetenz im Klaren sein. Interkulturelle Kompetenz Trainer
E II Interkulturelle Kompetenz ist prinzipiell angemessenes Reagieren was dann Interkulturelle Kompetenz Wirkung
weiter runtergebrochen werden muss.
Transkript (T) II
EI Auch ein Mindeststandard hängt vom Thema ab. Das ist so breit gefächert Allgemein
dieses Thema, das es schwer fällt. Sollen Leute nur über Kultur sensibilisiert
werden oder geht’s um Mobbing oder verdeckten, sekundären Antisemitis-
mus das sind ganz unterschiedliche Bereiche, die von der Aufgabe und The-
menstellung des Seminars mit abhängen.
EI Mir kommt das etwas so vor wie ein rumgestochere im Nebel vor. Weil vieles Allgemein
so vielschichtig ist. Ich kann nichts Handfestes im Moment dazu sagen. Ich
kann das nicht so festlegen.
E II Und es sind je nach Kontext unterschiedliche Schwerpunkte sind Allgemein
EI Und man kann noch eine Stufe höher gehen und Frage was sind insgesamt Allgemein
meine Ziele dann bin ich sofort im philosophischen und im Wertebereich. Ist
es Verständigung der kulturen Untereinander oder die Schaffung einer Eman-
zipation des Ichs, dass er alle kulturellen Einflüsse kritisch hinterfragt und
man seinen eigenen Weg findet. Ich hab zwar meine Meinung, diese Eman-
zipation des ichs ist für mich wichtig, ich würde das aber nie jemand an-
ders…das ist für mich genauso ok.
E III Was bedeutet denn Standard: wenn man jetzt freie Zeit und freie Hand hätte, Allgemein
würde man es mit ansprechen oder nicht.
EI Da habe ich eine ganz andere Auffassung dazu. Der Grundstein für mich ist Ziele Empathie
zum Beispiel Empathie. Das ist die Grundlage für mich.
EI Ich kann die Situation interkulturell nicht verstehen wenn ich das Phänomen Inhalte Geschichte der Mig-
Migration nicht verstehe und zwar durch die Geschichte, auch die moderne rationsbewegung
Geschichte. Wenn ich das nicht verstehe, die Zusammenhänge ich würde so-
gar noch weitergehen wie die polit-ökonomischen Zusammenhänge dann Be-
greif ich nicht was da los ist.
E III Ich finde das so wichtig. Denn die Jugendlichen haben das zum Beispiel gar Inhalte Geschichte der Mig-
nicht mitbekommen mit den Gastarbeitern. „Warum sind so viele Türken in rationsbewegung
Deutschland?“ und das kannst du in fünf Minuten behandeln. Es gibt einen
wunderschönen Film darüber von den Gastarbeitern in der Türkei die dann
in den Unterhosen dastehen und ihren Mund zeigen müssen. Die wurden ge-
holt, ganz gezielt und wenn sie das sehen dann denk ich mir dann tuts auch
was. Das find ich total wichtig auch wenns nur fünf-Minuten Filme sind.
S e i t e | 133
EI Und warum man damals Arbeitskräfte gesucht hat oder wie du gesagt hast Inhalte Geschichte der Mig-
muskulöse oder gesunde und heutzutage das mega out ist, sondern nach Fach- rationsbewegung
kräften sucht also ganz anderen Qualifikationen. Also ich finde solche Ge-
schichten müssen unbedingt behandelt werden als Standard. Da muss ein
Verständnis sein über Zusammenhänge was hat unsere Wirtschaftspolitik da-
mit zu tun dass jetzt plötzlich hunderttausend von Afrikanern nach Europa
wollen.
E III Aber ist das dann nicht das gleiche wie das Bewusstsein eigene kulturelle Ziel Interkulturelle Identi-
Identität? Das deckt sich dann wieder. tät
E II Kulturelle Identität ist schon wieder so stark. Da müsste man dann Identität Ziel Interkulturelle Identi-
und Orientierungsrahmen oder so weil Identität tät
E IV Interpretieren, dafür muss man eine Sensibilität dafür entwickeln wann ich Ziel Interpretieren
interpretiere. Besser ist es eigentlich im Umgang mit jemanden erstmal nicht
zu interpretieren sondern Nachzufragen. Wenn man das so versteht dann ist
es nicht wichtig über Interpretation und interpretieren zu beschäftigen. Man
sollte eine Sensibilisierung zum Interpretierung vornehmen.
E III Interpretieren von was, analysieren von was, bewerten von was? Ziel Interpretieren
E II Und in welcher Weise. Natürlich ist es ein Unterschied wenn ich interpretiere Ziel Interpretieren
wenn mir schon bewusst ist dass ich interpretiere. Also wenn ich vorher
schon die Sensibilisierung hatte oder ob ich interpretiere ohne es zu merken.
[Zur Albatross Übung] Man lernt erstmal was hab ich überhaupt beobachtet
und dann bevor man interpretier oder bewertet nachfragt; bevor man dieses
Beobachtete in eigene Systeme so einsortiert so dass es bewertet wird.
E II Nochmal: klar ist es wichtig dass Leute interpretieren aber viel wichtiger ist Ziele Interpretieren
es dass sie kapieren wie sie interpretieren. Weil interpretieren tun se alle, in-
terpretieren tuen auch rassisten.
E IV Da scheiden wir uns. Gewaltfreie Kommunikation das A und O ist der Un- Ziele Interpretieren und
terschied zwischen Interpretieren und Beobachten. Wenn ich das zeitlich Beobachten
schaffe beende ich meine Seminare immer da bin.
EI Lernziel für mich können die Punkte nicht sein. Die sind selbstverständlich Ziele Interpretieren, Ana-
für mich. Natürlich sind sie auch dabei aber das wäre jetzt nicht spezifisch lysieren, Bewerten
S e i t e | 134
für mich für interkulturelles Training sondern das ist allgemein für mich
wenn ich sage was für Fähigkeiten soll ich haben.
E II Man sollte lieber den Unterschied zwischen Interpretieren, Beobachten und Ziel Interpretieren, Be-
Bewerten rausstellen. obachten und Bewer-
ten
E II Kenntnisse betreffend der eigenen Kultur würde bedeuten dass es da etwas Ziele Kenntnisse über die
zu Wissen gibt was man dann wieder abfragen kann und das würde meinem eigene Kultur
Kulturverständniss schon widersprechen. Das müsste eigentlich heißen Re-
flexion über die eigene kulturelle Identität und dann würde das beinhalten ich
hab eine kulturelle Identität als Frau, eine als politisch Linke, eine als was
auch immer.
E III Kenntnisse betreffend der eigenen Kultur. Was meint das jetzt. Heißt das jetzt Ziele Kenntnisse über die
ich muss die zehn wichtigsten deutschen Dichter wissen? Also was meint eigene Kultur
jetzt hier wiederum der Begriff Kultur? Meine Kultur als Individuum oder
als Nationalkultur?
EI Das impliziert natürlich schon wieder als hätten wir eine eigene Nationalkul- Ziele Kenntnisse über die
tur. eigene Kultur
E II Ich würde eigentlich eher sagen Dekonstruktion von Nationalkultur. Wenn Ziele Kenntnisse über die
es um die eigene Kultur geht dann muss man sagen Bewusstsein. Das geht eigene Kultur
nicht dass wir immer noch Kenntniss über eigene Kultur sagen.
E II Es wäre eher kontraproduktiv Kenntnisse über eine Nationalkultur zu vermit- Ziele Kenntnisse über die
teln. eigene Kultur
E II Wie will man in einem interkulturellen Training ein umfassendes Kulturver- Ziele Kulturverständnis
ständis vermitteln. Wir in der Gruppe verstehen alle was anderes unter Kul-
tur. Das ist ein ganz verrückter Anspruch das da drin zu haben. Es hängt auch
davon ab mit welchem Kulturverständnis der Traininer in das Setting geht.
Man muss auch davon weg was die Schulen gerade möchten. Die wollen mal
die andere Kultur verstehen die sich am Land und an der Kultur fest. Dieser
Kulturbegriff ist die ganz ganz stark religiös und national geprägt
E III Das habe ich darunter verstanden. Weg von diesem nationalen und religiösen Ziele Kulturverständnis
verständnis.
EI Ich würde wieder schreiben Reflexion über den Kulturbegriff. Einfach mal Ziele Kulturverständnis
Sicherheiten die er hat in Frage zu stellen. Ich bin auch der letzte der jeman-
S e i t e | 135
den vorschreibt was er für ein Verständnis haben soll. Einfach darüber nach-
denken dass so ein bestimmtes Kulturverständnis einfach nicht funktioniert.
Jeder soll sich da seine Gedanken drüber machen. Wenn ich über Kultur rede
sage ich nicht was ist Kultur sondern ich sage was ist Kultur nicht. Es ist
nicht Deckungsgleich mit Nationalität und Ethnie, es ist nicht starr sondern
fließend und dynamisch.
E III In einem interkulturellen Training erstmal aufzuzeigen was Kultur nicht ist. Ziele Kulturverständnis
Das Lernziel ist die Schaffung eines Kulturverständnisses in der Art das man
aufzeigt was Kultur nicht ist.
E III Wenn ich über Medien denke ist mir das bei Jugendlichen total wichtig. Dar- Inhalte Medien
über kommunizieren die total darüber werden die total beeinflusst vielleicht
noch stärker als Erwachsene.
E II Ich hatte ein Schlüsselerlebnis mit meinem Sohn der eigentlich im Gymna- Inhalte Rechtliche Grundla-
sium ist in der elften Klasse und der mir erzählt dass andere Schüler sagen gen und Integrations-
„naja die können schon alle kommen wenn sie dann hier was arbeiten und politik
selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen“ und mein Sohn war empört […] und
dann hat sich herausgestellt die Wissen zum Teil überhaupt nicht welch de
Voraussetzungen ich erstmal erfüllen muss dass ich hier was arbeiten darf.
Also das wissen die nicht, das hat denen niemanden beigebracht und die ha-
ben eine Menge Sozialkunde und dann denk ich das ändert auch ganz viel in
den Köpfen wenn man denen klar macht die würden ja gerne, die dürfen
nicht. Die nicht mal eine Ausbildung anfangen deshalb finde ich ein paar so
Fakten sind glaub ich ganz ganz wichtig dass man die den Jugendlichen mit-
teilt was das erst den Blick dafür öffnet dass die Migranten/innen ja nicht
selber Schuld sind. Weil ganz oft fällt „die sind ja selber Schuld, die könnten
ja“. Das ist denen ganz oft nicht bewusst auf welche Widerstände die stoßen
und wie sie gedrängt werden in diese Ecke naja gut dann bleiben wir halt
unter uns und kümmern uns um uns selbst. Also diese Zusammenhänge die
müssen klar sein.
E IV Es muss ja kein Vortrag sein über die rechtlichen Bedingungen. Es kann ja Inhalte Rechtliche Grundla-
eine Übung sein wie zum Beispiel „in der Mitte des Lebens“. gen und Integrations-
politik
S e i t e | 136
EI ich meine dadurch dass wir unterschiedliche rechtliche Grundlagen für ver- Inhalte Rechtliche Grundla-
schiedene Bevölkerungsgruppen ist eine potentielle gesellschaftliche oder gen und Integrations-
strukturelle Diskriminierung eingerechnet. Wenn ich eigene Gesetze hab für politik
deutschen Staatsbürger und nicht-deutsche Staatsbürger oder für Flüchtlings-
status und dann noch völlig komplizierte Geschichten wo nur eingeweihte
Durchblicken. Solche Sachen sind wichtig natürlich ohne die verstehe ich das
nicht. Ob ich die jetzt in jedem Seminar machen muss natürlich nicht aber
prinzipiell ist es natürlich schon sehr wichtig sowas zu verstehen.
EI Das hängt auch wieder ab vom Seminar. In München muss ich über Integra- Inhalte Rechtliche Grundla-
tionspolitik bescheid wissen. Mündiger Bürger ist ja so ein Schlagwort zu gen und Integrations-
sagen dieser selbstbewusste aufgeklärte Bürger der sich einmischt und mit- politik, Mündiger
macht in der Zivilgesellschaft. Dann muss ich auch über Integrationspolitik Bürger
sprechen.
E III Ich habe unter mündiger Bürger auch verstanden, dass ich weiß wo ich mich Inhalte Rechtliche Grundla-
informieren kann. Zum Beispiel über diese Geschichten. Oder wie ich meine gen und Integrations-
Rechte geltend machen kann. Das heißt für mich nicht dass ich in einem politik, Mündiger
Workshop mit Jugendlichen, die ja jetzt zu unserer Zielgruppe gehören, die Bürger
mit Integrationspolitikfakten bombardieren muss.
EI Ich kann bestimmte Probleme auch Verändern ohne das Referenzsystem zu Ziel Referenzrahmen
ändern. Bestimmte Sachen kann man auch einfach lernen (Negerkuss ist ras-
sistisch). So einfach ist es einfahc nicht dass ich das in ein Training reinpa-
cken kann. Mangelndes Wissen, manche Sensibilität, mangelndes Wissen,
das kann viele Ursachen haben. Was mein ich denn mit Referenzsytem? Re-
ligiös, eine Gruppe, eine Stadt, das ganze Land.
E II Sind nicht die ersten fünf Sachen die da stehen (Entdeckergeist, Interpretie- Ziel Referenzsystem
ren, Analysieren, Bewerten, Zuordnen) letztlich Werkzeuge um zu einer
Verlagerung des Referenzsystems zu kommen? Ich habe das Gefühl das
kommt in einer bestimmten Reihenfolge.
Wenn ich über Dinge wie Interpretieren oder Bewerten rede dann sind die in
einem Interkulturellen Training nur dann sinnvoll wenn die auf nem geän-
derten Referenzrahmen interpretiert und bewertete werden. Oder wenn sie
nach nem anfänglichen umfassenderen Verständnis. Weil analysieren und in-
terpretieren tun die Leute die ganze Zeit auch wenn sie sich in völlig nicht-
interkulturellen Zusammenhängen bewegen. Interpretieren an sich ist nicht
S e i t e | 137
der Wert sondern dieses richtig interpretieren. Wobei ich nicht mit richtig
und falsch argumentieren will aber eigentlich ist doch das das Ziel oder? Das
ich meine Bewertung und Zuordnungen und Interpretationen auf nem geän-
derten Referenzsystem oder auf nem erweiterten zumindest ansiedeln kann
auf so nem Training.
EI Halt ich für problematisch find ich . Schön wäre das aber ich sag mal ein Ziel Referenzsystem
Beispiel….Ich brauche nicht unbedingt eine Verlagerung des Referenzsys-
tems bei Themen wie Rassismus.
E IV Referenzsystem kann auch auf Intersektionalität hinweisen. Das kann man Ziel Referenzsystem
natürlich nicht mit einem interkulturellen Training ändern. Das wäre gewagt,
das in 1,5 Tagen zu verändern
E II Wäre das Referenzsystem ein bisschen zusammengefasst wenn man sensibi- Ziel Referenzsystem
lisiert für die Wirksamkeit von unterschiedlichen Referenzsystemen und
diese bewusst macht. Denn ich glaube das ist der allererste Schritt denn viele
Leute wissen nicht, dass ich ein Referenzsystem habe. Selbst wenn sie sich
dessen bewusst sind kriegen sie immer wieder Punkte wo sie denken hoppla
da hängt mein eigenes also letztlichist das ganz viel Selbstreflexion was da
drin steckt
E III Für dich geht Referenzsystem auf Hinblick auf Handlungsleiten, oder? Es ist Ziel Referenzsystem
also auch Handlungsstimmend.
E II Identität ist was das tiefer geht als ein Referenzsystem für mich Ziel Referenzsystem
E II Dass es uns letztlich darum geht das eigene Referenzsystem zu öffnen und Ziele Referenzsystem
die Referenzsysteme anderen anzuerkennen. Also das man das dann noch mit
praktischeren Dingen füllt.
EIV Wollen wir nicht einfach das Bewusstsein dafür schaffen dass ich überhaupt Ziele Referenzsystem
ein Referenzsystem habe?
EI Dann kann man auch einfach Selbstreflexion sagen. Das muss ich dann wie- Ziele Selbstreflexion
der aufdröseln. Wenn ich mich nicht selbst reflektiere scheitere ich.
Experte (E) Text Code Untercode
EI Auch ein Mindeststandard hängt vom Thema ab. Das ist so breit gefächert Allgemein
dieses Thema, das es schwer fällt. Sollen Leute nur über Kultur sensibilisiert
werden oder geht’s um Mobbing oder verdeckten, sekundären Antisemitis-
mus das sind ganz unterschiedliche Bereiche, die von der Aufgabe und The-
menstellung des Seminars mit abhängen.
S e i t e | 138
EI Mir kommt das etwas so vor wie ein rumgestochere im Nebel vor. Weil vieles Allgemein
so vielschichtig ist. Ich kann nichts Handfestes im Moment dazu sagen. Ich
kann das nicht so festlegen.
E II Und es sind je nach Kontext unterschiedliche Schwerpunkte sind Allgemein
EI Und man kann noch eine Stufe höher gehen und Frage was sind insgesamt Allgemein
meine Ziele dann bin ich sofort im philosophischen und im Wertebereich. Ist
es Verständigung der kulturen Untereinander oder die Schaffung einer Eman-
zipation des Ichs, dass er alle kulturellen Einflüsse kritisch hinterfragt und
man seinen eigenen Weg findet. Ich hab zwar meine Meinung, diese Eman-
zipation des ichs ist für mich wichtig, ich würde das aber nie jemand an-
ders…das ist für mich genauso ok.
EI Da habe ich eine ganz andere Auffassung dazu. Der Grundstein für mich ist Ziele Empathie
zum Beispiel Empathie. Das ist die Grundlage für mich.
E III Aber ist das dann nicht das gleiche wie das Bewusstsein eigene kulturelle Ziel Interkulturelle Identi-
Identität? Das deckt sich dann wieder. tät
E II Kulturelle Identität ist schon wieder so stark. Da müsste man dann Identität Ziel Interkulturelle Identi-
und Orientierungsrahmen oder so weil Identität tät
E IV Interpretieren, dafür muss man eine Sensibilität dafür entwickeln wann ich Ziel Interpretieren
interpretiere. Besser ist es eigentlich im Umgang mit jemanden erstmal nicht
zu interpretieren sondern Nachzufragen. Wenn man das so versteht dann ist
es nicht wichtig über Interpretation und interpretieren zu beschäftigen. Man
sollte eine Sensibilisierung zum Interpretierung vornehmen.
E III Interpretieren von was, analysieren von was, bewerten von was? Ziel Interpretieren
E II Und in welcher Weise. Natürlich ist es ein Unterschied wenn ich interpretiere Ziel Interpretieren
wenn mir schon bewusst ist dass ich interpretiere. Also wenn ich vorher
schon die Sensibilisierung hatte oder ob ich interpretiere ohne es zu merken.
[Zur Albatross Übung] Man lernt erstmal was hab ich überhaupt beobachtet
und dann bevor man interpretier oder bewertet nachfragt; bevor man dieses
Beobachtete in eigene Systeme so einsortiert so dass es bewertet wird.
E II Nochmal: klar ist es wichtig dass Leute interpretieren aber viel wichtiger ist Ziele Interpretieren
es dass sie kapieren wie sie interpretieren. Weil interpretieren tun se alle, in-
terpretieren tuen auch rassisten.
S e i t e | 139
E IV Da scheiden wir uns. Gewaltfreie Kommunikation das A und O ist der Un- Ziele Interpretieren und
terschied zwischen Interpretieren und Beobachten. Wenn ich das zeitlich Beobachten
schaffe beende ich meine Seminare immer da bin.
EI Lernziel für mich können die Punkte nicht sein. Die sind selbstverständlich Ziele Interpretieren, Ana-
für mich. Natürlich sind sie auch dabei aber das wäre jetzt nicht spezifisch lysieren, Bewerten
für mich für interkulturelles Training sondern das ist allgemein für mich
wenn ich sage was für Fähigkeiten soll ich haben.
E II Man sollte lieber den Unterschied zwischen Interpretieren, Beobachten und Ziel Interpretieren, Be-
Bewerten rausstellen. obachten und Bewer-
ten
E II Kenntnisse betreffend der eigenen Kultur würde bedeuten dass es da etwas Ziele Kenntnisse über die
zu Wissen gibt was man dann wieder abfragen kann und das würde meinem eigene Kultur
Kulturverständniss schon widersprechen. Das müsste eigentlich heißen Re-
flexion über die eigene kulturelle Identität und dann würde das beinhalten ich
hab eine kulturelle Identität als Frau, eine als politisch Linke, eine als was
auch immer.
E III Kenntnisse betreffend der eigenen Kultur. Was meint das jetzt. Heißt das jetzt Ziele Kenntnisse über die
ich muss die zehn wichtigsten deutschen Dichter wissen? Also was meint eigene Kultur
jetzt hier wiederum der Begriff Kultur? Meine Kultur als Individuum oder
als Nationalkultur?
EI Das impliziert natürlich schon wieder als hätten wir eine eigene Nationalkul- Ziele Kenntnisse über die
tur. eigene Kultur
E II Ich würde eigentlich eher sagen Dekonstruktion von Nationalkultur. Wenn Ziele Kenntnisse über die
es um die eigene Kultur geht dann muss man sagen Bewusstsein. Das geht eigene Kultur
nicht dass wir immer noch Kenntniss über eigene Kultur sagen.
E II Es wäre eher kontraproduktiv Kenntnisse über eine Nationalkultur zu vermit- Ziele Kenntnisse über die
teln. eigene Kultur
E II Wie will man in einem interkulturellen Training ein umfassendes Kulturver- Ziele Kulturverständnis
ständis vermitteln. Wir in der Gruppe verstehen alle was anderes unter Kul-
tur. Das ist ein ganz verrückter Anspruch das da drin zu haben. Es hängt auch
davon ab mit welchem Kulturverständnis der Traininer in das Setting geht.
Man muss auch davon weg was die Schulen gerade möchten. Die wollen mal
die andere Kultur verstehen die sich am Land und an der Kultur fest. Dieser
Kulturbegriff ist die ganz ganz stark religiös und national geprägt
S e i t e | 140
E III Das habe ich darunter verstanden. Weg von diesem nationalen und religiösen Ziele Kulturverständnis
verständnis.
EI Ich würde wieder schreiben Reflexion über den Kulturbegriff. Einfach mal Ziele Kulturverständnis
Sicherheiten die er hat in Frage zu stellen. Ich bin auch der letzte der jeman-
den vorschreibt was er für ein Verständnis haben soll. Einfach darüber nach-
denken dass so ein bestimmtes Kulturverständnis einfach nicht funktioniert.
Jeder soll sich da seine Gedanken drüber machen. Wenn ich über Kultur rede
sage ich nicht was ist Kultur sondern ich sage was ist Kultur nicht. Es ist
nicht Deckungsgleich mit Nationalität und Ethnie, es ist nicht starr sondern
fließend und dynamisch.
E III In einem interkulturellen Training erstmal aufzuzeigen was Kultur nicht ist. Ziele Kulturverständnis
Das Lernziel ist die Schaffung eines Kulturverständnisses in der Art das man
aufzeigt was Kultur nicht ist.
EI Ich kann bestimmte Probleme auch Verändern ohne das Referenzsystem zu Ziel Referenzrahmen
ändern. Bestimmte Sachen kann man auch einfach lernen (Negerkuss ist ras-
sistisch). So einfach ist es einfahc nicht dass ich das in ein Training reinpa-
cken kann. Mangelndes Wissen, manche Sensibilität, mangelndes Wissen,
das kann viele Ursachen haben. Was mein ich denn mit Referenzsytem? Re-
ligiös, eine Gruppe, eine Stadt, das ganze Land.
E II Sind nicht die ersten fünf Sachen die da stehen (Entdeckergeist, Interpretie- Ziel Referenzsystem
ren, Analysieren, Bewerten, Zuordnen) letztlich Werkzeuge um zu einer
Verlagerung des Referenzsystems zu kommen? Ich habe das Gefühl das
kommt in einer bestimmten Reihenfolge.
Wenn ich über Dinge wie Interpretieren oder Bewerten rede dann sind die in
einem Interkulturellen Training nur dann sinnvoll wenn die auf nem geän-
derten Referenzrahmen interpretiert und bewertete werden. Oder wenn sie
nach nem anfänglichen umfassenderen Verständnis. Weil analysieren und in-
terpretieren tun die Leute die ganze Zeit auch wenn sie sich in völlig nicht-
interkulturellen Zusammenhängen bewegen. Interpretieren an sich ist nicht
der Wert sondern dieses richtig interpretieren. Wobei ich nicht mit richtig
und falsch argumentieren will aber eigentlich ist doch das das Ziel oder? Das
ich meine Bewertung und Zuordnungen und Interpretationen auf nem geän-
derten Referenzsystem oder auf nem erweiterten zumindest ansiedeln kann
auf so nem Training.
S e i t e | 141
EI Halt ich für problematisch find ich . Schön wäre das aber ich sag mal ein Ziel Referenzsystem
Beispiel….Ich brauche nicht unbedingt eine Verlagerung des Referenzsys-
tems bei Themen wie Rassismus.
E IV Referenzsystem kann auch auf Intersektionalität hinweisen. Das kann man Ziel Referenzsystem
natürlich nicht mit einem interkulturellen Training ändern. Das wäre gewagt,
das in 1,5 Tagen zu verändern
E II Wäre das Referenzsystem ein bisschen zusammengefasst wenn man sensibi- Ziel Referenzsystem
lisiert für die Wirksamkeit von unterschiedlichen Referenzsystemen und
diese bewusst macht. Denn ich glaube das ist der allererste Schritt denn viele
Leute wissen nicht, dass ich ein Referenzsystem habe. Selbst wenn sie sich
dessen bewusst sind kriegen sie immer wieder Punkte wo sie denken hoppla
da hängt mein eigenes also letztlichist das ganz viel Selbstreflexion was da
drin steckt
E III Für dich geht Referenzsystem auf Hinblick auf Handlungsleiten, oder? Es ist Ziel Referenzsystem
also auch Handlungsstimmend.
E II Identität ist was das tiefer geht als ein Referenzsystem für mich Ziel Referenzsystem
E II Dass es uns letztlich darum geht das eigene Referenzsystem zu öffnen und Ziele Referenzsystem
die Referenzsysteme anderen anzuerkennen. Also das man das dann noch mit
praktischeren Dingen füllt.
EIV Wollen wir nicht einfach das Bewusstsein dafür schaffen dass ich überhaupt Ziele Referenzsystem
ein Referenzsystem habe?
EI Dann kann man auch einfach Selbstreflexion sagen. Das muss ich dann wie- Ziele Selbstreflexion
der aufdröseln. Wenn ich mich nicht selbst reflektiere scheitere ich.
E III Was bedeutet denn Standard: wenn man jetzt freie Zeit und freie Hand hätte, Allgemein
würde man es mit ansprechen oder nicht.
EI Ich kann die Situation interkulturell nicht verstehen wenn ich das Phänomen Inhalte Geschichte der Mig-
Migration nicht verstehe und zwar durch die Geschichte, auch die moderne rationsbewegung
Geschichte. Wenn ich das nicht verstehe, die Zusammenhänge ich würde so-
gar noch weitergehen wie die polit-ökonomischen Zusammenhänge dann Be-
greif ich nicht was da los ist.
E III Ich finde das so wichtig. Denn die Jugendlichen haben das zum Beispiel gar Inhalte Geschichte der Mig-
nicht mitbekommen mit den Gastarbeitern. „Warum sind so viele Türken in rationsbewegung
Deutschland?“ und das kannst du in fünf Minuten behandeln. Es gibt einen
wunderschönen Film darüber von den Gastarbeitern in der Türkei die dann
S e i t e | 142
in den Unterhosen dastehen und ihren Mund zeigen müssen. Die wurden ge-
holt, ganz gezielt und wenn sie das sehen dann denk ich mir dann tuts auch
was. Das find ich total wichtig auch wenns nur fünf-Minuten Filme sind.
EI Und warum man damals Arbeitskräfte gesucht hat oder wie du gesagt hast Inhalte Geschichte der Mig-
muskulöse oder gesunde und heutzutage das mega out ist, sondern nach Fach- rationsbewegung
kräften sucht also ganz anderen Qualifikationen. Also ich finde solche Ge-
schichten müssen unbedingt behandelt werden als Standard. Da muss ein
Verständnis sein über Zusammenhänge was hat unsere Wirtschaftspolitik da-
mit zu tun dass jetzt plötzlich hunderttausend von Afrikanern nach Europa
wollen.
E III Wenn ich über Medien denke ist mir das bei Jugendlichen total wichtig. Dar- Inhalte Medien
über kommunizieren die total darüber werden die total beeinflusst vielleicht
noch stärker als Erwachsene.
E II Ich hatte ein Schlüsselerlebnis mit meinem Sohn der eigentlich im Gymna- Inhalte Rechtliche Grundla-
sium ist in der elften Klasse und der mir erzählt dass andere Schüler sagen gen und Integrations-
„naja die können schon alle kommen wenn sie dann hier was arbeiten und politik
selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen“ und mein Sohn war empört […] und
dann hat sich herausgestellt die Wissen zum Teil überhaupt nicht welch de
Voraussetzungen ich erstmal erfüllen muss dass ich hier was arbeiten darf.
Also das wissen die nicht, das hat denen niemanden beigebracht und die ha-
ben eine Menge Sozialkunde und dann denk ich das ändert auch ganz viel in
den Köpfen wenn man denen klar macht die würden ja gerne, die dürfen
nicht. Die nicht mal eine Ausbildung anfangen deshalb finde ich ein paar so
Fakten sind glaub ich ganz ganz wichtig dass man die den Jugendlichen mit-
teilt was das erst den Blick dafür öffnet dass die Migranten/innen ja nicht
selber Schuld sind. Weil ganz oft fällt „die sind ja selber Schuld, die könnten
ja“. Das ist denen ganz oft nicht bewusst auf welche Widerstände die stoßen
und wie sie gedrängt werden in diese Ecke naja gut dann bleiben wir halt
unter uns und kümmern uns um uns selbst. Also diese Zusammenhänge die
müssen klar sein.
E IV Es muss ja kein Vortrag sein über die rechtlichen Bedingungen. Es kann ja Inhalte Rechtliche Grundla-
eine Übung sein wie zum Beispiel „in der Mitte des Lebens“. gen und Integrations-
politik
S e i t e | 143
EI ich meine dadurch dass wir unterschiedliche rechtliche Grundlagen für ver- Inhalte Rechtliche Grundla-
schiedene Bevölkerungsgruppen ist eine potentielle gesellschaftliche oder gen und Integrations-
strukturelle Diskriminierung eingerechnet. Wenn ich eigene Gesetze hab für politik
deutschen Staatsbürger und nicht-deutsche Staatsbürger oder für Flüchtlings-
status und dann noch völlig komplizierte Geschichten wo nur eingeweihte
Durchblicken. Solche Sachen sind wichtig natürlich ohne die verstehe ich das
nicht. Ob ich die jetzt in jedem Seminar machen muss natürlich nicht aber
prinzipiell ist es natürlich schon sehr wichtig sowas zu verstehen.
EI Das hängt auch wieder ab vom Seminar. In München muss ich über Integra- Inhalte Rechtliche Grundla-
tionspolitik bescheid wissen. Mündiger Bürger ist ja so ein Schlagwort zu gen und Integrations-
sagen dieser selbstbewusste aufgeklärte Bürger der sich einmischt und mit- politik, Mündiger
macht in der Zivilgesellschaft. Dann muss ich auch über Integrationspolitik Bürger
sprechen.
E III Ich habe unter mündiger Bürger auch verstanden, dass ich weiß wo ich mich Inhalte Rechtliche Grundla-
informieren kann. Zum Beispiel über diese Geschichten. Oder wie ich meine gen und Integrations-
Rechte geltend machen kann. Das heißt für mich nicht dass ich in einem politik, Mündiger
Workshop mit Jugendlichen, die ja jetzt zu unserer Zielgruppe gehören, die Bürger
mit Integrationspolitikfakten bombardieren muss.
Transkript (T) II
das ist ja immer ein Zeitproblem, welche Zielgruppe, was willst du mit dem
Seminar bezwecken. Das ist immer abhängig vom Zweck und Ziel des Semi-
nar. Ich würde alle Methoden prinzipiell in Frage kommen. Aber ich gestehe
wenn ich mir meine Arbeit die letzten paar Jahre anschau werde ich die we-
nigsten davon genommen haben oder nur je nachdem was da für Gruppen wa-
ren. Das hängt immer vom Umfang ab.
E III Vielleich hat sich gezeigt dass diese Methoden nur in Umfangreichen Trai- Methoden Allgemein
nings zum Einsatz kommen. Und wir haben das vermutlich vor dem Hinter-
grund gesehen was wir für realistisch halten was man meistens finanziert be-
kommt und was auch immer. Deswegen haben wir sie vor diesem Hintergrund
rausgewählt. Aber für umfangreichere Trarinings würden sich diese Methoden
auch eignen. Das wäre für die Standards wahrscheinlich hilfreicher als Metho-
den prinzipiell auszuschließen. Man müsste eher eine Einteilung machen nach
Umfang des Trainings, Intention des Trainings. Da müsste man in den weite-
ren Diskussionen auch versuchen die Zusammenhänge zu spinnen, was macht
wann Sinn.
EI Wichtig ist immer auch was ist Inhalt und Ziel und Zweck des Trainings. Und Methoden Allgemein
auch vom Umfang. Es hängt ja auch davon ab was die Teilnehmer wünschen
zum Teil. Es gibt ja zum Beispiel so Schüler die sagen mir zu 90% bih will
kein Rollenspiel machen weil sie es in der Ausbildung schonn zu den Ohren
raushängt. Dann mach ich natürlich keins. Das wäre ja Quatsch.
E III Es muss weiter definiert werden aus welcher Perspektive die Standards defi- Evaluation Allgemein
niert werden. Aus der Trainierperspektive oder allgemein was muss in einem
Training vorhanden sein.
E III Mir hat es noch gefeht dass der Auftraggeber in der Evaluation beachtet wird. Evaluation Auftraggeber
E III Der Auftraggeber hat ganz andere Vorstellungen, manchen ist es relativ egal Evaluation Auftraggeber
was man macht. Andere sitzten sich sogar mit rein und arbeiten dann weiter
damit. Auch von dem Engagement.
E III Genau und darauf muss ich auch meine Evaluation ausrichten. Dem einen Evaluation Auftraggeber
kann ich danach einfach erzählen dass eine super Stimmung war und keine
Konflikte waren und der nächste will schon gern wissen was hängen geblieben
ist.
EI Ich würde das mit der Selbstreflexion bezeichnen. Sowas wie Selbstreflexion Trainer Beherrschung der
würde mich auch fehlen. Im Grunde muss alles was ich vermitteln will muss Lernziele
S e i t e | 145
durch den Trainer selbst beherrscht werden. Wenn ich das nicht kann, kann
ich es auch nicht vermitteln.
E III Vielleicht ist es tatsächlich der Clue dass ich sage, was ich vermitteln will das Trainer Beherrschung der
muss ich auch Vorleben können. So selbstverständlich ist das nicht, man erlebt Lernziele
oft Dozenten die was über Respekt erzählen und sich selbst total respektlos
gegenüber den Teilnehmern verhalten.
E III Dass man sich z.B. über Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen, Personen Trainer Bewusstsein für ei-
bewusst sein sollte weil man die sonst unbewusst diskriminieren kann. Indem gene Einstellungen
man bestimmte Bilder über die Leistungsfähigkeit von bestimmten Völker- gegenüber Inter-
gruppen im Kopf hat und sich als Lehrkraft entsprechend verhält dass dan auch kulturalität
tatsächlich was von Seiten des Schülers kommt immer nur bestätigen kann die
Bilder die ich im Kopf habe. Indem ich es dem Schüler mehr oder weniger in
den Mund lege oder ihn bewusst weniger aufrufe oder immer aufrufe. Da gibt
es ja viele Beispiele wie ich sowas Steuern kann, das ist vielen gar nicht be-
wusst. Deswegen muss ich mir über meine eigenen Einstellungen Gedanken
machen weil sich das in meinem Verhalten ausdrücken kann. Das ist für mich
mehr als „ich bin mir über Normen und Werte“ bewusst.
EI Fachkompetenz. Ich muss eine Ahnung haben aus welchen Gründen migrieren Trainer Fachkompetenz
die Leute, dass man da ein Hintergrundwissen hat. Und weniger dass man bei
den türkischen Muslimen die Schuhe auszieht wenn man die Wohnung betritt.
Es ist schön wenn ich sowas weiß aber viel wichtiger wäre es warum sind die
Leute eigentlich da oder wie kommt es zu Flüchtlingen. Wie hängt das zusam-
men mit unserer Wirtschaftspolitik. Solche Geschichten wären vielleicht viel
wichtiger zu begrifen. Außer diesen berühmten Fettnäpfchen die man immer
sagt.
E III Dieses kulturspezifische Wissen ist eigentlich der kleinste Anteil an Kompe- Trainer Fachkompetenz
tenzen. Wenn ich das nicht habe ist es nicht dramatisch. Aber was wesentlich
wichtiger ist, ist was für eine Einstellungen hab ich denn selber zu bestimmtne
Menschen; wie geh ich damit um, und so Geschichten wie nehm ich denn
überhaupt Diversität wahr. Also was für ein Bewusstsein hab ich für die Zu-
sammensetzung der Gesellschaft, für Migrationsbewegungen das wesentlich
wichtiger um zu Erkennen mit was für Bildern kommen denn jetzt auch die
Leute in mein Training rein. Weil sie zB. Hier her migriert sind. Dass ich also
da eher eine Ahnung hab als jetzt zu wissen wie oft muss ich wie die Hand
S e i t e | 146
schütteln. Ich habe selbst aus dem Ausland angeworbene Fachkräfte bei der
Integration betreut und das waren Menschen die erst aus dem Flieger hier an-
gekommen sind. Und das waren so viele Nationalitäten, da hätte ich mich gar
nicht gar nicht drauf vorbereiten können alles genauestens zu wissen. Ich habe
nie erlebt dass das irgendeiner erwartet hätte, dass ich weiß wie die korrekte
Begrüßung ist oder wie die Abläufe zu sein haben. Das hat nie einer erwarten.
Sondern da waren ganz andere Dinge entscheidend: Kann ich denen ernsthaft
vermitteln dass ich ein ehrliches Interesse daran habe dass es ihnen hier gut
geht, hab ich ein Interesse daran was von ihm zu hören, wie er die Dinge jetzt
wahrnimmt wo seine Schwierigkeiten sind. Aber ob ich da jetzt die Schuhe
anziehe oder auslasse, das war denen egal. Wenn es demjenigen wichtig war
haben die das schon gesagt. Natürlich geht man da mit einer Sensitivität an
aber man muss da vorher nichts wissen, die kommen da von sich aus und sagen
„das ist bei uns so“.
EI Interkulturelle Trainings müssen sich auch mit Strömungen was Rassismus Trainer Fachkompetenz
und Antisemitismus auseinandersetzten. Denn das ist es was was das Zusam-
menleben verhindert. Sich damit auseinanderzusetzen das wäre mir wichtiger
als andere Geschichten. Er muss wissen wie Rassismus funktioniert auf diesen
verschiednen Spielebenn von strukturell bis institutionell bis persönlich. Dass
er eine Ahnung hat über Antisemitismus heute in der Migrationsgesellschaft.
Das wäre für mich bei interkulturellen Trainings viel wichtiger. Was ist eine
strukturelle, institutionelle und persönliche Diskriminierung und wie äußert
sich heute Rassismus. Das muss für mich in einer interkulturelles Training.
E III Die Fairness ersetzt ja in unserem Fall ein Stück weit die Objektivität. Dass Evaluation fairness
ich mir eben kein Gutzeugnis ausstellen lasse. Ich muss mir auch auf jeden
Fall über die mögliche Subjektivität einer Evaluation im klaren sein.
EI Es gibt bestimmte Methoden die gerade wichtig sind damit man eine ange- Methoden Icebreaker
nehme Arbeitsatmosphäre hat. Denn wenn ich in der ersten halben Stunde
schaffe eine gute Atmosphäre zu schaffen dann hab ich schon 50% des Tages
gewonnen, wenn ich das nicht schaffe tu ich mich verflucht schwer. Mir ist
das am Anfang immer wichtig dass eine gute Atmosphäre ist, dass man durch
kleine Übungen shcon zeigt wie der Hase läuft. Dass jeder die Klappe aufma-
chen kann und sagen können was sie wollen, dass hier niemand vor lauter
Angst etwas zurück halten muss.
S e i t e | 147
E III Dran vielleicht anknüpfend. Bei interkulturellen Trainings kommt es oft da- Methoden Icebreaker
rauf an dass die Leute sich öffnen und viel von sich Preis geben. Da muss man
schon erstmal einen vertrauensvollen Rahmen schafft. Das wäre dann eine
weitere Kategorie von Methoden nämlich diese typischen Kennenlernmetho-
den, Wohlfühlmethoden (Icebreaker). Das spielt in interkulturellen Trainings
eine große Rolle. Und das lässt sich auch gut argumentativ mit den Trainings
verknüpfen. Es ist am erfolgreichsten wenn die Teilnehmer neben dem per-
sönlichen Kennenlernen trotz alledem einen Bezug zur Thematik des Work-
shops erkennen.
EI Es nützt mir nichts wen ich 20 Leute vor mir habe und sage ihr müsst offen Methoden Icebreaker
reden und braucht keine Geheimnisse haben. Das muss ich durch irgendeine
Übung plastisch dem klar machen. Dass die Leute sich wohlfühlen ohne dass
ich gleich seziert werde oder darf nichts sagen.
EI Dieses mit ins Ausland gehen das ist wirklich eine sehr einseitige Geschichte Trainer Interkulturelle Er-
die man vor Jahren gedacht hat. Er hat sich mit Theorien, Konzepten und so fahren
weiter auseinandergesetzt. Wobei selbst hier könnte ich sagen, nicht nur mit
verschiedenen Kulturen sonder sozio-kulturellen-ökonomischen Kontexten.
Aber da spielt schon wieder die Definition von interkulturell mit rein, wie ich
das auffasse.
EI Interkulturelle Erfahrung wie sie hier definiert ist. Ich möchte nicht behaupten Trainer Interkulturelle Er-
dass das alle Trainer aufweisen. fahrung
E III Ich habe interkulturelle Erfahrung anders interpretiert. Ich dachte man muss Trainer Interkulturelle Er-
selber mal im Leben Kontakt gehabt haben. Sei es dass man mal im Ausland fahrung
gelebt hat oder mit Leuten aus anderen Kulturen hier in Deutschland Kontakt
gehabt hat.
EI Ich würde auch nicht unterschreiben dass der Trainer zumindest eine Tätigkeit Trainer Interkulturelle Er-
in einer internationalen Organisation aufweisen könne. Das ist schön wenn er fahrung
das hat aber das würde ich nie und nimmer als interkulturelle Erfahrung be-
zeichnen. Das ist nicht allgemein verbindlich. Das kann jemand sein der war
noch nicht im Ausland oder int. Organisation und der hat interkulturelle Er-
fahrung sein ganzes Leben gemacht hier. Der musss nur in einem bestimmten
Stadtteil aufgewachsen sein. Für unsere Schüle hat er somit viel bessere u nd
reichhaltigere Erfahrungen als irgendjemand der in der UNO gearbeitet hat.
S e i t e | 148
E III Gerade für Trainer die mit Schülern hier arbeiten ist interkulturelle Erfahrung Trainer Interkulturelle Er-
etwas anderes. Wir interpretieren darunter was anderes. fahrung
EI Wenn ich interkulturelle als transkulturell als hybrid und mix sehe. Dann trifft Trainer Interkulturelle Er-
diese Definition nicht zu. fahrung
E III Ich sehs auch als wesentlich wichtiger an anstatt einer Auslandserfahrung dass Trainer Interkulturelle Er-
man eine Ahnung hat in was für Gruppen sich die Schüler bewegen also na- fahrung
türlich bin ich nie Mitglied dieser Peer-Group aber dass ich zumindest eine
Ahnung habe wie es z.b. in St. Leonhard ausschaut also aus was für einen so-
ziokulturellen Hintergrund kommen denn die Lernenden. Dass ich da viel-
leicht eine gewissen Vorstellung davon hab. Wie man die wiederum erworben
hat kann ganz unterschiedlich sein. Aber so die Minimalanforderung wäre si-
cherlich dass man eine Ahnung hat wie sieht der Stadteil aus, aus dem die
Teilnehmer meines interkuluturellen Trainings kommen. Wie ist so die Zu-
sammensetzung in der Klasse. Und hab ich eine Ahnung mit was für Bildern
die in das Training reinkommen.
EI Das kann natürlich sein dass sie aus einen konkreten Stadtteil kommen aber Trainer Interkulturelle Er-
auch viele kommen vom Land. Dann muss ich mir klar sein dass am Land fahrung
vieles anders ist als hier und wenn die dann z.B. in St. Leonhard eingesetzt
werden, auf was muss ich die dann vorbereiten.
EI Sie können zwar es hat mir gefallen aber ich kann auch sagen das hab ich Evaluation Kurzfristige Lern-
bisher noch nicht gewusst. Oder da bin ich darauf Aufmerksam geworden – ziele
ich hätte nicht gedacht dass ich da so Vorurteile habe. Das wäre immer bei mir
drin.
EI Also es sollte klar sein dass es nicht nur Fachkompetenz heißt sondern Kom- Evaluation Kurzfristige Lern-
ponenten interkultureller Kompetenz ein Wissenszuwachs auf kognitiver ziele
Ebene und eine Einstellungsveränderung sein.
EI Das mit langfristig find ich zwar gut, ich halte das nur bei Schülern so gut wie Evaluation Langfristige Lern-
undurchführbar. Ich sehe die meisten Leute nie mehr wieder, vielleicht als ein- ziele
zelne Personen. Als Klasse seh ich die nie wieder.
EI Die Erfahrungen die manche haben die muss man einfach ernst nehmen. Man- Trainer Lebenswirklichkeit
che Sachen sind keine Vorurteile sondern die sind so. Sowas passiert auch öf- der Teilnehmer
ter. Ich muss in der Lage sein das einzugrenzen ohne Vorurteile zu haben.
S e i t e | 149
E III Es ist ja auch nochmal wichtig mit welchen Erfahrungen die Schüler in das Trainer Lebenswirklichkeit
Training kommen. Man kann denen nichts von Friede-Freude-Eierkuchen er- der Teilnehmer
zählen wenn die sagen „aber das ist doch meine alltägliche Erfahrung wenn
ich ums Eck rumkomm muss ich aufpassen dass ich keine auf die Schnauze
bekomm! Und jetzt sitzten Sie da als Lehrer und wollen mir erzählen Toleranz,
Empathie blablablub“. Das Training geht dann den Bach runter. Da lachen sich
die Teilnehmer tot und fragen sich was man lernen kann. Man muss die Schü-
ler in ihrer Wahrnehmung ernst nehmen können und muss das auch einschät-
zen können, ihre Erfahrungen und inwieweit das Relevanz hat. Und inwieweit
das zustande kommt.
EI Gerade im Hauptschul- und Berufsschulbereich da ist aufgrund struktureller Trainer Lebenswirklichkeit
Diskriminierung oder kultureller Vorbehalte sind da bestimmte Gruppen über- der Teilnehmer
repräsentiert. In einem Berufsgrundschuljahr sitzten 98% Migranten. Da sitzen
vielleicht zwei Deutsche – die haben kein einfaches Leben in der Klasse. Wenn
ich denen erzähle über die Diskriminierung der Migranten da lachen sich alle
einen Ast. In dieser konkreten Situation ist der Machtaspekt völlig anders ver-
teilt.
E III Genau. Dass Rassismus und Diskriminierung nichts ist was nur die Deutschen Trainer Lebenswirklichkeit
gegenüber den Ausländern machen sondern dass es auch andersrum läuft. Das der Teilnehmer
müsste man als Trainer schon wissen. Welche unterschiedlichen Formen des
Rassismus gibt es und welche Beweggründe haben die einzeläunen Gruppen.
Warum sind die Antisemitisch und wie außert sich das? Mal offen mal eher
versteckt. Solche Geschichten wären schon wichtig zu wissen. Weil das ist das
was die Leute ja mitbringen in so ein Training; das erleben sie ja, da haben sie
bestimmte Emotionen, Erlebnisse, Erfahrungen dazu und das muss ich ja ir-
gendwie aufgreifen können. Wenn ich da überhaupt keine Ahnung dazu habe
wird das natürlich schwierig. Das ist ein Bereich wo oft die größte Brisanz
besteht also der Umgang mit Diskriminierung. Das ist offensichtilich etwas
dass die Leute bewegt. Die wollen nicht lernen. Ich hab viel in gemischten
Gruppen gearbeitet, wenn man diese Ängste nicht ernst nimmt dann erreicht
man die nie mehr. Wenn das so theoretisch ist und jenseits der Lebenswelt von
da draußen ist wissen die nicht was ihnen das bringen soll.
EI Diese konkreten Erfahrungen die muss man einfach ernst nehmen. Trainer Lebenswirklichkeit
der Teilnehmer
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E III Das ist vielleicht sogar eine eigene Kategorie: mit dieser Lebenswirklichkeit Trainer Lebenswirklichkeit
der Teilnehmer umgehen können und mit den Erfahrungen die sie mitbringen der Teilnehmer
und ich e glaube dass sich da die Spreu vom Weizen trennt. Manche können
das sehr gut und manche können das gar nicht. Die verstekcne sich dann hinter
ihren theoretischen Ansätzen und Übungen und können das nicht auffangen.
EI Ich könnte auch formulieren warum müssen Spiele gemacht werden. Erstens Methoden Methodenmix
es geht darum dass man die Leute bei Laune hält das heißt es geht darum,
möglichst abwechslungsreich zu sein. Und bei vielen Geschichten das hängt
natürlich vom Bildungsstand ab – möglichst nicht wieder diese ewige Papier-
form.
EI Es könnte auch ganz eingeschränkt sein dass ich etwas machen will damit die Methoden Methodenmix
Leute zuhören. Sie haben bestimmte Klisches und Meinungen im Kopf und
plötzlich müssen sie lernen zuzuhören und dann kommt etwas anderes dabei
raus. Wenn ich so ein Seminarkonzept entwickle achte ich darauf dass die Me-
thoden zum Inhalt passen das ist natürlich Voraussetzung. Aber dann achte ich
auch noch immer auf die Abwechslung das es möglichst immer was anders ist
also vom Material, von der Methode her und das es was anderes ist – so ne
Mischung zwischen Einzel- Paar-, Gruppenarbeit und Plenum. Also das da
immer etwas neues kommt. Ich mache nicht fünfmal nacheinander ein Blatt
mit Selbstreflexion. Das wäre Quatsch.
E III Das hatten wir ja auch in den Standards drin. Diese Zielgruppenorientierung Methoden Methodenmix
der Methoden, dass auch immer ein Methodenmix stattfinden soll
EI Objektivität, Reliabilität und Validität – ich wüsste einfach nicht wie man das Evaluation Objektivität, Relia-
durchführen könnte. Diese Methoden, ich sehe das ganz praktisch. Ich bin im bilität, Validität
idealfal in einer Klasse ein eintägiges Training. Wie will ich denn Objektivität,
Reliabilität und Validität da mesen – de facto. Ich mache das nicht. Ich habe
die Möglichkeiten nicht dazu. Außer man ist vielleicht na nem Projekt an der
Uni und da bietet sich jemand an und man macht das mit jemandem Zusammen
und der erstellt dann einen Fragebogen. Aber das ist im Grunde genommen
eher die Spielwiese über die Ausbildung.
EI Als Standards soll bei mir jeder was zum Training sagen. Also dass ich von Evaluation Objektivität, Relia-
jedem eine Aussage bekomme und ich lasse auch jeden anonym etwas ankreu- bilität, Validität
zen. Die Werte ich auch aus. Mit offenen Fragen und Ankreuzen. Es ist auch
gegenüber dem Auftraggeber wichtig. Also
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E III Dann ist ja Objektivität offensichtlich schon ein Kriterium. Also dass ich mir Evaluation Objektivität, Relia-
jetzt kein beschönigtes Evaluationsergebnis ausstellen Lasse damit ich mich bilität, Validität
gegenüber dem Auftraggeber beweisen kann. Dann ist man also schon um Ob-
jektivität bemüht. Und offensichtlich ist es ein wichtiges Kriterium dass man
sowohl anonyme als auch nicht-anonyme Formen der Evaluation einbindet um
darüber tatsächlich so etwas wie Objektivität, Reliabilität und Validität hinzu-
bekommen.
E III Soweit möglich Gedanken über O, R, S. machen. Die grundsätzlichen Prinzi- Evaluation Objektivität, Relia-
pien der Evaulation sollten so weit als möglich angewandt werden sollen. Aber bilität, Validität
offensichtlich nicht als Standard.
EI Ich kann mir nicht vorstellen dass ein Trainer keine pädagogischen Fertigkei- Trainer Pädagogische Fer-
ten hat. tigkeiten
EI So wie das hier formuliert ist, ist dass ja schon ein hohes Ziel. Ich hätte den Trainer Pädagogische Fer-
Begriff nicht so weit gefasst wie die Definition. tigkeiten
E III Die pädagogischen Fertigkeiten sind einfach zu hoch gestochen. Das müsste Trainer Pädagogische Fer-
man eher nochmal trennen. Diese rein pädagogischen Fertgkeiten und was sich tigkeiten
aufs interkulturelle bezieht. Das würde ich trennen. Die interkulturell-didakti-
sche Kompetenz kann man extra benennen. Dieses Verständnis von Normen
und Werten würde ich als eigene Kategorie machen.
E III Ich hab das eher so angedacht dass die Schulentwicklung durch den Trainer Evaluation Schulentwicklung
angestoßen wird. Der Trainer könnte hier Impulsgebender sein für so eine
Schulentwicklung aber ob das ein Standard sein muss weiß ich jetzt nicht. Dar-
über müsste man sich villeicht noch austauschen. Wenn es einen Nachbespre-
chungstermin gibt kann man schon Impulse geben wie man das in den Schul-
entwicklungsprozess mit aufnehmen könnte. Vor allem bei den Schulen die
eine interkulturelle Schulentwicklung haben wie man mit den Ergebnissen der
Trainings weiterarbeiten kann. Der Begriff Einbindung geht da etwas zu weit.
E III Man bekommt als externer Trainer auch immer mit wenn etwas in einer Ein- Evaluation Schulentwicklung
richtung nicht so gut läuft oftmals sogar besser als die Internen. Dass man dazu
Rückmeldung geben könnte. Wenn Schüler zum Beispiel von ihrem Lehrer
diskriminiert hat. Wenn im Rahmen eines Trainings irgendwelche Probleme
aufgetaucht sind dann müsste man das Weitergeben.
EI Wenn ich ein interkulturelles Training mit Schülern mache dann hängt es von Evaluation Schulentwicklung
mir ab und von den Schülern das ist klar. Aber darüber hinaus hängt es davon
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ab: wie ist die Schule aufgestellt, wie sind die Lehrer aufgestellt wie interkul-
turell offen ist die gesamte Institution Schule, wie sieht es in dem Bundesland
aus oder vielleicht sogar in der Gesellschaft ob es da vielleicht kracht. Die
Sachen der Nachhaltigkeit beeinflussen das Training total.
EI Ich hab da so eine Übung mit Nägeln wo die Schüler die Aufgabe bekommen Methoden Übungen zur Re-
den Nagel auf den Kopf zu hauen. Ich weiß nicht wo ich sowas einbringen flexion und Wahr-
soll. Ich nehme das als Beispiel für Ambiguitätstoleranz weil sie sich das so- nehmung
wieso immer nicht merken können und danach können sie es alle im Schlaf
aufsagen. Dass man halt nicht verzweifelt trotzdem weiter an einer Lösung
arbeitet obwohl es Lösungen erstmal nicht gibt.
E III Und das kommt ja ganz viel in solchen Trainings vor. Da müsste man einen Methoden Übungen zur Re-
Begriff finden. Selbstreflexionsübungen oder Konfrontationsübungen. Mir ist flexion und Wahr-
jetzt auch noch nicht eingefallen wie man das Bezeichnen soll, was wir uns nehmung
darunter vorstellen. Ich habe auch ganz viel mit solchen Geschichten gearbei-
tet auch mit Studierenden. Ich bin ja sonst nicht der Fan von solchen Sachen
aber so Sachen wo man so einen Aha-Effekt hat das find ich immer sehr wich-
tig und das hab ich auch immer systematisch integriert und das war mir auch
bei den Schülern immer sehr wichtig. Aber mir ist auch noch kein Begriff ein-
gefallen. Außer erfahrungsorientierte Methoden aber das ist natürlich wieder
so vage. Ganz viel ist für mich nicht abgedeckt durch die Methodenauswahl
und ich auch überlegt hab wie kann man das bezeichnen. Mir ist dann auch
nichts anderes eingefallen als Übungen zur Selbstreflexion.
E III Dieser Aha-Effekt. Also ich hab damit schon eine bestimmte Intention verbun- Methoden Übungen zur Re-
den deswegen hab ich jetzt vielleicht eine Zuordnung zu diesem Überbegriff flexion und Wahr-
im Kopf. Also Übungen bei denen die Selbstreflexion also die Auseinander- nehmung
setzung mit eigenen Einstellungen mit der eigene Identität auf welche Art und
Wiese auch immer gefördert wird. Das können ganz unterschiedliche Ansätze
sein. Das müssen nicht nur Spiele sein. Aber das dockt ja ein bisschen an das
an was wir gesagt haben. Eigentlich müsste man also dann eher verknüpfen
welche Themen mit welchen Methoden am besten bearbeiten werden kann.
Das müsste dann noch weiter diskutiert werden.
EI Also wenn du jetzt sagst Aha-Effekt, das ist natürlich bei vielen aber ich würde Methoden Übungen zur Re-
es nicht darauf beschränken. Also wenn ich jetzt die Übung Albatross mach, flexion und Wahr-
nehmung
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da geht’s natürlich um Aha-Effekt aber wenn ich jetzt z.B. bei meinen Flücht-
lingen da lass ich die ideale Frau den idealen Mann zeichnen. DA kommt kein
Aha-Effekt da geht es um Reflexion, Selbstreflexion und auch darum be-
stimmte Klisches und Stereotypen aufzudecken.
E III Genau. Es sind nicht nur Spiele sondern durchaus auch ganz andere Geschich- Methoden Übungen zur Re-
ten. flexion und Wahr-
nehmung
EI Neben der Selbstreflexion geht’s auch darum um die Auseinandersetzung mit Methoden Übungen zur Re-
wie geh ich mit anderen unterschiedlichen Meinungen um. Das ist ja nochmal flexion und Wahr-
ein bisschen was anderes als Selbstreflexion. Zum Beispiel wie händel ich nehmung
Konflikte. Wenn ich z.B. so eine Übung mache wie mein Traumhaus da gibt’s
dann Kompromisse und Konsens; solche Geschichten.
E III Werte und Normen passt für mich nicht zu pädagogischen Fertigkeiten. Ich Trainer Werte und Normen
würde den extra machen. Vielleicht ist es auch in der Selbstreflexion mit drin-
nen.
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Prozesse
Gesellschaft Kontext
Eidesstattliche Versicherung
Ich versichere, dass ich die Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer als der an-
gegebenen Quellen angefertigt habe und dass die Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch
keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen hat und von dieser als Teil einer Prüfungsleistung
angenommen wurde. Alle Ausführungen, die wörtlich oder sinngemäß übernommen wurden,
sind als solche gekennzeichnet.