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Faktenblatt

Präventionskultur
und Gesundheitskompetenz

Die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten Eine alternde Belegschaft birgt damit zumindest zwei
nachhaltig sichern Gefahren für die Produktivität eines Unternehmens:
Der langfristige Erhalt und die Förderung der Gesund-
heit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten werden — Durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und
für die deutsche Wirtschaft immer wichtiger. Aufgrund individuelle Einschränkungen der Leistungsfähig-
des demografischen Wandels altern die Belegschaften keit ergeben sich direkte Produktivitätseinbußen.
vieler Unternehmen. Die Gruppe der 40 bis 50 Jahre al- — Mittelfristig ergibt sich durch frühzeitiges, krank-
ten Beschäftigten bildet häufig die größte Altersgruppe. heitsbedingtes Ausscheiden aus dem Betrieb ein
Unter den gegenwärtigen Bedingungen steigt bis zu ei- Verlust an betrieblicher Kompetenz, dessen Kom-
nem Alter von 65 Jahren auch die durchschnittliche An- pensation immer schwieriger wird, da zum einen
zahl an krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitstagen durch den demografischen Wandel oftmals jünge-
(s. Abbildung auf Seite 2). res, kompetentes Personal schwerer zu gewinnen
ist und zum anderen teilweise lange Anlernphasen
für komplexe Produktionsprozesse nicht eingeplant
werden können.

FA C H K R Ä F T E
In Kooperation mit:
Präventionskultur und Gesundheitskompetenz

Zudem verändern sich in vielen Branchen Arbeitsanfor- Für die Verantwortlichen in den Betrieben geht es dar-
derungen und Belastungsprofile für die Beschäftigten in um, Maßnahmen zum Erhalt der Leistungsfähigkeit der
Folge zunehmenden Wettbewerbsdrucks, technischer und Beschäftigten zu ergreifen. Dies ist eine wichtige Voraus-
organisatorischer Entwicklungen und damit verbundenen setzung für die langfristige Bindung von Fachkräften mit
Rationalisierungsstrategien. Viele Beschäftigte registrieren ihren Kompetenzen und ihrem Know-how an das eigene
ein Ansteigen der Arbeitsmenge, des Zeitdrucks und der Unternehmen. Zudem schlagen sich hohe Krankenstän-
Verantwortung (s. Hentrich & Latniak, 2013). Dies birgt de, Leistungseinschränkungen von Mitarbeitern oder der
zusätzliche Gefahren für den langfristigen Erhalt von Verlust von betrieblichem Fachwissen, zum Beispiel durch
Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten. Frühverrentungen, negativ auf die wirtschaftliche Leistung
Gesundheit und Leistungsfähigkeit werden dabei von des Unternehmens nieder. Die Gesundheit der Beschäftig-
verschiedenen Faktoren sowohl aus dem persönlichen und ten ist somit ein wesentlicher Faktor im Wettbewerb, den
privaten als auch aus dem beruflichen Bereich beeinflusst. es im Sinne von Nachhaltigkeit weiterhin zu erhalten und
Durch geeignete Maßnahmen können Gesundheit und zu fördern gilt.
Leistungsfähigkeit jedoch erhalten und zum Teil gesteigert
werden (s. ifaa, 2009). Maßnahmen müssen dafür frühzei-
tig ansetzen und dürfen nicht auf ältere Belegschaftsmit-
glieder beschränkt sein.

Arbeitsunfähigkeit nach Altersgruppen 2012

200 – Fälle je 100 GKV-Mitglieder Tage je Fall Tage je GKV-Mitglied – 30


180 –
– 25
160 –
Tage je Fall / Tage je GKV-Mitglied
Fälle je 100 GKV-Mitglieder

140 –
– 20
120 –

100 – – 15
80 –
– 10
60 –

40 –
– 5
20 –

0 – – 0

15–20 20–25 25–30 30–35 35–40 40–45 45–50 50–55 55–60 60–65 65 und

älter

Abbildung 1: Arbeitsunfähigkeit nach Altersgruppen 2012 (Darstellung und teilweise Berechnung: IAQ; Daten: BMAS, 2013)

2 Faktenblatt – Präventionskultur und Gesundheitskompetenz


Was sind Präventionskultur Die Verankerung von Präventionskultur schafft günstige
und Gesundheitskompetenz? Bedingungen für die Entwicklung von Gesundheitskom-
Um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftig- petenz bei Beschäftigten und Führungskräften. Sie sen-
ten zu sichern, sind einmalige oder einseitige Maßnahmen sibilisiert für Gesundheitsthemen, liefert Informationen
langfristig betrachtet häufig nicht erfolgreich. Notwendig zu einer gesunden Gestaltung der Arbeit und sie schafft
sind vielmehr das betriebliche Bewusstsein, dass Gesund- Räume zur Kommunikation und Auseinandersetzung über
heit einen eigenständigen hohen Wert darstellt, sowie die ein gesundheitsförderliches Arbeitsverhalten.
kontinuierliche Arbeit an diesem Thema. Präventionskultur
und Gesundheitskompetenz beschreiben dieses betriebli- Gesundheitskompetenz beinhaltet die Fähigkeiten und Fer-
che Bewusstsein zum einen auf der Ebene der Organisation tigkeiten des Einzelnen, sich selbst gesund und leistungsfä-
und zum anderen auf der individuellen Ebene der Beschäf- hig zu erhalten. Im betrieblichen Rahmen beschreibt Ge-
tigten. sundheitskompetenz die Fähigkeiten und Möglichkeiten
des Einzelnen im Arbeitsalltag im Sinne gesundheitsförder-
Präventionskultur meint, dass Prävention, im Sinne von vo- licher Arbeit zu entscheiden und zu handeln. Dies umfasst
rausschauenden Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit die Sensibilisierung, die „Selbstachtsamkeit“ (verstanden
und Unversehrtheit, zu den geteilten Werten und Zielen etwa als der ‚pflegliche‘ Umgang mit sich und der eigenen
aller Akteure eines Unternehmens gehört. Dabei geht es Gesundheit), die handlungsorientierte Aktivierung für Fra-
darum, das Auftreten von gesundheitlichen Problemen zu gen der Gesundheit sowie auch die Fähigkeit der Führungs-
vermeiden und den Gesundheitsschutz im Unternehmen kräfte, entsprechend gesundheitsförderlich zu führen
beständig weiterzuentwickeln. Hierfür müssen Manage- (s. Großheim et al., 2013).
ment, Betriebsrat, Führungskräfte und Beschäftigte der
Gesundheit im Betrieb eine hohe Achtsamkeit und Wert- Gesundheitskompetenz kann sich nicht ohne die entspre-
schätzung entgegenbringen. Prävention ist dabei nicht chenden betrieblichen Rahmenbedingungen im Sinne ei-
nur Aufgabe des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, des ner Präventionskultur entwickeln. Beide bedingen einander
Gesundheitsmanagements oder der Personalabteilung, und können daher nur gemeinsam weiterentwickelt wer-
sondern wird bei allen Entscheidungen, Arbeitsprozessen den. Dabei können Unternehmen mit den entsprechenden
und der Arbeitsgestaltung berücksichtigt. Eine im Unter- Maßnahmen die gesundheitliche Situation der Beschäf-
nehmen verankerte Präventionskultur zeigt sich durch kon- tigten auch über den betrieblichen Rahmen hinaus positiv
krete Maßnahmen und Entscheidungen zu Gunsten des beeinflussen. Wer im Betrieb auf den Erhalt seiner Gesund-
langfristigen Erhalts und zur Förderung der Gesundheit heit achtet, wird dies auch eher in seiner Freizeit tun.
und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten. Mit einer etab-
lierten Präventionskultur lassen sich auch wirtschaftlich
schwierige Zeiten überwinden, ohne dass gesundheitsbe-
zogene Werte in den Hintergrund geraten. Präventionskul-
tur ist somit ein Bestandteil nachhaltigen wirtschaftlichen
Handelns.

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Präventionskultur und Gesundheitskompetenz

Voraussetzungen für Präventionskultur und —— Kommunikation: Nach dem Motto „Tue Gutes und
Gesundheitskompetenz rede darüber“ schafft regelmäßige Kommunikation
Bevor mit Maßnahmen zur Entwicklung von Präventions- mit den Beschäftigten über Gesundheitsthemen sowie
kultur und Gesundheitskompetenz begonnen werden erfolgte und geplante Maßnahmen wichtige Grund-
kann, sollten entsprechende betriebliche Voraussetzungen lagen für die Entwicklung von Präventionskultur und
geschaffen werden. Wichtigste Voraussetzung ist zunächst Gesundheitskompetenz. Sie unterstreicht zum einen
die klare Entscheidung der Unternehmensleitung, Gesund- Gesundheit als wichtiges Ziel des Unternehmens und
heit zu einem – auch wegen seiner betriebswirtschaftli- zum anderen werden die Beschäftigten für das Thema
chen Relevanz – umfassenden Querschnittsthema im Be- sensibilisiert und aktiviert.
trieb zu machen. Dabei gilt es, auch die technischen und —— Verankerung: Um Präventionskultur und Gesundheits-
organisatorischen Rahmenbedingungen, betriebliche Tra- kompetenz im Unternehmen dauerhaft zu verankern,
ditionen und insbesondere die eigenen Stärken im Blick zu sollten entsprechende Ziele formuliert und die Zieler-
behalten. Mit der Entscheidung der Unternehmensleitung reichung nachverfolgt werden. Verbindlichkeiten kön-
können dann weitere Schritte geplant und unternommen nen dabei beispielsweise durch einen regelmäßigen
werden. Drei Aspekte sollten hierbei besonders beachtet Dialog über entsprechende Maßnahmen im Kreis der
werden: Führungskräfte oder auch durch die Verankerung von
gesundheitsbezogenen Werten im Kennzahlensystem
—— Bestandsaufnahme: Die Erfolgsaussichten zur Ent- des Unternehmens geschaffen werden. Bei der Formu-
wicklung von Präventionskultur und Gesundheits- lierung von Zielen ist zu beachten, dass viele Maßnah-
kompetenz steigen, wenn entsprechende Initiativen men zur Förderung von Gesundheit und Leistungsfä-
an bereits vorhandenen Prozessen und Strukturen an- higkeit der Beschäftigten erst langfristig eine Wirkung
knüpfen und in diese integriert werden können. Dies zeigen können. Dies gilt beispielsweise im Hinblick auf
sind beispielsweise Regelungen und Strukturen zum die Senkung von Fehlzeiten. Oft ist es daher zielfüh-
Arbeits- und Gesundheitsschutz, Maßnahmen betrieb- render, sich an der Anzahl von durchgeführten Maß-
licher Gesundheitsförderung und Erfahrungen mit nahmen und am Grad der Beteiligung zu orientieren.
kontinuierlichen Verbesserungsprozessen. Zudem soll- Damit wird unmittelbar deutlich, welche Resonanz die
te geprüft werden, welche Akteure bereits im Themen- Aktivitäten im Betrieb finden.
feld aktiv sind und wie sie in weitere Maßnahmen und
Strukturen eingebunden werden können (Betriebsarzt, Zur Weiterentwicklung der betrieblichen Präventionskultur
Betriebsrat, Führungskräfte, Arbeits- und Gesundheits- und der Gesundheitskompetenz ist die Einbindung der Be-
schutz etc.). schäftigten von zentraler Bedeutung. Die Arbeitserfahrun-
gen und das Wissen der Beschäftigten können unmittelbar
in die Ermittlung von Handlungsbedarf und die Entwick-
lung von Lösungen einfließen. Die Beteiligung sensibilisiert
die Beschäftigten zudem für das Thema gesundes Arbeiten
und regt zur Reflexion des eigenen gesundheitsrelevanten
Verhaltens an.

4 Faktenblatt – Präventionskultur und Gesundheitskompetenz


Ansätze zur Entwicklung von Präventionskultur Bei der Einführung eines Gesundheitsmanagements kön-
und Gesundheitskompetenz nen zumindest zwei grundlegende Herangehensweisen
Präventionskultur und Gesundheitskompetenz können nur unterschieden werden (s. Zeitz & Hinrichs, 2012): Zum
durch konkrete Maßnahmen gefördert werden. Ankündi- einen kann das Gesundheitsmanagement in einem eher
gungen, in Zukunft Gesundheit einen höheren Stellenwert strukturorientierten Ansatz strategisch geplant werden.
einzuräumen, sind wirkungslos, wenn ihnen nicht auch Danach können die notwendigen Strukturen geschaffen
sichtbare Taten folgen. Daher werden im Folgenden Ansatz- sowie Aufgaben und Befugnisse einzelner Akteure festge-
punkte benannt, die zur Verankerung einer Präventionskul- legt werden. In einem relativ klar abgesteckten Rahmen
tur und für die Entwicklung von Gesundheitskompetenz kann das Gesundheitsmanagement so seine Arbeit auf-
relevant sein können. Dabei sollte beachtet werden, dass nehmen. Zum anderen kann das Gesundheitsmanagement
die Maßnahmen auf die spezifische Situation des Unter- in einem eher maßnahmen- oder bedarfsorientierten An-
nehmens abgestimmt sein müssen. Häufig ist es günstig, satz zunächst Angebote an die Beschäftigten formulieren,
mit wenigen oder einer Maßnahme zu beginnen und diese diese ggf. anpassen und anhand der daraus resultierenden
erfolgreich durchzuführen, um mit diesem Erfolg weitere Anforderungen an das Gesundheitsmanagement die dafür
Schritte anzugehen. notwendigen Strukturen schaffen.

Strukturen schaffen Da sich KMU (kleine und mittlere Unternehmen) häufig


Die betrieblichen Aktivitäten zum Thema Gesundheit durch kurze Entscheidungswege und einen engen Kon-
werden häufig unter dem Dach des Gesundheitsmanage- takt zwischen den Akteuren auszeichnen, bietet sich für
ments zusammengefasst. Vom Gesundheitsmanagement sie meist eine maßnahmen- und bedarfsorientierte Vorge-
werden ein ganzheitlicher Ansatz zur Förderung der Ge- hensweise an. Das bedeutet Angebote an die Beschäftigten
sundheit der Mitarbeiter und ein systematischer Zugang und Führungskräfte zu formulieren. Auf diese Weise lassen
zur Weiterentwicklung von Gesundheitskompetenz und sich schrittweise von den konkreten Maßnahmen ausge-
Präventionskultur erwartet. Als Managementsystem folgt hend für das Unternehmen passende Strukturen des Ge-
das Gesundheitsmanagement einem betrieblichen Regel- sundheitsmanagements etablieren. Ein solches Vorgehen
kreis, der aus vier aufeinander folgenden Prozessen besteht hat folgende Vorteile:
(vgl. Großheim et al., 2013; Oppolzer, 2010):
—— Erkannte Probleme werden direkt und „unbürokra-
1. Diagnose der Gesundheits- und Problemsituation tisch“ bearbeitet. Der Steuerungsaufwand ist geringer
im Unternehmen und ggf. Festlegung von Zielkriterien, als bei einem übergreifenden Managementsystem.
2. Planungs- bzw. Konzeptionsphase, die mögliche —— Die Maßnahmen und Schritte sind offen für Erfah-
Ansatzpunkte, Aktivtäten und Erfolgsindikatoren rungen und die Resonanz im Betrieb. Dies ermöglicht
klärt, schnelle Anpassungen an neue Anforderungen und die
3. Interventionsphase, in der konkrete betriebliche Umsetzung neuer Ideen.
Maßnahmen umgesetzt werden, —— Die Bedarfsorientierung bietet gute Chancen, eine
4. Evaluierung, in der die Maßnahmen hinsichtlich Präventionskultur im Betrieb zu verankern. Die Maß-
ihrer Effekte und Wirkungen überprüft werden. nahmen machen das Engagement für Gesundheit
sichtbar und können eine mobilisierende Wirkung für
die Akteure haben.

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Präventionskultur und Gesundheitskompetenz

Analyse der Arbeitsbedingungen und einem moderierten Workshop unterschieden werden.


Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit und Wichtig ist es, dass die Beschäftigten an der Entwicklung
Leistungsfähigkeit der Beschäftigten sollten an konkre- von Lösungsmöglichkeiten, deren Umsetzung und der
ten Problemen ansetzen. Diese zu erkennen, stellt einen Überprüfung der Ergebnisse beteiligt werden. Die Beteili-
wichtigen Schritt zu deren Bearbeitung dar. Die Einhaltung gung sollte sich nach Möglichkeit über den gesamten Pro-
gesetzlicher Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschut- zess der Gefährdungsbeurteilung erstrecken. Der Prozess
zes, wie die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung, kann in folgende Teilprozesse unterteilt werden: a) die Er-
ist unabdingbar. Ansonsten bildet der Einsatz systema- mittlung oder Erhebung der Gefährdungen, b) Entwicklung
tischer Instrumente keine zwingende Voraussetzung für und Planung von Lösungsmöglichkeiten, c) die Beseitigung
die erfolgreiche Etablierung von Präventionskultur und oder Verminderung der Gefährdungen und d) die Überprü-
Gesundheitskompetenz. So ist es zum Beispiel für den Start fung der Effekte und Auswirkungen der Maßnahmen. Für
gesundheitsförderlicher Maßnahmen gerade in KMU oft die Unternehmen bietet sich hier die Möglichkeit, auf be-
zielführend, auf einfache Verfahren wie die Auswertung kannte Prozesse wie das der kontinuierlichen Verbesserung
von Krankheitsstatistiken und Gespräche mit Führungskräf- aufzusetzen.
ten und Mitarbeitern zu setzen, um mit relativ geringem
Aufwand zügig mit Maßnahmen zu beginnen. Der Einsatz Beschäftigtenbefragung zu Belastungen und Ressourcen
systematischer Instrumente sollte allerdings nicht aus den bei der Arbeit: Eine schriftliche Befragung bietet für das
Augen verloren werden. Je größer ein Unternehmen ist und Unternehmen und die Beschäftigten die Möglichkeit zur
je vielfältiger die Arbeitsplätze sind, umso ratsamer ist die Bestimmung von Problemfeldern und bietet eine geeig-
Anwendung systematischer Instrumente. Im Folgenden nete Grundlage, um miteinander in die Diskussion um
werden zwei Instrumente – die Gefährdungsbeurteilung Lösungsmöglichkeiten zu gelangen. Auf diese Weise ist es
und die Beschäftigtenbefragung – kurz beschrieben. möglich, passgenaue Maßnahmen abzuleiten. Mit einer
schriftlichen Befragung werden die Beschäftigten beteiligt,
Gefährdungsbeurteilung: Das Arbeitsschutzgesetz ver- indem sie zunächst nach ihren Meinungen und Einschät-
pflichtet Unternehmen zur Durchführung einer Gefähr- zungen gefragt werden, ihnen dann die ermittelten Ergeb-
dungsbeurteilung. Bisher führen etwa 70 Prozent der Un- nisse zurück gemeldet werden und sie schließlich aktiv an
ternehmen in Deutschland eine Gefährdungsbeurteilung der Ableitung und Umsetzung konkreter Maßnahmen mit-
durch (s. Großheim et al., 2013). Für kleine Unternehmen wirken können. Mit Beschäftigtenbefragungen sind immer
mit weniger als 50 Beschäftigten ist dieser Prozentsatz ge- Handlungserwartungen seitens der Befragten verbunden,
ringer (s. Beck et al., 2012). Psychische Belastungen werden sodass nicht nur die Befragung selbst erheblichen Auf-
zudem häufig nicht mit in die Gefährdungsbeurteilung wand erfordert. Daher muss nicht nur die Befragung gut
aufgenommen, obwohl sie zunehmend als relevant ange- vorbereitet sein, sondern auch der nachfolgende Prozess
sehen werden (zum Vorgehen bei einer Gefährdungsbeur- sollte bereits vorher geplant werden (Wer wird wann über
teilung psychischer Belastung siehe BAuA, 2014). die Ergebnisse informiert? Wie gehen wir mit kritischen
Ergebnissen um? In welchem Rahmen können Lösungsvor-
Für die Ermittlung und Erhebung von Gefährdungen bie- schläge erarbeitet werden und wie setzen wir diese um?).
ten sich verschiedene Methoden an. Hier kann vor allem Grundsätzlich sollten die relevanten Akteure (Geschäftslei-
zwischen der Beobachtung, der schriftlichen Befragung tung, Betriebsrat etc.) frühzeitig in den Prozess und in die

6 Faktenblatt – Präventionskultur und Gesundheitskompetenz


Gestaltung des Fragebogens einbezogen werden. Insbe- Maßnahmen zur Gesundheitsförderung werden auch auf
sondere Mitbestimmungspflichten sind dabei zu beachten. spezielle Zielgruppen und deren Arbeitssituation zuge-
schnitten:
Es kann günstig sein, die Befragung durch eine „neutrale“
externe Einrichtung durchführen zu lassen, die von der Un- —— Beschäftigte im Schichtbetrieb: Kurse zu richtiger
ternehmensleitung, dem Betriebsrat und den Beschäftig- Ernährung, Schlafrhythmen etc.
ten akzeptiert wird und die über die nötige Fachkenntnis —— Beschäftigte mit direktem Kundenkontakt: Kurse
bei der Fragebogenentwicklung, der Befragungsdurchfüh- zum Umgang mit schwierigen/aufgebrachten Kunden,
rung und der partizipativen Ableitung und Umsetzung von individuelle Emotionsregulation etc.
Maßnahmen verfügt. —— Beschäftigte mit längeren Geschäftsreisen
(Beschäftigte im Außendienst oder mit Montagetätig-
Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz keiten, Fahrer im Fernverkehr etc.): Kurse zu Work-
Im Anschluss an die Bestimmung von konkreten Problem- Life-Balance, gesunder Ernährung und sportlicher
feldern liegen spezifische Maßnahmen möglicherweise auf Aktivität während der Reisetätigkeiten etc.
der Hand oder können unter Beteiligung der Akteure ent-
wickelt werden. Maßnahmen der Gesundheitsförderung Eine Qualifizierungsmaßnahme für Beschäftigte ist nur
setzen häufig beim Einzelnen und dem individuellen ge- wirkungsvoll, wenn die Organisation die Anwendung
sundheitsrelevanten Verhalten an. Damit dieses Verhalten dieses Wissens auch zulässt. Dies lässt sich am besten
im Betrieb auch gezeigt werden kann, muss das betriebli- gewährleisten, wenn die Vermittlung von Gesundheits-
che Umfeld dies unterstützen. Hier ist die Führungskraft kompetenz eng an den Arbeitsplatz und die Organisation
in der wichtigen Rolle, entsprechende Möglichkeiten anzu- gebunden ist. Bei der Entwicklung und Ausgestaltung von
bieten. Es bietet sich daher an, die Gesundheitskompetenz Angeboten sollten daher die betrieblichen Rahmenbedin-
der Führungskraft im Rahmen eines Seminars zum Thema gungen beachtet werden. Insbesondere dürfen für anvi-
gesundheitsförderliche Führung zu schulen. sierte Beschäftigtengruppen keine hohen Hürden für die
Inanspruchnahme der Angebote bestehen. Über eine gute
Individuelle Gesundheitsförderung: Die Angebote der Ge- Informationspraxis und überzeugende Argumente hinaus
sundheitsförderung erhöhen die Gesundheitskompetenz muss sichergestellt werden, dass das Angebot zeitlich in
der Beschäftigten und helfen bei der Weiterentwicklung den Arbeitsablauf passt. So bieten einige Unternehmen
der betrieblichen Präventionskultur, indem den Beschäftig- den Beschäftigten an, während der Pausen an kurzen Be-
ten Gesundheit als Thema und Unternehmenswert vermit- wegungskursen teilzunehmen. Hier ist beispielsweise da-
telt wird. Dabei geht es um Maßnahmen, die Gesundheit für zu sorgen, dass auch Arbeitsteams Gelegenheiten zur
im betrieblichen Rahmen aber auch in der Freizeit fördern Teilnahme haben, deren Pausenzeiten zum Beispiel durch
können. Häufige Angebote sind unter anderem: enge Taktbindung vorgegeben sind. Zudem muss darauf
geachtet werden, dass die Teilnahme von Kollegen und
—— Ernährungs- und Diätkurse, Führungskräften unterstützt und wertgeschätzt wird.
—— Kurse zu Stressprävention und Zeitmanagement,
—— Sport- und Bewegungskurse, Gesundheitsförderliche Führung: Führungskräfte haben
—— Verringerung des Konsums von Suchtmitteln einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheitsförderlich-
(Alkohol, Tabak etc.). keit der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Führungs-
kräfte können dabei durch einen gesundheitsförderlichen

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Präventionskultur und Gesundheitskompetenz

Umgang mit den Beschäftigten, die gesundheitsförderli- Ausblick


che Gestaltung von Arbeitstätigkeiten und durch die Un- Unter den Bedingungen des demografischen Wandels und
terstützung der betrieblichen Gesundheitsförderung die durch hohe Arbeitsanforderungen rücken die Gesundheit
Gesundheit ihrer Mitarbeiter fördern (s. Pangert et al, 2011). und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten immer mehr in
Die Förderung gesundheitsförderlichen Führungsverhal- den Fokus der Unternehmen. Der Betrieb stellt dabei einen
tens erfolgt häufig über Seminare und Workshops, die eine günstigen Raum für entsprechende Maßnahmen dar. In
Sensibilisierung und Aktivierung der Führungskräfte be- kaum einem anderen Umfeld können Personen so direkt
wirken sollen. Dabei ist zu beachten, dass auch hier die be- und regelmäßig zum Thema Gesundheit angesprochen
trieblichen Rahmenbedingungen einen großen Einfluss auf und Angebote unterbreitet werden. Diese Chance zur För-
das Führungsverhalten haben (s. Großheim et al 2013). Hier derung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu nutzen,
gilt es zu prüfen, ob sich das Führungsverhalten individu- sollte nicht davon abhängig gemacht werden, wo die meist
ell ändern lässt oder ob betriebliche Rahmenbedingungen vielfältigen Ursachen für gesundheitliche Einschränkun-
geändert werden müssen. Eine gute Voraussetzung bieten gen liegen. Im Betrieb lassen sich Grundlagen für gesund-
Qualifizierungsmaßnahmen für Vorgesetzte, die auf ihre heitsgerechtes Verhalten legen, die über den betrieblichen
konkrete Situation zugeschnitten sind und ihnen die Gele- Rahmen weit hinausreichen können.
genheit und die Spielräume dafür bieten, ihre Erfahrungen
und Sichtweisen über Arbeitsbelastungen einbringen zu
können. Häufige Inhalte für Schulungen zum Thema „Ge-
sund Führen“ sind zum Beispiel:

—— Sensibilisierung von Vorgesetzten zum Thema


Gesundheit
—— Informationen über Betriebliches
Gesundheitsmanagement
—— Gemeinsame Entwicklung von Ideen zur
Gesundheitsförderung
—— Vorbildfunktion der Vorgesetzten: Reflexion
des eigenen Gesundheitsverhaltens
—— Umgang mit durch Stress beanspruchten
Mitarbeitern: zum Beispiel Stressmanagement,
Vorbeugung psychischer Erkrankungen
—— Gespräche mit Beschäftigten über psychische
oder Suchtprobleme
—— Emotionale Faktoren wie Wertschätzung
und Vertrauen in der Unternehmenskultur und im
Führungsverhalten
—— Vermittlung von Kenntnissen in Ergonomie.

8 Faktenblatt – Präventionskultur und Gesundheitskompetenz


Literatur Oppolzer, A. (2010). Gesundheitsmanagement im Betrieb.
BAuA – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsme- Integration und Koordination menschengerechter Gestal-
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Belastung - Erfahrungen und Empfehlungen. Berlin: Erich Hamburg: VSA
Schmidt Verlag.
Pangert, B., Dunkel, W. & Menz, W. (2011). Auch das noch!?
BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) Gesundheit als Führungsaufgabe in ergebnisorientiert
(2013). Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Bericht gesteuerten Arbeitssystemen. In N. Kratzer, W. Dunkel,
der Bundesregierung über den Stand von Sicherheit und K. Becker & S. Hinrichs (Hrsg.), Arbeit und Gesundheit im
Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufs- Konflikt – Analysen und Ansätze für ein partizipatives Ge-
krankheitengeschehen in der Bundesrepublik Deutschland sundheitsmanagement (S. 215-235). Berlin: edition sigma.
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fop/germany/de/statistics/suga/suga-archiv/suga2012/ Zeitz, J. & Hinrichs, S., 2012: Von der Gesundheitsförderung
suga_2012.pdf zum Gesundheitsmanagement: Welche Wege führen zum
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Beck, D., Richter, G., Ertel, M., Morschhäuser, M. (2012). (Hrsg.): Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit:
Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen Sichere und gute Arbeit erfolgreich gestalten – Forschung
in Deutschland: Verbreitung, hemmende und fördernde und Umsetzung in die Praxis. Kröning: Asanger. 159-162.
Bedingungen. Wiesbaden, Springer-Verlag.

Großheim, P., Hinrichs, S. & Latniak, E. (2013). Schritte zum


Betrieblichen Gesundheitsmanagement im demografi-
schen Wandel – ausgewählte Ergebnisse und Erfahrun-
gen aus den stradewari-Betrieben. In J. Hentrich, E. Latniak
(Hrsg.), Rationalisierungsstrategien im demografischen
Wandel: Handlungsfelder, Leitbilder und Lernprozesse (S.
227-246). Wiesbaden: Springer Gabler.

Hentrich, J. & Latniak, E. (Hrsg.) (2013). Rationalisierungs-


strategien im demografischen Wandel: Handlungsfelder,
Leitbilder und Lernprozesse. Wiesbaden: Springer Gabler.

ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (Hrsg.)


(2009). Der demografiefeste Betrieb. Arbeitsordner. Köln:
Wirtschaftsverlag Bachem.

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Über das RKW Kompetenzzentrum

Das RKW Kompetenzzentrum unterstützt kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland dabei, ihre Wettbe-
werbsfähigkeit zu stärken und zu halten. In der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft wer-
den praxisnahe Empfehlungen und Lösungen zu den Themen Fachkräftesicherung, Innovationsmanagement sowie
Existenz­gründung und -sicherung entwickelt.

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Stand 2014

Zur besseren Lesbarkeit wird in der gesamten Publikation das generische Maskulinum verwendet. Das heißt, die Angaben beziehen sich auf beide Geschlechter,

sofern nicht ausdrücklich auf ein Geschlecht Bezug genommen wird.

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