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Hermann Sicius

Handbuch der
chemischen Elemente
Handbuch der chemischen Elemente
Hermann Sicius

Handbuch der
chemischen Elemente

mit 700 Abbildungen und 123 Tabellen


Hermann Sicius
Dormagen, Deutschland

ISBN 978-3-662-55938-3 ISBN 978-3-662-55939-0 (eBook)


ISBN 978-3-662-55945-1 (print and electronic bundle)
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0
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Lektorat: Rainer Muenz


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Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Gewidmet werden soll das Buch meiner Frau und unseren
Kindern:
Susanne Petra Sicius-Hahn
Elisa Johanna Hahn
Fabian Philipp Hahn
Vorwort

Dieses Referenzwerk beschreibt umfassend, kompakt und präzise die Ge-


schichte, Eigenschaften, Herstellung und Anwendung aller Elemente des
Periodensystems. Besonderes Augenmerk liegt auf den chemischen Verbin-
dungen der Elemente, die ebenfalls umfangreich dargestellt werden. Dieses
Buch enthält 20 Kapitel, die in Form von Unterkapiteln jeweils die Elemente

• der acht Hauptgruppen,


• der ersten und zweiten sowie der vierten bis zehnten Nebengruppe,
• der Seltenerdmetalle und der dritten Nebengruppe, sowie
• der Actinoide

enthalten. Abschließend folgt ein Ausblick auf die noch nicht entdeckten
Elemente der achten und neunten Periode.
Wenn immer möglich, hielt ich in diesem Buch bei der Darstellung der
chemischen Verbindungen der Elemente stets die Reihenfolge von Chalkoge-
niden, Halogeniden, Pnictogeniden und sonstigen Verbindungen aufrecht.
Der einführende, die Historie des jeweiligen Elements beleuchtende Teil
enthält in vielen Fällen Biografien bekannter Forscher, deren Schaffensperi-
oden im von der nahen Vergangenheit bis ins Mittelalter reichenden Zeitraum
liegen. Nicht nur Portraits von Chemikern werden Sie finden, sondern auch
von Kernphysikern, Astronomen und Medizinern.
Zu jedem Element zitiere ich am Ende des jeweiligen Unterkapitels eine
persönliche Auswahl wichtiger Patente und verweise dabei immer auf www.
espacenet.com, da dort die vollständige Patentliteratur zu finden ist.
Die Idee zu diesem Referenzwerk reicht bis in meine Jugend zurück, in der
ich Gelegenheit zur Lektüre der damaligen Standardwerke zu ähnlichen The-
men hatte. Dieses Buch verzichtet bewusst auf allzu viele Details, gibt aber
trotzdem alle erforderlichen Informationen nicht nur für die in der Industrie
tätigen Chemiker, sondern auch für Naturwissenschaftler anderer Fachrich-
tungen, Logistiker, Studierende der Chemie, Schüler der gymnasialen Ober-
stufen und auch interessierte Laien.
Mein Dank gilt dem Springer Verlag, der mir die Veröffentlichung einer
Reihe von Büchern über die chemischen Elemente des Periodensystems im
Rahmen der Kompaktbuchreihe „Essentials“ und, darauf folgend, auch die des
hier vorliegenden Handbuchs ermöglichte. Erfreulicherweise waren vor Errei-
chen des Erscheinungsdatums viele Kapitel bereits online verfügbar. Beson-

VII
VIII Vorwort

ders danken möchte ich dabei dem Lektor, Herrn Dr. Rainer Münz, des
Weiteren Herrn Dr. Reinald Klockenbusch, Frau Gabriele McLemore, Frau
Angelika Schulz und Frau Feray Steinhart für die hervorragende Zusammen-
arbeit und ihren sehr hilfsbereiten, konstruktiven und freundlichen Einsatz.
Ich wünsche diesem Standardwerk eine breite Leserschaft, die daraus den
größtmöglichen Nutzen zu ziehen vermag. Es freut mich, dass Sie dabei sind,
die so faszinierende Anorganische Chemie neu zu entdecken.

Dormagen Hermann Sicius


im Frühjahr 2021
Der Herausgeber

Dr. rer. nat Hermann Sicius studierte an der Heinrich-Heine-Universität Düs-


seldorf Chemie und promovierte dort mit summa cum laude im Fach Anorga-
nische Chemie (1989). Seit 1989 in der chemischen Industrie tätig, weltweit
gereist, lebte aus beruflichem Grund von Januar 2003 bis November 2005 in
den Vereinigten Staaten von Amerika. Hermann Sicius ist Mitglied der Gesell-
schaft Deutscher Chemiker, arbeitete mit der Engineers’ Society of Western
Pennsylvania zusammen und trat weltweit als Referent in Fachkongressen auf.
Er spricht viele Fremdsprachen und ist daher neben seiner Tätigkeit als Che-
miker, Buchautor und wissenschaftlicher Journalist auch Übersetzer.

IX
Inhaltsverzeichnis

1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten


Hauptgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe . . . . . 73
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe . . . . . . . . . . 137
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe . . . . 211
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe . . . . . . . . . . 277
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

XI
XII Inhaltsverzeichnis

4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe . . . . . . . . 345
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe . . . . . . . . . . . 399
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe . . . . . . . . . . . . 445
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
2 Geschichte und Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
3 Aufarbeitung, Trennung und Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . 448
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe . . . . . . . . . 483
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe . . . . 531
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567
11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe . . . . . . 573
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615
Inhaltsverzeichnis XIII

12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe . . . . . . 623


1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657
13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe . . . . . . . . . 663
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696
14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe . . . . . . . 703
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734
15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe . . . . . . . 741
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772
16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe . . . . . . . . 779
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815
17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe . . . . . . . . . 819
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852
18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe . . . 857
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857
2 Geschichte, Vorkommen und Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . 859
XIV Inhaltsverzeichnis

3 Physikalische und chemische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . 863


4 Analytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864
5 Weltmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium,
Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der Gruppe der
Seltenerdmetalle (Cer bis Lutetium) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866
7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957
19 Radioaktive Elemente: Actinoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973
2 Actinoide – Geschichte und Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . 974
3 Aufarbeitung, Trennung und Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . 975
4 Actinoide – physikalische und chemische
Eigenschaften, Analytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis
Lawrencium) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976
6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1056
20 Ausblick: Chemische Elemente der 8. und 9. Periode . . . . . . 1075
1 Wie geht es im Periodensystem weiter? . . . . . . . . . . . . . . . . 1075
2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1087
Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente
der ersten Hauptgruppe 1

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Zusammenfassung dagegen ab. Ebenso erfolgt heftige bis explosi-


Hier sind alle Elemente der ersten Haupt- onsartige Reaktion mit Wasser und Mineralsäu-
gruppe vereint, also Wasserstoff und sämtliche ren. In ihren Verbindungen sind sie fast durch-
Alkalimetalle. Wasserstoff wurde vor 250 Jah- weg immer der elektropositivere Partner.
ren, die Metalle Lithium, Natrium und Kalium
vor 200 Jahren entdeckt. Rubidium und Cä-
sium folgten 50 Jahre später, und Francium, 1 Einleitung
dessen Isotope alle extrem kurzlebig sind,
wurde 1939 erstmals beschrieben. Obwohl Die Elemente der ersten Hauptgruppe (Alkalime-
diese Elemente in vielen Publikationen ge- talle und Wasserstoff) zeigen eine große Band-
nannt werden und daher ziemlich bekannt sind, breite an Eigenschaften. Die Atome der Alkalime-
haben wir auch hier eine interessante Elemen- talle zumindest geben ausschließlich ihr einziges
tenfamilie vor uns. Valenzelektron der äußersten Elektronenschale
Die Alkalimetalle sind chemisch sehr reaktiv ab, um eine stabile Elektronenkonfiguration zu
und zeigen regelmäßige Abstufungen ihrer erreichen. Ein Wasserstoffatom kann sowohl sein
Eigenschaften. So nehmen vom Lithium zum einziges Elektron abgeben als auch ein weiteres
Cäsium Dichte und Reaktivität zu, Schmelz- aufnehmen, um die sehr stabile Elektronenkonfi-
und Siedepunkte sowie Elektronegativitäten guration des Edelgases Helium einzunehmen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 1


H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_1
2 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Wasserstoff wurde vor 250 Jahren, die Metalle lich erzeugten Elemente nimmt das aktuelle
Lithium, Natrium und Kalium vor 200 Jahren ent- Periodensystem der Elemente (Abb. 1) 118 Ele-
deckt. Rubidium und Cäsium folgten 50 Jahre mente auf.
später, und Francium, dessen Isotope extrem kurz- Die Einzeldarstellungen der insgesamt sechs
lebig sind, wurde 1939 erstmals beschrieben. Vertreter der Gruppe der Elemente der ersten
Obwohl diese Elemente in vielen wissenschaftli- Hauptgruppe enthalten dabei alle wichtigen
chen, medizinischen und auch allgemeinen Publi- Informationen über das jeweilige Element, so dass
kationen genannt werden, haben wir sicher auch ich hier nur eine kurze Einführung vorangestellt
hier eine interessante Familie von Elementen vor habe.
uns. Sie finden sie alle im untenstehenden Perio-
densystem in der Gruppe 1 (I A).
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. 2 Vorkommen
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- Wasserstoff, Natrium und Kalium sind mit
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die Abstand die häufigsten Elemente dieser Haupt-
meisten Elemente können sich untereinander ver- gruppe mit Anteilen von 1500 bis 27.000 ppm
binden und bilden chemische Verbindungen; so an der Erdhülle. Mit deutlichem Abstand folgen
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische Lithium und Rubidium mit 30 bis 60 ppm, und
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz. Cäsium ist noch wesentlich seltener. Francium
Einschließlich der natürlich vorkommenden kommt nur in winzigsten Spuren in der Erdhülle
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künst- vor.

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


5 Einzeldarstellungen 3

3 Herstellung 5.1 Wasserstoff

Wasserstoff gewinnt man in riesigen Mengen Geschichte 1766 entdeckte der englische Che-
durch Elektrolyse von Wasser. Die meisten Alka- miker Cavendish Wasserstoff beim Auflösen un-
limetalle sind entweder durch Schmelzflusselek- edler Metalle in Säuren und wies seine Brennbar-
trolyse ihrer Salze zugänglich, oder aber durch keit nach. Obwohl ihm die Entdeckung des
Reduktion ihrer Salze mit reaktiven Metallen Wasserstoffs zugeschrieben wird, war er nicht
wie Calcium oder Barium. der Erste, der ihn darstellte, denn schon im
17. Jahrhundert erzeugte unter anderem Boyle
Knallgas.
4 Eigenschaften Der französische Naturwissenschaftler Lavoi-
sier und Cavendish fanden ungefähr zur gleichen
4.1 Physikalische Eigenschaften Zeit, dass durch Verbrennen von Wasserstoff
Wasser gebildet wird und auch, dass sich durch
Die physikalischen Eigenschaften sind in dieser Umsetzung von Wasser mit unedlen Metallen
Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regelmäßig umgekehrt Wasserstoff erzeugen ließ. Jedoch
nach steigender Atommasse abgestuft, abgesehen hing Cavendish der althergebrachen Phlogiston-
von der Sonderrolle, die der bei Raumtemperatur Theorie nach, wogegen Lavoisier in quantitativen
gasförmige Wasserstoff spielt. So nehmen vom Versuchen die Eigenständigkeit des Wasserstoffs
Lithium zum Cäsium Dichte und Reaktivität zu, als Element nachwies. Unter Berücksichtigung
Schmelz- und Siedepunkte sowie Elektronegati- des von ihm selbst aufgestellten Gesetzes von
vitäten dagegen ab. der Erhaltung der Masse bei chemischen Reaktio-
Auch in dieser Hauptgruppe weicht das Kopf- nen schloss Lavoisier von den Massen des bei
element (hier: Lithium) in seinen Eigenschaften einer Reaktion eines Metalls mit heißem Wasser
merklich von denen seiner höheren Homologen ab oder Säure gebildeten Wasserstoffs und Metall-
und leitet zum Magnesium über. Natrium zeigt salzes auf die Menge des bei der Umsetzung ver-
schon die meisten charakteristischen Eigenschaften brauchten Wassers.
der Alkalimetalle, aber erst Kalium kann man die-
ses Attribut vollkommen zusprechen.
Der britische Naturforscher Henry Caven-
dish (* 10. Oktober 1731 Nizza; † 24. Fe-
4.2 Chemische Eigenschaften
bruar 1810 London) entdeckte das Element
Wasserstoff und schätzte als Erster das un-
Die Alkalimetalle sind alle äußerst reaktionsfähige
gefähre Gewicht der Erdkugel. Nach dem
Elemente, die meist sehr heftig mit Nichtmetallen Besuch einer Privatschule begann Caven-
reagieren. Ebenso erfolgen nahezu explosionsar- dish Ende 1749 ein Studium an der Univer-
tige Reaktionen mit Wasser und Mineralsäuren. In sität Cambridge, das er aber Anfang 1753
ihren Verbindungen sind sie fast durchweg immer ohne Abschluss verließ. Nach einigen Rei-
der elektropositivere Partner. Die Oxide reagieren sen widmete er sich vollständig der natur-
alle stark bis sehr stark basisch. wissenschaftlichen Forschung in seinem
Londoner Haus (McCormmach und Jung-
nickel 1999; McCormmach 2004), in dem
5 Einzeldarstellungen er mit seinem Vater bis zu dessen Tod lebte
und von dem er ein großes Vermögen erbte.
Folgend sind die Elemente der Alkalimetalle Nach dem Tod seines Vaters errichtete er
(1. Hauptgruppe) jeweils einzeln mit ihren Eigen- außerhalb Londons ein großes Labor, von
schaften, Herstellungsverfahren, wichtigen Ver- diesem pendelte er zu seinem Wohnsitz und
bindungen Anwendungen beschrieben. seiner Bibliothek, beide in London. Mit-
4 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

glied der Royal Chemical Society wurde er perimentes wies er nach, dass Diamant aus
1760, ansonsten beschränkten sich seine reinem Kohlenstoff bestand.
Kontakte sowohl zu seiner Familie als auch Am bedeutendsten war das von ihm,
zu anderen Forschern auf ein Minimum. Morveau, Berthollet und Fourcroy 1787
Viele seiner wissenschaftlichen Versuche herausgegebene Buch zur Chemischen
publizierte Cavendish aber zu seinen Leb- Nomenklatur, in dem unter anderem ver-
zeiten nicht, beschrieb aber manche Phäno- sucht wurde, die Zusammensetzung von
mene (beispielsweise das Ohm’sche oder Salzen auf die ihnen zugrunde liegenden
Dalton’sche Gesetz) vor denjenigen, denen Säuren und Basen zurückzuführen. Lavoi-
die eigentliche Entdeckung zuerkannt sier erstellte systematisch Bilanzen der
wurde (Clotfelter 1987). (Cavendish starb Gewichte der Partner einer chemischen
am 24. Februar 1810 und wurde in Reaktion und gilt als Begründer der Stö-
der Kathedrale von Derby beigesetzt). chiometrie. Obwohl er ein hohes Ansehen
in der Welt der Wissenschaft genoss, rich-
Der französische Naturwissenschaftler An- tete man ihn 1794 wegen seiner Tätigkeit
toine Laurent de Lavoisier (* 26. August als Zollpächter und diesbezüglich, mögli-
1743 Paris; † 8. Mai 1794 Paris) war außer- cherweise zu Unrecht, erhobenen Vorwürfen
dem Rechtsanwalt, Hauptzollpächter, Öko- des Betruges und der Steuerhinterziehung
nom und Leiter der französischen Pulver- während der Endphase der Französischen
verwaltung. 1764 schloss er zunächst ein Revolution hin (Speter 1984).
Jurastudium mit der Promotion ab und
begann eine Tätigkeit als Rechtsanwalt in
Paris. In den vier folgenden Jahren unter- Vorkommen Wasserstoff ist sowohl in der
suchte er aber auch unzählige Proben an Sonne als auch den Gasplaneten unseres Sonnen-
Trinkwasser; diese Berichte veröffentlichte systems, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun das
er auch. 1769 wurde er als gerade 24-jähri- häufigste chemische Element; auf Wasserstoff
ger Chemiker Mitglied des erweiterten Per- entfallen 75 % der Gesamtmasse bzw. 93 % aller
sonenkreises der Akademie der Wissen- im Sonnensystem vorhandenen Atome.
schaften (Académie des Sciences). 1772 Im Zuge der Entstehung des Universums bilde-
wurde er assoziiertes Mitglied, 1778 Mit- ten sich, beeinflusst von Schwerkraft und regional
glied auf Lebenszeit. 1768 wurde Lavoisier ungleichmäßiger Verteilung der Protonen, riesige
zudem Mitglied in der Ferme Générale, der Wolken aus Wasserstoffgas, aus denen später die
60 Funktionsträger umfassenden Organisa- Protosterne gebildet wurden. Da deren Masse zu-
tion der französischen Hauptzollpächter, nächst immer weiter stieg, begannen in ihrem Inne-
und richtete in seiner Wohnung im Arsenal ren Kernfusionsprozesse, bei denen Atomkerne des
ein großes Labor ein. Wasserstoff zu denen des Heliums verschmolzen
Ab 1772 entwickelte er das Gesetz von
und so die „heutigen“ Sterne – und auch die Sonne –
der Erhaltung der Masse bei chemischen
entstanden. Zum größten Teil bestehen die Sterne
Reaktionen, das entscheidend dazu beitrug,
aus Wasserstoff-Plasma. Die Kernfusionsprozesse
die zuvor gebräuchliche Phlogistontheo-
sind die Energiequelle der Sterne.
rie durch Ergebnisse selbst durchgeführter
Auch die oben genannten großen Gasplaneten
Versuche zu widerlegen (Guerlac 1975),
während derer er Wägungen der Edukte bestehen meist aus Wasserstoff; daneben noch aus
und Produkte, soweit möglich, vornahm. gefrorenem Ammoniak, Methan, Kohlendioxid und
Außerdem wies er die notwendige Funktion anderen Bestandteilen. Im Inneren des Jupiters und
des Sauerstoffs bei Verbrennungen nach, Saturns herrschen hohe Drücke, unter denen Wasser-
jedoch nahm Lavoisier noch an, dass alle stoff wahrscheinlich in metallischer Form vorkommt.
Säuren Sauerstoff als Grundelement enthal- Dies kann die Ausbildung der Magnetfelder erklären,
ten müssten. Mittels eines Verbrennungsex- die diese nicht-terrestrischen Planeten bilden.
5 Einzeldarstellungen 5

In interstellaren Gaswolken ist Wasserstoff Säuren herzustellen, jedoch sind diese Methoden
meist in molekularer und nichtionisierter Form für eine großtechnische Produktion unwirtschaft-
enthalten. Aus diesen Gebieten entstammt elek- lich. Eines von zwei industriell gängigen Verfah-
tronische Strahlung einer Frequenz von ca. 1420 ren ist die Dampfreformierung, bei der Kohlen-
MHz (21-cm- oder H-I-Linie), die auf definierten wasserstoffe und Wasser bei hoher Temperatur
spektralen Übergängen des Wasserstoffatoms und hohem Druck umgesetzt werden. Reaktions-
beruht und die für dessen Auffindung im Weltall produkt ist dabei das sogenannte Synthesegas, ein
sehr bedeutsam ist. Daneben gibt es ionisierte Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Je
Gaswolken, die atomaren Wasserstoff enthalten nach Führung der Synthese kann man das Men-
(H-II-Gebiete) und große Mengen ionisierender genverhältnis der beiden Gase steuern. Dieses
Strahlung aussenden, die gelegentlich sichtbar Verfahren wendet man dann an, wenn der auf
ist, so dass man sie mit optischen Hilfsmitteln diese Weise produzierte Wasserstoff in Hoch-
beobachten kann. drucksynthesen gehen soll.
Auf der Erde ist der Anteil, den Wasserstoff an Die zweite in der Industrie angewandte
der gesamten Erdmasse hält, viel kleiner und Methode ist die partielle Oxidation, bei der man
beträgt 0,12 % der gesamten Masse der Erde Erdgas teilweise mit Sauerstoff umsetzt; dabei
bzw. 2,9 % der Erdkruste. Im Gegensatz zu den bilden sich unter anderem Wasserstoff und Koh-
Verhältnissen im Universum liegt Wasserstoff auf lenmonoxid.
der Erde fast nur chemisch gebundener Form vor, Ein schon lange etabliertes, immer noch effizi-
beispielsweise im Wasser der Meere und Seen entes, aber nicht mehr oft angewandtes Verfahren
(Wasser, H2O) oder in allen organischen Verbin- zur Herstellung von Wasserstoff ist die Elektro-
dungen, die generell primär Verbindungen von lyse von Wasser. Durch Einsatz elektrischer Ener-
Kohlen- und Wasserstoff sind, also in der ganzen gie und nach Zugabe kleiner Mengen katalytisch
lebenden Materie oder auch in Erdöl oder Erdgas. wirksamer Säure wird Wasser in Wasser- und
Mehr als der Hälfte aller aktuell bekannten Mine- Sauerstoff gespalten:
rale enthalten Wasserstoff.
Die obengenannten Massenanteile sind nur 2 H2 O ! 2 H2 þ O2
wegen des niedrigen Atomgewichtes des Wasser-
stoffs (oder Protons) so gering, denn Wasser Im Mol- und Volumenverhältnis von 2:1 ent-
bedeckt fast 70 % der Erdoberfläche mit einem wickelt sich an der Kathode Wasserstoff- und an
gesamten Volumen von 1386 Mrd. km3. Das Salz- der Anode Sauerstoffgas. Zur Gewinnung schwe-
wasser in den Ozeanen macht hiervon 96,5 % aus; ren Wassers, das sich im nicht durch die Elektro-
nur 3,5 % (ca. 46 Mio. km3) entfallen auf Süß- lyse verbrauchten Wasser anreichert, ist dieses
wasser. Letzteres befindet sich mehrheitlich in Verfahren aber noch wichtig.
gefrorener Form in den Polar- und Permafrost- Ein modernes Verfahren hohen Wirkungsgra-
gebieten, nur ein kleiner Teil befindet sich in Seen des ist das in den 1980er-Jahren entwickelte
oder Flüssen. Kværner-Verfahren. Bei diesem spaltet man Koh-
In der Atmosphäre liegt Wasserstoff praktisch lenwasserstoffe in einem Plasmabrenner bei Tem-
ausschließlich chemisch gebunden in Form von peraturen um 1600  C in reinen Kohlenstoff
Wasserdampf vor, dessen Anteil darin bis zu (Aktivkohle) und Wasserstoff auf. Vorteilhaft
4 Vol.-% betragen kann und als relative Luftfeuch- gegenüber allen anderen Verfahren ist, dass reiner
tigkeit gemessen wird. Diese entspricht dem Ver- Kohlenstoff an Stelle von Kohlendioxid entsteht.
hältnis des anteiligem Wasserdampfdrucks zum Da die Reaktionsprodukte und auch der zugleich
temperaturabhängigen Sättigungsdampfdruck. mit entstehende Heißdampf viel Energie enthal-
ten, resultiert ein thermodynamischer Wirkungs-
Gewinnung grad von 98 % (!).
Molekularer Wasserstoff Dieser ist zwar einfach Als natürliche und umweltfreundliche Quelle
im Labor durch Auflösung unedler Metalle in für Wasserstoff testete man Grünalgen, die unter
6 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

bestimmten Bedingungen, unter anderem der Weise erreicht. Ein Strahl schnell strömenden,
intensiven Einwirkung von Sonnenlicht, Wasser- molekularen Wasserstoffs wird durch einen zwi-
stoff aus Wasser zu erzeugen imstande sind. Die schen zwei Wolframelektroden produzierten elek-
Algen sind aber schwer in großen Mengen zu trischen Lichtbogen geleitet, wodurch der mole-
kultivieren, was das Verfahren wirtschaftlich kulare in atomaren Wasserstoff umgewandelt
uninteressant macht. wird. Leitet man diesen Strahl heißen atomaren
Neuere Arbeiten des Rostocker Leibniz Insti- Wasserstoffs auf hochschmelzende Stoffe wie
tutes (Hoer 2011) befassten sich mit ruthenium- Wolfram oder Tantal, werden diese an der Auf-
haltigen Katalysatoren, die die Gewinnung von treffstelle geschmolzen. Vorteilhaft ist zudem,
Wasserstoffgas aus Alkohol unter ansonsten mil- dass die Metalloberfläche durch die reduzierend
den Reaktionsbedingungen mit hoher Ausbeute wirkende Umgebung (Wasserstoff) vor dem Zu-
gestatten. tritt von Luftsauerstoff geschützt ist.
Die jährliche, weltweit erzeugte Menge an
Wasserstoff liegt bei 30 Mio. t. Eigenschaften
Atomarer Wasserstoff Atomaren Wasserstoff Physikalische Eigenschaften: Wasserstoff hat die
kann man aus dem üblicherweise vorliegenden geringste Dichte aller Elemente. Das normale, aus
molekularen Wasserstoff durch Erhitzen auf ex- H2-Molekülen bestehende Wasserstoffgas ist fast
trem hohe Temperaturen (mehrere 1000  C), elek- 15mal leichter als Luft. Sein Kondensations-/
trische Entladungen von Starkstrom bei niedri- Siedepunkt liegt bei 252  C (s. Tab. 1), der
gem Druck, Bestrahlung mit UV-Licht oder Erstarrungspunkt des flüssigen Wasserstoffs bei
intensiver Mikrowellenstrahlung oder aber durch 259  C. In Wasser und anderen Flüssigkeiten
Beschuss mit Elektronen einer Energie von ist er relativ schlecht löslich, in einigen Metallen
10–20 eV erzeugen. Da molekularer Wasserstoff dafür wesentlich besser.
viel energieärmer als atomarer ist, reagiert letzte- Da sein Atom bzw. Molekül im Vergleich zu
rer sehr leicht und schnell wieder zu molekularem. denen anderer Gase sehr klein ist, erzielt Wasser-
Das Gleichgewicht der stark endothermen, nach- stoff bei Raumtemperatur Höchstwerte für sein
stehenden Reaktion liegt stark auf der linken Seite Diffusionsvermögen, seine Wärmeleitfähigkeit
(Hartmann-Schreier 2004): und seine Entweichgeschwindigkeit bei gleichzei-
tig geringster Viskosität. So diffundiert Wasser-
H2 $ 2 H Δ Ho R ¼ 435 kJ=mol stoff selbst durch Polyethylen und glühendes
Quarzglas, ebenfalls sehr schnell diffundiert er in
Benötigt man größere Mengen atomaren Was- Eisen und anderen Metallen, was mit einer Was-
serstoffs, so wendet man die Verfahren nach serstoffversprödung des jeweiligen Metalls ein-
Wood oder Langmuir an. Beim Wood-Verfahren hergeht. Die sehr hohen Durchdringungsraten,
setzt man molekularen Wasserstoff unter stark verbunden noch dazu mit einer beträchtlichen
verringertem Druck (< 2 mbar) elektrischen Ent- Löslichkeit des Gases in manchen Feststoffen,
ladungen einer Spannung von ca. 4000 V aus, die bringen Vor- und Nachteile mit sich, letztere vor
zwischen zwei Aluminiumelektroden stattfinden. allem bei Transport und Lagerung.
Obwohl sich schnell wieder molekularer Wasser- Wasserstoff sendet ein aus zahlreichen Spek-
stoff rückbildet, genügen Bruchteile von Sekun- trallinien zusammengesetztes Licht aus, jedoch ist
den, um den atomaren Wasserstoff abzusaugen dieses im sichtbaren Wellenlängenbereich schon
und über die mit dem hochreaktiven atomaren nahezu kontinuierlich. Im Magnetfeld verhält er
Wasserstoff umzusetzenden Stoffe zu leiten. sich schwach diamagnetisch und ist darüber hi-
Die Methode nach Langmuir nutzt die bei der naus ein elektrischer Isolator.
Rekombination der Wasserstoffatome freiwer- Wasserstoff kondensiert bei einer Temperatur
dende Energie, die so groß ist, dass man so auch von 252  C zu einer klaren, farblosen Flüssig-
hochschmelzende Metalle schweißen kann. Tem- keit, die nach weiterem Abkühlen bei 259,2  C
peraturen von bis zu 4000  C werden auf diese zu einem Kristallisat mit hexagonal-dichtester
5 Einzeldarstellungen 7

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Wasserstoff


Symbol: H
Ordnungszahl: 1
CAS-Nr.: 1333-74-0
Aussehen: Farbloses Gas
Entdecker, Jahr Cavendish (England), 1766
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
1
1H (99,9885) Stabil ——
2
1H (D) (0,0115) Stabil ——
15
3
1H (T) (10 ) 12,33 β > 32He
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 1500
Atommasse (u): 1,008
Elektronegativität 2,2 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 25
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 120
Kovalenter Radius (pm): 31
Elektronenkonfiguration: 1s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 1312
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,2  109
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal (< 259,2  C)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): Keine Angabe
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Mohs-Härte Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 298,15 K): 1270
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) 0,0899
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 11,42  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 0,1805
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 28,836
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 259,14 ♦ 14,01
Schmelzwärme (kJ/mol): 0,558
Siedepunkt ( C ♦ K): 252 ♦ 21,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 0,9

Packung erstarrt. Einen supraflüssigen Zustand ungeladenes Neutron im Kern und ein negativ
bildet flüssiger Wasserstoff nicht aus. Sein Tripel- geladenes Elektron in der Atomhülle. Bei den
punkt liegt bei 259,35  C und einem Druck von schwereren Isotopen 21H (D, Deuterium, „schwe-
7,042 kPa, der kritische Punkt bei 239,97  C rer“ Wasserstoff) und 31H (T, Tritium, „super-
und 1300 kPa (13 bar) (Mallard und Linstrom schwerer Wasserstoff“) enthält der Atomkern
2011). noch ein bzw. zwei Neutronen mehr.
„Metallischer“, da elektrisch leitender Wasser- Das Elektron kann, dem auf der Annahme fla-
stoff konnte vor fast 20 Jahren für Bruchteile von cher Elektronenbahnen beruhenden Bohr’schen
Sekunden mit Hilfe einer Gaskanone erzeugt wer- Atommodell zur Folge, auf andere, hinsichtlich
den (Nellis 2000). ihres Abstandes zum Kern definierte Bahnen
Atom- und kernphysikalische Eigenschaften: springen, wenn ihm die nötige Energie dafür zu-
Das gewöhnliche Wasserstoffatom (11H) enthält geführt wird, wie es etwa in elektrischen Gasent-
ein einfach positiv geladenes Proton sowie ein ladungen geschieht. Springt das Elektron dann
8 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

aus dem angeregten Zustand zurück in den Grund- Chemische Eigenschaften: Das Wasserstoff-
zustand, so wird die Energiedifferenz in Form von atom kann zur Erreichung einer stabilen Elek-
Licht einer einzigen („gequantelten“) Wellenlänge tronenkonfiguration entweder ein Valenzelek-
abgegeben. Dieses Modell erklärt auch die Spek- tron abgeben oder aufnehmen. Im ersten Fall
trallinien des H-Atoms, die mit 656, 486, 434 und besitzt er dann gar kein Elektron mehr, im letz-
410 nm im Wellenlängenbereich des sichtbaren teren die Konfiguration des Edelgases Helium.
Lichtes liegen (Balmer-Serie). Weitere Bestand- Wasserstoff kann daher mit den Oxidationszah-
teile des abgestrahlten Lichtspektrums befinden len +1 und 1 auftreten. In Verbindungen mit
sich im ultravioletten Bereich (Lyman-Serie: Nichtmetallen mit Ausnahme von Bor ist er der
122, 103, 97 und 95 nm Wellenlänge). Auf der elektropositivere Partner (Oxidationszahl: +1)
anderen Seite des Spektrums, im Infraroten, exis- in den dann vorliegenden, kovalenten Bindun-
tieren Spektrallinien (Paschen-Serie: 1,9; 1,3; 1,1 gen, wogegen er in den mit reaktiven Metallen
und 1 μm) und die Brackett-Serie (4,1; 2,6; 2 und gebildeten, salzartigen und somit ionischen
1,9 μm), wobei für alle Serien nur die ersten vier Hydriden der elektronegativere (Oxidations-
Linien angegeben sind. zahl: 1) ist.
Weil es noch nicht alle Phänomene beschrei- Wasserstoff ist ziemlich reaktionsfähig und
ben konnte, entwickelte man das Bohr-Modell reagiert bei Zündung mit Sauerstoff zu Wasser
dann zu einem solchen weiter, das den Elektronen und den Halogenen – außer Iod – zu den jeweili-
räumlich ausgedehnte Atomorbitale zuweist. gen Halogenwasserstoffen, in der Wärme auch
Beim Wasserstoffatom ist die quantenmecha- mit den meisten anderen Nichtmetallen und
nische Berechnung noch relativ einfach, da hier Metallen. (Wasserstoff setzt sich auch mit gefro-
lediglich ein Proton und ein Elektron vorliegen. renem Fluor bei einer Temperatur von 200  C
Unter Standardbedingungen ist Wasserstoff (H2) fast explosionsartig um!)
ein Gemisch zweier Moleküle, deren Kernspins
unterschiedlich ausgerichtet sind [ortho- (o) und
H2 þ X2 ! 2 HX ðX ¼ HalogenÞ
para- (p) Wasserstoff]. Im etwas energiereicheren
o-Zustand (ΔHoR = + 0,08 kJ/mol) haben die 2 H2 þ O2 ! 2 H2 O
Kernspins die gleiche (parallele) Richtung, wogegen
der p-Zustand Kernspins entgegengesetzter (antipa- Weitere Erscheinungsformen und Besonder-
ralleler) Ausrichtung zeigt. Beide Molekülzustände heiten von Wasserstoff: Direkt nach seiner Erzeu-
stehen temperaturabhängig miteinander im Gleich- gung bei einer chemischen Reaktion existiert
gewicht und unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Wasserstoff für Bruchteile von Sekunden im statu
physikalischen Eigenschaften leicht (Schmelz- nascendi, dem atomaren Zustand, bevor sich zwei
und Siedepunkte sowie spezifische Wärme). Bei H-Atome zu einem H2-Molekül verbinden. Dieser
der Temperatur des absoluten Nullpunkts liegt Wasserstoff ist wesentlich reaktiver als der ge-
ausschließlich p-Wasserstoff vor, unter Standard- wöhnliche molekulare und kann z. B. violette
bedingungen (25  C, Normaldruck) besteht ein Lösungen von Kaliumpermanganat (KMnO4) zu
Gleichgewicht zwischen 25 % p- und 75 % hellrosa gefärbten Mn2+-Ionen oder ursprünglich
o-Form, was auch dem größtmöglichen Anteil gelbe Lösungen von Natriumdichromat (Na2C-
der o-Form entspricht. Wird Wasserstoff verflüs- r2O7) zu grünen Cr3+-Ionen reduzieren. Dies kann
sigt, so muss die beim Übergang von der o- zur geprüft werden, indem die sauer gestellten, oben
energieärmeren p-Form freiwerdende Energie genannten Lösungen mit Zinkpulver versetzt wer-
berücksichtigt werden, die sonst einen Teil des den, das mit der Säure reagiert. Das Zink löst sich
kondensierten Wasserstoffs direkt wieder ver- in der Säure unter Entwicklung von Wasserstoff
dampfen ließe. Dies erreicht man durch Überlei- auf, der sehr kurzzeitig „in statu nascendi“ vor-
ten des noch gasförmigen Wasserstoffs über liegt. „Normaler“, molekularer, aus der Gasfla-
geeignete Katalysatoren, die noch im Gaszustand sche entnommener Wasserstoff zeigt diese Wir-
das Gleichgewicht hin zur p-Form verschieben. kung nicht.
5 Einzeldarstellungen 9

Die sogenannte Wasserstoffbrückenbindung ist tium ist radioaktiv und erleidet mit einer kurzen
eine elektrostatische Anziehungskraft zwischen Halbwertszeit von 12,32 a β--Zerfall zum Heli-
zwei Molekülen. Von diesen enthält mindestens umisotop 32He. Es entsteht durch in der oberen
eines Wasserstoffatome, die eine positive Ladungs- Erdatmosphäre ablaufende Kernreaktionen (Lal
dichte tragen, und eines, das Atome stark elek- und Peters 1967).
tronegativer Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff Ein die Kriterien für ein Wasserstoffatom er-
oder Fluor trägt. Zwischen dem Wasserstoffatom füllendes „Ersatzatom“ ist das in Teilchenbe-
und dem mit mehr oder weniger stark negativer schleunigern hergestellte Muonium, das aus ei-
Ladungsverteilung versehenen elektronegativen nem Elektron in seiner Hülle sowie aus einem
Atom tritt eine Anziehungskraft auf, die Wasser- positiv geladenen Antimyon im Kern besteht.
stoffbrückenbindung genannt wird. Zwar ist diese Das Antimyon hat jedoch nur etwa ein Zehntel
energetisch schwächer als „echte“ chemische Bin- der Masse eines Protons. Versuche mit Myonen
dungen und auch schnell wechselnd, ist aber beschreibt z. B. Jungmann (2003).
wegen ihrer Konstanz für sehr viele Eigenschaften
bestimmter Moleküle verantwortlich. Alleine Was- Verbindungen Wasserstoff verbindet sich mit vie-
ser, Ammoniak und Fluorwasserstoff hätten nicht len Nichtmetallen bzw. Metallen, in den dann ent-
die relativ zu ihren Homologen hohen Siede- stehenden Verbindungen nimmt er oft die Oxida-
punkte, gäbe es zwischen ihren Molekülen nicht tionszahl 1 bzw. +1 ein, trägt also positive bzw.
diese Bindungen (Jeffrey 1997). negative Ladungsanteile. Dies hängst davon ab, ob
Weitere Isotope des Wasserstoffs Es gibt drei der jeweilige Bindungspartner eine höhere (alle
natürlich vorkommende Isotope des Wasser- Nichtmetalle außer Bor) oder eine niedrigere Elek-
stoffs, die sich – wegen der sehr geringen Atom- tronegativität (alle anderen Elemente mit Ausnahme
masse- auch merklich in ihren Eigenschaften der Edelgase) als Wasserstoff (2, 2) aufweist.
und denen ihrer Verbindungen unterscheiden. In Verbindung mit den meist elektropositiveren
Dies sind Wasserstoff („Protium“) selbst (11H), Metallen nimmt das Wasserstoffatom in der Regel
Deuterium (21H oder D) und Tritium (31H oder ein Elektron auf, so dass negativ geladene Hydri-
T). Es gibt darüber hinaus noch künstlich dionen (H) entstehen. Die von den Alkali- und
erzeugte, extrem kurzlebige Isotope (41H, 51H, Erdalkalimetallen (außer Beryllium) sowie von
6 7
1H, 1H), die aber hier nicht weiter betrachtet Europium (EuH2) und Ytterbium (YbH2) gebilde-
werden (Dumé 2003). ten Hydride haben salzartigen Charakter. Oft sind
Protium stellt mit einer relativen Häufigkeit diese Verbindungen an der Luft entzündlich und
von 99,98 % im natürlich vorkommenden Was- reagieren heftig mit Wasser unter Bildung mole-
serstoff den mit Abstand größten Anteil und ist kularen Wasserstoffs und des jeweiligen Metall-
nicht radioaktiv. Sein Atomkern enthält nur ein hydroxids.
einziges Proton und keine Neutronen. Des Weiteren gibt es Einlagerungen von Was-
Das Isotop 21H (D, Deuterium) weist neben serstoffatomen in oktaedrische und tetraedrische
dem Proton ein Neutron im Kern auf und steht Lücken von Metallatomgittern, wobei die Ab-
für 0,015 % aller natürlich vorkommenden Atome sorptionsfähigkeit des jeweiligen Metalls für
des Wasserstoffs. Deuteriumhaltige Verbindun- Wasserstoff bei Temperaturen um 500  C bis zu
gen verwendet man in der 1H-NMR Spektro- 10 % betragen kann. Das größte Speichervermö-
skopie als Lösungsmittel, da sie im Hinblick auf gen für Wasserstoff besitzen die Metalle der fünf-
ihre Protiumanaloga ähnliche Eigenschaften zei- ten Nebengruppe (Vanadium, Niob, Tantal).
gen, aber im Unterschied zu jenen keine störenden
Resonanzsignale liefern. Deuterium ist ebenfalls Anwendungen Wasserstoff geht in viele Ein-
nicht radioaktiv, also stabil. satzgebiete. Wichtig ist die Anwendung als Rake-
Tritium (31H, T) ist das dritte, in extrem gerin- tentreibstoff oder zunehmend als Treibstoff für
gen Mengen (geschätzt weltweit: ca. 3 kg) natür- Verbrennungsmotoren bzw. Brennstoffzellen. Das
lich vorkommende Isotop des Wasserstoffs. Tri- Oxidationsprodukt (Wasser) ist umweltfreundlich,
10 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

aber man muss zuvor Energie aufwenden, um Was- ein, da es die bei Kernspaltungen freigesetzten
serstoff zu gewinnen (Schindler et al. 2009). schnellen Neutronen abbremst. In der Kernreso-
Ammoniak wird aus Stickstoff und Wasserstoff nanzspektroskopie (meist 1H-NMR) setzt man deu-
mittels des Haber-Bosch-Verfahrens produziert. terierte Lösungsmittel deshalb ein, da sie keine im
Ammoniak ist unter anderem das Ausgangsmaterial jeweiligen Resonanzbereich auftretenden Spektral-
zur Herstellung von Düngern und Sprengstoffen. linien erzeugen. Deuterium- und Tritiumverbin-
Wasserstoff besitzt die Zulassung als Lebens- dungen verhalten sich zwar weitgehend ähnlich
mittelzusatzstoff (E 949) und dient als Treib- und zu denen des „normalen Wasserstoffs“ (Proti-
Packgas (Bundesministerium der Justiz und für ums), zeigen aber von diesen geringfügig abwei-
Verbraucherschutz 2012). chende physikalische Eigenschaften. So schmel-
Die Kohlehydrierung ist noch nicht wirtschaft- zen bzw. sieden:
lich, aber potenziell dann interessant, wenn die
Lagerstätten des natürlichen fossilen Brennstoffs • Wasser (H2O, Dichte 0,997 g/cm3 bei 20  C)
Erdöl erschöpft sind. Kohle wird unter bestimm- bei 0  C bzw. 100  C,
ten Bedingungen mit Wasserstoffgas zu syn- • „schweres Wasser“ (D2O, Dichte 1,104 g/cm3
thetisch hergestellten, flüssigen Kohlenwasser- bei 20  C) bei 3,8  C bzw. 101,4  C, und
stoffen umgesetzt, aus denen wiederum Benzin, • „superschweres Wasser“ (T2O, Dichte 1,214
Diesel- und Heizöl herstellbar sind. g/cm3 bei 20  C) bei 4,5  C bzw. 101,5  C.
Aus Pflanzen gewonnene Öle und Fette hydriert
man zwecks Haltbarmachung und Schmelz- Tritium verwendet man als radioaktiven Marker
punkterhöhung (Fetthärtung), wobei die in für Tumorzellen, oder aber Tritiumatome als Ge-
den Molekülen der Fettsäuren enthaltenen C=C- schoss in Kernbeschleunigern. Die so genannte Tri-
Doppelbindungen gesättigt und in Einfachbin- tiummethode nutzt die kurze Halbwertszeit des
dungen umgewandelt werden. Margarine wird radioaktiven Zerfalls des Tritiums zur Altersbestim-
auf diese Weise erzeugt. mung von Flüssigkeiten wie Wein aus. Nennens-
Wasserstoff findet oft als Reduktionsmittel Ein- wert ist noch der Einsatz als Energiequelle für
satz, wobei er Metalloxide bei hohen Temperatu- Leuchtfarben.
ren in die jeweiligen Metalle überführen kann. Bisher ist die Speicherkapazität von Wasser-
Dieses Verfahren ist zwar teurer und meist auch stoff, der die höchste Energiedichte aller Treib-
nur im kleinen Maßstab durchführbar, es liefert stoffe besitzt, in Tanks noch begrenzt. Ein 200 kg-
aber das Metall in seiner reinsten Form. Tank speichert als Hydrid oder in Nanoröhren
Vor der Katastrophe des Luftschiffes Hinden- gerade einmal 2 kg gasförmigen Wasserstoff, des-
burg 1937 war Wasserstoff verbreitet als Füllgas sen Brennwert einer Menge von 8 L Benzin ent-
für Ballons und Luftschiffe im Einsatz. Die spricht. Dagegen existieren Drucktanks mit einem
Sicherheitsbestimmungen verbieten dies aber zulässigen Innendruck bis zu 800 bar, die auch
schon seit langem, daher ist es mittlerweile meist den Sicherheitsanforderungen der Fahrzeugher-
durch das unbrennbare Helium ersetzt worden. steller genügen und das TÜV-Siegel tragen (Eich-
Wasserstoffgas besitzt eine hohe Wärmekapa- lseder und Klell 2010).
zität, weshalb es in Kraftwerken als Kühlmittel
eingesetzt wird. Zugute kommt dabei, dass Was-
serstoff ebenso eine hohe Wärmeleitfähigkeit Patente
aufweist, so kann Wärme über einen Strom von (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Wasserstoffgas effizient abtransportiert werden. wide.espacenet.com)
Entsprechend setzt man flüssigen Wasserstoff oft
als Kältemittel ein. B. Tsenter, Lithium hydrogen secondary elec-
Spezifische Anwendungen haben dagegen trochemical cell (privat, US 10211494 B1,
Deuterium und Tritium bzw. deren Verbindungen: veröffentlicht 19. Februar 2019)
Deuterium setzt mant in Form des „schweren
(Fortsetzung)
Wassers“ (D2O) in Kernreaktoren als Moderator
5 Einzeldarstellungen 11

nicht aber die des Elements selbst. Im gleichen


Y. Cui und W. Chen, Metal-hydrogen batte- Jahr (1818) stellten Davy und Brande aber mit-
ries for large-scale energy storage (Uni- tels Schmelzflusselektrolyse von Lithiumoxid das
versity Leland Stanford Junior, US Metall erstmals dar. Im großen Maßstab taten
2019051907 A1, veröffentlicht 14. Fe- dies Bunsen und Matthiessen 1855, als sie eine
bruar 2019) Schmelze von Lithiumchlorid elektrolysierten.
J. Erlebacher und B. Gaskey, Method of Erste lithiumorganische Verbindungen stellte
carbon dioxide-free hydrogen produc- Schlenk 1917 her.
tion from hydrocarbon decomposition
over metal salts (University Johns Hop-
kins, US 2019047857 A1, veröffentlicht Der schwedische Chemiker Johan August
14. Februar 2019) Arfwedson (* 12. Januar 1792 Skagers-
N. Perricone, Barriers to hydrogen for holm; † 28. Oktober 1841 Hedensö) ent-
metals and other materials (Perricone deckte 1817 das chemische Element Lithium.
Hydrogen Water Company LLC, US Er begann 1806, in Uppsala Bergwissen-
2019046755 A1, veröffentlicht 14. Fe- schaften zu studieren. Nach Abschluss des
bruar 2019) Studiums erhielt er eine Anstellung am Kö-
P. Lorge und C. Remacle, Device for the niglichen Institut für Bergwissenschaften
production of hydrogen gas (H2WIN und wurde Mitglied des Bergkollegiums in
SA, US 2019048478 A1, veröffentlicht Stockholm. Dort arbeitete er mit Berzelius
14. Februar 2019) zusammen, einem der bedeutendsten Che-
J. Partheepan, Hydrogen hybrid cycle sys- miker aller Zeiten.
tem (Tascosa Advanced Service Inc., Neben seinen Lithium gewidmeten Ar-
WO 2019032755 A1, veröffentlicht 14. beiten forschte er an der Gewinnung von
Februar 2019) Uran und Beryllium. Arfwedson verlieh die
H. C. Ham und B. W. Kwon, High purity Schwedische Akademie der Wissenschaf-
hydrogen production device and high ten die Gold-Medaille wegen seiner Entde-
purity hydrogen production method ckung des Lithiums (Rubenson et al. 1906).
Seit 1997 verleiht die Gesellschaft Deutscher
(Korea Institute for Science & Techno-
Chemiker den Arfvedson-Schlenk-Preis für
logy, US 2019039890 A1, veröffentlicht
besonders herausragende Arbeiten auf dem
7. Februar 2019)
Gebiet der Lithiumchemie.
B. Westerlund, Hydrogen refueling station
comprising a fill tank (privat, SE1750894 Wilhelm Johann Schlenk (* 22. März
A1, veröffentlicht 8. Januar 2019) 1879 München; † 29. April 1943 Tübingen)
war ein deutscher Chemiker, der Anfang
des 20. Jahrhunderts in München Chemie
studierte und 1905 promovierte. Vier Jahre
5.2 Lithium später habilitierte er sich und ging 1913 als
Professor nach Jena, 1918 weiter nach Wien
Geschichte Die Entdeckung des Lithiums wird und 1921 schließlich nach Berlin. Von 1926
Arfwedson zugeschrieben. Dieser wies 1817 das bis 1928 war er Präsident der Deutschen
Vorliegen eines neuen Elements in einigen Pro- Chemischen Gesellschaft. Da er nach der
ben schwedischen Gesteins nach, so in den Ka- Machtübernahme der Nationalsozialisten
liumalumosilikaten Spodumen und Lepidolith. aber seine regimekritische Einstellung bei-
Sein Ausbilder Berzelius schlug eine Benennung behielt, versetzte man ihn 1935 an die Uni-
nach Gesteinen vor und wählte den namen Li- versität Tübingen (Anwander 2011) und
thion, aus dem später Lithium wurde (Figurow- schloss ihn 1942 aus der Deutschen Chemi-
ski 1981). Ein Jahr später gelang dem Deutschen schen Gesellschaft aus. Er war Mitglied
Gmelin die Isolierung einzelner Lithiumsalze, wissenschaftlicher Gesellschaften wie der
12 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

2000) und ist damit immerhin häufiger als Kobalt,


Preußischen Akademie der Wissenschaften Zinn oder Blei, jedoch beträgt seine Häufigkeit
(ab 1922), der Bayerischen Akademie der nur etwa ein Fünfzigstel derjenigen seiner höhe-
Wissenschaften (ab 1925) und der Deut- ren Homologen Natrium und Kalium. Seine
schen Akademie der Naturforscher Leopol- Gewinnung wird aber durch eine stärkere Vertei-
dina. Nach ihm benannt sind Geräte für lung und damit geringere Ergiebigkeit der Lager-
Arbeiten unter Luftausschluss (Schlenkrohr) stätten seiner Salze schwierig (Trechow 2011).
und das Schlenk-Gleichgewicht von Gri- Man schätzt die Menge des insgesamt auf der
gnard-Verbindungen (Tidwell 2001). Erde vorhandenen Lithiums auf knapp 40 Mio. t
und die Reserven auf 13,5 Mio. t. 33.000 t wurden
Der deutsche Chemiker, Mediziner und Phar- 2014 weltweit verbraucht (Jaskula 2015). Andere
mazeut Christian Gottlob Gmelin (* 12.
Schätzungen zu den Reserven gingen 2010 von
Oktober 1792 Tübingen; † 13. Mai 1860 Tü-
19,3 bis 55 Mio. t aus (Mohr et al. 2012).
bingen) studierte zunächst Medizin; das Stu-
Die primären und eher kleinen Lagerstätten
dium schloss er 1814 mit der Promotion
spielen für den Abbau des Lithiums nur eine
ab. Von 1817 an hatte Gmelin dann einen
Lehrstuhl für Chemie und Pharmazie an der kleine Rolle, weil die Gewinnung aus Mineralien
Universität Tübingen inne. Gmelin unter- zwar theoretisch möglich, aber mit hohem Auf-
nahm zahlreiche Reisen in Europa und arbei- wand verbunden ist. Da die aktuell hohe Nach-
tete in diesen Ländern jeweils mit den dort frage sich zukünftig aber noch steigern wird, wird
führenden Forschern zusammen. Sein haupt- sich die Situation wahrscheinlich dahingehend
sächliches Arbeitsgebiet war die Spektro- ändern, dass auch Lagerstätten mit geringeren
skopie; er war der erste, der die rote, durch Anteilen an Lithium ausgebeutet werden. Das
Anwesenheit von Lithiumsalzen verursachte Element kommt in einigen Mineralien vor, wie
Färbung der Brennerflamme entdeckte. Ne- etwa Amblygonit (LiAlPO4F), Lepidolith [K(Li)
ben anderen analytischen Untersuchungen Al3Si4O10(F, OH)2], Petalit (LiAl(Si4O10) und
übersetzte er die ersten drei Bände von Ber- Spodumen (LiAlSi2O6). Seltener findet man
zelius‘ Jahresbericht ins Deutsche. Er war ab Kryolithionit [Li3Na3(AlF6)2], Triphylin [Li(FeI,
1834 korrespondierendes Mitglied der Baye- MnII)PO4] und Zinnwaldit [K(Li) (Fe, Al)3(Al,
rischen und der Preußischen Akademien der Si)4O10](F, OH)2).
Wissenschaften (Ladenburg 1879, S. 266; Momentan werden diese Primärlagerstätten in
Partington 1964, S. 180; Hein und Schwarz Westaustralien, Kanada, Russland, den USA und
1975, S. 209; Herrmann und Wankmüller auch in Deutschland (Erzgebirge) ausgebeutet, ab
1980, S. 83). 2016 soll in Kärnten (Österreich) mit dem Abbau
des wohl größten Vorkommens Europas begon-
William Thomas Brande (* 11. Januar nen werden (ORF.at 2014).
1788 London; † 11. Februar 1866 Tunbridge In einer Reihe von meist auf dem amerikani-
Wells) war ein englischer Chemiker und schen Kontinent liegenden Salzseen sind hohe
nach der Verleihung der Copley Medal an
Konzentrationen (bis zu 1 %) an Lithiumsalzen
ihn ab 1813 der Nachfolger von Sir Humph-
gefunden worden, jedoch sind diese Vorkommen
ry Davy als Professor für Chemie an
oft mit Magnesiumsalzen verunreinigt. Abgebaut
der Royal Institution in London (Horne
und gereinigt werden Lithiumverbindungen aus
1955). 1819 gab er ein Handbuch zu der
damals bekannten Chemie heraus, 1826 diesen Vorkommen gegenwärtig in Chile (Salar
folgte ein Handbuch zu Pharmazie und de Atacama, Trechow 2011), Argentinien (Salar
1829 eines zur Geologie. de Hombre Muerto), den Vereinigten Staaten von
Amerika (Silver Peak, Nevada) und China (Zha-
buye Lake, Tibet; Taijinaier Lake, Qinghai) ge-
Vorkommen Lithium ist am Aufbau der Erd- wonnen. Potenziell sehr interessant, aber noch
kruste mit 60 ppm (0,006 %) beteiligt (Breuer nicht genutzt ist der bolivianische Salar de Uyuni,
5 Einzeldarstellungen 13

der alleine eine Menge von mehr als 5 Mio. t (!) Atacama-Wüste gelegenen Minen am Salar de
Lithium enthalten soll (Jaskula 2015), und andere Atacama und etwa 7000 t auf die australische
Salzseen im Iran, in Afghanistan und eventuell Greenbushes-Mine.
unterirdische Salzstöcke in Zentralkanada. Ne- Das nach der Zugabe von Natriumcarbonat
benprodukte der Lithiumgewinnung sind meist ausgefallene Lithiumcarbonat setzt man zwecks
Kaliumcarbonat, Borax sowie Verbindungen des Reinigung zunächst mit Salzsäure um, wobei wie-
Cäsiums und Rubidiums. der Lithiumchlorid entsteht:
Da Lithium als Bestandteil von Hochleistungs-
batterien für Elektrofahrzeuge immer wichtiger Li2 CO3 þ 2 HCl ! 2 LiCl þ H2 O þ CO2
wird, ist in jedem Falle mit einer Intensivierung
der Förderung und Produktion von Lithiumver- Das zunächst noch gelöste Lithiumchlorid
bindungen zu rechnen. wird aus der Lösung durch Abdampfen des Was-
Pflanzen enthalten in der Regel Konzentratio- sers im Vakuumverdampfer gewonnen, bis es aus-
nen von 0,5 bis 3 ppm an Lithium. In ähnlicher kristallisiert. Die Salzlauge ist sehr korrosiv, daher
Größenordnung liegt die Konzentration in Süß- müssen die Metallteile der Apparaturen aus Edel-
wässern, wogegen sie in den Meeren mit ca. 180 stahl oder Nickel gefertigt sein.
ppb wesentlich höher liegt. Es kommt in Spuren in Metallisches Lithium gewinnt man schließlich
Fleisch, Fisch und anderen tierischen Produkten durch Schmelzflusselektrolyse eines bei 352  C
vor, ebenso in Mineralwässern. Es ist kein schmelzenden Gemisches aus 52 Gew.-% Li-
essenzielles Element. thiumchlorid und 48 Gew.-% Kaliumchlorid.
Im Weltall gibt es nur in Braunen Zwergen grö- Kalium wird bei der Elektrolyse nicht abgeschie-
ßere Mengen des Elements, weshalb man das stel- den, da es in der Chloridschmelze ein niedrigeres
lare Vorhandensein von Lithiumisotopen auch als Elektrodenpotenzial hat, dagegen sind geringste
Nachweis für Braune Zwerge verwendet. Sterne, die Mengen an Natrium immer im so erzeugten
keine Planeten besitzen, weisen einen höheren Lithium vorhanden. An der Oberfläche der
Gehalt an Lithium auf als solche mit Planeten. Dies Schmelze sammelt sich das kathodisch abgeschie-
wird auf die Gravitationskraft der Planeten zurück- dene Lithium in flüssiger Form und kann abge-
geführt, die, auch wenn sie weit entfernt vom Zen- schöpft werden. Im Labor ist die Gewinnung von
tralgestirn sind und eine geringe Masse haben, doch Lithium ebenfalls möglich, dazu elektrolysiert
stark genug sind, um für eine „Durchmischung“ der man eine Lösung von Lithiumchlorid in Pyridin.
im Stern enthaltenen Nuklide zu sorgen. Dadurch
gelangen, so die These, die Lithiumisotope in heiß- Eigenschaften
ere Bereiche des Sterns, in denen sie einer Kernfu- Physikalische Eigenschaften: Lithium ist mit
sion unterliegen und somit verbraucht werden (Is- einer Dichte von 0,534 g/cm3 das Metall mit der
raelian et al. 2009). niedrigsten Dichte unter Standardbedingungen
(s. Tab. 2). Was alle Elemente in ihrem festen
Gewinnung Lithiumcarbonat ist im Gegensatz Zustand anbetrifft, wird es hierin nur noch von
zu den Carbonaten seiner höheren Homologen, festem Wasserstoff (bei einer Temperatur von
Natrium- oder Kaliumcarbonat, relativ schwer 260  C) übertroffen, der unter diesen Bedingun-
löslich in Wasser. Daher lässt man das Wasser gen eine Dichte von 0,0763 g/cm3 besitzt.
der lithiumhaltigen Salzlösungen verdunsten, bis Das Kristallgitter des Lithiums ist unter Stan-
eine Lithiumkonzentration von 0,5 % überschrit- dardbedingungen wie bei seinen höheren Homo-
ten wird. Dann gibt man eine wässrige Lösung logen, den höheren Alkalimetallen, eine kubisch-
von Natriumcarbonat zu, worauf Lithiumcarbonat raumzentrierte Kugelpackung, die bei 195  C in
aus der Lösung ausfällt. eine hexagonale Struktur (Magnesium-Typ) über-
Vor einigen Jahren (2008) erzeugte man geht. Einwirkung mechanischer Kraft kann auch
ca. 27.500 t Lithium außerhalb der USA, fast die die Umwandlung in ein kubisch-flächenzentrier-
Hälfte davon entfiel auf die in der chilenischen tes Gitter bewirken. Es ist noch nicht bekannt,
14 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Lithium


Symbol: Li
Ordnungszahl: 3
CAS-Nr.: 7439-93-2

Aussehen: Silbrigweiß glänzend Lithium, Stücke Lithium, Stücke


(Dennis S K) (Sicius, 2015)
Entdecker, Jahr Arfvedson (Schweden), 1817
Brande und Davy (England), 1818
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
6
3Li (7,4) Stabil ——
7
3Li (92,6) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 60
Atommasse (u): 6,94
Elektronegativität 0,98 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Li+ + e > Li (V) 3,04
Atomradius (pm): 145
Van der Waals-Radius (pm): 182
Kovalenter Radius (pm): 128
Ionenradius (Li+, pm) 60
Elektronenkonfiguration: [He] 2s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 520
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,4  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,06  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 4,9 ♦ 11 ♦ 4,2
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe ♦ 5
Mohs-Härte 0,6
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 298,15 K): 3930
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 0,534
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 13,02  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 85
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,860
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 180,54 ♦ 453,69
Schmelzwärme (kJ/mol) 3
Siedepunkt ( C ♦ K): 1330 ♦ 1603
Verdampfungswärme (kJ/mol): 136

weshalb die Strukturen unter den jeweils ange- Lithium von allen Alkalimetallen die größte Härte
wandten Bedingungen gebildet werden. (Mohs-Härte: 0,6). (Dieses Phänomen, die signi-
Auch wenn die Alkalimetalle – mit Ausnahme fikante Abweichung der Eigenschaften des Kopf-
von Quecksilber und Gallium – die niedrigsten elementes einer Hauptgruppe, hier insbesondere
Schmelz- und Siedepunkte haben, so zeigt die der Härte, zeigen in den benachbarten Grup-
Lithium innerhalb der Gruppe von den Alkalime- pen der Erdalkalimetalle bzw. der Borgruppe auch
tallen noch die höchsten Werte (Schmelzpunkt: das Beryllium bzw. Bor. Mit Hinsicht auf be-
181  C, Siedepunkt: 1330  C). Ebenso hat stimmte physikalische Eigenschaften gilt diese
5 Einzeldarstellungen 15

Sonderrolle des Kopfelementes für alle Hauptgrup- hung findet man auch zwischen Beryllium und
pen, man vergleiche nur Stickstoff mit Phosphor Aluminium und auch zwischen Bor und Silicium.)
und Arsen, Sauerstoff mit Schwefel und Selen oder Die Ionenradien von Li+- und Mg2+-Ionen haben
auch Fluor mit Chlor oder Brom. Diese Schrägbe- ähnliche Größe; ihre Verbindungen zeigen daher
ziehung gibt es bei den Nebengruppen nicht!) eine gewisse Verwandtschaft, auch wenn natür-
Darüber hinaus zeigt Lithium noch die größte lich die Oxidationszahlen unterschiedlich sind.
spezifische Wärmekapazität der Alkalimetalle So bildet Lithium, anders als seine höheren
und ist ein relativ guter elektrischer und Wärme- Homologen Natrium und Kalium, Organometall-
leiter. Das Li+-Ion hat mit 520 kJ/mol die höchs- verbindungen, so wie es auch bei Magnesium der
te Hydratationsenthalpie aller Alkalimetallionen. Fall ist.
So klein das unhydratisierte Ion ist, in der hydra-
tisierten Form ist es größer als ein hydratisiertes Verbindungen Lithium tritt in seinen Verbin-
Cs+-Kation. In der Gasphase liegen etwa 1 % aller dungen stets in der Oxidationsstufe +1 auf. Diese
Lithiumatome in Form von Li2-Molekülen (Dili- sind zwar ionisch aufgebaut, haben aber doch
thium) vor (Winter 1994). einen gewissen kovalenten Anteil. Dies kommt
Chemische Eigenschaften: Lithium kommt beispielsweise in der Existenz von Organoli-
wegen seiner hohen Reaktionsfähigkeit in der thiumverbindungen zum Ausdruck und in der Tat-
Natur nicht elementar vor. Lässt man Stücke des sache, dass eine Reihe von Lithiumsalzen – im
Metalls bei Raumtemperatur an vollkommen tro- Gegensatz zu den jeweiligen Natrium – oder
ckener Luft liegen, ist es einigermaßen stabil, Kaliumsalzen – gut in polar protischen bzw.
auch wenn es sich bald mit einer schwarzen dipolar-aprotischen organischen Lösungsmit-
Schicht von Lithiumnitrid überzieht. In feuchter teln (z. B. Methanol, Ethanol bzw. Aceton) lös-
Luft erscheint auf der Oberfläche schnell eine lich sind.
nicht passivierende Schicht aus Lithiumhydroxid. Chalkogenverbindungen Mit Sauerstoff bildet
Berührt man die Lithiumstücke mit der Hand, Lithium sowohl Lithiumoxid (Li2O) als auch Li-
reicht bereits die auf der Haut vorhandene Feuch- thiumperoxid (Li2O2). Lithiumoxid kann man
tigkeit zur Bildung des ätzend wirkenden Li- durch Verbrennung von Lithium oder durch ther-
thiumhydroxids aus, das der Haut wegen der bei mische Zersetzung von Lithiumperoxid oder
der Umsetzung von Lithium mit Feuchtigkeit frei- -hydroxid erzeugen (Holleman et al. 1995,
gesetzten großen Wärmemengen schwere Verät- S. 1152; Brauer 1978, S. 951). Die bei 1427  C
zungen und Verbrennungen zufügt. schmelzende, farblose Verbindung (s. Abb. 2) der
Lithium reagiert schnell und heftig mit sehr Dichte 2,01 g/cm3 und Standardbildungsenthalpie
vielen Elementen und Verbindungen (wie Wasser) 599,1 kJ/mol kristallisiert im Anti-Flussspat-
unter Abgabe teils hoher Wärmeenergien. Vergli- Typ mit der Gitterkonstante a=4,611 Å. Aus Li-
chen mit anderen Alkalimetallen ist es aber noch thiumoxid stellt man Lithiumniobat her, aber auch
das reaktionsträgste. Selbst an trockener Luft Keramiken und Gläser.
reagiert es aber schnell mit molekularem Stick-
stoff zu Lithiumnitrid (Li3N).
Lithium hat mit 3,04 V (Binnewies 2006) für
die Reaktion Metallkationx++ x e ! M das nied-
rigste Normalpotenzial aller Elemente des Peri-
odensystems. Es muss in verschlossenen, mit Pe-
troleum gefüllten Flaschen (es schwimmt wegen
seiner geringen Dichte selbst auf Petroleum auf!)
oder aber unter Argon aufbewahrt werden.
Lithium als Kopfelement der ersten Haupt-
gruppe leitet in seinen Eigenschaften zum zweit-
obersten Element der zweiten Hauptgruppe, dem
Magnesium, über. (Diese so genannte Schrägbezie- Abb. 2 Lithiumoxid (Onyxmet 2019)
16 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Lithiumperoxid (Li2O2) stellt man aus Wasser- einer Antifluoritstruktur kristallisiert und bei einer
stoffperoxid und Lithiumhydroxid sowie an- Temperatur von 1372  C schmilzt. In der Kristall-
schließendem Erhitzen wie folgt her (Holleman struktur ist jedes Lithiumion tetraedrisch von vier
et al. 2007, S. 1263): Sulfidionen umgeben, jedes Sulfidion dagegen
kubisch von acht Lithiumionen (Pandit et al.
LiOH þ H2 O2 ! LiOOH þ H2 O 2009). Lithiumsulfid kann man entweder aus den
2 LiOOH ! Li2 O2 þ H2 O2 in flüssigem Ammoniak bei 33  C gelösten Ele-
menten (Bergstrom 1926) oder durch Erhitzen
von Lithiumhydrogensulfid (Juza und Uphof
In reinstem Zustand ist die Verbindung farblos, 1956; Arkhipova et al. 2003) herstellen.
meist aber infolge eines geringen Gehaltes an Ver- Entwicklungen zur Produktion eines Lithium-
unreinigungen hellgelb und hydrolysiert in Wasser Schwefel-Akkumulators sind in vollem Gang. Li-
unter Bildung von Lithiumhydroxid und Wasser- thiumsulfid bildet sich bei völliger Entladung und
stoffperoxid. Im hexagonalen Kristallgitter ist ist in dem als Elektrolyt verwendeten organischen
eines der Lithiumionen von sechs Sauerstoffato- Solvens unlöslich. Ein möglicher Einsatz von Li-
men dreier Peroxidionen koordiniert, das andere thiumsulfid als fester Elektrolyt wird seit länge-
dagegen in oktaedrisch verzerrter Anordnung von rem geprüft; dann könnten platzsparende Batte-
je einem Sauerstoffatom von sechs Peroxidionen rien konstruiert werden (Minami et al. 2000).
(Cota und De la Mora 2005). Lithiumperoxid kann Halogenverbindungen Die Herstellung von
man zur Herstellung sehr reinen Lithiumoxids ver- Lithiumfluorid (LiF) erfolgt durch Reaktion einer
wenden, indem man es bei knapp 200  C zersetzt. wässrigen Lösung von Lithiumhydroxid oder
In Raumfahrzeugen setzt man es zur Sauerstoffver- -carbonat mit Flusssäure sowie darauf folgendem
sorgung der Astronauten ein, da es mit dem der Eindampfen und Trocknen (Holleman et al. 1995,
Atemluft entstammenden Kohlendioxid zu Sauer- S. 1151).
stoff und Lithiumcarbonat reagiert. Zudem ist es Das schwer in Wasser lösliche Lithiumfluorid
Bestandteil in Lithiumperoxid-Akkumulatoren. (Schneider und Kutscher 1974, S. 108) schmilzt
Lithiumhydroxid (LiOH) entsteht beim heftig bzw. siedet bei 845  C (Kojima et al. 1968) bzw.
erfolgenden Auflösen von Lithium in Wasser und 1680  C, hat die Dichte 2,64 g/cm3, kristallisiert
ist eine starke Base. Aus ihm stellt man „Lithium- in der kubischen Natriumchlorid-Struktur und ist
seifen“, also Lithiumsalze von Fettsäuren, her, die in Form von Einkristallen, als Pulver oder als
als Verdicker von Schmierfetten und -ölen auf Sputtertarget im Handel (s. Abb. 3a–d). Eine
petrochemischer Basis dienen, jedoch auch bei wässrige Lösung reagiert schwach alkalisch, und
der Produktion von Bleistiften eingesetzt werden. Lithiumfluorid bildet keine Hydrate.
Lithiumsulfid (Li2S) ist ein farbloser, brennba- Erwartungsgemäß sind die Werte für die Stan-
rer, hydrolyseempfindlicher und stark wasseran- dardbildungsenthalpie mit 620 kJ/mol und die
ziehender Feststoff der Dichte 1,64 g/cm3, der in Gitterenergie mit 1034 kJ/mol sehr hoch; letzte-

Abb. 3 a Lithiumfluorid-Einkristall (V1adis1av 2008). b Lithiumfluorid (Onyxmet 2019). c Lithiumfluorid (Stanford


Advanced Materials 2019). d Lithiumfluorid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2019)
5 Einzeldarstellungen 17

res ist, wie übrigens bei vielen anderen Metallfluo- Oppermann 1998). Eine wässrige, bis zu 30 %ige
riden auch, für die hohen Schmelz- und Siede- Lösung von Lithiumchlorid kann in Kältebädern
punkte der Verbindung verantwortlich (Holleman bis hinab zu Temperaturen von 70  C verwendet
et al. 1995, S. 1170). Das Material ist stark durch- werden. Für Enteisungsflüssigkeiten eignet sich
lässig vom ultravioletten bis hin zum infraroten das Salz prinzipiell sehr gut; dies ist aber wegen
Spektralbereich. Die schon erwähnten Einkristal- deren starker Korrosivität in vielen Ländern ver-
le der Verbindung (s. Abb. 3a) setzt man als boten.
Prismen in Infrarot-Spektrometern oder auch in Lithiumchlorid tötet wirksam die Varroamilbe,
Röntgengeräten als Monochromator ein (Krieger einen sehr gefährlichen Parasiten der Honigbiene
2012, S. 252), ebenso in Strahlungsdetektoren (Ziegelmann et al. 2018).
(Herforth und Frank 1963). Lithiumbromid (LiBr) lässt sich in gleicher
Das ebenfalls farblose (s. Abb. 4) Lithiumchlo- Weise aus wässriger Lithiumhydroxid- oder Li-
rid (LiCl) erhält man im technischen Maßstab fast thiumcarbonatlösung und Bromwasserstoffsäure
nur durch Umsetzung einer wässrigen Lösung herstellen. Das wasserfreie Salz ist durch kontrol-
von Lithiumcarbonat mit Salzsäure und anschlie- lierte Umsetzung von Lithiumhydrid mit Brom
ßendem Eindampfen und Trocknen im Vakuum. zugänglich. Jenes liegt in Form farbloser Kristalle
Die Verbindung ist ein sehr wirksames Trocknungs- (s. Abb. 5) vor, die bei 550  C schmelzen (Siede-
und Entfeuchtungsmittel, stark hygroskopisch und punkt der Schmelze: 1265  C) und eine Dichte
leicht in Wasser löslich (ca. 450 g/kg Lösung von 3,46 g/cm3 haben (Holleman et al. 1995,
bei 20  C). Das Salz schmilzt bzw. siedet bei S. 1170). Die Standardbildungsenthalpie ΔHf 0298
614  C bzw. 1360  C, hat die Dichte 2,07 g/cm3 von Lithiumbromid beträgt 351 kJ/mol.
und, verglichen mit dem Fluorid, eine niedrigere Das stark hygroskopische Salz ist in sehr gro-
Standardbildungsenthalpie ΔfH0298, die aber ßen Mengen in Wasser löslich; bis zu 60 %ige
immer noch bei 408,3 kJ/mol liegt. Das Lösungen sind herstellbar. Der Dampfdruck des
Monohydrat kristallisiert isotyp zum Lithium- Wassers in den wässrigen, hochkonzentrierten
bromid in einer Perowskit-Struktur (Hönner- Lösungen ist stark reduziert. Auch in Alkanolen
scheid et al. 2003). und Diolen ist Lithiumbromid gut löslich. In Ab-
Aus wässriger Lösung erhält man unterhalb hängigkeit von der Temperatur gibt es verschie-
von 98  C nur Hydrate. Diese kann man durch dene Hydrate des Lithiumbromids, wobei unter-
Zusatz von Thionylchlorid in das wasserfreie Salz halb von 4  C das Trihydrat, zwischen 4 und
überführen (Pray 1957). Jenes verwendet man in 44  C das Dihydrat und zwischen 44 und 159  C
der Schmelzflußelektrolyse zur Gewinnung me- das Monohydrat stabil sind. Das wasserfreie Salz
tallischen Lithiums. Auch setzt man Lithiumchlo- ist oberhalb von 159  C beständig.
rid als Flussmittel beim Schweißen und Löten ein, Einsatzgebiete sind unter anderem die als
in geologischen Untersuchungen als Tracer und Trocknungsmittel, die als Katalysator in organi-
beim Naßspinnen von Cellulose (Hermanutz und schen Synthesen, als Elektrolyt und als Flussmit-

Abb. 4 Lithiumchlorid (Onyxmet 2019) Abb. 5 Lithiumbromid (Onyxmet 2019)


18 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

tel zum Löten. Mit Abstand am wichtigsten sind Sonstige Verbindungen Lithiumnitrid (Li3N) ist
Lösungen von Lithiumbromid in Absorptionskäl- im reinen Zustand ein rotbraunes Pulver (s. Abb. 7)
temaschinen, in denen das Kältemittel Wasser ist. der Dichte 1,38 g/cm3, das bei 845  C schmilzt
Jenes verdampft man durch Zufuhr von Wärme und lediglich bei Ausschluss von Feuchtigkeit
unter verringertem Druck. Der Dampf wird von stabil ist. Im Kristallgitter der Verbindung bilden
der Lithiumbromidlösung absorbiert, aus der das die Lithiumionen hexagonale Ringe, in deren
aufgenommene Wasser nach einiger Zeit wieder Zentrum sich je ein Nitridanion befindet. Weitere
ausgetrieben wird (Herold et al. 1996). Lithiumionen sind oberhalb und unterhalb des
Wie seine Homologen ist auch Lithiumiodid (LiI) Stickstoffatoms angeordnet, so dass jedes Stick-
aus Lithiumcarbonat oder -hydroxid und der jewei- stoffatom von acht Lithiumkernen umgeben ist
ligen Halogenwasserstoffsäure, hier HI, herzustellen (Rabenau 1981, S. 12; Holleman et al. 1995,
(Holleman et al. 1995, S. 1151). Wasserfreies Lithi- S. 1153; Paetzold 2009, S. 636). Lithiumnitrid
umiodid kann elegant auch durch Reaktion von Iod bildet sich bei der Reaktion von Lithium mit Luft-
mit Lithiumhydrid in absolutem Diethylether erhal- stickstoff schon bei Raumtemperatur; es hydroly-
ten werden (Taylor und Grant 1955). Die farblosen siert leicht zu Lithiumhydroxid und Ammoniak.
Kristalle (s. Abb. 6) des wasserfreien Salzes Technisch stellt man es durch Reaktion der Ele-
(s. Abb. 6) schmelzen bereits bei einer Temperatur mente bei Temperaturen um 1000  C her. Poten-
von 446  C (Siedepunkt der Schmelze: 1180  C) ziell ist Lithiumnitrid als Speicher für Wasser-
und haben eine Dichte von 3,49 g/cm3. Das Trihy- stoffgas interessant, da die Wasserstoffatome
drat schmilzt bei 72  C; die Schmelze gibt oberhalb leicht ins Kristallgitter des Nitrids einzulagern
von 80  C zwei Moleküle und oberhalb von 300  C sind; allerdings tritt dieser Prozess erst oberhalb
das letzte Molekül Kristallwasser ab (Hüttig und von 250  C mit ausreichender Geschwindigkeit
Pohle 1924). Lithiumiodid ist hervorragend in Was- auf, dies ist für eine technische Anwendung aber
ser (1650 g/L (!) bei 20  C) und auch Ethanol noch prohibitiv (Löfken 2002; Chen et al. 2002).
löslich. Die Standardbildungsenthalpie ΔfH0298 Lithiumcarbid (Lithiumacetylid, Li2C2) ge-
des Salzes beträgt „nur noch“ 270,08 kJ/mol winnt man durch Reaktion von Lithium mit Koh-
(Herzberg 2000). An der Luft verfärben sich die lenstoff (Holleman et al. 1995, S. 1150). Höhere
Kristalle infolge Oxidation des Iodids zu Iod schnell Drücke begünstigen bei dieser Reaktion aus den
in Richtung eines bräunlichen Farbtons. Elementen die Bildung lithiumärmerer Carbide
Wasserfreies Lithiumiodid geht sowohl als wie LiC2 oder LiC4 (Zafar und Munshi 1995,
Katalysator als auch als Reaktionspartner in orga- S. 4309). Umgekehrt erhält man Lithiumacetylid
nische Synthesen, ist Elektrolyt in Lithium-Iod- durch Erhitzen einer pulverförmigen Mischung
Batterien (Trueb und Rüetschi 1998) und eines von Lithiumcarbonat mit Kohlenstoff. Ein weiterer
von mehreren möglichen Grundstoffen zur Szin- Reaktionsweg liegt in der Umsetzung von Phenyl-
tillationsdetektion von langsamen Neutronen lithium mit 1,2-Dichlorethan (Wittig und Harborth
(Nicholson 1955). 1944). Der Feststoff der Dichte 1,2 g/cm3 kristal-

Abb. 6 Lithiumiodid (Onyxmet 2019) Abb. 7 Lithiumnitrid (Onyxmet 2019)


5 Einzeldarstellungen 19

lisiert isotyp zu Rubidium- und Cäsiumperoxid Ein schon länger bekanntes Lithiumborid
(Juza und Wehle 1965) orthorhombisch und hat (Li3B14) kristallisiert tetragonal und enthält im
die Dichte 1,2 g/cm3. Mit Wasser erfolgt Hydro- Kristallgitter kovalent verbundene B8- und B10-
lyse zu Lithiumhydroxid und Ethin. Cluster im Verhältnis 1:2; die Atome des Lithiums
Es sind mehrere Lithiumsilicide in der Literatur befinden sich in den dazwischen angeordneten
beschrieben, die in ihren Kristallgittern oft Clus- Kanälen. Die Bandlücke wurde zu ca. 2 eV
terstrukturen aufweisen und Zintl-Phasen darstel- berechnet und erklärt die halbleitenden Eigen-
len, also teils ionische, teils kovalente Bindungs- schaften der roten, transparenten und diamagneti-
anteile aufweisen und diamagnetische Halbleiter schen Kristalle (Bullett 1990).
sind. Die 7Li-NMR-Spektroskopie gibt Hinweise Die technisch wichtigste Lithiumverbindung
auf aromatische aus Siliciumatomen bestehende ist aber Lithiumcarbonat (Li2CO3), das im Gegen-
Ringe (Dupke et al. 2012). Beispiele für diese satz zum homologen Natrium- und Kaliumcarbo-
Verbindungen sind Li13Si4, Li22Si5, Li7Si3 und nat nur schwer wasserlöslich ist. Man stellt es aus
Li12Si7 (Okamoto 1990, 2009), die meist nur unter lithiumhaltigen Erzen, etwa Spodumen [LiAl-
Aufwendung hoher Energie, etwa in einer Kugel- Si2O6] und Solen her (Bertau et al. 2013). Man
mühle, hergestellt werden können. Eine mögliche zerkleinert das Erz, röstet es zwecks Entfernung
Anwendung für diese Verbindungsklasse sind etwaig vorhandener organischer Verunreinigun-
Lithiumbatterien. gen und schließt es mit Schwefelsäure auf. An-
Lithiumborsilicid (LiBSi2) wurde unter extre- schließende Zugabe von Natronlauge entfernt
men Reaktionsbedingungen (Temperatur: 900  C, Kationen höherer Oxidationszahlen weitgehend.
Druck: 10 GPa) im Rahmen eines Gemeinschafts- Der dann folgende Zusatz von Natriumcarbonat
projektes der Universität München mit den Uni- lässt Lithiumcarbonat aus der Lösung ausfallen,
versitäten Augsburg, Stockholm und Phoenix AZ man zentrifugiert oder filtriert es ab (Holleman
hergestellt. Das „tum“ (von: Technische Univer- et al. 1995, S. 1153). Im Fall stärker verunreinigter
sität München) genannte Kristallgitter enthält Erze muss die Behandlung mit Schwefelsäure und
Bor- und Siliciumatome jeweils tetraedrisch mit- danach folgend die mit Natronlauge wiederholt
einander koordiniert; die Lithiumionen sind in werden.
den durch die Bor- und Siliciumatome gebildeten Entweder kann man dieses bereits relativ reine
Röhren eingelagert. Das Material ist gegenüber Lithiumcarbonat im Vakuum trocknen und dann
Luftsauerstoff und Feuchtigkeit bis hinauf zu verpacken, oder man schließt einen weiteren Rei-
Temperaturen von 800  C beständig (Zeilinger nigungsschritt an, indem man in eine gerührte
et al. 2013). Aktuell prüft man das Material auf Suspension von Lithiumcarbonat Kohlendioxid
seine Verwendung als Anode in Lithiumionen- einleitet, worauf sich eine konzentrierte wässrige
Akkumulatoren. Lösung von Lithiumhydrogencarbonat bildet.
Eine neue allotrope Gruppe von Lithiumbori- Aluminium- und eisenhaltige Verunreinigungen
den, flache, aus Lithium- und Boratomen be- können daraus abgetrennt werden; danach erhitzt
stehende Gitter („Sheets“) wurden zusammen man die das sehr reine Lithiumhydrogencarbonat
mit den jeweiligen Nanoröhrchen hergestellt; sie enthaltende Lösung, worauf schließlich bei Tem-
enthalten Li2B5-Elementarzellen. Die aus der peraturen von knapp 100  C Lithiumcarbonat ent-
Anregung mit weichen Phononen resultierenden steht (Garrett 2004).
Daten bestätigten die dynamische Stabilität der Ähnlicher, aber billiger ist die Gewinnung aus
Struktur, die berechneten Elektronendichtevertei- natürlichen Solen wie beispielsweise südamerika-
lungen geben Hinweise auf Eigenschaften eines nischen Salzseen, die man durch Verdunstung auf-
Metalls. Sowohl Sheets als auch Nanoröhrchen konzentriert. Danach gibt man Natronlauge zu wie
können Wasserstoff in Mengen absorbieren, dass im Verarbeitungsgang der Erze beschrieben.
in beiden bis zu zwei H2-Moleküle um jedes Li- Lithiumcarbonat (s. Abb. 8a, b) kristalli-
thiumatom gruppiert sein können (Zhang et al. siert monoklin mit vier Formeleinheiten in der
2015). Elementarzelle, bei 350  C und 410  C durchläuft
20 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Abb. 8 a Lithiumcarbonat (Onyxmet 2019). b Li-


thiumcarbonat (Stanford Advanced Materials 2019)
Abb. 9 Lithiumnitrat (Onyxmet 2019)

die Verbindung jeweils einen Phasenübergang,


bevor der Schmelzpunkt (720  C) erreicht wird.
Bei noch höherer Temperatur gibt die Verbindung
Kohlendioxid unter Übergang in Lithiumoxid ab;
am Siedepunkt von 1310  C ist dann die Zerset-
zung vollständig. Im Gegensatz zu den Carbona-
ten der übrigen Alkalimetalle ist Lithiumcarbonat
in Wasser nicht gut löslich; dazu nimmt die Lös-
lichkeit mit steigender Temperatur auch noch
ab. Auf diese Weise können kleinere Mengen an
Lithiumcarbonat durch Lösen und Fällen in der Abb. 10 Lithiumsulfat (Onyxmet 2019)
Hitze gereinigt werden, wobei man dann heiß
abfiltriert. lose, hygroskopische Salz (s. Abb. 9) hat die
Eine wichtige Anwendung ist die als Flussmit- Dichte 2,36 g/cm3 und schmilzt bei 264  C. Bei
tel bei Schmelzflusselektrolysen wie die von Alu- Temperaturen oberhalb von 600  C zersetzt sich
minium. Weiterhin geht das Material in die Her- die Verbindung und hat unter Normalbedingun-
stellung von Glas, Keramik und Emaille. Diese gen eine ausgezeichnete Löslichkeit in Wasser
lithiumhaltigen Gläser haben eine geringe ther- und Ethanol. Neben dem wasserfreien Salz exis-
mische Ausdehnung. Lithiumcarbonat ist eben- tiert auch ein Trihydrat, das aber schon bei 29  C
falls Bestandteil von schnell abbindenden Zemen- sein Kristallwasser abgibt (Campbell 1942).
ten und Estrichen, außerdem ist es gelegentlich Lithiumnitrat ist einer der Bestandteile in tief-
Teil des Elektrolyts in Lithium-Brennstoffzellen. schmelzenden Salzmischungen, die als Wärme-
In der Medizin setzt man es zur Behandlung psy- träger genutzt werden (Werner 1989) und dient
chischer Erkrankungen unter den Handelsnamen auch zur Herstellung anderer Lithiumverbindun-
Hypnorex ® und Quilonum ® (Deutschland), Neu- gen.
rolepsin ® und Quilonorm ® (Österreich) und Qui- Lithiumsulfat (Li2SO4) bildet farblose Kristalle
lonorm ® (Schweiz) ein. Eine Überdosierung kann (s. Abb. 10) vom Schmelzpunkt 845  C und der
jedoch zu Herzinsuffizienz führen, daher muss die Dichte 2,22 g/cm3, die man durch Auflösen von
vom Arzt verordnete Dosis strikt eingehalten wer- Lithiumcarbonat in Schwefelsäure erhält (Wietel-
den. mann und Bauer 2005). Die Gitterstruktur des
Lithiumnitrat (LiNO3) setzt man zusammen Monohydrats ist monoklin (Bayarjargal und Bo-
mit Kaliumnitrat als Hilfsmittel bei der Salzbad- hatý 2005; Nord 1976); dieses geht beim Erhitzen
vulkanisation von Kautschuk ein (Dittmeyer et al. auf 130  C in das ebenfalls monokline, aber in
2006). Man stellt die Verbindung durch Reaktion anderer Raumgruppe kristallisierende wasserfreie
von Lithiumcarbonat (Holleman et al. 1995, Salz über (Golovko et al. 2007). Lithiumsulfat
S. 1154) oder Lithiumhydroxid (Perry und Phil- setzt man wie auch das Carbonat in schnell abbin-
lips 1995, S. 228) mit Salpetersäure her. Das farb- dendem Zement und als Antidepressivum ein.
5 Einzeldarstellungen 21

Einkristalle des Materials gehen in Piezokristalle Eine Synthese aus den drei zugrunde liegenden
und optische Linsen. Elementen Lithium, Bor und Wasserstoff ist theore-
Aus Lithium- und Niob-V-oxid stellt man tisch möglich, funktioniert aber nur unter extremen
Lithiumniobat (LiNbO3) her, das unterhalb einer Bedingungen (650  C und 150 bar Wasserstoff-
Temperatur von 1213  C ferroelektrisch ist und druck) (Wietelmann und Hauk 2004). Im Labor-
daher in Bandpassfiltern, Lasern und anderen maßstab liefert auch das Einleiten von Bortrifluorid
elektronischen optischen Geräten eingesetzt wird in eine Lösung von Lithiumhydrid in absolutem
(Cabrera et al. 2004; Hsu et al. 1997; Wong 2002; Diethylether das gewünschte Produkt (Brauer
Lehnert et al. 1997). Es liegt in Form farbloser 1978, S. 793). Lithiumborhydrid ist ein sehr hydro-
Kristalle vor (s. Abb. 11a, c); auch in Form von lyseempfindlicher, hygroskopischer, brennbarer,
Sputtertargets ist es im Handel (s. Abb. 11b). weißer bis hellgrauer Feststoff (s. Abb. 13) der
Wasserstoffverbindungen Lithiumhydrid (LiH) Dichte 0,666 g/cm3, der bei 280  C schmilzt. Vor-
synthetisiert man durch Erhitzen von Lithium im wiegend reduziert man mit seiner Hilfe Ketone,
Wasserstoffstrom bei ca. 650  C. Man setzt es als Aldehyde, Ester und Epoxide.
Raketentreibstoff und als sehr schnell verfügbare Lithiumaluminiumhydrid ist ein farbloses Pul-
Quelle von Wasserstoff, zum Beispiel zum Auf- ver (s. Abb. 14) der Dichte 0,92 g/cm3, das schon
pumpen von Rettungswesten, ein. Das farblose, bei 125  C unter Zersetzung schmilzt und mono-
kristalline Lithiumhydrid (s. Abb. 12) hat eine klin kristallisiert; im Gitter ist ein Li+-Ion jeweils
Dichte von 0,75 g/cm3 und schmilzt bei 688  C. von fünf (AlH4)-Tetraedern umgeben (Løvvik
Mit Säuren und Wasser reagiert es unter Freiset- et al. 2004). Durch Wasser wird es in heftiger
zung von Wasserstoff; Aldehyde und Ketone Reaktion zu Wasserstoff, Lithium- und Alumi-
reduziert es zu den jeweiligen Alkanolen. Beim niumhydroxid hydrolysiert. Der thermische
Erwärmen des Materials im Stickstoffstrom ent- Abbau bei Temperaturen um 600  C führt schließ-
stehen Lithiumnitrid und Wasserstoff. Erhitzt man lich zur Bildung einer aus Lithium und Alumi-
Lithiumhydrid auf Temperaturen um 950  C, so nium bestehenden Legierung unter Abspaltung
zersetzt es sich in die Elemente. von Wasserstoff (Wietelmann 2014). Im Labor
Lithiumdeuterid (LiD) stellt man entsprechend stellt man Lithiumaluminiumhydrid durch Sus-
durch Überleiten von Deuterium über flüssiges pendieren von Lithiumhydrid und Aluminium-
Lithium her. Es ist ein wichtiger Bestandteile der
Wasserstoffbombe, da so große Mengen an Deu-
terium gespeichert und dessen Umwandlung in
bzw. Fusion mit Tritium bzw. dessen Kernen
wesentlich begünstigt wurde.
Oft als Reduktionsmittel eingesetzt werden die
bei Raumtemperatur ebenfalls festen Verbindungen
Lithiumborhydrid (LiBH4) oder Lithiumaluminium-
hydrid (LiAlH4). Am günstigsten stellt man Li-
thiumborhydrid aus Natriumborhydrid und Lithi-
umbromid her (Rittmeyer und Wietelmann 2002). Abb. 12 Lithiumhydrid (Onyxmet 2019)

Abb. 11 a Lithiumniobat
(Stanford Advanced
Materials 2019).
b Lithiumniobat
Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2019). c Lithiumniobat
(Onyxmet 2019)
22 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Aminen, der von Carbonylverbindungen zu Alko-


holen (Barnier et al. 1981), der von Carbonsäuren
und ihren Derivaten zu primären Alkoholen
(Reetz et al. 1999; Koppenhöfer und Schurig
1988; Oi und Sharpless 1996 bis hin zu der von
Halogenalkanen zu Alkanen.
Organische Verbindungen Die schon genannten
„Lithiumseifen“ wie Lithiumstearat (C17H35COO-
Li) sind nur wenig löslich in Wasser; in Ölen
Abb. 13 Lithiumborhydrid (Onyxmet 2019) gelöst verwendet man sie als leistungsfähige
Schmierstoffe für Motoren und Maschinen (Neu-
müller 1983).
Wesentlich wichtiger und für organische Syn-
thesen unverzichtbar sind Lithiumalkyle wie
n-Butyllithium, tert-Butyllithium, Methyllithium
und Phenyllithium, die man etwa in n-Hexan
gelöst seit Jahrzehnten verkauft. Man erzeugt sie
durch Umsetzung von Lithium mit Alkylhaloge-
niden in wasserfreien und inerten Lösungsmitteln
(Pearce et al. 1972):

Abb. 14 Lithiumaluminiumhydrid (Onyxmet 2019) 2 Li þ R  X ! Li  R þ LiX


# ðX : Halogen; R : AlkylÞ

chlorid in wasserfreienm Diethylether her (Fin- Aus Quecksilberalkylen sind sie zwar theore-
holt et al. 1947). Das als eines der Produkte der tisch auch darstellbar; diese Route spielt wegen
Reaktion ausfallende Lithiumchlorid filtriert man der Beteiligung giftiger Quecksilberverbindungen
ab und zieht dann den Ether im Vakuum ab. Als technisch aber keine Rolle.
Rückstand verbleibt Lithiumaluminiumhydrid: Lithiumalkyle reagieren mit Wasser explosi-
onsartig, sie sind dermaßen empfindlich auch
4 LiH þ AlCl3 ! LiAlH4 þ 3 LiCl # gegenüber Spuren von Feuchtigkeit, dass sie sich
mit Lösungsmitteln, die nicht völlig getrocknet
Im technischen Maßstab setzt man das aus wurden, sofort unter Bildung des Alkans und Li-
Natrium, Aluminium und Wasserstoff bei höherer thiumhydroxids umsetzen. Ebenso scheiden Lö-
Temperatur und unter Druck erhältliche Natrium- sungsmittel aus, deren Moleküle dissoziations-
aluminiumhydrid in inertem Lösungsmittel mit fähige, also saure Protonen aufweisen (selbst
Lithiumchlorid um (Holleman et al. 2007). Tetrahydrofuran f ällt hierunter!) Lithiumalkyle
Als starkes Reduktionsmittel wird Lithium- sind an der Luft selbstentzündlich, so dass Reak-
aluminiumhydrid in der organischen Chemie ver- tionen mit ihnen nur in einwandfrei getrockneten
breitet bei Reduktionen angewandt, da es sehr Solventien sowie unter inertem Schutzgas mög-
selektiv nahezu alle Doppel- und Dreifach- lich sind. Die Moleküle der Lithiumalkyle liegen
Bindungen zwischen Kohlenstoff- und Heteroato- im Feststoff meist oligomer zusammengeschlos-
men reduziert (z. B. =C=O oder -CN), nicht sen vor. Mit ihnen führt man Alkylierungen, De-
aber C=C- und CC-Bindungen. Seine Einsatz- protonierungen oder Metallierungen durch.
möglichkeit reicht unter anderem von der Re-
aktion von Nitroverbindungen, Amiden (Park Anwendungen
und Simmons 1974; Seebach et al. 1983), Azi- Lithiummetall Meist setzt man Lithium in Form
den oder Oximen (Chen et al. 2005) zu primären seiner Verbindungen ein. Metallisches Lithium
5 Einzeldarstellungen 23

nutzt man zur Produktion organischer Lithium- anderem bei der Alzheimer-Krankheit auftreten
verbindungen wie Lithiumhydrid, Lithiumalumi- (McBride et al. 2010).
niumhydrid und Lithiumamid, die man nicht Vor wenigen Jahren durchgeführte Untersu-
direkt aus Lithiumcarbonat herstellen kann. chungen zeigten, dass ein höherer Gehalt an
Lithium wirkt stark reduzierend und dient daher Lithium im Trinkwasser lebensverlängernd wir-
unter anderem in der Metallurgie als Mittel zur ken kann (Zarse et al. 2011).
Entfernung störender Nichtmetalle aus Metall-
schmelzen. Man legiert Lithium auch anderen
Metallen zu, um etwa deren Zugfestigkeit, Härte Patente
und Elastizität zu erhöhen. So enthält das vor (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
allem aus Blei bestehende Bahnmetall 0,04 % wide.espacenet.com)
Lithium. Da lithiumhaltige Legierungen sehr
leicht sind, findet man sie oft in der Luft- und A. Zhamu und B. Z. Jang, Protected parti-
Raumfahrttechnik. In wiederaufladbaren Lithium- cles of anode active material, lithium
Ionen-Akkus dient z. B. Lithium-Kobaltoxid als secondary batteries containing same
Kathode und Grafit oder andere Lithiumionen ein- and method of manufacturing (Nanotek
lagernde Verbindungen als Anode. Instruments Inc., WO 2019036164 A1,
In der Medizin Lithiumsalze setzt man bei psy- veröffentlicht 21. Februar 2019)
chischen Erkrankungen (Depressionen, Manien) J. Fukazawa und T. Hata, Method for produ-
ein („Lithiumtherapie“). Solche Verbindungen cing lithium vanadium phosphate (Nip-
bewirkten, zunächst in Tierversuchen, eine schwä- pon Chemical Ind., WO 2019035322 A1,
chere Wahrnehmung äußerlicher Reize, verursa- veröffentlicht 21. Februar 2019)
chen aber keine Müdigkeit (Cade 1949). In den F. Dai und L. Yang, Lithium metal battery
1950er-Jahren an Menschen durchgeführte Versu- with hybrid electrolyte system (GM Global
che (Schou 2001) öffneten der Lithiumtherapie Technology Operations LLC, US 20190
die Türen. Die Bandbreite der Dosis ist von 58210 A1, veröffentlicht 21. Februar 2019)
0,6–1,1 mmol/l aber relativ schmal; bei Über- K. H. Ahn und S. J. Park, Polymer electro-
schreiten der Dosis können schwere Nebenwir- lyte and lithium secondary battery inclu-
kungen wie Zittern, Starre, Übelkeit, Herz- ding the same (LG Chemical Ltd., US
rhythmusstörungen und Leukozytose auftreten. 2019058217 A1, veröffentlicht 21. Fe-
Lithiumionen verdrängen die des Natriums teil- bruar 2019)
weise und führen unter Umständen zu Diabetes S. Xia und H. Li, Silicon negative material,
und anderen schweren Stoffwechselstörungen. silicon negative material preparation
Die Rolle von Lithiumverbindungen als mögli- method, negative electrode plate, and
ches Psychopharmakon wird noch untersucht lithium ion battery (Huawei Technolo-
(Schrauzer und Shrestha 1990; Berridge 1984; Car- gies Co., Ltd., US 2019051894 A1, ver-
ney et al. 1985; Williams et al. 2004). Aktuell führt öffentlicht 14. Februar 2019)
man deren antidepressive Wirkung darauf zurück, T. Park und D. K. Yang, Electrolyte for
dass sie die Ausschüttung des „Glückshormons“ lithium secondary battery and lithium
Serotonin verstärken, und die antimanische mit secondary battery comprising same
der Hemmung bestimmter Dopamin-Rezeptoren (LG Chemical Ltd., US 2019051940
(Woggon 1998). Darüber hinaus beeinflussen sie A1, veröffentlicht 14. Februar 2019)
endogene Rhythmen wie beispielsweise den Schlaf- L. R. Swonger und E. Bodoin, High Purity
Wach-Rhythmus (Hafen und Wollnik 1994; lithium and associated processes (Alpha
Bünning und Moser 1972). An der Taufliege Energy Corp., US 2019051885 A1, ver-
(Drosophila melanogaster) beobachtete man, dass öffentlicht 14. Februar 2019)
Lithiumverbindungen auch gegen Vergesslichkeit
(Fortsetzung)
zu verwenden sind, als Symptomen, wie sie unter
24 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

R. Fukuta und K. Kojima, Lithium-ion secon- nommen, Sauerstoff den Säuren ihre
dary battery (Hitachi Chemical Co., charakteristischen Eigenschaften verleiht.
US 2019051927 A1, veröffentlicht 14. Durch Anwendung des Verfahrens der
Februar 2019) Schmelzflusselektrolyse stellte er als Erster
die Elemente Natrium, Kalium, Magnesi-
um, Calcium, Strontium und Barium dar.
Nachdem er 1812 für seine Verdienste
5.3 Natrium um die Chemie in den Adelsstand versetzt
wurde, legte Davy seine Professur in Lon-
Geschichte Der Name des Elements geht auf die don nieder und bestimmte Brande (Kurz-
Ägypter zurück, die aus Salzseen Soda (Natrium- biografie siehe „Lithium“) und später Fara-
day zu seinen Nachfolgern. Ab 1813 reiste
carbonat) gewannen und dieses „netjerj“ nannten.
er intensiv durch Kontinentaleuropa. Von
Der Name wandelte sich bei den Römern in „ni-
1820 bis 1827 war Davy auch Präsident
trium“ und bei den Arabern in „natrun“. Natrium-
der Royal Society, litt jedoch damals schon
salze sind also schon sehr lange bekannt, man
unter seiner durch viele chemische Versu-
gewann sie aus Seen bzw. Meerwasser oder che geschädigten Gesundheit. 1829 ver-
förderte sie aus Lagerstätten auf dem Festland. starb er im Alter von 50 Jahren in Genf,
Natriumchlorid (Kochsalz) ist davon die wich- wo er auch beigesetzt wurde (Fullmer
tigste Verbindung, die man nicht nur durch Ein- 1969; Ostwald 1974; Tshisuaka 2005).
dunsten von Meer- oder Salinenwasser produ-
zierte, sondern auch in Bergwerken wie etwa im
Raum Bad Reichenhall oder Salzburg. Daneben Vorkommen Hinsichtlich des Vorkommens in
waren noch Natriumcarbonate (Soda bzw. Na- der Erdkruste steht Natrium mit einem Anteil
tron) und auch Natriumnitrat von Bedeutung. von 2,36 % an sechster Stelle (Wedepohl 1995).
Die erstmalige Darstellung elementaren Na- Da es sehr reaktiv ist, tritt es nur in Form seiner
triums erfolgte erst 1807 durch Davy, indem er Verbindungen auf und niemals elementar. In
geschmolzenes Natriumhydroxid elektrolysierte. Meerwasser sind Na+-Ionen in einer durchschnitt-
(Analog isolierte er im gleichen Jahr unter lichen Konzentration von 0,1 % enthalten (Holle-
Anwendung desselben Verfahrens durch Schmelz- man et al. 2007).
flusselektrolyse von Pottasche auch Kalium.) Na- Mineralisch findet sich Natrium in der Natur in
trium nannte er nach seiner Herkunft aus Soda Form großer Lagerstätten von Natriumchlorid, die
„Sodium“; dieser Name ist bis heute im englisch- auch die bedeutsamste Quelle zur Gewinnung von
und französischsprachigen Raum gültig, obwohl Natrium und seinen Verbindungen sind. Bekannte
der von Berzelius 1811 vorgeschlagene Name Produktionsorte dieses „Steinsalzes“ sind in Deutsch-
„Natrium“ mindestens ebenso weit verbreitet ist. land Salzgitter, Bad Reichenhall, Berchtesgaden
Kalium dagegen nannte Davy „Potassium“; auch und Stade. Daneben findet sich Natrium in Feld-
diesen Namen haben nur Engländer und Franzo- späten wie Albit (Natronfeldspat, NaAlSi3O8)
sen übernommen. und Oligoklas [(Na, Ca)Al(Si, Al)3O8].
In einigen trockenen Gegenden der Erde
kommt das gut wasserlösliche Natriumnitrat
(NaNO3, Chilesalpeter) in Form größerer Lager-
Der englische Chemiker Sir Humphry
stätten (Atacamawüste, Chile) vor. Dort wurde es
Davy (* 17. Dezember 1778 Penzance;
vor etwa 100 Jahren in großen Mengen abgebaut
† 29. Mai 1829 Genf) arbeitete von 1802
bis 1812 als Professor für Chemie an und nach Europa verschifft, da es ein wichtiger
der Royal Institution in London. Er er- Ausgangsstoff zur Herstellung von Sprengstof-
kannte Chlor als Element und zeigte, dass fen und Düngern war. Ein anderes, großtech-
Wasserstoff und nicht, wie bis dahin ange- nisch abgebautes Mineral ist Natriumcarbonat
5 Einzeldarstellungen 25

(Na2CO3  10 H2O, Soda), das meist in die schmelze oberhalb der Kathode auf, von wo es
Produktion von Gläsern geht. Schließlich ist durch ein gekühltes Steigrohr aus der Zelle entfernt
Kryolith (Na3AlF6) zu nennen, dessen natürliche wird. Das bei der Elektrolyse mit entstandene Cal-
Vorkommen in Grönland schon erschöpft sind, cium, das einen wesentlich höheren Schmelzpunkt
und den man heute synthetisch herstellt, da große als Natrium besitzt, kristallisiert an der Kathode
Mengen davon als schmelzpunktsenkender Zu- aus und fällt in die Schmelze zurück.
schlag bei der Schmelzflusselektrolyse von Alu- Das vor Einführung der Schmelzflusselektro-
minium gebraucht werden. lyse von Natriumchlorid angewandte Castner-
Im Weltall zählt Natrium ebenfalls zu den häu- Verfahren basierte auf der Schmelzflusselektro-
figeren Elementen (Cameron 1970); die gelbe lyse von Natriumhydroxid (NaOH). Es war aber
Natrium-D-Spektrallinie kann oft im von Sternen trotz des niedrigeren Schmelzpunktes von Natri-
ausgestrahlten Licht nachgewiesen werden. umhydroxid (318  C) teurer im Betrieb. Im Ge-
gensatz dazu gewinnt man bei Anwendung des
Gewinnung Das Ausgangsmaterial für die Her- Downs-Verfahrens auch noch Chlor, was dieses
stellung metallischen Natriums ist meist Koch- Verfahren auch heute immer noch am preisgüns-
bzw. Steinsalz (Natriumchlorid, NaCl), das man tigsten macht.
entweder bergmännisch in Salzstöcken abbaut
oder aber durch Verdunsten salzhaltiger Lösungen Eigenschaften Unter Normalbedingungen ist
wie Meerwasser gewinnt. Man nutzt aber nur Natrium ein weiches, silberglänzendes und sehr
einen kleinen Anteil des Natriumchlorids, um reaktives Leichtmetall. Daher bewahrt man kleine
daraus Natrium zu produzieren. Den größten Teil Mengen unter Paraffinöl oder Petroleum auf, grö-
verwendet man direkt als Speisesalz, es wird ßere Mengen in luftdicht verschlossenen Stahlfäs-
abgefüllt, verpackt und geht in den Handel. Nur sern.
einen kleineren Anteil setzt man zur Herstellung Physikalische Eigenschaften: Das kubisch-
anderer Verbindungen des Natriums ein. raumzentriert kristallisierende Natrium (Schubert
Technisch wendet man zur Herstellung metalli- 1974) steht mit seinen Eigenschaften zwischen
schen Natriums das Downs-Verfahren zur Elektro- Lithium und Kalium. Es schmilzt bei einer Tem-
lyse geschmolzenen Natriumchlorids an. Die Downs- peratur von 97,82  C (s. Tab. 3), im Vergleich
Zelle ist ein feuerfest ausgekleideter Eisenkessel, in dazu Lithium bei 180,54  C und Kalium bei
den von unten eine Anode aus Grafit hereinragt. Zur 63,6  C). Analog verhält es sich bei den Siede-
Ableitung des bei der Elektrolyse gebildeten Chlors punkten und den spezifischen Wärmekapazitäten.
ist die Anode von einer Glocke aus Eisenblech Natrium, Lithium und Kalium sind die einzigen
überdeckt, von der als Diaphragma ein ringförmiges Metalle mit einer Dichte von <1 g/cm3. Inner-
Drahtnetz herabhängt. Eine Eisenkathode umgibt halb der Gruppe der Alkalimetalle nimmt die
ebenfalls ringförmig die Grafitanode und das Dia- Härte von niedrigen zu hohen Ordnungszahlen
phragma. Die Kathode ist von dem rinnenförmigen stets ab; diesem Trend folgt auch Natrium, das
Rand der Eisenblech-Glocke überdeckt. Den hohen mit einer Mohs-Härte von nur 0,5 weicher als
Schmelzpunkt des Salzes (801  C) senkt man in der Lithium ist.
Regel durch Zusatz von Calciumchlorid, das in der Im gasförmigen Zustand existieren einzelne
Schmelze mit 60 Gew.-% enthalten ist. Dieses Atome und auch Dimere (Na2); am Siedepunkt
eutektische Gemisch schmilzt bereits bei einer (890  C) liegen immerhin noch 16 % der Atome in
Temperatur von 580  C; die Zelle selbst betreibt Form von Dimeren vor. Der Dampf ist gelb und
man mit einer Spannung von 7 V (Holleman et al. erscheint in der Durchsicht purpurfarben.
2007) und Stromstärken von rund 35.000 A. Zur Mit Kalium bildet Natrium tiefschmelzende
Herstellung eines kg Natrium ist eine Stromleis- Legierungen, die oft bei Raumtemperatur flüssig
tung von ca. 12 kWh erforderlich. sind. Das Eutektikum (77 Gew.-% K, 23 Gew.-%
Das im Lauf der Elektrolyse gebildete, spezi- Na) schmilzt bei einer Temperatur von 12,6  C
fisch leichte Natrium schwimmt auf der Salz- (Van Rossen und Van Bleiswijk 1912).
26 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Natrium


Symbol: Na
Ordnungszahl: 11
CAS-Nr.: 7440-23-5

Aussehen: Silbrigweiß glänzend Natrium, Natrium,


Stücke Stücke
(Manske 2007) (Sicius 2015)
Entdecker, Jahr Davy (England), 1807
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
23
11Na (100) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 26.400
Atommasse (u): 22,9898
Elektronegativität 0,93 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: Na+ + e ! Na (V) 2,713
Atomradius (pm): 180
Van der Waals-Radius (pm): 227
Kovalenter Radius (pm): 154
Ionenradius (Na+, pm) 95
Elektronenkonfiguration: [Ne] 3s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 496
Magnetische Volumensuszeptibilität: 8,5  106
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): 2,1  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 10 ♦ 6,3 ♦ 3,3
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe ♦ 0,69
Mohs-Härte 0,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 298,15 K): 3990
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 0,968
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 23,78  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 140
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 28,23
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 97,72 ♦ 370,87
Schmelzwärme (kJ/mol): 2,6
Siedepunkt ( C ♦ K): 890 ♦ 1163
Verdampfungswärme (kJ/mol): 97,4

Chemische Eigenschaften: Natrium ist ein sehr 2 Na þ 2 H2 O ! 2 NaOH þ H2 "


unedles und damit reaktives Metall, das zeigt auch 2 Na þ 2 HCl ! 2 NaCl þ H2 "
das Redoxpotential für die Reaktion Na++ e !
Na, das mit 2,71 V stark negativ ist. Natrium
reagiert mit den meisten Nichtmetallen heftig, in Erstaunlicherweise reagiert Natrium mit völlig
Wasser löst es sich stürmisch auf und schmilzt trockenem Sauerstoff nicht und lässt sich sogar
dabei (Mason et al. 2015). Mit Mineralsäuren ohne erkennbare Reaktion in einer Atmosphäre
wie Salz-, Schwefel- und Salpetersäure erfolgt aus trockenem Sauerstoff schmelzen. Die Anwe-
eine fast explosionsartige Reaktion: senheit von Spuren an Feuchtigkeit reicht jedoch
5 Einzeldarstellungen 27

bereits aus, dass Natrium direkt zu Natriumper-


oxid verbrennt:
2 Na þ O2 ! Na2 O2

Auch mit Alkoholen [Methanol (CH3OH),


Ethanol (C2H5OH)] reagiert es zügig und deutlich
exotherm unter Bildung des jeweiligen Alkoho-
lats (hier: Natriummethylat):
Abb. 15 Natriumoxid (Onyxmet 2019)
2 Na þ 2 CH3 OH ! 2 CH3 ONa þ H2 "

Natrium kann mit heftiger Reaktion den an-


sonsten relativ reaktionsträgen chlorierten Koh- Das weiße Natriumoxid (s. Abb. 15) sublimiert
lenwasserstoffen wie Chlorform (CHCl3) oder bei 1275  C, hat die Dichte 2,27 g/cm3 und
Tetrachlorkohlenstoff (CCl4) das chemisch ge- reagiert heftig mit Wasser unter Bildung von
bundene Chlor entreißen, wobei dann Natrium- Natriumhydroxid. Die Verbindung ist in reinem
chlorid und Kohlenstoff gebildet werden. Zustand aus flüssigem Natrium und Natriumnitrat
In flüssigem Ammoniak löst sich Natrium unter (I) oder auch Natriumazid und Natriumnitrat
Bildung einer blaugefärbten Lösung. Diese ist elek- (II) herstellbar, wobei bei beiden Umsetzungen
trisch leitend, also gibt Natrium Elektronen in die unbedingt die Sicherheitsvorschriften einzuhalten
Lösung ab. Zugabe eines Kryptanden (z. B. [2,2,2] sind (Brauer 1978, S. 951). Alternativ ist noch das
Kryptand, der dem Kronenether 18-Krone 6 struktu- Eintragen von Natriumhydroxid in geschmolze-
rell ähnlich ist, nur eben eine Käfig- statt einer nes Natrium möglich (III):
Ringstruktur erzeugt, „friert“ ein Na+-Kation ein,
desen Elektron auf ein anderes Natriumatom über- (I) 10 Na þ 2 NaNO3 ! 6 Na2 O þ N2 "
geht und dieses in ein großes Natrid-Anion (Na)
übergeht. Mittlerweile gibt es zahlreiche Veröffent- (II) 5 NaN3 þ NaNO3 ! 3 Na2 O þ 8 N2 "
lichungen über Natride, Kalide, Rubidide und Cae-
side, die die Alkalimetalle in ihrer anionischen (!) (III) 2 NaOH þ 2 Na ! 2 Na2 O þ H2 "
Form enthalten und extrem starke Reduktionsmittel
sind (Dye 1984; Dye et al. 1989, 1990, 1993, 1999,
2003, 2006).
Natriumoxid kristallisiert in einer Antifluorit-
Verbindungen In seinen „gewöhnlichen“ Verbin- struktur, seine Standardbildungsenthalpie liegt bei
dungen tritt Natrium ausschließlich in der Oxida-
418 kJ/mol. Man verwendet es zur Herstellung
tionsstufe +1 auf. Die Verbindungen zeigen ein stark
von Glas, als Katalysator bei einigen Polymerisa-
ionisches Verhalten und sind meist gut wasserlöslich. tionsreaktionen und seltener als Trocknungsmittel.
Chalkogenverbindungen Von den fünf bekann-
Natriumperoxid ist seit 1811 bekannt, als es
ten Natriumoxiden sind nur zwei relativ stabil.
erstmals durch Verbrennen von Natrium an der
Natriumoxid (Na2O) entsteht bei der Herstellung Luft von Gay-Lussac und Thénard hergestellt
von Glas aus dem hierfür verwendeten Natrium-
wurde (Jakob et al. 2012). Seit 1928 erzeugt man
carbonat durch dessen Erhitzen, außerdem bei kon-
die Verbindung kontinuierlich im Drehrohrofen
trollierter Verbrennung von Natrium im Tempera- durch kontrolliertes Verbrennen von Natrium im
turbereich von 150 bis 200  C. Sonst verbrennt
Gegenluftstrom (Russell 1928); die Umsetzung
Natrium zu Natriumperoxid (Na2O2), das ein star-
verläuft mit 511,2 kJ/mol deutlich exotherm.
kes Oxidationsmittel ist und als Bleichmittel für Im Labor kann man das Peroxid in Form seines
Textilien und Papier sowie als Sauerstoffquelle
Octahydrats aus konzentrierter Natronlauge durch
beim Tauchen und in U-Booten verwendet wird. Zusatz ebenfalls konzentrierten Wasserstoffper-
28 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Abb. 16 Natriumperoxid (Onyxmet 2019) Abb. 17 Natriumhydroxid (Onyxmet 2019)

oxid ausfällen (Penneman 1950). Im Reinzustand sich schnell und in großer Menge unter starker
ist Natriumperoxid farblos, meist aber infolge Freisetzung von Wärme zu Natronlauge auf
eines geringen Gehalts an Verunreinigungen gelb- (pH 14 bei c=1 mol/l). Es ist in wässriger Lösung
lich (s. Abb. 16). Thermisch ist die Verbindung stets vollständig dissoziiert.
überraschend beständig und schmilzt bei 675  C Unterhalb einer Temperatur von 299,6  C
fast unzersetzt. Mit Wasser reagiert das stark besitzt α-Natriumhydroxid orthorhombische Kris-
hygroskopische Natriumperoxid zu Wasserstoff- tallstruktur, darüber in seiner β-Modifikation
peroxid und Natriumhydroxid (Holleman et al. monokline. Die Ionen des Natriums und Sauer-
2017, S. 602). stoffs bilden dabei der Natriumchloridstruktur
Das hexagonal kristallisierende Natriumper- ähnliche Doppelschichten mit jeweilig abwech-
oxid (Blachnik 1998, S. 614) kann mit leicht oxi- selnder Aufeinanderfolge in x-y-Richtung (Stehr
dierbaren Stoffen wie Grafit- oder Aluminiumpul- 1967). Es existieren außerdem mehrere Hydrate
ver explosionsartig reagieren. Man verwendet es (Hart et al. 2013; Mootz und Seidel 1990; Mootz
technisch als Bleichmittel, vor allem in der Papier- et al. 1994). Mit dem in der Luft enthaltenen
und Textilindustrie. Als Absorber für Kohlendi- Kohlendioxid reagiert es unter Bildung von Na-
oxid und Sauerstofflieferant wird es oft in Unter- triumcarbonaten und muss daher in luftdicht ver-
seeboten und Flugzeugen eingesetzt, auch wenn schlossenen Behältern aufbewahrt werden.
man in Raumfahrzeugen wegen seines geringeren Natronlauge reagiert mit Schwefelwasserstoff
Gewichts Lithiumperoxid bevorzugt. In der orga- zu einem Gemisch von Natriumsulfid (Na2S)
nischen Synthese wird es als relativ selektives, und Natriumhydrogensulfid (NaHS). Aus dieser
aber an einzelnen Atomen bzw. Atomgruppen Lösung kann man das Natriumsulfid durch Trock-
stark oxidierend wirkendes Agens eingesetzt, nen im Exsikkator über Schwefel- oder Phosphor-
wie zu Herstellung von Methansulfonsäure säure bis zu einem Gehalt von 96 % aufkonzen-
(Mukhopadhyay und Bell 2005) oder der Epoxi- trieren; die restlichen 4 % entfallen auf Wasser.
dierung α,β-ungesättigter Carbonylverbindungen Dieser letzte Wasseranteil kann nur noch durch
(Reddy et al. 2005). Erhitzen auf eine Temperatur von 700  C im Was-
Natriumhydroxid (NaOH) ist industriell außer- serstoffstrom entfernt werden.
ordentlich wichtig. Die wässrige Lösung von Ein reineres Produkt liefert die Reaktion von
Natriumhydroxid ist Natronlauge, die man in un- Natrium mit Schwefel in wasserfreiem, verflüs-
zähligen Anwendungen einsetzt. Sie wird unter sigten Ammoniak (Also und Boudjouk 1992).
anderem zur Herstellung von Seife und Farbstof- Hydratisiertes Natriumsulfid (Na2S  9 H2O) ist
fen als auch zum Aufschluss von Bauxit bei der im reinen Zustand ein farbloser (s. Abb. 18), kris-
Produktion von Aluminium verwendet. Natrium- talliner, nach faulen Eiern riechender Feststoff der
hydroxid schmilzt bzw. siedet bei Temperaturen Dichte 1,86 g/cm3, der bei 1180  C schmilzt. Die
von 323  C bzw. 1390  C. Die Verbindung ist ein wasserfreie Substanz ist geruchlos. Schon bei
weißer hygroskopischer Feststoff (s. Abb. 17) und Kontakt zu schwachen Säuren – hierzu reicht das
gehört zu den stärksten Basen. In Wasser löst es in der Atemluft enthaltene Kohlendioxid – setzt
5 Einzeldarstellungen 29

Abb. 18 Natriumsulfid (Onyxmet 2019) Abb. 19 Natriumselenid (Onyxmet 2019)

die Verbindung giftigen Schwefelwasserstoff frei. mal zur Synthese organischer Tellurverbindungen
Fein verteiltes, kristallwasserfreies, Natriumsulfid
(Wilkinson et al. 1995).
reagiert heftig mit Oxidationsmitteln (Kaliumper-
Halogenverbindungen Natriumfluorid (NaF) ist
manganat oder -dichromat) und löst sich leicht in ein weißer bis grünstichiger Feststoff (s. Abb. 20a, b)
Wasser unter Bildung einer stark alkalisch reagie-
der Dichte 2,78 g/cm3, der bei 993  C schmilzt
renden Lösung. Man verwendet Natriumsulfid
(Siedepunkt der Schmelze: 1704  C) (Holleman
unter anderem als Enthaarungsmittel in der
et al. 1995, S. 1170). Man stellt Natriumfluorid
Gerberei, in Synthesen als Reduktionsmittel, zur
durch Umsetzung von Flusssäure mit Natronlauge
Flotation und in der Abwasserbehandlung zur
(I) oder Natriumcarbonat (II) her:
Fällung toxischer Schwermetallionen.
Natriumselenid (Na2Se) gewinnt man durch
(I) NaOH þ HF ! NaF þ H2 O
Reaktion von in flüssigem Ammoniak gelösten
Natrium mit Selen (Brauer 1975, S. 415) als hy-
groskopisches, braunes bis rotes (s. Abb. 19), (II) Na2 CO3 þ 2 HF ! 2 NaF þ CO2 " þ H2 O
gegenüber Hydrolyse empfindliches Pulver der
Dichte 2,63 g/cm3, das in wasserfreiem Zustand
bei 875  C schmilzt. Bei Einsatz überschüssigen Im Unterschied zu Natriumchlorid ist die Ver-
Selens werden graue Polyselenide [Natriumdise- bindung für den Menschen und viele Tierarten
lenid (Na2Se2), Natriumtriselenid (Na2Se3)] usw. giftig (tödliche Dosis für einen Erwachsenen:
gebildet, die gleichfalls leicht hydrolysieren (Mal- 1–10 g). Ursache ist die starke Bindung des Fluo-
liakas 2008, S. 5; Wirth 2000, S. 60). ridanions an die Eisenatome eisenhaltiger En-
Natriumselenid, das auch in organischen zyme, die so infolge Komplexbildung blockiert
Synthesen eingesetzt werden kann (Back 1999, und unwirksam gemacht werden. Natriumfluorid
S. 116), kristallisiert kubisch im Anti-Calcium- kristallisiert wie Natriumchlorid kubisch und ist
fluorid-Typ (Kleber und Bohm 1998, S. 142). durchlässig für IR- und UV-Licht. Seine Löslich-
Säuren setzen aus Natriumselenid giftigen Selen- keit in Wasser ist sehr gering. Man verwendet es
wasserstoff frei. als Holzschutzmittel, zum Konservieren von
Natriumtellurid (Na2Te) ist entsprechend Klebstoffen, als Trübungs- und Flussmittel bei
durch Zugabe pulverförmigen Tellurs zu einer der Herstellung von Glas sowie in der Metallurgie
Lösung von Natrium in flüssigem Ammoniak er- als schlackenbildenden Zusatz. Einkristalle setzt
hältlich, wobei auch hier auf Ausschluß von Luft man als Material für Linsen und Prismen in Ana-
und Feuchtigkeit zu achten ist (Brauer 1975, lysegeräten ein. Wichtig war in der Vergangenheit
S. 431). Der farb- und geruchlose Feststoff der die Verwendung als Fluoridierungsmittel für
Dichte 2,90 g/cm3 schmilzt bei einer Temperatur Trinkwasser, und das bei der Anreicherung von
von 953  C und ist sehr empfindlich gegenüber Uran als Zwischenprodukt dienende Uranhexa-
Luftsauerstoff und -feuchtigkeit. Seine Kristall- fluorid (UF6) kann durch Zusatz von Natriumfluo-
struktur ist kubisch; Natriumtellurid dient manch- rid gereinigt werden.
30 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Abb. 21 Natriumchlorid (Kochsalz, Christian Thiele


Abb. 20 a Natriumfluorid (Onyxmet 2019). b Natrium- 2004)
fluorid (Stanford Advanced Materials 2019)

Das wichtigste und bekannteste Natriumsalz ist


Natriumchlorid (NaCl, Speisesalz oder Kochsalz),
das in sehr großen Mengen vorkommt und Aus-
gangsmaterial für die Herstellung fast aller anderen
Natriumverbindungen ist. Es dient als Nahrungs-
mittel, zur Konservierung von Lebensmitteln und
als Streusalz im Straßenverkehr, um nur einige
Anwendungen zu nennen. Es ist ein geruchloser
Feststoff, der bei 801  C schmilzt (Siedepunkt der
Schmelze: 1461  C). Es ist gut löslich in Wasser Abb. 22 Natriumbromid (Onyxmet 2019)
(358 g/L bei 20  C); die Abhängigeit der Löslich-
keit von der Temperatur ist nur schwach. Natrium- werken. Das mittels der erstgenannten Verfahren
chlorid bildet farblose Kristalle (s. Abb. 21), die im gewonnene Steinsalz wird dann gebrochen und
kubischen, nach Natriumchlorid selbst benannten in verschiedenen Korngrößen zutage gefördert.
Gittertyp kristallisieren. Sie sind im Gegensatz zu Beim nassen, ausschließlich über Tage betriebe-
anderen nicht doppelbrechend. Dabei ist im Kris- nen Abbau spült man das Bohrloch mit verdünn-
tallgitter jedes Natrium- und jedes Chloridion ter Salzsole und fördert schließlich konzentrierte
jeweils oktaedrisch von sechs Gegenionen umge- Sole mit einem Sättigungsgehalt von 26,5 Gew.-%.
ben. Die Herstellung sowohl im Labor als auch in Diese muss aber noch gereinigt werden. Aus der
der Technik ist sehr einfach durch Vereinigung von so gereinigten Sole erzeugt man dann durch Ein-
Salzsäure mit Natronlauge möglich. dampfen, entweder unter Ausnutzung der Son-
Natriumchlorid liegt in der Natur in riesigen nenwärme in Salinen oder aber in Vakuumver-
Mengen vor, meist gelöst im Meerwasser mit dampfern das so genannte Siedesalz. Für in den
einem Gehalt von ca. 3 %, was einer Gesamtmenge USA produzierte Sole sowie hergestelltes Stein-
in den Weltmeeren von 3,6  1016 t entspricht. Die salz, Meersalz und Siedesalz schätzte der U.S.
in vorgeschichtlicher Zeit durch Austrocknung Geological Survey für 2014 mittlere Preise ab
urzeitlicher Meere und deren nachfolgende Bede- Werk von US $ 8,50/t für Sole, US $ 55/t für
ckung entstandenen Salzlagerstätten bestehen prak- Steinsalz, US $ 83/t für Salz aus solarer Verduns-
tisch nur aus Steinsalz. Allein unterhalb Deutsch- tung und US $ 180/t für Siedesalz (Bolen 2015).
lands vermutet man Lagerstätten, die ein Volumen Natriumbromid (NaBr) stellt man durch vorsich-
von bis zu 100.000 km3 (!) einnehmen. Vor tiges Mischen von Natriumhydroxid mit Bromwas-
einigen Jahren schon lag die gesamte Produktion serstoffsäure her. Das farblose (s. Abb. 22) Salz
des Salzes weltweit bei 250 Mio. t; die größten kristallisiert ebenfalls in der kubischen Natrium-
Förderländer waren China, die USA, Indien, chlorid-Struktur (Holleman et al. 1995, S. 1170),
Deutschland, Kanada und Australien (Moretto schmilzt bei einer Temperatur von 755  C, siedet
et al. 2013; Bergier und Grub 1989). bei 1393  C und hat als wasserfreies Salz eine
Bohren, Sprengen, Schneiden oder nasser Dichte von 3,2 g/cm3 (Dihydrat: 2,18 g/cm3). Der
Abbau, dies sind die Fördermethoden in Salzberg- extrem hohe Dissoziationsgrad der Bromwas-
5 Einzeldarstellungen 31

serstoffsäure bewirkt, dass wässrige Lösungen wesentlich höher (1840 g/L bei 20  C). In flüssi-
des Salzes schwach sauer reagieren. Die Bildung gem Ammoniak besteht bei 33  C eine ebenfalls
von Natriumbromid ist mit einer Standardbil- beträchtliche Löslichkeit (1620 g/L), auch in
dungsenthalpie ΔHf 0298= 360 kJ/mol stark polar-protischen und auch dipolar-aprotischen
exotherm, wenngleich auch geringer als die des Lösungsmitteln löst sich Natriumiodid gut (Hol-
Chlorids oder Fluorids. Die Löslichkeit des Sal- leman et al. 1995, S. 1170).
zes in Wasser ist hauptsächlich aufgrund der Man verordnet Natriumiodid zur Vorsorge
niedrigeren Gitterenergie dagegen entsprechend gegen Iodmangel und die durch diesen bedingte
deutlich größer (905 g/L bei 20  C). Bildung eines Kropfs; oft enthält daher handels-
Im Labor kann man durch Einleiten von Chlor- übliches Speisesalz schon geringe Mengen an
gas in eine wässrige Lösung von Natriumbromid Natriumiodid. Man verwendet mit den radioakti-
Brom darstellen und nutzt diese Reaktion auch ven Isotopen 12353I und 13153I dotiertes Natri-
analytisch zum Nachweis wasserlöslicher Bro- umiodid zur Szintigrafie der Schilddrüse.
mide (Jander et al. 1995, S. 281; Yoffe et al. Natriumiodid setzt man bei der in Aceton oder
2013). Früher nutzte man die Verbindung als ähnlichen geeigneten Lösungsmitteln durchge-
Beruhigungsmittel, ist davon aber wegen der führten Finkelstein-Reaktion zur Bildung von Iod-
Nebenwirkungen des Natriumbromids schon lan- aus Chloralkanen ein:
ge abgegangen.
Natriumiodid (NaI) ist ebenfalls ein weißes, NaI þ R  Cl ! NaCl # þ RI
kristallines Salz (s. Abb. 23), das bei 661  C
schmilzt (Siedepunkt der Schmelze: 1304  C) Natriumchlorid hat eine nur geringe Löslich-
und eine Dichte von 3,67 g/cm3 aufweist. Ver- keit, fällt aus dem Lösungsmittel aus und hilft so,
schiedene Darstellungswege sind möglich, so das Gleichgewicht der Reaktion in Richtung der
der aus Natronlauge und Iodwasserstoffsäure Bildung des Iodalkans zu verschieben.
(I) oder der aus Natriumcarbonat und Eisen-II, Pnictogenverbindungen Das sehr instabile
III-iodid (II): Natriumnitrid (Na3N) schmilzt bereits bei 87  C
unter Zersetzung in die Elemente, hat die Dichte
(I) 2 NaOH þ 2 HI ! 2 NaI þ H2 O 1,84 g/cm3 und ist ein dunkelblauer Feststoff
(Steudel 2008, S. 310). Die Verbindung kristalli-
(II) 4 Na2 CO3 þ Fe3 I8 þ 16 H2 O ! siert in lockerer Ionenpackung im kubischen Anti-
8 NaI  2 H2 O þ Fe3 O4 # þ 4 CO2 " Rhenium-VI-oxid-Typ (Niewa 2002); die jeweili-
gen Gegenionen sitzen hier ausschließlich mittig
auf den Kanten eines kubisch primitiven Gitters.
Gegenüber Natriumbromid ist die Standardbil-
Konnte Natriumnitrid früher nur durch kontrol-
dungsenthalpie mit 288 kJ/mol nochmals redu-
lierten thermischen Abbau von Natriumazid oder
ziert, auch die Gitterenergie ist geringer. Demzu-
durch dessen Reaktion mit elementarem Natrium
folge ist die Löslichkeit in Wasser nochmals
erzeugt werden (Wattenberg 1930), so sind kleine
Mengen inzwischen auch durch Reaktion von auf
ein Substrat aufgebrachte Schichten elementaren
Natriums mit flüssigem Stickstoff und folgen-
dem Erwärmen des so behandelten Substrates
auf 20  C zugänglich.
Natriumphosphid (Na3P) ist durch Reaktion
von Natrium mit rotem Phosphor unter Argon
darstellbar (Brauer 1975, S. 960). Die Verbindung
ist sehr empfindlich sowohl gegenüber Luftsau-
erstoff als auch Feuchtigkeit. Der rote Feststoff
Abb. 23 Natriumiodid (Onyxmet 2019) schmilzt bei 650  C, hat die Dichte 1,74 g/cm3
32 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

und kristallisiert hexagonal mit grafitähnlich auf- zugänglich, und die Reaktion von Carbonsäuren
gebauten, eine negative Gesamtladung tragenden mit Natriumazid in stark saurem Medium bei-
Schichten aus abwechselnd aufeinander folgen- spielsweise liefert über die intermediär gebildete
den Na+- und P3 -Ionen sowie zwischen diesen Stickstoffwasserstoffsäure nach Schmidt das um
Schichten befindlichen, nur aus Na+-Ionen beste- ein Kohlenstoffatom ärmere Amin. Nach Curtius
henden Schichten. stellt man Alkylisocyanate durch Umsetzung von
Das braunviolette Natriumarsenid (NaAs) ist Natriumazid mit Carbonsäurehalogeniden her.
durch Überleiten von Natriumdampf auf Arsen Analytisch setzt man Natriumazid in Kombi-
unter verringertem Druck bei etwa 200  C erhält- nation mit Iod zum relativ spezifischen Nachweis
lich (Hart et al. 2013, S. 439), hat eine Dichte von von Thiolen und anderen organischen Thiover-
2,36 g/cm3 (Auner et al. 1996) und kristallisiert bindungen ein (Iod-Azid-Reaktion). Schon Spu-
hexagonal in noch nicht völlig aufgeklärter Struk- ren acider Protonen der Schwefelverbindungen
tur (Beister et al. 1990; Smith 2013, S. 559; Dou- erzeugen im Analysengemisch zwischenzeitlich
glas und Ho 2007, S. 323; Hafner und Range Stickstoffwasserstoffsäure, die mit Iod sofort
1994; Songster und Pelton 1993). Die Verbindung unter Bildung von Iodwasserstoff und Stickstoff
muss unter Luftausschluss gehandhabt werden, da reagiert; die Lösung entfärbt sich (Holleman et al.
sie bereits bei Kontakt mit Wasser bzw. Luftfeuch- 2007, S. 681). Ferner sterilisiert man mit Natri-
tigkeit giftigen Arsenwasserstoff entwickelt. umazid Laborgeräte sowie gegenüber einem Befall
Natriumazid (NaN3) erhält man beim Leiten von durch Mikroorganismen empfindliche Proben.
Distickstoffoxid auf geschmolzenes Natriumamid Auf Säugetiere und auch den Menschen wirkt
bei Temperaturen um 180  C nach (I); als Neben- Natriumazid schon in geringer Menge toxisch, da
produkt fällt Ammoniak an, das durch Hydrolyse Azidionen die in einigen Enzymen enthaltenen
des erhitzten Natriumamids mit dem bei der Schwermetallionen durch Bildung von Komple-
Reaktion gebildeten Wasserdampf entsteht (II): xen blockieren und zudem wie Kohlenmonoxid
die Aufnahme von Sauerstoff im Blut hemmen.
(I) NaNH2 þ N2 O ! NaN3 þ H2 O Natriumamid (NaNH2) ist ein grauweißer
(s. Abb. 24), nach Ammoniak riechender Fest-
(II) NaNH2 þ H2 O ! NaOH þ NH3 stoff, den man im Labor aus in flüssigem Ammo-
niak gelöstem Natrium in Gegenwart von Fe3+-
Ionen als Katalysator herstellen kann:
Natriumazid ist außerdem durch Erhitzen einer
geschmolzenen, aus Natriumamid und Natrium-
2 Na þ 2 NH3 ! H2 " þ 2 NaNH2
nitrat bestehenden Mischung bei ca. 175  C dar-
stellbar (III):
Geringe Mengen an Eisenverbindungen sind
zum erfolgreichen Ablauf oben stehender Re-
(I) NaNO3 þ 3 NaNH2 ! NaN3 þ 3 NaOH þ NH3
aktion notwendig, sonst bildet sich nicht das

Natriumazid zersetzt sich beim Erhitzen auf


Temperaturen oberhalb von 275  C unter Freiset-
zung beträchtlicher Wärmemengen; diese Zerset-
zung kann auch unter Explosion erfolgen. Im
Kristallgitter des Salzes liegen fast linear gebaute
Azidionen vor, die man zur Gruppe der Pseudo-
halogenide rechnet. Industriell nutzt man Natri-
umazid zur Herstellung von Stickstoffwasserstoff-
säure (HN3), die durch Zugabe von Mineralsäure
zu Natriumazid gebildet wird, und von Bleiazid.
Ebenso sind organische Azide aus Natriumazid Abb. 24 Natriumamid (Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 33

Amid; vielmehr bleibt es dann bei der bloßen chemischen Synthesen. Im Labor lässt es sich
Auflösung von Natrium im Ammoniak und der durch vollständige Neutralisation von Schwefel-
Solvatisierung des 3s-Valenzelektrons des Natri- säure mit Natronlauge darstellen.
ums. Natriumamid schmilzt bei 210  C, siedet bei Das wasserfreie, farblose (s. Abb. 25) Salz
400  C und hat die Dichte 1,39 g/cm3. Die Ver- schmilzt bei 888  C, hat die Dichte 2,70 g/cm3
bindung ist stark basisch, hygroskopisch und sehr und gut in Wasser löslich. Man setzt es als Füller
hydrolyseempfindlich; so wird es durch Wasser in Waschmitteln sowie in der Papier-, Glas- und
heftig zu Natriumhydroxid und Ammoniak zer- Textilindustrie ein. In Form des Dekahydrats dient
setzt. Bereits Luftsauerstoff zerstört die Verbin- Natriumsulfat als Abführmittel (Hill 1979). Natri-
dung langsam oxidativ, wobei sich unter anderem umsulfat und -hydrogensulfat sind als Lebensmit-
explosive Peroxonitrate bilden, die sehr empfind- telzusatzstoff E 514 zugelassen und werden unter
lich gegenüber mechanischer Belastung (Stoß, Anderem als Säureregulator und Träger verwen-
Schlag) sind und zu heftiger Explosion neigen. det.
Altes, schon zumindest oberflächlich oxidiertes Das aus wässriger Lösung mit 5 Mol Kristall-
Natriumamid ist nicht mehr verwendbar und muss wasser kristallisierende, farblose (s. Abb. 26) Na-
unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften triumthiosufat (Na2S2O3  5 H2O) (Fixiersalz)
entsorgt werden. verwendet man in der analogen Fotografie; man
Natriumamid setzt man bei organischen Syn- setzt es zudem nach dem mit Natriumhypochlorit
thesen als starke Base ein, die auch schwach acide durchgeführten Bleichen von Papier- und Textil-
Verbindungen zuverlässig deprotoniert. So kann fasern zur Entfernung überschüssigen Chlors ein.
man Alkohole oder terminale Alkine mit seiner Das Pentahydrat schmilzt bereits bei 48,5  C im
Hilfe deprotonieren, ebenso Ethin (Acetylen). Ein eigenen Kristallwasser. Gibt man zu einer wässri-
sehr bekanntes Beispiel ist die Tschitschibabin- gen Lösung des Salzes Säure zu, so bildet sich
Reaktion, bei der man Pyridine und seine Derivate
nukleophil unter Bildung von Aminopyridinen
umsetzt.
Sonstige Verbindungen Natriumsilicid (NaSi)
ist ein graues bis schwarzes Kristallisat, das
beständig an der Luft und auch unbrennbar ist.
Man stellt es durch Schmelzen stöchiometrischer
Mengen der beiden Elemente in einem exother-
men Prozess her (Jenkins 2013). Dieser benötigt
also keine großen Mengen an Energie, denn die
Abb. 25 Natriumsulfat (Walkerma 2005)
bei der Reaktion freiwerdende Wärme wird in
den Prozess zurückgeführt. Ökonomisch sehr
wichtig ist, dass die Verbindung bei Kontakt
mit Wasser nur reinen Wasserstoff und keine
Silane liefert, sich also der gebildete und später
als Brennstoff genutzte Wasserstoff nicht entzün-
det. Das Nebenprodukt dieser Reaktion ist Natri-
umsilikat:

2 NaSi þ 5 H2 O ! 5 H2 " þ Na2 Si2 O5

Natriumsulfat (Na2SO4) erzeugt man meist aus


dem natürlich vorkommenden Mineral Mirabilit.
China steht für etwa zwei Drittel der Weltproduk-
tion. Gelegentlich ist es ein Nebenprodukt bei Abb. 26 Natriumthiosulfat (W. Oelen 2005)
34 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

intermediär Thioschwefelsäure (H2S2O3), die


aber nicht beständig ist und zu elementarem
Schwefel, Schwefeldioxid und Wasser zerfällt,
worauf die Lösung gelblich trüb wird. Generell
ist Natriumthiosulfat ein mildes Reduktionsmittel.
Noch auf der fotografischen Schicht befindli-
che Reste an Silberhalogenid wandelt man in
einer wässrigen Lösung von Fixiersalz in den
wasserlöslichen Komplex Natriumdithiosulfato-
argentat-I um, entfernt sie so vom Film und macht Abb. 27 Natriumhydrid (Onyxmet 2019)
ihn damit unempfindlich gegenüber Licht:
 
2 Na2 S2 O3 þ AgCl ! Na3 AgðS2 O3 Þ2 þ NaCl

Man nutzt Natriumthiosulfat im Gold- und Sil-


berbergbau zur in wässriger Lösung betriebenen
Extraktion des Edelmetalls und entsprechend in
galvanischen Bädern zur Präparation von Gold-
und Silberbädern. Auch Platinionen kann Thio-
sulfat in wässriger Lösung komplexieren, man
untersucht Fixiersalz zur Zeit daher darauf, ob es
durch eine Chemotherapie mit Cisplatin-Kom- Abb. 28 Natriumborhydrid (Onyxmet 2019)
plexen verursachte Nebenwirkungen verringern
kann (Brock et al. 2018). Den Gehalt an Natrium- Die ionische Verbindung reagiert mit Wasser hef-
thiosulfat in wässriger Lösung ermittelt man oft tig unter Bildung von Wasserstoff und Natron-
iodometrisch, da es Iod zu ebenfalls farblosem lauge.
Tetrathionat oxidiert; am Endpunkt der Reaktion Natriumborhydrid ist ein nahezu weißes
erfolgt unmittelbar Dunkelfärbung infolge der An- Pulver bzw. Kristallisat (s. Abb. 28) der Dichte
wesenheit unverbrauchten Iods (Holleman et al. 1,07 g/cm3, das bei 400  C schmilzt. Es ist brenn-
1995, S. 594): bar und wirkt ätzend auf die menschliche Haut, ist
Natriumhydrid (NaH) und Natriumborhydrid aber unzersetzt in Wasser löslich. Durch Säuren
(NaBH4) setzt man in der organischen als Reduk- wird es aber schnell zu Natriumborat und Wasser-
tions- bzw. Hydrierungsmittel ein. Natriumhydrid stoff zersetzt (Gardiner und Collat 1965; Wang
deprotoniert dabei vor allem Thiole, Alkohole, und Jolly 1972; Levine und Kreevoy 1972; Abts
Amide sowie CH-acide Verbindungen und bringt et al. 1975). Beim Erhitzen ist es bis zu Tempera-
diese in Form ihrer stark nukleophilen Anionen turen von 600  C in trockener Luft beständig, in
zur Reaktion, reduziert aber auch Disulfide zu feuchter Luft hydrolysiert es schon von 300  C an
Thiolen. Natriumborhydrid ist dagegen ein gutes aufwärts.
Reduktionsmittel für Carbonylverbindungen. Was- Natriumcarbonat (Soda, Na2CO3) und Na-
ser zersetzt beide Verbindungen mit heftiger Re- triumhydrogencarbonat (Natron, NaHCO3) sind
aktion unter Bildung von Wasserstoff. ebenfalls wichtige Verbindungen. Das ziemlich
Das stark basische Natriumhydrid ist ein gut in Wasser lösliche Natriumcarbonat verwen-
metallisch aussehendes, graues Pulver (s. Abb. 27) det man in großen Mengen bei der Glasherstel-
der Dichte 1,396 g/cm3, das bei 425  C unter lung, das schwerer in Wasser lösliche Natriumhy-
Zersetzung schmilzt. Man stellt es durch Über- drogencarbonat ist unter anderem Bestandteil von
leiten von Wasserstoff über flüssiges Natrium bei Backpulvern und Medikamenten gegen Über-
250–300  C und gleichzeitigem Ausschluss von säuerung des Magens. Beim Erhitzen zerfällt
Sauerstoff und Wasser her (Brauer 1978, S. 949). NaHCO3 zu Natriumcarbonat, Wasser und Koh-
5 Einzeldarstellungen 35

umchlorid mit dem Calciumoxid aus der ersten


oben beschriebenen Reaktion zu Calciumchlorid,
Wasser und Ammoniak umgesetzt wird. Dieses
Ammoniak wird wieder dem Verfahrenskreislauf
zugeführt.
Beide Natriumcarbonate haben eine Zulassung
Abb. 29 Natriumcarbonat (Mangl 2007)
als Lebensmittelzusatzstoff E 500 in der Euro-
päischen Union und dürfen ohne Mengenbe-
lendioxid; ein Effekt, der für die Bildung von grenzung verwendet werden. Beispielhaft seien
Kesselstein (Calciumcarbonat) durch das in natür- Anwendungen wie Backtriebmittel oder Säurere-
lichen Wässern immer vorhandene Hydrogencar- gulator genannt. Bei der Herstellung von Glas
bonat sowie Calcium verursacht wird. fungiert Soda als Flussmittel in der Glasschmelze;
Das farblose Natriumcarbonat (s. Abb. 29) die Viskosität bzw. Fließfähigkeit der Schmelze
schmilzt bei einer Temperatur von 854  C, hat steuert man über ihren Gewichtsanteil. Aus Na-
die Dichte 2,54 g/cm3 und löst sich in Wasser in triumcarbonat stellt man unter Anderem Bleich-
einer Menge von 217 g/L bei 20  C. Man benutzt mittel, Gerbmittel und Füllstoffeher. Bei der Ver-
es seit der Antike; die Ägypter setzten es zum hüttung von Eisen setzt man Soda hinzu, um etwa
Mumifizieren ein, die Römer als Reinigungsmittel Schwefel aus Roheisen zu entfernen. Natriumcar-
und zur Glasherstellung. Man gewinnt es entwe- bonat ist ein wichtiger alkalischer Inhaltstoff in
der durch Abbau natürlicher, bereits stark soda- Waschmitteln und Seifen. Bei der Herstellung von
haltiger Minerale, die umkristallisiert und nach Papier aus Altpapier oder Zellstoff findet es
einigen Schritten in reines Soda überführt werden, in mehreren Verfahrensschritten Verwendung. In
oder man wendet ein technisches Verfahren Deutschland dürften in allen Anwendungen aktuell
an. Schon 1791 erfand Leblanc das nach ihm ca. 3 Mio. t beider Carbonate verbraucht werden.
benannte Verfahren, bei dem man zuerst rohes Natriumnitrat (Chilesalpeter, NaNO3) bildet in
Natriumchlorid mit heißer Schwefelsäure zu Natri- wasserfreier Form hygroskopische, farblose Kris-
umsulfat umsetzt und dieses Natriumsulfat im talle (s. Abb. 30) der Dichte 2,26 g/cm3, die bei
zweiten Schritt mit einer Mischung aus Kohle 308  C schmelzen. Oberhalb einer Temperatur
und Calciumcarbonat glüht. von 380  C gibt es Sauerstoff ab und geht in
Später wurde das Leblanc-Verfahren 1860 Natriumnitrit (NaNO2) über. Es kommt in der
durch das noch heute verwandte Solvay-Verfahren Natur als Mineral vor; die größten Lagerstätten
abgelöst; allein die Firma Solvay stellt pro Jahr befinden sich in der chilenischen Atacama-Wüste.
ca. 7 Mio. t Soda her, die dann zu einem der Man setzt es in sehr großen Mengen als Dünger
wichtigsten Waschmittelrohstoffe, Natriumpercar- ein, seltener zur Konservierung von Lebensmit-
bonat, umgesetzt werden. Das Solvay-Verfahren teln und zur Produktion von Glas oder Emaille.
geht von billigen und in großen Mengen verfüg- Falls man keinen bergmännischen Abbau na-
baren Rohstoffen aus, Calciumcarbonat und türlicher Vorkommen mehr betreiben kann, laugt
Natriumchlorid. Zuerst wird Calciumcarbonat man mit Hilfe heißer Solen die natürlichen Vor-
(„Kalk“) zu Calciumoxid gebrannt. Das zugleich kommen aus. Die Salzlauge wird zur Reinigung
beim Glühen gebildete Kohlendioxid leitet man filtriert, und man kühlt das erahltene Filtrat ab, bis
zusammen mit Ammoniakgas in eine wässrige aus ihm Natriumnitrat in bereits hoher Reinheit
Lösung von Natriumchlorid (Kochsalz) ein, wo- auskristallisiert. Das in kleinen Mengen in der
rauf Natriumhydrogencarbonat aus der konzen- Mutterlauge enthaltene Iodat verwendet man zur
trierten Lösung von Ammoniumchlorid ausfällt. Gewinnung von Iod.
Das Natriumhydrogencarbonat wird abgetrennt Bei der nach dem Ostwald-Verfahren durchge-
und auf ca. 200  C erhitzt, dabei entweichen führten katalytischen Oxidation von Ammoniak
Kohlendioxid und Wasser. Als Rückstand ver- entstehen Stickoxide, die man mit Sauerstoff oxi-
bleibt Natriumcarbonat, wogegen das Ammoni- diert. Das Gasgemisch fängt man in heißer wässri-
36 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

(I) H2 SiF6 þ 6 NH3 þ 2 H2 O ! 6 NH4 F þ SiO2

(II) 6 NH4 F þ 3 NaOH þ AlðOHÞ3


! Na3 AlF6 þ 6 NH3 þ 6 H2 O

Man benötigt erhebliche Mengen Kryolith


zur Gewinnung metallischen Aluminiums mittels
Schmelzflusselektrolyse (Hall-Héroult-Prozess). Der
Schmelzpunkt des dort als Elektrolyten eingesetz-
Abb. 30 Natriumnitrat wasserfrei (Onyxmet 2019) ten Aluminiumoxids (Korund) liegt bei 2050  C;
diesen senkt man durch Zugabe von Kryolith auf
die Schmelztemperatur des Eutektikums von
960  C ab. Jenes besteht aus 18,5 % Aluminium-
oxid und 81,5 % Kryolith. Nur so ist überhaupt
die Schmelzflusselektrolyse durchführbar.
Aufgrund seines niedrigen Schmelzpunktes
von 1012  C (Dolejš und Baker 2006) dient Kryo-
lith auch als Flussmittel in der Gießerei und in
Beschichtungen von Schweißelektroden.
Auch in der optischen Industrie verwendet
Abb. 31 a Natriumaluminiumhexafluorid (Kryolith, man Kryolith, in reflektierenden Spiegeln von
Stanford Advanced Materials 2019). b Natriumalu- Lasergeräten, die man durch abwechselndes Auf-
miniumhexafluorid (Kryolith, Onyxmet 2019) dampfen dünner Schichten aus Kryolith und
einem anderen Material, wie etwa Zinkselenid,
im Vakuum erzeugt.
ger Natriumcarbonatlösung auf, wobei sich Natri-
Wie alle Fluoride gilt auch Kryolith als gesund-
umnitrat bildet, das man anschließend isoliert.
heitsgefährdend und umweltgefährlich. Bei lang-
Als Zusatzstoff für Lebensmittel E 251 ist Natri-
fristiger Kontamination besteht die Gefahr toxi-
umnitrat zugelassen. Kochsalz wird eine kleine
scher Wirkung auf Knochen, Zähne und Nieren.
Menge Natriumnitrat zugemischt; mit diesem Pö-
Natürlich kommt das farblose Natriumiodat
kelsalz behandelt man Fleisch und Wurstwaren.
(NaIO3) (s. Abb. 32) als Beimengung in manchen
Enzymatische Prozesse führen zum Abbau des Ni-
Mineralien vor. Synthetisch ist es durch Umset-
trats zum dann antibakteriell wirksamen Nitrit. Die
zung von Natronlauge mit Iodsäure (I) oder durch
ablaufenden Prozesse bewirken, dass das Fleisch
Eintragen von Iod in heiße Natronlauge (II) zu-
seine rote Farbe behält. Auch eingelegter Fisch wird
gänglich:
durch Zugabe von Pökelsalz konserviert.
Kryolith (Aluminiumtrinatriumhexafluorid, Na-
(I) NaOH þ HIO3 ! NaIO3 þ H2 O
triumhexafluoroaluminat-III, Na3AlF6) ist ein sel-
ten, meist in Grönland vorkommendes, hexagonal
(II) 3 I2 þ 6 NaOH ! NaIO3 þ 5 NaI þ 3 H2 O
kristallisierendes, farbloses Mineral (s. Abb. 31a, b),
das beim Glühen Fluorwasserstoff abgibt.
Man stellt Kryolith wegen der Erschöpfung der Das als mildes Oxidationsmittel, als Konservie-
natürlichen Lagerstätten schon länger in großer rungsstoff und als Zusatz zu Kochsalz verwendete,
Menge synthetisch aus Hexafluorokieselsäure, bei 425  C schmelzende Natriumiodat kristalli-
Ammoniak, Natrium- und Aluminiumhydroxid siert orthorhombisch (Náray-Szabó und Neuge-
her, wobei das im zweiten Schritt entstehende bauer 1947; Miyamoto und Salomon 2013).
Ammoniak wieder der ersten Stufe des Verfahrens Organische Natriumverbindungen sind noch
zugeführt wird: viel instabiler als die ohnehin schon sehr reaktiven
5 Einzeldarstellungen 37

Labormaßstab für einige Kupplungsreaktionen


wichtig (Brückner 2004).
Frisch gepresster Natriumdraht dient als
Trocknungsmittel für Diethylether oder Toluol,
darf aber niemals mit halogenhaltigen Lösungs-
mitteln (Tetrachlorkohlenstoff, Chloroform) in
Kontakt kommen, da es mit diesen heftig reagiert.
Natrium ist Katalysator zur Polymerisation von
1,3-Butadien und Isopren (Ziegler et al. 1934).
Abb. 32 Natriumiodat (Onyxmet 2019) Die bei Raumtemperatur flüssigen Natrium-
Kalium-Legierungen sowie auch reines Natrium
Lithiumorganyle und entsprechend extrem reak- selbst dienen als Wärmeüberträger, weil Natrium
tionsfähig. Einigermaßen beständig sind nur Ver- eine mit 140 W/mK sehr hohe Wärmeleitfähig-
bindungen mit raumbeanspruchenden Resten wie keit, eine ebenso gute Wärmeübertragungsfähig-
Arylen oder Cyclopentadien, die man als Reduk- keit und einen niedrigen Schmelzpunkt besitzt.
tionsmittel verwendet (Elschenbroich 2005). Zudem ist es über einen großen Temperaturbereich
hinweg flüssig. Es kühlt Auslassventile von Ver-
Anwendungen Der größte Teil des durch Abbau brennungsmotoren und Brennstäbe in Brutreakto-
oder synthetische Prozesse erzeugten Natrium- ren. In jenen ist Wasser nicht einsetzbar, weil die
chlorids oder -carbonats wird als solches verwen- bei der Kernspaltung erzeugten schnellen Neutro-
det oder zu anderen Verbindungen des Elements nen sonst abgebremst würden (Volkmer 1996).
umgesetzt. Nur eine relativ kleine Menge verar- In den mit hoher Lichtausbeute arbeitenden
beitet man zu metallischem Natrium weiter wen- Natriumdampflampen ist, wie der Name schon
det, und nur dessen Anwendungen werden hier sagt, das bei elektrischen Entladungen erzeugte
diskutiert. dampfförmige Natrium für die Aussendung des
Aus metallischem Natrium stellt man Verbin- typisch gelben Lichtes verantwortlich.
dungen her, die auf anderem Wege nicht zugänglich
sind, so beispielsweise das als Bleichmittel verwen- Physiologie Natrium in Form seines Kations Na+
dete Natriumperoxid, das stark basische Natrium- ist für tierische Organismen essenziell und ist dort
amid, ferner Natriumcyanid und Natriumhydrid. neben Calcium und Kalium das häufigste chemi-
Man setzt es in sehr geringen Mengen Alumi- sche Element. Der menschliche Körper enthält
nium-Silicium-Legierungen zu, da es das Erstar- durchschnittlich ca. 100 g Na+-Ionen (Kaim und
rungsgefüge verbessert (Verfahren nach Pácz). Schwederski 2005), die außerhalb der Körperzel-
Infolge der Nichtanwendbarkeit anderer Re- len 90 % der Gesamtmenge an Elektrolyten stel-
duktionsmittel setzt man zur Herstellung von Alu- len (Deetjen et al. 2005).
minium, Magnesium und einer Reihe von Über- Ein Erwachsener sollte täglich mindestens
gangsmetallen (Titan, Zirkonium, Tantal, Uran) 550 mg Na+aufnehmen (World Health Organiza-
Natrium ein. In dieser reduzierenden Funktion tion 2007), die Höchstmenge sollte aber 1,5 bis
wurde und wird es auch in organischen Synthesen 2 g/d nicht überschreiten (American Heart Asso-
verwendet. ciation 2015; Deutsche Gesellschaft für Ernäh-
Natrium spielt eine wichtige Rolle als Reduk- rung 2015). Oft werden diese Werte infolge hohen
tionsmittel in der organischen Synthese. Lange Salzkonsums mit 2,4–3,2 g/d deutlich übertroffen
Zeit diente die Umsetzung einer Natrium-Blei- (Max-Rubner-Institut 2007), anhand von gemes-
Legierung mit Chlorethan zur Produktion des An- senen Werten für die Ausscheidung des Natriums
tiklopfmittels Tetraethylblei, bevor jenes ab Mitte aus dem Organismus ist sogar von bis zu 4,5 g/d
der 1980er-Jahre in Deutschland und Anfang der auszugehen (Elliott und Brown 2006).
1990er-Jahre in Nordamerika als Zusatz zu Kraft- Bei Natriummangel schwellen die Zellen des
stoffen verboten wurde. Darüber hinaus ist es im Körpers an, bei Überschuss schrumpfen sie. Beide
38 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Phänomene beeinflussen die Funktion des Ge-


hirns negativ bis hin zu epileptischen Anfällen, 2019039639 A1, veröffentlicht 28. Fe-
Bewusstseinsstörungen und eventuell auch Koma. bruar 2019)
Die unterschiedliche Verteilung von Ionen im L. A. Archer und S. Wei, Stable room-
Organismus (Na+- und Cl meist extrazellulär), temperature sodium-sulfur battery (Uni-
K+und organische Anionen überwiegend in der versity of Cornell, US 2019067730 A1,
Zelle sind Grundlage des sich einstellenden Mem- veröffentlicht 28. Februar 2019)
branpotenzials und Konzentrationsgefälles, X. Feng und Y. Chen, Method for preparing
obwohl die betreffenden Ionen ständig in Rich- single-phase modified sodium hyaluro-
tung der geringeren Konzentration diffundieren. nate gel (Hangzhou Singclean Medical
Unter Energieverbrauch müssen die Ionen daher Products Co., Ltd., WO 2019033596
immer wieder in ihr ursprüngliches Medium zu- A1, veröffentlicht 21. Februar 2019)
rückgepumpt werden (Müller-Esterl 2010). S. E . Lee und P. Singh, Sodium bicarbonate
Na+-Ionen sind an Entstehung und Weiterlei- in situ conversion driven transdermal
tung von Erregungen in Nervenzellen und Mus- delivery of amine drug (AU2017302307
kelfasern beteiligt. Die Rezeptoren der Postsy- A1, veröffentlicht 14. Februar 2019)
napsen von Nervenzellen an den Enden der K. Yang und P. E. Menge, Scintillation crys-
Muskelfasern öffnen sich, wenn sie von den von tal including a Co-doped sodium halide
benachbarten Nervenzellen ausgeschütteten Neu- (Saint Gobain Ceramics & Plastics Inc.,
rotransmittern erreicht werden, und Na+-Ionen US 2019051425 A1, veröffentlicht 14.
können in die Rezeptoren eindringen. Dadurch Februar 2019)
nimmt die Zahl positiver Ladungsträger in der H. Ariyoshi und I. Tomita, Sodium removal
Zelle zu (Depolarisation). Diese Depolarisation method, metal concentrating method, and
verlagert sich durch die Nervenfaser hin zum metal recovery method (JX Nippon Mi-
anderen Ende der Zelle (Spannungswelle oder ning & Metals Corp., WO 2019026977
Aktionspotential), wo sich ein anderer Natrium- A1, veröffentlicht 7. Februar 2019)
kanal des Axons öffnet und u. a. wieder Natri- P. May und R. P. Collins, Modified sodium
umionen ausgeschüttet werden. bentonite clays for barrier layer applicati-
Für Pflanzen dagegen ist Natrium, im Gegen- ons (Halliburton Energy Services Inc., US
satz zu Kalium, relativ unwichtig. In bestimmten 2019039950 A1, veröffentlicht 7. Februar
Küstengebieten mit salzreichen Böden nutzen salz- 2019)
resistente Pflanzen (Halophyten wie Kohl, Zucker- G. Bargeman et al., Process to prepare chlo-
rübe und manche Gräser) dergestalt aus, dass bei rine or sodium chlorate (Akzo Nobel Che-
ihnen das Na+- anstatt des K+-Ions verantwortlich micals International B.V., PL 1848661 T3,
für das Wachstum der Blätter ist. Bei anderen veröffentlicht 31. Januar 2019)
Pflanzen wie Mais wirkt sich eine hohe Natrium- F. Wang, Dispersant sodium carboxymethyl
zufuhr dagegen hemmend auf die Leistung der starch production plant (Chengdu Pa
Fotosynthese aus (Sitte et al. 2002; Mengel 1991) Luo AO Technology Co., Ltd., AU
2018101964 A4, veröffentlicht 31.
Januar 2019)
Patente
M. J. Yuk und J. Y. Park, Sodium ion sto-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
rage material (Korea Advanced Institu-
wide.espacenet.com)
te for Science and Technology, WO
2019022514 A2, veröffentlicht 31.
W. Cho und G. Jeong, Positive electrode
Januar 2019)
active material for sodium ion battery
T. Beck und V. Blanc, Assembly for nuclear
and manufacturing method therefor
reactor on fast neutrons with sodium
(Korea Electronics Technology, WO
(Fortsetzung)
5 Einzeldarstellungen 39

liumhydroxids beide Alkalimetalle. In der Zeit


cooling, with housing with spacing gas- bis zu den 1950er-Jahren war die elektrolytische
kets of improved rigidity (Commissariat Produktion vorherrschend, ab dieser Zeit bis heute
Energie Atomique, RU 2678573 C1, reduziert man jedoch bei einer Temperatur von
veröffentlicht 30. Januar 2019) 870  C unter Schutzgasatmosphäre Kaliumchlo-
Z. Ting und W. Deping, Hydroxyalkylamine rid mittels Natriummetall. Das bei der Reaktion:
and hydroxycycloalkylamine-substituted
diamine-aryl sulfonamide compounds Na þ KCl ! K " þ NaCl
with selective activity in voltage-gated
sodium channels (Merck Sharp & Doh- anfallende, gasförmige Kalium kondensiert man
me, MX 2018007450 A, veröffentlicht in Kühlern. Durch Variation der Mengen der
22. November 2018) beteiligten Reaktionspartner sowie der Destilla-
tionsparameter sind auch Legierungen von Ka-
lium mit Natrium zugänglich.
5.4 Kalium
Eigenschaften
Geschichte Im Oktober 1807 stellte Davy (Kurz- Physikalische Eigenschaften: Kalium ist ein wachs-
biografie siehe „Natrium“) durch Elektrolyse weiches Leichtmetall und weist wie Natrium und
zweier angefeuchteter Alkalihydroxide entspre- Lithium eine Dichte von <1 g/cm3 auf (s. Tab. 4).
chend zwei zur damaligen Zeit neue Metalle dar. Es besitzt eine gute Leitfähigkeit für Wärme und
Das eine nannte er „Potassium“ (dieser Name für den elektrischen Strom; es schmilzt bereits bei
„Kalium“ ist heute noch im anglo- und franko- einer Temperatur von 63,4  C.
phonen Raum üblich), da das Ausgangsmaterial Natürlich vorkommendes Kalium enthält einen
der Synthese des Kaliumhydroxids Pottasche war. Anteil von 0,0117 % des radioaktiven Isotops
Das zweite erhielt von ihm den Namen „Sodium“ 40
19K, das mit relativ langer Halbwertszeit sowohl
(ebenfalls noch heute in der englisch- und franzö- zu 4018Ar als auch 4020Ca zerfällt. Die durch das
sischsprachigen Welt für „Natrium“ verwendet), im Körper vorhandene Isotop 4019K verursachte
da es ursprünglich aus Soda hergestellt wurde. Für radioaktive Belastung in Höhe von knapp
„Sodium“ schlug Berzelius 1811 aber für den 0,2 mSv/a stellt fast 10 % der aus natürlicher
deutschsprachigen Raum den Namen „Natrium“ Quelle stammenden radioaktiven Gesamtbelas-
vor, und anstelle von „Potassium“ wählte man tung in Deutschland dar (Bundesamt für Strahlen-
ebenfalls für das deutsche Sprachgebiet den schon schutz 2014). Der Zerfall dieses Isotops ist von
1796 von Klaproth eingeführten Namen „Kalium“. großer Bedeutung für die Bildung des Isotops
40
18Ar und damit für den relativ hohen Gehalt an
Vorkommen Kalium zählt zu den häufigsten Argon in der Erdatmosphäre.
Elementen und kommt in vielen Mineralen vor. Chemische Eigenschaften: Kalium ist sehr
Dabei tritt es ausschließlich als K+-Ion auf; kova- reaktionsfähig, kommt daher in der Natur nur in
lent strukturierte Kaliumverbindungen gibt es chemisch gebundener Form vor und setzt sich mit
nicht. Im Meerwasser sind durchschnittlich im- Nichtmetallen und vielen chemischen Verbindun-
merhin 408,4 mg K+/L enthalten. In der Natur gen sehr heftig um. Kalium ist, abgesehen von den
vorkommende Kaliumminerale sind z. B. Sylvin höheren Alkalimetallen Rubidium und Cäsium,
(KCl), Sylvinit (KCl  NaCl), Carnallit (KCl  das reaktivste Metall überhaupt.
MgCl  6 H2O), Kainit (KCl  MgSO4  3 H2O), Frische Schnittflächen des Metalls überzie-
Schönit [K2(Mg)SO4  6 H2O], Orthoklas (Kali- hen sich schnell mit einer bläulichen Schicht,
feldspat, KAlSi3O8) und Muskovit [Kaliglimmer, die zum größten Teil aus Kaliumoxid besteht.
KAl2(OH, F)2AlSi3O10]. Lässt man die Metallstücke an der Luft liegen,
reagieren sie nach einiger Zeit vollkommen
Gewinnung Erstmals isolierte Davy 1807 durch durch zu einer Mischung aus Kaliumoxid, -hy-
Elektrolyse angefeuchteten Natrium- und Ka- droxid und -carbonat. Daher bewahrt man
40 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Kalium


Symbol: K
Ordnungszahl: 19
CAS-Nr.: 7440-09-7

Aussehen: Silbrigweiß, glänzend Kalium Kalium, an Luft


(Material (Conny 2005)
Scientist 2015)
Entdecker, Jahr Davy (England), 1807
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
39
19K (93,26) Stabil ——
40
19K (0,012) 1,277  109 β+, ε > 4018Ar / β > 4020Ca
41
19K (6,73) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 24.100
Atommasse (u): 39,0983
Elektronegativität 0,82 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: K+ + e > K (V) 2,931
Atomradius (pm): 220
Van der Waals-Radius (pm): 275
Kovalenter Radius (pm): 203
Ionenradius (K+, pm) 133
Elektronenkonfiguration: [Ar] 4s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 419
Magnetische Volumensuszeptibilität: 5,7  106
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,43  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 3,53 ♦ 3,1 ♦ 1,3
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe ♦ 0,363
Mohs-Härte 0,4
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 298,15 K): 2570
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 0,856
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 45,94  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 100
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 29,6
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 63,38 ♦ 336,53
Schmelzwärme (kJ/mol): 2,334
Siedepunkt ( C ♦ K): 774 ♦ 1047
Verdampfungswärme (kJ/mol): 79,1

Kalium unter wasserfreiem Petroleum oder Pa- Butanol erfolgen (siehe unten), sondern nur
raffinöl auf. Auch unter diesen Bedingungen noch durch kontrollierte Verbrennung des Ge-
kann sich Kalium nach einiger Zeit aber mit bindes.
einer rotgelben, aus Oxiden und Peroxiden Mit Wasser setzt es sich so heftig um, dass es
gebildeten Schicht überziehen, die bei Berüh- in geschmolzenem Zustand auf dem Wasser
rung explodieren kann. Die Entsorgung kann schwimmt, der sich bei der Reaktion gebildete
dann nicht mehr durch Eintragen in tert.- Wasserstoff immer entzündet und mit violetter
5 Einzeldarstellungen 41

Flamme verbrennt; gelegentlich kommt es hierbei Kaliumcarbonat bildet. Kalilauge greift, ebenso
zur Explosion des Metallstücks (Mason et al. wie Natronlauge, unter anderem Fette, unedle
2015). Selbst an feuchter Luft läuft es sofort an Metalle und Glas an. Die Neutralisation von Kali-
und reagiert mit Wasser und dem in der Luft lauge mit Säuren muss stets unter Anwendung der
immer vorhandenen Kohlendioxid zu einer Mi- persönlichen Schutzausrüstung durchgeführt wer-
schung von Kaliumhydroxid und -carbonat. In den, da diese Reaktionen mit Freisetzung erhebli-
trockenem Sauerstoff verbrennt Kalium mit inten- cher Wärmemengen einhergehen, was auch zum
siver violett gefärbter Flamme zu Kaliumhypero- Verspritzen der Flüssigkeit führen kann. Aus Kali-
xid (KO2) und Kaliumperoxid (K2O2). Mit lauge und Salzsäure erzeugt man Kaliumchlorid,
Halogenen reagiert es fast explosionsartig. In flüs- mit Schwefelsäure entsteht Kaliumsulfat usw.
sigem Ammoniak löst sich Kalium unter Bildung Kaliumoxid kristallisiert in der Antifluorit-
einer blauvioletten Lösung. Struktur; in ihr tauschen gegenüber der des
Die Entsorgung von Kalium (sowie Natrium und Calciumfluorids An- und Kationen ihre Plätze.
auch Lithium generell) sollte durch Eintragen der Kaliumoxid bildet bei Kontakt mit Wasser
Metallstücke in einen Überschuss von tert.-Butanol sofort Kaliumhydroxid (KOH), das sich in Wasser
erfolgen, mit dem es unter gleichzeitiger Entwick- unter starker Freisetzung von Wärme zu Kali-
lung von Wasserstoff langsam zum tert.-Butanolat lauge löst. Diese zieht an der Luft Kohlendioxid
reagiert. Auf die Vollständigkeit der abgelaufenen an, wodurch sich Kaliumcarbonat bildet.
Reaktion ist unbedingt zu achten. Niedere, gerad- Kalilauge ist eine sehr starke Lauge, die, ähnlich
kettige Alkohole reagieren heftiger und sind auch wie Natronlauge, unter anderem Fette, unedle
leichter entzündlich; daher dürfen z. B. Methanol Metalle und Glas angreift. Mit starken Säuren erfolgt
oder Ethanol nicht hierzu verwendet werden. eine schnelle und heftige Neutralisation, die
Wie schon im Abschn. 5.3 beschrieben, bildet zum unkontrollierbaren Kochen der wässrigen
Kalium mit Natrium in weitem Konzentrationsbe- Mischung führen kann. Die Reaktion verläuft
reich bei Raumtemperatur flüssige Legierungen. Das mit schwachen oder verdünnten Säuren langsa-
Eutektikum enthält 23 Gew.-% Natrium und mer; in jedem Fall bilden sich Kaliumsalze
77 Gew.-% Kalium; es schmilzt bei einer Temperatur (Holleman et al. 2007, S. 1285).
von 12,6  C (Van Rossen und Van Bleiswijk Kaliumhydroxid (KOH) ist ein weißer (s.
1912). Abb. 33), hygroskopischer Stoff der Dichte 2,04 g/
cm3, der bei 360  C schmilzt, bei 1327  C siedet
Verbindungen und meist in Form von Plätzchen oder Stangen im
Chalkogenverbindungen Bei der Verbrennung von Handel ist. Unter Abgabe großer Wärmemengen ist
Kalium entstehen Kaliumperoxid (K2O2) und Ka- es in Wasser löslich (maximal 1130 g/L bei 20  C).
liumhyperoxid (KO2), die mit weiterem Kalium Man gewinnt Kaliumhydroxid heute meist durch
schließlich zu Kaliumoxid (K2O) reagieren (Holle- Elektrolyse wässriger Lösungen von Kaliumchlo-
man et al. 2007, S. 1285, I). Alternativ kann man rid und deren darauf folgendes Eindampfen.
es – unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften! –
aus Kalium und Kaliumnitrat erzeugen (II):

(I) K þ O2 ! KO2 und KO2 þ 3 K ! 2 K2 O

(II) 2 KNO3 þ 10 K ! 6 K2 O þ N2 "

Kommt Kaliumoxid mit Wasser in Kontakt,


tritt energische Reaktion unter Bildung von Kali-
umhydroxid bzw. Kalilauge ein, eine stark alkali-
sche und ätzende Flüssigkeit, die aus der Luft
Kohlendioxid anzieht, wodurch sich am Ende Abb. 33 Kaliumhydroxid (Walkerma 2006)
42 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Für Kaliumhydroxid bzw. seine wässrige brennungen hervor. Verschlucken bewirkt Übel-
Lösung, die Kalilauge, existieren viele Anwen- keit, Erbrechen und Durchfall.
dungen, von denen hier nur die wichtigsten Halogenverbindungen Kaliumfluorid (KF) kommt
genannt sind. Man nutzt Kalilauge zur Produk- in der Natur selten mineralisch vor. Das weiße
tion von sowohl Schmierseifen als auch Kali- (s. Abb. 34), hygroskopische Pulver der Dichte
umphosphat, das noch gelegentlich als Dis- 2,48 g/cm3 schmilzt bei einer Temperatur von
pergiermittel in Flüssigwaschmitteln enthalten 852  C (Kojima et al. 1968); die Schmelze siedet
ist. Kaliumhydroxid ist auch Grundstoff bei 1502  C. Das meist hergestellte Dihydrat
bei der Produktion von Gläsern und Farb- schmilzt bereits bei 46  C im eigenen Kristallwas-
stoffen. ser. Wässrige Lösungen von Kaliumfluorid rea-
Man verwendet Kalilauge zur Unterscheidung gieren infolge Hydrolyse schwach basisch. Die
grampositiver und -negativer Bakterien Nur Löslichkeit in Wasser beträgt bei 20  C 485 g/L;
gramnegative Bakterien bilden nach Kontakt mit die Standardbildungsenthalpie ΔHf 0298 ist mit
Kalilauge Fäden. 569 kJ/mol stark negativ (Holleman et al.
Einkristallines Silicium wird mit Kalilauge 1995, S. 1170).
anisotrop geätzt, um es in Halbleiter zu integrie- Man stellt Kaliumfluorid durch Neutralisieren
ren. In galvanischen Sauerstoffsensoren sowie von Flusssäure mit Kalilauge her und verwendet
Alkali-Mangan-Zellen dient es als Elektrolyt. die Verbindung bei der Produktion von Emaille, in
In der Lebensmittelindustrie setzt man Kali- kleineren Mengen als Additiv für Zemente, als
umhydroxid als Säureregulator ein, wo es unter Konservierungsmittel für Holz und zum Ätzen
der Bezeichnung E 525 ohne Beschränkung der von Glas. Gelegentlich ist es Zahncremes zugesetzt.
Höchstmenge zugelassen ist. Mit Hilfe von Kaliumfluorid kann man aus Chlo-
Kaliumsulfid (K2S) ist weiß bis cremefarben, ralaknen Fluoralkane herstellen (Vogel et al. 1956).
hat die Dichte 1,81 g/cm3, schmilzt bei einer Tem- Kaliumchlorid (KCl) kommt in großen Men-
peratur von 840  C und ist hygroskopisch. Das gen natürlich vor, oft als Sylvin, Carnallit, Kainit
getrocknete Material kann sich beim Stehenlassen und Sylvinit. Es handelt sich um oft große unter-
an der Luft spontan selbst entzünden, auch ohne irdische Lagerstätten in Kanada, Deutschland,
Verbrennen oxidiert es an der Luft zügig zu Ka- China und der GUS. Vor allem China hat die
liumthiosulfat. Erschütterung oder Reibung kann Kapazität seiner Produktion erheblich aufgestockt
zum explosiven Zerfall der Verbindung führen, durch den Abbau des 240 Mio. t umfassenden
Säuren zersetzen sie schnell zum jeweiligen Vorkommens in der Wüste Lop Nor; das Produkt
Kaliumsalz und Schwefelwasserstoff. Wässrige soll direkt zu Düngemitteln weiter verarbeitet
Lösungen von Kaliumsulfid sind stark basisch. werden (People’s Daily Online 2008).
Kaliumsulfid ist durch Einleiten von Schwefel- In der Praxis nutzt man die schlechtere Lös-
wasserstoff in eine wässrige Lösung von Kaliumhy- lichkeit des Kaliumchlorids verglichen zu Ma-
droxid bis zur Sättigung darstellbar, dabei entsteht gnesiumchlorid aus, so beim Eindampfen wässri-
zwischenzeitlich zunächst Kaliumhydrogensulfid. ger Lösungen von Carnallit (KMgCl3  6 H2O).
Dieses kann man dann im equimolaren Verhältnis
mit Kalilauge in Kaliumsulfid überführen; aus der
Lösung kristallisiert Kaliumsulfid als Pentahydrat.
Eine andere Darstellungsmöglichkeit ist das Zu-
sammenschmelzen von Schwefel und Kalium-
carbonat, aber das bei diesem Prozess entstehende
braune Produkt (Schwefelleber) enthält als Verun-
reinigungen aber noch Kaliumpolysulfide, Kalium-
thiosulfat und Kaliumsulfat.
Auf Haut, Augen und Atemwege wirkt Ka-
liumsulfid ätzend und ruft Rötungen oder Ver- Abb. 34 Kaliumfluorid (Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 43

Die Flotation von im Kalibergbau gewonnenen piell ist es als Auftausalz für den Straßenverkehr
Salzgemischen wird ebenso angewandt, wie auch besser einsetzbar als Natriumchlorid, da seine
das Lösen des Kaliumchlorids aus Salzmischun- Lösungen in Wasser tiefere Schmelzpunkte haben.
gen mittels heißen Wassers. Seine Löslichkeit beträgt 347 g/L bei 20  C. (In-
Das von K + S entwickelte ESTA ®-Verfahren Nordamerika bevorzugt man dagegen das billigere
(ESTA: Elektrostatische Aufbereitung) spart die Calciumchlorid.)
Bereitung von Lösungen und deren teures Ein- Kaliumchlorid ist Teil synthetisch hergestellter
dampfen. Zunächst wird das bergmännisch ge- isotonischer Lösungen, es ist enthalten in Zahncre-
wonnene Rohsalz auf eine Korngröße von 1 mm mes für schmerzempfindliche Zähne sowie in Auf-
gemahlen. Dann behandelt man das Salzgemisch bewahrungslösungen für pH-Messelektroden und
mit oberflächenaktiven Substanzen in einem Redox-Elektroden. Da das Isotop 4019K unter ande-
„Fließbett“ bei genau definierter Temperatur und rem β-Strahlung emittiert, sind normierte Kalium-
Luftfeuchtigkeit, so dass Elektronen von einer chloridlösungen Kalibrierstandards für β-Strahlung.
Mineralsorte auf die andere überwechseln. Derart Kaliumbromid (KBr) ist noch leichter löslich in
geladen, lässt man die Salzkristalle durch einen Wasser (650 g/L bei 20  C), es bildet farblose
„Freifallscheider“ rieseln; dies ist ein zwischen Kristalle (s. Abb. 36) der Dichte 2,75 g/cm3, die
zwei Elektroden bestehendes Feld hoher Span- bei einer Temperatur von 732  C schmelzen (Sie-
nung. Die negativ geladenen Kristalle gehen in depunkt: 1435  C). Man produziert es aus Kali-
Richtung der Anode und die positiv geladenen in umcarbonat und Eisen-I,III-bromid (Holleman
Richtung der Kathode, so dass sie dermaßen sor- et al. 1995, S. 1170), das man großtechnisch aus
tiert, unterhalb der Freifallscheider getrennt auf- mit Wasser überschichtetem Eisenschrott und
gefangen werden. Das an Kaliumchlorid reiche überschüssigem Brom erzeugt:
Konzentrat lädt sich negativ auf und geht in Rich-
tung der Anode (K + S Kali 2015). 4 K2 CO3 þ Fe3 Br8 ! 8 KBr þ Fe3 O4 þ 4 CO2 "
Kaliumchlorid bildet farblose Kristalle (s.
Abb. 35) der Dichte 1,98 g/cm3, die bei einer Im Labor stellt man Kaliumbromid besser aus
Temperatur von 770  C schmelzen (Siedepunkt: einer Mischung von Kalilauge, Brom und Ammo-
1413  C). Es ist in der Europäischen Union als niakwasser her:
Lebensmittelzusatzstoff E 508 ohne Mengenbe-
grenzung zugelassen; es dient als Festigungsmit- 6 KOH þ 3 Br2 þ 2 NH3
tel und Geschmacksverstärker. In großen Mengen ! 6 KBr þ 6 H2 O þ N2 "
nutzt man es zur Produktion von Düngern, auch
stellt man andere Kaliumverbindungen aus ihm Pottasche kann man auch direkt „bromieren“,
her. Die Erdölindustrie nutzt es zum Einpumpen das Nebenprodukt ist Kaliumbromat:
in Lagerstätten, die Keramikindustrie als Schwe-
bemittel bei der Herstellung von Emaille. Prinzi- 3 K2 CO3 þ 3 Br2 ! 5 KBr þ KBrO3 # þ 3 CO2 "

Abb. 35 Kaliumchlorid (Onyxmet 2019) Abb. 36 Kaliumbromid (Onyxmet 2019)


44 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Eine Darstellung der Verbindung aus den Ele- Das bei (II) entstehende Kaliumiodat ist durch
menten Kalium und Brom ist dagegen unwirt- Erhitzen ebenfalls in Kaliumiodid überführbar.
schaftlich und ohne Bedeutung. Für analytische Zwecke (Volumetrie) verwen-
Zur Produktion von Silberbromid-Emulsionen det man eine wässrige Lösung von Kaliumiodid
auf fotografischen Platten und Filmen wird es und Iod (KI  I2), man stellt aus ihm Silberiodid
verwendet, ebenso fertigt man aus Kalium- und einige Medikamente her. Oxidierend wir-
bromid immer noch die Presslinge für die kende, giftige Gase und Flüssigkeiten (z. B. Ozon,
IR-spektroskopische Untersuchung fester Stoffe, Chlor, Brom, Wasserstoffperoxid, Stickoxide)
da es Infrarotlicht in hohem Maße passieren lässt. weist man mittels des Kaliumiodid-Stärke-Papiers
Einkristalle aus Kaliumbromid dienen daher als nach, das vor dem Test angefeuchtet wird. Iodid
Material zur Herstellung von Linsen und Prismen, wird von den oben genannten Stoffen zu Iod oxi-
die in Infrarotspektrometern eingebaut werden. diert, das mit Stärke zum bekannten tiefblauen
Ab 1850 nutzte man Kaliumbromid als Mittel Chlatrat (Einlagerungsverbindung) reagiert.
zur Beruhigung und gegen Epilepsie, jedoch waren Kaliumiodidhaltige Tabletten werden in Deutsch-
die verabreichten Dosen so hoch, dass die Patienten land, Österreich und in der Schweiz in großer Menge
gelegentlich an Phlegma, Schwindel, Kopfschmer- in Apotheken bzw. von Energieversorgern gelagert,
zen, Konzentrationsmangel, Gedächtnisverlust und um sie im Falle eines Kernreaktorunfalls an die
Halluzinationen litten. Hinzu kamen noch Schnup- Bevölkerung ausgeben zu können. Die rechtzeitige
fen (Bromschnupfen) und Ekzeme. Auch heute Einnahme dieser Tabletten verhindert eine Auf-
noch setzt man Kaliumbromid zur Therapie einiger nahme des bei diesen Unfällen unter Anderem frei-
seltener Epilepsien ein, aber in wesentlich niedrige- gesetzten Isotops 13153I in die Schilddrüse fast völlig
rer Dosierung. Als Sedativum (Beruhigungsmittel) (Schicha 1994; Reiners 1994). Die im Radius um
wird es heute nicht mehr verwendet. 50 km um Kernkraftwerke wohnende Bevölkerung
Kaliumiodid (KI) ist ein ebenfalls farbloses der nordwestlichen Schweiz erhält vorbeugend diese
Kristallisat (s. Abb. 37) vom Schmelzpunkt Tabletten (Jordi und Henzen 2015). Österreich hält
723  C (Siedepunkt 1325  C) mit der relativ diese Tabletten in Apotheken und Krankenhäusern
hohen Dichte von 3,13 g/cm3. In Wasser löst es vor. In Deutschland sind nur solche Tabletten in
sich unter starker Abkühlung und in großer Apotheken erhältlich, die gegen Iodmangel/Kropf
Menge (1430 g/L bei 20  C). Die Herstellung wirken. Tabletten zur Vorsorge bei Reaktorunfällen
erfolgt entweder aus Kaliumcarbonat und Iodwas- bevorraten die Gemeinden im Umkreis um die
serstoffsäure (I, Brauer 1963, S. 290) oder durch Kraftwerke selbst (Spiegel online 2004).
Umsetzung von Kalilauge mit Iod (II): Sonstige Verbindungen Kaliumphosphid (K3P)
stellt man durch Reaktion von Kalium mit Phos-
(I) 2 KHCO3 þ 2HI ! 2 KI þ H2 O þ CO2 " phor unter Argon bei 200  C her (Brauer 1975,
S. 960). Der grüne Feststoff ist äußerst empfind-
(II) 6 KOH þ 3 I2 ! 5 KI þ KIO3 þ 3 H2 O lich gegenüber Luftsauerstoff und Hydrolyse,
wird durch Wasser in heftiger Reaktion zersetzt
und kristallisiert hexagonal. In diesem Kristallgit-
ter liegen die Kaliumionen sowohl drei- als auch
vierfach koordiniert durch Phosphidionen vor
(Klemm et al. 1961)
Kaliumcarbonat (Pottasche, K2CO3) ist ein
hygroskopisches, weißes Pulver (s. Abb. 38)
vom Schmelzpunkt 891  C und der Dichte
2,43 g/cm3, das, meist mit anderen Kaliumsalzen
verunreinigt, in umfangreichen Lagerstätten in
Russland, Kanada, Eritrea, Weißrussland und
Abb. 37 Kaliumiodid (Onyxmet 2019) Israel zu finden ist und auch dort abgebaut wird.
5 Einzeldarstellungen 45

ger; zudem ist es in Löschpulvern für einige Brand-


klassen enthalten (Löschen von Bränden flüssiger
oder gasförmiger Stoffe). Die Verbindung hat in
der Europäischen Union die Zulassung als Lebens-
mittelzusatzstoff E 515 ohne Höchstmengenbe-
grenzung.
Kaliumselenat (K2SeO4) ist am besten in einem
zweistufigen Prozess herstellbar; man trägt zu-
nächst Selendioxid in kalte Kalilauge ein, worauf
Abb. 38 Kaliumcarbonat (Walkerma 2005) Kaliumselenit entsteht (I). Oxidation mittels
Brom im Alkalischen ergibt dann Kaliumselenat
Die zahlreichen Anwendungen umfassen etwa die (II) (Rosenfeld und Beath 2013, S. 305):
als Zusatz bei der Herstellung von Gläsern, Dün-
gern, Schmierseife, Handwaschseifen und Farb- (I) SeO2 þ 2 KOH ! K2 SeO3 þ H2 O
stoffen. Es dient auch als Säureregulator in der
Lebensmittelindustrie (sogar für Schnupftabak), (II) K2 SeO3 þ Br2 þ 2 KOH
als Trennmittel für Gipsabgüsse in der Bildhaue- ! K2 SeO4 þ 2 KBr þ H2 O
rei und als Auftaumittel für Straßen (Falbe und
Regitz 2000).
Kaliumsulfat (K2SO4) tritt meist in Form von Das wie das homologe Kaliumsulfat farblose
so genannten Doppelsalzen in diversen Minera- Kaliumselenat schmilzt bei 1002  C und hat die
lien auf (Schönit, Leonit, Langbeinit, Polyha- Dichte 3,07 g/cm3. Seine Löslichkeit in Wasser ist
lit und Glaserit). In der Anfangszeit des Kaliberg- mit 114 g/L ähnlich niedrig. Die Verbindung
baus diente das Mineral Kainit (MgSO4  KCl  exisitert in insgesamt vier Modifikationen; bei
3 H2O) zur Gewinnung von Kaliumchlorid. Die- Raumtemperatur liegt eine orthorhombische Struk-
ses Verfahren gab man aber zugunsten billigerer tur vor. Bei Temperaturen unter 180  C wird das
Verfahren auf, die von Kaliumchlorid ausgehen. Material ferroelektrisch (Yamada et al. 1984), bei
Industriell stellt man Kaliumsulfat durch Überlei- 472  C erfolgt Übergang zur hexagonalen Struk-
ten gasförmiger Schwefelsäure bzw. ihren Zerset- tur (Tonkov 1992, S. 518; Ohama 1974; Kálmán
zungsprodukten Wasser und Schwefel-VI-oxid et al. 1970). Man verwendet Kaliumselenat zur
auf Kaliumchlorid bei 700  C her; dies ähnelt Herstellung von Selentrioxid, aber auch zur
dem von Hargreaves entwickelten Prozess, der Behandlung eines Selenmangels bei Nutztieren
Einwirkung eines Gemisches von Schwefel-IV- (Löscher et al. 2014).
oxid, Luft und Wasser auf Kaliumchlorid. Auch Kaliumnitrat (KNO3) ist ein farbloser (s. Abb. 39),
liefert die Umsetzung von Kaliumsalzen mit Sul- kristalliner Feststoff, der bei 334  C schmilzt und sich
faten anderer Metalle Kaliumsulfat in guter Rein- oberhalb einer Temperatur von 400  C unter Abgabe
heit. Ebenso funktioniert auch die Neutralisation von Sauerstoff und Bildung von Kaliumnitrit
von Schwefelsäure mit Kalilauge. (KNO2) zersetzt. Er wurde im 19. Jahrhundert als
Das farblose Kaliumsulfat schmilzt bei 1069  C Kalisalpeter in China und Südostasien in großer
(Siedepunkt der Schmelze: 1689  C), hat die Menge abgebaut, bis die Vorkommen erschöpft
Dichte 2,66 g/cm3 und besitzt eine nur mäßige waren. Heute stellt man Kaliumnitrat aus Kali-
Löslichkeit in Wasser (111 g/L bei 20  C) (Holle- umcarbonat bzw. -hydroxid und Salpetersäure
man et al. 1995, S. 1179). Das Salz kristallisiert in her. Eine interessante, aktuelle Anwendung ist
orthorhombischer Struktur (Ojima et al. 1995); die die einer Mischung aus 60 Gew.-% Natrium-
Kristalle selbst sind farblos, durchsichtig und sehr und 40 Gew.-% Kaliumnitrat, die bereits bei
hart. Man nutzt Kaliumsulfat zur Herstellung von einer Temperatur von 222  C zu einer niedrig-
Verbindungen des Kaliums und vielen anderen viskosen Flüssigkeit schmilzt. Diese ist bis zu
Produkten, etwa synthetisches Gummi und Dün- Temperaturen von knapp 600  C stabil und
46 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

mit Kaliumchlorid um, worauf große Teile des


erzeugten Kaliumchlorats in der kalten wässrigen
Lösung ausfallen.
Kaliumchlorat ist in kaltem Wasser schlecht, in
warmem aber besser löslich. Es bildet nach dem
Auskristallisieren aus wässriger Lösung glänzende,
farblose Kristalle. Als starkes Oxidationsmittel
reagiert es heftig mit brennbaren bzw. leicht oxi-
Abb. 39 Kaliumnitrat (Walkerma 2005) dierbaren Stoffen wie Schwefel, rotem Phosphor
oder Grafitpulver. Leichte mechanische Einwir-
kung wie Reibung oder Stoß kann bereits ausrei-
chen, solche Mischungen zur Explosion zu brin-
gen. In vielen Sprengstoffen war Kaliumchlorat
früher ein wichtiger Bestandteil, ebenso war es in
Scherzartikeln wie Knallerbsen (dort in Mischung
mit rotem Phosphor und Gummi arabicum) enthal-
ten. Wegen seiner Gefährlichkeit ist es aber weit-
gehend durch andere Materialien ersetzt worden.
Zum künstlerischen Ätzen von Kupferplatten
Abb. 40 Kaliumchlorat (Giftmischer87 2012)
verwendete, salzsaure Bäder enthalten oft geringe
Zusätze von Kaliumchlorat. Die auf Chloraten als
Wirkstoff beruhenden und früher stark gebrauchten
weist eine extrem hohe Wärmekapazität von Unkrautvernichtungsmittel („UnkrautEx“) sind
2,8 MJ/Km3 auf. Deshalb setzt man diese wegen ihres Gefahrenpotenzials schon länger nicht
Mischung als Wärmeträger in Sonnenkraftwerken mehr im Handel. Kaliumchlorat wirkt wie alle
ein. Ein Zusatz des – jedoch giftigen – Natriumni- Chlorate stark toxisch auf Blutgefäße und Nieren.
trits kann den Schmelzpunkt noch weiter, bis auf
140  C, herabsenken. Wegen der oxidativen Analytik Das Kaliumion (K+) weist man mit
Eigenschaften der Salzschmelze ist auf die Aus- ionenselektiven Elektroden nach, zudem qualitativ
wahl des Materials zu achten. durch Fällung als weißes, schwer wasserlösliches
Kaliumchlorat (KClO3) ist ein farbloses (siehe Kaliumperchlorat (KClO4). Dieser Nachweis ist
Abb. 40), stark oxidierend wirkendes Salz, das bei aber nicht eindeutig, da auch Rubidium-, Cäsium-
einer Temperatur von 368  C schmilzt, sich kurz und Ammoniumionen weiße, in der Kälte schwer
oberhalb des Schmelzpunktes zu Kaliumchlorid lösliche Niederschläge des Perchlorats geben.
und -perchlorat, oberhalb von 550  C völlig zu Quantitativ lässt sich Kalium gravimetrisch als
Kaliumchlorid und Sauerstoff zersetzt und die Hexachloroplatinat-IV oder als Tetraphenylborat-
Dichte 2,32 g/cm3 hat. Man nutzt es zur Produk- III bestimmen.
tion von pyrotechnischen Artikeln und Streich- In der Routineanalytik (Blut, Umwelt- und
hölzern. Kaliumchlorat wird in einem zweistufi- Wasserchemie) bestimmt man Kalium bis hinun-
gem Prozess hergestellt; dazu elektrolysiert man ter zu Spurenmengen (ca. 100 μg/L) mittels Flam-
zunächst Kochsalzlösung in einer Zelle, die mit menspektrometrie quantitativ, bei der Atomab-
einer Stahlkathode und einer Titananode ausge- sorptionsspektrometrie sind bis zu 1 μg/L noch
rüstet ist. Beide Elektroden liegen eng aneinander nachzuweisen, mit der Graphitrohrtechnik sogar
und sind nicht durch ein Diaphragma voneinander noch 4 ng/L (Cammann 2001).
getrennt. Das an der Anode entstehende Chlor
reagiert mit dem sich bei der Elektrolyse vermehrt Anwendungen Kaliummetall hat außer seiner
bildenden Natriumhydroxid zu Natriumchlorid vereinzelten Anwendung in Form einer eutekti-
und -chlorat. Jenes setzt man in wässriger Lösung schen Natrium-Kalium-Legierung als Kühlflüssig-
5 Einzeldarstellungen 47

keit kaum Bedeutung, da es meist durch das billi- tägliche Mindestdosen an Kalium zwischen 2 und
gere Natrium ersetzt werden kann. In Form von 4,7 g empfohlen (Curhan et al. 1997; Hirvonen et al.
Kaliumhyperoxid (KO2) wird es in Kali-Patronen 1999; Kessler und Hesse 2000; Macdonald et al.
abgefüllt, die die Atemluft in Unterseebooten rege- 2004; Morris et al. 1999; Sellmeyer et al. 2002;
nerieren. Ansonsten ist die Hauptanwendung ein- Suter 1999). Die durchschnittliche Kaliumaufnahme
deutig die als Düngemittel in verschiedenster Form. lag 2008 in Deutschland bei 3,1 g/Tag (Frauen) und
3,6 g/Tag (Männer) (Max-Rubner-Institut).
Physiologie der Pflanzen Die Wirkung des Eine vorwiegend pflanzliche Ernährung ist für
essenziellen Nährstoffes Kalium in Pflanzen ist die Aufnahme von Kalium wesentlich geeigneter
vielfältig. Es erhöht sowohl den Wurzeldruck als als tierische; und Natrium wirkt allgemein blut-
auch den des Zellsafts auf die Zellwand, was die druckerhöhend, Kalium blutdrucksenkend (Suter
Zellstreckung und Wachstum der Blattfläche et al. 2002; Tobian 1997; Bazzano et al. 2001;
bewirkt. Dadurch wird die Aufnahme des zur Ascherio et al. 1998; Barri und Wingo 1997;
Fotosynthese benötigten Kohlendioxids gefördert Khaw und Barrett-Connor 1984; Siani et al.
und steigert somit den gesamten Stoffwechsel. 1987; Sacks et al. 2001). Eine ideale Diät gegen
Ein Mangel an Kalium äußert sich in Gestalt von Bluthochdruck sollte daher Gemüse, Obst, Voll-
Chlorosen und Nekrosen zunächst an älteren Blät- kornprodukte, Geflügel, Fisch und Nüsse enthal-
tern, zur Verkümmerung und Verwelkung (Men- ten, da sie arm an Kochsalz und gesättigten Fetten
gel 1991). Dagegen macht sich ein Überschuss an ist, dafür aber reichlich Kalium, Magnesium und
Kalium in Wurzelverbrennungen und gleichzeiti- Calcium enthält, deren Wirkung der des Kaliums
gem Mangel von Calcium bzw. Magnesium ähnlich ist (Volmer et al. 2001; Zemel 1997).
bemerkbar. Generell ist die Konzentration von Geeignet zur Senkung des Blutdrucks ist die
Kalium eng mit der des Calciums verbunden DASH-Diät, da sie alle oben genannten Lebens-
mittel einschließt.
Physiologie des Menschen Kalium ist essenziell Eine kaliumreiche Ernährung wirkt sich güns-
und ist Teil der in jeder Zelle ablaufenden physio- tig auf den Stoffwechsel der Knochen aus, da
logischen Prozesse. Hierzu gehören: höhere Konzentrationen an Kalium das Ausmaß
der Ausscheidungen an Calcium verringern, die
• die normale Reizbarkeit der Muskeln sowie die durch eine salzreiche Kost eingeleitet wird. Genau
Reizleitung des Herzens (Shieh et al. 2000; genommen hält Kalium in den Nieren verstärkt
Tamargo et al. 2004), Calcium zurück und lässt es im Körper, so dass es
• die Steuerung des Wachstums der Zellen (Nie- wieder in die Knochen eingebaut werden kann
meyer et al. 2001; Shen et al. 2001) (Harrington und Cashman 2003; Lemann et al.
• die Einstellung eines normalen Blutdrucks 1991; New et al. 1994). Wichtig sind aber auch
(Young et al. 1995; Young und Ma 1999; die das Kalium begleitenden Anionen, die sons-
Krishna 1990; Suter 1998; Tannen 1987) tige Zusammensetzung der Nahrung und das Alter
• die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtes der jeweiligen Person, alles Faktoren, die auf die
zwischen Säure und Base infolge Beeinflus- ionischen Gleichgewichte einschließlich dem
sung der Säureausscheidung durch die Niere zwischen Säure und Base einwirken (Barzel
(Frassetto et al. 1997, 1998, 2001; Manz et al. 1995; Frassetto et al. 1996; Lemann 1999; Massey
2001; Remer 2000, 2003; Tannen 1987) 2003; Morris et al. 1999; Remer und Manz 2001;
• Regulierung der Freisetzung von Hormonen und Remer 2000). Kaliumcitrat wirkt beispielsweise
• Verwertung von Kohlehydraten und Synthese sehr positiv auf den Knochen, indem es die Aus-
von Proteinen scheidung von Calciumionen aus den Nieren stark
zurückdrängt (Jehle et al. 2006; Marangella et al.
Zur Vorbeugung gegen Erkrankungen (Blut- 2004; Sellmeyer et al. 2002), so dass eine Thera-
hochdruck, Nierensteine, Osteoporose, Schlaganfäl- pie mit Kaliumcitrat wirksam gegen Osteoporose
le oder Herzinfarkte), werden einem Erwachsenen eingesetzt werden könnte.
48 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Kaliumionen sind wichtige Elektrolyte und


erheblich an der Steuerung der Muskelarbeit D. Alexandros und M. M. Hojjatie, Sulfur
beteiligt. Starkes Schwitzen schwemmt Elektro- dioxide scrubbing system and process for
lyte wie Kalium, Calcium und Magnesium aus producing potassium products (Tessen-
dem Körper, so dass Krämpfe und Erschöpfung derlo Kerley Inc., MX 2018008055 A,
auftreten können. Eine kaliumreiche Ernährung veröffentlicht 29. November 2018)
wirkt aber gleichzeitig auch harntreibend, was
für Dialysepatienten unbedingt zu beachten ist.
Hohe Kaliumkonzentrationen sind beispielsweise
5.5 Rubidium
in Pilzen, getrockneten Aprikosen, Rote Beete,
Bananen, Datteln, Rosinen, Bohnen, Chili, Käse,
Geschichte 1861 entdeckten Bunsen und Kirch-
Spinat und Kartoffeln enthalten (0,2–1,0 g
hoff Rubidium im Wasser der Bad Dürkheimer
Kalium pro 100 g Lebensmittel)
Maxquelle und wiesen dessen Vorhandensein
spektralanalytisch nach. Bunsens Aufarbeitung
von 44200 L Mineralwasser endete in der Isolie-
Patente rung von 9 g (!) Rubidiumchlorid. Das neue
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world Element erhielt seinen Namen, weil das so herge-
wide.espacenet.com) stellte Rubidiumchlorid die Flamme des Bunsen-
brenners purpurrot färbt.
M. Shikano et al., Positive electrode active
material for potassium ion secondary cell
(AIST, US 2019067692 A1, veröffent- Der deutsche Chemiker Robert Wilhelm
licht 28. Februar 2019) Eberhard Bunsen (* 30. März 1811 Göt-
E. Memmel und J. Maurer, Free flowing tingen; † 16. August 1899 Heidelberg)
potassium aluminium fluoride flux studierte Naturwissenschaften an der Uni-
agent (Honeywell International Inc., WO versität Göttingen und promovierte 1831
2019027885 A1, veröffentlicht 7. Februar mit einer Dissertation über Hygrometer.
2019) Danach reiste er zwei Jahre zu bedeuten-
P. S. Mortensen, Potassium-40 energy den Forschern seiner Zeit (Von Liebig,
device (privat, CA 2970002 A1, veröf- Runge, Mitscherlich), habilitierte 1834
wiederum in Göttingen und wurde dort
fentlicht 4. Januar 2019)
1836 stellvertretender Lehrstuhlinhaber.
K. W. Park und Y. K. Kim, Method for
1836 wechselte Bunsen nach Kassel
preparing potassium sulfate (Research
und wurde am dortigen Polytechnikum
Institute of Industrial Science and Tech-
Nachfolger von Friedrich Wöhler. Dort
nology, KR 2018013742 A, veröffent- setzte er die Forschung an Arsenverbin-
licht 21. Dezember 2018) dungen fort. Ab den 1840er-Jahren entwi-
H. Keselman und R. Frim, High-yield inte- ckelte er zusammen mit Kirchhoff die
grated process for the manufacture of Spektralanalyse weiter, erfand den Bun-
potassium sulfate from kainite (Imi Tami senbrenner und das ebenfalls nach ihm
Institute for Research and Development benannte Fotometer. Er führte zahlreiche
Ltd., WO 2018229758 A1, veröffent- Elektrolysen geschmolzener Salze durch
licht 20. Dezember 2018) und isolierte einige Alkali- und Erdalkali-
B. Eriksen und M. G. Langer, Potassium metalle, aber auch Mangan, Aluminium
channel modulators (Cadent Thera- und Chrom.
peutics Inc., AU 2017275657 A1, ver- 1852 nahm Bunsen den Ruf an die Hei-
öffentlicht 13. Dezember 2018) delberger Universität an, um dort Gmelin
nachzufolgen. Ihm stand dort das damals
5 Einzeldarstellungen 49

modernste Labor Deutschlands zur Verfü- demie der Wissenschaften als auswärtiges
gung. Auch Bunsen war Mitglied wissen- und die Russische Akademie der Wissen-
schaftlicher Vereinigungen wie der Akade- schaften als korrespondierendes Mitglied
mie Leopoldina (ab 1851), der Göttinger auf. 1883 wurde er Mitglied der US-ameri-
Akademie der Wissenschaften (ab 1855), kanischen National Academy of Sciences.
der Russischen Akademie der Wissen- Nach ihm sind der Mondkrater Kirchhoff
schaften (korrespondierend ab 1862) und und ein Asteroid benannt (Gerlach 1977,
ab dem gleichen Jahr (1862) (auch der S. 649; Hentschel 1997, S. 4156; Hübner
American Philosophical Society). 2010; Knott 1906, S. 165).

Der deutsche Physiker Gustav Robert


Kirchhoff (* 12. März 1824 Königsberg Vorkommen Rubidium ist vorrangiges Kation
(Preußen); † 17. Oktober 1887 Berlin) stu- in nur sehr wenigen Mineralen, die zu den Feld-
dierte von 1842 bis 1847 an der Königsber- spaten oder Glimmern gehören; dies sind zum
ger Universität Mathematik und Physik und Beispiel Rubiklin (RbAlSi3O8) oder Voloshinit
wechselte nach seiner Promotion an die [Rb(LiAl1,5X0,5)(Al0,5Si3,5)O10F2]. Alkalimetall-
Universität Breslau, wo er von 1850 bis haltige Minerale können Rubidium in maximalen
1854 arbeitete. Weitere Stationen seines Konzentrationen von 1–2 % enthalten, hierzu ge-
Berufslebens waren die Universitäten in hören etwa Leucit, Pollucit oder Zinnwaldit.
Heidelberg (ab 1865) und Berlin (ab Erstaunlich ist hingegen seine Häufigkeit in der
1875), wo er den Lehrstuhl für Theoretische Erdkruste; mit 29 ppm liegt es auf dem 16. Platz
Physik innehatte. aller Elemente.
Kirchhoff stellte erstmals die Regeln elek-
trischer Stromkreise auf und beschrieb 1845
die gegenseitige Abhängigkeit von Span- Gewinnung 1861 entdeckten Bunsen und Kirch-
nung, Stromstärke und Widerstand in den hoff Rubidium (und auch Cäsium) bei der spektro-
nach ihm benannten Kirchhoff’schen Ge- skopischen Untersuchung des Wassers der Bad
setzen. Zusammen mit Bunsen entdeckte Dürkheimer Maxquelle. Zur Gewinnung von 9 g
er 1861 die Elemente Cäsium und Rubidium Rubidiumchlorid (RbCl) mussten sie 44,2 t Mine-
im Wasser der Bad Dürkheimer Maxquelle. ralwasser verarbeiten (Bunsen und Kirchhoff 1861).
Kirchhoff stellte darüber hinaus ein weite- Die Gewinnung durch Schmelzflusselektro-
res, sehr wichtiges Gesetz auf. Sein Strah- lyse ist zwar möglich, jedoch stellt man das
lungsgesetz postuliert, dass jede Materie Metall meist mittels Reduktion von Rubidium-
beim Erhitzen eine kontinuierliche Strahlung hydroxid (RbOH) mit Magnesium bzw. Calcium
abgibt, die in Abhängigkeit ihrer Temperatur
oder aber durch Umsetzung von Rubidiumdi-
für das menschliche Auge sichtbar ist oder
chromat mit Zirkonium bei Temperaturen um
nicht. Experimentell konnte man dies mit
500  C im Hochvakuum her (spektrum.de
den seinerzeit verfügbaren Messmethoden
2019); das gasförmig entweichende Rubidium
zwar nicht beweisen, aber die Erkennung
kondensiert man dann in gekühlten Vorlagen:
des Prinzips des Übergangs von einem
angeregten in den Grundzustand unter Aus-
sendung von Strahlungsenergie führte di- Rb2 Cr2 O7 þ 2 Zr ! 2 Rb " þ 2 ZrO2 þ Cr2 O3
rekt zur Quantenphysik.
1864 wählte man Kirchhoff in die Ame- Alternativ ist auch die Herstellung aus Rubi-
rican Philosophical Society und 1870 in diumchlorid und Calcium unter nahezu analogen
die American Academy of Arts and Scien- Bedingungen und ebenfalls im Vakuum möglich.
ces. Schon ab 1861 war er Mitglied
der Preußischen Akademie der Wissen- Eigenschaften Rubidium ist, in Richtung steigen-
schaften. 1862 nahm ihn die Göttinger Aka- der Ordnungszahlen betrachtet, das erste Alkalime-
50 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

tall mit einer Dichte >1 g/cm3, aber trotzdem immer legierbar. Rubidium und seine Verbindungen fär-
noch eindeutig ein Leichtmetall (s. Tab. 5). Es ist an ben Flammen dunkelrot, woher auch der Name des
der Luft selbstentzündlich und reagiert äußerst hef- Elements kommt. Metallisches Rubidium ist ein
tig mit Wasser und Nichtmetallen, muss also daher extrem starkes Reduktionsmittel.
unter getrocknetem Mineralöl, im Vakuum oder
unter Inertgas aufbewahrt werden. Verbindungen
Mit Quecksilber bildet es ein Amalgam, mit den Chalkogenverbindungen Rubidiumoxid (Rb2O)
Metallen Gold, Cäsium, Natrium und Kalium ist es ist ein gelber, kristalliner Feststoff der hohen

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Rubidium


Symbol: Rb
Ordnungszahl: 37
CAS-Nr.: 7440-17-7

Aussehen: Silbrig-weiß Rubidium, Rubidium, (Images of


glänzend (Dnn87 2007) Elements 2014)
Entdecker, Jahr Bunsen und Kirchhoff (Deutschland), 1861
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
85
37Rb (72,168) Stabil ——
87
37Rb (27,832) 4,81  1010 a β > 8738Sr
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 29
Atommasse (u): 85,468
Elektronegativität 0,82 ♦ k.A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: Rb+ + e > Rb (V) 2,924
Atomradius (pm): 235
Van der Waals-Radius (pm): 303
Kovalenter Radius (pm): 220
Ionenradius (Rb+, pm) 148
Elektronenkonfiguration: [Kr] 5s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 403
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,8  106
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 7,52  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 2,4 ♦ 2,5 ♦ 0,91
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe ♦ 0,216
Mohs-Härte 0,3
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 298,15 K): 1450
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 1,532
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 55,76  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 58
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 31,06
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 39,31 ♦ 312,46
Schmelzwärme (kJ/mol): 2,19
Siedepunkt ( C ♦ K): 688 ♦ 961,2
Verdampfungswärme (kJ/mol): 69
5 Einzeldarstellungen 51

Dichte von 3,72 g/cm3, der bei 400  C unter


Zersetzung schmilzt. Man kann es durch Reaktion
metallischen Rubidiums mit Salzen des Elements
herstellen:

2 Rb þ 2 RbOH ! 2 Rb2 O þ H2 "

10 Rb þ 2 RbNO3 ! 6 Rb2 O þ N2 "

Mit Wasser reagiert Rubidiumoxid in heftiger Abb. 41 Rubidiumhydroxid (Onyxmet 2019)


Reaktion und unter Normalbedingungen zu Rubi-
diumhydroxid (RbOH) (Holleman et al. 1995, aber anderen Gitterparametern, und bis zum
S. 1176): Schmelzpunkt dann eine kubische (Jacobs et al.
1984; Jacobs und Schardey 1988).
Rb2 O þ H2 O ! 2 RbOH Rubidiumsulfid (Rb2S) erhält man durch Ein-
leiten von Schwefelwasserstoff in eine wässrige
Verbrennen von Rubidium an der Luft liefert Lösung von Rubidiumhydroxid. Die weißen bis
größtenteils Rubidiumhyperoxid (RbO2) und auch blassgelben Kristalle der Dichte 2,91 g/cm3
-peroxid (Rb2O2). Reines Rubidiumhyperoxid ist schmelzen bei 530  C unter Zersetzung und sind
durch Oxidation von Rubidium in flüssigem sehr empfindlich gegenüber Luftsauerstoff und
Ammoniak bei Temperaturen um 50  C zugäng- Wasser (Blitz und Wilke-Dörfurt 1905). Die Ver-
lich (Brauer 1978, Band II, S. 955). Es ist ein bindung kann man durch Zusatz von Schwefel
oranger Feststoff und lässt sich durch Wasserstoff unter reduzierendem Schutzgas (Wasserstoff) zu
in der Wärme leicht zu Rubidiumhydroxid redu- Rubidiumpentasulfid aufschwefeln (Blitz und
zieren. Es zersetzt sich in der Hitze (Kraus und Wilke-Dörfurt 1905). Rubidiumsulfid kristalli-
Petrocelli 1962) und schmilzt -extrapoliert- bei siert mit kubischer Struktur und vier Formelein-
einer Temperatur von 412  C. heiten pro Elementarzelle (D’Ans und Lax 1997,
Rubidiumhydroxid (RbOH) zeigt ähnliche che- S. 692).
mische Eigenschaften wie Natrium- oder Kalium- Rubidiumselenid (Rb2Se) stellt man unter
hydroxid, ist aber eine noch stärkere Base als jene. Schuzgas aus metallischem Rubidium und Queck-
Es schmilzt bei einer Temperatur von 301  C (Sie- silberselenid her. Eine Darstellung aus den Ele-
depunkt der Schmelze: 1390  C), hat die Dichte menten verliefe explosiv und ist daher nicht
3,01 g/cm3 und zieht sehr schnell Kohlendioxid durchführbar (Bergmann 1937). Ebenso ist die
aus der Luft an; dabei bildet sich Rubidiumcarbo- Synthese durch Eintragen von Selenpulver in
nat. Man verwendet die Verbindung als Kata- flüssiges Amminak einer Temperatur von 35  C
lysator in oxidativen Chlorierungen oder als möglich, in dem zuvor Rubidium gelöst wurde.
starke Base. Möglich ist auch der Einsatz als Die Verbindung schmilzt bei 733  C, hat die
Elektrolyt für Akkumulatoren, die bei niedrigen Dichte 3,22 g/cm3, ist sehr hygroskopisch, emp-
Temperaturen verwendet werden (Patnaik 2003). findlich gegenüber Hydrolyse und kristallisiert
Das farblose Rubidiumhydroxid (s. Abb. 41) kubisch mit vier 4 Formeleinheiten pro Elemen-
bildet insgesamt und in Abhängigkeit von der tarzelle (D’Ans und Lax 1997, S. 692). Man setzt
Temperatur vier verschiedene Modifikationen Rubidiumselenid, wie auch die entsprechende Cä-
(Jacobs et al. 1987). Vom absoluten Nullpunkt siumverbindung, wegen seiner Halbleitereigen-
bis hinauf zu 8  C liegt eine orthorhombi- schaften in photovoltaischen Zellen ein.
sche Struktur vor, bis zur Temperatur von Halogenverbindungen Die Darstellung aller
94  C dann eine monokline Struktur der Halogenide des Rubidiums ist theoretisch aus
Raumgruppe P21/m, bis hinauf zu 238  C dann den Elementen möglich, in der Praxis aber nicht,
auch eine monokline mit gleicher Raumgruppe, weil Rubidium unmittelbar nach Kontakt mit dem
52 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

jeweiligen Halogen unter Explosion reagieren Halogenide, Rubidiumbromid und -iodid, als
würde. Am besten stellt man Rubidiumfluorid Schmerz- und Beruhigungsmittel sowie als Anti-
(RbF) daher mittels Reaktion von Fluorwasser- depressivum (Erdmann 1900). 8237Rb-Rubidium-
stoff mit Rubidiumcarbonat (Eggeling und Meyer chlorid setzt man als Tracer zur Myokardszinti-
1905) oder Rubidiumhydroxid und folgender grafie ein (Krukemeyer und Wagner 2004).
Trocknung her. Das farblose Salz (s. Abb. 42) Rubidiumbromid (RbBr) bildet gleichfalls
kristallisiert mit vier Formeleinheiten pro Elemen- farblose Kristalle (s. Abb. 44a, b), die in der
tarzelle im kubischen Gitter (D’Ans und Lax kubischen Struktur des Kochsalzes kristallisieren,
1997, S. 686). eine Dichte von 3,35 g/cm3 haben und bei 682  C
Rubidiumfluorid schmilzt bzw. siedet bei Tem- schmelzen (Siedepunkt der Schmelze: 1340  C).
peraturen von 795  C bzw. 1410  C, hat in was- Herstellen kann man das Salz am besten aus Ru-
serfreiem Zustand die Dichte 3,58 g/cm3 und bil- bidiumhydroxid und Bromwasserstoffsäure in
det sowohl ein Sesquihydrat (2 RbF  3 H2O) als wässriger Lösung. Die Löslichkeit in Wasser ist
auch ein Drittelhydrat (3 RbF  H2O) (De Forc- mit 1046 g/L bei 16  C hoch. Immer noch
rand 1911, S. 1208). Mit 1306 g/L hat es bei 18  C stark negativ sind die Standardbildungsenthalpie
eine ausgezeichnete Löslichkeit in Wasser, löst ΔfH0298 (389,50 kJ/mol) und die Freie Stan-
sich aber nur wenig oder kaum in dipolar- dardbildungsenthalpie ΔG0298 (378,40 kJ/mol)
aprotischen Lösungsmitteln wie Aceton. Die (Sichting et al. 1988, S. 976). Früher nutzte man
Freie Standardbildungsenthalpie ΔG0298 ist mit es, wie auch andere Alkalibromide, als Beruhi-
520,4 kJ/mol wie erwartet deutlich negativ gungsmittel und Antidepressivum.
(Sichting et al. 1988, S. 976), die Lösungsenthal- Auch Rubidiumiodid (RbI) ist ein farbloser,
pie mit 24,28 kJ/mol aber absolut gesehen kristalliner Feststoff (s. Abb. 45a, b), der bei
relativ gering (De Forcrand 1911, S. 27). 645  C schmilzt (Siedepunkt der Schmelze:
Darüber hinaus existieren auch saure Rubi- 1300  C) und eine Dichte von 3,11 g/cm3 besitzt.
diumfluoride wie HRbF2, das man durch Lösen Nach dem Muster nahezu aller Alkalihalogenide
von Rubidiumfluorid in konzentrierter Flusssäure
herstellen kann. Ebenfalls bekannt sind die Ver-
bindungen H2RbF3 und H3RbF4.
Rubidiumchlorid (RbCl) ist ebenfalls ein wei-
ßer Feststoff (s. Abb. 43), der bei 715  C schmilzt
(Siedepunkt der Schmelze: 1390  C) und die
Dichte 2,76 g/cm3 aufweist. Seine Standardbil-
dungsenthalpie ist, wie angesichts der zwei reak-
tiven elementaren Bestandteile zu erwarten, stark
negativ (ΔfH0298: 430,86 kJ/mol, Dickerson
et al. 1988). Man nutzte es früher wie die höheren Abb. 43 Rubidiumchlorid (Onyxmet 2019)

Abb. 44 a Rubidiumbromid (Onyxmet 2019).


Abb. 42 Rubidiumfluorid (Onyxmet 2019) b Rubidiumbromid (Stanford Advanced Materials 2019)
5 Einzeldarstellungen 53

Abb. 45 a Rubidiumiodid (Onyxmet 2019). b: Rubidi- Abb. 47 a Rubidiumsulfat (Onyxmet 2019). b Rubidium-
umiodid (Stanford Advanced Materials 2019) sulfat (Stanford Advanced Materials 2019)

stark oxidierend und zersetzt sich beim Erhitzen


unter Abgabe von Sauerstoff zu Rubidiumnitrit.
Die Herstellung erfolgt durch Eintragen stöchio-
metrischer Mengen Rubidiumhydroxid in ver-
dünnte Salpetersäure, folgendes Eindampfen und
Trocknen.
Infrarotstrahlung abgebenden Leuchtmittel kann
man Rubidiumnitrat in Mischung mit weiteren
Abb. 46 a Rubidiumnitrat (Stanford Advanced Materials
2019). b Rubidiumnitrat (Onyxmet 2019)
Alkalinitraten als Oxidationsmittel zusetzen
(Nielson 2004).
Rubidiumsulfat (Rb2SO4) stellt man zweckmä-
kann es hier aus Rubidiumhydroxid und Iodwas- ßig aus einer wässrigen Lösung von Rubidiumhy-
serstoffsäure hergestellt werden. Da die Reaktivi- droxid und Schwefelsäure her. Es bildet farblose
tät des Iods geringer als die der leichteren Halo- Kristalle (s. Abb. 47a, b) mit orthorhombischer, zu
gene ist, kann man kleine Mengen Iod auch mit Kaliumsulfat isomorpher Struktur, die eine Dichte
metallischem Rubidium in Kontakt bringen; die von 3,613 g/cm3 aufweisen. Erhitzt man das Salz
Reaktion ist aber immer noch sehr heftig. Die stark, so erfolgt bei 657  C eine Phasenumwand-
Löslichkeit des Rubidiumiodids in Wasser ist sehr lung, die bis hinauf zum Schmelzpunkt von
gut (1520 g/L bei 17  C). Früher setzte man es als 1050  C (Siedepunkt der Schmelze: 1700  C)
Schmerz- und Beruhigungsmittel sowie als Anti- erhalten bleibt. Wie bei vielen Salzen nimmt die
depressivum ein. In Augentropfen ist es unter dem Löslichkeit in Wasser mit steigender Temperatur
Namen Rubjovit ® und Polijodurato ® im Handel, zu, so sind die Löslichkeiten bei 0  C 364 g/L und
jedoch werden Nebenwirkungen wie die Auslö- bei 100  C 826 g/L.
sung von Allergien und Entzündungen diskutiert Die anodische Oxidation einer gesättigten,
(Sichting et al. 1988, S. 976; Tosti et al. 1990). schwefelsauren wässrigen Lösung der Verbin-
Verbindungen mit Sauerstoffsäuren Rubidium- dung liefert in der Kälte Rubidiumperoxodisul-
nitrat (RbNO3) bildet in wasserfreier Form farblose, fat (Rb2S2O8).
stark hygroskopische Kristalle (Abb. 46a, b) Rubidiumcarbonat (Rb2CO3) erhält man durch
trigonaler Struktur, die gut in Wasser löslich sind Versetzen einer wässrigen Lösung von Rubidium-
(443 g/L bei 16  C), bei 310  C schmelzen und die hydroxid mit Ammoniumcarbonat. Der farb- und
Dichte 3,11 g/cm3 haben. Auch Rubidiumnitrat geruchlose Feststoff der Dichte 3,55 g/cm3
durchläuft bis zum Schmelzpunkt diverse Änderun- (s. Abb. 48a, b) schmilzt bei 835  C, spaltet ober-
gen der Modifikation (T<164  C: trigonal, halb von 900  C Kohlendioxid ab und liegt bei
T<220  C: kubisch, T<291  C: rhombisch, Raumtemperatur wie Kaliumcarbonat in der mono-
T<310  C: kubisch) (Brown und McLaren 1962; klinen Struktur vor (Raumgruppe P21/c, Nr. 14)
Nasirov et al. 2009; Strømme 1971; Liu et al. 2001; mit vier Formeleinheiten pro Elementarzelle. Das
Shamsuzzoha und Lucas 1987). Das Salz wirkt Salz ist in großer Menge in Wasser löslich (4500 g/
54 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

1908) oder durch Erhitzen von Rubidiumcarbonat


mit Magnesium im Wasserstoffstrom (II, Mellor
1963) her:

(I) 2 Rb þ H2 ! 2 RbH

(II) Rb2 CO3 þ Mg þ H2


! 2 RbH þ MgO þ CO2 "
Abb. 48 a Rubidiumcarbonat (Onyxmet 2019). b Rubi-
diumcarbonat (Stanford Advanced Materials 2019)
Beim Erhitzen im Vakuum zersetzt sich Ru-
bidiumhydrid in die Elemente. In Wasser hydro-
L bei 20  C), kaum aber in Ethanol. Die Standard-
lysiert es heftig unter Bildung von Wasserstoff
bildungsenthalpie des Salzes ist mit 1150 kJ/mol
(I), mit Halogenwasserstoff (HX) bildet sich das
stark negativ (Perelman 1965, S. 46).
jeweilige Rubidiumhalogenid (RbX) (II), und
Rubidiumcarbonat verwendet man meist zur
mit Kohlendioxid entsteht Rubidiumformiat
Herstellung besonderer Gläser (Lenk et al. 2000)
(III):
und als Katalysator zur Produktion kurzketti-
ger Alkohole aus Erdgas. Das Salz eignet sich gut
(I) RbH þ H2 O ! RbOH þ H2 "
zur Darstellung anderer Rubidiumverbindungen.
Ahnlich Kaliumperchlorat ist auch Rubidium-
(II) RbH þ HX ! RbX þ H2 "
perchlorat (RbClO4) in der Kälte schwer in Was-
ser löslich, in der Hitze aber leichter; daher setzt
(III) RbH þ CO2 ! HCðOÞORb
man es zur Trennung des Kaliums vom Rubidium
mittels fraktionierter Kristallisation ein. Das Salz
schmilzt bei 192  C, hat die Dichte 2,8 g/cm3 und Mit Halogen reagiert es nahezu explosionsartig
kristallisiert mit orthorhombischer Struktur und zum entsprechenden Halogenid und Halogenwas-
vier Formeleinheiten pro Elementarzelle. Erhitzt serstoff (Moissan 1903). Metalloxide reduziert es
man die Verbindung auf Rotglut, so erfolgt Zer- zum Metall.
setzung in Rubidiumchlorid und Sauerstoff.
Sonstige Verbindungen Rubidiumazid (RbN3) Analytik Qualitativ dient die rotviolette Flam-
kann man durch Vereinigen wässriger Lösungen menfärbung des Elements als Nachweis; das emit-
von Rubidiumcarbonat und Natriumazid herstellen tierte Licht zeigt eine deutliche Spektrallinie bei
(Balzer 2001). Lässt man elektrische Entladungen 780,0 nm. Quantitativ lässt sich dies in der Flam-
auf Stickstoffgas einwirken, unter dem man Rubi- menphotometrie zur Bestimmung von Rubidium-
dium lagert, werden gleichermaßen Rubidiumni- spuren nutzen. Polarographisch ist Rubidium
trid und -azid gebildet (Wattenberg 1930). Ober- wegen seines dem des Kaliums, Cäsiums, Ba-
halb einer Temperatur von 310  C spaltet das riums etc. sehr ähnlichen Halbstufenpotenzials
nicht explosive Rubidiumazid Stickstoff ab und nur bei Anwendung von Elektrolyten zu bestim-
geht in ein Gemisch aus Rubidium und Rubidium- men, die Tetraalkylammoniumsalze enthalten
nitrid über (Yost und Russell 2007, S. 128). Die (Heyrovský und Kůta 1965).
Verbindung kristallisiert in tetragonaler Struktur
mit vier Formeleinheiten pro Elementarzelle Anwendungen und Physiologie Es gibt nur
(Müller 1972). wenige Anwendungen für Rubidium und seine
Rubidiumhydrid (RbH) bildet farblose prisma- Verbindungen. Das Metall ist als Getter in Va-
tische Kristallnadeln einer Dichte von 2,65 g/cm3, kuumröhren einsetzbar, zur Beschichtung von
die sich oberhalb einer Temperatur von 300  C Kathoden, in Rubidiumuhren (Zeitstandard, Al-
zersetzen. Man stellt es durch Reaktion von Rubi- ternative zur Cäsiumuhr) und in Purpurfarben
dium mit Wasserstoff (I, Abegg und Auerbach erzeugendem Feuerwerk.
5 Einzeldarstellungen 55

Für einige wenige Stoffwechselvorgänge ist Abtrennung der Elemente Lithium, Magnesium,
Rubidium wohl für Säugetiere essenziell, nicht Calcium und Strontium. Im Filtrat befanden sich
dagegen für Pflanzen. Der tägliche Bedarf des aber noch zwei weitere Elemente, Rubidium und
Menschen an Rubidium ist geringer als 100 μg Cäsium, wie sie die Ergebnisse dessen Spektral-
und wird leicht durch die gewöhnliche Ernäh- analyse deuteten. Bunsen und Kirchhoff identifi-
rung mit ungefähr 1,5 mg/d gedeckt. Tee und zierten unter Anderem zwei bis damals unbekannte
Kaffee stellen alleine schon fast die Hälfte des Linien im blauen Bereich des Farbspektrums, wo-
Bedarfes, so hat die Arabica-Kaffeebohne den raus sie schlossen, dass im Mineralwasser noch ein
höchsten je für Lebensmittel analysierten Gehalt weiteres, bisher unbekanntes Element vorhanden
(25,5–182 mg Rubidium/kg Trockensubstanz; sein müsse, das sie nach seinen blauen Spektralli-
Illy und Viani 2005). Rubidiumionen beeinflus- nien Cäsium nannten, dies nach der lateinischen
sen die Wirkung von Neurotransmittern (Krachler Bezeichnung für „himmelblau“ (Bunsen und
und Wirnsberger 2000), daher diskutiert man die Kirchhoff 1861).
Anwendung von Rubidium als Antidepressivum. Bunsen versuchte, die zwei im Wasser verblie-
benen neuen Elemente Rubidium und Cäsium von
den anderen, noch im Wasser enthaltenen bekann-
Patente
ten Elementen zu trennen und sie möglichst auch
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
zu isolieren. Die Zugabe einer sauren, wässrigen
wide.espacenet.com)
Lösung von Platinchlorid diente zunächst dazu,
Kalium und die zwei neu entdeckten Alkalime-
P. Reinhard und A. Chirila, Fabricating
talle als unlösliche Hexachloroplatinate auszufäl-
thin-film optoelectronic devices with
len. Diese filtrierte Bunsen ab und entfernte durch
added rubidium and/or cesium (Flisom
mehrfaches Aufkochen mit geringen Mengen
AG, US 2019035953 A1, veröffentlicht
destillierten Wassers Kalium. Einleiten von Was-
31. Januar 2019)
serstoffgas reduzierte Platin-IV zu metallischem
L. Etgar und D. Amgar, Rubidium lead
Platin, das abfiltriert wurde. Im Filtrat verblieben
chloride nanocrystals (Yissum Research
nur noch die in Wasser löslichen Chloride des
Development Co. of Hebrew University,
Rubidiums und Cäsiums. Nach dem folgenden
Jerusalem, WO 2018203335 A2, veröf-
Aufarbeitungsprozess stand schließlich die Tren-
fentlicht 8. November 2018)
nung beider Alkalimetalle über die verschiedene
E. Lefort und V. Teoli, Rubidium Elution
Löslichkeit ihrer Carbonate in absolutem Ethanol;
System (Jubilant Draxiamge Inc. Und
Cäsiumcarbonat war deutlich leichter löslich als
Ottawa Heart Institute Research Corp.,
Rubidiumcarbonat (Bunsen und Kirchhoff 1861).
CA 3001563 A1, veröffentlicht 14.
Die Darstellung metalischen Cäsiums aber miss-
Oktober 2018)
glückte Bunsen und Kirchhoff, weil die Elektrolyse
Z. Du und K. Wang, Two-photon transition
geschmolzenen Cäsiumchlorids nur eine offenbar
rubidium atom clock (National Time
kolloide Lösung des Cäsiumchlorids im frisch
Service Center, Chinese Academy of
erzeugten metallischen Cäsium (Zsigmondy 2007,
Sciences, CN 107783412 A, veröffent-
S. 69) erzeugte. Erst Setterberg konnte zwanzig
licht 9. März 2018)
Jahre später metallisches Cäsium durch Elektrolyse
einer geschmolzenen Mischung von Cäsium- und
Bariumcyanid gewinnen (Setterberg 1881).
5.6 Cäsium

Geschichte Ebenfalls 1861 entdeckten Bunsen


und Kirchhoff (beide Kurzbiografien siehe „Rubi- Der schwedische Chemiker und Apotheker
dium“) auch das Cäsium im Wasser der Bad Dürk- Carl Theodor Setterberg (* 30. April
heimer Maxquelle. Sie untersuchten dieses nach 1853 Hjerpås; † 7. April 1941 Stockholm)
56 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Säuren oder Basen auf. Aus der sich dabei bilden-


studierte Pharmazie in Stockholm und be- den Cäsium- und aluminiumhaltigen Lösung
stand 1876 seine Abschlussprüfung. Von gewinnt man durch Anwendung diverser Verfah-
1879 bis 1881 hielt er sich zu Studienzwe- ren (Fällung, Ionenaustausch oder Extraktion) die
cken in Deutschland auf und studierte an den reinen Cäsiumsalze. Metallisches Cäsium ist
Universitäten Bonn und Heidelberg Chemie, durch Reduktion seiner Halogenide mit Calcium
arbeitete dort in Bunsens Institut und promo- oder Barium erhältlich, wobei es abdestilliert und
vierte 1881. 1882 ging Setterberg nach Stock- in Kühlern aufgefangen wird. Analog zum Rubi-
holm zurück und wurde dort Chemiker. dium kann man alternativ Cäsiumdichromat mit
1881 gelang ihm, noch in Heidelberg,
die Reindarstellung von Cäsium im Rah- Zirkonium bei hoher Temperatur umsetzen.
men seiner Dissertation. Hintergrund war, Reinstcäsium erhält man durch Thermolyse
dass in Bunsens Labor aus den zuvor zur von Cäsiumazid in Inertgasatmosphäre (Blatter
Gewinnung von Lithium durchgeführten und Schuhmacher 1986).
Versuchen große Abfallmengen an Lepido-
lith lagerten. Daraus isolierte Setterberg Eigenschaften
eine Mischung von Alaunen des Kaliums, Physikalische Eigenschaften: Cäsium ist das
Rubidiums und Cäsiums; insgesamt 350 kg schwerste stabile Alkalimetall, extrem reaktiv,
des Gemisches stellte er her. Mit Hilfe der sehr weich, goldfarben, in sehr reinem Zustand
fraktionierten Kristallisation reicherte er silbrig glänzend. Es muss in abgeschmolzenen
daraus immerhin 10 kg Cäsiumalaun Glasampullen unter Inertgas aufbewahrt werden,
[CsAl(SO4)2] an und stellte daraus diverse da es sich an der Luft sofort entzündet. Cäsium ist
Salze des Cäsiums her, die er probehalber ein Leichtmetall einer Dichte von 1,873 g/cm3.
der Schmelzflusselektrolyse unterzog. Erst Sein bei einer Temperatur von 28,7  C liegender
aber die Elektrolyse geschmolzenen Cä- Schmelzpunkt (s. Tab. 6) ist abgesehen von dem
siumcyanids war erfolgreich. des Franciums der niedrigste aller Alkalimetalle
und zudem nach Quecksilber zusammen mit Gal-
Vorkommen Cäsium ist mit einem Anteil von lium der niedrigste Schmelzpunkt eines Metalls
3 ppm in der kontinentalen Erdkruste nach Fran- überhaupt.
cium das seltenste Alkalimetall. Wegen seiner Cäsium ist sehr weich (Mohs-Härte: 0,2), so
extremen Reaktivität kommt es nur in Form seiner sind Stücke des Metalls mühelos mittels einer
chemischen Verbindungen vor. In manchen Mine- Spatelspitze zu durchtrennen. Cäsium ist entspre-
ralien anderer Alkalimetalle (z. B. Lepidolith) tritt chend äußerst dehnbar und kristallisiert kubisch-
es als Begleitelement auf, es gibt aber auch echte raumzentriert. Bei Anwendung von Drücken
Cäsiumminerale wie Pollucit [(Cs, Na)2Al2Si4O12 >41 kbar erfolgt Umwandlung in eine kubisch-
 H2O], von dem nennenswerte Vorkommen am flächenzentrierte Kristallstruktur (Bick und Prinz
Bernic Lake (Provinz Manitoba, Kanada) oder 2005). Mit allen Alkalimetallen außer Lithium ist
auch in Bikita (Simbabwe) und in Namibia exis- es in jedem Verhältnis mischbar. Die Legierung
tieren. In der kanadischen Lagerstätte wird das mit dem bislang niedrigsten Schmelzpunkt
Mineral auch abgebaut (Tuck 2015). Weitere, (78  C) enthält 41 Gew.-% Cäsium, 12 Gew.-%
noch seltenere Cäsiumminerale sind Cesstibtantit Natrium und 47 Gew.-% Kalium (Holleman et al.
[(Cs, Na)SbTa4O12] und Pautovit (CsFe2S3). 2007, S. 1274).
Generell wurden Cäsium und Rubidium Kernphysikalische Eigenschaften: In der Natur
bereits von Perelman (1965) beschrieben. kommt nur das Isotop 13355Cs vor, somit ist Cäsium
ein Reinelement. Die künstlich hergestellten Isotope
haben Halbwertszeiten zwischen 17 μs (11355Cs)
Herstellung Heute stellt man Cäsium und seine und 1,3 Mio. a (13555Cs) (Audi et al. 2003).
Verbindungen weltweit in Mengen von deutlich Das wichtigste künstlich hergestellte Isotop ist
unter 100 t jährlich her. Pollucit schließt man mit wohl 13755Cs, das entweder bei der Kernspaltung
5 Einzeldarstellungen 57

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Cäsium


Symbol: Cs
Ordnungszahl: 55
CAS-Nr.: 7440-46-2

Aussehen: Silberweiß bis goldgelb Cäsium, Cäsium,


glänzend, metallisch in Ampulle in Ampulle (Sicius
(Manske 2007) 2015)
Entdecker, Jahr Bunsen und Kirchhoff (Deutschland), 1861
Setterberg (Schweden), 1881
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
133
55Cs (100) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 6,5
Atommasse (u): 132,905
Elektronegativität 0,79 ♦ k. A. ♦ k. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: Cs+ + e > Cs (V) 2,923
Atomradius (pm): 265
Van der Waals-Radius (pm): 343
Kovalenter Radius (pm): 244
Ionenradius (Cs+, pm) 169
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 376
Magnetische Volumensuszeptibilität: 5,2  106
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 4,76  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 1,7 ♦ 1,6 ♦ 0,65
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe ♦ 0,14
Mohs-Härte 0,2
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 298,15 K): 1080
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 1,90
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 70,94  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 36
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 32,21
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 28,44 ♦ 301,59
Schmelzwärme (kJ/mol): 2,09
Siedepunkt ( C ♦ K): 690 ♦ 963,2
Verdampfungswärme (kJ/mol): 66,1

in Atomreaktoren oder durch Zerfall anderer kurz- Dicke etwa von Papier, Filmen oder Metall ver-
lebiger Spaltprodukte wie 13753I oder 13754Xe ent- wendet.
steht. 13755Cs erleidet mit einer Halbwertszeit von In erheblichen Mengen wurde -neben einer
30,17 a β-Zerfall (Unterweger 2002) zum stabi- Vielzahl anderer radioaktiver Isotope- 13755Cs bei
len Bariumisotop 13756Ba. 13755Cs ist auch ein den Reaktorunglücken von Fukushima und
γ-Strahler und wird daher in der Strahlentherapie Tschernobyl (8,5  1016 Bq) freigesetzt. Die zusätz-
von Krebserkrankungen, zur Messung der Fließ- lich bei allen oberirdischen Kernwaffentests aus-
geschwindigkeit in Röhren und zur Prüfung der gesandte Aktivität an 13755Cs belief sich auf wei-
58 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

tere 9,48  1017 Bq (United Nations 2011). Der in ablaufende Oxidationsreaktionen einsetzt, beispiels-
den Tagen nach dem Tschernobyler Unglück über weise für die Umwandlung aromatischer Kohlen-
Westeuropa niedergehende Fallout bewirkte vor wasserstoffe in Carbonsäuren und deren Derivate
allem eine Anreicherung von Cäsium in Pilzen (Rosowski et al. 2006). Aus mit Silberpartikeln
(Aumann et al. 1989; Kuad et al. 2009). dotiertem Cäsiumoxid stellt man Beschichtungen
Chemische Eigenschaften: Das Cäsiumatom hat für Fotokathoden her (Sayama 1948).
neben dem des Franciums den größten Radius aller Weiter sind Cäsiumperoxid (Cs2O2), das Cä-
Elementatome; daraus folgt eine niedrige Ionisie- siumhyperoxid (CsO2) und das -ozonid (CsO3)
rungsenergie und daher auch die sehr hohe Reakti- charakterisiert.
vität des Elements (Binnewies 2003, S. 49–53). In Cäsiumperoxid ist ein bei 590  C schmelzen-
seinen Verbindungen tritt es nur in der Oxidations- der, im Reinstzustand farbloser, sonst gelber,
stufe +1 auf. Reaktionen des Cäsium verlaufen feuchtigkeitsempfindlicher Feststoff der Dichte
meist sehr heftig, so entzündet es sich beim Kontakt 4,74 g/cm3, der mit Wasser zu Wasserstoffper-
mit Sauerstoff sofort und bildet wie Kalium und oxid und Cäsiumhydroxid reagiert. Man kann es
Rubidium das entsprechende Hyperoxid (CsO2). bei Temperaturen um 50  C durch Einleiten von
Mit Wasser reagiert es so heftig, dass es schon Sauerstoff in flüssiges Ammoniak darstellen, in
beim Kontakt mit diesem explodiert; es reagiert dem Cäsium gelöst ist (Brauer 1975, S. 955). Eine
sogar bei einer Temperatur von 116  C mit Eis: andere Möglichkeit der Präparation ist die thermi-
sche Zersetzung von Cäsiumhyperoxid, bei der
2 Cs þ 2 H2 O ! 2 CsOH þ H2 " Sauerstoff abgespalten wird (McIntyre 1992,
Der „Druck“, ein Elektron abzugeben, ist beim S. 3097). Auch Cäsiumperoxid ist aber empfind-
Cäsiumatom so groß, dass es beim Erhitzen mit Gold lich gegenüber starker Erwärmung, da es dann
keine gewöhnliche Metalllegierung bildet, sondern ebenfalls Sauerstoff unter Bildung niederer Cäsium-
den Cs+- und Au-Ionen enthaltenden Halbleiter oxide abgibt. Die Verbindung kristallisiert ortho-
Cäsiumaurid (CsAu) bildet (Sitzmann 2011). rhombisch und wird in einigen Typen von Photo-
kathoden eingesetzt.
Verbindungen Cäsiumhyperoxid wird beim Verbrennen von
Chalkogenverbindungen Es gibt viele Cäsium- Cäsium im Sauerstoffstrom (Holleman et al. 2007,
oxide, beginnend mit den violetten bzw. blaugrü- S. 1285) gebildet und kristallisiert in der
nen Suboxiden wie Cs11O3 und Cs3O, die elek- Calciumcarbid-Struktur. Wasser zersetzt es zu
trisch leitfähig sind. Sauerstoff, Wasserstoffperoxid und Cäsiumhy-
Daneben existiert das „normale“ (stöchiome- droxid:
trische) Cäsiumoxid (Cs2O), ein oranger bis roter
Feststoff der Dichte 4,65 g/cm3, der an der Luft
sofort zerfließt und mit Wasser sehr heftig zu 2 CsO2 þ 2 H2 O ! 2 CsOH þ H2 O2 þ O2 "
Cäsiumhydroxid (CsOH) reagiert. Aus den Ele-
menten ist Cäsiumoxid nicht synthetisierbar, son- Cäsiumhyperoxid wird in stark exothermer (!)
dern nur durch Umsetzung von Cäsiumperoxid Reaktion aus den Elementen gebildet (ΔHf 0298:
(Cs2O2) mit metallischem Cäsium (I) oder der 295 kJ/mol) und ist Ausgangsstoff zur Darstel-
von Cäsiumnitrat mit -azid (II): lung von Cäsiumozonid, indem man Ozon auf
(I) Cäsiumhyperoxid einwirken lässt.
Cs2 O2 þ Cs ! 2 Cs2 O Cäsiumhydroxid (CsOH) entsteht neben Was-
serstoff bei der explosiv verlaufenden Reaktion
(II) CsNO3 þ 5 CsN3 ! 3 Cs2 O þ 8 N2 " metallischen Cäsiums mit Wasser. Es bildet sich
ebenfalls beim Eintragen von Cäsiumoxid in Was-
ser. Relativ reines Cäsiumhydroxid ist in wässri-
Cäsiumoxid ist ein Zusatz zu Vanadiumoxid-Ti- ger Lösung durch Umsetzung von Cäsiumsulfat
tanoxid-Katalysatoren, die man für in der Gasphase mit Bariumhydroxid gewinnbar:
5 Einzeldarstellungen 59

Cs2 SO4 þ BaðOHÞ2 ! BaSO4 # der Feststoff der Dichte 4,12 g/cm3, der sich in
þ 2 CsOH polaren Lösungsmitteln gut löst. Neben Tetraal-
kylammoniumfluoriden verwendet man die Ver-
bindung als Donor von Fluoridionen und milde
Das entstehende Bariumsulfat fällt nahezu
Base, so beispielsweise bei der Knoevenagel-
quantitativ aus; die überstehende Lösung von Cä-
Reaktion, einer Aldol-Kondensation unter Einsatz
siumhydroxid filtriert man ab. Dann engt man das
stärker CH-acider Verbindungen (Friestad und
Filtrat bis zur beginnenden Kristallisation in ei-
Branchaud 1999). Man kann das Salz durch
ner Platinschale ein. Trockenes Cäsiumhydroxid
Umsetzung von Fluorwasserstoff mit Cäsiumcar-
erhält man daraus durch langsames Erhitzen in
bonat oder -hydroxid und folgendes Eindampfen
einem Silberschiffchen auf 300  C im Wasser-
und Trocknung des resultierenden Feststoffes
stoffstrom (Jacobs und Harbrecht 1981). Glas ist
erhalten.
bei diesen Operationen nicht verwendbar, da es
Cäsiumfluorid schmilzt bei 682  C und siedet
von Cäsiumhydroxid als extrem starker Base
bei 1251  C (Holleman et al. 1995, S. 1170).
angegriffen wird.
Cäsiumchlorid (CsCl) liegt unter Normalbe-
Cäsiumhydroxid kristallisiert in einer ortho-
dingungen in Form farbloser Kristalle (s. Abb. 50)
rhombischen Struktur, in der jedes Ion von fünf
in der nach im benannten kubischen Gitterstruktur
Gegenionen umgeben ist. Das Monohydrat hin-
vor. In dieser ist jedes Cäsiumion von acht Chlo-
gegen kristallisiert tetragonal (Bertheville et al.
ridionen umgeben und umgekehrt. Das Salz löst
2002), das Dihydrat orthorhombisch und das Tri-
sich sehr gut in Wasser (1680 g/L bei 20  C),
hydrat monoklin (Mootz und Rütter 1992). Cä-
Säuren und Basen.
siumhydroxid ist oft die katalytisch wirksame Base
Die Standardbildungsenthalpie des Salzes
bei der Alkynilierung von Carbonylverbindungen,
beträgt ΔHf 0298 = 443 kJ/mol (Holleman et al.
oder aber man nutzt es als Elektrolyt in galvani-
1995, S. 1170). Man stellt es meist durch Einbrin-
schen Zellen. Es schmilzt in wasserfreier Form bei
gen von Cäsiumhydroxid oder -carbonat in Salz-
272  C, hat die Dichte 3,68 g/cm3 und löst sich in
säure her. Die Verbindung schmilzt bei einer Tem-
großer Menge in Wasser (ca. 3000 g/L) bei 20  C).
peratur von 646  C (Siedepunkt der Schmelze:
Cäsiumsulfid (Cs2S) und Cäsiumselenid (Cs2Se)
1382  C) und hat die Dichte 3,97 g/cm3. Man
sind jeweils weiße bis hellgelbe, in wässriger
setzt Cäsiumchlorid in der Atomabsorptions-
Lösung stark basisch reagierende, hygroskopi-
spektroskopie als Puffer gegen eine zu schnelle
sche Pulver, die vereinzelt bei der Synthese halb-
Ionisierung leicht oxidierbarer Metalle ein, oder
leitender Materialien und in Photokathoden ein-
es ist Bestandteil wässriger Lösungen, die bei der
gesetzt werden. Gleiches gilt für Cäsiumtellurid
Reinigung von Nukleinsäuren mittels einer Ultra-
(Cs2Te) (Kong et al. 1995).
zentrifuge verwendet wird.
Halogenverbindungen Cäsiumfluorid (CsF) ist
Cäsiumbromid (CsBr) stellt man analog
ein farbloser (s. Abb. 49), kubisch kristallisieren-
aus Cäsiumhydroxid oder Cäsiumcarbonat und

Abb. 49 Cäsiumfluorid wasserfrei 99,9 % (Onyxmet


2019) Abb. 50 Cäsiumchlorid 99,999 % (Onyxmet 2019)
60 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

Bromwasserstoffsäure her. Die farblosen Kristalle dukt, Cäsiumhydrogenacetylid CsHC2 muss zügig
kubischer „Cäsiumchlorid“-Struktur schmelzen erhitzt werden, dann bildet sich Cäsiumcarbid (Cä-
bei 636  C (Siedepunkt der Schmelze: 1300  C) siumacetylid). Zu langsames Erwärmen führt zur
und haben die Dichte 4,44 g/cm3. Es löst sich bei Zersetzung des Zwischenproduktes in Cäsium,
25  C in einer Menge von 1230 g/L in Wasser, es Kohlenstoff und Ethin (Kosolapova 2012, S. 65;
ist aber ebenfalls gut in niedrigen Alkanolen Auner et al. 2014, S. 44). Aber auch Cäsiumcarbid
löslich (Holleman et al. 2007, S. 1281). Aus wird beim Glühen zu den Elementen zersetzt. Mit
dem Material stellt man Fenster und Prismen Wasser reagiert die Verbindung heftig unter Frei-
für Infrarotspektrometer und für Szintillations- setzung von Ethin und Bildung von Cäsiumhydro-
zähler her; der Brechungsindex beträgt bei xid.
25  C 1,6974. Für Cäsiumcarbid berichtet die Literatur
Cäsiumiodid (CsI) erhält man entsprechend zwei verschiedene Modifikationen, die im
durch Auflösen von Cäsiumhydroxid in Iodwas- Gleichgewicht miteinander stehen. In der hexago-
serstoffsäure. Das bei einer Temperatur von nalen Modifikation ist ein Cäsiumion von je vier
626  C schmelzende, farblose (s. Abb. 51a, b) C22–-Hanteln im Natriumperoxidtyp umgeben,
Salz besitzt einen Brechungsindex von 1,73916 daneben gibt es auch die noch nicht genau cha-
und eine Dichte von 4,51 g/cm3. Kristalle des rakterisierte orthorhombische Modifikation
Cäsiumiodids verursachen über einen sehr weiten (Ruschewitz et al. 2001).
Wellenlängenbereich nur geringe Reflexionsver- Cäsiumcarbonat (Cs2CO3) gewinnt man aus
luste und sind zudem lichtdurchlässig zwischen natürlich vorkommenden Mineralien wie Pollucit
Ultraviolett (240 nm) und fernem Infrarot oder Spodumen. Man mahlt diese klein und
(70.000 nm). Man verwendet das Material daher erhitzt sie zusammen mit einer Aufschlämmung
oft zur Herstellung von Prismen und Spiegeln in gelöschten Kalks (Calciumhydroxid-Lösung)
Spektrometern und Szintillatoren (Kulikov und unter Druck auf 220  C. Nach dem Abfiltrieren
Malyshev 1983; Riedel 2011, S. 624), muss aller- unlöslicher Nebenprodukte verbleibt eine wässri-
dings den Zutritt von Luftfeuchtigkeit ausschlie- ge, alkalische Lösung von Cäsiumcarbonat. Über
ßen, da Cäsiumiodid stark hygroskopisch ist. deren Neutralisation mit Mineralsäure, Fällung als
Luftsauerstoff wirkt bei längerer Exposition eben- Cäsiumaluminiumsulfat und Überführung in Cä-
falls oxidierend, es bilden sich dann allmählich ciumhydroxid erhält man schließlich durch Ein-
Cäsiumiodat und freies Iod, was an der leichten leiten von Kohlendioxid reines Cäsiumcarbonat
Gelbfärbung der Verbindung zu erkennen ist. (Prinz et al. 1995; Blatter und Schuhmacher
Sonstige Verbindungen Das in reiner Form wei- 1986).
ße, luftempfindliche Cäsiumcarbid (Cs2C2) erhält Cäsiumcarbonat bildet ein weißes Pulver
man durch Einleiten von Ethin in eine Lösung von (s. Abb. 52a, b), schmilzt bei 610  C, hat die
Cäsium in flüssigem Ammoniak, das auf einer Dichte 4,07 g/cm3, ist hygroskopisch (Bick und
Temperatur von 40  C gehalten wird. Das zu- Prinz 2005) und leicht löslich in Wasser (2605 g/L
nächst aus der Lösung ausfallende Zwischenpro-

Abb. 52 a Cäsiumcarbonat 99,9 % (Onyxmet 2019).


Abb. 51 a Cäsiumiodid 99,9 % (Onyxmet 2019). b Cäsiumcarbonat 99,9 % (Stanford Advanced Materials
b Cäsiumiodid (Tl) für Szintillator (MyName 2011) 2019)
5 Einzeldarstellungen 61

bei 15  C) unter Bildung einer basischen, klaren geringen Ionisierungsenergie ist es als Material
Lösung. Anders als Kaliumcarbonat (Pottasche) für Glühkathoden denkbar. Die Raumfahrttechnik
oder Natriumcarbonat (Soda) ist Cäsiumcarbonat nutzt Cäsium neben Quecksilber und Xenon
auch in organischen Lösungsmitteln wie Ethanol wegen seiner großen Atommasse als Antriebsmit-
gut löslich (Flessner und Doye 1999), kristallisiert tel in Ionenantrieben.
monoklin mit vier Formeleinheiten pro Elementar- Das Reinelement Cäsium ist das die Frequenz
zelle (Perelman 1965, S. 46). Beim Glühen gibt es bestimmende Element in den Atomuhren, die die
Kohlendioxid ab. Basis für die koordinierte Weltzeit darstellen
Cäsiumcarbonat setzt man als stark basischen (Bauch 1994), begünstigend hierfür ist die nied-
Katalysator bei solchen organischen Synthesen rige Verdampfungstemperatur, aus dem leicht en
ein, wo eine stärkere Basizität deutliche Verbes- Atomstrahl konstanter Geschwindigkeit erzeugt
serungen der Ausbeute zur Folge hat, so etwa werden kann. Diese Atomwolke kann man mittels
bei Veresterungen oder der Darstellung von Ma- magnetooptischer Fallen in der Schwebe halten und
krocyclen. Ein gutes Beispiel ist die fälschlicher- auf Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts
weise Wittig-Horner-, korrekt Horner-Wads- abkühlen. So war es möglich, die Genauigkeit der
worth-Emmons-Reaktion genannte Synthese von Cäsium-Atomuhr noch stark zu verbessern.
Alken- aus Phosphonocarbonsäuren.
Das in Form farbloser Kristalle vorliegende Analytik Für Cäsium charakteristisch sind die bei
Cäsiumnitrat (CsNO3) ist durch Auflösen von den Wellenlängen von 455 und 459 nm auftreten-
Cäsiumcarbonat in Salpetersäure erhältlich. Das den, blauen Spektrallinien. Daneben kann man Cä-
wasserfreie Salz schmilzt bei 414  C, hat die sium qualitativ über sein Perchlorat (CsClO4) und
Dichte 3,7 g/cm3 und kristallisiert sowohl kubisch Hexachloroplatinat (Cs2PtCl6) nachweisen.
als auch hexagonal. Wie die anderen Nitrate der
Alkalimetalle zersetzt sich Cäsiumnitrat beim Physiologie Cäsium ist für Säugetiere nicht
Erhitzen, gibt also Sauerstoff unter Bildung von essenziell und daher auch nicht für irgendwelche
Cäsiumnitrit ab. Die Verbindung geht in großer biologischen Prozesse erforderlich. Da sich Cä-
Menge in militärische Leuchtmunition und Infra- siumionen ähnlich zu denen des Kaliums verhal-
rottarnnebel, da Cäsiumionen wegen ihrer relati- ten, wird es im Magen-Darm-Trakt resorbiert und
ven Größe große Hydrathüllen bilden können und meist im Muskelgewebe gespeichert. Cäsium
somit wirksame Keime für die Kondensation von zeigt keine nennenswert toxischen Wirkungen.
Wasser sind, also die Bildung von Nebel stark
fördern (Koch 2002; Lohkamp 1973; Weber 1984).
Das farblose, äußerst feuchtigkeitsempfindli- Patente
che Cäsiumhydrid (CsH) stellt man durch Re- (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
aktion von Cäsium mit Wasserstoff dar (Brauer wide.espacenet.com)
1978, S. 950):
S. T. Lim und K. H. Hong, Pre-filter removal
2 Cs þ H2 ! 2 CsH of cesium and method for manufacturing
same (Picogram Co., Ltd.; Korea Atomic
Cäsiumhydrid schmilzt bei 528  C, hat die- Energy Research Institute, US 2019076765
Dichte 3,41 g/cm3 und kristallisiert in der A1, veröffentlicht 14. März 2019)
kubischen Kristallstruktur des Natriumchlorid- M. Mokmeli und D. Dreisinger, Recovery
Typs, die bei Anwendung hohen Drucks in die of cesium from epithermal mineral
des Cäsiumchlorid-Typs übergeht (Bashkin et al. deposits (Cascadero Copper Corp., US
1982). 2019048437 A1, veröffentlicht 14. Fe-
bruar 2019)
Anwendungen Für metallisches Cäsium gibt es
nur sehr wenige Einsatzgebiete. Aufgrund seiner (Fortsetzung)
62 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

M. A. Beck und T. J. Gammon, Tank clo- Sie promovierte 1946 an der Sorbonne, war
sure cesium removal (Westinghouse dann bis 1949 Leiterin des Radiuminstituts
Electric Co. LLC, CA 3031631 A1, ver- (Institut du Radium) in Paris und wechselte
öffentlicht 1. Februar 2019) dann an die Universität Straßburg auf den
T. Sakuma und M. Komatsu, Treatment Lehrstuhl für Radiochemie.
method of radioactive waste water con- Perey informierte die Académie des Sci-
taining radioactive cesium and radioac- ences (Akademie der Wissenschaften) 1939
über das von ihr als Zerfallsprodukt des
tive strontium (Ebara Corp.; Nippon
Actiniums gefundene Element Actinium-
Chemical Ind., US 2019006055 A1, ver-
K, das 1946 in Francium umbenannt wurde
öffentlicht 3. Januar 2019)
(Perey 1939; Perey und Adloff 1956). Sie
M. Sato und S. Sato, Radioactive cesium
war die erste Frau, die 1962 als korrespon-
remover and removal method (Univer-
dierendes Mitglied in die Akademie aufge-
sity of Fukushima; Nippon Soda Co., nommen wurde (Adloff und Kauffman
JP 2018185305, veröffentlicht 22. No- 2005); zuvor (1960) wurde sie Offizier der
vember 2018) Ehrenlegion und erhielt den Großen Preis
M. Anderson und T. M. Burke, Sodium- der Stadt Paris. 1964 verlieh die Akademie
cesium vapor trap system and method ihr den Lavoisier-Preis; 1974 erhielt Perey
(Terrapower LLC, CA 3016932 A1, ver- den Großen Nationalen Verdienstorden.
öffentlicht 8. März 2018) Durch langjährigen Kontakt mit radioakti-
ven Stoffen erkrankte sie 1960 an Krebs, sie
erblindete und verlor eine Hand durch
Amputation.
5.7 Francium

Geschichte Schon 1871 sagte Mendelejew die Vorkommen und Herstellung Francium kommt
Existenz eines zu Cäsium höheren homolo- in winzigen Spuren in der Erdkruste vor. Das Iso-
gen Elementes voraus, auch wenn der dafür vor- top 22387Fr konnte erst 1939 als Zerfallsprodukt
gesehene Platz in dem von ihm aufgestellten Pe- des Actiniumisotops 22789Ac nachgewiesen wer-
riodensystem noch leer war. Nach diversen den. 1946 erhielt das Element den Namen Fran-
Veröffentlichungen, in denen die erstmalige Auf- cium (Hyde 1960).
findung des neuen Elements fälschlicherweise Die Entdeckung des ursprünglich von Mende-
behauptet wurde (Emsley 2011, S. 186), gelang lejev Eka-Cäsium genannten Elements gelang Pe-
dies erst Perey 1939. Sie wies das Isotop 22387Fr rey am 7. Januar 1939 im Pariser Radium-Institut
als Produkt des α-Zerfalls von 22789Ac eindeutig (Adloff und Kauffman 2005). Bei der chemischen
nach. Zuerst nannte es Perey „Actinium-K“, 1946 Aufarbeitung zwecks Reinigung einer Probe von
227
schlug sie den Namen „Francium“ vor, den die 89Ac, dessen ausgesandte Strahlung mit einer

IUPAC 1949 akzeptierte. Energie von 220 keV angegeben war, fand Perey
auch Teilchen mit einer wesentlich geringeren
Energie (80 keV). Diese strahlte auch das gerei-
nigte Actinium weiter ab, musste also durch Zer-
Die französische Chemikerin und Physikerin fall des 22789Ac entstanden sein. Weitere Versuche
Marguerite Catherine Perey (* 19. Okto- führten zum Ausschluss möglicherweise hierfür
ber 1909 Villemomble; † 13. Mai 1975 in Frage kommender Elemente wie Thallium,
Louveciennes) studierte Chemie an der Blei, Bismut, Radium oder Thorium. In wässriger
Technischen Hochschule für Frauen in Paris, Lösung vorhandene kleinste Mengen des Ele-
diplomierte dort 1929 und arbeitete dann von ments ließen sich zusammen mit Cäsiumsalzen
1929 bis 1946 im Pariser Radium-Institut, ausfällen, so dass Perey auf das Vorliegen eines
bis 1934 als Assistentin von Marie Curie.
Alkalimetalls mit der Ordnungszahl 87 schloss,
5 Einzeldarstellungen 63

Tab. 7 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Francium


Symbol: Fr
Ordnungszahl: 87
CAS-Nr.: 7440-73-5
Aussehen: Unbekannt, eventuell metallisch
Entdecker, Jahr Perey (Frankreich), 1939
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
222
87Fr (synthetisch) 14,2 m β > 22288Ra
223
87Fr (100) 21,8 m α > 21985At / β > 22388Ra
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 1,3  1018
Atommasse (u): (223)
Elektronegativität 0,7 ♦ 0,9 ♦ k. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: Fr+ + e > Fr (V) 2,92*
Atomradius (pm): 270*
Van der Waals-Radius (pm): 348*
Kovalenter Radius (pm): 260*
Ionenradius (Fr+, pm) 176*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 393*
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 298,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 2,5*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 89,2  106*
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)] : 14,5
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 27 ♦ 300*
Schmelzwärme (kJ/mol): 2*
Siedepunkt ( C ♦ K): 677 ♦ 950*
Verdampfungswärme (kJ/mol): 65*
*
Geschätzte bzw. vorhergesagte Werte

das durch α-Zerfall des 22789Ac gebildet worden ten Beschleuniger her, der 1995 an der New York
sein musste. Perey ermittelte noch den Anteil eines State University in Stony Brook errichtet wurde.
β-Zerfalls der Probe von 22789Ac zu 22790Th Abhängig von der Energie des Strahls von Sauer-
mit ca. 1 %. stoffnukliden kann man die Ausbeute an einzel-
Perey nannte das neue Isotop zunächst Acti- nen Isotopen des Franciums steuern:
nium-K (heute: 22387Fr). 1946 schlug sie vor, das
neue Element Francium, nach ihrem Heimatland 197
79 Au þ 18
8O ! 215x
87 Fr þ x1 0 n
Frankreich, zu benennen. Nach der Anerkennung
des namens durch die IUPAC ist Francium nach Die so erzeugten Franciumionen reduziert man
Gallium somit das zweite Element, das nach durch Kollision mit einem Target aus Yttrium zu
Frankreich benannt ist. Atomen, die im gasförmigen Zustand in einer
magneto-optischen Falle (MOT) aufgefangen wer-
Herstellung Francium stellt man in Form seiner den. Die Atome bleiben nur ca. 30 s in dieser Falle,
leichten Isotope heute künstlich durch Bombar- bevor sie entweichen oder zerfallen. Es werden
dieren eines aus 19779Au bestehenden Targets mit immer frisch erzeugte Atome nachgeliefert; die
18
8O-Kernen in einem speziell hierfür entwickel- Falle wurde mittlerweile auf ein Fassungsvermögen
64 1 Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe

von 3  105 Atomen ausgerichtet (Orozco 2003; Literatur


Tandecki et al. 2013). Die Energie des von den
Franciumatomen ausgesandten und auch absorbier- Abegg R, Auerbach F (1908) Handbuch der Anorgani-
schen Chemie, Bd 2. S. Hirzel, Stuttgart, S 431
ten Lichts diente zur Beschreibung der Übergänge
Abts LM et al (1975) Role of water in the hydrolysis of –
zwischen verschiedenen Energieniveaus, die so tetrahydroborate(1-) ion. J Am Chem Soc 97:3181–3185.
erhaltenen Meßwerte stimmen gut mit den Resulta- https://doi.org/10.1021/ja00844a043
ten von Berechnungen überein (Orozco et al. 2014). Adloff J-P, Kauffman GB (2005) Triumph over prejudice: the
election of radiochemist Marguerite Perey (1909–1975)
Andere Synthesemethoden bestehen im Bom-
to the French Académie des Sciences. Chem Educ 10
bardieren von Radium mit Neutronen oder in dem (5):395–399. https://doi.org/10.1333/s00897050955a
des Thoriums mit Protonen, Deuteronen oder Also J-H, Boudjouk P (1992) Hexamethyldisilathiane.
Heliumionen (Hyde 2002). Auch kann man aus Inorg Synth 29:30
American Heart Association (2015) The American Heart
Proben von 22789Ac das Isotop 22387Fr isolieren,
Association’s diet and lifestyle recommendations.
indem man ein 22789Ac enthaltendes Kationen- American Heart Association, Dallas
austauscherharz mit einer ammoniumchloridhalti- Anwander R (2011) Schlenk in Tübingen. Nachr Chem
gen Chromsäurelösung eluiert. Das Eluat durch- 59:951–953. https://doi.org/10.1002/nadc.201190065
Arkhipova NV et al (2003) Ionic lithium-conducting solid
läuft dann mit Bariumsulfat beladenen Quarzsand
Li2S–Sb2Sx electrolytes. Russ J Electrochem 39(5):
(Keller et al. 2012). Bisher gelang es nicht, Fran- 588–590. https://doi.org/10.1023/A:1023829010924
cium in wägbarer Menge darzustellen. Ascherio A et al (1998) Intake of potassium, magnesium,
calcium, and fiber and risk of stroke among US men.
Circulation 98(12):1198–1204
Eigenschaften Alle Isotope des Franciums sind
Audi G et al (2003) The NUBASE evaluation of nuclear
radioaktiv mit kurzer Halbwertszeit, womit es and decay properties. Nucl Phys A 729:3–128
innerhalb der Gruppe der radioaktiven Elemente Aumann DC et al (1989) Komplexierung von Cäsium-137
bis hinauf zur Ordnungszahl 104 die instabilsten durch die Hutfarbstoffe des Maronenröhrlings (Xero-
comus badius). Angew Chem 101(4):495–496
Atome besitzt. Das noch „längstlebige“ Francium-
Auner N et al (2014) Synthetic methods of organometallic
Isotop 22387Fr zerfällt mit einer Halbwertszeit and inorganic chemistry, volume 2: groups 1,2, 13 and
von nur 21,8 min (!) (s. Tab. 7). Deshalb, und in 14. Georg Thieme, Stuttgart, S 44. ISBN 3-13-179171-3
Ermangelung geeigneter Zerfallswege, ist die Back TG (1999) Organoselenium chemistry: a practical
approach. Oxford University Press, Oxford, S 116.
Gewinnung messbarer Mengen bisher unmöglich.
ISBN 0-19-850141-2
Zerfallsprodukte sind in der Regel Isotope des Balzer H (2001) Strukturchemische Untersuchungen von
Radons, Astats oder Radiums. Bisher konnte Halogenidaziden des Bariums, Thalliums und Zinks.
man nur verdünnte Salzlösungen oder stark ver- Dissertation, Universität Dortmund
Barnier JP et al (1981) Cyclopropanecarboxaldehyde.
dünnte Amalgame untersuchen (Hyde 1960).
Organic Synth 60:25. https://doi.org/10.15227/org-
Das Element ist das schwerste der Alkalime- syn.060.0025
talle und besitzt, möglicherweise aus relativisti- Barri YM, Wingo CS (1997) The effects of potassium
schen Effekten, eine leicht höhere erste Ionisie- depletion and supplementation on blood pressure: a
clinical review. Am J Med Sci 314(1):37–40
rungsenergie als das Cäsiumatom.
Barzel US (1995) The skeleton as an ion exchange system:
Erste Versuche zeigten, dass Francium ein implications for the role of acid-base imbalance in the
typisches Alkalimetall ist und seinem leichteren genesis of osteoporosis. J Bone Miner Res 10(10):
Homologen Cäsium sehr ähnlich ist. Es tritt stets 1431–1436
Bashkin IO et al (1982) The structural transition from NaCl
in der Oxidationsstufe +1 auf und lässt sich wie
to CsCl type in cesium hydride. Phys Stat Sol 114(2):
Cäsium in Form schwerlöslicher Salze, z. B. als 731–734. https://doi.org/10.1002/pssb.2221140252
Perchlorat, Tetraphenylborat und Hexachloropla- Bauch A (1994) Lieferanten der Zeit. Phys Uns Z
tinat, ausfällen. Verbindungen des Franciums ver- 25(4):188–198
Bayarjargal L, Bohatý L (2005) Nonlinear optical proper-
halten sich weitgehend wie die des Cäsiums. Viele
ties of lithium sulfate monohydrate, Li2SO4*H2O. Acta
physikalische Eigenschaften des Elements kann Cryst Sect A Found Crystallogr 61(A1):393–394.
man aber nur extrapolieren oder schätzen, da bis- https://doi.org/10.1107/S0108767305083339
her nie mehr als 100.000 Atome für Experimente Bazzano LA et al (2001) Dietary potassium intake and risk
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zur Verfügung standen.
Literatur 65

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05.pub2
Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten
Hauptgruppe 2

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Zusammenfassung bei Beryllium in wesentlich geringerem Aus-


Alle Elemente dieser Gruppe, von Beryllium maß zu sehen sind.
bis Barium, wurden vor rund 200 Jahren ent-
deckt, und Radium auch bereits Ende des 19.
Jahrhunderts. Magnesium, Calcium und 1 Einleitung
auch Barium kommen sehr häufig in der Erd-
kruste vor; dagegen sind Beryllium und Die Elemente der zweiten Hauptgruppe sind aus-
Strontium wesentlich seltener. Radium ist nahmslos Metalle, wobei das erste Element Beryl-
eines der Zerfallsprodukte natürlich vorkom- lium zu Aluminium, dem zweiten Element der drit-
menden Urans und in Uranerzen daher ten Hauptgruppe, überleitet. Auch Magnesium zeigt
immer, wenn auch nur in geringsten Spuren, noch nicht alle typischen Eigenschaften dieser
enthalten. Gruppe der Erdalkalimetalle, in der sich die Metalle
Die Elemente dieser Gruppe sind zwar von Calcium bis Radium schon mit Wasser heftig
sämtlich Metalle, zeigen aber deutliche umsetzen und starke Basen bilden. Die Atome die-
Abstufungen ihrer Eigenschaften. Die „ech- ser Elemente geben stets zwei Elektronen ab, um
ten“ Erdalkalimetalle Calcium, Strontium, eine stabile Elektronenkonfiguration zu erreichen.
Barium und Radium zeigen die typische Chemische Verbindungen von Erdalkalimetal-
hohe Reaktionsfähigkeit gegenüber Wasser, len wie Magnesium und Calcium kommen zwar
Säuren und Nichtmetallen, wogegen diese in riesigen Mengen in der Natur vor, aber erst
bei Magnesium nur noch abgeschwächt und Davy konnte vor gut 200 Jahren Calcium, Stron-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 73


H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_2
74 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

tium und Barium darstellen. Auch Beryllium und Die Elemente der Gruppe der Erdalkalimetalle
Magnesium sind in elementarer Form seit etwa finden Sie in der Gruppe 2 (II A).
derselben Zeit bekannt, und die bahnbrechenden
Arbeiten des Ehepaars Curie Ende des 19. Jahr-
hunderts zur Entdeckung des Radiums öffneten 2 Vorkommen
das Tor zu einer völlig neuen Welt, der Chemie
der radioaktiven Elemente, die ich in einem wei- Magnesium bzw. Calcium sind mit 1,9 % bzw.
teren ▶ Kap. 19, „Radioaktive Elemente: Actinoi- 3,4 % am Aufbau der Erdhülle beteiligt und ge-
de“ bereits beschrieben habe. hören damit zu den häufigsten Elementen. Auch
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. Barium rangiert mit einem Anteil von 0,35 %
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie immerhin auf Platz 14 der Rangliste der häufigs-
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- ten Elemente. Die Vorkommen von Strontium und
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die Beryllium sind dagegen seltener, und Radium
meisten Elemente können sich untereinander ver- kommt als Zwischenprodukt radioaktiver Zer-
binden und bilden chemische Verbindungen; so fallsreihen bei einer zugleich eigenen kurzen
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische Halbwertszeit von etwa 1600 a nur in geringsten
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz). Spuren vor. (Das zur Zeit der germanischen Völ-
Einschließlich der natürlich vorkommenden kerwanderung vorhandene Radium ist also schon
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich mehr als zur Hälfte zerfallen, und glücklicherwei-
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden- se steht – noch jedenfalls – wesentlich mehr Uran
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. zur Verfügung, um diesen Verlust durch radioak-

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


4 Eigenschaften 75

tiven Zerfall zum Radium hin, auch wenn dieser Dichte hat Calcium mit 1,55 g/cm3. Hiervon aus-
langsamer abläuft, auszugleichen.) gehend steigt die Dichte nach oben leicht und nach
Magnesium- und Calciumcarbonat sind Grund- unten hin stark an, wobei Radium mit 5,5 g/cm3 die
stockvieler Gebirge, darüber hinaus kommt Cal- höchste Dichte besitzt und so ein Schwermetall ist.
cium in den Knochen eines Menschen in einer Die Mohshärte des Berylliums mit 5,5 charak-
Menge von etwa 1 kg vor. Große Mengen an Ma- terisiert einen bereits ziemlich harten Stoff. Seine
gnesiumsalzen finden sich in Meerwasser. Barium höheren Homologen vom Magnesium an sind
bildet in Form seines Sulfats große Lagerstätten von wesentlich weicher, wobei die Härten dann noch
Schwerspat aus. Strontium erscheint in der Natur mit steigender Ordnungszahl abnehmen. Radium
ebenfalls als Sulfat, aber in deutlich geringerer Häu- ist bereits sehr weich.
figkeit. Beryllium tritt nur in Gestalt einiger Mine- Die ersten drei Erdalkalimetalle, Beryllium,
ralien („Beryll“) auf. Radium ist in der uranhaltigen Magnesium und Calcium, leiten den elektrischen
Pechblende nur mit einem Anteil, bezogen auf den Strom sehr gut. Dagegen fallen Strontium, Ba-
Urangehalt, von 1:3 Mio. enthalten. rium und Radium deutlich ab, wobei aber auch
Die Einzeldarstellungen der insgesamt sechs sie eine noch sehr gute elektrische Leitfähigkeit
Vertreter der Gruppe der Erdalkalimetalle enthal- aufweisen.
ten dabei alle wichtigen Informationen über das Das erste Element der Gruppe, Beryllium, hat den
jeweilige Element, so dass hier eine eher kurze jeweils höchsten Schmelz – bzw. Siedepunkt (1278
Einleitung folgt. bzw. 2969  C) und verhält sich damit ähnlich wie die
benachbarten Kopfelemente der ersten (Lithium)
und dritten Hauptgruppe (Bor). Magnesium fällt
3 Herstellung mit einem Schmelzpunkt von 650  C und einem
Siedepunkt von 1110  C stark ab. Die Schmelz-
Zur Herstellung der reinen Metalle stehen mehrere punkte der anderen Erdalkalimetalle liegen in der
Möglichkeiten offen. Entweder man reduziert wie Größenordnung von 700–800  C und die Siede-
im Falle des Strontiums und Bariums die natürlich punkte der Metalle von Calcium bis Radium zwi-
vorkommenden Sulfate zu den Sulfiden und hydro- schen ca. 1400 und 1700  C.
lysiert diese mit Kohlensäure zu den jeweiligen
Carbonaten. Jene glüht man zu den Oxiden, die
dann mit Aluminium zu Strontium- bzw. Barium- 4.2 Chemische Eigenschaften
metall umgesetzt werden. Calcium stellt man meist
durch Reduktion des Oxids mit Aluminium her, Die typischen Reaktionen der Erdalkalimetalle
Magnesium durch Umsetzung von Magnesium- sind in den folgenden Gleichungen wiedergege-
oxid mit Eisen bei Temperaturen von jeweils über ben, wobei M für das jeweilige Metall steht. Die
1000  C. Beryllium produziert man heute tech- Reaktionsfähigkeit der Erdalkalimetalle steigt mit
nisch durch Reduktion von Berylliumfluorid (BeF2) ihrer Ordnungszahl:
mit Magnesium oder auch mittels Schmelzfluss-
elektrolyse von Berylliumchlorid (BeCl2). Oxidation : 2 M þ O2 ! 2 MO

Beryllium überzieht sich bei Raumtemperatur


4 Eigenschaften an trockener Luft mit einer schützenden Oxid-
schicht und ist beständig. Magnesium zeigt dieses
4.1 Physikalische Eigenschaften Verhalten zwar ebenfalls noch, jedoch lassen sich
gewalzte Bänder und Folien leicht entzünden.
Mit zunehmender Ordnungszahl wachsen bei den Calcium, Strontium, Barium und Radium laufen
Erdalkalimetallen Atommasse, Atomradius und an trockener Luft schnell matt an; namentlich die
Ionenradius, wogegen die durchschnittlichen Ioni- schwereren Vertreter dieser Gruppe sind leicht
sierungsenergien und auch Elektronegativitäten entzündlich und können sich, falls sie fein verteilt
(von 1,5 auf 0,9) fortlaufend sinken. Die geringste sind, auch selbst entzünden.
76 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Hydrierung : M þ H2 ! MH2 5.1 Beryllium

Ohne Anwesenheit eines Katalysators reagiert Geschichte Vauquelin (Kurzbiografie siehe „Chrom“)
Beryllium nicht mit Wasserstoff. Magnesium setzt isolierte 1798 Berylliumoxid aus den Edelsteinen
sich nur unter Anwendung hohen Drucks zu sei- Beryll und Smaragd. Gleiches gelang Klaproth
nem Hydrid um. Die „echten“ Erdalkalimetalle (Kurzbiografie siehe „Cer“) etwas später; er nannte
von Calcium bis Radium reagieren, in der genann- das von ihm erhaltene Berylliumoxid „Beryllium“.
ten Reihenfolge mit zunehmender Heftigkeit, Erst 1828 konnten Wöhler (Kurzbiografie siehe
schon unter Normaldruck. Die so gebildeten Hy- „Yttrium“) und Bussy das Metall in noch unreiner
dride besitzen ein Ionengitter. Form durch Reduktion von Berylliumchlorid mit
Kalium darstellen. Lebeau erhielt 1899 Beryllium
durch die erstmals durchgeführte Elektrolyse
Reaktion mit Wasser : M þ 2 H2 O
! MðOHÞ2 þ H2 " geschmolzenen Natriumtetrafluoroberyllats (Na2-
BeF4). Das Wort „Brille“ leitet sich vom Namen
„Beryll“ ab, da vor der Erfindung der Brille im 14.
Beryllium wird wie Aluminium in Wasser pas-
Jahrhundert die ersten Augengläser aus diesem
siviert und reagiert nicht. (Dies ist eines der Bei-
Mineral gefertigt wurden.
spiele für die Schrägbeziehungen im Periodensys-
tem, nach der das Kopfelement der ersten bis
dritten Hauptgruppe zum zweiten der jeweils Der französische Pharmazeut, Arzt und
darauf folgenden Hauptgruppe überleitet.) Ma- Chemiker Antoine Alexandre Brutus
gnesium wird ebenfalls noch passiviert; es bildet Bussy (* 29. Mai 1794 Marseille; † 1. Fe-
sich eine schützende Schicht aus Magnesiumoxid. bruar 1882 Paris) studierte Chemie an der
Diese löst sich aber in heißem Wasser, so dass Pariser École de Pharmazie, promovierte
dann das Metall dem Angriff des Wassers ausge- darin 1823 und etwas später auch in Medi-
setzt ist und sich zügig unter Bildung von Magne- zin. Er hatte bis 1874 den Lehrstuhl für
siumhydroxid auflöst. Von Calcium an regieren Chemie an der École Superieure de Phar-
die Erdalkalimetalle schon bei Raumtemperatur macie in Paris inne und war gleichzeitig
lebhaft mit Wasser unter Bildung von Wasserstoff auch deren Direktor. Ebenso lehrte er Che-
und des Metallhydroxids. mie an der École Municipale Lavoisier.

1828 stellte er erstmals und unabhängig von


Reaktion mit Halogen : Friedrich Wöhler Beryllium durch Reduk-
M þ X2 ! MX2 ðX ¼ F,Cl,Br,I,AtÞ tion seines Chlorids mit Kalium dar. Analog
gelang im die spätere Herstellung des Ma-
gnesiums. Er analysierte Fette, isolierte
Reaktion mit Schwefel : M þ S ! MS
Saponine aus Pflanzen und arbeitete mit
Senfsamen, um dessen Inhaltsstoffe ermitteln
Für beide Reaktionstypen gilt, dass die Metalle zu können. Er führte Kohle zur Entfärbung
von Calcium bis Radium wesentlich heftiger re- farbiger Lösungen ein (Pötsch et al. 1989).
agieren als Magnesium oder gar Beryllium.
Der französische Chemiker Paul Marie Al-
fred Lebeau (* 19. Dezember 1868 Bois-
commun; † 18. November 1959 Massy)
5 Einzeldarstellungen studierte ab 1885 an der Pariser École Su-
périeure de Physique et de Chimie. Nach
Nachfolgend sind die Elemente der Gruppe der Abschluss seines Diploms 1888 arbeitete
Erdalkalimetalle (2. Hauptgruppe) jeweils einzeln er mit Moissan an Verbindungen des Fluors,
mit ihren wichtigen Eigenschaften, Herstellungs- unter anderem stellten die beiden Forscher
verfahren und Anwendungen beschrieben.
5 Einzeldarstellungen 77

allerdings immer noch in unreiner Form. Erst


Bromtri-, Schwefelhexa- und Kohlenstoff- 1899 gelang Lebeau die Reindarstellung durch
tetrafluorid her. 1898 promovierte Lebeau Schmelzflusselektrolyse von Natriumtetrafluoro-
an der Sorbonne in Naturwissenschaften, beryllat (Na2[BeF4]).
1899 erwarb er zusätzlich noch ein Diplom Beryllium stellt man heute technisch durch
in Pharmazie. 1900 wurde er Professor für Reduktion von Berylliumfluorid (BeF2) mit Ma-
Naturwissenschaften. Nach dem Ende des gnesium oder – seltener – durch Schmelzflus-
Ersten Weltkriegs wechselte er zum Lehr- selektrolyse von Berylliumchlorid (BeCl2) her.
stuhl für Pharmazeutische Chemie an die Das Ausgangsmaterial ist meist Beryll, den man
Faculté de Pharmacie de Paris (Lestel
durch Sintern mit einem Aufschlussmittel oder
2008, S. 333).
durch direktes Schmelzen zunächst in Beryllium-
Lebeau gelang 1898 die erstmalige Darstel- hydroxid überführt.
lung hochreinen Berylliums durch Schmelz-
elektrolyse von Natriumberylliumfluorid Eigenschaften
(Holleman et al. 1995, S. 1106). Physikalische Eigenschaften: Beryllium ist das
Kopfelement der zweiten Hauptgruppe, die unter
dem Namen Erdalkalimetalle zusammengefasst
Vorkommen Beryllium ist nach Radium das werden, weicht aber in seinen chemischen und
seltenste Erdalkalimetall und besitzt einen Anteil physikalischen Eigenschaften teils stark von die-
an der Erdhülle von gerade einmal 5 ppm. Es sen ab und leitet zum Aluminium über, dem im
kommt in etwa dreißig Mineralien vor, unter Periodensystem rechts unter ihm stehenden, zwei-
denen Bertrandit (4 BeO  2 SiO2  H2O) (Verei- ten Element der 3. Hauptgruppe (Schrägbezie-
nigte Staaten) und Beryll (Be3Al2(SiO3)6) (Volks- hung). Das graue, harte und spröde Leichtmetall
republik China, Russland, Brasilien) die wich- hat eine höhere Dichte sowie auch deutlich höhere
tigsten sind. Einige Lagerstätten finden sich Schmelz- und Siedepunkte als seine höheren
noch im Äquatorialgebiet. Beryllium ist in den Homologen Magnesium und Calcium. Sein Name
Edelsteinen (Varietäten des Beryll) Aquamarin leitet sich vom Edelstein Beryll ab.
[Be3Al2(Si6O18) mit Beimengung von Fe2+, Für ein Leichtmetall hat es neben dem relativ
Fe3+], Smaragd [Be3Al2(Si6O18)], Roter Beryll hohen Schmelz- und Siedepunkt noch einige
[Be3Al2(Si6O18) mit Beimengung von Mn2+], andere bemerkenswerte Eigenschaften. So zeigt
Euklas (BeAl[OH,SiO4]), Gadolinit, Chrysobe- es eine relativ hohe spezifische Wärmekapazität
ryll (BeAl2O4), Phenakit und Alexandrit (beide [1,825 kJ/(kg  K)] (s. Tab. 1), darüber hinaus
Be2[SiO4]) enthalten. Die früheren Vorkommen liegen sein Elastizitätsmodul und seine Schwin-
in Österreich sind mittlerweile erschöpfend abge- gungsdämpfung bei ziemlich hohen Werten.
baut. In Nordamerika (Nevada) befinden sich Seine bei horizontal erfolgendem Zug ausgebil-
Minen, in denen auch Beryllium gefördert und dete vertikale Querkontraktion liegt wesentlich
angereichert wird, jedoch ist deren Gehalt an niedriger als bei anderen Metallen (Ogden 1984).
Beryllium ziemlich niedrig. Weltweit schätzte Beryllium ist für Röntgen- und γ-Strahlen sehr
man 2009 die Vorräte an förderbarem Beryllium durchlässig, da seine Elektronenhülle nur vier
auf ca. 380.000 t (Walsh 2009). Elektronen aufweist, die eventuell abschirmend
wirken könnten.
Gewinnung 1798 konnte Vauquelin Beryllium- Chemische Eigenschaften: An trockener Luft
oxid (BeO) aus den Edelsteinen Beryll und Sma- ist es bei Raumtemperatur beständig, da sich, wie
ragd isolieren. Klaproth stellte ebenfalls dieses beim Aluminium, eine schützende Oxidschicht
Oxid her, dem er den Namen Beryllium gab auf der Oberfläche des Metalls bildet. Diese
(Hosenfeld et al. 1930). Drei Jahrzehnte später schützt Beryllium sogar vor dem Angriff konzen-
stellten Wöhler und Bussy Beryllium durch trierter Salpetersäure. Gegenüber nichtoxidieren-
Reduktion seines Chlorids mit Kaliummetall her, den Säuren wie z. B. Salzsäure ist es aber nicht
78 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Beryllium


Symbol: Be
Ordnungszahl: 4
CAS-Nr.: 7440-41-7

Aussehen: Grauweiß, Beryllium, Beryllium, Stück (Hi-Res


metallisch Pulver (Sicius 2015) Images of Chemical
Elements 2010)
Entdecker, Jahr Wöhler (Deutschland), Bussy (Frankreich), 1828
Lebeau (Frankreich), 1898
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
7
4Be (Spuren) 53,12 d α > 73Li
9
4Be (100) Stabil ——
10
4Be (Spuren) 1,51  106 a β > 105B
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 5,3
Atommasse (u): 9,012
Elektronegativität 1,57 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: Be2+ + 2 e ➔ Be (V) 1,85
Atomradius (pm): 105
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 153
Kovalenter Radius (pm): 96
Ionenradius (Be2+, pm): 31
Elektronenkonfiguration: [He] 2s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 900 ♦ 1757
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,3  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal dichtest
Elektrische Leitfähigkeit ([A/V  m], bei 300 K): 2,5  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 287 ♦ 130 ♦ 132
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 1670 ♦ 590–1320
Mohs-Härte 5,5
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 300,15 K): 13.000
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 1,848
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 4,85  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 190
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 16,443
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1287 ♦ 1560
Schmelzwärme (kJ/mol): 7,95
Siedepunkt ( C ♦ K): 2969 ♦ 3243
Verdampfungswärme (kJ/mol): 309

stabil und wird schnell aufgelöst. An feuchter Luft In Alkalilaugen löst sich Beryllium unter
bildet sich auf seiner Oberfläche das Hydroxid Bildung des entsprechenden Beryllats ([Be
[Be(OH)2]; die Korrosion des Metalls erfolgt vor (OH)4]2), analog zum Aluminium (Aluminat),
allem bei höheren Temperaturen schneller. Ge- und zeigt damit seinen amphoteren Charakter,
genüber Luft, Sauerstoff sowie Stickstoff ist der deutlich von dem der anderen Erdalkalimetal-
Beryllium dagegen bis zu hohen Temperaturen le abweicht, deren Hydroxide teils stark basisch
beständig. reagieren.
5 Einzeldarstellungen 79

Beryllium besitzt mit 94Be nur ein stabiles Alexandrit, der im Wellenlängenbereich des roten
Isotop, aus dem das natürlich vorkommende Ele- Lichtes (755 nm) emittiert und für medizinische
ment auch praktisch ausschließlich zusammenge- Zwecke eingesetzt wird (Maushagen et al. 2002).
setzt ist. Die radioaktiven Isotope 74Be und 104Be Man stellt Berylliumoxid durch Zugabe von
kommen fast ausschließlich im Weltall vor und Basen zu den wässrigen Lösungen von Salzen
sind nur in geringsten Spuren auch auf der Erde des Berylliums her, aus denen dann Beryllium-
vorhanden. II-hydroxid ausfällt, Dieses wird abfiltriert und
Wegen seiner vergleichsweise langen Halb- zum Berylliumoxid gebrannt.
wertszeit von 1,51  106 a dient das Isotop 104Be Berylliumoxid löst sich in starken Säuren und
in der Geologie zur Bestimmung der Zeit, an scheidet daher für Anwendungen aus, bei denen
dem zurückweichende Gletscher das betreffende es mit diesen in Kontakt kommt. Zudem ist wegen
Gestein offengelegt haben könnten (Finkel und seiner Giftigkeit seine Verarbeitung und Anwen-
Suter 1993), da die an einem Ort vorhandene dung seit langem strengen Kontrollen unterzogen.
Konzentration dieses Isotops von der auf die Erde Generell müssen Berylliumoxid enthaltende Bau-
treffenden kosmischen Strahlung abhängig ist. teile gekennzeichnet sein. Vielfach ersetzt man es
Jene korreliert direkt mit der Stärke des irdischen durch das ungiftige Bornitrid oder Aluminium-
Magnetfeldes und der Strahlungsaktivität der nitrid.
Sonne (Gassmann 1994; Pott 2005). Das Iso- Berylliumsulfid (BeS) ist ebenfalls ein hoch-
top 104Be wird zudem mit anderen gasförmigen schmelzender Feststoff (1800  C), der eine Dichte
Elementen in Eis eingeschlossen; somit ist es von 2,36 g/cm3 besitzt und mit kubischer Struktur
möglich, aus Eisbohrungen den Zusammenhang kristallisiert. Die Verbindung ist entweder aus den
zwischen Sonnenaktivität und der in der Vergan- Elementen bei hoher Temperatur (I, 1150  C) oder
genheit herrschenden Temperatur aufzuzeigen durch Reaktion von Berylliumoxid mit Kohlen-
(Curran et al. 2011). stoffdisulfid darstellbar (II, Brauer 1975, S. 894):

Verbindungen (I)
Be þ S ! BeS
Chalkogenverbindungen Berylliumoxid (BeO) ist
ein hochschmelzender (2575  C) weißer Feststoff (II)
(siehe Abb. 2) (Siedepunkt der Schmelze: 2 BeO þ CS2 ! 2 BeS þ CO2
4120  C), der die Dichte 3,02 g/cm3 aufweist und
außerdem sehr hart, durchschlagsfest und wärme- Es ist ein graues bis weißes Pulver (s. Abb. 3),
leitend ist, aber auch als elektrischer Isolator wirkt. das an feuchter Luft unter Freisetzung von
Die Verbindung kristallisiert mit hexagonaler Struk- Schwefelwasserstoff hydrolysiert. Mit Säuren und
tur. Man setzt Berylliumoxid daher meist in kera- Kohlendioxid setzt es sich zügig um (Walsh
mischen Bauteilen (Zündkerzen, Schutzrohre für 2009). Berylliumsulfid ist ein II-VI-Halbleiter
Thermoelemente, wärmeabsorbierende Ummante- mit einer indirekten Bandlücke von 4,7 eV (Ropp
lungen von Halbleitern und Schmelztiegel) ein. 2012). Einkristalle des Berylliumsulfids haben
Ein im Verhältnis 1:1 gezüchteter, aus BeO und einen Brechungsindex von 1,741 und eignen sich
Al2O3 bestehender und mit Chromatomen dotierter daher prinzipiell als Material für optische Linsen,
Mischkristall ist Grundprinzip des Festkörperlasers Prismen und Spiegel.
Berylliumselenid (BeSe) ist erhältlich durch
Umsetzung von Beryllium mit Selen unter reduk-
tiven Bedingungen (Wasserstoff-Atmosphäre) bei
1100  C (Brauer 1975, S. 896). Die graue kristal-
line Masse der Dichte 4,315 g/cm3 zersetzt sich
bei Kontakt mit Wasser zu Berylliumhydroxid
und giftigem Selenwasserstoff. Auch Beryllium-
selenid ist ein II-VI-Halbleiter (Gust 2012),
Abb. 2 Berylliumoxid (Leiem 2017) ebenso wie Berylliumtellurid (BeTe), dessen
80 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Abb. 3 Berylliumsulfid (Stanford Advanced Materials


2019)
Abb. 4 Berylliumchlorid (Onyxmet 2019)
Bandlücke im Vergleich zum Berylliumoxid
bereits stark gesenkt ist und „nur noch“ bei
2,8 eV liegt (Pearton 2001). Berylliumtellurid liegen isolierte, lineare BeF2-Moleküle vor. Auch
gewinnt man durch Reaktion von Beryllium mit hier zeigt sich die Schrägbeziehung zum Alumi-
Tellur bei 1100  C ebenfalls im Wasserstoffstrom. nium, da sich Aluminiumfluorid mit Ausnahme
Berylliumtellurid (BeTe) ist ein graues, eben- seiner Schweröslichkeit in Wasser ähnlich verhält
falls kubisch kristallisierendes Pulver der Dichte (Holleman et al. 1995, S. 1108). Berylliumfluorid
5,1 g/cm3, das sich an feuchter Luft ziemlich dient als Ausgangsstoff zur Herstellung von rei-
schnell zu Tellurwasserstoff und Berylliumhydro- nem Beryllium, das man durch Reduktion von
xid zersetzt. Mit Wasser erfolgt die Reaktion leb- Berylliumfluorid mit Magnesium bei 1300  C
haft. Berylliumtellurid kristallisiert im kubischen erhält (Holleman et al. 2007, S. 1216):
Zinkblendetyp.
Halogenverbindungen Berylliumfluorid (BeF2) BeF2 þ Mg ! Be þ MgF2
ist ein weißer, bei einer Temperatur von 555  C
schmelzender Feststoff (Siedepunkt der Schmelze: Man verwendet es außerdem zur Herstellung
1175  C), der die Dichte 1,99 g/cm3 hat. Die von Gläsern (Hülsenberg 2009) und in der Reak-
Verbindung ist leicht in Wasser löslich, nur wenig tortechnik. Berylliumfluorid ist wie alle Beryl-
aber in Ethanol. Berylliumfluorid stellt man ent- liumverbindungen hochgiftig und wird als krebs-
weder aus den Elementen oder durch Lösen von erregend eingestuft.
Beryllium in Flusssäure her. Eleganter und in Berylliumchlorid (BeCl2) ist ein farbloser
reinerem Zustand erhält man es durch Erhitzen (s. Abb. 4), süßlich schmeckender Feststoff, der
von Ammoniumtetrafluoroberyllat [(NH4)2BeF4], schon bei 405  C schmilzt; der Siedepunkt der
das seinerseits durch Umsetzung von Beryllium- Schmelze liegt bei 482  C. Die Verbindung hat
oxid mit Ammoniumfluorid bei hoher Temperatur eine Dichte von 1,9 g/cm3, ist leicht löslich in
(900  C) erhältlich ist (Brauer 1963, S. 231): Wasser, hydrolysiert darin jedoch unter deutlicher
Wärmeentwicklung schnell und wird technisch
ðNH4 Þ2 BeF4 ! BeF2 þ 2 NH3 " þ2 HF " aus Berylliumoxid, Kohlenstoff und Chlor bei
Temperaturen um 800  C hergestellt:
Berylliumfluorid besitzt im Festkörper eine
polymere, dem Quarzgitter ähnliche Struktur mit BeO þ C þ Cl2 ! BeCl2 þ CO
kovalenten Bindungsanteilen. Wie beim Hydrid
ist jedes Berylliumatom im Sinne einer Elektro- Die Be–Cl-Bindung hat stark kovalenten Cha-
nenmangelverbindung tetraedrisch von vier Fluor- rakter, weshalb Berylliumchlorid kein Ionengitter
atomen umgeben, so dass jedes Fluoratom über ausbildet wie das homologe Magnesiumchlorid.
π-Bindungen zwei Berylliumatome miteinan- Vielmehr ist sein Molekül ein kettenförmiges
der verbrückt. Der Elektronenmangel-Charakter Polymer, in der jedes Berylliumatom tetraedrisch
macht nicht nur BeF2, sondern alle Berylliumha- von vier Atomen des Chlors umgeben ist. Ober-
logenide zu Lewis-Säuren. Nur in der Gasphase halb des Siedepunktes von 482  C liegen mono-
5 Einzeldarstellungen 81

und dimere BeCl2-Einheiten vor. Beryllium- ist Temperatur (2200  C) unter Zersetzung schmel-
wie Aluminiumchlorid eine Lewis-Säure, löst zendes Pulver, das man durch Reaktion von
sich wie jenes in Alkoholen oder Ethern und ist Beryllium mit Ammoniak bei 1100  C erzeugt
so als Katalysator in Friedel-Crafts-Alkylierungen (I, Perry 2011, S. 64). Analog kann man es durch
einsetzbar; wegen der Giftigkeit der Beryllium- Überleiten von Stickstoff über geschmolzenes
verbindungen wird dies aber kaum oder gar nicht Beryllium darstellen (II, Ropp 2012):
realisiert.
Berylliumbromid (BeBr2) erzeugt man meist (I)
3 Be þ 2 NH3 ! Be3 N2 þ 3 H2
durch Reaktion von Berylliumoxid mit Brom
und Kohle bei 1100 bis 1200  C (Walsh 2009);
(II)
alternativ ist auch die Umsetzung von Beryllium- 3 Be þ N2 ! Be3 N2
oxid mit Bromwasserstoff bzw. dessen wässri-
ger Lösung möglich (Parsons 1909). Es ist ein
sehr hygroskopisches, weißes Pulver der Dichte Berylliumnitrid zersetzt sich in Wasser lang-
3,47 g/cm3, das bei 507  C schmilzt; die Schmelze sam, in Säuren und Basen schnell unter Abgabe
siedet bereits bei 520  C. Auch Berylliumbomid von Ammoniak; bei Temperaturen oberhalb von
löst sich in Wasser leicht, erleidet darin aber zügig 600  C oxidiert es an der Luft (Perry 2011, S. 64).
Hydrolyse. Es wird zur Herstellung feuerfester Keramik ver-
Berylliumiodid (BeI2) erzeugt man durch Über- wendet. Die beiden Kristallmodifikationen der
leiten von Ioddampf über auf 500–700  C erhitz- Verbindung (Umwandlungstemperatur: 1450  C)
tes Beryllium (Perry und Phillips 1995, S. 63). Die wurden eingehend hinsichtlich ihrer Kristallstruk-
weiße Verbindung schmilzt bzw. siedet bei 480  C tur untersucht (Reckeweg et al. 2003; Wriedt und
bzw. 590  C und hat eine Dichte von 4,325 g/cm3. Okamoto 1987).
Eine weitere Möglichkeit der Darstellung ist Berylliumcarbid (Be2C) entsteht beim Erhitzen
das Überleiten von Iodwasserstoff über erhitztes einer Mischung der Elemente im stöchiometri-
Berylliumcarbid: schen Verhältnis auf ca. 1000  C (I) oder auch
von Berylliumoxid und Kohle (II). Es liegt in
Be2 C þ 4HI ! 2 BeI2 þ CH4 Form gelbroter Kristalle vor, die sich oberhalb
von 2100  C zersetzen. Mit Wasser reagiert es
Durch Reaktion mit anderen Halogenen lässt bereits bei Raumtemperatur langsam zu Methan
sich Iod leicht durch das alternative Halogen aus- und Berylliumhydroxid (III):
tauschen. Mit Oxidationsmitteln wie Chlorat oder
Permanganat erfolgt teils heftige Reaktion unter (I)
Freisetzung violetten Ioddampfes, auch einfaches 2 Be þ C ! Be2 C
Erhitzen an der Luft kann zur Selbstentzündung
der Verbindung führen. (II)
2 BeO þ C ! Be2 C þ O2
Sonstige Verbindungen Berylliumnitrid (Be3N2)
ist ein weißgraues (s. Abb. 5), erst bei hoher (III)
Be2 C þ 4 H2 O ! 2 BeðOHÞ2 þ CH4 "

Ausgehend von Magnesiumdiborid als Refe-


renz quantenmechanischer Rechnungen identifi-
zierte man Cluster aus Be2nSin als hierzu sehr
ähnliches System. Daraus folgt die Existenz von
Berylliumsilicid, obwohl es noch nicht in Rein-
Abb. 5 Berylliumnitrid (Stanford Advanced Materials substanz hergestellt werden konnte. Die Verbin-
2019) dung ist schon in unreinem Zustand wie Magne-
82 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

siumdiborid ein elektrischer Supraleiter mit einer BeH2 þ 2 H2 O ! BeðOHÞ2 þ 2 H2 "


Sprungtemperatur um 233  C (40 K) (Isikaku-
Irongwe 2012). Berylliumnitrat [Be(NO3)2] erzeugt man durch
Auch potenzielle Kristallstrukturen eines Be- Einleiten von Disticktofftetroxid in eine Lösung
rylliumdiborids (BeB2) wurden mit Hilfe von ab von Berylliumchlorid in Esigsäureethylester (Brauer
initio-Rechnungen erzeugt. Eine neue Phase or- 1978, S. 897):
thorhombischer Struktur der Raumgruppe 63
(Cmcm) wurde entdeckt, die bis zu Drücken von BeCl2 þ 2 N2 O4 ! BeðNO3 Þ2 þ 2 NOCl
13 GPa stabil sein und sich erst oberhalb hiervon
in die kubische Raumgruppe 216 (F4-3m) des Die farblose Verbindung (s. Abb. 6) schmilzt
Zinkblendetyps umwandeln soll. Die berechneten schon bei 60  C (Parsons, hat eine Dichte von
Bandstrukturen deuten auf ein metallisches Ver- 1,56 g/cm3, ist in Wasser, Aceton und Ethanol
halten hin (Fan et al. 2014). löslich (Parsons 1909, S. 37) und wird in einigen
Berylliumhydrid (BeH2) ist aus den Elementen Modellen von Gaslampen noch verwendet.
nicht darstellbar (Walsh 2019, S. 117), sondern Berylliumsulfat (BeSO4) ist durch Auflösung
nur durch Reaktion einer organischen Beryllium- von Berylliumcarbonat oder -hydroxid in ver-
verbindung mit einem hydridischen Reduktions- dünnter Schwefelsäure zugänglich. Die Verbin-
mittel, wie beispielsweise Lithiumaluminiumhy- dung existiert in Form mehrerer Hydrate; das im
drid (LiAlH4) (Bamford und Tipper 1980) oder Handel befindliche, gut in Wasser lösliche Tetra-
Diboran in Diethylether (Brauer 1975, S. 890). hydrat der Dichte 1,71 g/cm3 geht oberhalb von
Das sich bei der Umsetzung bildende Beryllium- 111  C in das Dihydrat und nach weiterem Erwär-
hydrid ist in Ether unlöslich und fällt daher aus der men auf 158  C in das Monohydrat über (Levi-
Lösung aus: Malvano 1906). Erhitzen auf ca. 400  C führt
schließlich zur völligen Entwässerung; das was-
serfreie, nur in geringer Menge wasserlösliche
2 BeðCH3 Þ2 þ LiAlH4 !
Salz ist dann noch bis zu Temperaturen von etwa
2 BeH2 # þLiAlðCH3 Þ4 580  C beständig, bevor es sich zu Schwefel-VI-
und Berylliumoxid zersetzt.
Ebenso liefert Erhitzen von Bis(tert.butyl) Das farblose Salz (s. Abb. 7) ist wie alle was-
beryllium auf Temperaturen von >200  C das serlöslichen Berylliumsalze sehr giftig und wirkt
gewünschte Berylliumhydrid: bei niederen Säugetieren auch krebserregend. Vor
allem das Einatmen von Stäuben führt – meist
nach wiederholter- Einatmung zu Husten, Atem-
Beðt-C4 H9 Þ2 ! BeH2 þ 2 H2 C ¼ CðCH3 Þ2 "
not und Fieber, in chronischer Form („Beryl-
liose“) zur schädlichen Umwandlung des Lungen-
Berylliumhydrid ist ein weißer, nichtflüchtiger, gewebes und unter Umständen zum Tod. In sehr
polymerer Feststoff der sehr geringen Dichte von
0,65 g/cm3, der sich beim Erwärmen auf 250  C in
die Elemente zersetzt (Perry und Phillips 1995).
Im Molekül der Verbindung liegen tetraedrisch
von vier Wasserstoff- umgebene Berylliumatome
vor, so dass diese Struktur ebenfalls Dreizentren-
bindungen, ähnlich wie bei Aluminiumhydrid und
auch bei den Molekülen der Borane, zeigt. Die
Verbindung ist empfindlich gegenüber Feuchtig-
keit und Luftsauerstoff. Mit Wasser hydrolysiert
sie sehr schnell zu Berylliumhydroxid und Was-
serstoff: Abb. 6 Berylliumnitrat (Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 83

xen ein. Das CERN in Genf führt seine Versuche


zum Beschuss von Protonen in Röhren aus Beryl-
lium durch, weil jenes sehr hart und dabei vaku-
umdicht ist (Veness et al. 2011).
Man verwendet Beryllium legiert mit Alumi-
nium für leichte und zugleich verschleißresistente
Produkte in der Luft- und Raumfahrttechnik
(Puchta 2011). Auch diese Produkte werden nicht
gegossen, sondern isostatisch heißgepresst.
Abb. 7 Berylliumsulfat-Tetrahydrat (Onyxmet 2019) Die Legierungen mit Kupfer („Berylliumkup-
fer“) bzw. Kupfer und Kobalt besitzen große Vor-
teile wie Elastizität und Zugfestigkeit, große
seltenen Fällen setzt man Berylliumsulfat zu ho- Härte, Korrosionsbeständigkeit verbunden mit
möopathischen Zwecken ein (Aktories et al. Ermüdungsfreiheit, fehlende magnetische Eigen-
2017). schaften – die auch eine Nichtmagnetisierbarkeit
einschließen – sowie eine gute elektrische und
Anwendungen Metallisches Beryllium hat aus Wärmeleitfähigkeit. Man setzt sie, da sie keine
technischer Sicht teils hervorragende Eigenschaf- Funken abgeben, in explosionsgefährdeten Be-
ten, jedoch wird es wegen seiner Seltenheit und reichen ein, außerdem in Oberleitungsdrähten,
Giftigkeit in nur geringem Umfang verwendet. stromübertragenden Federn (beispielsweise in
Aus Berylliumpulver stellt man durch Pressen Drehspulen oder Halterungen von Kohlebürsten)
und Sintern Rohteile und Halbzeuge her, die tech- oder dort, wo zwar starke Magnetfelder benötigt
nisch einsetzbar sind. Gussteile verwendet man werden, die aber möglichst nicht durch vorhan-
jedoch nicht, da ihre physikalischen Eigenschaf- dene metallische Bauteile beeinträchtigt werden
ten zu stark richtungsabhängig sind, außerdem sollen.
sind sie relativ spröde und grobkörnig. Legierun- Berylliumkupfer und auch seine Legierung mit
gen mit Nickel oder Kupfer stellt man her, indem Kobalt sind aber auch in anderen Anwendungen
Beryllium in situ aus seinem Oxid erzeugt und fest etabliert: So bestehen Ventilführungen in Au-
direkt mit Nickel bzw. Kupfer legiert wird. tomotoren, Spritzdüsen für Kunststoff sowie bei
Obwohl Beryllium teils herausragende Eigen- Punktschweißen eingesetzte Elektroden aus die-
schaften zeigt, verhindern sein Preis und seine sem Material, ebenso Kontakte in Relais.
hohe Giftigkeit einen breiteren Einsatz. Nickel-Beryllium-Legierungen bzw. Werk-
Reines Beryllium wird in Detektoren bzw. zeuge setzt man in Thermostatschaltern ein, eben-
Röhren für Röntgen- und γ-Strahlen wegen seiner so, mit Eisen legiert, in Uhrenfedern.
Durchlässigkeit für diese eingesetzt, ebenso als In geringsten Mengen zu Gold legiert befindet
Moderator in Kernreaktoren. Da Beryllium bei sich Beryllium in extrem feinen Drähten, die
Bestrahlung mit beschleunigten Protonen Neutro- auf elektronischen Leiterplatten den elektrischen
nen emittiert, dient es als Neutronenquelle in Be- Kontakt zwischen den einzelnen Schaltelementen
strahlungsapparaten für medizinische Zwecke, herstellen (Herklotz et al. 1999).
beispielsweise in der Therapie von Krebs. Ebenso Berylliumoxid setzt man noch gelegentlich als
beschichtet man bewegliche Spiegel, auch Spie- gut wärmeleitenden Isolator für Hochleistungs-
gel von Weltraumteleskopen, mit Beryllium. transistoren und Widerstände ein; wegen seiner
Wegen seines geringen Gewichtes und der Giftigkeit bevorzugt man aber inzwischen, wenn
gleichzeitig hohen Wärmekapazität bestehen Hoch- möglich, Aluminiumoxid, Bornitrid oder Alumi-
leistungsbremsscheiben für Rennwagen sowie niumnitrid.
auch die des Space Shuttle aus reinem Beryllium.
In der HiFi-Technik setzt Yamaha reines Beryl- Toxizität Beryllium und seine Verbindungen
lium in Hochtonkalotten teurer Lautsprecherbo- wirken toxisch und krebserregend. Die Symp-
84 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

tome sind unter anderem Schäden der Haut, Lun- schaftliche Untersuchung geschah ab Mitte des 18.
gen, Milz und der Leber. Das Element akkumu- Jahrhunderts durch den Schotten Black, der ver-
liert im menschlichen Körper und kann auch nach suchte, Kalk (Calciumcarbonat) und Magnesium-
Jahren zur Bildung von Tumoren führen. Das carbonat zu unterscheiden. Black sah letzteres als
Einatmen von Stäuben des Metalls oder seiner Verbindung eines neuen Elements an, stellte die-
Verbindungen ist sehr gefährlich, da sich dann ses selbst aber nie her. Etwa 50 Jahre später, 1808,
Wucherungen des Lungengewebes ausbilden kön- isolierte dann Davy (Kurzbiografie siehe „Na-
nen (Berylliose). trium“) Magnesium durch Elektrolyse angefeuch-
Bei der Verarbeitung metallischen Berylliums teten Magnesiumhydroxids mittels einer damals
ist unbedingt dafür zu sorgen, dass dabei entste- gebräuchlichen Elektrolysezelle, der Voltaschen
hende Späne und Stäube abgesaugt werden. Das Säule, aber nur in Form seines Amalgams, da die
Aufarbeiten elektrischer und elektronischer Bau- Kathode der Zelle aus Quecksilber bestand.
elemente muss in jedem Fall unter Beachtung der Davy nannte das neue Element zunächst Mag-
erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen erfolgen, nium (nach „Magnesia“, Magnesiumoxid).
da in ihnen ebenfalls Beryllium bzw. sein Oxid 1828 konnte Bussy (Kurzbiografie siehe „Beryl-
enthalten sein kann. lium“) durch das Erhitzen trockenen Magnesi-
umchlorid mit Kalium geringe Mengen reinen
Magnesiums darstellen. 1833 gelang Faraday die
Patente Elektrolyse geschmolzenen Magnesiumchlorids
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world und damit die Gewinnung kleiner Mengen metalli-
wide.espacenet.com) schen Magnesiums. Dieses Elektrolyseverfahren
entwickelte Bunsen (Kurzbiografie siehe „Rubi-
X. Ziu, Processing method for beryllium dium“) um 1850 weiter und entwickelte 1852 eine
copper alloy elastic conducting wire spe- modernere Elektrolysezelle, die, ausgehend von
cially for super-micro-distance connec- geschmolzenem Magnesiumchlorid, die Produktion
tor (Huzhou Beryllium Copper Alloy des Magnesiums in größerem Maßstab erlaubte.
Co., Ltd., CN 108642320 A, veröffent- Prinizpiell wird dieses Verfahren bis heute ange-
licht 12. Oktober 2018) wandt, auch wenn zwischenzeitlich Verfahren wie
R. O. Bach, Production and recovery of der Deville-Caron-Prozess etabliert waren, also die
beryllium chloride (Beryllium Metals & Reduktion eines aus wasserfreiem Magnesiumchlo-
Chemicals Co., US 3250592 A, veröf- rid und Calciumchlorid bestehenden Gemisches mit
fentlicht 10. Mai 1966) Natrium, die aber nicht wirtschaftlich durchzufüh-
H. C. Kawecki, Process of preparing be- ren war und deshalb später wieder eingestellt wurde.
ryllium fluoride (Beryllium Corp., US
2647818 A, veröffentlicht 4. August
1953) Der schottische Chemiker und Physiker
H. C. Claflin, Process for producing be- Joseph Black (* 16. April 1728 Bordeaux;
ryllium metal (Beryllium Development † 6. Dezember 1799 Edinburgh) wies als
Corp., US 1861656 A, veröffentlicht Erster Kohlendioxid nach; man zählt ihn
7. Juni 1932) neben Davy, Bussy und Faraday zu den
Entdeckern des Magnesiums. Er war Sohn
eines irischen, in Bordeaux ansässigen
Weinhändlers; die Familie schickte ihn
5.2 Magnesium 1740 nach Nordirland. Ab 1746 studierte
er an der Universität Glasgow Chemie und
Geschichte Viele Verbindungen des Magnesi- wechselte fünf Jahre später an die Universi-
ums kannte man schon Jahrhunderte vor der tät Edinburgh.
Herstellung des Metalls. Eine erstmalige wissen-
5 Einzeldarstellungen 85

In seiner 1754 veröffentlichten Dissertation Isolatoren und verwendete den von Whewell
beschrieb er die Ergebnisse von Untersu- definierten Begriff des Dielektrikums. 1852
chungen über Magnesiumoxid und – car- fasste Faraday seine Ergebnisse zu Unter-
bonat. Er erhielt 1755 der Lehrstuhl für suchungen von Kraftlinien und Feldern
Chemie an der Universität Glasgow und in seiner Schrift „Über den physikalischen
untersuchte weiterhin Verbindungen des Charakter der magnetischen Kraftlinien“
Magnesiums. Seine Arbeit diente zum zusammen und leitete darin auch den Zu-
Nachweis der Existenz von Kohlendioxid sammenhang zwischen der Masse eines
in der Luft. Er beschrieb erstmals Schmelz- Körpers und der von ihm ausgehenden Gra-
und Verdampfungswärme des Wassers, was vitationskraft ab (Cantor 1991; Cantor et al.
für die Konstrukteure der ersten Dampfma- 1996; Hamilton 2004; James 2010; Lemme-
schinen von Bedeutung war; einer seiner rich 1991; Thomas 1991; Williams 1965).
Schüler war James Watt. 1766 ging er nach
Edinburgh, da er dort eine Professur für
Chemie an der dortigen Universität erhielt Vorkommen Magnesium kommt, wie die ande-
(Guerlac 1970, S. 173–183). Black galt als ren Erdalkalimetalle auch, wegen seiner Reaktivi-
einer der Pioniere der quantitativen Chemie tät nicht elementar, sondern nur in Form seiner
(Crosland 1959). Black war ab 1783 Ehren- Verbindungen vor, meist in Form mineralischer
mitglied der Russischen Akademie der Wis- Carbonate, Silikate, Chloride und Sulfate. Das aus
senschaften und ab 1789 korrespondieren- Magnesium- und Calciumcarbonat bestehende
des Mitglied der französischen Akademie Doppelsalz Dolomit bildet den größten Teil vieler
der Wissenschaften (Speter 1974; Anderson Gebirgsstöcke, so auch der Alpen („Dolomiten“).
und Fyffe 1992). Bekannte Mineralien sind Dolomit CaMg(CO3)2,
Magnesit (MgCO3), Olivin [(Mg, Fe)2SiO4],
Der britische Naturwissenschaftler Michael Enstatit (MgSiO3), Kieserit (MgSO4  H2O), Spi-
Faraday (* 22. September 1791 Newing- nell (MgAl2O4), Sepiolith [Mg4(Si6O15)(OH)2]
ton; † 25. August 1867 Hampton Court Schönit [K2Mg(SO4)2  6 H2O], Carnallit (KMgCl3
Green) war unter anderem für die erstmalige  6 H2O) und Talk Mg3[Si4O10] (OH)2. Serpentin
Beschreibung elektromagnetischer Felder
(Mg3[Si2O5](OH)4) ist ein grüner Schmuckstein.
und die entscheidende Verbesserung der
Zusammen mit Calciumionen ist gelöstes
chemischen Analytik verantwortlich, weg-
Magnesium für das Entstehen der permanenten
weisenden Entdeckungen. Außerdem stellte
Wasserhärte verantwortlich. Meerwasser enthält
er als Erster Benzol dar und formulierte
bis zu 0,1 % gelöste Magnesiumsalze wie das
zudem die Grundgesetze der Elektrolyse
(Hirshfeld 2014). Magnesiumchlorid oder -hydroxid.

Faraday begann 1813 als Labormitarbeiter Gewinnung 1828 gelang Bussy die erstmalige
und Vorlesungsassistent von Davy an der
Reindarstellung von Magnesium durch Erhitzen
Royal Institution und hielt bald darauf auch
trockenen Magnesiumchlorids mit Kalium:
Vorlesungen dort. 1833 wurde Faraday, der
auf Grundlage mehrerer Zehntausend Versu-
che knapp 500 Veröffentlichungen schrieb, MgCl2 þ 2 K ! Mg þ 2 KCl
zum Professor für Chemie ernannt. Im Auf-
trag des Staates bildete Faraday über viele Einige Jahre später, 1833, stellte Faraday durch
Jahre Kadetten der Militärakademie in Che- Elektrolyse geschmolzenen Magnesiumchlorids
mie aus und arbeitete für Behörden, unter das Metall her. Dieses Verfahren erweiterte Bun-
anderem ab 1836 für die Schifffahrtsbehörde sen wesentlich, indem er ab 1840 ein Verfahren
Trinity House, die die englischen Leuchttür- zur Gewinnung größerer Mengen des Metalls ent-
me betrieb. Faraday forschte über elektrische wickelte. 1852 bereits stellte er eine Elektrolyse-
86 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

zelle für diesen Zweck vor; ein Prozess, der heute belastend, da es im Vergleich zum Hochofenpro-
noch bevorzugt angewandt wird. Jedoch nahmen zess, in dessen Verlauf Stahl erzeugt wird, den
zuerst Caron und Sainte-Claire Deville die Her- 15-fachen Ausstoß von Treibhausgasen verursacht.
stellung von Magnesium in technischem Maßstab
auf, indem sie eine Mischung wasserfreien Ma- Eigenschaften Reines Magnesium ist relativ
gnesiumchlorids und Calciumfluorids in der Hitze weich (s. Tab. 2) und besitzt auch nur eine geringe
mit Natrium umsetzten. Dieses Verfahren warf Festigkeit. An Luft überzieht sich Magnesium
aber schon in der Anfangszeit viele technische schnell mit einer Schicht seines Oxids (MgO),
Probleme auf, erwies sich daher als unökono- die aber, im Gegensatz zu Aluminiumoxid, das
misch und wurde eingestellt. Metall nicht vor weiterer Korrosion bewahrt. Da
Die zwei heutzutage wichtigsten Verfahren zur Magnesium ein sehr unedles und reaktives Metall
Herstellung des Magnesiums sind entweder die ist, sind dünne Bänder, Folien oder gar Pulver
Elektrolyse geschmolzenen Magnesiumchlorids leicht entzündlich. Das Metall verbrennt bei er-
bei 750  C in Downs-Zellen oder die Reduktion höhter Temperatur auch in vielen Oxiden wie
von Magnesiumoxid mittels Eisen oder Ferrosili- Kohlenmonoxid, Stickoxid und Schwefeldioxid.
cium. Mit Wasser reagiert das Metall langsam unter
Downs-Zellen sind von unten beheizte eiserne Bildung von Wasserstoff zum Hydroxid:
Tröge, in denen sich geschmolzenes Magnesium-
chlorid befindet, vermischt mit schmelzpunkts- Mg þ 2 H2 O ! MgðOHÞ2 þ H2 "
senkenden Zusätzen wie Calcium- oder Natrium-
chlorid. In die Schmelze tauchen Grafitstäbe ein, Auf der Oberfläche des Magnesiums bildet
die als Anode dienen. An ihrem Ende sind sie von sich dabei zwar eine Schicht des Magnesiumhy-
ringförmig um sie laufenden, eisernen Kathoden droxids, der die Auflösungsreaktion weitgehend
umgeben. Das flüssige Magnesium schwimmt auf zum Erliegen bringt. Schon ein Zusatz schwacher
der Salzschmelze auf und wird abgeschöpft. Das Säuren reicht aber aus, um die Passivierung auf-
an der Anode entstehende Chlor steigt auf und zuheben und die Oberfläche des Metalls anzuät-
wird vom oberen Teil der Zelle aus direkt abge- zen, wodurch die Auflösung des Metalls wesent-
führt, ohne mit dem frisch erzeugten Magnesium lich beschleunigt wird. Nur gegenüber Flusssäure
in Kontakt zu kommen. Das so erzeugte Chlor ist Magnesium einigermaßen beständig, da sich
ist Grundstoff zur Herstellung weiteren Magne- auf der Oberfläche des Metalls ein schützender
siumchlorids aus Magnesiumoxid. Man wählt die Überzug von Magnesiumfluorid bildet. Mit Mine-
zur Elektrolyse verwendete Stromspannung der- ralsäuren reagiert Magnesium sehr heftig.
art, dass nur Magnesium an der Kathode abge-
schieden wird. Verbindungen
Das wichtigere Verfahren ist heute der Pidgeon- Chalkogenverbindungen Die chemischen Eigen-
Prozess. Aus Dolomit gewinnt man Magnesium- schaften von Magnesiumoxid (MgO) sind stark
oxid, das man zusammen mit Eisen oder Ferrosi- von der Ausführung des jeweiligen Herstellver-
licium und Schlacke bildenden Zusätzen in fahrens abhängig.
Edelstahlbehältern im Vakuum auf knapp 1200  C Erhitzt man natürlich vorkommendes Magne-
erhitzt. Das bei dieser Temperatur bereits gasför- siumcarbonat (MgCO3) auf ca. 800  C, so ent-
mig anfallende Magnesium wird aus dem Ofen weicht zwar Kohlendioxid, aber die Temperatur
abgeleitet, kondensiert an außerhalb angebrachten ist zu niedrig, als dass das Oxid sintern und damit
Wasserkühlern und wird bei Bedarf durch Des- zusammenbacken könnte. Die sich so bildenden
tillation im Vakuum weiter gereinigt. Partikel des Magnesiumoxids sind daher porös,
Aktuell steht China für sieben Achtel der Welt- haben eine große innere Oberfläche und reagie-
produktion, die sich heute um 1 Mio. t/a bewegen ren mit Wasser schnell zu Magnesiumhydroxid.
dürfte. Schon 2007 produzierte China ca. 650.000 t. Andere Herstellverfahren sind entweder das in
Allerdings ist das Pidgeon-Verfahren sehr umwelt- stark exothermer Reaktion ablaufende Verbren-
5 Einzeldarstellungen 87

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Magnesium


Symbol: Mg
Ordnungszahl: 12
CAS-Nr.: 7439-95-4

Aussehen: Silbrig-weiß Magnesium, kl. Barren Magnesium,


glänzend (Zibo Kang Walter Ltd. 2015) Pulver (Sicius 2015)
Entdecker, Jahr Bussy (Frankreich), 1828
Faraday (Vereinigtes Königreich), 1833
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
24
12Mg (78,99) Stabil ——
25
12Mg (10,00) Stabil ——
26
12Mg (11,01) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 19.400
Atommasse (u): 24,305
Elektronegativität 1,31 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Mg2+ + 2 e ➔ Mg (V) 2,372
Atomradius (pm): 150
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 173
Kovalenter Radius (pm): 141
Ionenradius (Mg2+, pm): 65
Elektronenkonfiguration: [Ne] 3s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 738 ♦ 1451
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,2  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 2,27  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 45 ♦ 45 ♦ 17
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 30–45 ♦ 44–260
Mohs-Härte 2,5
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 4602
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 1,738
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 14,00  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 160
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 24,869
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 650 ♦ 923
Schmelzwärme (kJ/mol) 8,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 1110 ♦ 1383
Verdampfungswärme (kJ/mol): 132

nen von Magnesium oder die Ausfällung von schmilzt (Siedepunkt: 3600  C) und nahezu un-
Magnesiumhydroxid aus wässriger Lösung und löslich in Wasser ist. Man kann es über die Stufe
dessen nachfolgendes Brennen. der Sintermagnesia (1700–2000  C) hinweg erhit-
Magnesiumoxid ist ein weißes Pulver (s. Abb. zen. Es dient zur Auskleidung hitzefester Ge-
8a–d) der Dichte 3,58 g/cm3, das erst bei 2852  C räte oder Anlagen wie Schmelzöfen, Gießpfannen
88 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Abb. 8 a Magnesiumoxid (Walkerma 2006). b Magnesiumoxid (Onyxmet 2019). c Magnesiumoxid (Stanford Advan-
ced Materials 2019). d Magnesiumoxid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2019)

oder Umhüllungen von Thermoelementen. Totge- Erhitzen auf Temperaturen oberhalb von 350  C
brannte oder gar geschmolzene Magnesia reagiert Wasser abgibt und in Magnesiumoxid übergeht.
kaum noch mit Wasser. In Wasser ist Magnesiumhydroxid schwer und
Magnesiumoxid ist ein Lebensmittelzusatz- in Alkalilaugen kaum löslich. Leicht löst es sich in
stoff (E 530) ohne Mengenbeschränkung für Säuren unter Bildung der entsprechenden Magne-
alle Arten von Lebensmitteln. Es dient dann siumsalze. Neben seiner Verwendung als Blocker
als Säureregulator oder Trennmittel, in der Dün- für Magensäure und als mildes Abführmittel dient
ge- und Futtermittelindustrie als Magnesiumträ- es ebenso als Lebensmittelzusatzstoff (E 528) mit
ger. Beim Geräteturnen wird es zum Entfeuch- der Funktion eines Trennmittels und Säurereglers
ten der Hände eingesetzt. Der größte Teil des industriell produzierten Ma-
Die Mischung aus Magnesiumoxid und -chlo- gnesiumhydroxids wird aber durch Erhitzen auf
rid (Sorelzement) findet Anwendung bei der Her- Temperaturen um 600  C zu Magnesiumoxid ver-
stellung von Fußböden in Industrieanlagen. Dane- arbeitet. Man setzt es auch als Flockungsmittel zur
ben wird Magnesiumoxid in schwach basischen Behandlung von Abwasser und gelegentlich als
Feuerfestmaterialien für die Herstellung von Ze- Flammschutzmittel in Thermoplasten (Polyolefi-
ment, für Mineralschäume und zur Produktion nen, PVC) und Elastomeren ein.
von Magnesia-Kohlenstoff-Steinen verwendet, Magnesiumperoxid (MgO2), ein weißes Pul-
das vielfach in feuerfesten Auskleidungen von ver (s. Abb. 9), das beispielsweise durch Zugabe
Konvertern, Elektrolichtbogenöfen, Gießpfannen von Wasserstoffperoxid zu einer wässrigen
sowie bei der Stahlerzeugung verwendet wird. Lösung von Magnesiumnitrat erhalten werden
Mit Hilfe von Magnesiumoxid kann man auch kann, gibt vor allem beim Erhitzen leicht Sauer-
Kieselsäure aus Trinkwasser entfernen; außerdem stoff ab und wird als Quelle für Sauerstoff in
ist es ein gutes Adsorptionsmittel und ein Verzö- der Kosmetik- und Pharmaindustrie eingesetzt.
gerer für Vulkanisationsprozesse. Auch verwendet man es zur Dekontamination
Magnesiumhydroxid [Mg(OH)2] ist ein wirksa- und Sauerstoffversorgung von Böden. Es ist
mer Säureblocker (Antazidum) und ist in Medika- zudem desinfizierender Bestandteil in Deodo-
menten zur Bindung überschüssiger Magensäure rants und Duschgels.
enthalten. Man erhält es durch Zusatz von Kalkmilch Magnesiumsulfid (MgS) ist ein weißes bis rot-
zu den Restlaugen der Kalisalzgewinnung oder aus braunes Pulver der Dichte 2,36 g/cm3, das ober-
Meerwasser durch Ausfällen mit gebranntem Dolo- halb einer Temperatur von 2000  C unter Zerset-
mit. Das ausgefällte rohe Produkt wird anschließend zung schmilzt und das man durch Reaktion von
filtriert und bei Temperaturen von ca. 100  C Schwefel oder Schwefelwasserstoff mit Ma-
getrocknet. Am reinsten erhält man es durch Auf- gnesium herstellt. Im Labor bietet sich die von
lösen von Magnesiummetall in Wasser. Es ist ein Magnesiumsulfat und Kohlenstoffdisulfid ausge-
weißes Pulver der Dichte 2,38 g/cm3, das beim hende Variante an (Brauer 1978, S. 909):
5 Einzeldarstellungen 89

Abb. 10 a Magnesiumfluorid (Onyxmet 2019). b Magne-


siumfluorid (Stanford Advanced Materials 2019)
Abb. 9 Magnesiumperoxid (Onyxmet 2019)

Pulverförmiges Magnesiumtellurid (MgTe) ist


3 MgSO4 þ 4 CS2 ! 3 MgS þ 4 COS "
durch Umsetzung einer im Grafittiegel auf eine
þ 4 SO2 " Temperatur von ca. 480  C unter Vakuum und
über 2 d hinweg erhitzten Mischung von Tellur
Bei Kontakt mit Wasser oder Feuchtigkeit hy- und Magnesium in stöchiometrischem Verhältnis
drolysiert Magnesiumsulfid unter Bildung von zugänglich. Einkristalle konnten Kuhn et al. durch
Magnesiumhydroxid und Schwefelwasserstoff. Sublimation im Vakuum bei 960  C darstellen
Die Verbindung setzt man als Enthaarungsmittel (1971). Diese Kristalle stellten hexagonale Säulen
ein; eine interessante technische Anwendung ist mit bis zu 12 mm Länge dar; sie waren äußerst
die als Wirkstoff in Dosimetern, da mit Selten- hygroskopisch.
erdionen dotiertes Magnesiumsulfid nach Be- Halogenverbindungen Magnesiumfluorid (MgF2)
strahlung mit UV-Licht fluoresziert. kommt natürlich als Mineral Sellait vor; diese
Magnesiumselenid (MgSe) bildet sich bei Um- Vorkommen lohnen aber keinen Abbau. Es ist
setzung einer in einem Graphittiegel befindlichen im Gegensatz zu seinen höheren Homologen
stöchiometrischen Mischung von Magnesium und Magnesiumchlorid, -bromid usw. nur schlecht
Selen im Vakuum bei ca. 250  C. Die Verbindung wasserlöslich (0,13 g/L in Wasser bei 20  C).
wie auch das homologe Magnesiumtellurid (MgTe) Praktischerweise fällt man es daher aus Lösungen
(s. unten) kann in Abhängigkeit von Temperatur des Chlorids mittels Flusssäure aus:
und Druck diverse Kristallstrukturen einnehmen,
wie Kochsalz, Cäsiumchlorid, Zinkblende, Wurtzit, MgCl2 þ 2 HF ! MgF2 # þ2 HCl
Nickelarsenid und Eisensilicid. Die jeweiligen
Elektronendichteverteilungen wurden auf Basis Alternativ kann man es durch Auflösen von
weicher Pseudopotentiale und großer planarer Orbi- Magnesium bzw. Magnesiumcarbonat in Fluss-
talwellen berechnet. Bei einem Druck von 107 GPa säure oder – unter starker Wärmeentwicklung –
erfolgte ein Übergang von der Kochsalz- in die direkt aus den Elementen herstellen, wobei jene
Eisensilicid-Struktur (Martins et al. 1997). Reaktion stark exotherm ist (1124 kJ/mol).
Der Grundzustand des Magnesiumtellurids ist Magnesiumfluorid bildet farb- und geruchlose
die Wurtzitstruktur, wogegen die bei Anwendung (s. Abb. 10a, b), harte (Mohs-Härte: 6) Kristalle,
eines Drucks von 1–3,5 GPa erhältliche Nickel- die chemisch widerstandsfähig sind und nur von
arsenid-Struktur auch beim Entspannen auf heißer konzentrierter Schwefelsäure angegriffen
Atmosphärendruck erhalten bleibt. Bei einem werden. Es hat die Dichte 3,15 g/cm3 und schmilzt
Druck von 69,6 GPa geht das Nickelarsenid- bzw. siedet bei 1256  C bzw. 2260  C.
Gitter in das Cäsiumchlorids über. Die Wurtzit- Magnesiumfluorid ist über einen großen Wel-
und Nickelarsenid-Strukturen liegen energetisch lenlängenbereich (ca. 100–8000 nm) transparent.
dicht beisammen (Martins et al. 1997). Im sichtbaren Bereich des Spektrums bricht es
90 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

das Licht nur schwach (Brechungsindex: ohne hydrolytische Zersetzung. Die Löslichkeit
ca. 1,38) und zeigt zudem eine positive Doppel- in Wasser beträgt für das wasserfreie Salz
brechung. Daher verwendet man es in der opti- 542 g/L und für das Hexahydrat 2350 g/L (jeweils
schen Industrie unter anderem zum Entspiegeln bei 20  C). Der Schmelzpunkt des wasserfreien
von Brillengläsern. Da es auch bis weit in den Salzes liegt bei 708  C, der Siedepunkt bei
UV-Bereich hinein lichtdurchlässig ist, versie- 1412  C und die Dichte bei 2,32 g/cm3.
gelt man mit Magnesiumfluorid auch aluminium- Die Anwendungen sind zahlreich; nur einige
bedampfte Spiegel für UV-Licht. Optische Fenster von ihnen seien hier genannt. So setzt man es in
bestehen gelegentlich aus Einkristallen von Ma- sehr großen Mengen zur Produktion elementaren
gnesiumfluorid. Magnesiums mittels Schmelzflusselektrolyse
Jenseits dieser Einsatzgebiete findet es noch ein. Seine Mischung mit Magnesiumoxid ver-
Anwendung in Keramiken, als Katalysator bzw. wendet man unter dem Namen Sorel-Zement in
Träger für diese bei chemischen Synthesen und als Estrichen.
Verbesserer der Festigkeit von aus Aluminium- EU-weit ist Magnesiumchlorid ohne Mengen-
oxid gefertigten Gegenständen bzw. Körpern. beschränkung unter der Bezeichnung E 511 als
Magnesiumchlorid (MgCl2) kommt in riesigen Zusatzstoff für Lebensmittel, auch für diejenigen
Mengen in Meerwasser und einigen Salzseen vor. aus ökologischer Bewirtschaftung, zugelassen
Technisch gewinnt man es durch Eindampfen und dient als Säureregulator, Festigungsmittel,
der Endlaugen, die bei der Produktion von Ka- Geschmacksverstärker, Träger sowie Trennmittel.
liumchlorid anfallen und die das Hexahydrat Bei der Herstellung von Tofu ist es als Gerin-
(MgCl2  6H2O) enthalten. Das weitere Eindampfen nungsmittel und damit zur Erzielung einer hohen
liefert aber nur ein wasserärmeres Salz. Völlig was- Ausbeute sehr wichtig.
serfreies Magnesiumchlorid kann man nur auf tro- Gelegentlich ist es, neben Calciumchlorid,
ckenem Weg durch Überleiten von Chlorgas über ein Bestandteil von Streusalzmischungen, die bei sehr
Gemisch aus Magnesiumoxid und Kohle herstellen: niedrigen Temperaturen zum Einsatz kommen.
Sprühnebel konzentrierter Lösungen von Magne-
MgO þ Cl2 þ C ! MgCl2 þ CO siumchlorid binden Staub; daher verwendet man
es zur Bindung von Staub im Steinkohlebergbau.
Im kleinen Maßstab erhält man Magnesium- Magnesiumbromid (MgBr2) ist in geringer
chlorid, jedoch am Ende stets als hydratisiertes Menge im Abraum der Kalisalzgewinnung ent-
Salz, durch Auflösen von Magnesium bzw. Ma- halten, ebenso kommt es in Meerwasser in einer
gnesiumoxid in Salzsäure. Magnesiumchlorid Konzentration von immerhin ca. 70 g/m3) vor. Es
ist stark wasseranziehend und bildet sowohl was- wird entweder aus den Elementen Magnesium
serfrei als auch als Hexahydrat farblose Kristalle und Brom (in wasserfreiem Diethylether) oder
(s. Abb. 11), löst sich in Wasser aber noch, im aber durch Auflösen von Magnesiumhydroxid in
Gegensatz zu Aluminiumchlorid, weitgehend Bromwasserstoffsäure hergestellt.

Abb. 11 Magnesiumchlorid-Hexahydrat (Onyxmet 2019) Abb. 12 Magnesiumbromid-Hexahydrat (Onyxmet 2019)


5 Einzeldarstellungen 91

Das wasserfreie Salz ist ein farbloses (s. Abb. aber durch Reaktion von Magnesium mit Ammo-
12), hygroskopisches und sehr leicht wasserlösli- niak (Brauer 1975, S. 911) gebildet:
ches Pulver (1015 g/L bei 20  C) vom Schmelz-
punkt 711  C und einer Dichte von 3,72 g/cm3,
das man z. B. zur Erzeugung von Brom aus 3 Mg þ N2 ! Mg3 N2
bromidhaltigen Laugen verwenden kann: 3 Mg þ 2 NH3 ! Mg3 N2 þ 3 H2

MgBr2 þ Cl2 ! MgCl2 þ Br2 Magnesiumnitrid schmilzt bei ca. 800  C unter
Zersetzung und hat eine Dichte von 2,71 g/cm3;
Wasser hydrolysiert es zu Magnesiumhydroxid
Magnesiumiodid (MgI2) gewinnt man zweck- und Ammoniak.
mäßig durch Erhitzen einer Mischung der Ele- Magnesiumphosphid (Mg3P2) ist in Form grau-
mente Magnesium und Iod unter Ausschluss von grüner Presslinge knoblauchartigen Geruchs im
Luftsauerstoff (Brauer 1978, S. 906). Alternativ Handel. Der Feststoff schmilzt erst oberhalb von
funktioniert auch die Reaktion von Magnesium 750  C, hat die Dichte 2,16 g/cm3 und ist in Inert-
mit Quecksilber-II-iodid nach: gasatmosphäre durch Zusatz flüssigen weißen
Phosphors zu erhitztem Magnesium herstellbar
Mg þ HgI2 ! MgI2 þ Hg (Horn und Fluck 1979):

Das farb- und geruchlose, sehr gut wasserlös- 6 Mg þ P4 ! 2 Mg3 P2


liche (1480 g/L bei 18  C) wasserfreie Salz hat die
Dichte 4,43 g/cm3 und schmilzt bei 634  C unter
Zersetzung. Das Salz kristallisiert in der trigona- Die Verbindung reagiert sehr heftig mit Halo-
len Cadmiumiodid-Struktur. Es ist stark hygro- genen und wird durch Wasser lebhaft, durch Säu-
skopisch und auch luftempfindlich; man muss es ren stürmisch unter Bildung hochgiftigen Mono-
daher unter trockenem Schutzgas aufbewahren. phosphans (PH3) zersetzt. Schon bei Kontakt mit
Luftsauerstoff greift es in Gegenwart von Feuch- Luftfeuchtigkeit entwickelt Magnesiumphosphid
tigkeit unter Braunfärbung an, dabei bilden sich geringe Mengen an Monophosphan. Die Verbin-
Wasser, Iod und Magnesiumhydroxid. Bei Raum- dung kristallisiert in einer verzerrten kubisch-
temperatur kristallisiert aus wässriger Lösung das dichtesten Struktur, in der in der Kugelpackung
Oktahydrat, das oberhalb von 43  C zum Hexa- der Phosphidionen drei Viertel aller Tetraederlü-
hydrat entwässert. cken von Magnesiumionen besetzt sind (Von
Pnictogenverbindungen Magnesiumnitrid (Mg3N2) Stackelberg und Paulus 1933).
wird als hellgrauer bis brauner Feststoff Die leichte Hydrolysierbarkeit von Magne-
(s. Abb. 13a, b) beim Erhitzen von Magnesium siumphosphid ist der Grund für den Einsatz der
unter Stickstoff bei Temperaturen um 300  C oder Verbindung als Gift gegen Wühlmäuse, da das
bei Kontakt mit Feuchtigkeit entstehende Mo-
nophosphan die Tiere in ihrem Höhlensystem
tötet. Im Labor könnte man die Reaktion von
Magnesiumphosphid zur Darstellung reinen Mo-
nophosphans nutzen, aber die Hydrolyse erzeugt
auch Spuren des an der Luft selbstentzündlichen
Diphosphans, so dass meist das gesamte Gas
verbrennt, es sei denn, man arbeitet unter Schutz-
gasatmosphäre.
Sonstige Verbindungen Das graue Magnesium-
Abb. 13 a Magnesiumnitrid (Onyxmet 2019). b Magne-
siumnitrid (Stanford Advanced Materials 2019) carbid (Mg2C3) leitet sich vom Propin oder vom
92 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Propadien ab und wird entweder bei der Pyrolyse licid zur Herstellung von Silanen sowie zur Härtung
von Magnesiumacetylid (Holleman et al. 1995, von Magnesium- und Aluminium-Legierungen ein
S. 1121) (Ghali 2010, S. 139). Die erstmalige Reindarstel-
lung gelang Lebau und Bossuet (1908).
2 MgC2 ! Mg2 C3 þ C Mit Wasser und Säuren reagiert Magnesiumsi-
licid unter heftiger Hydrolyse zu an der Luft selbst-
oder beim Überleiten von Alkanen über auf entzündlichen Silanen, durch Laugen wird es dage-
700  C erhitztes Magnesium gebildet (Brauer gen nicht angegriffen. Oberhalb einer Temperatur
1978, S. 916). Im Kristallgitter der Verbindung von 450  C verbrennt es zu Magnesiumoxid und
liegen isolierte Allylenidionen [(C=C=C)4] vor. Silicium (Tani et al. 2011). Die Verbindung kristal-
Schon beim Kontakt mit Wasser entwickelt sich lisiert kubisch im Antifluorit-Gitter.
sofort Propin: Magnesiumdiborid (MgB2) hat die zur Zeit
höchste Sprungtemperatur (234  C, 39 K) unter
Mg2 C3 þ 4 H2 O ! 2 MgðOHÞ2 þ C3 H4 " den metallischen Supraleitern (Canfield und Budko
2005; Moos 2003). Die Herstellung der für
Das Schmelzen einer pulverförmigen Mi- Supraleiter benötigten Reinverbindung ist
schung stöchiometrischer Mengen von Magnesium anspruchsvoll. Eine Darstellung durch gemeinsa-
und Silicium ergibt Magnesiumsilicid (Mg2Si) mes Schmelzen der Elemente ist nicht möglich,
(Hutchings 2000, S. 181): denn Magnesium ist oberhalb einer Temperatur
von 1110  C schon gasförmig, Bor schmilzt aber
2 Mg þ Si ! Mg2 Si erst bei Temperaturen oberhalb von 2000  C.
Stattdessen erhitzt man eine Mischung von Bor
Ebenfalls möglich ist die Umsetzung von Sili- und Magnesium in einem Bornitrid-Tiegel auf
ciumdioxid mit Magnesium (Brauer 1978, S. 916): 850  C über 90 min und unter einem Argondruck
von 50 bar (Hinks et al. 2001). Der bei dieser
SiO2 þ 4 Mg ! Mg2 Si þ 2 MgO Temperatur schon auftretende Magnesiumdampf
diffundiert in das Bor, wo sich leicht auslösbare
Magnesiumsilicid bildet spröde, harte, schiefer- Magnesiumdiborid-Kügelchen bilden. In einem
blaue Kristalle (s. Abb. 14) der Dichte 1,94 g/cm3, ähnlichen Verfahren können dünne Drähte herge-
die bei 1085  C schmelzen. Diese Zintl-Phase ist ein stellt werden. In dünnen Schichten ist die Verbin-
n-Halbleiter mit kleiner Bandlücke (Noda et al. dung durch Reaktion von Magnesiumdampf mit
1992) und kann durch Dotieren mit Silber-, Gal- Diboran erhältlich, dem Wasserstoff beigemischt
lium- oder Zinnatomen in einen p-Halbleiter umge- wurde (Naica-Loebell 2001).
wandelt werden. Die wichtigste elektronische Das geruchlose, dunkelgraue bis schwarze Pul-
Anwendung der Verbindung ist in thermoelektri- ver (s. Abb. 15a, b) kristallisiert im Aluminium-
schen Generatoren (Hirayama 2019; Borisenko diborid-Typ in der Raumgruppe P6/mmm (191),
2000, S. 187). Außerdem setzt man Magnesiumsi- indem die Boratome ein grafitähnliches Gitter

Abb. 15 a Magnesiumdiborid (Onyxmet 2019). b Magne-


Abb. 14 Magnesiumsilicid (Dr. Ejtehadi 2006) siumdiborid (Stanford Advanced Materials 2019)
5 Einzeldarstellungen 93

Abb. 17 a Magnesiumcarbonat (Stanford Advanced


Materials 2019). b Magnesiumcarbonat (Onyxmet 2019)
Abb. 16 Magnesiumhydrid (Onyxmet 2019)

aus kantenverknüpften Sechsringen bilden und


die Atome des Magnesiums zentral ober- und
unterhalb der Ringzentren angeordnet sind
(Schmitt 2006).
Eine Synthese von Magnesiumhydrid (MgH2)
aus den Elementen wäre nur unter Anwendung
hoher Drücke und Temperaturen möglich, oder es
bedarf zwecks glatt ablaufender Reaktion aufwän-
dig herzustellender, teurer Gemische von Katalysa-
Abb. 18 Magnesiumsulfat-Heptahydrat (Onyxmet 2019)
toren (Brauer 1978, S. 902). Diese Verfahren sind
daher ökonomisch (und ökologisch) nachteilig. Die
ebenfalls nur unter hohem Druck ablaufende Re- stoff (E 504) ohne Höchstmengenbeschränkung
aktion von in Ether gelöstem Magnesiumiodid mit für alle Lebensmittel in der EU zugelassen. Es
Natriumhydrid ist etwas einfacher handzuhaben. dient als Säureregulator, Trennmittel oder Träger.
Die hohe kinetische Hemmung dieser Hydrierung Nimmt man aber große Mengen ein, so kann es
kann durch Katalysatoren gesenkt werden, zusätz- abführend wirken. In Kombination mit Kreide
lich autokatalysiert die Gegenwart geringer Spuren (Calciumcarbonat) ist es in Medikamenten gegen
von Magnesiumhydrid die Reaktion, deren weiterer Sodbrennen enthalten. Es ist ein guter Adsorber
Verlauf unter leichteren Bedingungen aufrechtzuer- und daher Wirkstoff in Entfeuchtern, Ölbindemit-
halten ist. teln (Forsgren et al. 2013), Füllstoffen von Pudern
Magnesiumhydrid ist ein graues Pulver und Papier sowie als Schweißadsorber beim Ge-
(s. Abb. 16) der Dichte 1,45 g/cm3, das sich ober- rätesport und in der Leichtathletik.
halb einer Temperatur von 280  C zersetzt. Alter- Magnesiumsulfat (MgSO4) ist in wasserfreiem
nativ möglich ist die Darstellung durch Erhitzen Zustand ein weißes Kristallisat vom Schmelz-
von Magnesiumdialkylen (Brauer 1978, S. 902). punkt 1124  C und der Dichte 2,66 g/cm3; das
Die Verbindung ist pyrophor und hydrolysiert mit Heptahydrat (s. Abb. 18) besitzt die Dichte 1,68 g/
Wasser heftig unter Bildung von Wasserstoff. cm3. Das Salz erhält man durch Auflösen von
Da das Molgewicht des Magnesiumhydrids nur Magnesium in Schwefelsäure. Es ist in Düngern
26 g/mol beträgt, enthält 1 kg des Produktes bis zu als Magnesiumquelle für Pflanzen enthalten; so
800 L in Form von Hydridionen gespeichertes Was- verhindert es ein Bräunen der Nadeln von Koni-
serstoffgas; besitzt also eine hohe Energiedichte. feren. Außerdem setzt man es als Trocknungs-
Magnesiumcarbonat (MgCO3) ist ein weißes und Abführmittel ein, jedoch muss bei letzterer
Pulver (s. Abb. 17a und b) der Dichte 2,96 g/cm3, Anwendung mit Auswirkungen auf die Nie-
das sich oberhalb einer Temperatur von 350  C renwirkung gerechnet werden. Generell ist es
zersetzt. Es ist sehr schwer löslich in Wasser Bestandteil wichtiger medizinischer Anwendun-
(0,1 g/L bei 20  C) und als Lebensmittelzusatz- gen. So gibt man bei der Therapie spezieller Herz-
94 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

rhythmusstörungen (Tachykardie) Magnesiumsulfat setzt Magnesiumnitrat als Dünger und in Latent-


intravenös, ebenso auch beim akuten Herzinfarkt wärmespeichern (in Form des Hexahydrats) ein.
(Ziegenfuß 2005). Organische Verbindungen Die technisch
Industriell stellt man Magnesiumhydrogenphos- wichtigen Organomagnesiumverbindungen sind
phat (MgHPO4  3 H2O) durch Zugabe wässriger die Grignardverbindungen (R-Mg-X), die man
Natriumphosphatlösung zu einer solchen von durch die Reaktion von Alkyl- oder Arylhaloge-
Magnesiumsulfat her. Es ist in Wasser schwer lös- niden mit Magnesiumspänen in absolutem Diet-
lich und kommt im menschlichen Körper (vor hylether gewinnt (Rieke 1977). Man setzt diese
allem in Knochen und Zähnen) sowie in grünem für sehr viele organische Synthesen ein, von
Gemüse, Obst und Getreide vor. Generell setzt denen unter Anderem die Einführung von Alkyl-
man in der Lebensmittelindustrie die diversen gruppen in organische Moleküle (Erzeugung von
Magnesiumphosphate als Futtermittelzusatz, Ab- Alkenen aus Alkinen oder von Alkanen aus Al-
führmittel und Lebensmittelzusatz ein. Letzteres kenen, I; Fujita et al. 1976), die Herstellung von
umfasst Säureregulatoren und/oder Trennmittel; Alkyl- oder Aryl-Elementverbindungen (II) oder
in der EU ist es mit Mengenbeschränkung bis zu die Erzeugung von Iminen aus Nitrilen (III)
5 (Milchprodukte) oder auch 30 g/kg (Kaffeewei- genannt sein sollen (Holleman et al. 2007):
ßer) unter der Bezeichnung E 343 zugelassen.
Daneben gibt es die rein anorganische An-
(I)
wendung als Bestandteil keramischer Erzeugnisse R0 CH ¼ CHR00 þ RMgX
oder als Flammschutzmittel. ! R-CHR0 -CHR00 -MgX
Magnesiumnitrat [Mg(NO3)2] erhält man in
wasserfreier Form durch Reaktion von Magnesi- R-CHR0 -CHR00 -MgX þ H2 O
umpulver mit in Essigsäureethylester gelöstem ! R-CHR0 -CHR00 -H þ MgXðOHÞ
Distickstofftetroxid (Brauer 1978, S. 912):
(II)
Mg þ 2 N2 O4 ! MgðNO3 Þ2 þ 2 NO ZnCl2 þ 2 RMgX ! ZnR2 þ 2 MgXCl

Kristallwasserhaltiges Magnesiumnitrat ent- (III)


R0 C  N þ RMgX ! R0 RC ¼ NMgX
steht auf einfache Art durch Neutralisation von
Magnesiumhydroxid mit Salpetersäure, oder
R0 RC ¼ NMgX þ H2 O !
aber durch Lösen von Magnesium in Salpeter-
säure. Der farb- und geruchlose Feststoff (s. Abb. R0 RC ¼ NH þ MgðOHÞX
19) ist gut löslich in Wasser ist. Das Hexahydrat
kristallisiert in monokliner Struktur und schmilzt
bereits bei 89  C im eigenen Kristallwasser. Man Magnesiumdialkyle oder -aryle erzeugt man
durch Umsetzung von Lithiumalkylen oder -ary-
len mit Grignardverbindungen (Elschenbroich
2008, I) oder durch Zugabe von 1,4-Dioxan zu
diesen (Saheki et al. 1987, II):

(I)
RMgX þ LiR0 ! RR0 Mg þ LiX

(II)
2RMgX þ OðCH2 Þ4 O ! R2 Mg
 
þ MgX2 OðCH2 Þ4 O #
Abb. 19 Magnesiumnitrat-Hexahydrat (Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 95

Anwendungen Magnesium in Band-, Draht- womöglich Folgeoperationen wie Implantatent-


und Pulverform verwendet man in Blitzlichtlam- nahmen überflüssig werden.
pen, früher auch von Fotoapparaten, in Brandsät- Magnesiumoxid bzw. -carbonat haben große
zen, Leuchtmunition und als Bestandteil von Bedeutung bei der Düngung von Äckern und Grün-
Zündsteinen für Feuerzeuge. Gelegentlich setzt flächen, um „Nachschub“ für die Bildung des Blatt-
man Stäbe aus Magnesium als Opferanoden ein, grüns (Chlorophylls) zu liefern und Übersäuerungen
die eine Oxidation des edleren Metalls verhin- des Bodens abzumildern (Fritsch 2007).
dern.
Vielfach dient Magnesium als Reduktionsmit- Medizin und Nahrungsergänzungsmittel
tel, so im Kroll-Prozess zur Herstellung von Titan Magnesium ist für fast alle Organismen ein es-
und anderen Nebengruppenmetallen, analog senzielles Element. Das Blattgrün der Pflanzen
in den jeweils angewandten Verfahren zur Pro- (Chlorophyll) hat einen Anteil an Magnesium
duktion metallischen Urans, Kupfers, Nickels, von ca. 2 %. Pflanzen und Säugetiere können
Chroms und Zirkoniums und beispielsweise auch gleichermaßen an Magnesiummangel erkran-
in granulierter Form als Schwefelfänger in Eisen ken.
und Stahl. Es ist zudem in großen Mengen in Der Körper eines Erwachsenen enthält ca. 20 g
aluminiumhaltigen Legierungen enthalten, die Magnesium. Im Blutserum ist es üblicherweise in
im Flugzeugbau verwendet werden, um nur einer Konzentration von 0,8–1,1 mmol/l enthal-
einige, aber nicht alle metallurgischen Anwen- ten. Magnesiumionen nehmen an vielen enzy-
dungen zu nennen. Wie bereits erwähnt, ist fein- matischen Reaktionen im Körper teil und sind
verteiltes Magnesium essenzieller Ausgangsstoff wesentlich für die Stabilisierung des Ruhepoten-
zur Herstellung von Grignardverbindungen. zials erregbarer Muskel- und Nervenzellen. Ein
Legierungen aus Magnesium und Aluminium Mangel an Magnesium bewirkt Nervosität, Reiz-
haben sich wegen ihrer geringen Dichte und den barkeit, Konzentrationsmangel, Müdigkeit sowie
jeweils relativ niedrig liegenden Schmelzpunkten Schwächegefühl und kann sich bis hin zum Auf-
beider Metalle (650  C bzw. 660  C) durchge- treten von Herzrhythmusstörungen und sogar
setzt. Ob im Bau von Autokarosserien, Moto- Herzinfarkt auswirken (Li et al. 2011). Jedoch löst
renblöcken oder Luftschiffkonstruktionen, ein auch ein Überschuss von Magnesiumionen im
Zusatz von Magnesium verringert stets das Ge- Blut Störungen des Nervensystems und Herzens
wicht (z. B. Mg-Al-, Mg-Mn-, Mg-Si-, Mg-Zn- aus.
Legierungen). Das Druckgussverfahren erlaubt Ist die Nahrung magnesiumarm, so kann man
die Produktion vieler großflächiger, aber dünner dies durch Gabe magnesiumhaltiger Tabletten
Bauteile, ohne dass aufwändige Nachbearbeitun- kompensieren. Schwere Erkrankungen, Leistungs-
gen notwendig wären, wie von Felgen, Profilen, sport oder Schwangerschaft können zu leichtem
Gehäusen, Türen, Motorhauben, Kofferraumhau- Mangel an Magnesium führen. Schwere Symp-
ben und anderen. In jüngerer Zeit prüfte man mit tome zeigen sich oft bei chronischem Durchfall,
dem Ziel weiterer Gewichtsersparnis auch Nierenfunktionsstörungen, Allergien gegenüber
Magnesium-Lithium-Legierungen, aber diese Ar- Cortison oder bei starkem Alkoholkonsum verbun-
beiten sind noch nicht abgeschlossen. den mit Fehlernährung (Swaminathan 2003).
Für medizinische Zwecke können magnesi- Magnesiumcitrat, -gluconat und ähnliche Ver-
umhaltige Legierungen ebenfalls sehr interessant bindungen besitzen in Deutschland Zulassungen
sein, wie neuere Forschungsergebnisse zeigen. als Arzneimittel gegen Muskelkrämpfe, Migräne
Dies betrifft Implantate, die vom menschlichen und Komplikationen bei Schwangerschaft. Der Re-
Körper resorbiert werden können, jedoch wäh- sorbierungsgrad des Magnesiums fällt meist mit
rend ihrer medizinisch notwendigen Verweilzeit steigender Dosierung (Fine et al. 1991); die oben
im Körper nicht so stark korrodieren dürfen, dass genannten Magnesiumsalze organischer Säuren
das Ziel ihres Einsatzes gefährdet ist. So könnten werden schneller resorbiert. Der Bedarf des
96 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Körpers an Magnesium passt sich während der


Dauer der Einnahme an, da auch die das technology Pvt. Ltd., AU 2017307312,
Magnesium bindende Muskelmasse wächst (Golf veröffentlicht 14. März 2019)
2009). S. Golob und D. Jungert, Component for a
motor vehicle and method for producing
a coated component from a magnesium
material (Porsche AG, KR 20190017692
Patente A, veröffentlicht 20. Februar 2019)
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world B. Bes und J.-C. Ehrstrom, Thin sheets
wide.espacenet.com) made of an aluminium-magnesium-
scandium alloy for aerospace applicati-
S. Pethe und S. Parab, Hard gold alloy with ons (Constellium Issoire, CA 3037115
zirconium, titanium and magnesium A1, veröffentlicht 26. April 2018)
for jewelry manufacture (privat, SG
11201901205X A, veröffentlicht 28.
März 2019)
G. Severa und C. Jensen, Activated 5.3 Calcium
magnesium boride materials for hydro-
gen storage (University of Hawaii, WO Geschichte Der Name „Calcium“ stammt vom
2019060784 A1, veröffentlicht 28. März lateinischen Wort „calx“, das Kalk, Kalkstein,
2019) Kreide und aus Kalk hergestellten Mörtel bezeich-
T. Matsumura und P. Chen, Magnesium- net. Erstmals stellte Davy 1808 elementares Cal-
lithium alloy and surface-treatment cium her, indem er Quecksilber aus elektrolytisch
method thereof (Millon Chemicals Co., erzeugtem Calciumamalgam verdampfte.
Ltd., WO 2019059255 A1, veröffent-
licht 28. März 2019) Vorkommen In der Natur kommt Calcium nur in
F. Mizuno und R. Mohtadi, Magnesium chemisch gebundener Form vor. Calciumhaltige
battery and method of making the same Minerale wie Calcit und Gips gibt es in großen
(Toyota Engineering and Manufacturing Mengen, so bestehen ganze Gebirgsketten aus
North America; Toyota Motor Co., Ltd., Kalkstein wie die Alpen, die Pyrenäen oder die
US 2019097260 A1, veröffentlicht 28. Anden.
März 2019) Die meisten Calciumverbindungen sind leicht
J. Zou und W. Ding, Magnesium hydride löslich in Wasser, mit Ausnahme von Cal-
preparation apparatus and magnesium ciumcarbonat und Calciumsulfat (CaCO3 bzw.
hydride preparation method (Shanghai CaSO4  2 H2O). In natürlichen Wässern liegen
Manufacturing Power Technology Co., meist Ca2+- neben HCO3−-(Hydrogencarbonat-)
Ltd., WO 2019052120 A1, veröffent- Ionen vor, im stärker alkalischen Milieu fällt dann
licht 21. März 2019) Calciumcarbonat aus. Calcium- und Magnesi-
C. M. Sung und J. Kim, High thermal con- umionen sind neben Hydrogencarbonat und Sul-
ductive magnesium alloy and heat sink fat der Hauptbestandteil der Wasserhärte, wobei in
using the same (LG Electronics Ltd., US der Nähe kalkhaltiger Gebirge naturgemäß die
2019085433 A1, veröffentlicht 21. März höchsten Wasserhärten auftreten. So weist Spa-
2019) nien, das viele kalksteinhaltige Gebirgszüge be-
G. Abayaweera und G. Amaratunga, A sitzt, neben Norditalien weltweit die höchsten
method for producing titanium from tita- Wasserhärten auf. In Mitteleuropa sind die Was-
nium oxides through magnesium vapour serhärten eher durchschnittlich hoch, ebenso im
reduction (Sri Lanka Institute of Nano- Süden Skandinaviens. Norwegen und Schweden
ab dem 60. nördlichen Breitengrad haben wiede-
5 Einzeldarstellungen 97

rum sehr weiche Wässer, weil das norwegisch- Verbindungen


schwedische Grenzgebirge sehr alt ist und seinen Chalkogenverbindungen Calciumoxid (CaO, ge-
Kalkanteil durch Erosion schon nahezu vollstän- brannter Kalk) ist ein weißes (s. Abb. 20),
dig verloren hat. Dies führte auch dazu, dass der in hochschmelzendes (2570  C) und stark ätzend
den 1980er-Jahren auf diese Region gefallene wirkendes Pulver, das mit Wasser unter Freiset-
saure Regen einen verheerenden Einfluss auf die zung großer Wärmemengen zu Calciumhydroxid
Wälder zeigte, da im Boden und in den Wässern [Ca(OH)2, gelöschter Kalk] reagiert. Großtech-
nur noch wenig Hydrogencarbonatpuffer vorhan- nisch stellt man Calciumoxid durch Brennen von
den war, der die Säure zumindest teilweise hätte Kalk (Calciumcarbonat) her. Ab einer Temperatur
binden können. von etwa 800  C entsteht Calciumoxid, da der
Die Wässer im Nordosten Nordamerikas sind Kalk Kohlendioxid abgibt:
relativ weich, wobei die kanadische Provinz Qué-
bec stellenweise sogar Wasserhärten nahe Null CaCO3 ! CaO þ CO2
aufweist. Dagegen sind wesentlich höhere Kon-
zentrationen an Calciumcarbonat im Bereich der Je nach Brenndauer und -temperatur hat der
Rocky Mountains zu finden. auf diese Weise produzierte gebrannte Kalk unter-
Australien und Japan haben sehr weiche Wäs- schiedliche Eigenschaften, die auf jeweils ver-
ser, andere asiatische Länder sowie Sibirien eher schiedenen Kristallit- und Porengrößen sowie
mittelhartes, da die meisten Flüsse bzw. Entwäs- spezifischen Oberflächen beruhen. Wird bei Tem-
serungssysteme ihren Ursprung im Himalaya peraturen bis 1000  C gebrannt, so bildet sich
haben, der als junges Gebirge auch aus einem weichgebrannter Kalk, der sich mit Wasser zügig
riesigen Kalksteinstock besteht. zu Calciumhydroxid (gelöschtem Kalk) umsetzt.
Auch Calcium ist ein essenzielles Element und Hartgebrannter, durch Brennen bei >1400  C
ist Bestandteil von Knochen, Zähnen, Muscheln erzeugter Kalk reagiert erst nach mehreren Minu-
und auch Blättern. Es ist wichtig für die Reizüber- ten mit Wasser.
tragung in Nervenzellen. Calciumoxid ist selbstverständlich auch durch
Erhitzen von Calciumhydroxid oder durch
Gewinnung Das Metall wird unter Vakuum Verbrennen metallischen Calciums an der
durch Erhitzen gebrannten Kalks (Calciumoxid) Luft zugänglich. Auf letzterem Weg gewonnenes
mit Aluminiumpulver auf 1200  C hergestellt. Die Calciumoxid ist aber durch kleine Anteile an
Reaktion wird durch das Verdampfen des Cal- Calciumnitrid verunreinigt und wird technisch
ciums während der Reaktion begünstigt, da es so nicht auf diese Weise hergestellt, da Calciumme-
aus dem Gleichgewicht der Reaktion entfernt tall teuer ist.
wird. Durch anschließende Destillation kann das Gebrannten und dann gelöschten Kalk setzt
Calcium gereinigt werden. man in der Bauindustrie in riesigen Mengen als
Bestandteil von Mörteln und Putzen ein, ebenso
Eigenschaften Calcium ist ein sehr unedles in Zementklinkern. Calciumoxid ist ein sehr
Metall (s. Tab. 3) und läuft auch an trockener Luft gutes Trocknungsmittel und absorbiert stark
schnell an. Werden Calciumgranalien an der Luft Kohlendioxid. Bei der Gewinnung flüssigen
erhitzt, können sie sich spontan entzünden. Mit Roheisens, das mit Eisensulfid (FeS) verunrei-
Wasser reagiert Calcium zügig unter Bildung von nigt ist, wird jenes durch das in die Schmelze
Calciumhydroxid und Wasserstoff. Es ist sehr eingebrachte Calciumoxid unschädlich gemacht,
weich, lässt sich aber mit dem Messer nicht schnei- indem Calciumsulfid erzeugt wird. Jenes
den. In seinen Verbindungen tritt es praktisch aus- schwimmt auf der Oberfläche der Schmelze und
schließlich mit der Oxidationszahl +2 auf; 2009 kann abgeschöpft werden.
konnten aber die ersten Komplexverbindungen Gelöschter Kalk [Calciumhydroxid, Ca(OH)2]
dargestellt werden, die Calcium in der Oxidations- (s. Abb. 21) ist in Rauchgaswäschern von Kohle-
zahl +1 enthalten (Ca+; Krieck et al. 2009). und Abfallkraftwerken oft unverzichtbar zum
98 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Calcium


Symbol: Ca
Ordnungszahl: 20
CAS-Nr.: 7440-70-2

Aussehen: Silbrig-weiß Calcium, Stück (Metallium, Calcium,


glänzend Inc. 2015) Granalien
(Sicius 2015)
Entdecker, Jahr Davy (Vereinigtes Königreich), 1808
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
40
20Ca (96,941) Stabil ———
42
20Ca (0,647) Stabil ———
43
20Ca (0,135) Stabil ———
44
20Ca (2,086) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 33.900
Atommasse (u): 40,078
Elektronegativität 1,00 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Ca2+ + 2 e ➔ Ca (V) 2,84
Atomradius (pm): 180
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 231
Kovalenter Radius (pm): 176
Ionenradius (Ca2+, pm): 99
Elektronenkonfiguration: [Ar] 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 590 ♦ 1145
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,9  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 2,94  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 20 ♦ 17 ♦ 7,4
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 17 ♦ 167
Mohs-Härte 1,75
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 3810
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 1,55
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 26,20  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 200
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 25,929
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 842 ♦ 1115
Schmelzwärme (kJ/mol): 8,54
Siedepunkt ( C ♦ K): 1487 ♦ 1760
Verdampfungswärme (kJ/mol): 153

Auswaschen des beim Verbrennungsvorgang ge- Gips (Calciumsulfat) wird in der Bauindustrie zur
bildeten Schwefeldioxids (SO2). Der durch Re- Produktion von Gips- und Gipskartonplatten wei-
aktion von Calcium(hydr)oxid mit SO2 gebildete ter verwendet.
5 Einzeldarstellungen 99

CaSO4 þ 2 C ! CaS þ 2 CO2 "

Bei den in diesem Prozess herrschenden Tem-


peraturen verbrennt Calciumsulfid leicht weiter
zu Calciumoxid und Schwefel-IV-oxid. Auch
gegenüber Wasser ist es empfindlich und hydro-
lysiert zügig zu Calciumhydroxid und Schwefel-
wasserstoff. Im Handel ist es in Form eines gelb-
grauen Pulvers (s. Abb. 22).
Abb. 20 Calciumoxid (Onyxmet 2019) Wenn man Kalkmilch, eine wässrige Auf-
schlämmung von Calciumhydroxid, mit Schwefel
kocht, so entsteht eine als Insektizid und Fungizid
verwendete Lösung von Calciumpolysulfid, die
unter dem Namen „Schwefelkalkbrühe“ bekannt
ist (Holleman et al. 2007, S. 1244).
Calciumselenid (CaSe) stellt man durch Ein-
leiten von Selenwasserstoff in eine Lösung von
Calcium in flüssigem Ammoniak her (Kohle und
Petzel 1977):

Ca þ H2 Se ! CaSe þ H2 "
Abb. 21 Calciumhydroxid (Onyxmet 2019)
Erhitzen eines Gemisches von Calcium- und
Indiumselenid liefert das als Halbleiter verwen-
dete Material Calciumindiumselenid (CaIn2Se4)
(Yagubov et al. 1988).
Halogenverbindungen Calciumfluorid (CaF2)
bildet farblose (s. Abb. 23a bis c), in verdünnten
Säuren und in Wasser schwerlösliche Kristalle der
Dichte 3,18 g/cm3, die bei 1423  C schmelzen
(Kojima et al. 1968). Der Siedepunkt der Verbin-
dung beträgt 2533  C. In der Natur kommt Cal-
ciumfluorid als Fluorit bzw. Flussspat vor, der
meist durch Verunreinigungen gefärbt ist. Es kris-
tallisiert in dem nach ihm benannten kubischen
Abb. 22 Calciumsulfid (Onyxmet 2019)
Fluoritgitter. Es lässt Infrarot- und Ultraviolett-
licht zu großen Teilen durch. Nur durch Einwir-
Weitere Anwendungen sind unter anderem kung starker Säuren wird es unter Bildung von
Kalkputze und -farben, Düngekalk sowie die Syn- Fluorwasserstoff und Calciumsulfat angegriffen,
thesen von Calciumcarbid (Erhitzen von Cal- schwache Säuren und alle Laugen bleiben weit-
ciumoxid mit Kohle) sowie Chlorkalk (Umset- gehend wirkungslos.
zung von Calciumhydroxid mit Chlor). Calciumfluorid in Form von Flussspat wird
Calciumsulfid (CaS) kristallisiert kubisch in in Mengen von mehreren Mio. t pro Jahr abge-
der Natriumchlorid-Struktur. In der Natur kommt baut. Das etwa zur Hälfte aus CaF2 bestehende
Calciumsulfid in Form des seltenen Minerals Mineral wird zur Abtrennung der Begleitstoffe,
Oldhamit vor. Die Verbindung stellt man durch die meist aus Bleiglanz (PbS), Quarz (SiO2)
Reduktion von Calciumsulfat mit Kohle her: oder Bariumsulfat (BaSO4) bestehen, zerklei-
100 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Abb. 23 a Calciumfluorid-Kristalle (Stanford Advanced Materials 2019). b Calciumfluorid (Onyxmet 2019).


c Calciumfluorid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2019)

droxid (gelöschtem Kalk). Ersteres fällt beim


Solvay-Verfahren zur Herstellung von Soda an:

2 NH4 Cl þ CaðOHÞ2 ! 2 NH3 þ CaCl2


þ 2 H2 O

Calciumchlorid löst sich in Wasser unter Freiset-


zung großer Wärmemengen; der Lösungsvorgang
Abb. 24 Calciumchlorid wasserfrei (Onyxmet 2019) ist also stark exotherm. Man verwendet es als Trock-
nungsmittel im Labor und in der Großtechnik als
nert und durch Flotation bis zu einem Gehalt solches für Gase und Flüssigkeiten, des Weiteren als
von 98 % aufkonzentriert. Es ist der wichtigste Frostschutzmittel, Abbindebeschleuniger für Spritz-
Rohstoff zur Herstellung elementaren Fluors beton sowie in Form einer wässrigen Lösung als
und wird außerdem zum Schleifen von Linsen Staubbinder bei Bauarbeiten. In Nordamerika wird
und optischen Gläsern verwendet, ebenso als es in Streusalzmischungen zum Erzielen tiefer
Flussmittel und Schlackebildner bei metallurgi- Schmelztemperaturen von Schnee und Eis verwen-
schen Prozessen. det; entsprechend stellt man Kältemischungen auf
Calciumchlorid (CaCl2) kommt in Salzsolen Basis des hydratisierten Salzes her.
vor, schmilzt in wasserfreiem Zustand bei ei- EU-weit ist es als Lebensmittelzusatzstoff
ner Temperatur von 772  C (Siedepunkt der (E 509) zugelassen und wird dort zur Gerinnung
Schmelze: 1670  C) und besitzt eine Dichte von von Eiweiß oder auch bei der Produktion von
2,15 g/cm3. Das wasserfreie, farblose (s. Abb. 24) Käse und Tofu verwendet. In der Molekularbio-
Salz ist hygroskopisch und löst sich gut in Was- logie steigern Gaben von Calciumchlorid die
ser (740 g/L bei 20  C). Im kleineren Maßstab Aufnahmefähigkeit von Zellen für DNS, da Ca2+
stellt man es durch Umsetzung von Calciumcar- -Ionen die Durchlässigkeit der Zellmembranen
bonat (Kalk) mit Salzsäure her, wobei das nach erhöhen.
Eindampfen der wässrigen Lösung erhaltene Calciumbromid (CaBr2) ist ein weißer, sich an
hydratisierte Salz durch Erhitzen auf Temperatu- der Luft aufgrund der Bildung geringer Brommen-
ren von 250  C hydrolysefrei entwässert werden gen langsam gelb färbender Feststoff der Dichte
kann: 3,35 g/cm3, der bei 730  C schmilzt (Holleman
et al. 2007, S. 1241). Man stellt es durch Auflösen
CaCO3 þ 2 HCl ! CaCl2 þ CO2 " þH2 O von Calciumoxid oder -carbonat in Bromwasser-
stoffsäure (I) oder aus Calciumcarbonat und Brom
Technisch gewinnt man Calciumchlorid durch in Gegenwart eines Reduktionsmittels (hier: Amei-
Reaktion von Ammoniumchlorid mit Calciumhy- sensäure, II) her (Dagani et al. 2005):
5 Einzeldarstellungen 101

(I) Technisch setzt man das wasserfreie Salz als Szin-


CaO þ 2HBr ! CaBr2 þ H2 O
tillationskristall und in Halogenlampen ein (Sitz-
mann 2006).
(II)
CaCO3 þ Br2 þ HCðOÞOH Pnictogenverbindungen Calciumnitrid (Ca3N2)
! CaBr2 þ H2 O þ 2 CO2 ist durch Reaktion von Calcium mit Stickstoff zu-
gänglich (Brauer 1978, S. 929; I), oder auch durch
thermischen Abbau von Calciumamid (Ropp 2012,
Calciumbromid ist in Wasser und Methanol gut, S. 205; II):
in Ether und Chloroform nur wenig löslich. Seine
hohe Dichte macht es geeignet für Spüllösungen von (I)
Förderanlagen für Erdöl und Erdgas. Es ist zudem 3 Ca þ 2 N2 ! 2 Ca3 N2
Bestandteil von Beschichtungen für Fotoplatten, Arz-
nei- und Flammschutzmitteln (Dagani et al. 2005).
(II)
Calciumiodid (CaI2) ist ein weißer bis hellgelber 3 CaðNH2 Þ2 ! Ca3 N2 þ 4 NH3
(s. Abb. 25) Feststoff vom Schmelzpunkt 740  C
(wasserfreie Form) und der Dichte 3,96 g/cm3. Das
bereits bei 42  C schmelzende Hydrat lässt sich
schon nicht mehr ohne teilweise Hydrolyse entwäs-
Calciumnitrid liegt je nach Darstellungstem-
sern. Das wasserfreie Salz ist durch Reaktion von
peratur schwarz bis goldgelb oder in Mischfar-
Iod mit Calciumhydroxid (I) über das später zu
ben vor (s. Abb. 26a, b). Das rötlich braune
reduzierende Iodat bzw. auch durch Reaktion von
α-Calciumnitrid schmilzt unter Luftausschluss
Calciumoxalat mit Jod (II) zugänglich (Blümer-
bei 1195  C, hat die Dichte 2,65 g/cm3 und kris-
Schwinum et al. 1995):
tallisiert im C-Sesquioxid-Typ bzw. in der Anti-
Bixbyit-Struktur. Oberhalb einer Temperatur von
(I)
6 CaCO3 þ 6 I2 ! 5 CaI2 þ CaðIO3 Þ2 700  C erfolgt der Übergang zum β-Calciumni-
þ 6 CO2 trid. Bei Kontakt mit Wasser oder Feuchtigkeit
erleidet das Produkt Hydrolyse zu Ammoniak
(II) und Calciumhydroxid.
CaðCOOÞ2 þ I2 ! CaI2 þ 2 CO2 Calciumphosphid (Ca3P2) ist eine braunrote,
amorphe Masse der Dichte 2,51 g/cm3, die bei
1600  C schmilzt (Dobrokhotova et al. 1992). Es
Hydratisiertes Calciumiodid nimmt bei Kon- wird durch Überleiten dampfförmigen weißen
takt mit Luft Kohlendioxid auf und gibt Iod ab, Phosphors über erhitztes Calciumoxid dargestellt,
weshalb es dann eine gelbliche Farbe annimmt. entsteht aber auch beim Schmelzen weißen Phos-
phors mit Calcium im Vakuum:

Abb. 25 Calciumiodid-Hydrat (Onyxmet 2019) Abb. 26 a Calciumnitrid (Onyxmet 2019). b Calcium-


nitrid (Stanford Advanced Materials 2019)
102 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

6 Ca þ P4 ! 2 Ca3 P2

Weitere Möglichkeiten der Herstellung sind


die Reduktion von Calciumphosphat mit Kohlen-
stoff zu Calciumphosphid bei hohen Temperatu-
ren (I) oder die Verwendung von Aluminiumpul-
ver bei prinzipiell derselben Reaktion (II, Brauer
1978, S. 931):

Abb. 27 Calciumcarbid (Onyxmet 2019)


(I)
Ca3 ðPO4 Þ2 þ 8 C ! Ca3 P2 þ 8 CO

(II) Stoff (Brauer 1978, S. 932), der bei einer Tempe-


3Ca3 ðPO4 Þ2 þ 16 Al ! 3 Ca3 P2 þ 8 Al2 O3 ratur von 2160  C schmilzt. Das im Handel
befindliche Produkt ist aber meist durch beige-
mengte Kohle grauschwarz gefärbt, außerdem
enthält es geringe Anteile an Calciumoxid, -phos-
Calciumphosphid zersetzt sich schon in feuch- phid und -sulfid sowie Siliciumverbindungen.
ter Luft langsam, schnell mit Wasser zu Calcium- Man gewinnt es technisch im Lichtbogenofen
hydroxid und hochgiftigem, knoblauchartig stin- bei hoher Temperatur aus Calciumoxid und
kenden Monophosphan (PH3). Auch verdünnte Kohle; dieses Verfahren erfordert einen sehr gro-
Säuren greifen die Verbindung schnell an, nicht ßen, mit entsprechenden Kosten verbundenen
aber konzentrierte. Mit starken Oxidationsmitteln Strombedarf:
wie Kaliumpermanganat erfolgt eine explosions-
artige Reaktion. Wasserfreie organische Kohlen- CaO þ 3 C ! CaC2 þ CO
wasserstoffe oder Ether reagieren nicht mit Cal-
ciumphosphid, wohl aber Alkohole. Man setzt Der Prozess des zur Gewinnung von Ethin (Ace-
Calciumphosphid zur Bekämpfung von Schädlin- tylen) wichtigen Calciumcarbids könnte demnächst
gen in Getreidesilos und in Schiffen ein; hierzu aus ökologischer Sicht günstiger werden, da dieses
benutzt man das Produkt in Form von Presslingen den Ersatz der Kohle durch Kunststoffabfälle vor-
(beispielsweise unter dem Handelsnamen Polyta- sieht. Andere Herstellverfahren, wie das aus den
nol ®). Die Restfeuchte des Getreides genügt zur Elementen Calcium und Kohle, sind zwar technisch
Hydrolyse des Calciumphosphids, es bildet sich möglich, aber unrentabel (Alz-Chem 2011).
Monophosphan, das Schädlinge zügig abtötet. Bei Kontakt mit Wasser zersetzt es sich schnell
In der Marine nutzt man die Zersetzung des zu Ethin und Calciumhydroxid (Hauptmann
Calciumphosphids in Säuren zum Betrieb von 1985):
Leuchtfeuern, weil bei dieser Reaktion neben Mo-
nophosphan auch immer geringe Mengen des an CaC2 þ 2 H2 O ! C2 H2 " þCaðOHÞ2
der Luft selbstentzündlichen Diphosphans gebil-
det werden. Zu beachten ist beim Einsatz des Im Calciumcarbid vorhandene Verunreinigun-
Produktes unbedingt, dass das bei seiner Zerset- gen von Calciumphosphid bedingen die gleichzei-
zung entstehende Monophosphan schon in gerin- tige Bildung des giftigen, knoblauchartig riechen-
ger Konzentration auch auf den Menschen tödlich den Monophosphans (PH3). In den früher im
wirken kann. Bergbau und an Fahrrädern gebräuchlichen Kar-
Sonstige Verbindungen Calciumcarbid (CaC2) bidlampen wurde Calciumcarbid in Wasser einge-
ist ein in reinem Zustand farbloser, sonst tragen, mit dem es sich zu Ethin umsetzte. Jenes
hellgrauer bis -gelber (s. Abb. 27) kristalliner wurde angezündet und brannte mit heller Flamme.
5 Einzeldarstellungen 103

Heute noch bestimmt man mit Hilfe der unter 2016) enthält. Zwischen diesen Schichten liegen
Entwicklung von Ethin ablaufenden Hydrolyse die Calciumionen. Es existieren daneben weitere
von Calciumcarbid die Restfeuchte von Böden. Modifikationen der Verbindung, auch solche bei
Man füllt die Probe zusammen mit einer mit hohen Drücken und Temperaturen (Böhm und
Calciumcarbid gefüllten Glasampulle sowie vier Hassel 1927; Janzon et al. 1968; Castillo et al.
Stahlkugeln in eine genormte Stahlflasche und ver- 2016; Fahy und Hamann 1990; Tonkov 1998,
schließt diese mit einem Manometerkopf. Die Fla- S. 100; Bordet et al. 2000).
sche wird geschüttelt, wodurch die Probe zerklei- Polysilane kann man aus Calciumdisilicid
nert wird und die Glasampulle zerbricht. Der durch durch Umsetzung mit in Ethanol gelöstem Chlor-
die Reaktion des so freigesetzten Calciumcarbids wasserstoff erzeugen (Zuckerman und Hagen
mit der Feuchtigkeit entstehende Gasdruck wird 2009, S. 77). Calciumsilicid setzt man in gerin-
am Manometerkopf abgelesen und in den Feuch- gem Umfang zur Herstellung von Pharmazeutika
tegehalt umgerechnet (Carbid-Methode). ein, von der Menge her meist aber zur Des-
Calciumsilicide stellt man durch Schmelzen oxidation und Entschwefelung von Gusseisen
von Calciumcarbid (CaC2) mit Silicium-IV-oxid und Edelstahl.
(SiO2), aus den Elementen bei Temperaturen von Calciumhexaborid (CaB6) ist ein dunkelgraues
>1000  C oder durch Umsetzung von Kohle mit Pulver (s. Abb. 28a, b) der Dichte 2,45 g/cm3, das
Calciumoxid oder -carbid und Sand im Elektro- bei 2235  C schmilzt (Matkovich 1977). Seine
ofen her (Macintyre 1992, S. 2780; Auner et al. Eigenschaften im Festkörper wurden untersucht
2014; S. 59). Calciumsilicide besitzen eine gute (Etourneau und Hagenmueller 1985), von denen
elektrische Leitfähigkeit, die aber stark von der der Ferromagnetismus der wichtigste ist. Dieser
jeweiligen Phase abhängt; so ist Dicalciumsilicid ist nur schwach, tritt aber bei relativ hoher Tem-
(Ca2Si) ein Halbleiter. Beim Übergießen der Cal- peratur (ca. 325  C) auf und beruht entweder auf
ciumsilicide mit verdünnter Salzsäure tritt unter einem mit einem Exziton (Loch-Elektron-Paar)
heftiger Reaktion die Bildung selbstentzündlicher verbundenen verdünnten Elektronengas oder aber
Silane ein. Man verwendet die Verbindungen nur auf Verunreinigungen auf der Oberfläche der
unter Anderem als Desoxidationsmittel für Stähle. Probe (Young et al. 1999). Die Verbindung ist
Calciumdisilicid (CaSi2) stellt man in sehr rei- unlöslich in Wasser sowie niederen Alkanolen
ner Form durch Reaktion von Calcium oder Cal- und wird durch Säuren langsam aufgelöst. Ihr
ciumhydrid mit Siliciumpulver unter Wasserstoff- Elastizitätsmoudul (Young) ist mit 379 GPa sehr
gas bei ca. 1000  C her: hoch, und reine Kristalle haben einen elektrischen
Widerstand von >2  1010 Ωm (Xu et al. 2004).
CaH2 þ 2 Si ! CaSi2 þ H2 Calciumborid ist ein Halbleiter mit einer geschätz-
ten Bandlücke von 1,0 eV (Souma 2003). Die
Alternativ geht auch die Reduktion von Sili-
cium-IV-oxid (Sand) mit Koks in Anwesenheit
von Calciumcarbid:

2 SiO2 þ 2 C þ CaC2 ! CaSi2 þ 4 CO

Der graue Feststoff der Dichte 2,47 g/cm3


schmilzt bei einer Temperatur von 1040  C und
kristallisiert in der thermodynamisch stabilsten
Form trigonal/rhomboedrisch in der Raumgruppe
R3m (166) mit einer Struktur, die Schichten
Abb. 28 a Calciumhexaborid, Mikrokörnung (Stanford
gewellter Sechsringe von Siliciumatomen (Sili- Advanced Materials 2019). b Calciumhexaborid (Onyx-
cen-Struktur, s. auch Spencer und Morishita met 2019)
104 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Gitterstruktur ist kubisch mit Calciumionen in den Man verwendet die Verbindung als Desoxidie-
Zentren der Elementarzellen und B6-Oktaedern an rungsmittel bei der Produktion sauerstofffreien
deren Ecken, die über B-B-Bindungen miteinander Kupfers und bei der Herstellung borlegierter
verknüpft sind; somit hat jedes Calciumion 24 Bo- Stähle. Außerdem kann man Calciumhexaborid
ratome als nächste Nachbarn (Yahia et al. 1990). als hochfeuerfestes Material in Keramiken und
Acht Calciumionen liegen demzufolge in kubisch Werkzeugen einsetzen. Die Verbindung ist elek-
primitiver, dem Cäsiumchlorid ähnelnder Struktur trisch gut leitfähig und kann auch als Kathode in
vor (Wells 1984, S. 1055; Zhongijie et al. 2004). heißen Schmelzen genutzt werden (Li und Meng
Die Herstellung kann auf verschiedenen We- 2006). Calciumborid dient zudem als Sauerstoff-
gen erfolgen. Im technischen Maßstab produziert fänger in Hochleistungskeramiken.
man Calciumborid aus Calciumoxid, Boroxid und Calciumhydrid (CaH2) erzeugt man durch
Magnesium (I), man kann aber auch Calcium und Überleiten von Wasserstoff über Calcium bei etwa
Bor im Vakuum bei 1000  C zusammenschmel- 400  C. Bis zu Temperaturen um 780  C ist eine
zen (II) oder Bor mit Kalk bei 1700  C unter orthorhombische Struktur des Kristallgitters am
Vakuum reagieren lassen (III, Otani 1998) stabilsten; bei ca. 600  C beginnt aber schon die
Zersetzung der Verbindung (Barin 1997, S. 296).
(I) Mit Wasser und Säuren tritt heftige Hydrolyse des
CaO þ 3 B2 O3 þ 10 Mg
farblosen (s. Abb. 29), kristallinen Calciumhy-
! CaB6 þ 10 MgO
drids unter Bildung von Wasserstoff ein.
Man kann aus 1 kg Calciumhydrid theoretisch
(II)
Ca þ 6 B ! CaB6 rund 1,066 m3 Wasserstoff erzeugen. Daneben
wird Calciumhydrid im so genannten Hydrimet-
(III) Verfahren eingesetzt, um Metalloxide wie Vana-
3 CaO þ 20 B ! 3 CaB6 þ B2 O3 dium-V-oxid, Zirconium-IV-oxid, Titan-IV-oxid
oder Natriumperoxid) zum Metall zu reduzieren.
Mit Verarbeitungstemperaturen zwischen 600 und
Weiter funktioniert auch die Reaktion von 1000  C geschieht dies unter schonenden Bedin-
Calciumcarbonat mit Borcarbid im Vakuum bei gungen. Der bei der Reaktion entstehende Was-
Temperaturen um 1400  C und ebenfalls die serstoff schützt das produzierte Metall. Außerdem
Reduktion eines Gemisches von Borsäure und nutzt man Calciumhydrid als Sikkativ und zur
Calciumoxid mit Magnesium bei 1100  C. Dage- Messung des Wassergehaltes technischer Pro-
gen ergibt die bei verhältnismäßig niedriger Tem- dukte über die volumetrische Bestimmung des
peratur durchgeführte Synthese aus Calciumchlo- bei der Hydrolyse gebildeten Wasserstoffs.
rid und Natriumborhydrid nur ein sehr unreines Calciumcarbonat (CaCO3) ist in der Natur
Produkt (Shi et al. 2003): sehr weit verbreitet und kommt in der Lithosphäre
unter anderem als Kalkstein und Marmor vor; es
CaCl2 þ 6 NaBH4 ! CaB6 þ 2 NaCl þ 12 H2
þ 4 Na

Reine Einkristalle des Calciumborids bis zu


einer Länge von 10 cm erhält man durch Zonen-
schmelzen (Otani 1998). Einkristalline Calcium-
borid-Nanodrähte mit einem Durchmesser von
15–40 nm und einer Länge von 1–10 μm ergibt
die Pyrolyse von Diboran oberhalb einer Calci-
umoxid-Schicht bei Temperaturen von 860–900  C
und bei Gegenwart eines Nickelkatalysators (Xu
et al. 2004). Abb. 29 Calciumhydrid (Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 105

findet sich aber auch als Baustein der Skelette (CaSO4), Gips (CaSO4  2 H2O) und Bassanit
bzw. Gehäuse von Muscheln, Schnecken und (CaSO4  ½ H2O, Hemihydrat) vor und zersetzt
Korallen. Seine mineralischen Varietäten sind sich beim Erhitzen auf Temperaturen oberhalb
Calcit, Aragonit und Vaterit. (Die Skelette der von 700  C.
Wirbeltiere enthalten dagegen Hydroxylapatit Während Gips die aus Lösungen auskristalli-
sowie Fluorapatit in den Zähnen.) sierende Form des Calciumsulfats ist, sind die
Der bei einer Temperatur von 825  C schmel- diversen Formen des Halbhydrats auf folgenden
zende, farblose (s. Abb. 30) Feststoff der Dichte Wegen herstellbar und haben nachstehend be-
2,71 g/cm3 ist in reinem Wasser in nur sehr gerin- schriebene Eigenschaften:
ger Menge löslich. Ist gelöstes Kohlendioxid
anwesend, so wird die Löslichkeit drastisch er-
a. α-Halbhydrat (CaSO4  ½ H2O): Erhitzen im
höht, weil sich leicht wasserlösliches Calciumhy-
geschlossenen Gefäß (Autoklav) unter Nass-
drogencarbonat [Ca(HCO3)2] bildet. Jenes ist in
dampf oder drucklos in Säuren und wässrigen
fast allen natürlichen Wässern der Erde enthalten,
Salzlösungen. Benötigt weniger Wasser, aber
je nach Gestein, aus dem der Fluss entspringt bzw.
mehr Zeit zum Abbinden. Ausgangsstoff für
durch das er fließt. Die Konzentration von Cal-
härtere Gipse.
ciumcarbonat in Wasser wird in Härtegraden
b. β-Halbhydrat (CaSO4  ½ H2O): Erhitzen im
angegeben; diese Klassifizierung (hier: Gesamt-
offenen Gefäß unter Normalatmosphäre. Ver-
härte) kann aber je nach Land unterschiedlich
mischen mit Wasser führt schnell zur Bildung
sein:
von Gips. Ausgangsmaterial für weichere Gipse.
c. Anhydrit III (CaSO4  x H2O; 0<x<0,5) bildet
a) Deutschland: 1 dH = 10 mg/L CaO, oder
sich, wenn das Halbhydrat auf bis zu 300  C
17,85 mg/L CaCO3 oder 0,18 mmol/L
erhitzt wird. Vermischen mit Wasser liefert
b) Frankreich: 1 fH = 0,1 mmol/L Ca2+- oder
wieder rasch das Halbhydrat.
Mg2+-Ionen, oder 10 mg/L CaCO3
d. Anhydrit IIs (CaSO4) entsteht, wenn das Halb-
hydrat auf höhere Temperaturen (300–500  C)
Umgekehrt entsteht durch Erhitzen wässriger
erhitzt wird. Vermischen mit Wasser ergibt
Calciumhydrogencarbonat-Lösung durch Abspal-
langsame Rückhydratation (mehrere Stunden
tung von Wasser und Kohlendioxid wieder Cal-
oder sogar Tage).
ciumcarbonat. Dieser Prozess ist für die Entstehung
e. Anhydrit IIu (CaSO4) bildet sich beim Erhit-
der natürlichen Vorkommen von Calciumcarbonat,
zen des Halbhydrats auf Temperaturen von
auch dem von Gebirgen und Kalksinterterrassen,
500–700  C aus dem Anhydrit IIs. Diese Form
verantwortlich.
ist unlöslich in Wasser, ergibt kein Dihydrat
Calciumsulfat (CaSO4), in wasserfreier Form
mehr und ist daher auch nicht mehr als „Gips“
ein weißer Feststoff einer Dichte von 2,96 g/cm3,
verwendbar.
kommt natürlich in Gestalt der Minerale Anhydrit
f. Anhydrit I (CaSO4) entsteht durch Glühen
des Gipses bei ca. 1200  C, wobei sich dieser
teilweise zersetzt.

Die mit Abstand verbreitetste Form ist aber das


Dihydrat (Gips), das überall dort anfällt, wo Ca2+-
mit SO42-Ionen in wässriger Lösung in Kontakt
kommen, so bei der Neutralisierung schwefelsau-
rer Lösungen oder bei der Rauchgasentschwefe-
lung. Technisch wird Gips meist sehr einfach
durch Zugabe von Kalkmilch oder Kalkstein zu
Abb. 30 Calciumcarbonat (Onyxmet 2019) schwefelsäurehaltigen Lösungen erzeugt.
106 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Abb. 31 Calciumsulfat (Walkerma 2005) Abb. 32 Calciumnitrat-Tetrahydrat (Onyxmet 2019)

Wasserfreies Calciumsulfat ist ein weißer


(s. Abb. 31), in Wasser schwer löslicher Feststoff, mittel zur Koagulierung von Latex ein, man findet
der sich ab Temperaturen von 800  C unter Bil- es auch in pyrotechnischen Artikeln und in Ab-
dung von Calciumoxid und Schwefeltrioxid zer- bindebeschleunigern für Beton.
setzt. Die Abgabe von Kristallwasser unter Bil- Das in der Natur vorkommende und dort abge-
dung des Halbhydrats setzt bei einer Temperatur baute Calciumphosphat [Ca3(PO4)2] enthält stets
oberhalb von 100  C ein; das Halbhydrat wandelt Verunreinigungen wie Salze des Natriums, Eisens
sich bei höheren Temperaturen unter Abspaltung und Magnesiums sowie weitere Anionen. Das
von Kristallwasser in das Anhydrit um (siehe wirtschaftlich wichtigste Calciumphosphat-Mi-
oben). neral ist Apatit, den man hauptsächlich im Gestein
Calciumnitrat [Ca(NO3)2] entsteht in der Natur, Phosphorit vorfindet (van Kauwenbergh 2010).
wenn aus Tierdung stammendes Ammoniumnitrat Knochen und Zähne der Wirbeltiere bestehen
mit Hilfe von Feuchtigkeit Mauern durchdringt zum größten Teil aus Apatit. Exkremente von Vö-
und mit dem Kalk aus dem Mörtel reagiert. So geln, etwa Guano, enthalten ebenfalls Apatit (Fil-
entsteht das sogenannte Mauersalz (auch Mauer- lippelli 2011). Der weiße, geruchlose Feststoff der
salpeter genannt), das die Wände (zum Beispiel Dichte 3,14 g/cm3 schmilzt bei einer Temperatur
von Viehställen und Kellern) allmählich zerstört. von 1670  C und ist nahezu unlöslich in Wasser.
Die Verbindung ist stark hygroskopisch. Das Te- Man verwendet die Verbindung in Düngemit-
trahydrat von Calciumnitrat kommt natürlich in teln (Greenwood und Earnshaw 1988, S. 675), fer-
Form des Minerals Nitrocalcit vor. ner als Säureregulator oder Trennmittel in Lebens-
Das weiße,wasserfreie Calciumnitrat(s. Abb. 32) mitteln. Es hat in der Europäischen Union eine
weist eine Dichte von 2,47 g/cm3 und einen Zulassung als Lebensmittelzusatzstoff unter der
Schmelzpunkt von 561  C auf. Man stellt es aus Nummer E 341, allerdings mit Mengenbeschrän-
Salpetersäure und Calcium bzw. Calciumcarbonat kung in Abhängigkeit des Lebensmittels. Man ver-
bzw. Calciumoxid her. Es ist ein weißer, oxidie- wendet Calciumphosphat auch in Implantaten als
rend wirkender, hygroskopischer und sehr leicht Knochenersatzmaterial (Köster et al. 1976).
in Wasser löslicher Feststoff, der einige Hydrate Salze mit organischen Säuren Eine Beschrei-
bildet (Doelter 2013). Beim Erhitzen spaltet bei- bung bekannter Calciumsalze organischer Säuren,
spielsweise das Tetrahydrat bei Temperaturen wie etwa Calciumacetat, -citrat, -gluconat und
oberhalb von 100  C zunächst Kristallwasser ab, -lactat, würde den Rahmen dieses Buches spren-
oberhalb von 130  C Sauerstoff und ab 225  C gen. Daher verweise ich an dieser Stelle auf Lehr-
Stickoxide; das Endprodukt ist Calciumoxid. Das bücher wie Gmelin, Beilstein, Römpp etc.
Tetrahydrat liegt in Form farbloser, zerfließlicher
Prismen monokliner Struktur vor (Ribár und Anwendungen Metallisches Calcium setzt man
Divjaković 1973). in einigen metallurgischen Prozessen als Reduk-
Man setzt Calciumnitrat unter Anderem als tionsmittel ein, beispielsweise zur Gewinnung hö-
Düngemittel, in Kühlflüssigkeiten und als Hilfs- herwertiger Übergangs- (Thorium, Yttrium, Titan,
5 Einzeldarstellungen 107

Zirkonium, Hafnium) und Seltenerdmetalle, als auch an einigen Enzymen und Hormonen Nur
sauerstoffbindender Legierungszusatz in Alumi- ca. 50 % des extrazellulären Calciums liegt in
nium-, Beryllium-, Kupfer-, Blei- und Magne- frei ionisierter und damit in biologisch aktiver
siumlegierungen. Form vor (Calvi und Bushinsky 2008).
Am wichtigsten ist aber die Nutzung von Ver- Zur Prävention der Osteoporose trägt eine größe-
bindungen des Calciums. Kalkstein (CaCO3) und re Calcium-Aufnahme von 1 g/Tag bei. Jedoch ist
Dolomit [CaMg(CO3)2] werden als Schlacke- die Lebensführung mitentscheidend für das Ausmaß
bildner bei der Produktion von Stahl eingesetzt. einer eventuell im Alter auftretenden Osteoporose,
Kreide ist ein Füllstoff für Kunststoffe, feinkörni- die unabhängig vom Anteil an Milchprodukten an
ges Calciumcarbonat ein hochwertiges Füllmate- der täglichen Nahrung durch Alkohol- und starken
rial für holzfreies Papier. Feingemahlener Kalk ist Kaffeekonsum begünstigt wird. Vitamin D unter-
ein Dünger für die Land- und Forstwirtschaft oder stützt dagegen den Einbau von Calciumionen in
auch ein wichtiges Futtermittel für Haustiere. die Knochensubstanz (Institute of Medicine 2010;
Mögliche Einsatzgebiete anderer Calciumver- Weaver et al. 1999; Heaney et al. 1989; Heaney
bindungen wurden bereits bei deren Einzeldiskus- 1996; Barrett-Connor et al. 1994). Die Auswirkung
sion genannt. hoher Konzentrationen an Calcium auf Herzkrank-
heiten wird noch diskutiert (Reid et al. 2010; Nordin
Analytik Charakteristisch für Calcium ist die et al. 2010; Korownyk et al. 2011; Xiao et al. 2013;
orange-rote Flammenfärbung, außerdem ist Cal- Bolland et al. 2010).
ciumsulfat wie auch die Sulfate von Strontium,
Barium und Radium schwer wasserlöslich. Eben-
falls schlecht in Wasser löslich sind das Calcium- Patente
carbonat, -oxalat- und -dichromat. Die Trennung (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
der Erdalkalimetall-Kationen erfolgt innerhalb wide.espacenet.com)
der Ammoniumcarbonatgruppe des Kationen-
trennganges. Die Bestimmungsgrenze des flam- D. Wicks und A. Findlay, Multi-Batch pro-
menphotometrischen Verfahrens liegt bei 100 μg/l cess for generating precipitated calci-
(Cammann 2001). um carbonate (Imerys USA, Inc., WO
2019079227 A1, veröffentlicht 25. April
Physiologie Im menschlichen Blut kommt Cal- 2019)
cium ausschließlich in ionisierter Form vor (Calvi L. C. Petrisko und L. Olson, Calcium oxide
und Bushinsky 2008), von dem etwa ein Drittel an compositions (Carmeuse North Ame-
Eiweiß gebunden ist. Der Gesamtcalciumgehalt rica, US 2019118159 A1, veröffentlicht
liegt normalerweise bei 2,2–2,6 mmol/L. Die 25. April 2019)
Analyse erfolgt meist mittels AAS, alternativ G. G. Lawrence und F. J. Alvarez, Rapid
bzw. ergänzend auch mit Hilfe ionenselektiver dissolution formulation of a calcium
Elektroden (Robertson und Marshall 1979; Renz receptor-active compound (Amgen Inc.,
2003; Guder und Nolte 2005). US 2019117592 A1, veröffentlicht 25.
Der menschliche Körper enthält etwa 1 kg Cal- April 2019)
cium. Fast die gesamte Menge hiervon befindet L. J. Chern und C.-P. Ju, Antibacterial
sich chemisch gebunden als Hydroxylapatit calcium-based materials (National Uni-
[Ca5(PO4)3(OH)] in Knochen und Zähnen. Cal- versity Cheng Kung, US 2019117826
cium verleiht diesen Festigkeit, bei Calciumman- A1, veröffentlicht 25. April 2019)
gel wird das Element jedoch aus diesen gelöst und B. R. Reddy, Settable, form-filling loss cir-
für andere im Organismus anfallenden Aufgaben culation control compositions compri-
genutzt (Osteoporose). Calciumionen beteiligen sing in situ formed calcium aluminate
sich an der Erregung von Muskeln und Nerven,
dem Glykogen-Stoffwechsel, der Zellteilung und (Fortsetzung)
108 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

1942). Er benannte es nach dem Strontianit analog


cement systems and methods of using zu den anderen Erdalkalimetallen Strontium.
them (Saudi Arabian Oil Co., US Reines Strontium gewann Robert Bunsen 1855
10259985 B1, veröffentlicht 16. April durch Elektrolyse einer Strontiumchloridschmel-
2019) ze. Er bestimmte auch Eigenschaften des Metalls
A. Kawabata und F. Sekiguchi, T-Type cal- wie etwa die spezifische Dichte des Elements
cium channel inhibitor (Kinki University; (Davy 1808).
Toyama University, WO 2019065532 A1,
veröffentlicht 4. April 2019)
Der schottisch-irische Chemiker Adair
W. Voigt und A. Kleemann, Method for
Crawford (* 1748; † 1795 Lymington)
manufacturing of calcium sulfate beta
war Professor an der Royal Military Aca-
hemihydrate (Knauf Gips KG, RS
demy, arbeitete aber gelegentlich auch am
58239 B1, veröffentlicht 29. März 2019) Londoner St. Thomas-Hospital. 1790 gelang
T. Theys und T. Henry, Method for produ- ihm zusammen mit Cruickshank die Entde-
cing calcium carbonate (Prayon Tech, ckung des Strontiums. Sein Arbeitsschwer-
JOP 20170146 A1, veröffentlicht 30. punkt war die Kalorimetrie, also die Untersu-
Januar 2019) chung der Freisetzung oder auch Zufuhr von
F. Reinauer und S. Luger, Implant that con- Wärmeenergie bei chemischen oder physika-
tains inhibiting calcium carbonate (Karl lischen Prozessen (Crawford 1779). Ab 1775
Leibinger Medizintechnik GmbH & besaß er die Mitgliedschaft der American Phi-
Co. KG, AU 2017323306 A1, veröffent- losophical Society.
licht 8. September 2016)
Der schottische Arzt und Chemiker Wil-
liam Cruickshank († 1810 oder 1811)
war Professor der Chemie an der Royal
5.4 Strontium Military Academy in London. Er studierte
zunächst Chemie am King’s College in
Geschichte Crawford und Cruickshank unter- Aberdeen und erlangte dort 1765 seinen
suchten 1790 ein aus der schottischen Grafschaft Master. Er wurde 1788 an der Royal Mili-
Strontianshire stammendes Mineral. Sie hielten es tary Academy Mitarbeiter von Crawford
irrtümlich zunächst für Bariumcarbonat, behan- und assistierte ihm bei dessen Vorlesungen
in Chemie. 1797 wies Cruickshank erstmals
delten es mit Salzsäure und verglichen die Eigen-
Harnstoff im Urin nach (Coulson 1857).
schaften des so erhaltenen Rückstandes mit dem
Mitte 1800 publizierte er eine verbesserte
des Bariumchlorids. Diese wichen aber hinsicht-
Ausführung der zuvor von Volta präsentier-
lich Löslichkeit, Flammenfärbung, Giftigkeit und
ten Säule. Diese Trogbatterie wurde die
Kristallstruktur voneinander ab. Das Mineral erste großtechnisch produzierte Batterie
nannte Sulzer einige Jahrzehnte später Strontianit (Cruickshank 1801). Nach Adairs Tod im
(Blumenbach 1891). Im frühen 19. Jahrhundert Jahr 1796 wurde Cruickshank dessen Nach-
stellten Klaproth (Kurzbiografie siehe „Cer“), Ho- folger und blieb dies bis zu seinem krank-
pe, Lowitz und Kirwan weitere Verbindungen des heitsbedingten Eintritt in den Ruhe-
später entdeckten Strontiums daraus her, ohne stand 1804.
dieses zuvor isoliert zu haben.
1808 gelang Davy (Kurzbiografie siehe Der deutsche Naturwissenschaftler und
„Natrium“) durch elektrolytische Reduktion in Mediziner Friedrich Gabriel Sulzer (* 10.
Anwesenheit von rotem Quecksilberoxid die Dar- Oktober 1749 Gotha; † 14. Dezember 1830
stellung von Strontiumamalgam, das er anschlie- in Altenburg) studierte Medizin in Göttin-
ßend durch Destillation reinigte und so das – wenn gen und Straßburg und zog 1768 nach Göt-
auch noch unreine – Metall erhielt (Partington tingen. Er reiste zwischen 1771 und 1773 in
5 Einzeldarstellungen 109

einige europäische Länder. Ab 1775 prakti- Academy (ab 1820) und Gründungsmit-
zierte er als Arzt in Gotha, ab 1779 war glied der Londoner Chemical Society
er offizieller Brunnenarzt in Ronneburg (1841) (Doyle 1982).
und zugleich Direktor des Hebammen-
Lehrinstituts in Altenburg. 1781 wurde er
Hofmedicus, 1784 Hofrat und 1818 Gehei- Vorkommen Strontium hat einen Anteil von
mer Hofrat in Sachsen-Gotha, hatte unter 370 ppm an der kontinentalen Erdkruste (Lide
anderem Kontakt zu Goethe. 1791 benannte 2010) und ist somit auf der Erde relativ häufig.
Sulzer das Mineral Strontianit nach dem Ort Auch im Meerwasser ist es nicht selten. Wegen
seiner Auffindung, dem schottischen Stron- seiner hohen Reaktivität kommt es nur in chemisch
tian, und erkannte darin das Vorliegen eines gebundener Form vor. Die wichtigsten Minerale
neuen Elements (Sulzer 1791; Petzsch sind Strontiumsulfat (SrSO4, Coelestin) und Stron-
1969; Wolf 2004). tiumcarbonat (SrCO3, Strontianit). Insgesamt
kennt man aktuell rund 200 strontiumhaltige Mine-
Der deutsche Anatom Johann Friedrich rale, wobei sich die wichtigsten Fund- und Abbau-
Blumenbach (* 11. Mai 1752 Gotha; † orte in Spanien, Mexiko, der Türkei, China und im
22. Januar 1840 Göttingen) war ein wichti- Iran befinden. Die britischen Minen waren ab 1992
ger Pionier der Zoologie und Anthropo- erschöpft. Die weltweite jährliche Fördermenge an
logie. Blumenbach studierte von 1769 an Strontiummineralen liegt in der Größenordnung
Medizin an der Universität Jena und führte
von 0,5 Mio. t (Macmillan et al. 2005).
sein Studium ab 1772 in Göttingen fort. Er
promovierte 1775, erhielt ein Jahr später die Gewinnung Meist setzt man Strontiumsulfat
Ernennung zum außerordentlicher Profes- (Coelestin) mit Kohlenstoff bei Temperaturen
sor der Medizin und wurde 1778 dann
oberhalb von 1100  C um (I). Dabei entsteht Stron-
ordentlicher Professor. Er hielt über 50 Jahre
tiumsulfid, das in der Regel mit heißem Wasser
Vorlesungen und emeritierte erst im Alter
ausgelaugt und anschließend mit Kohlendioxid
von 83 Jahren (Reich 2012; Reich et al.
bzw. Natriumcarbonat umgesetzt wird (II), je nach-
2012).
dem wie verkäuflich die Nebenprodukte sind:
Der schottische Chemiker und Arzt Tho-
mas Charles Hope (* 21. Juli 1766 Edin- (I)
SrSO4 þ 2 C ! SrS þ 2 CO2
burgh; † 13. Juni 1844 Edinburgh) war einer
der Entdecker des Elements Strontium. Ho-
(II)
pe studierte in Edinburgh Medizin und pro- SrS þ Na2 CO3 ! SrCO3 þ Na2 S
movierte 1787. Im Oktober dieses Jahres
wechselte er an die Universität Glasgow, SrS þ CO2 þ H2 O ! SrCO3 þ H2 S
wo er den Ruf auf einen Lehrstuhl annahm.
Von 1795 an war er, bis 1799 gemeinsam
mit Joseph Black, Professor für Chemie in Strontiumcarbonat wird dann zum Oxid (SrO)
Edinburgh. Hope bewies 1793, zeitgleich geglüht, das dann mit Aluminium im Vakuum zu
zu einigen der oben zitierten Forscher, mit
metallischem Strontium reduziert wird. Dieses
Hilfe von Versuchen, dass Strontianit ein
destilliert man ab und fängt es in Kühlern in flüs-
neues Erdalkalimetall enthält, das sich von
siger Form auf:
Barium unterscheidet (Hope 1798). 1805
zeigte er, dass Wasser bei einer Temperatur 3 SrO þ 2 Al ! 3 Sr þ Al2 O3
von 4  C seine größte Dichte hat (Hope
1805). Hope war Mitglied wissenschaftli- Eigenschaften Strontium ist ein typisches Erd-
cher Gesellschaften wie unter Anderem alkalimetall, hellgoldgelb glänzend, (Holleman
der Royal Society (ab 1789), der Royal Irish et al. 2007, S. 1238), weich (Mohs-Härte: 1,5)
110 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

und sehr reaktionsfähig. Sein Schmelzpunkt schmelzenden Bariums. Sein Siedepunkt liegt mit
(777  C) liegt zwischen dem des höher schmelzen- 1380  C (s. Tab. 4) nur etwas höher als die des
den Calciums und dem des bei tieferer Temperatur Magnesiums und des Radiums. Mit einer Dichte

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Strontium


Symbol: Sr
Ordnungszahl: 38
CAS-Nr.: 7440-24-6

Aussehen: Silbrig-weiß, Strontium, unter Argon Strontium, Stücke


metallisch (Zepper 2007) (Sicius 2015)
glänzend
Entdecker, Jahr Cruickshank (Vereinigtes Königreich), 1787
Crawford (Vereinigtes Königreich), 1790
Davy (Vereinigtes Königreich), 1808
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
84
38Sr (0,56) Stabil ——
86
38Sr (9,86) Stabil ——
87
38Sr (7,00) Stabil ——
88
38Sr (82,58) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 140
Atommasse (u): 87,62
Elektronegativität 0,95 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Sr2+ + 2 e > Sr (V) 2,89
Atomradius (pm): 200
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 249
Kovalenter Radius (pm): 195
Ionenradius (Sr2+, pm): 113
Elektronenkonfiguration: [Kr] 5s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 550 ♦ 1064
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,5 . 105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 7,41  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 15,7 ♦ 12 ♦ 6,1
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe ♦ 50–440
Mohs-Härte 1,5
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 298 K): 2760 (longitudinal)
1530 (transversal)
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 2,64
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 33,94  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)] ): 35
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,4
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 777 ♦ 1050
Schmelzwärme (kJ/mol): 8
Siedepunkt ( C ♦ K): 1380 ♦ 1653
Verdampfungswärme (kJ/mol): 141
5 Einzeldarstellungen 111

von 2,6 g/cm3 zählt es zu den Leichtmetallen. 800TBq (!) freigesetzt, die nur auf die Emission
Strontium lässt sich als weiches Metall leicht bie- dieses Strontiumisotops zurückzuführen war.
gen oder walzen. Es kristallisiert wie Calcium bei Auch der Reaktorunfall in Fukushima 2011 setzte
Raumtemperatur im kubisch-flächenzentrierten erhebliche Mengen des Isotops in die Umwelt frei.
Gitter. Oberhalb einer Temperatur von 215  C geht Bereits die in den 1950er- und 1960er-Jahren
diese Struktur in eine hexagonal-dichteste Kugel- durchgeführten Atomwaffentests ergaben einen
packung über, und oberhalb einer Temperatur von klaren Anstieg des Gehaltes von 9038Sr in der
605  C ist die kubisch-innenzentrierte Struktur am Atmosphäre. Nachdem oberirdische Versuche
beständigsten (Schubert 1974). mit Kernwaffen daraufhin verboten wurden, sank
Davy stellte es 1808 erstmals durch Elektro- die hierdurch hervorgerufene Aktivität wieder.
lyse dar, wenn auch noch in unreinem Zustand. Die allein auf 9038Sr zurückzuführende Radioakti-
1855 erzeugte es Bunsen dann in reiner Form. vität, die über alle Jahre gerechnet durch Kern-
Nach Radium und Barium ist Strontium das waffen kumuliert freigesetzt wurde, liegt bei
reaktionsfähigste Erdalkalimetall und reagiert 6  1017 Bq (Goldblat und Cox 1988).
direkt und heftig mit Halogenen, Sauerstoff, Die Aufnahme von 9038Sr ist für Wirbeltiere
Schwefel und auch Stickstoff. In seinen Verbin- sehr gefährlich. Das Isotop wird wegen seiner
dungen liegt es immer in der Oxidationsstufe +2 Ähnlichkeit zu Calcium bevorzugt in Knochen
vor. Wird es an der Luft erhitzt, verbrennt es mit eingelagert und kann dort durch seine starke
der charakteristischen karminroten Flammenfär- Strahlung Knochentumore oder Leukämie auslö-
bung zu Strontiumoxid und -nitrid. Mit Wasser sen. 9038Sr kann nicht durch Komplexbildner aus
reagiert es stürmisch unter Bildung von Stron- den Knochen entfernt werden, weil jene bevor-
tiumhydroxid und Wasserstoff, auch an feuchter zugt Calciumionen binden und das 9038Sr somit
Luft erfolgt schnelle Korrosion: im Knochen verbleibt (Goldblat und Cox 1988).
Nur eine schnelle Behandlung mit Bariumsulfat
Sr þ 2 H2 O ! SrðOHÞ2 þ H2 " kann zum Erfolg führen; jenes nimmt dann das
90
38Sr auf und lässt es erst gar nicht in die Blut-
Chemisch und physiologisch verhält sich bahn gelangen (Nürnberg und Surmann 1991).
Strontium ähnlich zu Calcium und bildet jeweils Auch die durch biologische Prozesse bewirkte
ein schwer lösliches Carbonat, Sulfat, Fluorid und Ausscheidung des 9038Sr verläuft sehr langsam
Oxalat. (Diehl 2003).
Strontium-90 (9038Sr) Von den insgesamt 32 Der Einbau von Isotopen des Strontiums in
Isotopen des Elements kommen vier natürlich Knochen und Zähne ist stark von den äußeren
vor (8438Sr, 8638Sr, 8738Sr und 8838Sr), wobei Bedingungen abhängig. Das Mengenverhältnis
Letzteres eindeutig den größten Anteil reprä- der Isotope 8638Sr und 8738Sr ist für diverse
sentiert (Audi et al. 2003). Das Isotop 9038Sr Gesteine jeweils unterschiedlich. Die Summie-
wird innerhalb kurzer Zeit durch mehrfachen rung dieser Faktoren erlaubt unter Umständen,
β-Zerfall aus Isotopen der Massenzahl 90 gebil- Wanderungen prähistorischer Menschen oder
det, die bei Spaltungen des Isotops 23592U in Tiere zu verfolgen (Prohaska et al. 2006).
Kernkraftwerken (Volkmer 1996) und Explo- Die von 9038Sr und 9039Y emittierte β-Strah-
sionen von Atombomben auftreten. Das macht lung nutzt man in Radionuklidbatterien aus,
es zu einem der am weitesten verbreiteten Spalt- ebenso zur Dickenmessung von Materialien oder
produkte überhaupt (Heuel-Fabianek 2014). Es zum Kalibrieren von Geigerzählern (Goldblat und
zerfällt unter β-Strahlung über 9039Y zum stabi- Cox 1988).
len 9040Zr.
Bei allen in Kernkraftwerken registrierten Un- Verbindungen
fällen gelangt immer auch 9038Sr in die Umwelt Chalkogenverbindungen Strontiumoxid (SrO) er-
(Bonka und Narroq 2011). Bei der Katastrophe zeugt man durch Erhitzen von Strontiumcarbonat
von Tschernobyl wurde eine Radioaktivität von (Strontianit) auf Temperaturen von 1300  C, wobei
112 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Kohlendioxid frei wird. Die Kristallstruktur des Es wird in Nachleuchtfarben eingesetzt, da es


Strontiumoxids wurde eingehend untersucht. Stron- unter Aussendung blaugrünen Lichts phosphores-
tiumoxid kristallisiert in der Natriumchlorid-Struk- ziert (Lautenschläger und Schröter 2008). In eini-
tur. Bei hohen Drücken von >36 GPa tritt eine gen Enthaarungsmitteln ist es ebenfalls enthalten
Phasenumwandlung zur Caesiumchlorid-Struktur (Krebs 2006).
ein, die mit einer Volumenverkleinerung von 13 % Die Herstellung von Strontiumselenid (SrSe)
einhergeht. Die Dichte des Kristalls steigt dann auf erfolgt durch Erhitzen von Strontiumoxid oder
über 7,1 g/cm3 (Sato und Jeanloz 1981). Mit Wasser -carbonat mit Selen in allerdings schlechter Aus-
reagiert die Verbindung unter starker Wärmeent- beute, oder man reduziert Strontiumselenat mit
wicklung zu Strontiumhydroxid; ein Gemisch mit Wasserstoff bei Rotglut. Strontiumselenid ist eine
Aluminiumgrieß reagiert bei hoher Temperatur zu von mehreren Verbindungen, die Infrarotlicht zum
elementarem Strontium. Phosphoreszieren anregen kann (Ward et al. 1947).
Man setzt das weiße (s. Abb. 33), aufgrund Halogenverbindungen Mit den Halogenen
seiner Basizität stark ätzend wirkende Strontium- Fluor, Chlor, Brom und Iod bildet Strontium
oxid zur Produktion spezieller Gläser ein; vor jeweils Halogenide der Formel SrX2. Es sind mit
langem fand es auch Verwendung in der Lebens- Ausnahme von Strontiumfluorid gut wasserlösli-
mittelindustrie [Strontianverfahren der Herstel- che und farblose Salze, die durch Reaktion von
lung von Rübenzucker (Ost 1890)]. Strontium- Strontiumcarbonat mit der jeweiligen Halogen-
oxid schmilzt bzw. siedet bei 2531  C bzw. wasserstoffsäure dargestellt werden können.
3200  C und hat bei Raumtemperatur eine Dichte Strontiumfluorid (SrF2) ist das Analogon zu Cal-
von 4,7 g/cm3. ciumfluorid (Flussspat, CaF2) und ein weißer, kris-
Strontiumsulfid (SrS) ist ein weißer, hoch- talliner (s. Abb. 34; Bytheway et al. 1995), spröder
schmelzender (2226  C) Feststoff und ist emp- Feststoff der Dichte 4,24 g/cm3, der bei einer Tem-
findlich gegenüber Hydrolyse. Die Verbindung peratur von 1473  C schmilzt (Kojima et al. 1968,
hat eine Dichte von 3,65 g/cm3 und ist durch S. 2968 ff.); der Siedepunkt des geschmolzenen
Reduktion von Strontiumsulfat mit Kohle zu- Salzes liegt bei einer Temperatur von 2489  C.
gänglich (Ropp 2012): Man stellt es aus Strontiumcarbonat und Flusssäure
(I) oder aber aus Strontiumchlorid mit Fluor (II) dar:
SrSO4 þ 2 C ! SrS þ 2 CO2
(I)
SrCO3 þ 2 HF ! SrF2 þ CO2 þ H2 O
Ebenso ist es im Labor durch Umsetzung
von Strontiumcarbonat mit einem Gemisch aus
(II)
Schwefelwasserstoff und Wasserstoff (Brauer SrCl2 þ F2 ! SrF2 þ Cl2
1978, S. 927) oder direkt aus den Elementen unter
Inertgasatmosphäre herstellbar (Ropp 2012):
SrCO3 þ H2 S ! SrS þ H2 O þ CO2 Sr þ S ! SrS Der Feststoff kristallisiert in der kubischen
Fluoritstruktur, ist sehr wenig löslich in Wasser

Abb. 33 Strontiumoxid (Onyxmet 2019) Abb. 34 Strontiumfluorid (Onyxmet 2019)


5 Einzeldarstellungen 113

(0,12 g/l) und gesundheitsschädlich. Einkristalle oder Hydroxid durch Zugabe der jeweiligen Halo-
der Verbindung sind sehr gut durchlässig für sicht- genwasserstoffsäure:
bares Licht, weshalb man es in der optischen
Industrie als Beschichtung für Linsen und in Ther- SrðOHÞ2 þ 2 HBr ! SrBr2 þ 2 H2 O
molumineszenzdosimetern einsetzt, außerdem als
Träger für das in Radionuklidbatterien verwen- Das farblose (s. Abb. 36), kristalline Salz ist
dete Isotop 9038Sr. gut löslich in Wasser; schon bei 0  C lösen sich
Strontiumchlorid (SrCl2) bildet farblose (s. 852 g und bei 100  C sogar 2225 g. Das kristall-
Abb. 35), hygroskopische Kristalle, die aber, wenn wasserfreie Bromid hat die Dichte 4,22 g/cm3,
sie längere Zeit an der Luft gelagert werden, ihr Schmelz- und Siedepunkt betragen 643  C bzw.
Kristallwasser wieder abgeben. Dieser Prozess 2146  C (diese verbreitet in der Literatur zu fin-
wird durch Erhitzen auf eine Temperatur von dende Angabe erscheint relativ zu den Siedepunk-
60  C begünstigt, bei der das Hexahydrat vorüber- ten des Strontiumchlorids und -iodids sehr hoch).
gehend in seinem Kristallwasser schmilzt, bevor es Das kristallwasserhaltige, bei Raumtemperatur
dieses allmählich vollständig abgibt und in das aus wässrigen Lösungen erzeugte Salz lässt sich
feste wasserfreie Salz übergeht.. Das Salz schmilzt durch Erhitzen auf 180  C entwässern. Es ist auch
in wasserfreier Form bei 873  C, siedet bei 1250  C in Ethanol löslich. Strontiumbromid wirkt wie
und hat die Dichte 3,05 g/cm3. Seine wässrige andere Bromide beruhigend, jedoch setzt man es
Lösung schmeckt scharf und bitter. Man erzeugt nicht mehr zu diesem Zweck ein (Uferer und Hü-
es aus den Mineralien Cölestin (SrSO4) oder ckel 2000).
Strontianit (SrCO3) und Salzsäure. Man setzt Stron- Strontiumiodid (SrI2) ist durch Reaktion von
tiumchlorid hauptsächlich zur Rotfärbung von Feu- Strontiumcarbonat mit Iodwasserstoff herstellbar
erwerk ein, auch verwendet man es bei der Herstel- (Brauer 1978, S. 923). Der weiße, kristalline,
lung von Gläsern und in der Metallurgie. gut wasserlösliche Feststoff orthorhombischer
In einigen Zahncremes ist es Bestandteil zur Struktur (Rietschel und Bärnighausen 1969;
Kräftigung der Zahnhälse und gegen Parodontose. Buchmeier und Lutz 1986; Herrmann 1931) ver-
Radioaktives 9038Sr enthaltendes Strontiumchlorid flüssigt sich bei Temperaturen oberhalb von
setzt man in der Strahlentherapie gegen Tumore ein. 507  C und zersetzt sich oberhalb von 1773  C.
Strontiumionen stärken das Skelett einiger Ko- Strontiumiodid ist hygroskopisch und verfärbt
rallenarten und werden deshalb in Aquarien gele- sich an der Luft infolge Oxidation von Iodid zu
gentlich gezielt zugesetzt (Gehrmann 2010). Zu Iod gelblich. Bei hohen Temperaturen und
beachten ist dabei aber, dass Strontium gegenüber Anwesenheit von Luft zerfällt die Verbindung
anderen Wasserorganismen unter Umständen to- vollständig zu Strontiumoxid und elementarem
xisch wirkt (Holmes-Farley 2014). Iod. Von den verschiedenen Hydraten des Salzes
Strontiumbromid (SrBr2) erzeugt man wie die ist das Hexahydrat das wichtigste; es gibt bei
anderen Strontiumhalogenide aus dem Carbonat einer Temperatur von 110  C vier Moleküle Was-

Abb. 35 Strontiumchlorid-Hexahydrat (Onyxmet 2019) Abb. 36 Strontiumbromid-Hexahydrat (Onyxmet 2019)


114 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

ser ab und geht in das Dihydrat über. Man setzt schimmernder Kristalle vorliegenden Produkts
die Verbindung in Szintillatorkristallen ein. liegt bei ca. 1125  C; an trockener Luft ist dieses
Pnictogenverbindungen Strontiumnitrid (Sr3N2) beständig. Die Dichte der Verbindung liegt bei
ist durch Überleiten von Stickstoff über erhitztes 3,3 g/cm3; offenbar ist das Teilgitter der Silici-
Strontium erhältlich (Ropp 2012, S. 207). Der umatome nur statistisch besetzt (1965).
schwarze Feststoff (s. Abb. 37) wird durch Wasser Strontiumhexaborid (SrB6) liegt in Form
unter Entwicklung von Ammoniak und Stron- dunkelroter bis schwarzer Kristalle vor, die eine
tiumhydroxid zersetzt (Brauer 1978, S. 929). Dichte von 3,39 g/cm3 und einen Schmelzpunkt
Das stöchiometrisch zusammengesetzte Stron- von 2235  C besitzen. Das Material ist sehr hart
tiumphosphid (Sr3P2) ist ein graues, hydroly- und kann sogar Quarz zerkratzen (Trenary et al.
seempfindliches Pulver der Dichte 2,68 g/cm3. 2008). Man stellt es durch Reaktion von Stron-
Den Halbleiter setzt man in Laserdioden und tiumcarbonat mit Borcarbid und Kohlenstoff im
anderen Hochfrequenz-Anwendungen ein. Hosono Vakuumofen her (Zheng et al. 2002), alternativ
et al. sagten die Kristallstrukturen weiterer Stron- verwendet man auch Strontiumborat, Alumi-
tiumphosphide (Sr5P3, Sr8P5 und Sr4P3) und nium und Kohlenstoff als Ausgangsmaterialien.
ihre Eigenschaft als quasi-ein- und nulldimensio- Die Verbindung ist schwach ferromagnetisch
nale Elektride voraus (2017). (Dorneles et al. 2004; Gavilano et al. 2000). Bei
Sonstige Verbindungen Strontiumcarbid (SrC2) tiefen Temperaturen ist Stromtiumhexaborid halb-
ist in reinem Zustand ein hellgraues Pulver der leitend (Ott et al. 1997). Man setzt es in Steuer-
Dichte 3,2 g/cm3, das bei einer Temperatur von stäben für Kernkraftwerke sowie als elektrischen
1700  C schmilzt und durch Glühen von Stron- Isolator ein.
tiumoxid mit Kohle hergestellt werden kann Aus technischer Sicht wichtig sind Strontium-
(Abegg und Auerbach 1908, S. 222; Vohn et al. carbonat, -nitrat, -sulfat und -chromat. Das aus na-
2000). Es ist formal vom Ethin (Acetylen) abgelei- türlich vorkommendem Coelestin (Strontiumsulfat,
tet und wird durch Wasser in heftiger Reaktion zu SrSO4) erzeugte Strontiumcarbonat (SrCO3) ist
Ethin und Strontiumhydroxid hydrolysiert: Ausgangsmaterial zur Herstellung vieler anderer
Verbindungen des Strontiums. Aus Strontiumcar-
SrC2 þ 2 H2 O ! C2 H2 " þSrðOHÞ2 bonat erzeugt man Ferritmagnete wie Strontium-
ferrit. Vor allem aber geht es in Röntgenstrahlen
Das bei 600  C durchgeführte Tempern des absorbierende Beschichtungen von Kathoden-
nicht stöchiometrisch zusammengesetzten Stron- strahlröhren in Fernsehschirmen älterer Bauart.
tiumsilicids (Sr2Si3) ergibt eine im α-ThSi2-Gitter In den mittlerweile verbreiteten Plasma- und
kristallisierende Phase der Zusammensetzung Sr4Sis LED-Bildschirmen stellt sich die Frage der even-
(Gladischewskij und Kripjakewitsch 1965). Der tuellen Bildung von Röntgenstrahlen jedoch nicht,
Schmelzpunkt dieses in Form glänzender, rötlich so dass hier kein Einsatz eines Strahlenfängers wie
Strontiumcarbonat erforderlich ist. Außerdem wird
es in Glasuren und in der Pyrotechnik eingesetzt.
Strontiumcarbonat stellt man durch Verbacken
des Minerals Cölestin (SrSO4) mit Soda (Natri-
umcarbonat) unter Einleiten von Wasserdampf
her. Alternativ ist auch die anfangs beschriebene
Reduktion des Stromtiumsulfats mit Kohle zum
Strontiumsulfid sowie dessen Umsetzung mit
Kohlendioxid in wässriger Lösung möglich. Das
weiße Pulver (s. Abb. 38) der Dichte 3,5 g/cm3 hat
zu Calciumcarbonat sehr ähnliche Eigenschaften.
Abb. 37 Strontiumnitrid (Onyxmet 2019) Man nutzt es zur Gewinnung der meisten Stron-
5 Einzeldarstellungen 115

Abb. 38 Strontiumcarbonat (Onyxmet 2019) Abb. 40 Strontiumsulfat (Onyxmet 2019)

fats zu der eines Strontiumsalzes erzeugt. Stron-


tiumsulfat setzt man meist in der Pyrotechnik und
als weißes, deckendes Farbpigment ein.

Anwendungen Für Strontium und seine Verbin-


dungen gibt es nur wenige Anwendungen, haupt-
sächlich für Strontiumcarbonat in Kathoden-
strahlröhren, in der Pyrotechnik, zur Herstellung
von Dauermagneten und bei der Verhüttung von
Abb. 39 Strontiumchromat (Onyxmet 2019) Aluminium.
Bei der Produktion von aus Aluminium und
Silicium bestehenden Legierungen (Gehalt an Sili-
tiumverbindungen. Oberhalb einer Temperatur cium: 7–12 %) setzt man geringe Mengen an
von 1270  C spaltet es Kohlendioxid ab und geht Strontium zu, um die mechanischen Eigenschaften
in Strontiumoxid über. der Legierung zu verbessern und den Schmelz-
Strontiumchromat (SrCrO4) fällt man durch punkt der Mischung noch weiter zu senken. Hier-
Vereinigen wässriger Lösungen von Strontium- für wurde früher Natrium eingesetzt, jedoch ist
chlorid und Kaliumchromat aus. Der zitronengel- Strontium besser geeignet, da es nicht so leicht
be (s. Abb. 39) Feststoff der Dichte 3,89 g/cm3 oxidierbar ist und die Schmelzen unter Umstän-
zersetzt sich bei Temperaturen oberhalb von den längere Zeit flüssig gehalten werden müssen.
500  C und ist nur wenig in Wasser löslich. Die Dies gilt zumindest für den Sandguss, nicht so
Verbindung kristallisiert im monoklinen Monazit- sehr für den Druckguss, da jene Schmelzen meist
Gitter Raumgruppe P21/n (Raumgruppe 14) und schnell zur Erstarrung gebracht werden (Brunhu-
vier Formeleinheiten pro Elementarzelle (Wil- ber und Hasse 1997).
helmi und Jonsson 1965; Effenberger und Pertlik Ebenso setzt man Strontium Ferrosilicium zu,
1986). Strontiumchromat findet als korrosions- da es ein gleichmäßiges Erstarren beim Gießen
schützender Primer für Zink-, Magnesium- und gewährleistet. Als Sauerstofffänger (Getter) setzt
Aluminiumlegierungen im Flugzeugbau Anwen- man Strontium in Elektronenröhren ein, außer-
dung (Brock et al. 2000, S. 155); weitere Einsatz- dem reagiert es mit im Stahl enthaltenem Schwe-
gebiete sind wegen der Einstufung der Substanz fel und Phosphor und entfernt diese Verunreini-
als krebserregend kaum noch wichtig. gungen somit.
Strontiumsulfat (SrSO4) ist ein farbloser
(s. Abb. 40), weißer, in Wasser kaum löslicher Toxizität Strontium ähnelt in seinen Eigenschaf-
Feststoff der Dichte 3,96 g/cm3, den man durch ten Calcium zwar sehr, weist wegen seines größe-
Zugabe einer wässrigen Lösung eines Alkalisul- ren Ionenradius aber doch zu diesem unterschied-
116 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

liche physiologische Eigenschaften auf. Es wird


vom Körper in wesentlich geringeren Mengen systems (Bracco Diagnostics Inc., US
über den Verdauungstrakt aufgenommen. Enthält 2019060558 A1, veröffentlicht 28. Fe-
der menschliche Körper etwa 1 kg Calcium in bruar 2019)
chemisch gebundener Form, so beträgt der Gehalt M. D. Hill, Magnetodielectric γ-phase
des Körpers an Strontium deutlich weniger als 1 g, strontium hexagonal ferrite materials
und es befindet sich wie Calcium vor allem in den formed by sodium substitution (Sky-
Knochen (Pors Nielsen 2004). Strontium ist kein works Solutions Inc., US 2019019605
essenzielles Element. A1, veröffentlicht 17. Januar 2019)
Gegenstand der Forschung sind Untersuchungen, T. Sakuma und M. Komatsu, Treatment
inwieweit ein Zusatz von Strontium zu Zahnpasten method of radioactive waster water con-
als Karieshemmer fungieren kann (Lippert und Hara taining radioactive cesium and radioac-
2013; Hellwege 2003). Ebenso testet man Salze des tive strontium (Ebara Corp.; Nippon
Strontiums mit bestimmten organischen Säuren Chemical Ind., US 2019006055 A1, ver-
(z. B. Malonsäure oder Ranelicsäure) als Wirkstoffe öffentlicht 13. Januar 2019)
gegen Osteoporose (Meunier et al. 2004). M. W. Vose und M. Shilton, Strontium sea-
Das radioaktive Isotop 8938Sr setzt man in led source (Illinois Tool Works, US
Form seines Chlorids unter dem Handelsnamen 2018358142 A1, veröffentlicht 13.
Metastron ® zur Behandlung von Schmerzen ein, Dezember 2018)
die durch das Vorhandensein von Knochenmetas-
tasen hervorgerufen werden. Es wird berichtet,
dass die radioaktive Wirkung dieses Isotops auch
eine direkte Wirkung auf die Tumore hat, diese 5.5 Barium
beruhen aber auf einer zu geringen Zahl von
Berichten, als dass sich hieraus statistisch belast- Geschichte Scheele (Kurzbiografie siehe „Mo-
bare Ergebnisse ableiten lassen. lybdän“) erhielt 1774 bei unter Verwendung von
Wurde in Versuchen mit Schweinen das im Gips durchgeführten Versuchen ein neue alkali-
Futter enthaltene Calcium durch Strontium sche Verbindung. Gahn (Kurzbiografie siehe
ersetzt, so zeigten die Tiere Schwächung, Läh- „Mangan“) bestätigte diesen Befund 1776. Rund
mungssymptome und Koordinationsstörungen, zwanzig Jahre später, 1808, stellte Davy durch
ein Beleg dafür, dass Strontium die physiologi- Elektrolyse eines Gemisches aus Bariumoxid
sche Wirkung des Calciums bei Säugetieren und Quecksilberoxid erstmals Barium, wenn auch
längst nicht in vollem Umfang wahrnehmen kann noch in unreiner Form, dar. Das neu hergestellte
(Bartley und Reber 1961). Element erhielt den Namen Barium nach seinem
Mineral Baryt. Reines Barium erzeugten 1855
Bunsen und Matthiessen durch die Elektrolyse
Patente einer geschmolzenen Mischung von Barium-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world und Ammoniumchlorid.
wide.espacenet.com)
Der britische Arzt und Botaniker William
G. S. Hahn, Topically administered stron- Withering (* 28. März 1741 Wellington; †
tium-containing complexes for treating 6. Oktober 1799 Larches). Er studierte von
pain, pruritis and inflammation (Galleon 1762 bis 1767 Medizin an der Universität
Labs LLC, US 2019076469 A1, veröf- Edinburgh, arbeitete danach als Landarzt in
fentlicht 14. März 2019) Stafford, danach zunächst als Arzt in Bir-
S. E. Hidem und A. Fontaine, Integrated mingham und ab 1779 am Birmingham
strontium-rubidium radioisotope infusion General Hospital. Neben seiner Tätigkeit
5 Einzeldarstellungen 117

von 2 Mrd. t (Miller 2008). In Deutschland befin-


als Arzt veröffentlichte Withering ein Buch den sich nennenswerte Vorkommen beispiels-
über die britische Flora und wurde ein aner- weise in Osthessen, im Sauerland und im Harz,
kannter Fachmann bei der Bestimmung von womit Deutschland neben China, Mexiko, Indien,
Pilzen (Zander et al. 1984, S. 762). Er ent- Türkei, USA, Tschechien, Marokko, Irland, Ita-
deckte das nach ihm benannte Bariummine- lien und Frankreich zu den wichtigen Produk-
ral Witherit. 1785 wählte ihn die Royal tionsländern für Schwerspat gehört.
Society als Mitglied („Fellow“) (Gradmann
2005).
Gewinnung 1808 stellte Davy erstmals metalli-
Der britische Naturwissenschaftler Augus- sches Barium, wenn auch noch in unreiner Form,
tus Matthiessen (* 2. Januar 1831 London; her, indem er ein geschmolzenes Gemisch von
† 6. Oktober 1870 London) studierte Che-
Bariumsalzen elektrolysierte. Erst wesentlich spä-
mie in Gießen und Heidelberg und hatte
ter gelang die Reindarstellung durch Bunsen und
dort unter Anderem Bunsen und Kirchhoff
Matthiessen, indem sie ein aus Bariumchlorid und
als Lehrer. Matthiessen promovierte dann
Ammoniumchlorid bestehendes Gemisch einer
aber in London. 1855 gelang ihm zusam-
men mit Bunsen die Darstellung größerer Schmelzelektrolyse unterwarfen. Nur ein klei-
Mengen an Lithium, Strontium und Barium ner Teil der großen Jahresweltproduktion von
durch Elektrolyse ihrer geschmolzenen Schwerspat (siehe oben) wird zu metallischem
Chloride. Ab 1859 kehrte Matthiessen end- Barium umgesetzt, da dieses Verfahren energiein-
gültig nach London zurück und arbeitete tensiv und damit teuer ist. Die meisten techni-
dort am Royal College of Chemistry. schen Anwendungen liegen ohnehin für Verbin-
dungen des Bariums vor und nicht für das Metall
Zusammen mit Moritz von Bose unter- selbst.
suchte er die Abhängigkeit der elektrischen Schwerspat (Bariumsulfat) wird mit Kohle zu
Leitfähigkeit der Metalle von der Tempera- Bariumsulfid reduziert (I), das man darauf unter
tur, des Weiteren später niedrigschmelzende Einwirkung von Kohlensäure zu Bariumcarbonat
Legierungen und metallisches Cadmium umsetzt (II). Jenes wird durch Glühen in Barium-
(Matthiessen und Vogt 1863). Von 1862 an oxid überführt (III), das anschließend im Vakuum
lehrte er Chemie am St. Marys Hospital, ab bei einer Starttemperatur von 1200  C mit Alumi-
1869 am St. Bartholomew’s Hospital. Er nium zu Barium und Aluminiumoxid umgesetzt
erhielt 1869 die Medaille der Royal Society, wird (IV). Dabei destilliert Barium ab und wird
beging jedoch wegen juristischer Probleme
flüssig in Kühlern aufgefangen:
ein Jahr später Selbstmord.

Vorkommen Das sehr reaktionsfähige Barium (I)


BaSO4 þ 2 C ! BaS þ 2 CO2
kommt in der Natur nicht elementar, sondern nur
in Form seiner Verbindungen vor. Erstaunlich (II)
hoch ist sein Anteil mit 260 ppm an der Erdhülle BaS þ H2 O þ CO2 ! BaCO3 þ H2 S
und sogar mit 390 ppm in der Erdkruste, der es
immerhin zum vierzehnthäufigsten Element macht (III)
BaCO3 ! BaO þ CO2
(Greenwood und Earnshaw 1988).
An Bariummineralien findet man vorwiegend
(IV)
Baryt (Schwerspat, Bariumsulfat) und Witherit 3 BaO þ 2 Al ! 3 Ba þ Al2 O3
(Bariumcarbonat). Schwerspat baut man berg-
männisch ab; die jährliche Weltproduktion dürfte
sich aktuell und hochgerechnet auf rund 7 Mio. t Falls sehr reines Barium benötigt wird, wendet
belaufen bei geschätzten weltweiten Reserven man die Schmelzflusselektrolyse geschmolzenen
118 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Bariumchlorids an und destilliert oder sublimiert herstellbare Bariumperoxid (BaO2) setzt man in
das Metall dann im Hochvakuum. der Pyrotechnik ein. Löst man Bariumoxid in
Wasser, so entsteht in deutlich exothermer
Eigenschaften Barium glänzt silbrig-weiß me- Reaktion die wässrige Lösung des stark basi-
tallisch, läuft an der Luft aber infolge Reaktion schen Bariumhydroxids [Ba(OH)2]. Dieses bil-
mit Luftsauerstoff schnell matt an. Beim Erhitzen det bei Kontakt mit Kohlendioxid das schwer
an der Luft können sich auch Stücke des Metalls wasserlösliche Bariumcarbonat (BaCO3), das
entzünden und verbrennen dann zu Bariumoxid. aus der Lösung als Niederschlag ausfällt und als
Die in Wasser löslichen Bariumverbindungen unspezifischer Nachweis sowohl für Carbonat als
sind im Unterschied zu denen des homologen auch Barium dient.
Calciums hochgiftig. Bariumoxid kristallisiert kubisch im Natri-
Barium kristallisiert kubisch-raumzentriert. umchlorid-Typ und reagiert mit feuchter Luft
Seine Verbindungen färben die Flamme des Bun- zum Hydroxid, mit kohlendioxidhaltiger Luft bil-
senbrenners grün (Wellenlänge der emittierten det sich Bariumcarbonat. Technisch stellt man es
Spektrallinien: 524,2/513,7 nm). Barium hat eine durch Erhitzen eines Gemisches aus Kohle und
für Erdalkalimetalle bereits hohe Dichte von Bariumcarbonat auf Temperaturen um 1030  C
3,62 g/cm3 (20  C), ist damit aber noch ein Leicht- her, im Labor auch durch Glühen von Bariumni-
metall (s. Tab. 5). Mit einer Mohs-Härte von 1,25 trat (Brauer 1978, S. 926). Man verwendet es als
ist es das weichste Erdalkalimetall (Kresse et al. Absorber für Kohlendioxid und als Trocknungs-
2007; Sitzmann 2007). mittel, ferner zur Herstellung weiterer Verbindun-
Barium ähnelt in seinen chemischen Eigen- gen des Bariums.
schaften Strontium und Calcium, ist aber noch Im Temperaturbereich zwischen 500 und
reaktiver als diese. Darauf weist sein negatives 600  C reagiert Bariumoxid an der Luft zum
Redoxpotential (2,912 V) hin. Es reagiert heftig weißen bis hellgelben Bariumperoxid (BaO2,
mit Wasser, Luft, Halogenen sowie Schwefel und s. Abb. 42), oberhalb davon wird der im Peroxid
löst sich leicht in Säuren. Nur in konzentrierter gebundene Sauerstoff wieder abgegeben. Man
Schwefelsäure verdankt es Barium der Bildung kann daher Sauerstoff bei niedriger Temperatur
einer schützenden Passivschicht von Bariumsul- binden und bei höherer Temperatur wieder frei-
fat, dass die zunächst einsetzende Auflösungs- setzen.
reaktion: Unter Einsatz von Schwerspat (Bariumsulfat)
als Ausgangsmaterial erzeugt man Bariumhydro-
xid [Ba(OH)2] über das Oxid bzw. Sulfid. In was-
Ba þ H2 SO4 ! BaSO4 þ H2 "
serfreier Form hat das weiße (s. Abb. 43), stark
hygroskopische und polymorphe (Friedrich et al.
bald zum Erliegen kommt. In seinen Verbin- 2002) Bariumhydroxid die Dichte 4,5 g/cm3 und
dungen tritt es immer mit der Oxidationsstufe + 2 schmilzt bei 408  C. Die orthorhombisch kristal-
auf. Als insgesamt sehr unedles Metall muss es lisierende α-Modifikation ist nur bei hoher Tem-
unter inerten Schutzflüssigkeiten oder unter Ar- peratur stabil; die monokline β-Form dagegen bei
gon aufbewahrt werden. Raumtemperatur. Die Löslichkeit des Bariumhy-
droxids in Wasser steigt mit der Temperatur stark
Verbindungen (56 g/L bei 20  C Wasser, 947 g/L bei 80  C). Die
Chalkogenverbindungen Bariumoxid (BaO) ist wässrige Lösung (Barytwasser) reagiert stark
ein weißes, ätzend wirkendes, stark alkalisches, alkalisch.
hygroskopisches weißes Pulver (s. Abb. 41) der Barytwasser trübt sich beim Stehen an der Luft
Dichte 5,71 g/cm3, das bei 1923  C schmilzt schnell infolge Bildung schwer wasserlöslichen
(Siedepunkt der Schmelze: ca. 2000  C). Es Bariumcarbonats ein. Man setzt Bariumhydroxid,
adsorbiert schnell und unter Freisetzung von wenn überhaupt, zur Produktion von Glas und
Wärme Wasser und Kohlendioxid. Das aus ihm Keramik ein.
5 Einzeldarstellungen 119

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Barium


Symbol: Ba
Ordnungszahl: 56
CAS-Nr.: 7440-39-3

Aussehen: Weißgrau, metallisch Barium, Stück (Hi-Res Barium,


glänzend Images of Chemical Stücke (Sicius 2015)
Elements 2010
Entdecker, Jahr Scheele (Schweden), 1774
Davy (Vereinigtes Königreich), 1808
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
[natürliches Vorkommen
(%)]
134
56Ba (2,417) Stabil ———
135
56Ba (6,592) Stabil ———
136
56Ba (7,854) Stabil ———
137
56Ba (11,23) Stabil ———
138
56Ba (71,7) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle 260
(ppm):
Atommasse (u): 137,327
Elektronegativität 0,89 ♦ k.A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Ba2+ + 2 e > Ba (V) 2,92
Atomradius (pm): 215
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 268
Kovalenter Radius (pm): 215
Ionenradius (Ba2+, pm) 135
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 503 ♦ 965
Magnetische Volumensuszeptibilität: 6,8  106
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): 2,94 . 106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul 13 ♦ 9,6 ♦ 4,9
(GPa):
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Mohs-Härte 1,25
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 1620
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 3,62
Molares Volumen (m3/mol, im festen 38,16  106
Zustand):
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 18
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 28,07
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 727 ♦ 1000
Schmelzwärme (kJ/mol): 8,0
Siedepunkt ( C ♦ K): 1637 ♦ 1910
Verdampfungswärme 149
(kJ/mol):
120 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Abb. 41 Bariumoxid (Onyxmet 2019) Abb. 43 Bariumhydroxid (Onyxmet 2019)

Abb. 42 Bariumperoxid (Onyxmet 2019) Abb. 44 Bariumsulfid (Onyxmet 2019)

Bariumsulfid (BaS) erzeugt man durch Reduk- von Bariumoxid oder Bariumcarbonat mit Selen
tion von Bariumsulfat (Schwerspat) mit Kohle bei bei hoher Temperatur. Der weiße Feststoff
1000  C im Drehrohrofen: schmilzt bei 1780  C und hat eine Dichte von
5,02 g/cm3. Bereits Luftsauerstoff zersetzt die
BaSO4 þ 2 C ! BaS þ 2 CO2 Verbindung nach kurzer Zeit unter Bildung ele-
mentaren Selens, worauf sie sich rötlich und
Eine weitere Möglichkeit der Herstellung ist später hellbraun färbt (Ropp 2012). Wasser
die Reduktion von Bariumcarbonat bei etwa und noch stärker Säuren zersetzen Bariumsele-
1000  C durch Überleiten eines Gemisches von nid unter Bildung von Selenwasserstoff und
Schwefelwasserstoff und Wasserstoff (Brauer rotem Selen (Okamoto 1991). Auch Bariumse-
1978, S. 927). Bariumsulfid ist ein weißer bis lenid kristallisiert im kubischen Natrium-
hellgelber Feststoff (s. Abb. 44) der Dichte chlorid-Gittertyp (Blachnik 2013, S. 330; Perry
4,26 g/cm3, der erst bei hoher Temperatur 2016, S. 56). Einsatzgebiete des Halbleiters, der
(2227  C) schmilzt. Bariumsulfid oxidiert leicht Schätzungen zufolge eine direkte Bandlücke
an der Luft und wird durch Feuchtigkeit zügig von 1,70 eV besitzt (Okereke und Ekpunobi
unter Bildung von Schwefelwasserstoff hy- 2011), sind beispielsweise Fotozellen.
drolysiert. Es kristallisiert in der kubischen Bariumtellurid (BaTe) hat eine Dichte von
Natriumchlorid-Struktur mit vier Formeleinhei- 5,13 g/cm3, schmilzt bei 1510  C und ist ein
ten pro Elementarzelle. Halbleiter, aber mit einer großen geschätzten
Bariumselenid (BaSe) gewinnt man durch Bandlücke von 3,4 eV. Die Bestrahlung des Mate-
Reduktion erhitzten Bariumselenats im Wasser- rials ließ es Elektronen aussenden, deren kineti-
stoffstrom (Brauer 1978, S. 949). Ebenfalls sche Energie bestimmt wurde. Die höchstmögli-
möglich ist die Darstellung durch Reaktion che im Valenzband vorliegende Energie schätzten
5 Einzeldarstellungen 121

Martin und Hensley zu 4,8 eV oberhalb des im säure (Ausnahme: Bariumsulfat reagiert nicht
Vakuum gemessenen Wertes (Martin und Hensley mit Salzsäure) oder aber direkt aus den Elemen-
1967). ten Barium und Chlor in heftiger Reaktion. Kom-
Halogenverbindungen Bei der Zugabe von merziell produziert man Bariumchlorid durch
Fluoriden zu wässrigen Lösungen von Bariumsal- Reaktion von Bariumsulfid mit Salzsäure:
zen fällt weißes Bariumfluorid (BaF2) (s. Abb. 45a, b)
aus diesen aus, da es sehr schwer wasserlöslich ist BaS þ 2 HCl ! BaCl2 þ H2 S "
(Holleman et al. 2007, S. 1241):
Bariumchlorid ruft wie Barium und alle seine
þ 2 F- ! BaF2 #
2þ Salze eine Grünfärbung der Flamme des Bunsen-
Ba
brenners hervor, es ist gut in Wasser löslich und
giftig wie alle in Wasser löslichen Verbindungen
Bariumfluorid kristallisiert in der Fluoritstruk- des Bariums. Aus wässriger Lösung erhält man
tur, besitzt die für ein Erdalkalisalz ungewöhnlich das Dihydrat.
hohe Dichte von 4,89 g/cm3 und den für die Wasserfreies Bariumchlorid kristallisiert mit
Erdalkalifluoride wiederum typischen, hohen orthorhombischer Struktur (Brackett et al. 1963;
Schmelzpunkt von 1368  C (Kojima et al. 1968; Levy et al. 1978). Es ist Nachweisreagenz für
Siedepunkt der Schmelze: 2268  C). Unter hohem Sulfat, da bei seiner Reaktion mit Sulfat als weißer
Druck wandelt sich die Struktur des Kristallgitters Feststoff Bariumsulfat ausfällt. Man nutzt es fer-
um (Leger et al. 1995); in der Gasphase ist das ner in der Pyrotechnik sowie zur Herstellung der
BaF2-Molekül gewinkelt und nicht linear (Seijo reinen Farbstoffe Bariumsulfat und -chromat. Frü-
et al. 1991). Über einen weiten Wellenlängenbe- her verwendete man Bariumchlorid auch als Rat-
reich (150–15.000 nm) sind Einkristalle aus Ba- tengift (Schmuck et al. 2008).
riumfluorid lichtdurchlässig; somit werden sie in Die Ursache der im Vergleich zum homologen
optischen Apparaturen eingesetzt. Man verwen- Calcium derart starken Giftwirkung auch für den
det Bariumfluorid ferner als Flussmittel bei der Menschen liegt darin, dass Bariumionen die pas-
Gewinnung von Leichtmetallen und deren Legie- siven Kaliumkanäle in den Membranen der Mus-
rungen sowie bei der Herstellung von Emaille. kelzellen deaktivieren. Calciumionen zeigen diese
Mit Lanthanoid-Kationen dotiertes Bariumfluorid Wirkung wegen ihres wesentlich geringeren Io-
dient als Lasermaterial (Sitzmann 2014). nenradius und anderer Löslichkeit ihrer Salze
Bariumchlorid (BaCl2) ist in wasserfreiem kaum bzw. überhaupt nicht. Kaliumionen können
Zustand ein farbloses, kristallines Pulver (s. bei Gegenwart größerer Mengen an Bariumionen
Abb. 46), das bei einer Temperatur von 962  C daher nicht mehr aus den Muskelzellen austreten.
schmilzt (Siedepunkt: 1560  C) und die Dichte Da aber nach wie vor Kaliumionen in die Zellen
3,86 g/cm3 aufweist. Es ist auf mehreren Wegen gepumpt werden, sinkt der Kaliumspiegel im Blut
zugänglich, wie beispielsweise der Auflösung drastisch, was schließlich zur Lähmung aller Mus-
von Barium oder seinen Verbindungen in Salz- keln und damit auch der Atmung führen kann

Abb. 45 a Bariumfluorid (Onyxmet 2019). b Barium-


fluorid (Stanford Advanced Materials 2019) Abb. 46 Bariumchlorid-Dihydrat (Onyxmet 2019)
122 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

(Su et al. 2010). Als Maßnahme zur Ersten Hilfe ser abgibt (Perry und Phillips 1995, S. 223). Man
gilt die sofortige Einnahme einer wässrigen nutzt die Verbindung vereinzelt in der Homöopa-
Lösung von Natrium- bzw. Kaliumsulfatlösung, thie.
da so die Bariumionen infolge Ausfällung als Pnictogenverbindungen Bariumnitrid (Ba3N2)
schwer lösliches Bariumsulfat deaktiviert werden. ist ein schwarzes Pulver der Dichte 4,78 g/cm3
Zusätzlich muss der Patient stationär dialysiert (Preis im April 2019: 1 g 85 € bei abcr; 77,40 € bei
werden. Aldrich). Die Keramik wird gelegentlich in klei-
Bariumbromid (BaBr2) ist eine weiße kristal- nen Mengen weißes Licht emittierenden LEDs
line Masse (s. Abb. 47) der Dichte 3,58 g/cm3, die zugesetzt, zudem dient es als Ausgangsprodukt
in Form des wasserfreien Salzes einen Schmelz- zur Herstellung ternärer Metallnitride und auch
punkt von 847  C hat. Dessen zu Radiumbromid als Fließmedium bei der Herstellung von Gal-
deutlich verschiedene Löslichkeit in Wasser liumnitrid.
nutzte Marie Curie zur Abtrennung des Radiums Bariumazid [Ba(N3)2] erhält man durch Um-
(Hermann 1990). Beim Eindampfen einer ba- setzung von Stickstoffwasserstoffsäure mit Ba-
rium- und bromidhaltigen wässrigen Lösung fällt riumhydroxid (Brauer 1978, S. 930). Die weiße
das Dihydrat des Bariumbromids aus, das sich Verbindung der Dichte 2,94 g/cm3 zersetzt sich
oberhalb von 120  C zum wasserfreien Salz ent- beim Erhitzen auf 100  C fast explosionsartig, ist
wässern lässt. bei Raumtemperatur auch gegen Stoß oder plötz-
Die Verbindung stellt man durch Umsetzung liche Hitzeeinwirkung empfindlich (Köhler et al.
von Bariumsulfid oder -carbonat mit Bromwas- 2008) und an der Luft zudem selbstentzündlich.
serstoffsäure her. Bariumbromid kristallisiert in Aus Bariumazid stellt man andere Metallazide
der Blei-II-chloridstruktur (Holleman et al. 2007, her, auch dient es zur Erzeugung großer Mengen
S. 1241; Seijo et al. 1991). reinen Stickstoffs, wenn man es erhitzt.
Bariumiodid (BaI2) stellt man entweder aus Bariumphosphid (Ba3P2) ist ein Halbleiter,
Iodwasserstoffsäure und Bariumcarbonat her, den man in Hochfrequenzanwendungen einset-
oder aber aus Bariumhydroxid und Iod in Ge- zen kann. Man stellt es ähnlich wie Stron-
genwart eines Reduktionsmittels (Phosphor oder tiumphosphid her, nämlich durch Reduktion
schweflige Säure). Ein elegantes, aber nur im des Phosphats mit Ruß bzw. fein verteiltem
Labor praktikables Verfahren ist die Umsetzung Kohlenstoff im elektrischen Ofen. Ein unreine-
von Bariumhydrid mit Ammoniumiodid in Pyri- res Material erhält man beim Überleiten
din (Brauer 1978, S. 923). Das hygroskopische dampfförmigen gelben Phosphors über erhitztes
Salz ist außerordentlich leicht in Wasser löslich Bariumoxid. Der dunkelgraue bis schwarze
(bei 20  C; ca. 2000 g/L; bei 100  C etwa 2700 g/L) Feststoff der Dichte 3,18 g/cm3 zeigt glänzende
(Abegg und Auerbach 1908, S. 256). Meist tritt Kristallflächen, ist hydrolyseempfindlich
die Verbindung in Form des Dihydrats auf, das und brennt in Chlorgas bei Temperaturen ober-
beim Erhitzen auf 150  C das ganze Kristallwas- halb von 90  C, in Bromdampf oberhalb von
260  C.
Bariumarsenid (Ba3As2) ist ebenfalls ein Halb-
leiter, der beispielsweise durch Leiten von Arsen-
wasserstoff (Monoarsan, AsH3) über Bariumoxid
bei Rotglut erhalten werden kann; alternativ geht
auch die Reduktion von Bariumarsenat mit Koh-
le im elektrischen Ofen. Bariumarsenid hat die
Dichte 4,1 g/cm3 (15  C), ist etwas dunkler als
die Arsenide der anderen Erdalkalimetalle und
reaktiver als diese. So brennt es ohne Wärmezu-
fuhr in Fluor- und Chlorgas sowie auch in Brom-
Abb. 47 Bariumbromid-Dihydrat (Onyxmet 2019) dampf. In Sauerstoff entzündet es sich jedoch erst
5 Einzeldarstellungen 123

bei Temperaturen um 300  C, in Schwefeldampf und fällt bei der Zugabe von Sulfat zu wässrigen
bei dunkler Roglut. Lösungen von Bariumsalzen als weißer Nieder-
Sonstige Verbindungen Das sich vom Acetylen schlag aus. Diese Reaktion dient als wichtiger
(Ethin) ableitende Bariumcarbid (BaC2) kann Nachweis für Barium, muss aber natürlich durch
man durch Reaktion von Barium mit Kohlenstoff Begleituntersuchungen wie Atomabsorptionsspek-
bei Temperaturen um 1300  C darstellen (Vohn troskopie abgesichert werden.
et al. 1999). Ebenso ist die Synthese durch Erhit- Bariumsulfat wird vor allem durch Abbau des
zen einer Mischung von Bariumsulfat, rotem Minerals Baryt gewonnen. 2014 betrug die welt-
Phosphor und Kohlenstoff möglich (Sharma weite Produktionsmenge 9,3 Mio. t.; die wichtigs-
2007, S. 295). Der graue Feststoff der Dichte ten Produzenten waren China (4,1 Mio. t), Indien
3,74 g/cm3, der bei 1055  C schmilzt, reagiert (1,44 Mio. t), Marokko (1 Mio. t) und die USA
mit Wasser zügig unter Bildung von Ethin (Perry (0,72 Mio t). Man bricht, wäscht, trocknet und
2011, S. 499; Bradley et al. 1967). Die Kristall- mahlt das geförderte Mineral und trennt es von
struktur ist unterhalb von 150  C tetragonal; das Verunreinigungen ab. Durch geeignete Aufarbei-
Bariumion ist oktaedrisch von vier Acetylidionen tung erhöht man die Reinheit und den Weißgrad
(C22) und von zwei einzelnen Kohlenstoffato- weiter.
men je eines weiteren Acetylidions koordiniert. Natürlich vorkommendes Bariumsulfat dient
Beim Erhitzen auf 769  C erfolgt Übergang zu als Rohstoff zur technischen Herstellung anderer
eine kubischen Struktur, beim Abkühlen auf einer Bariumverbindungen einschließlich metallischen
Temperatur von 100  C in eine monokline Bariums. Man verwendet das Material als Füll-
(Vohn et al. 1999; Ropp 2012, S. 358). stoff in Kunststoffen, plastischen Massen, Lacken
Bariumhexaborid (BaB6) ist ein schwarzes, und Farben sowie bei der Herstellung von Papier.
hochschmelzendes (2270  C) Pulver, das mit Daneben setzt man es wegen der starken Absorp-
kubischer Struktur kristallisiert. Massidda et al. tionsfähigkeit für Gamma-und Röntgenstrahlung
untersuchten die elektronische Struktur und die in Strahlenschutzbeton und in der Radiologie
Fermi-Oberflächen des Materials in Abhängigkeit als Röntgenkontrastmittel ein. Die wichtigste
von seiner Dotierung unter Annahme üblicher- Anwendung ist aber diejenige in Spülschlämmen
weise vorliegender Bandstrukturen und mittels für Bohrlöcher. Bariumsulfathaltige Suspensio-
theoretischer Berechnungen. Die Transportge- nen haben eine so hohe Dichte, dass darauf selbst
schwindigkeit von Ladungen durch den Kristall im Bohrschlamm enthaltene Brocken von Gestein
berechnete man mit Hilfe der Bloch-Boltzmann- aufschwimmen, und man auf diese Art das Bohr-
Theorie (2000). loch freispülen kann.
Bariumsulfat (BaSO4) ist ein weißes Pulver Weiter nutzt man Bariumsulfat in Spachtel-
(Abb. 48a, b) der Dichte 4,5 g/cm3, das bei massen zur Beseitung von Schäden an Autoka-
1580  C unter Zersetzung schmilzt und ortho- rosserien, als Füllstoff in Bremsbelägen und
rhombisch kristallisiert (Hill 1977). Es ist nur in Beschichtungen. Als Barytweiß (Blanc fixe, Ma-
sehr geringer Menge wasserlöslich (105 mol/L) lerweiß) ist gefälltes Bariumsulfat weißer Füll-
stoff in Malerfarben und Lacken, denn es vereint
eine sehr gute Lichtechtheit mit hoher Stabilität
gegenüber chemischen Einflüssen (Brock et al.
2000, S. 123). Ferner dient es wegen seiner im
Wellenlängenbereich von 250 bis 2500 nm kaum
vorhandenen Lichtadsorption als inoffizieller
Standard für bestimmte Weißreflektoren (Grum
und Luckey 1968).
Bariumselenat (BaSeO4) ist das höhere Ho-
Abb. 48 a Bariumsulfat (Onyxmet 2019). b Bariumsulfat mologe des Bariumsulfats, hat eine Dichte von
(Stanford Advanced Materials 2019) 4,75 g/cm3 und wird durch Vereinigen wässriger
124 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Lösungen von Natriumselenat und Bariumchlorid chlorids in Form kleiner, sauberer Kristalle anfällt
als farbloser Niederschlag (s. Abb. 49) gewonnen (Galasso 1973).
(Ropp 2012, S. 184). Es ist ebenfalls schwer lös- Bariumtitanat ist ein weißer Feststoff (s.
lich in Wasser, wenngleich minimal leichter als Abb. 50a bis c), hat die Dichte 5,85 g/cm3, schmilzt
Bariumsulfat (15 mg/L bei 20  C). Erhitzt man bei einer Temperatur von 1620  C und ist ein
die orthorhombisch kristallisierende Verbindung keramisches Ferroelektrikum. Seine Permittivität
(Prieto et al. 2005) auf Temperaturen oberhalb hängt stark von der Stärke des angelegten elektri-
von 400  C, so tritt Zersetzung ein (Hofmann schen Felds ab.
2013, S. 190). Ursprünglich wollte man Barium- Bariumtitanat kristallisiert unterhalb von 120  C
selenat als Dünger für Futterpflanzen einsetzen, tetragonal verzerrt in der Perowskit-Struktur
um einen Mangel an Selen bei Weidetieren zu (Galasso 1973). Die Elementarzelle hat ein
verhindern. Diese Praxis ist aber inzwischen in Dipolmoment, weil das Titanion gegenüber den
der Schweiz und der gesamten Europäischen Oxidanonen in z-Richtung verschoben ist. Daraus
Union verboten (Europäische Union 2015). resultieren ein Dipolmoment der Elementarzelle
Bariumtitanat (BaTiO3) produziert man entwe- und die Polarisation. Bei der Curie-Temperatur
der durch Erhitzen einer Mischung von Barium- von 120  C erfolgt Übergang zur kubischen Struk-
carbonat und Titandioxid auf eine Temperatur von tur (Von Hippel 1950), bei der das Titanion okta-
1200  C: edrisch von sechs Oxidanionen umgeben sind und
alle Ti-O-Bindungen gleich lang sind. Damit hat
BaCO3 þ TiO2 ! BaTiO3 þ CO2 " die Elementarzelle kein Dipolmoment mehr; die
Ferroelektrizität verschwindet. Unterhalb von
oder durch Modifikation dieser Reaktion, in- 0  C liegt eine orthorhombische Struktur vor,
dem man beide im stöchiometrischen Verhältnis unterhalb von 90  C eine trigonale. Man setzt
eingesetzten Reaktionspartner mit einem Über- Bariumtitanat und hierzu verwandte Perowskite
schuss an Kochsalz vermengt. Dies erlaubt eine in der Elektronik und Sensorik als Werkstoff ein,
geringfügige Senkung der Umsetzungstempera- so etwa als Dielektrikum in Keramik-Konden-
tur, so dass das Bariumtitanat noch im Ofen aus- satoren hoher Kapazität.
kristallisiert und nach Auswaschen des Natrium- Das farblose Bariumcarbonat (BaCO3) (s.
Abb. 51a und b) kommt in der Natur als Mineral
Witherit vor. Die Verbindung hat die Dichte
4,43 g/cm3, zersetzt sich beim Erhitzen auf Tempe-
raturen um 1450  C zu Bariumoxid und Kohlendi-
oxid und besitzt bei 20  C orthorhombische Kristall-
struktur (de Villiers 1971); es existieren aber auch
Hochtemperatur-Modifikationen (Strømme 1975).
Bariumcarbonat ist sehr schwer wasserlöslich
(0,2 g/L bei 20  C); man setzt es zur Herstellung
optischer Gläser und als Material zur Beschichtung
von in Fernseh- und Computermonitoren verbau-
Abb. 49 Bariumselenat (Onyxmet 2019) ten Kathodenstrahlröhren ein, da es wirkungsvoll

Abb. 50 a Bariumtitanat
(Onyxmet 2019).
b Bariumtitanat (Stanford
Advanced Materials 2019).
c Bariumtitanat
Sputtertarget (QS
Advanced Materials 2019)
5 Einzeldarstellungen 125

Abb. 51 a Bariumcarbonat (Stanford Advanced Materi- Abb. 52 a Bariumchromat (Onyxmet 2019). b Barium-
als 2019). b Bariumcarbonat (Onyxmet 2019) chromat (Stanford Advanced Materials 2019)

schädliche kurzwellige Röntgen- und γ-Strahlung der Kaliumspiegel im Blut, verbunden zunächst
absorbiert. Die Verbindung ist wie alle löslichen mit starker Erregung des Verdauungstraktes (Er-
Bariumsalze hochgiftig, dies wegen ihrer Löslich- brechen, Durchfall), dann erst erhöhte Muskelakti-
keit in Magensäure, und bewirkt schwere Schäden vität, später dann deren schrittweiser Ausfall bis
der Funktion des Nervensystems sowie von Herz, hin zur Atemlähmung (Morton 1945). Als Erste
Kreislauf und Lunge (Morton 1945). Hilfe verabreicht man sofort eine wässrige Lösung
Das gelbe Bariumchromat (BaCrO4) (s. Abb. von Kalium- oder Natriumsulfat, denn Sulfat fällt
52a, b) erhält man in schwach saurer Lösung die Bariumionen aus und macht sie so unschädlich.
durch Fällung von Barium- mit Chromationen. Anschließend muss der Patient im Krankenhaus
Die Verbindung ist nahezu wasserunlöslich dialysiert werden, um etwaig noch im Körper ver-
und daher nicht akut giftig, aber über die bliebenes Barium zu entfernen.
Atemwege inkorporiertes Bariumchromat wirkt Für Menschen ist eine Dosis von 1–15 g töd-
stärker krebserregend als leicht lösliche Chromate lich, je nach Wasserlöslichkeit der Bariumverbin-
(Wise et al. 2010). Man setzt Bariumchromat als dung. Die maximale am Arbeitsplatz zulässige
farbgebendes Pigment in Malerfarben und Gläsern Konzentration (MAK-Wert) liegt bei 0,5 mg/m3.
ein.

Anwendungen Die jährlich produzierte Menge Patente


metallischem Bariums beträgt nur wenige t, da (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
man es lediglich als Gettersubstanz in Vakuum- wide.espacenet.com)
röhren und legiert mit Nickel in Zündkerzen oder
legiert mit Blei in Lagermetallen zur Erhöhung J. Hakateyama und T. Sasami, Resist
der Härte verwendet. composition, patterning process, and
barium salt (Shinetsu Chemical Co.,
Physiologische Wirkung und Toxizität Be- US 2019113846 A1, veröffentlicht 18.
stimmte Pflanzen wie die Paranuss können April 2019)
Barium in großer Menge (bis zu einem Gehalt S. W. Minh und S. H. Han, Manufacturing
von 1 %!) anreichern. Nur für bestimmte Zier- method of barium titanyl oxalate powder
algen ist Barium essenziell, auf Menschen, die and manufacturing method of barium ti-
meisten Säugetiere und Wasserorganismen wirkt tanate nanoparticle (Korea Institute for
es hingegen stark giftig. Bariumionen blockieren Industrial Technology, KR 20190010
die passiven Kaliumkanäle in der Membran von 770 A, veröffentlicht 31. Januar 2019)
Muskelzellen, so dass Kaliumionen nicht mehr G. Liang und L. Zheng, Barium titanate foam
aus den Muskelzellen herausgelangen können ceramics loaded with micro/nano silver
(siehe auch „Bariumchlorid“). Da aber ständig
weiter Kalium in die Zellen gepumpt wird, sinkt (Fortsetzung)
126 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

des Radiums entstehende Radon ist. Diese Heil-


and preparation method thereof (Univer- quellen sollen bei der Behandlung von Erkran-
sity of Soochow, US 2019031572 A1, kungen des Skeletts, der Atemwege, der Haut
veröffentlicht 31. Januar 2019) und der Gefäße helfen.
H. Wang, Barium petroleum sulfonate pro-
duction plant (Chengdu Hui Si Dun
Technology Co., Ltd., AU 2018101981
Der französische Physiker und Nobelpreis-
A4, veröffentlicht 24. Januar 2019)
träger Pierre Curie (* 15. Mai 1859 Paris; †
F. Peng, Barium ferrite magnetic powder
19. April 1906 Paris) bestand schon 1875
production plant (Chengdu Mi Er Dun das Abitur und erlangte im Alter von 19 Jah-
Technology Co., Ltd., AU 2018101899 ren das Diplom in Physik. Curie erhielt
A4, veröffentlicht 24. Januar 2019) danach den Ruf zum Lehrer an der Pariser
Schule für Physik und Chemie, deren Lei-
tung er 1882 übernahm. 1895 promovierte
er und erhielt kurz darauf eine Professur.
5.6 Radium Am 26. Juli 1895 heiratete er die polnische
Physikerin Maria Skłodowska (viel bekann-
Geschichte Marie Curie (Kurzbiografie siehe ter als Marie Curie), mit der er zwei Töchter
„Thorium“) und ihr Mann Pierre Curie entdeckten hatte. 1900 wurde Curie Repetitor an der
Radium am 21. Dezember 1898 in Proben von École Polytechnique, starb aber sechs Jahre
Pechblende. Ein Teil des Erzes wurde mit Schwe- später, am 19. April 1906, in Paris im Alter
felsäure aufgeschlossen; nach Zugabe von Ba- von 46 Jahren bei einem Verkehrsunfall.
riumchlorid fiel aus der wässrigen Lösung Bari-
umsulfat aus, das eine starke Radioaktivität Pierre Curie entdeckte 1880 den piezoelek-
zeigte. Mit Barium zusammen musste also ein trischen Effekt, außerdem wies er als Erster
sehr ähnliches, aber stark radioaktives Metall in die Curie-Temperatur nach und stellte das
Form seines Sulfats aus der Lösung ausgefällt Curie-Gesetz auf. Er entdeckte zusammen
worden sein. Dagegen erwies sich die ursprüng- mit seiner Frau Marie 1898 das Radium und
wenig später das Polonium als Abbaupro-
lich eingesetzte Pechblende nur als schwach
dukte des radioaktiven Zerfalls des Urans.
radioaktiv. Daher nannten die Curies das neue
1903 erhielten er und seine Frau Marie
Element Radium.
Curie eine Hälfte des Physik-Nobelpreises
In der Frühzeit maß man der stark gesundheits-
für die gemeinsam mit Becquerel durchge-
schädlichen Radioaktivität des Radiums nur we- führten Arbeiten über Strahlungsphänome-
nig Bedeutung bei; man setzte es im Gegen- ne. Die zweite Hälfte des Preises erhielt
teil Kosmetika, Arznei- und Lebensmitteln zu. Becquerel. Weiterhin erhielten die Curies
Radiumverbindungen brachte man auch auf die zahlreiche weitere Ehrungen wie die Davy-
Zifferblätter und Zeiger von Armbanduhren auf, Medaille der Royal Society 1903 und die
weil diese dann im Dunkeln leuchteten. Ab Ende Ernennung zum Mitglied der französischen
der 1920er-Jahre häuften sich Hinweise auf ge- Akademie der Wissenschaften. Das Element
sundheitsgefährdende Wirkungen des Radiums Curium wurde zu ihren Ehren benannt
(Blum 1924), weshalb Radium ab Anfang der (Jacobi 2006).
1930er-Jahre aus den oben genannten Produkten
nach und nach eliminiert wurde.
Zugleich öffneten einige auch heute noch Vorkommen Radium ist eines der seltensten na-
erfolgreich betriebene Radiumheilbäder wie Bad türlichen Elemente; sein Anteil an der Erdkruste
Kreuznach oder Bad Brambach, obwohl das beträgt etwa 7  1012 %. Das Isotop 22688Ra ist
eigentlich wirksame Prinzip das beim α-Zerfall eines der direkten Zerfallsprodukte des Isotops
5 Einzeldarstellungen 127

238
92U;
daher ist der Gehalt an Radium in uran- Dichte 6,7 g/cm3 (Schulze 1936) und die Stan-
haltigem Gestein proportional zu dem des Urans dardbildungsenthalpie 1184,5 kJ/mol.
und beträgt etwa 0,3 g Radium/t Uran. Radium Das ebenfalls weiße Radiumchlorid (RaCl2)
begleitet Uran also immer in seinen Erzen. hat einen tieferen Schmelzpunkt (900  C) und
226
88Ra zerfällt aber selbst mit einer Halbwertszeit eine Dichte von 4,9 g/cm3. Es färbt sich im Lauf
von 1602 a zu 22286Rn. der Zeit durch Radiolyse gelblich und leuchtet
im Dunkeln. Man stellt wasserfreies Radium-
chlorid her, indem man erst Radiumsulfat
Gewinnung 1918 stellte man in den USA
bei Temperaturen um 300  C entwässert
13,6 g Radium her (Viol 1919), heutzutage liegt
und dieses dann bei Rotglut in einer Quarzröhre
die verfügbare Menge an reinen Radiumverbin-
mit gasförmigem Chlorwasserstoff umsetzt. Aus
dungen um 100 g weltweit. Wichtigste Produk-
wässriger Lösung kristallisiert das zu Bariumchlorid
tionsländer sind Belgien, Kanada, Tschechien,
isomorphe Radiumchlorid in Form seines Dihyd-
die Slowakei, das Vereinigte Königreich und die
rats aus. Das kristallisierte Salz ist farblos, seine
GUS-Staaten (Greenwood und Earnshaw 1997,
Löslichkeit beträgt 245 g/L bei 20  C. 22388RaCl2
S. 109–110).
setzt man unter dem Markennamen Xofigo ® zur
Behandlung von Knochenmetastasen ein.
Eigenschaften und Verbindungen Radiumme- Radiumbromid (RaBr2) ist ein weißer, sich
tall ist weich, silberglänzend, chemisch sehr reak- nach einiger Zeit infolge radiolytischen Abbaus
tionsfähig und ein Schwermetall (s. Tab. 6). Es gelb färbender, im Dunkeln leuchtender Feststoff
wird schnell durch Sauerstoff oxidiert und reagiert der Dichte 5,78 g/cm3, der bei einer Temperatur
heftig mit Wasser. Radium tritt immer mit der von 728  C schmilzt. Seine Löslichkeit ist mit
Oxidationsstufe +2 auf. Es ähnelt dem leichteren 706 g/L wesentlich höher als die des Chlorids.
Homologen Barium sehr und bildet wie dieses Die Kristallstruktur ist orthorhombisch.
farblose Salze, von denen Radiumsulfat (RaSO4), Das wasserfreie Salz stellt man durch Überleiten
Radiumfluorid (RaF2) und Radiumcarbonat (RaCO3) gasförmigen Bromwasserstoffs über erhitztes Ra-
schwer wasserlöslich sind. Radiumsalze verleihen diumchlorid her Kirby und Salutsky 1964). Das
der Flamme des Bunsenbrenners eine karminrote Auflösen von Radiumcarbonat in Bromwasser-
Färbung. stoffsäure ergibt das Dihydrat (RaBr22 H2O), das
Chalkogenverbindungen Radiumsulfid (RaS) man durch Überleiten von heißer trockener Luft
und Radiumselenid (RaSe) erhielt man durch entwässern kann. Die Radioaktivität des Radiums
Reduktion von Radiumsulfat bei 990  C bzw. und die damit verbundene Geschwindigkeit
Radiumselenat bei 950  C mit Kohle im Iridium- der Bildung von Zerfallsprodukten ist derart
tiegel im Hochvakuum. RaS und RaSe kristalli- stark, dass die bei dessen Zerfall kontinuierlich
sieren kubisch-flächenzentriert im Kochsalzgit- entstehenden Edelgase Helium und Radon die Kris-
ter mit 4 Einheiten in der Elementarzelle und sind talle der Radiumhalogenide zum Platzen bringen
isomorph mit den jeweiligen Bariumverbindun- können.
gen (Weigel und Trinkl 1969). Ihre Dichten wur- Sonstige Verbindungen Wasserfreies Radium-
den für RaS mit 6,03 g/cm3 und für RaSe mit nitrat [Ra(NO3)2] erzeugt man durch Auflösen
6,43 g/cm3 berechnet. Man setzte vorübergehend von Radiumcarbonat in Salpetersäure. Der weiße
Radiumsulfid in mg-Mengen zur Therapie von Feststoff ist gut in Wasser löslich (139 g/L bei
Warzen ein. Radiumtellurid (RaTe) ist mitbean- 20  C). In konzentrierter Salpetersäure ist Ra-
sprucht im Patent EP 1426756 B1. diumnitrat wenig löslich und kann so von Nitraten
Halogenverbindungen Radiumfluorid (RaF2) anderer Erdalkalien abgetrennt werden.
ist ein weißes Pulver, das im kubischen Flussspat- Radiumsulfat (RaSO4) wird durch Kochen
gitter kristallisiert. Es schmilzt bei 1330  C wässriger Lösungen von Radiumsalzen mit Bari-
(Siedepunkt der Schmelze: 1927  C), hat die umsulfat erhalten. Alternativ erhält man es durch
128 2 Erdalkalimetalle: Elemente der zweiten Hauptgruppe

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Radium


Symbol: Ra
Ordnungszahl: 88
CAS-Nr.: 7440-14-4
Aussehen: Silbrig-weiß, metallisch
Entdecker, Jahr M. Curie (Polen) und P. Curie (Frankreich), 1898
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
226
88Ra (100) 1602 a α > 22286Rn
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 9,5  1011
Atommasse (u): 226,025
Elektronegativität 0,9 ♦ k. A. ♦ k. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Ra2+ + 2 e > Ra (V) 2,916
Atomradius (pm): 215
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 283
Kovalenter Radius (pm): 221
Ionenradius (Ra2+, pm) 140
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 509 ♦ 979
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,05  106
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 5,5
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 41,09  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)] ): 19
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)] ): 21,26
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 700 ♦ 973
Schmelzwärme (kJ/mol): 8
Siedepunkt ( C ♦ K): 1737 ♦ 2010
Verdampfungswärme (kJ/mol): 125

Vereinigung wässriger Lösungen von Radium- Etwa 1500 Polonium-Beryllium-Neutronen-


chlorid und Natriumsulfat. Die rhombischen, wei- Quellen setzte man schon in der früheren Sowjet-
ßen Kristalle verfärben sich im Lauf der Zeit union ein; Polonium hatte damals das Radium
durch Radiolyse gelb (Perry und Phillips 1995, bereits verdrängt.
S. 326). Radiumsulfat ist in Wasser noch schlech-
ter löslich als Bariumsulfat, aber mit ihm als Physiologie und Toxizität Anfang der 1900er-
direktes Homologes isomorph. Jahre galten Radium und seine Verbindungen als
harmlos und wurden zur Bekämpfung von Krebs
Anwendungen 2013 brachte Bayer HealthCare oder auch zur Herstellung von im Dunkeln leuch-
mit 22388Ra-Radiumchlorid (Xofigo ®) ein intrave- tenden Beschichtungen („radium shine“) wie
nös zu verabreichendes Mittel zur Behandlung etwa von Uhrenzeigern eingesetzt, ohne dass die
einiger Formen des Prostatakrebses auf den Markt damit Beschäftigten irgendeine Schutzausrüstung
(Europäische Arzneimittel-Agentur 2013). Zur trugen. So erkrankten Mitarbeiterinnen, die bei
Tumortherapie setzt man aber meist andere Sub- einem Unternehmen in New Jersey die Zifferblät-
stanzen ein. ter von Uhren mit Radiumverbindungen bestri-
Literatur 129

chen, öfters an Tumoren der Zunge und der Lippe, Literatur


da sie mit ihrem Mund die Pinsel spitzten (Lambert
2010; Rowland 1994). Ebenso bestrich man Augen Abegg R, Auerbach F (1908) Handbuch der Anorgani-
schen Chemie, Bd 2. Hirzel, Stuttgart, S 222
von Stofftieren mit diesen Produkten. Bis Anfang
Aktories K et al (2017) Allgemeine und spezielle Toxiko-
der 1920er-Jahre fanden sich Radiumverbindungen logie und Pharmakologie, 12. Aufl. Elsevier/Urban und
in winzigen Mengen in allen möglichen Verkaufs- Fischer, München/Jena. ISBN 978-3-437-42525-7
artikeln, sogar Gebäck (!), wieder. Über den Krebs Alz-Chem AG (2011) Carbid mit Kunststoffabfällen pro-
des Kieferknochens erschien 1925 eine Studie, duzieren (BINE-Projektinfo 8/2011). Bundesministe-
rium für Wirtschaft und Energie, Bonn
deren Resultat war, dass Verbindungen des Radiums Anderson RGW, Fyffe JG (1992) Joseph Black. A biblio-
der Auslöser des Krebses waren (Martland und graphy. Science Museum, London
Humphries 1929). Entsprechend gab es bis dahin Audi G et al (2003) The NUBASE evaluation of nuclear
zahlreiche Amputationen von vom Krebs befallenen and decay properties. Nucl Phys A 279:3–128
Auner N et al (2014) Synthetic methods of organometallic
Gliedmaßen oder Todesfälle, die auf längeren Kon-
and inorganic chemistry, groups 1, 2, 13, and 14,
takt mit Radium zurückzuführen waren. Bd 2. Thieme, Stuttgart, S 59. ISBN 3-13-179171-3
Radium wird im menschlichen Körper schnell Bamford CH, Tipper CFH (1980) Reactions in the solid
aufgenommen und wie das homologe Calcium in state. Elsevier, Amsterdam, S 155. ISBN 0444418075
Barin I (1997) Thermochemical data of pure substances,
die Knochen eingebaut.
3. Aufl. Wiley-VCH, Weinheim, S 296. ISBN 978-
Die im Erzgebirge und Vogtland (Joachims- 3527287451
thal, Brambach, Oberschlema) seit etwa 100 Jah- Barrett-Connor E et al (1994) Coffee-associated osteoporosis
ren etablierten „Radiumbäder“ (in denen eigent- offset by daily milk consumption. The Rancho Bernardo
study. J Am Med Assoc 271(4):280–283
lich das Zerfallsprodukt des Radiums, Radon,
Bartley JC, Reber EF (1961) Toxic effects of stable stron-
das wirksame Prinzip ist) werben mit Radon- tium in young pigs. J Nutr 75:21–28
Mineralheilwasser als Mittel gegen rheumatische Blachnik R (2013) Taschenbuch für Chemiker und Physi-
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Erdmetalle: Elemente der dritten
Hauptgruppe 3

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Zusammenfassung 1 Einleitung
Alle Elemente der dritten Hauptgruppe (Bor-
gruppe oder Erdmetalle), mit Ausnahme des Die in der dritten Hauptgruppe (Borgruppe oder
vor etwa zehn Jahren erstmals erzeugten Niho- Erdmetalle) enthaltenen Elemente sind sehr unter-
niuims, wurden erst im 19. Jahrhundert ent- schiedlich, so wie wir dies in allen Hauptgruppen
deckt. Obwohl Aluminium das am häufigsten von der dritten bis zur siebten sehen. Die Atome
vorkommende Metall ist, blieb es in elementa- dieser Elemente geben meist drei Elektronen ab,
rer Form lange verborgen. Gallium, Indium um eine stabile Elektronenkonfiguration zu errei-
und Thallium sind dagegen sehr selten. chen.
Die Elemente dieser Gruppe ändern ihren Alle Elemente dieser Gruppe, mit Ausnahme
Charakter teils stark von Halbmetall (Bor) über des vor 15 Jahren erstmals erzeugten Nihoniums,
das allgegenwärtige, metallische Aluminium wurden im 19. Jahrhundert entdeckt. Obwohl
hin zu tiefschmelzenden Schwermetallen (Gal- Aluminium eines der am häufigsten vorkommen-
lium, Indium und Thallium) und zu einem mög- den Metalle ist, blieb es in elementarer Form lange
licherweise leichtflüchtigen und gelegentlich verborgen. Gallium, Indium und Thallium sind
anionisch auftretenden Metall (Nihonium). dagegen sehr selten.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 137
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_3
138 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Sie finden alle Elemente der dritten Haupt- 2 Vorkommen


gruppe im Periodensystem in der Gruppe 13 (III-A,
s. Abb. 1). Aluminium ist das dritthäufigste Element und
Elemente teilt man in Metalle (z. B. Natrium, zugleich das häufigste Metall in der Erdkruste,
Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie Arsen, wogegen alle anderen Mitglieder dieser Gruppe
Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie etwa Sauer- (Bor, Gallium, Indium und Thallium) selten sind.
stoff, Chlor, Iod oder Neon ein. Die meisten Ele- Aluminium erscheint in vielen Mineralien
mente können sich miteinander verbinden und (meist Bauxit), Gallium tritt gelegentlich als
bilden chemische Verbindungen; so wird z. B. aus Begleiter von Aluminium, allerdings in sehr
Natrium und Chlor die chemische Verbindung geringen Mengen, auf. Indium und Thallium
Natriumchlorid, also Kochsalz. dagegen finden sich ab und zu in Zink-, Kupfer-
Einschließlich der natürlich vorkommenden und Bleierzen.
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. 3 Herstellung
Die Einzeldarstellungen der insgesamt sechs
Vertreter der Gruppe der Elemente der dritten Bor gewinnt man, ausgehend von Borax oder
Hauptgruppe enthalten dabei alle wichtigen Infor- boraxähnlichen Mineralien, durch Reduktion
mationen über das jeweilige Element, so dass ich von Bor-III-oxid mit Kohle. Aluminium erhält
hier nur eine kurze Einleitung vorangestellt habe. man großtechnisch durch Schmelzflusselektro-

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


5 Einzeldarstellungen 139

lyse einer Mischung von Aluminium-III-oxid zurückgefallen zu sein. Diesen Effekt beobachtet
mit synthetisch hergestelltem Kryolith. Gallium man sonst bei keiner der Hauptgruppen.
trennt man in der Regel nasschemisch aus den
jeweiligen wässrigen Lösungen von Aluminium-
verbindungen ab. Indium und Thallium gewinnt 4.2 Chemische Eigenschaften
man meist als Nebenprodukt bei der Aufarbeitung
sulfidischer Erze des Zinks, Kupfers oder Bleis. Die Elemente dieser Gruppe reagieren direkt mit
Halogenen, Sauerstoff und meist auch Schwefel.
Aluminium, Gallium und Indium sind infolge der
4 Eigenschaften Ausbildung einer schützenden Passivschicht aus
Oxid vor dem Angriff durch Luftsauerstoff ge-
4.1 Physikalische Eigenschaften schützt, wogegen Thallium, vor allem an feuchter
Luft, sogar schnell korrodiert.
Wie bereits erwähnt, ist Bor ein in mehreren Wichtig sind die von Gallium und Indium mit
Modifikationen auftretendes Halbmetall, alle Elementen der fünften Hauptgruppe (Phosphor,
anderen Elemente dieser Gruppe sind aber Me- Arsen, Antimon) gebildeten III-V-Halbleiter, die
talle. wir in diesem Buch genauer vorstellen.
In dieser Gruppe von Elementen wachsen mit Nur Bor-III-oxid (B2O3) reagiert schwach
steigender Ordnungszahl naturgemäß die Atom- sauer, Aluminium- und Galliumoxid bzw. die ent-
massen sowie die Radien der Atome und der aus sprechenden Hydroxide reagieren amphoter, und
diesen gebildeten Ionen. Ausgerechnet das Halb- Thallium-I-hydroxid ist sogar eine starke Base.
metall Bor weist mit 2076  C den höchsten Auch hier sehen wir den Übergang zu einer
Schmelzpunkt auf, Gallium mit 29,76  C den mehrheitlich aus Metallen bestehenden Gruppe
niedrigsten. Die Schwermetalle Indium bzw. Thal- von Elementen.
lium besitzen nur geringfügig höhere Schmelz-
punkte (156,6  C bzw. 304  C), Aluminium
erreicht immerhin noch einen Schmelzpunkt von 5 Einzeldarstellungen
660  C. Die Siedepunkte nehmen zudem noch mit
steigender Ordnungszahl ab, vom Bor (3927  C), Im folgenden Teil sind die Elemente der Borgrup-
das hiermit wieder Spitzenreiter ist, zum Thallium pe (3. Hauptgruppe) jeweils einzeln mit ihren
(1473  C). Dazwischen liegen die anderen Me- wichtigen Eigenschaften, Herstellungsverfahren
talle dieser Gruppe: Aluminium (2467  C), und Anwendungen beschrieben.
Gallium (2204  C) und Indium (2072  C).
Mit steigender Ordnungszahl nimmt wie bei
jeder Gruppe homologer Elemente die Dichte zu 5.1 Bor
[Bor: 2,460 g/cm3, Thallium 11,850 g/cm3 und
Nihonium (geschätzt) sogar ca. 17 g/cm3]. Die Geschichte Verbindungen des Bor kennt man
Mohs-Härte des Materials nimmt aber von Bor seit Jahrtausenden. Im antiken Ägypten verwen-
zum Thallium stark ab (Bor: 9,3; Thallium: 1,2). dete man zur Mumifizierung das Mineral Natron,
Aluminium, das auch das einzige Leichtmetall in das neben anderen Verbindungen auch keimtöten-
dieser Gruppe ist, stellt einen sehr guten elektri- de Borate enthält. Ab etwa 300 nach Christus
schen Leiter dar, während das Halbmetall Bor benutzt man im Kaiserreich China Boratgläser;
erwarteterweise die geringste Leitfähigkeit für ebenso im Römischen Reich.
Strom zeigt. Erst 1808 stellten Gay-Lussac und Thénard
Die Elektronegativität (nach Pauling) geht von Bor durch Umsetzung von Bortrioxid mit Kalium,
2,0 bei Bor zunächst auf 1,5 bei Aluminium zu- unabhängig davon einige Jahre später Davy durch
rück, um dann zum Gallium (1,8) wieder anzu- Elektrolyse von Borsäure her. 1824 erkannte Ber-
steigen und bei Thallium auf einen Wert von 1,4 zelius den elementaren Charakter des Stoffes. Die
140 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Darstellung reinen kristallinen Bors gelang 1909


Weintraub durch Reduktion von gasförmigem und erhielt seine letzte Ruhestätte auf dem
Bortrichlorid mit Wasserstoff im Lichtbogen (Pil- Friedhof Père Lachaise (Crosland 1978;
grim 1950, S. 190). Bugge 1974, S. 386; Coyac und Fetizon
1980).

Der französische Chemiker Louis Jacques


Der französische Physiker und Chemiker Thénard ( 4. Mai 1777 La Louptière; † 21.
Joseph Louis Gay-Lussac ( 6. Dezember Juni 1857 Paris) begann 1793, kurz vor
1778 Saint-Léonard-de-Noblat; † 9. Mai Ende der Französischen Revolution, Phar-
1850 Paris) entdeckte die lineare Ausdeh- mazie in Paris bei Fourcroy und Vauquelin
nung von Gasen mit der Temperatur, die er zu studieren. Ab 1796 hielt er als Assistent
im nach ihm benannten Gay-Lussac- selbst Vorlesungen. 1797 wurde Thénard
Gesetz formulierte. Als einer der Begrün- Lehrer für Chemie, 1798 Repetitor an der
der der Stöchiometrie fand er, dass bei der École Polytechnique. 1804 wurde Thénard
Reaktion verschiedener Gase die Volume- Vauquelins Nachfolger am Collège de
nanteile der Einzelgase im ganzzahligen France, 1810 auch Nachfolger von Fourc-
Verhältnis stehen müssen; auch war er roy als Sprecher der Chemischen Fakultät
einer der Ersten, die titrimetrische Metho- der École Polytechnique. 1809 verlieh man
den anwandten und die alkoholische Gä- ihm und Gay-Lussac den von Napoleon
rung untersuchten (Gay-Lussac 1815). Bonaparte ausgelobten Galvanischen Preis
Nach seinem Schulbesuch studierte er zu- in Höhe von 3000 Francs. Mehrere Jahr-
nächst ab 1797 am Polytechnikum in Paris zehnte arbeitete Thénard mit Gay-Lussac
und danach an der École Nationale des zusammen (Gay-Lussac und Thénard 1811),
Ponts et Chaussées. Fünf Jahre später ebenso forschte er zusammen mit Sainte-
erhielt er die Stelle eines Repetitors an der Claire (Thénard und Deville 1938). Thé-
École Polytechnique, hielt dort auch nard stellte erstmals das nach ihm benannte
Vorlesungen in Chemie. 1808 erhielt Gay- blaue Farbpigment Cobaltaluminat (CoA-
Lussac den Ruf für eine Professor für l2O4) her, das noch heute verwendet wird
Praktische Chemie an der École Polytech- und im Colour Index (C.I.) als Pigment
nique in Paris, zeitgleich den eines Blue 28 aufgeführt ist.
Professors für Physik und Chemie an der
Sorbonne. 1809 erhielt Gay-Lussac zusam- Nach Fourcroys Tod nahm er auch dessen
men mit Thénard den Galvanischen Preis Mitgliedsstatus innerhalb der Akademie
und gehörte einigen amtlichen Kommis- des Sciences ein (Maindron 1881). König
sionen an. 1812 wurde Gay-Lussac Charles X. ernannte ihn zum Baron und war
Mitglied der Preußischen, 1820 auch der ab Ende der 1820er-Jahre auch Stellver-
Bayerischen Akademie der Wissenschaf- tretender Vorsitzender im Obersten Rat
ten. Von 1830 an war er Mitglied der für öffentliche Erziehung, bestimmte also
Göttinger Akademie der Wissenschaften wesentlich die wissenschaftliche Ausbil-
und wurde 1842 in den preußischen Orden dung in Frankreich mit. Er publizierte auch
Pour le Mérite für Wissenschaften und ein großes Lehrbuch, „Traité de Chimie
Künste aufgenommen. Elementaire, Théorique et Pratique“, das
bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Standard-
Bei einem selbst durchgeführten Versuch werk galt (Thénard 1827). Er gehörte mit
mit leicht entzündbaren Stoffen, der in sehr wenigen anderen Gelehrten, ein-
einer Explosion endete, verletzte er sich schließlich Alexander von Humboldt, zwi-
an der Hand schwer. Die Verletzung schen 1807 und 1813 der Société d’Ar-
konnte nie vollständig geheilt werden. cueuil, einer „elitären“ Gesellschaft von
Am Mai 1850 starb Gay-Lussac in Paris Wissenschaftlern, an.
5 Einzeldarstellungen 141

Vorkommen Bor kommt in der Natur nur Ver- zelle aufweist [(B12)4B2]. Fremdatome (Stickstoff,
bindung mit Sauerstoff vor, wobei sich große La- Kohlenstoff) können jedoch in Abhängigkeit von
gerstätten u. a. in der Türkei, in Peru (Altiplano), den Herstellbedingungen im Kristallgitter einge-
Argentinien und in den USA (Kalifornien) be- baut sein. In der reinen Form ist ein Boratom darin
finden. Abgebaut werden die Mineralien Borax immer das Bindeglied zu vier B12-Ikosaedern.
(Na2B4O7), Kernit [Na2B4O6(OH)2  3 H2O] und Jedes Ikosaeder ist wiederum mit zwei einzelnen
Colemanit [CaB3O4(OH)3  H2O]. Boratomen sowie zehn anderen Ikosaedern ver-
bunden. Eine Reindarstellung dieser Modifikation
gelang aber noch nie.
Gewinnung Die Reaktion von Boroxid (B2O3)
Bor lässt Infrarotlicht durch. Es leitet bei Raum-
mit Magnesiumpulver liefert in stark exothermer
temperatur den elektrischen Strom nur schwach.
Reaktion amorphes Bor:
Die elektrische Leitfähigkeit wächst mit der
Temperatur deutlich, so wie es für Halbleiter
B2 O3 þ 3 Mg ➔ 2 B þ 3 MgO typisch ist. Das Kristallgitter des Bors ähnelt
dem hochschmelzender, keramikähnlicher Werk-
stoffe wie Silicium- oder Wolframcarbid; insofern
Erhitzen dieses amorphen Bors auf Tempera-
weist Bor nächst Diamant die zweithöchste Härte
turen um 1400  C ergibt kristallines Bor. Jenes
aller chemischen Elemente auf.
erhält man auch, wenn man Bortrichlorid (BCl3)
Chemische Eigenschaften: Bor bildet keine
mit Wasserstoff am erhitzten Wolframdraht redu-
B3+-Kationen. Die Struktur der Moleküle vieler
ziert oder geschmolzene Borsäure elektrolysiert.
Verbindungen des Elements sind vereinfacht
Das wichtigste Förderland war in den letzten
kovalent, metallisch oder ionisch und sind daher
Jahren stets die Türkei, die mehr als die Hälfte der
genauer nur mittels quantenmechanischer An-
weltweit erzeugten Menge produzierte. Mit deut-
sätze zu berechnen, die die Bildung von Molekül-
lichem Abstand folgen Chile und Kasachstan
(Brioche 2019). orbitalen berücksichtigen.
Nur die drei Valenzelektronen der äußeren
Elektronenschale können kovalente Bindungen
Eigenschaften mit s, px, py und pz-Orbitalen eingehen. Insofern
Physikalische Eigenschaften: Bor ist schwarz und müssen sich die „unter Elektronenmangel leiden-
sehr hart (s. Tab. 1); es leitet den elektrischen den“, Lewis-sauren Boratome durch Bildung
Strom nur schlecht. Wahrscheinlich ist die ther- – schwächerer – Mehrzentrenbindungen (meist
modynamisch stabilste Modifikation das rhombo- Dreizentrenbindung) behelfen, um beispielsweise
edrisch kristallisierende β-Bor. Seine Struktur ent- den Verbindungen des Nachbarelements Kohlen-
hält mindestens 105 Atome pro Elementarzelle, stoff ähnliche Molekülstrukturen bilden zu können.
zuzüglich der Atome, die sich auf hälftig besetz- Vor wenigen Jahren konnten Braunschweig et al.
ten Lagen befinden, so dass eine Elementarzelle eine Verbindung synthetisieren, deren Molekül
rechnerisch auf 114 bis 121 Boratome kommt. Die eine BB-Dreifachbindung aufweist (2012).
Struktur dieser Modifikation entspricht der eines Erst oberhalb einer Temperatur von 400  C
60-Ecken-Polyeders. zeigt Bor eine gewisse Reaktivität. Bei über
Die noch am einfachsten aufgebaute Modifika- 700  C verbrennt es an der Luft zu Boroxid
tion ist α-Bor. Hier liegen B12-Ikosaeder vor, die (B2O3). Von den meisten Säuren wird Bor auch
in Schichten angeordnet und über Dreizentren- an deren Siedepunkt nicht angegriffen; nur mit
bindungen innerhalb dieser Schichten miteinan- konzentrierter Schwefelsäure reagiert es ab Tem-
der verknüpft sind. Die Ikosaeder benachbarter peraturen um 200  C.
Schichten sind über Zweizentrenbindungen mit- Beim Lösen von Boroxid in Wasser entsteht
einander verbunden. die sehr schwache Borsäure, deren Ester die zuvor
γ-Bor war die erstmals dargestellte, kristalline farblose Flamme des Bunsenbrenners intensiv
Form des Bors, die 50 Boratome in der Elementar- grün färben.
142 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Bor


Symbol: B
Ordnungszahl: 5
CAS-Nr.: 7440-42-8

Aussehen: Schwarz Bor, Pulver (Sicius 2015) Bor kristallin Marshall 2013)
Entdecker, Jahr Davy (England), 1808
Gay-Lussac und Thénard (Frankreich), 1808
Berzelius (Schweden), 1824
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
10
5B (19,9) Stabil ——
11
5B (80,1) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 16
Atommasse (u): 10,81
Elektronegativität 2,04 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 85
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 192
Kovalenter Radius (pm): 82
Elektronenkonfiguration: [He] 2s2 2p1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 801 ♦ 2427 ♦ 3660
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,9  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Rhomboedrisch
Elektrische Leitfähigkeit ([A/V  m)], bei 300 K): 1,0  104
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 441 ♦ 320 ♦ Keine Angabe
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 4900 ♦ Keine Angabe
Mohs-Härte 9,3
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 16,200
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) 2,46
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 4,39  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 27
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 11,09
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2076 ♦ 2349
Schmelzwärme (kJ/mol): 50
Siedepunkt ( C ♦ K): 3930 ♦ 4203
Verdampfungswärme (kJ/mol): 508

Verbindungen che Molekülstrukturen, in denen Mehrzentrenbin-


Wasserstoffverbindungen In den Molekülen der dungen, meist Dreizentrenbindungen, vorliegen.
Borwasserstoffe (Borane) sind eine größere Zahl Gemäß dem Verhältnis von Anzahl der Gerüstelek-
von Atomen miteinander kovalent verbunden als tronen zur Anzahl der Gerüstatome unterscheidet
Elektronenpaare zur Verfügung stehen. Diese „Elek- man zwischen hypercloso-, closo-, nido-, arachno-,
tronenmangel-Verbindungen“ zeigen ungewöhnli- hypho-, commo- und conjuncto-Boranen.
5 Einzeldarstellungen 143

Deren Strukturen sind unter Anwendung einiger mit Natriumborhydrid in inertem Lösungsmittel.
Regeln vorhersagbar. Im einfachen Fall funktioniert Diboran ist ein farbloses, sehr giftiges Gas der
dies mit der Wade-Regel, bei Boran-Clustern meist Dichte 1,17 g/L mit stechendem, abstoßendem
mit der von Balakrishnarajan aufgestellten mno- Geruch, das bei einer Temperatur von 92,5  C
Regel, und bei sehr großen Boranmolekülen hilft kondensiert (die Flüssigkeit erstarrt bei 164,9  C).
die (6m + 2n)-Regel nach Von Ragué-Schleyer. Oberhalb von 50  C beginnt seine Zersetzung
Während die einfacheren Borane wie B2H6 zu Wasserstoff und höheren Boranen wie Tetra-,
oder B4H10 sehr instabil sind, sorgen sterische Penta- oder Decaboran. Die Zündtemperatur rei-
Effekte (hohe Symmetrie, geschlossene Käfig- nen Diborans beträgt 145  C. In der Regel ent-
struktur und fehlende Dreizentrenbindungen ohne zündet es sich an der Luft spontan und verbrennt
Beteiligung von Wasserstoffatomen) im Falle unter starker Wärmeentwicklung. Mit Luft bildet
der closo-Borane (B6H62, B9H92, B10H102, es in einem weiten Volumenbereich explosive
B12H122, B21H18 und B20H16) für deren ver- Gemische (Stock 1933). Daher bringt man Dibo-
gleichsweise hohe Stabilität. So besitzt beispiels- ran in der Regel gebunden an Amine in den Han-
weise B12H122die Struktur des sehr stabilen B12- del. Aus diesen flüssigen, lagerfähigen Vorstufen
Ikosaeders. isoliert man Diboran durch Zugabe starker Mine-
Die niederen Borane sind an der Luft selbstent- ralsäuren.
zündlich. Die Reaktionen erfolgen oft explosionsar- Diboran ist das einfachste Boran; monomeres
tig und sind stark exotherm. Die Salze von Boranen BH3 ist nicht stabil. Im Molekül des Diborans ist
bezeichnet man als Boranate, die jeweiligen Anio- jedes Boratom tetraedrisch von vier Wasserstoffato-
nen haben z. B. die Formeln BH4, B2H7 (Dibo- men umgeben, und die zwei Brücken-Wasserstoff-
ranat) und B10H102– (Dekaboranat); sie setzt man als atome gehen eine 2-Elektronen-3-Zentren-Bindung
Reduktions- und Hydrierungsmittel ein. Die wich- zur Kompensation des Elektronenmangels der Bo-
tigsten Vertreter sind Natriumboranat und Lithium- ratome ein (Bauer 1937, 1942; Longuet-Higgins
boranat. Ersteres ist durch Reaktion von Natrium- und Bell 1943; Hedberg und Schomaker 1951;
hydrid mit Diboran zugänglich: Norman und Jolly 1968). Letztere reagieren daher
bereitwillig unter Addition von Lewis-Basen wie
Ammoniak, mit dem die Verbindung BH3NH3
2 NaH þ B2 H6 ➔ 2 NaBH4
gebildet wird.
Mit Alkenen reagiert Diboran unter Entste-
Das frei nicht zugängliche Monoboran kann
hung von Trialkylboranen. Als Treibstoff für
man in Form seines auch im Handel befindlichen
Raketen ist es ungeeignet, da die bei seiner Ver-
Tetrahydrofuran (THF)-Komplexes (BH3  THF)
brennung gebildeten Bor-III-oxid und Wasser in
durch Reaktion von Natriumboranat mit Iod her-
den Düsen der Rakete einen klebrigen Film aus
stellen:
Borsäuren bilden, der die Düsen verstopft.
Oberhalb einer Temperatur von 50  C zersetzt
2 NaBH4 þ I2 þ THF ➔ 2 NaI þ H2 " sich Diboran unter Anderem auch zu Tetraboran
þ 2 BH3  THF (B4H10). Nahezu quantitativ kann man die Aus-
beute gestalten, wenn man Diboran unter einem
Für das wegen seiner Selbstentzündlichkeit an Druck von 170 kPa zwischen zwei konzentrische
Luft nur unter Luftausschluss handhabbare Dibo- Glasrohre leitet, bei denen das innere auf 120  C
ran (B2H6) gibt es die Möglichkeit der Darstel- geheizt und das äußere auf 78  C gekühlt ist
lung aus Bortrifluorid und Natriumhydrid: (Römpp Online 2002). Die Auflösung von Ma-
gnesiumdiborid in Säuren ergibt ein Gasgemisch,
2 BF3 þ 6 NaH ➔ B2 H6 þ 6 NaF das auch Tetraboran enthält. Schließlich ergibt im
kleinen Maßstab auch die Reaktion von Natrium
Die Darstellung kleiner Mengen im Labor mit Ioddiboran das gewünschte Tetraboran (Hof-
gelingt aber besser durch Umsetzung von Iod mann 2013, S. 400).
144 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Das unangenehm riechende Tetraboran kon- die Gefahr explosionsartiger Reaktion. Relativ
densiert bei 17,6  C zu einer farblosen Flüssigkeit, gefahrlos kann man es an die Moleküle des Ace-
die beim Abkühlen auf 120  C erstarrt. Reines tonitrils und von Thioketonen anlagern; diese bil-
Tetraboran ist an der Luft nicht selbstentzündlich den dann mit Ethin Carborane. Die Verbindung
und auch wesentlich weniger reaktiv als Diboran, kristallisiert monoklin (Blachnik 1998, S. 316) und
hydrolysiert aber in Wasser zu Borsäure und Was- wird bevorzugt in Raketentreibstoffen, Spreng-
serstoff. Schon bei Raumtemperatur wandelt es stoffen und Pyrotechnik eingesetzt, ebenso ist es
sich langsam in höhere, stabilere Borane um. ein Katalysator für die Polymerisierung von Ole-
Pentaboran(9) (B5H9) erhält man durch Ther- finen.
molyse von Diboran (Holleman et al. 1995, Chalkogenverbindungen Boroxid (B2O3) war
S. 1003). Die an der Luft selbstentzündliche, farb- Ausgangspunkt zur ersten Darstellung von Bor-
lose Flüssigkeit besitzt einen abstoßenden Geruch oxid. 1808 reduzierten Gay-Lussac und Thénard
und hydrolysiert ein Wasser ebenfalls. Sie hat eine Boroxid mit Kalium und erhielten noch verunrei-
Dichte von 0,61 g/cm3 und erstarrt bzw. siedet bei nigtes Bor. Die erstmalige Darstellung sehr reinen
46,7  C bzw. 58,4  C. Dieses Boran untersuchte Bors erfolgte durch Weintraub, der 1909 Boroxid
man zur Zeit des Kalten Krieges in der Sowjet- im elektrischen Lichtbogen verdampfte und Was-
union auf seine Eignung als Treibstoff für Rake- serstoff in die Reaktionszone leitete (Pilgrim
ten; auch hier bestanden aber Probleme bezüglich 1950, S. 190).
der sicheren Handhabung sowie der Verstopfung Das weiße Boroxid (s. Abb. 3) erhält man in
der Düsen, weshalb das Projekt verworfen wurde. kristalliner Form durch langsames Erhitzen von
Sogar mit ansonsten wenig reaktiven Nucleophi- Borsäure auf Temperaturen zwischen 150  C und
len wie Alkanolen, Ketonen und Halogenkohlen- 200  C (Holleman et al. 2007, S. 1104). Glüht
wasserstoffen reagiert Pentaboran(9) sehr heftig. man Borsäure dagegen, so entsteht amorphes
Höhere Borane kann man z. B. durch Reaktion Boroxidglas, das man nur schwer in kristalliner
von Boroxid mit Wasserstoff und Natrium bei Form erhalten kann. Die Verbindung schmilzt bei
hoher Temperatur im Autoklaven erzeugen. So 475  C, siedet aber erst bei 2250  C, hat die
wird Decaboran neben anderen Boranen bei der Dichte 2,56 g/cm3 und ist sowohl in amorpher
thermischen Zersetzung von Diboran gebildet wie auch kristalliner Form hygroskopisch (Effen-
(Brauer 1975, S. 792). berger et al. 2001). Die wässrige Lösung des
Decaboran (B10H14) ist ein farbloser Feststoff Oxids reagiert schwach sauer, da sich Borsäure
(s. Abb. 2) mit starkem Geruch, der bei 99–103  C bildet.
schmilzt (Siedepunkt der Schmelze: 213  C), eine Das bei Raumtemperatur stabile α-Boroxid
Dichte von 0,94 g/cm3 aufweist und nur wenig kristallisiert trigonal; die Elementarzelle enthält
gegenüber Luftsauerstoff beständig ist. Decabo- sechs Formeleinheiten. Dabei ist jedes Boratom
ran ist löslich in einigen organischen Lösungsmit- von drei Sauerstoffatomen in planarer Geometrie
teln, aber bei halogenierten Solventien besteht umgeben. Jedes Sauerstoffatom ist an banachbar-

Abb. 2 Decaboran (Onyxmet 2019) Abb. 3 Boroxid (Onyxmet 2019)


5 Einzeldarstellungen 145

te Boratome koordiniert; das Verhältnis von Bor im Mittel 318 pm, zwischen den Molekülen der
zu Sauerstoff ergibt sich rechnerisch als 2:3. Borsäure liegen Wasserstoffbrückenbindungen vor.
Neben der amorphen und der α-Modofikation Orthoborsäure löst sich relativ leicht in Wasser;
existiert auch das β-Bortrioxid, das aber nur bei die Lösung reagiert schwach sauer. Beim Erhitzen
hohen Temperaturen beständig ist. spaltet sie Wasser ab, geht zunächst in Metabor-
Boroxid ist Ausgangsstoff zur Herstellung säure (HBO2) und beim weiteren Erhitzen in Bor-
weiterer Borverbindungen wie Borcarbid, Bor- oxid (B2O3) über. Die einprotonige Säure ist mit
säureester und Diboran. Bei der Herstellung von einem pKs von 9,25 sehr schwach, wird aber
Borsilikat- und Borphosphatglas findet es ebenso durch Umsetzung mit mehrwertigen Alkoholen
Verwendung wie als Bindemittel in aus Bornitrid in eine wesentlich acidere Form überführt, da
bestehenden Keramikwerkstoffen (Rodewald und durch Veresterung zusätzlich Protonen freigesetzt
Rempe 2005). Das toxikologische Profil des Bor- werden. Dieser Effekt ermöglicht ihre alkalime-
oxids ist ungünstig, es gilt in der Europäischen trische Titration.
Union seit 2009 als besorgniserregender Stoff. In Gegenwart eines wasserentziehenden Mit-
Borsäure (H3BO3, Orthoborsäure) kommt in tels wie konzentrierter Schwefelsäure bilden Bor-
freier Form in der Toskana vor, sowohl gelöst in säure und ihre Salze, die Borate, mit Methanol den
einigen Fumarolen als auch als Mineral Sassolin. Borsäuretrimethylester, der mit grüner Flamme
Das wichtigste Mineral ist ein Tetraborat, nämlich brennt und zum qualitativen Nachweis des Bors
Kernit (Na2B4O7  4 H2O) bzw. Borax (Na2B4O7  dient (Jander et al. 2006, S. 368). Die in einer
8–10 H2O), aus ihm kann man durch Zugabe Jahresmenge von über 2 Mio. t weltweit produ-
starker Säure Borsäure herstellen. Borsäure liegt zierte Borsäure setzt man zur Herstellung von
in farblosen (s. Abb. 4a), glänzenden Kristallen Borsilikatglas ein, auch in Homöopathika, nicht
vor, die man bei schnellem Erhitzen auf 171  C im aber mehr in Arzneimitteln (ABDA 2018). Früher
geschlossenen Tiegel unzersetzt schmelzen kann. war Borwasser, eine wässrige Lösung von Bor-
Das Kristallgitter hat eine Struktur, in der die säure, als mildes Desinfektionsmittel im Einsatz.
Borsäuremoleküle in Schichten angeordnet sind In der Lebensmittel verarbeitenden Industrie
(s. Abb. 4b). Der Abstand der Schichten beträgt ist Borsäure als Konservierungsmittel unter der
Bezeichnung E 284 noch zugelassen. Borsäure
ist ebenso noch Bestandteil in Spülmitteln sowie
Insektiziden (Noli et al. 2013). Zum Schutz von
Bauholz sowie von organischen Dämmstoffen
setzt man vorbeugend Borsäure ein, um deren
Befall mit Schimmel zu verhindern, jedoch darf
nur noch die gerade nötige Menge an Borsäure
zugegeben werden.
Man nutzt Borsäure zur Abschätzung des Koh-
lendioxidgehaltes der Erdkruste in vergangenen
Erdzeitaltern. Bei geringerem Kohlendioxidge-
halt der Atmosphäre, also bei vorherrschend alka-
lischem Milieu der Erdkruste, geht Borsäure in
Borat über, und das Isotop 105B wird bevorzugt
in das Boration eingebaut. Einige im Erdmittel-
alter und -altertum lebende Wirbellose benötigten
Borat für den Aufbau ihrer Schalen, daher ist eine
relativ genaue Datierung der Entstehung mariti-
mer Sedimente möglich.
Abb. 4 a Borsäure (Onyxmet 2019). b Schichtstruktur Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
kristalliner Borsäure (Ben Mills 2007) erließ Empfehlungen zur Reduktion bzw. zum
146 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Ausschluss von Borsäure aus Spielzeugen für Mn-B-Einfachbindung einschieben und somit
Kinder wie Knete (2004). Die ECHA setzte Bor- eine gewinkelte Mn-Te=B-Atomgruppe bilden
säure 2010 auf die Anwärterliste für sehr besorg- (s. Abb. 5), wobei die Te=B-Bindung eine Länge
niserregende Substanzen SVHC (substance of von nur 210 pm aufweist, was eindeutig für eine
very high concern) und kennzeichnete diese als Doppelbindung spricht. Die neu erzeugte, bor-
reproduktionstoxisch. und tellurhaltige Verbindung ist ein violetter, kris-
Borsulfid (B2S3) erhält man durch Überleiten talliner Festkörper. Dieselbe Reaktion ist übrigens
von Schwefelwasserstoff über erhitztes Bor auch mit Schwefel bzw. Selen möglich.
(Brauer 1975, S. 804): Bortellurid (B2Te3) selbst ist ein harter (Mohs-
Härte: 7,5), in Abweichung zum homologen
2 B þ 3 H2 S ➔ B2 S3 þ 3 H2 Bor-III-sulfid erst bei 1800  C schmelzender,
grauschwarzer Feststoff, der im kubischen Gitter
Das schwach gelbliche, äußerst hydrolyseemp- kristallisiert und die Eigenschaften eines Halblei-
findliche Borsulfid schmilzt bei 563  C und hat ters hat.
die Dichte 1,7 g/cm3. In amorpher Form beginnt Halogenverbindungen Bortrifluorid (BF3) ist
die Verbindung bei ca. 300  C zu sublimieren ein giftiges (Mastromatteo und Sullivan 1994),
(Brotherton et al. 2013, S. 351). Borsulfid setzt stechend riechendes Gas vom Siedepunkt 100  C
sich zügig mit nukleophilen Verbindungen wie (Erstarrungspunkt der Flüssigkeit: 127  C).
Alkoholen, Aminen und Mercaptanen um. In der Man kann es auf mehreren Wegen gewinnen;
organischen Synthese reduziert es Sulfoxide zu technisch erfolgt dies aus Borax oder Boroxid
Mercaptanen (mit denen es dann weiter reagiert) mit Calciumfluorid und konzentrierter Schwefel-
und überführt Ketone in Thioketone. Weiteren säure:
Schwefel addiert es in der Hitze zu Bordisulfid
(BS2), in dessen Kristallgitter B8S16-Moleküle B2 O3 þ 3 CaF2 þ 3 H2 SO4 ➔ 2 BF3 "
vorliegen (Paetzold 2009, S. 772). þ 3 H2 O þ 3 CaSO4
Borselenid (B2Se3) ist ein ebenfalls sehr hydro-
lyseempfindlicher Halbleiter, den man in Form Weiterhin möglich ist unter anderem die
von Einkristallen zum Zählen thermischer Neu- Reaktion von Boroxid mit Flusssäure:
tronen verwenden kann. Als Neutronenquelle
diente in den beschriebenen Versuchen die Le- B2 O3 þ 6 HF ➔ 2 BF3 " þ 3 H2 O
gierung 241AmBe. Die Zählung der Neutronen
erfolgt über die während der Bombardierung oder die Umsetzung von Fluorsulfon- und Bor-
registrierten Strom-Spannungskurven des Halb- säure:
leiters (Kargar et al. 2013).
Der sehr seltene Fall einer Bor-Tellur-Doppel- H3 BO3 þ 3 HSO3 F ➔ BF3 " þ 3 H2 SO4
bindung konnte in einem Molekül verwirklicht
werden, das Braunschweig et al. darstellten (Krä- Bortrifluorid ist eine sehr starke Lewis-Säure
mer 2017). Zu einem Mangan-Alkylborylen- und wird durch Wasser schließlich zu Bor- und
Komplex fügte die Arbeitsgruppe elementares Flusssäure hydrolysiert. Bortrifluorid und seine Ad-
Tellur zu, dessen Atome sich in die bestehende dukte dienen als Katalysator, etwa bei der Herstel-

Abb. 5 Insertion des This work:


Telluratoms in die Mn=B-
Bindung im Mangan- tBu
Alkylborylen-Komplex E 2: E = Te
(Krämer 2017) OC Mn B OC Mn E N
OC N OC B 3: E = Se
N tBu N 4: E = S

1
5 Einzeldarstellungen 147

lung von Polymeren, Pharmazeutika, Schmierölen


sowie Aroma- und Duftstoffen. Außerdem ist es
Ausgangsstoff zur Synthese von Borverbindun-
gen wie Alkyl- oder Aminboranen und Reagen-
zien für die Suzuki-Kupplung. In der Elektronik-
industrie führt man unter seiner Verwendung
p-Dotierungen durch.
Dibortetrafluorid (B2F4) erzeugt man aus
Antimon-III-fluorid und Dibortetrachlorid (Holle-
man et al. 1995, S. 1033): Abb. 6 Bortrichlorid (Onyxmet 2019)

3 B2 Cl4 þ 4 SbF3 ➔ 3 B2 F4 þ 4 SbCl3


Synthesen ein (z. B. Borazin), für Chlorierun-
Eine andere Möglichkeit der Darstellung be- gen, zur Entfernung von Nitriden, Carbiden und
steht im Überleiten von Bortrifluorid über glü- Oxiden aus Schmelzen von Aluminium-, Magne-
hendes Bor bei Temperaturen um 2000  C: sium-, Zinn- und Kupferlegierungen sowie zur
Dotierung von Halbleitern.
4 BF3 þ 2 B ➔ 3 B2 F4 Dibortetrachlorid (B2Cl4) erhält man durch
Einwirkung elektrischer Entladungen auf Bor-
Das farblose brennbare Gas der Dichte 3,99 g/L III-chlorid bei tiefer Temperatur in Gegenwart
wird durch Wasser schnell zu Fluorwasserstoff und metallischen Quecksilbers, das als leitfähiges
Borsäure hydrolysiert, zersetzt sich aber auch Metall in beiden Elektroden eingearbeitet ist
schon beim Lagern nach etwa zwei Wochen voll- (Timms 1962). Man kann auch gasförmiges
ständig zu Bortrifluorid und braunem Polybor- Quecksilber im Gemisch mit Bortrichlorid zwi-
fluorid [(BF)n]. Die Verbindung schmilzt bzw. sie- schen die beiden Elektroden leiten, oder man setzt
det bei 56  C bzw. 34  C. Das Molekül hat eine Kupferwolle anstatt Quecksilber ein. Der Prozess
planare Struktur mit einem Valenzwinkel F-B-F verläuft in zwei Schritten:
von ca. 120 . In kristallinem Zustand hat es mono-
kline Struktur (Trefonas und Lipscomb 1958). ðIÞ BCl3 ➔ BCl2 þ Cl
Bortrichlorid (BCl3) ist bei Raumtemperatur ðbewirkt durch die elektrische EntladungÞ
ein farbloses, stechend riechendes Gas, das bei
einer Temperatur von 12,6  C kondensiert (Erstar- ðIIaÞ 2 Cl þ Hg ➔ HgCl2
rungspunkt der Flüssigkeit: 107  C) und daher
auch in verflüssigter Form in unter Druck stehen- ðIIbÞ 2 BCl2 ➔ B2 Cl4
den Ampullen gehandelt wird (s. Abb. 6). Man
gewinnt es industriell durch Chlorierung einer Die bei Raumtemperatur farblose, flüssige, an
Mischung von Boroxid und Koks bei 500  C: feuchter Luft rauchende Verbindung (Schmelzpunkt
96  C, Siedepunkt 65,5  C, Dichte 1,5 g/cm3) wird
B2 O3 þ 3 C þ 3 Cl2 ➔ 2 BCl3 þ 3 CO zur Herstellung von Organoborverbindungen einge-
setzt. So reagiert Dibortetrachlorid beispielsweise
Alternativ funktioniert auch die Synthese der mit Ethylen (Urry et al. 1954b):
Substanz aus den Elementen. BCl3 wird durch
Wasser heftig zu Chlorwasserstoff und Borsäure CH2 ¼ CH2 þ B2 Cl4 ➔ Cl2 B  CH2
hydrolysiert und raucht daher an feuchter Luft  CH2  BCl2
stark. Es ist wie alle Bor-III-halogenide eine
starke Lewis-Säure und reagiert leicht mit Elek- und reagiert bei Raumtemperatur mit Wasser-
tronenpaardonatoren wie z. B. tertiären Aminen, stoff zügig zu Diboran und Bortrichlorid, was die
Phosphinen, Ethern, Thioethern und Halogenidio- Instabilität des Dibortetrachlorids unterstreicht
nen. Man setzt es als Katalysator in chemischen (Urry et al. 1954a)
148 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

3 B2 Cl4 þ 3 H2 ➔ B2 H6 þ 4 BCl3 und Friedel-Crafts-Alkylierungen, ebenso bei der


Dotierung von Halbleitern mit Boratomen.
Die Struktur des Moleküls zeigt in trigonal- Bortriiodid (BI3), ein farbloser Feststoff der
planarer Struktur von je drei Chloratomen umge- Dichte 3,35 g/cm3, schmilzt bzw. siedet bei
bene Boratome. 50  C bzw. 209,5  C, hydrolysiert leicht wie alle
Bortribromid (BBr3) ist eine sehr giftige, farb- Bor-III-halogenide zu Borsäure und Halogenwas-
lose (s. Abb. 7), an feuchter Luft infolge hydro- serstoff (Stange 2001). Man stellt die Verbindung
lytischer Zersetzung rauchende Flüssigkeit der durch Reaktion von Iod mit Lithiumborhydrid
Dichte 2,64 g/cm3, die bei 46  C erstarrt und her. Auch BI3 ist eine starke Lewis-Säure und
bei 91  C siedet. Mit Wasser erfolgt heftige löslich in Kohlenstoffdisulfid. Wichtig ist es als
Reaktion unter Bildung von Bromwasserstoff und Katalysator bei der Kohleverflüssigung.
Borsäure. Bortribromid erhält man durch Um- Pnictogenverbindungen Eine teils große Ähn-
setzung von Bortrifluorid mit Aluminiumbromid lichkeit besteht zwischen Bor-Stickstoff-Wasser-
(I), von Borcarbid mit Brom (II), von Bor mit stoffverbindungen und Kohlenwasserstoffen; als
Brom (III) im Quarzrohr bei hoher Temperatur Beispiel dient der Vergleich von Borazin (B3N3H6,
(Brauer 1978, S. 800) oder aus Kaliumtetrafluo- „anorganisches Benzol“) mit Benzol (C6H6).
roborat und Aluminiumbromid (IV): Das Molekül des Borazins (Cyclotriborazan,
früher auch „Borazol“ genannt) liegt in Form
(I) BF3 + AlBr3 ➔ BBr3 + AlF3 eines abwechselnd aus Bor- und Stickstoffatomen
(II) B4C + 6 Br2 ➔ 4 BBr3 + C bestehenden Sechsrings vor. Der Habitus ist ähn-
(III) 2 B + 3 Br2 ➔ 2 BBr3 lich zum Molekül des Benzols, zu dem es iso-
(IV) KBF4 + AlBr3 ➔ KF + AlF3 + BBr3 elektronisch ist. Der „aromatische Charakter“
des Borazinmoleküls ist aber schwächer als der
Unter anderem findet es Verwendung als Ka- des Benzolmoleküls, was sich auch in einer deut-
talysator bei der Polymerisation von Olefinen lich höheren Reaktivität des Borazins (siehe
unten) äußert (Dauben et al. 1968; Von Ragué
Schleyer et al. 1996; Jemmis und Kiran 1998;
Islas et al. 2007; Chiavarino et al. 1999). Borazin
ist mit einer Standardbildungsenthalpie ΔHf von
531 kJ/mol aber thermisch sehr beständig. Die
im Molekül vorliegende Mesomerie stellt Abb. 8
dar.
Man kann Borazin durch Erhitzen eines Gemi-
sches von Diboran und Ammoniak im Molver-
hältnis 1:2 auf eine Temperatur von 250–300  C
mit etwa 50 %iger Ausbeute herstellen (Holleman
Abb. 7 Bortribromid (Onyxmet 2019) et al. 2007, S. 1116):

Abb. 8 Mesomerie im Borazin-Molekül (Yikrazuul 2008)


5 Einzeldarstellungen 149

3 B2 H6 þ 6 NH3 ➔ 2 B3 N3 H6 þ 12 H2 lich größere chemische Reaktivität verleiht als sie


Benzol besitzt. Borazin hydrolysiert in Wasser zu
Alternativ geht man von Lithium- oder Na- Borsäure, Ammoniak und Wasserstoff. Es setzt
triumboranat und Ammoniumchlorid aus, was sich mit polaren Verbindungen wie Halogenwas-
auch höhere Ausbeuten liefert; serstoff (Addition) und Alkanolen (Methanol,
Ethanol) zügig um, auch Halogenierungen verlau-
3 LiBH4 þ 3 NH4 Cl ➔ B3 N3 H6 fen schnell. Benzol zeigt keine derartige Reakti-
þ 3 LiCl þ 9 H2 vität und benötigt für viele Umsetzungen einen
Katalysator.
Auch aus „einfacheren“ Verbindungen ist Bo- Borazin und seine Derivate sind potenzielle
razin in einer zweistufigen Synthese zugänglich: Ausgangsmaterialien zur Synthese von Bornitrid-
Keramiken. Führt man in das Borazinmolekül
(I) 3 BCl3 + 3 NH4Cl ➔ B3N3H3Cl3 + 9 HCl Amino- und Nitrogruppen ein, so erhält man hoch-
(II) 2 B3N3H3Cl3 + 6 NaBH4 ➔ 2 B3N3H6 wirksame Explosivstoffe (Koch und Klapötke
+ 3 B2H6 + 6 NaCl 2012).
Bornitrid (BN) ist nach Diamant das zweithär-
Das so synthetisierte Borazin ist eine klare, teste, aktuell bekannte Material. Der in reinem
farblose Flüssigkeit mit aromatischem Geruch, hat Zustand weiße, meist aber hellgraue, geruchlose
eine Dichte von 0,83 g/cm3 (Benzol: 0,88 g/cm3), Feststoff (s. Abb. 9a–c) hat die Dichte 3,45 g/cm3
schmilzt bei 58  C (Benzol: 6  C) und siedet bei (β-Bornitrid) und schmilzt bei 2967  C. Das
55  C (Benzol: 80  C). Es wird durch fraktionierte kubisch kristallisierende β-Bornitrid ist die unter
Destillation gereinigt. Normalbedingungen thermodynamisch stabilste
Borazin ist isoster zu Benzol; die Bindungs- Modifikation; das α-Bornitrid hat ein hexagonal
längen stimmen also stark überein. So liegt die strukturiertes Kristallgitter und ist von 1200  C
Länge der C-C-Bindung im Molekül des Benzols bis zum Schmelzpunkt stabil. Die wurtzitische
bei 139,7 pm, die der B-N-Bindung im Molekül γ-Modifikation wird nur bei Anwendung sehr
des Borazins 143,6 pm. Damit haben die B-N- hoher Drücke gebildet.
Bindungen den Charakter einer „Eineinhalbfach- Diamant erleidet infolge struktureller Um-
Bindung“, denn ihre Länge liegt zwischen dem wandlung sowie chemischer Reaktionen oberhalb
Wert für eine B-N-Einfach- (151 pm) und dem für von 700  C deutliche Verluste seiner Härte. Bor-
eine B=N-Doppelbindung (131 pm). nitrid dagegen erhält seine Härte noch bei weit
Der große Unterschied in den Elektronegativi- höherer Temperatur weitgehend. Man kann Dia-
täten bzw. Bor- und Stickstoffatoms (2,04 bzw. mant daher in der Hitze mit Bornitrid schleifen.
3,04 nach Pauling) führen zu einer starken Pola- Aus Bornitrid hergestellte Schneidwerkzeuge
rität der B–N-Bindung, die Borazin eine wesent- sind weniger anfällig gegenüber Abnutzung und

Abb. 9 a Bornitrid (Onyxmet 2019). b Bornitrid-Tiegel (QS Advanced Materials 2019). c Bornitrid-Platte
(QS Advanced Materials 2019)
150 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

chemischen Einflüssen als solche aus anderem durch Reaktion einer aus Bor und Arsen bestehen-
Material gefertigte, allerdings ist Bornitrid sehr den pulverförmigen Mischung bei 1200  C unter
spröde. Zudem hat es eine sehr hohe Wärmeleit- hohem Druck (Osugi et al. 1966). Mit Galliumar-
fähigkeit; es leitet daher die Wärme vom Schneid- senid kann Borarsenid legiert werden, was die Her-
gut schnell ab. stellung ternärer und quaternärer Halbleiter ermög-
Das farblose, in Abhängigkeit von der jeweili- licht (Geisz et al. 2000). Borarsenid schlugen
gen Dotierung orangerote (n-Typ) bis rotbraune einige Forscher in der Vergangenheit als mögliche
(p-Typ) Borphosphid (BP) (Berger 1996, S. 116) Komponente von Solarzellen vor, man setzt die
ist ein III-V-Verbindungshalbleiter mit einer indi- Verbindung aber heute nicht für diesen Zweck ein.
rekten Bandlücke von 2,1 eV (Madelung 2004, Erhitzen auf Temperaturen von 920  C führt
S. 84), der in der Zinkblende-Struktur kristallisiert zur Abspaltung gasförmigen Arsens und zur Bil-
(Popper und Ingles 1957) und 1891 erstmalig dung rhomboedrisch kristallisierenden Borsubar-
dargestellt wurde (Moissan 1891). Borphosphid senids (B12As2), das mit einer Bandlücke von
schmilzt bei 1227  C unter Zersetzung und hat die 3,47 eV ebenfalls noch ein Halbleiter ist; man
Dichte 2,9 g/cm3. Die Wärmeleitfähigkeit beträgt kann Einkristalle der Substanz auf einem Substrat
460 W/m  K (Kang et al. 2017), der Brechungs- wie Siliciumcarbid züchten (Chen et al. 2008).
index 3,0 (Madelung 2004), die Kompressibilität Borcarbide und -silicide Borcarbid (B4C) ist
des sehr harten Materials 152 GPa und die Debye- hart (Mohs-Härte: 9,3) und stabil gegen Ver-
Temperatur 712  C. Aus den Elementen kann man schleiß. Im Kristallgitter liegen kovalente B-C-
Borphosphid bei Drücken über 20 kbar und einer Bindungen vor. Diese Nichtoxid-Keramik ist wie
Temperatur von 1200  C herstellen (Gielisse et al. Siliciumcarbid oder -nitrid besonders hart und
1973), ebenso durch Erhitzen von Mischungen, zäh. Borcarbid ist ein wirksamer Absorber für
die aus Phosphor, Bor und Boroxid bestehen. Man Neutronen und wurde 1986 vom Flugzeug aus
setzt die Verbindung unter anderem als Werkstoff als Granulat in den explodierten Reaktor des
besonderer Leuchtdioden ein (Udagawa 2004). Kernkraftwerks Tschernobyl geworfen, um die
Das in Form brauner Kristalle (Perry 2011, nukleare Kettenreaktion zum Erliegen zu bringen.
S. 73) kubischer Zinkblende-Struktur vorliegende Borcarbid bildet glänzende, schwarze Kristalle
Borarsenid (BAs) ist ebenfalls ein III-V-Verbin- (s. Abb. 10a, b) bzw. ein grauschwarzes Pulver der
dungshalbleiter mit einer indirekten Bandlücke, Dichte 2,51 g/cm3, das bei 2350  C schmilzt (Sie-
die je nach angewandtem Berechnungsmodell depunkt der Schmelze: >3500  C). Erst oberhalb
einen Wert im Bereich von 0,6 bis 2,1 eV aufweist einer Temperatur von 1000  C greifen es Chlor
(Hart und Zunger 2000). Die Wärmeleitfähigkeit oder Sauerstoff an; es ist völlig beständig gegen-
des Borarsenids ist mit 1300 W/m  K noch höher über Flusssäure und heißer Salpetersäure.
als die ohnehin schon hohe des homologen Bor- Grobkristallines Borcarbid entsteht bei seiner
phosphids. Borarsenid zersetzt sich beim Erhitzen Herstellung aus Kohle und Boroxid im elektri-
auf 1100  C und besitzt eine Dichte von 5,22 g/cm3 schen Widerstandsofen bei Temperaturen um
(Holleman et al. 1995, S. 1053). Man gewinnt es 2400  C:

Abb. 10 a Borcarbid
(Preslav 2009). b Borcarbid
(Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 151

2 B2 O3 þ 7 C ➔ B4 C þ 6 CO und Siliciumatome. Allerdings können Silicium-


atome bis zu einem gewissen Grad an die Stelle
Ersetzt man aber den größten Teil der Kohle der Boratome treten, so dass Verbindungen bis
durch Magnesium als Reduktionsmittel, so wer- hinauf zu SiB2,89 resultieren. Siliciumtetraborid
den feine Kristalle gebildet: ist isomorph zu Borcarbid, zugleich auch metasta-
bil verglichen mit dem Hexaborid. Es ist aber
2 B2 O3 þ 6 Mg þ C ➔ B4 C þ 6 MgO einfach in stöchiometrischer Zusammensetzung
herstellbar (Aselage 1998). SiB4x und SiB6 wer-
Borcarbid findet als Neutronenabsorber in den beim Erhitzen an der Luft oberflächlich oxi-
Kernkraftwerken, als Panzermaterials und als diert, ebenso erfolgt Angriff durch konzentrierte,
Werkstoff für Düsen von Sandstrahlgebläsen Ein- kochende Schwefelsäure, Fluor sowie Chlor und
satz. Brom bei hoher Temperatur. Siliciumtetraborid
Siliciumboride (oder Borsilicide) sind Kerami- war Bestandteil der schwarzen Beschichtung, die
ken niedrigen Gewichts. Beschrieben sind stö- auf dem Schutzschild des Space Shuttle aufge-
chiometrische Verbindungen der Summenformel bracht wurde (Scheffler und Colombo 2005).
SiBn wie Siliciumtriborid (SiB3), Siliciumtetrabo- Metallverbindungen Magnesiumdiborid (MgB2)
rid (SiB4), Siliciumhexaborid (SiB6) und Polybo- hat unter den Supraleitern die zurzeit höchste
ride (SiBn, n = 14, 15, 40, etc.). SiB3 und SiB6 Sprungtemperatur (39 K, 234  C). Zu seiner
wurden im Gemisch miteinander schon von Mois- Herstellung trägt man festes Bor in flüssiges
san und Stock im Jahr 1900 dargestellt, indem sie Magnesium bei einer Temperatur von 900  C
eine pulverförmige Mischung von Bor und Sili- ein. Der dabei auftretende Magnesiumdampf dif-
cium im Tontiegel erhitzten. Die erstmalige Dar- fundiert in das Bor, in/an dem sich leicht auslös-
stellung des Tetraborids folgte erst 1960, aber dies bare Magnesiumdiborid-Kügelchen bilden. Dün-
unabhängig voneinander durch drei verschiedene ne Beschichtungen erhält man durch Reaktion
Arbeitsgruppen: Cline/Sands, Colton und Brosset/ von Magnesiumdampf mit Diboran in einer Was-
Magnusson. Alle Siliciumboride sind schwarze serstoffatmosphäre. Magnesiumdiborid schmilzt
(s. Abb. 11), kristalline Stoffe einer sehr ähnlichen bei einer Temperatur von 830  C und ist ein
Dichte um 2,5 g/cm3. Auf der Mohs’schen Härte- geruchloses, dunkelgraues bis schwarzes Pulver
skala rangieren SiB4x und SiB6 unter den härte- (s. Abb. 12).
sten Stoffen, zwischen Diamant und Rubin. Ein- Titandiborid (TiB2) erhält man durch Sintern
kristalle kann man aus geschmolzenem, an Bor oder Schmelzen eines Gemisches von Titan,
gesättigtem Silicium ziehen. Kohle und Bor im Lichtbogenofen (Kollenberg
Die Kristallstruktur des Siliciumhexaborids 2004, S. 339). Die Herstellung im kleinen Maß-
weist miteinander verbundene Ikosaeder von Bo- stab kann an auf 1400–1600  C erhitzten Wolf-
ratomen auf (Polyeder mit 20 Oberflächen), ferner ramfäden erfolgen, indem man ein Gasgemisch
Ikosihexaeder (26 Flächen) sowie isolierte Bor- aus Titan-IV-chlorid, Bortrichlorid und Wasser-

Abb. 11 Siliciumtetraborid (Onyxmet 2019) Abb. 12 Magnesiumdiborid (Onyxmet 2019)


152 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

stoff auf diese leitet (Blumenthal et al. 2007, HfO2 þ B2 O3 þ 5 C ➔ HfB2 þ 5 CO


S. 239; Kieffer und Schwarzkopf 2013, S. 259):
ist ebenso möglich wie die Umsetzung von
TiCl4 þ 2 BCl3 þ 5 H2 ➔ TiB2 þ 10 HCl Hafnium-IV-chlorid, Bortrichlorid und Wasser-
stoff bei Temperaturen über 2000  C oder auch
Sintern von Titan-IV-oxid mit dem homologen die Direktsynthese aus den Elementen. Das grau-
Zirconiumdiborid (s. Abb. 13) liefert ebenfalls schwarze Hafniumdiborid (s. Abb. 15) schmilzt
Titandiborid (Salmang und Scholze 2006, S. 380): bei 3100  C, hat die Dichte 10,5 g/cm3 und ist
unlöslich in Wasser. Nur Flusssäure greift das
TiO2 þ ZrB2 ➔ ZrO2 þ TiB2 Material an, das sonst gegen nahezu alle anderen
chemischen Einflüsse beständig ist. Mit einer
Die aluminothermische Reduktion einer Vickers-Härte von 2200–2900 ist die Verbindung
Mischung von Titan-IV-oxid und Boroxid führt sehr hart (Hutchings und Shipway 2017, S. 171).
gleichfalls zum Titandiborid (Briehl 2007, S. 253): Hafniumdiborid kristallisiert hexagonal (Raum-
gruppe 191; Lawson et al. 2011) und hat einen
3 TiO2 þ 3 B2 O3 þ 10 Al ➔ 3 TiB2 þ 5 Al2 O3 spezifischen Widerstand von 15 μΩcm (Abelson
et al. 2005).
Schließlich kann man Titan-IV-oxid auch in Man setzt Hafniumdiborid Werkstoffen in
einer Mischung mit Borcarbid und Kohle glühen kleinen Mengen zu, um sie verschleißfester zu
(Briehl 2007, S. 253): machen, darüber hinaus verwendet man es als
Material für in Kernkraftwerken eingebaute Kon-
2 TiO2 þ B4 C þ 3 C ➔ 2 TiB2 þ 4 CO trollstäbe. In ultraharten Keramiken auf Basis von
Siliciumcarbid ist es anzutreffen (Loehman et al.
Titanborid (s. Abb. 14) ist ein graues Pulver der
Dichte 4,52 g/cm3, das bei 3230  C schmilzt und
ein guter elektrischer Leiter ist.
Einsatzgebiete sind Verdampferschiffchen,
Panzermaterialien, Material von Tanks zur Lage-
rung flüssigen Aluminiums und Mantelrohre von
Thermoelementen (Steudel 2013, S. 212).
Die Herstellmöglichkeiten für Hafniumdiborid
(HfB2) sind denen für Zirconium- und Titandibo-
rid sehr ähnlich. Das Erhitzen von Hafnium-IV-
oxid mit Kohle und Boroxid nach:
Abb. 14 Titandiborid (Onyxmet 2019)

Abb. 13 Zirconiumdiborid (Onyxmet 2019) Abb. 15 Hafniumdiborid (Onyxmet 2019)


5 Einzeldarstellungen 153

2006) wie auch in Düsen für Tintenstrahldrucker ist unterhalb einer Temperatur von 269,7  C
(Wu et al. 1996). ein Supraleiter (Kayhan 2013). Ran et al. erhielten
Niobdiborid (NbB2) ist ein refraktärkerami- Nanokristalle aus der Reaktionsschmelze heraus
sches, grauschwarzes (s. Abb. 16) Material mit (2014); solche Kristalle stellten Zoli et al. aus
hexagonaler Struktur. Es ist bei sehr hohen Tem- Niob-V-oxid und Natriumboranat bei 700  C in
peraturen einsetzbar, da es erst bei 3050  C Argonatmosphäre dar (2018) nach:
schmilzt. Zusammen mit seiner niedrigen Dichte
von 6,97 g/cm3 ist es ein vielversprechender 2 Nb2 O5 þ 13 NaBH4 ! 4 NbB2
Werkstoff für Anwendungen in der Luft- und þ 8 Na " þ 5 NaBO2 þ 26 H2 "
Raumfahrt wie etwa Raketenantriebe oder Karos-
serien von Ultraschallflugzeugen. Für eine Kera- Rheniumdiborid (ReB2) ist ein schwarzer, kris-
mik hat es ungewöhnlich hohe Wärme- und elek- talliner, sehr harter Feststoff mit einem Schmelz-
trische Leitfähigkeiten; diese Eigenschaft teilt es punkt von 2400  C. Er wird durch fünftägige
aber mit der kleinen Gruppe isostruktureller, oben Reaktion eines Gemisches der Elemente in Pul-
beschriebener Boride (Kovenskaya 1970). Die verform bei etwa 1000  C hergestellt. Strontium-
übliche Arbeitsweise zur Herstellung von aus hexaborid (SrB6) ist ein dunkelroter bis schwar-
Niobdiborid bestehenden Bauteilen ist das Heiß- zer, kristalliner, hochschmelzender (2235  C) und
pressen oder Sintern im Funkenplasma unter ebenfalls sehr harter Feststoff, den man u. a. als
Druck (Sairam et al. 2014). Druckloses Sintern elektrischen Isolator und in Steuerstäben für
ist nur bei gleichzeitiger Zugabe von Sinterungs- Kernreaktoren einsetzt. Man stellt SrB6 aus Stron-
additiven wie beispielsweise Borcarbid möglich, tiumcarbonat (SrCO3), Borcarbid (B4C) und Koh-
aber die mechanischen Eigenschaften sind denen lenstoff im Vakuumofen her. Lanthanhexaborid
des heißgepressten Materials unterlegen. (LaB6) ist der Elektronenemitter in Hochleis-
Man stellt Niobdiborid durch Reaktion der tungskathoden und ein feuerfestes keramisches,
Elemente im stöchiometrischen Verhältnis her, blauviolettes Pulver (s. Abb. 17) mit einem
außerdem ist die magnesiothermische Reduktion Schmelzpunkt von 2210  C.
einer Mischung aus Niob-V-oxid und Boroxid Sonstige Verbindungen Das weiße (s. Abb. 18)
möglich (Ganguli et al. 2011): Borphosphat (BPO4) kann man durch Reaktion
von Borsäure mit Phosphorsäure in einem Platin-
Nb2 O5 þ 2 B2 O3 þ 11 Mg tiegel in einem weiten Temperaturbereich von
! 2 NbB2 þ 11 MgO 80 bis 1200  C erzeugen (Brauer 1975, S. 811).
Bei tiefer Temperatur entsteht ein weißes, amor-
Auch der ausschließliche Einsatz pulverförmi- phes Pulver, das man für 2 h auf 1200  C erhitzen
gen Bors als Reduktans ist möglich; auf diese muss, um Mikrokristalle zu erhalten (Mylius und
Weise konnten Jha et al. Nanostäbchen der Meusser 1904):
Abmessung 40x800 nm2 erhalten. Niobdiborid

Abb. 16 Niobdiborid (Onyxmet 2019) Abb. 17 Lanthanhexaborid (Onyxmet 2019)


154 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

enthalten. In Halbleitern dient es zur p-Dotierung


von Silicium. Borate verwendet man auch als
Brandschutzmittel für Platinen.
Bor weist einen hohen Einfangsquerschnitt für
Neutronen auf (764 barn für Bor einer natürlichen
Isotopenzusammensetzung). Daher kann es, in
Steuerstäben eingesetzt, die in Kernreaktoren
ablaufende Kettenreaktion regeln und auch abbre-
chen. In Druckwasserreaktoren mischt man dem
Abb. 18 Borphosphat (Onyxmet 2019) Kühlwasser unterschiedliche Mengen von Bor-
säure zu. Außerdem ist es in Strahlenschutzklei-
dung sowie den Wänden von Lagergefäßen, die
H3 BO3 þ H3 PO4 ➔ BPO4 þ 3 H2 O zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen dienen,
enthalten.
Zur Herstellung von Borphosphat stehen auch
andere Routen offen, wie die aus Phosphorsäure Physiologie und Pharmakologie Physiologie
und Borsäuretriethylester, Triethylphosphat und und Pharmakologie Bor ist eventuell ein Spuren-
Bortrichlorid oder auch Borsäure und Phosphor- element, das für den Stoffwechsel der Knochen
V-oxid (Baykal et al. 2001). und des Gehirns essenziell ist (Mastromatteo und
Der schwer in Wasser lösliche Feststoff tetra- Sullivan 1994). Der Mensch nimmt Bor über
gonaler Kristallstruktur (Wentorf et al. 1959) Trinkwasser und Nahrung auf; der Gehalt des
schmilzt bei einer Temperatur von >1400  C Elements im Körper liegt bei ca. 0,7 mg/L. Die
und hat die Dichte 2,52 g/cm3 (25  C). Borphos- Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfahl
phat löst sich ebenfalls kaum in verdünnten Säu- 1998 einen Richtwert von 2,4 mg/L Bor im Trink-
ren, etwas dagegen in verdünnten Laugen. Man wasser. Pflanzen zeigen oft pathologische Reak-
setzt Borphosphat unter Anderem als Katalysator tionen auf einen Unter- oder Überschuss an Bor.
zur Dehydrierung und anderen Reaktionen ein Bor ist das wirksame Prinzip in Bortezomib,
(Moffat und Goltz 1965). dem seit 2008 zugelassenen Inhibitor des 26S-
Proteasoms zwecks Behandlung des Multiplen
Anwendungen Neodym-Eisen-Borverbindun- Myeloms in Eukaryoten. In jenen ist das nur
gen verwendet man zur Herstellung von Hoch- 11·17 nm große 26S-Proteasom für den in gesun-
leistungsmagneten, die unter Anderem in Kern- den Zellen wichtigen Abbau bestimmter Proteine
spintomographen, Kleinmotoren, Festplatten, verantwortlich. In Krebszellen funktioniert es
Servomotoren, Linearmotoren für Positionierach- ähnlich, nur erfolgt dort über das im Molekül
sen und hochwertigen HiFi-Geräten eingesetzt des Bortezomibs enthaltene Boratom die koordi-
werden. Sie bieten einen deutlichen Preisvorteil native Bindung an den den Proteinabbau bewir-
gegenüber Kobalt-Samarium-Magneten (Baudis kenden Molekülteil des 26S-Proteasoms, so dass
und Fichte 2012). Ferrobor und Bor sind Zusätze der Stoffwechsel der Tumorzellen gestört bzw.
in Feinkornbaustählen und Nickellegierungen, beendet wird (Bonvini et al. 2007).
Bor ist ein Kornfeinungsmittel für Messing- In geringer Dosis verabreichtes elementares
Gusslegierungen. Bor ist ferner Gettersubstanz Bor ist ungiftig; es liegen keine Hinweise auf
bei der Herstellung von Reinstkupfer, da es Spu- krebserregende, erbgutverändernde oder repro-
ren von Sauerstoff entfernt. duktionstoxische Wirkungen vor. Die Deutsche
Kristallines Bor und Borfasern benötigt man Gesellschaft für Ernährung gibt keine Empfehlun-
dort, wo eine hohe Festigkeit des Materials ver- gen für die Aufnahme bestimmter Mengen (Bun-
langt wird: in Bauteilen für Helikopterrotoren, desinstitut für Risikobewertung 2006). Anderer-
Tennis- und Golfschlägern sowie Angelruten. seits nennt die US-amerikanische Umweltbehörde
Bor ist zudem in Brems- und Kupplungsbelägen EPA zwar einen Grenzwert von 0,2 mg/d pro kg
5 Einzeldarstellungen 155

Körpergewicht für Bor und seine gängigen Ver-


bindungen (Borate), verweist aber ebenfalls nicht (Anacor Pharmaceuticals Inc., US 2019
auf das mögliche Risiko einer krebserregenden 135837 A1, veröffentlicht 9. Mai 2019)
Wirkung. Aufgrund der an Mäusen beobachteten K. Nemeth und A. M. Danby, Synthesis of
Wirkung stuft die Europäische Union aber Bor, oxygen and boron trihalogenide functio-
Borate und Borsäure seit 2009 als reproduktions- nalized two-dimensional layered materi-
toxisch ein. als in pressurized medium (Boron Nitri-
Dosen der von Borsäure und ihren Salzen (Bo- de Power LLC; University of Kansas,
rate) oberhalb von 100 mg/d können Vergiftungen US 2019134585 A1, veröffentlicht
herbeiführen. Borane werden gesondert hierzu 9. Mai 2019)
behandelt, da sie hochgiftig sind. C. Paquet und J. Lefebvre, Boron nitride
Kliegel und Wendt vermitteln einen Überblick nanotube coated substrates for sintering
über die bis 1980 bekannten physio- und biologi- of metallic traces by intense pulse light
schen Wirkungen und Anwendungen von Bor und (National Research Council of Canada,
seinen Verbindungen (Kliegel und Wendt 1980). WO 2019079882 A1, veröffentlicht
2. Mai 2019)
J.-H. Chern und A. R. Ehsani, Back-
Patente illuminated sensor with boron-layer (Kla
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world Tencor Cop., US 2019131465 A1, ver-
wide.espacenet.com) öffentlicht 2. Mai 2019)
J. Wu, Fuser component comprising fluori-
T. G. Dushatinski und K. G. Jordan, Boron nated boron nitride nanosheets (Xerox
nitride nanotube materials for cryo- Corp., US 10273344 B1, veröffentlicht
pumps and other large volume configu- 30. April 2019)
rations (BNNT LLC, AU 2017368072 M. Li und X. Chen, Method for conti-
A1, veröffentlicht 23. Mai 2019) nuously preparing boron-doped SiO2 ae-
Y. Wang und Z. Liu, Deuterium-substituted rogel (Canew Tech Shenzhen Co., Ltd.,
boron-containing compound, and phar- WO 2019075793 A1, veröffentlicht 25.
maceutical composition and use (Shen- April 2019)
zhen Targetrx Inc., WO 2019096113 A1, G. Takeda und M. Nakashima, Boron nitri-
veröffentlicht 23. Mai 2019) de powder, method for producing same,
X. Yang und D. Stojaković, Cobalt, iron, and heat-dissipating member producing
boron, and/or nickel alloy-containing using same (Denka Company Ltd., WO
articles and methods for making same 2019073690 A1, veröffentlicht 18. April
(Materion Corp., US 2019157055 A1, 2019)
veröffentlicht 23. Mai 2019)
H. G. Kirby und J. Wan, Silicon compositi-
ons containing boron and methods of
forming the same (General Electric, US 5.2 Aluminium
2019144345 A1, veröffentlicht 16. Mai
2019) Geschichte Aluminiumoxid bzw. Bauxit kannte
G. R. Kracke und Y. Sevryugina, Boron man schon lange, aber erst Ørsted gelang die
cluster compounds and uses thereof (pri- erstmalige Darstellung des Aluminiums durch
vat, US 2019135838 A1, veröffentlicht Reduktion seines Chlorids mit Kaliumamalgam.
9. Mai 2019) Als Namensgeber fungierte das ebenfalls schon
T. Akama und E. Easom, Boron-containing bekannte Doppelsulfat des Aluminiums mit
small molecules as antiprotozoal agents einem Alkaliion (Alaun), aufgrund dessen Davy
1807 die beiden Namen Aluminum und Alumi-
156 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

nium vorschlug, die bis heute im Englischen glei-


chermaßen gebraucht werden. für Physik. Er war ab 1814 Ehrenmitglied
1827 stellte Friedrich Wöhler mittels einer einer Loge der Freimaurer in Kopenhagen,
leicht abgewandelten Methode, bei der Kalium war mit dem berühmten Märchenautor
statt sein Amalgam als Reduktionsmittel Verwen- Andersen befreundet [Eventyr, fortalte for
dung fand, ein reineres Aluminium her. Sainte- Børn (Märchen, für Kinder erzählt)]. Ørsted
Claire Deville verbesserte das Wöhler-Verfahren gründete 1824 die Dänische Gesellschaft
1846 und veröffentlichte seinen Prozess dreizehn zur Verbreitung der Naturlehre.
Jahre später. Jener wurde weit verbreitet ange-
Zum Zeitpunkt seines Todes war er nicht
wandt, wodurch die Kosten zur Herstellung des nur ein weithin anerkannter Naturwissen-
Aluminiums drastisch gesenkt wurden. schaftler und Astronom, sondern repräsen-
1886 stellten Hall und Héroult das nach ihnen tierte wie wenige das Goldene Zeitalter
benannte elektrolytische Verfahren zur Herstel- Dänemarks. Begraben ist er auf dem As-
lung des Aluminiums vor. Bayer präsentierte 1899 sistenzfriedhof in Nørrebro, Kopenhagen
den heute immer noch großtechnisch betriebenen (Knudsen et al. 2007; Von Engelhardt
Prozess zum Aufschluss von Bauxit und der fol- 2005, S. 1078; Franksen 1981; Lindborg
genden Produktion reinen Aluminiumoxids. 1998).

Der französische Chemiker Henri Étienne


Sainte-Claire Deville ( 11. März 1818
Der dänische Chemiker und Physiker Hans Saint Thomas/West Indies; † 1. Juli 1881
Christian Ørsted, ( 14. August 1777 Boulogne-Billancourt) war Professor für
Rudkøbing; † 9. März 1851 Kopenhagen) Chemie in Besançon und Paris. Er stellte
entdeckte 1820 die durch elektrischen 1854 als Erster Aluminium in technischem
Strom aufgebauten Magnetfelder und gilt Maßstab her. Sainte-Claire Deville arbeitete
als einer der Pioniere der Elektrizitätslehre. mit Wöhler zusammen und entdeckte dabei
Ørsted war 1829 einer der Gründer der kristallines Bor und Silicium. Die Göttinger
Kopenhagener Polytechnischen Lehran- Akademie der Wissenschaften nahm ihn
stalt, aus der die heutige Technische Uni- 1856 als korrespondierendes Mitglied auf
versität hervorging, und leitete dieses Insti- (Krahnke 2001, S. 209), die Preußische
tut bis zu seinem Tod. Seine Arbeit in der Akademie der Wissenschaften 1863 und
Apotheke seines Vaters förderte sein Inte- die Russische Akademie der Wissenschaf-
resse an den Naturwissenschaften; er nahm ten 1869. Außerdem war er ab 1860 Mit-
1793 in Kopenhagen das Studium der glied der American Philosophical Society.
Naturwissenschaften und der Pharmazie
auf. 1799 promovierte er und wurde 1800 Der amerikanische Ingenieur Charles Mar-
Adjunkt. tin Hall ( 6. Dezember 1863 Thompson
OH; † 27. Dezember 1914 Daytona FL)
Danach reiste Ørsted vier Jahre durch entwickelte ein ökonomisches Verfahren
Europa, konzentrierte sich dabei auf Auf- zur Produktion von Aluminium. Er experi-
enthalte in Frankreich und Preußen, wo er mente als Jugendlicher und junger Wissen-
einige führende Naturforscher seiner Zeit schaftler meist zuhause und forschte vor
kennenlernte, unter Anderem den Physiker allem zu Aluminium und seiner Herstel-
Ritter, der den ersten Akkumulator erfand. lung. Nach der erfolgreichen Präsentation
Er bewirkte, dass Ørsted später seine For- seiner Erfindung arbeitete er auf diesem
schung zum Elektromagnetismus intensi- Gebiet weiter und veröffentlichte insgesamt
vierte (Dibner 1961). Ørsted wurde 1806 22 Patente. Hall war sowohl vertreten im
außerordentlicher Professor für Chemie Aufsichtsrat seiner Hochschule als auch im
und Physik und 1817 ordentlicher Professor
5 Einzeldarstellungen 157

2010). Gefunden wurde es bisher in China, Ita-


Unternehmen Alcoa, dessen Vizepräsident lien, Bulgarien, Russland (Sibirien), Aserbaid-
er bis zu seinem Tod war. schan und Usbekistan.
Bis 2010 kannte man 1156 aluminiumhaltige
Der französische Chemiker Paul Louis Tous- Minerale. Aluminiumoxid in Form des Minerals
saint Héroult ( 10. April 1863 Thury-
Korund und seiner Varietäten Rubin (rot) und
Harcourt; † 9. Mai 1914 Antibes) studierte
Saphir (farblos bis verschiedenfarbig) tritt selten
zunächst an der Collège Sainte-Barbe in
auf. Das einzige wirtschaftlich bedeutende Mate-
Paris, arbeitete dann aber in der väterlichen
rial für die Produktion von Aluminium ist Bauxit,
Gerberei in Caen. Auch Héroult entwickelte
ein Verfahren zur Herstellung von Alumi- dessen Vorkommen sich vor allem in Südfrank-
nium durch Schmelzflusselektrolyse. Durch reich (Les Baux), Guinea, Bosnien und Herzego-
den Kontakt mit der Maschinenbaufabrik in wina, Ungarn, Russland, Indien, Jamaika, Austra-
Oerlikon (Schweiz) beschaffte er sich eine lien, Brasilien und den Vereinigten Staaten
Dynamomaschine, die den für die Elektro- befinden. Bauxit enthält ca. 60 Gew.-% einer
lyse nötigen Strom durch Einsatz von Was- Mischung von Aluminiumhydroxiden [Al(OH)3
serkraft bereitstellen sollte. Der Leiter des und AlO(OH)], der Rest entfällt auf Eisenoxid
Unternehmens, Huber, versuchte sofort, (Fe2O3, 30 Gew.-%) und Siliciumdioxid (SiO2,
sich die Anwendung dieser Erfindung für 10 Gew.-%).
diesen und ähnliche Prozesse zumindest
für das Gebiet der Schweiz zu sichern. Gewinnung Aluminium wird sowohl aus Bauxit
hergestellt als auch aus Schrott wiedergewonnen.
Ersteres Herstellverfahren ist extrem energieauf-
Héroult ging als Technischer Direktor der wändig, jedoch ist Bauxit das einzige Aluminium-
1887 gegründeten Schweizerischen Metal- mineral, das man zur Herstellung des Elements
lurgischen Gesellschaft 1888 in die USA, aus natürlichen Vorkommen verwenden kann. Die
um seine Patente gegen die Ansprüche von
Wiederverwertung aus Schrott erfordert dagegen
Hall zu verteidigen. Während seiner Abwe-
nur einen Bruchteil dieser Energie (Dienhart
senheit erprobte man sein Verfahren er-
2003).
folgreich und gründete am 18.11.1888 die
Das in Bauxit enthaltene Aluminiumoxid/-
Aluminium Industrie Aktiengesellschaft in
Neuhausen, die Aluminium in großtechni- hydroxid-Gemisch schließt man zuerst mit Na-
schem Maßstab herstellten sollte und die tronlauge auf (Bayer-Verfahren, Rohrreaktor-
der Vorgänger der Alusuisse war. Die Wei- oder Autoklaven-Aufschluss), überführt dadurch
terentwicklung ergab dann den Lichtbogen- das chemisch gebundene Aluminium in eine lös-
ofen, aus dem später die Elektro-Stahlöfen liche Form und trennt es so von Eisen- und Sili-
entstanden. ciumoxid. Danach fällt man aus der aluminathal-
tigen Lösung das reine Aluminiumhydroxid aus
und brennt es in geeigneten Öfen zu Aluminium-
Vorkommen Aluminium hat einen Anteil von oxid (Al2O3).
7,57 Gew.-% am Aufbau der Erdkruste und ist Jenes unterwirft man einer Schmelzflusselek-
darin nach Sauerstoff und Silicium das dritthäu- trolyse nach dem Hall-Héroult-Verfahren. Gemi-
figste Element und somit gleichzeitig das häufigs- sche aus Aluminiumoxid und Kryolith (Na3AlF6)
te Metall. Es kommt fast nur in chemisch gebun- haben ihren tiefsten Schmelzpunkt bei einer Tem-
dener Form vor, hauptsächlich in Form von peratur von 963  C (Eutektikum). Die Kathode
Alumosilikaten wie Ton, Gneis und Granit. bildet den Boden des Gefäßes; an ihr sammelt sich
In sehr vereinzelten, aber wirtschaftlich völlig während der Elektrolyse flüssiges Aluminium,
unbedeutenden Fällen kommt Aluminium auch das mit einem Saugrohr von Zeit zu Zeit abge-
elementar vor, meist in Form dicker Aggregate, saugt wird. An den aus Graphitmasse bestehenden
aber auch größerer Kristalle (Anthony et al. Anodenblöcken entwickelt sich im Laufe der
158 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Elektrolyse Sauerstoff, wodurch die Anoden lang- korrosionsbeständig. Man kann diese Oxidschicht
sam abbrennen; daher muss die gestampfte Gra- durch Eloxieren derart verstärken, dass man so
phitmasse laufend nachgefüllt werden. Der Ener- vorbehandelte Oberflächen von Aluminium auf
gieaufwand ist mit etwa 15 kWh pro kg erzeugtes verschiedenste Arten färben kann. Ist die Oxid-
Aluminium hoch. Die meisten Verbesserungs- schicht jedoch beschädigt, so tritt Lochfraßkor-
möglichkeiten hierzu sind bereits ausgeschöpft rosion auf.
(Quinkertz 2002). Führend in der Herstellung ist Aluminium löst sich, jeweils unter Entwick-
das Unternehmen Norsk Hydro/Yara, das u. a. Pro- lung von Wasserstoff, sowohl heftig in Salzsäure
duktionsanlagen in Norwegen und Deutschland (unter Bildung seines Chlorids) als auch in Na-
betreibt. tronlauge (NaOH) unter Entstehung wasserlösli-
Zur Wiedergewinnung des Aluminiums schmilzt chen Natriumaluminats:
man aluminiumhaltige Schrotte und Krätzen in
Trommelöfen ein. Letztere entstehen meist bei 2 Al þ 6 HCl ➔ 2 AlCl3 þ 3 H2 "
der Verarbeitung von Aluminium und sind Gemi-
sche des Metalls mit seinem Oxid, das im Zuge 2 Al þ 2 NaOH þ 6 H2 O ➔
der Produktion des Aluminiums anfällt. Um das  
2 Na AlðOHÞ4 þ 3 H2 "
Ausmaß der Bildung von Krätzen zu verringern,
deckt man die Oberfläche der aus Bauxit
Mit Halogenen, außer mit Iod, reagiert Alumi-
und Kryolith bestehenden Schmelze mit einer
nium bei Raumtemperatur heftig unter Feuerer-
Mischung aus Kochsalz, Kaliumchlorid und
scheinung. Aluminium-III-fluorid ist schwerlös-
etwas Calciumfluorid ab. Als Zwangsanfall ent-
lich in Wasser, die anderen Trihalogenide sind
steht daher bei der Schmelzflusselektrolyse auch
jedoch in Wasser sehr leicht löslich, wobei sie sich
noch geringe Anteile Aluminium enthaltende
aber direkt hydrolytisch zersetzen.
Salzschlacke, die zu mineralischen Glasfasern
Schwefelsäure löst Aluminium langsam auf,
weiter verarbeitet wird (Feige und Merker 2006;
Salpetersäure dagegen nicht, da letztere die Ober-
Spiegel online 1993; Boin et al. 2000).
fläche des Metalls passiviert.
Der Preis für 99,7 %iges Aluminium liegt aktu-
Feinverteiltes Aluminiumpulver ist, falls es
ell bei US$ 1800.- pro t (London Metal Exchange,
nicht zuvor phlegmatisiert wurde, chemisch sehr
24. Mai 2019).
reaktiv und kann sich an der Luft von selbst ent-
Physikalische Eigenschaften: Aluminium ist
zünden.
ziemlich weich, zugleich aber zäh. Die Zugfestig-
keit von reinem Aluminium beträgt 90 N/mm2,
die Streckgrenze liegt bei 34 N/mm2 und die Verbindungen
Bruchdehnung bei 45 %. Dagegen können die Chalkogenverbindungen Aluminiumoxid (Al2O3)
Zugfestigkeiten seiner Legierungen erheblich liegt als weißes Pulver vor (s. Abb. 19a, b), das bei
höher sein. Aluminium schmilzt bei 660  C und 2072  C schmilzt (Siedepunkt der Schmelze:
siedet bei 2470  C (s. Tab. 2). Seine Dichte ist 2980  C) und eine Dichte von 3,94 g/cm3 auf-
2,70 g/cm3, daher ist es ein Leichtmetall (Haber- weist.
meyer 2014). Seine Wärmeleitfähigkeit wird nur Man gewinnt es durch den Aufschluss von
noch von denen der Elemente der ersten Neben- Bauxit mit Natronlauge nach dem Bayer-
gruppe (Kupfer, Silber, Gold) übertroffen. Supra- Verfahren, wobei zunächst Aluminiumhydroxid
leitend wird es erst unterhalb einer Temperatur entsteht (Linsmeier 2010, S. 13–15). Dessen
von 271,95  C (Ilschner 2010). Brennen oder Sintern liefert dann Aluminium-
Chemische Eigenschaften: Aluminium bildet oxid. Eine weitere Methode der Produktion ist
an der Luft sofort eine mit 0,05 μm sehr dünne das vorsichtige Entwässern natürlich vorkom-
Oxidschicht (aus Al2O3), die es vor weiterer Oxi- mender Minerale wie Böhmit oder bei der
dation schützt. Diese passivierende Schicht macht Verbrennung pulverförmigen Aluminiums. Die
reines Aluminium bei pH-Werten von 4 bis 9 sehr aktuelle weltweite Produktionsmenge des Alumi-
5 Einzeldarstellungen 159

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Aluminium


Symbol: Al
Ordnungszahl: 13
CAS-Nr.: 7429-90-5

Aussehen: Silbrig glänzend Aluminium Aluminium, Pulver


(Metallium Inc. 2015) (Sicius, 2015)
Entdecker, Jahr Ørsted (Dänemark), 1825
Wichtige Isotope Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
[natürliches Vorkommen (%)]
27
13Al (100) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 75,700
Atommasse (u): 26,982
Elektronegativität 1,61 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Al3+ + 3 e ➔ Al (V) 1,676
Atomradius (pm): 125
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 184
Kovalenter Radius (pm): 121
Elektronenkonfiguration: [Ne] 3s2 3p1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 578 ♦ 1817 ♦ 2745
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,1  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 3,77  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 70 ♦ 76 ♦ 26
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 160–350 ♦ 160–550
Mohs-Härte 2,75
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 6250–6500 (Longitudinalwelle)
3100 (Scherwelle)
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 2,70
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 10,00  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 235
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 19,789
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 660,2 ♦ 933,35
Schmelzwärme (kJ/mol) 10,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 2470 ♦ 2743
Verdampfungswärme (kJ/mol): 284

niumoxids liegt bei ca. 130 Mio. t, von denen schmelzflusselektrolytische Erzeugung metalli-
China 2014 (bei einem gesamten Volumen von schen Aluminiums nach dem Hall-Héroult-Pro-
damals 108 Mio. t) ca. 40 %, Australien 15 % zess.
und Brasilien 8 % beisteuerten. Die USA impor- Aluminiumoxid liegt in Form zweier Modifi-
tierten Bauxit 2019 für 31 US$ und Aluminium- kationen vor, zunächst dem kubisch kristallisie-
oxid für 560 US$ pro t (Bray 2019). Etwa zwei renden γ-Al2O3, also der Tonerde, aus der man
Drittel der hergestellten Menge gehen in die Keramiken und am Ende auch Aluminium her-
160 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Abb. 19
a Aluminiumoxid zum
thermischen Sprühen
(Stanford Advanced
Materials 2019).
b Aluminiumoxid
(Onyxmet 2019)

stellt, ferner dem ebenfalls natürlich vorkommen- nicht nach. In Auskleidungen für Öfen setzt nur
den α-Al2O3 mit rhomboedrischer Struktur, das die maximale Arbeitstemperatur von 1900  C
man als Mineral Korund oder Saphir kennt und gewisse Grenzen. Mischer, Rutschen und Düsen
das als Schleifmittel oder in der Produktion von für das Plasmaschweißen sind nur einige weitere
Keramik verwendet wird. Beim Erhitzen auf praktizierte Anwendungen des Materials. Gesin-
800  C geht das in Säuren und Basen gleicher- tertes Nano-Aluminiumoxid ist zur Produktion
maßen lösliche γ-Al2O3 in die meist unlösliche harter Gläser wie denen von Armbanduhren
α-Phase über. Die als β-Al2O3 bezeichnete Modi- unverzichtbar (Rosenflanz et al. 2004); man stellt
fikation ist tatsächlich ein Natriumaluminat der auch Panzerungen her, bei denen aus Aluminium-
Formel Na2O  11 Al2O3 und wurde früher irrtüm- oxid gebrannte Kacheln auf einen aus Aramidfa-
lich als reines Aluminiumoxid angesehen. sern bestehenden Träger geklebt werden (Lins-
Die Verbindung ist ein sehr wirksamer elektri- meier 2010, S. 65). Sehr reine Keramik aus
scher Isolator mit einem spezifischen Widerstand Aluminiumoxid, die große Kristalle des Materials
von 1012 Ω·m (20  C). Dagegen liegt die Wär- enthält, ist als Edelkorund in verschiedenen Klas-
meleitfähigkeit bei einem für Keramiken sehr sierungen im Handel.
hohen Wert von 36–39 W/mK (Martienssen und Nur in der Gasphase stabil sind Aluminium-I-
Warlimont 2005, S. 438–439, 445–446). oxid (Al2O) bzw. Aluminium-II-oxid (AlO) (Hol-
Aluminiumoxid reagiert amphoter, löst sich leman et al. 2007, S. 1156).
also entweder in Säuren unter Bildung von Alu- Aluminiumhydroxid [Al(OH)3] ist sehr wichtig
miniumsalzen oder in Basen unter Bildung von zur Herstellung anderer Verbindungen des Alumi-
Aluminaten. niums. Außerdem setzt man es als Füllstoff und
Meist besitzen Keramiken auf Basis von Alu- Brandschutzmittel in Beschichtungen ein.
miniumoxid eine sehr hohe Festigkeit gegenüber Aluminiumsulfid (Al2S3) kann durch gemeinsa-
Reibung und Verschleiß; man konstruiert daher mes Schmelzen der Elemente in stark exothermer
Waschbecken, Geschirr für gewerbliche Nutzung Reaktion erzeugt werden (Brauer 1978, S. 833).
in Hotels und Restaurants aus ihm oder Brems- Alternativ ist das Überleiten trockenen Schwefel-
beläge und Feuerfest-Auskleidungen von Öfen. wasserstoffs über erhitztes Aluminiumpulver mög-
Kleine Beimengungen von Chrom-III-oxid bzw. lich:
Titan-IV-oxid führen zur der Edelsteine Rubin
(Uhrensteine, Rubinlaser) bzw. Saphir. 2 Al þ 3 H2 S ➔ Al2 S3 þ 3 H2
Da Aluminiumoxid, wie oben schon erwähnt,
ein sehr wirksames Dielektrikum mit gleichzeitig Die Verbindung schmilzt bzw. siedet bei Tem-
geringem Verlustfaktor ist, verwendet man es bei- peraturen von 1100  C bzw. 1500  C und hat die
spielsweise zum Bau von Kondensatoren, auch Dichte 2,02 g/cm3 (20  C). Das bei der Reaktion
nimmt man es als Trägermaterial zum Auflöten unter Umständen geschmolzene Material kristal-
elektrischer Schaltungen. Solche auf kerami- lisiert in harten, hydrolyseempfindlichen, gelbli-
schem Substrat aufgebrachte Schaltungen stehen chen (s. Abb. 20) Nadeln. Diese können in Form
hinsichtlich ihrer Haltbarkeit rein metallischen dreier Modifikationen vorliegen: trigonal (Raum-
5 Einzeldarstellungen 161

Abb. 20 Aluminiumsulfid
(O. Mangl 2007)

gruppe 161), hexagonal (Raumgruppe 169) und


als Wurtzit-verwandter Typ der Raumgruppe 193.
Die Hydrolyse zu Aluminiumhydroxid und
Schwefelwasserstoff kann bereits durch Luft-
feuchtigkeit ausgelöst werden.
Aluminiumselenid (Al2Se3) ist durch Überlei-
ten von Selendampf über glühendes Aluminium
erhältlich. Der gelbe bis bräunliche Feststoff Abb. 21 Aluminiumtellurid Sputtertarget (QS Advanced
Materials 2019)
schmilzt bei 950  C, hat die Dichte 3,44 g/cm3
und ist ebenfalls sehr empfindlich gegenüber
Hydrolyse, die zu Aluminiumhydroxid und Se- Fluorwasserstoff über rotglühendes Aluminium-
lenwasserstoff führt (Ropp 2012, S. 172; Waitkins oxid her:
et al. 2007, S. 183–186). Die Verbindung kristal-
lisiert monoklin und ist ein Halbleiter (Blachnik Al2 O3 þ 6 HF ➔ 2 AlF3 þ 3 H2 O
1998, S. 302).
Auch Aluminiumtellurid (Al2Te3) ist ein Halb- Dagegen lässt sich das Trihydrat, das man etwa
leiter und wird entsprechend auch in Form von durch Vereinigen wässriger Lösungen von Alumi-
Sputtertargets verkauft (s. Abb. 21). Der grau- niumsulfat und Natriumfluorid als schwer wasser-
gelbliche Feststoff schmilzt bei ähnlich hoher löslichen, weißen Niederschlag darstellen kann,
Temperatur wie das homologe Selenid und Sulfid. nicht völlig ohne Hydrolyse zum Oxidfluorid oder
Die festen Aluminumchalkogenide besitzen eine Oxid entwässern. Reines, wasserfreies Alumi-
schichtförmige Kristallstruktur, in der die Chalko- niumfluorid erhält man aber auch durch thermi-
genid- die Brücke zwischen zwei Metallionen bil- sche Zersetzung von Ammoniumhexafluoroalu-
den. Vor wenigen Jahren gelang die Synthese eines minat:
Aluminiumtellurid-Komplexes (LDipN)AlTe(LEt)2
mit den Liganden LDip=1,3-(2,6-diisopropylphe- ðNH4 Þ3 AlF6 ➔ AlF3 þ 3 NH4 F
nyl)-imidazolin-2-imin und LEt=1,3-diethyl-4,5-
dimethyl-imidazolin-2-yliden). Im Molekül des Wasserfreies Aluminiumfluorid hat die Dichte
Komplexes befindet sich das Telluratom auf end- 2,88 g/cm3 und sublimiert bei 1260  C. Das weiße
ständiger Position und gleichzeitig in außerordent- Pulver (s. Abb. 22a, b) ist in Wasser und fast allen
lich kurzer Entfernung zum Aluminiumatom, was organischen Lösungsmitteln schwer löslich; es
dem höchsten bisher beobachteten Grad einer kova- kristallisiert trigonal (Hoppe und Kissel 1984).
lenten Bindung zwischen beiden Atomen ent- Mit Fluoriden der Alkalimetalle (MF) bil-
spricht. In der Tat liegt hier eine Doppelbindung det Aluminiumfluorid Komplexe der Formeln
Al=Te vor, die durch die raumerfüllenden Liganden MAlF4, M2AlF5 und M3AlF6. Technisch wichtig
und die Carbenstruktur stabilisiert wird (Franz et al. ist dabei Kryolith Na3AlF6. Man setzt die Verbin-
2015). dung als Katalysator, in Form des Kryoliths als
Halogenverbindungen Wasserfreies Alumi- Flussmittel zum Schmelzen von Leichtmetallen
niumfluorid (AlF3) stellt man durch Leiten von und zur Herstellung von Aluminium ein, da es
162 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Abb. 22
a Aluminiumfluorid
(Onyxmet 2019).
b Aluminiumfluorid
Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2019)

den Schmelzpunkt der Mischung mit Aluminium-


oxid drastisch senkt. Im Falle des festen Alumi-
niumoxids reduziert der Zusatz von Kryolith den
Schmelzpunkt von rund 2000  C auf bis zu
950  C.
Wasserhaltiges Aluminiumchlorid (AlCl3) erhält
man als rhombisch kristallisierendes Hexahydrat
(Troyanov 1992) durch Auflösen von Aluminium
in Salzsäure. Das entstehende Hydrat zersetzt sich
aber bereits beim Erwärmen unter Hydrolyse zu Abb. 23 Aluminiumchlorid, wasserfrei (Onyxmet 2019)
Chlorwasserstoff und Aluminiumoxidhydroxid.
Wasserfreies Aluminiumchlorid ist nur durch
Überleiten von Chlor über ein auf eine Temperatur
von 800  C erhitztes Gemisch von Kohle und
Aluminiumoxid (I) oder natürlich durch Leiten
von Chlor über erhitztes Aluminium (II) erhältlich:

(I) Al2O3 + 3 C + 3 Cl2 ➔ 2 AlCl3 + 3 CO


(II) 2 Al + 3 Cl2 ➔ 2 AlCl3 Abb. 24 Aluminiumtrichlorid-Hexahydrat (Danny S. 2012)

Schon an feuchter Luft raucht festes Alumi-


niumchlorid infolge der Hydrolyse zu Chlorwas- Gitterenergie als auch die Hydrolyse zurückzu-
serstoff. Daher muss die industrielle Produktion führen ist.
unter Verwendung von emaillierter Rührbehälter In der Schmelze und im gasförmigen Zustand
erfolgen. liegt Aluminiumchlorid in Form dimerer Molekü-
Wasserfreies Aluminiumchlorid ist in reinstem le (Al2Cl6) vor, in denen die Aluminiumatome
Zustand ein farbloses Kristallisat, sonst gelblich jeweils tetraedrisch von vier Chloratomen umge-
(s. Abb. 23). Es sublimiert bereits bei einer Tem- ben sind. Infolge der größtenteils kovalenten Bin-
peratur von 180  C, zersetzt sich oberhalb von dungen ist geschmolzenes Aluminiumchlorid ein
260  C, hat die Dichte 2,44 g/cm3 und kristal- nur schlechter elektrischer Leiter.
lisiert monoklin. Für den im Gegensatz zum Aluminiumchlorid-Hexahydrat wird noch ge-
Aluminiumfluorid eher kovalenten Charakter der legentlich wegen seiner adstringierenden Wir-
Verbindung spricht, dass es in organischen Lö- kung in Deodorants eingesetzt. Jedoch liegen seit
sungsmitteln löslich ist. Aluminiumchlorid ist einigen Jahren Befunde vor, die den schädlichen
stark hygroskopisch (s. Abb. 24) und wird durch Einfluss von Aluminiumionen auf das Nerven-
Wasser schon beim Stehenlassen an der Luft lang- system belegen. Ergebnisse verschiedener Ar-
sam hydrolysiert. Es löst sich in Wasser unter beitsgruppen legen einen Zusammenhang zwi-
starker Erwärmung, die sowohl auf die niedrige schen hohen Konzentrationen von Aluminium
5 Einzeldarstellungen 163

im Körper und der durch sie initiierten bzw. spurenweiser Bildung von Brom; daher bewahrt
beschleunigten Alzheimer Krankheit nahe; jedoch man Aluminiumbromid in dunklen Glasflaschen
liegen noch keine eindeutigen Resultate vor. Das auf. Durch Wasser wird es heftig zu Bromwasser-
Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt stoff und Aluminiumhydroxid hydrolysiert (San-
in Anlehnung an die Europäische Behörde für ders et al. 2013). Die Kristallstruktur ist monoklin
Lebensmittelsicherheit (EFSA), dass ein Erwach- (Nielsen et al. 1997).
sener pro Woche nicht mehr als ein mg Alumi- Im Kristallgitter des Aluminiumbromids lie-
nium pro kg Körpergewicht aufnehmen sollte gen wie in dem des Chlorids Dimere (Al2X6)
Pander und Soutschek 2016). (X=Halogen) vor, wobei zwei Bromatome zur
In seiner Funktion als Lewis-Säure dient es in Verbrückung von je zwei Atomen des Alumini-
wasserfreier Form bei Synthesen als Katalysator ums dienen. Hauptsächlich setzt man die Verbin-
bei Friedel-Crafts-Reaktionen, Dehydrierungen dung als Katalysator bei der Friedel-Crafts-
und Polymerisationen. Reaktion oder auch bei Bromierungen ein.
Flavonoide sind mittels Aluminiumchlorid Aluminiumiodid (AlI3) gewinnt man durch
nachweisbar. Hierzu löst man 2,0 g des Hexahy- Umsetzung von Aluminiumpulver mit Iod (Brauer
drats in 100 mL einer Lösung von 5 Vol.-% Eis- 1978, S. 876). Das weiße Pulver (s. Abb. 26) kris-
essig in Methanol. Nach Ablauf der dünnschicht- tallisiert monoklin (Troyanov et al. 2004); auch
chromatographischen Trennung der Flavonoide hier liegen im festen Zustand Dimere (Al2I6) vor
sprüht man dieses Reagenz auf die zur Trennung (Kotz et al. 2005, S. 1038). Das ebenfalls stark
verwendete Platte und bestrahlt diese dann mit feuchtigkeitsempfindliche Aluminumiodid schmilzt
UV-Licht einer Wellenlänge von 365 nm. Dieses bzw. siedet bei 191  C bzw. 360  C und hat eine
Verfahren ist unter „Aluminiumchlorid-Reagenz Dichte von 3,98 g/cm3. Man nutzt es für beson-
R“ im Europäischen Arzneibuch zitiert (2002). dere organische Reaktionen, da es C–O- bzw.
Aluminiumbromid (AlBr3) stellt man analog zu N–O-Bindungen spaltet; so bricht es die Moleküle
den Darstellungswegen des Chlorids in wasser- von Arylethern und Epoxiden auf. Auch ist es ein
freier Form durch Überleiten von Bromdampf Iodierungsmittel (Tian und Sang 2015).
über eine zum Glühen erhitzte Mischung von
Aluminiumoxid und Kohle oder aber direkte
Reaktion der Elemente Brom und Aluminium
her (Nicholson et al. 1950).
Aluminiumbromid ist mit einem Schmelz-
bzw. Siedepunkt von 97,5  C bzw. 263  C eben-
falls leicht flüchtig. Es ist in Benzol, Toluol,
Schwefelkohlenstoff und weiteren organischen
Lösungsmitteln löslich. Die Verbindung bildet
farblose (s. Abb. 25), an feuchter Luft rauchende
Kristalle der Dichte 3,2 g/cm3. Längere Einwir- Abb. 25 Aluminiumbromid (Onyxmet 2019)
kung von Licht führt zu einer Gelbfärbung wegen

Abb. 26 Aluminumiodid
(O. Mangl 2007)
164 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Pnictogenverbindungen Aluminiumnitrid (AlN) Keramiken. Eine Dotierung mit Calcium- und


ist eher ein Isolator als ein III-V-Verbindungshalb- Yttriumoxid bewirkt ein zumindest oberflächli-
leiter mit der, da er die große Bandlücke von ches Schmelzen des Guts, was die Festigkeit des
6,2 eV aufweist. Der hellgraue (s. Abb. 27a–c), gesinterten Artikels noch deutlich erhöht. Diese
mit einer Mohs-Härte von 9 sehr harte Feststoff Keramik hat die sehr hohe Wärmeleitfähigkeit
wird durch Luftfeuchtigkeit unter Freisetzung von 180 W/(m  K), ist aber ebenfalls empfindlich
von Ammoniak zersetzt, schmilzt bzw. siedet gegenüber Luftfeuchtigkeit! Das Verwendungs-
bei 2200  C (unter Stickstoffatmosphäre) bzw. gebiet dieser Keramik liegt daher meist in der
2517  C, hat die Dichte 3,26 g/cm3 und ist brenn- Elektronikindustrie. Oft bedient man sich zur Her-
bar. Das Kristallgitter besitzt hexagonale Struktur stellung dünner Filme des Materials der entspre-
(Wurtzit-Typ) mit den Aluminiumatomen in dich- chenden gängigen Verfahren wie Sputtern oder
tester Packung und den Stickstoffatomen in der der chemischen Abscheidung aus der Gasphase.
Hälfte der tetraedrischen Lücken. Aluminiumphosphid (AlP) stellt man meist
Die Herstellung erfolgt durch Erhitzen einer durch Schmelzen roten Phosphors mit Aluminium
Mischung überschüssiger Kohle und Aluminium- in stark exothermer Reaktion her (White et al.
oxid im Stickstoff- bzw. Ammoniakstrom bei 1953). Die Verwendung gelben Phosphors als
Temperaturen von >1600  C: Ausgangsmaterial ist möglich, aber wegen dessen
Reaktivität müssen besondere Vorsichtsmaßnah-
2 Al2 O3 þ 9 C þ 4 NH3 ➔ 4 AlN men getroffen werden (Horn und Fluck 1981).
þ 3 CH4 þ 6 CO Aluminiumphosphid hat zwar einen für Me-
tallphosphide sehr hohen Schmelzpunkt von
Al2 O3 þ 3 C þ N2 ➔ 2 AlN þ 3 CO 2550  C, wird aber durch Wasser und noch
schneller durch Säuren unter Bildung giftigen,
Man kann auch Stickstoff- oder Ammoniakgas an der Luft selbstentzündlichen Monophosphans
bei Temperaturen oberhalb von 900  C über (PH3) zersetzt. Der gelbe bis dunkelgraue Fest-
metallisches Aluminium- bzw. Aluminiumoxid- stoff der Dichte 2,4 g/cm3 und des hohen Bre-
pulver leiten: chungsindexes für sichtbares Licht von ca. 3
kristallisiert in der kubischen Struktur der Zink-
2 Al þ N2 ➔ AlN blende.
Einsatzgebiete bestehen in der Produktion von
Al2 O3 þ 2 NH3 ➔ 2 AlN þ 3 H2 O Schädlingsbekämpfungsmitteln und in der Elek-
tronikindustrie. In seiner Funktion als III-V-Halb-
Aus pulverförmigem Aluminiumnitrid erzeugt leiter einer indirekten Bandlücke von 2,5 eV dient
man durch druckloses Sintern bei ca. 1800  C es meist zur Produktion von Aluminium-Gallium-

Abb. 27 a Aluminiumnitrid 98 % (Onyxmet 2019). b Micro-Aluminiumnitrid (Stanford Advanced Materials 2019).


c Aluminiumnitrid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2019)
5 Einzeldarstellungen 165

Indiumphosphid, dies aber nur in strikt auch 19  C tiefer. Aluminiumantimonid ist als potenti-
gegenüber Spuren an Feuchtigkeit abgeschlosse- eller Werkstoff für Solarzellen interessant. Dazu
nen Systemen. kann man es auch mit anderen III-V-Verbindungs-
Die Giftwirkung des durch Hydrolyse der Ver- halbleitern je nach Bedarf kombinieren.
bindung frei gesetzten Monophosphans beruht auf Sonstige Verbindungen Aluminiumcarbid (Al4C3)
der Hemmung antioxidativ wirkender Enzyme, ist formal vom Methan abgeleitet und entwickelt
was die Erzeugung des lebenswichtigen Adeno- auch bei Kontakt mit Wasser bzw. Säuren in heftiger
sintriphosphats, des Energieträgers in den Zellen, Reaktion Methan. Es bildet in reinstem Zustand
verringert oder völlig blockiert. Symptome sind in farblose bis hellgelbe Kristalle hexagonaler Struktur
schneller Folge Atemnot und Zyanose, Brust- und und der Dichte 2,36 g/cm3, ansonsten ist es gelb-
Bauchschmerz, Übelkeit und Erbrechen bis zum braun (s. Abb. 28). Aluminiumcarbid schmilzt bei
Schockzustand und Tod durch multiples Organ- 2100  C und zersetzt sich in der Schmelze (Brauer
versagen. Eine direkte Therapie gibt es nicht, 1978, S. 841).
daher kann man Patienten nur symptombezogen Meist erzeugt man die Verbindung im elektri-
und unterstützend auf der Intensivstation behan- schen Ofen bei ca. 2000  C aus den Elementen
deln. Das von Aluminiumphosphid bei Gegen- und unter Wasserstoffgas. Feine Partikel von Alu-
wart von Wasser erzeugte Monophosphan führte minumcarbid härten schon in kleinen Zugabe-
schon zu Unglücken mit Todesfolge (Müssigbrodt mengen metallisches Aluminium und verringern
et al. 2007). Im Iran ist es als „Reistablette“ dessen Neigung zum Kriechen (Zhu et al. 1998). In
bekannt, da es geerntetem Reis zum Schutz gegen Hochgeschwindigkeits-Schneidwerkzeugen setzt
Fraß durch Mäuse und Ratten zugegeben wird. man es als Schleifmittel ein (Saveker und Bonnell
Wegen häufiger Todesfälle wollte die Iranische 2000), da es ungefähr dieselbe hohe Härte wie
Organisation für Gerichtsmedizin den Einsatz Topas hat (Mohs-Härte: 8).
des Aluminiumphosphids als Pestizid verbieten Aluminiumdiborid (AlB2) erhält man durch
lassen (Shadnia et al. 2009: Mehrpour und Singh Erhitzen einer Mischung von Aluminium und
2010), es ist aktuell nicht bekannt, ob dies inzwi- Bor im Vakuum bei 800  C (Brauer 1975, S. 788;
schen auch umgesetzt worden ist. Becher 1961):
Aluminiumarsenid (AlAs) erhält man analog
durch Schmelzen von Aluminium mit Arsen Al þ 2 B ➔ AlB2
(Brauer 1975, S. 840). Der orange Feststoff der
Dichte 3,81 g/cm3 schmilzt bei 1740  C, ist ein Der dunkelgraue Feststoff (s. Abb. 29a, b) der
Halbleiter mit indirekter Bandlücke von 2,12 eV Dichte 3,17 g/cm3 kristallisiert hexagonal in der
und empfindlich gegenüber Feuchtigkeit, die ihn Raumgruppe 191 und disproportioniert beim
zu Aluminiumhydroxid und giftigem Arsenwas- Erhitzen auf etwa 975  C in Aluminium und Alu-
serstoff (Monoarsan, AsH3) zersetzt. Die Kristall- miniumdodecaborid (AlB12). Sein Reaktionsver-
struktur der Verbindung entspricht der des Typs halten hängt stark von der Teilchengröße ab.
Zinkblende. Die Elektronenmobilität liegt bei
200 cm2/V  s (27  C), die Debye-Temperatur bei
144  C.
Aluminiumantimonid (AlSb) ist ebenfalls ein
III-V-Verbindungshalbleiter, der aber eine klei-
nere indirekte Bandlücke von 1,6 eV besitzt, bei
Temperaturen von 1060  C bzw. 2467  C schmilzt
bzw. siedet und die Dichte 4,26 g/cm3 hat.
Die Elektronenmobilität liegt wie beim ho-
mologen Aluminiumarsenid bei 200 cm2/V  s
(27  C), die Lochmobilität bei 400 cm2/V  s
(27  C), aber die Debye-Temperatur liegt mit Abb. 28 Aluminiumcarbid (Onyxmet 2019)
166 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Abb. 29
a Aluminiumdiborid
(Onyxmet 2019). b Nano-
Aluminiumdiborid
(Stanford Advanced
Materials 2019)

Abb. 30 B12-Ikosaeder
(links) und B19-Einheit in
den Kristallstrukturen von
α- und γ-AlB12

Das tetragonal kristallisierende α-Aluminium-


dodecaborid (AlB12) ist durch Umsetzung von
Bor-III-oxid mit Aluminium und Schwefel zu-
gänglich (Brauer 1975, S. 789). Ein Zusatz von
Kohle lässt die „β-Form“ orthorhombischer Struktur
entstehen, die mit der Formel C2Al3B48 aber kein
reines Borid darstellt (Matkovich et al. 1965).
α-Aluminiumdodecaborid hat die Dichte
2,56 g/cm3 und schmilzt bei der hohen Tempera-
tur von 2150  C. γ-AlB12 hat dagegen eine ortho- Abb. 31 Aluminiumsulfat-Hydrat (Onyxmet 2019)
rhombische Kristallstruktur (Higashi 2000). In
beiden Modifikationen liegen aber dieselben
zwei Grundstrukturen vor, ein B12-Ikosaeder reiner Form erhält man die Verbindung durch
und eine B19-Einheit (s. Abb. 30). Letztgenannte Auflösen reinen Aluminiumoxids oder -hydroxids
enthält zwei unvollständige Ikosaeder, die über in konzentrierter Schwefelsäure.
eine gemeinsame Dreiecksfläche verbunden Das farblose Salz (s. Abb. 31) löst sich mit
sind. Außerdem ist der B12- und der B19-Cluster saurer Reaktion in Wasser, aus dem es bei Raum-
über B–B-Bindungen mit benachbarten Gruppen temperatur als monoklin strukturiertes Octadeca-
verbunden. Die -im Gitter selten vorkommen- hydrat auskristallisiert. Bis zu einer Temperatur
den- Aluminiumatome sind dabei statistisch über von 340  C wird das Hydrat völlig entwässert,
mehrere Positionen in der Kristallstruktur oberhalb von 770  C tritt Zersetzung in Alumini-
verteilt. umoxid und Schwefel-VI-oxid ein. In wasser-
Aluminiumsulfat [Al2(SO4)3] kommt natürlich freiem Zustand hat die Verbindung eine Dichte
im Mineral Alunogen vor, man kann es auch aus von 2,71 g/cm3, löst sich in einer Menge von
natürlich vorkommenden Alaunen gewinnen. In 360 g/L in Wasser (20  C) und bildet mit Alkali-
5 Einzeldarstellungen 167

sulfaten (hier beispiellhaft genannt: Kaliumsulfat) Polyaluminiumchlorid und Aluminiumsulfat


Doppelsalze gemäß folgender Formel (Alaune): sind bei der Aufbereitung von Wasser als Flo-
ckungsmittel im Einsatz, ebenso als Retentions-
 
Al2 ðSO4 Þ3 þ K2 SO4 ➔ 2 KAlðSO4 Þ2 mittel in der Papierindustrie.
Natriumaluminat [NaAl(OH)4] dient ebenfalls
Alaune [wie etwa Kaliumaluminiumsulfat oder als Flockungsmittel, jedoch auch als Ausgangs-
Kalialaun, KAl(SO4)2  12 H2O] wirken blut- produkt für die Herstellung von Zeolithen. Jene
ungsstillend. sind Alumosilikate und bewirken, in Waschmittel
Aluminiumsulfat wird vielfältig eingesetzt, so einformuliert, eine gewisse Wasserenthärtung in
beispielsweise als Flockungsmittel bei der Trink- der Waschlauge von Textilien.
und Abwasseraufbereitung, als Retentionsmittel Aluminiumtrialkyle gehen als Katalysatoren in
in der Papierproduktion, als Beizmittel in der Fär- die Herstellung von Polyethylen oder aber auch in
berei, als Saatgutbeizmittel, in Flammschutzmit- die Halbleiterindustrie, wo sie nach dem Auf-
teln, als Stabilisator in Lebensmitteln (EU E 520) dampfen auf bestimmte Bauteile dünne Beschich-
und in Insektiziden. tungen von elektrisch wirksam isolierendem Alu-
Aluminiumnitrat [Al(NO3)3] bildet farblose miniumoxid erzeugen.
(s. Abb. 32a, b) und an feuchter Luft zerfließliche
Kristalle mit rhombischer Gitterstruktur. Alumi- Anwendungen
niumnitrat ist in Wasser sehr gut mit saurer Konstruktion: Aluminium hat gegenüber Stahl
Reaktion löslich. Beim Auskristallisieren aus den Vorteil, dass aus ihm gefertigte Bauteile bei
wässriger Lösung entsteht das Nonahydrat, das gleicher Festigkeit nur ein gutes Drittel des
beim Erhitzen auf eine Temperatur von 73  C Gewichtes, bei allerdings etwas höherem Volu-
das Kristallwasser wieder abgibt. Aluminiumni- men, aufweisen (Askeland 1996). Man setzt Alu-
trat hat keinen Schmelzpunkt und zersetzt sich minium daher bevorzugt im Leichtbau der Luft-
oberhalb einer Temperatur von ca. 150  C unter und Raumfahrt ein, aber inzwischen auch stark
Abgabe von Stickoxiden. im Automobilbau (Motoren, Karosserien). Frühe-
Man stellt Aluminiumnitrat durch Auflösen re Probleme wie schlechte Schweißbarkeit und
von Aluminiumhydroxid in Salpetersäure her. Es Formfestigkeit gehören inzwischen der Vergan-
wird als Extraktionsmittel für Uran bei der Pro- genheit an. Ebenso findet Aluminium heutzutage
duktion von Kernbrennstäben verwendet, ebenso auch verbreitet Anwendung im Bau von Booten
als Beizmittel in der Färberei und zum Gerben von und Yachten, dies ebenfalls wegen der Ausbil-
Leder. dung der passivierend wirkenden Oberflächen-
Aluminiumnitrat hat wegen des hohen Nitrat- schicht aus Aluminiumoxid (König und Klocke
anteils eine mäßig toxische Wirkung, die sich in 2008; Fahrenwaldt 2008).
Schwindelgefühl, Kopf- und Bauchschmerzen, Haupteinsatzgebiet von Aluminium und sei-
blutigem Erbrechen, Durchfall, Erschlaffung der nen Legierungen mit Magnesium, Silicium und
Gefäßmuskulatur und Verringerung der Herz- anderen Metallen ist aber der Bau von Flugzeugen
frequenz äußern kann. Es ist brandfördernd. und Bauteilen für die Raumfahrt. Die aktuellsten

Abb. 32
a Aluminiumnitrat
wasserfrei (O. Mangl 2007).
b Aluminiumnitrat-
Nonahydrat (Onyxmet
2019)
168 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Flugzeugmodelle der Hersteller Boeing und Air- Metall als elektrischen Leiter, so müssen diese
bus enthalten jedoch vermehrt glasfaserverstärk- geschützt und ummantelt werden, da sich die
ten Kunststoff anstelle von Aluminium und/oder Kontakte gelegentlich auch lösen können. Gege-
seinen Legierungen. benenfalls helfen Verbindungen aus einer Kupfer-
Oberflächen von Aluminiumprofilen werden Aluminium-Legierung (Cupal), die Kontaktpro-
nach einer geeigneten Vorbehandlung (Eloxieren bleme zu vermeiden.
zur Verstärkung der Passivschicht) in galvani- In Elektrolytkondensatoren dient Aluminium
schen und anderen Prozessen vielfach gefärbt, als Elektroden- und Gehäusematerial. Kleinere
wodurch aus Aluminium gefertigte Bauteile in Antennen bestehen ebenfalls oft aus Aluminium.
diversen Außenanwendungen (Haustüren, Gar- Elektronik: Noch bis vor etwa 15 Jahren ver-
tenmöbel usw.) zum Einsatz kommen. wendete man ausschließlich Aluminium als Mate-
Aus Aluminium bestehen ferner Rahmen und rial für Leiterbahnen in integrierten Schaltkreisen,
Felgen von Fahrrädern, Felgen von Motorrädern auch in speziellen Transistoren kam es verbreitet
und Autos, Stöcke für Skisport und Nordic Wal- zum Einsatz (Wolf 1990, S. 196). Seine damals
king, Zelt- und Stativstangen. Da das Metall eine ausschlaggebenden Vorteile waren seine gute
hohe Wärmeleitfähigkeit besitzt, stellt man auch Haftung und die geringe Diffusion in dem als
Kühlkörper und wärmeableitende Konstruktionen Isolator zwischen den Leiterbahnen eingelegten
aus ihm her. Zudem besteht die äußere Metall- Siliciumdioxid. Später ersetzte man es aber mehr
schicht der Heizelemente von Bügeleisen und und mehr durch Kupfer, dies wegen dessen gerin-
Kaffeemaschinen aus Aluminium. Als wichtigster gerem spezifischen Widerstand und günstigerem
Bestandteil von Fassadenelementen, Dachrinnen Elektromigrationsverhalten (Wolf 2002, S. 713 ff.).
und Regenabflussrohren wurde es jedoch inzwi- Viele mikroelektronische Produkte enthalten
schen weitgehend durch Titanzink verdrängt aber weiterhin Aluminium, ebenso Leistungs-
(Fritz und Schulze 2012; Roos und Maile 2011). halbleiter; in letzteren meist als Material für Ver-
Aluminiumpulver und -pasten gehen in die bindungsdrähte zwischen Chip und Gehäusean-
Herstellung von Porenbeton (Achtziger et al. schluss.
2001). Basische Aluminiumverbindungen dienen Lebensmittelindustrie, Verpackungen, Geschirr:
als Abbindebeschleuniger für Spritzbeton (Beck- Aluminium verarbeitet man in großen Mengen zu
mann et al. 2012). Getränke- und Konservendosen bzw. zu Verpa-
Elektrotechnik Aluminium leitet den elektri- ckungsfolie, diese auch als Inliner von Plastikver-
schen Strom sehr gut und wird darin nur noch packungen (z. B. Tetra Pak). Letztere isoliert das
von Silber, Kupfer und Gold übertroffen. Kupfer aufzubewahrende Gut vollständig gegenüber Sau-
verwendet man, wenn stromführende Teile platz- erstoff und Licht. Nur säurehaltige Lebensmittel
sparend konstruiert werden müssen, wie z. B. bei dürfen nicht in Behältern aus reinem Aluminium
Wicklungen in Transformatoren, dem spezifisch aufbewahrt werden; jene kleidet man für solche
leichteren Aluminium wird dann der Vorzug Zwecke dann innen mit Kunststoff aus. Ebenso
gegeben, wenn das Gewicht entscheidend ist, stellt man Kochtöpfe, Essgeschirr und viele Kü-
wie z. B. bei Leiterseilen von Freileitungen (Flos- chengeräte aus Aluminium her.
dorff und Hilgarth 2003). In modernen Flugzeu- Aluminium reflektiert in hohem Maße Licht
gen sind Kabel aus Aluminium Standard. Oft und auch UV-Strahlung, weshalb es in Beschich-
fertigt man stromführende Metallteile aus Alumi- tungen von Spiegeln, Scannern, Scheinwerfern
nium und überzieht sie nach Bedarf mit einer und Spiegelreflexkameras eingebaut wird.
dünnen Schicht aus -teurerem- Kupfer, da jenes Pyrometallurgie: Der Treibstoff von Feststoff-
einen besseren Kontakt vermittelt. Vor allem unter raketen enthält bis zu 30 Gew.-% Aluminium-
Druck gibt Aluminium schlecht den elektrischen pulver, das bei seiner Verbrennung viel Energie
Kontakt weiter, da sich auf ihm Kriechströme und freisetzt. Aluminiumpulver findet auch als Kom-
auch die isolierend wirkende Passivschicht aus ponente von Feuerwerksmischungen Verwen-
seinem Oxid bilden können. Verwendet man das dung. Eine Mischung von Aluminium und Eisen-
5 Einzeldarstellungen 169

III-oxid („Thermit“) reagiert sehr heftig und unter Aluminium bestehendem Geschirr, so können
Freisetzung großer Wärmemengen, die Eisen zum erhebliche Mengen des Metalls gelöst werden
Schmelzen bringt; daher setzt man diese Mi- und ins Lebensmittel übergehen (Eschnauer
schung z. B. zum Schweißen von Schienen ein. 1958).
Trink- und Mineralwässer weisen mit höchs-
Physiologie und Toxizität Aluminium ist auch tens 0,2 mg/l im Gegensatz zur Nahrung sehr
in Spuren für den Menschen nicht essenziell geringe Konzentrationen auf (EFSA 2008). Die
(Spornitz 2010), jedoch enthält der menschliche Trinkwasserverordnung legt einen maximal zu-
Körper stets ca. 100 mg des Elements Werden lässigen Grenzwert von 0,2 mg/l fest.
aluminiumhaltige Lebensmittel aufgenommen, Die von einer Akkumulierung des Aluminiums
so werden sie schnell und fast quantitativ wieder im menschlichen Körper ausgehende Gesund-
ausgeschieden, wenngleich die Resorption in Ab- heitsgefahr war und ist Gegenstand umfangrei-
hängigkeit vom chemischen Verbindungszustand cher Forschungen (Gitelman 1988; Ferreira et al.
des Aluminiums, seiner damit verbundenen Lös- 2008; The Alzheimer’s Society 2009; Rondeau
lichkeit, dem pH-Wert und der Anwesenheit von et al. 2008; Yumoto et al. 2009).
Komplexbildnern schwankt. Ist die Nierenfunk-
tion eingeschränkt, kann es zu einer Akkumulie-
rung des Aluminiums im menschlichen Kör- Patente
per kommen, die Knochenerweichung und/oder (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Schäden des Zentralnervensystems hervorrufen wide.espacenet.com)
kann. Al3+-Ionen sind im Blut meist an Trans-
ferrin gebunden oder mit basischem Phosphat G. Guiglionda und L. Boissonnet, Method
verbunden (Ternes 2013). of making 6xxx aluminum sheets (Con-
Durch sauren Regen wurden in den 1980er- stellium Neuf Brisach; UACJ Corp., US
Jahren im Waldboden vorkommende Aluminium- 2019153577, veröffentlicht 23. Mai
verbindungen gelöst und bei einem pH-Wert von 2019)
<5 in eine für Pflanzen resorbierbare Form über- X. Wu und K. Yang, Procedure for post-heat
führt. Die Wurzeln der Pflanzen wurden geschä- treatment of aluminum-silicon-magnesium
digt, da Enzyme und Eiweiße der Pflanze gehemmt components made by selective laser mel-
oder in ihrer Funktion zumindest beeinträchtigt ting (3D metal printing) (University
werden. Bestimmte Kulturpflanzen sind aber ge- Monash, WO 2019090398 A1, veröf-
genüber einem großen Konzentrationsbereich von fentlicht 16. Mai 2019)
Al3+ tolerant (Poschenrieder et al. 2008; Matsu- F. Bullerjahn und M. Zajac, Supplementary
moto 2000; Ezakii et al. 2001; Panda et al. 2009). cementitious material made of alumi-
Die durch den sauren Regen in die Umwelt nium silicate and dolomite (Heidelberg-
gelangten Al3+-Ionen führten auch zu einem cement AG, US 2019144339 A1, ver-
Anstieg des Fischsterbens. öffentlicht 16. Mai 2019)
Die Lebensmittel mit den höchsten Gehalten S. E. Ezbeeva, 6xxx series aluminium alloy
an Aluminium sind Tee (bis zu 1000 mg/kg Tro- forging stock material and method of
ckenmasse), Kakao und Schokolade (ca. 100 mg/ manufacturing thereof (Aleris Alumi-
kg) sowie Salate und Hülsenfrüchte (20 bis num Duffel BVBA, US 2019136348
30 mg/kg) (Schlegel und Richter 1997). A1, veröffentlicht 9. Mai 2019)
Im Allgemeinen ist der Gehalt an Aluminium P. Uggowitzer und T. Ebner, Curable alu-
in pflanzlichen Lebensmitteln sehr niedrig, je- minium alloy on an Al-Mg-Si basis
doch kann er in Abhängigkeit von Sorte, Boden, (AMAG Rolling GmbH, PL 3196324
Anbaubedingungen und Herkunft stark schwan- T3, veröffentlicht 30. April 2019)
ken (EFSA 2008). Kocht man saure Lebensmittel
(Sauerkraut, Tomaten, Wein, Zitrusfrüchte) in aus (Fortsetzung)
170 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

1,6  106 t (Greber 2005). In Germanit reichen


A. Lilleby und J. Hop, An anode for use in die Gehalte an Gallium aber an 1 %, jedoch lohnt
an electrolysis process for production of sich ein Abbau dieser Erze nur zur Gewinnung
aluminum in cells of Hall-Héroult type, von Gallium nicht (Wellmer et al. 2007). Die
and method for making same (Norsk wenigen bekannten Minerale des Galliums sind
Hydro AS, NZ 733893 A, veröffentlicht Gallit [CuGaS2], Söhngeit [Ga(OH)3] und Tsum-
28. September 2018) gallit [GaO(OH)].

Gewinnung Gallium, das Homologe des Alumi-


niums, gewinnt man im Zuge des zur Herstellung
5.3 Gallium des Aluminiums betriebenen Bayer-Verfahrens, in
das die wässrige Lösung von Natriumaluminat
Geschichte Zuerst sagte Mendelejew (Kurzbio- und -gallat eingeht. Zum einen kann man durch
grafie siehe „Protactinium“) 1871 die Existenz Einleiten von Kohlendioxid vorwiegend Alumi-
und einige Eigenschaften des Elements voraus, niumhydroxid ausfällen, wobei Natriumgallat
das dem später entdeckten Gallium entsprechen noch in Lösung bleibt; erst später fällt auch Gal-
sollte; er nannte es „Eka-Aluminium“ (Brock lium als Hydroxid aus. Jenes, das noch mit Alu-
1997, S. 206). miniumhydroxid vermischt ist, löst man dann in
De Boisbaudran (Kurzbiografie siehe „Sama- Natronlauge und trennt Gallium elektrolytisch vor
rium“) fand unabhängig davon, dass die Lage der Aluminium ab. Dies ist wegen der weit auseinan-
Wellenlängen in den damals bekannten Linien- derliegenden Normalpotentiale beider Elemente
spektren des Aluminiums und Indiums genügend im jeweiligen Medium gut möglich (Greber
weit auseinanderstanden, dass dazwischen die 2005).
Linien des Emissionsspektrums eines weiteren Auch aus der Rohnatronlauge kann man es
Elements stehen konnten. 1875 wies er im Emis- durch Elektrolyse mit Quecksilberkathoden ge-
sionsspektrum der Lösung des salzsauren Auf- winnen, wobei sich an der Kathode ein Gallium-
schlusses von Zinkblende zwei violette Spektral- amalgam bildet. Versetzt man dieses anschließend
linien nach, die er dem noch unbekannten mit Salzsäure, löst sich nur Gallium, das darauf
Element zuordnete (Weeks 2003, S. 215). Danach durch erneute Elektrolyse rein abgeschieden
arbeitete er mehrere hundert kg Zinkblende auf werden kann.
und gewann daraus eine verarbeitungsfähige Im Labor lassen sich die Thiocyanatkomplexe
Menge an Galliumhydroxid. Dieses löste er in gut trennen, da die Galliumverbindung durch ein
einer wässrigen Lösung von Kaliumcarbonat, Gemisch aus Diethylether und Tetrahydrofuran
elektrolysierte diese und konnte so erstmals aus wässriger Lösung extrahiert werden kann
metallisches Gallium darstellen. De Boisbaudran (Specker und Bankmann 1956). Die extrahierte
benannte das Element nach Gallien, der lateini- Galliumverbindung löst man dann in Säuren, wo-
schen Bezeichnung seines Heimatlandes Frank- rauf eine elektrolytische Gewinnung des reinen
reich (De Boisbaudran 1877). Metalls ermöglicht wird.
Ebenfalls im Kleinmaßstab funktioniert die
Vorkommen Gallium ist mit einem Gehalt in der Elektrolyse einer wässrigen Lösung von Gallium
Erdkruste von 19 ppm relativ selten und kommt (als Ga3+) an Platinelektroden gut (Dünges und
nicht gediegen, sondern nur in chemisch gebun- Schmidbaur 1978).
dener Form als Begleiter von Aluminium-, Zink- Da Gallium in der Halbleiterindustrie eine
und Germaniumerzen (Bauxit, Zinkblende, Ger- wichtige Rolle spielt, muss es für derartige Zwe-
manit) vor. Die Galliumgehalte in Bauxit liegen cke noch einmal besonders gereinigt werden.
meist sehr niedrig (höchster bekannte Gehalt: Hierfür kommen Zonenschmelzen bzw. Vakuum-
0,008 %), trotzdem schätzt man die weltweit in destillation zur Abtrennung des Metalls oder
Bauxit enthaltenen Reserven an Gallium auf alternativ die fraktionierte Kristallisation von
5 Einzeldarstellungen 171

Galliumsalzen in wässriger Lösung in Betracht peratur unterhalb von 16,3  C bildet sich das
(Greber 2005). monoklin kristallisierende β-Gallium, in dessen
Vor einigen Jahren belief sich die jährliche Struktur sägezahnartig angeordnete Ketten von
Produktion auf weltweit nur etwa 100 t, darüber Galliumatomen vorliegen. Erfolgt die Kristallisa-
hinaus betrug die Menge des aus Abfällen wie- tion bei oder unterhalb einer Temperatur von
dergewonnen Galliums knapp 150 t. Die wichti- 19,4  C, so entsteht δ-Gallium mit trigonaler,
gen Produktionsländer für elementares Gallium dem α-Bor ähnelnder Struktur. Unterhalb einer
aus natürlichen Vorkommen sind China, Deutsch- Temperatur von 35,6  C kristallisiert Gallium
land, die Ukraine und Kasachstan, wogegen das orthorhombisch (γ-Gallium), dessen Struktur aus
Recycling intensiv in den USA, England und miteinander verbundenen Ga7-Ringen in Form
Japan betrieben wird (Jaskula 2009). einer Röhre besteht. In der Mitte dieser Röhre
befindet sich eine lineare, aus Galliumatomen
Eigenschaften zusammengesetzte Kette (Holleman et al. 2007,
Physikalische Eigenschaften: Gallium ist ein sil- S 1181; Sharma und Donohue 1962; Bosio und
berweißes, weiches Metall (Sitzmann 2014). Es Defrain 1969; Bosio et al. 1972, 1973; Bosio 1978).
hat mit 29,76  C nach Quecksilber und Cäsium Zudem bildet Gallium auch noch Hochdruck-
den niedrigsten Schmelzpunkt aller Metalle modifikationen. Bei einer Temperatur von 20  C
(s. Tab. 3). Der Grund hierfür liegt vorrangig in und einem Druck von >30 kbar (Holleman et al.
der geringen Symmetrie seines Kristallgitters S. 1181) entsteht die kubisch kristallisierende Modi-
sowie dem hohen Anteil kovalenter Bindungen fikation Gallium-II. Erhöht man den Druck weiter
zwischen jeweils zwei Galliumatomen (Müller auf 140 kbar, bildet sich Gallium-III mit tetragonaler
2008). Sein Siedepunkt liegt mit 2400  C aber Struktur, vergleichbar der des Homologen Indium.
relativ hoch, so dass es für Hochtemperaturther- Unter extremem Druck (>1200 kbar) entsteht
mometer sehr geeignet ist. Gallium lässt sich Gallium-IV, das kubisch-flächenzentriert kristalli-
sogar unterhalb seines Schmelzpunktes flüssig siert (Kenichi et al. 1998).
halten, kristallisiert aber dann bei Stoß oder Zu- Chemische Eigenschaften: Zeigt Gallium eine
fügen von Kristallkeimen unmittelbar. Flüssiges Reihe ziemlich von seinem niedrigeren Homo-
Gallium weist eine gegenüber der festen Form um logen Aluminium abweichender physikalischer
ca. 3 % höhere Dichte auf, wie es auch manche Eigenschaften, so ähnelt sein chemisches Verhal-
Halbmetalle zeigen (Züger und Dürig 1992). ten jenem stark. Auch Gallium überzieht sich an
Flüssiges Gallium zeigt leichten Paramagnetis- der Luft mit einer dünnen Oxidschicht, die es
mus, während die feste Form diamagnetisch ist. passiviert und somit vor weiterem Angriff durch
Kovalente (!) Gallium-Gallium-Bindungen lie- Luftsauerstoff schützt. Erst in reinem Sauerstoff
gen in nahezu allen Modifikationen des Metalls und unter hohem Druck verbrennt das Metall zu
vor. Die bei Raumtemperatur energieärmste und seinem Oxid (Ga2O3).
stabilste ist das in orthorhombischer Schichtstruk- Festes Gallium reagiert nicht mit Wasser, flüs-
tur kristallisierende α-Gallium, in dessen Gitter siges aber relativ zügig. Mit Halogenen setzt es
Dimere von Galliumatomen mit intrinsischer sich in heftiger Reaktion zum jeweiligen Trihalo-
kovalenter Bindung existieren. Die Dimere selbst genid (GaX3) um. In Säuren löst es sich unter
sind wiederum durch metallische Bindung mitei- Bildung von Galliumsalzen. Starke Basen lösen
nander verbunden; es sind jeweils sechs Gallium- es ebenfalls, indem Wasserstoffgas und das ent-
atome um ein weiteres angeordnet. Diese Dimere sprechende Gallat [Ga(OH)4] entsteht. Somit
bleiben in der Schmelze erhalten und treten auch reagiert Galliumhydroxid amphoter. Königswas-
in der Gasphase auf (Holleman et al. 2007, ser und konzentrierte Alkalilauge lösen das Metall
S. 1181). am schnellsten, nur konzentrierte Salpetersäure
Drei weitere Modifikationen bis hinauf zum nicht, da sie es passiviert.
δ-Gallium sind unter normalem und leicht erhöh- Flüssiges Gallium ist sehr aggressiv gegenü-
tem Druck beständig. Bei einer Erstarrungstem- ber anderen Metallen, so dass man es nur in
172 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Gallium


Symbol: Ga
Ordnungszahl: 31
CAS-Nr.: 7440-55-3

Aussehen: Silbrig-weiß, Gallium, Gallium, aus Schmelze


glänzend Ø 2 cm erstarrt
(Metallium Inc. 2015) (Sicius 2015)
Entdecker, Jahr De Boisbaudran (Frankreich), 1875
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
69
31Ga (60,1) Stabil ———
71
31Ga (39,9) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 14
Atommasse (u): 69,732
Elektronegativität 1,81 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: Ga3+ + 3 e ➔ Ga (V) 0,53
Atomradius (pm): 130
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 187
Kovalenter Radius (pm): 122
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d10 4s2 4p1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 579 ♦ 1979 ♦ 2963
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,3  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Verschiedene
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 7,14 · 106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 9,8 ♦ k. A. ♦ k. A.
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): k. A. ♦ 56,8–68,7
Mohs-Härte 1,5
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 2740
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 5,904
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 11,80  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 29
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 25,86
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 29,76 ♦ 302,91
Schmelzwärme (kJ/mol): 5,59
Siedepunkt ( C ♦ K): 2400 ♦ 2673
Verdampfungswärme (kJ/mol): 256

Behältern aus Quarz, Glas, Graphit und aus- Verbindungen Gallium tritt in seinen Verbin-
nahmsweise Tantal (bis 450  C) oder Wolfram dungen fast nur mit der Oxidationszahl +3 auf,
(bis 800  C) lagern kann (Merkel und Thomas nur sehr vereinzelt mit der – instabilen- Oxida-
2008). tionszahl +1.
5 Einzeldarstellungen 173

Abb. 33 a Gallium-III-
oxid (Stanford Advanced
Materials 2019). b Gallium-
III-oxid (Onyxmet 2019)

Abb. 34 a Gallium-III-
sulfid (Onyxmet 2019).
b Gallium-III-sulfid
(Stanford Advanced
Materials 2019)

Chalkogenverbindungen Gallium-III-oxid (Ga2O3) Gallium (I) oder durch Umsetzung von Gallium-
ist ein weißer Feststoff (s. Abb. 33a, b), hat eine III-oxid mit Schwefelwasserstoff bei ebenfalls
Dichte von 6,44 g/cm3, schmilzt bei 1900  C und hohen Temperaturen (II, Brauer 1975, S. 857):
ist durch Erhitzen von Gallium-III-hydroxid auf
ca. 500  C erhältlich. Dabei entsteht zunächst die (I) 2 Ga + 3 S ➔ Ga2S3
γ-Modifikation, die eine Spinellstruktur mit Gal- (II) Ga2O3 + 3 H2S ➔ Ga2S3 + 3 H2O
liumdefekten aufweist. Bei längerem Erhitzen
geht diese in die α-Modifikation mit Korundstruk- Das weiße bis gelbe Gallium-III-sulfid (s.
tur und dann in das monoklin kristallisierende, Abb. 34a, b) ist hydrolyseempfindlich und re-
thermodynamisch stabilste β-Ga2O3 über (Yoshioka agiert mit Wasser. Es löst sich in wässrigen Säuren
et al. 2007). unter Bildung von Gallium-III-salzen (Downs
Ebenfalls zur Darstellung des Gallium-III- 1993, S. 162).
oxids geeignet ist das Erhitzen von Gallium-III- Das bei niedrigerer Temperatur stabile, im
nitrat auf Temperaturen um 200  C. Dann bildet Zinkblende-Typ kristallisierende α-Ga2S3 hat die
sich zunächst die Bixbyit-artige δ-Modifikation, Dichte 3,74 g/cm3. Die sich oberhalb einer Tem-
die sich bei weiterem Erhitzen über die orthor- peratur von 550  C bildende Hochtemperaturmo-
hombische ε-Modifikation ebenfalls in β-Ga2O3 difikation β-Ga2S3 hat dagegen die Struktur des
umwandelt. Wurtzits (Jones et al. 2001; Goodyear et al. 1961);
Gallium-III-oxid ist nahezu unlöslich in Was- sie schmilzt bei 1099  C. Man verwendet Gal-
ser (Holleman et al. 2007, S. 1196). lium-III-sulfid zur Herstellung der CIGS- (Kup-
Einige der oben genannten Modifikationen des fer-Indium-Gallium-Diselenid-) Halbleiter.
Gallium-III-oxids sind zur Zersetzung von Mole- Gallium-II-sulfid (GaS) bildet gelbe Kristalle
külen aromatischer Kohlenwasserstoffe geeignete der Dichte 3,86 g/cm3, die bei 965  C schmelzen.
Photokatalysatoren (Hou et al. 2007). Wird die Verbindung aus den Elementen synthe-
Gallium-III-sulfid (Ga2S3) erzeugt man durch tisiert, so besitzt das Kristallgitter eine hexagonale
Überleiten heißen Schwefeldampfs über geschmol- Schichtstruktur mit Ga24+-Einheiten, in denen die
zenes, auf eine Temperatur von 1250  C erhitztes Ga-Ga-Bindung durchschnittlich 248 pm lang ist.
174 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Ähnliche Schichtstrukturen zeigen auch Gal- bei 960  C. Die indirekte Bandlücke von 2,6 eV
lium-II-selenid, -II-tellurid und Indium-II-selenid. weist es als III-VI-Verbindungshalbleiter aus
Stellt man Gallium-II-sulfid aber durch chemische (Bube und Lind 1959). In Form von Einkristallen
Abscheidung aus der Gasphase her, so durch verdoppelt es die Frequenz mittleren Infrarotlichts
thermischen Abbau von Di-tert.butyl-galliumthio- (Auerhammer und Eliel 1996) und wird auch
carbamat, so entsteht es mit verzerrter Wurtzit- sonst zur drastischen Modifizierung von In-
Struktur, auf deren Gitterplätzen vermutlich Ga2+- frarotstrahlung eingesetzt (Singh et al. 1998;
und Sulfidionen sitzen (Keys et al. 1999). Kübler et al. 2005; Liska et al. 2006), was zur
Einzelschichten von Gallium-II-sulfid sind Erzeugung von Laserlicht sehr wichtig ist.
stabile zweidimensionale Halbleiter, deren Valenz- Die Nutzung seines Potenzials wird behindert
band an die Form eines umgedrehten Sombrero- durch die Schwierigkeit, Einkristalle zu züchten
huts erinnert, was zum Auftreten von Lifschitz- (Voevodin et al. 2004). Diese neigen stark dazu,
Übergängen führen kann (Zolyomi et al. 2013). entlang von Spaltlinien zu brechen und können
Gallium-III-selenid (Ga2Se3) erhält man durch daher nur schwer geschnitten werden. Einzel-
Reaktion von Gallium mit Selen bei hoher Tem- schichten der Verbindung sind dynamisch sta-
peratur (Brauer 1975, S. 860). Der schwarze Fest- bile zweidimensionale Halbleiter, ähnlich wie
stoff, der als Pulver auch rot erscheint (s. Abb. 35a, Gallium-II-sulfid (Zolyomi et al. 2013). Nanoteil-
b), schmilzt bei einer Temperatur von 1020  C chen des Materials wurden von Chikan und Kel-
und hat eine Dichte von 5,2 g/cm3. Das harte ley dargestellt, indem sie Trimethylgallium mit
und spröde Material kristallisiert kubisch in der Trioctylphosphinselenid bei hoher Temperatur im
Zinkblende-Struktur (α-Modifikation), die bei Gemisch aus Trioctylphosphin und Trioctylphos-
niedrigerer Temperatur stabil ist (Blachnik 1998, phinoxid umsetzten (2002).
S. 466). Die oberhalb von 600  C beständigere Gallium-III-tellurid (Ga2Te3) ist ein schwar-
β-Modifikation hat die Struktur des Wurtzits zer (s. Abb. 36a, b), spröder, im kubischen
(Hahn und Klingler 1949). Zinkblende-Typ kristallisierender Feststoff einer
Gallium-II-selenid (GaSe) kristallisiert wie Dichte von 5,57 g/cm3, der bei 790  C schmilzt.
Gallium-II-sulfid mit hexagonaler Struktur. Seine Man gewinnt ihn durch Umsetzung der Elemente
Dichte beträgt 5,03 g/cm3, der Schmelzpunkt liegt miteinander oder durch Überleiten von Tellurwas-

Abb. 35 a Gallium-III-
selenid (Stanford Advanced
Materials 2019). b Gallium-
III-selenid Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2019)

Abb. 36 a Gallium-III-
tellurid Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2019). b Gallium-III-
tellurid (Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 175

serstoff auf Gallium-III-hydroxid (Brauer 1975, gegenüber Wasser, auch heißem, hydrolysestabil.
S. 861). Seine Wärmeleitfähigkeit ist unerwartet In Wasser ist Gallium-III-fluorid (im Gegensatz zu
gering (Kurosaki et al. 2008). seinem Trihydrat) sehr wenig löslich. Man kann
Gallium-II-tellurid (GaTe) liegt ebenfalls in es in unter Stickstoff oberhalb einer Temperatur
Form schwarzer Kristalle vor, die bei einer Tem- von 800  C unzersetzt sublimieren. Durch Ent-
peratur von 824  C schmelzen und eine Dichte wässern des Trihydrats lässt sich weder an Luft,
von 5,44 g/cm3 aufweisen. Die hier direkte noch im Vakuum, noch im Fluorstrom (!) oxid-
Bandlücke beträgt noch 1,65 eV (20  C) (Julien- freies Gallium-III-fluorid erzeugen. Die Verbin-
Pouzol et al. 1979). Die Verbindung ist durch dung kristallisiert im gleichen Gitter wie das
Umsetzung aus den Elementen mit monokliner homologe Aluminiumfluorid, also in einer trigo-
Struktur herstellbar oder aber durch chemische nalen Struktur, die dem Gitter eines verzerrten
Abscheidung aus der Gasphase (Gillan und Bar- Rhenium-VI-oxids entspricht (Roos und Meyer
ron 1997), wenn organische Galliumverbindun- 2001). Gallium-III-fluorid bildet in wässrigen
gen eingesetzt werden. Lösungen von Alkalifluoriden Hexafluorogallate
Im Kristallgitter liegen Ga24+-Einheiten und (Holleman et al. 1995, S. 1096). Man setzt es
Telluridionen vor; die Länge der Ga-Ga-Bindung wegen seines hohen Brechungsindex und der
beträgt 243 pm. Die Kristalle des Gallium-II-tel- Schwerlöslichkeit in Wasser in besonderen Linsen
lurids mit ihrer Schichtstruktur weisen ebenfalls und Gläsern ein (Troyanov et al. 2004).
eine Anharmonizität auf (Aydinlı et al. 2002). Gallium-III-chlorid (GaCl3), das wasserfrei
Halogenverbindungen Die Eigenschaften der ein hygroskopischer, farbloser (s. Abb. 38), an
Galliumhalogenide (GaX3) entsprechen stark der Luft infolge Hydrolyse rauchender Feststoff
denen der homologen Aluminiumhalogenide. vom Schmelzpunkt 78  C und Siedepunkt 201  C
Strukturell existieren auch sie, mit Ausnahme ist, wird zweckmäßig direkt durch Reaktion der
des Gallium-III-fluorids, als Dimer. Elemente (I) hergestellt, ferner durch Überleiten
Gallium-III-fluorid (GaF3) weicht in seinen trockenen Chlorwasserstoffs über geschmolzenes
Eigenschaften deutlich von den anderen Gal- Gallium bei 500  C (II) oder zwecks Zurückdrän-
liumtrihalogeniden ab. Es kann durch Reaktion gung der Hydrolyse durch Lösen von Gallium-III-
von Gallium mit Fluorwasserstoff gewonnen wer- oxid in heißem Thionylchlorid (III):
den (Brauer 1975, S. 239). Alternativ geht auch
die Darstellung durch thermische Zersetzung von (I) 2 Ga + 3 Cl2 ➔ 2 GaCl3
Ammoniumhexafluoridogallat im Fluorstrom. Als (II) 2 Ga + 6 HCl ➔ 2 GaCl3 + 3 H2
Trihydrat erzeugt man es, indem Gallium-III-hy- (III) Ga2O3 + 3 SOCl2 ➔ 2 GaCl3 + 3 SO2 "
droxid oder -oxid in Flusssäure gelöst werden.
Der farblose Feststoff (s. Abb. 37) schmilzt Gallium-III-chlorid bildet wie andere Halogen-
bzw. siedet bei 800  C bzw. oberhalb von ide der dritten Hauptgruppe Dimere der Formel
1000  C und hat die Dichte 4,47 g/cm3. Er ist Ga2Cl6 mit vier endständigen und zwei Brücken-

Abb. 37 Gallium-III-fluorid (Onyxmet 2019) Abb. 38 Gallium-III-chlorid 99,9 % (Onyxmet 2019)


176 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Chloratomen. Im Festkörper liegen diese analog verknüpften GaBr4-Tetraedern, und in monokli-


zur Struktur des Aluminiumbromids in Form kan- ner Struktur vor (Troyanov et al. 2004).
tenverknüpfter Tetraeder vor. Die Kristallstruktur Das hellgelbe, sehr hygroskopische und hy-
der Verbindung ist monoklin (Holleman et al. drolyseempfindliche Gallium-III-iodid (GaI3) ist
2007, S. 1190; Troyanov et al. 2004). durch Reaktion von Gallium mit Iod zugänglich
Gallium-III-chlorid ist eine starke Lewis-Säure (Brauer 1975, S. 854). Die Verbindung schmilzt
und reagiert sehr heftig mit Wasser. Unzersetzt bzw. siedet bei 212  C bzw. 346  C und hat eine
löslich ist es in trockenem Benzol und Toluol Dichte von 4,15 g/cm3. Es schmilzt dabei zu einer
(Yang und Huang 2005). Beim Eindampfen einer orangebraunen Flüssigkeit. Auch hier liegen im
wässrigen Lösung erfolgt vollständige Hydrolyse Festkörper Dimere in monokliner Struktur vor
zu Gallium-III-hydroxid und Chlorwasserstoff. (Downs 1993, S. 132; Troyanov et al. 2004).
Mit Lewis-Basen (Amine, Ether, Halogenidionen Das aus zwei Atomen bestehende Molekül des
etc.) bildet es stabile Addukte. Prinzipiell ist es Gallium-I-fluorids (GaF) enthält eine GaF-
auch als Katalysator in Friedel-Crafts-Synthesen Dreifachbindung (!) und ist nur in der Gasphase
einsetzbar. beständig. Bei Temperaturen unterhalb von
Das isotopenreine, radioaktive 68GaCl3 wird in 1000  C erfolgt Disproportionierung zu Gallium
der Skelettszintigrafie eingesetzt, da zu seiner und Gallium-III-fluorid (Holleman et al. 2007,
Anwendung kein Zyklotron benötigt wird. S. 1185–1193).
Die Umsetzung von Gallium oder seinem Oxid Pnictogenverbindungen Aus technischer Sicht
mit Bromwasserstoff (I, II), oder aber die von haben wir hier die wichtigsten Gallium-Verbindun-
Gallium und Brom (III) liefert Gallium-III-bromid gen vor uns. Galliumnitrid, -phosphid, -arsenid und
(GaBr3): -antimonid sind III-V-Halbleiter; man setzt sie in
Transistoren, Dioden und weiteren elektronischen
(I) 2 Ga + 6 HBr ➔ 2 GaBr3 + 3 H2 Bauteilen ein. Gallium kann in diesen Stoffen in
(II) Ga2O3 + 6 HBr ➔ 2 GaBr3 + 3 H2O beliebigem Verhältnis durch Aluminium oder
(III) 2 Ga + 3 Br2 ➔ 2 GaBr3 Indium ersetzt werden, wodurch sich jeweils
Farbe und Leitfähigkeit (Größe der Bandlücke)
Der weiße (s. Abb. 39), sehr hygroskopische ändert. Galliumarsenid hat gegenüber Silicium
Feststoff raucht wie das Chlorid an feuchter Luft den Vorteil, dass es durch ionisierende Strahlung
stark und schmilzt schon bei einer Temperatur von nicht so stark angegriffen wird (Sitzmann 2011).
121  C (Siedepunkt: 279  C, Dichte 3,69 g/cm3). Galliumnitrid (GaN) ist ein III-V-Halbleiter
In Kontakt mit Wasser zersetzt sich die Ver- mit großer direkter Bandlücke (3,41 eV), einem
bindung unter fast explosionsartiger Reaktion Sublimationspunkt von 800  C und einer Dichte
(Brauer 1975, S. 853), die zur völligen Hydrolyse von 6,1 g/cm3, der praktisch unlöslich in Wasser
führt. In fester Form liegt Gallium-III-bromid ist (Maruska und Tietjen 1969). Man setzt den
ebenfalls in Form von Dimeren, hier mit kanten- gelbbraunen Feststoff (s. Abb. 40b, c) in blauen
und grünen Leuchtdioden und Transistoren ein
(Schneider 2012). Die dafür benötigten Einkris-
talle (s. Abb. 40a) produziert man heute mittels
der Hydrid-Gasphasen-Epitaxie, bei der man zu-
nächst Chlorwasserstoff mit ca. 900  C heißem
Gallium zu Gallium-III-chlorid umsetzt, das bei
Temperaturen >1000  C in räumlicher Nähe zu
Galliumnitrid-Impfkristallen mit Ammoniak um-
gesetzt wird, wobei sich das bei dieser Reaktion
bildende Galliumnitrid auf der Oberfläche des
Impfkristalls anlagert (Nickel et al. 1999; Mana-
Abb. 39 Gallium-III-bromid, 99,999 % (Onyxmet 2019) sevit et al. 1971). Galliumnitrid kann bei höheren
5 Einzeldarstellungen 177

Temperaturen als Silicium betrieben werden, zeigt noch n- (Schwefel, Selen oder Tellur) bzw.
höhere Schaltgeschwindigkeiten bei gleichzeitig p-dotiert (Zink) werden. Galliumphosphid kann
geringeren Energieverlusten, verbunden mit einer man durch Umsetzung von Gallium mit Phosphor
Elektronenmobilität von 900 cm2/V  s und einer bei Temperaturen um 700  C oder von Gallium
Lochmobilität von 10 cm2/V  s (Silicium: 1400 mit Phosphortrichlorid herstellen (Brauer 1975,
bzw. 450, Germanium: 3900 bzw. 1900). S. 862); für die Produktion von Einkristallen muss
Das homologe Galliumphosphid (GaP) ist als man sich aufwändigerer Technik bedienen. Gal-
Pulver ein orangeroter, in Stücken ein rotsilbrig liumphosphid hat eine indirekte Bandlücke von
glänzender Feststoff (s. Abb. 41a, b) einer Dichte 2,25 eV (bei 20  C), verbunden mit einer Elektro-
von 4,1 g/cm3, der bei 1348  C schmilzt. Man nenmobilität von 250 cm2/V  s und einer Loch-
setzt die Verbindung schon seit langer Zeit in mobilität von 150 cm2/V  s.
grünen (nicht-dotiert), roten (wenn dotiert, dann Analog ist Galliumarsenid (GaAs), ein dunkel-
mit Zinkoxid) und orangen Leuchtdioden ein. Je grauer (s. Abb. 42a–c) und stark hydrolyseemp-
nach Bedarf kann das reine Galliumphosphid findlicher Feststoff der Dichte 5,31 g/cm3 und des

Abb. 40 a Gallium-III-nitrid-Einkristall, Länge 3 mm (Materialscientist 2009). b Gallium-III-nitrid, kristallin (Onyxmet


2019). c Gallium-III-nitrid (Stanford Advanced Materials 2019)

Abb. 41
a Galliumphosphid,
Scheiben (Václavik und
Vápenka 2013). b Gallium-
III-phosphid, Wafer
(Onyxmet 2019)

Abb. 42 a Gallium-III-arsenid, Einkristall (W. Oelen 2007). b Gallium-III-arsenid, 99,999 % (Onyxmet 2019).
c Gallium-III-arsenid (Stanford Advanced Materials 2019)
178 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Schmelzpunkts 1238  C, undotiert oder n- bzw. Bauer 2011). Die Dichte ist 5,61 g/cm3, und der
p-dotiert einsetzbar, je nach gewünschter Wir- Schmelzpunkt beträgt 712  C. Auch Galliumanti-
kung. Die direkte Bandlücke beträgt 1,44 eV bei monid tritt, wie die meisten III-V-Halbleiter, mit
Raumtemperatur. Das Material ist schon lange in einer Zinkblendestruktur auf. Überraschenderwei-
elektronischen Bauelementen im Einsatz. Auch se zeigt das undotierte Galliumantimonid bereits
hier sind die Galliumatome beliebig durch Alumi- eine p-Leitfähigkeit. Über die Art des Akzeptors
nium- bzw. Indiumatome austauschbar (z. B. Alu- wird noch diskutiert; möglicherweise ist dies eine
minium-Gallium-Arsenid). Der Vorteil von Gal- Gallium-Leerstelle oder ein auf einem eigentlich
liumarsenid ist eine gegenüber Silicium etwa für ein Antimonatom bestimmten Gitterplatz sit-
zehnfache Übertragungsfrequenz, sowie eine zendes Galliumatom. Die Verbindung geht gleich-
wesentliche Reduktion des Rauschens und damit falls in lichtelektronische Bauteile wie z. B. Laser-
des Energieverbrauchs. Daher wird es in rausch- dioden und Photodetektoren.
armen Hochfrequenzverstärkern (low noise am- Zum Vergleich sind nachstehend in Tab. 4
plifiers) für Satelliten- und Radaranlagen bevor- Kenndaten einiger Halbleiter aufgeführt wie For-
zugt eingesetzt. mel, Art der Bandlücke: direkt oder indirekt (D./
Oft spricht das Kosten-Nutzen-Verhältnis aber I.)), Dichte (D, g/cm3), Bandlücke (BL, eV), kri-
immer noch für die klassischen, aus Silicium tische Feldstärke (KF, V/cm), Elektronenmobilität
gefertigten Halbleiter, denn die Ausgangsstoffe (EM, cm2/Vs), Lochmobilität (LM, cm2/Vs),
Gallium und Arsen sind wesentlich teurer. Ein- Wärmeleitfähigkeit (WL, W/mK), Koeffizient
kristalle aus Galliumarsenid sind zudem schwerer der thermischen Ausdehnung (KT, 1/K). Aus
herzustellen als solche aus Silicium, und ihre Gründen der Vollständigkeit sind die Daten des
Geometrie ist relativ beschränkt. Zudem beträgt
die Lochmobilität (Leitung durch Defektelektro-
nen) nur 400 cm2/V · s und liegt damit unter
derjenigen des Siliciums, weshalb Galliumarsenid
trotz seiner energetischen Vorteile in manchen
Anwendungen nicht einsetzbar ist, wie in solchen
Feldeffekttransistoren, deren Wirkung auf Lochlei-
tung beruht. In Leuchtdioden deckt es den Bereich
der Wellenlängen von Infrarot bis Gelb ab.
Galliumantimonid (GaSb) ist ein geruchloser,
schwarzgrau-metallischer Feststoff (s. Abb. 43)
und ebenfalls ein direkter Halbleiter mit einer Abb. 43 Gallium-III-antimonid, 99,99 % (Onyxmet
direkten Bandlücke von nur noch 0,72 eV (27  C, 2019)

Tab. 4 Übersicht über wichtige Element- und Verbindungshalbleiter


Verbindung Formel Typ D/I D BL KF EM LM WL KT
Diamant C IV I 3,52 5,52 6,0  106 2200 1800 1300 0,8
Siliciumcarbid SiC IV–IV I 3,21 2,80 2,4  106 ~500 ~50 700 4,0
Silicium Si IV I 2,34 1,12 3,0  105 1400 450 130 2,6
Germanium Ge IV I 5,32 0,66 1,0  105 3900 1900 58 5,9
Galliumnitrid GaN III–V D 6,1 3,44 3,0  106 900 10 110 6,3
Galliumphosphid GaP III–V I 4,1 2,25 1,0  106 250 150 110 4,7
Galliumarsenid GaAs III–V D 5,31 1,44 4,0  105 8500 400 55 5,7
Galliumantimonid GaSb III–V D 5,61 0,72 5,0  105 3000 1000 32 7,8
Indiumarsenid InAs III–V D 5,68 0,35 4,0  105 44.000 500 27 4,5
Indiumantimonid InSb III–V D 5,75 0,17 1000 77.000 850 18 5,4
5 Einzeldarstellungen 179

elektrischen Isolators Diamant hier ebenfalls an- Die Verbindung ist eine klare, farblose Flüssig-
gegeben; die für Siliciumcarbid sind Mittelwerte. keit vom Erstarrungspunkt 16  C und Siedepunkt
Es gibt noch einige weitere Gruppen von Halb- 93  C, die an der Luft selbstentzündlich ist und
leitern [Zinksulfid oder Cadmiumsulfid (II–VI) unter Inertgasatmosphäre gelagert werden muss.
bzw. Indiumsulfid (III–VI)], deren Diskussion Man setzt Trimethylgallium bei der Gasphasen-
den Rahmen dieses Buches aber sprengen würde. epitaxie zur Erzeugung sehr dünner Beschichtun-
Sonstige Verbindungen Gallium bildet weder ein gen aus Gallium ein (Dripps et al. 2004).
Carbid noch ein Silicid oder Borid. Rudman ver-
suchte die Synthese des hypothetischen Galliumdo- Anwendungen Das Volumen des industriell ver-
decaborids durch Zusammenschmelzen von Gallium wendeten Galliums ist wegen dessen Seltenheit
und Bor in stöchiometrischem Mengenverhältnis gering. Die wirtschaftlich wichtigsten Verbindun-
entweder in einem aus Bornitrid bestehenden Tiegel gen des Galliums sind eindeutig die mit den
bei Temperaturen von 1800  C über 15 h oder Elementen der 5. Hauptgruppe gebildeten III-V-
durch einmonatiges (!) Erhitzen der Elemente in Halbleiter, zu denen fast die vollständige Produk-
gleichem Verhältnis der Mengen bei 1100  C, bei- tion des Galliums verarbeitet wird. Daneben geht
des im evakuierten Quarzrohr. Das einzige beob- es in kleinen Mengen auch in die p-Dotierung des
achtete Produkt der Reaktion war Borsub- Siliciums (p-Dotierung).
oxid (1965). In Form einer bei Raumtemperatur flüssigen,
Gallium-III-nitrat [Ga(NO3)3] erhält man zusammen mit Indium und Zinn gebildeten Legie-
durch Auflösung von Gallium oder Gallium-III- rung geht es unter dem Namen Galinstan als Füll-
oxid in Salpetersäure und Trocknung des ausfal- flüssigkeit in Hochtemperaturthermometer, die
lenden Hydrates bei 40  C (Brauer 1975, S. 862). bis zu einer Temperatur von 1200  C einsetzbar
Die weißen Pulver (s. Abb. 44) sind in Wasser sind. Auch in weiteren Legierungen ist es enthal-
sehr gut löslich (Perry 2011, S. 491). ten, ebenso als Medium zum Wärmeaustausch
Die Verbindung schmilzt bei einer Temperatur in Kernreaktoren anstelle von Natrium-Kalium-
von 110  C unter Zersetzung. Es verstärkt die Legierungen und als Ersatz für Quecksilber in
Absorption von Calcium im menschlichen Körper Dampflampen. Die Vorteile von Gallium sind die
und wird daher auch in der Krebstherapie eingesetzt. im Vergleich geringere Reaktivität und Giftigkeit.
Die einfachste organische Galliumverbindung Flüssiges Gallium findet als Elektrodenmate-
ist das durch Umsetzung von Gallium-III-chlorid rial bei der Gewinnung hochreiner Metalle Ver-
mit Dimethylzink zugängliche Trimethylgallium wendung, ebenso als Sperrflüssigkeit bei der
(Kraus und Toonder 1933): Volumenmessung von Gasen bei hohen Tempera-
turen. Zusammenschmelzen mit Gadolinium,
2 GaCl3 þ 3 ZnðCH3 Þ2 ➔ 2 GaðCH3 Þ3 Eisen, Lithium und Magnesium ergibt magneti-
þ 3 ZnCl2 sche Legierungen. Eine Legierung mit Vanadium
(V3Ga) ist ein Supraleiter mit der vergleichsweise
hohen Sprungtemperatur von 256  C.
Gallium wird in Beschichtungen für Spiegel
eingesetzt, außerdem absorbiert es sehr leicht
Neutrinos (Gallex-Experiment). Das radioaktive
Isotop 6831Ga nutzt man in der Positronen-
Emissions-Tomographie als Tracer. 6831Ga ist
durch Bestrahlung des Isotops 6931Ga mit Proto-
nen über das zunächst gebildete Isotop 6832Ge
darstellbar. 6831Ga wird dann durch einen stark
komplexierenden Liganden [z. B. 1,4,7,10-Tetra-
azacyclododecan-1,4,7,10-tetraessigsäure (DO-
Abb. 44 Gallium-III-nitrat (Onyxmet 2019) TA)] gebunden (Green und Welch 1989).
180 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Toxizität Gallium und seine Verbindungen wir-


ken zwar reizend auf Haut und Schleimhäute, lium based semiconductors (Skyworks
jedoch ist seine Toxizität gering (Holleman et al. Solutions, US 2019119792 A1, veröf-
2007, S. 1179). Für den Menschen ist es, soweit fentlicht 25. April 2019)
wir wissen, als Spurenelement nicht essenziell. A. Pourchet und P. Saketi, Micro-LED pick
and place using metallic gallium (Face-
book Technology LLC, WO 201907469
Patente 3 A1, veröffentlicht 18. April 2019)
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world H. Fukunaga und K. Akita, Gallium arseni-
wide.espacenet.com) de crystalline body and gallium arsenide
crystal substrate (Sumitomo Electric
G. Li und Z. Liu, Ohmic contact preparation Industries, TW 201907060 A, veröffent-
method for gallium nitride electronic licht 16. Februar 2019)
device (University South China Techno-
logy, WO 2019109747 A1, veröffent-
licht 13. Juni 2019)
J. G. Fiorenza und S. Deliwala, Gallium 5.4 Indium
nitride photodetector with substantially
transparent electrodes (privat, WO 2019 Geschichte Die deutschen Chemiker Reich und
108822 A1, veröffentlicht 6. Juni 2019) Richter entdeckten Indium 1861 an der Bergaka-
P. C. Cohen und A. A. Carey, Method for demie Freiberg. Bei der Untersuchung einer
controlling gallium content in gadoli- Gesteinsprobe auf das Element Thallium fanden
nium-gallium garnet scintillators (Sie- sie im Absorptionsspektrum unter Anderem eine
mens Medical Solutions USA Inc., US bis damals unbekannte indigoblaue Spektrallinie,
2019169499 A1, veröffentlicht 6. Juni die sie einem neuen Element zuordneten und das
2019) sie nach der Farbe der Spektrallinie benannten.
J. Gilbert und H. Stehen, Transferring gra- Danach isolierten sie Indium aus dem seinerzeit
phitic thin films with a liquid gallium geprüften Mineral Sphalerit in Form seines Oxids
probe (Vaon LLC, US 2019152211 A1, und Chlorids, wenig später stellten sie auch metal-
veröffentlicht 23. Mai 2019) lisches Indium durch Reduktion von Indiumoxid
P. S. Hsu und M. McLaurin, Epitaxial mit Wasserstoff her (Schwarz-Schampera und
growth of cladding regions for a gallium Herzig 2002).
and nitrogen containing laser diode (So- Die erste großindustrielle Anwendung für
raa Laser Diode Inc., US 10297979 B1, Indium gab es in den Vereinigten Staaten von
veröffentlicht 21. Mai 2019) Amerika während des Zweiten Weltkriegs; dort
S. Yang und J. Han, Gallium trioxide- diente es als Beschichtung in Motor- und Radla-
adsorbent composite material, prepara- gern von Flugzeugen. Ab den 1950er-Jahren
tion method therefor, and use thereof wurde der Einsatz in niedrig schmelzenden
(Honeywell Performance Materials and Legierungen und in der Elektronikindustrie
Technology China Co., Ltd., WO 2019 wichtiger. Da Indium ein starker Neutronenab-
091285 A1, veröffentlicht 16. Mai 2019) sorber ist, wurde es bis in die 1980er-Jahre hin-
O. Clarkin und C. Lally, Gallium-based ein in Kontrollstäben für Kernreaktoren ver-
glass composition (Dublin City Univer- wendet.
sity, US 2019134082 A1, veröffentlicht In neuerer Zeit wurden das halbleitende In-
9. Mai 2019) diumphosphid (InP) und das elektrisch leitende
C. Cismaru und P. Zampardi Jr., Devices und in dünnen Schichten durchsichtige Indium-
related to barrier for metallization of gal- zinnoxid (ITO) entwickelt. Vor allem letztgenann-
tes ging und geht in Flüssigkristallbildschirme.
5 Einzeldarstellungen 181

vereinzelt vorkommende Legierungen Damiaoit


Der deutsche Naturwissenschaftler Ferdi- (PtIn2) und Yixunit (Pt3In) (Ralph 2015); diese
nand Reich ( 19. Februar 1799 Bernburg; sind aber für die Gewinnung des Metalls
† 27. April 1882 Freiberg) studierte in Leip- uninteressant. In Mondgestein wies man das
zig und an der Bergakademie Freiberg; Vorhandensein von Indium ebenfalls nach.
danach arbeitete er ab 1819 in der Berg- Wichtig für die Gewinnung sind nur die Bei-
hütte. Reich wechselte 1822 nach Göttin- mengungen von Indiumverbindungen in Zinker-
gen, um seine Studien dort und später in zen. Die weltweiten Reserven schätzt man aktuell
Paris fortzusetzen. 1824 kehrte er nach Frei- auf 16000 t; bei etwa zwei Drittel dieser Menge
berg zurück und wurde dort 1827 Professor
lohnt sich ein Abbau (Inestroza 2015).
für Physik. 33 Jahre später, 1860, folgte die
Ernennung zum Oberbergrat, und er legte
Gewinnung Im Zuge der Herstellung von Zink
die Physikprofessur nieder. 1863 entdeckte
bzw. Blei reichert sich bei einigen Verfahrens-
er zusammen mit Richter das Element In-
dium (Reich und Richter 1863 und 1864). schritten Indium an, wie beispielsweise in Flug-
Reich war 1846 ein Gründungsmitglied der stäuben, die beim Rösten des Zinksulfids gebildet
Königlich Sächsischen Gesellschaft der werden, oder aber Rückstände, die bei der Elek-
Wissenschaften, ab 1864 auswärtiges Mit- trolyse zur Gewinnung reinen Zinks aus wässriger
glied der Göttinger Akademie der Wissen- Lösung zurückbleiben.
schaften, von 1866 an auch Mitglied der Diese Rückstände löst man in Schwefelsäure
Leopoldina. Die Universität Leipzig ernannte oder Salzsäure und extrahiert die In3+-Ionen mit
ihn zum Ehrendoktor. Hilfe von Tributylphosphat oder aber fällt sie als
schwerlösliches Indium-III-phosphat (InPO4) aus.
Der deutsche Chemiker und Mineraloge Die Endstufe des Anreicherung ist immer eine
Hieronymus Theodor Richter ( 21. salzsaure Lösung von Indium-III-chlorid (InCl3),
November 1824 Dresden; † 25. September die an Quecksilberelektroden der Elektrolyse
1898 Freiberg) studierte nach seiner Lehre unterworfen wird. Die Lösung muss zuvor von
als Apotheker ab 1843 an der Bergakademie eventuell darin enthaltenem gelöstem Thallium
Freiberg und arbeitete ab 1847 beim Hüt- vollständig befreit worden sein, da die Normal-
tenwerk, ab 1853 als Chemiker. 1857 wurde potenziale beider Elemente dicht beieinander lie-
Richter dort Oberhüttenamtsassessor und
gen (Morawiez 1964).
leitete zwischen 1866 und 1873 das Hütten-
Für bestimmte Einsatzzwecke ist es nötig, das
laboratorium. 1873 erhielt er die Ernennung
auf diese Weise erhaltene Indium noch weiter zu
zum Professor für Hüttenkunde und metal-
reinigen. Hierzu wendet man entweder das Zonen-
lurgische Probierkunde. Von 1875 bis 1896
war Richter Rektor der Bergakademie und schmelzen (Trueb 1996) oder die Schmelzflusselek-
wurde 1890 als Mitglied in die Leopoldina trolyse von Indium-I-chlorid (Morawiez 1964) an.
aufgenommen. Zusammen mit Reich unter- Indium ist ein zunehmend knapp werdender
suchte er die schwarze Zinkblende, die Rohstoff, da geringen Vorräten ein steigender
1863 zur Entdeckung des Indiums führte Bedarf gegenübersteht und noch vor einigen Jah-
(Reich und Richter 1863 und 1864). ren nur rund 600 t/a produziert wurden. Die Wie-
dergewinnung ist mit fast 1000 t/a mittlerweile
wichtiger geworden als die Herstellung des Ele-
Vorkommen Indium ist sehr selten und elemen- ments aus natürlichen Vorkommen.
tar nur an sehr wenigen Orten, meist in Russland
(Sibirien), Usbekistan und der Ukraine, zu finden Eigenschaften
(Wedepohl 1995; Palache 1934). Ebenso gibt es Physikalische Eigenschaften: Indium ist silbrig-
gerade einmal dreizehn charakterisierte Minerale glänzend und hat mit 156,6  C einen der niedrigs-
des Elements wie Indit (FeIn2S4), Laforêtit ten Schmelzpunkte aller Metalle (s. Tab. 5); nur
(AgInS2) und Roquesit (CuInS2) sowie mit Platin Quecksilber, Gallium und die Alkalimetalle außer
182 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Indium


Symbol: In
Ordnungszahl: 49
CAS-Nr.: 7440-74-6

Aussehen: Silbergrau, metallisch Indium, Ø 3 cm Indium, Kugeln


glänzend (Metallium, Inc. 2015) (Sicius 2015)
Entdecker, Jahr Reich, Richter (Deutsches Reich), 1863
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
113
49In (4,3) Stabil ——
115
49In (95,7) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,1
Atommasse (u): 114,818
Elektronegativität 1,78 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: In3+ + 3 e > In (V) 0,343
Atomradius (pm): 155
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 193
Kovalenter Radius (pm): 144
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d10 5s2 5p1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 558 ♦ 1821 ♦ 2704
Magnetische Volumensuszeptibilität: 5,1  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Tetragonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 12,5  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 11 ♦ k. A. ♦ k. A.
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): k. A. ♦ 8,8–10
Mohs-Härte 1,2
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 1215
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 7,31
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 15,76  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 81,6
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,47
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 156,6 ♦ 429,75
Schmelzwärme (kJ/mol): 3,26
Siedepunkt ( C ♦ K): 2072 ♦ 2345
Verdampfungswärme (kJ/mol): 225

Lithium weisen noch tiefere Schmelzpunkte auf. Indium ist sehr weich und kann mit dem
Wie Gallium ist auch Indium über einen sehr Messer, kleine Kügelchen sogar mit dem Finger-
großen Temperaturbereich flüssig. Wird Glas mit nagel (!) zerteilt werden. Es ist darüber hinaus sehr
flüssigem Indium benetzt, so verbleibt, wie übri- biegsam; man hört dabei ein ähnliches Geräusch
gens auch im Falle des Galliums, ein permanenter wie beim Verbiegen von Stangen des im Perioden-
Metallfilm auf dem Glas. system benachbarten Zinns. Indium kristallisiert
5 Einzeldarstellungen 183

unter Normalbedingungen tetragonal-innenzentriert, Anwendungsmöglichkeiten ergeben, vor allem


direkt umgeben von den acht auf den Ecken der als Leiter in Flüssigkristallbildschirmen (LCD),
Elementarzelle befindlichen sowie vier aus der organischen Leuchtdioden (OLED), Touch-
jeweils benachbarten Elementarzelle stammenden screens und Solarzellen. Für Einsätze größeren
Atomen, so dass man hier auch von einer tetrago- Bedarfs ist es möglich, dieses „Indiumzinnoxid“
nal verzerrten, kubisch-dichtesten Kugelpackung durch billigeres Aluminiumoxid-dotiertes Zink-
sprechen kann. Es gibt zusätzlich nur noch eine oxid zu ersetzen (Bräuer 2005; Steiger et al.
einzige weitere Modifikation, die nur unter An- 2002; Fenske et al. 2002).
wendung sehr hoher Drücke (>45 GPa) er- Indium-III-sulfid (In2S3) ist ein orangeroter
zeugt werden kann und orthorhombisch kristal- Feststoff der Dichte 4,45 g/cm3, der bei einer
lisiert (Takemura und Fujihaza 1993; Graham Temperatur von 1050  C schmilzt. Der III-VI-
et al. 1954). Halbleiter weist eine indirekte Bandlücke von
Chemische Eigenschaften: Diese und auch die 2 eV auf (Scheer et al. 2009). Man kann ihn
physikalischen Eigenschaften ähneln wesentlich anstelle des giftigen Cadmiumsulfids in Solarzel-
mehr denen der direkt homologen Elemente Gal- len verwenden (Barreau et al. 2002). Das Material
lium und auch Thallium als denen des in dersel- ist durch Umsetzung von Indium-III-oxid
ben 3. Hauptgruppe befindlichen Aluminiums. mit Schwefelwasserstoff bei 700  C herstellbar
Indium reagiert bei erhöhter Temperatur direkt (Brauer 1975, S. 871).
mit den meisten Nichtmetallen, wird bei Raum- Man kennt insgesamt drei Modifikationen des
temperatur an der Luft jedoch durch Sauerstoff Indium-III-sulfids, die durch Änderung der Tem-
passiviert und überzieht sich demnach mit einer peratur ineinander umwandelbar sind. Bis herauf
schützenden Oxidhaut. Indium wird durch kaltes, zu einer Temperatur von 450  C ist die rote
heißes und auch salzhaltiges Wasser nicht ange- β-Modifikation mit tetragonal-verzerrter Struktur
griffen, ebenso nicht durch Basen (Unterschied zu stabil (Steigmann et al. 1965). Darin sind die te-
Gallium und Aluminium), löst sich aber in starken tra- und oktaedrischen Lücken einer verzerrten
Mineralsäuren. Indium löst sich in Quecksilber kubisch-dichtesten Kugelpackung von Schwefel-
sehr gut. atomen zum Teil mit Indiumatomen besetzt. Zwi-
schen 450  C und 750  C ist die α-Modifikation
Verbindungen mit defekter Spinellstruktur stabil (Buck 1973).
Chalkogenverbindungen Indium-III-oxid (In2O3) Zwischen 750  C und dem Schmelzpunkt ist
ist ein hochschmelzender (1910  C), gelber γ-Indium(III)-sulfid beständig; es kristallisiert
(s. Abb. 45a, b), beständiger III-VI-Verbindungs- mit einer kubisch-dichtesten Packung von Schwe-
halbleiter der Dichte 7,18 g/cm3 und einer Band- felatomen mit Indiumatomen in allen oktaedri-
lücke von ca. 3 eV, den man meist zu einem schen Lücken (Buck 1973).
Mischoxid mit sehr geringem Anteil an Zinn-IV- Das rotbraune Indium-II-sulfid (InS) erhält
oxid weiter verarbeitet. Jenes ist transparent und man durch Schmelzen stöchiometrischer Mengen
zugleich elektrisch leitfähig, wodurch sich viele von Indium und Schwefel (Brauer 1975, S. 871).

Abb. 45 a Indium-III-oxid
99,99 % (Onyxmet 2019).
b Nano-Indium-III-oxid
(Stanford Advanced
Materials 2019)
184 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Die Verbindung schmilzt bei einer Temperatur Es existieren zwei kubische Strukturen; die Nie-
von 692  C, kristallisiert orthorhombisch und dertemperatur- geht bei 610  C in die Hochtem-
hat eine Dichte von 5,18 g/cm3. Ähnlich dem peraturform über (Tonkov 1992, S. 507; Rowe
Gallium-II-sulfid liegen auch hier In24+-Kationen 2012, S. 8–2). Flüssiges Indium-III-tellurid hat
vor, die durch überbrückende Schwefelatome mit eine höhere Dichte als festes, mit einem Maxi-
benachbarten Kationen verbunden sind (Schubert mum bei 867  C, jedoch bestehen je nach Bildung
et al. 1954). von Aggregationen in der Schmelze auch inner-
Darüber hinaus gibt es weitere Indiumsulfide halb der Schmelze bei konstanter Temperatur
der Formeln In4S3, In6S7 und In3S4, deren Exis- Dichteunterschiede (!) (Tsuchiya et al. 1982;
tenz auf das gleichzeitige Vorliegen von In+- und Thurn und Ruska 1976).
In3+-Ionen oder auch auf das von „Mini-Clustern“ Halogenverbindungen Die alle aus Indium und
wie In24+ oder In35+ zurückzuführen ist. dem jeweiligen Halogen zugänglichen Indium-III-
Indium-III-selenid (In2Se3) kann man durch halogenide sind Lewis-Säuren und werden durch
gemeinsames Erhitzen von Indium mit Selen dar- Wasser zu Indium-III-hydroxid bzw. -oxid und
stellen (Brauer 1975, S. 872; Shaw und Parkin dem entsprechenden Halogenwasserstoff zersetzt.
2001). Der schwarze, weiche Feststoff hat eine Nur Indium-III-fluorid (InF3) ist ziemlich be-
Dichte von 5,67 g/cm3, schmilzt bei einer Tempe- ständig gegenüber Hydrolyse, wird aber durch
ratur von 890  C und kristallisiert in Form fünf kochendes Wasser ebenfalls zum Indiumoxidfluo-
verschiedener Modifikationen (α-, β-, γ-, δ-, κ-) rid hydrolysiert (Zuckerman 2009, S. 89). Der
(Holleman et al. 2007, S. 1195). Die beiden am farblose, hochschmelzende (1170  C) Feststoff ist
häufigsten auftretenden Formen α- und β- haben schwer löslich in Wasser, aber löslich in verdünn-
eine Wurtzit-Struktur mit Lücken auf den Katio- ten Säuren. Man stellt ihn aus Indium-III-oxid und
nenplätzen; der Abstand der Bänder des γ-In2Se3 Fluor oder aus Indium-III-chlorid und Fluorwas-
beträgt ca. 1,9 eV (Jasinski et al. 2002). serstoff her (Brauer 1975, S. 240). Es wird unter
Indium-II-selenid (InSe) ist ebenfalls ein III-VI- anderem zur Herstellung von Spezialgläsern ver-
Halbleiter, und wie das Indium-III-selenid durch wendet (Atta-ur-Rahman 2005; Hoppe und Kissel
Umsetzung jeweils stöchiometrischer Mengen der et al. 1984). Die Kristallstruktur ist trigonal (Raum-
Elemente darstellbar (Brauer 1975, S. 872). Der gruppe 167) mit eckenverknüpften, aus Fluorato-
schwarze, leicht verreibbare Feststoff schmilzt bei men gebildeten Oktaedern (Porterfield 2013,
einer Temperatur von 660  C und tritt in Form S. 132). Wasserstoff reduziert es bei 300  C in
mehrerer Modifikationen auf. β-InSe kristallisiert zügigem Gasstrom zu Indiummetall, bei sehr lang-
hexagonal (Raumgruppe 194, P63/mmc), ε-InSe samer Gaszufuhr bleibt die Reduktion beim
gleichfalls hexagonal (Raumgruppe 187, P6m2) Indium-I,III-fluorid stehen (Brauer 1975, S. 240).
und γ-InSe trigonal (Raumgruppe 160, R3m) (Ikari Die Verbindung setzt man als Katalysator bei orga-
et al. 1982), wobei die thermodynamisch stabilste nischen Synthesen ein (Ur-Rahman 2005, S. 192).
die γ-Modifikation ist (Hollingsworth et al. 2000). Indium-III-chlorid (InCl3) verwendet man als
Auch in dieser treten wieder In24+-Kationen auf, Katalysator bei der Reduktion organischer Ver-
die durch verbrückende Selenatome an benach- bindungen und erzeugt es durch Verbrennen von
barte Kationen gebunden sind, so dass eine Indium in Chlorgas (I) oder durch Umsetzung
Schichtstruktur entsteht. Für das γ-InSe existieren eines Gemischs aus Indium-III-oxid und Kohle
zwei Bandlücken, eine indirekte von 1,2 eV und mit Chlor (II, Noel 2012; Holleman und Wiberg
eine direkte von 2,4 eV (McCanny und Murray 1985, S. 891):
1977; Rigoult und Rimsky 1980).
Indium-III-tellurid (In2Te3) kann durch Erhit- (I) 2 In + 3 Cl2 ➔ 2 InCl3
zen einer Mischung von Indium und Tellur dar- (II) In2O3 + 3 C + 3 Cl2 ➔ 2 InCl3 + 3 CO
gestellt werden (Brauer 1975, S. 872). Der
schwarze, harte und spröde Feststoff hat eine Es ist selbstverständlich auch möglich, Indi-
Dichte von 5,8 g/cm3 und schmilzt bei 667  C. um-III-chlorid durch Auflösen von Indium in
5 Einzeldarstellungen 185

Salzsäure darzustellen, jedoch tritt beim Versuch, bata et al. 2004), bei Friedel-Crafts-Reaktionen
das wasserfreie Salz durch Erhitzen des Hydrats (Thirupathi und Kim 2009) und bei Additionen
zu erhalten, immer eine teilweise Hydrolyse ein. von Indolen zu Enonen (Bandini et al. 2002).
Eine alternative Herstellmethode unter wasser- Man erhält die Verbindung in wasserfreier
freien Bedingungen ist daher noch die Reaktion Form durch Überleiten von Bromdampf über er-
von Indium-III-oxid mit Thionylchlorid bei Tem- hitztes Indium. Wässrige Lösungen von Indium-
peraturen um 300  C (Brauer 1975, S. 867): III-bromid können leicht aus Indium und Brom-
wasserstoffsäure erhalten werden. Aus diesen
In2 O3 þ 3 SOCl2 ➔ 2 InCl3 þ 3 SO2 scheidet sich beim Einengen oberhalb einer Tem-
peratur von 33  C wasserfreies (!) Indium-III-bro-
Die Verbindung hat mit 586  C einen deutlich mid aus, bei tieferen Temperaturen verbleiben
höheren Schmelzpunkt als Gallium-III- oder Alu- Hydrate. Die Kristallstruktur der Verbindung ist
miniumchlorid, ist aber schon oberhalb von 418  C monoklin, mit Schichten von InBr6-Oktaedern,
sublimierbar (Smith und Barrow 1958). die über drei Kanten miteinander verbunden sind
Indium-III-chlorid liegt in Form weißer, (Porterfield 2013, S. 132).
hygroskopischer Kristalle (s. Abb. 46) der Dichte Generell sind durch Umsetzung von Indium-
3,46 g/cm3 vor. In der Gasphase bildet es ebenfalls III-bromid mit metallischem Indium niedere
Dimere. Im Festkörper kristallisiert die Verbin- Bromide darstellbar (InBr2, In4Br7, In2Br3, In5Br7,
dung monoklin (Raumgruppe 12). Wasserfreies In7Br9), deren Struktur im Festkörper bereits
Indium-III-chlorid reagiert heftig mit Wasser untersucht wurde (Staffel und Meyer 1987; Ruck
unter Hydrolyse zu Indium-III-hydroxid und und Bärnighausen 1999; Dronskowski 1995).
Chlorwasserstoff. Im salzsauren Medium bildet Kochen der im stöchiometrischen Verhältnis ein-
es Doppelchloride, die sich in der Regel vom gesetzten beiden Ausgangsstoffe unter Rückfluss
Hexachloroindat-III [(InCl6)3] ableiten. Verein- in Xylol ergibt Indium-II-bromid (Freeland und
zelt setzt man Indium-III-chlorid als Katalysator Tuck 1976). Indium-I-bromid (InBr) konnte eben-
bei Synthesen von Carbonylverbindungen und falls auf diese Weise hergestellt werden. (Stephen-
zur Herstellung von Indiumsulfid ein, das in son und Mellor 1950).
CIGS-Solarzellen eingebracht wird. Indium-I-bromid (InBr) ist ein rotes Kristallisat,
In zahlreichen organischen Synthesen ange- das im Festkörper eine verzerrte Kochsalzstruktur
wandt wird auch Indium-III-bromid (InBr3), ein aufweist und isotyp zum β-Thallium-I-iodid ist
graugelber Feststoff (s. Abb. 47) vom Schmelz- (Stephenson und Mellor 1950). Es ist durch Erhit-
punkt 420  C (Siedepunkt: 656  C, Sublimations- zen von Indium mit Indium-III-bromid darstellbar.
punkt: 371  C, Dichte 4,74 g/cm3), so bei der Man verwendet es gelegentlich in der organi-
Dithioacetalisierung von Aldehyden in nicht- schen Synthese, beispielsweise zur Kopplung von
wässrigen und wässrigen Medien (Ceschi et al. α,α-Dichlorketonen zu 1-Arylbutan-1,4-dionen
2000), bei reduktiven Aldolkondensationen (Shi- (Peppe und das Chagas 2004). Mit Alkylhaloge-

Abb. 46 Indium-III-chlorid-Hydrat (Onyxmet 2019) Abb. 47 Indium-III-bromid wasserfrei (Onyxmet 2019)


186 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

niden reagiert die Verbindung zu Alkylindiumha- nodrähte aus Indiumphosphid eine stark aniso-
logeniden (Worrall et al. 1972). Bei Kontakt trope Photolumineszenz, weshalb sie für sensible
mit Wasser disproportioniert es zu metallischem Photodetektoren sehr interessant sind (Wang et al.
Indium und Indium-III-bromid, das aber weiter zu 2001).
Indium-III-hydroxid zersetzt wird (Dronskowski Indium-III-nitrid (InN) erhält man durch Re-
1994). aktion von Ammoniumhexafluoroindat-III mit
Indium-III-iodid (InI3) kann man durch Über- Ammoniak bei Temperaturen von knapp unter
leiten von Ioddampf über erhitztes bzw. geschmol- 600  C (Brauer 1975, S. 872):
zenes Indium erhalten (Brauer 1975, S. 869;
Downs 1993, S. 132). Eine wässrige Lösung der ðNH4 Þ3 InF6 þ 4 NH3 ➔ InN þ 6 NH4 F
Verbindung bildet sich beim Lösen von Indium in
Iodwasserstoffsäure. Einengen liefert dann was- Der schwarze (s. Abb. 49), an trockener Luft
serfreies Indium-III-iodid. Das schwach gelbe beständige Feststoff schmilzt bei 1100  C und hat
Indium-III-iodid ist stark hygroskopisch, leicht eine Dichte von 6,89 g/cm3. Natronlauge und
löslich in Wasser und mäßig empfindlich gegen konzentrierte Schwefelsäure lösen ihn auf, andere
Hydrolyse. Es schmilzt bei 220  C, hat eine Mineralsäuren nicht. Seine Kristallstruktur ist ein
Dichte von 4,68 g/cm3 und kristallisiert monoklin Wurtzit-Typ. Eine zukünftige Anwendung besteht
(Forrester et al. 1964). Auf den Plätzen des in Kombination mit Galliumnitrid in Solarzellen
Kristallgitters befinden sich dimere Moleküle. (Veal et al. 2009).
Man nutzt die Verbindung unter Anderem als Kata- Die Bandlücke des Indium-III-nitrids liegt bei
lysator zur Produktion von Vinyl- und Methylinda- 0,7 eV (27  C) (Davydov 2002; El-Ela und
ten (Yamamoto und Oshima 2006, S. 379). El-Assy 2012). In Kombination mit Galliumnitrid
Indium-I-iodid (InI) erzeugt man durch Re- entsteht Indiumgalliumnitrid, dessen Bandlücke
aktion von Indium mit Iod oder Indium-III-iodid durch das Verhältnis der zwei zur Synthese einge-
im Vakuum oder mit Quecksilber-II-iodid bei setzten Ausgangsstoffe im weiten Bereich von
ca. 350  C (Brauer 1975, S. 870). Der braunrote 0,7–3,4 eV einstellbar ist. Unterhalb einer Tempe-
(s. Abb. 48), diamagnetische Feststoff schmilzt ratur von 269,85  C wird die Verbindung zum
bei einer Temperatur von 365  C, hat die Dichte Supraleiter, wenn sie in Form dünner Schichten
5,32 g/cm3 und kristallisiert orthorhombisch vorliegt (Inushima 2006).
(Holleman et al. 1995, S. 1101). Indium-III-phosphid (InP) ist ein schwarzer,
Pnictogenverbindungen In der Elektronikin- einkristallin herstellbarer Feststoff (s. Abb. 50a, b),
dustrie gibt es diverse Anwendungen für III-V- der bei einer Temperatur von 1070  C schmilzt,
Verbindungshalbleiter wie Indiumnitrid, -phos- eine Dichte von 4,79 g/cm3 und eine direkte
phid, arsenid und -antimonid, wie etwa Leucht-, Bandlücke von 1,34 eV (27  C) besitzt. Ein wich-
Foto- oder Laserdioden. Dies erfolgt vorrangig in tiges Einsatzgebiet besteht in hochfrequentem
Abhängigkeit von ihrer Bandlücke, aber auch Laser, den man zur Übertragung von Daten über
andere Effekte spielen eine Rolle. So zeigen Na- Glasfaserkabel und große Entfernungen benötigt

Abb. 49 Indium-III-nitrid (Stanford Advanced Materials


Abb. 48 Indium-I-iodid 99,9 % (Onyxmet 2019) 2019)
5 Einzeldarstellungen 187

Abb. 50 a Indium-III-
phosphid 99,9999 %
(Onyxmet 2019). b Indium-
III-phosphid, Kristalle
(W. Oelen 2007)

Abb. 51 a InAs-
Einkristallbruchstücke
(W. Oelen 2007). b Indium-
III-arsenid, 99,999 %
(Onyxmet 2019)

(Heinrich und Tillack 2012). Hier nutzt man die oder Photodioden. Auch Indium-III-arsenid ist als
hohe Beweglichkeit der Elektronen im Gitter, die cancerogen eingestuft.
der des Siliciums deutlich überlegen ist. Die Indium-III-antimonid (InSb) hat als undotiertes
Verbindung erzeugt man durch Erhitzen einer Material und bei Raumtemperatur die höchste
Mischung von Indium und rotem Phosphor in Elektronenbeweglichkeit von 78.000 cm2/(Vs)
stöchiometrischem Verhältnis unter Inertgas bei aller bekannten Halbleiter und wird darin nur
hoher Temperatur. Das Material ist feuchtigkeits- noch von Kohlenstoff-Nanoröhrchen übertroffen
empfindlich und setzt bei der Hydrolyse giftiges (Alexander-Webber et al. 2012). Man verwendet
Monophosphan frei, weshalb es als krebserregend es daher bevorzugt zur Produktion schneller elek-
eingestuft ist. tronischer Schalter (Rode 1971; Orton 2009). Die
Weitere Anwendungen liegen in Laserdioden, dunkelgrauen, metallisch aussehenden Kristalle
LEDs und optischen Detektoren. (s. Abb. 52a–c) schmelzen bereits bei 527  C
Analog stellt man den III-V-Verbindungshalb- und haben eine Dichte von 5,78 g/cm3. Die Band-
leiter Indium-III-arsenid (InAs) bei hoher Tempe- lücke ist bereits fast völlig verschwunden und
ratur aus den Elementen her. Der graue bis liegt bei 0,17 eV (27  C). Die Verbindung kann
schwarze Feststoff (s. Abb. 51a, b) schmilzt bei durch Schmelzen beider Metalle unter Inertgas in
942  C, hat die Dichte 5,68 g/cm3 und kristalli- stöchiometrischem Mengenverhältnis dargestellt
siert in der Sphalerit-Struktur, in der die Indiumio- werden.
nen in der Hälfte der tetraedrischen Lücken einer Eine zwischen zwei aus Aluminiumindiumanti-
kubisch-dichtesten Matrix aus Arsenidionen sit- monid bestehenden Schichten befindliche Schicht
zen. Die direkte Bandlücke der Verbindung liegt aus Indiumantimonid kann als „Quantenquelle“
bei nur noch 0,35 eV (27  C). Anwendungen zum Bau sehr schneller Transistoren dienen, wie
bestehen in der Elektronikindustrie, so in Laser- Feldeffekt- bzw. Bipolartransistoren mit höchsten
188 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Abb. 52 a Einkristall von Indium-III-antimonid (Alchemist-hp 2004). b Indium-III-antimonid (Stanford Advanced


Materials 2019). c Indium-III-antimonid (Onyxmet 2019)

Frequenzen bei 200 GHz bzw. 85 GHz. In der


Militärtechnik nutzt man Indium-III-antimonid als
Werkstoff für Infrarotsensoren (Avery et al. 1957).
Sonstige Verbindungen Reine, stöchiometrisch
zusammengesetzte Carbide, Silicide und Boride
des Indiums gibt es nicht. In Verbindung mit
dritten Elementen ist dies jedoch gelegentlich
möglich, wie die Charakterisierung der ersten
mit Platinmetallen erzeugten Boride (z. B. Indiu-
miridiumboride) In3Ir3B, In3Rh3B und In5Ir9B4 Abb. 53 Indium-III-sulfat 99,99 % (Onyxmet 2019)
zeigte (Klünter und Jung 2006). Deren Kristall-
struktur ist hexagonal, mit dreieckigen Prismen ums wird zu Indiumzinnoxid weiter verarbeitet, der
aus Platinmetallatomen in einer dreidimensiona- Rest geht in die Herstellung von III-V-Halbleitern
len Matrix aus Indiumatomen. Die Boratome wie- (Indiumphosphid, -arsenid).
derum sitzen im Inneren der aus den Atomen der Mit Indium beschichtete Metallteile sind vor
Platinmetalle gebildeten Prismen. Korrosion durch Säuren, Salzlösungen und Ab-
Indiumalkyle der Formeln InR3 und InR sind rieb gut geschützt, was früher für Gleitlager in
sehr empfindlich gegen Sauerstoff und Wasser. Automobilen oder Flugzeugen ausgenutzt wurde,
Man nutzt sie als Dotierungsreagenz bei der Pro- jetzt aber nicht mehr wirtschaftlich ist. Dünne aus
duktion von Halbleitern. Ausführlich wurden Indium bestehende Beschichtungen weisen eine
einige von ihnen bereits von Hartmann und starke Reflexion über den gesamten Wellenlän-
Lutsche (1962) beschrieben. genbereich hinweg auf.
Indium-III-sulfat [In2(SO4)3] ist durch Auflösen Da der Schmelzpunkt des Indiums sehr niedrig
von Indium, seinem Carbonat oder Oxid in über- liegt und exakt bestimmbar ist, ist er einer der
schüssiger Schwefelsäure erhältlich. Bei Anwendung Fixpunkte für die Temperaturskala, was bei der
stöchiometrischer Mengen an Schwefelsäure wird Kalibrierung in der dynamischen Differenzkalori-
nur basisches Sulfat gebildet. Es existieren sowohl metrie genutzt wird.
das wasserfreie, farblose Salz (s. Abb. 53) als auch Indium hat einen hohen Einfangquerschnitt für
einige Hydrate. Beim Erhitzen auf Temperaturen von Neutronen und ist als Komponente von in Kern-
440  C und höher spaltet die Verbindung Schwefel- kraftwerken verwendeten Steuerstäben von theore-
VI-oxid ab und geht in Indium-III-oxid über. tischem Interesse. Dichtungen von Kryostaten sind
wegen der guten Verformbarkeit des Metalls
Anwendungen Indium ist selten und teuer, hat manchmal aus Indium gefertigt. Zudem kann es
aber viele mögliche Anwendungen. Etwa zwei als eines der wenigen Metalle auch nichtmetallische
Drittel der gesamten Menge des produzierten Indi- Werkstoffe (Glas, Keramik) miteinander verlöten.
5 Einzeldarstellungen 189

Indium wirkt in seinen Legierungen stark


schmelzpunktssenkend. Trifft es mit ebenfalls Wisconsin, Inc., US 2019177218 A1,
niedrig schmelzenden Metallen wie Bismut, Zinn, veröffentlicht 13. Juni 2019)
Cadmium und Blei zusammen, können Schmelz- T. Ando und P. Hashemi, Stacked indium
punkte von unter 100  C realisiert werden (Green- gallium arsenide nanosheets on silicon
wood und Earnshaw 1988). Insbesondere ist with bottom trapezoid isolation (IBM,
Indium ein unbedenklicher Ersatzstoff für das US 2019157386 A1, veröffentlicht 23.
sehr giftige Blei. Derartige Legierungen des Indi- Mai 2019)
ums schmelzen bei erhöhter, z. B. durch Feuer G. H. Kirby und J. Wan, Compositions
verursachter Umgebungstemperatur und lösen so containing gallium and/or indium and
elektrische Schaltungen in Sprinkleranlagen und methods of forming the same (General
Thermostaten aus. Electric, US 2019144346 A1, veröffent-
licht 16. Mai 2019)
Toxizität Als Metall zeigt Indium zwar so gut C. Zhou und X. Cao, Systems and methods
wie keine toxischen Wirkungen, jedoch erwiesen for fabricating an indium oxide field-
sich gelöste Indiumverbindungen bei Ratten und effect transistor (University of Southern
Kaninchen als giftig für den Embryo und sind California, US 2019120788 A1, veröf-
zudem erbgutverändernd (Ungváry et al. 2000). fentlicht 25. April 2019)
Applikationen von Indiumionen während der ers- T. Yanasigawa und K. Konoike, Indium phos-
ten Schwangerschaftstage verstärkten bei den phide single crystal and indium phosphide
untersuchten Tieren die Wirkung noch. Bei Mäu- single crystal substrate (Sumitomo Electric
sen waren dagegen keine Missbildungen zu beob- Industries, TW 201907059 A, veröffent-
achten (Nakajima et al. 1998, 1999, 2000; Chapin licht 16. Februar 2019)
et al. 1995). In einigen Fällen wurde eine Toxizität Y. S. Lee und T. S. Gershon, Indium gallium
gegenüber Wasserorganismen festgestellt (Zurita arsenide surface passivation by sulfur
et al. 2007). vapor treatment (IBM, US 2019043713
In der Nuklearmedizin markiert man weiße A1, veröffentlicht 7. Februar 2019)
Blutkörperchen mit 11149In-markiertem Oxin zum N. Mercadier und A. Diguet, Method for
Zwecke szintigraphischer Aufnahmen (Meller rapid annealing of a stack of thin layers
2015; Thakur 1977). containing an indium overlay (Saint
Gobain, MX 2018004583 A, veröffent-
licht 21. Januar 2019)
Patente
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
wide.espacenet.com)
5.5 Thallium
K. O. Lee und Y. Li, Indium solder metal-
lurgy to control electro-migration (Intel Geschichte Crookes (Kurzbiografie siehe „Eu-
Corp., US 2019189582 A1, veröffent- ropium“) entdeckte Thallium 1861 im Bleikam-
licht 20. Juni 2019) merschlamm einer Fabrik zur Produktion von
C. S. Mohapatra und A. S. Murthy, Indium- Schwefelsäure, als er den Rückstand spektroko-
rich NMOS transistor channels (Intel pisch untersuchte und dabei die für Thallium
Corp., US 2019189505 A1, veröffent- typische grüne Spektrallinie bei 535 nm nach-
licht 20. Juni 2019) wies. Den Namen erhielt das Element abgeleitet
A. C. Fisher und K. Gundlach, Bismuth- vom altgriechischen Wort θαλλóς (thallós‚ grü-
indium alloy for liquid-tight bonding of ner Zweig). Zur gleichen Zeit stellte Lamy
optical windows (Pike Technology of das Metall erstmals, auf elektrolytischem Wege,
dar.
190 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Verwendung von Elektroden aus Platin oder rost-


Der französische Chemiker und Physiker freiem Stahl (Downs 1993, S. 90, 106).
Claude Auguste Lamy ( 15. Juli 1820
Ney; † 20. März 1878 Paris) arbeitete ab Eigenschaften Das im Periodensystem zwi-
1854 als Professor für Physik an der Uni- schen Quecksilber (Ordnungszahl: 80) und Blei
versität in Lille und ab 1865 an der École (Ordnungszahl: 82) stehende Thallium ist wie
Centrale in Paris als Professor für Chemie. diese ein äußerst giftiges Schwermetall, das weich
Lamy entdeckte 1862 das neue Element und hämmerbar ist. Wie Blei hat es einen sehr
Thallium unabhängig von Crookes (Lamy niedrigen Schmelzpunkt um 300  C (s. Tab. 6).
und Cloizeaux 1869).
Frische Schnittflächen sind hochglänzend, über-
ziehen sich aber nach kurzer Zeit mit einer blau-
Vorkommen Thallium ist ziemlich selten; dem- grauen Oxidschicht. An feuchter Luft korrodiert
zufolge gibt es auch nur sehr wenige thalliumhal- Thallium stark (siehe Foto), da sich an sei-
tige Mineralien wie Crookesit (Cu7TlSe4, meist ner Oberfläche Thallium-I-hydroxid, eine starke
Schweden und Russland), Lorándit (TlAsS2, Base, bildet. Von Schwefel- und Salpetersäure
USA) oder Hutchinsonit (TlPbAs5S9, Schweiz), wird es schnell gelöst, nicht aber von Salzsäure,
die aber wegen ihrer geringen Mengen nicht für da dabei an der Metalloberfläche eine schwer lös-
eine Produktion des Metalls ausreichen (Guber- liche Schicht aus Thallium-I-chlorid (TlCl) ent-
man 2010). Nur im südlichen Mazedonien exis- steht. In Alkalilaugen ist Thallium nicht löslich.
tiert eine Mine (Alchar), die noch über ein Poten- Im Gegensatz zu seinen niedrigeren Homolo-
zial von ca. 500 t Thallium verfügt; in dieser baute gen Indium, Gallium und namentlich Aluminium
man früher Thalliumminerale auch ab (Janković tritt Thallium bevorzugt mit der Oxidationszahl
1988). Sogar in den auf dem Meeresboden gefun- +1 auf, jedoch sind auch +3 und -seltener- +2
denen Manganknollen konnte man das Vorhan- möglich. Thallium erscheint daher als Begleiter
densein von Thallium nachweisen. In der „sicht- in vielen Mineralien für Kationen der jeweiligen
baren“ Erdkruste kommt Thallium aber oft nur als Oxidationszahl. Insbesondere ähnelt das Tl+-Ion
Begleiter in Tonen und Graniten vor. Die jährliche stark dem K+- und dem Ag+-Ion, da die Ionenra-
Produktionsmenge ist mit 10 t gering, weshalb dien vergleichbar groß sind. Thallium-I-carbonat
sein Anfall als Nebenprodukt bei der Verhüttung (Tl2CO3) ist das einzige leicht wasserlösliche
von Kupfer, Zink und Eisen genügt (Guberman Schwermetallcarbonat (vergleiche Kaliumcarbo-
2010). nat), Thallium-I-hydroxid (TlOH) eine starke
Das Isotop 20581Tl ist das Endprodukt der Base (wie auch Alkalihydroxide), und die Thal-
Neptunium-Zerfallsreihe und wird durch α-Zer- lium-I-halogenide sind schwer löslich in Wasser;
fall des Isotops 20983Bi gebildet. Dieses hat jedoch letzteres erinnert an die Eigenschaften der Silber-
mit 1,9  1019 a eine sehr lange Halbwertszeit und halogenide.
trägt daher, auch über sehr lange Zeiträume gese- Mit Halogenen reagiert Thallium schon bei
hen, kaum zur Erhöhung des Anteils von 20581Tl Raumtemperatur, teils sogar heftig. Namensge-
in der Erdkruste bei. bend für Thallium war die intensiv grüne Färbung
der Flamme (Emission bei 535 nm), die von Thal-
Gewinnung Metallisches Thallium wird meist lium oder seinen Verbindungen verursacht wird
als Nebenprodukt beim Schmelzen und Rösten (gr. thallós: grüner Zweig).
von Blei- und Zinkerzen durch Ausfällen mit Zink
gewonnen. Thallium trennt man daher entweder Verbindungen
aus dem Flugstaub oder aber aus den Schlacken Chalkogenverbindungen Thallium-I-hydroxid (TlOH)
der Schmelze durch Auslaugen mittels Schwefel- scheidet sich bei der Zersetzung von Thallium-
säure ab. Durch aufeinander folgende Fällungs- ethanolat durch Wasser aus (Brauer 1975, S. 883).
und Löseprozesse reinigt man das Metall weiter, Die Verbindung ist ebenfalls durch Umsetzung
schließlich gewinnt man es elektrolytisch unter von feinverteiltem Thallium mit Luftsauerstoff
5 Einzeldarstellungen 191

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Thallium


Symbol: Tl
Ordnungszahl: 81
CAS-Nr.: 7440-28-0

Aussehen: Silbrig-weiß, Thallium, unter Thallium, an Luft


glänzend Luftabschluss korrodiert
(Oelen 2011) (Dschwen 2006)
Entdecker, Jahr Crookes (England), 1861
Lamy (Frankreich), 1861 (Lamy 1862; James 1984)
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
203
81Tl (29,524) Stabil ———
205
81Tl (70,476) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,29
Atommasse (u): 204,38
Elektronegativität 1,62 ♦ k.A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: Tl+ + e > Tl (V) 0,336
Atomradius (pm): 190
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 196
Kovalenter Radius (pm): 145
Ionenradius (Tl3+ ♦ Tl+, pm) k. A. ♦ 95
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d10 6s2 6p1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 589 ♦ 1971 ♦ 2878
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,7  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 6,67  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 8 ♦ 43 ♦ 2,8
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): – ♦ 26,5–44,7
Mohs-Härte 1,2
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 818
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 11,85
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 17,22  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 46
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,32
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 304 ♦ 577
Schmelzwärme (kJ/mol): 4,2
Siedepunkt ( C ♦ K): 1460 ♦ 1733
Verdampfungswärme (kJ/mol): 162

in Ethanol darstellbar, oder aber durch Vereini- Zersetzung. Die bei Raumtemperatur vorliegen-
gung wässriger Lösungen von Thallium-I-sulfat den Kristallnadeln monokliner Struktur (Siidra
und Bariumhydroxid. et al. 2010) färben sich leicht dunkel und sind in
Das farblose bis gelbe Thallium-I-hydroxid (Eag- Wasser und Ethanol löslich. Gesättigte wässrige
leson 1994, S. 1088) hat die Dichte 7,44 g/cm3 und Lösungen der Verbindung greifen Glas in der
schmilzt bei einer Temperatur von 139  C unter Hitze stark an. Thallium-I-hydroxid und seine
192 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

stark basische wässrige Lösung nehmen aus der


Luft schnell Kohlendioxid auf und gehen in
Thallium-I-carbonat über (Holleman et al. 2016,
S. 1398; Rich 2007, S. 321). Oberhalb von 140  C
gibt Thallium-I-hydroxid Wasser unter Bildung
von Thallium-I-oxid ab. Sauerstoff oxidiert die
Verbindung zu Thallium-III-oxid.
Man verwendet Thallium-I-hydroxid als Kata-
lysator für Suzuki-Kupplungen (Yamamoto und
Oshima 2006, S. 404) und auch zur Detektion von Abb. 54 Thallium-III-oxid 99,9 % (Onyxmet 2019)
Ozon, da sich ein mit einer wäßrigen Lösung der
Verbindung getränktes Papier bei Anwesenheit Einleiten von Schwefelwasserstoff in wässrige
von Spuren von Ozon infolge der Bildung des Lösungen von Thallium-I-salzen oder auch in
Thallium-III-oxids braun färbt. eine ethanolische Lösung von Thalliumethanolat
Thallium-I-oxid (Tl2O) entsteht durch Erhitzen (Brauer 1975, S. 884; Schmidt und Rüdorff 1972).
von Thallium-I-hydroxid auf 140  C oder durch Das schwarze Pulver ist in Wasser unlöslich,
thermische Zersetzung von Thallium-III-oxid bei schmilzt (unter Inertgas) bei einer Temperatur
700  C unter Ausschluss von Luft (Aldridge und von 448  C und hat eine Dichte von 8,39 g/cm3.
Downs 2011, S. 325). Der stark hygroskopische, Die Verbindung kristallisiert hexagonal (Raum-
schwarze Feststoff ist leicht in Wasser unter Bil- gruppe 146) (Giester et al. 2002) und kommt auch
dung des stark basischen Thallium-I-hydroxids in der Natur als Mineral Carlinit vor.
löslich und kristallisiert im trigonalen Anti-Cad- Halogenverbindungen Thallium-III-fluorid (TlF3)
miumiodid-Typ (Raumgruppe 166; Sabrowsky stellt man durch Umsetzung von Thallium-III-
1971; D’Ans und Lax 1997, S. 776). Die Verbin- oxid mit Fluor, Bortrifluorid oder Schwefel-IV-
dung schmilzt bei 579  C (Siedepunkt der Schmel- fluorid her (Brauer 1975, S. 242; Sahoo et al.
ze: 1080  C) und hat die Dichte 9,52 g/cm3. 2012, S. 263). Der weiße, sehr feuchtigkeitsemp-
Thallium-III-oxid (Tl2O3) kommt in der Natur findliche Feststoff der Dichte 8,36 g/cm3 schmilzt
als seltenes Mineral Avicennit vor. Synthetisch bei 550  C unter Zersetzung und hydrolysiert in
erhält man es durch Einleiten von Chlor in die Wasser augenblicklich (Zuckerman 2009a, b,
wässrige Lösung einer Mischung von Thallium-I- S. 485). Ebenso zersetzt sich Thallium-III-fluorid
nitrat und Kaliumhydroxid, wobei hydratisiertes beim Erhitzen an der Luft, nur in einer Fluoratmo-
Thallium-III-oxid ausfällt, das man im Vakuum sphäre bleibt es stabil. Seine Kristallstruktur ist
zur wasserfreien Form entwässern kann (Aldridge orthorhombisch (Hebecker und Hoppe 1966;
und Downs 2011, S. 286; Brauer 1978, S. 884): Paetzold 2009, S. 204).
Thallium-I-fluorid (TlF) ist durch Umsetzung
2 TlNO3 þ 6 KOH þ 2 Cl2 ➔ Tl2 O3 # von Fluorwasserstoff mit Thallium-I-carbonat
þ 2 KNO3 þ 4 KCl þ 3 H2 O darstellbar (Brauer 1978, S. 876). Die glänzenden,
weißen Kristalle der Dichte 8,36 g/cm3 schmelzen
bei einer Temperatur von 327  C (Siedepunkt:
Der braune bis schwarze Feststoff (s. Abb. 54) 655  C) und haben orthorhombische Kristall-
ist in Wasser praktisch unlöslich und kristallisiert struktur (Raumgruppe 28). Die Verbindung ist
in einer „defekten“ Calciumfluorid-Struktur. Bei nicht hygroskopisch und löst sich in Wasser mit
hohen Temperaturen bzw. Drücken (500  C und alkalischer Reaktion. Prinzipiell ist das Salz als
65 kbar) geht die Kristallstruktur in die den Katalysator zur Synthese von Fluorcarbonsäure-
Korund-Typ über. Thallium-III-oxid ist ein mäßig estern einsetzbar.
starkes Oxidationsmittel. Das Tetrahydrat des Thallium-III-chlorids (TlCl3)
Thallium-I-sulfid (Tl2S) erzeugt man entweder gewinnt man durch Reaktion von Thallium-I-chlorid
durch Zusammenschmelzen der Elemente, durch mit Chlor und Wasser (Brauer 1975, S. 877):
5 Einzeldarstellungen 193

TlCl þ Cl2 þ 4 H2 O ➔ TlCl3  4 H2 O Das Tetrahydrat des Thallium-III-bromids (TlBr3)


erhält man, wenn eine wässrige Suspension von
Das Hydrat ist nur durch gemeinsames Erhit- Thallium-I-bromid mit Brom bei 30–40  C behan-
zen mit Thionylchlorid oder Phosgen zu entwäs- delt wird (Brauer 1975, S. 874). Das wasserfreie
sern, wenn man eine Hydrolyse des Materials Salz ist instabil, daher kommt die Verbindung nur
vermeiden will. Direkt ist das wasserfreie Salz in Form ihres Tetrahydrats vor. Der gelbliche
durch Einwirkung von Nitrosylchlorid auf metal- Feststoff der Dichte 3,65 g/cm3 schmilzt bei
lisches Thallium zugänglich: 40  C, beginnt aber schon unterhalb dieser Tem-
peratur Brom abzugeben, um selbst in dunkelgel-
Tl þ 3 NOCl ➔ TlCl3 þ 3 NO bes Thallium-I,III-bromid überzugehen (Holle-
man et al. 2016, S. 1393). Alkalibromide lagert
Der stark hygroskopische, monoklin kristalli- es unter Entstehung verschiedener Bromokomple-
sierende Feststoff der Dichte 4,7 g/cm3 ist in xe, wie etwa Rb(TlBr4) oder Rb3(TlBr6), an.
Wasser, Ethanol und Ether sehr leicht löslich Gelegentlich setzt man wässrige Lösungen der
und beginnt sich oberhalb einer Temperatur von Verbindung in der organischen Chemie als starkes
155  C unter Abgabe von Chlor zu zersetzen. Die Oxidationsmittel ein (Downs 1993, S. 137).
Kristalle des Tetrahydrats zerfließen an feuchter Das schwach grüngelbe Thallium-I-bromid
Luft; die wässrige Lösung reagiert stark sauer. (TlBr) stellt man analog durch Einwirkung von
Seine Lösung reagiert infolge Hydrolyse stark Bromwasserstoff(säure) auf Thallium-I-sulfat
sauer, beim Verdünnen oder bei Zugabe von oder -nitrat her (Brauer 1978, S. 876). Auch
Basen fällt braunes Thallium-III-oxid-hydrat aus. Thallium-I-bromid ist nur in sehr geringer Menge
Generell sind Lösungen von Thallium-III-chlorid in Wasser löslich, hat die Dichte 7,5 g/cm3,
starke Oxidationsmittel und werden daher in der schmilzt bzw. siedet bei 456  C bzw. 815  C und
Synthesechemie eingesetzt (Downs 1993, S. 137). ist wie das Chlorid stark lichtbrechend (n20D:
Das Auflösen von Thallium-I-sulfat oder -nitrat in 2,418). Lichteinwirkung bewirkt Dunkelfärbung,
Salzsäure ergibt Thallium-I-chlorid (TlCl) (Brauer die Struktur des Kristallgitters entspricht der
1978, S. 876). Die weiße (s. Abb. 55), in Wasser des Cäsiumchlorids. In Form von mit Thallium-
schwer lösliche Verbindung hat die Dichte 7,0 g/cm3, I-iodid gebildeten Mischkristallen setzt man Thal-
schmilzt bzw. siedet bei 430  C bzw. 806  C und ist lium-I-bromid als Thalliumbromidiodid bei der
in Form von Einkristallen stark lichtbrechend (n20D: abgeschwächten Totalreflexionsspektroskopie ein
2,247). Thallium-I-chlorid kristallisiert im Gitter des (Hollas 1995, S. 59).
Cäsiumchlorid-Typs und färbt sich bei Einwirkung Thallium-I-iodid (TlI) erhält man bei der Ver-
von Licht langsam violett. Man kann es zur Dar- einigung wässriger Lösungen von Thallium-I-sul-
stellung von Thallium-Cyclodiphosphazanen ver- fat und Kaliumiodid (Brauer 1978, S. 876) als
wenden oder in Form des isotopenreinen 201TlCl schwer in Wasser löslichen, gelben Niederschlag
in der Myokardszintigrafie. (s. Abb. 56). Die Verbindung schmilzt bzw. siedet

Abb. 55 Thallium-I-chlorid (Onyxmet 2019) Abb. 56 Thallium-I-iodid (Onyxmet 2019)


194 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

bei 440  C bzw. 824  C und hat eine Dichte von den als wichtig zum möglichen Aufbau sehr
7,29 g/cm3. Unterhalb einer Temperatur von dünner Nanomaterialien oder -röhrchen ange-
168  C kristallisiert das gelbe Thallium-I-iodid sehen. Als am vielversprechendsten erwies sich
orthorhombisch, oberhalb von 168  C ist es rot Thalliumnitrid. Unterstützt wurden die Resultate
mit der Struktur des Cäsiumchlorids (Holleman durch die jeweils registrierten Infrarot- und Ra-
et al. 2016, S. 1393). manspektren (2017).
Thallium-I-triiodid (Tl  I2) erzeugt man durch Durch Absputtern einer Oberfläche metalli-
Kochen einer Suspension von Thallium-I-iodid schen Thalliums unter Stickstoff konnte Shagi-
mit Iod in wasserfreiem Methanol (Brauer 1975, nyan Thallium-III-nitrid (TlN) in Form sehr dün-
S. 882). kann durch Reaktion von Thallium(I)- ner Filme erzeugen. Als Struktur wurde die des
iodid mit Iod in kochendem Methanol gewonnen Wurtzits bestimmt. Danach ist Thallium-III-nitrid
werden. Eine andere Darstellungm ethode geht von ein degenerierter Halbleiter mit einer direkten
Iod, Iodwasserstoff und Thallium-I-iodid aus Bandlücke von 1,5 eV, einem Widerstand ρ von
(Sharpe 1952). Der schwarze Feststoff ist unlöslich 1,2  103 Ω cm und einem Hall-Koeffizienten
in Wasser und verliert die eingelagerten Iodmole- von ca. 3,7  109 m3 qul1. An ihrer Ober-
küle sehr leicht, hierzu genügt schon das Behan- fläche oxidiert die Verbindung leicht zu Thallium-
deln mit Wasser, Ether, einer Kaliumiodidlösung, III-oxid, da Thalliumionen eine viel stärkere Affi-
Ethanol oder Tetrachlorkohlenstoff. Im Festkörper nität zu Sauerstoff als zu Stickstoffatomen haben.
kristallisiert es orthorhombisch (Aldridge und Unter Vakuum oder Stickstoff sind Filme aus
Downs 2011, S. 318; Tebbe und Georgy 1990). Thallium-III-nitrid stabil. Offenbar liegen in den
Thalliumbromidiodid [Tl(Br,I)] (KRS-5) ist Kristallstrukturen der Filme eher TlN-Moleküle
eine Mischkristallverbindung aus Thallium-I-bro- und Cluster vor (2019).
mid und -iodid. Das in der optischen Industrie Ebenso sind Thallium-I-phosphid (Tl3P) und
eingesetzte Thalliumbromidiodid schmilzt bei Thallium-I-arsenid (Tl3As) kristalline Halbleiter.
414  C und hat die Dichte 7,37 g/cm3. Die Kris- Mit Hilfe der Dichtefunktionstheorie untersuch-
tallstruktur des roten Salzes ist kubisch und isotyp ten Belacel et al. 2018 die Struktur und Eigen-
zur Struktur des Cäsiumchlorids. Einkristalle der schaften von Mischkristallen aus Thallium-III-
Verbindung weisen hohe Brechungsindices auf, und Gallium-III-phosphid und deren Legierungen.
die bei Wellenlängen von 500 bzw. 50000 nm In letzteren und in übergeordneten „Supergittern“
bei 2,73 bzw. 2,15 liegen. Thalliumbromidiodid treten die sonst üblichen Probleme schwacher opti-
hat einen über einen sehr großen Wellenlängenbe- scher Übergänge in indirekten Halbleitern nicht
reich (2000–50.000 nm) konstant hohen Trans- auf. Thalliumcarbid, -silicid und -borid sind noch
missionsgrad und ist damit für Anwendungen in nicht beschrieben.
der Infrarotspektroskopie geeigneter als Quarz- Thallium-I-carbonat (Tl2CO3) erhält man
glas (Transmissionsfenster kleiner) oder Diamant durch Einleiten von Kohlendioxid in eine heiße
(zu teuer). In Wasser ist es kaum löslich, dafür wässrige Lösung von Thallium-I-hydroxid (Brau-
aber in einigen polaren, organischen Lösungsmit- er 1975, S. 887). Das farblose bis hellsandfar-
teln. Da es Infrarotlicht gut durchlässt, fertigt man bene (s. Abb. 57), leicht in Wasser lösliche und
daraus Fenster, Linsen und Filter für Infrarotka- damit giftige Salz bildet nadelförmige Kristalle
meras oder -spektrometer. Bei der ATR-Spek- monokliner Struktur; jene ist bei hohen Drücken
troskopie wird die abgeschwächte Totalreflexion nicht mehr stabil (Grzechnik und Friese 2010).
zur Untersuchung der Eigenschaften von Oberflä- Die wässrige Lösung reagiert stark basisch. Beim
chen eingesetzt. Erhitzen an der Luft ist die Verbindung bis hinauf
Sonstige Verbindungen Thalliumpnictogenide zu einer Temperatur von 175  C beständig. Ein
[TlX]2n+1H2n+4 (X = N, P, As; n = 1–5) unter- mögliches Einsatzgebiet ist das der Herstellung
suchten Shah und Roy auf Cluster hexagonaler künstlicher Diamanten (Krebs 2006).
Struktur im Kristallgitter mittels Dichtefunktions- Thallium-I-nitrat (TlNO3) erhält man durch
theorie. Die hexagonalen Struktureinheiten wer- Auflösen von Thallium, Thallium-I-hydroxid
5 Einzeldarstellungen 195

Abb. 57 Thallium-I-carbonat (Onyxmet 2019) Abb. 59 Thallium-I-sulfat (Onyxmet 2019)

632  C. Beim Erhitzen spaltet die Verbindung


Schwefel-VI-oxid ab. Früher war es überall weit
verbreitet als Rattengift im Einsatz, heute ist seine
Verwendung nur noch unter Auflagen und im
Haus selbst gestattet. Mittlerweile gibt es aber
Ersatzprodukte, die eine geringere Umweltgefähr-
lichkeit besitzen.

Anwendungen Früher wurde Thallium-I-sulfat


Abb. 58 Thallium-I-nitrat (Onyxmet 2019)
oft als Rattengift eingesetzt, ist aber wegen seiner
starken Giftwirkung auf Menschen in vielen Län-
oder -carbonat in Salpetersäure. Der hygroskopi- dern für diesen Zweck verboten.
sche, farblose Feststoff (s. Abb. 58) schmilzt bei Legierungen mit Quecksilber haben Schmelz-
206  C (Siedepunkt der Schmelze: 430  C) und punkte bis herab zu 58  C. Eine Legierung der
hat eine Dichte von 5,55 g/cm3. Zusammensetzung Hg0,8Tl0,2Ba2Ca2Cu3O8 hält
Die Verbindung zersetzt sich beim Erhitzen seit 1994 den Rekord für „Hochtemperatur-Su-
unter Bildung nitroser Gase und von Thallium- praleiter“ mit einer Sprungtemperatur von 135  C
oxiden. Man setzt Thallium-I-nitrat bei der Pro- (138 K) (Sun et al. 1994).
duktion von Faseroptiklinsen ein. In der Optik verwendet man es als Zusatz in
Thallium-III-nitrat [Tl(NO3)3] ist durch Auf- tiefschmelzenden und/oder in infrarotdurchlässigen
lösen von Thallium-III-oxid in Salpetersäure bei Gläsern und solchen mit hohem Brechungsindex.
einer Temperatur von 80  C erhältlich (Traha- In der Medizin injiziert man mit 20181Tl mar-
novsky 2012, S. 140). Beim Erhitzen zersetzt sich kierte Tracer intravenös.
die farblose Substanz oberhalb ihres Schmelz- Das halbleitende, in Thermoelementen eines
punktes von 102  C unter Bildung von Thallium- Temperaturbereiches von 200–600  C eingesetzte
III-oxid und nitrosen Gasen (Riedel und Janiak Blei-II-tellurid wird mit Thallium zwecks Steige-
2011, S. 598). Man setzt Thallium-III-nitrat bei rung der Wirksamkeit dotiert (Bullis 2008).
einigen organischen Synthesen ein, so zur Her-
stellung von Carbonylverbindungen aus Thioace- Toxizität Gelöstes, chemisch gebundenes Thal-
talen oder Styrolderivaten oder bei der stereose- lium wird im Körper über den Magen-Darm-Trakt
lektiven Ringerweiterung cyclischer Ketone. oder die Lunge aufgenommen. Tl3+-Ionen werden
Thallium-I-sulfat (Tl2SO4) erhält man durch dabei schnell zu Tl+ -Ionen reduziert; jenes gelangt
Auflösen von Thallium in Schwefelsäure (Brauer über den Blutkreislauf zügig in die Organe. Da Tl+
1978, S. 886). Der weiße, geruch- und farblose einen zu K+ vergleichbaren Ionenradius besitzt, hat
Feststoff (s. Abb. 59) hat die Dichte 6,77 g/cm3, es auch zu diesem ähnliche chemische Eigenschaf-
kristallisiert orthorhombisch und schmilzt bei ten und wird wie dieses im Organismus verteilt.
196 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Vor allem in Nieren, Leber und Dickdarm reichert


sich Thallium, aber auch in Knochen, Haaren und M. Chen, Remediation for thallium metal
Finger- bzw. Fußnägeln an. Eine relativ wirksame polluted soil and preparation method of
und einigermaßen folgenlose Entgiftung ist nur remediation agent (Zhejiang Sino Geo
durch Verabreichung einer wässrigen Lösung Clean Soil Co., Ltd., CN 109486496 A,
von Eisen-III-hexacyanoferrat-II möglich. Das veröffentlicht 19. März 2019)
über die Galle ausgeschiedene Tl+ wird so che- X. Huangfu et al., Method for removing
misch gebunden, unschädlich gemacht und schließ- metal thallium in wastewater (University
lich über den Kot ausgeschieden. of Chongqing, CN 109437386 A, ver-
Die Ursache der Giftwirkung beruht wie beim öffentlicht 8. März 2019)
Quecksilber und Blei auf einer Zerstörung schwe- Y. Wu und T. Xiao, Thallium bromide pre-
felhaltiger Enzyme und Aminosäuren infolge Bil- paration method based on interface action
dung wasserunlöslichen Schwermetallsulfids. Die (University of Guangzhou, CN 1088
tödliche Dosis für Erwachsene beträgt ein knappes 62375 A, veröffentlicht 23. November
Gramm. Eine akute Vergiftung beginnt meist mit 2018)
unregelmäßigem Stuhlgang und setzt sich nach eini- M. Berheide und C. Huiszoon, Nuclear well
gen Tagen mit Haarausfall fort. Danach treten neu- logging tool with at least one gamma-ray
rologische und psychische Störungen auf, die sich scintillation detector employing a thallium-
beispielsweise als übermäßige Schmerzwahrneh- based scintillator material (Schlumberger
mung an Extremitäten äußern. Im weiteren Fortgang Technology Corp., WO 2018183006 A1,
der Vergiftung stellt sich als Folge der Lähmung von veröffentlich 4. Oktober 2018)
Hirnnerven eine erhebliche Beeinträchtigung des J. Ballantyne et al., Improved means for the
Sehvermögens ein, auf die schwere Herzrhyth- extraction of rare metals such as thallium
musstörungen folgen. Als Endstufe dieses Erkran- and radioactive metals from lead ores
kungsbildes tritt der Tod ein. Thalliumverbindun- and production of a white pigment
gen dienten ebenso wie die des Bleis, Quecksilbers (Deutsche Felsenöl-Gesellschaft Fran-
und Arsens als „zuverlässig wirkende“ Gifte, mit zen Co., AU 1030313 B1, veröffentlicht
denen Menschen ermordet wurden (Emsley 2006). 27. August 1913)
Wird eine akute Vergiftung überstanden, so
besteht immer noch das Risiko einer Darmperfo-
ration, von bleibenden Nervenschäden, Muskel-
schwund sowie verringerter geistiger Leistungs- 5.6 Nihonium
fähigkeit. Die Körperbehaarung entwickelt sich
nach wenigen Monaten wieder neu. Geringere Geschichte Die erstmalige Darstellung von Ato-
Mengen führen zu einer chronischen Vergiftung, men des Nihoniums soll im Sommer 2003 in
die längere Zeit unerkannt bleiben kann (eventuell Dubna erfolgt sein. Amerikanische und russische
sind Mees-Nagelbänder zu beobachten), dies Physiker beschossen dort 24395Am-Kerne mit
48
weist dann allerdings meist auf eine beabsichtigte 20Ca-Isotopen (Dmitriev et al. 2005; Oganes-
Vergiftung hin, da eine natürliche Aufnahme toxi- sian et al. 2005). Nahezu zeitgleich, im September
scher Mengen kaum gegeben ist. 2003, führte die Arbeit eines japanischen Teams
Für Thallium wurde noch keine biologische zum ersten Erfolg, das am Riken Nishina Center
Funktion bestätigt. in Wakō unter Leitung von Kōsuke Morita tätig
war. [Diese Arbeitsgruppe untersuchte schon seit
längerem Kaltfusionen. Morita und sein Team be-
Patente
stätigten 2001 etwa die Darstellungswege der
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world vom Helmholtzzentrum für Schwerionenfor-
wide.espacenet.com) schung (GSI) entdeckten Elemente 108, 110,
111 und 112.] Zur Erzeugung von Isotopen des
5 Einzeldarstellungen 197

Elements 113 wählte man am Riken die Bombar- noch höherer Elemente im Jahr 2011 und erkannte
dierung von 20983Bi- mit 7030Zn-Kernen, da zu auch die Zusammenarbeit des Vereinigten In-
erwarten war, dass die so dargestellten Isotope stituts für Kernforschung (JINR, Dubna) mit
des Elements 113 unter α-Zerfall zu bekannten dem Lawrence Livermore National Laboratory
Nukliden (wie 266107Bh) zerfallen würden. Im Juli (LLNL, Berkeley CA) zur Entdeckung von Nukli-
2004 erhielt die Gruppe das erste Nuklid 278113 den der Elemente 114 und 116 an, nicht aber deren
(Rudolph et al. 2013; Morita et al. 2004): Ansprüche zur Entdeckung der Elemente 113, 115
und 118. Riken kritisierte, dass nur sehr wenige
209
83 Bi þ 70
30 Zn ➔ 279 113  ➔ 278 113  þ 1
0n Atome der jeweiligen Elemente dargestellt wor-
den seien und dies wegen des Fehlens von durch
Insgesamt registrierte das Riken-Team direkt Zerfall gebildeten Tochternukliden oder auch
nach dieser Kernfusion vier vom Isotop 278113 Überkreuz-Reaktionen nicht genügend beweis-
ausgehende und nacheinander ablaufende α-Zer- bar sei.
fälle; dies lief über 274111Rg, 270109Mt, 266107Bh Im August 2012 erhielten Morita et al. nach
und schließlich 262105Db, das dann durch spon- mehr als einjähriger Bestrahlung von Nukliden
tane Spaltung zerfiel. des Bismuts mit Zinkkernen nach oben genann-
Die Existenz des in obiger Reihe genannten, ter Fusion ein weiteres Atom des Elements
durch Zerfall gebildeten Isotops 266107Bh wies das 113 (278113) (Morita et al. 2012). Dessen Kette
Riken-Team durch dessen Synthese nach, indem des α-Zerfalls ging bis hinunter zum 254101Md,
sie 24896Cm-Nuklide mit 2311Na bombardierten das einen dann Elektroneneinfang zum 254100Fm
(Morita et al. 2009). durchlief, bevor jenes dann wieder einen α-Zerfall
Das kombinierte amerikanisch-russische Team zum relativ langlebigen (13 a) 25098Cf-Nuklid erlitt.
versuchte dagegen, mit Hilfe der Bombardierung Die oben ebenfalls schon beschriebene Fusion
von 24997Bk durch 4820Ca Nuklide des Elements von Berkelium- und Calciumatomen wurde im
117 darzustellen, von denen man annahm, dass sie JINR sowohl 2012 als auch 2013 mit überein-
unmittelbaren α-Zerfall zu solchen der Elemente stimmenden Ergebnissen wiederholt, ebenso ge-
115 und 113 erleiden würden. Dies wäre ein wei- schah dies 2014 beim GSI.
terer Beweis für die Existenz eines Isotops des Im Dezember 2015 veröffentlichte die IUPAC
Elements 113 gewesen. Die Experimente lieferten die Zusammenfassung eines Berichtes ihrer Ar-
dann auch zwei Isotope des Elements 117, die den beitsgruppe JWP (Joint Working Party), in dem
zuvor angenommenen Zerfallsweg einschlugen die Entdeckung des Elements 113 Riken zuer-
(Forsberg et al. 2016; Oganessian et al. 2010; kannt wurde, wogegen man der aus Mitgliedern
Barber et al. 2011): des JINR und des LLNL bestehenden Arbeits-
gruppe die erstmalige Darstellung der Elemente
249
97 Bk þ 48
20 Ca ! 297
117  ! 294
117 115, 117 und 118 anerkannte. Die IUPAC ent-
þ3 0 n ! ðαÞ
1 290
! ðαÞ 286 schied sich für eine schnelle Veröffentlichung
115 113
der zunächst internen Mitteilung, weil hierüber
bereits in japanischen Medien berichtet wurde.
249
97 Bk þ 48
20 Ca ! 297
117  ! 293
117
Das JINR bezeichnete die Entscheidung der IU-
289 285
þ4 0 n ! ðαÞ
1
115 ! ðαÞ 113 PAC zugunsten von Riken als „unerwartet“, weil
man dort glaubte, früher als Riken die wesent-
Diese neu dargestellten Isotope 285113 und lichen Versuche durchgeführt zu haben.
286
113 deckten sich jedoch nicht mit den früher Die offizielle Begründung der JWP erfolgte im
beanspruchten 282113, 283113 und 284113, so dass Januar 2016. Danach seien zwar die Zerfallsener-
diese Reaktion nicht zur Bestätigung der damals gien der einzelnen Nuklide in der vom Isotop
278
erhobenen Befunde herangezogen werden konnte. 113 ausgehenden Kette inkonsistent, jedoch sei
Die Gruppe um Morita veröffentlichte ihre deren Summe plausibel. Dies aber auch nur unter
Ergebnisse auch zur Erzeugung von Isotopen der stark hervorgehoben Annahme, dass die Ener-
198 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

gien sowohl des Ausgangsnuklids 278113 als auch Ununpentium genannten Elements 115 erleiden
des am Ende resultierenden Kerns 262105Db in jeweils α-Zerfall zu den Isotopen 283113Nh und
284
allen drei Versuchen dieselben gewesen wären 113Nh des Nihoniums (Oganessian et al. 2004,
bzw. hätten sein müssen. Die JWP bemängelte 2005).
im gleichen Bericht auch, dass das aus JINR und 2004 beschossen Forscher der Arbeitsgruppe
LLNL bestehende Team bei ihrer von 2004 bis um Morita im Riken Bismut- (20983Bi) mit Zink-
2007 datierenden Kooperation die Ordnungszahlen kernen (7030Zn); Resultat war ein einziges Atom
der Elemente 113 und 115 nicht durch hinrei- des Nihoniums (278113Nh). Acht Jahre später
chende Versuche bestätigt habe (Karol et al. erhielt diese Gruppe dasselbe Atom des Niho-
2016). Infolgedessen erhielt das Riken das Erst- niums im Zuge eines neuerlichen Experiments
benennungsrecht für das neue Element zugespro- wieder und wies es auch durch dessen sechs auf-
chen, das dann seinen Namen nach dem Land einander folgende α-Zerfälle nach, die bis zum
erhielt, in dem Riken die ihm zugrunde liegenden Isotop 254101Md führten (Morita et al. 2004,
Kernfusionen durchgeführt hatte. 2012; Chowdhury et al. 2007).

Eigenschaften Nihonium ist das schwerste Ele-


Der japanische Kernphysiker Kōsuke ment der dritten Hauptgruppe. Es soll sich in
Morita (森田 浩介,  23. Januar 1957 Ki- einigen Eigenschaften von seinen leichteren Ho-
takyushu) arbeitet zur Zeit als Professor an mologen unterscheiden, was auf relativistischen
der Universität von Kyushu und als Leiter Effekten beruht. Die Elektronen in der Hülle
der Forschungsgruppe Superschwere Ele- superschwerer Atome bewegen sich nahezu mit
mente an Rikens Nishina Center für Versu- Lichtgeschwindigkeit (Thayer 2010). Die zwei
che mit einem Teilchenbeschleuniger. 1979 7s-Elektronen sind praktisch inert und beteiligen
erlangte er einen ersten Abschluss an der sich nicht mehr oder kaum noch an chemischen
Universität von Kyushu, die er 1984 wäh- Bindungen – das sogenannte inerte Elektronen-
rend seiner Dissertation und daher ohne paar- (Fægri und Saue 2001). Als stabilste Oxida-
Doktorgrad verließ. Erst einige Jahre später tionszahl für Nihonium wird +1 erwartet, gleich-
kehrte er zurück, um 1993 doch noch seine zeitig soll es weniger reaktiv als Thallium sein
Arbeit zu vollenden. (Haire 2006; Bonchev und Kamenska 1981; Fri-
cke 1975). Die Möglichkeit der Existenz höherer
1984 ging Morita zu Riken als Forscher,
Oxidationsstufen wird diskutiert, jedoch soll +3
wo er später Wissenschaftler im Zyklotron-
instabiler als +1 sein. Es wird ferner erwartet, dass
Labor wurde. 1993 ernannte man ihn dort
die Elektronegativität die höchste aller Elemente
zum Senior Research Scientist, 2006 wur-
der 3. Hauptgruppe ist (!), weshalb sogar die
de Morita Leitender Wissenschaftler des
Möglichkeit einer Oxidationszahl 1 diskutiert
Labors für Superschwere Elemente am Nis-
hina Center (Morita et al. 2004; Nasirov wird, mit deren Hilfe aber nur die halbgefüllte
et al. 2014), 7s2p6-Schale (Konfiguration des Fleroviums)
erreicht würde. Dem Nh+-Ion wird mehr Ähnlich-
keit mit Ag+ (Silber) als mit Tl+, dem Homologen
Herstellung Die diversen im Rahmen der Entde- aus derselben Gruppe, zugeschrieben.
ckungsgeschichte des Nihoniums durchlaufenen Das längstlebige Isotop 286113Nh ist auch das
Darstellungswege sind unter „Geschichte“ schon schwerste bisher entdeckte des Elements und hat
beschrieben. So wurden beispielsweise während eine Halbwertszeit von immerhin 20 s. Das insta-
einer 2003 bestehenden Zusammenarbeit des bilste Isotop ist zugleich das leichteste (278113Nh)
JINR (Dubna, Russland) und des LLNL (Berke- mit einer Halbwertszeit von 0,24 ms.
ley CA, USA) Laboratory 24395Am-Kerne mit Zwischen 2010 und 2012 führte man Versuche
48
20Ca-Nukliden beschossen. Die so erzeugten durch, um die Sublimationsenthalpie bzw. allge-
Kerne 287115Mc und 288115Mc des damals noch mein die Flüchtigkeit von Nihonium zu messen.
5 Einzeldarstellungen 199

Theoretisch sagt man eine Sublimationsenthalpie sollte Nihonium-I-fluorid (NhF) existieren, das
von 150 kJ/mol voraus (Eichler 2013). Nihonium-I-chlorid (NhCl) sollte weitere Chlo-
Für Nihonium erwartet man eine Dichte zwi- ridionen unter Bildung von Chloro-Komplexen
schen 16 und 18 g/cm3 (s. Tab. 7), ferner eine aufnehmen können. Ein hypothetisches Niho-
hexagonal-dichtest gepackte Struktur wie sie Thal- nium-I-hydroxid (NhOH) wäre im Gegensatz zu
lium ebenfalls aufweist. Schmelz- und Siedepunkte seinem Thallium-Analogon instabil und ginge
sollen bei 430  C bzw. 1100  C liegen, somit setzte auch in wässriger Lösung in amphoteres Niho-
zumindest die Lage des Schmelzpunktes den peri- nium-I-oxid (Nh2O) über, das in wässriger Am-
odischen, seit Gallium beobachteten Trend fort. moniaklösung am leichtesten löslich sein sollte.
Die einfachste mögliche Verbindung des Ele- Da die 7s2 7p2-Konfiguration aus relativisti-
ments ist Nihoniummonohydrid (NhH). Infolge schen Gründen als geschlossen und so als „edel-
der Spin-Orbital-Wechselwirkung ist zu erwarten, gasähnlich“ betrachtet wird, fehlt dem Atom des
dass die Länge der Nh-H-Bindung gegenüber Nihoniums in seiner äußeren Schale nur noch ein
der der Tl-H-Bindung wegen Beimengung von Elektron zum Erreichen einer lativ stabilen Kon-
π-Anteilen verkürzt ist (Han et al. 2000). Ebenso figuration. In mancher Hinsicht sollte das Niho-

Tab. 7 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Nihonium


Symbol: Nh
Ordnungszahl: 113
CAS-Nr.: 54084-70-7
Aussehen: Unbekannt, wahrscheinlich metallisch
Entdecker, Jahr Vereinigtes Institut für Kernforschung (Russland) Lawrence
Livermore National Laboratory (USA), 2003
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
283
113Nh (synthetisch) 100 ms α > 279111Rg
284
113Nh (synthetisch) 0,48 s α > 280111Rg
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (287)
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: Nh+ + e > Nh (V) Keine Angabe
Atomradius (pm): 170
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 172–180
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d10 7s2 7p1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 705  ♦ 2239  ♦ 3203 
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 16–18
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 18,0  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): Keine Angabe
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 430 ♦ 700
Schmelzwärme (kJ/mol): 7,61
Siedepunkt ( C ♦ K): 1130 ♦ 1430
Verdampfungswärme (kJ/mol): 130

Geschätzte bzw. vorhergesagte Werte
200 3 Erdmetalle: Elemente der dritten Hauptgruppe

Abb. 60 Die Moleküle


von BCl3 mit trigonaler und
NhCl3 mit T-förmiger
Struktur

nium daher den Halogenen ähneln (Demidov


2017). Daher erscheint eine Oxidationszahl von Literatur
1 möglich. Die hieraus resultierende, für ein
ABDA, Informationen der Institutionen und Behörden:
Element der dritten Hauptgruppe hohe Elektro- Bedenkliche Rezepturarzneimittel Stand Mai 2018
negativität könnte derart ausgeprägt sein, dass in Abelson JR et al (2005) Hafnium diboride thin films by
der hypothetischen Verbindung mit dem Halogen chemical vapor deposition from a single source pre-
cursor. J Vac Sci Technol A 23:1619. https://doi.org/
Tenness (NhTs) die negative Ladung auf Seiten
10.1116/1.2049307
des Nihoniumatoms liegt. Achtziger J et al (2001) Mauerwerk Atlas. Institut für
Die Moleküle der Verbindungen Nihonium-III- internationale Architektur-Dokumentation/Detail Busi-
hydrid (NhH3), Nihonium-III-fluorid (NhF3) und ness Information, München, S 59
Aldridge S, Downs AJ (2011) The group 13 metals alumi-
Nihonium-III-chlorid (NhCl3) werden, falls sie
nium, gallium, indium and thallium: chemical patterns
existieren, voraussichtlich T-förmige und nicht and peculiarities. Wiley, New York, S 286/318/325.
eine trigonale Struktur haben (s. Abb. 60), dies ISBN 0-470-97668-3
führt man auf die Beteiligung von 6d5-Elektronen Alexander-Webber JA et al (2012) High-current break-
down of the quantum Hall effect and electron heating
an der Bindung zurück (Seth et al. 1999; Clasen
in InSb/AlInSb. Phys Rev B 86:045404
et al. 1983). Anthony JW et al (2010) Aluminium. In: Handbook of
Die Moleküle der höheren Homologen Niho- Mineralogy. Mineralogical Society of America, Chan-
nium-III-bromid (NhBr3) und Nihonium-III-iodid tilly
Aselage TL (1998) The coexistence of silicon borides with
(NhI3) bilden trigonale Moleküle, da sie keine
boron-saturated silicon: Metastability of SiB3. J Mater
nennenswerte Beteiligung von 6d-Elektronen an Res 13:1786–1794
der Bindung mehr zeigen; trotzdem ist der Grad Askeland D (1996) Materialwissenschaft. Spektrum, Hei-
der sp2-Hybridisierung verglichen mit den niede- delberg, S 364
Atta-ur-Rahman (2005) Advances in organic synthesis:
ren Homologen der Hauptgruppe relativ gering
modern organofluorine chemistry-synthetic aspects.
(Fægri und Saue 2001). Bentham Science Publishers, Oak Park, S 192. ISBN
Alle diese Moleküle sollten sehr instabil sein; 160805197-8
sie geben wahrscheinlich leicht ein Molekül eines Auerhammer JM, Eliel ER (1996) Frequency doubling of
mid-infrared radiation in gallium selenide. Opt Lett
Halogens ab und gehen in das jeweilige Niho-
21(11):773. https://doi.org/10.1364/OL.21.000773
nium-I-halogenid über. Avery DG et al (1957) New infra-red detectors using
indium antimonide. J Sci Instrum 34(10):394. https://
Verbindungen Die chemischen Eigenschaften doi.org/10.1088/0950-7671/34/10/305
Aydinlı A et al (2002) Anharmonicity in GaTe layered
des Elements müssen immer noch eindeutig be-
crystals. Cryst Res Technol 37(12):1303–1309
stimmt bzw. vorhergesagt werden (Düllmann Bandini M et al (2002) Tandem one-pot InBr3 catalyzed
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Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten
Hauptgruppe 4

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Zusammenfassung viums konnten 1999, also noch im letzten Jahr-


Die Elemente der Kohlenstoffgruppe, also die tausend, dargestellt werden. Wir haben also eine
der vierten Hauptgruppe, haben stark vonei- lange bekannte Familie von Elementen vor uns.
nander abweichende Eigenschaften. Die Atome Das Nichtmetall Kohlenstoff ist in seiner
dieser Elemente nehmen entweder vier Elektro- Modifikation Graphit ein hochschmelzender
nen auf oder geben meist zwei oder vier ab, um Feststoff, ebenso die Halbmetalle Silicium
eine stabile Elektronenkonfiguration zu errei- und -mit Abstrichen- Germanium. Zinn und
chen. Blei, die metallischen Vertreter dieser Grup-
Kohle und damit Graphit ist seit vorge- pe, weisen dagegen tiefe Schmelzpunkte auf.
schichtlicher Zeit bekannt, und Diamant als Flerovium ist möglicherweise sogar ein leicht
zweite wichtige Modifikation des Kohlenstoffs flüchtiges Halbedelmetall.
ist bereits in chinesischen Quellen aus dem
3. Jahrtausend vor Christus erwähnt. Seit der
Bronzezeit kennen die Menschen Blei, Zinn
auch schon seit 6000 Jahren. Dass Sand Sili- 1 Einleitung
cium zugrunde liegt, wissen wir aber erst seit
etwa 200 Jahren, und Germanium wurde eben- Die Elemente der vierten Hauptgruppe (Kohlen-
falls erst 1886 beschrieben. Atome des Flero- stoffgruppe) weisen wie alle Elemente der dritten
bis siebten Hauptgruppe sehr unterschiedliche

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 211
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_4
212 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Eigenschaften auf. Die Atome der dieser Ele- Das Nichtmetall Kohlenstoff ist in seiner Modi-
mente nehmen entweder vier Elektronen auf fikation Graphit ein hochschmelzender Feststoff,
(wie Kohlenstoff) oder geben meist zwei oder vier ebenso die Halbmetalle Silicium und Germanium.
ab (wie beispielsweise Silicium oder Zinn), um Zinn und Blei, die metallischen Vertreter dieser
eine stabile Elektronenkonfiguration zu erreichen. Gruppe, weisen dagegen tiefe Schmelzpunkte auf.
Kohle ist seit vorgeschichtlicher Zeit bekannt, Flerovium ist möglicherweise sogar ein leicht
und Diamant als zweite wichtige Modifikation des flüchtiges Halbedelmetall. Sie finden sie alle im
Kohlenstoffs ist bereits in chinesischen Quellen unten stehenden Periodensystem in der Gruppe
aus dem dritten Jahrtausend vor Christus erwähnt. 14 (IV A).
Seit der Bronzezeit kennen die Menschen Blei, Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B.
Zinn auch schon seit etwa 6000 Jahren. Dass Sand Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie
Silicium zugrunde liegt, wissen wir aber erst seit Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei-
rund zwei Jahrhunderten, und Germanium wurde spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die
vor rund 130 Jahren das erste Mal beschrieben meisten Elemente können sich untereinander ver-
und charakterisiert. Selbst Atome des Fleroviums binden und bilden chemische Verbindungen; so
konnten erstmals schon 1999 dargestellt werden. wird (z. B. aus Natrium und Chlor die chemische
Wir haben also eine schon lange bekannte Familie Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz).
von Elementen vor uns, aber die neuesten Ergeb- Einschließlich der natürlich vorkommenden
nisse der Forschung, beispielsweise zu Graphenen sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
oder Halbleitern sind hochinteressant und für erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
technische Entwicklungen sehr wichtig. system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf.

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- VII VIII VIII VIII VIII
IA II A III B IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


5 Einzeldarstellungen 213

Die Einzeldarstellungen der insgesamt sechs nium wesentlich höher als bei den schwereren
Vertreter der Gruppe der Elemente der vierten Metallen Zinn und Blei. So sublimiert Kohlen-
Hauptgruppe enthalten dabei alle wichtigen stoff (Graphit) bei Temperaturen um 3600  C,
Informationen über das jeweilige Element, so einer Temperatur, bei der alle anderen Elemente
dass ich hier nur eine kurze Einleitung vorange- dieser Gruppe längst schon verdampft sind. Sili-
stellt habe. cium schmilzt bei ca. 1400  C, Germanium
immerhin noch bei 938  C, wogegen Zinn mit
232  C und Blei mit 327  C sehr tief liegende
2 Vorkommen Schmelzpunkte aufweisen.
Auch in dieser Hauptgruppe weicht das Kopf-
Silicium ist das zweithäufigste Element und zu element (hier: Kohlenstoff) in seinen Eigenschaften
einem Viertel am Aufbau der Erdhülle beteiligt. deutlich von allen anderen ab. Silicium als zweites
Kohlenstoff ist nicht so häufig, aber die Grund- Element dieser Gruppe steht den höheren Homolo-
lage jeglichen Lebens auf der Erde. Germanium, gen, Germanium und sogar α-Zinn, näher als Koh-
Zinn und Blei sind mit Anteilen von einigen ppm lenstoff; auch seine Verbindungen (z. B. Wasserstoff-
in der Erdhülle enthalten und damit wesentlich verbindungen, Halogenide) ähneln mehr denen des
seltener. Germaniums und Zinns, so dass man hier von einer
Silicium kommt in einer riesigen Vielfalt von homologen Reihe sprechen kann.
Gesteinen (z. B. Lava) und Mineralien (Quarz)
vor, Zinn bzw. Blei meist in Form oxidischer
(Zinnstein) bzw. sulfidischer Erze (Bleiglanz). 4.2 Chemische Eigenschaften

Die Elemente dieser Gruppe reagieren direkt nur


3 Herstellung noch mit Halogenen und reaktiven Chalkogenen
wie Sauerstoff und meist auch Schwefel. Verbin-
Kohlenstoff wird in Form von Graphit oder Dia- dungen, in denen sie mit Metallen auftreten und
mant abgebaut. Silicium gewinnt man, bildlich dabei den elektronegativeren Partner darstellen,
gesprochen, durch Reduktion von Sand mit sind relativ selten, und wenn, nur unter Einsatz
Kohle. Zinn und Blei werden meist durch Rösten drastischer Methoden zugänglich. Kohlenstoff,
ihrer sulfidischen Erze hergestellt. dessen Elektronegativität etwa in der Mitte der
Skala liegt, reagiert vielmehr zu einer unglaubli-
chen Vielfalt organischer Verbindungen, in denen
4 Eigenschaften seine Atome kovalent mit sich selbst oder anderen
Nichtmetallatomen verbunden sind. Die Oxide
4.1 Physikalische Eigenschaften der Elemente bilden nur noch schwache Säuren
(z. B. Kohlensäure) oder sind amphoter (Zinn-IV-
Wie bereits erwähnt, ist Kohlenstoff ein reines oxid); auch dies zeigt den Übergang zu einer
Nichtmetall, tritt aber in einer Vielzahl von Modi- mehrheitlich aus Metallen zusammengesetzten
fikationen auf. Bei Silicium und Germanium sind Gruppe von Elementen.
die Diamantstrukturen jeweils die stabilsten, die
jedoch hier halbleitend sind.
Die physikalischen Eigenschaften sind auch 5 Einzeldarstellungen
in dieser Gruppe nur teilweise nach steigender
Atommasse abgestuft. So nimmt vom Graphit Im folgenden Teil sind die Elemente der Kohlen-
zum Blei die Dichte zu, die Schmelz- und Siede- stoffgruppe (vierte Hauptgruppe) jeweils einzeln
punkte sind bei den nicht- bzw. halbmetallischen mit ihren wichtigen Eigenschaften, Herstellungs-
Vertretern Kohlenstoff bzw. Silicium und Germa- verfahren und Anwendungen beschrieben.
214 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

5.1 Kohlenstoff
Themen befasst war. 1985 wurde Curl, der
Geschichte Kohlenstoff entdeckten die Men- unter Anderem mit Smalley zusammenar-
schen schon in vorgeschichtlicher Zeit und ver- beitete, von Kroto kontaktiert, der ur-
wendeten ihn als Ruß und in Form kleiner Kohle- sprünglich nur den von Smalley entwickel-
stücke. Diamanten kannten die Chinesen schon ten Laserstrahler zur Entdeckung von
um 2500 v. Chr., Holzkohle stellten schon die Ketten aus Kohlenstoffatomen in Roten
Römer durch Erhitzen von Holz in geschlossenen Riesen verwenden wollte. Bei den Unter-
Tongefäßen her. suchungen fand man zwar auch die ge-
wünschten Ketten von Kohlenstoffatomen,
1772 zeigte Lavoisier, dass Diamant nur eine
aber unerwarteterweise auch ein Molekül
andere Modifikation des Kohlenstoffs ist, da
mit 60 C-Atomen, dessen Struktur inner-
weder Holzkohle noch Diamant Wasser als Ver-
halb weniger Tage bestimmt wurde. Zu-
brennungsprodukt liefern und beide dieselbe
nächst erhielt es den Namen Buckminsterful-
Menge an Kohlendioxid pro g freisetzen. 1779 leren nach dem amerikanischen Architekten
wies Schelle nach, dass Graphit, den man bis Richard Buckminster Fuller ( 12. Juli
dahin für eine Zustandsform des Bleis hielt, viel- 1895 Milton, MA; † 1. Juli 1983 Los Ange-
mehr identisch mit Holzkohle war und bei Oxida- les, CA), der für seine geodäsischen Kup-
tion mit Salpetersäure „Luftsäure“ gab (Alias für peln bekannt war. Das Molekül lieferte im
Kohlendioxid). Diese Resultate bestätigten 1786 Massenspektrum nur einen Peak, war geo-
Berthollet, Monge und Vandermonde. Erstmals metrisch geschlossen und zeigte keine ver-
führte Lavoisier Kohlenstoff als Element in sei- zerrten Bindungswinkel. Schon früher pos-
nem 1789 erschienenen Buch auf. tulierten andere Forscher die Existenz eines
Fulleren ist eine weitere allotrope Modifikation derartigen Moleküls, und auch Curl et al.
des Kohlenstoffs, die 1985 von Curl, Kroto und konnten die Bedeutung ihrer Entdeckung
Smalley entdeckt wurde (Kroto et al. 1985). Wei- zunächst nicht einschätzen. Später kamen
tere ungewöhnliche Modifikationen elementaren weitere, künstlich erzeugte endohedrale
Kohlenstoffs wie Graphen und glasartiger Koh- Fullerene hinzu (Curl 1997). Aktuell wer-
lenstoff kamen in den Folgejahren hinzu. den Fullerene als einer der Zugänge zur
Chemie der Nanoteilchen gesehen.

Der US-amerikanische Chemiker Robert Die Eltern des britischen Chemikers Sir
Floyd Curl Jr. ( 23. August 1933 Alice, Harold Walter Krotoschiner (abgek. Kro-
TX) ist mehrfacher emeritierter Professor. to) ( 7. Oktober 1939 Wisbech; † 30. April
Zusammen mit Richard E. Smalley und 2016 Lewes) flüchteten 1937 vor den Natio-
Harold Kroto erhielt er für die Entdeckung nalsozialisten von Schlesien nach England. Er
der Fullerene 1996 den Nobelpreis für Che- begann Ende der 1950er-Jahre sein Chemie-
mie und wurde 1997 in die National Aca- studium in Sheffield, erlangte 1961 den B. Sc.
demy of Sciences, 1998 in die American und promovierte 1964 über hochaufgelöste
Academy of Arts and Sciences gewählt. Elektronenspektren freier Radikale nach
Photolyse von Substanzen mittels Blitzlicht
Curl promovierte 1957 an der Universität (Heath 2016). Später verfolgte er Themen
Berkeley, CA über spektroskopische und wie Phosphaalkene und Kohlensuboxid, also
thermodynamische Eigenschaften von Mo- ungewöhnliche Doppelbindungen enthalten-
lekülen (Shampo et al. 2010). Danach arbei- de Moleküle. Bald nach seiner Promotion
tete er an der Harvard University über den arbeitete er für den kanadischen National
Einsatz der Mikrowellenspektroskopie zum Research Council und bei den Bell Laborato-
Studium der Rotationsbarriere von Molekü- ries in den USA, kehrte aber 1967 an die
len und wechselte 1967 zur Houstoner Rice Universität Sussex zurück, wurde dort 1985
University, wo er zunächst mit ähnlichen Professor und trug von 1991–2001 den Titel
5 Einzeldarstellungen 215

des Royal Society Research Professor. Seine gie und forschte dann von 1997 bis 1999 am
gemeinsam mit Curl und Smalley betriebene Institut für mikroelektronische Technologie
Arbeit zu Fullerenen wurde 1996 mit dem in Tschernogolowka. 1999 wechselte er in
Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Von die Niederlande, wo er von 1999 bis 2001
2004 an forschte Kroto auf dem Gebiet der an der Universität von Nijmegen arbeitete,
Nanotechnologie an der Florida State Univer- dort 2004 auch promovierte, jedoch von
sity in Tallahassee. Er war seit 1990 Mitglied 2001 bis 2004 an der University of Manches-
der Royal Society und von 2002 bis 2005 ter arbeitete. Zwischen 2007 und 2014 war
deren Präsident, wurde 1996 von der Queen er Royal Society Research Fellow. 2010
geadelt und war Inhaber zahlreicher Ehren- ernannte man ihn dort zum Professor; Novo-
doktorwürden in- und ausländischer Univer- selov führt dort seit 2013 den zusätzlichen
sitäten. Titel des Langworthy Professor of Physics
und ist seit 2014 auch Royal Society
Der Werdegang des US-amerikanischen Research Professor. Er forschte über die
Chemikers Richard Errett Smalley Messung der Magnetisierung von Supralei-
( 6. Juni 1943 Akron, OH; † 28. Oktober tern im Nanomaßstab (Geim et al. 2000;
2005 Houston, TX) verlief über viele Sta- Novoselov et al. 2003) und über zweidimen-
tionen. Zunächst studierte er Chemie an der sionale Kristalle, deren bekanntester Vertre-
University of Michigan, wo er 1965 mit ter das Graphen ist (Geim und Novoselov
dem B. Sc. abschloss. Von 1965–1969 2007; Novoselov et al. 2004, 2006, 2007;
arbeitete er in der Forschung des Unterneh- Meyer et al. 2007; Ponomarenko et al.
mens Shell und ging dann zur Princeton 2008). Zusammen mit Geim erhielt er 2010
University, wo er 1971 seinen M. Sc. für diese Arbeiten den Nobelpreis für Phy-
erwarb. Die Promotion dort erfolgte 1973. sik. Novoselov ist Inhaber einiger weiterer
Danach wechselte er zum James Franck Auszeichnungen und wurde 2012 von der
Institute der Universität von Chicago, wo Queen geadelt.
er bis 1976 arbeitete. Danach kehrte Smal-
ley schließlich nach Houston zurück und Der russlanddeutsch-britisch-niederländi-
war ab 1976 Assistant Professor an der Rice sche Physiker Sir Andre Konstantin Geim
University, dort von 1980 an Associate Pro- ( 21. Oktober 1958 Sotschi, Sowjetunion)
fessor und ab 1981 Professor für Chemie. erhielt 2010 zusammen mit Konstantin No-
Parallel hierzu lief von 1990 bis 2005 auch voselov den Nobelpreis für Physik für sei-
seine Professur für Physik. Zudem war er ne Forschungen zu Graphen. Zusätzlich
von 1996 bis 2001 auch Direktor des Rice erkannte man ihm im Jahr 2000 den alter-
Center for Nanoscale Science and Techno- nativen (Ig-) Nobelpreis für Versuche zur
logy und von 2003 bis 2005 Leiter des diamagnetischen Schwebetechnik zu, die
Carbon Nanotechnology Laboratory der Ri- in der Präsentation des schwebenden
ce University. Smalley erhielt zusammen Froschs mündeten (Berry und Geim 1997).
mit Curl und Kroto den Nobelpreis für Che- Für den „schwebenden Frosch“ erhielt er
mie für die Entdeckung der Fullerene. Seit den Ig-Nobelpreis des Jahres 2000 im Fach
1990 war Smalley Mitglied der National Physik. Damit ist er der bislang Einzige, der
Academy of Sciences und seit 1986 Fellow zugleich Nobel- und Ig-Nobelpreisträger
der American Physical Society. ist.

Der britisch-russische Physiker Sir Kon- Geim wuchs die ersten sechs Jahre in Sot-
stantin Novoselov ( 23. August 1974 schi auf und besuchte danach in Naltschik
Nischni Tagil) ist ein russisch-britischer Phy- (Kabardino-Balkarien/Kaukasus) die Schule.
siker. Er beendete 1997 sein Studium am Nach deren Abschluss bewarb sich Geim
Moskauer Institut für Physik und Technolo- um die Aufnahme in die Nationale For-
216 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

befinden sich in Indien, Brasilien, China und Nord-


schungsuniversität für Physik und Inge- korea, oft in Dicken von mehr als einem Meter.
nieurwissenschaften in Moskau, bestand Graphit gewinnt man heute meist durch Mahlen
aber diese Prüfung und auch die 1975 ange- des umgebenden Gesteins und Flotieren des leich-
setzte Wiederholungsprüfung trotz intensi- teren Graphits mit Wasser. Graphit kommt amorph,
ver Vorbereitung nicht, vermutlich weil den in Schuppen sowie in Stücken oder Adern vor.
Organisatoren seine jüdische Herkunft Amorpher Graphit kommt am häufigsten vor
bekannt war. Danach bewarb er sich am (China, Europa, Mexiko, USA) und erzielt nur
Moskauer Institut für Physik und Technolo- niedrige Preise. Schuppenförmiger Graphit, den
gie und bestand die dort abgehaltene Auf-
man z. B. in Österreich, Brasilien, Kanada, China,
nahmeprüfung.
Deutschland und Madagaskar findet, ist seltener
Geim schloss sein Studium 1982 ab, wurde und bis zu vier Mal teurer, man setzt ihn auch in
1987 Kandidat der Wissenschaften am In- Flammschutzmitteln ein. Der wertvollste ist der in
stitut für Festkörperphysik der Russischen Form von Stücken oder Adern vorkommende, da
Akademie der Wissenschaften in Tscherno- er die höchste Reinheit und die besten Eigenschaf-
golowka. Geim ging 1990 an die University ten besitzt; er wird aktuell aber nur auf Sri Lanka
of Nottingham und im Rahmen seines abgebaut.
Postdoc-Projektes an mehrere weitere Uni- Im Jahr 2010 wurden 1,1 Mio. t Graphit welt-
versitäten, bevor er 1994 zur Universität weit gefördert, davon entfielen 800.000 t auf
Nijmegen wechselte. Geim nahm 2001 den China, 130.000 t auf Indien, 76.000 t auf Brasi-
Ruf der University of Manchester an und ist lien, 30.000 t auf Nordkorea und 25.000 t auf
dort zur Zeit Leiter des Manchester Centre Kanada. In den USA stellte man 2009 118.000 t
for Mesoscience and Nanotechnology and synthetischen Graphit eines Verkaufswertes von
Chair of Condensed Matter Physics. 2004 ca. $ 1 Mrd. her.
stellte er erstmalig zweidimensionalen Kris- In riesigen Mengen vorhanden sind die fossilen
talle aus Kohlenstoffatomen her (Graphen) Rohstoffe Kohle, Erdöl und Erdgas, die aber nur
(Novoselov et al. 2004). In der Welt der Gemische diverser organischer Verbindungen sind.
Physik gehört Geim zu den meistgelesenen Sie entstanden durch Einwirken hoher Drücke auf
und -zitierten Autoren. Die Queen erhob ihn pflanzliche und tierische Überreste. In Europa exis-
2012 in den Adelsstand.
tieren ausgedehnte Lagerstätten im Ruhrgebiet, in
Oberschlesien und in den Ardennen, weitere in den
Vorkommen Kohlenstoff kommt in der Natur USA, China und Russland. Große Vorkommen an
sowohl elementar (Diamant, Graphit) als auch Erdöl befinden sich auf der Arabischen Halbinsel,
chemisch gebunden (z. B. als Carbonat, Kohlen- in Nordafrika und unter dem Golf von Mexiko, für
dioxid, Erdöl, Erdgas und Kohle) vor und zeigt Erdgas in der Nordsee und in Sibirien.
von allen Elementen das größte Spektrum an Ver- Viele Gebirge sind auf Carbonaten aufgebaut,
bindungen, die unter anderem auch die Grundlage so z. B. die Alpen, die Pyrenäen, die Rocky
allen Lebens darstellen. Dem Massenanteil nach Mountains und die Anden. Typische Vertreter
ist Kohlenstoff das wichtigste Element. sind Calciumcarbonat (CaCO3, als Kalkstein,
Aus geologischer Sicht liegen die bedeutends- Kreide und Marmor), Calcium-Magnesium-Car-
ten Lagerstätten für Diamant in Afrika (Südafrika, bonat (Dolomit, CaCO3  MgCO3), Eisen-II-car-
Kongo) und Russland, wo er in Minen abgebaut bonat (FeCO3, Eisenspat) und Zinkcarbonat
wird. Seltener findet man ihn in Vulkangestein (ZnCO3, Zinkspat).
eingelagert.
Reiner Graphit findet sich oft zusammen mit Gewinnung
Quarz oder Feldspat, gelegentlich auch eingebettet Diamant Nur wenige Branchen sind am Handel
in Sand- oder Kalkstein. Größere Vorkommen mit Diamanten beteiligt, für den auf der Welt auch
5 Einzeldarstellungen 217

nur vereinzelte Lagerstätten auf der Welt beste- elektrischen und optischen Eigenschaften. So beruht
hen. Nur ein kleiner Teil des diamantführenden der in einigen Diamanten vorhandene gelbe Farbton
Erzes besteht wirklich aus Diamanten. Das Erz auf der Anwesenheit von Stickstoffatomen. Bläulich
wird abgebaut und sorgfältig zerkleinert, damit erscheinen die mit Boratomen dotierten Diamanten,
größere Diamanten nicht zerstört werden. Danach die die Eigenschaften eines Halbleiters aufweisen
sortiert man nach Dichte, unterstützt durch Rönt- (Collins 1993).
genfluoreszenzspektroskopie, die das Sortieren Diamant verbrennt ab Temperaturen von
per Hand erlaubt. Früher lief das zerkleinerte 700  C an der Luft zu Kohlendioxid und geht
Gestein auf mit Fett bestrichenen Förderbändern, unter Luftausschluss bei ca. 1500  C in Graphit
da Diamanten stärker als andere Bestandteile des über. (Der oft in früheren Jahrhunderten ge-
Erzes auf Fett haften (Harlow 1998). machte Versuch, mehrere kleine zu einem großen
Bis in die 1750er-Jahre war Indien über lange Diamanten zusammen zu schmelzen, musste also
Zeit führend in der Produktion von Diamanten, scheitern.) Diamant ist durchsichtig und wird, da
verlor diese Rolle dann aber an Brasilien (Catelle er die größte Härte aller natürlich vorkommenden
1911; Ball 1881; Hershey 1940). In Südafrika Stoffe besitzt (s. Tab. 1), als Schleifmittel benutzt.
begann in den 1870er-Jahren die Förderung von Graphit Im Atomgitter des Graphits sind die
Diamanten aus Muttergestein wie Kimberlit kovalenten Bindungen innerhalb der Gitterebenen
(s. Abb. 2) und steigerte sich bis heute auf eine stärker als beim Diamanten; die Kohlenstoffatome
gesamte Förderleistung von 4,5 Mrd. Karat, dies sind sp2-hybridisiert. Dagegen halten die Ebenen
mit knapp 1 Mrd. Karat allein in den letzten fünf untereinander nur über Van-der-Waals-Kräfte zu-
Jahren. Neue Minen wurden in Kanada, Russland, sammen, was für die leichte Spaltbarkeit des Gra-
Angola und Zimbabwe eröffnet (Janse 2007). phits verantwortlich ist. Dessen schwarze Farbe
In den USA fand man Diamanten in Montana, (s. Abb. 3) wird durch die freien π-Elektronen
Colorado und Arkansas (Janse 2007; Lorenz bewirkt, ebenso die hohe elektrische Leitfähigkeit
2007). Heutzutage befinden sich die erfolgver- entlang der Ebenen (Deprez und McLachan 1988).
sprechendsten Lagerstätten in Russland, Bots- Graphit ist auch bei hoher Temperatur beständig und
wana, Australien und der Demokratischen Repu- dient als Dichtungsmaterial, Schmierstoff und als
blik Kongo. Russland steuerte 2005 ca. 20 % zur Grundstoff für Bleistiftminen. Die Schmierwirkung
weltweiten Jahresförderung bei, Australien er- des Graphits wird aber nur in Gegenwart von Spu-
zeugte in den 1990er-Jahren rund 40 t/a. ren an Feuchtigkeit beobachtet, sonst kommt sie
praktisch zum Erliegen (Dienwiebel et al. 2004).
Eigenschaften Bis zu Temperaturen von 4000 K ist Graphit
Diamant Im Diamant weist von jedem Kohlenstoff- thermodynamisch stabiler als Diamant, der als
atom ausgehend ein sp3-Orbital jeweils in die Ecke metastabiler Stoff bei Raumtemperatur nur des-
eines virtuellen Tetraeders. Die Substanz ist ein halb „überlebt“, weil die Aktivierungsenergie für
elektrischer Isolator mit der großen indirekten Band- die Umwandlung zu Graphit bis hinauf zu Tem-
lücke von 5,45 eV, der sichtbares Licht nicht absor- peraturen von ca. 400  C sehr hoch ist. Umgekehrt
biert. Zugaben von Fremdatomen verändern die sind für den Übergang von Graphit zu Diamant
extrem hohe Drücke und Temperaturen erforder-
lich (z. B. 1500  C und ca. 6 GPa, Zazula 1997).
Kohlenstoff hat die höchste Stabilität aller
Materialien gegenüber sehr hohen Temperaturen.
Er sublimiert bei Normaldruck bei 3642  C, ohne
zuvor an Festigkeit zu verlieren (s. Tab. 1).
Lonsdaleit Diese „hexagonale“ Modifikation des
Diamanten kann man nur durch Einwirkung eines
Abb. 2 Diamant, ungeschliffen, Südafrika (mindat.org Druck- und Temperaturschocks auf Graphit erzeu-
vor März 2010) gen. Die hexagonale Struktur des Graphitgitters
218 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Kohlenstoff


Symbol: C
Ordnungszahl: 6
CAS-Nr.: 7440-44-0

Aussehen: Schwarz Graphit, Pulver Diamant, Koh-I-Noor (Diamant-


(Graphit) (Sicius 2015) Kontor 2015)
Farblos
(Diamant)
Gelbbraun
(Lonsdaleit)
Entdecker, Jahr Graphit/Kohle: prähistorisch
Diamant: China, 2500 v. Chr.
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
12
6C (98,9) Stabil ——
13
6C (1,1) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 870
Atommasse (u): 12,011
Elektronegativität 2,55 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 70
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 170
Kovalenter Radius (pm): 76
Elektronenkonfiguration: [He] 2s2 2p2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 1087 ♦ 2353 ♦ 4621 ♦ 6223
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: Graphit: 4,5  104
Diamant: 2,2  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Graphit: Hexagonal
Diamant: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit ([A/V  m)], bei 300 K): 1,276  105 (weiß)
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): Diamant: 1050 ♦ 442 ♦ 478
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Mohs-Härte Graphit: 1–2
Diamant: 10
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 300,15 K): Diamant: 18.350
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) Graphit: 2,26
Diamant: 3,51
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): Graphit: 5,31  106
Diamant: 3,42  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): Graphit: 119–165
Diamant: 900–2300
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): Graphit: 8,517
Diamant: 6,155
Sublimationspunkt ( C ♦ K): 3642 ♦ 3915
Sublimationswärme (kJ/mol): 715
5 Einzeldarstellungen 219

Abb. 3 Graphit Sputtertarget (QS Advanced Materials


2019)
Abb. 4 a Molekülstruktur von Buckminster-Fulleren C60
(Sponk 2010) b Buckminster-Fulleren C60, kristallin
bleibt so erhalten, jedes Kohlenstoffatom ist aber an (Jochen Gschnaller 2004)
vier weitere, ebenso wie im Diamantgitter, kovalent
gebunden (Clifford und Marvin 1967). Auf ähnliche 12 Fünf- und 20 Sechsecken, die zusammen ein
Weise erzeugter polykristalliner Diamant wird von Abgestumpftes Ikosaeder (Archimedischer Kör-
Irifune et al. (2003) beschrieben. per) bilden. Da ein klassischer Fußball dieselbe
Fullerene Ersetzt man einige der Sechsecke im Struktur hat, wird es auch Fußballmolekül (Foot-
hexagonalen Atomgitter des Graphits durch Fünf- ballen) genannt.
ringe, so ist die neu gebildete Struktur nicht mehr Erstmals in Spuren erzeugt wurde C60 zwar
planar, sondern enthält gekrümmte Flächen. Bei 1984 von Rohlfing, Cox und Kaldor, nur deuteten
geeigneter Anordnung der Fünf- und Sechsringe die Autoren in ihrer Publikation das Ergebnis
zueinander entstehen runde, in sich abgeschlos- ihrer Versuche falsch und erkannten nicht die
sene Gitter aus ebenfalls sp2-hybridisierten Ato- besondere Struktur dieses C60-Clusters. Ein Jahr
men. Die Struktur dieser Fullerene besteht im später ergab die Auswertung eines ähnlichen Ver-
kleinstmöglichen Fall nur aus Fünfecken und suchs durch Kroto, Heath, O’Brien, Curl und
somit aus 20 Atomen (Pentagon-Dodekaeder); Smalley aber das heute gültige Ergebnis. Die For-
dieses Molekül war bisher aber nur massenspek- scher postulierten für diesen Cluster die Form
trometrisch nachweisbar. Das Molekül des stabi- eines Fußballs, ohne aber die Struktur damals
len Buckminster-Fullerens (s. Abb. 4a, b) enthält schon beweisen zu können.
60 Kohlenstoffatome und neben Sechsecken nur Curl et al. leiteten auf eine sich unter Vakuum
Fünfecke, die an keiner ihrer Kanten an benach- drehende Graphitscheibe Helium in Form eines
barte Fünfecke grenzen; diese Ikosaederstruktur Stoßdrucks und regten gleichzeitig deren Oberflä-
ähnelt der eines Fußballs. Untereinander sind che mit Laserlicht einer Wellenlänge von 532 nm
diese aus Kohlenstoffatomen bestehenden Kugeln während einer Zeit von 5 ns an. Diese pro Zeitein-
über schwache Van-der-Waals-Kräfte gebunden, heit sehr hohe Energiezufuhr riss spontan Kohlen-
ähnlich wie dies zwischen den Gitterebenen des stoffatome von der Oberfläche des Graphits, die
Graphits der Fall ist. Es gibt inzwischen viele sich im kühlenden Gasstrom zu Clustern zusam-
Fullerene, die möglicherweise auch „bei natürlich menschlossen und durch das strömende Gas aus
ablaufenden Prozessen“ gebildet werden, z. B. beim der Reaktionskammer entfernt wurden. Unter den
Rußen einer brennenden Kerze. erzeugten Molekülen waren auch die der Fullerene,
Die bekanntesten und auch beständigsten Ver- nur war die Ausbeute an C60 so gering, dass keine
treter der Fullerene besitzen die Summenformeln weiteren Untersuchungen zur Struktur gemacht
C60, C70, C76, C80, C82, C84, C86, C90 und C94. Das werden konnten.
mit Abstand am besten erforschte Fulleren ist C60, 1988 untersuchten Krätschmer und Wagner
das zu Ehren des Architekten Richard Buckmins- Ruß UV- und IR-spektroskopisch. Die Spektren
ter Fuller Buckminster-Fulleren (auf Englisch zeigten Absorptionslinien, die sich einem C60-
auch buckyball) genannt wurde, da es den von Molekül zuordnen ließen (Krätschmer und Wag-
ihm konstruierten Kuppeln ähnelt. Es besteht aus ner 1989). Die für die Durchführung der Versuche
220 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

benötigte Menge an C60-Ruß stellte Wagner durch In dieser zweidimensionalen Modifikation des
Verdampfung von Graphit unter reduziertem Kohlenstoffs ist jedes Kohlenstoffatom im Winkel
Argondruck her. von 120 von drei weiteren umgeben (s. Abb. 6),
Fostiropoulos et al. entwickelten 1989 dieses sodass sich das Muster einer Bienenwabe ergibt.
Verfahren weiter und ermöglichten so die Herstel- Es handelt sich um eine Verkettung von Benzol-
lung des C60-Fullerens im Labormaßstab. Der ringen, wie sie in aromatischen Verbindungen oft
Nachweis der Struktur des Moleküls mittels auftritt. Die π-Elektronen sind delokalisiert, inso-
NMR-Spektroskopie war aber erst nach Aus- fern ist Graphen als polycyclischer aromatischer
tausch aller 126C- durch 136C-Atome möglich. Kohlenwasserstoff anzusehen. An der Peripherie
Weitere Verbesserungen dieses so genannten Hei- des Wabengitters sind meist andere Atomgruppen
delberger Verfahrens führten dazu, dass die Pro- angedockt.
duktion dieses Fullerens heutzutage industriell Diese einlagigen Schichten von Kohlenstoff-
möglich ist. Dazu verdampft man zwei Graphit- atomen, Graphene, sollten unendlich ausgedehnte
elektroden unter reduziertem Argon- oder He- und überall flache, ausschließlich zweidimensio-
liumdruck mittels Widerstandsheizung oder im nale Strukturen haben. Dies widerspricht aber
elektrischen Lichtbogen. Der Dampf kondensiert dem Mermin-Wagner-Hohenberg-Theorem, das
in der kühlenden Gasatmosphäre; der aufstei- allgemein besagt, dass in ein- und zweidimensio-
gende Ruß enthält bis zu 15 % Fullerene. Diese nalen Systemen bei Temperaturen oberhalb des
kann man durch Aufheizen verdampfen oder mit absoluten Nullpunkts für kontinuierlich symme-
Hilfe von Lösungsmitteln wie Benzol oder Toluol trische Systeme mit genügend kurzreichweitigen
etwa im Soxhlet-Extraktor herauslösen (Krätsch- Wechselwirkungen keine spontane Symmetrie-
mer et al. 1990; Fostiropoulos 1992). Das hier brechung möglich, also keine Ordnung gegeben
beschriebene Verfahren liefert eine Mischung ist. Also sollte dies das Nichtvorhandensein eines
aus 90 % C60 und 10 % C70 (Dettmann 2014; Ferromagnetismus, Antiferromagnetismus oder
Hirsch und Brettreich 2005; Mateo-Alonso et al. von Kristallstrukturen (Wagner 1966; Mermin
2007; Strey 2009). und Wagner 1966; Hohenberg 1966; Mermin
Weitere Modifikationen Im amorphen Kohlen- 1968; Coleman 1973) einschließen.
stoff sind die Atome ordnungslos in stark schwan-
kendem Verhältnis der Hybridisierungsanteile
verbunden. Hinsichtlich seiner Eigenschaften
liegt zwischen Graphit und Diamant. Hergestellt
wird er durch Mischen geeigneter Anteile der
oben genannten Modifikationen im Nanobereich.
Er ist Grundlage von Beschichtungen, die die
Lebensdauer der beschichteten Teile stark erhö- Abb. 5 Graphen-Nanopulver, Ø 100 nm (Stanford
hen. Beispielsweise bewirkt eine auf rostfreien Advanced Materials 2019)
Stahl aufgebrachte, 2 μm dicke Schicht eine Er-
höhung der Lebensdauer von einer Woche bis zu
85 a (!), dies unter ansonsten gleichen Rahmen-
bedingungen („Diamond like Coating/Carbon“).
Graphen ist eine Graphit-Basalebene mit sp2-
hybridisierten Kohlenstoffatomen. Man erhält
diese extrem dünnen Schichten durch chemisches
Spalten von Graphit. Eingebettet in Kunststoffe ist
Graphen als Ausgangsstoff für neue Verbundwerk-
stoffe oder für Untersuchungen zweidimensionaler
Kristalle geeignet, außerdem wird an Anwendun- Abb. 6 a Kristallgitter des Graphens b Kristallgitter des
gen in der Elektronik geforscht (s. Abb. 5). Graphits
5 Einzeldarstellungen 221

Daher überraschte es die Fachwelt, als Novo- Methode schwankt die Ausbeute, die Funktiona-
selov et al. 2004 die Darstellung freier, einschich- lisierung und die Zahl der eingeführten Lochde-
tiger Graphenkristalle bekannt gaben (Novoselov fekte (Feicht et al. 2017). Zunächst dispergiert
et al. 2004). Deren unerwartete Stabilität ist mög- man fein gemahlenen Graphit in einer hoch kon-
licherweise durch das Vorlegen eines metastabilen zentrierten und oxidierend wirkenden Säure wie
Zustands oder durch Bildung einer leicht gewell- Schwefel-, Salpeter-, Phosphorsäure oder deren
ten, also nicht exakt linearen Schicht des Gra- Mischungen. Danach fügt man unter ständigem
phens erklärbar (Novoselov et al. 2005a, b; Meyer Rühren in der Kälte ein weiteres Oxidationsmittel
et al. 2007). zu (z. B. KMnO4, KClO3, Peroxodisulfat) (Hof-
Graphen ist strukturell eng mit Graphit ver- mann und König 1937).
wandt, da das Stapeln dieser einlagigen Schichten Das Oxidationsmittel kann die einzelnen Gra-
zum Graphitgitter führt (Wallace 1947). Das Auf- phenschichten maximal bis zum einem Ladungs-
rollen dieser einlagigen Schichten ergibt gestreckte grad von C30+ oxidieren, dabei interkalieren die
Kohlenstoff-Nanoröhren (Iijima 1991). Ersetzte Säureanionen zwischen die Lagen des Graphens
man einige der Sechser- durch Fünferringe, wölbte im Graphitgitter (Rüdorff und Hofmann 1938; Sei-
sich die zuvor ebene Fläche zu einer Kugelober- ler et al. 2018). Damit vergrößert sich der Abstand
fläche; so könnte eine definierte Zahl von Kohlen- der Schichten deutlich von 0,33 nm auf 0,9 nm
stoffatomen theoretisch ein Fullerenmolekül aus- (Dreyer et al. 2009; Eigler 2015; Dimiev und Tour
bilden (Dresselhaus et al. 1992). Das homologe 2014). Nachdem durch folgende Aufarbeitung in
Silicen etwa liegt in Form leicht gewellter, einlagi- wässriger Phase Graphitoxid resultiert, kann man
ger, aus Siliciumatomen bestehenden Schichten dieses in neutraler oder alkalischer, wässriger
vor (Vogt et al. 2012). Phase zu Graphenoxid delaminieren. Unterstützen
Graphen ist ein Halbleiter mit verschwindender kann man diesen langsam ablaufenden Prozess
Bandlücke und sehr beweglichen Ladungsträgern. durch mechanische Behandlung wie Ultraschall
Das Material besitzt hervorragende mechanische oder in Kugelmühlen. Das Endprodukt ist nach
Eigenschaften wie eine sehr hohe Reißfestig- Endreinigung eine goldgelbe Dispersion von Gra-
keit (Lee et al. 2008). Graphen kann man mit phenoxid in Wasser; das getrocknete Produkt ist
Stickstoff-, Kohlenstoff oder Thionylchlorid/Amin goldbraun (s. Abb. 7) (Eigler et al. 2013). Graphen-
funktionalisieren, um nur einige wenige Beispiele oxid besitzt nur eine geringe Stabilität gegenüber
zu nennen (Eigler und Hirsch 2014). Einsatzge- erhöhten Temperaturen und zersetzt sich schon bei
biete sind nanostrukturierte elektronische Bauteile, ca. 100  C zu Graphen und CO/CO2 mit einer
chemische Sensoren, Trägermaterialien für Kataly- hohen Anzahl von Lochdefekten.
satoren, in Lithiumionen-Batterien, in Elektroden Die schwarzen Kohlenstoff-Nanoröhrchen
für Brennstoffzellen und auch in mechanisch ver- (s. Abb. 8) enthalten wie Graphen sp2-hybridi-
stärkten Verbundmaterialien (Popular Mechanics sierte Kohlenstoffatome in zylindrischer Anord-
2015). nung, so als ob die Ebenen des Graphitgitters bzw.
Versuche zur Herstellung von „Graphitsäure“ Graphens gerade oder auch verdreht aufgerollt
begannen Mitte des 19. Jahrhunderts (Brodie
1855; Staudenmaier 1898; Charpy 1909; Hof-
mann und Frenzel 1930). Erst später erkannte
man die mögliche Exfoliation von Graphitoxid
zu Graphenoxid. Die immer noch am meisten
verbreitete Methode zur Herstellung des Gra-
phitoxids entwickelten Hummers und Offeman
(1958), da diese einfach durchzuführen ist und
relativ ungefährliche Chemikalien verwendet
werden (Boehm und Scholz 1965). In Abhän- Abb. 7 Graphenoxid-Nanopulver, Ø 100 nm (Stanford
gigkeit von der zur Darstellung verwendeten Advanced Materials 2019)
222 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Abb. 9 Stäbe aus Kohlenstofffaser (Stanford Advanced


Materials 2019)
Abb. 8 Kohlenstoff-Nanoröhrchen (Onyxmet 2019)
Unterschied hierzu liegen im Buckminsterfulleren
eingelagerte Fünfringe vor.
sind. Diese Rohrwandung kann aus einer Schicht Kohlenstoff-Nanoschaum leitet den elektri-
(single-walled) oder mehreren Schichten (multi- schen Strom trotz des Vorliegens vieler ungepaar-
walled) von Gitterebenen bestehen. Die elektrische ter Elektronen nur schlecht, ist aber ferromagne-
Leitfähigkeit ist bei jedem dieser Raummodelle tisch (!) und kann unterhalb einer Temperatur von
unterschiedlich (Ebbesen 1997; Dresselhaus et al. 183  C selbst magnetisiert werden (Rode et al.
2001). 2004). Nach seiner Synthese behält Kohlenstoff-
Carbon nanobuds stehen hinsichtlich ihrer Nanoschaum den Ferromagnetismus größtenteils
Struktur und ihrer Eigenschaften zwischen Koh- bei. Gleichzeitig hat er mit 300–400 m2/g eine
lenstoffnanoröhren und Fullerenen (Nasibulin sehr hohe spezifische Oberfläche, die an die von
et al. 2007). Zeolithen heranreicht. Eine potenzielle Anwen-
Kohlenstoff-Nanoschaum ist ein Aerogel, dung ist die Speicherung von Wasserstoffgas
eine ungeordnete, netzartige Anordnung von (Blinc et al. 2007). Kohlenstoff-Aerogel dagegen
Graphitebenen. Strukturell ähnelt er Glaskoh- besteht aus agglomerierten Nanopartikeln (Rode
lenstoff, nur sind die Hohlräume mit 6–9 nm et al. 1999).
wesentlich größer. Kohlenstoff-Nanoschaum Kohlenstoff-Fasern leiten sich von polykristal-
ist der Sonderfall eines Aerogels, eine ungeord- linem Graphit ab. In Gestalt von Fasermatten und
nete, netzartige Anordnung von Graphitebenen. -bündeln geringer Festigkeit setzt man sie zur
Strukturell ähnelt er Glaskohlenstoff, nur sind Wärmeabdichtung ein. Durch Strecken bei der
die Hohlräume mit 6–9 nm wesentlich größer. Herstellung resultieren hochfeste Fasern für Ver-
Dieses Allotrop des Kohlenstoffs wurde 1997 bundwerkstoffe (s. Abb 9).
von Rode et al. durch Ablation von Graphit Glaskohlenstoff verhält sich teils wie Graphit,
mittels eines Hochfrequenz-Laserstrahls unter besitzt zudem aber keramische Eigenschaften.
Inertgas erhalten (Rode et al. 1999, 2000). Das Das Molekül-/Atomgitter ist ähnlich zu dem der
die Probe umgebende, atomisierten Kohlenstoff Fullerene aufgebaut (Harris 2004). Man stellt
enthaltende Gas wird stark erhitzt. Im heißen Glaskohlenstoff durch Härtung und Pyrolyse du-
Gas laufen die Syntheseschritte weiter, so dass roplastischer carbonisierbarer Harze her, indem
von vornherein auch sp2-Bindungen und unter die- man dem Harz 1 bis 10 Masse-% eines im Harz
sen Bedingungen Kohlenstoff-Cluster entstehen, löslichen, rückstandsfrei sublimierbaren Fettsäu-
die ein loses dreidimensionales Netz bilden. Diese resalzes zusetzt. Das Molekül der Fettsäure besitzt
Cluster sind über sp3-hybridisierte Kohlenstoff- 10 bis 20 Kohlenstoffatome (Edeling und Geb-
atome verbunden; jene machen 15 bis 45 % aller hard 1985). Seine elektrische Leitfähigkeit ist
Kohlenstoffatome aus. Das Material ist sehr hell geringer als die des Graphits (s. Abb. 10). Glas-
und mit einer Dichte von ca. 0,2 g/cm3 bis herunter kohlenstoff ist unter Schutzgas oder Vakuum bis
zu 0,002 g/cm3 extrem leicht (Zani et al. 2013). In zu Temperaturen über 3000  C stabil. Er ist
der Molekülstruktur findet man neben Sechsringen beständig gegenüber Korrosion und dicht gegen-
aus Kohlenstoffatomen auch Siebenringe; im über Gasen und Flüssigkeiten. Das Material ist
5 Einzeldarstellungen 223

und Dreifachbindungen bilden, dies mit Atomen


sehr vieler Elemente. Die organische Chemie
umfasst alle Kohlenstoffverbindungen mit Aus-
nahme der untengenannten und soll hier nicht
weiter behandelt werden.
Verbindungen mit Wasserstoff/Organische Ver-
bindungen Der Vollständigkeit halber sei der
einfachste Vertreter der organischen Chemie
genannt, das Methan (CH4). Es ist ein farb- und
Abb. 10 Glasartiger Kohlenstoff, Gewicht 193 g (Onyx- geruchloses, brennbares Gas vom Kondensations-
met 2019) punkt 162  C. Es ist Hauptbestandteil des Erd-
gases und bewirkt einen starken Treibhauseffekt,
sehr hart und fest, dies bei einer geringen Dichte darüber hinaus enthält die Atmosphäre der son-
um 1,4–1,5 g/cm3). Darüber hinaus hat Glaskoh- nenfernen Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus
lenstoff eine geringe thermische Ausdehnung und und Neptun sehr große Mengen gasförmigen,
gleichzeitig extreme Thermoschockbeständigkeit, flüssigen oder sogar festen Methans (Schmelz-
sowie eine moderate thermische (4–6 W/(K  m) punkt: 182  C). Jährlich werden auf der Erde
bei 20  C) und elektrische Leitfähigkeit ca. 600 Mio. t (!) des Gases freigesetzt, davon sind
(2  104 1/(Ω  m). zwei Drittel anthropogen. Landwirtschaft, vor
Aktivkohle stellt man aus pflanzlichen, petro- allem Reisanbau, und Rinderhaltung alleine sind
chemischen, mineralischen oder tierischen Stof- für fast 60 % der Emissionen verantwortlich. Die
fen wie Holz, Torf, Nussschalen, Kohle oder aber Verweildauer des Methans in der Atmosphäre
Kunststoffen her. Tierkohle ist aus tierischem Blut beträgt 10 a, was für einen merklichen Treibhaus-
oder Knochen erzeugte Kohle. Herstellung und effekt sorgen kann.
Aktivierung erfolgen nach zwei möglichen Ver- Chalkogenverbindungen Kohlendioxid (CO2)
fahren, der Gasaktivierung und der chemischen wird durch Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas
Aktivierung. sowie bei der Ausatmung der meisten Organis-
Bei erstgenannter setzt man schon verkohltes men in großen Mengen emittiert und hat einen
Material bei ca. 900  C mit einem aus Luft, Was- starken und lang andauernden Treibhauseffekt.
serdampf und Kohlendioxid bestehenden Gasge- Es wird zwar von den Pflanzen wieder bei der
misch um; es entsteht poröse Hochaktivkohle. Bei Photosynthese assimiliert, durch die großen welt-
letzterer behandelt man unverkohltes Material mit weit erfolgenden Abholzungen sinkt aber die Auf-
entwässernden Chemikalien (Zinkchlorid, Phos- nahmekapazität der Flora. Daher ist der Anteil
phorsäure) bei 500–900  C. Die dabei resultie- des Kohlendioxids in der Atmosphäre seit den
rende rohe Aktivkohle aktiviert man dann bei 1960er-Jahren mittlerweile von 0,03 % auf
700–1000  C im gleichen Gasgemisch wie oben ca. 0,04 % angestiegen. Kohlendioxid erstarrt
beschrieben. Aktivkohle besitzt eine extrem große und sublimiert direkt bei einer Temperatur von
innere Oberfläche und filtert gelöste Stoffe gerin- 78  C; man verwendet es dann als Kältemittel
ger Konzentration aus Flüssigkeiten oder absor- (Trockeneis).
biert Gase. Kohlendioxid ist das Anhydrid der Kohlen-
Ruß ist Kohlenstoff auf Grundlage von Gra- säure (H2CO3), deren Salze die Carbonate
phit. Je reiner er ist, desto stärker bilden sich die [z. B. Soda (Na2CO3) oder das die meisten
Eigenschaften des Graphits heraus. Gebirge aufbauende Calciumcarbonat (CaCO3)
und Hydrogencarbonate (z. B. Natron, NaHCO3)]
Verbindungen Kohlenstoff geht nach Wasser- sind. Kohlensäure ist eine schwache Säure und
stoff die größte Vielzahl chemischer Verbindun- zersetzt sich leicht zu Kohlendioxid und Wasser.
gen ein. Kohlenstoffatome können Ketten und Kohlenmonoxid (CO) ist ein farbloses, giftiges
Ringe mit ihresgleichen sowie Einfach-, Doppel- Gas vom Schmelz- bzw. Siedepunkt 205  C bzw.
224 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

191  C. Es blockiert, die Aufnahme von Sauer- Kohlenstoffdisulfid (Schwefelkohlenstoff, CS2)


stoff an den Farbstoff der roten Blutkörperchen. ist eine giftige, hochentzündliche und leichtflüch-
Es ist ein starkes Reduktionsmittel und wird hier- tige farblose Flüssigkeit (Siedepunkt: 46  C,
für in vielen industriellen Synthesen eingesetzt. Schmelzpunkt: 112  C, Dichte (20  C): 1,26 g/cm3,
Das übel riechende, giftige Kohlenstoffsuboxid Brechungsindex (n20D): 1,632). Im reinen
(C3O2) ist ein Gas, das bei einer Temperatur von Zustand duftet sie wie Ether, meist ist sie aber
6,8  C kondensiert. Die flüssige Verbindung kon- infolge geringer Anteile von Verunreinigungen
densiert bei 111  C. Das Molekül des Kohlen- übelriechend. Die Verbindung löst Iod, Schwefel,
stoffsubsoxids ist linear (O=C=C=C=O); die Selen, weißen Phosphor sowie Fette und leitet den
Verbindung ist sehr reaktiv. Man erhält C3O2 Strom gut. Da das Molekül frei von Wasserstoff-
z. B. durch Entwässern von Malonsäure, deren oder Halogenatomen ist, dient es als Lösungsmit-
Anhydrid es auch ist, mittels Phosphorpentoxid: tel in der IR-Spektroskopie. Heute erzeugt man
Kohlenstoffdisulfid aus rohem Erdgas (oder
HOOC  CH2  COOH ! C3 O2 þ 2 H2 O Methan) und Schwefel bei Temperaturen um
600  C in Gegenwart von Katalysatoren.
Carbonylsulfid (COS) kommt in Erdgas und Man stellt mittels Kohlenstoffdisulfid Zell-
vulkanischen Gasen vor. Das farblose Gas kon- stoffasern aus Cellulose her. Jene setzt man zu-
densiert bzw. erstarrt bei Temperaturen von 50  C nächst mit Natronlauge zu Alkalicellulose um, die
bzw. 138,8  C und hat bei Raumtemperatur eine dann mit Kohlenstoffdisulfid zu Xanthogenat
Dichte von 2,72 g/cm3. Man stellt es im Labor weiterverarbeitet wird. Diese alkalische Lösung
durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Ka- (Viskose) verspinnt man in schwefelsauren Bä-
liumthiocyanat dar (Svoronos und Bruno 2002): dern zu Regeneratcellulose. Die gelben Kupfer-
xanthogenate setzt man zur Bekämpfung von
KSCN þ 2 H2 SO4 þ H2 O Schädlingen ein.
! KHSO4 þ NH4 HSO4 þ COS Kohlenstoffdiselenid (CSe2) kann man durch
Reaktion von Dichlormethan mit Selen bei Tem-
Alternativ setzt man Kohlenmonoxid mit peraturen um 520  C erzeugen (Brauer 1975,
Schwefeldampf in glühenden Röhren um (Breit- S. 627):
maier und Jung 2012, S. 436):
CH2 Cl2 þ 2 Se ! CSe2 þ 2 HCl
CO þ S ! COS
Alternativ kann man Tetrachlorkohlenstoff mit
Das Molekül der Verbindung besitzt lineare Selenwasserstoff in der Gasphase umsetzen (Hol-
Struktur und ist zudem isoelektronisch zu leman et al. 1995, S. 628):
Kohlendioxid und Kohlenstoffdisulfid. Carbo-
nylsulfid verbrennt leicht zu Kohlendioxid und CCl4 þ 2 H2 Se ! CSe2 þ 4 HCl
Schwefel-IV-oxid; mit Wasserdampf erfolgt
Hydrolyse zu Kohlendioxid und Schwefelwas- Die goldgelbe, stark lichtbrechende (n20D:
serstoff. 1,845) Flüssigkeit der Dichte 2,66 g/cm3 erstarrt
Carbonylsulfid ist das vorherrschende schwe- bzw. siedet bei Temperaturen von 43,7  C bzw.
felhaltige Gas in der Atmosphäre. Es wird in der 125  C. Die Verbindung stinkt nach faulem Ret-
Troposphäre nicht abgebaut und gelangt somit in tich und ist unlöslich in Wasser, ist aber mit gelber
die Stratosphäre. Dort tritt Umwandlung zu Sul- Farbe löslich in Aceton, Dioxan, Kohlenstoffdi-
fataerosolen ein, die das Sonnenlicht in den Welt- sulfid, Tetrachlormethan, Diethylether, Benzol
raum reflektieren und so zur Kühlung der Erde oder Essigsäureethylester. Kohlenstoffdiselenid
beitragen. Man nutzt es zur Bekämpfung von reagiert empfindlich gegenüber Lichteinwirkung,
Nagetieren in Containern und in der Synthese polymerisiert beim Stehenlassen in heller Umge-
organischer Thioverbindungen. bung zu einem schließlich schwarzen Feststoff
5 Einzeldarstellungen 225

und ist nur bei Lagerung im Dunkeln und bei (II) 4 KCN + 2 CuSO4 ! (CN)2 " + 2 K2SO4 +
30  C lange haltbar. Überraschenderweise löst 2 CuCN#
die Flüssigkeit elementaren Schwefel in großer
Menge, kaum aber rotes Selen. Im technischen Maßstab produziert man es
Halogenverbindungen Von der riesigen Zahl durch Oxidation von Blausäure mit Chlor an akti-
an Kohlenstoff-Halogen-Verbindungen seien hier viertem Silicium-IV-oxid oder mit Stickstoff-IV-
nur Tetrachlorkohlenstoff (Tetrachlormethan, oxid an Kupfersalzen.
CCl4), Chloroform (CHCl3) und Iodoform (CHI3) Das farblose, giftige, stechend-süßlich riechende
erwähnt. Tetrachlormethan gewinnt man industri- Gas kondensiert bei 21  C; die Flüssigkeit erstarrt
ell als Nebenprodukt der Herstellung von Chloro- bei 29  C. Es verbrennt mit sehr heißer, rot-
form. Chlor erhitzt man mit Methan auf Tempe- violetter Flamme. Dicyan verhält sich in chemi-
raturen von ca. 450  C, wobei stufenweise alle scher Hinsicht ähnlich wie ein Halogen und zählt
Wasserstoff- durch Chloratome ersetzt werden. daher zur Gruppe der Pseudohalogene, wie bei-
Tetrachlormethan ist eine farblose, süßlich rie- spielsweise auch Thiocyanogen (Dirhodan). Im
chende, nicht brennbare, giftige Flüssigkeit, die linearen Molekül ist die C–C-Bindung die stärkste
bei 23  C erstarrt und bei 76,7  C siedet. Es löst bisher bekannte Einfachbindung zwischen zwei
Fette, Öle und Harze, ist aber mit Wasser nicht Kohlenstoffatomen; die Dissoziationsenergie be-
mischbar. trägt 603 kJ/mol (Dean 1999, S. 443). Die Verbin-
Chloroform ist eine farblose Flüssigkeit mit dung ist nur wenig in Wasser löslich und erleidet
süßlichem Geruch, die ebenfalls aus Methan und dabei Disproportionierung zu Cyanwasserstoff und
Chlor hergestellt wird. Sie siedet bei 61  C und Cyansäure. Unter dem Einfluss von Sonnenlicht
war das erste Anästhetikum, das man ab etwa polymerisiert es zu Paracyan [(CN)2] (Krüger
1850 einsetzte. Da man später feststellte, dass es 2007, S. 27).
toxisch auf innere Organe wirkt, wurde es durch Lässt man Dicyan bei sehr hohen Temperatu-
andere Betäubungsmittel verdrängt. ren auf Graphit einwirken, so bilden sich Dicya-
Iodoform wird aus alkalischer wässriger Etha- nopolyine (NC–C2n–CN; n = 3–8), deren Mole-
nollösung und Jod oder aber durch Elektrolyse küle stabförmig sind und am Ende der Kette
einer warmen ethanolisch-wässrigen Lösung von Cyanogruppen tragen (Steudel 2013, S. 279;
Kaliumiodid erzeugt. Es bildet gelbe Kristalle, die Grösser und Hirsch 1993).
bei einer Temperatur von 123  C schmelzen. Man Theoretische Vorhersagen bezüglich eines Koh-
setzt es noch oft als Desinfektionsmittel in der lenstoffnitrids (C3N4) kursieren in der Literatur
Zahnmedizin ein. schon lange. 1984 bzw. 1989 sagten Sung et al.
Pnictogenverbindungen Kohlenstoff bildet mit bzw. Cohen et al. voraus, dass ein hypothetisches,
Stickstoff eine Reihe von Nitriden der Zusam- kristallines C3N4 eine extrem große Härte haben
mensetzung (CN)n (n = 1, 2, x), von denen Di- sollte, die noch diejenige des Diamants überträfe.
cyan [NC-CN, (CN)2] das bekannteste ist. Im Ebenso existieren diverse Modelle, wie die Struktur
Labor gibt es verschiedene Möglichkeiten, Di- eines solchen Feststoffs beschaffen sollte (Schmidt
cyan herzustellen. Man kann es entweder durch 2009). Ein von diversen Universitäten gestelltes,
Erhitzen von Quecksilber-II- oder Silbercyanid internationales Forscherteam synthetisierte 2014
(Brauer 1975, S. 629, I), durch Tropfen konzen- erstmals triazinbasiertes graphitisches Kohlenstoff-
trierter Alkalicyanidlösung in eine konzentrierte nitrid (g-C3N4), das ziemliche strukturelle Ähnlich-
Lösung von Kupfer-II-sulfat (Woodburn et al. keit zum Graphen hat, in Form leicht gewellter
1957, II) oder durch Elektrolyse von Cyanid- atomarer Ebenen vorliegt, im Gegensatz zu Graphen
Lösungen in schwach saurer wässriger Phase an ein Halbleiter mit einer Bandlücke von 1,6–2 eV ist
inerten Platinelektroden erzeugen (Schmidt und und im Molekülgitter Triazin-Sechsringe [C(R)3N3]
Meinert 1957): enthält (Cooper et al. 2014; Zheng et al. 2015).
Dieses Material könnte, wenn es wirtschaftlich her-
(I) 2 AgCN ! (CN)2 " + 2 Ag stellbar wäre, ein beständiger, preiswerter Photoka-
226 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

talysator, etwa für Solarzellen, sein und Silicium stand Paraffinöl und Wachse. Holz, Kohle und Öl
nachfolgen. nutzt man in riesigen Mengen als Energiequelle
Charakterisiert sind aber die zu Si3N4 und zum Heizen.
strukturanalogen Kohlenstoffnitride α-C3N4 und Fast alle Kunststoffe haben ihren Ursprung in
β-C3N4, in deren Gittern die Kohlenstoff- tetra- der Erdölchemie. Durch thermische Zersetzung
edrisch von Stickstoffatomen umgeben sind, und synthetisch erzeugter Polyesterfasern erzeugt
diese Tetraeder kantenverknüpft vorliegen. Die man Carbonfasern. Jene setzt man zur Verstär-
pseudo-kubische α-Form hat eine defekte Zink- kung von Bauteilen aus Kunststoff oder aber in
blende-Struktur, die dem α-CdIn2Se4-Typ ent- innovativen Leichtbaustoffen ein. Zersetzt man
spricht. Erst kürzlich gelang die Herstellung des im besonderen Polyacrylnitril (PAN), so erhält
superharten β-C3N4, indem hochreiner Graphit man graphitähnliche Fasern, die durch Wärmebe-
in einer Kugelmühle unter Argon zu amorpher handlung ihre Struktur so ändern, dass man das
Nanoteilchengröße gemahlen wurde. Dann Material aufrollen kann. Resultat sind Fasern mit
ersetzte man Argon durch Ammoniak, das dann einer Reißfestigkeit, die höher als die von Stahl ist
bei fortgesetztem Mahlen zu nanogroßen Parti- (Cantwell und Morton 1991).
keln von β-C3N4 reagiert. Hoher Druck und Der Naturstoff Cellulose, ein polymerer Zucker,
intensive Bewegung der Reaktionsmischung för- wird von Pflanzen in Form von Holz, Baumwolle
dert die Spaltung der NH3-Moleküle unter Ande- und Leinen produziert. Kohlenstoffhaltige Poly-
rem zu atomarem Stickstoff, der unter den herr- mere tierischer Herkunft sind Wolle, Kaschmir
schenden Bedingungen an der Oberfläche der und Seide.
Graphit-Nanoteilchen zu β-C3N4 reagiert. Dieses Elementarer Kohlenstoff besitzt außerordent-
weist mit 496 GPa das höchste Kompressions- lich viele Anwendungen. Er kann mit Metallen
modul aller Kohlenstoffnitride auf und übertrifft legiert werden, Graphit setzt man, gemischt mit
darin sogar Diamant etwas. Es hat dieselbe Kris- Ton, in Bleistiftminen ein, außerdem als Schmier-
tallstruktur wie β-Si3N4, also eine hexagonale mittel, als Farbpigment, als Elektrodenmaterial, in
Struktur (Yin et al. 2003a, b; Horvath-Bordon Kohlebürsten für Elektromotoren und als Neutro-
2004). nenmoderator in Kernreaktoren.
Werden in Fulleren-Molekülen die Kohlen- Kohle verwendet man oft in großindustriellen
stoff- durch Stickstoffatome ersetzt, so entstehen Reduktionsprozessen, z. B. in Hochöfen zur
Azafullerene. In den Molekülen der Cyanofuller- Gewinnung flüssigen Stahls. Diesen kann man
ene [zum Beispiel das C60(CN)2n, n = 1–9] sind dadurch noch härten, indem man frisch gegosse-
Cyanogruppen an das Fullerengerüst gebunden nen und gerade erstarrten Stahl in Kohlepulver
(Sheka 2011, S. 116). erhitzt. Silicium-, Bor-, Wolfram- und Titancar-
Verbindungen mit Metallen und Halbmetallen bid gehören zu den härtesten Werkstoffen und
Das Kohlenstoffatom ist bei Carbiden der elek- werden als Schleif- und Schneidemittel verwen-
tronegativere Bindungspartner. Viele Metalle bil- det.
den Carbide; diese sind teils sehr hart; daher setzt Holzkohle dient zum Grillen, ebenfalls als Zei-
man sie in Schneidwerkzeugen (z. B. Wolfram-, chenmaterial in der Malerei.
Tantal- oder Titancarbid) ein. Aus Calciumcarbid Aktivkohle ist das Schwarzpigment unter
(CaC2) kann man durch Zugabe von Wasser Ace- anderem in Druckertinte, in Künstler- und Was-
tylen (Ethin, C2H2) herstellen. serfarben, in Kohlepapier, Autolacken sowie To-
Anwendungen Die Hauptanwendung des nern für Laserdrucker. Man benutzt sie auch als
Kohlenstoffs und seiner Verbindungen, abgese- Füller in Kautschukprodukten wie Autoreifen.
hen von Lebensmitteln und Forstwirtschaft, ist Aktivierte Aktivkohle dient als hoch wirksames
die der Kohlenwasserstoffe, meist in Form von Adsorbens zur Reinigung von Wasser, in Gasmas-
Erdgas und Rohöl. Aus letzterem erzeugt man in ken und in der Medizin.
Raffinerien durch fraktionierte Destillation Ben- Diamant in Edelsteinqualität verwendet man
zin, Kerosin und Dieselöl, ferner aus dem Rück- zur Herstellung von Schmuck, Industriediamanten
5 Einzeldarstellungen 227

zum Schleifen, Bohren und Polieren von Stein und


Metallen. Beide Märkte unterscheiden sich von- and method for manufacturing carbon
einander fundamental. fiber bundle (Toray Industries, WO
Schmuckdiamanten werden im Gegensatz zu 2019188236 A1, veröffentlicht 3. Okto-
Edelmetallen und Industriediamanten nicht als ber 2019)
Massenware gehandelt. Bei industriell eingesetz- J. M. Blackwell und T. Mahdi, Carbon-based
ten Diamanten ist nur die Härte und Wärmeleitfä- dielectric materials for semiconductor
higkeit wichtig, schmuckspezifische Eigenschaf- structure fabrication and the resulting struc-
ten nicht, und sie werden sowohl als Abfall im tures (Intel Corp.; privat, WO 2019190495,
Diamantbergbau als auch synthetisch gewonnen. veröffentlicht 3. Oktober 2019)
Die 2014 weltweit produzierte Menge an Diaman- A. La Voie, Atomic layer deposition of car-
ten betrug ca. 130 Mio. Karat (Olson 2015). bon films (Lam. Res. Corp., WO 20
Industriediamanten sind meist klein und wer- 19190783 A1, veröffentlicht 3. Oktober
den meist in große Sägeblätter, Bohrköpfe oder 2019)
als Pulver in Poliermassen eingearbeitet (Coelho Ö. Barbaros und O. C. Mendoza, Two-
et al. 1995), Spezialanwendungen sind Versuche dimensional amorphous carbon coating
unter hohem Druck oder sehr stabile Beschichtun- and methods of growing and differentia-
gen (Harris 1999; Nusinovich 2004). ting stem cells (National University of
Singapore, SG 11201907148 S A1, ver-
öffentlicht 27. September 2019)
A. Edlinger und J. Daimer, Method for proces-
sing used cathode material containing car-
Patente bon (SGL Carbon SE, BR 112013021512
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world A2, veröffentlicht 24. September 2019)
wide.espacenet.com)

E. Islam und B. Maruyama, Single walls


carbon nanotube triade (US Government 5.2 Silicium
Air Force und US Secretary of the Air
Force, US 10431675 B1, veröffentlicht Geschichte Erstmals postulierte de Lavoisier
1. Oktober 2019) (Kurzbiographie siehe „Wasserstoff“), dass Silex
A. Suzuki und J. Yamashita, Carbon foam das Oxid eines Metalles ist (de Lavoisier 1799).
and manufacturing method therefor Rund 20 Jahre später, 1807, glaubte Davy (Kurz-
(Asahi Chemical Ind., AU 2018234004 biographie siehe „Natrium“) nach Durchführung
A1, veröffentlicht 3. Oktober 2019) eigener Versuche die Elemente Silicium, Alumi-
Z. Yong und Q. Li, Carbon nanotube prepa- nium, Zirconium und Glucinium (Beryllium) darge-
ration system (Suzhou Creative Nano stellt zu haben (Davy 1808). Der Name „Silicium“
Carbon Co., Ltd., WO 2019183766 A1, leitet sich vom lateinischen Wort silex (Kieselstein,
veröffentlicht 3. Oktober 2019) Feuerstein) ab und soll darauf Bezug nehmen, dass
M. K. Dharmarajan und T. Ganapathi, A Silicium häufiger Bestandteil vieler Minerale ist.
hydroxygen generator for reducing car- 1811 konnten Gay-Lussac und Thénard (Kurz-
bon emission and increasing fuel effi- biografien siehe „Bor“) als Erste noch unreines,
ciency (Harit Ecotech Sdn Bhd, WO amorphes Silicium darstellen; hierzu leiteten sie
2019190305 A1, veröffentlicht 3. Okto- gasförmiges Siliciumtetrafluorid über metalli-
ber 2019) sches Kalium (Gay-Lussac und Thénard 1811).
Y. Takechi und I. Nakayama, Method for Berzelius (Kurzbiografie siehe „Cer“) stellte ele-
manufacturing acrylonitrilic fiber bundle mentares Silicium 1824 durch Reduktion eines
Hexafluorosilicates mit metallischem Kalium
228 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

dar, reinigte das Rohprodukt durch Waschen und eingesetzt. Daher klassifiziert man es nach erfor-
nannte das neue Element Silicium (Weeks 1960). dertem Reinheitsgrad; diese sind Simg („metallur-
Reines, kristallines Silcium stellte Sainte- gical grade“, Rohsilicium mit 98–99 % Si), Sisg
Claire Deville (Kurzbiografie siehe „Alumi- („solar grade“, Solarsilicium, Gehalt >99,99 %)
nium“) erstmals 1854 her. und Sieg („electronic grade“, Halbleitersilicium,
Vorkommen Silicium zeigt als Halbmetall Verunreinigungen <1 ppb).
und auch Halbleiter sowohl die Eigenschaften Rohsilicium gewinnt man durch Reaktion von
von Metallen als auch von Nichtmetallen. Ele- Silicium-IV-oxid mit Kohle in großen Öfen bei
mentares Silicium ist für den Menschen ungiftig, einer Temperatur von ca. 2000  C:
in Form von Silikat sogar wichtig. Im menschli-
chen Körper sind rund 20 mg/kg Körpermasse SiO2 þ 2 C ! Si þ 2 CO
Silicium enthalten. Es ist mit einem Anteil von
25,8 Gew.-% das zweithäufigste in der Erdkruste Die Jahresproduktion beträgt einige Mio. t. Roh-
vorkommende Element und kommt in Form sili- silicium ist Bestandteil metallischer Legierungen
katischer Minerale oder als reines Silicium-IV- und verleiht Stahl eine größe Beständigkeit ge-
oxid (Quarz) vor. genüber Korrosion infolge Bildung von Ferrosili-
Sand besteht größtenteils aus feinen Quarzkris- cium. Ferner ist es Ausgangsmaterial für die Pro-
tallen. Die meisten Halbedel- und Edelsteine duktion von Silanen nach Müller-Rochow; jene
bestehen aus Quarz oder Silikaten, wie beispiels- benötigt man zur Herstellung von Siliconen.
weise Rosen-, Rauch-, Gelb- und Grünquarz, Solarsilicium erzeugt man, indem Rohsilicium
Amethyst, Jaspis, Opal und Achat. Mit Metallen mit gasförmigem Chlorwasserstoff bei Tempera-
bildet Silicium Silikate mit sehr unterschiedlichen turen um 300  C zu Trichlorsilan umgesetzt wird
Silikatanionen („Kieselsäure-Anionen“) aus wie
Glimmer, Asbest, Ton, Schiefer, Feldspat und Si þ 3 HCl ! H2 þ HSiCl3
Sandstein. 2011 kannte man 1437 Minerale auf
Basis von Silicium, das seinen höchsten Mengen- Jenes wird mehrfach destilliert und dann in
anteil nicht in Quarz (46,7 %) hat, sondern in Gegenwart von Wasserstoffgas bei Temperaturen
Moissanit (Karborund, Siliciumcarbid, SiC); letz- um 1100  C an Stäben aus Reinstsilicium wieder
terer ist nach Diamant mit einer Mohs-Härte von zersetzt (Sirtl und Reuschel 1964), auf denen das
9,5 der härteste Stoff. beim Zerfall gebildete Silicium aufwächst. Dieses
Gediegenes Silicium findet man an nur weni- Siemens-Verfahren ist aber sehr energieintensiv
gen Orten (z. B. Kuba, China, Russland, USA). und liefert große Mengen an Abfallprodukten.
Gewinnung Silicium stellt man in kleinerem Eine Verbesserung erzielt man durch Erzeugung
Maßstab durch Umsetzung von Silicium-IV-oxid von Monosilan (SiH4) aus den Elementen und
oder -tetrafluorid mit Metallen her: dessen nachfolgende Zersetzung an beheizten
Oberflächen oder in Wirbelschichtreaktoren.
SiO2 þ 2 Mg ! Si þ 2 MgO Man erhält so polykristallines Silicium großer
Reinheit, das für die Herstellung von Solarmodu-
3 SiF4 þ 4 Al ! 3 Si þ 4 AlF3 len geeignet ist.
Das reinste und monokristalline Halbleitersi-
Die Reaktion von Natrium mit Siliciumtetra- licium benötigt man für elektronische Bauele-
chlorid liefert amorphes, reaktives Silicium: mente. Dazu muss man im Solarsilicium noch
vorhandene Verunreinigungen mittels des Tiegel-
4 Na þ SiCl4 ! Si þ 4 NaCl ziehens oder Zonenschmelzens auf kleinstmögli-
che Gehalte bringen. Beim Tiegelziehen schmilzt
Das Element wird großtechnisch in der Photo- man Solarsilicium in Quarztiegeln und taucht ei-
voltaik (Solarzellen), in Halbleitern (elektroni- nen Impfkristall aus hochreinem monokristallinem
sche Chips) und in der Metallurgie (Ferrosilicium) Silicium in die Schmelze ein. Beim langsamen
5 Einzeldarstellungen 229

Herausdrehen des Kristalls aus der Schmelze kris- dargestellte Cyclotrisylen, das aber nur bei Einsatz
tallisiert hochreines Silicium monokristallin auf der sterisch anspruchsvollen Bis(tert.-butyl)-me-
dem Kristall aus. Die Verunreinigungen bleiben thylsilyl-Gruppen stabil ist (Elschenbroich 2003).
in der Schmelze zurück (Czochralski-Verfahren). Darüber hinaus beschreibt Elschenbroich weitere
Beim alternativ durchführbaren Zonenschmel- Moleküle, sowohl mit konjugierten Si=Si- als
zen wandert ein ringförmig um den Siliciumstab auch mit isolierten Si=C-Doppelbindungen.
angeordneter, elektrisch beheizter Induktionsring Silicium löst sich in Säuren nicht, nur in salpe-
langsam den Stab entlang und erzeugt an der tersäurehaltiger Flusssäure, in der es Hexafluoro-
Stelle, an der er sich gerade befindet, eine silicat bildet (Holleman et al. 2007, S. 922). Es ist
Schmelzzone. Diese durchwandert den Stab bis aber leicht lösbar in heißen Alkalilaugen, wobei
zum Ende und nimmt dabei alle im Silicium ent- sich Silikatanionen und Wasserstoff bilden; dies
haltenen Verunreinigungen in sich auf. wird durch das stark negative Normalpotenzial für
diese Reaktion erklärt (Riedel und Janiak 2011).
Eigenschaften An Luft überzieht es sich mit einer dünnen, pas-
Physikalische Eigenschaften: Silicium ist wie sivierenden Oxidschicht und ist daher ziemlich
Germanium und Antimon ein Elementhalbleiter. reaktionsträge.
Es kristallisiert im Gitter des Diamants, schmilzt
aber bereits bei 1410  C (s. Tab. 2). Der energeti- Verbindungen Silicium ist in seinen kovalen-
sche Abstand zwischen Valenz- und Leitungsband ten Verbindungen fast stets vierbindig und tritt
dieses indirekten Halbleiters beträgt 1,107 eV dort mit der Oxidationszahl +4 auf, nur in den
(20  C). Eine gezielte Einlagerung von Fremdato- mit Metallen gebildeten Siliciden ist es in der
men (Dotierung mit z. B. Indium-, Antimon-, Regel der elektronegativere Partner. Es konnten
Arsen- oder Boratomen) verändert die elektrische jedoch auch einige, wenn auch instabile Verbin-
Leitfähigkeit des Siliciums innerhalb weiter Gren- dungen des zweiwertigen Siliciums (Silylene)
zen. Ein Zusatz von Bor- oder Arsenatomen kann synthetisiert werden. Wichtig ist nur das in der
die Leitfähigkeit um das Hundertfache erhöhen. optischen Industrie eingesetzte Siliciummonoxid
Diese durch Störstellen bewirkte elektrische Leit- (SiO). Jüngst konnte man die Existenz des Sili-
fähigkeit (Überschuss bzw. Defekt) ist wesentlich cens nachweisen, dessen Struktur der des Gra-
größer als die „aus eigener Kraft“ erbrachte; man phens ähnelt (Vogt et al. 2012).
spricht dann von „Störstellenhalbleitern“. Aussa- Wasserstoffverbindungen Im Gegensatz zu den
gen über die Struktur der Bänder ergeben sich homologen Kohlenwasserstoffen ist das Silici-
unter anderem aus der wellenlängenabhängigen umatom in den Siliciumwasserstoffen (Silanen)
Lichtabsorption und den dazu proportionalen Ex- der elektropositivere Bindungspartner; Silane ver-
tinktionen sowie den jeweiligen Brechungsindi- halten sich daher völlig anders als die gesättigten
ces (Palik und Ghosh 1998; Honsberg und Bow- Kohlenwasserstoffanaloga (Alkane). Bei der Ein-
den 2007). wirkung von Säure auf Metallsilicide entsteht ein
Auch Silicium zeigt eine Dichteanomalie. Flüs- farbloses, selbstentzündliches Gemisch von Mo-
siges Silicium besitzt oberhalb seines Schmelz- nosilan und höheren Silanen. Mono- und Disilan
punktes eine um rund 10 % höhere Dichte als in (Siedepunkte: 112 bzw. 15  C) sind Gase, ab
festem, kristallinem Zustand (Hedler 2006). Trisilan aufwärts Flüssigkeiten. Analog zu den
Chemische Eigenschaften: In fast allen seiner Kohlenwasserstoffen existieren auch einige ver-
Verbindungen bildet Silicium, im Gegensatz zum zweigte und cyclische Silanmoleküle.
Kohlenstoff, nur Einfachbindungen aus. Mittler- Silane sind im Gegensatz zu den homologen
weile konnten aber eine ganze Reihe an Verbin- Alkanen sehr instabil und nur unter Luftabschluss
dungen hergestellt werden, deren Moleküle eine herzustellen. Vor allem die niedrigen Silane (SiH4
Si=Si-Doppelbindung aufweisen. Interessant ist bis Si3H8) entzünden sich an der Luft oft spontan
das von Sekiguchi aus Dialkyldibromsilan, Al- und verbrennen dann zu Silicium-IV-oxid und
kyltribromsilan und Natrium in Toluol bei 20  C Wasser. Die höheren Silane sind stabiler; von
230 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Silicium


Symbol: Si
Ordnungszahl: 14
CAS-Nr.: 7440-21-3

Aussehen: Grauschwarz, metallisch, bläulich Silicium, Pulver Silicium, Kristall


glänzend (Sicius 2015) (Enricoros 2007)
Entdecker, Jahr Lavoisier (Frankreich), 1787
Berzelius (Schweden), 1823
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
28
14Si (92,23) Stabil ——
29
14Si (4,67) Stabil ——
30
14Si (3,10) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 25.800
Atommasse (u): 28,085
Elektronegativität 1,90 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: SiH4 + 4 H2O ! Si + 4 H3O+ + 4 e (V) 0,143
Normalpotenzial: Si + 6 OH ! SiO32 + 3 H2O + 4 e (V) 1,69
Atomradius (pm): 110
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 210
Kovalenter Radius (pm): 111
Elektronenkonfiguration: [Ne] 3s2 3p2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 787 ♦ 1577 ♦ 3232 ♦ 4356
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 4,1  106
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
(Diamantstruktur)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1  103
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 130–188 ♦ 98 ♦ 51–80
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Mohs-Härte 7
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 8433
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 2,336
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 12,06  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 150
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 19,789
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1410 ♦ 1683
Schmelzwärme (kJ/mol) 50,66
Siedepunkt ( C ♦ K): 3260 ♦ 3533
Verdampfungswärme (kJ/mol): 383

Heptasilan an sind Silane nicht mehr pyrophor. (CH4). Es hat im Gegensatz zu Methan einen
Eine Übersicht über die wichtigsten Vertreter der unangenehmen Geruch und kondensiert bei
Gruppe der n-Silane gibt Tab. 3. 112  C (die Flüssigkeit erstarrt bei 185  C).
Monosilan (SiH4) ist der einfachste Vertreter Man stellt Monosilan im Labor durch Einwirkung
der Silane (auch Siliciumwasserstoffe genannt) von Salzsäure auf Magnesiumsilicid her, in der
und somit das Siliciumanalogon des Methans Technik bevorzugt man die Umsetzung von
5 Einzeldarstellungen 231

Tab. 3 Übersicht über die n-Silane (Holleman et al. 1995, S. 485)


Silan Summenformel Schmelzpunkt ( C) Siedepunkt ( C) Dichte (g/cm3) Molare Masse (g/mol)
Monosilan SiH4 184,7 112,1 0,00135 32,12
Disilan Si2H6 129,4 14,8 0,00266 62,22
Trisilan Si3H8 116,9 52,9 0,739 92,32
Tetrasilan Si4H10 91,6 108,4 0,795 122,42
Pentasilan Si5H12 72,2 153,2 0,827 152,52
Hexasilan Si6H14 44,7 193,6 0,847 182,62
Heptasilan Si7H16 30,1 226,8 0,859 212,72

Silicium-IV-chlorid mit Lithiumhydrid im Lithi-


umchlorid/Kaliumchlorid-Eutektikum oder durch
Thermolyse etwa von Trichlorsilan (Holleman
et al. 1995, S. 485).
Monosilan entzündet sich an der Luft selbst und
verbrennt zu Silicium-IV-oxid und Wasserdampf.
Unter Ausschluss von Luft und Feuchtigkeit kann
man es bis hinauf zu Temperaturen von 300  C
erhitzen, ohne dass es sich zersetzt. In wässrigen
Alkalien hydrolysiert Monosilan zu Wasserstoff
und Kieselsäure. Bei vorsichtiger Einwirkung Abb. 11 Siliciummonoxid (Onyxmet 2019)
von Halogenen oder Halogenwasserstoffen können
einzelne Protonen durch Halogenatome ersetzt ner Schichten amorphen Siliciums und schließlich
werden. Man setzt Monosilan zur Abscheidung auch zur Herstellung von Wafern ein.
dünner Schichten aus Silicium-, Siliciumoxid- Chalkogenverbindungen Siliciummonoxid (SiO)
und Siliciumnitrid ein; daher ist die wichtigste ist ein anthrazitbrauner, spröder Feststoff (s. Abb. 11)
Anwendung die Herstellung von Wafern für Solar- mit einem Schmelzpunkt von ca. 1700  C. Es wirkt
zellen. stark reduzierend, ist in feiner Verteilung pyrophor
Disilan (Si2H6) erzeugt man durch Einwirkung und disproportioniert oberhalb einer Temperatur
von Mineralsäure auf Magnesiumsilicid oder von 600  C zu Silicium und Silicium-IV-oxid. Die
durch Einwirkung elektrischer Entladungen auf Verbindung wird schon bei Raumtemperatur durch
Monosilan. Daran anschließend muss das gebil- Luftsauerstoff schnell zu Silicium-IV-oxid oxidiert:
dete Gemisch von Silanen fraktioniert konden-
siert werden. In reiner Form erhält man es durch 2 SiO þ O2 ! 2 SiO2
Reaktion von Lithiumaluminiumhydrid mit Hexa-
chlordisilan (Brauer 1975, S. 657):
Silicium-IV-oxid (SiO2) kommt in der Natur
2 Si2 Cl6 þ 3 LiAlH4 ! 2 Si2 H6 dagegen in riesigen Mengen vor, es ist die Grund-
" þ3 LiCl þ 3 AlCl3 lage von Sand und vieler Gesteine (unter anderem
auch Quarz, Basalt, Lava). Es ist in reinem
Disilan ist ein farbloses, unangenehm riechen- Zustand ein weißer bis farbloser Feststoff
des, selbstentzündliches Gas. Wasser zersetzt es (s. Abb. 12a, b), schmilzt bei 1713  C und ist
zu Silicium-IV-oxid und Wasserstoff; mit Haloge- nur sehr wenig in Wasser löslich. Die Löslichkeit
nen, Sauerstoff, Basen oder Oxidationsmitteln liegt für Quarz bei 60 mg/L in kochendem Wasser
beispielsweise erfolgt explosionsartige Reaktion. und steigt mit dem pH-Wert an, weil Silikate
Thermische Zersetzung tritt, unter Ausschluss (Anionen der Kieselsäure) gebildet werden. Die-
von Luft und Feuchtigkeit, bei ca. 300  C ein. ser Effekt tritt besonders bei amorphem Silicium-
Man setzt Disilan industriell zur Erzeugung dün- IV-oxid auf. In Säuren ist die Verbindung kaum
232 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

ciumdioxid, Kieselsole oder Kieselgele. Dagegen


stellt man pyrogene Kieselsäure durch Verbren-
nen von Silicium-IV-chlorid, manchmal auch Si-
lanen, in einer Knallgasflamme her. Letztere ist
ein amorphes Pulver, dessen Teilchen einen
Durchmesser von 5–50 nm und eine spezifische
Oberfläche von 50-600 m2/g haben. Der große
Vorteil von Silicium-IV-oxid ist seine toxikologi-
Abb. 12 a Silicium-IV-oxid (Onyxmet 2019) b Quarz, sche Unbedenklichkeit.
Bergkristall 15  18 cm (Didier Descouens 2010) Synthetisch hergestelltes Silicium-IV-oxid ist
daher in vielen Produkten des täglichen Bedarfs
löslich; nur Flusssäure löst Silicium-IV-oxid -und vertreten, so als Füllstoff in Farben und Lacken,
damit auch Glas- unter Bildung gasförmigen Kunst- und Klebstoffen, in Beschichtungen für
Silicium-IV-fluorids auf. Inkjetpapier, in Arzneimitteln und in Kosmetika.
In der Natur kommt Silicium-IV-oxid sowohl Kieselsol dient zur Klärung von Bier, von Säften,
in amorpher als auch kristalliner Form vor. Zu den zur Herstellung von Formen für den Feinguss und
ersten zählen vulkanische und Gesteinsgläser wie als Abrasiv in Zahnpasten. Vom Volumen her sehr
auch Diatomeenerde, zu den zweiten im wesent- wichtig ist die Anwendung als Verstärker in Kaut-
lichen die diversen Varietäten des Quarz. Die Ver- schukmassen für Autoreifen, am bedeutendsten
bindung stellt in Gestalt von Silikaten wie Quarz, jedoch ist die Herstellung von Gläsern, zu der
Feldspat, Ton und vielen anderen Halbedelsteinen man es mit verschiedenen Metalloxiden vermen-
einen der wichtigsten Bestandteile der Erdkruste. gen kann, um das jeweils gewünschte Glas mit
Zudem kommt Silicium-IV-oxid bzw. Kieselsäure definiertem Schmelzpunkt zu erhalten. Linsen
auch in den Gerüsten von Pflanzen und niederen und Prismen bestehen aus Quarzglas, im chemi-
Tieren vor, wie etwa den Kieselalgen (Diato- schen Labor viele Glasgeräte, obwohl dort wegen
meen), manchen Schwämmen und auch Schach- des niedrigeren Preises auch Borosilicatgläser im
telhalm. Einsatz sind.
Die Löslichkeit kristallinen Silicium-IV-oxids Sand ist unverzichtbarer Bestandteil von
in Wasser ist bei 25  C mit 3–11 mg/L sehr gering Zementen, Microsilica setzt man zur Produktion
(Rykart 1995). Amorphe Silikate besitzen dage- besonders fester Betone und auch als Abbinde-
gen meist eine erheblich bessere Löslichkeit. Kie- beschleuniger für Beton ein. Grundlage ist die
selsäuren sind bei der gleichen Temperatur mit Reaktion der feingemahlenen „Silica“ mit
ca. 120 mg/l Wasser deutlich besser löslich (Hum- Calciumhydroxid (gelöschter Kalk) und die Bil-
mel et al. 2002, S. 313). Die Löslichkeit. steigt dung festigkeitsverleihender Calciumsilicat-
generell mit zunehmender Temperatur an; in Hydrate.
kochendem Wasser lösen sich ca. 60 mg/L Quarz Silicium-IV-oxid ist unter der Nummer E 551
(Ford und Williams 2007, S. 45). Auch ein höhe- zugelassener Lebensmittelzusatzstoff, den man
rer pH-Wert bewirkt eine stärkere Löslichkeit in Gewürzen und deren Mischungen sowie
(Schlomach 2006; Amjad 1998). Gegenüber Säu- als Rieselhilfe für Speisesalz fndet. Allerdings
ren ist Silicium-IV-oxid praktisch inert; es wird stehen Nanopartikel des Materials im Verdacht,
nur von Flusssäure unter Bildung von Silicium- Abwehrreaktionen der Schleimhaut des Verdau-
IV-fluorid angegriffen. ungstraktes auszulösen, weshalb Anbauverbände
Die technische Produktion synthetischen E 551 nicht mehr und statt dessen Calciumcarbo-
Silicium-IV-oxids (oft als „silica“ bezeichnet) nat (E 170) empfehlen. Auch in Tabletten dient
beginnt mit Natron- oder Kaliwasserglas, das Silicium-IV-oxid als Füllstoff.
man durch Aufschluss von Quarzsand mit Bei der Produktion integrierter Mikroschalt-
Natrium- oder Kaliumcarbonat erhält. Je nach kreise fungierte Silicium-IV-oxid bis etwa 2005
angewandtem Prozess resultieren so gefälltes Sili- als Isolator und wurde dort in Dielektrika für
5 Einzeldarstellungen 233

Transistoren bzw. Isolator bei Verdrahtungen ein- Silicium-IV-selenid (SiSe2) liegt in Form meh-
gesetzt. Solche dünnen Schichten stellte man rerer Modifikationen vor. Einerseits existiert die
durch thermische Oxidation von Silicium oder oben für Silicium-IV-sulfid beschriebene, faser-
durch chemische Gasphasenabscheidung her. We- artige Struktur mit über die Kanten verknüpften
gen nicht mehr den stets höheren Anforderungen SiSe4-Tetraedern, andererseits wurden auch Poly-
genügender Eigenschaften wurde und wird Silici- morphe mit eckenverknüpften Tetraedern durch
um-IV-oxid zunehmend durch andere Dielektrika Erhitzen einer stöchiometrischen Mischung der
(low-k, high-k) ersetzt. Elemente auf Temperaturen von 400  C bzw.
Die thermische Oxidation und Bildung sehr 500–600  C hergestellt (Pradel et al. 1993).
dünner Schichten aus Silicium-IV-oxid funktio- Halogenverbindungen Alle Siliciumtetrahaloge-
niert natürlich nur dann, wenn das Substrat selbst nide sind sehr empfindlich gegenüber Luftfeuchtig-
aus Silicium besteht. Bei anderen Substraten keit bzw. Wasser und hydrolysieren schnell zu
bedient man sich des Verfahrens der chemischen Silicium-IV-oxid bzw. Kieselsäure und Halogen-
Abscheidung aus der Gasphase, bei dem Silane wasserstoff. Silicium-IV-fluorid (SiF4) ist ein farblo-
bei hoher Temperatur mit Sauerstoff bzw. Lachgas ses, an feuchter Luft rauchendes Gas von stechen-
umgesetzt werden, oder bei dem Tetraethylortho- dem Geruch mit einem Sublimationspunkt von
silicat thermolysiert wird. 95  C. Es ist in unreiner Form aus Calciumfluorid,
Silicium-IV-sulfid (SiS2) ist durch Umsetzung Sand und konzentrierter Schwefelsäure (I) oder aber
von Aluminiumsulfid mit Silicium-IV-oxid bei durch Erhitzen von Hexafluorokieselsäure (H2SiF6)
1200 bis 1300  C erhältlich; dabei entsteht auch bzw. ihren Salzen (II) darstellbar:
Siliciummonosulfid (Brauer 1975, S. 699):
(I) H2SO4 + CaF2 ! 2 HF + CaSO4
3 SiO2 þ 2 Al2 S3 ! 3 SiS2 þ 2 Al2 O3 4 HF + SiO2 ! SiF4 + 2 H2O
(II) H2SiF6 ! 2 HF + SiF4
Silicium-IV-sulfid kann man ebenso durch
Überleiten trockenen Schwefelwasserstoffs über Eine für das Labor anwendbares Verfahren
Silicium bei 1200 bis 1300  C oder auch durch beinhaltet das Überleiten gasförmigen Silicium-
thermische Zersetzung von Tetraethylmercaptosi- IV-chlorids über auf 450  C erhitztes Calcium-
lan im Temperaturbereich von 250 bis 300  C fluorid (Boehm 1969):
(Holleman et al. 1995, S. 916). Natürlich ergibt
auch die Synthese aus den Elementen bei Tempe- SiCl4 þ 2CaF2 ! SiF4 þ 2CaCl2
raturen um 1000  C Silicium-IV-sulfid (Bohm
et al. 2010, S. 157). Das farblose, giftige, unbrennbare Gas subli-
Die Verbindung hat die Dichte 1,85 g/cm3, miert bei 95  C und besitzt die Dichte 4,37 g/L.
schmilzt bei 1090  C und ist eine weiße, sehr Silicium-IV-fluorid hat infolge seiner leicht erfol-
hydrolyseempfindliche Masse; sie wird selbst genden Hydrolyse zu Fluorwasserstoff einen ste-
durch Ethanol und Ammoniak zersetzt. Wird chenden Geruch und raucht an feuchter Luft.
Silicium-IV-sulfid an der Luft erhitzt, verbrennt Durch Anwendung von Drücken um 50 bar kann
es langsam. Es besitzt eine Faserstruktur, in der man es verflüssigen.
Siliciumatome verzerrt tetraedrisch von Schwe- Silicium-IV-chlorid (SiCl4, Tetrachlorsilan) wird
felatomen umgeben sind (s. Abb. 13; Bohm et al. durch Überleiten von Chlor über erhitztes Silicium
2010, S. 157). hergestellt. Die farblose Flüssigkeit (s. Abb. 14)

Abb. 13 Molekülstruktur S S S
Silicium-IV-sulfid S S S
(Smokefoot, Jahr nicht Si Si Si Si Si Si
bekannt) S S S
S S S
234 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Abb. 14 Silicium-IV-chlorid (Onyxmet 2019) Abb. 15 Silicium-IV-bromid (Onyxmet 2019)

erstarrt bei 70  C, siedet bei 57  C, hat eine Dichte Flüssigkeit (s. Abb. 15) von stechendem Geruch,
von 1,48 g/cm3, raucht an feuchter Luft und wird die bei Temperaturen von 5  C bzw. 154  C
durch Wasser in heftiger Reaktion zu Chlorwasser- erstarrt bzw. siedet und die Dichte 2,8 g/cm3
stoff und Silicium-IV-oxid zersetzt (Rauter 1892; besitzt. Man gewint sie durch Überleiten von
Goubeau und Warncke 1949). Bromwasserstoff über Silicium bei 600  C
Die Verbindung reagiert stürmisch mit Basen, (Schumb 1939). Ebenfalls möglich ist die Darstel-
Oxidationsmitteln und auch mit organischen Ver- lung durch Reaktion von Silicium mit Brom bei
bindungen. Infolge der Hydrolyse zu Chlorwas- 600  C oder von Silicium mit Silberbromid bei
serstoff wirkt es stark korrodierend und ätzend auf 650  C (Brauer 1975, S. 671).
Haut und Schleimhäute. Tetrabromsilan reagiert mit Wasser heftig unter
Trichlorsilan (HSiCl3) ist eine farblose, hoch- sofortiger Hydrolyse zu Silicium-IV-oxid und
entzündliche, infolge Hydrolyse stechend rie- Bromwasserstoff (Holleman et al. 2007, S. 852).
chende, leichtflüchtige (Siedepunkt: 32  C) Zum Dotieren anderer Halbleiter mit Silicium
Flüssigkeit. Man stellt es durch Leiten von Chlor- nutzt man die Verbindung (Golling 2004, S. 30).
wasserstoff über erhitztes Silicium her und setzt es Silicium-IV-iodid (SiI4, Tetraiodsilan) kann
zur Herstellung von Halbleitern für Solarzellen durch Reaktion von Silicium mit Iod oder Iodwas-
ein, indem man gasförmiges Trichlorsilan über serstoff gewonnen werden (Brauer 1975, S. 676;
geeignete Substrate leitet und so sehr dünne Filme Holleman et al. 1995, S. 909). Die farblosen,
aus Silicium erzeugt. feuchtigkeits- und lichtempfindlichen Kristalle
Hexachlordisilan (Si2Cl6) produziert man schmelzen bei 120,5  C (Siedepunkt der zitronen-
durch Chlorieren von Calciumdisilicid bei Tem- gelben Schmelze 287  C) und haben eine Dichte
peraturen um 240  C (Brauer 1975, S. 669): von 4,2 g/cm3. Die Verbindung ist löslich in aro-
matischen Kohlenwasserstoffen wie Toluol; in
CaSi2 þ 4 Cl2 ! Si2 Cl6 þ CaCl2 Wasser und auch Alkanolen erfolgt schnelle
Hydrolyse zu Kieselsäure und Iodwasserstoff.
Das direkte Chlorieren von Siliciumpulver lie- Silicium-IV-iodid kristallisiert kubisch in der
fert neben Silicium-IV-chlorid ebenfalls Hexa- Raumgruppe Pa3 (Nr. 205) und färbt sich beim
chlordisilan. Die farblose Flüssigkeit erstarrt bei Stehenlassen am Licht nach einiger Zeit rötlich
2,5  C, siedet bei 145  C und hat eine Dichte von infolge der Bildung elementaren Iods.
1,56 g/cm3. Infolge Hydrolyse zu Chlorwasser- Pnictogenverbindungen Siliciumnitrid (Si3N4)
stoff raucht sie an feuchter Luft. Man nutzt hoch- tritt in Form dreier Modifikationen auf, einer tri-
reines Hexachlordisilan in der Elektronikindustrie gonal kristallisierenden α-Modifikation sowie der
zur Erzeugung siliciumhaltiger Schichten durch β- bzw. γ-Modifikation mit hexagonaler bzw.
das Verfahren der chemischen Abscheidung aus kubischer Struktur (s. Abb. 16).
der Gasphase. Technisch hergestelltes Siliciumnitrid subli-
Silicium-IV-bromid (SiBr4, Tetrabromsilan) miert bei 1900  C und hat eine Dichte von
ist eine sehr feuchtigkeitsempfindliche, farblose 3,44 g/cm3. Der keramische Festkörper liegt in
5 Einzeldarstellungen 235

Abb. 16 Gitterstrukturen des Silicium-IV-nitrids

der Regel in seiner β-Modifikation vor, die wie-


derum in eine glasartig amorphe Struktur einge-
bettet ist. Im Vergleich zum sehr harten Silicium-
carbid ist Siliciumnitrid etwas weicher, aber
widerstandsfähiger gegenüber Bruch. Die Her-
stellung erfolgt durch Überleiten von Stickstoff
über reines Silicium bei Temperaturen um
1200  C. Danach erzeugt man die Keramikstücke Abb. 17 a Nano-Siliciumnitrid (Stanford Advanced
durch Sintern unter sehr hohem Stickstoffdruck, Materials 2019) b Siliciumnitrid (Onyxmet 2019)
um die Porosität des Materials zu beseitigen (Kol-
lenberg 2004; Linsmeier 2010). schen aufgebrachter Schicht und dem aus Silicium
Die Bruchzähigkeit des Siliciumnitrids ist eine bestehenden Substrat (Gromov 2015, S. 196).
der höchsten unter den keramischen Werkstoffen, Sonstige Verbindungen Siliciumcarbid (SiC,
hinzu kommen noch eine geringe Wärmeausdeh- Carborund) ist in reiner Form farblos, in techni-
nung und ein niedriges Elastizitätsmodul. Keramik schem Zustand schwarz, manchmal infolge Bei-
aus Siliciumnitrid ist besonders resistent gegenüber mischung von Aluminiumoxid auch grün. Es ist
plötzlichem Temperaturwechsel; man kann es auch nach Diamant der härteste Stoff und verbrennt an
in Kontakt mit geschmolzenem Aluminium brin- der Luft bei Temperaturen oberhalb von 1000  C
gen, ohne dass die Werkstücke springen. Silicium- zu SiO2 und CO2. Es ist halbleitend, die Energie-
nitrid, das nach seiner Synthese in Form eines spanne der Bandlücke liegt im Bereich von 3 eV
grauen Pulvers anfällt (s. Abb. 17a, b), setzt man und damit zwischen der des Siliciums und des
zudem in Wälzkörpern und Laufringen mechani- Diamanten. Die Herstellung erfolgt nach Acheson
scher Lager ein. durch Anlegen hoher Spannung an Kohlenstoff,
Integrierte Schaltkreise können den elektrischen der zentrisch in einem mit Quarz und Sägemehl
Isolator Siliciumnitrid enthalten; das Material kann gefüllten Becken liegt.
man auch als Dielektrikum in Kondensatoren ver- Siliciumboride werden im Kap. „Bor/Borsilicide“
wenden. Ätzen kann man die Verbindung mit heißer beschrieben.
konzentrierter Orthophosphorsäure (H3PO4). In der Organische Verbindungen/Silicone Tetrame-
Photovoltaik dient es zur Verminderung des Anteils thylsilan [Si(CH3)4] ist eine farblose, chemisch
reflektierten Lichts und zum Passivieren des Sub- inerte, leichtflüchtige Flüssigkeit (Siedepunkt:
strates. Will man dünne Schichten von Siliciumni- 26  C), die als Standard in der 1H- und 13C-
trid erzeugen, so bedient man sich der Technik der NMR-Spektroskopie genutzt wird. Dichlordime-
chemischen Abscheidung aus der Gasphase gemäß thylsilan [Cl2Si(CH3)4] wird aus Silicium und
der Reaktion: Methylchlorid am Kupferkontakt bei 350  C her-
gestellt und ist eine farblose, an feuchter Luft
3 SiH4 þ 4 NH3 ! Si3 N4 þ 12 H2 rauchende, mit Wasser heftig reagierende Flüssig-
keit, die wie das bei der gleichen Synthese anfal-
Die plasmaunterstützte Technik liefert je nach lende Trimethylchlorsilan universell für Silylie-
Einstellung der Verfahrensparameter die Produkte rungen eingesetzt wird. Dichlordimethylsilan ist
mit den niedrigstmöglichen Verspannungen zwi- Ausgangsstoff zur Herstellung von Silikonen,
236 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

beide Verbindungen reagieren mit vielen nukleo-


philen Stoffen (Alkoholen, Aminen, Amiden, memory (Macronix International Co.,
Ketonen etc.). Ltd., US 2019311907 A1, veröffentlicht
Anwendungen Silicium geht vorrangig und in 10. Oktober 2019)
großen Mengen in die Produktion von Halbleitern K.-T. Shiu und T. H. Ning, Direct growth of
(Kilby 1976; Adachi 2005; Korvnik und Greine lateral III-V-bipolar transistor on silicon
2005). In möglicher Einsatz in Lasern wird substrate (IBM, US 2019312126 A1,
geprüft; außerdem ist das Element Bestandteil veröffentlicht 10. Oktober 2019)
einiger Explosivstoffe (Koch und Clément 2007; J. Goodman und J. Pistorino, Silicon-
Kovalev et al. 2001). carbide reinforced binder for secondary
batteries (Nanostar Inc., US 10439223
B1, veröffentlicht 8. Oktober 2019)
Patente
C. Lee und K. Cheng, Method and structure
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
of fabricating I-shaped silicon germa-
wide.espacenet.com)
nium vertical field-effect transistors
(IBM, US 10439044 B1, veröffentlicht
T. Tatsukawa und Y. Aimoto, Polycrystal-
8. Oktober 2019)
line silicon rod manufacturing method,
and reactor (Tokuyama Corp., WO
2019194045 A1, veröffentlicht 10.
Oktober 2019)
5.3 Germanium
M. Roesner und M. Menath, Method of
processing a silicon carbide containing
Geschichte In dem von ihm 1871 erstmals ent-
crystalline substrate, silicon carbide
worfenen Periodensystem der Elemente ließ Men-
chip, and processing chamber (Infineon-
delejew eine Lücke in der heute als 4. Haupt-
Technologies AG, US 2019308274 A1,
gruppe bezeichneten Gruppe von Elementen
veröffentlicht 10. Oktober 2019)
zwischen Silicium und Zinn. Dieses damals noch
J. Ranaweera, Warping reduction in silicon
unbekannte Element nannte er Eka-Silicium und
wafers (Oracle International Corp., US
sagte einige seiner Eigenschaften voraus.
2019311995 A1, veröffentlicht 10.
Winkler untersuchte 1885 in Freiberg ein Sil-
Oktober 2019)
bermineral, Argyrodit (Ag8GeS6) auf seinen Ge-
S. Yang und X. Zhou, Control system and
halt an Silber und Schwefel. Es ergab sich bei der
control method for recycling and smel-
quantitativen Analyse auf die Elemente aber stets
ting crushed silica from silicon plants
eine Gewichtsdifferenz von ca. 7 %, der, wie Wink-
(Chengdu Silicon Technology Co., Ltd.,
ler durch Isolierung des Germanium-IV-sulfids
US 2019308882, veröffentlicht 10.
später fand, auf das Vorliegen eines neuen Ele-
Oktober 2019)
ments zurückzuführen war. Dieses Sulfid konnte
B. M. Lenz und D. M. Berczik, Molyb-
er im Wasserstoffstrom zu einem metallischen Pul-
denum-silicon-boron with noble metal
ver reduzieren und nannte dieses neue Element
barrier layer (United Technologies
nach seiner Entdeckung auf deutschem Gebiet
Corp., US 2019309637 A1, veröffent-
Germanium (Winkler 1886a, b). Zunächst ordne-
licht 10. Oktober 2019)
ten es sowohl Winkler als auch Mendelejew nicht
E.-K. Lai und H.-L. Lung, Self-aligned DI-
an der Stelle des Eka-Siliciums ein; dies taten sie
silicon silicide bit line and source line-
erst nach Ermittlung weiterer Eigenschaften des
landing pads in 3D vertical channel
Germaniums.
5 Einzeldarstellungen 237

Gewinnung 2011 wurden knapp 120 t des


Der deutsche Chemiker Clemens Alexan- Elements produziert, davon zwei Drittel in China
der Winkler ( 26. Dezember 1838 Frei- und nur 5 t in Russland bzw. 3 t in den USA
berg; † 8. Oktober 1904 Dresden) studierte (Guberman 2012), meist als Nebenprodukt bei
an der Freiberger Bergakademie von 1857 der Aufarbeitung von Zink-, Blei-Kupfer- und
bis 1859 zunächst ohne Abschluss und Zink-Blei-Erzen (Bernstein 1985). Die weltweit
arbeitete dann Chemiker in den Blaufarben- verfügbaren Reserven schätzt man alleine in den
fabriken Oberschlema und später in Nieder- USA auf 450 t (Guberman 2012), bereits jetzt
pfannenstiel. 1864 promovierte er mit einer wird mehr als ein Drittel des Bedarfs aus wieder
Arbeit über das Thema „Ueber Siliciumle-
verwertetem Germanium gedeckt (Höll et al.
girungen und Siliciumarsenmetalle“ an der
2007). Eine weitere, vor allem in China und Russ-
Universität Leipzig und ging im gleichen
land genutzte Quelle ist die in Kohlekraftwerken
Jahr als Hüttenmeister zum Blaufarbenwerk
anfallende Flugasche (Naumov 2007). Russlands
Niederpfannenstiel. Dort untersuchte vor
allem die Eigenschaften des Indiums. Vorkommen liegen meist in Ostsibirien, diejeni-
gen Chinas bevorzugt in der Inneren Mongolei
Winkler wurde 1873 zum Professor an der und im Südwesten.
Bergakademie Freiberg berufen und führte Die sulfidischen Erze werden geröstet, wobei
dort die Verfahren der chemischen Analyse Germanium-IV-oxid entsteht:
vor allem auf Basis der Elektrolyse und der
Gasanalyse weiter. Zur technischen Synthese GeS2 þ 3 O2 ! GeO2 þ 2 SO2
von Schwefelsäure entwickelte er platinier-
ten Asbest als Katalysator für die Oxidation Der größte Teil des Oxids wird zusammen mit
von Schwefel-IV- zu -VI-oxid, die hohe der Zinkasche in Schwefelsäure gelöst. Nach
Ausbeuten an Schwefelsäure lieferte. Er Neutralisierung der wässrigen Phase bleibt Zink
erkannte auch, dass Arsen ein Kontaktgift in Lösung, Germanium und andere Metalle fallen
für das katalytisch wirksame Platin war. dagegen in Form ihrer Oxide bzw. Hydroxide aus.
Seine wichtigste Leistung war die Entde- Im weiteren Verlauf des Verfahrens fallen dann
ckung des Elementes Germanium am 6. Fe- unter anderem Zinkoxid und gereinigtes Ger-
bruar 1886. Diese Entdeckung bestätigte die manium-IV-oxid an. Jenes trocknet man und setzt
Mendelejews Theorie, der die Existenz des
es mit Chlorwasserstoff oder Chlor zu Germanium-
von ihm Eka-Silicium genannten Elements
IV-chlorid um, das man unter Ausschluss von Feuch-
vorhergesagt hatte. Von 1896 bis 1899 war
tigkeit destilliert:
Winkler Direktor der Bergakademie, 1904
starb er an Krebs (Haustein 2004; Brunck
1906; Bachmann 2000; Textor 2005). GeO2 þ 4 HCl ! GeCl4 þ 2 H2 O
oder
GeO2 þ 2 Cl2 ! GeCl4 þ O2
Vorkommen Germanium ist in der Erdhülle
weit verstreut, kommt aber nur in geringen Kon-
zentrationen vor, oft als Begleiter in Kupfer- und Das so erhaltene Germanium-IV-chlorid reinigt
Zinkerzen (Sphalerit). Nennenswerte Minerale man durch nochmalige fraktionierte Destillation
sind Germanit, Argyrodit, Renierit und Canfieldit und hydrolysiert es dann zu Germanium-IV-oxid,
(Goldschmidt und Peters 1933). Es tritt auch, mit das mit Wasserstoff zu hochreinem Germanium für
ebenfalls geringem Anteil, in der Steinkohle auf die optische oder Halbleiterindustrie umgesetzt
(Goldschmidt 1930). Einige Pflanzen sind in der wird (I). Zur Gewinnung von Germanium für
Lage, Germanium ebenso wie Silicium bzw. Koh- andere industrielle Zwecke genügt die Reduktion
lenstoff anzureichern. mit Kohle (II, Moskalyk 2004):
238 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

ðIÞ GeO2 þ 2H2 ! Ge þ 2H2 O metallen und Metallen ein und ist somit ein Halb-
ðIIÞ GeO2 þ C ! Ge þ CO2 metall. Es kristallisiert im Diamantgitter und
schmilzt bei einer Temperatur von 938  C
(s. Tab. 4). Zudem weist es die Eigenschaft eines
Eigenschaften Germanium nimmt in der vier-
Halbleiters mit der schon kleinen -indirekten-
ten Hauptgruppe den Mittelplatz zwischen Nicht-

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Germanium


Symbol: Ge
Ordnungszahl: 32
CAS-Nr.: 7440-56-4

Aussehen: Grauweiß, metallisch Germanium, Germanium,


glänzend Pulver Kristall
(Sicius 2015) (Gibe 2004)
Entdecker, Jahr Winkler (Deutschland), 1886
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
(%)]
70
32Ge (21,23) Stabil ———
72
32Ge (27,66) Stabil ———
73
32Ge (7,73) Stabil ———
74
32Ge (35,94) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 5,6
Atommasse (u): 72,630
Elektronegativität 2,01 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Ge2+ + 2 e ! Ge (V) 0,247
Atomradius (pm): 125
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 211
Kovalenter Radius (pm): 122
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d10 4s2 4p2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 762 ♦ 1538 ♦ 3302 ♦ 4411
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 7,1  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
(Diamantstruktur)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 2,1
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 103 ♦ 75 ♦ 41
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Mohs-Härte 6,0
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 5400
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 5,323
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 13,63  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 60
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 23,22
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 938,3 ♦ 1211,4
Schmelzwärme (kJ/mol): 31,8
Siedepunkt ( C ♦ K): 2830 ♦ 3103
Verdampfungswärme (kJ/mol): 330
5 Einzeldarstellungen 239

Bandlücke von nur 0,67 eV auf. Es ist spröde und in Kombination mit Diboran, zu der von dünnen
unter Normalbedingungen an der Luft sehr stabil, Filmen aus bordotiertem Germanium.
lediglich beim Glühen in einer Sauerstoffatmo- Chalkogenverbindungen Germanium-IV-oxid
sphäre wird es zu Germanium-IV-oxid umgesetzt. (GeO2) kommt natürlich in Form des Minerals
Germanium tritt in seinen Verbindungen mit den Argutit vor. Es entsteht beim Glühen von Germa-
Oxidationszahlen +2 und +4 auf, wobei +4 die nium oder Germanium-IV-sulfid unter Sauerstoff.
beständigere ist. Einfach bildet es sich bei der Hydrolyse von
Nur alkalische Lösungen von Wasserstoffperoxid Germanium-IV-chlorid (Schwarz 1929). Im Ge-
sowie konzentrierte Schwefel- bzw. Salpetersäure gensatz zum Silicium-IV-chlorid, bei dessen
lösen es unter Bildung von Germaniumdioxidhydrat. Hydrolyse zunächst Kieselsäuren entstehen, er-
Germanium zeigt wie sein Homologes Sili- gibt die Hydrolyse des Germanium-IV-chlorids
cium das Phänomen der Dichteanomalie. weder eine hypothetische „Germaniumsäure“
noch stabile Hydroxide, sondern das hydratfreie
Verbindungen Germaniumdioxid (Schwarz et al. 1931).
Wasserstoffverbindungen Nur wenige Verbin- Das weiße Germanium-IV-oxid (s. Abb. 18a, b)
dungen des Germaniums sind technisch von Be- schmilzt in Form des Gemisches seiner Modifika-
deutung. Germaniumwasserstoff (Monogerman, tionen bei einer Temperatur von ca. 1100  C, hat
GeH4) ist ein giftiges, hochentzündliches Gas die Dichte 4,23 g/cm3 und tritt in mehreren Modi-
von unangenehmem Geruch, das bei  89  C fikationen auf.
kondensiert. Es ist durch Reaktion von Magne- Die hexagonal kristallisierende Struktur schmilzt
siumgermanid mit Salzsäure oder auch durch bei 1115  C, hat eine Dichte von 4,7 g/cm3, ist
Reaktion von GeCl4 mit Methan bei Gegenwart isotyp zum α-Quarz und wird bei der Hydrolyse
eines Palladiumkatalysators zugänglich. Man von Germanium-IV-chlorid gebildet.
setzt Monogerman in der Halbleitertechnik zur Die tetragonale Modifikation kommt in der
Epitaxie und zum Dotieren ein. Monogerman ist Natur in Form des Minerals Argutit vor, schmilzt
der Grundkörper der organischen Germaniumver- bei 1086  C und hat die Dichte 6,24 g/cm3. Diese
bindungen (Satge 1984; Quane und Bottei 1963). Form hat eine Struktur ähnlich zu Rutil; sie
Digerman (Ge2H6) erhält man beim Leiten von entsteht durch mehrstündiges Erhitzen von Ger-
Monogerman durch eine stille elektrische Entla- manium-IV-oxid mit Wasserdampf oder beim
dung, wobei Di- und Trigerman als Hauptpro- Eindampfen einer Suspension von Germanium-
dukte und in kleiner Menge höhere Germane bis IV-oxid mit etwas Ammoniumfluorid. Ein Erhit-
zum Nonagerman, dem zur Zeit höchsten bekann- zen auf eine Temperatur von 1033  C führt zum
ten Vertreter der Reihe der Germane, entstehen. Übergang in die amorphe Form.
Auch bei anderen Verfahren zur Herstellung von Die amorphe Struktur entspricht derjenigen
Monogerman (Reaktion von Säure mit Magne- des glasartigen Silicium-IV-oxids und entsteht
siumgermanid) mit Ammoniumbromid entstehen immer beim Abkühlen einer Schmelze von
höhere Germane (Brauer 1975, S. 716).
Die farblose Verbindung ist im Unterschied zu
Ethan und Disilan bei Raumtemperatur flüssig,
siedet aber schon bei 31  C (Emeléus und Gardner
1938; Stull 1947). Die Flüssigkeit erstarrt bei
109  C und hat die Dichte 1,98 g/cm3. Die
Verbindung zerfällt beim Erhitzen bei Temperatu-
ren oberhalb von 200  C (Emeléus und Jellinek
1944; Moore et al. 1924). Man setzt Digerman zur
Herstellung epitaktisch strukturierter Dünnfilme Abb. 18 a Germanium-IV-oxid (Onyxmet 2019)
ein, ebenso zur Erzeugung dotierter dünner b Germanium-IV-oxid (Stanford Advanced Materials
Schichten aus Silicium und Germanium sowie, 2019)
240 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Germanium-IV-oxid (Greenwood und Earnshaw Germanium bei Temperaturen um 1100  C und


(1997). Diese Modifikation ist im Gegensatz zu erhöhtem Druck liefert die Verbindung (Holleman
den anderen beiden ein wenig und dann mit saurer et al. 1995, S. 1922). Der farblose Feststoff der
Reaktion in Wasser löslich. In Laugen löst sich die Dichte 2,94 g/cm3 geht bei 940  C in eine dunkle
Verbindung relativ leicht, in Säuren schwer Schmelze über, die beim Abkühlen zu einem
(Holleman et al. 2007, S. 1019). Man setzt bernsteinfarbenen Glas erstarrt. Die Kristallstruk-
Germanium-IV-oxid zur Herstellung infrarot- tur der Verbindung ist entweder orthorhombisch,
durchlässiger optischer Gläser ein. Es dient auch monoklin (Rubenstein und Roland 1971) oder
als Katalysator bei einzelnen Verfahren zur Her- tetragonal (Prewitt und Young 1965), aber wir
stellung oder Wiedergewinnung von Polyestern, haben stets, wie auch beim Siliciumdisulfid, eine
wie zum Beispiel beim Recycling von PET-Fla- polymere Struktur vorliegen.
schen. Germanium-II-sulfid (GeS) gewinnt man durch
Germanate leiten sich in Analogie zu den Sili- Umsetzung von Germanium-II-chlorid (I), Ger-
katen vom Dioxid ab, hier GeO2. Sie werden manium-IV-oxid unter reduzierenden Bedingun-
durch Lösen von Germanium-IV-oxid in alkali- gen (II) oder Germanium (III) jeweils mit Schwe-
scher Lösung gebildet und sind auch nur in diesen felwasserstoff (Brauer 1975, S. 737):
relativ stabil. Neutralisieren oder gar Ansäuern
der wässrigen Lösung führt zur sofortigen Aus- (I) GeCl2 + H2S ! GeS + 2 HCl
fällung von Germanium-IV-oxid. (II) GeO2 + H2S + H2 ! GeS + 2 H2O
Germanium-II-oxid (GeO) erhält man durch (III) Ge + H2S ! GeS + H2
Reduktion von Germanium-IV-oxid mit metalli-
schem Germanium oder auch hypophosphoriger Der graue bis rotbraune, kristalline Feststoff
Säure (Brauer 1975, S. 735). Bei Raumtemperatur (s. Abb. 20) der Dichte 4,01 g/cm3 schmilzt bei
liegt die bei 700  C unter Zersetzung schmelzende 615  C (Siedepunkt der Schmelze: 847  C) und ist
Verbindung in Form einer graubraunen Kristall- in Salzsäure unter Hydrolyse zu Schwefelwasser-
masse vor (s. Abb. 19). Beim Erhitzen an der Luft stoff und Germaniumoxiden löslich. An der Luft
beginnt bei ca. 550  C eine langsame Oxidation. kann man Germanium-II-sulfid bei Ausschluss
Durch Umsetzung von Germanium-IV-oxid mit von Feuchtigkeit lagern.
Germanium ist ein besonders reines, kristallines
und diamagnetisches Produkt erhältlich.
Germanium-IV-sulfid (GeS2) erhält man beim
Einleiten von Schwefelwasserstoff in eine salz-
oder schwefelsaure wässrige Lösung von Ger-
manium-IV-oxid (Brauer 1975, S. 736). Auch
das Überleiten von Schwefeldampf über flüssiges

Abb. 20 Germanium-II-sulfid Sputtertarget (QS Advanced


Materials 2019)

Abb. 21 Germanium-IV-selenid (QS Advanced Materials


Abb. 19 Germanium-II-oxid (Onyxmet 2019) 2019)
5 Einzeldarstellungen 241

Abb. 22 Germanium-II-selenid (NASA)


Abb. 23 a Germanium-II-tellurid Sputtertarget (QS
Advanced Materials 2019) b Germanium-II-tellurid
(Onyxmet 2019)
Der Halbleiter kristallisiert orthorhombisch
(Bissert und Hesse 1978). Die Verbindung ist geeignet für die Thermo-
Germanium-IV-selenid (GeSe2), einen dunkel- elektrik und optische bzw. elektronische Speicher
grauen Feststoff (s. Abb. 21), stellt man durch (Lebedev et al. 1997).
Umsetzung der Elemente im stöchiometrischen Ver- Halogenverbindungen Germanium-IV-fluorid
hältnis bei Temperaturen um 850  C her (Petri et al. (GeF4) stellt man in der Regel aus Fluor oder
2000). Die Verbindung dient als Halbleiter in eini- Fluorwasserstoff und Germanium her (Brauer
gen wenigen Anwendungen. 1975, S. 230). Das giftige, nach Knoblauch rie-
Germanium-II-selenid (GeSe) erhält man chende und an feuchtiger Luft infolge Hydrolyse
durch Überleiten von Selendampf über auf stark rauchende Gas kondensiert bei 36,5  C zu
ca. 650  C erhitztes Germanium (Brauer 1975, farblosen Kristallen. Mit Wasser reagiert es unter
S. 738). Der graue Feststoff (s. Abb. 22) schmilzt den meist angewandten Versuchsbedingungen
bei einer Temperatur von 670  C (Siedepunkt der unter Hydrolyse, jedoch sind im sauren Milieu
Schmelze: 861  C) und kristallisiert orthorhom- auch Hexafluorogermanate isolierbar (Benoît und
bisch (Okazaki 1958). Der Halbleiter hat eine Place 1963); man nutzt es in Verbindung mit Disi-
indirekte Bandlücke von 1,07 eV. Zwischen lan zur Produktion von aus Silicium und Germa-
651  C und dem Schmelzpunkt liegt eine kubi- nium bestehenden Mischkristallen.
sche Struktur vor. Germanium-II-fluorid (GeF2) ist ein weißer Fest-
Germanium-II-tellurid (GeTe) erhält man stoff der Dichte 3,61 g/cm3, der sich in 48 %iger
ebenfalls durch Reaktion der Elemente mitei- Flusssäure löst; er wird aus Germanium-IV-fluorid
nander (Givargizov und Melnikova 2002). Der und Germanium bei 150  C hergestellt (Brauer
geruchlose dunkelbraune bis grauschwarze 1975, S. 230). Die stark reduzierend wirkende Ver-
Feststoff der Dichte 6,14 g/cm3 (s. Abb. 23a, b) bindung zersetzt sich oberhalb einer Temperatur von
schmilzt bei einer Temperatur von 725  C und 160  C, schmilzt aber bereits bei 110  C. In feuchter
kommt bei Raumtemperatur in Form zweier Luft erfolgt Hydrolyse zu Germanium-II-hydroxid
Modifikationen vor [α, rhomboedrisch, Raum- (Perry 2011, S. 187). Die Verbindung kristallisiert
gruppe 160 (Bauer Pereira et al. 2012) und γ, orthorhombisch mit vier Formeleinheiten pro Ele-
orthorhombisch (Blachnik 2013, S. 476)]. Bei mentarzelle; die Makrostruktur ist polymer mit aus
hohen Temperaturen existiert noch eine β- GeF3-Einheiten bestehenden Pyramiden, von denen
Modifikation mit kubischer Kristallstruktur je ein Fluoridion zwei benachbarte Pyramiden mit-
(Raumgruppe 225). Die reine Verbindung tritt einander verbindet (Bartlett et al. 1966).
meist in der α-Form auf, schon leichte Über- Germanium-IV-chlorid (GeCl4) stellt man meist
schüsse an Telluratomen können aber die durch Verbrennen von Germanium im Chlorstrom
γ-Form begünstigen (Tsu et al. 1968). Die fer- oder durch Überleiten eines Stroms trockenen
roelektrische Curie-Temperatur beträgt 397  C Chlorwasserstoffs über Germanium oder seine
(670 K) (Pawley et al. 1966); bei tiefen Tempe- Oxide her (Brauer 1975, S. 721; Holleman et al.
raturen wird das Material supraleitend (Hein 2016, S. 1171). Die farblose (s. Abb. 24), an der
et al. 1964). Luft wegen Hydrolyse zu Chlorwasserstoff und
242 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Abb. 24 Germanium-IV-chlorid (Onyxmet 2019) Abb. 25 Germanium-IV-bromid (Onyxmet 2019)

Germanium-IV-oxid rauchende Flüssigkeit der nem Benzol und Ether (Holleman et al. 1995,
Dichte 1,88 g/cm3 erstarrt bzw. siedet bei S. 403). Die Molekülstruktur des Germanium-II-
49,5  C bzw. 83  C. Mit Wasser und vor allem chlorids ist polymer; schon schwaches Erhitzen
Basen erfolgt heftige Zersetzung zu Chlorwasser- führt bei der gegenüber erhöhten Temperaturen
stoff und Germanium-IV-oxid (Schwarz 1929). instabilen Verbindung zur Disproportionierung
Einwirkung von Ammoniak führt zur Bildung in Germanium-IV-chlorid und chlorärmeren Ger-
eines Gemisches aus Germanium-IV-oxid und maniumchloriden. Es ist aber durch Komplexbil-
-imid (Schwarz und Schenk 1930). Das Zudosie- dung, etwa mit dem Lösungsmittel 1,4-Dioxan,
ren wasserfreien Natriumethylats ergibt den sehr möglich, Germanium-II-chlorid in monomerer
hydrolyseempfindlichen ortho-Germaniumsäure- Form zu stabilisieren (Noltemeyer et al. 1989).
ethylester (Schwarz et al. 1931). Zusatz wasser- Germanium-IV-bromid (GeBr4) ist durch Re-
freien Alkali- oder Erdalkalichlorids bildet Hexa- aktion von Germanium mit Brom bei 200  C oder
chlorogermanate mit dem Anion [GeCl6]2. durch Umsetzung von Germanium-IV-oxid mit
Man nutzt Germanium-IV-chlorid als Zwi- Bromwasserstoffsäure bei Temperaturen um
schenprodukt bei der Produktion des Germaniums 180  C herstellbar (Brauer 1975, S. 723).
und in sehr reiner Form bei der Herstellung von Der weiße bis gelbbraune Feststoff (s. Abb. 25)
aus Quarzglas bestehenden Lichtwellenleitern, der Dichte 3,13 g/cm3 schmilzt bei 25  C; die
um im Inneren der Quarzfasern eine Schicht rei- Schmelze siedet bei 186,5  C. Germanium-IV-
nen Germanium-IV-oxids erzeugen zu können bromid reagiert mit Wasser heftig unter Bildung
(Holleman et al. 2007, S. 1015). von Germanium-IV-oxid und Bromwasserstoff;
Das sehr reaktionsfähige Germanium-II-chlorid es ist löslich in reinem und trockenem Ethanol,
(GeCl2) stellt man durch Reaktion von Ger- Tetrachlorkohlenstoff, Benzol und Ether. Die Ver-
manium-IV-chlorid mit Germanium bei Tempera- bindung hat eine kubische Kristallstruktur mit
turen oberhalb von 400  C her (Dennis 1928). tetraedrisch koordinierten GeBr4-Molekülen auf
Alternativ kann man es durch Abpumpen von den Gitterplätzen (Simon et al. 2005).
dem bei der langsamen Zersetzung von Trichlor- Germanium-II-bromid (GeBr2) erhält man
german (GeHCl3) entstehenden Chlorwasserstoff durch Reduktion von Germanium-IV-bromid mit
erzeugen (Brauer 1975, S. 722). (Trichlorgerman Germanium oder Zink (Brauer 1975, S. 724; Hol-
ist eine farblose, sehr hydrolyseempfindliche Flüs- leman et al. 1995, S. 959). In Analogie zum
sigkeit der Dichte 1,93 g/cm3, die bei 71  C Germanium-II-chlorid ist der thermische Abbau
erstarrt und bei 75  C siedet.) des Tribromgermans oder auch das Einengen
Das schwach gelbliche Germanium-II-chlorid einer Suspension von Germanium-II-oxid in kon-
reagiert mit Wasser unter Hydrolyse, mit Haloge- zentrierter Bromwasserstoffsäure möglich (Den-
nen unter deren Addition und Bildung von -auch nis 1928).
gemischten- Germanium-IV-halogeniden und mit Der polymere, farblose bis blaßgelbe Feststoff
Salzsäure unter Rückbildung von Trichlorgerman. ist in Ethanol und Aceton löslich und oxidiert
Die Verbindung ist unzersetzt löslich in trocke- oberhalb einer Temperatur von 180  C an der
5 Einzeldarstellungen 243

Luft. Auch hier entstehen beim Erhitzen Ger-


manium-IV-bromid und niedere Germaniumbro-
mide. Die Kristallstruktur der Verbindung ist
monoklin (Raumgruppe 14; Maxim et al. 1977),
dabei ist jedes Germaniumatom von drei Bro-
matomen umgeben, von denen zwei wiederum
an je ein benachbartes Germaniumatom gebunden
sind, also eine Molekülkette vorliegt.
Abb. 26 Germanium-IV-nitrid (Stanford Advanced
Das orangerote, kristalline Germanium-IV- Materials 2019)
iodid (GeI4) entsteht beim Kochen von Germa-
nium-IV-oxid in konzentrierter Iodwasserstoff- 3 Ge þ 4 NH3 ! Ge3 N4 þ 6 H2
säure oder beim Überleiten von Ioddampf über
auf Temperaturen um 220  C erhitztes Germa- Alternativ ist auch die Thermolyse des instabi-
nium (Brauer 1975, S. 726). Die Verbindung len Germanium-IV-imids [Ge(NH)2] bei Tempe-
schmilzt bzw. siedet bei 146  C bzw. 348  C und raturen oberhalb von 300  C möglich (Brauer
hat eine Dichte von 4,32 g/cm3. Germanium-IV- 1975, S. 738).
iodid wird in Wasser hydrolysiert, obwohl es Das in reinem Zustand farblose, sonst graue
etwas stabiler gegenüber Hydrolyse als seine Germaniumnitrid (s. Abb. 26) schmilzt oberhalb
leichteren Halogenanaloga ist. Die Verbindung einer Temperatur von 850  C unter Zersetzung,
ist in Kohlenstoffdisulfid und Benzol gut löslich. hat die Dichte 5,35 g/cm3 und ist in chemischer
Schon oberhalb ihres Schmelzpunktes tritt lang- Hinsicht außergewöhnlich inert. Germaniumnitrid
sam Zersetzung zu Germanium-II-iodid und Iod wird weder durch heiße Mineralsäuren noch durch
ein (Jaeger et al. 1925). Die Kristallstruktur ist Laugen angegriffen. Chlor reagiert erst bei Tempe-
kubisch mit tetraedrisch koordinierten GeI4-Mo- raturen von 600  C zu Germanium-IV-chlorid und
lekülen auf den Gitterplätzen. Stickstoff, oberhalb von 700  C erfolgt Reaktion
Das gelbe, reduzierend wirkende Germanium- mit Wasserstoff zu Germanium. Die trigonal kris-
II-iodid (GeI2) fällt bei der Reaktion von Germa- tallisierende β-Modifikation (Raumgruppe 159) ist
nium-IV-iodid in Iodwasserstoffsäure in wässriger die thermodynamisch stabilste (Ruddlesden und
Phase und bei Gegenwart von Reduktionsmitteln Popper 1958); darin sind die Germanium- tetraed-
wie Phosphinsäure an (Brauer 1975, S. 727). Des risch von Stickstoffatomen umgeben und letztere
Weiteren kann man Germanium-II-sulfid oder trigonal-planar von Germaniumatomen. Unter
-oxid in konzentrierter Iodwasserstoffsäure ko- Hochdruck wird die in einer Spinellstruktur vorlie-
chen. Schließlich ist auch wieder die Thermolyse gende γ-Modifikation gebildet (Dong et al. 2003).
des Trihalogengermans (hier: Triiodgerman, Die Erzeugung einlagiger Schichten von Ger-
„Germanoiodoform“) möglich. maniumphosphid („GeP“) und die Diffusion von
Germanium-II-iodid hydrolysiert an feuchter Lithiumionen in Doppelschichten des Materials
Luft langsam zu Germanium-II-hydroxid und ist untersuchten Kang und Shojaeia 2016. Das Mate-
nur schwer löslich in organischen Solventien. Die rial ist für opto-elektronische Anwendungen geeig-
Verbindung kristallisiert, anders als die anderen net. In der einlagigen Schicht erwies sich Germa-
Germanium-II-halogenide, im Gitter des Cad- niumphosphid als indirekter Halbleiter, geht aber
mium-II-iodid-Typs. Mit Carbenen sie bildet sta- unter leichtem Druck entlang der elastischeren
bile ionische Addukte (Kirmse 2013, S. 540). In a-Achse in einen direkten der Bandlücke 2,27 eV
der Elektronikindustrie dient es zur Erzeugung über. Auch bewirkt einen schwache Spannung
sehr dünner Schichten aus Germanium. (4 %) entlang der b-Achse einen weitgehenden
Pnictogenverbindungen Germaniumnitrid Übergang vom indirekten zum direkten Halbleiter.
(Ge3N4) erhält man durch Reaktion von Ger- Die Kristallstruktur ist monoklin. Berechnungen
manium mit Ammoniak bei Temperaturen um der Autoren zeigen, dass die Verbindung als Anode
700  C: in Lithiumionenbatterien eingesetzt werden kann,
244 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

weil Lithiumionen etwa 50mal schneller in Ger- werden. Daher existiert etwa in Deutschland und
maniumphosphid-Doppellagen diffundieren als in Österreich keine Zulassung, da Germanium und
Graphen. seine Verbindungen dort als bedenklich gelten.
Sonstige Verbindungen Nanokristalline aus Grundlage dafür sind Resultate toxikologischer
Germaniumcarbiden mit einer der Formel GexC1–x Untersuchungen und entsprechende Einstufungen
entsprechenden Zusammensetzung wurden bei von Germanium und seinen Verbindungen als
Temperaturen um 350  C auf Substraten aus Si Schadstoffe (Tao und Bolger 1997).
(100) erzeugt. Die Ausbeute stieg unter den ge- Spuren von Germanium, das nicht als essenzi-
wählten Reaktionsbedingungen auf bis zu 15,5 % elles Spurenelement gilt, finden sich in Bohnen,
(Shrestha et al. 2015). Tomatensaft, Austern, Thunfisch und Knoblauch.
Toxizität Frühe Symptome einer Vergiftung
Anwendungen Früher war Germanium das mit Germanium sind Appetitlosigkeit, Gewichts-
bevorzugt zur Herstellung von Halbleitern einge- verlust, Erschöpfungszustände und Muskel-
setzte Material (Teal 1976), bevor es von Silicium schwäche. Als Folge sind Schäden an den Nieren
wegen dessen günstigerer Eigenschaften und des sehr wahrscheinlich.
deutlich niedrigeren Preises ersetzt wurde. Akute Vergiftungen äußern sich in Zittern,
Silicium-Germanium-Halbleiter sind aber heute einer Erweiterung der Blutgefäße, Ptosis und Zya-
noch in Röntgendetektoren anzutreffen. Das mit nose. Im Tierversuch tritt bei Fortsetzung der Ver-
günstigeren Eigenschaften versehene Gallium- suche oft der Tod durch Atemstillstand ein. Die
arsenid (GaAs) weist im Vergleich zu Germanium Ursachen für die Toxizität von Germanium sind
fast dieselben Gitterkonstanten auf, da es zu die- noch nicht vollständig erforscht.
sem isoelektronisch ist. Daher kann man Gallium-
arsenid epitaktisch auf Oberflächen von Germa-
Patente
niumkristallen auftragen.
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Linsen aus mono- oder polykristallem Germa-
wide.espacenet.com)
nium sind besonders durchlässig für Infrarotlicht,
für Nachtsichtgeräte und Wärmebildkameras
L. Alloatti und J. R. Ram, Closed-loop reso-
wichtig (Drugoveiko et al. 1975; Bayya et al.
nator silicon germanium photodetector
2002; Rieke 2007). Außerdem nutzt man es zu
apparatus and other semiconductor devices
Herstellung von Glasfaserleitungen für das Tele-
including curved-shape silicon germanium
fonnetz derart, dass man durch Kondensieren von
structures (Massachusetts Institute of Tech-
Germanium-IV-chlorid eine Anreicherung von
nology, US 2019326468 A1, veröffentlicht
Germanium-IV-oxid im inneren Faserkern er-
24. Oktober 2019)
zeugt, was dem Kern des Kabels einen höheren
H. Luan, Multi-layer thyristor random
Brechungsindex verschafft, wodurch wiederum
access memory with silicon-germanium
die Lichtwellen besser geführt werden. Germa-
bases (TC Lab, Inc., US 2019326294
nium-IV-oxid ist Katalysator zur Produktion von
A1, veröffentlicht 24. Oktober 2019)
wiederverwertbaren Flaschen aus Polyester (PET,
S. Siddiqui und H. Parvaneh, Defect free
Polyethylenterephthalat).
silicon germanium (SiGe) epitaxy growth
Das radioaktive Nuklid 6832Ge dient zur Erzeu-
in a low-k spacer cavity and method for
gung des ebenfalls radioaktiven, in der Medizintech-
producing the same (Global Foundries,
nik verwendeten Isotops 6831Ga, zudem kann man
Inc., US 2019326112 A1, veröffentlicht
mit ihm Detektoren von Positronen-Emissions-
24. Oktober 2019)
Tomographen kalibrieren (Lightstone et al. 1986).
H. Yusa und M. Miyakawa, Hexagonal 6H
Germanium in der Medizin und in Nah-
barium germanium oxide, method for
rungsergänzungsmitteln Germanium soll ge-
mäß der europäischen Richtlinie 2002/46/EG (Fortsetzung)
nicht in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt
5 Einzeldarstellungen 245

Während der in Mitteleuropa von 2200 bis


producing same, sintered body, and tar- 800 v. Chr. datierten Bronzezeit stellte man die
get (National Institute for Materials Sci- meisten metallischen Gegenstände, von Töpfen
ence, WO 2019198384 A1, veröffent- bis zu Waffen, aus der aus Kupfer und Zinn
licht 17. Oktober 2019) bestehenden Legierung Bronze her. Um 2000
M. X. Yang und H. Chung, Surface treat- v. Chr. wurde schon Zinnbergbau im Erzgebirge
ment of silicon or silicon germanium betrieben; das Erz wurde vor Ort verhüttet und zu
surfaces using organic radicals (Mattson den im Elbtal befindlichen Handelsplätzen ge-
Technology, Inc., US 2019304793 A1, bracht.
veröffentlicht 3. Oktober 2019) Im Gebiet von Ägypten bis Indien setzte die
A. Yamazaki und S. Onishi, Germanium Bronzezeit wesentlich früher ein, denn die in
dissolution inhibitor (Fujimi, Inc., WO ägyptischen Gräbern gefundenen, kleinen Bron-
2019181269 A1, veröffentlicht 26. zestatuen lassen sich etwa bis zum Jahr 2500
September 2019) v. Chr. zurückdatieren, wobei das Zinn offenbar
P. Fantini und M. Bernasconi, Transition ursprünglich aus Persien und Mesopotamien
metal doped germanium-antimony-tellu- stammte und nach Ägypten gebracht wurde. In
rium (GST) memory device components Indien beherrschte man die Produktion von Ge-
and composition (Micron Technology, genständen aus Bronze schon ungefähr ab dem
Inc., US 10418552 B1, veröffentlicht Jahr 3000 v. Chr. bekannt. In China produzierte
17. September 2019) man ab 1800 v. Chr. Zinn.
C. Baudot und S. Cremer, Germanium pho- Nicht auszuschließen ist, dass die in der
todiode (St. Microelectronics Crolles 2 Levante ansässigen Phönizier während des ersten
SAS, US 2019280146 A1, veröffentlicht Jahrtausends v. Chr. das Zinn über lange Seereisen
12. September 2019) von Malaysia und Indonesien importierten und
G. Wang und S. G. Thomas, Method of manu- weiter nach Europa, bis zu den Anrainergebieten
facturing silicon germanium-on-insulator der Nordsee, brachten. Ab dem Hochmittelalter
(Globalwafers Co., Ltd., US 2019273015 verdrängte Essgeschirr aus Zinn die bisher aus
A1, veröffentlicht 5. September 2019) Holz und Ton hergestellten Waren (Mory 1977,
S. 11–12).
Vorkommen Das wirtschaftlich wichtigste
Zinnmineral ist Kassiterit (Zinnstein, Zinn-IV-
5.4 Zinn oxid, SnO2), es findet sich in primären, hydrother-
malen Gang- und Skarn-Lagerstätten als auch se-
Geschichte Die metallurgische Verarbeitung von kundären Seifenlagerstätten vor. Oft ist es mit
Zinn begann vor rund 7000 Jahren während der Kupfer, Arsen, Eisen, Zink und anderen Elemen-
jungsteinzeitlichen Vinča-Kultur auf dem Gebiet ten vergesellschaftet.
des heutigen Serbiens, Westrumäniens, Südun- Im Jahr 2011 lag die gesamte, weltweit her-
garns und des Kosovo. Die älteste je gefundene gestellte Menge bei 263.000 t, bei gleichzeitig
Zinnbronze datiert ungefähr auf 4650 v. Chr., die vorliegenden Reserven von 5,6 Mio. t. Der
Fundstätte ist Pločnik in Serbien (Radivojević et al. größte Produzent ist auch heute China, danach
2013, 2014). Um das Jahr 5000 v. Chr. begann folgen Malaysia, Indonesien und Peru. Die im
sowohl auf dem Balkan als auch in Vorderasien malaysischen Kinta Valley seit 140 Jahren ins-
bereits die Verhüttung von Kupfer (Radivojević gesamt geförderte Menge beträgt ca. 2 Mio. t,
et al. 2010). In der Südtürkei (Taurusgebirge) dies bei einer Konzentration des Zinnsteins von
befanden sich das Bergwerk Kestel und die Hütte 5 % (!). In Europa ist Portugal die wichtigste
Göltepe, allerdings liegt hier der Zeitraum später, Fördernation.
um 3000 v. Chr. Meist verwandte man Zinnbron- In Deutschland existieren Vorkommen im Erz-
zen nur zur Herstellung von Schmuck. gebirge, wo man Zinn seit 700 Jahren abbaut.
246 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Im August 2012 entdeckte man in Mulden- bei Raumtemperatur unter Einwirkung hohen
hammer (Vogtland) eine Lagerstätte, die hinsicht- Druckes; es hat eine Dichte von 6,54 g/cm3.
lich ihrer Menge auf 160.000 t geschätzt wurde; Ihre Kernladungszahl 50 macht die Atomkerne
jüngere Berechnungen gehen sogar von 500.000 t des Zinns „magisch“, und Zinn tritt in der Natur in
neben 10.000 t Wolframerz aus. Damit wären Form zehn verschiedener, allesamt stabiler Iso-
diese die größten weltweit noch unerschlossenen tope auf. Dies ist die höchste Zahl stabiler Isotope
Vorkommen. Allerdings ist der Erzgehalt mit aller Elemente. Zusätzlich gibt es noch 28 ver-
durchschnittlich 0,3 % relativ gering, und das schiedene radioaktive Isotope.
Erz ist schwer aus dem Gestein zu lösen. Daher Lagert man aus Zinn gefertigte Gegenstände in
wurde die Wirtschaftlichkeit dieses Abbaus, der kalten Räumen, zerfallen sie wegen der Umwand-
als Nebenprodukte u. a. Zink, Kupfer und Indium lung von β-Zinn mit der Zeit zu schwarzgrauem,
liefern würde, mehrere Jahre lang geprüft (Seidler pulvrigen α-Zinn („Zinnpest“). Werden Stäbe rei-
2012). Im Februar 2019 wurde die Lizenz für die nen β-Zinns bei Raumtemperatur verbogen, so
Grube „Gottesberg II“ an das britische Unterneh- wird ein knisterndes Geräusch erzeugt, da die
men Anglo Saxonian Mining Ltd. verkauft. einzelnen Kristalle aneinander reiben. Geringe
Pro Jahr werden rund 300.000 t Zinn ver- Anteile an Verunreinigungen oder zulegierten
braucht, davon je ein Drittel für Lote, für Weiß- Metallen verhindern das Auftreten dieses „Zinn-
blech und für andere Chemikalien. Infolge des geschreis“.
Totalersatzes von Blei durch Zinn in Loten erwar- Zinn ist chemisch relativ stabil, da es sich an
tet man eine jährliche Steigerung der Bedarfs- Luft mit einer schützenden Oxidhaut überzieht.
menge um 10 %, weshalb der Preis für Zinn Konzentrierte Säuren und auch Basen lösen es
laufend steigt und sich in den letzten zehn Jahren aber unter Bildung von Wasserstoffgas und Zinn-
verdreifacht hat (London Metal Exchange 2015). II-salzen (in Säuren) bzw. Stannaten (in Basen).
Gewinnung Das Zinnerz wird zunächst zer- Zinn-II wird von unedleren Metallen (z. B. Zink)
kleinert und dann mittels Aufschlämmen oder reduziert; das elementare Zinn scheidet sich dann
spezieller Scheideverfahren angereichert. Hier- am Donormetall in Form eines Metallschwamms ab.
nach reduziert man es mit Kohle und hält die Verbindungen Zinn kann in den Oxidations-
Temperatur knapp oberhalb des Schmelzpunktes stufen +2 und +4 auftreten, wobei Zinn-IV etwas
von Zinn (232  C), so dass das im Laufe der stabiler ist. Die Auswirkung des bei den höchsten
Reaktion entstehende flüssige Metall abfließen Homologen dieser und benachbarter Hauptgrup-
kann, ohne bei höheren Temperaturen schmel- pen in der äußeren Schale vorliegenden „inerten
zende Verunreinigungen aufzunehmen. Heutzu- Elektronenpaares“ ist hier noch nicht so stark aus-
tage gewinnt man einen großen Teil des Zinns geprägt ist wie beim schwereren Element dieser
durch Recycling, an dessen Ende eine Elektrolyse Gruppe, dem Blei. Zinn-II wird daher noch relativ
steht. leicht zu Zinn-IV oxidiert.
Eigenschaften Zinn tritt in drei verschiedenen Wasserstoffverbindungen Zinnwasserstoff (Mono-
Modifikationen auf. Das noch im kubischen Dia- stannan, SnH4) kann man nicht aus den Elementen,
mantgitter kristallisierende graue, halbmetallische sondern nur durch Auflösung salzartiger Metall-
α-Zinn ist unterhalb einer Temperatur von 13,2  C Zinn-Verbindungen („Stannide“) in Säuren herstellen
stabil. Es weist eine Bandlücke von 0,1 eV und (Mortimer 2010, S. 112). Ebenso ist beispielsweise
eine Dichte von 5,75 g/cm3 auf (s. Tab. 5) und ist die Reduktion von Zinn-II-chlorid mit Natrium- oder
damit ein Halbleiter. Das uns von seinem Ausse- Kaliumborhydrid in wässriger, salzsaurer Lösung
hen her vertraute metallische β-Zinn kristallisiert möglich. Führt man die Trennung des bei dieser
verzerrt oktaedrisch, hat eine silberweiß glänzen- Reaktion gebildeten Gasgemisches unter völ-
de Oberfläche und eine Dichte von 7,31 g/cm3; es ligem Ausschluss von Luft und Feuchtigkeit
ist bis zu einer Temperatur von 162  C beständig. durch, so kann man auch sehr geringe Mengen
Das γ-Zinn mit rhombischem Gitter bildet sich von Distannan (Sn2H6) isolieren (Weidenbruch
oberhalb einer Temperatur von 162  C oder auch und Schlaefke 1991).
5 Einzeldarstellungen 247

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Zinn


Symbol: Sn
Ordnungszahl: 50
CAS-Nr.: 7440-36-0

Aussehen: Silbergrau, metallisch Zinn Zinn, Pulver und


glänzend (Metallium, Inc. Stab
2015) (Sicius 2015)
Entdecker, Jahr Kaukasus (4. Jahrtausend v. Chr.)
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
116
50Sn (14,54) Stabil ——
117
50Sn (7,68) Stabil ——
118
50Sn (24,23) Stabil ——
119
50Sn (8,59) Stabil ——
120
50Sn (32,59) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 35
Atommasse (u): 118,71
Elektronegativität 1,96 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Sn2+ + 2 e > Sn (V) 0,137
Atomradius (pm): 145
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 217
Kovalenter Radius (pm): 139
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d10 5s2 5p2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 709 ♦ 1412 ♦ 2943 ♦ 3930
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: α-Zinn: 2,3  105
β-Zinn: 2,4  106
Magnetismus: α-Zinn: diamagnetisch
β-Zinn: paramagnetisch
Kristallsystem: α-Zinn: kubisch-flächen-zentriert
(Diamantstruktur)
β-Zinn: oktaedrisch
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): β-Zinn: 9,09  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): β-Zinn: 50 ♦ 58 ♦ 18
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): – ♦ 50-440
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 2500
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) α-Zinn: 5,769
β-Zinn: 7,265
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): α-Zinn: 20,58  106
β-Zinn: 16,29  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 67
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): β-Zinn: 27,12
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 232 ♦ 505
Schmelzwärme (kJ/mol): 7,03
Siedepunkt ( C ♦ K): 2620 ♦ 2893
Verdampfungswärme (kJ/mol): 290
248 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Schließlich liefert auch die Reduktion von in von Hexahalogenostannaten (Donaldson und Gri-
absolutem Ether gelösten Zinn-IV-chlorid mit mes 1989; Caley 1932).
Lithiumaluminiumhydrid bei tiefer Temperatur Mit starken Laugen löst sich Zinn-IV-oxid
Zinnwasserstoff (Brauer 1975, S. 751). unter Bildung von Stannaten-IV, den Salzen der
Monostannan ist ein giftiges Gas, das bei in freiem Zustand nicht stabilen „Zinnsäuren“
52  C kondensiert (Erstarrungspunkt der Flüs- [H2[Sn(OH)6 bzw. H2SnO3]. Die jeweiligen Na-
sigkeit 146  C) und eine Dichte von 5,4 g/L triumsalze sind aber beständig; man setzt sie als
besitzt. Oberhalb einer Temperatur von 150  C Hilfsmittel zum Färben ein. In seiner Eigenschaft
zerfällt es schnell in die Elemente; dabei bildet als Halbleiter findet Zinn-IV-oxid etwa in Kombi-
sich auf den Wänden des Gefäßes ein Zinnspiegel. nation mit Antimon-III-oxid in Modulen der Pho-
Da Zinn auf der Pauling-Skala mit 2,0 eine ge- tovoltaik Verwendung. Daher sind auch aus Zinn-
ringere Elektronegativität als Wasserstoff (2,2) IV-oxid bestehende Sputtertargets im Handel
besitzt, wäre der korrekte Name für die Verbin- (s. Abb. 27c) Ebenso geht es deshalb in Lichtleiter
dung eigentlich Monozinnhydrid. Der qualitative oder Gassensoren ein; bei letzteren nutzt man die
Nachweis von Zinn beinhaltet die Reduktion was- Reaktivität der Verbindung mit vielen Gasen aus,
serlöslicher Zinnverbindungen mit naszierendem wo eine chemische Reaktion eine Änderung des
Wasserstoff, wobei sich Monostannan bildet, das elektrischen Widerstands bewirkt. Man setzt es
der Flamme des Bunsenbrenners eine blaue Fluo- ferner als Poliermehl für Natursteine, Glas oder
reszenz verleiht. Stahl ein, ebenso in Emaille- und Keramikmassen
Chalkogenverbindungen Zinn-IV-oxid (SnO2) oder als Katalysator. Das Schmelzen anorgani-
ist ein weißes (s. Abb. 27a, b), bei 1630  C scher Gläser benötigt gelegentlich Elektroden
schmelzendes Pulver der Dichte 6,95 g/cm3. Es aus Zinn-IV-oxid anstelle von solchen aus Molyb-
ist durch Verbrennen von Zinn an Luft, durch dän.
Umsetzung von Zinn-IV-chlorid und Wasser in Zinn-II-oxid (SnO) disproportioniert bei Tem-
der Gasphase oder auch durch aufeinanderfolgen- peraturen oberhalb von 300  C zu Zinn und Zinn-
des Lösen von Zinn in Schwefelsäure und Fällung IV-oxid. Die Verbindung der Dichte 6,45 g/cm3
des Zinn-IV-oxids durch Zugabe starker Basen gewinnt man durch Reaktion von Zinn-II-chlorid
herstellbar. mit starken Basen, worauf sich Zinn-II-oxidhy-
Zinn-IV-oxid ist amphoter, in Wasser unlöslich drat bildet, das man durch Erhitzen entwässern
und ist in Halogenwasserstoffsäuren unter Bildung kann (Brauer 1975, S. 759). Zinn-II-oxid existiert

Abb. 27 a Zinn-IV-oxid
(Onyxmet 2019) b Zinn-IV-
oxid, Nanopulver (Stanford
Advanced Materials 2019)
c Zinn-IV-oxid,
Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2019)

Abb. 28 a Zinn-II-oxid
(Onyxmet 2019) b Zinn-II-
oxid, grobkristallin und
gemörsert (Hubertus
Giefers 2007) c Zinn-II-
oxid (Stanford Advanced
Materials 2019)
5 Einzeldarstellungen 249

in drei Modifikationen. Die bekannteste ist das gelbe Feststoff (s. Abb. 29a, b) ist unlöslich in
schwarz-blaue Zinn-II-oxid (s. Abb. 28a–c), das Wasser und ein Halbleiter einer Bandlücke von
tetragonal und isotyp zu Blei-II-oxid in der Raum- 2,2 eV (Burton et al. 2016); deshalb wird es auch
gruppe 129 mit zwei Formeleinheiten pro Ele- als Sputtertarget verkauft (s. Abb. 29c). Man setzt
mentarzelle kristallisiert. Bis zu Temperaturen die Verbindung als Farbpigment ein.
von 270  C ist auch eine metastabile, rote Modi- Zinn-II-sulfid (SnS), das natürlich als Mineral
fikation orthorhombischer Struktur existent, die Herzenbergit vorkommt, gewinnt man durch
mit acht Formeleinheiten pro Elementarzelle kris- Reaktion der Elemente (I) oder durch Einleiten
tallisiert (Köhler et al. 2012). Schon leichter von Schwefelwasserstoff in eine wässrige Lösung
Druck oder Mischen mit der tetragonal struktu- von Zinn-II-chlorid (II):
rierten Modifikation führt die rote Form in jene
über (Köhler et al. 2012). In der Literatur wird (I) Sn + S ! SnS
gelegentlich auf eine weitere rote Modifikation (II) SnCl2 + H2S ! SnS # + 2 HCl
hingewiesen, allerdings nicht auf deren Struktur
im festen Zustand Bezug genommen. Der dunkelgraue Feststoff (s. Abb. 30a–c)
Zinn-IV-sulfid (SnS2) kommt in der Natur in schmilzt bei 882  C (Siedepunkt der Schmelze:
Form des Minerals Berndtit vor (Hazen und Fin- 1230  C), hat eine Dichte von 5,22 g/cm3 und ist
ger 1978). Man kann die Verbindung durch Um- unlöslich in Wasser. Zugabe von Salzsäure hat Zer-
setzung von Zinn-IV-chlorid mit Schwefelwasser- setzung zu Schwefelwasserstoff und Zinn-II-chlorid
stoff in der Gasphase erzeugen (I) oder in schwach zur Folge. Unter Anderem wird die Verbindung als
basischer, zinn-IV-haltiger Lösung durch Fällen Zusatz in der Pulvermetallurgie eingesetzt, vor
mit Ammoniumsulfid (II): allem aber in ihrer Funktion als Halbleiter (Bandlü-
cke ca. 1,35 eV) in der Elektronikindustrie (Gielen
(I) SnCl4 + 2 H2S ! SnS2 # + 4 HCl 2008, S. 290; Andrade-Arvizu et al. 2015).
(II) „Sn4+“ + 2 (NH4)2S ! SnS2 # + 4 NH4+ Das graue Zinn-II-selenid (SnSe) wird durch
Zusammenschmelzen der Elemente in stöchio-
Im industriellen Maßstab gewinnt man es metrischem Verhältnis dargestellt, wobei die
durch gemeinsames Erhitzen der Elemente in Schmelze hierzu auf etwa 350  C erhitzt werden
Gegenwart kleiner Mengen an Ammoniumchlo- muss (Colin und Drowart 1964). Die Verbindung
rid (Brauer 1975, S. 763). Der mit trigonaler schmilzt bei 861 C, hat eine Dichte von
Cadmiumiodid-Struktur kristallisierende, gold- 6,18 g/cm3 und ist unlöslich in Wasser. Zinn-II-

Abb. 29 a Zinn-IV-sulfid
(Onyxmet 2019) b Zinn-IV-
sulfid (Stanford Advanced
Materials 2019) c Zinn-IV-
sulfid, Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2019)

Abb. 30 a Zinn-II-sulfid,
Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2019) b Zinn-II-sulfid
(Stanford Advanced
Materials 2019) c Zinn-II-
sulfid (Onyxmet 2019)
250 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

selenid kristallisiert bei Raumtemperatur orthor- äquatoriale Brücken mit je vier weiteren SnF6-
hombisch (Feutelais et al. 1996; Kumar et al. Oktaedern in einem planaren Schichtgitter ange-
2012). Die relativ geringe Bandlücke des IV-VI- ordnet (Holleman et al. 1995, S. 970; Housecroft
Halbleiters mit 0,9 eV (indirekt) bzw. 1,3 eV und Constable 2010, S. 769). Zinn-IV-fluorid
(direkt) bedingt Einsatzgebiete in der Photovol- setzt man als Karieshemmer in kleinen Mengen
taik und Speicherschaltern. Zahncreme zu.
Zinn-II-tellurid (SnTe) ist ein grauer, metal- Das farblose (s. Abb. 32) Zinn-II-fluorid (SnF2)
lisch aussehender, bei 780  C schmelzender Fest- stellt man durch Lösen von Zinn, Zinn-II- oder
stoff (s. Abb. 31) der Dichte 6,48 g/cm3 (Beattie Zinn-IV-oxid in Flusssäure her. Die Verbindung
1969). Unter Normalbedingungen kristallisiert es schmilzt bzw. siedet bei 215  C bzw. 850  C und
kubisch im Kochsalzgitter (β-SnTe) und ist mit hat die Dichte 4,57 g/cm3. Man verwendet Zinn-II-
einer direkten Bandlücke von nur 0,18 eV und fluoridebenfalls als Quelle für Fluorid und Entfer-
einer hohen Elektronenmobilität von 500 cm2/ ner von Plaque in Zahncremes. Das Präparat
®
V.s ein Halbleiter, den man legiert mit Blei Meridol enthält Zinn-II-fluorid; eine durch
als Detektor in infrarotsensitiven Photodioden Anwendung dieses Produkts eventuell auftretende
(Lovett 1977; Rolls et al. 1970) und thermoelek- Gelbfärbung der Zähne kann man bei der nachfol-
trischen Generatoren einsetzt (Singh 2010). Bei genden Reinigung der Zähne mit gewöhnlicher
tiefen Temperaturen liegt es in rhomboedrischer Zahncreme entfernen (Hellwege 2003, S. 141;
Struktur vor (α-SnTe), es zeigt Supraleitfähigkeit Hellwig et al. 2013)
bei sehr tiefen Temperaturen (Hein und Meijer Zinn-IV-chlorid (SnCl4) ist eine farblose
1969). Die dritte, orthorhombisch kristallisie- (s. Abb. 33a, b), ätzend wirkende, an feuchter Luft
rende Modifikation des Zinntellurids (γ-SnTe) rauchende Flüssigkeit von stechendem Geruch,
bildet sich bei Anwendung hohen Drucks die bei Temperaturen von 114  C siedet bzw.
(18 kbar=1,8  109 Pa) auf β-SnTe (Kafalas und von 33  C erstarrt. Bei Kontakt mit Wasser
Mariano 1964); dieses γ-SnTe zeigt eine um 11 %
erhöhte Dichte und einen erheblich höheren elek-
trischen Widerstand.
Halogenverbindungen Zinn-IV-fluorid (SnF4),
einen farblosen, sehr hygroskopischen Feststoff
vom Sublimationspunkt 705  C und der Dichte
4,78 g/cm3, erhält man durch Reaktion von Zinn-
IV-chlorid mit Fluorwasserstoff:

SnCl4 þ 4 HF ! SnF4 þ 4 HCl

SnF4 löst sich in Wasser unter heftig verlau- Abb. 32 Zinn-II-fluorid (Onyxmet 2019)
fender Hydrolyse (Brauer 1975, S. 232). Im Kris-
tallgitter sind SnF6-Oktaeder über gemeinsame

Abb. 31 Zinn-II-tellurid, Sputtertarget (QS Advanced Abb. 33 a Zinn-IV-chlorid (Walkerma 2005) b Zinn-IV-
Materials 2019) chlorid (Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 251

erfolgt stark exotherme Hydrolyse zu Salzsäure lige Metall. Zudem reduziert es Eisen-III zu
und Zinn-IV-oxid. Die billigste Variante der Her- Eisen-II und Chromate zu Chrom-III. Umgekehrt
stellung ist das Verbrennen von Weißblechabfäl- oxidiert Luftsauerstoff Zinn-II in wässriger oder
len im trockenen Chlorstrom und Kondensieren salzsaurer Lösung zu Zinn-IV. Man setzt Zinn-II-
des unter diesen Reaktionsbedingungen gasför- chlorid in der Galvanik zur elektrolytischen Ver-
mig anfallenden Zinn-IV-chlorids. Die Verbin- zinnung ein, wesentlich wichtiger ist aber seine
dung löst einige Nichtmetalle wie Schwefel, Iod Verwendung als Reduktionsmittel.
und Phosphor. Einwirkung sehr geringer Mengen In konzentrierter Salzsäure gelöst, dient Zinn-
an Wasser führt zur Bildung des kristallinen, farb- II-chlorid in der Bettendorfschen Probe als Nach-
losen Pentahydrats; ein weiterer Zusatz von Was- weismittel für Arsen. Es reduziert chemisch
ser hat Hydrolyse zur Folge. Man verwendet gebundenes zu elementarem Arsen, das aus der
Zinn-IV-chlorid sowohl beim chemischen Verzin- Lösung ausfällt; nur Quecksilber und Edelmetalle
nen als auch bei der Beschichtung von Gläsern. stören. Ferner dient es in der Färberei zur Re-
Organozinnverbindungen werden meist aus Zinn- duktion des Indigos und ist beispielsweise
IV-chlorid dargestellt. Beizmittel beim Färben mit Cochenille oder bei
Leitet man trockenen Chlorwasserstoff über der Herstellung von Goldpurpur und Lackfarben.
erhitztes Zinn, so entsteht wasserfreies Zinn-II- Es besitzt unter der Nummer E 512 innerhalb der
chlorid (SnCl2). So stellt man es technisch durch Europäischen Union sogar eine Zulassung als
Überleiten von Salzsäure-Dampf über Zinngrana- antioxidativer, säuernder und stabilisierender Le-
lien oder über Weißblechabfälle her. Das farblose bensmittelzusatzstoff.
(s. Abb. 34a, b), kristalline und hygroskopische Zinn-IV-bromid (SnBr4) schmilzt bzw. siedet
Salz schmilzt bereits bei 40  C im eigenen Kris- bei 31  C bzw. 202  C und hat im festen Zustand
tallwasser und lässt sich beim vorsichtigen Erhit- die Dichte 3,34 g/cm3. Der farblose (s. Abb. 35),
zen auf 100  C fast unzersetzt entwässern. Die an feuchter Luft rauchende Feststoff ist leicht in
Verbindung löst sich gut in Ethanol; in überschüs- Wasser löslich, allerdings tritt dabei Hydrolyse
sigem Wasser löst es sich unter weitgehender ein (Perry 2011, S. 483). Die Kristallstruktur
Hydrolyse zu weißem, basischem Zinn-II-chlorid. des Feststoffs ist monoklin (Blachnik 1998,
Nur in salzsaurer Lösung ist es ohne Zersetzung S. 1389; Reuter und Pawlak 2001). Bei der la-
löslich. Wasserfreies, kristallines Zinn-II-chlorid serunterstützten chemischen Abscheidung aus
schmilzt bei einer Temperatur von 247  C. der Gasphase ist es der wirksamste zinnhaltige
Zinn-II-chlorid-Dihydrat stellt man technisch Ausgangsstoff zur Erzeugung dünner Schichten
durch Lösen überschüssig eingesetzter Zinnspäne aus Zinn-IV-oxid. Wasserfreies Zinn-IV-bromid
in Salzsäure her; es fällt nach Auflösen der stö- ist durch Verbrennen von Zinn in Bromdampf
chiometrisch erfoderlichen Menge an Zinn aus herstellbar, wogegen das kristalline, bei Raum-
der heißen Lösung aus. temperatur relativ stabile Zinn-IV-bromid-Te-
Da es reduzierend wirkt, überführt Zinn-II- trahydrat beim Auflösen von Zinn-IV-oxid in
chlorid Silber- und Quecksilbersalze in das jewei- Bromwasserstoffsäure entsteht.

Abb. 34 a Zinn-II-chlorid wasserfrei (Onyxmet 2019)


b Zinn-II-chlorid wasserfrei (Walkerma 2005) Abb. 35 Zinn-IV-bromid (Onyxmet 2019)
252 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

50 (!) Versuchen jeweils zunächst mit Kaliumamid


im Mengenverhältnis SnBr2:KNH2= 1:2 in flüssi-
gem Ammoniak bei einer Temperatur von 34  C
und während einer Reaktionszeit von 2 d umgesetzt
wurde. Nach erfolgter Umsetzung verdampfte man
das flüssige Ammoniak, füllte den zurück geblie-
benden Feststoff in eine aus Duranglas bestehende
Ampulle und erhitzte diese während 1–5 d auf
300  C. Das auf diese Weise erhaltene, dunkelgraue
Abb. 36 Zinn-II-bromid (Onyxmet 2019) Zinn-IV-nitrid kristallisiert im Gittertyp des Spinells
(Scotti 1999).
Der Versuch, in Analogie hierzu ein hypothe-
tisches „Zinn-II-nitrid“ („Sn2N3“) zu erhalten,
indem man einen Strom von Ammoniak über
erhitztes Zinn-II-oxid leitete, scheiterte allerdings.
Beobachtete der Autor bei Temperaturen von
20–200  C keine Reaktion, so erfolgt bei und
oberhalb von 250  C innerhalb weniger Stunden
nur die Zersetzung des Zwischenproduktes zu
Abb. 37 a Zinn-IV-iodid (Ben Mills 2007) b Zinn-IV- metallischem Zinn.
iodid (Onyxmet 2019) Sonstige Verbindungen Bisher gelang die Dar-
stellung eines Zinncarbids nicht; Yu et al. stellten
Zinn-II-bromid (SnBr2) ist ein hellgelber aber ein Titan-Zinncarbid (Ti2SnC) her, das für
(s. Abb. 36), hygroskopischer Feststoff, der bei einen elektrischen Leiter ungewöhnliche Eigen-
215  C schmilzt (Siedepunkt der Schmelze: schaften aufweist (Yu et al. 2000).
623  C) und die Dichte 5,12 g/cm3 hat. Man stellt Tributylzinnchlorid [(C4H9)3SnCl] ist eine
die Verbindung durch Lösern von Zinn in Brom- gelbliche, nahezu wasserunlösliche, giftige und
wasserstoffsäure her (Brauer 1975, S. 756), ähn- aus chemischer Sicht relativ beständige Flüssig-
lich der Darstellung von Zinn-II-chlorid aus Salz- keit, die man im Vakuum unzersetzt destillieren
säure. In Wasser löst es sich unter Hydrolyse kann (Siedepunkt: 140  C bei 13 mbar Druck).
(Holleman et al. 1995, S. 965). Man nutzt die Verbindung zur Bekämpfung von
Zinn-IV-iodid (SnI4) ist ein oranger (s. Abb. 37a, b) Schimmel und Milben auf Holz, Papier, Leder
Feststoff, der bei 144,5  C bzw. 365  C schmilzt bzw. und Textilien, außerdem in Antifouling-An-
siedet und die Dichte 4,47 g/cm3 aufweist. Die Ver- strichen für Schiffe. Allerdings ist ihr Gebrauch
bindung kann man ausschließlich noch aus den Ele- in der Europäischen Union, wie auch der aller
menten herstellen (Reuter und Pawlak 2001; Moeller anderen Organozinnverbindungen, seit bereits
et al. 1953; Hickling 1990). Ihre Kristallstruktur ist 20 Jahren verboten (Klingmüller und Watermann
kubisch (Raumgruppe 205) mit acht Formeleinheiten 2003). Diese Stoffe nehmen Säugetriere vor allem
pro Elementarzelle (Meller und Fankuchen 1955); über die Haut und Schleimhäute auf; Folgen kön-
jene liegen in Form einzelner, tetraedrisch koordinier- nen Krämpfe, ein Verlust des Gewichtes, der Sin-
ter SnI4-Moleküle vor (Holleman et al. 2007, S. 970). neswahrnehmungen und der Kraft sowie auch
Pnictogenverbindungen Die erstmalige Darstel- Geschwüre sein. Tributylzinnchlorid wirkt sehr
lung phasenreinen Zinn-IV-nitrids (Sn3N4), die giftig auf Wasserorganismen.
Ergebnisse von Versuchen zur Aufklärung dessen Tetramethylzinn [Sn(CH3)4] ist eine klare,
Struktur und dessen physikalische Eigenschaften farblose, entzündliche und leicht flüchtige (Siede-
beschreibt Scotti. Als Ausgangsmaterial dienten punkt: 75  C) Flüssigkeit von unangenehmem
100 g Zinn-II-bromid, das im Zuge von insgesamt Geruch, die man durch Reaktion von Methyl-
5 Einzeldarstellungen 253

Grignardverbindungen und Zinn-IV-chlorid dar- tronische Bauteile für die Medizin- und Sicher-
stellen kann: heitstechnik sowie für die Luft- und Raumfahrt
beispielsweise immer noch Blei enthalten.
4 H3 CMgI þ SnCl4 ! SnðCH3 Þ4 Weißblech ist verzinntes Eisenblech, das zur
þ 4 MgICl Herstellung von Konservendosen benutzt wird.
Zinnmetall findet auch in der Homöopathie
Tetramethylzinn ist fast unlöslich in Wasser, Anwendung. Zur Herstellung von Tuben für Farb-
aber, wie zu erwarten, gut mischbar mit unpolaren pasten wie auch -früher- zur Produktion von
organischen Lösungsmitteln wie Hexan (Davies Lametta wird bzw. wurde Zinn verwendet, ebenso
2004; Scott et al. 2002). ist es nach wie vor Bestandteil von als Zahnfül-
Analytik Qualitativ weist man Zinn mittels der lung eingesetzten Amalgamen.
Leuchtprobe bzw. im Trennungsgang durch Fällung Durchsichtige, elektrisch leitende und infrarot-
mit Ammoniumpolysulfidlösung nach. Bei der reflektierende Beschichtungen aus Zinn- und In-
Leuchtprobe gibt man zur zinnhaltigen Lösung diumoxid auf Glasscheiben sind die Grundlage
20 %ige Salzsäure und Zinkpulver. Der bei der Auf- von LC-Displays (Nanning 1984).
lösung des Zinks frei werdende, naszierende Was- Hochreine Einkristalle aus Zinn finden Einsatz in
serstoff reduziert Sn2+/4+ bis zum Monostannan elektronischen Bauteilen. Zur Herstellung integrier-
(SnH4). In diese Lösung taucht man ein mit kaltem ter Schaltkreise mit immer höheren Anforderungen
Wasser gefülltes Reagenzglas ein, das danach im hinsichtlich deren Verkleinerung, Preis und Schnel-
Dunkeln in die nichtleuchtende Flamme des Bun- ligkeit findet die EUV-Lithografie Einsatz; das hier-
senbrenners gehalten wird. Tritt sofort eine blaue für benötigte sehr kurzwellige UV-Licht (Wellen-
Fluoreszenz ein, weist dies die Anwesenheit von länge 13,5 nm) wird zunehmend von zinnhaltigen
Zinn nach (Jander und Blasius 2006, S. 499). Plasmen erzeugt (Wagner und Harned 2010).
Quantitativ erfolgt die Bestimmung polarogra- Toxizität Einfache anorganische Zinnverbin-
phisch (Heyrovský und Kůta 1965) oder mittels dungen sind relativ ungiftig, wogegen organische
AAS, Hydridtechnik und Morin, um wichtige zu oft stark toxisch sind, da sie das Zinn schnell im
nennen (Cammann 2001). Körper verteilen. Dadurch kann gelöstes Zinn, wie
Anwendungen Zinn wird legiert mit Blei zum auch andere Schwermetallionen (z. B. Blei, Queck-
Bau von Orgelpfeifen verwendet eine Legierung, silber), die Schwefelatome schwefelhaltiger Amino-
die ihre Farbe lange behält und schwingungs- säuren (z. B. Cystin, Cystein) blockieren. Durch die
dämpfend wirkt. Jedoch sind dauerhaft tiefe Tem- jahrelange Verwendung von Tributylzinnderivaten
peraturen wegen der Umwandlung metallischen in Anstrichfarben für Schiffe reicherten sich diese in
in pulvriges, halbmetallisches α-Zinn schädlich den Meerwasserzonen rund um große Hafenstädte
für ausschließlich aus Zinn gefertigte, ältere an und beeinflussen darin bis heute Flora und Fauna.
Orgelpfeifen (Zinnpest). Inzwischen ersetzte
man das relativ teure Zinn daher durch billigere Patente
und gleichzeitig stabilere Werkstoffe. Deko- und (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Schmuckartikel stellt man aber weiter oft aus Zinn wide.espacenet.com)
oder seinen Legierungen (Bronze, Britanniametall)
her. W. Zeng und Y. Cao, Methods of making
Es ist zudem unverzichtbare Komponente tief- and using tin oxide film with smooth
schmelzender Metalllegierungen. Zum Löten auf surface morphologies (Applied Materi-
Leiterplatten setzt man heute eine bei rund 220  C als, Inc., WO 2019213337, veröffent-
schmelzende Legierung von Zinn, Kupfer und licht 7. November 2019)
Silber ein; bleihaltiges Lötzinn ist seit längerem
nicht mehr erlaubt. Wegen der bei tieferen Tem- (Fortsetzung)
peraturen stets drohenden Zinnpest müssen elek-
254 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

metallischem Blei gefertigten Gegenständen (hier:


K. J. Dong und P. Malkeshkumar, Method of Perlen) im Süden Anatoliens (Rumpf 2013). Schon
transferring tin sulfide film and photoelec- in Mesopotamien beherrschte man die Herstellung
tric device using the method (Inu Research von Krügen und Vasen aus Blei, wobei der Ver-
& Business Foundation, US 2019341511 brauch so hoch war, dass die Assyrer Blei importie-
A1, veröffentlicht 7. November 2019) ren mussten (Faist 2001).
T. Imori und K. Takemoto, High purity tin Die Römer nutzten Blei zur Befestigung von
and method for manufacturing same Bauwerken (Kritzinger 2017), außerdem zur Ver-
(JX Nippon Mining & Metals Corp., kleidung von Schiffsrümpfen, zur Fertigung städ-
US 2019338431 A1, veröffentlicht 7. tischer Wasserleitungen, von Gefäßen, Schreibta-
November 2019) feln, Särgen und Schleudergeschossen (Baatz
T. Satoshi, Fuel cell separator, antimony- 1990). Blei diente im Mittelalter zum Einfassen
doped tin oxide, method of manufactu- von Kirchenfenstern oder Bedecken von Dächern.
ring the same, and method of manufac- Ab dem 19. Jahrhundert stellte man Behälter aus
turing fuel cell separator (Toyota Motor Blei her, die in der damaligen Industrie bei chemi-
Co., Ltd., US 2019326609 A1, veröf- schen Synthesen zum Einsatz kamen (Bleikam-
fentlicht 24. Oktober 2019) merverfahren).
J. B. Edson und T. J. Lamkin, Monoalkyl tin Vorkommen Blei tritt in der Natur meist in
compounds with low polyalkyl contami- Form sulfidischer Erze und nur selten gediegen
nation, their composition and methods auf. Man wies es weltweit bislang an etwa 130
(Inpria Corp., WO 2019199467, veröf- Fundorten nach, wobei die Zusammensetzung der
fentlicht 17. Oktober 2019) Isotope immer unterschiedlich ist.
S. Sonde und S. Guha, Silicon compatible In Deutschland baute man es früher in der Eifel,
tin-based cationic filamentary device (Uni- im Schwarzwald, im Harz und in Sachsen ab; heut-
versity of Chicago, WO 2019200206 A1, zutage sind nur noch zwei Bleihütten in Betrieb
veröffentlicht 17. Oktober 2019) (Binsfeldhammer in Stolberg/Aachen und Metaleu-
M. Watanabe und K. Susuki, Plating solu- rop bei Bremerhaven). Die Wiedergewinnung des
tion of tin or tin alloy (Mitsubishi Mate- Metalls, vor allem aus gebrauchten Autobatterien,
rials Corp., TW 201930652 A, veröf- herrscht eindeutig vor.
fentlicht 1. August 2019) Das wichtigste Bleierz ist Galenit (Bleisulfid
K. Bronder und B. Weyhmueller, Improved PbS, Bleiglanz), der oft mit Sulfiden anderer Me-
copper-tin electrolyte and process for the talle (Kupfer, Zink, Arsen, Antimon) vergesell-
deposition of tin-bronze layers (Umicore schaftet ist. Daneben kommen Cerussit (Blei-II-
Galvanotechnik GmbH, PL 2310558 T3, carbonat, PbCO3), Krokoit (Blei-II-chromat,
veröffentlicht 28. September 2012) PbCrO4) und Anglesit (Blei-II-sulfat, PbSO4)
J. Nunez-Regueiro und A. Dietrich, Coated vor. Insgesamt kennt man mehr als 500 bleihaltige
article with low e-coating including tin Minerale.
oxide interlayer (Guardian Industries; Die weltweiten Reserven betragen 70 Mio. t
Centre Luxembourgeois de Recherche bei einer gleichzeitigen Jahresförderung von
pour le verre et la céramique, PL ca. 4 Mio. t. Die größten Vorkommen liegen in
1730088 T3, veröffentlicht 31. Mai 2011) China (Fördermenge 1 Mio. t/a), in den USA (ca.
0,5 Mio. t/a), Kanada, Australien (ca. 0,7 Mio. t/
a) und im sibirischen Teil Russlands. In Europa
sind Schweden, Polen und Irland die Länder mit
5.5 Blei den größten Vorkommen und auch Fördermen-
gen.
Geschichte Auf die Zeit um 6500 v. Chr. datiert Raffiniertes Blei (Hüttenweichblei mit 99,9 %
man den ältesten bisher gemachten Fund von aus Gehalt) wird zur Zeit in jährlichen Mengen von
5 Einzeldarstellungen 255

etwa 7 Mio. t produziert. China kommt für ein den fließen Blei und bleioxidbeladene Schlacke in
Viertel, die USA für ein Sechstel und Deutschland die Reduktionszone ab. Dort wird Kohlenstaub
für 5 % dieser Menge auf. Großbritannien, Italien, eingeblasen und das noch vorhandene Bleioxid
Frankreich und Spanien sind weitere wichtige zu Blei reduziert. Der Vorteil hierbei ist ein gerin-
Herstellländer für Hüttenweichblei. geres Abgasvolumen, das einen relativ hohen
Gewinnung Das Bleisulfid (Galenit, PbS) wird Gehalt an Schwefel-IV-oxid besitzt, was wiede-
zerkleinert, sortiert und flotiert, wodurch eine rum für die Herstellung von Schwefelsäure güns-
Anreicherung auf bis zu 60 % Mineralanteil er- tiger ist.
reicht wird. Das Erz wird dann mittels Röstreaktion Das so gebildete Werkblei enthält noch 2–5 %
und -reduktion, heute eher durch das umweltver- metallische Verunreinigungen (Zinn, Edelmetalle,
träglichere Direktschmelzverfahren in metallisches Arsen, Antimon, Bismut). Das folgende Schmel-
Blei überführt. zen mit Natriumcarbonat und -nitrat oxidiert Zinn,
Das fein zerkleinerte Bleisulfid legt man auf Arsen und Antimon, die in Form von Bleistannat,
einen beweglichen Rost und leitet von unten her -arsenat und -antimonat von der Oberfläche der
1000  C heiße Luft hindurch; man röstet es. Blei- Metallschmelze abgeschöpft werden (Antimon-
sulfid wird zu Blei-II-oxid und Schwefel-IV-oxid abstrich).
verbrannt. Letzteres wird ausgetragen und für die Die Metalle Kobalt, Nickel, Kupfer und Zink
Produktion von Schwefelsäure verwendet. Das entfernt man durch Seigern, Silber durch Zugabe
unter den herrschenden Bedingungen flüssige von Zink (Parkes-Verfahren) und Bismut nach Kroll
Blei-II-oxid fließt nach unten ab: und Betterton durch Legieren mit Calcium und
Magnesium; dieser „Bismutschaum“ schwimmt auf
2 PbS þ 3 O2 ! 2 PbO þ 2 SO2 der Oberfläche des flüssigen Bleis auf und kann von
dieser abgezogen werden.
Das Blei-II-oxid wird dann in einem Schacht- Eine zusätzliche, aber teure Möglichkeit der
ofen mit Koks zu Blei reduziert; dies unter Zufü- Reinigung ist die in wässriger Lösung durchführ-
gung schlackebildender Zusätze (Kalk): bare elektrolytische Raffination. Blei wird gemäß
der elektrochemischen Spannungsreihe leichter
PbO þ C ! Pb þ CO oxidiert als Wasserstoff (Pb2+ + 2e ! Pb; Nor-
malpotenzial E0: 0,125 V), jedoch besitzt
Hat das Bleierz bereits einen hohen Gehalt an Wasserstoff an Blei eine hohe Überspannung.
Bleisulfid, so röstet man es zunächst nur unvoll- Dadurch kann Blei elektrolytisch aus wässriger
ständig, so dass ein aus Bleisulfid (PbS) und Blei- Lösung abgeschieden werden.
oxid (PbO) bestehendes Gemisch entsteht. Jenes Raffiniertes Blei (Weichblei) besitzt eine Rein-
erhitzt man unter Ausschluss von Luft, so dass das heit von 99,9 % an aufwärts, Feinblei eine ab
Bleioxid mit dem übrigen Bleisulfid direkt zu Blei 99,985 %. Kabelblei ist eine Legierung mit einem
und Schwefel-IV-oxid reagiert (Röstreaktion): Kupferanteil von ca. 0,04 % Kupfer.
Eigenschaften Blei ist wesentlich edler als
PbS þ 2 PbO ! 3 Pb þ SO2 Eisen, Zink oder Aluminium (de Marcillac et al.
2003). Das weiche, duktile Schwermetall kristal-
Das modernere Direktschmelzverfahren läuft lisiert kubisch-flächenzentriert und lässt sich
kontinuierlich und ist auf Umweltschutz und leicht zu Blechen walzen oder Drähten formen.
Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Es gibt nur einen Eine Modifikation ähnlich der des Diamanten mit
Reaktionsraum; das mit reinem Sauerstoff durch- kovalenten Bindungen zwischen Bleiatomen bil-
geführte Rösten und Reduktion geschehen zeit- det das Element, im Gegensatz zum α-Zinn, Ger-
gleich in einem Reaktor. Das Bleisulfid wird manium, Silicium und Diamant, nicht mehr. Na-
ebenfalls nicht völlig geröstet; das Blei entsteht türlich vorkommendes Blei ist etwas härter
durch Reaktion des Bleisulfids mit Bleioxid. Aus aufgrund der in ihm enthaltenen Verunreinigun-
dem leicht abschüssig ausgerichteten Reaktorbo- gen (Audi et al. 2003).
256 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Früher schrieb man mit Stiften aus Blei, die elektrische Leitfähigkeit, die aber weit unter
einen grauen Strich auf Papier hinterlassen. derjenigen anderer Metalle liegt. Unterhalb
Sein Schmelzpunkt liegt bei 327  C, sein Siede- von einer Temperatur von  266  C wird Blei
punkt bei ca. 1744  C (s. Tab. 6). Es besitzt supraleitend.

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Blei


Symbol: Pb
Ordnungszahl: 82
CAS-Nr.: 7439-92-1

Aussehen: Bläulich-weißgrau, Blei, Långban Mine, Blei, Plättchen


metallisch glänzend Filipstad, Schweden (Sicius 2015)
(Lavinsky)
Entdecker, Jahr Bronzezeit
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
204
82Pb (1,4) >1,4  1017 a α > 20080Hg
208
82Pb (52,4) Stabil ———
208
82Pb (52,4) Stabil ———
208
82Pb (52,4) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 18
Atommasse (u): 207,2
Elektronegativität 1,87 ♦ k.A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Pb2+ + 2 e > Pb (V) 0,125
Atomradius (pm): 175
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 202
Kovalenter Radius (pm): 146
Ionenradius (Pb4+ ♦ Pb2+, pm) 74 ♦ 96
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d10 6s2 6p2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 716 ♦ 1451 ♦ 3082 ♦ 4083
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,6  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 4,76  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 16 ♦ 46 ♦ 5,6
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): – ♦ 38-50
Mohs-Härte 1,5
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 1190
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 11,34
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 18,26  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 35
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,65
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 327,4 ♦ 600,6
Schmelzwärme (kJ/mol): 4,85
Siedepunkt ( C ♦ K): 1744 ♦ 2017
Verdampfungswärme (kJ/mol): 177
5 Einzeldarstellungen 257

Blei überzieht sich an der Luft mit einer Schicht freien Benzins als Antiklopfmittel ein. Da sie
aus Bleioxid und ist so vor weiterer Oxidation leicht flüchtig sind, von der Haut resorbiert wer-
geschützt. In fein verteiltem Zustand ist Blei den und giftig sind (MAK-Wert Tetraethylblei:
leichtentzündlich. Es reagiert nicht mit Salz-, 0,075 mg/m3), verbot man bleihaltiges Benzin seit
Fluss- und Schwefelsäure, da sich an der Metall- 1998 in Deutschland, seit 2000 in der gesamten
oberfläche die jeweiligen schwer löslichen Salze Europäischen Union (Holleman et al. 2007,
Blei-II-fluorid, -chlorid und -sulfat bilden. In hei- S. 1011).
ßer konzentrierter Schwefel- und Salpetersäure Chalkogenverbindungen Blei-II-oxid (PbO)
ist es jedoch löslich; in ersterer bilden sich schmilzt bzw. siedet bei 888  C bzw. 1470  C,
Sulfatoplumbat-Anionen, in letzterer leicht lösli- hat die Dichte 9,53 g/cm3 und ist nahezu unlöslich
ches Blei-II-nitrat. Die Oxidationszahl +2 ist sta- in Wasser. Es existiert in Form zweier Modifika-
biler als +4. tionen, als rote Bleiglätte (Lithargit) und als gelber
Die früher verbreiteten, aus Blei hergestellten Massicotit, die beide früher als Farbpigment ein-
Trinkwasserleitungen geben nur in hartem, stark gesetzt wurden (s. Abb. 38a, b). Blei-II-oxid stellt
carbonat- und/oder sulfathaltigem Wasser sehr man durch Überleiten von Luft über geschmolze-
geringe Mengen Blei ans Wasser ab. Ist das Was- nes Blei her; ebenso fällt es beim bereits beschrie-
ser weich und tritt sogar noch Luftsauerstoff benen Rösten von Bleisulfiderz an. Bei Raumtem-
hinzu, kann das Leitungsmaterial erhebliche Men- peratur ist die rote Modifikation stabil, die sich
gen Blei ans Wasser abgeben, was eine ernste oberhalb einer Temperatur von 488  C in die
Gesundheitsgefahr darstellt. gelbe, bei Raumtemperatur metastabile (Massico-
Verbindungen Die Verbindungen, in denen tit) umwandelt. Einfluss von Licht und Luft ver-
Blei mit der Oxidationszahl +2 auftritt, sind färben Blei-II-oxid schwarzbraun infolge Oxida-
am stabilsten. Blei-IV-Verbindungen sind meist tion zu Blei-IV-oxid. Es löst sich in Säuren, in
starke Oxidationsmittel. geringem Umfang auch in Basen.
Wasserstoffverbindungen (Monoplumban Blei-
wasserstoff, PbH4) ist ein sehr giftiges Gas mit
einem Siedepunkt von 13  C. Vor 20 Jahren
gelang seine Synthese aus Blei-II-nitrat und Na-
triumborhydrid (Snegirev et al. 1999). Eine ohne
Zuhilfenahme naszierenden Wasserstoffs auskom-
mende Darstellungsmethode beschreiben Yang
et al. (2005). Die Infrarot-Absorptionsbanden des
tetraedrisch strukturierten Moleküls (Bindungslänge
Pb-H: 173 pm) untersuchten Wang und And-
Abb. 38 a Blei-II-oxid (Hubertus Giefers 2007) b Blei-II-
rews (2003). oxid (Onyxmet 2019)
Plumban entsteht auch durch Einwirkung
atomaren Wasserstoffs auf fein verteiltes Blei,
ebenso durch thermische Zersetzung von Dime-
thylplumban [(CH3)2PbH2] bei Temperaturen
oberhalb von 50  C. Im Gegensatz zum analog
aufgebauten Molekül des Methans (CH4) ist
Plumban chemisch sehr instabil und leicht zer-
setzlich. Wenn man das Gas über eine erhitzte
Oberfläche leitet, zerfällt es unter Abscheidung
eines Bleispiegels. Beständiger als Plumban sind
Derivate mit organischen Substituenten, etwa Te-
tramethylblei [Pb(CH3)4] oder Tetraethylblei [Pb
Abb. 39 Blei-II, IV-oxid (Onyxmet 2019)
(C2H5)4]. Jene setzte man vor Einführung blei-
258 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Das leuchtend orangerote Blei-II,IV-oxid (Pb3O4,


Mennige) (s. Abb. 39) schmilzt bei einer Temperatur
von 500  C und hat eine Dichte von 9,53 g/cm3.
Man nutzte es in der römischen Antike bereits als
Farbpigment, bis vor einigen Jahren auch als Rost-
schutzanstrich. Mennige kann durch gezielte Oxida-
tion („Glühen“) von Bleiweiß oder Bleigelb bei
480  C erzeugt werden. Die erste industrielle Her-
stellung ist im 16. Jahrhundert für Venedig nachge- Abb. 40 Blei-IV-oxid (Walkerma 2005)
wiesen, für den deutschsprachigen Raum ist diese
auf das Jahr 1687 bei Hannover datiert.
Mennige ist kein Gemisch aus Blei-II- und Blei- Streichhölzern, in sehr großen Mengen als Elek-
IV-oxid, sondern eine Verbindung beider Oxide, trode in Akkumulatoren und zur Härtung sulfidi-
wobei Blei-IV als „Plumbat“-Ion (PbO44) auf- scher Polymere.
trittt. Im Kristallgitter liegen kantenverknüpfte Blei-IV-oxid ist teratogen, gesundheitsschädlich,
PbIVO6-Oktaeder vor; die Pb2+-Ionen sind qua- umweltgefährlich und krebserregend eingestuft
dratisch-pyramidal von vier Sauerstoffatomen (Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschäd-
umgeben (Gavarri und Weigel 1975). licher Arbeitsstoffe 2013).
Früher nutzte man Mennige als Maler- und Blei-II-sulfid (PbS) kommt als Bleiglanz (Gale-
Rostschutzfarbe (Janssens et al. 2015), die aber nit) natürlich vor (s. Abb. 41c). Im Labor stellt
wegen ihrer Giftigkeit nur noch selten verwendet man es durch Einleiten von Schwefelwasserstoff
wird. In der Schweiz ist ihr Einsatz seit 2005 in eine oder Zugabe einer wässrigen Lösung von
verboten, in Deutschland seit 2012. Das Pigment Natriumsulfid zu einer Blei-II-salzlösung her.
verrieb man zu diesem Zweck mit Lein- und/oder Blei-II-sulfid liegt in Form bleigrauer, leicht spalt-
Terpentinöl und verstrich es dann. Allerdings barer Kristalle oder als grauschwarzes Pulver
dient es heute noch, neben Quarzsand und Pott- (s. Abb. 41a, b) der Dichte 7,5 g/cm3 vor, das im
sche, zur Herstellung einer Schmelze, aus der kubischen Natriumchlorid-Typ kristallisiert und
Bleikristallgläser erzeugt werden. bei 1114  C schmilzt (Brauer 1975, S. 778). Die
Von Blei-IV-oxid (PbO2) kennt man fünf Mo- Verbindung ist kaum löslich in Wasser, ebenso in
difikationen, die jeweils durch Änderung des kalter verdünnter Salzsäure und Schwefelsäure.
Drucks bzw. der Temperatur ineinander überge- Leicht löslich dagegen ist Blei-II-sulfid in Salpe-
hen. Bei Raumtemperatur liegt die Verbindung tersäure, die es wie konzentrierte Salzsäure zu
bei Drücken bis zu 4 GPa in der tetragonalen Blei-II-nitrat bzw. -chlorid und Schwefelwasser-
β-Modifikation mit Rutilstruktur vor, bei Drücken stoff zersetzt. Starkes Erhitzen unter Zutritt von
bis zu 7 GPa (bei 300  C: 6 GPa) ist die Kristall- Luft verbrennt das Material zu Blei-II-oxid.
struktur orthorhombisch (α-PbO2). Zwischen Blei-II-sulfid ist ein Halbleiter einer direkten
7 und 11,4 GPa zeigt sich eine defekte Fluorit- Bandlücke von nur 0,41 eV (Elektronen- und
Struktur, zwischen 11,4 und 29 GPa eine orthor- Lochmobilität je 600 cm2/V s) (Devamani et al.
hombische (Zirconiumdioxid-Typ) und darüber 2018). Es wird in infrarotsensiblen Detektoren
hinaus schließlich wieder eine orthorhombische, (etwa in Teleskopen) eingesetzt, außerdem in der
dem Blei-II-chlorid (Mineral: Cotunnit) entspre- Reifenindustrie als Beschleuniger beim Vulkani-
chende Struktur (Haines et al. 1996). sieren und in der Glas- und Keramikindustrie. Auf
Das schwarze Blei-IV-oxid (s. Abb. 40) ist ein einem Glassubstrat schieden Jandow et al. ultra-
starkes Oxidationsmittel und geht beim Erhitzen dünne Filme aus Blei-II-sulfid ab, die eine wesent-
unter Abspaltung von Sauerstoff zuerst in das lich höhere Bandlücke aufwiesen (1,7–2,3 eV), die
orangerote Blei-II,IV-oxid und oberhalb von sich aber mit wachsender Schichtdicke asymp-
550  C in Blei-II-oxid über. Es dient zur Herstel- totisch dem oben genannten Wert von 0,41 eV
lung von Chemikalien und als Reibmasse an annäherte (2016).
5 Einzeldarstellungen 259

Abb. 41 a Blei-II-sulfid
(Onyxmet 2019) b Blei-II-
sulfid, Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2019) c Bleiglanz (Robert
M. Lavinsky, vor März
2010)

Abb. 42 a Blei-II-selenid, Sputtertarget (QS Advanced Materials 2019) b Blei-II-selenid (Stanford Advanced Materials
2019) c Blei-II-selenid (QS Advanced Materials 2019)

In der Natur kommt Blei-II-selenid (PbSe) in


Form des Minerals Clausthalit vor. Im Labor
gewinnt man es im Zuge einer mehrstufigen Syn-
these, ausgehend von Selen, Salpetersäure, Hy-
drazin und Blei-II-oxid (Brauer 1975, S. 779):

(I) 2 Se + 8 HNO3 ! 2 H2SeO3 + 8


NO2 " + 2 H2O
(II) 2 PbO + 4 HNO3 ! 2 Pb(NO3)2 + 2 H2O
(III) 2 H2SeO3 + 2 Pb(NO3)2 + 3 N2H4 ! 2 Abb. 43 Blei-II-tellurid; 99,999 % (Onyxmet 2019)
PbSe + 3 N2 + 4 HNO3 + 6 H2O
et al. bzw. Androulakis et al. her (2004 bzw.
Einkristalle des Halbleiters, der eine direkte 2011).
Bandlücke von 0,27 eV besitzt, stellt man durch Blei-II-tellurid (PbTe) ist durch Zusammen-
Schmelzen stöchiometrischer Mengen der Ele- schmelzen stöchiometrischer Mengen der Ele-
mente in Quarzampullen unter Vakuum her (Law- mente im Quarzrohr unter Vakuum oder auch
son 1951). Die Verbindung schmilzt bei 1081  C durch Kochen wässriger Lösungen von Blei-II-sal-
und hat eine Dichte von 8,1 g/cm3. Das graue bis zen mit Tellurpulver zugänglich (Casas und Sordo
schwarze kristalline Pulver (s. Abb. 42a–c) ist 2006, S. 31). In der Natur kommt es als Mineral
unlöslich in Wasser, wird aber durch Mineralsäu- Altait vor. Blei-II-tellurid ist ein Halbleiter mit
ren zersetzt. Seine Kristallstruktur ist isomorph zu einer direkten Bandlücke von 0,32 eV (27  C),
der des Blei-II-sulfids und entspricht ebenfalls schmilzt bei 924  C und hat eine Dichte von
dem Natriumchlorid-Typ. Blei-II-selenid wird 8,16 g/cm3. Der graue, spröde Feststoff (s. Abb. 43)
als Detektor in Wärmebildkameras und Strah- ist praktisch unlöslich in Wasser, kristallisiert
lungsempfängern für Infrarotlicht, ebenso in La- kubisch (Raumgruppe 225) und wird durch Zu-
serdioden verwendet (Ekuma et al. 2012; Parker gabe von Mineralsäuren zersetzt. Man setzt die
und Singh 2010; Wang et al. 2011; Zhang et al. Verbindung in solchen Thermoelementen ein, die
2012). Nanoteilchen der Verbindung stellten Ding für einen Temperaturbereich von 200 bis 600  C
260 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

ausgelegt sind (Junior 2010, S. 107; Tritt 2005, Chlorieren von Blei darstellbar (Holleman et al.
S. 128; Dughaish 2002; Kanatzidis et al. 2011, 2007, S. 1013–1015). Die Verbindung ist nur schwer
2012; Vinayak et al. 2013; Kanatzidis 2009). in Wasser löslich und fällt daher aus bleihaltiger
Halogenverbindungen Blei-II-fluorid (PbF2) ist wässriger Lösung aus. Hierdurch fällt Blei nicht nur
durch Einwirkung von Fluorwasserstoff auf Blei- in der Schwefelwasserstoff-Gruppe, sondern auch in
II-hydroxid oder Blei-II-carbonat (Brauer 1975, der Salzsäure-Gruppe des Kationentrennungsganges
S. 232) zugänglich. Natürlich ist auch die Vereini- aus (Strähle und Schweda 1995, S. 245).
gung wässriger Lösungen von Kaliumfluorid und Im Kristallgitter des Blei-II-chlorids ist jedes
Blei-II-nitrat möglich, worauf das in Wasser sehr Bleiion von neun Chloridionen umgeben, die in
schwer lösliche Blei-II-fluorid aus der Lösung aus- Form verzerrter, dreifach überkappter, trigonaler
fällt. Der farblose Feststoff (s. Abb. 44) schmilzt Prismen angeordnet sind, die wiederum über
bei 824  C und hat in der bis hinauf zu einer gemeinsame Flächen miteinander verbunden
Temperatur von 316  C stabilen, orthorhombischen sind. Die Verbindung ist in kalter verdünnter Salz-
α-Modifikation eine Dichte von 8,24 g/cm3. Zwi- säure kaum löslich, in konzentrierter Salzsäure
schen 316  C und dem Schmelzpunkt ist die kubi- dagegen gut unter Bildung von Chloroplumbaten.
sche, im Fluorittyp kristallisierende β-Modifikation Das farblose Blei-II-chlorid (s. Abb. 45a, b)
stabiler. Die Schmelze siedet bei 1293  C. Blei-II- schmilzt bzw. siedet bei 500  C bzw. 950  C und
fluorid ist Bestandteil niedrig schmelzender Gläser hat unter Normalbedingungen eine Dichte von
und von Spiegeln zur Reflexion von Infrarot- 5,85 g/cm3. Man nutzt es noch als Flussmittel,
Strahlung. Bei der Produktion von Picolin dient es früher auch zur Herstellung von Farbpigmenten.
als Katalysator. Blei-IV-chlorid (PbCl4) ist bei Raumtempera-
Blei-IV-fluorid (PbF4) erhält man durch tur eine gelbe, ölige, an feuchter Luft rauchende
Umsetzung von Blei oder Blei-II-fluorid mit im Flüssigkeit, die sich oberhalb einer Temperatur
Überschuss eingesetzten Fluor (Brauer 1975, von 50  C zu Blei-II-chlorid und Chlor zersetzt.
S. 233) als farblosen, kristallinen Feststoff, der Ein schnelles Erhitzen auf Temperaturen um
sehr hydrolyseempfindlich ist. In feuchter Luft 100  C kann zum explosionsartigen Zerfall der
hydrolysiert er überraschend schnell zum braunen Verbindung führen.
Blei-IV-oxid. Die Verbindung kristallisiert tetra- Der Erstarrungspunkt des Blei-IV-chlorids
gonal; im Gitter liegen PbF6-Oktaeder vor, die liegt bei 15  C, die Dichte bei 3,18 g/cm3 (Hol-
über gemeinsame äquatoriale Brücken mit jeweils leman et al. 2007, S. 1015). Die PbCl4-Moleküle
vier benachbarten PbF6-Oktaedern in Form plana- haben eine tetraedrische Struktur (Pulham et al.
rer Schichten angeordnet sind (Bork und Hoppe 2002). Die Verbindung ist durch Einwirkung
1996; Holleman et al. 1995, S. 970). überschüssigen Chlors auf Blei zugänglich.
Blei-II-chlorid (PbCl2) kommt natürlich als Ebenso kann man Chlorgas in eine eisgekühlte
Mineral Cotunnit vor und ist durch Lösen von Blei Suspension von Blei-II-chlorid in Salzsäure ein-
oder Blei-II-chlorid in Salzsäure oder auch durch leiten, zu der man danach Ammoniumchlorid

Abb. 45 a Blei(II)-chlorid-Niederschlag (Rrausch 1974


Abb. 44 Blei-II-fluorid (Onyxmet 2019) 2012) b Blei-II-chlorid (Onyxmet 2019)
5 Einzeldarstellungen 261

gibt. Darauf fällt zitronengelbes Ammonium- Niederschlag ausfällt (Moore und Stanitski 2014,
hexachloroplumbat [(NH4)2PbCl6] aus, das man S. 105; s. auch Abb. 47a, b).
abfiltriert und in konzentrierte Schwefelsäure ein- Blei-II-iodid ist schwer löslich in Wasser,
trägt. Es scheidet sich dann öliges Blei-IV-chlorid schmilzt bei 402  C (Siedepunkt der Schmelze:
ab, das man vom Boden des Reaktionsgefäßes 954  C) und hat die Dichte 6,16 g/cm3. Unter
ablassen kann (Kolditz 1983, S. 406; Patnaik Normalbedingungen ist die Kristallstruktur trigo-
2002, S. 480; Vulte 2007, S. 40). nal (Raumgruppe 164). Es gibt außerdem mehrere
Blei-IV-chlorid ist ein starkes Oxidationsmittel bei erhöhtem Druck auftretende Modifikationen
und hydrolysiert in Wasser zügig zu Chlorwasser- (Tonkov 1992, S. 494).
stoff und Blei-IV-oxid. Einkristalle der Verbindung dienen als Detek-
Das farblose Blei-II-bromid (PbBr2) (s. Abb. 46) tor für Röntgen- und Gammastrahlen (Kasap und
kristallisiert mit orthorhombischer Struktur (Nieu- Capper 2006, S. 1129). Im 19. Jahrhundert nutzte
wenkamp und Bijvoet 1933), hat die Dichte man es vereinzelt als gelbe Malerfarbe, ersetzte es
6,66 g/cm3 und schmilzt bei 373  C (Siedepunkt aber wegen seiner Lichtempfindlichkeit und Gif-
der Schmelze: 916  C). Die Löslichkeit der Ver- tigkeit später (Siddall et al. 2007, S. 228). Noch
bindung ist in 0  C kaltem Wasser mit 4,55 g/L setzt man Blei-II-iodid unter Anderem in fotogra-
schwach. Einkristalle von Blei-II-bromid lumi- fischen Emulsionen, Iod-Batterien (Gellings und
neszieren bei Bestrahlung mit UV-Licht und bei Bouwmeester 1997, S. 387), Filtern für Infrarot-
Temperaturen unterhalb von 75  C (de Gruijter licht, Quecksilberdampflampen und thermoelek-
und Kerssen 1972). trische Materialien ein.
Blei-II-iodid (PbI2) gewinnt man durch Verei- Sonstige Verbindungen Das weiße (s. Abb.
nigen einer wässrigen Blei-II-salz- mit einer Al- 48a, b), kaum in Wasser lösliche Blei-II-sulfat
kaliiodidlösung, worauf Blei-II-iodid als gelber (PbSO4) hat eine Dichte von 6,3 g/cm3, schmilzt
bei 1170  C unter Zersetzung zu Blei-II-oxid und
Schwefel-VI-oxid, kommt in der Natur als rhom-
bisch kristallisierendes Mineral Anglesit vor. Es ist
nur in konzentrierter Schwefelsäure und starken Mi-
neralsäuren gut löslich (Hofmann 2013, S. 540; Hol-
leman et al. 1995, S. 978). Blei-II-sulfat löst sich
aber auch in starken Alkalilaugen unter Bildung von
Plumbaten wie etwa [NaPb(OH)3] (Hofmann 2013,
S. 540). In Bleiakkumulatoren besteht die Anode
aus porösem Blei oder Bleischwamm, die Kathode
aus Blei-IV-oxid und der Elektrolyt aus 37 %iger
Schwefelsäure; an beiden Elektroden bildet sich bei
Abb. 46 Blei-II-bromid (Onyxmet 2019)
der Entladung des Akkumulators Blei-II-sulfat (Blu-
menthal et al. 2007, S. 261):

Abb. 47 a Blei-II-iodid (W. Oelen 2008) b Blei-II-iodid Abb. 48 a Blei-II-sulfat (Walkerma 2005) b Blei-II-sulfat
(Onyxmet 2019) (Onyxmet 2019)
262 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Anode: Pb + SO42 ! PbSO4 + 2 e mittel und in sehr geringen Mengen (10–100 mg


pro kg Gold) zu (Habashi 1998). In wenigen orga-
Kathode: PbO2 þ 4 Hþ þ SO4 2 þ 2 e nischen Synthesen wird es wegen seiner Wirksam-
! PbSO4 þ 2 H2 O keit als Katalysator genutzt, so als Bromidfänger
bei bestimmten SN1-Reaktionen (Rapoport und
Bei der Vereinigung wässriger Lösungen von Jamison 1998).
Blei-II-nitrat und Natriumsulfat fällt Blei-II-sulfat Blei-II-titanat (PbTiO3) ist ein farbloses bis
aus der Lösung aus. hellgelbes, in Wasser schwer lösliches Pulver
Früher verwendete man Blei-II-sulfat als weiße (s. Abb. 50) und kommt in der Natur als Mineral
Malerfarbe, da sie beständig gegen Licht und Luft Mazedonit vor (Burke und Kieft 1971; Radusino-
war. Sie deckte aber schwächer als Bleiweiß und vić und Markov 1971). Es hat unter Normalbedin-
verfärbte sich nach einiger Zeit ins Dunkle wegen gungen eine Löslichkeit von 1,9  104 mol/kg bei
der langsam erfolgenden Reduktion zu Blei-II- einem pH von ca. 7,7 (Moon et al. 1999). In der
sulfid (Baumann und Herberg-Liedtke 2013, Hitze nimmt Bleititanat eine kubische, oberhalb
S. 256). Man setzte die Verbindung auch als Be- einer Temperatur von 490  C eine tetragonale,
schwerungsmittel ein (Bertau et al. 2013, S. 291). ferroelektrische Perovskit-Struktur an (Noheda
Da Blei-II-sulfat wegen seiner Löslichkeit in Säu- et al. 1995). Bleititanat ist eines der Endglieder
ren (Magensäure!) giftig ist, ist es in Deutschland des Bleizirkonattitanat-Systems der Formel (Pb
nicht mehr frei verkäuflich. In weißen Farben ist [ZrxTi1-x]O3; 0x1), das zu den wichtigsten
Blei-II-sulfat nahezu vollständig durch das ungif- ferro- und piezoelektrischen Keramiken gehört.
tige und noch wesentlich stabilere Titan-IV-oxid Auch Bleichromat (PbCrO4) verwendete man
ersetzt worden. Man verwendet es aber aktuell in der Vergangenheit lange als oranges Farbpig-
noch als Hitzeschutz in Nylon- und Polyesterfa- ment (s. Abb. 51). Es ist kaum löslich in Wasser
sern, in thermographischem Papier und in Ratten- und wird so durch Vereinigen wässriger Lösungen
und Mäusegift.
Blei-II-nitrat [Pb(NO3)2] ist ein weißer, kris-
talliner Feststoff (s. Abb. 49a, b), der stark oxidie-
rend wirkt und in Wasser gut löslich, also daher
ebenfalls giftig ist. In wasserfreier Form hat Blei-
II-nitrat die Dichte 4,53 g/cm3 und schmilzt bei
470  C unter Zersetzung zu Blei-II-oxid und
Stickoxiden. Es ist durch Lösen von Blei oder
Blei-II-oxid in heißer verdünnter Salpetersäure
darstellbar und kristallisiert kubisch-flächenzen-
triert (Nowotny und Heger 1986).
In der zur Gewinnung von Gold betriebenen Abb. 50 Blei-II-titanat (Onyxmet 2019)
Cyanid-Laugung setzt man Blei-II-nitrat als Hilfs-

Abb. 49 a Blei-II-nitrat (Danny S. 2012) b Blei-II-nitrat


(Onyxmet 2019) Abb. 51 Blei-II-chromat (FK 1954 2011)
5 Einzeldarstellungen 263

eines löslichen Blei-II-salzes und eines Alkali- skopisch. Das spektrale Maximum der emittierten
chromats ausgefällt. In der Industrie stellt man es Szintillationsstrahlung liegt bei 430 nm; bei dieser
aus Blei-II-acetat und Natriumdichromat her. Na- Wellenlänge beträgt der Brechungsindex 2,17.
türlich kommt die Verbindung in Form des in Die Ausbeute an Szintillationslicht ist gering und
der monoklinen Monazit-Struktur (Raumgruppe liegt nur bei 5 % derjenigen von Bismutgermanat
14, vier Formeleinheiten pro Elementarzelle) kris- oder 0,6 % von Natriumiodid. Die mit Bleiwolf-
tallisierenden Minerals Krokoit vor (Effenberger ramat erzielbare Lichtausbeute ist zudem stark
und Pertlik 1986). Es exisitiert ebenfalls eine or- abhängig von der Temperatur.
thorhombische Modifikation (Quittner et al. 1932; Blei-II-acetat [Pb(CH3COO)2  3 H2O] ist ein
Zocchi et al. 1959). farbloser (s. Abb. 53), bei einer Temperatur von
Blei-II-chromat zeigt als Pigment in Lacken 280  C schmelzender, kristalliner Feststoff der
und Farben eine gute Deckkraft, Brillanz und Dichte 3,25 g/cm3. Man mischte die Verbindung
Farbintensität. Trotzdem färbt es sich im Lauf unter dem Namen Bleizucker früher zum Süßen
der Zeit braun, da durch Reduktion des Chrom- Wein zu; naturgemäß traten hierdurch auch töd-
VI zu grünem Chrom-III eine dunklere Misch- liche Vergiftungen auf.
farbe entsteht. In älteren Gemälden ist dieser Tetramethylblei [(CH3)4Pb] und sein höheres
Effekt gut zu beobachten, initiiert und gefördert Homologes, das Tetraethylblei, setzte man bis
wird diese Reaktion vor allem durch den im Son- Mitte der 1980er-Jahre noch Ottokraftstoffen zu,
nenlicht enthaltenen Anteil ultravioletten Lichts, um deren Klopffestigkeit zu erhöhen. Diese Ver-
aber auch in den schwächer beleuchteten Museen bindungen verursachten aber große Probleme
macht sich diese Photoreduktion im Lauf der Jahr- durch Belastung der Umwelt mit Blei, daher sind
zehnte bemerkbar (van Tendeloo et al. 2013). diese seit drei Jahrzehnten aus Kraftstoffen dieser
Blei-II-chromat ist etwas stabiler, wenn es in Öl Art verbannt. Tetramethylblei stellt man im Labor
oder Kunstharzen eingebettet ist. durch Umsetzung von Blei-II-chlorid mit Gri-
Bleiwolframat (PbWO4) setzt man in Form von gnardverbindungen (I) oder von Blei-II-iodid mit
Einkristallen als strahlungsresistenten Szintillator Methyllithium und Iodmethan (II) her (Brauer
(Feldbauer 2009) in Kalorimetern ein, die in der 1975, S. 781); in der Technik erfolgte seinerzeit
Kernphysik verwendet werden. Man stellt diese die Produktion aus einer Blei-Natrium-Legierung
sowohl nach dem Czochralski- als auch dem und Chlormethan (III) (Carr 2005):
Bridgman-Stockbarger-Verfahren her (Ippolitova
et al. 2005; Han et al. 1999). Das farblose bis (I) 4 Mg + 4 CH3Cl ! 4 CH3MgCl
gelbliche Bleiwolframat (s. Abb. 52) kommt na- (II) 4 CH3MgCl + 2 PbCl2 ! Pb(CH3)4 + Pb +
türlich in Form der Minerale Stolzit und Ras- 4 MgCl2
pit vor. (III) PbI2 + 3 CH3Li + CH3I ! Pb(CH3)4 + 3 LiI
Die Verbindung schmilzt bei 1123  C, hat (IV) 4 PbNa + 4 CH3Cl ! Pb(CH3)4 + 4 NaCl +
eine Dichte von 8,28 g/cm3 und ist nicht hygro- 3 Pb

Abb. 52 Blei-II-wolframat (Onyxmet 2019) Abb. 53 Blei-II-acetat (Onyxmet 2019)


264 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Tetramethylblei ist eine brennbare, farblose, stellt man daraus hochwertiges Glas her (Bleikris-
stark lichtbrechende Flüssigkeit mit süßlichem tallglas).
Geruch, die bei 110  C siedet und bei 28  C Rohre aus Blei werden seit mehreren Jahrzehn-
erstarrt. Sie ist kaum löslich in Wasser und zersetzt ten nicht mehr verbaut, da sich auf der Oberfläche
sich bei Temperaturen oberhalb von 90  C explo- des Metalls zwar eine Deckschicht aus schwer
sionsartig, wobei unter anderem Bleirauch ent- löslichem Bleicarbonat bildet, die aber die Auf-
steht. lösung von Blei im Wasser nicht vollständig un-
Anwendungen Die Autoindustrie ist mit terdrückt. Die so resultierenden Konzentrationen
einem Anteil von etwa zwei Dritteln des gesamten gelösten Bleis übersteigen die nach der Trinkwas-
Bedarfes der stärkste Verbraucher von Blei (fast serverordnung erlaubten deutlich (Stiftung Wa-
ausschließlich in Form von Blei-IV-oxid für Auto- rentest 2010).
batterien). Weitere 20 % werden in der chemi- Blei wird im Bauwesen eingesetzt, wo in Stein
schen Industrie verarbeitet. Die Weltmarktpreise eingelassene Metallteile von Blei umhüllt werden,
für Blei liegen heute bei etwa € 1475.- pro Tonne das das Bindeglied zwischen Stein und Metall ist.
(finanzen.net, 1. Mai 2020). Diese Technik ist seit dem Mittelalter verbreitet.
Wegen seiner Giftigkeit wird Blei dort, wo es Mit Walzblei fasst man Dachöffnungen (Fens-
möglich ist, ersetzt. Es hat aber immer noch eine ter) ein.
große Bedeutung als Material für Legierungen, Blei wurde und wird als Grundmaterial für
weil es leicht herstellbar ist und eine hohe Dichte Geschosse verwendet, dies wegen seiner hohen
sowie Beständigkeit gegenüber Korrosion besitzt. Dichte und Durchschlagskraft, und weil es durch
So ist es beständig gegenüber Schwefelsäure und Gießen auch leicht zu verarbeiten ist. Bleimuni-
zu einem hohen Grad auch Halogenen. Daher tion wird heute mit einer Kupferlegierung um-
wird es als Korrosionsschutz im Apparate- und mantelt, damit die Geschosse höhere Geschwindig-
Behälterbau eingesetzt. Das Bleikammerverfah- keiten erreichen können. Aus Bleischrot gefertigte
ren zur Herstellung von Schwefelsäure verwandte Jagdmunition ist wegen ihrer potenziellen Gefähr-
Blei als Behältermaterial. Auch in Überlandka- lichkeit für Mensch und Umwelt in der öffentlichen
beln fand es daher Einsatz. Diskussion (swr.de 2011; Lange 2002).
Blei wird durch Zulegieren anderer Metalle in Taucher benutzen Bleigewichte, z. B. auf den
seinen Eigenschaften wie Härte, Schmelzpunkt Hüftgurt gereiht oder in Form von Schrotkugeln
oder Korrosionsbeständigkeit verändert. Hartblei, in den Taschen einer Tarierweste, um im Wasser
eine im Apparatebau eingesetzte Legierung aus schnell absinken zu können. Der Ballast kann
Blei und Antimon, ist deutlich härter und daher erforderlichenfalls schnell abgeworfen werden.
mechanisch stabiler als reines Blei. Die früher zum Auswuchten von Autoreifen ver-
Letternmetall enthält 60–90 % Blei und als wendeten Bleigewichte sind seit zehn Jahren ver-
weitere Komponenten Antimon und Zinn. Wurde boten und durch andere, ähnlich schwere Metalle
es früher noch in großem Stil für den Buchdruck ersetzt worden. Blei ist auch Bestandteil von
gebraucht, spielt es heute nur noch zum Druck für Schwingungsdämpfern in erschütterungsemp-
klassische Ausgaben eine Rolle. findlichen Bauteilen von Autos und dient zur Sta-
Blei absorbiert effektiv Röntgen- und Gamma- bilisierung von Schiffen.
strahlung. Da es darüber hinaus relativ preiswert In einer Autobatterie sind jeweils eine Elek-
und gut verarbeitbar ist, setzt man es oft als trode aus Blei- und aus Blei-IV-oxid installiert, die
-noch weitgehend unverzichtbares- Material zum in 37 %ige Schwefelsäure als Elektrolyt tauchen.
Strahlenschutz ein. Die im hinteren Teil von in Dieser Akkumulator liefert eine Spannung von
Fernsehgeräten und Computern eingebauten Ka- 2,06 V. Bei der elektrochemischen Reaktion ent-
thodenstrahlröhren entstehenden weichen Rönt- steht unlösliches Blei-II-sulfat, das durch Wieder-
genstrahlen schirmt Blei wirkungsvoll ab. Bleihal- aufladen aber zurück in Blei und Blei-IV-oxid
tiges Glas ist ebenso dafür einsetzbar, daneben überführt wird.
5 Einzeldarstellungen 265

Blei war häufiger Bestandteil von Legierun- Ursache für die Toxizität des Bleis liegt darin,
gen, die zum Löten benutzt werden (u. a. Weich- dass es bestimmte (schwefelhaltige) Enzyme
lot); noch 1998 setzte man 20 000 t Blei darin ein. hemmt und so den Einbau von Eisenionen in das
Seit knapp zehn Jahren darf es aber kraft einer Molekül des Hämoglobins verhindert bzw. stark
entsprechenden EU-Verordnung in vielen Loten verzögert.
nicht mehr verwendet werden.
Analytik Die Anforderungen an die Analytik
Patente
sind bezüglich hochtoxischer Schwermetalle wie
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Blei sehr hoch. Bei der Atomabsorptionsspektro-
wide.espacenet.com)
metrie überführt man gelöstes Blei mittels Na-
triumborhydrid (NaBH4) in flüchtigen Bleiwas-
S. Itaru, Lead acid storage battery (Hitachi
serstoff (PbH4, Plumban), ein äußerst giftiges
Chemical Co., Ltd., WO2019216211
Gas vom Kondensationspunkt 13  C. Dieses
A1, veröffentlicht 14. November 2019)
zersetzt sich leicht in die Elemente. Es wird in
J. S. Cseh, Integrated temperature sensor on
eine Quarzküvette geleitet, die dann auf Tem-
lead selenide plate detector assembly
peraturen von über 900  C erhitzt wird. Die
(Koninklijke Philips NV, US 20193466
Absorption bei einer Wellenlänge von 283,3 nm
81 A1, veröffentlicht 14. November 2019)
wird mittels einer Hohlkathodenlampe gemessen
M. D. Babaran und A. C. L. Marquez, QFN
(Nachweisgrenze: <5 ng/ml) (Maleki et al. 1999;
pin routing thru lead frame etching (Texas
Townsend et al. 1998).
Instruments, Inc., US 2019348302 A1,
Die Atomemissionspektrometrie ermöglicht
veröffentlicht 14. November 2019)
den Nachweis von Blei in Trinkwasser bis hinun-
D. L. Williams und T. Brostrom, Bonding
ter zu Konzentrationen von 15,3 ng/ml (Zougagh
strip for fixing an electrode coil to a lead
et al. 2004; Chen et al. 2009).
body (Medtronic, Inc., US 2019344071
Die Massenspektroskopie analysiert das Isotop
206 A1, veröffentlicht 14. November 2019)
82Pb; die ICP-MS bestimmt die Konzentration
S. Yoshikawa und K. Tachibana, Lead-free
von in Urin gelöstem Blei bis herab zu 4,2 pg/g.
solder alloy and in-vehicle electronic
Toxizität Elementares, kompaktes Blei ist für
circuit (Senju Metal Industry Co., PT
den Menschen kaum giftig, da dessen Resorption
2982469 T, veröffentlicht 23. April
durch die Haut sehr schwach ist und sich auf dem
2019)
Metall an der Luft außerdem eine schwer wasser-
R. L. Clarke und S. R. Clarke, Devices and
lösliche Schicht aus Blei-II-carbonat bildet. Als
smelterless recycling of lead acid batte-
Staub wird es vor allem über die Lunge aufge-
ries (Aqua Metals Inc., PT 3072180 T,
nommen. Toxisch sind vor allem wasserlösliche
veröffentlicht 3. April 2019)
sowie organische Bleiverbindungen; letztere wer-
den leicht über die Haut resorbiert.
Seit 2006 gelten Stäube und andere über die
Lunge resorbierbare Formen von Blei und seiner 5.6 Flerovium
Verbindungen als krebserregend, Ausnahme ist
Bleichromat. Geschichte und Herstellung Das zu den Trans-
Im menschlichen Körper wird Blei akkumu- actinoiden gehörende Flerovium wurde schon
liert und nur sehr langsam wieder ausgeschieden, 1999 im Rahmen einer Kooperation des Vereinig-
da es sich in Knochen anreichert. Eine chronische ten Instituts für Kernforschung (JINR, Dubna/
Vergiftung äußert sich in Kopfschmerzen, Müdig- Russland) und des amerikanischen Lawrence
keit, Abmagerung und Defekten der Blutbildung, Livermore National Laboratory durch Bombar-
des Nervensystems und der Muskulatur. Eine dierung von Kernen des Isotops 24494Pu mit
akute Bleivergiftung kann tödlich enden. Die 48
20Ca-Nukliden erzeugt:
266 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

244
94 Pu þ 48 20 Ca ! 290 114 Fl þ 21 0 n IUPAC alle vom JINR in Dubna durchgeführten
Versuche und erkannte trotz einiger Inkonsisten-
Die Durchführung dieser Reaktion wurde zen die Entdeckung des neuen Elements 114 an
bereits zuvor, aber erfolglos versucht, worauf (Barber et al. 2011). In Dubna hatte man somit das
das JINR seine Versuchsapparaturen erneuerte, Recht der Erstbenennung (Koppenol 2002; Chatt
um das Target intensiver beschießen und die ent- 1979); man entschied sich zur Ehrung des Be-
standenen Nuklide besser voneinander trennen zu gründers der russischen Kernphysik, Georgi Fle-
können. Man entdeckte dabei ein einziges Nuklid rov.
des neuen Elements 114 (289114Fl), das mit einer Die von Isotopen einer je geraden Zahl von
Halbwertszeit von 30,4 s einen α-Zerfall mit einer Protonen und Neutronen ausgehenden Zerfallsrei-
emittierten Energie von 9,7 MeV erlitt (Oganessian hen erlauben eine leichtere Identifizierung des
et al. 1999a). Spätere Wiederholungen des Ver- Nuklids, als wenn dieses eine jeweils ungerade
suchs konnten dieses Ergebnis aber nicht reprodu- Zahl an Neutronen und Protonen aufweist (Fors-
zieren. Zuerst dachte man an die zwischenzeitliche berg et al. 2016a, b). Dies gilt besonders für die
Bildung eines metastabilen Nuklids 289m114Fl Anwendung der heißen Fusion, bei der ein größe-
(Oganessian et al. 2000, 2004a), später postulierte rer Teil der hergestellten Nuklide durch Spontan-
man die Bildung des Isotops 290114Fl, das dann ein zerfall verlorengeht. In Dubna stellte man 2015
Elektron unter Bildung von 290113Nh einfangen daher aus 4820Ca und 23994Pu bzw. 24094Pu leichtere
sollte. Isotope des Fleroviums her (283114Fl bis 285114Fl),
Im Frühjahr 1999 ersetzte das am JINR tätige wobei die Identifizierung des 285114Fl noch am
Team das 24494Pu-Target durch 24294Pu, um unter besten gelang (Thoennessen 2016; Oganessian
sonst gleicher Anwendung der oben stehenden et al. 2015; Barber et al. 2011). Am RIKEN erwog
Fusionsreaktion weitere Isotope des Elements man daher noch die kalte Fusionsreaktion
114 erzeugen zu können. Dieses Mal erhielt man
208
zwei Nuklide, die einem α-Zerfall einer Halb- 82 Pb þ 76 32 Ge ! 283 114 Fl þ 1 0 n,
wertszeit von 5,5 s untergingen und einem Isotop
287 287m um einen geringen Verlust wertvoller Isotope zu
114Fl oder 114Fl zugeordnet wurden (Oga-
nessian et al. 1999b, 2004b). Im Juni 1999 wie- haben und um diese Ergebnisse zu bestätigen
derholte man in Dubna den schon 1998 durchge- (Morita 2014).
führten Versuch und erhielt 289114Fl, für das man
eine Halbwertszeit des α-Zerfalls von 2,6 s ermit-
Der sowjetische Physiker Georgi Nikolaje-
telte. witsch Fljorow (Flerow) ( 2. März 1913
Zehn Jahre später, im Mai 2009, veröffentlich- Rostow am Don; † 9. November 1990 Mos-
te die Joint Working Party (JWP) der IUPAC kau) arbeitete auf den Gebieten Kernphysik,
einen Bericht, in dem sie die Entdeckung des Transurane und kosmische Strahlung. Er
Isotops 283112Cn anerkannte (Barber et al. 2009). war maßgeblich an der Entdeckung neuer
Dies schloss aber die Entdeckung des Isotops chemischer Elemente beteiligt. Nach erfolg-
114Fl mit ein, da jenes α-Zerfall zu eben diesem
287
tem Schulabschluss studierte Flerow in
283
112Cn erleidet. Das LBNL in Berkeley bestä- Leningrad (St. Petersburg) Physik und In-
tigte die Entdeckung von 286114Fl und 287114Fl im genieurwesen am Polytechnischen Institut.
Januar 2009. Im Juli 2009 folgte die GSI (das Kurze Zeit nach Abschluss seines Studiums
heutige Helmholtzzentrum für Schwerionenfor- bot Kurtschatow am Leningrader Phy-
schung, Darmstadt), die die Nuklide 288114Fl und sikalisch-Technischen Institut ihm an, seine
289 Arbeitsgruppe zu verstärken (Petrzhak 1940).
114Fl erzeugten. Im Jahr 2011 bewertete die
5 Einzeldarstellungen 267

ein erheblich schwächerer Zusammenhalt der


Flerow war ab Ende 1941 an der Entwick- Atome im Metallgitter vorhergesagt, die deut-
lung einer sowjetischen Atombombe betei- lich herabgesetzte Schmelz- und Siedepunkte
ligt und erhielt 1943 während seiner Ent- zur Folge haben sollten (s. Tab. 7). Somit ist
wicklungstätigkeit den Doktortitel, ohne hier ein gewisser Übergang zu den Atomgittern
„offiziell“ promoviert zu haben. Flerow der Edelgase denkbar (Gäggeler 2007; Flerov
war 1957 Gründer und ab 1960 Leiter des Laboratory of Nuclear Reactions 2009). Ergeb-
Laboratoriums für Kernreaktionen am Ver- nisse später durchgeführter Untersuchungen
einigten Institut für Kernforschung in schwächten die Aussage, dass Flerovium vor-
Dubna bei Moskau. 1963 entdeckte er die
aussichtlich Ähnlichkeit mit Edelgasen habe,
Protonenradioaktivität und 1964 das künst-
etwas ab (Eichler et al. 2010). In jedem Falle
lich erzeugte Element Rutherfordium. Au-
dürfte Flerovium hinsichtlich seiner Eigen-
ßerdem synthetisierten er und seine Kol-
schaften aber stark von seinen niedrigeren
legen in Dubna erstmals die Elemente
102 (Nobelium, 1957/68), 105 (Dubnium, Homologen, dem Blei und dem Zinn, abwei-
1967) und 106 Seaborgium (1974). chen.
Dieser schwache Zusammenhalt der Atome
Zu Ehren Flerows erkannte die IUPAC am untereinander dürfte jedoch noch verschärft wer-
30. Mai 2012 dem chemischen Element mit den durch die sehr starke, die Gitterkräfte störende
der Ordnungszahl 114 offiziell den Namen Radioaktivität, so dass manche Modelle Flero-
Flerovium zu.). Der ausgelobte Flerow- vium als ein Metall sehen, das dicht oberhalb der
Preis des JINR ist nach ihm benannt. Flerow Raumtemperatur schmilzt und ansonsten eine
war Inhaber zahlreicher Auszeichnungen; Flüchtigkeit wie Quecksilber besitzt (Eichler
so war er Held der Sozialistischen Arbeit et al. 2010). Da mit einem Wert von +0,9 V (!)
(1949) und erhielt 1973 den Orden der ein stark positives Normalpotenzial für die
Oktoberrevolution. Er trug zweimal den Le- Reaktion Fl2+ + 2 e ! Fl erwartet wird, sollte
ninorden (1949, 1983), dreimal den Roten Flerovium den Charakter eines Halbedelmetalls
Banner der Arbeit (1959, 1963, 1975) und haben.
bekam zweimal den Stalinpreis (1946, Kratz und Düllmann postulierten mit Blick
1949), 1967 den Leninpreis und 1975 den auf Copernicium und Flerovium im Jahre 2012
Staatspreis der UdSSR zuerkannt. Im Jahr
sogar die Existenz von bei Raumtemperatur gas-
1981 wurde er zum Mitglied der Leopol-
förmigen Metallen (Düllmann 2012; Kratz
dina gewählt.
2012).
Verbindungen Die Oxidationszahl +2 sollte
Eigenschaften Das stabilste der bisher be- viel stabiler als +4 sein (Haire 2006; Fricke
kannten Flerovium-Isotope, 289114Fl, hat mit 2,7 s 1975). So sollte Fleroviumdioxid (FlO2), vor
eine vergleichsweise lange Halbwertszeit. Die Ord- allem aber „Flerovan“ (FlH4) sehr instabil sein
nungszahl 114 ist eine der wenigen magischen und jeweils schnell in die Elemente zerfallen. Die
Zahlen, insofern ragt dieses Isotop bezüglich sei- einzig stabile Verbindung des Fleroviums der
ner, wenn auch vergleichsweise immer noch sehr Oxidationsstufe +4 könnte das Flerovium-IV-fluo-
geringen Stabilität aus der Masse der Nuklide sei- rid (FlF4) sein (Gäggeler 2007; Eichler et al.
ner unmittelbaren Umgebung deutlich heraus. 2010). Erwartet wird, dass Flerovium-II-halogen-
Physikalische Eigenschaften wie der voraus- ide sehr stabil und mit Ausnahme des Fluorids
sichtliche Schmelz- und Siedepunkt werden schlecht löslich in Wasser (Winter 2012), umge-
noch diskutiert. Infolge des abschirmenden Ein- kehrt das -II-sulfid und -sulfat extrem unlöslich in
flusses des „inerten“ 7s2-Elektronenpaars wird Wasser sein sollten.
268 4 Kohlenstoffgruppe: Elemente der vierten Hauptgruppe

Tab. 7 Physikalische und chemische Eigenschaften von Flerovium


Symbol: Fl
Ordnungszahl: 114
CAS-Nr.: 54085-16-4
Aussehen: Unbekannt, wahrscheinlich
metallisch
Entdecker, Jahr Vereinigtes Institut für Kernforschung (Russland) und Lawrence
Livermore National Laboratory (USA), 1999
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
285
114Fl (synthetisch) 5s α > 281112Cn
289
114Fl (synthetisch) 2,7 s α > 285112Cn
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (289) a
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Fl2+ + 2 e > Fl (V) + 0,9a
Atomradius (pm): 180a
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 171–177a
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d10 7s2 7p2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 824a ♦ 1602a ♦ 3367a
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 14a
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 20,6  106 a
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): Keine Angabe
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 67 ♦ 340a
Schmelzwärme (kJ/mol): 5,90–5,98a
Siedepunkt ( C ♦ K): 147 ♦ 420a
Verdampfungswärme (kJ/mol): 38a
a
Geschätzte bzw. vorhergesagte Werte

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Pnictogene: Elemente der fünften
Hauptgruppe 5

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Zusammenfassung 1 Einleitung
Dieses Kapitel präsentiert Ihnen eine kompak-
te, umfassende Übersicht über die Pnictogene. Die Pnictogene (Elemente der Stickstoffgruppe)
Diese in chemischer Hinsicht vielseitigen Ele- sind eine sehr vielseitige Gruppe von Elementen!
mente können in zahlreichen Oxidationsstufen Im Periodensystem stehen diese in der fünften
auftreten. Ihr Charakter reicht von nichtmetal- Hauptgruppe. Die Atome der Pnictogene nehmen
lisch (Stickstoff, teils auch Phosphor) über entweder drei Elektronen auf (wie Stickstoff) oder
halbmetallisch (Arsen, Antimon) bis metal- geben bis zu fünf ab (wie Phosphor oder Arsen),
lisch (Bismut und Moscovium). Antimon ist um eine stabile Elektronenkonfiguration einneh-
schon seit einigen tausend Jahren bekannt, Ar- men zu können.
sen seit etwa 800, Phosphor seit 350 und Stick- Antimon bzw. seine Verbindungen waren be-
stoff sowie Bismut auch schon seit 250 Jahren. reits in Babylonien bekannt, von Arsen wissen wir
Selbst Moscovium ist in seinen Grundzügen seit seiner Entdeckung durch Albertus Magnus im
seit 15 Jahren beschrieben. Eine offenbar „al- Jahr 1250 auch schon sehr lange. Der Hamburger
te“ Elementenfamilie also? Keineswegs! Stän- Alchimist Brand entdeckte Phosphor Mitte des
dig erhalten Forscher und Anwender neue Er- 17. Jahrhunderts, von Stickstoff und Bismut ha-
gebnisse, es gibt derart viele Anwendungen, so ben wir seit Mitte des 18. Jahrhunderts Kenntnis,
dass wir hier nur das Wichtigste berichten kön- und sogar Moscovium ist seit jetzt schon seit
nen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 277
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_5
278 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

15 Jahren in der Literatur beschrieben. Obwohl Einschließlich der natürlich vorkommenden


diese Elemente also schon lange bekannt sind, sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
überraschen sie immer wieder durch neue Ent- erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Peri-
deckungen. Stickstoff ist bei Raumtemperatur odensystem der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente
ein Gas, alle anderen Elemente sind unter diesen auf.
Bedingungen Feststoffe. Die Einzeldarstellungen der insgesamt sechs
Nur Stickstoff ist ein reines Nichtmetall, aber Vertreter der Gruppe der Pnictogene enthalten
schon Phosphor existiert auch in einer halbmetal- dabei alle wichtigen Informationen über das je-
lischen Modifikation. Arsen und Antimon sind weilige Element, so dass ich hier nur eine kurze
typische Halbmetalle, und bei Bismut- und ver- Einleitung vorangestellt habe.
mutlich auch Moscovium- überwiegt der Metall-
charakter eindeutig. Sie finden sie alle im unten
stehenden Periodensystem in der Gruppe 15 (VA). 2 Vorkommen
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B.
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie Stickstoff ist in der Luft zu etwa 80 % ihres
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- Gesamtvolumens enthalten. Phosphor, Arsen, An-
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die timon und Bismut kommen in der Natur meist in
meisten Elemente können sich untereinander ver- Form von Erzen und Mineralien vor, wenngleich
binden und bilden chemische Verbindungen; so auch mit unterschiedlicher Häufigkeit. Phosphate
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische sowie sulfidische Erze des Arsens, Antimons und
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz. Bismuts findet man an vielen Orten auf der Erde.

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- VII VIII VIII VIII VIII
IA II A III B IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


5 Einzeldarstellungen 279

Arsen, Antimon und Bismut treten in der Natur 4.2 Chemische Eigenschaften
auch elementar auf.
Pnictogene reagieren mit Metallen meist heftig zu
Oxiden, Sulfiden usw., mit Wasserstoff zu Pnicto-
3 Herstellung genwasserstoffen (H3X: Ammoniak, Phosphor-
wasserstoff, Arsenwasserstoff usw.). Sie bilden
Gasförmiger Stickstoff wird durch fraktionierte selten untereinander Verbindungen wie etwa die
Destillation flüssiger Luft gewonnen. Für die Her- Phosphornitride. Pnictogenoxide bilden, zusam-
stellung des Phosphors sind die Phosphatlager- mengebracht mit Wasser, Säuren: z. B. Salpeter-
stätten die wichtigste Quelle. Arsen, Antimon und säure (HNO3), Phosphorige und Arsenige Säure
Bismut werden entweder durch Rösten ihrer sulfi- (Summenformel H3XO3) aus den Oxiden der
dischen Erze hergestellt, oder man isoliert sie Summenformel X2O3 und Phosphorsäure, Arsen-
z. B. Antimon- als Nebenprodukt bei der Gewin- säure usw. (Summenformel H3XO4) aus den Oxi-
nung von Kupfer. den der Summenformel X2O5 (X steht für das
jeweilige Pnictogen).

4 Eigenschaften
5 Einzeldarstellungen
4.1 Physikalische Eigenschaften
Im folgenden Teil sind die Pnictogene jeweils
Wie bereits erwähnt, ist Stickstoff ein reines einzeln mit ihren wichtigen Eigenschaften, Her-
Nichtmetall. Phosphor kommt in Form einiger stellungsverfahren und Anwendungen beschrie-
Modifikationen vor, die vom Nichtmetall (weißer ben.
Phosphor) bis hin zum Halbmetall (schwarzer
Phosphor) reichen. Arsen und Antimon liegen in
ihrer jeweils stabilsten Modifikation als Halb- 5.1 Stickstoff
metalle vor, und Bismut sowie Moscovium sind
Metalle. Die physikalischen Eigenschaften sind Geschichte Natürlich vorkommende Verbindun-
nur teilweise nach steigender Atommasse abge- gen des Stickstoffs nutzte man schon seit der
stuft. So nimmt vom Stickstoff zum Bismut die Antike, wie etwa Nitrate und Ammoniumsalze.
Dichte zu, die Schmelz- und Siedepunkte sind Diese kommen sowohl in Gestalt eigener Minera-
aber sehr abhängig von der jeweiligen Modifika- lien als auch in Exkrementen vor. So gewann man
tion des betreffenden Elements. So zeigen Ar- Salpeter (Natriumnitrat) über lange Zeit aus dem
sen bzw. Antimon einen Sublimationspunkt von Boden von Ställen. Scheele (Kurzbiografie siehe
613  C bzw. einen Schmelzpunkt von 630  C, „Molybdän“) wies 1771 Stickstoff als Bestandteil
während das höhere Homologe Bismut einen we- der Luft nach; dies bestätigten die Ergebnisse der
sentlich tiefer liegenden Schmelzpunkt aufweist. 1772 von (Daniel) Rutherford durchgeführten
Generell weicht bei den Pnictogenen, wie auch Versuche. Bis zum Beginn der 1900er-Jahre stell-
bei allen anderen Hauptgruppen, das Kopfelement te Salpeter die einzige verfügbare Quelle für
(hier: Stickstoff) in seinen Eigenschaften drastisch Stickstoff dar. Das dann etablierte Frank-Caro-
von allen anderen ab. Phosphor als zweites Ele- Verfahren zur Produktion von Kalkstickstoff und
ment dieser Gruppe, vor allem in seiner schwar- das zur Herstellung von Salpetersäure eingesetzte
zen Modifikation, steht den höheren Homologen, Birkeland-Eyde-Verfahren machte den Stickstoff
Arsen und Antimon, wesentlich näher als Stick- der Luft erstmals nutzbar. Später kamen das
stoff. Auch seine Verbindungen (z. B. Wasserstoff- Haber-Bosch-Verfahren zur Synthese von Am-
verbindungen, Oxosäuren) sind denen des Arsens moniak aus Stickstoff und Wasserstoff und das
und Antimons relativ ähnlich, dass man hier von Ostwald-Verfahren zur Erzeugung von Salpeter-
einer homologen Reihe sprechen kann. säure aus Ammoniak hinzu.
280 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Der schottische Chemiker und Botaniker öffentlichte er sein Buch zur Elektrizitätsleh-
Daniel Rutherford ( 3. November 1749 re und promovierte danach in Jura (!) (Scho-
Edinburgh; † 15. November 1819 Edin- field 2004). Von 1774 bis 1780 verfasste er
burgh) entdeckte das Element Stickstoff. fünf Bände zu seinen „Versuchen und Be-
Er studierte Naturwissenschaften an der obachtungen an verschiedenen Arten von
Universität Edinburgh. In einem abge- Luft“. Daneben gründete Priestley 1774 in
schlossenen Luftraum entzündete er eine London die erste unitarische Kirchengemein-
Kerze; diese brannte und erlosch. Danach de und vertrat zunehmend radikale, reforme-
entzündete Rutherford weißen Phosphor, rische Ansichten. Diese und auch seine po-
der ebenfalls brannte und dann erlosch. Er litischen Aktivitäten für Menschenrechte
leitete die übrig gebliebene Gas durch eine führte zum Bruch mit zahlreichen Wissen-
Lösung, die das bei der Verbrennung der schaftlern. Da er auch für die Französische
Stoffe entstandene Kohlendioxid absorbier- Revolution Position bezog, zerstörten seine
te. Das danach verbleibende Gas erlaub- Gegner sein Haus und Labor in Birmingham.
te keine Verbrennung irgendeines Stoffes. Er verließ Birmingham und emigrierte 1794
von London in die Vereinigten Staaten. Er
Rutherford und sein Lehrer Black führten wurde 1782 Mitglied der American Acade-
das Ersticken der Flammen auf die Anwe- my of Arts and Sciences, aber er arbeitete
senheit des Phlogiston zurück; heute wissen meist nur noch als unitarischer Prediger und
wir, dass es sich größtenteils um Stickstoff Schriftsteller in Pennsylvania.
handelte. 1786 erhielt er in Edinburgh die
Ernennung zum Professor für Medizin und Der deutsche Chemiker Adolph Frank
Botanik und war für den Königlichen Bota- ( 20. Januar 1834 Klötze; † 30. Mai 1916
nischen Garten verantwortlich. 1819 starb Charlottenburg/Berlin) studierte von 1855
Rutherford in Edinburgh. bis 1857 Pharmazie, Naturwissenschaften
und Technologie an der Universität Berlin;
Der Naturwissenschaftler, Philosoph und 1857 bestand er das Staatsexamen zum
Theologe Joseph Priestley ( 24. März 1733 Apotheker. Von 1861 bis 1862 promovierte
Birstall/Leeds; † 6. Februar 1804 Nor- er in Chemie an der Universität Göttingen
thumberland County, PA, USA) stellte ab mit einer Arbeit über die Produktion von
den 1770er-Jahren zahlreiche damals noch Zucker. Frank errichtete 1861 in Staßfurt
unbekannte Gase (Sauerstoff, Stickstoff- die erste Kalifabrik und gilt als Begründer
dioxid, Kohlenmonoxid, Chlorwasserstoff, der deutschen Kali- und Celluloseindustrie.
Ammoniak, Schwefelwasserstoff etc.) dar.
Priestley nahm 1752 das Studium der Theo- 1861 wurde ihm das Patent auf kaliumchlo-
logie und alter Sprachen in Daventry auf. Ab ridhaltige Düngemittel erteilt. Ein anderes
1755 war er nonkonformistischer Prediger in Patent betraf die industrielle Herstellung
einer Gemeinde der Grafschaft Suffolk (Wil- iodfreien Broms aus Abraumsalzen. 1895
leford 1979; Schofield 1997; Lockemann meldeten er und Caro ein Verfahren zur Her-
1974). stellung von Calciumcyanamid (Kalkstick-
stoff) (Frank-Caro-Verfahren) an (Frank
Neben seiner intensiven Betätigung in Kir- und Caro 1895). Auf diesem Produkt bauten
chengemeinden begann Priestley 1758, phy- später die in der Landwirtschaft genutzten
sikalische Versuche durchzuführen. Ab 1763 Stickstoffdünger auf (Frank 1903; Rothe
lernte er die Grundlagen der Chemie und 1903). Da durch Hydrolyse des Kalkstick-
hielt sich jedes Jahr einige Wochen in stoffs Ammoniak entsteht, war Calcium-
London auf, um die damals führenden Wis- cyanamid auch die erste in großem Maßstab
senschaftler zu treffen. 1766 nahm ihn die verfügbare Quelle zur Herstellung von Am-
Royal Society of London auf, 1767 ver- moniak; erst das Haber-Bosch-Verfahren
5 Einzeldarstellungen 281

stellte später einen kostengünstigeren Pro- Der norwegische Physiker Kristian Olaf
zess dar. Noch 1895 gründeten Frank, Caro Bernhard Birkeland ( 13. Dezember
und weitere Teilhaber die Cyanidgesell- 1867 Kristiania/Oslo; † 15. Juni 1917 To-
schaft mbH; aus dieser entwickelte sich kio) war von 1896 an Mitglied der Norwe-
im Lauf der Jahre über die Bayrischen gischen Akademie der Wissenschaften und
Stickstoff-Werke AG die heutige SKW von 1898 an Inhaber eines Lehrstuhls der
Trostberg AG (Ziekursch 1961; Pötsch damaligen Königlichen Friedrichs-Univer-
et al. 1988). sität Kristiania. Er begann 1885 das Studi-
um der Chemie, Mathematik und Physik an
Der deutsche Chemiker Nikodem Caro der Universität Kristiania. Von 1893 bis
( 23. Mai 1871 Łódź, Russisches Kaiser- 1895 hielt er sich zu Studienzwecken im
reich/heute: Polen; † 27. Juni 1935 Rom) europäischen Ausland auf. Birkeland ließ
studierte Chemie an der Technischen Hoch- 1899 ein Observatorium für Nordlichter
schule Charlottenburg und an der Friedrich- bei Alta einrichten. Im Winter 1902/1903
Wilhelms-Universität Berlin. Als Erster betrieb er schließlich ein Netz aus vier Sta-
fertigte er am Lehrstuhl Liebermann seine tionen. Neben Alta betrieb er später drei
Diplomarbeit „Ueber Oxyaurine und Oxy- weitere Observatorien auf Island, Nowaja
aurincarbonsäuren“ (Caro 1892a, b). 1895 Semlja und Akseløya/Svalbard (Jago 2001;
promovierte er am Lehrstuhl Pinner der Birkeland 1908, 1913)
Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin mit
In Zusammenarbeit mit Eyde entwickelte er
der Arbeit „Ueber die Einwirkung von Hy-
1903 den Birkeland-Eyde-Prozess zur Her-
drazin auf Imidoäther“ (Pinner und Caro
stellung von Natriumnitrat, wobei der aus
1894, 1895).
der Luft stammende Stickstoff mittels ei-
nes elektrischen Lichtbogens oxidiert wird.
Zusammen mit Adolph Frank entwickelte Beide gründeten 1905 das Unternehmen
er 1895 das Frank-Caro-Verfahren zur in- Norsk Hydro, das die für diese Verfahren
dustriellen Produktion von Kalkstickstoff, erforderlichen hohen Elektrizitätsmengen
als sie an der Herstellung von Cyanverbin- aus Wasserkraft produzierte. Birkeland mel-
dungen aus Carbiden forschten. Ebenfalls dete 59 Patente an und wurde siebenmal für
1895 erhielten beide ein weiteres Patent den Nobelpreis vorgeschlagen, erhielt ihn
zur Herstellung von Cyaniden. 1899 grün- aber nie. Seit 1908 war er Ehrendoktor der
deten Frank, Caro und weitere Miteigentü- Technischen Hochschule Dresden. Er starb
mer die Cyanidgesellschaft. 1905 errichtete 1917 nach Einnahme einer Überdosis von
man in Italien eine Produktionsanlage für Barbituraten (Egeland und Leer 1986; Ege-
Kalkstickstoff. 1908 zog die Degussa ihre land und Burke 2005).
Beteiligung an der Firma zurück, worauf
die Umfirmierung über Bayerische Stick- Der norwegische Ingenieur Samuel Eyde
stoffwerke bis zu den Süddeutschen Kalk- ( 29. Oktober 1866 Arendal; † 21. Juni
stickstoffwerken AG lief. Aus dieser wurde 1940 Åsgårdstrand) war ein norwegischer
schließlich die SKW Trostberg AG. Ab Ingenieur und Industrieller.
1933 wurde Caro aufgrund seiner jüdischen
Herkunft verfolgt und musste nach Zürich Er studierte zunächst in Kristiania/Oslo In-
emigrieren. Er starb in Rom, wurde aber in genieurswesen, ging dann 1886 nach Berlin
Zürich begraben. Caro war Ehrensenator und bestand 1891 sein Examen als Bauin-
diverser Universitäten, Generalkonsul und genieur. Von 1891 bis 1895 plante er in
zweifacher Ehrendoktor. Er war Mitglied Deutschland neue Brücken und Eisenbahn-
der Russischen Akademie der Wissenschaften. trassen. Ab 1897 war er Mitinhaber der auf
282 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

den Bau von Wasserkraftwerken speziali- Von alliierter Seite wurde er daher ab 1918
sierten Firma Gleim & Eyde mit Niederlas- als Kriegsverbrecher gesucht und floh zeit-
sungen in Hamburg, Kristiania (heute Oslo) weilig in die Schweiz. Ab 1917 entwickelte
und Stockholm. 1905 gründete er mit Kris- Bosch die Schädlingsbekämpfung mittels
tian Birkeland und dem schwedischen Ban- Blausäure unter Anderem in Getreidesilos
kier Wallenberg das Unternehmen Norsk (Frucht 2005). Ab 1925 war Haber Mitglied
Hydro, das in der Anfangszeit Kunstdünger des Aufsichtsrates der I.G. Farben; 1926
mit dem nach Eyde und Birkeland benann- Mitbegründer des Japan-Instituts. Von
ten Birkeland-Eyde-Verfahren und unter 1922 bis 1933 war er Senator der Kaiser-
Nutzung der in Norwegen preiswert verfüg- Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der
baren Energie aus Wasserkraft produzierte. Wissenschaften. Nach der Machtübernah-
Ab 1907 bestand eine Kooperation mit der me durch die NSDAP ging Haber im Mai
BASF. 1912 wurden die ersten Anlagen zur 1933 in den Ruhestand, emigrierte dann
Erzeugung flüssigen Aluminiums und von Ende 1933 nach Cambridge und verstarb
Siliciumcarbid in Betrieb genommen. Eyde 1934 auf der Reise nach Israel, wohin er
war bis 1917 Direktor von Norsk Hydro und einen Ruf als Leiter des Weizmann-Instituts
war von 1918 bis 1922 Abgeordneter im erhalten hatte (Deichmann 1996; Szöllösi-
norwegischen Parlament, dem Storting. Janze 1998).
Von 1920 bis 1923 war er Botschafter sei-
nes Landes in Polen. Der deutsche Chemiker Carl Bosch ( 27.
August 1874 Köln; † 26. April 1940 Heidel-
Der deutsche Chemiker Fritz Haber berg) wurde zunächst als Schlosser und
( 9. Dezember 1868 Breslau; † 29. Januar Feinmechaniker in der väterlichen Firma
1934 Basel) studierte ab 1886 bei Bunsen ausgebildet, besaß aber bereits ein eigenes
an der Universität Heidelberg. Er wechselte Labor (Kerstein 1970, S. 323). Nach dem
dann nach Berlin an die Technische Univer- Besuch der Oberrealschule in Köln und ei-
sität Charlottenburg und wurde 1891 mit ner 1893 begonnenen Lehre in der schlesi-
der Arbeit „Ueber einige Derivate des Pipe- schen Marienhütte begann er 1894 Maschi-
ronals“ promoviert. Nach einigen weiteren nenbau und Metallurgie an der Technischen
Forschungsaufenthalten habilitierte Haber Hochschule Charlottenburg zu studieren.
sich am Institut für Physikalische Chemie Danach studierte er ab 1896 Chemie an
der Technischen Hochschule Karlsruhe der Universität Leipzig. 1898 promovierte
1896. Zwei Jahre später erhielt er in Karls- er mit der Arbeit „Über die Kondensation
ruhe die Ernennung zum außerordentlichen von Dinatriumacetondicarbonsäurediethy-
Professor für Technische Chemie. Ab dem lester mit Bromacetophenon“ (Holdermann
Jahr 1904 befasste Haber sich mit der und Greiling 1953; Krauch 1940).
katalytischen Bildung von Ammoniak, die
schließlich zur Entwicklung des Haber- Seit 1899 bei der BASF, wurde er 1909 dort
Bosch-Verfahrens führte (Haber und Le beauftragt, die zuvor von Fritz Haber im
Rossignol 1907). Für diese Erfindung wur- Labor betriebene Ammoniaksynthese bei
de Haber im Jahr 1919 nachträglich der hohem Druck und Temperatur in industriel-
Nobelpreis für Chemie des Jahres 1918 zu- len Maßstab umzusetzen. 1912 leitete
gesprochen. Bosch die neue Stickstoff-Abteilung; dort
ließ man die ersten Druckreaktoren mit
Im Ersten Weltkrieg beriet er das Kriegs- Weicheisen auskleiden, das frei von Kohlen-
ministerium zu Einsparung und Produktion stoff war. Der Außenmantel bestand aus koh-
von Explosivstoffen und war an der Ent- lenstoffhaltigen Stahl. Ziel war eine jährliche
wicklung von Kampfgasen beteiligt (Ange- Produktionsmenge von 100.000 t Ammo-
rer 1985; Dunikowska und Turko 2011). niak, die in der Folgezeit durch geeignete
5 Einzeldarstellungen 283

Modifikation der Synthese auch erreicht Nach dem 1871 abgelegten Abitur in Riga
wurde. Auf Anfrage des Kriegsministeriums begann er 1872 mit dem Chemiestudium an
baute die BASF auch eine Nitrat-Produktion der Universität Dorpat/Tartu. 1875 beende-
in Ludwigshafen auf. Nach der Gründung te Ostwald sein Studium und wurde Assis-
der „Kleinen IG Farben“ 1916, dem Kriegs- tent am physikalischen, später auch am che-
ende, der Wahl von Bosch zum Vorstands- mischen Institut. 1878 promovierte er mit
vorsitzenden der BASF erreichte Bosch eine der Arbeit „Volumchemische und optisch-
Milderung der allierten Bedingungen an die chemische Studien.“ 1880 ernannte ihn die
deutsche chemische Industrie. 1925 wurde Universität Dorpat zum Privatdozenten für
Bosch Vorstandsvorsitzender der großen physikalische Chemie. 1881 wechselte er
I. G. Farben, Leiter des Aufsichtsrats wurde auf eine Professur am Rigaer Polytech-
Carl Duisberg (Borkin 1990). nikum. 1905 ging er in die USA und hielt
an namhaften Hochschulen Vorlesungen
Auf Druck der Nationalsozialisten gab zur physikalischen Chemie und zur Natur-
Bosch seine Stelle 1935 an Hermann philosophie.
Schmitz ab. Weitere kritische Bemerkungen
Boschs über die deutsche Poltik ergaben, Ostwald wurde nach seiner Rückkehr nach
dass Rudolf Heß forderte, Bosch aller Äm- Deutschland bereits1906 emeritiert, forsch-
ter zu entheben und ihm öffentliche Auftrit- te einige Jahre privat und gründete 1913
te zu verbieten. Andererseits unterstützte seinen eigenen Verlag UNESMA. Er for-
Bosch die deutsche Wirtschaft und entließ mulierte darüber hinaus 1897 die nach ihm
nicht-arische Mitarbeiter erst zum letztmög- benannte Ostwaldsche Stufenregel, unter-
lichen Zeitpunkt. In einem mit Hitler ge- suchte ab 1900 die katalytische Umsetzung
führten Gespräch warnte er diesen davor, des Ammoniaks zu Salpetersäure im Labor
dass „die Vertreibung jüdischer Wissen- und entwickelte das Ostwald-Verfahren zur
schaftler die deutsche Physik und Chemie Herstellung von Salpetersäure durch die
um hundert Jahre zurückwerfen werde“. Oxidation von Ammoniak. Sein Schwieger-
Hitler habe schreiend geantwortet, dass sohn Eberhard Brauer errichtete 1901 bei
man „. . . dann eben hundert Jahre lang ohne Königs-Wusterhausen eine Versuchsanlage
Physik und Chemie arbeiten werde!“ Bosch zur Produktion von Salpetersäure, die 1902
erhielt unter Anderem die Ehrendoktorwür- begann und 1905 bei Bochum in einer grö-
de der Technischen Hochschule Karlsruhe, ßeren Anlage fortgesetzt wurde. 1909 er-
Gedenkmünzen der Gesellschaft Deutscher hielt Wilhelm Ostwald den Nobelpreis für
Chemiker und der Deutschen Bunsen-Ge- Chemie für seine Arbeiten über „Kataly-
sellschaft für Physikalische Chemie und se und die Bedingungen des chemischen
1931 den Nobelpreis für Chemie für den Gleichgewichtes und die Geschwindigkei-
Beitrag zur Erfindung der chemischen Hoch- ten chemischer Reaktionen“. Bosch war
druckverfahren. Mitglied einiger in- und ausländischer wis-
senschaftlicher Gesellschaften (Domschke
Der deutsch-baltische Chemiker und Philo- und Lewandrowski 1977; Dunsch 1982;
soph Friedrich Wilhelm Ostwald ( 2. Walden 1932).
September 1853 Riga; Livland (heute: Lett-
land); † 4. April 1932 Leipzig) war Profes-
sor an der Universität Leipzig. Er erhielt Vorkommen Stickstoff fördert die Verbrennung
1909 den Nobelpreis für Chemie für seine nicht, ist nicht brennbar, löscht Flammen und
Arbeiten über Katalyse sowie seine Unter- kann Lebewesen ersticken. Elementarer Stickstoff
suchungen über Gleichgewichtsverhältnis- tritt nur in Form zweiatomiger Moleküle (N2) auf
se und Reaktionsgeschwindigkeiten. und ist in der Luft zu 78 % enthalten. In der
284 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Erdkruste kommt anorganisch gebundener Stick- Gewinnung Stickstoff gewinnt man vor allem
stoff in Form von Nitraten und -vereinzelt- Am- durch fraktionierte Destillation verflüssigter Luft
moniumsalzen vor. Stickstoff ist in praktisch allen nach dem Linde-Verfahren. Damit lassen sich
Eiweißen und einer großen Zahl Naturstoffe ent- Reinheiten von bis zu 99,99999 % erzielen. Soll
halten; er ist essentiell für Lebewesen. der allerletzte Rest Sauerstoff entfernt werden,
Mikroorganismen können im Gegensatz zu kann dieser durch Pflanzen wie z. B. Reiskeimlin-
Pflanzen molekularen, elementaren und sehr re- ge, über die der Stickstoff geleitet wird, aufgenom-
aktionsträgen Stickstoff in ihren Körper einbauen. men werden.
So sind Bakterien wie Azotobacter und Cya- Deutlich weniger aufwändig und auch preis-
nobakterien in der Lage, Stickstoff aus der Luft werter kann man 99 %igen Stickstoff durch mehr-
zur Produktion körpereigener Proteine einzuset- stufige Adsorption/Desorption an Zeolithen erhal-
zen. Die Menge des Stickstoffs, die auf diese ten. Oder aber man presst Druckluft (Druck 5 bis
Weise gebunden werden kann, ist aber relativ 13 bar) durch eine Kunststoffmembran, wobei
gering; pro Hektar Ackerboden und Jahr können Stickstoff und Argon wesentlich langsamer durch
rund 5–15 kg gebunden werden. diese Membran diffundieren als Sauerstoff, Was-
Andere Bakterien siedeln sich in den Wurzeln ser und Kohlendioxid. Die Einstellung der Durch-
von Hülsenfrüchtlern an und werden von diesen strömgeschwindigkeit bestimmt die Reinheit, die
mit Nährstoffen versorgt. Im Gegenzug führt ein für Kleinmengen bis hinauf zu 99,995 % getrie-
in ihnen enthaltenes Enzym, die Nitrogenase, der ben werden kann.
Wirtspflanze Ammonium zu, das es aus Luftstick- Bei einem alten Verfahren leitet man Sauerstoff
stoff synthetisiert. Dies ist ein Musterbeispiel für über glühende Kohle und wäscht das entstandene
eine Symbiose. Kohlendioxid aus. Im Labor erzeugt man reinen
In Gebieten, in denen hohe Niederschlagsmen- Stickstoff durch Thermolyse von Ammoniumni-
gen auftreten, erzeugen häufig auftretende Gewit- trit (I) oder Natriumazid (II) bei erhöhter Tem-
ter bei elektrischen Entladungen Stick(stoff)oxide peratur (Brauer 1963, S. 457–460). Letztes Ver-
(NOx), die der Regen aus der Luft auswäscht. So fahren erfordert wegen der Explosivität von
erhält der Boden pro Jahr und Hektar immerhin Natriumazid aber große Vorsicht und die Einhal-
20 bis 25 kg Stickstoff zusätzlich zugeführt. Aus tung von Schutzmaßnahmen:
den Stickstoffoxiden werden im Boden schließ-
lich Nitrate gebildet. (I) NH4NO2 ! 2 H2O + N2
Seit gut hundert Jahren erzeugt das Haber- (II) 2 NaN3 ! 2 Na + 3 N2
Bosch-Verfahren Ammoniak aus Luftstickstoff
und Wasserstoff, das hauptsächlich zur Produktion Eigenschaften Das farb-, geruch- und geschmack-
von Düngern verwendet wird. Auch in Automoto- lose Gas kondensiert bei einer Temperatur von
ren entstehen beim Verbrennen des Kraftstoffes 196  C zu einer farblosen Flüssigkeit (s. Tab. 1).
zunächst Stickoxide, die in der Vergangenheit, ohne Es ist in Wasser nur sehr schwach löslich (23,2 mg
dass ein katalytischer Abbau oder eine Reinigung Stickstoff pro Liter Wasser bei 0  C) (Riedel und
zwischengeschaltet gewesen wäre, an die Umge- Janiak 2011).
bungsluft abgegeben wurden. Die heute in Moto- Stickstoff tritt in seinen Verbindungen vorwie-
ren eingebauten Katalysatoren reduzieren Stick- gend kovalent gebunden auf. Das Stickstoffatom
oxide zu Ammoniak. richtet seine vier äußeren Elektronenpaare gemäß
Im Boden liegt fast der gesamte chemisch ge- einer sp3-Hybridisierung aus. So gehen in Ver-
bundene Stickstoff organisch gebunden vor, nur bindungen wie Ammoniak, Aminen generell und
ein sehr kleiner Teil ist in Form von Ammonium Hydroxylamin vom Stickstoffatom stets drei Ein-
und Nitrat gebunden. Der Kohlenstoffgehalt des fachbindungen in Form jeweils eines Elektronen-
Bodens ist eng an die Konzentration des Stick- paares aus. Zudem befindet sich am Stickstoff-
stoffs dort gekoppelt. atom noch ein freies Elektronenpaar, das für
5 Einzeldarstellungen 285

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Stickstoff


Symbol: N
Ordnungszahl: 7
CAS-Nr.: 7727-37-9

Aussehen: Farbloses Gas Flüssiger Stickstoff (David Monniaux 2005)


Entdecker, Jahr Scheele (Schweden), 1771
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
14
7N (99,634) Stabil ——
15
7N (0,366) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 300
Atommasse (u): 14,0067
Elektronegativität 3,04 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 65
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 155
Kovalenter Radius (pm): 71
Elektronenkonfiguration: [He] 2s2 2p3
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1402 ♦ 2856 ♦ 4578
Magnetische Volumensuszeptibilität: 6,7  109
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 300,15 K): 353
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) 1,250
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 13,54  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 0,0258
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 29,12
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 210,1 ♦ 63,05
Schmelzwärme (kJ/mol): 0,36
Siedepunkt ( C ♦ K): 196,0 ♦ 77,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 5,58
Tripelpunkt ( C ■ kPa): 210,0 ■ 12,52
Kritischer Punkt ( C ■ MPa): 146,96  C ■ 3,396

dessen vorwiegend nukleophilen und basischen tallinen Stickstoff zu erzeugen. Dieser ist aller-
Charakter verantwortlich ist. dings sehr instabil und neigt zu explosionsartiger
Molekularer Stickstoff (N2) ist, bedingt durch Zersetzung.
die stabile NN-Dreifachbindung, sehr reaktions-
träge; die Bindungsdissoziationsenergie liegt bei Verbindungen Die große Gruppe der Stickstoff-
942 kJ/mol (Holleman et al. 2007, S. 653). Es Wasserstoffverbindungen gründet auf Ammoniak
bedarf der Zufuhr großer Energiemengen bzw. (NH3) und Hydrazin (N2H4). Ammoniak ist ein
einer durch Katalysatoren aufzuwendenden Akti- farbloses, giftiges, wasserlösliches Gas von ste-
vierungsenergie, um diese Bindung zu brechen chendem Geruch. Seine wässrige Lösung reagiert
und Stickstoff zu chemischen Reaktionen zu ver- basisch (Ammoniakwasser oder „Salmiakgeist“).
anlassen. Größtenteils wird es zu Düngemitteln, vor allem
2004 gelang es Forschern des Mainzer Max- Harnstoff und Ammoniumsalzen, weiter verarbei-
Planck-Instituts für Chemie, durch Anwendung tet. Hergestellt wird es fast ausschließlich über das
hoher Drücke (>110 GPa) bei extrem hohen Tem- sehr energieintensive Haber-Bosch-Verfahren mit
peraturen (>2000 K) einen polymeren und kris- Wasserstoff und Stickstoff als Ausgangsstoffen
286 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

(Appl 2006). Nach Abtrennung des Kohlen- Bei der klassischen Raschig-Synthese wird
dioxids werden Stickstoff und Wasserstoff im ge- Ammoniak mit Natriumhypochlorit oxidiert, wo-
eigneten Verhältnis gemischt, dabei meist auf ei- bei sich Monochloramin als Zwischenprodukt bil-
nen Druck von 150 bis 200 bar komprimiert und det (I), das mit weiterem Ammoniak zu Hydrazin
auf eine Temperatur von 400 bis 500  C erhitzt. weiterreagiert (II):
Katalysatoren sind hierfür meist Eisenverbindun-
gen, denen Aluminium- oder Calciumoxid zuge- (I) NH3 + ClO ! NH2Cl + OH
mischt sind. Gegenwärtig liegt die jährliche (II) NH2Cl + NH3 + OH ! N2H4 + Cl + H2O
Produktionsmenge bei rund 150 Mio. t; die wich-
tigsten Produktionsländer sind China, Russland und Erleichtert wird dieses mittels Druckeinspei-
die USA (U.S. Department of the Interior 2009). sung von Ammoniak betriebene Verfahren durch
Wasserstoffverbindungen Ammoniak (NH3) Freisetzung großer Reaktionswärme in Schritt I,
kondensiert bei einer Temperatur von 33  C zu die das Reaktionsgemisch auf über 100  C er-
einer stark lichtbrechenden, farblosen Flüssigkeit. hitzt.
Bei 20  C genügt ein Druck von 9 bar zur Ver- Der Bayer-Prozess nutzt dieselben Ausgangs-
flüssigung. Die kritische Temperatur beträgt chemikalien (Natriumhypochlorit/Ammoniak);
132,4  C, der kritische Druck 113 bar [32]. Bei der Zusatz von Aceton ergibt jedoch schon im
77,7  C erstarrt Ammoniak zu farblosen Kris- ersten Schritt ein Ketazin (Me2C¼N-N¼CMe2),
tallen. Im Vergleich zu den Wasserstoffverbindun- das man mit Wasser bei einem Druck von 8–12 bar
gen seiner homologen Elemente [Monophosphan und Temperaturen um 180  C zu Hydrazin und
(PH3), Monoarsan (AsH3)] liegen sein Siede- Aceton hydrolysiert. Letzteres wird in den Pro-
punkt und auch seine Verdampfungswärme zess zurückgeführt.
(23,35 kJ/mol) relativ hoch, da seine Moleküle Das Pechiney-Ugine-Kuhlmann Verfahren ist
in der flüssigen Phase Wasserstoffbrückenbindun- das modernste und wird hauptsächlich ange-
gen ausbilden (Holleman et al. 2007, S. 665). wandt. Dabei oxidiert man Ammoniak mit
Flüssiges Ammoniak ist ein gutes polar-pro- Wasserstoffperoxid (H2O2) in Anwesenheit von
tisches Lösungsmittel und ähnelt hierin Wasser. Methylethylketon als Ketazinbildner; Natrium-
Es löst Ester, Alkohole und Phenole, ebenso Alka- dihydrogenphosphat und Acetamid fungieren
li- und Erdalkalimetalle. Letztgenannte Lösungen als Katalysatoren. Der Vorteil dieses Prozesses
sind blau und enthalten solvatisierte Metallionen sind geringerer Energieverbrauch und das Fehlen
und Elektronen. Ebenso bildet Ammoniak Ammin- zwangsweise anfallender Chloride.
komplexe mit vielen Übergangsmetallen, von de- Wasserfreies Hydrazin ist eine endotherme Ver-
nen die stabilsten mit Cr3+, Pd2+, Pt4+, Ni2 + und bindung, die in wasserfreiem Zustand explosiv ist.
Cu2 + eingegangen werden. In Form verdünnter wässriger Lösungen („Hydra-
Ammoniak ist Ausgangsstoff für die Produktion zinhydrat“, siehe Abb. 2) ist es ein effektives Mittel
vieler anderer Stickstoffverbindungen. Knapp die zur Korrosionsverhinderung in Wasser-Dampf-
Hälfte entfällt dabei auf Harnstoff, aus dem man Kreisläufen, da es die auf Stahloberflächen gebil-
Dünger und Harnstoffharze herstellt. Ebenso pro- dete, lose Deckschicht des Eisen-III-oxids in eine
duziert man weitere Dünger direkt aus Ammoniak aus Eisen-II, III-oxid (Fe3O4) bestehende umwan-
(Apodaca 2019). Auch Salpetersäure erzeugt man delt, die auf dem Metall fest haftet und dieses vor
ausgehend von Ammoniak nach dem Ostwald- weiterem Angriff durch Wasser schützt. Besonders
Verfahren. Bei Kontakt zu den bei der Synthese in Wasser-Dampfkreisläufen ist praktisch keine
eingesetzten Platinkatalysatoren reagiert Ammoni- Wasserhärte vorhanden, weswegen das Wasser ex-
ak mit Sau zu Stickoxiden, die sich mit Wasser trem korrosiv ist und man hochwirksame Korrosi-
weiter zu Salpetersäure umsetzen. onsinhibitoren benötigt.
Hydrazin (N2H4) kann man technisch auf meh- Hydroxylamin (NH2OH) ist durch Reduktion
rere Arten herstellen, die sich aber hinsichtlich von Stickoxiden, Nitrit oder Nitrat mit Wasser-
ihres Reaktionsmechanismus ähneln. stoff, Schwefliger Säure oder elektrischem Strom
5 Einzeldarstellungen 287

aus den Elementen oder aber aus Ammoniak


und geeigneten Verbindungen des Metalls/Nicht-
metalls hergestellt werden. Mit Nichtmetallen
werden dabei kovalent aufgebaute, jedoch zum
Teil sehr hochschmelzende und harte Nitride wie
Bornitrid (BN) und Siliciumnitrid (Si3N4) gebil-
det. Mit Übergangsmetallen dagegen resultieren
„metallische Nitride“, die also metallähnliche Kris-
tallgitter aufbauen und ebenfalls hohe Schmelz-
punkte aufweisen [Titannitrid (TiN) und Chrom-
nitrid (CrN)]. Salzartige, den Oxiden noch am
ehesten ähnelnde Verbindungen bilden nur Alkali-
und Erdalkalimetalle [Lithiumnitrid (Li3N) und
Abb. 2 Hydrazinhydrat (LHcheM 2012) Magnesiumnitrid (Mg3N2)], die mit Wasser zu
Ammoniak und Metallhydroxid hydrolysieren.
herstellbar. Im technischen Maßstab ist es mit Natriumazid (NaN3) erzeugt man durch Über-
hoher Ausbeute durch Einleiten eines aus Stick- leiten von Distickstoffmonoxid (N2O) über Na-
stoffmonoxid und Wasserstoff bestehenden Ge- triumamid (NaNH2) bei 180  C. Während sich
misches in eine schwefelsaure Suspension eines Natriumazid noch bei 275  C unzersetzt schmel-
Katalysators (Palladium oder Platin) auf Aktiv- zen lässt, ist die ihm zugrunde liegende Stick-
kohle zugänglich (Binnewies et al. 2010): stoffwasserstoffsäure (HN3) sehr instabil und
kann bei Schlag oder Stoß explosionsartig ver-
2 NO þ 3 H2 ! 2 NH2 OH puffen.
Stickstoffwasserstoffsäure (HN3) ist eine insta-
Alternativ kann man Schwefel-IV-oxid bei bile, hochexplosive, die Schleimhäute reizende,
0–5  C in eine schwefelsaure Lösung von Ammo- stechend riechende Flüssigkeit. Das Azid-Ion
niumnitrit einleiten. Das dabei zunächst entste- N3 ist linear gebaut und isoelektronisch mit
hende Addukt spaltet beim Erhitzen der wässrigen dem Molekül des Kohlendioxids. Ihre Salze hei-
Phase auf eine Temperatur von 100  C Hydroxyl- ßen Azide. Da die Stickstoffwasserstoffsäure sehr
amin ab. Oder Salpetersäure wird elektroche- instabil ist, stellt man Azide nicht auf dem Weg
misch zum Hydroxylamin reduziert, wenn die über die Säure her, sondern über Natriumazid. Die
Salpetersäure in 50 %iger Schwefelsäure gelöst ist. Stickstoffwasserstoffsäure gewinnt man dann
Hydroxylamin schmilzt bei 33  C und siedet durch die Reaktion von Schwefelsäure mit Na-
bei einem Druck von 29 mbar bei 58  C. triumazid.
Es ist unter Luftausschluss einige Wochen Im stark sauren Milieu kann man auch salpet-
lagerfähig und ist dann auch in wässriger Lö- rige Säure bzw. ihre Salze (Nitrite) mit Hydrazin
sung relativ stabil. Ist aber Luftsauerstoff zuge- umsetzen:
gen, so zersetzt sich Hydroxylamin sowohl als
Reinstoff als auch in Lösung sehr schnell, dieser N2 H5 þ þ HNO2 ! HN3 þ H2 O þ H3 Oþ
Prozess kann in der Hitze auch explosionsartig
erfolgen. Nahezu die vollständige Weltjahres- (Dabei reagiert die gerade gebildete Stickstoff-
produktion der Verbindung geht in die Synthese wasserstoffsäure zum Teil weiter mit salpetriger
von Cyclohexanonoxim aus Cyclohexanon, das Säure, was die Ausbeute deutlich senkt:
man dann über Caprolactam in Perlon umwan-
delt. HN3 þ HNO2 ! N2 þ N2 O þ H2 OÞ
Nitride und Azide Stickstoff bildet mit zahl-
reichen Metallen und Nichtmetallen Nitride. Die- Weitere Möglichkeiten der Darstellung sind
se können bei hoher Temperatur entweder direkt die bei etwa 40  C mit verdünnter Salpetersäure
288 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

durchgeführte Oxidation von Hydrazin (I) oder schlug es als Narkotikum bei Operationen vor.
auch die Umsetzung von Natriumamid und Na- Als erster Zahnarzt verwendete es Wells 1844
triumnitrat, beide gelöst in flüssigem Ammoniak bei der Extraktion eines Zahnes (Mayrhofer 1971,
(II): S. 14; Weißer 2005, S. 820). Andrews setzte das
Anästhetikum Lachgas in Mischung mit Sauer-
(I) 17 N2H4 + 16 HNO3 ! 4 HN3 + 4 NH4NO3 + stoff als Erster bei einer im Krankenhaus durch-
4 N2O + 11 N2 + 32 H2O geführten chirurgischen Operation ein (Andrews
(II) 2 NaNH2 + NaNO3 ! NaN3 + 1868).
2 NaOH + H2O Man stellt die Verbindung durch kontrollierte
thermische Zersetzung chloridfreien Ammonium-
Die kontrollierte Herstellung reiner Stickstoff- nitrats (Holleman et al. 1995, S. 689) oder durch
wasserstoffsäure erfolgt am besten aus reinem Erhitzen einer aus Natriumnitrat und Ammonium-
Natriumazid und einer schwachen organischen sulfat bestehenden Mischung her, beides zur Ver-
Säure wie Stearinsäure (Brauer 1963, S. 472). meidung von Explosionen bei Temperaturen
Die freie Stickstoffwasserstoffsäure ist farblos, unterhalb von 300  C. Daneben verursachen Ver-
leicht beweglich, sehr giftig und hochexplosiv. brennungsprozesse und übermäßige Düngung
Sie schmilzt bzw. siedet bei 80  C bzw. 35,7  C, landwirtschaftlich genutzer Fläche die Freiset-
hat eine Dichte von 1,09 g/cm3 und besitzt mit zung erheblicher Mengen an Distickstoffoxid in
einem pKs von 4,6 in Wasser fast dieselbe Stärke die Atmosphäre (Crutzen et al. 2008; Mäder et al.
wie Essigsäure (Holleman et al. 2007, S. 681; 2019). So setzt der Anbau von Raps, bedingt
Perry und Phillips 1995, S. 193). Die Stickstoff- durch starke Düngung, erhebliche Mengen an
atome im Molekül der Stickstoffwasserstoffsäure Distickstoffmonoxid frei, die wegen des hohen
sind nicht streng linear angeordnet. Das Azidion Treibhauspotenzials des Gases die Klimabilanz
gehört zur Gruppe der Pseudohalogenidionen, da des Rapses deutlich verschlechtern.
sich Azide in mancher Hinsicht ähnlich wie Ha- Leider gehen die Bemühungen zur Senkung
logenide verhalten. des Ausstoßes von Kraftwerken oder von mit
Die wasserfreie Säure explodiert beim Erwär- Dreiwege-Katalysator ausgerüsteten Verbren-
men und bei schwacher Erschütterung. Auch kon- nungsmotoren an Stickoxiden wie NO und NO2
zentrierte Lösungen darf man weder erhitzen, an- oft einher mit einer erheblichen Zunahme der
stoßen oder plätschernd umfüllen! Nur wässrige Lachgasemission.
Lösungen bis zu einem Gehalt von 20 % HN3 sind Die Produktion von Adipinsäure, einem Vor-
nicht explosiv. Behältermaterial ist meist Poly- podukt von Polyamidfasern, setzt ebenfalls
ethylen, Glas, Edelstahl oder Aluminium. Distickstoffoxid frei; hier bemühen sich die je-
Für das -bei einer Temperatur von 275  C un- weiligen Hersteller um eine Reduktion des Aus-
zersetzt schmelzbare- Natriumazid gibt es viele stoßes.
Anwendungen. So stellt man mit seiner Hilfe In der Atmosphäre hat das N2O-Molekül eine
Triazole her, auch sonst nutzt man es in zahlrei- sehr lange Lebensdauer; man kann seinen Beitrag
chen organischen Synthesen. In dem in Airbags zum Treibhauseffekt mit ca. 10 % beziffern. Au-
eingesetzten Treibmittel war es bis 1995 enthal- ßerdem erhöht es infolge seines Abbaus in der
ten. Das aus ihm erzeugte Bleiazid ist als Ini- Stratosphäre die Konzentration radikalischer Mo-
tialsprengstoff verwendbar. leküle, die am Abbau der dortigen Ozonschicht
Stickoxide Stick(stoff)oxide sind mit Ausnah- beteiligt sind. In dieser Funktion ist es gefähr-
me des als Anästhetikum („Lachgas“) verwende- licher als alle Halogenkohlenwasserstoffe zusam-
ten Distickstoffmonoxids (N2O) sehr giftige, meist men (Ravishankara et al. 2009). Glücklicherweise
endotherme und damit instabile Verbindungen. wird Distickstoffmonoxid in der Stratosphäre
Distickstoffmonoxid (N2O) stellte erstmalig ebenfalls in erheblicher Menge abgebaut.
Priestley 1772 her. Davy entdeckte Ende des 18. In kaltem Wasser löst sich das bei 88,5  C
Jahrhunderts seine betäubende Wirkung und kondensierende Lachgas (die Flüssigkeit erstarrt
5 Einzeldarstellungen 289

bei 90,8  C) sehr gut (ca. 0,7 Volumenteile N2O


auf 1 Volumenteil Wasser bei 0  C). Die Dichte
des unbrennbaren, aber schwach brandfördernd
wirkenden Gases beträgt 1,85 kg/m3. Distickstoff-
oxid zerfällt bei Temperaturen um 600  C in seine
Elemente. Das N2O-Molekül ist isoelektronisch
zu dem des Kohlendioxids und verhält sich zu Abb. 3 Stickstoffdioxid (Onyxmet 2019)
diesem hinsichtlich seiner physikalischen Eigen-
schaften sehr ähnlich.
Man setzt Lachgas in der Medizin und Zahn- zum farblosen Distickstofftetroxid (N2O4). Man
medizin seit vielen Jahren als Narkotikum ein gewinnt es als Zwischenprodukt der Synthese
(Larsen 1999; Sanders et al. 2008; Weimann von Salpetersäure durch Oxidation von Stickstoff-
2003; Schulte am Esch und Scholz 2001; Myles oxid (NO) mit Luft.
et al. 2014). Distickstoffoxid ist darüber hinaus Im Labor stellt man reines Stickstoffdioxid
unter der Bezeichnung E 942 als Lebensmittel- durch Erhitzen von Schwermetallnitraten (zum
zusatzstoff zugelassen; da es gut löslich in Fett Beispiel Bleinitrat) her (Hofmann 2013, S. 139;
ist, nimmt man es beispielsweise gerne als Treib- Brauer 1963, S. 488):
gas für Schlagsahne. Eine technisch mögliche, in
den meisten Ländern aber für Personenkraft- 2 PbðNO3 Þ2 ! 2 PbO þ 2 NO2 þ O2
wagen illegale Steigerung der Leistung eines
Verbrennungsmotors kann man durch Einsprit- Im der Großtechnik ist es ein Zwischenpro-
zung des Gases in die Zylinder erzielen. In dukt bei der Synthese von Salpetersäure und
Raketenmotoren dient es umgekehrt als mildes entsteht bei der Oxidation von Stickstoffmono-
Oxidationsmittel zwecks moderater Leistungs- xid mit Luftsauerstoff. Ist es bei Raumtempera-
steigerung. Die aktive Oberfläche von Kupferka- tur rotbraun, so wird die gelegentlich als
talysatoren kann man im Rahmen der reaktiven nichtwässriges Lösungsmittel verwendete Flüs-
Frontalchromatografie durch Überleiten eines sigkeit beim Abkühlen immer heller und erstarrt
Stroms von Lachgas über den Katalysator ermit- bei 11,2  C zu farblosen Kristallen, Beim Er-
teln; dabei bindet das Kupfer die Sauerstoffato- hitzen zersetzt es sich oberhalb einer Tempera-
me des Moleküls, der Stickstoff wird desorbiert tur von 650  C vollständig in Sauerstoff und
und seine Menge mit Hilfe geeigneter Methoden Stickstoffmonoxid.
(Massenspektromerie, Volumetrie) bestimmt. Auch das Molekül des Stickstoffdioxids ist ein
Stickstoffmonoxid (NO) ist ein giftiges, farb- Radikal und steht in Abhängigkeit von der Tem-
loses Gas der Dichte 1,34 kg/m3, das bei einer peratur im Gleichgewicht mit dem farblosen Di-
Temperatur von 152  C zu einer farblosen Flü- stickstofftetroxid (N2O4); jenes verschiebt sich mit
sigkeit kondensiert; jene erstarrt bei 164  C. sinkender Temperatur immer weiter in Richtung
Sein Molekül besitzt ein ungepaartes Elektron des Dimers. In Wasser disproportioniert NO2 zu
und ist daher ein Radikal; es reagiert leicht mit Salpetersäure und Salpetriger Säure, wobei letzte-
Luftsauerstoff zum braunen Stickstoffdioxid re in der sauren Lösung wieder zu NO2, NO und
(NO2). Beide Gase entstehen bei der Dispropor- Wasser zerfällt.
tionierung, wenn man Nitrite mit starken Säuren Die Verbindung entsteht bei der Verbrennung
umsetzt. fossiler Energieträger, aber auch beim Rauchen
Stickstoffdioxid (NO2) ist ein rotbraunes, gifti- von Tabakwaren (100–600 μg NOx pro Zigarette).
ges Gas (s. Abb. 3), das bei einer Temperatur von Stickstoffdioxid reduziert den Ozongehalt in der
21  C kondensiert (Erstarrungspunkt der Flüssig- Troposphäre (Binnewies et al. 2016), da es unter
keit: 11,2  C; Dichte der Flüssigkeit am Siede- den dort herrschenden Bedingungen hochreak-
punkt: 1,44 g/cm3) und ein starkes Oxidations- tiven atomaren Sauerstoff freisetzt, der mit einem
mittel ist. In der Kälte dimerisiert es zunehmend Ozonmolekül zu molekluarem Sauerstoff reagiert:
290 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

O þ O3 ! 2 O2 de früher zum Pökeln von Fleisch eingesetzt. Man


stellt es durch Einleiten von Stickoxiden in Na-
In Verbindung mit Luft und Wasser bildet tronlauge her. Die freie Salpetrige Säure entsteht
Stickstoffdioxid Salpetersäure, die mit dem sau- in situ durch Versetzen wässriger Nitritlösungen
ren Regen wieder auf die Erde gelangt. Stickstoff- mit starken Mineralsäuren, zersetzt sich aber
dioxid selbst ist sehr giftig, es bewirkt, in größerer schnell zu Wasser, Stickstoffmonoxid und Stick-
Menge eingeatmet, Kopfschmerzen und Schwin- stoffdioxid.
del, in schweren Fällen auch Atemnot und Lun- Nitrate und ihre Salze, die Salpetersäure
genödeme. Es wirkt möglicherweise auch schädi- (HNO3), gehören zu den wichtigsten Grundche-
gend auf die Fruchtbarkeit (Nieuwenhuijsen et al. mikalien. Wasserfreie Salpetersäure wirkt stark
2014). oxidierend, zersetzt sich leicht, siedet bzw. erstarrt
Distickstoffpentoxid (N2O5) ist das Anhydrid bei Temperaturen von 86  C bzw. 42  C und ist
der wasserfreien Salpetersäure (HNO3). Aus die- mit einem pKs von 1,37 eine starke Säure. Die
ser stellt man es durch Umsetzung mit stark was- im Handel befindliche konzentrierte Säure enthält
serentziehenden Mitteln, wie etwa Phosphor-V- 65 Gew.-% HNO3. Aus ihr stellt man auch orga-
oxid, bei tiefer Temperatur dar. Im Labor kann nische Nitroverbindungen her, unter denen einige
man die Verbindung ferner durch Reaktion kon- Sprengstoffe sind [z. B. Glycerintrinitrat (Dyna-
zentrierter Salpetersäure mit Nitrylfluorid (I) oder mit)]. Große Nitratvorkommen befinden sich in
mittels Ozonisierung von Stickstoffdioxid (II) her- Chile („Chilesalpeter“).
stellen; in der Technik elektrolysiert man bevor- Salpetersäure wird technisch seit 1908 nach
zugt Salpetersäure bei tiefer Temperatur in Ge- dem Ostwald-Verfahren hergestellt. Das aus
genwart von Distickstofftetroxid, das durch den Ammoniak und Luft bestehende Gemisch wird
anodisch in statu nascendi gebildeten Sauerstoff schnell (1/1000 s Kontaktzeit) durch heiße Platin-
oxidiert wird (III): -Rhodium-Netze geleitet. Bei 800  C entsteht
Stickstoffmonoxid, das beim Abkühlen mit
(I) HNO3 + NO2F ! HF + N2O5 überschüssigem Sauerstoff zu Stickstoffdioxid
(II) 2 NO2 + O3 ! N2O5 + O2 und dann in Rieseltürmen mit Wasser zu etwa
(III) (O) + N2O4 ! N2O5 60 %iger Salpetersäure reagiert. Diese 60 %ige
Salpetersäure kann man durch Destillation bis
Die farblosen Kristalle der Dichte 1,64 g/cm3 68 % konzentrieren, was dem Azeotrop mit
schmelzen bei 41  C (Siedepunkt der Flüssigkeit: Siedepunktmaximum (122  C) entspricht. Höhere
47  C), sind ein starkes Oxidationsmittel und lö- Konzentrationen sind durch Entwässerung der
sen sich in Wasser unter heftiger Umsetzung zu 68 %igen Säure mit konzentrierter Schwefelsäure
Salpetersäure. Die Verbindung zersetzt sich beim oder durch Umsetzung von Distickstofftetroxid mit
Erwärmen zu Sauerstoff und Stickstoffdioxid; bei der stöchiometrisch erforderlichen Menge von
schnellem Erhitzen kann Explosion eintreten. Es Sauerstoff (bzw. Luft) und Wasser zugänglich.
besteht etwa gute Löslichkeit in Chloroform, Te- Salpetersäure ist in reinem Zustand farblos.
trachlormethan und Sulfolan, nur muss man die Konzentrierte Salpetersäure zersetzt sich aber
jeweilige Lösung auf mindestens 0  C kühlen leicht (vor allem unter Lichteinwirkung) und hat
(Brauer 1963, S. 489; Klapötke 2009, S. 142). aufgrund des in ihr gelösten Stickstoffdioxids
Im Kristallgitter liegt eine ionische, hexagonale (NO2) oft einen gelblichen oder rötlichen Farbton
(Raumgruppe 194) Struktur des Typs (NO2+) (Abb. 4).
(NO3) vor (McClelland et al. 2001; Steudel Reine Salpetersäure, die dazu noch freies
2008, S. 347). Stickstoffdioxid enthält, nennt man rauchende
Salpetersäure und Nitrate, Salpetrige Säure Salpetersäure. Diese über 90 %ige Säure wirkt
und Nitrite Natriumnitrit (NaNO2) ist das Na- stark oxidierend und kann leicht brennbare Stoffe
triumsalz der Salpetrigen Säure (HNO2) und wur- entzünden; daher gilt Salpetersäure ab einem Ge-
5 Einzeldarstellungen 291

sive Nebenprodukte wie Fluoramin (NH2F) sowie


Difluoramin (NHF2) und machte das Verfahren
sicherer.
Heute erzeugt man es meist durch Fluorie-
ren von Ammoniak in Gegenwart von Kupfer-
Katalysatoren (Latscha und Klein 2002, S. 312).
Die Synthese aus Stickstoff und Fluor verläuft
dagegen nur unter drastischen Bedingungen
(Glemser et al. 1966).
Stickstoff-III-fluorid wirkt stark fluorierend, so
überführt es Aluminiumchlorid in das Fluorid. Es
ist kaum basisch und reagiert bei Raumtemperatur
Abb. 4 Rauchende, konzentrierte Salpetersäure (W. Oelen nicht mit Wasser. Sein Molekül hat trigonal-
2011) pyramidale Struktur, mit dem Stickstoffatom an
der Spitze der Pyramide (Holleman et al. 2007,
halt von 70 % als brandfördernd. Nichtmetalle wie S. 695–697). Innerhalb der Europäischen Union
Kohlenstoff, Iod, Phosphor und Schwefel oxidiert ist Stickstoff-III-fluorid als gesundheitsschädlich
konzentrierte Salpetersäure zu ihren Oxiden bzw. und brandfördernd eingestuft.
Oxosäuren. Mit vielen Metallen bildet sie wasser- Stickstoff-III-fluorid ist ein Treibhausgas mit
lösliche Nitrate, nur die Edelmetalle Gold, Platin extrem starker Langzeitwirkung; 1 kg NF3 er-
und Iridium reagieren nicht. Aluminium, Titan, wärmt die Atmosphäre über eine Zeit von 100 a
Zirconium, Hafnium, Niob, Tantal und Wolfram hinweg fast 20.000 mal stärker als dieselbe Men-
widerstehen der Salpetersäure trotz ihrer teils ge an Kohlendioxid (Weiss et al. 2008)! Das NF3-
stark negativen Normalpotenziale infolge der Molekül bleibt in der Atmosphäre über mehrere
Bildung einer unlöslichen, passivierenden Oxid- Jahrhunderte erhalten; von 2008 bis 2016 verdop-
schicht. Eisen übersteht den Angriff kalter, Chrom pelte sich die NF3- Konzentration in der Tropo-
auch den von heißer Salpetersäure. Eine Mi- sphäre von 0,45 ppt auf 1 ppt, mit eindeutiger
schung von Salpetersäure mit Salzsäure im stö- Gewichtung auf der Nordhalbkugel (Totterdill
chiometrischen Verhältnis von 1:3 (Königswas- et al. 2016). Die für 2012 auf ca. 1600 t geschätz-
ser) oder auch konzentrierte Selensäure lösen ten Emissionen an Stickstoff-III-fluorid entspre-
Gold und Platin dagegen auf (Riedel und Janiak chen bezüglich ihres Treibhauseffekts einer Men-
2011, S. 458). ge von ca. 32 Mio. t (!) Kohlendioxid (Rigby et al.
Salpetersäure färbt Proteine, in denen aro- 2014; Arnold et al. 2013).
matische Aminosäuren wie L-Phenylalanin oder Man setzt die Verbindung in großer Menge in
L-Tyrosin enthalten sind, unter Nitrierung des der Elektronikindustrie ein, vor allem bei Flüssig-
Benzolrings gelb. Diese Reaktion (Xanthopro- kristallbildschirmen zum Entfernen von aus Sili-
tein) kann man zum Nachweis aromatischer Ami- ciumoxidnitrid bestehenden Rückständen. Fluor
nosäuren und Proteine nutzen. testet man als mögliches Ersatzprodukt (Oshino-
Halogenverbindungen Stickstoff-III-fluorid (NF3) wo et al. 2009).
ist ein farbloses, modrig riechendes Gas, das bei Stickstoff-III-chlorid (NCl3, korrekt: Trichlor-
128,8  C kondensiert; die Flüssigkeit erstarrt nitrid!) ist eine gelbe (s. Abb. 5), explosive Flüs-
bei 206,6  C. Der Pionier der deutschen sigkeit der Dichte 1,64 g/cm3, die bei einer Tem-
Fluorchemie, Otto Ruff, stellte es durch Elektro- peratur von 40  C erstarrt. Man stellt sie durch
lyse wasserfreien Ammoniumhydrogendifluorids Einleiten von Chlor in konzentrierte wässrige
(NH4HF2) dar (Ruff et al. 1928). Die von Sartori Ammoniumsalzlösungen her. Wird Schwimm-
1957 eingeführte Zufuhr kleiner Mengen an badwasser mit Chlor desinfiziert, so werden auch
Mangan-IV-oxid zerstört instabile und oft explo- menschliche Ausscheidungsprodukte wie Harn-
292 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

turen um 85  C (Jander 1977) oder mittels Elek-


trolyse einer wässrigen, Ammoniumiodid und
Kaliumbromid enthaltenden Lösung.
Iodstickstoff (NI3, Triiodnitrid) ist ein äu-
ßerst labiler, schwarzbrauner Feststoff, der be-
reits bei geringster Energiezufuhr (Reibung,
Schlag oder Erschütterung) explodiert. eine
stark exotherme Reaktion (Explosion) zeigt.
Abb. 5 Stickstoff-III-chlorid (Daniel Grohmann 2011) Sein Addukt mit Ammoniak stellt man durch
Zugabe von Iod zu konzentrierter wässriger
stoff chloriert. Der durchdringende Geruch nach Ammoniaklösung her:
Chlor in Hallenbädern beruht auch auf dem Vor-
handensein von Stickstoff-III-chlorid. 3 I2 þ 5 NH3 ! 3 NH4 I þ NH3 NI3
Die oben erwähnte Darstellungsmethode ver-
läuft nach folgender Gleichung: Die getrocknete Verbindung explodiert bei
Berührung oder leichter Erwärmung mit lautem
4 NH3 þ 3 Cl2 ! NCl3 þ 3 NH4 Cl Knall. Auch spontane Explosionen bei Raumtem-
peratur kommen vor. Daher wird hier ausdrück-
In höherer Konzentration und relativ stabil ge- lich vor der eigenen Herstellung dieses Produktes
löst erhält man es durch Einleiten von Chlor in gewarnt!
eine mit Tetrachlorkohlenstoff unterschichtete, In reiner Form konnte Iodstickstoff bei Tem-
wässrige Lösung von Ammoniumcarbonat (Brau- peraturen um 30  C aus Bornitrid und Iodfluorid
er 1975, S. 462): in Trichlorfluormethan dargestellt werden (Jander
1977, S. 67–73):
2 ðNH4 Þ2 CO3 þ 3 Cl2 ! NCl3 þ 3 NH4 Cl
þ 2 CO2 þ 2 H2 O BN þ 3 IF ! NI3 þ BF3 "

Lösungen mit Konzentrationen von bis zu 18 % Sonstige Verbindungen Blausäure (HCN) und
gelten als ungefährlich; konzentriertere und die ihre Salze, die Cyanide, sind hochgiftig, weil die
Reinsubstanz ohnehin können beim Erwärmen ex- stabilen, eine CN-Dreifachbindung aufweisen-
plodieren. Das Molekül des Trichlornitrids hat py- den Cyanidionen sich an das im Hämoglobin ent-
ramidale Struktur mit einem Cl-N-Cl-Winkel von haltene Eisen-III-ion anlagern und es so für die
107,78 und einer Länge der N-Cl-Bindung von Aufnahme von Sauerstoff blockieren, was bei
175,3 pm. Wasser hydrolysiert die im Tierversuch Einatmen größerer Mengen zum Tod durch Ersti-
giftig wirkende Verbindung zu Ammoniak und cken führt. In Bittermandeln liegen geringe Kon-
hypochloriger Säure (Klapötke et al. 2003, S. 75). zentrationen an Blausäure vor. Kaliumcyanid
Stickstoff-III-bromid (NBr3, Tribromnitrid) ist (KCN, „Zyankali“) kam als tödlich wirkendes
ein hochempfindlicher, roter Feststoff, den man Gift bei Hinrichtungen zum Einsatz. Organische
durch Bromieren von Stickstoff-III-chlorid erhält Cyanide heißen Nitrile (R-CN), z. B. Acetonitril
(Holleman et al. 2007, S. 702). Eine andere Mög- (H3C-CN), die man vielfach als Lösemittel bzw.
lichkeit der Darstellung besteht in der Umsetzung in Synthesen einsetzt.
einer aus Ammoniumbromid, Natriumchlorit und Zu den organischen Stickstoffverbindungen
Eisen-III-bromid bestehenden Mischung zählen die jeweils großen Gruppen der Amine,
Amide, Aminosäuren -aus denen Eiweiße auf-
NH4 Br þ NaClO2 þ 2 FeBr3 gebaut sind-, die Azofarbstoffe (Anilingelb),
! 2 FeBr2 þ NaCl þ 2 H2 O þ NBr3 , Sprengstoffe (Nitroverbindungen), stickstoffhalti-
ge Heterocyclen (Alkaloide wie Morphin, Coffein
ferner in der Reaktion von Bis(trimethylsilyl)bro- usw.) und die Gerüstmoleküle, die unsere Erbsub-
mamin mit Bromchlorid in n-Pentan bei Tempera- stanz tragen.
5 Einzeldarstellungen 293

Anwendungen Zur Befüllung von Reifen großer Metallische Werkstoffe lassen sich durch
Flugzeuge setzt man Stickstoff ein, da er zumindest „Tiefkühlen“ in flüssigem Stickstoff künstlich al-
von innen die Bildung von Bränden verhindert, die tern. Ebenso schrumpft man Getriebewellen so
durch die bei Start und Landung auftretende Rei- weit, dass die später aufgesetzten Zahnräder durch
bungshitze gefördert werden können. Wegen seiner Pressdruck sicher auf der Welle halten.
chemischen Inertheit dient er auch als Lampenfüllgas; Die sogenannte „Stickstoffbestattung“ (Pro-
ebenso ist er als Schutzgas zum Schweißen und als mession) wird in einigen Ländern, jedoch noch
Treibgas, Packgas sowie als Treibmittel zum Auf- nicht Deutschland, als Alternative zur Krematori-
schlagen von Sahne als Lebensmittelzusatzstoff E umsbestattung (Verbrennung der Leichen) durch-
941 zugelassen (Zusatzstoff-Zulassungsverordnung, geführt. Man friert den Leichnam in einem Bad
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher- aus flüssigem Stickstoff ein und zermahlt den
schutz 1977). Ist die Anwendung hoher Drücke in erstarrten Körper danach zu einem Pulver, der in
Getränkezapfanlagen aufgrund langer Leitungen oder einer biologisch abbaubaren Urne beigesetzt wird.
besonderer Höhenunterschiede erforderlich, so setzt
man Stickstoff zusammen mit Kohlendioxid als Patente
Druckgas ein. (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Stickstoff ist neben Wasserstoff der Ausgangs- wide.espacenet.com)
stoff für die Produktion von Ammoniak nach dem
Haber-Bosch-Verfahren. Eine große Zahl von G. M. Bologna et al., Control apparatus and
Verbindungen des Stickstoffs findet in organi- method with NOx sensor cross sensitivity
schen Synthesen sowie Düngemitteln Einsatz. for operating an internal combustion engi-
Viele Sprengstoffe enthalten chemisch gebunde- ne (GM Global Tech Operations LLC, US
nen Stickstoff; meist sind dies Nitroverbindungen. 2019376426 A1, veröffentlicht 12. De-
Liegen genügend Nitrogruppen im Molekül vor, so zember 2019)
etwa bei Pikrinsäure oder Dynamit, so reagieren die J. C. Liu et al., Diesel oxidation catalysts for
Sauerstoffatome der Nitrogruppen leicht mit den ultralow NOx control (BASF Corp.,
Kohlen- und Wasserstoffatomen desselben Mole- WO 2019229675 A1, veröffentlicht
küls; oft reicht als Anregung bereits ein Schlag oder 5. Dezember 2019)
Temperaturerhöhung aus. Als Produkte entstehen F. Guillou und S. Bertholin, CLC Method
zahlreiche Gase, die sich mit großer Wucht und and facility with production of high-
entsprechender Sprengwirkung ausdehnen. purity nitrogen (IFP Energies Now; Total
Da der Siedepunkt flüssigen Stickstoffs (Dichte Raffinage Chimie, PL 3325878 T3, ver-
0,8085 kg/L) bei 196  C liegt, kann er zur Ver- öffentlicht 29. November 2019)
flüssigung aller höher siedenden Gase wie Sauer-
stoff, Argon, Krypton etc. verwendet werden
(Römpp online). Man verwendet ihn deshalb auch
zur Erzielung supraleitender Eigenschaften von mit 5.2 Phosphor
seiner Hilfe gekühlter Materialien, zur Kühlung von
Infrarot-Fotoempfängern und zur Lagerung bzw. Geschichte Der deutsche Apotheker Hennig
zum Schockfrieren biologischer und medizinischer Brand entdeckte den weißen Phosphor 1669, als
Proben. Meist bewahrt man Flüssigstickstoff in De- er den nach Eindampfen von Urin erhaltenen tro-
war-Gefäßen auf, die einen isolierenden Mantel ckenen Rückstand unter Luftausschluss glühte.
ähnlich einer Thermoskanne enthalten. Dabei wurden die im Urin vorhandenen Phosphate
Im Tiefbau setzt man ihn zur Bodenvereisung durch die darin gleichfalls enthaltenen organischen
ein. Bei der Wiederaufarbeitung gebrauchter Ka- Verbindungen zu weißem Phosphor reduziert, der
bel entfernt man den isolierenden Kunststoff, in- im Dunkeln wegen seiner Chemolumineszenz
dem man ihn durch Tauchen in flüssigen Stickstoff leuchtete (Oppenheim 1876, S. 236).
spröde macht, so dass er leicht vom umhüllten Weißer Phosphor wurde anfangs wegen sei-
Metall (Kupfer, Aluminium) entfernt werden kann. ner Chemolumineszenz als Heilmittel eingesetzt.
294 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Später verarbeitete man ihn in der Zündmasse für


Streichhölzer, und erst viel später verzichtete man um dort eine Manufaktur zur Herstellung wei-
wegen seiner bekannt gewordenen Giftigkeit auf ßen Phosphors einzurichten (Peters 1902).
diese Anwendung. In Waffen verwendete man Brand war jedoch sehr enttäuscht und er-
dagegen weißen Phosphor noch im Zweiten Welt- krankte, da er den Verlust seiner Erfindung
krieg. Im 18. Jahrhundert beobachtete man, dass an Kraft nie verarbeitet hatte. Er kehrte nach
sich weißer Phosphor unter dem Einfluss von Hamburg zurück, wo sich bald seine Spuren
Licht auch im Vakuum in roten umwandelt. Den verloren (Brahm 2006; Saring 1955, S. 515).
Nachweis führte 1847 Schrötter, der den roten
Der österreichische Mineraloge und Che-
Phosphor isolierte (Schrötter 1848a, b, 1850). miker Anton Schrötter Ritter von Kristelli
Hittorf entdeckte später den violetten Phosphor ( 26. November 1802 Olmütz/Olomouc; †
(Hittorf 1865), und Bridgman den unter Anwen- 15. April 1875 Wien) studierte ab 1822
dung hohen Drucks erhältlichen schwarzen Phos- zunächst in Wien Medizin, wechselte dann
phor (Bridgman 1914). aber dort zu den Naturwissenschaften. 1827
wurde er Assistent der Lehrstuhlinhaber für
Physik und Mathematik an der Universität
Der deutsche Apotheker Henni(n)g Brand
Wien. 1830 erhielt er selbst eine Professur
( um 1630 Hamburg; † nach 1692) war
für Physik und Chemie am Technischen
zunächst Soldat und handelte später mit
Institut Joanneum in Graz. Ab den späten
Chemikalien und Medikamenten. Er ent-
1830er-Jahren reiste er nach Preußen und
deckte 1669 in Hamburg das Element Phos-
erlernte bei Liebig in Gießen die organische
phor in Form seiner weißen Modifikation
Elementaranalyse. 1845 wurde Schrötter
durch Erhitzen eingetrockneter Urinrück-
Professor für Allgemeine Chemie am Poly-
stände. Langsames Erhitzen des Feststoffes,
technischen Institut der Universität Wien.
der im weiteren Verlauf mit Sand verrieben
1848 wies er nach, dass roter Phosphor eine
wurde, führte zum Entweichen des unter
allotrope Modifikation des weißen ist, da er
diesen Bedingungen gasförmigen weißen
weißen Phosphor durch Erhitzen in roten
Phosphors, der in einer mit Wasser gefüllten
überführte (Schrötter 1848a, b, 1850).
Vorlage aufgefangen wurde. (Speter 1929).
Der neuartige Stoff erhielt später den Na- Schrötter war einer der Gründer der Kaiserli-
men „Phosphorus“ (griechisch für „Licht- chen Akademie der Wissenschaften in Wien
träger“). Zunächst verdiente Brand mit der und wurde 1850 zu ihrem Generalsekretär
Demonstration des Versuchs und dem Ver- gewählt, desgleichen 1853 zum korrespon-
kauf des weißen Phosphors Geld, ließ sich dierenden Mitglied der Bayerischen Aka-
aber vom Dresdner Alchemisten (Johann demie der Wissenschaften. Zudem war er or-
Daniel) Kraft übervorteilen, der ihm das dentliches bzw. korrespondierendes Mitglied
Verfahren sowie die in Brands Besitz be- weiterer wissenschaftlicher Gesellschaften.
findlichen Proben weißen Phosphors für ei- 1868 wurde er Vorsteher des österreichischen
ne relativ geringe Summe abkaufte. Brands Hauptmünzamtes und zugleich Ministerial-
Freund Kunckel, über den Kraft überhaupt rat. 1875 starb er in Wien (Lagler 1967).
erst von Brand erfuhr, gab sich dagegen
selbst als Entdecker des Phosphors aus und Der deutsche Chemiker und Physiker Jo-
schrieb darüber sogar ein Buch. Kraft ver- hann Wilhelm Hittorf ( 27. März 1824
diente an Fürstenhöfen viel Geld mit dem Bonn; † 28. November 1914 Münster) stu-
Verkauf weißen Phosphors. dierte er mit einer kurzen Unterbrechung ab
1842 Naturwissenschaften und Mathematik
Der Dichter Leibniz erreichte, dass Brand an der Universität Bonn. 1846 promovierte
im Auftrag des Herzogs von Braunschweig- er mit einer Arbeit über Kegelschnitte. Nach
Lüneburg 1678/1679 nach Hannover kam, seiner 1847 erfolgten Habilitation mit einer
5 Einzeldarstellungen 295

Arbeit über die galvanische Herstellung von beim Abkühlen wieder. Da die Abkühlung
Edelmetalloxiden wurde er von der Philoso- steuerbar ist, lassen sich so Einkristalle
phischen Fakultät der Universität Münster fertigen. Bridgman wurden neben dem No-
zum Ordinarius berufen, 1856 wurde er dort belpreis weitere wissenschaftliche Aus-
ordentlicher Professor. 1879 lehrte er nur zeichnungen zuteil, so die Rumford-
noch Physik, da er an der Schaffung eines Medaille der American Academy of Arts
weiteren Lehrstuhls für Chemie an dersel- and Sciences, die Cresson-Medaille des
ben Universität mitbeteiligt war. Franklin Instituts, die Roozeboom-Me-
daille der Königlich Niederländischen
Hittorf arbeitete über die Allotropie des Akademie der Wissenschaften und den
Phosphors und Selens und erkannte, dass Comstock-Preis für Physik der National
der Wechsel der Modifikationen bei defi- Academy of Sciences. Bridgman erhielt
nierter Umwandlungstemperatur und mit außerdem einige Ehrendoktorwürden (Wal-
bestimmter Wärmetönung erfolgt. Hittorf ter 1990; McMillan 2005).
war Mitglied in- und ausländischer Wis-
senschaftsgesellschaften, erhielt den Orden
Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste Vorkommen In der Natur kommt Phosphor nur
1897 und den Bayerische Maximilians- chemisch gebunden vor, meist als Phosphat in der
orden für Wissenschaft und Kunst. Hittorf Erdkruste [Gehalt in der Erdkruste: ~0,09 % (Hol-
ist Ehrendoktor der Medizin und Naturwis- leman et al. 1985)]. Wichtige Mineralien sind die
senschaften und seit 1914 Ehrenbürger der Apatite [Ca5(PO4)3(F, Cl, OH)], vor allem Fluor-
Stadt Münster (Hittorf und Plücker 1865; apatit und Phosphorit. Erwähnenswert ist auch
Niesen 2008; Schimank 1972). der als Schmuckstein verwendete Türkis [Cu-
Al6[(PO4)(OH)2]4].
Der US-amerikanische Physiker Percy Afrika (Marokko und Republik West-Sahara),
Williams Bridgman ( 21. April 1882 Südafrika, Jordanien, China und die USA (Flori-
Cambridge, MA; † 20. August 1961 Ran-
da) besitzen mehr als drei Viertel aller Roh-
dolph, NH) erhielt 1946 den Nobelpreis für
phosphat-Reserven. Schätzungen über die Lauf-
Physik für seine Arbeiten auf dem Gebiet
zeit dieser Vorkommen reichen von 50 bis
der Hochdruck-Physik. Bridgman begann
130 Jahren. Demgegenüber ging die deutsche
1900 mit dem Studium der Physik an der
Bundesregierung noch 2012 angesichts neu ent-
Harvard University.
deckter, voraussichtlich sehr ergiebiger Lagerstät-
1905 entwickelte er dort eine Apparatur, die ten in Nordafrika und dem Irak davon aus, dass
einen Druck von >10 GPa erzeugen konnte. die Vorräte noch fast 400 Jahre reichen; dies aber
1908 promovierte er in Physik an der Har- immer unter der Voraussetzung stabiler politi-
vard University und arbeitete dort bis 1954. scher Verhältnisse in diesen Regionen. Weiterhin
Bridgman war ab 1913 Assistant Professor, existieren große Vorkommen unter Wasser, die
ab 1926 Hollis Professor für Mathematik momentan aber nicht ökonomisch abgebaut wer-
und Naturphilosophie und ab 1950 Higgins den können.
University Professor (Bridgman 1932a, b). Daneben kommt Phosphor in Konzentratio-
nen bis zu 8 % in Guano (Kot von Meeres-
Bridgman entwickelte das Horizontal- und vögeln) vor (Okrusch und Matthes 2005), so
das Vertikal-Bridgman-Verfahren zur Her-
beispielsweise auf pazifischen Inseln (Nauru,
stellung von Einkristallen. Hierbei bewegt
Kiribati) und in Südamerika (Peru, Chile). Der
man ein das Material enthaltendes Schiff-
praktisch nur auf dem Abbau von Guano beru-
chen oder eine Ampulle horizontal bzw.
hende wirtschaftliche Aufschwung von Nauru
vertikal durch einen Heizofen. Dabei
ist allerdings schon wieder vorbei, da die Phos-
schmilzt das Material und kristallisiert
phatvorkommen inzwischen fast völlig abge-
296 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

baut sind. Weltweit wurden 2010 ca. 180 Mio. t Eigenschaften


Rohphosphat gefördert, die zu 90 % in Düngern Physikalische Eigenschaften: Phosphor tritt in
verarbeitet werden. mehreren Modifikationen auf, die nachfolgend
In Knochen und Zähnen ist Hydroxylapatit einzeln beschrieben werden.
[Ca5(PO4)3OH] wichtiger Bestandteil. Essentiell Weißer Phosphor Dieser ist die flüchtigste,
für den Organismus sind organische Phosphorver- giftigste und reaktivste Modifikation. Seine Dich-
bindungen als Teil sowohl der Nukleinsäuren als te beträgt 1,82 g/cm3, sein Schmelzpunkt bzw.
auch des Energieträgers Adenosintriphosphat Siedepunkt 44,3  C bzw. 280  C (s. Tab. 2). Er
(ATP). ist durchscheinend, wachsartig (s. Abb. 6) und
kristallisiert kubisch. In Kohlenstoffdisulfid und
Gewinnung Phosphaterz (meist Apatit oder Phosphor-III-chlorid ist er gut löslich, in Benzol,
Phosphorit) erhitzt man im elektrischen, ge- Ether und Tetrachlorkohlenstoff aber nur gering
schlossenen Niederschachtofen zusammen mit und in Wasser so gut wie gar nicht.
Quarzsand oder -kies auf 1500  C. Söderberg- Bei einer Temperatur von 76,9  C geht die
Elektroden führen die Wärme zu, bei denen ein kubische (α-) Form in eine hexagonale (β-)Form
dünner, innenseitig mit Widerhaken versehener über. In jeder dieser beiden Modifikationen bildet
Blechmantel in den Ofen hineinragt. Der Blech- weißer Phosphor P4-Tetraeder mit einem Bin-
mantel wird vom anderen Ende her fortlaufend dungswinkel von 60 .
mit einer aus Anthrazitpulver, Petrolkoks und Fein verteilt, entzündet sich weißer Phosphor
Teer bestehenden, auf ca. 130  C erhitzten Masse an der Luft von selbst (er ist pyrophor); bei erhöh-
gefüllt. Der Rohrmantel wird auch zur Strom- ten Temperaturen ab 50  C aufwärts entzünden
zuführung genutzt, später backt die Hitze der sich auch kompakte Stücke bzw. die Schmelze
Schmelze den Inhalt des Rohres zu leitendem und verbrennen zu Phosphor-V-oxid. Daher muss
Graphit zusammen, der ebenfalls zur Stromlei- man weißen Phosphor unter Wasser aufbewahren.
tung beiträgt. Übergießen mit Wasser löscht brennenden Phos-
Zwischen den Elektroden und dem Beschi- phor nicht (vergleiche auch Löschversuche mit
ckungsgut brennt ein elektrischer Lichtbogen, Wasser an Phosphorbrandbomben, die während
der durch seine enorme Hitzeabstrahlung die des Zweiten Weltkriegs auf deutsche Städte abge-
Mischung zum Schmelzen und schließlich worfen wurden.). Brennender Phosphor wird von
zur Reaktion bringt. Die nachfolgend beschrie- Wasser nur großflächig verteilt und entzündet sich
bene Umsetzung ist sehr stark endotherm, nach Verdunsten des Wassers von neuem; das
benötigt also die Zufuhr großer Energiemen- beste Löschmittel ist noch Sand.
gen. Weißer Phosphor reagiert in der Regel heftig
Die in der Elektrode befindliche Kohlenstoff- mit den meisten Nichtmetallen und Metallen. So
masse reduziert chemisch gebundenen zu elemen- entstehen z. B. Phosphorsulfide, Oxoderivate des
tarem, weißem Phosphor, der abdestilliert und Phosphor-III oder Phosphor-V und Metallphos-
unter Wasser aufgefangen wird. Der Quarzsand phide. Mit starken Laugen reagiert weißer Phos-
dient als Schlackenbildner: phor unter Disproportionierung zu Monophos-
phan (PH3) und Hypophosphit. Weißer Phosphor
2 Ca3 ðPO4 Þ2 þ 6 SiO2 þ 10 C ist außerdem ein starkes Reduktionsmittel.
! 6 CaSiO3 þ 10 CO þ P4 " Das bei der Verbrennung von Phosphor entste-
hende Phosphor-V-oxid ist stark wasseranziehend
Der in den 1970er- und 1980er-Jahren von der (hygroskopisch) und bildet mit der Luftfeuchtig-
Fa. Knapsack in Hürth/Köln betriebene Licht- keit dichte Nebel aus Phosphorsäure. Die Füllung
bogenofen zur Gewinnung weißen Phosphors ver- von Nebelgranaten enthält weißen Phosphor.
brauchte zeitweilig bis zu 10 % (!) des in der Weißer Phosphor ist extrem giftig. Die für den
gesamten Bundesrepublik Deutschlands benötig- Menschen tödliche Dosis beträgt ca. 50 mg, wo-
ten Industriestroms. bei der Tod erst nach Ablauf einiger Tage eintritt.
5 Einzeldarstellungen 297

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Phosphor


Symbol: P

Ordnungszahl: 15 Phosphor, weiß


(BXXXD 2006)
CAS-Nr.: 12185-10-3 (weiß)
7723-14-0 (rot)

Aussehen: Weiß-beiger Phosphor, rot (li.), violett Phosphor (rot),


Feststoff (re.) Pulver
Roter Feststoff (Krimbacher 2005) (Sicius 2015)
Schwarzer
Feststoff
Entdecker, Jahr Brand (Hannover/Fürstentum Calenberg), 1669
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
(%)]
31
15P (100) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 900
Atommasse (u): 30,974
Elektronegativität 2,19 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential für: PH3 + 3 H2O ! P + 3 H3O+ + 3e (V) 0,89
Atomradius (pm): 100
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 180
Kovalenter Radius (pm): 107
Elektronenkonfiguration: [Ne] 3s2 3p3
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1012 ♦ 1907 ♦ 2914
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,9  105 (rot)
2,9  105 (schwarz)
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Orthorhombisch (schwarz)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1  10 9 (weiß)
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 5 (weiß), 12 (rot) ♦ 30 (schwarz) ♦ k. A.
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 1,83 (weiß)
2,0–2,4 (rot)
2,69 (schwarz)
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 17,02  106 (weiß)
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 0,236
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 23,82
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 44,2 ♦ 317,3 (weiß)
Schmelzwärme (kJ/mol): 0,64 (weiß)
Siedepunkt ( C ♦ K): 280 ♦ 553,2 (weiß)
Verdampfungswärme (kJ/mol): 51,9 (weiß)
Kritischer Punkt ( C ■ MPa): 1.037 ■ 20,7

Weißer Phosphor verbleibt lange im Organismus. wirksamerer Mittel ist dies überholt. Ursache ist
Früher setzte man ihn als Rattengift ein. Wegen vermutlich, dass weißer Phosphor wichtige oxi-
seiner Toxizität (Sedelmayer 1932) und noch dative Stoffwechselabläufe (Eiweiß- und Kohlen-
298 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Abb. 8 Struktur des violetten (Hittorf’schen) Phosphors.


Über die Phosphoratome P sind zwei der abgebildeten
Abb. 6 Phosphor, weiß (Onyxmet 2019) Röhrchen verbunden (NEUROtiker 2008)

Abb. 7 Phosphor, rot (Onyxmet 2019) Abb. 9 Phosphor, violett (nach Hittorf, Onyxmet 2019)

hydratsynthese) stört. Die bei Reaktion in der Roten Phosphor stellt man durch mehrstündi-
wässrigen Phase mitentstehenden Phosphane sind ges Erhitzen weißen Phosphors auf ca. 260  C
starke Nervengifte. Eine wässrige Lösung von unter Luftabschluss her. Bestrahlung weißen
Kupfer-II-sulfat kann weißen Phosphor durch Phosphors mit Licht bewirkt ebenfalls die Um-
Fällung als schwer lösliches Kupfer-I-phosphid wandlung in roten Phosphor, jedoch verläuft diese
(Cu3P) unschädlich machen. Dies ist auch die sehr langsam. Ein Zusatz von Iod beschleunigt
einzige Möglichkeit, etwaig verschluckten wei- den Umwandlungsvorgang erheblich.
ßen Phosphor noch unschädlich zu machen, bevor Roter Phosphor ist nicht selbstentzündlich; ist
er vom Körper resorbiert wird. er aber mit starken Oxidationsmitteln vermischt,
Im 19. Jahrhundert traten bei Arbeitern, die kann man ihn schon durch Reibung oder Schlag
ohne vorhandenen Arbeitsschutz Streichhölzer zur Entzündung bringen. Der violette Phosphor ist
herstellten, Kiefernekrosen auf, die nicht wieder deutlich reaktionsträger und gleicht darin eher der
ausheilten. Die Betroffenen wurden arbeitsunfä- schwarzen Modifikation.
hig; ihre Sterblichkeitsrate betrug etwa ein Fünftel. Schwarzer Phosphor Dieser ist die thermo-
Seit 1906 ist die Verwendung weißen Phosphors in dynamisch stabilste Modifikation und leitet vom
der Zündmasse von Streichhölzern verboten. grau-glänzenden, faserigen Aussehen (s. Abb. 11)
Roter Phosphor Roter Phosphor hat keine ein- und seinen halbleitenden Eigenschaften her be-
heitlich definierte Kristallstruktur; es ist der Sam- reits zu den Halbmetallen über. Er ist als Stoff
melbegriff für diverse amorphe und kristalline For- mit unten beschriebener, orthorhombischer Git-
men. Seine Dichte beträgt 2,0–2,4 g/cm3, der terstruktur (s. Abb. 10) im Gegensatz zu wei-
Schmelzpunkt 585–610  C. Meist ist roter Phos- ßem Phosphor unlöslich in Kohlenstoffdisulfid,
phor (s. Abb. 7) amorph, lässt sich jedoch durch schwer entflammbar, sehr reaktionsträge und
Kristallisation aus flüssigem Blei in den monoklin weist eine Dichte von 2,69 g/cm3 auf. Mit einer
kristallisierenden Hittorfschen (violetten) Phosphor Bandlücke von nur 0,34 eV ist schwarzer Phos-
(s. Abb. 8 und 9) überführen. Jener ist ein dreidi- phor ein Halbleiter. Man stellt ihn durch Einwir-
mensional vernetztes Polymer (Thurn 1967; Thurn kung eines Drucks von 12000 bar bei Tempera-
und Krebs 1969), das unlöslich in Kohlenstoffdis- turen um 200  C aus weißem Phosphor her.
ulfid und wie roter Phosphor ungiftig ist. Violetter Ebenfalls möglich ist die Kristallisation aus flüs-
Phosphor ist auch aus weißem durch zweiwöchiges sigem Bismut oder Erhitzen in Gegenwart von
Erhitzen auf Temperaturen um 550  C zugänglich. Quecksilber.
5 Einzeldarstellungen 299

Abb. 10 Struktur des


schwarzen Phosphors
(NEUROtiker 2008)

Phosphor-Nanostäbchen. Hier sind die Phosphor-


atome in Form polymerer Ketten angeordnet
(Pfitzner et al. 2004). Diese rotbraune, faserige
Modifikation kann man wochenlang an der Luft
lagern, ohne dass sie sich verändert. Die Analyse
der Festkörperstruktur zeigt lange, parallel aus-
Abb. 11 Phosphor, schwarz (Onyxmet 2019) gerichtete Nanostäbe mit Durchmessern von un-
gefähr 0,34 bzw. 0,47 nm.
Das Gitter weist stark aufgefaltete Schichten Chemische Eigenschaften: Phosphor ist, zu-
mit Sechsringmaschen auf. Die Abstände zweier mindest in seiner weißen und roten Modifikation,
Phosphoratome betragen 222–224 pm, die Win- sehr reaktionsfähig und verbindet sich mit fast
kel zwischen drei in Kette miteinander verbunde- allen Metallen und Nichtmetallen. Dabei tritt er
nen Phosphoratomen liegen bei ca. 100 . in allen Oxidationsstufen zwischen 3 und +5
Daneben kennt man weitere Hochdruck- auf, wobei letztgenannte auch die bevorzugten
Modifikationen, denn bei Anwendung von Drü- sind.
cken von 6 GPa kristallisiert Phosphor in der Wasserstoffverbindungen Monophosphan (PH3)
rhomboedrischen Arsen-Struktur. Bei noch höhe- ist ein brennbares, äußerst giftiges, im reinen Zu-
ren Drücken [>11 GPa (110 kbar)] erfolgt Über- stand geruchloses Gas, das bei 88  C konden-
gang zu einem kubisch-primitiven Gitter, wie es siert. Sein Siedepunkt liegt viel tiefer als der des
unter den Metallen nur Polonium zeigt (Röhr homologen Ammoniaks, da das PH3-Molekül
2015). Erst bei Drücken von >250 GPa entsteht keine Wasserstoffbrückenbindungen zu benach-
ein kubisch-innenzentriertes Gitter, wie es bei barten Monophosphan-Molekülen mehr ausbil-
vielen Metallen angetroffen wird. den kann (Sennikov et al. 1996). Reines Mono-
Kürzlich gelang es, durch Anwendung deut- phosphan ist erst bei Temperaturen oberhalb von
lich niedrigerer Drücke eine weitere Modifikation 150  C selbstentzündlich. Durch die fast immer
des schwarzen Phosphors darzustellen (Lange vorhandene Verunreinigung mit dem unter Nor-
et al. 2007; Brauer 1963, S. 518–525). malbedingungen flüssigen Diphosphan (P2H4), das
In feuchter Luft oxidiert schwarzer Phosphor Thénard zuerst isolierte (Thénard 1845), brennt
etwas schneller als roter Phosphor, jedoch bildet Monophosphan aber auch bei Raumtemperatur
sich auf ihm eine viskose, aus diversen Sauerstoff- beim Zutritt von Luft (Gattermann und Hauss-
säuren des Phosphors bestehende Flüssigkeits- knecht 1890). Dieses in den meisten Fällen auf-
haut, die den Zutritt weiteren Sauerstoffs verhin- tretende Gasgemisch besitzt einen starken Geruch
dert. Schwarzer Phosphor ist wie der rote ungiftig. nach Knoblauch.
Phosphor-Nanostäbchen Pfitzner und Eckart Technisch kann man Monophosphan durch
erzeugten 2004 zwei weitere Modifikationen des Lösen weißen Phosphors in alkalischem Wasser-
Phosphors und charakterisierten ihre Struktur: dampf bei Temperaturen um 250  C im Autokla-
300 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

ven erhalten. Dabei tritt Disproportionierung zu Sauerstoffverbindungen Phosphor-III-oxid (P4O6)


Monophosphan und hypophosphoriger Säure ein ist ein wachsweicher Feststoff vom Schmelzpunkt
(I). Diese disproportioniert bei höherer Tempera- 24  C und der Dichte 2,13 g/cm3. Der Siedepunkt
tur weiter zu Monophosphan und phosphoriger der farblosen, sehr giftigen und reaktionsfähigen Ver-
Säure (II). Im letzten Schritt entsteht aus jener bindung liegt bei 175  C (unter Stickstoff). Es oxidiert
ein weiteres Molekül Monophosphan und Ortho- an der Luft schnell zu Phosphor-V-oxid (P4O10) wei-
phosphorsäure (III): ter. Phosphor-III-oxid entsteht bei der Verbrennung
von weißem Phosphor bei niedriger Temperatur und
(I) 2 P4 + 12 H2O ! 2 PH3 + 6 H3PO2 einem Unterschuss an Sauerstoff, aber auch diese
(II) 3 H3PO2 ! PH3 + 2 H3PO3 Oxidation verläuft unter Abgabe hoher Wärmeener-
(III) 4 H3PO3 ! PH3 + 3 H3PO4 gie (Steudel 2014, S. 407; Holleman et al. 2007,
S. 786).
Diese Hydrolyse weißen Phosphors in Alkali- Phosphor-III-oxid ist das Anhydrid der Phos-
lauge beobachtete schon Gengembre (1789). Mo- phorigen Säure (H3PO3), einer farblosen, kristal-
nophosphan entsteht auch bei der Reaktion von linen Masse (s. Abb. 12), die durch Umsetzung
Metallphoshiden mit Säuren oder bei der in ab- von kaltem Wasser und Phosphor-III-oxid erhält-
solutem Ether durchgeführten Reduktion von lich ist. Das wachsweiche, sehr giftige Phosphor-
Phosphor-III-chlorid mit Lithiumaluminiumhy- III-oxid ist in Kohlenstoffdisulfid und Benzol gut
drid. Im Labor kann man die oben unter (III) löslich und kristallisiert monoklin (Jansen et al.
beschriebene thermische Zersetzung von phos- 1981). Die auf den Gitterplätzen befindlichen
phoriger Säure bei Temperaturen zwischen 200 P4O6-Moleküle besitzen eine vom P4-Tetraeder
und 350  C als Syntheseweg wählen (Marriott abgeleitete Struktur, bei der auf den sechs Kanten
et al. 1973), oder man löst eine kleine Menge des Tetraeders sechs P–O–P-Bindungen liegen.
von Metallphosphid in Mineralsäure auf (Binne- Phosphor-III-oxid oxidiert an der Luft zügig wei-
wies et al. 2010, S. 511; Gokhale und Jolly 1967). ter zu Phosphor-V-oxid. Oberhalb einer Tempera-
Monophosphan ist in Wasser kaum löslich und tur von 210  C erfolgt Disproportionierung zu
ist eine äußerst schwache Base (pKb ca. 27); es Phosphor und Phosphor-IV-oxid. Mit Halogenen
setzt sich mit Halogenwasserstoffen zu instabilen erfolgt lebhafte Reaktion unter Anderem zu Phos-
Phosphoniumsalzen um und ist ein starkes Re- phoroxidhalogeniden.
duktionsmittel. Das Molekül der Verbindung be- Phosphor-IV-oxid (P4O8) kann man durch ther-
sitzt eine trigonal-pyramidale Struktur. Bei hoher mische Zersetzung von Phosphor-III-oxid oder durch
Temperatur zersetzt es sich zu Wasserstoff und dessen selektive Oxidation in Tetrachlorkohlenstoff
Phosphor. erzeugen. Phosphor-IV-oxid kann durch thermische
Monophosphan setzt man vorrangig zur Be- Zersetzung von Phosphor-III-oxid gewonnen werden
kämpfung von Schädlingen, vor allem in Getrei- (Steudel 2014, S. 408). Umgekehrt entsteht es eben-
desilos und Lagern für pflanzliche Produkte, ein. falls bei der Reduktion von Phosphor-V-oxid mit
Selten verwendet man das Gas als solches, meist rotem Phosphor, die in einem engen Temperaturinter-
greift man auf feste Phosphide zurück, die man in vall von 450–500  C durchgeführt werden muss. Die
Form von Tabletten auslegt und die bei Kontakt rhomboedrisch kristallisierende α-Modifikation des
mit Luftfeuchtigkeit bereits Monophosphan abge- farblosen Mischoxids hat eine schwankende Zusam-
ben. In der Elektronikindustrie setzt man es ver- mensetzung und wird am besten durch die Formel
einzelt bei Dotierungen ein, ebenso in einigen P4O8,1–9,0 beschrieben. Die β-Modifikation ist sauer-
organischen Synthesen. stoffärmer und hat die Zusammensetzung P4O7,7–8,0.
Die Verbindung wirkt stark toxisch auf das Wasser bewirkt Hydrolyse zu Phosphoriger und
Nervensystem und den Stoffwechsel, nicht nur Phosphorsäure.
bei Säugetieren, sondern auch bei Insekten. Men- Das wichtigste Oxid des Phosphors ist Phos-
schen reagieren mit Erbrechen, Abfall des Blut- phor-V-oxid (P4O10, „Phosphorpentoxid“), das
drucks und Lungenödemen. Anhydrid der Phosphorsäure. Die Verbindung ist
5 Einzeldarstellungen 301

Phosphor-V-oxid hat eine sehr starke Neigung,


Wasser unter Bildung diverser Phosphorsäuren
aufzunehmen (Steudel 2014, S. 408; Schrödter
et al. 2008). Die Verbindung entzieht auch che-
mischen Verbindungen das Wasser; so entsteht
aus Salpetersäure ihr Anhydrid Distickstoffpent-
Abb. 12 Phosphorige Säure (Onyxmet 2019)
oxid, aus Schwefelsäure Schwefel-VI-oxid, aus
Perchlorsäure Dichlorheptoxid und aus Malon-
säure Kohlensuboxid. Im technischen Maßstab
stellt man aus Phosphor-V-oxid reine thermische
Orthophosphorsäure her. Phosphor-V-oxid bewirkt
schwere Verätzungen von Haut und Schleim-
häuten.
Von diesen Oxiden ausgehend können eine
große Zahl von Phosphor-Sauerstoff-Säuren, ana-
Abb. 13 Phosphor-V-oxid (Onyxmet 2019)
log wie dies bei Schwefel und seinen Sauerstoff-
verbindungen der Fall ist, dargestellt werden. Die-
se sind nachstehend beschrieben:
äußerst hygroskopisch, weshalb man es als Trock-
nungsmittel einsetzt. Die farblose, an feuchter Oxidationszahl Säuren des Säuren des Typs
des Typs H2POm H2P2On
Luft infolge Bindung von Wasser schnell zerflie-
Phosphors (Salze) (Salze)
ßende Masse (s. Abb. 13) entsteht bei der Ver- +1 Phosphinsäure
brennung von weißem Phosphor in einem trocke- (oder
nen Luftstrom unter starker Wärmeentwicklung Hypophos-
(Holleman et al. 2017, S. 898): phorige Säure),
H3PO2
(Phosphinate)
P4 þ 5 O2 ! P4 O10 +2 Hypodiphos-
phonsäure,
Bei einem Mangel an Sauerstoff bildet sich H4P2O4
daneben auch Phosphor-III-oxid, bei dem die vier (Hypodiphos-
phonate)
doppelt an ein Phosphoratom gebundenen Sauer-
+3 Phosphorige Diphosphonsäure,
stoffatome im Gegensatz zum Molekül des Säure, H3PO3 H4P2O5
Phosphor-V-oxids fehlen (Brauer 1963, S. 541). (Phosphite) (Diphosphonate)
Die Verbindung sublimiert bei einer Tempera- +4 Hypodiphos-
tur von 362  C; ihr Schmelzpunkt liegt bei 562  C phorsäure,
H4P2O6
(gemessen in geschlossener Ampulle). Phosphor-
(Hypodiphos-
V-oxid ist polymorph; bei Raumtemperatur ist die phate)
orthorhombische Form stabil (Raumgruppe 62), +5 Phosphorsäure, Diphosphorsäure,
die in Form eines Schichtengitters aufgebaut ist H3PO4 H4P2O7
(Stachel et al. 1995). In den Schichten befin- (Phospate) (Diphosphate)
Peroxophos- Peroxodiphos-
den sich PO4-Tetraeder, deren Phosphoratome in phorsäure, phorsäure,
Form von Sechsringen angeordnet sind. Darüber H3PO5 H4P2O8
hinaus gibt es eine metastabile trigonale Struk- (Peroxophos- (Peroxodiphos-
tur, bei der isolierte P4O10-Moleküle vorliegen phate) phate)
(Raumgruppe 161) (Cruickshank 1964), zudem
eine weitere, orthorhombische Modifikation mit Phosphorsäure (H3PO4) erzeugt man aus
Ketten von über drei O-Atomen verknüpften PO4- Rohphosphat (meistens Apatit, Ca5(PO4)3X mit
Tetraedern (Raumgruppe 43) (Arbib et al. 1996). X ¼ F, OH oder Cl) und Schwefelsäure, Salzsäure
302 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

oder Salpetersäure. Als Nebenprodukte fallen da- Bei Krankheiten wie chronischer Niereninsuf-
bei CaSO4 (Phosphorgips, verunreinigter Gips) fizienz, Osteoporose und Urolithiasis müssen sich
und H2[SiF6] (Hexafluorokieselsäure) an. Man die Patienten phosphatarm ernähren (Nowack
gibt zum Reaktionsgemisch Wasser und filtriert et al. 2002, S. 292; Lückerath et al. 2011, S. 272).
den Gips zusammen mit anderen unlöslichen Ma- Mit Calciumionen bildet Phosphat im Körper Hy-
terialien ab. In einer weiteren Stufe entfernt man droxylapatit, aus dem Knochen und Zähne beste-
Fluorid in Form von Hexafluorokieselsäure durch hen. Analytisch ist Phosphat bzw. Phosphorsäure
Verdampfung. Jene ist ein wichtiges Nebenpro- durch Fällung mit Ammoniumheptamolybdat als
dukt bei der Herstellung von Fluorwasserstoff. gelbes Ammoniumolybdatophosphat oder durch
Man kann sie mit Natriumhydroxid neutralisieren, Fällung in ammoniakalischer Lösung mit Ma-
um Natriumhexafluorsilicat zu bilden. Alternativ gnesiumionen als Magnesium-Ammoniumphos-
stellt man Phosphorsäure auch durch Verbrennen phat (MgNH4PO4) nachweisbar.
elementaren Phosphors zu Phosphor-V-oxid und Schwefelverbindungen Die Sauerstoff- und
dessen nachfolgende Hydrolyse her (thermische Schwefelhalogenverbindungen des Typs POX3
Phosphorsäure) (Holleman et al. 1995, S. 764; bzw. PSX3 sind Ausgangsstoffe für die Synthese
Brauer 1975, S. 528). vieler Produkte, unter anderem Pflanzenschutz-
Wasserfreie Phosphorsäure ist stark hygrosko- mittel. Phosphorsulfide haben die allgemeine For-
pisch. Meist sind 85–90 %ige wässrige Lösungen mel P4Sx (x ¼ 3–10) und werden sie durch Er-
handelsüblich. Die Phosphorsäure dissoziiert in hitzen von rotem Phosphor und Schwefel in
drei Stufen mit den pKs-Werten pKs1 ¼ 2,161, jeweiligem Mengenverhältnis hergestellt.
pKs2 ¼ 7,207 und pKs3 ¼ 12,325. Konzentrierte Die wichtigste Verbindung ist das gelbe Phos-
Phosphorsäure ist eine farblose, viskose Flüssig- phor-V-sulfid (P4S10) (s. Abb. 14), das bei 288  C
keit und eine mittelstarke, dreibasige Säure. Zwei schmilzt, bei 514  C siedet und die Dichte
Moleküle der ortho-Phosphorsäure (H3PO4) kön- 2,09 g/cm3 hat. Wasser hydrolysiert es leicht zu
nen unter Abspaltung eines Moleküls Wasser zu Phosphorsäure und Schwefelwasserstoff. Es fin-
einem Molekül der Pyrophosphorsäure (H2P2O7) det zur Synthese von Insektiziden und Zinkdial-
kondensieren. kyldithiophosphaten Verwendung. Die Verbin-
Phosphorsäure ist die Basis phosphathaltiger dung gewinnt man durch Zusammenschmelzen
Dünger, von Rostentfernern oder auch -umwand- weißen Phosphors mit Schwefel bei Temperaturen
lern und teilweise noch von Waschmitteln. Zink um 300  C (Brauer 1963, S. 565). Die leicht
und Stahl werden durch Eintauchen in heiße entzündliche und giftige Verbindung ist in Koh-
Phosphatlösungen nahezu dauerhaft vor Korrosi- lenstoffdisulfid gut löslich (Holleman et al. 2007,
on geschützt. In der Lebensmittelindustrie dient S. 788).
sie unter der Bezeichnung E 338 als Konservie- Man setzt Phosphor-V-sulfid zur Synthese
rungs- und Säuerungsmittel, als Säureregulator schwefel- und phosphorhaltiger organischer Ver-
und Antioxidans (Kurzweil et al. 2012, S. 151). bindungen ein; Thiophenderivate erhält man aus
In Brennstoffzellen fungiert sie gelegentlich als Phosphor-V-sulfid und 1,4-Dicarbonylverbindun-
Elektrolyt; diese Zellen haben zwar geringeren gen. Im Molekül von Carbonsäureamiden wird
Wirkungsgrad und kürzere Lebensdauer, sind aber das Sauerstoff- durch ein Schwefelatom ersetzt;
robust, tolerieren Verunreinigungen des Brenn- es entstehen Thioamide.
gases und können mit Luft statt Sauerstoff betrie- Tetraphosphortrisulfid (P4S3) ist ein gelbgrü-
ben werden. In der Elektronikindustrie verwendet ner, geruchloser Feststoff, der bei 172  C schmilzt
man sie zum Ätzen von Siliciumnitrid, beim Lö- (Siedepunkt der Schmelze: 407  C), die Dichte
ten als Flussmittel und im Baugewerbe zur Ent- 2,07 g/cm3 aufweist und in Form luftbeständiger
fernung mineralischer Verunreinigungen. Ihre Nadeln orthorhombischer Struktur vorliegt. Beim
Ester und Polysäuren bzw. deren Salze sind Erhitzen der Verbindung an der Luft kann diese
essenziell für den Stoffwechsel und Bestandteile sich jedoch spontan entzünden. Ihre Gewinnung
der DNA und der RNA. erfolgt durch Erhitzen einer Mischung roten Phos-
5 Einzeldarstellungen 303

S. 427), aber andererseits wurde die Verbindung


in einem Bericht über amorphe Phosphor-Selen-
Phasen nicht erwähnt (Georgiev et al. 2001). Wei-
tere Selenide wie P4Se6, P14Se, P4Se, P4Se2 und
P2Se sind in der Literatur genannt. Die glasartigen
Phosphor-Selen-Phasen wies man spektrosko-
Abb. 14 Phosphor-V-sulfid (Onyxmet 2019) pisch (31P-NMR, Raman) nach; sie haben die
Formel PxSe1x mit 0<x<0,8.
Halogenverbindungen Phosphor bildet mit
phors mit Schwefel im jeweiligen stöchiometri- Fluor, Chlor, Brom und Iod Verbindungen der
schen Verhältnis (Brauer 1975, S. 545). Die Ver- Formeln PX3, P2X4 und PX5. Die Fluorverbin-
bindung ist empfindlich gegenüber Hydrolyse dungen sind bei Raumtemperatur gasförmig, die
und wird gelegentlich noch als Bestandteil der mit Chlor erzeugten flüssig oder fest, und die
Zündmasse von Streichhölzern verwendet (Holle- Bromide und Iodide nahezu immer fest. Viele
man et al. 1995, S. 787). Tetraphosphortrisulfid ist von ihnen sind, auch wegen der durch schnelle
löslich in Kohlenstoffdisulfid und Benzol. Hydrolyse bedingten Freisetzung ätzend wirken-
Es gibt einige Phosphorselenide, deren Struk- den Halogenwasserstoffs, giftig.
turen größtenteils charakterisiert sind. Molekula- Phosphor-III-fluorid (PF3) ist ein giftiges, in
res Diphosphorpentaselenid (P2Se5) hat eine geringen Konzentrationen geruchloses, farbloses
Struktur ähnlich zu der des Norbornans, in der Gas der Dichte 3,96 g/L (0  C), das bei 95  C
zwei Phosphoratome der Oxidationszahl +3 über kondensiert. Flüssiges PF3 erstarrt bei 152  C.
eine Diselenid-Brücke (-Se-Se-) miteinander ver- In Wasser hydrolysiert es langsam, in Alkalien
bunden sind (Blachnik et al. 1994a). Die Darstel- schnell zu Phosphonsäure bzw. ihren Salzen, den
lung erfolgt durch Schmelzen beider Elemente im Phosphonaten; es reagiert mit Waser aber generell
stöchiometrischen Verhältnis und daran anschlie- langsamer als die höheren Phosphorhalogenide
ßende Extraktion mittels Kohlenstoffdisulfid aus (PCl3 etc.). Es bildet stabile Komplexe mit vielen
dem amorphen Rohprodukt (Blachnik und Lön- Übergangsmetallen, ähnlich wie Kohlenmonoxid,
necke 1992). und kann dieses sogar aus Komplexen verdrängen
Tetraphosphortriselenid (P4Se3) besitzt diesel- (Clark 1964). Ursache ist, dass Phosphor-III-fluo-
be Struktur wie sein Schwefelanalogon (Keulen rid ein schwacher σ-Donator, aber ein starker
und Vos 1959) und wird durch Schmelzen roten π-Akzeptor ist (Mitoraj und Michalak 2010). Die
Phosphors und Selen mit anschließender Umkris- Verbindung ist in der Lage, Komplexe einer stö-
tallisation mittels Tetralin erzeugt. chiometrischen Zusammensetzung zu bilden, die
Tetraphosphorpentaselenid (P4Se5) erhält mit Kohlenmonoxid gar nicht zugänglich sind,
man durch Bromieren des Triselenids (P4Se3) in wie etwa Tetrakis-Trifluorphosphan-Palladium-0
Schwefelkohlenstoff; es hat dieselbe Kristall- [Pd(PF3)4] oder auch den analogen Nickelkom-
struktur wie die entsprechende Schwefelverbin- plex (Wilkinson 1951, S. 5501; Blyholder und
dung (Penney und Sheldrick 1971). Sheets 1974).
Tetraphosphortetraselenid (P4Se4) ist mit sei- Man erzeugt Phosphor-III-fluorid in der Regel
nen zwei Modifikationen α- und β-P4Se4 jeweils durch Umsetzung von Phosphor-III-chlorid mit
isostrukturell zu den Modifikationen der entspre- Fluorwasserstoff, Arsen-III-fluorid, Calcium- oder
chenden Schwefelanaloga (Blachnik et al. 1994b). Zinkfluorid (Williams 1957). In der Technik hat es
Ebenfalls der gleiche Strukturtyp liegt bei P4Se7 keine Anwendung; es dient im Labor zur Synthese
und P4S7 vor (Devillanova 2007). von Metallkomplexen. Das Molekül des Phosphor-
Die Existenz molekularen Phosphor-V-sele- III-fluorids hat trigonal-pyramidale Struktur, mit
nids (P4Se10) ist umstritten. Sein Molekül soll einer Länge der P-F-Bindung von 156 pm und
die gleiche Struktur wie das des Phosphor-V- einem F-P-F-Bindungswinkel von 96 . Die Verbin-
oxids haben (Housecroft und Sharpe 2005, dung wirkt auf Säugetiere giftig, da es analog zum
304 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Kohlenmonoxid eine hohe Neigung zum Ando-


cken an den Eisenkomplex des Hämoglobins hat
und so die Aufnahme von Sauerstoff verhindert.
Phosphor-V-fluorid (PF5) ist ein farbloses,
sehr giftiges und nicht brennbares Gas der Dichte Abb. 15 Phosphor-III-chlorid (W. Oelen 2011)
5,69 g/L (0  C, 1013 mbar) mit stechendem Ge-
ruch. Mit Luftfeuchtigkeit oder Wasser setzt es
sich unter heftiger Reaktion zu Fluorwasserstoff
und Phosphorsäure um. Man kann die Verbindung
aus Phosphor-V-chlorid (PCl5) und Arsen-III-
fluorid (AsF3) durch Halogenaustausch darstellen.
Es kondensiert bei 84,6  C zu einer farblosen
Flüssigkeit (Holleman et al. 2007, S. 780), die bei
93,8  C zu einer hexagonal kristallisierenden
Masse (Mootz und Wiebcke 1987) erstarrt. Das
Molekül des Phosphor-V-fluorids ist trigonal-
bipyramidal aufgebaut mit dem Phosphoratom
im Zentrum. Die FP–F-Bindungswinkel inner-
halb der trigonalen Basisfläche betragen 120 , Abb. 16 Phosphor-V-chlorid (W. Oelen 2009)
und die Länge der P-F-Bindung liegt bei 153 pm
(äquatorial) bzw. 158 pm (apikal). bei 93,6  C erstarrt und bei 76  C siedet. Man
Phosphor-V-fluorid lagert in Lösungen mit ho- erhält sie durch Verbrennen weißen Phosphors im
her Konzentration an Fluoridionen eines von die- Chlorstrom; als Nebenprodukt entstehen geringe
sen an und bildet das Hexafluorophosphat-V-An- Mengen an Phosphor-V-chlorid (PCl5). Der An-
ion (PF6), das bei Zugabe von Säure aber nicht teil des letzteren kann aber durch Zugabe weiteren
die ihm zugrunde liegende Säure („HPF6“) bildet; weißen Phosphors auf sehr niedrigem Niveau ge-
jene zerfällt vielmehr zu Fluorwasserstoff und halten werden.
Phosphor-V-fluorid. Die heftig verlaufende Reaktion mit Wasser
Phosphoroxidtrifluorid (POF3) ist ein farb- ergibt Chlorwasserstoff und phosphorige Säure
loses, infolge der schon an feuchter Luft eintre- (Hofmann 2013, S. 273). Mit Alkoholen bilden
tenden Hydrolyse stechend riechendes Gas der sich Phosphorigsäureester. Mit Basen erfolgt eben-
Dichte 4,56 g/L, das bei einer Temperatur von falls heftige Umsetzung, also mit Aminen oder
39,1  C kondensiert; die Flüssigkeit erstarrt bei Thiolen. Die Verbindung wirkt reduzierend und
39,7  C. Man erhält es durch Reaktion von oxidiert relativ leicht zu Phosphoroxidtrichlorid.
Fluorwasserstoff mit Phosphoroxidtrichlorid bei Phosphor-III-chlorid wird industriell in großer
65  C bei Anwesenheit katalytisch wirksamer Menge als Ausgangsstoff zur Synthese anorgani-
Mengen von Antimon-V-chlorid (Brauer 1975, scher und organischer Phosphorverbindungen
S. 211; Perry 2011, S. 311): eingesetzt.
Phosphor-V-chlorid (PCl5) ist eine farblose
POCl3 þ 3 HF ! POF3 þ 3 HCl (s. Abb. 16), hygroskopische, kristalline Masse
der Dichte 2,1 g/cm3, die sehr empfindlich gegen-
Neben Fluorwasserstoff kann man mit gutem über Hydrolyse ist und an feuchter Luft raucht.
Erfolg auch einige Metallfluoride einsetzen, wie Sie wirkt stark ätzend. Die Verbindung ist durch
etwa Zink-II-, Blei-II- oder Silber-I-fluorid (Hol- teilweisen Zerfall in Phosphor-III-chlorid und
leman et al. 1995, S. 777). Chlor schwach gelb. Hergestellt wird sie durch
Phosphor-III-chlorid (PCl3) ist eine farblose Chlorieren von Phosphor-III-chlorid in mit Blei-
(s. Abb. 15), an feuchter Luft infolge Hydrolyse platten ausgekleideten Türmen im Gegenstrom-
rauchende Flüssigkeit der Dichte 1,57 g/cm3, die verfahren (Holleman et al. 1995, S. 757).
5 Einzeldarstellungen 305

Phosphor-V-chlorid schmilzt unter Atmosphären-


druck nicht, sondern sublimiert oberhalb einer
Temperatur von ca. 100  C. Das Kristallisat liegt
in Form eines ionischen Gitters der Zusammenset-
zung [PCl4]+[PCl6] vor.
Phosphor-V-chlorid überführt Carbonsäuren in
ihr jeweiliges Säurechlorid und wirkt auch sonst
stark chlorierend auf organische Verbindungen
(Spaggiari et al. 2007). Die Verbindung ist stark
toxisch und reagiert ebenfalls heftig mit Metallen,
ihren Oxiden, Wasser und Alkoholen.
Diphosphortetrachlorid (P2Cl4) gewinnt man
durch Umsetzung von Phosphortrichlorid mit Was-
Abb. 17 Phosphoroxidtrichlorid (W. Oelen 2011)
serstoff unter verringertem Druck und bei Einwir-
kung stiller elektrischer Entladungen (Hofmann
2013, S. 273; Sandoval und Moser 1963). Die 1965). Man oxidiert Phosphor zunächst mit Sauer-
farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit erstarrt stoff und chloriert dann das entstehende Gemisch
bei 28  C und siedet (extrapoliert) bei 180  C, von Phosphoroxiden in der flüssigen, aus rohem
beginnt sich aber schon bei Temperaturen oberhalb Phosphoroxidtrichlorid bestehenden flüssigen Pha-
von 0  C zu zersetzen (Lindahl und Jolly 1964). se. Eine Fortentwicklung dieses Prozesses erfolgte
Mit Basen reagiert die Verbindung unter Bil- 1994 durch Nippon Soda.
dung von Diphosphan und Hypodiphosphonsäure Phosphoroxidtrichlorid wirkt äußerst korrosiv
[(OH)2P-P(OH)2]. auf Metalle. Nur wenige Edelstähle sind ausrei-
Phosphoroxidtrichlorid (POCl3) stellt man im chend gegen die Verbidung beständig und können
Labor durch Leiten eines Stroms von Schwefel- für den Bau von Tanks und Containern verwendet
IV-oxid über Phosphor-V-chlorid dar. Das dabei werden, allerdings sind Nickel, Blei und Monel-
gebildete, POCl3 und Thionylchlorid (SOCl2) ent- metall stabiler. Der auch bei höheren Temperatu-
haltende Gemisch destilliert man fraktioniert. ren beständigste Kunststoff ist das Copolymer aus
Weitere Möglichkeiten der Darstellung sind die Ethylen und Tetrafluorethylen.
Reduktion von Phosphor-V-chlorid mittels Oxal- Phosphoroxidtrichlorid reagiert heftig mit vie-
säure oder die Oxidation von Phosphor-III-chlorid len Metallen und Verbindungen. Es kann nur in
mit Kaliumchlorat. Interessant ist die Umsetzung absolut wasserfreien Lösungsmitteln gehandhabt
einer Mischung aus Phosphor-V-chlorid mit Phos- werden. Bei Kontakt mit Dimethylformamid oder
phor-V-oxid, die ebenfalls zum Phosphoroxidtri- Dimethylsulfoxid kann es zur explosionsartigen
chlorid führt. Gelegentlich resultiert beim Chlorie- Reaktion kommen. Die Verbindung ist wichtig
ren von Heterocyclen mittels Phosphor-V-chlorid zur Herstellung von Phosphorsäureestern, die
ein Zwangsanfall von POCl3, das dann abdestilliert man etwa als Weichmacher für PVC und andere
und weiter verwendet wird. Kunststoffe, in Flammschutzmitteln sowie in Ex-
Ein sehr reines Phosphoroxidtrichlorid erhält traktionsmitteln für die Flüssig-flüssig-Extraktion
man bei Einleiten von Sauerstoff in flüssiges einsetzt. Man verwendet es auch zur Herstellung
Phosphor-III-chlorid (Bettermann et al. 2012). von Säureanhydriden und Carbonsäurechlori-
Die Verbindung schmilzt bei 1,25  C und ist unter den. Die weltweite Jahresproduktion beträgt etwa
Normalbedingungen eine farblose (s. Abb. 17), 250.000 t.
giftige, an der Luft rauchende und hydrolyseem- Der größte Teil des industriell erzeugten Phos-
pfindliche Flüssigkeit der Dichte 1,645 g/cm3, die phoroxidtrichlorids wird direkt nach seiner Her-
bei 105,8  C siedet. stellung weiter zu Folgeprodukten umgesetzt.
Beim Knapsack-Verfahren setzt man weißen Thiophosphoryltrichlorid (PSCl3) ist eine farb-
Phosphor als Ausgangsmaterial ein (Cremer et al. lose Flüssigkeit der Dichte 1,67 g/cm3, die bei
306 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Temperaturen von 38  C bzw. 125  C erstarrt sekundärer Alkohole in die jeweiligen Alkylbro-
bzw. siedet (Spilling 2001). Sie besitzt wegen der mide (Peter et al. 2005, S. 393). Ebenso reagiert es
an feuchter Luft leicht eintretenden Hydrolyse mit Carbonsäuren zu Carbonsäurebromiden:
einen stechendem Geruch und wird durch Wasser
langsam zu Orthophosphorsäure, Salzsäure und PBr3 þ 3 R  CðOÞOH ! PðOHÞ3
Schwefelwasserstoff zersetzt. Man kann die þ 3 R  CðOÞBr
Verbindung im Labor einfach durch Einbringen
überschüssigen Schwefels in flüssiges Phosphor- Phosphor-III-bromid dient als Katalysator bei
III-chlorid und folgende fraktionierte Destillation der α-Bromierung von Carbonsäuren. Es ist Do-
herstellen. In der Großtechnik leitet man dagegen tierungsmittel für Silicium (Knoell und Murarka
bei 180  C gasförmiges Phosphor-III-chlorid 1985). Die Verbindung wird durch Wasser in hef-
über geschmolzenen Schwefel (Bettermann et al. tiger Reaktion zu Bromwasserstoff und phospho-
2005). Ebenso kann man Phosphor-V-sulfid und riger Säure zersetzt; Phosphor-III-bromid greift
Phosphor-V-chlorid schmelzen und das bei der oxidierbare Metalle und organische Verbindungen
Reaktion entstehende Produkt abdestillieren (Mar- unter Bromierung stark an.
tin und Duvall 1953). Thiophosphoryltrichlorid ist Phosphor-V-bromid (PBr5) erhält man durch
unter anderem gut löslich in Benzol, Tetrachlorkoh- Bromieren von Phosphor-III-bromid (Holleman
lenstoff, Schwefelkohlenstoff und Chloroform. Die et al. 2007, S. 781). Der orangegelbe Feststoff
Verbindung ist Ausgangsstoff zur Herstellung orga- (s. Abb. 19) hat infolge der an feuchter Luft ein-
nischer Thiophosphorverbindungen (beispielsweise tretenden Hydrolyse einen stechendem Geruch;
Insektizide) (Fee et al. 2005). im Kristallgitter orthorhombischer Struktur (van
Phosphor-III-bromid (PBr3) ist eine klare, Driel und Mac Gillavry 1943; Gabes und Olie 1970)
farblose (s. Abb. 18) Flüssigkeit der Dichte liegen PBr4+- und Br-Ionen vor. Phosphor-V-
2,85 g/cm3, die bei Temperaturen von 41,5  C bromid ist äußerst hygroskopisch, wirkt stark kor-
erstarrt und von 173  C siedet. Sie besitzt einen rodierend und spaltet oberhalb einer Temperatur
stechenden Geruch und raucht an der Luft. Die von 35 C Brom ab; von völliger Zersetzung wird
Verbindung ist aus weißem Phosphor und Brom im Temperaturbereich zwischen 90  C und 100  C
darstellbar, wobei das bereits gebildete Phosphor- berichtet (Perry 2016, S. 312; Gerding und Nobel
III-bromid als Lösemittel für den weißen Phos- 1958). Mit Wasser reagiert das als Bromierungs-
phor fungiert. Die gleichzeitig mögliche Entste- reagenz einsetzbare Phosphor-V-bromid stürmisch
hung von Phosphor-V-bromid unterdrückt man unter Entwicklung von Bromwasserstoff; mit Am-
durch Einsatz überschüssigen weißen Phosphors. moniumbromid entsteht Phosphornitriddibromid
Phosphor-III-bromid istt in Abhängigkeit vom Re- (Huheey 2003, S. 900):
aktionsmedium entweder Lewis-Säure oder -Base.
Das Molekül des Phosphor-III-bromids hat PBr5 þ NH4 Br ! 1=n ðNPBr2 Þn þ 4 HBr
trigonal-pyramidale Struktur. Man setzt Phosphor-
III-bromid in der organischen Synthese zum Er- Phosphoroxidtribromid (POBr3) gewinnt man
satz von Hydroxylgruppen durch Brom ein, also durch Reaktion von Phosphor-V-bromid mit Phos-
beispielsweise bei der Umwandlung primärer und phor-V-oxid (Brauer 1975, S. 520). Der weiße bis

Abb. 18 Phoshor-III-bromid (Onyxmet 2019) Abb. 19 Phosphor-V-bromid (Onyxmet 2019)


5 Einzeldarstellungen 307

Abb. 21 Phosphor-V-nitrid (Onyxmet 2019)


Abb. 20 Phosphor-III-iodid (Onyxmet 2019)

Phosphorsäure eintritt. Eine Reaktion mit Sauerstoff


gelbliche, kristalline Feststoff der Dichte 2,82 g/cm3 erfolgt erst bei 600  C (!) (Brauer 1975). Oberhalb
schmilzt bei 56  C (Siedepunkt der Schmelze: von 800  C tritt eine Abspaltung von Stickstoff unter
192  C) und ist in Ether, Benzol und Schwefelsäure Bildung des Phosphor-III-nitrids (PN) ein (Holle-
löslich. Bei schnellem Erhitzen erfolgt Zersetzung man et al. 1995, S. 789). Jenes bildet bei niedriger
unter Gelbfärbung, also unter Abspaltung von Temperatur ein farbloses Polymer; dunklere Färbun-
Brom. Mit Wasser reagiert die Verbindung unter gen beruhen auf leichtem Überschuss an Stickstoff.
schneller Hydrolyse zu Orthophosphorsäure und Monomeres PN zerfällt leicht zu molekularem Stick-
Bromwasserstoff. toff und weißem Phosphor. Im Molekül des Mono-
Die Synthese von Phosphor-III-iodid (PI3) er- mers liegen PN-Bindungen einer Länge von
folgt aus weißem Phosphor und Iod, beide in 149 pm vor (Holleman et al. 1995, S. 789). Im
Kohlenstoffdisulfid gelöst. Der rote Feststoff interstellaren Raum konnte PN ebenfalls nachgewie-
(s. Abb. 20) hat eine Dichte von 4,16 g/cm3 und sen werden (Turner und Bally 1987).
schmilzt bei einer Temperatur von 61  C. Das Phosphornitridchloride (PNCl2)x kennt man
Molekül hat wie die der anderen Phosphor-III- ausschließlich als Polymere mit ring- oder ketten-
halogenide trigonal-pyramidale Struktur. Man förmiger Struktur; man kann sie durch Umsetzung
verwendet die Verbindung zur Herstellung von von Ammoniumchlorid mit Phosphorpentachlo-
Alkyliodiden aus den jeweiligen Alkoholen, also rid herstellen. Ersetzt man die Chloratome durch
etwa von Iodmethan aus Methanol (King und Alkoxygruppen, so erhält man Elastomere.
Hartman 1933). Sonstige Verbindungen Die Moleküle vieler
Diphosphortetraiodid (P2I4) ist das stabilste organischer Phosphorverbindungen weisen Bin-
aller Tetrahalogenide, das man durch Reaktion dungen zwischen Phosphor- und Kohlenstoffato-
stöchiometrisch entsprechender Mengen weißen men auf (Phosphane und ihre Derivate). In ihren
Phosphors und Iod erhält, die in Kohlenstoffdi- Molekülen sind Wasserstoffatome durch einen
sulfid gelöst sind. Oder aber man leitet Ioddampf oder mehrere organische Reste ersetzt, und das
bei ca. 180  C über roten Phosphor. Es addiert Phosphoratom kann drei- oder fünfbindig auftre-
leicht Schwefel unter Bildung von I2P(S)-P(S)I2. ten. Daher umfasst diese Klasse von Verbindun-
Stickstoffverbindungen Triphosphorpentanitrid gen auch Phosphinoxide (R3PO), Alkylphosphin-
(P3N5) kann man beispielsweise durch Umsetzung säuren [R2PO(OH)] und Alkylphosphonsäuren
des Ammoniak-Adduktes von Tetraphosphordeka- [RP(O)(OH)2] bzw. deren Salze und Ester.
sulfid (P4S10) mit Wasserstoff bei erhöhter Tempera- Phosphorsäureester spielen eine sehr wichtige
tur darstellen (Corbridge 2013). Ein anderer Weg der Rolle im Stoffwechsel und sind auch in der
Herstellung verläuft über die Reaktion trimeren menschlichen Erbsubstanz, der DNA, enthalten.
Phosphornitrilchlorids [(PNCl2)3] mit Ammoniak Repräsentativ seien hier ADP/ATP/AMP, GTP/
bei Temperaturen oberhalb von 800  C. Es ist ein GDP/GMP und Phospholipide genannt.
weißer bis bräunlicher (s. Abb. 21), geruch- und
geschmackloser Feststoff, der in allen Lösungsmit- Analytik Die geeignetste Methode, um das Vor-
teln unlöslich und sehr stabil ist. Mit Wasser muss liegen von Phosphorverbindungen nachzuweisen,
die Substanz im Autoklaven auf 180  C erhitzt wer- ist die 31P-NMR-Spektroskopie, denn 3115P ist das
den, damit überhaupt Hydrolyse zu Ammoniak und einzige in der Natur vorkommende Isotop des
308 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Phosphors mit einem Kernspin von ½. Dies macht Roten Phosphor setzt man zur Herstellung der
die Spektren leicht auswertbar, da nach Entkop- Zündmasse von Streichhölzern ein. Jedoch dient
pelung der von den Protonen (11H) gelieferten er auch umgekehrt in Kunststoffen als Flamm-
Resonanzen scharfe Resonanzsignale resultieren. schutzmittel (Koch 2005).
Verglichen mit der 1H-NMR-Spektroskopie hat Der direkte Aufschluss von Calciumphosphat
die 31P-NMR-Spektroskopie zwar nur eine Emp- mit konzentrierter Schwefelsäure liefert das so
findlichkeit von knapp 7 %, aber die weit ent- genannte Superphosphat. Mehr als die Hälfte der
wickelte Technik der Fourier-NMR-Spektrosko- weltweit an Schwefelsäure erzeugten Menge geht
pie hilft, diesen Nachteil auszugleichen und in dieses Herstellverfahren.
erzeugt sehr gut aufgelöste Spektren. Moderne Nebelmunition enthält keinen wei-
Nasschemisch erfolgt die qualitative und quan- ßen Phosphor mehr, sondern nur noch roten
titative Analyse über das Orthophosphatanion (Koch 2008).
(PO43). Qualitativ lässt sich dieses in angesäuer-
ter Lösung sehr gut als gelbes Ammoniummolyb-
datophosphat nachweisen. Diese Reaktion ist Patente
auch zur fotometrischen Bestimmung des Phos- (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
phatgehaltes einsetzbar (EN ISO 6878): wide.espacenet.com)

PO4 3 þ 12 MoO 2 þ
 4 þ 24H þ 3 NH4
þ X. Mingyan, Phosphorus-containing prodrugs
! ðNH4 Þ3 PðMo3 O10 Þ4 þ 12 H2 O of gemcitabine (Shanghai Changcheng
Yiya Okeji Co., Ltd., WO 2020001475
In ammoniakalischer Lösung kann man Ortho- A1, veröffentlicht 2. Januar 2020)
phosphat bei Anwesenheit von Magnesiumionen H. Changhua et al., Method for preparing
als Magnesiumammoniumphosphat [Mg(NH4)PO4] hydrocarbyl phosphine halide and reac-
ausfällen; diese Reaktion dient zur gravimetrischen tion therefor (Hubei Gurun Tech. Co.,
Analyse. WO 2020000366 A1, veröffentlicht
Die bei Anschein auf Vergiftung mit weißem 2. Januar 2020)
Phosphor durchgeführte Mitscherlich-Probe be- Demos et al., Method for depositing a phos-
steht im Erhitzen des Mageninhaltes mit Wasser. phorus doped silicon arsenide film and
Der weiße Phosphor, der mit Wasserdampf flüch- related semiconductor device structures
tig ist, wird dann kondensiert; er leuchtet bei (ASM IP Holding BV, US 2019393308
Kontakt mit Luftsauerstoff (Lumineszenz). A1, veröffentlicht 26. Dezember 2019)
Die volumetrische Bestimmung des Orthophos- T. Derevjanik et al., Lubricating compositi-
phats erfolgt derart, dass man es mit Maßlösungen ons for heavy duty diesel engines (Lu-
von Lanthan bzw. Bismut (La3+ bzw. Bi3+) als brizol Corp., WO 2019246192 A1, ver-
LaPO4 bzw. BiPO4 ausfällt und dann die Menge öffentlicht 26. Dezember 2019)
des nicht durch die Fällungsreaktion verbrauchten K. Machikawa et al., Positive electrode acti-
Metallions mittels EDTA zurücktitriert. ve material, positive electrode, seconda-
ry battery, and method for manufacturing
Anwendungen Rund vier Fünftel des industriell positive electrode (Semiconductor Ener-
hergestellten weißen Phosphors wird zu Phos- gy Lab, WO 2019243952 A1, veröffent-
phor-V-oxid verbrannt, das zu Phosphorsäure licht 26. Dezember 2019)
bzw. Phosphaten, letztere meist für Düngemittel,
weiter umgesetzt wird.
Die restliche Menge wird meist zu Phosphor- 5.3 Arsen
trichlorid (PCl3) und Phosphor-V-sulfid (P4S10)
verarbeitet, die wichtige Ausgangsstoffe für die Geschichte Das Arsenmineral Auripigment (Ar-
Herstellung von Flammschutzmitteln, Additiven, sen-III-sulfid, As2S3) gab Arsen seinen Namen.
Weichmachern und Pflanzenschutzmitteln sind. Im alten Griechenland hieß dieses „arsenikón“;
5 Einzeldarstellungen 309

noch davor existierte im alten Persien die Be-


zeichnung „(al-)zarnik“, was „goldfarben“ bedeu- te das damals als Standardwerk für Alchi-
tet (Elfenbein 1998). Die antike Welt kannte ne- misten geltende Werk „De mineralibus“
ben Auripigment auch Realgar (As4S4). Später, ab („Über Minerale“). Er beschreibt ausführ-
dem Mittelalter, verwendete man Arsen-III-sulfid lich Prozesse wie Destillation, Sublimation,
als Malerfarbe, zum Enthaaren und zur inneren die Trennung von Gold und Silber mit
wie äußeren Behandlung von Krankheiten des Scheidewasser, Salze starker Mineralsäuren
Atmungsapparats. Im Rauchgas der mittelalterli- (Alaun, Vitriol) sowie diverse Metalle und
chen Hüttenöfen fand man das weiße Arsen-III- ihre Legierungen.
oxid; jenes erhitzte Albertus Magnus um 1250 mit
Kohle und fing das bei der hohen Temperatur
verdampfende Arsen als Kristallisat auf. Daher Vorkommen Der mittlere Gehalt von Arsen in
schreibt man ihm als bekanntem Alchemisten die der kontinentalen Erdkruste liegt bei ca. 1,7 ppm
erstmalige Entdeckung des Arsens zu, auch wenn (Wedepohl 1995). In elementarer Form kommt es
es Hinweise auf frühere Darstellungen des Ele- als sogenannter Scherbenkobalt vor. Insgesamt
ments gibt. Die niederländischen Maler verwen- kennt man auf der Welt mehr als dreihundert
deten Auripigment als gelbe Malerfarbe, die aber Lagerstätten für gediegenes Arsen. Deutschland
infolge langsamer Oxidation über die Zeit hinweg ist hierbei mit dem Schwarzwald, dem bayeri-
in Arsen-III-oxid übergeht und von der Leinwand schen Spessart und Oberpfälzer Wald, des Wei-
abplatzt. Arsenhaltige Rezepturen sind schon seit teren mit Hunsrück, Odenwald, Erzgebirge und
gut 200 Jahren in Europa für die Anwendung im Thüringer Wald vertreten. In Österreich wurde es
Pflanzenschutz verboten. unter anderem in den südlichen Bundesländern
Kärnten und Steiermark, in der Schweiz in den
Kantonen Wallis und Aargau gefunden.
Der Wissenschaftler und Bischof Albertus Viel öfter tritt Arsen in der Natur legiert mit
Magnus oder Albert von Lauingen ( um
Antimon oder Kupfer auf; insgesamt sind knapp
1200 Lauingen/Donau; † 15. November
600 Arsenminerale bekannt. Einige typische unter
1280 Köln) lehrte in Köln und Paris. Im
ihnen sind Duranusit (As4S, Arsengehalt ca.
Jahr 1622 sprach man ihn selig, am 16.
90 %), Skutterudit [Speiskobalt, (Ni, Co)As3]
Dezember 1931 heilig und erklärte ihn
zum Kirchenlehrer. Ab 1223 studierte Al- und Arsenolith (As2O3, Arsengehalt jeweils etwa
bertus Kunst und möglicherweise Medizin 76 %), außerdem Arsenopyrit (FeAsS), Löllingit
in Padua. Im gleichen Jahr noch trat Alber- (FeAs2), Realgar (As4S4), Auripigment (As4S6),
tus dem Dominikanerorden bei. Zwischen Cobaltit (CoAsS, Kobaltglanz), Domeykit (Cu3As,
1236 und 1238 war er Lesemeister im Frei- Arsenkupfer), Enargit (Cu3AsS4), Gersdorffit (Ni-
burger Predigerkloster. 1238 nominierte ihn AsS, Nickelarsenkies), Proustit (Ag3AsS3, Rubin-
die deutsche Gruppe der Dominikaner auf blende), Rammelsbergit (NiAs2), Safflorit (CoAs2)
deren Ordenskapitel in Bologna als neuen und Sperrylith (PtAs2).
Ordensgeneral; Albertus wurde aber nicht Arsen ist mit Phosphor chemisch eng ver-
gewählt. wandt. Daher findet man Arsenate öfters in phos-
phathaltigen Mineralien und Gesteinen. Pyrit
Von 1243 bis 1248 hielt sich Albertus an der (FeS2) ist gelegentlich mit einigen Masseprozent
Universität Sorbonne in Paris auf und er- Arsen verunreinigt.
langte dort 1245 den Magister der Theo- Industriell gewinnt man Arsen als Nebenpro-
logie. Danach lehrte er dort vorrangig über dukt der Aufarbeitung von Gold-, Silber-, Zinn-,
Aristoteles und jüdisch-arabische Religion. Kupfer-, Kobalt- und weiteren Metallerzen, ebenso
Er begründete schließlich die modernen
bei der von Phosphaterz. Die wichtigsten Produk-
Naturwissenschaften. Seiner Lehre zufolge
tionsländer sind China, Chile (Nebenprodukt bei
können unedle Metalle durch Reinigung in
der Gewinnung von Kupfer), Marokko (Nebenpro-
edlere Metalle übergehen. Albertus verfass-
dukt der Aufarbeitung von Phosphaterz) und Peru.
310 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Vulkanausbrüche setzen insgesamt ca. 3000 t/a Arsen kommt wie Phosphor in mehreren allo-
Arsen frei, Bakterien sogar 20000 t/a in Form tropen Modifikationen vor (s. auch Abb. 22).
leicht flüchtiger Arsane und deren Derivate. Auch Graues Arsen Graues Arsen ist die stabilste
durch Verbrennen von Erdöl und Kohle gelangen Modifikation des Elements. Sie hat die relativ
größere Mengen Arsens in die Atmosphäre. hohe Dichte von 5,72 g/cm3 und bildet stahlgraue,
glänzende Kristalle (s. Abb. 23), die den elektri-
Gewinnung Arsen gewinnt man durch ther- schen Strom leiten, wie es für einen Halbleiter zu
mische Reduktion von Arsen-III-oxid mit Koks erwarten ist. Im Kristallgitter liegen gewellte, in
oder Eisen oder durch Erhitzen von Arsenkies der Sesselkonformation vorliegende As6-Ringe
(FeAsS) bzw. Arsenikalkies (FeAs2) unter Luft- vor, die, von der Seite betrachtet, wie zwei dicht
abschluss in liegenden Tonröhren. Die Eisenerze übereinander liegende, aus Arsenatomen beste-
spalten das Arsen bei starkem Erhitzen ab, das hende Doppelschichten aussehen. Der Aufbau
absublimiert und an kalten Oberflächen in kris- des Gitters ist ziemlich starr, daher ist Arsen, wie
talliner Form wieder gesammelt wird. auch die zu ihm homologen Elemente Antimon
Hochreines Arsen, wie es zur Herstellung von und Bismut, spröde.
Halbleitern benötigt wird (>7N, >99,99999 %). Gelbes Arsen Kühlt man dampfförmiges Ar-
stellt man durch Reduktion mehrfach destillierten sen, in dem tetraedrisch ausgerichtete As4-Mole-
Arsen-III-chlorids mit Wasserstoff her: küle vorliegen (eine zum gelben Phosphor sehr
ähnliche Struktur), schnell ab, so bildet sich me-
2 AsCl3 þ 3 H2 ! 6 HCl þ 2 As tastabiles gelbes Arsen, das eine relativ geringe
Dichte besitzt (1,97 g/cm3). Gelbes Arsen ähnelt
Arsentrichlorid reagiert dabei mit Wasserstoff sehr dem niedrigen Homologen, dem weißen
zu Chlorwasserstoff und elementarem Arsen. Frü- Phosphor, ist ein Nichtmetall und ist somit auch
her gewann man Arsen durch Sublimation aus ein elektrischer Isolator. Es löst sich wie weißer
Lösungen in flüssigem Blei, wobei der Schwefel Phosphor in Schwefelkohlenstoff und kann aus
der Arsenerze durch das Blei als Blei-II-sulfid diesem in Form knoblauchähnlich riechender
(PbS) gebunden wird. Die so erreichte Reinheit Kristalle isoliert werden. Schon bei Raumtem-
von >99,999 % war für die Anwendung in Halb- peratur wandelt sich gelbes schnell in graues Ar-
leitern aber noch nicht ausreichend. sen um; diesen Vorgang beschleunigt die Einwir-
Weitere, aber sehr aufwändige Möglichkei- kung von Licht.
ten sind das langsame Auskristallisieren aus ge- Schwarzes Arsen Diese Modifikation kommt
schmolzenem Arsen oder die Umsetzung zu Mo- in zwei verschiedenen Formen vor, einer amor-
noarsan (AsH3), dessen Reinigung und darauf phen, glasartigen (dem roten Phosphor vergleich-
folgender Zersetzung bei Temperaturen um 600  C bar) und einer metastabilen, orthorhombisch kris-
in Arsen und Wasserstoff (Brauer 1963). tallisierenden, die strukturell mit dem schwarzen
Phosphor vergleichbar ist.
Eigenschaften Ersteres erhält man durch Abkühlung dampfför-
Physikalische Eigenschaften: Arsen nimmt eine migen Arsens an Oberflächen, die auf Temperatu-
Mittelposition zwischen Nichtmetall und Metall ren von >100  C erhitzt sind. Es besitzt eine Dichte
innerhalb der fünften Hauptgruppe ein und ist von ca. 4,9 g/cm3 und geht oberhalb einer Tempera-
daher ein Halbmetall; diese Modifikation ist auch tur von 270  C in die graue Modifikation über. Das
die stabilste. Unter Normaldruck sublimiert Arsen orthorhombische schwarze Arsen (s. Abb. 24) ent-
bei einer Temperatur von 616  C (s. Tab. 3) unter steht aus dem amorphen, wenn jenes zusammen mit
Bildung eines zitronengelben Dampfes, der bis zu Quecksilber auf 170  C erhitzt wird.
einer Temperatur von ca. 800  C aus As4-Mole- Braunes Arsen Werden Arsenverbindungen
külen besteht. Erst bei deutlich höheren Tempera- in wässriger Lösung reduziert, bilden sich brau-
turen (>1700  C) liegen As2-Moleküle vor. ne Mischpolymere, deren Moleküle teils Hydro-
5 Einzeldarstellungen 311

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Arsen


Symbol: As
Ordnungszahl: 33
CAS-Nr.: 7440-38-2
Aussehen: Gelb, nichtmetallisch Arsen Arsen, gediegen, Scherbenkobalt
Grau, metallisch (Hahndorf 2015) (Ra‘ike 2009)
glänzend
Schwarzer, amorpher
Feststoff
Entdecker, Jahr Albertus Magnus (Lauingen, Bayern), 1250
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
75
33As (100) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 5,5
Atommasse (u): 74,922
Elektronegativität 2,18 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpot. für: As2O3 + 6 H+ + 6 e à 2 As + 3 H2O (V) 0,24
Atomradius (pm): 115
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 185
Kovalenter Radius (pm): 119
Ionenradius (pm, As5+ bzw. As3+): 34 bzw. 58
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d10 4s2 4p3
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 947 ♦ 1798 ♦ 2735
Magnetische Volumensuszeptibilität: grau: 2,2  105
gelb: 1,8  106
schwarz: 1,8  106
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Trigonal (grau)
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): 3,03  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 22 ♦ 8 ♦ –
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): – ♦ 1440
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 5,72 (grau, 25 C)
1,97 (gelb, 25 C)
4,7–5,1 (schwarz, 60 C)
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 12,95  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 50
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 24,64
Sublimationspunkt ( C ♦ K): 616 ♦ 889
Sublimationswärme (kJ/mol): 34,74
Tripelpunkt ( C ■ kPa): 817 ■ 3628

xylgruppen tragen (Holleman et al. 1995, tivere Partner ist und dann entsprechend mit po-
S. 796). sitiver Oxidationszahl auftritt.
Chemische Eigenschaften: Arsen nimmt in sei- Mit Sauerstoff und Halogenen reagiert es hef-
nen Verbindungen Oxidationsstufen zwischen 3 tig; so verbrennt es nach Erhitzen und/oder im fein
und +5 ein, wobei es in Verbindungen mit Sauer- verteilten Zustand an der Luft zu weißem Arsen-
stoff, Schwefel und Chlor immer der elektroposi- III-oxid (Arsenik):
312 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Sicht von oben Sicht von der Seite

As As

As As As

As As As As As
As As As
As As As-Doppelschicht 2
As
As As As As As
As As As As-Doppelschicht 1
As As As As As As
As As

As As As As As

As As As

As As
As = Arsenatome der nächstan Schicht

Abb. 22 Schichtstruktur des grauen Arsens (Thiesi 2004)

Salpeter- oder Schwefelsäure in Arsenige Säure


(H3AsO3), in der es mit der Oxidationszahl +3
vorliegt.
Arsen löst sich auch in konzentrierter Natron-
lauge unter Bildung von Natriumarsenit:

Abb. 23 Arsen, grau 5N (Onyxmet 2019) 2 As þ 6 NaOH ! 2 Na3 AsO3 þ 3 H2 "

Dies zeigt den zumindest für Arsen-III schon


vorhandenen amphoteren Charakter.
Wasserstoffverbindungen Arsane (Arsenwas-
serstoffe) ordnet man, ähnlich wie die Phosphane
oder die gesättigten aliphatischen Kohlenwasser-
stoffe (Alkane), in eine homologe Reihe, hier mit
der allgemeinen Summenformel AsnHn +2, ein. Es
Abb. 24 Arsen, schwarz (Onyxmet 2019)
sind zur Zeit nur drei von ihnen bekannt [Mono-
arsan („Arsenwasserstoff“, AsH3), Diarsan (As2H4)
2 As þ 3 O2 ! 2 As2 O3 und Triarsan (As3H5)]; diese Verbindungen sind
noch instabiler als die ohnehin bereits wenig bestän-
Mit Chlor reagiert es schon bei Raumtempera- digen Phosphane.
tur spontan zu einem Gemisch von Arsen-III- und Das wichtigste Arsan ist Monoarsan, ein ex-
Arsen-V-chlorid (AsCl3, AsCl5). Ähnliches gilt trem giftiges, farbloses, nach Knoblauch riechen-
selbstverständlich für die Reaktion mit elementa- des Gas der Dichte 3,52 g/L, das bei der Auf-
rem Fluor, nur geht die Reaktion dann bevorzugt lösung von salzartigen Arseniden in Wasser und
zum AsF5. verdünnten Säuren entsteht. Es kondensiert bei
Konzentrierte Salpetersäure oder Königswas- 62,5  C und wird bei 117  C fest. Das Mole-
ser überführen Arsen direkt in seine höchste Oxi- kül der Verbindung besitzt trigonal-pyramidale
dationsstufe +5 (Arsensäure, H3AsO4), verdünnte Struktur. Verbrennt man Monoarsan oder leitet
5 Einzeldarstellungen 313

das erhitzte Gas auf eine davor gehaltene, gekühl- Triphenylarsan [As(C6H5)3] ist ein farbloser
te Porzellanschale, so bildet sich auf ihr ein Feststoff mit Schmelzpunkt 60  C. Man erzeugt
metallisch glänzender, schwarzer Arsenspiegel, ihn durch Reaktion von Arsen-III-chlorid mit
was zum Nachweis von Arsen dient (Marsh’sche Chlorbenzol und Natrium als Reduktionsmittel
Probe). (Shriner und Wolf 1950). Die Verbindung ist un-
Technisch wird Arsenwasserstoff in einstufiger löslich in Wasser und das Arsenanalogon von
Reaktion durch saure Hydrolyse von Arseniden Triphenylphosphan. Er zersetzt sich ab einer Tem-
hergestellt (Sennikov et al. 1996). Üblich und sehr peratur von 360  C. Das Molekül auch dieser
einfach durchzuführen ist etwa die Hydrolyse von Verbindung hat eine pyramidale Kristallstruktur,
Zinkarsenid in einer nicht-oxidierenden, wäss- hier mit As–C-Bindungslängen von 194,2 bis
rigen Säure wie Schwefelsäure. Auf diese Weise 195,6 pm und C–As–C-Winkeln von 99,6 bis
kann man reinen Arsenwasserstoff erzeugen 100,5 (Horne et al. 1985). Man nutzt Triphenyl-
(Brauer 1963, S. 593). Als Nebenprodukt entsteht arsan zur Darstellung von Metallkomplexen und
dabei das bei Temperaturen oberhalb von 100  C zur Produktion des in der analytischen Chemie als
instabile Diarsan. Außerdem ergibt auch die Hy- Fällungsmittel verwendeten Tetraphenylarsonium-
drierung von Arsen-III-chlorid (AsCl3) durch Na- chlorids.
triumboranat oder Lithiumaluminiumhydrid rei- Chalkogenverbindungen Arsen-III-oxid (Arse-
nen Arsenwasserstoff. nik, As2O3) ist ein jahrhundertelang verwendetes
Wenn naszierender Wasserstoff auf Arsen-III- Gift, das schon in einer Gesamtmenge von 0,1 g
oxid einwirkt, entsteht ebenfalls Arsenwasser- auf Menschen tödlich wirken kann. Eine stete
stoff. Die Hydrolyse „salzartiger“ Arsenide des Einnahme kleiner Mengen bewirkt zwar keine
Calciums und Natriums in Wasser liefert gleich- Gewöhnung des menschlichen Organismus an
falls Monoarsan. Setzt man statt regulärem Was- das Gift, aber dessen Aufnahme über die Schleim-
ser Deuteriumoxid ein, so entsteht Monoarsan-d3 haut wird deutlich verringert, so dass zur Erzie-
(Drake und Riddle 1972). Natriumarsenid liefert, lung einer tödlichen Wirkung höhere Dosen ein-
zusammen mit Ammoniumbromid in flüssigem genommen werden müssen. Jahrhundertelang ließ
Ammoniak gelöst bzw. dispergiert, gleichfalls sich Arsenik chemisch nicht nachweisen. Einem
Monoarsan (Doak et al. 2000): Täter konnte bis ins 19. Jahrhundert hinein ein
damit verübter Mord kaum nachgewiesen werden.
Na3 As þ 3 NH4 Br ! AsH3 " þ3 NaBr þ 3 NH3 Geringe Dosen an Arsenik wirken stimulierend.
Im Mittelalter war die Verbindung in Tinkturen
Auch die elektrochemische Herstellung von zur Behandlung von Augenkrankheiten enthalten.
Arsenwasserstoff ist ein gangbarer Weg, der Erst die 1836 eingeführte Marsh’sche Probe
schnell an Bedeutung gewinnt. Die elektroche- verbesserte schlagartig die Möglichkeit, Arsen in
mische Synthese erlaubt die relativ gezielte Körperflüssigkeiten nachzuweisen. Darüber hi-
Ad-hoc-Herstellung definierter Mengen von Ar- naus nutzte und nutzt man es als Gift gegen In-
senwasserstoff. Die ersten Patente zur elektroche- sekten und Ratten.
mischen Herstellung von Arsenwasserstoff und Arsen-III-oxid wird beim Verbrennen elemen-
anderen Hydriden wurden bereits zu Beginn der taren Arsens an der Luft gebildet. In der Natur
1990er-Jahre veröffentlicht. kommt Arsenik als Arsenolith mit kubischer so-
Arsenwasserstoff setzt man in großen Mengen wie als Claudetit mit monokliner Kristallstruktur
als Dotiergas, unter Anderem für Silicium, in der vor. In der Technik gewinnt man Arsen-III-oxid
elektronischen Industrie ein. Die Entsorgung der durch das Rösten arsenhaltiger Erze in sogenann-
Rückstände ist wegen deren hoher Giftigkeit auf- ten Gifthütten, wobei sich die Verbindung dort
wändig und erfolgt meist durch Adsorption an dann als „Hüttenrauch“ verflüchtigt und in langen
Aktivkohle, die danach als Sondermüll in Tiefde- Kanälen als weißes Pulver isoliert wird. In Ab-
ponien endgelagert werden muss. hängigkeit von der Kondensationstemperatur er-
314 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Abb. 26 Arsen-V-oxid (Onyxmet 2019)


Abb. 25 Arsen-III-oxid (Walkerma 2005)
und Sauerstoff und hat eine Dichte von 4,32 g/cm3.
hält man entweder ein weißes Pulver (Giftmehl) Die Verbindung kristallisiert orthorhombisch (Jan-
oder das farblose, glasartige Arsenikglas. sen 1977); es existiert daneben auch eine Hoch-
Die Reinigung des Rohprodukts erfolgt über temperaturform tetragonaler Struktur (Jansen
die Umsetzung zum Arsen-III-chlorid, dessen Hy- 1979a). Man setzt Arsen-V-oxid ebenso als Fungi-
drolyse zu arseniger Säure und deren Entwässe- zid und Pestizid ein. Die Herstellung erfolgt meist
rung zu Arsen-III-oxid. Es kommt in Form eines aus Arsen-III-oxid und Wasserstoffperoxid bzw.
weißen, geruchlosen Pulvers (s. Abb. 25) oder Salpetersäure. Die Substanz ist leicht löslich in
weißlicher, porzellanähnlich aussehender Stücke Wasser und bildet dabei Arsensäure (H3AsO4),
in den Handel (Holleman et al. 1985, S. 675). daher wirkt sie ätzend und korrosiv auf viele Me-
Arsen-III-oxid ist immer noch in Giften zur talle.
Bekämpfung von Nagern und Insekten enthalten, Arsen-V-oxid ist sehr giftig und wurde eben-
ebenso in Rezepturen zur Konservierung von Fel- falls in die Kandidatenliste der besonders besorg-
len und Häuten. In der Europäischen Union setzt niserregenden Stoffe aufgenommen.
man es unter dem Namen Trisenox zur Behand- Die Arsensäure (H3AsO4) und ihre Salze, die
lung der akuten Promyelozytenleukämie (APL) Arsenate, ähneln in chemischer Hinsicht der
ein (Mertelsmann et al. 2011). Die ECHA führt Phosphorsäure und den Phosphaten, die Arsenige
die Substanz auf der Liste besonders besorg- Säure entsprechend stark (H3AsO3, „hydratisier-
niserregender Stoffe (SVHC) und stuft sie als tes Arsen-III-oxid“) der Phosphorigen Säure.
krebserregend ein. Während Arsensäure eine mittelstarke Säure ist,
Die Giftwirkung beruht vorrangig auf der reagiert Arsenige Säure schon nahezu amphoter.
Hemmung des Phosphor- und damit des Ener- Arsensäure ist eine dreiprotonige Säure und
gie-Stoffwechsels. Auch werden Enzyme und etwa so stark wie Phosphorsäure. Die Salze der
an Membranen befindliche Rezeptoren deak- Arsensäure heißen Arsenate. Arsensäure bildet
tiviert. Dies gilt auch für tumorbekämpfende Pro- sich durch Lösen von Arsen-V-oxid in Wasser:
teine, weshalb die Verbindung als krebserregend
gilt. Eine akute Vergiftung zeigt sich einige Stun- As2 O5 þ 3 H2 O ! 2 H3 AsO4
den nach Einnahme des Arsen-III-oxids in Form
starken Durchfalls und Erbrechens. Dann treten Eine weitere Möglichkeit zur Darstellung von
starke Schmerzen im Magen-Darm-Trakt, weiter- Arsensäure ist die Oxidation von Arsen oder
hin Krämpfe in Armen und Beinen. Sehstörungen Arsen-III-oxid mittels konzentrierter Salpetersäu-
und weitere Lähmungen kommen im Folgever- re, wobei sich das Halbhydrat der Arsensäure
lauf hinzu, wonach schließlich der Tod eintritt. bildet. Das Dihydrat (H3AsO4  2 H2O) kann
Als Erste Hilfe muss bei Verdacht auf Vergiftung man nur durch eine über mehrere Tage bei Tem-
sofort Erbrechen ausgelöst (nicht bei Bewusst- peraturen um 30  C laufende Kristallisation er-
losigkeit!) und ein Arzt gerufen werden. halten (Brauer 1963, S. 601). Feste oder die üb-
Das weiße, amorph bis glasig aussehende licherweise erhältliche 80 %ige Arsensäure ist wie
(s. Abb. 26) Arsen-V-oxid (As2O5) zerfällt bei sei- konzentrierte Phosphorsäure äußerst hygrosko-
nem Schmelzpunkt von 315  C in Arsen-III-oxid pisch.
5 Einzeldarstellungen 315

Abb. 27 Arsen-III-sulfid (Onyxmet 2019)

Zwei Arsensulfide kommen als Mineralien in


der Natur vor, die beiden oben schon erwähnten
Arsenmonosulfid (Realgar, As4S4) und Arsen-III-
sulfid (Auripigment, As2S3). Sie sind beide, vor Abb. 28 Realgar auf Calcit, Fundort Jiepaiyu Mine, Hu-
allem bei erhöhter Temperatur, empfindlich ge- nan, China (Lavinsky 1972-)
genüber Oxidation und Hydrolyse.
Arsen-III-sulfid ist zitronengelb bis goldfarben von elektrisch leitenden und photolumineszieren-
(s. Abb. 27), entsteht beim Erhitzen von Arseniger den Gläsern mit kleinen Goldanteilen.
Säure mit Schwefel oder aus arsenigsaurer Lö- Arsenmonosulfid (As4S4) kommt in der Natur
sung beim Einleiten von Schwefelwasserstoff. als Mineral Realgar vor (s. Abb. 28).
Die Verbindung schmilzt bei 300  C (Siede- Arsen-III-selenid (As2Se3) erhält man durch
punkt der Schmelze: 707  C) und hat die Dichte Umsetzung der Elemente miteinander im Vakuum
3,43 g/cm3; sie ist unlöslich in Wasser. An der bei Temperaturen oberhalb von 200  C (Wakaki
Luft verbrennt Arsen-III-sulfid zu Arsen-III-oxid et al. 2007, S. 30). Das spröde, schwarzglänzende
und Schwefel-IV-oxid. Kristallisat bzw. braune Pulver hat die Dichte
Im Feststoff liegt Arsen-III-sulfid in polymerer 4,75 g/cm3 und schmilzt bei 360  C. Die nicht in
Struktur vor. In der Gasphase bilden sich As4S6- Wasser lösliche Substanz erleidet in feuchter Luft
Dimere. Man nutzte die Verbindung in früherer über die Zeit hinweg hydrolytische Zersetzung
Zeit als gelbe Malerfarbe und in der Medizin als und ist außerdem empfindlich gegenüber Luftsauer-
Enthaarungsmittel. In reiner Form ist Arsen-III- stoff, der sie langsam in Arsen-III- und Selen-IV-
sulfid sogar kaum giftig, da es unlöslich in Wasser oxid überführt. Arsen-III-selenid kristallisiert mo-
und Säuren ist. Da aber es tatsächlich aber immer noklin (Raumgruppe 14; Stergiou und Rentzeperis
lösliche, arsenhaltige Verunreinigungen enthält, 1985; Blachnik 1998, S. 308). Bei Anwendung
gilt auch Arsen-III-sulfid als giftig. hoher Drücke entstehen bis zu zwei weitere Modi-
Arsen-V-sulfid (As2S5) erhält man durch Leiten fikationen, von denen eine ebenfalls mit monokliner
von Schwefelwasserstoff in wässrige, salzsaure Struktur auftritt (Raumgruppe 12, Borisova 2013,
und eisgekühlte Lösungen von Arsensäure (Brau- S. 191). Die halbleitende Verbindung setzt man
er 1975, S. 582): beispielsweise als Lichtleiter in Kopierern und
Laserdruckern ein (Bayer et al. 1981), außerdem
2 H3 AsO4 þ 5 H2 S ! As2 S5 # þ8 H2 O in lichtempfindlichen Beschichtungen und als für
Infrarotlicht durchlässiges Glas, da Einkristalle
Das zitronengelbe Arsen-V-sulfid schmilzt des Arsen-III-selenids über den weiten Wellenlän-
oberhalb einer Temperatur von 300  C und zer- genbereich von 870 bis 17.200 nm kein Licht
setzt sich beim Kochen mit Wasser zu Arsen-III- absorbieren.
oxid, Arsen-III-sulfid und Schwefel. Es ist unlös- Das graue (s. Abb. 29), halbleitende Arsen-III-
lich in Wasser und Säuren, aber wohl löslich in tellurid (As2Te3) schmilzt bzw. siedet bei 621  C
Lösungen von Alkalisulfiden unter Bildung von bzw. 1027  C und hat unter Normalbedingungen
Thioarsenaten (Holleman et al. 1995, S. 808). die Dichte 6,5 g/cm3. Die elektrische Leitfähigkeit
Man verwendet die Verbindung zur Herstellung der Verbindung wird sowohl im Dunkeln als auch
316 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Abb. 29 Arsen-III-tellurid (Onyxmet 2019) Abb. 30 Arsen-III-chlorid (Onyxmet 2019)

unter Einwirkung von Licht vorrangig durch Verglichen mit Phosphor-III-fluorid ist Arsen-
Lochleitung bewirkt. Einstrahlung von Licht, des- III-fluorid eine stärkere Lewis-Säure Die Verbin-
sen Energie höher ist als die der Bandlücke, führt dung ist sehr giftig und krebserregend. Einsatz-
nicht zu höherer Leitfähigkeit (Moustakas und gebiete größeren Stils gibt es nicht.
Weiser 1975). Arsen-V-fluorid (AsF5) ist ein farbloses Gas, das
Halogenverbindungen Arsen bildet mit Haloge- bei 53  C kondensiert; die Flüssigkeit erstarrt bei
nen im wesentlichen Verbindungen der Typen 80  C. Es ist eine starke Lewis-Säure und darüber
AsX3 und AsX5 (X steht für das jeweilige Halo- hinaus ein Fluorierungs- und Oxidationsmittel.
gen). Man kann Arsen-V-fluorid sowohl aus den Ele-
Arsen-III-fluorid (AsF3) ist eine farblose Flüs- menten als auch durch Fluorieren von Arsen-III-
sigkeit der Dichte 2,7 g/cm3, die bei 6  C erstarrt fluorid oder -oxid unter Einsatz elementaren Fluors
und bei 57  C siedet. Die Verbindung ätzt Glas, herstellen (Brauer 1963, S. 198; Ruff et al. 1932).
raucht infolge Hydrolyse an der Luft und kann Durch „Umfluorieren“ aus Arsen-III- und Anti-
durch Überleiten wasserfreien Fluorwasserstoffs mon-V-fluorid bei Gegenwart von Brom als Kata-
über Arsen-III-oxid bei Temperaturen um 140  C lysator ist es ebenfalls zugänglich (Steudel 2014,
dargestellt werden (Brauer 1963, S. 197). Das S. 570). Das Molekül des Arsen-V-fluorids hat
dabei gasförmig entweichende Arsen-III-fluorid trigonal-bipyramidale Struktur.
fängt man in gekühlten Vorlagen auf: Wasser hydrolysiert Arsen-V-fluorid in hefti-
ger Reaktion zu Fluorwasserstoff und Arsensäure.
Fluorid-Donatoren überführen es in Hexafluoro-
As2 O3 þ 6 HF ! 2 AsF3 þ 3 H2 O arsenat-V.
Arsen-III-chlorid (AsCl3) ist eine farblose
Eine weitere Möglichkeit ist die Umsetzung (s. Abb. 30), an feuchter Luft rauchende, sehr
von Arsen-III-oxid mit Fluorsulfonsäure (Brauer giftige Flüsigkeit der Dichte 2,16 g/cm 3, die bei
1963, S. 197): Temperaturen von 16  C bzw. 130  C erstarrt
bzw. siedet. Man gewinnt sie durch Verbrennen
As2 O3 þ 6 HSO3 F ! 2 AsF3 þ 3 SO3 von Arsen im Chlorstrom, durch Überleiten
þ 3 H2 SO4 trockenen Chlorwasserstoffs über Arsen-III-
oxid bei Temperaturen um 190  C oder auch
Die Synthese im Labor läuft bevorzugt über durch Umsetzung von Arsen-III-oxid mit
das Erhitzen einer aus Arsen-III-oxid und Calcium- Schwefel-II-chlorid und Chlor (Brauer 1963,
fluorid zusammengesetzten Mischung mit über- S. 596).
schüssiger konzentrierter Schwefelsäure, die das bei Arsen-III-chlorid reagiert empfindlich ge-
der Umsetzung entstehende Wasser bindet. Das bei genüber starkem Erhitzen und intensiver
der Reaktion gebildete Arsen-III-fluorid wird direkt Einwirkung von Licht. Es wird durch Wasser,
aus der Mischung abdestilliert (Hoffman 1953): noch heftiger durch Basen hydrolysiert und
durch starke Oxidantien schnell angegriffen.
As2 O3 þ 3 CaF2 þ 3 H2 SO4 Man setzt die Verbindung in Beizen für Metall-
! 2 AsF3 þ 3 CaSO4 þ 3 H2 O oberflächen ein.
5 Einzeldarstellungen 317

Als Gegenmittel bei Aufnahme löslicher Ar- 110  C ebenfalls trigonal, aber in anderer Struktur
senverbindungen kommt bevorzugt Dimercapto- (Raumgruppe 153).
propansulfonsäure zur Anwendung. Früher nutzte man Arsen-III-iodid zur Behand-
Arsen-III-bromid (AsBr3) stellt man aus den lung von Hautkrankheiten bei Katzen und in Form
Elementen (Holleman et al. 1985, S. 801) oder von Donovan's Lösung bei Menschen, ebenfalls
durch Reaktion von Arsen-III-oxid mit Schwefel meist zur Behandlung von Hautentzündungen. Es
und Brom her (Brauer 1975, S. 574): ist leicht löslich in Kohlenstoffdisulfid und Trichlor-
methan (von Bruchhausen et al. 1999, S. 107).
2 As2 O3 þ 3 S þ 6 Br2 ! 4 AsBr 3 þ 3 SO2 " Metallverbindungen Mit einigen Metallen
der dritten Hauptgruppe bildet Arsen wichtige
Der weiße bis gelbliche, an feuchter Luft zer- Verbindungs-Halbleiter, Galliumarsenid (GaAs),
fließliche und schnell hydrolysierende Feststoff Indiumarsenid (InAs) und Aluminiumgalliumar-
schmilzt bei 31  C (Siedepunkt der Schmelze: senid (AlGaAs). Mit Mangan dotiertes Galliumar-
221  C) und hat eine Dichte von 3,4 g/cm3. Was- senid zeigt semimagnetische Eigenschaften (Cu-
ser zersetzt die Verbindung zu einem Gemisch aus rietemperatur zwischen 100 und 200 K).
Arsen- und Bromwasserstoffsäure. Arsen-III-bro- Organische Verbindungen Wie Stickstoff und
mid kristallisiert orthorhombisch (Raumgruppe Phosphor bildet auch Arsen organische Verbin-
19, Singh und Swaminathan 1967), addiert dungen (Arsane), in denen ein oder mehrere Ar-
Bromidionen unter Bildung von Tetrabromo- senatome mit der jeweiligen Anzahl von Alkyl-
Komplexen des Typs AsBr4 und wird in der gruppen verbunden sind. Ebenso kennt man
Homöopathie verwendet (Albinus 1994, S. 296). Homocyclen, in denen Arsenatome einen Fünf-
Das rotorange (s. Abb. 31) Arsen-III-iodid oder Sechsring ausbilden und dabei jeweils noch
(AsI3) schmilzt bei 146  C, siedet bei 406  C eine Methylgruppe tragen, z. B. Pentamethylcyclo-
und hat die Dichte 4,38 g/cm3. Man erhält es pentaarsen (AsCH3)5. Polyarsane wiederum sind
durch Reaktion von Arsen-III-chlorid mit Kalium- langkettige, doppelsträngige Polymere aus Arsen-
iodid (I), aus den Elementen (II) oder aus Arsen- atomen, bei denen jedes Arsenatom noch mit ei-
III-oxid, Salzsäure und Kaliumiodidlösung (III, ner Methylgruppe verbunden ist. Sie haben die
Brauer 1975, S. 575): chemische Formel (AsCH3)2n (n  100) und sind
halbleitend.
(I) AsCl3 + 3 KI ! AsI3 + 3 KCl
(II) 2 As + 3 I2 ! 2 AsI3 Anwendungen Arsen mit einer Reinheit von
(III) As2O3 + 6 HCl + 6 KI ! 2 AsI3 + 6 KCl 99,9999 % setzt man zur Herstellung von Halb-
+ 3 H2O leitern aus Galliumarsenid sowie für mittels Epi-
taxie erzeugter, sehr dünner Schichten auf Wafern
In Wasser zersetzt sich die Verbindung lang- ein. Diese bestehen aus Indium- und Galliumar-
sam, an Luft erfolgt Oxidation unter Bildung von senidphosphid und werden zur Produktion inte-
Iod und Arsen-III-oxid. Arsen-III-iodid kristalli- grierter Schaltkreise, Leucht- und Laserdioden
siert trigonal (Raumgruppe 148), oberhalb von benötigt.
Einige Arsenverbindungen verwendet man im-
mer noch als Schädlingsbekämpfungsmittel, Rat-
tengift und Fungizid. Bleilegierungen wird es
zugesetzt, um deren Festigkeit zu erhöhen, was
besonders für die in Akkumulatoren eingebauten
Bleiplatten Anwendung findet.

Arsen in der Medizin In der Antike benutzte


man arsenhaltige Mineralien als Heilmittel gegen
Abb. 31 Arsen-III-iodid (Onyxmet 2019) viele Krankheiten. Die vor ca. 250 Jahren erfun-
318 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

dene Fowler’sche Lösung, eine Mischung aus Die Verbindungen des Arsen-III sind deshalb
Lavendelwasser und Kaliumarsenit, wurde lan- hochgiftig für den Menschen, weil sie diverse Stoff-
ge als fiebersenkendes Mittel verabreicht. In wechselprozesse stören, beispielsweise die Repara-
Deutschland war Kaliumarsenit sogar noch bis tur der DNA, den zellulären Energiestoffwechsel
in die 1960er-Jahre als Mittel gegen Psoriasis und rezeptorvermittelte Transportvorgänge. Ursache
(Schuppenflechte) in Verwendung (Gibaud und ist wahrscheinlich, dass sie das von seinem Radius
Jaouen 2010). Bis in die 1970er-Jahre tötete man her sehr ähnliche Zinkion (Zn2+) aus seinen Kom-
mit Arsen-III-oxid das Zahnmark ab, jedoch tra- plexen mit schwefelhaltigen Eiweißen (Tumor-Re-
ten so viele Vergiftungsfälle mit entsprechenden pressor-Protein) verdrängen, ohne aber dessen Funk-
Nebenwirkungen auf, dass es für diesen Einsatz- tion wahrnehmen zu können. Ähnliches gilt für die
zweck verboten wurde (Hülsmann 1996). Verdrängung des Phosphoratoms in den für den
Das bereits in den 1950er-Jahren entwickelte menschlichen Stoffwechsel so wichtigen Phospha-
Melarsoprol ® ist auch heute noch das wirksamste ten. So ersetzen bei einer chronischer Vergiftung die
Mittel zur Behandlung von Malaria. Sehr bekannt Arsen- die Phosphoratome des Adenosin-
war Arsphenamin (Salvarsan ®), schon 1910 ge- Triphosphats (ATP), ebenfalls ohne die Funktion
gen die Syphilis entwickelt; es wurde lange auch der Phosphoratome weiter ausüben zu können, wo-
zur Therapie der Dysenterie eingesetzt (Gibaud mit die Atmungskette unterbrochen wird.
und Jaouen 2010). Trisenox, auf Basis von Ar- Eine akute Arsenvergiftung zeigt sich in
sen-III-oxid, erhielt noch im Jahr 2000 die Zulas- Krämpfen, Übelkeit und Erbrechen, inneren Blu-
sung zur Behandlung der promyelozytären Leu- tungen, Durchfall und Koliken, bis hin zu Nieren-
kämie (APL) in den USA, zwei Jahre später auch und Kreislaufversagen. Koma und anschließender
in Europa. Tod können die Folge sein. Für Menschen beträgt
Ursache der Toxizität Die Bedeutung des Ar- die tödliche Dosis (LD50) an Arsen-III-oxid, wie
sens für den menschlichen Körper ist noch nicht oben bereits erwähnt, 1,4 mg/kg Körpergewicht.
vollständig geklärt. Es kommt als Spurenelement Das chronische Krankheitsbild umfasst Haut-
darin vor, aber nur Tiere zeigen Mangelerschei- krankheiten, Schädigung der Blutgefäße, Abster-
nungen, falls Spuren von Arsen in ihrer Nahrung ben der Extremitäten (Black Foot Disease) und
fehlen. So zeigen Hühner und Ratten Wachstums- das Auftreten bösartiger Tumore (Fritsch et al.
störungen. Arsen ruft eine verstärkte Bildung ro- 2010). Arsen blockiert die Sulfhydryl-Gruppen
ter Blutkörperchen hervor, weshalb es zeitweise (HS-) von Enzymen und bewirkt so eine Minder-
-trotz leichter Nachweisbarkeit- sogar zum Do- produktion von Hämoglobin.
ping von Rennpferden eingesetzt wurde. Metallisches Arsen wird vom Körper dagegen
Algen, Muscheln und Garnelen enthalten relativ kaum aufgenommen und ist daher relativ ungiftig
hohe Konzentrationen an Arsen. Die in ihnen enthal- (LD50 (Ratte, oral): 763 mg/kg). Auch dieses soll-
tenen Verbindungen Dimethylarsinsäure, Trimethy- te man aber sehr vorsichtig handhaben, da es sich
larsenoxid, Trimethylarsin sowie Arsenobetain wer- an der Luft leicht mit einer dünnen Schicht seines
den vom menschlichen Körper aber innerhalb hochgiftigen Oxids (As2O3) überzieht.
weniger Tage nahezu unverändert ausgeschieden.
Für den Menschen ist die Aufnahme von
Patente
Kleinstmengen (ca. 1 mg) ohne Folgen. Regel-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
mäßiger Verzehr kleiner Mengen von Arsentri-
wide.espacenet.com)
oxid galt früher als leistungsfördernd; diese Men-
schen wurden Arsenikesser genannt.
M. Eutick, Arsenic compositions (Euphar-
Zur Dekontamination schwermetallbelasteter
ma Pty. Ltd., US 2020016196 A1, ver-
Böden setzt man Pflanzen wie Indischen Senf
öffentlicht 16. Januar 2020)
oder Gebänderten Saumfarn ein. Letzterer nimmt
M. Fang, Removing arsenic from water with
bis zu 5 % seines Trockengewichts an Arsen auf
acid-activated clay (Fuel Tech Inc., US
und kann daher den Boden, auf den er gepflanzt
ist, langsam entgiften. (Fortsetzung)
5 Einzeldarstellungen 319

Vorkommen Antimon kommt auf der Erde sel-


2020002189 A1, veröffentlicht 2. Januar ten, sowohl elementar als auch in Form seiner
2020) Verbindungen vor. Immerhin kennt man ca. 300
B. Singh und A. Singh, Nanoadsorbent ba- Fundorte weltweit. Gediegenes, also metallisches
sed user-friendly household filter for the Antimon findet man beispielsweise in den deut-
purification of fluoride and arsenic con- schen Mittelgebirgen (Schwarzwald, Fichtel-
taminated drinking water (Council of gebirge, Harz, Odenwald), in Österreich, in
Scient and Industrial Research, India, Tschechien, in Bolivien (Potosí, La Paz), in Aus-
US 2019358592 A1, veröffentlicht 28. tralien, in Brasilien (Bundesstaat Minas Gerais),
November 2019) in vielen Gebieten der USA, Skandinaviens und
C. Kuo et al., Semiconductor device source/ Russlands. Eine der wichtigsten Lagerstätten für
drain region with arsenic-containing bar- Antimon und seine Erze ist das Murchison-
rier region (Taiwan Semiconductor Ma- Gebirge im Nordosten Südafrikas (Ralph 2015).
nufacturing Co., Ltd., US 2019355816, Industriell verarbeitet wird meist Stibnit
veröffentlicht 21. November 2019) (Sb2S3, Grauspießglanz), der einen Antimon-
K. Nasrallah und R. Barbaroux, A system gehalt von >70 % besitzt. Den höchsten Anti-
and a method for fabrication of arsenic monanteil unter den Mineralen weist eine An-
glass (Dundee Sustainable Tech., WO timon-Arsen-Legierung (Paradocrasit mit max.
2019210385 A1, veröffentlicht 92 % Antimon) auf, sie kommt aber weltweit nur
7. November 2019) an drei Fundorten vor. Stibnit ist mit ca. 2500 La-
K. Hino et al., Arsenic-adsorbent cellulose gerstätten viel häufiger (Ralph 2015). Weitere tech-
material (Shimane Prefectural Govern- nisch verwertbare Antimonminerale sind Valentinit
ment; Jujo Paper Co., Ltd., WO (Sb2O3, Weißspießglanz), Breithauptit NiSb (Anti-
2019172164 A1, veröffentlicht 12. monnickel), Kermesit (Sb2S2O, Rotspießglanz)
September 2019) und Sb2S5 (Goldschwefel).
D. Psaras et al., Cerium(IV)oxide with ex-
ceptional arsenic removal properties (Se- Gewinnung Sieben Achtel der jährlichen Pro-
cure Natural Resources LLC, AU duktionsmenge in Höhe von etwa 150.000 t An-
2019210679 A1, veröffentlicht 22. timon stammen aus China. Entweder röstet man
August 2019) Stibnit mit heißer Luft zum Oxid, das darauf mit
Kohle zu flüssigem Antimon und Kohlenmonoxid
umgesetzt wird:

5.4 Antimon Sb2 S3 þ 5 O2 ! Sb2 O4 þ 3 SO2

Geschichte Im frühen Hochmittelalter taucht Sb2 O4 þ 4 C ! 2 Sb þ 4 CO


erstmals der Name der mineralischen Droge „An-
timonium“ auf (Daems 1993), die etwa Constanti- Oder aber man verwendet Eisen statt Kohle
nus Africanus zur Therapie innerer Krankheiten und reduziert damit Stibnit direkt zu Antimon,
einsetzte (Schwarzmann-Schafhauser 2005). Etwa ohne eine Röstung zwischenzuschalten:
600 Jahre später, im 17. Jahrhundert, verwendete
man den Namen „Antimon“ für das Halbmetall Sb2 S3 þ 3 Fe ! 2 Sb þ 3 FeS
selbst. Das lateinische „stibium“ rührt ursprünglich
von der altkoptischen Bezeichnung für das zum Eigenschaften
Schminken benutzte Antimonsulfid her. Das da- Physikalische Eigenschaften: Die metallische,
raus um 1800 von Berzelius hergeleitete Element- graue, trigonal kristallisierende Modifikation
symbol Sb ist heute noch gültig. In China und (s. Tab. 4) ist die stabilste. Wird Antimondampf
Mesopotamien kannte man jedoch schon weit vor an kalten Flächen kondensiert, entsteht amorphes,
den Europäern metallisches Antimon. schwarzes Antimon, das sehr reaktionsfähig, elek-
320 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

trisch nichtleitend und durch Erhitzen leicht Chemische Eigenschaften: Unter Normalbe-
wieder in die graue Modifikation überführbar ist. dingungen greifen Luftsauerstoff und Wasser An-
Werden schließlich Antimon-III-salze elektroly- timon nicht an, jedoch löst es sich in heißen,
siert, entsteht pulvriges, explosives Antimon, das konzentrierten Mineralsäuren (Salpetersäure) auf.
schon bei leichter Berührung funkensprühend in Mit Halogenen wie Fluor, Chlor und Brom rea-
metallisches Antimon übergeht. giert es schon bei Raumtemperatur heftig zu An-
Metallisches Antimon hat silberweißen Glanz timon-III- und -V-halogeniden. Beim Erhitzen an
und lässt sich wegen seiner Sprödigkeit leicht der Luft, namentlich in geschmolzenem Zustand,
spalten und zerkleinern. Seine elektrischen und verbrennt es mit bläulich-weißer Flamme zu
thermischen Leitfähigkeiten sind gering. Antimon-III-oxid. Naszierender Wasserstoff kann

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Antimon


Symbol: Sb
Ordnungszahl: 51
CAS-Nr.: 7440-36-0

Aussehen: Silbergrau, metallisch Antimon Antimon


glänzend (Metallium, Inc. (Sicius 2015)
2015)
Entdecker, Jahr Babylonien, China (2. Jahrtausend v. Chr.)
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
(%)]
121
51Sb (57,36) Stabil ——
123
51Sb (42,64) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,65
Atommasse (u): 121,76
Elektronegativität 2,05 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Sb3+ + 3 e > Sb (V) 0,15
Atomradius (pm): 145
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 206
Kovalenter Radius (pm): 139
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d10 5s2 5p3
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 834 ♦ 1595 ♦ 2440
Magnetische Volumensuszeptibilität: 6,8  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Trigonal
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): 2,5  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 55 ♦ 42 ♦ 20
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): – ♦ 294
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 3420
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 6,697
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 18,19  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 24
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 25,23
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 630,63 ♦ 903,78
Schmelzwärme (kJ/mol): 19,8
Siedepunkt ( C ♦ K): 1635 ♦ 1908
Verdampfungswärme (kJ/mol): 193
5 Einzeldarstellungen 321

Verbindungen des Antimon-III- bis zum -aller- triumhypochloritlösung unlöslich und färbt sich
dings instabilen- Antimonwasserstoff (SbH3) re- mit Polysulfidlösung orange.
duzieren, von dem sich einige wenige Antimonide Chalkogenverbindungen Antimon-III-oxid (Sb2O3)
ableiten (z. B. K3Sb). kommt als natürliche Verbindung in Form der
Minerale Senarmontit und Valentinit vor. Die bei
Verbindungen Antimon tritt nur sehr selten mit Raumtemperatur weiße (s. Abb. 32a–c), oberhalb
der Oxidationszahl 3 auf, eindeutig bevorzugt einer Temperatur von 600  C gelbe Verbindung
ist +3. Gelegentlich liegt es in der höchstmögli- schmilzt bzw. siedet bei 655  C bzw. 1425  C,
chen Oxidationszahl +5 vor. Dieser Trend zur hat unter Normalbedingungen die Dichte 5,7 g/cm3
stabilsten Oxidationszahl, die um zwei unter der und wird technisch durch Rösten von Antimon-
Höchstzahl der verfügbaren Valenzelektronen III-sulfid (Grauspießglanz, Stibnit) an der Luft
liegt, zeigt den in dieser Gruppe verlaufenden oder durch Verbrennen von Antimon erzeugt.
Wandel vom Nichtmetall Stickstoff zum Metall Ursache des Farbwechsels beim Erhitzen ist
Bismut, er ist analog auch in den benachbarten der Übergang von der weißen, kubisch kristalli-
Hauptgruppen 13 (III A, Erdmetalle, Borgrup- sierenden Modifikation (Senarmontit) zum gelben
pe), 14 (IV A, Kohlenstoffgruppe), 16 (VI A; Valentinit orthorhombischer Struktur bei einer
Chalkogene) und 17 (VII A, Halogene) fest- Temperatur von 606  C (Holleman et al. 1985,
zustellen. S. 687). Das Pulver ist in Wasser nicht löslich,
Wasserstoffverbindungen Der bereits oben er- wohl aber in konzentrierten Säuren und Laugen.
wähnte Antimonwasserstoff (SbH3, Monostiban) Das Molekül der eher kovalenten Verbindung ist
ist ein übel riechendes, giftiges, endothermes und analog zu dem des Phosphor-III-oxids aufgebaut,
sehr zersetzliches Gas vom Kondensationspunkt liegt also in Form von Sb4O6-Einheiten vor, die
17  C und der Dichte 2,16 g/cm3. Das Konden- sich auf den Gitterplätzen befinden. Antimon-III-
sat erstarrt bei 88,5  C. Man stellt Monostiban oxid reagiert amphoter und geht bei 800  C in
beispielsweise aus löslichen Antimonverbindun- „Antimon-IV-oxid“ über, das ein Mischoxid des
gen und naszierendem Wasserstoff oder aber Antimon-III und -V darstellt. Eingesetzt wird es
durch Auflösen von Antimoniden (Magnesiuman- als Farbpigment, zur Herstellung von Emaille, als
timonid, Mg3Sb2) in Säuren her (Berka et al. Katalysator zur Produktion von PET (Polyethy-
1960). Es zersetzt sich bei Raumtemperatur lenterephthalat) und, zusammen mit Zinnoxid, als
langsam, in der Wärme schnell. Man verwendet ATO (Antimon-Tin-Oxide) für transparent-leit-
es gelegentlich in der Halbleiterindustrie zur fähige Beschichtungen von Displays und antista-
n-Dotierung von Silicium. Auch Monostiban tisch wirksamen Substratoberflächen. Antimon-
kann wie Monoarsan zum Nachweis des Elemen- III-oxid ist katalytisch aktiver Synergist in einigen
tes mittels der Marsh’schen Probe dienen; dabei Flammschutzmitteln.
bildet sich auf kalten Oberflächen ein metallisch Die Europäische Chemikalien-Agentur (ECHA)
glänzender Spiegel aus Antimon. Der Antimon- nahm Antimon-III-oxid 2016 gemäß der REACH-
spiegel unterscheidet sich von dem des Arsens Verordnung 1907/2006 auf die Agenda der CoRAP
durch seine dunklere Farbe; zudem ist er in Na- (Community Rolling Action Plan), die die Wirkung

Abb. 32 a Antimon-III-oxid (Onyxmet 2019). b Antimon-III-oxid (Stanford Advanced Materials 2019). c Antimon-III-
oxid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2019)
322 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Abb. 33 Antimon-V-oxid (Onyxmet 2019) Abb. 34 a Antimon-III-sulfid (Onyxmet 2019). b Anti-


mon-III-sulfid (Stanford Advanced Materials 2019)

eines Stoffs auf die menschliche Gesundheit und


die Umwelt neu bewertet und, falls nötig, Maßnah- das Leiten von Schwefelwasserstoff in saure Lö-
men veranlasst. Diese Bewertung läuft noch und sungen von Antimonverbindungen möglich.
wird unter deutscher Leitung durchgeführt (https:// Der kristalline, dunkelgraue bis schwarze
echa.europa.eu). (s. Abb. 34a–b), in amorpher Form orangerote
Das weiße bis gelbliche Antimon-V-oxid (Sb2O5) Feststoff hat je nach Kristallionsgrad die Dichte
(s. Abb. 33) hat eine Dichte von 3,78 g/cm3 und 4,12–4,64 g/cm3, schmilzt bei 550  C (Siedepunkt
schmilzt bei einer Temperatur von 380  C unter der Schmelze: 1150  C) und ist nahezu unlöslich
Abgabe von Sauerstoff zu Antimon-IV-oxid. Man in Wasser. Die bei der Fällung erhaltene, metasta-
stelt es meist durch Oxidation von Antimon bzw. bile orangerote Form geht bei 270  C unter Stick-
Antimon-III-oxid oder im Labormaßstab durch Hy- stoff in die thermodynamisch stabilere graue
drolyse von Antimon-V-chlorid her (Patnaik 2002, Modifikation über. An Luft erfolgt Oxidation zu
S. 54): Antimon-III-oxid ab Temperaturen oberhalb von
300  C. Bie Kontakt mit heißem Wasser oder
2 SbCl5 þ 5 H2 O ! Sb2 O5 þ 10 HCl Wasserdampf tritt Hydrolyse zu Schwefelwasser-
stoff und Antimon-III-oxid ein (Rich 2007,
Das Kristallgitter entspricht dem des β-Niob- S. 398).
V-oxids, kann aber auch von der Rutil-Struktur Antimon-III-sulfid ist in starken Säuren und
des Titan-IV-oxids abgeleitet werden, in der dann -Laugen löslich und kristallisiert mit vier For-
ein Antimonatom verzerrt-oktaedrisch von sechs meleinheiten pro Elementarzelle orthorhombisch
Sauerstoffatomen umgeben ist, und in dem sich (Raumgruppe 62; Bayliss und Nowacki 1972).
die Oktaeder jeweils abwechselnd eine Kante und Die Verbindung ist ein direkter Halbleiter der
eine Ecke teilen (Jansen 1979b). Antimon-V-oxid Bandlücke 1,8–2,5 eV, den man unter anderem
setzt man unter Anderem in Flammschutzmitteln in Fernsehkameras einsetzt. Da Antimon-III-sul-
für ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), als Trü- fid stark rotes Licht adsorbiert, ist es in Tarnfarben
bungsmittel bei der Herstellung von Glas und enthalten. In früheren Jahrhunderten fand es als
Emaille sowie als Farbpigment ein. schwarzes Farbpigment Verwendung, diente auch
In der Natur kommt Antimon-III-sulfid (Sb2S3) zum Schminken von Augenlidern und -brauen
als Mineral Stibnit (Grauspießglanz) vor. Zur Rei- sowie zur Behandlung von Hämorrhoiden (Goehl
nigung der Verbindung schmilzt man das tief- 2015). Heute geht es noch in die Pyrotechnik, als
schmelzende Antimon-III-sulfid aus und lässt es Katalysator in Flammschutzmittel und als Farb-
auf schräg angeordneten Platten abfließen (Aus- pigment in Kunststoffe.
seigern) (Holleman et al. 1995, S. 817). Im La- Aktuell liegen noch nicht genügende Daten zur
bormaßstab gewinnt man reines Antimon-III- Erstellung einer Risikoabschätzung für den Men-
sulfid durch Zugabe von Thioacetamid zu einer schen vor.
Lösung von Antimon-III-chlorid in Ethanol Antimon-V-sulfid (Goldschwefel, Sb2S5) ist ein
(Cheng und Samulski 2003) oder Eisessig (Mane orangerotes (s. Abb. 35), geruch- und geschmack-
et al. 1999). Natürlich ist auch das Erhitzen einer loses Pulver der Dichte 4,12 g/cm3, das schon bei
stöchiometrischen Mischung der Elemente oder 75  C unter Zersetzung schmilzt. Die Kristall-
5 Einzeldarstellungen 323

Abb. 35 Antimon-V-sulfid (Onyxmet 2019)


Abb. 36 Antimon-III-selenid Sputtertarget (QS Advan-
ced Materials 2019)
struktur ist im Einzelnen noch nicht geklärt.
Man stellt es durch Zugabe von stark verdünnter
Schwefelsäure zu Natriumthioantimonat-Nona- Umwandlungsquote von Licht zu Strom von
hydrat (Schlippe’sches Salz, Na3SbS4  9 H2O) 9,2 % zu den wirksamsten Materialien zählt.
her, wobei Antimon-V-sulfid als orangeroter Nie- Antimon-III-tellurid (Sb2Te3) erhält man durch
derschlag ausfällt (Holleman et al. 2017, S. 973). Zusammenschmelzen der Elemente unter Schutzgas
Die lichtempfindliche Verbindung ist unlöslich (Greenwood und Earnshaw 1987, S. 581) oder auch
in Wasser und Ethanol, aber löslich in Alkalilauge unter hohem Druck aus Antimon-III-oxid, Natrium-
und Ammoniumsulfidlösungen. Mit Salzsäure formiat als Reduktionsmittel und Tellur (MacIntyre
reagiert es unter Ausfällung von Schwefel, Ent- 1992, S. 3807). Der graue (s. Abb. 37a–b), geruch-
wicklung von Schwefelwasserstoff und Bildung lose Feststoff hat die Dichte 6,5 g/cm3, schmilzt
löslichen Antimon-III-chlorids. Da Antimon-V- bei 629  C und kristallisiert rhomboedrisch
sulfid weniger giftig als Antimon-III-sulfid ist, (Raumgruppe 166; Yavorsky et al. 2011; Ander-
verwendete man es früher zum Vulkanisieren son und Krause 1974). Das Gitter besitzt eine
von Kautschuk, allerdings waren die auf diese Schichtstruktur mit zwei Schichten von Antimon-
Weise erhaltenen Kautschuke auch rot gefärbt. und drei aufeinander folgenden Schichten von
Heute geht es noch in Pigmente, Pyrotechnik Telluridionen. Daneben gibt es bei Anwendung
und in die Brennmasse von Zündhölzern. hohen Drucks noch eine Modifikation mit mono-
Antimon-III-selenid (Sb2Se3) ist durch das Zu- kliner Struktur (Souza et al. 2012).
sammenschmelzen der Elemente im stöchiome- Antimon-III-tellurid ist ein direkter Halbleiter
trischen Verhältnis (Zuckerman 2009, S. 152) mit einer Bandlücke von 0,21 eV (Lefebvre et al.
oder durch Einleiten von Selenwasserstoff in eine 1987) und auch ein topologischer Isolator. Kris-
wässrige Lösung von Kaliumantimonyltartrat er- talle der Verbindung zeigen also elektrische Leit-
hältlich (Perry 2011, S. 39). Der grauschwarze fähigkeit nur an ihrer Oberfläche und darüber
Feststoff (s. Abb. 36) der Dichte 5,84 g/cm3 hinaus mit der Dicke des Materials veränderte
schmilzt bei 611  C, hat mit 127,6 kJ/mol eine physikalische Eigenschaften. Aus Antimon-III-
immer noch negative freie Bildungsenthalpie tellurid kann man durch eine passende Dotierung
ΔHf0 (Binnewies und Milke 2002, S. 828) und sowohl p- als auch n-Halbleiter herstellen. Eine
kristallisiert orthorhombisch (Raumgruppe 62; Dotierung mit Eisenionen im Besonderen wirkt
Voutsas et al. 1985). Antimon-III-selenid ist ein sich negativ auf die Beweglichkeit der Ladungs-
direkter Halbleiter mit einer Bandlücke von 1,18- träger aus. Die Verbindung hat einen sehr aus-
1,32 eV (Birkett et al. 2018). Die halbleitende geprägten thermoelektrischen Effekt, hat also ei-
Verbindung ist nahezu unlöslich in Wasser, erlei- ne geringe Wärme- und eine hohe elektrische
det aber in Kontakt mit Wasserdampf Hydrolyse. Leitfähigkeit und erreicht einen rekordhohen
Antimon-III-selenid (s. Abb. 36) zeigt im fernen ZT-Wert von über 2 (Venkatasubramanian et al.
Infrarotlicht entlang der c-Achse des Kristalls bei 2001).
20  C eine ziemlich hohe relative Permittivität εr (Dieser errechnet sich nach: ZT¼(α2σT)/κ mit
von 133 und wird aktuell in Form sehr dünner α: Seebeck-Koeffizient, σ: elektrische Leitfähig-
Schichten in Solarzellen getestet, da es mit der keit, κ: Wärmeleitfähigkeit.)
324 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Abb. 37 a Antimon-III-tellurid (Onyxmet 2019). b Anti-


mon-III-tellurid Sputtertarget (QS Advanced Materials
2019)
Abb. 39 Kettenstruktur von Antimon-V-fluorid (Andel
Früh 2006)

eine extrem starke Lewis-Säure und hat daher eine


sehr ausgeprägte Tendenz zur Anlagerung von
Elektronendonatoren. So bildet es Addukte wie
(SbF5  SO2, SbF5  NO2) und sogar [(XeF)+-
(SbF6)] (Steudel 2014, S. 570); Auch Gold-II-
Abb. 38 Antimon-III-fluorid (Onyxmet 2019)
salze können in diese Komplexe eingebunden
sein (Drews et al. 2002; Seidel und Seppelt 2000;
Halogenverbindungen Antimon-III-fluorid (SbF3) Hwang und Seppelt 2002). Antimon-V-fluorid
kann man aus Antimon-III-oxid und wasserfreiem verstärkt noch die Fähigkeit elementaren Fluors,
Fluorwasserstoff herstellen (Brauer 1963, S. 199). Moleküle des Sauerstoffs zu Oxygenylkationen
Da das hierbei gebildete Antimon-III-fluorid eine zu oxidieren (Shamir und Binenboym 1973):
Autodissoziation zu (SbF2)+(SbF4) erfährt, leitet  
die geschmolzene Verbindung den elektrischen 2 SbF5 þ F2 þ 2 O2 ! 2 ðO2 Þþ ðSbF6 Þ
Strom. Das weiße bis gelbliche Antimon-III-fluorid
(s. Abb. 38) kristallisiert orthorhombisch (Raumgrup- Die Verbindung ätzt auch Glas, wogegen Kup-
pe 40; Edwards 1970), schmilzt bzw. siedet bei fer und Blei nur schwach und reiner Quarz, Platin
Temperaturen von 292  C bzw. 376  C, hat als Fest- und Aluminium nicht angegriffen werden. Aus
stoff unter Normalbedingungen eine Dichte von Antimon-V-fluorid sind in Kombination mit star-
4,38 g/cm3 und ist eine starke Lewis-Säure. ken Brønsted-Säuren superstarke Säuren herstell-
Die Verbindung ist ein mildes Fluorierungs- bar, so etwa die aus SbF5 und Fluorsulfonsäure
mittel und wird als Beizmittel zum Färben sowie bestehende „Magische Säure“, die je nach Zusam-
zur Produktion einiger Keramiken verwendet. mensetzung der Mischung H0-Werte bis zu 27
Antimon-III-fluorid ist giftig und kann zu schwe- erreichen kann. [Die Hammett-Funktion (Ham-
rer Schädigung der Atemwege, der Haut und der mett und Deyrup 1932) bezieht sich auf den Pro-
Augen führen (Holleman et al. 2017, S. 952). tonierungsgrad einer schwachen Base in dem su-
Antimon-V-fluorid (SbF5) erhält man durch persauren Medium und gilt als Maß für die Stärke
Fluorieren von Antimon-III-fluorid (Ruff und Pla- einer Supersäure. Die Definition einer Supersäure
to 1904). In der Gasphase hat das SbF5-Molekül ist, dass sie stärker als 100 %ige Schwefelsäure
trigonal-bipyramidale Struktur, in der Schmelze ist, die bereits einen pKs-Wert von 3 aufweist.]
findet man jedoch Kettenoligomere der Formel Diese magische Säure ist sogar zur Protonierung
(SbF5)n, oft mit 5<n<10 (s. Abb. 39). von Paraffinmolekülen imstande (Gillespie et al.
Die ölige Flüssigkeit erstarrt bei 7  C zu einem 1971; Olah et al. 1985; Reed et al. 2000).
Kristallisat, in dessen Gitter Sb4F4-Ringe vorlie- Antimon-III-chlorid (SbCl3) ist entweder aus
gen. Sie siedet bei 149,5  C, hat die Dichte den Elementen (Brauer 1975, S. 588) oder durch
2,99 g/cm3 (20  C), hat einen stechenden Geruch Umsetzung von Antimon oder Antimon-III-oxid
und raucht an feuchter Luft. Antimon-V-fluorid ist mit konzentrierter Salzsäure zugänglich. Die wei-
5 Einzeldarstellungen 325

Abb. 40 Antimon-III-chlorid (Onyxmet 2019) Abb. 41 Antimon-V-chlorid (Onyxmet 2019)

che, farblose (s. Abb. 40), an feuchter Luft rau-


chende und unter Hydrolyse zerfließende Masse
hat die Dichte 3,14 g/cm3 und schmilzt bereits bei
73  C (Siedepunkt der Schmelze: 223  C). Die
Kristallstruktur ist eine verzerrte Variante der des
Uran-III-chlorids. Bei der heftig verlaufenden Re-
aktion mit Wasser entsteht Chlorwasserstoff und
Abb. 42 Antimon-III-bromid (Onyxmet 2019)
Antimon-III-oxidchlorid.
Mit Carotinoiden, also auch Vitamin A, rea-
giert Antimon-III-chlorid unter Bildung eines vor, pro Elementarzelle zwei Moleküle (Ohlberg
blauen Komplexes, der in Form des Carr-Price- 1959). Unterhalb von 55  C bilden sich
Tests die kolorimetrische, quantitative Bestim- Sb2Cl10-Dimere mit kantenverbrückten Doppe-
mung der Carotinoide erlaubt. loktaedern (Haupt 2002).
Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind die Auch Antimon-V-chlorid ist eine starke Lewis-
als Katalysator für Halogenierungen und Poly- Säure und dient als Chlorierungsmittel bei orga-
merisationen, ferner die als Synergist in Flamm- nischen Synthesen.
schutzmitteln. Auch Antimon-III-chlorid ist von Antimon-III-bromid (SbBr3) erhält man durch
der ECHA gemäß REACH 1907/2006 in den Reaktion der Elemente (I; Brauer 1978, S. 591)
laufenden Aktionsplan (CoRAP) aufgenommen oder aus Bor-III-bromid und Antimon-III-chlorid
worden. Es ist als krebserzeugend (Kat. 2) und (II; Holleman et al. 1995, S. 817; Holleman et al.
mutagen (Kat. 3 B) eingestuft. 2017, S. 952):
Antimon-V-chlorid (SbCl5) ist durch Überlei-
ten von Chlor über geschmolzenes Antimon-III- (I) 2 Sb + 3 Br2 ! 2 SbBr3
chlorid erhältlich (Rose 1825). Die leicht gelb- (II) SbCl3 + BBr3 ! SbBr3 + BCl3"
liche Flüssigkeit (s. Abb. 41) raucht an der Luft,
riecht stechend und siedet oberhalb einer Tem- Der meist gelbliche (s. Abb. 42), hygroskopi-
peratur von 140  C, beginnt sich aber beim Erhit- sche Feststoff der Dichte 4,15 g/cm3 schmilzt bei
zen schon wieder zu Chlor und Antimon-III-chlo- 97  C; die bernsteinfarbene Schmelze siedet bei
rid zu zersetzen. Der Erstarrungspunkt liegt bei 280  C. Antimon-III-bromid tritt in zwei ortho-
3,5  C, der Siedepunkt bei 79  C (29 mbar) (Hol- rhombisch kristallisierenden Modifikationen auf.
leman et al. 2017, S. 952). Geringe Mengen Die α-Form liegt aber in der durch die Raumgrup-
Wasser nimmt es unter Bildung der Hydrate pe 19 vorgegebenen Anordnung vor (Cushen und
SbCl5  H2O und SbCl5  4 H2O auf (Brauer 1975, Hulme 1964), die β-Form in der durch die Raum-
S. 588); ein Überschuss von Wasser führt unter gruppe 62 beschriebenen (Cushen und Hulme
heftiger Hydrolyse zu basischen Chloriden des 1962). Mit Wasser erfolgt Hydrolyse zu Anti-
Antimons und Chlorwasserstoff. Auf den Gitter- monoxidbromid und Bromwasserstoff.
plätzen des hexagonalen Kristallgitters (Raumgrup- Antimon-III-iodid (SbI3) ist durch Umsetzung
pe 194) liegen bei einer Temperatur von 30  C fein verteilten Antimons mit Iod in wasserfreien
Monomere mit trigonal-bipyramidaler Struktur Lösungsmtteln wie Benzol, Kohlenstoffdisulfid
326 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

oder Tetrachlorethan darstellbar (I; Holleman anteile an Aluminium, Antimon und ggf. Arsen,
et al. 2017, S. 952; Kumar 2007, S. 471). Alter- Gallium und Indium erlaubt es, die Bandlücke und
nativ funktioniert auch die Reaktion von Anti- damit die elektrische Leitfähigkeit des Halbleiters
mon-III-chlorid mit Bor-III-iodid (II; Holleman bestmöglich an die spektrale Verteilung der Wel-
et al. 2007, S. 832): lenlängen des Sonnenlichts anzupassen.
Antimon-III-sulfat [Sb2(SO4)3] kann man
(I) 2 Sb + 3 I2 ! 2 SbI3 durch Auflösen von Antimon-III-oxid in kon-
(II) SbCl3 + BI3 ! SbI3 + BCl3" zentrierter, heißer Schwefelsäure erhalten. Die
farblosen, nadelförmigen und hygroskopischen
Der rubinrote Feststoff (s. Abb. 43) setzt sich Kristalle haben eine Dichte von 3,62 g/cm3. In
mit Wasser und Luftsauerstoff zu Antimonoxidio- schwach basischen Lösungsmitteln wie Sodawas-
did (SbOI) um. Die Verbindung kristallisiert im ser (wässrige Lösung von Natriumcarbonat) hy-
Gittertyp des zu ihr homologen Bismut-III-iodids, drolysiert es bereits wieder zu Antimon-III-oxid
lagert Iodidionen an und bildet dann Tetraiodoan- bzw. -hydroxid.
timonat-III (Norman 1998, S. 96).
Sonstige Verbindungen Dünne, aus Antimonni- Anwendungen Meist wird Antimon in Form
trid (Sb3N) bestehende Filme wurden durch Sput- von Legierungen eingesetzt. Geschmolzenes An-
tern mit Magnetronen auf Grafit erzeugt. Die re- timon hat, anders als die meisten anderen Metalle,
versible Lastspannung dieser Sb3N/Li-Zellen lag eine höhere Dichte als im Feststoff. Daher setzt
zwischen 0,3 und 3,0 V bei einer Energiedichte man Legierungen Antimon zu, damit sie sich
von 600 mAh/g. Die Reaktion von Sb3N zu Li3Sb beim Erstarren ausdehnen. In Gießformen ver-
und Li3N wurde während der Entladung beobach- läuft die erstarrende antimonhaltige Legierung
tet. Die günstigen Leistungsdaten der Antimonni- daher in alle Ecken und Winkel, was einen ein-
trid-Lithium-Batterien sind vielversprechend für wandfreien, schrumpffreien Präzisionsguss er-
die Entwicklung wiederaufladbarer Lithiumakku- möglicht.
mulatoren (Sun et al. 2010). Blei und Zinn verleiht es in vielen Legierungen
Nach der Dichtefunktionaltheorie durchgeführ- größere Härte, so z. B. in Hartblei, Letternmetall,
te Berechnungen der Eigenschaften einer Einzel- Akkumulatoren-Blei und Bleimänteln für Erd-
schicht aus Antimoncarbid (Sb2C) besagen, dass kabel (Blei) oder auch Britanniametall, Lager-
diese thermisch, kinetisch und thermodynamisch metall und Zinngeschirr (Zinn).
stabil sein soll. Dieser indirekte Halbleiter hat eine Die Gruppe der bereits genannten III-V-Ver-
Bandlücke von 0,90 eV nach PBE (Gradientennä- bindungshalbleiter, also Legierungen mit Galli-
herung nach Perdew, Burke und Ernzerhof) (Abu- um, Indium, Aluminium und ggf. Drittmetallen
talib 2018) sind für die Halbleiterindustrie sehr wichtig.
Der III-V-Verbindungshalbleiter Aluminiuman- Antimon-III-sulfid ist ein Halbleiter hoher
timonid (AlSb) schmilzt bei 1050  C und kann zur Lichtempfindlichkeit, der in Fernsehkameras und
Herstellung von Solarzellen verwendet und dafür verschiedenen optoelektronischen Geräten einge-
mit anderen Halbleitern der gleichen Sorte dotiert setzt wurde (Cheng und Samulski 2003). Anti-
werden. Eine Änderung der jeweiligen Mengen- mon-V-sulfid dient als Vulkanisierungsmittel für
bestimmte Gummimischungen (Beispiel: rote
Schläuche in chemischen Labors) und als Be-
standteil des Zündkopfes in Streichhölzern.
Für Antimon-III-oxid (Sb2O3) bestehen beson-
ders viele Einsatzgebiete. Unter anderem ist es der
Katalysator zur Herstellung von Polyester und
PET, ein Weißpigment zur Färbung sowohl von
Polystyrol, Polyethylen und Polypropylen als
Abb. 43 Antimon-III-iodid (Onyxmet 2019) auch keramischer Massen (weiße Glasuren und
5 Einzeldarstellungen 327

Fritten), Läuterungsmittel für Bleiglas, Absorpti-


onsmittel für die für die Markierung von Kunst- T. Takada, Fuel cell separator, antimony-
stoffen verwendeten Laserstrahlen und ein starker doped tin oxide and production method
Infrarot-Absorber in Tarnfarben. therefof, and manufacturing method of
fuel cell separator (Toyota Motor Corp.,
Toxizität Hinsichtlich seiner Giftigkeit steht An- JP 2019192437 A, veröffentlicht 31. Ok-
timon dem hierfür viel bekannteren Arsen nicht tober 2019)
nach. Bei Verschlucken können schon Mengen H. Ayano und T. kagami, Treatment method
von 0,2 g tödlich wirken. Die Verbindungen des of waste water containing antimony (Ku-
Antimons in dessen Oxidationszahl +3 sind am rita Water Ind., Ltd., JP 2019166440,
giftigsten. Jenes geht kurz nach der Einnahme in veröffentlicht 3. Oktober 2019)
die roten Blutkörperchen über und lagert sich in P. Fantini et al., Transition metal doped ger-
stark durchbluteten Organen an, wo es auch die manium-antimony-tellurium (GST) me-
schwersten Schäden verursacht. Die Ursache der mory device components and compositi-
Giftwirkung dürfte ähnlich wie beim Arsen ver- on (Micron Technology Inc., US
schiedenartig sein: Der intrazelluläre Energieträ- 10418552 B1, veröffentlicht
ger Adenosintriphosphat (ATP) kann durch 17. September 2019)
Reduktion oder durch Ersatz der Phosphor- W. Wang et al., Method and application for
durch homologe Antimonatome blockiert wer- recovering antimony from high-arsenic
den, zudem bindet Antimon wie andere toxische oxide powder (Guangdong Polytechnic
Schwermetalle (Quecksilber, Thallium, Blei) dort Environmental Protection Engineering,
die Sulfhydryl-Gruppen lebenswichtiger Enzyme. CN 110184481 A, veröffentlicht 30.
Gegenmaßnahmen sind Infusionen und Gaben August 2019)
von Aktivkohle, N-Acetylcystein und eines anti-
mon-selektiven Komplexbildners, Dimercaprol
(Ram und Nath 1996; Konstantopoulos et al.
2012; Hansen et al. 2010) 5.5 Bismut

Geschichte Mehrere Chemiker, Geoffroy, Pott


Patente (Figurowski 1981, S. 214), Scheele (Kurzbiografie
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world siehe „Molybdän“) und Bergman (Kurzbiografie
wide.espacenet.com) siehe „Cobalt“) wiesen Bismut ab dem Ende des
18. Jahrhunderts als eigenständiges Element nach
S. Thomas et al., Cobalt oxide-antimony tin (Holleman et al. 2007, S. 822). Zuvor sah man es
oxide (COO-ATO) anti-reflecting eher als besondere Modifikation anderer, zu der Zeit
coating (privat, US 2020023407 A1, ver- schon bekannter Metalle wie Blei, Zinn oder Anti-
öffentlicht 23. Januar 2020) mon an, man fand es auch als Begleiter in silber-
B. S. Herner und E. Harari, Method for in haltigen Erzen. Der seit dem Mittelater im deut-
situ preparation of antimony-doped sili- schen Sprachraum übliche Name des Metalls
con and silicon germanium films (Sunri- lautete um 1400 „wesemut“, in der lateinischen
se Memory Corp., US 2020013799 A1, Transskription 1450 „wismutum“ (Kluge 1960,
veröffentlicht 9. Januar 2020) S. 866). Als Ursprung des Namens vermutet man
F. Carta et al., Composition control of che- die Überlieferung des altgriechischen Namens für
mical vapor deposition nitrogen doped Bleiweiß („ψιμύθιoν“ oder „psimýthion“). Nicht
germanium antimony tellurium (IBM; geklärt sind bisher Hinweise auf eine Vermutung
Ulvac Inc., US 2019345607 A1, ver- über Lagerstätten in St. Georgen „in der Wiesen“
öffentlicht 14. November 2019) bei Schneeberg/Erzgebirge (Pfeifer et al. 1999,
S. 1574) oder die ebenfalls spätmittelalterliche Be-
328 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

nennung „wis(se)mat“ („weiße Masse“) (Grab- Vorkommen Bismut kommt oft gediegen, also
Kempf 2003, S. 197). Berzelius (Kurzbiografie sie- elementar, in der Natur vor, wobei es oft mit
he „Cer“) verlieh dem Element 1814 sein noch Kupfer-, Nickel-, Silber und Zinnerzen vergesell-
heute gültiges Symbol Bi. schaftet ist (Anthony et al. 2001). Die Fundorte
liegen dabei über die ganze Welt verteilt.
Manchmal tritt es auch als Doppelsulfid mit
Der französische Chemiker Claude Fran-
einem weiteren Metallkation auf, wie z. B. im
çois Geoffroy ( 1729; † 18. Juni 1753)
Galenobismutit (PbBi2S4), Lillianit (Pb3Bi2S6),
untersuchte sowohl Bismut als auch seine
Silber-Bismutglanz (AgBiS2), Kupfer-Bismutglanz
Verbindungen, dies nach den von Pott
(CuBiS2) und der Kupfer-Bismutblende (Cu6Bi2S6).
durchgeführten Arbeiten. Ebenso wie dieser
Insgesamt kennt man ca. 220 Minerale.
entdeckte er viele ähnliche Eigenschaften
von Bismut und Blei bzw. ihren Verbindun- Vor einigen Jahren (2006) lag die Menge abge-
gen; so konnte man Bismut ähnlich wie Blei bauten Erzes bei weltweit ca. 5500 t/a, die der
bei der Trennung von Silber und Gold ein- weiter verarbeiteten Bismutverbindungen bei
setzen. Geoffroy fand auch, dass Bismut mit rund 12.000 t/a. Die wichtigsten Förderländer
blauer Flamme verbrennt, dies im Gegen- sind China, von wo ca. 60 % des Bismuts stam-
satz zu Pott, der noch festgestellt hatte, dass men, daneben noch Mexiko (20 %) und Peru
Bismut unbrennbar sei (Geoffroy 1753). (15 %). Die drei genannten Länder spielen auch
Bevor er seine geplante Versuchsreihe zu die Hauptrolle als Standort zur Weiterverarbei-
Blei und Bismut fortführen konnte, verstarb tung, jedoch sind hier auch noch Belgien, Japan
er. Geoffroy war Mitglied der französischen und Kanada wichtig.
Akademie der Wissenschaften.
Gewinnung Oxidische oder sulfidische Erze des
Der preußische Chemiker und Arzt Johann Bismuts werden, ähnlich wie es beim Antimon
Heinrich Pott ( 6. Oktober 1692 Halber- der Fall ist, in Flammöfen mit Kohle oder Eisen
stadt; † 29. März 1777 Berlin) war ab 1709 zu Bismut reduziert. Zur Gewinnung von Bismut
an der Universität Halle als Student der
geht man von oxidischen oder sulfidischen Erzen
Theologie eingeschrieben, studierte später
aus:
Chemie und Medizin. Pott unterbrach sein
Studium für einige Jahre, um mit zwei sei-
2 Bi2 O3 þ 3 C ! 3 CO2 þ 4 Bi
ner Brüder als Verkünder der Sekte der In-
spirierten durch Deutschland zu ziehen,
nahm dann aber 1715 sein Studium wieder Bi2 S3 þ Fe ! 3 FeS þ 2 Bi
auf. Er promovierte 1716 über Metallsulfi-
de, praktizierte dann als Arzt in Halberstadt Das oxidierende Schmelzen des bei den obigen
und wechselte 1720 nach Berlin. Von 1722 Verfahren gewonnenen rohen Bismuts befreit es
an war Pott Mitglied der Societät der Wis- von einigen Verunreinigungen (Antimon, Arsen,
senschaften und ab 1724 Professor für Blei, Eisen und Schwefel). Zusammenschmelzen
Theoretische Chemie am Chirurgischen mit Natriumsulfid entfernt Kupfer, eine Extrakti-
Kolleg. 1737 wurde er auch Professor für on des geschmolzenen Bismuts mit flüssigem
Praktische Chemie. Zinn beseitigt auch Gold und Silber.

Aufgrund von Streitigkeiten um Besetzun- Eigenschaften Bismut ist ein silberweißes bis
gen einer Professorenstelle und wegen fach- rosafarbenes, sprödes Metall. Seine Kristallstruk-
licher Dispute trat Pott 1754 aus der Aka- tur ist rhomboedrisch mit dicht gepackten Dop-
demie der Wissenschaften aus, hielt aber pelschichten, entlang derer das Metall gut spaltbar
noch bis zum Jahr 1770 an der Universität ist. Bei Drücken oberhalb von 9 GPa bildet sich
Vorlesungen. Einer seiner Schüler war Mar- ein kubisch-raumzentriertes Gitter.
tin Heinrich Klaproth (Engel 2001, S. 660;
Bismut ist ein Reinelement, da es nur in Form
Kraft 2014; Ladenburg 1888, S. 486).
des äußerst langlebigen, aber radioaktiven Isotops
5 Einzeldarstellungen 329

209
83Bi natürlich vorkommt (s. Tab. 5). Somit Bleis, Thalliums und auch derjenigen seiner nied-
eröffnet bereits Bismut die lange Reihe radio- rigeren Homologen Antimon und Arsen, auch wenn
aktiver Elemente, die sich an Blei hinauf zu höhe- sie immer noch eine gewisse Toxizität besitzen.
ren Ordnungszahlen anschließt. Flüssiges Bismut zeigt wie einige andere
Es unterscheidet sich von seinen linken Nachbarn Halbmetalle und Metalle (Antimon, Gallium,
im Periodensystem, Blei und Thallium, nicht bezüg- Germanium, Silicium) das Phänomen der Dich-
lich seines ebenfalls bei ca. 300  C liegenden teanomalie beim Schmelzen, da Bismut im ge-
Schmelzpunktes, sondern wegen seiner Sprödigkeit, schmolzenen Zustand eine höhere Dichte als im
seiner relativ schlechten elektrischen Leitfähigkeit festen aufweist.
und seines deutlichen Hall-Effektes, die auch Bis- An trockener Luft ist es bei Raumtemperatur
mut immer noch einige typische Eigenschaften eines beständig. Bei Gegenwart von Feuchtigkeit bildet
Halbmetalls zuweisen. Bismutverbindungen sind sich jedoch langsam eine Oxidschicht. Relativ
demgegenüber auch nicht derart giftig wie die des stabil ist es gegen Wasser und nichtoxidierende

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Bismut


Symbol: Bi
Ordnungszahl: 83
CAS-Nr.: 7440-69-9

Aussehen: Rötlich-silbrig glänzend Bismut, Bismut,


Einkristall Pulver
(Sicius 2015) (Sicius 2015)
Entdecker, Jahr Geoffroy (Frankreich), 1753
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
209
83Bi (100) 1,9  1019 a α > 20581Tl
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,2
Atommasse (u): 208,98
Elektronegativität 1,9 ♦ 1,7 ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Bi3+ + 3 e > Bi (V) 0,317
Atomradius (pm): 160
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 207
Kovalenter Radius (pm): 148
Ionenradius (Bi5+, pm) 74
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d10 6s2 6p3
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 703 ♦ 1610 ♦ 2466
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,7  104
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Rhomboedrisch
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 7,7  105
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 32 ♦ 31 ♦ 12
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): – ♦ 70–95
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 1790
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 9,78
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 21,31  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 8
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 25,52
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 271,3 ♦ 544,4
Schmelzwärme (kJ/mol): 10,9
Siedepunkt ( C ♦ K): 1560 ♦ 1833
Verdampfungswärme (kJ/mol): 179
330 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Säuren (Salzsäure und verdünnte Schwefelsäure), Chalkogenverbindungen In der Natur kommt


nicht aber gegenüber oxidierenden (Salpetersäure Bismut-III-oxid (Bi2O3) in dem Mineral Bismit
oder heiße konzentrierte Schwefelsäure); diese (Wismutocker) vor, wird aber meist als Neben-
lösen es unter Bildung von Bismut-III-salzen auf. produkt bei der Verhüttung von Kupfer-, Zinn-
An der Luft erhitzt, verbrennt es zu Bismut-III- und Bleierzen gewonnen. Man erzeugt es rein
oxid (Bi2O3). Ebenso leicht verbindet es sich bei durch Verbrennen von Bismut. In analysenreiner
erhöhter Temperatur mit Halogenen und Chalko- Form erhält man es durch Erhitzen reinsten Bis-
genen, nicht aber mit seinen Homologen Stick- mut-III-nitrat-Pentahydrats auf Temperaturen um
stoff und Phosphor. Die eindeutig stabilste Oxida- 700  C (Brauer 1975, S. 601):
tionszahl ist +3, Bismut-V-oxid (Bi2O5) ist ein
äußerst starkes Oxidationsmittel, das sogar Man- 2 BiðNO3 Þ3 ! Bi2 O3 þ 3 ðN2 O5 Þ
gan-II zu Permanganat oxidiert.
Das gelbe Bismut-III-oxid (s. Abb. 44a–d)
Verbindungen Da +3 die bevorzugte Oxidati- schmilzt bzw. siedet bei 817  C bzw. 1890  C
onszahl des Bismuts ist, reduziert sich bei ihm und hat unter Normalbedingungen die Dichte
die Zahl der zu diskutierenden Verbindungen ge- 8,93 g/cm3. Es liegt in bis zu vier verschiedenen
genüber seinen leichteren Homologen wie Arsen Kristallstrukturen (α-δ) vor, von denen bei Raum-
und namentlich Phosphor beträchtlich. temperatur die monokline α-Variante am stabils-
Wasserstoffverbindungen Bismutwasserstoff ten ist.
(Bismutan, BiH3) kann man nach Bürger et al. Die Verbindung ist praktisch unlöslich in Was-
(2002) aus Methylbismutan herstellen: ser und den üblichen organischen Lösungsmit-
teln, aber löslich in mäßig konzentrierten Säuren
3 CH3  BiH2 ! BiðCH3 Þ3 þ 2 BiH3 und, bei vorherigem Zusatz von Glycerin, in star-
ken konzentrierten Laugen (Brauer 1975, S. 601).
Methylbismutan erzeugt man wiederum aus Mit anderen Metalloxiden bildet Bismut-III-oxid
Methyldichlorbismutan: leicht Mischoxide; die geschmolzene Verbindung
löst jedes Metalloxid und korrodiert sogar Platin.
2 H3 C  BiCl2 þ LiAlH4 ! 2 CH3  BiH2 Mit Salz- bzw. Flusssäure reagiert Bismut-III-
! BiðCH3 Þ3 þ LiCl þ AlCl3 oxid zu Bismut-III-chlorid bzw. -fluorid. Einsatz-
gebiete bestehen in Brennstoffzellen, Gläsern,
Leitet man Bismutan durch ein erhitztes Glas- Katalysatoren und in Pharmazeutika zur Bekämp-
rohr und anschließend auf eine gekühlte Oberfläche, fung des gesundheitsschädlichen Bakteriums He-
so schlägt sich darauf ein metallisch glänzender Bis- licobacter pylori.
mutspiegel nieder, der in Ammoniumpolysulfidlö- Bismut-III-sulfid (Bi2S3) kommt in Form des
sung unlöslich ist. Bismutan ist ein spezifisch sehr Minerals Bismuthinit vor. Die Verbindung
schweres Gas (Dichte: 9,3 kg/m3) mit einem ex- schmilzt bei Temperaturen von 685–850  C, hat
trapolierten Kondensationspunkt von ca. 17  C, die Dichte 7,7 g/cm3, und wird durch Einleiten
und es ist eine stark endotherme Verbindung, also von Schwefelwasserstoff in die wässrige Lösung
sehr zersetzlich. eines Bismut-III-salzes dargestellt. Das graue bis

Abb. 44 a Bismut-III-oxid (Dblay 2009). b Bismut-III-oxid (Onyxmet 2019). c Bismut-III-oxid (Stanford Advanced
Materials 2019). d Bismut-III-oxid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2019)
5 Einzeldarstellungen 331

schwarze Salz (s. Abb. 45a–b) kristallisiert ortho- und Lax 1997, S. 340) als auch mit rhombischer
rhombisch (Raumgruppe 62) (Lundegaard et al. Kristallstruktur (Raumgruppe 62) auf (Atabaeva
2005), und seine Löslichkeit in Wasser ist extrem et al. 1973). Bismut-III-selenid ist ein topologi-
gering. Man nutzt es unter Anderem in Katalysa- scher Isolator (Xia et al. 2005). Man verwendet es
toren, das natürlich vorkommende Mineral zur zur Herstellung extrem dünner Filme (Soriaga
Herstellung von Bismut, zudem in Bremsbelägen et al. 2002, S. 167) und solcher Beschichtungen,
und in Flussmitteln beim Lichtbogenschweißen deren elektrischer Widerstand durch Anlegen ei-
(Mahmoud et al. 1997). Bismut-III-sulfid ist ein nes Magnetfeldes veränderbar ist (Magnetoresis-
direkter Halbleiter mit einer Bandlücke von tivität).
1,34 eV und eignet sich sehr gut für lichtoptische Bismut-III-tellurid (Bi2Te3) kommt in der Na-
Anwendungen oder auch als Elektrokatalysator. tur sehr selten als Mineral Tellurobismutit vor.
Bismut-III-selenid (Bi2Se3) ist Bestandteil des Die Verbindung kristallisiert in rhomboedrischer
Minerals Paraguanajuatit, ebenso des Minerals Struktur (Raumgruppe 166) schmilzt bei 573  C
Guanajuatit (Anthony et al. 1990). Der graue, und hat die Dichte 7,64 g/cm3. Den dunkelgrauen
metallisch glänzende Feststoff (s. Abb. 46a–b) (s. Abb. 47a–c), metallisch glänzenden Halbleiter
hat eine Dichte von 7,51 g/cm3, schmilzt bei der Bandlücke 0,12 eV setzt man in Thermo- und
710  C und ist ein Halbleiter mit direkten und Peltier-Elementen ein (Tan 2005).
indirekten Übergängen einer Größenordnung von In Nanodrähten oder dünnen Filmen zeigte
0,3 eV (Nechaev et al. 2013). Die Verbindung tritt n-dotiertes Bismut-III-tellurid mit einem Wert
sowohl mit trigonaler (Raumgruppe 166) (D’Ans von 287 μV/K bei 54  C einen relativ hohen
Seebeck-Koeffizienten (Tan 2005). Jedoch ist da-
mit auch eine verringerte Konzentration elektri-
scher Ladungsträger und damit eine schlechtere
elektrische Leitfähigkeit verbunden (Goldsmid
et al. 1958). In einer aktuelleren Arbeit berichten
die Autoren von einer deutlich höheren elektri-
schen Leitfähigkeit von 1,1∙105 S/m, verbunden
aber mit einer geringen Wärmeleitfähigkeit von
Abb. 45 a Bismut-III-sulfid (Onyxmet 2019). b Bismut- 1,2 W/(mK), ähnlich wie bei gewöhnlichem Glas
III-sulfid (Stanford Advanced Materials 2019)
(Takeiishi 2006). Auch Bismut-III-tellurid ist ein
topologischer Isolator; dünne Filme erhält man
durch Epitaxie oder mechanisches Exfolieren
(Balandin et al. 2010a, b; Yavorsky et al. 2011).
Halogenverbindungen Bismut-III-fluorid (BiF3)
stellt man durch Lösen von Bismut-III-oxid oder
Bismutoxidchlorid in Flusssäure her (Brauer
1975, S. 218). Dagegen liefert die Reaktion von
Bismut-III-hydroxid mit wässriger Flusssäure
Abb. 46 a Bismut-III-selenid Sputtertarget (QS Advan- nur Oxidfluoride. Bismut-III-fluorid schmilzt bei
ced Materials 2019). b Bismut-III-selenid (Stanford Ad-
vanced Materials 2019) 727  C, hat die Dichte 5,32 g/cm3 und ist ein

Abb. 47 a Bismut-III-
tellurid (Sony Ericsson
W810i 2006). b Bismut-III-
tellurid (Onyxmet 2019).
c Bismut-III-tellurid
(QS Advanced Materials
2019)
332 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Abb. 49 a Bismut(III)-chlorid (O. Mangl 2007). b Bis-


Abb. 48 Bismut-III-fluorid (Onyxmet 2019) mut-III-chlorid (Onyxmet 2019)

Bismut-III-chlorid kristallisiert wie das Bis-


weißer, kristalliner Feststoff (s. Abb. 48) mit mut-III-fluorid in der verzerrten Struktur des
orthorhombischer Kristallstruktur (Raumgruppe 62). Uran-III-chlorids. Die direkte Hydrolyse der stark
Bismut-V-fluorid (BiF5) erhält man durch Re- lewissauren Verbindung führt zum nahezu was-
aktion von Bismut-III-fluorid oder Bismut mit serunlöslichen Bismutoxidchlorid. Die Chlo-
Fluor bei Temperaturen oberhalb von 500  C ride von Alkalimetallen lagert es unter Bildung
bzw. 600  C (Brauer 1975, S. 219). Der weiße, von Komplexen wie (BiCl4), (BiCl5)2 oder
kristalle und äußerst feuchtigkeitsempfindliche (BiCl6)3 an. Ein Bismut-V-chlorid existiert nicht.
Feststoff schmilzt bei einer Temperatur von Bismut-III-bromid (BiBr3) erhält man durch
151  C (Siedepunkt der Schmelze: 230  C) und Überleiten von Bromdampf über auf eine Tem-
hat eine Dichte von 5,40 g/cm3. An feuchter Luft peratur von 250  C erhitztes Bismut (Brauer 1975,
verfärbt sich die Verbindung infolge der Bildung S. 599). Der hygroskopische, kräftig gelbe
von Hydrolyseprodukten, unter Anderem Bis- (s. Abb. 50), kristalline Feststoff reagiert mit Was-
mut-III-oxid, gelbbraun. Mit Wasser erfolgt sehr ser zügig unter Hydrolyse zu Bismutoxidbromid
heftige hydrolytische Zersetzung unter Bildung (Brauer 1975, S. 599). Die Verbindung kristalli-
von Ozon und Bismut-III-fluorid; auch sonst siert bis zu einer Temperatur von 158  C mono-
inerte organische Verbindungen oxidiert es bei klin (Raumgruppe 14) und schmilzt bei 218  C zu
erhöhter Temperatur unter Feuererscheinung. einer tiefroten Flüssigkeit, die dann bei 461  C
Bismut-V-fluorid hat tetragonale Kristallstruk- siedet. Der Feststoff hat eine Dichte von 5,7 g/cm3.
tur (Raumgruppe 87); in dieser liegen Ketten In der bei Raumtemperatur stabilen monoklinen
aus BiF5-Molekülen vor (Holleman et al. 1995, Struktur liegen BiBr6-Oktaeder mit drei kurzen
S. 816). Das kräftige Fluorierungsmittel (Perry und drei langen Bi-Br-Bindungen vor. Die ober-
2011, S. 483) ist wie das homologe Antimon-V- halb einer Temperatur von 158  C existierende
fluorid eine ebenfalls sehr starke Lewis-Säure Struktur entspricht der des Aluminiumchlorids
und lagert Alkalimetallfluoride (MF) unter Bil- (Norman 1998, S. 95; Benda 1980). Man setzt
dung von Hexafluorobismutat-V (MBiF6) an die Verbindung als Katalysator in organischen
(Riedel und Janiak 2011, S. 511), ebenso Synthesen ein (Ollevier 2012, S. 62).
Xenon-II-fluorid beispielsweise zu (XeF)+ Bismutsubbromid (Bi6Br7) ist durch Umset-
(BiF6) (Steudel 2014, S. 570). zung des Tribromids mit Bismut darstellbar (Riedel
Bismut-III-chlorid (BiCl3) ist durch Überleiten und Janiak 2011, S. 511; von Benda et al. 1978).
von Chlor über erhitztes Bismut oder durch Auf- Bismut-III-iodid (BiI3) ist durch Erhitzen fein-
lösen von Bismut-III-oxid in Salzsäure herstellbar verteilten Bismuts mit Iod erhältlich (Watt et al.
(Brauer 1975, S. 597). Die weißen bis hellgel- 1953), außerdem durch Zugabe von Iodwasser-
ben, hygroskopischen und hydrolyseempfindlichen stoffsäure zu einer salzsauren Lösung von Bis-
Kristalle (s. Abb. 49a–b) haben wegen der vor mut-III-chlorid als dunkelgrauer Niederschlag
allem an feuchter Luft leicht erfolgenden Hydro- (Brauer 1975, S. 600). Nach Sublimation re-
lyse einen stechenden Geruch, schmelzen bei sultiert ein schwarz-glänzender, graphitähnlich
231  C (Siedepunkt der Schmelze: 447  C) und aussehender Feststoff (s. Abb. 51) der Dichte
weisen eine Dichte von 4,75 g/cm3 auf. 5,78 g/cm3, der bei 408  C schmilzt und sich bei
5 Einzeldarstellungen 333

Abb. 50 Bismut-III-bromid (Onyxmet 2019) Abb. 52 Bismut-III-nitrat (Onyxmet 2019)

Abb. 53 a Bismutvanadat (FK1954 2009). b Bismutva-


Abb. 51 Bismut-III-iodid (Onyxmet 2019) nadat (Onyxmet 2019)

weiterem Erhitzen oberhalb einer Temperatur von fide in Sulfoxide. Es ist Katalysator für die Umset-
500  C zersetzt. Die Struktur der Kristalle ist zung von Aminen, Imidazolen und Indolen zu
trigonal. Man nutzt die Verbindung zum Nachweis Enonen (Holleman et al. 1995, S. 826).
des Bismuts, da der aus der Lösung ausgefällte Bismutvanadat (BiVO4) kommt in der Natur
Niederschlag in Gegenwart überschüssigen Iodids als Mineral Pucherit vor und wird seit 1985 als
unter Bildung orangen Tetraiodobismutats (BiI4) Farbpigment verkauft. Das gelborange Pulver
wieder löslich ist. (s. Abb. 53a–b) der Dichte 6,25 g/cm3 ist heute
Bismutcarbid konnte bislang nur in Form ein- weltweit in Mengen um 1200 t/a als Pigment
zelner Cluster der Zusammensetzung BinC2n+ Yellow 184 (C.I. 771740) im Handel. Man
(n ¼ 3–11), aus der Gasphase durch Umsetzung schmilzt zu seiner Gewinnung entweder Bismut-
neutraler Bismutcluster mit gasförmigen, ungesät- III- und Vanadium-V-oxid zusammen oder fällt
tigten Kohlenwasserstoffen (C2H2, C2H4, C2H2F2) es durch Vereinigung wässriger Lösungen von
und darauf folgender Ionisierung durch Laserlicht Bismut-III-nitrat und Natriummetavanadat aus.
erzeugt werden. Die Stabilität der dargestellten Bei letzterem Verfahren hängt der Farbton stark
Cluster wechselte je nach gerader bzw. ungerader von Temperatur, Konzentration bei der Fällung
Zahl der im Cluster enthaltenen Bismutatome und dem pH-Wert der Lösung ab. Das industriell
(Yamada und Nakagawa 2009). erzeugte Bismutvanadat behandelt man zwecks
Bismut-III-nitrat [Bi(NO3)3] ist in Form des Erhöhung der Wetterbeständigkeit noch nach
Pentahydrats durch Lösen von Bismut oder Bis- (Buxbaum und Pfaff 2005). Die Verbindung be-
mut-III-oxid in Salpetersäure zugänglich (Brauer sitzt ausgezeichnete Farbdeckung, helle und reine
1975, S. 602). Die stabförmigen, farblosen Kristal- Farbe, hohe Farbstärke und sehr gute Stabilität
le trikliner Struktur (s. Abb. 52) hydrolysieren beim gegenüber Wettereinflüssen.
Erhitzen auf eine Temperatur von 60  C unter Von den vier möglichen Kristallmodifikatio-
Bildung basischen Bismutnitrats; bei noch höheren nen eignen sich nur zwei als Farbpigment, da
Temperaturen entsteht Bismut-III-oxid. Die Ver- nur sie den charakteristischen Gelbton aufweisen.
bindung ist in starken Mineralsäuren, Eisessig und Der synthetische Grundtyp kristallisiert monoklin
Glycerin löslich. Bei Kontakt mit Wasser tritt Hy- verzerrt im Calciumwolframat-Typ. Noch bestän-
drolyse zu basischen Salzen ein (Gattow und Kiel diger gegen Alkalien und das Wetter ist die tetra-
1965). Bismut-III-nitrat oxidiert nach Hantzsch gonal kristalliserende Modifikation, die meist in
1,4-Dihydropyridine und überführt organische Sul- Gegenwart von Erdalkaliionen gebildet wird. Bis-
334 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Abb. 54 Bismutwolframat (Onyxmet 2019)


Abb. 55 Bismutferrit Sputtertarget (QS Advanced Mate-
rials 2019)
mutvanadat hat die zwei früher oft verwendeten,
aber wegen ihrer Giftigkeit vielfach eliminierten machen zu können. Die weiteren Untersuchungen
Pigmente Bleichromat und Cadmiumsulfid ersetzt laufen zur Zeit noch.
und gehört zu den bevorzugten Pigmenten in
Automobil-, Pulver- und Industrielacken sowie Anwendungen Meist setzt man Bismut in Form
in Dispersionsfarben. seiner Legierungen ein. Eine unter dem Namen
Bismutwolframat [Bi2(WO4)3] ist ein gelb- Bismanol vertriebene Bismut-Mangan-Legierung
licher Feststoff (s. Abb. 54), der bei 832  C diente früher als starker Permanentmagnet.
schmilzt und eine Dichte von 8,24 g/cm3 hat. Alternativ zum giftigen Blei wird Bismut
Man gewinnt die Verbindung durch Schmelzen manchmal in metallischen Beschichtungen und Au-
von Bismut-III- mit Wolfram-VI-oxid oder durch tomatenstählen verwendet, nur ist seine anschlie-
Vereinigen wässriger Lösungen von Natriumwol- ßende Entsorgung schwierig. Einkristalle aus Bis-
framat und Bismut-III-chlorid, worauf Bismut- mut mit mindestens 20 cm Kantenlänge sowie auch
wolframat aus der Lösung ausfällt (Meyer 2013). polykristalline Bismut-Platten sind Neutronenfilter
Die zwei Modifikationen der Verbindung haben für Materialprüfungen in Forschungsreaktoren. Bis-
monokline (graugrün) oder tetragonale (farblos) muttellurid (Bi2Te3) ist Bestandteil von Legierun-
Kristallstruktur. Darüber hinaus gibt es zwei wei- gen, die in Peltier-Elementen und damit für die
tere Bismutwolframate mit Bismutunter- bzw. Erzeugung von Kälte gebraucht werden.
überschuss [Bi2O3WO3 (Schmelzpunkt 1064  C) Bismut-Zinn-Legierungen setzt man in der
und 3 Bi2O3WO3 (Schmelzpunkt 1011  C) Elektronikindustrie als Lötmetall ein, nur muss
(Rieck 2013). Man nutzt Bismutwolframat als man dazu besondere Lötgeräte verwenden. Eine
im sichtbaren Wellenlängenbereich wirksamen tiefschmelzende Blei-Bismut-Legierung diente in
Fotokatalysator. der früheren Sowjetunion als Kühlmittel für Kern-
Bismutferrit (BiFeO3) (s. Abb. 55) hat auch bei reaktoren.
Raumtemperatur elektrische und magnetische Ei- Bismutoxid ist Bestandteil optischer Gläser
genschaften und ist multiferroisch. Seine ma- und Sinterungszusätze für technische Keramiken.
gnetische Ordnung im atomaren Größenbereich Das Doppeloxid mit Germaniumoxid („Bismutger-
wurde erst jüngst mit Hilfe von Quantensensoren manat“) findet als Szintillationsdetektor bei der
geklärt (Maletinsky et al. 2017). Diese bestehen Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Einsatz.
aus winzigen, einkristallinen Diamanten, die auf Bismutoxidchlorid (BiOCl) ist als Perlglanzpig-
zwei einander benachbarten Gitterplätzen im ment in kosmetischen Formulierungen enthalten.
Kristall je eine Leerstelle sowie ein Stickstoff- Bismutvanadat ist ein intensiv gelbes, sehr wetter-
Atom aufweisen. Der Spin sich vorrangig an die- beständiges Pigment für Außenanstriche, Lacke und
sen Stellen befindlichen Elektronen reagiert sehr Beschichtungen (Buxbaum und Pfaff 2005).
empfindlich auf äußere elektrische und magneti- Bismutoxidnitrat (basisches Bismutnitrat) wirkt
sche Felder innerhalb des Materials, die somit adstringierend und keimtötend; daher verwendet
nahezu exakt wiedergegeben werden können. man es zur Heilung von Geschwüren des Magens
Die Kenntnis des in Bismutferrit bestehenden und Zwölffingerdarms [Eradikationstherapie
Magnetfelds ist entscheidend, um eine Aussage (Mutschler 2001; Malfertheiner et al. 2011; Weh-
über eine eventuelle Eignung als Speichermedium ling 2005)].
5 Einzeldarstellungen 335

Verbindungen des Bismuts setzt man darüber


hinaus zur Behandlung von Durchfall sowie T. Kawasaki und J. Momoda, Bismuth com-
schlechten Mundgeruchs ein. Schon vor mehr pound, curable composition, and cured
als 100 Jahren waren Bismutverbindungen Be- body (Tokuyama Corp., TW
standteil von Wundpulvern (z. B. Dermatol), 201940496 A, veröffentlicht 16. Okto-
ebenso waren sie in Medikamenten gegen Syphi- ber 2019)
lis enthalten (Hoffmann 1935). Mittlerweile sind
aber moderne Medikamente im Einsatz, die auch
geringere Nebenwirkung zeigen.
5.6 Moscovium

Patente Herstellung 2004 berichteten amerikanische und


(Weitere aktuelle Patente siehe https://world russische Wissenschaftler (Dubna und Livermore)
wide.espacenet.com) über einen im August 2003 am Joint Institute for
Nuclear Research (JINR) in Dubna durchgeführten
J. W. Millard und B. H. J. Baker, Bismuth- Versuch, bei dem Atomkerne des Americiums mit
thiol compositions and methods of use denen des Calciums beschossen wurden:
(Microbion Corp., US 2020046650 A1,
243
veröffentlicht 13. Februar 2020) 95 Am þ 48 20 Ca ! 288 115 Mc þ 31 0 n
R. S. Subramaniaraja und E. R. Brondo,
! 284 113 Nh þ 2 4 He
Compositions and methods for electro-
depositing tin-bismuth alloys on metal- 243
95 Am þ 48 20 Ca ! 287 115 Mc þ 41 0 n
lic substrates (Boeing Co., US 2020032
409 A1, veröffentlicht 30. Januar 2020) ! 283 113 Nh þ 2 4 He
C. Liu und T. Jia, Thin film with bismuth
ferrite solid solution doped at B site, pre- Dabei seien als Ergebnis des Beschusses von
paration method therefor and use thereof Atomkernen erstmals vier Atome des damals noch
(Shenzhen Institute for Advanced Tech- Ununpentium genannten Elements entstanden. Die-
nology, WO 2020010559 A1, veröffent- se seien aber im Laufe von nur 100 ms weiter zu
licht 16. Januar 2020) Ununtrium (heute: Nihonium) zerfallen (Oganessi-
R. Berbeco und E. Thomas, Bismuth- an et al. 2004). Darauf konzentrierte sich die
gadolinium nanoparticles (Brigham & amerikanisch-russische Kooperation vor allem auf
Women’s Hospital Inc.; Université Clau- chemische Versuche an dem Isotop 268105Db. Die-
de Bernard de Lyon, US 2020000915 ses ist das vorläufige Endprodukt der vom Mosco-
A1, veröffentlicht 2. Januar 2020) vium und Nihonium ausgehenden Zerfallsreihen. In
H. Akazawa, Erbium-doped bismuth oxide diesen Zerfallsreihen waren bislang keine Kerne
film and manufacturing method therefor bekannt, weshalb die vorliegenden Daten nicht zur
(Nippon Telegraph & Telephone, WO Unterstützung des Anspruchs ausreichten.
2019244628 A1, veröffentlicht 26. De- Im Dezember 2005 wurden die Halbwertszeit
zember 2019) und die Art des Zerfalls für das Isotop 268105Db
W. Li und F. Liang, Separation of manga- bestätigt. Daraus ergab sich die Rückverfolgung
nese bismuth powders (Ford Global des Zerfalls zu Moscovium (Oganessian et al.
Technologies LLC, US 2019390357 2005). Sechs Jahre später erkannte die Experten-
A1, veröffentlicht 26. Dezember 2019) gruppe [Joint Working Party (JWP)] der IUPAP/
K.-S. Choi und D. Nam, Bismuth-based chlo- IUPAC aber Ununpentium und Ununtrium nicht
ride storage electrodes (Wisconsin Alum- als entdeckt an, denn die seinerzeit vorliegenden
ni Research Found, US 2019382288 A1, Daten reichten nicht aus, deren chemische Eigen-
veröffentlicht 19. Dezember 2019) schaften sicher voneinander zu unterscheiden
(Barber et al. 2011).
336 5 Pnictogene: Elemente der fünften Hauptgruppe

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Moscovium


Symbol: Mc
Ordnungszahl: 115
CAS-Nr.: 54085-64-2
Aussehen: Unbekannt, wahrscheinlich metallisch
Entdecker, Jahr Vereinigtes Institut für Kernforschung (Russland) und Lawrence
Livermore National Laboratory (USA), 2004
Paul Scherrer-Institut (Schweiz), 2006
Universität Lund (Schweden), 2013
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
289
115Mc (synthetisch) 10 s α > 285113Nh
290
115Mc (synthetisch) 10 s α > 286113Nh
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): 288
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 187
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 156–158
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d10 7s2 7p3
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 538 ♦ 1756 ♦ 2653
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 13,5
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 21,3  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): Keine Angabe
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 400 ♦ 673
Schmelzwärme (kJ/mol): 5,90–5,98
Siedepunkt ( C ♦ K): 1100 ♦ 1370
Verdampfungswärme (kJ/mol): 138

Geschätzte bzw. vorhergesagte Werte

Zwei schwerere Isotope des Moscoviums, (Schweden) und der Gesellschaft für Schwerio-
289 290
115Mc bzw. 115Mc, entdeckte man bis 2010 nenforschung (Darmstadt), dass sie die Versuche
als Produkte des α-Zerfalls der Tenness-Isotope des Jahres 2004 wiederholt und die seinerzeit in
293 294
117Ts bzw. 117Ts. Das leichtere dieser Isoto- Dubna erhaltenen Ergebnisse bestätigt hätten
289
pe ( 115Mc) konnte später auch direkt erzeugt (Lund University 2013). Auch in Dubna selbst
werden; und es hatte dieselben Eigenschaften wie wiederholte man die damaligen Versuche und er-
dasjenige, das beim Zerfall des 293117Ts auftrat. zeugte dabei auch Nuklide des Isotops 289115Mc,
Das JINR wollte 2017 andererseits leichtere das man mittels Bombardierung mit 42He-Kernen
Moscovium-Isotope durch Beschuss des leichteren auch zur Darstellung der jeweiligen Tenness-
Americiumisotops 24195Am mit geeigneten Kernen Nuklide nutzen konnte (Karol et al. 2015). Auch
des Calciums erzeugen; diese Versuche geschahen das Team des Lawrence Berkeley National Labo-
im neuen Teilchenbeschleuniger der Anlage in ratory (LBNL) bestätigte die Resultate (Gates
Dubna, in dem künftig Nuklide der ersten Elemente et al. 2015). Schließlich erkannte im Dezember
der 8. Periode dargestellt werden sollen. 2015 auch ein aus Vertretern der IUPAC und der
Im August 2013 veröffentlichte ein Team, be- IUPAP bestehendes Team von Fachleuten (Joint
stehend aus Forschern der Universität Lund Working Party) die 2010 erfolgte Entdeckung des
Literatur 337

Ununpentiums durch die Forscher des JINR und ser löslich sein. Moscovium-III-fluorid (McF3)
des LBNL und erkannte den beiden Instituten das wäre dann kaum löslich in Wasser, Moscovium-
Recht zur Namensgebung zu. III-chlorid (McCl3), das Bromid (McBr3) und Io-
did (McI3) aber leicht und unter Hydrolyse zu den
Eigenschaften Moscovium liegt mit seiner Ord- Oxidhalogeniden, wenn diese Trihalogenide denn
nungszahl von 115 im Randgebiet der sogenann- überhaupt stabil sind.
ten „Insel der Stabilität“, die sich um die Elemente Eine zweifelsfreie Möglichkeit zur Analyse
Copernicium (114) und Flerovium (112) grup- von Verbindungen des Moscoviums muss noch
piert. Daher haben die stabilsten Isotope des Mos- etabliert werden (Düllmann 2012; Eichler 2013).
coviums für derartig schwere Kerne untypisch Moscovium ist das schwerste Element, dessen
lange Halbwertszeiten von ca. 10 s. Nuklide in Isotope noch genügend langlebig sind, um mit
diesem Gebiet relativer „Stabilität“ erleiden vor- ihnen chemische Versuche durchzuführen (Moo-
rangig α- und selten einen β+- oder β-Zerfall. dy 2013, S. 24). Bei anderen Fusionen gebildete
Jedoch haben die aktuell bekannten Isotope des Hydride des Bismuts und Poloniums erwiesen
Moscoviums nicht genügend Neutronen, um sich als thermisch überraschend stabil unter den
Richtung Zentrum der „Insel der Stabilität“ posi- jeweils gewählten Versuchsbedingungen, somit
tioniert zu sein. Moscovium sollte ein niedrig hofft man, eines Tages auch Moscovium-III-hy-
schmelzendes Schwermetall mit einer Dichte ähn- drid (McH3) nach Erzeugung von Nukliden des
lich der des Quecksilbers sein (s. Tab. 6). Elements und deren Abtransport im Wasserstoff-
Generell erwartet man für Moscovium inerte strom isolieren zu können (Santiago und Haiduke
7s- und 7p1/2-Elektronenpaare. Sehr wahrschein- 2018). Moscovium sollte aber auch als Element
lich ist das Auftreten des Elements in der Oxida- flüchtig genug sein, um mit ihm in der Gasphase
tionsstufe +1, und Mc+-Verbindungen sollten de- Umsetzungen durchführen zu können.
nen des Tl+ am stärksten ähneln (Keller Jr. und
Nestor Jr. 1974). Sollte wegen relativistischer Ef-
fekte das im Periodensystem links benachbarte Literatur
Flevorium eher die Eigenschaften eines Edelgases
zeigen, wäre festgelegt, dass die wichtigste Oxi- Abutalib MM (2018) A new antimony carbide monolayer:
dationsstufe des Moscoviums +1 ist, weshalb es an indirect semiconductor with a tunable band gap.
Chem Phys Lett 708:188–193. https://doi.org/10.1016
sich sogar ähnlich einem Alkalimetall zeigen
/j.cplett.2018.08.020
könnte. Falls es dieses gibt, verhielte sich ein Albinus M (1994) Hagers Handbuch der pharmazeutischen
Mc3+-Kation allerdings wie sein leichteres Homo- Praxis: Stoffe E – O. Springer, Berlin/Heidelberg.
log Bi3+, wäre aber nur so stabil wie Tl3+. Die S 296. ISBN 978-3-540-52688-9
Anderson TL, Krause HB (1974) Refinement of the
7s-Elektronen schließt man wegen ihrer starken
Sb2Te3 and Sb2Te2se structures and their relationship
Stabilisierung sogar von einer Bindungsfähigkeit to nonstoichiometric Sb2Te3–ySey compounds. Acta
aus, weshalb die Oxidationsstufe +5 unmöglich Cryst Sect B 30:1307-1310. https://doi.org/10.1107/
erscheint. In jedem Fall wäre Moscovium deutlich S0567740874004729
Andrews E (1868) The oxygen mixture, a new anaesthetic
reaktiver als Bismut; man schätzt das Redox-
combination. Chicago Med Exam 9:656–661
potential Mc+ + e > Mc auf 1.5 V, so dass Angerer J (1985) Chemische Waffen in Deutschland. Miß-
das Element hinsichtlich seiner Reaktivität Alu- brauch einer Wissenschaft. Luchterhand, Darmstadt.
minium oder Thallium nahe käme. ISBN 3-472-88021-X
Anthony JW et al (1990) Guanajuatit. In: Handbook of
Die Chemie in wässriger Lösung sollte sich
mineralogy. Mineral Data Publishing, Tucson
also auf Mc+ and Mc3+ beschränken. Eine gute Anthony JW et al (2001) Bismuth, Handbook of Minera-
Löslichkeit in Wasser sagt man für Mosco- logy. Mineralogical Society of America, Chantilly
vium-I-hydroxid (McOH), Moscovium-I-carbonat Apodaca LE (2019) Nitrogen (fixed)-ammonia. United
States Geological Survey, Mineral Commodity
(Mc2CO3) und Moscovium-I-fluorid (McF) vo-
Summaries. U. S. Department of the Interior,
raus, dagegen sollte das Sulfid (Mc2S) unlöslich Washington, DC
und die höheren Halogenide (McCl, McBr, McI) Appl M (2006) Ammonia. In: Ullmann’s Encyclopedia of
und das Thiocyanat (McSCN) nur wenig in Was- Industrial Chemistry. Wiley-VCH, Weinheim
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Inhalt
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2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

Zusammenfassung hörigen Elemente in der sechsten Hauptgruppe.


Die Chalkogene sind vielseitige Elemente, die Die Atome der Chalkogene nehmen entweder
in zahlreichen Oxidationsstufen auftreten zwei Elektronen auf (wie Sauerstoff) oder geben
können. Ihr Charakter reicht von nichtmetal- bis zu sechs ab (wie Schwefel), um eine stabile
lisch (Sauerstoff) bis metallisch (Polonium Elektronenkonfiguration einnehmen zu können.
und Livermorium). Schwefel ist schon seit Schwefel kennt man schon seit einigen tausend
einigen tausend Jahren bekannt, Sauerstoff, Jahren, Sauerstoff, Selen und Tellur seit etwa
Selen und Tellur seit etwa 200, Polonium seit 200 Jahren, Polonium seit gut 100 und Livermorium
gut 100 und Livermorium auch schon seit auch schon 15 Jahre. Eine ziemlich „alte“ Elemen-
15 Jahren. Eine ziemlich „alte“ Elementenfa- tenfamilie also? Mitnichten. Die Chemie dieser
milie also? Mitnichten. Die Chemie dieser Stoffe ist so vielseitig, an Anwendungen gibt es
Stoffe ist derart umfangreich, an Anwendun- außerordentlich viele. Sauerstoff ist bei Raumtem-
gen gibt es dermaßen viele, dass hier nur das peratur ein Gas, die anderen Elemente sind unter
Wichtigste wiedergegeben werden kann. diesen Bedingungen alle Feststoffe. Sauerstoff und
Schwefel sind reine Nichtmetalle, aber schon Selen
zeigt stärker metallischen als nichtmetallischen Cha-
1 Einleitung rakter; dieser Effekt verstärkt sich noch bei Tellur.
Polonium und Livermorium sind nahezu rein me-
Die Chalkogene (Erzbildner) sind eine sich in tallisch. Sie finden sie alle im unten stehenden Peri-
vielen Facetten präsentierende Gruppe von Ele- odensystem in der Gruppe 16 (VI A).
menten. Im Periodensystem stehen die ihr zuge-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 345
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_6
346 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Die Einzeldarstellungen der insgesamt sechs Tellur sind Bestandteil des Anodenschlamms der
Vertreter der Gruppe der Chalkogene enthalten da- Produktion hochreinen Nickels und Kupfers und
bei alle wichtigen Informationen über das jeweilige können durch dessen Aufarbeitung gewonnen
Element, so dass ich hier nur eine kurze Einleitung werden. Polonium ist in winzigsten Spuren in
vorangestellt habe. Pechblende enthalten; man gewinnt es bevorzugt
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. Na- aber in Kernreaktoren durch Beschuss von Bis-
trium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie Ar- mutatomen mit Neutronen.
sen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie beispiels-
weise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die meisten
Elemente können sich untereinander verbinden und
4 Eigenschaften
bilden chemische Verbindungen; so wird z. B. aus
Natrium und Chlor die chemische Verbindung Na-
4.1 Physikalische Eigenschaften
triumchlorid, also Kochsalz).
Einschließlich der natürlich vorkommenden
Wie bereits erwähnt, sind Sauerstoff und Schwefel
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
reine Nichtmetalle, Selen und Tellur Halbmetalle
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
und Polonium sowie Livermorium Metalle. Die
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf.
physikalischen Eigenschaften sind nach steigender
Atommasse abgestuft. So nehmen vom Sauerstoff
zum Tellur die Dichte, Schmelz- und Siedepunkte
zu. Ab Polonium nehmen die Schmelzpunkte wie-
2 Vorkommen
der ab; dies dürfte wesentlich auf die sehr starke
radioaktive Strahlung zurückzuführen sein, die die
Sauerstoff ist das häufigste Element in der Erdhülle
Stabilität des Kristallgitters deutlich verringert.
und ist in der Luft zu gut einem Fünftel des Gesamt-
Generell weicht bei den Chalkogenen, wie auch
volumens enthalten. Sauerstoff, aber vor allem
bei allen anderen Hauptgruppen, das Kopfelement
Schwefel, Selen und Tellur kommen in der Natur
(hier: Sauerstoff) in seinen Eigenschaften deutlich
meist in Form von Erzen und Mineralien vor, wenn-
von allen anderen ab. Schwefel als zweites Element
gleich auch mit sehr unterschiedlicher Häufigkeit.
dieser Gruppe steht den höheren Homologen, Selen
Oxide und Sulfide sind weit verbreitet. Oxide sind
und Tellur, viel näher als Sauerstoff; auch seine
beispielsweise Kohlendioxid in der Erdatmosphäre
Verbindungen (z. B. Wasserstoffverbindungen,
und Quarz (Siliciumdioxid), der den Hauptbestand-
Oxosäuren) sind denen des Selens und Tellurs sehr
teil der Erdkruste bildet. Zu den Sulfiden gehören
ähnlich, so dass man hier von einer homologen
u. a. die Mineralien Bleiglanz, Zinnober, Pyrit, Zink-
Reihe spricht.
sulfid und Kupferkies. Wesentlich seltener kommen
Selenide und Telluride vor. Darüber hinaus gibt es
viele weitere Verbindungen wie z. B. Sulfite, Sul-
fate und Selenate. 4.2 Chemische Eigenschaften
Sauerstoff, Schwefel, Selen und Tellur kom-
men in der Natur auch in elementarer Form vor. Chalkogene reagieren mit Metallen meist heftig zu
Oxiden, Sulfiden usw., mit Wasserstoff zu Chalko-
genwasserstoffen (H2X: Wasser, Schwefelwasser-
stoff, Selenwasserstoff usw.). Sie gehen auch unter-
3 Herstellung einander Verbindungen wie Schwefeloxide oder
Selensulfid ein. Chalkogenoxide bilden, zusammen-
Gasförmiger Sauerstoff wird durch fraktionierte gebracht mit Wasser, Säuren: z. B. Schweflige Säure
Destillation flüssiger Luft gewonnen. Auch für die und Selenige Säure (Summenformel H2XO3) aus
Herstellung des Schwefels sind die Lagerstätten den Dioxiden, sowie Schwefelsäure, Selensäure
des Elements die wichtigste Quelle. Selen und usw. (Summenformel H2XO4) aus den Trioxiden.
5 Einzeldarstellungen 347

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente

5 Einzeldarstellungen Verbrennung förderte. Priestley stellte dagegen


durch Erhitzen von Quecksilberoxid Sauerstoff dar
Im folgenden Teil sind die Chalkogene jeweils und publizierte seine Arbeit 1774, Scheele erst 1777.
einzeln mit ihren wichtigen Eigenschaften, Herstel- Entscheidend waren Lavoisiers spätere Resultate
lungsverfahren und Anwendungen beschrieben. (Kurzbiografie siehe „Wasserstoff“), die offen leg-
ten, dass bei einer Verbrennung nicht Phlogiston
freigesetzt, sondern Sauerstoff gebunden wird.
5.1 Sauerstoff Wenn nach einem Verbrennungsvorgang ein Stoff
schwerer war, führte er dies auf das zusätzliche
Geschichte In den 1770er-Jahren entdeckten Gewicht des im Zuge der Verbrennung aufgenom-
Scheele (Kurzbiografie siehe „Molybdän“) und menen Sauerstoffs zurück. In der Anfangszeit
Priestley (Kurzbiografie siehe „Stickstoff“) von- glaubte man, Sauerstoff sei ein unverzichtbarer Be-
einander unabhängig den Sauerstoff (Frey und standteil von Säuren. Davy (Kurzbiografie siehe
Mayrhofer 1955; Priestley 1775). Hierdurch wurde „Natrium“) berichtigte diese Vorstellung ab 1808
die Phlogiston-Theorie abgelöst, also die Vorstel- dahingehend, dass vielmehr Wasserstoffatome cha-
lung, dass bei einem Brand ein unsichtbarer Stoff rakteristisch für Säuren sind.
in Form von Wärme aus dem brennenden Stoff
entweicht. So erhielt Scheele beim Erhitzen von Vorkommen Sauerstoff (O2) ist das häufigste
Mangan-IV-oxid bzw. Kaliumpermanganat mit kon- Element auf der Erde und kommt in der Atmo-
zentrierter Schwefelsäure ein farbloses Gas, das die sphäre, der Lithosphäre, der Hydrosphäre und der
348 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Biosphäre vor (Allègre et al. 2001). Er besitzt stehenden Destillationskolonnen. In der ersten,
einen außergewöhnlich hohen Massenanteil von der mit einem Druck von 5–6 bar gefahrenen
50,5 % (!) an der Erdhülle. In der Luft ist ele- Mitteldruckkolonne, sammelt sich der tiefer sie-
mentarer Sauerstoff mit einem Massenanteil von dende Stickstoff (196 °C) am Kopf, der höher
23,2 % enthalten, am gesamten Wasser der Erde siedende Sauerstoff (183 °C) am Fuß der Kolon-
mit durchschnittlich 89 % in gebundener und ge- ne. Die sich im unteren Teil der Kolonne sam-
löster Form (Holleman et al. 2007). melnde, mit Sauerstoff angereicherte flüssige Luft
Nahezu alle Minerale und damit Gesteine ent- durchläuft dann eine weitere fraktionierte Destil-
halten Sauerstoff, beispielsweise Silikate wie lation in der mit einem Druck von 0,5 bar be-
Feldspäte, Glimmer und Olivine, Carbonate wie triebenen Niederdruckkolonne (Greenwood und
Kalkstein (Calciumcarbonat) sowie Oxide [Silici- Earnshaw 1988, S. 775–839). Der leichter flüch-
umdioxid (Quarz)]. Die Menge des in der Luft tige Stickstoff entweicht zuerst. Relativ konzen-
enthaltenen elementaren Sauerstoffs bleibt unge- trierter flüssiger Sauerstoff bleibt zurück, der noch
fähr konstant, da Sauerstoff produzierende Pflan- die höher siedenden Edelgase Krypton und Xenon
zen diejenige Menge Sauerstoff nachliefern, die enthält. Jene trennt man in einer zusätzlichen
durch aerob atmende Lebewesen und andere Ver- Kolonne ab.
brennungsprozesse verbraucht wird. Das Allotrop Zur Gewinnung kleinerer Mengen an Sauer-
Ozon (O3) ist in der Atmosphäre nur in sehr ge- stoff für medizinische Anwendungen leitet man
ringer Konzentration vorhanden, jedoch in der Luft durch Molekularsiebe, die Stickstoff und
Stratosphäre von entscheidender Bedeutung für Kohlendioxid absorbieren, Sauerstoff und Argon
die Abschirmung des von der Sonne ausgesandten aber durchlassen.
UV-Lichtes.
Im Weltall ist Sauerstoff nach Wasserstoff und Eigenschaften Molekularer Sauerstoff ist ein
Helium ebenfalls sehr häufig vertreten und im- farb-, geruch- und geschmackloses Gas, das bei
merhin das dritthäufigste Element (Davies 2003). einer Temperatur von 183 °C (s. Tab. 1) zu einer
bläulichen Flüssigkeit kondensiert. Jene erstarrt
Gewinnung Man gewinnt Sauerstoff fast aus- unterhalb einer Temperatur von 218,75 °C zu
schließlich durch fraktionierte Destillation flüssi- blauen Kristallen (Holleman et al. 2007). Im Fest-
ger Luft nach dem Linde-Verfahren, das später stoff liegen paramagnetische, diradikalische O2-Mo-
durch Claude verbessert wurde. Zudem fallen leküle mit einem O–O-Abstand von 121 pm (Dop-
kleinere Mengen als Nebenprodukt bei der Her- pelbindung) vor, die in Abhängigkeit von der
stellung von Wasserstoff im Zuge der Elektrolyse Temperatur in mehreren Modifikationen auftreten.
von Wasser an. Im Temperaturbereich zwischen 218,75 °C und
Man verdichtet Luft auf einen Druck von 5–6 229,35 °C kristallisiert Sauerstoff kubisch (γ-Mo-
bar, kühlt sie ab und leitet sie durch Filter, die difikation), zwischen 229,35 °C und 249,26 °C
Kohlendioxid, Spuren von Wasser und andere rhomboedrisch (β-Sauerstoff) und unterhalb einer
Gase entfernen. Die verdichtete Luft wird durch Temperatur von 249,26 °C monoklin (α-Sauer-
vorbeiströmende Gase aus dem Prozess auf eine stoff) (Holleman et al. 2007).
Temperatur nahe ihrem Siedepunkt abgekühlt. Sauerstoff ist in reinem Wasser nur wenig lös-
Danach wird sie in Turbinen expandiert. Dabei lich (bei 0 °C ca. 14 mg/L unter seinem Par-
kann man ein Teil der zur Kompression einge- tialdruck aus der Luft). In der Gasentladungsröhre
setzten Energie wieder zurückgewinnen. Dadurch (Druck: 5–10 mbar, Spannung: 1,8 kV, Stromstär-
wird das Verfahren – im Gegensatz zum Linde- ke: 18 mA, Frequenz: 35 kHz) leuchtet Sauer-
Verfahren, bei dem keine Energie zurückgewon- stoff blau.
nen wird – deutlich wirtschaftlicher. Im Grundzustand zeigt das Sauerstoffmolekül
Die beiden Hauptbestandteile der Luft, Stick- die Spins beider Valenzelektronen parallel, also
stoff (78 Vol.-%) und Sauerstoff (21 Vol.-%) gleichsinnig, angeordnet. Dieser Triplett-Sauer-
trennt man in zwei unter verschiedenem Druck stoff (Termsymbol 3Σg) stellt den energieärmsten
5 Einzeldarstellungen 349

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Sauerstoff


Symbol: O
Ordnungszahl: 8
CAS-Nr.: 7782-44-7

Aussehen: Farbloses Gas Flüssiger Sauerstoff Sauerstoff in Gasentladungsröhre


(Hillier 2006) (pse-mendelejew 2006)
Entdecker, Jahr Scheele (Schweden), 1771
Priestley (England), 1774
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
16
8O (99,76) Stabil ——
17
8O (0,04) Stabil ——
18
8O (0,2) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 494.000 (49,4 %!)
Atommasse (u): 15,999
Elektronegativität 3,44 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: O2 + 4 e > 2 O2 (V) +1,23
Atomradius (pm): 60
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 152
Kovalenter Radius (pm): 66
Elektronenkonfiguration: [He] 2s2 2p4
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ 1314 ♦ 3388 ♦ 5300
dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,9 · 106
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: <249,3 °C monoklin, 249,3 bis 229,35 °C: rhomboedrisch
229,35 bis 218,75 kubisch
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) 1,429
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 17,36 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,0266
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 29,38
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 218,3 ♦ 54,8
Schmelzwärme (kJ/mol): 0,222
Siedepunkt (°C ♦ K): 183 ♦ 90,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 5,58
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 218,79 ■ 0,1463
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 118,57 °C ■ 5,043

Zustand dar. Die beiden π*-Orbitale sind nur halb stoff), die sich hinsichtlich der Anordnung der
mit jeweils einem ungepaarten Elektron besetzt, beiden ungepaarten Elektronen unterscheiden
was den diradikalischen Charakter und den Para- [beide Elektronen in einem π*-Orbital (Termsym-
magnetismus des Sauerstoff-Moleküls bedingt. bol: 1Δg) oder in beiden π*-Orbitalen (Term-
In den zwei angeregten Zuständen des Sauer- symbol: 1Σg)]. Letzterer ist energiereicher und
stoffs sind die Spins der Elektronen antiparallel, diamagnetisch; er wandelt sich schnell in den
also gegensinnig, ausgerichtet (Singulett-Sauer- 1Δg-Zustand um. Dieser hat wegen seines Bahn-
350 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

momentes einen Paramagnetismus, der dem des Ozonkonzentrationen von bis zu 5 % im als
Triplett-Sauerstoffs vergleichbar ist (Hasegawa Hauptprodukt entstehenden Sauerstoff erzielt
2008; Shinkarenko und Aleskovskiji 1981; Lecht- werden können. Eine geeignete Kühlung trägt
ken 1974). mit anderen möglichen Maßnahmen dazu bei,
Singulett-Sauerstoff kann man fotochemisch dass noch höhere Ausbeuten erreichbar sind.
aus Triplett-Sauerstoff erzeugen sowie aus che- Ebenfalls im Labor kann man mittels elektrischer
mischem Weg aus anderen Sauerstoffverbindun- Entladungen oder durch Bestrahlung mit Ultra-
gen. Der Einsatz von Licht scheidet aber wegen violettlicht Ozon erzeugen (Brauer 1963, S. 337).
nicht erfüllter quantenmechanischer Auswahl- Da sich Ozon sehr leicht zersetzt, kann man es
regeln aus, da nur durch eine simultane Bestrah- nicht in Druckflaschen abfüllen und verkaufen,
lung mit Photonen und Kollision zweier Sauer- sondern es muss an der Stelle seines Verbrauchs
stoffmoleküle Singulett-Sauerstoff gebildet wird. erzeugt werden. In der Großtechnik leitet man ein
Dieser noch am ehesten in der flüssigen Phase hauptsächlich aus Sauerstoff bestehendes Träger-
ablaufenden Vorgang führt zur blauen Farbe des gas durch einen mit elektrischen Entladungen ge-
flüssigen Sauerstoffs. Chemisch kann man den speisten Ozongenerator.
stark oxidierend wirkenden Singulett-Sauerstoff In reinem Sauerstoff sind dann Ozongehalte
aus Peroxiden gewinnen. Im Gegensatz zu nor- von 6–13 % möglich. Die Herstellung eines kg
malem Sauerstoff reagiert er mit 1,3-Dienen in Ozon erfordert etwa 7–14 kWh Strom und 1,8 m3/h
einer [4 + 2]-Cycloaddition zu Peroxiden. Kühlwasser.
Ein Allotrop des Sauerstoffs ist Ozon (O3), des- Das gewinkelte, polare Molekül des Ozons
sen Molekül drei Sauerstoffatome enthält. Es ist ein liegt in allen Aggregatzuständen vor. Der Bin-
farbloses bis bläuliches, in hoher Konzentration dungswinkel beträgt 117°, die O-O-Bindung ist
tiefblaues Gas (Ahrens et al. 2016) von typischem 128 pm lang. Ozon unterhält eine Verbrennung
Geruch. In der Luft befindliche Ozonmoleküle zer- sehr stark; Ozon oxidiert zudem viele Stoffe
fallen unter Normalbedingungen innerhalb weni- spontan, teils auch unter Explosion (Koike et al.
ger Tage zu Sauerstoff. Ozon schmilzt bzw. siedet 2005) und wirkt wesentlich stärker oxidierend
bei Temperaturen von 192,5 °C bzw. 111,9 °C als Sauerstoff. Das Normalpotenzial E° der Re-
und hat bei 0 °C eine Dichte von 2,154 kg/m3. Es aktion
ist ein starkes und giftiges Oxidationsmittel, das bei
Menschen und Tieren zu Reizungen der Atemwege O3 þ 2 Hþ þ 2 e ! O2 þ H2 O
und der Augen führt, jedoch schützt die in der
Stratosphäre enthaltene Ozonschicht die Lebewe- liegt bei +2,07 V. Bei Raumtemperatur oxidiert
sen auf der Erde vor der ultravioletten Strahlung Ozon Halbedelmetalle wie Silber oder Quecksil-
der Sonne. ber spontan zu ihren Oxiden, Halogenide zu Ha-
Die Konzentration des Ozons in der Strato- logenen, Schwefel-IV-oxid zu Schwefel-VI-oxid
sphäre beträgt bis zu einige ppm. In Städten ist und trockenes Kaliumhydroxid zum Kaliumozo-
seine Konzentration niedriger als in Gebieten mit nid. Nahezu alle Doppel- oder Mehrfachbindun-
reinerer Luft. Das in den Abgasen von Verbren- gen organischer Moleküle greift es sofort an (Pat-
nungsmotoren enthaltene Stickstoffmonoxid trägt naik 2002, S. 684).
mit zum Abbau des Ozons bei. Ozon setzt man in der Wasseraufbereitung zur
Ozon kann man im Labor durch Reaktion von Entkeimung und zum Abbau störender Stoffe ein.
konzentrierter Schwefelsäure mit Kaliumperman- Bei der oxidierenden Gaswäsche wird Ozon als
ganat darstellen. Dabei bildet sich zuerst Mangan- Oxidationsmittel verwendet. Sogar in einigen
VII-oxid, das bei Raumtemperatur zu Mangan-IV- modernen Waschmaschinen arbeitet ein Ozon-
oxid und ozonreichem Sauerstoff zerfällt. Eine generator zur Desinfektion der Wäsche. Zur Ent-
weitere Herstellmöglichkeit ist die Elektrolyse fernung von Gerüchen aus dem Innenraum ge-
einer etwa 20 %iger Schwefelsäure an Edelmetal- brauchter Fahrzeuge setzt man es ebenfalls ein
lanoden, an denen bei hohen Stromdichten (Baumbach 1992, S. 385).
5 Einzeldarstellungen 351

Verbindungen Sauerstoff reagiert mit fast allen stoff in Schwefel-VI-fluorid sowie Verbindungen
Elementen, außer mit Helium, Neon und Argon. des Neptuniums bzw. Plutoniums schon bei nied-
Sauerstoff ist stark elektronegativ und tritt daher rigen Temperaturen in die jeweiligen Hexafluori-
fast immer mit der Oxidationszahl 2 auf, mit de (NpF6 und PuF6) (Eller et al. 1998).
Ausnahme von Peroxiden, in denen er mit der Sauerstoffdifluorid (OF2) wurde 1929 erst-
Oxidationsstufe 1 erscheint. Nur in seinen Ver- malig durch Elektrolyse einer Mischung von ge-
bindungen mit Fluor hat Sauerstoff positive Oxi- schmolzenem Kaliumfluorid und konzentrierter
dationszahlen (+1 im Disauerstoffdifluorid O2F2; Flusssäure erzeugt. Heute gewinnt man es durch
+2 im Sauerstoffdifluorid OF2). Die ionischen Einleiten von Fluor in Natron- oder Kalilauge
Formen des Sauerstoffs sind Oxid (O2), Peroxid- (Holleman et al. 2017, S. 532; Brauer 1975,
(O22), Hyperoxid- (O2), Ozonid (O3) und das S. 179). Die Verbindung ist eines der stärksten
Dioxygenylkation (O2+). Oxidationsmittel überhaupt, das sogar Xenon zu
Die meisten Sauerstoffverbindungen sind io- Xenontetrafluorid (XeF4) oxidiert. Mit Schwefel-
nisch oder kovalent aufgebaute Oxide; in ihnen IV-oxid reagiert es zu Schwefel-VI-oxid und
tritt Sauerstoff in der Oxidationsstufe 2 auf. Fluor. Die Löslichkeit in Wasser ist gering, außer-
Mit Alkali- und Erdalkalimetallen bildet Sau- dem zersetzt sich Sauerstoffdifluorid in Wasser zu
erstoff ionisch aufgebaute und basische Oxide, Fluorwasserstoff und Sauerstoff. Man testete die
wie beispielsweise: Verbindung in Treibstoffen für Raketen, aller-
dings verhinderte die Aggressivität des Sauer-
2 Ca þ O2 ! CaO stoffdifluorids gegenüber den Materialien des Be-
hälters und des Motors bisher eine Anwendung in
Mit steigender Oxidationsstufe des Metallions größerem Maßstab.
reagieren Oxide zunehmend amphoter (Alumini- Sauerstoffdifluorid kondensiert bei 144,8 °C zu
um-III-oxid, Titan-IV-oxid) und schließlich sauer einer orangefarbenen Flüssigkeit, die bei 223,8 °C
(Chrom-VI-oxid). erstarrt. Das Gas hat bei einer Temperatur von 0 °C
Mit Nichtmetallen bildet Sauerstoff nur kova- eine Dichte von 2,42 g/L. Die Struktur des Moleküls
lente Oxide. Die mit Wasserstoff gebildeten Sau- ähnelt der des Wassermoleküls; der F-O-F-Bindungs-
erstoffverbindungen sind Wasser (H2O) und Was- winkel beträgt 103°, die O-F-Bindung ist jeweils
serstoffperoxid (H2O2); letzteres ist instabil und 140,5 pm lang. Wird das Gas eingeatmet, sind starke
wird als Oxidations- und Bleichmittel eingesetzt. und lang anhaltende Atembeschwerden die Folge.
Fluorverbindungen Disauerstoffdifluorid (O2F2) Trisauerstoffdifluorid (O3F2) erhält man durch
wurde erstmals durch Einwirkung elektrischer Ent- Reaktion von Sauerstoff mit Fluor unter Einwir-
ladungen auf ein aus Sauerstoff und Fluor bestehen- kung elektrischer Entladungen bei niedrigem
des Gasgemisch erzeugt (Ruff und Menzel 1933). Druck und Temperaturen von ca. 190 °C (Brau-
Das Molekül der Verbindung hat die Strukturformel er 1975, S. 176). Erstmals gelang Aoyama und
F-O-O-F mit einem FOO-Winkel von 109,5° sowie Sakuraba die Synthese (Kirshenbaum und Von
Bindungslängen O-O von 122 pm bzw. O-F von Grosse 1959).
158 pm. Das braune Gas kondensiert bei 57 °C zu Die tiefrote Flüssigkeit erstarrt bei 190 °C und
einer kirschroten Flüssigkeit einer Dichte von 1,45 zersetzt sich bereits oberhalb einer Temperatur von
g/cm3 (am Siedepunkt), die nach weiterem Abküh- 157 °C in Sauerstoff und Disauerstoffdifluorid.
len bei einer Temperatur von 163,5 °C zu einem Die Struktur des Moleküls ist gewinkelt und ent-
orangegelben Feststoff erstarrt (Bridgeman und Ro- spricht der Abfolge F-(O)3-F (Riedel und Janiak
thery 1999). 2011, S. 423; Steudel 2008, S. 426). Die Verbindung
Schon oberhalb einer Temperatur von 95 °C ist gewöhnlich sicherer handzuhaben als Ozon und
zersetzt sich Disauerstoffdifluorid und ist ansons- kann ohne Auftreten einer Explosion verdampft,
ten ein starkes Oxidations- und Fluorierungsmittel thermisch zersetzt oder einem Funkenstrahl aus-
(Streng 1963). So überführt es Chlor in Chlor-I- gesetzt werden. Sobald sie aber mit organischen
fluorid und Chlor-III-fluorid, Schwefelwasser- und/oder brennbaren Materialien in Kontakt kommt,
352 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

erfolgt fast immer eine Detonation. So führt schon ein. In chemischen Prozessen wird Sauerstoff
die Zugabe nur eines Tropfens von Trisauerstoff- meist zur Oxidation diverser Grundstoffe verwen-
difluorid zu festem, wasserfreiem Ammoniak bei det, wie z. B. bei der Oxidation von Ethen zu
183 °C zu einer schwachen Explosion (Streng Ethylenoxid, zur Erzeugung von Wasserstoff-
1963). und Synthesegas und bei der Produktion von
Tetrasauerstoffdifluorid (O4F2) konnte als Schwefel- und Salpetersäure. Weitere durch Oxi-
roter, instabiler, bei 196 °C schmelzender dation mit Sauerstoff hergestellte wichtige Pro-
Feststoff durch Einwirkung elektrischer Ent- dukte sind Acetaldehyd, Essigsäure, Vinylacetat
ladungen auf ein aus Sauerstoff und Fluor im und Chlor. Weitere Einsatzgebiete sind die Her-
Volumenverhältnis 2:1 bestehendes, in ei- stellung von Ozon, Brennstoffzellen und die
nem Pyrexkolben befindliches Gemisch bei Halbleiterindustrie. Flüssiger Sauerstoff dient als
196 °C und niedrigem Druck erhalten werden Treibstoff für Raketen.
(Gardiner und Turner 1972). Das O4F2-Molekül Bei der Reinigung von Abwässern bewirkt
steht im Gleichgewicht mit dem O2F-Radikal. zusätzlich in diese eingeleiteter Sauerstoff einen
Tetrasauerstoffdifluorid ist ein extrem starkes schnelleren Abbau organischer Schadstoffe, bei
Fluorierungs- und Oxidationsmittel, so oxidiert der Aufbereitung von Trinkwasser bewirkt Einleiten
es Ag-II zu Ag-III oder Au-III zu Au-V. Leichter von Ozon (O3) ebenfalls eine beschleunigte Oxida-
oxidierbare Stoffe reagieren selbst bei sehr tiefen tion organischer Stoffe und auch von Bakterien.
Temperaturen äußerst heftig, so reagiert bei Sauerstoff ist ein Lebensmittelzusatzstoff (E 948)
180 °C Schwefel unter Explosion zu Schwefel- und wird als Treib- und Packgas verwendet.
VI-fluorid.
Biologische Bedeutung Sauerstoff wird in der
Anwendungen Sauerstoff wird für Zwecke der Natur im Wesentlichen durch Fotosynthese er-
intensivmedizinischen Versorgung in weiß ge- zeugt. Die meisten aeroben Organismen (Säuge-
kennzeichneten Flaschen abgefüllt (Bundes- tiere einschließlich des Menschen, die meisten
ministerium der Justiz 2005). Die Anreicherung Fische, Wirbellose, Pflanzen und viele Bakte-
des Sauerstoffs im Blut ist mittels der Pulsox- rien) benötigen den auf diese Weise erzeugten
ymetrie oder anhand von Blutgasanalysen Sauerstoff zum Leben. Bei der Atmung wird
messbar (Andrews und Nolan 2006). Bei chro- der Sauerstoff in der Atmungskette wieder Was-
nischem Sauerstoffmangel im Blut verbessert ser und Kohlendioxid umgewandelt. Sauerstoff
eine langfristige zusätzliche Verabreichung und einige seiner gelegentlich auch radikalischen
von Sauerstoff die Lebensqualität und auch die Verbindungen sind sehr reaktionsfähig und kön-
Überlebensdauer (Deutsche Gesellschaft für nen Zellmaterial angreifen. Daher besitzen viele
Pneumologie 1993). Die Verwendung reinen Organismen schützende Enzyme wie Katalase
Sauerstoffs kann aber zu Problemen führen, da und Peroxidase; sind diese nicht vorhanden,
er das Kohlendioxid aus den Gefäßen verdrängt wirkt Sauerstoff toxisch. Der oxidative Stoff-
(Iscoe und Fisher 2005), was eine Erhöhung der wechsel produziert reaktive freie Radikale, die
Hirnaktivität zur Folge hat. Dies wird durch abgefangen werden müssen, da sie sonst wichti-
Zumischung von Kohlendioxid vermieden (Ma- ge Funktionsmoleküle im Körper zerstören kön-
cey et al. 2007). nen.
Bei der Herstellung von Roheisen und Stahl Atmet der Mensch reinen Sauerstoff oder Luft
sowie bei der Raffination von Kupfer setzt man höheren Sauerstoffgehaltes ein, so können nach
Sauerstoff oder mit diesem angereicherte Luft so- einiger Zeit die Lungenbläschen anschwellen
wohl zum Erreichen hoher Temperaturen als auch (Lorrain-Smith-Effekt), was unter ungünstigen
zum Verbrennen unerwünschter Beimengungen Umständen auch zum Tode führen kann. Werden
von Kohlenstoff, Silicium, Mangan und Phosphor komprimierte Sauerstoff-Stickstoff-Gemische ein-
5 Einzeldarstellungen 353

geatmet, besteht das Risiko einer Vergiftung des zifischen Rückens. Man findet ihn aber auch
zentralen Nervensystems (Paul-Bert-Effekt). in vielen anderen Regionen (Polen, südliche US-
Bundesstaaten). Er erscheint dann als gelber
Schwefel („Schwefelblüte“).
5.2 Schwefel Wesentlich häufiger tritt Schwefel in der Litho-
sphäre in Form von Sulfiden, Oxiden, Sulfaten,
Geschichte In China und Ägypten nutzte man Halogeniden etc. auf. Man kennt ca. 1000 schwe-
Schwefel schon seit etwa 5000 v. Chr. zur Des- felhaltige Minerale; die bekanntesten sind Pyrit
infektion, als Arzneimittel und zum Bleichen von und Markasit (FeS2, Schwefelgehalt ca. 53,5 %).
Textilien. Verwendet wurde Schwefel entweder Für die Gewinnung des Schwefels wichtig sind
aus natürlichen Quellen, oder man erzeugte ihn fossile Brennstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle.
aus leicht zu verarbeitenden Erzen wie Pyrit (Fi- Erdgas kann hohe Konzentrationen an Schwefel-
gurowski 1981, S. 179). Auch im antiken Grie- wasserstoff (H2S) aufweisen. In Braunkohle be-
chenland setzte man schon früh Schwefel in oben trägt der Schwefelgehalt bis zu 10 % (Adolphi und
genannten Anwendungen ein, darüber hinaus zum Ullrich 2000).
Desinfizieren von Behältnissen, in denen Wein In der Hydrosphäre tritt Schwefel meist in
aufbewahrt wurde (Rapp 2009, S. 242). In Land- Form des Sulfations auf, das sich vor allem im
und Seekriegen verwendete man brennenden Meerwasser findet. In Süßwasser kommt Sulfat
Schwefel als Brandwaffe. In China stellte man aus natürlichen Quellen in sehr unterschiedlicher
um 1000 n. Chr. explosionsfähige Mischungen Konzentration vor; es ist ein wichtiger Bestandteil
aus Kaliumnitrat, Holzkohle und Schwefel her, der Wasserhärte. Manche Alpenquellen enthalten
das über einige Jahrhunderte hinweg der einzige Sulfat in hoher Konzentrationen. Da Sulfat, in
verfügbare Explosivstoff war (Seel 1988, S. 9). Es größeren Mengen eingenommen, Durchfall ver-
gibt keine klaren historischen Hinweise darauf, ursachen kann, beschränkt die deutsche Trink-
dass der deutsche Mönch Berthold Schwarz diese wasserverordnung die maximal erlaubte Sulfat-
später „Schwarzpulver“ genannte Mischung wie- konzentration in Trink- oder Mineralwässern auf
der entdeckt haben soll (Feldhaus 1910, S. 617). 240 mg/L.
Verbrennungsprozesse schwefelhaltiger Brenn-
Vorkommen Schwefel ist ein gelber, nichtmetal- stoffe und Vulkanausbrüche bewirken das Vorkom-
lischer Feststoff, der in mehreren allotropen Mo- men von Schwefel in Form von Schwefeldioxid
difikationen auftritt. Er kommt in der Lithosphäre, (SO2) in der Troposphäre. Die gesamte jährliche
Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre vor, so- Emission an SO2 beträgt 400 Mio. t (!) (Wellburn
wohl in Form von Sulfiden (Oxidationszahl 2), et al. 1997). Schwefeldioxid wird leicht durch Pflan-
in Aminosäuren (Oxidationszahl 1/2), als ele- zenblätter absorbiert und dem Stoffwechsel zuge-
mentarer Schwefel (Oxidationszahl 0), als Schwe- führt.
feldioxid in Vulkangasen und der Atmosphäre Außerhalb der Erde sind Schwefel oder seine
generell (Oxidationszahl +4) und in Form von Verbindungen im Sonnensystem nachgewiesen
Sulfaten (Oxidationszahl +6) (Schmidt 1973). worden. Die Wolken unseres sonnennäheren Nach-
Sein Massenanteil an der Erdhülle beträgt 0,048 %, barplaneten Venus enthalten große Mengen an
Schwefel steht damit an 15. Position in der Rangliste Schwefeldioxid und Schwefelsäure; erklärbar bei
der häufigsten Elemente. einer Oberflächentemperatur von ca. 400 °C.
Elementar kommt Schwefel in großen Lager- Ebenso fanden die Viking-Sonden Eisen- und
stätten vor, oft in Gebieten mit starker tekto- Magnesiumsulfat auf unserem sonnenferneren
nischer Aktivität, wie etwa im Iran, auf Sizilien, Nachbarplaneten Mars, was auf das frühere Vor-
in Mexiko, auf dem Meeresboden des Golfes von handensein von Wasser dort hindeuten könnte.
Mexiko sowie des Mittelatlantischen und Ostpa- Auf dem einen ungewöhnlich starken Vulkanis-
354 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

mus zeigenden Jupitermond Io -dessen mittlere nend und zeigen einen fettigen Glanz. Pulvrige Ag-
Oberflächentemperatur bei 140 °C liegt- finden gregate sind jedoch undurchsichtig matt.
sich zahlreiche heiße Stellen an der Oberfläche; Rhombischer Schwefel besteht aus S8-Ringen
einige davon sind Seen, die aus geschmolzenem (Cyclooctaschwefel); der Nachweis mittels Rönt-
Schwefel bestehen. Forschungsergebnisse der genstrukturanalyse gelang 1935. Wird Schwefel
NASA lassen vermuten, dass sich auf der Ober- zunächst erhitzt, und dann die Temperatur längere
fläche des Jupitermondes Europa erhebliche Men- Zeit gehalten, so brechen die S8-Ringe teilweise
gen Sulfate und Schwefelsäure befinden. auf, wodurch es zu einer Senkung des Schmelz-
Im Weltall wurden mit Hilfe der Radiotelesko- punktes auf bis zu 114,5 °C kommt. Weiteres
pie bisher einige Schwefelverbindungen nach- Erhitzen über den Schmelzpunkt hinaus führt zu
gewiesen, wie beispielsweise Kohlenstoffdisulfid einem drastischen Anstieg der Viskosität infolge
(CS2), Carbonylsulfid (COS), Schwefelwas- Bildung langer, kettenförmiger Moleküle, die ihr
serstoff (H2S), Thioformaldehyd (H2CS) und Maximum bei 187 °C erreicht. Bei noch höherer
Schwefeldioxid (SO2) (Gottlieb et al. 1978; Sin- Temperatur zerbrechen die langen Kettenmolekü-
clair et al. 1973). Astronomen haben die Hoff- le in kleinere Einheiten, was wiederum mit einer
nung, mittels der Detektion von Schwefeldioxid Senkung der Viskosität einhergeht.
Vulkanismus auf Planeten außerhalb unseres Son- Schwefel zeigt bis zu dreißig diverse Allotrope.
nensystems nachzuweisen. Die unter Normalbedingungen thermodynamisch
stabilen enthalten alle S8-Molekülringe (Cyclo-
Gewinnung Das Ende des 19. Jahrhunderts octaschwefel), aber es gibt Ring- und Kettenmole-
entwickelte Frasch-Verfahren erlaubt die Aus- küle mit unterschiedlicher Zahl an Schwefel-
beutung unterirdischer Lagerstätten elementaren atomen:
Schwefels (Schmidt 1973). Die wichtigsten Vor-
kommen liegen in Kanada, in den Vereinigten a. Im natürlich vorkommenden Schwefel liegen
Staaten von Amerika, der ehemaligen Sowjet- kronenförmig gezackte S8-Ringmoleküle (Cy-
union und Westasien. Die Volksrepublik China clooctaschwefel) vor. Bei Raumtemperatur am
ist der weltweit größte Importeur, Kanada der stabilsten ist der orthorhombisch kristallisieren-
größte Exporteur, gefolgt von Russland und Sau- de, geruch- und geschmacklose, gelbe α-Schwe-
di-Arabien. fel, der auch in der Natur vorkommt.
Der geförderte Schwefel wird fast ausschließ- Oberhalb einer Temperatur von 95 °C liegt
lich zu Schwefelsäure weiterverarbeitet. Der erste der monoklin kristallisierende, farblose β-Schwe-
Schritt dieses Prozesses ist das Rösten sulfidischer fel vor, der durch Erhitzen auf 100 °C und an-
Erze. Elementarer Schwefel wird weltweit ge- schließendes schnelles Abkühlen auf 20 °C für
wonnen und gehandelt. einige Zeit stabilisiert werden kann. Der mono-
Physikalische Eigenschaften: Diese hängen klin kristallisierende γ-Schwefel (Rosickýit)
stark von der Temperatur ab, da bei gegebener kommt natürlich im Death Valley (USA) vor,
Temperatur eine Reihe allotroper Modifikationen wo er durch mikrobiologische Reduktion von
vorliegen können. Wird Schwefel auf über 119 °C Sulfat gebildet wird.
erhitzt, bildet sich zunächst eine niedrigviskose b. Die Moleküle des Cyclohexaschwefels (S6) wei-
Flüssigkeit hellgelber Farbe, in der überwiegend sen eine sesselförmige Konformation auf, die
S8-Ringe vorhanden sind. unter hoher Ringspannung steht. Er hat eine
Die Dichte festen Schwefels beträgt unter Nor- Dichte von 2,21 g/cm3, schmilzt bei ca. 100 °
malbedingungen etwa 2,0 g/cm3 und seine Mohshär- C und bildet orangefarbige, rhomboedrische
te rund 2,0. Meist tritt er in Form hell- bis dunkel- Kristalle. Er wandelt sich innerhalb einiger Tage
gelber Prismen oder Pyramiden auf. Auf einer in Cyclooctaschwefel um und ist u. a. durch
Strichtafel hinterlässt Schwefel einen weißen Strich. Umsetzung einer wässrigen Lösung von Na-
Größere Kristalle sind durchsichtig bis durchschei- triumthiosulfat mit Salzsäure zugänglich:
5 Einzeldarstellungen 355

6 Na2 S2 O3 þ 12 HCl ! S6 þ 6 SO2 þ 12 NaCl þ 6 H2 O Erhöhung der Konzentration kleinerer Ringe


(π-Schwefel, Sn (6n25, n6¼8) und zur Abnah-
c. Cycloheptaschwefel (S7) entsteht durch Reak- me der Viskosität der Schmelze. Oberhalb einer
tion von Cyclopentadienyl-Titanpentasulfid Temperatur von 159 °C (λ-Übergang) brechen die
mit Dischwefeldichlorid: Ringe durch thermische Anregung auf und bilden
Cp2 TiS5 þ S2 Cl2 ! S7 þ Cp2 TiCl2 ðCp : η5  C5 H5 Þ lange Molekülketten. Diese Form des Schwefels
erreicht bei 187 °C seine höchste Viskosität. Eine
Er kann in Abhängigkeit vom Herstellverfah- weitere Erhöhung der Temperatur bis zum Siede-
ren in vier unterschiedlichen allotropen Modi- punkt (444,6 °C) führt zum Aufbrechen der Ket-
fikationen auftreten (α-, β-, γ-, δ-Cyclohepta- ten unter Bildung kleinerer Molekülbruchstücke;
schwefel), die sämtlich temperaturempfindlich die Viskosität der Schmelze nimmt wieder ab.
sind und bei Temperaturen oberhalb von 20 °C Oberhalb des Siedepunktes enthält gasförmiger
schnell in die thermodynamisch stabilste Form Schwefel zunächst S8-Ringe, die bei noch höheren
übergehen. Länger haltbar sind alle Modifika- Temperaturen aufbrechen. Zunächst weist der
tionen nur dann, wenn sie durch Trockeneis Schwefeldampf die gleiche gelbe Farbe auf wie eine
gekühlt (78 °C) aufbewahrt werden. Schmelze von Cyclooctaschwefel. Bei einer Tem-
d. Moleküle, die mehr Schwefelatome enthalten peratur oberhalb von 550 °C zerfallen die Ringe in
als Cyclooctaschwefel (Sn mit n ¼ 9–12, 15, kleinere Moleküle wie S2–S4, die rot bis dunkelrot-
18, 20) kann man mittels der oben beschriebe- braun erscheinen. Oberhalb einer Temperatur von
nen Cyclopentadienyl-Titanpentasulfid-Metho- 700 °C enthält der Dampf zumeist S2-Moleküle,
de oder durch Umsetzung von Dichlorsulfanen bei >1800 °C liegen einzelne Schwefelatome vor.
SmCl2 mit Polysulfanen H2Sn erhalten: Chemische Eigenschaften: Neutrale Schwefel-
moleküle können als Kationen bzw. Anionen auf-
Sm Cl2 þ H2 Sn ! SðmþnÞ þ 2 HCl treten. Schwefelmoleküle („Schwefelpolykatio-
So bildet Cyclononaschwefel (S9) ebenfalls nen“, siehe auch Tellur) mit der Oxidationsstufe
2+ 2+
vier Allotrope, von denen zwei (α- und β-Modifi- +2 sind die hellgelben S4 -, die roten S16 - und
kation) genauer beschrieben sind. die S82+-Kationen, die z. B. durch Reaktion mit
Cyclododecaschwefel (S12) mit seiner kronen- Arsen- oder oder Antimonpentafluorid unter Bei-
förmig gezackten Molekülstruktur ist nach Cy- behaltung der Ringstruktur, aber unter Änderung
clooctaschwefel das thermodynamisch stabilste der Konformation erhalten werden können:
Molekül. Cyclooctadecaschwefel (S18) bildet zwei
konformationsisomere Ringe aus (Holleman et al. S8 þ 5 SbF5 ! S8 2þ þ 2 Sb2 F11  þ SbF3
2007, S. 549, 552).
Die Moleküle des polymeren Schwefels beste- Schwefel reagiert bei höherer Temperatur mit
hen aus langen durch Schwefelatome gebildeten fast allen Metallen unter Bildung von Sulfiden,
Ketten. Er kann durch Erhitzen von Schwefel auf ausgenommen nur Platin, Iridium und Gold. Mit
Temperaturen oberhalb von 120 °C und darauf Quecksilber reagiert Schwefel sogar schon beim
folgendes schnelles Abkühlen (Eiswasser, flüssi- Verreiben bei Raumtemperatur zu Quecksilber-
ger Stickstoff) dargestellt werden. sulfid. Schwefel reagiert auch mit den meisten
β-Schwefel schmilzt bei 119,6 °C (s. Tab. 2), Nichtmetallen direkt, nur nicht mit Tellur, Stick-
wobei die Schmelze zunächst Moleküle des Cy- stoff, Iod und Edelgasen.
clooctaschwefels enthält (λ-Schwefel). In Abhän- An Luft entzündet sich Schwefel ab einer Tem-
gigkeit von Temperatur und Zeit treten andere peratur von etwa 250 °C und verbrennt mit blauer
Spezies (S6- S7- S12-Ringe, bis hinauf zu S50- Flamme unter Bildung von Schwefeldioxid (SO2).
Ringen, darüber hinaus auch Kettenmoleküle) in Schwefel wird durch Salpetersäure zu Sulfat oxidiert.
der Schmelze auf und stehen miteinander im In alkalischer Lösung disproportioniert Schwefel
Gleichgewicht. Weiteres Erhitzen führt erst zur zu Sulfid und Sulfit. In sulfidischer Lösung ist
356 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Schwefel


Symbol: S
Ordnungszahl: 16
CAS-Nr.: 7704-34-9

Aussehen: Hellgelber Schwefel, Scheibe, 5 cm Ø Schwefel,


Feststoff (Metallium Inc. 2015) Pulver
(Sicius 2015)
Entdecker, Jahr China, Ägypten (5000 v. Chr.)
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
32
16S (95,02) Stabil ——
33
16S (0,75) Stabil ——
34
16S (4,21) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 480
Atommasse (u): 32,06
Elektronegativität 2,58 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: S + 2 e > S2 (V) 0,48
Atomradius (pm): 100
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 180
Kovalenter Radius (pm): 103
Elektronenkonfiguration: [Ne] 3s2 3p4
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1000 ♦ 2252 ♦ 3357
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,3 · 105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Orthorhombisch
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V · m)], bei 300 K): 1022
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): k. A ♦ 7,7 ♦ k. A.
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 32 ♦ k. A.
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 2,07
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 15,53 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,205
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 22,75
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 115,21 ♦ 388,36
Schmelzwärme (kJ/mol): 1,713
Siedepunkt (°C ♦ K): 444,6 ♦ 717,75
Verdampfungswärme (kJ/mol): 45
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 1037 ■ 20,7

Schwefel unter Bildung von Polysulfiden löslich, Wasserstoffverbindungen Schwefelwasserstoff


und mit Sulfit reagiert es zu Thiosulfat. (H2S) schmilzt bzw. siedet bei 85,7 °C bzw.
60,2 °C (Cubitt et al. 1987) und hat bei 0 °C
Verbindungen In seinen Verbindungen nimmt die Dichte 1,54 kg/m3. Man stellt das äußerst
Schwefel alle Oxidationsstufen zwischen 2 (Sul- giftige Gas im Labor her, indem man im Kipp-
fide) und +6 (Sulfate, Schwefel-VI-oxid und schen Apparat Salzsäure auf Eisen-II-sulfid trop-
Schwefelsäure) ein. fen lässt:
5 Einzeldarstellungen 357

FeS þ 2 HCl ! FeCl2 þ H2 S dass allgemein schwermetallhaltige, sauerstoffüber-


tragende Enzyme infolge der Bildung schwer lösli-
cher Sulfide inaktiviert werden. Der kleinere, nicht-
Das so gebildete Produkt ist allerdings durch oxidierte Teil des Schwefelwasserstoffs kann
die Ausgangsprodukte mit Gasen wie Wasser- Schäden im zentralen und evtl. auch peripheren
stoff, Kohlendioxid, Stickstoff und Sauerstoff Nervensystem hervorrufen (Reiffenstein et al.
verunreinigt. Bei Verwendung von natürlichem 1992).
Eisensulfid (z. B. Pyrrhotin) kann das Produkt Unter extrem hohem Druck (1,5 Mio. bar) wird
zusätzlich auch noch mit Arsen-, Selen und Tel- die Verbindung bereits bei 70 °C supraleitend
lurwasserstoff sowie Monophosphan verunreinigt (Drozdov et al. 2015).
sein. Reinen Schwefelwasserstoff erhält man Disulfan (H2S2) besitzt einen campherähnlichen
durch Erhitzen einer konzentrierten Lösung von Geruch und zersetzt sich leicht zu Schwefelwasser-
Magnesiumhydrogensulfid oder aus den Elemen- stoff und elementarem Schwefel (Steudel 2003).
ten, ebenso aus Natriumsulfid und Phosphorsäure Die Flüssigkeit siedet bei 70 °C, erstarrt bei einer
(Brauer 1963, S. 344). Temperatur von 89,6 °C und hat die Dichte
In der Petrochemie (Raffinerien) fällt Schwe- 1,334 g/cm3. Man gewinnt die Verbindung durch
felwasserstoff in großen Mengen bei der Hydro- thermische Zersetzung von Rohsulfan (Brauer
desulfurierung von Erdöl an. Schwefelwasserstoff 1975, S. 364). Die gelbe luftempfindliche Flüssig-
ist die Hauptquelle für elementaren Schwefel, der keit hydrolysiert in Wasser und Alkoholen; sie
wiederum zu über 95 % zu Schwefelsäure umge- löst sich in Kohlenstoffdisulfid, Benzol und
setzt wird. Dabei wird ein Teil des Schwefelwas- Tetrachlormethan.
serstoffs zu Schwefel-IV-oxid verbrannt. Ein Teil Sauerstoffverbindungen Schwefel-IV-oxid
des übrigen Schwefelwasserstoffs reagiert mit dem (Schwefeldioxid, SO2) schmilzt bzw. siedet bei
entstandenen Schwefel-IV-oxid unter Kompro- 75,5 °C bzw. 10 °C und hat die Dichte 2,63
portionierung zu elementarem Schwefel. kg/m3 (25 °C). Es ist ein farbloses, schleimhaut-
Im klassischen Kationentrennungsgang wird reizendes, stechend riechendes und sauer schme-
Schwefelwasserstoff zum Ausfällen einer ganzen ckendes, giftiges Gas; auch in flüssiger Form ist es
Gruppe benutzt (Schwefelwasserstoffgruppe). farblos (s. Abb. 2). Es ist sehr gut (physikalisch)
Durch Einleiten von H2S-Gas in schwach saure wasserlöslich und bildet mit Wasser in geringem
Lösungen fallen aus: As2S3, SnS2, Sb2S3, HgS, Maße Schweflige Säure. Es entsteht unter ande-
SnS, PbS, Bi2S3, CuS und bei Verdünnen mit rem bei der Verbrennung schwefelhaltiger fossiler
Wasser auch CdS. Diese Kationen sind dann wei- Brennstoffe wie Kohle oder Erdöl, die bis zu 4 %
ter aufzutrennen und mithilfe von Nachweisre- Schwefel enthalten. Dadurch trägt es erheblich
aktionen zu identifizieren. zur Luftverschmutzung bei. Es ist der Grund für
Wegen seiner Giftigkeit verzichtet man im die Bildung sauren Regens, wobei das Schwefel-
Kationen-Trennungsgang zunehmend auf Schwe- IV-oxid zunächst von Sauerstoff zu Schwefel-VI-
felwasserstoff. Stattdessen erzeugt man die benö- oxid (Schwefeltrioxid) oxidiert und dann mit
tigten Sulfid-Anionen in situ, zum Beispiel mit Wasser zu Schwefelsäure (H2SO4) umgesetzt wird.
Hilfe von Thioacetamid, in kleineren Mengen Um den Eintrag von Schwefel-IV-oxid in die At-
auch durch Erhitzen von Schwefel mit Kerzen- mosphäre zu verhindern, existieren Verfahren
wachs. zur Rauchgasentschwefelung. Zudem findet sich
Schwefelwasserstoff hat die Eigenschaft, die Schwefel-IV-oxid im Umfeld von Hochtempera-
Geruchsrezeptoren zu betäuben, weshalb man ei- turgebieten und aktiven Vulkanen.
ne Erhöhung seiner Konzentration nicht mehr Flüssiges Schwefel-IV-oxid ist bei Raumtem-
über den Geruch wahrnimmt. Die eigentliche peratur schon durch Anwendung niedriger Über-
Giftwirkung beruht auf einer Zerstörung des roten drücke (ab 3,3 bar) herstellbar. Es löst zahlreiche
Blutfarbstoffes Hämoglobin und damit einer Läh- Stoffe und hat sich daher als wertvolles aprotisch-
mung der intrazellulären Atmung. Man vermutet, polares Lösungsmittel etabliert.
358 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Abb. 3 Ca. 60 g Schwefel-VI-oxid in einer Ampulle


(H. Hiller 2010)

Abb. 2 Flüssiges Schwefel-IV-oxid (Onyxmet 2020)


ser katalysiert wird. Wird sehr reines Schwefel-
VI-oxid aus der Gasphase auf eine Temperatur
In der Lebensmittelindustrie setzt man Schwe-
von 80 °C kondensiert, entsteht das trimere γ-
fel-IV-oxid als Konservierungs-, Antioxidations-
SO3. Der farblose Feststoff vom Schmelzpunkt
und Desinfektionsmittel ein, meist für Trocken-
16,8 °C besitzt eine zyklische Molekülstruktur
früchte, Fruchtsäfte, Kartoffelgerichte, Marmelade
[[S(¼O)2(μ-O)]3]:
und Wein. Wein- und Bierfässer desinfiziert man
vor der Verwendung durch Behandlung mit gasför-
migem Schwefel-IV-oxid.
Schwefel-IV-oxid zerstört Vitamin B1; ebenso
zeigen Laborversuche Hinweise auf eine Zerstö-
rung von B12-Vitaminen. In der EU ist es als
Lebensmittelzusatzstoff der Nummer E 220 auch
für „Bio“-Produkte zugelassen. Es dient des Wei-
teren zur Herstellung von Sulfuryl- und Thionyl- Kondensiert man Schwefel-VI-oxid allerdings
chlorid. In der Sulfochlorierung ist es Ausgangs- bei Temperaturen oberhalb von 27 °C, wird α-SO3
material zur Produktion von Tensiden. Ferner ist gebildet, das faserähnliche Kristalle bildet und
Schwefel-IV-oxid ein wichtiges Edukt zur Pro- einen Schmelzpunkt von 62,3 °C hat. Seine Mo-
duktion von Schwefel-VI-oxid, um anschließend lekülstruktur entspricht der eines Polymeren
daraus konzentrierte Schwefelsäure etwa mittels [[S¼O)2(μ-O)]3]n, wobei jedes Ende der Polymer-
des Kontaktverfahrens herzustellen. kette OH-Gruppen trägt. Das β-SO3 bildet ebenso
Schwefel-IV-oxid ist ferner unverzichtbar zur faserähnliche Kristalle, hat aber ein zur zuletzt
Herstellung vieler Chemikalien, Medikamente genannten Modifikation verschiedenes Moleku-
und Farbstoffe sowie zum Bleichen von Papier largewicht und schmilzt bei 32,5 °C. Nur die α-
und Textilien. Es lässt Tinte verblassen. Zudem SO3-Form ist stabil und wird aus den beiden an-
setzt man es als Schutzgas ein, um flüssige Metall- deren beim Stehenlassen gebildet; dieser Prozess
schmelzen in der Gießerei an der Oxidation zu wird durch Spuren von Wasser katalysiert.
hindern (Bünck 2014, S. 36). Die relativen Dampfdrücke des festen Schwefel-
Schwefel-VI-oxid (Schwefeltrioxid, SO3) ist VI-oxids nehmen vom α- über das β- zum γ-SO3 hin
das Anhydrid der Schwefelsäure, bildet nadelför- zu. Flüssiges Schwefel-VI-oxid hat einen Dampf-
mige, farblose Kristalle (s. Abb. 3), die stark hy- druck, der demjenigen der γ-SO3-Form entspricht.
groskopisch sind und heftig mit Wasser reagieren. Daher hat das Erhitzen eines Kristalls von α-SO3
Einatmen der Verbindung führt zu schweren Ver- einen plötzlichen Anstiegs des Dampfdrucks zur
ätzungen der Lunge, da sie mit dem in der Lunge Folge, wodurch das zu seiner Aufheizung verwen-
enthaltenen Wasser Schwefelsäure bildet, die ein dete, geschlossene Gefäß explodieren kann. Gas-
lebensgefährliches Lungenödem auslösen kann. förmiges Schwefel-VI-oxid liegt in Form von
Schwefel-VI-oxid liegt kann in Form dreier Monomeren vor.
verschiedener Modifikationen vorliegen, wobei Außerdem ist Schwefel-VI-oxid äußerst hy-
deren Wechsel ineinander durch Spuren von Was- groskopisch, verkohlt Baumwolle, Holz und Pa-
5 Einzeldarstellungen 359

pier schnell, wobei sich diese Materialien gele- Zuge der Produktion von Kupfer, Zink oder Blei
gentlich auch entzünden. aus ihren Sulfiden. Auch Pyrit (FeS2) ist eine
Technisch stellt man Schwefel-VI-oxid im Kon- wichtige Quelle für Schwefel-IV-oxid.
taktverfahren unter Verwendung von Vanadium-V- In Ländern mit geringen Vorkommen elemen-
oxid aus Schwefel-IV-oxid und Sauerstoff bei taren Schwefels oder sulfidischen Erzen steht nur
420 °C her. In reiner Form erhält man die Verbin- die energieintensive, im Drehrohrofen betriebene
dung, wenn man sie aus Oleum abdestilliert. Im Produktion aus Gips (Calciumsulfat) und Kohle
Labor sind kleinere Mengen durch Erhitzen einer nach dem Müller-Kühne-Verfahren zur Verfügung
Mischung von konzentrierter Schwefelsäure mit (Kühne 1949).
Phosphor-V-oxid herstellbar, wobei das bei der Die Produktion der Vorstufe der Schwefelsäure,
Reaktion gebildete Schwefel-VI-oxid abdestilliert. des Schwefel-VI-oxids, erfolgt nur noch nach dem
Mit Fluor- bzw. Chlorwasserstoff reagiert die Kontaktverfahren mit Vanadium-V-oxid und. Alka-
Verbindung zu Fluor- bzw. Chlorsulfonsäure, mit lisulfat als Katalysator bzw. Co-Katalysator. Die
Alkoholen zu Schwefelsäureestern: Reaktionstemperatur in diesen Hordenöfen beträgt
420–620 °C (Lapina et al. 1999). Beim Doppelkon-
ROH þ SO3 ! R  O  SO3 H taktverfahren wäscht man vor der letzten Horde das
schon im Gasgemisch enthaltene Schwefel-VI-oxid
Bei der Produktion von Tensiden nutzt man mit konzentrierter Schwefelsäure aus, wodurch die
diese Reaktion, da man diese Ester mit Natron- Ausbeute auf >99,8 % gesteigert wird.
lauge neutralisiert und so die gewünschten Fett- Nach Bildung des Schwefel-VI-oxids setzt
alkoholsulfate erhält. man dieses dann mit konzentrierter Schwefelsäure
Schwefel bildet viele Oxosäuren, von denen um und verdünnt jene dann entsprechend auf die
die Schwefelsäure mit Abstand am wichtigsten gewünschte Konzentration. Vorher aber muss man
ist. Die Säuren sind nicht alle in reiner Form zunächst nichtumgesetztes Schwefel-IV-oxid durch
isolierbar. Angegeben ist nachstehend die mittlere Zugabe von Ammoniak oder Natriumthiosulfat ent-
Oxidationszahl des Schwefelatoms (Tab. 3). fernen.
Wasserfreie, 100 %ige Schwefelsäure (H2SO4) Die oft bräunliche Färbung technischer Schwe-
schmilzt bzw. siedet bei 10,9 °C bzw. 290 °C, felsäure liegt am Vorhandensein organischer Ver-
hat die Dichte 1,84 g/cm3 und ist eine farblose unreinigungen, die durch Entwässerung verkohlt
(s. Abb. 4), ölige, hygroskopische und sehr visko- werden. Oberhalb des Siedepunktes wasserfreier
se Flüssigkeit. Sie ist eine der stärksten Säuren, Schwefelsäure (279,6 °C) bilden sich Dämpfe, die
wirkt stark ätzend und bildet zwei Reihen von überschüssiges Schwefel-VI-oxid enthalten, wo-
Salzen, die Hydrogensulfate und die Sulfate, bei bei das Wasser in der siedenden Schwefelsäure
denen im Vergleich zur freien Säure ein bzw. zwei verbleibt. Die wasserfreie Schwefelsäure geht so
Protonen durch Kationen ersetzt sind. in eine 98,33 %ige Schwefelsäure über, die kon-
Schwefelsäure gehört zu den technisch wichtigs- stant bei 338 °C siedet. Bei dieser Temperatur hat
ten Chemikalien und wird vor allem in der Produk- auch der Dampf einen Säuregehalt von 98,33 %
tion von Düngemitteln und anderen Mineralsäuren, (azeotropes Gemisch).
etwa der Salz- oder Phosphorsäure, eingesetzt. Schwefelsäure ist der Bezugspunkt für die De-
Grundstoff zu ihrer Herstellung ist meist ele- finition einer Supersäure. Alle Säuren, die stärker
mentarer Schwefel, der in großen Mengen bei der als reine Schwefelsäure sind und diese somit
Entschwefelung von Erdgas und Rohöl nach dem protonieren können, werden als Supersäuren
Claus-Prozess anfällt oder aber nach dem Frasch- bezeichnet.
Verfahren abgebaut wird. Der so gewonnene Da das erste Proton des Schwefelsäuremole-
Schwefel wird zunächst zu Schwefel-IV-oxid ver- küls viel leichter abdissoziiert als das zweite, liegt
brannt (Riegel und Kent 2003, S. 503). Ebenfalls in verdünnter Schwefelsäure (c¼1 mol/l) größten-
große Mengen an Schwefel-IV-oxid entstehen bei teils Hydrogensulfat vor. Die zweite Dissoziation
der Verhüttung schwefelhaltiger Erze, etwa im zum Sulfat erfolgt nur in viel geringerem Maße
360 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Tab. 3 Oxosäuren des Schwefels


Oxidationszahl
des
Schwefels Säuren des Typs H2SOn (Salze) Säuren des Typs H2S2On (Salze)
+1 Thioschweflige Säure, H2S2O2 (Thiosulfite)
+2 Sulfoxylsäure, H2SO2 (Sulfoxylate) Thioschwefelsäure, H2S2O3 (Thiosulfate)
+3 Dithionige Säure, H2S2O4 (Dithionite)
+4 Schweflige Säure, H2SO3 (Sulfite) Dischweflige Säure, H2S2O5 (Disulfite)
+5 Dithionsäure, H2S2O6 (Dithionate)
+6 Schwefelsäure, H2SO4 (Sulfate) Dischwefelsäure, H2S2O7 (Disulfate)
+6
(Fortsetzung)

Abb. 5 Schwefel-VI-fluorid in Ampulle (Onyxmet 2020)

Man setzt es unter Anderem als Isolator für


Abb. 4 Schwefelsäure 96 % (W. Oelen 2011) Hochspannungsschaltungen ein, ebenso, aber in
immer geringerem Maße, als Tracer zum Nach-
(etwa 1,3 % bei 1 mol/l) (Holleman et al. 2019, weis von Windströmungen, obwohl es Infrarot-
S. 511). Schwefelsäure ist im Hinblick auf die licht stark absorbiert und somit ein hohes Treib-
Definition von Supersäuren der Ausgangspunkt, hauspotenzial besitzt. Schon 1 t des Gases belastet
da man alle Säuren, die in der Lage sind, nach einer Angabe des Umweltbundesamtes von
Schwefelsäure zu protonieren, als Supersäuren 2002 die Atmosphäre in einer Größe, die 24.000 t
bezeichnet. Kohlendioxid entspricht.
Beim Verdünnen konzentrierter Schwefelsäu- Seit Ende der 1970er-Jahre setzte man
re mit Wasser werden erhebliche Wärmemengen Schwefelfluorid als Füllgas in Autoreifen und
freigesetzt. Daher gibt man immer die Säure unter Schallschutz-Isolierglasscheiben ein. Bei Kraft-
gutem Rühren ins Wasser und nie (!) das Wasser in fahrzeugen nutzte man es anstelle von Luft zur
die Säure, da dann die geringe Wassermenge Füllung der Reifen, weil die SF6-Moleküle im
schlagartig verdampft und mit der Säure verspritzt. Vergleich zu den Molekülen der in der Luft
Halogenverbindungen Schwefel-VI-fluorid enthaltenen Gase (Stickstoff und Sauerstoff)
(Schwefelhexafluorid, SF6) ist ein farb- und ge- größer sind und daher langsamer aus dem Rei-
ruchloses, ungiftiges, unbrennbares und sehr re- fen entweichen. Das spart dem Nutzer Zeit, da
aktionsträges Gas, das bei einer Temperatur von der Luftdruck der Reifen wesentlich seltener
64 °C zu einer farblosen Flüssigkeit kondensiert kontrolliert werden muss. Auch sollten diese
(s. Abb. 5). Das Molekül hat eine oktaedrische gasbefüllten Reifen zu einer höheren Fahr-
Struktur mit den Fluoratomen an den Ecken des sicherheit beitragen. Aber spätestens bei der
Okateders. Demontage des Reifens entweicht Schwefel-
5 Einzeldarstellungen 361

VI-fluorid ungehindert und vollständig in die 3 SCl2 þ 4 NaF ! SF4 þ 4 NaCl þ S2 Cl2
Atmosphäre. Autoreifen sollen zu ca. 25 %,
Schallschutzfenster zur Hälfte zu den SF6- Das farblose Schwefel-IV-fluorid kondensiert
Emissionen beigetragen haben. bei 40 °C zu einer Flüssigkeit, deren Dichte
Dischwefeldecafluorid (S2F10) ist eine farb- bei 73 °C 1,919 g/cm3 beträgt. Der Erstarrungs-
lose, stechend nach Schwefel-IV-oxid riechende punkt beträgt 121 °C. Die Verbindung hydroly-
Flüssigkeit der Dichte 2,08 g/cm3, die bei 55 °C siert heftig mit Wasser zu Schwefel-IV-oxid und
erstarrt und schon bei 28,7 °C siedet. Es bildet Fluorwasserstoff (Pavone et al. 2004). Schwefel-
sich als Nebenprodukt bei der Reaktion von IV-fluorid ist eine schwache Lewis-Säure und
Schwefel mit Fluor (Denbigh und Whytlaw-Gray bildet Addukte mit organischen Basen wie Pyri-
1934), die üblicherweise zum Schwefel-VI-fluo- din und Triethylamin. Man nutzt es zum Fluorieren
rid führt oder durch lichtkatalysierten Abbau des anorganischer Oxide, Sulfide oder Carbonyle; da-
Schwefelchloridpentafluorids (SF5Cl). Die Flüs- bei ist vor allem die selektive Umwandlung einer
sigkeit ist durch die leicht erfolgende Bildung von Ketogruppe (¼C¼O) zu einer Difluormethylen-
SF5•-Radikalen sehr reaktionsfreudig. Bei Erhit- gruppe (¼CF2) interessant (Holleman et al. 1995,
zung zersetzt sie sich in Schwefel-VI- und Schwe- S. 564).
fel-IV-fluorid. Mit überschüssigem Chlor reagiert Schwefel-II-fluorid (SF2) ist aus Schwefel-II-
sie zu Schwefelchloridpentafluorid. chlorid und Kaliumfluorid bei ca. 170 °C zugäng-
Dischwefeldecafluorid ist unlöslich in Was- lich. Bei niedrigen Drücken (<25 mbar) funktio-
ser und ist überraschenderweise sehr stabil ge- niert auch Quecksilber-II-fluorid (bei 150 °C) oder
genüber Hydrolyse. Es reagiert nicht mit Wasser Silber-I-fluorid (bei 20 °C), allerdings entstehen
(Holleman et al. 1995, S. 565), auch nicht mit dabei auch andere Schwefelfluoride. Eine weitere
sauren oder alkalischen wässrigen Lösungen, Möglichkeit der Darstellung ist die Reaktion von
sondern nur mit einer 10 %igen Lösung von Fluor mit Carbonylsulfid (Holleman et al. 1995,
Kaliumhydroxid in Methanol. Die Verbindung S. 564). Das farblose Gas ist nur verdünnt und in
ist sehr giftig und noch deutlich toxischer als Abwesenheit von Fluoriden kurze Zeit haltbar,
Phosgen. Seine Nutzung als Kampfstoff war im zerfällt dann aber über sein Di- und Trimer schnell
Zweiten Weltkrieg geplant, da es nur schwer zu Thiothionylfluorid und Schwefel-IV-fluorid.
rechtzeitig erkannt wird; diese Pläne wurden Difluordisulfan (S2F2; Struktur: F-S-S-F) wird
glücklicherweise nicht mehr umgesetzt. durch Reaktion von Silber-I-fluorid mit Schwefel
Schwefel-IV-fluorid (Schwefeltetrafluorid, SF4) bei 125 °C erzeugt (Brauer 1975, S. 182):
stellte man 1929 erstmals durch Reaktion von
Cobalt-III-fluorid mit Schwefel unter Beimengung 2 AgF þ 3 S ! S2 F2 þ Ag2 S
von Calciumfluorid dar. Das dabei gebildete, bei
Raumtemperatur gasförmige Schwefel-IV-fluorid Das farblose, übel riechende Gas der Dichte
wurde in Kühlfallen kondensiert (Fischer und 4,34 kg/m3 kondensiert bei 15 °C; die Flüssigkeit
Jaenckner 1929). Man darf bei der Herstellung aber erstarrt bei 133 °C (Latscha und Klein 2002,
nur ein schmales Temperaturfenster und keinesfalls S. 341; Blachnik 1998, S. 704). Bei höheren Tem-
einen stöchiometrischen Überschuss an Fluor ein- peraturen und Drücken geht es in das dann bestän-
setzen, da sich sonst größere Mengen von Schwefel- digere Thiothionylfluorid und dann durch Dispro-
VI-fluorid bilden würden. Man kann auch in Tri- portionierung weiter in Schwefel-IV-fluorid und
fluorchlormethan dispergiertes Schwefelpulver bei Schwefel über. Schon bei Raumtemperatur erfolgt
Temperaturen um 78 °C mit Fluor umsetzen bei Gegenwart von Fluorid diese Umwandlung zu
(Naumann und Padma 1973). Die geeignetste Me- Thiothionylfluorid. Mit Stickstoffdioxid reagiert je-
thode der Darstellung im Labor besteht in der Re- doch nur Difluordisulfan, im Gegensatz zu Thio-
aktion von Schwefel-II-chlorid mit Natriumfluorid thionylfluorid, zu Nitrosylfluorosulfat (Holleman
(Brauer 1975, S. 183): et al. 1995, S. 379)
362 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Thiothionylfluorid (S2F2; Struktur: S¼SF2) peratur von 125 °C nicht an, Glas oberhalb von
kann man durch Reaktion von Kaliumfluorid bzw. 400 °C. Kaltes Wasser hydrolysiert es nur lang-
Quecksilber-II-fluorid mit Dischwefeldichlorid sam (Brauer 1975, S. 187), auch raucht es bei
bei ca. 150 °C bzw. 20 °C erzeugen (Brauer 1975, Kontakt mit feuchter Luft nur schwach (Smith
S. 182; Holleman et al. 1995, S. 379): und Muetterties 1960). Fluor überführt es in
Schwefeloxidtetrafluorid (SOF4). Es ist gut löslich
S2 Cl2 þ 2 KF ! SSF2 þ 2 KCl in Diethylether und Benzol.
Sulfurylfluorid (SO2F2) ist ein farb- und ge-
Ebenfalls möglich ist die Darstellung durch Re- ruchloses, giftiges Gas der Dichte 3,723 kg/cm3,
aktion von Stickstoff-III-fluorid mit Schwefel das bei 55 °C kondensiert (Erstarrungspunkt:
(Brauer 1975, S. 182), wobei sich als Nebenpro- 135,8 °C). Man nutzt es als Insektizid zur Kon-
dukt Thiazylfluorid (NSF) bildet. [Jenes ist ein servierung von Lebensmitteln (Getreide, Nüsse,
stechend riechendes, farbloses[ Gas vom Konden- Schalen- und Trockenfrüchte) und auch zur Be-
sationspunkt 0,4 °C. Es ist thermisch instabil, sehr kämpfung von Holzschädlingen. Im Gegensatz zu
reaktiv und hydrolysiert mit Wasser. Schon bei anderen Mitteln zur Schädlingsbekämpfung schä-
20 °C greift es Glas langsam an. In flüssiger Phase digt es nicht die Ozonschicht der Erdhülle, besitzt
(Erstarrungspunkt: 89 °C) trimerisiert es zu aber ein nicht unerhebliches Treibhauspotenzial
(NSF)3]: (Papadimitriou et al. 2008).
Sulfurylfluorid erhielt vom deutschen Bundes-
NF3 þ 3 S ! S2 F2 þ NSF amt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-
sicherheit (BVL) eine Zulassung als Konservie-
Das bei 10,6 °C kondensierende und bei rungsmittel für Lebensmittel. Zunächst erging
164,6 °C erstarrende Thiothionylfluorid (Hol- 2007 die Zulassung nur für die Anwendung bei
leman et al. 1995, S. 379) entsteht ebenfalls aus Trockenobst, später auch für die Desinfektion
Difluordisulfan in Gegenwart von Alkalifluori- leerer Mühlen. 2009 folgte die Zulassung zur Be-
den (Steudel 2008, S. 475). Bei höheren Tem- handlung von Nüssen, Schalenfrüchten und für
peraturen und Drücken disproportioniert es zu Getreide, die in Lagern oder unter gasdichten
Schwefel-IV-fluorid und Schwefel. Fluorwas- Planen zwischengelagert werden. Schließlich er-
serstoff überführt es in Schwefel-IV-fluorid ging 2012 eine Zulassung zur Bekämpfung von
und Schwefelwasserstoff. Schädlingen für geschlagenes Holz, Holzpaletten
Thionylfluorid (SOF2) erhält man durch Re- und Packholz. Dabei wird angenommen, dass bei
aktion von Fluorwasserstoff oder anderen Fluo- der Anwendung von Sulfurylfluorid die für die
riden mit Thionylchlorid (Brauer 1975, S. 187). EU gültigen Höchstkonzentrationen für Fluorid
Im Labormaßstab erwies sich die Umsetzung von 25 mg/kg für Nüsse und 3 mg/kg für Trocken-
von Thionylchlorid mit Antimon-III-fluorid in obst eingehalten werden könnten, aber das BVL
Gegenwart von Antimon-V-chlorid als Kataly- weist darauf hin, dass weitere Fluoridquellen
sator am geeignetsten (Blachnik 1998, S. 712). (Zahncreme) zu einer Überschreitung der maxi-
Das farblose Gas kondensiert bei 43,7 °C; die mal für Menschen tolerierbaren Gesamtdosis füh-
Flüssigkeit der Dichte 1,78 g/cm3 (100 °C) ren können.
erstarrt bei einer Temperatur von 110,5 °C. Darstellungswege für Sulfurylfluorid sind
Die Verbindung ist gut löslich in trockenem die Fluorierung von Schwefel-IV-oxid (I), die
Benzol und Diethylether (Housecroft 2005, thermische Zersetzung von Bariumfluorosulfo-
S. 450). nat (II, beide Muetterties 1960), der Austausch
Festes Thionylfluorid kristallisiert im mono- von Halogen zwischen Sulfurylchlorid und Na-
klinen Gitter (Raumgruppe 14). Trockenes Thio- triumfluorid (III) oder das Überleiten von
nylfluorid greift Metalle wie Magnesium, Nickel, Schwefel-IV-oxid über Silber-II-fluorid (IV,
Quecksilber und Aluminium bis zu einer Tem- Seel 1967):
5 Einzeldarstellungen 363

(I) rid dasselbe Produkt (Steudel 2008, S. 565):

SO2 þ F2 ! SO2 F2 SF4 þ ClF ! SF5 Cl

(II) Das farblose, ziemlich reaktive Schwefelmo-


BaðSO3 FÞ2 ! BaSO4 þ SO2 F2
nochloridpentafluorid kondensiert bei einer Tem-
peratur von 19,5 °C; die Flüssigkeit erstarrt bei
(III)
SO2 Cl2 þ 2 NaF ! SO2 F2 þ 2 NaCl 64 °C. Die Verbindung ist ein kräftiges Oxida-
tionsmittel und ist erheblich reaktionsfähiger als
(IV) Schwefel-VI-fluorid, so erfolgt die Hydrolyse viel
2 AgF2 þ SO2 ! SO2 F2 þ 2 AgF leichter (Paquette 2013, S. 426). Wird das Gas auf
Temperaturen oberhalb von 400 °C erhitzt oder
mit UV-Licht bestrahlt, zersetzt es sich zu Schwe-
Das Molekül des Sulfurylfluorids hat eine fel-IV- und Schwefel-VI-fluorid. Man nutzt die
verzerrt-tetraedrische Struktur mit dem Schwe- Verbindung zur Einführung von SF5-Gruppen
felatom in der Tetraedermitte. Im Vergleich zu und auch in der präparativen organischen Chemie
Sulfurylchlorid ist Sulfurylfluorid reaktionsträ- zur Darstellung von Verbindungen, deren Mole-
ger und thermisch stabiler. In Wasser tritt bis küle Kohlenstoff-Schwefel-Doppel- und Drei-
hinauf zu Temperaturen von 150 °C keine star- fachbindungen enthalten (Seppelt 1987)
ke Hydrolyse zu Schwefelsäure und Fluorwas- Schwefel-IV-chlorid (SCl4) schmilzt zwischen
serstoff ein, im basischen Milieu aber schon bei 31 °C und 20 °C unter gleichzeitiger Zerset-
Raumtemperatur (Holleman et al. 2007, zung. Die Verbindung ist nur im festen Zustand
S. 590). stabil. Man stellt es durch direkte Chlorierung von
Schwefeloxidtetrafluorid (Thionyltetrafluorid, Schwefel her.
SOF4) entsteht bei der Reaktion von Thionylfluo- Das dunkelrote, giftige Schwefel-II-chlorid (SCl2)
rid mit Brompentafluorid bei 280 °C, bei der bei ist eine bei 59,5 °C siedende und bei 65 °C erstar-
200 °C durch Stickstoffdioxid katalysierten Re- rende Flüssigkeit der Dichte 1,62 g/cm3 (15 °C). Die
aktion von Schwefel-IV-fluorid mit Sauerstoff Verbindung ist empfindlich gegenüber Hydrolyse
(beide Brauer 1975, S. 187) oder bei der Umset- und hat einen chlorähnlichen Geruch. Schon ab Mitte
zung von Fluor mit Thionylfluorid (Ruff 1968). des 19. Jahrhunderts setzte man Schwefel-II-chlorid
Das stechend riechende, farblose Gas kondensiert zur Kaltvulkanisation von Kautschuk ein, im Ersten
bei 48,5 °C zu einer farblosen Flüssigkeit der Weltkrieg war es Vorstufe der Synthese des Kampf-
Dichte 1,95 g/cm3 (82 °C). Diese erstarrt bei stoffes S-Lost. Man stellt es im Labor durch Umset-
99,6 °C. Bei Kontakt mit Wasser erfolgt heftige zung von Dischwefeldichlorid mit Chlor her. Oder
Hydrolyse zu Sulfurylfluorid und Fluorwasser- man leitet Chlor über geschmolzenen Schwefel, er-
stoff; Natronlauge setzt es komplett zu Natrium- hält dabei allerdings ein Gemisch aus Dischwefeldi-
fluorid und Natriumsulfat um. chlorid und Schwefel-II-chlorid, das dann unter Inert-
Schwefelmonochloridpentafluorid (SClF5) ist gas destillativ getrennt werden muss (Brauer 1963,
durch Umsetzung von Schwefel-IV-fluorid mit S. 370).
Chlor und Alkalifluorid bei 175 °C zugänglich Schwefel-II-chlorid ist schon bei Raumtempera-
(Brauer 1975, S. 186; Holleman et al. 1995, tur instabil und zerfällt zu Chlor und Dischwefeldi-
S. 475): chlorid. Man kann die Verbindung durch Zusatz
von Phosphorchloriden stabilisieren. Der Aufbau
SF4 þ Cl2 þ CsF ! SF5 Cl þ CsCl des Moleküls ist gewinkelt (Cl-S-Cl: 103°), die
Länge der S-Cl-Bindung beträgt 201 pm.
Alternativ ergibt die bei 380 °C durchgeführte Anwendung findet Schwefel-II-chlorid als Sul-
Reaktion von Schwefel-IV-fluorid mit Chlorfluo- fidierungs- und Chlorierungsmittel.
364 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Dischwefeldichlorid (S2Cl2) erhält man eben- wasserstoff. Ebenfalls stürmisch reagiert Thionyl-
falls durch Chlorieren von Schwefel (Brauer chlorid mit Basen sowie mit einigen Alkoholen.
1963, S. 371). Ist Chlor im Überschuss zugegen, Beim Erhitzen über 80 °C zerfällt es in Schwefel-
läuft die Reaktion zum Schwefel-II-chlorid wei- IV-oxid, Dischwefeldichlorid und Chlor (Brauer
ter. Jenes kann aber durch Zugabe elementaren 1963, S. 382) nach:
Schwefels wieder zum gewünschten Dischwefel-
dichlorid umgesetzt werden. Die gelborange, an 4 SOCl2 ! 2 SO2 þ S2 Cl2 þ 3 Cl2
der Luft rauchende Flüssigkeit der Dichte
1,69 g/cm3 (20 °C) erstarrt bei 80 °C und besitzt
einen erstickenden Geruch; der Siedepunkt be- Im Labor stellt man Thionylchlorid durch Ein-
trägt 138 °C (Normaldruck). Mit Wasser erfolgt leiten von Schwefel-VI-oxid in Schwefel-II-chlo-
heftige Zersetzung zu einem Gemisch von Schwe- rid oder durch Überleiten von Schwefel-IV-oxid
fel und verschiedener seiner Verbindungen. Die über Phosphor-V-chlorid her (Lauss und Steffens
reine Verbindung löst Schwefel in großer Menge 2012):
auf; dabei bilden sich Ketten der Formel SnCl2 mit
n ¼ 2–100 (Kolditz 1983, S. 469). Die Anwen- (I)
dung des Dischwefeldichlorids erfolgt als Sulfi-
SCl2 þ SO3 ! SOCl2 þ SO2
dierungs- und Chlorierungsmittel (wie etwa Oxa-
lylchlorid und Chloressigsäure), außerdem setzt
(II)
man es zur Synthese diverser organischer Schwe- SO2 þ PCl5 ! SOCl2 þ POCl3
felverbindungen ein, als Zusatzstoff für Hoch-
druckschmiermittel, Schneidöle und Kautschuk-
Vulkanisationsmitteln. Thionylchlorid hat sehr viele industrielle An-
Das farblose bis leicht gelbliche (s. Abb. 6), wendungen. Unter anderem stellt man mit ihm
giftige, an der Luft rauchende Thionylchlorid aromatische Sulfonsäurechloride, Carbonsäure-
(SOCl2) stellten erstmals 1848/1849 und unab- chloride sowie Alkylchloride aus aliphatischen
hängig voneinander Persoz und Kremers durch Alkoholen her:
Umsetzung von Schwefel-IV-oxid mit Phosphor- Das ebenfalls stark ätzend wirkende, an
V-chlorid her (Persoz 1849; Kremers 1848). Seit feuchter Luft stark rauchende Sulfurylchlorid
Beginn des 20. Jahrhunderts produziert man es (SO2Cl2) ist das Dichlorid der Schwefelsäure
industriell. Thionylchlorid erstarrt bzw. siedet und wird durch Umsetzung von Chlor mit
bei 104,5 °C bzw. 76 °C und hat eine Dichte Schwefel-
von 1,64 g/cm3 (20 °C). Die Verbindung reagiert IV-oxid in Gegenwart von Aktivkohle erzeugt.
mit Wasser heftig zu Schwefel-IV-oxid und Chlor- (Brauer 1963, S. 383). Die farblose Verbindung

Abb. 6 Thionylchlorid (W. Oelen 2011)


Abb. 7 Sulfurylchlorid (W. Oelen 2011)
5 Einzeldarstellungen 365

(s. Abb. 7) erstarrt bzw siedet bei 54 °C bzw. Kristalle neigen zu explosivem Zerfall, sind aber
69 °C und hat eine Dichte von 1,67 g/cm3. Das bei Raumtemperatur unter Inertgas stabil. Kontakt
Molekül hat verzerrt tetraedrische Struktur mit mit Luftsauerstoff führt zu sofortiger Verfärbung
dem Schwefelatom in der Mitte des Tetraeders. ins Schwarze. Unter Vakuum (2–10 mbar) kann
Mit Wasser reagiert Sulfurylchlorid unter sehr man die Verbindung bei einer Temperatur um
heftiger Hydrolyse zu Schwefelsäure und Chlorwas- 45 °C sublimieren. Die Länge der S-N-Bindung
serstoff. Ebenso setzt es sich sehr heftig mit Basen, beträgt im S4N4-Teil (Tetraschwefelnitrid) des Mo-
immer noch lebhaft auch mit niederen Alkoholen um. leküls 161 pm, in der NSN-Brücke dagegen
Man stellt aus Sulfurylchlorid aromatische ca. 153 pm.
Sulfonsäurechloride her; auch kann man mit sei- Tetraschwefeltetranitrid (S4N4) stellte Gregory
ner Hilfe aliphatische Kohlenwasserstoffe radika- 1835 erstmals, durch Reaktion von Ammoniak
lisch chlorieren mit Dischwefeldichlorid, her. Dieses Produkt
Dischwefeldibromid (S2Br2) ist durch Umset- war aber noch verunreinigt; die Stöchiometrie
zung von Schwefel mit Brom erhältlich (Brauer der Umsetzung wurde erst fünfzehn Jahre später
1975, S. 383). Ebenso funktioniert die Reaktion aufgeklärt (Fordos und Gélis 1850). Ein erstes
von Dischwefeldichlorid mit Bromwasserstoff. Bild des Moleküls entwarfen Schenck (Schenck
Die dunkelrote, ölige, Glas nicht benetzende Flüs- 1896), später auch Arnold et al. und Goehring
sigkeit erstarrt bei –46 °C zu Kristallen ortho- (Arnold et al. 1936; Arnold 1938; Goehring 1947;
rhombischer Struktur und hat die Dichte 2,63 g/ Goehring und Ebert 1955). Die Kristallstruktur-
cm3. Mit Wasser tritt schnell Hydrolyse zu Brom- analyse bestätigte das Vorliegen eines Käfigmole-
wasserstoff, Schwefel-IV-oxid und Schwefel ein. küls (Clark 1952; Sharma und Donohue 1963).
Beim Erhitzen zersetzt sich die Verbindung, wes- Man kann die Verbindung durch Reaktion von
halb sie nur im Hochvakuum unzersetzt des- Schwefel mit flüssigem Ammoniak in Gegenwart
tillierbar ist. von Silbernitrat darstellen; das Silbernitrat dient
Von Schwefeliodiden wurden bisher S2I2 und zum Abfangen des bei der Umsetzung gebildeten
SI2 charakterisiert, aber nur bei tiefer Tempera- Schwefelwasserstoffs:
tur. Außerdem werden diverse Schwefeliodid-
Kationen wie S2I42+ und S7I+ beschrieben (Kla- 16 NH3 þ 5 S8 ! 24 H2 S þ 4 S4 N4
potke und Passmore 1989).
Stickstoffverbindungen Schwefelnitride stellen Ein anderes Verfahren geht von Ammoniak
eine umfangreiche Stoffgruppe dar. Pentaschwe- und Dischwefeldichlorid in Dichlormethan als
felhexanitrid (S5N6) ist durch Reaktion von Bis Lösungsmittel aus; das bei dieser Reaktion erhal-
(trimethylsilyl)schwefel mit Tetraschwefeltetra- tene Produkt kann man aus Toluol umkristallisie-
stickstoffdichlorid zugänglich (Holleman et al. ren (Janiak et al. 2012, S. 129):
2017, S. 682) (s. Abb. 8).
Eine andere Synthesemöglichkeit besteht in der 6 S2 Cl2 þ 16 NH3 ! S4 N4 þ 12 NH4 Cl þ S8
in Dichlormethan durchgeführten Umsetzung von
Brom mit Tetrabutylammonium-tetraschwefelpen- Bessere Ausbeuten liefern Reaktionen in
tanitrid (Holleman et al. 2017, S. 682). Die orangen chlorgesättigtem Tetrachlorkohlenstoff oder Di-

Abb. 8 Herstellung von Pentaschwefelhexanitrid (Steffen 962 2017)


366 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

chlormethan bei Temperaturen von 20 bis 50 °C silber-II-acetat, die zunächst zum Quecksilber-II-
oder, ohne Lösungsmittel, mit Ammoniumchlorid imidoheptaschwefel führt. Jenes zersetzt sich
bei 150–160 °C. Schließlich kann man auch dann zu Quecksilber-II-sulfid, Tetraschwefeldini-
Schwefel-IV-chlorid mit Bis(trimethylsilyl)dia- trid und Schwefel (Heal und Ramsay 1975):
minosulfan umsetzen:
(I)
 
2 SCl4 þ 2 ðMe3 SiÞ2 N 2 S ! S4 N4 þ 8 Me3 SiCl
2 S7 NH þ Hg½COðOÞCH3 2
! HgðS7 NÞ2 þ 2 CH3 CðOÞOH
Tetraschwefeltetranitrid ist eine Käfigverbin-
dung, schmilzt bzw. siedet bei 178 °C bzw. 185 °
C und hat die Dichte 2,22 g/cm3. Alle S-N-Bin- (II)
HgðS7 NÞ2 ! HgS þ S4 N2 þ 9=8 S8
dungen sind 162 pm lang, was für Mehr-
fachbindungen mit delokalisierten π-Elektronen
spricht. Zusätzlich liegen im Käfig zwei schwache Der dunkelrote, diamagnetische Feststoff
S-S-Bindungen (258 pm) vor (Janiak et al. 2012, schmilzt bei 23 °C und hat eine Dichte von
S. 129; Steudel 2014, S. 515). Mit der Temperatur 1,71 g/cm3. Die Verbindung ist instabil und zer-
ändert Tetraschwefeltetranitrid seine Farbe von setzt sich bei 0 °C innerhalb weniger Stunden,
farblos (bei 196 °C), über orange (bei 25 °C) zu beim Erhitzen auf 100 °C meist unter Explosion.
rot (bei 100 °C). In Wasser ist es unlöslich. Festes Tetraschwefeldinitrid ist in zahlreichen organi-
Tetraschwefeltetranitrid zerfällt beim Erhitzen über schen Lösungsmitteln löslich, aber nur wenig in
eine Temperatur von 130 °C oder bei Stoß in der Alkoholen und gar nicht in Wasser. In letzterem
Regel unter Explosion in Schwefel und Stickstoff. tritt nur eine langsame Hydrolyse ein, die in Basen
Die Hydrolyse führt zu Ammoniak, Thiosulfat und deutlich stärker ist. Gegenüber verdünnten Säu-
Sulfit. Starke Säuren protonieren eines der Stick- ren ist die Verbindung nahezu inert. Die Struktur
stoffatome, Lewis-Säuren bilden Additionsverbin- des Moleküls entspricht einem Sechsring in
dungen wie etwa S4N4·SbCl5, (S4N4)2·SnCl4 oder seiner Halbsesselform, in der ein oberhalb der
S4N4·BCl3. Silber-II-fluorid überführt die Verbin- S–N¼S¼N–S-Ebene liegendes Schwefelatom
dung in tetrameres Thiazylfluorid [(NSF)4] unter eine Brücke über den Ring bildet (Zhu und Gi-
Beibehaltung des molekularen Achtrings. marc 1983).
Reduktionen erfolgen am Stickstoffatom, das Das Molekül des Dischwefeldinitrids (S2N2)
in eine Iminogruppe überführt wird. Zersetzt man ist planar, nahezu quadratisch und hat formal
die Verbindung kontrolliert thermisch, so entsteht 6 π-Elektronen. Es ist kein Aromat, da es ein
Dischwefeldinitrid, das im weiteren Verlauf in Diradikal mit vier bindenden π-Elektronen so-
Polythiazyl übergeht (Steudel 2014, S. 515). wie zwei nichtbindenden π-Radikalelektronen ist
Die Summenformel des Tetraschwefeldini- (Holleman et al. 2017, S. 681; Alsfasser et al.
trids (S4N2) wurde 1951 mittels üblicher kry- 2007). Die Bindungslängen bewegen sich im Be-
oskopischer Methoden bestimmt (Meuwsen reich von 165,1–165,9 pm, die NSN- bzw.
1951). Das Molekül liegt in Form eines Sechs- SNS-Bindungswinkel betragen 89,9° bzw. 90,4°.
rings mit den Stickstoffatomen in 1- und Darstellen kann man die Verbindung durch Um-
3-Position vor (Nelson und Heal 1971). Her- setzung von Tetraschwefeltetranitrid mit Silber
gestellt wird es durch Erhitzen von Tetraschwe- oder durch kontrolliertes Erwärmen von Tetra-
feltetranitrid mit Schwefel bei 110 °C (Brauer schwefeltetranitrid (Brauer 1975, S. 275). Die
1975, S. 404): farblose Verbindung kristallisiert monoklin (Raum-
gruppe 14) (Blachnik 1998, S. 706) und ist ein leicht
2 S4 N4 þ S8 ! 4 S4 N2 flüchtiger Feststoff mit durchdringendem Geruch.
Ist Luftfeuchtigkeit in Spuren zugegen, polymerisie-
Eine andere Möglichkeit der Darstellung ist die ren etwa zwei Drittel der Verbindung zu Polythiazyl
Umsetzung von Heptaschwefelimid mit Queck- [(SN)x], und rund ein Drittel geht in Tetraschwefel-
5 Einzeldarstellungen 367

tetranitrid über. Letztere Reaktion erfolgt sofort und mercaptan). Synthetische Produkte sind die oft als
ausschließlich in Gegenwart von Spuren an Alkali- anionische Tenside in Waschmitteln verwendeten
metallen. Mit Lewis-Säuren bildet Dischwefel- Natriumsulfonate (Na-SO2-OR). Bei der Gewin-
dinitrid Addukte wie beispielsweise S2N2·BCl3, nung seltener Metalle, etwa im Zuge der Auf-
S2N2·2AlCl3 oder S2N2·SbCl5. bereitung von Erzen oder der Flüssig-flüssig-Ex-
Polythiazyl [(SN)x] ist ein elektrisch leitfähiges traktion, setzt man u. a. Xanthogenate (Ester der
Polymer, das bei 272,85 °C sogar supraleitend Dithiokohlensäure, H2CS2O), Dithiophosphor-
wird (Labes et al. 1979). Erstmals stellte man es säureester, Mercaptane oder Alkylsulfonate ein.
durch Erhitzen von Tetraschwefeltetranitrid im Nur ist die Kohlenstoff-Schwefel-Einfachbin-
Vakuum über Silberwolle dar (Burt 1910). Es dung schwächer als die Einfachbindung zwischen
entsteht durch Polymerisation des nur in der Kälte zwei Kohlenstoffatomen (Pauling 1973), weswe-
stabilen Dischwefeldinitrids. Das langsame Er- gen sie relativ leicht hydrolytisch gespalten wird.
wärmen des Dischwefeldinitrids auf eine Tem- Die Reaktionsfähigkeit und auch -richtung or-
peratur von 10 °C ergibt zuerst ein dunkel- ganischer Schwefelverbindungen unterscheidet
blaues, paramagnetisches Zwischenprodukt, das sich teilweise stark von der der jeweiligen Sauer-
innerhalb von 2–3 d in das kristalline Polythiazyl stoffanaloga. So stellt man Thiole, darunter auch
übergeht (Alsfasser et al. 2007, S. 129). Alternativ Mercaptane, durch Reaktion von Kaliumhydro-
ist die Pyrolyse von Tetraschwefeltetranitrid an gensulfid mit Alkylhalogeniden her. Alkylierung
Silberwolle bei 300 °C und unter Vakuum mög- von Thioharnstoff und nachfolgende Hydrolyse
lich. mit Natronlauge ergibt gleichfalls Thiole. Sie sind
Das metallisch-golden glänzende Material ist oxidativ leicht in Disulfide und deren Folgepro-
ziemlich stabil gegenüber Sauerstoff und Wasser, dukte überführbar.
zersetzt sich aber an der Luft langsam zu einem Disulfid-Brücken stabilisieren die Struktur von
grauen Pulver (MacDiarmid et al. 2009). Bei Proteinen; eine praktische Anwendung dafür ist
Schlag oder plötzlichem Erhitzen auf hohe Tem- das Legen von Dauerwellen. Zunächst bricht man
peraturen tritt oft Explosion ein. Das Polymermo- mittels Thioglycolsäure die Cystinbindungen im
lekül stellt eine gezackte Kette dar mit einer Länge Keratin reduktiv auf. Danach bringt man die Haa-
der SN-Bindungen von 159 pm bzw. 163 pm; die re in die gewünschte Form und oxidiert die Thiol-
Bindungswinkel betragen 120° (SNS) bzw. 106° gruppen (-SH) mit Hilfe von Wasserstoffperoxid
(NSN) (MacDiarmid et al. 1975). Entlang der zurück zu Disulfidbrücken, die die Struktur der
SN-Ketten ist die Verbindung elektrisch leitfähig, Haarproteine durch Vernetzung stabilisieren.
aber senkrecht dazu besitzt sie die Eigenschaften Thioether sind durch Umsetzung von Alkali-
eines Isolators (Archer 2001, S. 213). Die mono- sulfid mit Alkylhalogeniden zugänglich. Mit über-
kline Struktur geht schon bei Einwirkung mecha- schüssigem Alkylhalogenid werden Trialkylsul-
nischer Energie (Mahlen) in die orthorhombische foniumsalze gebildet. Thioether sind leicht zu
über (Baughman et al. 1977). Man kann Poly- Sulfoxiden und Sulfonen oxidierbar.
thiazyl in LEDs, Solarzellen, Transistoren und Sulfoxide, deren Moleküle zwei voneinander
Elektroden von Batterien einsetzen (King 2009). verschiedene Alkylgruppen tragen (R-S(O)-R0 ),
Organische Verbindungen Schwefel ist zudem besitzen am Schwefelatom ein Chiralitätszen-
in vielen organischen Verbindungen, auch natür- trum, weil das freie Elektronenpaar dabei formal
lich vorkommenden, enthalten. Beispiele hierfür den vierten Substituenten darstellt. Einige Sulf-
sind die zwei essenziellen Aminosäuren Cystin oxide, wie Dimethylsulfoxid, sind als dipolare,
und Cystein, Thiole (darunter auch Mercaptane, aber protonenfreie Lösungsmittel oft im Einsatz.
R-SH) und Thioether (R-S-R0 ). Manche von ihnen Im Bereich der Heterocyclen ist das aromatisch
sind als Aromastoffe in Knoblauch oder Kaffee riechende Thiophen bekannt. Generell befinden
enthalten, aber auch im Abwehrstoff des Stink- sich unter den Aromastoffen viele schwefelhaltige
tiers (3-Methylbutanthiol) und besitzen Gerüche Substanzen, die längst nicht nur übel riechend
von kräftig-aromatisch bis zu faulem Kohl (Ethyl- sind (Ohloff 1990). Der intensivste, aus natürli-
368 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

chen Aromen gewonnene Geruchsstoff überhaupt den Beginn der Papierherstellung darstellt. Mit
ist Thioterpinol (Geruchsschwellenwert >4 ppb), Schwefel-VI-oxid werden Dodecylaromaten und
das aus der Pampelmuse/Grapefruit isoliert wurde Fettalkohole zu Tensiden sulfoniert (Tadros 2005).
(Demole et al. 1982). Nur wenig schwächer, aber Bei der Vulkanisation von Kautschuk, einem
immer noch äußerst intensiv duftet der Geruchs- der Teilschritte zur Herstellung von Autoreifen, ist
stoff der schwarzen Johannisbeere (8-Thio-p- Schwefel unverzichtbar. Ein Zusatz von Schwefel
menth-3-on, Ohloff 1990, S. 13). Ein Monoter- vernetzt die polymeren Moleküle des Kautschuks
pen, dessen Molekül einen Thiophenring enthält, durch Bildung von Sulfidbrücken miteinander
bildet den Aromaträger des Hopfens. In Shiitake- und stabilisiert so das Polymer.
Pilzen ist der Aromastoff 1,2,3,5,6-Pentathiepan In der Medizin wird Schwefel nur äußerlich
(Lenthionin) enthalten, in Spargel 1,2-Dithiolan angewendet (Pharmacopoea Europaea 2008), wo
sowie in Rettich und Radieschen das 4-Methylsul- er bakteriostatisch wirkt, meist in Form von Sei-
finyl-3-butenyl-isothiocyanat. fen, Salben und Gelen gegen Pilzerkrankungen.
Eingenommen bewirkt er Durchfall. Schwefel
Anwendungen Schwefel wird zu vielen Synthe- kann auch bestimmte Pilze und Parasiten abtöten.
sen genutzt, allen voran für die Herstellung von Zusätze von Schwefel erhöhen die Festigkeit
Schwefelsäure. Auch Farbstoffe, Insektizide, Dün- von Stahl durch Bildung kleiner Einschlüsse wei-
gemittel werden unter Verwendung von Schwefel chen Mangansulfids, die die mechanische Ver-
produziert. arbeitbarkeit des Stahls erleichtern. Jedoch kann
Schwefelsäure wird seit fast 200 Jahren mittels aus dem Schwefel, wenn der Stahl ständig hoher
des Kontaktverfahrens hergestellt, bei dem im Luftfeuchtigkeit ausgesetzt ist, leicht Schwefel-
ersten Schritt durch Rösten sulfidischer Erze oder dioxid und am Ende Schwefelsäure gebildet wer-
durch Verbrennen von Schwefel an der Luft den, die korrosiv auf Stahl wirkt. Darauf ist bei
Schwefel-IV-oxid (SO2) erzeugt wird, das über Stahlkonstruktionen unbedingt zu achten (Küster
einen Vanadium-V-oxid-Kontakt (V2O5) geleitet et al. 1984).
wird und dabei mit dem Luftsauerstoff spontan zu Flüchtige, im Erdöldestillat enthaltene Schwe-
Schwefel-VI-oxid (SO3) reagiert. Dessen nachfol- felverbindungen sind oft starke Gifte für Metall-
gende Absorption in Wasser liefert Schwefelsäu- katalysatoren, da sie mit diesen reagieren. Die
re. Rund 90 % des Schwefels gehen in die Pro- Vergiftung führt in der Regel zur Verminderung
duktion von Schwefelsäure. der Aktivität eines Katalysators, zu dessen ver-
Rund zwei Drittel der gesamten erzeugten Men- ringerter Selektivität oder sogar zur völligen De-
ge an Schwefelsäure verarbeitet man zu Düngern. aktivierung. In einigen Fällen setzt man teuren
Wird etwa rohes Phosphat (Calciumphosphat) mit Katalysatoren, wie solche aus einer Platin-Rheni-
Schwefelsäure umgesetzt, so entsteht ein Gemisch um-Legierung, von vornherein Schwefel zu, um
aus Calciumdihydrogenphosphat [Ca(H2PO4)2] und des Katalysators Anfangsaktivität auf die ungüns-
Calciumsulfat (CaSO4 ∙ 2 H2O), das sogenannte tigen Eigenschaften des Reaktionsmediums ein-
Superphosphat: zustellen.
Schwefel findet als leicht entzündlicher Stoff
Ca3 ðPO4 Þ2 þ 2 H2 SO4 þ 2 H2 O bei der Herstellung von Schwarz- oder Schieß-
! CaðH2 PO4 Þ2 þ 2 CaSO4 ∙2 H2 O pulver und auch in Zündmitteln für Feuerwerks-
körper Verwendung.
Schwefelsäure findet weithin Einsatz zum Auf- Schwefel-IV-oxid setzt man zum Desinfizieren
schluss von Erzen, als Elektrolyt in Autobatterien, leerer Weinfässer sowie von Trockenobst ein. Im
als Katalysator bei der Alkylierung von Olefinen, Pflanzenschutz verwendet man schwefelhaltige Prä-
der Herstellung von Phenol und Aceton nach dem parate gegen den an der Blattoberfläche wachsenden
Cumolhydroperoxid-Verfahren, zur Herstellung Mehltaupilz, der ein Schädling für Reben ist.
von Fluorwasserstoff, der Produktion von Capro- Schwefel oxidiert dort langsam zu Schwefel-IV-
lactam und dem Aufschluss von Zellstoff, der oxid und hemmt so die Keimung der Pilzsporen.
5 Einzeldarstellungen 369

Katastrophale Auswirkungen hatte das in den


Abgasen alter, ohne Rauchgaswäsche arbeitenden ne oxide (Korea Institute for Science and
Kohlekraftwerken der früheren DDR oder Tsche- Technology, WO 2020105926 A1, ver-
chiens, da das Schwefel-IV-oxid durch Regen aus öffentlicht 28. Mai 2020)
der Luft ausgewaschen wurde und in großem E. R. Fruchey und S. K. Berkhous, Low
Umkreis die Oberfläche des Waldbodens derart sulfur marine fuel compositions (Exxon-
ansäuerte, dass es zu einem Waldsterben großen mobil Research and Engineering Co., US
Ausmaßes kam. 2020165535 A1, veröffentlicht 28. Mai
Schwefel und seine Verbindungen werden als 2020)
Schmierstoffadditive verwendet, z. B. in nicht was- C. S. Ozkan und M. Ozkan, Sulfur silicon
sermischbaren Kühlschmierstoffen bei Anwendung sell and methods (University of Calfor-
unter extremem Druck. Auch Eisensulfide (FeS, nia, US 2020161648 A1, veröffentlicht
FeS2 oder Fe2S3) oder Molybdän-IV-sulfid (MoS2) 21. Mai 2020)
werden als feste Schmierstoffe eingesetzt. J. Sato und T. Tsuruta, Sulfur containing
In wiederaufladbaren Akkumulatoren setzt man organo-silicon compound and resin com-
in japanischen Speicherkraftwerken flüssigen position (Kurakay Co., US 2020157390
Schwefel als Kathode von Natrium-Schwefel-Zel- A1, veröffentlicht 21. Mai 2020)
len ein. Die Temperatur beträgt 300 bis 350 °C, L. Ma und X. Ma, Novel battery systems
flüssiges Natrium fungiert als Anode, und als fester based on lithium difluorophosphate (Tesla
Elektrolyt eine Keramik aus Natrium-β-aluminat Motors Canada ULC, CA 3071314 A1,
(NaAl11O17). veröffentlicht 7. Februar 2019)

Patente
(Weitere aktuelle Patente siehe https:// 5.3 Selen
worldwide.espacenet.com)
M. Yu und F. Zhou, Printing nanoporous Geschichte Der Name des Selens ist vom grie-
ultrathin membranes for lithium-sulfur chischen Wort σελήνη (selene, ¼Mond) abgelei-
batteries (Rensselaer Polytech Institute, tet. Das Element entdeckte Berzelius 1817 im
WO 2020112753 A1, veröffentlicht Bleikammerschlamm einer Schwefelsäurefabrik.
4. Juni 2020) Zuerst hielt Berzelius die Substanz für Tellur
J. R. Johnson und G. Biausque, Methods of [vom lateinischen Wort tellus (Erde) abgeleitet],
producing 1,3-butadiene from ethylene jedoch ergaben weitere von ihm durchgeführte
and sulfur (Sabic Global Technologies Versuche, dass er hier ein neues, wenngleich
BV, US 2020172451 A1, veröffentlicht dem Tellur sehr ähnliches Element vorliegen hat-
4. Juni 2020) te. Er nannte es daher Selen.
H. Nakatani und S. Nozato, Sulfur-carbon
material composite body, positive elec- Vorkommen Selen und auch sein höheres Ho-
trode material for lithium sulfur secon- mologes Tellur kommen viel seltener in der Erd-
dary batteries, and lithium sulfur secon- kruste vor als Schwefel. Elementares (gediegenes)
dary battery (Sekusui Chemical Co., Selen tritt in kleinen Mengen natürlich auf, ge-
Ltd., US 2020176763 A1, veröffentlicht bunden ebenfalls selten in Selenmineralien wie
4. Juni 2020) Clausthalit (Bleiselenid, PbSe). Selen begleitet
N. H. You und B.-C. Ku, Sulfur-doped re- oft Sulfide des Kupfers, Bleis, Zinks und Eisens.
duced graphene, manufacturing method Werden diese Erze geröstet, so konzentriert sich
therefor, and polyimide nanocomposite das bei Raumtemperatur feste Selendioxid in der
containing sulfur-doped reduced graphe- Flugasche oder im darauf folgenden Prozess zur
Herstellung von Schwefelsäure als Selenige Säure.
370 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Selen ist essenzielles Spurenelement und Bau- Schwarzes amorphes Selen wandelt sich beim
stein der einundzwanzigsten biogenen Aminosäu- Erwärmen auf 60 °C zunächst in das schwarze,
re Selenocystein. Somit ist es zur Gesunderhal- glasartige Selen um; weiteres Erhitzen auf Tem-
tung des Menschen unverzichtbar, wirkt aber in peraturen >80 °C ergibt auch hier die Bildung
größeren Mengen stark giftig. Den höchsten Ge- grauen Selens.
halt an Selen unter den Nahrungsmitteln hat die Diese nichtmetallische schwarze Modifikation
Paranuss [knapp 2 ppm (Universität Düsseldorf erhält man durch Reduktion von Selenverbindun-
2013)]. gen in der Hitze; es gibt eine glasartige und eine
Selen ist Nebenprodukt der zur Herstellung rei- amorphe Modifikation. In der glasartigen Form
nen Kupfers und Nickels betriebenen Elektrolyse bilden die Selenatome größere Ringe und Ketten,
und sammelt sich im Anodenschlamm. Dieser wird die oberhalb einer Temperatur von 50 °C elastisch
geröstet; das sich dabei bildende Selen-IV-oxid sind; bei weiterer Erhöhung der Temperatur wird
wird mittels Schwefel-IV-oxid zu elementarem Se- Selen zunehmend plastisch.
len reduziert. Im Labor gewinnt man es in kleinen Graues „metallisches“ Selen (s. Abb. 9) ist die
Mengen, aber relativ aufwändig, durch Reduktion stabilste Modifikation und hat die Eigenschaften
von Seleniger Säure mit Iodwasserstoff (Riedel eines Halbmetalls. Es schmilzt bei 220 °C (s. Tab. 4);
und Janiak 2011): die dann gebildete schwarze Flüssigkeit, in der ein
Gemisch von aus Selenatomen gebildeten Ringen
H2 SeO3 þ 4 HI ! Se þ 2 I2 þ 3 H2 O und Ketten verschiedener Größe vorliegt, ver-
dampft bei höheren Temperaturen unter Bildung
gelben Selendampfes und siedet schließlich bei
2000 t Selen wurden im Jahr 2011 weltweit
685 °C.
produziert, meist in Deutschland (650 t), Japan Wird graues Selen belichtet, so verändert sich
(630 t), Belgien (200 t) und Russland (140 t). Die
seine elektrische Leitfähigkeit. Diese wird durch
auf der Erde verfügbare Reserve schätzt man auf
Leitung von Löchern (positiv geladenen Fehlstel-
insgesamt 93.000 t. In diesen Zahlen sind aber
len von Elektronen) verursacht. Den Mechanis-
nicht zwei der größten Produktionsländer enthal-
mus hierfür interpretiert man als „Hopping“, also
ten, China und die USA. Der Preis lag zwischen
einem Springen der Löcher von einer Kristallfehl-
2004 und 2010 ziemlich stabil bei US$ 30.-/lb.
stelle zur nächsten (Mott 1969).
(¼ ca. € 66.-/kg), verdoppelte sich dann aber bis
Beim Erhitzen in Luft verbrennt Selen mit
2011, nicht zuletzt weil China der größte Verbrau-
blauer Flamme zu Selen-IV-oxid, SeO2. Oberhalb
cher von Selen mit 1500–2000 t/a ist. 2010 gingen
von 400 °C setzt es sich mit Wasserstoff zum
ca. 30 % des erzeugten Selens in die Metallindustrie,
Selenwasserstoff, H2Se, um. Mit Metallen bildet
weitere 30 % in die Glasherstellung und je 10 %
in die Landwirtschaft, die Elektronikindustrie
(Halbleiter) und die Chemieindustrie (Pigmente).

Eigenschaften Selen tritt in verschiedenen Mo-


difikationen auf (Brauer 1963, S. 415–418). Rotes
Selen ist wie Schwefel nichtmetallisch, löst sich in
Kohlenstoffdisulfid und ist ein elektrischer Nicht-
leiter. Seine Moleküle enthalten zu etwa einem
Drittel Se8-Ringe und zu zwei Dritteln längere
Ketten oder Ringe von Selenatomen. Rotes Selen
geht beim Erhitzen auf Temperaturen oberhalb Abb. 9 Von links nach rechts: Schwarzes, graues und
von 80 °C in graues, halbmetallisches Selen über. rotes Selen (Tomihahndorf 2006)
5 Einzeldarstellungen 371

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Selen


Symbol: Se
Ordnungszahl: 34
CAS-Nr.: 7782-49-2

Aussehen: Rotes Pulver Selen, Scheibe, 5 cm Ø Selen, Pulver


Grau, metallisch (Metallium, Inc. 2015) (Sicius 2015)
glänzend
Schwarzer, amorpher
Feststoff
Entdecker, Jahr Berzelius (Schweden), 1817
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
74
34Se (0,87) Stabil ——
76
34Se (9,36) Stabil ——
77
34Se (7,63) Stabil ——
78
34Se (23,78) Stabil ——
80
34Se (49,61) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,8
Atommasse (u): 78,971
Elektronegativität 2,48 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Se + 2 e > Se2 (V) 0,92
Atomradius (pm): 115
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 190
Kovalenter Radius (pm): 120
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d10 4s2 4p4
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 941 ♦ 2045 ♦ 2974
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,9 · 105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V · m)], bei 300 K): 1010
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 10 ♦ 8,3 ♦ 3,7
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 29 ♦ 736
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 3350
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 4,48 (rotes, 25 °C)
4,82 (graues, 25 °C)
4,28 (schwarzes, 60 °C)
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 16,42 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,52
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 25,36
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 221 ♦ 494,15
Schmelzwärme (kJ/mol): 5,4 (grau: 6,7)
Siedepunkt (°C ♦ K): 685 ♦ 958,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 95,5
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 1493 ■ 27,2
372 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

es Selenide, zum Beispiel Natriumselenid, Na2Se, Selen-IV-oxid ist hygroskopisch und löst sich
oder Eisen-II-selenid, FeSe. gut in Wasser unter Bildung von Seleniger Säure
Das chemische Verhalten des Selens ist dem (H2SeO3), einer mittelstarken Säure, deren Salze
des Schwefels ähnlich, nur ist Selen schwerer zu man Selenite bzw. Oxoselenate-IV nennt. Umge-
oxidieren. So ergibt beispielsweise die Umset- kehrt kann man Selen-IV-oxid durch Entwässern
zung mit Salpetersäure Selenige Säure (H2SeO3) von seleniger Säure darstellen (Brauer 1963,
und nicht Selensäure (H2SeO4). S. 428). Da die Oxidationsstufe +4 des Selens
die beständigste des Elements ist, wirkt Selen-
Verbindungen Wasserstoffverbindungen Selen- IV-oxid deutlich schwächer reduzierend als
wasserstoff (Monoselan, H2Se) entsteht beim Lö- Schwefel-IV-oxid. Man setzt Selen-IV-oxid bei
sen salzartiger Selenide in verdünnten Säuren. der Riley-Synthese als mildes Oxidationsmittel
Das farblose Gas ist sehr giftig und besitzt einen ein. Shampoos zur gleichzeitigen Therapie starker
Geruch nach faulem Rettich. Schon kurzes Ein- Bildung von Schuppen können ebenfalls Selen-
atmen kleiner Mengen führt zu lange anhaltenden IV-oxid enthalten. Jedoch ist die Verbindung wie
Reizungen der Schleimhäute („Selenschnupfen“). fast alle des Selens stark giftig.
Bei Laborversuchen muss daher unbedingt unter Selenige Säure (H2SeO3) ist durch Umsetzung
einem Abzug gearbeitet werden. Man setzt Selen- von Selen-IV-oxid mit Wasser oder von Salpeter-
wasserstoff in der Elektronikindustrie zur Dotie- säure mit Selen erhältlich:
rung von Halbleitern mit Selen ein.
Das Molekül der Verbindung ist gewinkelt (I)
(HSeH: 91°), die Länge der Se–H-Bindung beträgt
146 pm (Holleman et al. 2007, S. 627). Selen- wirkt SeO2 þ H2 O ! H2 SeO3
stärker reduzierend als Schwefelwasserstoff. Wäss-
rige Lösungen von Selenwasserstoff werden durch (II)
Se þ 4 HNO3 ! H2 SeO3 þ 4 NO2
den in der Luft enthaltenen Sauerstoff schnell oxi-
þ H2 O
diert (Sennikov et al. 1996), wobei rotes Selen aus-
fällt. Reiner Selenwasserstoff entsteht beispielswei-
se beim Lösen von Aluminiumselenid in Wasser Die in Form farbloser Kristalle (s. Abb. 11) vor-
(Brauer 1963, S. 418). liegende Selenige Säure ist sehr gut löslich in Was-
Chalkogenverbindungen Selen bildet zwei Oxi- ser und hygroskopisch. In wässriger Lösung dis-
de, Selen-IV-oxid (SeO2) und Selen-VI-oxid (SeO3). soziiert sie in zwei Stufen (pKs1: 2,62; pKS2: 8,32)
Selen-IV-oxid bildet im reinsten Zustand weiße und ist damit eine mittelstarke Säure. Sie wirkt
Kristallnadeln (s. Abb. 10a, b) der Dichte 3,96 g/ nicht mehr reduzierend, sondern wird im Gegenteil
cm3, die bei 315 °C schmelzen. Man erhält die sogar durch Einwirkung von Hydrazin, Iod- oder
tetragonal kristallisierende Verbindung (Raum- Schwefelwasserstoff zu rotem Selen reduziert (Rie-
gruppe 135, Stahl et al. 1992) durch Verbrennen del und Janiak 2011, S. 458). Umgekehrt ist sie nur
elementaren Selens (Se) im Sauerstoffstrom. durch starke Oxidationsmittel (Wasserstoffperoxid,
Kaliumpermanganat) in Selensäure (H2SeO4) zu
überführen (Brauer 1963, S. 432).

Abb. 10 a Selen-IV-oxid (Onyxmet 2020). b Selen-IV-


oxid (Stanford Advanced Materials 2020) Abb. 11 Selenige Säure (Onyxmet 2020)
5 Einzeldarstellungen 373

Es gibt einige, aber sehr unterschiedliche Ein- stoff. Selensäure wirkt deutlich stärker oxidierend
satzgebiete für Selenige Säure. Man nutzt sie als als Schwefelsäure. Sie reagiert wie jene stark sauer
Katalysator zur Synthese von 1,2-Dialdehyden und ist ebenfalls hygroskopisch, was bedeutet, dass
(Ronzio und Waugh 1944), zur Färbung von sie organische Substanzen durch Wasserentzug ver-
Stahloberflächen (Angier 1936) und als Reagenz kohlt. Heiße Selensäure löst, im Gegensatz zu kon-
in Testkits zum Nachweis des menschlichen Dro- zentrierter Schwefelsäure, wie Königswasser Gold
genkonsums. Selenige Säure ist wie nahezu alle und Platin (Riedel und Janiak 2011, S. 458).
Selenverbindungen für Säugetiere und aquatische Selensäure verätzt Haut und Schleimhäute.
Organismen stark toxisch und kann auch zu Lang- Darüber hinaus ist Selensäure giftig.
zeitschäden führen. Selensulfide liegen nach ihrer Herstellung
Selen-VI-oxid (SeO3) ist, anders als Schwefel- meist als Stoffgemisch vor, das auf Grund der
VI-oxid, thermisch instabil und zersetzt sich bei durchschnittlichen Verhältnisformel häufig auch
Temperaturen oberhalb von 185 °C zu Sauerstoff Selendisulfid genannt wird. Jenes besteht aus
und Selen-IV-oxid (House 2008; Holleman et al. Achtringen der Zusammensetzung (SenS8n)
2001). Die bei 118 °C schmelzende, farblose Ver- (Steudel und Laitinen 1982; Holleman et al. 1995,
bindung ist durch Einwirkung von Schwefel-VI- S. 626). Selen-IV-sulfid (SeS2) ist ein hell-oranges
oxid auf wasserfreies Kaliumselenat (K2SeO4) bis rotbraunes (s. Abb. 13), in Wasser unlösliches
darstellbar (Greenwood und Earnshaw 1997a, Pulver mit einem Schmelzpunkt von <100 °C.
S. 780; Brauer 1975, S. 422). Alternativ ist es Man stellt es durch Zusammenschmelzen von
durch Dehydratisierung von Selensäure zugäng- Schwefel und Selen her. Alternativ kann man
lich, die ihrerseits aus Selen-IV-oxid und Wasser- Schwefelwasserstoff über erhitztes Selen-IV-oxid
stoffperoxid hergestellt werden kann (Seppelt leiten. Zusatz von Säuren bewirkt sofortige Hy-
et al. 1980; Steudel 2008, S. 461): drolyse der Verbindung zu Schwefelwasserstoff.
Selensulfide wirken fungizid und schuppenlö-
SeO2 þ H2 O2 ! H2 SeO4 send; sie sind daher in Anti-Schuppen-Shampoos
oft in einer Konzentration von 1 % enthalten. In
Unter Anwendung von Selen-VI-oxid ist in die höherer Konzentration (2,5 %) sind Selensulfide
C-C-Kette der Moleküle aliphatischer Kohlen- in apothekenpflichtigen Pasten und Suspensionen
wasserstoffe eine Selenon-Gruppe (¼Se¼O) ein- zur Behandlung des seborrhoischen Ekzems ent-
führbar (Schmidt und Wilhelm 1964). Mit Fluss-
säure reagiert Selen-VI-oxid zu Fluorselensäure
(MacIntyre 1992, S. 3128):

SeO3 þ HF ! HSeO3 F

Für Selensäure (H2SeO4) gibt es einige Dar-


stellungswege. Einerseits kann man Selenige Säu-
re (H2SeO3) oder Selen-IV-oxid mit Wasserstoff-
peroxid, Chlorsäure oder Kaliumpermanganat Abb. 12 Selensäure (Onyxmet 2020)
oxidieren (Remy 1970, S. 909; Brauer 1963,
S. 432). Meist oxidiert man aber elementares Se-
len mit Chlor- oder Bromwasser:

Se þ 3 Cl2 þ 4 H2 O ! H2 SeO4 þ 6 HCl

Die farblosen Kristalle (s. Abb. 12) schmelzen


bei einer Temperatur von 62 °C und zersetzen sich
oberhalb von 260 °C zu Selen-IV-oxid und Sauer- Abb. 13 Selen-IV-sulfid (Onyxmet 2020)
374 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

halten. Höhere Konzentrationen sind verschrei-


bungspflichtig. Da Selensulfide nicht resorbiert
werden, besteht bei korrekter Anwendung der
Präparate keine Vergiftungsgefahr.
Halogenverbindungen Selen-VI-fluorid (Se-
lenhexafluorid, SeF6) ist ein farbloses, giftiges
Gas (Kimmerle 1960) der Dichte 8,69 kg/m3, Abb. 14 Selen-IV-chlorid (Onyxmet 2020)
das bei bei einer Temperatur von 34,7 °C kon-
densiert und einen abstoßenden Geruch aufweist. konzentrierter Salzsäure reagieren Alkalichloride
Es ist durch Leiten von Fluor über Selen darstell- mit Selen-IV-chlorid zu Hexachloroselenat-IV,
bar. Der Sublimationspunkt der festen Verbin- wie etwa dem gelben Caesiumhexachloroselenat-
dung liegt bei Normaldruck bei 46,6 °C. Im IV (Cs2SeCl6) (Herrmann und Zybill 2014).
Molekül des Selen-IV-fluorids sind die Fluorato- Das bei Raumtemperatur unbeständige Selen-II-
me oktaedrisch um das Atom des Selens angeord- chlorid (SeCl2) entsteht durch Umsetzung grauen
net. Die Verbindung ist etwas reaktionsfähiger als Selens mit Sulfurylchlorid. Die Verbindung löst
das nahezu inerte Schwefel-VI-fluorid. Es wird sich mit rotbrauner Farbe in Ether und Tetrahydro-
durch Wasser nur sehr langsam hydrolysiert, da- furan (Maaninen et al. 1999). Nur Addukte mit
bei bilden sich Fluorwasserstoff und Selensäure. einigen organischen Thioverbindungen sind halb-
Man setzt das Gas als elektrischen Isolator bei- wegs charakterisiert (Jolleys et al. 2013). In Lösung
spielsweise in Elektroden von Bogenlampen ein disproportioniert Selen-II-chlorid zu Selen-IV-
(Holleman et al. 2007, S. 628). chlorid und Diselendichlorid (Se2Cl2).
Auch Selen-IV-fluorid (Selentetrafluorid, SeF4) Diselendichlorid (Se2Cl2, Selen-I-chlorid) ist
erhält man durch Überleiten von Fluor über Selen eine dunkelrote, ölige Flüssigkeit, die bei Tem-
bei Einsatz stöchiometrischer Mengen beider Ele- peraturen von 85 °C bzw. 127 °C erstarrt bzw.
mente. Ebenso entsteht die Verbindung durch Um- unter Zersetzung siedet. Die Verbindung wird
setzung von Selen-IV-oxid mit Schwefel-IV-fluorid, durch Wasser hydrolysiert und hat unter Normal-
Bor-III-fluorid oder auch Fluorwasserstoff (Holle- bedingungen eine Dichte von 2,77 g/cm3. Man
man et al. 1995, S. 620). Die farblose Flüssigkeit der erhält sie durch Reaktion einer konzentriert salz-
Dichte 2,72 g/cm3 erstarrt bei 9,5 °C und siedet sauren Lösung von Selen-IV-oxid mit Selen
bei 106 °C. Mit Wasser erfolgt heftige Hydrolyse, (Brauer 1975, S. 416):
und Glas wird von Selen-IV-fluorid angegriffen
(Perry 2011, S. 360). Alkalifluoride lösen sich in 3 Se þ SeO2 þ 4 HCl ! 2 Se2 Cl2 þ 2 H2 O
Selen-IV-fluorid unter Bildung von Pentafluorosele-
niten auf (Brauer 1975, S. 195). Mischbar ist Selen- Ebenso kann man Selen auch mittels Schwe-
IV-fluorid mit Iod-V-fluorid, Schwefelsäure, Etha- fel-VI-oxid und Chlorwasserstoff zu Diselendi-
nol und Diethylether. chlorid umsetzen:
Das bei Raumtemperatur feste, farblose bis
gelbliche (Holleman et al. 1995, S. 621; siehe auch
2 Se þ 2 SO3 þ 3 HCl ! Se2 Cl2 þ H2 O
Abb. 14) Selen-IV-chlorid (SeCl4, Selentetrachlo- þ SO2 þ HSO3 Cl
rid) erhält man durch Leiten von Chlor über Selen
(Brauer 1975, S. 417). Die Hydrolyse in Wasser Die Verbindung löst sich in Chloroform, Tetra-
und auch schon feuchter Luft führt zu Seleniger chlorkohlenstoff und kristallisiert im festen Zu-
Säure und Salzsäure (Ostwald 1922, S. 351; No- stand monoklin (Raumgruppe 14).
wak und Suttle 1957). Beim Erhitzen im geschlos- Selenoxiddichlorid (SeOCl2) erhält man aus
senen Rohr schmilzt der Feststoff der Dichte 2,6 g/ Selen-IV-oxid und Chlorwasserstoff in stark
cm3 zu einer dunkelroten Flüssigkeit. Selen-IV- schwefelsaurer Lösung. Alternativ kann Selen-
chlorid kristallisiert kubisch in der Raumgruppe IV-oxid auch mit Thionylchlorid bei 50 °C zu
Nr. 218 (Kniep et al. 1981; Born et al. 1981). In Selenoxiddichlorid umgesetzt werden (Brauer
5 Einzeldarstellungen 375

1975, S. 423). Die gelbe Flüssigkeit erstarrt bzw. 3 Se þ SeO2 þ 4 HBr ! 2 Se2 Br2 þ 2 H2 O
siedet bei 8,5 °C bzw. 176 °C, hat die Dichte
2,42 g/cm3 und reagiert empfindlich gegenüber Die dunkelrote, ölige Flüssigkeit der Dichte
Wasser und bereits feuchter Luft, an der sie unter 3,6 g/cm3 erstarrt bei 49 °C, siedet unter teil-
Freisetzung von Chlorwasserstoff stark raucht. weiser Zersetzung bei 225 °C, ist empfindlich
Die Hydrolyse ergibt Chlorwasserstoff und Sele- gegenüber Hydrolyse und besitzt einen unange-
nige Säure. Die Verbindung ist unbegrenzt misch- nehmem Geruch. Beim Stehen an der Luft spaltet
bar mit Trichlormethan, Tetrachlorkohlenstoff, sie schnell Brom ab; außerdem bildet sich in ihr
Kohlenstoffdisulfid, Benzol und Toluol. In weni- ein Niederschlag von Selen. In Wasser sinkt die
gen Fällen nutzt man Selenoxiddichlorid als Lö- Verbindung zuerst in Form öliger Tropfen zu Bo-
sungsmittel. den und zersetzt sich dann langsam zu Selen,
Selen-IV-bromid (SeBr4, Selentetrabromid) ist Selen-IV-oxid und Bromwasserstoff (Lamoureux
durch Umsetzung von Selen mit Brom zugänglich und Milne 1989). Im festen Zustand ist die ortho-
(Brauer 1975, S. 419; Holleman et al. 1995, rhombische α-Form am stabilsten Raumgruppe
S. 621). Der hygroskopische, hydrolyseempfindli- 41 (Kniep et al. 1983; Katryniok et al. 1980); es
che, gelbe bis dunkel braune Feststoff (s. Abb. 15) existiert aber bei 80 °C auch eine metastabile
zersetzt sich bei Kontakt mit Wasser schließlich zu β-Form mit monokliner Kristallstruktur (Goerde-
Seleniger Säure und Bromwasserstoff. Die Verbin- ler et al. 2014).
dung ist beispielsweise löslich in Trichlormethan Pnictogenverbindungen Tetraselentetranitrid
und Kohlenstoffdisulfid. Beim Erwärmen spaltet (Se4N4) ist wie das Schwefelanalogon (S4N4) ein
Selen-IV-bromid Brom ab, um in ein Gemisch oranger Feststoff, ist noch zersetzlicher als jenes
aus Diselendibromid und Selen überzugehen. Die und explosiv. Man kann es etwa aus Selen-IV-
Elementarzelle der kristallinen Verbindung enthält chlorid und Bis(trimethylsilylamino)selen darstel-
vier Formeleinheiten, die sich jeweils an diagonal len (Silvari et al. 1933). Meist erhält man dabei die
gegenüberliegenden Ecken eines Würfels befinden α-Form, die in Form einer wenig symmetrischen
(Sahoo et al. 2012). Unter Druck reagiert Selen-IV- Käfigverbindung vorliegt. Eine hierzu etwas ab-
bromid mit Ammoniak zu Tetraselentetranitrid, das gewandelte Synthese geht von Selen-IV-oxid und
dem homologen Tetraschwefeltetranitrid ähnelt. Ge- N-Trimethylsilyl-P-trimethylphosphanoimin aus
löst in konzentrierter Bromwasserstoffsäure bildet (Dehnicke et al. 1994). Im letzteren Fall erhält
es mit Alkalibromiden Hexabromoselenat-IV, wie man rotbraune Kristallnadeln der β-Form nach
das rote Caesiumhexachloroselenat-IV (Cs2SeBr6). dem Umkristallisieren aus Acetonitril.
Diselendibromid (Se2Br2) entsteht bei der Re- Umsetzung von Selen mit Grignard-Verbindun-
aktion der gewählten stöchiometrischen Menge gen (R-Mg-Hal) ergibt nach Hydrolyse der zunächst
von Selen mit Brom (Brauer 1975, S. 418). Eine entstehenden Grignard-Addukte (R-Se-Mg-Hal) zu
weitere Möglichkeit ist die Reaktion von Selen Selenolen (R-Se-H), die die Selenanaloga zu Alka-
mit Selen-IV-oxid und Bromwasserstoff (Meyer nolen und Mercaptanen sind (Rheinboldt 1955). Die
und Wurm 1930): niederen Selenole haben einen widerwärtigen Ge-
ruch und sind giftig.

Anwendungen Selen ist für nahezu alle Lebens-


formen essenziell. Daher gibt man Selenverbin-
dungen Nahrungsergänzungsmitteln zu. Nicht-
metallisches Selen setzt man zum Rotfärben von
Glas und -da Rot die Komplementärfarbe zu Grün
ist- zum Entfärben grünen Glases ein.
In Belichtungstrommeln für Fotokopierer und
Laserdrucker findet es ebenso Verwendung wie in
Abb. 15 Selen-IV-bromid (Onyxmet 2020) Tonern für die Schwarzweißphotographie, um den
376 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Kontrast zu erhöhen, und in analogen Belich- lenkknorpel (Kaschin-Beck-Krankheit/Nordostsi-


tungsmessern für die Fotografie. Mit Hilfe von birien, Mongolei und Nordchina), Schädigung
Zinkselenid (ZnSe) ist die Herstellung stark re- des Nervensystems (Epidermische Neuropathie,
flektierender Oberflächen möglich; Licht lässt Se- Kuba) und Erkrankung und Rückbildung von
len nur im infraroten Wellenlängenbereich durch, Muskeln (Rees et al. 2013; Behne et al. 1990;
was es zur Produktion von Fokuslinsen von Koh- Arthur et al. 1993; Schweizer et al. 2004).
lendioxidlasern geeignet macht. Als Zusatzstoff für Nahrungs- und Futtermittel
Kupferlegierungen beigefügt, erleichtert es deren setzt man Selenomethionin ein, das durch Hefen
mechanische Bearbeitbarkeit. Selen-IV-oxid setzt (Saccharomyces cerevisiae (Sel-Plex ®, Lalmin®)
man auch zur Oberflächenbehandlung von Alumi- in einem aus Melasse und Natriumselenit beste-
nium und Messing ein, um einen dunkleren Farbton henden Substrat erzeugt wird.
zu erzielen. Bei der elektrolytischen Gewinnung In höherer Konzentration wirkt Selen aber
von Mangan werden relativ große Mengen an schnell toxisch; die Spanne der „verträglichen“
Selen-IV-oxid zugegeben (2 kg SeO2 pro t erzeugtes Konzentration ist sehr schmal. Zudem ist die To-
Mangan), da so der Energieverbrauch bei der Elek- xizität von Selen abhängig von der chemischen
trolyse gesenkt werden kann. Bindungsform. Selen ist Bestandteil der Amino-
Bei der Herstellung von Halbleitern wird Selen säure Selenocystein, die ein wichtiger Baustein
ebenfalls eingesetzt, früher auch oft im Selen- des Enzyms Glutathionperoxidase ist. Jenes be-
Gleichrichter und in der Selenzelle, wobei es in wirkt den Abbau oxidativer Zellgifte wie Wasser-
letzteren Anwendungen aber schon meist durch stoffperoxid zu Wasser. Generell dienen Selenver-
Silicium ersetzt wurde. Zusammen mit Kupfer bindungen wegen deren Reaktivität mit Sauerstoff
und Indium ist es in der lichtaktiven Beschichtung und anderen aggressiven freien Radikalen als de-
von CIGS-Solarzellen enthalten. ren Fänger.
Selendisulfid ist ein hochwirksamer Inhalts- Die meisten selenhaltigen Eiweiße (Selenopro-
stoff von Anti-Schuppen-Haarshampoos. teine) enthalten das als 21. Aminosäure klassifi-
zierte Selenocystein und kommen in dieser Form
Toxikologie und biologische Bedeutung Selen nur in tierischen Organismen, Bakterien und Ar-
bindet im Körper Schwermetalle als Selenide; chaeen vor. Der Gehalt des Selens im Erdboden
seine Verbindungen haben darüber hinaus starke entscheidet, ob Selen in Pflanzen -meist unspezi-
antioxidative Wirkung. Daher werden die Körper- fisch- angereichert wird.
zellen wirksam vor freien Radikalen geschützt. Die Wirkung des Selens auf den menschlichen
Daher ist Selen essenziell für Menschen und Tie- Körper ist bereits lange Gegenstand zahlreicher
re. In Futtermitteln für Nutztiere ist es daher oft als Untersuchungen (Stranges et al. 2007; Bleys et al.
Natriumselenit und -selenat enthalten. 2007; BioMed Central 2010). Der hemmende
Viele Menschen leiden unter Selenmangel. Da- Einfluss von Selen auf die Entwicklung mancher
bei gibt es viele Lebensmittel, die gute Selenliefe- Krankheiten wie Diabetes mellitus ist nicht ein-
ranten sind, wie z. B. Paranüsse, Kokosnüsse und deutig belegt, wie sich durch Vergleich der jewei-
ihre Produkte, Hirse, Sonnenblumenkerne, Voll- ligen Studien ergibt (Bleys et al. 2007; BioMed
korngetreide, Hülsenfrüchte, Knoblauch, Steinpilze, Central 2010).
Eigelb, Sesam, Rind- und Hühnerfleisch und viele
Fischarten (Russell 2003; Ekmekcioglu 2000).
Patente
Ausgesprochene Zeichen einer Mangelversor-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://
gung kommen nur in Ländern mit generell starker
worldwide.espacenet.com)
Unterversorgung vor. Dazu gehören Erkran-
T. Chen und Z. Lin, DNA immunoadsor-
kungen des Herzmuskels in jugendlichem Alter
bent using nano-selenium as adsorbent
(Keshan-Krankheit/China), Degeneration der Ge-
(Fortsetzung)
5 Einzeldarstellungen 377

ter, worauf Müller von Reichenstein die Unter-


carrier, preparation method therefor, and suchungen beendete.
application thereof (University of Jinan, 1797 schickte dieser weitere Proben des Mine-
WO 2020093989 A1, veröffentlicht 14. rals an den preußischen Chemiker Klaproth, der
Mai 2020) im Wesentlichen die Befunde Müller von Rei-
M. Cai und R. Gu, PEA oligopeptide sele- chensteins bestätigte und jenem die Entdeckung
nium, preparation method therefor, and des neuen Elements zuschrieb. Klaproth benannte
application thereof (China National Re- dieses aber selbst mit dem Namen Tellur (lat.
search Institute of Food and Fermentation tellus: „Erde“).
Industries Co., Ltd., WO 2020073486
A1, veröffentlicht 16. April 2020)
K. Wiktorska und L. Mielczarek, Conjuga- Der österreichische Naturforscher Franz
tes of selenium and isothiocyanate na- Joseph Müller von Reichenstein [* 1. Juni
noparticles for use in the treatment of 1740 Hermannstadt (oder 4. Oktober 1742
tumors (Narodowy Instytut Lekow w Poysdorf, Österreich); † 12. Oktober 1825
Warszawie; Uniwersytet Warszawski, Wien] studierte in Wien Philosophie, Mine-
WO 2020046153 A1, veröffentlicht ralogie und Bergbau und wurde 1768 zum
5. März 2020) niederungarischen Markscheider ernannt.
M.-L. Tan und S.-C. Li, Method for recy- 1770 wurde er Bergwerksdirektor im Banat,
cling copper-indium-gallium-selenium ging 1775 nach Schwaz (Tirol) zur dortigen
waste (Hanergy New Material Technolo- Mine als deren Direktor und kehrte schließ-
gy Co., Ltd., TW 202000931 A, ver- lich 1778 als Thesaurariatsrat nach Sieben-
öffentlicht 1. Januar 2020) bürgen zurück. 1788 erhob ihn Kaiser
P. L. Figueroa und K. Juárez López, Klebsiel- Joseph in den erbländischen Ritterstand.
la pneumoniae strain for the biotransfor- Müller von Reichenstein wurde 1798 Wirk-
mation of Chrome, iron, selenium, and licher Hofrat in Siebenbürgen und 1802 zur
uranium metals (Universidad Nacional Hofstelle nach Wien berufen. Er erhielt er
das Ritterkreuz des St. Stephan-Ordens und
Autónoma de México, MX 2018005790
1820 seine Erhebung in den Freiherrnstand.
A; veröffentlicht 11. November 2019)
Unter anderem entdeckte er 1782 das Ele-
ment Tellur, nahezu gleichzeitig mit Paul
Kitaibel (Benda 1975; von Gümbel 1885;
Szabadváry 1997; Wurzbach 1868).
5.4 Tellur

Geschichte Tellur wurde 1782 von dem österrei- Vorkommen Tellur ist ein sehr seltenes Element;
chischen Chemiker und Mineralogen Franz Jo- sein Anteil an der Erdhülle beträgt nur etwa
seph Müller von Reichenstein bei Untersuchun- 0,01 ppm (g/t). Vereinzelt kommt es mit Gold,
gen von Gold-Erzen aus der Grube Mariahilf beim gelegentlich auch mit Silber, Kupfer, Blei, Wis-
heute rumänischen Sibiu (dt. Hermannstadt) ent- mut und den Platinmetallen vergesellschaftet in
deckt. Er fand, dass das neu erhaltene Metall im elementarer Form (gediegen) in der Natur vor.
Unterschied zu Antimon und Bismut kaum eine Gediegenes Tellur kann Selen enthalten. Trotz
Reaktion mit Schwefelsäure zeigte. Wie wir heute seiner Seltenheit bildet Tellur viele eigene Mine-
wissen, enthielt das damals erstmals dargestellte rale und tritt wegen der Größe seines Atoms nicht
Tellur noch weitere Tellurmineralien. Er sandte als Ersatz für Schwefel- oder Selenatome in deren
1783 zwar noch Proben zum schwedischen Che- Mineralien auf; letztere findet man aber öfters als
miker Bergman; jener verstarb aber ein Jahr spä- Ersatz für Telluratome in Tellurmineralien.
378 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Mineralien mit Tellurid- (Te2) bzw. Ditellu- M2 Te þ O2 þ Na2 CO3 ! Na2 TeO3 þ 2 M þ CO2
rid- (Te22) Anionen sind Goldtellurid (!), ðM ¼ Metallkation bzw:  atomÞ
daneben kommen Edelmetall-, Blei- und Wis-
muttelluride vor. Dagegen sind Mineralien mit
Durch Aufschmelzen der Telluride mit Na-
Te4+-Ionen seltener, wie bereits das wichtigste
triumnitrat (NaNO3) wird ebenso Tellurit und Me-
Oxid des Tellurs, das Tellur-IV-oxid (TeO2) in
tall gebildet, allerdings entstehen dabei auch gif-
seinen zwei Modifikationen Tellurit (ortho-
tige Stickoxide:
rhombisch) und Paratellurit (tetragonal). Wei-
tere Mineralien, die Tellur in der Oxidationszahl
M2 Te þ 2 NaNO3 ! Na2 TeO3 þ 2 M þ NO2
+4 enthalten, sind Tellurite der Formeln
þ NO
[TeO3]2 oder [TeO4]4.
Von Mineralen mit Tellur in der Oxidations-
Das bei der Reaktion jeweils gebildete Na-
stufe +6 gibt es rund zwanzig, meist vom Kupfer
triumtellurit (Na2TeO3) löst man dann in Wasser;
oder Blei, die [TeO6]6-Anionen enthalten. Es
durch Zugabe von Schwefelsäure fällt man das
existieren auch gemischte Tellurminerale, darunter
sehr schwer in Wasser lösliche Tellur-IV-oxid aus.
das Calciumorthotellurat (Carlfriesit, CaTe3O8) mit
Dieses wird durch Umsetzung mit Schwefel-IV-
einem Te4+:Te6+-Verhältnis von 2:1 (Williams und
oxid zu elementarem, amorphen Tellur reduziert.
Gaines 1975; Effenberger et al. 1978).
Zur Gewinnung hochreinen Tellurs wendet man
Alle diese Minerale sind aber wegen ihrer-
das Zonenschmelzverfahren an.
Seltenheit und des Fehlens abbauwürdiger
Vor einigen Jahren wurden durchschnittlich
Lagerstätten für die technische Gewinnung
etwa 120 t Tellur jährlich hergestellt. Die wichti-
von Tellur irrelevant. Wichtige Vorkommen so-
gen Produzentenländer sind mit jeweils rund 50 t/a
wohl von elementarem Tellur als auch seiner
die USA und Japan, sowie mit ca. jeweils 13 t/a
Minerale befinden sich in Cripple Creek (Colo-
Peru und Kanada. Möglicherweise wird Tellur
rado, USA), Zlatna (Rumänien), Moctezuma
auch noch in einigen Ländern Westeuropas her-
(Mexiko) und Kalgoorlie (Australien). Bekannt
gestellt; dafür liegen aber keine Zahlen vor (British
sind:
Geological Survey 2011).
a. Telluride: Hessit (Ag2Te) und Altait (PbTe), Eigenschaften Bei Standardbedingungen tritt
b. Ditelluride: Calaverit (AuTe2) und Sylvanit Tellur nur in seiner metallischen, trigonal kristal-
[(Au, Ag)Te2] lisierenden Modifikation auf. Zudem existieren
c. Telluridsulfide: Nagyágit [AuPb(Pb, Sb,Bi) diverse unter hohem Druck gebildete Modifika-
Te2–3S6] und Tetradymit (Bi2Te2S) tionen (Bradley 1924; Ardenis et al. 1989):
d. Tellurite [Tellurit, TeO2 und Zemannit
[Mg0,5ZnFe[TeO3]3 ∙ 4,5 H2O] a. Te-II, monoklin, im Druckbereich von 4 bis
6,6 GPa.
Gewinnung Die elektrolytische Herstellung von b. Te-III orthorhombisch, im Druckbereich von
Nickel und Kupfer ist die einzige wirtschaftliche 6,6 bis 10,6 GPa stabil.
Quelle zur Gewinnung von Tellur, wie dies auch c. Te-IV, trigonal, im Druckbereich von 10,6 bis
für Selen zutrifft. Die bei der Elektrolyse zwangs- 27 GPa, und
läufig entstehenden Anodenschlämme enthalten d. Te-V, kubisch-raumzentriert, im Druckbereich
Kupfer-, Silber- sowie Goldtellurid und -selenid. oberhalb von 27 GPa.
Diese röstet man bei Temperaturen oberhalb von
500 °C bei Gegenwart von Luftsauerstoff und Das unbeständige, amorphe Tellur kann zwi-
Natriumcarbonat, wobei die Edelmetallkationen schenzeitlich aus Telluriger Säure (H2TeO3) bzw.
zum Element reduziert und das Tellurid zu Tellurit ihren Salzen (Telluriten) durch Reaktion mit
(TeO32–) oxidiert werden: Schwefel-IV-oxid in wässriger Lösung (¼ Sulfit)
5 Einzeldarstellungen 379

dargestellt werden, geht aber unter Normalbedin- punkt der Flüssigkeit: 46 °C), ist leicht in Was-
gungen langsam in die metallische Modifikation ser löslich und wird durch Luftsauerstoff schnell
über: zersetzt. In Wasser bildet sich die mittelstarke,
ziemlich unbeständige Tellurwasserstoffsäure
H2 TeO3 þ 2 SO3 2 ! Te þ SO4 2 þ H2 O (pKs1: 2,64; pKs2: 8,80) (Holleman et al. 2007,
S. 627).
Physikalische Eigenschaften: Kristallines, me- Chalkogenverbindungen Tellur-IV-oxid (TeO2)
tallisches Tellur ist halbleitend; die elektrische ist das Anhydrid der unbeständigen Tellurigen Säure
Leitfähigkeit steigt, wie zu erwarten, bei Erhö- (H2TeO3). Der farblose Feststoff (s. Abb. 16a, b)
hung der Temperatur oder bei Belichtung an, je- existiert in Form zweier Modifikationen, die in der
doch nur gering. Die Leitfähigkeit für Strom und Natur in Form der Minerale Paratellurit (α-TeO2,
Wärme des Tellurkristalls ist abhängig von der tetragonale Struktur) und Tellurit (β-TeO2, ortho-
Richtung (anisotrop). Tellur ist weich (Härte nach rhombisch) auftreten. Diese beiden Modifikatio-
Mohs 2,3) und spröde, so dass es leicht zu Pulver nen kann man oft anhand ihrer Farbe unterschei-
vermahlen werden kann. Eine Erhöhung des den, da Tellurit oft eine gelbe Farbe hat, während
Drucks erzeugt weitere kristalline Modifikationen Paratellurit meist farblos ist.
des metallischen Tellurs. Bei 450 °C schmilzt Das Verbrennen elementaren Tellurs an der
Tellur zu einer roten Flüssigkeit (s. Tab. 5), bei Luft ergibt Tellur-IV-oxid, wobei die technische
990 °C siedet es unter Bildung eines gelben, aus Synthese durch Umsetzung von Tellur mit kon-
Te2-Molekülen bestehenden Dampfes. Oberhalb zentrierter Salpetersäure bei 400 °C erfolgt (Brauer
von 2000 °C liegt der Dampf einatomig vor. 1963, S. 447):
Chemische Eigenschaften Tellur wird durch
Wasser nicht angegriffen, ebenso kaum durch 3 Te þ 4 HNO3 ! 3 TeO2 þ 4 NO þ 2 H2 O
Salz- und Schwefelsäure und in Laugen. Salpeter-
säure löst es dagegen oxidativ unter Bildung von Der tetragonal kristallisierende, farblose Paratel-
Tellurit auf. Geschmolzenes Tellur seinerseits lurit (Raumgruppe 92) der Dichte 6,02 g/cm3
greift Kupfer, Stahl und auch Edelstahl an. schmilzt bei 732,6 °C zu einer roten Flüssigkeit,
An Luft verbrennt es mit blaugrüner Flamme die bei 1245 °C in ein gelbes Gas übergeht. Mit
zu Tellur-IV-oxid (TeO2). Mit Halogenen reagiert Wasser bildet Tellur-IV-oxid die fast amphotere Tel-
es heftig zu Halogeniden; diese sind stabiler als lurige Säure (H2TeO3), die sich mit starken Säuren
die des Schwefels und Selens. So existieren auch sogar zu Tellur-IV-Salzen umsetzt. Basen dagegen
thermodynamisch stabile Iodide, darunter Tellu- lösen es zu Hydrogentellurat-IV (HTeO3) oder
riodid (TeI). Zink und andere unedle Metalle rea- Tellurat-IV (TeO32).
gieren mit pulverförmigem Tellur beim Erhitzen Aus Tellur-IV-oxid kann man Gläser eines sehr
heftig zu den jeweiligen Telluriden. hohen Brechungsindex herstellen; ebenso akus-
tooptische Modulatoren. Die Verbindung ist giftig.
Verbindungen Die häufigsten Oxidationsstufen Das gelbe, trigonal-rhomboedrisch kristallisie-
des Tellurs sind 2 (Tellurid) und +4 (in den Tetra- rende Tellur-VI-oxid (TeO3) hat eine Dichte von
halogeniden, in Tellur-IV-oxid und Telluriten). 5,07 g/cm3 und schmilzt bei einer Temperatur von
Wasserstoffverbindungen Tellurwasserstoff 400 °C unter Zersetzung zu Tellur-IV-oxid und
(H2Te) entsteht bei der elektrolytischen Reduktion Sauerstoff. Die Verbindung ist das Anhydrid der
von Tellur an der Kathode in 50 %iger Schwefel- Ortho-Tellursäure (H6TeO6). Tellur-VI-oxid kommt
säure oder durch Lösen salzartiger Telluride in in Form zweier Modifikationen vor, der gelboran-
Säuren, wie etwa bei der Umsetzung von Alumi- gen amorphen α-Form und der grauen, trigonal
niumtellurid mit Salzsäure (Brauer 1963, S. 439). kristallisierenden, deutlich reaktionsträgeren
Das knoblauchartig riechende Gas der Dichte β-Form (Raumgruppe 167; Kjekshus et al. 2000).
5,76 kg/m3 kondensiert bei 1 °C (Erstarrungs- Beide Modifikationen erhält man durch unter-
380 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Tellur


Symbol: Te
Ordnungszahl: 52
CAS-Nr.: 13494-80-9

Aussehen: Silberweiß, metallisch Tellur, Scheibe, Tellur, Pulver


glänzend 6,5 cm Ø (Sicius 2015)
(Metallium, Inc.
2015)
Entdecker, Jahr Von Müller-Reichenstein (Österreich), 1783a, b
Klaproth (Preußen), 1797
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
122
52Te (2,60) Stabil ——
124
52Te (4,82) Stabil ——
125
52Te (7,14) Stabil ——
126
52Te (18,95) Stabil ——
128
52Te (31,69) 7,2 · 1024 β > 12854Xe
130
52Te (33,80) 7,9 · 1020 β > 13054Xe
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,01
Atommasse (u): 127,60
Elektronegativität 2,1 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Te + 2 e > Te2 (V) 1,14
Atomradius (pm): 140
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 206
Kovalenter Radius (pm): 138
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d10 5s2 5p4
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 869 ♦ 1790 ♦ 2698
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,4 · 105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Trigonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V · m)], bei 300 K): 104
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 43 ♦ 65 ♦ 16
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 57 ♦ 180–270
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 2610
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 6,24
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 20,46 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 3,0
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 25,73
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 449,51 ♦ 722,66
Schmelzwärme (kJ/mol): 17,5
Siedepunkt (°C ♦ K): 990 ♦ 1263
Verdampfungswärme (kJ/mol): 114

schiedlich verlaufende Entwässerung von Ortho- Rohr bei 320 °C bei Gegenwart katalytischer Men-
tellursäure. Dehydratisiert man jene bei ca. 310 °C, gen konzentrierter Schwefelsäure. Tellur-VI-oxid
entsteht die α-Form. Die β-Form bildet sich beim ist weder in Wasser noch in Säuren und heißen
Erhitzen von Orthotellursäure im geschlossenen Laugen löslich (Brauer 1963, S. 450).
5 Einzeldarstellungen 381

Abb. 16 a Tellur-IV-oxid (Onyxmet 2020). b Tellur-IV-


oxid (Stanford Advanced Materials 2020)
Abb. 18 Kristallstrukturen von Tellurhexafluorid (Ben
Mills 2009)

oxid (Holleman et al. 2007, S. 628). Das Gas hat


unter Normalbedingungen die sehr hohe Dichte
von 10,92 kg/m3. Es sublimiert bei 38,9 °C; die
kritische Temperatur liegt bei 83,3 °C. Im Mole-
kül des festen Tellur-VI-fluorids liegen TeF6-Ok-
Abb. 17 a Orthotellursäure (Onyxmet 2020). b Ortho-
taeder vor (siehe Abb. 18). Im Gegensatz zu
tellursäure (Stanford Advanced Materials 2020) Schwefel-VI-fluorid ist Tellur-VI-fluorid relativ
reaktionsfähig und hydrolysiert zum Beispiel in
Ortho-Tellursäure (H6TeO6) ensteht durch Lö- Wasser zu Ortho-Tellursäure.
sen fein verteilten Tellurs in Chlorsäure, durch Tellur-IV-fluorid (Tellurtetrafluorid, TeF4) ent-
Oxidation von Tellur-IV-oxid mit Kaliumperman- steht bei der Einwirkung von Schwefel-IV-fluorid
ganat in Salpetersäure, durch Oxidation von Tel- auf Tellur-IV-oxid unter Druck (MacIntyre 1992,
lur oder Tellur-IV-oxid mit Wasserstoffperoxid S. 3195). Auch möglich ist die Synthese aus den
oder durch Einwirken einer Mischung von Salpe- Elementen in stöchiometrischem Verhältnis (Hol-
tersäure und Chrom-VI-oxid auf Tellur (Brauer leman et al. 1995, S. 632). Der farblose Feststoff
1963, S. 451). Das Molekül der farblosen Verbin- der Dichte 4,22 g/cm3 schmilzt bei 129 °C (Siede-
dung (siehe Abb. 17a, b) zeigt das Telluratom punkt der Schmelze: 374 °C) und hydrolysiert bei
oktaedrisch umgeben von sechs OH-Gruppen; Kontakt mit Wasser. Oberhalb einer Temperatur
die Kristallstruktur ist meist monoklin. Ortho-Tel- von 195 °C disproportioniert er zu Tellur und
lursäure ist gut löslich in Wasser, jedoch dissozi- Tellur-VI-fluorid:
iert schon das erste Proton in nur geringem Maß.
Demnach ist Ortho-Tellursäure eine äußerst 3 TeF4 ! Te þ 2 TeF6
schwache Säure. Tellursäure und ihre „Salze“ sind
giftig und wirken stark oxidierend (Holleman Die geschmolzene Verbindung ist elektrisch
et al. 1995, S. 634). Beim Erhitzen geht die Ver- leitfähig. Festes Tellur-IV-fluorid liegt als Poly-
bindung innerhalb des Temperaturbereichs von mer mit orthorhombischer Mikrostruktur vor (Ed-
100 °C bis 220 °C in die feste, wasserunlösliche wards und Hewaidy 1968); es greift Glas, Kupfer,
Polymetatellursäure über. Jene entwässert ober- Nickel, Gold, Quecksilber an. Man verwendet die
halb von 220 °C in Tellur-VI-oxid, und letzteres Verbindung als Fluorierungsmittel.
spaltet oberhalb von 400 °C Sauerstoff ab, um in Tellur-IV-chlorid (Tellurtetrachlorid, TeCl4) ist
Tellur-IV-oxid überzugehen (Mathers et al. 1950; ein gelber (s. Abb. 19), hydrolyseempfindlicher
Brauer 1975, S. 439). Feststoff der Dichte 3,01 g/cm3, den man durch
Halogenverbindungen Tellur-VI-fluorid (Tel- Überleiten von Chlor über erhitztes Tellur ge-
lurhexafluorid, TeF6) ist ein farbloses, giftiges, winnt (Brauer 1975, S. 432). Die Verbindung
abstoßend riechendes Gas und direkt aus den Ele- schmilzt bzw. siedet bei 224 °C bzw. 380 °C, wird
menten synthetisierbar. Alternativ geht auch die durch Wasser in Tellur-IV-oxid und Chlorwasser-
Umsetzung von Brom-III-fluorid mit Tellur-IV- stoff überführt und ist löslich in Ethanol und To-
382 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Abb. 20 Tellur-IV-iodid (Onyxmet 2020)


Abb. 19 Tellur-IV-chlorid, idealisierte Struktur (links)
und als Feststoff (Onyxmet 2020)
Tellur-IV-iodid (Tellurtetraiodid, TeI4) ist durch
Einleiten von Iodwasserstoff in eine konzentrierte
luol. Die Verbindung siedet unter Bildung eines
wässrige Lösung von Ortho-Tellursäure zugänglich
orangeroten Dampfes, oberhalb von 500 °C spal-
(Brauer 1975, S. 435):
tet sie Chlor ab. Im festen Zustand liegt eine
monokline Struktur des Kuban-Typs vor (Raum-
TeðOHÞ6 þ 6 HI ! TeI4 þ I2 þ 6 H2 O
gruppe 15) (Buss und Krebs 1971; Holleman et al.
1995, S. 632). Bei einigen organischen Synthesen
Neben anderen Produkten entsteht Tellur-IV-
dient die Verbindung als Katalysator (Petragnani
iodid auch beim Überleiten von Ioddampf über
und Comasseto 1991).
erhitztes Tellurpulver (Zuckerman 2009, S. 59).
Tellur-IV-bromid (Tellurtetrabromid, TeBr4)
Der graue Feststoff (siehe Abb. 20) der Dichte
erhält man am einfachsten aus den Elementen
5,4 g/cm3 schmilzt bei 280 °C unter Abgabe von
(Brauer 1975, S. 435). Ebenfalls verläuft die Re-
Iod und ist relativ beständig gegenüber kaltem
aktion von Tellur-IV-oxid (I) oder Tellur-IV-chlo-
Wasser. In warmem Wasser dagegen erfolgt zügi-
rid (II) mit Bor-III-bromid bei 110 °C (Zuckerman
ge Hydrolyse zu Tellur-IV-oxid und Iodwasser-
2009, S. 68):
stoff. Die Verbindung ist ein wenig löslich in
Aceton. Die insgesamt fünf bekannten Modifika-
(I)
tionen des Tellur-IV-iodids haben alle den te-
3 TeO2 þ 4 BBr 3 ! 3 TeBr4 þ 2 B2 O3 trameren Aufbau der Elementarzelle gemeinsam
(Riedel und Janiak 2011, S. 461).
(II) Pnictogenverbindungen Der Versuch, binäre
3 TeCl4 þ 4 BBr3 ! 3 TeBr4 þ 4 BCl3 und gut charakterisierbare Tellurnitride darzustel-
len, scheiterte trotz vieler Anstrengungen bisher.
Noch unbestätigt ist die Existenz des Tetratellur-
Auch Iod-I-bromid kann man als mildes Bro- tetranitrids, das das Homologe der entsprechen-
mierungsmittel einsetzen: den Selen- und Schwefelverbindung wäre. Aller-
dings ist schon lange bekannt (Strecker und Ebert
4 IBr þ Te ! TeBr 4 þ 2 I2 1925), dass Ammoniak mit Tellur-IV-chlorid re-
agiert, also in analoger Weise zum Selen-IV- oder
Der gelbe bis orange Feststoff der Dichte Schwefel-IV-chlorid (Laitinen et al. 1998). Die
4,31 g/cm3 schmilzt erst bei einer Temperatur von Umsetzung von Tellur-IV-chlorid mit in Tetrahy-
380 °C; die Schmelze siedet bei 420 °C unter drofuran (THF) gelöstem Tris(trimethylsilyl)amin
Zersetzung. Zusatz von Wasser bewirkt schnelle ergibt zumindest ein mit Hilfe zusätzlicher
Hydrolyse zu Bromwasserstoff und Tellur-IV-oxid. Liganden stabilisiertes Tellurnitrid der Formel
Die Verbindung löst sich in Ether und reiner Essig- [Te6N8(TeCl2)4(THF)4] (Massa et al. 1998).
säure. Die Kristallstruktur des festen Tellur-IV-bro- Organische Verbindungen Telluralkyle sind
mids entspricht der des Chloranalogons, also sehr instabil. Bekannt sind die reinen Tellurorga-
einem Kuban-Typ (Holleman et al. 1995, S. 632). nyle der Form R2Te, R2Te2, R4Te und R6Te
5 Einzeldarstellungen 383

(R jeweils Alkyl-, Aryl-). Außerdem kennt man Peltier-Elementen zur Kühlung ein. Bestandteile
noch Diorganotellurdihalogenide R2TeX2 (R ¼ optischer Speicherplatten (CD-RW, DVD, Phase
Alkyl-, Aryl-; X ¼ F, Cl, Br, I) und Triorganotel- Change Random Access Memory) sind unter an-
lurhalogenide R3TeX (R ¼ Alkyl-, Aryl-; X ¼ F, derem auch Kombinationen aus Germanium- und
Cl, Br, I). Antimontelluriden. Gläser aus Tellur-IV-oxid be-
Tellurpolykationen Vorsichtige Oxidation von sitzen einen besonders hohen Brechungsindex
Tellur liefert ring- oder kettenförmig strukturierte und werden anstelle von Quarz (SiO2) in Licht-
Tellurpolykationen (Tenx+), die mit Gegenkationen wellenleitern eingesetzt.
zu kristallinen Verbindungen kombiniert werden Kleine Mengen an Tellur verwendet man zur
können (Beck 1997). Geeignete Oxidationsmittel Vulkanisierung von Gummi, in Sprengkapseln
sind die Halogenide der Nebengruppenmetalle bei und zum Färben von Glas und Keramik. Selten,
erhöhter Temperatur: weil teuer, ist der Einsatz von Verbindungen des
Tellurs zur Erzeugung einer grasgrünen Farbe bei
8 Te þ 2 UBr5 ! Te8 ðU2 Br10 Þ Feuerwerken.

Das Te82+-Kation besitzt eine ringförmige Mo- Biologische Bedeutung und Toxizität Tellur ist
lekülstruktur. Oft ist die Kristallisation nur in giftig und wird daher meist mit dem Gefahren-
wasserfreien Lösungsmitteln wie Zinn-IV-chlorid symbol „T“ gekennzeichnet. Tellur ist aber sehr
oder Silicium-IV-bromid auszulösen. Gelegent- schlecht in Wasser und körpereigenen Säuren lös-
lich kann man auch die jeweiligen Tellur-IV-ha- lich, weswegen das Institut für Arbeitsschutz der
logenide als Reaktionspartner einsetzen: Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung Tel-
lur auf gesundheitsschädlich (Xn) herabstufte.
13 Te þ TeCl4 þ 4 BeCl2 ! 2 Te7 ðBe2 Cl6 Þ Viele Hersteller verwenden aber nach wie vor
das alte Gefahrensymbol „T“ in Verbindung mit
Auch das Te72+-Kation liegt in Form eines dem R-Satz 25 („Giftig beim Verschlucken“).
Ringes vor. Auch gemischte Selen-Tellur-Poly- Tellur besitzt jedoch nicht die Giftigkeit des
kationen sind bekannt. Eine ähnliche Reaktion Selens. Wird Tellur vom menschlichen Körper auf-
dient übrigens auch zum Nachweis elementaren genommen, wird dort durch Reduktion Dimethyl-
Tellurs. Dieses bildet nach Auflösen in heißer tellurid (Me2Te) gebildet, das für Blut, Leber, Herz
konzentrierter Schwefelsäure rote Te42+-Kationen: und Nieren giftig ist und stark nach Knoblauch
riecht. Tellurpulver wird neben den Symbolen Xn
4 Te þ 3 H2 SO4 ! Te4 2þ þ 2 H2 O þ 2 SO2 bzw. T zusätzlich mit den R-Sätzen 36/37/38 sowie
þ HSO4  S-Sätzen 26 und 37 gekennzeichnet. Die Maximale
Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) ist auf den ge-
Anwendungen Tellur ist nur aufwändig herzu- ringen Wert von 0,1 mg/m3 festgelegt worden.
stellen und daher teuer. Es wird daher meist durch
andere Elemente bzw. Verbindungen ersetzt, wo Patente
dies möglich ist. Man verwendet es z. B. als Zu- (Weitere aktuelle Patente siehe https://
satz (<1 %) für Stahl, Gusseisen, Kupfer- und worldwide.espacenet.com)
Blei-Legierungen sowie in rostfreien Edelstäh-
len, weil so Korrosionsbeständigkeit und mecha- M. Yamamoto, Method for producing or-
nische Bearbeitbarkeit verbessert werden. In sei- ganic tellurium compound and method
ner Funktion als Halbleiter findet es lediglich im of producing vinyl polymer (Otsuka
Cadmiumtellurid Verwendung, das man in Foto- Chemical Co., Ltd., WO 2020116144
dioden und Solarmodulen einbaut. A1, veröffentlicht 11. Juni 2020)
Bismuttellurid (Bi2Te3) setzt man z. B. in Ra-
dionuklidbatterien zur Stromerzeugung oder in (Fortsetzung)
384 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Manhattan-Projekts Polonium, das im Zünder


J. Bradley und A. Knights, Tellurium-oxide der Atombombe verwendet wurde. Die US-ameri-
coated silicon nitride optical waveguides kanische Atomenergiebehörde und die Verantwort-
and methods of fabrication thereof (Uni- lichen des Manhattan-Projekts führten zwischen
versity of McMaster, CA 3025925 A1, 1943 und 1947 auch Versuche an fünf lebenden
veröffentlicht 30. Mai 2020) Personen aus, weil man den Weg des Poloniums
P. Fantini und M. Bernasconi, Transition im menschlichen Stoffwechsel untersuchen woll-
metal doped germanium-antimony-tellu- te. Die Versuchspersonen erhielten täglich eine
rium (GST) memory device components Dosis zwischen 400 und 800 kBq) an Polonium
and composition (Micron Technology (Moss und Eckhardt 1995).
Inc., WO 2020041047 A1, veröffentlicht
27. Februar 2020) Vorkommen P. und M. Curie arbeiteten 1898
G. Mestl und K. Wanninger, Syntheis of a mit Pechblende und führten die starke radioaktive
MOVNBTE catalyst having a reduced Strahlung einiger Fraktionen dieses Rohproduk-
niobium and tellurium content and hig- tes auf die Existenz eines bis dahin unbekannten
her activity for the oxidative dehydroge- Elements zurück (Neufeldt 2012), das sie, ohne es
nation of ethane (Clariant Produkte zuvor entdeckt oder isoliert zu haben, Polonium
Deutschland, US 2020061583 A1, ver- nannten. Vier Jahre später gelang W. Marckwald
öffentlicht 27. Februar 2020) die erstmalige Darstellung kleinster Mengen des
F. Carroll und K. W. Hang, Thick film Elements (Marckwald 1907). Die in 1000 t Uran-
pastes containing lead-tellurium-lithium pechblende enthaltene Menge an Polonium schätzt
oxides, and their use in the manufacture man auf 0,07 bis 30 mg (Holleman et al. 2007,
of semiconductor devices (Dupont Elec- S. 617).
tronics Inc., US 2020013910 A1, ver-
öffentlicht 9. Januar 2020) Gewinnung Isotope des Poloniums entstehen als
Zwischenprodukte der Thorium- und Uranzer-
fallsreihen. Bei letztgenannter fällt das Isotop
210
84Po an, so dass es aus Pechblende gewonnen
5.5 Polonium werden kann. Bei der Aufarbeitung reichert es
sich zunächst zusammen mit Bismut an, von
Geschichte Marie und Pierre Curie (Kurzbiogra- dem es durch fraktionierte Fällung der Sulfide
fie siehe „Thorium“) entdeckten 1898 das später (PoS ist schwerer wasserlöslich als Bi2S3) ge-
Polonium genannte Element (Curie und Curie trennt werden kann.
1898; Pfützner 1999; Adloff 2003; Kabzinska Da diese Art der Gewinnung jedoch unwirt-
1998) bei Untersuchungen der Pechblende. Diese schaftlich ist, stellt man Polonium heute durch
war nach der Entfernung von Uran und Thorium Beschuss von Bismutatomen mit Neutronen
erstaunlicherweise noch stärker radioaktiv als zu- her:
vor; also mussten in ihr noch weitere radioaktive
Elemente enthalten sein. Neben Polonium isolier- 209
83 Bi þ 1 0 n ! 210 83 Bi
ten die Curies einige Monate später auch noch
Radium (Curie et al. 1898). Unabhängig davon ! ð5, 01 dÞ210 84 Po þ β
und drei Jahre später isolierte der deutsche Che-
miker Marckwald 3 mg Polonium und glaubte, es Beide Metalle können durch Destillation sepa-
sei ein neues Element. Erst 1905 wurde nach- riert werden (Siedepunkt von Polonium: 962 °C;
gewiesen, dass es sich dabei ebenfalls um Poloni- Siedepunkt von Bismut: 1564 °C) (U. S. Depart-
um handelte (Neufeldt 2012). ment of Energy 2015). Alternativ extrahiert man
Während des Zweiten Weltkriegs produzierten das Polonium aus geschmolzenem Wismut unter
die Vereinigten Staaten unter dem Namen des Luftausschluss und bei Temperaturen von 400 °C
5 Einzeldarstellungen 385

mit Hilfe geschmolzenen Natriumhydroxids (Sie- bindung sehr empfindlich und wird sofort zer-
mens Jr et al. 1977). Die Jahresproduktion beträgt setzt. Bei Raumtemperatur ist Poloniumwasserstoff
ca. 100 g. eine Flüssigkeit, die bei 36,1 °C siedet und bei
35,3 °C erstarrt (Weigel 1959). Die Verbindung
Eigenschaften Polonium ist ein silberweiß glän- bildet, wie auch die anderen Chalkogen-Was-
zendes Metall, das als einziges Metall kubisch- serstoff-Verbindungen, zwei Reihen von Salzen,
primitiv kristallisiert. Die chemischen Eigen- die Polonide und Hydrogenpolonide. Von letzteren
schaften sind in mancher Hinsicht sehr ähnlich sind aber keine Vertreter bekannt. Bleipolonid
zu denen seiner linken Nachbarn im Periodensys- kommt dagegen immer in Poloniumproben vor, da
tem, Bismut, Blei und Thallium. Bezüglich seines beim α-Zerfall von Polonium Blei entsteht (Holle-
Redoxpotenzials für die Reaktion M2+ + 2 e > M man et al. 2007, S. 626).
ist es etwa mit Kupfer vergleichbar; bezüglich Natriumpolonid (Na2Po) ist ein grauer Fest-
höherer Oxidationsstufen stehen seine jeweiligen stoff der Dichte 4,08 g/cm3 und entsteht unter
Redoxpotenziale sogar in der Nähe derjenigen Anderem bei Zusammenschmelzen von Natrium-
von Edelmetallen. hydroxid mit Polonium (Larson 1978):
Polonium löst sich, begünstigt durch Luft-
zutritt, in starken Mineralsäuren unter Bildung 3 Po þ 6 NaOH ! 2 Na2 Po þ Na2 PoO3
des rosaroten Po2+-Kations, das aber in wässriger þ 3 H2 O
Lösung langsam in das gelbe Po4+-Ion übergeht.
Die starke von Polonium ausgesandte α-Strahlung Eine andere Reaktion geht von Bleipolonid
reagiert mit Wassermolekülen unter Bildung oxi- aus:
dierender Verbindungen bzw. Radikale, die für die
Entstehung der Po4+-Ionen verantwortlich sind PbPo þ 4 NaOH ! Na2 Po þ Na2 PbO2 þ 2 H2 O
(Holleman et al. 2007, S. 620).
Alle Isotope des Poloniums sind radioaktiv Die Verbindung kristallisiert wie auch das
und sehr kurzlebig; die Spanne der Halbwertszei- homologe Natriumtellurid im Antifluorittyp, einem
ten reicht von 300 ns (!) für 21284Po bis zu 103 a kubischen System der Raumgruppe Fm3m (Raum-
für das künstlich erzeugte 20984Po (s. Tab. 6). Das gruppe 225) (Emeléus und Sharpe 1963, S. 209).
häufigste natürlich vorkommende Isotop 21084Po Magnesiumpolonid (MgPo) ist ein grauer Fest-
hat eine Halbwertszeit von nur 138 d und geht stoff der Dichte 6,7 g/cm3, der durch Zusammen-
beim α-Zerfall in 20682Pb über. Daher erzeugt man schmelzen der Elemente im Temperaturbereich
industriell genutztes Polonium direkt in Kern- von 300 °C bis 400 °C dargestellt werden kann
kraftwerken. (Eméleus und Sharpe 1963, S. 210). Er kristalli-
Wasserstoffverbindungen und Polonide Polo- siert im hexagonalen Kristallsystem.
niumwasserstoff (Monopolan, H2Po) lässt sich Bleipolonid (PbPo) stellt man durch Einleiten
nicht wie Schwefelwasserstoff aus den Elementen von Poloniumdampf in flüssiges Blei im Vakuum
gewinnen. Stattdessen wird zur Herstellung ele- dar (Hagen 2009, S. 161). Der graue Feststoff der
mentares Polonium mit Magnesium in Gegenwart Dichte 9,64 g/cm3 schmilzt oberhalb einer Tem-
verdünnter Salzsäure reduziert. Dabei entstehen peratur von 550 °C unter Zersetzung (Miura et al.
aber nur Spuren von Poloniumwasserstoff. 2007) und kristallisiert analog zu Bleitellurid in
Poloniumwasserstoff ist wie die leichteren ana- der kubischen Natriumchlorid-Struktur (Raum-
logen Verbindungen Selenwasserstoff und Tellur- gruppe 225) (Dalven 1973).
wasserstoff eine endotherme Verbindung und zer- Chalkogenverbindungen Polonium-IV-oxid
fällt unter Wärmeabgabe in die Elemente, ist also (PoO2) stellt man durch Verbrennen von Polo-
sehr instabil. Die dabei abgegebene Wärmemenge nium im Sauerstoffstrom bei <250 °C her (Stein-
ist mit >100 kJ/mol die größte aller Chalko- meyer und Kershner 1971). Die Verbindung exis-
gen-Wasserstoffverbindungen. Gegenüber auch tiert in Form zweier Modifikationen. Die gelbe ist
in Spuren vorkommendem Sauerstoff ist die Ver- bei 20 °C stabil, kristallisiert in einer fluoritähn-
386 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Polonium


Symbol: Po
Ordnungszahl: 84
CAS-Nr.: 7440-08-6

Aussehen: Silbrig glänzend Polonium auf Edelstahl (Lapp


1965)
Entdecker, Jahr Curie, Marie (Polen) und Curie, Pierre (Frankreich), 1898
Marckwald (Deutschland), 1902
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
208
84Po (synthetisch) 2,898 a α > 20482Pb, ε > 20883Bi
209
84Po (synthetisch) 103 a α > 20582Pb, ε > 20983Bi

210
84Po (99,998) 138,376 d α > 20682Pb
10
84Po (5  10 α > 20782Pb
211
) 0,516 s
12
212
84Po (2  10 ) 304 ns α > 20882Pb
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 2,1 · 1011
Atommasse (u): 209,98
Elektronegativität 2,0 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Po2++2 e > Po (V) 0,37
Atomradius (pm): 190
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 197
Kovalenter Radius (pm): 140
Ionenradius (Po6+, pm) 67
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d10 6s2 6p4
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 812
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch (α-Po), >309 K
rhomboedrisch (β-Po)
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V · m)], bei 300 K): 2,5 · 106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 26 ♦ 26,3 ♦ k. A. (α-Po)
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 9,20
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 22,97 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 20
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 26,4
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 254 ♦ 527
Schmelzwärme (kJ/mol): 13
Siedepunkt (°C ♦ K): 962 ♦ 1235
Verdampfungswärme (kJ/mol): 102,9

lichen Struktur (Raumgruppe 225) und schmilzt Polonium-II-oxid (PoO) entsteht zum Beispiel
bei 500 °C. Die rote Modifikation kristallisiert durch spontanen Zerfall von Polonium-II-sulfit
tetragonal und ist nur bei erhöhter Temperatur sta- (Emeléus und Sharpe 1963, S. 213). Zugabe von
bil. Unter reduziertem Druck zersetzt sich die Ver- Alkalihydroxid zu Polonium-II-oxid gewinnt man
bindung oberhalb einer Temperatur von 500 °C in Poloniumhydroxid, das im Alkalischen leicht zu
die Elemente. Po4+ oxidiert.
5 Einzeldarstellungen 387

Polonium-VI-oxid (PoO3) ist bisher nur in von Polonium-IV-oxid mit Tetrachlorkohlenstoff im


Form von Spuren nachgewiesen worden (Bagnall Autoklaven bei ca. 200 °C möglich. Die letzt-
1962, S. 197). Über eine eventuelle Darstellungs- genannten zwei Darstellungsmethoden liefern das
möglichkeit besteht keine Klarheit. Eine Voraus- kristallwasserfreie Salz.
sage ist, dass man die Verbindung durch Erhitzen Für die Kristallstruktur von Polonium-II-chlorid
von Polonium-IV-oxid mit Chrom-VI-oxid in (PoCl2) wird sowohl eine mono- als auch trikline
Luft erzeugen könne. Das Wissen über die che- Struktur diskutiert; auf den Gitterplätzen befinden
mischen Eigenschaften von Poloniumverbindun- sich verzerrt kubische PoCl8- (siehe Abb. 21) sowie
gen ist auch deshalb bislang nicht sehr umfang- verzerrt-planar-quadratische (ClPo4)-Einheiten.
reich, weil die meisten Versuche mit dem relativ Die Darstellung erfolgt durch Chlorieren von
leicht zugänglichen, aber stark radioaktiven Iso- Polonium oder durch Dehalogenierung von Polo-
top 21084Po gemacht wurden. Eine Hoffnung zum nium-IV-chlorid durch dessen Erhitzen auf 300 °C
besseren Nachweis des Po-VI liegt also darin, (Holleman et al. 2001, S. 594). Ebenfalls ist die
dass man entsprechende Versuche mit den länger- Reduktion von Polonium-IV-chlorid durch Schwe-
lebigen Isotopen 20884Po oder 20984Po durchfüh- fel-IV-oxid, Schwefelwasserstoff oder Kohlen-
ren kann. Es gibt Annahmen, die besagen, dass monoxid möglich (Bagnall et al. 1955). Polonium-
Po-VI unter Umständen durch Komplexbildung II-chlorid hat die Dichte 6,5 g/cm3, schmilzt bei
stabilisiert wird, so etwa in den Anionen (PoF8)2 355 °C und lost sich in verdünnter Salzsäure unter
oder (PoO6)6 (Thayer 2005). Bildung einer rosafarbenen Lösung, die leicht zu
Polonium-II-sulfid (PoS) erhält man durch Fäl- Po-IV autoxidiert. Ebenso überführen Wasserstoff-
lung von in Säure gelöstem Polonium mit Schwe- peroxid oder Chlorwasser Po-II schnell in Po-IV.
felwasserstoff; es ist ein schwarzer, schwer was- Polonium-II-bromid (PoBr2) ist bei Raumtem-
serlöslicher Feststoff. peratur ein purpurbrauner kristalliner Feststoff
Halogenverbindungen Polonium-VI-fluorid (Holleman et al. 2001, S. 594). Es zersetzt sich
(PoF6) ist immer noch eine hypothetische Verbin- am Schmelzpunkt (270 °C), der nur unter Stick-
dung, da ihre Synthese aus Fluor und 21084Po stoffatmosphäre erreicht wird. Die Verbindung
schon 1945, jedoch erfolglos, versucht wurde. erhält man durch thermische Entbromierung von
Möglicherweise war der 1960 durchgeführte, ana- Polonium-IV-bromid (PoBr4) im Vakuum bei
loge Versuch der Synthese unter Einsatz des sta- 200 °C oder durch dessen Reduktion bei nied-
bileren Isotops 20884Po erfolgreicher, da in ihr ein rigerer Temperatur mit Schwefelwasserstoff. In
flüchtiges Poloniumfluorid erzeugt wurde (Sep- bromwasserstoffsaurer Lösung bildet die Verbin-
pelt 2015), aber auch hier konnte das entstandene dung purpurrote Lösungen. Ammoniak reduziert
Produkt nicht vollständig charakterisiert werden, Polonium-II-bromid zum Metall (Bagnall 1962).
da es durch die starke radioactive Strahlung zer-
stört wurde (Weinstock und Chernick 1960). Anwendungen Polonium ist Bestandteil trans-
Polonium-IV-chlorid (PoCl4) ist ein hellgelber, portabler Neutronenquellen. Einige industriell ge-
hygroskopischer Feststoff, der sich oberhalb einer
Temperatur von 200 °C in Polonium-II-chlorid und
Chlor zersetzt (Holleman et al. 2001, S. 594). Unter
Chlorgas wird der Schmelzpunkt von 300 °C er-
reicht. Die Schmelze siedet bei 390 °C und ist dann
scharlachrot; der dann gebildete Dampf ist purpur-
rot. Die Verbindung stellt man durch Umsetzung
von Polonium-IV-oxid mit Chlorwasserstoff, Phos-
phor-V-chlorid oder Thionylchloriddampf her, fer-
ner sind auch das Lösen metallischen Poloniums in
konzentrierter Salzsäure bei Luftzutritt, das Verbren- Abb. 21 Kristallstruktur von Polonium-II-chlorid (Ben
nen von Polonium im Chlorstrom oder das Erhitzen Mills 2009)
388 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

nutzte Ionisatoren enthalten 21084Po, z. B. in An- verteilen sich gleichmäßig im gesamten Körper
lagen, die zum Aufrollen von Papier, Textilien ect. und werden nur allmählich wieder ausgeschie-
dienen, oder aber zum Aufheben elektrostatischer den. Da Poloniumisotope bei ihrem Zerfall
Ladungen auf optischen Linsen. kaum γ-Strahlung erzeugen, sind diese im Kör-
Ein g 21084Po entwickelt durch seinen radioakti- per schwer nachzuweisen.
ven Zerfall 140 Watt Wärme, die ausreicht, festes
Polonium zum Schmelzen zu bringen (Petrjanow-
Sokolow 1977). Früher setzte man Polonium in 5.6 Livermorium
kurzlebigen Radionuklidbatterien ein. Die auf Hi-
roshima und Nagasaki abgeworfenen Atombom- Geschichte Der erste bestätigte Versuch, Isoto-
ben enthielten aus Polonium und Beryllium beste- pe des Elements 116 herzustellen, hier mittels
hende Starter für die Kernspaltungsreaktion. des Beschusses von 24896Cm (s. Abb. 22) mit
48
20Ca, war 1977 der von Hulet et al. am Law-
Biologische Bedeutung und Toxizität Polonium rence Livermore National Laboratory (LLNL),
entsteht durch α-Zerfall von Radonkernen, die ihrer- jedoch konnte die Bildung von Kernen des
seits durch Abbau höherer radioaktiver Nuklide Livermoriums nicht beobachtet werden (Hulet
(Radium, Uran) im Erdreich gebildet werden. So et al. 1977). Dieselbe Kernfusion versuchten
können selbst die großvolumigen Radonatome ein Jahr später auch Oganessian et al. am Flerov
durch Risse im Fundament oder durch Leitungen Laboratory for Nuclear Reactions (FLNR), das
in Häuser eindringen, wo sich das Gas wegen seiner zum Joint Institute for Nuclear Research (JINR)
hohen Dichte immer am Boden konzentriert. Ein- in Dubna gehört. Auch 1985 schlug ein analoger
atmen von auch nur spurenweise in der Luft ent- Versuch fehl, der diesmal in Kooperation der
haltenem Radon erhöht das Risiko, an Lungenkrebs Deutschen Gesellschaft für Schwermetallonen-
zu erkranken; daher sollte man Kellerräume oft forschung (GSI, heute: Helmholtz-Zentrum für
lüften. Man schätzt, dass das Einatmen von Radon Schwerionenforschung) und der Universität Ber-
nach Rauchen die zweithäufigste Ursache für die keley durchgeführt wurde. Die Situation änderte
Entstehung von Lungenkarzinomen ist. Gründliche sich ab 1990, als in Dubna 1989 ein neuer Sepa-
Abhilfe schafft nur ein komplettes Versiegeln des rator für superschwere Elemente in Betrieb ge-
Untergrundes. nommen wurde, der ab 1995 auch einen intensi-
Die eigentliche Ursache für die Krebserkrankung veren Beschuss mit 4820Ca-Isotopen erlaubte. Auf
ist aber nicht Radon, sondern die Inhalation der sich diese Weise konnte man in der Folgezeit Isotope
schnell aus Radon bildenden, ebenfalls kurzlebigen
Isotope, die sich im Gegensatz zu Radon in der
Lunge anreichern. Unter den Zerfallsprodukten be-
finden sich auch die Poloniumisotope 21084Po,
212 214 216 218
84Po, 84Po, 84Po und 84Po, die eine starke
Wirkung auf Körpergewebe entfalten, weil sie
α-Teilchen aussenden.
Die tödliche (letale) Dosis des Isotops
210
84 Po liegt bei 1,7 ng/kg (!) Körpergewicht,
weshalb es eines der stärksten Gifte überhaupt
ist. Die toxische Wirkung beruht dabei fast nur
auf radiologischer, nicht auf chemischer Wir-
kung. Auch jene wäre aber sehr stark, da sich
Polonium ähnlich wie seine linken Nachbarn im
Periodensystem, Quecksilber, Thallium oder
Blei, verhält und schwefelhaltige Enzyme/Ami- Abb. 22 Das Target von 24896Cm, das zur Synthese von
nosäuren unwirksam macht. Poloniumionen Isotopen des Livermoriums benutzt wurde
5 Einzeldarstellungen 389

der Elemente 112 bis 118 herstellen (Armbruster (III)


293
et al. 1985). 1995 versuchte ein Team der GSI 116 Lv ! 289 114 Fl þ 4 2 He
Isotope des Elements 116 durch Beschuss eines
Bleitargets (20882Pb) mit Selenkernen (8234Se) zu
erzeugen, aber man konnte kein einziges Atom Die Eigenschaften des am Ende gebildeten
des Elements 116 nachweisen. Isotops des Fleroviums waren mit denen desjeni-
1998 veröffentlichte Smolańczuk seine Be- gen Fleroviumisotops identisch, das im Juni 1999
rechnungen zu Kernfusionen, die superschwere dargestellt wurde. Dieses hielt man erst für
288 289
Atome ergeben sollten (Smolańczuk 1999). Eine 114Fl, was später zu 114Fl berichtigt wurde
seiner Thesen war, dass diese sehr schweren Ele- (Oganessian et al. 2004). In einem zweiten Ver-
mente durch Fusion von Blei- mit Kryptonkernen such, der im Frühjahr 2001 durchgeführt wurde,
zu synthetisieren sein sollten. Nur wenige Monate kam es zur Beobachtung zweier weiterer Atome
später gelang es Forschern am Lawrence Berke- des Livermoriums. Das als Zerfallsprodukt ent-
ley National Laboratory tatsächlich, Isotope des stehende Isotop des Fleroviums war, wie spä-
Livermoriums und Oganessons nach folgender ter erhaltene Ergebnisse bestätigten, vermutlich
289m 293m
Kernreaktion darzustellen (Service 1999; Ninov 114Fl, was wiederum ein Isotop 116Lv
et al. 1999): als Mutterisotop bedingt hätte. Im Frühjahr 2005
wiederholte das Team in Dubna den Versuch er-
(I) neut und erhielt dabei acht Atome des Livermo-
riums. Das dabei erzeugte Isotop wurde zu
86
36 Kr þ 208 82 Pb ! 293 118 Og þ 1 0 n 293
116Lv bestätigt. Ein weiterer Versuch wurde
mit dem Curiumisotop 24596Cm durchgeführt
(II) und dabei wurden folgerichtig die Isotope 291116Lv
293
118 Og ! 289 116 Lv þ 4 2 He und 290116Lv erhalten (Barber et al. 2011).
Im Mai 2009 bestätigte eine Kooperation
des LLNL in Berkeley und der deutschen GSI
die Bildung der Fleroviumisotope 286114Fl bis
Reproduktionsversuche einiger Labors im Fol- 289
114Fl, die unmittelbare Töchter der oben ge-
gejahr scheiterten allerdings, sogar das Team in
nannten Livermoriumisotope sind. Die im Jahr
Berkeley war dazu nicht in der Lage. Im Juni 2002
2011 von der IUPAC vorgenommene Bewertung
veröffentlichte der Leiter des Labors in Berkeley,
erkannte die zwischen 2004 und 2006 durch-
dass die Versuche auf Basis der von Ninov im Jahr
geführten Experimente als Identifizierung des
2000 vorgegebenen Daten beruhten (Dalton 2002).
Livermoriums an (Hofmann et al. 2012).
Erstmals wurde ein Isotop des Livermoriums
Unabhängig voneinander bestätigten das GSI
nachweislich und reproduzierbar am 19. Juli 2000
2012 sowie das RIKEN 2014 und 2016 die Syn-
erzeugt, als Wissenschaftler JINR in Dubna ein
these des Livermoriums (Morita et al. 2014). Im
aus 24896Cm bestehendes Target mit auf hohe
vom RIKEN 2016 durchgeführten Versuch ent-
Geschwindigkeit beschleunigten Calciumkernen
deckte man wahrscheinlich ein Atom des Isotops
(4820Ca) bombardierten. Darauf wurde ein ein-
116Lv, das α-Zerfall zu
294 290 286
114Fl und 112Cn
ziges Atom des Livermoriums registriert, das mit
erlitt; letzteres konnte man nachweisen (Kaji et al.
einer Energie von 10,54 MeV zu einem Flero-
2014). Die IUPAC empfahl 1979 zunächst den
viumisotop zerfiel (Oganessian et al. 2000):
Namen Ununhexium als Platzhalter (Chatt 1979;
(I) Koppenol 2002), aber meist nannte man es „Ele-
ment 116“ oder „116“. Den Namen Livermorium
248
96 Cm þ 48 20 Ca ! 296 116 Lv verlieh die IUPAC am 23. Mai 2012 (Loss und
Corish 2015), wobei der Name das Lawrence
(II) Livermore National Laboratory anerkennt, das in
296
116 Lv ! 293 116 Lv þ 31 0 n der Stadt Livermore, CA gelegen ist.
390 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

Tab. 7 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Livermorium


Symbol: Lv
Ordnungszahl: 116
CAS-Nr.: 54100-71-9
Aussehen: Unbekannt, wahrscheinlich metallisch
Entdecker, Jahr Vereinigtes Institut für Kernforschung (Russland) und Lawrence
Livermore National Laboratory (USA), 2010
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung (Deutschland),
2014
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
292
116Lv (synthetisch) 18 ms α > 288114Fl
293
116Lv (synthetisch) 53 ms α > 289114Fl
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (293)
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 183*
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 162–166*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d10 7s2
7p4
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 724* ♦ 1332* ♦
2846*
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 12,9*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 22,7 · 106*
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): Keine Angabe
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): Keine Angabe
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 364–507 ♦ 637–
780*
Schmelzwärme (kJ/mol): 7,6*
Siedepunkt (°C ♦ K): 762–862 ♦ 1035–
1135*
Verdampfungswärme (kJ/mol): 42*
a
Geschätzte bzw. vorhergesagte Werte

Eigenschaften Jedes Atom der Chalkogenreihe beim Polonium beobachtete Effekt noch, weshalb
hat zunächst sechs Elektronen in seiner Valenz- die Oxidationszahl +2 deutlich stabiler als +4
schale. Livermorium sollte zwar einige Ähnlich- erwartet wird. Da ebenso die 7s-Elektronen als
keit zu seinen leichteren Homologen haben, aber dermaßen stabilisiert gelten, dass sie ebenfalls
hier dominieren relativistische Effekte. Die Ener- als inert gelten können, ist das Erreichen der
gie der 7s- und der 7p-Elektronen wird Berech- Oxidationszahl +6 praktisch ausgeschlossen.
nungen zufolge gesenkt, wobei die Energie eines Schmelz- und Siedepunkt des Livermoriums sollte
der 7p-Elektronenpaare besonders stark sinkt, dem Trend innerhalb der Chalkogenreihe folgen;
weshalb es als nahezu „inert“ gilt (Faegri und man erwartet einen höheren Schmelz-, aber nied-
Saue 2001). Damit verstärkt sich dieser schon rigeren Siedepunkt als dies für Polonium der Fall
Literatur 391

ist. Die Dichte wird für α-Lv zu 12,9 g/cm3 be- sem Kapitel gemachten Aussagen auf gemesse-
rechnet (siehe Tab. 7); Livermorium sollte wie nen und vorhergesagten Eigenschaften weniger
Polonium in einer α- und β-Modifikation auftreten. Atome, die bisher erzeugt werden konnten. We-
Die Chemie des Livermoriums ähnelt vermut- gen der sehr kurzen Halbwertszeiten aller Isotope
lich der des Poloniums. Die Stabilität höherer des Livermoriums wird die Sammlung weiterer
Oxidationszahlen nimmt in der Gruppe vom Daten auch in Zukunft schwierig sein.
Schwefel über Selen, Tellur und Polonium stetig
ab. Der beständigste Oxidationszustand des Li-
vermorium ist wohl wegen der Anwesenheit Literatur
zweier nahezu “inerter” Elektronenpaare +2;
die Stufe +4 wurde als wesentlich instabiler be- Adloff JP (2003) The centennial of the 1903 Nobel Prize
for physics. Radiochim Acta 91:681–688. https://doi.
rechnet und sollte höchstens in Verbindung mit
org/10.1524/ract.91.12.681.23428
stark elektronegativen Elementen wie Fluor vor- Adolphi P, Ullrich B (2000) Fixierung und Reaktionsfähig-
kommen, etwa im hypothetischen Livermorium- keit von Schwefel in Braunkohle. In: Proc. XXXII.
IV-fluorid (LvF4). Auch die bei den niederen Kraftwerkstech. Koll., Nutzung schwieriger Brennstof-
fe in Kraftwerken, S 109–116
Chalkogenen stets beobachtete Stufe 2 wird
Ahrens A et al (2016) Wasser in der Getränkeindustrie. Fach-
wegen der Destabilisierung der 7p3/2-Orbitale verlag Hans Carl, Nürnberg. ISBN 978-3-418-00912-4
besonders instabil sein und daher kaum existie- Allègre C et al (2001) Chemical composition of the Earth
ren, weshalb man beim Livermorium von einer and the volatility control on planetary genetics. Earth
Planet Sci Lett 185(1–2):49–69
praktisch ausschließlichen Kationenchemie aus-
Alsfasser R et al (2007) Moderne Anorganische Chemie,
geht. Das Element sollte sich also fast durch- 3. Aufl. de Gruyter, Berlin, S 129–132. ISBN 978-3-11-
gehend wie ein typisches Metall unter Bildung 019060-1
von Lv2+-Kationen verhalten (Fricke 1975; Andrews FJ, Nolan JP (2006) Critical care in the emergen-
cy department: monitoring the critically ill patient.
Thayer 2010).
Emerg Med J 23:561–564. https://doi.org/10.1136/
So ist das hypothetische Livermoran (LvH2) emj.2005.029926
wahrscheinlich mehr ein Hydrid als ein Wasser- Angier R (1936) Firearm blueing and browning. Stackpole
stofflivermorid, wäre aber eine immer noch mehr- Co, Harrisburg
Archer RD (2001) Inorganic and organometallic polymers.
heitlich kovalente Verbindung (Nash und Crockett
Wiley, New York, S 213. ISBN 978-0-471-24187-4
2006). Die Lv-H-Bindung wäre wohl länger als Ardenis C et al (1989) Reinvestigation of the structure of
üblicherweise zu erwarten und der H-Lv-H-Bin- Tellurium. Acta Cryst C 45:941–942
dungswinkel größer als der in den anderen Chal- Armbruster P et al (1985) Attempts to produce superheavy
elements by fusion of 48Ca with 248Cm in the bombar-
kogenwasserstoffmolekülen, was laut Berechnun-
ding energy range of 4.5–5.2 MeV/u. Phys Rev Lett
gen darauf schließen lässt, dass sogar unbesetzte, 54(5):406–409. https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.
relative „energiearme“ 8s-Orbitale an den Bindun- 54.406
gen des vermutlich extrem instabilen Moleküls Arnold MHM (1938) The structure of (SNH)4 and its
derivatives. J Chem Soc Lond:1596–1597. https://doi.
beteiligt sind. Dieses „supervalente Hybridisie-
org/10.1039/JR9380001596
rung“ genannte Phänomen kommt aber auch in Arnold MHM et al (1936) The formation and constitution
den nicht-relativistischen Regionen des Perioden- of sulphur nitride and so-called hexasulphamide.
systems vor (Greenwood und Earnshaw 1997b, J Chem Soc Lond:1645–1649. https://doi.org/10.
1039/JR9360001645
S. 117). Bei den höheren Dihalogeniden des Liver-
Arthur JR et al (1993) Selenium deficiency, thyroid hor-
moriums nimmt man eine lineare Struktur der Mo- mone metabolism, and thyroid hormone deiodinases.
leküle an, bei den leichteren eine gebogene (Van Am J Clin Nutr 57:236–239
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Beschießen eines Curium-Ziels mit schweren Cal- Bagnall KW et al (1955) The polonium halides. Part
ciumatomen immer noch der einzige Weg zur I. Polonium chlorides. J Chem Soc:2320. https://doi.
Herstellung des Elements ist, beruhen die in die- org/10.1039/JR9550002320
392 6 Chalkogene: Elemente der sechsten Hauptgruppe

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Hof- und Staatsdruckerei, Wien, S 345–347
Halogene: Elemente der siebten
Hauptgruppe 7

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

Zusammenfassung 1 Einleitung
Die Halogene sind eine der chemisch reak-
tivsten Gruppen von Elementen. Sie sind teils Die Halogene (Salzbildner), kommen in vielen
schon lange bekannt, werden in sehr vielen chemischen Verbindungen vor und sind hoch-
Anwendungen eingesetzt und zeigen eine vor reaktiv. Im Periodensystem findet man sie in der
allem hinsichtlich ihrer Verbindungen mit an- siebten Hauptgruppe; den äußeren Elektronen-
deren Nichtmetallen interessante Chemie. schalen ihrer Atome fehlt nur ein einziges Elek-
Fluor und Chlor sind bei Raumtemperatur tron, um eine abgeschlossene und somit sehr sta-
Gase, Brom ist neben Quecksilber das einzige bile Elektronenkonfiguration bilden zu können.
unter diesen Bedingungen flüssige Element, Fluoridierung des Zahnschmelzes, Natriumchlo-
wogegen Iod, Astat und möglicherweise auch rid, Bromide im Toten Meer oder Iod zur Des-
Tenness unter diesen Bedingungen Feststoffe infektion in medizinischen Anwendungen . . .
sind. Lassen Sie sich überraschen: Halogene über diese Begriffe haben Sie sicher schon etwas
sind weit mehr als nur Kochsalz und Iodo- gelesen oder gehört. Aber wie sieht der Hinter-
form. grund hierzu aus? Welche Elemente umfasst diese
Gruppe? Manche wie Chlor und Brom sind schon
über 200 Jahre bekannt, die beiden radioaktiven
Vertreter, Astat bzw. Tenness, aber erst seit 1940
bzw. 2010. Fluor, Chlor, Brom und Iod bzw. ihre
Verbindungen sind auf vielen Gebieten schon lan-
ge im Einsatz.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 399
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_7
400 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Fluor und Chlor sind bei Raumtemperatur Gase, erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
Brom ist neben Quecksilber das einzige bei Raum- system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf.
temperatur flüssige Element. Dagegen sind Iod, As- Die Einzeldarstellungen der insgesamt sechs
tat und wohl auch Tenness unter diesen Bedingun- Vertreter der Gruppe der Halogene enthalten dabei
gen Feststoffe. Nur Astat und wahrscheinlich auch alle wichtigen Informationen über das jeweilige
Tenness zeigen einen stärker metallischen Charak- Element, so dass ich hier nur eine kurze Einlei-
ter, wogegen Fluor, Chlor, Brom und Iod Nicht- tung vorangestellt habe.
metalle sind. Iod leitet allerdings in manchen seiner
Merkmale schon zu den Halbmetallen über. Sie
finden alle Halogene im unten stehenden Perioden- 2 Vorkommen
system in der Gruppe 17 (VII A), siehe Abb. 1.
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. Na- Halogene kommen in der Natur vor allem als
trium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie Ar- einfach negativ geladene Anionen (Halogenide)
sen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- in Form von Salzen vor. Das zugehörige Kation
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die ist meist ein Alkali- oder Erdalkalimetall, die
meisten Elemente können sich untereinander ver- Natrium- und Kaliumhalogenide herrschen dabei
binden und bilden chemische Verbindungen; so vor. Aus jenen kann man die Halogene durch
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische Elektrolyse gewinnen. Ein großer Teil der Halo-
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz. genide ist im Meerwasser gelöst.
Einschließlich der natürlich vorkommenden Wichtige Verbindungen sind Natriumchlorid
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich (Speisesalz) und Kaliumchlorid, Natrium- bzw.

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- VII VIII VIII VIII VIII
IA II A III B IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


4 Eigenschaften 401

Kaliumbromid und -iodid, Calciumfluorid und Farbintensität, Dichte und Siedepunkt an. Alle
auch Kryolith (Aluminiumtrinatriumhexafluorid, liegen als zweiatomige Moleküle der Form X2
Na3AlF6). vor (z. B. F2 und Cl2) und sind elektrische Nicht-
Iod kommt darüber hinaus in der Natur auch leiter, jedoch zeigt Iod unter bestimmten Bedin-
als Iodat vor. Astat ist das seltenste natürlich vor- gungen Halbleitereigenschaften. Astat als Halb-
kommende Element, ein Zwischenprodukt der metall dürfte ein echter Halbleiter sein.
Zerfallsreihen des Urans und Thoriums, und Ten- Die Farbintensität im jeweils gasförmigen Ag-
ness konnte bisher nur in Gestalt weniger Atome gregatzustand nimmt mit steigender Ordnungs-
künstlich dargestellt werden. zahl zu, ebenso Dichte, Schmelz- und Siedepunk-
te. Die Elektronegativität nimmt dagegen in dieser
Folge ab. Unter Standardbedingungen sind Fluor
3 Herstellung und Chlor Gase, Brom ist eine Flüssigkeit und
Iod fest.
Gasförmiges, elementares Fluor (F2) ist nur durch
Elektrolyse zu erzeugen, denn kein Element und
auch keine chemische Verbindung haben ein grö- 4.2 Chemische Eigenschaften
ßeres Redoxpotenzial als Fluor.
Die anderen Halogene (Chlor, Brom, Iod) sind Halogene sind reaktionsfähige Nichtmetalle, da
sowohl durch Elektrolyse (etwa durch Chloralka- ihnen, wie eingangs bereits erwähnt, nur noch
lielektrolyse) als auch durch Einwirkung von ein einziges Valenzelektron zur vollen Besetzung
Oxidationsmitteln wie MnO2 (Braunstein) oder der äußeren Elektronenschale fehlt. Da die Bin-
KMnO4 (Kaliumpermanganat) herstellbar. dung zwischen zwei Halogenatomen nicht sehr
Brom bzw. Iod können auch durch Umsetzung stabil ist, reagieren auch Halogenmoleküle heftig;
von Bromid bzw. Iodid mit Chlor hergestellt wer- die Reaktivität nimmt von Fluor, dem reaktions-
den: fähigsten Halogen, zum Iod hin ab.
Halogene reagieren mit Metallen unter Bil-
Cl2 þ 2 Br ! 2 Cl þ Br2 dung von Salzen, was ihnen ihren Namen verlieh.
Beispiel: Bildung von Kochsalz (NaCl) bzw. Cal-
Cl2 þ 2 I ! 2 Cl þ I2 ciumchlorid (CaCl2):

Neben der Chloralkalielektrolyse dient auch 2 Na þ Cl2 ! 2 NaCl


das Deacon-Verfahren zur Herstellung von Chlor,
bei dem Chlorwasserstoffgas mit Luftsauerstoff Ca þ Cl2 ! CaCl2
bei ca. 450 °C und Gegenwart eines Katalysators
umgesetzt wird: Halogene reagieren exotherm, hinsichtlich der
Reaktivität vom Fluor zum Iod hin abnehmend,
4 HCl þ O2 ! 2 Cl2 þ 2 H2 O mit Wasserstoff unter Bildung von Halogenwas-
serstoffen. Diese sind, in Wasser gelöst, Säuren,
mit einer vom Fluor- zum Iodwasserstoff hin zu-
nehmenden Stärke bzw. Dissoziationskonstante.
4 Eigenschaften Die Heftigkeit der Reaktion nimmt von Fluor zu
Iod ab.
4.1 Physikalische Eigenschaften Die Wasserlöslichkeit der Halogene nimmt
von Fluor zu Iod ab, wobei Fluor mit Wasser unter
Elementare Halogene sind farbige, gasförmige Bildung von Fluorwasserstoff und Sauerstoff re-
oder leicht flüchtige flüssige oder feste Substan- agiert:
zen, die in Wasser löslich sind und mit diesem
teils reagieren. Mit ihrer Ordnungszahl steigen 2 F2 þ 2 H2 O ! 4 HF þ O2
402 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

5 Einzeldarstellungen als Fluorid in Form einiger Minerale vor; einzige


Ausnahme ist der uranhaltige Wölsendorfer Stink-
Nachfolgend sind die Halogene jeweils separat spat, der infolge der Einwirkung radioaktiver Strah-
mit Eigenschaften, Anwendungen und Herstel- lung geringe Mengen an Fluor abgibt (Schmedt auf
lungsverfahren beschrieben. der Günne et al. 2012). Der Gehalt von Fluor in der
Erdkruste ist mit 525 ppm ziemlich hoch (Wede-
pohl 1995).
5.1 Fluor Fluorit (CaF2) und der Fluorapatit [Ca5(PO4)3F]
sind die wichtigsten fluoridhaltigen Minerale.
Geschichte Das erste in der Literatur beschriebene Während Fluorapatit hauptsächlich als Rohstoff
Fluorsalz war das in der Natur vorkommende Calci- zur Gewinnung von Phosphat dient, erzeugt man
umfluorid (Flussspat). Jenes verwendete Agricola Fluor und seine Verbindungen aus Fluorit, der vor
schon 1556 als Flussmittel. Erst mehr als allem in Mexiko, China, Südafrika, Spanien,
200 Jahre später untersuchte Scheele das Mineral Deutschland un Russland vorkommt und abgebaut
wieder intensiver und stellte durch Einwirkung kon- wird. Zur Herstellung von Aluminium setzt man
zentrierter Schwefelsäure aus diesem erstmals Kryolith (Na3AlF6) ein; jedoch sind dessen natür-
Flusssäure her. Deren Reaktion mit Glas wiederum, liche Vorkommen auf Grönland beinahe völlig aus-
bei der Silicium-IV-fluorid freigesetzt wird, ver- gebeutet, weshalb man synthetisch hergestellten
suchte Scheele ebenfalls zu beschreiben. Ein unbe- verwendet. Seltener kommt Fluorid in den Mine-
kannter Autor schlug 1808 vor, den elementaren ralen Al2[(F, OH)2|SiO4], Sellait MgF2 und Bast-
Grundstoff der Flusssäure mit dem Namen „Fluor“ näsit (La, Ce)(CO3)F vor.
zu belegen (E.B. 1808). Ampère erwähnte 1812 in Fluoressigsäure wird vom südafrikanischen
einem Brief an Davy, dass in der Flusssäure wie Busch Gifblaar sowie einigen Lianenarten pro-
auch in der Salzsäure jeweils der Wasserstoff an das duziert und in ihren Blättern gespeichert. Gegen-
Element Fluor bzw. Chlor gebunden ist. Die erst- über Fressfeinden wirkt dies tödlich, da Fluor-
malige Darstellung des Fluors gelang aber erst essigsäure den Zitronensäurezyklus unterbricht
Moissan (Kurzbiografie siehe „Tantal“) 1886, der (Wedepohl 1995).
es durch Elektrolyse einer Lösung von Kaliumhy-
drogendifluorid in flüssigem Fluorwasserstoff bei Gewinnung Aus Fluorit (CaF2) erhält man durch
tiefer Temperatur in einer eigens entwickelten Ap- Umsetzung mit konzentrierter Schwefelsäure
paratur darstellte. Dafür erhielt Moissan 1906 den Fluorwasserstoff (Flusssäure):
Nobelpreis für Chemie (Tressaud 2006).
Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Bedarf CaF2 þ H2 SO4 ! CaSO4 þ 2 HF
an freiem Fluor erheblich, da Trennung und An-
reicherung der Uranisotope 23892U und 23592U Den größten Teil der erzeugten Flusssäure ver-
über das mit elementarem Fluor erzeugte Uran- wendet man zur Produktion weiterer Fluorverbin-
VI-fluorid laufen (Voegtlin und Hodge 1949; dungen, nur ein kleiner Teil geht in die Synthese
Goldwhite 1986). Aber auch das Deutsche Reich von Fluor. Jenes stellt man durch Elektrolyse einer
verfügte zu Kriegszeiten bei der Leverkusener wasserfreien Mischung von Kaliumfluorid und
I.G. Farben über die Möglichkeit, Fluor elektro- Fluorwasserstoff im Verhältnis von 1:1 bis 1:3 her.
lytisch herzustellen, wobei nicht geklärt wurde, Technisch wendet man das Mitteltemperatur-
ob das Fluor zur Herstellung von Chlor-III-fluorid Verfahren mit einem Mischungsverhältnis von
oder eben auch zur Anreicherung des spaltbaren 1:2 bei Temperaturen von 70 bis 130 °C an. Die
Isotops 23592U dienen sollte (Karr 1946; Karlsch unter einer Spannung von 8–12 V betriebenen
2005; Wedepohl 1995). Elektroden bestehen aus Grafit, die Elektrolyse-
zelle aus Stahl oder Monel. Zusätzlich eingesetzte
Vorkommen Fluor kommt wegen seiner hohen Eisenbleche trennen wirkungsvoll den Anoden-
Reaktivität in der Natur nur chemisch gebunden vom Kathodenraum, womit eine Durchmischung
5 Einzeldarstellungen 403

der entstehenden Gase verhindert wird. Der bei In kaltes Wasser eingeleitet, setzen sich geringe
der Elektrolyse verbrauchte Fluorwasserstoff wird Mengen an Fluor zu Wasserstoffperoxid und Fluss-
laufend ersetzt. säure (Cady 1935) um:
Das elektrolytisch erzeugte Fluor ist noch mit
Fluorwasserstoff (HF), Sauerstoff und Fluorkoh- F2 þ 2 H2 O ! H2 O2 þ 2 HF
lenwasserstoffen verunreinigt. Fluorwasserstoff
entfernt man durch Adsorption an Natriumfluorid, Dagegen führt die Anwendung überschüssi-
die anderen Stoffe durch Ausfrieren. Im Labor ger Mengen an Fluor hauptsächlich zur Bildung
kann es durch thermische Zersetzung des instabi- von Sauerstoff und Sauerstoffdifluorid (Cady
len Mangan-IV-fluorids (MnF4), erzeugt werden, 1935).
das man wiederum aus K2MnF6 und SbF5 her- Werden feste Metalloberflächen Fluor aus-
stellt (Riedel 2004). gesetzt, bildet sich zunächst eine Passivierungs-
Einige Metalle wie Stahl, Aluminium, Ma- schicht auf der Metalloberfläche, die aber bei
gnesium, Nickel oder Kupfer greift Fluor kaum erhöhten Temperaturen und Fluordrücken nicht
an, da die Metalle nach erstem Kontakt mit dicht ist. Das Metall reagiert dann oft weiter,
Fluorgas sofort mit einer schützenden Fluorid- schmilzt durch die freigesetzte Reaktionswärme
schicht bedeckt werden. Sie setzen sich aber unter auf und verbrennt schließlich im Fluorstrom.
Rotglut mit Fluor um, ebenso wie dies auch bei Kunststoffe bilden durch Einwirkung von Flu-
Gold und Platin der Fall ist. Selbst die Edelgase or bei Raumtemperatur oft eine fluorierte Oberflä-
Xenon und Radon reagieren mit Fluor. Da Fluor chenschicht aus.
auch Glas angreift und am Ende unter Bildung Während Glas bei Raumtemperatur nicht mit
von Siliciumtetrafluorid auch zerstört, transpor- Fluor reagiert -wohl aber mit Fluorwasserstoff-,
tiert und lagert man es in Flaschen aus Kupfer- bildet es bei erhöhter Temperatur gasförmiges Sili-
Nickel-Legierungen. cium-IV-fluorid. Sind daneben Spuren von Fluor-
wasserstoff zugegen, erfolgt auch bei Raumtem-
Eigenschaften Bei Raumtemperatur ist Fluor peratur eine schnelle Reaktion.
ein blassgelbes, stechend riechendes Gas, das
bei einer Temperatur von 188 °C zu einer gel- Verbindungen Als elektronegativstes Element
ben Flüssigkeit kondensiert (Burdon et al. 1987, tritt Fluor in seinen Verbindungen ausschließlich
siehe auch Tab. 1). Diese erstarrt bei einer Tem- mit der Oxidationszahl 1 auf.
peratur von 219,52 °C (Holleman et al. 2007). Wasserstoffverbindungen und Fluoride Fluor-
Zwischen 227,6 °C und dem Schmelzpunkt wasserstoff ist ein ätzend wirkendes und sehr
kristallisiert Fluor kubisch (β-Fluor) (Jordan giftiges Gas, dessen wässrige Lösung Flusssäure
et al. 1964), unterhalb von 227,6 °C monoklin genannt wird. Die hinsichtlich ihrer Dissoziation
(α-Fluor) (Pauling et al. 1970). Bei einer Tem- nur mittelstarke Flusssäure reagiert leicht mit
peratur von 0 °C und einem Druck von 1013 hPa Glas, wird daher in Guttapercha- oder anderen
hat Fluor eine Dichte von 1,6959 kg/m3 und geeigneten Gefäßen aufbewahrt und industriell
besitzt somit ein höheres spezifisches Gewicht zum Ätzen von Glas eingesetzt. Aus Fluorwas-
als Luft. serstoff stellt man viele Verbindungen des
Fluor ist eines der stärksten Oxidationsmittel Fluors her.
und zugleich das elektronegativste Element. Es Fluorwasserstoff (HF) hat eine geringere Dichte
reagiert meist heftig mit allen Elementen außer als Luft, ist hygroskopisch und entwässert viele
Helium und Neon, so selbst als Feststoff mit Stoffe. In wasserfreiem Zustand kondensiert er
Wasserstoff ohne Lichtaktivierung bei 200 °C bei 19,51 °C zu einer an der Luft rauchenden
explosionsartig. Ebenfalls intensiv reagieren viele Flüssigkeit. Die Verbindung ist in jedem Verhältnis
chemische Verbindungen mit Fluor, darunter Was- mit Wasser mischbar und erzeugt eine saure Lö-
ser, Ammoniak oder Kohlenwasserstoffe. Mit Was- sung, die als Fluorwasserstoffsäure oder Flusssäure
ser kann die Reaktion auf mehreren Wegen laufen. bekannt ist.
404 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Fluor


Symbol: F
Ordnungszahl: 9
CAS-Nr.: 7782-41-4

Aussehen: Hellgelbes Gas Flüssiges Fluor (DePiep 2013)


Entdecker, Jahr Moissan (Frankreich), 1886
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
19
9F (100) Stabil –
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 280
Atommasse (u): 18,9984
Elektronegativität 4,0 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: F2 + 2 e > 2 F (V) +2,87
Atomradius (pm): 50
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 147
Kovalenter Radius (pm): 71
Elektronenkonfiguration: [He] 2s2 2p5
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1681 ♦ 3374 ♦ 6050
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: <227,6 °C: monoklin
227,6 bis 219,5 °C: kubisch
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) 1,6965
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 11,20 · 106 (fest)
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,0279
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 31 (cp bei 21,1 °C),
23 (cv bei 21,1 °C)
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 219,62 ♦ 53,53
Schmelzwärme (kJ/mol): 0,2552
Siedepunkt (°C ♦ K): 188 ♦ 85,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 6,32
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 219,76 ■ 90
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 128,74 ■ 5,1274 [F-8]

Zur Herstellung von Fluorwasserstoff konzen- Ebenfalls fällt Fluorwasserstoff bei der Her-
triert man seine Salze, die Fluoride (Beispiel: Cal- stellung von Aluminium an, wird zudem auch
ciumfluorid, Flussspat), durch Flotation auf über beim Verbrennen fluorhaltiger Abfälle oder von
98 % auf und setzt diese in einem auf 200 °C Steinkohle freigesetzt.
geheizten Drehofen mit konzentrierter Schwefel- Das Molekül des Fluorwasserstoffs ist stark
säure um. Dabei gast Fluorwasserstoff aus, der dipolar (Alsfasser et al. 2007, S. 104). Wasser-
kondensiert und die Rohsäure bildet (Kaiser 1966): stoffbrücken sind für den im Vergleich zu anderen
Halogenwasserstoffen hohen Siedepunkt von
CaF2 þ H2 SO4 ! 2 HF þ CaSO4 19,5 °C verantwortlich und auch für die Bildung
von Oligomeren. Seine wässrige Lösung, die
Durch wiederholte Rektifikation wird dann die Flusssäure, ist eine schwache Säure (pKs ¼ 3,14),
Reinsäure gewonnen, die frei von Wasser und wenn man sie etwa mit Salzsäure vergleicht.
Fluorsulfonsäure (HSO3F) ist (Kaiser 1966). Fluorwasserstoff ätzt Glas und reagiert auch mit
5 Einzeldarstellungen 405

anderen Silikaten zu gasförmigem Siliciumtetra- Sie greift Glas stark an, wirkt stark ätzend auf die
fluorid: Haut, die Schleimhäute und die Bindehaut der
Augen. Schon die Einwirkung geringer Mengen,
SiO2 þ 4 HF ! SiF4 " þ2 H2 O beispielsweise in Form einer handtellergroßen
Verätzung, kann schnell zum Tod führen. Man
Reinen gasförmigen Fluorwasserstoff trans- bewahrt Flusssäure entweder in Behältern aus
portiert man in Tankwaggons aus Eisen, da sich Kunststoff oder rostfreiem Stahl auf. Die Herstel-
die Oberfläche des Eisens mit einer Fluoridschicht lung erfolgt durch Umsetzung von Calciumfluorid
überzieht, die das Material gegen weiteren Angriff (Fluorit) mit Schwefelsäure bei einer Temperatur
schützt. Ventile, Rohrleitungen und Apparaturen um 280 °C im Drehrohrofen, wobei die Reakti-
bestehen geeigneterweise aus Monelmetall (Le- onsgase in einen auf einer Temperatur von rund
gierung aus Nickel und Kupfer). Flusssäure dage- 100 °C gehaltenen Destillationsturm abgeführt
gen wird in Kunststofftanks transportiert. werden. Der noch verunreinigte Fluorwasserstoff
Man setzt Fluorwasserstoff zur Produktion von wird isoliert, entgast, verflüssigt, fraktioniert des-
Aluminiumfluorid, synthetischem Kryolith, Uran- tilliert und von Wasser zwecks Erzeugung von
VI-fluorid und vielen anderen Fluorverbindungen Flusssäure absorbiert.
ein. Fluorwasserstoff dient zudem als Katalysator Flusssäure greift Edelmetalle nicht an, aber
bei der Herstellung von Treibstoffen. Kupfer, Silber, Tantal und Blei schwach (Holle-
Der menschliche Organismus nimmt Fluor- man et al. 2007, S. 449). Sie löst Glas bzw. Quarz
wasserstoff vor allem über die Atemwege und unter Bildung von Silicium-IV-fluorid auf. Die
die Haut auf. Gasförmiger Fluorwasserstoff wird gesamte in Europa jährlich hergestellte Menge liegt
im Fall des Einatmens praktisch völlig in den obe- bei ca. 230.000 t. Einsatzgebiete sind die Produkti-
ren Atemwegen resorbiert, aber auch bei Haut- on perfluorierter Kohlenwasserstoffe, von Tetra-
kontakt. Flüssiger Fluorwasserstoff oder seine fluorethen (Monomer des Teflons), von Fluorchlor-
wässrige Lösung, der Flusssäure, wirken ätzend kohlenwasserstoffen (Kältemittel), die Gewinnung
auf Haut (s. Abb. 2) und Schleimhäute, insbeson- von Metallen und in geringerer Menge die als
dere die der Augen. Unbedingt muss sofort erste Katalysator bei der Verarbeitung von Rohöl. Im
Hilfe bei Hautkontakt durch Behandlung mit Labor ätzt man mit einer durch Ammoniumfluorid
Calciumgluconat-Gel geleistet werden. Gelangt abgepufferten Flusssäure Metalle wie Wolfram,
Fluorwasserstoff erst einmal in den Organismus, Niob, Tantal oder Titan sowie natürlich Silicium-
so hemmt er die Wirkung vieler Enzyme, was oft IV-oxid bzw. Glas (Gottschling 2004).
tödliche Folgen hat. Die wichtigsten in der Natur vorkommenden
Flusssäure ist die wässrige Lösung von Fluor- Fluoride sind Fluorit und Fluoroapatit. Natrium-
wasserstoff und ist eine farblose, stechend rie- fluorid verwendet man heute noch als Holzschutz-
chende, hochgiftige Flüssigkeit, die in Form ihrer mittel, früher auch als Gift gegen Ratten und
38 %igen Lösung bei 112 °C siedet, bei 44 °C Ungeziefer. Die die Ozonschicht der unteren Stra-
erstarrt und eine Dichte von 1,14 g/cm3 besitzt. tosphäre stark schädigenden gasförmigen Fluor-
chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) wurden früher
als Kältemittel in Kühlschränken und als Treibgas
für Spraydosen eingesetzt. Zwar greifen dem-
gegenüber reine Fluorkohlenwasserstoffe (FKW)
die Ozonschicht kaum oder gar nicht an, jedoch
absorbieren alle diese Verbindungen Infrarotlicht
und sind daher als Treibhausgase.
Sonstige Verbindungen Polytetrafluorethen
(PTFE) setzt man seit langem unter dem Handels-
®

Abb. 2 Flusssäureverätzung an einer Hand (Dr. Watchorn namen Teflon in vielerlei Beschichtungen ein.
2012) Fluortenside sind chemisch und thermisch sehr
406 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

stabil und werden daher oft bei der Behandlung xylapatit der Zähne eingebaut wird. Fluorapatit
von Oberflächen eingesetzt. Nur sind auch diese ist durch seine geringere Wasserlöslichkeit ge-
Stoffe kaum bioabbaubar. genüber dem Speichel beständiger. Zudem wird
Mit den anderen Halogenen bildet Fluor eine der zuvor durch Säure aufgelöste Apatit wieder
Reihe von Interhalogenverbindungen. Wichtig ausgefällt und in den Zahn eingebaut, wodurch
sind Chlor- und Bromtrifluorid (ClF3 bzw. BrF3), sich die Zahnsubstanz stets erneuert. Fluorid
die man als starke Fluorierungsmittel verwendet. hemmt zudem die Wirkung bestimmter Enzyme
Sie werden in den Kapiteln Chlor und Brom näher und unterbricht den Stoffwechsel kariesverursa-
beschrieben. chender Bakterien (Stösser und Heinrich-
Mit den Edelgasen Argon, Krypton und vor Weltzien 2007). Daher wurde dem Trinkwasser
allem Xenon reagiert Fluor und bildet Verbindun- in der Schweiz zur Kariesprophylaxe bis 2003
gen wie Xenon-II-fluorid (XeF2). Krypton-II- Fluorid zugesetzt (Gesundheitsdepartement
fluorid (KrF2), die einzige bekannte Kryptonver- Basel-Stadt 2003); in Deutschland bleibt die
bindung, ist neben den Xenaten das stärkste Fluoridierung des Trinkwassers verboten. Er-
bekannte Oxidationsmittel. wachsene vertragen die Aufnahme von bis zu
10 mg Fluorid pro Tag (Ekmekcioglu und Marktl
Anwendungen Der größte Teil des hergestellten 2006). Fluorid wirkt in höheren Dosen als den
elementaren Fluors geht in die Herstellung von beschriebenen toxisch.
Uran-VI-fluorid. In Gaszentrifugen oder -diffusi- Fluor und die meisten seiner Verbindungen
onsanlagen trennt man dabei das leichter flüchtige sind für Menschen und viele andere Organismen
235
UF6 vom schwerer flüchtigen 238UF6. Ebenfalls sehr giftig. Es wirkt auf Lunge, Haut und vor
nur mittels elementaren Fluors kann man Schwefel- allem auf die Augen stark ätzend. Bei Kontakt
VI-fluorid (SF6) herstellen, das z. B. als gasförmiger mit Körperflüssigkeit (Wasser) entsteht der eben-
Isolator in Hochspannungsschaltern dient. falls hochgiftige Fluorwasserstoff. Nimmt der
Ein weiteres Einsatzgebiet gasförmigen Fluors Mensch Fluorwasserstoff (Flusssäure) über den
ist die Oberflächenfluorierung von Kunststoffen, Magen auf, so führt die dann einsetzende akute
etwa bei Kraftstofftanks in Automobilen. Die auf Vergiftung zu Schleimhautverätzungen, bluti-
der Oberfläche des Kunststoffs erzeugte fluorierte gem Erbrechen und Durchfall, unstillbarem
Schicht verringert die Durchlässigkeit für Benzin. Durst und heftigen Leibschmerzen, oft auch
Durch eine Fluorierung erhöht man die Ober- zum Tod. Einatmen kann am Ende zu ebenfalls
flächenenergie vieler Kunststoffe, weshalb man tödlichen Lungenödemen führen. Bei Hautkon-
Polyolefine – mit diesem allerdings relativ teuren takt ergeben sich zunächst Verätzungen, dann
Prozess – entsprechend vorbehandelt, dass diese tief reichende, schlecht heilende Geschwüre
lackiert oder verklebt werden können. Auch in (Forth et al. 2001); auch hier kann nach Ablauf
Hohlräumen befindliche Oberflächen werden durch bereits weniger Stunden oder Tage der Tod ein-
Fluorgas erreicht (Tressaud et al. 2007). Das durch treten.
Reaktion von Fluor mit Grafit entstehende Grafit- Fluorwasserstoff verändert die Tertiärstruk-
fluorid benutzt man als Trockenschmiermittel und tur von Proteinen (Edwards et al. 1984). Bereits
Elektrodenmaterial. mit Spuren vorhandener Al3+-Ionen bildet Fluo-
rid Fluoridoaluminate, die Orthophosphationen
Toxikologie und biologische Bedeutung Der strukturell ähnlich sind und so bestimmte Pro-
menschliche Körper enthält ca. 5 g Fluoride, ge- teine in ihrer Wirkung beeinflussen (Lubkowska
rechnet auf Grundlage eines Körpergewichtes et al. 2002), was schließlich zu einer Hemmung
von 70 kg (Keim und Schwederski 2005). Der von Enzymen führen kann, z. B. bei Enolase.
größte Teil davon befindet sich in den Knochen Fluoressigsäure und ihre Derivate werden nach
und Zähnen. Aufnahme in den Körper in Fluorocitrat umge-
Fluorid verringert das Risiko von Zahnkaries, wandelt, das das Enzym Aconitase hemmt. Da-
da es anstelle von Hydroxidionen in den Hydro- durch steigt die Konzentration von Citrat im Blut
5 Einzeldarstellungen 407

an, was wiederum zum Absterben von Körperzel-


len führt (Proudfoot et al. 2006). Nur perfluorierte K. Ono und Y. Osanai, Fluorine containing
Alkane, die als Blutersatzstoffe getestet werden, polymer particles (Toray Fine Chemicals
und die handelsüblichen Fluorkohlenwasserstoffe Co., Ltd.; Toray Industries, WO 202010
wie PTFE (Teflon), PVDF oder PFA gelten als 5671 A1, veröffentlicht 28. Mai 2020)
ungiftig. H. Ichikawa und Y. Okumura, Solution con-
Auch der Staub von Calciumfluorid erwies taining label precursor compound for
sich gegenüber Tieren und Menschen als toxisch radioactive fluorine labeled compound
(Schmidt 1954; King et al. 1958; Hilfenhaus et al. (Nihon Medi Physics Co., Ltd., TW
1969; Leyton 1975; Rennie 2008). Ständige Auf- 202012394 A, veröffentlicht 1. April
nahme von Dosen von >20 mg Fluorid pro Tag 2020)
resultiert in einer chronischen Fluorvergiftung M. W. Spatz und R. R. Singh, Compositions
(Fluorose), die zunächst Symptome wie Husten, containing fluorine substituted olefins
Atemnot oder eine Dentalfluorose mit Verände- (Honeywell Intl. Inc., MX 370517 B,
rung von Struktur und Farbe des Zahnschmelzes veröffentlicht 17. Dezember 2019)
zeigt, die am Ende auch in einer Fluorosteopathie
enden kann. Bei letztgenannter wird das Kallus-
gewebe vermehrt, wodurch ein Elastizitätsverlust
mit erhöhtem Risiko der Brüchigkeit auftreten 5.2 Chlor
kann, später auch eine völlige Versteifung von
Gelenken oder der Wirbelsäule. Trotzdem setzt Geschichte Scheele (Kurzbiografie siehe „Mo-
man Fluorid zur Behandlung der Osteoporose ein, lybdän“) stellte 1774 erstmals Chlor durch Reak-
um die Struktur der Knochen zu stabilisieren tion von Salzsäure mit Braunstein (Mangan-IV-
(Forth et al. 2001). oxid) her, erkannte aber nicht dessen elementare
Durch die Arbeit mit Fluorid hervorgerufene Natur, weil man auch die Salzsäure selbst für eine
Gesundheitsschäden wie Skelettfluorose, Lun- sauerstoffhaltige Säure eines noch nicht aufge-
genschäden, Reizung des Magen-Darm-Trakts fundenen Elements, des Muriums, hielt. Jene soll-
oder Verätzungen sind anerkannte Berufskrank- te durch Reaktion mit dem relativ sauerstoffrei-
heiten und unter Bk-Nr. 13 08 erfasst (Valentin chen Braunstein weiteren Sauerstoff aufnehmen
et al. 1985). und gasförmig entweichen (Holleman et al. 2007,
S. 433; Schmittinger et al. 2006). Ungefähr
30 Jahre später versuchte Davy (Kurzbiografie
Patente
siehe „Natrium“) auf diversen Wegen, den etwaig
(Weitere aktuelle Patente siehe https://
an Chlor chemisch gebundenen Sauerstoff durch
worldwide.espacenet.com)
Erhitzen mit Reduktionsmitteln, am Ende aber
erfolglos, abzuspalten. Davy vermutete daher, dass
R. Friedrich und F. Koch, Fluorine compounds
es sich bei Chlor um ein damals neues Element
(Merck Patent GmbH, US 2020223976
handelte und nannte es nach seiner hellgrünen Farbe
A1, veröffentlicht 16. Juli 2020)
„Chlor“, nach der griechischen Bezeichnung χλωρ-
Y. Tang und S. N. Yedave, Fluorine ion
óς (chlōrós, deutsch ‚hellgrün‘).
implantation methods and system (Ente-
Ein erstes Verfahren zur Erzeugung von Chlor
gris Inc., WO 2020123907 A1, veröf-
in größerem Maßstab entwickelte Weldon, der es
fentlicht 18. Juni 2020)
aus Salzsäure und Mangan-IV-oxid herstellte. Das
G. Ceder und J. Lee, Fluorine substituted
von Weldon entwickelte Verfahren ist dreistufig.
cation-disordered lithium metal oxides
Zunächst reagiert Mangan-IV-oxid mit Salzsäure
and methods of making same (Univer-
unter Bildung von Chlor und Mangan-II-chlorid:
sity of California, US 2020194790 A2,
veröffentlicht 18. Juni 2020)
MnO2 þ 4 HCl ! MnCl2 þ Cl2 þ 2 H2 O
408 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Mangan-II-chlorid wird dann mit Kalkwasser


versetzt; in diese Aufschlämmung wird Luft einge- che Forschung zu betreiben. 1877 nahm
leitet. Dabei entsteht Calciummanganit, das wieder ihn die Royal Society of Edinburgh als
in das Verfahren eingespeist wird: Mitglied auf.

Der britische Chemiker Henry Deacon


2 MnCl2 þ 3 CaðOHÞ2 þ O2
(* 30. Juli 1822 London; † 23. Juli 1876
! CaO  2 MnO2 þ 3 H2 O þ 2 CaCl2
Widnes) begann 1836 seine Ausbildung bei
Galloway & Sons in London, wechselte drei
Das entstehende Calciummanganit reagiert mit Jahre später zu Nasmyth & Gaskell und
HCl wie folgt: 1848 zur Glasfabrik in St. Helens. Er ent-
warf einen ersten Dampfhammer. Vor allem
CaO  2 MnO2 þ 10 HCl entwickelte Deacon aber ein Verfahren zur
! CaCl2 þ 2 MnCl2 þ 2 Cl2 þ 5 H2 O Herstellung von Chlor aus Chlorwasserstoff
und Luftsauerstoff (Deacon 1872; Fenwick
Das MnCl2 kann zurückgewonnen werden, Allen 2016).
während das CaCl2 zu entsorgen ist.
Diese Methode war aber nicht sehr wirtschaft- 4 HCl þ O2 ! 2 Cl2 þ 2 H2 O
lich, daher trat 1866 das Deacon-Verfahren an
seine Stelle, das mit Luftsauerstoff und Kupfer- Das nach ihm benannte Verfahren wurde
II-chlorid als Katalysator arbeitete. Gegen Ende später durch die Chloralkalielektrolyse er-
des 19. Jahrhunderts wurde die Elektrolyse wäss- setzt.
riger Kochsalzlösungen am wichtigsten und ist es
Henry Deacon starb 1876 an Typhus.
heute noch.

Der englische Chemiker und Journalist Vorkommen


Walter Weldon (* 31. Oktober 1832 Wegen seiner großen Reaktivität tritt Chlor kaum
Loughborough; † 20. September 1885 elementar auf, nur beispielsweise in der Ozon-
Burstow) entwickelte einen Prozess, bei schicht oder in vulkanischen Gasen. In ersterer
dem das bei der Erzeugung von Chlor aus wird es durch Einwirkung von UV-Strahlung aus
Chlorwasserstoff und Braunstein gebildete Fluorchlorkohlenwasserstoffen abgespalten; die
Mangan-II-chlorid wieder in Mangan-IV- dabei entstehenden freien Chlorradikale sind
oxid (Braunstein) überführt und so wieder
hauptsächlich verantwortlich für den Abbau der
in das Verfahren eingebracht werden konn-
schützenden Ozonschicht (Römpp Online 2012).
te. Später traten das Deacon-Verfahren und
Das Chloridion aber kommt in diversen Salzen und
dann die Chloralkalielektrolyse an dessen
in riesigen Mengen vor, sein Anteil an der kon-
Stelle.
tinentalen Erdkruste liegt bei 145 ppm (Lide 2005).
Weldon arbeitete ab 1854 erst als Journalist Im Meerwasser der Ozeane ist die Konzentra-
bei mehreren Zeitungsverlagen, gab ab tion an Chlorid noch wesentlich höher. Mit
1860 über den von ihm gegründeten Verlag einem Gehalt von 19,4 g/L ist Chlorid das häu-
Weldon & Company ein monatlich erschei- figste Halogen (1,4 mg/L F, 68 mg/L Br und
nendes Magazin zu Literatur, Kunst und 0,06 mg/L I) (Lide 2005). Das verbreitetste
Wissenschaft heraus. Später verlegte er Chlorid in Meerwasser ist Natriumchlorid, unser
Zeitschriften über Mode, Haushalt und Speisesalz. Die höchsten Gehalte an Chlorid ha-
ab 1888 sogar Handbücher zum Thema ben abflusslose Seen wie der Aralsee, das Tote
Stricken und die weibliche Leserschaft (La- Meer oder das Kaspische Meer.
dies’ Journal, erschien bis 1954!). Trotzdem Wichtige chloridhaltige Minerale sind Halit
hatte er nebenbei noch Zeit, wissenschaftli- (Steinsalz, Natriumchlorid), Sylvin (Kaliumchlo-
5 Einzeldarstellungen 409

rid), Carnallit (KMgCl3 ∙ 6 H2O), Kainit [KMgCl teil dabei ist, dass die Natronlauge verunreinigt
(SO4) ∙ 3 H2O] und Bischofit (MgCl2 ∙ 6 H2O). und auch nur in geringer Konzentration anfällt;
Manche der größeren Lagerstätten entstanden daneben enthält das erzeugte Chlor Sauerstoff.
durch Trockenlegung früher vorhandener Meere. Das moderne Membranverfahren vermeidet
Zunächst kristallisieren die schwächer löslichen diese Nachteile, benötigt eine gesundheitlich ge-
Natriumsalze aus, darüber dann die leichter was- genüber Asbest unbedenkliche Kunststoffmem-
serlöslichen des Kaliums. In Deutschland befin- bran und verdrängt daher das ältere Diaphragma-
den sich große Salzlagerstätten z. B. in Bad Rei- verfahren langsam (Schmittinger et al. 2006). Die
chenhall, Stassfurt und Bad Friedrichshall, in Membran trennt beide Elektrodenräume effekti-
Österreich in der Gegend von Hallein. ver voneinander, wodurch die produzierte Natron-
Meeresorganismen (Seetang, Schwämme, Ko- lauge reiner und auch höher konzentriert anfällt.
rallen) sind gelegentlich ebenfalls in der Lage, chlor- Nachteilig sind aber immer noch die Verunrei-
organische Verbindungen herzustellen (Gribble nigung des Chlors durch Sauerstoff und die relativ
2003), kaum aber terrestrischen Lebewesen. Chlor- hohen Betriebskosten.
radikale wiederum entstehen durch Zersetzung or- Obwohl es durch die vollständige Trennung
ganischer, vom Menschen produzierter Fluorchlor- von Anoden- und Kathodenraum die reinsten Pro-
kohlenwasserstoffe (FCKW) und beschleunigen dukte liefert, wird das Amalgamverfahren nur
den Abbau von Ozon in der Stratosphäre (Dameris noch selten eingesetzt (Schmittinger et al. 2006).
et al. 2007). Dabei wird an einer aus Quecksilber bestehenden
Kathode nicht Wasserstoff, sondern zuerst Na-
Gewinnung Chlor ist mit einer jährlichen Pro- trium abgeschieden, das mit Quecksilber sofort
duktionsmenge von ca. 60 Mio. t eine sehr bedeu- in Natriumamalgam übergeht. Das Amalgam setzt
tende Grundchemikalie. Technisch stellt man es man in einer separaten Zelle kontrolliert an Grafit-
meist elektrolytisch her; als Nebenprodukt fällt es kontakten mit Wasser um, wobei reine Natron-
bei der zur Gewinnung von Natrium bzw. Ma- lauge, Wasserstoff und Quecksilber gebildet
gnesium eingesetzten Schmelzflusselektrolyse an. werden. Quecksilber ist aber sehr toxisch und ge-
Eine wässrige Natriumchloridlösung ist stets fährlich für die Umwelt, weswegen immer auf-
Ausgangsstoff für die verschiedenen Verfahren der wändigere und teurere Schutzmaßnahmen reali-
Chloralkali-Elektrolyse, die sich nur im Aufbau der siert werden müssen, die das Verfahren am Ende
Elektrolysezelle unterscheiden. Produziert werden unwirtschaftlich machen.
entsprechend folgender Brutto-Reaktionsgleichung
dabei Natronlauge, Chlor und Wasserstoff: Eigenschaften Chlor ist bei Raumtemperatur ein
gelbgrünes Gas einer Dichte von 3,214 g/L. Es
2 NaCl þ 2 H2 O ! 2 NaOH þ Cl2 " þH2 " kondensiert bei 34,6 °C zu einer gelben Flüssig-
keit (siehe Tab. 2), die bei 101 °C erstarrt
Die Anode, an der Chlor entsteht, muss von der (Holleman et al. 2007). Chlor ist schon durch
Kathode, an der Wasserstoff und Hydroxidionen Anwendung eines Drucks von 6,7 bar bei Raum-
gebildet werden, streng getrennt sein. Andernfalls temperatur zu verflüssigen und ist in Stahlflaschen
entstünde ein explosives Gasgemisch, Chlorknall- oder Kesselwagen transportierbar (Holleman et al.
gas, und zudem würde Chlor mit Hydroxidionen 2007). Mit fallender Temperatur hellt sich Chlor
zu Hypochlorit reagieren. immer mehr auf, bei 195 °C ist es fast farblos
Knapp die Hälfte des Chlors produziert man (Klapötke und Tornieporth-Oetting 1994).
mittels des Diaphragmaverfahrens (Schmittinger Chlor liegt, wie die anderen Halogene auch, als
et al. 2006), bei dem Anoden- und Kathodenraum zweiatomiges Molekül vor, in dem die beiden
voneinander durch ein aus Asbest bestehendes Chloratome 199 pm voneinander entfernt sind.
Diaphragma aus Asbest getrennt werden. Durch Von allen Halogenen hat Chlor, nicht Fluor, die
dieses können nur Natriumionen, nicht aber Chlo- mit 242 kJ/mol höchste Dissoziationsenthalpie
rid- und Hydroxidionen diffundieren. Von Nach- (Atkins und Paula 2006; Greenwood und Earns-
410 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Chlor


Symbol: Cl
Ordnungszahl: 17
CAS-Nr.: 7782-50-5

Aussehen: Gelbgrünes Chlor, flüssig unter 7,4 bar Chlor, gasförmig


Gas Druck [Cl-24] [Cl-25]
Entdecker, Jahr Scheele (Schweden), 1774
Davy (England), 1811
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
35
17Cl (75,77) Stabil –
37
17Cl (24,23) Stabil –
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 1900
Atommasse (u): 35,45
Elektronegativität 3,16 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Cl2 + 2 e > 2 Cl (V) +1,36
Atomradius (pm): 100
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 175
Kovalenter Radius (pm): 102
Elektronenkonfiguration: [Ne] 3s2 3p5
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1251 ♦ 2298 ♦ 3822
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,3 · 108
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Orthorhombisch
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): 206
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) 3,215
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 17,39 · 106 (fest)
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,0089
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 33,95
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 101,5 ♦ 171,65
Schmelzwärme (kJ/mol): 3,2
Siedepunkt (°C ♦ K): 34,6 ♦ 238,55
Verdampfungswärme (kJ/mol): 20,4
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 100,98 ■ 1,387
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 143,75 ■ 7,991

haw 1988). Im Fluormolekül liegt eine besonders eines Chlormoleküls ist im festen Gitter schwach
kurze Bindung der Fluoratome vor, die zur Ab- mit jeweils zwei weiteren Atomen an andere Mo-
stoßung der freien Elektronenpaare und damit zur leküle assoziiert. Zwischen den Schichten sind die
Schwächung der Bindung führt. Im Chlormolekül Abstände etwas größer (Collin 1952). Dadurch
dagegen kommt es nicht zu einem derartigen Ef- sind Chlorkristalle plättchenförmig strukturiert
fekt, da die Choratome weiter voneinander ent- und leicht spaltbar (Müller 2008).
fernt sind. In Wasser löst sich Chlor unter teilweiser Dis-
Chlor kristallisiert im festen Zustand ortho- soziation etwas [2,3 L Chlor pro Liter Wasser
rhombisch (Collin 1956), die Chlormoleküle sind (Römpp Online 2012)] zum sogenannten Chlor-
dabei in Schichten angeordnet. Dies ist ebenso bei wasser. In flüssigen chlorhaltigen Verbindungen
festem Iod und Brom zu beobachten. Jedes Atom wie Dischwefeldichlorid (S2Cl2), Siliciumtetra-
5 Einzeldarstellungen 411

chlorid (SiCl4) und Chloroform ist es hingegen lich, Ausnahmen sind die Chloride des Silbers
relativ leicht löslich, wie auch in Solventien (AgCl), Quecksilbers (Hg2Cl2) und Bleis (PbCl2).
wie Benzol, Essigsäure und Dimethylformamid Natriumchlorid (Speisesalz) kommt natürlich in
(Schmittinger et al. 2006). riesigen Mengen im Meerwasser vor. Kalium-
Chlor ist sehr reaktionsfähig und reagiert mit chlorid findet man z. B. in den Stassfurter Salzen;
fast allen Elementen, ausgenommen nur Stick- es ist oft Grundstoff für Dünger.
stoff, Sauerstoff und die Edelgase. Einige Metalle, Chlorwasserstoff (HCl) ist ein farbloses Gas
von unedlen wie Mangan und Zink bis hin zu den der Dichte 1,64 kg/m3 (0 °C), das bei einer Tem-
Platinmetallen, reagieren mit trockenem Chlor peratur von 85 °C zu einer farblosen Flüssig-
erst bei höheren Temperaturen. Ein steigender keit kondensiert; jene erstarrt bei 114,8 °C. Das
Feuchtigkeitsgehalt des Chlors erhöht dessen Re- stechend riechende Gas löst sich sehr leicht in
aktivität gegenüber Metallen erheblich. Wasser; die Lösung heißt Salzsäure und stellt
Sehr heftig reagiert Chlor mit Wasserstoff eine sehr starke Mineralsäure dar (Robinson
(Chlorknallgasreaktion), ebenso sehr lebhaft mit und Bates 1971). Im Labor stellt man Chlorwas-
anderen wasserstoffhaltigen Verbindungen wie serstoff aus konzentrierter Schwefelsäure und
Ammoniak, Schwefelwasserstoff oder Ethin. Natriumchlorid oder auch durch Erhitzen eines
Mit Alkanen verläuft die Reaktion des Chlors Trockengemisches von Natriumhydrogensulfat
durch radikalische Substitution. Durch Einwir- und -chlorid her.
kung von Hitze oder Bestrahlung katalysiert, bil- In der chemischen Industrie fällt Chlorwasser-
den sich zuerst einzelne Chlorradikale, die die C- stoff meist als Nebenprodukt bei der Chlorierung
H-Bindungen des Alkans aufbrechen können, organischer Verbindungen an oder wird durch
wobei Alkylradikale und Chlorwasserstoff entste- Chlorknallgasreaktion (Zündung eines Gemi-
hen. Dieses Alkylradikal reagiert mit anderen sches aus Wasserstoff und Chlor beispielsweise
Chlormolekülen im Sinne einer Kettenreaktion. durch Belichtung) gewonnen.
Chlor ist wegen seiner hohen Reaktivität nur Bei der Photochlorierung oder Sulfochlorie-
wenig regioselektiv, es kann auch zu mehrfacher rung von Kohlenwasserstoffen fällt Chlorwasser-
Chlorierung eines Kohlenstoffatoms kommen stoff als Koppelprodukt an (s. Abb. 3).
(Brückner 2004). Eine derartige Chlorierung ist In einem Liter Wasser lösen sich bei 0 °C 520 L
jedoch nur bei Alkanen, nicht aber bei Aromaten (850 g) Chlorwasserstoffgas, bei 20 °C noch
möglich; bei letzterem gelingt die Einführung ei- 442 L. An feuchter Luft bildet HCl-Gas Nebel
nes Chloratoms nur per elektrophiler Substitution, aus Salzsäure-Tröpfchen.
die durch eine Lewissäure wie Aluminiumchlorid Salzsäure ist Bestandteil des Magensaftes al-
katalysiert wird (Brückner 2004). lesfressender Tiere und bewirkt auch im mensch-
lichen Magen die Denaturierung der Nahrung.
Verbindungen Chlor tritt in seinen Verbindun- Neben der vielfältigen Verwendung als Säure
gen in den Oxidationszahlen von 1 bis +7 auf, findet reiner Chlorwasserstoff Verwendung als
meist jedoch als Chlorid mit der Oxidationszahl Chlorierungsmittel in der Oxychlorierung von
1, nur in Fluor- und Sauerstoffverbindungen Ethen zu Vinylchlorid.
kommt es in positiven Oxidationszahlen vor. Chlorwasserstoff ist ätzend und bereits in nied-
Wasserstoffverbindungen und Chloride Chlo- rigen Konzentrationen giftig. Beim Einatmen tre-
ride leiten sich von Chlorwasserstoff (HCl) ab, ten oft Reizungen und Verätzungen der Schleim-
dessen wässrige Lösung die starke Mineralsäure häute und der Atemwege auf, die zu einer akuten
Salzsäure ist. Meist sind Chloride gut wasserlös- Bronchitis oder Lungenentzündung führen kön-

Abb. 3 Endständige
Sulfochlorierung von
Alkanen
412 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

nen. Bei Kontakt mit Haut und Kleidung lässt sich von Chlor ein. Chlordioxid wurde das wichtigste
die Säure mit Wasser gut und restlos auswaschen. in der Industrie verwendete Bleichmittel (Renberg
Sauerstoffverbindungen Chloroxide sind äu- et al. 1995; Wilhelm 2008, S. 252).
ßerst reaktiv und zerfallen meist heftig in die Ele- Großtechnisch stellt man Chlordioxid aus-
mente. Technisch wichtig sind nur Dichloroxid gehend von Natriumchlorat (NaClO3) her; zudem
(Cl2O) und Chlordioxid (ClO2). nutzen praktisch alle industriell angewandten
Dichlormonoxid (Cl2O) erhält man durch Über- Bleichprozesse Chlordioxid. Bei der Aufberei-
leiten von Chlor über Quecksilber-II-oxid (Brauer tung von Trinkwasser setzt man als Ausgangsstoff
1975, S. 310). Das gelbbraune, stechend riechende meist Natriumchlorit (NaClO2) ein. Erzeugte man
Gas kondensiert bei 7,8 °C zu einer tiefbraunen ab den 1950er-Jahren im Mathieson-Verfahren
Flüssigkeit, die bei 116 °C erstarrt. In Wasser ist noch Chloridioxid, das man durch Umsetzung
die Verbindung gut löslich, wobei sich Hypochlo- von Schwefel-IV-oxid mit Natriumchlorat erhielt
rige Säure bildet. Analog löst sich Dichlormonoxid (Sixta 2006, S. 734), hat man anstelle des
gut in Laugen unter Bildung von Hypochloriten. Schwefel-IV-oxids im heutigen Solvay-Verfahren
Man kann die Verbindung nur in flüssiger oder Methanol und Schwefelsäure im Einsatz. Jene
fester Form bei Temperaturen von 78 °C la- setzt man im Überschuss ein, da der für die Re-
gern. Im Licht zersetzt sich Dichlormonoxid und aktion nötige niedrige pH-Wert beibehalten wer-
explodiert bei Kontakt zu organischen Stoffen (Ca- den muss. Zur Vermeidung einer Explosion des
dy 1957; Holleman et al. 1995, S. 492). Chlordioxids (Jin et al. 2008; López et al. 1994)
Bei Raumtemperatur ist Chlordioxid (ClO2) ein bläst man Luft durch die Reaktionsmischung. Die
bernsteinfarbenes, giftiges Gas (Dalhamn 1957) Mischung aus dem bei der Umsetzung entstehen-
mit stechendem Geruch, dessen Gemische mit Luft den Chlordioxid und Luft entstehenden Gas leitet
explodieren können, wenn der Gehalt mehr als man in auf eine Temperatur von 8–10 °C gekühl-
10 Vol.-% an Chlordioxid beträgt. Meist wendet tes Wasser ein. In der gekühlten wässrigen Lösung
man Chlordioxid in wässriger Lösung an (siehe erzielt man Chlordioxid-Konzentrationen von 8–
Abb. 4). Die Anwendung von Chlordioxid beruhen 10 g/l an ClO2 (Deshwal und Lee 2005a, b). Pro
auf seiner oxidativen Wirkung. Man nutzt es oft Monat werden etwa 10–15 % bei Lichtausschluss
anstelle von Chlor, da es weniger gesundheits- und Raumtemperatur abgebaut.
schädliche chlorierte organische Verbindungen Man kann zur Darstellung von Chlordioxid
bei der Reaktion mit organischen Substanzen bil- auch Kaliumchlorat mit konzentrierter Schwefel-
det. Als Bleichmittel der chlorfreien Bleiche von säure umsetzen. Zur Verringerung der Explosi-
Zellstoff hat es elementares Chlor inzwischen fast onsgefahr wird Oxalsäure zugesetzt, wobei sich
vollständig ersetzt. Auch in der Trinkwasserauf- ein Gemisch aus Chlordioxid und Kohlendioxid
bereitung setzt man es zur Desinfektion anstelle bildet (Brauer 1963, S. 303).
Das Molekül des Clordioxids ist gewinkelt
(Bindungswinkel: 117°, Länge der Cl–O-Bin-
dung 147 pm (Holleman et al. 2007, S. 482). Bei
einer Temperatur von 11 °C kondensiert die Ver-
bindung zu einer öligen, bernsteinfarbenen Flüs-
sigkeit, die bis hinab zu Temperaturen um 40 °C
explosiv ist (Sattelberger et al. 2002) und dann bei
59 °C zu orangeroten Kristallen orthorhombi-
scher Struktur (Raumgruppe 61) mit acht Formel-
einheiten pro Elementarzelle erstarrt (Rehr und
Jansen 1992).
Lösungen in Wasser sind gelb bis braungelb
gefärbt und nicht explosiv, wenn sie nicht mehr
Abb. 4 Chlordioxid-Lösung in Wasser (Iridos 2010) als 10 Vol.-% Chlordioxid enthalten. Neben der
5 Einzeldarstellungen 413

Anwendung in der Textil- und Zellstoffindustrie Chlorid und Hypochlorit entstehen. Anschließend
setzte man es zum Bleichen von Mehl, Stärke, säuert man die Lösung etwas an, so dass Hypo-
Salben und Wachs ein. Bei der Desinfektion von chlorit teilweise in Hypochlorige Säure übergeht,
Trinkwasser ist es sehr wichtig (Belluatia et al. und jene oxidiert Hypochlorit zu Chlorat. In der
2007), aber auch bei der von Abwässern. Zur Tö- Technik stellt man Natriumchlorat durch Elektro-
tung pathogener Bakterien ist es bei der Behandlung lyse einer heißen wässrigen Kochsalzlösung her,
von Geflügel, rotem Fleisch, Fisch und Meeres- indem man das anodisch gebildete Chlor in der
früchten sowie Obst und Gemüse unverzichtbar. durch die Elektrolyse natriumhydroxidhaltigen
Chlordioxid ist ein Desinfektionsmittel mit weiteren Lösung hält (Brauer 1963, S. 312). Chlorsäure
zahlreichen Anwendungen (Junli et al. 1997). kann man durch Anwendung wasserentziehender
Dichlorheptaoxid (Cl2O7) ist ein farbloses, Substanzen bis zu einem Gehalt von 40 % auf-
flüchtiges Öl der Dichte 1,86 g/cm3 (0 °C), das bei konzentrieren. Darüber hinaus tritt Zersetzung zu
Temperaturen von 82 °C siedet und von 91,5 °C Chlor, Chlordioxid und Perchlorsäure ein. Auch
erstarrt. Es ist das Anhydrid der Perchlorsäure und in geringerer Konzentration zeigt Chlorsäure
kann daher durch deren Dehydratisierung mit brandfördernden Charakter, weswegen sie nicht
Phosphor-V-oxid im Temperaturbereich von 70 mit organischen Materialien in Kontakt gebracht
°C bis 0 °C mit folgender Vakuumdestillation dar- werden darf.
gestellt werden (Brauer 1975, S. 315). Umgekehrt Wasserfreie Perchlorsäure (HClO4) ist eine an
reagiert es mit Wasser unter Rückbildung zu Per- der Luft rauchende, hygroskopische, stark oxidie-
chlorsäure (Steudel 2008, S. 514). Zwar ist es stabi- rend wirkende, farblose (siehe Abb. 5) und flüch-
ler als die anderen Chloroxide, explodiert aber eben- tige Flüssigkeit der Dichte 1,77 g/cm3, die bei
falls bei Kontakt mit einer Flamme oder durch 112 °C erstarrt und bei 130 °C siedet. Perchlor-
Schlag. Im Molekül der Verbindung sind die ClO3 säure ist mit einem pKs von 10 eine extrem
Gruppen gegeneinander um 15° verdreht. starke Säure und zählt zu den Supersäuren. Bei
Die Sauerstoffsäuren des Chlors sind die Hypo- Kontakt mit Haut und Schleimhaut bewirkt sie
chlorige Säure (HClO), Chlorige Säure (HClO2), schwere Verätzungen. Beim Erhitzen wässriger
Chlorsäure (HClO3) und Perchlorsäure (HClO4). Lösungen von Perchlorsäure mit mehr als 50 %
Die Stärke der Säuren nimmt mit der Zahl der Massenanteil besteht Explosionsgefahr, ebenso
Sauerstoffatome im Molekül zu, aber die ersten beim Einengen oder Konzentrieren mit Trock-
drei sind nur in wässriger Lösung oder in Form nungsmitteln. Wasserfreie Perchlorsäure kann
ihrer Salze beständig. bereits bei Raumtemperatur explodieren, bei Kon-
Chlorsäure (HClO3) ist in reiner Form nicht takt mit brennbaren Stoffen besteht Explosions-
beständig und existiert nur in verdünnter wässrger und Brandgefahr.
Lösung, die als starkes Oxidationsmittel eingesetzt
wird. Ihre Salze, die Chlorate, sind dagegen in
der Industrie teilweise sehr wichtig. Das Molekül
der Chlorsäure besitzt eine trigonal-pyramidale
Struktur. Die Verbindung ist eine starke Säure
(pKs ¼ 2,7), die in Wasser vollständig in Ionen
dissoziiert vorliegt. Chlorate der Alkalimetalle lösen
sich in Wasser mit ungefähr neutralem pH-Wert.
Obwohl Chlorsäure vor allem im sauren Mi-
lieu ein starkes Oxidationsmittel ist, kann sie an-
dererseits auch zur Perchlorsäure oxidiert werden,
in deren Molekül das Chloratom die Oxidations-
zahl +7 aufweist (Holleman et al. 1985, S. 227).
Chlorsäure stellt man durch Einleiten von
Chlor in heiße Natronlauge her, wobei zuerst Abb. 5 Perchlorsäure 60 % (W. Oelen 2010)
414 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Perchlorsäure stellt man durch Zugabe von Gefäßen hergestellt. Glas wird unter Bildung von
starken Säuren, z. B. Schwefelsäure, aus ihren Silicium-IV-fluorid zerstört, die meisten organi-
Salzen, so etwa Kaliumperchlorat, her. Kalium- schen Stoffe verbrennen.
perchlorat erhält man durch Erhitzen von Kalium- Man setzt Chlor-III-fluorid bei Fluorierungen
chlorat (Brauer 1963, S. 318). Perchlorate wirken ein, so bei der Herstellung von Uran-VI-fluorid,
auf Pflanzen stark toxisch und sind daher in Un- darüber hnaus bei der Produktion mikroelektro-
krautbekämpfungsmitteln enthalten. Außerdem nischer Bauteile (Rudhard und Leinenbach 2008).
sind sie Bestandteil einiger Sprengstoffe. Man Während des Zweiten Weltkriegs prüften es Mi-
nutzt Perchlorsäure in der Biochemie zur Fällung litärtechniker des Deutschen Reiches als mögli-
von Proteinen, sie desaktiviert einige Enzyme un- chen Treibstoff für Raketen, in denen es aber dann
mittelbar (Holleman et al. 1995, S. 480). nie eingesetzt wurde (Clark 1972, S. 214). Das
Halogenverbindungen Chlor bildet meist mit Gas ist äußerst toxisch, das Einatmen bewirkt
Fluor, weniger mit Brom und Iod Interhalogenver- Verätzungen der oberen Atemwege und der Lun-
bindungen. Chlorfluoride (ClF, ClF3) sind starke ge; als Begleiterscheinung tritt starker Husten auf.
Oxidationsmittel; in ihnen ist Chlor das elektro- Außerdem wird die Hornhaut des Auges bei Ex-
positive Element. In den wenigen Verbindungen, position irreversibel geschädigt.
die es mit Brom und Iod bildet (BrCl, JCl, JCl3), ist Chlor-V-fluorid (ClF5) ist ein farbloses Gas
es hingegen der elektronegativere Bestandteil. von stechendem Geruch, das man durch Reaktion
Chlor-I-fluorid (ClF) ist äußerst reaktionsfähig eines equimolaren Gemisches von Fluor und
und wurde von Ruff erstmals dargestellt (Holleman Chlor-III-fluorid unter Druck erhält (Smith 1963).
et al. 1995, S. 466). Das farblose Gas der Dichte Das Gas der Dichte 5,99 kg/m3 (25 °C) konden-
2,23 kg/m3 (25 °C) kondensiert bei 101,1 °C zu siert bei 13 °C; die Flüssigkeit kristallisiert bei
einer hellgelben Flüssigkeit, die bei weiterem Küh- 102 °C. Das Molekül des Chlor-V-fluorids be-
len auf 155,6 °C erstarrt. Man stellt die Verbin- sitzt eine quadratisch-pyramidale Struktur (siehe
dung durch Erhitzen einer Mischung von Chlor Abb. 6), wobei die Cl-F-Bindungen zu den in der
und Fluor auf eine Temperatur von 250 °C in Ebene des Quadrats liegenden Fluoratomen etwas
Anwesenheit von Kupferspänen her. Ebenso kann länger sind. Zwar zersetzt sich die Verbindung in
man Chlortrifluorid mit Chlor in stöchiometri- der Hitze, aber sie ist unter Normalbedingungen
schem Verhältnis umsetzen (Brauer 1975, S. 166). mit ΔHB0 ¼ 255 kJ/mol immer noch stark exo-
Chlor-I-fluorid reagiert sehr heftig mit Wasser, Me- therm (Riedel und Janiak 2015, S. 432).
tallen und zahlreichen organischen Verbindungen. Organische Verbindungen Die Mehrzahl der
Mit Glas setzt es sich unter Bildung von Chlor- organischen Chlorverbindungen sind syntheti-
oxiden um (MacIntyre 1992, S. 2829). schen Ursprungs. Chloralkane und -alkene sowie
Chlor-III-fluorid (ClF3) erhält man durch Re- chlorierte Aromaten setzt man oft als Lösungs- oder
aktion der Elemente in stöchiometrischem Ver- Kältemittel, als Hydrauliköle oder in Pflanzen-
hältnis bei 400 °C (Brauer 1975, S. 168). Das schutzmitteln ein. Jedoch sind polychlorierte Sub-
hellgelbe Gas der Dichte 3,57 kg/m3 (25 °C) stanzen – wie das 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin
kondensiert bei 12 °C; die Flüssigkeit erstarrt bei
76,3 °C. Das Gas besitzt in verdünntem Zustand
einen süßlichen, in höherer Konzentration stark
reizenden Geruch. Die Verbindung ist extrem re-
aktiv; so reagiert sie mit Wasser sehr heftig unter
Freisetzung von Sauerstoff. Die meisten Metalle
werden sofort unter Bildung von Fluoriden ange-
griffen, nur diejenigen nicht, auf deren Oberfläche
sich eine schützende Schicht aus Fluorid bildet.
Letzteres gilt beispielsweise für Kupfer; daher Abb. 6 Struktur des Moleküls des Chlor-V-fluorids mit
wird Chlor-III-fluorid in aus Kupfer bestehenden Bindungslängen und – winkeln (Benjah-bmm27 2006)
5 Einzeldarstellungen 415

Chlor auch bei der Desinfektion von Trinkwasser


zunehmend durch Ozon oder Chlordioxid sub-
stituiert (Römpp Online 2014b).
Trotz der Gefährdungspotenzials von Chlor
Abb. 7 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (Emeldir 2014) und vieler seiner organischen Verbindungen über-
wiegen auf der Kosten- und technischen Seite
immer noch Vorteile gegenüber Ersatzprodukten,
(siehe Abb. 7, „Seveso-Gift“) – stark toxisch, sind weshalb Chlor weiterhin industriell in großen
zudem persistent und akkumulieren in vielen Orga- Mengen eingesetzt wird (Buttgereit 1994).
nismen, so auch im Menschen.
In der Natur erscheinen organische Chlorverbin- Toxikologie und biologische Bedeutung Einge-
dungen in diversen niederen Organismen. Methyl- atmet, verätzt Chlor die Atemwege, da es mit
chlorid beispielsweise entstammt zu mehr als zwei Feuchtigkeit zu Salzsäure und Hypochloriger
Dritteln seiner Gesamtmenge Meeresorganismen Säure reagiert. Die Folgen können von Atemnot
(!), Verbindungen wie L-2-Amino-4-chlor-4-pen- bis Bluthusten und Lungenödemen reichen. Eine
tensäure kommen in einigen Pilzen vor. Verglichen Konzentration von 0,5 bis 1 % Chlor in der
mit der Menge organischer Chlorverbindungen, die Atemluft wirkt tödlich; es tritt Atemstillstand ein
vom Menschen in die Umwelt entlassen werden, ist (Römpp Online 2012). Chlor wirkt ebenfalls stark
die auf natürlichem Wege produzierte nicht gering toxisch auf kleine Säuretiere (LC50 für Ratten
(Naumann 1993). 293 ppm, für Mäuse 137 ppm; Einwirkzeit jeweils
1 h (Römpp Online 2012).
Anwendungen Etwa ein Drittel der industriell Wegen seiner hohen Reaktivität besteht beim
hergestellten Chlormenge ging vor etwa 15 Jahren Kontakt von Chlor mit z. B. Wasserstoff, Ammo-
noch in die Produktion von Vinylchlorid, aus dem niak und vielen organischen Verbindungen Explo-
Polyvinylchlorid (PVC) hergestellt wird (Schmit- sionsgefahr.
tinger et al. 2006). Ein weiterer großer Anteil entfiel Chlorid ist für die Versorgung des Menschen
auf die Produktion von Pharmazeutika; die heutigen mit Mineralien essenziell. Ein Mensch von ca. 75 kg
Zahlen dürften kaum davon abweichen (Schmittin- Gewicht enthält ca. 100 g Chlorid (Keim und
ger et al. 2006). Auch Grundchemikalien wie Gly- Schwederski 2005). Aufgenommen wird es meist
cerin (über Allylchlorid und Epichlorhydrin oder als Natriumchlorid. Die empfohlene tägliche Men-
Propylenoxid zählen hierzu (Römpp Online 2014). ge für die Aufnahme von Chlorid liegt bei 3,2 g für
Elementares Chlor verwendet man zur Synthe- Erwachsene und 0,5 g für Säuglinge (Keim und
se hydrolyseempfindlicher Chloride, die daher nicht Schwederski 2005).
aus wässrigen Medien erhältlich sind. Dies sind
z. B. Titan-IV-chlorid (TiCl4), Silicium-IV-chlorid
Patente
(SiCl4), Aluminiumchlorid (AlCl3), Tantal-V-chlo-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://
rid (TaCl5) usw.
worldwide.espacenet.com)
Die durch Einleiten von Chlor in Wasser ge-
bildete hypochlorige Säure (HClO) ist ein starkes
A. Mor, Chlorine dioxide disinfection devi-
Desinfektions- und Bleichmittel, das in Toi-
ce (Medivators, Inc., WO 2020167535
letten-, Grill- und Küchenreinigern sowie
A1, veröffentlicht 20. August 2020)
zum Bleichen von Baumwolle, Papier und Zell-
L. E. Degreeff und J. M. Crespo Cajigas,
stoff eingesetzt wird. In letzteren wurde Chlor
Derivatization of vaporous chlorine by
jedoch inzwischen meist durch Wasserstoffper-
propylene oxide (US Government, Sec-
oxid (oxidative Bleiche) oder Natriumdithionit
tion Navy. US 2020247736 A1, ver-
(reduktive Bleiche) ersetzt (Süss 2006), um die
öffentlicht 6. August 2020)
Gefahr der Bildung chlororganischer Verbindun-
gen zu verringern. Aus demselben Grund ist wird (Fortsetzung)
416 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

J. N. Kim und J. H. Choi, Generation system ment zu suchen. 1826 entdeckte Balard
for antiseptic solution including chlorine dann das Brom, das er isolierte und dessen
(privat, KR 102085474 B1, veröffentlicht Eigenschaften er bestimmte. Wegen des
23. April 2020) üblen Geruchs nannte er diese chlorähn-
X. Kun und F. Dimascio, Low risk chlorine liche Substanz „bromine“ („Brom“). Er
dioxide onsite generation system (Eco- wies in einer Reihe von Meeresorganismen
lab USA, Inc., MX 2019011331 A, ver- das Vorhandensein von Brom nach. Außer-
dem suchte er nach einfachen und preis-
öffentlicht 5. Dezember 2019)
werten Methoden zur Entsalzung von
M. Nagatomo et al., Process for producing
Meerwasser. 1844 nahm ihn die Wissen-
chlorine trifluoride (Central Glass Co.,
schaftliche Akademie als Mitglied auf
Ltd., JP 2018062427 A, veröfentlicht
(Pötsch et al. 1988; Flahaut und Charlot
19. April 2018)
2003).

Der deutsche Chemiker Carl Jacob Löwig


(* 17. März 1803 Bad Kreuznach; † 27.
5.3 Brom März 1890 Breslau) studierte bei Gmelin,
arbeitete später als Professor für Chemie an
Geschichte Balard wies 1826 das Vorhandensein den Universitäten von Heidelberg und Zü-
von Brom in Seealgen nach und erkannte dessen rich. 1853 übernahm er die Nachfolge von
elementare Natur. Zwar stellte Von Liebig zwei Bunsen als Ordinarius an der Universität
Jahre zuvor Brom dar, als er Chlor in eine Probe Breslau, deren Reaktor er 1856/57 war. Er
der Salzhausener Sole einleitete, erkannte aber arbeitete hauptsächlich über Verbindungen
nicht, dass das bei diesem Versuch freigesetzte des Broms, das er 1825 durch Einleiten von
Brom ein neues Element war, sondern deutete es Chlor in Kreuznacher Solewasser in noch
fälschlicherweise als Iodchlorid (Brock 1999). unreiner Form gewann.
Der deutsche Chemiker Löwig erkannte dagegen
ein Jahr vor Balard, dass es sich bei der in seinen Er verfasste 1840 ein großes Handbuch zur
„Chemie der organischen Verbindungen“,
Experimenten erzeugten Substanz um ein neues
das vor dem Erscheinen des „Beilstein“ das
Element handelte, aber Balard kam ihm mit der
einzige deutschsprachige Handbuch der Or-
Veröffentlichung seiner Ergebnisse zuvor und gilt
ganischen Chemie war. Er war Mitbegründer
daher als offizieller Entdecker des Broms. Gay-
der ersten chemischen Fabrik in Schlesien
Lussac (Kurzbiografie siehe „Bor“) schlug den (Landolt 1890; Wankmüller 1987).
Namen Brom (abgeleitet vom griechischen Wort
für „Gestank“) vor.
Vorkommen Brom tritt in der Natur meist in
Form Bromiden vor, deren von der Menge her
Der französische Chemiker Antoine-Jérô- größten Vorkommen im Meerwasser, aber auch
me Balard (* 30. September 1802 Mont-
in abflusslosen Seen wie dem Toten Meer liegen,
pellier; † 30. März 1876 Paris) durchlief
die Israel und Jordanien zu den wichtigsten Pro-
zuerst die Ausbildung zum Apotheker in
duzenten von Brom weltweit erheben. Ebenso
Montpellier. Die 1811 durch Courtois er-
findet sich Kaliumbromid und -bromat in natürli-
folgte Entdeckung des Iods in den Rück-
ständen der Verbrennung aus der Nordsee chen Salzlagerstätten. Dem in der Atmosphäre in
stammender Algen motivierte ihn, in den an geringen Spuren im Konzentrationsbereich von
der Küste des Languedoc vorkommenden <1 ppb vorkommenden Bromoxid wird eine
Algen und Salzrückständen nach einem maßgebliche Rolle beim radikalisch verlaufenden
weiteren, zu Chlor und Iod verwandten Ele- Abbau der Ozonschicht über den Polgebieten zu-
geschrieben.
5 Einzeldarstellungen 417

Für Tiere ist Brom in sehr geringen Mengen beständigste und am häufigsten vorkommende
lebensnotwendig (essenziell). Die Gegenwart von Oxidationsstufe ist die des Bromids (1), positive
Bromid ist für den Aufbau des Kollagens im Bin- Oxidationszahlen besitzt Brom nur in Verbindun-
degewebe erforderlich (McCall und Scott 2014). gen mit Sauerstoff, Fluor oder Chlor.
Wasserstoffverbindungen und Bromide Bromi-
Gewinnung Industriell gewinnt man Brom durch de stammen vom Bromwasserstoff (HBr) ab, der,
Oxidation von Bromidlösungen mit Chlor: in Wasser gelöst, eine starke Säure ist, vergleich-
bar der Salzsäure (HCl). Meist sind Bromide
2 KBr þ Cl2 ! Br2 þ 2 KCl leicht löslich in Wasser, Ausnahmen sind Silber-
bromid, Quecksilber-I-bromid und Blei-II-bro-
Hauptsächlich nutzt man Sole, stark salzhaltige mid. Natrium- und Kaliumbromid sind die be-
Tiefenwässer, Salzseen, gelegentlich auch Meer- kanntesten Bromide.
wasser (Jasinski 2007), wogegen sich die früher Die industrielle Herstellung von Bromwasser-
praktizierte Gewinnung aus den Restlaugen der stoff erfolgt durch die Umsetzung von Brom mit
Kaligewinnung nicht mehr lohnt. Die jährliche einem Überschuss an Wasserstoff bei 500 °C, bei
Produktionsmenge beträgt ca. 500.000 t, neben Einsatz eines aus Platin bestehenden Katalysators
Israel und Jordanien kommt die größte Menge des lässt sich die Reaktionstemperatur auf 375 °C
Broms und seiner Verbindungen aus den USA und senken (Yoffe et al. 2013). Bromierungen aroma-
China. Das Brom wird aus den wässrigen Lösun- tischer Verbindungen sind darüber hinaus eine
gen ausgetrieben und destillativ abgetrennt. wichtige Quelle für Bromwasserstoff, der hier
als Nebenprodukt anfällt (Brauer 1963, S. 282).
Eigenschaften Die Dichte des flüssigen, chlor- Schließlich erhält man Bromwasserstoff relativ
ähnlich riechenden, ebenfalls sehr toxischen Broms einfach durch Zugabe konzentrierter Phosphor-
beträgt bei Raumtemperatur 3,12 g/cm3. (siehe säure zu Alkalibromid und leichtes Erwärmen
Tab. 3). Unterhalb einer Temperatur von 7,3 °C der Mischung.
erstarrt Brom zu dunklen Kristallen, die bei noch Bromwasserstoff hat bei 0 °C eine Dichte von
tieferen Temperaturen eine zunehmend hellere Far- 3,65 kg/m3, kondensiert bei 66,4 °C; die Flüs-
be zeigen. Es ist in Wasser etwas, in einigen orga- sigkeit erstarrt bei 86,9 °C. Das Gas löst sich
nischen Lösungsmitteln wie Alkoholen, Kohlen- sehr leicht in Wasser; die dabei entstehende Brom-
stoffdisulfid oder Tetrachlorkohlenstoff dagegen wasserstoffsäure ist mit einem pKs von 8,9 eine
sehr gut löslich. In Wasser gelöstes Brom reagiert sehr starke Säure. Hierdurch wirkt auch Bromwas-
langsam unter zwischenzeitlicher Bildung von Hy- serstoffgas stark reizend auf Augen und Atem-
pobromiger Säure (HBrO) und anschließender Ab- wege.
gabe von Sauerstoff zu Bromwasserstoff (HBr). Sauerstoffverbindungen Von Brom und Sauer-
Sonnenlicht beschleunigt die Fotolytische Zerset- stoff kennt man einige Verbindungen, von denen
zung von HBrO stark; deshalb bewahrt man Brom- Dibromtrioxid (Br2O3) und Dibrompentoxid (Br2O5)
wasser in braunen, wenig lichtdurchlässigen Fla- als Feststoffe isolierbar sind. Daneben bildet Brom
schen auf. mehrere Sauerstoffsäuren, die Hypobromige Säure
Brom ist sehr reaktionsfähig, jedoch etwas we- (HBrO), die Bromige Säure (HBrO2), die Bromsäure
niger als Chlor. Gegenwart von Feuchtigkeit er- (HBrO3) und die Perbromsäure (HBrO4), die nur in
höht die Reaktivität des Broms deutlich. Mit wässriger Lösung oder in Form ihrer Salze bekannt
Wasserstoff reagiert es bei erhöhter Temperatur und stabil sind.
zu Bromwasserstoff. Mit fast Metallen reagiert Einwirkung von Quecksilber-II-oxid auf Brom
es, meist heftig, unter Bildung der jeweiligen erzeugt das braune Dibrommonoxid (Br2O), das
Bromide (Holleman et al. 2007). nur bei Temperaturen unterhalb von 40 °C stabil
ist und sich oberhalb dieser Temperaturgrenze
Verbindungen In seinen Verbindungen tritt Brom teils heftig wieder zu Brom und Sauerstoff zer-
mit den Oxidationszahlen 1 bis +7 auf. Die setzt:
418 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Brom


Symbol: Br
Ordnungszahl: 35
CAS-Nr.: 7726-95-6

Aussehen: Rotbraune Flüssigkeit Brom, flüssig und gasförmig


Entdecker, Jahr Von Liebig (Deutschland), 1824
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
79
35Br (50,69) Stabil –
81
35Br (49,31) Stabil –
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 6
Atommasse (u):
Elektronegativität 3,16 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: Br2 + 2 e > 2 Br (V) +1,066
Atomradius (pm): 115
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 185
Kovalenter Radius (pm): 120
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d10 4s2 4p5
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1140 ♦ 2103 ♦ 3470
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,8 · 105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Orthorhombisch
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 331,65 K): 149
Dichte (g/cm3, bei 300 K) 3,12
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 19,78 · 106 (fest)
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,12
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 75,69
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 7,3 ♦ 265,85
Schmelzwärme (kJ/mol): 5,8
Siedepunkt (°C ♦ K): 58,5 ♦ 331,7
Verdampfungswärme (kJ/mol): 30
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 7,25 ■ 5,8
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 314,84 ■ 10,34

2 Br2 þ HgO ! HgBr2 þ Br2 O Brom-V-oxid (Br2O5) ist eine unter Normal-
bedingungen instabile Verbindung. Der nur bei
Bromdioxid (BrO2) erhält man durch Einleiten tiefer Temperatur zu erzeugende Feststoff zer-
von Ozon in eine Lösung von Brom in Trichlor- setzt sich oberhalb von 20 °C in die Elemente.
fluormethan oder durch Einwirkung einer Glimm- Man erhält es durch Einleiten von Ozon in eine
entladung auf ein aus Brom und Sauerstoff be- Lösung von Brom in Propionitril bei Temperatu-
stehendes Gemisch bei tiefer Temperatur (Brauer ren um 78 °C (Leopold und Seppelt 1994);
1975, S. 317). Erstmals isolierten Schwarz und hierbei fällt Brom-V-oxid aus der Lösung in
Schmeißer die Verbindung 1937 (Cohen 1997). Form weißer Kristalle aus, die allerdings drei
Bei tiefer Temperatur erscheint Bromdioxid als Moleküleinheiten Propionitril pro Formeleinheit
gelber, in Form eines Dimers vorliegender Fest- enthalten.
stoff. Oberhalb einer Temperatur von 0 °C tritt Brom-V-oxid ist das Anhydrid der Bromsäure
mehr oder weniger schnelle Zersetzung ein. und ein starkes Oxidationsmittel. Oberhalb einer
5 Einzeldarstellungen 419

Temperatur von 40 °C zersetzt es sich, unter Der Schmelzpunkt des in fester Form ockergel-
Umständen heftig, in die Elemente. ben Brom-I-chlorids liegt bei 54 °C; die Dichte
Halogenverbindungen Brom bildet eine Reihe des Feststoffs beträgt 3,13 g/cm3 (140°C). Die
von Interhalogenverbindungen, meist mit Fluor, ebenfalls ockergelbe Schmelze siedet bei 5 °C,
aber auch mit Chlor und Iod. und in gasförmigem Zustand zersetzt sich Brom-I-
Brom-I-fluorid (BrF) ist eine rotbraune, sehr chlorid oberhalb einer Temperatur von 10 °C.
flüchtige Flüssigkeit, die schon bei 20 °C siedet wobei schon ab 10 °C eine Zersetzung der Ver-
und bei 33°C erstarrt. Im gasförmigen Zustand bindung beobachtet wird. Im Kristallgitter des
ist die Verbindung hellrot und hat die Dichte Feststoffs liegen zickzackförmige BrCl-Ketten
4,04 kg/m3 (25 °C). Auch diese Verbindung ist vor, die Elementarzellen orthorhombischer Struk-
nicht sehr beständig, man setzt sie als Bromie- tur bilden (Raumgruppe 36; Drews und Seppelt
rungsreagens ein (MacIntyre 1992, S. 285). Man 2012). In Wasser hydrolysiert Brom-I-chlorid zu
stellt Brom-I-fluorid bei Temperaturen um 10 °C Salzsäure und Hypobromiger Säure (Kolditz
durch Einleiten von Fluor in Brom her (Holleman 1983, S. 528). Verwendung findet die Verbindung
et al. 1995, S. 466). bei der Produktion von Lithium-Schwefeldioxid-
Das hellgelbe Brom-III-fluorid (BrF3) erhält Batterien (tayloredge.com) und auch als Wirkstoff
®
man durch Umsetzung von Brom mit Fluor in stö- in Bioziden (beispielsweise Stabrom 909).
chiometrischem Verhältnis (Brauer 1975, S. 169). Organische Verbindungen Bromalkane, Bromal-
Die farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit der kene und bromierte aromatische Kohlenwasserstof-
Dichte 2,84 g/cm3 erstarrt bei 8,8 °C und siedet bei fe verwendet man unter anderem als Lösungsmittel,
125,7 °C. Die hochreaktive Verbindung zerstört Kältemittel, Hydrauliköle, Pflanzenschutzmittel,
Glas und Silicate nach kurzer Zeit (Simons 1950), Flammschutzmittel oder Arzneistoffe.
erleidet in Wasser heftige Hydrolyse und wirkt
stark ätzend auf die Haut. Das Molekül des Brom- Anwendungen Für Brom und seine Verbindun-
-III-fluorids ist annähernd T-förmig gebaut, wobei gen gibt es eine Vielzahl von Einsatzgebieten. Ele-
die axialen Br-F-Bindungen mit 181 pm etwas mentares Brom, gelöst in Methanol, dient zum
länger sind als die Bindung zwischen dem Brom- chemischen Polieren von Galliumarsenid sowie
und zentral angeordneten Fluoratom (172 pm). Der als Desinfektionsmittel, das milder als Chlor ist.
Bindungswinkel Fax-Br-Fz liegt bei 86,2°. Bromwasser ist ein guter Indikator für das Vorhan-
Man verwendet Brom-III-fluorid als starkes densein ungesättigter Kohlenwasserstoffe, durch
Fluorierungsmittel. die es entfärbt wird, dies aufgrund der Reaktion
Versuche zur Synthese des bei Raumtempera- der C¼C-Bindungen mit Brom.
tur gasförmigen Brom-I-chlorids (BrCl) wurden Bromide verwendet man als Narkose-, Beruhi-
schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts unternom- gungs- und Schlafmittel, früher auch zur Behand-
men. In diesen konnte man zunächst aber nicht die lung der Epilepsie (Bangen 1992). Methylbromid
Bildung einer Verbindung nachweisen (Lebeau ist ein Schädlingsbekämpfungsmittel, Monobro-
1906; Karsten 1907). In späteren Experimenten maceton setzt man als Tränengas ein.
ergaben sich zwar Anhaltspunkte dafür (Forbes Polybromierte Aromaten bzw. Diphenylether
und Fuoss 1927), aber erstmals nachgewiesen wirken als Flammschutzmittel in Verbundwerk-
wurde die Existenz des Brom-I-chlorids über den stoffen für Leiterplatten (Birnbaum und Staskal
Vergleich von Dampfdruckkurven und der späte- 2004). Bromierter Kautschuk wird zur Herstel-
ren Isolierung der Reinsubstanz (Lux 1930). Lux lung „luftdichter“ Reifen eingesetzt.
stellte es durch langsame Destillation einer aus In der Fotografie ist Silberbromid Bestandteil
Chlor und Brom bestehenden Mischung bei Tem- der lichtempfindlichen Suspension.
peraturen um 70 °C her. Alternativ kann man
eine Lösung von Chlor und Brom in Fluorchlor- Toxikologie und biologische Bedeutung Ele-
kohlenwasserstoff bereiten und diese mit UV-Licht mentares Brom ist sehr giftig und wirkt stark ät-
bestrahlen (Holleman et al. 1995, S. 466). zend. Kommt es mit Haut in Kontakt, so ruft es
420 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

schwer heilende Verätzungen hervor. Wird Brom Jahre später den ebenfalls französischen For-
inhaliert, so leidet der Betroffene zuerst unter schern Clément und Gay-Lussac. Letzterer und
Atemnot; in schweren Fällen ist die Bildung eines Davy gaben Iod den Namen in Anlehnung an
Lungenödems möglich. Brom wird in Gefäßen aus seine violette Farbe.
Glas, Blei, Monel, Nickel oder Teflon aufbewahrt.
Der französische Salpetersieder Bernard
Patente Courtois (* 8. Februar 1777 Dijon; † 27.
(Weitere aktuelle Patente siehe https:// September 1838 Paris) war der Entdecker
worldwide.espacenet.com) des chemischen Elements Iod und wuchs in
Saint-Médard Nitrary bei Dijon auf. 1795
Y. Wu et al., A method of pretreatment and wechselte er nach Auxerre, um dort eine
bromine recovery of PCB incineration Ausbildung zum Apotheker zu absolvieren.
ash (Beijing University of Technology, 1798 begann er seine Arbeit im Chemie-
US 2020262712 A1, veröffentlicht 20. labor von De Fourcroy in Paris. Dort führte
August 2020) er seine Studien der Chemie und Pharma-
M. A. Wolfovich et al., Brominated epoxy kologie an der Académie Polytechnique
polymers as wood coating flame retar- fort. Einer seiner Professoren, Séguin, ließ
dant formulations (Bromine Compounds ihn Opium erforschen, wobei beide gemein-
sam das Morphium entdeckten. Séguin
Ltd., US 2020239728 A1, veröffentlicht
machte sich den Verdienst der Arbeit voll-
30. Juli 2020)
ständig zueigen und nannte in seinen Ver-
N. J. Lee et al., A negative electrode having
öffentlichungen nie den Namen von Cour-
zinc particle and zinc-bromine flow bat-
tois. Friedrich Wilhelm Adam Sertürner
tery comprising the same (Korea Elec- wurde die Entdeckung offiziell von der
tronics Technology, KR 20200075310 Academie des Sciences zugeschrieben.
A, veröffentlicht 24. Juni 2020)
H. Cho et al., Recovery method for electro- 1811 entdeckte Courtois bei der Veraschung
lyte of zinc-bromine redox flow battery von Braunalgen der Gattung Laminaria aus
(Lotte Chemical Corp., KR 20200058081 der Nordsee das Element Iod. Dies war ein
A. veröffentlicht 27. Mai 2020) Nebenprodukt seiner Forschung, da er ei-
D. Pan und Y. Wu, Method for separating gentlich die Asche der Algen zur Gewin-
and recovering bromine in circuit board nung von Pottasche verwenden wollte, die
incineration ash using two-step process damals bei der Herstellung von Seifen in
(Beijing University of Technology, WO großem Umfang verwendet wurde. Beim
2020057025 A1, veröffentlicht 26. März Erhitzen dieser Asche mit Schwefelsäure
2020) stiegen violette Ioddämpfe auf, die sich an
den kühleren Glaswänden in Form glänzen-
der Iodkristalle niederschlugen Courtois er-
kannte aber nicht, dass Iod ein neues Ele-
5.4 Iod ment war, dies blieb Davy und Gay-Lussac
vorbehalten. Von ihnen erhielt Iod seinen
Geschichte Der französische Hersteller von So- Namen [vom griechischen „ioeiedes“ („vio-
da und Salpeter, Courtois, betrieb unter Anderem lett“)] (Guyotjeannin 1995; Swain 2005).
die Produktion von Schießpulver für die napoleo-
nische Armee und die von Seifen. Einer der Der französische Naturwissenschaftler Ni-
Grundstoffe für die Seifen war die mineralstoff- colas Clément (* 12. Januar 1779 Dijon; †
reiche Asche verbrannten Seetangs. Aus dieser 21. November 1841 Paris) war in Koope-
isolierte er 1811 Iod, ohne allerdings dessen ele- ration mit Charles-Bernard Désormes einer
der Entdecker des Elements Iod. Clément
mentare Natur zu erkennen. Dies gelang erst zwei
5 Einzeldarstellungen 421

HIO3 þ 3 H2 O þ 3 SO2 ! HI þ 3 H2 SO4


analysierte darüber hinaus 1806 die Zusam-
mensetzung von Halbedelsteinen wie La- Eleganterweise komproportioniert der Iod-
pislazuli, wichtig war die 1819 von ihm wasserstoff mit der restlichen noch in der Lösung
entwickelte Methode zur Bestimmung der befindlichen Iodsäure zu Iod:
spezifischen Wärmekapazität von Gasen.
Auch berechnete er die Schallgeschwindig-
HIO3 þ 5 HI ! 3 H2 O þ 3 I2
keit in Gasen, indem er in die allgemein
gültige Formel einen von ihm benannten
Ebenso relativ reich an Iod (bis zu 100 ppm in
Koeffizienten einsetzte.
Form von Natriumiodid) sind Salzsolen, die bei
der Produktion von Erdöl- und Erdgas anfallen.
Vorkommen Iod ist, ohne Berücksichtigung des Einleiten von Chlor bewirkt die Freisetzung ele-
Astats und des Tenness, das am seltenste in der mentaren Iods:
Natur vorkommende Halogen. Es tritt fast aus-
schließlich nur chemisch gebunden auf. Natrium- Cl2 þ 2 NaI ! I2 þ 2 NaCl
iodat (NaIO3) kann in Konzentrationen von <1 %
im Chilesalpeter enthalten sein. In Mitteleuropa Das Iod wird zwecks Reinigung aus der Lö-
liegt die Konzentration des Iods in trockenem, sung ausgeblasen, dann zunächst mit Hilfe von
wasserfreiem Boden bei 1–2 ppm. Vulkanische Schwefeldioxid zu Iodwasserstoff reduziert und
Gase und Thermalquellen können Spuren an Iod jener danach durch Behandlung mit Chlor wieder
enthalten. Iodid und Iodat liegen im Meerwasser zu Iod oxidiert.
in einer Konzentration von ca. 0,05 mg/L vor Reaktion von Mangan-IV-oxid mit Kaliumio-
(Truesdale et al. 2000). did in schwefelsaurer Lösung liefert im Labor-
In der Erdatmosphäre ist Iod spurenweise in maßstab Iod guter Reinheit. Durch Chlorierung
Form seiner Oxide (IxOy) oder deren Radikalen des iodhaltigen Extrakts von Algen ist Iod gleich-
nachweisbar; lokal, beispielsweise über an der falls erhältlich.
Küste schwimmenden Algen- und Tangfeldern
auch in höherer Konzentration (<10 ppt IO*) Eigenschaften Iod ist bei Raumtemperatur ein
(Seitz et al. 2010). Meeresalgen enthalten Iod in grauschwarzer, in Form metallisch glänzender
teils sehr hoher Konzentration (bis 19 g(!)/kg), Schuppen kristallisierender Feststoff einer Dichte
ebenso manche Tange und Schwämme (bis 14 von 4,94 g/cm3. Es geht oberhalb seines Schmelz-
g/kg). punkts von 113,7 °C in eine braune, elektrisch
leitende Flüssigkeit über, die bei 184,2 °C siedet
Gewinnung In früherer Zeit sammelte man die (siehe Tab. 4). Der Dampf ist violett und besteht
an der Küste angeschwemmten Algen bzw. Tange aus I2-Molekülen. Schon bei Raumtemperatur
ein und verbrannte diese. In der dabei erhaltenen zeigt es starke Neigung zur Sublimation.
Asche ist Iod in Form von Iodid bzw. Iodat in In seinen Eigenschaften leitet Iod zu den Halb-
einer Konzentration von ca. 0,1–0,5 % vorhan- metallen über und verhält sich teils wie ein Halb-
den. Dieses Verfahren ist aber veraltet, nur noch leiter. Iod kristallisiert in einem orthorhombischen
von regionaler Bedeutung und erzeugt nur noch Schichtgitter, dessen Ebenen I2-Moleküle enthal-
einen sehr geringen Teil der jährlichen Weltpro- ten. Die Länge der Bindung zwischen den beiden
duktion. Atomen eines Iodmoleküls liegt bei 272 pm und
Wesentlich wichtiger ist die Gewinnung von ist wesentlich kleiner als der Abstand zwischen
Iod aus den Mutterlaugen der Produktion von zwei Gitterebenen (441 pm).
Salpeter (Natriumnitrat), in denen es vor allem Iod ist nicht derart reaktionsfähig wie Chlor
als Iodat vorliegt. In diese Mutterlaugen wird und Brom. Mit Wasserstoff setzt sich Iod zu Iod-
Schwefeldioxid eingeleitet, das Iodat zu Iodid wasserstoff um, der aber längst nicht so beständig
reduziert: ist wie Chlorwasserstoff und beim Erwärmen
422 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Iod


Symbol: I
Ordnungszahl: 53
CAS-Nr.: 7553-56-2

Aussehen: Violette Kristalle Iodkristalle, Reinheit 99,9 %


Entdecker, Jahr Clément, Gay-Lussac (Frankreich), 1813
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
127
53I (100,0) Stabil –
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,06
Atommasse (u): 126,90447
Elektronegativität 2,66 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: I2 + 2 e > 2 I- (V) +0,54
Atomradius (pm): 140
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 198
Kovalenter Radius (pm): 139
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d10 5s2 5p5
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1008 ♦ 1846 ♦ 3180
Magnetische Volumensuszeptibilität: 4,3 · 105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Orthorhombisch
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 4,94
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 25,72  106 (fest)
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,449
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 54,44
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 113,7 ♦ 386,85
Schmelzwärme (kJ/mol): 7,76
Siedepunkt (°C ♦ K): 184 ♦ 457,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 41,6
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 113,5 ■ 12,1
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 572 ■ 11,7

schnell wieder in die Elemente zerfällt. Mit gas- I2-Moleküle jeweils mit einem Iodid-Anion zum
förmigem Ammoniak reagiert Iod heftig, da bei einfach negativ geladenen I3–-Anion, das sich in
dieser Umsetzung eine unmittelbar drastische die Molekülkette der Stärke einlagern kann. Diese
Zunahme des Gasvolumens eintritt: Einlagerungsverbindungen bewirken schon in
geringer Konzentrationen eine intensive Blaufär-
3 I2 þ 2 NH3 ! 6 HI þ N2 bung, die zum quantitativen Nachweis des Iods
genutzt wird.
Mit in Wasser gelöstem Ammoniak bildet Iod
dagegen Triiodstickstoff (NI3), einen violettbrau- Verbindungen Iod tritt in seinen Verbindungen
nen Feststoff, der meist schon bei leichter Berüh- mit den Oxidationszahlen 1 bis +7 auf, wobei
rung explodiert. die stabilste und häufigste 1 (Iodid) ist. Positive
Iod bildet, im Gegensatz zu den Halogenen Oxidationszahlen des Iods finden sich nur in sei-
niedrigeren Molekulargewichts, Polyhalogenide. nen Verbindungen mit Sauerstoff, Fluor, Chlor
Dabei verbinden sich in wässriger Phase gelöste und Brom. Wie bei Brom und Chlor sind die un-
5 Einzeldarstellungen 423

geraden Oxidationsstufen +1, +3, +5 und +7 sta-


biler als die geraden.
Kationen Iod bildet einige Kationen. Das blaue
Diiod-Kation (I2+) ist beispielsweise durch Oxi-
dation von Iod mit rauchender Schwefelsäure
(100 %ige H2SO4 mit 65 % Zusatzanteil an SO3) Abb. 8 Iod-V-oxid (Ruby)
zugänglich, oder aber durch Umsetzung von Iod
mit Antimon-V-fluorid in flüssigem Schwefel- OIO) mit jeweils gewinkelten IVO2- (I-O: 180 und
dioxid. 185 pm; Winkel O-I-O: 97°) und IIIIO2-Einheiten
Wasserstoffverbindungen und Iodide Iodide (I-O: 193 pm, Winkel O-I-O: 95,8°).
leiten sich von Iodwasserstoff (HI) ab, dessen Diiodpentoxid (I2O5) ist im Reinzustand ein
wässrige Lösung als Iodwasserstoffsäure be- weißes, kristallines Pulver (siehe Abb. 8), das sich
zeichnet wird. Diese ist eine der stärksten Säuren erst beim Erhitzen oberhalb einer Temperatur von
(pKs ¼ 10), also noch stärker dissoziiert als 275 °C zersetzt. Man stellt die Verbindung in zwei
Salzsäure. Von den meist gut wasserlöslichen Io- Stufen her. Zunächst trägt man Iod in rauchende
diden sind die des Natriums und Kaliums am Salpetersäure bei Temperaturen von 70–80 °C
bekanntesten. Schwer wasserlöslich sind nur die ein, worauf sich Iodsäure bildet:
Iodide des Silbers (AgI), Bleis (PbI2) und Queck-
silbers (Hg2I2 und HgI2). 3 I2 þ 10 HNO3 ! 6 HIO3 þ 10 NO þ 2 H2 O
Iodide sind kräftige Reduktionsmittel, dies
zeigt die bei Luftzutritt einsetzende Braunfärbung
wässriger Iodidlösungen. Silberiodid ist zudem Danach wird die so gebildete Iodsäure bei Tem-
auch lichtempfindlich; bei Lichteinfall oxidiert peraturen um 250 °C entwässert (Brauer 1975,
Ag+ Iodid zu Iod und kleinsten Silberkristallen, S. 318):
die die Schwarzfärbung bei Fotonegativen hervor-
rufen. 2 HIO3 ! I2 O5 þ H2 O
Sauerstoffverbindungen An Iodoxiden wurden
bisher IO, IO2, I2O4, I4O9, I2O5 und I2O6 nach- Erstmals stellten Davy und Gay-Lussac bereits
gewiesen, wovon Diiodpentoxid (I2O5) am be- 1813 Diiodpentoxid her. Der Aufbau des Mole-
ständigsten ist und als selektives Oxidationsmittel küls entspricht dem eines Bis(iodosyl)oxids [O2I–
eingesetzt wird (Holleman et al. 2007). O–IO2]; die Verbindung ist ein starkes Oxidans,
Diiodtetraoxid (I2O4) entsteht durch mehrtägi- stark hygroskopisch und hat die Dichte 4,98 g/cm3.
ge Einwirkung heißer konzentrierter Schwefel- In Wasser löst sich Diiodpentoxid unter Rückbil-
säure auf Iodsäure (Emeléus und Sharpe 1963, dung von Iodsäure. Die Kristallstruktur ist mono-
S. 77): klin (Raumgruppe P21/c, Nr. 14), der Winkel I-O-
I misst 139,2°, und die Längen der I-O-Bindungen
3 HIO3 ! I2 O4 þ HIO4 þ H2 O betragen 180 pm (terminal) bzw. 195 pm (Brücke)
(Selte und Kjekshus 1970).
Das gelbe, körnige Diiodtetraoxid der Dichte Man wendet Diiodpentoxid zur quantitativen
4,2 g/cm3 schmilzt bei 130 °C, zersetzt sich aber Bestimmung von Kohlenmonoxid etwa bei der
schon oberhalb einer Temperatur von 85 °C zu Analyse von Rauchgas an, da es dieses völlig zu
Diiodpentoxid und Iod. In heißem Wasser ist es Kohlendioxid bei gleichzeitiger Freisetzung von Iod
unter Disproportionierung zu Iodat und Iodid oxidiert. Jenes kann man dann titrimetrisch bestim-
löslich. Die Analyse des monoklin strukturierten men. Bei einigen organischen Synthesen dient es als
Kristallgitters (Raumgruppe 14; Wu et al. 2011) Oxidationsmittel, wie beispielsweise zur Darstel-
zeigt polymere Zickzack-Ketten mit I2O4-Einheiten lung cyclischer Ketone (Ban et al. 1987).
(Holleman et al. 2001, S. 465), jedoch entspricht der Diiodhexaoxid (I2O6) ist ein gemischtes Iod-V,
molekulare Aufbau dem eines Iodyliodits (O2I- VII-oxid. Man stellt es durch Reaktion von Peri-
424 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

odsäure mit Iodsäure bei Gegenwart von Schwe- Das Molekül der Iodsäure ist trigonal- pyrami-
felsäure her: dal aufgebaut. Sie ist eine mittelstarke Säure mit
einem pKS von 0,8 und wirkt stark oxidierend.
HIO3 þ H5 IO6 ! I2 O6 þ 3 H2 O Iodsäure ist polymorph. Die nichtzentrosymmetri-
sche α-Modifikation ist thermodynamisch stabil;
Auch der thermische Abbau von meta-Period- daneben existiert eine metastabile, zentrosym-
säure im Vakuum ergibt Diiodhexaoxid (Siebert metrische γ-Form (Fischer und Lindsjö 2005).
et al. 1977). Die Verbindung hat die Dichte Ihre Salze sind die Iodate, die zwar stabiler
4,92 g/cm3 und ist bis hinauf zu Temperaturen als Chlorate, aber ebenfalls starke Oxidations-
von 100 °C stabil. Bei Kontakt zu Wasser erfolgt mittel sind, da sie sich mit Metallpulvern oder
eine Rückbildung von Iod- und Periodsäure. Die Schwefel explosionsartig umsetzen können.
Struktur des Festkörpers ist triklin (Raumgruppe 2) Einwirkung von Schwefelsäure auf Iodate er-
mit einer Formeleinheit pro Elementarzelle (Kraft gibt Iodsäure.
und Jansen 1995). Periodsäure, in der Form von ortho-Periodsäure
Das hellgelbe, oberhalb einer Temperatur von (H5IO6), wirkt stark oxidierend, ist aber nur eine
75 °C instabile Tetraiodnonaoxid (I4O9) erhält schwache mehrbasige Säure mit einem pKS von
man durch Einwirkung von Ozon auf eine Lösung 3,29. Sie schmilzt bei 122 °C und zersetzt sich ober-
von Iod in Tetrachlorkohlenstoff bei 78 °C in halb ihres Schmelzpunktes. In Wasser ist die Säure
hoher Ausbeute (Holleman et al. 2019, S. 443): hervorragend löslich (3000 g/L bei 20 °C), sie kris-
tallisiert monoklin (Raumgruppe 14, Feikema 1966).
2 I2 þ 9 O3 ! I4 O9 þ 9 O2 Wird ortho-Periodsäure im Vakuum erhitzt, bildet
sich schließlich meta-Periodsäure [(HIO4)n]. Man
Man kann die Verbindung auch durch Entwäs- stellt die Verbindung aus Bariumorthoperiodat und
sern von Iodsäure in Phosphorsäure bei höherer Salpetersäure her, wobei das bei der Umsetzung
Temperatur darstellen (Brauer 2012, S. 331; Perry mitentstehende Bariumnnitrat in der salpetersauren
2016, S. 500): Lösung ausfällt (Brauer 1963, S. 322).
Halogenverbindungen Iod bildet mit den ande-
8 HIO3 ! 2 I4 O9 þ 4 H2 O þ O2 ren Halogenen einige Verbindungen, die fast im-
mer direkt aus den Elementen darstellbar sind. Iod
Tetraiodnonaoxid ist ein hellgelber, hygrosko- tritt hierbei immer als der elektropositivere Be-
pischer Feststoff, der beim Erhitzen auf über 75 °C standteil auf.
zerfällt. Die Verbindung stellt ein Iod-III-iodat-V Iod-I-fluorid (IF) ist ein weißes Pulver, aber
[I(IO3)3] dar und wird durch Alkalihydroxid stabil nur bei Temperaturen unterhalb von 78 °C.
zu Iodat und Iodid zersetzt. Tetraiodnonaoxid re- Oberhalb einer Temperatur von 14 °C dispro-
agiert mit Wasser zu Iodsäure und Iod. portioniert die Verbindung in elementares Iod (I2)
Iodoxide bilden mit Wasser die diversen, theo- und Iodpentafluorid (IF5). Wasser hydrolysiert
retisch denkbaren Sauerstoffsäuren Hypoiodige Säu- Iod-I-fluorid zu Fluorwasserstoff und Hypoiodi-
re (HIO, Salze: Hypoiodite), Iodige Säure (HIO2, ger Säure (HOI). Wegen seiner Instabilität kann
Salze: Iodite), Iodsäure (HIO3, Salze: Iodate) und man die Eigenschaften des Iod-I-fluorids nicht
die Periodsäure (H5IO6, Salze: Periodate). exakt bestimmen (Hoyer 2004). Bei tiefer Tem-
Iodsäure (HIO3) ist die einzige der Halogen-V- peratur stellt man es entweder aus den Elementen
säuren des Typs HXO3, die in wasserfreier Form dar oder aus Iod und Iod-III-fluorid in Trichlor-
erhältlich ist. Die farblosen Kristalle rhombischer fluormethan bei Gegenwart kleiner Mengen an
Struktur der Dichte 4,63 g/cm3 schmelzen bei 110 ° Pyridin (Brauer 1975, S. 171; Naumann 1980;
C unter Zersetzung, sind sher leicht in Wasser Musgrave 1960). Die Struktur des Iod-I-fluorids
löslich und können durch Umsetzung von Iod mit konnte bisher noch nicht bestimmt werden, nur
starken Oxidationsmitteln wie Salpetersäure, Chlor die Länge der I-F-Bindung im Molekül (191 pm)
oder Wasserstoffperoxid gewonnen werden. (Wiebenga et al. 1961).
5 Einzeldarstellungen 425

Iod-III-fluorid (IF3) wurde erstmals 1960 von


Schmeisser, einem der Pioniere der Fluorchemie,
aus den Elementen Iod und Fluor dargestellt
(Schmeisser und Scharf 1960). Außerdem ist bei-
spielsweise die Umsetzung von Iod mit Xenon-II-
fluorid in Trichlorfluormethan möglich (Holle-
man et al. 2007, S. 459–460):

I2 þ 3 XeF2 ! 2 IF3 þ 3 Xe

Das Molekül hat eine annähernd T-förmige


Abb. 9 Die pentagonal-bipyramidale Struktur des Mole-
Struktur (Winkel F-I-F: 80,1°, Länge der I-F- küls von Iod-VII-fluorid. Die Bindungslängen sowie -win-
Bindungen: I-Fax 198 pm, I-Feq 187 pm). Die kel sind jeweils angegeben
Verbindung ist nur bei Temperaturen unterhalb
von 28 °C beständig, oberhalb hiervon erfolgt
Disproportionierung zu Iod und Iod-V-fluorid.
Iodtrifluorid ist ein mäßig starkes Fluorierungs-
mittel.
Iod-V-fluorid (IF5) ist eine farblose, äußerst
reaktive, stechend riechende, farblose und an der
Luft rauchende Flüssigkeit der Dichte 3,21 g/cm3,
die bei Temperaturen von 9,4 °C bzw. 100,5 °C
erstarrt bzw. siedet. Die Verbindung wird durch
Wasser heftig zu Iodsäure und Fluorwasserstoff
hydrolysiert, ferner reagiert sie nahezu explosi-
onsartig mit wasserstoffreichen organischen Ver-
bindungen unter Fluorierung derselben und Bil-
dung von Fluorwasserstoff. Iod-V-fluorid wirkt
stark ätzend. Die geeignetste Methode der Dar- Abb. 10 Iod-I-chlorid (W. Oelen 2010)
stellung ist das Verbrennen von Jod im Fluor-
strom. Man setzt die Verbindung zu Fluorierun-
gen und zum Ätzen von Siliciumwafern ein. von Gay-Lussac erstmals dargestellt. Man erhält
Iod-VII-fluorid (IF7) stellt man zweistufig her. es durch Überleiten von Chlor über erhitztes Iod
Zunächst erzeugt man Iod-V-fluorid durch Ver- oder auch durch Kochen von Iod in Königswas-
brennen von Iod im Fluorstrom, worauf man das ser. Die Verbindung existiert in Gestalt zweier
zunächst gebildete Iod-V-fluorid mit überschüs- Modifikationen, die im festen Zustand Zickzack-
sigem Fluor und bei Temperaturen um 300 °C ketten aus ICl-Molekülen im Gitter bilden. Die bei
umsetzt (Brauer 1963, S. 160; Schumb und Lynch Raumtemperatur feste α-Form (Schmelzpunkt:
1950). Das starke Fluorierungsmittel ist bei Raum- 27,4 °C) riecht stechend und ist wenig hygrosko-
temperatur ein Gas; in festem Zustand liegt es in pisch, sie bildet rubinrote Nadeln. Die metastabi-
Form farbloser, bei 4,5 °C sublimierender Kristalle le, monokline β-Form liegt bei Raumtemperatur
vor. Die Verbindung greift Glas stark an, reagiert in Form eines braunroten Öls vor (s. Abb. 10). Der
heftig mit Wasser und wirkt stark ätzend. Die Siedepunkt des Iod-I-chlorids liegt bei 94,4 °C
Struktur des Moleküls ist pentagonal-bipyramidal (Holleman et al. 1995, S. 465).
(s. Abb. 9). Die Temperatur am Tripelpunkt beträgt Iod-I-chlorid hydrolysiert mit Wasser zu Chlor-
6,5 °C (Allison und Murphy 1930b). wasserstoff, Iodsäure und Iod und wird in einigen
Iod-I-chlorid (ICl) wurde 1814 jeweils unab- Fällen als Iodierungsmittel eingesetzt (Wallingford
hängig voneinander sowohl von Davy als auch und Krueger 1939). In Essigsäure gelöst, dient
426 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Argon ein reaktives Gas (wie etwa Iod-III-bro-


mid) in die Kammer ein. Das Gas reagiert dabei
teilweise mit der Oberfläche, aber auch mit dem
durch den physikalischen Anteil herausgeschla-
genen Material, zu einem gasförmigen Reakti-
Abb. 11 Käufliches ICl3 (Choij 2009) onsprodukt.

Iodchlorid als Reagenz zur Bestimmung der Iod- Anwendungen Iodtinktur und einige leicht Iod
zahl nach Wijs. Die Verbindung wirkt ätzend auf abspaltende Verbindungen (z. B. Iodoform, CHI3)
Haut und Schleimhäute, sie reizt auch stark die verwendet man als Mittel gegen Hautpilz (Anti-
Atemwege. mykotikum) und Desinfektionsmittel für medizi-
Iod-III-chlorid (ICl3) entsteht durch Einwir- nische Zwecke (Antiseptikum). Iodwasser kann
kung überschüssigen Chlors auf Iod-I-chlorid aber, im Gegensatz zu Chlorwasser, keine Algen
(Dill et al. 1992), hat die Dichte 3,12 g/cm3, mehr abtöten, so dass man ein Algenbekämpfungs-
schmilzt bei 33 °C und siedet bei 77 °C. Der in mittel zusetzen muss.
Form gelber bis rotbrauner, mit dimerer Struktur Zur Vorbeugung des Iodmangels, der u. a. zur
kristallisierender Nadeln (s. Abb. 11) vorliegende „Kropfbildung“ führen kann, setzt man Natrium-
Feststoff wirkt ätzend, riecht stechend und zer- oder Kaliumiodat in kleinen Mengen dem Speise-
fließt an der Luft. Die Verbindung ist gut in Etha- salz („Iodsalz“) zu.
nol, Benzol und Ether löslich, sie hydrolysiert Iod wird öfters als Katalysator bei chemischen
mit Wasser zu einer Mischung von Zersetzungs- Reaktionen eingesetzt, z. B. bei der stereospe-
produkten, darunter Iod-I-chlorid, Iodsäure und zifischen Polymerisation von 1,3-Butadien, der
Chlorwasserstoff (Holleman et al. 2007, S. 459). elektrophilen Sulfurierung aromatischer Verbin-
Bei organischen Synthesen dient es sowohl als dungen (Lewis-Säure-Katalysator) und auch
Iodierungs- als auch Chlorierungsmittel. der Alkylierung und Kondensation aromatischer
Iod-I-bromid (IBr) bildet dunkelgraue, ste- Amine.
chend riechende Kristalle der Dichte 4,42 g/cm3, Iodierte Aromaten dienen als Röntgenkontrast-
die bei einer Temperatur von 40 °C schmelzen mittel, Natriumiodid als Szintillator in Szintillati-
(Siedepunkt der Schmelze: 116 °C). Man stellt onszählern. Die radioaktiven Isotope 13153I (Halb-
die gut in Ethanol und Ether lösliche Verbindung wertszeit: 8,02 d) und 12353I (Halbwertszeit 13,22
durch längeres Erhitzen einer equimolaren Mi- h) setzt man als Radiopharmaka zur Therapie vor-
schung von Brom und Iod unter Inertgas dar. wiegend von Schilddrüsenerkrankungen ein.
Man nutzt Iod-I-bromid als Bromierungsreagenz
und zur Bestimmung der Iodzahl. Biologische Bedeutung und Toxizität In Kern-
Iod-III-bromid (IBr3) ist eine dunkelbraune kraftwerken sowie bei der Explosion von Nukle-
Flüssigkeit, die sich in Wasser, Alkohol und arwaffen werden unter anderem auch radioaktive
Ether löst. Man verwendet die Substanz zur Bro- Iodisotope freigesetzt. Für die im Umfeld eines
mierung und als reaktives Hilfsmittel beim Io- Kernkraftwerkes lebende Bevölkerung halten
nenstrahlätzen in der Elektronikindustrie. Dabei Bund und Länder Millionen von Kaliumiodid-
leitet man Argonionen als gerichteten Ionen- Tabletten (K12753I) bereit, die im Falle eines Stör-
strahl einer Energie von 1–3 keV auf den zu falles eingenommen werden sollen. Dies soll die
ätzenden Wafer. Jenen hält man dabei senkrecht Aufnahme möglicherweise freigesetzter radio-
oder gekippt zum Ionenstrahl in der Prozesskam- aktiver, flüchtiger und sich schnell verteilender
mer, und die Ätzung erfolgt völlig anisotrop und Iodisotope und deren Speicherung im Körper, et-
mit geringer Selektivität. Das Gas und das he- wa in der Schilddrüse, vermeiden.
rausgeschlagene Material saugen die Pumpen ab, Im menschlichen Organismus liegt Iod che-
aber es setzen sich auch Partikel an den Kam- misch gebunden in denMolekülen der Schilddrü-
merwänden und an vertikalen Kanten der Schei- senhormone Thyroxin und Triiodthyronin vor; die
be selbst ab. Zu diesem Zweck führt man neben Gesamtmenge des im Körper enthaltenen Iods liegt
5 Einzeldarstellungen 427

meist zwischen 10 und 30 mg/L. Iodmangel führt


zuerst zu Kropfbildung, später bzw. bei ständig Y. H. Lee und J. J. Song, CT system and
deutlicher Unterversorgung auch zur Unterfunktion method for classifying thyroid lesions
der Schilddrüse (Hypothyreose). Da Thyroxin und using dual-energy CT iodine quantification
Triiodthyronin wichtige Funktionen bei Stoffwech- (University of Korea, Research and Busi-
selprozessen ausüben, entstehen aus einer Unter- ness Foundation, KR 2020090288 A, ver-
funktion der Schilddrüse schwere Stoffwechselstö- öffentlicht 29. Juli 2020)
rungen. Seefisch, Tang und Algen enthalten viel E. Aqad et al., Iodine containing polymers
Iod, so dass durch deren Verzehr Symptome von for chemically amplified resist composi-
Iodmangel vermieden werden. tions (Rohm & Haas Electrotechnology
Die in deutschen Böden vorliegende durch- Materials, US 2020217418 A1, ver-
schnittliche Konzentration ist für eine ausreichende öffentlicht 9. Juli 2020)
Versorgung der Bevölkerung mit diesem Spurenele- G. Huang und B. Li, Radioactive iodine-
ment zu niedrig. Daher führen die Gesund- labelled larotrectinib compound, prepa-
heitsbehörden regional eine Iodprophylaxe durch, ration method therefor and use thereof
so dass Kinder in einem von der Weltgesundheits- (Shanghai University of Medicine,
organisation (WHO) noch akzeptierten Bereich mit Health and Sciences, WO 2020119206
Iod versorgt sind (Wert für die Iodurie 117 μg/L A1, veröffentlicht 18. Juni 2020)
(Thamm et al. 2007)). T. Ogihara und T. Watanabe, Method for
Werden zu hohe Dosen an Iodverbindungen producing iodine containing silicon com-
aufgenommen, so kommt es oft zur Reizung von pound (Shinetsu Chemical, Co., KR
Haut und Schleimhaut, Schnupfen und Bronchitis. 2020054896 A, veröffentlicht 20. Mai
Trotz seiner im Vergleich zu Chlor und Brom 2020)
deutlich geringeren Aggressivität hat die EU Iod L. Galimberti et al., Process for the recovery
als umweltgefährlichen Gefahrstoff eingestuft, of iodine from aqueous solutions (Brac-
bei dessen Handhabung Schutzmaßnahmen zu co Imaging SpA, US 2020131036 A1,
treffen sind. Reste von Iod müssen durch eine veröffentlicht 30. April 2020)
wässrige Lösung von Natriumthiosulfat unschäd-
lich gemacht werden, des Weiteren sind Abwässer
durch Zugabe von Natriumhydrogencarbonat zu
neutralisieren. Außerdem darf, wie bereits er- 5.5 Astat
wähnt, Iod nie in Kontakt mit Ammoniakwasser
kommen, da sich sonst explosiver Iodstickstoff Geschichte Als Mendelejew 1869 das von ihm
bilden kann. aufgestellte Periodensystem der Elemente ver-
öffentlichte, sagte er die Existenz einiger zu dieser
Zeit noch nicht entdeckter Elemente voraus, darun-
Patente
ter eines, das das höhere Homologe des Iods sein
(Weitere aktuelle Patente siehe https://
sollte. Nachfolgend versuchten Wissenschaftler,
worldwide.espacenet.com)
dieses Element, das als „Eka-Iod“ bezeichnet wur-
de, zu finden.
S. Fukui et al., Organic iodine remover (Hi-
1931 behauptete Allison, er und seine am
tachi; General Electric Nuclear Energy,
Alabama Polytechnic Institute angestellten Mit-
Ltd., WO 2020174938 A1, veröffent-
arbeiter (heute Auburn University) hätten dieses
licht 3. September 2020)
Element entdeckt und gaben ihm die Bezeich-
M. C. Radicone, System and method for
nung „Alabamine“ (Allison et al. 1931; Trimble
disinfecting a surface of an object with
1975). Ihre Entdeckung konnte jedoch nicht
iodine-laden gas (I 2 Air Fluid Innovati-
bestätigt werden. Ebenfalls auf der Suche nach
on, Inc., US 2020268919 A1, veröffent-
einem Mitglied der Familie des radioaktiven
licht 27. August 2020)
Thoriums fand der Chemiker De Rajendralal
428 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Mitra 1937 in Dhaka (damals Britisch-Indien,


heute Bangladesh), zwei neue Elemente. Das Der US-amerikanische Physiker Fred C.
erste nannte er „Dakin“ (Eka-Iod), das andere Allison (* 4. Juli 1882 Glade Spring, VA;
„Gourium“. Auch diese Ergebnisse wurden † 2. August 1974 Auburn, AL) studierte
nicht bestätigt. zunächst am Emory and Henry College in
1936 beanspruchten Hulubei und Cauchois, Emory, VA, und wechselte danach zur John
dass sie mittels Röntgenspektroskopie Element Hopkins Universität in Baltimore, MD, um
85 nachgewiesen hätten, und unterstrichen dies Physik zu studieren. 1920 promovierte er an
1939 mit einer weiteren Veröffentlichung. 1944 der University of Virginia. 1922 erhielt er
den Auftrag, die Abteilung Physik des Ala-
publizierte Hulubei eine Zusammenfassung der
bama Polytechnic Institute (später: Auburn
von ihm erhaltenen Ergebnisse und teilte mit,
University) aufzubauen. Er begründete das
dass diese Resultate von anderen Forschern un-
erste Doktorandenprogramm der Univer-
terstützt würden. Er nannte das seiner Ansicht
sität und blieb 31 Jahre an dieser Univer-
nach neue Element „Dor“, später „Dorin“. Drei sität, bis er pensioniert wurde. Er unterrich-
Jahre später wies Paneth, damals Mitglied der tete dann noch von 1958 bis 1966 Physik
IUPAC, Hulubeis Ansprüche zurück. Selbst am Huntingdon College. 1969, mit 87
wenn die von Hulubei geprüften Proben Astat Jahren(!), kehrte er an die Auburn Univer-
enthielten, hätten die von ihm eingesetzten tech- sity zurück und arbeitete noch im For-
nischen Möglichkeiten nicht dem Standard ent- schungslabor, dies bis einen Monat vor sei-
sprochen, so dass eine korrekte Identifizierung nem Tod am 2. August 1974 (Biggs und
des Elements zumindest auf diese Weise nicht Knowlton 2008; Carr 1975).
möglich hätte sein können (Burdette und Thorn-
ton 2010). Da Hulubei zuvor auch in einen wei- Allison entwickelte die magnetooptische
teren, nicht genügend belegbaren Anspruch zur Spektroskopie weiter (Allison und Murphy
Entdeckung des Elements 87 (Francium) ver- 1930a; Allison 1932) und beanspruchte die
wickelt gewesen war, besteht die Vermutung, Entdeckung zweier Elemente durch deren
dass andere Forscher Hulubeis Arbeit in Miss- Anwendung, nämlich Astat und Francium
kredit bringen wollten und so die negative Ent- (Kauffman und Adloff 2008). Francium
scheidung der IUPAC begünstigten (Scerri 2013, wollte Allison in den Mineralen Pollucit
und Lepidolit gefunden haben (Allison und
S. 188–206).
Murphy 1930b; Allison et al. 1932a), Astat
Minder behauptete 1940, Element 85 entdeckt
dagegen im thoriumreichen Monazitsand
zu haben, und nannte es „Helvetium“. 1942 än-
(Allison et al. 1932b). Die seiner Ansicht
derte er seinen Namensvorschlag in „Anglohel-
nach neuen Elemente benannte er nach den
vetium“. Auch seine Arbeiten konnten aber nicht Staaten Alabama und Virgina, Alabamin und
reproduziert werden (Leigh-Smith und Minder Virginium. In späteren Jahren erwies sich
1942). Die erste Bestätigung für diesbezüglich aber die von Allison eingesetzte magnetoop-
geleistete Forschungsarbeit überhaupt gab es für tische Spektroskopie als ungeeignet zur Auf-
die Kooperation von Corson, MacKenzie und findung radioaktiver Elemente, erhielt aber
Segrè (Kurzbiografie siehe „Technetium“) 1940, 60 Jahre danach durch Arbeiten auf dem
in deren Rahmen Nuklide des danach Astat ge- Gebiet der Krankheitsforschung neue Be-
nannten Elements (abgeleitet vom altgrie- achtung (Langmuir und Hall 1989).
chischen α᾿ στατEω für „unbeständig sein“) durch
Beschuss von Bismut mit α-Teilchen an der Uni- Der rumänische Kernphysiker Horia Hulu-
versity of California erzeugt wurden (Segrè et al. bei (* 15. November 1896 Iaşi; † 22.
1940). November 1972 Bukarest) studierte erst an
1943 wiesen Karlik und Bernert Astat auch als der Universität von Iaşi und promovierte
Produkt des natürlichen Zerfalls von Uran nach 1933 an der Pariser Sorbonne unter Perrin
(Karlik und Bernert 1943a, b). über das Thema „Quantenstreuung von
5 Einzeldarstellungen 429

Röntgenstrahlen“. Die von ihm verwendete Cauchois leitete die französische Gesell-
Apparatur zur Erzeugung von Röntgen- schaft für Physikalische Chemie von 1975
strahlen war auf dem damals aktuellen tech- bis 1978, ging 1983 in den Ruhestand und
nischen Standard. Mit ihrer Hilfe entdeckte arbeitete bis 1992 noch im Labor. Sie ver-
er damals noch nicht zugeordnete Röntgen- öffentlichte mehr als 200 Schriften. Sie
spektrallinien, die seiner Ansicht nach von setzte als erste gekrümmte Kristalle in Mo-
noch unbekannten Elementen herrühren nochromatoren und bei der Röntgenstreu-
sollten. So veröffentlichte er 1936 die Ent- ung ein. Die von Kristallen reflektierte
deckung eines neuen, von ihm „Moldavi- Röntgenstrahlung nutzte sie zur Bestim-
um“ genannten Elements, es folgten 1939 mung der Struktur von Materialien (Apo-
„Sequanium“ und 1945 „Dorin“ (Fontani theker und Simon Sarkadi 2011). Neben der
2005). Später erkannte man aber, dass die zur vermeintlichen Entdeckung von Astat
angegebenen Spektrallinien nicht von noch führenden Zusammenarbeit mit Hulubei
unbekannten Elementen stamen konnten. forschte sie später an Röntgenspektren der
Trotzdem publizierte er zahlreiche wissen- Transurane. Cauchois setzte sich für die
schaftliche Schriften (Hulubei 1940, 1948, Unterstützung unterprivilegierter Mitbürger
1950; Constantinescu und Bugoi 1998); da- ein und erhielt einige wissenschaftliche
her trägt das Bukarester Nationale Institut für Preise und Auszeichnungen (Byers und
Physik und Nukleartechnik seinen Namen. Williams 2006). Sie konvertierte zum
Hulubei war zudem Gründer und erster Di- griechisch-orthodoxen Glauben und wurde
rektor des Instituts für Atomphysik in Buka- nach ihrem Tod im nordrumänischen Klos-
rest. 1946 nahm ihn die Rumänische Aka- ter Bârsana bestattet.
demie als Mitglied auf, dies machte das
kommunistische Regime ab 1948 zunächst Der US-amerikanische Physiker Dale
rückgängig, bevor Hulubei 1955 wieder dort Raymond Corson (* 5. April 1914 Pitts-
aufgenommen wurde (Berindei 2008). burg, KS; † 31. März 2012 Ithaca, NY)
erhielt den Titel des Bachelor in Physik
Die französische Physikerin Yvette Cau- 1934 am College of Emporia und den des
chois (* 19. December 1908 Paris; † 19. Masters ein Jahr später von der University
November 1999 Paris) leistete wichtige of Kansas. 1938 promovierte er an der Uni-
Beiträge zur Röntgenspektroskopie und versity of California in Berkeley. 1946
europäischen Synchrotonforschung. Nach ging er als Assistenzprofessor an die Cor-
dem Schulbesuch in Paris studierte sie an nell University in Ithaca, NY und wurde
der dortigen Sorbonne, erhielt 1928 einen 1956 dort zum Ordentlichen Professor er-
ersten Abschluss in Physik, setzte mittels nannt. Elektromagnetische Felder und
eines Stipendiums das Studium fort und pro- Wellen waren der Schwerpunkt seiner Ar-
movierte 1933 über ein Thema der hochauf- beit (Lorrain und Corson 1970). 1969 er-
lösenden Röntgenanalyse (Bonnelle 2001). nannte man ihn zum Präsidenten der Uni-
Danach arbeitete sie unter Perrin am Centre versität. 1979 wählte man ihn zum
National de la Recherche Scientifique emeritierten Präsidenten. Er veranlasste
(CNRS). 1938 wurde Cauchois Leiterin Förderprogramme besonders für weib-
des Labors für Physikalische Chemie an liche Studenten, verbesserte die Zusammen-
der Fakultät der Wissenschaften in Paris arbeit zwischen Universität und dem
und 1954 Lehrstuhlinhaberin an der Sor- Staat New York, setzte sich für Minderhei-
bonne. 1960 gründete Cauchois das Centre ten ein und änderte das Angebot der
de Chimie Physique in Orsay, war dessen Cornell-Universität über die Jahre erheb-
Direktorin bis 1970, arbeitete parallel aber lich. Er war zudem einer der Mitgründer
auch noch an der Sorbonne und später an des US-amerikanischen Weltraumpro-
der Universität Paris VI. gramms.
430 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Der US-amerikanische Kernphysiker Ken- Wasserstoff- zu Heliumkernen (Paneth und


neth Ross MacKenzie (* 15. Juni 1912 Port- Peters 1926; Paneth 1927). Er hielt sich
land, OR; † 4. Juli 2002 Los Angeles, CA) gerade in England auf, als Hitler die Macht
war an der Entdeckung des Elements Astat ergriff, und kehrte bis 1953 nicht mehr nach
beteiligt. Er studierte zunächst an der Univer- Deutschland zurück. Von 1943 bis 1945
sity of British Columbia und ging 1937 nach leitete er in Montréal, QC (Kanada) die che-
Berkeley. 1940 promovierte er dort unter mische Abteilung eines Joint Venture der
Lawrence am Lawrence Livermore National britischen und kanadischen Atomenergie-
Laboratory. Lawrence und MacKenzie ent- behörden. Er wirkte an der University of
warfen den ersten Teilchenbeschleuniger, Durham bis 1953. Nach dem Krieg ernannte
den MacKenzie und Richardson dann auch ihn das Mainzer Max-Planck-Institut zu sei-
bauten. Während des Zweiten Weltkriegs ent- nem Direktor. Er galt seinerzeit als führend
wickelte er am Oak Ridge Laboratory, TN die auf dem Gebiet der Studien über flüchtige
Trenntechnik zur Gewinnung des Isotops Hydride und war Mitglied des IUPAC-
235
92U im Rahmen des Manhattan-Projekts. Komites. Paneth erhielt den Liversidge
Er unterstützte Labors weltweit bei Proble- Award 1936, wurde 1947 als Fellow der
men, die diese mit Zyklotronen hatten. Später Royal Society erwählt und 1957 mit der
studierte er Plasmaphysik, nebenberuflich Liebig-Medaille ausgezeichnet (Emeléus
wirkte er als Schauspieler in einigen kleinen 1960).
Filmrollen mit (Myrna 2002; Hawthorn 2018;
Foster 2003). Der größte Erfolg der österreichischen Phy-
sikerin Berta Karlik (* 24. Januar 1904
Der schweizerische Chemiker und Minera- Wien; † 4. Februar 1990 Wien) war die
loge Walter Minder (* 6. August 1905; † Entdeckung von drei Isotopen des Elements
1. April 1992) beanspruchte 1940 bzw. 1942 85, des Astats. Im Herbst 1923 begann sie
zusammen mit Alice Leigh-Smith die Ent- ihr Studium der Physik an der Universität
deckung des Elements 85 und schlug hierfür Wien; dort promovierte sie 1928 mit der
die Namen „Helvetium” bzw. „Anglo- Dissertation „Über die Abhängigkeit der
helvetium“ vor. Seine Resultate konnte man Szintillationen von der Beschaffenheit des
aber später nicht reproduzieren (Nefedov Zinksulfides und das Wesen des Szintillati-
et al. 1968; Minder 1940; Leigh-Smith und onsvorganges“. Ein Stipendium verhalf ihr
Minder 1942; Karlik und Bernert 1942). zu einem Studienaufenthalt in Paris und
London, bevor sie 1931 ihre Arbeit am
Der österreichische Chemiker Friedrich Wiener Radium-Institut aufnahm. 1936 ha-
Adolf Paneth (* 31. August 1887 Wien; † bilitierte sich Karlik mit der Arbeit „Die
17. September 1958 Mainz) war jüdischer Grenzen der Nachweisbarkeit der schweren
Abstammung. Er studierte zunächst Chemie Edelgase in Helium“. Ab 1937 hielt Karlik
an der Universität Wien, arbeitete dann mit Vorlesungen und wurde ab 1945 provisori-
Adolf von Baeyer in München zusammen sche Leiterin des Radiuminstitutes, ab 1947
und promovierte schließlich 1910 wieder in dessen Direktorin. 1956 ernannte die Uni-
Wien. 1912 begann er seine Arbeit am Wie- versität Wien Karlik als erste Frau über-
ner Radium-Institut, ging 1913 für einige haupt zum ordentlichen Professor. 1973
Monate ins Vereinigte Königreich und ha- nahm sie die Akademie der Wissenschaften
bilitierte noch im gleichen Jahr. Noch 1913 als reguläres Mitglied auf. Karlik arbeitete
ging er als Assistent von Hönigschmid an den Rest ihres Lebens fast ausschließlich in
die Prager Universität. Nach dem Ende des ihrem Institut der Universität Wien. 1975
Ersten Weltkriegs arbeitete er bis 1933 als wurde sie zum Mitglied der Leopoldina
Professor an verschiedenen deutschen Uni- gewählt (Rentetzi 2011; Bischof 2002,
versitäten und forschte an der Fusion von S. 353–356).
5 Einzeldarstellungen 431

Vorkommen Astat ist ein radioaktives che- lich radioaktive Isotope, die alle sehr kurzlebig
misches Element, das beim natürlichen Zerfall sind. Das noch längstlebige, 21085At, hat eine Halb-
von Uran entsteht. Im Periodensystem steht es in wertszeit von auch nur 8,3 h (s. Tab. 5). Nur 1 μg
der 7. Hauptgruppe unterhalb des Iods und ist des Isotops 21185At besitzt die bereits sehr hohe
damit ebenfalls ein Halogen. Wenn man von den Radioaktivität von 7,62 · 1010 Bcq; 21085At und
209
schweren Transuranen einmal absieht, ist Astat 85At zeigen eine ähnlich hohe Aktivität.
das seltenste Element auf der Erde, sodass es bei Astat sublimiert weniger stark als Iod und be-
Bedarf auf künstlichem Wege hergestellt wird sitzt auch einen geringeren Dampfdruck (Allison
(Merkel 2011). Von Astat, Radon (Ordnungszahl: et al. 1931). Jedoch verdampft etwa die Hälfte des
86) und Francium (Ordnungszahl: 87) besitzen Astats innerhalb einer Stunde, wenn es in eine
alle Isotope sehr kurze Halbwertszeiten weniger offene Glasschale gelegt und diese bei Raumtem-
Tage oder Stunden, was einen drastischen Ein- peratur stehen gelassen wird.
bruch der Isotopenstabilität zwischen Elementen
geringeren Atomgewichtes wie Blei (Ordnungs- Verbindungen Die chemischen Eigenschaften
zahl: 82, stabile Isotope) oder Bismut (Ordnungs- von Astat konnten aufgrund der extrem geringen
zahl: 83, radioaktive Isotope extrem langer Halb- zur Verfügung stehenden Mengen bislang nur mit
wertszeit) und denen höheren Atomgewichts Tracerversuchen ermittelt werden. In seinem Ver-
(Thorium: Ordnungszahl: 90, radioaktiv, aber halten ähnelt Astat stark dem Iod, ist aber ein
ebenfalls sehr langlebig) bedeutet. schwächeres Oxidationsmittel als jenes. Man
Die Gesamtmenge des auf der Erde zu jedem konnte bisher verschiedene Astatide (mit dem An-
beliebigen Zeitpunkt vorkommenden Astats wird ion At) sowie astathaltige Interhalogen- und or-
auf Mengen von 160 mg bis maximal 25 g (!) ganische Verbindungen nachweisen, ebenso die
geschätzt. Anionen der entsprechenden Sauerstoffsäuren.
So kann AtI aus einer wässrigen Iod-Astat-
Gewinnung Astat stellt man durch Beschuss von Lösung heraus gewonnen werden, dagegen AtBr
Bismut-Kernen mit α-Teilchen einer Energie von und AtCl durch Umsatz elementaren Astats mit
26 bis 29 MeV her. Man erhält dabei die relativ Brom bzw. Iod in wasserfreien Systemen.
langlebigen Isotope 20985At bis 21185At, die dann Astat ist weniger reaktiv als die übrigen Halo-
im Stickstoffstrom bei 450 bis 600 °C sublimiert gene, wurde aber intensiv untersucht, wenn dies
werden. Der At2-Moleküle enthaltende Dampf auch nur in Mikromengen erfolgen konnte. Übli-
wird an einer gekühlten Platinscheibe nieder- cherweise nutzte man aber das eng verwandte Iod
geschlagen, an der sich kleinste Kristalle bilden. als Träger und setzt dieses im Überschuss Astat
bzw. dessen Verbindungen zu, dies einfach, um
Eigenschaften Massenspektrometrische Versuche auf verfolgbar große Mengen an Prüfsubstanz zu
zeigten, dass sich Astat chemisch wie die anderen kommen (Nefedov et al. 1968; Aten et al. 1952).
Halogene, vor allem wie Iod verhält. Nur hat Astat Astat ist elektropositiver als die leichteren Haloge-
einen noch stärker metallischen Charakter als Iod. ne (Fluor, Chlor, Brom, Iod) und verhält sich nur
Es sammelt sich aber andererseits auch wie Iod in noch teilweise wie ein solches, vielmehr leitet es in
der Schilddrüse an. Jüngst führten Mitarbeiter des seinen Eigenschaften zu den Halbmetallen über.
Brookhaven National Laboratory (USA) Experi- Von Silber wird es nur noch unvollständig als
mente zur Identifikation und Messung grundlegen- Silberastatid (AgAt) ausgefällt (siehe auch unten),
der chemischer Reaktionen durch, die auch Astat eine Reaktion, die Iodid durch die Bildung von
einschlossen. Silberiodid noch in vollem Umfang zeigt (Allison
Der am CERN in Genf stationierte On-line- et al. 1931; Kugler und Keller 1985). Bisher wur-
Isotopen-Massenseparator (ISOLDE) diente 2013 den erst einige wenige Metallastatide dargestellt, so
unter anderem dazu, das Ionisationspotenzial von von Natrium, Palladium, Silber und Blei.
Astat (9,3175 eV) zu bestimmen. (Albers 2013) Astat kann nicht nur anodisch – wie für Halo-
Von Astat existieren rund zwanzig bekannte, sämt- gene üblich –, sondern auch kathodisch abge-
432 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Astat


Symbol: At
Ordnungszahl: 85
CAS-Nr.: 7440-68-8
Aussehen: Metallisch glänzender Feststoff
Entdecker, Jahr McKenzie, Corson, Segrè (USA), 1940
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
210
85At (100, bzw. synth.) 8,3 h ε > 21084Po, α > 20683Bi
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 3 · 1021
Atommasse (u): 209,9871
Elektronegativität 2,2 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial für: At2 + 2 e > 2 At (V) +0,2
Atomradius (pm): Keine Angabe
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 202
Kovalenter Radius (pm): 150
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d10 6s2 6p5
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 899
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Orthorhombisch
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 6,2–6,5 (geschätzt)
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 33,1 · 106 (fest)
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 2
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 33,95
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 302 ♦ 575,15
Schmelzwärme (kJ/mol): 6
Siedepunkt (°C ♦ K): 337 ♦ 610,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 54,4
Tripelpunkt (°C ■ kPa): Keine Angabe
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): Keine Angabe

schieden werden, da das At+-Kation in Lösung Abb. 12 Kalottenmodell


des Moleküls von
durch zwei Pyridin-Liganden stabilisierbar ist. Astatwasserstoff (Streng
Im Molekül des Dipyridinastat-I-perchlorat 2014)
([At(C5H5N)2][ClO4]) und dem des analogen Ni-
trats ist das Astatatom an jedes Stickstoffatom in
den beiden Pyridin-Ringen gebunden (Zucker-
man und Hagen 1989).
Astatwasserstoff (AtH, korrekt: Astathydrid!)
ist schon lange bekannt und wird sehr leicht durch schung aus Astat, Astatwasserstoff und sogar At+, so
Sauerstoff in Astat und Wasser umgewandelt dass eine darauf folgende Zugabe von Silber-I-salz
(Abb. 12). nur eine unvollständige Fällung von Silber-I-astatid
Astatwasserstoff stellten bereits die ersten auf (AgAt) ergibt, im Gegensatz zu Silber-I-iodid, das
diesem Gebiet tätigen Forscher im Kleinstmaß- unter vergleichbaren Bedingungen noch quantitativ
stab her. Bei der Darstellung aus Astatiden und ausfällt.
verdünnter Salpetersäure entsteht wegen der Oxi- Astat geht Verbindungen mit Bor (Davidson
dationsempfindlichkeit der Verbindung eine Mi- 2000, S. 146), Kohlenstoff und Stickstoff ein (Kug-
5 Einzeldarstellungen 433

ler und Keller 1985). Es existieren verschiedene


Bor-Astat-Verbindungen, in deren Kristallgitter
Käfige aus Boratomen dominieren. Astat-Bor-Bin-
dungen sind stabiler als die zwischen Astat- und
Kohlenstoffatomen (Elgqvist et al. 2011), obwohl
auch ein Tetraastatkohlenstoff (CAt4, korrekt: Te-
traastatcarbid!) synthetisiert werden konnte (Trim- Abb. 13 Kalottenmodell des Moleküls von Astat-I-iodid
ble 1975). (AtI), des bezüglich des Molgewichts schwersten Interha-
Alle Oxoanionen sind charakterisiert. Perasta- logens (Streng 2014)
tat (AtO4), in denen Astat in seiner höchstmög-
lichen Oxidationsstufe auftritt (+7), ist ein sehr linken Nachbarn im Periodensystem, Polonium
starkes Oxidationsmittel. Es ist durch Oxidation und Bismut, an. Auch andere Bindungen von
von Astatat (AtO3) mit Xenon-II-fluorid oder Atomen des Astats zu Chalkogenatomen existie-
Periodat in alkalischer Lösung darstellbar und ren, wie dies etwa bei S7At+ beobachtet wurde
auch nur in neutraler oder alkalischer Lösung (Abb. 13).
stabil (Kugler und Keller 1985). Gasförmiges Astat reagiert mit seinen leichte-
Die Oxidationsstufe +5 [Astatat (AtO3)] ist ren Homologen Iod, Brom und Chlor, wobei die
die stabilste, womit sich der Trend vom relativ Verbindungen AtI, AtBr und AtCl entstehen. Ein
instabilen Chlorat zum beständigen Astatat fort- Überschuss an Iod oder Brom kann zur Bildung
setzt. Es kann z. B. durch Umsetzung von Astat der Dihalogenid-Anionen AtBr2 oder AtI2 füh-
mit Kaliumhypochlorit in Kalilauge (Kugler und ren. Ein Fluorid des Astats wurde noch nicht dar-
Keller 1985) oder mit Natriumperoxodisulfat dar- gestellt.
gestellt werden, letztgenanntes Verfahren wurde
zur Herstellung von Lanthanastatat [La(AtO3)3] Anwendungen Organische Astatverbindungen
eingesetzt (Lavrukhina und Pozdnyakov 1970). setzt man zur Bestrahlung bösartiger Tumore
Astatige Säure (HAtO2) ist im Unterschied zur und als radioaktive Markierungsmittel für die
Iodigen Säure ebenfalls bekannt. Da die Ionen Schilddrüse ein, denn Astat wird wie Iod in der
AtO+, AtO2 erzeugt und nachgewiesen wurden, Schilddrüse angereichert und in der Leber gespei-
muss man hier eher von Astat-III-oxid-hydroxid chert (Willhauck et al. 2008).
sprechen; die „Säure“ reagiert in Wirklichkeit am-
photer. Sie kann durch Oxidation von Astat mit
Patente
Brom und nachfolgender Hydrolyse des Astat-III-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://
bromids (AtBr3) erhalten werden (Sergentu et al.
worldwide.espacenet.com)
2016).
Hypoastatige Säure (HAtO) entsteht bei der
Y. Shirakami et al., Astatine solution and
Auflösung und Disproportionierung elementaren
method for producing the same (Univer-
Astats in Wasser in Gegenwart eines Oxidations-
sity of Osaka, AU 2018395495 A1, ver-
mittels wie Brom, bevorzugt ebenfalls in alka-
öffentlicht 30. Juli 2020)
lischer Lösung. Sie ist noch schwächer als die
A. Shinohara et al., Method for producing asta-
Hypoiodige Säure und im sauren Milieu derart
tine (University of Osaka, AU 2018381436
leicht protonierbar, dass sie infolge Abspaltung
A1, veröffentlicht 23. Juli 2020)
eines Wassermoleküls zu echten Astat-Kationen
M. J. O’Hara, System and process for puri-
(At+) zerfällt. Dies wird bei der Hypoiodigen
fication of astatine-211 from target ma-
Säure auch nicht bei pH0 beobachtet.
terials (Battelle Memorial Institute, US
At+-Kationen sind sogar als schwer lösliches
2018308599 A1, veröffentlicht 25. Ok-
Astat-I-sulfid (At2S) ausfällbar (!), ein weiteres
tober 2018)
Beispiel für die Sonderrolle des Astats unter den
Halogenen. Hier lehnt sich Astat an seine zwei (Fortsetzung)
434 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

S. Lindegren und E. Aneheim, Automatic


process platform for the production of
astatine-211 (At-211) radiopharmaceuti-
cals (privat, US 2018215680 A1, ver-
öffentlicht 2. August 2018)
D. A. Pryma et al., 211-Astatine containing
radiotherapeutics for the treatment of can-
cer (University of Pennsylvania, US
Abb. 14 Die für die Synthese der Tenness-Isotope ver-
2018162818 A1, veröffentlicht 14. Juni wendete, in Oak Ridge hergestellte Probe des Berkeliums
2018) (Materialscientist 2010)
W. D. Scott et al., Process for isolation and
purification of astatine-211 (University
249
of Washington, US 2016053345 A1, 97 Bk þ 48 20 Ca ! 297 117 
veröffentlicht 25. Februar 2016)
! 293 117 Ts þ 41 0 n ð5 AtomeÞ
J.-F. Gestin et al., Hypervalent radioactive asta-
tine or iodine compounds, and preparation
methods thereof (privat, US 2013004420 Das Team vom JINR wollte das leichteste
A1, veröffentlicht 13. Januar 2013) stabile Isotop mit einem Neutron:Proton-Ver-
hältnis von 1:1,4 als Muniton wählen; hierfür
S. Mirzadeh und R. M. Lambrecht, Method
for the simultaneous preparation of radon- bot sich 4820Ca an. Das nächstleichte wäre erst
110
211, xenon-125, xenon-123, astatine-211, 46Pd gewesen, was aber als Projektil schon
viel zu schwer gewesen wäre. Ziel war, durch
iodine-125 and iodine-123 (US Energy,
US 4664869 A, veröffentlicht 12. Mai einen hohen Überschuss an Neutronen mög-
1987) lichst nahe an die vermutete „Insel der
Stabilität“ zu kommen (Oganessian und Ry-
kaczewski 2015). Bei der Wahl von Calcium
musste als Target daher ein Isotop des Berkeli-
5.6 Tenness ums verwendet werden (Audi et al. 2003). Im
ORNL wiederum nahm man 2008 die Produkti-
Vorgeschichte Vorhersagen über Eigenschaften on von Berkelium und Californium wieder auf
superschwerer Elemente, darunter auch das spä- und ermöglichte so erst die spätere Synthese
tere Tenness, kursierten in Wissenschaftskreisen von Tenness-Isotopen.
schon lange (Hoffman et al. 2006; Bonchev und Die 22 mg Berkelium enthaltende Probe
Kamenska 1981). (24997Bk) stellte man 2009 zunächst im Oak Rid-
2010 wurden im Rahmen einer Zusammen- ge National Laboratory her, dann beschoss man
arbeit der Teams aus Dubna [Vereinigtes Institut diese über eine Zeit von fünf Monaten im Ver-
für Kernforschung, Dubna, Russland (JINR)] und einigten Institut für Kernforschung (JINR) in
Oak Ridge [National Laboratory, Tennessee, USA deren U400-Zyklotron mit Nukliden des Calci-
(ORNL)] die ersten Atome des Elements Tenness ums (4820Ca). Dies ergab die ersten Atome der
durch Beschuss von Berkeliumnukliden (24997Bk) Tenness-Isotope 293Ts und 294Ts. Deren Halb-
mit denen des Calciums (4820Ca) nach folgender wertszeiten sind ziemlich kurz und liegen bei
Gleichung erzeugt (siehe auch Abb. 14) (Seidler 14 ms für 293Ts bzw. 78 ms für 294Ts (Walter
2010): 2010; Oganessian et al. 2010, 2013). 2014 ge-
lang auch im deutschen GSI Helmholtzzentrum
249
þ 48 20 Ca ! 297 117  für Schwerionenforschung der Nachweis von
97 Bk
Isotopen des Elements der Ordnungszahl
! 294 117 Ts þ 31 0 n ð1 AtomÞ 117 (Khuyagbaatar et al. 2014).
5 Einzeldarstellungen 435

Der deutsche Physiker Max Karl Ernst Lud- lich der rassenhygienischen Forschung zu
wig Planck (* 23. April 1858 Kiel; † stellen werde. Obwohl in den Folgejahren
4. Oktober 1947 Göttingen) ist Begründer hunderte, meist jüdische, Wissenschaftler
der Quantenphysik und erhielt 1919 für die Deutschland verließen, unternahm Planck
erstmalige Formulierung des Planck’schen auch auf Bitten prominenter Kollegen wie
Wirkungsquantums den Nobelpreis für Phy- Hahn nahezu nichts, nur für Haber setzte er
sik des Jahres 1918. Als Planck 9 Jahre sich -vergeblich- ein. Auch Planck geriet
alt war, verzog die Familie 1867 nach Mün- nun in den Blickpunkt der Reichsregierung,
chen, wo er 1874 am Maximiliansgymnasium die Preußische Akademie wurde dieser un-
das Abitur ablegte. Dann studierte Planck ab terstellt, so dass Planck aus Protest zurück-
dem Wintersemester 1874/75 Naturwissen- trat. Sein Sohn Erwin Planck wurde wegen
schaften und Mathematik an der Ludwig-Ma- seiner Beteiligung am Aufstand vom 20. Juli
ximilians-Universität in München. 1944 verhaftet am 23. Januar 1945 in Plöt-
zensee hingerichtet.
Drei Jahre später wechselte Planck für ein
Jahr nach Berlin und studierte dort Physik Nach dem Krieg ernannte man Planck zum
an der Friedrich-Wilhelms-Universität un- kommissarischen Leiter der wieder gegrün-
ter Kirchhoff und von Helmholtz. Er pro- deten Kaiser-Wilhelm Gesellschaft, er unter-
movierte 1879 über das Thema „Die Ent- nahm noch einige Vortragsreisen und starb
wicklung des Begriffs der Wärme“ und 1947 in Göttingen (Hermann 2005; Heilbron
reichte nur ein Jahr später seine Habilitati- 2006; Fischer 2007; Hoffmann 2008).
onsschrift über „Gleichgewichtszustände
isotroper Körper in verschiedenen Tem-
peraturen“ vor. 1880 erhielt er einen Ruf Erstmalige Darstellung In der ersten Hälfte des
als Privatdozent an die Münchener Univer- Jahres 2009 wurde die Probe des im ORNL syn-
sität, 1885 die als Professor für Theoreti- thetisierten 24997Bk vorbereitet und dann wegen
sche Physik an die Universität Kiel. 1892 der kurzen Halbwertszeit des Isotops zügig nach
wurde Planck Ordentlicher Professor an der Moskau geflogen. Da der russische Zoll wegen
Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. Um angeblich fehlender Unterlagen zweimal das Pas-
1900 veröffentlichte er seine Theorie über sieren der Probe verweigerte, flog die Probe inner-
Oszillatoren, die nur Licht bestimmter Ener- halb weniger Tage fünfmal über den Atlantik. Als
gie abstrahlen oder aufnehmen sollten, führ- dann die Probe im Juli 2009 endlich nach Dubna
te eine Naturkonstante, das Planck’sche transportiert werden durfte, gelangte sie dort so-
Wirkungsquantum, ein und begründete da- fort in den Teilchenbeschleuniger und wurde mit
mit die Quantenphysik. Ab 1906 stand den 4820Ca-Kernen beschossen. Im Januar 2010
Planck in Kontakt mit Einstein und vertei- schließlich teilten Wissenschaftler des Flerov-
digte dessen Spezielle Relativitätstheorie. Instituts mit, dass sie den Zerfall des neuen Ele-
ments der Ordnungszahl 117 beobachtet hätten
Ab März 1912 gehörte Planck dem Vor-
(Kragh 2018). Als hierfür verantwortliche Isotope
stand der Preußischen Akademie der Wis-
wurden 294117 and 293117 identifiziert, die Halb-
senschaften an. Er war loyal gegenüber dem
wertszeiten deutlich unter einer s aufwiesen.
Deutschen Kaiser und begrüßte den Eintritt
Die beiden Isotope sind Ausgangspunkt einer
Deutschlands in den Ersten Weltkrieg.
Auch gegenüber den ab 1933 an die Macht α-Zerfallsreihe, die für 294117 über sechs Stufen
gekommenen Nationalsozialisten opponier- bis zum Dubniumisotop 270105Db und für 293117
te er nicht, sondern schrieb im Juli 1933 an über drei Stufen bis zum Roentgeniumkern
281
den damaligen Innenminister Frick, dass die 111Rg führt.
von ihm geleitete Kaiser-Wilhelm-Gesell- Da alle direkten Zerfallsprodukte der Isotope
schaft sich in den Dienst des Reiches bezüg- des Elements 117, also die Tochterkerne, noch
436 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

unbekannt waren, konnte man sie nicht als Beweis schnittliche als auch extreme Zeiten des Zerfalls
für die Darstellung von Nukliden des Elements ausgeschlossen hätten. Die 2017 erneut durch-
117 heranziehen. Erst 2011, als ein Nuklid des geführte Analyse habe die Konsistenz der Zer-
Elements 115 (des später „Moscovium“ genann- fallsreihen unter der Annahme gezeigt, dass an
ten Elements), 289115, erzeugt wurde und seine jedem Schritt der Zerfallsreihe gerade ein Nuklid
Eigenschaften mit denen des in der Zerfallsreihe beteiligt gewesen sei (Zlokazov und Utyonkov
von Element 117 beobachteten Kerns überein- 2017).
stimmten, galt dies zumindest als erster, wenn Die von der IUPAC 1979 erlassenen Empfeh-
auch nicht hinreichender Beweis. 2012 wieder- lungen für die Benennung neuer Elemente gaben
holte man in Dubna dann die Versuche, bei denen vor, Element 117 zunächst Ununseptium (Uus) zu
sieben Atome des Elements 117 erzeugt wurden. nennen, bis die Entdeckung bestätigt ist. Hamilton
Außerdem entstanden dabei auch Nuklide des von der Vanderbilt University in Nashville, TN,
Elements 118, da ein Teil des 24997Bk durch zwi- die eng mit ORNL zusammenarbeiteten, favori-
schenzeitlichen β--Zerfall in 24998Cf übergegan- sierte von Beginn an einen Namen, der auf die
gen war. Zwei Jahre später führte man beim GSI Region hinweisen soll, in der die Grundlage für
Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung das die Entdeckung des Elements 117 gelegt worden
identische Experiment mit dem in Darmstadt vor- ist, also auf den US-Bundesstaat Tennessee. Das
handenen Teilchenbeschleuniger durch und konn- internationale Team einigte sich im März 2016
te 2 Atome des Elements 117 darstellen. darauf, das Element 117 Tennessine (im Deut-
Ende 2015 erkannte die Joint Working Party schen: Tenness) zu nennen; der Name svorschlag
der IUPAC offiziell die Entdeckung des Isotops wurde von der IUPAC im November desselben
293
117 wegen der gelungenen Identifizierung des Jahres angenommen.
Tochterkerns 289115 an (Karol et al. 2015) und gab
allen an der Entdeckung beteiligten Nuklear- Eigenschaften Da von Tenness bislang nur we-
labors, also JINR, LLNL und ORNL das Recht, nige und darüber hinaus sehr kurzlebige Atome
einen offiziellen Namen für das Element vor- erzeugt wurden, kann man die voraussichtlichen
zuschlagen (Koppenol et al. 2016). Allerdings Eigenschaften des Elements schätzen. Kein Ele-
wiesen sowohl die GSI als auch die Universität ment mit einer Ordnungszahl >82 hat stabile Iso-
von Lund (Schweden) auf Ungereimtheiten der tope (Dambier et al. 2003). Die durch Coulomb-
Beweisführung hin, da die ursprünglich einzig Kräfte bewirkte Abstoßung der Protonen im
dem Isotop 289115 zugeordnete Zerfallsreihe schon Atomkern sollte mit wachsender Ordnungszahl
wegen der Mehrzahl der beim Beschuss gebilde- so stark werden, dass Kerne mit einer Ordnungs-
ten Isotope des Elements 117 mehrgleisig hätte zahl >104 gar nicht existieren können, so die
aufgestellt werden müssen. Tatsächlich ist die frühere Annahme (Möller 2016). Aber bereits in
Zahl der beim α-Zerfall von Nicht-g,g-Kernen den 1960er-Jahren wiesen Forscher auf das
entstehenden Kerne nicht unerwartet hoch, und mögliche Vorhandensein einer „Insel der Stabili-
sowohl die Universität Lund als auch die GSI tät“ bei Kernen mit ca. 114 Protonen und 184
kritisierten den IUPAC-Bericht, dass darin einige Neutronen hin, die wieder relativ stabil sein und
wichtige Fakten übersehen worden seien (Fors- Halbwertszeiten bis hinauf zu Tausenden von Jah-
berg et al. 2016a, b). ren haben sollten. (Wie mittlerweile bekannt ist,
Mitte 2018 trat das Team aus Dubna in einer zeigen Atomkerne in diesem Gebiet tatsächlich
Veröffentlichung dieser Kritik entgegen und ga- eine deutlich erhöhte Stabilität gegenüber den
ben an, sie hätten den Zerfall der Kerne 293117 und ihnen im Periodensystem benachbarten Nukliden
289
115 mittels anerkannter statistischer Methoden anderer Protonenzahl, aber auch ihre Halbwerts-
untersucht. Sie gaben zu, dass einige Daten mög- zeiten betragen höchstens einige) (s. Oganessian et al.
licherweise nicht ganz kongruent gewesen seien, 2017; Karpov et al. 2013; Staszczak et al. 2013).
da sie aus dem 90 % aller Zerfälle abbildenden Mit Tenness der Ordnungszahl 117 wäre das
vertrauenswürdigen Messintervall sowohl durch- ursprünglich einmal umrissene Gebiet dieser „In-
5 Einzeldarstellungen 437

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Tenness


Symbol: Ts
Ordnungszahl: 117
CAS-Nr.: 54101-14-3
Aussehen: Unbekannt, wahrscheinlich metallisch
Entdecker, Jahr Vereinigtes Institut für Kernforschung (Russland) und Lawrence
Livermore National Laboratory (USA) (2010)
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung (Deutschland)
(2014)
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
293
117Ts (synthetisch) 14 ms α > 290115Mc
294
117Ts (synthetisch) 78 ms α > 289115Mc
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): –
Atommasse (u): (294)
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 138*
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 157*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d10 7s2 7p5
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 743* ♦ 1785–1920 *
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 7,1–7,3*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 40,8 · 106 (fest)*
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): Keine Angabe
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): Keine Angabe
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 300–500* ♦ 573–773*
Schmelzwärme (kJ/mol): Keine Angabe
Siedepunkt (°C ♦ K): 550 ♦ 823
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe
Tripelpunkt (°C ■ kPa): Keine Angabe
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): Keine Angabe
Geschätzte bzw. vorhergesagte Werte

sel der Stabilität“ schon fast überschritten, und Zunächst ist Tenness den Halogenen in Gruppe
tatsächlich liegt für die Isotope 293117Ts bzw. 17 des Periodensystems zugeordnet, da das Atom
294
117Ts die Halbwertszeit bei 21 ms bzw. 112 ms, des Elements sieben Valenzelektronen in seiner
also schon wieder bei sehr kurzen Zeiten. Berech- Außenschale mit der Konfiguration 7s27p5 auf-
nungen für das noch nicht erzeugte Isotop 295117Ts weist. Jedoch ist das Element wegen des bei den
weisen eine Halbwertszeit von 18 ms aus (Zagre- niederen Halogenen zu beobachtenden Gruppen-
baev et al. 2013; Zhao-Qing et al. 2007, 2009; trends wahrscheinlich bereits ein flüchtiges Metall
Duarte et al. 2004). Das stabilste er noch nicht (Chang et al. 2010). Der hier wohl hohe Einfluss
erzeugten Isotope sollte 296117Ts mit einer berech- relativistischer Effekte wird zu einer energetischen
neten Halbwertszeit von 40 ms sein (Chowdhury Absenkung vor allem der 7s-, aber auch der
et al. 2008). 7p-Niveaus führen. Die Stabilisierung des
438 7 Halogene: Elemente der siebten Hauptgruppe

7s-Orbitals nennt man den Effekt des inerten Elek- lich sein. Aufgrund relativistischer Effekte sollte
tronenpaars. Die Energie der p-Orbitale ist in un- ein Atom des Tenness also maximal 5 Valenz-
terschiedlichem Maß abgesenkt (Fægri Jr. und elektronen zur Verfügung haben (Thayer 2010;
Saue 2001; Audi et al. 2017; Barysz und Ishikawa Stysziński 2010; Pershina 2010). Da schon im
2010). Die energetische Lage der 6d-Orbitale wird Molekül des Tennesshydrids („Tennesswasser-
als zu der der 7s-Orbitale ähnlich berechnet, nur stoff“, TsH) nur noch der 7p3/2-Zustand an der
sollen sich 6d-Orbitale hier nicht an irgendeiner Bindung beteiligt ist, ist die Länge der Bindung
Bindung beteiligen. Die Zahl der möglichen Oxi- mit 195 pm deutlich länger als bei Beteiligung der
dationsstufen schätzt man für Tenness als deutlich 7s-Elektronen zu erwarten gewesen wäre, sie ist
niedriger ein als für die leichteren Halogenatome. auch deutlich schwächer als die Bindungen zwi-
Schmelz- und Siedepunkt sollten für Tenness schen Atomen der anderen Halogene und jeweils
einer Fortführung des Trends innerhalb der Grup- einem Wasserstoffatom (Bae et al. 2003). Die
pe der Halogene entsprechen und bei 350–500 °C Bindung eines Tenness- zu einem Wasserstoff-
bzw. 550–610 °C liegen (Seaborg 1994, S. 172; atom ist also äußerst labil. Insgesamt führen die
Takahashi 2002). (Den Schmelzpunkt des Astats durch relativistische Effekte verursachten Ände-
berechnete man beispielsweise auf 309 °C (Luig rungen der Energieniveaus sogar dazu, dass im
et al. 2005), zuvor waren bereits gemessene Werte hypothetischen Molekül NhTs das Tennessatom
von 230 °C (Otozai und Takahashi 1982) bzw. der elektropositivere Partner ist.
411 °C (Sharma 2001, S. 147) veröffentlicht wor- Im Molekül des Tenness-I-fluorids (TsF) sollte
den. Die Dichte von Tenness wird mit 7,1–7,3 die stabilste Bindung aller Moleküle von Halogen-
g/cm3 erwartet (s. Tab. 6). I-fluoriden vorliegen (Han et al. 2000). Das
Die Halbwertszeiten bzw. Menge der „verfüg- Molekül des Tenness-III-fluorids (TsF3) sollte Be-
baren“ Isotope des Tenness sind zu kurz bzw. ge- rechnungen zufolge nicht wie die der anderen
ring, um aktuell chemische Versuche durchführen Halogen-III-fluoride eine T-förmige Struktur ha-
zu können. Trotzdem wurden einige chemische Ei- ben, sondern eher trigonal-planar gebaut sein.
genschaften des Elements in der Vergangenheit be-
reits berechnet (Moody 2013). Im Gegensatz zu den
niederen Halogenen sollte Tenness nur noch schwer
Literatur
ein Elektron zur Auffüllung der äußeren Elektronen-
schale (7s- und 7p-Orbitale) aufnehmen (Bae et al. Albers F (2013) Fundamentale Eigenschaften des seltens-
2003), denn das Normalpotenzial für die Reaktion ten natürlichen Elements vermessen (Deutsche Physi-
Ts2 + 2 e ! 2 Ts- wurde mit +0,2 V sogar positiv kalische Gesellschaft Bundesministerium für Bildung
berechnet, was in starkem Gegensatz zum Verhalten und Forschung. Welt der Physik, Bonn/Berlin
Allen JF (2016) Some founders of the chemical industry:
der anderen Halogene steht. Elementares Tenness ist men to be remembered. Forgotten Books, London.
also kein Oxidationsmittel mehr, im Gegenteil. ISBN 978-1-330-55825-6
Die σ-Bindung im zweiatomigen Molekül Ts2 Allison F (1932) Magneto-optic method of analysis as a new
hätte einen beträchtlichen antibindenden Anteil research tool. Ind Eng Chem Analyt Ed 4:9. https://doi.
org/10.1021/ac50077a005
und wäre energetisch daher nicht mehr günstig; Allison F, Murphy EJ (1930a) A magneto-optic method of
dies deutete sich bei für Astat durchgeführten chemical analysis. J Am Chem Soc 52(10):3796.
Berechnungen (At2) schon an. Daher wird schon https://doi.org/10.1021/ja01373a005
für Ts2 ein starker π-Anteil der Bindung vorher- Allison F, Murphy EJ (1930b) Evidence of the presence of
element 87 in samples of pollucite and lepidolite ores.
gesagt. Im Molekül des Tenness-I-chlorids (TsCl) Phys Rev 35(3):285. https://doi.org/10.1103/PhysRev.
sollte sogar eine reine π-Bindung vorliegen. 35.285.2
Neben der instabilen Oxidationszahl 1 sollte Allison F et al (1931) Evidence of the detection of element
Tenness vor allem in Form der stabilen Oxidati- 85 in certain substances. Phys Rev 37:1178–1180.
https://doi.org/10.1103/PhysRev.37.1178
onsstufe +1 auftreten, daneben wäre noch +3 Allison F et al (1932a) Further research on element 87.
möglich. Der +5-Zustand wird dagegen als kaum J Am Chem Soc 54(2):613. https://doi.org/10.1021/
wahrscheinlich berechnet, und +7 sollte unmög- ja01341a025
Literatur 439

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Edelgase: Elemente der achten
Hauptgruppe 8

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
2 Geschichte und Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
3 Aufarbeitung, Trennung und Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477

Zusammenfassung Elemente ist noch lange nicht abgeschlossen.


Neonreklame, Helium als Füllgas in Ballons,
Xenonscheinwerfer: diese Begriffe sind Ihnen
wahrscheinlich bekannt, doch was steckt da- 1 Einleitung
hinter? Damit nicht genug: Radon in unterirdi-
schen Heilstollen, mit Argon gefüllte Glüh- Willkommen bei den Edelgasen! Im Periodensys-
birnen, KrF+ und Perxenate als stärkste bisher tem stehen sie in der achten Hauptgruppe, ihre
bekannte Oxidationsmittel? Atome besitzen alle eine abgeschlossene Elektro-
Dieses Kapitel gibt Ihnen kurzen, aber um- nenkonfiguration, was sie so reaktionsträge sein
fassenden Einblick in die Welt der Edelgase. lässt. Helium als Füllgas für Ballons, Neonrekla-
Sie haben richtig gelesen: man hat die Vertreter me, Xenonscheinwerfer . . . diese Begriffe bzw.
dieser Gruppe so genannt, weil sie kaum oder Synonyme haben Sie sicher bereits gehört. Aber
gar nicht mit anderen Elementen oder Ver- was steckt dahinter? Welche weiteren Mitglieder
bindungen reagieren. Trotzdem bieten sie hat diese Familie von Elementen? Die Edelgase,
hochinteressante Einblicke und sind aus vielen mit Ausnahme des Oganessons, wurden alle
technischen Anwendungen nicht mehr weg- schon vor etwa hundert Jahren isoliert und cha-
zudenken. Wir spannen hier den Bogen von rakterisiert, sind also seit Langem bekannt und in
der Zeit ihrer Entdeckung vor rund hundert zahlreichen technischen Anwendungen im Ein-
Jahren bis heute, und die Erforschung dieser satz.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 445
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_8
446 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Alle Edelgase, eventuell mit Ausnahme des Die Einzeldarstellungen der insgesamt sieben
Oganessons, sind bei Raumtemperatur gasförmig Vertreter der Gruppe der Edelgase enthalten dabei
und haben für Gase teils hohe Dichten. Nur die alle wichtigen Informationen über das jeweilige
schwereren unter ihnen sind in der Lage, che- Edelgas, so dass nur eine kurze Einleitung voran-
mische Verbindungen zu bilden. gestellt wurde.
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B.
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- 2 Geschichte und Vorkommen
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die
meisten Elemente können sich untereinander ver- Bereits fand Henry Cavendish, dass die Luft außer
binden und bilden so chemische Verbindungen; so Stickstoff und Sauerstoff noch einen kleinen
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische Anteil anderer Bestandteile enthält, nachdem er
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz. Stick- und Sauerstoff miteinander zur Reaktion
Die in diesem Kapitel vorgestellten Edelgase gebracht und die dabei entstehenden Stickoxide
Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon, Radon abgetrennt hatte. Er führte seine Versuche aber
und Oganesson sind ebenso chemische Elemente nicht fort (Brock 1997).
wie die oft bekannteren Schwefel, Sauerstoff, Ei- 1868 entdeckten Janssen und Lockyer un-
sen, Wasserstoff, Kupfer oder Gold. Sie befinden abhängig voneinander eine gelbe Spektrallinie
sich im Periodensystem in der achten Hauptgrup- (λ ¼ 587,5 nm) im Sonnenlicht (Kochhar 1991)
pe (18 oder VIII A). und führten sie auf die Existenz eines bis zu die-
Einschließlich der natürlich vorkommenden sem Zeitpunkt unbekannten Elements zurück, das
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich sie Helium nannten. Auf der Erde konnte es erst-
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Peri- mals 1892 durch Spektralanalyse von Lava des
odensystem der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente Vulkans Vesuv nachgewiesen werden, in der es
auf. eingeschlossen war.
Die Atome der Edelgase besitzen jeweils eine Mehr als hundert Jahre nach Cavendishs ersten
abgeschlossene, „gesättigte“ Konfiguration der Versuchen, die Zusammensetzung der Luft genau-
Elektronen in der äußeren Elektronenschale. Das er zu untersuchen, entfernten Raleigh und Ram-
bedeutet, dass ihre Elektronenschalen entweder say den in einer Luftprobe vorhandenen Stickstoff
vollständig mit Elektronen besetzt oder leer sind durch Reaktion mit Magnesium vollständig und
(Edelgaskonfiguration). Dadurch, dass ihre Ato- isolierten dabei ein noch unbekanntes Gas, das sie
me nur vollständig gefüllte Atomorbitale besit- Argon nannten (Brock 1997).
zen, erklärt sich der Umstand, dass Edelgase nur Helium und Argon zeigten zu anderen Gasen
unter extremen Bedingungen chemische Reaktio- unterschiedliche Eigenschaften. So war der Quo-
nen eingehen. Sie bilden daher auch, anders als tient aus ihrer molaren Wärmekapazität Cp bei
z. B. Stickstoff, Sauerstoff oder die Halogene, konstantem Druck zu der bei konstantem Volu-
miteinander keine Moleküle, sondern sind einato- men gemessenen (Cv) mit 1,67 deutlich höher,
mig und bei Raumtemperatur allesamt gasförmig. wogegen Stickstoff, Sauerstoff und andere Gase
Die interatomaren Van der Waals’schen Kräfte deutlich niedrigere Werte zeigen (Bugge 1974).
sind relativ schwach; es gibt keine leeren oder Die darauf von Ramsay und Travers initiierte
teilweise besetzten Elektronenorbitale, die in der Suche nach weiteren Mitgliedern einer Elemen-
Lage wären, ausgeprägte chemische Bindungen tengruppe im Periodensystem führte 1898 zur
zwischen den Atomen und damit ein stabiles Entdeckung von Neon, Krypton und Xenon, die
Atomgitter herzustellen. Daher rührt die hohe sie durch fraktionierte Destillation voneinander
Flüchtigkeit dieser Elemente. Der Name „Edel- trennten (Brock 1997).
gase“ ihrer Gruppe ist von ihrer geringen che- 1900 entdeckte Dorn das Radonisotop 22286Rn
mischen Reaktivität abgeleitet, ähnlich wie dies als radioaktives Zerfallsprodukt des Radiums; er
bei den „Edelmetallen“ der Fall ist. nannte es zunächst Emanation (Em). Später ge-
2 Geschichte und Vorkommen 447

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- VII VIII VIII VIII VIII
IA II A III B IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente

fundene, weitere Isotope des Radons (Rutherford, Gase wie Helium sowie durch Neubildung infolge
Debierne) hielt man in den ersten Jahren des 20. radioaktiven Zerfalls, wie es bei 4018Ar der Fall
Jahrhunderts für eigene Elemente. Eine genauere ist, das durch β-Zerfall des Kaliumisotops 4019K
Spektralanalyse des emittierten Lichts und der entsteht. Helium wird beim α-Zerfall schwerer
weiteren Eigenschaften ergaben, dass es sich bei Elemente wie Uran oder Thorium gebildet, Xenon
allen diesen Isotopen um dasselbe Element han- beim seltenen Spontanzerfall von Uran. Das Ra-
delte, das seit 1934 Radon genannt wird. Oganes- donisotop 22286Rn ist ein Zwischenprodukt in der
son, das letzte Element der Gruppe, erzeugte man vom Uranisotop 23892U ausgehenden Zerfallsrei-
am russischen Vereinigten Institut für Kernfor- he. Zerfallsvorgänge sind auch der Grund dafür,
schung (JINR) in Dubna nach mehreren zuvor dass Edelgase in Gesteinen eingeschlossen sind.
gescheiterten Versuchen (Oganessian et al. 2006). Helium tritt in einigen Uranerzen, Argon im Ba-
Das mit Abstand am häufigsten in der Erdatmo- salt der ozeanischen Kruste auf (Ballentine 2007).
sphäre vorkommende Edelgas ist mit 0,934 Vol.-% In der Regel gilt: Je schwerer die Atome eines
Argon, wogegen die anderen Edelgase darin deut- Edelgas sind, desto seltener ist dieses. Während
lich seltener sind. Helium ist immerhin noch Be- Helium nach Wasserstoff das zweithäufigste Ele-
standteil von Erdgas, an dem sein Anteil bis zu ment im Weltraum und auf der Erde ist, beide
16 Vol.-% betragen kann. Krypton, Xenon und Räume zusammengerechnet, kommen Neon und
vor allem Radon gehören zu den seltensten Ele- Argon im Universum immerhin noch sehr oft vor.
menten. Die Atome von Krypton und Xenon sind jedoch
Die Anteile der Edelgase in der Atmosphäre bereits zu schwer, als dass sie noch durch Kern-
verändern sich durch Entweichen leicht flüchtiger verschmelzung in Sternen gebildet werden kön-
448 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

nen, mit Ausnahme von seltenen Supernovae, und Über die Besonderheit des flüssigen Heliums
sind deswegen schon wesentlich seltener. wird im Kapitel „Helium“ berichtet. Nur Helium
kristallisiert im hexagonalen Kristallsystem, die
anderen Edelgase kubisch-flächenzentriert. Ent-
3 Aufarbeitung, Trennung und sprechend dem von Neon zu Radon ständig wach-
Herstellung senden Atomradius werden dann nur die Kanten-
längen des Gitters größer.
Abgesehen von größten Teil des Heliums und des Die Dichten der Edelgase sind proportional zur
Radons gewinnt man die Edelgase aus der Luft Atommasse des jeweiligen Elements. Helium und
nach dem Linde-Verfahren. Zunächst trennt man Neon haben eine geringere Dichte als Luft, wo-
durch fraktionierte Destillation Stickstoff und gegen Argon, Krypton, Xenon und Radon zum
Sauerstoff ab und überführt die Edelgase in eine Teil erheblich höhere Dichten aufweisen.
weitere Kolonne. Argon hat einen zu Sauer- und
Stickstoff ähnlichen Siedepunkt und muss daher
von diesen befreit werden. Die anderen Gase des- 4.2 Chemische Eigenschaften
tilliert man entweder fraktioniert ab (Krypton,
Xenon) oder adsorbiert sie an bestimmten Medien Obwohl alle Edelgasatome abgeschlossene Elek-
(Häussinger et al. 2006). tronenschalen besitzen, sind die schwereren unter
In den letzten Jahrzehnten ist für Helium die ihnen imstande, einige chemische Verbindungen
Gewinnung aus Erdgas am wichtigsten geworden. einzugehen. Der in diesen Fällen größere Abstand
Beispielsweise exportiert Algerien verflüssigtes, der Valenzelektronen vom Kern ist die Hauptursa-
heliumhaltiges Erdgas nach Europa, aus dem ro- che hierfür, da die Ionisierungsenergie dadurch
hes Helium durch Ausfrieren aller anderen Be- sinkt. Die meisten Verbindungen kennt man vom
standteile oder durch Membrandiffusion gewon- Xenon und nicht, wie zu erwarten wäre, vom
nen und danach feingereinigt wird (Häussinger Radon, da bei jenem die sehr kurzen Halbwerts-
et al. 2006). zeiten die gezielte Darstellung einzelner Verbin-
Alle Radonisotope haben nur sehr kurze Halb- dungen fast unmöglich machen.
wertszeiten; daher kann man Radon nicht in grö- Schon früh versuchte man, Verbindungen der
ßeren Mengen herstellen. Im Labormaßstab genügt Edelgase herzustellen. Reaktionen von Argon und
für diesen Zweck Radium. Das ausschließlich auf Fluor (1894, Moissan) bzw. von Krypton mit
künstlichem Weg zugängliche Oganesson erzeug- Chlor (1924, Antropoff) scheiterten bzw. lieferten
te man durch Beschuss von Californium- mit Cal- entgegen der Behauptung des Experimentators
cium-Atomen (Oganessian et al. 2006). nicht das gewünschte Ergebnis.
Als erste Verbindung eines Edelgases überhaupt
stellte Bartlett 1962 Xenonhexafluoroplatinat-IV
4 Eigenschaften dar; kurze Zeit später folgten Xenon-II-fluorid
(Hoppe et al. 1962) und Xenon-IV-fluorid
4.1 Physikalische Eigenschaften (Chernick und Claassen, ebenfalls 1962). Kurz
danach gelang die Synthese von Krypton-II-fluo-
Alle Edelgase sind unter Normalbedingungen ein- rid, erst im Jahr 2000 dagegen die des Argonfluo-
atomig, farb- und geruchslos. Sie kondensieren rohydrids.
bzw. erstarren erst bei sehr niedrigen Temperatu- Das einzige Element, das imstande ist, direkt
ren; dabei liegen die Schmelz- und Siedepunkte mit Xenon, Radon und unter bestimmten Bedin-
umso höher, je größer die Masse des betreffenden gungen auch Krypton zu reagieren, ist Fluor. Dabei
Edelgasatoms ist. So beträgt der Siedepunkt des sind die Xenon- und Radonfluoride bei Raumtem-
Heliums 4,2 K (268,95 °C) und der des Radons peratur beständig. Andere Elemente wie Sauerstoff
als schwerstem Edelgas immer noch nur 211,9 K reagieren nicht direkt mit Edelgasen, aber durch
(61,25 °C). Reaktionen der jeweiligen Fluoride des Edelgases
5 Einzeldarstellungen 449

sind dessen Verbindungen mit anderen Elementen radioaktiver Stoffe gebildete Heliumgas (Ramsay
herstellbar. 1895). Auch er registrierte die gelbe D3-Linie
Neon gilt als das am wenigsten reaktive Edel- nach Ausfrieren des miterzeugten Stickstoffs und
gas (Lewars 2008), jedoch gehen selbst die reak- Sauerstoffs. Nahezu dieselben Versuche führten
tionsfähigsten unter ihnen nur unter Anwendung um die gleiche Zeit Crookes (Kurzbiografie siehe
drastischer Bedingungen chemische Reaktionen „Europium“) sowie Cleve (Kurzbiografie siehe
ein. Es gab daher auch lange keine Zahlenwerte „Praseodym“) und Langlet durch, die auch die
ihrer Elektronegativitäten; in der Pauling-Skala ist ungefähre Atommasse des Gases bestimmten.
Xenon der Wert 2,6 und Krypton der von 3,0 1908 gelang die erstmalige Verflüssigung des
zugeordnet. Die Skalen nach Mulliken sowie Heliums durch Onnes, aber das feste Element
Allred-Rochow erlauben die Berechnung der Elek- konnte er noch nicht erhalten. Erst Keesom er-
tronegativität für die übrigen Edelgase. Diese sind zeugte 1926 festes Helium durch Komprimieren
für die leichteren Edelgase sehr hoch [z. B. Helium: des Heliums auf 25 bar Temperaturen unter 1 K
5,50 (Allred-Rochow) bzw. 4,86 (Mulliken)] (Al- (272,15 °C).
len und Huheey 1980).
Der französische Astronom Pierre Jules
César Janssen (* 22. Februar 1824 Paris;
5 Einzeldarstellungen
† 23. Dezember 1907 Meudon) erteilte nach
Abschluss seines Studiums ab 1853 zu-
Im folgenden Teil sind die Edelgase jeweils ein- nächst Unterricht am Pariser Lycée Charle-
zeln mit ihren wichtigen Eigenschaften, Herstel- magne. 1857 reiste er nach Peru zur Bestim-
lungsverfahren und Anwendungen beschrieben. mung des magnetischen Äquators. Anfang
der 1860er-Jahre befasste er sich mit den
„tellurischen“ Linien des Sonnenspektrum
5.1 Helium und wies nach, dass sie durch Absorption
von Wasserdampf in der Erdatmosphäre
Geschichte Der französische Astronom Janssen herrühren. Generell reiste er zwecks astro-
entdeckte als Erster eine hellgelbe Spektrallinie nomischer Studien viel: 1867 auf die Azo-
bei 587,5 nm in der Chromosphäre der Sonne, ren, 1870/1882 nach Algerien und 1874
dies während einer totalen Sonnenfinsternis in nach Japan.
Indien 1868, und führte deren Auftreten auf das
Vorhandensein eines neuen Elements zurück. Von 1865 bis 1871 unterrichtete Janssen in
Noch im gleichen Jahr bestätigte Lockyer diese einer Architektenschule. 1873 wählte in die
Entdeckung und untermauerte Janssens These, Akademie der Wissenschaften (Académie
dass der Urheber ein bis dahin noch unbekanntes des Sciences) zu ihrem Mitglied. Seit 1875
war er auswärtiges Mitglied der britischen
Element war. Diese Spektrallinie liegt sehr nahe
Royal Society; im gleichen Jahr wurde
an den beiden Fraunhofer-Linien des Natriums
Janssen Direktor des Astrophysikalischen
(D1: 589,6 nm, D2 ¼ 589,0 nm) des Metalls
Instituts in Meudon. 1879 wählte in die
Natrium, daher nannte er diese Linie D3, um sie
Edinburgher Royal Society zum Ehrenmit-
von den beiden Spektrallinien des Natriums zu
glied. Janssen nahm als einer der Ersten
unterscheiden. Lockyer und Frankland schlugen Fotos von der Sonne auf und veröffentlichte
als Namen für das neue Element Helium vor. Erst diese später im „Atlas de photographies so-
1882 wies Palmieri in der vom Vulkan herabströ- laires“. Sein Interesse an der Astronomie
menden, glühenden Lava Helium erstmals auf der veranlasste ihn, 1893 den Mont Blanc zu
Erde nach. besteigen und vier Tage auf dessen Gipfel
1895 gab Ramsay (Kurzbiografie siehe „Kryp- zu bleiben, nur um die Sonne zu beobach-
ton“) Mineralsäure zu einem Uranerz und isolierte ten. 1904 nahm in die Russische Akademie
aus diesem unter Anderem das durch α-Zerfall
450 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

der Wissenschaften als korrespondierendes aufgang am 21. Juni eines Jahres ausgerich-
Mitglied auf. tet war, woraus er die Verschiebung der
Richtung des Sonnenaufgangs wegen der
Der englische Astronom Sir Joseph Nor- Präzession der Erdachse berechnete (Lo-
man Lockyer (* 17. Mai 1836 Rugby; † 16. ckyer und Penrose 1901).
August 1920 Salcombe Regis) begann 1857
seine Laufbahn als Beamter im britischen Der italienische Naturwissenschaftler Luigi
Kriegsministerium und wurde 1862 Mit- Palmieri (* 22. April 1807 Faicchio; † 9.
glied der Royal Astronomical Society. 1868 September 1896 Neapel) studierte Physik,
entdeckte er unabhängig von Janssen eine Mathematik und Philosophie an der Univer-
auf die Gegenwart von Helium zurück- sität Neapel. 1847 wurde er dort zum Pro-
zuführende Spektrallinie im Sonnenlicht, fessor für Logik und Metaphysik berufen.
er schlugen als Namen für das neu identifi- Palmieri leitete von 1855 bis 1896 das Ve-
zierte Element „Helium“ vor. suv-Observatorium bei Neapel. Da Palmieri
in einem erdbebengefährdeten Gebiet lebte,
Die noch heute bestehende wissenschaftli- entwickelte er einen elektromagnetischen
che Zeitschrift „Nature“ gründete Lockyer Seismografen und ein Gerät zur Messung
1869 und blieb deren Herausgeber bis 1919. der elektrischen Spannung in der Atmosphä-
Zwei Jahre später, 1871, wurde er Assistant re. 1882 konnte er durch Spektralanalyse
Commissioner der Royal Commission on glühender Lava des Vesuvs erstmalig Helium
Scientific Instruction and the Advancement auf der Erde nachweisen. Den Mondkrater
of Science. In den Folgejahren unternahm Palmieri benannte man nach ihm (Schettino
Lockyer mehrere Fernreisen zu Forschungs- 2014).
zwecken. 1881 erhielt Lockyer den Ruf an
das Royal Institute of Science und leitete ab Der niederländische Physiker Heike Ka-
1885 das neu gegründete Sonnenobservato- merlingh Onnes (* 21. September 1853
rium in South Kensington. 1912 gründete er Groningen; † 21. Februar 1926 Leiden) stu-
sein eigenes Observatorium in Salcombe dierte nach seinem Schulabschluss ab 1870
Hill. Er befasste sich zeitlebens intensiv Physik an der Reichsuniversität Groningen
mit der Sonne, ihrem Licht, ihrer Rotations- und wechselte von 1871 bis 1873 an die
periode und ihrer möglichen Zusammenset- Universität Heidelberg. 1879 promovierte
zung. Lockyer wurde 1892 Vizepräsident er mit der Arbeit „Nieuwe bewijzen voor
der Royal Society, gehörte als korrespon- de aswenteling der aarde“ („Neue Beweise
dierendes Mitglied der Pariser Académie für die Drehung der Erde“) zum Doktor der
des Sciences und seit 1904 auch der Russi- Physik. 1882 erhielt Kamerlingh Onnes die
schen Akademie der Wissenschaften in Berufung als Professor für experimentelle
Sankt Petersburg an. 1915 wurde er Mit- Physik an die Universität Leiden und war
glied der American Academy of Arts and von 1903–1904 deren Rektor. 1883 wurde
Sciences (Courtie 1921; Meadows 1972; er Mitglied der Königlich Niederländischen
Wilkins 1994). Akademie der Wissenschaften, ab 1916
auswärtiges Mitglied der Londoner Royal
Lockyer veröffentlichte seine Beobachtun- Society, 1920 Mitglied der britischen Na-
gen über die in früheren Jahrtausenden von tional Academy of Sciences und der franzö-
Bauherren geübte Ausrichtung von Bauwer- sischen Académie des Sciences. Außerdem
ken nach dem Sonnenstand 1894 in seinem wählte ihn 1922 die Preußische Akademie
Buch „The Dawn of Astronomy“. Beispiels- der Wissenschaften zum korrespondieren-
weise gelang ihm durch Berechnungen der den Mitglied, 1925 die Leopoldina und die
Nachweis, dass der zentrale Stein des Mo- sowjetische Akademie der Wissenschaften
numents von Stonehenge auf den Sonnen- jeweils als auswärtiges Mitglied.
5 Einzeldarstellungen 451

Wenig später lieferte eine in Kansas betriebene


Kamerlingh Onnes’ Arbeitsschwerpunkt lag Ölbohrung ein Erdgas, das bis zu 12 Vol.-% eines
auf der Verflüssigung von Gasen; ab 1894 noch unbekannten Gases enthielt. Cady und
arbeitete er mit flüssigem Sauerstoff (Siede- McFarland wiesen 1905 nach, dass es sich hierbei
punkt: 182,97 °C), ab 1906 flüssigem um Helium handelte. Fast zeitgleich zeigten Ru-
Stickstoff (Siedepunkt: 195,8 °C). Am therford und Royds, dass Alphateilchen Helium-
10. Juli 1908 gelang ihm die Verflüssigung kerne sind.
von Helium (Siedepunkt: 268,93 °C), er Kamerlingh Onnes verflüssigte als Erster He-
kühlte die Flüssigkeit noch auf eine Tem- lium durch Abkühlen des Gases auf eine Tem-
peratur von 272,3 °C ab, ohne dass aber
peratur von 1 K, jedoch war es ihm mit den
das flüssige Helium erstarrte (Van Delft
damals verfügbaren Methoden nicht möglich, fes-
2007). 1911 entdeckte er am Beispiel des
tes Helium zu erzeugen. Erst zwanzig Jahre später
Quecksilbers dessen Supraleitfähigkeit,
gelang dies Keesom durch Komprimieren des
wenn er das Metall auf die Temperatur flüs-
sigen Heliums abkühlte. Er erweiterte die Heliums auf einen Druck von 25 bar bei gleicher
ursprünglich für ideale Gase formulierte Temperatur.
Van der Waals-Gleichung p∙V¼n∙R∙T um Auf der Erde wird 42He (α-Teilchen) beim
Korrekturen wie Kohäsionsdruck und -vo- α-Zerfall diverser radioaktiver Elemente wie
lumina, Kapillarität und Viskosität, um mit z. B. Uran oder Radium gebildet. Der größte Teil
Hilfe der Gleichung auch reale Gase und des auf der Erde vorhandenen Heliums ist auf
sogar Mischungen derselben beschreiben zu radioaktiven Zerfall zurückzuführen. In natürli-
können. Auch den Effekt der Suprafluidität chem Erdgas sammelt es sich in Konzentrationen
flüssigen Heliums entdeckte er. 1913 erhielt bis zu 16 Vol.-% an. Helium gewinnt man durch
Kamerlingh Onnes den Nobelpreis für Phy- fraktionierte Destillation aus Erdgas. Durch Ab-
sik (Jorda 2008; Van Delft und Kes 2010). kühlen des Erdgases ist es möglich, Helium von
im Erdgas enthaltenen Kohlenwasserstoffen und
Stickstoffverbindungen zu trennen.
Vorkommen Im Weltall ist Helium nach Wasser-
Der mit Abstand größte Produzent von Helium
stoff das zweithäufigste Element. Fast ein Viertel
sind die Vereinigten Staaten von Amerika, wo
der Masse der sichtbaren Materie bestehen aus
1995 ca. 1 Mrd. m3 gefördert wurden. Weitere
Helium, das vor allem durch Fusion von Wasser-
wichtige Produktionsländer waren Russland, Po-
stoffatomen in Sternen erzeugt wird. Dieses liefert
len und Kanada. Ab etwa 2000 entwickelte sich
die Energie, die die meisten Sterne während der
Algerien zu einem bedeutenden Lieferanten.
längsten Zeit ihres Lebens zum Leuchten bringt.
Nach einem vorübergehenden Überangebot an
Helium ist auch bei den äußeren Planeten des
Helium zu Niedrigpreisen geht der Marktpreis
Sonnensystems ab Jupiter ein bedeutender Be-
angesichts sinkender Vorratsmengen und steigen-
standteil deren Atmosphäre.
den Bedarfs aktuell wieder nach oben. Selbst An-
lagen zur Wiedergewinnung des Heliums werden
Gewinnung 1895 erzeugte Ramsay Helium, in- in Betrieb genommen. Es könnte in der nahen
dem er das Uran-Mineral Cleveit mit Mineralsäu- Zukunft sogar ein Mangel an Helium drohen
re versetzte und das sich bei der folgenden Reak- (Gast 2012; Börse online 2019).
tion bildende Gas isolierte. Er registrierte die für Neben dem Isotop 42He ist das Schwesteriso-
Helium charakteristische und damals schon be- top 32He nur zu ca. 1,4 ppm in natürlichem Heli-
kannte gelbe D3-Linie, nachdem er Stickstoff um enthalten und daher sehr teuer. Synthetisch
und Sauerstoff zuvor abgetrennt hatte. Nahezu kann man in Kernreaktoren durch Neutronen-
gleichzeitig führten Crookes (England) und Cle- beschuss des Lithiumnuklids 63Li Kerne des Tri-
ve/Langlet ein ähnliches Experiment durch. Sie tiums (31H) und Heliums (42He) erzeugen:
gewannen eine zur Bestimmung der Atommasse
6
des Gases genügende Menge. 3 Li þ 1 0 n ! 3 1 H þ 4 2 He
452 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Tritiumkerne werden in Kernreaktoren auch als Bei Temperaturen unter 270,97 °C (2,18 K),
Nebenprodukt des Neutroneneinfangs von Borato- dem sog. Lambdapunkt, wird 42He supraflüssig
men (105B) gebildet, das man in Druckwasserreak- (Helium II). Es fließt dann durch kleinste Öffnun-
toren zur Regelung der Leistung einsetzt: gen eines Durchmessers von 10 bis 100 nm und
besitzt praktisch keine Viskosität. Die von Tisza
10
5B þ 1 0 n ! 3 1 H þ 8 4 Be entwickelte Theorie des Zwei-Flüssigkeiten-Mo-
dells geht vom gleichzeitigen Vorhandensein so-
Die Kerne des Tritiums erleiden dann β-Zerfall wohl „normal“ flüssigem als auch supraflüssigen
4
zu 32He. 2He in Helium II aus und erklärt einige Phäno-
mene der Tieftemperaturphysik zutreffend (Enns
Eigenschaften Helium kommt nur atomar vor und Hunklinger 2000).
und wird erst nahe der Temperatur des absoluten Helium II bewegt sich auf Oberflächen, die aus
Nullpunkts (0 K bzw. 273,15 °C) flüssig. Als ihm herausragen, gegen die Schwerkraft nach
einzige Substanz wird es selbst bei dieser tiefen oben (Onnes-Effekt). Da Helium II deshalb leicht
Temperatur unter Normaldruck nicht fest. Es ist unversiegelten Behältern entweicht, ist es schwie-
neben seinem Homologen Neon das einzige Ele- rig, flüssiges Helium in einem begrenzten Raum
ment, das selbst unter extremen Bedingungen kei- zu halten.
ne chemischen Verbindungen eingeht, die nicht Bei Normaldruck wird Helium selbst bei einer
sofort nach ihrer Synthese wieder zerfallen. Temperatur nahe von 273,15 °C (0 K) nicht fest.
Helium ist ein farbloses, geruchloses und un- Erst bei höheren Drücken >2,5 MPa (ca. 25 bar)
giftiges Gas. Unter Standardbedingungen verhält und unterhalb einer Temperatur von 271,65 °C
sich Helium nahezu wie ein ideales Gas. Das (1,5 K) erstarrt es. Festes Helium ist stark kom-
Gewicht eines m3 Helium beträgt bei Standard- primierbar (Leute 2004).
bedingungen 179 g; die Dichte von Luft ist dage-
gen rund siebenmal so hoch. Es besitzt nach Was- Verbindungen Helium ist selbst im Vergleich zu
serstoff die größte Wärmeleitfähigkeit aller Gase; anderen Edelgasen reaktionsträge. Ursache hier-
auch seine spezifische Wärmekapazität ist sehr für sind die extrem hohen Ionisierungsenergien
hoch. Helium ist zudem ein guter elektrischer des Heliumatoms. Durch elektrische Entladungen
Isolator. In Gasentladungsröhren leuchtet Helium in einem aus Wasserstoff und Helium bestehenden
mit gelblich-rosa Farbe. Gemisch bzw. in reinem Helium ist die Herstel-
Die Löslichkeit von Helium in Wasser ist die lung ionischer Agglomerationen wie HHe+ bzw.
niedrigste aller Gase. Es diffundiert im Unter- HeHe+ möglich. Diese sind aber keine echten
schied zu Luft leicht durch Festkörper und wird chemischen Verbindungen und zerfallen sofort
hierin nur noch von Wasserstoff übertroffen (Ham- nach ihrer Bildung wieder.
pel 1968). Unter Standardbedingungen weist He- Kürzlich gelang es Forschern aber, durch
lium einen negativen Joule-Thomson-Koeffizienten Anwendung extrem hoher Drücke auf ein aus
auf (Erwärmung bei Ausdehnung). Erst unterhalb Helium und Natrium bestehendes Gemisch in ei-
der Inversionstemperatur (ca. 233 °C/40 K bei ner Diamantstempelpresse eine kristalline Verbin-
Atmosphärendruck) kühlt es sich bei Expansion dung der Zusammensetzung Na2He zu erzeugen.
ab. Helium muss man erst unter diese Temperatur Die Heliumatome liegen auf den Zentralpunkten
vorkühlen, bevor man es durch Expansionsküh- eines kubisch-innenzentrierten Gitters, sind also
lung verflüssigen kann. von acht Natriumatomen umgeben. Ebenso ge-
Helium ist nach Wasserstoff das chemische lang der Arbeitsgruppe der Nachweis einer wei-
Element mit der geringsten Dichte und besitzt teren Verbindung, des Na2HeO (Oganov et al.
zudem die niedrigsten Schmelz- und Siedepunkte 2017).
aller Elemente. Unterhalb von 269 °C (4,15 K)
wird es bei Normaldruck flüssig (Helium I) Anwendungen Helium findet mittlerweile in
(s. Tab. 1). sehr vielen Anwendungen Einsatz. In der Inten-
5 Einzeldarstellungen 453

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Helium


Symbol: He
Ordnungszahl: 2
CAS-Nr.: 7440-59-7

Aussehen: Farbloses Gas Helium in Gasentladungsröhre (Jurii 2009)


Entdecker, Jahr Janssen (Frankreich), 1868
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
3
2He (0,000137) Stabil ——
4
2He (99,999863) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,004
Atommasse (u): 4,002602
Elektronegativität — ♦ 5,50 ♦ 4,86
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 140
Kovalenter Radius (pm): 32
Elektronenkonfiguration: [He] (1s2)
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 2372 ♦ 5251
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,1 · 109
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal-dichtest
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): 970
Dichte (kg/m3, bei 298 K) 0,1785
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 21,00 · 106 (fest)
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,1513
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 20,78
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 272,2 ♦ 0,95 (2,5 MPa)
Schmelzwärme (kJ/mol): 0,02
Siedepunkt (°C ♦ K): 269 ♦ 4,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 0,084
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 270,973 ■ 5,043
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 267,955 ■ 0,2275

sivmedizin verwendet man ein Helium-Sauer- Steigerung der Einbrenntiefe und der Geschwin-
stoff-Gemisch (80:20) als Atemgas, das mit gerin- digkeit des Schweißvorganges.
gerem Widerstand durch Verengungen strömt. Es ist ein Kühlmittel zum Erreichen sehr tiefer
Beim Tauchen setzt man es als Atemgas ein [Tri- Temperaturen. Die Verwendung von 42He erlaubt
mix (Sauerstoff, Stickstoff, Helium), Hydreliox durch Verdampfungskühlen das Erreichen von Tem-
(Wasserstoff, Helium, Sauerstoff) und Heliox peraturen bis ca. 1 K, die von 32He bis ca. 240 mK.
(Helium, Sauerstoff)]. Die kostengünstige 32He-42He-Mischungsküh-
In der lebensmittelverarbeitenden Industrie dient lung erzielt sogar eine Abkühlung auf 5 mK (Wie-
es als Treib- oder Packgas (Lebensmittelzusatz- be 2003).
stoff E 939) (ZZulV). Wegen seiner Unbrennbar- Werden Supraleiter eingesetzt, hilft das als
keit und des gegenüber Luft immer noch sehr Kühlmittel verwendete Helium, diese unter ihrer
großen Dichteunterschieds hat es Wasserstoff aus Sprungtemperatur zu halten, wie z. B. in der Kern-
Sicherheitsgründen meist verdrängt. spintomografie (MRT), der Kernresonanzspektro-
In der Schweißtechnik setzt man Helium als skopie (NMR), in Teilchenbeschleunigern und in
Inertgas zum Schutz der Schweißstelle vor Sauer- der Raumfahrt (Infrarotteleskope und Infrarotka-
stoffzutritt ein. Dadurch erzielt man auch eine meras in Weltraumteleskopen).
454 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Helium ist sehr effektiv bei der Prüfung auf


Undichtigkeiten in Druckgasarmaturen unter Ver- T. Keller et al., Method and system for
wendung von Lecksuchspray. extracting pure helium (Linde GmbH,
In der Raketentechnik ersetzt Helium den ver- CA 3044848 A1, veröffentlicht 25. Juli
brauchten Treibstoff in pumpgeförderten Flüssig- 2019)
treibstoffraketen, damit die Treibstofftanks der
Raketen nicht implodieren. In druckgeförderten Ra-
keten drückt Helium den Treibstoff in die Trieb-
werke. 5.2 Neon
Helium verwendet man als Hilfsgas in Lasern
(Helium-Neon, Helium-Cadmium und Kohlen- Geschichte Nachdem Ramsay (Kurzbiografie
dioxid-Laser). Das Funktionsprinzip ist das eines siehe „Krypton“) 1894 zusammen mit Rayleigh
Stoßpartners zur An- oder Abregung der Energie- Argon entdeckt und Ramsay 1895 auch Helium
niveaus der eigentlich aktiven Lasermedien. aus Uranerz isoliert hatte, nahm er aufgrund des
Seine chemische Inertheit macht es geeignet Ende des 19. Jahrhunderts schon bekannten Peri-
als Trägergas in der Gaschromatografie. odensystems an, dass es ein weiteres Edelgas
In Gasentladungsröhren leuchtet Helium gelb- zwischen Helium und Argon geben sollte, das
lich/weiß. eine Atommasse von rund 20 u haben sollte. Nur
Man benutzt Helium auch anstelle von Druck- fand er zusammen mit seinen Mitarbeitern zu-
luft, um im Formel-1-Automobilsport Schlagschrau- nächst weder in Gestein und heißen Quellen Hin-
ber anzutreiben. Dies erlaubt einen deutlichen weise auf ein neues Element.
Zeitgewinn beim Radwechsel, ist aber inzwischen Dann fraktionierten sie flüssige Luft, isolierten
aus Sicherheitsgründen in die Diskussion gekom- dabei etwa 15 L rohes Argon und unterwarfen
men (Helium-Verbot in Schlagschraubern geplant dieses einer separaten fraktionierten Destillation.
2011). Zuerst wiesen sie dabei das bei höherer Tempera-
tur siedende, noch unreine Krypton nach, dann
prüften sie die leichter siedenden Anteile des Roh-
Patente
argons, kühlten diese noch weiter ab und fanden
(Weitere aktuelle Patente siehe https://
1898 schließlich ein bei deutlich tieferer Tempera-
worldwide.espacenet.com)
tur als Argon siedendes Edelgas, das Neon. Dieses
benannten Ramsay und sein Mitarbeiter Travers
Y. S. Choi und M. S. Kim, Helium gas
nach dem griechischen Wort für „neu“ („néos“).
liquefier and method for liquefying heli-
Etwas später noch fraktionierten sie auch das rohe
um gas (Korea Basic Science Institute,
Krypton und isolierten aus der bei höherer Tem-
KR 102142312 B 1, veröffentlicht
peratur siedenden Fraktion ein weiteres Element,
7. August 2020)
das Xenon (Ramsay 1904). Bereits 1910 entwi-
O. M. Troyan et al., Method of storing ga-
ckelte Claude die erste Neonlampe, indem er auf
seous helium (Publichnoe Aktsionernoe
in eine Glasröhre gefülltes Neon eine hohe elek-
Obshchestvo ONKHP, RU 2723207 C1,
trische Spannung einwirken ließ (Claude 1915).
veröffentlicht 9. Juni 2020)
C. Voss et al., Combined membrane and
pressure swing adsorption method for Der englische Chemiker Morris William
recovery of helium (Linde AG, UA Travers (* 24. Januar 1872 London; † 25.
121224 C, veröffentlicht 27. April 2020) August 1961 Stroud) studierte Chemie am
Clark und G. J. Ockenfuss, Argon-helium Londoner University College und erhielt
based coating (Viavi Solutions, Inc., TW dort 1903 den Ruf als Professor. Von 1906
202012674 A, veröffentlicht 1. April bis 1914 war er im indischen Bangalore der
2020) erste Direktor des neu gegründeten Indi-
5 Einzeldarstellungen 455

mit zugefügtem Sauerstoff zu Wasser verbrannt


schen Instituts der Wissenschaften. Zu Be- und jenes abgetrennt. Dann verflüssigt man den
ginn des Ersten Weltkriegs nahm er eine größten Teil des Reststickstoffs bei einem Druck
Anstellung in der chemischen Industrie von 30 bar und einer Temperatur von 207 °C
Englands an. Zusammen mit William Ram- und trennt diesen ebenfalls ab. Spuren restlichen
say entdeckte er in den Jahren von 1894 bis Stickstoffs absorbiert Silicagel. Das zurück blei-
1908 die Edelgase Neon, Krypton und Xe- bende, aus ca. 76 % Neon und 24 % Helium be-
non (Bawn 1963). stehende Gasgemisch verdichtet man bei ca. 20 °C
auf einen Druck von 180 bar und kühlt es dann
Vorkommen Im Weltall gehört Neon nach stufenweise auf eine Temperatur von 223 °C
Wasserstoff, Helium, Sauerstoff, Kohlenstoff ab. Nach schrittweiser Drucksenkung des Gas-
und Stickstoff zu den häufigsten Elementen. Sehr gemisches auf 25 bar und dann auf 1,5 bar kon-
selten ist es dagegen auf der Erde mit einem densiert der größte Teil des Neons, wogegen Heli-
Gesamtanteil an der Erdhülle von ca. 0,005 ppm um gasförmig bleibt. Eine fraktionierte Destillation
(Binder 1999), in der Erdatmosphäre kommt es in liefert schließlich reines Neon (Stenger et al. 2006).
einer Konzentration von 18,18 ppm vor (Williams Ein zweites Verfahren ist die Adsorption. Nach
2009). Der größte Teil des Gases ist zuvor bereits der Abtrennung des Stickstoffes absorbiert man
ins Weltall entwichen. In kleinen Mengen kommt Neon bei einem Druck von 5 bar und einer Tem-
Neon, welchen Ursprung es auch hat, eingeschlos- peratur von 206 °C an eine Trägersubstanz, die
sen in Granit, Basalt und vulkanischen Gasen vor bei Senkung des Druckes auf 3 bar das zuvor
(Dickin 2005). absorbierte Neon wieder abgibt. Zur Feinrei-
Auf großen Gasplaneten wie Jupiter oder Sa- nigung von Helium und Stickstoff wiederholt
turn kann Neon wegen deren starker Gravitation man dieses Absorptionsverfahren zweimal nach-
nicht entweichen. Die Zusammensetzung der Iso- einander (Stenger et al. 2006).
tope entspricht daher dem Urzustand, wie er
bei der Bildung des jeweiligen Planeten ge- Eigenschaften Neon ist ein bei Normalbedingun-
herrscht hat. Das Verhältnis von 2010Ne zu 2210Ne gen einatomiges, farbloses und geruchloses Gas,
ist dasjenige, wie es auch auf der Sonne vorzufin- das bei 246 °C kondensiert und bei 248,6 °C
den ist. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Entste- erstarrt (s. Tab. 2). Wie alle anderen Edelgase
hungsbedingungen des Sonnensystems (Owen mit Ausnahme von Helium kristallisiert Neon
et al. 2000). kubisch-dichtest (Schubert 1974). Seine Dichte
von 0,9 kg/m3 (bei 0 °C und 1013 hPa) ist nied-
Gewinnung Wie Krypton und Xenon entdeck- riger als die der Luft; die kritischen Daten sind in
ten Ramsay und Travers auch Neon (1898) durch (Ancsin 1978) beschrieben. In Wasser löst sich
fraktionierte Destillation flüssiger Luft. Immer Neon nur schlecht (max. 10,5 ml Neon in 1 L
noch gewinnt man das Gas als Nebenprodukt bei Wasser).
der Luftzerlegung nach dem Linde-Verfahren. Neon zeigt wie die anderen Edelgase bei Gas-
Nach Abtrennung von Wasser, Kohlenstoffdi- entladungen ein Linienspektrum, im Falle von
oxid, den bei höheren Temperaturen siedenden Neon erscheint das Gas bei Entladung in oran-
Edelgasen, Sauerstoff und dem Großteil an Stick- geroter Farbe.
stoff verbleibt ein tiefsiedendes Gasgemisch. Dies
besteht zu 50 % aus Stickstoff, zu 35 % aus Neon Verbindungen Neon zählt zu den Edelgasen und
neben kleineren Anteilen von Helium und Was- ist wie diese farblos, äußerst reaktionsträge und
serstoff. einatomig. In seinen physikalischen Eigenschaf-
Die Gase können wegen ihrer unterschiedlichen ten steht es zwischen dem leichteren (Helium) und
Siedepunkte durch Kondensation und die Ausnut- dem schwereren Homologen (Argon). Bisher sind
zung des Joule-Thomson-Effektes getrennt wer- keine Verbindungen des Elementes bekannt. So-
den. Wasserstoff wird durch katalysierte Reaktion gar Neon-Clathrate, bei denen es in den Molekül-
456 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Neon


Symbol: Ne
Ordnungszahl: 10
CAS-Nr.: 7440-01-9

Aussehen: Farbloses Gas Neon in Gasentladungsröhre (Hi-Res Images


of Chemical Elements (2009)
Entdecker, Jahr Ramsay und Travers (England), 1898
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
20
10Ne (90,48) Stabil ——
21
10Ne (0,27) Stabil ——
22
10Ne (9,25) Stabil
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,005
Atommasse (u): 20,1797
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 154
Kovalenter Radius (pm): 58
Elektronenkonfiguration: [Ne] ([He] 2s2 2p6)
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 2081 ♦ 3952 ♦ 6122
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,8 · 109
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-dichtest
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): 435
Dichte (kg/m3, bei 298 K) 0,900
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 13,23 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,0491
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 20,79
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 248,6 ♦ 24,55
Schmelzwärme (kJ/mol): 0,34
Siedepunkt (°C ♦ K): 246,0 ♦ 27,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 1,9
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 248,594 ■ 43,37
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 229,66 ■ 2,7686

gittern anderer Verbindungen physikalisch einge- (Lewars 2008). Die Elektronegativitätsskala nach
schlossen wäre, sind noch nicht nachgewiesen Allen führt Neon, nicht Helium, als das elektro-
worden; eine Ausnahme ist das bei sehr hohem negativste Element auf, dicht gefolgt von Fluor
Druck (0,35–0,48 GPa) und Temperaturen um und Helium.
30 °C gebildete Chlathrat aus Eis und Neon Nur massenspektrometrische Untersuchungen
(Yu et al. 2014). In diesem Chlathrat sind die geben Hinweise zumindest auf neonhaltige Ionen
Neonatome aber nicht chemisch an Wassermole- (Ne+, ArNe+, HeNe+ und HNe+) (Lide).
küle gebunden, können sich frei im Eis bewegen
und sind aus diesem durch Lagern des Eises in Anwendungen Da Neon wesentlich seltener und
einer Vakuumkammer entfernbar. Theoretische darüber hinaus auch schwieriger zu gewinnen ist
Berechnungen lassen vermuten, dass Neon das als Argon, setzt man es in nur geringen Mengen
am wenigsten reaktive Element ist. Selbst das ein. Die bekannteste Anwendung sind die Leucht-
Neon-Analogon der nach Berechnung stabilen röhren oder Neonlampen, in denen Neon durch
Heliumverbindung HHeF sollte nicht stabil sein Gasentladungen in einer typischen orangeroten
5 Einzeldarstellungen 457

Farbe zum Leuchten angeregt wird. Auch in Blitz- nenem Stickstoff unterschiedlich waren (Strutt
und Stroboskoplampen verwendet man es als 1892). 1894 wiederholte Strutt zunächst die von
Füllgas. Cavendish durchgeführten Versuche und bestätig-
In Helium-Neon-Lasern erreicht man die erfor- te dessen Resultat der Existenz eines nichtreak-
derliche Besetzungsinversion durch Anregung tiven Gasrückstands. Diesen leitete er über glü-
des Heliums und strahlungslosen Übergang von hendes Magnesium, dass mit Stickstoff zum
Elektronen zum Neon. Die stimulierte Emission Magnesiumnitrid reagiert und diesen somit bin-
erfolgt vom Neonatom bei Wellenlängen von det. Dabei stieg die Dichte des nun noch gerin-
632,8 nm (rot) sowie 1152,3 nm und 3391 nm gervolumigen Gasrückstandes weiter an. Anfang
(beide im Infraroten). 1895 veröffentlichten Ramsay und Strutt die Ent-
Der Einsatz flüssigen Neons als Kühlmittel hat deckung des neuen Elements, das sie „Argon“
gegenüber Helium und Wasserstoff den Vorteil [nach „α᾿ ργóς“ (argos), „träge“], nannten (Meurig
einer erheblich höheren Kühlleistung (Stenger Thomas 2004). Einige Jahre später arbeitete Ram-
et al. 2006). say dieses rohe Argon weiter auf und entdeckte
Die Verwendung von Neon in Mischung mit sowohl das leichtere Homologe des Argons, Ne-
Sauerstoff als Atemgas für das Tauchen erfolgt on, als auch die zwei schwereren, Krypton und
wesentlich seltener als die des Heliums, da Neon Xenon (Ramsay 1904). Die ersten Elektronenröh-
teurer ist und auch einen größeren Atemwider- ren, die als Gleichrichter bei niedrigen Spannun-
stand aufweist (Bove und Davis 2004; Francis gen eingesetzt wurden (Tungar-Röhren), waren
et al. 1972). mit Argon gefüllt und enthielten eine Wolfram-
kathode und eine Grafitanode (von Schröter
1920).
Patente
(Weitere aktuelle Patente siehe https://
worldwide.espacenet.com) Der englische Physiker John William
Strutt, 3. Baron Rayleigh (* 12. No-
Findlay et al., LED simulated neon with vember 1842 Langford Grove; † 30. Juni
structural reinforcement (Elemental LED, 1919 Witham) studierte ab 1861 am Trinity
Inc., US 10520143 B1, veröffentlicht 31. College in Cambridge Mathematik. Nach
Dezember 2019) dem Abschluss des Studiums erhielt er dort
ein fünfjähriges Stipendium bis 1871. Ab
1873 musste er nach dem Tod seines Vaters
zunächst dessen landwirtschaftlichen Be-
5.3 Argon trieb weiterführen, übergab diese Aufgabe
aber 1876 an seinen jüngeren Bruder.
Geschichte Im Rahmen der von Cavendish
1879 erhielt er die Professur für Experimen-
(Kurzbiografie siehe „Wasserstoff“) schon 1783
talphysik sowie die Leitung des Cavendish-
durchgeführten Versuche zur Untersuchung der che-
Laboratoriums in Cambridge. Strutt war
mischen Reaktionsfähigkeit der in der Luft ent-
Mitglied einiger wissenschaftlicher Vereini-
haltenen Gase verblieb immer ein kleiner Rück-
gungen (1873 Royal Society, deren Prä-
stand. Cavendish ließ elektrische Entladungen auf sident er von 1905 bis 1908 war, ferner ab
ein Gemisch aus Stick- und Sauerstoff einwirken, 1886 sowohl korrespondierendes Mitglied
die eine Umsetzung zu Stickoxiden zur Folge hat- der Göttinger Akademie der Wissenschaf-
ten, die er mit Wasser auswusch. Cavendish hinter- ten als auch Mitglied der American Philoso-
fragte dieses Ergebnis aber nicht und führte die phical Society und der schottischen Royal
Versuche nicht fort (Brock 1997, S. 211). Society of Edinburgh, um einige zu nen-
Gut 100 Jahre später notierte Strutt, dass die nen). Von 1908 bis 1919 war er Kanzler
Dichten von aus Luft und aus Ammoniak gewon- der Universität von Cambridge.
458 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

dichtet es auf einen Druck von 4–6 bar. Zur


Strutt forschte auf vielen Feldern der Physik Entfernung des Restsauerstoffs injiziert man Was-
und war Wegbereiter für Ramsays Arbeit, serstoffgas, der im Kontakt mit Katalysatoren aus
mit dem er einige Jahre zusammenarbeitete. Edelmetall mit dem Sauerstoff zu Wasser reagiert.
1904 erhielten beide für die Entdeckung Nach Entfernung des Wassers führt man erneut
einiger Edelgase den Nobelpreis für Physik eine fraktionierte Destillation durch und trennt so
(Lindsay 1976). den Stickstoff vom Argon ab, das mit einer Rein-
heit von bis zu 99,9999 % hergestellt werden kann
Vorkommen Im Weltall gehört Argon zu den (Stenger et al. 2006).
häufigeren Elementen (Cameron 1970) und ist Als Nebenprodukt fällt Argon bei der Produk-
nach Helium und Neon das dritthäufigste Edel- tion von Ammoniak im Haber-Bosch-Verfahren
gas. Dabei besteht das in der Sonne oder in Gas- und bei der Herstellung von Synthesegas an. Ar-
planeten (Jupiter, Saturn) nachgewiesene stellare gon und andere Edelgase reichern sich im Produk-
(primordiale) Argon nur aus den Isotopen 3618Ar tionsprozess an und können aus dem Gasgemisch
und 3818Ar, während das dritte stabile Isotop, durch nachfolgende fraktionierte Destillation iso-
40 liert werden (Stenger et al. 2006).
18Ar, dort nicht vorkommt. Das Verhältnis
von 3618Ar zu 3818Ar beträgt etwa 5,7 (Owen
et al. 2000). Eigenschaften Argon ist auch im festen und
Auf der Erde dagegen ist Argon das Edelgas flüssigen Zustand farblos. Es ist bei Normalbedin-
mit dem deutlich größten Anteil an der Atmosphä- gungen ein einatomiges, farbloses und geruchlo-
re, die 0,934 Vol.-% hiervon enthält. Damit ist ses Gas, das bei 87,15 K (186 °C) kondensiert
Argon nach Stickstoff und Sauerstoff der dritthäu- (s. Tab. 3) und bei 83,6 K (189,3 °C) erstarrt
figste Atmosphärenbestandteil (Williams 2009). (s. auch Abb. 2). Wie die anderen Edelgase außer
Hier besteht Argon fast ausschließlich aus dem Helium kristallisiert Argon kubisch dichtest
Isotop 4018Ar, das durch radioaktiven Zerfall des (Schubert 1974).
Kaliumisotops 4019K entstanden ist. Mit einer Dichte von 1,784 kg/m3 bei 0 °C und
Daher kommt Argon auch in Gesteinen vor, bei 1013 hPa ist Argon schwerer als Luft. Sein Tripel-
deren Schmelzen im Erdmantel zwar Argon ent- punkt liegt bei 189,35 °C (83,8 K) und 0,689 bar.
weicht. Dabei gast aber auch das beim α-Zerfall Der kritische Punkt von Argon liegt bei 122,4 °C
der Gesteinsbestandteile entstehende Helium aus. (150,9 K) und einem Druck von 4,896 MPa; dabei
Argon reichert sich meist in den Basalten der beträgt die kritische Dichte 0,536 g/cm3 (Hust
ozeanischen Erdkruste an (Ballentine 2007) Aus et al. 1969).
den Gesteinen diffundiert es heraus und geht ins Die Löslichkeit von Argon in Wasser ist mit
Grundwasser über. höchstens 5,6 g bei 0 °C und Normaldruck gering.
In Gasentladungsröhren leuchtet Argon rotviolett.
Gewinnung Die Gewinnung reinen Argons er-
folgt nur im Rahmen der Verflüssigung von Luft Verbindungen Da das Atom des Argons wie die
im Linde-Verfahren. Der Siedepunkt von Argon aller Edelgase eine abgeschlossene Elektronen-
liegt in der Nähe desjenigen von Sauerstoff und konfiguration aufweist, zeigt es eine sehr schwa-
Stickstoff. Argon trennt man dabei nicht in der che chemische Reaktivität.
großen Destillationskolonne von den Haupt- Als Edelgas reagiert Argon nur in sehr seltenen
bestandteilen der Luft (Sauerstoff und Stick- Fällen mit anderen Elementen oder Verbindun-
stoff) ab, sondern in einer separaten Kolonne. gen. Bislang ist nur Argonfluorohydrid (HArF)
Diese erzeugt flüssiges Rohargon mit einem bekannt, das man durch Fotolyse von Fluorwas-
Restgehalt von 3–5 % Sauerstoff und 1 % Stick- serstoff in einer Argonmatrix bei 265,65 °C
stoff. (7,5 K) erzeugen kann, und das sich oberhalb
Zur weiteren Reinigung erwärmt man das Gas- einer Temperatur von 246,15 °C (27 K) zersetzt
gemisch zunächst auf Raumtemperatur und ver- (Räsänen et al. 2000).
5 Einzeldarstellungen 459

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Argon


Symbol: Ar
Ordnungszahl: 18
CAS-Nr.: 7440-37-1

Aussehen: Farbloses Gas Argon in Gasentladungsröhre (Jurii 2009)


Entdecker, Jahr Ramsay und Rayleigh (England), 1895
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
36
18Ar (0,336) Stabil ——
38
18Ar (0,063) Stabil ——
40
18Ne (99,6) Stabil
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 3,6
Atommasse (u): 39,948
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 188
Kovalenter Radius (pm): 106
Elektronenkonfiguration: [Ar] ([Ne] 3s2 3p6)
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1521 ♦ 2666 ♦ 3931
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,1 · 108
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): 319
Dichte (kg/m3, bei 298 K) 1,784
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 22,56 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,01772
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 20,79
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 189,3 ♦ 83,8
Schmelzwärme (kJ/mol): 1,18
Siedepunkt (°C ♦ K): 186,0 ♦ 87,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 6,52
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 189,344 ■ 68,89
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 122,463 ■ 4,863

Berechnungen sagen voraus, dass weitere


Verbindungen des Argons metastabil sind; diese
konnten bisher noch nicht dargestellt werden.
Theoretische Beispiele dafür sind Argonchlorohy-
drid (HArCl) oder Moleküle wie FArCCH und
FArSiF3 (Gerber et al. 2003). Darüber hinaus bil-
det Argon einige wenige Clathrate (Barrer und
Ruzicka 1962; Lide). Abb. 2 Ein kleines Stück schnell schmelzenden festen
Im Molekül der ersten Argon-Metall-Verbin- Argons (Deglr6328 2007)
dung [W(CO)5Ar] ist ein Argonatom an das des
Wolframpentacarbonyls gebunden; die Synthe- tronisch mit Carbonylfluorid und Phosgen; seine
se gelang 1975 (Young 2013; Bartlett 2003). Bildung beobachtete man 2010 (Lockyear et al.
Das metastabile ArCF22+-Dikation ist isoelek- 2010). Das Isotop 3618Ar konnte man 2013 in
460 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Form eines Argoniumions (ArH+) im Sternen-


nebel bei einer Supernova im Sternbild Krebs Patente
beobachten (Barlow et al. 2013; Quenqua 2013). (Weitere aktuelle Patente siehe https://
Festes Argonhydrid [Ar(H2)2] wird bei Drücken worldwide.espacenet.com)
zwischen 4,5 und 220 GPa gebildet und besitzt
eine Kristallstruktur wie eine Legierung von I. Cosmescu, Ultrapolar non-telescopic elect-
Magnesium und Zink (MgZn2) (Kleppe et al. rosurgery pencil with argon beam capabi-
2014). lity and ultrapolar electrosurgery blade as-
sembly (IC Medical, Inc., US 2020297404
Anwendungen Das in Jahresmengen von ca. 2 A1, veröffentlicht 24. September 2020)
Mrd. m3 produzierte Argon ist auf vielen Gebieten L. Hansel et al., Argon addition to remote
im Einsatz (Stenger et al. 2006). Die wichtigste plasma oxidation (Applied Materials,
Anwendung ist die als Inertgas, falls der ansons- Inc., US 2020251331 A1, veröffentlicht
ten preiswertere Stickstoff nicht verwendbar ist. 6. August 2020)
Manche Metalle wie Tantal, Wolfram und Titan A. Clark und G. J. Ockenfuss, Argon-
würden beim Schweißen, also im Umfeld sehr helium based coating (Viavi Solutions,
hoher Temperaturen, mit Stickstoff reagieren. In Inc., TW 202012674 A, veröffentlicht
der Metallurgie nutzt man Argon daher ebenfalls 1. April 2020)
zur Herstellung der reinen Metalle oder beim Zo-
nenschmelzen.
Spülungen mit Argongas helfen bei der Entga-
sung geschmolzenen Stahls, der auch hilft, den in 5.4 Krypton
der Schmelze gelösten Stickstoff auszutreiben
(Niederstraßer 2002). Geschichte 1898 entdeckten Ramsay und Tra-
Glühlampen, deren Wendel oft aus Wolfram vers bei Versuchen zur fraktionierten Destillation
besteht, werden deshalb oft mit Argon-Stickstoff- der höhersiedenden Bestandteile in Rohargon
Gemischen gefüllt. Ein weiterer Vorteil des Argons Krypton (Ramsay und Travers 1898). 1960 defi-
ist seine geringe Wärmeleitfähigkeit, die höhere nierte das International Bureau of Weights and
Glühtemperaturen und daher höhere Lichtausbeu- Measures die Länge eines Meters als das
ten gestattet. Diese niedrige Wärmeleitfähigkeit 1.650.763,73-fache der Wellenlänge des Lichtes,
macht es auch als Füllgas für Isolierglasscheiben das das Kryptonisotop 8636Kr ausstrahlt. Damit
geeignet (von Schröter 1920). war der in Sèvres bei Paris als bisheriger Längen-
Mit Argon gefüllte Gasentladungslampen leuch- standard aufbewahrte Urmeterstab obsolet gewor-
ten violett. Zusätze von Quecksilber verschieben den. Ebenso setzte man damals die atomare Län-
die Farbe ins Blaue. Das Gas dient auch als gas- geneinheit Ångström erstmals in Bezug zu einem
förmiges Löschmittel für elektrische und elektro- Meter (1 ż 1010 m; Burdun 1958). 1983 er-
nische Anlagen. setzte man diesen Standard wieder; seitdem ist ein
Argon ist oft Trägergas in der Gaschro- Meter die Strecke, die ein Lichtstrahl während
matografie und der ICP-Massenspektrometrie 1/299.792.458 s im Vakuum zurücklegt (Gibbs
(Stenger et al. 2006). Es ist zudem Zusatzstoff 1997).
für Lebensmittel (E 938) und wird dabei als
Treib- und Schutzgas bei der Verpackung von Der schottische Chemiker Sir William
Lebensmitteln und der Herstellung von Wein Ramsay (* 2. Oktober 1852 Glasgow; †
verwendet. 23. Juli 1916 High Wycombe) erhielt 1904
Mit Argon füllt man Taucherschutzanzüge zu den Nobelpreis für Chemie für die Mitent-
deren Tarierung; zudem nutzt man die geringe deckung der meisten Edelgase und deren
Wärmeleitfähigkeit von Argon aus, um das Einordnung in das Periodensystem.
Auskühlen des Anzugträgers zu verringern.
5 Einzeldarstellungen 461

halt an Krypton auf (Clayton 2008); man konnte


Ramsay studierte erst an der Glasgow Aca- es spektroskopisch sogar in einem Weißen Zwerg
demy und dann an den Universitäten in nachweisen (Werner et al. 2012).
Glasgow, Heidelberg und Tübingen. In Tü-
bingen promovierte er bei Wilhelm Ru- Gewinnung Sie erfolgt wie beim Argon aus-
dolph Fittig, wurde 1880 Professor der Che- schließlich über das Linde-Verfahren. Wegen sei-
mie in Bristol. Von 1887 bis 1912 wirkte er ner hohen Dichte und des gegenüber Sauerstoff,
am Londoner University College. Nachdem Stickstoff und Argon höheren Siedepunktes reichert
Ramsay zunächst auf dem Gebiet der Orga- es sich zusammen mit Xenon im sauerstoffreichen
nischen Chemie gearbeitet hatte -so ent-
Sumpf der Kolonne an. Dieses Gemisch wird in
wickelte er eine Synthe von Pyridin aus
eine Kolonne überführt, in der es auf etwa 0,3 %
Ethin und Cyanwasserstoff-, stand später
Krypton und Xenon angereichert wird. Außerdem
die Bestimmung aller möglichen physi-
enthält das Konzentrat unter Anderem auch Koh-
kalischen Eigenschaften (Dichte, Oberflä-
chenspannung, Schmelz- und Siedepunkte) lenwasserstoffe, Kohlendioxid, Fluorverbindun-
von Stoffen im Mittelpunkt. Aus der Ab- gen und Distickstoffoxid (Häussinger et al. 2006).
weichung der Dichten von aus Ammoniak Methan und Distickstoffmonoxid kann man
und aus Luft erhaltenem Stickstoff schloss durch katalytische Oxidation sowie durch Adsorp-
Ramsay auf ein neues Element (Argon), das tion der Verbrennungsprodukte an Molekularsieben
er darauf isolierte und dessen Atomgewicht entfernen (Meilinger und Linde 2007). Eventuell in
er bestimmte. Später war er an der Ent- Spuren vorhandene Fluorverbindungen zerstört man
deckung des Neons, Kryptons und Xenons durch Bestrahlung mit Mikrowellen, was zum
beteiligt (Ramsay 1891, 1895, 1896, 1900). Aufbrechen der Element-Fluor-Bindungen führt.
Nach 1898 studierte er den Zerfall von Ra- Die so entstehenden Fluoratome/Fluoridionen
diumkernen und wies nach, dass bei deren werden in Natronkalk absorbiert (Rostaing et al.
α-Zerfall zu Isotopen des Radons 42He-Nu- 2000). Oder aber man leitet die im Gasgemisch
klide emittiert werden. Da er bei diesen enthaltenen Fluorverbindungen bei Temperaturen
Arbeiten seinen Körper nicht schützte, er- von 750 °C über einen TiO2-ZrO2-Katalysator,
krankte er Jahre später an Krebs, dem er wodurch sie u. a. zu Kohlendioxid und Fluorwas-
1916 erlag. serstoff reagieren, die dann abgetrennt werden
(Meilinger und Linde 2007).
Ramsay war Mitglied zahlreicher wissen-
Die Trennung des Krypton-Xenon-Gemisches
schaftlicher Vereinigungen (ab 1888 Ro-
erfolgt dann durch fraktionierte Destillation. Xe-
yal Society, ab 1895 korrespondierendes
non verbleibt im Sumpf, Krypton destilliert ab,
Mitglied der französischen Académie des
Sciences, seit 1896 Korrespondierendes nachdem der restliche Sauerstoff vorher ver-
Mitglied der Preußischen Akademie der dampfte. Nach Entfernung der letzten Spuren an
Wissenschaften, ab 1899 Mitglied der Ame- Sauerstoff wird Krypton in Gasflaschen abgefüllt
rican Philosophical Society). (Häussinger et al. 2006).

Eigenschaften Krypton ist ein unter Normalbe-


Vorkommen Krypton gehört mit einem Anteil dingungen einatomiges, farbloses und geruchlo-
an der Erdhülle von nur 1,9 · 105 ppm zu den ses Gas, das bei 152 °C kondensiert und bei
seltensten Elementen (Binder 1999). In der Erd- 157,4 °C erstarrt (Mullins et al. 1964; s. Tab. 4).
atmosphäre ist es immerhin mit 1,14 ppm vertre- Krypton kristallisiert ebenfalls kubisch-dichtest
ten (Williams 2009). (Schubert 1974). Mit einer Dichte von 3,749 kg/
Im Weltall kommt es wesentlich häufiger vor m3 (bei 0 °C und 1013 hPa) ist Krypton bereits
und liegt gleichauf mit Elementen wie Lithium, deutlich schwerer als Luft.
Gallium und Scandium (Cameron 1970). Die in- Sein Tripelpunkt liegt bei einer Temperatur
terstellare Materie weist einen relativ hohen Ge- von 157,39 °C und einem Druck von 0,7315 bar
462 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Krypton


Symbol: Kr
Ordnungszahl: 36
CAS-Nr.: 7439-90-9

Aussehen: Farbloses Gas Krypton in Gasentladungsröhre (Jurii 2009)


Entdecker, Jahr Ramsay und Travers (England), 1898
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
80
36Kr (2,25) Stabil ——
82
36Kr (11,6) Stabil ——
83
36Kr (11,5) Stabil ——
84
36Ne (57,0) Stabil ——
86
36Kr (17,3) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 1,9 · 105
Atommasse (u): 83,798
Elektronegativität 3,0 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 202
Kovalenter Radius (pm): 116
Elektronenkonfiguration: [Kr] ([Ar] 4s2 4p6 3d10)
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 1351 ♦ 2350
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,6 · 108
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): 1120
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) 3,749
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 27,99 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,0949
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 20,95
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 157,36 ♦ 115,79
Schmelzwärme (kJ/mol): 1,64
Siedepunkt (°C ♦ K): 152,0 ♦ 121,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 9,03
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 157,375 ■ 73,53
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 63,67 ■ 5,525

(Schubert 1974), der kritische Punkt bei einer me (+60 kJ/mol) Krypton-II-fluorid (KrF2; Leh-
Temperatur von 63,75 °C, einem Druck von mann et al. 2002). Weitere Möglichkeiten der
5,5 MPa sowie einer kritischen Dichte von Darstellung sind die UV-Fotolyse oder der Be-
0,909 g/cm3 (Römpp). In 1 L Wasser lösen sich schuss von Krypton/Fluor-Mischungen mit Pro-
bei 0 °C höchstens 110 ml. tonen. Dabei entstehen jeweils Fluor-Radikale,
In Gasentladungsröhren leuchtet Krypton mit die imstande sind, mit Krypton zu reagieren.
blass rosafarbenem Licht. Krypton-II-fluorid hat die Dichte 3,24 g/cm3,
bildet farblose Kristalle und sublimiert bei einer
Verbindungen Wie die anderen Edelgase ist Temperatur von 77 °C unter Zersetzung. Die Ver-
Krypton sehr reaktionsträge. Nur mit Fluorradika- bindung ist auch sonst sehr instabil und zersetzt
len reagiert es bei einer Temperatur von 196 °C sich bei Raumtemperatur innerhalb weniger Tage.
unter Bestrahlung mit UV-Licht oder in elektri- Mit Wasser und den meisten organischen Verbin-
schen Entladungen, dabei entsteht das endother- dungen reagiert Krypton-II-fluorid unter Explosion.
5 Einzeldarstellungen 463

Krypton-II-fluorid ist ein dermaßen starkes


Oxidationsmittel, dass es sogar Xenon in Xenon-
hexafluorid oder Iod in Iod-V-fluorid überführen
kann (Riedel und Janiak 2015, S. 416). Darüber
hinaus ist es ein Fluoridionen-Donator (Holleman
et al. 2017); das dabei entstehende Kation KrF +
ist das stärkste bekannte Oxidationsmittel über-
haupt und vermag als einzigstes Gold in dessen
Oxidationsstufe +5 zu überführen (Huheey et al.
Abb. 3 a Festes Kr(H2)4 und H2, gebildet in einer aus
2003; Meyer et al. 2012, S. 119). Das Molekül des Diamant bestehenden Amboss-Druckzelle (Kleppe et al.
Krypton-II-fluorids ist mit einem Bindungswinkel 2014). b Kubisch-flächenzentrierte Struktur festen Kr(H2)4
(F-Kr-F) von ca. 180° nahezu linear gebaut. bei 11,24 GPa (Kleppe et al. 2014)
Die einzige bisher bekannte Verbindung mit
Sauerstoff ist das äußerst instabile Kryptonbis len umgeben (Kleppe et al. 2014; siehe auch
(pentafluororthotellurat-VI [Kr(OTeF5)2], das Abb. 3a, b).
man durch Umsetzung von Bortris(pentafluo- Mit einigen Verbindungen bildet das Element
roorthotellurat) mit Krypton-II-fluorid erhält, Krypton-Clathrate, bei denen seine Atome in ei-
und dessen Molekül eine Bindung zwischen ei- nem Hohlraum eingeschlossen und so gebunden
nem Krypton- und einem Sauerstoffatom auf- sind (Saenger und Noltemeyer 1972). Unter an-
weist. Daneben gibt es noch „Exoten“ wie derem bildet es ein sehr stabiles Clathrat mit Hy-
[RCNKrF+][AsF6] [(RCN–Kr–F)+; R¼H, drochinon (Barrer und Ruzicka 1962).
CF3, C2F5 oder n-C3F7)] mit einer Krypton-
Stickstoff-Bindung im Molekül, man erhält es Anwendungen Der überwiegende Teil des Kryp-
aus Krypton-II-fluorid und [HCN–Kr–F]+ bei tons geht als Füllgas in Glühlampen, wo es für
Temperaturen um 50 °C. Ebenso gibt es bestä- eine Erhöhung der Glühtemperatur und damit der
tigte Berichte zur Existenz eines HKrCCH, in Lichtausbeute sorgt. Ebenfalls enthalten ist es in
dessen Molekül ein Ethin-Ligand an das Kryp- Halogen- und Leuchtstofflampen, in Geigerzäh-
tonatom gebunden ist und das bis hinauf zu Tem- lern, Szintillationszählern und elektronischen Ge-
peraturen von 233 °C beständig sein soll (Rä- räten (Häussinger et al. 2006). Gegenüber Argon
sänen et al. 2003; Sykes 1998, S. 57; Lewars wird es, trotz seines höheren Preises, als Füllgas
2008, S. 68). Es gibt aktuell keine binären Ver- von Isolierglasscheiben bevorzugt.
bindungen des Kryptons mit Sauerstoff bzw. Der Krypton-Fluorid-Laser, ein Excimerlaser,
Stickstoff. strahlt im UV-Bereich (Wellenlänge 248 nm;
Nicht bestätigt werden konnte die Synthese Johnson und Hunter 1980). Es laufen derzeit Prü-
eines Krypton-IV-fluorids (KrF4) (von Grosse fungen zum möglichen Einsatz von Krypton an-
et al. 1963; Prusakov und Sokolov 1971), auch stelle von Xenon als Kontrastmittel in der Com-
nicht die einer Sauerstoffsäure und ihres Bari- putertomografie (Hoffman et al. 2007).
umsalzes (Streng und von Grosse 1964). Es gibt Flüssiges Krypton erlaubt eine besonders
ferner Hinweise auf polyatomige Kationen wie genaue Bestimmung von Ort und Energie bei
ArKr+ und KrH+, ebenso KrXe+. Bei Anwendung teilchenphysikalischen Experimenten (Aulchen-
extremen Drucks (>5 GPa) konnte man in einer ko et al. 1990), beispielsweise im Teilchendetek-
ambossähnlich gestaltenen, sehr kleinen Druck- tor des NA48-Experiments (CERN Mazzucato
zelle aus Diamant aus einem Gasgemisch von 1997).
Krypton und Wasserstoff mikroskopisch kleine Das betastrahlende Isotop 8536Kr setzt man zur
Kristalle eines Kryptonhydrids [Kr(H2)4], die ei- Vorionisation in Glimmstartern für Leuchstoff-
ne kubisch-flächenzentrierte Struktur haben, iso- lampen ein (energieverbraucher.de 2002). Auch
lieren. Darin sind aus Kryptonatomen bestehende in Ionisationsrauchmeldern wurde es früher ver-
Oktaeder von statistisch orientierten H2-Molekü- wendet.
464 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Hoppe sowie Xenon-IV-fluorid durch ein Team


Patente um Chernick und Claassen erzeugt werden (Hoppe
(Weitere aktuelle Patente siehe https:// 1964).
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Z. Chen et al., Method and device for separa- Der britisch-amerikanische Chemiker Neil
Bartlett (* 15. September 1932 Newcastle-
ting and purifying krypton and xenon
upon-Tyne; † 5. August 2008 Walnut
(Hangzhou Branch Beijing Sinoscience
Creek, CA) studierte nach seinem Schul-
Fullcryo Technologies, Co., Ltd., CN
abschluss Chemie an der University of Dur-
111174530 A, veröffentlicht 19. Mai
ham, wo er 1958 promovierte. Im gleichen
2020) Jahr ging er an die University of British
N. O. Krivulin et al., Method of forming Columbia in Vancouver (Kanada), wo er
hexagonal silicon phase by implanting später habilitierte und den Durchbruch in
krypton ions in a film of silicon oxide on der Chemie der Edelgase erreichte. Bei sei-
a microcrystalline silicon wafer (Federal- ner Forschung ging Bartlett zunächst vom
noe Gosudarstvennoe Avtonomnoe Obra- Disauerstoff (O2) aus, den Platin-VI-fluorid
zovatelnoe Uchrezdenie Vysshego Obra- mühelos zum Dioxygenyl-Kation (O2+) oxi-
zovaniya Natsionalnyj, RU 2710479 C1, diert. Da die erste Ionisierungsenergie eines
veröffentlicht 26. Dezember 2019) Xenonatoms ungefähr gleich zu derjenigen
H. C. Kim et al., Adsorption device for des Disauerstoffmoleküls ist, ließ Bartlett
krypton and method for adsorbing kryp- Xenon mit Platinhexafluorid reagieren. Da-
ton using the same (Korea Atomic Ener- bei bildete sich aber ein Gemisch aus Flu-
gy Research, KR 20190114428 A, ver- oroxenyl-Verbindungen; dies waren die ersten
öffentlicht 10. Oktober 2019) überhaupt dargestellten Edelgasverbindun-
gen. Kurz danach stellte Rudolf Hoppe in
Münster erstmals Xenon-II-fluorid (XeF2) dar.

5.5 Xenon 1966 wechselte Bartlett als Professor nach


Princeton. 1964 wurde er Sloan Research
Fellow, 1969 zum Mitglied der Deutschen
Geschichte Nach den bereits erfolgten Entde-
Akademie der Naturforscher Leopoldina
ckungen der leichteren Edelgase, an der Ramsay
gewählt. Darüber hinaus war er Mitglied
(Kurzbiografie siehe „Krypton“) bereits in einigen
der Royal Society (1973), der American
Fällen beteiligt war, wandte dieser sich ab 1898
Academy of Arts and Sciences (1977), der
zusammen mit Travers (Kurzbiografie siehe „Ne-
National Academy of Sciences (1979), der
on“) dem Sumpf der Kryptondestillation zu. Sie Académie des sciences (1989), der Royal
konnten daraus ein bei höherer Temperatur als Society of Canada (2001) und der Aka-
Krypton siedendes Edelgas isolieren, das sie Xe- demie der Wissenschaften zu Göttingen.
non nannten (nach dem altgriechischen ξEνoς, Von 1969 bis 1993 war Bartlett Professor
xénos, „fremd“) (Ramsay 1904). für Chemie an der University of California
Die narkotisierende Wirkung des Xenons ent- in Berkeley, arbeitete aber noch bis 1999 am
deckte zuerst Behnke 1939; den ersten chirurgi- Lawrence Berkeley National Laboratory.
schen Eingriff unter Xenon-Narkose führte Cullen Im Jahre 2000 wurde er US-amerikanischer
1951 durch (Marx et al. 2000). Staatsbürger (Janiak et al. 1999, S. 40;
Die erste chemische Verbindung des Xenons Christe 2008).
überhaupt erhielt Bartlett 1962 in Form des Xe-
nonhexafluoroplatinat-IV (XePtF6) (Bartlett 1962). Der deutsche Chemiker Rudolf Hoppe
Einige Monate später und nahezu zeitgleich (* 29. Oktober 1922 Wittenberge; † 24.
konnten nahezu gleichzeitig Xenon-II-fluorid durch November 2014 Gießen) studierte Chemie
5 Einzeldarstellungen 465

waffentests ständig kontrolliert (Wie das Verbor-


an der Kieler Christian-Albrechts-Univer- gene entdeckt werden kann 2013).
sität und promovierte 1954 an der Westfäli- Auch Meteoriten enthalten Xenon, das sich seit
schen Wilhelms-Universität in Münster, wo der Entstehung des Sonnensystems in Gesteinen
er sich 1958 auch habilitierte. 1965 erhielt eingeschlossen befindet, oder das durch radioakti-
Hoppe den Ruf auf den Lehrstuhl des Insti- ve Zerfallsprozesse entstanden ist. Letztere sind
tuts für Anorganische und Analytische Che- etwa der Zerfall von 12953I, Spallationsreaktionen
mie der Justus-Liebig-Universität Gießen, sowie die Kernspaltung schwerer Isotope wie
den er bis 1991 innehatte. Hoppe stellte 244
94Pu (Kaneoka 1998). Das im Mondstaub
1962 die erste stabile binäre Verbindung
nachgewiesene Xenon wurde durch Sonnenwind
eines Edelgases, XeF2 (Xenon-II-fluorid)
dahin befördert; der im Mondgestein enthaltene
in Form durchsichtiger Kristalle durch Ein-
Anteil entstand durch Spallationen oder Neutro-
wirkung elektrischer Entladungen auf ein
neneinfang aus 13056Ba (Hintenberger 1972).
Xenon-Fluor-Gemisch dar (Hoppe 1964).
In Gießen war Hoppes Arbeitsschwerpunkt In einem Weißen Zwerg war Xenon in erheb-
Synthese und Charakterisierung von Oxo- licher Konzentration nachzuweisen (Werner et al.
und Fluorometallaten der Alkalimetalle. Er 2012).
veröffentlichte mehr als 650 Artikel und
war jahrelang als wissenschaftlicher Redak- Gewinnung Sie erfolgt nahezu analog wie für
teur bei der Zeitschrift für Anorganische Krypton beschrieben. Nach Abtrennung von Stick-
und Allgemeine Chemie tätig. Hoppe war stoff, Argon und dem größten Teil des Sauerstoffs
Mitglied einiger wissenschaftlicher Gesell- trennt man Krypton und Xenon in einer am unteren
schaften wie der Deutschen Akademie der
Ende beheizten und am oberen Ende gekühlten
Naturforscher Leopoldina (seit 1969) sowie
Kolonne. Während der restliche Sauerstoff und
der Bayerischen und der Österreichischen
Krypton aus der Kolonne entweichen, sammelt
Akademie der Wissenschaften, erhielt zu-
sich Xenon am Boden und kann abgeschöpft wer-
dem Auszeichnungen wie unter Anderem
der Henri-Moissan-Medaille der Société den (Meilinger und Linde 2007; Rostaing et al.
Chimie de France (1986), die Ehrendoktor- 2000).
würde der Christian-Albrechts-Universität Xenon ist selten und zugleich stark nachgefragt,
zu Kiel (1983) sowie der Universität daher ist es das teuerste Edelgas. Die gesamte her-
Ljubljana (1990) und den Otto-Hahn-Preis gestellte Menge dürfte auch heute die Marke von
für Chemie und Physik (1989) (Jansen 10.000 m3 nicht überschreiten; sie war vor 20 Jah-
2015). ren halb so hoch (Häussinger et al. 2006).

Vorkommen Im Weltall kommt Xenon in be- Eigenschaften Xenon ist ein einatomiges, farb-
merkenswerter Menge vor (Cameron 1970), aber loses und geruchloses Gas, das bei Temperaturen
auf der Erde ist es das seltenste stabile Element. von 108 °C kondensiert bzw. 111,45 °C er-
Sein Anteil an der Erdatmosphäre beträgt gerade starrt (s. Tab. 5). Wie die anderen Edelgase außer
einmal 0,09 ppm (Häussinger et al. 2006). In den Helium kristallisiert auch Xenon kubisch-dichtest
Magnesiumsilikat-Gesteinen des Erdmantels löst (Schubert 1974). Mit einer Dichte von ca. 5,9 kg/m3
es sich deutlich schlechter als die leichteren Edel- (bei einer Temperatur von 0 °C und einem Druck
gase (Shcheka und Keppler 2012). von 1013 hPa) hat Xenon eine fast fünfmal höhe-
Meerwasser jedoch, wie auch einige bestimm- re Dichte als Luft. Der Tripelpunkt liegt bei
te Gesteine (z. B. Granit), weisen einen geringen 111,78 °C und 0,8165 bar (Ziegler et al. 1966),
Xenongehalt auf. Dies ist dem Spontanzerfall ei- der kritische Punkt bei 16,6 °C, 5,84 MPa und
niger Isotope des Thoriums und Urans geschuldet einer kritischen Dichte von 1,1 g/cm3 (Römpp).
(Hintenberger 1972), weswegen die CTBTO die Xenon erhält metallische Leitfähigkeit, wenn
Konzentration des Xenons als Indikator für Atom- es auf eine Temperatur von 241,15 °C unter
466 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Xenon


Symbol: Xe
Ordnungszahl: 54
CAS-Nr.: 7440-63-3

Aussehen: Farbloses Gas Xenon in Gasentladungsröhre (Jurii 2009)


Entdecker, Jahr Ramsay und Travers (England), 1898
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
129
54Xe (26,40) Stabil ——
130
54Xe (4,10) Stabil ——
131
54Xe (21,29) Stabil ——
132
54Xe (26,90) Stabil ——
134
54Xe (10,40) Stabil
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 9 · 106
Atommasse (u): 131,293
Elektronegativität 2,6 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 216
Kovalenter Radius (pm): 140
Elektronenkonfiguration: [Xe] ([Kr] 5s2 5p6 4d10)
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1170 ♦ 2046 ♦ 3099
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,5 · 109
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): 169
Dichte (kg/m3, bei 298 K) 5,894
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 35,92 · 106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,00569
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 21,01
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 111,7 ♦ 161,45
Schmelzwärme (kJ/mol): 2,30
Siedepunkt (°C ♦ K): 108,0 ♦ 165,15
Verdampfungswärme (kJ/mol): 12,6
Tripelpunkt (°C ■ kPa): 111,745 ■ 81,77
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 16,58 ■ 5,842

gleichzeitig hohem Druck (33 GPa) abgekühlt Xenonverbindungen. (Radon hat sogar noch ge-
wird (Römpp). ringere Ionisierungsenergien, aber wegen der re-
In Gasentladungsröhren leuchtet Xenon blau. lativ kurzen Halbwertszeiten der Radonisotope
Wie alle Edelgase besitzt Xenon nur vollstän- sind dessen Verbindungen schwerer zu isolieren
dig aufgefüllte äußere Elektronenschalen. Es liegt und zu charakterisieren.)
nur einatomig vor und besitzt geringe Reaktivität. Direkt reagiert Xenon nur mit Fluor. In Abhän-
Die Ionisierungsenergien der äußersten Elektro- gigkeit vom Verhältnis von Xenon zu Fluor ent-
nen liegen aber deutlich niedriger als bei den stehen daher bei erhöhter Temperatur und jeweils
leichteren Homologen, so dass sie auch abzuspal- exotherm Xenon-II-, Xenon-IV- oder Xenon-VI-
ten sind, und Xenon daher chemische Verbindun- fluorid. Die meisten Verbindungen mit anderen
gen eingehen kann. Elementen wie Sauerstoff oder Stickstoff sind
Xenon ist zusammen mit Radon das reaktions- jedoch nicht stabil und nur durch Anwendung
fähigste Edelgas; man kennt inzwischen einige elektrischer Entladungen auf Xenonfluoride oder
5 Einzeldarstellungen 467

Xenon-II-chlorid bei tiefen Temperaturen zugäng- Bei schnellem Erhitzen zersetzt sich die Ver-
lich (Holleman et al. 2007). bindung explosionsartig wegen der starken Zu-
Das Gas bildet einige Xenon-Clathrate, wie nahme des Gasvolumens zu Xenon und Fluor.
etwa mit Wasser bei Temperaturen unter 40 °C. Mit leicht entzündlichen Stoffen wie Aceton,
Xenon ist dabei im Eis eingeschlossen (Pietrass Magnesiumpulver, Fetten oder Papier kann die
et al. 1995). Xenon löst sich auch zu einem ge- Verbindung ebenfalls unter Explosion reagieren
wissen Grad in Wasser (Haselmeier et al. 1995); (Roth und Weller 2014; Yang et al. 1970). Wasser-
sind in diesem Salze gelöst, so neigen größere stoff überführt Xenon-II-fluorid bei Temperaturen
Ionen zur Anlagerung an die Xenonatom unter von 400 °C zu Xenon und Fluorwasserstoff (Steu-
Bildung anionischer Komplexe (Holz 1995). del 2014, S. 570).
Als starkes Oxidations- und Fluorierungsmittel
Verbindungen Xenon-II-fluorid (XeF2) ist in findet es manchmal in der organischen Synthese
Gegenwart von Nickel-II-fluorid oder Fluor- Verwendung (Bartlett 1962; Hoppe 1964). So wan-
wasserstoff durch UV-Bestrahlung eines Gemi- delt es aliphatische Carbonsäuren in Fluoralkane
sches der Elemente darstellbar. Die Reaktion ist derselben Zahl von Kohlenstoffatomen um (Abb. 5).
mit 164 kJ/mol exotherm (Holleman et al. Aromatische C–H-Bindungen werden in die
2017, S. 464; Tramsek und Zemva 2006). Die entsprechenden C–F-Bindungen überführt (Smith
Verbindung kann man auch durch die Reaktion und March 2001). Die dirigierende Wirkung der
von Xenon mit Iodheptafluorid oder durch Um- Substitution erfolgt gemäß den Regeln der elek-
setzung von Tetrafluormethan mit Xenon erzeu- trophilen aromatischen Substitution. Alkene wer-
gen. Xenon-II-fluorid bildet farblose Kristalle den an der C¼C-Bindung fluoriert. Aromatische
(siehe Abb. 4) der Dichte 4,32 g/cm3 von ekel- Ketone und Aldehyde reagieren mit Xenon-II-
erregendem Geruch, die bei einer Temperatur von fluorid in Gegenwart katalytischer Mengen von
128,6 °C schmelzen (Weeks und Matheson 1966; Fluorwasserstoff oder Siliciumtetrafluorid unter
Riedel und Janiak 2015, S. 416). Bei Normaldruck Umlagerung zu difluorsubstituierten Ethern (Zajc
sublimiert es bei 114,35 °C; der Tripelpunkt liegt bei und Zupan 1970; Tamura et al. 2004) (Abb. 6):
129,03 °C bzw. 1,883 bar (Schreiner et al. 1968). Ein Gemisch aus Magnesium und Xenon-II-
Die kritische Temperatur liegt bei 358 °C, der fluorid ist als hochbrisantes Pyrotechnikum inte-
kritische Druck bei 93,2 bar, die kritische Dichte ressant und verbrennt mit einer 2300 °C heißen
bei 1,14 g/cm3 und das kritische Volumen bei Flamme (Koch et al. 2008).
149 cm3/mol (Ogrin et al. 1972). Die Kristall- Xenon-IV-fluorid (XeF4) erhält man durch Um-
struktur ist tetragonal mit isolierten Xenon-II- setzung von Xenon mit Fluor bei Drücken um
fluorid-Molekülen (Raumgruppe 139; Wu et al. 6 bar und Temperaturen von 400 °C (Riedel und
2017); die Bindungslänge Xe-F beträgt 198 pm Janiak 2015, S. 416; Malm und Chernick 1966).
(Lewy und Agron 1963). Bei stark erhöhtem Ebenfalls möglich ist die Reaktion von Xenon
Druck (28 GPa) bildet sich eine orthorhombische mit Sauerstoffdifluorid oder die Umsetzung von
Struktur (Raumgruppe 71). Xenon-II-fluorid mit überschüssigem Fluor bei
Überdruck und hoher Temperatur. Die Verbin-
dung ist mit 278 kJ/mol stark exortherm und
bildet unter Normalbedingungen farblose Kristal-
le (Hoppe 1964; s. Abb. 7).
Das Molekül des Xenon-IV-fluorids besitzt ei-
ne quadratisch-planare Struktur; die Länge der
Xe-F-Bindung beträgt im Feststoff 195,3 pm, im
gasförmigen Zustand bei gleicher Struktur 194 pm.
Xenon-IV-fluorid sublimiert bei 115,75 °C; der
Tripelpunkt liegt bei 117,1 °C und einem Druck
Abb. 4 XeF2-Kristalle (Andif1 2012) von 1,082 bar (Schreiner et al. 1968). Die kriti-
468 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Abb. 5 Reaktion von


Carbonsäuren mit Xenon-
II-fluorid

Abb. 6 Reaktion von


Benzaldehyd und
Phenylketonen mit Xenon-
II-fluorid

sche Temperatur liegt bei 339 °C, der kritische


Druck bei 70,4 bar, die kritische Dichte bei
1,10 g/cm3, und das kritische Volumen beträgt
189 cm3/mol (Ogrin et al. 1972). Die Verbindung
ist bei Ausschluss von Luft und Wasser stabil,
hydrolysiert bei Kontakt mit Wasser jedoch zu
Xenon-VI-oxid (XeO3).
Xenon-IV-fluorid wirkt stark oxidierend
und wandelt beispielsweise Platin in Platin-IV-
fluorid oder Quecksilber in Quecksilber-I-fluorid
um (Holleman et al. 2017, S. 467). Wasserstoff
reduziert es zu Xenon und Fluorwasserstoff. Mit
brennbaren organischen Verbindungen kann es Abb. 7 Kristalle des Xenon-IV-fluorids (Paginazero
explosionsartig reagieren (Roth und Weller 2005)
2014). Mit dem supersauren System Antimon-V-
fluorid/Flusssäure bildet Xenon-IV-fluorid das den des Typs MF setzt sich die Verbindung zu
Addukt Xenontrifluorido-hexafluoroantimonat-V Fluoroxenaten-VI um, bevorzugt zu solchen der
[(XeF3)+(SbF6)] (Boldrini et al. 1974). Formel M2XeF8, um. Mit Wasser erfolgt langsam,
Xenon-VI-fluorid (XeF6) ist ein farbloser Fest- aber durchgehend Hydrolyse zu Xenon-VI-oxid:
stoff der Dichte 3,56 g/cm3, der bei 49,5 °C bzw.
75,6 °C schmilzt bzw. siedet. Man kann die Ver- XeF6 þ 3H2 O ! XeO3 þ 6HF
bindung durch längeres Erhitzen von Xenon mit
dem zwanzigfachem Überschuss von Fluor ge- Xenon-II-chlorid (XeCl2) ist eine sehr instabi-
genüber der stöchiometrisch erforderlichen Men- le, schnell in Xenon und Chlor zerfallende Ver-
ge bei 300 °C und Drücken von 200–300 bar bindung, die man durch Bestrahlung eines Gemi-
darstellen. Im oktaedrisch-verzerrt gebauten Mo- sches aus Xenon und Chlor mit Mikrowellen
lekül beträgt die Länge der Xe-F-Bindung 189 pm erzeugen kann. Es ist noch nicht geklärt, ob diese
(Chernick und Malm 1966). Im festen Zustand Verbindung nicht sogar nur ein durch Van der
liegt ein ionenähnlich gebautes Gitter aus (XeF5)+- Waals-Kräfte „zusammengehaltenes“ Konglome-
und F--Ionen vor, die zu oligomeren Addukten rat von Molekülen darstellt (Richardson und Hall
verbunden sind. In flüssiger Form ist die Verbin- 1993).
dung gelbgrün und schwach elektrisch leitend Xenon-VI-oxid (XeO3) bildet farblose Kristalle
(Holleman et al. 2017, S. 467). der Dichte 4,55 g/cm3, die sich oberhalb der
Xenon-VI-fluorid ist ein extrem starkes Oxida- Raumtemperatur explosionsartig zersetzen kön-
tions- und Fluorierungsmittel und erwies sich bis- nen. Die Verbindung ist löslich in Wasser; im
her als nicht weiter oxidierbar. Mit Alkalifluori- schwach Basischen bildet sich dabei in geringer
5 Einzeldarstellungen 469

Menger das Anion der instabilen Xenonsäure dann Sauerstoff und Xenon nicht mehr gas-
(H2XeO4) (Appelman 1968). förmig sind.
Aus den Elementen ist die Verbindung nicht Eine auf den ersten Blick höchst ungewöhnli-
herstellbar. Daher setzt man zunächst unter hohem che Reaktion gehen Xenon und sogar Krypton mit
Druck und hoher Temperatur Xenon mit Fluor zu einem elektrophilen Anion wie B12Cl11 ein. Die-
Xenon-II-fluorid um, das dann beim Erhitzen und se Addition verläuft bei Raumtemperatur spontan;
Gegenwart weiteren Fluors teils unter Dispropor- es entsteht ein [B12Cl11Ng]-Addukt (Ng¼Xe
tionierung zu Xenon-IV-fluorid reagiert. Aus je- bzw. Kr), In den Molekülen liegen kovalente
nem bildet sich schließlich Xenon-VI-fluorid, das B-Ng-Bindungen mit beträchtlichen Bindungs-
durch Lauge dann zu Xenon-VI-oxid hydrolysiert energien (80–100 kJ/mol) vor. An den reaktiven
wird. Stellen (Boratomen) des Moleküls [B12Cl11] ist
Xenon-VI-oxid addiert im stark Alkalischen überraschenderweise die Annäherung polarer Mo-
OH-Ionen unter Bildung von HXeO4, das lang- leküle erschwert, die Anlagerung unpolarer Spezies
sam zu Perxenat (XeO64) und Xenon dispropor- wie die der Edelgasatome aber begünstigt. Für die-
tioniert. Auch ein Zusatz von Ozon zu Xenon-VI- ses neue Konzept einer chemischen Bindung wur-
oxid bildet Perxenate, in denen Xenon in seiner de der Begriff „Dipol-diskriminierendes elektro-
höchstmöglichen Oxidationsstufe +8 vorliegt. philes Anion“ eingeführt (Rohdenburg et al. 2017).
Farblose bis gelbe Alkali- und Erdalkaliperxenate
sind dabei sogar isolierbar. Die Zugabe konzen- Anwendungen Xenon dient oft als Füllgas in
trierter Schwefelsäure setzt aus den perxenathalti- Lampen. In Gasentladungslampen erzeugt das io-
gen Lösungen das gasförmige, stark explosive nisierte Gas ein dem Tageslicht ähnliches Licht.
Xenon-VIII-oxid (XeO4) frei. Xenon-VI-oxid Diese Xenonlampen findet man etwa in Filmpro-
und Perxenate gehören zu den stärksten bekann- jektoren, Befeuerungen von Start- und Landebah-
ten Oxidantien. Der quantitative Nachweis auf nen auf Flughäfen und in Blitzlichtlampen (Häus-
Xenon-VI-oxid in wässriger Lösung erfolgt durch singer et al. 2006). Diese auch seit vielen Jahren in
Zugabe von Iodid, das sofort zu Iod oxidiert wird Scheinwerfern von Autos eingebauten Lampen
und danach durch Titration mit Thiosulfat be- erzeugen ein Licht, das mehr als doppelt so stark
stimmt werden kann. ist wie das von einer Halogenlampe gleicher elek-
Xenon-VIII-oxid (XeO4) ist ein unter Stan- trischer Leistung erzeugte (Ribitzki et al. 1994). In
dardbedingungen farbloses Gas, das man durch Glühlampen zeigt Xenon dieselbe Wirkung wie
Zusatz konzentrierter Schwefelsäure zu Per- andere Edelgase, wodurch der Glühfaden auf hö-
xenat-Lösungen bei Temperaturen um 5 °C here Temperaturen erhitzt wird, was eine bessere
erhält. Seine Entsprechungen findet man nur Lichtausbeute zur Folge hat (Römpp).
noch in der Metallchemie in Form der ebenfalls In Excimerlasern bildet Xenon in situ Dimere
leicht flüchtigen, wenn auch bei Raumtemperatur (Xe2) bzw., je nach Laser, auch Xenon-Halogen-
noch festen Verbindungen Ruthenium-VIII-oxid Dimere, die UV-Strahlung bei Wellenlängen von
und Osmium-VIII-oxid. Die Bildungsenthalpie 172 nm (Pharmazeutische Zeitung 2014) bzw.
des Xenon-VIII-oxids ist mit +643 kJ/mol stark 354 nm aussenden (XeF-Laser, Römpp).
endotherm, weshalb es zu explosivem Zerfall Xenon wirkt narkotisierend und wird daher bei
unter Bildung von Xenon und Sauerstoff neigt. der Inhalationsnarkose eingesetzt. Im Gegensatz
Xenon-VIII-oxid kondensiert bei 39,5 °C zu zu Lachgas (Distickstoffmonoxid) ist es ungefähr-
gelblichen Kristallen (Selig et al. 1964). Auch lich und kein Treibhausgas. Die Vorteile liegen
bei dieser Temperatur kann es plötzlich explo- auf der physiologischen Seite (kein Abfall des
dieren, denn aus einem Molekül XeO4 bilden Blutdrucks), nachteilig sind die relativ hohe Ein-
sich drei Moleküle von Gasen (ein Xenonatom satzkonzentration und der hohe Preis (Marx et al.
und zwei Disauerstoffmoleküle). Relativ sicher 2000).
ist ein Arbeiten mit der Substanz nur bei Küh- Da Xenongas nach ersten Untersuchungen
lung mit flüssigem Stickstoff auf 200 °C, da die körpereigene Produktion von EPO anregt,
470 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

setzte die WADA Xenon im Mai 2014 auf die (Dorn 1901; Marshall und Marshall 2003). Zehn
Dopingliste, wobei diese Methode im Blut keine Jahre nach der Entdeckung konnten Whytlaw und
zur Zeit nachweisbaren Spuren zurücklässt. Gray eine zur Bestimmung der wichtigsten phy-
sikalischen Eigenschaften des Radons genügende
Menge isolieren (Whytlaw-Gray und Ramsay
Patente
1909). Zunächst nannte man das neue Element
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Radium-Emanation, da es beim radioaktiven Zer-
wide.espacenet.com)
fall des Radiums gebildet wird; ab 1923 war nur
noch der Name Radon gebräuchlich (Aston et al.
Y. Qiu, Movable high-energy xenon light
1923).
sterilizer (Wuxi Zhaier Air Purification
Equipment Co., Ltd., CN210844412 U,
veröffentlicht 26. Juni 2020) Der deutsche Physiker Friedrich Ernst
H. David, Gas mixtures containing low con- Dorn (* 27. Juli 1848 Guttstadt, Ermland;
centrations of xenon and argon provide † 6. Dezember 1916 in Halle/Saale) besuch-
neuroprotection without inhibiting the cata- te von 1857 bis 1865 das Gymnasium in
lytic activity of thrombolytic agents (Mon- Königsberg und studierte an der dortigen
atomics Technologies, US 2020171078 Universität zwischen 1865 und 1869 Ma-
A1, veröffentlicht 4. Juni 2020) thematik, Naturwissenschaften, Philosophie
Y. Kuroda et al., Xenon flashlamp irradiation und Französisch. 1871 wurde er Hilfslehrer
device for container sterilization (Iwasaki am Königlichen Wilhelms-Gymnasium in
Electric Co., Ltd., JP 2020075763 A, ver- Berlin, promovierte aber zeitgleich in
öffentlicht 21. Mai 2020) Mathematik an der Königsberger Uni-
V. Padalkin et al., Device for preparing a versität. Nach seiner 1873 an der Univer-
beverage containing the inert gas xenon sität Greifswald abgeschlossenen Habilita-
tion in Mathematik und Physik (Dorn 1873)
(privat, WO 2020085932 A1, veröffent-
nahm er noch im gleichen Jahr den Ruf als
licht 30. April 2020)
Außerordentlicher Professor an der Univer-
V. S. Chakravarthy et al., System and me-
sität Breslau an und ging 1881 als Ordent-
thod for recovery of non-condensable
licher Professor an die Technische Hoch-
gases such as neon, helium, xenon and schule Darmstadt. Dort war er ab 1885
krypton from an air separation unit (Prax- Ordentlicher Professor für Experimental-
air Technology, CN 111065872 A, ver- physik. 1895 wurde Dorn Direktor des
öffentlicht 24. April 2020) Physikalischen Instituts an der Universität
J. Y. Yoon, Electrode and xenon flash lamp Halle.
with the same (Unilam Co., Ltd., KR
102088035 B1, veröffentlicht 11. März Dorn befasste sich hauptsächlich mit Radio-
2020) aktivität, Röntgenstrahlen und Flüssigkris-
tallen. Man schreibt ihm die Mitentdeckung
des Radons zu, obwohl er „nur“ die ein Jahr
zuvor von Rutherford erhaltenen Ergebnis-
se zitierte. Er untersuchte mittels der von
5.6 Radon ihm selbst entwickelten Geräte die atmo-
sphärische Elektrizität (Dorn 1893). 1895
Geschichte Rutherford (Kurzbiografie siehe wurde er als Mitglied in die Deutsche Aka-
„Rutherfordium“) gilt mit seiner Mitteilung aus demie der Naturforscher Leopoldina ge-
dem Jahr 1899 als Entdecker des Radons (Ruther- wählt und wurde 1906 zum Geheimen
ford und Owens 1899). Dorn, dessen Name in Regierungsrat ernannt (Krollmann 1941;
diesem Zusammenhang ebenfalls oft genannt Wigand 1916).
wird, zitiert ein Jahr später Rutherfords Resultate
5 Einzeldarstellungen 471

luft und damit das Risiko für die Bewohner, an


Der englische Chemiker Robert Whytlaw- Lungenkrebs zu erkranken. Ursache ist nicht Ra-
Gray (* 1877 London; † 1958 Welwyn) don selbst, sondern dessen radioaktive Zerfalls-
studierte in Glasgow und am Londoner Uni- produkte wie die α-Strahler Polonium oder Blei,
versity College. Er promovierte 1906 bei die meist an Aerosolteilchen angelagert sind und
Richard Anschütz an der Universität Bonn. mit der Atemluft aufgenommen werden.
Nach seiner Rückkehr ins Vereinigte Kö- Radon ist für 10 % (!) der Todesfälle mit Di-
nigreich arbeitete er mit Ramsay und Soddy agnose Lungenkrebs verantwortlich, also in der
zusammen, um die physikalischen Eigen- Europäischen Union 20.000 und in Deutschland
schaften des Edelgases Radon zu bestim-
1900 pro Jahr. Da die α-Strahlung in die mensch-
men. 1923 erhielt er die Berufung zum Pro-
liche Haut kaum eindringt, bewirkt Radon zwar
fessor für Anorganische Chemie an der
kaum Hautkrebs, verbleibt nach Inhalation aber in
Universität Leeds. Dort ging er 1950 in
der Lunge und verursacht durch die Produkte
den Ruhestand und verstarb acht Jahre spä-
ter in Welwyn. seines radioaktiven Zerfalls Lungenkrebs.
Regionen mit Abbau von Uran, Bauxit, Granit
und Schiefer weisen höhere Konzentrationen an
Vorkommen Radon ist mit einem Anteil von Radon im Boden, im Wasser und in der Luft auf
ca. 10–15 ppm das seltenste Gas in der Luft. Die als Kalkböden. In Häusern ist die Belastung größer
im Erdreich und in Gesteinen in geringen Mengen als in der Außenluft, besonders hoch ist sie im
vorhandenen Verbindungen des Urans und Thori- jeweils untersten Geschoss. Häuser aus Naturstein
ums setzen bei ihrem radioaktiven Zerfall ständig oder Lehm (Fachwerkhaus) sind dabei stärker be-
neues Radon frei. Dieses diffundiert aus den obers- lastet (Dambeck 2012). Ein regelmäßiges Lüften
ten Bodenschichten in die Atmosphäre, in das der Kellerräume oder des Erdgeschosses ist daher
Grundwasser, in Keller, Rohrleitungen, Höhlen wichtig. In Deutschland liegt die mittlere Belas-
und Bergwerke. Da die Halbwertszeit der natürlich tung mit Radon in Innenräumen bei 59 Bq/m3 Luft.
vorkommenden Isotope des Radons (22286Rn: Natürliche Wässer haben in Deutschland eine
3,824 d; 22086Rn: 55,6 s; 21986Rn: 4 s) stets sehr durchschnittliche Radioaktivität von 4,4 kBq/m3.
kurz ist, erreicht Radon, das aus tieferen Boden-
schichten stammt, nicht mehr die Oberfläche. Gewinnung Im Labor kann man das aus einer
Gebiete mit einem relativ hohem Gehalt an Probe austretende Radon auffangen und durch
Thorium- und Uranverbindungen sind in Deutsch- Kondensieren von der Restluft trennen (Hoff-
land das Erzgebirge, der Bayerische Wald und das mann 1979). Beim Zerfall eines Gramms 22688Ra
Fichtelgebirge sowie der Schwarzwald, daneben entstehen 0,64 cm3 Radon in Form des Isotops
222
auch aus Granit aufgebaute Mittelgebirge (Rhein- 86Rn pro Monat.
graben). Gebiete mit Kalkböden zeigen deutlich
geringere Radonemissionen Eigenschaften Radon ist das reaktivste der bis-
In einigen Quellen liegen erhebliche Konzen- her bekannten Edelgase, jedoch im normalen
trationen an gelöstem Radon vor, wie z. B. Bad Maßstab immer noch sehr reaktionsträge. Nur
Gastein, Bad Kreuznach, Ischia im Golf von Nea- mit Fluor reagiert es direkt zu Radonfluoriden.
pel, Menzenschwand, Meran und Umhausen im Unter Normalbedingungen ist Radon geschmack-,
Ötztal (Hacker und Mostler 1999). Die Wettin- geruch- und farblos; als Feststoff ist es aber leuch-
quelle im erzgebirgischen Bad Brambach ist die tend gelb bis orange. Wird es als Füllgas in Gas-
stärkste zu Trinkkuren genutzte Radonquelle der entladungsröhren eingesetzt, erzeugt es rotes
Welt (Koch und Heinicke 2004). Licht. Mit der für Gase sehr hohen Dichte von
9,73 kg/m3 (!) ist es das mit Abstand spezifisch
Gesundheitsgefahren Die Belastung durch Ra- dichteste Gas, das aus Atomen besteht (s. Tab. 6).
86Rn entsteht durch α-Zerfall des Radium-
222
don kann gefährlich sein. Unter ungünstigen Be-
dingungen erhöht es die Radioaktivität der Raum- isotops 22688Ra in der Uran-Radium-Zerfallsreihe.
472 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Radon


Symbol: Rn
Ordnungszahl: 86
CAS-Nr.: 10043-92-2

Aussehen: Farbloses Gas Radon in Gasentladungsröhre [Rn-10]


Entdecker, Jahr Rutherford (Neuseeland) 1899;
Dorn (Deutschland), 1900
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
219
86Rn (1) 3,96 s α > 21584Po
220
86Rn (9) 55,6 s α > 21684Po
222
86Rn (90) 3,824 d α > 21884Po
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 6,1 · 1011
Atommasse (u): (222)
Elektronegativität 2,2 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred & Rochow ♦ Mulliken)
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): 220
Kovalenter Radius (pm): 150
Elektronenkonfiguration: [Rn] ([Xe] 6s2 6p6 5d10 4f14)
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 1037
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (kg/m3, bei 298 K) 9,73
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 50,5 · 106*
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): 0,00364
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): 20,79
Schmelzpunkt (°C ♦ K): 71 ♦ 202,15
Schmelzwärme (kJ/mol): 2,89
Siedepunkt (°C ♦ K): 61,8 ♦ 211,35
Verdampfungswärme (kJ/mol): 16,4
Tripelpunkt (°C ■ kPa): Keine Angabe
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 103,85 ■ 6,28

Es ist das stabilste Radonisotop und erleidet mit 1 % sehr gering, daher ist es radiologisch prak-
einer Halbwertszeit von 3,824 d seinerseits eben- tisch ohne Bedeutung.
falls α-Zerfall zum Poloniumisotop 21884Po.
86Rn (Thoron) ist ein Produkt des α-Zerfalls
220
Verbindungen Verbindungen des Radons dürf-
von 22488Ra in der Thorium-Zerfallsreihe. Seine ten aus chemischer Scht noch stabiler sein als die
Halbwertszeit ist mit 55,6 s bereits sehr kurz; es des Xenons, zudem sollte es theoretisch auch
zerfällt unter Aussendung von Alphateilchen (42He) mehr Verbindungen des Radons als des Xenons
weiter zu 21684Po. Es wird von ungebranntem Lehm geben. Die kurze Halbwertszeit der Radonisoto-
in Gebäuden emittiert und ist hinsichtlich der Strah- pe behindert die Forschung aber beträchtlich,
lenbelastung wichtig. und zudem zerstört die energiereiche Strahlung
86Rn (Actinon) wird durch α-Zerfall von
219
des Radons manche seiner Verbindungen (Auto-
223
88Ra in der Uran-Actinium-Reihe gebildet radiolyse). Eine auf Untersuchungen mit mess-
und hat eine Halbwertszeit von nur 3,96 s. Sein baren Mengen beruhende Chemie ist daher
Anteil an natürlich vorkommendem Radon ist mit kaum möglich.
5 Einzeldarstellungen 473

Radon-II-fluorid (RnF2) entsteht leicht durch dest thermodynamisch ziemlich stabil ist. Gleich-
Reaktion von Radon mit Fluor, aber die unter wohl erwartet man, dass ein -noch hypotheti-
Normalbedingungen feste Substanz zerfällt beim sches- Radon-IV-fluorid (RnF4) stabiler als ein
Versuch, sie zu verdampfen. Zudem ist ihre ge- Radon-VI-fluorid (RnF6) wäre, dies wegen der
naue Zusammensetzung nicht geklärt (Fields et al. im Falle RnF4 erreichten, relativ energiearmen
1962; Stein 1970). Ergebnisse von Berechnungen 6s26p21/2 Konfiguration. Radon-IV-fluorid wäre
sprechen für ionische Eigenschaften, dies im Ge- damit aus thermodynamischer Sicht ungefähr so
gensatz zu allen anderen binären Edelgasverbin- stabil wie Xenon-IV-fluorid, wogegen das Radon-
dungen (Pitzer 1975; Stein 1987; Avrorin et al. VI-fluorid aus relativistischen Gründen deutlich
1982). instabiler als sein Xenon-Analogon sein dürfte
Radon-II-fluorid zerfällt oberhalb einer Tem- (Filatov und Cremer 2003). Für das RnF6-Mole-
peratur von 250 °C in seine Elemente. Es wird kül berechnet man eine regulär-oktaedrische Struk-
durch Wasser zu Radon, Sauerstoff und Fluor- tur, wogegen das Molekül des XeF6 verzerrt-okta-
wasserstoff hydrolysiert. Durch Wasserstoff wird edrisch gebaut ist (Liebman 1975; Seppelt 2015).
es vermutlich zu Radon und Fluorwasserstoff um- Eine Extrapolation entlang der Reihe der Edelga-
gesetzt. Im Molekül sollten die Rn-F-Bindungen se ließe auch die Existenz verhältnismäßig stabiler
eine Länge von 208 pm haben, und Radon-II- Radonoxide wie RnO und RnO2 sowie der von
fluorid sollte stabiler und weniger flüchtig als Radonchloriden wie RnCl2 and RnCl4 vermuten,
Xenon-II-fluorid sein (Holloway 1986). aber keine dieser Verbindungen konnte bisher dar-
Man hoffte, das gefährliche Radon in Uranminen gestellt werden.
durch Umsetzung mit Antimon-V-fluorid, Chlor- Sogar die Existenz eines Radoncarbonyls
III-fluorid und Sauerstoff in Form des Addukts (RnCO) wurde vorhergesagt; es soll beständig sein
(RnF)+(Sb2F11) entfernen zu können, also durch und eine lineare Molekülgeometrie aufweisen
Überführung in Radonfluoride. Diese Versuche ste- (Malli 2002). Durch die bei schweren Atomen
hen aber noch im Anfangsstadium. Auch durch verstärkt auftretenden relativistischen Effekte, die
Disauerstoffdifluorid wird Radon bei 100 °C zu sich unter Anderem in einer Spin-Orbital-Kopp-
Radon-II-fluorid umgesetzt. Die höheren Fluoride lung äußern, soll Berechnungen zufolge auch die
RnF4 und RnF6 wurden ebenso beansprucht, da Bildung binärer Edelgasmoleküle wie Rn2 oder
Berechnungen sie als stabil erscheinen ließen RnXe ermöglicht werden (Runeberg und Pyykkö
(Thayer 2010), aber nach wie vor ist unklar, ob sie 1998). Eine Käfigverbindung, ein Radonatom um-
jemals synthetisiert wurden. geben von der Hülle eines Fulleren-Moleküls,
Von den möglichen Oxiden wurde bislang nur wurde als Medikament gegen Tumore vorgeschla-
die Existenz des Radon-VI-oxids (RnO3) bestätigt gen (Browne 1993; Dolg et al. 1991).
(Sykes 1998). Erhitzen von Radon mit einem aus Obwohl bereits Xenon-VIII-Verbindungen exis-
Xenon, Fluor und Brom-V-fluorid bestehenden tieren, sollte dasselbe bei Radon nicht der Fall
Gemisch ergibt in Gegenwart von Spuren an Al- sein. Ein hypothetisches Radon-VIII-fluorid ist ver-
kali- oder Nickel-II-fluorid höhere Radonfluoride, mutlich extrem instabil. Die noch stabilste Verbin-
die zum Radon-VI-oxid hydrolysierbar sein sollen. dung des Radon-VIII ist wohl Bariumperradonat
Der Nachweis stützt sich bisher aber nur auf die (Ba2RnO6) (Thayer 2010). Die Instabilität des
Feststellung, dass Radon beim Ansäuern einer Radon-VIII liegt an der relativistisch bedingten
wässrigen Lösung von CsXeO3F zusammen mit Stabilität des 6s-Orbitals, das eigentlich gar nicht
Xenon in Form eines Gemischs der Trioxide für chemische Bindungen verfügbar sein sollte.
XeO3/RnO3 ausfällt. Elektrophoretische Messun- Radon reagiert mit Halogenfluoriden wie ClF,
gen lassen in schwach saurer Lösung die Existenz ClF3, ClF5, BrF3, BrF5, and IF7 unter Bildung von
von Ionen wie (HRnO3)+ und (HRnO4) vermuten. Radon-II-fluorid. In flusssaurer Lösung lagert es
Sehr wahrscheinlich beruht die Schwierigkeit, Fluoridionen an, wobei Komplexe der Formel
höhere Radonfluoride darzustellen, auch darauf, RnF3 und RnF42 entstehen, wie dies bei
dass das wohl ionische Radon-II-fluorid zumin- Beryllium-II oder Aluminium-III ebenfalls beob-
474 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

achtet wird. Das Standardpotenzial für die Reak-


tion Rn2+ + 2 e ! Rn wird auf +2,0 V geschätzt J. J. Ko et al., Mobile measurement device
(Bratsch 1988). for radon in underground water (FTLab
Co., Ltd., KR 102135694 B1, veröffent-
Anwendungen Radonhaltige Heilwässer sollen licht 20. Juli 2020)
das menschliche Immunsystem stimulieren; diese J. Gelina, Radon removal apparatus (privat,
Wirkung ist bisher aber nicht bestätigt. Radon US 10689825 B1, veröffentlicht 23. Juni
wird durch Inhalation in Stollen oder in Wannen- 2020)
bädern durch die Haut aufgenommen. Für die H. B: Kim, Method for construction of
Anwendung bei Kindern, Jugendlichen und foundation floor for reducing radon (pri-
Schwangeren spricht das Umweltbundesamt eine vat, KR 20200062542 A, veröffentlicht
Warnung aus (Erzberger et al. 2000). 4. Juni 2020)
Der Radongehalt eines Gewässers gibt Infor- R. H. Griffin und N. Graddage, Printed
mationen über dessen Kontakt zum Grundwasser. electrostatic concentrator for radon de-
Regenwasser enthält kaum Radon, ebenso Ober- tection (National Research Council of
flächenwasser. Grundwasser aber weist deutlich Canada, WO 2020084594 A1, veröffent-
nachweisbare Konzentrationen an Radon auf. licht 30. April 2020)
Ein hoher Gehalt an Radon im Oberflächenwasser
zeigt einen hohen Einspeisungsgrad durch Grund-
wasser an.
Messungen des Radongehaltes in unterirdischen
Hohlräumen nutzt man gelegentlich für die Vorher- 5.7 Oganesson
sage von Erdbeben. Erschütterungen im Erdreich
bewirken eine schnellere Freisetzung des in der Erde Geschichte und Gewinnung Zuerst berichteten
entstehenden Radongases (Deutschlandfunk 2009). Forscher des Lawrence Berkeley National Labo-
ratory (LBNL) 1999 von der Entdeckung von
Nukliden der später Oganesson bzw. Livermori-
Patente um genannten Elemente mit den Ordnungszahlen
(Weitere aktuelle Patente siehe https:// 118 bzw. 116 (Ninov 1999; Service 1999). Die
worldwide.espacenet.com) Kerne des Elements 118 sollten demnach bei der
Fusion
M. L. Botos et al., Smart system for radon
208
concentration prediction and control in- 82 Pb þ 86 36 Kr ! 293 118 Og þ 1 0 n
side civil buildings, based on automatic
learning methods (Universitatea Babes entstanden sein. 2001 aber musste das LBNL
Bolyai din Cluj-Napoca, RO134460 seine Ansprüche widerrufen, nachdem es keinem
A0, veröffentlicht 30. September 2020) anderen Forscherteam gelungen war, diese Ergeb-
T. Jewell, Radon detection devices and me- nisse zu bestätigen, auch in Berkeley selbst nicht.
thods (Formative Holdings LLC, WO Daher verwies 2002 der Direktor des LBNL da-
2020180891 A1, veröffentlicht 10. Sep- rauf, dass der ursprünglich gestellte Anspruch auf
tember 2020) Daten beruhte, die Ninov produziert hätte (Dalton
M. Marennyj et al., Intetgrated radon ra- 2002). Die erste, wirklich von Atomen des Oga-
diometer with dielectric track detector nessons herrührende Zerfallsreaktion beobachtete
(Obshchestvo s Ogranichennoj Otvetst- man 2002 am Joint Institute for Nuclear Research
vennostyu Gruppa Kompanij Rei, RU (JINR) im russischen Dubna; beteiligt waren so-
2731592 C1 veröffentlicht 4. September wohl russische als auch US-amerikanische For-
2020) scher (Oganessian et al. 2002; Eichler und Eichler
2004). Diesen Befund veröffentlichte man aber
5 Einzeldarstellungen 475

nicht unmittelbar, weil die Zerfallsenergie des Livermoriums (290116Lv) überein. Auch dieser so-
Kerns 294118 zu derjenigen des 212m84Po identisch genannte Tochterkern 290116Lv ist mit einer Halb-
war, und jenes ist eine oft bei Kernfusionen an- wertszeit von 14 ms nur sehr kurzlebig; er erleidet
zutreffende Verunreinigung. Dies tat man erst weiteren α-Zerfall zu 286114Fl. Jenes wiederum
2006, nachdem man in einem zweiten, unter etwas unterliegt entweder weiterem α-Zerfall zu 282112Cn
geänderten Bedingungen durchgeführten Experi- oder spontaner Kernspaltung.
ment weitere Atome des Oganessons erhalten hat- Ende 2015 schließlich erkannte die aus Ver-
te (Moody 2013). Der Bericht besagte den indi- tretern der IUPAC und IUPAP gebildete Joint
rekten Nachweis von ein oder zwei Atomen des Working Party (JWP) die Entdeckung des Ele-
Elements 118 im Jahr 2002 und zwei weiteren im ments 118 an mit Priorität für die Kooperation
Jahr 2005, beides durch Beschuss eines aus Cali- des LBNL und des JINR. Der endgültige Nach-
fornium bestehenden Targets mit Calciumkernen weis sei die Bestätigung der Eigenschaften der
(Oganessian et al. 2002; Oganessian 2006; San- Enkelin von 294118 (286114Fl; englischsprachige
derson 2006; Schewe und Stein 2006; Weiss Bezeichnung: „granddaughter nucleus“) beim
2006) nach: LBNL gewesen, aber auch die Beobachtung einer
weiteren konsistenten Zerfallskette des 294118
249
98 Cf þ 48 20 Ca ! 294 118 Og þ 31 0 n durch das JINR 2012 (Karol et al. 2015). Bei
jenem Versuch wollte das russische Team ein
Einer Bewertung der IUPAC aus dem Jahr Berkeliumtarget mit Calciumionen beschießen
2011 zufolge wiesen diese drei Ereignisse der und so ursprünglich Isotope des Tenness (Element
Bildung von Isotopen des Elements 118 zwar eine 117) erzeugen; durch den schnellen β-Zerfall des
249 249
sehr gute Übereinstimmung auf, es wäre aber kein 97Bk zu 98Cf resultierten bei der Fusions-
Bezug zu bereits bekannten Kernen zu erkennen reaktion aber auch Isotope des Elements 118.
gewesen, so dass die Kriterien für eine Entde- Während des halben Jahres von Oktober 2015
ckung nicht erfüllt gewesen seien (Barber et al. bis April 2016 beschoss die Gruppe in Dubna ein
2011). aus diversen Isotopen des Californiums beste-
Bei diesen Experimenten war der Wirkungs- hendes Target mit 4820Ca-Projektilen (Energie:
querschnitt mit (3–6) · 1041 m2 extrem klein, und 252 bzw. 258 MeV) mit dem Ziel, auch die schwe-
während eines Zeitraums von vier Monaten be- reren Isotope 295118 und 296118 zu erzeugen. Mit
schoss man das winzige Californiumtarget mit Strahlen der niedrigeren Energie konnte ein Atom
einer Dosis von 2.5∙1019 Calciumionen. Trotzdem des Elements 118 produziert werden, keines aber,
hielten die Forscher die Ergebnisse nicht für fehl- wenn die Calciumionen mit höherer Energie auf
positiv, weil die Möglichkeit eines zufälligen Er- das Target geschossen wurden (Voinov et al.
eignisses eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 2016). Jedoch erwies sich diese Methode als ge-
1:100.000 hatte (Jacoby 2006). eignet zur Darstellung der Kerne 293118 und 297118.
Bei den darauf gemachten, der Verifikation Jedoch konnten die Isotope 295118 und 296118 durch
dienenden Versuchen registrierte man den α-Zer- Beschuss von 24896Cm-Targets mit 5022Ti-Projek-
fall der drei Atome des Kerns 294118 zu 290116Lv; tilen erzeugt werden (Sychev 2007; Roberto
die Halbwertszeit wurde zu 0,89 ms berechnet. 2015).
Den Beweis führte man dergestalt, das man das Bevor das LBNL 2001 seine 1999 dokumen-
Isotop 290116Lv parallel durch Beschuss eines Cu- tierten Ergebnisse zurückziehen musste, hatten
riumtargets mit Calciumionen erzeugte nach: die dortigen Forscher die Absicht, als neuen
Namen des Elements „Ghiorsium“ (nach Albert
245
96 Cm þ 48 20 Ca ! 290 116 Lv þ 31 0 n Ghiorso) vorzuschlagen. Dazu kam es aber nicht
mehr, da die russischen Forscher ihre Ergebnisse
Die Charakteristik des Zerfalls des so erzeug- 2006 veröffentlichten und ihnen so das Recht der
ten Livermoriumisotops stimmte mit der des beim Namensgebung zufiel. Zunächst schlug man in
Zerfall des Oganessonkerns erhaltenen Isotop des Dubna die Namen „Flyorium“ (nach Georgi Flyo-
476 8 Edelgase: Elemente der achten Hauptgruppe

Tab. 7 Physikalische und chemische Eigenschaften von Oganesson


Symbol: Og
Ordnungszahl: 118
CAS-Nr.: 54144-19-3

Aussehen: Feststoff (?) Von 294118Og ausgehende Zerfallsreihe


Entdecker, Jahr Ramsay und Travers (England), 1898
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
294
118Og (synthetisch) 0,89 ms α > 290116Lv
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ——
Atommasse (u): (294)
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 157
Elektronenkonfiguration: [Og] ([Rn] 7s2 7p6 6d10 5f14)
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 839
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, als Flüssigkeit beim Schmelzpunkt) 4,9–5,1*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): Keine Angabe
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m · K)]): Keine Angabe
Spezifische Wärme ([J/(mol · K)]): Keine Angabe
Schmelzpunkt (°C ♦ K): Keine Angabe
Schmelzwärme (kJ/mol): 23,5*
Siedepunkt (°C ♦ K): 77 +/ 30 ♦ 350 +/ 30*
Verdampfungswärme (kJ/mol): 19,4*
Tripelpunkt (°C ■ kPa): Keine Angabe
Kritischer Punkt (°C ■ MPa): 166 ■ 6,8*
*
Geschätzte Werte

rov bzw. Flerov) und „Moskovium“ [nach dem der 60 Jahre in der russischen Kernphysik tätig
Verwaltungsgebiet (Oblast) der Stadt Moskau, in war und neben Seaborg der Einzige ist, nach dem
dem Dubna liegt] vor, aber diese Namen wurden ein Element zu Lebzeiten benannt wurde.
später den Elementen 114 (Flerovium) und 115
(Moscovium) gegeben. Das neue Element war in Eigenschaften und Verbindungen Alle Isotope
die Gruppe der Edelgase einzuordnen, und sein des Oganessons sind radioaktiv; 294118Og hat die
Name musste nach einer 2016 gegebenen Emp- sehr kurze Halbwertszeit von 0,89 ms (s. Tab. 7).
fehlung der IUPAC auf „-on“ enden (Koppenol Diese ist aber noch länger, als man es durch bloße
et al. 2016). In einer Konferenz der an der Ent- Fortschreibung der Halbwertszeiten der Trans-
deckung beteiligten Nuklearwissenschaftler des actinoide hätte erwarten können. Dies spricht da-
JINR und LBNL fiel im März 2016 mehrheitlich für, dass sich die Nuklide des Oganessons zumin-
die Entscheidung, Element 118 nach Oganessian dest noch am Rand der „Insel der Stabilität“
(Kurzbiografie siehe „Bohrium“) zu benennen, befinden. Forscher postulieren seit langem das
Literatur 477

Vorliegen einer Insel relativer Stabilität etwa ab Aulchenko VM et al (1990) Investigation of an electro-
dem Element mit der Ordnungszahl 110 aufwärts. magnetic calorimeter based on liquid krypto. Nucl In-
strum Meth Phys Res Sect A: Acceler Spectrom Detect
Durch α-Zerfall geht 294118Og in das Isotop des Assoc Equipm 289:468–474
Livermoriums 290116Lv über, das aber ebenfalls Avrorin VV et al (1982) The chemistry of radon. Russ
mit einer Halbwertszeit weniger ms weiter zer- Chem Rev 51(1):12. https://doi.org/10.1070/
fällt. Aus chemischer Sicht gehört Oganesson RC1982v051n01ABEH002787
Ballentine CJ (2007) Geochemistry: earth holds its breath.
zur Gruppe der Edelgase. Ob es aber wirklich Nature 449:294–296
bei Raumtemperatur gasförmig ist, ist nicht be- Barber RC et al (2011) Discovery of the elements with atomic
kannt. Es könnte unter Normalbedingungen sogar numbers greater than or equal to 113. Pure Appl Chem
flüssig oder fest sein, wenn auch mit niedrigen 83(7):1. https://doi.org/10.1351/PAC-REP-10-05-01
Barlow MJ et al (2013) Detection of a noble gas molecular
Schmelz- und Siedepunkt. Wegen der sich bis in ion, 36ArH+, in the crab nebula. Science 342(6164):
die höchsten Perioden fortsetzenden Schrägbezie- 1343–1345. https://doi.org/10.1126/science.1243582
hung könnte Oganesson auch einige Charakteris- Barrer RM, Ruzicka DJ (1962) Non-stoichiometric cla-
tika mit seinem Diagonalpartner Astat teilen, das thrate compounds of water. Part 4. – Kinetics of forma-
tion of clathrate phases. Trans Faraday Soc 28(58):
Halogen und Halbmetall zugleich ist. Theoretisch 2262–2271
sollte es aus chemischer Sicht noch reaktiver als Bartlett N (1962) Xenon Hexafluoroplatinate(V) Xe+(PtF6).
Radon und deutlich reaktionsfähiger als Xenon Proc Chem Soc 218. https://doi.org/10.1039/
sein, so dass es relativ beständige Fluoride, Chlo- PS9620000197
Bartlett N (2003) The noble gases. Chem Eng News 81(36):
ride und Oxide bilden sollte. All dies setzt aber 32–34. https://doi.org/10.1021/cen-v081n036.p032
voraus, dass man riesige Mengen an Atomen des Bawn CEH (1963) Morris William travers. 1872–1961.
Oganessons zu erzeugen in der Lage ist, um das Biogr Mem Fellows R Soc 9:300–313. https://doi.org/
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bindungen herstellen zu können; hiervon ist die Hirzel, Stuttgart. ISBN 3-7776-0736-3
Wissenschaft noch weit entfernt. Allerdings er- Boldrini P et al (1974) Crystal structure of trifluoroxenon
scheint es jetzt schon unmöglich, angesichts der (1+) hexafluoroantimonate(1). Inorg Chem 13(7):
kurzen Halbwertszeiten der Isotope des Elements 1690–1694. https://doi.org/10.1021/ic50137a030
Börse online Edelgas Helium wird knapper – Preis deutlich
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bindungen des Oganessons durchführen zu kön- Bove AA, Davis JC (2004) Bove and Davis’ diving medi-
nen. cine, 4. Aufl. Elsevier, Melbourne, S 121. ISBN 978-0-
Die Eigenschaft eines Edelgases wird eher dem 7216-9424-5
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Titangruppe: Elemente der vierten
Nebengruppe 9

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Zusammenfassung 1 Einleitung
In diesem Kapitel werden die Elemente der
vierten Nebengruppe des Periodensystems der Die Elemente der vierten Nebengruppe (Titan,
Elemente mit ihren wichtigsten Verbindungen Zirconium, Hafnium, Rutherfordium) sind hin-
beschrieben. Vor allem ist Titan Bestandteil sichtlich ihrer physikalischen und chemischen
vieler Gebrauchsgegenstände des täglichen Eigenschaften sehr ähnlich. Im Falle des Zirco-
Bedarfs und in technologischer Hinsicht für niums und Hafniums sind die chemischen Eigen-
die Zukunft unverzichtbar, aber auch Zirco- schaften wegen der sich hier vollkommen auswir-
nium und Hafnium gehen in viele Anwendun- kenden Lanthanoidenkontraktion sogar nahezu
gen. Es werden ihre chemischen und phy- deckungsgleich, nur die physikalischen Eigen-
sikalischen Eigenschaften, ihr Vorkommen, schaften zeigen einige Unterschiede. Dies wird
bedeutsame Herstellverfahren, Anwendungen bei Dichte und Einfangquerschnitt für thermische
und Patente aufgeführt. Neutronen deutlich. Die Atome der Elemente die-
ser Gruppe geben meist äußere Valenzelektronen
(jeweils zwei s- und zwei d-Elektronen) ab, um
eine stabile Elektronenkonfiguration zu erreichen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 483
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_9
484 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfolgte die Einschließlich der natürlich vorkommenden
Entdeckung des Titans und des Zirconiums, die sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
des Hafniums aber erst mehr als hundert Jahre erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
später, 1923. Damit war Hafnium eines der zur system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf.
damaligen Zeit letzten stabilen, das heißt nicht
radioaktiven Elemente, die noch aufzufinden und
zu isolieren waren. Atomkerne des Rutherfor- 2 Vorkommen
diums (bzw. des damals noch Kurtschatovium
genannten Elementes) wurden erstmals 1964 Titan ist mit einem Anteil von 5650 ppm immer-
durch Kernfusion erzeugt. Sie finden alle Ele- hin das neunthäufigste in der Erdkruste vorkom-
mente dieser Gruppe im untenstehenden Perio- mende Element; in der Erdhülle sind daher immer
densystem in Gruppe 4 (IV B). noch insgesamt 4100 ppm enthalten. Wesentlich
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. seltener sind Zirconium (Gehalt in der Erdhülle:
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle 210 ppm) und Hafnium (4 ppm). Rutherfordium
wie Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle ist ausschließlich durch künstliche Kernreaktio-
wie beispielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder nen zugänglich und wird, wenn überhaupt, dann
Neon. Die meisten Elemente können sich unter- nur in extrem geringen Mengen synthetisch her-
einander verbinden und bilden chemische Ver- gestellt.
bindungen; so wird z. B. aus Natrium und Chlor Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier
die chemische Verbindung Natriumchlorid, also Vertreter der Gruppe der Elemente der vierten
Kochsalz. Nebengruppe enthalten dabei alle wichtigen In-

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


5 Einzeldarstellungen 485

formationen über das jeweilige Element, so dass 5 Einzeldarstellungen


ich hier nur eine sehr kurze Einleitung vorange-
stellt habe. Im folgenden Teil sind die Elemente der Titan-
gruppe (4. Nebengruppe) jeweils einzeln mit ihren
wichtigen Eigenschaften, Herstellungsverfahren
3 Herstellung und Anwendungen beschrieben.

In der Regel gewinnt man Titan, Zirconium und


Hafnium jeweils durch Umsetzung ihrer Oxide 5.1 Titan
(TiO2, ZrO2, HfO2) mit Kohle und Chlor, wobei
jeweils die leicht flüchtigen und destillierbaren Geschichte Der englische Geistliche Gregor
Chloride (TiCl4, ZrCl4 bzw. HfCl4) entstehen. fand Titan 1791 im Mineral Titaneisen, vier Jahre
Diese reduziert man meist mit Magnesium zum später der deutsche Chemiker Klaproth (Kurzbio-
rohen Metall, das dann, je nach Reinheitserforder- grafie s. „Cer“) im Rutilerz. Klaproth gab dem
nissen, nach dem Van Arkel-De Boer-Verfahren in neuen Element seinen heutigen Namen. Erst
hochreiner Form erzeugt wird. 1831 konnte von Liebig aus dem Erz verunreinig-
tes Titan darzustellen. Die erstmalige Synthese
hochreinen Titans führte Hunter 1910 durch,
4 Eigenschaften indem er Titan-IV-chlorid in einer Stahlbombe
mit Natrium auf etwa 700  C erhitzte. Ein für die
4.1 Physikalische Eigenschaften Herstellung von Titan in großem Maßstab taugli-
ches Verfahren entwickelte Kroll (1940), der
Die physikalischen Eigenschaften sind in dieser Titan-IV-chlorid mit metallischem Magnesium
Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regelmäßig umsetzte.
nach steigender Atommasse abgestuft. Vom Titan
zum Hafnium nehmen Dichte, Schmelzpunkte und
Der deutsche Chemiker Justus Liebig, ab
-wärmen sowie Siedepunkte und Verdampfungs-
1845 Justus Freiherr von Liebig ( 12. Mai
wärmen zu, ebenso -allerdings nur gering ausge-
1803 Darmstadt; † 18. April 1873 München),
prägt- die chemische Reaktionsfähigkeit. Der bei
war ein deutscher Chemiker und Universitäts-
den Elementen der ersten bis dritte Hauptgruppe
professor in Gießen und München. Liebig
zu beobachtende Effekt der Schrägbeziehung, also brach den Besuch des Gymnasiums vorzeitig
etwa der des Titans zu Niob, tritt hier, wie auch bei ab, ebenso eine Ausbildung zum Apotheker.
anderen Nebengruppenelementen jedoch nicht auf. Zunächst half er seinem Vater, einem Drogis-
ten und Händler für Farben, in der Werkstatt,
bildete sich aber durch Literaturstudium in
4.2 Chemische Eigenschaften Chemie nebenbei fort. 1819 begann Liebig
ein Chemiestudium in Bonn bei Kastner,
Die Elemente der Titangruppe sind teils reaktiv, dem er 1821 an die Universität Erlangen
teils aber auch erstaunlich passiv. An der Luft folgte. Dort promovierte er 1822 mit der
lagernd, schützt sie eine passivierende Oxidschicht Arbeit „Über das Verhältnis der Mineralche-
vor weiterer Korrosion, und auch in Säuren sind sie mie zur Pflanzenchemie“. Von 1823 an stu-
nur vereinzelt und dann auch nur unter Anwen- dierte er an der Pariser Universität Sorbonne
dung drastischer Methoden löslich. Mit vielen Chemie und wurde durch einige der damals
Nichtmetallen (Halogenen, Sauerstoff, auch Stick- bedeutendsten Naturwissenschaftler unter-
stoff und Kohlenstoff) reagieren sie aber bei erhöh- richtet (Gay-Lussac, Thénard, Vauquelin).
ter bzw. hoher Temperatur. Titan-IV-oxid reagiert
Im Dezember 1825 wurde Liebig ordentli-
amphoter, die Dioxide des Zirconiums und Haf-
cher Professor für Chemie und Pharmazie an
niums (ZrO2, HfO2) schwach basisch.
486 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

der Universität Gießen. Durch seine Lehr-


methode, seine Forschung und seine Veröf-
fentlichungen wurde Liebig in der ganzen
Welt bekannt, selbst Amerikaner kamen
nach Gießen, um seine Vorlesungen über
Chemie und Pharmazie zu hören. 1843
wurde Liebig in die American Academy of
Arts and Sciences gewählt. Mehrere Ange-
bote zur Bekleidung von Lehrstühlen für
Abb. 2 Titan-IV-oxid (Onyxmet 2018)
Chemie an Universitäten lehnte er ab. Die
Universität Gießen verlieh ihm 1847 einen
den USA, Kanada, Paraguay (Wochenblatt Para-
medizinischen Doktortitel.
guay, 08.11.2010), Malaysia und Russland (Ural-
Im Jahr 1845 wurde er auf eigenen Wunsch gebiet) vor. In Russland (Jekaterinburg) ist mit
von dem Großherzog Ludwig II. von Hes- der VSMPO-AVISMA auch der weltweit bedeu-
sen für seine Verdienste mit dem Titel Frei- tendste Produzent ansässig. Bereits um das Jahr
herr“ geadelt. 2005 wurden weltweit insgesamt ca. 5 Mio. t Titan-
IV-oxid hergestellt, von denen gut 40 % aus Aus-
Liebig nahm aber 1852 die Berufung zum tralien (s. Abb. 2a) und jeweils ca. 20 % aus
Professor für Chemie an der Universität Mün- Kanada und Südafrika stammten.
chen an. Dort ernannten ihn zahlreiche wis- Himmelskörper enthalten ebenfalls Titan, wie
senschaftliche Gesellschaften zum korrespon- spektroskopisch bei Sternen und anhand von
dierenden oder Ehrenmitglied. Den von Gesteinsproben nachgewiesen wurde, die auf
ihm entwickelten Superphosphat-Dünger ver- dem Mond gesammelt wurden (Der Standard
marktete er mit einigen anderen Mitgründern 09.10.2011; Die Welt 10.10.2011).
durch die Firma „Bayerische Aktiengesell-
schaft für chemische und landwirtschaftlich- Gewinnung Ausgangsprodukt für die Herstellung
chemische Fabrikate“ (BAG) mit Sitz Mün-
von Titan sind die Erze Ilmenit oder Rutil. Das
chen. Diese bestand bis 2012 unter dem
Produktionsverfahren umfasst mehrere Schritte und
Namen Süd-Chemie und ist heute Teil der
ist aufwändig; dies macht Titan teuer. Sein Preis
Clariant-Gruppe. 1859 wurde er Präsident
lag 2013 beim Zweihundertfachen desjenigen von
der Bayerischen Akademie der Wissenschaf-
ten, 1870 Ehrenbürger der Stadt München. Rohstahl; schon 2008 kostete der bei diesem Pro-
Justus von Liebig starb am 18. April 1873 in zess üblicherweise erzeugte Titanschwamm rund
München. € 12000.–/t (Stirn 2009). Zunächst setzt man
angereichertes Titandioxid in der Hitze mit Chlor
und Kohle zu Titan-IV-chlorid (TiCl4) um:
Vorkommen Titan ist mit einem Anteil von
5650 ppm das neunthäufigste in der Erdkruste vor- TiO2 þ 2 C þ 2 Cl2 ! TiCl4 þ 2 CO
kommende Element (Lide 2010), tritt aber nur mit
Sauerstoff chemisch verbunden in Form von Mine- Das unter diesen Bedingungen in gasförmigem
ralien und nicht elementar auf. Wichtige Minera- Zustand erzeugte, gegenüber Hydrolyse empfind-
lien bzw. Erze sind Rutil (TiO2), Ilmenit (Titan- liche und korrosiv wirkende Titan-IV-chlorid kon-
eisenerz, FeTiO3), Leukoxen (ein eisenarmer densiert man in Kühlern. Dieses Titan-IV-chlorid
Ilmenit), Perowskit (CaTiO3), zusätzlich findet es reduziert man dann mit flüssigem Magnesium zu
sich als Begleiter in Eisenerzen und Silikaten, dies Titan. Sollen Titanlegierungen produziert werden,
aufgrund seiner nahen chemischen Verwandtschaft so muss der bei der Reduktion entstandene Ti-
zum Silicium. Hauptsächlich kommt Titan in Aus- tanschwamm im Vakuum-Lichtbogenofen umge-
tralien, Südafrika, Skandinavien, China, Brasilien, schmolzen werden.
5 Einzeldarstellungen 487

Reinstes Titan erzeugt man nach dem Van-Ar- Titan ist aber gegenüber verdünnter, kalter Sal-
kel-De-Boer-Verfahren, das Rohtitan erhitzt man petersäure, Schwefelsäure, Salzsäure, chloridhalti-
zusammen mit Iod am Boden eines evakuierten gen Lösungen, vielen organischen Säuren sowie
glockenförmigem Gefäßes bei einem Druck von Natronlauge beständig. Konzentrierte Schwefel-
nur 0,1–20 Pa auf eine Temperatur von rund säure greift es unter Bildung des violetten Titan-
800  C. Dabei bildet sich unter exergonischer sulfats aber an. Kleine Mengen zulegierter Metalle
Reaktion gasförmiges Titan-IV-iodid (TiI4), das wie Zinn, Aluminium, Vanadium, Mangan, Mo-
durch Diffusion oder Konvektion an einen glü- lybdän, Palladium, Kupfer und Zirconium erhöhen
henden Wolframdraht gelangt, an dem es sich die Resistenz gegenüber Korrosion erheblich. Bei
wieder zersetzt. Dabei scheidet sich in der Rück- erhöhter Temperatur neigt es zudem zur Aufnahme
reaktion das reine Titan ab. Das bei dieser Zerset- größerer Mengen von Sauer-, Wasser- oder Stick-
zungsreaktion wieder frei werdende Iod reagiert stoff, was zu einer Versprödung führt.
am Boden des Reaktionsgefäßes erneut mit Titan.
Eventuell zuvor im Metall noch vorhandene Ver- Verbindungen
unreinigungen verbleiben im Rückstand. Chalkogenverbindungen Das ungiftige und rela-
tiv preiswerte Farbpigment Titan-IV-oxid (TiO2)
Eigenschaften Unterhalb einer Temperatur von ist in fast allen heute verwandten weißen Kunst-
886  C kristallisiert Titan hexagonal-dichtest stoffen und Farben enthalten. Es ist auch als Le-
(s. Tab. 1), bei höherer Temperatur bildet sich eine bensmittelfarbstoff E171 zugelassen. Titandioxid
kubisch raumzentrierte Struktur aus. Titan ist vor ist ein amphoteres Oxid; von ihm leiten sich Tita-
allem für solche Anwendungen geeignet, bei nate wie Barium- und Lithiumtitanat ab, die bei-
denen Festigkeit, geringes Gewicht und Korrosi- spielsweise in der Elektro- und Werkstofftechnik
onsbeständigkeit wichtig sind. Bei einer Tempe- sowie bei der Herstellung von Hochleistungsak-
ratur von >400  C nimmt die Verformbarkeit kumulatoren verwendet werden.
infolge Aufnahme von Sauerstoff und Stickstoff, Das polymorphe Titan-IV-oxid (Titandioxid,
die versprödend wirken, ab, wogegen es in sehr TiO2) ist die mit Abstand wichtigste Verbindung
reinem Zustand sogar plastisch verformbar ist. des Titans. Daneben existieren auch Titan-III-oxid
Bei relativ geringer Dichte ist Titan bei Raumtem- (Ti2O3) und Titan-II-oxid (TiO).
peratur sehr fest. Supraleitend wird es erst unter- Als weißes Farbpigment (Titanweiß) ver-
halb einer Temperatur von 272,75  C (0,4 K). braucht man Titan-IV-oxid in Mengen von welt-
Beim Stehenlassen an der Luft bildet sich auf weit 5 Mio. t pro Jahr (Gambogi 2011). Meist
der Oberfläche des Titans eine sehr dünne, passi- geht es in Beschichtungen (Lacke, Anstriche),
vierende Schutzschicht aus Titan-IV-oxid, die es außerdem werden Kunststoffe hiermit einge-
gegen viele Medien schützt. Ist es bei Raumtem- färbt. Oft ist die Verbindung auch in anderen
peratur -außer im hochreaktiven feinverteilten Farben enthalten, nur um eine höhere Deck-
Zustand- noch relativ beständig gegenüber Sauer- kraft zu erzielen. Drei Viertel der produzierten
stoff und Halogenen, so reagiert es mit diesen bei Gesamtmenge stammen von fünf Herstellern
erhöhter Temperatur sehr heftig. Die Passivie- [DuPont (USA), Cristal Global (Saudi-Arabien),
rungsschicht hält dann nicht stand. In einer aus Huntsman (USA), Kronos (USA, seit 100 Jahren
reinem Sauerstoff bestehenden Atmosphäre ver- Produzent), Tronox (USA)] (Brock et al. 2000).
brennt Titan bereits bei Raumtemperatur und bei Bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges war die
einem Druck von 25 bar vollständig zu Titan-IV- Grundlage des Weißpigments die Anatas-Modifi-
oxid. Mit Chlor und Brom erfolgt bei Temperatu- kation, danach zunehmend Rutil, da jene für grö-
ren ab 550  C schnelle und heftige Umsetzung ßere Beständigkeit gegenüber Witterungseinflüs-
zum jeweiligen Tetrahalogenid (TiCl4 bzw. sen steht.
TiBr4). Titan setzt sich bei erhöhter Temperatur Titan-IV-oxid (s. Abb. 2) erzeugt man durch
auch mit Stickstoff unter Bildung von Titannitrid Hydrolyse von Titanylverbindungen wie Titanyl-
(TiN) um. sulfat (TiOSO4), die als erstes Umsetzungsprodukt
488 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Titan


Symbol: Ti
Ordnungszahl: 22
CAS-Nr.: 7440-32-6

Aussehen: Silbrig glänzend Titan, Perle (elementsales TItan, Stück


2018) (Onyxmet
2018)
Entdecker, Jahr Gregor (England), 1791/Klaproth (Preußen), 1795
Von Liebig (Preußen), 1831
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
46
22Ti (8,0) Stabil ——
47
22Ti (7,3) Stabil ——
48
22Ti (73,8) Stabil ——
49
22Ti (5,5) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 4100
Atommasse (u): 47,867
Elektronegativität 1,54 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: TiO2+ + 2 H+ + 4 e > Ti + H2O (V) 0,86
Atomradius (pm): 140
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 160
Ionenradius (Ti4+, pm) 69
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d2 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 659 ♦ 1310 ♦ 2653 ♦ 4175
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,8  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal (bis 886  C), darüber kubisch-
raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit ([A/V  m], bei 300 K): 2,5  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 116 ♦ 110 ♦ 44
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 830–3420 ♦ 716–2770
Mohs-Härte 6
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 298,15 K): 4140
Dichte (g/cm3, bei 298,15 K) 4,50
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 10,64  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 22
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,06
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1688 ♦ 3260
Schmelzwärme (kJ/mol): 18,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 3260 ♦ 3533
Verdampfungswärme (kJ/mol): 457

der Reaktion von Wasser mit den sehr hydrolyse- Wasser in Kontakt kommen. Eine kontrolliert
empfindlichen Titan-IV-Verbindungen (beispiels- und etwas langsamer ablaufende Hydrolyse erhält
weise Titan-IV-chlorid, TiCl4) entstehen. In glei- man bei Einsatz von Titansäureestern mit höheren
cher Weise hydrolysieren Titan-IV-alkoholate Alkoholen oder solchen mit verzweigter Kette;
zum Teil heftig zu Titan-IV-oxid, wenn sie mit beispielhaft ist das tert.-Butylat genannt:
5 Einzeldarstellungen 489

 
Ti OCðCH3 Þ3 4 þ 2 H2 O Daneben gibt es acht synthetisch erzeugte
Modifikationen. Fünf von ihnen sind nur durch
! TiO2 þ 4 HOCðCH3 Þ3 Anwendung hoher Drücke herstellbar und weisen
zu α-PbO2, Baddeleyit und Cotunnit ähnliche
Als Zwischenprodukt entstehen dabei zunächst Strukturen auf; daneben gibt es noch jeweils eine
Titanoxidhydroxid bzw. hydratisiertes Titan-IV- orthorhombische und kubische Struktur. Die zu
oxid, das durch Erhitzen in Anatas oder Rutil Cotunnit ähnliche Modifikation soll nach Dubro-
überführt wird. Glühen der Verbindung ergibt vinsky das härteste Metalloxid überhaupt sein
direkt Rutil. Hochreines Titan-IV-oxid stellt man (Dubrovinsky et al. 2001), was Ergebnisse ande-
durch langsame, kontrollierte Hydrolyse gereinig- rer Untersuchungen aus dieser Zeit nicht ganz
ten Titan-IV-chlorids her. bestätigten (Hatta et al. 1996; Machida und
Meist enthalten Titanerze wie Ilmenit (Fe- Fukuda 1991; Sekiya und Kurita 2008).
TiO3) farbgebende Ionen wie Eisen-III oder Die Züchtung von Einkristallen des Rutils ist
Niobverbindungen. Da diese aber die Nutzung möglich; meist geschieht dies nach dem Verneuil-
des Titan-IV-oxids als Weißpigment einschrän- Verfahren (Al-Khatatbeh et al. 2009). Gelegent-
ken würden, müssen sie entfernt werden. Die lich wendet man noch das Zonenschmelzen an,
Aufarbeitung des Erzes und damit gleichzeitig nicht aber das Czochralski-Verfahren (Nishio-Ha-
die weitgehende Entfernung der farbgebenden mane 2010; Brauer 1978d, S. 1366). Anatas-Ein-
Verbindungen erfolgt nach dem Sulfat- oder kristalle kann man nicht aus der Schmelze heraus
Chloridverfahren. Bei der industriellen Herstel- erzeugen; spezielle Verfahren müssen hierzu an-
lung von Titanoxid aus Ilmenit nach dem Sulfat- gewandt werden.
verfahren entsteht Dünnsäure (verdünnte Schwe- Titandioxid schmilzt bei 1855  C. Es ist ther-
felsäure), die in Deutschland noch bis in die misch stabil, chemisch weitgehend inert und licht-
1980er-Jahre hinein in der Nordsee verklappt wer- beständig. Daher darf man es als Weißpigment
den durfte (!), heute aber meist nach Aufkonzen- und auch in Lebensmitteln einsetzen. Die opti-
tration für den Ilmenit-Aufschluss wiederverwen- schen Eigenschaften des Titan-IV-oxids sind
det wird. Die Praxis des Einleitens der verdünnten auffällig; so zeigt es einen hohen, jedoch von der
Schwefelsäure in Flüsse oder angrenzende Meere vorliegenden Modifikation abhängigen Bre-
ist aber bis heute noch gängige Praxis in einigen chungsindex und ist zudem doppelbrechend. Dies
Ländern. Der Einsatz des Chloridverfahrens ver- macht es als Material für optische Prismen sehr
meidet die Bildung von Dünnsäure; das eingesetzte interessant. Zudem beruht das hervorragende
Chlor leitet man, so weit möglich, wieder in den Deckkraft des Weißpigments und sein sehr gutes
Prozesskreislauf zurück. Aufhellvermögen auf seinem hohem Brechungs-
Mehr als vier Fünftel der gesamten Fördermen- index, wobei das Maximum des Deckvermögens
ge an Titanerz wird vor allem nach dem Chlorid-, bei einer Korngröße von 200 bis 300 nm liegt
aber auch -in geringerem Anteil- nach dem Sulfat- (Thiele 1998; Winkler 2003).
verfahren zu Titandioxid verarbeitet. Titan-IV-oxid hat die Eigenschaften eines Halb-
Die Modifikation Rutil kristallisiert tetragonal leiters, aber mit großer Bandlücke, die von der
und hat eine Dichte von 4,26 g/cm3. Dagegen tritt Modifikation und auch der Kristallausrichtung ab-
Anatas in Form tetragonal holoedrischer Kristalle hängt (Rutil: 3,02 eV bei einer Wellenlänge von
der Dichte 3,88 g/cm3 auf. Ab einer Temperatur 410 nm, Anatas: 3,23 eV bei 385 nm und Brookit:
von 700  C wandelt sich Anatas irreversibel in 3,14 eV bei 395 nm) (Grätzel und Rotzinger 1985).
Rutil um. Nur diese beiden Modifikationen besit- Die Verbindung kann man nur in heißer Schwe-
zen technische Bedeutung. Brookit als dritte in der felsäure, Flusssäure unter Entstehung basischer
Natur vorkommende Modifikation hat die Dichte Titan-IV-salze sowie in heißen Laugen unter Bil-
4,1 g/cm3 und orthorhombische Kristallstruktur. dung von Titanaten lösen.
Brookit erleidet bei hoher Temperatur ebenfalls Titan-IV-oxid hat aus den oben genannten
Umwandlung in Rutil. Gründen viele Einsatzgebiete, von denen das
490 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Wichtigste das in Weißpigmenten ist [Farbindizes Titandioxide sein (Hund-Rinke et al. 2013). Die in
(Color Indexes (C. I.)) Pigment White 6 und der Fotokatalyse benutzte Messgröße ist unter
77891]. Als solches setzt man es in der Europä- anderem die Quantenausbeute, typisch ist eine
ischen Union unter der Kennzeichnung E 171 als chemische Reaktion auf 1000 Photonen (Ebbing-
Lebensmittelzusatzstoff (Zahnpasta, Kaugum- haus 2002; Klare 1999). Die Selektivität der Foto-
mis) und unter dem oben genannten Farbschlüssel katalyse ist gering; daher ist es schwer, gezielt
C.I. 77891 als Pigment in Kosmetika ein. chemische Synthesen auf Basis photokatalytisch
Technische Verwendung findet es, meist in aktiver Katalysatoren durchzuführen.
Gestalt der Modifikation Rutil, zu 80 % in Far- Optischen Gläsern wird zur Erhöhung der
ben, Lacken und Beschichtungen, Kunststoffen, Dispersion Titan-IV-oxid zugesetzt. Eine sehr
Textilien, in Sonnencremes als Abschirmer ge- aktuelle Anwendung für Anatas ist die jenige in
genüber UV-Strahlung und bei der Produktion Katalysatoren für die Entstickung von Rauchga-
von Papier als Füllstoff und Aufheller (Ceresana sen. In bestimmten Typen von Solarzellen macht
2013). Der Einsatz als Deckweiß in der Ölmalerei man sich die Halbleitereigenschaften von Titan-
ist interessant, aber von den Einsatzmengen her eher IV-oxid zunutze; in Keramikkondensatoren wird
exotisch. es als Dielektrikum eingesetzt.
Titan-IV-oxid hat einen Brechungsindex, der Memristoren sind elektrische Schalter, die aus
deutlich größer als der der meisten organischen zwei dünnen Titandioxidschichten bestehen. Diese
Stoffe ist, die zur Bindung von Farben eingesetzt wiederum liegen zwischen zwei Metallkontakten.
werden. Das bedeutet, dass Pigmente aus diesem Eine dieser Schichten weist ein stöchiometrisch kor-
Material das Licht effektiv streuen, so dass sich rektes Verhältnis zwischen Sauerstoff- und Titanato-
eine gut deckende weiße Farbe ergibt. Dabei liegt men aus, die andere enthält jedoch eine im Ver-
die optimale Größe der Pigmente im Bereich von hältnis dazu geringere Zahl an Sauerstoffatomen.
200 bis 300 nm. Diese fehlenden Sauerstoffatome erzeugen Fehlstel-
Die fotochemische Aktivität von Rutil ist am len und ändern die elektronischen Eigenschaften des
geringsten, bei Anatas am stärksten. Diese Foto- Memristors. Normalerweise leitet Titan-IV-oxid den
katalytischen Eigenschaften beruhen auf der Fä- elektrischen Strom nicht, aber die Schicht mit einem
higkeit des Minerals, bei Bestrahlung mit Ultra- Unterschuss an Sauerstoffatomen schon. Legt man
violettlicht gasförmige oder gelöste Stoffe eine elektrische Spannung an den Memristor an,
mittels radikalischer Reaktion an seiner Oberflä- so wandern die Sauerstoffatome zwischen beiden
che umzusetzen. Die hierzu notwendige, von der Schichten; am Ende besitzen beide aus Titan-IV-
UV-Strahlung bereitgestellte Energie führt zu oxid bestehende Schichten eine unterstöchiome-
einer kurzfristigen Anhebung der Energie von trische Zahl an Sauerstoffatomen. Der elektrische
Elektronen über die Bandlücke hinweg, wodurch Widerstand ändert sich laufend und oft stark. Das
kurzzeitig freie Ladungsträger, also im Leitungs- Anlegen gegenläufiger Spannungen schaltet den
band befindliche Elektronen und Löcher im Memristor wieder aus, weil das ursprüngliche Ver-
Valenzband, erzeugt werden. Im Zuge der schnell hältnis der Sauerstoffatome in beiden Schichten
verlaufenden Rückreaktion können sich Energie- wieder hergestellt wird (Bullis 2008).
niveaus der Bänder in den an der Oberfläche des Bariumtitanat (BaTiO3) wird durch Erhitzen
Kristalls befindlichen Elementarzellen verschie- einer Mischung von Bariumcarbonat (BaCO3)
ben. Die so kurzzeitig gebildeten ungepaarten und Titan-IV-oxid (TiO2) auf Temperaturen von
Ladungsträger setzen sich oft mit adsorbiertem 1200  C hergestellt:
Sauerstoff und Wasser zu Hydroxi- und Peroxi-
Radikalen um oder greifen Moleküle organischer BaCO3 þ TiO2 ! BaTiO3 þ CO2
Stoffe direkt an (Lindner 1997).
Die im Handel befindlichen Fotokatalysato- Mit geringerem Aufwand kann man Bariumti-
ren auf Basis von TiO2 können reiner Anatas, tanat durch Mischen stöchiometrischer Anteile
Mischungen von Anatas mit Rutil oder dotierte an Bariumcarbonat und Titan-IV-oxid erhalten,
5 Einzeldarstellungen 491

wenn der Mischung zuvor große Mengen an Na- Titan-III-oxid (Ti2O3) gewinnt man durch
triumchlorid zugesetzt werden. Aus der flüssigen Reaktion von Titan mit Titan-IV-oxid bei etwa
Schmelze kristallisiert bei Temperaturen von etwa 1600  C oder durch Reduktion von Titan-IV-oxid
1000  C das Bariumtitanat aus der Schmelze aus. mit Kohlenmonoxid bei einer Temperatur von
Der erkaltete Schmelzkuchen wird dann mit Was- ca. 800  C (Alsfasser et al. 2007, S. 295):
ser ausgewaschen, wodurch die Salzreste aus die-
sem entfernt werden. Ti þ 3 TiO2 ! 2 Ti2 O3
Bariumtitanat (s. Abb. 3) ist eine ferroelektrische 2 TiO2 þ CO ! Ti2 O3 þ CO2
Keramik mit hoher Durchlässigkeit für elektrische
Felder (Permittivität). Bei Temperaturen <120  C Titan-III-oxid ist ein hochschmelzender
liegt Bariumtitanat in tetragonal verzerrter Kris- [1839  C (Cardarelli 2008, S. 619)], violetter bis
tallstruktur vor, deren Elementarzelle ein Dipolmo- schwarzer Feststoff (s. Abb. 5) der Dichte 4,49 g/
ment hat und so die Polarisation (Ferroelektrizität) cm3, der praktisch unlöslich in Wasser, Salz- und
hervorruft. Oberhalb von 120  C wandelt sich die Salpetersäure ist (Blachnik 1998, S. 770).
Kristallstruktur zu einer regulären Perowskit- Bei Erwärmung mit Flusssäure und Königs-
Struktur, deren Elementarzelle kein Dipolmoment wasser zersetzt sich die Verbindung, die trigonal
mehr zeigt, weshalb der Kristall seine Ferroelektri- und isotyp zu Korund kristallisiert (Brauer 1978d,
zität verliert (von Hippel 1950). Die Gesamtheit der S. 1366). Bei Temperaturen <200  C ist Titan-III-
elektrischen Eigenschaften macht Bariumtitanat und oxid ein Halbleiter, darüber wird es metallisch
die verwandten Perowskite zu geeigneten Werkstof- leitend (Riedel und Janiak 2011, S. 793). Man
fen für die Elektronik. Dazu zählt auch der Einsatz setzt es in Kondensatoren und dünnen Widerstän-
als nichtlineares Dielektrikum in Keramikkonden- den ein (Perry 2011, S. 479).
satoren hoher Nennkapazitäten. Titan-II-oxid (TiO) ist ein gold- bis bronzefar-
Ein wirkungsvolles Piezoelektrikum ist Lan- bener Feststoff (s. Abb. 6) teils stark schwanken-
thandititanat (La2Ti2O7), ein grauschwarzer Fest- den Sauerstoffgehalts der Dichte 4,95 g/cm3, der
stoff (s. Abb. 4).

Abb. 3 Bariumtitanat (Onyxmet 2018) Abb. 5 Titan-III-oxid (Onyxmet 2018)

Abb. 4 Lanthandititanat La2Ti2O7 (Onyxmet 2018) Abb. 6 Titan-II-oxid (Onyxmet 2018)


492 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

bei 1770  C schmilzt; die Schmelze siedet bei Titan-III-sulfid (Ti2S3) her (Holleman et al. 2007,
3227  C. Man gewinnt es durch Reduktion von S. 1525). Auch die Synthese aus den Elementen
Titan-IV-oxid mit Titan bei Temperaturen von ist möglich, allerdings erfolgt sie erst unter Druck
1600  C (Brauer 1978d, S. 1366): und bei Temperaturen von ca. 800  C. Der
schwarze Feststoff der Dichte 3,68 g/cm3 kristal-
Ti þ TiO2 ! 2 TiO lisiert hexagonal-dichtest in der Struktur des
Nickelarsenids. Die Verbindung ist bei Raum-
Alternativ kann man Titan-II-oxid durch Ein- temperatur gegenüber Feuchtigkeit und Wasser
wirkung von Wasserstoffgas auf Titan-IV-oxid bei beständig. Nur durch Einwirkung heißer konzen-
sehr hoher Temperatur (2000  C) und extremem trierter Salzsäure zersetzt sich Titan-III-sulfid
Druck (130 bar) herstellen (Cardarelli 2008). Die unter Bildung von Schwefelwasserstoff.
Verbindung wirkt stark reduzierend und reagiert Im Kristallgitter des in Form schwarzer glän-
mit Wasser unter Bildung von Wasserstoff (Singh zender Nadeln auftretenden Titantrisulfids (TiS3)
2007); dabei geht Titan-II gleichzeitig in Titan-IV liegen pro Formeleinheit ein Ti4+-Kation sowie
über: jeweils ein Sulfidanion (S2) und ein Disulfida-
nion (S22) vor (Holleman et al. 2007, S. 1528).
TiO þ H2 O ! TiO2 þ H2 " Dabei befinden sich die von immer sechs Schwe-
felatomen umgebenen Titanatome im Mittelpunkt
Bei Raumtemperatur ist stöchiometrisch zu- eines trigonal verzerrten Prismas. Die Prismen
sammengesetztes Titan-II-oxid ein metallischer sind derart übereinander gestapelt, dass die Titan-
Leiter, der monoklin kristallisiert (Wang und atome in gerader Anordnung übereinander liegen
Kang 1998; Riedel und Janiak 2011, S. 792). und die Disulfidanionen stets auf der langen Seite
Titan-IV-sulfid (TiS2) stellt man aus den Ele- des Rechteckes eines jeweiligen Prismas. Die Ver-
menten oder aber aus Titan-IV-chlorid und Schwe- bindung kann durch Reaktion der Elemente bei
felwasserstoff her (Brauer 1978d, S. 1371). Der einer Temperatur von 600  C dargestellt werden.
bronzefarbene Feststoff der Dichte 3,22 g/cm3 Butyllithium reduziert Ti4+ formal zu Ti3+, indem
kristallisiert in der Schichtstruktur des Cadmium- Trilithiumtrithiotitanat-III (Li3TiS3) entsteht
iodids, in der die oktaedrischen Lücken jeder (Chianelli und Dines 1975).
zweiten Schicht von Sulfidionen, die selbst eine Titan-IV-selenid (TiSe2) kristallisiert im Cad-
hexagonal-dichteste Packung bilden, mit Titanka- miumiodid-Gittertyp, in dem die Ti4+-Ionen die
tionen besetzt sind. Titan-IV-sulfid ist sehr emp- oktaedrischen Lücken jeder zweiten Schicht der
findlich gegenüber Hydrolyse und zersetzt sich hexagonal-dichtesten Packung der Se2--Ionen
langsam schon in Gegenwart von Wasser, sehr besetzen (Riekel 1976). Die Verbindung ist ein
schnell bei Kontakt mit Säuren. Die Substanz ist Halbleiter und wird wegen seiner kleineren Band-
brennbar, aber an trockener Luft beständig. Oxi- lücke und trotz seiner im Vergleich zum Titan-IV-
dierende Säuren wie konzentrierte Salpetersäure sulfid größeren Toxizität in Schaltkreisen und
oder heiße konzentrierte Schwefelsäure zersetzen Batterien eingesetzt. Es wird auch als Sputtertar-
Titan-IV-sulfid schnell unter Abscheidung von get verkauft (s. Abb. 7).
Schwefel. Siedende Alkalilauge löst es unter Bil-
dung von Alkalititanat und -sulfid.
Titan-IV-sulfid zeigt die elektrische Leitfä-
higkeit eines Halbmetalls (Whittingham 2004).
Daher findet es als Elektrodenmaterial in Lithium-
batterien oder Lithium-Ionen-Akkumulatoren Ver-
wendung, aber auch als festes Schmiermittel.
Aus oben beschriebenem Titan-IV-sulfid stellt
man durch dessen Erhitzen im Vakuum auf Abb. 7 Titan-IV-selenid Sputtertarget (QS Advanced
1000  C oder durch Reduktion mit Wasserstoff Materials 2018)
5 Einzeldarstellungen 493

In diese Schichtstruktur können leicht Alka- Titan-IV-fluorid (TiF4) stellt man durch Re-
liionen (M) eingebaut werden, wobei sich Alkali- aktion von Fluorwasserstoff mit Titan-IV-chlorid
selenotitanite der Formel MxTiSe2 (x1) bilden. her (Brauer 1978b, S. 1343):
Dadurch werden allerdings die ohnehin schon
geringen Van der Waals-Wechselwirkungen der TiCl4 þ 4 HF ! TiF4 þ 4 HCl
Ionen zwischen den Schichten noch weiter ge-
schwächt (Bouroushian 2010). Man kann Titan- Das farblose, stark hygroskopische Pulver der
IV-selenid durch gemeinsames Erhitzen von Titan Dichte 2,8 g/cm3 schmilzt bei 377  C und reagiert
und Selen unter Argon darstellen; das rohe Pro- mit Wasser heftig unter Hydrolyse. Im Kristallgit-
dukt wird durch Verdampfen und Rekristallisieren ter liegen voneinander isolierte, aus TiF6-Okta-
unter Verwendung von Iod als Transportmittel in edern aufgebaute Säulen vor (Bialowons et al.
der Gasphase in reinstes Titan-IV-selenid umge- 1995). Man setzt Titan-IV-fluorid zur Synthese
wandelt. von Glycosylfluoriden und Fluorhydrinen sowie
Titan-IV-tellurid (TiTe2) ist ebenfalls als Sput- für nukleophile Additionen an Aldehyde, Imine
tertarget zur Herstellung halbleitender Schichten und Nitrile ein (Nikiforov et al. 2014). Es dient aber
erhältlich. auch als Katalysator für chemische Synthesen.
Halogenverbindungen Das violette Titan-III- Unter anderem prüfte man seine Verwendung in
chlorid (TiCl3) schmilzt bei 440  C und ist selbst- Zahncreme (Schlueter et al. 2007). Mit Alkalifluo-
entzündlich. Es reagiert sehr heftig mit oxidieren- riden bildet es Hexafluorotitanate-VI (s. Abb. 8).
den Stoffen. Man stellt die Verbindung durch Titan-IV-chlorid (TiCl4) ist eine farblose, vor
Reduktion von Titan-IV-chlorid mit Titan oder allem an feuchter Luft stark rauchende Flüssigkeit
mittels Reaktion von Titan mit heißer Salzsäure vom Schmelzpunkt 25  C und Siedepunkt
her (Brauer 1978b, S. 1341): 136  C (s. Abb. 9). Man stellt es durch Umsetzung
von Titan-IV-oxid mit Kohle und Chlor im Tem-
3 TiCl4 þ Ti ! 4 TiCl3 peraturbereich zwischen 700  C und 1000  C her:
2 Ti þ 6 HCl ! 2 TiCl3 þ 3 H2 "

Titan-III-chlorid tritt in zwei verschiedenen


Modifikationen auf. Das violette, in der Bismut-
iodid-Schichtstruktur kristallisierende α-Titan-III-
chlorid wird beim Durchleiten eines aus Titan-IV-
chlorid und Wasserstoff bestehenden Gasgemisches
durch ein auf 500  C erhitztes Rohr gebildet. Es
disproportioniert bei Temperaturen über 475  C zu
Titan-IV- und Titan-II-chlorid.
Dagegen liefert die Reduktion von Titan-IV-
chlorid mit Aluminiumalkylen die braune, kristal- Abb. 8 Kaliumhexafluorotitanat (Onyxmet 2018)
line β-Modifikation, die in der Zirconium-III-
iodid-Struktur kristallisiert und die metastabile
Form darstellt. Schon bei wenig erhöhter Tempe-
ratur wandelt sich das Produkt in inerten Löse-
mitteln in α-Titan-III-chlorid um. Titan-III-chlo-
rid setzt man für viele Reduktionsverfahren, als
Ziegler-Natta-Katalysator und bei der reduktiven
Bleiche von Textilien ein. Ferner findet es in der
Volumetrie zur Bestimmung von Eisen-II, Chro-
mat, Chloraten, Perchlorat und auch von Sauer-
stoff Verwendung. Abb. 9 Titan-IV-chlorid (Σ64 2012)
494 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

TiO2 þ 2 C þ 2 Cl2 ! TiCl4 þ 2 CO Titan-IV-chlorid beispielsweise zur Erzeugung


dünner Schichten von Titandisilicid (TiSi2) auf
Die Verbindung hydrolysiert mit Wasser sehr Siliciumsubstraten:
heftig zu Titan-IV-oxid (fein verteilter Feststoff)
und korrosiv-ätzend wirkendem Chlorwasserstoff; TiBr4 þ 3 Si ! TiSi2 þ SiBr4
diese Reaktion findet schon bei Anwesenheit von
Spuren an Feuchtigkeit statt. Titan-IV-chlorid setzt Das rotbraune Titan-IV-iodid (TiI4) schmilzt
man daher in militärischen Nebelkampfstoffen ein. bzw. siedet bei Temperaturen von 150  C bzw.
Dabei besteht eine erhebliche Gefahr des Einatmens 377  C. Man stellt es aus den Elementen her [I,
des Rauchs bzw. Nebels, da der Chlorwasserstoff (Brauer 1978b, S. 1350)], ebenso ist die Darstel-
Reizungen bzw. Verätzungen der Schleimhäute lung aus Aluminium-III-iodid und Titan-IV-oxid
oder des Lungengewebes bewirken kann, die bis (II) bzw. aus Titan-IV-chlorid und Iodwasserstoff
zur Bildung eines Lungenödems führen können. (III) möglich:
Da Titan-IV-chlorid eine starke Lewis-Säure
ist, dient es als Katalysator für die Ziegler-Natta- (I) Ti þ 2 I2 ! TiI4
Synthese oder für Knoevenagel- und Mukaiyama-
Michael-Reaktionen. Aus Titan-IV-chlorid sind (II) 3 TiO2 þ 4 AlI3 ! 3 TiI4 þ 2 Al2 O3
durch Umsetzung mit Grignard-Verbindungen or-
ganische Titanverbindungen herstellbar. (III) TiCl4 þ 4 HI ! TiI4 þ 4 HCl
Titan-IV-bromid (TiBr4) ist ein bernsteinfarbe-
ner Feststoff, der bei Temperaturen von 38  C
bzw. 230  C schmilzt bzw. siedet. Es lässt sich Titan-IV-iodid raucht infolge Hydrolyse schon
durch diverse Reaktionen erzeugen, so aus den an feuchter Luft. Die starke Lewis-Säure bildet
Elementen (I), aus Titan-IV-chlorid und Brom- mit Lewis-Basen (z. B. Ethern und Aminen) sta-
wasserstoff (II), aus Titan-IV-oxid, Kohle und bile Addukte (Tornqvist und Libby 1979; Latscha
Brom (III), aus Bor-III-bromid und Titan-IV-chlo- und Klein 2011). Man verwendet es bei der che-
rid (IV) oder durch Umsetzung von Blei-II-bro- mischen Gasphasenabscheidung dünner Filme
mid mit Titan bei hoher Temperatur (V): aus Titannitrid. Titan-IV-iodid ist kurzlebiges
Zwischenprodukt bei der Herstellung von Reinti-
(I) Ti þ 2 Br2 ! TiBr4 tan im Van-Arkel-de-Boer-Verfahren.

(II) TiCl4 þ 4 HBr ! TiBr4 þ 4 HCl Pnictogenverbindungen Titanmononitrid (TiN)


bildet goldgelbe Kristalle (s. Abb. 10) der Dichte
5,22 g/cm3, die erst bei einer Temperatur von
(III) TiO2 þ 2 C þ 2 Br2 ! TiBr4 þ 2 CO
2950  C schmelzen. Es ist in nahezu allen Lö-
sungsmitteln unlöslich. Hinsichtlich seiner Härte
(IV) 3 TiCl4 þ 3 BBr3 ! 3 TiBr4 þ 4 BCl3

(V) 2 PbBr2 þ Ti ! 2 Pb þ TiBr4

Titan-IV-bromid kristallisiert mit oktaedrischer


Struktur und ist stark hygroskopisch, wobei
schnell eine hydrolytische Zersetzung zu Titan-
IV-oxid und Bromwasserstoff erfolgt. Die Kris-
tallstruktur entspricht der des Zinn-IV-iodids bzw.
nach längerem Lagern der des Zinn-IV-bromids
(Brauer 1978b, S. 1348). Man verwendet es neben Abb. 10 Titanmononitrid (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 495

wird es nur noch von Titancarbid übertroffen. Metalls eingebaut, sondern mit den äußersten Titan-
Titanmononitrid ist ein gutes Schleif- und Rei- atomen der Oberfläche zur Reaktion gebracht. Je
bungsmittel, da es bei hoher Abrasivität kaum nach dem Stickstoffgehalt der Sputteratmosphäre
Verschleiß zeigt und praktisch nicht auf fremden bilden sich Titannitride unterschiedlicher Zusam-
Oberflächen haftet. Zudem leitet die Verbindung mensetzung, was sich in wechselnden Farben der
den elektrischen Strom und reflektiert Infrarot- Oberfläche als auch deren Härte äußert.
licht stark. Nachteilig ist seine große Sprödigkeit. Titan-III-phosphid (TiP) gewinnt man durch
Das keramische, sehr harte Material, das gele- Umsetzung der Elemente unter Druck (Brauer
gentlich auch mineralisch in Meteoriten vor- 1978f, S. 1383). Alternativ funktioniert auch die
kommt [Osbornit (Nichols et al. 2001)], stellt Umsetzung von Titan-IV-chlorid mit Monophos-
man selten als Pulver oder gar in Gestalt kerami- phan bei 750  C in der Gasphase oder sogar die
scher Formteile her, sondern nur in sehr dünnen elektrolytische Darstellung eines nahezu stöchio-
Beschichtungen. Man kann es bei Überleiten von metrisch zusammengesetzten Titan-III-phosphid-
Stickstoff über auf 1200  C erhitzten Titan- Pulvers bei 860  C aus einer Schmelze, die bezo-
schwamm bei gleichzeitigem Ausschluss von gen auf Meta- und Diphosphat, Natriumchlorid
Luftsauerstoff (I) oder durch Reduktion von und Lithiumfluorid noch 10 Gew.-% Titandioxid
Titan-IV-chlorid mit Ammoniak bei ebenfalls enthält (Brauer 1978f, S. 1383). Unterstöchiome-
hoher Temperatur (>1000  C) (II) herstellen: trisches Titan-III-phosphid (TiP0,1–0,6) erhält man
durch Leiten einer aus Monophosphan und Wasser-
(I) 2 Ti þ N2 ! 2 TiN stoff zusammengesetzten Gasmischung über fein
gepulvertes Titanhydrid bei Temperaturen von
(II) 4 TiCl4 þ 6 NH3 ! 4 TiN þ 16 HCl þ N2 þ H2 800–1000  C. Die metallisch aussehende, schwarz-
graue Verbindung hat die Dichte 3,94 g/cm3, ist
Sehr dünne Beschichtungen erzeugt man durch thermisch sehr stabil und schmilzt bei 1860  C.
eine geänderte Reaktionsführung. Eine durch Ni- Sogar Säuren greifen das hexagonal kristallisie-
tridierung, also mittels Umsetzung von Titan mit rende Titan-III-phosphid kaum an, ganz im Ge-
Stickstoff gewonnene Schutzschicht besteht meist gensatz zu vielen anderen Metallphosphiden.
aus einer ca. 10 μm dicken Verbindungsschicht Titan-III-phosphid setzt man wegen seiner
und einer 50–200 μm dicken Diffusionsschicht. Halbleitereigenschaften in Hochfrequenz-An-
Die Umsetzung von Titan mit Stickstoff ist wendungen, Fotodioden und Lasern ein, außer-
außerdem durch gemeinsames Schmelzen mit dem vereinzelt als Katalysator in organischen
Kaliumcyanid und -carbonat möglich. Im Tidu- Synthesen (Perry 2011, S. 488). Im System
ran ®-Verfahren verwendet man ein cyanidhaltiges Titan-Phosphor existieren noch weitere Phasen,
Wasserbad (!) zur Nitridierung oder aber lässt die jeweils einer Zusammensetzung Ti3P (Halter
Stickstoff direkt mit Titan bei hohen Temperatu- et al. 1986), Ti2P (Gemmi et al. 2003), Ti7P4
ren und Drücken reagieren (Plasmanitridieren). (Carrillo und Lundström 1979), Ti5P3 (Carrillo
Dünne Beschichtungen erzeugt man in der Gas- und Lundström 1980) sowie Ti4P3 (Snell 1968)
phase aus Stickstoff, Wasserstoff und Titan-IV- entsprechen.
chlorid: Titan-III-arsenid (TiAs) ist ebenfalls ein
schwarzgrauer Feststoff, ist ein Halbleiter mit sehr
2 TiCl4 þ 4 H2 þ N2 ! 2 TiN þ 8 HCl kleiner Bandlücke und hat fast schon metallische
Leitfähigkeit. Dünne Filme konnte man durch che-
Extrem dünne Schichten erhält man durch Sput- mische Abscheidung aus einer aus [Ti(NMe2)4]
tern von Target-Oberflächen (z. B. von Titanmono- und t-BuAsH2 zusammengesetzten Gasphase
nitrid-Sputtertargets) mit Atomen von Edelgasen bei Atmosphärendruck und Temperaturen von
herstellbar (Martin 1994). Stickstoffatome aus der 350–550  C erzeugen (Thomas et al. 2011).
das Metall umgebenden Atmosphäre werden unter Geschmolzenes Antimon löst bei ca. 700  C
diesen Bedingungen nicht nur in die Oberfläche des auch feinverteiltes Titan praktisch nicht. Nach
496 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

längerem Erhitzen wurden die bis zu 60 Gew.-%


Titan enthaltenden Schmelzen mittels Röntgen-
strukturanalyse und Differenzthermoanalyse
untersucht. Dabei fand man einige auf die Bil-
dung von Titanantimoniden zurückzuführende
Phasen mit engem Homogenitätsbereich: TiSb2,
TiSb und eine in ihrer Zusammensetzung nicht
näher bezeichnete, titanreichere. Auf der antimon- Abb. 11 Titancarbid Sputtertarget (QS Advanced Mate-
reichen Seite ähnelt das Zustandsdiagramm dem rials 2018)
für Chrom-Antimon (Nowotny und Pesl 1951).
Sonstige Verbindungen Titancarbid (TiC)
schmilzt bei einer Temperatur von 3140  C; die
Schmelze siedet bei der extrem hohen Temperatur
von 4820  C. Beim Erhitzen an der Luft ist es bis
zu Temperaturen von 800  C stabil (Briehl 2007).
Titancarbid ist nur in Salpetersäure löslich. Es
besitzt eine sehr gute elektrische Leitfähigkeit,
die mit steigender Temperatur noch zunimmt.
Abb. 12 Titancarbid (Stanford Advanced Materials 2018)
Ursache dafür ist die nicht völlig erreichbare stö-
chiometrische Zusammensetzung der Formel TiC,
das Maximum liegt bei TiC0,98. Man verwendet Brauer beschreibt ein besonders elegantes
Titancarbid als Beschichtungsmaterial für Säge- Verfahren, das hochreines Titancarbid im Stile
blätter, Fräswerkzeuge, Wendeschneidplatten, eines Aufwachsverfahrens liefert (Brauer 1978e,
Räumnadeln und Formwerkzeuge. Es erhöht die S. 1378). Hierzu leitet man ein aus Titan-IV-chlo-
Härte, Warmfestigkeit und Oxidationsbeständig- rid, Tetrachlorkohlenstoff und Wasserstoff beste-
keit rost- und säurestabiler Stähle (Riedel und hendes Gemisch über auf Temperaturen von
Janiak 2011, S. 788; Schatt et al. 2006; Kieffer >1250  C erhitzte Graphitstäbe:
und Schwarzkopf 2013).
Das graue bis schwarze, silberglänzende, was- TiCl4 þ CCl4 þ 4 H2 ! TiC þ 8 HCl
serunlösliche, harte und brennbare (!) Titancarbid
(s. Abb. 11 und 12) kann auf verschiedene Weise Ist Luft bei einer dieser Synthesen zugegen, so
dargestellt werden. Entweder erzeugt man es entstehen Verbindungen wie das als Mischkristall
durch Überleiten von Methan über auf hohe Tem- aus Titannitrid und -carbid aufgebaute Titancar-
peraturen erhitztes Titanmetall (I), durch Reaktion bonitrid (TiCN) oder Titancarboxynitrid (TiOCN).
von Methan mit Titan-IV-chlorid in der Gasphase Titancarbonitrid vereint die große Härte des Ti-
(II), durch Umsetzung von Titan-IV-oxid mit tancarbids mit der chemischen Beständigkeit des
Kohle bei hoher Temperatur (III) oder aber durch Titannitrids. Daher wird es oft zur Herstellung
Synthese aus den Elementen (IV): von Beschichtungen für Zerspanungswerkzeuge
verwendet.
Titandisilicid (TiSi2) kann durch Reaktion von
(I) Ti þ CH4 ! TiC þ 2 H2 Titan oder Titanhydrid mit Silicium gewonnen
werden. Weiterhin möglich ist die aluminothermi-
(II) sche Synthese, bei der eine aus Aluminiumpulver,
TiCl4 þ CH4 ! TiC þ 4 HCl
Schwefel, Silicium-IV-oxid und Titan-IV-oxid
(III) [ersatzweise auch Kaliumhexafluorotitanat-VI
TiO2 þ 3 C ! TiC þ 2 CO (K2TiF6)] bestehende Mischung entzündet wird,
außerdem die Umsetzung von Titan mit Silicium-
(IV) Ti þ C ! TiC tetrachlorid (Brauer 1978f, S. 1389; I) oder im
5 Einzeldarstellungen 497

Umkehrschluss die Reaktion von Titan-IV-chlorid Temperatur schmelzenden Elemente oder durch
mit Monosilan, Dichlorsilan oder Silicium (Pier- Zusammenschmelzen von Bor und Titan im
son 1999, S. 331; II–IV): Lichtbogenofen her (Kollenberg 2004). Alterna-
tiv kann man es durch Überleiten eines gasförmi-
(I) 3 Ti þ 2 SiCl4 ! TiSi2 þ 2 TiCl4 gen Gemisches aus Titan-IV-chlorid, Bortribro-
mid (BBr3) und Wasserstoff über einen auf 1400
(II) TiCl4 þ SiH4 ! TiSi2 þ 4 HCl þ 2 H2 bis 1600  C erhitzten Wolframdraht gewinnen
(Kieffer und Schwarzkopf, S. 259; I), durch
Umsetzung von Wasserstoff, Bor-III-chlorid und
(III) TiCl4 þ 2 SiH2 Cl2 þ 2 H2
Titan-IV-chlorid in der Gasphase (Blumenthal
! TiSi2 þ 8 HCl
et al. 2007, S. 239; II), Reduktion einer Mischung
von Titan-IV-oxid und Bor-III-oxid mit Ma-
(IV) TiCl4 þ 3 Si ! TiSi2 þ SiCl4
gnesium oder Aluminium (Salmang und Scholze
2006, S. 380; III) oder aber durch Umsetzung von
Titan-IV-oxid mit Kohle und Borcarbid (Briehl
Titandisilicid schmilzt bei einer Temperatur
2007, S. 253; IV). Das graue Titanborid (Schmelz-
von 1760  C, hat die Dichte 4,02 g/cm3 und ist ein punkt 3230  C, Dichte 4,52 g/cm3, Mohs-Härte
metallisch glänzender, braungrauer bis schwarzer
9, Abb. 14 und 15) vereint elektrische Leitfähig-
kristalliner Feststoff (s. Abb. 13) mit guter ther-
keit (105 S/cm) mit hoher Wärmeleitfähigkeit
mischer und elektrischer Leitfähigkeit. [60–120 W/m K].
Die Verbindung kristallisiert mit orthorhombi-
scher Struktur, ist unlöslich in Wasser und Mine-
(I) TiCl4 þ 2 BBr3 þ 5 H2
ralsäuren – mit Ausnahme von Flusssäure – und
! TiB2 þ 4 HCl þ 6 HBr
löst sich langsam in 10 %iger Kalilauge. Neben
Titandisilicid existieren weitere Titansilicid-Phasen
wie TiSi1,8 mit einer Dichte von 3,9 g/cm3, das (II) TiCl4 þ 2 BCl3 þ 5 H2 ! TiB2 þ 10 HCl
tetragonal kristallisierende Ti3Si, das definiert bei
2120  C schmelzende, tetragonal und isotyp zu
Zr5Si4 kristallisierende Ti5Si4 sowie TiSi mit
Schmelzpunkt 1760  C und orthorhombischer,
zu Eisenborid (FeB) isotyper Kristallstruktur
(Chen 2004). Aus Titandisilicid hergestellte Halb-
leiter setzt man in solchen Solarmodulen ein, die
genügend Energie zur elektrolytischen Spaltung
von Wasser liefern (Ritterskamp et al. 2007).
Titandiborid (TiB2) stellt man durch Sintern
eines festen Gemisches der beiden erst bei hoher
Abb. 14 Titandiborid (Onyxmet 2018)

Abb. 15 Titandiborid Sputtertarget (QS Advanced Mate-


Abb. 13 Titandisilicid (Onyxmet 2018) rials 2018)
498 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

(III) 3 TiO2 þ 3 B2 O3 þ 10 Al dem hohen Gehalt an Aluminium von rund


! 3 TiB2 þ 5 Al2 O3 75 %. Da die Korrosion bzw. Oxidation der Ober-
flächen selbst bei den beständigen Titanalumiden
(IV) 2 TiO2 þ 3 C þ B4 C ! 2 TiB2 þ 4 CO deren höchste Arbeitstemperatur auf 750  C
begrenzt, wird versucht, durch geänderte Verfah-
ren zur Herstellung den Preis dieser Verbindungen
Man stellt aus Titandiborid Kathoden für zu begrenzen. So nutzt man entweder Abfälle aus
die Schmelzflusselektrolyse von Aluminium her, der Produktion beider Metalle, um den Preis
zudem Panzermaterialien (Kollenberg 2004, der Endprodukte zu senken, oder entwickelt
S. 339; McCauley et al. 2012, S. 633), Mantel- Beschichtungen für Titanaluminide, um deren
rohre für Thermoelemente, Behälter zur Lagerung Arbeitstemperatur zu erhöhen.
flüssigen Aluminiums (Steudel 2013, S. 212) und, Titandihydrid (TiH2) entsteht bei der Hydrie-
bei gleichzeitigem Einsatz von Bornitrid, kerami- rung von Titan ab einer Temperatur von 300  C.
sche Verdampfungsschiffchen. Diese Reaktion führt man zweckmäßig bei
Titanaluminide sind intermetallische Verbin- 400  C durch, da sie dann relativ schnell abläuft,
dungen aus Titan und Aluminium und existieren ebenso übrigens auch bereits bei Raumtempe-
mindestens in Form von vier Phasen (Westbrook ratur, wenn das feinverteilte Titan schon teil-
und Fleischer 1994). Die wichtigsten sind das weise hydriert war. Das Erhitzen auf Tempera-
hexagonal kristallisierende α2-Ti3Al mit einem turen über 400  C im Hochvakuum führt wieder
Aluminiumanteil von ca. 20 % und das γ-TiAl zu einer langsamen Abgabe von Wasserstoff;
mit ca. 50 % Aluminium und tertargonal verzerr- bei noch höheren Temperaturen der Wasserstoff
ter Struktur. Manche der in der Technik eingesetz- wieder ziemlich leicht abgespalten (Brauer
ten Legierungen sind auch Gemische dieser bei- 1978a, S. 1333). Das hellgraue, in reinster
den Phasen. Generell besitzen die in Pulverform Form sogar metallisch glänzende Pulver der
grau erscheinenden Titanaluminide (s. Abb. 16) Dichte 3,76 g/cm3 (s. Abb. 17) kristallisiert
bei geringer Dichte (3,8 g/cm3) eine auch bei im Calciumfluorids-Gittertyp, in dem einige
hoher Temperatur sehr gute Festigkeit und erset- wenige der für die Wasserstoffatome vorgese-
zen daher beispielsweise in Triebwerken und Gas- henen Plätze unbesetzt bleiben können.
turbinen Edelstähle und besondere Nickellegie- Man setzt Titandihydrid als Treibmittel zur
rungen. Ist das Gewicht der Titanaluminide ein Herstellung von Metallschäumen ein. Zu diesem
Vorteil, so sind aber ihr hoher Preis und die starke Zweck vermengt man es mit Metallpulver und
Anfälligkeit gegenüber Oxidation an der Oberflä- erhitzt die Mischung dann nahezu bis zum
che Nachteile, die für jede geplante Anwendung Schmelzpunkt des Metalls. Darauf spaltet Titan-
bedacht werden müssen (Sauthoff 1995; Majew- dihydrid Wasserstoff ab, der das geschmolzene
ski 2002; Liss et al. 2003). Metall aufschlämmt.
Zwei weitere, bei hohen Temperaturen aber Titan-IV-oxidsulfat (TiOSO4)-Monohydrat ge-
instabilere Phasen sind TiAl2 und η-Al3Ti mit winnt man am besten durch Auflösen von Titan-

Abb. 16 Titanaluminid (Onyxmet 2018) Abb. 17 Titandihydrid (Onyxmet 2018)


5 Einzeldarstellungen 499

IV-oxid in konzentrierter Schwefelsäure (Lat- Anwendungen Titan ist spröde und nicht sehr
scha und Mutz 2011). Hydrolyse des Titan-IV- gut umformbar. Auf das Walzen von Titanble-
chlorids in konzentrierter Schwefelsäure ergibt chen entfallen daher alleine die Hälfte aller
zwar ebenfalls Titan-IV-oxidsulfat, allerdings Kosten des schon ohnehin teuren Metalls. Die-
verbleibt in der flüssigen Phase eine vergleichs- ses und seine Legierungen bezeichnet man oft
weise hohe Konzentration an Chlorwasserstoff, mit den amerikanischen Standardgrades ASTM
den man nur aufwändig entfernen kann (Brauer von 1 bis 35. Reines Titan wird dabei mit den
1978e, S. 1375). Die Verbindung ist ein was- Grades 1 bis 4 bezeichnet, je nach Reinheits-
serlöslicher, hydrolyseempfindlicher, weißer grad.
Feststoff, der orthorhombisch kristallisiert. Das Oft wird Titan mit 6 Gew.-% Aluminium und
Monohydrat spaltet oberhalb einer Temperatur 5 Gew.-% Vanadium legiert, um es für den Ein-
von 350  C Wasser ab, und ab Temperaturen ober- bau in Motoren und Turboladern einsetzbar zu
halb von 500  C zersetzt sich Titan-IV-oxidsulfat machen (ASTM-Grade 5). Des Weiteren verwen-
unter Abgabe von Schwefel-IV-oxid. Die Verbin- det man Legierungen aus Titan mit Aluminium
dung dient sowohl zum Nachweis für Wasserstoff- (6 Gew.-%), Zinn (2 Gew.-%), Zirconium
peroxid als auch für in wässriger Phase gelöstes (4 Gew.-%) und Molybdän (2 bis 6 Gew.-%).
Titan, denn bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Titan verleiht Stahl schon bei Beimengung
Substanzen entsteht das orangegelbe Peroxotitanyl- in niedrigsten Konzentrationen (Anteil: 0,01 bis
Ion (TiO2)2+. 0,1 Gew.-%) eine hohe Festigkeit, Zähigkeit, aber
Titanocendichlorid [Dichlorobis(cyclopenta- auch Duktilität. Titan ist in nichtrostenden Stählen
dienyl)titan-IV] [Ti(C5H5)2Cl2] schmilzt bei einer eine wichtige Komponente zur Korrosionsinhibie-
Temperatur von 290  C, hat die Dichte 1,6 g/cm3 rung.
und zersetzt sich in Wasser. Im Molekül der dun- Seine hohe Beständigkeit gegenüber Korro-
kelrotbraunen Verbindung (s. Abb. 18) ist das in sion macht es vor allem geeignet für Anwendun-
zentraler Position befindliche Ti4+-Ion tetraed- gen, bei denen das betreffende Metall oder seine
risch von je zwei Cyclopentadienylringen und Legierung in Kontakt mit Seewasser kommen.
Chloridionen umgeben. Da es gegenüber Hydro- Dies sind etwa Ventile und Pumpenschaufeln in
lyse und Oxidation sehr empfindlich ist, muss Anlagen zur Meerwasserentsalzung oder Legie-
man es unter Schutzgas (Argon) aufbewahren. rungen, die Bestandteil von Schiffsschrauben
Die Verbindung setzt man mit Trimethylalu- sind. Ebenso findet man es in Elektroden von
minium zum Tebbe-Reagenz um, das in situ Seekabeln und in Tauchermessern.
durch Zusatz einer milden Base wie Pyridin in Sowohl die hohe Festigkeit als auch Korrosi-
das Schrock-Carben [Methylen-bis(cyclopenta- onsbeständigkeit von Titan und seinen Legierun-
dienyl)titan-IV] [H2C=Ti(C5H5)2] überführt gen bedingt den Einsatz in chirurgischen Implan-
werden. Jenes reagiert mit Carbonylverbin- taten (Schrauben, Platten, Prothesen). Vorteilhaft
dungen unter Austausch der C=O- gegen eine dabei ist auch, dass Titan, im Unterschied zu ni-
C=CH2-Gruppe. ckelhaltigem Edelstahl, keine allergischen Reak-
tionen hervorruft. In der Zahnmedizin bevorzugt
man es als Material für Zahnkronen und -brücken,
da es neben seinen vorteilhaften physikalischen
Eigenschaften deutlich billiger als Gold ist. Auch
die HNO-Chirurgie setzt Titan als Werkstoff für
Prothesen von Gehörknöchelchen und Pauken-
röhrchen ein. Titanclips bevorzugt man als Mate-
rial für Aneurysma-Operationen gegenüber sol-
chen aus Edelstahl.
Ebenso findet man Titan und seine Legierun-
Abb. 18 Titanocendichlorid (Smokefoot 2016) gen in mechanisch und chemisch stark bean-
500 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

spruchten Konstruktionsteilen wie Achsfedern


von Kraftfahrzeugen, im Flugzeugbau im Chas- Patente
sis und Triebwerksteilen sowie auch in Dampf- (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
turbinen von Kraftwerken, schließlich auch in wide.espacenet.com)
Schwimmern zur Niveauanzeige von Flüssigkeiten.
Die hohe Festigkeit des Metalls nutzt man J. Edwards und R. J. Lalande, Titanium
auch in Zeltheringen, im Kopf von Golfschlä- dioxide product (Venator Materials UK
gern, in Rahmen von Tennis- und Lacrosse- Ltd., AU 2017294025 A1, veröffentlicht
Schlägern, in Eisschrauben für das Bergsteigen 24. Januar 2019)
und, legiert mit Aluminium und Vanadium, in C. F. Yolton, Custom titanium alloy, TI-64,
Schrauben für teure Fahrräder. Aus Titan fertigt 23+ (Carpenter Technical Corp., US
man beständige Gehäuse für Ultrahochvakuum- 2019024217 A1, veröffentlicht 24.
pumpen, und es ist ebenso in schusssicheren Januar 2019)
Westen enthalten. Titandraht findet sich anstelle A. Kinoshita und S. Sueyasu, Method of
von V2A-Stahl zunehmend in Heizdrähten elek- producing sub-stoichiometric titanium
trischer Zigaretten. oxide fine particles (Nisshin Engineering
Sein geringes spezifisches Gewicht, verbunden Inc., US 2019016605 A1, veröffentlicht
mit großer Härte, macht das Metall interessant für 17. Januar 2019)
den Gehäusebau von Notebooks führender Her- M. Schloffer, High-temperature forging,
steller. particularly of titanium aluminides
Nitinol (Legierung aus Nickel und Titan, (MTU Aero Engines, US 2019017158
s. Abb. 19) ist stark pseudo-elastisch und nimmt A1, veröffentlicht 17. Januar 2019)
eine zuvor eingenommene Form wieder ein D. Quillen und R. Armentrout, Polyesters
(„Formgedächtnis“). Man setzt Nitinol daher in containing titanium nitride, aluminum
Brillengestellen und Exstirpationsnadeln ein, au- and alkaline/alkaline earth having impro-
ßerdem in Uhren, Münzen und Schmuck. Bei der ved reheat, color and clarity (Grupo Pet-
verbreitet angewandten anodischen Oxidation rotemex SA de CV, LT 1924433 T, ver-
von Aluminium (Eloxal-Verfahren) ist es Material öffentlicht 10. Januar 2019)
für das Trägergestell. D. W. Heard und G. Satoh, Multi-material
Titandotierte Saphir-Einkristalle sind Quellen wires for additive manufacturing of
für Laserlicht, das kurzzeitige Pulse aussendet. In titanium alloys (Arconic Inc., SG
Elektromagneten (DESY) setzt man Niob-Titan- 11201809853P A, veröffentlicht 28.
Legierungen wegen ihrer Supraleitfähigkeit ein. Dezember 2018)
Die bereits oben beschriebenen Verbindungen Ti- J. Friedrich und V. Jürgens, Production of
tanborid, -carbid und -nitrid verwendet man in titanium dioxide pigment obtained by
Hochleistungskeramik. the sulfate process with a narrow particle
size distribution (Kronos International
Inc., MX 2018009075, veröffentlicht
9. November 2018)

5.2 Zirconium

Geschichte Schon in der Antike spielte das


Mineral Zirkon (ZrSiO4) eine wichtige Rolle als
Schmuckstein. Klaproth (Kurzbiografie s. „Cer“)
Abb. 19 Nitinol (Stanford Advanced Materials 2018) entdeckte 1789 darin ein neues Element, das er
5 Einzeldarstellungen 501

nach dem Mineral Zirkon Zirconium nannte. Die satz zum Metall bzw. dessen Legierungen verar-
erstmalige Isolierung von Zirconium gelang erst beitet (Bedinger 2015; Audi et al. 2003).
Berzelius (Kurzbiografie s. „Cer“) 1824, indem er
eine Mischung aus Kaliumhexafluorozirconat Gewinnung Zirkon wird zuerst zu Zirconium-
(K2ZrF6) mit Kalium in einem geschlossenen IV-oxid (ZrO2) aufgeschlossen und dazu mit
Stahlbehälter erhitzte. Nach beendeter Reaktion Natriumhydroxid geschmolzen. Dieses wird es
wusch er das entstandene Produkt mit Wasser, mit Kohle im Lichtbogen zunächst zu Zirconium-
trocknete das so erhaltene noch verunreinigte Zir- carbonitrid umgesetzt, das danach mit Chlor bei
coniummetall und reinigte es danach erneut, Temperaturen von etwa 900  C in Zirconium-IV-
diesmal durch Erhitzen in verdünnter Salzsäure chlorid umgewandelt wird:
(Prechtl 1826). Da natürlich vorkommendes Zir-
conium stets auch geringe Mengen Hafnium ent- ZrO2 þ 2 C þ 2 Cl2 ! ZrCl4 þ 2 CO
hält, verfälschte jenes die Ergebnisse der Versu-
che, die zur Bestimmung der exakten Atommasse Unter Schutzgasatmosphäre reduziert man das
des Zirconiums durchgeführt wurden. Erst 1924 so gewonnene Zirconium-IV-chlorid schließlich
gelang die Berechnung der korrekte Atommasse mit Magnesium zu elementarem Zirconium (Kroll-
des Zirconiums (Gonzalez et al. 1924). Prozess):

Vorkommen Zirconium kommt in der Erdkruste ZrCl4 þ 2 Mg ! Zr þ 2 MgCl2


relativ häufig vor und steht mit einem Gehalt von
0,016 % (Breuer 2000) an achtzehnter Stelle aller Zur Herstellung reinen Zirconiums erhitzt man
Elemente (Greenwood und Earnshaw 1988), womit das rohe Metall im abgeschlossenen Gefäß mit
sein Gehalt z. B. höher ist als der des Chlors (!). Die Iod auf eine Temperatur von ca. 200  C, worauf
Vorkommen von Verbindungen des Zirconiums sich Zirconium-IV-iodid (ZrI4) bildet. Dieses wird
sind aber oft sehr verstreut; darüber hinaus findet durch Erhitzen des Kolbens verdampft und zer-
man es in seinen Lagerstätten in nur geringen Kon- setzt sich an einem auf 1300  C erhitzten, in den
zentrationen. Meist ist es Begleiter silikatischer Gasraum des Kolbens hineinragenden Wolfram-
Gesteine und findet sich darin als Zirkon (ZrSiO4), draht zu reinem Zirconium. Iod wird frei und kann
Baddeleyit (ZrO2), aber auch in Form seltenerer mit weiterem Rohzirconium reagieren (Van Ar-
Minerale, beispielsweise dem roten Eudialyt kel-De Boer-Verfahren).
[Na4(CaCeFeMn)2ZrSi6O17(OHCl)2]. Beinahe im- Die homologen, in ihrer Gruppe direkt unter-
mer kommt es mit dem chemisch stark verwandten einanderstehenden Elemente Zirconium und Haf-
Hafnium vergesellschaftet vor. nium sind mittels einfacher chemischer Verfahren
Zirconium gewinnt man meist aus sekundären nicht zu trennen. Auch das nach dem Van Arkel-
Lagerstätten, die durch Verwitterung des umge- De Boer-Verfahren erzeugte, hochreine Zirco-
benden Gesteins entstehen und den Zirkon übrig nium enthält immer noch kleine Mengen Haf-
lassen. Dagegen sind die primären Lagerstätten, nium. Die Anwendungen beider Metalle in Kern-
in denen Zirconiumminerale in reiner Form vor- reaktoren erfordern aber, dass jedes vom anderen
kommen, zur technischen Herstellung des Metalls höchstens nur noch Spuren enthält. Zur Trennung
und seiner Verbindungen bedeutungslos. zieht man zum Beispiel Extraktionsverfahren
Die wichtigsten Lagerstätten befinden sich in heran, bei denen man die voneinander abwei-
den USA, Brasilien, China, Australien und chende Löslichkeit der Verbindungen beider Ele-
Südafrika. Die Reserven an Zirconiummineralen mente ausnutzt, zum Beispiel die der Thiocyanate
schätzt man auf rund 40 Mio. t, bei einer gleich- und deren unterschiedliche Löslichkeit in Methyl-
zeitigen jährlichen Förderung von rund 1,5 isobutylketon. Weitere Methoden sind die Tren-
Mio. t. Australien steuert hierzu etwa die Hälfte nung durch Ionenaustauscherharze mit Chelat-
bei; Südafrika und China jeweils ein Zehntel. Von Gruppen oder die fraktionierte Destillation flüch-
dieser Gesamtmenge wird nur ein kleiner Prozent- tiger Verbindungen beider Metalle.
502 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Eigenschaften halb einer Temperatur von 870  C kristallisiert es


Physikalische Eigenschaften Zirconium ist ein hexagonal-dichtest (α-Zirconium); bei höherer
silbrig bis stahlgrau glänzendes Schwermetall Temperatur im Wolfram-Typ (kubisch-innenzen-
(Dichte 6,50 g/cm3 bei 25  C, s. Tab. 2). Unter- triertes β-Zirconium). Das Metall ist sehr hart,

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Zirconium


Symbol: Zr
Ordnungszahl: 40
CAS-Nr.: 7440-67-7

Aussehen: Silbrigweiß Zirconium (Dschwen Zirconium 99,9 %


glänzend materialscientist, 2006) (Onyxmet 2018)
Entdecker, Jahr Klaproth (Preußen), 1789
Berzelius (Schweden), 1824
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
90
40Zr (51,45) Stabil ——
92
40Zr (17,15) Stabil ——
94
40Zr (17,38) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 210
Atommasse (u): 91,224
Elektronegativität 1,33 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: ZrO2 + 4 H+ + 4 e > Zr + 2 H2O 1,55
(V)
Atomradius (pm): 155
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 148–175 (mehrere Quellen)
Ionenradius (Zr4+, pm) 87
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d2 5s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 640 ♦ 1270 ♦ 2218 ♦ 3313
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,1  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal (< 867  C), darüber kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 2,36  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 88 ♦ 91 ♦ 33
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 820–1800 ♦ 638–880
Mohs-Härte 5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 4650 (longit.), 2250 (transv.)
298,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 6,50
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 14,02  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 22,7
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,36
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1857 ♦ 2130
Schmelzwärme (kJ/mol) 16,9
Siedepunkt ( C ♦ K): 4377 ♦ 4650
Verdampfungswärme (kJ/mol): 591
5 Einzeldarstellungen 503

schmilzt bei der hohen Temperatur von 1857  C Stücke des Metalls mit einer dünnen, passivierend
und wird, da es praktisch seit Entstehung der Erde wirkenden Schicht, die derart schützend ist, dass
existiert, anhand des in seinen Mineralien oft sich Zirconium bei Raumtemperatur nur in Fluss-
enthaltenen Urans und Thoriums zur radiometri- säure und Königswasser löst, nicht aber in den
schen Altersbestimmung eingesetzt. (Die Uran- „üblichen“ Mineralsäuren Salz-, Schwefel- und
Blei-Datierung führt man oft mit dem Mineral Zir- Salpetersäure. In Basen ist es nicht löslich.
kon (ZrSiO4) durch. Im Kristallgitter des Zirkons Zirconium hat keine bisher bekannte bio-
können Uran-, aber keine Bleiatome eingebaut logische Wirkung und ist nicht toxisch (Holleman
werden. Das Mineral ist beständig gegenüber et al. 2007, S. 1533).
mechanischer Verwitterung und chemisch inert.)
Zirconium ist im reinen Zustand ziemlich Verbindungen
weich und biegsam, lässt sich daher gut durch Mehrheitlich tritt Zirconium in seinen Verbindun-
Walzen, Schmieden und Hämmern verarbeiten. gen in der Oxidationsstufe +4 auf, aber auch die
Geringe Verunreinigungen von Wasserstoff, Koh- Oxidationsstufen von +3 bis 2 sind sämtlich
lenstoff oder Stickstoff machen es aber spröde und bekannt, auch wenn sie nur in Einzelfällen vor-
hart, wodurch es schwerer zu behandeln ist. Hin- kommen.
sichtlich seiner elektrischen Leitfähigkeit steht Chalkogenverbindungen Die wichtigste Ver-
es deutlich hinter anderen Metallen zurück; so be- bindung des Elements überhaupt ist Zirconium-
trägt diese nur 4 % derjenigen des Kupfers, ist IV-oxid (ZrO2), das ein stabiler, hochschmelzen-
aber noch besser als die des leichteren Homologen der [2680  C, Siedepunkt extrapoliert: 5000  C
Titan. Immerhin leitet Zirconium die Wärme gut. (!)], weißer Feststoff der Dichte 5,9 g/cm3 ist
Supraleitend wird das Metall nahezu am abso- (s. Abb. 20). Man verwendet es zur Herstellung
luten Nullpunkt der Temperatur, unterhalb von feuerfester Beschichtungen und Auskleidungen in
272,6  C (0,55 K). Öfen und Tiegeln, es muss aber für diesen Zweck
Die Lanthanoidenkontraktion bewirkt unter mit Magnesium-, Calcium- bzw. Yttriumoxid (La-
anderem, dass die Eigenschaften des Zirconiums mas und de Walsöe Reca 2000) vermengt und
und die des schwereren Homologen Hafnium sich gesintert werden. Ein mit Aluminiumoxid gesin-
stark ähneln; die Atom- und Ionenradien sind fast tertes Zirconium-IV-oxid nutzt man als kerami-
identisch. Nur hinsichtlich der Dichten ist der schen Werkstoff, der bei besonders hohen Tempe-
Unterschied sehr deutlich; die Dichte des Haf- raturen eingesetzt werden kann.
niums ist ungefähr doppelt so groß wie die des Das chemische Verhalten des Oxids hängt von
Zirconiums (Zr: 6,5 g/cm3, Hf: 13,3 g/cm3). seiner thermischen Vorbehandlung ab. Kalt oder
Ebenso ist der Einfangquerschnitt für Neutronen nach leichtem Erhitzen löst es sich zügig in Mi-
beim Zirconium, ganz im Gegensatz zu dem des neralsäuren, nach starkem Erhitzen nur noch in
Hafniums, sehr niedrig, was es für Bauelemente in Fluss- und in konzentrierter Schwefelsäure. Man
Kernreaktoren sehr interessant macht. Seine auf- kann es gut durch Schmelzen mit starken Alkalien
wändige Trennung vom Hafnium ist daher erfor-
derlich.
Chemische Eigenschaften Zirconium ist relativ
unedel und reagiert vor allem bei erhöhter Tempe-
ratur mit vielen Nichtmetallen. In feinverteiltem
Zustand verbrennt es mit grell leuchtender, weißer
Flamme zu Zirconium-IV-oxid, bei Gegenwart von
Luftstickstoff auch zu Zirconiumnitrid und -oxini-
trid. Das kompakte Metall ist deutlich beständiger
und setzt sich erst bei hoher Temperatur mit Sau-
erstoff und Stickstoff um (Holleman et al. 2007,
S. 1533). Beim Lagern an der Luft überziehen sich Abb. 20 Zirconium-IV-oxid (Onyxmet 2018)
504 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

(zum Beispiel Natriumhydroxid) aufschließen, Entsprechend züchtet man auch hochreine


wobei sich dann Zirconate-IV bilden (Brauer Einkristalle des grauen Zirconium-IV-selenids
1978d, S. 1370). (ZrSe2), die im Temperaturbereich 196  C
Die farblosen Kristalle des Zirconium-IV-oxids (77 K) bis 27  C (300 K) eine metallische Leit-
weisen einen hohen Brechungsindex auf. Daher fähigkeit und darüber, in der Spanne von 27  C bis
dienen geschliffene Kristalle als Schmuckstein und 170  C (443 K), die Eigenschaften eines Halb-
auch anstelle von Diamanten, als Schleifmittel. Sel- leiters besitzen. Die Verteilung der Ladungsdichte
tener verwendet man das Oxid als Weißpigment. in Kristallen dieser in der Elektronikindustrie ein-
Die oben genannte Sinterung zusammen mit gesetzten, giftigen Verbindung wurde bestimmt
Yttriumoxid wirkt sich schon bei niedrigen (Patel et al. 1998). Im wesentlichen beruht der
Gehalten an Yttriumoxid aus. Das Kristallgitter metallische Charakter des Zirconium-IV-selenids
des Zirconium-IV-oxids kann man dadurch in auf „tiefen Löchern“ bzw. bestimmten Gebieten
einer verzerrten Fluorit-Struktur einfangen, so innerhalb des Kristalls, in die die Leitungselektro-
dass es oberhalb einer Temperatur von 300  C nen „fallen“ können. Dieser Effekt verschwindet
als Leiter von Oxidionen fungiert. Dieses Wirk- mit steigender Temperatur.
prinzip macht man sich in den in den Katalysato- Halogenverbindungen Zirconium-IV-fluorid
ren für Verbrennungsmotoren eingebauten Lamb- (ZrF4) erhält man durch Umsetzung von Zirco-
dasonden zunutze (Hering 2012; Friese und nium-IV-chlorid mit Fluorwasserstoff oder von
Grünwald 1995). Höhere Gehalte (ca. 15 %) an Zirconium-IV-oxid mit Flusssäure (Brauer 1975,
Yttriumoxid bewirken, dass das auf 1000  C S. 260):
erhitzte Mischoxid ein sehr helles Licht ausstrahlt
(Nernst-Lampe). ZrCl4 þ 4 HF ! ZrF4 þ 4 HCl
In Keramiken für Zahnimplantate und in Er- ZrO2 þ 4 HF ! ZrF4 þ 2 H2 O
satzgelenken (Knie, Hüfte) finden sich zuneh-
mend ebenfalls Keramiken auf Basis von Zirco- Der weiße, schwer in Wasser lösliche, lichtbre-
nium- und Yttriumoxid (Werner 2009), da sie chende Feststoff schmilzt bei 910  C. In heißem
extrem bruchfest, physiologisch unbedenklich Wasser hydrolysiert es zu basischem Zirconium-
und Gold sowie anderen Edelmetallen preislich fluorid und schließlich zum Zirconium-IV-oxid.
wie technisch überlegen sind. Auch in Kugella- Die wasserfreie Verbindung kristallisiert in
gern verwendet man immer häufiger aus diesem mehreren Strukturen, von denen die monokline
Grund keramische Werkstoffe auf Grundlage von β-Form die stabilste ist (Mompean et al. 2005;
Zirconium-IV-oxid. Legein et al. 2006; Blachnik 1998; Papiernik
Das violettbraune Zirconium-IV-sulfid (ZrS2) et al. 1982); das Monohydrat kristallisiert tetrago-
der Dichte 3,82 g/cm3 schmilzt bei einer Tem- nal (Housecroft 2005) und das Trihydrat triklin
peratur von 1480  C und kristallisiert in einer (Davidovich et al. 2013; Kojić-Prodić et al. 1984).
Schichtstruktur im Cadmiumiodid-Gittertyp. Die Man verwendet Zirconium-IV-fluorid in opti-
Verbindung ist als Pulver ein indirekter und in schen Gläsern, vor allem in solchen für die Infra-
Form eines Einkristalls ein direkter Halbleiter. rotspektroskopie, sowie auch als Bestandteil von
Sehr gute Halbleiter erzeugt man durch exaktes Kernbrennstoffen (Rees 2008; Cacuci 2010). Ka-
Einhalten der Stöchiometrie, ferner sollte ein grö- liumhexafluorozirconat-IV (K2ZrF6) findet bei der
ßerer Einkristall ohne Einschlüsse vorliegen. So Trennung des Zirconiums von Hafnium Verwen-
können Reinheitsgrade von 5,5N (99,9995 %) dung.
erhalten werden. Zirconium-III-fluorid (ZrF3) ist durch Reak-
Man stellt Zirconium-IV-sulfid durch Erhitzen tion von mit Wasserstoff gesättigtem, fein verteil-
einer Mischung der Elemente her, man kann es tem Zirconium mit einer aus Fluorwasserstoff und
danach unter Verwendung von Iod feinreinigen, Wasserstoff bestehenden Gasmischung bei Tem-
indem man den Transport in der Gasphase aus- peraturen um 750  C zugänglich (Brauer 1975,
nutzt (Conroy 1970). S. 259):
5 Einzeldarstellungen 505

2 Zr þ 6 HF ! 2 ZrF3 þ 3 H2 und -iodid, mögliches Zwischenprodukt bei der


Herstellung von Reinstzirconium nach dem Kroll-
Alternativ kann man auch Ammoniumhexa- Verfahren.
fluorozirconat-IV mit Wasserstoffgas bei Tem- Das weiße, bei einer Temperatur von  450  C
peraturen um 650  C reduzieren (Ehrlich et al. (unter Druck) schmelzende, bei 357  C unter Nor-
1964). Die Verbindung ist ein bläulich-grauer maldruck sublimierende Zirconium-IV-bromid
Feststoff, der thermisch bis zum bei 300  C lie- (ZrBr4) gewinnt man durch Umsetzung der Ele-
genden Schmelzpunkt stabil ist. ZrF3 ist beim mente bei ca. 400  C (I); ebenso ist auch die
Stehenlassen an der Luft einigermaßen gegenüber Herstellung aus Zirconium-IV-oxid, Kohle und
Oxidation und auch Hydrolyse beständig, schwer Brom möglich (II):
löslich in heißem Wasser, leicht löslich in heißen
Säuren, aber unlöslich in Natronlauge und Am- (I) Zr þ 2 Br2 ! ZrBr4
moniaklösung.
Zirconium-IV-chlorid (ZrCl4) ist ein weißer bis (II) ZrO2 þ 2 C þ 2 Br2 ! ZrBr4 þ 2 CO
cremefarbener, hydrolyseempfindlicher Feststoff
(s. Abb. 21), der bereits bei einer Temperatur Die Verbindung ist sehr hydrolyseempfindlich
von 331  C sublimiert. Man kann die Verbindung und zersetzt sich mit Wasser schon bei Raumtem-
durch Umsetzung von Zirconium-IV-oxid mit peratur vollständig.
Kohle und Chor im elektrischen Lichtbogenofen Das orangefarbene Zirconium-IV-iodid (ZrI4)
erzeugen (I), ebenso aus den Elementen bei ist ebenfalls sehr empfindlich gegenüber Hydro-
650  C (II) oder durch Umsetzung elementaren lyse, sublimiert bei 431  C und hat die Dichte
Zirconiums mit Blei-II-chlorid bei 500  C (II): 4,91 g/cm3. Die Verbindung bildet im Kristallgit-
ter eine Polymerstruktur von oktaedrisch koordi-
(I) ZrO2 þ 2 C þ 2 Cl2 ! ZrCl4 þ 2 CO nierten Zr4+-Zentren aus, jedes gebunden an zwei
endständige Iodid-Anionen (Abstand 2,69 Å) und
(II) Zr þ 2 Cl2 ! ZrCl4 an je vier Brücken-Iodidionen (Abstand 3,03 Å)
(Krebs et al. 1979; Troyanov 1986). In der Gas-
phase liegen einzelne ZrI4-Moleküle vor. Man
(III) Zr þ 2 PbCl2 ! ZrCl4 þ 2 Pb
erzeugt Zirconium-IV-iodid durch Erhitzen eines
Gemisches der Elemente (Eberly 1963). Reines
Zirconium stellt man über die intermediäre Bil-
Das in einer Polymerstruktur kristallisierende
dung des Tetraiodids und dessen Zersetzung an
Zirconium-IV-chlorid setzt man zur Herstellung
einem erhitzten Draht nach dem van Arkel-de
von Zirconylchlorid (ZrOCl2) sowie organischen
Boer-Verfahren her (van Arkel und de Boer
Zirconiumverbindungen ein, zudem als Kata-
1925).
lysator bei Friedel-Crafts-Reaktionen sowie Po-
Pnictogenverbindungen Zirconiummononitrid
lymerisationen von Olefinen und Epoxiden.
(ZrN) ist ein gelber bis brauner (s. Abb. 22a),
Schließlich ist es, wie auch Zirconium-IV-bromid
hochschmelzender (2980  C) Feststoff uneinheit-
licher Zusammensetzung, der im kubischen Gitter
kristallisiert (Martienssen und Warlimont 2005).
Man stellt es nach demselben Verfahren her,
wie es für die Produktion von Titanmononitrid
beschrieben ist (Brauer 1978e, S. 1379). Eine
andere Methode geht von ZrCl4 aus, das man bei
sehr hoher Temperatur mit einem Gemisch aus
Wasserstoff, Stickstoff und Ammoniak umsetzt.
Eine gezielte Herstellung einzelner Phasen ist vor
Abb. 21 Zirconium-IV-chlorid (Onyxmet 2018) allem aus Zirconium-IV-iodid und Ammoniak bei
506 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Abb. 22 a Zirconium-
mononitrid (Onyxmet
2018). b Zirconium-
mononitrid Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2018)

ca. 700  C möglich. Dann bildet sich zunächst


braunes Zr3N4 (Dzivenko 2009), in seiner ortho-
rhombischen Modifikation ein Isolator (Prieto
et al. 1993), aber in der kubischen Gittervariante
ein Halbleiter (Bazhanov et al. 2005). Bei etwas
erhöhter Temperatur (750  C) entsteht blaues Zir-
coniumnitrid [ZrxN (x = 0,940,81)], und ober-
halb von 1000  C elektrisch leitendes, gelbes der
Formel ZrN. Die Umsetzung von aus Zirconium
bestehenden Drähten mit reinem Stickstoff liefert Abb. 23 Zirconium-IV-carbid (Onyxmet 2018)
bei Temperaturen um 1800  C nur brüchiges Zir-
coniumnitrid. Man verwendet es als sehr hartes
Material für Beschichtungen (Kienel 1997; Kal- Die Synthese aus den Elementen ist oberhalb
pakjian et al. 2011). Die halbleitenden Eigen- von Temperaturen von 2000  C auch möglich. Bei
schaften des Zr3N4 nutzt man für Zwecke der diesen Temperaturen muss aber auf Ausschluss
Beschichtung; durch DC-Sputtern unter Argon von Stickstoff geachtet werden, da sich sonst
erzeugt man bei Einsatz von Sputtertargets Zirconiumcarbonitrid bildet. Eine elegante, aber
(s. Abb. 22b) auf Substraten dünne halbleitende aufwändige Herstellungsmethode ist die aus Zir-
Schichten (Pattarinee 2010). conium-IV-chlorid und Methan (Pierson 1999):
Das ebenfalls halbleitende und auch kommer-
ziell erhältliche Zirconiumphosphid (ZrP) tritt ZrCl4 þ CH4 ! ZrC þ 4 HCl
unter Normalbedingungen in seiner ß-Modifika-
tion mit hexagonaler Struktur auf, die sich beim Zirconiumcarbid ist ein geruchloses, graues,
Erhitzen in die kubisch-flächenzentrierte α-Form nahezu wasserunlösliches Pulver (s. Abb. 23). In
umwandelt. In der Reihe wächst vom TiP über das kompaktem Zustand ist es hart (Pierson 1996). Es
ZrP zum HfP die Stabilität gegenüber erhöhter löst sich nicht in Salz- und Schwefelsäure, wohl
Temperatur (Irani und Gingerich 1963a). Zirco- aber in Salpetersäure. Beim Erhitzen auf Tempe-
niumarsenid (ZrAs) ist ein kristalliner Feststoff raturen von etwa 1000  C verbrennt es bei Luft-
und wird in Halbleitern sowie lichtoptischen An- zutritt. Mit Halogenen reagiert es bereits bei nicht
wendungen eingesetzt. allzu hoher Temperatur (250  C) zu Zirconium-
Sonstige Verbindungen Zirconiumcarbid (ZrC) IV-halogeniden (Perry 2011). Im Gegensatz zum
ist ein extrem hochschmelzender (3540  C) und verbreitet verarbeiteten Titancarbid findet man
siedender Stoff (5100  C) relativ hoher Dichte Zirconiumcarbid nur in Beschichtungen für
(6,73 g/cm3). Man stellt es analog zu Titancarbid Brennstoffe in Kernreaktoren.
aus Zirconium-IV-oxid und Kohle bei sehr hoher Zirconiumdisilicid (ZrSi2) gewinnt man durch
Temperatur her (Brauer 1978e, S. 1387): Reaktion von Zirconium oder seinem Hydrid mit
Silicium (I), aus Zirconium mit Siliciumtetrachlo-
ZrO2 þ 3 C ! ZrC þ 2 CO rid (Brauer 1978f, S. 1389; II) oder durch Umset-
5 Einzeldarstellungen 507

zung von Zirconiumdioxid mit Silicium (Ogale


2005; III):

(I) Zr þ 2 Si ! ZrSi2

(II) 3 Zr þ 2 SiCl4 ! ZrSi2 þ 2 ZrCl4

(III) ZrO2 þ 3 Si ! ZrSi2 þ SiO2

Zirconiumdisilicid schmilzt bei 1520  C, hat Abb. 24 Zirconiumdiborid (Onyxmet 2018)


eine Dichte von 4,88 g/cm3 und ist ein metallisch
glänzender, grauer und geruchloser kristalliner tern unter Druck funktioniert nicht, unter anderem
Feststoff (Brauer 1978f, S. 1389) mit guter ther- weil sich in der Hitze an der Oberfläche des Mate-
mischer und elektrischer Leitfähigkeit. Er besitzt rials oxidische Inseln bilden, dagegen ist druck-
orthorhombische Kristallstruktur, wobei die eine loses Sintern unter Mitverwendung von Gettern
Hälfte der Silicidionen Si4-Quadrate, die andere wie Borcarbid (B4C) oder Kohlenstoff möglich
Hälfte Zickzackketten bildet. Die Verbindung (Zhang et al. 2006). Auch ein Zusatz von bis zu
löst sich nur in Flusssäure, nicht aber anderen 30 Gew.-% Siliciumcarbid ist üblich, um eine
Mineralsäuren oder Wasser, dem gegenüber sie Oxidation des Zirconiumdiborids zu vermeiden
auch relativ stabil gegen Hydrolyse ist. Wird Zir- (Fahrenholtz 2007).
koniumdisilicid an der Luft geglüht, so verbrennt Hergestellt wird Zirconiumdiborid bei ca.
es zu Zirkonium- und Silicium-IV-oxid. Einsatz- 1700  C aus exakt stöchiometrischen Mengen
gebiet ist die Halbleiterindustrie, in der es zur beider Elemente in stark exothermer Reaktion
Erhöhung der chemischen Widerstandsfähigkeit (Çamurlu und Maglia 2009). Man erhält so auch
auf Substrate aufgesputtert wird (Perry 2011, ein ziemlich reines Produkt. Auch die Herstellung
S. 475). eines Nanomaterials gelang auf diese Weise
Weitere, allesamt tetragonal kristallisierende (Chamberlain et al. 2009). Dagegen verläuft die
Zirconiumsilicide sind das Zr3Si, das bei 2110  C Darstellung aus relativ preisgünstigen Rohstoffen
schmelzende Zr2Si (Dichte: 6,22 g/cm3), Zr3Si2 borothermisch nach:
mit einer Schmelztemperatur von 2225  C (isotyp
zu U3Si2), Zr5Si4 und das bei 2095  C schmel- ZrO2 þ B2 O3 þ 5 Mg ! ZrB2 þ 5 MgO
zende ZrSi.
Zirconiumdiborid (ZrB2) liegt in Form eines zwar ebenfalls exotherm und schnell, aber oft
dunkelgrauen Pulvers vor (s. Abb. 24), kristalli- auch unvollständig (Nishiyama et al. 2009). Oft
siert hexagonal und wird wegen seines sehr hohen muss man hier zusätzlich Magnesium und Bor-
Schmelzpunktes von 3246  C in Refraktär- und säure zugeben, um die Reaktion bei 800  C eini-
Hochleistungskeramik eingesetzt (Middleburgh germaßen quantitativ führen zu können.
2011). Da zudem seine Dichte mit 6,09 g/cm3 Die bereits oben genannte Reaktion mit
nicht allzu hoch ist, dürfte es auch für Triebwerke Borcarbid verläuft im heißen Plasmastrahl
von Raketen und Überschallflugzeugen geeignet (>6000  C, Spannung 50 V, Stromstärke 500 A)
sein. Für eine Keramik hat die Verbindung eine schnell (Karuna et al. 2010). Eine weitere Methode
ungewöhnlich gute Leitfähigkeit für Wärme und ist die Reduktion von Zirconium-IV-oxid mit Bor
Elektrizität, allerdings verhalten sich die zu ihr bei Temperaturen von mindestens 1600  C (Peshev
homologen Verbindungen Titan- und Hafniumdi- und Bliznakov 1968), allerdings muss man hier mit
borid ähnlich. einem Überschuss an Bor arbeiten.
Üblicherweise presst man das überwiegend Auf elegante Art synthetisierten Zoli et al.
kovalent strukturierte Zirconiumdiborid heiß und (2018) Nanokristalle, indem sie im molaren
erzeugt daraus die gewünschten Formteile. Sin- Verhältnis von 1:4 Zirconium-IV-oxid mit Na-
508 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe


triumborhydrid bei 700 C und unter Argon
umsetzten:

ZrO2 þ 3 NaBH4 ! ZrB2 þ 2 Na "


þNaBO2 þ 6 H2 "

Auch Emulsionen in Polymeren lieferten in


teils guten Ausbeuten Zirconiumdiborid, so das
Erhitzen einer in Phenolharz eingebetteten
Mischung aus Zirconylchlorid-Octahydrat mit Abb. 25 Zirconium-II-hydrid (Onyxmet 2018)
Borsäure (Yan et al. 2006), wobei Kristalle einer
Größe von 200 nm mit niedrigem Oxidgehalt ren von 400–600  C über einen Zeitraum von
anfielen. Das Erhitzen von Borcarbid mit mehreren Stunden bis Tagen (Bowman et al.
Zirconium-IV-oxid in Polymermatrix auf 1985). Dabei bilden sich nacheinander folgende
1500  C lieferte ebenfalls eine gute Ausbeute Hydride: zunächst das orthorhombisch kristalli-
(Su und Sneddon 1993). Die Abscheidung aus sierende ZrH (Dichte 5,9 g/cm3), dann das
der Gasphase durch Reaktion von Zirconium-IV- ZrH1,6 mit kubischer Struktur und der Dichte
chlorid mit Bortrichlorid unter Verwendung von 5,66 g/cm3 (Switendick 1984) und schließlich
Wasserstoff als Trägergas bei Temperaturen um das in Pulverform schwarze, tetragonal kristalli-
800  C ist ein gutes Beispiel (Randich 1979). sierende ZrH2 der Dichte 5,56 g/cm3 (Niedźwiedź
Kürzlich gelang die Abscheidung sehr dünner et al. 1993; s. auch Abb. 25).
Filme epitaktischer Ausrichtung aus der Gasphase Schon bei Raumtemperatur oxidieren Zirco-
(Magnuson et al. 2018) . niumhydride an der Luft schnell, dieser Prozess
Eine Anwendung des Zirconiumdiborids ist wird durch steigende Temperaturen begünstigt
die als Moderator in Kernreaktoren, weil vor (Bowman et al. 1983). In Form dünner Filme
allem das Zirconiumisotop 9440Zr selbst nur einen oxidiert es deutlich langsamer (Magnuson 2017).
geringen, das Borisotop 105B für Neutronen aber Der Wasserstoff als elektronegativerer Bestandteil
einen hohen Einfangquerschnitt aufweist; letzte- liegt als Hydridanion vor (Quijano 2009). Mit
res kann eine schon unter Emission von Neutro- Wasser, Säuren, Oxidationsmitteln oder Halogen-
nen laufende Kettenreaktion abbremsen. verbindungen reagieren sie heftig.
Metallisches Zirconium kann Wasserstoffgas Das im Kernreaktor entstehende Wasserstoff-
aufnehmen und erhält dadurch eine starrere Kris- gas wird zum größten Teil in sicherer Form
tallstruktur, wird also härter. Ein Zirconiumhydrid gebunden, jedoch diffundiert ein gewisser Anteil
mit hohem Gehalt an Wasserstoff ist härter als in die meist aus Zircalloy bestehenden Steuerstäbe
Zirkoniummetall selbst, aber auch weniger duktil. hinein und bildet dort Zirconiumhydride, was die
Die Dichte des Zirconiumhydrids liegt in Abhän- Struktur der Stäbe entsprechend schwächt. Durch
gigkeit vom Wasserstoffgehalt zwischen 5,6 und Art und Gewichtsanteil der dem Zirconium zule-
5,9 g/cm3, auch die anderen Eigenschaften sind gierten Metalle können diese negativen Folgen
jeweils veränderlich. aber gemildert werden. Liegt die Energie der beim
Die bei Raumtemperatur stabile α-Modifi- Zerfallsprozess emittierten Neutronen oberhalb
kation des Zirconiums ist hexagonal dichtest von 0,14 eV, so ist Zirconium ein wirksamer
gepackt; sie ist weich und nimmt höchstens Moderator geringen Einfangquerschnitts und für
0,07 Gew.-% Wasserstoff bei 550  C auf. Ein kompakte Reaktoren hoher Leistung geeignet.
Überschuss an Wasserstoff führt zur Umwand- Zirconiumdeuterid ist wegen eines gegenüber
lung in die kubisch-innenzentrierte β-Form, die dem -hydrid nochmals geringeren Einfangquer-
bei Temperaturen >900  C bis zu 1,2 Gew.-% schnitts eines der wirksamsten, wenn auch teuren
Wasserstoff aufnehmen kann. Die homogene Materialien für Moderatorstäbe (Gylfe 1954;
Hydrierung des Zirconiums läuft bei Temperatu- Massie und Dewan 2013).
5 Einzeldarstellungen 509

Abb. 26 Zirconium-IV-sulfat (Onyxmet 2018)

In Pulverform verwendet man Zirconiumhy- Abb. 27 Zirconium-IV-nitrat (Leiem 2017)


dride als Hydrierkatalysatoren und als Getterma-
terial. In unter Vakuum stehenden Systemen sich leicht in Wasser, dies mit saurer Reaktion,
erzeugt Zirconiumhydrid eine Versiegelungs- und Ethanol. Zugabe von Base zur wässrigen
schicht zwischen Metall und Keramik; dazu Lösung ergibt die sofortige Fällung von Zirco-
mischt man das Hydrid mit dem Metall. In der niumhydroxid. Man setzt die Verbindung in der
Hitze zersetzt sich das Hydrid, der frei werdende Technik als Lewis-sauren Katalysator zur Herstel-
Wasserstoff reinigt die Kontaktstelle, und das lung N-substituierter Pyrrole ein (Hasaninejad
Metall kann auch bei Temperaturen unter 300  C et al. 2012). Die wasserfreie Verbindung kann
eine dichte Versiegelung herstellen (Roth 1994). einige aromatische Verbindungen nitrieren, wie
Zirconiumsilikat (ZrSiO4) ist die in der Natur etwa Chinolin zu 3- bzw. 7-Nitrochinolin und
am häufigsten vorkommende Verbindung des Ele- Pyridin zu 3- und 4-Nitropyridine (Schofield
mentes und ist damit auch das wichtigste Rohma- 1980).
terial. Es wird verwendet als Schmuckstein. Zirconocendichlorid stellt man aus in Tetrahy-
Zirconium-IV-sulfat-Tetrahydrat [Zr(SO4)2]  drofuran (THF) gelöstem Zirconium-IV-chlorid
4 H2O entsteht aus Zirconiumoxidchlorid und und Cyclopentadienylnatrium her (Rouhi 1998;
Schwefelsäure. Das hygroskopische, wasserfreie, Bradley und Dowell 1958; Wilkinson und Bir-
weiße Salz (s. Abb. 26) erhält man durch Abrau- mingham 1954):
chen des Tetrahydrates bzw. des Zirconium-
oxidchlorides mit konzentrierter Schwefelsäure. ZrCl4 ðTHFÞ2 þ 2 NaCp ! Cp2 ZrCl2
Das Tetrahydrat kristallisiert orthorhombisch und þ2 NaCl þ 2 THF ðCp ¼ C5 H5 Þ
kann durch Erhitzen auf Temperaturen von
380  C vollständig entwässert werden (Bear und In der Struktur des Moleküls sind die Cyclo-
Mumme 1969). pentadienylringe nicht parallel zueinander ausge-
Das weiße Zirconiumnitrat [Zr(NO3)4] (s. richtet; der Cl-Zr-Cl-Winkel beträgt 97,1 . Durch
Abb. 27) zersetzt sich bereits beim Erhitzen auf Lithiumaluminiumhydrid lässt es sich zu Cp2ZrHCl
100  C unter Abgabe von Stickoxiden. Man stellt (Schwartz-Reagenz) reduzieren (Prout et al. 1974):
es in wasserfreier Form durch Einwirkung von
Distickstoffpentoxid und Zirconiumtetrachlorid 4 ðC5 H5 Þ2 ZrCl2 þ LiAlH4
her (Morozov et al. 2005): ! 4ðC5 H5 Þ2 ZrHCl þ LiCl þ AlCl3

ZrCl4 þ 4 N2 O5 ! ZrðNO3 Þ4 þ 4 ClNO2 Zirconocendichlorid setzt man als Katalysator


bei Polymerisationsreaktionen ein, deren Ergeb-
Die Verbindung kann dagegen nicht durch nis Polymere besonderer Molekülgeometrie, Mol-
Auflösen von Zirconium in Salpetersäure herge- masse oder Verteilung sind (Buchwald et al. 1993;
stellt werden. Zirconiumnitrat-Pentahydrat löst Alsfasser und Meyer 2007).
510 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Anwendungen Die Hüllen von Uran-Brenn-


elementen bestehen zu 90 % aus Zirconium, dies Patente
neben Zinn, Eisen, Nickel und/oder Chrom. Der (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Grund ist der schon erwähnte geringe Einfangsquer- wide.espacenet.com)
schnitt für thermische Neutronen bei gleichzeitig
großer Beständigkeit gegen Korrosion. Für diese J. Liu, nano zirconium dioxide production
Anwendung ist es unbedingt erforderlich, das das plant (Chengdu Ke Bo TE Technology
Zirconium stets begleitende Hafnium völlig abzu- Co., Ltd., AU 2018102013 A4, veröf-
trennen. Diese Stabilität gegenüber Korrosion führt fentlicht 24. Januar 2019)
auch dazu, dass es in großem Umfang in chemi- A. Hirano und T. Ohnishi, Zirconium oxide
schen Anlagen (Ventile, Pumpengehäuse, Rohre particle dispersion composition and cu-
und Wärmeaustauscher) eingebaut wird. Ebenso red product thereof (Dai Ichi Kogyo
ist es Bestandteil in chirurgischen Instrumenten. Seiyaku Co., Ltd., WO 2019017196
Zirconium dient als Gettermaterial in Glühlam- A1, veröffentlicht 24. Januar 2019)
pen und Vakuumanlagen zur Aufrechterhaltung I. G. Elliott und R. E. Hogendoorn, Lubri-
des Vakuums, da es Sauerstoff und Stickstoff bei cating oil compositions containing zirco-
sehr hoher Temperatur chemisch völlig bindet. Es nium and method for preventing or redu-
sendet beim Verbrennen ein gleißendes Licht aus; cing low speed pre-ignition in direct
daher verwendete man es als rauchloses Blitz- injected spark-ignited engines (Chevron
lichtpulver (eine Eigenschaft, die Magnesiumpul- Oronite, US 2019016986 A1, veröffent-
ver nicht besitzt). In Spezial- und Streumunition licht 17. Januar 2019)
eingesetzt, erzeugt es beim Aufprall auf Metall- J. Riesop und V. Geick, Fluoride-free zirco-
oberflächen einen Funkenregen. nium-based metal pre-treatment for pas-
Zirconium-Niob-Legierungen nutzte man frü- sivation (Henkel AG & Co. KGaA, US
her wegen ihrer Supraleitfähigkeit auch in starken 2019010610 A1, veröffentlicht 10.
Magnetfeldern; sie wurden inzwischen aber von Januar 2019)
anderen Stoffen verdrängt. S. N. Dugin und A. V. Grebennikov,
Method of applying oxidation-resistant
Analytik Qualitativ ist Zirconium über seinen and ultra-high-temperature titanium, zir-
rotvioletten Komplex nachweisbar, den es mit conium and hafnium diboride coatings
Alizarinrot-S im sauren Milieu bildet. Die Zugabe to composite materials (Aktsionernoe
von Fluoridionen führt zur sofortigen, auf die Zer- Obshchestvo Gosudarstvennyj Ordena
störung des Komplexes deutende Entfärbung, da Trudovogo Krasnogo Znameni Nauchno
unter diesen Bedingungen der Hexafluorozirconat- Issledovatelskij, RU 2675618 C1, ver-
Komplex entsteht. Für den Nachweis von Zirco- öffentlicht 20. Dezember 2018)
nium in Erzen und Mineralien ist diese Farbreaktion B. J. Pudil und C. M. Hobot, Zirconium
ungeeignet, da Fluorid bereits in Spurenkonzentra- phosphate disinfection recharging and
tionen stört (Jander und Blasius 1990, S. 130). conditioning (Medtronic Inc., US 2018
Mit anderen Farbindikatoren wie Oxin, Kup- 361354 A1, veröffentlicht 20. Dezember
ferron oder Xylenolorange bildet Zirconium eben- 2018)
falls farbige Komplexe, diese Reaktionen sind K. Kageyama und T. Konishi, Zirconium
jedoch nicht sehr selektiv. Quantitativ weist man nitride powder and production method
das Element durch Fällung des Hydroxids nach, therefor (Mitsubishi Materials Elec-
das man durch Zugabe von Ammoniakwasser zu tronic Chemicals Co., Ltd., WO
wässrigen Lösungen von Zirconium-IV-Salzen 2018225318 A1, veröffentlicht 13.
erzeugt und anschließend zum wägefähigen Zir- Dezember 2018)
conium-IV-oxid glüht. Selbstverständlich stehen
auch hier AAS oder MS zur Verfügung. (Fortsetzung)
5 Einzeldarstellungen 511

T. Nabeta und K. Kanenishi, Zirconium bo- Jeffreys Moseley ( 23. November 1887
ride and method of its manufacture Weymouth; † 10. August 1915 Gallipoli).
(Daiichi Kigenso Kagaku Kogyo, US Er studierte ab 1906 in Oxford Physik und
2018339909 A1, veröffentlicht 29. arbeitete später bei Rutherford an der Uni-
November 2018) versität Manchester, erst in der Lehre, dann
fast ausschließlich in der Forschung. 1913
stellte er eine systematische Beziehung zwi-
schen Wellenlänge und Ordnungszahl eines
5.3 Hafnium chemischen Elements fest. Dieses Moseley’-
sche Gesetz beschreibt die Energie der Kα-
Geschichte Wegen seiner sehr großen chemi- Linie im Röntgenspektrum eines Elements,
deren Strahlung beim „Rückfall“ eines in
schen Ähnlichkeit zu Zirconium entzog sich
der L-Elektronenschale befindlichen Elek-
Hafnium lange seiner Entdeckung, da es stets
trons zur K-Schale ausgesandt wird. Allge-
in zirconiumhaltigen Mineralien enthalten ist
mein kann man mit Hilfe dieses Gesetzes
(Mel’nikov 1982). Das Moseley’sche Gesetz sagte
auch die Lage, also Wellenlänge bzw. Wel-
1912 die Existenz eines damals noch unbekannten lenzahl bzw. Energie, der anderen Spektral-
Elements zwischen den Elementen mit den Ord- linien des Röntgenspektrums eines Ele-
nungszahlen 71 und 73 (Lutetium und Tantal) vo- ments berechnen, da sie für jenes jeweils
raus; auch Urbain folgerte dies aus seinen Unter- charakteristisch sind:
suchungen (1911, 1912). Der von Moseley
versuchte Nachweis in Mineralien der Lanthanoi- 
f ¼ c=λ ¼ f R  Zeff 2 1=n1 2  1=n2 2
den (Seltenerdmetalle) scheiterte 1914 aber. Dies
war für Bohr 1922 nicht erstaunlich, da seine
Arbeiten zeigten, dass die Reihe der Seltenerdme- Dabei sind:
talle mit Lutetium abgeschlossen war und ein neues
Element mit der Ordnungszahl 72 viel mehr dem c: Lichtgeschwindigkeit (299.792.458 m/s)
Titan und Ziconium ähneln müsse. [In Mendele-
jevs Periodensystem bestand zudem eine Lücke für f R: Angepasste Rydberg-Frequenz
das zu seiner Zeit noch unbekannte Element der [R  (1/(1 + me/M))]
Ordnungszahl 72 (Kaji 2002)]. 1923, nur ein Jahr
R1: Rydberg-Konstante (10.973.731,568508
später, wiesen es Coster und de Hevesy in Kopen- m1)
hagen mittels Röngenspektralanalyse in Zirkon
nach (Coster und de Hevesy 1923). Darauf führten R: Rydberg-Frequenz (R = c  R1)
Jantzen und Hevesy Versuche zur Abtrennung des
nach dem alten Namen von Kopenhagen, Hafnia, me: Masse eines Elektrons
benannten Hafniums durch; ihnen gelang dies (9,109383561031 kg)
durch mehrfache fraktionierte Kristallisation der
Diammonium- und Dikaliumfluoride beider Ele- M: Kernmasse des Elements (M = mA –
Zme + Eb/c2)
mente. Hafnium erhielt man aus der reinen, haf-
niumhaltigen Fraktion durch Reduktion mit Z: Ordnungszahl des Elements
Natrium (de Hevesy 1923, 1925).
mA: (durchschnittliche) Atommasse des
Elements
Den ersten Beleg für die Richtigkeit des
Konzepts des Periodensystems und der Eb: Massenequivalent der Bindungsenergie
Ordnungszahlen der Elemente lieferte aller Elektronen
1913 der britische Physiker Henry Gwyn
512 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Zeff: Effektive Kernladungszahl des Ele- mente. Erstmals wurde hier die von Einstein
ments (Zeff = Z – S) und Planck begründete, später von Schrö-
dinger weiter entwickelte Quantentheorie
S: Konstante, die die von anderen Elektro- im Modell eines Atoms integriert. Bohr
nen ausgeübte Abschirmung zwischen Kern war außerdem Präsident der Dänischen Kö-
und betrachtetem Elektron beschreibt niglichen Akademie der Wissenschaften
und Vorsitzender der Dänischen Atomener-
n1, n2: Hauptquantenzahlen der jeweils giekommission, zudem Mitglied einiger
betrachteten Zustände: ausländischer wissenschaftlicher Gesell-
schaften (Royal Society in London, Acca-
1: innerer (z. B. K-Schale), 2: äußerer
demia dei Lincei in Rom, Deutsche Akade-
(z. B. L-Schale)
mie der Naturforscher Leopoldina, National
Moseleys Entdeckung zeigte, dass die Ord- Academy of Sciences, American Academy
nungszahlen der Elemente aus experi- of Arts and Sciences). Ihm wurde außerdem
mentell erhaltenen Daten berechnet werden der höchste dänische Orden, der Elefanten-
konnten. Auch zeigte Moseley die damals Orden, verliehen. Ein Asteroid und ein
im Periodensystem der Elemente noch Mondkrater wurden nach Bohr benannt.
bestehenden Lücken bei den Ordnungszah-
Der niederländische Physiker Dirk Coster
len 43, 61 und 75 (die später entdeckten und
( 5. Oktober 1889 Amsterdam; † 12. Fe-
dann als Technetium, Promethium und Rhe-
bruar 1950 Groningen) studierte von 1913
nium benannten Elemente) auf (Heilbron
bis 1919 Physik an der Universität Leiden
1966; Heimann 1967).
und promovierte dort 1922. Für insgesamt
Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwei Jahre arbeitete er danach an den Uni-
meldete er sich zur britischen Armee und versitäten Lund (bei Prof. Siegbahn, 1924
fiel in der Schlacht von Gallipoli nahe Istan- Nobelpreisträger für Physik) und in Kopen-
bul. hagen bei Niels Bohr. Dort entdeckte er
1923 zusammen mit George de Hevesy
Der dänische Physiker Niels Henrik David das Element Hafnium durch rötgenspek-
Bohr ( 7. Oktober 1885 Kopenhagen; † 18. troskopische Untersuchung von Zirkon. Er
November 1962 Kopenhagen) erhielt 1922 organisierte für Lise Meitner ihre Ausreise
den Nobelpreis für Physik „für seine Ver- aus dem nationalsozialistischen Deutsch-
dienste um die Erforschung der Struktur der land. Der Asteroid (10445) Coster trägt sei-
Atome und der von ihnen ausgehenden nen Namen (Brinkman 2013).
Strahlung“. Er studierte ab dem Jahr 1903
an der Universität Kopenhagen Physik, Der ungarische Chemiker George Charles
Mathematik, Chemie, Astronomie und Phi- de Hevesy ( 1. August 1885 Budapest; †
losophie. Das Thema seiner 1911 abge- 5. Juli 1966 Freiburg im Breisgau) studierte
schlossenen Promotion waren die magneti- Chemie, Mathematik und Physik in Buda-
schen Eigenschaften von Metallen. 1912 pest, Berlin und Freiburg. Er promovierte
wechselte er nach Manchester in das Labor 1908 an der Universität Freiburg über die
von Ernest Rutherford. 1914 wurde er dort Gewinnung der Alkalimetalle durch Elek-
Dozent, ging aber bald danach zurück nach trolyse ihrer geschmolzenen Hydroxide
Kopenhagen, wo er 1920 Professor für Phy- (Vértes 2007). 1911 ging auch er zu Ernest
sik an der dortigen Universität wurde. Das Rutherford zur Universität Manchester, wo
von ihm bereits 1913 postulierte Atommo- er Niels Bohr traf. Sein Arbeitsschwerpunkt
dell (Bohr 1924) konnte bereits die Linien- waren radioaktive Zerfallsreihen. Ende
spektren des Wasserstoffs erklären, nicht 1912 kehrte er nach Budapest zurück und
aber befriedigend die der höheren Ele- habilitierte sich dort ein Jahr später über die
5 Einzeldarstellungen 513

die ein baldiges Erschöpfen der aktuell bekannten


von Rutherford postulierten Thesen zum Reserven von Hafnium vorhersagten. Da aber
Aufbau der Atomkerne. Intensiv arbeitete Hafnium auch fast immer ein Begleiter des Zirco-
er mit Fritz Paneth vom Wiener Radium- niums ist, sollte es durch Anwendung geeigneter
Institut zusammen und entwickelte mit Trennverfahren möglich sein, die geringe Nach-
ihm die Tracer-Methode. 1919 wurde er frage jeweils zu decken.
ordentlicher Professor und Leiter des 2. Phy-
sikalischen Instituts an der Universität Gewinnung Während Zirconium einen niedri-
Budapest, musste aber nach der Revolution gen Einfangsquerschnitt für thermische Neutro-
von 1920 seine ungarische Professur nie-
nen aufweist, hat Hafnium hier erstaunlicher-
derlegen und schloss sich Niels Bohrs
weise gegenteilige Eigenschaften. Daher ist
Arbeitskreis in Kopenhagen an, wo er
eine vollständige Trennung beider Elemente
1922 mit Dirk Coster das Element Hafnium
voneinander unabdingbar, um sie getrennt in
entdeckte.
kerntechnischen Anwendungen einzusetzen.
Von 1926 bis 1934 war er Professor an der Aus der Produktion hafniumfreien Zirconiums
Universität Freiburg, floh 1933 aber zu- gewinnt man so auch den größten Teil des Haf-
nächst nach Dänemark und 1943 weiter niums (Schemel 1977). Dies wird besonders
nach Stockholm. Für die von ihm entwi- dadurch erschwert, dass beide Elemente sehr
ckelten Verfahren der Radiochemie erhielt ähnliche chemische Eigenschaften aufweisen
er 1943 den Nobelpreis für Chemie (Palló (Larsen et al. 1943).
2009). Bis 1961 arbeitete de Hevesy in Die ersten früher angewandten Methoden, wie
Stockholm an Themen der Radiobiologie, die fraktionierte Kristallisation der Fluoroammo-
kehrte dann nach Deutschland zurück und niumsalze (van Arkel und de Boer 1924a, S. 284)
starb 1966 in Freiburg im Breisgau (Cock- oder die fraktionierte Destillation der Tetrachlori-
roft 1967). de ZrCl4 oder HfCl4 (Van Arkel und De Boer
1924b, S. 289) erwiesen sich als ungeeignet für
die Umsetzung in den industriellen Maßstab. Die
Vorkommen ersten gängigen und noch heute üblichen Verfah-
Hafnium ist ein Schwermetall, das Zirconium ren beruhten auf Flüssig-Flüssig-Extraktion (Hed-
chemisch sehr ähnlich ist und dieses in dessen rick 2001), wobei das Endprodukt der Aufarbei-
Mineralien (Zirkon) oft begleitet. Es ist in der tung stets Hafnium-IV-chlorid (HfCl4) ist (Griffith
Erdkruste mit einem Anteil von 5,8 ppm nur in 1952). Dieses reduziert man dann mit Magnesium
Form seiner Verbindungen enthalten und kommt bei Temperaturen um 1100  C nach dem Kroll-
damit auch mengenmäßig nicht häufig vor. In Verfahren, also nahe am Siedepunkt des Magne-
Zirkon ersetzt es in der Regel 1–4 % des Zirco- siums (Gilbert und Barr 1955):
niums, wobei der Hafniumgehalt ab und zu den
des Zirconiums übertreffen kann [„Hafnon“, HfCl4 þ 2 Mg ! Hf þ 2 MgCl2
(Hf, Zr)(SiO4) bzw. Alvit] (Deer et al. 1982; Lee
1928). Eine weitere Reinigung wird nach dem von
Die wichtigste Quelle von Zirconium – und van Arkel und de Boer entwickelten Verfahren
damit automatisch auch von Hafnium – sind erreicht. In einem geschlossenen Gefäß reagiert
schwere Mineralsande mit den Hauptbestandtei- Hafnium mit Iod bei Temperaturen um 500  C zu
len Rutil (TiO2) und Ilmenit (FeTiO3), die vor Hafnium-IV-iodid (HfI4), das bei dieser Tempera-
allem in Brasilien und Malawi vorkommen tur verdampft. An einem in diesen Behälter hi-
(Gambogi 2011). Ebenso enthalten in Australien neinragenden, auf eine Temperatur von 1700  C
(Mount Weld bzw. Dubbo) gefundene Karbonat- erhitzten Wolframdraht zersetzt sich die Verbin-
oder Tuffgesteine Zirconium und damit auch Haf- dung wieder in die Elemente, wobei das Hafnium
nium. Es gab in der Vergangenheit Schätzungen, kristallin am Wolframdraht abgeschieden und das
514 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

gasförmige Iod wieder in den Kreislauf der Eigenschaften Physikalische Eigenschaften Haf-
Reaktion zurückgeführt wird (van Arkel und de nium ist silbrig-glänzend, duktil und beständig
Boer 1925). gegen Korrosion (s. Tab. 3). In chemischer Hin-

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Hafnium


Symbol: Hf
Ordnungszahl: 72
CAS-Nr.: 7440-58-6

Aussehen: Stahlgrau Hafnium, Stange (Whitby Hafnium,


2003) Scheibe
(Sicius
2015)
Entdecker, Jahr Hevesy und Jantzen (Dänemark), 1923
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
(%)] (a)
176
72Hf (5,3) Stabil ———
177
72Hf (18,7) Stabil ———
178
72Hf (27,3) Stabil ———
179
72Hf (13,6) Stabil ———
180
72Hf (35,1) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 4,2
Atommasse (u): 178,49
Elektronegativität 1,3 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: HfO2 + 4 H+ + 4 e- > Hf + 2 H2O (V) 1,51
Atomradius (berechnet) (pm): 155 (208)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 150
Ionenradius (Hf4+, pm) 84
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d2 6s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 659 ♦ 1440 ♦ 2250 ♦ 3216
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 7,0  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 3,12  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 78 ♦ 110 ♦ 30
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 1520–2060 ♦ 1450–2100
Mohs-Härte 5,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 3010
Dichte (g/cm3, bei 298,15 K) 13,28
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 13,44  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 23
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,73
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2233 ♦ 2506
Schmelzwärme (kJ/mol): 25,5
Siedepunkt ( C ♦ K): 4603 ♦ 5876
Verdampfungswärme (kJ/mol): 648
5 Einzeldarstellungen 515

sicht ist es Zirconium äußerst ähnlich (Schemel Oxidchlorids oder Sulfats bei 600–1000  C dar-
1977), wogegen die physikalischen Eigenschaften gestellt. In besonders reinem Zustand ist die Ver-
zum Teil deutlich von Zirconium abweichen bindung durch Hydrolyse von Hafniumalkohola-
(Scerri 1994). Vor allem für nukleare Anwendun- ten erhältlich (Brauer 1978d, S. 1371). In reiner
gen ist eine möglichst vollständige Trennung der Form ist die Verbindung ein weißes (s. Abb. 28b),
Elemente voneinander erforderlich, denn Haf- sonst weiß- bis cremefarbenes Pulver (s. Abb. 28a)
niumkerne haben einen 600 Mal höheren Ein- mit monokliner Kristallstruktur (Ruh et al. 1968),
fangsquerschnitt für thermische Neutronen als das einen sehr hohen Schmelz- bzw. Siedepunkt
Zirconium, das praktisch durchlässig für Neutro- (2812 bzw. 5400  C) sowie eine Dichte von
nen ist. 9,68 g/cm3 besitzt. Der Brechungsindex liegt bei
Insgesamt sind gegenwärtig 34 Isotope des knapp 2,00, die Dielektrizitätskonstante der amor-
Hafniums bekannt, mit Massenzahlen zwischen phen Verbindung bei 20–25 (Park und Kang
153 und 186. Die stabilen Isotope besitzen Mas- 2006; Jones et al. 2005). Das Oxid ist praktisch
senzahlen zwischen 176 und 180 (17672Hf bis unlöslich in Wasser und organischen Lösungsmit-
180
72Hf). Die Halbwertszeiten der radioaktiven teln.
Isotope bewegen sich zwischen 400 ms für Hafnium-IV-oxid besitzt eine hohe Härte und
153 15
72Hf und 210 a für 17472Hf. eine geringe Wärmeausdehnung. Bei einer Tem-
Chemische Eigenschaften Auf kompaktem peratur von 1720  C geht die monokline Kristall-
Hafnium bildet sich beim Lagern an der Luft eine struktur in die tetragonale über, bei 2600  C
schützende, sehr dünne Passivschicht aus, die erfolgt ein weiterer Phasenübergang in Richtung
einen weiteren Angriff durch Luftsauerstoff und einer kubischen Modifikation. Die Dielektrizitäts-
-feuchtigkeit verhindert. Hafnium löst sich zwar konstanten nehmen dabei in Richtung der gezeig-
in Mineralsäuren bei Raumtemperatur kaum, ten Umwandlungen zu (monoklin: 16–18, tetra-
reagiert bei erhöhter Temperatur aber mit Haloge- gonal 30, kubisch 70) (Cunningham 2014).
nen und verbrennt in Luft. In fein verteiltem Wegen seiner großen Bandlücke von 5,5 eV ist
Zustand kann es sich an der Luft sogar spontan es kein Halbleiter mehr, sondern hat weitgehend
entzünden. Gegenüber starken Basen ist es inert. die Eigenschaften eines elektrischen Isolators.
Hoch erhitzt, reagiert es auch mit anderen Nicht- Sind die Schichtdicken sehr gering, so ist mittels
metallen wie Stickstoff, Kohlenstoff, Bor und geeigneter Dotierung und Anlegen einer elektri-
Silicium. schen Spannung eine orthorhombische Kristall-
phase darstellbar, die ferroelektrische Eigenschaf-
Verbindungen ten besitzt (Böscke et al. 2011). Dies beobachtet
Die mit Abstand häufigste Oxidationsstufe des man bei durch Atomlagenabscheidung erzeugten,
Hafnium ist +4, man kennt aber auch alle niedri- extrem dünnen Schichten von Hafnium-IV-oxid,
geren Oxidationsstufen von +3 bis 2. die nach Temperung zunächst in der nicht ferro-
Chalkogenverbindungen Hafnium-IV-oxid (HfO2) elektrischen monoklinen Phase kristallisieren.
wird durch Glühen des Oxalats, Hydroxids, Wird zwischen an dieser Schicht aufgebrachten

Abb. 28 a Hafnium-IV-
oxid (Walkerma 2005).
b Hafnium-IV-oxid
(Onyxmet 2018)
516 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Metallelektroden eine starke Spannung angelegt, der Dichte 6,03 g/cm3. [Ein völliger Ersatz der
so erfolgt beim Abkühlen ein Übergang der Sulfid- durch Selenid- und Telluridionen übrigens
monoklinen Struktur in die orthorhombische und reduziert die Bandlücke bei einer Zusammenset-
tetragonale. Dies kann noch durch Dotierung der zung von Hf(S2xTex)1y auf 0 eV, wenn y~0 und
Schicht, etwa mit Verbindungen des Siliciums, 0,08<x<0,095 ist (Hodul und Stacy 1984).] Man
Yttriums oder Zirconiums, unterstützt werden stellt Hafnium-IV-sulfid durch Leiten von Schwe-
(Müller et al. 2011a, b, 2012). Die neu entstan- felwasserstoff über Hafnium-IV-oxid im Tempe-
dene orthorhombische Phase zeigt jedoch eine raturbereich von 500 bis 1300  C her (Kaminskii
gewisse Asymmetrie, so dass die kleinen Oxidio- et al. 1973). Es hat eine schichtförmige Kristall-
nen bei Anlegen eines elektrischen Felds zwi- struktur und kann in Lagen weniger Atome zur
schen mehreren stabilen Gitterplätzen wechseln Erzeugung sehr dünner, halbleitender Schichten,
und so eine Polarisation bewirken können. Je beispielsweise für Feldeffekt-Transistoren (Kana-
dicker die Oxidschicht wird, desto schwächer zawa et al. 2016; Kaur 2017), auf Substrate auf-
wird aber der Einfluss der angelegten Schicht- gebracht werden.
spannung, so dass dicke Schichten ihre monokline Das schwarze, kristalline Hafnium-IV-selenid
Gitterstruktur beibehalten und kein ferromagneti- (HfSe2) ist ein indirekter Halbleiter mit einer Band-
sches Verhalten zeigen. Ein Maximum der Ferro- lücke von 1,16 eV und der Dichte 7,46 g/cm3. Es
elektrizität liegt bei Schichtdicken von 10 bis ist in Reinheitsgraden bis hinauf zu den Er-
15 nm vor, aber der Leckstrom ist noch messbar. fordernissen der Elektronikindustrie erhältlich
Wird beim Hafnium-IV-oxid eine remanente (6N=99,9999 %). Die so hergestellten Kristalle
Polarisation Pr von bis zu 10 μC/cm2 und eine werden zuerst auf eine bestimmte Größe gezüch-
Wiederholbarkeit des Effektes über mehr als tet, dann durch Zonenschmelzen gereinigt. Sie
150.000 Zyklen erreicht, so besitzt das Mischoxid zeigen einen regelmäßigen Gitteraufbau und las-
Hf0,5Zr0,5O2 aus dem jeweils monoklinen Haf- sen sich leicht selbst in einzelnen Gitterschichten
nium-IV- und Zirconium-IV-oxid eine maximale abtragen. Sie besitzen eine exakte Stöchiometrie
remanente Polarisation von 16 μC/cm2 bei und bestehen aus einer Phase. Ähnliches gilt für
Schichtdicken von 7,5 bis 9,5 nm (Mittmann et al. das in Pulverform graue, in Gestalt von Einkris-
2017), weil vom reinen Hafnium-IV-oxid begin- tallen schwarze Hafnium-IV-tellurid (HfTe2), das
nend mit steigender Beimischung von Zirconium ebenfalls ein Halbleiter ist.
ein laufender Übergang zur ferroelektrischen or- Im Jahr 2016 gemeinsam vom Dresdner
thorhombischen Phase des Mischoxids einsetzt. Max-Planck-Institut für Festkörperphysik und
Da Hafnium-IV-oxid schon weit als high-k der Technischen Universität Shanghai durchge-
Dielektrikum verbreitet ist und exzellent CMOS- führte Arbeiten zu Telluriden der höheren Über-
kompatibel ist, entstehen neue Anwendungen als gangsmetalle brachten überraschende Ergebnisse.
schneller, energieeffizienter und nichtflüchtiger Zunächst zeigten Ditelluride wie WTe2 und MoTe2
Halbleiterspeicher (FeFET, FRAM, FeCap). Den einen extrem hohen magnetischen Widerstand
Stromverbrauch einer integrierten Schaltung ver- und sind als Weyl-Halbmetalle bzw. Quantenspin-
ringert man durch eine Verkleinerung der Struktur Hall-Isolatoren anzusehen, die in neuen Anwen-
und erhöht zugleich die Schaltgeschwindigkeit. dungen der Elektronik und Spintronik eingesetzt
Materialien wie Hafnium-IV-oxid erlauben bei werden können. Tritelluride wie ZrTe3 sind in
konstanter Kapazität dickere Isolatorschichten, kompaktem Zustand unter bestimmten Bedingun-
wodurch Leckströme minimiert werden (Devi gen supraleitend. Pentatelluride wie ZrTe5 oder
2007). Daher geht es als High-k-Dielektrikum in Hafniumpentatellurid (HfTe5) haben außerge-
die Produktion von Halbleitern oder als Spiegel- wöhnliche thermoelektrische Eigenschaften. Re-
material in die optische Industrie. sultate von ab-initio-Berechnungen zeigten erst,
Das braune Hafnium-IV-sulfid (HfS2) ist ein dass diese Pentatelluride Quantenspin-Hall-Isola-
typischer Halbleiter mit einer indirekten Bandlü- toren mit großer Bandlücke sind. An ZrTe5 jüngst
cke von 1,8 eV (Terashima und Imai 1987) und durchgeführte Messungen belegen aber eher die
5 Einzeldarstellungen 517

Eigenschaften eines Dirac-Halbmetalles und das kristalline Pulver (Abb. 30) ist empfindlich
Auftreten chiraler Magneteffekte beim Übergang gegenüber Hydrolyse und raucht wegen der Bil-
vom Dirac- zum Weyl-Halbmetall. Diese Penta- dung von Salzsäurenebeln an feuchter Luft.
telluride sind topologische Isolatoren, sind also an Die Verbindung sublimiert schon bei einer
ihrer Oberfläche elektrisch leitend, in ihrem Inne- Temperatur von 315  C und schmilzt unter Druck
ren aber nicht. Anwendung extrem hoher Drücke bei 433  C. Hafnium-IV-chlorid hat eine mono-
wurden aus den Halbmetallen ZrTe5 und HfTe5 kline Kristallstruktur, die leicht verzerrte HfCl6-
sogar Supraleiter (!) (Medvedev et al. 2016). Oktaeder enthält, die über cis-Brücken miteinan-
Halogenverbindungen Hafnium-IV-fluorid (HfF4) der verbunden sind (Niewa und Jacobs 1995).
ist in Reinform ein weißer Feststoff (Abb. 29) der Unter anderem setzt man Hafnium-IV-chlorid
Dichte 7,1 g/cm3, der bei einer Temperatur von bei der chemischen Abscheidung aus der Gas-
1140  C schmilzt, in Wasser hydrolysiert und auf phase zur Herstellung von Hafniumcarbid ein
mehreren Wegen erhalten werden kann, so durch (Allendorf 1999).
Reaktion von Hafniumdioxid mit Fluor (Touma- Hafnium-IV-bromid (HfBr4) gewinnt man
nov 2003): durch Bromierung von Hafnium im Bereich von
320 bis 350  C (Brauer 1978c, S. 1358). Ebenfalls
HfO2 þ 2 F2 ! HfF4 þ O2 funktioniert die Umsetzung von Hafnium-IV-oxid
mit Kohlenstoff und Brom:
Ebenso liefert die Fluorierung von Hafnium,
Hafniumcarbid oder Hafniumdiborid das ge- HfO2 þ 2 C þ 2 Br2 ! HfBr4 þ 2 CO
wünschte Produkt (Hagen 2009). Hafnium-IV-
fluorid kristallisiert monoklin (Benner und Müller Der weiße bis cremefarbene Feststoff (s. Abb. 31)
1990). Reaktion mit wässriger Flüsssäure ergibt der Dichte 4,9 g/cm3 sublimiert schon bei einer
unter anderem das Trihydrat (Johnson 1972; Temperatur von 317  C und wird durch Wasser
Clark et al. 2013). In dünnen, aufgesputterten völlig zu basischem Hafniumoxid hydrolysiert.
Schichten setzt man es in Interferenzfiltern ther-
mischer Photovoltaikanlagen ein (Martin et al.
2002).
Kalium- oder Ammoniumhexafluoridohafnat-
IV [K2HfF6, (NH4)2HfF6] verwendet man zur
Abtrennung des Hafniums von Zirconium, da
die beiden Hafniumsalze leichter in Wasser lös-
lich sind als die des Zirconiums.
Hafnium-IV-chlorid (HfCl4) erhält man durch
Chlorieren von Hafnium bei etwa 320  C (Brauer
1978c, S. 1358). Alternativ entsteht es auch beim Abb. 30 Hafnium-IV-chlorid (Onyxmet 2018)
Überleiten von trockenem Chlorwasserstoff über
Hafnium-II-hydrid (Allendorf 1999). Das weiße,

Abb. 29 Hafnium-IV-fluorid (Stanford Advanced Mate-


rials 2018) Abb. 31 Hafnium-IV-bromid (Onyxmet 2018)
518 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Seine kubische Kristallstruktur ist isotyp zu der


des Zinn-IV-iodids.
Das gelborange Hafnium-IV-iodid (HfI4) ent-
steht durch Reaktion von Hafnium mit Iod oder
durch Umsetzung von Hafnium-IV-chlorid mit
Aluminiumiodid (Brauer 1978c, S. 1360; Sharpe
2005, S. 652):

3 HfCl4 þ 4 AlI3 ! 3 HfI4 þ 4 AlCl3


Abb. 32 Hafniummononitrid (Onyxmet 2018)
Die Verbindung kristallisiert ebenfalls im kubi-
schen Zinn-IV-iodid-Gittertyp (Krebs und Sinram
1980; Blachnik 1998, S. 478; Perry 2011, S. 194),
hydrolysiert vollständig und heftig mit Wasser
und Basen, sublimiert bei einer Temperatur von
393  C und hat die Dichte 5,6 g/cm3. Man nutzt
Hafnium-IV-iodid zur Herstellung reinen Haf-
niums (Swihart et al. 2001), indem man die inter-
mediär in der Gasphase gebildete Verbindung an
einem heißen Draht zu Iod und reinstem Hafnium
zersetzt. Abb. 33 Hafnium-IV-carbid (Stanford Advanced Materi-
als 2018)
Sonstige Verbindungen Hafniummononitrid
(HfN) erhält man auf ähnlichem Weg wie die
homologen Verbindungen Titan- oder Zirconium- extrem hohen Schmelzpunktes auch als Beschich-
nitrid (Brauer 1978e, S. 1379), also aus den Ele- tungsmaterial von Schneidwerkzeugen (Deniz
menten bei Temperaturen zwischen 1400 und 2008; Kalpakjian et al. 2011, S. 634).
1500  C. Führt man das chemische Aufwachsver- Unter hohem Druck bildet sich bei der
fahren unter Beteiligung von Hafnium-IV-chlorid Reaktion von Hafniummononitrid mit Stickstoff
und einem Gemisch aus Wasserstoff und Stick- oder Ammoniak ein Hafnium-IV-nitrid (Hf3N4),
stoff (oder alternativ: Ammoniak) durch, so das im kubischen Thoriumphosphid-Gittertyp
erfolgt nicht nur schnelle Abscheidung, sondern (Th3P4) kristallisiert. Es ist mit einer Bandlücke
es ist auch „lediglich“ eine Reaktionstemperatur von 1,1 eV ebenfalls ein Halbleiter und noch
von 2000–2400  C erforderlich, verglichen mit härter als das Mononitrid (Kroll 2003).
ca. 2900  C, wenn man ausschließlich Stickstoff Neben Tantalcarbid (TaC) hat das in Pul-
verwendet (Brauer 1978e, S. 1379). verform dunkelgraue Hafniumcarbid (HfC)
Das dunkelgraue bis braune Hafniummononi- (s. Abb. 33) mit 3890  C den höchsten Schmelz-
trid (s. Abb. 32) hat den hohen Schmelzpunkt von punkt und wegen seiner chemischen Beständig-
3305  C und die Dichte 11,7 g/cm3. Die Verbin- keit unter extremen Bedingungen (außer ge-
dung ist ein Halbleiter und kristallisiert in der genüber Sauerstoff und Stickstoff) die höchste
kubischen Natriumchlorid-Kristallstruktur (Dzi- Temperaturbeständigkeit aller bekannten aus zwei
venko 2009), allerdings bleiben einige Gitterplät- Atomarten zusammen gesetzten Verbindungen.
ze immer unbesetzt (Straumanis und Faunce Hafniumcarbid hat die Dichte 12,2 g/cm3 und
1967). Das Material ist relativ hart und chemisch wird etwa durch carbothermische Reduktion von
beständig (Perry 2011, S. 194). Man setzt die Hafniumdioxid oder auch durch Synthese aus den
Verbindung als Sputtermaterial zur Erzielung Elementen bei Temperaturen um 2000  C gewon-
einer höheren Stabilität von Transistoren und nen (Brauer 1978f, S. 1387):
elektronischen Schaltkreisen ein (Martienssen
und Warlimont 2005, S. 468), aber wegen seines HfO2 þ 3 C ! HfC þ 2 CO Hf þ C ! HfC
5 Einzeldarstellungen 519

Da Hafniumcarbid sehr empfindlich gegenüber Hafniumdiborid (HfB2) ist durch Reaktion von
gasförmigem Stickstoff ist, muss man die Synthe- Hafniumdioxid mit Kohlenstoff und Bortrioxid
sen unter reinem Argon als Schutzgas durchfüh- oder Borcarbid erhältlich:
ren. Im Gitter des Hafniumcarbids besetzten
Kohlenstoffatome die oktaedrischen Lücken der HfO2 þ B2 O3 þ 5 C ! HfB2 þ 5 CO
oberhalb von 1775  C stabilen, kubisch-raum-
zentrierten Matrix der Hafniumatome. Auch das Ebenfalls Hafniumdiborid liefert die Umset-
so gebildete Hafniumcarbid besitzt daher eine zung von Hafnium-IV-chlorid mit Wasserstoff
Kristallstruktur vom Natriumchlorid-Typ mit er- und Bortrichlorid bei Temperaturen >2000  C
heblicherer Phasenbreite (HfC0,99 bis HfC0,60), oder das Sintern der Elemente.
ein Elastizitätsmodul von bis zu 510 GPa sowie Der in Pulverform dunkelgraue Feststoff
eine Vickershärte von 26,1 GPa und. An Luft (s. Abb. 35b) schmilzt bei einer Temperatur von
oxidiert es oberhalb von 500  C. Das Material ist 3100  C und hat die Dichte 10,5 g/cm3. Die Ver-
sehr teuer; jedoch geht es vereinzelt in Beschich- bindung ist überraschenderweise stabil gegenüber
tungen und auch in Kontrollstäben von Atomre- fast allen Säuren und wird nur von Flusssäure
aktoren (Pierson 1996). angegriffen, und erst bei Temperaturen über
Hafniumdisilicid (HfSi2) ist ein cremefarbenes 1500  C oxidiert sie (McNallan 2000). Hafnium-
bis hellgelbes Pulver (s. Abb. 34) der Dichte diborid ist sehr hart (Hutchings und Shipway
7,6 g/cm3, das in Keramiken eingesetzt wird. 2017; Jayaraman et al. 2005), kristallisiert hexa-
Die Erzeugung der Verbindung an Grenzflächen gonal (Lawson et al. 2011) und isotyp zu Titan-,
zwischen Hafnium-IV-oxid und Silicium ist von Zirconium- und Aluminiumdiborid.
de Siervo et al. (2006) beschrieben worden. Bei Man setzt Hafniumdiborid in verschleißfesten
Temperaturen oberhalb von 550  C kristallisiert Beschichtungen ein, ferner als Material für Kon-
an der Phasengrenze eine gleichmäßig struktu- trollstäbe in Kernreaktoren, ICBM-Hitzeschilde
rierte Phase von Hafniumdisilicid aus. oder, in Kombination mit Siliciumcarbid, in hoch-
temperaturbeständigen Werkstoffen (Loehman
et al. 2006). Die halbleitende Substanz ist auch
in Form von Sputtertargets erhältlich (s. Abb. 35a),
aus denen extrem dünne Schichten abgelöst und
auf verschiedene Substrate aufgebracht werden.
Auch in den in Düsen von Tintenstrahldruckern
installierten Heizelementen ist es enthalten
(Wu et al. 1996).

Anwendungen Hafnium setzt man nur in gerin-


gen Mengen ein, hauptsächlich noch in der Reak-
Abb. 34 Micro-Hafniumdisilicid (Stanford Advanced tortechnik. Dort reguliert es in Steuerstäben die
Materials 2018) Kettenreaktion in Kernreaktoren (Forsberg et al.

Abb. 35 a Hafnium-
diborid (QS Advanced
Materials 2018).
b Hafniumdiborid
(Onyxmet 2018)
520 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

2011). Vorzüge sind seine große Beständigkeit


gegenüber Korrosion, nachteilig sein hoher Preis. CN 108728870 A, veröffentlicht 2. No-
Oft geht es daher in militärische Anwendungen vember 2018)
wie Motoren atomar angetriebener U-Boote X. Lei und M. R. Macdonald, New formu-
(Schemel 1977). lation for deposition of silicon-doped
Hafnium dient, wie auch Zirconium, als Get- hafnium oxide as ferroelectric materials
termaterial zum Entfernen auch kleinster Mengen (Versum Materials LLC, TW 2018353
an Sauerstoff und Stickstoff in Ultrahochvakuum- 72 A, veröffentlicht 1. Oktober 2018)
Anlagen. In Legierungen erhöhen schon geringe T. Ando und E. A. Cartier, Surface area
Zusätze des Elements deren Festigkeit und Be- enhancement for stacked metal-insu-
ständigkeit gegenüber Hitze. Solche Elemente lator-metal (MIM) capacitor (IBM, US
baut man in flüssigkeitsgetriebenen Raketen ein, 2018277621 A1, veröffentlicht 27.
ebenso im Lunarmodul des Apollo-Programms. September 2018)
Diese bestanden damals aus einer Legierung aus G. Ding und D. Schweigert, Coated article
89 % Niob, 10 % Hafnium und 1 % Titan. Zudem having low-e coating with IR reflecting
verbessert es den Oberflächenschutz von Nickel- layer(s) and hafnium inclusive high
legierungen gegenüber Korrosion (Maslenkov index nitrided dielectric layer (Guardian
et al. 1980; Beglov et al. 1992; Voitovich und Industries, US 2018258523 A1, veröf-
Golovko 1975). fentlicht 13. September 2018)
Zur Bestimmung der Altersstruktur der Erd- L. McCollough, Hafnocene catalyst com-
kruste nutzt man den Zerfall des Isotops 17671Lu pounds and process for use thereof
zu 17672Hf, der mit einer Halbwertszeit von (Exxonmobil Chemical Patents Inc.,
37 Mrd. a stattfindet (Patchett 1983; Söderlund WO 2018151790 A1, veröffentlicht 23.
et al. 2004; Blichert-Toft und Albarède 1997; August 2018)
Patchett und Tatsumoto 1980). In Granat sind A. Saboundji und V. Jaquet, Process for
ebenfalls höhere Konzentrationen an Hafnium manufaturing a part made of nickel-
enthalten; anhand des veränderlichen Verhältnis- based superalloy containing hafnium
ses von Lutetium zu Hafnium kann man auf (Safran, CA 3028263 A1, veröffentlicht
Veränderungen der Erdkruste in früheren Erdzeit- 14. Dezember 2017)
altern schließen.
Da es sehr beständig gegen Hitzeeinwirkung
ist und zugleich Sauer- und Stickstoff bei hohen
Temperaturen aufnimmt, dient Hafnium als Getter 5.4 Rutherfordium
für Sauer- und Stickstoff in Glühlampen. Man
verwendet es auch zum Schneiden bei sehr hoher Geschichte Erstmals wurden Kerne des Elemen-
Temperatur (Plasma), da es unter diesen Bedin- tes 1964 durch Flerov in Dubna durch Beschuss
gungen Elektronen in die Luft abgibt (Ramakrish- von Plutonium mit Neonkernen erzeugt (Barber
nany und Rogozinski 1997). et al. 1993; Flerov et al. 1964):

242
94 Pu þ 22
10 Ne ! 260
104 Rf þ 41 0 n
Patente
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world Die Sowjets reklamierten das Benamungsrecht
wide.espacenet.com) aufgrund der Erstentdeckung für sich und benann-
ten es nach Igor Kurtschatow Kurtschatovium
H. Chen, Production system of crystal strip (Ku). Dieser Name wurde jedoch von der Arbeits-
hafnium and method thereof (Nanjing gruppe in Berkeley abgelehnt, die erstmalig
Youtian Metal Technologies Co., Ltd., fünf Jahre später Isotope des Elements erhielten
(Ghiorso 1969); stattdessen wurde von deren
5 Einzeldarstellungen 521

Seite Rutherfordium (Rf) favorisiert. Erst drei die jüngste Vergangenheit hinein entdeckt werden
Jahrzehnte danach konnte man sich auf den (Heßberger et al. 1997, 2001; Ghiorso et al. 1993;
Namen Rutherfordium einigen, jedoch mit dem Ellison et al. 2010; Barber et al. 1993; Ninov et al.
Zugeständnis an Dubna, das neue Element 1999; Oganessian et al. 2007, 2009, 2015). Über
105 Dubnium nennen zu dürfen. die Festlegung der Namen wurden zwischen den
hauptsächlich an der Entdeckung dieser Elemente
beteiligten Institute zahlreiche Kontroversen ge-
Der neuseeländische Physiker Ernest
führt (IUPAC Commission 1997).
Rutherford, [ 30. August 1871 Spring
Grove; † 19. Oktober 1937 Cambridge,
Eigenschaften
Vereinigtes Königreich] erhielt 1908 den
Physikalische Eigenschaften Rutherfordium soll
Nobelpreis für Chemie für die von ihm
1903 erstmalig definierte Unterteilung der unter Normalbedingungen fest sein und in einer
drei damals wichtigsten radioaktiven Zer- hexagonal-dichtest gepackten Struktur kristalli-
fallsarten α, β und γ. Aus seinen Versuchen sieren, ähnlich wie es bei seinem leichteren
zur Streuung von α-Teilchen an Goldfolie Homologen, dem Hafnium, der Fall ist. Seine
leitete er sein Atommodell ab, das eine sehr Dichte wird mit dem hohen Wert von 23,2 g/cm3
ungleiche Massenverteilung von Elektro- erwartet (s. Tab. 4), und Rutherfordium wäre
nen und Atomkernen postulierte. Diese damit bereits das dichteste bekannte Element,
Arbeiten führte er an der McGill-Universi- ganz abgesehen von den noch schwereren Trans-
tät in Montréal (Kanada) durch, wo er bis actinoiden. Wie bei allen diesen schweren Isoto-
1907 arbeitete. Danach wechselte er an die pen sind nicht nur Atomradius, Kernladungszahl
Universität Manchester (England) und und Zahl der äußeren Valenzelektronen aus-
arbeitete dort unter anderem mit Niels Bohr schlaggebend für die Eigenschaften, sondern
zusammen. zunehmend auch relativistische Effekte. Diese
stabilisieren stark die äußeren 7s-Elektronen,
Nach dem Ersten Weltkrieg ging er als Pro- weshalb die Atome der Transactionoide, deren
fessor nach Cambridge und übernahm die
erster Vertreter das Rutherfordium ist, eher 6d-
Leitung des dortigen Cavendish-Laborato-
Elektronen (!) abgeben, um in einer positiven
riums. 1921 verfasste er seine Schrift über
Oxidationszahl aufzutreten. Dieses Verhalten
die Kernstruktur der Atome und war zwi-
wäre demjenigen seiner leichteren Homologen
schen 1925 und 1930 Präsident der Royal
gegenläufig (Östlin und Vitos 2011; Türler et al.
Society (Campbell 1999; Wilson 1983).
1998).
Der radioaktive Zerfall und die Art der Isotope
Gewinnung Nach der oben bereits beschriebe- des Rutherfordiums wurden ebenfalls untersucht
nen Methode, die die sowjetischen Forscher zur und in einigen Publikationen beschrieben (Heß-
Erzeugung des Isotops 260104Rf anwandten, ver- berger et al. 2001; Lane et al. 1996; Hofmann
folgte der amerikanische Arbeitskreis unter Sea- 2009).
borg hierzu unterschiedliche Verfahren, indem sie Chemische Eigenschaften Berechnungen sei-
Isotope des Californiums mit leichten Kohlen- ner Ionisationspotenziale, Atomradien, Orbital-
bzw. Sauerstoffkernen beschossen (Ghiorso et al. energien etc. ergaben, dass Rutherfordium dem
1969, 1970; Bemis et al. 1973): Hafnium und auch den leichteren Gruppenmit-
gliedern Titan und Zirconium ähnelt und somit
249
þ 12 6 C ! 257 104 Rf þ 41 0 n
98 Cf in eine Gruppe mit diesen einzuordnen ist (Kratz
98 Cf þ 6C ! 104 Rf þ 3 0 n
249 13 259 1
et al. 2003; Kratz 2003). Einige seiner Eigen-
96 Cm þ 8O ! 104 Rf þ 5 0 n
248 18 261 1
schaften bestimmte man mittels Reaktionen in
der gas- und in der wässrigen Phase. Es ist zu
Rutherfordium ist das erste Transactionoid; erwarten, dass die Oxidationszahl +4 die stabilste
viele weitere Elemente dieser Reihe sollten bis in für Rutherfordium ist, wenngleich die Existenz
522 9 Titangruppe: Elemente der vierten Nebengruppe

Tab. 4 Physikalische und chemische Eigenschaften von Rutherfordium


Symbol: Rf
Ordnungszahl: 104
CAS-Nr.: 53850-36-5
Aussehen: ———
Entdecker, Jahr Fljorow (Sowjetunion), 1964
Ghiorso (Vereinigte Staaten von Amerika), 1969
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
257
104Rf (synthetisch) 4,7 s α > 253102No/ε > 257103Lr
259
104Rf (synthetisch) 3,1 s α > 255102No/Spontanzerfall
261
104Rf (synthetisch) 65 s α > 257102No
263
104Rf (synthetisch) 15 min Spontanzerfall
267
104Rf (synthetisch) 1,3 h Spontanzerfall
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ——
Atommasse (u): 261,109
Elektronegativität K. A. ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 150
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 157
Ionenradius (Rf4+, pm) Keine Angabe
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d2 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 580 ♦ 1389 ♦ 2296
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Keine Angabe
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): Keine Angabe
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Mohs-Härte Keine Angabe
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 298,15 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 23,2
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 11,25  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 206
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2100 ♦ 2373
Schmelzwärme (kJ/mol): 203
Siedepunkt ( C ♦ K): 5500 ♦ 5773
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe
a
Geschätzte oder berechnete Werte

einer instabileren Oxidationsstufe +3 diskutiert Existenz einer Elektronenkonfiguration von


wird. 6d17s27p1 oder sogar 7s27p2 im Falle des Ruther-
Die chemischen Eigenschaften des Elements fordiums eine Ähnlichkeit seiner Eigenschaften
wurden berechnet unter der Annahme, dass die mit denen des Bleis impliziert. Da im Laufe der
relativistischen Effekte in der Elektronenhülle so Zeit die Methoden zur Berechnung verbessert
stark sind, dass die äußeren p-Orbitale niedrigere wurden, wiesen deren Resultate dann aber nach,
Energieniveaus einnehmen als die d-Orbitale. dass das Element doch näher mit Titan, Zirconium
Dies würde aber bedeuten, dass eine mögliche und Hafnium verwandt ist.
Literatur 523

In Analogie zu den anderen Elementen dieser Literatur


Gruppe sollte Rutherfordium also ein sehr stabi-
les, hochschmelzendes Oxid (Rutherfordium-IV- Al-Khatatbeh Y et al (2009) High-pressure behavior of
TiO2 as determined by experiment and theory. Phys
oxid, RfO2) bilden. Reaktionen in der Gasphase
Rev B 79(13):134114
wiesen den Ablauf von Reaktionen zu Tetrahalo- Allendorf MD (1999) Proceedings of the symposium on
geniden RfX4 nach, die flüchtig sind und mit fundamental gas phase and surface chemistry. The
tetraedrischer Koordination der Halogenatome in Electrochemical Society, Pennington, S 265. ISBN
1-56677-217-6
der Gasphase auftreten.
Alsfasser R, Meyer HJ (2007) Moderne Anorganische
Aufgrund des größeren Radius des Rf4+ -Ions Chemie, 2. Aufl. de Gruyter, Berlin. ISBN 978-3-11-
sollte dieses in wässriger Lösung weniger stark 017838-8
zur Hydrolyse neigen als die entsprechenden Alsfasser R et al (2007) Moderne Anorganische Chemie.
de Gruyter, Berlin, S 295. ISBN 3-11-019060-5
tetravalenten Ionen seiner leichteren Homologen.
AE Arkel van , JH de Boer (1924a) Die Trennung von
Die Hydrolyse sollte über das RfO2+ -Ion gehen. Zirconium und Hafnium durch Kristallisation ihrer
Ammoniumdoppelfluoride, Z Anorg Allg Chem,
Verbindungen 141, 284
AE Arkel van und JH de Boer (1924b) Die Trennung des
Für die Versuche zur Untersuchung kurzlebiger
Zirconiums von anderen Metallen, einschließlich Haf-
Verbindungen des Rutherfordiums in der Gas- nium, durch fraktionierte Destillation, Z Anorg Allg
phase wählte man das Isotop 261m104Rf. Die Chem, 141, 289
Annahme war, dass das Element wie die leichte- AE Arkel van, J H de Boer (1925) Darstellung von reinem
Titanium-, Zirconium-, Hafnium- und Thoriummetall,
ren Mitglieder seiner Gruppe ein tetraedrisch
Z Anorg Allg Chem, 148(1):345–350. https://doi.org/
koordiniertes, leicht flüchtiges Rutherfordium- 10.1002/zaac.19251480133
IV-chlorid (RfCl4) bildet. Tatsächlich ist es noch Audi G et al (2003) The NUBASE evaluation of nuclear
flüchtiger als Hafnium-IV-chlorid, weil es stärker and decay properties. Nucl Phys A 729:3–128
Barber RC et al (1993) Discovery of the transfermium
kovalenten Charakter hat. Eine Reihe von Versu-
elements. Part II: introduction to discovery profiles.
chen bestätigte daraufhin, dass die Existenz der Part III: discovery profiles of the transfermium ele-
flüchtigen Halogenide (RfCl4 und RfBr4) sowie ments. Pure Appl Chem 65:1757–1814
die eines Oxichlorids (RfOCl2) die Einordnung Bear IJ, Mumme WG (1969) The crystal chemistry of
zirconium sulphates. III. The structure of the
von Rutherfordium in die Titangruppe rechtfertigt
β-pentahydrate, Zr2(SO4)4(H2O)8.2 H2O, and the
(Türler et al. 1998). inter-relationship of the four higher hydrates. Acta
Den eindeutigsten Nachweis aus Ergebnis- Crystallogr Sect B: Struct Crystallogr Cryst Chem
sen nasschemischer Untersuchungen lieferte das 25:1572–1581
Bedinger GM (2015) Zirconium, Mineral Commodity
Team der japanischen Atomenergiebehörde mit
Summaries. United States Geological Survey, U. S.
dem Isotop 261mRf (Nagame et al. 2005). Versu- Department of the Interior, Washington, DC. Zugegrif-
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Parallelversuch mit Isotopen des Rutherfordiums, Beglov VM et al (1992) Effect of boron and hafnium on the
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Hafniums, Zirconiums und des dieser Gruppe
Met Sci Heat Treat 34(4):251
sehr verwandten Elements Thorium ergaben, dass Bemis CE et al (1973) X-Ray identification of element 104.
sich Rutherfordium nicht wie ein typisches Acti- Phys Rev Lett 31(10):647–650
noid verhält. Rutherfordium bildet wie seine Benner G, Müller BG (1990) Zur Kenntnis binärer Fluo-
ride des ZrF4-Typs: HfF4 und ThF4. Z Anorg Allg
leichteren Homologen einen Hexachloro-Kom-
Chem 588:133. https://doi.org/10.1002/zaac.1990588
plex [(261mRfCl6)2-]. Diese leicht ablaufende Bil- 0105
dung von Hexahalogeno-Komplexen in wässriger Bialowons H et al (1995) Titantetrafluorid – Eine über-
Lösung wurde für flusssaure Lösungen ebenfalls raschend einfache Kolumnarstruktur. Z Anorg Allg
Chem 621:1227–1231
bestätigt, wobei Rutherfordium nur sechs Fluor-
Blachnik R (1998) Taschenbuch für Chemiker und Physi-
idionen im Komplexanion enthält, Zirconium und ker. Band III: Elemente, anorganische Verbindungen
Hafnium aber acht. Der Hexafluorokomplex zeigt und Materialien, Minerale, 4. Aufl. Springer, Ber-
im Vergleich zum Hexachlorokomplex ein ande- lin/Heidelberg, S 478/766–770/818–820. ISBN 3-540-
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res Extraktionsverhalten.
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tallografiya 31:446–449
Vanadiumgruppe: Elemente der
fünften Nebengruppe 10

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567

Zusammenfassung 1 Einleitung
Dieses Kapitel beschreibt die chemischen und
physikalischen Eigenschaften, Vorkommen, Die Elemente der fünften Nebengruppe (Vana-
Herstellverfahren, Anwendungen und Patente dium, Niob, Tantal und Dubnium) sind zueinan-
der Elemente der fünften Nebengruppe des der physikalisch und chemisch relativ ähnlich. Bei
Periodensystems der Elemente mit ihren wich- Niob und Tantal wie auch bei den jeweils linken
tigsten Verbindungen. Vanadium ist Bestand- Nachbarn im Periodensystem, Zirconium und
teil einer Reihe widerstandsfähiger und harter Hafnium, sind die chemischen Eigenschaften
Stähle, wogegen man aus den harten und che- wegen der sich auswirkenden Lanthanoidenkon-
misch relativ inerten Metallen Niob und Tantal traktion sogar fast deckungsgleich. Bezüglich
hochschmelzende Legierungen für besondere ihrer physikalischen Eigenschaften bestehen für
Anwendungen herstellt. Isotope des Dubniums beide Elemente dann aber doch Unterschiede, was
kommen in der Natur nicht vor und können man bei der Dichte und den Schmelz- und Siede-
ausschließlich auf künstlichem Weg erzeugt punkten sieht. Meist geben die Atome der Ele-
werden. mente dieser Gruppe insgesamt fünf äußere
Valenzelektronen (je zwei s- und zwei d-Elektro-
nen) ab, um eine stabile Elektronenkonfiguration
zu erreichen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 531
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_10
532 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Die Entdeckung des Vanadiums und Niobs nen über das jeweilige Element, so dass hier nur
erfolgte Mitte des 19. Jahrhunderts, die des Tan- eine sehr kurze Einleitung vorangestellt wurde.
tals in den frühen 1900er-Jahren, und sogar das
nur künstlich darstellbare Dubnium wurde in
Form eines seiner Isotope vor fast 50 Jahren (!) 2 Vorkommen
schon erzeugt. Sie finden alle Elemente im unten
stehenden Periodensystem in Gruppe 5 (V B). Vanadium kommt in der Erdhülle immerhin noch
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. mit einem Anteil von 410 ppm vor, Niob und
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie Tantal dagegen zählen mit Anteilen von 18 bzw.
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie etwa 8 ppm zu den seltenen Elementen. Dubnium
Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die meisten gewinnt man ausschließlich durch künstliche
Elemente können sich untereinander verbinden Kernreaktionen und auch dann nur in geringsten
und bilden chemische Verbindungen; so wird z. B. Mengen, die bis an wenige Atome heranreichen.
aus Natrium und Chlor die chemische Verbindung
Natriumchlorid, also Kochsalz.
Einschließlich der natürlich vorkommenden 3 Herstellung
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden- Vanadium und Niob erzeugt man meist durch
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. Umsetzung ihrer Pentoxide (V2O5 bzw. Nb2O5)
Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier Ver- mit Calcium bzw. Aluminium, Tantal dagegen
treter der Gruppe der Elemente der fünften Neben- bevorzugt durch Reduktion seines Chlorids (TaCl5)
gruppe enthalten dabei alle wichtigen Informatio- mit Natrium. Wenn es um die Gewinnung reinen

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- VII VIII VIII VIII VIII
IA II A III B IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


5 Einzeldarstellungen 533

Niobs oder Tantals geht, ist immer zuvor eine auf- 5.1 Vanadium
wendige Trennung der beiden, sich in der Natur
fast immer begleitenden Elemente notwendig. Geschichte Zum ersten Mal wurde das später als
Vanadium benannte Element 1801 vom spani-
schen Mineralogen del Río in einem Bleierz ent-
4 Eigenschaften deckt. Er nannte das neue Element zunächst Pan-
chromium, später Erythronium, widerrief seine
4.1 Physikalische Eigenschaften Entdeckung aber kurz darauf, als zeitgenössische
Forscher wegen der Ähnlichkeit der von del
Die physikalischen Eigenschaften sind auch in die- Río beschriebenen Verbindungen zu denen des
ser Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regelmä- Chroms behaupteten, dass diese angeblich von
ßig nach steigender Atommasse abgestuft. In Ana- einem neuen Element herrührenden Verbindun-
logie zu den Nachbarelementen der vierten und gen lediglich unreine Chromverbindungen seien
sechsten Nebengruppe nehmen vom Vanadium (Caswell 2003).
zum Tantal Schmelz- und Siedepunkte, Schmelz- Die 1830 von Sefström durchgeführten Arbei-
und Verdampfungswärmen sowie die Dichten zu, ten belegten die Auffindung eines bis dahin unbe-
ebenso – aber nur schwach – die chemische Reak- kannten Elements, das sowohl dem Chrom als
tionsfähigkeit. Der bei den Elementen der ersten auch dem Uran ähnelte, aber weder dem einen
bis dritten Hauptgruppe zu beobachtende Effekt noch dem anderen entsprach. Sefström nannte
der Schrägbeziehung erscheint bei sämtlichen das Element Vanadium, und Wöhler belegte
Nebengruppenelementen, also auch in dieser wenig später dessen Identität mit dem von del
Gruppe, nicht. Vanadium leitet in seinen Eigen- Río beschriebenen Erythronium (Sefström 1831).
schaften also nicht zum Molybdän über. In unreiner Form stellte Roscoe das Metall
1867 durch Reduktion von Vanadium-II-chlorid
mit Wasserstoff dar, sehr reines Vanadium erzeug-
4.2 Chemische Eigenschaften ten 1925 Marden und Rich durch Reduktion von
Vanadium-V-oxid mit Calcium. 1903 setzte man
Die Elemente der Vanadiumgruppe sind teilweise Vanadium erstmals als Legierungsbestandteil in
reaktiv, aber gelegentlich auch sehr reaktionsträ- Stählen ein (Bauer 2000).
ge. An der Luft lagernd, schützt sie eine sehr
dünne, passivierende Oxidschicht vor weiterer Vorkommen Vanadium ist mit einem Gehalt von
Korrosion durch Luftsauerstoff, und auch in Säu- 120 ppm an der kontinentalen Erdkruste ein ziem-
ren sind sie nur vereinzelt und auch dann nur unter lich häufig vorkommendes Element, damit liegt
Anwendung drastischer Methoden löslich. Mit dieses oft nur Fachleuten bekannte Metall etwa
vielen Nichtmetallen (Halogene, Sauerstoff, auch gleichauf mit Chlor oder Chrom. Es kommt
Stickstoff und Kohlenstoff) reagieren sie aber bei wegen seiner hohen Reaktivität nur in chemisch
erhöhter Temperatur. Vanadium-V-oxid (V2O5) gebundener Form vor, allerdings sind reine Vana-
reagiert schwach sauer, die entsprechenden Pen- diumminerale selten und darüber hinaus nur
toxide des Niobs und Tantals (Nb2O5 bzw. Ta2O5) verstreut, das heißt in geringen Konzentrationen,
praktisch neutral. verbreitet. Die wichtigsten Vanadiumminerale
sind die ähnlich zu den Phosphaten strukturier-
ten Vanadate, so wie Vanadinit [Pb5(VO4)3Cl],
5 Einzeldarstellungen Descloizit [Pb(Zn, Cu) (OH,VO4)], Carnotit
[K2(UO2)2(VO4)2  3 H2O] und Patrónit (VS4).
Im folgenden Teil sind die Elemente der Vanadi- Der größere Teil des Vanadiums ist in geringen
umgruppe (5. Nebengruppe) jeweils einzeln mit Konzentrationen als Begleiter in Erzen anderer
ihren wichtigen Eigenschaften, Herstellungsver- Schwermetalle enthalten, zum Beispiel im Ma-
fahren und Anwendungen beschrieben. gnetit (Eisen-II, III-oxid, Fe3O4) oder in Mischer-
534 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

zen des Titans und Eisens mit Anteilen von umerze heute keine Rolle mehr für die Gewinnung
0,3–0,8 % (Hartwig 2003). Entsprechende Erze spielen. Wenn Eisenerze im Hochofen zusammen
aus Südafrika können auch Vanadiumgehalte von mit Kohle geröstet werden, werden auch die va-
bis zu 1,7 % aufweisen (Bauer 2000). Das gegen- nadiumhaltigen Verunreinigungen zu Vanadium
wärtig von Australian Vanadium erschlossene reduziert, das sich im flüssigen Eisen sammelt.
Feld in Gabanintha (Westaustralien) soll ihren Der beim Frischen in das flüssige Eisen eingebla-
Angaben zufolge ca. 184 Mt mit einem durch- sene Sauerstoff bewirkt, dass Vanadium oxidiert
schnittlichen Gehalt von 0,76 % Vanadium-V-oxid und als Vanadium-V-oxid in der Schlacke so stark
umfassen (australianvanadium.com.au 2019). angereichert wird, dass diese bis zu einem Viertel
Sind im menschlichen Körper nur ca. 0,3 ppm aus Vanadium-V-oxid besteht und somit die bedeu-
des Elementes enthalten, können es beispiels- tendste Quelle zur Herstellung von Vanadium ist.
weise der Fliegenpilz oder bestimmte Arten von Die Schlacke wird unter Zuleiten von Sauer-
Seescheiden anreichern. Letztere sind imstande, stoff mit Natriumchlorid bzw. -carbonat zu Natri-
Vanadium bis zum zehnmillionenfachen Gehalt, ummetavanadat (NaVO3) geröstet, das ausgewa-
verglichen mit dem umgebenden Meerwasser, zu schen und durch Ansäuern und darauf folgende
speichern (Holleman et al. 2007, S. 1542). Übli- Zugabe von Ammoniumsalzen als Ammonium-
cherweise liegt die dem zugrunde zu legende polyvanadat aus wässriger Lösung ausgefällt
Konzentration des Vanadiums im Meerwasser wird. Jenes wandelt man in Vanadium-V-oxid
nur bei rund 1,3 μg/L (Rehder 1991), da die meis- um, das ebenfalls dann das letzte Produkt vor
ten Verbindungen des Vanadiums schwer bis der Gewinnung reinen Vanadiums ist, wenn
überhaupt nicht wasserlöslich sind. andere vanadiumhaltige Erze als Ausgangsstoffe
Kohle und Erdöl enthalten ebenfalls Vana- verwendet werden.
dium, das darin in Konzentrationen von bis zu Ein sehr ergiebiges Verfahren zur Gewinnung
0,1 % (!) enthalten sein kann (Hartwig 2003). von Vanadium aus Rückständen der Erdölver-
Venezolanisches und kanadisches Erdöl weisen brennung beschreibt ein Patent der Ente Minera-
besonders hohe Gehalte an Vanadium auf (Holle- rio Siciliano (Corigliano et al. 1988). Erdöl hin-
man et al. 2007, S. 1543). gegen wird mit einer magnesiumnitrathaltigen
Die aktuell geförderte Menge an Vanadium wässrigen Lösung ausgewaschen, wobei Vana-
(gerechnet als Metall) bewegt sich um 78000 t/a, dium in die wässrige Phase übergeht und so vom
wobei der größte Anteil aus Russland, China und Erdöl abgetrennt werden kann. Danach durchläuft
Südafrika stammt. Die zur Zeit bekannten Reser- der Aufarbeitungsprozess alle Schritte von Ein-
ven liegen in der Größenordnung von >63 Mio. t dampfen des Feststoffes, Rösten, Ausfällen des
(Polyak 2015). Ammoniumpolyvanadats bis zur Herstellung
von Vanadium-V-oxid (Bauer 2000).
Gewinnung Del Rio und später Sefström waren Das bei allen obengenannten Verfahren anfal-
die Ersten, die den Nachweis erbrachten, dass es lende Vanadium-V-oxid reduziert man entweder
sich bei den von ihnen gefundenen Verbindungen mit Aluminium, Calcium, Ferrosilicium oder Koh-
um die eines damals neuen Elements, des Vanadi- lenstoff. Letzterer hat jedoch den Nachteil, dass er
ums, handelte (Caswell 2003; Sefström 1831). mit dem durch Reduktion erhaltenen Vanadium
Die erste Darstellung elementaren, aber noch teils weiter zu Carbiden reagiert. Ungeeignet ist
unreinen Vanadiums erfolgte 1867 durch Roscoe, aus ähnlichem Grund auch Ferrosilicium. Zur
der Vanadium-II-chlorid (VCl2) mit Wasserstoff Gewinnung reinen Vanadiums muss man daher
umsetzte. In sehr reiner Form konnte es erst Calcium oder Aluminium verwenden:
1925 durch Reaktion von Vanadium-V-oxid
(V2O5) mit Calcium hergestellt werden. V2 O5 þ 5 Ca ! 2V þ 5 CaO
Ausgangsstoffe zur Gewinnung von Vanadium
sind Erze wie Carnotit, Patronit, titanhaltige Die Verwendung von Calcium erlaubt die
Magnetite und sogar Erdöl (!), wogegen Vanadi- Herstellung reinen Vanadiummetalls, wogegen
5 Einzeldarstellungen 535

als Reduktionsmittel eingesetztes Aluminium zu- dieser Temperatur eine spontane elektrische
nächst eine Legierung mit Vanadium bildet, aus der Mikropolarisation (Krome 2003; Moro et al.
es bei hohen Temperaturen im Vakuum aufwendig 2003). Vanadium bildet auch supraleitende Legie-
durch Destillation abgetrennt werden muss. rungen, etwa mit Gallium, Zirkonium und Niob.
Für die meisten Anwendungen ist der mühsa- Chemische Eigenschaften Vanadium ist relativ
me Weg der Aufarbeitung zu reinem metallischen unedel und reagiert mit zahlreichen Nichtmetal-
Vanadium gar nicht erforderlich. Es genügt die len. Beim Lagern an der Luft behält es aber zu-
mindestens zur Hälfte aus Vanadium bestehende nächst seinen Metallglanz, bevor nach einigen
Legierung Ferrovanadium (Bauer 2000), die man Wochen Korrosion unter Bildung grüner Oxide
auf einfache Weise durch Umsetzung der beim eintritt. Beim Erhitzen an der Luft und in Sauer-
Hochofenprozess anfallenden vanadiumhaltigen stoff verbrennt es zu Vanadium-V-oxid, ebenso
Schlacke mit Kalk und Ferrosilicium erhält. reagiert es mit stark oxidierend wirkenden Halo-
Ist dagegen das durch Umsetzung von genen (Fluor und Chlor) schon bei Raumtempe-
Vanadium-V-oxid mit Calcium erhaltene Vana- ratur heftig. Mit Kohlen- und Stickstoff setzt es
dium noch nicht rein genug, so reinigt man es sich erst bei sehr hoher Temperatur zu Nitriden
nach dem Van Arkel-De Boer-Verfahren. Dabei und Carbiden um. Wasserstoff absorbiert Vana-
reagiert das am Boden einer evakuierten Ampulle dium bis zu Temperaturen von 500  C und wird
befindliche, auf hohe Temperaturen erhitzte Vana- dabei sehr spröde. Durch weiteres Erhitzen auf
dium mit gleichzeitig in der Ampulle vorhande- 700  C im Vakuum lässt sich der Wasserstoff
nem Iod. Das sich bei der Reaktion beider Ele- wieder entfernen (Bauer 2000).
mente bildende Vanadium-III-iodid (VI3) zersetzt Die meisten Säuren und Basen greifen Vana-
sich an einem über 1000  C heißen, in die dium nicht an, nur Flusssäure und stark oxidie-
Ampulle ragenden Wolframdraht wieder zu den rende Säuren (konzentrierte Schwefel- und Salpe-
Elementen, wobei sich das Vanadium in sehr rei- tersäure, Königswasser) korrodieren das Metall.
ner Form auf dem Draht abscheidet.
Verbindungen Vanadium kann in seinen Verbin-
Eigenschaften dungen in allen Oxidationsstufen zwischen +5 und
Physikalische Eigenschaften Vanadium ist ein 1 sowie auch 3 vorliegen. Am stabilsten sind
stahlgraues, bläulich schimmerndes, nichtmagne- +5 und +4. Der in wässriger Lösung erfolgende
tisches, zähes, aber schmiedbares Schwermetall Wechsel der diversen Oxidationsstufen ineinander
der Dichte 6,11 g/cm3 (Bauer 2000; s. Tab. 1). In wird anschaulich demonstriert: Im Sauren enthal-
sehr reinem Zustand ist es weich, verliert diese ten unter diesen Bedingungen gelöste Vanadium-
Eigenschaft aber, wenn es größere Beimengungen V-verbindungen farblose VO2+-Ionen. Diese kön-
anderer Elemente enthält, und wird dann sehr fest nen schrittweise reduziert werden, zuerst zu blauen
und zäh. VO2+-Ionen („V4+“), dann weiter zu grünen V3+-
In vielen physikalischen Eigenschaften ähnelt es Kationen bis hin zu grauvioletten V2+-Ionen. Eine
Titan. Es schmilzt bei der für die Elemente der ersten weitere Reduktion zu noch tieferen Oxidationsstu-
Übergangsmetallperiode relativ hohen Temperatur fen ist in wässriger Lösung nicht möglich.
von 1910  C. Bereits geringe Anteile an Kohlenstoff Chalkogenverbindungen Das wichtigste und
erhöhen den Schmelzpunkt noch deutlich; so stabilste Oxid des Vanadiums ist Vanadium-
bewirkt ein Kohlenstoffanteil von 10 % eine Erhö- V-oxid (V2O5), ein unter Normalbedingungen
hung des Schmelzpunktes um ca. 800  C (Holleman oranger (s. Abb. 2a–c), giftiger Feststoff mit
et al. 2007, S. 1543)! Vanadium kristallisiert Schmelzpunkt 690  C (Siedepunkt der Flüssig-
kubisch-raumzentriert mit zwei Formeleinheiten keit: 1750  C). Es kann durch Verbrennen von
pro Elementarzelle (Schubert 1974). Vanadium an der Luft (I) oder Glühen von
Vanadium wird unterhalb einer Temperatur Ammoniummetavanadat bei Temperaturen ober-
von 268,02  C (5,13 K) supraleitend (Waxler halb von 500  C erzeugt werden (II, Brauer 1981,
und Corack 1952), ebenso erfolgt exakt unterhalb S. 1422):
536 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Vanadium


Symbol: V
Ordnungszahl: 23
CAS-Nr.: 7440-62-2

Aussehen: Stahlgrau, metallisch, Vanadium, Stange (Dschwen Vanadium,


bläulich schimmernd materialscientist, 2006) 205 g
(Onyxmet
2018)
Entdecker, Jahr Del Río (Spanien), 1801
Sefström (Schweden), 1830
Roscoe (Vereinigtes Königreich), 1867
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
50
23V (0,25) 1,5  1017 ε > 5022Ti/β > 5024Cr
51
23V (99,75) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 410
Atommasse (u): 50,942
Elektronegativität 1,63 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred & Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: V2+ + 2 e > V (V) 1,17
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (171)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 153
Ionenradius (V5+, pm) 50
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d3 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 651 ♦ 1414 ♦ 2830 ♦ 4507 ♦ 6299
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte ♦ fünfte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,8  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): 5,0  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 128 ♦ 160 ♦ 47
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 628–640 ♦ 600–742
Mohs-Härte 7
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 4560
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 6,11
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 8,32  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 31
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,89
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1910 ♦ 2183
Schmelzwärme (kJ/mol) 21,5
Siedepunkt ( C ♦ K): 3407 ♦ 3680
Verdampfungswärme (kJ/mol): 444

(I) 4 V + 5 O2 ! 2 V2O5 verzerrten trigonalen Bipyramide vorliegen. Im


(II) 2 NH4VO3 ! 2 NH3 + H2O + V2O5 alkalischen Milieu bildet die Verbindung, analog
zu Phosphor und den von diesem abgeleiteten
Vanadium-V-oxid kristallisiert in einer Struk- Phosphaten, die das VO43-Anion enthaltenden
tur, in der die V2O5-Einheiten in Gestalt einer Vanadate. Im Unterschied zum Nichtmetall Phos-
5 Einzeldarstellungen 537

Abb. 2 a Vanadium-V-oxid (Onyxmet 2018). b Nano-Vanadium-V-oxid-Pulver (Stanford Advanced Materials 2018).


c Vanadium-V-oxid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)

phor sind jedoch Hydrogen- und Dihydrogenva-


nadate sowie die freie Vanadiumsäure instabil und
allenfalls in verdünnter wässriger Lösung charak-
terisiert. Säuert man basische Vanadatlösungen
an, werden keine Hydrogen-, sondern Polyvana-
date gebildet (Isopolysäuren, analog zu Chrom),
deren Moleküle bis zu zehn Vanadat-Einheiten
aufweisen. Einige Vanadate kommen auch in der
Natur als Mineralien vor, so der Vanadinit, Des-
cloizit und Carnotit. Abb. 3 a Vanadium-IV-oxid (Onyxmet 2018). b Nano-
Man setzt Vanadium-V-oxid in großen Mengen Vanadium-IV-oxid-Pulver (Stanford Advanced Materials
2018)
als Katalysator im Kontaktverfahren zur Produktion
von Schwefelsäure ein. Es wirkt dort als Überträger
von Sauerstoff auf Schwefeldioxid, wird selbst zwi- Die Kristallstruktur dieser Verbindung, der sie
schenzeitlich zu Vanadium-IV-oxid reduziert, aber ihre Stabilität verdankt, ähnelt der von Perlmutt.
durch weiteren Sauerstoff wieder zum V2O5 oxi- Mögliche Einsatzgebiete sind die als Elektroden-
diert. Daher findet es Verwendung bei der Rauch- material in Akkumulatoren, in flachen, flexiblen
gaswäsche, bei der Schwefel-IV-oxid aus den bei Gassensoren oder die als Aktuatoren in künstli-
der Verbrennung gebildeten Gasen ausgewaschen chen Muskeln.
und schließlich zu Sulfaten, meist Calciumsulfat Vanadium-IV-oxid (VO2) ist ein dunkelgrüner
(Gips), umgesetzt wird. Diesen Gips setzt man dann bis schwarzer Feststoff (s. Abb. 3a, b), der bei
in der Bauindustrie ein. 1970  C schmilzt.
Weißglas kann durch geringe Zusätze von Man erhält es durch Einwirkung milder
Vanadium-V-oxid zur Glasschmelze undurchlässi- Reduktionsmittel wie Schwefel-IV-oxid oder
ger für UV-Licht gemacht werden. Zusätzliche Kohlenmonoxid auf Vanadium-V-oxid:
Beschichtungen des Glases sind nicht mehr nötig.
Hauptabsatzmarkt sind Bierflaschen, durch die das V2 O5 þ SO2 ! 2VO2 þ SO3
Bier verstärkt vor UV-Strahlung abgeschirmt und
vor etwaigen, durch diese Strahlung hervorgerufe- Bei Temperaturen unterhalb von 70  C kristal-
nen Geschmacksveränderungen bewahrt wird. lisiert die Vanadium-IV-oxid in einer verzerrten,
Als Nanomaterial bildet es zusammen mit oberhalb von 70  C jedoch in einer regelmäßigen,
Wasser das sogenannte keramische Papier, wie elektrisch wesentlich leitfähigeren und parama-
jüngste Forschungen ergaben (Burghard 2013). gnetischen Rutilstruktur. Außergewöhnlich ist,
Dieses ist so fest wie Kupfer und trotzdem so dass bei einer Temperatur von 65  C ein Tripel-
biegsam, dass man es rollen und falten kann. punkt (!) zwischen einer metallisch leitenden
Von üblichen Keramiken unterscheidet sich das Phase (Rutilstruktur) mit zwei jeweils isolieren-
Material zudem, weil es elektrischen Strom leitet. den und monoklin kristallisierenden Phasen be-
538 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

steht, wobei schon minimale Abweichungen von


diesem Tripelpunkt eindeutig nur eine dieser drei
Phasen stabilisieren. Hinzu kommt, dass die bei-
den Isolatoren unterschiedliche magnetische
Eigenschaften besitzen (Park et al. 2013). Der
sehr schnell verlaufende Übergang von einer
Phase in die andere erlaubt den Einsatz von
Vanadium-IV-oxid als optischer Schalter; so
erfolgt bei einer Temperatur von 68  C beispiels-
weise der Sprung von einer durchsichtigen, halb- Abb. 4 Vanadium-III-oxid (Onyxmet 2018)
leitenden in eine spiegelglänzend aussehende,
metallisch leitende Modifikation. Das Dotieren
der Verbindung mit geringen Mengen Wolfram siert im kubischen Natriumchloridtyp (Blachnik
(eingebracht in Form von Wolfram-VI-chlorid) et al. 1998, S. 790). Es besteht möglicherweise
bewirkt die Absenkung der Sprungtemperatur sogar aus zwei verschiedenen Phasen (VO0,86 bis
auf bis zu 29  C, was die Verwendung von VO2 VO0,91 sowie VO1,05 bis VO1,25). In Säuren löst es
als Bestandteil hitzeabweisender Beschichtungen sich unter Bildung hydratisierter V2+-Ionen, die
ermöglicht (Manning und Parkin 2004). allerdings besonders in wässriger Phase sehr
Vanadium-IV-oxid ist wie Titan-IV-oxid leicht einer Oxidation zum grünen V3+-Ion unter-
amphoter. Es ist sowohl in starken Säuren unter liegen.
Bildung des [VO(H2O)5]2+-Ions als auch in star- An Vanadiumsulfiden kennt man nicht weniger
ken Basen löslich, mit denen es unter Entstehung als 15 verschiedene Verbindungen mit einer
von [VO(OH)3]-Ionen (Vanadat-IV) reagiert. Zusammensetzung zwischen V3S und VS4 (Van
Vanadium-III-oxid (V2O3) kommt in der Natur Doren 1967); sie sind sämtlich graue bis schwarze
selten in mineralischer Form (Karelianit) vor, ist Feststoffe. Zusätzlich treten diese Sulfide mit
in frisch hergestelltem Zustand aber empfindlich ziemlich großen Homogenitätsbreiten auf. Das
gegenüber Luftsauerstoff. Man kann es beispiels- Schmelzen von Vanadium mit Schwefel liefert
weise mittels Reduktion von Vanadium-V-oxid bereits eine Reihe von Sulfiden, die die ungefäh-
mit Wasserstoff oder Kohlenmonoxid herstellen ren Zusammensetzungen V2S2, V2S3 und VS4
(Brauer 1981, S. 1419): aufweisen. Eine gezielte Synthese aus den Elemen-
ten unter Einhaltung stöchiometrischer Mengen
V2 O5 þ 2H2 ! V2 O3 þ 2 H2 O gibt auch in etwa die gewünschten Verbindungen;
eine Reindarstellung eines einzelnen Sulfids ist
Das mattschwarze (s. Abb. 4), als carcinogen auf diese Weise aber nicht möglich. Das Erhitzen
und mutagen eingestufte Vanadium-III-oxid kris- bzw. Glühen höherer Sulfide im Hochvakuum
tallisiert im Korund- (Aluminiumoxid-)Typ und liefert niedere Sulfide (Brauer 1981, S. 1426).
oxidiert an der Luft langsam zu Vanadium-V-oxid. So ergibt beispielsweise die Thermolyse von
Vanadium-II-oxid (VO) ist ein graues, bei Ammoniumthiovanadat-V [(NH4)3VS4] Vanadi-
950  C schmelzendes Pulver und entsteht aus um-V-sulfid (V2S5).
dem oben beschriebenem Vanadium-III-oxid durch In verdünnten Säuren sind die Vanadiumsulfi-
dessen Umsetzung mit metallischem Vanadium de kaum (!), in Laugen leichter unter Bildung von
unter Luftausschluss bei Temperaturen zwischen Thiooxovanadaten löslich. VS4 löst sich bei-
1200 und 1800  C (Brauer 1981, S. 1419): spielsweise in Alkalilauge komplett auf.
Vanadium-II-sulfid (V2S2) ist leicht zersetzlich,
V2 O3 þ V ! 3 VO Vanadium-III-sulfid (V2S3) ist ein in Halbleitern
eingesetzter grauschwarzer Feststoff der Dichte
Es existiert in einem weiten Homogenitätsbe- 4,7 g/cm3 und immerhin noch bis zu Temperatu-
reich zwischen VO0,86 und VO1,25 und kristalli- ren von 600  C stabil (Perry 2011).
5 Einzeldarstellungen 539

Vanadium-IV-selenid (VSe2) ist ein grauer Vanadium-IV-fluorid kristallisiert monoklin


Feststoff der Dichte 5,83 g/cm3 und wird in Halb- und disproportioniert in der Hitze, wie oben er-
leitern eingesetzt. Das System Vanadium-Selen wähnt, zu Vanadium-III-fluorid (VF3) und Vana-
wurde hinsichtlich bei tiefer Temperaturen eintre- dium-V-fluorid (VF5) (Becker und Müller 1990).
tender Kristallisation definierter Verbindungen Vanadium-III-fluorid (VF3) ist ein graugrünes
untersucht. Dabei erhielt man die sowohl inkon- Pulver der Dichte 3,4 g/cm3, das bei einer Tem-
gruent schmelzenden Verbindungen V2Se9 und peratur von 1406  C schmilzt (Siedepunkt der
V5Se4 als auch eine kinetisch stabile Verbindung Flüssigkeit: 1427  C). Man stellt es durch
der ungefähren Zusammensetzung V0,8Se, das Reaktion von Vanadium-III-oxid mit Flusssäure
erst bei Temperaturen von 500  C in eine her (I). Die Synthese (II) aus Vanadium-III-oxid
Mischung der Verbindungen VSe2x und V5Se4 und Ammoniumdihydrogenfluorid sowie nachfol-
disproportioniert (Overbay et al. 1996). gender Thermolyse des zwischenzeitlich gebilde-
Vanadium-IV-tellurid (VTe2) ist in kristalliner, ten Triammoniumhexafluorovanadat-III ist eben-
hochreiner Form im Handel erhältlich und wird in falls möglich (Sturm und Sheridan 1963):
der elektronischen Industrie als Halbleiter einge-
setzt. Vanadium-II-tellurid (VTe) ist antiferroma- (I) V2O3 + 6HF ! 2VF3 + 3H2O
gnetisch mit einer Néel-Temperatur von ca. 147  C (II) V2O3 + 6 NH4F 2 HF ! 2(NH4)3VF6 +
(420 K) und hat metallische Eigenschaften (Prasad 3 H 2O
et al. 1980). 2 (NH4)3VF6 + 3H2O ! 3 NH3 + 2 VF3 +
Halogenverbindungen Es existiert nur ein Pen- 6 HF
tahalogenid, das Vanadium-V-fluorid (VF5). Mit Alternativ kann man auch Vanadium-III-chlorid
Chlor und Brom geht Vanadium Verbindungen mit Fluorwasserstoff umsetzen:
mit Oxidationsstufen +4, +3 und +2 ein, mit Iod (III) 2 VCl3 + 6HF ! 2VF3 + 6 HCl
bildet Vanadium noch das Di- und Triiodid (VI2
und VI3). Von allen diesen Verbindungen sind Die Verbindung kristallisiert trigonal; im Gitter
lediglich Vanadium-IV-chlorid (VCl4) und Vana- befinden sich VF6-Oktaeder, die in Richtung aller
dium-III-chlorid (VCl3) technisch als Katalysator Hauptachsen (x, y, z) kantenverknüpft sind
für die Herstellung von Ethylen-Propylen-Dien- (Daniel et al. 1992).
Kautschuk wichtig. Vanadium-IV-chlorid (VCl4) ist durch Chlorie-
Vanadium-V-fluorid (VF5) ist eine farblose, ren von Vanadium bei Temperaturen von >300  C
viskose Flüssigkeit der Dichte 2,5 g/cm3, die bei darstellbar. Die dunkelrotbraune, ölige, an der
Temperaturen von 48  C bzw. 19,5  C siedet bzw. Luft rauchende Flüssigkeit hat einen Schmelz-
erstarrt. Im Feststoff bildet die Verbindung poly- punkt von 28  C und siedet bei 148,5  C. Mit
mere Ketten aus. In Wasser löst sich VF5 mit Wasser hydrolysiert sie heftig unter Bildung von
rötlicher Farbe. Die Synthese erfolgt bei höheren Chlorwasserstoff und einer durch Vorhandensein
Temperaturen aus den Elementen Vanadium von VO2+-Ionen blauen Lösung. Die Verbindung
und Fluor oder durch Disproportionieren von löst sich in konzentrierter Salzsäure unter Entste-
Vanadium-IV-fluorid (VF4); durch Erhitzen letzt- hung einer braunen Lösung; in Ether ist sie eben-
genannter Verbindung lassen sich VF3 und VF5 falls gut löslich (tiefrote Lösung; Brauer 1981,
erhalten (Brauer 1963, S. 253). S. 1412). Eingestuft ist auch diese Verbindung
Vanadium-IV-fluorid (VF4) ist ein hellgrüner, als carcinogen und mutagen.
hygroskopischer Feststoff, der bei einer Tempera- Vanadium-IV-chlorid wirkt stark oxidierend
tur von 325  C Zersetzung erleidet (Ruff und Lick- und gibt bereits bei Raumtemperatur langsam
fett 1911). Man stellt es durch Umsetzung von Chlor unter gleichzeitigem Abbau zum Trichlorid
Flusssäure mit Vanadium-IV-chlorid bei niedriger ab. Diese ständige Abgabe von Chlor kann ein
Temperatur her (Holleman et al. 2007, S. 1547): Sprengen fest verschlossener Gefäße verursachen.
Nur in Form einer Lösung in Tetrachlorkohlenstoff
VCl4 þ 4HF ! VF4 þ 4HCl ist es unzersetzt haltbar, allerdings muss es daraus
540 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

im Bedarfsfall durch fraktionierte Destillation erst verwendet Vanadium-II-chlorid als starkes Re-
wieder isoliert werden (Brauer 1981, S. 1412). duktionsmittel zur Herstellung von Sulfiden aus
Vanadium-IV-chlorid ist Ausgangsmaterial zur Sulfoxiden, von Aminen aus Aziden und auch für
Herstellung weiterer Verbindungen des Vanadiums, reduktive Kopplungen. Die Verbindung kristalli-
zudem setzt man es als Chlorierungsmittel bei eini- siert im Cadmiumiodid-Gittertyp.
gen organischen Synthesen, beispielsweise bei der Auch für Vanadium-II-chlorid bestehen meh-
elektrophilen Kopplung von Phenolen (Holleman rere mögliche Synthesewege, so durch Reduktion
et al. 2007, S. 1548), ein: von VCl3 mit Wasserstoff bei hoher Temperatur,
durch Disproportionierung von VCl3 und Abde-
2C6 H5 OH þ 2VCl4 ! HO  C6 H4  C6 H4 stillieren des gleichzeitig gebildeten VCl4 oder
 OH þ 2VCl3 þ 2HCl direkt aus den Elementen unter Einhaltung der
stöchiometrischen Menge an Chlor.
Vanadium-III-chlorid (VCl3) ist in Form des Vanadium-IV-bromid (VBr4) ist ein zersetzli-
Hexahydrats ein grünes, hygroskopisches Pulver. cher, purpurroter, kristalliner Feststoff, der nur in
Die wasserfreie Form ist ebenfalls stark wasser- der Gasphase und bei Temperaturen unterhalb von
anziehend und liegt in Form rosaroter bis violetter 23  C beständig ist (Holleman et al. 2007,
Kristalle vor, die oberhalb einer Temperatur S. 1547). Bei höheren Temperaturen spaltet es
von 300  C schmelzen. Es kristallisiert trigonal- Brom ab und geht in Vanadium-III-bromid
rhomboedrisch (Brauer 1981, S. 1407–1410). (VBr3) über. Man kann VBr4 aus den Elementen
Vanadium-III-chlorid gewinnt man durch Erhit- bei Temperaturen um 300  C herstellen:
zen von Vanadium-IV-chlorid auf Temperaturen
von 160  C (I), aus den Elementen (Holleman et al. V þ 2 Br2 ! VBr4 ,
2007, S. 1550, II) oder elegant aus Vanadiumoxi-
den und den jeweiligen Schwefelchloriden (III): muss das dabei entstehende gasförmige Tetrabro-
mid aber sofort in Vorlagen, die auf einer Tempe-
(I) 2VCl4 ! 2VCl3 + Cl2 ratur von 78  C gehalten sind, auffangen, um es
(II) 2V + 3Cl2 ! 2VCl3 zu stabilisieren.
(III) V2O3 + 3SOCl2 ! 2VCl3 + 3SO2 Vanadium-III-bromid (VBr3) erzeugt man
2V2O5 + 6S2Cl2 ! 4VCl3 + 5SO2 + 7S durch Reaktion von Vanadium-IV-chlorid mit
wasserfreiem Bromwasserstoff; dabei entsteht
In angesäuertem Wasser ist es ohne Hydrolyse zuerst unbeständiges und sofort unter Abgabe
löslich. Wird es auf Temperaturen über 400  C von Brom zerfallendes Vanadium-IV-bromid:
erhitzt, so disproportioniert es zu Vanadium-II- 2VCl4 + 8HBr ! 2VBr3 + 8HCl + Br2
bzw. -IV-chlorid (Housecroft und Sharpe 2005). Ebenso kann man die Synthese aus den Ele-
Mit Wasserstoffgas kann man es bei Temperatu- menten Vanadium und Brom wählen (Brauer
ren um 700  C zum Dichlorid reduzieren. VCl3 ist 1981, S. 1413):
Ausgangsstoff zur Darstellung von Vanadium-III-
Komplexen, zum Beispiel mit Tetrahydrofuran 2V þ 3 Br2 ! 2 VBr3
oder Acetonitril [VCl3(THF)3 (Heyn 2007) bzw.
VCl3(MeCN)3]. Eine weitere Einsatzmöglichkeit Die schwarzen, blättrigen, stark wasseranzie-
ist die als Katalysator bei Polymerisationen. henden Kristalle lösen sich in Wasser mit grüner
Vanadium-II-chlorid (VCl2) ist ein hellgrüngel- Farbe. Die Verbindung kristallisiert trigonal-
ber Feststoff, der bei 910  C sublimiert. Aus ihm rhomboedrisch, damit isotyp zu Vanadium-III-
konnte Roscoe 1867 erstmalig elementares Vana- chlorid, und wird durch Luftfeuchtigkeit und Licht
dium darstellen. Es ist nicht so hygroskopisch wie zersetzt zu Vanadium, Vanadiumoxiden und Brom-
die höheren, oben beschriebenen Vanadiumchlo- wasserstoff. Vanadium-III-bromid bildet beispiels-
ride und ist in den meisten organischen Lösungs- weise mit Tetrahydrofuran rotbraune, lösliche
mitteln unlöslich (Brauer 1981, S. 1408). Man Komplexverbindungen (Fowler et al. 1967).
5 Einzeldarstellungen 541

Vanadium-III-iodid (VI3) ist ein braunschwar-


zer, hygroskopischer Feststoff, der schon bei
schwach erhöhter Temperatur zu sublimieren
beginnt. Es kristallisiert trigonal, ist oxidations-
empfindlich und stark wasseranziehend (Holle-
man et al. 2007, S. 1550). Man gewinnt es meist
aus den Elementen (Brauer 1981, S. 1415):

2V þ 3 I2 ! 2VI3

Die Verbindung ist ein Zwischenprodukt bei


der Feinreinigung von Vanadium durch das Abb. 5 Vanadium-V-oxidtrichlorid, reagiert momentan
Van-Arkel-de-Boer-Verfahren; sie wird während mit Wasser (Walkerma 2005)
des Prozesses bei relativ niedrigen Temperaturen
aus den Elementen gebildet, sublimiert und zer- Reaktionsfähigkeit ähnelt es Phosphor-V-oxidtri-
setzt sich an einem auf Temperaturen von chlorid, ist aber ein deutlich stärkeres Oxidations-
>1000  C erhitzten Draht wieder in die Elemente, mittel als dieses. Die Verbindung ist eine starke
so dass der Reaktionskreislauf von neuem be- Lewis-Säure und findet industriell Verwendung
ginnt. als Bestandteil des Katalysators zur Polymeri-
Oxohalogenverbindungen Vanadium-V-oxid- sation von Ethen unter Niederdruck. Bei seiner
trifluorid (VOF3) ist durch Reaktion von Anwendung müssen Vorsichtsmaßnahmen getrof-
Vanadium-III-fluorid mit Sauerstoff oder durch fen werden, da es als krebserzeugend ein-
teilweise Hydrolyse von Vanadium-V-fluorid her- gestuft ist.
stellbar (Raj 2008): Man stellt Vanadium-V-oxidchlorid durch
Chlorierung von Vanadium-V- bzw. -III-oxid her
2VF3 þ O2 ! 2VOF3 [(I), (II), (III), Brauer 1981, S. 1417] oder durch
VF5 þ H2 O ! VOF3 þ 2 HF Erhitzen von Vanadium-III-chlorid im Sauerstoff-
strom (IV):
Vanadium-V-oxidtrifluorid ist ein hellgelber,
feuchtigkeitsempfindlicher Feststoff, der ortho- (I) 6 Cl2 + 2 V2O5 ! 4 VOCl3 + 3 O2
rhombisch kristallisiert und bei 300  C schmilzt; (II) 3 SOCl2 + V2O5 ! 2 VOCl3 + 3 SO2
die Flüssigkeit siedet bei 480  C (Blachnik et al. (III) 6 Cl2 + 2 V2O5 ! 4 VOCl3 + O2
1998, S. 790). Es reagiert mit Wasser unter voll- (IV) 2 VCl3 + O2 ! 2VOCl3
ständiger Hydrolyse zu Vanadium-V-oxid:
Vanadium-V-oxidtrichlorid liegt in flüssiger
2 VOF3 þ 2 H2 O ! V2 O5 þ 6 HF Form monomolekular und in tetraedrischer Struk-
tur vor. Die Substanz ist löslich in Ethanol und
Die Verbindung verwendet man zur oxidativen Eisessig. Man verwendet es nicht nur als Kata-
Kupplung von Phenolen, die zum Beispiel bei der lysator für Polymerisationen von Olefinen (Ethen
Synthese nicht-penicilliner Antibiotika wie Vanco- und Propen), sondern auch zur Kupplung von
mycin erforderlich ist (Vanasse und O’Brien 2009). Phenolen und als Oxidans zur Synthese organi-
Vanadium-V-oxidchlorid (VOCl3) ist eine scher Vanadiumverbindungen.
gelbe (s. Abb. 5), mit Wasser heftig unter Hydro- Vanadium-IV-oxidchlorid (VOCl2) liegt in grü-
lyse zu Vanadium-V-oxid und Chlorwasserstoff nen, hygroskopischen, orthorhombisch kristalli-
reagierende Flüssigkeit, die erst bei 77  C sierenden Tafeln vor, die in Wasser mit blauer
erstarrt und bei 127  C siedet. Farbe löslich sind und bei einer Temperatur von
Ohne wesentliche Zersetzung ist es in wasser- 380  C schmelzen (Blachnik et al. 1998, S. 790;
freiem Eisessig oder Ethanol löslich. In seiner Milne 2005). Man kann die Substanz durch
542 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Reaktion von Vanadium-V-oxid (V2O5) mit einer Hochfrequenzanwendungen und Photodioden


Mischung aus Vanadium-III-chlorid (VCl3) und eingesetzt wird. Silberglänzende, extrem dünne
Vanadium-V-oxidtrichlorid (VOCl3) im Sinne (50 bis 300 nm) Filme erzeugte man aus Organo-
einer Komproportionierung gewinnen (I) oder vanadiumverbindungen und organischem Phos-
noch einfacher aus Vanadium-V-oxidtrichlorid phan auf quarzbeschichtetem Glas bei Tempera-
(VOCl3) und Vanadium-III-oxidchlorid (VOCl) turen zwischen 400 und 550  C (Blackman et al.
(Brauer 1981, S. 1416; II): 2004) ohne messbare Verunreinigung mit Stick-
oder Kohlenstoffverbindungen. Diese Methode
(I) V2O5 + 3 VCl3 + VOCl3 ! 6 VOCl2 erwies sich als die geeignetste, um generell Me-
(II) VOCl3 + VOCl ! 2 VOCl2 tallphosphide aus der Gasphase abzuscheiden.
Aus tert.-Butyldihydrogenarsan und Vanadium-
Vanadium-IV-oxiddichlorid wirkt stark redu- IV-chlorid bzw. -V-oxidchlorid kann durch chemi-
zierend und wird dementsprechend zum Beispiel sche Abscheidung aus der Gasphase ein aus dem
zur Entfernung von Arsen-III-chlorid aus Chlor- halbleitenden Material Vanadiumarsenid (VAs)
wasserstoff verwendet oder auch in der reduktiven bestehender Film abgeschieden werden (Thomas
Textilbeize. 2011).
Pnictogenverbindungen Vanadiumnitrid (VN) Sonstige Verbindungen Vanadiumcarbid (VC)
ist ein dunkelolivgrünes bis schwarzes, halbme- ist ein graues, geruchloses Pulver (s. Abb. 7a, b)
tallisches Pulver (s. Abb. 6), das bei einer Tempe- der Dichte 5,77 g/cm3 und einem Schmelz- bzw.
ratur von 2060  C schmilzt. Die Verbindung liegt Siedepunkt von 2810  C bzw. 3900  C. Es ist sehr
in einem weiten Homogenitätsbereich von VN1,0 hart und wird bevorzugt in hochtemperaturfesten
bis VN0,7 vor und kristallisiert im kubischen Schneidwerkzeugen eingesetzt. Legierungen zu-
Natriumchlorid-Gittertyp. Vanadiumnitrid ist un- gesetzt, hemmt Vanadiumcarbid das ungewünsch-
löslich in Wasser, wird aber durch Salzsäure zu te Kornwachstum (Bauer 2000). Die Verbindung
Vanadium-III-chlorid und Ammoniumchlorid hy- ist als krebserzeugend und mutagen jeweils in der
drolysiert. Mit Vanadiumcarbid und Vanadium-II- Kategorie 2 eingestuft. Die Herstellung erfolgt aus
oxid bildet es Mischkristalle. Vanadium-V-oxid oder Vanadium und Kohlen-
Man stellt es aus Vanadium und Stickstoff oder stoff.
auch Ammoniak her (Brauer 1981, S. 1436): Vanadiumdisilicid (VSi2) ist ein graues bis
schwarzes Pulver der Dichte 4,42 g/cm3, das in
2 V þ N2 ! 2 VN Reinheiten bis zu 5N im Handel erhältlich ist.
2 V þ 2 NH3 ! 2 VN þ 3 H2 Seine Herstellung ist schon vor langer Zeit
beschrieben worden (Tu et al. 1973). Vanadium-
Vanadiumphosphid (VP) ist ein grauer Fest- silicide bildeten sich bei Kontakt von Vanadium an
stoff der Dichte 5,42 g/cm3, der in hohen Rein- der Grenzfläche mit Siliciumplättchen; für VSi2
heitsstufen erhältlich ist und als Halbleiter in

Abb. 7 a Vanadiumcarbid (Onyxmet 2018). b Mikro-


Vanadiumcarbid, 100 μm (Stanford Advanced Materials
Abb. 6 Vanadiumnitrid (Onyxmet 2018) 2018)
5 Einzeldarstellungen 543

lag die Bildungstemperatur zwischen 600 und der Elemente aufeinander auf dem Stahlträger bei
1000  C. Dagegen reagierte Silicium-IV-oxid Temperaturen >1200  C erforderlich.
mit Vanadium erst bei einer Temperatur oberhalb Neben Vanadiumdiborid gibt es auch ein Va-
von 800  C unter Bildung von V3Si, V5Si3 und nadiummonoborid (VB), das ebenfalls ein
V2O5. V3Si wird bei 258  C supraleitend. hochschmelzender, grauschwarzer Festkörper
Spätere Untersuchungen zeigten, dass VSi2 der Dichte 5,52 g/cm3 ist.
zunächst als erstes Vanadiumsilicid an der Pha- In organischen Vanadiumverbindungen tritt das
sengrenze von Einkristallen aus Silicium und Element oft in seinen niedrigsten Oxidationsstufen
Vanadium entsteht. Ist jedoch ein dünner Vana- auf, +2, 0, 1 und 3. Vanadocen [Bis(cyclopen-
diumfilm und/oder amorphes Silicium beteiligt, tadienyl)vanadium] beispielsweise setzt man als
bilden sich entweder VSi2 oder -meist- V3Si, Katalysator für die Polymerisation von Alkinen
wobei beide Verbindungen sich nie zusammen ein. Es wurde zuerst von Birmingham et al. durch
bilden (Schutz und Testardi 1979). Vor einigen Reduktion von Vanadocendichlorid mit Alumi-
Jahren durchgeführte Versuche zeigten die Exis- niumhydrid dargestellt (1954); aus der Reaktions-
tenz noch weiterer Silicide (V5Si3, V6Si5); alle mischung wurde Vanadocen bei Temperaturen
oben genannten Vanadiumsilicide waren harte, um 100  C absublimiert. Aus einem unter Verwen-
hochschmelzende, nichtmagnetische Feststoffe dung von Tetrahydrofuran stabilisierten Addukt
mit sonst metallischen Eigenschaften (Thieme ([V2Cl3(THF)6]2[Zn2Cl6]) erzeugte man durch
und Gemming 2009). Reaktion mit Cyclopentadienylnatrium ebenfalls
Vanadiumdiborid (VB2) ist ein in Pulverform Vanadocen (Jordan 2009). Die Molekülstruktur
dunkelgrauer Feststoff (s. Abb. 8) der Dichte des purpurfarbenen, kristallinen, paramagnetischen
5,1 g/cm3, den man zur Herstellung hochfeuerfes- Feststoffes zeigt das V2+-Ion äquidistant zwischen
ter Keramik einsetzt. beiden Cyclopentadienyl-Ringen. Die durch-
Vanadiumdiborid wird durch Schmelzen stö- schnittliche V–C-Bindungslänge liegt bei 226 pm
chiometrischer Mengen Vanadium- mit Borpulver und der Abstand der Ringe bei 390 pm (Rogers et al.
bei hoher Temperatur gebildet. Ein aktuelles Ver- 1981; Jellinek 1959); die Dissoziationsenergie für
fahren ist die kürzlich durchgeführte Synthese bei die Cp–V-Bindung wird mit großer Schwankungs-
1430  C und Drücken von 8 GPa; das so herge- breite zwischen 145 bzw. 369 kJ/mol zitiert (Huheey
stellte Vanadiumdiborid hat metallische Leitfähig- et al. 2003, S. 797). Der purpurfarbene, paramagne-
keit und eine auch noch bei Temperaturen von tische, kristalline Feststoff schmilt unter Luft- und
>1100  C sehr hohe Vickers-Härte (Wang et al. Feuchtigkeitsausschluss bei 167  C.
2018). In einer anderen Arbeit (Gidikova 2000) Das Molekül des Vanadocens lagert leicht wei-
wurde die Bildung von Vanadiumdiborid in Form tere Liganden an und ist auch leicht zu seinem
sehr dünner Schichten auf Stahl untersucht; dabei Monokation oxidierbar (Calderazzo et al. 1999).
war allerdings eine mehrstündige Einwirkung bei- Butyllithium reduziert es in Gegenwart von
1,3-Cyclohexadien als Lösungsmittel zu Monocy-
clopentadienyl-Benzol-Vanadium [(C5H5)V(C6H6)]
(Kupfer 2007).

Analytik Die reduzierende Flamme des Bun-


senbrenners färben Verbindungen des Vanadi-
ums grün. Das bei der Oxidation emittierte Licht
ist schwachgelb und scheidet, da unspezifisch,
als mögliches Mittel zur Identifikation aus (Jan-
der et al. 1995, S. 218). Einer der möglichen
qualitativen Nachweise für das Element sind
dagegen Peroxovanadiumionen, die man durch
Abb. 8 Vanadiumdiborid (Onyxmet 2018) Versetzen saurer, Vanadium-V-Verbindungen ent-
544 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

haltender Lösungen mit etwas Wasserstoffperoxid stützt in Form vanadiumhaltiger Nitrogenasen


erhält, worauf sich rötlich-braune [V(O2)]3+-Ionen bestimmte Bakterienarten (Azotobacter oder
bilden. Ein Überschuss von Wasserstoffperoxid Cyanobakterien), molekularen Stickstoff zu bin-
liefert die gelbliche Peroxovanadiumsäure den und dann chemisch umzusetzen (Rehder
[H3VO2(O2)2]. 1991). Jedoch wiegt der Einfluss möglicherweise
Quantitativ bestimmt man das Element vorhandenen Molybdäns stärker, so dass vana-
titrimetrisch, indem die vanadiumhaltige, diumhaltige Nitrogenasen nur dann aktiviert
schwefelsaure Lösung durch Zugabe von Kali- werden, wenn Molybdän fehlt (Kaim und
umpermanganat zu Vanadium-V oxidiert wird, Schwederski 2005, S. 241). Weitere vanadium-
das man dann mittels einer Eisen-II-sulfatlö- haltige Enzyme (Haloperoxidasen) kommen in
sung und Einsatz von Diphenylamin als Indi- Braunalgen und Flechten vor, die wichtig zum
kator zurücktitriert. In Spuren ist Vanadium Aufbau halogenorganischer Verbindungen im
quantitativ mit Hilfe der Atomabsorptionsspek- Organismus sind.
trometrie bei einer Wellenlänge von 318,5 nm Strukturell ähneln Vanadate Phosphaten sehr
nachweisbar. und haben daher auch vergleichbare Wirkungen.
Vanadat bindet aber stärker an betreffende Enzyme
Anwendungen Mehr als neun Zehntel des pro- und steuert daher die an der Phosphorylierung
duzierten Vanadiums setzt man legiert mit Eisen, beteiligten Enzyme, wie zum Beispiel die Na-
Titan, Nickel, Chrom, Aluminium oder Mangan trium-Kalium-ATPase, und kann diese sogar blo-
ein, davon den mit Abstand größten Teil in ckieren. Diese Hemmung lässt sich aber mittels
Vanadiumstählen. Schon geringe Mengen an Va- Desferrioxamin B schnell wieder beseitigen. Vana-
nadium (0,5 bis 5 %) erhöhen deutlich die Fes- dium ist zudem in der Lage, in der menschlichen
tigkeit, Zähigkeit und somit die Verschleißfestig- Leber den Abbau von Glucose zu beschleunigen
keit des Stahls, denn Vanadium verbindet sich mit und damit den Glucosespiegel des Blutes zu ver-
dem im Stahl enthaltenen Kohlenstoff zu Vanadi- ringern (Hartwig 2003). Intensive Forschungen, ob
umcarbid. Aus Titan, Vanadium und Aluminium Vanadiumverbindungen zur Behandlung von Dia-
hergestellte Legierungen zeichnen sich durch betes mellitus Typ 2 in Frage kommen, erbrachten
besonders große Stabilität aus und finden im Flug- aber noch keine eindeutigen Ergebnisse (Smith
zeugbau Verwendung, wo sie in tragenden Teile et al. 2008). Schließlich regt Vanadium den oxida-
und Turbinenblättern von Triebwerken eingebaut tiven Abbau von Phospholipiden an und hemmt die
werden (Bauer 2000). Synthese von Cholesterin.
Obwohl es einen kleinen Einfangquerschnitt Bei der pflanzlichen Fotosynthese katalysieren
für thermische Neutronen besitzt, nutzt man nur Vanadiumionen die im Zuge der Synthese von
einen kleinen Teil der Produktion zur Erzeugung Chlorophyll ablaufende Reaktion zur Bildung
von Hüllen für Reaktorbrennstäbe. Der Rest wird von 5-Aminolävulinsäure, ohne dass die Gegen-
zu Vanadium-V-oxid umgesetzt, das meist als wart eines Enzyms erforderlich wäre (Rehder
Katalysator, zum Beispiel für die Herstellung 1991).
von Schwefelsäure, genutzt wird. Vanadium und seine anorganischen Verbin-
Ein bedeutendes zukünftiges Einsatzgebiet dungen werden in die Kanzerogenitäts-Kategorie
werden Vanadium-Redox-Akkumulatoren sein, 2 eingeordnet (Rodríguez-Mercado et al. 2001).
die heute schon in Großspeichern für die Fotovol- Lange Jahre bei der Verhüttung von Metallen
taik oder in Windkraftanlagen anzutreffen sind. eingeatmete, vanadiumhaltige Stäube ließen Ar-
beiter an Vanadismus erkranken, einer anerkann-
Physiologie und Toxizität Vanadium ist essen- ten Berufskrankheit. Diese äußert sich meist
ziell für viele Organismen und übt einige zentrale in Reizung der Schleimhäute, einer grünschwar-
Funktionen aus. Es steuert, unter gleichzeitiger zen Verfärbung der Zunge sowie auch chro-
Beteiligung anderer Ionen, beispielsweise die bei nischen Lungen- und Darmerkrankungen
der Phosphorylierung tätigen Enzyme und unter- (Hartwig 2003).
5 Einzeldarstellungen 545

Patente Y. L. Sun und M. Z. Tsai, Method for reco-


(Weitere aktuelle Patente siehe https://world very of vanadium in vanadium-contai-
wide.espacenet.com ) ning waste catalyst (Hong Jing Metal
Corp., TW I635184 B1, veröffentlicht
D. Brown und E. M. Barrentine, Nano- 11. September 2018)
structured vanadium oxide uncooled D. E. G. Connelly und D. S. Yan, Method
bolometers and method of fabrication for the extraction and recovery of vana-
(The US Administrator of NASA, US dium (TNG Ltd., CA 3025458 A1, ver-
10184839 B1, veröffentlicht 22. Januar öffentlicht 24. November 2011)
2019)
T. N. Lambert und M. Hibbs, Electrochemical
cell having a vanadium phosphorus alloy
electrode (National Technical & Enginee- 5.2 Niob
ring Solutions of Sandia LLC, US
10186740 B1, veröffentlicht 22. Januar Geschichte Die Erstentdeckung des Niobs er-
2019 folgte 1801 durch Hatchett, der es in einer auf-
S. Banerjee und K. E. Pelcher, Thermochro- geschlossenen Probe des Minerals Columbit fand
mic fenestration films containing vana- und das er Columbium nannte. Da nur ein Jahr
dium dioxide nanocrystals (The Texas A später das höhere Homologe des Niobs, das Tantal,
& M University System, WO 2019006151 im gleichen Mineral entdeckt wurde, glaubte man,
A1, veröffentlicht 3. Januar 2019) dass man hier zunächst ein und dasselbe Element
D. M. Viano und M. D. Dolan, A method of gefunden hätte. Es dauerte bis 1844, als Rose Niob
joining and sealing a vanadium based und Tantal erstmalig voneinander trennen konnte.
membrane to a metallic connection sec- Rose war dabei die Entdeckung Hatchetts nicht
tion (Commonwealth Scientific In- bekannt; er nannte das nun wiederaufgefundene
dustrial Research Organization, WO Element wegen seiner großen Ähnlichkeit zu Tan-
2019000026 A1, veröffentlicht 3. Januar tal nach Niobe, der Tochter des Tantalus. Nach wie
2019) vor bestand aber rund hundert Jahre eine Kontro-
P. Gauthier und E. Di Cesare, Recovery of verse in Fachkreisen über diese Benennung, die die
scandium and vanadium values from IUPAC erst 1950 beendete, indem sie den Namen
feedstocks using ultrasound-assisted Niob offiziell anerkannte.
extraction (Central America Nickel Inc., Bereits 1864 stellte Blomstrand durch Leiten
WO 2018232528 A1, veröffentlicht 27. von Wasserstoff über erhitztes Niob-V-chlorid
Dezember 2018) metallisches Niob -in noch unreiner Form- her, fast
M. A. Rodriguez und N. S. Bell, Vanadium zur gleichen Zeit führte Marignac den Beweis zur
oxide for infrared coatings and methods Eigenständigkeit des Tantals. 1907 gelang von Bol-
thereof (National Technical and Engi- ton die Reindarstellung des Niobs, indem er flüs-
neering Solutions of Sandia LLC, US siges Natrium mit einem Heptafluoroniobat zur
10160660 B1, veröffentlicht 25. Dezem- Reaktion brachte (Holleman et al. 2007, S. 1553).
ber 2018)
X. Tian und S. Wei, Vanadium-based cata-
lyst and preparation method therefor
Charles Hatchett (* 1 Februar 1765
(China Petroleum & Chemical Corp.;
London; † 3. Oktober 1847 London) war
Research Institute of Nanjing Chemical
ein englischer Chemiker und Mineraloge,
Industrial Group, WO 2018227362 A1,
der den Zugang zur Naturwissenschaft erst
veröffentlicht 20. Dezember 2018) relativ spät fand. In einer Probe des Mine-
546 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

rals Columbit entdeckte er 1801 erstmals promovierte 1850 an der Universität Lund
das später Niob genannte Element; er be- und wurde dort 1854 Dozent, 1862 auch
nannte es noch als Columbium (Hatchett Professor der Chemie und Mineralogie.
1802a). Rose entdeckte das Element dann 1871/72 war er Rektor der Universität, seit
erst 1844 wieder, nannte es aber Niob. Er 1861 Mitglied der Stockholmer Akademie
war bis 1806 auf dem Gebiet der Mineralo- der Wissenschaften. Er entdeckte einige bis
gie aktiv und war ab 1797 Mitglied der dahin unbekannte Minerale, arbeitete mit
Royal Society (Griffith et al. 2003). 1808 Cyanidkomplexen von Edelmetallen und
wurde er zum auswärtigen Mitglied der verbesserte die Trennung von Niob und Tan-
Bayerischen Akademie der Wissenschaften tal. Ferner verfasste er Lehrbücher für Orga-
gewählt. Da er von seinem Vater dann aber nische Chemie und viele Veröffentlichungen
einen Betrieb zur Herstellung von Kutschen in chemischen Zeitschriften, wie beispiels-
übernahm, stellte er seine Arbeit auf dem weise den Berichten der Deutschen Chemi-
Gebiet der Chemie ein und kümmerte sich schen Gesellschaft (Hofberg et al. 1906b).
in der Folgezeit nur noch um das ererbte
Familienunternehmen. Nach ihm ist ein seit
1979 vergebener Preis (Charles-Hatchett- Vorkommen Niob ist mit einem Anteil an der
Preis) benannt, der für herausragende Erdkruste von 18 ppm relativ selten und kommt
Ergebnisse zur Forschung über das Element nie gediegen, also elementar, sondern stets in che-
Niob vergeben wird. misch gebundener Form vor. Da wegen der Lan-
Heinrich Rose (* 6. August 1795 Ber- thanoidenkontraktion die Ionenradien von Niob
lin; † 27. Januar 1864 Berlin) war ein deut- und Tantal sehr ähnlich sind, treten die beiden
scher Chemiker und Mineraloge, der in Elemente immer vergesellschaftet auf, wie zum
seiner Jugend vom deutschen Chemiker Beispiel im Columbit (bzw. Niobit bzw. Tantalit,
Klaproth gefördert und von 1819 bis 1821 je nach mengenmäßig vorwiegendem Element)
bei Berzelius zum Chemiker ausgebildet [(Fe, Mn)(Nb, Ta)2O6] oder auch im Pyrochlor
(Kurzbiografien beider Chemiker siehe (NaCaNb2O6F). Manche der Nioberze gelten als
„Cer“). 1822 erhielt Rose den Ruf als strategisch wichtig und stehen unter der Aufsicht
Dozent der Chemie an die Universität Ber- der US-amerikanischen Börse, da ihr Verkauf
lin und wurde 1832 Mitglied in der Preußi- eventuell bewaffnete Konflikte finanziert (Field-
schen Akademie der Wissenschaften. Ab send 2012).
1835 war er ordentlicher Professor der Che- Euxenit [(Y, Ca, Ce, U, Th)(Nb, Ta, Ti)2O6],
mie in Berlin und nahezu zeitgleich auswär- Olmsteadit (KFe2(Nb,Ta)[O|PO4]2  H2O) und
tiges Mitglied der Bayerischen Akademie Samarskit ((Y,Er)4[(Nb,Ta)2O7]3) sind weitere
der Wissenschaften. 1849 erhielt er die Mit-
nennenswerte, wenn auch seltene Minerale des
gliedschaft in der American Academy of
Niobs. Wirtschaftlich bedeutend sind die Vorkom-
Arts and Sciences, später folgten weitere
men in Karbonat-Silikatgestein, in denen Pyro-
Mitgliedschaften in Deutschland (1856
chlor angereichert ist. Die Jahresproduktion liegt
Göttinger Akademie der Wissenschaften
(Krahnke 2001), 1860 Deutsche Akademie aktuell bei seit Jahren unveränderten 60000 t bei
der Naturforscher Leopoldina). Er war zugleich 4,3 Mio. t geschätzter Reserven (Papp
Mitbegründer der Deutschen Geologischen 2015a). Über 90 % der Produktionsmenge stam-
Gesellschaft. men aus Brasilien, weitere 9 % aus Kanada; somit
Rose war 1829 Verfasser eines Handbuchs sind diese die einzigen relevanten Förderländer. In
der analytischen Chemie und erforschte den USA und anderen Ländern kommt zwar auch
vorrangig die Chemie des Niobs und Titans. verhältnismäßig viel an Niob vor, aber nur in
Der schwedische Chemiker Christian Form von Mineralen, die sehr geringe Konzentra-
Wilhelm Blomstrand (* 20. Oktober tionen des Elements aufweisen, die eine Förde-
1826 Växjö; † 5. November 1897 Lund) rung unrentabel machen. Größere Erzlager iden-
5 Einzeldarstellungen 547

tifizierte man in jüngerer Zeit in Afrika (Kongo, ten. In chemischer Hinsicht ist Niob seinem
Nigeria) und in Russland. schwereren Homologen Tantal sehr ähnlich. Der
Zusatz seiner Nachbarelemente der sechsten Ne-
Gewinnung Da Niob und Tantal fast aus- bengruppe, Wolfram oder Molybdän, verleiht
schließlich miteinander vergesellschaftet auftre- Niob eine noch größere Beständigkeit gegenüber
ten, schließt man die Erze zunächst in einer hohen Temperaturen, und erstaunlicherweise wir-
Mischung von konzentrierter Schwefel- und ken sich Zusätze von Aluminium in einer erhöh-
Flusssäure bei Temperaturen zwischen 50 und ten Festigkeit aus. Unterhalb einer Temperatur
80  C auf. Dabei bilden sich die leicht wasserlös- von 263,9  C wird das Element supraleitend,
lichen Komplexanionen [NbF7]2 und [TaF7]2. und es besitzt ein sehr großes Vermögen zur Auf-
Im zweiten Schritt führt man die Trennung des nahme von Gasen.
Niobs vom Tantal bzw. umgekehrt durch. Dies Beim Stehen an der Luft bildet sich auf Niob
geschieht durch Anwendung fraktionierter Kris- eine dünne, aber sehr wirksam gegen Oxidation
tallisation oder Extraktion mittels organischer schützende Passivschicht. Daher ist Niob bei
Lösungsmittel, wobei man bei letzteren unter- Raumtemperatur an der Luft beständig. Beim
schiedliche Löslichkeiten der Organoniob- bzw. Erhitzen auf Temperaturen von >200  C oxidiert
Organotantalverbindungen ausnutzt. es aber deutlich, weswegen auch das Schweißen
Fügt man zur wässrigen Lösung der oben von Niob unter Schutzgasatmosphäre erfolgen
genannten Fluorokomplexe Kaliumfluorid hinzu, muss. Auch gegenüber den meisten Säuren ist es
so werden die Dikalium-Salze dieser Fluoride bei Raumtemperatur stabil, jedoch wird es durch
gebildet. Dabei ist nur das K2TaF7 schwer löslich Flusssäure sowie heiße, konzentrierte Salpeter-
in Wasser und fällt als Niederschlag aus, wogegen und Schwefelsäure angegriffen, wie übrigens auch
das Kaliumheptafluoroniobat-V in Lösung bleibt durch heiße Alkalilaugen.
und abgetrennt werden kann. Man setzt jenes
dann mit Sauerstoff im alkalischen Milieu zu Verbindungen
Niob-V-oxid und jenes dann mit Kohle weiter Chalkogenverbindungen Niob-V-oxid (Nb2O5) ist
zum Niobcarbid um. Dieses Niobcarbid lässt ein unbrennbares, weißes (s. Abb. 9a, b) Pulver
man mit weiterem Niob-V-oxid bei sehr hoher vom Schmelzpunkt 1491  C und der Dichte
Temperatur im Vakuum zum Metall reagieren, 4,55 g/cm3.
oder man setzt Niob-V-oxid direkt mit Aluminium Es kristallisiert bis hinauf zu einer Temperatur
zu Niob um. Auf letztgenannte Art stellt man den von 750  C monoklin (Brauer 1981, S. 1465) und ist
größten Teil des Niobs für die Stahlindustrie her; im Wellenlängenbereich von 350 bis 7000 nm licht-
Zusätze von Eisenoxid ermöglichen die Produk- durchlässig. Die Verbindung entsteht bei der Oxida-
tion von Ferroniob (Gehalt an Niob: 60 %). tion von Niob an Luft; man kann sie in reiner Form
Anstelle des Zusatzes von Kaliumfluorid be- durch Hydrolyse von Niob-V-chlorid erhalten:
vorzugt man heute extraktive Verfahren unter
Verwendung von Methylisobutylketon. Ein drit- 2 NbCl5 þ 5 H2 O ! Nb2 O5 þ 10 HCl
tes Verfahren der Trennung besteht in der fraktio-
nierten Destillation der Chloride NbCl5 und Man setzt Niob-V-oxid zur Erhöhung des
TaCl5. Diese kann man direkt aus dem jeweiligen Brechungsindexes optischer Gläser ein (Objek-
Niob- oder Tantalerz, Kohle und Chlor erzeugen tive für Fotoapparate und Kopiergeräte sowie
(Eckert 2000). Brillengläser). Außerdem findet es zur Produktion
des ferroelektrischen Lithiumniobat (LiNbO3) ver-
Eigenschaften Niob ist ein grausilbrig glänzen- wendet.
des, duktiles Schwermetall (s. Tab. 2), das in Dieses kristallisiert als farbloser Feststoff
allen Oxidationsstufen von 3 bis +5 auftreten (s. Abb. 10) mit weitem Transparenzbereich von
kann. Wie bei allen Elementen dieser Neben- 320–5600 nm und ist doppelbrechend mit Bre-
gruppe ist auch bei Niob die Stufe +5 am stabils- chungsindices von no=2,286 und ne=2,202 bei
548 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Niob


Symbol: Nb
Ordnungszahl: 41
CAS-Nr.: 7440-03-1

Aussehen: Grau, metallisch Niob, Pulver (Sicius Niob, Pellets (Onyxmet


glänzend 2015) 2018)
Entdecker, Jahr Hatchett (Vereinigte Staaten von Amerika), 1801
Rose (Preußen), 1844
Blomstrand (Schweden), 1864
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
93
41Nb (100) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 18
Atommasse (u): 92,906
Elektronegativität 1,6 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred & Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Nb2+ + 2 e > Nb (V) 1,1
Atomradius (berechnet) (pm): 145 (164)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 137
Ionenradius (Nb5+, pm) 67
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d3 5s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 652 ♦ 1380 ♦ 2416 ♦ 3700 ♦ 4877
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte ♦ fünfte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,3  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): 6,58  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 105 ♦ 170 ♦ 38
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 870–1320 ♦ 735–2450
Mohs-Härte 6
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 3480
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 8,57
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 10,83  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 54
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,60
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2477 ♦ 2750
Schmelzwärme (kJ/mol) 26,8
Siedepunkt ( C ♦ K): 4744 ♦ 5017
Verdampfungswärme (kJ/mol): 694

einer Wellenlänge von 633 nm (Prokhorov und refraktiv, elastooptisch, piezoelektrisch und pyro-
Kuz’minov 1999; Räuber 1978; Weis und Gayl- elektrisch. Oberhalb der Curie-Temperatur ver-
ord 1985; Cabrera et al. 2004; Hsu et al. 1997). liert das Material seine Ferroelektrizität und wird
Die Verbindung ist unterhalb ihrer Curie-Tem- paraelektrisch (Lehnert et al. 1997). Man setzt
peratur Tc von 1213  C ferroelektrisch (Wong Lithiumniobat unter anderem in Bandpassfiltern
2002) und deshalb optisch elektrooptisch, photo- und Lasern ein.
5 Einzeldarstellungen 549

Abb. 9 a Niob-V-oxid (Onyxmet 2018). b Niob-V-oxid


Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)
Abb. 11 Niob-IV-oxid (Onyxmet 2018)

Abb. 10 Lithiumniobat Sputtertarget (QS Advanced


Materials 2018) Abb. 12 Niob-II-oxid (Stanford Advanced Materials
2018)
Niob-IV-oxid (NbO2) ist ein schwarzes Pulver
(s. Abb. 11), das bei 1915  C schmilzt und fast
unlöslich in Wasser ist. Man stellt es durch Umset- Im Vergleich zu den analogen entsprechenden
zung von Niob-V-oxid mit Wasserstoff bei Tem- Tantalkondensatoren sind sie billiger (Moore 2001)
peraturen zwischen 800 und 1350  C her (I, Gupta und auch stabiler gegenüber erhöhten Temperaturen
et al. 1994). Ein anderes Darstellungsverfahren (Motchenbacher 2007), aber nicht dermaßen re-
sieht die Reaktion von Niob-V-oxid mit Niobpul- sistent gegen hohe Spannungen. Außerdem stellt
ver bei einer Temperatur von 1100  C vor (II, man aus NbO korrosionsbeständige Beschichtun-
Patnaik 2002): gen für Erdungselektroden her.
Man erhält Niob-II-oxid durch Reaktion des
(I) Nb2O5 + H2 ! 2 NbO2 + H2O jeweilig verwendeten Nioboxids, NbO2 oder
(II) 2 Nb2O5 + Nb ! 5 NbO2 Nb2O5 mit Niobpulver in stöchiometrischer
Menge. Die Kristallstruktur der Verbindung ist
ein Sonderfall und ist am ehesten beschreibbar
Das auf diese Weise erhaltene α-Niob-IV-oxid als die des Natriumchlorids mit Defektstellen.
der Dichte 5,98 g/cm3 kristallisiert in einer Rutil- Von sechs Niobatomen gebildete Oktaeder bilden
ähnlichen Struktur und ist wie Niob-V-oxid im das Gerüst des Kristallgitters, jedoch fehlen
Wellenlängenbereich von 350–7000 nm licht- sowohl das zentrale Anion als auch die Niobato-
durchlässig (Brauer 1981, S. 1463). me an den Ecken der Elementarzelle. Innerhalb
Niob-II-oxid (NbO) ist ein grauer Feststoff der Metallcluster liegen Niob-Niob-Bindungen
(s. Abb. 12) vom Schmelzpunkt 1945  C und vor; die Abstände sind denjenigen im Gitter des
der Dichte 7,3 g/cm3. Im Unterschied zu anderen metallischen Niobs sehr ähnlich, worauf die elek-
Oxiden des Niobs leitet die Verbindung den elek- trische Leitfähigkeit beruht.
trischen Strom (ca. 106 S/cm (!), Greenwood und Niob-IV-sulfid (NbS2) ist das wichtigste von
Earnshaw 1988) und dient als Anodenmaterial in mehreren Sulfiden des Niobs, von denen die meis-
Niob-Elektrolytkondensatoren, die unter anderem ten in gewissen Homogenitätsbereichen existieren
in Notebooks eingebaut werden. (Brauer 1978, S. 1470). Man erhält es durch
550 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Umsetzung von Niob mit Schwefel bei Tempera- gen andere Atome bzw. Ionen unter Bildung
turen von 700 bis 1000  C: wohldefinierter sogenannter Interkalationsverbin-
dungen einlagern (Lévy 2012). Die – mögliche –
Nb þ 2 S ! NbS2 Einlagerung von zwei Atomen Helium pro For-
meleinheit vergrößert den Abstand der Schichten
Der schwarze Feststoff (s. Abb. 13) der Dichte auf 29 pm (!) (Birks et al. 1976; Brown und
4,54 g/cm3 kristallisiert trigonal (Morosin 1974) Beernsten 1965), auch der Abstand zwischen
und wird unterhalb einer Temperatur von den Selenatomen vergrößert sich. Eine Interkala-
266,85  C supraleitend (Lee 2012). Man setzte tion von Rubidiumionen trennt die Schichten im
die Verbindung früher meist als Schmierstoff, Kristall noch weiter voneinander, komprimiert
heute aber bevorzugt als halbleitendes Sputterma- aber die in der Schicht selbst befindlichen Niob-
terial ein (Perry 2011, S. 297). und Selenidionen (Bourdillon et al. 1979). Ionen
Niob-IV-selenid (NbSe2) ist als Pulver ein des zu Niob homologen Vanadiums können bis zu
schwarzer Feststoff (s. Abb. 14b) der Dichte 1 % der Niobatome ersetzen; darüber hinaus
6,3 g/cm3, der oberhalb einer Temperatur von lagern sie sich zwischen den Schichten an, wobei
1300  C schmilzt. Man setzt es wie das homologe bis zu einem Niobanteil von 30 % die hexagonale
Niob-IV-sulfid als Schmierstoff und unterhalb Struktur erhalten bleibt (Bayard et al. 1976). In
von -266  C als Supraleiter ein, wobei die Anwen- Form von Nanosheets setzt man Niob-IV-selenid
dung als Schmierstoff, wie etwa in Kohlebürsten in Solarzellen ein (Ibrahem et al. 2014).
von Motoren, schon größtenteils der Vergangen- Niob-IV-tellurid (NbTe2) ist eine intermetal-
heit angehört. Dünne Filme der halbleitenden Ver- lische Verbindung und bildet Kristalle mit mono-
bindung werden durch chemische Abscheidung kliner Struktur. In Pulverform erscheint es
aus der Gasphase erzeugt; dazu erhitzt man ein schwarz, als Sputtertarget goldgelb (s. Abb. 15).
Gemisch aus Niob-V-oxid, Selen und Natrium- Die Verbindung der Dichte 7,6 g/cm3 ist mit Rein-
chlorid auf eine Temperaturen von 300–800  C heitsgraden bis zu 5N erhältlich und wird bei
unter Atmosphärendruck und bei Einsatz eines Temperaturen um 272,5  C supraleitend.
Gemisches von Argon und Wasserstoff als Träger- Halogenverbindungen Niob-V-fluorid (NbF5)
gas. Monoatomare Schichten können mit Hilfe ist ein farbloser, sehr hygroskopischer, an der Luft
eines Molekularstrahls aufgebracht werden (Wang zerfließlicher Feststoff der Dichte 3,3 g/cm3, der
et al. 2017). Die stabilste Kristallstruktur ist hexa- bei einer Temperatur von 79  C schmilzt; die
gonal (Lévy 2012). Durch Beschuss mit Ladungs- Flüssigkeit siedet bei 233  C. Die Verbindung löst
dichtewellen erhält man unterhalb von 247  C sich in Wasser und Ethanol unter Solvolyse; durch
periodische Verzerrungen des Kristallgitters Alkalilaugen wird sie augenblicklich zu basi-
(Riccó 1977). schem Niob-V-oxid und Fluorwasserstoff zersetzt
Zwischen die Schichten des Kristallgitters von (Brauer 1975, S. 261; Agulyansky 2004). Niob-
Niob-IV-selenid können sich in teils großen Men- V-fluorid kristallisiert monoklin (Blachnik et al.
1998) und liegt als tetrameres Molekül im Fest-

Abb. 14 a Niob-IV-selenid Sputtertarget (QS Advanced


Abb. 13 Niob-IV-sulfid (Onyxmet 2018) Materials 2018). b Niob-IV-selenid (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 551

Abb. 15 Niob-IV-tellurid Sputtertarget (QS Advanced


Materials 2018)
Abb. 16 Kaliumheptafluoroniobat-V (Onyxmet 2018)

stoff vor. Man gewinnt es durch Reaktion von


Niob-V-chlorid (NbCl5) mit Fluorwasserstoff
(I) oder alternativ, in heftiger Reaktion, aus den
Elementen Niob und Fluor (II):

(I) 2 NbCl5 + 10 HF ! 2 NbF5 + 10 HCl


(II) 2 Nb + 5 F2 ! 2 NbF5

Kaliumheptafluoroniobat-V (K2NbF7) gewinnt


man durch Reaktion von Niob-V-oxid mit Fluss-
säure und Kaliumhydrogendifluorid (Brauer 1975,
S. 262):
Abb. 17 Niob-V-chlorid (W. Oelen 2007)
Nb2 O5 þ 6 HF þ 4 KHF2 ! 2 K2 NbF7 þ 5 H2 O

Kaliumheptafluoroniobat ist ein weißer, hygro- infolge der Bildung von Nebeln aus Salzsäure
skopischer Feststoff (s. Abb. 16) der Dichte raucht. Die Substanz hat die Dichte 2,75 g/cm3
3,19 g/cm3, der sich gut in Wasser löst, bei und schmilzt bei einer Temperatur von 208  C.
733  C schmilzt und in Form kleiner, stark Man gewinnt Niob-V-chlorid durch Reaktion
glänzender Nadeln monokliner Struktur vorliegt von Niob mit Chlor (I, Brauer 1981, S. 1444)
(Brown und Walker 1966; Agulyansky 2004). oder, in hoher Reinheit, aus Niob-V-oxid und
Das Heptafluoronniobat-V- hydrolysiert leicht Thionylchlorid (II) bzw. Tetrachlorkohlenstoff
zum (NbOF5)2-Anion. Man setzt das Kalium- (III):
heptafluoroniobat zur elektrochemischen Syn-
these von Niobdiborid (NbB2) ein, aber auch (I) 2 Nb + 5 Cl2 ! 2 NbCl5
zur schmelzflusselektrolytischen Gewinnung me- (II) Nb2O5 + 5 SOCl2 ! 2 NbCl5 + 5 SO2"
tallischen Niobs bei Temperaturen um 800  C (III) Nb2O5 + 5 CCl4 ! 2 NbCl5 + 5 COCl2"
(Hirschberg 1999). In Versuchen zeigte sich die
sehr gute Eignung von mit Mn4+-Ionen dotiertem Im Feststoff liegt die stark kovalente Substanz in
Kaliumheptafluoroniobat als Leuchtstoff für Form von Dimeren vor; jedes Niobatom ist dabei
warmweiße LED-Lampen, denn es luminesziert oktaedrisch von sechs Chloratomen umgeben
bei Bestrahlung mit blauem oder ultraviolettem (Hoenle und Schnering 1990; Cotton et al. 1997).
Licht intensiv rot und in sehr engem Wellenlän- Die Verbindung ist eine sehr starke Lewis-Säure und
genbereich (Jansen et al. 2017). wird in dieser Funktion auch bei einigen organi-
Niob-V-chlorid (NbCl5) ist ein gelber (s. Abb. 17), schen Synthesen eingesetzt (Andrade et al. 2004).
sehr hygroskopischer Feststoff, der empfindlich Niob-IV-chlorid (NbCl4) ist ein in Form braun-
gegenüber Hydrolyse ist und an feuchter Luft schwarzer Nadeln der Dichte 3,14 g/cm3 in mono-
552 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

kliner Struktur kristallisierender Feststoff (Alsfas-


ser et al. 2007b, S. 349), der bei einer Temperatur
von 275  C sublimiert und wie Niob-V-chlorid
stark kovalenten Charakter besitzt. Die Verbin-
dung ist sehr empfindlich schon gegenüber Luft-
sauerstoff und löst sich in wenig Wasser oder
verdünnter Salzsäure mit dunkelblauer Farbe. Abb. 18 Niobmononitrid (Alchetron 2018)
Die Darstellung erfolgt zweckmäßig aus Niob-V-
chlorid und Niob (I) oder auch mittels teilweiser Die Kristallstruktur von Niob-V-iodid ist
Reduktion von Niob-V-chlorid mit Aluminium monoklin und setzt sich aus Zickzackketten
(II) (Brauer 1981, S. 1444): eckenverknüpfter NbI6-Oktaeder zusammen (Litt-
ke und Brauer 1963; Krebs und Sinram 1980).
(I) 4 NbCl5 + Nb ! 5 NbCl4 Pnictogenverbindungen Niobmononitrid (NbN)
(II) 3 NbCl5 + Al ! 3 NbCl4 + AlCl3 ist ein schwarzer, geruchloser Feststoff (s. Abb. 18)
vom Schmelzpunkt 2573  C und der Dichte
Niob-V-bromid (NbBr5) ist eine extrem hydro- 8,4 g/cm3, der fast unlöslich in Wasser und selbst
lyseempfindliche, rote, nur in Ethanol einigerma- konzentrierten Mineralsäuren ist. Bei einer Tempe-
ßen unzersetzt lösliche Substanz, die bei einer ratur von 800  C beginnt die Verbindung zu oxidie-
Temperatur von 265  C bzw. 361  C schmilzt ren bzw. zu verbrennen.
bzw. siedet. Man erzeugt NbBr5 mittels Reaktion Niobmononitrid wird unterhalb einer Sprung-
von Niob mit Brom (Brauer 1981, S. 1444): temperatur von –256,65  C supraleitend (Horn
und Saur 1968; Shy et al. 1973; Banerjee und
2 Nb þ 5Br2 ! 2 NbBr5 Tyagi 2000; Chockalingam et al. 2009); dies ist
gleichzeitig die wichtigste Anwendung. Detekto-
Niob-IV-bromid (NbBr4) ist ein schwarzer ren auf Basis dieser Supraleiter sind hochemp-
Feststoff der Dichte 4,72 g/cm3 mit einem Subli- findlich gegenüber Infrarotlicht und werden in
mationspunkt von 300  C, der durch Reaktion Astronomie und Telekommunikation eingesetzt
stöchiometrischer Mengen von Niob und Brom (Kumashiro 2000; Hajenius et al. 2004; Kooi
gewonnen werden kann, allerdings verunreinigt et al. 2007). Niobmononitrid kristallisiert, je nach
mit kleineren Anteilen an NbBr5 (Brauer 1981, zitierter Quelle, hexagonal bzw. kubisch (Marti-
S. 1444): enssen und Warlimont 2005). Man stellt die Ver-
bindung durch Reaktion von Niob mit extrem
Nb þ 2 Br2 ! NbBr 4 gereinigtem Stickstoff oder Ammoniak oder auch
einem Gemisch beider Gase her (Brauer 1981,
Niob-IV-bromid ist ebenfalls sehr feuchtig- S. 1472).
keitsempfindlich und reagiert mit Wasser schnell Des Weiteren kennt man die niederen Niobni-
zu basischem Niob-IV-oxid. In verdünnter Brom- tride Nb2N und Nb4N3. Auch diese sind dunkel-
wasserstoffsäure ist die Verbindung unter Bildung farbige, halbmetallische Stoffe.
einer dunkelblauen Lösung unzersetzt löslich. Niobmonophosphid (NbP) ist ein graues Pul-
Niob-V-iodid (NbI5) ist ein messingfarbener, ver der Dichte 6,5 g/cm3 und wird als Halbleiter
ebenfalls äußerst hydrolyseempfindlicher Fest- in Hochfrequenzanwendungen und Laserdioden
stoff der Dichte 5,32 g/cm3, der bei 327  C eingesetzt. Die Struktur des Kristalls ist tetrago-
schmilzt (Siedepunkt der Flüssigkeit: 346  C). nal; eine Elementarzelle des aus alternierenden
Man gewinnt die Verbindung durch Reaktion der Schichten beider Atomarten aufgebauten Gitters
Elemente bei erhöhter Temperatur (Brauer 1981, enthält je ein Niob- und Phosphoratom. Die Ver-
S. 1450): bindung hat metallischen Charakter und zeigt
schwachen Pauli-Paramagnetismus (Xu et al.
2 Nb þ 5I2 ! 2 NbI5 1996).
5 Einzeldarstellungen 553

Das grauschwarze Diniobpentaphosphid (Nb2P5) ren und als Sputtermaterial zur Produktion von
stellten Kanno et al. durch Erhitzen einer Mischung Halbleiterfilmen im Einsatz.
beider Elemente auf eine Temperatur von 1000  C Ein weiteres charakterisiertes Carbid des
bei gleichzeitiger Anwendung von Drücken von Niobs ist Niob-II-carbid (Nb2C), das bei einer
3–5 GPa dar. Die Verbindung besitzt orthorhombi- Temperatur von 3080  C schmilzt und hexagonal
sche Kristallstruktur. Bei der Reaktion als Neben- kristallisiert.
produkt gebildeter schwarzer Phosphor wurde Niobdisilicid (NbSi2) ist ein grauer kristalliner
durch Lösen in Salpetersäure entfernt (1980). Festkörper der Dichte 5,53 g/cm3, der bei einer
Niobmonoarsenid (NbAs) ist ebenfalls ein kris- Temperatur von 1950  C schmilzt und gelegent-
talliner Feststoff, der gelegentlich als Halbleiter in lich in speziellen Keramiken eingesetzt wird.
der Lichtleittechnik verwendet wird. Auch ein Erhitzt man Plättchen aus Niob, auf denen sich
Triniobpentaarsenid (Nb3As5) wurde schon vor pulverförmiges Silicium und ein Stückchen Na-
längerem untersucht und charakterisiert (Laoha- triummetall befindet, jeweils für 6 d auf Tempera-
vanich et al. 1981). turen zwischen 730 und 930  C, so bildet sich an
Sonstige Verbindungen Niob-IV-carbid (NbC) der Phasengrenze eine sehr dünne, bis zu 129 μm
ist ein dunkelgraubrauner Feststoff (s. Abb. 19a, dicke Schicht aus Niobdisilicid. Die Stärke der
b) mit dem hohen Schmelzpunkt von 3500  C und Schicht nimmt linear mit der Temperatur und pro-
der Dichte 7,6 g/cm3. Im kompakten oder gesin- portional zur Quadratwurzel der Heizzeit zu, bis
terten Zustand glänzt es metallisch und läuft beim sie das Maximum erreicht. Die Beschichtung
Stehen an der Luft an. Es liegt im weiten Homo- schützt Niob vor der unter diesen Bedingungen
genitätsbereich von NbC0,7 bis NbC0,99 vor und normalerweise stattfindenden Verbrennung in
kristallisiert im kubischen Natriumchloridtyp. Luft (Yamada et al. 2012).
Niob-IV-carbid ist ein äußerst harter Stoff (Mohs- Niobdiborid (NbB2) ist ein in Pulverform
härte: >9) und löst sich in einem Gemisch aus schwarzes (s. Abb. 20), hochschmelzendes Mate-
Fluss- und Salpetersäure (Perry 2011, S. 488). rial (3050  C) der Dichte 6,97 g/cm3 und hexago-
Man stellt Niob-IV-carbid aus einem Gemisch naler Kristallstruktur, das man in Keramiken von
von Kohle- und Niobpulver im Vakuum oder Überschallflugzeugen oder Raketensystemen
unter einer Wasserstoff-Schutzgasatmosphäre bei einsetzt. Für Keramik besitzt Niobdiborid eine
sehr hoher Temperatur her. Alternativ ist die Dar- relativ hohe elektrische und Wärmeleitfähigkeit
stellung aus Kohlenstoff und Nioboxiden unter (25,7 μΩcm), jedoch teilt es diese Eigenschaft
ansonsten ähnlichen Bedingungen möglich. In mit den isostrukturellen Diboriden seiner Nach-
sehr dünnen Schichten kann man es durch chemi- barn im Periodensystem (TiB2, ZrB2, HfB2 und
sche Abscheidung aus der Gasphase erzeugen TaB2) (Kovenskaya 1970). Die Verbindung stellt
(Pierson 1999, S. 241). Man setzt es besonderen man meist metallothermisch wie folgt her:
Stählen zur Erhöhung der Verschleißfestigkeit
zu (Anwendung in Kolbenringen; Brunhuber Nb2 O5 þ 2B2 O3 þ 11Mg ! 2NbB2 þ 11MgO
und Hasse 2001). Niob-IV-carbid ist zudem als
Beschichtungsmaterial von Grafit für Kernreakto-

Abb. 19 a Niob-IV-carbid (Onyxmet 2018). b Niob-IV-


carbid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018) Abb. 20 Niobdiborid (Onyxmet 2018)
554 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Jedoch ist auch die Synthese aus den Elemen- lytkondensatoren. Niob-V-oxid dient wegen seiner
ten (Çamurlu und Maglia 2009; Sairam et al. hohen Spannungsfestigkeit als Dielektrikum in
2013) oder, wenn man Nanostäbchen des Pro- einem aus Niobanode und Niob-V-oxid bestehen-
dukts erzeugen will, die aus einem pulverförmi- den Kondensator. Lithium- und Kaliumniobat
gen Gemisch aus Niob-IV-oxid und Bor möglich fungieren als Einkristall in Lasern und in nichtli-
(Jha et al. 2011): nearen optischen Systemen.
Metallisches Niob reflektiert, wenn es in sehr
3 NbO2 þ 10 B ! 3 NbB2 þ 2 B2 O3 dünner Schicht auf die Außenseite von Halogen-
glühlampen aufgedampft wird, die von der Wolf-
Ein Verfahren zur Erzeugung von Nanokristal- ramglühwendel emittierte Wärmestrahlung zurück
len aus einem geschmolzenen Gemisch aus Niob- nach innen. Bei zugleich geringerem Energiever-
V-oxid und elementarem Bor wurde kürzlich vor- brauch ist so eine höhere Betriebstemperatur und
gestellt (Ran et al. 2014), sehr aktuell ist die von somit auch eine größere Lichtausbeute möglich.
Zoli et al. vorgestellte, bei 700  C für 30 min unter Niob ist Katalysator bei chemischen Verfah-
Argon durchgeführte Reaktion zwischen Niob-V- ren, beispielsweise der Produktion von Salzsäure,
oxid und Natriumborhydrid zur Gewinnung von von Biodiesel (Deshmane et al. 2010) und von
Nanokristallen (2018): Alkoholen aus Butadien.
Unterhalb von 263,65  C ist reines Niob
2 Nb2 O5 þ 13NaBH4 ! 4 NbB2 þ 5 NaBO2 ein Supraleiter des Typs II. Supraleitende, niob-
þ26 H2 " þ8 Na " haltige Hohlraumresonatoren kommen in Teil-
chenbeschleunigern zum Einsatz. Niob-Zinn-
Meist presst man kompakte, aus Niobdiborid
oder Niob-Titan sind die Hauptbestandteile in
bestehende Teile heiß oder sintert sie im Funken- den zum Teil mehrere 100 t schweren supraleiten-
plasma, wobei zusätzlich hoher Druck aufzuwen-
den Spulen, die Magnetfelder mit Flussdichten
den ist. Das Sintern wird durch die kovalente
von bis zu 20 T erzeugen.
Natur der Verbindung und der an der Grenzfläche
zur Luft leicht erfolgenden Bildung von Oxiden
erschwert. Druckloses Sintern ist möglich, indem Physiologie und Toxikologie Niob ist in kleinen
man Sauerstofffänger wie Borcarbid oder Kohlen- Mengen nicht toxisch, aber pulverförmiges Niob
stoff zugibt, aber die mechanische Festigkeit der irritiert Augen und Haut. Eine biologische Funk-
Artikel leidet hierunter. tion des Niobs ist nicht bekannt (Haley et al. 1962;
Schroeder et al. 1970).
Anwendungen Das wichtigste Einsatzgebiet ist
für Niob das als Zusatz zu rostfreien Stählen und
Patente
Nichteisenlegierungen, da Werkstücke durch
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
geringe Konzentrationen an Niob bereits mecha-
wide.espacenet.com)
nisch stärker belastbar sind. Ferro- und Nickel-
niob sind in Superlegierungen enthalten, die man
T. Tai und Y. Hori, Bonding method (NGK
in mechanisch und thermisch stark belasteten Tei-
Insulators Ltd., US 2019036008 A1, ver-
len in Gasturbinen, Raketen und Öfen verbaut. In
öffentlicht 31. Januar 2018)
Münzen ist Niob gelegentlich als Legierungsbe-
J. Barker und R. Heap, Metallate electrodes
standteil zu finden. Zur Entfernung von Resten an
(Faradion Ltd., US 2019027746 A1, ver-
Kohlenstoff aus zu schweißenden Metallen legiert
öffentlicht 24. Januar 2019)
man Niob als Karbidbildner zu.
P. N. Kumta und B. Gattu, High capacity,
Da Niob einen niedrigen Einfangquerschnitt für
air-stable, structurally isomorphous lithi-
thermische Neutronen hat, findet es, trotz seines
um alloy multilayer porous foams (Uni-
hohen Preises, in der Reaktortechnik Verwendung.
Ferner ist Niob Anodenmaterial in Niob-Elektro- (Fortsetzung)
5 Einzeldarstellungen 555

Erstmals erzeugte Berzelius elementares Tan-


versity of Pittsburgh, WO 2019010476 tal durch Umsetzung von Kalium mit Kaliumhep-
A1, veröffentlicht 10. Januar 2019) tafluorotantalat (1825). Jedoch bestand dieses
C. Lansalot-Matras und J. Lee, Niobium- Material nur etwa zur Hälfte aus Tantal; die rest-
containing film forming compositions liche Menge entfiel auf Niob. Moissan versuchte
and vapor deposition of niobium contai- die Reduktion von Tantal-V-oxid mit Kohle im
ning films (L’Air Liquide S.A., privat, elektrischen Ofen; das entstandene Produkt war
WO 2019005433 A1, veröffentlicht aber infolge von Carbidbildung sehr hart und
3. Januar 2019) spröde (1902). Von Bolton schließlich konnte als
K. A. Sernik und A. de Faria Sousa Clovis, Erster reines, duktiles Tantal durch Reduktion
Processes for refining niobium-based fer- glühenden Tantal-V-oxids mit Wasserstoff im
roalloys (CBMM SA, US 2019003011/ Vakuum darstellen.
012, veröffentlicht 3. Januar 2019) Ein erster industrieller Einsatz des Tantals
F. Najafi, Niobium-germanium supercon- bestand in Glühwendeln von Glülampen; einige
ducting photon detector (Psiquantum Jahre später wurde es darin aber bereits durch das
Corp., US 2018364097 A1, veröffent- bei noch höherer Temperatur schmelzende Wolf-
licht 20. Dezember 2018) ram ersetzt. Später verwendete man es in Gleich-
M. Marczewski und M. Jurczyk, Method richtern und Radioröhren.
for producing nanocrystalline titanium
alloys with β structura that contain nio-
bium and zirconium (Politechnika Poz-
Der schwedische Chemiker Anders Gustaf
nanska, PL 421097 A1, veröffentlicht
Ekeberg (* 15. Januar 1767 Karlskrona; †
8. Oktober 2018)
11. Februar 1813 Uppsala) studierte an der
M. R. Towler et al., Glasses, cements and
Universität Uppsala und promovierte dort
uses thereof (privat, CA 3030924 A1, 1788 zu Arbeiten über pflanzliche Öle. Ab
veröffentlicht 25. Januar 2018) 1794 war er in Uppsala Dozent und
erforschte unter anderem die Struktur von
Mineralien. Er identifizierte dabei 1801 das
Element Tantal als Bestandteil des Yttro-
tantalits (Hofberg et al. 1906a).
5.3 Tantal
Ferdinand Frederic Henri Moissan
(* 28. September 1852 Paris; † 20. Februar
Geschichte Ekeberg entdeckte Tantal 1802 in
1907 Paris) war ein französischer Chemiker
zwei verschiedenen skandinavischen Erzen,
und wurde 1886 Professor an der höheren
wobei er nach deren Aufschluss Tantal-V-oxid Schule für Pharmazie, ebenso Professor der
abtrennte, das in keiner damals bekannten Säure Chemie an der Universität in Paris. Seine
löslich war. Ekeberg nannte das Element Tantal, Forschungsgebiete waren sehr vielseitig
da dessen Oxid nicht „in der Lage“ war, auch bei (Cyanide, Eisenoxide, Chrom- und Fluor-
einem großen Angebot an Säure von dieser verbindungen, Karbide, Silicide). 1886
etwas aufzunehmen (Ekeberg 1803). Die Iden- konnte er erstmals elementares Fluor durch
tität des nahezu zeitgleich von Hatchett gefun- Elektrolyse einer in einer Platinapparatur
denen Elements Columbium (Hatchett 1802a, b) befindlichen Lösung von Kaliumfluorid
wurde mehrere Jahrzehnte lang mit der des in wasserfreiem Fluorwasserstoff darstel-
Tantals gleichgesetzt (Wollaston 1809). Erst len. Später ersetzte er die aus Platin
1844 bewies Rose, dass Columbium zu Tantal bestehende Apparatur durch eine kupferne
unterschiedlich war; er nannte dieses Element und konnte so bis zu 5 L/h Fluor erzeugen.
dann Niob, nach der Tochter des Tantalus (Rose Hierfür erhielt er 1906 den Nobelpreis für
1844). Chemie.
556 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Jungen 2010). Einige Tantalerze wurden von der


Er stellte später auch als Erster reines US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC (Securi-
Bor dar. Ferner erzeugte Moissan kleine, ties and Exchange Commission) als Konfliktmi-
künstliche Diamanten und einige Carbide. neral eingestuft (Fieldsend 2012).
Ebenso eröffnete er die Organosiliciumche-
mie mit der 1902 erfolgten Erzeugung von Gewinnung Tantal muss zur Reingewinnung
Monosilan (SiH4) durch Hydrolyse von aufwendig vom ihm stets begleitenden und äu-
Metallsiliciden in Säuren. ßerst ähnlichen Niob getrennt werden. Erstmals
Der deutsche Chemiker Werner von gelang 1866 de Marignac die Trennung, indem er
Bolton (* 8. April 1868 Tiflis; † 28. Okto-
die unterschiedliche Löslichkeit beider Elemente
ber 1912 Berlin) studierte Chemie an der
in verdünnter Flusssäure ausnutzte (de Marignac
Technischen Hochschule Berlin, später in
1866). Tantal bildet dabei das wenig lösliche
Leipzig und promovierte 1895 nach mehr-
K2TaF7, Niob das dagegen gut lösliche K3NbOF5
jähriger Forschungsarbeit bei Siemens &
Halske (von Weiher 1955). Er führte 1902  2 H2O. Von Beginn des 19. bis zum Anfang des
Tantal als Material zur Herstellung von 20. Jahrhunderts gab es schon zahlreiche For-
Glühfäden ein; diese hatten jetzt eine höhe- schungsberichte über die Darstellung von Tantal
re Lichtausbeute als Lampen mit Kohlefa- bzw. seinen Verbindungen (Ekeberg 1803; Hat-
den. Siemens baute ab 1905 die von von chett 1802; Wollaston 1809; Rose 1844; Berzelius
Bolton entwickelten Glühfaden in ihrer 1825; von Bolton 1905; Moissan 1902).
Tantallampe ein (von Bolton und Feuerlein Heutzutage erweitert man die Trennung der
1905); ab 1910 wurde Tantal darin aller- Fluorokomplexe um ein Flüssig-flüssig- Extrakti-
dings zunehmend durch Wolfram ersetzt. onsverfahren. Dazu schließt man das Erzgemisch
zuerst in konzentrierter Flusssäure oder in Mi-
schungen aus Fluss- und Schwefelsäure auf,
Vorkommen Tantal zählt mit seinem Gehalt von wobei sich die komplexen Fluoride [NbOF5]2
nur 2 ppm in der kontinentalen Erdkruste bzw. und [TaF7]2 bilden. Nach Abfiltrieren unlösli-
8 ppm in der Erdhülle zu den seltenen Elementen cher Stoffe gibt man Methylisobutylketon hinzu,
(Lide 2005). Im Sonnensystem ist Tantal sogar worauf die Niob- und Tantalkomplexe in die
das seltenste stabile Element (Laeter und Bukilic organische Phase übergehen. Kationen anderer
2005). In elementarer Form kommt Tantal nicht Metalle bleiben in der wässrigen Phase zurück.
vor, sondern nur in chemisch gebundener. Da Gibt man nach Abtrennen der organischen Phase
Tantal und Niob einander sehr ähnlich sind, ent- Wasser zu dieser hinzu, so löst sich nur der Niob-
halten wichtige Tantalmineralien wie Columbit komplex im Wasser, während das chemisch
und Tapiolith [(Mn, Fe2+)(Nb,Ta)2O6] stets auch gebundene Tantal im Methylisobutylketon ver-
Niob und umgekehrt; zu nennen sind hier Ferro- bleibt (Eckert 2000).
tapiolith [(Fe2+, Mn2+)(Ta, Nb)2O6] und Manga- Aus dem schwer wasserlöslichen Kaliumhep-
notantalit [MnTa2O6] (Ercit et al. 1995). Die Erze tafluorotantalat K2TaF7 erhält man durch dessen
bezeichnet man oft auch als Coltan. Reduktion mit Natrium metallisches Tantal:
Im Jahre 2017 stellten Ruanda und die Demo-
kratische Republik Kongo zusammen etwa zwei K2 TaF7 þ 5 Na ! Ta þ 5 NaF þ 2 KF
Drittel der jährlichen Weltproduktion an Tantal,
wogegen vier Jahre zuvor noch Australien und Alternativ kann man auch die beiden Chloride
Brasilien (mit zusammen 1100 t/a) die wichtigs- Niob- und Tantal-V-chlorid fraktioniert destillie-
ten Förderländer waren. Coltan kommt auch in ren; eine quantitative Trennung auf diesem Weg
Kanada und anderen afrikanischen Ländern wie ist aber wegen der geringen Differenz der Siede-
Äthiopien und Mosambique vor, aber strategisch punkte ziemlich aufwändig (NbCl5: 248  C;
am wichtigsten sind die Vorkommen im Osten der TaCl5: 239  C). Die Pentachloride gewinnt man
Demokratischen Republik Kongo (Papp 2015b; durch Erhitzen einer Mischung des Erzes mit
5 Einzeldarstellungen 557

Kohle im Chlorstrom. Nach erfolgter Trennung Luftsauerstoff erst oberhalb einer Temperatur
reduziert man TaCl5 mit Natrium zu Tantal. von etwa 300  C reagiert. In kompakter Form ist
Auch Schlacken aus der Zinnverhüttung sind es nicht, in feinverteilter Form dagegen leicht ent-
eine wichtige Quelle für die Gewinnung von Tan- zündlich. In den meisten Säuren ist Tantal auf-
tal. Zudem spielt die Wiedergewinnung aus grund der auf seiner Oberfläche gebildeten Pas-
Abfällen eine Rolle, die bei der Herstellung von sivschicht nicht löslich und ist selbst gegen
Tantal-Walzerzeugnissen (20 % des Verbrauchs) Königswasser beständig, das sogar Gold und Pla-
in Form von Spänen anfallen und meist umge- tin angreift. Tantal wird nur durch Flusssäure,
schmolzen werden. Zudem sind Legierungszusät- rauchende Schwefelsäure und einige Salzschmel-
ze aus Tantalcarbid für die Wiedergewinnung ver- zen angegriffen.
wendbar.
Schwierig gestaltet sich auch die Wiederge- Verbindungen
winnung des Tantals aus Tantal-V-oxid, das in Chalkogenverbindungen Tantal-V-oxid (Ta2O5)
Gläsern und auch Lithiumtantalat-Einkristallen ist ein weißes Pulver (s. Abb. 21) vom Schmelz-
vorhanden ist. Diese beinhaltet Rösten, Auflösen punkt 1872  C und der Dichte 8,2 g/cm3, das bis
in Flusssäure oder Schwefelsäure, Extraktion mit zu einer Temperatur von 1360  C in orthorhom-
Ketonen sowie die Fällung von Tantal-V-oxid bischer Struktur kristallisiert. Es ist nur in Fluss-
oder die Kristallisation von Kaliumfluorotantalat. säure löslich (Brauer 1981, S. 1461). Tantal-V-
oxid verfügt über einen hohen Brechungsindex
Eigenschaften (je nach angewandtem Beschichtungsverfahren
Physikalische Eigenschaften Tantal ist ein lila- 2,1 bis 2,2) und ist lichtdurchlässig im Wellenlän-
graues, stahlhartes (Andersson et al. 2000) genbereich von 350 bis 8000 nm.
Schwermetall (s. Tab. 3) mit einem Schmelzpunkt Die bei der Trennung von Tantal und Niob anfal-
von etwa 3000  C (Malter und Langmuir 1939), lende Lösung von Tantalfluorid-Hydrogenfluorid
womit es den vierthöchsten Schmelzpunkt aller [H2(TaF7)] wird mit wässriger Ammoniaklösung
Elemente nach Wolfram, Kohlenstoff und Rhe- versetzt. Darauf fällt Tantal-V-oxid-Hydrat aus der
nium aufweist. Geringe im Metall eingelagerte wässrigen Phase aus, das man anschließend durch
Mengen an Kohlenstoff oder Wasserstoff steigern Erhitzen entwässert (angegeben ist die vereinfachte
den Schmelzpunkt noch einmal deutlich, aller- Reaktionsgleichung):
dings auch verbunden mit einer Zunahme der
Sprödigkeit. Unterhalb einer Temperatur von 2H2 TaF7 þ 5H2 O þ 14NH3 ! Ta2 O5 þ 14NH4 F
268,85  C wird Tantal supraleitend.
Das Metall kristallisiert im kubisch-raumzen- Zur Anwendung in der Elektronik wird hoch-
trierten Gitter (α-Tantal), was auch der thermody- reines Tantal-V-oxid benötigt. Dies erhält man
namisch stabilsten Modifikation entspricht. Da- durch schonende Hydrolyse des Ethoxids (I) bzw.
neben existiert das unter Normalbedingungen des Chlorids (II):
metastabile β-Tantal, das in tetragonaler Struktur
kristallisiert. Jenes erzeugt man durch Elektrolyse
geschmolzenen Tantalfluorids (Arakcheeva et al.
2002). Reines Tantal ist duktil und lässt sich stark
dehnen.
Chemische Eigenschaften Tantal ist ein relativ
unedles Metall und reagiert bei hohen Tempera-
turen mit vielen Nichtmetallen. Bei Raumtempe-
ratur ist das Metall jedoch durch eine dünne
Schicht aus Tantal-V-oxid, die sich auf der Metall-
oberfläche beim Stehenlassen an der Luft bildet,
geschützt und damit passiviert, so dass es mit Abb. 21 Tantal-V-oxid (Onyxmet 2018)
558 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Tantal


Symbol: Ta
Ordnungszahl: 73
CAS-Nr.: 7440-25-7

Aussehen: Grau Tantal, Pulver (Sicius Tantal, Pellet 10 g (American


2015) Elements 2018)
Entdecker, Jahr Ekeberg (Schweden), 1802
Von Bolton (Deutschland), 1903
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
180m
73Ta (0,012) >2  1016 ε > 18072Hf/β > 18074W
181
73Ta (99,988) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 8
Atommasse (u): 180,948
Elektronegativität 1,5 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred & Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: 0,81
Ta2O5 + 10 H+ + 10 e > 2 Ta + 5 H2O (V)
Atomradius (berechnet) (pm): 145 (200)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 138
Ionenradius (Ta5+, pm) 67
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d3 6s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 761 ♦ 1500
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,8  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): 7,61  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 186 ♦ 200 ♦ 69
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 870–1200 ♦ 440–3430
Mohs-Härte 6,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 3400
298,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 16,65
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 10,85  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 57
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,36
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 3017 ♦ 3290
Schmelzwärme (kJ/mol) 36
Siedepunkt ( C ♦ K): 5420 ♦ 5693
Verdampfungswärme (kJ/mol): 753

(I) Ta(OEt)5 + 5 H2O ! Ta2O5 + 10 EtOH der Produktion von Halbleitern dient Tantal-V-
(II) TaCl5 + 5 H2O ! Ta2O5 + 10 HCl oxid als High-k-Dielektrikum für On-Chip-Kon-
densatoren, da seine relative Permittivität mit
Man setzt es wegen seiner lichtbrechenden 24 bis 28 ziemlich hoch liegt (Murarka et al.
Eigenschaften zum Bau optischer Geräte ein. Bei 2003).
5 Einzeldarstellungen 559

Tantal-IV-sulfid (TaS2) ist ein grauer Feststoff Eigenschaften und werden unter anderem in der
bzw. schwarzes Pulver, das bei einer Temperatur Fotokatalyse, Fotovoltaik, in Transistoren und in
oberhalb von 1300  C schmilzt und eine Dichte Lithiumbatterien verwendet.
von 6,86 g/cm3 hat. Man gewinnt es durch Tantal-IV-tellurid (TaTe2) kristallisiert mono-
Reaktion von Tantal mit Schwefel bei Temperatu- klin und ist in Form schwarzer Einkristalle von
ren um 900  C (Lieth 2013) oder auch durch bis zu 1 cm Länge im Handel. Die intermetallische
Umsetzung von Tantal-V-oxid mit Schwefelwas- Verbindung hat die Dichte 9,4 g/cm3. Man setzt
serstoff oder Kohlenstoffdisulfid. Daneben sind sie in Sputtertargets ein (s. Abb. 23), die man zur
noch mindestens vier weitere Tantalsulfide (Ta6S, Erzeugung sehr dünner Schichten des Produktes
Ta2S, Ta1+xS2 und TaS3) bekannt und auch charak- nutzt. Die im Kristallgitter vorliegenden, jeweils
terisiert, die jeweils in gewissen Homogenitätsbe- in Zickzack-Anordnung vorliegenden Tantal- und
reichen vorkommen (Brauer 1978, S. 1470). Telluratome gehen unter anderem π-Bindungen
Die bei Raumtemperatur und bis zu einer Tem- miteinander ein, was durch experimentelle Daten
peratur von 780  C stabile Modifikation der Ver- der Leitfähigkeit und die Berechnung teilbesetzter
bindung ist das 2H-TaS2. Es hat metallische Zustände bestätigt wird (Vernes et al. 1998).
Eigenschaften (spezifischer Widerstand 120 μΩ  Halogenverbindungen Tantal-V-fluorid (TaF5)
cm; Schlicht 1999, S. 11), eine Schichtstruktur bildet an der Luft zerfließliche, farblose Prismen,
und kristallisiert trigonal sowie isotyp zu Niob- die sehr feuchtigkeitsempfindlich und stark licht-
IV-sulfid (Riedel 2003, S. 498). Die oberhalb brechend sind. Diese haben die Dichte 4,74 g/cm3
einer Temperatur von 780  C existierende, gelbe und schmelzen bei 97  C; die Flüssigkeit siedet bei
Modifikation 1 T-TaS2 ist ein bei 20  C metasta- 230  C. Die Verbindung ist in Wasser unter Zi-
biler Halbleiter, den man durch Abschrecken des schen und Hydrolyse zu Tantaloxidfluorid (TaOF3)
heißen Festkörpers erhält. Man setzt Tantal-IV- löslich. Tantal-V-fluorid ist eine sehr starke Lewis-
sulfid als Schmierstoff und Halbleiter ein (Perry Säure und in sauren Lösungen etwas stabiler als in
2011, S. 410). Wasser, dementsprechend wird sie durch Alkalilau-
Tantal-IV-selenid (TaSe2) gewinnt man durch gen heftig zersetzt. Bei höheren Temperaturen
Reaktion einer pulvrigen Mischung von Tantal
und Selen bei Temperaturen über 600  C. Bei
langsamem Abkühlen entsteht die silberne 2H-
Form mit hexagonaler Kristallstruktur als bei tie-
fer Temperatur stabile Modifikation. Die rhombo-
edrisch kristallisierende 3R-Form (Clark und
Brown 2013) ist durch Erhitzen der goldmetal-
lisch aussehenden, trigonal kristallisierenden
1T-Form auf 300 bis 500  C zugänglich. Bei
800  C wandelt sich die 3R-Form in die ebenfalls Abb. 22 Tantal-IV-selenid Sputtertarget (QS Advanced
rhomboedrisch strukturierte 6R-Form um (Lieth Materials 2018)
2013). Die 1T-Modifikation ist nur bei Tempera-
turen über 800  C am stabilsten, kann aber durch
Abschrecken des heißen Feststoffs auf Raumtem-
peratur zumindest für einige Zeit „eingefroren“
werden.
Tantal-IV-selenid setzt man als Sputtertarget
(s. Abb. 22) zur Erzeugung sehr dünner Schichten
ein (Perry 2016, S. 412); Baumann und Her-
berg-Liedtke 2013). Diese aus Nanoteilchen von
Tantal-IV-selenid bestehenden Schichten zeigen Abb. 23 Tantal-IV-tellurid Sputtertarget (QS Advanced
in Abhängigkeit von ihrer Dicke unterschiedliche Materials 2018)
560 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

greift Tantal-V-fluorid selbst trockenes Glas an


(Brauer 1975, S. 262). Die Kristallstruktur der
Verbindung ist monoklin (Blachnik et al. 1998;
S. 752), in ihr befinden sich tetramere Einheiten
[MF4F2/2]4 innerhalb kubisch-dichtest gepackter
Fluoratome (Alsfasser et al. 2007a, S. 104).
Man stellt Tantal-V-fluorid aus Fluorwasser-
stoff und Tantal-V-chlorid her:

TaCl5 þ 10 HF ! 2 TaF5 Abb. 24 Kaliumheptafluorotantalat-V (Onyxmet 2018)

Alternativ ist natürlich auch die Reaktion der


Elemente bei Temperaturen um 300  C ein gang-
bares Verfahren (I), ebenso die Umsetzung von
Tantal mit Zinn-II-fluorid in der Hitze:

(I) 2 Ta + 5 F2 ! 2 TaF5
(II) 2 Ta + 5 SnF2 ! 2TaF5 + 5 Sn

Man setzt die Verbindung zusammen mit


Fluorwasserstoff als supersauren Katalysator ein
(Olah et al. 2009). Abb. 25 Tantal-V-chlorid (Onyxmet 2018)
Das in Form weißer Nadeln vom Schmelz-
punkt 720  C und der Dichte 4,11 g/cm3 vor- ser heftig und zügig unter Bildung von Chlorwas-
liegende Kaliumheptafluorotantalat-V (K2TaF7) serstoff und hydratisiertem Tantal-V-oxid hydro-
(s. Abb. 24) ist durch Reaktion von Tantal-V-oxid lysiert wird.
mit einer Mischung aus Flusssäure und Kalium- Die Verbindung schmilzt bzw. siedet bei Tem-
hydrogendifluorid (Brauer 1975, S. 263) erhält- peraturen von 216  C bzw. 232  C und hat eine
lich: Dichte von 3,68 g/cm3. Am leichtesten ist sie aus
den Elementen zugänglich (Brauer 1981, S. 1453):
Ta2 O5 þ 6 HF þ 4 KHF2 ! 2K2 TaF7 þ 5 H2 O
2 Ta þ Cl2 ! 2TaCl5
Bis zu einer Temperatur von 200  C herauf
kristallisiert es monoklin, darüber hinaus ortho- Elegante Syntheseverfahren gehen von Tantal-
rhombisch (Agulyansky 2004, S. 64; Torardi et al. V-oxid aus, das mit Thionylchlorid (I) oder Tetra-
1987). chlorkohlenstoff (II) erhitzt wird:
Man verwendet die Verbindung zur elektro-
chemischen Synthese von Tantaldiborid und auch (I) Ta2O5 + 5 SOCl2 ! 2 TaCl5 + 5 SO2
zur metallothermischen Herstellung elementaren (II) Ta2O5 + 5 CCl4 ! 2TaCl5 + 5 COCl2
Tantals, indem man sie mit Natrium erhitzt (Rie-
del und Janiak 2011, S. 798). Ebenso wie sein Man setzt Tantal-V-chlorid als Chlorierungs-
Niobanalogon besitzt sie eine gute Eignung als mittel bei organischen Synthesen ein.
Leuchtstoff für warmweiße LED-Lampen, wenn Tantal-IV-chlorid (TaCl4) ist ein braunschwar-
sie mit Mn4+-Ionen dotiert ist (Jansen et al. 2017). zer, kristalliner Feststoff, der ebenfalls sehr emp-
Tantal-V-chlorid (TaCl5) ist ein gelblicher, in findlich gegenüber Hydrolyse ist. Er hat die
reinstem Zustand farbloser (s. Abb. 25), monoklin Dichte 4,35 g/cm3 und schmilzt bei einer Tempe-
kristallisierender Feststoff (Rabe und Müller ratur von 300  C unter Zersetzung. Man gewinnt
2000), der stark hygroskopisch ist und durch Was- die diamagnetische, monoklin kristallisierende
5 Einzeldarstellungen 561

(Gutmann 1967) Verbindung durch Reduktion Pnictogenverbindungen Es existieren mehrere


von Tantal-V-chlorid mit Tantal oder Aluminium: Tantalnitride (α-TaN, ε-TaN, Ta2N, Ta3N5,
Ta4N5, Ta5N6), von denen das Tantal-III-nitrid
4 TaCl5 þ Ta ! 5 TaCl4 (TaN) das häufigste ist. Jenes ist ein keramischer,
3 TaCl5 þ Al ! AlCl3 þ 3 TaCl4 dunkelgrauer Feststoff (s. Abb. 26) der Dichte
13,7 g/cm3, der bei einer Temperatur von
Tantal-V-bromid (TaBr5) ist gleichfalls ein sehr 3090  C schmilzt. Man verwendet Tantal-III-ni-
feuchtigkeitsempfindlicher, an der Luft infolge trid als Sperr- und Haftschicht bei der Herstellung
Bildung von Bromwasserstoffnebel rauchender von Chips (Low-K-Dielektrika) und auch in
(Blachnik et al. 1998, S. 752), gelber Feststoff einer Solarzellen als Diffusionsbarriere. Auch in der
Dichte von 5 g/cm3. Die Verbindung schmilzt bzw. medizinischen Labortechnik setzt man es als
siedet bei Temperaturen von 265  C bzw. 349  C Beschichtungsmaterial für Schmelztiegel ein,
und besitzt einen charakteristischen Geruch. weil es beständig gegenüber geschmolzenen
Tantal-V-bromid kristallisiert monoklin; der stark Actinoidmetallen ist.
kovalente Charakter der Verbindung äußert sich Aus Tantal-III-nitrid bestehende Schichten
unter anderem darin, dass im Kristallverband erzeugt man durch Sputterdeposition von Tantal
dimere Moleküle vorliegen (Habermehl 2010). bei Anwesenheit ionisierten Stickstoffs oder die
Die Darstellung erfolgt zweckmäßig aus Tantal Abscheidung der Verbindung aus der Gasphase.
und Brom im Autoklaven bei Temperaturen um Nötig dafür sind tantalorganische Reaktionsgase
250  C (I), möglich sind aber auch ungewöhnliche (Precursor) sowie eine Stickstoffquelle, beispiels-
Darstellungsverfahren aus Tantal-V-oxid und Tet- weise Ammoniak.
rabromkohlenstoff (II) bzw. Aluminiumbromid Tantal-V-nitrid (Ta3N5) ist das gewöhnliche,
(III) (Brauer 1981, S. 1455): stöchiometrisch zusammengesetzte, „salzartige“
Nitrid des Tantals, das man etwa durch Überleiten
(I) 2 Ta + 5 Br2 ! 2 TaBr5 von Ammoniakgas über Tantal-V-oxid herstellt
(II) Ta2O5 + 5 CBr4 ! 2 TaBr5 + 5 COBr2 (Brauer 1981, S. 1472):
(III) Ta2O5 + 5 AlBr3 ! 2 TaBr5 + 5 AlOBr
3 Ta2 O5 þ 10 NH3 ! 2 Ta3 N5 þ 15 H2 O
Bei speziellen Synthesen heterocyclischer Mo-
leküle verwendet man Tantal-V-bromid als Kata- Das halbleitende Tantalmonophosphid (TaP)
wird in Photodioden und als Katalysator bei der
lysator (Álvarez-Builla et al. 2011).
Hydrodesulfurierung und -denitridierung einge-
Das bronzefarbene bis schwarze Tantal-V-iodid
setzt. Man erhält es in hoher Reinheit im Han-
(TaI5) besitzt, ungewöhnlich für Tantal-V-halogen-
del. Es ist äußerst stabil gegenüber Oxidation.
ide, hohe Schmelz- bzw. Siedepunkte (496  C bzw.
Beschichtungen kann man aus der Gasphase
543  C) und hat die Dichte 5,8 g/cm3. Auch diese
durch Umsetzung von Cyclohexylmonophosphan
Verbindung ist äußerst empfindlich gegenüber
Wasser und kristallisiert in zwei Modifikationen
(orthorhombisch bzw. monoklin) mit zwei bzw.
vier TaI5-Einheiten pro Elementarzelle (Habermehl
2010). Oberhalb einer Temperatur von 1000  C
spaltet Tantal-V-iodid Iod ab (Perry 2011, S. 411).
Die Darstellung der Verbindung erfolgt aus den
Elementen (I) oder aus Tantal-V-oxid und Alumi-
niumiodid (II):

(I) 2 Ta + 5 I2 ! 2 TaI5
(II) Ta2O5 + 5 AlI3 ! 2 TaI5 + 5 AlOI Abb. 26 Tantal-III-nitrid (Onyxmet 2018)
562 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

und Tantal-V-chlorid bei Temperaturen von man bei hoher Temperatur (2500  C) durch Über-
350–500  C erzeugen; diese reflektieren Infrarot- leiten von Kohlenwasserstoffen (Methan, Ethin,
licht (Blackman et al. 2003). Toluol) über erhitzte Tantaldrähte in einer Was-
Sonstige Verbindungen Das grauschwarze Tan- serstoff-Atmosphäre (Brauer 1981, S. 1475).
tal-IV-carbid (TaC) (s. Abb. 27) schmilzt bzw. Das intermetallische Tantal-II-carbid (Ta2C)
siedet bei einer Temperatur von 3983  C bzw. besitzt eine Schmelztemperatur von 3500  C und
5500  C, gehört damit zu den höchstschmelzen- eine Dichte von 15 g/cm3 (Brauer 1981, S. 1475).
den Materialien überhaupt und wird hierin nur Das dunkelbraune Tantaldisilicid (TaSi2)
noch von Tantalhafniumcarbid übertroffen. Un- (s. Abb. 28) setzt man in Spezialkeramiken ein.
terstöchiometrische Phasen von Tantal-IV-carbid Es schmilzt bei einer Temperatur von rund
(um TaC0,9) weisen sogar Schmelzpunkte 2200  C; aktuell kosten 10 g eines 325-mesh-
>4000  C auf! Tantal-IV-carbid besitzt die hohe Pulvers € 52 (Alfa Aesar).
Mohshärte von 6,5 bis 7 (Weiß 2014), hat die Tantalboride (TaB, TaB2) sind äußerst harte
Dichte von 13,9 g/cm3 (Remy 1973) und kristal- Stoffe, beispielsweise liegt die Vickers-Härte dün-
lisiert im kubischen Natriumchlorid-Gitter mit ner Filme oder Kristalle beider Verbindungen bei
vier Formeleinheiten pro Elementarzelle (Strunz 30 GPa (Motojima et al. 1982; Otani et al. 1998;
und Nickel 2001; Rowcliffe und Warren 1970). Okada et al. 1993). Unterhalb von Temperaturen
Wegen seiner großen Härte dient Tantal-IV- von 700  C sind sie stabil gegenüber Oxidation
carbid als Beschichtung auf hitzefesten Legierun- und Angriff durch Säure. Während das graue
gen in Triebwerken und Schneidwerkzeugen. Die Tantaldiborid (TaB2) (s. Abb. 29) dieselbe hexa-
Verbindung ist chemisch weitgehend inert und gonale Struktur wie andere Diboride hat (Chen
löst sich nur in Fluss- oder Schwefelsäure. Tantal- et al. 2008), kristallisiert Tantalmonoborid (TaB)
IV-carbid wurde bisher erst ein einziges Mal orthorhombisch. Ferner kennt man noch die Bo-
(1962) als natürlich vorkommendes Mineral ride Ta3B4 und Ta5B6. Hochreine Einkristalle bis
(im Ural) entdeckt (Hey 1966) und ist als aner- zu 1 cm Durchmesser und 6 cm Länge kann man
kanntes Mineral in den Systematiken nach Strunz durch Zonenschmelzen aller jeweils rohen Tantal-
(Strunz und Nickel 2001) bzw. Dana aufgeführt. boride herstellen.
Tantal-IV-carbid stellt man in größeren Men-
gen durch Erhitzen von Tantalpulver mit Flamm-
ruß her. Eine Reaktion von Tantal-V-oxid mit
Kohlenstoff führt zum gleichen Ergebnis, wes-
halb metallisches Tantal nicht aus diesen Aus-
gangsstoffen hergestellt werden kann. (Dieses
muss vielmehr durch Reduktion mit Wasserstoff,
Alkali- oder Erdalkalimetallen erzeugt werden.)
Kleinere Mengen an Tantal-IV-carbid erzeugt
Abb. 28 Tantaldisilicid (Stanford Advanced Materials
2018)

Abb. 27 Tantal-IV-carbid (Stanford Advanced Materials Abb. 29 Tantaldiborid Sputtertarget (QS Advanced
2018) Materials 2018)
5 Einzeldarstellungen 563

Filme von Tantalboriden können durch aufnimmt, wodurch das gewünschte Hochva-
chemische Abscheidung aus der Gasphase einer kuum in den Röhren aufrecht erhalten werden
Mischung von Tantal-V-chlorid, Bor-III-chlorid, kann.
Wasserstoff und Argon bei Temperaturen von Tantal ist mit einem Anteil von bis zu 9 % auch
540–800  C erzeugt werden. Zur Darstellung von Komponente von im Flugzeugbau verarbeiteten
TaB2-Filmen wählt man dabei ein Verhältnis BCl3/ Superlegierungen.
TaCl5 von 6 und für die von TaB-Filmen eines von
ca. 3. Nanokristalle von TaB2 lassen sich dagegen
Patente
gut durch Umsetzung von Tantal-V-oxid mit Na-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
triumborhydrid im Temperaturbereich 700–900  C
wide.espacenet.com)
während einer Reaktionszeit von 30 min unter
Argon darstellen (Zoli et al. 2018):
X. Wang und N. Yoshida, Tantalum contai-
ning material removal (Applied Materi-
2 Ta2 O5 þ 13 NaBH4 ! 4 TaB2 þ 8 Na als Inc., US 2019013211 A1, veröffent-
þ 5 NaBO2 þ 26 H2
licht 10. Januar 2019)
D. Ouellette und S. Y. Wu, Perpendicular
Anwendungen Tantal, das zur Zeit in Mengen spin transfer torque memory (PSTTM)
von rund 1400 t/a jährlich produziert wird, setzt devices with a non-stoichiometric tan-
man überwiegend in sehr kleinen Kondensatoren talum nitride bottom electrode and
hoher Kapazität ein. Diese Kondensatoren findet methods to form the same (Intel Corp.:
man verbreitet in Mobiltelefonen und im Auto- privat, WO 2019005160 A1, veröffent-
mobilbau. Die selbst in extrem dünnen Schichten licht 3. Januar 2019)
noch stabile und stark isolierend wirkende Schicht K. Jacobs Kanarik und T. Kim, Atomic
aus Tantal-V-oxid auf der Oberfläche der aufge- layer etching of tantalum (Lam Research
wickelten Tantalfolie ist verantwortlich für deren Corp., US 2018350624 A1, veröffent-
hohe Kapazität. Die weiteren, eine hohe Kapazität licht 6. Dezember 2018)
begünstigenden Faktoren sind möglichst dünne J. R. Vargas und S. Seelman, Thin film
Schichten zwischen den Elektroden und die ex- tantalum coating for medical implants
trem hohe Permittivität des Tantal-V-oxids. (Zimmer Inc., US 2018325632 A1, ver-
Weil das Metall nicht toxisch ist und auch nicht öffentlicht 15. November 2018)
mit Körperflüssigkeiten reagiert, findet es auch in H. C. Starck Tantalum and Niobium GmbH,
medizinischen Implantaten Verwendung, wie bei- Distortion-free screen-printed anodes on
spielsweise in Nägeln zur Fixierung von Knochen, Ta/Nb sheet (IL 229946 A, veröffentlicht
in Prothesen, in Klammern und in Kieferschrau- 31. Oktober 2018)
ben. Tantal-V-oxid setzt man sogar als Röntgen- K. Nagatsu, Tantalum sputtering agent
kontrastmittel ein, wenngleich dies wegen der (JX Nippon Mining & Metals Corp.,
hohen Kosten selten erfolgt (Kammler und Ulmer TW 201837220 A, veröffentlicht 16.
1971). Oktober 2018)
Tantal dient nicht selten als Innenbekleidung A. Hausladen und M. S. Lewandowski,
von Reaktionskesseln und wird auch in Wärme- Method of joining titanium and titanium-
austauscher und Pumpen eingebaut, meist jedoch based alloys to ferrous metals using tan-
in Legierungen mit einem Wolframgehalt von 2,5 talum (Lake Region Manufacturing Inc.;
bis 10 %. Diese sind noch stabiler und wider- Lake Region Medical, MY 167228 A, ver-
standsfähiger als reines Tantal, dies bei konstanter öffentlicht 14. August 2018)
Duktilität. In dieser Form ist es auch Bestandteil N. Yin und A. Rai, Tantalum powder anode,
von Laborgeräten, Spinndüsen sowie Kathoden and capacitor including same, and manu-
von Elektronenröhren. Letzteres deshalb, weil er-
hitztes Tantal ein großes Volumen an Wasserstoff (Fortsetzung)
564 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

das GSI 1985 zehn Kerne des Isotops 257105Db


facturing method thereof (Global Advan- nach (Heßberger et al. 1985), und fünfzehn Jahre
ced Metals USA Inc., TW 201827616 A, später konnte man in Darmstadt unter anderem
veröffentlicht 1. August 2018) 120 α-Zerfälle von 257105Db und 16 α-Zerfälle
von 256105Db nachweisen. Die Menge der bei
diesen Experimenten gewonnenen Daten erlaubte
spektroskopische Studien am Isotop 257105Db, wei-
5.4 Dubnium tere Kernisomere dieses Isotops wurden darüber
hinaus ebenfalls beobachtet, und selbst das Erstellen
Geschichte und Gewinnung Dubnium benannte eines ersten „Zerfallsbaumes“ war möglich (Heß-
man nach der russischen Stadt Dubna (nördlich berger et al. 2001). Diese Versuche halfen später bei
von Moskau), wo 1967 zuerst Kerne des Elements, der Deutung bislang unklarer Zerfallsmechanismen
im Vereinigten Institut für Kernforschung (JINR), von Isotopen geringerer Ordnungszahl, wie zum
von Flerov et al. erzeugt wurden. Das metallische Beispiel denen des Mendeleviums und Einsteiniums
EIement ist nur durch Kernfusion, entweder kalte (Heßberger et al. 2005).
oder heiße, zugänglich, und alle seine Isotope sind Folgende Kernfusionsreaktionen wurden unter
radioaktiv. Das noch längstlebige Isotop 268105Db anderem untersucht:
zerfällt mit einer Halbwertszeit von etwa 28 Stun-
den.
83 Bi þ 22 Ti ! 0 n
209 48 1
Die hart umkämpfte Diskussion um die Na-
þ 105 Db ½Oganessian
256
et al: 1983; JINR Dubna
mensgebung ist in den Veröffentlichungen der
IUPAC-Kommission festgehalten (1994, 1997); 82 Pb þ
208 51
23 V ! 0 n
1
die Auffindung, Erforschung und Beschreibung þ 258 105 Db ½Ghiorso et al: 1976; LBNL Berkeley
der Tranactinoiden in zahlreichen Veröffentlich-
ungen beschrieben (Hoffman et al. 2006; Östlin ðLBNL : Lawrence Berkeley National LaboratoryÞ
und Vitos 2011; Fricke 1975; Oganessian et al.
81 Tl þ 24 Cr ! 0 n
205 54 1
2010, 2017; Barber et al. 1993).
þ 258 105 Db ½Oganessian et al: 1976; JINR Dubna
Bei der Herstellung von Kernen des Dubniums
durch kalte Kernfusion erzeugt man Kerne niedri-
ger Anregungsenergie (~10–20 MeV), die mit hoher Bei der heißen Kernfusion bilden sich Kerne
Wahrscheinlichkeit keine spontane Kernspaltung hoher Anregungsenergie (~40–50 MeV), die ein
erleiden. Ein zunächst etwa durch Verschmelzung erhöhtes Risiko eines Spontanzerfalles haben.
eines Bismutkerns (Ordnungszahl: 83) mit einem Auch hier versuchte man mehrere Wege:
des Titans (Ordnungszahl: 22) erzeugter Atomkern
95 Am þ ! 51 0 n
243 22
des Dubniums gibt ein oder zwei Neutronen ab und 10 Ne
þ 260
105 Db ½Flerov et al: 1976; JINR Dubna
bildet Kerne eines neutronenärmeren Isotops. Diese
Fusion testete man zuerst 1976 in Dubna:
92 U þ 13 Al ! 5 0 n
236 27 1

þ 258 105 Db ½Andre’ev et al: 1992; JINR Dubna


209
83 Bi þ 50
22 Ti !259 105 Db ! 21 0 n þ 257
105 Db
92 U þ 13 Al ! 5 0 n
238 27 1

Im GSI Helmholtzzentrum für Schwerionen- þ 260


105 Db ½Gregorich et al:; 2006; LBNL Berkeley
forschung (GSI) in Darmstadt gelang 1981 der
Nachweis des Isotops 258105Db (Münzenberg Bei der 1976 verfolgten Fusionsreaktion wollte
et al. 1981). 1983 begannen die russischen For- man die gebildeten Dubniumkerne als flüchtiges
scher, mittels α-Zerfällen auf eine etwaige vorhe- Chorid nachweisen, auf das tatsächlich Hinweise
rige Existenz von Dubniumisotopen rückzu- erhalten wurden. Jenes besaß ein ähnliches
schließen. Auf Grundlage dieser Versuche wies Adsorptionsverhalten wie NbCl5. Analoge und
5 Einzeldarstellungen 565

zuverlässigere Indikationen erhielt dasselbe For- man beispielsweise nur einige Atome des Iso-
scherteam 1976, als man bromierte Verbindungen tops 268105Db; die beobachteten Halbwertszeiten
des Dubniums herstellen wollte. Das in Form schwanken daher stark. So wird von drei Versu-
weniger Moleküle erzeugte Dubnium-V-bromid chen berichtet, bei denen man insgesamt 23 (!)
(DbBr5) konnte man damals ebenfalls nachweisen. Kerne dieses Isotope erzeugt hätte (Stoyer et al.
Das japanische JAERI (Japanese Atomic 2007). Das zweitstabilste Isotop (270105Db) fiel
Energy Research Institute) beschrieb 2002 Versu- sogar nur in einer Zahl von drei Kernen an (Ogan-
che, die wässrige Chemie des Dubniums zu erfor- essian et al. 2010; Khuyagbaatar et al. 2014). In
schen (Nagame 2002). beiden Fällen entstanden die Kerne durch radioak-
Im LBNL erforschte man weitere Fusionsreak- tive Zerfälle, die ursprünglich von den schweren
tionen als möglicherweise gangbare Wege zur Kernen 288115Mc und 294117Ts ausgingen.
Erzeugung von Isotopen des Dubniums: Die bisher erhaltenen Versuchsergebnisse las-
sen die Einordnung des Dubniums in die fünfte
249
97 Bk þ 16
8O ! 41 0 n þ 261
105 Db und Nebengruppe plausibel erscheinen, auch wenn
Abweichungen zu den leichteren Homologen
250
98 Cf þ 15
7N ! 4 0n þ
1 261
105 Db
Vanadium, Niob und Tantal durch relativistische
Effekte verursacht werden. Die Orbitale kontrahie-
Letztgenannte Reaktion wurde am LBNL
ren quer über alle Elektronenschalen hinweg,
schon seit 1970 untersucht. Man wandte dabei
die Elektronen selbst bewegen sich auf den
die damals neue Methode der Elternkern-
innen liegenden Orbitalen immer schneller und
Tochterkern-Korrelation an und wies die Existenz
erreichen dabei nahezu Lichtgeschwindigkeit, die
eines Isotops 260105Db anhand der von dessen
7s-Orbitale werden stark zusammengezogen und
α-Zerfallsprodukt 256103Lr emittierten Röntgen-
dadurch energetisch stabilisiert, schirmen so die
strahlung nach (Ghiorso et al. 1970). Diese Ergeb-
außen liegenden d- und f-Orbitale vom Kern ab,
nisse wurden durch Arbeiten am Institut in Oak
wodurch sich jene wiederum vergrößern. Daher
Ridge bestätigt (Hensley 1977).
übernehmen die am schwächsten gebundenen
Die Wahl von Targets immer höheren Atom-
Elektronen, meist der d- und f-Orbitale, die Valenz-
gewichtes gipfelte 1988 in der Wahl des
funktion, wogegen die 7s-Elektronen schwerer für
Einsteinium-Isotops 25499Es durch das Team des
Zwecke der Bindung verfügbar sind. Das Db+-Ion
Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL).
sollte diesbezüglichen Rechnungen zufolge ein
Dessen Beschuss wurde mit 136C-Kernen durch-
6d-Elektron verlieren, die Ionen Db2+ und Db3+
geführt. Wegen der winzigen Targetprobe war die
ein oder zwei 7s-Elektronen. Maximal hat aber
Empfindlichkeit des Nachweises aber bereits stark
auch ein Dubniumatom fünf Valenzelektronen.
beeinträchtigt, so dass Einsteinium sicher dasje-
Für Dubnium werden eine kubisch-raumzentrierte
nige Target mit der höchstmöglichen Ordnungs-
Kristallstruktur, eine Dichte von ca. 29 g/cm3 und
zahl für diese Art von Kernfusionen ist.
sehr hohe Schmelz- und Siedepunkte vorausgesagt
(s. Tab. 4).
Physikalische Eigenschaften Das längstlebige
Isotop des Dubniums ist 268105Db mit einer Halb- Chemische Eigenschaften Berechnungen zur
wertszeit von 28 h (Audi et al. 2012). Andere Chemie in Lösung weisen darauf hin, dass die
Isotope des Elements sind teils wesentlich kurzle- höchstmögliche und auch stabilste Oxidations-
biger (Karpov et al. 2013). Diese Kurzlebigkeit zahl des Dubniums +5 ist. Dieser Zustand soll
begrenzt die Möglichkeit, Versuche mit den gerade gleichzeitig stabiler als die des Nb5+ und Ta5+
erzeugten Atomkernen durchzuführen; erschwert sein. Trotzdem sollen beispielsweise die Pentaha-
wird dies noch dadurch, dass die stablisten Isotope logenide wie Dubnium-V-chlorid (DbCl5) noch
des Elements auch am schwierigsten zu erzeugen zügig hydrolysieren. In manchen Eigenschaften
sind (Karpov et al. 2013). Pro Experiment erhält könnte Dubnium zum Hafnium überleiten; so
566 10 Vanadiumgruppe: Elemente der fünften Nebengruppe

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Dubnium


Symbol: Db
Ordnungszahl: 105
CAS-Nr.: 53850-35-4
Aussehen: ——
Entdecker, Jahr Flerow et al. (Sowjetunion), 1967
Ghiorso et al. (USA), 1970
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (h) Zerfallsart, -produkt
267
105Db (synthetisch) 1,2 SF (spontane Kernspaltung)
268
105Db (synthetisch) 29 ε > 268104Rf
270
105Db (synthetisch) 23,5 SF (spontane Kernspaltung)
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ——
Atommasse (u): (268)
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred & Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (pm): 139*
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 149*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d3 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 665 ♦ 1547 ♦ 2378*
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) 29,3*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 9,2  106*
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 60*
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 27*
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 3400 ♦ 3670*
Schmelzwärme (kJ/mol) 45*
Siedepunkt ( C ♦ K): 5800 ♦ 6070*
Verdampfungswärme (kJ/mol): 790*
*Geschätzte bzw. berechnete Werte

belegen schon 1976 durchgeführte thermochro- Db-V lässt sich von Kationen-Austauschern aber
matografische Versuche eine ähnliche Flüchtig- mittels α-Hydroxyisobutyrat eluieren. Mittels Gas-
keit von HfBr4 und DbBr5. chromatografie durchgeführte Versuche zur Prü-
Zwischen 1988 und 1993 arbeiteten viele fung auf Flüchtigkeit zeigten, dass Halogenide
Labors weltweit daran, Komplexe des Dubniums des Dubniums offenbar schwerer flüchtig sind als
zu isolieren. Verbindungen aller Elemente der fünf- die seiner leichteren Homologen.
ten Nebengruppe sowie des Protactiniums isolierte Ab 2005 konnten die Versuche mit Dubnium-
man aus konzentriert salzsaurer Lösung, verdünnte isotopen auf eine neue Grundlage gestellt warden,
dann, setzte Flusssäure zu. Dubnium zeigte dabei weil man mit dem gerade entdeckten, relativ
ein zu Tantal unterschiedliches, aber nahe zu Niob langlebigen Isotop 268105Db arbeiten konnte
und Protactinium stehendes Verhalten, nur ließ (t1/2: 28 h). Eine auf einem Target durch Beschuss
es sich nicht so einfach wie jene beiden mittels erzeugte, extrem dünne Lage von Dubniumato-
organischer Lösungsmittel (Diisobutylcarbinol) men wurde durch Lösen in Königswasser ent-
extrahieren. Man interpretierte dies dahingehend, fernt. Zufügen von Ammoniakwasser fällte die
dass Dubnium größere Komplexe mit hoher nega- Elemente in Form ihrer Hydroxide aus, die abfil-
tiver Ladung bildet, die schwer extrahierbar sind. triert und gewaschen wurden. Sowohl in Berkeley
Literatur 567

als auch in Dubna arbeitete man die Probe Part III: discovery profiles of the transfermium ele-
getrennt auf (Berkeley: Phasenumkehrchromato- ments. Pure Appl Chem 65(8):1757
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bleibt also weiterhin teilweise unklar (Stoyer et al. schutz. Springer, Berlin/Heidelberg, S 1451. ISBN
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Fluorokomplexe auftritt (Nagame et al. 2016). Chem 102:427–428
In Analogie zu Niob und Tantal sollte das Ver- Berzelius JJ (1825) Flussspatsäure Tantalsäure und Fluss-
patsäure Tantalsalze, Tantalum und verschiedene seiner
brennen des Metalls im Sauerstoffstrom das Dub- Verbindungen. Ann Phys Chem 4:6–22
nium-V-oxid (Db2O5) bilden, und mit Halogenen Birks AR et al (1976) Band structure changes in interealates
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Chromgruppe: Elemente der sechsten
Nebengruppe 11

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615

Zusammenfassung 1 Einleitung
Dieses Kapitel beschreibt die chemischen und
physikalischen Eigenschaften, Vorkommen, Die Elemente der sechsten Nebengruppe (Chrom,
Herstellverfahren, Anwendungen und Patente Molybdän, Wolfram und Seaborgium) sind zuei-
der Elemente der sechsten Nebengruppe des nander physikalisch und chemisch relativ ähnlich.
Periodensystems der Elemente mit ihren wich- Auch bei Molybdän und Wolfram wirkt sich noch
tigsten Verbindungen. Chrom findet man als die Lanthanoidenkontraktion aus; die chemischen
Legierungsbestandteil in harten und wider- Eigenschaften beider Elemente weichen nur gering-
standsfähigen Stählen, Verbindungen des fügig voneinander ab. In den jeweiligen physikali-
Chrom-VI jedoch in der galvanischen und le- schen Eigenschaften unterscheiden sich Molybdän
derverarbeitenden Industrie. Molybdän und und Wolfram aber gelegentlich deutlich, was man
Wolfram gehen in harte und hochschmelzende an deren Dichte und den Schmelz- und Siedepunk-
Legierungen, ihre Nitride und Carbide sind ten festmachen kann. Oft geben die Elemente dieser
aber vor allem für die Elektronikindustrie Gruppe insgesamt sechs äußere Valenzelektronen
wichtig. Isotope des Seaborgiums kommen in (jeweils zwei s- und zwei d-Elektronen) ab, um eine
der Natur nicht vor und können ausschließlich stabile Elektronenkonfiguration zu erreichen. Bei
auf künstlichem Weg erzeugt werden. Chrom ist die Oxidationsstufe +3 die stabilste. Mo-
lybdän und Wolfram treten in ihren Verbindungen in
verschiedenen Oxidationsstufen auf.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 573
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_11
574 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Die Entdeckung des Chroms, Molybdäns und formationen über das jeweilige Element, so dass
Wolframs erfolgte jeweils gegen Ende des 18. hier nur eine kurze Einleitung folgt.
Jahrhunderts, die des Seaborgiums dagegen fast
200 Jahre später, 1974. Sie finden alle Elemente
im unten stehenden Periodensystem in Gruppe 6 2 Vorkommen
(VI B).
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. Chrom ist in der Erdhülle immerhin noch mit
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie einem Anteil von 190 ppm vertreten, wogegen
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- Molybdän bzw. Wolfram mit Anteilen von
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die 14 bzw. 60 ppm eher selten sind. Seaborgium ist
meisten Elemente können sich untereinander ver- ausschließlich durch künstliche Kernreaktionen
binden und bilden chemische Verbindungen; so und dann nur in geringsten Mengen, die bis an
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische wenige Atome heranreichen, zugänglich.
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz).
Einschließlich der natürlich vorkommenden
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich 3 Herstellung
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. Chrom gewinnt man, nach Aufschluss seiner
Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier Erze, durch Reduktion des gereinigten Oxids mit
Vertreter der Gruppe der Elemente der sechsten Aluminium. Die Produktion von Molybdän und
Nebengruppe enthalten dabei alle wichtigen In- Wolfram ist wesentlich teurer; hier ist die Re-

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


5 Einzeldarstellungen 575

duktion des jeweiligen Trioxids mit Wasserstoff 5.1 Chrom


das übliche Verfahren zur Herstellung der Ele-
mente. Geschichte Lehmann untersuchte 1766 ein im
Ural gefundenes, orangerotes Mineral, das er
Rotbleierz nannte. Es löste sich in Salzsäure unter
4 Eigenschaften Bildung einer grünen Lösung. Er erkannte jedoch
nicht, dass es sich hier um das Mineral eines bis
4.1 Physikalische Eigenschaften dahin noch unbekannten Elements handelte (Eng-
hag 2008; Schröcke und Weiner 1981). An glei-
Die physikalischen Eigenschaften sind auch in die- cher Stelle fand man in den späteren Jahren wei-
ser Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regelmä- tere Vorkommen an Rotbleierz, das man darauf als
ßig nach steigender Atommasse abgestuft. In Ana- Farbpigment einsetzte. Auch das ebenfalls als
logie zu den Nachbarelementen der fünften und Pigment eingesetzte Chromgelb gewann man aus
siebten Nebengruppe nehmen vom Chrom zum Rotbleierz (Guertin et al. 2004).
Wolfram Dichte, Schmelzpunkte und -wärmen, Ende des 18. Jahrhunderts fand Vauquelin im
Verdampfungswärmen und auch Siedepunkte zu, Rotbleierz einen damals noch unbekannten Be-
wogegen die chemische Reaktionsfähigkeit leicht standteil, den er als Chrom-III-oxid (Cr2O3)
zurückgeht. Der bei den Elementen der ersten bis isolieren konnte. Aus dem Oxid stellte er 1798
dritten Hauptgruppe zu beobachtende Effekt der mit Holzkohle unreines Chrom her. Vauquelin
Schrägbeziehung erscheint bei sämtlichen Neben- publizierte seine Entdeckung früher als Klaproth
gruppenelementen, also auch in dieser Gruppe, (Kurzbiografie siehe „Cer“); hierin nannte er das
nicht. Das Element Chrom leitet in seinen Eigen- neue Element mit Bezug auf die Vielfarbigkeit
schaften also nicht zum Technetium über. seiner Verbindungen Chrom.

Der französische Apotheker und Naturfor-


4.2 Chemische Eigenschaften
scher Louis-Nicholas Vauquelin
(* 16. Mai 1763 St. André d’Hébertot; † 14.
Die Elemente der Chromgruppe sind teils reaktiv
November 1829 St. André d’Hébertot)
(wie Chrom), aber oft auch sehr reaktionsträge.
absolvierte zunächst von 1777–1779 in
An der Luft lagernd, schützt sie eine dünne, pas-
einer Apotheke in Rouen seine Ausbildung
sivierende Oxidschicht vor weiterer Korrosion
zum Apotheker. Von 1784 bis 1792 war er
durch Luftsauerstoff, und auch in Säuren sind sie
Assistent des Chemikers Antoine François de
nur vereinzelt und auch dann nur unter Anwen-
Fourcroy an der Pariser Sorbonne, wurde
dung drastischer Methoden löslich. Mit vielen
1791 Mitglied der Académie des Sciences
Nichtmetallen (Halogene, Sauerstoff, auch Stick-
und begann mit der Herausgabe der Annales
stoff und Kohlenstoff) reagieren sie aber bei
de chimie. Bis 1833 erschienen unter seinem
erhöhter Temperatur. Chrom-III-oxid (Cr2O3) re-
Namen 376 Publikationen zur Untersuchung
agiert amphoter, Chrom-VI-oxid (CrO3) stark
vieler Substanzen und deren Trennung.
sauer, Molybdän-VI-oxid (MoO3) und Wolfram-
Alleine entdeckte er zwei chemische Ele-
VI-oxid (WO3) dagegen nur schwach sauer.
mente, Beryllium und Chrom, zusammen
mit Fourcroy nahezu zeitgleich zu Tennant
Osmium in noch verunreinigtem Platin (Hau-
5 Einzeldarstellungen brichs und Zaffalon 2017).
Vauquelin lehrte an der Bergbauschule,
Im folgenden Teil sind die Elemente der Chrom-
dem Polytechnikum, am Jardin des Plantes
gruppe (6. Nebengruppe) jeweils einzeln mit ihren
und am Collège de France. 1809 folgte er
wichtigen Eigenschaften, Herstellungsverfahren
und Anwendungen beschrieben. (Fortsetzung)
576 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Jenes wäscht man mit heißem Wasser aus;


Fourcroy als Professor an der Sorbonne nach. durch Versetzen des wässrigen Extraktes mit
1828 wurde er Mitglied der Abgeordneten- Schwefelsäure erzeugt man anschließend schwer
kammer des französischen Parlaments. Vau- wasserlösliches Natriumdichromat:
quelin war Mitglied mehrerer ausländischer
wissenschaftlicher Gesellschaften (ab 1808 2 Na2 CrO4 þ H2 SO4 ! Na2 Cr2 O7 þ Na2 SO4
Bayerische Akademie der Wissenschaften, þ H2 O
ab 1812 Preußische Akademie der Wissen-
schaften, ab 1816 Schwedische Akademie der Das Dichromat kristallisiert beim Abkühlen
Wissenschaften, ab 1823 Royal Society). Er der wässrigen Mutterlauge als Dihydrat aus. Es
entwickelte die Titrimetrie mit, isolierte unter wird abfiltriert, getrocknet und mit Kohle geglüht,
anderem erstmals Hippursäure (1797), Harn- wobei sich Chrom-III-oxid (Cr2O3) bildet:
stoff aus Tierharn (1800), Asparagin aus
Spargel (1805) (Walden 2013) und Fumar- 2 Na2 Cr2 O7 þ 2 C ! Cr2 O3 þ Na2 CO3 þ CO
und Maleinsäure (1817).
Schließlich reduziert man das grüne Chrom-
III-oxid mit Aluminiumpulver zu Chrom:
Vorkommen Chrom kommt in der Natur meist in
Form seiner Verbindungen vor, tritt aber, allerdings Cr2 O3 þ 2 Al ! 2 Cr þ Al2 O3
sehr selten, auch elementar auf. Das ökonomisch
wichtigste Chromerz ist Chromit (Chrom- Dabei fällt Chrom in guter, aber nicht für alle
eisenstein; FeCr2O4), das man im Tagebau oder in Anwendungen ausreichender Reinheit an. Die
geringer Tiefe abbaut. Andere Minerale wie Fer- Erzeugung des Metalls durch direkte Reduktion
chromid (87 %) oder Grimaldiit (61 %) weisen seiner oxidischen Erze mit Kohle funktioniert
zwar noch höhere Chromanteile auf, sind aber nicht, da sich bei dieser Reaktion Chromcarbid
wesentlich seltener. Weltweit sind ungefähr 100 bildet. Noch reineres Chrom kann man mittels
Chrommineralien bekannt und charakterisiert. Elektrolyse einer schwefelsauren Chrom-III-sul-
Anfang der 2000er-Jahre stand Südafrika noch fatlösung herstellen; jene gewinnt man durch
für die Hälfte der Weltförderung; mit erheblichem Lösen von Ferrochrom oder Chrom-III-oxid in
Abstand folgten Kasachstan (ca. 15 %), Indien Schwefelsäure und -in ersterem Fall- darauf
(ca. 12 %) sowie, mit jeweils etwa 3 % Anteil, folgender Abtrennung des Eisens. Hochreines
Zimbabwe und Finnland. 2006 trug Südafrika nur Chrom erzeugt man, wie es auch bei Titan und
noch ein gutes Drittel bei, und Indien war mit Vanadium üblich ist, nach dem Van Arkel-De
einem Anteil von ca. 19 % schon stark entwickelt. Boer-Verfahren.
Kasachstan folgte mit 17 %, weitere 13 % teilten
sich in diesem Jahr (2006) Brasilien, Zimbabwe, Eigenschaften
Türkei und Finnland. Bis zum Zweiten Weltkrieg Physikalische Eigenschaften: Das silberweiße,
war die Türkei noch eines der bedeutendsten För- korrosionsbeständige Chrom ist sehr hart, aber
derländer (Ziegler 1997). trotzdem zäh, form- und schmiedbar. Mit einer
Néel-Temperatur von 38  C (311 K) ist es bei
Gewinnung Vom geförderten Chromiterz trennt Raumtemperatur antiferromagnetisch (Fawcett
man das wertlose Gestein ab und schmilzt das 1976, s. Tab. 1).
Erz mit Soda bei gleichzeitigem Einleiten von Chemische Eigenschaften: Chrom wird nach
Luftsauerstoff, wodurch gelbes Natriumchromat Ablauf einer längeren Kontaktzeit von Salzsäure
(Na2CrO4) erzeugt wird: und Schwefelsäure unter Wasserstoffentwicklung
angegriffen, nachdem die schützende Oxidschicht
4 FeCr2 O4 þ 8 Na2 CO3 þ 7 O2 abgelöst wurde. Häufige Oxidationsstufen des
! 8 Na2 CrO4 þ 2 Fe2 O3 þ 8 CO2 Chroms sind +2, +3 und +6, wobei +3 die be-
5 Einzeldarstellungen 577

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Chrom


Symbol: Cr
Ordnungszahl: 24
CAS-Nr.: 7440-47-3

Aussehen: Silberweiß Chrom, Stück (Tomihahndorf Chrom,


glänzend 2006) Pulver 150 μm
(Onyxmet
2018)
Entdecker, Jahr Vauquelin (Frankreich), 1798
Klaproth (Preußen), 1798
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
(%)]
50
24Cr (4,345) >1,8  1017 2ε > 5022Ti
52
24Cr (83,79) Stabil ——
53
24Cr (9,50) Stabil ——
54
24Cr (2,365) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 190
Atommasse (u): 51,996
Elektronegativität 1,66 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred & Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Cr3+ + 3 e > Cr (V) 0,744
Atomradius (berechnet) (pm): 140 (166)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 139
Ionenradius (Cr3+/ Cr6+, pm) 64/53
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d4 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 653 ♦ 1591 ♦ 2987 ♦
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte ♦ fünfte ♦ sechste: 4743 ♦ 6702 ♦ 8745
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,1  104
Magnetismus: <311 K: Antiferromagnetisch
>311 K: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 7,87  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 279 ♦ 160 ♦ 115
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 1060 ♦ 687-6500
Mohs-Härte 8,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 5940
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 7,14
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 7,23  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 94
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 23,35
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1907 ♦ 2180
Schmelzwärme (kJ/mol) 16,93
Siedepunkt ( C ♦ K): 2482 ♦ 2755
Verdampfungswärme (kJ/mol): 347

ständigste ist. Chrom-VI-Verbindungen sind starke Ausschluss von Luftsauerstoff haltbar. Eine Be-
Oxidationsmittel, die des Chrom-II wirken dage- gründung der unterschiedlichen Stabilitäten von
gen kräftig reduzierend (Riedel und Janiak 2011, Cr2+- und Cr3+-Ionen liefert die Kristallfeldtheorie,
S. 814) und sind in wässriger Lösung nur bei nach der im oktaedrisch koordinierten Cr3+-Ion
578 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

alle energetisch günstigen Orbitale (t2g) mit je zur Herstellung von Chrom-IV-oxid, Kaliumdi-
einem ungepaarten Elektron besetzt sind, wogegen chromat und Ammoniumdichromat.
beim Cr2+-Ion aufgrund des es umgebenden, meist Das orangefarbene, ebenfalls sehr giftige Kali-
nur schwachen oktaedrischen Ligandenfeldes in umdichromat (K2Cr2O7) (s. Abb. 3) wirkt ebenso
der Regel der energiereichere und damit unbestän- stark oxidierend wie Chrom-VI-oxid; man stellt es
digere high spin-Komplex (3 ungepaarte Elektro- durch Ansäuern einer Lösung von Kaliumchro-
nen in den t2g- und eines im eg-Oribital) gebildet mat (K2CrO4) her. Die Oxidationswirkung nutzt
wird (Riedel und Janiak 2011, S. 812). man in den von der Polizei benutzten Promilletes-
Chrom-VI-Verbindungen, wie etwa Chrom- tern, da etwaig in der Atemluft enthaltener Etha-
VI-oxid, Chromat (CrO42) bzw. Dichromat nol in schwefelsaurer Lösung zu Acetaldehyd
(Cr2O72), sind starke Oxidationsmittel und darü- oxidiert und gleichzeitig Chrom-VI zu grünem
ber hinaus giftig und krebserregend. Chrom-III reduziert wird. Außerdem benutzt
man Kaliumdichromat als Titer in der quantitati-
Verbindungen ven Analyse sowie als Fixiermittel in industriellen
Chalkogenverbindungen Chrom-VI-oxid (CrO3) Färbebädern.
ist das Anhydrid der hypothetischen Chromsäure. Ammoniumdichromat [(NH4)2Cr2O7] ist ein
Es schmilzt bei 235  C und bildet bei Raumtempe- oranges (s. Abb. 4), gut in Wasser lösliches kris-
ratur rotviolette, geruchlose, nadelförmige Kristalle tallines Pulver der Dichte 2,15 g/cm3, das sich ab
(s. Abb. 2), die verzerrt tetraedrische Struktur besit- einer Temperatur von 100  C exotherm zersetzt.
zen (Stephens und Cruickshank 1970). Oberhalb einer Temperatur von 130  C erfolgt
Chrom-VI-oxid ist ein starkes Oxidationsmit- Selbstentzündung, oberhalb von 240  C Explo-
tel und kann mit brennbaren organischen Stoffen sion. Mechanische Reize wirken sich auf Ammo-
explosionsartig reagieren. Beim Glühen gibt die niumdichromat dagegen kaum aus. Die Verbin-
Verbindung Sauerstoff unter gleichzeitigem Abbau dung ist kein Sprengstoff, wird aber gelegentlich
zu Chrom-III-oxid ab. In wässriger Lösung bildet
es gelbe Chromatanionen (CrO42); diese Lösung
wirkt stark ätzend. Chrom-VI-oxid ist sehr giftig,
krebserregend und erbgutverändernd. Wird die
Substanz verschluckt, können bereits Mengen
<1 g für Erwachsenen tödlich wirken; erste Symp-
tome sind Krämpfe und Lähmungen.
Chrom-VI-oxid stellt man durch Versetzen
konzentrierter Chromatlösungen mit konzentrier-
ter Schwefelsäure her. Anwendungen bestehen in
der Galvanotechnik, in Holzschutzmitteln sowie Abb. 3 Kaliumdichromat (Onyxmet 2018)

Abb. 2 Chrom-VI-oxid (Onyxmet 2018) Abb. 4 Ammoniumdichromat (Onyxmet 2018)


5 Einzeldarstellungen 579

Abb. 5 Calciumchromat (Onyxmet 2018) Abb. 6 Chrom-IV-oxid (Onyxmet 2018)

in der Pyrotechnik und als Katalysator eingesetzt


(Köhler 2008).
Calciumchromat (CaCrO4) ist ein starkes Oxi-
dationsmittel, das heftig mit organischen Stoffen
und Metallen reagiert. Das gelbe Pulver (s. Abb. 5)
kristallisiert monoklin und schmilzt bei 1020  C
unter Zersetzung. Man verwendet die als krebser-
zeugend eingestufte Verbindung als Korrosions-
schutzmittel, Pigment und als Depolarisator in
Batterien. Abb. 7 Chrom-III-oxid (Onyxmet 2018)
Chromgelb (Blei-II-chromat/-sulfat, PbCrO4
2 PbSO4) fand früher als Malerfarbe Verwendung, Schmelzpunkt 2435  C und einer Dichte von
weil es kräftig gelb färbte („Postgelb“). Man setzt 5,22 g/cm3. Es ist sehr hart, kristallisiert hexa-
es heute aber wegen seiner Toxizität praktisch gonal-rhomboedrisch und ist im Gegensatz zu
nicht mehr ein; organische Farbstoffe haben es Verbindungen des Chrom-VI nicht giftig. Chrom-
mittlerweile fast völlig verdrängt. Zudem hing III-oxid setzt man wegen seiner Härte als Schleif-
die Beständigkeit von aus Chromgelb bestehen- mittel ein, unter dem Namen Chromoxidgrün als
den Anstrichen gegenüber Licht vom Gelbton Farbmittel für Emaille und Glas (Binnewies et al.
ab. In älteren Gemälden ist dieser Effekt deutlich 2010; Dohnke 2000). Gelegentlich findet es bei
zu sehen (Monico et al. 2011; Cotton und Wilkin- organischen Synthesen auch als Katalysator Ver-
son 1967; Enghag 2008; Spiegel Online 2011). wendung.
Chrom-IV-oxid (CrO2) ist ein schwarzes ferro- Ein bedeutender Hersteller von Chromoxiden
magnetisches und elektrisch leitfähiges Pulver der mit jahrzehntelanger Erfahrung war bis Ende
Dichte 4,89 g/cm3, das sich ab einer Temperatur 2019 die LANXESS AG. bevor das Geschäft an
von 375  C zersetzt und in einer tetragonalen den chinesischen Hersteller Brother Enterprises
Rutilstruktur kristallisiert (s. Abb. 6). Es dient seit ging. Die breite Produktpalette von Pigmenten
langem zur Herstellung von Magnetbändern und dienen zur Einfärbung beispielsweise von Bau-
hat dabei wegen seiner höheren Koerzivität und stoffen, Farb- und Lacksystemen oder Kunst-
des somit besseren Signal-Rausch-Verhältnisses stoffen. Sie wurden von LANXESS unter den
das früher hierfür verwendete Eisenoxid ver- Produktmarken Colortherm ® Green GN und
drängt. Es ist unter anderem durch Zersetzung Bayoxide ® C vertrieben.
von Chrom-VI-oxid mittels Wasser bei Tempera- So war Colortherm ® Green GN (Color-Index
turen um 500  C und unter hohem Druck 77288) beispielsweise ein hitzestabiles Chrom-
(ca. 200 MPa) synthetisierbar. oxid-Grünpigment, das zur Einfärbung verschie-
Das bereits oben genannte Chrom-III-oxid denster Baumaterialien und auch in der Papier-
(Cr2O3) ist ein grünes Pulver (s. Abb. 7) vom industrie zur Einfärbung von Laminatpapieren
580 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

eingesetzt wurde. Darüber hinaus verwendet man


dieses Pigment in der Keramikindustrie zur direk-
ten Einfärbung von Glasuren und Emaille, da eine
gute Dispergierbarkeit bei kurzen Verweilzeiten
und relativ geringen Scherkräften in den Verarbei-
tungsmaschinen gewährleistet ist. Das Pigment ist
leicht zer- und verteilbar und erreicht schnell die
Endfarbstärke. Es zeigt eine hohe Licht- und Wet-
terbeständigkeit.
Der qualitativ-analytische Nachweis erfolgt Abb. 8 Chrom-II-selenid (Onyxmet 2018)
durch Schmelzen der Probe mit Natriumhydroxid
und Kaliumnitrat, wobei sich gelbes Chromat bildet:
Chrom-II-selenid (CrSe) ist ein schwarzer, bei
Cr2 O3 þ 4 NaOH þ 3 KNO3 1500  C schmelzender Festkörper (s. Abb. 8) der
! 2 Na2 CrO4 þ 3 KNO2 þ 2 H2 O Dichte 6,74 g/cm3. Die Verbindung kristallisiert
im Nickelarsenid-Gitter; die Struktur der antifer-
Chrom-III-sulfid (Cr2S3) ist ein brauner, geruch- romagnetischen Modifikation beschreiben Sass
loser Feststoff vom Schmelzpunkt 1350  C und et al. (1961). Chrom-II-selenid wird als metallisch
der Dichte 3,77 g/cm3, der in Wasser unlöslich leitende Komponente in lichttechnischen Anwen-
ist (Holleman et al. 1995, S. 1451), sich aber in dungen eingesetzt.
Mineralsäuren wie Salpetersäure unter Freiset- Man kann die Verbindung durch gemeinsa-
zung von Schwefelwasserstoff löst. Man stellt mes Erhitzen pulverförmigen Chroms und Se-
die Verbindung durch Reaktion eines stöchiome- lens darstellen. Zur Erzeugung dünner Schich-
trischen Gemischs von Chrom und Schwefel bei ten (10–50 Cr/Se-Doppelschichten mit Dicken
1000  C her: von 3–10 nm pro Doppelschicht und Gehalten
von 50–80 Atom-% Selen) bewährte sich die
2 Cr þ 3 S ! Cr2 S3 durch Erhitzen lokal festgelegter Punkte initi-
ierte Interdiffusion der Einzelschichten unter
Alternativ ist auch die Herstellung aus Schwe- langsamer Bildung des Chrom-II-selenids (Beh-
felwasserstoff und Chrom-III-chlorid oder -III- rens und Bensch 2004).
oxid bei Temperaturen von 650  C möglich Es gibt weitere, selenreichere Chromselenide wie
(Brauer 1981, S. 1493): das unterhalb einer Temperatur von 191  C (82 K)
antiferromagnetische, halbleitende und durch Leiten
eines aus Wasserstoff und Selendampf bestehenden
2 CrCl3 þ 3 H2 S ! Cr2 S3 þ 6 HCl
Gemisches über auf 750  C erhitztes Chrom erhält-
Cr2 O3 þ 3 H2 S ! Cr2 S3 þ 3 H2 O liche Cr3Se4. Ferner beschreibt die Literatur das
silbrige, nur durch Anwendung sehr hoher Drücke
Die Verbindung kristallisiert trigonal im und Temperaturen auf eine Mischung der Elemente
Nickelarsenidtyp (Riedel und Janiak 2011; Eagle- zugängliche Cr5Se8 und das im Nickelarsenid-Typ
son 1994). Beim Versuch, Chrom-III-sulfid zu kristallisierende Cr2Se3, das n-halbleitend, unterhalb
schmelzen, zersetzt sich die Substanz unter einer Temperatur von 231  C (42 K) antiferroma-
Abgabe von Schwefel über zwischenzeitlich gnetisch ist und in Form glänzender, schwarzer
gebildete Chromsulfide wie Cr3S4, Cr5S6 und Kristalle vorliegt (McIntyre 1992).
Cr7S8 zu Chrom-II-sulfid (Blachnik 1998). Es gibt ebenfalls mehrere Chromtelluride,
Chrom-III-sulfid reagiert mit oxidierenden alkali- von denen hier nur auf Chrom-III-tellurid
schen Lösungen zu Chrom-VI-Verbindungen, (Cr2Te3) verwiesen werden soll, ein dunkel-
und das Schmelzen mit Alkalisulfiden ergibt graues Pulver der Dichte 6,8 g/cm3 mit Halblei-
Thiochromite-III [CrS33]. tereigenschaften, das bei 1300  C schmilzt und
5 Einzeldarstellungen 581

industriell unter anderem in Infrarotdetektoren


eingesetzt wird.
Halogenverbindungen Chrom-V-fluorid (CrF5)
ist ein karminroter, polymer in einer Struktur
mit cis-verknüpften CrF6-Oktaedern kristallisieren-
der, stark oxidierend wirkender, äußerst hydrolyse-
empfindlicher Feststoff, der mit einem Schmelz-
punkt von 34  C und einem Siedepunkt von
Abb. 9 a Chrom-III-fluorid (Onyxmet 2018). b Chrom-
117  C sehr flüchtig ist. Man stellt die Verbindung
III-fluorid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)
durch Reaktion der Elemente bei 400  C und
einem Druck von 200 bar her (Holleman et al.
2007, S. 1571).
Chrom-IV-fluorid (CrF4) existiert als grün- Die kristallwasserhaltige Verbindung ist bei-
schwarzes α-Chrom-IV-fluorid (enthält transkanten- spielsweise durch Umsetzung von Chrom-III-
verbundene CrF6-Okateder) mit Sublimations- oxid mit Fluorwasserstoff zugänglich (Anger
punkt 100  C sowie als dunkelviolette, kristalline et al. 2005):
β-Modifikation (mit cis-eckenverknüpften CrF6-
Oktaedern), die bei einer Temperatur von 227  C Cr2 O3 þ 6 HF þ 9 H2 O ! 2 CrF3  6 H2 O
schmilzt. Die α-Modifikation kann man bei Tempe-
raturen von 350  C aus den Elementen gewinnen Die wasserfreie Form ist dagegen aus Fluor-
(I) oder durch Fluorieren von Chrom-III-fluorid wasserstoff und Chrom-III-chlorid herstellbar
bzw. -chlorid (Holleman et al. 2007, S. 1571; II (Greenwood und Earnshaw 1998):
bzw. III):
2 CrCl3 þ 6 HF ! 2 CrF3 þ 6 HCl
(I) Cr þ 2 F2 ! CrF4
Einsatz findet Chrom-III-fluorid als Korrosi-
(II) 2 CrF3 þ F2 ! 2 CrF4 onsinhibitor in Rostschutzfarben sowie beim Bei-
zen von Wolle und Cellulosefasern.
(III) 2 CrCl3 þ 4 F2 ! 2 CrF4 þ 3 Cl2 Chrom-II-fluorid (CrF2) erzeugt man durch
Reaktion von Chrom mit Fluoriden edlerer
Das β-Chrom-IV-fluorid erzeugt man gezielt Metalle oberhalb der Schmelztemperatur der in
mittels mehrmonatiger Thermolyse von Chrom- die Reaktion eingebrachten Fluoride (Zuckerman
V-fluorid bei Temperaturen um 130  C: 2009). Manchmal verflüchtigt sich bei den Tem-
peraturen des jeweiligen Prozesses sogar schon
2 CrF5 ! 2 CrF4 þ F2 das reduktiv hergestellte Metall:

Chrom-III-fluorid (CrF3) sublimiert in wasser- Cr þ CdF2 ! Cd " þCrF2 ðT : >1110  CÞ


freier Form bei einer Temperatur von 1100  C und
besitzt eine Dichte von 3,8 g/cm3. Die wasserfreie
Verbindung ist ein grüner, kristalliner Feststoff 3 Cr þ BiF3 ! 2 Bi þ 3 CrF2 ðT : 727  CÞ
(s. Abb. 9a), in dessen Gitter ein Cr3+-Ion okta-
edrisch von sechs Fluoridionen umgeben ist. Sie Alternativ ist die Herstellung durch Reaktion
ist ebenso als Sputtertarget im Handel (s. Abb. 9b). von Chrom mit Fluorwasserstoff bei etwa 200  C
Das Trihydrat ist ebenfalls grün, das Hexahydrat (Zuckerman 2009) oder durch Umsetzung von
violett, wobei in den Hydraten einige Fluoridionen Chrom-III-fluorid mit Wasserstoff (Holleman
durch Wasser ersetzt sind (Herbstein et al. 1985). et al. 1995) möglich. Das hellgrüne, bei einer
Die wässrige Lösung der Hydrate reagiert stark Temperatur von 894  C schmelzende, kristallwas-
sauer. serfreie Pulver kristallisiert monoklin im verzerr-
582 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

ten Rutiltyp (Alsfasser und Meyer 2007). Beim (I) 2 CrCl3 þ H2 ! 2 CrCl2 þ 2 HCl
Erhitzen an der Luft zersetzt es sich zu Chrom-III-
oxid (Perry 2011). (II) 4 CrCl3 þ LiAlH4 ! 4 CrCl2 þ LiCl
Chrom-III-chlorid (CrCl3) wird durch direkte þ AlCl3 þ 2 H2
Umsetzung von Chrom im Chlorgasstrom bei
Temperaturen um 600  C gewonnen (Brauer 1981, (III) 2 CrCl3 þ Zn ! 2 CrCl2 þ ZnCl2
S. 1541):
Die wasserfreie Verbindung ist ein hydrolyse-
2 Cr þ 3 Cl2 ! 2 CrCl3
und luftempfindlicher, hygroskopischer, grauer
und geruchloser Feststoff, der orthorhombisch
Eine andere Synthese beinhaltet die Umset-
kristallisiert (Burg 1950). Man verwendet Chrom-
zung von Chrom-III-oxid mit Kohle und Chlor
II-chlorid als Katalysator und Reduktionsmittel.
bei noch wesentlich höheren Temperaturen
Chrom-III-bromid (CrBr3) schmilzt in Form
(ca. 1200  C; Holleman et al. 2007, S. 1573),
seines violetten, leicht in Wasser löslichen Hexa-
wobei allerdings die intermediäre Bildung von
hydrates schon bei 79  C und hat eine Dichte von
Chromcarbiden vermieden werden muss:
5,4 g/cm3. Man gewinnt es durch Reaktion von
Chrom mit Brom. Alternativ ist auch die Gewin-
Cr2 O3 þ 3 C þ 3 Cl2 ! 2 CrCl3 þ 3 CO
nung aus Chrom-III-acetat und Acetylbromid
möglich (Brauer 1978, S. 1487). Die schwarz-
Die rotviolette, wasserfreie Form (s. Abb. 10a)
glänzenden Kristalle des wasserfreien, bei
schmilzt bei einer Temperatur von 1152  C und
1130  C schmelzenden Salzes erscheinen im
hat eine Dichte von 2,87 g/cm3. In reinem Zustand
durchfallenden Licht grün, im reflektierten rot.
ist die Verbindung nahezu unlöslich in Wasser;
Sie sind erst nach Zusatz reduzierend wirkender
der Lösungsvorgang wird erst durch Anwesenheit
Chrom-II-salze in Wasser löslich.
von Spuren reduzierend wirkender Substanzen
Das bei einer Temperatur von 842  C schmel-
ermöglicht (Riedel und Janiak 2011).
zende, farblose Chrom-II-bromid (CrBr2) der
Die Verbindung setzt man meist als Kata-
Dichte 4,36 g/cm3 erhält man unter anderem
lysator, zur elektrolytischen Verchromung sowie
durch Reduktion von Chrom-III-bromid mit Was-
zur Wasserdichtimprägnierung ein.
serstoff (Brauer 1981, S. 1481), allerdings müs-
Das bei einer Temperatur von 824  C schmel-
sen hierfür 6–10 h bei einer Reaktionstemperatur
zende Chrom-II-chlorid (CrCl2) wird durch
zwischen 350 und 400  C aufgewandt werden:
Reduktion von Chrom-III-chlorid mit Wasser-
stoff bei Temperaturen um 500 C hergestellt
(I); alternativ kann dies auch unter Einsatz von 2 CrBr3 þ H2 ! 2 CrBr2 þ 2 HBr
Lithiumaluminiumhydrid (II) oder durch Re-
aktion von Chrom-III-chlorid mit Zink (III) er- Das wasserfreie Salz löst sich in luftfreiem
reicht werden: Wasser mit blauer Farbe und oxidiert an der Luft
schnell (Blachnik 1998, S. 392; Holleman et al.
1995, S. 1453).
Das kristallwasserfreie Chrom-III-iodid (CrI3) ist
ein dunkelgrüner Feststoff der Dichte 4,9 g/cm3, der
relativ beständig gegen Luft und Feuchtigkeit ist. Er
kristallisiert trigonal und zersetzt sich oberhalb einer
Temperatur von 500  C unter Bildung von Chrom-
II-iodid und Iod. Das Hexahydrat bildet dunkel-
violette, hygroskopische Kristalle. Man kann die
Abb. 10 a Chrom-III-chlorid wasserfrei (benjah-bbm27 Verbindung als Ausgangsstoff zur Herstellung
2009). b Chrom-III-chlorid-Hexahydrat (Mangl 2007) hochreinen Chroms verwenden (Eagleson 1994,
5 Einzeldarstellungen 583

S. 222). Man stellt Chrom-III-iodid durch Reaktion tallfluoride („MF2“) nach der schematischen For-
von Chrom mit überschüssigem Iod bei Temperatu- mel (Gutmann 1967, S. 246):
ren um 500  C her. Um Präparate hoher Reinheit zu
erhalten, zersetzt man das zunächst gebildete rohe CrO2 F2 þ MO ! MF2 þ CrO3
Chrom-III-iodid durch Erhitzen auf 700  C zunächst
zu Chrom-II-iodid, das dann anschließend reiodiert Chromylfluorid bildet ferner Addukte mit
wird. schwachen Lewis-Basen wie NO oder SO2.
Chrom-II-iodid (CrI2) erhält man durch Um- Chrom-VI-dioxiddichlorid (Chromylchlorid,
setzung stöchiometrischer Mengen der Elemente CrO2Cl2) ist eine flüchtige, blutrote (s. Abb. 11),
miteinander (Brauer 1981, S. 1481). Das Salz sehr giftige Flüssigkeit vom Erstarrungspunkt
schmilzt bei einer relativ hohen Temperatur von 96,5  C und Siedepunkt 117  C, die an feuchter
868  C, weist eine Dichte von 4,92 g/cm3 auf, Luft stark raucht. Wasser zersetzt die Verbindung
besitzt orthorhombische Kristallstruktur und ist heftig unter Bildung von Chlorwasserstoff und
sehr luft- und wasserempfindlich. Die braunroten Chromsäure.
Kristallblättchen lösen sich leicht in luftfreiem Die Darstellung erfolgt durch Reaktion trocke-
Wasser unter Bildung einer hellblauen Lösung nen Chlorwasserstoffs mit Chromtrioxid (I) bei
(Brauer 1981, S. 1481). sofortiger Entfernung des bei der Reaktion mit-
Oxohalogenverbindungen Monomeres Chrom- gebildeten Wassers oder durch Erhitzen einer
VI-dioxiddifluorid (Chromylfluorid, CrO2F2) ist Mischung aus Kaliumchromat, Natriumchlorid
mit einem Sublimationspunkt von 30  C ein extrem und konzentrierter Schwefelsäure (II) sowie nach-
flüchtiger und giftiger Feststoff. Man erhält ihn folgendem Abdestillieren des bei der Umsetzung
durch Reaktion von Chromylchlorid mit Fluor bei entstandenen Chromylchlorids:
200  C (I) oder Reaktion von Chrom-VI-oxid mit
Schwefeltetrafluorid (II) oder Fluorwasserstoff (I) CrO3 þ 2 HCl ! CrO2 Cl2 þ H2 O
(Brauer 1975, S. 266; Engelbrecht und von Grosse
1952): (II) K2 CrO4 þ 2 NaCl þ 2 H2 SO4

(I) CrO2 Cl2 þ F2 ! CrO2 F2 þ Cl2 ! CrO2 Cl2 þ Na2 SO4 þ K2 SO4 þ 2 H2 O

(II) CrO3 þ SF4 ! CrO2 F2 þ SOF2


Chrom-VI-dioxiddichlorid ist eine sehr starke
Lewis-Säure und ein kräftiges, zudem brandför-
Die Verbindung tritt in Form zweier Modifi- derndes Oxidationsmittel, als das man es auch in
kationen auf. Das rotbraune Monomer ist unbe- der organischen Synthesechemie, z. B. bei der
ständig gegenüber Licht und Wärme. Das frisch
hergestellte und unmittelbar kondensierte Pro-
dukt ist nur unter Ausschluss von Licht bei
ca. 196  C unzersetzt lagerfähig. Beständiger
ist die zweite, polymere Form, die in Form weiß-
licher Kristalle vorliegt, sich aber beim Erhitzen
auf 200  C unter Bildung rotbrauner Dämpfe des
Monomeren zersetzt. In Kontakt auch nur mit
Spuren an Wasser hydrolysiert Chromylfluorid
zu Fluorwasserstoff und greift daher Glas
an. Die Verbindung ist ein sehr starkes Oxidati-
onsmittel und oxidiert beispielsweise Kohlen-
wasserstoffe zu Ketonen oder Carbonsäuren,
ferner überführt es Metalloxide („MO“) in Me- Abb. 11 Chrom-VI-dioxiddichlorid (Rotatebot 2011)
584 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Oxidation von Alkenen zu Aldehyden, einsetzt. Man stellt Chrommononitrid durch mehrstün-
Ferner dient es als Beizmittel beim Gerben von diges Erhitzen pulverförmigen Chroms bzw. des
Leder. Es ist als krebserzeugend und erbgutver- aus Chrom bestehenden Werkstücks unter Stick-
ändernd (Kategorie 2) eingestuft. stoff bei Temperaturen oberhalb von 800  C her
Pnictogenverbindungen Chrommononitrid (CrN) (Brauer 1981, S. 1494):
hat metallische Eigenschaften und ist ein schwar-
zes, magnetisches Pulver (s. Abb. 12a, b) der 2 Cr þ N2 ! 2 CrN
Dichte 5,9 g/cm3, das unlöslich in Säuren sowie
Laugen ist und in der kubischen Natriumchlo- Alternativ ist auch das Erhitzen von Chrom-III-
ridstruktur kristallisiert. Als Mineral Carlsbergit chlorid im Ammoniakgasstrom möglich (Brauer
kommt es sogar natürlich auf der Erde sowie in 1981, S. 1494):
Meteoriten vor (Anthony 1995). Diese γ-Phase
des Chromnitrids schmilzt bei einer Temperatur CrCl3 þ 4 NH3 ! CrN þ 3 NH4 Cl
von 1500  C unter Zersetzung in die Elemente,
verliert aber schon vorher beim Erhitzen auf diese Chrommonophosphid (CrP) ist ein in Laserdi-
Temperatur Stickstoff und geht in Dichrommono- oden und Hochfrequenzanwendungen eingesetzter
nitrid (Cr2N, „β-Phase“) über, das im hexagonalen Halbleiter; noch wichtiger ist das eng verwandte
Gitter kristallisiert (Martienssen und Warlimont Chrommonoarsenid (CrAs) mit ähnlichen Einsatz-
2005). gebieten. Letzteres ist ein schwarzgraues Pulver
Chrommononitrid ist sehr hart und überra- der Dichte 7,04 g/cm3, das auch als Sputtertarget
schend stabil auch gegenüber aggressiven erhältlich ist.
Chemikalien. Man setzt es unter anderem zur Sonstige Verbindungen Chromcarbid (Cr3C2)
Passivierung von aus Chrom gefertigten Gegen- kommt natürlich in Form des Minerals Tongbait
ständen oder auch als Beschichtung für Zerspa- vor und ist ein grauer (s. Abb. 13a–c), brennbarer,
nungswerkzeuge ein (Doege und Behrens 2010). bei einer Temperatur von 1890  C schmelzender
Die Verbindung hat metallische Leitfähigkeit; Feststoff der Dichte 6,68 g/cm3. Die Verbindung
durch Sputtern im Handel erhältlicher Targets kristallisiert orthorhombisch (Perry 2011, S. 487).
(s. Abb. 12c) können sehr dünne Schichten auf Der Siedepunkt der Schmelze liegt extrapoliert
Substraten aufgebracht werden. Von aktuellem bei 3800  C. Die Darstellung von Chromcarbid
Interesse ist der Einsatz von Chrommononitrid erfolgt durch Umsetzung von Chrom-III-oxid
in metallischen, serientauglichen und preisgüns- mit Aluminium und Kohlenstoff (Mitsuyuki
tigen Bipolarplatten für PEM-Brennstoffzellen et al. 2007):
(Lampke et al. 2018). Das ZBT Duisburg forscht
aktuell auf dem Gebiet der Direkt-Methanol- 3 Cr2 O3 þ 4 C þ 6 Al ! 2 Cr3 C2 þ 3 Al2 O3
Brennstoffzellen; hier dampft man die Chromnit-
ridschicht auf einen Träger (Aluminium, Stahl) Die Verbindung ist Bestandteil korrosionsre-
auf (2018). sistenter Hartmetalllegierungen (Bobzin 2013).

Abb. 12 a Chrommononitrid (Stanford Advanced Materials 2018). b Chrommononitrid (Onyxmet 2018).


c Chrommononitrid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)
5 Einzeldarstellungen 585

Abb. 13 a Chromcarbid
(Stanford Advanced
Materials 2018).
b Chromcarbid (Onyxmet
2018). c Chromcarbid
Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2018)

Das weiße Chromdisilicid (CrSi2) hat die


Dichte 4,39 g/cm3 und schmilzt bei 1470  C.
Chromdisilicid setzt man in besonders resistenten
Keramiken ein, so etwa beim Niederdruck-Plas-
masprühen als oxidationsbeständige Oberflächen-
beschichtung. Die Bildung sehr dünner Schichten
des Materials (50 nm) durch Elektronenbeschuss
einer Mischung von Chrom- und Siliciumpulver
auf einer lichtunempfindlichen Glasplatte bei Abb. 14 a Chromdiborid (Onyxmet 2018). b Chrom-
ca. 450  C wurde elektronenmikroskopisch unter- diborid (Stanford Advanced Materials 2018)
sucht. Hauptsächlich bildete sich CrSi2, aber auch
andere Chromsilicide wie Cr5Si3 und Cr3Si wur- Schwefelsäure und Schwefelwasserstoff zugäng-
den bei teils höherer Temperatur nachgewiesen lich:
(Bedeker et al. 1986).
Die oben genannten Chromsilicide wie Cr3Si 4 K2 Cr2 O7 þ 13 H2 SO4 þ 3 H2 S
and Cr5Si3 erhielten Mazzega et al. durch Umset- ! 4 Cr2 ðSO4 Þ3 þ 4 K2 SO4 þ 16 H2 O
zung sehr dünner Doppelschichten aus Chrom
und amorphem Silicium durch Festkörperreaktion In völlig wasserfreiem Zustand bildet Chrom-
bei 800  C auf Quarzsubstraten. Die Untersu- III-sulfat rotbraune, in Wasser unlösliche Kristalle
chungen belegten einerseits metallische Eigen- hexagonaler Struktur (Gmelins Handbuch 1962;
schaften, andererseits deutliche Abweichungen Kirk-Othmer 1991), in Form eines der diversen
bei den temperaturabhängigen Größen elektri- Hydrate [beispielsweise des Octahydrats (Cr2(SO4)3
scher Widerstand und Hall-Konstante (Mazzega  8 H2O)] dagegen dunkelgrüne (s. Abb. 15b), die
et al. 1987). sich in Wasser leicht mit blauvioletter Farbe lösen.
Chrommonoborid (CrB), ein silberglänzendes, Man setzt die Verbindung als Textilbeize oder zur
bei einer Temperatur von 2000  C schmelzendes Gerbung von Leder ein.
keramisches Material der Dichte 6,17 g/cm3, Man kennt viele Komplexverbindungen des
wird in verschleißfesten Beschichtungen einge- Chroms, dabei überwiegen eindeutig die des
setzt. Chrom-III und darunter wiederum diverse Amin-
Chromdiborid (CrB2) ist ein hexagonal kristal- und Aquakomplexe. Ebenso existieren auch
lisierender, in Pulverform graubrauner bis schwar- Komplexe mit organischen Aminen, sowohl ein-
zer Feststoff (s. Abb. 14a, b) vom Schmelzpunkt als auch mehrzähnigen. Oktaedrisch koordinierte
2200  C und der Dichte 5,22 g/cm3, der ebenfalls Komplexe der allgemeinen Formel [CrX6]3 gibt
Refraktärmetallen und Keramiken beigemischt es mit den Liganden Fluorid, Chlorid, Cyanid
wird. und Thiocyanat. Ein schönes Beispiel für einen
Wasserfreies Chrom-III-sulfat [Cr2(SO4)3] ist gemischt zusammengesetzten Komplex ist das
durch Umsetzung von Kaliumdichromat mit Reinecke-Salz (NH4[Cr(SCN)4(NH3)2]).
586 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Abb. 15 a Chrom-III-sulfat, nahezu wasserfrei (Dblay


2009). b Chrom-III-sulfat-Octahydrat (Onyxmet 2018) Abb. 16 Chromhexacarbonyl (Onyxmet 2018)

Dagegen sind Komplexe, in denen Chrom mit


dienylnatrium in Tetrahydrofuran. Entweder stellt
einer anderen Oxidationszahl als +3 auftritt, meist
man zunächst aus Chrom und Chlorwasserstoff
instabil. So sind Chrom-II-verbindungen starke
wasserfreies Chrom-II-chlorid her und setzt es dann
Reduktionsmittel und entsprechend sehr empfind-
mit Cyclopentadienyl-Natrium um [(I) und (II)]:
lich gegenüber Luftsauerstoff. Chrom-VI kann,
obwohl es an sich bereits ein starkes Oxidations-
(I) Cr þ 2 HCl ! CrCl2 þ H2
mittel ist, in wasserstoffperoxidhaltiger Lösung
sogar Peroxokomplexe bilden.
Organische Chromverbindungen Chromhexac-
(II) CrCl2 þ 2 NaðC5 H5 Þ ! CrðC5 H5 Þ2
arbonyl [Cr(CO)6] bildet farblose (s. Abb. 16), bei þ 2 NaCl,
einer Temperatur von 150  C schmelzende Kristalle
einer Dichte von 1,77 g/cm3. Die Verbindung ist wie
ihre Molybdän- und Wolfram-Analoga ein flüchti- oder man führt die Synthese aus Chrom-II-
ger, relativ luftstabiler Komplex, der das jeweilige chlorid, Cyclopentadien und Natrium in einem
Metallatom in seiner Oxidationsstufe 0 enthält. einzigen Arbeitsgang durch [Rohde und Goertz
Man stellt Chromhexacarbonyl durch Reduktion 1999, (III)]
von Chrom-III-chlorid (CrCl3) in Benzol bei Über-
druck von Kohlenmonoxid her (Brauer 1981, (III) CrCl2 þ 2 Na þ 2 C5 H5 ! CrðC5 H5 Þ2
S. 1818; Elschenbroich 2008, S. 330). In kleinerem þ2 NaCl þ H2
Maßstab kann man es gut im Autoklaven darstellen
(Fischer et al. 1959). Im Molekül der Verbindung ist
das Chromatom oktaedrisch von sechs Carbonylli- An die Stelle des Cyclopentadiens können
ganden umgeben (Whitaker und Jeffery 1967), auch dessen alkylsubstituierte Derivate treten.
somit besteht kein Dipolmoment. Das Molekül des Chromocens kann theoretisch
Im IR-Spektrum liegt bei einer Wellenzahl von in zwei Konformationen unterschiedlicher Stabi-
2000 cm1 eine auf die C-O-Streckschwingung zu- lität auftreten, einer gestaffelten und einer eklipti-
rückzuführende Adsorptionsbande. Chromhexacar- schen (s. Abb. 17). In der Praxis liegt aber, wie
bonyl ist in jedem Fall toxisch und möglicher- auch bei den meisten anderen Metallocenen, nur
weise auch cancerogen, ist unlöslich in Wasser und die energieärmere ekliptische Form vor (Weiss
begrenzt löslich in organischen Lösungsmitteln. In und Fischer 1956).
Lösung ist es licht- und oxidationsempfindlich. Man Im Molekül des roten kristallinen Feststoffes
nutzt die Verbindung zur Darstellung chromhaltiger beträgt die mittlere Cr–C-Bindungslänge ca.
Fischer-Carbene, wozu man es mit sehr starken 215 pm (Flower und Hitchcock 1996), für die
Basen wie Lithiumalkylen umsetzt. Dissoziationsenergie der C-Cr-Bindung gibt die
Das 1953 erstmals dargestellte Chromocen Literatur Werte zwischen 179 und 279 kJ/mol
(Fischer und Hafner 1953) erzeugt man durch an (Huheey et al. 2003); der durchschnittliche
Umsetzung von Chrom-II-chlorid mit Cyclopenta- Abstand der Ringe im Moleküls liegt bei 370 pm
5 Einzeldarstellungen 587

Chrom setzt man als Bestandteil metallischer


Legierungen ein, um die Beständigkeit gegenüber
Korrosion und Hitze zu erhöhen, wie beispiels-
weise in nichtrostenden Stählen (Downing et al.
2005; Pollack 1943). Das direkte Aufbringen
einer dünnen Schicht reinen Chroms auf galvani-
schem Weg, um den Verschleiß eines Metalls zu
Abb. 17 Chromocen, gestaffelte (links) und ekliptische verringern, nennt man Hartverchromung. Dies
(rechts) Konformation wendet man unter anderem bei aus Aluminium
gefertigten Zylindern im Motorenbau oder bei
(Jellinek 1959). Die Verbindung ist äußerst emp-
verchromten Leichtmetallfelgen an.
findlich gegenüber Luftsauerstoff und Wasser.
Seit langem ist im Automobilbau das Chroma-
Bringt man Chromocen auf einen silikatischen
tieren von Zink sehr wichtig, um die Stabilität von
Träger oder Porenbeton (Alandjiyska und Edel-
Blechen gegenüber Korrosion deutlich zu erhö-
mann 2005) auf, so fungiert dieses System als
hen. Dabei werden die Stahlbleche zunächst gal-
Katalysator bei der Polymerisation von 1-Alkenen
vanisch verzinkt, bevor die aus Zink bestehen-
(Rohde 1994; Lechner et al. 2003, S. 93; Meyer
de Oberfläche in chromathaltige Bäder getaucht
et al. 2012, S. 708; Steinborn 2007). Mit Hilfe von
wird. Das Zink wird dadurch angeätzt, und an der
Chromocen als Katalysator erzeugte Polyalkylene
Metalloberfläche bildet sich eine äußerst stabile
(beispielsweise Polyethylen) haben den Vorteil
Passivierungsschicht aus Zinkchromat (Lyakišev
eines nur schwachen Eigengeruchs, im Gegensatz
und Gasik 1998).
zu den auf Basis der aluminiumorganischen Ziegler-
Chromverbindungen setzt man in großen Men-
Katalysatoren hergestellten (Rohde und Bauer 2004).
gen zum Gerben von Leder ein.
Analytik Qualitativ lässt sich Chrom-III nach-
Physiologie, Toxizität Es ist nicht ausgeschlos-
weisen, indem man es in alkalischer Wasserstoff-
sen, dass Chrom-III eine Funktion im Stoffwech-
peroxidlösung in gelbes Chromat überführt:
sel von Säugetieren haben könnte. Dem steht
jedoch das hohe Gefährdungspotenzial vieler
2 Cr3þ þ 3 H2 O2 þ 10 OH
Chromverbindungen entgegen. Aktuelle Daten
! 2 CrO4 2 þ 8 H2 O weisen jedenfalls darauf hin, dass es äußerst
unwahrscheinlich ist, mit Chrom unterversorgt
Auch der Nachweis als blaues Chrom-VI-per- zu sein. Der im Verdauungstrakt herrschende
oxid [CrO(O2)2] ist möglich. Dazu vermischt man pH-Wert lässt praktisch nur das extrem schwer
verdünnte Salpetersäure mit Wasserstoffperoxid lösliche Chrom-III-hydroxid entstehen, das dann
und überschichtet die Mischung mit Diethylether. auch so gut wie gar nicht im Darm aufgenommen
Die eventuell Chrom enthaltende Lösung wird wird (Vincent 2004). Die US-amerikanischen Be-
der wässrigen Phase zugefügt, ohne beide Flüs- hörden haben darauf reagiert und die empfohlene
sigkeiten miteinander zu vermischen. Ist gelöstes Aufnahmemenge an Chrom-III auf 35 μg/d (Män-
Cr3+ zugegen, bildet sich an der Grenzfläche bei- ner) bzw. 25 μg/d (Frauen) herabgesetzt.
der Phasen ein blauer Ring aus Chrom-VI- Im Jahr 2014 ist Chrom durch die Europäische
peroxid. Bei polarografischem Nachweis zeigt Behörde für Lebensmittelsicherheit aus der Liste
der [Cr(NH3)6]3+-Komplex, gelöst in einem 1m- der essenziellen Mineralien gestrichen worden
Ammoniak-Ammoniumchlorid-Puffer, eine Re- (EFSA 2014).
sonanz bei einer angelegten Spannung von -1,42 V Chrom-VI-Verbindungen sind fast alle sehr
(Heyrovský und Kůta 1965). giftig. Sie wirken ätzend, mutagen und teratogen
(Guertin et al. 2004). Sie gelangen durch die Haut
Anwendungen Chrom und seine Verbindungen oder über die Atemwege in den Körper und ver-
haben viele Anwendungsgebiete (Schliebs 1980). ätzen die Haut bzw. schädigen das Lungenge-
588 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

webe. Menschen, die chronisch solchen Verbin- durch Behandlung mit Salpetersäure das weiße
dungen ausgesetzt sind, haben ein erhöhtes Risiko Molybdän-VI-oxid (MoO3), das Hjelm 1781 mit
für Lungenkrebs. Die Giftwirkung ist dabei umso Kohle zum metallischen Molybdän reduzierte.
höher, je schwerer löslich das Salz ist (Rubin und Lange erschien Molybdän uninteressant, erst etwa
Strayer 2008). 100 Jahre später erkannte man, dass zulegiertes
Molybdän die Festigkeit von Stahl erheblich er-
höhte. Es wurde daher vor allem zur Herstellung
Patente
militärischer Waffen wie Kanonenrohre genutzt.
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Die europäischen Abbauaktivitäten wurden längst
wide.espacenet.com)
eingestellt, heute kommt Molybdän aus Süd- und
Nordamerika sowie aus China.
L. Chen, Waterproofing agent stearoyl chro-
mium production plant (Chengdu Pa
Luo Ao Technology Co., Ltd., AU Der preußisch-schwedische Chemiker und
2018 101998 A4, veröffentlicht 24. Apotheker Carl Wilhelm Scheele (* 19.
Januar 2019) Dezember 1742 Stralsund; † 21. Mai 1786
F. Peng, Chromium oxide magnetic powder Köping) arbeitete mit zahlreichen chemi-
production plant (Chengdu Mi Er Dun schen Verbindungen und war an der Ent-
Technology Co., Ltd., AU 2018101901 deckung mehrerer Elemente beteiligt. Das
A4, veröffentlicht 24. Januar 2019) schwedisch besetzte Pommern verließ
Z. Tang und L. Karabin, Nickel-Iron-Alu- Scheele 1757 und ging nach Göteborg,
minum-Chromium based alloys, and um dort eine Lehre in einer Apotheke zu
products made therefrom (Arconic Inc., absolvieren. Er arbeitete dort intensiv im
US 2019024225 A1, veröffentlicht 24. Labor und wechselte 1765 in eine Malmöer
Januar 2019) Apotheke. Dort arbeitete er für drei Jahre
S. M. Bischof und U. J. Kilgore, Perfluo- mit Retzius, Professor für Chemie der Uni-
versität Lund, zusammen und führte mit
rohydrocarbyl-N2-phosphinyl amidine
diesem weitere Versuche im Labor durch.
compounds, chromium salt complexes,
1768 verlegte Scheele Wohn- und Arbeits-
catalyst system, and their use to oligo-
platz nach Stockholm, 1770 schließlich
merize ethylene (Chevron Phillips Che-
nach Uppsala. In der dortigen Apotheke
mical Co., Ltd., US 10183960 B1, ver- „Zum Wappen von Uppland“ stand ihm
öffentlicht 22. Januar 2019) ein Labor zur Verfügung, er lernte den an
R. Ortmann und H. Friedrich, Method for der dortigen Universität lehrenden Chemi-
reducing hexavalent chromium in oxidic ker Bergman kennen. Mit ihm arbeitete er
solids (Lanxess Deutschland GmbH, HU zu Flussspat und Braunstein, Scheele
E039006 T2, veröffentlicht 28. Dezem- veröffentlichte erste Abhandlungen und
ber 2018) wurde 1775 in die Akademie der Wissen-
V. Nikolaenko und G. P. Shvejkin, Method schaften aufgenommen. Er war für die Ent-
for producing chromium carbide powder deckung des Sauer- und Stickstoffs mit-
(RU 2674526 C1, veröffentlicht 11. verantwortlich, publizierte die Ergebnisse
Dezember 2018) aber erst 1777 und somit drei Jahre später
als Priestley, der seine Entdeckung des
Sauerstoffs drei Jahre zuvor veröffentlich-
te (Friedrich 1992; Lockemann 1984,
5.2 Molybdän S. 274–290).
1775 übernahm Scheele eine Apotheke
Geschichte Molybdän kommt in seinen Lager- in Köping, erarbeitete sich dort ein hohes
stätten vor allem als Molybdänglanz (Molybdän- Ansehen, veräußerte die Apotheke aber
IV-sulfid) vor. Aus ihm gewann Scheele 1778
5 Einzeldarstellungen 589

auf dem Mond gesammelt wurden. Diese Nach-


später mit Verlusten wieder. Ab 1777 erhielt weise wurden bisher aber noch nicht offiziell
er von der Königlichen Akademie der Wis- belegt. Trotzdem ist Molybdän als eigenständiges
senschaften in Stockholm ein jährliches Sti- Mineral nach Strunz erfasst.
pendium und legte das Examen als Apothe-
ker ab (Müller-Jahncke 2005, S. 1291).
Gewinnung Zwei Drittel der gesamten Förder-
Scheele entdeckte die Adsorption von
menge des Molybdäns fallen als Nebenprodukt
Gasen an Holzkohle, erkannte die Wirkung
bei der Verhüttung von Kupfer an; nur ein knap-
starker Säuren als Katalysator bei der Ver-
pes Drittel resultiert direkt aus Erzen des Ele-
esterung sowie die Lichtempfindlichkeit
von Silbersalzen. 1786 starb er nach länge- ments. Im Prinzip ist die erste Zwischenstufe der
rer Krankheit (Gutsche 1975). Aufarbeitung immer das Ammoniumheptamolyb-
dat [(NH4)6Mo7O24], das danach bei Temperatu-
Der schwedische Chemiker und Minera- ren um 400  C zu Molybdän-VI-oxid (MoO3)
loge Peter Jacob Hjelm (* 2. Oktober geglüht wird:
1746 Sunnerbo Härad; † 7. Oktober 1813
Stockholm) nahm 1763 das Studium der ðNH4 Þ6 Mo7 O24 ! 7 MoO3 þ 6 NH3 þ 3 H2 O
Chemie an der Universität Uppsala auf
und promovierte dort auch. Ab 1774 lehrte Jenes reduziert man durch Überleiten von Was-
er am Stockholmer Bergskollegium und üb- serstoffgas über das bei ca. 500  C zwischenzeit-
te von 1782 an die Tätigkeit des Metallur- lich entstehende braune Molybdän-IV-oxid (MoO2)
gen der königlich schwedischen Münz- dann bei ca. 1100  C zu pulverförmigem Molyb-
anstalt aus (Stockholmer Münze), deren dän (Trueb 1996):
Leitung er 1794, neben der Führung der
Chemischen Fakultät des Bergskollegiums,
MoO3 þ H2 ! MoO2 þ H2 O
übernahm. Ab 1784 war er Mitglied der
Schwedischen Akademie der Wissenschaf- MoO2 þ 2 H2 ! Mo þ 2 H2 O
ten.
1781 reduzierte Hjelm Molybdän-VI- Das Pulver kann man bei Bedarf dann unter
oxid mit Kohle zu metallischem Molybdän Argonatmosphäre im Lichtbogenofen oder im
und arbeitete auch mit Verbindungen des Elektronenstrahlofen zum kompakten Metall
1774 entdeckten Mangans (Westrin 1909). schmelzen. Eine weitere, zur Herstellung von Ein-
kristallen erforderliche Reinigung erfolgt durch
Zonenschmelzen.
Vorkommen Molybdän gewinnt man meist als 258.000 t Molybdän wurden im Jahre 2013
Nebenprodukt des Kupferbergbaus, da Kupferze hergestellt (Polyak 2015). Zwei Fünftel hiervon
bis zu 0,3 Gew.-% an Molybdänit (Molybdän- kamen aus China, 23 % aus den USA, 14 % aus
glanz, MoS2) enthalten können. Weitere Molyb- Chile und 6,5 % aus Peru. Der Preis des Metalls
dänerze sind Wulfenit (Gelbbleierz, PbMoO4) und verfiel in den letzten Jahren jedoch auf US$ 22,85/
Powellit Ca(Mo,W)O4. Der Molybdänit wird zu kg (2013). Die Weltreserven wurden 2014 auf
einem Konzentrat mit einem Gehalt von >50 % 11 Mio. t geschätzt.
Molybdän aufgearbeitet. Die wichtigsten Vor-
kommen liegen in Chile, Peru, China, Kanada Eigenschaften Molybdän ist silbrigweiß glän-
und den USA. zend und hat von allen Elementen der fünften
In elementarer Form kommt Molybdän nur Periode den höchsten Schmelzpunkt (2623  C,
äußerst selten vor. Auf der Erde gibt es bisher s. Tab. 2). Nichtoxidierende Mineralsäuren, ein-
lediglich einen nachgewiesenen Fundort (Russ- schließlich Flusssäure, greifen das Metall nicht
land, Halbinsel Kamtschatka). Dagegen wurde an, weshalb man das Metall in großen Mengen
es gleich in drei Gesteinsproben gefunden, die zur Herstellung säurebeständiger Edelstähle ein-
590 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Molybdän


Symbol: Mo
Ordnungszahl: 42
CAS-Nr.: 7439-98-7

Aussehen: Grauglänzend Molybdän, Pellet, Molybdän,


10 g, Ø 1,4 cm (Metallium Inc. Pulver
2016) (Onyxmet
2018)
Entdecker, Jahr Scheele 1778; Hjelm 1781 (beide Schweden)
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
(%)] (a)
92
42Mo (14,84) Stabil ————
95
42Mo (15,92) Stabil ———
96
42Mo (16,68) Stabil ———
98
42Mo (24,13) Stabil ———
100
42Mo (9,63) 7,3  10 18
ββ > 10044Ru
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 14
Atommasse (u): 95,95
Elektronegativität 2,16 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred & Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: MoO2 + 4e + 4 H+ ! Mo + 2 H2O (V) 0,152
Atomradius (berechnet) (pm): 145 (190)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 154
Ionenradius (Mo3+/Mo6+, pm) 69 / 59
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d4 5s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 684 ♦ 1560 ♦ 2618 ♦
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte: 4480
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,2  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,82  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 329 ♦ 230 ♦ 126
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 1400-2740 ♦ 1370-2500
Mohs-Härte 5,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 6190
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 10,28
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 9,38  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 139
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,06
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2623 ♦ 2896
Schmelzwärme (kJ/mol) 36
Siedepunkt ( C ♦ K): 4612 ♦ 4885
Verdampfungswärme (kJ/mol): 617

setzt. Oxidierende Säuren (heiße konzentrierte Verbindungen


Schwefelsäure, Salpetersäure oder Königswasser) Chalkogenverbindungen Das wichtigste Oxid des
korrodieren das Metall aber stark, ebenso wie Molybdäns ist Molybdän-VI-oxid (MoO3), das bei
oxidierende alkalische Schmelzen. Temperaturen von 795  C bzw. 1155  C schmilzt
5 Einzeldarstellungen 591

bzw. siedet, eine Dichte von 4,70 g/cm3 hat und küle. Die Salze der Molybdänsäure heißen Mo-
im industriellen Maßstab durch Rösten von lybdate, wobei die Molybdationen (MoO42) wie
Molybdän-IV-sulfid (MoS2) produziert wird: die Sulfationen tetraedrisch koordiniert sind.
Molybdän-IV-oxid (MoO2) schmilzt bei einer
2 MoS2 þ 7 O2 ! 2 MoO3 þ 4 SO2 Temperatur von 1100  C, hat eine Dichte von
6,47 g/cm3 und tritt -sehr selten- natürlich als
In kleinen Mengen entsteht es durch Zugabe Mineral Tugarinovit auf. Es ist durch Reduktion
von Säure zu Molybdatlösung und nachfolgen- von Molybdän-VI-oxid mit Wasserstoff, Ammo-
dem Trocknen der dabei ausfallenden „Molyb- niak oder Molybdän bei hohen Temperaturen
dänsäure“ („H2MoO4“), die in Wirklichkeit zugänglich (Cotton und Wilkinson 1967). Der
hydratisiertes Molybdän-VI-oxid ist und beim braunviolette Feststoff kristallisiert monoklin; in
Erhitzen auf Temperaturen von 450  C das fein verteilter Form ist er an der Luft pyrophor
gesamte Wasser verliert (Heynes und Cruywagen (selbstentzündlich). Die Verbindung wird unter
1986). anderem als Katalysator für die Dehydrierung
Molybdän-VI-oxid ist ein weißes bis hell- von Alkoholen verwendet (Balandin und Rozh-
gelbes, orthorhombisch kristallisierendes Pulver destvenskaya 1959).
(s. Abb. 18a, b), das sich beim Erhitzen gelb färbt Molybdän-IV-sulfid (MoS2) kommt in der
und nach dem Erkalten wieder farblos wird Natur al Molybdänit bzw. Jordisit vor. Man kann
(Brauer 1981, S. 1544). Es löst sich kaum in es durch Reaktion von Molybdän-IV-oxid mit
Wasser, besser in alkalischen Lösungen, in denen Schwefel in Gegenwart von Kaliumcarbonat oder
es Molybdat (MoO42) bildet. Molybdän-VI-oxid aus einem pulverförmigen Gemisch der Elemente
wird sowohl als Edukt zur Synthese anderer gewinnen (Brauer 1981, S. 1551):
Molybdänverbindungen eingesetzt als auch als
Bestandteil von Emaille und als Katalysator für MoO2 þ 3 S ! MoS2 þ SO2
organische Synthesen. Mo þ 2 S ! MoS2
Im Gegensatz zum Molekül der Schwefelsäure
(H2SO4) gibt es keine diskreten H2MoO4-Mole- Das dunkelgraue bis schwarze Molybdän-IV-
sulfid (s. Abb. 19a bis d) besitzt eine grafitähn-
liche Schichtstruktur mit leicht gegeneinander
verschiebbaren Schichten. Hierdurch besitzt die
Verbindung gute schmierende Eigenschaften.
Graphenähnliche Schichtstrukturen sind somit
herstellbar (Radisavljevic et al. 2011; O’Donnell
et al. 2002; Ikezoe et al. 1998; Lazarev et al.
1994). Das hexagonal kristallisierende Molyb-
Abb. 18 a Sublimierte Kristalle von Molybdän-VI-oxid dän-IV-sulfid (Laman et al. 1985) ist ein Halblei-
(Nidox1 2011). b Molybdän-VI-oxid (Stanford Advanced ter einer indirekten Bandlücke von 1,23 eV (Kam
Materials 2018)
und Parkinson 1982), die sich in atomar dünnen

Abb. 19 a Molybdän-IV-sulfid (Materialscientist 2009). b Molybdän-IV-sulfid (Stanford Advanced Materials 2018).


c Molybdän-IV-sulfid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018). d Molybdän-IV-sulfid (Onyxmet 2018)
592 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Schichten auf bis zu 1,8 eV erhöhen kann und Katalysator, z. B. beim Entschwefeln von Rohöl.
dann direkt ist (Mak et al. 2010; Merki et al. Ein mögliches weiteres Einsatzgebiet ist das als
2011). Die Halbleitereigenschaften machen es in Katalysator für Brennstoffzellen. Früher schon
vielen Anwendungen einsetzbar; zudem lässt sich testete man die Verbindung in Lithium-Molyb-
durch Einwirkung von Sauerstoff die dielektri- dän-IV-sulfid-Batterien (Laman et al. 1985;
sche Kapazität des Molybdän-IV-sulfids steuern Brandt und Laman 1989).
(WR 2017). Molybdän-IV-selenid (MoSe2) kommt sehr sel-
Molybdän-IV-sulfid ist an der Luft bis hinauf ten in der Natur als Mineral Drysdallit vor und hat
zu Temperaturen von 300  C stabil, erst darüber eine ähnliche Struktur wie Molybdän-IV-sulfid
wird es durch Luftsauerstoff „geröstet“ und zu (Greenwood und Earnshaw 1997). Verglichen
Molybdäntrioxid oxidiert: mit jenem besitzt es zwar auch Halbleitereigen-
schaften, aber eine höhere elektrische Leitfähig-
2 MoS2 þ 9 O2 ! 2 MoO3 þ 4 SO3 keit (Yun et al. 2012; Eftekhari 2017) mit
niedrigeren Bandlücken [indirekt: 0,85 eV (mehr-
Unter Luftabschluss ist MoS2 bis zu Tempera- schichtiges Material), bzw. direkt: 1,5 eV (Einzel-
turen von 1300  C beständig. Die Verbindung löst schicht)]. Im Handel ist es entweder in Form eines
sich weder in Wasser noch in verdünnten Säuren, schwarzen Pulvers (s. Abb. 20a) der Dichte
jedoch unter Zersetzung in Königswasser und 6,9 g/cm3 und Schmelzpunkt >1200  C oder
Schwefelsäure. Durch Chlor wird es zum grauen Sputterttargets (s. Abb. 20b). Einsatzge-
Molybdän-V-chlorid (MoCl5) oxidiert (I) und biete sind Transistoren und Lichtdetektoren.
durch Wasserstoff bei hoher Temperatur zum Wie viele andere Dichalkogenide von Über-
Molybdän-III-sulfid (Mo2S3) reduziert (II): gangsmetallen (TMDCs) hat Molybdän-IV-sele-
nid eine oben schon erwähnte Schichtstruktur mit
(I) 2 MoS2 þ 7 Cl2 ! 2 MoCl5 þ 2 S2 Cl2 schwacher Wechselwirkung der Schichten unter-
einander (Wang et al. 2012a). Gelegentlich be-
(II) 2 MoS2 þ H2 ! Mo2 S3 þ H2 S schreibt man darin die Koordinationsgeometrie
der Molybdänatome als oktaedrisch oder auch
trigonal-prismatisch (Parilla et al. 2004). Einkris-
Die Hauptanwendung ist die als trockenes talle sowohl des Molybdän-IV-sulfids als auch
Schmiermittel. Unter Ausschluss von Sauerstoff des -selenids wandeln eingestrahltes zirkular po-
ist die Anwendung bis zu Temperaturen von gut larisiertes Licht in eine nahezu depolarisierte
1000  C möglich. Man mischt Molybdän-IV-sul- Lumineszenz um (Kioseoglou et al. 2016).
fid oft Schmierölen zu, was die Lebensdauer des Molybdän-IV-selenid stellt man durch Erhit-
Schmierfilms und damit auch von Maschinenbau- zen einer pulverförmigen Mischung der Elemente
teilen deutlich verlängert. Typische Anwendun- im abgeschmolzenen Röhrchen bei hoher Tempe-
gen sind beispielsweise Flugzeugtriebwerke und ratur her. Eine Reinigung des derart erzeugten
Turbinen.
Unverzichtbar ist Molybdän-IV-sulfid darüber
hinaus bei fast allen Umformverfahren. Beim
„Bondern“ oder „Trommeln“ wird eine Schicht
der Verbindung gleichmäßig auf alle zu behan-
delnden Metallträger aufgebracht. Der Vorteil
gegenüber klassischen Schmierstoffen wie Seife
ist die größere Temperaturbeständigkeit des festen
Schmierstoffes. Auch Geschosse von Feuerwaf-
fen schmiert man zwecks Erreichen einer höheren Abb. 20 a Molybdän-IV-selenid (Onyxmet 2018).
Geschwindigkeit des Geschosses mit Molybdän- b Molybdän-IV-selenid Sputtertarget (QS Advanced Mate-
IV-sulfid. Molybdän-IV-sulfid dient zudem als rials 2018)
5 Einzeldarstellungen 593

Materials erreicht man durch chemischen Trans- IV-tellurid bildet (Bernède et al. 1990). Die amor-
port in der Gasphase unter Verwendung von Brom phe Verbindung erhält man durch Reaktion von
oder Iod bei Temperaturen um 650  C und extrem Molybdänhexacarbonyl mit in Decalin suspen-
niedrigem Druck. Man kann auf diese Weise grö- diertem Tellur (Qiu et al. 2003). Ein weiteres
ßere Einkristalle hexagonaler Struktur erzeugen. Verfahren ist die in-situ-Erzeugung von Molyb-
Auch ein Aufdampfen sehr dünner Beschichtun- dän-IV-tellurid aus Tellurdioxid und Molybdän-
gen des Materials ist mit diesem Verfahren mög- VI-oxid in stark saurer Galvaniklösung, aus der es
lich (Choi et al. 2014). Überschüssiges Selen direkt in Form eines sehr dünnen Films beispiels-
entfernt man durch Absublimieren im Vakuum weise auf Edelstahl aufgebracht werden kann
(Al-Hilli und Evans 1972). (Ying et al. 2011).
Molybdän-IV-tellurid (MoTe2) ist ein schwar- Bei Raumtemperatur kristallisiert Molybdän-
zes Pulver der Dichte 7,7 g/cm3 mit den Eigen- IV-tellurid hexagonal (α-MoTe2) wie auch das
schaften eines Halbleiters und relativ niedrigen -IV-sulfid. In der Elementarzelle dieser diamagne-
Bandlücken [indirekt: 0,9 eV (mehrschichtiges tischen Modifikation ist jedes Molybdän- von
Material), bzw. direkt: 1,1 eV (Einzelschicht)] sechs Telluratomen umgeben, die sich auf den
(Ruppert et al. 2014; Lezama et al. 2014; Zhang Ecken eines trigonalen Prismas befinden, so dass
und Zunger 2015). In Form von Sputtertargets im Kristall Schichten aus beiden Atomsorten vor-
erscheint es bronzefarben (s. Abb. 21). Man er- liegen, die durch Van der Waals-Kräfte zusammen
hält es durch Erhitzen einer stöchiometrischen gehalten werden (Wieting et al. 1980; Yanpeng
Mischung der Elemente auf Temperaturen von et al. 2016; Agarwal und Caspers 1976). Die
1100  C im Vakuum (Puotinen und Newnham Schichten lassen sich leicht gegeneinander ver-
1961). Überschüssiges Tellur wird durch Auflö- schieben, woraus auch die schmierenden Eigen-
sen in Schwefelsäure entfernt (Kettaf et al. 1990). schaften resultieren. Unter hohem Druck wird
Die chemische Abscheidung aus der Gasphase α-MoTe2 halbmetallisch (Rifliková et al. 2014).
führt zu sehr reinen Produkten (Brown 1966); Oberhalb von 900  C kristallisiert Molybdän-
dabei setzt man Brom ein, das den später entste- IV-tellurid in der paramagnetischen, monoklinen
henden Einkristall jedoch zu einem n-Halbleiter Struktur (β-MoTe2); bei schnellem Abkühlen
macht (Bernède et al. 2003). Wäre dagegen nur kann diese Struktur auch bei Raumtemperatur
Tellur als Anion im Gitter vorhanden, läge ein konserviert werden (Revolinsky und Beerntsen
p-Halbleiter vor (Morsli et al. 1997). Die Verbin- 1966; Vellinga et al. 1970; Manolikas et al.
dung ist in Pulverform schwarz (Balakrishnan und 1979). Die β-Modifikation leitet den elektrischen
Ramasamy 1994). Strom besser, weil sie ausgeprägte Metalleigen-
Eine weitere Möglichkeit zur Erzeugung dün- schaften besitzt (Hla et al. 1996; Zandt et al.
ner Filme aus Molybdän-IV-tellurid liegt im Über- 2007). Durch Erhitzen amorphen Molybdän-IV-
leiten gasförmigen Tellurs bei ca. 860  C über tellurids kann man Nanoröhrchen eines Durch-
einen sehr dünnen Film aus Molybdän, wobei sich messers von 20–60 nm erzeugen.
an dessen Oberfläche eine Schicht aus Molybdän- An der Luft oxidiert die Verbindung bei Raum-
temperatur langsam zu Molybdän-IV-oxid und
Tellur-IV-oxid, bei höherer Temperatur bilden
sich Mischoxide (Bart et al. 1980, 1982). Beim
Erhitzen auf hohe Temperatur verflüchtigt sich ein
Teil des chemisch gebundenen Tellurs, und es
bildet sich Molybdän-III-tellurid (Mo2Te3), das
beim Glühen weiter Tellur abgibt und zum Ende
metallisches Molybdän zurücklässt (O’Hare 1987).
In verdünnter Salpetersäure löst sich Molybdän-
Abb. 21 Molybdän-IV-tellurid Sputtertarget (QS Advan- IV-tellurid, nicht aber selbst in heißer in Salz- oder
ced Materials 2018) Schwefelsäure (Morette 1942). 260  C heißes
594 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Oleum löst die Verbindung allerdings auf (Obo- MoF6 als Nebenprodukt auf, allerdings in gerin-
lonchik et al. 1972). gen Konzentrationen. Da zudem Molybdän und
Die Oberfläche von Molybdän-IV-tellurid kann Wolfram in chemischer Hinsicht sehr ähnlich
mit diversen anderen Chalkogeniden wie Cad- sind, enthält MoF6 auch immer geringe Anteile
miumtellurid (Löher et al.1996) oder Zinn-IV-sul- an Wolfram-VI-fluorid (WF6) (Suenaga 1993;
fid dotiert werden (Schlaf et al. 1997). Lithiumio- Kikuyama et al. 2003).
nen können sich in größeren Konzentrationen in Man stellt die Verbindung durch Umsetzung
das Schichtgitter einlagern, wobei eine in Lithi- von Molybdän mit überschüssigem elementarem
umbatterien verwendbare Elektrode entstünde Fluor her (Brauer 1975, S. 267). Das unterhalb
(Krabbes et al. 1985). einer Temperatur von 17  C feste Molybdän-VI-
Anwendungen von Molybdän-IV-tellurid kön- fluorid kristallisiert orthorhombisch, wobei die
nen Schmierstoffe, lichtelektronische Schaltungen Fluoratome hexagonal-dichtest angeordnet sind
und Halbleitercompounds sein. Dioden günstiger (Levy et al. 1983) und sich oktaedrisch um ein
Eigenschaften wurden schon hergestellt (Bernède Molybdänatom herum gruppieren (Drews et al.
et al. 1996), ebenso Transistoren (Lin et al. 2014) 2006).
und Feldeffekt-Transistoren (Nakaharai et al. Molybdän-V-fluorid (MoF5) erzeugt man durch
2015). Hinsichtlich seiner Anwendung in Reaktion von Molybdänhexacarbonyl [Mo(CO)6]
Schmierstoffen, die am besten im Vakuum und mit Fluor bei Temperaturen von –78  C (Brauer
bei ca. 500  C erfolgt, ist ihm aber das dazu noch 1975, S. 266):
preiswertere Molybdän-IV-sulfid überlegen. Misch-
kristalle, die abwechselnd aufeinander Schichten 2 MoðCOÞ6 þ 5 F2 ! 2 MoF5 þ 12 CO
von Molybdän-IV-tellurid und Indiumnitrid ent-
halten, zeigen besonders niedrige Brechungsindi- Alternativ kann man es auch durch Umsetzung
ces und stärkere Lichtabsorption (Villegas und des Hexafluorids mit Molybdän bei ca. 60  C in
Rocha 2015). einer Edelstahlapparatur darstellen (Ouellette et al.
In Solarzellen, in denen Kristalle von Cad- 1972):
miumtellurid auf eine Molybdänoberfläche mon-
tiert sind, kann sich an der Grenzfläche der Phasen Mo þ 5 MoF6 ! 6 MoF5
Molybdän-IV-tellurid bilden. Liegt jenes in seiner
n-Struktur vor, verringert es die Wirkung der Molybdän-V-fluorid schmilzt bei 64  C, siedet
Solarzelle (Dhar 2014). β-MoTe2 ist ein guter bei 212  C und ist ein gelber, an der Luft infolge
Elektrokatalysator zur Herstellung von Wasser- Hydrolyse rauchender Feststoff, der in Form
stoff (McGlynn et al. 2017). zyklisch angeordneter [MoF5]-Tetramere kristal-
Ein weiteres charakterisiertes Molybdäntellu- lisiert (Voit et al. 1999).
rid ist Mo6Te8 (Puotinen und Newnham 1961), Molybdän-III-fluorid (MoF3) stellt man durch
das schwarze, würfelförmige Kristalle bildet und Reaktion von Molybdän-V-fluorid mit Molybdän
entsteht, wenn ein Gemisch von Molybdän und bei Temperaturen von 400  C her (Brauer 1975,
Tellur in stöchiometrischem Verhältnis eine S. 266):
Woche lang unter Luftausschluss auf 1000  C
erhitzt wird. Es ist nicht supraleitend (Miller und 3 MoF5 þ 2 Mo ! 5 MoF3
Smith 1998; Hamard et al. 2000).
Halogenverbindungen Molybdän-VI-fluorid Die Verbindung ist ein hellgrüner Feststoff der
(MoF6) ist bei Raumtemperatur eine sehr hydro- Dichte 4,64 g/cm3 mit Schmelzpunkt >600  C,
lyseempfindliche, farblose bis gelbliche Flüssig- der sich beim Erhitzen auf Temperaturen von
keit der Dichte 3,5 g/cm3, die bei 34  C siedet. 900  C über schwarz nach dunkelrot verfärbt,
Molybdän ist eines der Spaltprodukte des Urans, was auf teilweiser Zersetzung gründet. Die Kris-
und somit tritt im Zuge der Trennung der Isotope tallstruktur des Molybdän-III-fluorids ist nicht
235 238 eindeutig belegt; die in der Literatur gemachten
92U und 92U über das Uran-VI-fluorid auch
5 Einzeldarstellungen 595

Angaben reichen vom Vanadium-III-fluorid- zum seempfindlichen schwarzen Pulvers oder in


Rhenium-VI-oxid-Typ (Lavalle et al. 1960). Gestalt schwarz-brauner, sechseckiger Säulen
Molybdän-VI-chlorid (MoCl6) ist durch Um- auf. Die Verbindung schmilzt bei 552  C und ist
setzung von Molybdän-VI-fluorid (MoF6) mit extrem empfindlich gegenüber Hydrolyse. Mo-
Borchlorid (BCl3) bei tiefer Temperatur gewinn- lybdän-IV-chlorid wird elegant durch Umset-
bar (Tamadon und Seppelt 2013): zung von Molybdän-V-chlorid mit Benzol (I) oder
-einfacher-Molybdän-III-chlorid (II) dargestellt
MoF6 þ 2 BCl3 ! MoCl6 þ 2 BF3 (Brauer 1981, S. 1533):

Der schon bei einer Temperatur von 17  C (I) 2 MoCl5 þ C6 H6 ! 2 MoCl4 þ C6 H5 Cl


schmelzende, schwarze Feststoff ist sehr unbe- þ HCl
ständig und spaltet leicht Chlor ab.
Molybdän-V-chlorid (MoCl5) ist ein sehr hygro- (II) MoCl5 þ MoCl3 ! 2 MoCl4
skopischer, blauschwarzer Feststoff (s. Abb. 22)
der Dichte 2,93 g/cm3, der bei Temperaturen von
194  C bzw. 268  C schmilzt bzw. siedet. Die Die Verbindung ist unter teilweiser Zersetzung
Verbindung raucht wegen der hydrolytischen Zer- und Bildung gelber bis rotbrauner Lösungen in
setzung zu stechend riechendem Chlorwasserstoff Wasser, Ethanol und Ether löslich. Die α-Form
an feuchter Luft und zersetzt sich in Wasser unter kristallisiert trigonal, enthält Ketten aus trans-kan-
heftiger Reaktion. tenverknüpften MoCl6-Oktaedern) und wandelt
Man stellt Molybdän-V-chlorid durch direkte sich bei 250  C in die β-Form um, die im Gegen-
Umsetzung von Molybdän mit Chlor im Wasser- satz zur α-Form cis-kantenverknüpfte MoCl6-
stoffstrom (Brauer 1981, S. 1534) oder aber aus Oktaeder enthält (Holleman et al. 1995, S. 1470).
Tetrachlorkohlenstoff und Molybdän-VI-oxid Das kupfer- bis braunrote, bei 410  C unter
unter Druck her (Eagleson 1994, S. 662). Unzer- Disproportionierung (siehe oben) schmelzende
setzt löst sich die Verbindung beispielsweise Molybdän-III-chlorid (MoCl3) entsteht durch Re-
nur in Ether, Trichlormethan, Tetrachlorkohlen- duktion von Molybdän-V-chlorid mit Wasserstoff
stoff oder Kohlenstoffdisulfid. Molybdän-V- (I) oder Zinn-II-chlorid [(II), Brauer 1981,
chlorid tritt in einigen Modifikationen auf, die S. 1531]:
jeweils unterschiedliche Kristallstrukturen auf-
weisen: eine monokline α-Form, eine trikline (I) MoCl5 þ H2 ! MoCl3 þ 2 HCl
β-Form, eine orthorhombische γ-Form und eine
monokline δ-Form (Perry 2011, S. 281; Beck (II) MoCl5 þ SnCl2 ! MoCl3 þ SnCl4
und Wolf 1997).
Molybdän-IV-chlorid (MoCl4) tritt in Form Molybdän-III-chlorid ist nur unter Schutzgas
eines paramagnetischen, licht-, luft- und hydroly- unbegrenzt haltbar. An feuchter Luft tritt lang-
same Oxidation sowie Hydrolyse ein. Es ist außer
in verdünnter Salpetersäure und konzentrierter
Schwefelsäure in kaum einem anderen Medium
löslich. Die Verbindung kristallisiert in zwei
jeweils monoklinen Modifikationen und dispro-
portioniert in der Hitze zu Molybdän-II- und -IV-
chlorid:

(I) 2 MoCl3 ! MoCl2 þ MoCl4

Abb. 22 Molybdän-V-chlorid (Onyxmet 2018)


(II) Mo þ COCl2 ! MoCl2 þ CO
596 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Molybdän-ll-chlorid (MoCl2) ist ein oranges


(s. Abb. 23), gegenüber Luftsauerstoff beständi-
ges Kristallisat der Dichte 3,71 g/cm3, das bei
530  C unter Zersetzung schmilzt. Man stellt
es durch thermische Disproportionierung von
Molybdän-III-chlorid (MoCl3) (I) bzw. durch
Reaktion erhitzten Molybdänpulvers mit Phosgen
(II) her (Brauer 1981, S. 1531):

(I) 2 MoCl3 ! MoCl2 þ MoCl4 Abb. 23 Molybdän-II-chlorid (Onyxmet 2018)

(II) Mo þ COCl2 ! MoCl2 þ CO Das gelbrote Molybdän-II-bromid (MoBr2),


ein Feststoff der Dichte 4,88 g/cm3, entsteht aus
der Reaktion von Molybdän-II-chlorid mit Lithi-
Die Verbindung ist unlöslich in Wasser, Eises- umbromid (Brauer 1981, S. 1536):
sig, Toluol und Benzin, löst sich aber in Ethanol,
Ether, Aceton, Pyridin, verdünnten starken Ba- MoCl2 þ 2 LiBr ! MoBr2 þ 2 LiCl
sen und konzentrierter Salzsäure. Es kristalli-
siert orthorhombisch und enthält einen oktaedri- Die Umsetzung metallischen Molybdäns mit
schen Mo6-Cluster. Molybdän-II-chlorid hat die einem Stickstoff/Brom-Gasgemisch führt bei
Struktur eines Polymers; man kann es mit der Temperaturen von 650–700  C zum gleichen
Formel [{Mo6Cl8}Cl4/2Cl2]1 beschreiben. Die Ergebnis. Molybdän-II-bromid schmilzt unter
{Mo6Cl8}4+-Clusterkerne sind über weiter ent- Zersetzung bei ca. 700  C und ist ein hygroskopi-
fernte Chloridliganden zu Schichten unendlicher sches, gelb-rotes bis braunes, diamagnetisches
Ausdehnung verbunden (Alsfasser und Meyer Pulver, das unlöslich in Wasser und nichtoxidie-
2007; Kozhomuratova et al. 2007). renden Säuren ist. Es löst sich aber in heißer,
Molybdän-IV-bromid (MoBr4) entsteht durch konzentrierter Schwefelsäure oder auch in war-
Bromieren von Molybdän-III-bromid oder von mer verdünnter Natronlauge.
Molybdänhexacarbonyl (Gutmann 1967). Der Molybdän-III-iodid (MoI3) ist das Produkt der
schwarze, kristalline Feststoff ist sehr empfindlich Umsetzung von Molybdänhexacarbonyl mit Iod
gegenüber Oxidation und Hydrolyse; Erhitzen auf bei Temperaturen von ca. 100  C (Brauer 1981,
Temperaturen von 110  C und höher führt zur S. 1539):
Zersetzung in Molybdän-III-bromid und Brom.
Molybdän-III-bromid (MoBr3) ist aus Molyb- 2 MoðCOÞ6 þ 3 I2 ! 2 MoI3 þ 12 CO
dän mit Brom unter Kohlendioxid bei Temperatu-
ren um 350  C erhältlich (Brauer 1981, S. 1537): Das schwarze, antiferromagnetische, an der
Luft stabile und bei 927  C schmelzende Kristal-
2 Mo þ 3 Br2 ! 2 MoBr3
lisat ist in kaum einem Medium löslich.
Das schwarze, an der Luft beständige Molyb-
Alternativ funktioniert auch die Reduktion
dän-II-iodid (MoI2) erhält man durch Reaktion
von Molybdän-IV-bromid (MoBr4) mit Molybdän,
von Molybdän-II-bromid mit Lithiumiodid [(I)
Wasserstoff oder einem Kohlenwasserstoff (Perry
Brauer 1981, S. 1539] oder durch Erhitzen von
2011, S. 279). Der bei einer Temperatur von
Molybdän-III-iodid im Vakuum (II):
500  C unter Zersetzung (Bildung von Brom und
Molybdän-II-bromid) schmelzende, dunkelgrüne
(I) MoBr2 þ 2 LiI ! MoI2 þ 2 LiBr
bis schwarze Feststoff weist eine Dichte von
4,89 g/cm3 auf, ist unlöslich in Wasser und Säuren
(II) 2 MoI3 ! 2 MoI2 þ I2
und kristallisiert orthorhombisch (Babel 1972).
5 Einzeldarstellungen 597

Pnictogenverbindungen Erhitzen von Ammo-


niumheptamolybdat mit Magnesium als Reduk-
tionsmittel und Zusatz von Natriumazid als
zusätzlicher Stickstoffquelle im Autoklaven bei
Temperaturen um 700  C ergibt Nanoteilchen
von β-Dimolybdännitrid (Mo2N). Die schwarze,
nahezu diamagnetische Verbindung wurde aus-
führlich von Kaur et al. beschrieben (2018).
γ-Dimolybdännitrid (Mo2N) kristallisiert im kubi-
Abb. 24 a Dimolybdäncarbid (Onyxmet 2018). b Micro-
schen Kochsalzgitter, lässt sich in Form sehr dün- Dimolybdäncarbid (Stanford Advanced Materials 2018)
ner Schichten auf Substrate auftragen und ist gut
als Katalysator für Synthesen geeignet (Jauber-
teau et al. 2015). durch Reaktion von Ammoniummolybdat mit
Das bei 646  C schmelzende Molybdänmono- Wasserstoff und Kohlenmonoxid bei Temperatu-
nitrid (MoN) hat die Dichte 9,2 g/cm3, hexagonale ren von 550–600  C her (Khan und Taube 2006);
Struktur und eine in der Kategorie des Bornitrids alternativ funktioniert auch die Reaktion von
und Diamants liegende Kompressibilität. Die Ver- Molybdän-VI-oxid mit Ruß unter einer Wasser-
bindung ist ein potenzieller Kandidat für einen stoffatmosphäre bei Temperaturen oberhalb von
Hochtemperatur-Supraleiter, da sie eine hohe 1350  C. Dimolybdäncarbid setzt man in einigen
Sprungtemperatur von 243  C (30 K) aufweist. Hartmetallschneidstoffen ein; es ist hinsichtlich
Molybdändiarsenid (MoAs2) ist ein schwarzes seiner Härte aber anderen dafür verwendeten Sub-
Pulver der Dichte 8,07 g/cm3 und wird durch stanzen unterlegen.
Reaktion eines pulvrigen Gemisches von Molyb- Das gelbgraue Molybdändisilicid (MoSi2)
dän mit Arsen bei 1060  C in einer geschlossenen (s. Abb. 25) erzeugt man durch Reaktion von Mo-
Ampulle und in stöchiometrischem Verhältnis der lybdän mit Silicium bei Temperaturen >1400  C
Ausgangsstoffe hergestellt. Ebenso ist eine che- (Kollenberg 2004, S. 135/340). Weitere Silicide
mische Umsetzung in der Gasphase möglich, des Molybdäns sind mit Mo3Si und Mo5Si3
indem Monoarsan (AsH3) bei ca. 900  C über bekannt (Zhang und Zhao 2012). Durch Überlei-
ein Molybdän-III-halogenid in Gegenwart von ten eines Gemisches aus Silicium-IV-chlorid und
Brom geleitet wird (Murray et al. 1972). Die Ver- Wasserstoff über erhitztes Molybdän sind dünne
bindung wird erst unterhalb einer Temperatur von Beschichtungen des Molybdändisilicids auf ge-
272,6  C (0,41 K) supraleitend (Taylor et al. eigneten Substraten herstellbar (Braithwaite und
1965) und kristallisiert monoklin (Wang et al. Haber 2013, S. 83).
2017a). In konzentrierter Salzsäure oder ammo- Die Verbindung besitzt eine tetragonale Kris-
niakalischer Wasserstoffperoxid-Lösung ist sie tallstruktur, die oberhalb von 1900  C in eine
unlöslich, wird aber leicht von oxidierenden Säu- hexagonale übergeht (Mehrer et al. 2012). An
ren angegriffen. Es sind mindestens noch zwei der Luft oxidiert bzw. verbrennt Molybdändisili-
weitere Arsenide des Molybdäns bekannt (Mo2As3, cid bei >400  C und muss daher in Form von
Mo5As4, Taylor et al. 1965). Legierungen eingesetzt werden, falls das Ziel eine
Sonstige Verbindungen Dimolybdäncarbid Anwendung bei hoher Temperatur ist. Es ist stabil
(Mo2C) ist ein brennbarer, grauschwarzer und gegen Säuren, verdünnte Laugen, Salzlösungen
geruchloser Feststoff (s. Abb. 24a, b) der Dichte sowie einige Salzschmelzen, zudem ist es gegen
8,9 g/cm3, der bei 2687  C schmilzt (Pierson die meisten Gase auch bei hohen Temperaturen
1996; Bertau et al. 2013). Die in Wasser nahezu inert (Rubisch 1965). Seine Eigenschaft als elek-
unlösliche Verbindung tritt meist in einer α- und trisch leitfähiger Keramikwerkstoff nutzt man in
β-Modifikation auf, wobei letztere hexagonal- Heizleitern und Glühkerzen für Automotoren.
dichtest kristallisiert und bei niedrigen Tempera- Dimolybdänpentaborid (Mo2B5) wird eben-
turen die stabilere ist. Man stellt die Verbindung falls in Refraktärkeramik für Anwendungen bei
598 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Abb. 26 Dimolybdänpentaborid (QS Advanced Materi-


Abb. 25 Micro-Molybdändisilicid (Stanford Advanced als 2018)
Materials 2018)

hohen Temperaturen eingesetzt, da es dem zule-


gierten bzw. beschichteten Stoff größere Härte
und Verschleißfestigkeit verleiht. Das auch in
Form von Sputtertargets verkaufte, grauschwarze
Material (s. Abb. 26) hat die Dichte 8,65 g/cm3
und schmilzt bei 2180  C.
Ähnliche Eigenschaften und Einsatzgebiete
besitzt Molybdänmonoborid (MoB), ein grau-
blaues Pulver der Dichte 9,2 g/cm3. Man erzeugt
es, neben kleineren Anteilen anderer Molybdän- Abb. 27 Molybdänhexacarbonyl (Onyxmet 2018)
boride, durch magnesiothermische Reduktion
einer Mischung von Molybdän-VI- und Bor-III-
oxid (Çamurlu 2011). Die Verbindung scheint als seiner Flüchtigkeit hat es relativ großes Gefahren-
wirksamer Fotokatalysator zur Erzeugung von potenzial für die Gesundheit, da es sowohl flüch-
Wasserstoff ein Potenzial für den Einsatz in tiges, im menschlichen Körper akkumulierbares
Brennstoffzellen zu haben (Wang et al. 2017b). Metall als auch Kohlenmonoxid freisetzen kann.
Organische Verbindungen Molybdänhexacar- Es wurde in Spuren in den Faulgasen nachgewie-
bonyl [Mo(CO)6] ist durch Aufleiten von Kohlen- sen, die in Kläranlagen freigesetzt werden (Feld-
monoxid unter Druck auf Molybdänhexachlorid mann 1999).
(MoCl6) bei gleichzeitiger Anwesenheit von Alu- Die Kohlenstoffmonoxidliganden im Molekül
miniumalkylen (AlR3) herstellbar (Brauer 1981, sind durch andere Liganden ersetzbar. So ergibt
S. 1634): die Bestrahlung mit UV-Licht in Gegenwart von
Tetrahydrofuran (THF) einen THF-substituierten
MoCl6 þ 6 CO þ 2 AlR3 Komplex Mo(CO)5(THF), und die Umsetzung von
! MoðCOÞ6 þ 2 AlCl3 þ 3 R  R Molybdänhexacarbonyl mit Piperidin einen gelben
Komplex, in dessen Molekül zwei Kohlenstoffmon-
Anstelle von Molybdän-VI-chlorid kann man oxidliganden durch Piperidin ersetzt sind [Mo
auch Molybdän-V-chlorid bei Gegenwart eines (CO)4 (Piperidin)2]. Molybdänhexacarbonyl setzt
reaktiven Metalls (z. B. Aluminium) einsetzen. man als Katalysator in der organischen Synthese
Im Molekül des bei Temperaturen von 150  C ein, beispielsweise bei den (2 + 2 + 1)-Cycload-
bzw. 156  C schmelzenden bzw. siedenden, ziem- ditionen von Kohlenmonoxid, Alkin und Alken
lich stabilen, farblosen Molybdänhexacarbonyls (Pauson-Khand-Reaktion).
(s. Abb. 27) sind die sechs CO-Liganden ok- Molybdocen-dichlorid [Mo(C5H5)Cl2] wurde
taedrisch um das Molybdänatom koordiniert schon vor Jahrzehnten als Wirkstoff gegen
(Elschenbroich 2008). Es ist schwer löslich in Tumore erfolgreich getestet (Köpf-Maier et al.
unpolaren organischen Lösungsmitteln. Wegen 1979), allerdings bevorzugt man für die Chemo-
5 Einzeldarstellungen 599

therapie weniger toxische und reaktionsträgere Ein Mangel an Molybdän verringert den Ertrag
Platinmetall-Komplexe. bei vielen Nutzpflanzen, wobei in Pflanzen und
auch Tieren Konzentrationen im Bereich von
Anwendungen Rund 70 % des hergestellten wenigen ppm aufrechterhalten werden müssen.
Molybdäns gehen in die Produktion von Metall- Bestimmte mit Hülsenfrüchtlern in Symbiose
legierungen wie Ferro-Molybdän, in der es dieser lebende Knöllchenbakterien binden Luftstickstoff
eine wesentlich höhere Härte als Stahl verleiht. und reduzieren Nitrat zu Ammoniak mittels eines
Generell setzt man Molybdän oft als Legierungs- molybdänhaltigen Enzyms (Nitrogenase).
bestandteil zur Steigerung von Festigkeit, Korro- Bei Inhalation oder oraler Aufnahme können
sions- und Hitzebeständigkeit (Hastelloy ®, Inco- Molybdänstaub und -verbindungen schwach to-
loy ® oder Nicrofer ®) ein, so auch in der Luft- und xisch wirken. Das Element ist aber im Vergleich zu
Raumfahrt. In Dünnschichttransistoren verkör- vielen anderen Schwermetallen nur wenig toxisch.
pert Molybdän die leitende Metallschicht und in
Dünnschichtsolarzellen den metallischen Rück-
Patente
leiter. Aus Molybdän bestehende Folien sorgen
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
für die gasdichte Stromdurchführung in Quarz-
wide.espacenet.com)
glas, wie beispielsweise in Halogenglühlampen.
Bei der Raffination von Erdöl dient Molybdän
N. Matsukura und E. Katsuno, Method for
zur Entfernung von Schwefel und dessen Verbin-
long-term stabilization of dispersibility
dungen. Dagegen verwendet man Molybdän-IV-
of organic molybdenum compound in
sulfid verbreitet als Schmiermittel, sowohl separat
base oil (Adeka Corp., WO 201901
als auch in Öl suspendiert. Molybdän-VI-oxid
2861 A1, veröffentlicht 17. Januar 2019)
und Molybdate verwendet man zur Feuerfestaus-
N. Roth, Molybdenum alloys for medical
rüstung von Textilien.
devices (Mirus, US 2019008995 A1,
Bei Röntgenuntersuchungen, die nur eine
veröffentlicht 10. Januar 2019)
minimale Strahlenbelastung zulassen, dient Mo-
T. Nardi und R. A. Barth, Molybdenum
lybdän als Anodenmaterial. Schließlich gewinnt
coated elevator safety brakes (Otis Ele-
man das Technetiumisotop 99m43Tc in situ unter
vator Co., US 2019011007 A1, veröf-
anderem durch β-Zerfall des Isotops 9942Mo.
fentlicht 10. Januar 2019)
A. Bonduelle und A. Chaumonnot, Olefin
Physiologie und Toxikologie Molybdän ist
metathesis method using a catalyst con-
überraschenderweise für die meisten Organismen
taining silicon and molybdenum (IFP
essenziell, da es beispielsweise in der Nitroge-
Energies Now, US 2019009260 A1, ver-
nase, der Nitratreduktase oder der Sulfitoxidase
öffentlicht 10. Januar 2019)
enthalten ist, also Enzymen, die etwa den Abbau
C. Dezelah und J.-S. Lehn, Deposition of
von Purin und die Synthese von Harnsäure kata-
molybdenum thin films using a molyb-
lysieren.
denum carbonyl precursor (Merck Patent
Der Organismus nimmt Molybdän in Form von
GmbH, US 2019003050 A1, veröffent-
Molybdat auf. Das Molybdän gelangt schließlich als
licht 3. Januar 2019)
Molybdän-Cofaktor in das jeweilige Enzym, wo
E. Ström, A new molybdenum silicide
das Molybdänion Redoxreaktionen katalysiert; dies
based composition (Sandvik Intellectual
durch häufigen Wechsel zwischen den Oxidations-
Property, US 2019002355 A1, veröffent-
zahlen +4, +5 und +6 (Schwarz et al. 2009). Bei
licht 3. Januar 2019)
normaler Ernährung tritt Molybdänmangel nicht
M. Porosoff und H. D. Willauer, Alkali metal
auf. Sind die inkorporierten Dosen zu hoch, so führt
doped molybdenum carbide supported on
dies zu Gicht, Gelenk- und Leberkrankheiten. Der
gamma-alumina for selective CO2 hydro-
Molybdän-Cofaktor-Mangel ist als Erbkrankheit
bekannt (Reiss und Hahnewald 2011). (Fortsetzung)
600 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

genation into CO (U. S. Government, ren 1546, 1547, 1551 und 1553 auch Bür-
Section Navy, CA 3030838 A1, veröf- germeister. Als Universalgelehrter forschte
fentlicht 18. Januar 2018) Agricola im Bereich der Medizin, Pharma-
R. Kolvenbach und M. S. Rigutto, Process zie, Alchemie, Philologie und Pädagogik,
for the preparation of molybednum Politik und Geschichte, Metrologie, Geowis-
disulfide nanoparticles supported on tita- senschaften und Bergbau. Agricola ver-
nia (Shell International Research, CA schaffte sich einen Überblick über die
gesamte Technik des Bergbaus und Hütten-
3030310 A1, veröffentlicht 18. Januar
wesens zu seiner Zeit; ein Jahr nach seinem
2018)
Tod erschien sein Hauptwerk De re metallica
libri XII., das später ins Deutsche übersetzt
wurde und unter dem Namen Vom Berg-
kwerck XII Bücher veröffentlicht wurde; es
5.3 Wolfram
blieb bis Mitte des 18. Jahrhunderts das Stan-
dardwerk seines Genres (Pieper 1953, S. 98;
Geschichte Wolfram wurde in Form eines seiner
Prescher 1980; Ladwig 1987, S. 113).
Erze schon vor fast 500 Jahren durch Agricola in
Freiberg entdeckt, weil es die Gewinnung von
Zinn aus dessen Erzen durch Verschlackung des Der spanische Chemiker Fausto Elhuyar y
chemisch gebundenen Zinns stark erschwerte. Er de Suvisa (* 11. Oktober 1755 Logroño; †
nannte das Mineral „Wolfsschaum“; aus diesem 6. Februar 1833 Madrid) studierte 1772 bis
Namen wurde später „Wolfram“. Die im Engli- 1776 zusammen mit seinem Bruder Juan
schen sowie den romanischen Sprachen ge- José Elhuyar (s. unten) Chemie an der Uni-
brauchte Bezeichung „tungsten“, „tungsteno“ versität Paris und ging danach mit ihm zur
oder „tungstène“ ist vom altnordischen „tung Bergakademie Freiberg. Reisen führten in
sten“ („schwerer Stein“) abgeleitet; hiermit bis nach Schweden, wo er in Uppsala mit
bezeichnete man im Schweden des 18. Jahrhun- Scheele zusammenarbeitete und dort stu-
derts aber das Mineral Calciumwolframat, das dierte. Nach seiner Rückkehr nach Spanien
Scheele 1781 isolierte und aus ihm Wolfram-VI- 1781 wurde er Professor an der Bergbau-
oxid darstellte. Erstmals stellten die in Scheeles schule im baskischen Bergara und siedelte
Labor arbeitenden Brüder Elhuyar 1783 aus einer 1788 nach Mexiko-Stadt über, wo er Gene-
aus Zinnwald gelieferten Probe des Minerals raldirektor der Bergwerke wurde und 1792
dort ebenfalls eine Bergakademie gründete.
durch Reduktion elementares, wenn auch noch
1821 kehrte er nach Madrid zurück, wurde
verunreinigtes Wolfram her.
Staatsminister und Generaldirektor der
Bergwerke in Spanien.

Georgius Agricola (* 24. März 1494 Glau-


chau; † 21. November 1555 Chemnitz) war Faustos Bruder Juan José Elhuyar y de
ein deutscher Arzt, Apotheker und Wissen- Lubice (* 15. Juni 1754 Logroño; † 20.
schaftler, der die Geologie, Mineralogie und September 1796 Bogotá) war ebenfalls
Bergbaukunde zur damaligen Zeit revolu- Chemiker und Mineraloge, studierte zusam-
tionierte. Er studierte zunächst von 1514 bis men mit seinem Bruder in Paris Chemie und
1518 alte Sprachen an der Universität Leip- wechselte 1778 mit ihm zur Bergakademie
zig, bevor er ab 1519 Rektor der Zwickauer Freiberg. Er ging ebenfalls nach Uppsala,
Ratsschule wurde, deren Lehrprogramm wo er mit seinem Bruder erstmals Wolfram
er grundlegend veränderte. 1531 wurde er erzeugte, kehrte 1781 nach Spanien zurück,
Stadtarzt in Chemnitz, und dort in den Jah- wurde Direktor der Bergbauschule in Ber-
5 Einzeldarstellungen 601

WO3 þ 3 H2 ! W þ 3 H2 O
gara, an der sein Bruder lehrte, und ging
1783 als Bergwerksdirektor nach Kolum- In Elektroöfen, in denen die Schmelztemperatur
bien. des Wolframs (3422  C) erreicht wird, kann im
Stile eines „Zonenschmelzens“ unter Wasserstoff-
Vorkommen Wolfram ist in der kontinentalen atmosphäre Wolfram in kompakter Form erschmol-
Erdkruste nur mit einem Anteil von 1 ppm zen werden.
vertreten (Wedepohl 1995), elementar kommt
es nicht auf der Erde vor. Wichtige Minerale sind Eigenschaften
Wolframit [(Mn, Fe)WO4], Scheelit (CaWO4), Stol- Physikalische Eigenschaften: Wolfram ist weiß-
zit (PbWO4) und Tuneptit (WO3  H2O). Die wich- glänzend, in reiner Form dehnbar, gleichzeitig sehr
tigsten Förderländer sind China, Peru, die USA, hart und besitzt mit ca. 19,3 g/cm3 etwa dieselbe
Korea, Bolivien, Kasachstan, Russland, Österreich Dichte wie Gold oder Uran. Die Kristallstruktur des
und Portugal, wobei die österreichischen Vorkom- Metalls ist in der Regel kubisch-raumzentriert (-
men (Scheelit im Felbertal, Hohe Tauern) die wich- α-Wolfram). Wolfram schmilzt bei einer Temperatur
tigsten Europas sind. von 3422  C (s. Tab. 3), hat daher den höchsten
Die Weltproduktion betrug 2013 ca. 71000 t, Schmelzpunkt aller chemischen Elemente auf und
von denen vier Fünftel aus China stammten. Die darüber hinaus mit 5550  C knapp hinter Rhenium
nächstwichtigen Förderländer waren die Russi- (5597  C) den zweithöchsten Siedepunkt. Es wird
sche Föderation (4500 t), Kanada (2500 t) und erst bei einer Sprungtemperatur von 15 mK supra-
Österreich (1400 t). Alle anderen Länder erzeug- leitend (Holleman et al. 2007, S. 1426).
ten weniger als 1000 t/a. Die verfügbaren Weltre- Chemische Eigenschaften: Wolfram ist che-
serven schätzte man im gleichen Jahr auf 2,9 Mio. misch sehr beständig; selbst gegenüber Flusssäure
t, wovon 1,9 Mio. t auf China, 290.000 t auf und Königswasser, zumindest bei Raumtempera-
Kanada, 250.000 t auf Russland und 53.000 t auf tur. Nur Mischungen aus Fluss- und Salpetersäu-
Bolivien entfallen. re sowie alkalische Alkalinitratschmelzen lösen
Die Produktion in Österreich besteht schon seit Wolfram auf.
mehreren Jahrzehnten, wurde zwischenzeitlich
infolge des niedrigen Marktpreises für Wolfram
aber immer wieder für einige Jahre ausgesetzt. Verbindungen
Die Aufarbeitung des Erzkonzentrates erfolgt in Chalkogenverbindungen Das bei Raumtemperatur
Mittersill, die Endverarbeitung zu Wolfram, Wolf- gelbe (s. Abb. 28a–c), beim Erwärmen orange Wolf-
ramcarbid und Wolfram-VI-oxid im steirischen ram-VI-oxid (WO3) schmilzt bei einer Temperatur
Sulmtal. von 1473  C und hat eine Dichte von 7,16 g/cm3. Es
kommt in Form seiner Hydrate natürlich vor (Els-
Gewinnung Wolfram ist nicht durch Reduktion moreit, Tungstit, Meymacit). Wolfram-VI-oxid er-
mit Kohle aus oxidischem Wolframerz herstell- zeugt man durch Glühen von Wolfram oder Wolf-
bar, da hierbei lediglich Wolframcarbid entsteht. ramverbindungen unter Zutritt von Luft oder auch
Daher ist die Herstellung des Metalls aufwändiger durch Zugabe von Salzsäure zu wässrigen Lösun-
und beginnt durch Zusatz von Ammoniakwasser gen von Natriumwolframat (Brauer 1981, S. 1566):
zu der nach dem Aufschluss des Erzes enthaltenen
Wolframatlösung. Das Abfiltrieren des bei dieser Na2 WO4 þ 2 HCl ! WO3 # þH2 O þ 2 NaCl
Reaktion entstehenden Niederschlages sowie des-
sen Trocknung bei Temperaturen um 600  C lie- Wolfram-VI-oxid löst sich in Wasser und Säuren
fert bereits ziemlich reines Wolfram-VI-oxid, das kaum oder überhaupt nicht; in Laugen dagegen unter
man bei etwas höherer Temperatur (800  C) im Bildung von Wolframaten. Anwendungsgebiete
Wasserstoffstrom zu pulverförmigem, metalli- sind unter anderem die als Katalysator in der Pig-
schem Wolfram reduziert: mentindustrie.
602 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Wolfram


Symbol: W
Ordnungszahl: 74
CAS-Nr.: 7440-33-7

Aussehen: Grauweiß Wolfram, Pellet, 31 g, Ø 1,6 cm Wolfram,


glänzend (Metallium 2016) Pellets
(Onyxmet
2018)
Entdecker, Jahr Scheele (Schweden), 1783 –
Fausto/Juan Elhuyar (Spanien), 1783
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
180
74W (0,13) 1,8  1018 α > 17672Hf
182
74W (26,3) Stabil ——
183
74W (14,3) Stabil ——
184
74W (30,67) Stabil ——
186
74W (28,6) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 60
Atommasse (u): 183,84
Elektronegativität 2,36 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred & Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: 0,119
WO2 + 4H+ + 4e ! W + 2H2O (V)
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (196)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 162
Ionenradius (W4+/W6+, pm) 68 / 62
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d4 6s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 770 ♦ 1700
Magnetische Volumensuszeptibilität: 7,8  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,85  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 411 ♦ 310 ♦ 161
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 3430–4600 ♦ 2000–4000
Mohs-Härte 7,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 5174
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 19,25
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 9,47  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 170
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,27
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 3422 ♦ 3695
Schmelzwärme (kJ/mol) 35,2
Siedepunkt ( C ♦ K): 5555 ♦ 5828
Verdampfungswärme (kJ/mol): 774

Einige Wolframate werden vielfach technisch vorkommt. Es dient zur Herstellung reinen Wolf-
eingesetzt, so etwa Calciumwolframat (CaWO4), rams über Natriumwolframat. Man stellt die Verbin-
das in der Natur in Form des Minerals Scheelit dung durch Festkörperreaktion von Calciumoxid
5 Einzeldarstellungen 603

Abb. 28 a Wolfram-VI-oxid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018). b Wolfram-VI-oxid, Normalqualität (Stan-
ford Advanced Materials 2018). c Wolfram-VI-oxid, Normalqualität (Onyxmet 2018)

mit Wolframoxid (I) oder aus Natriumwolframat


und Calciumnitrat in wässriger Lösung her (II);
das schwer wasserlösliche Produkt wird abfiltriert
und gewaschen:

(I) CaO þ WO3 ! CaWO4

(II) CaðNO3 Þ2 þ Na2 WO4 !


CaWO4 # þ 2 NaNO3
Abb. 29 Calciumwolframat (Onyxmet 2018)

Das farblose Calciumwolframat (s. Abb. 29)


schmilzt bei 1620  C und hat die Dichte
6,06 g/cm 3 . Als erste chemische Verbindung
überhaupt wurde es als Kontrastmittel bei Rönt-
genuntersuchungen und in Transferfolien von
Röntgengeräten eingesetzt, später auch in der
Dünnschichtchromatografie. Dieser „Reinstoff-
phosphor“ leuchtet blauviolett, wenn Röntgen-
strahlen auf ihn treffen. Das Emissionsmaximum
liegt bei 425 nm. Heute ersetzt man es weitge-
hend durch Verbindungen der Seltenerden.
Abb. 30 Bariumwolframat (Onyxmet 2018)
Das ebenfalls farblose Bariumwolframat
(BaWO4) (s. Abb. 30) schmilzt bei 1502  C,
besitzt eine Dichte von 5,04 g/cm3 und wird 8,0 g/cm3 auf und kann durch Umsetzung einer
analog zum Calciumwolframat meist in wässri- stöchiometrischen Mischung von Cadmiumoxid
ger Lösung durch Umsetzung von Bariumnitrat mit Wolfram-VI-oxid unter Einfluss von Schall-
mit Natriumwolframat hergestellt (Ge et al. wellen (I) oder auch durch Versetzen einer
2015; Vidya et al. 2013); das ausgefällte Ba- wäßrigen Lösung eines Cadmiumsalzes mit einer
riumwolframat filtriert man ab, wäscht und Lösung von Natriumwolframat hergestellt werden
trocknet es. Die Verbindung kristallisiert tetra- (II) (Hosseinpour-Mashkani und Sobhani-Nasab
gonal (Errandonea et al. 2006); eines der Ein- 2016; Wang et al. 2012b):
satzgebiete ist das als Frequenzschieber in Laser-
geräten (Webb and Jones 2004, S. 486).
(I) CdO þ WO3 ! CdWO4
Das farblose bis hellgelbe, monoklin kristalli-
sierende Cadmiumwolframat (CdWO4) (s. Abb. 31) (II) CdðNO3 Þ2 þ Na2 WO4 !
schmilzt bei 1325  C, weist eine Dichte von CaWO4 # þ 2 NaNO3
604 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Abb. 32 a Nano-Wolfram-IV-sulfid (Stanford Advanced


Materials 2018). b: Wolfram-IV-sulfid Sputtertarget
(QS Advanced Materials 2018)
Abb. 31 Cadmiumwolframat (Onyxmet 2018)

Man setzt die Verbindung als Szintillator in der tallisiert und eine Dichte von 7,5 g/cm3 aufweist.
Kernphysik ein (Bardelli et al. 2006), ebenso in In der Natur kommt die Verbindung als Tungstenit
Röntgenbildschirmen und fluoreszierenden Far- vor, kann aber auch synthetisch hergestellt wer-
ben (Perry 2016, S. 84). den, entweder aus den Elementen (I) oder durch
Cobaltwolframat (CoWO4) stellt man durch Umsetzung von Wolfram-VI-oxid mit Schwefel
Versetzen einer wäßrigen Lösung von Cobalt-II- (II, Brauer 1981, S. 1574):
sulfat mit einer von Natriumwolframat her,
wodurch das Cobaltwolframat ausgefällt wird. (I) W þ 2 S ! WS2
Nach Abfiltrieren, Waschen und Trocknen erhält
man das blaugrüne bis blauschwarze, monoklin (II) 2 WO3 þ 7 S ! 2 WS2 þ 3 SO2
kristallisierende reine Cobaltwolframat (Deng
et al. 2012). Dieses schmilzt bei einer Temperatur
von 1280  C, hat die Dichte 8,42 g/cm3 und wird Die Verbindung wird in Katalysatoren zur
als Pigment, Katalysator (Abasaeed et al. 2006) Hydrierung von Rohöl eingesetzt, des Weiteren
und als Trocknungsmittel für Glasuren, Tinten als Trockenschmiermittel für Schrauben und
und Farben eingesetzt (Alper 2012, S. 114). Gewindespindeln in der Medizintechnik, im
Wolfram-IV-oxid (WO2) entsteht durch Re- Motoren- und Werkzeugbau und vielen anderen
duktion von Wolfram-VI-oxid (WO3) mit Was- Einsatzgebieten (dicronite.de). Man prüft Wolf-
serstoff (Brauer 1981, S. 1564) oder durch ram-IV-sulfid aktuell als mögliches Speicherme-
Umsetzung von Wolfram mit Wasserdampf bei dium für Lithiumionen und Protonen (Bhandavat
hoher Temperatur. Der braune Feststoff schmilzt et al. 2012). Die Verbindung katalysiert die Hy-
bei 1700  C und besitzt eine Dichte von 10,8 g/ drierung von Kohlendioxid zu Kohlenmonoxid
cm3. Die Verbindung kristallisiert monoklin und Wasserdampf (Lassner und Schubert 2012).
(Wells 1984), ist diamagnetisch und besitzt Am Beispiel von Wolfram-IV-sulfid wies man
wie Metalle elektrische Leitfähigkeit. Man setzt erstmals das Phänomen der Entstehung anorgani-
Wolfram-IV-oxid in Katalysatoren sowohl für scher Nanoröhrchen nach (Tenne et al. 1992), das
die Aufarbeitung von Erdöl als auch für die Ent- generell durch ein in Schichtstruktur vorliegendes
fernung von Stickoxiden aus Verbrennungs- Material begünstigt wird (Panigrahi und Pathak
abgasen von Kraftwerken ein, wobei diese mit 2008). Diese Nanoröhrchen aus Wolfram-IV-sul-
Ammoniak zu ungefährlichem Stickstoff umge- fid verbessern mechanische Eigenschaften von
setzt werden. Weiterhin ist die Anwendung als Nanokompositen wie etwa deren Biegefähigkeit
färbender Bestandteil in Gläsern, Glasuren und und Reißfestigkeit (Lalwani 2013). Ähnliche
Keramiken möglich. Effekte beobachtete man bei Epoxyharzen (Zohar
Wolfram-IV-sulfid (WS2) ist ein graublauer bis et al. 2011). Die Festigkeit von Nanofasern aus
schwarzer Feststoff (s. Abb. 32a, b), der bei Polymethylmethacrylat wurde derart erhöht, dass
1250  C schmilzt, mit hexagonaler Struktur kris- man die Eignung dieses modifizierten Kunststoffs
5 Einzeldarstellungen 605

als Stoßadsorber, beispielsweise in schusssiche-


ren Westen, prüft (Reddy et al. 2011).
Die Nanoröhrchen sind innen hohl und können
mit einem anderen Material gefüllt werden, auch
um neue Eigenschaften des Füllmaterials zu
erzeugen. So füllte man bereits Nanoröhrchen
aus Wolfram-IV-sulfid mit geschmolzenem Blei-,
Bismut- und Antimoniodid; es bildeten sich
Abb. 33 a Wolfram-IV-selenid Sputtertarget (QS Advan-
Verbindungen wie PbI2@WS2, SbI3@WS2 oder ced Materials 2018). b Wolfram-IV-selenid (Onyxmet
BiI3@WS2 (Kreizman et al. 2010). 2018)
Wolfram-IV-selenid (WSe2) ist ein Halbleiter
der Dichte 9,2 g/cm3, der erst bei einer Temperatur
oberhalb von 1200  C schmilzt und wie das
homologe Sulfid in einem Schichtengitter hexa-
gonaler Struktur kristallisiert, in dem abwech-
selnd Schichten von Wolfram- und Selenatomen
vorliegen. Diese Schichten sind leicht gegenei-
nander verschiebbar und machen auch dieses
Dichalkogenid eines Elements der sechsten Ne-
bengruppe als Schmiermittel geeignet (Lüders
und von Oppen 2012, S. 239), als Halbleiter in Abb. 34 Wolfram-IV-tellurid Sputtertarget (QS Advan-
Fotozellen (Walker und Tarn 1990, S. 1285) und ced Materials 2018)
als Wärmeisolator (Chiritescu et al. 2007). Sehr
dünne (2D-)Kristalle der Verbindung werden in 2015) mit orthorhombischen Elementarzellen
Leuchtdioden eingesetzt, die außergewöhnlich (Brown 1966).
helles Licht bei gleichzeitig drastisch gesunke- Wolfram-IV-tellurid ist eine der Verbindungen,
nem Stromverbrauch aussenden; diese Art von die den GMR-Effekt zeigen (giant magnetoresis-
Struktur ist derjenigen von herkömmlichen tance); man beobachtet diesen Riesenmagnetwi-
Halbleitern deutlich überlegen (Ross et al. derstand in solchen Strukturen, die aus sich
2014; Müller et al. 2014). Man stellt das abwechselnden magnetischen und nichtmagneti-
in Pulverform schwarze Wolfram-IV-selenid schen, sehr dünnen Schichten bestehen. Hier
(s. Abb. 33b) durch Erhitzen einer pulverförmi- hängt der elektrische Widerstand von der gegen-
gen Mischung der Elemente auf eine Temperatur seitigen Orientierung der Magnetisierung der
von 500  C her (Jehn et al. 2013). magnetischen Schichten ab, wobei er bei Magne-
Wolfram-IV-tellurid (WTe2) erzeugt man durch tisierung in entgegengesetzte Richtungen deutlich
Erhitzen einer aus Wolfram und Tellur bestehen- höher ist (Mazhar et al. 2014). Es war auch eine der
den pulverförmigen Mischung auf 800  C im Verbindungen, an denen das Vorkommen von Qua-
Vakuum (Westrum et al. 1992; Lassner und Schu- siteilchen vom Typ der Weyl-Fermionen erstmals
bert 2012), wobei wegen der Zersetzlichkeit der nachgewiesen wurde (Dönges 2015; Soluyanov
Verbindung bei hoher Temperatur nach Ende der et al. 2015). Diese Weyl-Fermionen haben wie
Umsetzung ein schnelles Abkühlen der Reak- Elektronen einen halbzahligen Spin, aber im
tionsmischung erforderlich ist. Der dunkelgraue Gegensatz zu diesen keine Masse, können sich
bis schwarze Feststoff, der auch in Form von also theoretisch extrem schnell bewegen. [Dieses
Sputtertargets im Handel ist (s. Abb. 34), hat die Phänomen wurde experimentell am Beispiel des
Dichte 9,49 g/cm3 und ist praktisch unlöslich in Tantalarsenids zuerst beschrieben (Hasan et al.
Wasser. An der Luft beginnt er ab 650  C zu 2015)]. Die hiervon noch einmal abweichenden
oxidieren oder zu verbrennen. Wolfram-IV-tellu- Typ-2-Weyl-Fermionen könnten beispielsweise
rid kristallisiert in einer Schichtstruktur (Lee et al. den Fluss des elektrischen Stroms in Materialien,
606 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

in denen sie nachgewiesen werden, in nur be-


stimmte Richtungen lenken. Zudem zeigt Wolf-
ramtellurid die Eigenschaften eines Halbleiters.
Halogenverbindungen des W-VI Wolfram-VI-
fluorid (WF6) ist sehr giftig, stark ätzend und mit
einer Dichte von 12,4 g/L das bisher schwerste
bekannte Gas unter Standardbedingungen. Es
raucht an feuchter Luft wegen seiner Hydrolyse
zu Fluorwasserstoff und kondensiert bei einer
Temperatur von 17  C zu einer in reinem Zustand Abb. 35 Wolfram-VI-fluorid in Ampulle (Onyxmet
farblosen Flüssigkeit (s. Abb. 35) der Dichte 2018)
3,44 g/cm3 (bei 15  C, Lassner und Schubert
2012), die bei 2,3  C zu einem weißen, kubisch
kristallisierenden Feststoff der Dichte 3,99 g/cm3 auch elementares Molybdän sein) erforderlich,
erstarrt. Dessen Struktur geht nach weiterem Ab- um Molybdän in seine niedrigere Oxidations-
kühlen bei 9  C in eine orthorhombische über stufen zu überführen (Kikuyama et al. 2003).
(Siegel und Northrop 1966; Levy et al. 1983; Wolfram-VI-fluorid dagegen reagiert unter diesen
Drews et al. 2006; Levy 1975; Haaland et al. Bedingungen nicht.
1990). Die technische Anwendung erfolgt oft bei der
Wolfram-VI-fluorid erhält man durch Reaktion Produktion von Halbleiterschaltungen und Leiter-
von Wolfram im Fluorstrom bei Temperaturen platten durch Aufdampfen der Substanz, worauf
von 350–400  C (Priest und Swinehert 1950): diese infolge Zersetzung einen Film metallischen
Wolframs abscheidet, der nicht nur einen geringen
W þ 3 F2 ! WF6 elektrischen Widerstand aufweist, sondern auch
eine große Wärmekapazität und chemische Stabi-
Das unter diesen Bedingungen gasförmig ent- lität. Wegen des rasanten Wachstums dieser In-
stehende Wolfram-VI-fluorid trennt man destilla- dustrie liegt der aktuelle weltweite Verbrauch bei
tiv von Verunreinigungen wie Wolfram-VI-oxid- jährlich mehr als 200 t (!) der Verbindung. Die
fluorid (WOF4) ab (Vercamnen und Baele 2003; Abscheidung kann durch Reduktion mit Wasser-
Suenaga 1993). stoff noch effektiver gestaltet werden (Aigueperse
Zur Herstellung der Verbindung gibt es noch et al. 2005). Eine andere Anwendung ist die als
weitere Möglichkeiten. Zur direkten Fluorierung Puffer zur besseren Kontrollierbarkeit von in der
metallischen Wolframs ist anstelle von Fluor auch Gasphase ablaufenden chemischen Reaktionen
Chlortrifluorid (ClF3) oder Bromtrifluorid (BrF3) (Ifeacho 2008).
einsetzbar. Ebenso kann man Wolfram-VI-oxid Wolfram-VI-chlorid (WCl6) stellt man durch
(WO3) mit Fluorwasserstoff (HF), BrF3 oder Chlorieren von Wolfram (I) oder durch Erhitzen
Schwefeltetrafluorid (SF4) umsetzen. Oder aber von Wolfram-VI-oxid mit Tetrachlorkohlenstoff
man wählt die Fluorierung von Wolfram-VI-chlo- (II) her (Brauer 1981, S. 1558):
rid (WCl6) mittels Arsen-III-fluorid:
(I) W þ 3 Cl2 ! WCl6
WCl6 þ 6 HF ! WF6 þ 6 HCl
WCl6 þ 2 AsF3 ! WF6 þ 2 AsCl3 (II) WO3 þ 3 CCl4 ! WCl6 þ 3 COCl2

Im auf diese Art erzeugten Produkt sind stets


geringe Mengen an Molybdän-VI-fluorid enthal- Schmelz- und Siedepunkt der blauschwarzen
ten, das nicht durch fraktionierte Destillation ent- (s. Abb. 36), bei Raumtemperatur festen, hydro-
fernbar ist. Vielmehr ist ein bei erhöhter Tempe- lyseempfindlichen, rhomboedrisch bzw. hexago-
ratur einzusetzendes Reduktionsmittel (dies kann nal kristallisierenden Verbindung (Taylor und
5 Einzeldarstellungen 607

raturen von 253  C schmelzende und bei 268  C


siedende Verbindung mit heftiger Reaktion. Die
Kristallstruktur der Verbindung ist isotyp zu der
von Molybdän(V)-chlorid.
Wolfram-V-bromid (WBr5) ist eines der Pro-
dukte der Reaktion von Wolfram mit Brom bei
Temperaturen bis hinauf zu 1000  C. Da unter
diesen Bedingungen diverse Wolframbromide
gebildet werden, muss das bei 286  C schmel-
Abb. 36 Wolfram-VI-chlorid (Onyxmet 2018) zende und bei 333  C siedende Wolfram-V-bro-
mid durch Destillation bzw. Sublimation gerei-
nigt werden. Die Verbindung ist dunkelgrau,
Wilson 1974) der Dichte 3,52 g/cm3 liegen bei sehr empfindlich gegenüber Hydrolyse und in
275  C bzw. 346  C (Herndon 2004). einigen getrockneten organischen Lösungsmit-
In trockener und vor Licht geschützter Atmo- teln löslich.
sphäre ist Wolfram-VI-chlorid sehr lange haltbar. Halogenverbindungen des W-IV Das rot-
Infolge Hydrolyse an feuchter Luft spaltet es braune Wolfram-IV-fluorid (WF4) hat im Festkör-
Chlorwasserstoff ab und wirkt ätzend und korro- per eine Polymerstruktur und schmilzt erst bei
siv. In diversen organischen Lösungsmitteln ist es Temperaturen um 800  C unter Zersetzung. Wie
leicht löslich (beispielsweise in Ethanol mit gel- die meisten hier beschriebenen Wolframhaloge-
ber, in Tetrachlorkohlenstoff mit roter Farbe); nide ist es anfällig gegenüber Hydrolyse. Man
jedoch zersetzt sich Wolfram-VI-chlorid vor gewinnt die Verbindung durch Reduktion von
allem beim Erwärmen der Lösungen ziemlich Wolfram-VI-fluorid mit Phosphor-III-fluorid
schnell. (Lassner und Schubert 2012, S. 51), wenn man
Halogenverbindungen des W-V Wolfram-V- denn nicht durch Erhitzen von Wolfram-V-fluo-
fluorid (WF5) ist ein gelber Feststoff, der schon rid dessen Disproportionierungsprodukte auf-
bei 20  C unter Zersetzung schmilzt und durch trennen will:
Wasser schnell zu basischem Wolframoxid und
Fluorwasserstoff hydrolysiert wird. In einer Ele-
mentarzelle des Kristallgitters finden sich vier WF6 þ PF3 ! WF4 þ PF5
Molekül-Einheiten, ähnlich wie bei Niob- oder
Tantal-V-fluorid (Housecroft und Sharpe 2005, Wolfram-IV-chlorid (WCl4) ist durch Reduk-
S. 662). Herstellbar ist die Verbindung durch tion von Wolfram-VI-chlorid mit Aluminium
Reduktion von Wolfram-VI-fluorid mit Wolfram (I, Brauer 1981, S. 1556) oder besser noch durch
(Penrice 2007, S. 378) oder auch aus den Ele- Umsetzung des Hexachlorids mit Wolframhexa-
menten. carbonyl herstellbar (II, Kaesz 2009, S. 222), da
Wolfram-V-chlorid (WCl5) erzeugt man durch bei letzter Reaktion keine festen Nebenprodukte
Reaktion von Wolfram-VI-chlorid mit Wasser- entstehen:
stoff bei Temperaturen von 350–400  C oder auch
bei Bestrahlung seiner Lösung in Tetrachlorethen (I) 3 WCl6 þ 2 Al ! 3 WCl4 þ 2 AlCl3
bei 100  C mit starkem Licht (Brauer 1981,
S. 1556): (II) 2 WCl6 þ WðCOÞ6 ! 3 WCl4 þ 6 CO

2 WCl6 þ C2 Cl4 ! 2 WCl5 þ C2 Cl6


Der schwarze, orthorhombisch kristallisie-
Wolfram-V-chlorid ist ebenfalls schwarz, aber rende, diamagnetische Feststoff der Dichte
paramagnetisch und sehr empfindlich gegenüber 4,62 g/cm3 ist ebenfalls empfindlich gegenüber
Hydrolyse. In Wasser zersetzt sich die bei Tempe- Hydrolyse und disproportioniert oberhalb einer
608 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Temperatur von 450  C zu Wolfram-II- und Wolf- (I) WCl6 þ 2 W ! 3 WCl2


ram-V-chlorid. Die Verbindung ist kaum löslich in
organischen Lösungsmitteln (Riedel und Janiak (II) 3 WCl4 ! WCl2 þ 2 WCl5
2011, S. 825).
Das schwarze, diamagnetische Wolfram(IV)-
bromid (WBr4) sublimiert bereits bei 240  C und Die Verbindung ist ein hellgraues, bei einer
wird durch Umsetzung von Wolfram-V-bromid Temperatur von 500  C unter Zersetzung schmel-
mit Metallen (Wolfram oder Aluminium) bei zendes Pulver der Dichte 5,44 g/cm3, das okta-
Temperaturen oberhalb von 350  C (W) oder edrische W6-Cluster enthält und isotyp zu Molyb-
240  C (Al) hergestellt (Brauer 1981, S. 1561): dän-II-chlorid ist (Lautenschläger 2007). Man
verwendet sie als Ausgangsstoff für einige orga-
4 WBr5 þ W ! 5 WBr4 nometallische Synthesen.
3 WBr5 þ Al ! 3 WBr4 þ AlBr3 Wolfram-II-bromid (WBr2) entsteht unter ande-
rem durch Reduktion von Wolfram-V-bromid mit
Halogenverbindungen des W-III Wolfram- Aluminium (Brauer 1981, S. 1559, I) oder durch
III-chlorid (WCl3) ist durch Chlorieren von Bromieren von Wolfram bei Temperaturen ober-
Wolfram-II-chlorid bei Temperaturen um 100  C halb von 500  C (II) und direkt anschließendem
zugänglich (Brauer 1981, S. 1556). Der bei einer Abschrecken der Reaktionsmischung:
Temperatur von 550  C schmelzende, schwarze
Feststoff kristallisiert trigonal und weist hexamere (I) WBr5 þ Al ! WBr2 þ AlBr3
Metallcluster [W6Cl12]6+ auf, die dieselbe
Struktur wie die entsprechenden Cluster des (II) W þ Br2 ! WBr2
Niobs und Tantals besitzen (Riedel und Janiak
2011, S. 825).
Wolfram-III-bromid (WBr3) wird durch Bro- Wolfram-II-bromid ist ein gelbgrüner, ortho-
mieren von Wolfram-II-bromid (Brauer 1981, rhombisch kristallisierender, bei 400  C unter Zer-
S. 1560) gewonnen und ist ein schwarzer, beim setzung schmelzender Feststoff, der mit Brom
Erwärmen instabiler Feststoff. Immerhin ist die unter Bildung höherer Wolframbromide reagiert
Verbindung an der Luft beständig und etwas in (Perry 2011, S. 439).
organischen Lösungsmitteln löslich. Das ockerfarbene Wolfram-II-iodid (WI2) ent-
Wolfram-III-iodid (WI3) entsteht bei der steht bei der thermischen Zersetzung von Wolf-
Umsetzung von Wolframhexacarbonyl mit Iod ram-III-iodid (WI3) (Brauer 1981, S. 1564),
bei einer Temperatur von 120  C (Brauer 1981, ebenso bei der Umsetzung von Wolfram-IV-chlo-
S. 1564): rid (WCl4) mit Iodwasserstoff bei Temperaturen
von 110  C und nachfolgendem Erhitzen auf
500  C im Vakuum. Schließlich liefert auch die
2 WðCOÞ6 þ 3 I2 ! 2 WI3 þ 12 CO
Reaktion von Wolframhexacarbonyl mit Iod
Wolfram-II-iodid (Johnson 1972). Die bei
Der schwarze Feststoff spaltet schon bei 800  C unter Zersetzung schmelzende Verbin-
Raumtemperatur an Luft Iod ab und löst sich in dung der Dichte 6,8 g/cm3 (Latscha und Mutz
Aceton und Nitrobenzol sowie etwas in Chloro- 2011, S. 231) ist unter Normalbedingungen
form. gegen Luftsauerstoff und Feuchtigkeit beständig
Halogenverbindungen des W-II Wolfram-II- und kristallisiert orthorhombisch.
chlorid (WCl2) stellt man mittels Reduktion von Pnictogenverbindungen Die Wolframnitride
Wolfram-VI-chlorid (WCl6) (Interrante 2009, I) (W2N, WN, WN2) sind alle harte, braune bis graue
oder Disproportionierung von Wolfram-IV-chlo- keramische Festkörper, die den elektrischen
rid (WCl4) bei ca. 500  C her (Brauer 1981, Strom leiten und durch Wasser zersetzt werden.
S. 1555, II): Sie sind durch Überleiten von Stickstoff oder
5 Einzeldarstellungen 609

Ammoniak über erhitztes Wolfram bei gleichzei- (s. Abb. 37a–c) hat sehr hohe Schmelz- bzw.
tigem Ausschluss von Sauerstoff darstellbar. Man Siedepunkte (2785  C bzw. 6000  C), auch die
setzt diese sämtlich halbleitenden Verbindungen Dichte ist mit 15,63 g/cm3 sehr hoch. Das Mate-
in der Mikroelektronik als Kontakte, elektrisch rial ist beinahe so hart wie Diamant („Widia“).
leitende Beschichtungen sowie als Barrieren zwi- Man stellt es durch Erhitzen einer Mischung
schen Silicium und anderen Metallen ein. Es ist von Kohle- und Wolframpulver her, wodurch
aber beispielsweise seltener in Gebrauch als sich Kohlenstoffatome in das Kristallgitter der
Titannitrid oder Filme aus metallischem Wolfram. Wolframatome einlagern. Wolframcarbid ist sehr
Wolframmononitrid (WN) kristallisiert in kubi- hart und wird daher als Material für Werkzeuge
scher Struktur und wird als sehr harte, hochtem- eingesetzt.
peraturbeständige Keramik und als Katalysator (Da sich Wolframcarbid auch bei der Reaktion
in der Synthese eingesetzt. Schon sehr dünne von Wolframoxiden mit Kohlenstoff bildet, schei-
Beschichtungen aus diesem Material, die auch det dieser Weg zur Erzeugung von Wolfram aus.
durch chemische Abscheidung aus der Gasphase Aus diesem Grund wird zur Herstellung von
herzustellen sind, schützen vor Verschleiß und Wolfram Wasserstoff als Reduktionsmittel ange-
Korrosion. So wurden solche Filme aus Wolfram- wandt).
nitrid durch reaktives Sputtern oder Abtrag durch 2010 verbrauchten die wichtigsten Erzeuger-
einen Laser unter Stickstoff bzw. dessen Mischung länder eine Menge von ca. 40.000 t Wolfram zur
mit Argon bei im Lauf des Versuchs steigendem Herstellung von Wolframcarbid. Jedoch müssen
Druck und 400  C auf Edelstahl aufgetragen. Nach- noch 6–10 % Cobalt als Bindemittel zugesetzt
einander wurden Phasen von W9N bis W4N bei werden; dies geschieht durch Sintern oder aber
30,8–387 GPa beim Sputtern bzw. W6N bis W2N durch heißisostatisches Pressen unter extremem
im Druckbereich 19,5–27,7 GPa bei Verwendung Druck (1600 bar) und bei Temperaturen um
von Laserlicht nachgewiesen (Samano et al. 2010). 1600  C (Upadhyaya 1998). Das Bearbeiten eines
Wolframmonophosphid (WP) ist ein Halbleiter so produzierten Hartmetalls auf der Grundlage
und wird meist in Photodioden und Hoch- von Wolframcarbid ist nur mittels Diamantschlei-
frequenzanwendungen eingesetzt. Die Kristallstruk- fen – oder bei kleinen Objekten – Laserstrahlen
tur zeigt verzerrte hexagonale Prismen und die Bil- möglich. Durch Flammenschmelzschweißen kann
dung von P-P-Ketten. Die 31P-NMR-Spektren dieses Hartmetall auf große Bohrwerkzeuge auf-
zeigen nur eine Spezies von Phosphoratomen; der getragen werden (Bertau et al. 2013).
W-P-Abstand beträgt 247 pm (Oyama und Requejo Die Anwendungen sind zahlreich. So ist Wolf-
2002). Kürzlich durchgeführte Versuche zeigten die ramcarbid Bestandteil von Bauteilen, an die hin-
sehr gute Eignung von Wolframmonophosphid- sichtlich Verschleißfestigkeit sehr hohe Ansprüche
Nanopartikeln, aufgebracht auf einen aus Cad- gestellt werden, beispielsweise bei Umformwerk-
miumsulfid bestehenden Fotokatalysator, zur zeugen. Bei manchen Armbanduhren ist es eine
lichtkatalysierten Produktion von Wasserstoff Komponente des Gehäusematerials (Hersteller:
(Zhang et al. 2017). Rado). Die Verbindung findet sich auch in
Sonstige Verbindungen Die nichtoxidische, Schmuckgegenständen, es ist aber zu bedenken,
grauschwarze Keramik Wolframcarbid (WC) dass aus diesem Material hergestellte Ringe

Abb. 37 a Macro-Wolframcarbid, Pulver (Stanford Advanced Materials 2018). b Wolframcarbid, Körnung 0,2–0,9 mm
(Onyxmet 2018). c Wolframcarbid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)
610 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

wegen dessen Härte (nach Mohs 9,5!) kaum zer- Endprodukte sind Wolfram-VI-und Bor-III-oxid.
trennt werden können. Die Schmelzpunkte der in Pulverform schwarz
Militärisch verwendet man Wolframcarbid als erscheinenden Boride (s. Abb. 38) betragen
Kernmaterial in panzerbrechenden Geschossen. 2670  C (W2B), 2655  C (WB) und 2365  C
Die Kugeln in Kugelschreibern bestehen aus (WB2) (Okada et al. 1995).
Wolframcarbid (O’Donnell et al. 2002), meist Organische Verbindungen Wolframhexacar-
auch die Spikes von Fahrrad-Winterreifen (Kur- bonyl [W(CO)6] ist ein flüchtiger, luftstabiler
lov und Gusev 2013). Komplex, in dessen Molekül das Wolframatom
Das blaugraue Wolframdisilicid (WSi2) schmilzt die Oxidationsstufe Null besitzt. Wolframhexa-
bei 2160  C und hat eine Dichte von 9,3 g/cm3. carbonyl wurde, wie andere Metallcarbonyle, in
Man erzeugt es durch Reaktion von Monosilan, kleinsten Konzentrationen im in Kläranlagen
Dichlorsilan oder Disilan mit Wolframhexafluorid entstehenden Faulgas nachgewiesen (Feldmann
(Pierson 1999, S. 332): 1999). Man stellt die Verbindung meist aus Wolf-
ram-VI-chlorid und Kohlenmonoxid in Gegen-
WF6 þ 2 SiH4 ! WSi2 þ 6 HF þ H2 wart von Aluminiumalkylen oder Kupferpulver
WF6 þ 2 SiH2 Cl2 þ 3 H2 ! WSi2 þ6 HF þ 2 HCl her (Brauer 1981, S. 1822):
WF6 þ Si2 H6 ! WSi2 þ 6 HF
WCl6 þ 6 CO þ 2 AlR3 ! WðCOÞ6 þ 2 AlCl3
þ 3 RR
Die in Wasser unlösliche Verbindung kristalli-
siert tetragonal im Calciumcarbid- bzw. Molybdän- Im Molekül des Wolframhexacarbonyls sind
disilicid-Gittertyp (Paetzold 2010, S. 199; Martiens- die sechs Kohlenmonoxidliganden oktaedrisch
sen und Warlimont 2005, S. 474). Man setzt die um das zentrale Wolframatom angeordnet (Elschen-
Verbindung als Halbleiter in der Mikroelektronik broich 2008, S. 330). Die farblose Verbindung
ein; auch diese kann man in Form extrem dünner, (s. Abb. 39a, b) ist relativ luftstabil und hat eine
durch chemische Abscheidung aus der Gasphase
erzeugte Filme auf Substrate auftragen (Briehl
2007, S. 255; Levy 1989, S. 204/237).
Auch Wolframboride sind sehr harte Stoffe. So
beträgt deren Vickers-Härte ~20 GPa (WB, WB2)
(Otani und Ishizawa 1995; Okada et al. 1995) und
~30 GPa (WB4) (Mohammadi et al. 2011). Dabei
stellte man etwa durch Zonenschmelzen Einkristalle
(Länge 6 cm, Durchmesser 1 cm) von Boriden der
Formel WB2x (x=0,07–0,17) her, wogegen Kris-
talle des WB4 durch Zusammenschmelzen von
Wolfram und Bor im elektrischen Lichtbogen ge- Abb. 38 Wolframborid (Onyxmet 2018)
züchtet wurden. Letztgenanntes Wolframtetraborid
wurde in einer Publikation von 1967 als noch bor-
reicher definiert [W2xB9 (x1,6), Novotny et al.
1967].
Wolframdiborid (WB2) zeigt dieselbe hexago-
nale Struktur, wie man sie bei vielen anderen
Diboriden findet (Woods et al. 1966). WB aber
tritt in Gestalt verschiedener Strukturen [α (tetra-
gonal), β (orthorhombisch) und δ (tetragonal)]
auf. Wolframboride oxidieren an der Luft beim Abb. 39 a Wolframhexacarbonyl (Materialscientist
Erhitzen auf 600  C stark bis durchgehend, 2009). b Wolframhexacarbonyl (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 611

Dichte von 2,65 g/cm3. Sie schmilzt bzw. siedet In Sportgeräten findet man ebenfalls des Öfte-
bei Temperaturen von 170  C bzw. 175  C, ren Wolfram und seine Legierungen. So besteht
beginnt aber schon bei 150  C zu sublimieren. das Gehäuse von Dartpfeilen größtenteils aus
Wolframhexacarbonyl ist kaum löslich in unpola- Wolfram, desgleichen Pfeilspitzen, die im Bogen-
ren organischen Lösungsmitteln. Eine von meh- schießen zum Einsatz kommen. Die im Formel
reren Einsatzmöglichkeiten ist die Entschwefe- 1-Rennsport vorgeschrieben Zusatzgewichte sind
lung von Organoschwefelverbindungen. wegen des geringen Platzbedarfs gleichfalls aus
Im Molekül der Verbindung sind zwei CO- Wolfram gefertigt. Dementsprechend ist es auch
Moleküle dann durch Wasserstoffatome ersetzbar, in den Kielbomben größerer Sportsegelschiffe zu
wenn ein drittes durch einen sterisch anspruchsvol- finden. Gelegentlich verstärken Fasern aus Wolf-
len Phosphanliganden (Tricyclohexylphosphan) ram den Carbonrahmen von Tennisschlägern.
substituiert wird. Dieses Molekül [W(CO)3[P
(C6H11)3]2(H2)] wurde 1982 erstmals synthetisiert Physiologie und Toxizität Wolfram ist in Form
(Kubas 2001, S. 444). Der gleiche Autor beschreibt eines Co-Faktors Bestandteil einiger Enzyme.
auch die Substitution dreier CO-Liganden durch Einige Bakterien (Eubacterium acidaminophilum)
Acetonitril (Kubas et al. 1990). nutzen ein Aminosäuren abbauendes, wolframhalti-
ges Enzym, das beispielsweise Ameisensäure bzw.
Anwendungen Der mit Abstand größte Teil des deren Salze (Formiate) abbaut (Rauh et al. 2004;
weltweit produzierten Wolframs (90 %) geht in Bevers et al. 2009).
die Herstellung von Wolframstahl, der härter als Wolfram und seine Verbindungen gelten weit-
Normalstahl ist. Wegen seines hohen Schmelz- hin als physiologisch unbedenklich. Oral verab-
punktes ist Wolfram Bestandteil von Legierun- reichtes Wolfram wird meist schnell über den Urin
gen, die zur Produktion der Turbinenschaufeln wieder ausgeschieden, ein kleiner Teil wird in den
von Düsentriebwerken verwendet werden (Lass- Knochen abgelagert. Insgesamt können wegen
ner et al. 2005). Die Glühwendeln in Glühlampen der sehr geringen Löslichkeit der meisten
bestehen aus Wolfram. Wolfram-VI-verbindungen auch nur sehr geringe
Die Dichte von Wolfram ist mit 19,3 g/cm3 Mengen direkt vom Organismus aufgenommen
ebenso hoch wie die des Golds und Urans. Man werden (Kazantzis und Leffler 2007, S. 871–879).
kann es daher zur Herstellung von Ausgleichsge- Im US-Bundesstaat Nevada traten in einer
wichten und zur Abschirmung von Röntgenstrah- Gegend, in der das Grundwasser aufgrund lokaler
lung verwenden, für letztgenannte Anwendung Erzförderung hoch mit löslichen Wolframverbin-
bevorzugt man aber wegen des niedrigeren Preises dungen belastet ist, überdurchschnittlich viele
und der leichteren Verarbeitbarkeit immer noch Fälle von Leukämie auf. Blut und Urin der dort
Blei. Es existieren Berichte, dass Wolfram daher lebenden Menschen zeigen stark erhöhte Konzen-
zum Fälschen von Goldbarren (Wolframkern mit trationen an Wolfram. Nachfolgende umfangrei-
Goldummantelung) verwendet wird (Manager che Prüfungen konnten jedoch keinen Zusam-
Magazin 2012). menhang zwischen dem Auftreten von Krebs
Elektroden für Schweißprozesse müssen sowie hohen Wolframkonzentrationen im Trink-
thermisch stark belastbar und chemisch wider- wasser herstellen.
standsfähig sein; diese Bedingungen erfüllt
Wolfram. Beim Wolfram-Inertgas-Schweißen
Patente
(WIG) besteht eine Elektrode aus Wolfram oder
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
einer seiner Legierungen. Zwischen der Wolf-
wide.espacenet.com)
ramelektrode und dem Metallteil brennt dabei
ein Lichtbogen unter Schutzgas. Ferner ent-
F. Li und S. Plaza, Tungsten pentachloride
halten Sonden von Rastertunnelmikroskopen
conditioning and crystalline phase mani-
Wolfram, und das Metall ist Hauptbestandteil
panzerbrechender Geschosse. (Fortsetzung)
612 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

mit einer Intensität von 200 Mrd. Teilchen pro


pulation (L’Air Liquide SA pour l’Etude Sekunde und einer Ionenenergie von 280 MeV
et l’Exploration, US 2019023582 A1, auf ein Zielmaterial aus Blei verschiedener Mas-
veröffentlicht 24. Januar 2019) senzahl gerichtet. Man wies die Bildung von Ker-
K. Wu und S. H. Yang, Methods and appli- nen nach, deren spontaner Zerfall dem Element
cations for depositing tungsten nuclear 106 zugeordnet werden konnte. Diese Studie
layers (Applied Materials Inc., WO wurde jedoch nicht als signifikanter Hinweis auf
2019014446 A1, veröffentlicht 17. das Element 106 gewertet (Holleman et al. 2007,
Januar 2019) S. 1980) (Tab. 4).
R. B. Kaner und S. H. Tolbert, Compositio- Drei Monate später gaben auch amerikanische
nal variations of tungsten tetraboride Wissenschaftler der Arbeitsgruppe um Ghiorso
with transition metals and light elements und Seaborg einen ersten Erfolg in dieser Rich-
(University of California, US 2019017154 tung bekannt. Sie beschossen ein Californiumtar-
A1, veröffentlicht 17. Januar 2019) get mit Sauerstoffkernen:
P. Zhang und C. Shen, Core-shell structure
supported tungsten composite catalyst 249
98 Cf þ 18
8O ! 263
106 Sg þ 41 0 n
and preparation method and use thereof
(US 2019009255 A1, veröffentlicht 10. Weder von den sowjetischen noch von den
Januar 2019) amerikanischen Wissenschaftlern wurde in den
E. Venkatasubramanian und A. B. Mallick, darauf folgenden Jahren ein Name vorgeschlagen.
Boron doped tungsten carbide for hard- Erst Mitte der 1990er-Jahre wurde der Name Sea-
mask applications (Applied Materials borgium genannt; eine Namensgebung, die von
Inc., TW 201841214 A, veröffentlicht der IUPAC 1997 bestätigt wurde.
16. November 2018)
T. Dasai und S. Senda, Tungsten target Gewinnung Isotope des nicht natürlich vorkom-
(JX Nippon Mining & Metals Corp., menden, sondern ausschließlich künstlich erzeug-
TW 201837217 A, veröffentlicht 16. baren Seaborgiums sind durch kalte und heiße
Oktober 2018) Fusion von Atomkernen zugänglich (Hoffman
K. Oda und T. Asano, Tungsten silicide et al. 2006).
target and method of manufacturing Die kalte Fusion erzeugt Atomkerne relativ
same (JX Nippon Mining & Metals geringer Anregungsenergie, die eine geringere
Corp., TW 201835363 A, veröffentlicht Neigung zur spontanen Kernspaltung zeigen.
1. Oktober 2018) Der durch Kernfusion primär erzeugte Atomkern
J. Kavanaugh und R. B. Kaner, Tungsten geht durch Abgabe eines oder zweier Neutronen
tetraboride composite matrix and uses (x = 1,2) in den Grundzustand über.
thereof (Supermetalix Inc.; University Erstmals beschossen Flerov und seine Mitar-
of California, TW 201835345 A, veröf- beiter in Dubna 1974 Blei- mit Chromkernen
fentlicht 1. Oktober 2018) (Oganessian 1974); diese Resultate erhielt im sel-
ben Jahr auch die Arbeitsgruppe um Ghiorso in
den USA (Ghiorso et al. 1974):

5.4 Seaborgium 208


82 Pb þ 54
24 Cr ! 262x
106 Sg þ x1 0 n

Geschichte Die Synthese des 106. Elements Die damals erhaltenen Resultate wurden je-
gelang im Juni 1974 sowjetischen Wissenschaft- doch zunächst als nicht ausreichend beweiskräftig
lern um Flerov und Oganessian am Kernfor- verworfen. Zehn Jahre später beobachtete die-
schungszentrum in Dubna. Mit einem Schwerio- selbe Arbeitsgruppe einen Spontanzerfall (Halb-
nenbeschleuniger wurde ein Chromionen-Strahl wertszeit: 5 ms), der dem Isotop 260106Sg zuge-
5 Einzeldarstellungen 613

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Seaborgium


Symbol: Sg
Ordnungszahl: 106
CAS-Nr.: 54038-81-2
Aussehen: ——
Entdecker, Jahr Flerow, Oganessian et al. (Sowjetunion), 1974
Ghiorso, Seaborg et al. (USA), 1974
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
265
106Sg (synthetisch) 16 s α > 261104Rf
266
106Sg (synthetisch) 20 s α > 262104Rf
270
106Sg (synthetisch) 10 min α > 266104Rf
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (269)
Elektronegativität Keine Angabe.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (berechnet) (pm): 132*
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 143*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d4 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 757 ♦ 1733 ♦ 2484*
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Keine Angabe
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert*
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 35,0*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 7,7  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: Keine Angabe
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2900 ♦ 3273*
Schmelzwärme (kJ/mol) 34*
Siedepunkt ( C ♦ K): 6500 ♦ 6773*
Verdampfungswärme (kJ/mol): 800*
*Geschätzte bzw. berechnete Werte

ordnet wurde (Barber et al. 1993; Münzenberg wurde 1974 ebenfalls von der Gruppe in Dubna
et al. 1985). Wiederum einige Zeit später konnte untersucht. Dabei konnte man auch das Isotop
259
entsprechend auch das Isotop 261106Sg rückver- 106Sg nachweisen (Barber et al. 1993). Weitere
folgt werden. Diese Untersuchungen wurden Reaktionen mit noch leichteren Chromkernen
durch das Team des französischen Ganil-Instituts wurden durchgeführt, wobei dann entsprechend
in der Form verbessert, dass Bleisulfid- statt leichtere Kerne des Seaborgiums erhalten wurden
Bleitargets zur Erzielung intensiverer Strahlung (Folden 2009). Schließlich untersuchte das Team
eingesetzt wurden. Auf diese Weise wurden in Dubna auch die Reaktion
1600 Nuklide des 261106Sg erzeugt, dessen Halb-
wertszeit und Zerfallsschemata relativ genau und 209
83 Bi þ 51
23 V !260x 106 Sg þ x1 0 n,
vollständig ermittelt wurden (Streicher et al.
2007). in deren Verlauf die Bildung von zehn Atomen
Die Reaktion des Isotops 258106Sg nachgewiesen wurde.
Die heiße Fusion erzeugt hoch angeregte
207
82 Pb þ 54
24 Cr ! 261x
106 Sg þ x1 0 n Atome, die einer größeren Gefahr der spontanen
614 11 Chromgruppe: Elemente der sechsten Nebengruppe

Kernspaltung unterliegen als solche, die mittels kubisch-innenzentrierte Kristallstruktur ähnlich


kalter Fusion produziert wurden. Oft ist die Dif- wie für das homologe Wolfram erwartet wird.
ferenz der Ordnungszahlen zwischen den zwei Vorhergesagt wird eine Dichte von ca. 35 g/cm3,
zum Beschuss bzw. als Target benutzen Elemen- dem vierthöchsten Wert aller 118 Elemente nach
ten größer als bei der kalten Fusion. Diese Kerne Bohrium (37,1 g/cm3), Meitnerium (37,4 g/cm3)
können aber durch Emission von drei bis fünf und Hassium (41 g/cm3). Insgesamt kennt man
Neutronen (x=3, 4, 5) in einen energieärmeren bisher 14 Isotope des Elements. Das mit einer
Zustand übergehen. Diese Methode diente zur Halbwertszeit von 2,1 min längstlebige ist
106Sg, das durch α-Zerfall in
269 265
Darstellung schwerer Kerne des Seaborgiums. 104Rf übergeht.
Beispiele für heiße Fusionsreaktionen sind: Dasjenige mit der kürzesten Halbwertszeit
(2,9 ms) ist 258106Sg.
238
92 U þ 30
14 Si ! 268x
106 Sg þ x1 0 n Da die Oxidationsstufe +6 vom Chrom zum
Wolfram hin immer stabiler wird, dürfte diese
Bei dieser Reaktion wiesen Wissenschaftler auch für Seaborgium die bevorzugte sein. (Dies
des inzwischen in der Japan Atomic Energy allerdings ohne Berücksichtigung relativistischer
Agency (JAEA) aufgegangenen JAERI (Japan Effekte.) Ebenso sollte das Element in den relativ
Atomic Energy Research Institute) 1998 eine beständigen Oxidationsstufen +5 und +4 auftreten
spontane Kernspaltung nach, die auf die Isotope können, die Stufe +3 hätte wahrscheinlich stark
264 263 reduzierenden Charakter (Östlin und Vitos 2011).
106Sg bzw. 105Db zurückzuführen war (Ike-
zoe et al. 1998). Das unter spontaner Kernspal- Im Einzelnen sollte also ein stabiles Seabor-
tung zerfallende Isotop 264106Sg wiesen im Jahre gium-VI-oxid (SgO3) existieren, das in alkali-
2006 sowohl das US-amerikanische Livermore scher Lösung in Seaborgat (SgO42) übergehen
Berkeley National Laboratory (LBNL) als auch sollte. Die Existenz eines Seaborgium-VI-fluo-
das Joint Institute for Nuclear Research (JINR) in rids bzw. -chlorids (SgF6 bzw. SgCl6) ist wahr-
Dubna nach (Nishio et al. 2006a, b; Gregorich scheinlich, eventuell ist auch die Bildung eines
2006). Seaborgium-VI-bromids (SgBr6) möglich. In
Die 1993 in Dubna durchgeführte Kernfu- wässriger Lösung sollten Komplexe des Ele-
sionsreaktion: ments vorliegen, wie beispielsweise SgOF5
und SgO3F33.
248
96 Cm þ 22
10 Ne !270x 106 Sg þ x1 0 n
Verbindungen Die thermische Gaschromato-
mündete in der Entdeckung zweier langlebiger grafie lieferte Hinweise auf ein Seaborgium-
Isotope 266106Sg bzw. 265106Sg, deren Halbwerts- oxidchlorid. Atome des Seaborgiums wurden
zeit 20 bzw. 16 s beträgt (Lazarev et al. 1994). durch die Reaktion
Als Namen für das neue Element 106 schlug
das LBNL 1974 Seaborgium vor. Zwanzig Jahre 248
92 Cm þ 22
10 Ne ! 266
106 Sg þ 41 0 n
später empfahl die IUPAC den Namen Rutherfor-
dium und verwarf zunächst den Vorschlag zu Sea- erzeugt und mit einer Mischung aus Sauerstoff
borgium (IUPAC 1994), dem Grundsatz folgend, und Chlorwasserstoffgas umgesetzt. Ergebnis war,
dass ein Element nie nach einer noch lebenden dass Seaborgium genau wie seine leichteren
Person benannt werden solle. Nach kontroverser Homologen Wolfram und Molybdän ein flüch-
Diskussion wurde der Name Seaborgium dann tiges Oxidchlorid bildet. Andere Arbeiten be-
doch noch angenommen (IUPAC 1997). Stattdes- schrieben die Darstellung nur weniger Moleküle
sen ging der Name Rutherfordium auf das Ele- des Seaborgiumoxidhydroxids [SgO2(OH)2, Hue-
ment 104 über. bener et al. 2001] und des Hexacarbonyls
[Sg(CO)6, Even et al. 2014].
Eigenschaften Seaborgium ist das schwerste Alle Untersuchungen zu Seaborgium werden
Element der 6. Nebengruppe, für das eine sehr dadurch erschwert, dass man immer nur ein
Literatur 615

Atom des Elements pro Zeiteinheit darstellen 2001).


kann und dass die entstehenden Isotope sehr kurz- Seaborgium sollte in chemischer Hinsicht Mo-
lebig sind (Even et al. 2014). Noch am besten für lybdän und Wolfram sehr nahestehen, jedoch eine
Versuche geeignet sind die Isotope 265106Sg und noch größere Vielfalt von Oxoanionen bilden
sein Isomer 265m106Sg (Moody 2014). können. In den 1997 und 1998 durchgeführten
Auch für Seaborgium wird eine durch relati- Versuchen eluierte man Seaborgium mittels einer
vistische Effekte begründete Stabilisierung des aus Salpeter- und Flusssäure bestehenden Lösung
7s-Orbitals erwartet. Die unten stehenden Nor- von einem Kationenaustauscherharz; dies spricht
malpotentiale für die Reaktionen für die Existenz eines neutralen SgO2F2 oder anio-
nischer Komplexe wie [SgO2F3].
2 SgO3 þ 2 Hþ þ 2 e ! Sg2 O5 2014 konnten Even et al. die Bildung eines
þH2 O ðE0 : 0, 046 VÞ Seaborgiumhexacarbonyls [Sg(CO)6] nachwei-
Sg3þ þ 3 e ! Sg ðE0 : þ0, 27 VÞ sen, später dann gelang es verschiedenen Gruppen
[GSI und Helmholtz-Institut (Deutschland), RNC
weisen die Oxidationszahl +6 als stabilste und (Japan), Paul-Scherrer-Institut und Universität
Seaborgium als Metall aus, dessen Redoxpo- Bern (Schweiz)], das Hexacarbonyl auf Quarz-
tenzial – wegen der oben schon erwähnten Sta- oberflächen zu adsorbieren.
bilisierung des 7s-Orbitals – zumindest für die
Oxidation zu Sg3+ sogar im unteren Spannungs-
bereich der Halbedelmetalle liegt.
Literatur
Seaborgium sollte ein sehr flüchtiges Hexa-
fluorid (SgF6) bilden sowie ein mäßig flüchtiges Abasaeed AE et al (2006) Method of producing olefins by
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248
96 Cm þ 22
10 Ne ! 266
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Mangangruppe: Elemente der siebten
Nebengruppe 12

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657

Zusammenfassung cer für die Szintigrafie prädestinieren. Ammo-


Dieses Kapitel beschreibt die chemischen und nium- oder Kaliumpertechnetat sind wirksame
physikalischen Eigenschaften, Vorkommen, Rostschutzmittel für Stahl.
Herstellverfahren, Anwendungen und Patente Rhenium ist oft in Legierungen mit Nickel
der Elemente der siebten Nebengruppe des Peri- zu finden, die gegen Ermüdungsbrüche wider-
odensystems der Elemente mit ihren wichtigs- standsfähig sind. Außerdem ist es in Katalysa-
ten Verbindungen. Reines Mangan nutzt man toren enthalten.
technisch zwar kaum, aber sehr große Mengen Bohrium kommt nicht in der Natur vor; alle
werden mit Stahl zu Ferromangan legiert, das seine Isotope sind radioaktiv und müssen
wesentlich härter und korrosionsbeständiger als künstlich erzeugt werden. Bei der offiziell erst-
Stahl ist. Mangan-IV-oxid geht in großem maligen Herstellung des Elements 1981 wur-
Umfang in Alkali-Mangan-Batterien. den fünf Atome des Isotops 262107Bh erhalten.
Technetium entsteht in Kernreaktoren in
Mengen einiger t/a durch Spaltung des Ura-
nisotops 23592U. Den größten Teil des gewonne- 1 Einleitung
nen Technetiums verwendet man als Radiothera-
peutikum. Dessen wichtigstes Isotop ist 99m43Tc, Die Elemente der siebten Nebengruppe (Mangan,
dessen kurze Halbwertszeit, weiche γ-Strahlung Technetium, Rhenium und Bohrium) sind zuei-
und die Fähigkeit, sich an im menschlichen Kör- nander physikalisch und chemisch relativ ähnlich.
per vorhandene Moleküle anzulagern, es als Tra- Bei Technetium und Rhenium zeigen sich zwar

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 623
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_12
624 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

noch die Auswirkungen der Lanthanoidenkon- Bohrium nur durch Kernfusion und dann in Men-
traktion, aber nicht mehr so deutlich wie bei den gen weniger Atome erhältlich ist.
Elementen der vierten bis sechsten Nebengruppe.
In ihren physikalischen Eigenschaften unterschei-
den sich Technetium und Rhenium schon erheb- 3 Herstellung
lich, wenngleich das Technetium dem Rhenium
wesentlich näher steht als dem Mangan. Die Ele- Mangan gewinnt man entweder durch Elektrolyse
mente dieser Gruppe können maximal sieben äu- seiner Salzlösungen oder aluminothermisch aus
ßere Valenzelektronen (jeweils zwei s- und fünf Braunstein, Technetium und Rhenium bevorzugt
d-Elektronen) abgeben, um eine stabile Elektro- durch Reduktion der Pertechnetate bzw. Perrhe-
nenkonfiguration zu erreichen. Bei Chrom ist die nate mit Wasserstoff. Rhenium zeigt dabei Paral-
Oxidationsstufe +3 die stabilste, bei Technetium lelen zum Wolfram, das man ebenfalls auf diese
und Rhenium sind es die Stufen +4 und +7. Weise erzeugt.
Die Entdeckung des Mangans erfolgte gegen
Ende des 18. Jahrhunderts, die des Rheniums
Mitte der 1920er-Jahre, die des Technetiums 4 Eigenschaften
1937, und die ersten Isotope des Bohriums wur-
den 1981 erzeugt. Sie finden alle Elemente im 4.1 Physikalische Eigenschaften
unten stehenden Periodensystem in Gruppe
7 (VII B). Die physikalischen Eigenschaften sind auch in
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. dieser Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regel-
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie mäßig nach steigender Atommasse abgestuft. In
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- Analogie zu den Nachbarelementen der sechsten
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die und achten Nebengruppe nehmen vom Mangan
meisten Elemente können sich untereinander ver- zum Rhenium Dichte, Schmelzpunkte und -wär-
binden und bilden chemische Verbindungen; so men sowie Siedepunkte und Verdampfungswär-
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische men zu, die chemische Reaktionsfähigkeit geht
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz). dagegen zurück. Der bei den Elementen der ersten
Einschließlich der natürlich vorkommenden bis dritten Hauptgruppe zu beobachtende Effekt
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich der Schrägbeziehung erscheint bei sämtlichen
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden- Nebengruppenelementen, also auch in dieser
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. Gruppe, nicht. Das Element Mangan leitet in sei-
Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier Ver- nen Eigenschaften also nicht zum Ruthenium
treter der Gruppe der Elemente der siebten Neben- über; die beiden Elemente unterscheiden sich
gruppe enthalten dabei alle wichtigen Informatio- sogar stark.
nen über das jeweilige Element, sodass ich nur eine
sehr kurze Einleitung vorangestellt habe.
4.2 Chemische Eigenschaften

2 Vorkommen Die Elemente der Mangangruppe sind teils


reaktiv (Mangan), Technetium und Rhenium
Mangan ist in der Erdhülle mit einem relativ verhalten sich dagegen meist reaktionsträge.
hohen Anteil von 850 ppm vertreten, wogegen An der Luft lagernd, schützt sie eine sehr dünne,
Rhenium mit einem Anteil von 0,001 ppm (!) passivierende Oxidschicht vor weiterer Korro-
äußerst selten vorkommt. Technetium und Boh- sion durch Luftsauerstoff, und auch in Säuren
rium sind beide nur durch künstliche Kernre- sind sie nur vereinzelt und auch dann nur unter
aktionen erhältlich. Technetium erzeugt man in Anwendung drastischer Methoden löslich. Mit
größerem Maßstab in Kernreaktoren, wogegen vielen Nichtmetallen (Halogene, Sauerstoff,
5 Einzeldarstellungen 625

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente

auch Stickstoff und Kohlenstoff) reagieren sie seit der Steinzeit verwendet (Chalmin et al. 2003,
aber bei erhöhter Temperatur, Mangan ist nach 2006). Zur Herstellung von Glas setzte man Ver-
Scandium sogar das reaktionsfähigste Metall der bindungen des Mangans schon ab 400 v. Chr. zu
ersten Periode der Übergangsmetalle. Mangan-II- deren Herstellung ein. Braunstein färbt das Glas
oxid (MnO) reagiert schwach basisch, alle Dioxide intensiv braun-violett, wogegen Verbindungen
der Gruppe (Mn/Tc/ReO2) amphoter, und die des Mn-III Glas entfärben, da sie das grüne Fe-II
Dimetallheptoxide (Mn/Tc/Re2O7) sauer. zum gelben Fe-III oxidieren, woraus in der Über-
lagerung der Farben mit dem Violett des Mangans
ein graues, fast farbloses Aussehen resultiert
5 Einzeldarstellungen (Sayre und Smith 1961; McCray 1998).
1770 erhielt Kaim durch Reduktion von Braun-
Im folgenden Teil sind die Elemente der Mangan- stein mit Aktivkohle wohl erstmalig metallisches
gruppe (siebte Nebengruppe) jeweils einzeln mit Mangan; 1774 reduzierte Gahn auf Scheeles Hin-
ihren wichtigen Eigenschaften, Herstellungsver- weis hin ebenfalls Braunstein mit Kohlenstoff zu
fahren und Anwendungen beschrieben. Mangan (Rancke-Madsen 1975).
Im 19. Jahrhundert entdeckte man, dass zule-
giertes Mangan die Verformbarkeit von Eisen ver-
5.1 Mangan bessert, weshalb es um 1860 schon in großen
Mengen zur Produktion von Stahl eingesetzt
Geschichte Das Pigment Braunstein (Mangan- wurde (Corathers und Machamer 2006). Braun-
IV-oxid) kommt in der Natur vor und wird schon stein selbst wurde seit 1866 im Weldon-Prozess
626 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

zur Gewinnung von Chlor aus Salzsäure verwen-


det (Brock 1997, S. 182). fentlichkeit, auch weil die Analyse des von
ihm dargestellten Mangans unvollständig
war. Allgemein galt daher Gahn als Entde-
cker des Mangans, obwohl dies wahr-
Der schwedische Chemiker Johan Gottlieb scheinlich ungerechtfertigt ist (Rumpf
Gahn (* 19. August 1745 Voxnabruk; † 1980, S. 36–42; Weeks 1956, S. 169).
8. Dezember 1818 Falun) studierte ab 1762
Bergwerkskunde in Uppsala und war nach
Abschluss des Studiums ab 1770 am Berg- Vorkommen Mangan ist mit einem Anteil an der
werkskollegium als Ingenieur angestellt. Er kontinentalen Erdkruste von 0,95 % (Lide 2005)
begegnete Scheele (Kurzbiografie siehe „Mo- das nach Titan und Eisen häufigste Übergangs-
lybdän“), der in Uppsala als Apotheker tätig metall, das wegen seines unedlen Charakters
war, und arbeitete hiernach mit ihm eng jedoch nur in Form seiner Verbindungen vor-
zusammen. kommt. Die verbreitetsten Minerale des Elements
sind seine Oxide, Silikate und das Carbonat;
Gahn verwendete als Erster Platindraht in der Beispiele hierfür sind Braunstein, Manganit,
anorganischen Analyse und entdeckte die Hausmannit, Braunit, Rhodochrosit (s. Abb. 2)
Cobaltperle. Er entwickelte zusammen mit und Rhodonit, in denen das Element in diversen
Scheele ein Verfahren, Phosphor aus gemah-
Oxidationsstufen (+2, +3, +4) vorliegen kann
lenen Knochen zu erzeugen. Außerdem iso-
(Corathers und Machamer 2006).
lierte Gahn 1774 metallisches Mangan durch
Mangan kommt größtenteils in drei verschie-
Reduktion von Mangandioxid (Braunstein);
denen Erzformen vor. Zum einen sind dies Rho-
im gleichen Jahr stellte er erstmals Barium-
oxid durch Glühen von Schwerspat dar. dochrosit-Braunit-Erze, die in Brasilien sowie
West- und Zentralafrika gefunden werden.
Gahn verbesserte wesentlich die Effektivität Eine weitere wichtige Quelle für Mangan sind
der Erzverhüttung im Bergwerk Falun und eisen- und silikathaltige Sedimente, die unter
gewann aus dem Grubenwasser unter ande- anderem in Brasilien und Südafrika riesige Lager-
rem Eisen- und Kupfersulfat. Seit 1793 war stätten bilden. Eine wichtige Verbindung des
er Mitglied der Königlich Schwedische Aka- Mangans ist dabei Braunstein (Mangan-IV-oxid,
demie der Wissenschaften und von 1808 an MnO2). Schließlich kommt Mangan in Schiefer-
auswärtiges Mitglied der Bayerischen Aka- gesteinen vor, die rund um das Schwarze Meer
demie der Wissenschaften (Pötsch et al. und auch in Teilen Westafrikas zu finden sind
1989, S. 161; Hofberg et al. 1906, S. 378). (Corathers und Machamer 2006).

Der österreichische Arzt und Apotheker


Ignatius Gottfried Kaim (* 1746; †
1778) war wohl noch vor Gahn der Erste,
der metallisches Mangan entdeckte, denn er
beschrieb sein Verfahren der Reduktion von
Braunstein mit pulverförmiger Aktivkohle
und das so hergestellte, brüchige, blauweiß
glänzende Metall in seiner 1770 in Wien
veröffentlichten Dissertation „De metallis
dubiis“ („Über zweifelhafte Metalle“).
Diese Arbeit fand aber wenig Beachtung
in der damaligen wissenschaftlichen Öf- Abb. 2 Rhodochrosit (rot) und Manganit (schwarz) (La-
winsky 2010)
5 Einzeldarstellungen 627

Die mit Abstand bedeutendsten und auch erheblich gesteigert werden kann (Corathers und
intensiv geförderten Vorkommen lagern unter Machamer 2006).
der südafrikanischen Kalahari-Wüste; andere Die Mehrzahl der technischen Anwendungen
wichtige Förderländer sind China, Australien, erfordern kein reines Mangan; daher beschränkt
Brasilien, Indien, Gabun und die Ukraine. 2014 man sich oft auf die Produktion einer Eisen-
belief sich die weltweit geförderte Menge auf Mangan-Legierung mit einem Gehalt von 78 %
18 Mio. t Erz bei geschätzten Reserven in Höhe Mangan („Ferromangan“). Jenes stellt man durch
von 570 Mio. t (Corathers 2015). Reduktion eines Gemisches aus Mangan- und
Die Erze müssen im Allgemeinen einen Min- Eisenoxiden mit Koks im elektrischen Ofen her.
destgehalt von 35 % Mangan aufweisen, damit ein Ähnlich verläuft die Produktion weiterer Mangan-
Abbau wirtschaftlich möglich ist. Für die verschie- legierungen, wie z. B. Silicomangan, zu dessen
denen, später geplanten Anwendungen ist eine Vor- Herstellung Quarzsand der im Ofen befindlichen
klassifizierung der Erze erforderlich. Soll das Mischung zugesetzt wird.
erzeugte Mangan als Legierungsbestandteil einge- Es ist aber nicht möglich, reines Mangan auf
setzt werden, so sollte das Erz zwischen 38 und diesem Weg herzustellen, da dann neben dem
55 % Mangan enthalten. Ist die Verwendung des Metall auch dessen stabile Carbide (beispiels-
Metalls dagegen -in Form von Braunstein- in weise Mn7C3) entstehen. Erst bei Temperaturen
Alkali-Mangan-Batterien vorgesehen, so muss der über 1600  C zersetzen sich diese wieder unter
Mangananteil bei mindestens 44 % liegen, bei Freisetzung reinen Mangans, das unter diesen
zugleich geringem Anteil anderer Schwermetalle. Bedingungen schon sehr flüchtig ist, sodass dieses
Noch höheren Anforderungen müssen diejenigen Verfahren kein wirtschaftlich gangbares ist.
Erze genügen, die man zur Herstellung reinen Man- Bevorzugt elektrolysiert man daher Lösungen
gans sowie dessen Verbindungen verwendet. von Mangan-II-sulfat (MnSO4) bei Spannungen
Auf dem Boden der Tiefsee kommt Mangan in von 5 bis 7 V an Elektroden aus Edelstahl. An der
Mengenanteilen bis zu 50 % in knollenartigen, bis Kathode schlägt sich reines Mangan nieder und an
zu 20 cm dicken, aus Oxiden von Schwermetallen der Anode Sauerstoff, der die in wässriger Lösung
bestehenden Agglomerationen vor. Diese enthal- befindlichen Mn2+-Ionen zu Mangan-IV-oxid
ten auch die im Periodensystem benachbarten (Braunstein, MnO2) oxidiert.
Nebengruppenelemente Kobalt, Nickel und Kup- Ferner ist die Reduktion von Manganoxiden in
fer in Form ihrer Oxide. Bisher ergab sich aber deren Mischung mit Aluminiumpulver im Stile
kein wirtschaftlicher Nutzen aus einer etwaigen des Thermitverfahrens möglich:
Förderung, da die für Mangan auf dem Weltmarkt
erzielbaren Preise nicht ausreichen, die Kosten 3 MnO2 þ 4 Al ! 3 Mn þ 2 Al2 O3
einer Produktion zu decken (Wellbeloved et al.
2005). Eigenschaften
Physikalische Eigenschaften: Das silberweiße,
Gewinnung Wahrscheinlich gelang dem Öster- harte, sehr spröde Mangan ist ein Schwermetall,
reicher Kaim 1770 die erstmalige Darstellung des das bei Temperaturen von 1244  C bzw. 2100  C
Elements in unreiner Form durch Umsetzung von schmilzt bzw. siedet (s. Tab. 1). Die Struktur, in der
Mangan-IV-oxid mit Kohle, bevor Scheele und Mangan unter Normalbedingungen kristallisiert,
Gahn vier Jahre später mittels derselben Reaktion unterscheidet sich von der der meisten anderen
reineres Mangan darstellten (Rancke-Madsen Metalle. Hier liegt keine dichteste Packung oder
1975). Der Name des Mangans ist der antiken kubisch-raumzentrierte Struktur vor, sondern die
Bezeichnung für Braunstein („manganesia nigra“) α-Mangan-Struktur ist vielmehr eine bis zu einer
entlehnt (Liebig et al. 1851). Temperatur von 727  C stabile, verzerrt-kubische
1856 erkannte man, dass die Produktivität des Struktur mit 58 Atomen in der Elementarzelle,
damals zur Gewinnung von Stahl herangezogenen wobei die Atome des Mangans jeweils von einer
Bessemer-Verfahrens durch Zusatz von Mangan unterschiedlichen Menge gleicher Atome (zwi-
628 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Mangan


Symbol: Mn
Ordnungszahl: 25
CAS-Nr.: 7439-96-5

Aussehen: Grauweiß glänzend Mangan Mangan, Stücke


(Sicius 2016)
Entdecker, Jahr Kaim (Österreich), 1770
Gahn (Schweden), 1774
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
53
25Mn (Spuren) 3,74  106 ε > 5324Cr
55
25Mn (100) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 850
Atommasse (u): 54,938
Elektronegativität 1,55 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Mn2+ + 2 e > Mn (V) 1,18
Atomradius (berechnet) (pm): 140 (161)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 139 (low spin), 161 (high spin)
Ionenradius (Mn2+, pm) 80
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d5 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 717 ♦ 1509 ♦ 3248 ♦
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte ♦ fünfte ♦ sechste ♦ siebte: 4940 ♦ 6990 ♦ 9220 ♦ 11500
Magnetische Volumensuszeptibilität: 9  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-verzerrt
Elektrische Leitfähigkeit( [A/(V  m)], bei 300 K): 6,94  105
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 198 ♦ 120 ♦ 79,5 (α-Mn)
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe ♦ 196 (α-Mn)
Mohs-Härte 6,0
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 5150
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 7,43
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 7,35  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 7,8
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 23,35
Schmelzpunkt (  C ♦ K): 1246 ♦ 1590
Schmelzwärme (kJ/mol) 13,2
Siedepunkt (  C ♦ K): 2100 ♦ 2373
Verdampfungswärme (kJ/mol): 225

schen 12 und 16) umgeben sind (Oberteuffer und 14 Manganatomen umgeben ist (Shoemaker
Ibers 1970). Diese paramagnetische Modifikation et al. 1978). β-Mangan wird bei tiefen Tempera-
wird unterhalb der Néel-Temperatur von 100 K turen nicht antiferromagnetisch (Kasper et al.
(173  C) antiferromagnetisch. 1956).
Zwischen Temperaturen von 727 und 1095  C Oberhalb einer Temperatur von 1095  C liegt
liegt β-Mangan mit ebenfalls kubisch-verzerrter das in der kubisch-flächenzentrierten Struktur
Struktur vor, dessen Elementarzelle 20 Atome kristallisierende γ-Mangan vor (Kupfer-Typ), die
enthält und in der jedes Manganatom von 12 bis bei weiterem Erhitzen oberhalb von 1133  C in
5 Einzeldarstellungen 629

die kubisch-innenzentrierte Struktur (δ-Mangan,


Wolfram-Typ) übergeht (Schubert 1974).
Das Isotop 5525Mn ist das einzige stabile des
Elements. Damit ist Mangan ein Reinelement.
Chemische Eigenschaften: Mangan ist nicht
hinsichtlich seines Normalpotenzials, sondern we-
gen seiner Unfähigkeit, eine schützende Passiv-
schicht auf seiner Oberfläche auszubilden, nach Abb. 3 Mangan-VII-oxid (Oelen 2006)
Scandium das reaktionsfähigste Metall der ersten
Periode der Übergangsmetalle (3d-Elemente). Es schon lange bekannt ist (Aschoff 1860). Schon
reagiert, vor allem bei erhöhter Temperatur, teils ab einer Temperatur von 10  C aufwärts erfolgt
heftig mit vielen Nichtmetallen. Fein verteiltes langsame Zersetzung unter Abspaltung von Sau-
Mangan ist an der Luft pyrophor und reagiert erstoff und gleichzeitiger Bildung von Braunstein;
schnell zu Mangan-II,III-oxid (Mn3O4). Nur mit bei höherer Temperatur kann dieser Zerfall auch
Stickstoff reagiert das Element erst bei Temperatu- explosionsartig erfolgen oder bereits durch einen
ren von über 1200  C zu Mangannitrid (Mn3N2), leichten Schlag ausgelöst werden (Holleman et al.
Hydride bildet es nicht (Hartwig 2006; Holleman 1995, S. 1490; Riedel und Janiak 2007, S. 809).
et al. 2007, S. 1608). Mit organischen Verbindungen erfolgt sehr hef-
Mangan reagiert schon mit verdünnten Mineral- tige Reaktion, Lösungsmittel wie Aceton entzün-
säuren unter heftiger Entwicklung von Wasserstoff, det es. Nur in perhalogenierten Kohlenwasserstof-
selbst durch Wasser wird es bei Raumtemperatur fen (wie beispielsweise Tetrachlorkohlenstoff) ist
langsam angegriffen. Konzentrierte Salpeter- und es für längere Zeit lagerfähig.
Schwefelsäure reduziert es in stürmischer Reak- Man gewinnt die Verbindung durch Umset-
tion bis hin zu Stickoxiden oder Schwefeldioxid. zung von konzentrierter Schwefelsäure mit Kali-
Das Endprodukt der stark exergonischen Reaktio- umpermanganat (Brauer 1981, S. 1583); vor der
nen (stark negative freie Bildungsenthalpie) ist eigenen Herstellung ist dringend zu warnen:
jeweils das energetisch begünstigte Mn2+-Ion, da
es eine halb gefüllte d-Konfiguration aufweist. In 2 KMnO4 þ H2 SO4 ! Mn2 O7 þ H2 O
wässriger Lösung liegt der rosafarbene [Mn þ KHSO4
(H2O)6]2+-Komplex vor. Sofern sie in Wasser lös-
lich sind und sich nicht dabei zersetzen, lösen sich Die Kristallstruktur der bei niedrigen Tempera-
Mn3+-Ionen in Wasser mit roter Farbe. „Mn4+“ in turen als rot durchscheinender Feststoff anfallen-
Form von Braunstein ist braunschwarz; in wässri- den Mangan-VII-oxids ist typisch für kovalente,
ger Lösung existiert diese Spezies aber nicht. nichtionische Verbindungen. Jedes Manganatom
Verbindungen des Mangans in der Oxidationsstu- ist darin tetraedrisch von vier Sauerstoffatomen
fe +5 (Hypomanganat, MnO43) sind blau, die umgeben, wobei jeweils zwei MnO3-Gruppen
der Oxidationsstufe +6 (Manganat, MnO42) über ein Sauerstoffbrückenatom miteinander ver-
grün und die der Oxidationsstufe +7 (Permanga- bunden sind.
nat, MnO4) violett. Die technisch wichtigste Mangan-VII-Ver-
bindung ist das violette Kaliumpermanganat
Verbindungen Generell kann Mangan in allen (KMnO4), das man als starkes Oxidationsmittel,
Oxidationsstufen zwischen 3 und +7 auftreten. für titrimetrische Analysen und als Desinfektions-
Am beständigsten sind diejenigen Verbindungen, mittel verwendet (s. Abb. 4).
die Mangan in den Oxidationsstufen +2, +3 und Mangan-IV-oxid (Braunstein, MnO2) ist ein
+4 enthalten. dunkelbraunes bis schwarzes Pulver (s. Abb. 5),
Chalkogenverbindungen Mangan-VII-oxid (Mn2O7) das in der Natur in Form verschiedener Mineralien
ist eine ölige, rotbraune (s. Abb. 3), zersetzliche vorkommt, wie etwa Ramsdellit, Pyrolusit oder
und stark oxidierend wirkende Flüssigkeit, die Akhtenskit. In Kombination mit Verbindungen des
630 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

und geht dabei in niedere Manganoxide über.


Während in kalter Schwefelsäure keine Reaktion
erfolgt, zersetzt sich Mangan-IV-oxid in heißer
Schwefelsäure unter Abspaltung von Sauerstoff:

2 MnO2 þ 2 H2 SO4 ! 2 MnSO4 þ O2 " þ2 H2 O

Mangan-IV-oxid wirkt, wie allerdings viele


Abb. 4 Kaliumpermanganat (Mangl 2007) andere Schwermetallverbindungen auch, kata-
lytisch zersetzend auf Wasserstoffperoxid, das
bei Zugabe geringster Mengen von Mangan-IV-
oxid heftig Sauerstoff abspaltet. Immerhin ist das
Oxidationspotenzial der Verbindung so hoch, dass
es auch Chlorwasserstoff zu Chlor oxidieren
kann. Diese Reaktion von Braunstein und Salz-
säure war lange die Grundlage für die industrielle
Gewinnung von Chlor nach dem Weldon-
Abb. 5 Mangan-IV-oxid (Benjah-bmm27 2007)
Verfahren (Holleman et al. 2007, S. 436):

Eisens ist es wichtiger Bestandteil dunkler Erden. MnO2 þ 4 HCl ! MnCl2 þ Cl2 " þ2 H2 O
Man nutzt es bereits seit der Antike zum Färben und
Entfärben von Gläsern. Man kann die Verbindung Aus demselben Grund verwendet man es nicht
durch Mahlen von Pyrolusit oder Erhitzen von nur als Oxidationsmittel bei der Synthese von Hy-
Mangan-II-nitrat [Mn(NO3)2] an der Luft auf eine drochinon aus Anilin, sondern setzt es ebenfalls
Temperatur von 500  C herstellen: zum Aushärten polysulfidhaltiger, pastenförmi-
ger Dichtstoffe durch Oxidation der Thiolgrup-
MnðNO3 Þ2 ! MnO2 þ 2 NO2 pen ein. Daher findet es auch Anwendung bei der
Herstellung von Firnissen und Trocknungsmit-
Jedoch stellt das heute gängigste Verfahren die teln. Durch den Gehalt an Eisensilikat gelbgrün
Elektrolyse einer wässrigen Lösung von Mangan- gefärbte Gläser kann man mit Mangan-IV-oxid
II-sulfat (MnSO4) dar, bei deren Ende sich ein aus aufschmelzen. Jenes würde, für sich genommen,
Braunstein bestehender Schlamm an der Anode dem Glas eine violette Farbe verleihen, aber die
ablagert. Farbaddition von Violett und Gelbgrün ergibt
Man kann Mangan-IV-oxid auch herstellen, nahezu Weiß bzw. ein farbloses Glas. Auch als
indem man Lösungen von Mangan-II-salzen mit farbgebender Bestandteil von Ziegeln findet es
Natronlauge und Wasserstoffperoxid versetzt, Verwendung.
worauf Mangan-IV-oxid in Form eines dunkel- Mangan-IV-oxid ist das Kathodenmaterial in
braunen, reaktiven Niederschlags aus der Lösung Alkali-Mangan-Batterien und zersetzt sich bei
ausfällt (Remy 1961, S. 258): der Entladung der Batterie zu Manganoxidhydro-
xid und Mangan-II-hydroxid.
Mn2þ þ H2 O2 þ 2 OH ! MnO2 # þ2 H2 O Mangan-III-oxid (Mn2O3) entsteht beispiels-
weise in Zink-Braunstein-Batteriezellen bei deren
Bedeutung hat diese Verbindung, weil sie im Entladung; angegeben ist die Summengleichung:
Unterschied zum wasserfreien Mangandioxid
eine größere Reaktionsfähigkeit als Oxidations- Zn þ 2 MnO2 þ H2 O ! ZnðOHÞ2 þ Mn2 O3
mittel aufweist.
Das braunschwarze, in Wasser unlösliche Pul- Ebenso ist die Verbindung durch Erhitzen
ver (s. Abb. 5) gibt beim Erhitzen Sauerstoff ab von Braunstein (Mangan-IV-oxid, MnO2) auf
5 Einzeldarstellungen 631

Temperaturen von >535  C zugänglich. Auch Form von Sputtertargets erhältlich (s. Abb. 7b). Die
ist es möglich, hydratisiertes Mangan-II-sulfat Dichte der unterhalb seiner Néel-Temperatur von
(MnSO4  4 H2O) in ammoniakalischer Lösung 163  C antiferromagnetischen, unter Normalbe-
durch Zugabe von Wasserstoffperoxid in Man- dingungen kubisch kristallisierenden Verbindung
gan-III-oxidhydroxid [MnO(OH)] umzuwan- liegt bei 5,45 g/cm3. Man kann Mangan-II-oxid
deln, das man durch Erhitzen auf Temperaturen durch Umsetzung braunsteinhaltiger Erze mit Kohle
von 250  C zu Mangan-III-oxid (Mn2O3) ent- bei Temperaturen zwischen 400 und 1000  C erzeu-
wässern kann (Brauer 1981, S. 1582). gen. Bei Zutritt von Luftsauerstoff wird es schnell
Das bei Raumtemperatur orthorhombisch kris- zurück zum Mangan-IV-oxid (MnO2) oxidiert; unter
tallisierende, in Pulverform schwarze Mangan-III- Umständen tritt dabei sogar spontane Entzündung
oxid (s. Abb. 6) ist nahezu unlöslich in Wasser, ein. Daher muss man die Verbindung unter Schutz-
unbrennbar und zersetzt sich bei Temperaturen gasatmosphäre abkühlen lassen.
oberhalb von 900  C. Es existieren diverse Modi- Eine alternative Herstellmethode besteht
fikationen, die teils nur durch Anwendung hohen im Erhitzen von Mangan-II-carbonat (MnCO3)
Drucks erhältlich sind (Ovsyannikov et al. 2013; (McCarroll 1994):
Geller 1971; Kim et al. 2005). Man setzt die Ver-
bindung als Kathodenmaterial von Lithiumionen- MnCO3 ! MnO þ CO2
Akkumulatoren und als Farbpigment in Gläsern ein.
Mangan-II,III-oxid (Mn3O4) gehört zur Klasse Mangan-II-oxid ist in einigen für die Metallur-
der Spinelle, eine Klasse gemischter Oxide der all- gie verwendeten Gießpulvern enthalten (Gigacher
gemeinen Formel AB2X4 (A: Metall in der Oxida- et al. 2003, 2004). Außerdem setzt man es, analog
tionsstufe +2; B: Metall mit der Oxidationsstufe +3; zum Mangan-II,III-oxid, in Düngern, Futtermit-
X: Chalkogen in der Oxidationsstufe 2). Es teln und Halbleitern ein, weshalb die Verbindung
kommt in der Natur in Form des Minerals Haus- auch in Form von Sputtertargets (s. Abb. 7b) er-
mannit vor. Die Verbindung entsteht bei der Pyro- hältlich ist.
lyse von Mangandioxid (MnO2) und auch bei der Mangan-II-sulfid (MnS) tritt in Form eines grü-
Verbrennung organischer Verbindungen des Man- nen (α-MnS, kristallisiert im kubischen Natrium-
gans. Mangan-II,III-oxid kristallisiert in einer durch chloridtyp) oder dunkelroten [β-MnS, mit Zink-
den Jahn-Teller-Effekt tetragonal verzerrten Spinell- blende-Struktur (s. Abb. 8), bzw. γ-MnS, mit
struktur (Holleman et al. 2007, S. 1614). Man setzt Wurtzitstruktur] Pulvers der Dichte 3,4 g/cm3
die Verbindung als Futtermittelzusatzstoff sowie zur auf, das bei 1610  C schmilzt. Die zwei roten
Herstellung von Halbleitern und magnetischen Modifikationen sind metastabil und gehen in fes-
Materialien ein. tem Zustand ab einer Temperatur von ca. 250  C in
Mangan-II-oxid (MnO) kommt natürlich in die stabile grüne über. Mangan-II-sulfid ist ein p-
Form des Minerals Manganosit vor und ist ein Halbleiter einer Bandlücke von ca. 3 eV (Ponti et
bei einer Temperatur von 1945  C schmelzendes, al. 2016). In der Natur findet man Mangan-II-sulfid
olivgrünes Pulver (s. Abb. 7a); es ist zudem auch in in Form der Minerale Alabandin oder Rambergit.

Abb. 7 a Mangan-II-oxid (Onyxmet 2018). b Mangan-II-


Abb. 6 Mangan-III-oxid (Onyxmet 2018) oxid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)
632 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Abb. 9 Mangan-II-tellurid Sputtertarget (QS Advanced


Materials 2018)
Abb. 8 β-Mangan-II-sulfid (Onyxmet 2018)

N,N-Dimethylformamid zu entionisiertem Was-


Man stellt α-Mangan-II-sulfid zweckmäßig ser bedeutenden Einfluss auf den Habitus der
durch Reaktion der wässrigen Lösung eines Kristalle. Die Verbindung erwies sich als geeig-
Mangan-II-salzes mit heißer Ammoniumsulfidlö- net, Mikrowellen zu absorbieren (Zhang et al.
sung her: 2013).
Mangan-II-tellurid (MnTe) erhält man entspre-
MnCl2 þ ðNH4 Þ2 S ! 2 NH4 Cl þ MnS # chend durch Erhitzen stöchiometrischer Mengen
von Mangan und Tellur bei ca. 700  C (MacIntyre
Dagegen entsteht die β-Modifikation beim Ein- 1992, S. 3583); nach beendeter Reaktion müssen
leiten von Schwefelwasserstoff in eine kalte wäss- die in derselben Reaktion gebildeten, geringen
rige Lösung von Mangan-II-acetat (Brauer 1981, Mengen an Manganditellurid (MnTe2) entfernt wer-
S. 1587). γ-Mangan-II-sulfid bildet sich dagegen, den (Kunitomi et al. 1964). Der nahezu wasserun-
wenn Schwefelwasserstoff in eine kochende lösliche, dunkelgraue Feststoff der Dichte 6,0 g/cm3
wässrige Aufschlämmung von Mangan-II-hydro- ist ein Halbleiter, schmilzt bei 1240  C und kristal-
xid geleitet wird. lisiert bei Raumtemperatur in der hexagonalen
Durch Umsetzung wässriger Lösungen von Nickelarsenid-Struktur. Je nach Quelle liegt seine
Mangan-II-salzen mit Natronlauge entstehen Néel-Temperatur für den Übergang von antiferro-
Ausfällungen rosafarbenen Mangan-II-hydroxids zu paramagnetisch zwischen 35 und 55  C. Seine
[Mn(OH)2], das vor allem im alkalischen Milieu Phasenübergänge liegen durchweg bei hoher Tem-
schon durch Luftsauerstoff leicht zu basischen peratur: 955  C (hexagonal im Wurtzit-Gittertyp,
Mangan-III, IV-oxiden oxidiert wird. 1020  C (kubisch-flächenzentriert), 1055  C (kubi-
Mangan-II-selenid (MnSe) ist wie viele andere sche Natriumchloridstruktur). Unter Drücken von
Chalkogenide der Übergangsmetalle technisch 10 bzw. 24 GPa erfolgen weitere Phasenumwand-
interessant als Halbleiter. Es bildet graue Kristalle lungen (Tonkov 1992, S. 555). Es ist in Form von
oder ein graues Pulver, der Schmelzpunkt liegt bei Sputtertargets im Handel (s. Abb. 9), da man aus
1460  C, seine Dichte bei 5,59 g/cm3. Man erhält ihm sehr dünne, den Strom leitende Beschichtungen
die Verbindung durch Erhitzen einer pulverförmi- herstellen kann. Schlesinger beschreibt Mangandi-
gen Mischung stöchiometrischer Zusammenset- tellurid ausführlicher (1998).
zung der Elemente auf 500–600  C bei Aus- Halogenverbindungen Das hellblaue, hochre-
schluss von Luft. aktive und hygroskopische Mangan-IV-fluorid
Nanoröhrchen aus kristallinem Mangan-II- (MnF4) erzeugt man durch Reaktion von Mangan
selenid konnten 2013 in solvothermischer Reak- mit Fluor (I) oder durch Umsetzung von Mangan-
tion unter Einsatz von Polyvinylpyrrolidon als II-fluorid mit Terbium-IV-fluorid (Torisu et al.
Schutzmatrix hergestellt werden. Die Ergebnisse 2009):
spektroskopischer Untersuchungen zeigten, dass
die Nanoröhrchen entlang der [2 0 0]-Achse (I) Mn + 2 F2 ! MnF4
wachsen. Auch hat das Volumenverhältnis von (II) MnF2 + 2 TbF4 ! MnF4 + 2 TbF3
5 Einzeldarstellungen 633

Die Verbindung entzündet Kohlenwasserstoffe


und reagiert mit Wasser energisch unter sofortiger
Hydrolyse (Hoppe et al. 1961). Im Feststoff exis-
tieren zwei verschiedene Modifikationen, von
denen die α-Form Mn4F20-Ringmoleküle mit
jeweils vier über Brückenfluoratome verbundenen
MnF6-Oktaedern enthält (Tressaud et al. 2000).
Meist verwendet man Mangan-IV-fluorid als star- Abb. 10 Mangan-III-fluorid (Stanford Advanced Materi-
kes Fluorierungs- oder Oxidationsmittel. als 2018)
Mangan-III-fluorid (MnF3) kann durch Fluo-
rierung von Mangan-II-iodid (I) oder -fluorid oder
aber durch Reaktion von Mangan mit überschüs-
sigem Fluor (II) dargestellt werden (Riedel und
Janiak 2011, S. 831):

(I) 2 MnI2 + 13 F2 ! 2 MnF3 + 4 IF5


(II) 2 Mn + 3 F2 ! 2 MnF3
Abb. 11 a Mangan-II-fluorid (Stanford Advanced Mate-
rials 2018). b Mangan-II-fluorid Sputtertarget (QS Advan-
Die violette (s. Abb. 10), monoklin kristallisie-
ced Materials 2018)
rende Verbindung (Hepworth et al. 1957; Hep-
worth und Jack 1957) der Dichte 3,54 g/cm3 ist
empfindlich gegenüber Hydrolyse und bis hinauf mit Chlorwasserstoff in Ethanol bei 63  C oder
zu Temperaturen von 600  C stabil. Man setzt sie die von Mangan-III-acetat mit Chlorwasserstoff
als Fluorierungsmittel ein. bei 100  C Mangan-III-chlorid (MacIntyre
Das unterhalb der Néel-Temperatur von 205  C 1992, S. 2923; Zuckerman 2009). Ebenso sind
antiferromagnetische Mangan-II-fluorid (MnF2) Mangan-III-aminkomplexe zugänglich (Funk
(Yamani et al. 2010; Felcher und Kleb 1996) und Kreis 1967); relativ stabil sind immerhin die
kristallisiert in Form rosafarbener Prismen Pentachloromanganate-III (MnCl52) (Kemmitt
(s. Abb. 11a) tetragonaler Struktur und der Dichte und Peacock 2013, S. 873).
3,98 g/cm3. Der Schmelz- bzw. Siedepunkt liegt Das schwach rosarote Mangan-II-chlorid
bei Temperaturen von 856  C bzw. 1820  C (Hol- (MnCl2) stellt man durch Umsetzung von Man-
leman et al. 1995, S. 1483). Es ist kaum löslich in gan, Mangan-II-carbonat oder Mangan-IV-oxid
Wasser, löst sich aber in verdünnter Flusssäure mit konzentrierter Salzsäure her:
und in konzentrierter Salz- und Salpetersäure.
Es dient als Katalysator bei Synthesen einiger (I) Mn + 2 HCl ! MnCl2 + H2"
Abkömmlinge des Pyridins (Shimizu et al. 2005). (II) MnCO3 + 2 HCl ! MnCl2 + CO2 " + H2O
Mangan-II-fluorid gewinnt man beispielsweise (III) MnO2 + 4 HCl ! MnCl2 + 2 H2O + Cl2"
durch Auflösen von Mangancarbonat in Flusssäu-
re (I) oder aber aus den Elementen (II): Mangan-II-chlorid ist stark hygroskopisch,
leicht wasserlöslich [720 (wasserfreies Salz) bis
(I) MnCO3 + 2 HF ! MnF2 + CO2 "+ H2O 1980 g/L bei 20  C] und bildet verschiedene
(II) Mn + F2 ! MnF2 Hydrate. Das Tetrahydrat (s. Abb. 12) schmilzt
bei einer Temperatur von 58  C, das wasserfreie
Das schwarze Mangan-III-chlorid (MnCl3) Salz bei 650  C. Man setzt die Verbindung in
entsteht nur bei tiefen Temperaturen, da es Katalysatoren, für die Produktion von Trocken-
sich oberhalb einer Temperatur von 40  C zu batterien, korrosionsbeständigen Magnesiumle-
Mangan-II-chlorid und Chlor zersetzt. Beispiels- gierungen und von Antiklopfmitteln ein (Reidies
weise liefern die Reaktionen von Mangan-IV-oxid 2002).
634 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Abb. 12 Mangan-II-chlorid-Tetrahydrat (Walkerma 2005)

Abb. 14 Tetramanganmononitrid, Mn4N (Onyxmet 2018)

weitere Mangannitride bis hinunter zum in Form


von Nanoteilchen schwarzen MnN0,43 (Milke
2012). Generell reagiert Mangan erst bei Tempe-
raturen von >1200  C mit Stickstoff oder Ammo-
niak zu Nitriden; letzteres führt meist zu höheren
Ausbeuten und auch reineren Produkten (Lyutaya
und Goncharuk 1977). Unter Verwendung von
Abb. 13 Mangan-II-bromid (Onyxmet 2018) Ammoniak ist auf diese Weise das schwarze
Mn4N (s. Abb. 14) in reinem Zustand zugänglich.
Das pinkfarbene, trigonal kristallisierende Sonst erhält man bei diesen Reaktionen oft Gemi-
Mangan-II-bromid (MnBr2) (s. Abb. 13) schmilzt sche mehrerer Mangannitride.
bzw. siedet bei Temperaturen von 698  C bzw. Kropp et al. beschrieben ein metallorganisches
1027  C. Man erzeugt es entweder aus den Netzwerk (MOF) mit diskreten Mangannitrid-
Elementen Mangan und Brom (I) oder durch Einheiten inmitten von tripodal angeordneten
Umsetzung von Mangan-IV-oxid mit Bromwas- Tris(carben)liganden (2012, s. Abb. 15), die durch
serstoffsäure (II): Fotolyse von [(TIMENxyl)Mn(N3)]+ dargestellt
wurden. Als Ligand an ein Manganion gebunde-
(I) Mn + Br2 ! MnBr2 nes TIMENxyl (Tris[2-(3-xylylimidazol-2-yliden)
(II) MnO2 + 4 HBr ! MnBr2 + Br2 + 2 H2O ethyl]amin) ergibt isolierbares Mangan-IV-nitrid
(Mn3N4) aus dem Komplex [(TIMENxyl)Mn
Verwendung findet Mangan-II-bromid als (N)]+. Das Manganion kann in weiteren Umset-
Katalysator bei organischen Synthesen, beispiels- zungen oxidiert bzw. reduziert werden.
weise der Stille-Kupplung zur Herstellung von Mangan-II-phosphid (Mn3P2) ist ein schwar-
Biarylen (Cepanec 2004). zes Pulver der Dichte 5,9 g/cm3, das bei 1095  C
Das ebenfalls rosafarbene Mangan-II-iodid schmilzt. Man setzt es als Halbleiter und als
(MnI2) stellt man aus Mangan-II-oxid oder -car- Zusatz zu Keramiken ein. Das gleichfalls feste
bonat und Iodwasserstoff her (Schuman 2007, und kristalline Mangan-III-arsenid (MnAs) wird
S. 352). Die in wasserfreiem Zustand trigonal, in ebenfalls in der elektronischen Industrie als Halb-
Form des Tetrahydrats monoklin kristallisierende leiter und in optischen Anwendungen eingesetzt.
Verbindung (Moore et al. 1985) ist ziemlich oxi- Sehr interessant ist der jüngst getestete mögliche
dationsempfindlich, färbt sich an der Luft unter Einsatz in Sensoren mit hohem magnetischen
Freisetzung von Iod braun und löst sich leicht in Widerstand; diese sind wesentlich leistungsfä-
Wasser unter hydrolytischer Zersetzung. Die Ver- higer aufgrund größerer Speicherplatzdichten
bindung der Dichte 5 g/cm3 schmilzt in wasser- (Humphries 2014).
freiem Zustand bei einer Temperatur von 701  C. Sonstige Verbindungen Trimanganmonocar-
Pnictogenverbindungen Mangan-II-nitrid (Mn3N2) bid (Mn3C) hat die Dichte 6,89 g/cm3, bildet grau
ist ein Halbleiter und ein graues Pulver. Es gibt glänzende Kristalle (s. Abb. 16) und hydrolysiert
5 Einzeldarstellungen 635

+ 2+

N N
N + 1e– N –
+ 1e N N
Mn N Mn N N
Mn
NN NN NN
N N N
N N N N N
N

Abb. 15 Mangan-Tris[2-(3-xylylimidazol-2-yliden)ethyl]amin-Komplexe (Kropp et al. 2012)

Zusätzen von Ytterbium wurde durch Funkenplas-


masintern hergestellt. Die Aufklärung der Kristall-
struktur erfolgte mittels Röntgendiffraktometrie
und Scan-Elektronenmikroskopie (Saleemi et al.
2015). Nanoröhrchen von Pentamangantrisilicid
(Mn5Si3) stellten Lu et al. aus einer pulverförmigen
Mischung von Mangan-III-oxid, Silicium und
Magnesium im Autoklaven her (2018). Die aus
der Röntgendiffraktometrie erhaltene Struktur ist
hexagonal.
Abb. 16 Trimanganmonocarbid, Mn3C (Onyxmet 2018) Das im orthorhombischen Eisenborid-Gitter
kristallisierende Manganmonoborid (MnB) ist
in Wasser zu Methan, Wasserstoff und Mangan-II- ferromagnetisch mit einer Curie-Temperatur von
hydroxid: 273  C (546 K) und der hohen Magnetisierung
von bis zu 155,5 emu/g. Die asymptotische
Mn3 C þ 6 H2 O ! 3 MnðOHÞ2 þ CH4 " þH2 " Vickers-Härte ist mit 15,7 GPa deutlich höher als
diejenige traditionell verwendeter Ferromagneti-
Man erhält es bei Temperaturen um 1600  C ka (Cui et al. 2017).
durch Reaktion aus den Elementen (Myers und Das blassrosafarbene (s. Abb. 17), gut wasser-
Fishel 1945). Weitere Mangancarbide sind Mn4C, lösliche Mangan-II-nitrat [Mn(NO3)2] erzeugt
Mn7C3 und Mn23C6. Trimanganmonocarbid wird man durch Auflösen von Mangan-II-carbonat in
meist in Keramiken verwendet. verdünnter Salpetersäure. Man verwendet es zur
Durch Reduktion einer aus Fe2O3 und Mn2O3 Herstellung von Porzellanfarben und hochreinen
bestehenden Mischung mit Kohlenstoff in einer Mischoxiden sowie als Dünger für Getreide.
Stickstoffatmosphäre werden in Abhängigkeit In den meisten Komplexen tritt Mangan in der
von der Menge zugesetzten Mangans ein coheniti- Oxidationsstufe +2 auf. Die oktaedrisch koordi-
scher Fe3C-, ein Fe3xMnxC und ein Fe7C3- Pha- nierten sind meist paramagnetisch und rosa ge-
sentyp erhalten. Stickstoff ist an der Reduktion vor färbt. Niedrigere Oxidationszahlen findet man im
allem manganreicher Mischungen beteiligt; ein Dimangandecacarbonyl [Mn2(CO)10; 0] oder im
relativ reines Mangancarbonitrid (Mn2C0.60N0.21) Mn(NO)3CO [-3 (!)]. Als Resonanzmittel für die
mit hexagonaler Kristallstruktur ist durch Erhitzen Magnetresonanzspektroskopie der Leber dient
einer Mischung von Mangan-III-oxid und Kohlen- das anderen Produkten überlegene Mangafodipir
stoff unter Stickstoff zugänglich (Zhang und (Bellin 2006).
Schleich 1994). Dimangandecacarbonyl [Mn2(CO)10] erhält
Höhere Mangansilicide wie MnSi1,73 sind er- man durch Carbonylierung von Mangan-II-Sal-
folgversprechend als p-Halbleiter, die in thermo- zen (Brauer 1981, S. 1634) bei Kohlenmonoxid-
elektrischen Materialien im Temperaturbereich drücken von ca. 300 bar in Gegenwart von Tri-
von 100–400  C eingesetzt werden. Zur Größe ethylaluminium, so etwa bei Verwendung von
von Nanoteilchen gemahlenes Mangansilicid mit Mangan-II-acetat:
636 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Anwendungen Reines Mangan wird technisch


kaum genutzt. Nahezu die gesamte abgebaute
Menge an Mangan (130.000 t/a) wird dagegen
mit Stahl zu Ferromangan legiert, bindet darin
Sauerstoff und Schwefel und erhöht gleichzeitig
die Härte des Stahls. Es verhindert durch Bindung
des Schwefels beispielsweise die Bildung des
leicht schmelzenden Eisensulfides. Dadurch, dass
es dem Stahl Sauerstoff entzieht, erhöht es dessen
Abb. 17 Mangan-II-nitrat (Onyxmet 2018) Aufnahmevermögen für Stickstoff, was die Re-
sistenz des Stahls gegenüber Korrosion erhöht.
2 MnðCH3 CO2 Þ2 þ 10 CO ! Mn2 ðCOÞ10 Ähnliche Effekte zeigt es in Legierungen mit
Kupfer und Aluminium, wo es ebenfalls die Fes-
Das goldgelbe, lichtempfindliche Dimangan- tigkeit, Korrosionsbeständigkeit und Verformbar-
decacarbonyl schmilzt bei 152  C und ist relativ keit verbessert. Eine besondere Wirkung besitzt
beständig gegenüber Luftsauerstoff. Es ist unlös- eine in elektrischen Messgeräten eingesetzte, aus
lich in Wasser, aber löslich in fast allen organi- 83 % Kupfer, 12 % Mangan und 5 % Nickel
schen Lösungsmitteln. Im Vakuum sublimiert es bestehende Legierung, deren elektrischer Wider-
schon merklich bei Raumtemperatur. Dimangan- stand nur wenig von der Temperatur abhängig ist.
decacarbonyl ist Ausgangsmaterial zur Herstel- In LEDs findet man manganhaltige Aktivato-
lung von Mangancarbonyl-Verbindungen und ren, so emittiert BaMgAl10O17:Eu2+,Mn2+ grü-
wird darüber hinaus als Katalysator und Anti- nes, Mg14Ge5O24:Mn4+ rotes Licht (S. Shionoya
klopfmittel verwendet. et al. 2006).
Manganocen [(C5H5)2Mn] ist bei Raumtempe- Mangan-IV-oxid geht als Kathode in Alkali-
ratur braun und wie andere Metallocene aus dem Mangan-Batterien und wurde schon in der Stein-
jeweiligen Metall-II-chlorid und Natriumcyclopen- zeit als Pigment in Höhlenmalereien nachgewie-
tadienyl herstellbar. Dazu wird zunächst Cyclopen- sen (Chalmin et al. 2003, 2006). Auch die Römer
tadien mit Natrium umgesetzt; die so erhaltene nutzten bereits Manganverbindungen in der Fär-
Lösung von Natriumcyclopentadienyl bringt man bung von Glas (Sayre und Smith 1961; McCray
dann mit Mangan-II-chlorid in Tetrahydrofuran, 1998). Mangan-IV-oxid diente lange Zeit im
Ethylenglycoldimethylether oder flüssigem Ammo- Weldon-Verfahren zur Oxidation von Salzsäure
niak zur Reaktion (Elschenbroich 2008, S. 451): (Chlorwasserstoff) zu Chlor.

MnCl2 þ 2 C5 H5 Na ! ðC5 H5 Þ2 Mn þ 2 NaCl Physiologie, Toxizität Mangan ist für alle Lebe-
wesen essenziell und Komponente diverser
Im Festkörper liegt Manganocen in einer Enzyme, in deren Molekülen es wegen seiner
Struktur vor, in der jedes Manganion von drei zahlreichen Oxidationsstufen in unterschiedli-
Cyclopentadienylgruppen umgeben ist. Zwei chen Funktionen auftreten kann. Diese findet
dieser drei Gruppen sind dabei mit je zwei man in der Fotosynthesereaktion (Yano et al.
Manganionen verbunden, während das dritte nur 2006) ebenso wie bei anaeroben Vorgängen
an ein Manganatom grenzt. Die verbrückenden (Madigan und Martinko 2009).
Cyclopentadienyl-Liganden befinden sich nicht in Enzyme, die Superoxid abbauen (Superoxiddis-
symmetrischer Anordnung zwischen den Manga- mutasen; Alscher 2002; Law et al. 1998) oder Sau-
natomen (Riedel et al. 2007). Unterhalb der Néel- erstoff in bestimmte organische Moleküle einbauen
Temperatur von 134  C ist Manganocen antiferro- können (Dioxygenasen), enthalten als wirksames
magnetisch (Holleman et al. 2007, S. 707), oberhalb Prinzip redoxaktive Manganionen. Manganperoxi-
davon stark paramagnetisch (Elschenbroich 2008, dase ist als eines der wenigen bekannten Enzyme
S. 455). zum Abbau von Lignin in der Lage. An vielen
5 Einzeldarstellungen 637

anderen enzymatisch katalysierten Reaktionen ist gan mittels der Atomabsorptionsspektroskopie


Mangan gleichfalls beteiligt (Arginasen, Hydrola- (bei 279,5 nm), fotometrisch über Permanganat
sen, Kinasen, Decarboxylasen, Transferasen, Kata- (Absorptionsmaximum: 525 nm) oder titrimetrisch
lasen und Ribonukleotidreduktasen). nach Vollhard-Wolff bestimmbar. Bei letztgenann-
Der Mensch nimmt Mangan über den Dünn- tem Verfahren titriert man eine Mn2+-Ionen enthal-
darm auf und speichert es meist in den Nieren, der tende Lösung mit Permanganat, worauf infolge
Leber und der Bauchspeicheldrüse. Die Zellsub- Komproportionierung zunächst Mangan-IV-oxid
stanz enthält es in Mitochondrien, Lysosomen und (Braunstein) ausfällt. Vom Endpunkt an verbleibt
im Zellkern, oft an Eiweißmoleküle gebunden Permanganat in Lösung, was sich in einer Rosa-,
(Takeda 2003). Wegen der dennoch niedrigen direkt danach in einer Violettfärbung äußert (Sträh-
vom Menschen benötigten Menge (1 mg/d) ist le und Schweda 1995, S. 378).
ein Mangel an Mangan selten, der sich bei Tieren
beispielsweise in Deformationen des Skeletts,
Patente
Nervenschäden und Wachstumsstörungen äußert.
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Nahrungsmittel mit hohem Gehalt an Mangan
wide.espacenet.com)
sind schwarzer Tee, Weizenkeime, Haselnüsse,
Haferflocken, Sojabohnen, Leinsamen, Heidel-
Y.-M. Ha und Y.-D. Jung, High manganese
und Aroniabeeren sowie Roggenvollkornbrot
steel for low temperature, having excellent
(Ekmekcioglu und Marktl 2006).
surface quality, and manufacturing method
Das Inhalieren manganhaltigen Staubs kann
therefor (Posco Ltd., WO 2019078538
Schäden der Lunge verursachen, die sich zuerst
A1, veröffentlicht 25. April 2019)
in Form von Husten, Bronchitis oder Lungenent-
H. Miura und K. Suetsugu, Electrolytic
zündung äußern. Konzentrationen an Mangan,
manganese dioxide and method for its
die den MAK-Wert dauerhaft überschreiten
production, and its application (Tosoh
(0,02 mg/m3 für sehr feinen bzw. 0,2 mg/m3 für
Corp., US 2019119124 A1, veröffent-
generell inhalierbaren Staub), können das zentrale
licht 25. April 2019)
Nervensystem schädigen, was in Bewegungsstö-
S. Ferrasse und F. C. Alford, Copper man-
rungen oder starkem Zittern zum Ausdruck
ganese sputtering target (Honeywell
kommt (Santamaria und Sulsky 2010). Durch
International Ltd., WO 2019075204
Aufnahme von Mangan hervorgerufene Erkran-
A1, veröffentlicht 18. April 2019)
kungen sind als Berufskrankheit (1105) aner-
G. G. Yadav und X. Wei, Process for
kannt.
making manganese dioxide and its poly-
morphs reversible (Research Foundation
Analytik Es gibt mehrere qualitative Nachweise
of the City University of New York, WO
für Mangan. Zum einen ist in wässriger Lösung
2019023546 A2, veröffentlicht 31.
vorhandenes Mn2+ im Sauren mittels Blei-IV-oxid
Januar 2019)
zu violettem Permanganat oxidierbar. Im alkali-
C.-V. Muntean und M. E. Stoia, Process pre-
schen Milieu ist die Oxidation leicht durch
paring manganese ferrite (Universitatea
Zugabe von Wasserstoffperoxid zu bewirken und
Politehnika din Timişoara, RO 133044
führt zur Ausfällung von Mangan-IV-oxid:
A2, veröffentlicht 30. Januar 2019)
T. Yuzawa und K. Inokuchi, Production
Mn2þ þ H2 O2 þ 2 OH ! MnOðOHÞ2 # þH2 O method for positive electrode material
Die Phosphorsalzperle färbt sich in Gegenwart and manganese dry cell using same (Pana-
von Mangan durch Bildung von Mn3+ violett, das sonic IP Manufacturing Co., Ltd., WO
Aufschmelzen mit Nitrat führt zur Bildung von 2019017055 A1, veröffentlicht 24. Januar
grünem Manganat-VI (MnO42) (Strähle und 2019)
Schweda 1995, S. 186–192). Quantitativ ist Man- (Fortsetzung)
638 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Über lange Zeit bestand in dem von Mendele-


H.-J. Kim und H.-S. Hwang, High- jev konzipierten Periodensystem der Elemente
manganese hot-dip aluminum coated eine Lücke zwischen Molybdän (Ordnungszahl
steel sheet having excellent coating 42) und Ruthenium (Ordnungszahl 44). Mendele-
adhesion (Posco, US 2019010597 A1, jev sagte einige der Eigenschaften dieses damals
veröffentlicht 10. Januar 2019) noch unbekannten Elementes voraus, ohne dessen
B. D. Briggs und L. A. Clevenger, Hybrid Entdeckung noch zu erleben. Bereits seit Beginn
electric scheme for varying liner thickness des 19. Jahrhunderts erhoben verschiedene For-
and manganese concentration (IBM, US scher Ansprüche auf eine angebliche Entdeckung
2019013278 A1, veröffentlicht 10. des Elements. Es begann 1828 mit dem von
Januar 2019) Osann beschriebenen Polinium, das sich später
M. Kasaaian, Sulfide recycling in mangane- als verunreinigtes Iridium herausstellte (Kenna
se production (privat, US 2019003065, 1962). 1847 bezeichnete Rose das vermeintlich
veröffentlicht 3. Januar 2019) entdeckte, später Technetium genannte Element
D. Antonelli, Synthesis and hydrogen sto- als Pelopium (De Jonge und Pauwels 1996).
rage properties of novel manganese hy- Die erste ausschließlich auf die Entdeckung
drides (USW Commerical Services Ltd., des noch unbekannten Elementes mit der Ord-
US 2018375136, veröffentlicht 27. nungszahl 43 gerichtete Suche endete 1877 mit
Dezember 2018) der Benennung Davyum (Kern 1877), das aber
W.-L. Wu und Y.-C. Lee, Manganese-doped später als Legierung von Rhodium und Iridium
red fluoride phosphor, light emitting identifiziert wurde. Wiederum später reklamierte
device, and backlight module (Lextar Ogawa die Entdeckung des Nipponiums für sich
Electronics Corp., US 2018366614 A1, (Yoshihara 2004), das sich später als Rhenium
veröffentlicht 20. Dezember 2018) herausstellte (Kenna 1962).
W. Chen und Y. Cui, Ultrastable recharge- 1925 glaubten Noddack und Tacke (Kurzbio-
able manganese battery with solid-liquid graphie s. „Neptunium“), die im gleichen Jahr
reactions (University Leland Stanford noch das Rhenium entdeckten, auch das Element
Junior, WO 2018222609 A1, veröffent- 43 identifiziert zu haben und nannten es Masu-
licht 6. Dezember 2018) rium. Sie beschossen das Mineral Columbit mit
Z. J. McAfee und J. A. Calderone III, Aviation Elektronenstrahlen und schlossen aus dem Rönt-
gasoline containing branched aromatics genspektrum auf das Vorliegen des neuen Ele-
with a manganese octane enhancer (Afton ments. Die Versuche konnten jedoch weder von
Chemical Corp., MX 2017015555 A, ver- anderen Arbeitsgruppen reproduziert werden,
öffentlicht 9. November 2018) noch gelang Noddack und Tacke die Darstellung
des reinen Elements. Daher fand die Entdeckung
zunächst keine Anerkennung (Weeks 1933).
65 Jahre später, im Jahre 1998, simulierten Arm-
5.2 Technetium strong (National Institute of Standards and
Technology) und Curtis (Los Alamos National
Geschichte Technetium kommt auf der Erde in Laboratory) die Arbeiten von Noddack und Ta-
extrem geringen Spuren natürlich vor, ist aber in cke mittels moderner Methoden und kamen über-
größeren Mengen nur auf künstlichem Wege raschenderweise zu ähnlichen Ergebnissen, wes-
herstellbar. Alle Isotope des Elements sind halb das Recht auf die erstmalige Entdeckung
radioaktiv, womit Technetium neben Prome- des Technetiums wieder offen ist (Zingales
thium (Ordnungszahl 61) das einzige Element 2005).
ist, das eine geringere Ordnungszahl als Bismut Zwölf Jahre nach Noddack und Tacke, im
besitzt und dessen Isotope dennoch sämtlich Jahre 1937, konnten Segrè und Perrier das damals
radioaktiv sind. neue, erstmalig nur auf künstlichem Wege
5 Einzeldarstellungen 639

zugängliche Element aus einer mit Deuteronen


bombardierten Molybdänfolie isolieren: bis 1936 Assistenzprofessor für Physik an der
Universität von Rom und sollte gemäß einem
96
42 Mo þ 2
1D ! 97
43 Tc þ 1
0n
Vertrag bis 1938 die Physiklabors der Univer-
sität Palermo leiten. Schon 1937 beschoss er
Die Entdecker nannten das Element Technetium zusammen mit Lawrence in Berkeley Molyb-
dän mit Deuteronen; die hiernach vom Mo-
(Emsley 2001; Perrier und Segrè 1947).
lybdän emittierten Teilchen wiesen auf ein im
Versuch erzeugtes radioaktives Element hin,
Der deutsche Chemiker Walter Noddack das er Technetium nannte.
(* 17. August 1893 Berlin; † 7. Dezember
1960 Bamberg) entdeckte 1925 zusam- 1938 untersagte die Regierung Mussolini
men mit seiner späteren Frau Ida Tacke Juden die weitere Bekleidung universitärer
und Otto Berg das Element Rhenium. Stellen, so dass Segrè in den USA blieb.
Die gleichzeitige Entdeckung des Ele- Zuerst war er bei Lawrence und der Uni-
ments mit der Ordnungszahl 43 veröffent- versity of California angestellt. In Berkeley
lichten sie ebenfalls und nannten das neue arbeitete Segrè mit seinen Kollegen an der
Element Masurium, nur erschienen der Entdeckung des Elements Astat und des
wissenschaftlichen Öffentlichkeit die von Plutoniumisotops 23994Pu, dann zwischen
ihnen vorgelegten Nachweise als nicht 1943 und 1946 am Manhattan-Projekt.
ausreichend. Das neue Element erklärte Zwischen 1946 und 1972 lehrte er Physik
man daher erst 1937 als sicher nachgewie- an der Universität Berkeley, kehrte 1974
sen und nannte es Technetium. nach Italien zurück, wo er in Rom einen
Lehrstuhl für Kernphysik erhielt. 1959
Noddack und seine Frau erhielten 1931 die erhielten Segrè und Chamberlain den
Liebig-Denkmünze der Gesellschaft Deut- Physik-Nobelpreis für ihre Entdeckung
scher Chemiker. 1935 lehrte Walter Nod- des Antiprotons (Segrè 1995).
dack als Ordentlicher Professor für Physi-
kalische Chemie an der Universität Freiburg
Chemie und von 1941 bis 1945 an der von
den Nationalsozialisten in Reichsuniversi- Der österreichisch-ungarische Physiker Josef
tät umbenannte Hochschule in Straßburg Mattauch (* 21. November 1895 Mährisch-
1947 wechselte er als Professor zur Philo- Ostrau (Moravska Ostrava); † 10. August
sophisch-Technischen Hochschule Bamberg, 1976 Klosterneuburg) trat 1941 die Nachfolge
wurde dann 1957 Honorarprofessor an der Uni- von Lise Meitner in der physikalischen
versität Erlangen und Leiter des Staatlichen Abteilung des Berliner Kaiser-Wilhelm-
Forschungsinstituts für Geochemie in Bamberg Instituts für Chemie an. Zwischen 1944
(Engel 1999, S. 307; Klee 2005, S. 438). und 1949 wurde das Institut ins württem-
bergische Tailfingen ausgelagert und dann
unter dem Namen Max-Planck-Institut für
Chemie in Mainz wieder aufgebaut, dessen
Der italienische Physiker Emilio Gino Direktor er wurde. Schwerpunkt seiner
Segrè (* 1. Februar 1905 Tivoli; † 22. April Arbeit war die Untersuchung der
1989 Lafayette, CA) führte 1937 den ersten Häufigkeit von Isotopen mit Hilfe der Mas-
eindeutigen Nachweis des Elements Techne- senspektrographie; 1934 stellte er die
tium. Er studierte zunächst in Rom Inge- Mattauchsche Isobarenregel auf (Mattauch
nieurswissenschaften, wechselte 1927 zur 1934; Hintenberger 1990, S. 388). Er
Physik und promovierte 1928 bei Enrico votierte 1957 mit siebzehn anderen Kern-
Fermi. Nach zwei Forschungsjahren in physikern gegen die Ausrüstung der Bun-
Deutschland und den Niederlanden war er deswehr mit Atomwaffen.
640 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Vorkommen Schon 1952 gelang der spektro- Gewinnung Jedes Jahr entstehen in Kernreakto-
skopische Nachweis, dass zumindest in einigen ren weltweit mehrere t des Metalls durch Spaltung
Roten Riesen wegen der in ihnen herrschenden des Uranisotops 23592U, weswegen abgebrannte
extrem hohen Temperaturen und Drücke Isotope Brennstäbe einen Anteil an Technetium von rund
des Technetiums vorkommen (Paul und Merrill 6 % (!) aufweisen. Infolgedessen dürfte sich die
1952). Da das Alter dieser Sterne schon mehrere bislang auf künstlichem Weg hergestellte Menge
Mrd. a beträgt, das längstlebige Isotop des Tech- des Metalls auf -extrapoliert- rund 100 t belaufen
netiums aber nur eine Halbwertszeit von ca. 4 und übertrifft damit die natürlich vorkommende
Mio. a besitzt, galt dies als erster klarer Beweis, um Größenordnungen.
das Isotope derartig schwerer Elemente im Inne- Bei der Wiederaufarbeitung dieser abgebrannten
ren solcher Sterne gebildet werden können Kernbrennstäbe löst man das Technetium in wässri-
(Moore 1951). Die Masse und Energie unserer gem Medium auf und oxidiert es zu Pertechnetat
Sonne reicht hingegen nicht zur Bildung solcher (TcO4). Nach Abwarten einer gewissen Abkling-
Isotope aus, bestenfalls lässt sich das Vorhanden- zeit kann man es dann von Salzen anderer in der
sein von Isotopen des Eisens (Ordnungszahl 26) Lösung enthaltenen Elemente (Uran, Neptunium,
im Sonnenspektrum nachweisen. Plutonium) abtrennen. Nach Umwandlung zu
Die winzigen Mengen, in denen Technetium Ammoniumpertechnetat (NH4TcO4) oder -hexachlo-
auf der Erde vorkommt, beruht nur auf dem inter- rotechnetat-IV [(NH4)2TcCl6] lässt man diese Ver-
mediären Vorhandensein von Zerfallsprodukten bindungen dann bei erhöhter Temperatur mit Was-
schwererer Atomkerne, die sofort weiter zerfallen. serstoff reagieren, worauf sich metallisches
Die in der Erdkruste enthaltene Menge an Tech- Technetium bildet. Ein zweiter Darstellungsweg ist
netium entspricht von der Größenordnung her die Elektrolyse einer schwefelsauren, wasserstoff-
etwa der des Franciums und Astats. Genau peroxidhaltigen Lösung von Ammoniumpertechne-
genommen, bildet 1 kg Uran der ausschließlichen tat.
Isotopenzusammensetzung 23892U als vorletztes Es wird jedoch weit mehr an Technetium pro-
Glied der nachfolgenden Zerfallskette ein Billi- duziert, als genutzt werden kann. Daher muss die
onstel (!) dieser Menge, also 1 ng, an Technetium größte Menge des im Reaktor hergestellten Mate-
(9943Tc) (Dixon et al. 1997; Curtis 1999): rials endgelagert werden. Erschwerend wirkt die
lange Halbwertszeit der erzeugten Isotope des
238
92 U ! ðSFÞ137 53 I þ 99
39 Y þ 21 0 n Technetiums. Zurzeit wird noch die Lagerung in
Salzstöcken favorisiert, jedoch bestehen Beden-
99
39 Y ! ðβ ;1, 5 sÞ99 40 Zr ! ðβ ;2, 1 sÞ ken wegen einer eventuell zu leicht möglichen
Auswaschung durch Grundwasser.
99
41 Nb ! ðβ ; 15 sÞ99 42 Mo ! ðβ ; 66 hÞ99m 43 Tc Soll Technetium in der Medizin eingesetzt
werden, so beschießt man Molybdän mit Neutro-
99m
43 Tc ! ðβ ; 211:100 aÞ99 44 Ru
nen. Das so erhaltene Isotop 9942Mo erleidet
β-Zerfall zum Isotop 99m43Tc, das unter Aussen-
Im Vergleich dazu ist die bislang vom Men- dung der therapeutisch eingesetzten γ-Strahlen in
schen erzeugte und teils auch in die Natur frei- das Isotop 9943Tc übergeht.
gesetzte Menge an Technetium riesig. Versuche Bei diesem Prozess entsteht nach Auflösen des
mit Kernwaffen setzten bisher insgesamt Metalls schließlich Pertechnetat (TcO4) in Kon-
ca. 250 kg frei, und einige t des Elements ent- zentrationen von 10 bis 1000 nmol/L. Nach des-
stammten Kernkraftwerken und Wiederaufarbei- sen Konzentration und Aufarbeitung entstehen
tungsanlagen (Yoshihara 1996; Tagami 2003). In Verbindungen, die man mit Wasserstoffgas zu
manchen Meerestieren ist wegen eines durch metallischem Technetium reduziert.
Einleitung technetiumhaltiger Abwässer stark
radioaktiv belasteten Lebensraumes ebenfalls Eigenschaften
Technetium nachzuweisen (Harrison und Phipps Physikalische Eigenschaften: Technetium ist ein
2001). in kompakter Form silbergraues, als Pulver matt-
5 Einzeldarstellungen 641

graues, radioaktives Metall. Sein Schmelz- bzw. menden Nukleonenbereich von 95 bis 101 sind
Siedepunkt liegt mit 2157  C bzw. 4265  C ziem- dies aber nur Isobare der zu Technetium benach-
lich hoch (s. Tab. 2) und zwischen den jeweiligen barten Elemente Molybdän und Ruthenium, sodass
Werten des Molybdäns und Rutheniums. Das alle Technetiumisotope ungerader Nukleonenzahl
Metall kristallisiert hexagonal (Schubert 1974); schon einmal instabil, d. h. radioaktiv, sind.
das Linienspektrum weist Emissionen bei 363, Ist die Nukleonenzahl dagegen gerade, kön-
403, 410, 426, 430 und 485 nm auf. nen Isobare mehrerer Elemente stabil sein. Dafür
Bei Raumtemperatur ist Technetium schwach existieren zwei unterschiedliche Energiekurven,
paramagnetisch. Unterhalb einer Temperatur von eine für gg-Kerne (jeweils gerade Zahl an Proto-
265,45  C wird das hochreine Metall supralei- nen und Neutronen) und eine für die energierei-
tend. Im supraleitenden Zustand wird die Durch- cheren, also instabileren uu-Kerne (jeweils unge-
lässigkeit für Magnetfelder sehr hoch und wird rade Zahl an Protonen und Neutronen). Das
nur noch von der des Niobs übertroffen. Vorhandensein von gg-Kernen ist bevorzugt, und
Alle bisher bekannten 34 Isotope des Elements nur wenn es keinen gg-Kern gleicher Nukleonen-
sind radioaktiv. Die längstlebigen sind 9843Tc, zahl gibt, existiert der entsprechende uu-Kern. Die
97 99
43Tc bzw. 43Tc mit Halbwertszeiten von 4,2 Atomkerne des Technetiums gerader Massenzahl
Mio., 2,6 Mio. bzw. 211.100 a. 9943Tc ist ein (9643Tc, 9843Tc und 10043Tc) sind alle uu-Kerne
weicher β-Strahler. Ist die Massenzahl der Isotope und könnten nur dann beständig sein, falls es
des Technetiums <98, so fangen sie Elektronen keine stabilen gg-Kerne gleicher Nukleonenzahl
ein (ε) und gehen in Molybdänisotope gleicher gäbe. Da aber jedes der Isotope 9642Mo, 9842Mo,
100 96 98 100
Massenzahl über. Die Isotope mit Massenzahlen 42Mo, 44Ru, 44Ru und 44Ru stabil ist,
99 und 101 erleiden dagegen β-Zerfall zu den entfällt auch diese Möglichkeit, dass Technetium
jeweiligen Isotopen des Rutheniums. Nur für das stabile Isotope besitzen könnte.
Isotop 10043Tc sind beide Zerfallswege möglich. Chemische Eigenschaften: Technetium ähnelt in
Warum ist Technetium als Element relativ seinen chemischen Eigenschaften weit mehr dem
niedriger Massenzahl instabil? Dies wird erklärt Rhenium als dem Mangan. Ist die beständigste Oxi-
durch die von Mattauch aufgestellten Thesen dationsstufe des Mangans +2 (Mn2+), so liegt Tech-
(Mattauch’sche Isobarenregel). Atomkerne sind netium in seinen Verbindungen oft auch in anderen
nur dann stabil, wenn sich die Zahl der Neutronen Oxidationsstufen vor (+4, +5 und +7). Auch +1, +3,
und Protonen miteinander im Gleichgewicht 0 und sogar 1 sind beschrieben, während gerade
befindet. Für Technetium liegt dieser Bereich die bei Mangan verbreitete Oxidationszahl +2 nur
möglicherweise beständiger Isotope bei Massen- selten auftritt (Rimshaw und Hampel 1968).
zahlen zwischen 95 und 101. Nur sind auch diese Pulverförmiges Technetium ist leicht brennbar
Isotope sämtlich radioaktiv. und reagiert auch heftig mit reaktiven Nichtme-
Kerne einer konstanten Zahl von Nukleonen tallen. Auch das kompakte Metall läuft an feuch-
(Protonen plus Neutronen), aber verschiedener ter Luft infolge Korrosion langsam an.
Protonen- (Kernladungs- oder Massen)zahl hei- Hingegen ist Technetium überraschend bestän-
ßen Isobare, wie beispielsweise 9942Mo, 9943Tc dig gegenüber Säuren wie Salz- oder Flusssäure,
und 9944Ru. Die Kernbindungsenergie der Atom- nur in konzentrierter Schwefel- oder Salpetersäu-
kerne dieser Isobare ist parabelförmig abhängig re löst es sich.
von der Zahl der Protonen, wobei der Scheitel-
punkt der Parabel die Kernbindungsenergie Verbindungen
innerhalb des stabilsten Atomkerns wiedergibt Chalkogenverbindungen Technetium-VII-oxid
(Mattauch 1934). (Tc2O7) kann man durch Verbrennen von Techne-
Bei ungerader Nukleonenzahl liegen die Ener- tium im Sauerstoffstrom bei 450–500  C erhalten
giewerte aller Kerne ebenfalls auf einer Parabel (Brauer 1981, S. 1598). Die nadelförmigen, gel-
und nur das stabilste existiert auch, also das, dessen ben Kristalle orthorhombischer Struktur haben die
Kernbindungsenergie in der Nähe des Pa- Dichte 3,5 g/cm3, schmelzen bei 120  C (die
rabelmaximums liegt. Für den in Betracht kom- Flüssigkeit siedet bei 311  C) und sind stark was-
642 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Technetium


Symbol: Tc
Ordnungszahl: 43
CAS-Nr.: 7440-26-8

Aussehen: Silbergrau Technetium, (http://www. Goldfolie, beschichtet mit 9943Tc


glänzend webqc.org 2016) (Onyxmet 2018)
Entdecker, Jahr Segrè und Perrier (Italien), 1937
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
96
43Tc (synthetisch) 4,28 d ε > 9642Mo
97
43Tc (synthetisch) 2,6  106 a ε > 9742Mo
98
43Tc (synthetisch) 4,2  106 a β > 9844Ru
99
43Tc (synthetisch) 211.100 a β > 9944Ru
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 1,2  1019
Atommasse (u): 98,906
Elektronegativität 1,9 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: TcO2 + 4e + 4 H+ ! Tc + 0,272
2 H2O (V)
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (185)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 147
Ionenradius (Tc2+/Tc4+, pm) 95/72
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d5 5s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 702 ♦ 1472 ♦ 2850
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,9  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 4,54  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul 407 ♦ 297 ♦ 123
(GPa):
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Mohs-Härte 5,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 16.200
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 11,5
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 8,63  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 51
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,27
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2157 ♦ 2430
Schmelzwärme (kJ/mol) 23
Siedepunkt ( C ♦ K): 4265 ♦ 4538
Verdampfungswärme (kJ/mol): 550
5 Einzeldarstellungen 643

seranziehend. In Wasser lösen sie sich leicht unter Halogenverbindungen Technetium-VI-fluorid


Bildung von in höheren Konzentrationen pink- (TcF6) ist das höchste Fluorid des Technetiums
farbenen Lösungen von Pertechnetiumsäure und wird durch Erhitzen von Technetium im
(HTcO4) (Krebs 1969; Herrell et al. 1977). Diese Fluorstrom bei Temperaturen um 400  C erhalten
gehört zu den starken Säuren; ihr Pertechnetata- (Selig et al. 1961). Der goldgelbe, oberhalb einer
nion wirkt im Gegensatz zu Permanganat aber nur Temperatur von 4,5  C kubisch, darunter or-
noch leicht oxidierend. thorhombisch kristallisierende Feststoff (Siegel
Technetium-IV-oxid (TcO2) ist ein braunschwar- und Northrop 1966) der Dichte 3,6 g/cm3 (Drews
zer, schwach paramagnetischer (Steigman et al. et al. 2006) schmilzt bei einer Temperatur von
1992) Feststoff der Dichte 6,9 g/cm3, der bei 37  C; die Flüssigkeit siedet bei 55  C (Selig
900  C schmilzt. Er beginnt bei weiterem Erhitzen und Malm 1962; Osborne et al. 1978). Im Mole-
zu Technetium und Technetium-VII-oxid zu dispro- kül der Verbindung ist ein Technetium- von sechs
portionieren. Salpetersäure oder Wasserstoffperoxid Fluoratomen oktaedrisch umgeben (Claassen
oxidieren Technetium-IV-oxid zu Pertechnetat et al. 1962, 1970).
(TcO4) (Brauer 1981, S. 1599). Man erhält die Technetium-VI-fluorid ist ein starkes Fluorie-
Verbindung entweder durch Erhitzen von Ammo- rungsmittel und unzersetzt nur in wenigen Medien,
niumpertechnetat bei Temperaturen um 800  C wie etwa Iod-V-fluorid, löslich. Durch Iod wird es
(I) oder durch gezielte Reduktion von Technetium- sofort zu Technetium-V-fluorid reduziert (Binen-
VII-oxid mit Wasserstoff (II; Schwochau 2000): boym und Selig 1976). Mit Alkalichloriden setzt es
sich zu Alkalihexafluorotechnetat-V (TcF6) um
(I) NH4TcO4 ! 2 TcO2 + 4 H2O + N2 (Edwards et al. 1963; Hugill und Peacock 1966).
(II) Tc2O7 + 3 H2 ! 2 TcO2 + 3 H2O Mit Natronlauge erleidet Technetium-VI-fluorid
Hydrolyse und Reduktion zu schwarzem, aus der
Technetium-IV-sulfid (TcS2) ist aus den Elemen- Lösung ausfallenden Technetium-IV-oxid (TcO2).
ten darstellbar, das schwarze Technetium-VII-sulfid In Flusssäure gelöstes Hydraziniumfluorid redu-
(Tc2S7) durch Einleiten von Schwefelwasserstoff in ziert das in der Oxidationsstufe +6 vorliegende
eine wässrige Lösung von Pertechnetiumsäure Element zu +5 bzw. +4, dies unter Bildung
(Schwochau 2000): von Hydraziniumhexafluorotechnetat-V bzw. -IV
(Frlec et al. 1967).
2 HTcO4 þ 7 H2 S ! Tc2 S7 þ 8 H2 O Das grüne Technetium-VI-chlorid (TcCl6) ist in
der Literatur nicht ausführlicher beschrieben,
Beim Erhitzen zersetzt sich Tc2S7 zu Tech- wohl aber das rote, paramagnetische, orthorhom-
netium-IV-sulfid und Schwefel: bisch kristallisierende und hydrolyseempfindliche
Technetium-IV-chlorid (TcCl4) (Brauer 1981,
Tc2 S7 ! 2 TcS2 þ 3 S S. 1600). Von der Substanz ist in der Literatur
nur der Siedepunkt mit 300  C angegeben; ober-
Allgemein kristallisieren die halbleitenden halb einer Temperatur von 450  C soll es sich
Technetium- und Rheniumdichalkogenide in unter Abspaltung von Chlor zu Technetium-III-
einem Schichtengitter, die wegen der Größe ihrer bzw. -II-chlorid zersetzen. Seine Darstellung
Elementarzellen vielfache Ramanschwingungen erfolgt entweder direkt aus den Elementen
eingehen können. Diese wiederum geben Auf- (I) oder aus Technetium-VII-oxid (Tc2O7) und Te-
schluss über die Orientierung der Ionen in ihren trachlorkohlenstoff (CCl4) (II, Housecroft 2005);
Ebenen. Diesbezüglich untersuchte man auch die allerdings entstehen bei letztgenannter Synthese
Ramanspektren von Technetium-IV-sulfid (Wol- giftiges Phosgen bzw. Chlor:
verson und Hart 2016).
Mit den höheren Chalkogenen bildet Techne-
tium analog Technetium-IV-selenid (TcSe2) und (I) Tc + 2 Cl2 ! TcCl4
-tellurid (TcTe2) (Schwochau 2000). (II) Tc2O7 + 7 CCl4 ! 2 TcCl4 + 7 COCl2 + 3 Cl2
644 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Vor kurzem stellte man Technetium-III-chlorid Spektren und Leitfähigkeit studierten Feng et al.
(TcCl3) aus Ditechnetium-III-dichlorid-tetraacetat im weiten Druckbereich bis zu 0.40 GPa. So steigt
und Chlorwasserstoff bei 300  C her. Im Kristall- beispielsweise die Härte von TcP4 mit dem
gitter des schwarzen Festkörpers befinden sich Druck (2017).
Tc3Cl9-Einheiten, die entsprechend einer C3V- Sonstige Verbindungen Technetium zeigt wie
Symmetrie angeordnet sind (Poineau et al. 2010). andere höhere Metalle der Nebengruppen kaum
Die Technetiumbromide TcBr4 und TcBr3 konnte noch eine „metalltypische“ Kationenchemie und
man durch Umsetzung metallischen Technetiums bildet dagegen eher kovalente Verbindungen mit
mit Brom bei ca. 400  C erhalten. Danach durchge- Molekülstruktur oder auch Cluster. Selbst im
führte Versuche zur Bestimmung der Kristallstruk- Molekül des Hydridotechnetat-VII-Komplexes
tur mittels Röntgendifraktometrie zeigten, dass [(TcH9)2] ist ein Technetiumion trigonal-pris-
TcBr3 im orthorhombischen Gitter kristallisiert. In matisch von insgesamt neun Wasserstoffanionen
diesem liegen unendliche Ketten von flächenseitig umgeben(!).
aneinander grenzenden TcBr6-Oktaedern vor, dies Hinsichtlich seiner Fähigkeit, direkte Ein- und
mit abwechselnd langen und kurzen Abständen der Mehrfachbindungen zwischen Metallatomen ein-
Technetiumatome untereinander. Auch das rot- zugehenden, ähnelt Technetium nur noch dem
braune TcBr4 kristallisiert orthorhombisch; im Rhenium, einigen Platinmetallen und dem Gal-
Gitter befinden sich ebenfalls unendliche Ketten lium (s. Abb. 18).
mit TcBr6-Octaedern, die jedoch lediglich kanten- In Abb. 18 sind die beiden wichtigsten Tech-
verknüpft sind. Anzeichen für Tc-Tc-Bindungen netium-Cluster abgebildet, der Tc6- und der Tc8-
liegen hier dagegen nicht vor. Technetium-III-bro- Cluster. In beiden sind je zwei Technetiumatome
mid ist isomorph mit Ruthenium- bzw. Molybdän- durch eine Dreifachbindung miteinander verbun-
III-bromid (RuBr3, MoBr3), wogegen TcBr4 mit den. Die Chemie dieser Cluster ist schon seit
Platin- und Osmium-IV-bromid (PtBr4, OsBr4) iso- Längerem Gegenstand ausführlicher Untersu-
morph ist (Poineau et al. 2009). chungen (Kryutchkov 1996).
Es gibt zahlreiche weitere Halogenide und Oxid- Ein Technetiumcarbid der ungefähren Zusam-
halogenide, über die aber nur wenige Daten zu mensetzung Tc6C wird gebildet, wenn Technetium-
finden sind, wie beispielsweise die Technetium- metall zusammen mit Kohle (Anteil ca. 16 %)
VII-trioxidhalogenide (TcO3F, TcO3Cl, TcO3Br erhitzt wird; die Entstehung des Carbids erkennt
und TcO3I), die Technetium-VI-oxidtetrahalogenide man dann am abrupten Wechsel der Kristallstruktur
(TcOF4, TcOCl4) und die Technetium-V-oxidtrihalo- des Gitters der Technetiumatome von hexagonal
genide (TcOF3, TcOCl3 und TcOBr3). Alle diese nach kubisch.
Verbindungen sind meist sehr hydrolyseempfindlich Eine 2016 vorbereitete Veröffentlichung über
und werden daher durch Wasser schnell zersetzt. ein angebliches Technetiummonocarbid (TcC)
Pnictogenverbindungen Reines Technetiummo- musste zurück gezogen werden (Jensen). Berech-
nonitrid (TcN) weist eine Dichte von 12,12 g/cm3 nungen zeigten, dass die Forscher stattdessen
auf und kristallisiert im kubischen Kochsalzgit- eine bis dahin unbekannte Phase metallischen
ter. Die Zusammensetzung intermediärer Phasen Technetiums untersucht hatten. Wie an der Uni-
untersuchte man während der Thermolyse von versität Stony Brook, NY, von Oganov et al.
(NH4)TcCl6 und (NH4)2TcBr6 innerhalb eines durchgeführte Rechnungen zeigten, ist die Bil-
Temperaturbereiches von 380–800  C unter dung von Technetiumcarbiden aufgrund der ein-
Argon. Bei 380  C erhält man stickstoffunter-
Tc Tc Tc Tc
sättigtes Nitrid TcN0,75 mit kubisch-flächen-
zentrierter Struktur. Mit steigender Reaktions- Tc Tc Tc
temperatur erfolgt eine lineare Änderung der Tc Tc Tc Tc
Gitterparameter (Vinogradov et al. 1978). Tc Tc Tc
Die strukturell bedingten Eigenschaften der
Technetiumphosphide Tc3P und TcP4 wie Härte, Abb. 18 Technetiumcluster Tc6 und Tc8 (Aglarech 2005)
5 Einzeldarstellungen 645

deutig bevorzugten intermetallischen Bindung kann sie teils auch bekämpfen. Die meisten inne-
der Technetiumatome im Gegensatz beispiels- ren Organe des Menschen sind so erfassbar.
weise zum Zirconium- oder Tantalcarbid energe- Der größte Teil des 99m43Tc wird schnell wie-
tisch viel ungünstiger (Wang et al. 2016). der aus dem Körper ausgeschieden, ein kleiner
Dagegen existieren Technetiummonoborid verbleibt im Körper und zerfällt unter Aussen-
und -diborid (TcB und TcB2), deren sämtliche dung der medizinisch genutzten γ-Strahlung
relevanten Phasen im Druckbereich 0–100 GPa zu 9943Tc, das eine lange Halbwertszeit von
hinsichtlich ihrer Elastizität untersucht wurden. 212.000 Jahren besitzt, ein weicher β-Strahler ist
Die Existenz einer neuen orthorhombisch kristal- und daher auch zu diesem Zweck verwendet wird.
lisierenden Phase von TcB wird vorhergesagt. Überraschenderweise erwiesen sich Ammo-
Weiterhin wurden die Phasen Tc3B und Tc7B3 nium- oder Kaliumpertechnetat als äußerst wirk-
beobachtet (Yang 2014). sames Rostschutzmittel für Stahl. Selbst unter
Ditechnetiumdecacarbonyl [Tc2(CO)10] ist aus drastischen Bedingungen (auf bis zu 250  C
Kohlenmonoxid und Technetium-VII-oxid unter erhitzter Wasserdampf) wird Stahl nach vorheri-
Druck zugänglich und ein weißer Feststoff (Hile- ger Behandlung mit einer Lösung von 55 mg/L
man et al. 1961). Neuerdings wurden zahlreiche Kaliumpertechnetat (KTcO4) in belüftetem entio-
Derivate des Carbonyls hergestellt (Sidorenko nisiertem (!) Wasser nicht oxidiert.
2010). Im Molekül des Carbonyls sind zwei durch
eine schwache Einfachbindung miteinander ver- Physiologie und Toxikologie Technetium be-
bundene Technetiumatome von jeweils fünf, in sitzt nach bisher vorliegenden Resultaten nur eine
oktaedrischer Symmetrie angeordneten Kohlen- geringe chemische Toxizität, alle Isotope des Ele-
monoxidmolekülen umgeben (Bailey und Dahl mentes sind aber radioaktiv und müssen gemäß
1965; Wallach 1962). Die zu Technetium ver- ihrer Strahlungsintensität in Schutzbehältern auf-
wandten Elemente der siebten Nebengruppe, bewahrt werden. Für das Isotop 99m43Tc gilt zur
Mangan und Rhenium, bilden analoge Carbonyle. Abschirmung der freigesetzten weichen Röntgen-
strahlung ein Sicherheitsabstand von 30 cm als
Anwendungen Der größte Teil des nur in gerin- ausreichend. Einatmen staubförmigen Metalls
gen Mengen gehandelten Technetiums dient als muss unbedingt vermieden werden, da dieses in
Radiotherapeutikum (Schwochau 1994). Das mit den Lungen abgelagert wird und über die Zeit
Abstand wichtigste Isotop des Technetiums, das Krebs verursachen kann.
für diese Zwecke genutzt wird, ist das sehr kurz-
lebige 99m43Tc (Halbwertszeit: 6 h). Man gewinnt
Patente
es durch Beschuss von 9842Mo mit Neutronen in
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
speziellen Reaktoren (Dilworth und Parrott 1998),
wide.espacenet.com)
von denen auf der ganzen Welt aber nur maximal
fünf im Einsatz sind. Die Überalterung dieser
P. Schaffer und F. Benard, Process of cyclo-
Reaktoren und damit sich häufende Stillstände
tron production of technetium-99m, sys-
lassen Engpässe bei der Versorgung mit diesem
tem, and device (Triumf, JP 2018095967
Isotop befürchten.
A, veröffentlicht 21. Juni 2018)
Seine kurze Halbwertszeit, die sehr weiche
W. Yang und Y. Liu, Method for preparing
γ-Strahlung und die Fähigkeit, sich an viele im
tricarbonyl technetium-99m interme-
menschlichen Körper vorhandene Moleküle
diate (Institute of High Energy Physics
anzulagern, prädestinieren 99m43Tc als Tracer für
CAS, WO 2018107526 A1, veröffent-
die Szintigrafie. Dazu koppelt man das in Lösung
licht 21. Juni 2018)
vorliegende Technetium an Eiweiße oder Anti-
H. Ebara und Y. Honda, Technetium pro-
körper und injiziert sie in den Blutkreislauf. Das
duction device, technetium production
Technetium lagert sich dabei auch an Tumorzellen
an und macht sie nicht nur „sichtbar“, sondern (Fortsetzung)
646 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

siehe „Neptunium“; Kurzbiografie Walter Nod-


method and radioactive medicine pro- dack siehe „Technetium“). Durch Aufarbeiten
duction method (Nihon Mediphysics des Minerals Columbit erhielten sie schließlich
Co., Ltd., JP 2018091708 A, veröffent- eine wässrige, äußerst niedrig konzentrierte
licht 14. Juni 2018) Lösung von Perrhenat und wiesen das Vorliegen
E. S. Stasyuk und E. A. Nesterov, Method von Rhenium in dieser Lösung mittels Röntgen-
of obtaining the technetium-99m com- spektroskopie nach (Tacke 1925). Gleichzeitig
plex with octreotide for diagnosing reklamierten Noddack und Tacke auch die Entde-
of neuroendocrine tumors (Federalnoe ckung des Technetiums für sich, indem sie
Gosudarstvennoe Avtomnoe Obrazova- behaupteten, sehr geringe Mengen dieses Ele-
telnoe Uchrezhdenie Vysshego Obrazo- ments entdeckt zu haben, ohne dieses aber dar-
vaniya Natsionalnyj, RU 2655392 C1, stellen zu können. In Fortsetzung ihrer Arbeit
veröffentlicht 28. Mai 2018) isolierten Noddack und Tacke 1928 1 g Rhenium
H. Hu und L. Sun, High-sensitivity spectro- aus 660 kg Molybdänerz (Noddack und Noddack
photometric method for measuring rhe- 1929).
nium or technetium in solution and water
environment (University of Fuzhou, CN
107907493 A, veröffentlicht 13. April
Der deutsche Chemiker Otto Berg (* 23.
2018)
November 1873 Berlin; † 1939) war an der
S. Rogov und E. A. Nesterov, Method of
Entdeckung des Elements Rhenium in
manufacturing chromatographic genera-
Zusammenarbeit mit Walter Noddack und
tor technetium-99m from molybdenum- Ida Tacke beteiligt, ebenso an den Arbeiten
98 irradiated by neutrons (Federalnoe zur nicht offiziell anerkannten Entdeckung
Gosudarstvennoe Avtomnoe Obrazova- des Elements Masurium (heute Techne-
telnoe Uchrezhdenie Vysshego Obrazo- tium). Er studierte von 1894 bis 1898 Che-
vaniya Natsionalnyj, RU 2642485 C1, mie in Berlin, Heidelberg und Freiburg im
veröffentlicht 25. Januar 2018) Breisgau, arbeitete dann von 1902–1911 als
B. Guerin und R. Ouellet, Processes for Privatdozent in Greifswald und wechselte
obtaining technetium-99m and/or mo- danach zur Firma Siemens & Halske in
lybdenum(VI) oxide (Socpra Sciences Berlin-Charlottenburg.
Santé et Humaines S.E.C., CA 2958749
A1, veröffentlicht 23. August 2017) Er hatte großen Anteil an der Identifikation
G. Yang und J. Hu, Method for extracting der zwei neuen Elemente mittels Röntgen-
technetium from molybdenum solution spektroskopie. 1925 gelang dem Dreier-
adopting polyamide resin (Atom High team die Entdeckung von Masurium und
Tech Co. Ltd., CN 106967882 A, ver- Rhenium. Rhenium wiesen sie in Röntgen-
öfentlicht 21. Juli 2017) spektren eindeutig nach, und sie konnten es
aus Erzen in wägbarer Menge isolieren.
R. C. Moore und M. D. Tucker, Apatite
Auch im Fall des Technetiums gilt für
sequestration of technetium (Sandia
ca. 30 von rund 1000 Spektren der Nach-
Corp., US 9443627 B1, veröffentlicht
weis des Elements als gesichert und in vie-
13. September 2016)
len weiteren als wahrscheinlich. Trotzdem
erkannte man ihnen offiziell die Entde-
ckung des Elements nicht zu, weil sie es
nicht isolieren konnten und die an der
5.3 Rhenium Grenze der damals möglichen Nachweis-
barkeit liegenden Spektrallinien nicht re-
Geschichte 1925 entdeckten Noddack, Tacke produzierbar waren (Tilgner 2000).
und Berg Rhenium (Kurzbiografie Ida Tacke
5 Einzeldarstellungen 647

Vorkommen Rhenium ist eines der seltensten Darüber hinaus hat Rhenium mit 3186  C
nicht-radioaktiven Elemente und ist in der Erd- nach Wolfram und Kohlenstoff den dritthöchsten
kruste nur mit einem Anteil von 0,7 ppb (!) ver- Schmelzpunkt aller Elemente und mit 5596  C
treten. Elementar kommt es nicht vor, sondern nur deren höchsten Siedepunkt. Unterhalb einer Tempe-
chemisch gebunden in einigen wenigen Erzen. Es ratur von 271,45  C wird es supraleitend. Rhe-
tritt oft als Begleiter des Molybdäns in dessen nium ist gut schmied- und schweißbar und bleibt
Erzen wie etwa Molybdänglanz (Molybdän-IV- dies auch nach Rekristallisation (Gebhardt et al.
sulfid, MoS2) auf, der Rhenium in Anteilen bis 1972).
zu 0,2 % enthalten kann (Greenwood und Earn- 34 Isotope und weitere 20 Kernisomere des
shaw 1988). Columbit (Fe,Mn)[NbO3], Gadolinit Rheniums sind bekannt, von denen nur die Iso-
Y2FeBe[O|SiO4]2 und Alvit (ZrSiO4) können tope 18575Re und 18775Re natürlich vorkommen.
ebenfalls nennenswerte Mengen an Rhenium auf- Ersteres hat einen Anteil von 37,4 % an der natür-
weisen. Die wichtigsten Vorkommen, wenn man lichen Isotopenverteilung und ist stabil, das
angesichts der Seltenheit des Elementes über- andere und damit häufigere (Anteil: 62,6 %) ist
haupt davon sprechen kann, befinden sich in den schwach radioaktiv und erleidet β-Zerfall mit
USA, in Kanada, Polen, Chile und Usbekistan. einer Halbwertszeit von 4,12  1010 a zu 18776Os.
Das einzige bislang aufgefundene reine Rhenium- Daher rührt die spezifische Radioaktivität natürlich
mineral ist der Rhenit (Rhenium-IV-sulfid, ReS2); vorkommenden Rheniums mit 1020 Bq/g.
gefunden wurde er im Fernen Osten Russlands auf Von den künstlich erzeugten Isotopen setzt
einer Kurileninsel (Korzhinsky et al. 1994). man 18675Re und 18875Re als Tracer ein, das vor-
wiegend unter Emission von β-Strahlung zerfal-
Gewinnung Rhenium gewinnt man aus den lende Isotop 18675Re auch zur Therapie bei der
sulfidischen Erzen des Molybdäns. Werden diese Radiosynoviorthese (Farahati et al. 1997). Dafür
geröstet, sammelt sich das flüchtige Rhenium- verwendet man 18875Re bevorzugt als Radio-
VII-oxid in der Flugasche. Mit Ammoniakwasser pharmakon zur Bekämpfung von Tumoren.
kann man die Verbindung aus der Asche auswa- Chemische Eigenschaften: Rhenium weist für
schen, wobei eine wässrige Lösung von Ammo- die Reaktion
niumperrhenat (NH4ReO4) entsteht (I), das
abgetrennt und dann bei hoher Temperatur mit Re3þ þ 3 e ! Re
Wasserstoff zu Rhenium reduziert wird (II):
mit +0,3 V ein positives Standardpotenzial auf und
(I) Re2O7 + H2O + 2 NH3 ! 2 NH4ReO4 verhält sich meist auch einem Halbedelmetall ähn-
(II) NH4ReO4 + 4 H2 ! 2 Re + N2 + 8 H2O lich. Es ist bei Raumtemperatur nahezu inert und
auch gegenüber Luftsauerstoff beständig. Erst wenn
2015 betrug die Menge des weltweit produ- es auf Temperaturen von 400  C erhitzt wird,
zierten Rheniums 46 t bei gleichzeitigen Reserven reagiert es mit Sauerstoff, Schwefel, Fluor und
von 2500 t. Die wichtigsten Produzenten waren Chlor. Es ist auch unlöslich in Salz- oder Flusssäure,
Chile (26 t), die USA (8,5 t) und Polen (7,8 t) wohl aber in konzentrierter, also oxidierend wirken-
(Polyak 2015). der Schwefel- und Salpetersäure. Wird es mit
Peroxiden verschmolzen, so entstehen farblose
Eigenschaften Perrhenate-VII (ReO4) oder grüne Rhenate-VI
Physikalische Eigenschaften: Rhenium ist ein (ReO42). In feinverteilter Form ist Rhenium an
sehr seltenes, silberweiß glänzendes Metall, das der Luft leicht entzündlich; an feuchter Luft oxidiert
hexagonal-dichtest kristallisiert (Holleman et al. pulverförmiges Rhenium sogar zu Perrheniumsäure
2007, S. 214). Seine mit 21,03 g/cm3 sehr hohe (HReO4).
Dichte ist die vierthöchste aller Elemente
(s. Tab. 3) und wird nur noch von der des Os- Verbindungen Ähnlich wie bei Mangan und
miums, Iridiums und Platins übertroffen. Technetium kennt man Verbindungen in allen
648 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Rhenium


Symbol: Re
Ordnungszahl: 75
CAS-Nr.: 7440-15-5

Aussehen: Grauweiß glänzend Rhenium, Barren 25 g, 99,99 %


(Onyxmet 2019)
Entdecker, Jahr Noddack, Tacke und Berg (Deutschland), 1925
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
185
75Re (37,4) Stabil ——
187
75Re (62,6) 4,12  1010a β- > 18776Os
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,001
Atommasse (u): 186,207
Elektronegativität 1,9 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: ReO2 + 4H+ + 4e ! Re + 2H2O (V) 0,276
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (188)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 159
Ionenradius (Re6+/Re7+, pm) 61/60
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d5 6s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 760 ♦ 1260 ♦ 2510♦ 3640
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 9,6  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 5,56  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 463 ♦ 370 ♦ 178
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 2450 ♦ 1320
Mohs-Härte 7,0
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 4700
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 21,0
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 8,86  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 48
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,48
Schmelzpunkt (  C ♦ K): 3186 ♦ 3459
Schmelzwärme (kJ/mol) 33
Siedepunkt (  C ♦ K): 5630 ♦ 5903
Verdampfungswärme (kJ/mol): 707

Oxidationsstufen von 3 bis +7, wobei, im rheniumhaltiger Manganerze liefert unter ande-
Gegensatz zu Mangan, diejenigen mit höheren rem das flüchtige Rhenium-VII-oxid (Schmelz-
Oxidationszahlen auch die stabileren sind. punkt 220  C, Siedepunkt 363  C), das aus dem
Chalkogenverbindungen Rhenium-VII-oxid Flugstaub ausgewaschen wird. Aus der so entste-
(Re2O7) ist das stabilste Oxid des Rheniums, das henden wässrigen Lösung der – im Gegensatz zur
nicht nur ein Zwischenprodukt bei der Produktion „Permangansäure“ – stabilen, relativ starken Per-
von Rhenium ist, sondern auch Ausgangsmaterial rheniumsäure fällt man Rhenium durch Zugabe
für die Synthese organischer Verbindungen des von Ammoniumsalzen in Form farblosen Ammo-
Elements (Herrmann et al. 2007). Das Rösten niumperrhenats (s. Abb. 19) und reduziert jenes
5 Einzeldarstellungen 649

Rhenium(VI)-oxid (I) oder von Ammoniumper-


rhenat im trockenen Inertgasstrom (II):

(I) Re + 2 ReO3 ! 3 ReO2


(II) 2 NH4ReO4 ! 2 ReO2 + N2 + 4 H2O

Abb. 19 Ammoniumperrhenat (Stanford Advanced


Ebenso ist es durch Reduktion von Perrhenat-
Materials 2018) Lösungen erhältlich; es fällt aus diesen als dunkler
Niederschlag aus (Riedel 2004, S. 811). Es besitzt
die hohe Dichte von 11,4 g/cm3 und schmilzt bei
mit Wasserstoff bei hoher Temperatur zum Ele- einer Temperatur von 1000  C. Unterhalb von
ment. Das gelbe, kristalline Rhenium-VII-oxid 300  C ist die monokline α-Form die stabilste und
hat trotz eines beträchtlichen Anteils an Sauerstoff auch beständige, oberhalb davon erfolgt der irrever-
die hohe Dichte von 6 g/cm3 und kristallisiert sible Übergang in die orthorhombische β-Mo-
orthorhombisch (Krebs et al. 1969). difikation. Beide Formen haben metallische Leitfä-
Rhenium-VII-oxid ist sehr hygroskopisch, na- higkeit und sind unlöslich in Wasser sowie Basen,
turgemäß sehr gut löslich in Wasser und wird dagegen löslich in Salzsäure. Eine Mischung aus
durch Wasserstoff bei Temperaturen um 300  C Wasserstoffperoxid und Salpetersäure bewirkt Oxi-
zu Rhenium-IV-oxid (ReO2) reduziert (Brauer dation der Verbindung zu Perrheniumsäure. Bei er-
1981, S. 1616). Es dient als Katalysator bei der höhter Temperatur setzt sich Rhenium-IV-oxid mit
Oxidation von Alkanen zu Carbonsäuren (Kirillo- Sauerstoff zu Rhenium-VII-oxid um.
va et al. 2007) und bei der Metathese von Olefinen Rhenium-VII-sulfid (Re2S7) gewinnt man
(Onaka und Oikawa 2002). durch Einleiten von Schwefelwasserstoff in eine
Rhenium-VI-oxid (ReO3) kann man durch Perrhenatlösung, ohne dass dabei H2S oxidiert
Reduktion von Rhenium-VII-oxid mit Kohlen- würde(!) (Riedel 2004, S. 811):
monoxid (bei 200  C, I) oder Rhenium (bei
400  C, II) darstellen (Brauer 1981, S. 1616): KReO4 þ 7 H2 S þ 2 HCl
! Re2 S7 þ 2 KCl þ 8 H2 O
(I) Re2O7 + CO ! 2 ReO3 + CO2
(II) 3 Re2O7 + Re ! 7 ReO3 Die braunschwarze bis schwarze, tetragonal
kristallisierende Verbindung (D’Ans et al. 1998,
Der rotviolette Feststoff schmilzt bei einer S. 696) ist bei Abwesenheit von Luftsauerstoff
Temperatur von 400  C, besitzt eine Dichte von in Salzsäure, Schwefelsäure und Alkalisulfiden
7 g/cm3 und kristallisiert in einer Struktur ähnlich unlöslich. Oxidationsmittel wie Salpetersäure
zu der des Perowskits, in der aber das Zen- oder Bromwasser oxidieren es zu Perrhenat
tralatom fehlt, wodurch eine kubisch-primitive (ReO4). Durch Wasserstoff wird es bei erhöhter
Struktur resultiert (Chang und Trucano 1978). Temperatur zu metallischem Rhenium reduziert
Der spezifische elektrische Widerstand der Ver- (Brauer 1981, S. 1617). Diese Reaktion wendet
bindung ist sehr gering, ähnlich wie bei Metallen. man auch zur Herstellung metallischen Rheniums
Rhenium-VI-oxid löst sich nur in heißen Laugen, an, da Re2S7 in sulfidischen Kupfererzen enthalten
in denen es zu Rhenium-IV-oxid und Perrhenat ist und bei deren Rösten in Rhenium-VII-oxid
disproportioniert. Auch das Erhitzen der Verbin- übergeht, das durch Wasserstoff leicht bis zum
dung im Vakuum ergibt bei Temperaturen von metallischen Rhenium reduziert wird (Briehl
oberhalb 300  C Rhenium-IV- und -VII-oxid 2007, S. 91).
(Brauer 1981, S. 1616). Rhenium-IV-sulfid (ReS2) wird aus den Ele-
Rhenium-IV-oxid (ReO2) erhält man beim menten bei einer Temperatur von etwa 1000  C
Erhitzen einer Mischung von Rhenium und (I) oder alternativ durch Thermolyse von
650 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Rhenium-VII-sulfid bei 1100  C (II) hergestellt Das Gitter des Rhenium-IV-selenids hat eine
(Brauer 1981, S. 1619): sehr niedrige trikline Symmetrie, die auch beim
Übergang vom kompakten zum extrem dünnen
(I) Re + 2 S ! ReS2 Material nicht wechselt (Dumcenco et al. 2008;
(II) Re2S7 ! 2 ReS2 + 3 S Jiang et al. 2018).
Rhenium-IV-tellurid (ReTe2), ein in kristalli-
Rhenium-IV-sulfid ist ein schwarzer, geruchlo- ner Form metallisch glänzender Festkörper
ser, triklin kristallisierender und wasserunlösli- (s. Abb. 21) der Dichte 8,55 g/cm3, weicht von
cher Halbleiter der Dichte 7,5 g/cm3. Er ist stabil seinen beiden oben erwähnten Homologen ab,
gegenüber Salzsäure, Laugen und Alkalisulfid; denn sein Kristallgitter zeigt keine Schichtstruk-
nur starke Oxidationsmittel greifen die Verbin- tur, sondern eine orthorhombische Geometrie
dung an und oxidieren sie zu Perrhenat. Rhenium- (Wildervanck und Jellinek 1971).
IV-sulfid zersetzt sich oberhalb von 700  C im Halogenverbindungen Rhenium reagiert mit
Vakuum in Rhenium und Schwefel; die Re- Halogenen meist zu Hexahalogeniden (ReX6).
duktion mit Wasserstoff führt ebenfalls zu metal- Fluor und Chlor ergeben mit Rhenium bei einer
lischem Rhenium. Temperatur um 120  C direkt blassgelbes Rhe-
Rhenium-IV-selenid (ReSe2) kristallisiert wie nium-VI-fluorid (ReF6) (Brauer 1975, S. 271)
andere Übergangsmetalldichalkogenide in einem bzw. bei 600  C grünes, sehr leicht zu Rhe-
Schichtengitter, in dem nur die jeweiligen Ionen nium-V-chlorid zerfallendes Rhenium-VI-chlo-
einer Schicht relativ stark aneinander gebunden rid (ReCl6).
sind, nicht aber die Ionen benachbarter Schichten. Hellgelbes Rhenium-VII-fluorid (ReF7) liegt
Jene sind nur durch schwache Van der Waals- bei Raumtemperatur in Form pentagonal-bi-
Kräfte miteinander verbunden, was sich darin pyramidaler Kristalle der Dichte 4,3 g/cm3 vor
äußert, dass dünne Schichten leicht von den Ober- (Vogt et al. 1994), die bei einer Temperatur von
flächen des kompakten Materials abgelöst werden 48  C schmelzen. Die Verbindung stellt man aus
können. den Elementen bei 400  C unter Druck her:
Rhenium-IV-selenid weist eine Dichte von
9,22 g/cm3 auf (Wildervanck und Jellinek 1971) 2 Re þ 7 F2 ! 2 ReF7
und ist ein Halbleiter mit einer indirekten Band-
lücke von 1,2 eV (27  C). Einkristalle mit Die Darstellung des bei Raumtemperatur flüs-
schwarzglänzender Optik können bis zu Reinhei- sigen Rhenium-VI-fluorids (ReF6), das bei 18,5  C
ten von 6N erzeugt werden (2D Semiconductors erstarrt und bei 33,7  C siedet, erfolgt entweder
2018). Durch chemische Abscheidung aus der durch Reaktion von Rhenium-VII-fluorid mit
Gasphase kann man unter Normaldruck Dicken Rheniummetall im Autoklaven bei Temperaturen
bis zu lediglich drei ionischen Lagen erzeugen um 300  C (I, Drews et al. 2006) oder aus den
(s. Abb. 20b). Dazu leitet man eine Mischung Elementen bei Wahl eines geringeren Fluorüber-
aus Argon und Wasserstoff durch ein Röhrchen, schusses als im Falle des Heptafluorids (II, Brauer
dessen Enden auf unterschiedlicher Temperatur 1975, S. 271):
gehalten sind. Das Substrat (Goldfolie) sowie pul-
verförmiges Rhenium-VI-oxid befinden sich am (I) 6 ReF7 + Re ! 7 ReF6
„heißen“ Ende (750  C), wogegen sich das Selen- (II) Re + 3 F2 ! ReF6
pulver am „kalten“ Ende (250  C) befindet (Jiang
et al. 2018). Die Atome des Selens gehen langsam Die Verbindung kristallisiert mit orthorhombi-
in die Gasphase über und werden vom Träger- scher Struktur; in den Moleküleinheiten ist ein
gasstrom auf das Rhenium-VI-oxid geleitet, wo Rhenium- oktaedrisch von sechs Fluoratomen
folgende Reaktion abläuft (s. auch Abb. 20a): umgeben.
Rhenium-V-chlorid (ReCl5) liegt in Form hy-
2 ReO3 þ 7 Se ! 2 ReSe2 þ 3 SeO2 drolyseempfindlicher, paramagnetischer, schwarz-
5 Einzeldarstellungen 651

Abb. 20 a Wachstum des


Gitters von Rhenium-IV-
selenid bei der Reaktion
von Rhenium-VI-oxid mit
Selendampf (Jiang 2018).
b Ansicht des ReSe2-Gitters
von oben (links) und von
der Seite (rechts) (Hart
2017)

Abb. 21 Rhenium-IV-tellurid (Onyxmet 2018) Abb. 22 Rhenium-V-chlorid (Onyxmet 2018)

brauner Kristalle (s. Abb. 22) monokliner Struktur erzeugt man durch Umsetzung von Rhenium-V-
vor, die bei 261  C schmelzen. Man stellt die Ver- chlorid (ReCl5) mit Antimon-III-chlorid (SbCl3)
bindung aus den Elementen oder auch aus (I) bzw. Rhenium-III-chlorid bei einer Temperatur
Rhenium-VII-oxid und Tetrachlorkohlenstoff her von 300  C (II, Brauer 1981, S. 1610), wogegen
(Brauer 1981, S. 1608). Im Kristallgitter selbst lie- die γ-Form bei der Reaktion von Rhenium-V-
gen Re2Cl10-Einheiten vor. In Wasser ist es nur chlorid mit Tetrachlorethen bei Temperaturen um
unter Disproportionierung bzw. Hydrolyse zu einem 120  C gebildet wird (III):
Gemisch aus Perrheniumsäure, Rhenium-IV-oxid,
Chlororhenat-IV-Anionen und Chlorwasserstoff (I) 2 ReCl5 + SbCl3 ! 2 ReCl4 + SbCl5
löslich. Unzersetzt löst es sich in Cyclohexan. Es (II) ReCl5 + ReCl3 ! 2 ReCl4
dient als Zwischenprodukt für Synthesen von Organ- (III) 2 ReCl5 + C2Cl4 ! 2 ReCl4 + C2Cl6
orheniumverbindungen.
Rhenium-IV-chlorid (ReCl4) existiert in drei β-Rhenium-IV-chlorid ist ein schwarzes, in
unterschiedlichen Modifikationen. Die β-Form monokliner Struktur kristallisierendes Pulver,
652 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

das in Wasser oder auch schon an feuchter Luft 6 ReCl5 þ 10 BBr3 ! 6 ReBr4 þ 3 Br2
Hydrolyse erleidet. Es löst sich in Alkanolen, þ10 BCl3 "
Aceton und auch Dimethylsulfoxid unter langsa-
mer Zersetzung und ist unlöslich in Acetonitril,
Das schwarze, bei 500  C schmelzende Rhe-
Tetrahydrofuran, Benzol und Tetrachlorkohlen-
nium-III-bromid (ReBr3) ist aus den Elementen
stoff. Beim Erhitzen unter Inertgasatmosphäre
bei Temperaturen um 600  C herstellbar (Brauer
disproportioniert es zu Rhenium-III- und Rhe-
1981, S. 1612). Es ist relativ beständig beim Ste-
nium-V-chlorid (Riedel und Janiak 2011, S. 836).
henlassen an der Luft. In Aceton ist es unzersetzt
Dagegen stellt γ-Rhenium-IV-chlorid ein brau-
löslich, dagegen wird es durch Wasser und auch
nes Pulver monokliner Kristallstruktur dar, das
Ammoniak schnell solvolysiert.
ebenfalls nur an trockener Luft beständig ist.
Das schwarze Rhenium-IV-iodid (ReI4) ist
Auch ist es unlöslich in Benzol und Tetrachlor-
hygroskopisch und hydrolyseempfindlich. Es
kohlenstoff, in Aceton löst es sich aber unzersetzt
spaltet, namentlich bei Unterdruck, schon bei
mit grüner Farbe.
Raumtemperatur Iod ab, um in Rhenium-III-iodid
In wasserfreien Lösungsmitteln kann man
überzugehen. Man erzeugt es durch Umsetzung
Rhenium-IV-oxid mit Thionylchlorid zur α-Mo-
einer wässrigen Lösung von Perrheniumsäure
difikation des Rhenium-IV-chlorids umsetzen,
(erhältlich durch Auflösen von Rhenium-VII-oxid
die aber immer nur in unreinem Zustand anfällt.
in Wasser) mit Iodwasserstoffsäure:
Rhenium-III-chlorid (ReCl3) ist ein parama-
gnetischer, dunkelvioletter Feststoff mit trigonaler
Re2 O7 þ 14 HI ! 2ReI4 þ 3 I2 þ 7 H2 O
Kristallstruktur und der Dichte 4,8 g/cm3, der bei
500  C schmilzt (Biltz et al. 1932). Man gewinnt
die Substanz durch thermische Zersetzung von Rhenium-III-iodid (ReI3) gewinnt man am bes-
Rhenium-V-chlorid (Brauer 1981, S. 1612): ten ebenfalls durch eine Redoxreaktion, diesmal
zwischen Perrheniumsäure, Ethanol und Iodwas-
ReCl5 ! ReCl3 þ Cl2 serstoff (I), oder aber aus Rhenium-III-chlorid und
Bor-III-iodid bei etwa 300  C (II, Brauer 1981,
S. 1615):
Die bei erhöhter Temperatur ablaufende
Reaktion von Rhenium-V-chlorid mit Zinn-II- (I) HReO4 + 3 HI + 2 C2H5OH ! ReI3 + 4 H2O +
chlorid 2CH3C(O)H
(II) ReCl3 + BI3 ! ReI3 + BCl3"
ReCl5 þ SnCl2 ! ReCl3 þ SnCl4 "
Die erst bei ca. 800  C unter Zersetzung in die
stellt eine elegante Alternative dar, da das mit Elemente schmelzende, schwarze, monoklin in
entstehende Zinn-IV-chlorid leicht abdestilliert Nadelform kristallisierende Verbindung ist kaum
und so dem Reaktionsgemisch entzogen wird. Ist löslich in Wasser, verdünnten Säuren, Alkoholen,
Rhenium-III-chlorid an feuchter Luft noch eini- Kohlenwasserstoffen und Tetrachlorkohlenstoff
germaßen beständig, so hydrolysiert es in Wasser (Latscha und Mutz 2011, S. 239).
und vor allem in Basen. In dipolar-aprotischen Pnictogenverbindungen Aus Rheniumnitrid
Lösungsmitteln sowie Salz- und Essigsäure ist es (ReNx) bestehende Filme konnten auf (100)-Si-
hingegen unzersetzt löslich. Sauerstoff oxidiert es Substraten mit der durch pulsierendes Laserlicht
bei hohen Temperaturen zu Oxidchloriden. unterstützten Methode der Abscheidung aus der
Rhenium-IV-bromid (ReBr4) ist ein schwarzer, Gasphase (PLD-Methode) erzeugt werden. Ein
instabiler Feststoff, den man durch Umsetzung Stab aus hochreinem Rhenium setzte man einer
von Rhenium-V-chlorid mit Bor-III-bromid, nicht aus molekularem Stickstoff bestehenden Atmo-
aber direkt aus den Elementen erhält (Brauer sphäre aus. Die unter anderem mittels Auger-
1981, S. 1612): Elektronen- und Röntgen-Spektroskopie cha-
5 Einzeldarstellungen 653

rakterisierten Filme sind sehr gute elektrische Synthesebedingungen wechseln. So stellten Iva-
Leiter, wenn das Verhältnis N/Re<1,3 ist. Der nenko et al. halbleitende Einkristalle von ReSi1,75
elektrische Widerstand von ReNx-Filmen für durch Reaktion einer Mischung aus Rhenium-
0,2<x<1,3 beträgt nur 5 % desjenigen von aus und Siliciumpulver im entsprechenden stöchio-
reinem Rhenium bestehenden Filmen, nur für metrischen Verhältnis her und reinigten das Pro-
x>1,3 steigt der Widerstand sprunghaft an (Soto dukt durch Zonenschmelzen. Die Verbindung soll
et al. 2007). im Kristallgitter eine große Anisotropie der effek-
Weitere Untersuchungen zeigten, dass die tiven Massen und Beweglichkeit der Silicid-
Härte der Rheniumnitride, von denen bis jetzt Fehlstellen besitzen (2002).
Re3N, Re2N, Re3N2, ReN3 und ReN4 charakteri- Inui untersuchte die Strukturen sowie die
siert sind, mit steigendem Gehalt an Stickstoff thermoelektrischen Eigenschaften einiger Rhe-
zunimmt (Cui et al. 2014). Die hexagonal kristal- niumsilicide. Die schon oben erwähnte binäre
lisierenden Nitride Re3N und Re2N haben sehr Verbindung ReSi1,75 kristallisiert mit monokliner
hohe Kompressionshärten von >400 GPa und Struktur. Die Dichte und Anordnung der Silicid-
liegen damit auf einer Stufe mit den härtesten Fehlstellen kann durch Legieren mit einem
Übergangsmetallcarbiden und -nitriden. Besser dritten Metall bzw. Halbmetall beeinflusst wer-
für technische Anwendungen geeignet ist Re3N, den (2005).
weil man es bei moderaten Drücken (13–16 GPa) Rheniumdiborid (ReB2) hat eine zu Diamant
und Temperaturen (1300–2100  C) aus den Ele- vergleichbare Härte (Chung et al. 2007), schmilzt
menten darstellen kann (Friedrich et al. 2010). bei 2400  C (Portnoi und Romashov 1968) und ist
Rheniumphosphid (ReP) ist ein Halbleiter und bei Temperaturen von <268,65  C supraleitend
kann in Hochenergieanwendungen und Laser- (Strukowa et al. 2001). Die Verbindung wurde
dioden eingesetzt werden. 1962 erstmals dargestellt (La Placa und Post);
Sonstige Verbindungen Die Verwendung von man erhitzt dazu eine pulverförmige Mischung
Rheniumcarbiden in keramischen Heizelementen der Elemente auf ca. 1000  C im Vakuum und
ist patentiert (Tatematsu et al. 1989). Dirhenium- über fünf Tage hinweg. Dabei resultiert ein
monocarbid (Re2C) konnte im Mikromaßstab schwarzes Pulver (s. Abb. 23). Metallisch glän-
unter Normalbedingungen aus einer feinpulvri- zende Stücke erhält man dagegen, wenn man die
gen Mischung der Elemente nach elfstündigem Mischung bei gleicher Temperatur einem elektri-
Mahlen erzeugt werden. Das in polyedrischen schen Lichtbogen aussetzt. Anwendung hoher
Agglomeraten kristallisierende Produkt erwies Drücke ist im Gegensatz zur Produktion syntheti-
sich als bis zu Temperaturen von 800  C stabil scher Diamanten nicht erforderlich.
und besaß eine spezifische Oberfläche von 2 m2/g Auch Rheniumdiborid ist mit einem Kom-
(Granados-Fitcha et al. 2016). pressionsmodul von 360 GPa äußerst hart und
Auch Re2C ist, ähnlich wie Re2N, mit einer steht darin Diamant (442 GPa) kaum nach. Die
Härte (Bulk-Modul) von 400 GPa extrem inkom- Ursache für die außerordentlich hohe Härte von
pressibel. Üblicherweise und im Gegensatz zu der Rheniumdiborid, -nitriden und -carbiden ist,
oben beschriebenen, nur für den Kleinstmaßstab dass in diesen Gittern sehr viele kurze kovalente
anwendbaren Methode stellt man Rheniumcarbi- Bindungen (Zhou et al. 2007) vorliegen, und
de üblicherweise unter Anwendung hoher Drücke Atome des Rheniums mit einer Valenzelek-
und Temperaturen her (bis zu 10 GPa für Re2C und tronendichte von 476/nm3 (zum Vergleich:
20–30 GPa für Re2N). Hierzu verwendete man Osmium mit 572/nm3, Diamant mit 705/nm3)
eine Mischung aus Rhenium und selbst erzeugtem, die diesbezüglich nahezu höchsten Werte aller
polymerem Kohlenstoffnitrid und erhielt bei Drü- Atome von Übergangsmetallen besitzen (Cum-
cken unter 10 GPa nur Re2C (Yasui et al. 2015). berland 2007). Eine Beimengung der kleinen
Rheniumdisilicid (ReSi2x) bildet schwarze Bor-, Stickstoff- und Kohlenstoffatome weitet
Kristalle vom Schmelzpunkt 2000  C. Die Zu- das Kristallgitter des Rheniums nur um wenige
sammensetzung des Materials kann je nach Prozent auf.
654 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

nen Platin-Rhenium-Katalysatoren; und aus den


gleichen Bestandteilen werden auch Thermoele-
mente zur Messung im Hochtemperaturbereich
gefertigt (Breuer 2000).

Analytik Rhenium ist spektroskopisch nach-


weisbar, da das Element die Flamme des Bren-
Abb. 23 Rheniumdiborid (Kaner und Levine 2008) ners fahlgrün färbt [Spektrallinien bei 346 und
488,9 nm (Hurd 1936)]. Über die schwer wasser-
Dirheniumdecacarbonyl [Re2(CO)10] stellt löslichen Alkaliperrhenate ist es gravimetrisch zu
man durch Überleiten von Kohlenmonoxid über bestimmen (Lexikon der Chemie 1998).
Rhenium-VII-oxid (Hieber und Fuchs 1941, I)
oder Kaliumperrhenat (Churchill et al. 1981) Physiologie und Toxizität Von Rhenium kennt
unter Druck her: man aktuell weder biologische Funktionen noch
toxische Wirkungen.
Re2 O7 þ 17 CO ! Re2 ðCOÞ10 þ 7 CO2
Patente
Das Carbonyl bildet farblose Kristallblätt-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
chen, die bei einer Temperatur von 170  C unter
wide.espacenet.com)
Zersetzung schmelzen und stabil gegenüber
Luftsauerstoff sind. Es ist in Wasser nicht löslich,
V. P. Polyakov und N. Yu. Popov, Method
gut dagegen in Chloraliphaten und Tetrahydrofu-
of processing spent catalysts containing
ran. Die Länge der Bindung zwischen beiden
noble metals and rhenium (Obshchestvo
Rheniumatomen beträgt 304 pm (Byers und
Ogranichennoj Otvetstvennostyu Legkie
Brown 1977). Die Reaktion der Verbindung mit
Metally, RU 2678627 C1, veröffentlicht
Halogen (X2) ergibt Carbonylhalogenide [ReX
30. Januar 2019)
(CO)5], die mit starken Basen Hydrocarbonyl-
J. Pogorzałek und P. Rozański, Method for
komplexe [ReH(CO)5] (Brauer 1981, S. 1826).
producing steel with rhenium (Instytut
Durch Reaktion mit dem homologen Dimangan-
Metalurgii Zeleza Im Stanislawa Staszi-
decacarbonyl ist auch das Mischcarbonyl
ca, PL 422261 A1, veröffentlicht 28.
MnRe(CO)10 zugänglich.
Januar 2019)
Z. Zhang und W. Huang, Method for gro-
Anwendungen Meist setzt man Rhenium in
wing rhenium disulfide nanometer sheets
Form seiner Legierungen ein. Etwa zwei Drittel
on silicon substrate of non-oxidation
der gesamten Produktionsmenge gehen in nickel-
layer (Zhaoqing South China Normal
haltige Legierungen, die sehr widerstandsfähig
University, Optoelectronics Industry Re-
gegenüber Ermüdungsbrüchen sind. Derartige
search Institute, CN 108689432 A, ver-
Eigenschaften benötigt man für Turbinenschau-
öffentlicht 23. Oktober 2018)
feln, die in Flugzeugmotoren verbaut werden
T. Tsurumi, Method for recovering high-
(Heckl 2011).
purity rhenium sulfide (Sumitomo Metal
Da Rhenium weniger anfällig für Vergiftung
Refining, JP 2018162479 A, veröffent-
durch Ablagerungen von Kohlenstoff als Platin
licht 18. Oktober 2018)
ist, finden Katalysatoren auf Grundlage von Rhe-
W. Cao und X. Huang, Cutting tables inclu-
nium etwa bei der Produktion von klopffestem
ding rhenium-containing structures, and
Benzin Verwendung, weshalb diese Reaktion
related cutting elements, earth-boring
unter relativ milden und somit energiesparenden
tools, and methods (Baker Hughes A
Bedingungen gefahren werden kann. Auch zur
Synthese aromatischer Kohlenwasserstoffe die- (Fortsetzung)
5 Einzeldarstellungen 655

Ge. Co., Ltd., WO 2018151965 A1, ver- Der russische Kernphysiker Juri Zolako-
öffentlicht 23. August 2018) witsch Oganessian (* 14. April 1933 Ros-
Y. Kon und B. Katryniok, Use of rhenium- tow am Don) war von 1989 bis 1996 Direk-
containing supported heterogenous cata- tor des Flerow-Labors für Kernreaktionen
lysts for the direct deoxy-dehydratation (FLNR) des Vereinigten Instituts für Kern-
of glycerol to allyl alcohol (Centre forschung (JINR) in Dubna. Von 1951
National de Recherche Scientifique; bis 1956 studierte er Kernphysik am Mos-
kauer Institut für Physik-Ingenieurswesen
Lille Ecole Centrale, US 2018207618
und arbeitete ab 1958 am Moskauer
A1, veröffentlicht 26. Juli 2018)
Kurtschatow-Institut, wo er im Labor für
T. Wilkes und F. Cichocki Jr., Tungsten-
Kernreaktionen tätig war. 1962 promovierte
rhenium alloys for curved surgical
er zum Kandidat der Wissenschaften und
needle applications (Ethicon Inc., AU
habilitierte 1970. Zusammen mit Flerov
2018204738 A1, veröffentlicht 19. Juli war er ab 1965 maßgeblich an den Arbeiten
2018) beteiligt, die zur Entdeckung kurzlebiger
J. Hämälainen und M. Ritala, Atomic Elemente mit Ordnungszahlen von 102 an
layer deposition of rhenium-containing aufwärts (Rutherfordium, Dubnium, Sea-
thin film (ASM IP Holding BV, JP borgium, Bohrium, Nihonium, Flerovium
2018095961 A, veröffentlicht 21. Juni und Livermorium) führten. Oganessian gilt
2018) als einer der führenden Wissenschaftler der
Schwerionenforschung. Er synthetisierte
und charakterisierte nicht nur schwere
Nuklide, sondern konstruierte Ionenbe-
5.4 Bohrium schleuniger und erstellte Verfahren zum
Nachweis ionischer Strahlung.
Geschichte Die Entdeckung des Elementes
wurde zuerst von der Arbeitsgruppe JINR in
Dubna (Russland) beansprucht (Oganessian Oganessian entwickelte neue Ideen zur Her-
et al. 1976). Fünf Jahre später beschoss ein Team stellung der Elemente 102 bis 118, an deren
des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenfor- Entdeckung er Anteil hatte. Er arbeitete
schung 20983Bi-Kerne mit Kernen des Chroms intensiv mit anderen führenden Instituten
(5424Cr), um schließlich fünf Atome des Isotops zusammen (LBNL in Berkeley, CERN in
262 Genf und GSI in Darmstadt). 2006 wies sein
107Bh zu erhalten (Armbruster et al. 1981;
Team Kerne des Elements der Ordnungs-
Münzenberg et al. 1989). Diese Entdeckung der
zahl 118 nach. 2016 wurde deshalb für
deutschen Forschungsgruppe wurde 1992 auch
dieses Element von den an den Arbeiten
von der IUPAC anerkannt (Wilkinson et al.
beteiligten Gruppen der Name Oganesson
1993), ebenso ihr Vorschlag, das neu entdeckte (Og) der IUPAC vorgeschlagen. Am 30.
Element nach dem dänischen Physiker Niels Bohr November 2016 bestätigte diesen die IU-
(Kurzbiografie siehe „Hafnium“) zu benennen PAC offiziell, womit Oganessian nach Sea-
(Ghiorso et al. 1993): borg erst der zweite Mensch ist, nach dem
zu Lebzeiten ein Element benannt wurde.
209
83 Bi þ 54
24 Cr ! 262
107 Bh þ 1
0n

International wurde der Name dann nach


einigen kontrovers geführten Diskussionen und
Der deutsche Physiker Gottfried Münzen-
schließlich erfolgter Abstimmung durch die däni-
berg (* 17. März 1940 Nordhausen) war
sche IUPAC-Gruppe als Bohrium festgelegt (IU-
im Rahmen seiner Arbeit an der Gesell-
PAC 1994).
656 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

schaft für Schwerionenforschung (GSI) in Gesellschaft. Im gleichen Jahr wurde er von


Darmstadt wesentlich an der Synthese der der American Chemical Society als einer der
Elemente 107 (Bohrium, Bh), 108 (Has- wenigen Nicht-Amerikaner mit dem Nuclear
sium, Hs), 109 (Meitnerium, Mt), 110 Chemistry Award geehrt. Zusammen mit
(Darmstadtium, Ds), 111 (Roentgenium, Gottfried Münzenberg erhielt er 2000 den
Rg) und 112 (Copernicium, Cn) beteiligt. Lise-Meitner-Preis.
Er studierte Physik in Gießen und Inns-
bruck, promovierte 1971 in Gießen (Mün-
zenberg 1971) und begann 1976 seine Tä- Eigenschaften
tigkeit bei der GSI in der Abteilung Physikalische Eigenschaften: Bohrium kommt nicht
Kernchemie. Münzenberg entwickelte die in der Natur vor; alle seine Isotope sind radioaktiv und
Anwendung der kalten Fusion auf die Syn- müssen künstlich erzeugt werden. Bisher kennt man
these schwerer Elemente und leitete ab Isotope des Bohriums mit Massenzahlen zwischen
1984 das GSI-Projekt des Fragmentsepara- 260 und 272 sowie 274, die von diversen Arbeitsgrup-
tors, mit dessen Hilfe man die Wechselwir- pen weltweit erzeugt und auch nachgewiesen wurden
kung von Materie mit schweren Ionen
(Nelson et al. 2008; Gan et al. 2004; Wilk et al. 2000).
untersuchen sowie ionische Strahlen zum
Die längstlebigen sind wahrscheinlich 270107Bh bzw.
Zweck der Erforschung der Kernstruktur 274
107Bh mit Halbwertszeiten von 61 bzw. 54 s. Die
ableiten konnte. Er erhielt eine Professur
anderen Isotope weisen Halbwertszeiten im Bereich
in Physik an der Johannes-Gutenberg-Uni-
versität in Mainz. 1983 erkannte man ihm von 25 s bis hinab zu wenigen ms auf. Der mit
den Röntgen-Preis der Stadt Gießen zu, Abstand vorherrschende Zerfallsweg ist der
1996 zusammen mit Sigurd Hofmann den α-Zerfall. Für das noch unbekannte Isotope 278107Bh
Otto-Hahn-Preis der Stadt Frankfurt am sagt man aufgrund von Berechnungen eine deutlich
Main (Münzenberg und Schädel 1996) und längere Halbwertszeit (11,5 min) voraus, jedoch auch
2000 zusammen mit Peter Armbruster den die Möglichkeit der spontanen Kernspaltung.
Lise-Meitner-Preis (Bertulani et al. 2001). Die leichten Isotope produziert man durch kalte
Fusion, die schweren durch Beschuss von Isotopen
Der deutsche Kernphysiker Peter Armbrus- der Actinoide. Längerlebige Isotope des Bohriums
ter (* 25. Juli 1931 Dachau) arbeitete bei der gewinnt man besser aus den beim Zerfall von
GSI; er war maßgeblich an der Entdeckung Nukliden des Moscoviums und Nihoniums entste-
der Elemente Hassium, Meitnerium, Darm- henden Produkten, wie beispielsweise 272107Bh,
stadtium, Roentgenium und Copernicium 271 270
107Bh und 107Bh (Moody 2014).
beteiligt. Er studierte Physik in Stuttgart und Bohrium sollte wie Rhenium in einer he-
München. 1961 promovierte er in München xagonal-dichtesten Packung kristallisieren (Östlin
(Armbruster 1961) und arbeitete von 1965
und Vitos 2011; s. auch Tab. 4). Auf Basis von
bis 1970 am Forschungszentrum Jülich unter
Dirac-Fock-Berechnungen wurden Vorhersagen
anderem über Kernspaltung sowie der Wech-
auf Ionisierungspotenziale und Ionenradien
selwirkung schwerer Ionen mit Materie. 1971
getroffen (Johnson et al. 2002).
wechselte er zur GSI und war dort bis 1996
Chemische Eigenschaften: Bohrium ist das
leitender Wissenschaftler, 1968 Professor an
der Universität Köln und seit 1984 auch an schwerste Element der Mangangruppe. Verbin-
der Universität Darmstadt (Armbruster 1982, dungen, in denen Bohrium die Oxidationszahl
1989, 1999; Armbruster et al. 1983). Er +7 einnimmt, werden als stabil vorhergesagt,
erhielt 1988 den gemeinsam vom Londoner ebenso aber, dass es in Analogie zu Rhenium
Institute of Physics und von der Deutschen und Technetium auch solche Verbindungen bildet,
Physikalischen Gesellschaft verliehenen Max- in denen es mit der Oxidationszahl +3 oder +4
Born-Preis und 1997 die Stern-Gerlach- erscheint (Gäggeler et al. 2000; Malmbeck et al.
Medaille der Deutschen Physikalischen 2000); von letzterer erwartet man ebenfalls stabile
Literatur 657

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Bohrium


Symbol: Bh
Ordnungszahl: 107
CAS-Nr.: 54037-14-8
Aussehen: ——
Entdecker, Jahr Oganessian et al. (Sowjetunion), 1976
Armbruster, Münzenberg et al. (Deutschland), 1981
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
267
107Bh (synthetisch) 17 s α > 263105Db
270
107Bh (synthetisch) 61 s α > 266105Db
274
107Bh (synthetisch) 54 s α > 270105Db
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (270)
Elektronegativität Keine Angabe.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (berechnet) (pm): 128*
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): Keine Angabe
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d5 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 743 ♦ 1689 ♦ 2567*
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Keine Angabe
Kristallsystem: Hexagonal-dichtest*
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 37,1*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 7,28  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: Keine Angabe
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Schmelzwärme (kJ/mol) Keine Angabe
Siedepunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe

Verbindungen. Bohrium sollte ebenso wie seine Durch Beschuss von 24997Bk mit 2210Ne konnte
niedrigeren Homologen ein flüchtiges Heptoxid man sechs (!) 267107Bh-Nuklide darstellen, die mit
[Bohrium-VII-oxid (Bh2O7)] bilden, das sich mit einer Mischung von Chlorwasserstoff und Sauer-
Wasser zur Perbohriumsäure (HBhO4) umsetzt. stoff umgesetzt wurden und flüchtiges Oxidchlorid
Die Existenz von Oxidhalogeniden (zum Beispiel (BhO3Cl) bildeten (Gäggeler et al. 2000):
BhO3Cl) wird ebenfalls erwartet.
Die Moleküle dieser Oxidchloride sollten in 2 Bh þ 3 O2 þ 2 HCl ! 2 BhO3 Cl þ H2
der Reihe TcO3Cl > ReO3Cl > BhO3Cl zuneh-
mend große Dipolmomente und somit abneh-
mende Flüchtigkeit besitzen, was die Messung Literatur
der Adsorptionsenthalpien bestätigte (Hoffman
et al. 2006). Alscher RG (2002) Role of superoxide dismutases (SODs)
in controlling oxidative stress in plants. J Exp Bot
Am Paul-Schärrer-Institut wies man im Jahr
53:1331–1341
2000 endgültig nach, dass sich Bohrium wie ein Armbruster P (1961) Bau eines Massenseparators für
typischer Vertreter der siebten Nebengruppe verhält. Spaltprodukte und Nachweis einer Anregung innerer
658 12 Mangangruppe: Elemente der siebten Nebengruppe

Elektronenschalen bei der Abbremsung von Spaltpro- Chung HY et al (2007) Synthesis of ultra-incompressible
dukten. Technische Hochschule München, Deutschland superhard rhenium diboride at ambient pressure. Sci-
Armbruster P (1982) Betreten auf eigene Gefahr – Reflexio- ence 316:436–439
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Eisengruppe: Elemente der achten
Nebengruppe 13

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696

Zusammenfassung ben, um eine stabile Elektronenkonfiguration


Die Elemente der achten Nebengruppe (Eisen, zu erreichen. Bei Eisen ist die Oxidationsstufe
Ruthenium, Osmium und Hassium) sind zuei- +3 die stabilste, bei Ruthenium +4, bei
nander physikalisch und chemisch relativ ähn- Osmium sowie Hassium +8.
lich. Auch bei Ruthenium und Osmium wirkt Die Entdeckung des Eisens erfolgte schon
sich die Lanthanoidenkontraktion noch aus. In 3000 v. Chr. in Mesopotamien, wogegen
ihren physikalischen Eigenschaften unter- Osmium und Ruthenium in der ersten Hälfte
scheiden sich die Platinmetalle Ruthenium des 19. Jahrhunderts entdeckt wurden. Die Erst-
und Osmium schon relativ deutlich, aber nur darstellung von Atomen des Hassiums gelang
wenig in Bezug auf ihre chemischen Eigen- 1984.
schaften. Eisen weicht dagegen hinsichtlich
seines unedlen Charakters und seiner niedrige-
ren Dichten, Schmelz- und Siedepunkte von 1 Einleitung
Ruthenium, Osmium und wohl auch Hassium
deutlich ab. Die Elemente dieser Gruppe kön- Die Elemente der achten Nebengruppe (Eisen,
nen maximal acht äußere Valenzelektronen Ruthenium, Osmium und Hassium) sind zueinander
(jeweils zwei s- und sechs d-Elektronen) abge- physikalisch und chemisch ähnlich. Auch bei den

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 663
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_13
664 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

Platinmetallen Ruthenium und Osmium wirkt sich 3 Herstellung


noch die Lanthanoidenkontraktion aus. In den
jeweiligen physikalischen Eigenschaften unter- Eisen gewinnt man meist klassisch im Hochofen-
scheiden sich Ruthenium und Osmium schon relativ prozess aus Eisenerz und Kohle. Ruthenium und
deutlich, aber nur wenig in Bezug auf ihre chemi- Osmium müssen erst aufwändig von unedlen
schen Eigenschaften. Eisen weicht von diesen dage- Begleit – sowie anderen Platinmetallen abgetrennt
gen mit seinem unedlen Charakter und niedrigeren werden, wonach sie schließlich in ihre höheren
Dichten, Schmelz- und Siedepunkten schon deut- Oxide bzw. Chlorokomplexe überführt werden.
lich ab. Die Elemente dieser Gruppe können maxi- Jene reduziert man dann mit Wasserstoffgas zum
mal acht äußere Valenzelektronen (jeweils zwei s- jeweiligen reinen Metall.
und sechs d-Elektronen) abgeben, um eine stabile
Elektronenkonfiguration zu erreichen. Bei Eisen ist
die Oxidationsstufe +3 die stabilste, bei Ruthenium
+4 und bei Osmium und Hassium +8. 4 Eigenschaften
Die Entdeckung des Eisens erfolgte schon
3000 v. Chr. in Mesopotamien, wogegen Osmium 4.1 Physikalische Eigenschaften
und Ruthenium in der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts entdeckt wurden. Die Erstdarstellung Die physikalischen Eigenschaften sind auch in
von Atomen des Hassiums gelang 1984. Sie fin- dieser Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regel-
den alle Elemente im unten stehenden Perioden- mäßig nach steigender Atommasse abgestuft. In
system in Gruppe 8 (VIII B). Analogie zu den Nachbarelementen der siebten
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. und neunten Nebengruppe nehmen vom Eisen
Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie zum Osmium Schmelzpunkte und -wärmen, Sie-
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- depunkte, Verdampfungswärmen und die Dichten
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die zu, die chemische Reaktionsfähigkeit geht dage-
meisten Elemente können sich untereinander ver- gen deutlich zurück. Auch hier tritt kein Effekt der
binden und bilden chemische Verbindungen; so Schrägbeziehung auf, also leitet Eisen hinsicht-
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische lich seiner Eigenschaften nicht zum Rhodium
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz. über.
Einschließlich der natürlich vorkommenden
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. 4.2 Chemische Eigenschaften
Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier
Vertreter der Gruppe der Elemente der achten Ne- Die Elemente der Eisengruppe sind teils reak-
bengruppe enthalten dabei alle wichtigen Infor- tionsfähig (Eisen), wogegen Ruthenium und
mationen über das jeweilige Element, sodass hier Osmium nahezu das Gegenteil dessen darstellen:
nur eine kurze Einleitung folgt. Diese beiden Metalle gehören zur insgesamt
sechs Elemente umfassenden Gruppe der Platin-
metalle und sind durchweg sehr reaktionsträge.
2 Vorkommen Jene sind an der Luft stabil – nur fein verteiltes
Osmium oxidiert in Spuren zum flüchtigen
Eisen ist in der Erdhülle mit einem hohen Anteil von Osmium-VIII-oxid! – und sind in vielen Säuren
47000 ppm vertreten, wogegen die Anteile von und Laugen unlöslich. Sie reagieren meist nur
Ruthenium bzw. Osmium um Größenordnungen unter Anwendung drastischer Methoden, auch
kleiner sind, nämlich bei 0,02 bzw. 0,01 ppm (!). mit reaktiven Nichtmetallen (Halogene, Sauer-
Hassium ist nur durch künstliche Kernreaktionen stoff) lassen sie sich erst bei hoher Temperatur
und dann auch nur in atomaren Mengen zugänglich. umsetzen.
5 Einzeldarstellungen 665

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente

schließlich in Händen der Hethiter, die aus ihm


5 Einzeldarstellungen
meist Schmuck erzeugten (Burney 2004, S. 135;
Gabriel 2002, S. 75). Die Ägypter begannen mit
Im Folgenden sind die Elemente der Eisengruppe
der Verhüttung erst viel später, ab ca. 1000 v. Chr
(8. Nebengruppe) jeweils einzeln mit ihren Eigen-
(Lucas und Lucas 1962), und für China ist die
schaften, Herstellungsverfahren und Anwendun-
Verhüttung von Eisenerz ab dem 3. Jahrhundert
gen beschrieben.
v. Chr. sicher nachgewiesen (Johannsen 1953,
S. 45).
5.1 Eisen Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands
entstanden etwa ab dem Jahr 500 v. Chr. viele
Geschichte Bevor die Menschen Eisen aus Erz kleine Eisenhütten, in denen mit Hilfe von Renn-
zu produzieren lernten, nutzten sie Meteoritenei- öfen noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in
sen, das aber meist 5 bis 18 % Nickel enthielt. Europa Roheisen gewonnen wurde, das aber
Bereits im ägyptischen Altreich stellte man daraus wegen der in ihnen nur erzielbaren Höchsttempe-
Schmuckgegenstände und Werkzeuge her (Helck ratur von 1200  C nicht in flüssiger Form anfiel.
und Otto 1975), Waffen wie beispielsweise Dol- Erst ab ca. 1300 entwickelte man in den schwedi-
che sogar schon um 3000 v. Chr. in Mesopota- schen Hütten Lapp- und Vinarhyttan mit deutlich
mien. Bei den Hethitern war die Verhüttung des größeren Öfen die Technik, flüssiges Gusseisen
Eisens aus Erz seit etwa 1400 v. Chr. bekannt herzustellen. Später wechselte man von der ur-
(Johannsen 1953, S. 38–44), und die Gewinnung sprünglich verwendeten und umständlich zu
von Eisen lag bis etwa 1200 v. Chr. fast aus- erzeugenden Holzkohle zu Koks.
666 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

In China wurde der Hochofen bereits im (80 Mio. t), Indien (77 Mio. t) und Russland
6. Jahrhundert v. Chr. entwickelt. Auch im Gebiet (ca. 50 Mio. t), was für alle drei Nationen zusam-
zwischen Ostiran und Nordindien finden sich men einen Anteil an der gesamten Weltproduk-
Zeugnisse, dass die Menschen dort die Herstel- tion von mehr als zwei Drittel ausmacht. In Eu-
lung von Gusseisen schon viel früher beherrsch- ropa sind die bedeutendsten Produktionsländer
ten als dies in Europa der Fall war. Deutschland, Frankreich, Italien, das Vereinigte
Königreich und die Ukraine. Die gesamte Menge
Vorkommen Eisen ist mit einem Massenanteil über und unter Tage abgebauten Eisenerzes liegt
von 4,7 % das vierthäufigste Element in der Erd- bei knapp 3 Mrd. t Erz, wovon ein Anteil von
hülle. In der Erdkruste bzw. der gesamten Erdku- über 80 % an dieser Menge auf China, Indien,
gel ist sein Anteil mit 5,6 bzw. 28,8 % sogar noch Russland, Australien und Brasilien entfällt. Die
höher. In Kombination mit Nickel stellt es wahr- früher wichtigen Eisenerzproduzenten Frankreich,
scheinlich den Hauptbestandteil des Erdkerns. Deutschland und Schweden sind dagegen bedeu-
Man nimmt an, dass Konvektionsströmungen tungslos geworden. In den Wertstoffkreislauf zu-
flüssigen Eisens im äußeren Kern das Erdmagnet- rückgeführter Schrott wird darüber hinaus als
feld erzeugen. Quelle für metallisches Eisen immer wichtiger.
Im Universum steht Eisen, trotz seiner hohen Um im Hochofen zu metallischem Eisen
Ordnungszahl von 26, immerhin noch an neunter umgesetzt werden zu können, muss das Eisenerz
Stelle der Häufigkeitsverteilung der Elemente. Ei- in Form großer, gesinterter Brocken darin einge-
senisotope sind daneben die schwersten Atome, die bracht werden. Fein verteiltes Erz ist wegen der
im Inneren von Sternen, die etwa die Größe der starken Luftbewegungen im Ofen unbrauchbar.
Sonne haben, noch durch Kernfusion erzeugt Größere Erzstücke kann man ohne weitere Vorbe-
werden. handlung verwenden, kleinere sintert man zusam-
Als wichtigste Eisenerze baut man heute men mit Kalkstein, feinkörnigem Koks und
Magnetit (Eisen-II,III-oxid) und Hämatit (Ei- Wasser meist in Form feuchter Roh-Pellets auf
sen-III-oxid) ab, wobei die größten Vorkommen sogenannten Wanderrosten (Förderbändern). Von
in den gebänderten Formationen enthalten sind unten her wird Gas durch den Wanderrost geleitet,
(Takonit oder Itabirit). Gelegentlich findet man das dann entzündet wird, wodurch eine Flammen-
auch elementares Eisen in der Natur, meist nur in front auf die Pellets trifft, die dadurch kurz ange-
Form kleiner, von Gestein umgebener Bläschen, schmolzen und zu Pellets gebrannt werden. Diese
aber auch großvolumiger Aggregate, die mehrere Pelletieranlagen sind meist noch in der Nähe der
t wiegen können. Metallisches Eisen ist in den Erzmine zu finden (s. Abb. 2).
Systematiken nach Strunz und Dana als eigen- In den schachtförmig aufgebauten Hochofen
ständiges Mineral aufgeführt. Die meisten der werden abwechselnd Lagen aus Koks und Erz in
etwas über 100 Funde weltweit rühren von Me- spiralförmiger Verteilung geschüttet. Im oberen
teoriteneinschlägen her; in diesen Meteoriten Teil des Ofens befinden sich Bunker, die zur Aus-
enthält der Metallkern neben Eisen allerdings schleusung von Gasen dienen, und die unten im
hohe Beimengungen an Nickel. Die Eisenerze sind Ofen installierten Kokslagen ermöglichen auch
dagegen sehr häufig, wie zum Beispiel Magnetit durch die gesinterte Reaktionsmischung hindurch
(Magneteisenstein, Fe3O4), Hämatit (Roteisen- das Durchströmen des Prozessgases (Luft). Das
stein, Fe2O3), Pyrrhotin (Magnetkies, FeS), Pyrit ca. 2000  C heiße Prozessgas trocknet und erhitzt
(Eisenkies, FeS2) und Siderit (Eisenspat, FeCO3). Kohle und Erz, wobei bei sehr hoher Temperatur
Insgesamt sind ca. 1500 Eisenminerale bekannt. die Reaktion:

Gewinnung Zurzeit ist die Volksrepublik China Fe2 O3 þ 3 C ! Fe þ 3 CO


mit einer Gesamtmenge produzierten Roheisens
von jährlich ca. 700 Mio. t (2016) das mit Abstand einsetzt. Die flüssigen Reaktionsprodukte,
wichtigste Herstellerland, danach folgen Japan Eisen und Schlacke, fließen in den unteren Teil
5 Einzeldarstellungen 667

Eisenerz und Stunden hat der Inhalt einer Füllung des Hoch-
Kohle ofens durchreagiert.
Das aus dem Hochofen austretende, zum Stahl-
Gichtgas werk verbrachte Eisen hat meist einen Eisengehalt
von nur ca. 95 % und ist so für die meisten
500 °C Anwendungen noch nicht einsetzbar, da es zu viel
Schwefel, Kohlenstoff, Silicium und Phosphor
enthält. Im Stahlwerk entschwefelt man daher
zunächst durch Einblasen von Calciumcarbid,
Magnesium oder Branntkalk, zieht die bei der
Entschwefelungsreaktion resultierende Schlacke
900 °C
ab und verbläst anschließend das Roheisen mit
Zusätzen gebrannten Kalks in einem Konverter
mit Sauerstoff. Die oben genannten Verunreini-
gungen werden dabei verbrannt: Silicium zu Sili-
2000 °C
cium-IV-oxid, Kohlenstoff zu Kohlendioxid und
Heissgas
Phosphor zu Phosphat, das als Calciumphosphat
gebunden wird. Das flüssige Eisen hat hiernach
Roheisen 1400 °C eine Temperatur von 1600  C. Es enthält so viel
Schlacke Sauerstoff, dass beim Erstarren des Metalls der
noch darin verbliebene Kohlenstoff zu Kohlen-
Abb. 2 Schematischer Aufbau eines Hochofens (Fuchs monoxid reagiert, das in Form von Blasen im
2004)
Eisen eingeschlossen bleibt. Da die Festigkeit
des Stahls hierunter leiden würde, muss der Sau-
des Ofens, aus dem sie in regelmäßigen Abstän- erstoff aus dem flüssigen Stahl entfernt werden.
den durch ein Loch abgelassen werden müssen Daher gibt man beim Abstechen des flüssigen
(„Abstich“). Das flüssige Eisen ist zunächst mit Eisens diesem Aluminium zu.
der flüssigen Schlacke vermischt und weist eine Neben der energieintensiven und daher teuren
Temperatur von knapp 1500  C auf. Das infolge Erzeugung von Stahl im Hochofen existiert eine
des Gehaltes an Kohlenstoff bei dieser Tempera- ganze Reihe alternativer Produktionsverfahren,
tur bereits flüssige Eisen trennt man außerhalb des bei denen jeweils porenhaltiges Roheisen (Eisen-
Ofens von der auf ihm schwimmenden Schlacke schwamm) anfällt:
und gießt es in Transportpfannen. Diese Pfannen, Schachtofen: In den Kopf des kurzen Ofens
gefüllt mit dem dann erstarrten Eisen, verbringt führt man vorerhitzte eisenhaltige Stückerze ein,
man zum Stahlwerk. die mit einem 1000  C heißen, am Boden des
Die Schlacke besteht vor allem aus Calcium- Ofens eingelassenen Gasgemisch (Kohlenmon-
alumosilikat, da im als Ausgangsstoff dienenden oxid, Wasserstoff, Wasser. Kohlendioxid, Methan)
Eisenerz oft Aluminiumoxid und Silikat enthalten zu Eisen einer Reinheit von 85 bis 95 % reduziert
sind und man zur weiteren Erniedrigung des werden (Wiberg, Purofer, Midland-Ross).
Schmelzpunktes dem Erz noch Kalk zusetzt. Retorte: In diese aus Keramik bestehenden
Diese Schlacke wird mit Wasser verdüst, erstarrt Reaktoren bringt man hoch eisenhaltige Erze,
dabei durch das Abschrecken als feinkörniges gemischt mit Kohle und Kalkstein, ein, oder redu-
Glas (Schlackensand), das gemahlen und als Fül- ziert die Erze direkt mit Erdgas. Auch hierbei
ler für Beton eingesetzt wird. Auf eine t Eisen resultiert Eisen einer Reinheit von ca. 80 bis
kommen etwa 250 kg Schlacke. 95 % (Höganäs, Corex).
Das oben aus dem Ofen austretende, kohlen- Drehrohrofen: Eine Mischung aus Eisenerz in
monoxidhaltige Gas ist brennbar; man verwendet Form von Stücken oder Pellets mit Braunkohle
es zum Erhitzen des Prozessgases. Nach etwa acht und ggf. Heizöl wird in bis zu 100 m lange Öfen
668 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

gefüllt und in diesen bis zu einer Temperatur von hexagonal-dichtest kristallisiert. Im Existenzbe-
1050  C aufgeheizt [Verfahren nach Krupp, RN reich des γ-Eisens findet die entsprechende
(Republic Steel Corp. und National Lead Corp., Umwandlung zu ε-Eisen statt. Die eventuelle
SL (Steel Company of Canada und Lurgi)], bevor Existenz eines β-Eisens – mit noch unklarer Struk-
die Mischung durchreagiert. Ergebnis ist Eisen- tur – ist nicht gesichert.
schwamm einer Reinheit von 85–90 %. Im Kern der Isotope 5626Fe und 5826Fe besteht
Eine Abwandlung dieser Methode ist das eine hohe Bindungsenergie, erkennbar am deutli-
schwedische Dored-Verfahren (Domnarf-Reduk- chen Massendefekt, weswegen diese Isotope als
tion), bei dem das vorerhitzte Eisenerz ebenfalls stabile Endglieder der Kernfusionsreihen in Ster-
mit Kohle oder Koks in einen Drehrohrofen ein- nen gebildet werden.
gebracht wird. Das bei der Reaktion frei werdende Chemische Eigenschaften: Eisen ist ein uned-
Kohlenmonoxid wird durch Einblasen von Sauer- les Metall und reagiert zügig, zum Teil auch hef-
stoffgas zu Kohlendioxid verbrannt, wobei im tig, mit vielen Stoffen. Es ist aber an trockener
Inneren des Ofens Temperaturen bis zu 1350  C Luft beständig, ebenso in trockenem Chlor und
erreicht werden. Dadurch wird flüssiges Roheisen konzentrierter Schwefel- und Salpetersäure (!).
erzeugt. Auch stark basische Stoffe greifen es zumindest
Wirbelschichtreaktor: Darin wird feinkörniges in der Kälte kaum an.
Eisenerz aufgewirbelt und mittels Erdgas oder In verdünnten Mineralsäuren löst es sich
Wasserstoff zu Eisenschwamm reduziert (H-Iron, jedoch schnell unter Entwicklung von Wasserstoff
Fior- und Finex-Verfahren). und der Bildung von Eisen-II-Salzen auf. Feuchte
Elektroofen: Diese Methode erfordert einen sehr Luft korrodiert Eisen zu Eisenoxidhydrat (Rost).
hohen Einsatz von Energie (bis zu 2500 kWh In verteiltem Zustand kann sich metallisches
pro t Roheisen) und ist nur bei Angebot billigen Eisen an der Luft auch spontan entzünden; eben-
Stroms wirtschaftlich. Dies gilt vor allem für dieje- falls heftig reagiert erhitztes Eisen in Chlor oder
nigen Varianten des Verfahrens, bei denen die Brom. In stöchiometrischem Mengenverhältnis
Reaktanden auch noch vorgewärmt und -reduziert mit Schwefel erhitzt, entsteht Eisen-II-sulfid.
werden (Udy- und Elektrokemisk-Verfahren). Auch mit weiteren Nichtmetallen (Phosphor,
Kohlenstoff oder Silicium) reagiert Eisen bei er-
Eigenschaften höhter Temperatur zu Phosphiden, Carbiden oder
Physikalische Eigenschaften: Das stahlgraue Siliciden.
Eisen kristallisiert kubisch und schmilzt bei einer
Temperatur von 1538  C (s. Tab. 1). Unterhalb Verbindungen In chemisch gebundenem Zu-
von 910  C, also auch bei Raumtemperatur, ist die stand tritt Eisen fast ausschließlich in den Oxida-
kubisch-raumzentriert (im Wolfram-Typ) kristal- tionsstufen +2 und +3 auf.
lisierende α-Modifikation (Ferrit) stabil, deren Chalkogenverbindungen Eisen bildet mit
Ferromagnetismus oberhalb einer Temperatur Sauerstoff einige Oxide, die aber alle keine auf
von 766  C (Curie-Temperatur) in Paramagnetis- dem Metall fest haftende Schutzschicht bilden.
mus übergeht. Von 910 bis 1390  C ist die Daher oxidiert ein der Atmosphäre ausgesetztes
γ-Modifikation (Austenit) am beständigsten, die Stück Eisen im Laufe der Zeit vollständig. Das
kubisch-flächenzentrierte Struktur (Kupfer-Typ) künstliche Aufbringen einer Oxidschicht („Brü-
aufweist. Zwischen einer Temperatur von 1390  C nieren“) verlangsamt bestenfalls die Korrosion,
und dem bei 1538  C liegenden Schmelzpunkt ist hält sie aber nicht auf (Kickelbick 2008). Eisen-
erneut eine kubisch-raumzentrierte Modifikation oxide und Eisenhydroxide setzt man als Pig-
(δ-Ferrit) am stabilsten. mente und sogar als Lebensmittelzusatzstoffe
Ebenso bewirkt die Einwirkung hoher Drücke (E 172) ein.
Änderungen von Modifikationen: Drücke von Eisen-III-oxid (Fe2O3) ist ein rotbrauner Fest-
>15 GPa bewirken bei Temperaturen bis zur Rot- stoff (s. Abb. 3), der bei 1565  C schmilzt und
glut die Umwandlung von α-Eisen in ε-Eisen, das eine Dichte von 5,24 g/cm3 aufweist. Es bildet
5 Einzeldarstellungen 669

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Eisen


Symbol: Fe
Ordnungszahl: 26
CAS-Nr.: 7439-89-6

Aussehen: Grauweiß Eisen (Stange), Metallium Eisen (Stück), Lenntech


glänzend Inc. 2016 BV 2016
Entdecker, Jahr Mesopotamien, 3000 v. Chr.
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
54
26Fe (5,8) Stabil ———
56
26Fe (91,72) Stabil ———
57
26Fe (2,2) Stabil ———
58
26Fe (0,28) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 47.000
Atommasse (u): 55,845
Elektronegativität 1,83 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Fe2+ + 2 e > Fe (V) 0,44
Atomradius (berechnet) (pm): 140 (156)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 123 (low spin), 152 (high spin)
Ionenradius (Fe2+/Fe3+, pm) 82 / 67
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d6 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 763 ♦ 1562 ♦ 2957
Magnetische Volumensuszeptibilität: ———
Magnetismus: Ferromagnetisch
Kristallsystem: α-Fe: Kubisch-raumzentriert, β-Fe: Kubisch-
flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 211 ♦ 170 ♦ 82 (α-Fe)
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 608 ♦ 200–1180 (α-Fe)
Mohs-Härte 4,0
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 4910
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 7,874
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 7,09  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 80
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,10
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1538 ♦ 1811
Schmelzwärme (kJ/mol) 13,8
Siedepunkt ( C ♦ K): 2862 ♦ 3135
Verdampfungswärme (kJ/mol): 354

sich bei der Reaktion von Eisen mit überschüssi- Eisen-III-oxid verwendet man in sehr großer
gem Sauerstoff; alternativ ist es durch Brennen Menge als Pigment verschiedener Tönung zum
von Eisen-III-oxid-hydroxid darstellbar. In der Einfärben etwa von Betonpflastersteinen oder in
Natur kommt es in Form der Minerale Hämatit der Malerei (Wehlte 1967). Da es magnetisierbar
(trigonal) und Maghemit (kubisch) vor. ist, enthalten es auch Beschichtungen von Ton-
670 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

Abb. 3 Eisen-III-oxid, rot (Onyxmet 2018)

Abb. 4 Die Bayferrox1-Palette von LANXESS


bändern sowie auch bei der Magnetresonanz-
tomografie eingesetzte Kontrastmittel.
Auf Basis von Eisenoxiden stellt LANXESS
eine sehr breite Produktpalette her, die sowohl
Farbpigmente als auch technische Oxide umfasst.
Dabei besitzen alle Produkte hohe Qualität und
hervorragende Eignung für technische Anwen-
dungen. Die aus rotem, gelbem oder schwarzem
Eisenoxid bestehenden Pigmente (s. Abb. 4), die
man unter Anderem zur Einfärbung von Baustof-
fen, Farb- und Lacksystemen oder Kunststoffen
einsetzt, werden unter den Produktmarken Bay-
Abb. 5 Eisen-II-oxid (Onyxmet 2018)
ferrox® und Colortherm ® gehandelt.
Eine für das Schweißen von Eisenbahnschie-
nen sowie Eisenkonstruktionen fast aller Art gen, in den magnetischen Schichten von Ton- und
benutzte Methode ist das Thermit-Verfahren, bei Videobändern und in großen Mengen als Kata-
dem durch Reaktion von Eisen-III-oxid mit Alu- lysator, zum einen bei der Haber-Bosch-Synthese
miniumpulver flüssiges Eisen erzeugt wird: von Ammoniak, aber auch bei der Dehydrierung
von Ethylbenzen zu Styrol.
2 Al þ Fe2 O3 ! 2 Fe þ Al2 O3 Das schwarze, bei niedrigen Temperaturen
instabile Eisen-II-oxid (FeO) (s. Abb. 5) kann
Eisen-II,III-oxid (Fe3O4) ist in der vulkani- man in reinem Zustand nur durch langsames Erhit-
schen Lava enthalten und bildet sich auch beim zen von Eisen-II-oxalat (FeC2O4) im Vakuum und
Verbrennen von Eisen an der Luft. In reiner Form anschließendes schnelles Abkühlen herstellen:
gewinnt man es durch Reduktion von erhitztem
Eisen-III-oxid mit Wasserstoff (Brauer 1981, FeC2 O4 ! FeO þ CO þ CO2
S. 1647).
Derart dargestelltes, fein verteiltes Eisen-II-
3 Fe2 O3 þ H2 ! 2 Fe3 O4 þ H2 O oxid kann sich an der Luft spontan entzünden. In
der Natur kommt die Verbindung in Form des
Die mineralische Form nennt man Magnetit. Minerals Wüstit vor.
Die Verbindung schmilzt bei 1538  C und ist ein Alternative Herstellverfahren sind die Reduk-
schwarzes, ferrimagnetisches, gegenüber Erhitzen tion von Eisen-III-oxid mit Wasserstoff bzw.
an der Luft stabiles Pulver. Es ist unlöslich in Kohlenmonoxid oder die Reaktion von Eisen
Wasser, Säuren und Laugen, jedoch in Flusssäure. unter geringerem Sauerstoffdruck oder mit Was-
Man verwendet es für stabile schwarze Einfärbun- serdampf bei Temperaturen oberhalb von 560  C
5 Einzeldarstellungen 671

Abb. 6 a Eisen-II-sulfid (Onyxmet 2018). b Eisen-II-sul-


fid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)
Abb. 7 Eisen-II-selenid (Onyxmet; 99,9 %)

(Holleman et al. 2007, S. 1652). Eisen-II-oxid


schmilzt bzw. siedet bei 1369 bzw. 3414  C und
besitzt eine Dichte von 5,75 g/cm3. Die Verbin-
dung ist antiferromagnetisch; die Néel-Tempera-
tur liegt bei 198 K (75  C).
Eisen-II-sulfid (FeS) bildet im Reinzustand
hellbraune Kristalle mit der Struktur des Nickel-
arsenids. Technische Ware ist je nach Reinheits-
grad dunkelgrau bis schwarz (s. Abb. 6a, b). Es
schmilzt bei einer Temperatur von 1195  C und
hat eine Dichte von 4,84 g/cm3. Die Verbindung
Abb. 8 Eisen-III-fluorid (Onyxmet 2018)
ist zwar unlöslich in Wasser, wird aber durch ver-
dünnte Mineralsäuren unter Bildung von Schwe-
felwasserstoff zersetzt (Anm.: Dies ist der in fast Instituts für Chemie in Mainz, der Universität
allen Lehrbüchern der Chemie beschriebene Ver- Paderborn und der Princeton University zeigten.
such zur Herstellung von Schwefelwasserstoff): Das als Pulver dunkelgraue Eisen-II-selenid
(s. Abb. 7) wird unter einem Druck von 8,9 GPa
FeS þ 2 HCl ! FeCl2 þ H2 S " bei einer Temperatur von 236,45  C (36,7 K)
zum Supraleiter, unter Normaldruck erst bei
Im Labor und auch in der Technik stellt man es 264,65  C (8,5 K) (Medvedev et al. 2009).
durch Erhitzen eines Gemisches von Eisen- und Halogenverbindungen Eisen-III-fluorid (FeF3)
Schwefelpulver her. In der Natur findet man die gewinnt man durch Umsetzung von wasserfreiem
Verbindung kristallin als Pyrrhotin, Troilit und Eisen-III-chlorid mit Fluorwasserstoff (Brauer
Mackinawit (Holleman et al. 2007, S. 1657). 1975, S. 275). Die Substanz ist in wasserfreiem
Eisen-II-sulfid ist das die schwarze Färbung her- Zustand ein hellgrüner bzw. grauer (s. Abb. 8), bei
vorrufende Endprodukt der anaeroben Korrosion einer Temperatur von 1030  C schmelzender, tri-
durch Bakterien. gonal kristallisierender (Leblanc et al. 1985; Sowa
Eisen-II-selenid (FeSe) wird analog zum Sulfid und Ahsbahs 1998) Feststoff, der in Wasser sehr
durch Erhitzen eines pulverförmigen Gemisches schwer löslich ist. In einer weiteren Modifikation
aus Eisen und Selen hergestellt. Es ist wie dieses kristallisiert die Verbindung in einer Pyrochlor-
ebenfalls empfindlich gegenüber Hydrolyse, be- ähnlichen Struktur (Ferey und de Paper 1986).
sonders gegenüber Säuren, und gibt dann den sehr Man setzt Eisen-III-fluorid in geringer Menge in
giftigen Selenwasserstoff ab. Eisen-II-selenid ist der Keramikindustrie ein.
ein II-VI-Halbleiter und könnte zukünftig als Eisen-II-fluorid (FeF2) erhält man analog
Hochtemperatur-Supraleiter interessant werden, durch Reaktion von Eisen-II-chlorid mit Fluor-
wie bereits vor einigen Jahren die Ergebnisse wasserstoff (Brauer 1975, S. 274), jedoch nur in
einer Forschungskooperation des Max-Planck- amorpher Form. Um es in kristalliner Form und in
672 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

reinweißer Farbe zu erhalten, muss man die bei Hexahydrat und Thionylchlorid ist die wasserfreie
1100  C schmelzende Substanz auf 1000  C erhit- Verbindung wieder zugänglich, dabei fungiert
zen und strikt unter Ausschluss von Luftfeuchtig- Thionylchlorid als „Wasserfänger“, indem es mit
keit arbeiten. Das Tetrahydrat ist hellbraun Wasser zu Chlorwasserstoff und Schwefeldioxid
(s. Abb. 9) und nur schlecht löslich in Wasser. reagiert:
Eisen-II-fluorid wird meist als Ausgangsstoff zur
Herstellung weiterer EisenII-Verbindungen ver- FeCl3  6 H2 O þ 6 SOCl2
wendet (Housecroft und Sharpe 2004), darüber ! FeCl3 þ 6 SO2 þ 12 HCl
hinaus als Katalysator bei Fluorierungen (Wilder-
muth et al. 2000). Die Darstellung des Eisen-III-chlorids erfolgt
Wasserfreies Eisen-III-chlorid (FeCl3) (s. Abb. durch Überleiten von Chlor über Eisendraht oder
10) ist ein schwarzer Feststoff, der bei 304  C -wolle bei Temperaturen von 250 bis 400  C
schmilzt, bei 319  C bereits siedet und sogar sowie anschließende Sublimation zu Reinigungs-
schon ab einer Temperatur von 120  C sublimiert. zwecken. Selbst Spuren an Wasser muss man
Er riecht infolge Hydrolyse stechend nach Salz- dabei ausschließen (Brauer 1981, S. 1641):
säure und ist stark hygroskopisch; mit steigendem
Wassergehalt hellt sich seine Farbe über rotbraun 2 Fe þ 3 Cl2 ! 2 FeCl3
bis ockergelb [Hexahydrat (FeCl3  6 H2O)] auf.
Letzteres bzw. dessen wässrige Lösung reagiert Das kristallwasserhaltige Salz (s. Abb. 10b, c)
infolge Hydrolyse stark sauer. Ebenso ist Eisen- ist durch Auflösen von Eisen in Salzsäure gewinn-
III-chlorid auch eine starke Lewis-Säure. Beim bar, wobei sich zunächst Eisen-II-chlorid (FeCl2)
Erhitzen zersetzt sich das Hydrat unter -nahezu- bildet. Durch nachfolgendes Einleiten von Chlor
vollständiger Bildung von Wasserdampf und in diese wässrige Lösung entsteht schließlich
Chlorwasserstoff, womit es unmöglich ist, auf die- Eisen-III-chlorid.
sem Wege wieder die wasserfreie Verbindung zu Im technischen Maßstab produziert man Eisen-
erhalten. Nur durch gemeinsames Erhitzen von III-chlorid durch Überleiten von Chlor über Ei-
senschrott bei einer Temperatur von rund 650  C.
Ähnlich wie Aluminiumchlorid zeigt die
schichtartige Festkörperstruktur des Eisen-III-
chlorids schon stark kovalente Bindungsanteile.
Im gasförmigen Zustand liegen kurz oberhalb des
Sublimationspunkts dimere Einheiten (Fe2Cl6)
vor, die sich bei noch höherer Temperatur zum
Monomer abbauen.
Wässrige Lösungen von Eisen-III-chlorid ver-
wendet man zum Oxidieren und Ätzen von aus
Kupfer bestehenden Oberflächen von Leiter- und
Abb. 9 Eisen-II-fluorid-Tetrahydrat (Onyxmet 2018)
Druckplatten:

Abb. 10 a Eisen-III-
chlorid, wasserfrei
(Onyxmet 2018). b Eisen-
III-chlorid-Hexahydrat
granuliert (BXXXD 2006).
c Eisen-III-chlorid-
Hexahydrat (Onyxmet
2018)
5 Einzeldarstellungen 673

2 FeCl3 þ Cu ! 2 FeCl2 þ CuCl2 Eisen-II-bromid (FeBr2) kann durch thermi-


sche Zersetzung von Eisen-III-bromid bei Tempe-
Ferner bindet man mit Eisen-III-chlorid ge- raturen >200  C gewonnen werden; daher tritt es
ruchsintensive Schwefelverbindungen und setzt auch bei der Synthese von FeBr3 aus den Elemen-
es bei der Abwasserbehandlung als Flockungs- ten als Zwischen- und Nebenprodukt auf (Arm-
mittel ein. Die wasserfreie Verbindung dient als bruster et al. 2000):
Katalysator bei Friedel-Crafts-Alkylierungen,
wenngleich der Trend weg von Chloriden hin zu 2 FeBr3 ! FeBr2 þ Br2
Oxiden geht (dort zeigt Eisen-III-oxid ebenfalls
eine gute Wirksamkeit). In wässriger Lösung setzt Weiterhin kann man Eisen-II-bromid durch
man es als Farbbeize beim Textildruck ein, in der Erhitzen von Eisen mit Ammoniumbromid dar-
Medizin zur Behebung von Eisenmangel, zum stellen:
Ätzen von Metallen und Platinen bei gedruckten
Schaltungen sowie bei der Herstellung von Farb- 2 NH4 Br þ Fe ! FeBr2 þ 2 NH3 " þH2 "
stoffen (z. B. Anilinschwarz). Eisen-III-chlorid
wirkt auf Haut und Schleimhäute stark ätzend. Auch die Darstellung durch Umsetzung von
Wirkt Eisen-III-chlorid leicht oxidierend, so ist Eisen mit trockenem Bromwasserstoff ist mög-
Eisen-II-chlorid (FeCl2  6 H2O) eher ein Reduk- lich, hierbei entsteht wasserfreies Eisen-II-bro-
tionsmittel. Man setzt es zum Ausfällen von Sulfi- mid. Ebenso funktioniert Auflösen von Eisen in
den, zur Entschwefelung von Faulgas und Biogas Bromwasserstoffsäure, wobei die Trocknung der
sowie zur Reduktion von Chromat ein. entstandenen Lösung im Vakuum bei Temperatu-
Eisen-III-bromid (FeBr3) erzeugt man durch ren <49  C das Hexahydrat liefert (Brauer 1981,
Reaktion von Eisen mit Brom (Brauer 1981, S. 1634). Oberhalb dieser Temperatur wird das
S. 1643) oder auch bei der Aufarbeitung von Ka- Tetra-, ab 83  C das Dihydrat gebildet (Winter
liumbromidlaugen. Die wie das homologe Eisen- 1973). Eisen-II-bromid ist ein hygroskopischer,
III-chlorid hydrolyseempfindliche Verbindung hellgelber bis dunkelbrauner (s. Abb. 12) Fest-
bildet im wasserfreien Zustand braunrote bis stoff, der in der Cadmiumiodid-Struktur kristalli-
fast schwarze, sehr hygroskopische Kristalle siert (Haberecht et al. 2001).
(s. Abb. 11) trigonaler Struktur (Armbruster et al. Eisen-II-iodid (FeI2) erhält man aus den Ele-
2000), die sich beim Erhitzen auf Temperaturen um menten bei Temperaturen um 500  C (Brauer
200  C zu Eisen-II-bromid und Brom zersetzen. 1981, S. 1645) oder elegant, wenn auch in sehr
Man setzt Eisen-III-bromid als katalytisch wirk- fein verteilter Form, durch Thermolyse von
same Lewis-Säure bei aromatischen Substitutionen Tetracarbonyldiiodidoeisen-II [Fe(CO)4I2]. Es ist
(z. B. die zur Bildung von Brombenzol führende ein rotvioletter bis schwarzer, wasseranziehender,
elektrophile aromatische Substitution) ein. bei 315  C schmelzender, trigonal kristallisieren-
der Feststoff (Blachnik et al. 1998, S. 454) der
Dichte 5,3 g/cm3. Die Verbindung ist in Wasser,

Abb. 11 Eisen-III-bromid (Onyxmet 2018) Abb. 12 Eisen-II-bromid (Onyxmet 2018)


674 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

Ethanol und Diethylether löslich; gerade in ge- bis schwarzfarbener Feststoffe unterschiedlicher
lösten Zustand wird Eisen-II-iodid schnell oxi- Dichten und Schmelzpunkte auf. So besitzt bei-
diert (Lautenschläger 2007, S. 410). spielsweise Trieisenmonophosphid (Fe3P) eine
Eisen-II-iodid-Tetrahydrat ist ein schwarzer Dichte von 6,92 g/cm3, schmilzt bei 1166  C und
Feststoff, der ebenfalls in Ethanol und Wasser kristallisiert tetragonal, isotyp zu Trinickelmono-
löslich ist und sich schon bei Temperaturen von phosphid (Ni3P). Dieisenmonophosphid (Fe2P)
knapp unter 100  C zersetzt. Die Verbindung ist schmilzt bei einer Temperatur von 1365  C, kristal-
Bestandteil einiger homöopathischer Medika- lisiert hexagonal und hat die Dichte 6,83 g/cm3
mente, ist aber auch ein Katalysator zur Synthese (Gu et al. 2013). Weitere Verbindungen sind
von Alkalimetalliodiden (Perry 2011, S. 483). Eisenmonophosphid (FeP) bzw. Eisendiphosphid
Pnictogenverbindungen Die bisher charakteri- (FeP2), beide mit orthorhombischer Kristallstruk-
sierten Eisennitride sind unter anderem Dieisenmo- tur und Dichten von 5,07 bzw. 5,70 g/cm3, sowie
nonitrid (Fe2N), „Trieisenmononitrid“ (Fe3N1+x), Eisentetraphosphid (FeP4), das monoklin kristal-
Tetraeisenmononitrid (Fe4N) sowie Stickstoffmar- lisiert (Jeitschko und Braun 1978) und die Dichte
tensit (α´´-Fe16N2) (Oyama 1996, S. 186). In der 4,13 g/cm3 besitzt. Die Eisenphosphide sind un-
Natur kommt Tetraeisennitrid in Form des Mine- löslich in Wasser, aber erleiden im Lauf der Zeit
rals Roaldit, Trieisennitrid als Siderazot vor. hydrolytische Zersetzung. Durch Zusätze in flüs-
Das Ausgangsprodukt Dieisenmononitrid in sei- siges Roheisen eingebrachter Phosphor verbessert
ner orthorhombisch kristallisierenden, metallisch infolge der Bildung von Fe2P und Fe3P die Ver-
aussehenden γ´-Modifikation der Dichte 6,35 g/cm3 schleißeigenschaften des Gusseisens (Brunhuber
erhält man durch Überleiten von Ammoniak über und Hasse 2001, S. 956).
erhitztes Eisen im Temperaturbereich von 350 bis Eisenarsenide finden sich in unterschiedlicher
550  C (Brauer 1981, S. 1649). Jedoch kann sich Zusammensatzung in der Natur, so Westerveldit
bei dieser Syntheseführung auch das oben zitierte (FeAs), Löllingit (FeAs2) und Ferroskutterudit
„Trieisenmononitrid“ mit variablem Stickstoffgehalt, („FeAs3“). Ersteres, also Eisenmonoarsenid (FeAs),
hexagonaler Kristallstruktur (ε-Modifikation) und ist ein bräunlich-weißer bis grauer Feststoff vom
der Dichte 7,36 g/cm3 bilden. Dieses gibt bei Tem- Schmelzpunkt 1020  C, der die Dichte 7,83 g/cm3
peraturen von >500  C weiteren Stickstoff ab und aufweist und orthorhombisch kristallisiert (Perry
geht schließlich in Fe4N über, ein dunkelgraues Pul- 2016, S. 214). Eisendiarsenid (FeAs2) schmilzt
ver der Dichte 6,57 g/cm3 (Rechenbach und Jacobs bei 990  C, hat eine Dichte von 7,4 g/cm3 und
1996), in dessen Kristallgitter eine kubisch-dichteste besitzt in festem Zustand ebenfalls orthorhombi-
Packung der Eisenatome vorliegt. Durch die Bildung sche Struktur; es ist darüber hinaus ein diamagne-
von Nitriden bei der Herstellung von Stahl infolge tischer Halbleiter mit der -geringen- Bandlücke
gezielter Reaktion des Eisens mit dem in der Luft von 0,22 eV (Fan et al. 1972). FeAs und FeAs2
vorhandenen Stickstoff wird dieser gehärtet; den sind beide durch Elektrolyse von aus Eisen-III-
Prozess bezeichnet man als „Nitrieren“ (Bergmann oxid oder -chlorid und Alkaliarsenaten bestehen-
2009, S. 268). den Schmelzen zugänglich (Hagenmuller 2012,
Prieto et al. beschrieben ein Verfahren zur Erzeu- S. 299), auch durch Erhitzen einer aus stöchio-
gung dünner Eisennitrid-Filme mittels Sputtertech- metrischen Mengen von Eisen- und Arsenpulver
nik und charakterisierten die so erzeugten Phasen bestehenden Mischung unter Ausschluss von
mit Hilfe der Mössbauer-Spektroskopie, der Rönt- Luft.
gendiffraktometrie und anderer Techniken (Prieto Das „Eisentriarsenid“ (FeAs3) konnte bisher
et al. 2008). nicht in reiner Form erhalten werden, das zuge-
Eisenphosphide erhält man durch Erhitzen eines hörige Mineral Ferroskutterudit enthält noch
Gemisches aus rotem Phosphor und sehr reinem große Anteile an Nickel-, Cobalt- und Sulfidionen
Eisen unter Luftausschluss bei Temperaturen von (Kiefer et al. 2017). Dieisenarsenid (Fe2As) ist ein
600 bis 1100  C (Brauer 1981, S. 1649). Die Ver- paramagnetischer, grauer Feststoff mit Schmelz-
bindungen treten sämtlich in Form spröder, grau- punkt >400  C, der bis zu seiner Néel-Temperatur
5 Einzeldarstellungen 675

von 80  C (353 K) antiferromagnetisch ist (Kat- tur aus, die bei 1837  C schmelzen. Die Dichte der
suraki und Achiwa 1966). Verbindung liegt bei 7,7 g/cm3. Eisencarbid ist
Eisenarsenide und ihre Derivate verfügen teil- spröde, daher schlecht verformbar, und ist unter-
weise über bemerkenswerte elektrische Eigen- halb seiner Curie-Temperatur von 215  C ferro-
schaften. Obwohl diese Materialklasse schon seit magnetisch. Langes Glühen und/oder langsames
den 1970er-Jahren bekannt ist, wies man erst Abkühlen führt zur Zersetzung der Verbindung in
2008 eine sehr hohe Übergangstemperatur von Eisen und Kohlenstoff. Eingesetzt wird Eisen-
Tc= 56 K (217  C) für BaFe2As2 nach (Keimer carbid als dünn auf einen Träger aufgebrachter
2011). Dieses gehört zur Gruppe der „122-Eisen- Katalysator bei einigen chemischen Verfahren
arsenid-Supraleiter“, die die Formel EAFe2Pn2 (Schnepp et al. 2010).
(EA=Erdalkaliion, Pn=Pnictogenid) haben und Zementit bildet sich in verschiedenen Phasen
fast alle in tetragonaler Struktur kristallisieren des Hochofenprozesses aus Eisen und Kohle. Pri-
(Hosono et al. 2015; Kreyssig et al. 2008; Tegel märzementit (s. Abb. 13) ist derjenige Zementit,
et al. 2008; Rotter et al. 2008a, b; Sadovskii der aus der Schmelze heraus kristallisiert, woge-
2008). Unter Druck und nach geeigneter Dotie- gen Sekundärzementit durch Ausscheidung aus
rung werden sie supraleitend (Shirage et al. 2008; Austenit und Tertiärzementit durch Ausscheidung
Park et al. 2008; Alireza et al. 2009; Anupam et al. aus Ferrit gebildet werden (Gobrecht und Rump-
2009). Die höchste für diese Klasse von Verbin- ler 2006).
dungen bis 2008 gemessene Übergangstempera- Ferrosilicium stellt man durch Glühen einer
tur war 38 K (235  C) für Ba0,6K0,4Fe2As2 Mischung von Sand, Koks und Eisen- oder
(Rotter et al. 2008a, b; Shirage et al. 2009). Schrottabfällen her. Produkte mit Siliciumantei-
Warum die Supraleitfähigleit ausgerechnet bei len bis zu 15 % erzeugt man in mit feuerfesten
diesen Verbindungen auftritt, konnte noch nicht Steinen ausgekleideten Öfen (Osann 2013,
befriedigend erklärt werden (Pickett 2009). In S. 138), die mit höherem Gehalt an Silicium in
undotiertem Zustand sind alle zudem antiferroma- elektrischen Lichtbogenöfen. Im Handel sind vor
gnetisch, ab einer spezifischen Übergangstempe- allem Produkte mit 15, 45, 75 und 90 % Silicium
ratur dann paramagnetisch (Baek et al. 2009). anzutreffen. Betragen die Schmelzpunkte reinen
Bei den 122-Eisenarsenid-Supraleitern gibt es Eisens bzw. Siliciums 1538  C bzw. 1414  C und
zwei Möglichkeiten der Dotierung. Entweder man die jeweiligen Dichten 7,87 bzw. 2,33 g/cm3, so
führt gezielt Löcher durch Ersatz des Erdalka- liegen die Schmelzpunkte für alle Ferrosilicium-
liions durch ein Alkaliion, also ein Ion mit gerin- Produkte mit ca. 1210  C deutlich darunter. Die
gerer Ladung, ein (Huang et al. 2008). Oder aber Schmelzpunkte zeigen zwei Bereiche von Eutek-
man ersetzt Fe2+ durch Co2+, womit ebenfalls eine tika der ungefähren Zusammensetzung Fe2Si
signifikante Anhebung der Sprungtemperatur bzw. FeSi2,5. Die Dichten nehmen dagegen mit
erreicht werden kann (Leithe-Jasper et al. 2008). steigendem Anteil an Silicium nahezu linear zu
Die Synthese der Verbindungen ist einfach und der des Siliciums hin ab. In der Regel erscheinen
gelingt mittels der Flux-Methode, bei der man die alle Arten von Ferrosilicium in Form grauer Pul-
für eine chemische Reaktion nötigen Ausgangs-
produkte je nach gewünschtem Endprodukt in
etwas Lösungsmittel löst und jene Zielverbindung
dann auskristallisieren lässt (Canfield et al. 2009).
Das Strukturprinzip dieser Supraleiter findet
man auch bei anderen schweren Fermi-Supralei-
tern wie CeCu2Si2 (Steglich et al. 1979) oder auch
URu2Si2 (Palstra et al. 1985)
Sonstige Verbindungen Eisencarbid (Fe3C),
auch Zementit genannt, bildet sehr harte, grau- Abb. 13 Kristallnadeln von Primärzementit (Eisenbeisser
schwarze Kristallnadeln orthorhombischer Struk- 2007)
676 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

ver oder, falls zuvor geschmolzen, silberglän- borids liegen Zickzack-Ketten von Boratomen
zender Stücke (s. Abb. 14). vor, die von je sieben Eisenatomen koordinativ
Man nutzt Ferrosilicium zur reduktiven Dar- gebunden sind. Die Länge der Einfachbindungen
stellung von Metallen aus ihren Oxiden sowie als schwankt von 178 pm (B-B) über 215–220 pm
Getter zur Entfernung von Resten an Sauerstoff (Fe-B) bis zu 240–272 pm (Fe-Fe). Einkristalle
aus Stahl und anderen Eisenlegierungen. So ver- bilden sich entlang bevorzugter Bindungsrichtun-
meidet man den Verlust an zum Erzielen einer gen aus; dies erfolgt entlang der Achse der leich-
gewissen Härte nötigen Kohlenstoff. Man ver- ten Magnetisierung (AEM) (Zhdanova et al.
wendet es auch zur Produktion von Ferrochrom 2013). Eisenmonoborid liegt in Form eines
sowie von Elektroblechen und hitzebeständigem grauen Pulvers der Dichte 7,15 g/cm3 vor, das
Stahl. Es ist neben Magnesium und geringen zwischen 1300 und 1500  C sintert bzw. schmilzt.
Mengen an Seltenerdmetallen Additiv in Schmel- Im Handel sind auch graue Sputtertargets der Ver-
zen von Eisen, denen Kugelgrafit zugesetzt wurde bindung (s. Abb. 15).
(Böge et al. 2013, S. M-5; Brown 1994, S. 222; Dieisenborid (Fe2B) ist als schwarzes Pulver
Hasse 2001, S. 618). im Handel (s. Abb. 16), kann aber auch als Nano-
Eisenboride stellt man durch Erhitzen von Ei- pulver hergestellt werden. Beide Verbindungen
senoberflächen her, auf denen borreiche Verbin- sind sehr widerstandsfähig gegenüber Kom-
dungen aufgetragen wurden. Dieser als Borieren pression und innerhalb eines gewissen Tempera-
bekannte Prozess erzeugt Beschichtungen, die aus turbereiches auch supraleitend.
Eisenboriden bestehen. Meist sintert man an der Eisenpentacarbonyl [Fe(CO)5] stellt man
Oberfläche des Eisens Borcarbid (B4C) oder Bor, durch Überleiten von Kohlenmonoxid über fein-
und die Boratome diffundieren im Bereich der verteiltes Eisen bei Temperaturen von 150 bis
Temperatur von 800–1100  C in das Eisensubstrat 200  C und unter Anwendung eines Gasdrucks
hinein. Zuerst werden Schichten von Dieisenbo- von 50 bis 300 bar her (Holleman et al. 2017,
rid (Fe2B) und dann von Eisenmonoborid (FeB) S. 2199; Bertau et al. 2013, S. 260). Je reiner das
gebildet, aber mit schwankender Zusammenset-
zung der Oberfläche gemäß den jeweils gewählten
Versuchsbedingungen (Keddam und Chentouf
2005). Nanopartikel des Materials gewann man
durch Reduktion von Eisen-II-salzen mit Na-
triumborhydrid (Joshi und Hosmani 2014):

4 FeSO4 þ 8 NaBH4 þ 18 H2 O
! 2 Fe2 B þ 6 BðOHÞ3 þ 25 H2 þ 4 Na2 SO4
Abb. 15 Eisenmonoborid Sputtertarget (QS Advanced
FeB kristallisiert in orthorhombischer Struktur, Materials 2018)
Fe2B in tetragonaler (Lyakhova et al. 2013; Kap-
fenberger et al. 2006). Im Gitter des Eisenmono-

Abb. 14 Ferrosilicium (Zusammensetzung nicht angege-


ben, Focal Point 2007) Abb. 16 Dieisenborid (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 677

zu dieser exothermen (Wildermuth et al. 2012) Essigsäure. Es ist stabil gegenüber Wasser und
Reaktion verwendete Eisen ist, desto niedriger schwachen bzw. verdünnten Säuren (!), dagegen
sind die aufzuwendenden Temperaturen und zersetzen konzentrierte Mineralsäuren die Verbin-
Drücke. Zur Reinigung destilliert man das gebil- dung unter Bildung der jeweiligen Eisen-II-salze
dete Produkt unter vermindertem Druck (s. Dampf- und Kohlenmonoxid. Halogene oxidieren Eisen-
druckkurve bei Stull, 1947), da bei zu hoher Tem- pentacarbonyl unter Bildung der entsprechenden
peratur auch wieder eine Zersetzung in Eisen und Eisenhalogenide. Die Verbindung wirkt reduzie-
Kohlenmonoxid eintreten kann. rend und überführt beispielsweise Nitroaromaten
Die orange, muffig riechende Flüssigkeit in Aniline und Ketone in Alkohole.
(s. Abb. 17a, b) erstarrt bei 21  C und siedet Ferrocen [Bis(η5-cyclopentadienyl)eisen,
bei 105  C (Stull 1947). Man verwendet die Ver- Fe(C5H5)2], wurde erstmals 1951 durch Umset-
bindung heutzutage zur Synthese organischer, zung von Cyclopentadienylmagnesiumbromid
katalytisch wirksamer Eisenverbindungen. In mit Eisen-III-chlorid dargestellt (Kealy und Pau-
den 1920er- und 1930er-Jahren setzte man Eisen- son 1951). Die orangen Kristalle waren stabil
pentacarbonyl Benzin als Antiklopfmittel zu; gegenüber Luftsauerstoff und sublimierbar.
hiervon ging man aber aus technischen und Nahezu gleichzeitig wurde die Verbindung durch
ökologischen Gründen wieder ab. Aktuell ist Überleiten von Cyclopentadien über erhitztes
die Produktion halblichtdurchlässiger Eisenoxid- Eisen erzeugt (Miller et al. 1952). Die sich in einer
Nanopigmente hoher Reinheit aus Eisenpentacar- guten elektrophilen Substituierbarkeit und Stabi-
bonyl; dabei verbrennt man es gezielt im Tempe- lität äußernde Aromatizität dieser Verbindungs-
raturbereich von 600–800  C bei Überschuss an klasse führte zur Namensgebung der „Metalloce-
Luftsauerstoff (Pfaff 2017, S. 199/216). Effekt- ne“, hier: Ferrocen (Woodward et al. 1952;
pigmente sind bei Anwendung des Verfahrens Pauson 2001).
ebenfalls zugänglich, wenn Aluminiumstaub mit Heute stellt man Ferrocen im Labor durch
Eisen-III-oxid beschichtet und die Farbgebung Umsetzung von Cyclopentadien mit Eisen-II-
über die erzielte Schichtdicke gesteuert wird. chlorid in einem inerten Lösemittel bei Ge-
Im Kristallgitter der Verbindung liegen mono- genwart überschüssigen Kaliumhydroxids her
mere Einheiten trigonal-bipyramidaler Struktur (Jolly 1968).
vor (Braga et al. 1993). Eisenpentacarbonyl ist Ferrocen bildet orangefarbene Kristallnadeln
vollständig mit höheren Alkoholen mischbar, fer- (s. Abb. 18) der Dichte 1,49 g/cm3 (20  C), die
ner mit Kohlenwasserstoffen, Diethylether und bei einer Temperatur von 173  C schmelzen (Sie-
depunkt der Schmelze: 249  C) und bei Raum-
temperatur mit monokliner Struktur kristallisieren
(Dunitz et al. 1956). Schon ab etwa 100  C tritt
langsam Sublimation ein; ein Verfahren, das man
gerne zur Reindarstellung der Verbindung nutzt.
Das in Wasser unlösliche und stabile Ferrocen ist
in Kohlenwasserstoffen wie n-Hexan oder Toluol
gut löslich.
Im Molekül beträgt der Abstand der Cyclopen-
tadienylringe 332 pm und die Abstände Fe-C bzw.
C-C 204,5 pm bzw. 140,3 pm.
Die ekliptische Konformation (s. Abb. 19) ist
energetisch günstiger als die gestaffelte und somit
gegenüber jener bevorzugt (Greenwood und
Earnshaw 1988, S. 408). Es kann aber durch die
Abb. 17 a Eisenpentacarbonyl (Smokefoot 2015). temperaturabhängige Kristallstruktur der Verbin-
b Eisenpentacarbonyl (Onyxmet 2018) dung (triklin bei <–89  C und orthorhombisch bei
678 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

Abb. 20 Eisen-III-nitrat-Nonahydrat (Tpa2067)

Abb. 18 Ferrocen, sublimiert im Vakuum (Bucki 2008)

Abb. 19 Ferrocen:
Gestaffelte Konformation
(links) und ekliptische
Konformation (rechts) (Jü
2010)

<–163  C) zu leichten Abweichungen kommen.


Nur die orthorhombische Form tritt mit genau
Abb. 21 Eisen-II-sulfat-Heptahydrat (Onyxmet 2018)
ekliptischer Konformation auf (Seiler und Dunitz
1979a, b).
Ferrocen ist IUPAC-Standard für die Angabe Reduktionsmittel zur Entfernung giftigen Chro-
von Redoxpotentialen in nichtwässrigen Lö- mats aus Abwässern.
sungsmitteln (Gritzner und Kůta 1984), ebenso An „exotischen“ Verbindungen sei das neuer-
in der Cyclovoltammetrie Referenz gegenüber dings immer wichtiger werdende und als Sput-
einer Wasserstoffelektrode in nichtwässrigen tertarget im Handel erhältliche Bismutferrit un-
Lösungen (Stehlow et al. 1960; Philips et al. terschiedlicher Zusammensetzung erwähnt (s.
1999). Man mischt es ferner in kleinen Mengen Abb. 22). Die Verbindung ist antiferromagnetisch
Heizölen zu, um eine bessere Verbrennung und und piezoelektrisch. Man setzt die Verbindung
damit einen höheren Wirkungsgrad zu erzielen. daher in ferroelektrischen Datenspeichern ein.
Eisen-III-nitrat [Fe(NO3)3] wird als Hexa- Außerdem zeigt es den fotovoltaischen Effekt
oder Nonahydrat durch Auflösen von Eisen in bei Bestrahlung mit sichtbarem Licht und sogar
mäßig konzentrierter Salpetersäure und nachfol- eine Längenausdehnung, falls rotes Laserlicht zur
gendes Eindunsten der wässrigen Lösung gewon- Bestrahlung dient (Kundys et al. 2010).
nen. Es liegt in Form hellvioletter, zerfließlicher
Kristalle vor (s. Abb. 20) und schmilzt bereits bei Anwendungen Eisen ist mit Abstand das am
einer Temperatur von 47  C im eigenen Kristall- meisten verwendete Metall weltweit. Es ist weit-
wasser. hin verfügbar, und die aus ihm und ggf. anderen
Man verwendet die Verbindung beim Gerben Metallen wie Kobalt, Nickel, Chrom und Molyb-
und in der Textilindustrie als Beize für Baumwolle, dän hergestellten Stähle sind wegen ihrer Ver-
als Korrosionsinhibitor sowie zur oxidativen Ver- schleißfestigkeit und Härte unverzichtbare und
ringerung der Konzentration an Schwefelwasser- in riesigen Mengen verwendete Grundstoffe.
stoff in Abwasserleitungen. Durch Erhitzen des Man setzt es zur Produktion von Landfahrzeu-
Salzes auf Temperaturen von 500  C kann man gen aller Art, im Schiffbau und im Bausektor
es in Eisen-III-oxid-Farbpigmente überführen. Auch (Stahlbeton) ein.
als Katalysator ist es einsetzbar. Als eines der insgesamt nur drei bei Raumtem-
Eisen-II-sulfat-Heptahydrat (FeSO4  7 H2O, peratur ferromagnetischen Metalle (neben Kobalt
Grünsalz, s. Abb. 21) wird in ähnlichen Anwen- und Nickel) ermöglicht Eisen den Bau elek-
dungen eingesetzt, vor allem aber als billiges trotechnischer Bauteile aller Art (Relais, Trans-
5 Einzeldarstellungen 679

Auch in einigen lebenswichtigen schwefelhal-


tigen Enzymen kommt Eisen vor (Nitrogenasen,
Hydrogenasen, Katalase). Letztere baut in Zellen
das Zellgift Wasserstoffperoxid ab. In der Zelle
selbst speichert das Enzym Ferritin Eisen.
Bakterien nutzen Fe-III als Oxidations- und
Fe-II als Reduktionsmittel. Ein Beispiel ist die
Abb. 22 Bismutferrit (Granat, Bi3Fe5O12), Sputtertarget bakterielle Reduktion von Kohlendioxid. Entsteht
(QS Advanced Materials 2018)
bei solchen Redoxreaktionen Fe-II, bedeutet dies
eine Mobilisierung von Eisen bedeutet, da die
formatoren, Drosseln, Elektromotoren). Es ist meisten Fe-III-Verbindungen schwer wasserlös-
Grundbestandteil von Magneten und wird zwecks lich sind, die meisten Fe-II-Verbindungen aber
Modifikation hierzu auch oft mit anderen Metal- gut. Einige fototrophe Bakterien nutzen Fe-II als
len legiert. International sind Tausende verschie- Elektronendonator für die Reduktion von CO2
dener Eisensorten und Stähle genormt; die wich- (Widdel et al. 1993).
tigsten Gruppen sind: Der Tagesbedarf von Eisen beträgt für Frauen
Stahl ist die höchste Veredelungsstufe des etwa 15, für Männer 10 mg. Eine gleichzeitige
Eisens und im Gegensatz zu Gusseisen schmied- Einnahme von Vitamin C erhöht die Resorption
und walzbar. Durch eine geeignete Kombination des Eisens erheblich, wogegen Kaffee, schwarzer
der mechanischen Bearbeitungsverfahren kann Tee und Milch sie deutlich senken. Eisen findet
man die Eigenschaften des Stahls sehr unter- sich in größeren Mengen vor allem in Hülsen-
schiedlich gestalten. Im Stahl sind 0,06–2,06 % früchten, Blutwurst, Leber und Vollkornbrot. Eine
Kohlenstoff enthalten. überreiche Zufuhr von Eisen kann auch gesund-
Gusseisen enthält dagegen 2,06–6,67 % Koh- heitsschädlich wirken (Kohgo et al. 2008; Auer-
lenstoff (als Grafit oder Carbid) und weitere Ele- bach und Ballard 2010; McDermid und Lönnerdal
mente, wie beispielsweise Silicium und Mangan. 2012). Ob gewisse Krankheiten (Parkinson, Alz-
Gusseisen ist hart und spröde und ist daher mecha- heimer) durch überhöhte Dosierungen an Eisen
nisch auch nicht zu behandeln. Je nach Aussehen begünstigt werden, ist Stand der Forschung
der Bruchflächen spricht man von weißem oder (Schaible und Kaufmann 2004).
von grauem Gusseisen. Man sollte daher eisenhaltige Präparate nur
Im Roheisen ist ebenfalls viel Kohlenstoff ent- dann einnehmen, wenn auch wirklich ein ärztlich
halten (4–5 %), außerdem noch unterschiedliche bescheinigter Eisenmangel vorliegt.
Anteile an Schwefel, Phosphor und Silicium. Die Aufnahme löslichen Eisen-II durch Pflan-
Roheisen ist Zwischenprodukt bei der Herstellung zen kann durch zu starke Verdichtung des Bodens,
von Gusseisen und Stahl. verbunden mit lokalem Sauerstoffmangel, be-
günstigt werden. Zu hohe Konzentrationen an
Physiologie, Toxizität Eisen ist für nahezu alle löslichem Eisen machen sich in Pflanzen mit
Organismen essenziell. Bei Tieren ist es meist für Symptomen einer Vergiftung bemerkbar (Fellen-
die Blutbildung wichtig, wogegen es bei Pflanzen berg 1997).
in die Fotosynthese sowie die Bildung von
Chlorophyll und Kohlenhydraten eingreift. Im Analytik Fe2+- und Fe3+-Ionen sind mittels
menschlichen und tierischen Körper ist Eisen das Thioglycolsäure nachweisbar, wobei sich intensiv
Zentralatom des Cofaktors Häm b in Hämoglobin rot gefärbtes Eisenthioglykolat bildet (Abb. 23):
und Myoglobin. In manchen Eiweißen und Nicht- Wechselseitig ist Fe2+ mit rotem und Fe3+ mit
Häm-Eisenenzymen (Methan-Monooxygenase, gelbem Blutlaugensalz nachweisbar. In beiden
Ribonukleotid-Reduktase, Hämerythrin) sorgt es Fällen entsteht dabei der dunkelblaue Farbstoff
für den Transport, die Speicherung und die Berliner Blau, da die Eisencyanoferrat-Komplexe
Umsetzung des Sauerstoffs. wechselseitig ineinander übergehen.
680 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

H. Tokushima und N. Nishizawa, Oil-


impregnated iron-based sintered bearing
(Hitachi Chemical Company Ltd., SG
11201810201W A, veröffentlicht 28.
Dezember 2018)

Abb. 23 Eisensalze und deren Nachweise mit Blutlaugen- 5.2 Ruthenium


salzen, Eisen-III-Lösung und Eisen-III-thiocyanat (Siegert
2007)
Geschichte Nachdem seit Anfang des 19. Jahr-
hunderts verschiedene Forscher versucht hatten,
Eine empfindliche Nachweisreaktion ist auch neue Elemente aus Platinerzen zu isolieren und
die Umsetzung von Eisen-III mit Thiocyanat dabei mit der Entdeckung von Palladium, Rho-
(Rhodanid), bei der sich sofort eine tiefrote dium, Iridium und Osmium auch erfolgreich
Lösung bildet (Schweda 2012, S. 337). waren, dauerte es noch fast 40 Jahre, bis nach
einigen Fehlversuchen (Osann 1828, 1829) auch
Patente
das letzte der Platinmetalle aufgefunden und in
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world metallischer Form dargestellt wurde.
wide.espacenet.com) Claus wiederholte ab 1841 die etwa 20 Jahre
vorher von Osann initiierten Versuche, die in
T. Zhang und Y. Liu, Vortex mixing method der Entdeckung eines neuen, von Osann als
for smelting reduction of iron (Northeas- „Ruthenium“ bezeichneten neuen Stoffes gipfel-
tern University, AU 2017333110 A1, ten (Osann 1829), aber nicht von Berzelius be-
veröffentlicht 31. Januar 2019) stätigt werden konnten. Claus Versuche, die Ber-
L. He, Production process for white cast zelius später reproduzieren konnte, führten 1844
iron (privat, WO 2019019238 A1, ver- schließlich zur Isolierung eines grauen Metalls,
öffentlicht 31. Januar 2019) das er wie Osann „Ruthenium“ nannte (Pitchkov
M. Shimizu und Y. Saitou, Composition for 1996).
removing iron sulfide (Kurakay Co.,
Ltd., SG 11201811541T A, veröffent-
licht 30. Januar 2019) Der deutsche Chemiker und Physiker
H. Qi und W. Lin, Absorbable iron-based Gottfried Wilhelm Osann (* 26. Oktober
alloy medical device implant (Lifetech 1796 Weimar; † 10. August 1866 Würz-
Scientific Shenzhen Co., US 20190222 burg) studierte Naturwissenschaften mit
84 A1, veröffentlicht 24. Januar 2019) Schwerpunkt Chemie. Von 1819 an war er
J. Liu, Magnetic drug carrier nano iron Privatdozent für Physik und Chemie an der
oxide production plant (Chengdu Ke Universität Erlangen, dann wechselte er
Bo Te Technology Co., Ltd., AU 1821 nach Jena, wo er zwei Jahre blieb
2018102016 A4, veröffentlicht 24. und anschließend wieder nach Erlangen zu-
Januar 2019) rückkehrte. Noch 1823 erhielt er den Ruf
S. T. Bae und J. T. Yang, Iron oxide nano- auf den Lehrstuhl für Chemie und Pharma-
particles doped with alkali metals or zie an der Universität Tartu/Dorpat im heu-
alkali earth metals (Neo Nanomedics tigen Estland. Dort arbeitete er fünf Jahre
Inc., WO 2019018004 A1, veröffentlicht und ging 1828 als Professor für Chemie und
24. Januar 2019) Physik an die Philosophische Fakultät der
Universität Würzburg.
5 Einzeldarstellungen 681

gediegen in der Natur vorkommt, als eigenständi-


Osann publizierte einige wichtige Wer- ges Mineral anerkannt; insgesamt kennt man zur
ke, so das Buch „Ueber die Meßkunst der Zeit etwa 20 Fundorte für elementares Ruthenium,
chemischen Elemente“ (Tartu 1825, Jena meist in Südafrika, Russland und den USA. Darü-
1830). Weitere Veröffentlichungen betrafen ber hinaus gibt es einige wenige Rutheniummine-
die Gebiete Optik und der Physikalischen rale, beispielsweise Rutheniridosmin, Ruthenium-
Chemie. Fast hätte er zusammen mit Berze- sulfid (Laurit, RuS2) oder Rutheniumarsenid
lius Ruthenium entdeckt, konnte das von [(Ru,Ni)As].
ihm postulierte neue Element aber nicht in
genügender Menge aus den in Königswas-
Gewinnung Die Trennung der einzelnen Platin-
ser unlöslichen Rückständen von Platiner-
metalle voneinander ist aufwändig. Zwar beste-
zen gewinnen, um daraus ein neues Element
hen für jedes dieser Elemente mehrere Möglich-
isolieren zu können. Osann gehörte zu den
keiten, aber sie sind meist nur schrittweise
Gründungsmitgliedern der Physikalisch-
Medizinischen Gesellschaft in Würzburg durchführbar (wie die Flüssig-flüssig-Extraktion
und war seit 1835 korrespondierendes oder fraktionierte Fällungen) und ergeben jeweils
Mitglied der Bayerischen Akademie der nur geringe Mengen. Auch für Ruthenium stehen
Wissenschaften (Karsten 1887; Hödrejärv diese Wege zur Verfügung. Enthält das Erz ver-
2004). gleichsweise hohe Konzentrationen an Rutheni-
Der deutsch-russische, im heutigen Est- um, trennt man es am besten destillativ ab. Dies
land geborene und auch verstorbene Che- wird dadurch erreicht, dass man eine Ru-III oder
miker und Pharmazeut Karl Ernst Claus Ru-VI enthaltende Lösung mit starken Oxidati-
(* 22. Januar 1796 Tartu; † 24. März 1864 onsmitteln wie Chlor, Chloraten oder Kaliumper-
Tartu) arbeitete zunächst als Apotheker in manganat behandelt, nachdem man NH4+-Ionen
Sankt Petersburg und Kasan. 1839 erhielt er zuvor aus der Lösung entfernt hat. Diese Oxidati-
den Ruf auf den Lehrstuhl für Chemie der onsmittel überführen Ruthenium in das leicht
Universität Kasan und arbeitete seitdem auf flüchtige Ruthenium-VIII-oxid (RuO4), das abde-
dem Gebiet der Platinmetalle. Aus den Ab- stilliert und in verdünnter Salzsäure aufgefangen
fallhalden der Platingewinnung konnte er wird, in der man es zu wasserlöslichen Chlororu-
mit chemischen Methoden noch nutzbares thenaten reduziert (Renner et al. 2001). Die
Platin gewinnen. 1844 gelang ihm die Ent- Ammoniumionen müssen deshalb zuvor entfernt
deckung und Isolierung des Platinmetalls werden, weil Chlor oder Chlorate mit ihnen zu
Ruthenium, nach seinem Vaterland Russ- explosivem Chlorstickstoff reagieren können.
land benannt. Von 1852 war er Professor Enthält das Erz dagegen nur geringe Mengen
für Pharmazie an der Universität Tartu und an Ruthenium, trennt man zuerst die restlichen
ab 1863 korrespondierendes Mitglied der Platinmetalle nach den oben genannten Verfahren
Preußischen Akademie der Wissenschaften
ab. Am Ende bleibt wiederum das in der Wasser-
(Schmidt 1864; Anft 1957; Pitchkov 1996).
phase gelöste Ruthenium zurück, das nach Ent-
fernen der Ammoniumionen mit starken Oxidan-
Vorkommen Unter den nicht-radioaktiven Ele- tien zu Ruthenium-VIII-oxid umgesetzt wird.
menten gehört Ruthenium zusammen mit Rho- Jenes destilliert man wiederum ab und fängt es
dium, Iridium und Rhenium zu den seltensten in verdünnter Salzsäure auf.
überhaupt. Da es meist mit den anderen Platinme- Metallisches Ruthenium erhält man nach
tallen vergesellschaftet vorkommt, kann es in Reduktion des Ruthenium-VIII-oxids und Ausfäl-
deren Lagerstätten jedoch in relativ hoher Kon- lung in Form des Ammoniumhexachlororuthe-
zentration auftreten; so beträgt der Anteil an nats-III [(NH4)3RuCl6] oder Ruthenium-IV-oxids
Ruthenium in einer der bedeutendsten Minen (RuO2), die man jeweils mit Wasserstoffgas bei
(Bushveld/Südafrika) an der gesamten Erzmenge Temperaturen um 800  C zum Metall reduzieren
8 bis 12 % (Renner et al. 2001). Es ist, da es kann:
682 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

RuO2 þ 2 H2 ! Ru þ 2 H2 O metalle, ein reaktionsträges Edelmetall. Mit Luft-


sauerstoff reagiert es erst oberhalb einer Temperatur
Weitere Quellen für Ruthenium sind sowohl von 700  C und bildet dann Ruthenium-VIII-oxid.
der bei der Herstellung von Nickel anfallende Hierbei verhält es sich deutlich inerter als Osmium,
Anodenschlamm oder abgebrannte Brennele- das mit Sauerstoff, namentlich in fein verteiltem
mente aus Kernkraftwerken, die bis zu 2 kg/t Zustand, bereits bei Raumtemperatur in Spuren
durch Kernspaltung erzeugtes Ruthenium – nebst Osmium-VIII-oxid (OsO4) bildet. Auch mit Halo-
zusätzlich anderen Platinmetallen – enthalten genen reagiert Ruthenium erst in der Hitze.
können (Kolarik und Renard 2005). Dieses Das Metall ist des Weiteren nicht in Fluss-,
schließt man dann wieder oxidativ zu Ruthe- Schwefel- und Salpetersäure löslich, ebenso nicht
nium-VIII-oxid auf, das man in Salpetersäure in Königswasser (!). Dagegen greifen es Chlor- und
auffängt. Allerdings enthält dieses so erzeugte Bromwasser langsam, Cyanidlösungen, Queck-
Ruthenium auch das mit einer Halbwertszeit von silber-II-chlorid und oxidierende Alkalischmel-
knapp 400 d relativ kurzlebige, radioaktive Isotop zen schnell an (Rard 1985).
106
44Ru, weswegen das aus Kernkraftwerken
stammende Ruthenium nicht für andere Anwen- Verbindungen
dungen einsetzt wird (Bush 1991; Volkmer 1996). Chalkogenverbindungen Ruthenium-VIII-oxid
Die gesamte weltweit produzierte Jahresmenge (RuO4) ist relativ leicht durch Oxidation wässriger
an Ruthenium dürfte heute bei rund 25 t liegen Lösungen von Ruthenium-III-chlorid oder Ruthe-
(Loferski 2016). naten, beispielsweise mit Natriumhypochlorit, zu-
gänglich. Es ist sehr flüchtig und dabei nur wenig
Eigenschaften löslich in Wasser, weshalb man es durch Erhitzen
Physikalische Eigenschaften: Das silberweiße, der Lösung austreiben und in dipolar-aprotischen
harte und spröde Ruthenium hat eine Dichte von Lösemitteln auffangen kann (Griffith 1989). In
12,37 g/cm3 (s. Tab. 2). Es besitzt innerhalb der dieser Verbindung tritt Ruthenium mit der bisher
Gruppe der Platinmetalle mit 2334 bzw. 4319  C höchsten bekannten Oxidationsstufe +8 auf, was
den höchsten Schmelz- bzw. Siedepunkt nach sonst nur noch bei Osmium-VIII-oxid (OsO4) und
denen des Osmiums und Iridiums (Arblaster Xenon-VIII-oxid (XeO4) beobachtet wird.
2007). Supraleitend wird es erst bei extrem tiefer Im rhombischen Kristallgitter der Verbindung
Temperatur (272,66  C). Es kristallisiert mit liegen RuO4-Einheiten vor, in denen das Ruthe-
hexagonal-dichtester Struktur und behält diese niumatom tetraedrisch von vier Sauerstoffatomen
wahrscheinlich bis hinauf zum Schmelzpunkt. umgeben ist. Die Verbindung ist mit einem
Man kennt insgesamt 39 Isotope und Kerniso- Schmelz- bzw. Siedepunkt von 25 bzw. 40  C
mere des Elements, angeordnet zwischen 8744Ru äußerst flüchtig und hat bei 20  C eine Dichte
und 12044Ru. Sieben von diesen sind stabil und von 3,3 g/cm3 (Holleman et al. 2007, S. 1672).
kommen in der Natur vor; einige von ihnen -im Ruthenium-VIII-oxid wirkt stark oxidierend; man
Bereich von 9944Ru bis 10444Ru- sind in der vo- setzt es deshalb, meist in situ, bei oxidativen orga-
rausgehenden Übersichtstabelle aufgeführt. Die nischen Synthesen ein (Oxidation von Alkoholen
instabilen Isotope sind allesamt sehr kurzlebig; zu Aldehyden und Ketonen, Spaltung von Alke-
die längsten Halbwertszeiten haben mit einigen nen in Carbonylverbindungen, Oxidation von Al-
Tagen die Isotope 9744Ru, 10344Ru und 10644Ru, kinen zu 1,2-Diketonen) (Plietker 2005; Nunez
die anderen zerfallen zur Hälfte innerhalb einer et al. 1990; Nasr et al. 2008; Mander und Williams
Zeitspanne weniger Stunden bis hinunter zu Mil- 2003). Die Verbindung reagiert mit Ethanol und
lisekunden (Audi et al. 2003). Schwefel heftig und wirkt durch die leicht erfol-
Chemische Eigenschaften: Ruthenium ist seinem gende Reduktion zu elementarem Ruthenium
höheren Homologen Osmium wesentlich ähnlicher auch toxisch auf Säugetiere, da sie infolge ihrer
als dem leichteren Gruppenmitglied, dem Eisen. Im hohen Flüchtigkeit leicht durch Inhalation in den
Gegensatz zu Eisen ist es, wie die anderen Platin- Organismus gelangt.
5 Einzeldarstellungen 683

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Ruthenium


Symbol: Ru
Ordnungszahl: 44
CAS-Nr.: 7440-18-8

Aussehen: Silberweiß Ruthenium (Kristall), Ruthenium (Pulver),


glänzend Internetservice Kummer 2016 Onyxmet 2018
Entdecker, Jahr Claus (Russland/Livland), 1844
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
99
44Ru (12,7) Stabil ———
100
44Ru (12,6) Stabil ———
101
44Ru (17,0) Stabil ———
102
44Ru (31,6) Stabil ———
104
44Ru (18,7) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,02
Atommasse (u): 101,07
Elektronegativität 2,2 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Ru2+ + 2e ! Ru (V) 0,46
Atomradius (berechnet) (pm): 130 (178)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 146
Ionenradius (Ru3+/ Ru4+/ Ru5+ pm) 82/76/71
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d7 5s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 710 ♦ 1620 ♦ 2747
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 6,6  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,41  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul 447 ♦ 220 ♦ 173
(GPa):
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 872 ♦ 2160
Mohs-Härte 6,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 5970
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 12,37
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 8,17  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 120
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,06
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2334 ♦ 2607
Schmelzwärme (kJ/mol) 25,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 4319 ♦ 4592
Verdampfungswärme (kJ/mol): 619

Das schwarze, bei einer Temperatur von Rutheniumhalogeniden (Schäfer et al. 1963). Es
1200  C schmelzende Ruthenium-IV-oxid (RuO2) hat die Dichte 7,0 g/cm3, kristallisiert in einer
(s. Abb. 24) gewinnt man durch Hydrolyse von Struktur ähnlich zu Rutil (Wells 1975) und ist
684 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

Ruthenium-IV-selenid (RuSe2) testete man auf


seine Verwendung als Katalysator in Direkt-
methanol-Brennstoffzellen (u. a. Stimming et al.
2007).
Halogenverbindungen Ruthenium-VI-fluorid
(RuF6) stellt man in niedriger Ausbeute durch
Reaktion von auf 450  C erhitztem Ruthenium
in einem mit Argon verdünnten Fluorstrom her
(Seppelt et al. 2006):
Abb. 24 Ruthenium-IV-oxid (Onyxmet 2018)
Ru þ 3 F2 ! RuF6

nahezu unlöslich in Wasser. Man setzt es zur Die Verbindung bildet dunkelbraune, ortho-
Beschichtung von Titananoden ein, wie man sie rhombisch strukturierte Kristalle, die bei einer
auch bei der Chloralkali-Elektrolyse verwendet, Temperatur von 54  C schmelzen und eine
in elektronischen Bauteilen (de Nora 1970), in -berechnete- Dichte von 3,68 g/cm3 besitzen. Im
Katalysatoren (Lu et al. 2005) und in für Tief- Kristallgitter liegen RuF6-Einheiten vor, in denen
temperaturmessungen geeigneten Widerstands- sechs Fluoratome oktaedrisch das Ruthenium-
thermometern (Johnson Matthey 2002), da es atom umgeben.
unter diesen Bedingungen eine außergewöhnlich Das smaragdgrüne Ruthenium-V-fluorid (RuF5)
hohe Kondensatorkapazität aufweist. ist in besserer Ausbeute als RuF6 und bei niedri-
Generell zeigen die Chalkogenide von Über- gerer Temperatur (300  C) als sowohl dieses als
gangsmetallen eine hohe Kapazität zur Speicherung auch das Osmium-VI-fluorid (OsF6) aus den Ele-
elektrischer Energie, so auch Ruthenium-IV-sulfid menten zugänglich (Ruff und Vidic 1925):
(RuS2). Dieses wurde in Form von 20 nm langen
Nanopartikeln durch Beschallung einer pulverför- 2 Ru þ 5 F2 ! 2 RuF5
migen Mischung von Ruthenium und Schwefel
erzeugt. Überprüft wurde die Eignung als Konden- Die Verbindung schmilzt bzw. siedet bei Tem-
satormaterial mittels zyklischer Voltammetrie, Be- peraturen von 87 bzw. 227  C, hat eine Dichte
und Entladungsanalyse sowie elektrochemischer von 3,9 g/cm3 und kristallisiert monoklin. Im
Impedanzspektroskopie. So lieferte die RuS2-Elek- Kristallgitter liegen Tetramere vor, in denen die
trode eine spezifische Kapazität von 85 F/g bei Rutheniumatome jeweils über Fluorbrücken mit-
Vorliegen einer drei Elektroden enthaltenden Kon- einander verbunden sind (Holloway et al. 1964).
figuration und einer konstant bei 0,5 mA/cm liegen- Ruthenium-V-fluorid reagiert mit Wasser zu-
den Entladungsstromdichte. Der symmetrische Su- nächst zu Rhenium-III/IV-hydroxid und Fluor,
perkondensator hatte immer noch eine spezifische das das Ruthenium in situ zum Tetroxid (RuO4)
Kapazität von 17 F/g, die er im Langzeitversuch oxidiert (Sakurai und Takahashi 1979).
über 5000 Zyklen in mehr als 96 % (!) der Fälle Das schwarze α-Ruthenium-III-chlorid (RuCl3)
wieder erreichte (Krishnamoorty et al. 2017). (s. Abb. 25) ist durch Umsetzung von Ruthenium
Ein auf Titandioxid als Trägermaterial aufgetra- im mit Kohlendioxid verdünnten Chlorstrom (Re-
gener, anionischer, hexanuklearer Carbidocarbonyl- my und Kühn 1924) zugänglich. Die Verbindung
Cluster [(Ru6C(CO)16)2] zeigt eine hohe Wirk- schmilzt bei Temperaturen um 500  C und hat die
samkeit als Katalysator für die Reduktion von Dichte 3,11 g/cm3. Die diamagnetische α-Modifi-
Schwefel-IV-oxid mittels Wasserstoff. Verant- kation besitzt eine Struktur ähnlich zu Chrom-III-
wortlich dafür sind während der Reaktion an der chlorid mit langen Ru–Ru-Bindungen.
Oberfläche entstehende Nanoteilchen von Ruthe- Dagegen kristallisiert die dunkelbraune und
nium-IV-sulfid, wie röntgendiffraktometrische metastabile β-Modifkation hexagonal und wan-
Messungen zeigten (Ishiguro et al. 2002). delt sich oberhalb von 450–600  C irreversibel
5 Einzeldarstellungen 685

geln für mikrolithische Projektionsbelichtungsan-


lagen (Medvedev et al. 2016). Ebenso zeigen
dünne Filme von Rutheniummononitrid gute Ka-
pazitäten bis zu 37 F/g (gemessen mittels zykli-
scher Voltammetrie), wenn Elektroden mit ihnen
beschichtet oder sie in Lithium-Batterien einge-
baut werden (Bouhtiyyaa et al. 2013). Die Verbin-
dung kristallisiert in einem Gitter ähnlich dem der
Zinkblende.
Abb. 25 Ruthenium-III-chlorid wasserfrei (Onyxmet Untersuchungen an und Berechnungen für ver-
2018) schiedene Rutheniumnitride (RuN, RuN2, RuN3
und RuN4) ergaben, dass Pnnm-RuN2, P21/c-
zur α-Form um. Die wässrige Lösung des Hydrats RuN3, P4/mmm-RuN4 und C2/c-RuN4 harte
hat eine rote Farbe (Brauer 1981, S. 1748). Materialien sind mit Vickers-Härten von 20,1 bis
Ruthenium-III-chlorid nutzt man zur Herstellung 23.4 GPa. Die Nitride P4/mmm-RuN4 und
anderer Rutheniumverbindungen und als Kata- Cmmm-RuN4 haben Halbmetalleigenschaften,
lysator zur Ringöffnung stark gespannter Cycloal- wogegen das C2/c-RuN4 mehr ein Halbleiter ist.
kene (Nubel und Hunt 1999). Pnnm-RuN2 und P21/c-RuN3 schließlich weisen
Das schwarze, bei Raumtemperatur ortho- metallische Eigenschaften auf (Zhang et al. 2016).
rhombisch kristallisierende (Hillebrecht et al. Rutheniumphosphide sind ziemlich stabil und
2004) und bei einer Temperatur von 500  C besitzen gute elektrische Leitfähigkeit. Katalysa-
schmelzende Ruthenium-III-bromid (RuBr3) ist toren wurden auf Basis dieses Materials entwi-
aus den Elementen bei Temperaturen von 450  C ckelt, um Sauerstoff in sauren Lösungen zu redu-
und erhöhtem Druck herstellbar (Brodersen et al. zieren. Man stellte RuP, Ru2P und aus Ruthenium
1967). Alternativ ist die Umsetzung von Ruthe- und Phosphid bestehende Mischphasen RuxP
nium-VIII-oxid mit Bromwasserstoff möglich (x1) durch Erhitzen von Ruthenium-III-chlorid
(Holleman et al. 2007, S. 1671). mit Natriumhypophosphit im Autoklaven her;
Ruthenium-III-iodid (RuI3) gewinnt man aus dabei wurde die Temperatur um 4  C/min wäh-
hydratisiertem Ruthenium-III-chlorid und Ka- rend 15 h auf höchstens 550  C gesteigert. Die
liumiodid (Brauer 1981, S. 1750): Fähigkeit, Sauerstoff zu reduzieren, zeigten alle
Produkte, dies bei Austauschstromdichten im
RuCl3  4 H2 O þ 3 KI ! RuI3 þ 3 KCl þ 4 H2 O Bereich von 0,4 bis 1,4 mA/mg (Teller et al.
2015).
Man kann es alternativ zwar auch durch Sonstige Verbindungen Rutheniumcarbid (RuC)
Reaktion von Ruthenium-VIII-oxid mit Iodwas- ist ein Halbleiter, der in der Zinkblende-Struktur
serstoffsäure darstellen, aber dieser Redoxprozess kristallisiert. Die Zusammensetzung weiterer Ver-
setzt größere Mengen Iod frei und ist daher nicht bindungen im System Ruthenium-Kohlenstoff
sehr ökonomisch (Housecroft 2005, S. 675): konnte durch IR-Spektren und Berechnung der
effektiven Ladungen nach Born relativ genau
2 RuO4 þ 16 HI ! 2 RuI3 þ 8 H2 O þ 5 I2 bestimmt werden (Harikrishnan 2015). In einem
anderen Versuch erzeugte man durch chemische
Die schwarze, orthorhombisch kristallisie- Abscheidung aus der Gasphase ultradünne (5 nm)
rende Verbindung erleidet beim Erhitzen auf Tem- dicke Filme aus Graphen auf Rutheniumoberflä-
peraturen um 300  C Zersetzung und ist kaum chen. Während bei 910  C mehrschichtige, grafi-
löslich in Wasser sowie auch organischen Lö- tähnliche Filme erhalten wurden, bildet sich bei
sungsmitteln. 1000  C aus einer Schicht bestehendes, defekt
Pnictogenverbindungen Rutheniummononitrid strukturiertes Graphen. An der Grenzfläche zum
(RuN) prüft man in Barriereschichten von Spie- Ruthenium bildet sich nanokristallines Ruthe-
686 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

niumcarbid, das mit kubischer Struktur kristalli- (Elschenbroich 2008, S. 632 ff.). Auch einige
siert (Jinénez-Villacorta 2017). Polymerisationsreaktionen könnten ohne ruthe-
Filme aus Rutheniumsilicid (Ru2Si3) entstan- niumhaltige Katalysatoren kaum stattfinden; ein
den beim Erhitzen festen Rutheniums mit Sili- Beispiel dafür ist die sehr wichtige Polymerisation
cium an der Phasengrenzfläche. Der halbleitende von Methacrylsäuremethylester unter Verwen-
Film behielt seine Leitfähigkeit bis hinauf zu dung von Tris(triphenylphosphino)Ruthenium-
Temperaturen von 700  C, auch wenn unter die- II-chlorid [RuCl2(PPh3)3] (N. N. 1999).
sen Bedingungen dann teilweise Oxidation ein-
tritt. Diese Temperatur ist um rund 100  C höher Anwendungen Der weltweite Bedarf an Ruthe-
als diejenige, die mit Titannitrid erzielbar ist (Mat- nium ist trotz seiner Einsatzpotenziale als Kata-
suya et al. 2003). lysator gering. Der größte Anteil des Elements geht
Zwei Strukturen von Rutheniumsiliciden, RuSi wegen seiner Härte und geringen Abriebsneigung in
bzw. Ru2Si3 (Raumgruppe P213 bzw. Pbcn) wur- die Elektronikindustrie. Am wichtigsten ist seit eini-
den zuerst synthetisiert. Daneben bildete sich gen Jahren ein Perpendicular Recording genanntes
noch RuSi2 (mit β-FeSi2-Struktur; Raumgruppe Speicherverfahren für Daten auf Festplatten. Dabei
Cmca). Die danach durchgeführten Berechnun- ist eine dünne Schicht Ruthenium zwischen der aus
gen der Bildungsenthalpie, Phononenstreuung Kobalt, Chrom und Platin bestehenden Speicher-
und Elastizitätskonstanten zeigen, dass dieses schicht und der magnetischen Schicht angeordnet
Cmca-RuSi2 stabil ist. Die Analyse der elektroni- (Shi et al. 2005; Hydes 1980).
schen Bandlagen weist Cmca-RuSi2 als Halbleiter Wie schon oben erwähnt, zeigt Ruthenium bei
mit einer direkten Bandlücke von 0,48 eV aus. vielen Reaktionen einen ausgeprägten Katalyseef-
Es liegen starke kovalente Bindungen zwischen fekt und wird deshalb breit verwendet. So laufen
den Ruthenium- und Siliciumatomen vor. Die Hydrierungen von Carbonylverbindungen oder
Vickers-Härte wurde zu 28,0 GPa bestimmt, was Aromaten in Gegenwart bestimmter Verbindungen
einem äußerst schwer komprimierbaren Material des Rutheniums glatt. Die Eignung für die aus
entspricht (Zhang et al. 2015). Wasserstoff und Kohlenmonoxid bzw. -dioxid
Rutheniumboride besitzen ebenfalls eine ex- betriebene Erzeugung von Methan besteht prinzi-
trem große Härte; so sollen aus RuB2 und Ru2B3 piell, jedoch sind nickelhaltige Katalysatoren hier
bestehende Filme Vickers-Härten von ca. 50 GPa wirtschaftlicher (Traa und Weitkamp 1998).
besitzen (Rau et al. 2009). Dieselben Materialien Ähnlich wie seine Homologen Eisen und
in kompakter Form haben allerdings deutlich Osmium katalysiert auch Ruthenium die Ammo-
geringere Härten (Chung et al. 2007; Qin et al. niaksynthese nach Haber-Bosch, bei der Stick-
2008). Zuerst vermutete man für Rutheniumdibo- stoff mit Wasserstoff umgesetzt wird. Hinderlich
rid (RuB2) eine hexagonale Struktur (Kempter für eine weite Verbreitung ist nur der hohe Preis
und Fries 1961); dies wurde wenig später aber in des Rutheniums; aktuell am wirksamsten und am
Richtung einer orthorhombischen Struktur korri- wenigsten störungsanfällig sind kohlenstoffarme
giert (Roof und Kempter 1962). oder -freie Rutheniumverbindungen (Bielawa
Tetrapropylammoniumperruthenat [(C3H7)4 et al. 2001).
N+RuO4] ist ein Oxidationsmittel, das in orga- Platin oder Palladium zulegiert, erhöht es
nischen Synthesen zugleich katalytisch wirksam deren Härte. Auch in Legierungen für Füllfeder-
ist (Ley et al. 1994). halter oder Zahnfüllungen ist es enthalten (Eich-
Ruthenium bildet viele Komplexe, in denen es ner und Kappert 2005). Es wirkt korrosionsschüt-
alle Oxidationsstufen zwischen 2 und +8 ein- zend auf Titan sowie dessen Legierungen (Schutz
nehmen kann. Einige von ihnen sind Katalysato- 1996), und erhöht auch die Härte von Nickel in
ren in diversen organischen Synthesen, wie etwa mechanisch und thermisch hoch beanspruchten
in der Grubbs-Reaktion (Metathese von Olefinen) Legierungen (Koizuma et al. 2003). Mit Rutheni-
oder der Noyori-Synthese, bei der β-Keto-Ester in um-IV-oxid beschichtet man die bei der Chloral-
isomerenreine Alkohole umgewandelt werden kalielektrolyse eingesetzten Titananoden.
5 Einzeldarstellungen 687

Physiologische Wirkung und Toxizität Ruthe-


nium hat wie andere Platinmetalle keine bio- 2018226754 A1, veröffentlicht 13.
logische Funktion, kommt also im menschlichen Dezember 2018)
und tierischen Körper nicht vor. Dagegen hem- V. Thiel und M. Stemmler, Method for pro-
men einige Komplexe des Rutheniums das ducing particulate rhenium (Heraeus
Wachstum von Krebszellen. Grund hierfür ist, Deutschland GmbH & Co. KG, SG
dass Komplexe des Rutheniums (meist in der 11201807335V A, veröffentlicht 29.
Oxidationsstufe +2) relativ inert sind und ohne November 2018)
den Wirkstoff zerstörende Ligandenaustausch- K. Kawakubo, Ruthenium oxide powder,
reaktion den Ort im Körper erreicht, an dem sie composition for thick film resistor, paste
wirken sollen. Außerdem kann das Ruthenium- for thick film resistor, and thick film
atom in manchen Fällen das an Eiweißmoleküle resistor (Sumitomo Metal Mining Co.,
gebundene Eisenatom ersetzen. Gegenwärtig sind TW 201840484 A, veröffentlicht 16.
jedoch alle die Arbeiten noch Gegenstand der November 2018)
Forschung; ebenso die Untersuchungen auf eine
mögliche Eignung von Rutheniumverbindungen
zur Bekämpfung der Malaria (Allardyce und Dy-
son 2001; Antonarakis und Emadi 2010). 5.3 Osmium

Geschichte Osmium wurde schon 1804 und


Patente noch vor Ruthenium entdeckt. Tennant isolierte
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world es aus dem Rückstand, der nach dem Auflösen
wide.espacenet.com) von Platin in Königswasser in diesem zurück-
bleibt. Namensgebend war der faulig-stechende
K. Takenaka und Y. Okamoto, Ruthenium Geruch des Osmium-VIII-oxids (OsO4), das hier-
oxide and method for producing ru- bei in Spuren gebildet wurde.
thenium oxide (University of Nagoya, Zuerst verwendete man es Anfang des 20.
National University Corp., US 2019 Jahrhunderts neben Wolfram als Material in Glüh-
031528 A1, veröffentlicht 31. Januar fäden („Osram“). Osmium hat aber neben seinem
2019) hohen Preis den Nachteil, dass es spröde ist und
W. Baratta und S. Baldino, Monocarbonyl somit nicht zu Fäden gezogen werden kann. Man
ruthenium and osmium catalysts (Uni- versuchte diesen Nachteil durch Aufspritzen einer
versità degli studi di Udine; Innovation organischen, osmiumhaltigen Paste auf die aus
Factory srl, US 2019030522 A1, veröf- Wolfram bestehende Glühwendel und folgendes
fentlicht 31. Januar 2019) Abbrennen der organischen Bestandteile zu um-
C.-Y. Wong und H.-S. Lo, Ruthenium com- gehen. Hieraus resultierten aber wieder Nachteile
plex for use in nitrite detection (Univer- in der Praxis, so dass die Anwendung von
sity of the City of Hong Kong, US Osmium in Glühlampen wenig später endgültig
2019017980 A1, veröffentlicht 17. aufgegeben wurde, zuerst zugunsten von Tantal,
Januar 2019) später von Wolfram.
F. Peng, Superfine hydrated ruthenium
dioxide production plant (Chengdu Meng
Te Si Technology Co., Ltd., AU 2018
Der englische Chemiker Smithson Ten-
101748 A4, veröffentlicht 3. Januar 2019)
nant (* 30. November 1761 Selby; † 22.
D. Y. Kim und J.-S. Na, Depositing
Februar 1815 Boulogne-sur-Mer) studierte
ruthenium layers in interconnect metall-
ab 1781 Medizin an der Universität Edin-
ization (Lam Research Corp., WO burgh, zwei Jahre später auch Chemie,
688 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

Letzteres wird faktisch aber zu wasserunlösli-


Mathematik und Botanik in Cambridge. chem Silber-I-chlorid umgesetzt, das man danach
1796 wurde er in Medizin promoviert, führ- im sauren Milieu (Salpetersäure) durch Zugabe
te schon davor viele Reisen innerhalb Euro- von Blei-II-carbonat in leicht lösliches und aus-
pas durch und lebte ab Ende des 18. Jahr- schleusbares Silbernitrat umwandeln kann.
hunderts auf seinem Gutshof in der Rhodium setzt man durch Schmelzen mit Na-
Grafschaft Somerset. Tennant verstarb triumhydrogensulfat zu Rhodiumsulfat um, das
1815 im Alter von 54 Jahren bei einem ausgewaschen wird. Aufschmelzen des verblei-
Unfall. benden Rückstandes mit Natriumperoxid löst
Ihm und Wollaston gelang der Nach-
Osmium und Ruthenium, Iridium als „edelstes“
weis, dass Diamant nur eine Modifikation
Platinmetall bleibt erneut ungelöst zurück. Einlei-
des Elements Kohlenstoff ist. Er entdeckte
ten von Chlorgas in die osmium- und ruthenium-
1804 Iridium und Osmium in den unlösli-
haltige Lösung ergibt die flüchtigen Verbindun-
chen Rückständen, die beim Auflösen von
Platinerz in Königswasser anfallen. (1803, gen Osmium-VIII- und Ruthenium-VIII-oxid,
ein Jahr zuvor, hatte Wollaston schon Rho- von denen sich nur ersteres in alkoholischer Na-
dium und Palladium in Platinerzen ent- tronlauge löst. Diese Lösung trennt man ab, fällt
deckt). Nach Tennant ist das Mineral Ten- Osmium durch Zugabe von Ammoniumchlorid
nantit benannt. Er war Mitglied der Royal als Komplex (Tetrammin-Osmium-VI-dioxiddi-
Society of Chemistry und einer ihrer Preis- chlorid), den man schließlich mit Wasserstoffgas
träger (Copley Medal). zu metallischem Osmium reduziert. Die weltweit
jährlich produzierte Menge des Metalls ist mit
rund 100 kg extrem gering.
Vorkommen Das sehr seltene Osmium ist fast
immer mit anderen Platinmetallen vergesellschaf- Eigenschaften
tet. Daneben findet man es meist elementar Physikalische Eigenschaften: Metallisches Os-
(gediegen) oder legiert mit Iridium („Osmiri- mium hat von allen bisher bekannten und nicht
dium“ oder „Iridosmium“), aber auch in chemisch radioaktiven Elementen mit 22,59 g/cm3, knapp
gebundener Form als Sulfid, Selenid oder Tellu- vor Iridium mit 22,56 g/cm3, die höchste Dichte
rid. Meist dienen die primären Lagerstätten zur (s. Tab. 3) und ist ein stahlblau glänzendes
Produktion des Elements, dies sind Kupfer-, Schwermetall mit hexagonal-dichtester Kris-
Nickel-, Chrom- oder Eisenerze, in denen geringe tallstruktur (Arblaster 1989; Schubert 1974).
Mengen an Platinmetallen in chemisch gebunde- Weitere Superlative sind der höchste Schmelz-
ner Form vorkommen. Bedeutende Vorkommen bzw. Siedepunkt aller Platinmetalle (Arblaster
sind diejenigen in Südafrika (Witwatersrand), 2005) sowie das mit 462 GPa höchste Kom-
Kanada (Ontario) und Russland (Ural). pressionsmodul aller bekannten Elemente und
Darüber hinaus enthalten die sekundären La- Verbindungen (Minkel 2002). Supraleitend
gerstätten sehr geringe Mengen Osmium und wird es erst unterhalb einer Temperatur von
andere Platinmetalle in gediegener Form; diese 272,39  C.
findet man beispielsweise in Indonesien, Kolum- Die sieben natürlich vorkommenden Isotope
bien, Russland und Äthiopien. des Osmiums haben Massenzahlen zwischen
184 und 192, wobei 19276Os mit einem Anteil
Gewinnung Ausgangsmaterial für die aufwändi- von 40,8 % das am häufigsten auftretende Isotop
ge Gewinnung des Osmiums sind edelmetallhal- ist. Das einzige radioaktive der natürlich vorkom-
tige Erze oder Anodenschlämme, die bei der Pro- menden Isotope ist 18676Os, allerdings weist es
duktion von Nickel oder Gold anfallen. Zunächst eine mit >2  1015 a äußerst lange Halbwertszeit
löst man das Erz in Königswasser, wobei Gold, auf. Die nur auf künstlichem Weg zugänglichen
Palladium und Platin aufgelöst werden. Die ande- Isotope 18576Os bzw. 19176Os dienen in der Medi-
ren Platinmetalle und sogar Silber bleiben zurück. zin als Tracer, da ihre Halbwertszeiten mit 96,6
5 Einzeldarstellungen 689

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Osmium


Symbol: Os
Ordnungszahl: 76
CAS-Nr.: 7440-04-2

Aussehen: Blaugrau Osmium (Druse), Osmium-Pellets,


glänzend Periodictable.ru 2016 Onyxmet 2018
Entdecker, Jahr Tennant (England), 1804
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
188
76Os (13,3) Stabil ——
189
76Os (16,1) Stabil ——
190
76Os (26,4) Stabil ——
192
76Os (40,8) Stabil ——
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,01
Atommasse (u): 190,23
Elektronegativität 2,2 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: OsO4 + 8 H+ + 8 e ! Os + 4 H2O 0,85
(V)
Atomradius (berechnet) (pm): 130 (185)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 128
Ionenradius (Os4+/ Os3+, pm) 67/81
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d6 6s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 840 ♦ 1600
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,5  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,09  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 551 ♦ 462 ♦ 222
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe ♦ 3740
Mohs-Härte 7,0
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 4940
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 22,59
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 8,42  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 88
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,7
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 3033 ♦ 3306
Schmelzwärme (kJ/mol) 31,8
Siedepunkt ( C ♦ K): 5012 ♦ 5285
Verdampfungswärme (kJ/mol): 678

bzw. 15 d sehr kurz sind. Rhenium-Osmium- Chemische Eigenschaften: Osmium ist als
Chronometer nutzen das Mengenverhältnis des Edelmetall äußerst reaktionsträge und reagiert
durch β--Zerfall von 18775Re gebildeten 18776Os direkt nur mit Fluor, Chlor und Sauerstoff. Kom-
zu 18876Os zur Altersbestimmung von Eisenme- paktes Osmium verbrennt in Sauerstoff erst bei
teoriten (Brick et al. 1991). Rot- bzw. Gelbglut, aber das fein verteilte Metall
690 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

bildet schon beim Stehenlassen an der Luft und und im Rutilgitter kristallisierende, auch in Form
bei Raumtemperatur in Spuren hochgiftiges langer Einkristalle erhältliche Feststoff (Rogers
Osmium-VIII-oxid (OsO4). In nicht oxidierenden et al. 1972; Yen 2004; Boman et al. 1970) oxidiert
Mineralsäuren sowie kaltem Königswasser ist bereits an der Luft langsam zu Osmium-VIII-oxid
Osmium unlöslich, aber heiße konzentrierte Sal- und ist in fein verteiltem Zustand sogar pyrophor.
peter- oder Schwefelsäure sowie geschmolzenes Es ist aber nicht toxisch wie Osmium-VIII-oxid
Natriumperoxid oder Kaliumchlorat greifen es an. (Smith et al. 1974). Die Verbindung zeigt eine
elektrische Leitfähigkeit, die der von Metallen
Verbindungen sehr nahe kommt (Greedan et al. 1968).
Chalkogenverbindungen Das sehr giftige Osmi- Osmium-IV-sulfid (OsS2) kommt in natürlichen
um-VIII-oxid (OsO4) stellt man durch direkte Oxi- Lagerstätten sehr selten als metallisch glänzendes,
dation metallischen Osmiums oder durch Oxida- graues Mineral Erlichmanit der Mohs-Härte 5 vor.
tion osmiumhaltiger Lösungen mit Salpetersäure Die Verbindung kann durch Einleiten von Schwe-
oder Natriumperoxodisulfat/Schwefelsäure her. felwasserstoff in eine saure Lösung eines Osmium-
Die blassgelben Kristalle monokliner Struktur IV-salzes oder -komplexes als grauschwarzer Fest-
(Dichte: 4,9 g/cm3) schmelzen bereits bei einer stoff ausgefällt werden (Cali 1964, S. 92). Die
Temperatur von 40  C; die Flüssigkeit siedet bei Verbindung ist ebenso wie ihre höheren Homolo-
130  C (Brauer 1981, S. 1634). Neben Perxenaten gen Osmium-IV-selenid (OsSe2) und Osmium-IV-
und Ruthenium-VIII-oxid ist Osmium-VIII-oxid tellurid (OsTe2) ein Halbleiter.
die einzige Verbindung, in der ein Element in der Halogenverbindungen Osmium-VI-fluorid (OsF6)
Oxidationsstufe +8 auftritt (Abb. 26a, b). ist ein gelber, mit orthorhombischer Struktur kris-
Wegen seiner Flüchtigkeit wird es vom Men- tallisierender Feststoff der Dichte 5,1 g/cm3
schen leicht eingeatmet, der so ein Schwermetall (Drews et al. 2006). Im Kristallgitter liegen ok-
im Körper aufnimmt. Die größte Gefahr geht taedrische OsF6-Einheiten vor. Die sehr hydroly-
aber von seiner leicht erfolgenden Reduktion zu seempfindliche Verbindung schmilzt bzw. siedet
schwarzem Osmium-IV-oxid aus, die, wenn der/- bei Temperaturen von 33,4 bzw. 47,5  C und wird
die Betreffende keinen geeigneten Augenschutz durch Umsetzung des Metalls mit überschüssigem
trägt, schon auf der Netzhaut der Augen stattfindet Fluorgas bei Temperaturen um 300  C dargestellt:
und einen dauerhaften Verlust des Sehvermögens
bewirken kann. Os þ 3 F2 ! OsF6
Osmium-VIII-oxid ist nur wenig löslich in
Wasser, aber gut in Tetrachlorkohlenstoff. Es Osmium-VI-fluorid kann man mit in Iod-V-
wirkt stark oxidierend und reagiert teils heftig fluorid gelöstem Iod in der Wärme zu Osmium-
mit reduzierenden und brennbaren Stoffen, durch V-fluorid (OsF5) reduzieren (Brauer 1975, S. 283;
die es meist zu schwarzem Osmium-IV-oxid redu- Singh 2007, S. 307):
ziert wird. Als Katalysator zusammen mit den als
Oxidationsmittel dienenden Wasserstoffperoxid 10 OsF6 þ I2 ! 10 OsF5 þ 2 IF5
oder N-Methylmorpholin-N-oxid eingesetzt, be-
wirkt es die stereoselektive Oxidation von Alke- Jenes ist ein blaugrüner, monoklin kristallisie-
nen zu cis-Diolen (Van Rheenen et al. 1978). render, ebenfalls gegenüber Hydrolyse anfälliger
Das bei einer Temperatur von 650  C unter Feststoff, der bei 70  C zu einer grünen Flüssig-
Zersetzung schmelzende Osmium-IV-oxid (OsO2) keit schmilzt. Diese verfärbt sich bis zu ihrem
ist durch Reduktion von Osmium-VIII-oxid mit Siedepunkt bei 225  C ins Blaue. Im Kristallgitter
einer Mischung aus Stickstoff und Wasserstoff befinden sich kantenverknüpfte OsF5-Tetramere
oder durch Schmelzen von Kaliumhexachloroos- (Alsfasser et al. 2007).
mat (K2OsCl6) mit Natriumcarbonat zugänglich Osmium-IV-fluorid (OsF4) ist entweder durch
(Brauer 1981, S. 1745; Thiele und Woditsch Reduktion von Osmium-VI-fluorid mit Wolfram-
1969). Der schwarze, in Wasser kaum lösliche hexacarbonyl (Singh 2007, S. 307), durch Fluo-
5 Einzeldarstellungen 691

rierung von Osmium mit unterschüssigem Fluor existierende schwarze, orthorhombisch aufgebaute
(Leddicotte 1961), durch Reduktion von gelöstem Hochtemperaturmodifikation (Machmer 1967) ver-
Osmium-V-fluorid (Cotton 1997, S. 5) oder durch flüchtigt sich unter Bildung gelber Dämpfe (Bauer
Umsetzung von Hexafluoroosmat [OsF6]2 mit in und Ruthart 2013).
Fluorwasserstoff gelöstem Arsen-V-fluorid zu- Man kann Osmium-IV-chlorid auf verschiede-
gänglich (Hartley 2013). Der gelbe, bei einer nen Wegen darstellen. Entweder erhitzt man
Temperatur von 230  C schmelzende Feststoff Osmium-III-chlorid (OsCl3) im Vakuum auf Tem-
wird durch Wasser schnell hydrolysiert (Haynes peraturen um ca. 500  C, wobei Disproportionie-
2015) und besitzt eine Polymerstruktur, die iso- rung eintritt (Singh 2007, S. 307):
morph zu der anderer Tetrafluoride der Platinme-
talle ist (Johnson 1977, S. 321). 2 OsCl3 ! OsCl4 þ OsCl2
Osmium-V-chlorid (OsCl5) ist ein schwarzer,
in dimeren Einheiten kristallisierender Feststoff Oder man erhitzt Osmium-VIII-oxid mit
vom Schmelzpunkt 160  C. Die Substanz ist in Thionylchlorid (I) oder Tetrachlorkohlenstoff (II,
unpolaren Lösungsmitteln schlecht, in Phosphor- MacIntyre 1992):
oxidchlorid aber gut löslich (Burns und O’Don-
nell 1979). Man gewinnt es durch Umhalogenie- (I)
OsO4 þ 4 SOCl2 ! OsCl4 þ 2 Cl2 þ 4 SO2
rung aus Osmium-VI-fluorid und Bortrichlorid
(I) oder aus Osmium-VIII-oxid, Schwefel-II-chlo- (II)
rid und Chlor (II, Denicke und Lößberg 1980): OsO4 þ 4 CCl4 ! OsCl4 þ 4 COCl2
þ 2 Cl2
(I)
2 OsF6 þ 4 BCl3 ! 2 OsCl5 þ 4 BF3 þ Cl2
Auch „einfaches“ Chlorieren von Osmium bei
(II)
2 OsO4 þ 8 SCl2 þ 5 Cl2 ! 2 OsCl5 þ 8 SOCl2 etwa 700  C ergibt das gewünschte Produkt (Ruff
und Bornemann 1910):

Im Kristallgitter des rotbraunen Osmium-IV- Os þ 2 Cl2 ! OsCl4


chlorids (OsCl4) liegen kantenverknüpfte OsCl6-
Okateder vor (Janiak et al. 2012), die linear und in Bei letzterer Reaktion entsteht auch das braun-
kubischen Elementarzellen angeordnet sind (Cot- schwarze, hygroskopische Osmium-III-chlorid
ton und Rice 1977). Die Verbindung der Dichte (OsCl3), das man in umso besserer Ausbeute,
4,5 g/cm3 sublimiert bei Temperaturen um 450  C jedoch stets im Gemisch mit OsCl4, erhält, je
(MacIntyre 1992). Sie ist in polaren protischen schneller der Dampf abgekühlt wird. Diese Ver-
Lösungsmitteln wie Wasser, Mineralsäuren und bindung schmilzt bei einer Temperatur von
Ethanol gut löslich, zersetzt sich aber in Salzsäure 450  C, ist leicht löslich in Wasser (Bauer und
schnell. Die in der Nähe des Sublimationspunktes Ruthart 2013) und dient zur Synthese anderer
Osmiumverbindungen (Eagleson 1994, S. 760;
Perry 2011, S. 303).
Osmium-II-chlorid (OsCl2) entsteht bei der
Disproportionierung von Osmium-III-chlorid bei
Temperaturen um 500  C und im Vakuum. Es ist
ein dunkelbrauner, Wasser anziehender Feststoff,
der aber kaum löslich in Wasser und auch sonst
chemisch ziemlich inert ist (Leddicotte 1961,
Abb. 26 a Osmium-VIII-oxid, eingeschmolzen in einer S. 5). Die Substanz dient als Katalysator für die
Ampulle (Hiller 2009). b Osmium-VIII-oxid (Onyxmet Herstellung von Trialkylaminen (MacIntyre 1992,
2018) S. 221).
692 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

Osmium-IV-bromid (OsBr4) gewinnt man direkt sein, was die Verbindung für Anwendungen
durch Reaktion von Osmium mit Brom unter in der Elektronik prädestinieren würde.
Druck bei hoher Temperatur. Alternativ stehen Osmiumboride haben eine große Härte und
die Darstellung aus Osmium-IV-chlorid und somit eine sehr geringe Kompressibilität, was
Brom, ebenfalls im Autoklaven, oder das Kochen mit der hohen Elektronendichte des Osmium-
von in Ethanol gelöstem Bromwasserstoff und atoms und der starken kovalenten Bindungen zwi-
Osmium-VIII-oxid als Alternativen zur Verfü- schen Bor- und Osmiumatomen erklärt wird
gung (Cotton 1997, S. 5). Der schwarze Feststoff (Cumberland et al. 2005). Jedoch sind diese Mate-
zersetzt sich an seinem Schmelzpunkt von 350  C rialien nicht superhart wie zuvor angenommen
zu Oxidbromiden des Osmiums (Greenwood und (Hebbache et al. 2006). Die Verbindungen stellt
Earnshaw 2012, S. 1083). man durch Erhitzen einer aus Magnesiumdiborid
Das bei einer Temperatur von 340  C unzer- und Osmium-III-chlorid bestehenden Mischung
setzt schmelzende, dunkelgraue und nahezu was- bei ca. 1000  C her, entweder im Vakuum oder
serunlösliche Osmium-III-bromid (OsBr3) erhält in Inertgasatmosphäre (Cumberland et al. 2005).
man durch thermischen Abbau von Osmium-IV- Man kennt OsB, Os2B3 und OsB2, von denen
bromid bei Temperaturen von >300  C unter die ersten zwei hexagonal im Gittertyp des Rheni-
Ausschluss von Luft (Hartley 2013, S. 475). umdiborids kristallisieren. Ursprünglich bezeich-
Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, nete man die Kristallstruktur auch des Osmiumdi-
ob es sich entweder um OsBr3 oder aber um ein borids als hexagonal (Kempter und Fries 1961),
Oxidbromid handelt (Schäfer 1986). korrigierte dies später aber auf orthorhombisch
Pnictogenverbindungen Gängige Synthesewe- (Roof und Kempter 1962). In jüngerer Zeit konnte
ge zur Herstellung isolierbarer Osmiumnitride auch eine Modifikation mit hexagonaler Struktur
sind noch unbekannt. Lediglich Komplexe, die dargestellt werden (Xie et al. 2014).
Osmium-Kationen und nitridischen Stickstoff
enthalten, wurden bisher erhalten, so der planar- Anwendungen Der aktuelle Preis für Osmium
quadratisch strukturierte Osmium-IV-nitrido-Kom- ist sehr hoch und erfuhr während der vergangenen
plex OsN(PNP) [PNP=N(CH2CH2P(tBu)2)2], den Jahre eine ständige Steigerung. Ein nahezu aktu-
man durch Deprotonierung des Hydridokomplexes eller Preis (Juli 2018) für 1 g Osmium beläuft sich
Os(N)H(PNP)+ erhalten kann (Schendzielorz et al. auf netto ca. 1000 CHF(!). Für das in nur sehr
2016). Die Verbindung ist reaktiv, das Stickstoff- geringen Mengen produzierte Element gibt es
atom reagiert gleichermaßen mit Elektrophilen (Si- wenige technische Anwendungen. Neuerdings
Me3Br) und Nukleophilen (PMe3). stellt man aus hochreinem Osmium Schmuck her
Das halbleitende Osmiumphosphid (OsP) setzt und einzelne, mehr als 100.000 € kostende De-
man vereinzelt in Laserdioden ein. signeruhren enthalten Zifferblätter aus Osmium.
Sonstige Verbindungen Synthetisch hergestell- Darüber findet es sich in sehr geringer Menge in
tes Osmiumcarbid (OsC) kristallisiert in einer Schreibkugeln -teurer- Kugelschreiber, in elektri-
Nickelarsenid-Struktur; dies ist aber noch nicht schen Kontakten und medizinischen Implantaten
abschließend bestätigt, denn auch andere mögli- wie etwa künstlichen Herzklappen.
che Strukturen können die mechanische Stabilität
der Verbindung erklären (Tian et al. 2008). Analytik Über die – sehr gefährliche und nicht
Andere Autoren verweisen auf eine Wolframcar- eindeutige – Identifikation des Osmiums über
bid-ähnliche Struktur. den Geruch seines Tetroxids (OsO4) verläuft
Mittels Molekularstrahlen konnten dünne der nasschemische Nachweis derart, dass man
Filme von Osmiumsiliciden (OsSi2 und Os2Si3) die osmiumhaltige Substanz auf ein mit einer
erzeugt werden. Beide Verbindungen sind Halb- wässrigen Lösung von Benzidin- oder Kalium-
leiter mit Bandlücken von 1,4–1,8 eV (OsSi2) und hexacyanoferrat getränktes Filterpapier auf-
0,95 eV (Os2Si3) (Cottier et al. 2006 und dort bringt. Das in Spuren in der Probe enthaltene
zitierte Literatur). Die Bandlücke von Os2Si3 soll Osmium-VIII-oxid führt zur Verfärbung des
5 Einzeldarstellungen 693

Benzidins nach violett und des Kaliumhexacyan-


oferrat nach hellgrün. (Massachusetts Institute of Technology,
Zur quantitativen Analyse stehen die Voltam- US 2017233422 A1, veröffentlicht 17.
metrie, Massenspektrometrie, Plasma-Atomabsorb- August 2017)
tionsspektroskopie und Polarografie zur Verfügung. Y. Long und C. Zou, Novel ternary osmium-
rhenium diboride (Os1xRe2B2) hard
Physiologie und Toxizität Neben massiven Au- material and preparation method thereof
genschädigungen ruft Osmium-VIII-oxid, wenn (Guangdong University of Technology,
es eingeatmet wird, starke Lungenreizung mit CN 107043260 A, veröffentlicht 15.
eventueller Bildung eines Ödems hervor. Selbst August 2017)
Osmiumpulver bildet beim Stehenlassen an der
Luft bereits in Spuren dieses Oxids, daher ist
Vorsicht beim Arbeiten mit Metallstaub geboten.
5.4 Hassium

Patente Geschichte Erstmals gelang 1984 dem Forscher-


(Weitere aktuelle Patente siehe https://world team des GSI Helmholtzzentrums für Schwerio-
wide.espacenet.com) nenforschung die Erzeugung einzelner Atome des
Hassiums durch Beschuss von Blei- mit Eisennu-
Z. Yao und J. Wang, New method for kliden (Münzenberg et al. 1984). Die Benennung
osmium powder purification (Nanjing des neuen Elements erfolgte nach dem deutschen
Dong Rui Platinum Co., Ltd.; privat, Bundesland Hessen (lat.: Hassia), in dem Darm-
CN 108660323 A, veröffentlicht 16. stadt liegt.
Oktober 2018)
Z. Wei, Ruthenium or osmium-based com-
plex catalysts (Arlanxeo Deutschland
Der schwedische Physiker Karl Manne
GmbH, US 2018290134 A1, veröffent-
Georg Siegbahn (* 3. Dezember 1886 Öre-
licht 11. Oktober 2018)
bro; † 26. September 1978 Stockholm)
M. Zhang und L. Qin, Method for de- begann sein Physikstudium 1906 an der
termination of osmium and ruthenium Universität Lund und wurde 1911 dort auch
in ore by alkali fusion distillation-plasma promoviert. Nach seiner Promotion wurde
mass spectrometry (Xian Center of Geo- er Dozent und 1915 Assistenzprofessor im
logical Survey, CN 107860815 A, ver- Institut von Prof. Johannes Rydberg. Nach
öffentlicht 30. März 2018) dessen Tod 1919 übernahm er dessen Lehr-
L. Ma und J. Wang, Method of separating stuhl. 1923 wechselte Siegbahn an die Uni-
rhenium and/or osmium from crude oil versität Uppsala und erhielt seitens der
(University of Tianjin, CN 107702953 Königlich-Schwedischen Akademie der
A, veröffentlicht 16. Februar 2018) Wissenschaften 1937 die Ernennung zum
J. Yuan und J. Gong, Method for extracting Forschungsprofessor. Von 1938 bis 1947
osmium, iridium and ruthenium to be war er Präsident der International Union of
directly processed into corresponding Pure and Applied Physics (IUPAP).
compounds (Luxi Kuobo Precious Seit seiner Zeit als Dozent forschte Sieg-
Metals Ltd., CN 107502739 A, veröf- bahn auf dem Gebiet der Röntgenspektro-
fentlicht 22. Dezember 2017) skopie, deren Messtechnik und -verfahren
S. J. Lippard und K. Suntharalingam, Com- er deutlich verbesserte. Die gleichzeitig ent-
positions and methods comprising wickelte Quantenmechanik, deren Schwer-
osmium for the treatment of cancers punkt damals auf der Beschreibung des
schalenförmigen Aufbaus der Elektronen-
694 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

und Californium- mit Neonkernen (Ziel: 264108Hs)


hülle der Atome lag, konnte er durch eigene bombardierte (Barber et al. 1993). Oganessian et al.
Ergebnisse nahezu vollständig stützen. verfassten hierüber ein Jahr später einen Bericht,
Diese fasste er in seinem Buch „Spektro- erklärten die Resultate aber nicht als Entdeckung.
skopie der Röntgenstrahlen“ zusammen Ebenfalls 1984 erschien der Bericht von Armbrus-
und wurde 1924 mit dem Nobelpreis für ter und Münzenberg des GSI Helmholtzzentrums,
Physik ausgezeichnet. in dem man das Bombardieren eines Bleitargets
Ab den 1940er-Jahren widmete er sich mit Eisennukliden beschrieb und bei dem man drei
der Kernphysik und ließ ein Zyklotron (!) Kerne des Isotops 265108Hs erhalten habe.
sowie mehrere Spektrometer konstruieren.
Von 1985 bis 1991 berieten IUPAC und IU-
Hiermit schloss das Institut zu den führen-
PAP, wie die Resultate der miteinander konkurrie-
den weltweit auf. Neben dem Nobelpreis
renden Arbeitsgruppen zu bewerten seien. Die
wurden Siegbahn mehrere Ehrenmedaillen
Resultate wurden 1993 veröffentlicht und besag-
und Mitgliedschaften verliehen.
ten, dass zwar das JINR und das GSI Helmholtz-
zentrum unabhängig voneinander und zur glei-
Vorkommen Hassium kommt nicht in der Natur chen Zeit Nuklide des Elements 108 entdeckt
vor und kann nur auf künstlichem Weg hergestellt hätten, dass aber nur die Ergebnisse der deutschen
werden. Alle Isotope dieses Elementes sind radio- Arbeitsgruppe eindeutig die Entdeckung nachge-
aktiv. [Frühere Autoren vermuteten sogar ein na- wiesen und sich das JINR im Nachhinein auf
türliches Vorkommen (Cherdyntsev und Mikhai- diese Resultate bezogen hätte. Demzufolge er-
lov 1963); und man stellte noch 2006 die These kannte man der GSI den größeren Anteil an der
auf, dass ein Isomer des Isotops 271108Hs eine Entdeckung und damit das erste Recht auf die
Halbwertszeit von ca. 250 Mio. a (!) haben sollte. Namensgebung zu (Ghiorso et al. 1993). Arm-
Nur so sei die energiereiche α-Strahlung in Proben bruster und seine Kollegen schlugen den Namen
von Molybdänit und Osmiridium erklärbar, worin Hassium nach dem deutschen Bundesland Hessen
dieses Hassiumisotop vorkommen sollte. Der vor, in dem die GSI beheimatet ist. Nach langer
Verfasser räumt aber selbst ein, dass diese kontroverser Diskussion akzeptierte die IUPAC
These kaum zu beweisen ist (Ivanov 2006)]. den Namen Hassium (1997).
Angesichts der durch immer weitere Berechnun-
gen und Ergebnisse erhärteten hohen Wahrschein- Eigenschaften
lichkeit des Auftretens relativ stabiler super- Physikalische Eigenschaften: Das längstlebige
schwerer Kerne gewinnt die wissenschaftliche Isotop des Hassiums, 277108Hs, hat immerhin eine
Diskussion darüber aber wieder an Intensität Halbwertszeit von 16,5 min, das kürzestlebige
(Marinov et al. 2003). (265108Hs) eine von nur 1,5 ms (Düllmann et al.
Vor der ersten erfolgreichen Erzeugung von 2002; Dvorak et al. 2006; Schädel und Türler
Nukliden des Elements durch die GSI versuchte 2009). Mit seiner außerordentlich hohen Dichte
1978 das Team um Oganessian am Vereinigten (geschätzt: 41 g/cm3, s. Tab. 4) dürfte es aktuell
Institut für Kernforschung (JINR) in Dubna die die schwerste jemals auf der Erde gefundene oder
Synthese durch Beschuss von Radium- mit Cal- erzeugte Materie sein (Arblaster 1989). Während
ciumisotopen (22888Ra und 4820Ca), jedoch waren der letzten 30 Jahre konnte man eine ganze Reihe
die Resultate nicht eindeutig. Ebenfalls 1978 ver- von Isotopen des Hassiums erzeugen (Ghiorso
folgte ein anderes Team des JINR die Synthese et al. 1993; Dragojević et al. 2009; Armbruster
durch Beschuss von Blei- mit Eisenisotopen, hier et al. 1986; Hofmann et al. 2001; Lazarev et al.
konnten gar keine Atome des Hassiums nachge- 1995).
wiesen werden. Wie Eisen, vor allem aber Ruthenium und
1983 folgten dann weitere Versuche des JINR, Osmium sollte auch Hassium ein erst bei hoher
bei denen man Bismut- mit Mangan-Kernen (Ziel: Temperatur schmelzendes Metall sein, das wie
263 270
108Hs), Blei- mit Eisennukliden (Ziel: 108Hs) Osmium in einer hexagonal-dichtesten Struktur
5 Einzeldarstellungen 695

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Hassium


Symbol: Hs
Ordnungszahl: 108
CAS-Nr.: 54037-57-9
Aussehen: ——
Entdecker, Jahr Armbruster, Münzenberg et al. (Deutschland), 1984
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
268
108Hs (synthetisch) 2s α > 264106Sg
269
108Hs (synthetisch) 10 s α > 265106Sg
270
108Hs (synthetisch) 20 s α > 266106Sg
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (269)
Elektronegativität Keine Angabe.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (berechnet) (pm): 126*
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 134*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d6 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 733 ♦ 1756 ♦ 2827*
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Keine Angabe
Kristallsystem: Hexagonal-dichtest*
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 41*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 6,56  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: Keine Angabe
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Schmelzwärme (kJ/mol) Keine Angabe
Siedepunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe
*Geschätzte bzw. berechnete Werte

kristallisiert (Östlin und Vitos 2011). Ferner sollte man sowohl durch Fusion zweier leichterer Kerne
es wie Osmium und Diamant eine extrem hohe als auch durch radioaktiven Zerfall noch schwe-
Stabilität gegenüber komprimierenden Kräften rerer Elemente (Oganessian et al. 1999; Ninov
haben (Cohen 1985). et al. 1999). Berechnungen zufolge ist 108 eine
Wie schon bei den benachbarten, jeweils höch- magische Ordnungszahl und 162 eine magische
sten Elementen der Nachbargruppen beobachtet, Neutronenanzahl für deformierte Kerne; diesem
erfährt hier das 7s-Orbital eine Stabilisierung Umstand könnte also 270108Hs eine relativ lange
durch relativistische Effekte, weshalb das Hs+- Halbwertszeit verdanken (Dvorak et al. 2006).
Kation bei fortlaufender Ionisierung zum Hs2+- Tatsache ist bereits, dass beim Zerfall dieses Iso-
Kation entgegen den üblichen Regeln zunächst tops nur eine sehr geringe Energie frei wird (Smo-
ein 6 d-Elektron abgeben dürfte. lańczuk 1997). Versuche an Isotopen des Nach-
Die meisten Isotope des Hassiums erleiden barelements Darmstadtium belegen zudem die
α-Zerfall, die anderen oft eine spontane Kernspal- Stabilität von Isotopen mit 162 Neutronen.
tung. Die leichtesten Isotope, die in der Regel Chemische Eigenschaften: Hassium sollte sich
kürzere Halbwertszeiten aufweisen, erzeugte im Wesentlichen wie seine niederen Analoga
696 13 Eisengruppe: Elemente der achten Nebengruppe

173
Osmium und Ruthenium verhalten, also ein reak- 76Os. Hassium-VIII-oxid erwies sich entspre-
tionsträges Platinmetall sein (Griffith 2008). Mit- chend den Gesetzmäßigkeiten der achten Neben-
tels Reaktionen in der Gasphase konnten einige gruppe als weniger flüchtig als Osmium-VIII-oxid
zuvor aufgestellte Thesen bewiesen werden (So- (Schädel und Türler 2009). Diese Reaktion war
verna et al. 2003). Ferner sollte die Oxidations- einer der maßgeblichen Beweise, dass das Ele-
stufe +8 die stabilste sein (Schädel 2003; Barnard ment Hassium in die achte Nebengruppe einzu-
und Bennett 2004), also die Existenz eines Has- ordnen ist (Düllmann et al. 2002).
sium-VIII-oxids (HsO4) ermöglichen. Außerdem 2004 setzte man Hassium-VIII-oxid mit Natri-
sagte man die Existenz aller Oxidationsstufen umhydroxid unter Bildung von Hassat-VIII um;
zwischen +6 und +2 voraus (Hoffman et al. die analoge Reaktion ist für Osmium gut beschrie-
2006; Düllmann 2008). ben. Man hofft, durch eine geplante Darstellung
Während Ruthenium-VIII-oxid in Lösung von Hassocen [Bis-cyclopentadienyl-Hassium,
noch zu Ruthenat-VI reduziert wird (Martín Hs(C5H5)2], die relativistischen Effekte des Has-
et al. 2006), verbrennt Osmium zum relativ stabi- siums besser zu verstehen, da diese bei niedriger
len, wenn auch noch stark oxidierend wirkenden Oxidationsstufe (hier: +2) deutlicher hervortreten.
Osmium-VIII-oxid, das in wässriger Lösung sta-
bil bleibt (Stellman 1998; Housecroft und Sharpe
2004). Hassium-VIII-oxid wird daher ebenfalls Literatur
eine flüchtige Verbindung sein, die in wässriger
Lösung Hassat-VIII bildet (Pershina et al. 2008). Alireza PL et al (2009) Superconductivity up to 29 K in
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ja01133a543
Cobaltgruppe: Elemente der neunten
Nebengruppe 14

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734

Zusammenfassung depunkte. Bei Cobalt ist die Oxidationsstufe


Dieses Kapitel beschreibt die Eigenschaften, +2 die stabilste, bei Rhodium +3 und bei Iri-
Vorkommen, Herstellverfahren und Anwen- dium +4. Kürzlich gelang die Erzeugung von
dungen der Elemente der neunten Nebengrup- Iridium-VIII- und IX-Verbindungen.
pe des Periodensystems (Cobalt, Rhodium, Iri- Cobaltverbindungen finden schon lange
dium, Meitnerium) mit ihren wichtigsten Verwendung in hitzebeständigen Pigmenten
Verbindungen. Cobalt wurde 1735 entdeckt, sowie zur Bemalung von Porzellan und Kera-
Rhodium und Iridium Anfang des 19. Jahrhun- mik. Cobalt erhöht als Bestandteil von Stählen
derts. 1982 konnten die ersten Atome des deren Verschleiß- und Hitzefestigkeit. Seine
Meitneriums erzeugt werden. magnetischen Eigenschaften bedingen die An-
Auch bei Rhodium und Iridium ist noch die wendung in Datenträgern.
Auswirkung der Lanthanoidenkontraktion zu Rhodium findet sich hauptsächlich in Ka-
beobachten. Die jeweiligen physikalischen talysatoren und Schmuckgegenständen. Am
Eigenschaften dieser zwei Elemente unter- Edelmetall Iridium stieg der weltweite Bedarf
scheiden sich deutlich, kaum aber die chemi- in den letzten Jahren deutlich, unter anderem
schen. Die Eigenschaften des Cobalts dagegen bewirkt durch neue Produktionsverfahren der
weichen von denen der zwei „edlen“ Platin- Elektronikindustrie. Es geht in Zündkerzen für
metalle Rhodium und Iridium deutlich ab, so in der Luft- und Raumfahrt verwendete An-
zeigt Cobalt ein negatives Normalpotenzial triebsmotoren, außerdem in einige Katalysa-
sowie niedrigere Dichten, Schmelz- und Sie- toren für chemische Synthesen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 703
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_14
704 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

Meitnerium kommt nicht in der Natur vor Rhodium und Iridium bilden zusammen mit
und ist nur auf künstlichem Wege durch Kern- Cobalt und den sehr kurzlebigen Isotopen des
fusion zugänglich. radioaktiven Meitneriums diese neunte Neben-
gruppe des Periodensystems.
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. Na-
trium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie
1 Einleitung Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei-
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die
Die Elemente der neunten Nebengruppe (Cobalt, meisten Elemente können sich untereinander ver-
Rhodium, Iridium und Meitnerium) sind in ihren binden und bilden chemische Verbindungen; so
physikalischen und chemischen Eigenschaften wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische
relativ ähnlich. Auch bei Rhodium und Iridium Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz.
sieht man noch die Auswirkung der Lanthano- Einschließlich der natürlich vorkommenden
idenkontraktion. Die physikalischen Eigenschaf- sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
ten dieser zwei Elemente unterscheiden sich erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perio-
jedoch schon merklich, nicht aber die chemi- densystem der Elemente 118 Elemente auf
schen. Die Eigenschaften des Cobalts dagegen (Abb. 1).
weichen von denen der zwei „edlen“ Platinme- Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier
talle Rhodium und Iridium deutlich ab, so zeigt Vertreter der Gruppe der Elemente der neunten
Cobalt ein negatives Normalpotenzial sowie Nebengruppe enthalten dabei alle wichtigen In-
niedrigere Dichten, Schmelz- und Siedepunkte. formationen über das jeweilige Element, sodass
Die Elemente dieser Gruppe könnten theoretisch ich hier nur eine sehr kurze Einleitung voran-
maximal neun äußere Valenzelektronen (je zwei gestellt habe.
s- und sieben d-Elektronen) abgeben, um eine
stabile Elektronenkonfiguration zu erreichen.
Bei Cobalt ist aber die Oxidationsstufe +2 die 2 Vorkommen
stabilste, bei Rhodium +3 und bei Iridium +4,
wenn man bei den beiden letzteren überhaupt Cobalt ist im Unterschied zum häufig vorkom-
von stabilen Verbindungen sprechen kann. menden Nachbarn im Periodensystem, Eisen
(Kürzlich konnte man die Existenz eines Kom- (47000 ppm der Erdhülle!) mit einer Konzen-
plexes nachweisen, in dem Iridium mit der Oxi- tration von gerade einmal 37 ppm selten. Rho-
dationszahl +9(!) auftritt.) Die Exergonie (bzw. dium und Iridium haben mit Anteilen an der Erd-
Exothermie) für Bildungsreaktionen von Rho- kruste von 0,001 ppm (!) schon fast den Status
dium- und Iridiumverbindungen aus den Ele- von Spurenelementen und gehören zu den seltens-
menten ist nur selten negativ und dann niedrig; ten nicht-radioaktiven Elementen. Meitnerium ist
oft ist auch eine hohe Aktivierungsenergie auf- nur durch künstliche Kernreaktionen und auch
zuwenden. dann nur in Mengen weniger Atome zugänglich
Für das höchste Element dieser Nebengruppe, (s. Abb. 1).
das Meitnerium, führte man bisher so gut wie
keine chemischen Untersuchungen durch. Es ist
zu erwarten, dass es sich chemisch ähnlich wie 3 Herstellung
Iridium verhält.
Die Entdeckung des Cobalts erfolgte 1735, Cobalt ist ein Nebenprodukt des Röstprozesses
die des Rhodiums und Iridiums Anfang des 19. von Kupfer- und Nickelerzen, bei dem es als Oxid
Jahrhunderts. Atome des Meitneriums wurden anfällt. Jenes wird dann durch Erhitzen mit Kohle
erstmals 1982 erzeugt. Sie finden alle Elemente zum Metall reduziert. Rhodium und Iridium müs-
des Periodensystems in Gruppe 9 (VIII B) sen erst aufwändig von unedlen Begleit- so-
(s. Abb. 1). wie anderen Platinmetallen abgetrennt werden,
4 Eigenschaften 705

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- VII VIII VIII VIII VIII
IA II A III B IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente

wonach sie schließlich in ihre höheren Chloro- Schrägbeziehung auf, also leitet Cobalt hinsicht-
komplexe überführt werden. Jene reduziert man lich seiner Eigenschaften nicht zum Palladium
dann mit Wasserstoffgas zum jeweiligen reinen über.
Metall.

4.2 Chemische Eigenschaften


4 Eigenschaften
Die Elemente der Cobaltgruppe sind teils mäßig
4.1 Physikalische Eigenschaften reaktiv (Cobalt), wogegen sich Rhodium und Iri-
dium stark gegensätzlich hierzu verhalten. Diese
Die physikalischen Eigenschaften sind auch in beiden Metalle gehören zur insgesamt sechs Ele-
dieser Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regel- mente umfassenden Gruppe der Platinmetalle und
mäßig nach steigender Atommasse abgestuft. In sind nicht nur reaktionsträge, sondern sind die
Analogie zu den Nachbarelementen der achten korrosionsbeständigsten und damit „edelsten“
und zehnten Nebengruppe nehmen vom Cobalt Metalle überhaupt. Sie sind an der Luft stabil
zum Iridium nicht nur Dichte, Schmelzpunkte und sind in vielen Säuren und Laugen unlöslich.
und -wärmen, sondern auch Siedepunkte und Ver- Sie reagieren oft nur unter Anwendung drasti-
dampfungswärmen zu. Die chemische Reaktions- scher Methoden, auch mit reaktiven Nichtmetal-
fähigkeit geht dagegen vom Cobalt zum Iridium len (Halogene, Sauerstoff) setzen sie sich erst bei
deutlich zurück. Auch hier tritt kein Effekt der hoher Temperatur um.
706 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

5 Einzeldarstellungen
Bergman führte erstmals die Unterscheidung
Im folgenden Teil sind die Elemente der Cobalt- zwischen organischen und anorganischen Stof-
gruppe (9. Nebengruppe) jeweils einzeln mit ihren fen in die Chemie ein und war einer der ersten
wichtigen Eigenschaften, Herstellungsverfahren analytisch arbeitenden Chemiker. Ihm zu Ehren
und Anwendungen beschrieben. benannte man das Uranmineral Torbernit und
den Mondkrater Bergman (Hofberg et al. 1906;
Moström 1957; Smeaton 1970; Schufle 1985).

5.1 Cobalt
Vorkommen Im Gegensatz zu Eisen ist Cobalt
Geschichte Verbindungen des Cobalts kennt man mit einem Anteil an der Erdkruste von ca. 40 ppm
schon lange; eine Verwendung war beispiels- selten, darin tritt es nur in Form seiner Verbindun-
weise die Blaufärbung von Glas und Keramik. gen auf. Elementar kommt es in geringer Menge
Der Name leitet sich vom Wort „Kobold“ ab, da in Meteoriten und im Erdkern vor. Cobalt ist
man glaubte, Geister hätten die nach wertvollen Begleiter vieler Minerale des Nickels, Kupfers,
Metallen aussehenden, aber schlecht verarbeit- Eisens, Silbers und Urans, aber eben nur in nied-
baren und nach der Verhüttung kein Edelmetall rigen Konzentrationen. In ähnlicher Weise ist
liefernden Cobalterze verzaubert. (Eine ähnli- Cobalt in vielen Mineralen vertreten. Zu den wich-
che Stigmatisierung wurde Nickel und Wolfram tigsten Cobalterzen gehören Cobaltit (CoAsS),
zuteil.) Die erstmalige Darstellung des Cobaltme- Linneit und Siegenit (früher fälschlicherweise
talls gelang Brandt 1735, dessen Ergebnisse spä- Cobaltnickelkies genannt (Co,Ni)3S4), Skutterudit
ter durch Bergman bestätigt wurden. (Speiskobalt, Smaltin, CoAs3) und Heterogenit
(CoOOH). In sulfidischen Erzen liegt der Cobalt-
gehalt nur bei etwa 0,2 %.
Der schwedische Chemiker Georg Brandt Liegen die weltweiten Reserven an Cobalt
(* 26. Juni 1694 Skinnskatteberg; † 29. April Schätzungen zufolge bei ca. 25 Mio. t (Shedd
1768 Stockholm) entdeckte 1735 Cobalt in Bis- 2015), so beträgt die aktuelle jährliche Produktion
muterzen und erkannte als Erster seine elementare knapp 120.000 t. Etwa die Hälfte dieser Menge
Natur. Er war ab 1727 Leiter des chemischen stammt aus der Demokratischen Republik Kongo,
Labors des Bergskollegiums in Stockholm und wogegen Australien, China, Sambia, Kanada und
von 1730 Leiter der Königlichen Münze. Brandt Russland jeweils nur rund 5 %, also etwa 6000 t,
erforschte hauptsächlich die Elemente Arsen, An-
beisteuern.
timon, Bismut, Zink und Quecksilber. Er ver-
öffentlichte Schriften über Methoden zur Herstel-
Gewinnung Cobalt erzeugt man meist als
lung starker Mineralsäuren.
Nebenprodukt der Gewinnung von Kupfer und
Der ebenfalls schwedische Chemiker und
Nickel. Ein erstes Rösten des Erzes wandelt das
Mineraloge Torbern Olof Bergman (* 20. März
1735 Låstad; † 8. Juli 1784 Motala) studierte zu- im Erz ebenfalls enthaltene Eisensulfid in Eisen-
nächst an der Universität Uppsala. Dort war er von oxide um, die man durch Zugabe von Siliciumdi-
1758 an Dozent für Physik, ab 1767 Professor für oxid (Quarzsand) zu Eisensilikatschlacke umsetzt.
Chemie und publizierte einige wichtige Schriften Der Rückstand, auch Rohstein genannt, enthält
(Bergman 1766, 1775 und 1781). In den Jahren Cobalt, Nickel, Kupfer und restliches Eisen in
1771 und 1779 fungierte er als Rektor der Univer- Form ihrer Sulfide oder Arsenide.
sität. Mitglied der Königlich Schwedischen Aka- Ein nachfolgender Röstprozess, unter Beigabe
demie der Wissenschaften wurde er 1764, ein Jahr von Natriumcarbonat und -nitrat, oxidiert haupt-
später Fellow der Royal Society in London und sächlich Sulfid zu Sulfat und Arsen zu Arsenat;
1778 Mitglied der Göttinger Akademie der Wis- diese Oxoanionen laugt man durch Zugabe
senschaften. von Wasser aus. Die Oxide der oben genannten
Metalle bleiben zurück und werden mit starker
5 Einzeldarstellungen 707

Mineralsäure (Salz- oder Schwefelsäure) behan- Auf dem Höhepunkt der Entwicklung von
delt. Kupferoxid löst sich in diesen nicht und wird Kernwaffen diskutierte man den möglichen Ein-
daher von den anderen Metallen, deren Oxide satz des Isotops 6027Co als Wirkverstärker. Mit
in diesen Säuren löslich sind, abgetrennt. Die Cobalt ummantelte Sprengkörper sollten im
Zugabe von Chlorkalk fällt selektiv Cobalt in Moment der große Mengen an Neutronen freiset-
Form seines Hydroxids aus, das man anschließend zenden Kernexplosion große Mengen des hoch-
erhitzt, wobei sich Cobalt-II,III-oxid (Co3O4) aktiven γ-Strahlers bilden. Nie aber darf radioak-
bildet. Jenes reduziert man dann mit Koks oder tives Cobalt zum Zweck der Herstellung rostfreier
Aluminiumpulver zu metallischem Cobalt. Stähle mit nichtaktivem verschmolzen werden,
wie es in den 1980er-Jahren auf Taiwan geschah
Eigenschaften (Nuclear Regulation Agency 1984).
Physikalische Eigenschaften: Das stahlgraue, Chemische Eigenschaften: Hinsichtlich seines
sehr harte und zähe Schwermetall besitzt eine chemischen Verhalten ähnelt es mehr dem Nickel
gegenüber Eisen nochmals höhere Dichte von als dem Eisen; verglichen mit letzterem ist es an
8,89 g/cm3 (Holleman et al. 2007, S. 1682, der Luft durch Bildung einer schützenden Passiv-
s. auch Tab. 1). Cobalt ist ferromagnetisch mit schicht beständig. Trotz seines unedlen Charak-
einer Curie-Temperatur von 1150  C. Das Metall ters wird es nur von oxidierenden Säuren (kon-
tritt in Form zweier Modifikationen, α-Cobalt zentrierte Salpeter- und Schwefelsäure) gelöst. In
und β-Cobalt, auf. Unterhalb einer Temperatur den meisten seiner Verbindungen tritt es in den
von 400  C ist das α-Cobalt stabiler, das Oxidationszahlen +2 und +3 auf, wobei in Salzen
hexagonal-dichtest kristallisiert. Wird es weiter +2, in vielen Komplexen aber +3 die beständigere
erhitzt, so bildet sich die β-Form mit kubisch- Form ist. Es gibt aber Verbindungen, in denen
flächenzentrierter Struktur. Cobalt leitet Strom Cobalt alle Oxidationszahlen von 1 bis +5 ein-
und Wärme gut. nimmt.
Cobalt ist ein Reinelement, da es in der Natur
ausschließlich in Form des Isotops 5927Co vor- Verbindungen
kommt. Man kennt inzwischen insgesamt 28 Iso- Chalkogenverbindungen Cobalt-II-oxid (CoO) ist
tope und 10 weitere Kernisomere mit Massenzah- ein gelbes bis olivgrünes (s. Abb. 2), wasserun-
len von 4727Co bis 7427Co. Von den radioaktiven lösliches Pulver mit der Dichte 5,7 g/cm3 und
Isotopen ist das längstlebige auch das technisch einem Schmelzpunkt von 1935  C. Es kristalli-
wichtigste: 6027Co („Cobalt 60“), ein β-Strahler siert mit kubischer Struktur und ist unterhalb einer
mit einer Halbwertszeit von 5,24 a. Dessen erstes Temperatur von 16  C antiferromagnetisch (Si-
Zerfallsprodukt ist das Nickelisotop 6028Ni, das linsky und Seehra 1981). Die Verbindung wird
dabei in Form eines doppelt angeregten Zustandes in trockenem Zustand beim Erhitzen an der Luft
anfällt. Unter Emission von γ-Strahlung zweier zu Cobalt-II, III-oxid oxidiert, wogegen sie in
unterschiedlicher Energien (1,17 bzw. 1,33 MeV) feuchter Luft schon bei Raumtemperatur in
geht 6028Ni in seinen Grundzustand über. Deshalb Cobalt-III-oxidhydroxid [Co(O)OH] übergeht.
verwendet man 6027Co als γ-Strahler zur Sterilisie- Cobalt-II-oxid wird selbst gebildet durch Erhitzen
rung oder Konservierung von Lebensmitteln, zur metallischen Cobalts an der Luft oder durch Glü-
Untersuchung von Material (Durchleuchtung) und hen von Cobalt-II-nitrat, -II-hydroxid oder -II-car-
in der Krebstherapie. Der Einsatz anderer Isotope bonat unter Luftausschluss. Eine technische Ver-
wie 5727Co oder 5827Co als Tracer wird in der wendung ist die als Ausgangsstoff zur Herstellung
Medizin ebenfalls praktiziert. von Pigmenten in der keramischen Industrie (Thé-
Das in größeren Mengen benötigte 6027Co nards Blau).
erhält man nur durch Bestrahlen von 5927Co mit Das schwarze (s. Abb. 3), bei ca. 900  C unter
Neutronen in Kernreaktoren. Kleinere Mengen Abgabe von Sauerstoff schmelzende Cobalt-II,
fallen als eines der Produkte der spontanen Kern- III-oxid (Co3O4) entsteht beim Erhitzen von
spaltung schwerer Nuklide, wie etwa 25298Cf, an. Cobalt-II-oxid an der Luft auf Temperaturen
708 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Cobalt


Symbol: Co
Ordnungszahl: 27
CAS-Nr.: 7440-48-4

Aussehen: Blaugrau Cobalt, Sputter-Target Cobalt, Pellet,


glänzend (QS Advanced Materials 2018) 10 g (Ø 1,5 cm),
Metallium Inc., 2016
Entdecker, Jahr Brandt (Schweden 1735)
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
59
27Co (100) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 37
Atommasse (u): 58.9332
Elektronegativität 1,88 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Co2+ + 2 e > Co (V) 0,28
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (152)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 126 (low spin), 150 (high spin)
Ionenradius (Co2+/Co3+, pm) 82/64
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d7 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 760 ♦ 1648 ♦ 3232 ♦ 4950
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: ———
Magnetismus: Ferromagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit([A / (V  m)], bei 300 K): 1,67  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul 209 ♦ 180 ♦ 75
(GPa):
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 1043 ♦ 470–3000
Mohs-Härte 5,0
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 4720
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 8,9
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 6,67  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 100
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,81
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1495 ♦ 1786
Schmelzwärme (kJ/mol) 17,2
Siedepunkt ( C ♦ K): 2900 ♦ 3173
Verdampfungswärme (kJ / mol): 390

oberhalb von 400  C (Holleman et al. 2007, und die Co3+-Ionen in der Hälfte der oktaedri-
S. 1682–1687). Die Kristallstruktur ist die eines schen Lücken befinden (D’Ans und Lax 1997,
Spinells, worin sich innerhalb einer kubisch- S. 388).
dichtesten Packung von Oxidionen (O2) die Kohle oder reaktive Metallpulver (Magnesi-
Co2+-Ionen in einem Achtel der tetraedrischen um, Aluminium) reduzieren Cobalt-II,III-oxid zu
5 Einzeldarstellungen 709

Abb. 4 a Cobalt-III-oxid (Onyxmet 2018). b Cobaltoxide,


Mischung für Sputtertargets (QS Advanced Materials 2018)
Abb. 2 Cobalt-II-oxid (Onyxmet 2018)

Das 1780 von Rinman entdeckte Pigment Rin-


mans Grün, ein türkisgrünes Pulver (s. Abb. 5), ist
eine feste, einphasige Lösung weniger Prozent
Cobalt-II-oxid (CoO) in Zinkoxid (ZnO). Die
Co2+-Ionen nehmen dabei Gitterplätze einzelner
Zn2+-Ionen in der hexagonalen Wurtzit-Struktur
des Zinkoxids ein (Hedvall 1913, 1914). Ohne
dass Cobalt-II-oxid ausgeschieden wird, können
bis über 6 % der Zink- durch Cobaltionen ersetzt
Abb. 3 Cobalt-II, III-oxid (Onyxmet 2018) werden (Bates et al. 1966), andere Quellen nennen
bis zu 30 % (Rigamonti 1946). Die Tiefe des
elementarem Cobalt. Die Verbindung ist nur in Grüntons ist proportional zum Gehalt des Misch-
sauren Sulfatschmelzen und konzentrierter Schwe- oxids an Cobalt, aber auch abhängig von der bei
felsäure löslich. Einsatzgebiete sind das Färben der Herstellung angewandten Glühtemperatur.
keramischer Massen und Katalysatoren für die Die Darstellung von Rinmans Grün erfolgt
technisch betriebene Oxidation von Ammoniak durch Glühen eines innigen Gemischs leicht zer-
zu Salpetersäure (Hojlund Nielsen und Johansen setzlicher Zink- und Cobaltsalze, beispielsweise
1993). Bei technischen Einsätzen ist die Einstu- Nitrate, Carbonate oder Oxalate. Diese Reaktion
fung des Materials als mutagen und krebserregend dient auch zum Nachweis des Vorhandenseins
zu beachten. von Zinksalzen, bei dem die Probe auf einer Ma-
Cobalt-III-oxid (Co2O3) ist bisher nur in ver- gnesiarinne mit einer kleinen Menge einer wäss-
unreinigter Form bekannt und nahezu unlös- rigen Lösung von Cobalt-II-nitrat schwach ge-
lich in Wasser. Der grauschwarze Feststoff glüht wird. Ist Zink zugegen, färbt sich die
(s. Abb. 4a) beginnt bei ca. 900  C Sauerstoff Schmelze grün.
unter Bildung niederer Colbaltoxide abzuspal- Leider weisen viele Lehrbücher Rinmans Grün
ten. Lässt man starke Oxidationsmittel auf fälschlicherweise eine Spinellstruktur der Zu-
Cobalt-II-hydroxid in wässriger Lösung einwir- sammensetzung ZnCo2O4 zu. Exakt beschrieben,
ken, so wird die braune, hydratisierte Verbin- kristallisiert es in der hexagonalen Wurtzit-
dung gebildet (Riedel und Janiak 2011, S. 860). Struktur des Zinkoxids, im Unterschied zum
Die auf verschiedene Weise durchführbare Ent- grünschwarzen, kubisch kristallisierenden Zink-
wässerung ist aber nicht quantitativ möglich, Cobalt-Spinell derselben Summenformel (Riedel
ohne dass es zuvor zu einer Abspaltung von und Janiak 2011, S. 763). Rinmans Grün setzt
Sauerstoff kommt (Holleman et al. 2007, man schon seit mehr als 200 Jahren (Rinman
S. 1686). Das Rohprodukt setzt man ebenfalls 1780) vorwiegend zur Herstellung von Öl- und
zum Färben von Glas, Porzellan und Emaille Zementfarben ein. Der Einsatz in magnetischen
ein (Lautenschläger und Schröter 2007). Halbleiterspeichern und Lasern wurde in jüngster
710 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

Abb. 6 Cobaltblau (Colorindex PB 28) (FK1954 2010)

Abb. 5 Rinmans Grün (Zinkgrün) (Oguenther 2011)

Vergangenheit und wird noch geprüft (Snure et al.


2009; Kittilstved et al. 2006).
Thénards Blau ist ebenfalls ein Spinell (Cobalt-
aluminat, Cobaltblau CoAl2O4), das schon sehr
lange als blauer Farbstoff hoher Deckkraft zum
Färben von Porzellan und Glas verwendet wird
(vgl. Abb. 6). Die Bildung von Thénards Blau ist
Abb. 7 β-Cobalt-II-sulfid (Onyxmet 2018)
einer der Nachweise für Aluminium.
Die hohe Deckkraft, verbunden mit einer aus-
geprägten Brillanz, bewirkt, dass dieser Farbton Das ebenfalls wasserunlösliche β-Cobalt-II-
jenseits des Standardfarbraumes (CMYK) liegt sulfid dagegen kann man durch Reaktion der Ele-
und nur von leistungsfähigen Farbdruckern in mente miteinander oder aber durch Einleiten von
etwa wiedergegeben werden kann. Thénards Blau Schwefelwasserstoff in eine essigsaure wässrige
bewahrt darüber hinaus auch über lange Zeit seine Lösung von Cobalt-II-chlorid herstellen. Die Ver-
Farbechtheit, weshalb es in Malfarben, sogar in bindung ist im Unterschied zur α-Modifikation
Lacken und Fassadenfarben eingesetzt wird grau (s. Abb. 7), kristallisiert im Nickelarsenid-
(Wehlte 1967; Roy 1985, 2007). Typ und weist einen leichten, etwas schwanken-
In der Analytik verwendet man ein mit Kobalt- den Überschuss an Schwefel auf (bisher wurden
blau gefärbtes Glas (Kobaltglas) zum Herausfil- Zusammensetzungen von CoS1,04 bis CoS1,13
tern des intensiv gelben Lichtes, das eine in die beobachtet) (Brauer 1981, S. 1667). Man setzt
Flamme des Brenners eingebrachte Probe auch Cobalt-II-sulfid als Katalysator bei unter Druck
dann bereits aussendet, wenn in ihr nur Spuren durchgeführten Hydrierungen organischer Mole-
von Natriumionen enthalten sind. So kann man küle ein.
solche Elemente nachweisen, die schwächeres Cobalt-II-selenid (CoSe) schmilzt bei einer
Licht aussenden, wie beispielsweise Kalium. Temperatur von 1055  C, bildet schwarze Kris-
Cobalt-II-sulfid (CoS), das auch natürlich als talle der Dichte 7,65 g/cm3 und wird als Halbleiter
Mineral Jaipurit vorkommt, existiert in Form eingesetzt, oft in Geräten, die der Detektion von
zweier Modifikationen. α-Cobalt-II-sulfid ist ein Infrarotlicht dienen. Nanokristalle der Verbindung
schwarzes, in Salzsäure lösliches Pulver, das an sind durch eine von Cobalt-II-salzen und Selen-
der Luft zu Cobalt-III-hydroxidsulfid [Co(OH)S] IV-chlorid ausgehende Hydrothermalsynthese in
oxidiert und bei Temperaturen um 1120  C zu Gegenwart von Tensiden sowie eines Reduktions-
schmelzen beginnt. In Salzsäure ist es löslich; mittels (Hydrazin) zugänglich. Die Zusammenset-
man stellt α-Cobalt-II-sulfid durch Einleiten von zung und auch die Kristallstruktur des Endpro-
Schwefelwasserstoff in eine wässrige Lösung von duktes ist stark von den gewählten Typen des
Cobalt-II-nitrat dar (Brauer 1981, S. 1667). Tensids und des Cobaltsalzes sowie der Reak-
5 Einzeldarstellungen 711

tionstemperatur abhängig (Sobhani et al. 2016).


Eine hierzu ähnliche Verbindung, Cobalt-II,III-
selenid (Co7Se8), erwies sich als wirksamer bi-
funktioneller Katalysator sowohl zur Erzeugung
von Wasser- als auch Sauerstoff in alkalischem
Medium. Hohe Stromdichten konnten hiermit bei Abb. 8 a Cobalt-II-fluorid (Mangl 2007). b Cobalt-II-
relativ geringen Überspannungen produziert wer- fluorid 99,9 % (Onyxmet 2018)
den (Masud et al. 2016).
Im Gegensatz zu den meisten im Handel
befindlichen Fotokatalysatoren, die nur bei Be-
strahlung mit UV-Licht wirksam sind, zeigen
Nanokristalle von Cobalt-II-tellurid (CoTe) auch
eine gute Funktion in sichtbarem Licht. Man kann
diese mittels eines einfachen Hydrothermalver-
fahrens erzeugen; in reinem Zustand ist Cobalt-
II-tellurid ein schwarzer kristalliner Feststoff der
Dichte 8,8 g/cm3. Struktur und Größe dieser
Nanostrukturen wird durch Abwandlung der
Reaktionsbedingungen beeinflusst, so der Kon- Abb. 9 Cobalt-III-fluorid (Onyxmet 2018)
zentration der Kalilauge, der Reaktionszeit und
Art des Tensids. Alle so erzeugten Cobalt-II-tel- II-fluorid als Katalysator bei der Synthese von
luride haben hexagonale Kristallstruktur. Die Perfluorkohlenwasserstoffen.
Bandlücken und die jeweilige Lage des Valenz- Das mit einer Temperatur von 927  C ebenfalls
bandes wurden bestimmt. Die fotokatalytische hoch schmelzende Cobalt-III-fluorid (CoF3) stellt
Wirksamkeit wurde anhand der Umsetzung von man durch Reaktion von Fluor mit Cobalt-II- oder
Kohlendioxid zu Methan ermittelt (Khan et al. -III-verbindungen dar (Brauer 1975, S. 276). Das
2014). hellbraune Pulver (s. Abb. 9) färbt sich infolge
Eine Mischverbindung aus Cobaltditellurid Hydrolyse an feuchter Luft sofort dunkel und
(CoTe2) und Graphen zeichnet sich durch eine muss daher unter Luftausschluss aufbewahrt wer-
hohe Speicherkapazität für Natriumionen aus. den. Mit Wasser reagiert es zügig unter reduktiver
Man erzeugte Nanopartikel von CoTe2 einer Hydrolyse und Bildung von Sauerstoff, Fluor-
Größe von 39 nm und dockte diese einheitlich wasserstoff sowie Cobalt-II- und -III-hydroxid.
an das Graphenmolekül an; die Dichte des Kom- Die Verbindung kristallisiert in einem Schichten-
posits betrug 1,82 g/cm3. Für ein Anodenmaterial gitter, ähnlich wie Vanadium-III-fluorid (Holle-
besitzt es eine hohe reversible gravimetrische man et al. 2007, S. 1684). Cobalt-III-fluorid wird,
Startkapazität von 382 mAh/g bzw. eine volume- wie auch Cobalt-II-fluorid, als Katalysator zur
trische von 695,2 mAh/cm3. Auch nach 1000 Synthese von Fluorcarbonen verwendet (Sand-
Zyklen bei 2 A/g fallen die oben genannten Ka- ford 2003; Sitzmann 2006a).
pazitäten nur um etwa ein Drittel ab (Zhang et al. Cobalt-II-chlorid (CoCl2) stellt man entweder
2018). aus den Elementen her oder aber durch Erhitzen
Halogenverbindungen Cobalt-II-fluorid (CoF2) seines Hexahydrates in Gegenwart von Chlorwas-
ist ein rosenroter Feststoff (vgl. Abb. 8a, b), der bei serstoff, Phosgen oder Thionylchlorid (Brauer
1200  C schmilzt (Siedepunkt der Flüssigkeit: 1981, S. 1660). Das wasserfreie Salz ist blau
1400  C), im Rutilgittertyp kristallisiert (Costa et al. (s. Abb. 10), kristallisiert trigonal im Cadmium-
1993) und wenig wasserlöslich ist (Carter 1928). chloridtyp, schmilzt bzw. siedet bei 735  C bzw.
Man stellt die Verbindung durch Umsetzung von 1049  C, ist hygroskopisch und ändert bei der
Flusssäure mit Cobalt-II-chlorid oder -carbonat her Hydratisierung seine Farbe nach purpurrot (Hol-
(Brauer 1975, S. 275). Verwendung findet Cobalt- leman et al. 2007; S. 1685) (vgl. Abb. 10 und 11).
712 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

Abb. 10 Cobalt-II-chlorid, wasserfrei (Walkerma 2005)

Abb. 12 Cobalt-II-bromid-Hexahydrat (Onyxmet 2018)

einiger Hydrate des Cobalt-II-bromids wurden schon


vor langer Zeit beschrieben (Morosin 1967). Techni-
sche Verwendung findet die Verbindung als Kata-
lysator bei einigen Oxidationsreaktionen.
Cobalt-II-iodid (CoI2) tritt in Form zweier
Modifikationen auf, von denen das bei 515  C
Abb. 11 Cobalt-II-chlorid-Hexahydrat (Onyxmet 2018) schmelzende, schwarze, sehr hygroskopische α-
Cobalt-II-iodid die stabilere ist. Man gewinnt
Dieser Farbwechsel war die Ursache für den die wasserfreie Substanz durch Reaktion von
Einsatz der Substanz als Beimischung zu Tro- Cobalt mit Iodwasserstoff, das Hexahydrat durch
ckenmitteln, um den Feuchtigkeitsgehalt anzuzei- Umsetzung von Cobalt-II-salzen mit konzentrier-
gen. Auch in Geheimtinte wurde es eingesetzt, ter wässriger Iodwasserstoffsäure (Brauer 1994,
denn die nahezu farblose Schrift auf einem Blatt S. 222).
Papier erschien blau, wenn jenes, zum Beispiel α-Cobalt-II-iodid ist sehr leicht löslich in Was-
über einer Kerze, erhitzt wurde. Ein Zusatz von ser und kristallisiert trigonal im Cadmiumiodid-
Cobalt-II-chlorid zur in Bleiakkumulatoren als Typ. Die dunkelroten Kristalle des Hexahydrats
Elektrolyt verwendeten Schwefelsäure erhöht die und auch niederer Hydrate lassen sich durch vor-
Lebensdauer der Batterie. sichtiges Erhitzen bis zu einer Temperatur von
Beim Umgang mit der Substanz ist zu beach- 130  C ohne Hydrolyse entwässern (Nicholls
ten, dass diese seit 2011 als krebserregend, frucht- 2013). Wird die α-Modifikation im Hochvakuum
schädigend und kontaktallergen (Zug et al. 2009) sublimiert, so bildet sich ockergelbes, sich in Was-
eingestuft ist. Interessanterweise fördert es, wie ser farblos lösendes β-Cobalt-II-iodid. Jenes ist
auch die Ionen des im Periodensystem benach- metastabil und erleidet beim Erhitzen auf Tem-
barten Eisens, die Bildung roter Blutkörperchen peraturen um 400  C wieder Rückbildung zur
(Ernst und Jelkmann 2012). schwarzen α-Modifikation.
Das grüne, bei einer Temperatur von 678  C Pnictogenverbindungen Dicobaltmononitrid
schmelzende wasserfreie Cobalt-II-bromid (CoBr2) (Co2N) wird durch Erhitzen fein verteilten Co-
ist ebenfalls stark wasseranziehend und geht dabei balts in Ammoniakatmosphäre bei ca. 470  C
in das violettrote Hexahydrat (s. Abb. 12) über. Man dargestellt. Das graue Pulver ist leicht in Salz-
erzeugt es durch Umsetzung der Elemente miteinan- oder Schwefelsäure löslich; es bilden sich dabei
der, durch Erhitzen seines Hexahydrates auf Tempe- Cobalt-II-salze und Ammoniumchlorid bzw.
raturen ab 130  C, durch Stehenlassen über konzen- -sulfat. Beim Erhitzen auf Temperaturen ober-
trierter Schwefelsäure (Entwässerungsmittel) und halb von 600  C spaltet die Verbindung Stick-
durch Entwässern des Cobalt-II-acetat-Tetrahydrates stoff ab. Leitet man Wasserstoff über erhitztes
mit Acetylbromid (Riedel 2004, S. 834; Brauer 1981, Dicobaltmononitrid, so erfolgt Reduktion zu
S. 1681; Perry 2011, S. 483). Die Kristallstrukturen metallischem Cobalt.
5 Einzeldarstellungen 713

Die Eignung verschiedener Cobaltnitride (Co2N, Cobalttriantimonid (CoSb3) wurde eine Struktur
Co3N und Co4N) als Elektrokatalysator der ähnlich zu der des Skutterudits berechnet, jedoch
Sauerstoffentwicklung in Metall-Luft-Batterien kann schon eine geringfügige Abwandlung der
oder Brennstoffzellen prüften Wu et al. in alka- Gittergeometrie merkliche Änderungen der Band-
lischer Lösung. Schon der einfache metallische lücke zur Folge haben, die für die Reinsubstanz
Tetracobaltmononitrid-Katalysator (Co4N) war mit durchschnittlich ca. 2 eV berechnet wurde
mit einer stabilen Stromdichte von 10 mA/cm2, (Hammerschmidt et al. 2013).
bei einer zugleich kleinen Überspannung von Sonstige Verbindungen Das graue, metallische,
330 mV, mit einem Gefälle der Tafel-Geraden mit orthorhombischer Struktur kristallisierende
von 58 mV/dec den meisten aktuell bekannten Dicobaltcarbid (Co2C) hat eine Dichte von
nicht-modifizierten Metalloxid-Elektrokatalysa- 7,74 g/cm3 und ist durch Überleiten von Kohlen-
toren überlegen (2016). monoxid über erhitztes Cobalt bei Temperaturen
Poröse Nanodrähtchen aus Cobaltnitriden um 220  C darstellbar (Brauer 1981, S. 1674).
(Länge 7 μm, Durchmesser 135 nm auf Kohlen- Intermediär entsteht es im Verlauf der Fischer-
stoff-Träger) sind als edelmetallfreie Verbin- Tropsch-Synthese bei Verwendung cobalthaltiger
dungen relativ preisgünstige, hoch wirksame Katalysatoren und beeinflusst auch den weiteren
bifunktionelle Katalysatoren für die vollständige Ablauf der Reaktion hinsichtlich Art und Aus-
Spaltung von Wasser in Wasser- und Sauerstoff beute der Endprodukte (Davis und Occelli 2010,
(Wu et al. 2016). Bei der gewählten Stromdichte S. 67; Xiong et al. 2005). Dicobaltcarbid zerfällt
von 10 mA/cm2 betrugen die Überspannungen bei weiterem Erhitzen auf Temperaturen von
97 mV für die Entwicklung von Wasserstoff und 260 bis 310  C wieder. Einwirkung von Wasser-
251 mV für die des Sauerstoffs. Die Zellspannung stoff, Stickstoff oder Kohlendioxid bei erhöhter
blieb mit ca. 1,59 V über 37 h hinweg stabil. Temperatur bewirken eine Änderung der Kristall-
Hiermit erwiesen sie sich hinsichtlich des Preis-/ struktur nach hexagonal. In der orthorhombischen
Leistungsverhältnisses wirksamer als das eben- Struktur ist jedes Kohlenstoffatom oktaedrisch
falls getestete Platin bzw. Iridium-IV-oxid (Chen von sechs Cobaltatomen umgeben und jedes Co-
et al. 2018). baltatom trigonal-planar von drei Kohlenstoffato-
Das graue Dicobaltphosphid (Co2P) hat eine men (Zhao et al. 2012).
Dichte von 6,4 g/cm3 und schmilzt bei 1386  C. Tricobaltcarbid (Co3C) ist ausschließlich
Man erhält es durch Umsetzung eines stöchiome- bei Temperaturen von 500 bis 800  C stabil,
trischen Gemisches von Cobalt mit rotem Phos- hat eine Dichte von 8,4 g/cm3 und kristallisiert
phor im Temperaturbereich 650–700  C (Brauer isotyp zu Trieisencarbid (Zementit) (Brauer
1981, S. 1634). Die orthorhombisch kristallisie- 1981, S. 1674).
rende Verbindung ist in Wasser nicht löslich und Polykristallines, bei 1325  C schmelzendes
wird darin überraschenderweise auch kaum hy- Cobaltdisilicid (CoSi2) hat in kompakter Form
drolytisch angegriffen, löst sich aber in Salpeter- einen niedrigen elektrischen Widerstand und wird
säure (Nowotny 1947). in Schaltkreisen eingesetzt. Obwohl die Sinterung
Cobalttriarsenid (CaAs3) kommt natürlich in des Materials erst bei ca. 600  C einsetzt, bleiben
Form des Minerals Skutterudit vor und ist syn- noch Nachteile wie Verbackung und Leckströme
thetisch durch Erhitzen einer pulverförmigen bestehen (Vaydia et al. 1985; Ting et al. 1986).
Mischung von Cobalt und Arsen im stöchiometri- Aus epitaktischen CoSi2-Kristallen bestehende
schen Verhältnis darstellbar. Die halbleitende Ver- Filme können das Problem verringern (Shim
bindung hat die Dichte 6,84 g/cm3, schmilzt bei et al. 1997), jedoch entsteht bei der Grenzflächen-
942  C und kristallisiert kubisch-disdodekaedrisch reaktion zwischen Cobalt und Silicium wieder ein
(Mandel und Donohue 1971; Warner 2012, S. 187; gut leitfähiges Lochgitter im als Substrat dienen-
Schröcke und Weiner 1981, S. 278). den Silicium. Weitgehende Abhilfe schafft hier
Für das ebenfalls halbleitende, silbergraue, bei nur der Einsatz einkristallinen Cobaltdisilicids,
Temperaturen oberhalb von 400  C schmelzende das in der Fluoritstruktur kristallisiert, die nur ge-
714 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

ringfügig von der des reinen Siliciums abweicht Reduktion von Nitrilen, worin es sogar Raney-
(He et al. 2004). Cobalt übertrifft (Barnett 1969).
Die Temperaturgrenze, oberhalb derer die Ver- Das in wasserfreiem Zustand violette (s. Abb.
bindung mit Silicium-IV-oxid reagiert, ist mit 14b), als Heptahydrat hellviolette bis karminrote
>1000  C deutlich höher als die des Titandisili- Cobalt-II-sulfat (CoSO4) (s. Abb. 14a) bildet je
cids (700  C), außerdem ist die Widerstandsfähig- nach Hydratisierungsgrad verschiedene Kristall-
keit gegenüber Flusssäure besser. strukturen aus (Dunitz und Pauling 1965). Die
Cobaltmonosilicid (CoSi) kristallisiert kubisch Verbindung ist durch Auflösen von Cobalt oder
und Dicobaltmonosilicid (Co2Si) im orthorhombi- Cobalt-II-oxid in Schwefelsäure darstellbar. Man
schen Blei-II-chlorid-Typ (Zeng et al. 2010). setzt es unter anderem zur Herstellung von
Diese beiden Silicide sind nicht besonders stabil, Glasuren, in der Porzellanmalerei, als Toner im
sintern bei wesentlich niedrigeren Temperaturen Fotodruck und in galvanischen Bädern ein.
und werden daher technisch auch nicht eingesetzt. In den 1960er-Jahren gaben es nordamerikani-
Die beiden wichtigsten Cobaltboride sind CoB sche Brauereien, unter Einhaltung der damals
und Co2B. Erstgenanntes schmilzt bei 1460  C, ist gesetzlich zulässigen Konzentrationsgrenzen, dem
ein dunkelgraues Pulver (s. Abb. 13a) der Dichte Bier zum Stabilisieren des Schaums zu. Die kurz
7,25 g/cm3 und wird bei ca. 1500  C durch Sintern darauf publizierten ca. 120 Fälle schwerer Schä-
bzw. Schmelzen einer pulverförmigen Mischung digungen des Herzmuskels und der Leber, die
aus Cobalt und Bor unter Inertgas hergestellt. fast zur Hälfte tödlich verliefen, führten nahezu
Durch Plasmaschmelzen kann man Nanokristalle augenblicklich zur Einstellung dieses Brauver-
erzeugen (Choi et al. 2014). Benötigt man die Ver- fahrens. Cobalt-II-sulfat ist nicht nur giftig, son-
bindung als Katalysator, so setzt man ein Cobalt-II- dern auch als krebserregend eingestuft (Thomas
salz mit Natriumborhydrid um (Nishimura 2001, 1996).
S. 25 und 263; Wu et al. 2015). Die Verbindungen Cobalt-II-nitrat [Co(NO3)2] ist sehr gut löslich
sind sehr beständig gegenüber Oxidation, so setzt in Wasser (1330 g/L bei 0  C) und wird durch
man Cobaltboride als dünne Beschichtung von Me- Lösen von Cobalt, Cobalt-II-oxid oder -II-carbo-
talloberflächen ein, die so deren Verschleiß verrin- nat in verdünnter Salpetersäure hergestellt. Das
gern. Ein Einsatzgebiet ist der Korrosionsschutz braunrote Hexahydrat (s. Abb. 15) kristallisiert
metallischer Bauteile von Dosiersystemen für Medi- monoklin, daneben existieren weitere hydrati-
kamente (Yoon et al. 2012). sierte Formen (Ribár et al. 1976). In der anorga-
Ebenso befindet es sich in Versuchen, um seine nischen Analyse schmilzt man es mit dem zu
Eignung zur Speicherung von Wasserstoff zu tes- analysierenden Gemisch auf der Magnesiarinne;
ten, bevorzugt in Brennstoffzellen, da es ein wirk- in der Probe vorhandenes Zink bildet Rinmans
samer Katalysator für Hydrierungen ist. Cobaltbo- Grün („ZnCo2O4“) und Aluminium Thénards
rid gilt als der selektivste übergangsmetallhaltige Blau (Al2CoO4). Zudem findet es zur Produktion
Katalysator zur Herstellung primärer Amine durch von Buntpigmenten und zur Färbung keramischer

Abb. 13 a Cobaltmonoborid (Onyxmet 2018). b Cobalt- Abb. 14 a Cobalt-II-sulfat-Heptahydrat (Tmv23 2009).


monoborid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018) b Cobalt-II-sulfat wasserfrei (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 715

Abb. 17 Cobalt-II-carbonat (Stanford Advanced Materi-


Abb. 15 Cobalt-II-nitrat-Hexahydrat (Onyxmet 2018) als 2018)

Abb. 18 Cobalt-II-acetylacetonat (Onyxmet 2018)


Abb. 16 Cobalt-II-phosphat-Tetrahydrat (Onyxmet 2018)

Materialien Verwendung. Cobalt-II-nitrat ist eben- Cobalt-II-carbonat (CoCO3) stellt man durch
falls krebserregend und erbgutverändernd. Umsetzung einer wässrigen Lösung von Natrium-
Das stark oxidierend wirkende, grüne, hygro- carbonat mit der wässrigen Lösung eines Cobalt-
skopische Cobalt-III-nitrat [Co(NO3)3] ist durch II-salzes her, wobei meist das basische Salz aus-
Umsetzung von Cobalt-III-fluorid (CoF3) mit fällt (Remy 1961). In der Natur kommt es in Form
Stickstoff-V-oxid (N2O5) bei Temperaturen um des Minerals Sphärocobaltit vor. In getrocknetem
70  C zugänglich (Brauer 1981, S. 1674). Es Zustand liegt ein rosafarbenes Pulver (s. Abb. 17)
reagiert mit Wasser unter Entwicklung von Sau- der Dichte 4,13 g/cm3 vor, die als Katalysa-
erstoff und oxidiert brennbare organische Verbin- tor und Pigment verwendet wird und auch in
dungen heftig, manchmal auch explosionsartig. In blauen Emailglasuren enthalten ist.
Tetrachlorkohlenstoff ist es einigermaßen unzer- Das tiefblaue Cobalt-II-acetylacetonat (s. Abb. 18)
setzt löslich. wird als Katalysator sowie als Ausgangsmaterial
Cobalt-II-phosphat [Co3(PO4)2] ist als violet- zur Herstellung organischer Cobalt-II-Komplexe
tes Farbpigment im Handel (Müller et al. 2002). eingesetzt.
Dünne Filme des Materials dienen als Katalysa- Dicobaltoctacarbonyl [Co2(CO)8] wird durch
toren zur Gewinnung von Sauerstoff aus Wasser Reaktion von Cobalt-II-salzen unter hohem Koh-
(Kanan et al. 2009). Das ebenfalls violette Tetra- lenmonoxid-Druck, oft bei Gegenwart katalytisch
hydrat (s. Abb. 16) fällt als Feststoff aus der wirksamer Mengen an Cyanid, hergestellt (Brauer
wässrigen Phase aus, wenn die wässrige Lösung 1981, S. 1833):
eines Cobalt-II-salzes mit der eines Orthophos-
phats vermischt wird. Durch Erhitzen erhält man 2 CoCO3 þ 8 CO þ 2 H2
das wasserfreie Salz. Im Kristallgitter liegen die ! Co2 ðCOÞ8 þ 2 H2 O þ 2 CO2
Cobaltionen sowohl hexa- als auch pentakoordi-
niert vor (Anderson et al. 1975; Nord und Stefa- Der orangefarbene, bei Vorliegen größerer
nidis 1983). Kristalle dunkelrote Feststoff (s. Abb. 19b) der
716 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

Abb. 19 a O O O
C O
a Dicobaltoctacarbonyl, C C C
miteinander im O
Gleichgewicht stehende
OC C CO
Isomere (Smokefoot 2007). OC Co Co CO Co Co
b Dicobaltoctacarbonyl, mit
C C
n-Hexan angefeuchtet O O
C C C C
(Onyxmet 2018) O O C O O
O

Dichte 1,78 g/cm3 schmilzt bei 52  C unter Zer- mit wasserfreiem Cobalt-II-chlorid in absolutem
setzung und wird üblicherweise unter n-Hexan Tetrahydrofuran darstellen.
aufbewahrt, da er bei Zutritt von Luftsauerstoff
langsam Zersetzung unter Abspaltung von Koh- Anwendungen Cobalt und seine Verbindungen
lenmonoxid erleidet. Die Verbindung ist toxisch finden seit langem Anwendung in hitzebeständigen
und brennbar (Pohanish 2008, S. 697). Pigmenten sowie zur Bemalung von Porzellan und
Im festen Zustand liegt Dicobaltoctacarbonyl Keramik. Gläser werden mit Thénards Blau ge-
in Form zweier Mesomere vor. Die Struktur färbt. Cobalt erhöht als Legierungsbestandteil von
des ersten zeigt zwei miteinander verbundene, Stählen deren Verschleiß- und Hitzefestigkeit und
trigonal-bipyramidal koordinierte Cobaltatome, wird ebenfalls in Sinter- und Diamantwerkstoffen
die des anderen einen durch zwei Carbonylligan- eingesetzt. Seine magnetischen Eigenschaften be-
den verbrückten Komplex, wobei letztgenannte dingen die Anwendung in Datenträgern. Cobalt-
Struktur stabiler ist (Sumner et al. 1964; Elschen- verbindungen dienen bei organischen Synthesen
broich 2008, S. 633, s. Abb. 19a). oft als Katalysatoren und beschleunigen darüber
Man setzt Dicobaltoctacarbonyl in der Pauson- hinaus das Abbinden (Trocknen) von Farben und
Khand-Reaktion zur Synthese von Cyclopenteno- Lacken. Der Lithium-Cobaltoxid-Akkumulator ent-
nen ein. Dabei koppelt ein durch Abspaltung hält genanntes Material als Kathode, Grafit als
zweier Carbonyliganden entstandener Cobaltkom- Anode und aprotische Lösungsmittel als Elektro-
plex an das als Edukt eingesetzte Alkin. Wird lyt. Er wird auch heute noch in vielen Geräten des
Dicobaltoctacarbonyl hydriert, so bildet sich der täglichen Gebrauchs verwendet.
Komplex [CoH(CO)4], der wiederum als Kata-
lysator bei der Hydroformylierung dient. Physiologie, Toxizität Empfohlen wird eine täg-
Das kristalline, schwarze Cobaltocen [Co(C5H5)2] liche Aufnahme von 0,1 μg Cobalt als Spuren-
schmilzt oberhalb von 176  C. Es ist sehr element für einen Erwachsenen. Enthalten ist
empfindlich gegenüber Luftsauerstoff und muss Cobalt im essenziellen Vitamin B 12 (Cobalamin)
unter Inertgas gehandhabt werden. Es ist gut in (Hausmann 1955; Ekmekcioglu und Marktl
Kohlenwasserstoffen wie n-Hexan oder Toluol 2006). Ein Mangel an diesem Vitamin kann zu
löslich (Fischer und Jira 1953; Greenwood und Anämie führen (Löscher et al. 2006), aber es gibt
Earnshaw 1988, S. 1463). Man kann es leicht genügend Vitamin-B 12-haltige Vitaminpräparate
durch Umsetzung von Cyclopentadienylnatrium im Handel. Nutztieren wie Kühen werden
5 Einzeldarstellungen 717

cobalthaltige Wirkstoffe dem Futter beigemischt,


um einem Mangel vorzubeugen (Puchstein et al. tion method and use thereof (Wuhan
2010; Thomas 1996). Kaidi Engineering Technology Research
Kleine Überdosen an Cobalt sind für den Men- Institute Co., Ltd., AU 2018282301 A1,
schen unkritisch, größere Mengen (ab ca. 25 mg/d) veröffentlicht 17. Januar 2019)
können die inneren Organe aber schädigen. Cobalt- C. Li und T. Ge, Cobalt-based catalyst for
verbindungen wurden und werden immer noch von reducing sulphur dioxide in flue gas to
Sportlern eingenommen, um die Bildung roter produce sulphur, and preparation method
Blutkörperchen zu steigern. and application therefor (Institute for Pro-
cess Engineering CAS, WO 2019010811
Analytik In der qualitativen Analyse dient die A1, veröffentlicht 17. Januar 2019)
blaue Phosphorsalzperle als relativ aussagekräfti- J. Commander und K. Whitten, Cobalt fil-
ge Vorprobe auf Cobalt. Im Kationentrennungs- ling of interconnects (MacDermid En-
gang weist man es als blaues Cobalt-II-rhodanid thone Inc., WO 2019009989, veröffent-
[Co(SCN)2] nach. Quantitativ titriert man Cobalt- licht 10. Januar 2019)
II-ionen in wässriger Lösung mit EDTA gegen M. G. Theivanayagam und H. Wong, Che-
Murexid (Naumov et al. 2013). mical mechanical polishing method for
cobalt (Rohm & Haas Electronic Mate-
rials CMP Holdings Inc., US 10170335
Patente B1, veröffentlicht 1. Januar 2019)
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world J. M. Botha und D. J. Moodley, A cobalt-
wide.espacenet.com) containing catalyst composition (Sasol
South Africa Ltd., CA 3028590 A1, ver-
F. Peng, Cobalt ferrite Co-Fe3O4 magnetic öffentlicht 15. Februar 2018)
powder production plant (Chengdu Mi Er
Dun Technology Co., Ltd., AU 201810
1897 A4, veröffentlicht 31. Januar
2019) 5.2 Rhodium
Q. Fang und H. Huang, Method of forming
cobalt contact module and cobalt contact Geschichte Rhodium wurde zusammen mit drei
module formed thereby (Global Found- weiteren Platinmetallen (Palladium, Iridium und
ries Inc., US 2019035739 A1, veröffent- Osmium) 1803 in einem südamerikanischen Roh-
licht 31. Januar 2019) platinerz von den britischen Chemikern Tennant
C.-C. Wu und Y.-W. Chen, Fabricating (Kurzbiografie siehe „Osmium“) und Wollaston
method of cobalt silicide layer coupled entdeckt. Nach dem Lösen des Erzes in Königs-
to contact plug (United Microelectronics wasser blieb ein aus Osmium und Iridium be-
Corp.; Fujian Jinhua Integrated Circuit stehender Rückstand übrig. Die Zugabe von
Co., Ltd., US 2019027479 A1, veröf- Zinkpulver zur wässrigen Phase fällte neben Blei
fentlicht 24. Januar 2019) und Kupfer auch Rhodium. Die ersten beiden
I. Walzel und G. Mestl, Composite material wurden durch verdünnte Salpetersäure wieder
containing a bismuth-molybdenum-nickel gelöst. Der rhodiumhaltige Rückstand wurde
mixed oxide or a bismuth-molybdenum- erneut in Königswasser aufgenommen, wobei
cobalt mixed oxide and SiO2 (Clariant sich eine wässrige Lösung von Rhodium-III-chlo-
International Ltd., US 2019022629 A1, rid (RhCl3) bildete. Zusatz von Natriumchlorid
veröffentlicht 24. Januar 2019) ergab Natriumhexachlororhodat-III (Na3RhCl6),
S. Rao und D. Song, Cobalt-based Fischer- das beim Eindunsten der Flüssigkeit als rosarotes
Tropsch synthesis catalyst and prepara- Salz zurückblieb. Die Extraktion mit Ethanol und
folgende Reduktion mit Zink ergab schließlich
718 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

relativ reines Rhodiummetall. Die Namensge- findet man sehr selten auch Rhodiumminerale
bung erfolgte nach der rosenroten Farbe vieler wie Bowieit, Genkinit oder Miassit, die für eine
Verbindungen des Rhodiums. technische Produktion aber ohne Bedeutung sind.
Meist tritt Rhodium als Begleiter sulfidischer
Nickel-Kupfer-Erze auf, die meist in Sibirien,
Südafrika und Kanada abgebaut werden, oder
Der englische Arzt und Naturwissen- aber in lateinamerikanischen Edelmetalllagerstät-
schaftler William Hyde Wollaston (* 6. ten.
August 1766 East Dereham; † 22. Dezem-
ber 1828 London) promovierte 1793 an der
Gewinnung Die Gewinnung reinen Rhodiums
Universität Cambridge im Fach Medizin. Er
ist wie die der anderen Platinmetalle kosten- und
gab im Jahr 1800 seine Tätigkeit als Arzt
zeitaufwendig. Generell bedingt die chemische
aber auf und widmete sich der Optik und
Ähnlichkeit und die Reaktionsträgheit der Platin-
Chemie. Als Erster entdeckte er Spektralli-
metalle schon eine schwierige Trennung unter
nien im Licht der Sonne. (Fraunhofer war
hiermit erst über zehn Jahre später erfolg- sich, gar nicht zu reden von anderen Begleitmetal-
reich, jedoch veröffentlichte dieser im len, die im Zuge des Verfahrens der Reindarstel-
Gegensatz zu Wollaston die Ergebnisse lung ebenfalls abgetrennt werden müssen. Der bei
auch, weshalb die Absorptionslinien im der technischen Herstellung von Kupfer oder
Sonnenspektrum Fraunhofersche Linien Nickel anfallende Anodenschlamm ist in der
genannt werden.) Regel der Ausgangsstoff zur Gewinnung von
Wollaston konstruierte das erste Re- Rhodium. Diesen Schlamm behandelt man mit
fraktometer und trieb die Entwicklung eines Königswasser, wodurch Gold, Platin und Palla-
Verfahrens zum Aufschluss von Platinerzen dium gelöst werden, aber Ruthenium, Osmium,
voran, in dessen Verlauf er 1803 die neuen Rhodium und Iridium sowie Silber als Silberchlo-
chemischen Elemente Palladium und Rho- rid ungelöst bleiben. Das Silberchlorid überführt
dium entdeckte (Wollaston 1804, 1805). man durch Erhitzen mit Bleicarbonat und Salpe-
1810 fand er die Aminosäure Cystin. Von tersäure in leicht wasserlösliches Silbernitrat und
1804 bis 1816 war er Sekretär der Royal kann Silber so abtrennen.
Society und erhielt 1828 deren Royal Me- Den verbleibenden Rückstand schmilzt man
dal. Ausländische Mitgliedschaften umfass- mit Natriumhydrogensulfat, wodurch sich nur
ten die in der Bayerischen Akademie der Rhodium in Form seines Sulfats [Rh2(SO4)3] löst.
Wissenschaften (1820) und die in der Ame- Jenes wird mit Wasser ausgelaugt.
rican Academy of Arts and Sciences (1822) Zugabe von Natronlauge fällt Rhodium-III-hy-
(Hartog 1900). Nach Wollaston sind unter
droxid [Rh(OH)3], das danach mit Salzsäure aufge-
anderem das Mineral Wollastonit und der
nommen wird. Zum in Lösung befindlichen Rho-
Mondkrater Wollaston benannt. Die Geolo-
dium-III-chlorid (RhCl3) gibt man anschließend
gical Society of London vergibt in jedem
Natriumnitrit und Ammoniumchlorid zu, was zur
Jahr die Wollaston-Medaille für herausra-
Fällung des Rhodiums als Nitritokomplex
gende Leistungen.
[(NH4)3Rh(NO2)6] führt. Diesen trennt man ab und
digeriert ihn mit Salzsäure, wobei sich lösliches Am-
Vorkommen Rhodium gehört zusammen mit moniumhexachlororhodat-III [(NH4)3RhCl6] bildet.
Rhenium, Ruthenium und Iridium zu den seltens- Dessen Lösung dampft man ein und leitet Wasser-
ten nicht radioaktiven Elementen in der kontinen- stoff über das erhitzte Salz; dabei wird das che-
talen Erdkruste und besitzt darin einen Anteil von misch gebundene zu elementarem Rhodium redu-
1 ppb. Das Metall kommt in der Natur elementar ziert.
(gediegen) vor, wie beispielsweise in den USA Aktuell schwankt die jährliche, weltweite Pro-
(Montana und Alaska). Meist tritt es vergesell- duktion um die 30 t Rhodium, wozu die Aufar-
schaftet mit anderen Edelmetallen auf. Zudem beitung automobiler Abgaskatalysatoren einen
5 Einzeldarstellungen 719

großen Teil beisteuert. Der eindeutig größte, aus und Natriumcarbonat kann man das Metall eben-
natürlicher Produktion gewonnene Teil stammt falls in eine chemisch gebundene, lösliche Form
aus Südafrika (etwa 75 % der gesamten Produk- überführen.
tionsmenge), mit großem Abstand folgen Russ-
land, Kanada und Zimbabwe. Vor der im zweiten Verbindungen Rhodium liegt in seinen Verbin-
Halbjahr 2008 beginnenden weltweiten Wirt- dungen in allen Oxidationsstufen von 1 bis +6
schaftskrise erreichte der Preis für eine Feinunze vor, wobei +3 am stabilsten ist. Die niedrigeren
(31 g) Rhodium die spekulative Höhe von mehr Stufen erscheinen oft in Carbonyl-, Cyano oder
als 10.000 US$, heute kostet diese Menge nach Phosphankomplexen des Rhodiums.
Durchlauf eines Tiefstandes wieder 2175 US$ Chalkogenverbindungen Man kennt insgesamt
(7. Februar 2019, Finanzen.net), ist damit aber drei Oxide des Rhodiums, Rhodium-III-oxid
trotz jüngstem Anstieg immer noch weit von sei- (Rh2O3), -IV-oxid (RhO2) und -VI-oxid (RhO3).
nem spekulativen Höchststand entfernt. Letzteres ist aber nur in der Gasphase im Tempe-
raturbereich von 850  C bis 1050  C beständig.
Eigenschaften Rhodium-III-oxid ist ein paramagnetisches,
Physikalische Eigenschaften: Rhodium ist ein sil- schwarzes (s. Abb. 20), bei Raumtemperatur
berweißes, hoch schmelzendes, hartes Edelmetall, in der Korundstruktur kristallisierendes Pulver.
das aber gleichzeitig dehnbar und durch Hämmern Diese Kristallstruktur wandelt sich aber bei
bearbeitbar ist. Sein Schmelzpunkt (1964  C, ca. 750  C in eine orthorhombische Form um
s. Tab. 2) liegt zwischen denen seiner rechten (Coey 1970). Rhodium-III-oxid schmilzt bei einer
und linken Nachbarn im Periodensystem, Temperatur von 1100  C unter Zersetzung und hat
Ruthenium (2334  C) und Palladium (1555  C), die Dichte 8,2 g/cm3. In wasserfreier Form ist es
ebenso die im Bereich von 12–13 g/cm3 liegende sowohl durch Verbrennen von Rhodiumpulver an
Dichte. der Luft, aber auch durch Umsetzung wasserfreier
Rhodium, das in einer kubisch-dichtesten Ku- Rhodium-III-salze mit Sauerstoff bei ca. 800  C
gelpackung kristallisiert, besitzt von allen Platin- erhältlich (Wold und Dwight 1993). Es ist weder
metallen die höchste Wärme- und elektrische in Wasser noch in Säuren löslich.
Leitfähigkeit. In der Natur vorkommendes Rho- Das Pentahydrat (Rh2O3  5 H2O) stellt man
dium ist ein Reinelement, das es nur das Isotop durch Zugabe von Natron- oder Kalilauge zu einer
103
45Rh enthält. Insgesamt kennt man von Rho- Natrium- oder Kaliumhexachlororhodatlösung
dium 33 Isotope sowie weitere 20 Kernisomere. her (Brauer 1981, S. 1634). Das blassgelbe Pulver
Die künstlich hergestellten, radioaktiven Isotope ist ebenfalls in Wasser kaum bzw. nicht löslich,
sind mit Halbwertszeiten von maximal einigen wohl aber in verdünnten Mineralsäuren.
Jahren kurzlebig. Das Isotop 10545Rh (Halbwerts- Rhodium-IV-oxid (RhO2) ist in wasserfreiem
zeit: ca. 36 h) setzt man als Tracer ein. Zustand schwarz, als Hydrat grün. Letzteres
Chemische Eigenschaften: Rhodium ist nach gewinnt man durch Einwirkung von Ozon auf
Iridium das reaktionsträgste Metall überhaupt. eine wässrige Lösung von Rhodium-III-sulfat
Selbst mit Sauerstoff oder Chlor reagiert es erst oder durch deren anodische Oxidation. Erhitzen
bei Temperaturen oberhalb von 600  C unter Bil- von Rhodium-III-oxid unter Druck mit über-
dung von Rhodium-III-oxid (Rh2O3) bzw. Rho- schüssigem Sauerstoff ergibt wasserfreies Rhodi-
dium-III-chlorid (RhCl3). Auch Fluor greift nur um-IV-oxid (Holleman et al. 2007, S. 1702;
erhitztes Rhodium an, dann geht die Reaktion Muller und Roy 1968). Die Verbindung kristalli-
allerdings gleich zum Rhodium-VI-fluorid (RhF6). siert tetragonal mit zwei Formeleinheiten pro Ele-
Mineralsäuren greifen das Metall nicht an, ledig- mentarzelle (Shannon 1968).
lich Königswasser – und konzentrierte Schwe- Erhitzt man Rhodium-IV-oxid auf Temperatu-
felsäure – lösen fein verteiltes Rhodiumpulver ren von ca. 850  C, so bildet sich Rhodium-VI-
langsam auf. Durch Zusammenschmelzen mit oxid (RhO3), das aber bei weiterem Erhitzen in die
Cyaniden, Kaliumdisulfat, Natriumhydrogensulfat Elemente zerfällt.
720 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Rhodium


Symbol: Rh
Ordnungszahl: 45
CAS-Nr.: 7440-16-6

Aussehen: Silberweiß Rhodium, Barren (Evonik Mechanisches Uhrwerk Committi,


glänzend Degussa GmbH, 2016) rhodiniert (Wempe KG, 2016)
Entdecker, Jahr Wollaston (Vereinigtes Königreich), 1803
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
[natürliches Vorkommen
(%)]
103
45Rh (100) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,001
Atommasse (u): 102,91
Elektronegativität 2,28 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Rh3+ + 3 e ! Rh (V) 0,76
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (176)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 142
Ionenradius (Rh3+ / Rh4+ / Rh5+ pm) 81/74/69
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d8 5s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 720 ♦ 1740 ♦ 2997
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,7  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A / (V  m)], bei 2,33  107
300 K):
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul 380 ♦ 275 ♦ 150
(GPa):
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 1100–8000 ♦ 980–1350
Mohs-Härte 6,0
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, 4700
bei 293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 12,38
Molares Volumen (m3/mol, im festen 8,28  106
Zustand):
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 150
Spezifische Wärme [J / (mol  K)]: 24,98
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1964 ♦ 2237
Schmelzwärme (kJ/mol) 21,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 3727 ♦ 4000
Verdampfungswärme (kJ/mol): 531

Rhodiumsulfid der Zusammensetzung Rh17S15 nur abgerundete Körner eines Durchmessers von
kommt in Form des kubisch kristallisierenden knapp 0,1 mm. Der 1981 dokumentierte Fundort
Minerals Miassit (früher auch: Prassoit) sehr sel- lag in Russland, am Fluss Miass bei Tschelja-
ten in der Natur vor. Bisher fand man von Miassit binsk; eine Beschreibung des Minerals lieferte
5 Einzeldarstellungen 721

Katalysatoren noch mit Platin dotierte Aktiv-


kohle. Man analysiert momentane Zusammenset-
zungen der Oberfläche dieser Katalysatoren mit
Kern-Schale-Struktur unter anderem mittels Foto-
und Transmissions-Elektronenspektroskopie (XPS,
TEM). Die Ergebnisse belegen, dass Katalysatoren
dieser Struktur hochaktiv sind (Li und Nguyen
2018).
Resultate quantenmechanischer Berechnungen
Abb. 20 Rhodium-III-oxid (Onyxmet 2018) belegen die experimentell bestimmte metallische
Leitfähigkeit von Rhodium-IV-tellurid (RhTe2),
eine Gruppe russischer Mineralogen (Britvin et al. einem schwarzen Pulver der Dichte 8,5 g/cm3
2001). Tatsächlich wurde das Mineral etwa zehn (Persson 2016)
Jahre früher durch Cabri entdeckt, der ihm den Halogenverbindungen Rhodium-VI-fluorid
Namen Prassoit gab. Dieser Name wurde zwi- (RhF6) stellt man durch Reaktion von Rhodium
schenzeitlich auch anerkannt, da Cabri aber die mit überschüssigem Fluor her, wobei die Zielver-
Ergebnisse der Analysen nie veröffentlichte, ver- bindung aus der Gasphase abgefangen werden
fiel der Name Prassoit zugunsten dem des Mias- kann. Der schwarze, kristalline Feststoff schmilzt
sits (Jambor et al. 2002). bei einer Temperatur von 70  C; die Flüssigkeit
In der seit 2001 gültigen und von der Internatio- siedet bei 75  C. Die Substanz kristallisiert or-
nal Mineralogical Association verwendeten 9. thorhombisch; im Kristallgitter liegen RhF6-Okta-
Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik be- eder vor (Seppelt et al. 2006). Die Verbindung ist
findet sich Miassit in der Klasse der „Sulfide und äußerst hydrolyseempfindlich und wirkt stark oxi-
Sulfosalze“ und darin unter „Metallsulfiden, M: dierend.
S>1:1 (hauptsächlich 2:1)“ (Strunz und Nickel Blaues Rhodium-IV-fluorid (RhF4) entsteht
2001). Die Systematik nach Dana ordnet Miassit durch Umsetzung von Rhodium-III-chlorid (RhCl3)
gleichfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfo- mit Bromtrifluorid, während sich das dunkelrote, in
salze“ und darin unter „Sulfidminerale“ ein. Wei- Form von Tetrameren vorliegende Rhodium-V-
tere Typlokalitäten sind der mittlere Ural, die fluorid [(RhF5)4] durch Fluorierung von Rhodium
Thetford Mines in Québec (Kanada), Koumac bei 400  C bildet.
(Neukaledonien), verschiedene Orte in Südafrika Rhodium-III-fluorid (RhF3) ist ein roter, in
sowie der Platinum Creek (Alaska). Form von Rhomben trigonaler Struktur (Hep-
Rhodium-III-sulfid (Rh2S3) ist ein wasserunlös- worth et al. 1957) vorliegender Feststoff der
licher schwarzer Feststoff der Dichte 6,46 g/cm3, Dichte 5,4 g/cm3, der bei einer Temperatur ober-
den man durch Erhitzen einer pulverförmigen halb von 600  C zu sublimieren beginnt. Die
Mischung der Elemente erzeugt. Die Kristall- Verbindung ist unlöslich in Wasser, verdünnten
struktur zeigt oktaedrisch koordinierte Rhodium- Säuren und Basen; man erhält sie durch Umset-
atome, wogegen die Schwefelatome tetraedrisch zung von Rhodium mit Fluor bei 600  C (Brauer
von Rhodiumatomen umgeben sind. Es liegen 1975, S. 280; Riedel und Janiak 2011, S. 876).
jedoch keine Bindungen zwischen Rhodiumato- Wasserfreies Rhodium-III-chlorid (RhCl3) ist
men vor (Parthé et al. 1967). Ähnliche Strukturen durch Umsetzung trockenen Chlors mit Rhodium
weisen Rhodium-III-selenid (Rh2Se3) und Iri- im Temperaturbereich von 400–800  C zugäng-
dium-III-sulfid (Ir2S3) auf. lich. Man setzt dieses Salz als Katalysator bei
Rhodiumsulfid-Katalysatoren (RhxSy) besitzen verschiedenen organischen Reaktionen ein (Sitz-
eine hochaktive elektrochemische Oberfläche, die mann 2006b). Das rosen- bis braunrote, in Wasser
sie für die Entwicklung von Wasserstoff sowie und Säuren unlösliche Pulver schmilzt bei 450  C;
dessen Oxidation zu Wasser in H2-Br2-Brenn- es ist aber auch im Chlorstrom bei Temperaturen
stoffzellen prädestinieren. Oft enthalten diese um 900  C sublimierbar. Löst man gelbes Rho-
722 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

sehen waren, eine starke Aktivität, aus Wasser


Wasserstoff zu erzeugen (HER-Katalysatoren,
„Hydrogen Evolution Reaction“). Es erwies sich
darin sowohl in sauren als auch basischen Medi-
en herkömmlichen, aus Platin und Kohlenstoff
bestehenden Katalysatoren deutlich überlegen
(Pu et al. 2018). Ein aus phosphathaltiger
Mischung hergestelltes, auf einer Aluminium-
oxid-Oberfläche befindliches Dirhodiummono-
Abb. 21 Rhodium-III-chlorid-Trihydrat (Onyxmet 2018)
phosphid reagierte mit Thiophen unter fast voll-
ständiger Hydrodesulfurierung (Kanda et al. 2016).
dium-III-oxid (Rh2O3) in Salzsäure auf, so ent- Sonstige Verbindungen Rhodiummonosilicid
steht das kirschrote, leicht in Wasser lösliche Rho- (RhSi) eines spezifischen Widerstands von 12010
dium-III-chlorid-Trihydrat (RhCl3  3 H2O), das μω cm entstand bei Temperaturen von 600–900  C
sich aber beim Erhitzen infolge Hydrolyse zu an der Grenzfläche sich berührender Plättchen
Rhodium-III-oxid zersetzt (Abb. 21). von Rhodium und Silicium. Bei höheren Tempe-
Rhodium-III-bromid (RhBr3) ist in wasser- raturen bildete sich bei den Versuchen an
freiem Zustand ein rotbrauner, in Form sehr dün- der Grenzfläche eine inhomogene Schicht mit
ner Kristallblättchen der Dichte 5,56 g/cm3 vor- höherem spezifischen Widerstand, ohne dass
liegender Stoff, den man durch Umsetzung von sich Rhodiummonosilicid bildete (Burte und
Rhodium mit Brom oder mit einem aus Brom Neuner 1991).
und Bromwasserstoff bestehenden Gemisch bei Die Superhärte von Rhodiumborid bzw. Iri-
Temperaturen um 450  C erhält (Brauer 1981, diumborid (RhB1,1 bzw. IrB1,1) wurde an dünnen
S. 1739). Oberhalb von 800  C zerfällt die Ver- Filmen demonstriert, die aus diesen Materialien
bindung wieder in die Elemente. Die Substanz hergestellt worden waren. Dabei bildet nur der
kristallisiert monoklin (Paetzold 2009, S. 204) RhB1.1-Film noch Kristalle einer Größe im Sub-
und ist unlöslich in den meisten Medien. Das mikrometer-Maßstab, während der IrB1,1-Film
Hydrat ist aber wasserlöslich. Kristallite in der Größenordnung von 20 bis
Rhodium-III-iodid (RhI3) ist wegen des schwa- 40 nm hervorbringt. Die Kompressibiltät des
chen Oxidationspotenzials des Iods nicht mehr 1 μm dicken RhB1,1-Films liegt bei 44 GPa, die
durch Synthese aus den Elementen zugänglich. Man des IrB1,1-Films einer Dicke von 0,4 μm bei
kann es aber durch Umsetzung einer wässrigen Lösung 43 GPa (Albertini et al. 2010).
von Trikaliumhexachlororhodat (K3RhCl6) mit kon- Einzelne Verbindungen des Rhodiums wur-
zentrierter Kaliumiodid-Lösung erhalten (Brauer den, wie die des Platins, auf ihre mögliche Eig-
1981, S. 1740). Die Verbindung bildet schwarze nung zur Krebstherapie untersucht. Gegenanzeige
Kristalle monokliner Struktur, die hygroskopisch ist die starke Toxizität auf Nieren (Royar und
sind, sich in Wasser aber nur mäßig und in orga- Robinson 1982; Desoize 2004; Katsaros und
nischen Lösungsmitteln kaum lösen. Anagnostopoulou 2002).
Pnictogenverbindungen Rhodiummononitrid Einige Koordinationsverbindungen (Kompl-
(RhN) konnte in Form diskreter Moleküle durch exe) des Rhodiums finden als Katalysator bei
Einwirkung von Ammoniak auf Rhodiumoberflä- technischen Synthesen Verwendung. Der Wilkin-
chen bei deren gleichzeitigem Beschuss mit son-Katalysator [Rh(PPh3)3Cl] (PPh3 = Triphe-
Laserlicht erzeugt und in der Gasphase durch nylphosphangruppe; das Rhodiumatom besitzt im
Elektronenspektroskopie nachgewiesen werden Molekül des Komplexes die formale Oxidations-
(Qian et al. 2000). stufe +1) ist ein quadratisch-planarer Komplex,
Das halbleitende Dirhodiummonophosphid der unter anderem die Hydrierung von Alkenen
(Rh2P) zeigt in Form von Nanopartikeln, die an mit Wasserstoff zu Alkanen katalysiert. Ein teil-
ihrer Oberfläche mit N-dotiertem Kohlenstoff ver- weiser Ersatz der Triphenylphosphangruppen
5 Einzeldarstellungen 723

durch andere Liganden ermöglicht asymmetrische die Ausbeute des Verfahrens (Holleman et al.
Hydrierungen (Knowles 2002). Dies nutzt man bei 2007, S. 1697).
der Synthese von L-DOPA (L-3,4-Dihydroxyphe- Rhodiummetall gelangt in immer größeren
nylalanin) aus, einer α-Aminosäure, die im Körper Mengen in Beschichtungen für Spiegel, Brillen-
nicht aus Eiweiß, sondern aus Tyrosin mithilfe des gestelle, Armbanduhren und auch Schmuck, da es
Enzyms Tyrosinhydroxylase gebildet wird. Licht stark reflektiert, chemisch unter Anwen-
Der Wilkinson-Katalysator wird auch bei der dungsbedingungen völlig stabil und auch relativ
Hydroformylierung verwendet, in deren Verlauf hart ist. Aus Silber oder auch Weißgold gefertigter
aus Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Alkenen Schmuck läuft nach einiger Zeit an; ein Überzug
Aldehyde entstehen (Elschenbroich 2008). von Rhodium verhindert dies zwar, jedoch verteu-
Einen weiteren Komplex, in dem das Rhodium- ern sich die betreffenden Schmuckgegenstände
atom ebenfalls die Oxidationszahl +1 aufweist erheblich. Rhodium bzw. seine Legierung mit
und in planar-quadratischer Koordination vorliegt Platin findet auch in Heizspiralen oder Thermo-
[cis-(Diiododicarbonyl-rhodium-I)-], setzt man seit elementen Anwendung.
Ende der 1960er-Jahre zur Produktion von Essig- Als Finanzanlage eignet sich Rhodium wie alle
säure aus Methanol nach dem Monsanto-Verfahren Edelmetalle, jedoch unterliegt sein Preis wegen der
ein. Genau genommen wird dieser Komplex unter beispielsweise im Vergleich zu Gold vielfältigen
den bei der Reaktion herrschenden Bedingungen in technischen Einsatzmöglichkeit noch stärker speku-
situ aus einem Rhodium-III-halogenid, Iod bzw. lativen Schwankungen und macht es daher nur
Iodwasserstoff und Kohlenmonoxid erzeugt. Die- bedingt geeignet für Investoren, die eine sichere
ser Herstellprozess läuft unter milderen Reaktions- Rendite erwarten. Vor allem die Nachfrage aus der
bedingungen ab als vorangegangene Verfahren Schmuckindustrie nahm in den letzten Jahren stark
(Temperatur: 150–200  C, Druck: 3–6 MPa). zu und lag bereits vor einigen Jahren bei oder sogar
über der gesamten weltweit produzierten Jahres-
Anwendungen Rhodium findet sich hauptsäch- menge von rund 25 t. Ende 2015 lag der Preis bei
lich in Katalysatoren. In solchen für Fahrzeugmo- ca. 650 US$ pro Feinunze, im Februar 2019 bei
toren beschleunigen sie die Reduktion von Stick- 2200 US$, aber vor dem Ausbruch der Wirtschafts-
oxiden zu Stickstoff, beim Ostwald-Verfahren die krise 2008 betrug er ein Vielfaches davon.
Oxidation von Ammoniak zu Stickstoffmonoxid,
um nur wenige Beispiele zu nennen. Öfters ist
Patente
Rhodium dabei mit anderen Platinmetallen le-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
giert, jedoch hängt dies ganz von der beabsichtig-
wide.espacenet.com)
ten Syntheseführung und den Preisen für diese
Edelmetalle ab.
D. Ochiai und Y. Yamashita, Exhaust gas
Platin und Palladium würden in ihrer hypothe-
purification catalyst (Cataler Corp.,
tischen Funktion als Katalysatoren für Fahrzeug-
WO 2018198423 A1, veröffentlicht
motoren ein relativ breit gestreutes Spektrum von
1. November 2018)
Stickstoffverbindungen liefern, das von Distick-
S. Xie und K. Liu, Synthesis method of
stoffoxid (Lachgas, N2O) bis hin zu Ammoniak
rhodium platinum core-shell double-
reicht (Votsmeier et al. 2003). Die Verwendung
metal nanowire (University of Huaqiao,
von Rhodium bewirkt dagegen relativ zielsicher
CN 108705098 A, veröffentlicht 26.
die nahezu ausschließliche Bildung ungiftigen,
Oktober 2018)
neutralen Stickstoffs.
Q. Chen und J. Liao, Rhodium phosphide
Die im Ostwald-Verfahren verwendeten, aus
catalyst for preparing hydrogen special
einer Platin-Rhodium-Legierung im Mengenver-
for fuel cell and preparation method
hältnis 9:1 bestehenden Katalysatoren werden in
(Chengdu New Keli Chemical Sience
Form von Netzen eingesetzt. Ein Zusatz von Rho-
dium verbessert die Haltbarkeit der Netze sowie (Fortsetzung)
724 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

men mit Osmium in dem unlöslichen Rück-


Co., CN 108654655 A, veröffentlicht stand, der nach dem Auflösen von Rohplatin in
16. Oktober 2018) Königswasser verblieb. Das Element wurde
W. Schinski und A. Goldman, Catalytic nach den vielfältigen („regenbogenartigen“)
synthesis of super linear alkenyl arenes Farben benannt, die seine Verbindungen besit-
using rhodium catalysts (University of zen. Iridium hatte man wegen seiner chemi-
Virginia Patet Foundation; privat, WO schen Widerstandsfähigkeit und Härte auch als
2018183916 A1, veröffentlicht 4. Okto- Legierungsbestandteil des Urkilogramms und
ber 2018) des Urmeters verwendet, die 1898 im Pariser
X. Zhan und Z. Li, Method for absorbing Bureau International des Poids et Mesures ein-
rhodium ions in electroplating wastewa- gelagert wurden.
ter by utilizing pichia pastoris (Univer-
sity of Jiangnan, CN 108558025 A, ver-
öffentlicht 21. September 2018) Vorkommen Iridium gehört, mit einem Anteil
Y. Zhou and R. Guo, Method for recover- an der kontinentalen Erdkruste von nur 1 ppb,
ing iridium and rhodium from iridium- zusammen mit Rhenium, Rhodium und Rutheni-
rhodium alloy scrap (Xian Ruixinke um zu den seltensten, nicht-radioaktiven Metal-
Metallic Materials Co., Ltd., CN 10850 len. In der Natur kommt es, oft in Flusssanden,
5069 A, veröffentlicht 7. September 2018) elementar in Form kleiner Körner oder legiert als
X. Zhang, Hydroformylation method and Begleiter des Platins vor; Hauptfundstätten sind
catalyst using rhodium-ruthenium bime- Südafrika, das Uralgebiet, Kanada, die Vereinig-
tal and quadridentate phosphine ligand ten Staaten, Tasmanien, Borneo und Japan. Mit
(Wuhan Catalyst Technology Co., Ltd., Osmium, seinem linken Nachbarn im Perioden-
WO 2018130011 A1, veröffentlicht 19. system der Elemente, tritt es ebenfalls legiert in
Juli 2018) der Natur auf. Dort findet man entweder Osmiri-
A. Doppiu und B. Emrich, Preparation of dium oder Iridosmium. Erstes besteht zur Hälfte
rhodium(III)-2-ethylhexanoate (Umico- aus Iridium, der Rest setzt sich aus kleineren
re AG & Co. KG, US 2018170952 A1, Anteilen von Osmium, Platin, Ruthenium und
veröffentlicht 21. Juni 2018) Rhodium zusammen. Iridosmium dagegen enthält
A. Sundermann und K. Wassermann, relativ viel Osmium (die Hälfte bis zu drei Vier-
Rhodium-containing catalysts for auto- teln) und immer noch ein bis zwei Fünftel seiner
motive emissions treatment (BASF Masse an Iridium. Iridium ist außerdem ein
Corp., MX 2017009911 A, veröffent- Begleiter von Nickelerzen.
licht 20. Juni 2018) Als gemäß der Alvarez-Theorie vor 66 Mio. a
M. Yamano und M. Yamada, Rhodium cata- ein Komet auf der Erde im Gebiet der heutigen
lyst and method for producing amine Yucatán-Halbinsel Mexikos einschlug, als dessen
compound (Takeda Chemical Industries Folge einer Hypothese zufolge alle nicht flugfähi-
Ltd., JP 201090594 A, veröffentlicht 14. gen Dinosaurier ausstarben, entstand eine Ton-
Juni 2018) schicht mit verhältnismäßig hohem Gehalt an Iri-
dium (Alvarez et al. 1980; Hildebrand et al. 1991;
Frankel 1999). Eine andere These behauptet dage-
gen, die Schicht sei zu jener Zeit durch Ausbrüche
5.3 Iridium solcher Vulkane entstanden, denn der Erdmantel
enthält deutlich höhere Konzentrationen an Iri-
Geschichte Schon vor gut 200 Jahren entdeckte dium als die Erdkruste. Infrage käme möglicher-
Tennant (Kurzbiografie siehe „Osmium“) Iri- weise der Piton de la Fournaise (La Réunion,
dium, das edelste bzw. reaktionsträgste oder Frankreich) (Ryder et al. 1996; Toutain und
auch korrosionsstabilste aller Metalle, zusam- Meyer 1989).
5 Einzeldarstellungen 725

Gewinnung Iridium erhält man meist als Neben- Dichte sei. In Deutschland gilt meist Iridium als
produkt der industriellen Produktion von Nickel das dichteste Element, dagegen in der englisch-
und Kupfer, bei deren Elektroraffination sich auch sprachigen Literatur Osmium (Arblaster 1989,
Silber, verschiedene Edelmetalle, Selen und Tel- 1995).
lur als Anodenschlamm am Boden der Elektroly- Iridium ist das einzige Metall, das an der Luft
sezelle sammeln (Loferski 2016). Darauf folgen noch bei Temperaturen oberhalb von 1600  C
einige Trennungsschritte, die unter anderem das mechanisch handhabbar ist, ohne sofort zu
Schmelzen mit Natriumperoxid und nachfolgendes verbrennen. Es hat mit einer Temperatur von
Lösen des Rückstandes in Königswasser bzw. auch 4130  C den zehnthöchsten Siedepunkt aller Ele-
das Schmelzen mit Chlorid/Auflösen in konzen- mente, besitzt eine gute Leitfähigkeit für Wärme
trierter Salzsäure bei Gegenwart eines Überschus- und Strom, wird allerdings erst bei Temperaturen
ses von Chlorgas beinhalten. In einem weit fortge- unterhalb von 273,01  C, also praktisch am abso-
schrittenen Stadium des Trennprozesses fällt man luten Nullpunkt, zum Supraleiter. Darüber hinaus
Iridium entweder als Ammoniumhexachloroiridat- weist es nach Osmium das zweithöchste Elastizi-
IV [(NH4)2IrCl6], oder aber man extrahiert das tätsmodul und auch relativ hohe Werte für das
zuvor noch in Lösung befindliche Hexachloroiridat Kompressions- und Schermodul auf, was seine
mittels eines kontinuierlichen Flüssig-flüssig-Ex- außerordentliche Festigkeit bewirkt. Diese macht
traktionsverfahrens mit organischen Aminen (Gil- Iridium wiederum für alle Anwendungen interes-
christ 1943). In allen Fällen steht am Ende die sant, bei denen hohe Materialfestigkeit erforderlich
Reduktion des Hexachloroiridats mit Wasserstoff, ist, wogegen aber sein hoher Preis steht.
die das Metall als Pulver oder als Schwamm liefert Neben zwei natürlich vorkommenden, stabi-
(Ohriner 2008; Hunt und Lever 1969). len Isotopen (19177Ir und 19377Ir) existieren 34
Der Preis für Iridium veränderte sich in der radioaktive Isotope und 21 Kernisomere. Das
Vergangenheit über eine relativ große Spanne Isomer 192m77Ir geht mit der kurzen Halbwertszeit
und reagiert empfindlich auf Störungen in der von 241 a durch Umlagerung in 19277Ir über und
Produktion, Veränderung der Nachfrage, Speku- ist dabei sogar noch das stabilste (!) aller radio-
lation sowie nicht zuletzt der politischen Lage in aktiven Isotope des Elements. Jenes 19277Ir erlei-
wichtigen Förderländern (Hagelüken 2006). Der det mit der Halbwertszeit von 73,83 d -die aber
vor wenigen Jahren zu beobachtende Anstieg des noch die längste der „regulären“, also nicht-iso-
Preises auf über 1000 US$ pro Feinunze beruhte meren, radioaktiven Iridiumisotope ist(!)- β-
auf einer stark zunehmenden Produktion von Zerfall zu 192m278Pt. Alle anderen radioaktiven
Kristall-LEDs, die in Fernsehgeräte eingebaut Isotope des Elements weisen noch kürzere Halb-
werden, und in denen Iridium ebenfalls enthal- wertszeiten auf.
ten ist. Das oben genannte Isotop 19277Ir emittiert
beim Zerfall auch γ-Strahlung einer relativ hohen
Eigenschaften Energie von ca. 550 keV und findet daher als
Iridium ist ein sehr schweres, hartes, sprödes, sil- Durchstrahler bei der Prüfung von Bauteilen einer
brigweiß bis gelblich glänzendes Edelmetall. Dicke von >2 cm Verwendung (DIN EN 1435).
Gegenüber Korrosion ist es das stabilste Element. Eine für diese Meßzwecke typische, für den
Physikalische Eigenschaften: Seine Härte und Transport geeignete „Iridiumkanone“ wiegt 15
Sprödigkeit macht Iridium zu einem nur schwer bis 20 kg, ist ca. 20 cm lang, 10 cm breit und
bearbeitbaren Metall. Seine sehr hohe Dichte von 15 cm hoch, enthält das Iridium in Form einer
22,56 g/cm3 (s. Tab. 3) ist fast identisch mit der kleinen Tablette (Durchmesser: 2–3 mm) in einem
des Osmiums, so dass vereinzelt die Dichten des Halter eingeschweißt und um diese herum einen
aus einem einzigen Isotop des jeweiligen Metalls Mantel aus abgereichertem Uran zur Absorption
gewonnenen Materials zur Beantwortung der überschüssiger γ-Strahlung.
Frage herangezogen wurden, welches von beiden Chemische Eigenschaften: Iridium ist an der
Metallen denn nun dasjenige mit der höchsten Luft in kompakten Zustand völlig stabil, löst sich
726 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Iridium


Symbol: Ir
Ordnungszahl: 77
CAS-Nr.: 7439-88-5

Aussehen: Silberweiß Iridium, Pulver Iridium, 1 Unze


glänzend (Onyxmet 2016) lichtbogengeschmolzen (Greenhorn
2009)
Entdecker, Jahr Tennant
(England), 1804
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
191
77Ir (37,3) Stabil ———
193
77Ir (62,7) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,001
Atommasse (u): 192,217
Elektronegativität 2,2 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Ir3+ + 3 e ! Ir (V) 1,156
Atomradius (berechnet) (pm): 130 (180)
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 141
Ionenradius (Ir4+, pm) 66
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d7 6s2
Ionisierungsenergie (kJ / mol), erste ♦ zweite: 880 ♦ 1600
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,8  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,97  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 528 ♦ 320 ♦ 210
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 1760–2200 ♦ 1670
Mohs-Härte 6,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 4825
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 22,56
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 8,52  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 150
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,1
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 2466 ♦ 2739
Schmelzwärme (kJ/mol) 26
Siedepunkt ( C ♦ K): 4130 ♦ 4403
Verdampfungswärme (kJ/mol): 564

weder in Mineralsäuren noch in Königswasser. Bei es erst oberhalb von 300  C, bei Chlor sind für eine
Rotglut oxidiert das kompakte Metall unvollstän- direkte Reaktion bereits 600  C aufzuwenden. In
dig zu schwarzem Iridium-IV-oxid (IrO2), das aber Chloridschmelzen wird es bei Gegenwart von
bei Temperaturen oberhalb von 1140  C wieder Chlor zu Chlorokomplexen aufgeschlossen, z. B.
zurück in die Elemente zerfällt. Mit Fluor reagiert Dinatriumhexachloroiridat-IV (Na2IrCl6).
5 Einzeldarstellungen 727

In den letzten Jahren gelang die Herstellung Iridium-III-sulfid (Ir2S3) ist ein in Wasser un-
von Iridium-VIII-oxid (IrO4) und des Peroxoiri- löslicher, schwarzer Feststoff, den man durch
dyl-Kations [(IrO4)+], der einzigen bisher beob- Erhitzen einer Mischung der Elemente bei erhöh-
achteten Verbindung, in denen ein Element mit ter Temperatur erhält. Zur Reinigung der Kristalle
der Oxidationsstufe +9 auftritt. Üblicherweise nutzt man den Transport über die Gasphase in
nimmt Iridium in seinen Verbindungen Oxidati- Gegenwart von Bromdampf. In der Kristallstruk-
onsstufen von +2, +4, seltener auch +6, ein. Ins- tur liegen oktaedrisch koordinierte Iridiumionen
gesamt kennt aber man alle Oxidationsstufen des sowie Sulfidionen mit tetraedrisch angeordneter
Elements zwischen 1 und +9 (Pyykkö und Xu Umgebung vor. Direkte Bindungen zwischen Iri-
2015). diumatomen scheinen nicht vorzuliegen (Parthé
et al. 1967).
Verbindungen Iridium-IV-sulfid (IrS2) bildet Kristalle kubi-
Chalkogenverbindungen Iridium-IV-oxid (IrO2) scher Struktur der Dichte 9,3 g/cm3, die sich beim
wird bei der Verbrennung von Iridium in reinem Erhitzen auf Temperaturen oberhalb von 300  C
Sauerstoff erzeugt; Luft reicht für eine vollständi- zersetzen. Die Verbindung ist ein Halbleiter.
ge Oxidation nicht aus. Alternativ erzeugt man es Halogenverbindungen Iridium-VI-fluorid (IrF6)
durch Verbrennen von Iridium-III-chlorid (Brauer stellt man durch direkte Umsetzung des Metalls
1981, S. 1734). Die Verbindung ist ein schwarzer, mit überschüssigem Fluor bei Temperaturen um
geruchloser Feststoff der Dichte 11,7 g/cm3, der 300  C her (Brauer 1975, S. 282). Es liegt in Form
beim Erhitzen an der Luft auf Temperaturen von gelber Blättchen bzw. Nädelchen orthorhombi-
1200  C in das allerdings nur in der Gasphase scher Struktur vor. Im Kristallgitter befinden sich
stabile Iridium-VI-oxid (IrO3) übergeht (Holle- pro Elementarzelle vier oktaedrische IrF6-Einhei-
man et al. 2007, S. 1702). Iridium-IV-oxid kris- ten (Seppelt et al. 2006). Die Verbindung besitzt die
tallisiert tetragonal in der Rutil-Struktur. Man Dichte 5,1 g/cm3 und schmilzt bzw. siedet bei
nutzt es zur Herstellung von Beschichtungen Temperaturen von 44  C bzw. 53,6  C (Lide
sowohl von Elektroden, die in der Medizintechnik 2010). Iridium-VI-fluorid ist sehr hygroskopisch,
verwendet werden, als auch von elektrochromen neigt zu heftiger Hydrolyse, ätzt Glas und korro-
Materialien. diert sogar Platin oberhalb einer Temperatur von
Iridium-VIII-oxid (IrO4) enthält Ir8+-Ionen und 400  C. Es wirkt stark oxidierend und fluoriert
wurde erstmals mittels einer bei 267  C in fes- sogar Halogene, um selbst in Iridium-IV-fluorid
tem Argon durchgeführten fotochemischen Reak- (IrF4) überzugehen.
tion dargestellt; bei höheren Temperaturen zerfällt Iridium-V-fluorid (IrF5) entsteht durch kontrol-
die Verbindung schnell (Riedel et al. 2009). lierte Zersetzung von Iridium-VI-fluorid oder des-
Vor wenigen Jahren konnte man zum ersten sen Reaktion mit Siliciumpulver oder Wasserstoff
Mal bei einem Element überhaupt die Existenz jeweils in wasserfreiem Fluorwasserstoff (Bartlett
der Oxidationsstufe +9 mittels Fotodissoziations- und Rao 1965; Paine und Asprey 1975). Es ist
spektroskopie nachweisen; entstanden war kurz- ebenfalls ein reaktiver gelber Feststoff, schmilzt
zeitig das Peroxoiridyl-Kation ([IrO4]+) (Zhou bei 105  C und enthält vier Formeleinheiten pro
et al. 2014). Hierzu setzte Zhous Gruppe ein in Elementarzelle (Ir4F20), in denen die Iridiumato-
einer Argon/Sauerstoff-Atmosphäre befindliches me oktaedrisch koordiniert sind.
Iridiumtarget der Bestrahlung mit gepulstem La- Iridium-IV-fluorid (IrF4) ist ein dunkelbrauner,
serlicht aus. Die Produkte dieser Reaktion wurden durch Reduktion von Iridium-V-fluorid mit Iri-
mittels Massenspektrometrie nachgewiesen, da- diumpulver oder mit Wasserstoff in wasserfreiem
runter auch das (IrO4+)-Kation. Dessen stabilstes Fluorwasserstoff zugänglicher Feststoff (Paine
Isomer besaß die Struktur eines Tetraeders, in und Asprey 1975). Es war seinerzeit das erste
dessen Ecken die jeweils doppelt an das Iridium- Metall-IV-fluorid mit dreidimensionaler Gitter-
atom gebundenen Sauerstoffatome angeordnet struktur; man fand mittlerweile jedoch, dass auch
waren. Rhodium-, Palladium- und Platin-IV-fluorid die-
728 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

selbe Gitterstruktur aufweisen. Auch im Molekül


des Iridium-IV-fluorids ist das Iridium oktaedrisch
von sechs Fluoratomen umgeben; jeweils zwei
Ecken eines Oktaeders werden mit dem benach-
barten Oktaeder geteilt.
Iridium-IV-chlorid (IrCl4) erhält man durch
Reaktion von Ammoniumhexachloroiridat-III
mit Chlor oder Königswasser (Macintyre 1992,
S. 2952). Die so dargestellten Produkte enthalten
oft Iridium-III-chlorid oder / und Chlorwasserstoff Abb. 22 Ammoniumhexachloroiridat-III (Onyxmet 2018)
als Beimengung (Kandiner 2013, S. 63); daher gilt
die Existenz der reinen Verbindung noch als nicht
gesichert (Riedel und Janiak 2011, S. 877; Holle- 2008). Es ist selbst durch Abrauchen einer Lösung
man et al. 2016, S. 2010). In Form des Hydrats liegt von Ammoniumhexachloroiridat-IV [(NH4)2IrCl6]
ein schwarzer Feststoff vor, der sich unter Hydro- mit Königswasser sowie folgender Reduktion,
lyse in Wasser löst, wogegen die wasserfreie Form z. B. mit Oxalsäure, zugänglich.
in Wasser und Ethanol löslich ist. Jene schmilzt Iridium-IV-bromid (IrBr4) ist ein schwarzer
unter Zersetzung bei 700  C und weist eine Dichte kristalliner Festkörper, der sich in Wasser unter
von 5,3 g/cm3 auf. Man setzt es in der chemischen Zersetzung löst. Die wasserfreie Verbindung
Analyse zum Test auf Salpetersäure, in der Mikro- erhält man durch Reaktion von Iridium-II-bromid
skopie und in Galvaniklösungen ein. Es dient als mit Brom oder durch Einwirkung von Brom auf
Katalysatorvorstufe für die stereoselektive Reduk- feinverteiltes Iridium unter drastischen Bedingun-
tion von Cyclohexanonen. gen (8 bar Druck, 570  C) (Livingstone 2017,
Ammoniumhexachloroiridat-III S. 1257), das Tetrahydrat durch Umsetzung von
[(NH4)3IrCl6] ist durch Reaktion einer Lösung Iridium-IV-oxid-Dihydrat mit einer wässrigen
von Dinatriumhexachloroiridat in Königswasser Lösung von Bromwasserstoff (Kandiner 2013).
mit Ammoniumchlorid herstellbar (Brauer 1978, Das dunkelrotbraune, schwer in Wasser, Säu-
S. 1736). Die als Ausgangsstoff zur Herstellung ren und Basen lösliche Iridium-III-bromid (IrBr3)
reinen Iridiums dienende Verbindung (Felixber- der Dichte 6,82 g/cm3 zersetzt sich beim Erhitzen
ger 2017, S. 339) bildet schwarzrote bis schwarze zu Iridium-II-bromid und Brom. In der Ele-
Oktaeder (s. Abb. 22), die wenig löslich in Was- mentarzelle liegen vier Formeleinheiten vor, die
ser sind. Beim Erhitzen auf Temperaturen ober- Struktur ist eine fehlgeordnete Variante des Alu-
halb von 200  C erfolgt Zersetzung zu Iridium, minium-III-chlorid-Typs (Brodersen et al. 1968).
Stickstoff, Chlorwasserstoff und Ammoniak (Kauff- Das Tetrahydrat der Verbindung ist dagegen hell-
mann und Teter 1966). olivfarbig, leicht löslich in Wasser und zersetzt
Das wasserfreie, dunkelrotbraune bis schwarze, sich bei höherer Temperatur zu den Elementen.
je nach Modifikation orthorhombisch oder mo- Iridium-IV-iodid (IrI4) ist ein schwarzer, sich
noklin kristallisierende Iridium-III-chlorid (IrCl3) bereits bei 100  C zersetzender Feststoff, der in
schmilzt bei einer Temperatur von 763  C, hat die wässriger Lösung aus Dikaliumhexachloroiridat
Dichte 5,3 g/cm3 und ist unlöslich in Wasser. Man- und Kaliumiodid hergestellt werden kann. Die
stellt es durch Chlorieren von Iridiumpulver bei Verbindung ist nahezu unlöslich in Wasser und
Temperaturen um 600  C her. Ethanol. Man verwendet Iridium-IV-iodid als Ka-
Das Hexahydrat des Iridium-III-chlorids ist talysator für organische Synthesen (Nobel 1996).
dunkelgrün und stark hygroskopisch. Jenes ist Iridium-III-iodid (IrI3) erhält man durch Re-
nicht nur Ausgangsstoff für die Produktion vieler duktion von Iridium-IV-iodid mit Wasserstoff bei
anderer Verbindungen des Iridiums, sondern 210  C oder auch bei Umsetzung von Iridium-IV-
wirkt auch katalysierend bei organischen Synthe- oxid mit Iodwasserstoff. Der dunkelbraune Fest-
sen (Botelho et al. 2011; Tandon et al. 2006, 2007, stoff der Dichte 7,4 g/cm3 ist kaum löslich in
5 Einzeldarstellungen 729

Wasser und einigen anderen unpolaren organi- IrSi3 erhalten werden, die dann mittels Raman-
schen Lösungsmitteln (Perry 2016, S. 523; Grif- Spektroskopie untersucht wurden. Die dabei er-
fith 1967, S. 241). Seine Kristallstruktur ist mono- haltenen Resultate weisen in eine ähnliche Rich-
klin (Brodersen 1968). Mehrere Hydrate sind tung (Almendra 2002).
bekannt (Kandiner 2013). Mittels eines hierzu verwandten Herstellver-
Pnictogenverbindungen Eines von mehreren fahrens stellte man diverse Iridiumboride dar.
denkbaren Iridiumnitriden (IrN) konnte unter Die Zusammensetzung der aus den Versuchen
Anwendung hoher Drücke und Temperaturen erhaltenen Phasen untersuchte man für Boranteile
durch Überleiten von Ammoniak über fein ver- von 10–70 Atom-% im binären Iridium-Bor-Sys-
teiltes Iridium gewonnen werden. Die Kristall- tem bei >700  C. Vier definierte Phasen wurden
struktur entspricht einer monoklinen, fehlgeord- nachgewiesen (Ir4B5+x, Ir5B4+x sowie die Hoch-
neten Manganphosphid-Struktur (Crowhurst et al. und Tieftemperaturmodifikation von Ir4B3x).
2006). Ab initio-Berechnungen bestätigten diese Kristallstrukturen und Bildungsenthalpien be-
Ergebnisse und sagen für das Material eine große rechneten Zeiringer et al. unter Anwendung der
Härte voraus (Qiang et al. 2014). First-principle-Methode (2015).
Iridiumphosphid (IrP3) ist ein – sehr selten – in Tetrairidiumdodecacarbonyl [Ir4(CO)12] bil-
der Photooptik verwendeter Halbleiter. Die kris- det kanariengelbe, bei einer Temperatur von
talline Substanz der Dichte 7,36 g/cm3 schmilzt 193  C schmelzende Kristalle, die stabil gegen-
bei 1197  C. über Luftsauerstoff und nur wenig in organischen
Die intermetallische Verbindung Tetrabismut- Lösungsmitteln löslich sind. Die Verbindung wird
iridid (Bi4Ir) bildet Kristalle, in denen die Bis- noch nicht als Katalysator für organische Synthe-
mutatome sowohl planar-prismatisch als auch sen eingesetzt. Jedes der vier Iridiumatome hat
-antiprismatisch koordiniert sind, so dass ein drei- eine oktaedrische Koordination und ist an je drei
dimensionales Netzwerk von Ringen und Helices andere Iridiumatome (equidistante Abstände von
entsteht. Die Länge der Bi-Ir-Bindung liegt gemit- 269 pm) sowie drei terminale Carbonylliganden
telt bei 285 pm (Isaeva et al. 2015). gebunden (Churchill und Hutchinson 1978). Die
Sonstige Verbindungen Die hochschmelzen- Darstellung erfolgt durch reduktive Carbonylie-
den und sehr harten Iridiumcarbide sind in klei- rung hydratisierten Iridium-III-chlorids in der
nen Mengen etwa durch Sintern der Elemente im Wärme (Pergola et al. 1990):
Lichtbogen zugänglich. Die höchste Kompres-
 
sionshärte hat das tetragonal strukturierte Iridium- IrCl3 þ 3 CO þ H2 O ! IrðCOÞ2 Cl2
dicarbid (IrC2) und das höchste Schermodul þ CO2 þ 2 Hþ þ Cl

das tetragonal kristallisierende Iridiumtetracarbid 4 IrðCOÞ2 Cl2 þ 6 CO þ 2 H2 O ! Ir4 ðCOÞ12
(IrC4); beide ultraharten Verbindungen sind me- þ 2 CO2 þ 4 Hþ þ 8 Cl
tallische Leiter. Ähnlich hohe Härten zeigt auch
das halbleitende Ir4C5 (Li et al. 2011). Berechnun- Anwendungen Elektronikindustrie und ange-
gen stützen diese Befunde. wandte Physik: Der weltweite Bedarf an Iridium
Iridiummonosilicid (IrSi) und Iridiumtrisilicid stieg in den letzten Jahren deutlich. Dies wurde
(IrSi3) sind metallische Leiter, dazwischen lie- nicht zuletzt durch die Elektronikindustrie verur-
gende Phasen wie beispielsweise IrSi1,6 dagegen sacht, weil Tiegel aus Iridium sehr gut zur Erzeu-
halbleitend. Spektroskopische Befunde (UV- und gung großer oxidischer Einkristalle nach dem
Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie) weisen Czochralski-Verfahren geeignet sind (Crookes
auf Bindungen zwischen den d-Orbitalen der Iri- 1908). Die so erzeugten Einkristalle, die oft in
diumatome und sp3-Hybridorbitalen des Silici- Festplatten von Computern und in Festkörperla-
ums hin (Wittmer et al. 1986). Durch thermisches sern verbaut werden, besitzen sowohl eine nur
Verschmelzen von auf Siliciumträgern aufge- sehr geringe Zahl an Strukturfehlern als auch
brachten Iridiumfilmen mit dem jeweiligen Sub- einen äußerst niedrigen Gehalt an Verunreinigun-
strat konnten die Iridiumsilicide IrSi, IrSi1,75 und gen. Der Bedarf an diesen Einkristallen hat in
730 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

letzter Zeit stark zugenommen. Zur dieser Gruppe Das 1889 gegossene Urmeter besteht aus einer
gehören unter anderem Gadolinium-Gallium-Gra- Legierung mit 90 % Platin und 10 % Iridium und
nat und Yttrium-Gallium-Granat. Dazu schmilzt wird im International Bureau of Weights and Mea-
man das vorgesinterte Oxidgemisch unter oxidie- sures nahe Paris aufbewahrt. Nachdem es seit 1960
renden Bedingungen bei Temperaturen, die bis hi- nicht mehr als Standardmaß der Länge gilt und in
nauf zu 2100  C reichen können. dieser Funktion von einer von einem Kryptonatom
In Röntgenstrahlteleskopen bedampft man das emittierten Spektrallinie abgelöst wurde, gilt es aber
aus Chrom bestehende Substrat optischer Spiegel doch weiterhin als internationaler Standard der
mit einer sehr dünnen, nahezu atomaren Schicht Masse (Davis 1985; Jabbour et al. 2001).
von Iridium, da das Metall eines der besten Re- Man verkapselt Kernbrennstäbe mit hohem
flexionsmedien für diese Art von Strahlung ist Anteil am Isotop 23894Pu mit Iridium, da es Tem-
(Ziegler et al. 2001). peraturen bis zu 2000  C standhält, fest und wi-
Einige Komplexe des Iridiums weisen eine derstandsfähig gegenüber chemischen Einflüssen
besonders starke Phosphoreszenz auf und werden ist. In atomgetriebenen unbemannten Raumkör-
daher in Lichtdioden und solchen Erzeugnissen pern der NASA wurde es aus diesem Grund eben-
eingesetzt, bei denen eine derart kräftige Lu- falls eingesetzt.
mineszenz unverzichtbar ist (Inganäsa 2004; Katalysatoren: Der Einsatz von Iridium und
Tonzetich 2002; Schubert et al. 2005). seinen Verbindungen als Katalysatoren für diverse
Zur Vermeidung des Auftretens von Überspan- organische Synthesen wird immer umfangreicher
nungen und damit verbundener Entwicklung von (Jollie 2011). So dienen Iridiumverbindungen
Sauerstoff setzt man bei der Chlorelektrolyse mit im von der BP entwickelten Cativa-Verfahren
geringen Mengen Iridiumoxid beschichtete Titan- als Katalysatoren (Cheung et al. 2012).
anoden ein (Kintrup et al. 2014). Iridium wirkt, wie auch einige andere Metalle,
Legierungsbestandteil zur Erhöhung der Fes- katalytisch zersetzend auf Hydrazin. Man setzt es
tigkeit und Beständigkeit gegenüber Korrosion: in Raketenantrieben schwächeren Schubs ein.
Wichtige Anwendungen sind mit einem heutigen Wird Iridium in geringen Mengen und in Form
weltweiten Bedarf von mehreren t/a korrosions- einiger seiner seiner Organokomplexe, wie Car-
beständige Kontakte in Zündkerzen (Handley bonyl- oder Hydridokomplexe, einer Reaktions-
1986); allerdings findet man diese vorwiegend in mischung zugesetzt, kann es auch sehr stabile
der Luftfahrt. Reines Iridium ist sehr spröde und Bindungen zwischen Kohlenstoff- und Wasser-
hart (Darling 1960; Biggs et al. 2005), kann aber stoffatomen aktivieren, wie sie unter anderem in
durch Zulegieren geringer Mengen (jeweils etwa Alkanen vorliegen. Das Ergebnis ist dann die
0,2 %) von Titan oder Zirkonium dehnbarer direkte Alkylierung des Iridiumatoms (Janowicz
gemacht werden. In Flugzeugen findet man Iri- und Bergman 1982; Hoyano und Graham 1982)
dium in Legierungen, die eine besonders hohe (s. Abb. 23).
Stabilität gegenüber Korrosion sowie auch sehr Die Möglichkeit, Iridium zur enantioselektiven
langlebig sein müssen. Hydrierung von Alkenen einzusetzen, wird gegen-
Sein hoher Schmelzpunkt, seine Härte und wärtig geprüft. Eine besonders interessante Ziel-
Beständigkeit gegenüber Korrosion sind fast gruppe einer solchen neuen Reaktionsklasse ist
immer für den möglichen Einsatz des Iridiums die Möglichkeit der Synthese von Naturstoffen
verantwortlich, denn sein hoher Preis spricht (Källström et al. 2006; Roseblade und Pfaltz 2007).
dagegen. Zur Produktion von Extruderköpfen Radiologie: Wie bereits eingangs erwähnt, dient
bevorzugt man wegen der hohen Verschleißfestig- das radioaktive Isotop 19277Ir, ein γ-Strahler, zur
keit Iridium oder seine Legierungen mit Platin zerstörungsfreien Werkstoffprüfung (Halmshaw
oder Osmium, beispielsweise bei der Herstellung 1954; Hellier 2001). Außerdem setzt man dieses
von Kunstfasern (Serkov 1979). Legierungen aus Isotop bei der Therapie von Krebs ein und bringt
Iridium und Osmium verwendet man zur Produk- es zu diesem Zweck in oder direkt neben die Kör-
tion von Kompassgehäusen und Waagen. perpartie, die behandelt werden soll.
5 Einzeldarstellungen 731

UV-light UV-light
alkane alkane
Ir Ir Ir
H -H2 H -CO
PMe3 L C C
alkyl O O
H

Abb. 23 Aktivierung von Alkanmolekülen durch Iridiumhydrido- bzw. -carbonylkomplexe (Smokefoot 2009)

In der Teilchenphysik nutzt man Iridium zur


Produktion von Antiprotonen, indem man ein sehr Australia; Curtin University of Techno-
dichtes Material, beispielsweise ein Iridiumtarget, logy, AU 2017298560 A1, veröffentlicht
mit einem Protonenstrahl hoher Intensität be- 31. Januar 2019)
schießt. Iridium hat trotz des wesentlich höheren H. Inoue und T. Yamaguchi, Organometal-
Preises gegenüber Wolfram den Vorteil, dass es lic iridium complex, light-emitting ele-
wegen seiner hohen Festigkeit stabiler gegenüber ment, light-emitting device, electronic
den Schockwellen ist, die durch die induzierten device, lighting device, and synthesis
Temperatursprünge im Target ausgelöst werden method of organometallic iridium com-
(Möhl 1997). plex (Semiconductor Energy Lab, US
Historische Anwendungen: Früher bestanden 2019036041 A1, veröffentlicht 31.
die Spitzen von Füllfederhaltern aus einer Legie- Januar 2019)
rung von Iridium und Osmium bzw. Ruthenium. E. Aleksandrov und A. S. Kazakov, Method
Heute hat meist das billigere Wolfram die Rolle des for producing articles from iridium
Iridiums übernommen, ohne dass die Spitzen einen metal (OOO NPO Metala Urala; IP
großen Verlust an Stabilität erlitten hätten (Mottis- Gerasimov Aleksej Leonidovich, US
haw 1999). Wegen ihrer Verschleißfestigkeit waren 2018361500 A1, veröffentlicht 20.
früher jahrzehntelang Legierungen aus Iridium und Dezember 2018)
Platin für die Entlüftungslöcher von Gewehren und H. Konno und J. Taniuchi, Method for pro-
Kanonen im Gebrauch (Crookes 1867). Das Pig- ducing cyclometalated iridium complex
ment Iridiumschwarz, sehr fein verteiltes Iridium- (Tanaka Precious Metal Industries;
pulver, nahm man in früheren Zeiten wegen seiner AIST, US 2018362565 A1, veröffent-
äußerst intensiven schwarzen Farbe zum Bemalen licht 20. Dezember 2018)
von Porzellan; heute führt die Firma Ford einen S. Beers und B. Ma, Iridium complexes
ihrer Autolacke unter diesem Namen. with aza-benzo fused ligands (Universal
Display Corp., TW 201840538 A, ver-
öffentlicht 16. November 2018)
Patente
J.-C. Lee, Iridium-(III)-complexes with
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
cyclic quinoxaline-fused ligands and
wide.espacenet.com)
organic light-emitting diodes using the
same (Just About Showing Co., Ltd.,
M. Shilton und M. W. Vose, Device and
US 2018319774 A1, veröffentlicht
method for enhanced iridium gamma
8. November 2018)
radiation sources (QSA Global Inc., PL
M. G. Shilton und M. W. Vose, Low density
3143627 T3, veröffentlicht 31. Januar
porous iridium (QSA Global Inc., CA
2019)
3024926 A1, veröffentlicht 11. Mai
D. Brooks und S. Plush, Iridium complexes
2018)
for cellular imaging (University of South
732 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

5.4 Meitnerium zerfallen spontan zu leichteren Atomkernen (Son-


zogni 2007).
Geschichte Meitnerium wurde zuerst am 29. Alle Isotope des Elements sind äußerst instabil,
August 1982 von einem Forscherteam um Arm- jedoch scheint hier ein erster Effekt der oft pro-
bruster und Münzenberg der Gesellschaft für gnostizierten „Insel der Stabilität“ der Atom-
Schwerionenforschung in Darmstadt dargestellt, kerne mit Ordnungszahlen um 114 vorzuliegen:
indem man ein Bismuttarget (20983Bi) mit Eisenker- Schwere Isotope des Meitneriums haben längere
nen (5826Fe) beschoss. Dabei konnten die Forscher Halbwertszeiten als die leichteren. Das mit einer
ein einziges Atom des Meitneriums (266109Mt) Halbwertszeit von 7,6 s stabilste Isotop des
erhalten (Münzenberg et al. 1982; Wilkinson 1993): Meitneriums ist auch das schwerste (278109Mt)
(s. Tab. 4), wogegen die Stabilität aller anderen
209
83 Bi þ 58
26 Fe ! 266
109 Mt þ 1
0n Isotope mit Halbwertszeiten <1 s viel geringer ist
(Sonzogni 2007). Es gibt bislang kein Isotop des
Die Entdeckung wurde 1985 am Vereinigten Meitneriums, das β-Zerfall erleidet; die einzige
Institut für Kernforschung in Dubna, Sowjet- bisher bekannte Route ist der α-Zerfall oder die
union, bestätigt. spontane Kernspaltung (Smolańczuk 1997), da
Obwohl es seit den 1960er-Jahren unter den jene Prozesse schnell zu Kernen niedriger Ord-
kernphysikalischen Arbeitsgruppen Kontroversen nungs- und Massenzahl führen und die Instabilität
bezüglich der Namensgebung der Transfermium- des Systems somit verringern (Nie 2005).
Elemente gab, existierte für Element 109 zur Die Aussagekraft von Vorhersagen darüber,
damaligen Zeit nur der Vorschlag, dieses Element welche zum Zeitpunkt der Aussage noch unbe-
Meitnerium zu nennen, was deshalb auch nie kannten Isotope nun welche Halbwertszeit hätten,
umstritten war (Rayner-Canham und Zheng ist aber noch gering. Dies gilt auch dann, wenn
2007). 1994 schlug die IUPAC diesen Namen diese Hypothesen durch relativistische Effekte
vor, der dann drei Jahre später offiziell wurde einbeziehende Berechnungen begründet werden.
(IUPAC Recommendations 1994). Damit ehrte Insofern steht auch die Hypothese von der zu
man die Verdienste der österreichischen Physike- erwartenden „Insel der Stabilität“, also eines
rin Lise Meitner (Kurzbiografie siehe „Pro- Bereiches relativ langlebiger Isotope von Elemen-
tactinium“), die in Zusammenarbeit mit Otto ten mit Ordnungszahlen ab 114 aufwärts, noch
Hahn das Protactinium entdeckte (Bentzen 2000; nicht auf festem Boden und konnte bisher erst
Kyle und Shampo 1981; Frisch 1973; Griffith durch Auffinden einiger Isotope und Messung
2008; Rife 2003). deren Halbwertszeit punktuell erhärtet werden.
Ein Beispiel für eine solche gelegentlich auftre-
Vorkommen Meitnerium kommt nicht in der tende Fehleinschätzung sind die Isotope 274109Mt
Natur vor und ist nur auf künstlichem Wege durch bzw. 277109Mt, für die vor ihrer Entdeckung Halb-
Kernfusion zugänglich. Alle seine Isotope sind wertszeiten von 20 s bzw. 1 min vorausgesagt
radioaktiv und besitzen sehr kurze Halbwertszeiten. wurden, die aber mit 0,44 s bzw. 5 ms (!) deutlich
„unter den Erwartungen“ blieben. Man darf ge-
Eigenschaften spannt sein, ob die heute noch unbekannten Isotope
265 272 273 279
Physikalische Eigenschaften: Bisher konnten ins- 109Mt, 109Mt, 109Mt und 109Mt wirklich
gesamt acht verschiedene Isotope des Elements die längstlebigen dieses Elementes sein werden, so
im Bereich von 266109Mt bis 278109Mt hergestellt wie es vorhergesagt wird.
werden. Entweder gelang dies durch Beschuss Man erwartet, dass Meitnerium unser Nor-
schwerer mit leichteren Atomkernen, oder aber malbedingungen ein bei Raumtemperatur festes
Isotope des Meitneriums wurden beim Zerfall Metall mit kubisch-flächenzentrierter Struktur ist
noch schwererer Kerne beobachtet. Die meisten und sich damit wie das leichtere Homologe Iri-
der bisher registrierten Kerne des Elementes erlei- dium verhält. Es sollte ein Feststoff hoher Dichte
den α-Zerfall zu Isotopen des Bohriums, andere (37,4 g/cm3) sein und bezüglich der Dichte nur von
5 Einzeldarstellungen 733

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Meitnerium


Symbol: Mt
Ordnungszahl: 109
CAS-Nr.: 54038-01-6
Aussehen: ——
Entdecker, Jahr Armbruster, Münzenberg et al. (Deutschland), 1982
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
278
109Mt (synthetisch) 7s α > 274107Bh
276
109Mt (synthetisch) 0,72 s α > 262107Bh
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (278)
Elektronegativität Keine Angabe.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (berechnet) (pm): 128 *
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 129 *
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d7 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 801 ♦ 1824 ♦ 2904 *
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Keine Angabe
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert *
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Dichte (g / cm3, bei 293,15 K) 37,4 *
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 7,43  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: Keine Angabe
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Schmelzwärme (kJ / mol) Keine Angabe
Siedepunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe
*Geschätzte bsw. berechnete Werte

seinem linken Nachbarn im Periodensystem, dem Periodensystem, Hassium und Darmstadtium, zu


Hassium, übertroffen werden. Verantwortlich hier- den Platinmetallen. Seine Ionisierungspotenziale
für wären neben dem hohen Atomgewicht die Lan- und Ionenradien liegen in einer Reihe mit denen
thanoiden- und Actinoiden-Kontraktion sowie rela- seiner leichteren Homologen Cobalt, Rhodium und
tivistische Effekte. Zu erwarten ist auch, dass Iridium (Thierfelder et al. 2008). Zu erwarten ist,
Meitnerium paramagnetisch ist (Saito 2009). Der dass Meitnerium ein Edelmetall ist, das in seinen
Atomradius sollte bei 128 pm liegen (Fricke Verbindungen bevorzugt in den Oxidationsstufen
1975), der kovalente Radius sollte 6 bis 10 ppm +1, +3 und +6 auftritt, wenn es denn aufgrund seiner
größer sein als der des Iridiums (Pyykkö und Ats- wahrscheinlichen Reaktionsträgheit überhaupt viele
umi 2009). So schätzt man die Bindungslänge zwi- davon bildet. In wässriger Lösung sollte die Oxida-
schen einem Atom des Meitneriums und des Sauer- tionsstufe +3 die beständigste sein (Pershina 2006).
stoffs auf ca. 190 pm (Van Lenthe und Baerends Die kürzlich für Iridium beobachtete Oxidationsstu-
2003). fe +9 könnte im Falle des Meitneriums für ein
Chemische Eigenschaften: Meitnerium gehört hypothetisches Meitnerium-IX-fluorid (MtF9) und
zur 6d-Gruppe der Übergangsmetalle und gleichzei- das (MtO4)+-Kation existieren; jedoch dürften diese
tig, zusammen mit seinen radioaktiven Nachbarn im beiden Spezies äußerst instabil sein (Riedel et al.
734 14 Cobaltgruppe: Elemente der neunten Nebengruppe

2010). Es sollte ferner relativ stabile Tetrahaloge- Almendra A (2002) Micro-Raman study of iridium silici-
nide (MtX4) geben (Ionova et al. 2004). des. J Raman Spectr 33(2):80–83. https://doi.org/
10.1002/jrs.824
Alvarez LW et al (1980) Extraterrestrial cause for the
Verbindungen Meitnerium ist in der Reihe stei- cretaceous-tertiary extinction. Science 208(4448):
gender Ordnungszahlen das erste Element, dessen 1095–1108
Chemie bislang kaum untersucht wurde. Die Anderson JB et al (1975) Crystal structure of cobalt ortho-
phosphate Co3(PO4)2. J Solid State Chem 14:372–377
Halbwertszeiten seiner Isotope sind sehr kurz, Arblaster JW (1989) Densities of osmium and iridium.
und es fehlte bisher an geeigneten Versuchsein- Platin Met Rev 33(1):14–16
richtungen, eventuell vorhandene Verbindungen Arblaster JW (1995) Osmium, the densest metal known.
des Meitneriums so zu prüfen, wie dies bei seinen Platin Met Rev 39(4):164
Barnett C (1969) Hydrogenation of aliphatic nitriles over
leichteren Homologen bereits gemacht wurde transition metal borides. Ind Eng Chem, Prod Res Deve-
(Düllmann 2012; Eichler 2013). lopm 8(2):145–149. https://doi.org/10.1021/i360030a009
Verbindungen des Elements mit genügend hoher Bartlett N, Rao PR (1965) Iridium pentafluoride. Chem
Flüchtigkeit sollten das Meitnerium-VI-fluorid Commun 12:252–253
Bates CH et al (1966) The solubility of transition metal
(MtF6) sein; ein flüchtiges Meitnerium-VIII-fluorid oxides in zinc oxide and the reflectance spectra of Mn2+
(MtF8) scheint ebenfalls möglich. Zur Durch- and Fe2+ in tetrahedral fields. J Inorg Nucl Chem
führung chemischer Untersuchungen an Transacti- 28:397–405
noiden benötigt man in der Regel vier Atome einer Bentzen SM (2000) Lise Meitner and Niels Bohr – a
historical note. Acta Oncol 39(8):1002–1003
Halbwertszeit von mindestens 1 s, und pro Woche Bergman TO (1775) Disquisitio de Attractionibus Electi-
muss mindestens ein neues Atom erzeugt werden. vis (Abhandlung über Verwandtschaftskräfte)
Obwohl das schon bekannte Isotop 278109Mt mit Bergman TO (1781) Opuscula physica, chemica et mine-
einer Halbwertszeit von 7,6 s grundsätzlich hierfür ralogica (Kleine Physische, Chemische und Mineralo-
gische Werke)
geeignet wäre, besteht die Schwierigkeit darin, dem Bergman TO (1791) Physick Beskrifning Ofver Jordklo-
zu untersuchenden Prozess fortlaufend Atome des tet (1766), übersetzt von L. H. Röhl, Physikalische
Elements zuzugeben und die Experimente wochen- Beschreibung der Erdkugel. Röse-Verlag, Greifswald
lang weiterzuführen, damit statistisch belastbare Biggs T et al (2005) The hardening of platinum alloys for
potential jewellery application. Platin Met Rev 49(1):
Resultate erhalten werden können. Der Versuch, 2–15
das eingangs schon genannte Isotop 271109Mt, das Botelho MBS et al (2011) Iridium(III)-surfactant complex
wegen seiner „magischen“ Zahl von Neutronen immobilized in mesoporous silica via templated syn-
(162) noch das stabilste des Elements sein sollte, thesis: a new route to optical materials. J Mater Chem
21:8829–8834
hierfür zu verwenden, scheiterte 2003 überraschend Brauer G (1975) Handbuch der Präparativen Anorgani-
(Zielinski et al. 2003). schen Chemie, Bd 1, 3. Aufl. Enke-Verlag, Stuttgart,
Versuche, die möglicherweise demnächst mit S 280. ISBN 3-432-02328-6
Verbindungen des Meitneriums geplant sind, wer- Brauer G (1978) Handbuch der Präparativen Anorgani-
schen Chemie, Bd 2, 3. Aufl. Enke-Verlag, Stuttgart,
den sich wahrscheinlich an analogen Verbindungen S 1736. ISBN 3-432-87813-3
des Iridiums und deren Eigenschaften orientieren, Brauer G (1981) Handbuch der Präparativen Anorgani-
genauso wie dies in der Vergangenheit für Hassium- schen Chemie, Bd 3, 3. Aufl. Enke-Verlag, Stuttgart,
VIII-oxid (HsO4) und Osmium-VIII-oxid (OsO4) S 1634/1674/1833. ISBN 3-432-87823-0
Brauer G (1994) Handbuch der Präparativen Anorgani-
erfolgte. Wurde Meitnerium bisher zugunsten seiner schen Chemie, 4. Aufl. Enke-Verlag, Stuttgart. ISBN
„interessanteren“ Nachbarn bisher vernachlässigt, 3-432-87823-0
könnte sich dies in der Zukunft ändern. Britvin SN et al (2001) Miassite Rh17S15, a new mineral
from a placier of Miass River, Urals. Zap Vser Mineral
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Nickelgruppe: Elemente der zehnten
Nebengruppe 15

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772

Zusammenfassung so zeigt Nickel ein negatives Normalpotenzial


Dieses Kapitel beschreibt die Vorkommen, sowie niedrigere Dichten, Schmelz- und Siede-
Herstellverfahren, Eigenschaften und Anwen- punkte. Bei Nickel ist die Oxidationsstufe +2
dungen der Elemente der zehnten Nebengrup- die stabilste, Palladium und Platin treten jeweils
pe des Periodensystems (Nickel, Palladium, mit der Oxidationsstufe +2 und +4 auf.
Platin und Darmstadtium) und ihre wichtigen Palladium und Platin setzt man vielfach in
Verbindungen. Nickel wurde 1751 entdeckt, Katalysatoren, auch in solchen zur Reinigung
Palladium 1803, und Platin dagegen war zu- von Autoabgasen, ein. Nickel ist wesentlicher
mindest in legierter Form schon in Altägypten Bestandteil korrosionsfester Stähle.
bekannt. 1994 konnten die ersten Atome des
Darmstadtiums erzeugt werden.
Auch beim Elementenpaar Palladium und 1 Einleitung
Platin erkennt man noch die Auswirkung der
Lanthanoidenkontraktion. Die jeweiligen phy- Die Elemente der zehnten Nebengruppe des Peri-
sikalischen Eigenschaften dieser zwei Elemente odensystems (Nickel, Palladium, Platin, Darm-
unterscheiden sich schon deutlich, nicht aber stadtium) zeigen eine ziemlich große Ähnlichkeit
die chemischen. Die Eigenschaften des Nickels in ihren physikalischen und chemischen Eigen-
weichen aber von denen der zwei „edlen“ schaften. Auch beim Elementenpaar Palladium
Platinmetalle Palladium und Platin deutlich ab, und Platin ist die Auswirkung der Lanthanoiden-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 741
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
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742 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

kontraktion noch festzustellen. Die physikalischen Informationen über das jeweilige Element, so
Eigenschaften dieser zwei Elemente unterscheiden dass hier nur eine kurze Vorstellung der Ele-
sich jedoch schon merklich, nicht aber die chemi- mente folgt.
schen. Die Eigenschaften des Nickels dagegen
weichen von denen der zwei „edlen“ Platinmetalle
Palladium und Platin sichtbar ab, so zeigt Nickel 2 Vorkommen
ein negatives Normalpotenzial sowie niedrigere
Dichten, Schmelz- und Siedepunkte, wenngleich Nickel ist im Unterschied zum sehr häufig vor-
es wesentlich edler als Eisen ist, ein benachbartes kommenden, übernächsten Nachbarn im Perio-
Element aus der ersten Periode der Übergangsme- densystem, Eisen (47000 ppm der Erdhülle!) mit
talle. einer Konzentration von gerade einmal 150 ppm
Die Elemente dieser Gruppe könnten theore- ziemlich selten, wenngleich es auch viermal häu-
tisch maximal zehn Valenzelektronen (je zwei figer als Cobalt vorkommt. Palladium und Platin
s- und acht d-Elektronen) abgeben, um eine sta- weisen mit Anteilen an der Erdkruste von 0,011
bile Elektronenkonfiguration zu erreichen. Bei bzw. 0,005 ppm (!) schon nahezu den Rang von
Nickel ist jedoch die Oxidationsstufe +2 die sta- Spurenelementen auf. Nur durch Anwendung
bilste, bei Palladium und Platin findet man glei- künstlicher Kernreaktionen und dann auch nur in
chermaßen +2 und +4. Die Reaktionsneigung Mengen weniger Atome ist Darmstadtium zu-
dieser zwei Metalle ist gering, aber merklich gänglich.
größer als bei Rhodium und Iridium. Für das
höchste Element dieser Nebengruppe, das Darm-
stadtium, wurden noch so gut wie keine chemi-
3 Herstellung
schen Untersuchungen durchgeführt. Es ist zu
erwarten, dass es sich chemisch ähnlich wie Pla-
Nickel wird durch Rösten von Nickelsulfid und
tin verhält.
anschließender Reduktion des dabei entstehenden
Die Entdeckung des Nickels erfolgte 1751 und
Nickel-II-oxids mit Kohle erzeugt. Palladium
die des Palladiums 1803. Platin kannte man als
und Platin müssen erst aufwändig von unedlen
Legierungsbestandteil schon im alten Ägypten,
Begleit- sowie anderen Platinmetallen abgetrennt
aber rein dargestellt wurde es ebenfalls erst Ende
werden, wobei sie unter anderem in Königswasser
des 18. Jahrhunderts. Die erstmalige Darstellung
gelöst und in die dabei entstehenden Chlorokom-
von Atomen des Darmstadtiums gelang 1994. Sie
plexe überführt werden. Palladium wird dabei
finden alle genannten Elemente in Gruppe 10 (VIII B)
noch selektiv von den anderen Metallen mittels
des umseitig abgebildeten Periodensystems.
Flüssig-flüssig-Extraktion separiert. Die Edelme-
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. Na-
talle sind, einmal in Form ihrer reinen Verbindun-
trium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie
gen isoliert, dann relativ einfach durch deren
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei-
Reduktion erhältlich.
spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die
meisten Elemente können sich untereinander ver-
binden und bilden chemische Verbindungen; so
wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische 4 Eigenschaften
Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz.
Einschließlich der natürlich vorkommenden 4.1 Physikalische Eigenschaften
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden- Die physikalischen Eigenschaften sind auch in
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. dieser Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regel-
Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier mäßig nach steigender Atommasse abgestuft. In
Vertreter der Gruppe der Elemente der zehnten Analogie zu den Nachbarelementen der neunten
Nebengruppe enthalten dabei alle wichtigen (nicht der ersten!) Nebengruppe nehmen vom
5 Einzeldarstellungen 743

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente

Nickel zum Platin Dichten, Schmelzpunkte und len (Halogene, Sauerstoff) reagieren sie erst bei
-wärmen sowie Siedepunkte und Verdampfungs- hoher Temperatur.
wärmen zu, die chemische Reaktionsfähigkeit
geht dagegen deutlich zurück. Auch hier tritt kein
Effekt der Schrägbeziehung auf, also leitet Nickel 5 Einzeldarstellungen
hinsichtlich seiner Eigenschaften nicht zum Silber
über. Im folgenden Teil sind die Elemente der Nickel-
gruppe (10. Nebengruppe) jeweils einzeln mit
ihren wichtigen Eigenschaften, Herstellungsver-
4.2 Chemische Eigenschaften fahren und Anwendungen beschrieben.

Die Elemente der Nickelgruppe sind teils reak-


tionsfähig (Nickel), wogegen Palladium und Pla- 5.1 Nickel
tin wesentlich edler sind, aber trotzdem nicht die
Korrosionsbeständigkeit des Iridiums erreichen. Geschichte Der Schwede Cronstedt stellte Nickel
Palladium und Platin gehören zur insgesamt erstmals 1751 in reinem Zustand dar und nannte
sechs Elemente umfassenden Gruppe der Platin- das Metall Nickel. Das zugrunde liegende Erz,
metalle und sind an der Luft stabil. In den meis- Rotnickelkies, lieferte bei der Verhüttung kein
ten Säuren sind sie unlöslich. Sie sind chemisch Kupfer und war daher nach Ansicht der damaligen
meist nur unter Anwendung drastischer Metho- Bergleute verhext; dies ist eine zu Cobalt ähnliche
den umzusetzen, auch mit reaktiven Nichtmetal- Namensgebung.
744 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

Die Reserven an abbauwürdigen Nickelvor-


Der schwedische Chemiker und Minera- kommen schätzt man heute auf 70 bis 170 Mio.
loge Axel Frederic von Cronstedt (*23. t. Zurzeit fördert man weltweit deutlich mehr als
Dezember 1722 Turinge; † 19. August eine Mio. t/a. In den letzten Jahren schwankte der
1765 Säter) begann 1738 sein Mathematik- Preis für Nickel zeitweilig stark, da sich einige der
studium an der Universität Uppsala, wech- großen Vorkommen des Elements in Ländern mit
selte aber bald zum Fach Mineralogie. Von unsicherer politischer Situation befinden.
1742 an arbeitete er im Bergbauamt und Bezüglich der in Nordsibirien lagernden Vor-
wurde 1758 Vorsteher für die wichtigsten kommen von Nickel und zahlreichen anderen
Bergbaugebiete des Landes. Seit 1753 war
Bunt- und Edelmetallen unternimmt Russland
er Mitglied der Akademie der Wissenschaf-
große Anstrengungen, im Permafrostgebiet riesige
ten. 1751 isolierte er aus Rotnickelkies ein
Bergbauflächen zu betreiben und dort Großstädte
ziemlich reines Konzentrat, aus dem er dann
wie Norilsk anzusiedeln. Dort leben rund 180.000
das neue Element Nickel rein darstellte
(Meijer und Westrin 1906). Der Name Menschen unter hoher Belastung der Umwelt und
„Zeolith“ geht auf Cronstedt zurück. sehr harten Bedingungen (s. Abb. 2a, b; eine
durchschnittliche Jahrestemperatur von 10  C
mit einem von September bis Mai dauernden Win-
Vorkommen Gediegenes Nickel findet man ter, ein mit Schwermetallen kontaminiertes Erd-
wegen seines unedlen Charakters nur vereinzelt, reich, verschmutzte Luft und Gewässer, schlechter
aber es ist ein von der International Mineralogical Zustand der Wohngebäude). Wären dort Auflagen
Association (IMA) anerkanntes Mineral. Das zu erfüllen, wie sie innerhalb der Europäischen
Element ist häufiger als Cobalt in der Erdhülle Union und vor allem in Deutschland gelten, läge
vertreten, beide sind darin aber viel seltener als der Preis für Nickel wesentlich höher.
Eisen. Dagegen weisen geochemische Fakten
darauf hin, dass sich Nickel im Erdkern befindet, Gewinnung Zunächst flotiert man das Aus-
wo es mit einem Massenanteil von 5,2 % (!) unter gangsmaterial, Nickelmagnetkies, und reichert es
anderem mit Eisen legiert vorkommt (McDo- so auf einen Gehalt an Nickel von mindestens
nough 2014). 5 % an. Anschließend entfernt man Eisen, das
In der Vergangenheit deckten meist sulfidische die Hauptverunreinigung ausmacht, wobei man
Erze, wie der zu einem Drittel aus Nickel be- das Erz zuerst vorröstet. Dabei wird Eisensulfid
stehende Pentlandit oder Nickelmagnetkies, den teilweise zu Eisen-III-oxid umgesetzt, worauf
Rohstoffbedarf zur Gewinnung von Nickel Sand und Koks zugegeben werden, um Eisen in
ab. Dazu kamen einige Mineralien mit hohem Form seiner Silikatschlacke zu binden. Anderer-
Nickelgehalt, beispielsweise Millerit. Zunehmend seits entsteht bei diesem Prozess der bei den
werden wegen der fortschreitenden Ausbeutung herrschenden Bedingungen flüssige, spezifisch
der sulfidischen Erze aber die lateritischen Vor- schwerere Rohstein aus Nickel-, Kupfer und
kommen, oft Garnierit, wichtiger (Mudd 2009). Eisensulfid, der von der Schlacke abgestochen
Diese werden nach einem völlig anderen Verfah- und in einen Konverter gefüllt wird.
ren abgebaut, durch Auslaugen mit heißer Säure Zugabe von Silicium-IV-oxid und gleichzeiti-
unter Druck, wogegen die sulfidischen Erze zu ges Einblasen von Sauerstoff überführt restliches
den Oxiden geröstet werden (Guo et al. 2011). Eisen in Eisenschlacke, die abgetrennt wird. Den
Weltweit kennt man zur Zeit ca. 200 Minerale verbleibenden Feinstein schmilzt man mit Na-
des Elements. Die bedeutendsten Vorkommen, in triumsulfid (Na2S). Nur Kupfer bildet zusammen
denen Nickel meist mit Cobalt vergesellschaftet mit Natrium ein niedrig schmelzendes Doppelsul-
ist, liegen in Kanada (westliches Ontario), Neuka- fid, das von Nickelsulfid separiert wird. Jenes
ledonien, direkt gegenüber in Queensland (Aus- röstet man zu Nickeloxid (unter Freisetzung von
tralien), Russland [Norilsk und Nikeltau (Halbin- Schwefel-IV-oxid), das man dann mit Koks zu
sel Kola)] sowie Kuba. Nickel reduziert.
5 Einzeldarstellungen 745

Abb. 2 a Leben und Arbeiten in Norilsk (McGuire und Chernyshova 2016). b „Gefärbter“ Fluss bei Norilsk (Radio Free
Europe, 13. Sept. 2016)

Das so gewonnene Nickel ist aber für die meisten Eigenschaften


Anwendungen noch nicht rein genug. Das Metall Physikalische Eigenschaften: Das silberglänzen-
muss zu diesem Zweck elektrolytisch raffiniert wer- de Nickel ist mit einer Dichte von 8,91 g/cm3 ein
den. Die Elektrolysezelle enthält eine wässrige Schwermetall (s. Tab. 1). Nickel ist schmied- und
Lösung eines Nickelsalzes, die Kathode ist ein dehnbar, darüber hinaus mit einer Curie-Tempera-
Blech aus reinem Nickel und die Anode eines aus tur von 354  C ferromagnetisch (Zhu et al. 2007).
Rohnickel. Im Lauf der Elektrolyse geht die Anode Es kristallisiert kubisch-flächenzentriert, wobei
in Lösung, und reines Nickel schlägt sich auf der diese Struktur auch bei hohen Drücken bis 70 GPa
Kathode nieder. Edlere Metalle gehen nicht in beibehalten wird.
Lösung und scheiden sich als Schlamm unter der Es existiert zwar auch eine kubisch-raumzen-
Anode ab. Dieser stellt eine wichtige Quelle zur trierte Struktur, diese ist aber metastabil und nur
Produktion auch von Edelmetallen dar (zum Bei- auf bestimmten Substraten wie Eisen oder Gal-
spiel Gold oder Platin). Das so hergestellte Elektro- liumarsenid für kurze Zeit haltbar. Sie ist eben-
lytnickel besitzt eine Reinheit von etwa 99,9 %. falls ferromagnetisch, allerdings mit einer Curie-
Eine noch höhere Reinheit liefert das Mond- Temperatur von „nur“ 183  C (Brookes et al.
Verfahren, das auf der Bildung und der darauf fol- 1992).
genden Zersetzung von Nickeltetracarbonyl [Ni Kalt verfestigtes Nickel ist kaum dehnbar, besitzt
(CO)4] beruht. Dazu leitet man Kohlenmonoxid aber eine enorme Zugfestigkeit. Weißgeglühtes
über Rohnickelpulver, das man auf eine Temperatur Nickel ist bis auf fast das Eineinhalbfache seiner
von 80  C erwärmt. Dabei bildet sich gasförmiges, Länge dehnbar, verfügt aber immer noch über eine
sehr giftiges Nickeltetracarbonyl. Dieses leitet man relativ hohe Zugfestigkeit mit etwa der Hälfte des
durch ein Staubfilter und dann in eine auf 180  C Wertes, den das kalt verfestigte Metall erreicht.
erhitzte Kammer. In dieser zersetzt sich das Nickel- Das Isotop 6228Ni besitzt mit 28 Protonen einen
tetracarbonyl an kleinen Nickelkugeln zu Reinstni- magischen Kern, ist mengenmäßig im Universum
ckel und Kohlenmonoxid, das wieder in den Pro- stark vertreten, hat einen kleinen Einfangsquer-
zess zurückgeführt wird. schnitt für Neutronen und hat die höchste Bin-
746 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Nickel


Symbol: Ni
Ordnungszahl: 28
CAS-Nr.: 7440-02-0

Aussehen: Silbrig metallisch Nickel, Kugeln (Rausch Nickel, Pulver


glänzend 2010) (Onyxmet 2018)
Entdecker, Jahr Cronstedt (Schweden, 1751)
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
58
28Ni (68,08) Stabil ———
60
28Ni (26,23) Stabil ———
61
28Ni (1,14) Stabil ———
62
28Ni (3,63) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 150
Atommasse (u): 58,6934
Elektronegativität 1,91 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Ni2+ + 2 e > Ni (V) 0,257
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (149)
Van der Waals-Radius (pm): 163
Kovalenter Radius (pm): 124 (low spin)
Ionenradius (Co2+, pm) 77
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d8 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 737 ♦ 1753♦ 3359 ♦ 5300
erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: ———
Magnetismus: Ferromagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,39  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 200 ♦ 180 ♦ 76
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 638 ♦ 667–1600
Mohs-Härte 4,0
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 4970
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 8,91
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 6,59  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 91
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 26,07
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1455 ♦ 1728
Schmelzwärme (kJ/mol) 17,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 2730 ♦ 3003
Verdampfungswärme (kJ/mol): 379

dungsenergie je Nukleon aller Elementisotope griffen. Konzentrierte, oxidierende Säuren wie


(Fewell 1995). Salpetersäure bewirken eine Passivierung, woge-
Chemische Eigenschaften: Bei Raumtempe- gen verdünnte Säure das Metall etwas angreift.
ratur ist Nickel gegen den Angriff durch Luft, Die beständigste Oxidationsstufe ist +2, aller-
Wasser, Salzsäure und Laugen sehr stabil, und es dings sind alle im Bereich von 1 bis +4 mög-
wird auch durch verdünnte Säuren kaum ange- lich.
5 Einzeldarstellungen 747

Abb. 3 a Nickel-II-oxid
(Onyxmet 2018). b Nickel-
II-oxid Sputtertarget
(QS Advanced Materials
2018). c Nickel-II-oxid
(Stanford Advanced
Materials 2018)

Verbindungen
Chalkogenverbindungen Nickel-II-oxid (NiO)
kommt in der Natur in Form des Minerals Bunsenit
vor. Es ist durch starkes Erhitzen von Nickel-II-
nitrat [Ni(NO3)2] oder Nickel-II-carbonat (NiCO3)
zugänglich; alternativ liefert natürlich auch das
Verbrennen metallischen Nickels das gewünschte
Produkt. Die schwach basisch reagierende Ver- Abb. 4 Nickel-III-oxid (TheMrBunGee 2016)
bindung schmilzt bei einer Temperatur von
1984  C, besitzt die Dichte 6,72 g/cm3, ist anti- beschrieben wurden. Auch Nickel-III-oxid ist
ferromagnetisch und weist eine Kristallstruktur krebserzeugend.
ähnlich der von Natriumchlorid auf. Während Nickel-IV-oxid (NiO2  n H2O) erzeugt man
Nickel-II-oxid in reinstem Zustand hellgelb ist, durch Oxidation von Nickel-II-hydroxid mit
führen höhere Gehalte an Sauerstoff zu einer Persulfat in wässriger Phase. Die Verbindung
grünlichen und geringe Mengen an Ni3+-Ionen wirkt stark oxidierend, zersetzt sich beim Erhit-
zu einer dunklen Farbe (s. Abb. 3a–c). Je niedriger zen zu Nickel-II-oxid und Sauerstoff und
die Temperatur ist, bei der Nickel-II-oxid erzeugt kristallisiert in einer verzerrten Cadmiumiodid-
wurde, desto löslicher ist es in der Regel in Säuren Schichtstruktur (Tarascon et al. 1999).
und Basen (Brauer 1981, S. 1689). Mit Nickel-IV-oxid oxidiert man Alkohole zu
Man verwendet Nickel-II-oxid als Anode in Bre- Carbonsäuren und aliphatische Hydrazone zu Dia-
nnstoffzellen, ferner zur Produktion von Emaille, zoalkanen.
Keramikartikeln und Gläsern. Gelegentlich setzt Nickel-II-sulfid (NiS) tritt in Form dreier, auf
man es als Katalysator für die Hydrierung organi- jeweils unterschiedlichen Wegen zugänglicher
scher Verbindungen ein. Die Verbindung ist Zwi- Modifikationen auf und kommt auch in der Natur
schenstufe zur Erzeugung reinen Nickels durch als Mineral Millerit vor. Die bei Raumtemperatur
Überleiten von Kohlenmonoxid. Es ist als krebser- stabilste Modifikation, γ-Nickel-II-sulfid, stellt
zeugend eingestuft. man durch Einleiten von Schwefelwasserstoff
Nickel-III-oxid (Ni2O3) bildet ein dunkel- (H2S) in eine wässrige Lösung von Nickelsulfat
graues bis schwarzes Pulver (s. Abb. 4), das sich her:
ab einer Temperatur von 600  C zu Nickel-II-
oxid und Sauerstoff zersetzt. Man gewinnt es NiSO4  7 H2 O þ H2 S ! NiS #
beispielsweise durch Abscheidung aus der þH2 SO4 þ 7 H2 O
Gasphase auf kalten Oberflächen (Kang und
Rhee 2001). Die Verbindung ist ein starkes Oxi- Es ist ein schwarzes, trigonal kristallisierendes
dationsmittel und oxidiert etwa Chlorwasserstoff Pulver der Dichte 5,66 g/cm3, das sich nur schwer
zu Chlor (Holleman et al. 2007, S. 1715). Man in verdünnter Salzsäure löst.
setzt schwarzes, also mit Ni2O3 stark angerei- Beim Erhitzen auf eine Temperatur von 396  C
chertes, Nickel-II-oxid in ähnlichen Anwendun- wandelt sich γ- in das bei 797  C schmelzende
gen ein, wie sie bereits oben für Nickel-II-oxid β-Nickel-II-sulfid um. Dieses ist ebenfalls ein
748 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

schwarzes, hexagonal kristallisierendes Pulver, eine Natriumacetat enthaltende Nickelsalzlösung


das aber in heißer Salzsäure löslich ist und durch (Moser und Atynski 1925), wobei die Verbindung
Überleiten von Schwefeldampf über Nickelpulver als amorphes α-Nickelselenid ausfällt. Die Fäl-
bei Temperaturen um 900  C erhalten werden lung mit Ammoniumselenid unter Luftabschluss,
kann (Brauer 1981, S. 1693). α-Nickel-II-sulfid also im alkalischen Milieu, ergibt ebenfalls α-NiSe,
schließlich erhält man durch Einleiten von H2S in dagegen die mit H2Se in essigsaurer Nickelacetat-
eine wässrige, ammoniumchloridhaltige Lösung lösung hexagonales β-NiSe und die mit H2Se in
von Nickel-II-chlorid unter Luftausschluss. Es schwefelsaurer Nickelsulfatlösung das nur bei
ist ein amorphes schwarzes Pulver, das in Salz- Temperaturen bis 32  C beständige, rhomboedrisch
säure löslich ist und an der Luft leicht oxidiert. Ein kristallisierende γ-Nickelselenid.
Gemisch mehrerer Modifikationen fällt beim Ein- Für die Halbleiterindustrie wichtig ist die Her-
leiten von H2S in ammoniakalische Lösungen von stellbarkeit dünner Schichten durch Überleiten gas-
Nickel-II-salzen aus und dient zur Abscheidung förmigen Selens über glühendes Nickel. Schließlich
von Nickel sowie anderen Schwermetallen im sind NiSe und NiSe2 auch durch Umsetzung von
Trennungsgang der Kationen. Selen-IV-chlorid (SeCl4) mit Nickel-II-chlorid-He-
Trinickeldisulfid (Ni3S2) kommt in der Natur in xahydrat bei Gegenwart sowohl eines Tensids als
Form des Minerals Heazlewoodit vor. Es kann auch eines Reduktionsmittels herstellbar (Sobhani
synthetisch durch teilweise Reaktion von Nickel- und Salavati-Niasari 2014).
II-sulfid mit Sauerstoff (Rao 1985) oder durch In der Natur wurden Nickelselenide schon vor
Umsetzung von Nickel mit Schwefeldioxid erhal- mehreren Jahrzehnten entdeckt (Vuorelainen et al.
ten werden (Kutz 2013). Der graue, unbrennbare 1964). So erscheint β-Nickelselenid (NiSe) dort in
und wasserunlösliche Feststoff besitzt eine Dichte Form des Minerals Sederholmit und die γ-Form als
von 5,87 g/cm3 und schmilzt bei einer Temperatur Mäkinenit. Dagegen besitzen Wilkmanit bzw. Trüs-
von 787  C. Beim Erhitzen durchläuft die Verbin- tedtit Ni3Se4 eine monokline bzw. kubische Kristall-
dung bei 556  C eine Umwandlung von trigonaler struktur. Kullerudit wiederum ist orthorhombisch
zu kubischer Struktur (Schröcke und Weiner 1981; kristallisierendes Nickeldiselenid (NiSe2).
Blachnik 1998), bevor sie sich beim Schmelzen Nickel-II-selenid (NiSe) ist ein grauer, geruch-
zersetzt. loser Feststoff (s. Abb. 5) der Dichte 8,46 g/cm3.
Nickeldisulfid (NiS2) ist durch Umsetzung von Die Verbindung ist kaum löslich in Wasser, ver-
Nickel-II-sulfid mit Schwefel bei Temperaturen dünnten Mineralsäuren und alkalischen Medien.
um 450  C darstellbar (Brauer 1981, S. 1694), tritt Nur mit konzentrierter Salzsäure gelingt es, Ni-
aber auch in der Natur, in Form des Minerals ckelselenid zu Nickel-II-chlorid und Selenwasser-
Vaesit, auf. Der antiferromagnetische, geruchlose stoff aufzuschließen. An der Luft oxidiert es
Feststoff kristallisiert im Pyrit-Gitter, schmilzt bei an seiner Oberfläche langsam zu Nickelselenit
1007  C und hat eine Dichte von 4,45 g/cm3. In (NiSeO3). Dünne, aus Nickel-II-selenid bestehende
Wasser ist Nickeldisulfid unlöslich, dagegen wohl Schichten sind Halbleiter und werden in Fotozellen
in Salpetersäure, allerdings dann unter Zerset- verwendet (Min 2016).
zung. An der Luft oxidiert es langsam und setzt Nickel-II-tellurid (NiTe) kommt sehr selten in
Schwefel-IV-oxid frei. der Natur in Form des Minerals Imgreit vor. Syn-
Nickel-II-selenid (NiSe) ist möglicherweise nur thetisch ist es entweder durch Erhitzen von Tellur
eines von mehreren Nickelseleniden unterschied- mit Nickel-II-chlorid in einer wässrigen Lösung
licher Kristallstruktur, da es eine Phasenbreite von von Natriumhydroxid oder durch direkte Umset-
NiSe bis zu Ni3Se4 zeigt. Gesichert ist die Exis- zung der Elemente bei Temperaturen um 600  C
tenz der zu den entsprechenden Sulfiden analogen zugänglich (Zhang et al. 2002; Umeyama et al.
Ni3Se2 und NiSe2 auf synthetischem Weg (Meyer 2012). Es ist ein grauer, geruchloser, hexagonal
2013; Agarwala und Sinha 1957). Die einfachste kristallisierender Feststoff (s. Abb. 6) mit Halblei-
Methode, Nickel-II-selenid darzustellen, besteht tereigenschaften, der sich oberhalb einer Tempe-
im Einleiten von Selenwasserstoff (H2Se) in ratur von 400  C zersetzt (Wood 2013).
5 Einzeldarstellungen 749

Abb. 5 Nickel-II-selenid (Onyxmet 2018) Abb. 7 Nickel-II-fluorid-Tetrahydrat (Onyxmet 2018)

Beim Erhitzen spaltet das Tetrahydrat zunächst


Wasser und später, bei noch höherer Temperatur,
infolge Hydrolyse auch Fluorwasserstoff. Die
Zersetzung geht im ungünstigen Fall bis zum
Nickel-II-oxid (Lange und Haendler 1973). Mit
anderen Fluoriden bildet Nickel-II-fluorid Tetra-
fluorokomplexe [(NiF4)2]; diese kristallisieren
in einer Schichtstruktur, in der NiF6-Oktaeder
Abb. 6 Nickel-II-tellurid Sputtertarget (QS Advanced über zwei Kanten miteinander verknüpft sind
Materials 2018) (Holleman et al. 2007, S. 1756).
Wasserfreies Nickel-II-chlorid (NiCl2) bildet
Darüber hinaus sind drei weitere Nickeltelluri- gelbe, im Cadmiumchloridtyp aufgebaute Kris-
de bekannt: Nickelditellurid (NiTe2, in der Natur talle (Ferrari et al. 1963; s. Abb. 8a) der Dichte
als Mineral Melonit vorkommend), Trinickelditel- 3,55 g/cm3, die bei einer Temperatur von 1001  C
lurid (Ni3Te2) und Nickelsubtellurid (NiTe0,775, schmelzen und stark hygroskopisch sind. Man
Embury 1990). gewinnt es durch Überleiten von Chlor über Ni-
Halogenverbindungen Nickel-II-fluorid (NiF2) ckelpulver; eventuell vorhandene Reste an Wasser
ist in wasserfreier, reiner Form ein gelber Feststoff entfernt man durch Trocknen im Chlorwasser-
vom Schmelzpunkt 1450  C und der Dichte stoffstrom bei ca. 140  C oder durch Erwärmen
4,7 g/cm3; es wird durch Synthese aus den Elemen- einer Mischung von Thionylchlorid und des grü-
ten, durch Auflösen von Nickel in wasserfreier nen Hexahydrats (NiCl2  6 H2O) (s. Abb. 8b):
Flusssäure oder aber mittels Reaktion wasserfreien
Nickel-II-chlorids mit Fluor bei Temperaturen um NiCl2  6 H2 O þ 6 SOCl2
350  C erzeugt: ! NiCl2 þ 6 SO2 þ 12 HCl

Ni þ 2 HF ! NiF2 Das Hexahydrat kristallisiert mit monokliner


Struktur aus Lösungen aus, die durch Auflösen
Das grüne Tetrahydrat (s. Abb. 7) ist stark von Nickel-II-oxid in Salzsäure entstanden. Das
hygroskopisch (Holleman et al. 2007, S. 1713; Kristallgitter enthält pro Elementarzelle zwei
D’Ans und Lax 1997, S. 640). Die wasserfreie trans-[NiCl2(H2O)4]-Einheiten (Wells 1984).
Verbindung kristallisiert tetragonal, das Te- Weiterhin kennt man das Di- und das Tetra-
trahydrat orthorhombisch. In konzentrierten hydrat, das auch grüne Kristalle bildet.
Mineralsäuren löst sich Nickel-II-fluorid unter Nickel-II-chlorid ist sehr gut löslich in Wasser
Bildung von Fluorwasserstoff auf, beispiels- (bei 20  C 2540 g/L des Hexahydrats), leicht
weise nach: resorbierbar und giftig. Die LD50 bei Ratten liegt
auf Basis der Ergebnisse aus Studien zwischen
NiF2 þ H2 SO4 ! NiSO4 þ 2 HF 681 mg/kg (Mizuno 1961) und 105 mg/kg (Singh
750 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

Abb. 9 Nickel-II-bromid-Hexahydrat (Mangl 2007)

Abb. 8 a Nickel-II-chlorid, wasserfrei (Softyx 2012).


b Nickel-II-chlorid-Hexahydrat (Onyxmet 2018)

und Junnarkar 1991). Außerdem wirkt die Sub-


stanz krebserregend und allergen.
Man verwendet die Verbindung als Farbstoff
für keramische Artikel, als Beizmittel in der Fär-
berei, in der galvanischen Vernickelung und zur
Herstellung nickelhaltiger Katalysatoren. Was- Abb. 10 Nickel-II-iodid, wasserfrei (Onyxmet 2018)
serfreies Nickel-II-chlorid besitzt infolge der
starken Neigung zur Bildung von Amminkom-
plexen ein hohes Aufnahmevermögen für Am- Das bei 797  C schmelzende Nickel-II-iodid
moniak, weshalb man es in Gasmaskenfiltern (NiI2) bildet dunkelgraue bis schwarze Kristalle
einsetzt. trigonaler Struktur (D’Ans und Lax 1997, S. 496;
Wasserfreies Nickel-II-bromid (NiBr2) ist ein s. Abb. 10) und wird durch Umsetzung der
gelber bis bronzener, hygroskopischer Feststoff Elemente, dann in wasserfreier Form, erhalten
der Dichte 5,1 g/cm3, der bei einer Temperatur (Greenwood und Earnshaw 1988, S. 1476). Alter-
von 965  C sublimiert und durch Überleiten von nativ funktioniert auch die Reaktion von Nickel-
Bromdampf über erhitztes Nickel darstellbar ist. II-chlorid mit Natriumiodid (Holleman et al.
Alternative Herstellmethoden sind das Erhitzen 2007, S. 1713). Das Auflösen von Nickel-II-oxid
von Nickel-II-chlorid im Bromwasserstoffstrom in Iodwasserstoffsäure ergibt dagegen das blau-
bei Temperaturen um 500  C oder die Reaktion grüne Hexahydrat (Brauer 1981, S. 1688). Jenes
von Nickel-II-acetat mit Acetylbromid in Benzol ist äußerst hygroskopisch und zersetzt sich bei
(Brauer 1981, S. 1688). Je nach Sublimationsgrad Zutritt von Luft unter Abscheidung von Iod.
besitzt wasserfreies Nickel-II-bromid eine unter- Pnictogenverbindungen Resultate der Pulverdif-
schiedliche Kristallstruktur. Wird es geglüht, zer- fraktometrie an Nickelnitrid (Ni3N) unter Verwen-
setzt es sich zu Nickel-II-oxid und Brom (Meyer dung von Neutronen zeigen bis zu Temperaturen
2013). von 320  C eine nahezu perfekte Anordnung der
Mit Wasser bildet sich zügig das gelbgrüne Stickstoffatome auf den Ecken eines Oktaeders; im
Trihydrat, das sich, ohne Hydrolyse zu erleiden, Vergleich erfolgt im hierzu isotypen ε-Fe3N eine
durch Trocknen bei Temperaturen um 200  C zum reversible teilweise Aufhebung der Ordnung der
wasserfreien Salz entwässern lässt (Perry 2016, Stickstoffatome (Leineweber et al. 2001).
S. 289). Das blaugrüne Hexahydrat (s. Abb. 9) Nickelnitrid zählt zu den wirksamen, dabei
spaltet bereits bei leichtem Erwärmen Wasser ab widerstandsfähigen und relativ preiswerten Mate-
und geht in das Trihydrat über. rialien zur Herstellung von Elektrokatalysatoren.
Das Hexahydrat kann man durch Auflösen von Für diese Zwecke erzeugt man dünne Schichten
Nickel-II-oxid oder -carbonat in Bromwasser- von Nickelnitrid auf Nickelschaum. Das so herge-
stoffsäure erzeugen. Aus Nickel-II-bromid stellt stellte Produkt besitzt nur eine sehr geringe Über-
man oft Komplexe des Nickels her (Nicholls spannung (50 mV), verbunden mit hohen Strom-
2013). dichten und einer sehr guten Stabilität für die
5 Einzeldarstellungen 751

Verwendung bei der Herstellung von Wasserstoff umringt sind. Jedes Atom einer Sorte ist daher
(HER) in alkalischer Lösung. Zudem ist dieses von sechs der anderen umgeben. In der Natur
Material wirksam auch zur Erzeugung von Sauer- kommt Nickelarsenid, wenn auch verunreinigt
stoff (OER) sowie zu dessen Reduktion (ORR) durch Eisen, Schwefel, Antimon und andere
einzusetzen, da es wesentlich besser als reiner Ni- Begleitstoffe, in Form des Minerals Nickelin vor.
ckelschaum funktioniert. Insofern sollte ein breites Wenngleich es unlöslich ist, sind alleine der
Potenzial für die Anwendung in Brennstoffzellen Abrieb oder Stäube der Verbindung schon sehr
und Batterien bestehen (Shalom et al. 2015). giftig. Man setzt Nickelarsenid daher lediglich
Ähnlich vorteilhafte Eigenschaften zeigen als Katalysator ein, um Spuren von Metallen aus
auch sphärisch strukturierte, unter Einsatz von Kohlenwasserstoffen zu entfernen.
Harnstoff hergestellte Nanopartikel von Nickel- Breithauptit [Nickelantimonid (NiSb)] ist ein
nitrid. Besonders geeignet sind sie zur Oxidation selten natürlich vorkommendes Mineral ebenfalls
von Ethanol bzw. Methanol in alkalischem Me- hexagonaler Struktur. Meist tritt es in Form größe-
dium, wobei Ströme von von 200 μA bzw. rer Aggregate rotbrauner Farbe auf. Diese sind mit
100 μA in einmolarer alkoholischer Lösung einer Mohs-Härte von 5,5 bereits ziemlich hart.
gemessen wurden, die jeweils 0,1 m Natriumhy- Sonstige Verbindungen Trinickelcarbid (Ni3C)
droxid enthielten. Auch hier empfiehlt sich der gewinnt man durch Reaktion von Nickel mit
Einsatz in Brennstoffzellen (Mazloum-Arkadani Kohlenmonoxid (Brauer 1981, S. 1696):
et al. 2018).
Insgesamt sind in der Literatur mindestens acht 3 Ni þ 2 CO ! Ni3 C þ CO2
Nickelmono- und -polyphosphide beschrieben
(Ni3P, Ni5P2, Ni12P5, Ni2P, Ni5P4, NiP, NiP2, Trinickelcarbid ist ein grauschwarzes Pulver,
NiP3) (Von Schnering und Hönle 1994). Dinickel- das bis zu Temperaturen von 400  C stabil ist.
phosphid (Ni2P) ist Gegenstand intensiver Prü- Salzsäure zersetzt es schon bei Raumtemperatur
fung auf seine Eignung als Elektrokatalysator unter Entwicklung von Wasserstoff und Methan.
zur Erzeugung von Wasserstoff (HER), da es hohe Ebenso löst es verdünnte Salpetersäure; versetzt
Aktivität mit großer Stabilität verbindet, vor allem man es dagegen mit verdünnter Schwefelsäure, so
in stark basischer bzw. überraschend auch in sau- scheidet sich Kohlenstoff ab. In der Kristallstruk-
rer Lösung, jedoch ist für die Wirksamkeit in tur liegt eine trigonal-dichte Packung der Nickel-
basischer Lösung eher die Bildung einer sehr dün- Atome vor (Blachnik 1998, S. 638).
nen Schicht von Nickeloxid bzw. -hydroxid ver- Nickelsilicid (NiSi) erzeugt man meist durch
antwortlich. Insofern müssen die Katalysatoren thermisch bewirktes Verbacken von Oberflächen
noch durch Modifizierung verbessert werden des Nickels und Siliciums, wobei sich an der
(Zhou et al. 2017). Phasengrenzfläche unter anderem Nickelsilicid
Nickelarsenid (NiAs) ist ein roter, metallischer geringen elektrischen Widerstands bildet (Foggia-
Feststoff der Dichte 7,57 g/cm3, der bei einer to et al. 2004).
Temperatur von 968  C schmilzt (Holleman et al. Dinickelborid (Ni2B) ist ein grauer Feststoff, der
2007, S. 1716). Nach der kubischen Struktur des bei 1230  C schmilzt und die Dichte 7,9 g/cm3
Kochsalzgitters ist die Nickelarsenid-Struktur aufweist. Man erzeugt die Verbindung durch Re-
ebenfalls eine sehr häufige des AB-Typs, aber aktion von Nickel-II-acetat mit Natriumborhydrid
mit hexagonal-dichtester Kugelpackung. Dieser in Ethanol (Caggiano und Taillemaud 2001). Frü-
Strukturtyp ist weit verbreitet bei Chalkogeniden, her stellte man die Verbindung meist durch Sintern
Arseniden und Antimoniden der Übergangsmetal- eines Gemisches der Elemente bei Temperaturen
le. Im Fall des Nickelarsenids selbst sitzen die zwischen 1000 und 2000  C her und konnte so
Nickelatome in den von sechs Arsenatomen gebil- auch größere Kristalle oder Einkristalle erhalten
deten oktaedrischen Lücken des Gitters, wogegen (Kapfenberger 2005). In der tetragonalen Kristall-
die Arsenatome jeweils von sechs in Form eines struktur sind die Boratome je quadratisch-anti-
trigonalen Prismas angeordneten Nickelatomen prismatisch von acht Nickelatomen umgeben, und
752 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

um jedes Nickelatom sind vier Boratome in Nickel-II-sulfat (NiSO4) und Ammoniumni-


tetragonal-pyramidaler Anordnung gruppiert. Man ckel-II-sulfat [(NH4)2Ni(SO4)2  6 H2O] sind
verwendet Dinickelborid als Katalysator zur mittels Einsatzstoffe für die elektrische Vernickelung
Wasserstoff durchgeführten Entschwefelung, zur (Galvanisierung). Man stellt Nickel-II-sulfat durch
Reduzierung von Nitrogruppen sowie zur Ent- Reaktion von Nickel, Nickel-II-oxid oder Nickel-
fernung organisch gebundenen Halogens (Hofmann II-carbonat mit verdünnter Schwefelsäure her
et al. 2015; Rei et al. 1986). (Patnaik 2003). Elegant erzeugt man es aus Nickel-
Auch in Legierungen und Keramiken setzt tetracarbonyl, Schwefel-IV-oxid und Sauerstoff.
man es ein. Neben der hellgrünen wasserfreien Form (s.
Außerdem gibt es Nickelmonoborid (NiB), Abb. 13a) existieren auch das Hexa- und Hepta-
einen silbergrauen bis grünen Feststoff der Dichte hydrat. Letzteres bildet dunkelgrüne, rhomboedri-
7,39 g/cm3, der bei einer Temperatur von 1080  C sche Kristalle (s. Abb. 13b), wogegen es beim
schmilzt (Shekar et al. 2014). Das graue Trinickel- Hexahydrat sowohl die blaue, tetragonale, bis zu
borid (Ni3B) (s. Abb. 11) schmilzt bei 1155  C einer Temperatur von 54  C stabile α-Modifikation
und hat die Dichte 8,17 g/cm3. und das bei höherer Temperatur stabile grüne,
Ferner existiert auch Tetranickeltriborid (Ni4B3) monokline β-Nickel-II-sulfat gibt. Beim Glühen
der Dichte 7,57 g/cm3 (Kapfenberger 2005) und das zersetzt sich die Verbindung zu Nickel-II-oxid
nur zwischen 300 und 424  C beständige Heptani- und Schwefeltrioxid:
ckeltriborid (Ni7B3) (Perry 2016, S. 288; Albert
et al. 2015). NiSO4 ! NiO þ SO2
Nickel-II-nitrat [Ni(NO3)2] erhält man durch
Auflösen von Nickel oder Nickel-II-salzen in Sal- Nickel-II-sulfat ist Ausgangsprodukt zur Her-
petersäure und daher meist in Form seines grünen stellung anderer Nickelverbindungen und Kataly-
(s. Abb. 12) Hexahydrates [Ni(NO3)2  6 H2O], satoren. Hauptsächlich findet es in der Galvanik
das beim langsamen Erhitzen auf Temperaturen Einsatz sowie in Beizmitteln für die Färberei. Es
bis zu 100  C in das Dihydrat übergeht. Bei wei- wirkt krebserregend und allergen.
terer Erwärmung tritt teilweise Hydrolyse ein; es Nickel-II-carbonat (NiCO3) dient als Pigment
bildet sich basisches Nickel-II-nitrat. Das Endpro- für Keramikartikel und zur Herstellung reinen
dukt der hydrolytischen Zersetzung sind Nickel- Nickel-II-oxids. Die wasserfreie Verbindung wird
II-oxid, Stickoxide und Sauerstoff. Die Verbin- durch Umsetzung einer wässrigen Lösung von
dung ist ein starkes Oxidationsmittel und wird in Natriumhydrogencarbonat mit einer salzsauren
der keramischen Industrie als braunes Pigment, in Lösung von Nickel-II-chlorid-Lösung dargestellt.
der Galvanik zum elektronischen Vernickeln, in Auch durch Erhitzen von Nickeltetracarbonyl
der Färberei als Beizmittel und zur Herstellung wird es gebildet. Beim Erhitzen von Nickel-II-
reinen Katalysatornickels eingesetzt. Es fördert carbonat auf Temperaturen oberhalb von 120  C
die Bildung von Bränden und ist als krebserzeu- wird dieses zersetzt. Das wasserhaltige, blassgrü-
gend eingestuft.

Abb. 11 Trinickelborid (Onyxmet 2018) Abb. 12 Nickel-II-nitrat-Hexahydrat (Onyxmet 2018)


5 Einzeldarstellungen 753

Abb. 13 a Nickel-II-sulfat wasserfrei (Onyxmet 2018). Abb. 14 Nickel-II-carbonat (Onyxmet 2018)


b Nickel-II-sulfat-Heptahydrat (Onyxmet 2018)

ne Nickel-II-carbonat (s. Abb. 14) ist unlöslich in


Wasser und Säuren. Man verwendet es als Kata-
lysator bei der Härtung von Fetten, als Farbpig-
ment in der keramischen Industrie und in der
Galvanik.
Nickeltetracarbonyl [Ni(CO)4] entsteht durch Abb. 15 Nickelferrit (QS Advanced Materials 2018)
Überleiten von Kohlenmonoxid über fein verteil-
tes Nickel bei Temperaturen zwischen 50 und
80  C. Die farblose und sehr giftige Flüssigkeit
dient als Zwischenprodukt zur Herstellung von
reinstem Nickel nach dem Mond-Verfahren, da
die Verbindung oberhalb von 180  C wieder in
Nickel und Kohlenmonoxid zerfällt. Beim Erhit-
zen an der Luft ist Nickeltetracarbonyl selbstent-
zündlich und reagiert heftig mit oxidierenden
Stoffen. Man setzt es als Katalysator bei einigen
organischen Synthesen ein.
Abb. 16 Nickel-II-acetylacetonat (Onyxmet 2018)
Nickelferrit (NiFe2O4) ist ein weichmagneti-
scher, keramischer Feststoff (s. Abb. 15) geringer
elektrischer Leitfähigkeit sowie Koerzitivfeldstär- Nickelocen [(Dicyclopentadienyl)nickel] ist
ke, der neben anderen Ferriten in Spulen, Trans- strukturell mit dem sehr stabilen Ferrocen ver-
formatoren und Drosseln eingesetzt wird. wandt. Die erstmalige Darstellung gelang Fischer
Nickel und insbesondere Ni2+-Kationen bilden und Jira 1953.
viele Komplexe, in deren Molekülen das Nickel- Das dunkelgrüne, kristalline Nickelocen (s.
atom fast immer mit Koordinationszahlen von vier Abb. 17) schmilzt bei ca. 172  C und ist nicht
bis sechs auftritt. Dabei werden oktaedrische oder sehr beständig gegenüber Luftsauerstoff (Jolly
tetraedrische, paramagnetische Komplexe gebildet, und Chazan 1968). Meist stellt man es aus Nickel-
so wie beispielsweise mit Wasser- bzw. Ammo- II-salzen und Cyclopentadienyl-Natrium her.
niakmolekülen [Ni(H2O)6]2+ oder [Ni(NH3)6]2+,
oder, wie es bei Cyanidionen der Fall ist, auch Anwendungen In metallischer Form benötigt
quadratisch-planare, diamagnetische Komplexe man reines Nickel eher selten. Der größte Teil
[Ni(CN)4]2 (Tetracyanoniccolat-II). Daneben gibt der Produktion wird zu nichtrostenden Stählen
es viele organische Komplexe mit Polyaminen, und anderen Legierungen weiterverarbeitet.
Carbonsäuren, Phosphon- und Phosphinsäureli- So dient reines, fein verteiltes Nickel als Kata-
ganden, Acetylaceton (s. Abb. 16) und anderen. lysator beim Verfahren zur Härtung (Hydrierung)
754 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

Nickel zulegiert wurde. Auch Neusilber ist sehr


beständig gegenüber Korrosion; man verwendet
es meist für Essbestecke und Gerätebau. Eine
weitere Legierung des Nickels, Monelmetall
(65 % Nickel, 33 % Kupfer, 2 % Eisen), ist selbst
gegenüber aggressiven Stoffen wie Fluor bestän-
dig; so bestehen Druckgasflaschen, in denen Fluor
gelagert wird, aus Monel.
Konstantan, das zu 55 % aus Kupfer und zu
45 % aus Nickel besteht, zeigt über einen großen
Temperaturbereich einen nahezu gleichbleiben-
den spezifischen elektrischen Widerstand. Raney-
Abb. 17 Nickelocen (MSchiffrer 2016) Nickel, eine Legierung von Nickel mit Alumi-
nium, ist ein verbreitet angewandter Katalysator
von Fettsäuren. Seine im Vergleich zu Eisen für die Hydrierung organischer Verbindungen.
wesentlich größere chemische Beständigkeit ist
der Grund, weshalb Nickel trotz seines höheren Physiologie, Toxizität Es ist noch nicht vollstän-
Preises zur Herstellung von Apparaturen in der dig geklärt, ob Nickel essenziell für den Men-
chemischen Industrie verwendet wird. Des Weite- schen ist. Es gibt im menschlichen Körper zwar
ren ist Nickel ein bewährtes Material, um unedlere einige Enzyme, die Nickel enthalten, in denen
Metalle vor Korrosion zu schützen, und wird elek- aber die Rolle des Nickels durch andere Kationen
trolytisch auf diese aufgebracht (Vernickeln). Frü- der Oxidationsstufe +2 sowie ähnlicher Koordina-
her verarbeitete man es auch zu Brillengestellen tionsgeometrie übernommen werden kann. Die
sowie in Schmuck, hiervon ist man jedoch wegen wirksamen Eiweiße in diesen Enzymen sind unter
der stark allergenen Wirkung von Nickel und sei- anderem alpha-Fetoprotein oder Polyribonukleo-
nen Verbindungen abgekommen. tid-50 -hydroxylkinase Clp1, die als Cofaktor
Die beispielsweise in Gaschromatografen ein- Mangan, Magnesium oder Nickel benötigt; somit
gebauten Elektroneneinfang-Detektoren nutzen als ist Nickel hier austauschbar.
Emissionsquelle das β-strahlende Isotop 6328Ni. Anders sieht das Bild bei einigen Pflanzen aus,
Da Nickel die Beständigkeit von Stahl gegen- für die Nickel und die es enthaltenden Enzyme
über Korrosion stark erhöht, gelangt der größte essenziell sind und die auf nickelarmen Böden
Teil des Nickels in diverse Edelstähle, denen oft nicht oder kaum gedeihen. Mangelerscheinungen
auch noch Chrom beilegiert wird. Nicht nur die lassen sich durch Düngung mit Nickel-II-salzen
Beständigkeit des Stahls gegenüber chemischen beheben.
Einflüssen wird erhöht, sondern auch seine Härte, Nickel ist für den Menschen andererseits ein
Zähigkeit und Dehnbarkeit. Eine der ersten Edel- starkes Allergen, das Hautkrankheiten verur-
stahllegierungen war V2A-Stahl, der 8 % Nickel sacht. Aus Nickel bestehender Schmuck (auch
und 18 % Chrom enthält, sowie der noch beständi- Piercings) und aus Edelstahl bestehende Implan-
gere V4A-Stahl (Nirosta) mit Anteilen von 11 % tate können bereits Kontaktallergien hervorrufen.
Nickel, 18 % Chrom und 2 % Molybdän. Die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen,
In diesem Zusammenhang sind auch die Nicke- die gegenüber Nickel sensibilisiert sind, dürfte
lbasis-Superlegierungen zu nennen, die für den heute bei 2 bis 4 Mio. liegen (Schnuch et al.
Einsatz von Werkstoffen bei hohen Temperaturen 2002). Daher sinkt die Zahl der Gegenstände des
und/oder in korrosiven Medien entwickelt wur- täglichen Gebrauchs, die vernickelt sind, ständig.
den. Man findet sie unter anderem in Flugzeug- Ein weiteres starkes Risiko für die menschliche
turbinen und Gasturbinen von Kraftwerken. Neu- Gesundheit ist die Tatsache, dass Nickel und seine
silber ist eine aus Kupfer und Zink bestehende Verbindungen bei oraler oder respiratorischer Auf-
Legierung, der ein Mengenanteil von 10–26 % nahme krebserregend wirken. Das Einatmen anor-
5 Einzeldarstellungen 755

ganischer Nickelverbindungen kann zur Bildung


von Krebs in der Lunge und den oberen Atemwe- Research Foundation, WO 2019028018
gen führen; bei berufsbedingter Exposition ist dies A1, veröffentlicht 7. Februar 2019)
als Berufskrankheit anerkannt (Strutz et al. 2001). J. A. Bergwerff und W. C. J. Veerman, Nickel
Eine erhöhte Konzentration von Nickel in der containing mixed metal-oxide/carbon bulk
Atemluft wirkt naturgemäß darüber hinaus stark hydroprocessing catalysts and their appli-
sensibilisierend (Kasper-Sonnenberg et al. 2011). cations (Albemarle Europe sprl, US
In der russischen Stadt Norilsk, deren 180.000 2019039052 A1, veröffentlicht 7. Februar
Einwohner 40 % des weltweit geförderten Palla- 2019)
diums produzieren und für 20 % des in ganz Russ- B. Gehrmann und J. Kloewer, Nickel-cobalt
land hergestellten Nickels stehen, leidet, infolge alloy (VDM Metals International GmbH,
der Kontamination der Umwelt mit toxischen US 2019040501 A1, veröffentlicht 7. Fe-
Schwermetallen, ein weit überdurchschnittlicher bruar 2019)
Anteil der Bevölkerung an Vergiftungsymptomen. S. Brossard und F. Martin, Material compri-
Wegen seiner Gefährlichkeit begrenzte die sing a functional layer made from silver,
Europäische Union durch Verordnung den Einsatz crystallised on a nickel oxide layer (Saint
von Nickel in Bedarfsgegenständen wie Arm- Gobain, PL 3148949 T3, veröffentlicht
banduhren oder Geräten zur Verarbeitung von 31. Januar 2019)
Lebensmitteln (ECHA 2006). In Deutschland S. L. Goh, Semiconductor package with
regelt die Bedarfsgegenständeverordnung die nickel plating and method of fabrication
einzuhaltenden Grenzwerte (Lechner 2016). thereof (Infineon Technologies AG, US
2019027430 A1, veröffentlicht 24.
Analytik Sowohl zur qualitativen als auch zur Januar 2019)
quantitativen (gravimetrischen) Erfassung des M. Tanaka und D. Saito, Hydrometallurgi-
Nickels dient die Fällung, die in ammoniakali- cal method for nickel oxide ore (Sumito-
scher, wässriger Lösung vorliegende Ni2+-Ionen mo Metal Mining Co., AU 2017349141
durch Zugabe von in Ethanol gelöstem Dime- A1, veröffentlicht 24. Januar 2019)
thylglyoxim eingehen. Dabei fällt das himbeer- K. Okuno und M. Majima, Porous metal
rote Bis(dimethylglyoximato)nickel-II als in der body and current collector for nickel
wässrigen Phase nahezu unlöslicher Komplex aus metal-hydride battery (Sumitomo Elec-
(Schweda 2012, S. 87). Heutzutage erfolgt die tric Industries, WO 2019017252 A1,
quantitative Bestimmung des Nickels, wie auch veröffentlicht 24. Januar 2019)
die vieler anderer Schwermetalle, durch Atomab- M. Lipschuetz und S. Kang, Nickel electro-
sorptions- oder auch Massenspektrometrie selbst plating compositions with cationic poly-
im Spurenbereich relativ genau. mers and methods of electroplating
nickel (Rohm & Haas Electronic Mate-
rials, US 2019010625 A1, veröffentlicht
Patente
10. Januar 2019)
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
T. Kazumi und O. Takao, Solid-liquid sepa-
wide.espacenet.com)
ration process of nickel high-pressure
leached residue (Sumitomo Metal Mi-
R. Gounder und R. Joshi, Nickel-based mi-
ning Co., PH 12018000170 A1, veröf-
croporous and mesoporous catalysts for
fentlicht 28. Dezember 2018)
selective olefin oligomerization (Purdue
N. L. Ndamka und P. Morrell, Coating for a
Research Foundation, WO 2019028022
nickel-base superalloy (Rolls Royce plc,
A1, veröffentlicht 7. Februar 2019)
SG 10201803427Y A, veröffentlicht 28.
J. Miller und G. Zhang, Nickel alloy catalysts
Dezember 2018)
for light alkane dehydrogenation (Purdue
756 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

5.2 Palladium Chemische Eigenschaften: Palladium ist we-


sentlich reaktiver als die anderen Platinmetalle
Geschichte Palladium wurde 1803 bei der und ähnelt hierin stark dem Silber, ist also „nur“
Aufarbeitung südamerikanischer Platinerze von als ein Halbedelmetall einzustufen. Dies wird
Wollaston entdeckt, der ein Jahr später auch auch schon aus dem relativ niedrigen Normalpo-
Rhodium aus Rückständen der Verarbeitung von tenzial für die Bildung von Pd2+-Ionen deutlich.
Platinmetallen isolierte. Die Namensgebung Es ist in konzentrierter Salpetersäure unter Bil-
erfolgte nach dem Asteroiden Pallas, der zwei dung von Palladium-II-nitrat [Pd(NO3)2] löslich.
Jahre zuvor entdeckt worden war (Wollaston Ebenso wird es von heißer konzentrierter Schwe-
1804, 1805). felsäure gelöst, wobei sich Palladium-II-sulfat
(PdSO4) bildet, zudem von Königswasser und
Vorkommen und Gewinnung Das Element und bei Luftzutritt sogar von Salzsäure (!) unter Bil-
seine Legierungen findet man gelegentlich in dung seines Tetrachlorokomplexes [(PdCl4)2].
Sedimenten von Flüssen im Uralgebiet, Austra- An der Luft ist es bei Raumtemperatur bestän-
lien und vereinzelt in Nord- und Südamerika. Eine dig und behält seinen metallischen Glanz. Auch
technische Herstellung ist aus diesen aber wirt- läuft es nach längerer Exposition an der Luft nicht
schaftlich nicht lohnend, zumal diese Vorkommen wie Silber an, sondern nur dann, wenn es in der
vielfach schon ausgebeutet sind. Nähe von Schwefel oder schwefelabgebenden
Südafrika und Russland dominieren heute den Substanzen und bei gleichzeitigem Zutritt von
Weltmarkt mit jeweils ca. 40 % Anteil, was die Luftfeuchtigkeit gelagert wird. Wird das Metall
Gewinnung von Palladium aus Nickel- und Kupfer- auf eine Temperatur von rund 400  C erhitzt, so
erzen betrifft. Weitere 15 % steuern Kanada (9 %) bildet sich auf seiner Oberfläche eine stahlblaue
und die USA (6 %) bei. Aktuell beträgt die gesamte Schicht von Palladium-II-oxid (PdO), die bei wei-
weltweite Produktionsmenge ca. 250 t. Das aus den terem Erhitzen auf 800  C wieder verschwindet.
Verbrennungskatalysatoren von Altautos zurückge- Vor etwa 150 Jahren entdeckte Graham, dass
wonnene Palladium gelangt zudem wieder auf den Palladium von allen Metallen das höchste Ab-
Weltmarkt (Anm.: Von der auf 63000 t geschätzten sorptionsvermögen aller Elemente für Wasserstoff
Reserve der sechs „Platinmetalle“ (Platin, Palla- besitzt. Das absorbierte Volumen an Wasserstoff-
dium, Iridium, Osmium, Rhodium und Ruthenium) gas, jeweils bei Raumtemperatur gemessen,
lagern in Südafrika 95 % (!). beträgt das 900-fache des Volumens kompakten
Mit der zunehmenden Entsorgung alter Autos metallischen Palladiums, das 1200-fache bei fein
wird der Anteil des aus den Abgaskatalysatoren verteiltem Metallpulver und das 3000-fache in
zurückgewonnenen Palladiums weiter wachsen. kolloidalen Lösungen des Palladiums. Primär
Nach Auflösung der platinmetallhaltigen Rückstän- lagern sich hier Wasserstoffatome zwischen
de sind die Pd2+-Ionen selektiv durch Extraktion denen des Palladiums im Kristallgitter ein, aus
mit Di-n-hexylsulfid von anderen Metallen, auch chemischer Sicht erfolgt hierbei die Bildung eines
Edelmetallen, aus salzsaurer Lösung abtrennbar Hydrids stark schwankender Zusammensetzung
(Edwards 1975). (Aston und Mitacek 1962).
Üblicherweise tritt Palladium mit den Oxidati-
Eigenschaften onsstufen +2 und +4 auf, seltener 0 (in einigen
Physikalische Eigenschaften: Palladium weist Phosphinkomplexen), +1 und auch +6. Die gele-
von allen sechs „Platinmetallen“ die niedrigsten gentlich beobachtete Stufe +3 enthält in Wirklich-
Werte (s. Tab. 2) für Schmelz- und Siedepunkt, keit eine Mischung aus Pd2+- und Pd4+-Kationen.
Schmelz- und Verdampfungswärmen sowie Dich-
te auf. Durch Glühen kann man es weich und Verbindungen
dehnbar machen, wogegen durch Kaltumformung Chalkogenverbindungen Palladium-II-oxid (PdO)
das Gegenteil, eine zunehmende Festigkeit und ist das stabilste Palladiumoxid und ein grünlich-
Härte, erreicht wird. schwarzer, tetragonal kristallisierender, in Säuren
5 Einzeldarstellungen 757

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Palladium


Symbol: Pd
Ordnungszahl: 46
CAS-Nr.: 7440-05-3

Aussehen: Silberweiß Palladium (Hi-Res Images of Palladium (Barren)


glänzend Chem Elements 2009) Onyxmet 2018
Entdecker, Jahr Wollaston (Vereinigtes Königreich), 1803
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
104
46Pd (11,14) Stabil ———
105
46Pd (22,33) Stabil ———
106
46Pd (27,33) Stabil ———
108
46Pd (26,46) Stabil ———
110
46Pd (11,72) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,011
Atommasse (u): 106,42
Elektronegativität 2,20 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Pd2+ + 2 e ! Pd (V) 0,915
Atomradius (berechnet) (pm): 140 (169)
Van der Waals-Radius (pm): 163
Kovalenter Radius (pm): 139
Ionenradius (Pd2+, pm) 86
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d10 5s0
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 804 ♦ 1870 ♦ 3177
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 8,0  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 9,26  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 121 ♦ 180 ♦ 44
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 400–600 ♦ 320–610
Mohs-Härte 4,75
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 3070
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 11,99
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 8,56  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 72
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,89
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1555 ♦ 1828
Schmelzwärme (kJ/mol) 16,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 2960 ♦ 3233
Verdampfungswärme (kJ/mol): 380

unlöslicher Feststoff (s. Abb. 18a, b) der Dichte strom bei 350  C erhalten. Alternativ gelingt
8,3 g/cm3, der bei einer Temperatur von 750  C auch die Darstellung mittels Erhitzen einer aus
unter Zersetzung schmilzt. Man kann es durch Palladium-II-chlorid und Kalium- oder Natrium-
Erhitzen fein verteilten Palladiums im Sauerstoff- nitrat bestehenden Mischung auf Temperaturen
758 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

1000  C. Alternativ funktioniert auch das Einleiten


von Schwefelwasserstoff in wässrige Lösungen
von Palladium-II-salzen (Lautenschläger et al.
2001). Die Verbindung kristallisiert tetragonal mit
acht Formeleinheiten pro Elementarzelle (Brese
et al. 1985). In der Natur kommt es als bläuliches
Mineral Vysotskit vor.
Elektrisch leitfähige Filme verschiedener
Abb. 18 a Palladium-II-oxid (Onyxmet 2018). b Palla- Phasen von Palladiumseleniden konnten durch
dium-II-oxid (Stanford Advanced Materials 2018)
Thermolyse geeigneter Palladiumverbindungen
erzeugt werden. Diese Filme haften auf Glas,
um 600  C mit darauf folgendem Auslaugen Indium-Zinnoxid-Filmen und sind stabile Elek-
des wasserlöslichen Rückstandes (Cotton 1997). trokatalysatoren für die Erzeugung von Wasser-
Das hydratisierte, gelbbraune, in Säuren lösliche stoff (Kukunuri et al. 2016).
Palladium-II-oxid ist einfach durch Zugabe von Ebenfalls wurden diverse Palladiumtelluride
Natronlauge zur wässrigen Lösung eines Palla- synthetisiert. Dabei wurde die Existenz von
dium-II-salzes herzustellen; beim Erhitzen erhält Pd20Te7, Pd9Te4, Pd3Te2, PdTe und PdTe2 bei
man die schwarze wasserfreie Form nur teilweise, 400  C sowie die von Pd8Te3 bei 800  C bestätigt
da die Verbindung unter diesen Bedingungen Sau- (Drábek et al. 2005).
erstoff abgibt (Holleman et al. 2007). Halogenverbindungen Palladium-II,IV-fluorid
Palladium-II-oxid ist Ausgangsmaterial zur („PdF3“) gewinnt man durch Umsetzung von
Herstellung von Hydrierkatalysatoren. Palladium mit Chlor zu Palladium-II, IV-chlorid
Gibt man verdünnte Natronlauge zu wässri- in der Hitze (Singh 2007, S. 237) und dessen
gen Hexachloropalladat-IV-haltigen Lösungen nachfolgender Reaktion mit Fluor bei Temperatu-
[(PdCl6)2], so fällt Palladium-IV-oxid (PdO2) ren um 250  C (Brauer 1975, S. 263). Die Verbin-
als Niederschlag aus der Lösung aus (Holleman dung ist ein schwarzer, rhombisch verzerrt kris-
et al. 2007, S. 1732; Wöhler und König 1905). tallisierender Feststoff (Alsfasser et al. 2007), der
Weiterhin kann man es durch anodische Oxida- in Wasser und Laugen Hydrolyse erleidet, sich in
tion von Palladium-II-nitrat in wässriger Lösung manchen Säuren aber einigermaßen unzersetzt
herstellen sowie durch Überleiten von unter löst. Durch Wasserstoffgas wird Palladium-II,
Druck stehendem Sauerstoffgas über erhitztes IV-fluorid in heftiger Reaktion zu metallischem
Palladium (Lazarev et al. 1978). Palladium reduziert.
Die Verbindung ist ein starkes Oxidationsmit- Palladium-II-chlorid (PdCl2) entsteht durch
tel und oxidiert Salzsäure teilweise zu Chlor. Es ist Auflösen metallischen Palladiums in Königswas-
ein dunkelroter Feststoff tetragonaler Kristall- ser oder konzentrierter Salzsäure in Gegenwart
struktur (wie Rutil), der bei ca. 200  C unter von Chlor (Cotton 1997). Ebenso erhält man die
Zersetzung schmilzt. Wird die Substanz erhitzt, Verbindung durch Leiten von Chlorgas über auf
so gibt sie unter Bildung von Palladium-II-oxid eine Temperatur von 500  C erhitzten Palladium-
Sauerstoff ab, das beim Glühen in die Elemente schwamm.
zerfällt. Hydratisiertes Palladium-IV-oxid ist in α-Palladium-II-chlorid bildet dunkelrotbrau-
konzentrierten Alkalien und Salzsäure löslich. ne Kristalle rhomboedrischer Struktur, die bei
Wird es in oxal- oder essigsäurehaltiger Lösung 679  C schmelzen und die Dichte 4,0 g/cm3 auf-
gekocht, so reduziert es die Säure zum Metall weisen (s. Abb. 19a, b). In Wasser lösen sie sich
(Vezes 1899). zunächst unzersetzt; ebenso werden sie durch
Das braune, synthetisch durch Erhitzen einer Salzsäure, Ethanol und Aceton gelöst. Erhitzen
Mischung der Elemente gewinnbare Palladium- auf Temperaturen um 600  C führen zur Zer-
II-sulfid (PdS) (Holleman et al. 2007, S. 1734) setzung der Verbindung zu Palladium und
zersetzt sich beim Erhitzen auf Temperaturen um Chlor. Einleiten von Schwefelwasserstoff in
5 Einzeldarstellungen 759

neben dieser amorphen Form auch drei einzelne,


jeweils charakterisierte Modifikationen:
γ-PdI2 ist feinkristallin und wird bei der Fäl-
lung von Pd2+-Ionen mit Iodid aus wässriger
H2PdCl4-Lösung bei Raumtemperatur erzeugt.
Wird diese Modifikation mit Iodwasserstoff
erhitzt, so geht ab einer Temperatur von 140  C
die γ- in die β-Form über. Das durch Reaktion der
Abb. 19 a Kristallines α-Palladiumchlorid (Materialsci- Elemente bei ca. 600  C erhältliche α-Palladium-
entist 2011). b Palladium-II-chlorid, 99,99 % (Onyxmet II-iodid hat eine orthorhombische Kristallstruktur
2018) (Brendel 2001; Blachnik 1998, S. 668).
Pnictogenverbindungen Palladiumphosphide
wässrige Lösungen der Substanz führt zur (PdP2 und Pd5P2) erhielten Kucernak et al. durch
Fällung braunschwarzen Palladium-II-sulfids Überleiten dampfförmigen weißen Phosphors
(PdS). Palladium-II-chlorid ist Ausgangsstoff über erhitztes, zuvor in sehr feiner Verteilung auf
zur Herstellung anderer Verbindungen des Ele- Aktivkohle aufgebrachtes Palladium in Form
ments, auch beispielsweise von Katalysatoren, ca. 5 nm großer Nanokristalle (2016). Diese Elek-
die man in organischen Synthesen einsetzt (im trokatalysatoren sind umso beständiger gegenüber
Wacker-Verfahren der Oxidation von Ethylen der Oxidation durch Luftsauerstoff, je mehr Phos-
zu Acetaldehyd). Ebenso verwendet man es phor die Verbindung enthält. Zwar prüfte man sie
zur Detektion geringer Konzentrationen von auch auf ihr Potenzial zur Erzeugung von Wasser-
Kohlenmonoxid, wobei Papier mit hochver- bzw. Sauerstoff (Luo et al. 2018), aber am wirk-
dünnter PdCl2-Lösung getränkt wird; darüber samsten waren sie hinsichtlich der Oxidation von
geleitetes Kohlenmonoxid reduziert die Verbin- Ameisensäure, vor allem PdP2. Die Neigung
dung zu schwarz erscheinendem Palladium. zur Vergiftung der Oberfläche des Katalysators
Palladium-II-bromid (PdBr2) gewinnt man ist bei den Phosphiden im Vergleich zu reinem
durch Umsetzung von Palladium mit einer wäss- Palladium erheblich reduziert. Ein aus PdP2/C
rigen Lösung von Bromwasserstoff und Brom bestehendes System zeigte auch in Brennstoffzel-
(Brauer 1981, S. 1730), alternativ auch direkt len eine gute Wirkung, sowohl als Katalysator auf
aus den Elementen bei hoher Temperatur (House- Anoden als auch Kathoden.
croft 2005, S. 686). Die Verbindung ist ein bei Eine sehr selektive Wirkung haben Nanoparti-
310  C unter Zersetzung schmelzender, braun- kel des Palladiumphosphids auf die Hydrierung
schwarzer, in Form nadelförmiger Kristalle des Acetylens, wenn das Phosphid zuvor auf
monokliner Struktur auftretender Feststoff. Eine einen aus Titan-IV-oxid bestehenden Träger auf-
gewisse Löslichkeit besitzt Palladium-II-bromid gebracht worden war. Auch hierfür ist PdP2 besser
nur in Halogenwasserstoffsäuren. In der Praxis geeignet als etwa Pd3P (McCue et al. 2018).
setzt man es als gegenüber PdCl2 aktiveren Kata- Die bislang kleinsten monodispersen Nanoparti-
lysator für organische Synthesen ein (Tsuji 2006, kel von Palladiumphosphid (3,9 mm) konnten unter
S. 344). Einsatz Triphenylphosphan als Phosphorquelle und
Röntgenamorphes Palladium-II-iodid (PdI2) ist Erhitzen mit geeigneten Palladiumsalzen auf eine
ein schwarzes, bei einer Temperatur von 350  C Endtemperatur von 400  C hergestellt werden. Die
schmelzendes Pulver der Dichte 6,0 g/cm3. Man hierbei erzeugten, eine kristalline Pd3P0.95-Phase
stellt es durch Erhitzen einer stark verdünnten enthaltenden Verbindungen sind hochaktive Kataly-
Lösung von Palladium-II-nitrat [Pd(NO3)2] in satoren zur teilweisen und auch stereoselektiven
Salpetersäure mit einer wässrigen Lösung von Hydrierung von Alkinen (Zhao 2015; Liu et al.
Natriumiodid bei 80  C dar. Die Verbindung ist 2018).
unlöslich in Säuren, aber dagegen löslich in einer Sonstige Verbindungen Die katalytische Akti-
wässrigen Lösung von Kaliumiodid. Es existieren vität des Palladiums bei der selektiven Hydrierung
760 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

von Kohlenwasserstoffen hängt vom Partialdruck 250  C, so gewinnt man das wasserfreie Salz
des Wasserstoffs ab. Als wesentliche Einflussgröße (Brauer 1981, S. 1731). Auch diese Verbindung,
hierfür diskutiert man die Bildung eines Filmes mit ein rotbrauner, monoklin kristallisierender Fest-
hohem Kohlenstoffgehalt an der Metalloberfläche. stoff (Dahmen et al. 1994), wird bei Zutritt von
Berechnungen zeigen, dass Kohlenstoffatome in Wasser langsam hydrolysiert.
das Metallgitter hinein diffundieren können, je- Die oktaedrische Struktur einiger Komplexe
doch kein Grafit entstehen kann, da die Bildung des Pd2+-Ions wurde bestätigt (Bruns et al. 2012).
des grafittypischen Schichtengitters unterbunden
wird. Vielmehr resultiert dabei ein Palladiumcar- Anwendungen Fein verteilt verwendet man Pal-
bid (Pd6C), dessen Kristallgitter in der Lage ist, ladium in vielen Katalysatoren für organische
viele Wasserstoffmoleküle in seinen Hohlräumen Synthesen, oft für Reaktionen, bei denen Wasser-
zu speichern, was bei Hydrierungen eine teilweise stoff addiert oder abgespalten wird (Höllein
Umsetzung gegenüber der vollständigen bevor- 2004), ebenso bei der thermischen Spaltung von
zugt (Kresse et al. 2010). Kohlenwasserstoffen (Li und Gribble 2007).
Die Bildung des Palladiumsilicids (Pd2Si) Wegen der Korrosionsbeständigkeit des Metalls
erfolgt an der Grenze zwischen Palladium- und baut man Kontakte aus Palladium in Relais für
Siliciumoberflächen in Form eines Films, dessen Telefon-, Lautsprecher- und anderen Akustikan-
Dicke temperaturabhängig ist und der metallische lagen ein. Legierungen aus Palladium und Nickel
Leitfähigkeit aufweist. Die Debye-Temperatur können Gold in metallischen Beschichtungen
des Silicids betrug 15320  C und die Hall- ersetzen. Titan macht man durch Zulegieren klei-
Mobilität ca. 55 cm2/V  s, beide abhängig von nerer Mengen an Palladium korrosionsbeständig
der Struktur des Kristallgitters (Wittmer et al. gegenüber chloridhaltigen Medien (Salzwasser),
1978). weswegen diese Werkstoffe oft im chemischen
Innerhalb des Systems Palladium-Bor existie- Anlagenbau eingesetzt werden (Kickelbick 2008;
ren im Temperaturbereich von 500–1600  C vier Rau und Ströbel 1999).
definierte Palladiumboride (Pd4B, Pd3B, Pd5B2 Wegen seines im Vergleich zu Platin niedri-
und Pd2B), wie Resultate der röntgenstruktur- geren Preises verwendet man es weithin in Ab-
und differenzthermoanalytischen Prüfungen zei- gaskatalysatoren für Ottomotoren. Man verar-
gen. Oberhalb von ca. 960  C schmelzen diese beitet es bevorzugt anstelle von Silber in
Phasen und ergeben eine Verbindung der ungefähr Weißgold, da es gegenüber jenem beständiger
einheitlichen Zusammensetzung PdB0.57, bevor an der Luft ist. Man findet es darüber hinaus in
die Ausscheidung festen Bors beginnt (Griffith Zahnprothesen, medizinischen Instrumenten, Zünd-
et al. 1989). kerzen für Flugzeugmotoren, Federn für Füllfe-
Das rotbraune Palladium-II-nitrat [Pd(NO3)2] derhalter und Platintiegeln; jene bestehen zu vier
erhält man durch Lösen von Palladium in heißer, Fünftel aus Platin und einem Fünftel aus Palla-
konzentrierter Salpetersäure (Cotton 1997). Un- dium.
zersetzt ist es nur in verdünnter Salpetersäure lös- Durch heißes Palladiumblech diffundiert
lich; in Wasser hydrolysiert es unter Bildung einer Wasserstoff nahezu widerstandslos, wodurch
trüben Lösung. Zugabe von Natronlauge führt zur man Palladium zum Reinigen, Abtrennen oder
Ausfällung von Palladium-II-oxid. Beim Erhitzen auch Speichern von Wasserstoff verwendet. Es
zersetzt sich die Verbindung, und zudem ist sie ein dient als p-Kontakt in Halbleitern, die auf Gal-
starkes Oxidationsmittel, da sowohl Pd2+ leicht in liumnitrid oder dessen Homologen aufgebaut
Palladium übergeht, als auch Nitrat oxidierend sind. Ebenso werden die aus Kunststoff be-
wirkt. stehenden Leiterplatten entweder vollständig
Palladium-II-sulfat-Hydrat (PdSO4  H2O) er- oder nur im Bereich ihrer Bohrungen zur Her-
zeugt man durch Auflösen von Palladium-II-oxid stellung des Erstkontaktes mit Palladium be-
oder Palladium-II-nitrat in heißer Schwefelsäure. schichtet, worauf denn jeweils eine Schicht
Verwendet man konzentrierte Schwefelsäure bei Nickel- oder Kupfermetall folgt.
5 Einzeldarstellungen 761

5.3 Platin
Patente
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world Geschichte Wahrscheinlich verwendeten schon
wide.espacenet.com) die Ägypter um 3000 v. Chr. Platin. In Europa
kamen die ersten Hinweise aus den damaligen
S. B. Walker, Conductive ink compositions spanischen Kolonien in Mittel- und Südamerika.
comprising palladium and methods for Es wurde als unschmelzbar angesehen, wie Scali-
making the same (Electroninks Inc., ger 1557 schrieb (McDonald und Hunt 1982),
WO 2019028435 A1, veröffentlicht aber die Spanier erkannten den Wert des Metalls
7. Februar 2019) nicht und sahen es nur als Verunreinigung von
H. Li und J. Liu, Markovnikov-selective Gold an („platina“ = minderwertiges Silber). Oft
palladium catalyst for carbonylation of verwarf man es achtlos, und es bestanden sogar
alkynes with heteroarenes (Evonik De- Erlasse zum Verbot der Beimischung von Platin
gussa GmbH, SG 10201805541YA, ver- zu Gold (Hesse 2007).
öffentlicht 30. Januar 2019) Den Engländern Wood und Brownrigg als auch
J. Li und G. Li, Tetradentate platinum and dem Spanier de Ulloa schreibt man die erste Entde-
palladium complex emitters containing ckung des Platins zu (Weeks 1968). Brownrigg
phenyl-pyrazole and its analogues (Uni- erwähnt den sehr hohen Schmelzpunkt des neu
versity of Arizona, US 2019013485 A1, entdeckten, weil vorher noch nicht beschriebenen
veröffentlicht 10. Januar 2019) Metalls. Daraufhin begannen einige Chemiker mit
T. Miyaji und H. Miyazaki, Method for weiteren Untersuchungen des Platins (Watson und
producing palladium-gold loaded catalyst Brownrigg 1749). Scheffer erkannte, dass Platin
for vinyl acetate synthesis (N. E. Chemcat ebenso wie Gold sehr beständig gegenüber Korro-
Corp., WO 2018235705 A1, veröffent- sion und chemischen Angriffen ist (McDonald und
licht 27. Dezember 2018) Hunt 1982). Von Sickingen verschmolz als Erster
L. A. Donohue und R. A. Stroud, Methods Platin mit Gold und löste Platin in Königswasser
for stabilizing palladium films (Materion auf, fällte Platin als Ammoniumhexachloroplatinat-
Corp., US 2018356362 A1, veröffent- IV [(NH4)2PtCl6] und reduzierte jenes wieder zu
licht 13. Dezember 2018) metallischem Platin. Achard stellte 1784 den ersten
Walter und C. Suchentrunk, Plating bath Platintiegel her, indem er ein Gemisch aus Platin-
composition and method for electroless und Arsenpulver in einer Tiegelform schmolz und
plating of palladium (Atotech Deutsch- das Arsen verdampfen ließ (!).
land GmbH, US 2018340260 A1 / -261 Da Ende des 18. Jahrhunderts noch kein Platin
A1, veröffentlicht 29. November 2018) ausreichender Reinheit hergestellt werden konnte,
A. Ruiz und T. Webster, Silver pal- kannte man damals nur das spröde, unreine
ladium and silver platinum nanoparticles Metall; reinstes Platin kann aber zu sehr langen
useful as antimicrobial and anticancer Drähten ausgezogen werden. Auf der Suche nach
agents (Northeastern University, WO verform- und dehnbarem Platin gelang es nach
2018218091 A1, veröffentlicht 29. 1786 Chabaneau, aus Platin die Verunreinigungen
November 2018) Gold, Blei, Quecksilber, Kupfer und Eisen zu
S. Sung und P. W. McCanty, Palladium entfernen, aber die Resultate waren inkonsistent,
diesel oxidation catalyst (BASF Corp., da das seinerzeit bekannte „Platin“ die damals
CA 3027822 A1, veröffentlicht 21. noch unbekannten, anderen Mitglieder der Platin-
Dezember 2017) gruppe (Palladium, Iridium, Osmium, Rhodium
und Ruthenium) enthielt. Schließlich gelangen
762 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

ihm die Herstellung und das Vergießen von über


20 kg (!) einigermaßen reinen Platins, die er im bend für seinen Ruf war aber der Mitte des
Namen des spanischen Königs in Form von Bar- 18. Jahrhunderts durchgeführte Aufschluss
ren und Stücken verkaufte. einer Probe eines Platinerzes sowie die da-
rauf folgende Darstellung des Platins und
die Untersuchung seiner Eigenschaften
Der spanische Wissenschaftler Antonio (Beckett 1977; Beckett 1981; Russell-
de Ulloa (* 12 Januar 1716 Sevilla; † 5. Juli Wood 1951).
1795 Cádiz) fuhr schon als Jugendlicher zur Der französische Chemiker und Jurist
See und studierte dann zunächst Mathema- Louis Bernard Guyton de Morveau
tik. Er war Teilnehmer einer der vom fran- (* 4. Januar 1737 Dijon; † 2. Januar 1816
zösischen König Ludwig XV. beauftragten Paris) studierte zunächst Jura und war vor
Äquatorialexpedition zur Messung der der Revolution Abgeordneter der Stadt
Länge eines Breitengrades (1735–1741). Dijon. Später interessierte er sich für die
Er reiste nach Südamerika, kam auf der Produktion chemischer Rohstoffe und ar-
Rückreise nach Europa in britische Gefan- beitete für ein Bergbauunternehmen. 1782
genschaft, konnte aber bald, 1746, nach entwickelte er eines der ersten Systeme
Spanien zurückkehren. Er arbeitete an der der Nomenklatur chemischer Substanzen.
Neuorganisation des Medizinstudiums in Während der Revolution bekleidete er kurz-
Spanien, gründete Textilfabriken und Mi- zeitig die Stelle des Präsidenten der Natio-
nen zur Produktion von Quecksilber, nalversammlung, wobei er für den Tod des
sowohl in Spanien als auch in Peru. Von Königs Ludwig XVI stimmte. Später grün-
1766 bis 1768 war De Ulloa im heutigen dete er die Technische Hochschule (École
New Orleans der erste Gouverneur von Polytechnique), deren Direktor er von 1797
Spanisch-Louisiana. Er beschrieb als einer bis 1798 und von 1800 bis 1804 war. 1783
der Ersten metallisches Platin (Weeks 1968). wurde er als Auslandsmitglied in die König-
Der britische Mediziner und Chemiker lich Schwedische Akademie der Wissen-
William Brownrigg (* 24. März 1711 High schaften aufgenommen, 1788 als Mitglied
Close Hall; † 6. Januar 1800 Ormathwaite) (Fellow) in die britische Royal Society
absolvierte zunächst eine Ausbildung zum (Granville 1817). Guyton de Morveau ver-
Apotheker in Carlisle und studierte danach besserte einige wichtige Produktionsverfah-
in London und Leiden Medizin. Nach der ren wie die Herstellung von Gusseisen
Promotion kehrte er 1737 nach England (1771) und die von Natriumnitrat (1780).
zurück und ließ sich als Arzt in Whitehaven Er fand 1783 ein einfacheres Schmelzver-
nieder. Viele durch Explosionen von Gru- fahren zur Herstellung von Platin (Smeaton
bengas bewirkte Unglücke in den Bergwer- 1957 , 1967, 2008).
ken der Region, die zahlreiche Tote und Der französische Chemiker Pierre-
Verletzte forderten, veranlassten ihn, über François Chabaneau (* 1754 Nontron; †
Grubengas zu forschen. Er konstruierte ein 1842 Nontron) begann zuerst ein Studium
in der Grube zu installierendes Barometer, der Theologie, brach dieses aber schnell ab
das frühzeitig drohende Ansammlungen und wandte sich stattdessen den Naturwis-
von Methan anzeigen sollte. Brownrigg senschaften zu. Er wanderte nach Spanien
erkannte zuerst, dass Luft aus verschiede- aus und lehrte dort ab 1780 Chemie und
nen Gasen bestand und wies in ihr Kohlen- Französisch. Unter seinen Schülern waren
dioxid nach. Für weitere Untersuchungen die späteren Entdecker des Wolframs, Faus-
auf dem Gebiet der Kohlensäure erhielt er to und Juan José Elhuyar. Sie arbeiteten ab
1776 die Copley-Medaille. Ausschlagge- 1783 mit Chabaneau, um die Chemie des
5 Einzeldarstellungen 763

Das bei diesem Verfahren anfallende Rohplatin,


Platins zu erforschen. Die Brüder Elhuyar das auch noch Gold und die anderen Platinmetalle
verließen Spanien aber bald darauf, um enthält, löst man in Königswasser, wobei Gold,
leitende Funktionen in südamerikanischen Palladium und Platin darin aufgelöst werden.
Bergwerken zu übernehmen. Darauf wech- Dagegen bleiben Osmium, Iridium, Ruthenium
selte Chabaneau nach Madrid auf den neu und Rhodium zurück (Xiao und Laplante 2004).
eingerichteten Lehrstuhl der dortigen Uni- Das Königswasser enthält dann unter Anderem
versität für Mineralogie, Physik und Che- auch Hexachloroplatin-IV-säure, die man dann
mie. Ein Mäzen finanzierte darüber hinaus als Ammoniumsalz [(NH4)2PtCl6] fällt. Jenes
die Beschaffung von Platin für Chabaneaus
glüht oder reduziert man dann zu Platinmetall
Labor.
(Kauffman et al. 1967; Schweizer und Kerr 1978).
Auch die Wiedergewinnung von Platin, das in
Die Arbeiten an einer Isolierung des Platins Edelmetallabfällen oder Schmuck enthalten ist, ver-
zogen sich über Jahre hin und waren immer wie- läuft nach demselben Prinzip (Kauffman et al.
der von Rückschlägen begleitet. 1786 schließlich 1963). Das rohe Metall löst man entweder in Kö-
gelang Chabaneau das Tempern reinen Platins nigswasser oder einer Mischung aus Schwefelsäure
durch Anwendung besonders hoher Temperaturen und Wasserstoffperoxid auf. Aus diesen Lösungen
und Einsatz pulverförmiger Ausgangsprodukte fällt man es am Ende als schwer lösliche Verbindung
(Chaston 1980). Bis 1808 produzierte Chabaneau aus und reduziert diese dann zum Metall. Ein vor
zusammen mit einem spanischen Geschäftspart- wenigen Jahren entwickeltes Verfahren beinhaltet
ner 18000 Feinunzen, war aber schon 1799 nach die anodische Auflösung des verunreinigten Platins
Frankreich zurück gekehrt (Weeks 1968). in einem auf 100  C erhitzten, aus Zinkchlorid und
einem anderen ionischen Zusatz bestehenden Elek-
Vorkommen Platin ist mit einem Gehalt in der trolyten. Das Platin löst sich während des Prozesses
Erdkruste von 5 μg/kg eines der seltensten Ele- in der Lösung auf, aus der es später dann wieder in
mente. Meist tritt es als Begleiter von Kupfer- und reiner Form auf einer Kathode abgeschieden werden
Nickelerzen auf, und dann vor allem in Südafrika, kann (Han et al. 2007).
das 80 % des weltweit gehandelten Platins aus die-
sen Rohstoffen als Nebenprodukt erzeugt. Platin Eigenschaften Reines Platin ist silberglänzend
kommt sowohl gediegen als auch in Gestalt von und eines der am meisten dehn- und formbaren
ca. 50 mineralischen Verbindungen in der Natur Metalle überhaupt (s. Tab. 3). Es ist mit vielen
vor, jedoch lohnt sich der Abbau solcher Vorkom- Metallen wie Eisen, Cobalt, Gold, Wolfram, Gal-
men nicht. Es ist weltweit sehr verstreut aufzufinden. lium und Zinn legierbar. Platin ist sehr beständig
Die wichtigsten Fördernationen waren 2011 gegenüber Korrosion und chemischen Einflüssen,
Südafrika (Bushveld) mit 139 t, Russland (No- wenngleich es hierin von Iridium aber noch
rilsk) mit 26 t und Kanada (Ontario und Québec) deutlich übertroffen wird. Stark erhitztes Platin
mit 10 t. Diese drei Länder stehen für etwa 90 % reagiert mit Sauerstoff nur langsam, aber ein
der weltweiten Gesamtproduktion. Schweißen von Platin ist wegen teilweiser Bil-
dung von Oxid nur mit schwach oxidierender
Flamme möglich. Bei Temperaturen um 500  C
Gewinnung Die Gewinnung aus Flusssanden ist reagiert es heftig mit Fluor und wird dann auch
fast zum Erliegen gekommen. Platin wird elemen- von Chlor, Brom, sogar Iod, Schwefel, Phosphor,
tar nur noch an wenigen Orten im Tagebau ge- Bor und Kohlenstoff angegriffen. Es ist in heißem
schürft. Wesentlich wichtiger sind, wie oben Königswasser löslich (s. Abb. 20) nach:
bereits erwähnt, Buntmetallerze, in denen Platin
begleitend auftritt; aus diesen wird es im Zuge der Pt þ 4 HNO3 þ 6 HCl ! H2 PtCl6 þ 4 NO2 "
elektrolytischen Raffination des Nickels aus dem
þ4 H2 O
Anodenschlamm isoliert (Hunt und Lever 1969).
764 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Platin


Symbol: Pt
Ordnungszahl: 78
CAS-Nr.: 7440-06-4

Aussehen: Silberglänzend Platin, Münze Platin, kristallisiert aus Gasphase


(Onyxmet 2018) (Periodictableru 2010)
Entdecker, Jahr Ägypten, 3000 v. Chr.
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
194
78Pt (32,9) Stabil ———
195
78Pt (33,8) Stabil ———
196
78Pt (25,3) Stabil ———
198
78Pt (7,2) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,005
Atommasse (u): 195,085
Elektronegativität 2,28 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Pt2+ + 2 e ! Pt (V) 1,118
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (177)
Van der Waals-Radius (pm): 175
Kovalenter Radius (pm): 136
Ionenradius (Pt2+/ Pt4+, pm) 80/77
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d9 6s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 870 ♦ 1791
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,8  10-4
Magnetismus: Paramagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 9,43  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 168 ♦ 230 ♦ 61
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 400–550 ♦ 300–500
Mohs-Härte 3,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 2680
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 21,45
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 9,09  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 72
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,68
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1768 ♦ 2041
Schmelzwärme (kJ/mol) 19,6
Siedepunkt ( C ♦ K): 3827 ♦ 4100
Verdampfungswärme (kJ/mol): 510

Ebenso greifen es auch Mischungen aus Wasser- Gruppe, Palladium und Platin, hinsichtlich ihrer
stoffperoxid und konzentrierter Schwefelsäure an. chemischen Reaktivität gegenüber Iridium deut-
Platin besitzt längst nicht einen so „edlen“ lich ab, das als chemisch insgesamt beständigstes
Charakter, wie allgemein angenommen wird. Metall der Maßstab ist. Selbst Ruthenium und
Überhaupt fallen die beiden Edelmetalle dieser Osmium wären als widerstandsfähiger einzustu-
5 Einzeldarstellungen 765

Abb. 20 Auflösung von Platin in heißem Königswasser


(Wimmer 2011)
Abb. 21 Platin-IV-oxid (Onyxmet 2018)
fen, wenn diese nicht so stark zur Autoxidation
unter Bildung ihrer flüchtigen Tetroxide neigten.
Platin wird durch heiße, rauchende Salpeter- ten planar-quadratischer Struktur vor, die zu
säure und sogar auch von konzentrierter Salzsäu- Bändern aneinandergereiht sind. Platin-II-oxid
re, dann aber nur bei Luftzutritt, stark korrodiert. ist in Säuren mit Ausnahme von Königswasser
Heiße Salzschmelzen wie Alkalien, Peroxide, nicht löslich. Es wird selbst durch Wasserstoff
Nitrate, Sulfide und Cyanide lösen Platin oft auf, leicht wieder zu Platin reduziert (Holleman et al.
meist unter Bildung von Komplexen. In der Hitze 2007, S. 1732).
setzt sich Platin auch mit vielen Oxiden um, wes- Platin-IV-oxid (PtO2) ist ein ebenfalls schwar-
wegen zum Schmelzen des Platins das flammenfreie zer Feststoff (s. Abb. 21), der beim Erhitzen auf
elektrisch-induktive Heizen in aus Zirkonium-IV- Temperaturen von 450  C Sauerstoff abspaltet
oxid bestehenden Formen noch am geeignetsten ist. und dabei in Platin-II-oxid übergeht. Die Verbin-
In seinen Verbindungen tritt Platin fast immer dung hat die Dichte 11,8 g/cm3 und besitzt eine
in den Oxidationsstufen +2 und +4 auf. trigonale Kristallstruktur vom Cadmiumiodid-Typ
Platin ist, wie auch Palladium, ein vielfach (D’Ans und Lax 1997, S. 678). Platin-IV-oxid ist
verwendeter Katalysator für Synthesen. Das durch Eintragen von Hexachloroplatin-IV-säure
Metall ist in der Lage, einige Gase wie Wasser- oder ihren Alkalisalzen in geschmolzenes Natrium-
stoff und Sauerstoff in aktiviertem, also hoch nitrat zugänglich:
reaktiven Zustand zu speichern. Auch das Cra-
cken von Rohöl findet unter Verwendung von H2 PtCl6 þ 6 NaNO3 ! PtO2 þ 4 NO2 " þ6 NaCl
Platinkatalysatoren statt. Nachteilig ist, dass jene þ2 HNO3 þ O2 "
ihre Aktivität schnell infolge der Bildung von
Verunreinigungen einbüßen und daher regeneriert Bei Temperaturen oberhalb von 450  C geht
werden müssen. die Verbindung unter Abspaltung von Sauerstoff
in Platin-II-oxid über, das beim Glühen auf rund
Verbindungen 1000  C schließlich elementares Platin ergibt.
Chalkogenverbindungen Das schwarze bis vio- Eingesetzt wird Platindioxid-Hydrat als Kata-
lette Platin-II-oxid (PtO) hat eine Dichte von lysator für Hydrierungen.
14,9 g/cm3 und ist durch Erhitzen von Platin in Platin-II-sulfid (PtS) ist ein grünes, durch
einer unter Druck befindlichen Sauerstoffatmo- Erhitzen von Platinschwamm mit Schwefel in
sphäre auf eine Temperatur von 430  C erhält- stöchiometrischer Mischung (Molverhältnis 1:1)
lich. Vorsichtiges Erhitzen von Platin-II-hydro- darstellbares Pulver tetragonaler Kristallstruktur
xid im Vakuum liefert ebenfalls Platin-II-oxid und der Dichte 10,3 g/cm3. In der Natur kommt
(Cotton 1997, S. 725), allerdings besteht hierbei es vereinzelt als graues Mineral Cooperit vor
stets die Gefahr der Abspaltung von Sauerstoff. (Holleman et al. 2007, S. 1734). Es ist weder
Oberhalb von 950  C zerfällt die Verbindung löslich in Säuren noch in Alkalien. Man kann es
wieder zu Platin und Sauerstoff. Im Kristallgitter oxidativ nur durch Glühen mit Kaliumchlorat
liegen über die Kanten verknüpfte PtO4-Einhei- oder -nitrat aufschließen.
766 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

Platin-IV-sulfid (PtS2) ist ein grauschwarzer 61  C bzw. 69  C schmilzt bzw. siedet. Sein braun-
Feststoff der Dichte 7,9 g/cm3, der bei Tempera- roter Dampf ist bis zu einer Temperatur von 200  C
turen oberhalb von 225  C unter Zersetzung beständig (Brauer 1975, S. 278). Die Verbindung
schmilzt. Auch Platin-IV-sulfid ist durch Umset- ist durch Reaktion der Elemente bei ca. 300  C in
zung stöchiometrischer Mengen von Platin und einer aus Messing bestehenden Apparatur oder
Schwefel herstellbar (Brauer 1981, S. 1720) und durch thermisches Disproportionieren von Platin-
ebenfalls nahezu unlöslich in Säuren und Laugen. V-fluorid (PtF5) oberhalb einer Temperatur von
Platin-IV-sulfid besitzt, wenn man es zerreibt, die 130  C darstellbar, wobei man das gebildete,
Eigenschaft eines Trockenschmierstoffs, ähnlich abdestillierende Platin-VI-fluorid zwecks Stabili-
wie Grafit oder Molybdän-IV-sulfid. sierung sofort in Kühlfallen auffangen muss.
Platin-IV-selenid (PtSe2), ein schwarzes Pulver Platin-VI-fluorid wirkt extrem stark oxidierend,
der Dichte 9,54 g/cm3, besitzt wie das homologe selbst gegenüber molekularen Sauerstoff oder
Sulfid eine Schichtstruktur, hier im Cadmiumiodid- Xenon, wobei Pt6+ in Pt5+ übergeht. Somit konnte
Gittertyp (O’Brien et al. 2016). Es ist in Form Bartlett mittels Platin-VI-fluorid 1962 die erste
einlagiger Schichten ein Halbleiter der Bandlücke Edelgasverbindung darstellen (Bartlett und Loh-
1,2 eV (Wang et al. 2015), den man durch Erhit- mann 1960).
zen einer pulverförmigen Mischung der Ele- Platin-V-fluorid (PtF5) ist eine tiefrote, mono-
mente darstellen kann (Grønvold et al. 1960). klin kristallisierende Verbindung (Mueller und
Man erhält die Verbindung auch, wenn man Serafin 1992), die bei Temperaturen von 80  C
Selendampf bei ca. 400  C über dünne Platinfo- bzw. 130  C schmilzt bzw. zu Platin-IV-fluorid
lie leitet (Duesberg et al. 2016). Einfacher ist und -VI-fluorid disproportioniert. Man gewinnt
Platin-IV-selenid durch Einleiten von Selenwas- es aus den Elementen bei Rotglut oder durch
serstoff in die saure, wässrige Lösung einer Umsetzung von Platin-II-chlorid (PtCl2) mit
Platin-IV-Verbindung oder durch Erhitzen von Fluor bei 350  C (Brauer 1975, S. 278). Es ist
Platin-IV-chlorid mit elementarem Selen zu- löslich in Brom-III-fluorid und ebenfalls ein äu-
gänglich. ßerst starkes Oxidationsmittel, wenn auch etwas
Natürlich kommt Platin-IV-selenid als wegen schwächer als Platin-VI-fluorid. Immerhin oxi-
seiner Schichtstruktur sehr weiches Mineral Su- diert es Wasser zu Sauerstoff.
dovikovit vor. Die oben erwähnte Bandlücke Platin-IV-chlorid (PtCl4) ist eine stark hygro-
reduziert sich drastisch auf 0,21 eV bei doppel- skopische, rotbraune, orthorhombisch kristallisie-
schichtigem Aufbau des Kristallgitters, bei Vor- rende Verbindung (Blachnik 1998, S. 676; s. auch
liegen noch dickerer Schichtpakete verschwindet Abb. 22a), die sich beim Erhitzen auf eine Tem-
sie völlig. Obwohl Platin-IV-selenid nichtmagne- peratur von 370  C unter Bildung von Chlor und
tisch ist, diskutiert man dann einen möglichen Platin-II-chlorid zersetzt. Man erhält sie entweder
Ferromagnetismus des Materials, wenn ca. 10 % durch Lösen von Platin in Königswasser unter
der Gitterplätze des Platins unbesetzt sind und das zwischenzeitlicher Bildung von Hexachloropla-
Material leichter Belastung ausgesetzt wird (Zul-
fiqar et al. 2016). Wasser und Sauerstoff greifen
die Verbindung zumindest bei Raumtemperatur
nicht an. Mögliche Einsatzgebiete sind Detekto-
ren für Infrarotlicht und Katalysatoren, kombi-
niert mit Graphen auch Fotokatalysatoren zur
Bildung von Peroxidradikalen aus Wasser und
Sauerstoff.
Halogenverbindungen Platin-VI-fluorid (PtF6)
ist ein dunkelroter, orthorhombisch kristallisieren-
der Feststoff einer Dichte von ca. 5,2 g/cm3 Abb. 22 a Platin-IV-chlorid (Onyxmet 2018). b Hexa-
(Seppelt et al. 2006), der bei Temperaturen von chloroplatin-IV-säure (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 767

tin-IV-säure (H2PtCl6) (s. Abb. 22b) und folgen-


des Verdampfen restlicher Salzsäure oder auch
durch Umsetzung von Platin mit Sulfurylchlorid
im Vakuum bei 350  C (Brauer 1981, S. 1709).
Platin-IV-chlorid ist löslich in Wasser, Ethanol
und Diethylether.
Platin-II,IV-chlorid („PtCl3“) erzeugt man
durch Umsetzung von Platin mit Chlor innerhalb
eines Temperaturbereiches von 400–600  C
(Brauer 1981, S. 1710). Der schwarzgrüne, bei Abb. 23 Platin-II-chlorid in handelsüblicher Form
ca. 435  C unter Zersetzung schmelzende Fest- (Onyxmet 2018)
stoff hexagonal-rhomboedrischer Kristallstruktur
ist nur wenig in kaltem Wasser löslich. Platin-IV-iodid (PtI4) ist ein schwarzer, leicht
Das grüne β-Platin-II-chlorid (PtCl2) erhält zersetzlicher und in Wasser nur unter Hydrolyse
man durch Thermolyse von Platin-IV-chlorid bei löslicher Feststoff der Dichte 6,06 g/cm3 und dem
Temperaturen von 360  C. Die bei 581  C niedrigen Schmelzpunkt von 130  C. Man kennt
schmelzende Verbindung liegt bei Raumtempera- insgesamt drei Modifikationen, von denen die bei-
tur in Form der β-Modifikation vor, die eine den stabileren orthorhombische und kubische Kris-
Dichte von 6,1 g/cm3 besitzt und hexagonal tallstruktur aufweisen. Die Darstellung erfolgt durch
kristallisiert. Das schwarzrote α-PtCl2 enthält Überleiten überschüssigen Ioddampfes über erhitz-
wahrscheinlich ecken- und kantenverknüpfte tes Platin in Gegenwart von Kaliumiodid oder durch
PtCl4-Einheiten im Kristallgitter und ist oberhalb Auflösen von Platin in konzentrierter Iodwasser-
von 500  C stabil (Holleman et al. 2007, S. 1728; stoffsäure (Brauer 1981, S. 1715). Weitgehend ohne
s. auch Abb. 23). Zersetzung löst sich die Substanz in Ethanol, Ace-
Das dunkelrote bis schwarzviolette Platin-IV- ton und flüssigem Ammoniak. Erhitzen von Platin-
bromid (PtBr4) ist sehr leicht löslich in Wasser, IV-iodid – über die Temperatur des Schmelzpunktes
Ethanol und Ether. Die Verbindung hat orthor- hinaus – führt zur Abspaltung von Iod und Bildung
hombische Struktur (Brauer 1981, S. 1713), eine niederer Platiniodide.
Dichte von 5,69 g/cm3 und schmilzt bereits bei Das schwarze Platin-II-iodid (PtI2) schmilzt bei
einer Temperatur von 180  C unter Zersetzung. 325  C und wird durch Umsetzung von Platin mit
Die Herstellung erfolgt durch Auflösen von Platin Iod bei Temperaturen um 400  C dargestellt, wobei
in konzentrierter Bromwasserstoffsäure bei Ge- sich die kubisch kristallisierende Modifikation bil-
genwart von Luft und nachfolgendem Erhitzen det. Das Erhitzen von Kaliumhexaiodoplatinat-IV
der dabei entstandenen Hexabromoplatin-IV- mit Wasserdampf bei ca. 240  C liefert die mono-
säure [H2PtBr6] mit Brom. Alternativ funktioniert klin kristallisierende Modifikation (Brauer 1981,
auch die Reaktion aus den Elementen, die wegen S. 1716).
der Gefahr der Zersetzung des Platin-IV-bromids Sonstige Verbindungen Platincarbid (PtC)
aber nur bei relativ niedrigen Temperaturen konnte nur unter Anwendung extremer Bedingun-
durchgeführt werden darf und entsprechend lang- gen synthetisiert werden und dürfte, sofern eine
sam verläuft (Zuckerman 2009). eindeutige Aufklärung der Kristallstruktur ge-
Platin-II-bromid (PtBr2) ist ein dunkelgrünes bis lingt, zu den superharten Substanzen gezählt wer-
-braunes Pulver, das eine Dichte von 6,65 g/cm3 den (Li et al. 2014). Die Zinkblende-Struktur
und einen Schmelzpunkt von 250  C besitzt. Man scheint der unter Normalbedingungen stabilste
erhält es durch Thermolyse von Hexabromoplatin- Gittertyp zu sein, aber die Lage der Kohlenstoff-
IV-säure. Die Verbindung ist unlöslich in Wasser atome im Gitter ist nicht fixiert, denn diese ver-
und Ethanol und besitzt hexagonal-rhomboedrische ändern vor allem unter hohem Druck ihre Lage.
Kristallstruktur (Brauer 1981, S. 1634; Blachnik Daher ist Platincarbid als stark anisotrop einzu-
1998, S. 674). stufen.
768 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

Das halbleitende Platinsilicid (PtSi) ist ein grau- pelsalz, das kirschrote Cäsiumplatinidhydrid
weißer, in der orthorhombischen Manganphosphid- (Cs9Pt4H), berichtet, das diskrete Pt2-Anionen ent-
Struktur kristallisierender Feststoff (Addison 1974, hält und somit ein Maximum an Ladungstrennung
S. 425; Klepeis et al. 2001; Pietsch et al. 2013) der aufweist (Smetana und Mudring 2016).
Dichte 12,4 g/cm3, der bei einer Temperatur von Nach einer elektrochemischer Reduktion bil-
1229  C schmilzt und durch Umsetzung von Platin det Platin auf seiner Oberfläche ebenfalls Anionen
mit Silicium oder Silicium-IV-oxid gewonnen wer- aus. Ein Grund für dieses für Metalle sehr unge-
den kann (Rochow 2013, S. 1361). Daher darf man wöhnliche Verhalten sieht man in der relativisti-
Silicium bzw. Quarz nie in Platintiegeln schmel- schen Stabilisierung der 6s-Orbitale (Ghilane
zen, da jene dadurch zerstört werden (Hofmann et al. 2007).
2013, S. 380). Die Substanz dient als Material Die Moleküle des kommerziell erhältlichen
für Infrarotdetektoren, Infrarotkameras (Wallrabe Dichloro(cycloocta-1,5-dien)platin-II spalten leicht
2013; Beyerer et al. 2012), Schottky-Dioden 1,5-Cyclooctadien-Liganden ab, so dass man aus-
(Schaumburg 2013) und für Kontakte elektroni- gehend von dieser Verbindung sehr gut organische
scher Schaltkreise (Schlachetzky und Von Münch Platinchemie betreiben kann (Han et al. 2007). Cis-
2013). Weitere, ebenfalls die Eigenschaften eines platin (cis-Diammindichloroplatin-II) war der erste
Halbleiters zeigende Platinsilicide sind die gut planar-quadratisch koordinierte Platinkomplex, der
charakterisierten Verbindungen Diplatinsilicid imstande ist, die menschliche DNA zu vernetzen
(Pt2Si) und Platindisilicid (PtSi2). Alle Platin- und Krebszellen somit abzutöten, weswegen er als
silicide sind auch wegen ihrer Beständigkeit Chemotherapeutikum mit gutem Erfolg eingesetzt
gegenüber chemischen Einflüssen seit längerem wurde und wird, auch wenn sein Einsatz mit zahl-
Gegenstand intensiver Forschung (Einspruch und reichen Nebenwirkungen (Übelkeit, Haarausfall,
Larrabee 2014; Fryera und Ladb 2016; Tanner Tinnitus, Teilverlust des Hörvermögens und Nieren-
und Okamoto 1991). schäden) verbunden sein kann (Richards und Rod-
Nanodrähte aus Platinborid (PtB) konnten im ger 2007; Carinder et al. 2014; Taguchi et al. 2005).
elektrischen Gleichstromlichtbogen aus einer pul- Generell sind Platinkomplexe weithin Forschungs-
verförmigen Mischung aus Platin und Bornitrid gegenstand (Ahrens und Strassner 2006).
hergestellt werden. Die Zusammensetzung und
Kristallstruktur wurde mittels Röntgendiffrakto- Anwendungen Von den 218 t Platin, die 2014
metrie sowie Scan- und Transmissionselektronen- verkauft wurden, gingen 98 t in Abgaskatalysato-
mikroskopie bestimmt. Die Nanodrähte sind ren für Automotoren, nahezu 75 t in die Herstel-
30–50 nm dick und 20–30 μm lang (Ding 2012). lung von Schmuck, 20 t in Form von Katalysatoren
Mit stark elektropositiven Metallen wie Barium in die chemische Industrie sowie zur Raffination
bildet Platin Bariumplatinide (BaPt, Ba3Pt) (Jansen von Erdöl und rund 6 t in die Elektronikindustrie.
et al. 2006), in denen Platin anionisch auftritt. Diese Die restlichen ca. 28,5 t teilten sich auf viele unter-
Verbindungen metallischer Leitfähigkeit werden schiedliche Anwendungsfelder auf, wie Medi-
unter anderem und zusammen mit anderen Verbin- zintechnik, Elektroden, Chemotherapeutika,
dungen zur Elektronenemission in Glühkathoden Zündkerzen, Sauerstoffsensoren und Turbinen.
von Elektronenröhren eingesetzt (Buxbaum 1987). Ertl untersuchte eingehend die katalytische Wir-
Der elektronegative Charakter der Platinatome kung von Platin auf die Oxidation von Kohlen-
wurde eingehend untersucht und auf Grundlage monoxid und erhielt dafür 2007 den Nobelpreis
relativistischer Berechnungen bestätigt (Jansen (Ertl 2007). Platin wird besonders häufig in
et al. 2004, 2006; Jansen 2005); die Platinatome diversen Katalysatoren verwendet (Seymour und
haben in den Molekülen dieser Verbindungen aber O’Farrelly 2001), meist in fein verteilter Form
noch keinen völlig anionischen Charakter. Dies ist (Schwamm). Seine wichtigste Anwendung ist die
im Fall des Cäsiumplatinids (Cs2Pt), einer dunkel- in Abgaskatalysatoren, bei denen es dafür sorgt,
roten, kristallinen Verbindung, aber erfüllt (Jansen dass restliche, im Abgas vorhandene Kohlenwasser-
et al. 2003). Im Oktober 2016 wurde über ein Dop- stoffe noch zu Kohlendioxid und Wasser verbrannt
5 Einzeldarstellungen 769

werden. Bei der Raffination von Erdöl ist es im in Rührwerken, Legierungen, die zu 70 % aus
Reforming-Prozess für die Umwandlung von Platin bestehen:
Schweröl in hochoktanige Benzine mit relativ
hohem Gehalt an Aromaten unverzichtbar. Platin- Pt1Ir/Pt3Ir (99 % Platin und 1 % Iridium/97 %
IV-oxid (Adam-Katalysator) ist dagegen ein Be- Platin und 3 % Iridium)
schleuniger für Hydrierungen, vor allem von Pt5Rh/Pt10Rh/Pt20Rh/Pt30Rh (95–70 % Platin,
Pflanzenölen. Platin katalysiert die Zersetzung von 5–30 % Rhodium)
Wasserstoffperoxid, weshalb es oft in Brennstoff- FKS Pt (99,8 % Platin und 0,2 % Zirconium-IV-
zellen eingebaut wird (Laramie und Dicks 2003). Es oxid)
überträgt in seiner Funktion als Katalysator unter FKS Pt10Rh (89,8 % Platin, 10 % Rhodium und
anderem schnell Elektronen auf Sauerstoffatome, 0,2 % Zirconium-IV-oxid)
die so reduziert werden (Wang et al. 2008). ODS Pt (99,8 % Platin und 0,2 % Yttriumoxid)
Von 1889 bis 1960 diente ein aus Platin und ODS Pt10Rh (89,8 % Platin, 10 % Rhodium und
Iridium im Verhältnis von 90:10 bestehender Stab 0,2 % Yttriumoxid)
als Maß für das in Paris aufbewahrte Urmeter. ODS Pt20Rh (79,8 % Platin, 20 % Rhodium und
Auch das Urkilogramm besteht nach wie vor als 0,2 % Yttriumoxid).
Maß und aus derselben Legierung (Gupta 2010).
Auch die Standardwasserstoffelektrode ist aus
Platin gefertigt (Feltham und Spiro 1971). Patente
Platin verwendet man oft zur Herstellung von (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Uhren und Schmuck, da es nie anläuft oder wide.espacenet.com)
Abnutzungserscheinungen zeigt. Der Preis für
Platin unterliegt stärkeren Schwankungen als der Y. Li und Z. Qun, Compound and use
des Goldes. Oft liegt der Preis in guten wirtschaft- thereof and platinum complex and lipi-
licher Zeiten deutlich höher als der des Goldes, dosome thereof (University of Shenyang
wogegen er in Krisenzeiten wegen mangelnder Pharmaceutical; Beijing Snowle Bio
Industrieproduktion stark sinkt. Technology Co., Ltd., US 2019031696
Platindraht dient zur Herstellung von Elektro- A1, veröffentlicht 31. Januar 2019)
den, korrosions- und temperaturfesten Laborbe- V. Kysilka und J. Mengler, Platinum(IV)
hältern, Implantaten und Prothesen, Tiegeln, complex with increased antitumor effi-
medizinischen Instrumenten (Brook 2006) und cacy (Vuab Pharma AS, PL 3189064 T3,
elektrischen Kontakten. Eine zu rund 75 % aus veröffentlicht 31. Januar 2019)
Platin und 25 % aus Cobalt bestehende Legierung H. Jiang und L. Xing, Amphipathic non-
ist ein starker Permanentmagnet (Krebs 1998). steroidal anti-inflammatory platinum
Platin legiert man mit kleinen Anteilen anderer nanoparticle and preparation method
Metalle zur besseren Bearbeitbarkeit: therefor (University of China Pharma,
WO 2019019265 A1, veröffentlicht 31.
Fasserplatin 96 % Platin, 4 % Palladium Januar 2019)
(Schmelzpunkt 1750  C, P. Cao und J. Berlin, Silicon nanoparticle
Dichte 20,8 g/cm3, Zugfestigkeit: with platinum anti-cancer agent (Hope
314 N/mm2)
City, US 2019022246 A1, veröffentlicht
Juwelierplatin 96 % Platin, 4 % Kupfer
(Schmelzpunkt: 1730  C,
24. Januar 2019)
Dichte: 20,3 g/cm3, Zugfestigkeit: S. Sengupta und M. Roy, Lipid-based plati-
363 N/mm2) num compounds and nanoparticles (Aka-
mara Therapeutics Inc., US 2019002489
Fasser- und Juwelierplatin finden bevorzugt in A1, veröffentlicht 3. Januar 2019)
der Schmuckindustrie Einsatz. Für die technische
und optische Glasschmelze verwendet man, meist (Fortsetzung)
770 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

(Karol et al. 2001). Sie folgte damit den eigenen,


C. Kowol und P. Heffeter, Monomaleimide- schon 1979 aufgestellten Empfehlungen für die
functionalized platinum compounds for Namensgebung neu entdeckter Transfermium-
cancer therapy (Medizinische Universi- Elemente (Chatt 1979). Das GSI entschied sich
tät Wien, US 2018354979 A1, veröffent- schließlich, das Element 110 Darmstadtium zu
licht 13. Dezember 2018) nennen (Corish und Rosenblatt 2003; Griffith
H. J. Lee und J. W. Kim, Single atomic pla- 2008).
tinum catalysts for direct formic acid fuel
cell and a method for preparing thereof
Der deutsche Physiker Sigurd Hofmann
(Korea Advanced Institute of Science &
(* 15. Februar 1944 Böhmisch-Kamnitz)
Technology, KR 20180127011 A, veröf-
studierte ab 1963 Physik an der TH Darm-
fentlicht 28. November 2018)
stadt und promovierte im dortigen Institut
K. Shibata und U. Kamimura, Electroless für Kernphysik 1974. Danach arbeitete
platinum plating solution and platinum Hofmann bis 1989 als Physiker im Institut
film obtained using same (Japan Pure Kernchemie II mit dem Geschwindigkeits-
Chemical Co., Ltd., WO 2018211727 Separator SHIP, der die durch Kernfusion
A1, veröffentlicht 22. November 2019) erzeugten Atomkerne trennen konnte und
ist bis heute am GSI tätig. Die Arbeiten zur
Erzeugung von Nuliden der Elemente
Darmstadtium (Hofmann et al. 1995a),
5.4 Darmstadtium Roentgenium (Hofmann et al. 1995b) und
Copernicium (Hofmann et al. 1996) leitete
Geschichte und Darstellung Die Darstellung er selbst, darüber hinaus war er maßgeblich
des ersten Atoms des Darmstadtiums gelang Hof- beteiligt an der Synthese der Elemente
mann, Münzenberg und Armbruster vom GSI Bohrium (Münzenberg et al. 1981), Has-
Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung sium (Münzenberg et al. 1984) und Meit-
(GSI) am 9. November 1994 durch den Beschuss nerium (Münzenberg et al. 1982). In
eines Bleitargets (20882Pb) mit beschleunigten Ni- Dubna, wo er eine Reihe von Ehrungen
ckelkernen (6228Ni) (Hofmann et al. 1995): erhielt, unterstützte Hofmann das Team
um Oganessian bei den Arbeiten zur Ent-
208
82 Pb þ 62
28 Ni ! 269
110 Ds þ 1
0n
deckung von Nukliden des Fleroviums
(Oganessian et al. 1999); außerdem bestä-
Denselben Versuch führte man mit schwereren tigte die von ihm geleitete Gruppe die
Nickelkernen (6428Ni) durch, wobei insgesamt Richtigkeit der bei der Erzeugung des Fle-
neun Atome des Nuklids 271110Ds hergestellt wur- roviums und Livermoriums gefundenen
den, die man durch die bei dessen Zerfall entste- Daten durch Reproduktion der Experi-
mente (Hofmann et al. 2012).
henden Tochterkerne identifizieren konnte (Hof-
mann 1998):
Vorkommen Darmstadtium besitzt keine stabi-
208
82 Pb þ 64
28 Ni ! 271
110 Ds þ 1
0n len bzw. natürlich vorkommenden Isotope und ist
daher nur auf künstlichem Weg zugänglich. Bis-
Schon von 1985 an versuchte man im Gemein- her liegen Berichte über neun verschiedene Iso-
schaftsinstitut für Kernforschung in Dubna (Sow- tope des Elementes vor, die beobachtet worden
jetunion) bereits, Kerne des Elements mit der sein und Massenzahlen zwischen 267 und 280 auf-
Ordnungszahl 110 herzustellen, aber ohne Erfolg weisen sollen. Die meisten von ihnen erleiden
(Barber et al. 1993). Daher ernannte die IUPAC wegen ihrer hochgradigen Instabilität einen
das Team des GSI als Entdecker und erkannte ihm schnellen α-Zerfall (Oganessian et al. 1996; Hof-
das Recht zur Namensgebung des Elements zu mann et al. 2001), andere sogar eine spontane
5 Einzeldarstellungen 771

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Darmstadtium


Symbol: Ds
Ordnungszahl: 110
CAS-Nr.: 54083-77-1
Aussehen: ——
Entdecker, Jahr Hofmann, Armbruster, Münzenberg et al. (Deutschland), 1994
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
279
110Ds (synthetisch) 0,2 s α >0,275108Hs (10 %) und spontane Kernspaltung
(90 %)
281
110Ds (synthetisch) 11 s α >0,277108Hs (6 %) und spontane Kernspaltung
(94 %)
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (281)
Elektronegativität Keine Angabe.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (berechnet) (pm): 132*
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 128*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d8 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 955 ♦ 1891 ♦ 3030*
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Keine Angabe
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert*
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 34,8*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 8,07  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: Keine Angabe
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Schmelzwärme (kJ/mol) Keine Angabe
Siedepunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe
*Geschätzte bzw. berechnete Werte

Kernspaltung. Ein β--Zerfall wurde noch nicht wertszeit haben sollte, oft weit neben den später in
beobachtet. der Praxis ermittelten Resultaten. Die Mehrheit
der Forscher glaubt, mit dem Element der Ord-
Eigenschaften nungszahl 110 die sogenannte „Insel der Stabili-
Physikalische Eigenschaften: Alle Isotope des tät“ nahezu erreicht zu haben, also superschwere
Elements sind äußerst instabil und damit natürlich Kerne mit relativ deutlich erhöhter Halbwertszeit,
radioaktiv, wobei die schweren Isotope noch be- als sie aufgrund ihrer Masse eigentlich haben soll-
ständiger sind als die leichten. Das schwerste Iso- ten (Eichler 2013).
top, 281110Ds, besitzt eine für diese Massenzahl Immerhin konnte man vor einiger Zeit mittels
lange Halbwertszeit von 12,7 s (!), aber schon Quanten-Tunnel-Berechnungen die experimen-
279
110Ds nur eine von 0,18 s. Die anderen Isotope tell gefundenen Halbwertszeiten für den α-Zer-
sind noch deutlich kürzerlebig, ihre Halbwertszei- fall aller Isotope des Darmstadtiums bestätigen
ten liegen zwischen 70 ms und 1 μs (!). Auch bei (Chowdhury et al. 2006; Samanta et al. 2007).
Darmstadtium lagen die Voraussagen darüber, Gleichzeitig sagt dieses Modell voraus, dass das
welches Isotop nun welche voraussichtliche Halb- noch unentdeckte Isotop 294110Ds mit der magi-
772 15 Nickelgruppe: Elemente der zehnten Nebengruppe

schen Zahl von 184 Neutronen die sensationell weise Monate, Trennung und Detektion müssen
lange Halbwertszeit eines α-Zerfalls von 311 a ständig arbeiten. Die neutronenreicheren und
haben sollte, das „nicht-magische“ Nuklid 293110Ds damit stabileren Isotope des Elements können
sogar eine von ca. 3500 a (!) (Chowdhury et al. wohl nur indirekt durch α-Zerfall von Kernen
2008). Man darf also gespannt sein, welche Resul- des noch schwereren Coperniciums gebildet wer-
tate die kommenden Jahre bringen werden. den (Oganessian et al. 2004).
Man erwartet, dass Darmstadtium unter Normal- Eine Synthese von 276110Ds bzw. 277110Ds
bedingungen ein Feststoff kubisch-raumzentrierter durch Beschuss von 23290Th mit 4820Ca scheint
Kristallstruktur ist. Es sollte sich um ein Schwerme- möglich, dann aber nur mit geringer Ausbeute
tall der hohen Dichte von ca. 34,8 g/cm3 handeln (Feng et al. 2009). Zudem ist die Halbwertszeit
(s. Tab. 4). Die äußere Elektronenkonfiguration des des 277110Ds mit 5,7 ms viel zu kurz; somit entfällt
Atoms wäre mit 6d87s2 wieder regelmäßig, im auch diese Möglichkeit, die Chemie des Darm-
Gegensatz zu der seines leichteren Homologen stadtiums genauer zu untersuchen.
Platin mit 5d96s1. Dies entspricht einer relativisti-
schen Stabilisierung des 7s2-Elektronenpaars;
somit wäre das klassische Aufbauprinzip bei den
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die Voraussage der chemischen Eigenschaften des platinum-bis-NHC chloride complexes, their structure
Elements wurde noch nicht viel investiert. Was and catalytic activity in the CH activation of methane.
man glaubt vorherzusagen, ist daher im Rahmen Inorg Chim Acta 359(15):4789
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des Erwarteten: Es sollte ein Edelmetall mit den tic boride from solution chemistry, its crystal structure
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Erstaunlicherweise soll der Zustand der Oxida- doi.org/10.1021/acs.inorgchem.5b01929
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10.1039/C7TA06000A
Kupfergruppe: Elemente der ersten
Nebengruppe 16

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815

Zusammenfassung schon ein Halbedelmetall. Bei Kupfer sind die


Dieses Kapitel stellt Vorkommen, Gewinnung, Oxidationsstufen +1 und +2 am stabilsten, bei
Eigenschaften, Anwendungen und Verbindun- Silber +1 und bei Gold +1 und +3.
gen der Elemente der ersten Nebengruppe
(Kupfer, Silber, Gold, Roentgenium), deren
physikalische und chemische Eigenschaften 1 Einleitung
relativ ähnlich sind, ausführlich vor. Kupfer,
Silber und Gold sind alle bereits seit Jahrtau- Die erste Nebengruppe des Periodensystems
senden bekannt. 1994 wurde das erste Atom enthält die Elemente Kupfer, Silber, Gold und
des Roentgeniums erzeugt. Roentgenium, deren physikalische und chemische
Beim Elementenpaar Silber und Gold ist die Eigenschaften relativ ähnlich sind. Auch beim
Lanthanoidenkontraktion nur noch schwach Elementenpaar Silber und Gold findet man noch,
erkennbar. Die jeweiligen physikalischen Ei- wenngleich schon deutlich abgeschwächt, Aus-
genschaften von Kupfer, Silber und Gold sind wirkungen der Lanthanoidenkontraktion vor. Sil-
bis auf die vom Kupfer zum Gold zunehmende ber steht in seinen Eigenschaften dabei aber un-
Dichte relativ ähnlich, dafür nimmt, wie bei gefähr schon zwischen Gold und Kupfer, ein
den Elementen der vierten bis zehnten Ne- Umstand, wie er in „normalen“ homologen Rei-
bengruppe, die Reaktivität vom Kopfelement hen üblich ist. Alle Elemente haben positive
(hier: Kupfer) zum schwersten Gruppenmit- Normalpotenziale für die Reaktion vom Kation
glied (hier: Gold) hin ab. Auch Kupfer ist aber der am häufigsten vorkommenden Oxidationsstufe

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 779
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_16
780 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente

zum Metall., wobei Kupfer und Silber Halb- spielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die
edelmetalle sind. Gold ist dagegen ein Edelmetall, meisten Elemente können sich untereinander ver-
auch wenn es in seiner Beständigkeit gegenüber binden und bilden chemische Verbindungen; so
Korrosion die des Iridiums nicht erreicht. Die Ele- wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische
mente dieser Gruppe geben meist ein, zwei oder Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz.
drei äußere Valenzelektronen ab, um eine stabile Einschließlich der natürlich vorkommenden
Elektronenkonfiguration zu erreichen. Bei Kupfer sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
sind die Oxidationsstufen +1 und +2 am stabilsten, erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
bei Silber +1 und bei Gold +1 und +3. Für das system der Elemente (s. Abb. 1) 118 Elemente auf.
höchste Element dieser Nebengruppe, das Roent- Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier
genium, wurden noch so gut wie keine chemischen Vertreter der Gruppe der Elemente der zweiten
Untersuchungen durchgeführt. Es ist zu erwarten, Nebengruppe enthalten dabei alle wichtigen In-
dass es sich chemisch ähnlich wie Gold verhält. formationen über das jeweilige Element, so dass
Kupfer, Silber und Gold sind alle schon seit auch hier nur eine kurze Einleitung folgt.
Jahrtausenden bekannt. Die erstmalige Darstellung
von Atomen des Roentgeniums gelang 1994. Sie
finden alle Elemente im unten stehenden Perioden- 2 Vorkommen
system in Gruppe 11 (I B).
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. Na- Kupfer kommt mit einer Konzentration von
trium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie 100 ppm in der Erdhülle vor und ist damit für
Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie bei- ein Halbedelmetall sehr häufig, dagegen sind
5 Einzeldarstellungen 781

Silber bzw. Gold mit 0,08 bzw. 0,004 ppm sehr Methoden, auch mit reaktiven Nichtmetallen
selten. Roentgenium ist nur durch künstliche (Halogene, Sauerstoff) erfolgt erst bei hoher Tem-
Kernreaktionen und auch dann nur in Mengen peratur eine Umsetzung.
weniger Atome zugänglich.

5 Einzeldarstellungen
3 Herstellung
Im folgenden Teil sind die Elemente der Kupfer-
Kupfer erhält man durch Rösten seines Sulfids gruppe (1. Nebengruppe) jeweils einzeln mit ihren
und anschließende Reduktion des dabei entste- wichtigen Eigenschaften, Herstellungsverfahren
henden Kupfer-I-oxids mit Kupfer-I-sulfid zu und Anwendungen beschrieben.
Rohkupfer, das dann noch elektrolytisch raffiniert
wird. Silber und Gold müssen erst von anderen,
begleitend auftretenden Edelmetallen getrennt 5.1 Kupfer
werden, wobei sie im darauf folgenden Prozess
unter anderem in Königswasser gelöst werden. Geschichte Eine umfangreiche Verwendung des
Silber erzeugt man auch als Nebenprodukt des Kupfers setzte ab 5000 v. Chr. ein. Die darauf
Röstens von Sulfiden unedlerer Metalle. Oft fallen folgende Zeit bis zum 3. Jahrtausend v. Chr.
Silber und Gold im Anodenschlamm des jeweili- nennt man daher auch Kupferzeit. Im römischen
gen Raffinationsprozesses an. Reich produzierte man um das Jahr 0 herum
schon 15.000 t des Metalls jährlich (!) (Hong et al.
1996). Kupfer war aber in reiner Form zu weich
4 Eigenschaften und überzog sich nach einiger Zeit mit grünem
Kupferhydroxid („Grünspan“), sodass man es
4.1 Physikalische Eigenschaften mit Zinn und Blei zu einer damals als „Bronze“
bezeichneten, härteren und chemisch wider-
Die physikalischen Eigenschaften sind auch in die- standsfähigeren Legierung verarbeitete. (Heute
ser Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regelmä- versteht man unter reiner Bronze eine Legierung
ßig nach steigender Atommasse abgestuft. In aus viel Kupfer und wenig Zinn, die frei von
Analogie zu den Nachbarelementen der zehnten Blei ist.) Auch Messing, bestehend aus Kupfer
Nebengruppe nimmt vom Kupfer zum Gold nur und Zink, kannte man schon im antiken Grie-
die Dichte zu, wogegen Schmelzpunkte, Schmelz- chenland.
und Verdampfungswärmen sowie die Siedepunkte
auf ungefähr konstantem Niveau verbleiben. Die Vorkommen Kupfer kommt vereinzelt gediegen
chemische Reaktivität geht vom Kupfer zum Gold in der Natur vor, ist als Mineral anerkannt und
deutlich zurück. erscheint in der Klassifizierung der Minerale nach
Strunz unter der Nr. „1.AA.05“, in der Systematik
nach Dana unter „01.01.01.03“. Weiterhin gibt es
4.2 Chemische Eigenschaften verschiedene Kupfermineralien wie Bornit, Mala-
chit, Cuprit, Chalkosin und Cornwallit, es kommt
Die Elemente der Kupfergruppe sind nur wenig aber sehr häufig auch als Begleiter vieler Minerale
reaktionsfähig (Kupfer) oder sogar reaktionsträge anderer Elemente vor. Die größten Vorkommen
(Silber und Gold), auch wenn einige andere lagern in Chile, Peru, Sambia, Kanada, den USA
Metalle wie Iridium noch wesentlich widerstands- und der Mongolei, in Europa sind Schweden,
fähiger sind. Silber und Gold sind in den meisten Polen und Portugal wichtig. Chile ist mit Abstand
Säuren unlöslich, Kupfer ist in dieser Hinsicht der größte Produzent des Metalls weltweit, vor
reaktionsfähiger. Namentlich Silber und Gold re- Peru und den USA. Weltweit sind heute noch rund
agieren meist nur unter Anwendung drastischer 600 Kupferminen in Betrieb.
782 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Die Kupfererze kommen in großer Menge und Metalle an der Anode in Lösung, während die
mit hoher Konzentration des Metalls vor, sodass edleren als Anodenschlamm ausfallen. Letzterer
ein Abbau wirtschaftlich möglich ist. Man gewinnt dient so zur Gewinnung von Edelmetallen.
Kupfer beispielsweise aus Chalkosin (Kupfer- Die Anode löst sich also langsam auf, und das
glanz, Cu2S) oder Chalkopyrit (Kupferkies, in der Lösung befindliche Kupfer, und nur dieses,
CuFeS2), gelegentlich auch aus Bornit (Buntkup- scheidet sich an der Kathode als reines Kupfer mit
ferkies, Cu5FeS4), Atacamit [CuCl2  Cu(OH)2] einer Reinheit von bis zu 99,99 % wieder ab.
oder Malachit [Cu2(OH)2CO3]. Schon vor etwa 1000 Jahren begann man in
China, Kupfer durch sogenanntes Zementieren
Gewinnung Kupferkies (CuFeS2) röstet man herzustellen, indem man Eisen in Lösungen von
zunächst unter Zusatz von Koks, wobei Kupfer- Kupfer-II-sulfat gab. Darauf schied sich Kupfer
stein (Kupfer-I-sulfid, Cu2S, mit wechselndem auf dem Eisen ab, nachteilig war dabei die relativ
Gehalt an Eisensulfid) und Eisenoxide entstehen. starke Verunreinigung des Kupfers durch Eisen
Jene verschlackt man mit quarzhaltigen Zuschlä- (Lung 1986).
gen zu Eisensilikat, das auf dem Kupferstein Kupfer ist auch aluminothermisch durch Erhit-
schwimmt und abgegossen wird: zen eines aus Kupfer-II-oxid und Aluminiumgrieß
bestehenden Gemisches herstellbar. Der Zusatz
6 CuFeS2 þ 10 O2 ! 3 Cu2 S þ 2 FeS eines Fließmittels wie Calciumfluorid ermöglicht
þ 2Fe2 O3 þ 7 SO2 das Auflösen oxidischer Schlacke und erhöht die
Fe2 O3 þ C þ SiO2 ! Fe2 SiO4 þ CO Ausbeute an Metall. Da für ein solches Verfahren
aber das relativ teure Aluminium eingesetzt wer-
Den so gebildeten, rohen Kupferstein gießt man den muss, ist dieser Weg nicht von kommerziel-
dann in einen Konverter und bläst Luft in die lem Interesse.
Schmelze ein. Zunächst wird dadurch das noch
verbleibende Eisensulfid zu Eisenoxid geröstet, Eigenschaften
das man durch Zusatz weiterer kieselsäurehaltiger Physikalische Eigenschaften: Kupfer schmilzt bei
Stoffe und Koks erneut als Schlacke bindet und 1083,4  C und ist mit einer Dichte von 8,92 g/cm3
von der Schmelze abgießt. Etwa 70 % des Kup- ein Schwermetall (s. Tab. 1). Es ist relativ weich
fersteins wird hierbei zum Kupfer-I-oxid (Cu2O) und ein sehr guter Leiter sowohl für elektrischen
oxidiert (Schlackenblasen). Nach dem Abgießen Strom als auch für Wärme. Wenn Kupfer als Lei-
der eisenhaltigen Schlacke reagiert der Rest des ter in Stromkabeln eingesetzt werden soll – es hat
Kupfer-I-sulfids (Cu2S) mit dem schon entstande- eine sehr hohe Leitfähigkeit-, so muss es frei von
nen Kupfer-I-oxid, wobei sich Rohkupfer und den diese verringernden Verunreinigungen wie
Schwefel-IV-oxid bilden (Garblasen): Eisen und Phosphor sein. Kaltstreckung erhöht
die Festigkeit gegossenen Kupfers, aber Kaltver-
2 Cu2 S þ 3 O2 ! 2 Cu2 O þ 2 SO2 formungen sind ohne zwischenzeitliches Glühen
Cu2 S þ 2 Cu2 O ! 6 Cu þ SO2 gut durchzuführen. Ab Temperaturen von 700  C
kann man Kupfer gut schmieden und pressen.
Das so erzeugte Rohkupfer besitzt einen Kup- Chemische Eigenschaften: Das hellrote Kupfer
fergehalt von ca. 98 %. Daneben enthält es mehrere läuft an der Luft an und ändert seine Farbe in
Metalle wie Eisen, Zink, aber auch kleinere Men- rotbraun. Der oft über lange Zeit hinweg verlau-
gen an Silber und Gold. Zur weiteren Reinigung fende Korrosionsprozess bewirkt am Ende den
raffiniert man das Kupfer elektrolytisch; der Verlust des Metallglanzes und die Bildung einer
Elektrolyt ist eine schwefelsaure Lösung von Kup- blaugrünen Schicht von basischem Kupfer-II-car-
fer-II-sulfat, die Anode besteht aus dem gerade bonat an der Metalloberfläche.
produzierten Rohkupfer und die Kathode aus rei- Kupfer tritt in den Oxidationsstufen 0 bis +4
nem Kupfer. Im Verlauf der Elektrolyse gehen auf; am häufigsten sind +1 und +2. Die Oxida-
Kupfer und alle im Vergleich zu Kupfer unedleren tionsstufe +2 ist auch in wässriger Lösung die
5 Einzeldarstellungen 783

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Kupfer


Symbol: Cu
Ordnungszahl: 29
CAS-Nr.: 7440-50-8

Aussehen: Lachsrosa, Kupfer, Seile (Metaswiss Kupfer, Pellets 5N


metallisch Recycling 2009) (Onyxmet 2018)
Entdecker, Jahr Steinzeit (8000 v. Chr.)
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
63
29Cu (69,17) Stabil ———
65
29Cu (30,83) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 100
Atommasse (u): 63,546
Elektronegativität 1,9 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Cu2+ + 2 e > Cu (V) 0,34
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (145)
Van der Waals-Radius (pm): 140
Kovalenter Radius (pm): 132
Ionenradius (Cu2+, pm) 73
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d10 4s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 746 ♦ 1958
Magnetische Volumensuszeptibilität: 9,6  106
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 5,81  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 110–128 ♦ 140 ♦ 48
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 343–369 ♦ 235–878
Mohs-Härte 3,0
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 3570
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 8,92
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 7,11  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 400
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 24,44
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1085 ♦ 1358
Schmelzwärme (kJ/mol) 13,3
Siedepunkt ( C ♦ K): 2595 ♦ 2868
Verdampfungswärme (kJ/mol): 305

beständigste, wogegen +3 und +4 nur sehr selten Säuren korrodieren Kupfer unter Umständen
auftreten, wie beispielsweise in Cs2CuF6. Kupfer- stark, nicht aber Laugen.
II-salze sind in der Regel blau oder grün. Kompaktes Kupfer ist nicht brennbar, wohl
Salzsäure greift Kupfer nur in Gegenwart von aber fein verteiltes. An der Luft ist es durch eine
Sauerstoff und Wasserstoffperoxid, dann aber dünne Schicht von Kupfer-II-oxid vor weiterer
stark, an. Heiße, konzentrierte Schwefelsäure löst Oxidation geschützt. Bei Rotglut reagiert es mit
es, ebenso wie auch konzentrierte Salpetersäure Sauerstoff unter Bildung einer dicken Schicht aus
oder Königswasser. Auch stärkere organische Kupferoxiden. Auch Fluor passiviert Kupfer,
784 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

indem auf der Metalloberfläche eine aus Kupfer- Kupfer-I-diamminkomplexes [Cu(NH3)2]+. Wäh-
II-fluorid (CuF2) bestehende Passivschicht bildet. rend trockenes Kupfer-I-oxid an der Luft beständig
Flüssiges Kupfer besitzt ein hohes Lösungsver- ist, reagiert das feuchte Produkt mit Luftsauerstoff
mögen für Gase, auch für Sauerstoff und Wasser- schnell zu blauem Kupfer-II-hydroxid. Mit ver-
stoff. Diese können, wenn sie beim Erstarren der dünnter Salpeter- bzw. Schwefelsäure dispropor-
Schmelze miteinander reagieren, zur Bildung un- tioniert es zu Kupfer-II-nitrat bzw. -sulfat und
erwünschter Risse und Poren im Werkstück füh- Kupfer. Wasserstoff reduziert Kupfer-I-oxid bei
ren (Wasserstoffversprödung). erhöhter Temperatur zu metallischem Kupfer.
Kupfer-I-oxid ist ein Halbleiter mit einer direk-
Verbindungen ten Bandlücke von ca. 2 eV und hat ein hohes
Chalkogenverbindungen Kupfer-I-oxid (Cu2O) ist Lochleitungsvermögen, jedoch wurde es schon
ein gelber bis rotbrauner, kubisch kristallisieren- vor langer Zeit von Silicium, Germanium und
der Feststoff der Dichte 6,0 g/cm3, der bei einer III-V-Verbindungshalbleitern, wie etwa Galliumar-
Temperatur von 1235  C schmilzt und beim Erhit- senid, verdrängt. Weitere Anwendungen sind fäul-
zen schwarz wird (s. Abb. 2). In der Natur kommt nishemmende Anstriche für Schiffskörper, die als
es in Form des Minerals Cuprit vor. Rotpigment für Glas und Emaille, als Fungizid und
Kupfer-I-oxid stellt man entweder durch als Katalysator für organische Synthesen.
Umsetzung von Kupfer-II-oxid mit Kupfer bei Das schwarze, amorph oder kristallin auf-
erhöhter Temperatur oder durch Thermolyse von tretende Kupfer-II-oxid (CuO) (s. Abb. 3a, b)
Kupfer-II-oxid bei Temperaturen von >800  C schmilzt bei einer Temperatur von 1326  C und
her (Brauer 1978, S. 979). Alternativ ist die Dar- hat die Dichte 6,48 g/cm3. In der Natur kommt es
stellung auch durch Umsetzung metallischen in Form des Minerals Tenorit vor. Man kann die
Kupfers mit Kupfer-II-oxid möglich: Verbindung entweder durch Erhitzen und so
bewirkte Pyrolyse von Kupfer-II-nitrat oder -car-
CuO þ Cu ! Cu2 O bonat oder aber durch Erwärmen frisch gefäll-
ten Kupfer-II-hydroxids herstellen (Brauer 1978,
Ferner kann man zur Darstellung von Kupfer- S. 979). Kupfer-II-oxid entsteht auch beim Erhit-
I-oxid Kupfer-II-salze im alkalischen Milieu zen metallischen Kupfers an der Luft. Es ist un-
durch Hydrazin und Aldehyde reduzieren oder löslich in Wasser und Alkoholen, wohl aber in
aber durch Zugabe von Alkalilauge aus den wäss- verdünnten Säuren unter Bildung der jeweiligen
rigen Lösungen von Kupfer-I-salzen ausfällen. Kupfer-II-salze. In Ammoniakwasser löst es sich
Die Verbindung ist nahezu unlöslich in Was- in Form des blauen Kupfertetrammin-Komplexes
ser, dagegen gut in verdünnten Säuren. In Am- ([Cu(NH3)4]2+).
moniakwasser löst sie sich unter Bildung des Kupfer-II-oxid gibt beim Erhitzen auf Tempe-
raturen um 800  C Sauerstoff ab und geht in
Kupfer-I-oxid über. Jenes entsteht auch, wenn
man fein verteiltes Kupfer mit Kupfer-II-oxid

Abb. 3 a Kupfer-II-oxid (Onyxmet 2018). b Kupfer-II-


Abb. 2 Kupfer-I-oxid (Dorgan 2007) oxid Sputtertarget (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 785

erhitzt. Bei höheren Temperaturen lässt sich oxid und Schwefel-IV-oxid. In verdünnten wäss-
Kupfer-II-oxid durch Wasserstoff oder Kohlen- rigen Mineralsäuren ist Kupfer-II-sulfid nicht
monoxid zu Kupfer reduzieren. löslich; dagegen reagiert es beispielsweise mit
Man verwendet Kupfer-II-oxid als Farbpigment der oxidierendend wirkenden, konzentrierten Sal-
für Glas und Keramik. Es dient ferner als Kathode petersäure zu Kupfer-II-sulfat, Stickstoffoxid und
in Batterien, als Katalysator, für fäulnishemmende Wasser:
Anstriche und zur Entschwefelung von Erdöl.
Seine Mischoxide mit anderen Metalloxiden besit- 3 CuS þ 8 HNO3 ! 3 CuSO4 þ 8 NO þ 4 H2 O
zen außergewöhnlich hohe Sprungtemperaturen
um 100 K (-173  C) und bilden die Klasse der Man kann Kupfer-II-sulfid durch Einleiten von
Hochtemperatur- oder keramischen Supraleiter Schwefelwasserstoff in eine wässrige Lösung
(Rietschel 1998). eines Kupfer-II-salzes darstellen, aus der es dann
Kupfer-I-sulfid (Cu2S) ist ein dunkelblauer als schwarzer Niederschlag ausfällt, durch Erhit-
bis blaugrauer Feststoff (s. Abb. 4a, b) mit einem- zen einer aus Kupfer-I-sulfid und Schwefel be-
Schmelzpunkt von 1100  C und der Dichte stehenden Mischung (Brauer 1978, S. 982) oder
5,6 g/cm3, den man bei erhöhter Temperatur durch durch gemeinsames Erhitzen der Elemente in stö-
Zusammenschmelzen der Elemente unter Vakuum chiometrischem Verhältnis (Blachnik und Müller
erhalten kann (Brauer 1978, S. 981). In der Natur 2000). Die Fällung als schwarzes Kupfer-II-sulfid
kommt das Sulfid als Mineral Chalkosin vor. Die dient als Nachweis von Kupfer im Trennungsgang
Verbindung ist unlöslich in Wasser und auch nur der Kationen, wenn das ausgefällte Sulfid an-
sehr schlecht in Salzsäure. Bei Temperaturen bis schließend in Salpetersäure gelöst wird und man
zu 110  C liegt die orthorhombische β-Form vor, die in Lösung befindlichen Cu2+-Ionen dann
oberhalb davon die α-Form mit hexagonaler durch Zusatz von Ammoniakwasser in den schon
Kristallstruktur. Einsatz findet Kupfer-I-sulfid in zitierten, blauen Kupfertetrammin-Komplex über-
Anstrichfarben und zur Herstellung von Nanokris- führt. Ein Einsatzgebiet sind ebenfalls keimhem-
tallschichten. mende Anstriche.
Kupfer-II-sulfid (CuS) ist ebenfalls ein schwar- Kupfer-I-selenid (Cu2Se) erhält man durch
zer, wasserunlöslicher, aber elektrisch leitfähiger Reaktion pulverförmigen Kupfers mit Selen in stö-
Feststoff (s. Abb. 5a, b) der Dichte 4,6 g/cm3, der chiometrischem Verhältnis bei Temperaturen zwi-
bei 507  C unter Zersetzung zu Schwefel und schen 300 und 400  C (Brauer 1978, S. 983). Der
Kupfer-I-sulfid schmilzt, falls unter Luftaus- blauschwarze Feststoff (s. Abb. 6) schmilzt bei
schluss gearbeitet wird. Seine Kristallstruktur ist 1113  C, besitzt die Dichte 6,84 g/cm3 und kristal-
hexagonal; es tritt in der Natur als Mineral Covel- lisiert unterhalb einer Temperatur von 131  C te-
lin auf. tragonal (β-Cu2Se), oberhalb dieser Temperatur
In feuchter Luft oxidiert die Verbindung lang- kubisch (α-Cu2Se). In der Natur kommt es in Form
sam zu Kupfer-II-sulfat; nur an trockener Luft ist der Minerale Bellidoit und Berzelianit vor.
es beständig. Rösten an der Luft ergibt Kupfer-II-

Abb. 4 a Kupfer-I-sulfid (Onyxmet 2018). b Kupfer-I- Abb. 5 a Kupfer-II-sulfid (Onyxmet 2018). b Kupfer-II-
sulfid Sputtertarget (Onyxmet 2018) sulfid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)
786 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Abb. 6 Kupfer-I-selenid Sputtertarget (Onyxmet 2018)

Abb. 8 Kupfer-I-tellurid (Onyxmet 2018)

bis zum Schmelzpunkt mehrere Umwandlungen.


Man kann Kupfer-I-tellurid durch Schmelzen einer
aus stöchiometrischer Mengen von Tellur und
Kupfer bestehenden Mischung unter einer Schutz-
schicht aus Alkalichlorid darstellen (Brauer 1978,
S. 983). Jedoch ist auch der Anodenschlamm der
elektrolytischen Raffination von Kupfer eine Quelle
Abb. 7 Kupfer-II-selenid (Onyxmet 2018) zur Isolierung der für Kontakte von Cadmiumtel-
lurid-Solarzellen wichtigen Verbindung (Nguyen
et al. 2013).
Auch Kupfer-II-selenid (CuSe) findet man in Halogenverbindungen Kupfer-I-fluorid (CuF)
der Natur, unter dem Namen Klockmannit. Man ist nicht beständig und bestenfalls als Zwischen-
erhält den schwarzen Feststoff (s. Abb. 7) durch produkt der Zersetzung von Kupferkomplexen
Einleiten von Selenwasserstoff in eine wässrige (Chowdhuri et al. 2000) oder durch Schmelzen
Lösung eines Kupfer-II-salzes oder aber durch von Kupfer mit Kupfer-II-fluorid darstellbar. Die
Erhitzen/peritektische Zersetzung von Kupferdi- unter diesen Bedingungen entstehende rote, trans-
selenid (CuSe2) (Chakrabarti und Laughlin 1981). parente Substanz (D’Ans und Lax 1997) zerfällt
Die Verbindung schmilzt bei einer Temperatur beim Abkühlen noch in der flüssigen Phase wie-
von 550  C unter Zersetzung und hat eine Dichte der (Köhler et al. 1998).
von >6 g/cm3. Das hellblaue Kupfer-II-fluorid (CuF2) (s. Abb. 9)
Kupfer-II-selenid ist zwar in Wasser unlöslich, ist luftempfindlich und in kaltem Wasser nur
reagiert aber mit Mineralsäuren meist unter Frei- wenig löslich. Heißes Wasser zersetzt es hydro-
setzung von Selenwasserstoff und Bildung des lytisch. Die Verbindung mit Schmelz- bzw. Sie-
entsprechenden Kupfer-II-salzes. Die bis zu einer depunkt von 836  C bzw. 1676  C hat in wasser-
Temperatur von 51  C stabile α-Modifikation kris- freiem Zustand die Dichte 4,23/cm3 und kann
tallisiert hexagonal und damit isotyp zu Kupfer-II- durch Umsetzung von Kupfer-II-chlorid mit
sulfid (Schröcke und Weiner 1981, S. 223). Auch Fluor oder alternativ von Kupfer-II-oxid mit
Kupfer-II-selenid ist ein Halbleiter und dient auch Fluorwasserstoff bei Temperaturen um 400  C
als Katalysator beim Aufschluss nach Kjeldahl. erzeugt werden (Brauer 1975, S. 246).
Kupfer-I-tellurid (Cu2Te) ist ein blauschwarzer, Kupfer-II-fluorid kann weitere Fluoridionen
geruchloser Feststoff (s. Abb. 8) vom Schmelz- anlagern, wobei sich Fluorokomplexe wie
punkt 1127  C und der Dichte 7,27 g/cm3, der (CuF4)2 oder (CuF6)4 bilden. Als Feststoff liegt
praktisch unlöslich in Wasser ist. In der Natur Kupfer-II-fluorid in verzerrter Rutilstruktur vor.
kommt es in Form des Minerals Weissit vor. Die Die geschmolzene Verbindung zersetzt sich lang-
Kristallstruktur der Verbindung ist bei Raumtem- sam unter Abgabe von Fluor zu einer Mischung
peratur hexagonal, jedoch durchläuft die Struktur von Kupfer und Kupfer-I-fluorid. Verwendung
5 Einzeldarstellungen 787

Abb. 10 a Kupfer-I-chlorid (Benjah-bmm27 2007).


b Kupfer-I-chlorid (Onyxmet 2018)
Abb. 9 Kupfer-II-fluorid (Onyxmet 2018)

findet sie zur Fluorierung hitzebeständiger aroma-


tischer Kohlenwasserstoffe, da Temperaturen um
500  C hierfür aufzuwenden sind (Subramanian
und Manzer 2002). Kupfer-II-fluorid wird auch
als Fluorierungsmittel für einige schwere, sonst
wenig reaktive Übergangsmetalle wie etwa Tantal
eingesetzt.
Reines Kupfer-I-chlorid (CuCl) ist, da es wie Abb. 11 a Kupfer-II-chlorid, wasserfrei (Softyx 2002).
auch die anderen Kupfer-I-halogenide diamagneti- b Kupfer-II-chlorid-Dihydrat (Onyxmet 2018)
sche Cu+-Ionen mit einer d10-Elektronenkonfigu-
ration enthält, schneeweiß, ist aber infolge Oxida- nierter in halogenierte Aromaten nach Sandmey-
tion zu basischem Kupfer-II-chlorid [Cu(OH)Cl] er, die Oxidation von Olefinen oder die oxidative
meist grün (s. Abb. 10a, b). In der Natur kommt es Synthese von Acrylnitril einsetzt.
in Form des Minerals Nantokit vor. Wasserfreies, monoklin kristallisierendes Kup-
Die bei Temperaturen von 430  C bzw. 1490  C fer-II-chlorid (CuCl2) ist braun (s. Abb. 11a),
schmelzende bzw. siedende, nur schwer in Was- das Dihydrat orthorhombischer Struktur grün
ser lösliche wasserfreie Verbindung der Dichte (s. Abb. 11b) (Brownstein et al. 1989). Letzteres
4,14 g/cm3 ist auf mehreren Wegen zugänglich. kann man durch Erhitzen auf 100  C wieder in die
Hierzu zählen beispielsweise die Reduktion von wasserfreie Form zurückführen. In der Natur
Kupfer-II-sulfat mit Natriumdisulfit in halbkon- kommt die Verbindung als Mineral Tholbachit vor,
zentrierter Salzsäure, die Reduktion von Kupfer- bei dem zuerst eine oktaedrische Koordinations-
II-chlorid mit Kupfer oder Zink in kochender geometrie des Cu2+-Ions nachgewiesen wurde
Salzsäure (und anschließendem Verdünnen mit (Burns und Hawthorne 1993). Die technische
Wasser) oder auch das Einleiten von Schwefel- Synthese der bei einer Temperatur von 630  C
IV-oxid in eine kochsalzhaltige, wässrige Lösung schmelzenden, wasserfreien Verbindung der Dichte
von Kupfer-II-sulfat. In der Technik setzt man 3,4 g/cm3 verläuft durch Chlorieren von Kupferble-
Kupfer mit Chlor in entsprechendem stöchiometri- chen. Im Labormaßstab liefert das Auflösen von
schen Verhältnis bei Temperaturen zwischen 500 Kupfer-II-oxid in Salzsäure das Dihydrat.
und 900  C um (Richardson 1997) Kupfer-II-chlorid findet Verwendung als Kata-
Bei Raumtemperatur kristallisiert Kupfer-I- lysator bei organischen Synthesen, zum Beispiel
chlorid im Zinkblende-Typ (Brauer 1978, S. 973). bei der Oxychlorierung. Des Weiteren ist es unter
Die Verbindung lagert leicht weitere Moleküle anderem Bestandteil pyrotechnischer Produkte
wie Ammoniak, Acetylen und Olefine unter Kom- (zur Erzielung einer grünen Farbe der Flamme)
plexbildung an (Cotton und Wilkinson 1967, und von im Weinbau verwendeten Fungiziden.
S. 837), weshalb man Kupfer-I-chlorid für viele Das in reiner Form nahezu farblose Kupfer-I-
organische Reaktionen wie die Umwandlung ami- bromid (CuBr) (s. Abb. 12) besitzt eine Dichte
788 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Abb. 12 Kupfer-I-bromid wasserfrei (Wampenseppl-


commonswiki 2013)
Abb. 13 Kupfer-II-bromid wasserfrei (Onyxmet 2018)

von 4,98 g/cm3 und schmilzt bzw. siedet bei Tem-


peraturen von 492  C bzw. 1345  C. Es ist durch
Auflösen fein verteilten Kupfers in Bromwasser-
stoffsäure, durch Reduktion von Kupfer-II-bromid
mit Sulfiten oder auch, wie für Kupfer-I-chlorid
schon beschrieben, durch Einleiten von Schwefel-
IV-oxid in eine wässrige, kaliumbromidhaltige
Lösung von Kupfer-II-sulfat herstellbar (Brauer
1978, S. 974). Bis hinauf zu einer Temperatur
von 391  C liegt es als γ-CuBr mit einer Kristall-
struktur vom Zinkblende-Typ vor. Bei Raumtem-
peratur ist es schwer löslich in Wasser und Abb. 14 Kupfer-I-iodid wasserfrei (Walkerma 2005)
ebenfalls kaum oder nicht in organischen Lö-
sungsmitteln lösbar. Gut löst es sich dagegen in
Ammoniak, Halogenwasserstoffsäuren oder Sal- bromid. Mit diesem milden Bromierungsmittel
petersäure. gelingt es, Ketone in α-Bromketone zu überführen
Da es an der Luft oxidiert, nimmt es allmählich (King und Ostrum 1964).
eine grüne, durch Anwesenheit von Cu2+-Ionen Kupfer-I-iodid (CuI) ist in reinstem Zustand
hervorgerufene Farbe an. Auch Kupfer-I-bromid ebenfalls weiß, färbt sich aber schneller als das
ist wie das Chlorid ein guter Katalysator für die analoge Bromid an der Luft infolge Abspaltung
Sandmeyer-Reaktion. In pyrotechnischen Leucht- von Iod, aber auch Oxidation zu Kupfer-II-verbin-
farben zieht man es wegen der noch höheren dungen erst gelb (s. Abb. 14) und mit fortschrei-
Intensität des emittierten Lichtes Kupfer-I-chlorid tender Exposition immer dunkler. Es schmilzt bzw.
vor (Koch 2015) siedet bei Temperaturen von 605  C bzw. 1290  C
Das in wasserfreiem Zustand grünschwarze und weist eine Dichte von 5,62 g/cm3 auf. Die
Kupfer-II-bromid (CuBr2) (s. Abb. 13) hat die Substanz kristallisiert nicht in einer eindeutigen
Dichte 4,7 g/cm3 und schmilzt bzw. siedet bei Struktur; es liegen vielmehr verschiedene Grund-
498  C bzw. 900  C. Man gewinnt es entweder muster wie (CX)4-Cubane oder -Ketten vor, die in
aus den Elementen, aus Kupfer-II-oxid und Brom- Komplexverbindungen sogar einzeln identifiziert
wasserstoffsäure oder elegant aus Kupfer-II-chlo- werden konnten (Röttgers 2001; Wells 1984,
rid und Bor-III-bromid (Brauer 1978, S. 977). Das S. 410, 444).
Salz ist hygroskopisch und löst sich in großen Industriell stellt man Kupfer-I-iodid durch
Mengen in Wasser (559 g/L bei 20  C) unter Überleiten von Ioddampf auf Kupfer her. Im
Bildung einer blauen Lösung (Carter und Megson Kleinmaßstab entsteht beim Versetzen der wäss-
1928). Kupfer-II-bromid kristallisiert in der rigen Lösung eines Kupfer-II-salzes mit Kalium-
Cadmiumiodid-Struktur und zersetzt sich beim iodidlösung zunächst Kupfer-II-iodid, das sofort
Erhitzen unter Abgabe von Brom zu Kupfer-I- zu Iod und Kupfer-I-iodid zerfällt.
5 Einzeldarstellungen 789

Pnictogenverbindungen Das dunkelgrüne Kup- phors wird der Magen analog mit Kupfer-II-sul-
fer-I-nitrid (Cu3N) stellt man durch Überleiten von fat-Lösung gespült.
Ammoniak über erhitztes Kupfer-II-fluorid her Kupfer-I-phosphid erweist sich, wenn es in
(Brauer 1978, S. 984). Die Verbindung schmilzt Form büschelförmiger, selbsttragender Nanoteil-
bei 450  C im Vakuum unter Zersetzung, besitzt chen auf ein feinporiges Kupfernetz aufgebracht
die Dichte 5,84 g/cm3, kristallisiert kubisch (Xiao wird, als sehr wirksamer Elektrokatalysator zur
et al. 2011) und ist bei Raumtemperatur an der Erzeugung von Wasser- bzw. Sauerstoff. Dieses
Luft beständig. Beim Erhitzen auf etwa 400  C System ist wirksamer als die gelegentlich einge-
erfolgt mit Sauerstoff zügige Oxidation unter Bil- setzten IrO2- oder Pt/C-Katalysatoren und auch
dung von Kupfer-II-oxid und Stickstoff. In ver- noch wesentlich billiger. Bei einer Spannung
dünnten Mineralsäuren sowie konzentrierter Salz- von 120 mV erreicht man Stromdichten von
säure ist Kupfer-I-nitrid unter Bildung von Kupfer, 10 mA/cm bei gleichzeitig niedrigen Überspan-
des jeweiligen Kupfer- und Ammoniumsalzes lös- nungen (Wei et al. 2016).
lich. Stark oxidierende Säuren wie konzentrierte Verwandt hierzu ist die Anwendung von Nano-
Schwefel- und Salpetersäure zersetzen die Sub- röhrchen aus Kupfer-I-phosphid, die auf einer
stanz mit heftiger Reaktion. bestehenden Kupferfolie durch anodische Oxida-
Kupfer-I-phosphid (Cu3P) tritt in Form spröder, tion und darauf folgende Phosphidierung erzeugt
gelbgrauer bis schwarzer Kristalle hexagonaler wurden. Diese Röhrchen waren sehr wirksame
Struktur (s. Abb. 15) auf und reagiert nicht mit Anoden in einem Superkondensator, wenn sie mit
Wasser. Es schmilzt bei 900  C und dient als Sauer- Nanoröhrchen aus Kohlenstoff als Kathode kom-
stofffänger in Kupfer und seinen Legierungen. biniert wurden (Energiedichte 44,6 Wh/kg, Leis-
Man kann die Verbindung durch Umsetzung tungsdichte 17 kW/kg sowie 82 % regenerierbare
eines stark kupferhaltigen Materials mit rotem Leistung nach 5000 Zyklen) (Chen et al. 2017).
Phosphor in einem Ofen oder Tiegel herstellen. Kupfer-I-arsenid (Cu3As) kommt, wenn auch
Ebenso ist es durch Bestrahlung von Kupferhypo- selten, als Mineral Domeykit natürlich vor. Seine
phosphit mit ultravioletter Strahlung zugänglich Kristallstruktur ist kubisch; das Mineral bildet
(Lelental und Light 1978); das bei Anwendung graue voluminöse Aggregate, die im Lauf der Zeit
dieses Verfahrens erzeugte Kupfer-I-phosphid zeigt an der Oberfläche bunt schillern. Die Lagerstätten
dann Fluoreszenz. Gelangt weißer Phosphor auf befinden sich hauptsächlich in Chile, in den USA
die Haut und verursacht dort Brandwunden, so be- (Keweenaw-Halbinsel, Michigan) und im Iran.
handelt man die betroffenen Stellen mit einer 1 % Vereinzelt wurde Domeykit auch in einigen ande-
igen Lösung von Kupfer-II-sulfat, worauf die Stü- ren Ländern aufgefunden.
cke weißen Phosphors an ihrer Oberfläche mit Im System Kupfer-Arsen existieren drei inter-
einem schwärzlichen Film von Kupfer-I-phosphid mediäre Phasen. Die nur unterhalb einer Tempera-
überzogen und so unschädlich gemacht werden. tur von 340  C stabile ε-Phase kristallisiert hexa-
Bei versehentlichem Verschlucken weißen Phos- gonal in der ungefähren Zusammensetzung Cu8As.
Die Verbindung Cu3xAs (0x0,3) besitzt dage-
gen eine trigonale Kristallgeometrie und tritt zwi-
schen 200  C und ihrem Schmelzpunkt nicht in
weiteren polymorphen Formen auf. Die arsen-
reichste Phase ist Cu5yAs2 (0y0,1), deren
Struktur aber noch nicht aufgeklärt ist; sie zersetzt
sich oberhalb von 300  C. Vermutlich ist das Mine-
ral α-Domeykit eine Hochdruckmodifikation, und
das Mineral β-Domeykit isotyp zu Cu3As (Hey-
ding und Despault 2011).
Galvanisch abgeschiedenes, kristallines Kup-
Abb. 15 Kupfer-I-phosphid (Onyxmet 2018) ferantimonid (CuxSb; 1<x<3) testete man in
790 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Form dünner Filme als Anode in Lithiumbatte- findet das Pentakupfersilicid auf der metallisierten
rien. Jackson et al. untersuchten die Veränderun- Rückseite aller Chips und eventuell auf deren
gen der kleinen Kristallite, die während der Auf- Kanten und Ecken. Der negative Effekt anderer-
nahme bzw. Abgabe von Lithiumionen eintreten. seits besteht in einem größeren Volumen des
Die grundlegenden Reaktionsmechanismen blei- Chipmaterials, was wiederum zu strukturellen Be-
ben in oben genannten Bereich des Kupferanteiles schädigungen führen kann (Maier 2015). Kompo-
weitgehend gleich, jedoch ist die reversible Kapa- site aus Silicium, Kupfer und Graphit sind geeig-
zität des Elektrodenmaterials stark abhängig vom nete Materialien für in Lithiumionen-Batterien
Kupferanteil. Ex-situ-Versuche zeigen, dass sich verwendete Anoden (Wang 2006).
interne Spannungen, die während der Lithiierung Das nur in reinster Form weiße, sonst gelbliche
auftreten, in einer deutlichen Veränderung der Kupfer-I-cyanid (CuCN) (s. Abb. 16) ist fast un-
Morphologie der Oberfläche äußern. Insgesamt löslich in Wasser und schmilzt bei einer Tempe-
verbessern dünne Filme von Kupferantimonid ratur von 473  C. Man stellt es durch Versetzen
den Wirkungsgrad dieser Batterien (2016). wässriger Lösungen von Kupfer-II-sulfat und
Sonstige Verbindungen Kupfer-I-acetylid (Cu2C2, Natriumcyanid her, wobei Natriumsulfat, Dicyan
„Kupfer-I-carbid“) erhält man durch Einleiten und Kupfer-I-cyanid gebildet werden. Einsatz fin-
von Ethin in die ammoniakalische Lösung eines det es beim Galvanisieren oder als Nukleophil zur
Kupfer-I-salzes. Liegen in der Lösung auch noch Überführung von Arylhalogeniden in Arylnitrile
Cu2+-Ionen vor, so entsteht als Nebenprodukt (Rosenmund-Von Braun-Reaktion; Supniewski
Kupfer-II-acetylid, das noch instabiler als erstge- und Salzberg 1928).
nanntes ist (Brauer 1975, S. 986). Kupfer-I-acety- Das grauweiße Kupfer-I-sulfat [Cu2SO4] ist
lid-hydrat fällt bei dann als rotbrauner Niederschlag durch Reaktion von Kupfer mit Schwefelsäure
aus der wässrigen Phase aus. Die getrocknete bei Temperaturen um 200  C zugänglich (Brauer
Verbindung ist unlöslich in Wasser, aber löslich 1978, S. 984). Ein zweiter Herstellprozess besteht
in Salzsäure unter Bildung von Ethin und Kupfer- in der Umsetzung von Dimethylsulfat mit Kupfer-
I-chlorid. In wasserfreiem Zustand ist Kupfer-I- I-oxid bei 160  C unter Argon (Berthold und Born
acetylid explosiv und kann schon durch Reibung 1987). Wasser disproportioniert die Verbindung
zur Detonation gebracht werden (Urbanski 1967, zu Kupfer-II-sulfat und Kupfer, wogegen sie an
S. 227; Köhler et al. 2008). Luftsauerstoff oxidiert trockener Luft beständig ist. Die Kristallstruktur
die Substanz zu Kohlenstoff, Wasser und Kupfer- ist orthorhombisch (Berthold et al. 1988).
I-oxid. Kupfer-II-sulfat (CuSO4) findet man der Natur
Man verwendet Kupfer-I-acetylid als Initial- wegen seiner guten Wasserlöslichkeit nur in Wüs-
sprengstoff sowie als Katalysator bei Ethinylie- tengebieten als Mineral Chalkanthit. Es ist die
rungen. wichtigste Verbindung des Kupfers und wird
Pentakupfersilicid (Cu5Si) ist silberfarben, technisch als auch im Labor aus Kupfer-II-oxid
geruchlos, schmilzt bei einer Temperatur von bzw. auch -sulfid und Schwefelsäure hergestellt.
825  C und hat die Dichte 7,8 g/cm3. Man
gewinnt es durch Schmelzen einer stöchiometri-
schen Mischung von Kupfer und Silicium unter
Luftabschluss bei 800  C (Chromik et al. 1999;
Rochow 2013; Janiak et al. 2012). Die Verbin-
dung ist unlöslich in Wasser, kristallisiert kubisch
(Gottstein 2013) und dient unter anderem als Kon-
takt in Lithiumakkumulatoren. Bei der Produktion
gewöhnlicher Chips nutzt man dünne Filme aus
Pentakupfersilicid, um die Kupferkontakte der
Chips zu passivieren und so Diffusion und Elek-
tromigration noch besser zu unterdrücken. Man Abb. 16 Kupfer-I-cyanid (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 791

auch in wässrigen Bindern. Erlaubt blieb es dage-


gen als Insektizid (!) und als Bestandteil von An-
strichfarben für Schiffe.
Das einfache Produktionsverfahren aus der
Anfangszeit behielt man über viele Jahrzehnte
fast unverändert bei, indem man kochende wäss-
rige Lösungen von Kupferacetat und arseniger
Säure (Arsenik, As2O3) vereinigte. Der so entste-
hende Niederschlag bildet nach mehrtägigem
Abb. 17 Kupfer-II-sulfat-Pentahydrat (Onyxmet 2018) Stehen glänzende, grüne Kristalle, die man dann
abtrennte und trocknete. Wahlweise ließ man die
Lösungen vor dem Zusammengießen noch einige
Neben dem wasserfreien Salz existieren Hydrate, Zeit weiter separat kochen, wenn die Farbe eine
von denen das blaue, triklin kristallisierende Pen- höhere Deckkraft haben sollte. Zur Erzielung von
tahydrat (CuSO4  5 H2O) sehr bekannt ist Zwischenfarbtönen mischte man Schweinfurter
(s. Abb. 17). Beim Erhitzen gibt dieses allmählich Grün öfters mit Gips, Schwerspat oder anderen
Kristallwasser ab und geht schließlich in das farb- toxischen Produkten wie Bleisulfat oder Chrom-
lose wasserfreie Kupfer-II-sulfat über; dieser Vor- gelb (!).
gang ist umkehrbar. Die Verbindung ist zwar gut Kupferhydrid (CuH) wird durch Reaktion von
löslich in Wasser, mit Ausnahme von Glycerin in Kupferiodid mit Lithiumaluminiumhydrid in Py-
organischen Lösungsmitteln aber kaum. ridin hergestellt (Brauer 1978, S. 971), ebenso
Kupfer-II-sulfat besitzt viele Anwendungen, so erfolgt eine glatte Umsetzung zum Produkt zwi-
beispielsweise beim galvanischen Verkupfern, zur schen Kupfer-I-bromid und Diisobutylalumi-
Farberzeugung in pyrotechnischen Artikeln, zur niumhydrid in Pyridin. Starke Reduktionsmittel
Herstellung kupferhaltiger Farben und bei der überführen selbst Kupfer-II-sulfat in Kupferhy-
künstlerischen Ätzung von Kupfer. Es ist Bestand- drid (Holleman et al. 1995, S. 288). Das hellrot-
teil fungizider Pflanzenschutzmittel, die unter braune, im Wurtzit-Typ kristallisierende Pulver ist
anderem auch im Weinbau verwendet werden. an der Luft selbstentzündlich und nur bis zu einer
Das wasserfreie, weiße Kupfersulfat dient als Temperatur von 60  C (unter Wasser- und Luft-
Trocknungsmittel, zum Beispiel zur Herstellung ausschluss) stabil, darüber hinaus erfolgt unter
wasserfreien Ethanols; die Wasseraufnahme Umständen exlosionsartige Zersetzung. In abso-
bewirkt eine Blaufärbung der Verbindung (Bil- lutem Pyridin ist es mit dunkelroter Farbe löslich.
dung des Pentahydrates). In der Veterinärmedi- Man verwendet es zur stereoselektiven Synthese
zin wird es noch gelegentlich als Bakterizid exocyclischer tetrasubstituierter Enolether und
eingesetzt. Olefine (Blachnik et al. 1998, S. 428).
Schweinfurter Grün [Kupfer-II-arsenitacetat,
Cu(CH3COO)2  3 Cu(AsO2)2] wurde im 19. Anwendungen Kupfer findet wegen seiner rela-
Jahrhundert trotz seiner zu dieser Zeit schon tiven Beständigkeit gegenüber Korrosion sehr
bekannten Giftigkeit oft als grüne Malerfarbe breite Anwendung, unter anderem in Elektroin-
hoher Deckkraft und Lichtechtheit verwendet. stallationen, in Münzen, Essbesteck und Kunstge-
Ab etwa 1850 setzte man es auch als Pflanzen- genständen. Kupfer besitzt die zweithöchste spe-
schutzmittel ein. Erstmals hergestellt wurde es zifische Leitfähigkeit für elektrischen Strom und
1805 von Mitis im niederösterreichischen Kirch- ist so oft das Material der Wahl für Kabel, Leiter-
berg/Wechsel, schon wenige Jahre später begann bahnen auf Leiterplatten, in integrierten Schalt-
die industrielle Produktion im Raum Schweinfurt. kreisen, in Transformatoren, Drosseln usw. Zu-
Wegen vermehrt auftretender Fälle von Vergiftun- dem ist hochreines Kupfer resistent gegenüber
gen verbot Deutschland schon 1882 die Verwen- Ermüdungsbruch und findet oft als Legierungsbe-
dung von Schweinfurter Grün als Farbe, 1887 standteil in hoch beanspruchten Leitungen und
792 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Kabeln Verwendung, wie beispielsweise in elek- der wässrigen Lösung eines Kupfersalzes auf
trischen Oberleitungen, die aus einer Legierung einer Platinnetzkathode niederschlägt. Weitere
von Kupfer und Magnesium bestehen. Methoden sind die Iodometrie, die komplexome-
Andere Legierungen des Kupfers sind Mes- trische Bestimmung mit Titriplex gegen Murexid,
sing (mit Zink), Bronze (mit Zinn) und Neusilber die Polarografie, AAS, ICP-MS oder Invers-
(mit Zink und Nickel). Unterschieden werden voltammetrie (Neeb 1969).
dabei Knetlegierungen (Messing und Neusilber),
die nur durch Warm- oder Kaltumformung er- Physiologie, Toxizität Schon in geringen Men-
zeugt werden, und Gusswerkstoffe (Rotguss, gen wirkt Kupfer auf zahlreiche Mikroorganis-
Bronzen), die aus der flüssigen Phase heraus men toxisch. Im Rahmen einiger Bauprojekte
vergossen und nach dem Erstarren kaum noch kommen daher mit Kupfer beschichtete Türklin-
plastisch verformbar sind. ken zum Einsatz, beispielsweise in Krankenhäu-
Kupfer dient als Spiegel für Kohlendioxidla- sern zwecks besserer Desinfektion (Bonnet 2009).
ser, da es Infrarotlicht stark reflektiert. Kupfer hat Legierungen des Elementes mit einem Anteil von
nicht nur eine ausgezeichnete elektrische, sondern mindestens 60 % Kupfer deaktivieren auch Noro-
auch eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit. Daher viren (Warnes und Keevil 2013). Sehr geringe
fungiert es oft als Wärmeleiter. Kupferplatten ätzt Mengen an Kupfer verhindern unter anderem
man je nach gewünschtem Muster an und verwen- die Verkeimung von Blumenwasser. Für höhere
det sie anschließend als Druckschablonen für Lebewesen ist das Element oft nur schwach giftig,
Kupferstiche und Radierungen. Mit Kupferblech lediglich im – seltenen – Fall der Krankheit Mor-
deckte man, zum Teil schon vor Jahrhunderten, bus Wilson erleiden Organe, die über einen langen
Dächer; die darauf gebildete Patina passiviert das Zeitraum hinweg Kupferverbindungen speicher-
darunterliegende Metall vor weiterer Korrosion. ten, aber nicht mehr abgaben, Schädigungen (Ala
Weitere Anwendungen sind die Herstellung von et al. 2007). Kupferverbindungen bewährten sich
Münzen, Farbpigmenten, Tonern, Oberflächenbe- auch als Mittel zur Bekämpfung von Schnecken.
schichtungen und medizinischen Produkten. Für die meisten höheren Lebewesen ist Kupfer
essenziell, da es in zahlreichen Enzymen enthal-
Analytik Enthält eine Probe Kupfer, so färbt sie ten ist. Der Mensch sollte täglich 1–1,5 μg Kupfer
die Boraxperle in der oxidierenden Zone der aufnehmen; besonders Schokolade, Leber, Getrei-
Flamme blau bis blaugrün, wogegen in der redu- de, Gemüse und Nüsse enthalten Kupfer. Kupfer
zierenden Flammenzone meist keine Färbung ist auch Bestandteil des Hämocyanin, des blauen,
beobachtet wird. Im Trennungsgang der Kationen Sauerstoff tragenden Blutfarbstoffes der Insekten.
ist Kupfer eines der Elemente, die in der Schwefel- Mangelerscheinungen beim Menschen können
wasserstoff-Gruppe als Sulfid gefällt werden. Die- durch Unterernährung, verringerte Absorption
ses Kupfer-II-sulfid trennt man zusammen mit den (bei Morbus Crohn oder Mukoviszidose) oder
anderen Sulfiden ab, löst sie in Säure und behan- gleichzeitige vermehrte Aufnahme anderer Schwer-
delt einen Teil der Probe mit Ammoniakwasser. metalle bewirkt werden (Mercer 1998; Lutsenko
Bei Anwesenheit von Kupfer bildet sich der tief- et al. 2007). Wahrscheinlich ist, dass ein gestörter
blaue Kupfertetramminkomplex ([Cu(NH3)4]2+). Stoffwechsel des Kupfers im Gehirn das Entste-
Die Cu2+ -Ionen können auch durch Zugabe einer hen der Alzheimerkrankheit begünstigt (Bayer
Kaliumhexacyanoferrat-II-Lösung als rotbraunes 2003). Eine Verabreichung größerer Mengen an
Kupfer-II-hexacyanoferrat-I (Cu2Fe(CN)6]) ge- Kupferverbindungen ergab aber keine Verringerung
fällt werden. Darüber hinaus färben Kupferver- des Krankheitsbildes bei schon an Alzheimer Er-
bindungen die Flamme des Bunsenbrenners grün krankten (Kessler et al. 2008). Andererseits wurde
bis blau. später sogar berichtet, das in das Gehirn einge-
Quantitativ bestimmt man Kupfer elektrogra- führte Kupfer bindende Stoffe die Symptome der
vimetrisch durch die gewichtsmäßig ermittelte Alzheimerkrankheit abmildern (Bush et al. 2010).
Menge des Kupfers, die sich bei der Elektrolyse Jüngste Ergebnisse zeigten, dass Kupfer sich bei
5 Einzeldarstellungen 793

stets hoher Zufuhr in den Hirnkapillaren ablagert


und den Abtransport von Beta-Amyloid stört, Operations LLC, US 2019036429 A1,
wodurch die Entstehung von Morbus Alzheimer veröffentlicht 31. Januar 2019)
gefördert wird (Singh et al. 2013). D. Oda und T. Yamada, Copper alloy bon-
In der Medizin setzt man Kupfer-II-sulfat als ding wire for semiconductor devices
starkes Brechmittel ein, wie beispielsweise bei der (Nippon Micrometal Corp.; Nippon
Vergiftung mit weißem Phosphor, der dabei gleich- Steel Chemical & Material Co., Ltd.,
zeitig in Form schwer löslichen Kupferphosphids SG 1120181144P A, veröffentlicht 30.
gebunden wird. Januar 2019)
D. L. Brown und F. C. Grensing, Electronic
connectors with magnetic copper alloys
Patente (Materion Corp., US 2019027861 A1,
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world veröffentlicht 24. Januar 2019)
wide.espacenet.com) Y. Endo und H. Yamamoto, Copper powder,
method for manufacturing copper pow-
B. T. Lambert und J. Duay, Rechargeable der and method for manufacturing solid
Copper oxide electrodes for electroche- shaped object (JX Nippon Mining &
mical applications (National Technical Metals Corp., CA 3014690 A1, veröf-
& Engineering Solutions of Sandia fentlicht 21. Oktober 2018)
LLC, WO 2019027481 A1, veröffent-
licht 7. Februar 2019)
B. Deore und C. Paquet, Copper ink (Natio-
nal Resources Council of Canada, WO 5.2 Silber
2019025970 A1, veröffentlicht 7. Fe-
bruar 2019) Geschichte Silber ist seit Jahrtausenden bekannt
Y. Tsukahara und T. Shigematsu, Positive und wurde schon von den Assyrern, den Goten,
electrode for electrolytic copper plating den Griechen, den Römern, den Ägyptern und den
and electrolytic copper plating appara- Germanen verarbeitet. In der Antike entstamm-
tus using same (Meltex Inc., WO te der größte Teil des Silbers der griechischen
2019026578 A1, veröffentlicht 7. Fe- Laurion-Mine. Im Mittelalter beutete man Lager-
bruar 2019) stätten vor allem im Thüringer Wald, im Harz, im
A. Jaakinen, Method for producing cathode Erzgebirge, in Sachsen, in Böhmen, im Schwarz-
copper (Outotec Finland Oy, RS 57941 wald und in Norwegen aus. Der mit Abstand
B1, veröffentlicht 31. Januar 2019) wichtigste Silberproduzent der frühen Neuzeit
G. Chen und A. Harutyunyan, Method for war aber Schwaz, das um 1500 etwa vier Fünftel
synthesis of copper / copper oxide na- der gesamten zur damaligen Zeit in Mitteleuropa
nocrystals (Honda Motor Co., Ltd.; Uni- erzeugten Produktionsmenge stellte und die nach
versity of Temple, US 2019030523 A1, Wien mit 20000 Einwohnern zweitgrößte Stadt
veröffentlicht 31. Januar 2019) des Habsburgerreiches war.
K. Kubota und Y. Turatani, Tin plated cop- Aus Bolivien (Potosí) importierte Spanien viel
per terminal material, terminal, and wire Silber nach Europa. War im Hochmittelalter Sil-
end structure (Mitsubishi Materials Corp., ber teilweise noch teurer als Gold, so drückte das
WO 2019022527 A1, veröffentlicht 31. Überangebot die Preise. Gleichzeitig verdrängten
Januar 2019) Edelmetalle Silber aus vielen Anwendungen, weil
H. Wang und C. Zhou, Electrically conduc- sie noch weniger anfällig gegenüber Korrosion
tive copper components and joining pro- waren als dieses. Heute liegt der Preis des Goldes
cesses therefor (GM Global Technical ungefähr 50mal höher als der des Silbers. Der
Niedergang des Silbers wurde beschleunigt durch
794 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

die Entwicklung diverser Gegenstände aus rost- Jahr 2010 fast ein Drittel zur weltweiten Produk-
freiem Stahl (unter anderem Haushaltsgeräte, tion bei, wurde aber 2011 von Mexiko als führ-
Bestecke, Leuchter). Im gesamten 20. Jahrhundert ender „Silbernation“ abgelöst; auch China zog
entwickelte sich die Fotografie, verbunden mit inzwischen an Peru vorbei. Im Jahr 2014 förderten
einer enormen Nachfrage nach Silbersalzen; Mexiko 4700 t, China 4400 t, Peru 3700 t und
durch die fortschreitende Digitalisierung der Ab- Australien 1900 t Silber. Das polnische, auch inter-
bildungstechnik ist der Einsatz von Silberverbin- national aktive Unternehmen KGHM ist mit einer
dungen in fotografischen Anwendungen aber wie- aktuellen Fördermenge von 1200 t/a der größte
der stark rückläufig. Produzent der Europäischen Union. Meist gewinnt
Für Silber entstehen seit kurzem aber wieder man Silber aus Silbererzen, die mit Blei-, Kupfer-
neue Einsatzmöglichkeiten, die die Nachfrage för- und Zinksulfiden/-oxiden vergesellschaftet sind.
dern. Nicht nur die antimikrobielle Wirkung von Die weltweite Reserve schätzt man gegenwärtig
Silberverbindungen, die gegenüber denen des auf 530.000 t (Katrivanos 2015); diese sollte daher
Kupfers bevorzugt werden, sondern vor allem in rund 25 a erschöpft sein, wenn nicht rechtzeitig
der Einsatz in Funkantennen von Chips und in Verfahren zur Wiedergewinnung aus Abfällen ent-
Kontakten an der Oberseite von Solarzellen wickelt und etabliert werden.
gewinnt stark an Bedeutung. Etwa ein Fünftel des Silbers erzeugt man durch
Auslaugung der Erze des Metalls mit 0,1 %iger
Vorkommen und Gewinnung Silber ist ein sel- Natriumcyanid-Lösung. Man zerkleinert das Erz,
tenes Metall, da sein Anteil an der Erdkruste nur gibt die Cyanidlösung hinzu und belüftet den
0,079 ppm beträgt. Es kommt aber immer noch Ansatz intensiv. Bei dem Prozess gehen sowohl
rund 20mal häufiger als Gold vor. In der Natur elementares Silber als auch seine Erze (Ag2S,
fand man es bisher an über 4000 verschiedenen AgCl) als Dicyanoargentat-I ([Ag(CN)2]) in
Orten in gediegener Form, meist Körner, seltener Lösung. Das bei dieser Reaktion mitentstehende
aber Nuggets, dünne Plättchen oder Dendrite. Natriumsulfid oxidiert man entweder zu löslichem
Daneben sind die sulfidischen Minerale am wich- Natriumsulfat oder entfernt es durch Fällung mit
tigsten, wie der Akanthit (Silberglanz, Ag2S), Bleisalz (als Blei-II-sulfat). Aus der Lösung fällt
Stromeyerit (Kupfersilberglanz, CuAgS) und der man dann Rohsilber durch Zugabe metallischen
Miargyrit (Silberantimonglanz, AgSbS2). Bis zum Zinks aus und reinigt es anschließend weiter.
Jahr 2010 waren 167 Silberminerale bekannt. Sil- Will man dagegen Silber aus Bleierzen erzeu-
ber als Halbedelmetall ist relativ leicht aus seinen gen, röstet man diese und arbeitet sie zu rohem
sulfidischen Erzen zu isolieren, oft reicht schon Blei auf. Jenes enthält noch bis zu 1 % Silber. Das
bloßes Erhitzen wie beim Akanthit, worauf sich schon 1842 entwickelte Verfahren des Parkesie-
auf dem Erz dünne Silberdrähte (Silberlocken) rens nutzt die unterschiedliche Löslichkeit von
bilden können (Jahn 2008). Silber und Blei in flüssigem Zink. Hierzu gibt
Silber tritt außerdem in Konzentrationen von man bei Temperaturen oberhalb von 400  C Zink
maximal 1 % als Begleiter sulfidischer Erze ande- zum geschmolzenen Blei und lässt die Schmelze
rer Metalle auf, aus denen es auch industriell dann abkühlen. Silber ist in geschmolzenem Zink
gewonnen wird. Hierzu zählen zum Beispiel Blei- wesentlich leichter löslich als Blei. Nach dem
glanz (PbS) und Kupferkies (CuFeS2). Es kommt Erstarren dieses aus Zink und Silber bestehenden
auch in Form von Quecksilberamalgam natürlich „Zinkschaums“ (oder auch „Armblei“ genannt)
(!) vor, so als Kongsbergit (95 % Silber) sowie findet man darin den größten Teil des ursprünglich
Arquerit (85–95 % Silber). Auch mit Gold legiert im Blei enthaltenen Silbers. Der Zinkschaum wird
fand man es an bislang 60 Orten vor (Küstelit, abgetrennt und dann wieder über den Schmelz-
10 bis 30 % Gold). punkt des Bleis von 327  C hinaus erhitzt, sodass
Die bedeutendsten Lagerstätten des Silbers lie- der größte Teil des noch darin verbliebenen Bleis
gen in Nord- und Südamerika (Mexiko, USA, schmilzt und entfernt werden kann. Die immer
Kanada, Peru, Bolivien). Alleine Peru steuerte im noch alle drei Metalle enthaltende Schmelze
5 Einzeldarstellungen 795

erhitzt man bis zum Siedepunkt des Zinks (908  C) Wärme und elektrischen Strom überlegen. Ein
und destilliert das Zink ab. Zurück bleibt das so weiterer Vorteil ist seine außerordentlich große
genannte „Reichblei“ mit einem Silbergehalt von Dehnbarkeit und Weichheit, die das Aushämmern
8–12 %. zu extrem dünnen Folien einer Dicke weniger μm
Das flüssige Reichblei überführt man in einen oder das Ausziehen zu bis zu 2 km langen Drähten
Treibofen und leitet einen Luftstrom durch die eines Gewichtes von <1 g (!) gestattet.
Schmelze, der für eine vollständige Oxidation Reines geschmolzenes Silber löst aus der Luft
des Bleis zu Bleioxid sorgt. Jenes führt man lau- leicht ein mehrfaches Volumen an Sauerstoff,
fend aus der Schmelze ab, die somit immer weiter ohne mit diesem zu reagieren. Beim Erstarren
an Blei verarmt. Das weitaus edlere Silber bleibt der Schmelze entweicht dieser wieder, indem die
dagegen unverändert. Bildet sich schließlich auf bereits erstarrte Schmelze plötzlich aufreißt bzw.
der Oberfläche der Metallschmelze keine matt platzt. Silber mit geringen Anteilen zulegierter
erscheinende Schicht aus Bleioxid mehr, so wird Metalle zeigt dieses Phänomen nicht.
schließlich das glänzende Silber sichtbar. Dieses Chemische Eigenschaften: Silber ist ein ziemlich
„Blicksilber“ genannte Produkt enthält schon reaktionsträges Halbedelmetall, das auch bei erhöh-
mehr als 95 % Silber und wird der elektrolyti- ter Temperatur nicht mit Luftsauerstoff reagiert. Ent-
schen Raffination unterzogen. hält die Luft der Umgebung allerdings auch nur
Die Gewinnung des Silbers aus Kupfererzen Spuren an Schwefelwasserstoff, so läuft das Metall
erfolgt aus dem Anodenschlamm, den man bei der nach einiger Zeit dunkel an, da sich auf seiner Ober-
elektrolytischen Raffination des Kupfers erhält. fläche ein dünner Überzug an Silbersulfid (Ag2S)
Im Moebius-Verfahren reinigt man Rohsilber bildet. Silber wird nur von heißer konzentrierter
elektrolytisch. Dazu schaltet man das Rohsilber Salpetersäure bzw. konzentrierter Schwefelsäure
als Anode in einer mit Silbernitratlösung als Elek- gelöst. Wässrige, cyanidhaltige Medien lösen Silber
trolyten gefüllten Zelle. Die Kathode ist ein Fein- unter Bildung des Dicyanoargentat-I-Komplexes
silberblech. Während der Elektrolyse gehen Silber ([Ag(CN)2]). Gegenüber geschmolzenen Alkali-
und alle unedleren Bestandteile des Rohsilbers in hydroxiden ist es beständig.
Lösung. Edlere Metalle wie Gold und Platin fallen
unter die Anode und werden als Anodenschlamm Verbindungen
abgetrennt, der eine wichtige Quelle für Gold und Chalkogenverbindungen Silber-I-oxid (Ag2O)
andere Edelmetalle ist. An der Kathode wird aus- schmilzt schon bei einer Temperatur von 230  C
schließlich sehr reines Silber abgeschieden (Elek- unter Zersetzung in die Elemente und ist ein
trolyt- oder Feinsilber). braunschwarzer Feststoff (s. Abb. 18) der Dichte
7,2 g/cm3. In feuchtem Zustand ist es kaum licht-
Eigenschaften empfindlich und zersetzt sich beim Trocknen
Physikalische Eigenschaften: Silber ist ein weiß- etwas. Es kristallisiert im Kupfer-I-oxid-Typ und
grau glänzendes, unter Normaldruck bei 961  C löst sich in Wasser etwas mit alkalischer Reaktion
bzw. 2212  C schmelzendes bzw. siedendes Halb- unter Bildung von Silber-I-hydroxid. Die Darstel-
edelmetall (s. Tab. 2), das kubisch-flächenzen- lung geht von einer wässrigen Lösung von Silber-
triert kristallisiert. Schon bei Temperaturen ober- I-nitrat aus, zu der man Natronlauge gibt. In dem
halb von 700  C, also noch in festem Zustand, ist stark alkalischen Milieu fällt Silber-I-oxid als
Silber merklich flüchtig. Mit einer Dichte von brauner Niederschlag aus (Brauer 1978, S. 998):
10,49 g/cm3 (bei 20  C) ist es ein Schwermetall.
Silber besitzt von allen Metallen die stärkste 2 AgNO3 þ 2 NaOH ! 2 NaNO3 þ Ag2 O #
Lichtreflexion und wird daher schon seit etwa þ H2 O
150 Jahren in Spiegeln eingesetzt (Hartmann
1858). Je feiner verteilt Silber aber ist, desto dunk- Man setzt es beispielsweise als Katalysator bei
ler erscheint es. Silber ist zudem allen anderen der Kupplung von ω-Ketoalkanolen an Benzyl-
Metallen hinsichtlich seiner Leitfähigkeit für bromid oder ähnliche Moleküle unter Verdrän-
796 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Silber


Symbol: Ag
Ordnungszahl: 47
CAS-Nr.: 7440-22-4

Aussehen: Silberweißglänzend Silberbarren 5 kg Silberbarren und –münzen (ETF


(Kübelbeck 2010) Extra Magazin 2016)
Entdecker, Jahr Assyrien (5000 v. Chr.)
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
107
47Ag (51,84) Stabil ———
109
47Ag (48,16) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,079
Atommasse (u): 107,868
Elektronegativität 1,93 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Ag+ + e ! Ag (V) 0,799
Atomradius (berechnet) (pm): 160 (165)
Van der Waals-Radius (pm): 172
Kovalenter Radius (pm): 145
Ionenradius (Ag+, pm) 81
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d10 5s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 731 ♦ 2070 ♦ 3361
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,4  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 6,135  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 83 ♦ 100 ♦ 30
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 251 ♦ 206–250
Mohs-Härte 2,5–3
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 2600
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 10,49
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 10,27  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 430
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,35
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 962 ♦ 1235
Schmelzwärme (kJ/mol) 11,3
Siedepunkt ( C ♦ K): 2210 ♦ 2483
Verdampfungswärme (kJ/mol): 254

gung des Halogens ein (Williamson-Synthese Silber-I-sulfid (Ag2S) ist ein schwarzer, in Was-
(Tanabe und Peters 1981). Die zur Ableitung der ser und Ammoniakwasser praktisch unlöslicher
Wärme in Computern verwendeten Wärmeleit- Feststoff des Schmelzpunkts 825  C und der
pasten enthalten Silber-I-oxid wegen seiner hohen Dichte 7,23 g/cm3. Man kann es durch Zusam-
Wärmeleitfähigkeit. Ebenso ist es Bestandteil der menschmelzen von Schwefel mit Silber oder
zum Beispiel in Armbanduhren eingesetzten Sil- durch Einleiten von Schwefelwasserstoff in saure,
beroxid-Zink-Batterie. wässrige Lösungen von Silber-I-salzen herstellen.
5 Einzeldarstellungen 797

Abb. 18 Silber-I-oxid (Onyxmet 2018)


Abb. 19 Silber-I-fluorid (Onyxmet 2018)

Andererseits führt das Glühen der Verbindung bei


Temperaturen um 1000  C wieder zur Zersetzung und hat eine Dichte von 8,35 g/cm3. Bei Raum-
in die Elemente (Brauer 1978, S. 1000). temperatur am stabilsten ist das β-Silber-I-tellurid
Silberbesteck läuft wegen Bildung von Silber- mit monokliner Kristallstruktur (Van der Lee und
I-sulfid an seiner Oberfläche dunkel an und muss De Boer 1993). Die oberhalb von 144  C entste-
deshalb gelegentlich gereinigt werden. Am besten hende α-Modifikation kristallisiert kubisch. Au-
behandelt man mit Silberpflegemitteln oder einer ßerdem gibt es drei Hochdruckmodifikationen
heißen Kochsalzlösung, in die ein Stück Alufolie (Zhao et al. 2013). Die Verbindung ist ein p- bzw.
gelegt wurde. n-dotierbarer Halbleiter.
Silber-I-sulfid ist nur in einer wässrigen Halogenverbindungen Das rotgelbe Silber-I-
Lösung von Kaliumcyanid löslich und ist ein fluorid (AgF) (s. Abb. 19) schmilzt bzw. siedet
elektrischer Isolator, was beim Einsatz des an bei Temperaturen von 435  C bzw. 1150  C und
sich hervorragend den Strom leitenden Silbers besitzt die Dichte 5,85 g/cm3. Es ist im Unter-
in der Elektronik problematisch ist, da aus Silber schied zu den anderen Silber-I-halogeniden
gefertigte Kontakte in ihrer Wirksamkeit deshalb hygroskopisch und auch gut löslich in Wasser,
stark nachlassen können, vor allem wenn in obwohl es wie diese kubisch kristallisiert. Man
der Umgebungsluft Schwefelverbindungen ent- kann es aus den Elementen Silber und Fluor oder
halten sind. durch Reaktion von Silber-I-oxid bzw. -carbonat
Silber-I-selenid (Ag2Se) kommt natürlich als mit Flusssäure herstellen (Holleman et al. 2007,
Mineral Naumannit vor. Die Verbindung ist eben- S. 1344):
falls Bestandteil des bei der Kupferraffination
anfallenden Anodenschlamms. Man kann die Ag2 O þ 2 HF ! 2 AgF þ H2 O
Substanz durch Erhitzen einer Mischung von Ag2 CO3 þ 2 HF ! 2 AgF þ H2 O þ CO2 "
Selen und Silber auf 400  C darstellen (Brauer
1975, S. 1000), ebenso durch Zugabe von Kupfer- Man setzt Silber-I-fluorid in der analogen
I-selenid zu wässrigen Lösungen von Silbersal- Fotografie als Teil der zur Beschichtung verwen-
zen. Der schwarze kristalline Feststoff schmilzt deten Masse ein (Greenwood und Earnshaw 1990,
bei 880  C und hat die Dichte 8,22 g/cm3 (Riedel S. 1516). Die Verbindung ist ein mildes Fluorie-
und Janiak 2011, S. 437). Seine Kristallstruktur ist rungsmittel zur Herstellung anderer Elementhalo-
bei Temperaturen um 75  C tetragonal bzw. or- genide sowie zur Addition von Fluoratomen an
thorhombisch (Aliyev et al. 2007; Schulz et al. C=C-Doppelbindungen, wie dies beispielsweise
1998) und bei 240  C kubisch. bei der Darstellung perfluoralkylierter Silberver-
Die Darstellung von Silber-I-tellurid (Ag2Te) bindungen erfolgt (Miller und Burnard 1968).
erfolgt durch Überleiten von Tellurdampf über Silber-I-fluorid ist in einigen Fluoridierungsprä-
Silber in Stickstoffatmosphäre bei Temperaturen paraten für Zahnschmelz enthalten. Mit Silicium,
um 470  C (Brauer 1978, S. 1001). Die schwarz- Bor, Alkalimetallen und Hydriden erfolgt oft hef-
graue, kristalline Verbindung schmilzt bei 955  C tige Reaktion.
798 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Silber-II-fluorid (AgF2) stellt man aus den Ele- Wegen seiner Schwerlöslichkeit in Wasser dient
menten her; alternative Verfahren sind die Umset- es als gravimetrischer Standard zur quantitativen
zungen von Silber-I-fluorid bzw. -chlorid mit Bestimmung des Silbers aus wässriger Lösung.
Fluor bei Temperaturen um 200  C. Das starke Wegen seiner Empfindlichkeit gegenüber Licht
Fluorierungsmittel ist ein weißes Pulver, das setzte man es früher oft in fotografischen Filmen,
bei 690  C schmilzt und empfindlich gegenüber Platten und Papieren ein. Die nicht polarisierba-
Licht ist, weshalb es in Behältern aus Teflon, ren, also korrekte Resultate ergebenden Silber-
passiviertem Metall oder Quarzglas aufbewahrt Silberchlorid-Referenzelektroden ersetzten die
werden muss. Bei Raumtemperatur liegt es als früher gebräuchlichen Kalomelelektroden weit-
„echte“ Silber-II-verbindung vor, bei höheren gehend.
Temperaturen sind im Produkt Anteile von Sil- Silber-I-bromid (AgBr) hat die Dichte 6,47 g/cm3,
ber-I-tetrafluoroargentat-III enthalten (Wolan und schmilzt bzw. siedet bei 430  C (Bildung einer
Hoflund 1998; Müller-Rösing et al. 2005). Unter- orangeroten Flüssigkeit) bzw. 1533  C, ist schwer
halb ihrer Curie-Temperatur von 110  C wird löslich in Wasser und fällt beim Versetzen der
die Verbindung ferromagnetisch (!). wässrigen Lösung eines Silbersalzes mit Bromid
Man setzt Silber-II-fluorid in Mengen von als gelblich-weißlicher Niederschlag aus (Keim
höchstens 100 kg/a unter anderem zur Fluorierung 2013). Die Synthese kann auch aus den Elementen,
und Herstellung organischer Perfluorverbindungen allerdings unter Anwendung drastischer Bedingun-
ein (Osborne et al. 1962), des Weiteren zur – aller- gen, erfolgen (unter Überdruck bei 500  C) (Ber-
dings nicht sehr selektiven- Fluorierung aromati- riman und Herz 1957).
scher Kohlenwasserstoffe (Zweig et al. 1980), zur Silber-I-bromid ist in konzentrierter Ammo-
Darstellung von Xenondifluorid (XeF2) durch Re- niak-Lösung mäßig und nur in thiosulfat- und
aktion von Silber-II-fluorid mit Xenon in wasser- cyanidhaltigen Medien leicht löslich. Im Licht
freiem Fluorwasserstoff (Levec et al. 1974) oder erfolgt schnelle Zersetzung, verbunden mit einer
auch zur Umsetzung von Kohlenmonoxid zu Car- Dunkelfärbung infolge der Abscheidung von Sil-
bonylfluorid (COF2). ber (Sitzmann 2009). Diesen Effekt nutzte man in
Silber-I-chlorid (AgCl) ist ein weißer, licht- der analogen Fotografie; verstärkt wurde dieser
empfindlicher, schwer in Wasser löslicher Fest- Effekt noch durch gezieltes Dotieren mit Silber-
stoff (s. Abb. 20), der bei einer Temperatur von formiat (Belloni 2003). Der fotografische Ent-
455  C schmilzt (Siedepunkt der Schmelze: wicklungsprozess, d. h. die Geschwindigkeit der
1550  C). Die Verbindung ist unter Komplex- Entstehung eines latenten Bildes, wird maßgeb-
bildung leicht in wässriger Ammoniaklösung lich durch die Größe bereits vorhandener ionisier-
(Bildung des Silber-I-diamminkomplexes, [Ag ter Cluster von Silberatomen beeinflusst, da jene
(NH3)2]+), außerdem in Natriumthiosulfat- und eine gewisse Mindestgröße haben müssen (Fayet
Kaliumcyanidlösung löslich und wirkt desinfi- et al. 1985).
zierend in mit Trinkwasser gefüllten Behältern. Das hellgelbe Silber-I-iodid (AgI) (s. Abb. 21)
hat die Dichte 5,67 g/cm3, schmilzt bei 552  C
und kristallisiert bei Raumtemperatur in der
Wurtzit-Struktur (β-AgI). Man fällt es aus wässri-
ger Lösung eines Silber-I-salzes durch Zugabe
von Iodiden aus. Diese Reaktion nutzt man in
der qualitativen Analyse als Nachweis für Iodid,
weil das bei der Fällung entstehende AgI einen
gelblichen Niederschlag bildet, der im Gegensatz
zu Silberchlorid und -bromid nicht in einer wäss-
rigen Lösung von Ammoniak, sondern nur noch
in einer von Natriumthiosulfat löslich ist (Keiter
Abb. 20 Silber-I-chlorid (Onyxmet 2018) et al. 2003).
5 Einzeldarstellungen 799

Abb. 22 Aus wässriger Lösung ausgefällte Silber-I-halo-


genide (Rrausch1974)
Abb. 21 Silber-I-iodid (Onyxmet 2018)
wurde auf diese Weise ebenso frei von störenden
Niederschlägen gehalten.
Silber-I-iodid existiert in mehreren Modifika- Pnictogenverbindungen Silbernitrid (Ag3N)
tionen (Binner et al. 2006). Neben dem bei gewinnt man durch Reaktion von Silber-I-oxid
Raumtemperatur stabilen β-AgI gibt es unter die- mit Ammoniak in ethanolischer Suspension
sen Bedingungen das metastabile γ-AgI mit (Brauer 1978, S. 1003). Der flockige, schwarze
Zinkblende-Struktur. Oberhalb von 147  C ist Feststoff kubisch-flächenzentrierter Kristallstruk-
das α-AgI die beständigste Modifikation, das tur der Dichte 9,0 g/cm3 ist nur schwer löslich in
eine relativ hohe elektrische Leitfähigkeit bis zu kaltem Wasser und zersetzt sich schnell beim Ein-
2 S/cm besitzt. Im Kristallgitter liegen ein tragen in verdünnte Mineralsäuren. Konzentrierte
kubisch-innenzentriertes Iodid-Gitter und ein Säuren zerstören die Verbindung mit sehr heftiger
strukturell fehlgeordnetes Gitter von Silberionen Reaktion (Hahn und Gilbert 1949). Bei Erhitzen
vor, letztere können sich also frei bewegen. auf Temperaturen von >165  C erfolgt unter
Lagert man anteilsweise Alkaliionen großen Umständen Detonation, auch kann getrocknetes
Durchmessers im Gitter ein, wie etwa im Rubi- Silber-I-nitrid bereits bei leichter mechanischer
diumsilberiodid (Ag4RbI5), so ist es möglich, die Belastung explodieren.
Struktur der α-Modifikation und damit auch die Silber-I-phosphid (Ag3P) und Silber-I-arsenid
exzellente Leitfähigkeit auch bis hinab zu Tem- (Ag3As) sind gelegentlich in Laserlicht-Quellen
peraturen unterhalb von 20  C zu erhalten. eingesetzte Halbleiter, jedoch sind auch sie mit
Die Verbindung ist wie das analoge Chlorid Vorsicht handzuhaben.
und Bromid (s. auch Abb. 22) empfindlich Sonstige Verbindungen Silber-I-acetylid (Ag2C2)
gegenüber Licht und zerfällt dabei langsam in ihre bildet in reinem Zustand weiße, explosive Kris-
Elemente. Am Sonnenlicht verfärbt es sich grün- talle, die als Initialsprengstoff geeignet sind. Man
grau. Man versprüht es, mit Aceton gemischt, aus fällt die Verbindung durch Einleiten von Ethin in
Flugzeugen, um in der Atmosphäre kleinste Kon- die wässrige Lösung eines Silbersalzes als farblo-
densationskerne zur gezielten Bildung von Regen sen bis graugelben Niederschlag aus (s. Abb. 23).
oder Hagel zu erzeugen. Zum einen versucht man Die Verbindung ist explosionsempfindlich schon
so, Schauer zwecks Abschwächung drohender bei geringfügiger mechanischer Belastung (Köh-
Unwetter vor Erreichen eines gefährdeten Gebie- ler et al. 2008), daher ist beim Trocknen der ab-
tes niedergehen zu lassen, zum anderen will man filtrierten Substanz mit großer Vorsicht zu arbei-
Wolken über Dürregebieten gezielt abregnen las- ten. Wegen der großen Gefährdung beim Umgang
sen. Beides hat gelegentlich Erfolg, aber nicht mit der Verbindung und deren Zersetzlichkeit
immer. Beispiele für diese Manipulation des Wet- bereits beim Lagern bestehen keine technischen
ters sind die in Moskau zum 9. Mai und 12. Juni Anwendungen.
jeden Jahres abgehaltenen Paraden, bei denen Binäre „Silbersilicide“ sind bislang nicht defi-
man es bisher immer geschafft hat, die Sonne über niert.
Moskau scheinen zu lassen. Die Eröffnungszere- Das farblose (s. Abb. 24), sehr leicht wasser-
monie der Olympischen Sommerspiele in Peking lösliche Silber-I-nitrat (AgNO3) hat eine Dichte
800 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Lösung von Natriumthiosulfat (Fixiersalz) ent-


fernt werden kann.
Silber-I-nitrat ist ein Nachweisreagenz für
Chlorid-, Bromid- und Iodidionen, da jene mit
Silberkationen sehr schwer wasserlösliche Nie-
derschläge bilden. Zudem nutzt man es zum
Nachweis von Proteinen oder auch, gelöst in
Methanol, zum Sichtbarmachen von Fingerabdrü-
cken. Die Verbindung ist wesentlicher Bestandteil
von Versilberungsbädern. In der Medizin dient es
als Adstringens und Ätzmittel („Höllenstein“)
Abb. 23 Ausgefälltes Silberacetylid (Leiem 2014)
gegen Aphthen, Geschwüre und Warzen (Kramer
2013). In Kulturmedien sorgt es für die Bereitstel-
lung der als Ethylen-Antagonist wirkenden Sil-
berionen (Bayer 1976).
Silber-I-sulfat (Ag2SO4) stellt man durch Auf-
lösen von Silber in heißer konzentrierter Schwe-
felsäure her. Der weiße Feststoff schmilzt bei
einer Temperatur von 655  C und hat die Dichte
5,45 g/cm3. Verwendet wird es zum Abtöten von
Keimen.
Silber-I-perrhenat (AgReO4) erzeugt man in
Abb. 24 Silber-I-nitrat (Onyxmet 2018) wässriger Lösung durch Umsetzung von Natri-
umperrhenat mit Silber-I-nitrat (Brauer 1981,
S. 1634). Die farblose (s. Abb. 25), schlecht was-
von 4,35 g/cm3 und schmilzt bei 209  C. Erhitzen serlösliche Verbindung schmilzt bei 455  C,
auf Temperaturen oberhalb von 440  C führt zur besitzt eine tetragonale Kristallstruktur, hat die
Zersetzung. Hergestellt wird es durch Auflösen Dichte 6,96 g/cm3 und ist nur in reinstem Zustand
von Silber in konzentrierter Salpetersäure (I) oder an Licht beständig.
durch Auflösen von Silber-I-oxid in verdünnter Silberazid (AgN3) ist ein farbloser, rhombisch
oder konzentrierter Salpetersäure (II): kristallisierender, hochexplosiver Feststoff, der
durch Umsetzung wässriger Lösungen von Na-
(I) 3 Ag þ 4 HNO3 ! 3 AgNO3 þ 2 H2 O triumazid mit Silbernitrat aus der Lösung ausge-
þ NO fällt und darauf abfiltriert wird (Brauer 1978,
S. 1002). Die Substanz ist empfindlich gegen
(II) Ag2 O þ 2 HNO3 ! 2 AgNO3 þ H2 O Schlag und Erhitzen; Lichteinwirkung hat lang-
same Zersetzung zur Folge. Bei langsamem Erhit-
Bei Gegenwart von Licht und Staub erfolgt zen lässt sich die Substanz ohne explosionsartige
zügige Schwarzfärbung der Verbindung, da sie Zersetzung (ohne Garantie!) bei 300  C schmel-
sich zu metallischem Silber und anderen Abbau- zen. Silberazid setzt man als Initialzünder für
produkten zersetzt. Nur sehr reines Silbernitrat ist Sprengladungen ein.
nicht empfindlich gegenüber Licht. Es denaturiert
Eiweiß, da es mit den Bestandteilen des Proteins Anwendungen
schwer lösliche Silbersalze bildet. Zudem wirkt In Wertgegenständen: Früher waren Geldmünzen
Silbernitrat ätzend auf die Haut, da sich auf ihr aus Silber im Umlauf; in Deutschland wurde die
durch Reduktion sofort schwarzes Silber bildet, Landeswährung Taler bis 1871 noch durch den
das nur mit Hilfe von Kaliumiodidlösung und an- Wert eingelagerter Silberbarren gedeckt. Danach
schließendem Auswaschen mit einer wässrigen wurde der Silber- durch den Gold-Standard abge-
5 Einzeldarstellungen 801

sowie zur Herstellung von Christbaumschmuck.


In der erst vor einigen Jahren durch die Digital-
technik abgelösten analogen Fotografie waren Sil-
berverbindungen wichtiger Bestandteil der auf
dem Fotopapier aufgebrachten Beschichtung.
Silber ist in einigen bei relativ niedriger Tem-
peratur schmelzenden Legierungen enthalten, die
zum Löten oder Herstellen elektrischer Kontakte
genutzt werden.
Abb. 25 Silber-I-perrhenat (Onyxmet 2018) Silber ist mit vielen Metallen legierbar, so bei-
spielsweise mit Gold, Kupfer oder Palladium,
innerhalb bestimmter Grenzen auch mit Chrom,
löst. Erst in jüngerer Zeit stieg man auf Münzen Mangan oder Nickel, um seine Härte zu erhöhen.
aus Edelstahl, Kupfer oder Nickel um, da die Vor- Keine Legierung ist dagegen mit Cobalt oder
räte an Silber bzw. Edelmetallen für die gesamte Eisen möglich.
Geldreserve nicht ausreichen. Silber ist heute nur In der Medizin: Silber wirkt antiseptisch, daher
noch in Sondermünzen enthalten. Allerdings sind findet man es entweder in kolloider Lösung, Na-
Silbermünzen und -barren immer noch eine wich- nopräparaten oder als Faden in Wundkompressen,
tige Anlageform (Höfling 2009). 925er Silber ent- Hautcremes (gegen Neurodermitis), in Beschich-
hält 92,5 Gew.-% Silber und 7,5 Gew. -% Kupfer, tungen von Endoprothesen oder endoskopischer
ist die wichtigste Silberlegierung und wird meist Tuben (Mildenberger 1997; Morones-Ramirez
zur Herstellung von Münzen, Schmuck und Be- et al. 2013; Glehr et al. 2013). Allerdings empfahl
steck eingesetzt. das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Große Mengen von Silber gehen in die Pro- kürzlich, vorerst auf den Einsatz nanoskaligen
duktion von Schmuck, Essbesteck und kirchli- Silbers oder nanoskaliger Silberverbindungen
chen Utensilien. Das Spektrum reicht von olym- in für den Endverbraucher vorgesehenen Produk-
pischen Silbermedaillen bis zu Pokalen und ten zu verzichten (BfR 2009). Mit oben genann-
anderen Trophäen (beispielsweise Silberner Bär ten Anwendungen zusammenhängend sind des
oder Schuh). In manchen Musikinstrumenten Weiteren antimikrobiotische Silberfäden auf Tex-
werden Silberteile zur Erzeugung einer besseren tilien, antibakterielle Beschichtungen von Ober-
Akustik eingebaut. flächen, Keramiken sowie auch Wasserfilterkartu-
Sterling-Silber läuft im Gegensatz zu reinem schen.
Silber nicht an der Luft an und findet daher oft In der Katalyse: Silber ist einer der wichtigsten
Verwendung zur Produktion von Essbestecken. Katalysatoren für Oxidationen, so für die von
Tulasilber verwendete man seit dem Mittelalter Ethen zu Ethylenoxid (Kilty und Sachtler 1974;
zur Dekoration, es ist eine Legierung von Silber, Schlögl et al. 2006) und von Methanol zu Form-
Kupfer, Blei und Schwefel. Neusilber (Alpaca) aldehyd (Sperber 1969; Nagy 1998; Knop Geri-
dagegen enthält kein Silber, sondern ist lediglich cke et al. 2009). Umgekehrt besitzt Silber die
eine dem Silber optisch ähnelnde, silbergraue, aus -allerdings wesentlich schwächer als bei Platin
Kupfer, Nickel und Zink bestehende Legierung ausgeprägte- Fähigkeit, als Katalysator für Hy-
mit veränderlichen Gewichtsanteilen. drierungen zu wirken. Man nutzt Silber aber als
In Werkstoffen: Silber ist wegen seiner ausge- Katalysator für selektive Hydrierungen einzelner
zeichneten elektrischen Leitfähigkeit, der guten C=C-Doppelbindungen oder auch für stereose-
Wärmeleitfähigkeit und des großen optischen Re- lektive Reduktionen (Hohmeyer 2009).
flexionsvermögens in besonderer Weise für An-
wendungen in Elektrik, Elektronik und Optik Physiologie, Toxizität Silber wirkt, wie schon
geeignet. Den Effekt des Silberspiegels nutzt oben erwähnt, in feinstverteilter Form bakterizid.
man in Spiegeln, Licht- und Wärmereflektoren In lebenden Organismen werden Silberionen aber
802 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

oft schnell an Schwefel gebunden und dann aus


dem Kreislauf als dunkles, schwer lösliches Sil- oxidation catalysts (Scientific Design,
bersulfid ausgeschieden. Die Wirkung des Silbers WO 2019023158 A1, veröffentlicht 31.
ist oberflächenabhängig. Dies nutzt man in der Januar 2019)
Medizin für Wundauflagen und Geräte (z. B. en- M. A. G. Awad und A. A. Hendi, Synthesis
dotracheale Tuben). Unerwünschte Nebenwir- of silver-PMMA nanocomposite film
kungen einer derartigen Anwendung von Silber (University King Saud, US 10184033
können aber die Blockierung von Enzymen und B1, veröffentlicht 22. Januar 2019)
Unterbindung deren lebensnotwendiger Trans- G. E. Graddy Jr. und B. E. Cruz, Fast con-
portfunktionen in der Zelle sowie auch die Schä- ductivity polymer silver (Ferro Corp., US
digung der Festigkeit der Zell- und Membran- 2019002723 A1, veröffentlicht 3. Januar
struktur sein. Eine verstärkte Absorption von 2019)
Silberionen im Körper äußert sich unter anderem C. J. Meledandri und D. R. Schwass, Antimi-
in der Argyrie, einer irreversiblen schiefergrauen crobial gel containing silver nanoparticles
Verfärbung von Haut und Schleimhäuten, Störun- (Otago Innovation Ltd., US 2019000759
gen des Geschmacks und Geruchssinns oder A1, veröffentlicht 3. Januar 2019)
sogar plötzlichen Krämpfen. Wie die meisten K. Sato und D. Kodama, Silver nanowire
Schwermetalle reichert sich Silber in Organen ink (Dowa Electronics Materials Co.,
wie der Haut, der Leber, den Nieren, der Hornhaut Ltd., TW 201840755 A, veröffentlicht
der Augen, im Zahnfleisch, in Schleimhäuten, 16. November 2018)
Nägeln und der Milz an.
Die Wirksamkeit bzw. Schädlichkeit oral
verabreichten kolloidalen Silbers ist umstritten.
Es gibt bisher keine seriöse Studie, die dessen 5.3 Gold
Wirksamkeit eindeutig belegt. Eine Aufnahme
von bis zu 5 μg/kg Körpergewicht und Tag sol- Geschichte Seit einigen Jahrtausenden wird Gold
len laut EPA (Environmental Protection Act, verarbeitet, da es sehr beständig gegen chemische
US-amerikanische Umweltbehörde) für den Einflüsse ist, keinen sehr hohen Schmelzpunkt
Menschen keine Gefahr einer möglichen Vergif- besitzt und leicht mit anderen Metallen legierbar
tung bedeuten. ist. In Mittel- und Nordeuropa sind seit dem 3. Jahr-
tausend vor Christus goldene Gegenstände doku-
mentiert, die als Grabbeigaben dienten. Im antiken
Patente Ägypten beutete man in Oberägypten und Nubien
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world befindliche Goldlagerstätten aus, die Römer waren
wide.espacenet.com) in den Gebieten der heutigen Türkei und Rumä-
niens sowie auf der Iberischen Halbinsel aktiv.
P. Fisher und J. W. McCamy, Flash annea- Die indigenen Völker Mittel- und Südamerikas
ling of silver coatings (Vitro Flat Glass beherrschten ebenfalls schon sehr früh die Verar-
LLC, US 2019039947 A1, veröffentlicht beitung von Gold und fertigten kompakte Gegen-
7. Februar 2019) stände aus reinem Gold an, wendeten aber auch
G. Liang und L. Zheng, Barium titanate foam die Methode der Vergoldung an. Die Gewinnung
ceramics loaded with micro/nano silver erfolgte meist mittels Goldwäscherei, Amalgama-
and preparation method thereof (Univer- tion und einfachen Methoden der Trennung ver-
sity of Soochow, US 2019031572 A1, ver- schiedener Metalle voneinander (s. Abb. 26).
öffentlicht 31. Januar 2019) 1492, nach der Entdeckung Amerikas, kamen
S. Pak und A. McFarland, Post impregna- unzählige Europäer, vor allem Spanier, die die
tion heat treatment for silver-based per- dortigen Vorkommen rücksichtslos ausbeuteten
und das Gold in Form ganzer Schiffsladungen
5 Einzeldarstellungen 803

wurde früher mit der Hydrothermie begründet,


jedoch zeigen neuere Untersuchungen, dass wohl
auch dieses Gold ursprünglich aus Flussschottern
stammt (Frimmel et al. 2005). Man schätzt, dass
Witwatersrand noch mehrere 10.000 t Gold lie-
fern kann, allerdings nur in großer Tiefe, womit
die Förderung nur bei hohem Goldpreis noch
lohnt (Frimmel 2008).
Man unterscheidet bei Goldlagerstätten ver-
schiedene Typen. Die mesothermalen Lagerstät-
ten treten meist in von Urmeeren gebildeten Abla-
gerungen und Magmatiten auf; sie entstanden in
der Regel bei der Bildung von Gebirgen. Dabei
Abb. 26 Gold-Nuggets aus den USA (oben) und Austra-
gelangten durch Transport in einer heißen flüssi-
lien (unten) (Aramgutang 2005)
gen Phase (250  C bis 400  C) Quarz, einige
Sulfide (Pyrit) und Gold in die Spalten des
nach Europa brachten. Ab Mitte des 19. Jahrhun- Gesteins. Die Gehalte an Gold sind oft hoch,
derts gab es die „Goldrausch“ genannten massen- gelegentlich >10 g/t. Diese Lagerstätten findet
haften Einfall von Goldsuchern in Kalifornien man in Australien (Victoria), Afrika (Südafrika,
(1849), Alaska (1897), später auch in Australien Ghana), den USA, Brasilien oder auch im Alpen-
und Südafrika. Nach wie vor steht und fällt mit raum (Hohe Tauern). Meist wird hier ausschließ-
dem schwankenden Goldpreis der Wohlstand gan- lich Gold abgebaut; wenn denn ein zusätzliches
zer Bevölkerungsschichten in den meist armen Metall in nennenswerter Menge vorkommt, ist es
Förderländern. ausgerechnet Arsen, für das diese Vorkommen
sogar eine wichtige Quelle darstellen.
Vorkommen Gold gehört mit einem Anteil an Epithermale Goldlagerstätten sind an das Vor-
der Erdkruste von 0,004 ppm zu den seltensten handensein von Magmatismus am Kollisionen
Elementen. Natürlich schwankt der Anteil je nach ausgesetzten Rand tektonischer Platten gebunden.
Gebiet stark, und in direkt abgebauten Lagerstät- Heiße Wässer transportieren das Gold und setzen
ten kann der Anteil an Gold mehrere g pro t es auf Gängen verschiedener Höhe wieder ab.
betragen. Meist tritt Gold gediegen in goldhalti- Unterschieden wird dabei wiederum zwischen
gem Gestein auf. Nahezu die Hälfte des auf der „low“ und „high sulfidation“, wo also unter-
Welt geförderten Goldes stammt aus China, Russ- schiedliche Fluide auch voneinander verschiedene
land, Australien, den Vereinigten Staaten und Mineralzusammensetzungen befördert haben, und
Südafrika; wobei in Südafrika der Goldbergbau das in geologisch sehr kurzen Zeiten einiger
schon in Tiefen von mehreren tausend Meter vor- 10.000 a. Der Gehalt solcher Erze an Gold liegt
gedrungen ist. Ebenso wichtig ist aber die Gewin- mit 1 bis 10 g/t etwas niedriger, allerdings können
nung des Metalls aus dem Anodenschlamm der hier ebenfalls sehr große Lagerstätten vorliegen,
Raffination von beispielsweise Kupfer oder Ni- die mehrere 1000 t Gold führen. Diese Vorkom-
ckel. men befinden sich naturgemäß in Ländern hoher
Das mit Abstand größte Fördergebiet der Welt geologischer Aktivität wie Indonesien (Papua-
ist das südafrikanische Witwatersrand, wo schon Neuguinea), Neuseeland, Mexiko, Peru und Ru-
mehr als 40.000 t Gold abgebaut wurden. Man mänien.
ordnet diese als Paläo-Seifenlagerstätte ein, wobei Die Lagerstätten des Carlin-Typs befinden sich
die mit einem Anteil von 75 % deutliche Mehrheit eingebettet in Karbonatgestein, meist in den
des gefundenen Goldes in Form von Nuggets US-Bundestaaten Utah und Nevada. Zum Aufbau
vorliegt, die also einst durch Flüsse dorthin dieser Lagerstätten waren mehrere Mio. a nötig;
gelangten. Die Herkunft des restlichen Viertels die Vorkommen umfassen einige bis 100 Mio. t
804 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Erz bei einem Goldanteil von 1 bis 10 g/t. Meist ist Aus dem Wasser des Flusses wird es als so
Gold hier an arsenhaltigen Pyrit gebunden, was genannte Fluss-Seife abgelagert. Man findet
die Aufarbeitung dieser Erze erschwert und somit diese sogar auf den Geröllfeldern des Rheins
verteuert. im Grenzgebiet zu Frankreich und der Schweiz
In stark eisenoxidhaltigen Körpern, umgeben („Rheingold“). Ein Kieswerk der Holcim-
von Granitgestein, wurden durch Vulkanausbrü- Lafarge-Gruppe bei Rheinzabern ist der einzige
che und nachfolgende Spülungen mit hydrother- offizielle Goldproduzent Deutschlands und ge-
malem Wasser Gold, Kupfersulfide und Eisenoxi- winnt aus seinen Kiesgruben jährlich einige kg
de selbst an verschiedenen Stellen abgeladen und Gold (Seidler 2012).
so Lagerstätten des Typs Eisenoxid-Kupfer-Gold Die Weltjahresförderung wuchs von 2008 nach
gebildet. Die wichtigsten dieser Vorkommen sind 2014 um rund 25 % auf 2860 t. Diese Menge,
in Australien (Queensland, South Australia). In gefördert und produziert innerhalb eines einzigen
Südaustralien bilden diese Lagerstätten auch eine Jahres, übertrifft diejenige, die weltweit zwischen
der größten weltweit mit Reserven von ca. 8,5 Mrd. den Jahren 500 und 1500 erzeugt wurde, und liegt
t, aber niedrigen Gehalten an Metall (0,5–2 % beim Hundertfachen der im 19. Jahrhundert pro-
Kupfer, 0,5–1,5 g/t Gold). Die Mine Olympic duzierten Menge, vorausgesetzt, die Angaben der
Dam enthält noch dazu große Mengen an Silber damaligen Quellen stimmen. War Südafrika lange
und Uran; für letzteres stellt diese Mine sogar das Zeit das wichtigste Herstellerland, so wurde es
wichtigste Vorkommen der ganzen Welt dar. hierin 2007 von Australien abgelöst. Schon ein
Gold findet sich oft in porphyrischen Kupfer- Jahr später übernahm China die Führung. Weitere
lagerstätten, umfangreichen Vorkommen in jun- wichtige Förderländer sind Russland, die USA,
gen Gebirgen. Die wertvollen Erze kommen fein Peru und Kanada. Man schätzt die weltweit
verteilt in den Gesteinsklüften vor. Die größ- vorhandenen Reserven auf 55.000 t (George
te Lagerstätte dieses Typs weltweit liegt in den 2015).
chilenischen Anden (Chuquicamata), wo man
>10 Mrd. t Erz vermutet. Zwar ist der Gehalt Gewinnung Gold kommt meist gediegen vor
des Gesteins gering (0,5–1 % Kupfer, 0,1–1 g/t und muss nicht, wie viele andere Metalle, durch
Gold), aber das Volumen des erzführenden Steins Reduktion aus Erzen gewonnen werden. Man
erlaubt eine wirtschaftliche Produktion. braucht es meist „nur“ mechanisch aus dem
In von Urmeeren geschaffenen Ablagerungen umgebenden Gestein zu isolieren. Gold ist auf-
können bedeutende Goldvorkommen enthalten grund seiner großen Widerstandsfähigkeit
sein, entweder im Basaltgestein vulkanischen gegenüber chemischen Einflüssen nur schwer in
Ursprungs (Volcanic Hosted Massive Sulfides, lösliche Verbindungen überführbar; daher müssen
VHMS) oder in Ablagerungen (Sediment Hosted besondere Verfahren zur Gewinnung des Metalls
Massive Sulfides, SHMS). Oft beinhalten diese angewendet werden.
Vorkommen nur „gewöhnliche“ Schwermetalle Sehr selten sind mit bloßem Auge sichtbare
wie Mangan, Kupfer, Zink und Blei, in einigen Körner oder gar Nuggets. Das größte bisher je
von ihnen aber lagern auch förderbare Anteile gefundene Nugget war „Welcome Stranger“; das
von Gold, Silber und anderen Wertmetallen. man 1869 in Australien fand; es wog 2284 Fein-
In Deutschland gilt Rammelsberg bei Goslar unzen (ca. 71 kg) (!) (Venable 2011). In den
(SHMS) mit einem geschätzten Vorrat von meisten Fällen liegt Gold in Form kleinster Teil-
28 Mio. t Erz bei einem Goldgehalt von immer- chen und noch dazu fein verteilt vor, was eine
hin 1 g/t neben dem dort allgegenwärtigen Blei manuelle Sammlung unmöglich macht. In der
und Zink als wichtigste deutsche Lagerstätte. Regel kombiniert man verschiedene Verfahren,
Generell führen fast alle Flüsse weltweit um aus einer Lagerstätte und auch deren Ab-
geringste Mengen an Gold, das zuvor in Form raumhalden Gold zu gewinnen. Ferner ist Gold
kleiner Blättchen im Gestein eingelagert war Nebenprodukt bei der elektrolytischen Raffina-
und dann durch Verwitterung freigesetzt wurde. tion anderer Metalle.
5 Einzeldarstellungen 805

Beim Goldwaschen schlämmt man den gold- cyanidhaltigen Schlamms entweder in Absetzbe-
haltigen Sand, meist an Flüssen, mit Wasser auf, cken oder auf Halden.
wobei sich das spezifisch schwerere Gold am Ein Zusatz von Borax ist sicher eine umwelt-
Boden absetzt und abgetrennt werden kann. freundlichere Variante, da das Schmelzen von
Nachteilig sind geringe Ausbeute bei hohem Zeit- Gold und den vielen es begleiteten Verunreinigun-
aufwand, von Vorteil dagegen die gute Ausbeute gen so bei ziemlich tiefer Temperatur erfolgt,
an groben Goldteilchen, die bei der Cyanidlauge- denn Borax wirkt schlackebindend. Dieses so
rei manchmal nicht aufgearbeitet werden. Tierfel- genannte Boraxverfahren spart also auch noch
le können nützlich sein, um mit ihren feinen Energie (Appel und Na-Oy 2012; Marsden und
Haaren Goldfäden zurückzuhalten und so die House 2006). Das Gold setzt sich dann auf dem
Ausbeute zu erhöhen. Goldwaschen wird heute Boden einer Schmelzpfanne ab, die Oxide
auch mit Maschinen durchgeführt. schwimmen auf. Steht Borax nicht zur Verfügung,
Beim Amalgamverfahren vermischt man die kann man auch auf andere Flussmittel wie Cal-
goldhaltigen Sande und Schlämme intensiv mit ciumfluorid, Natriumcarbonat oder Natriumnitrat
Quecksilber, in dem sich Gold sowie eventuell zurückgreifen.
andere vorhandene gediegene Metalle wie Silber Oft gewinnt man Gold und andere Edelmetalle
lösen. Das flüssige bis teigige Goldamalgam ist aus den Anodenschlämmen der Raffination uned-
silbern (Okamoto et al. 1989). Die Mischung von lerer Metalle wie Kupfer oder Nickel, die als
Amalgam und Quecksilber setzt sich wegen ihrer Anode in der Elektrolyse fungieren. Die edlen
hohen Dichte am Gefäßboden ab und kann abge- Metalle gehen bei der Elektrolyse nicht in Lösung
lassen werden. Durch Erhitzen des Amalgams und fallen unter den Anodenstab aus Rohkupfer
verdampft Quecksilber und lässt Rohgold zurück. bzw. -nickel.
Leider wird dieses Verfahrens gelegentlich immer Gold erzeugt man weiterhin durch Aufarbei-
noch von Goldsuchern, namentlich in armen Län- tung von Abfällen aus zahntechnischen Labors
dern, angewendet, die das hochgiftige Queck- und Betrieben der Schmuckverarbeitung. Auch
silber einfach durch Erhitzen des Amalgams mit in kommunalem Klärschlamm können beachtli-
Bunsenbrennern verdampfen. Dadurch gelangt es che Mengen an Gold (>0,1 g/t) enthalten sein
unkontrolliert in die Umwelt, verseucht Böden (Dönges 2015).
und Pflanzen, die wiederum Nahrung für Tiere Die Goldvorräte in allen Weltmeeren zusam-
und Menschen sind (Illegale Schürfer 2011). men genommen schätzt man auf ca. 15.000 t
Im Fall großer Lagerstätten ist die Cyanid- (Falkner und Edmond 1990).
laugung wirtschaftlich. Gold ist in sauerstoff-
haltiger Natriumcyanidlösung unter Bildung Eigenschaften Gold ist ein Reinelement, das na-
des Dicyanoaurat-I-Komplexes ([Au(CN)2]) türlich nur in Form des Isotops 19779Au vor-
löslich. Dazu mahlt man den goldhaltigen Sand kommt. Gold ist in unlegiertem Zustand sehr
sehr fein, füllt ihn in Behälter und lässt unter weich (s. Tab. 3); man kann es zu durchschei-
Luftzutritt die hochgiftige Natriumcyanidlösung nenden Blättchen schlagen. Es ist relativ leicht
darüber rieseln. Nach dieser „Extraktion“ befindet verdampfbar, auch wenn es gerade einmal auf
sich das Gold gelöst in der wässrigen Phase, aus Schmelztemperatur erhitzt wurde.
der es durch Zugabe von Zinkstaub ausgefällt und Von verdünnten Mineralsäuren wird es nicht
von dieser abgetrennt wird. Nach Waschen und angegriffen, wohl aber von stark oxidierend wir-
Trocknen raffiniert man das Metall. Obwohl heute kenden Säuren wie Königswasser und heißer,
die Cyanidlauge im Kreislauf gefahren und so- konzentrierter Selensäure (H2SeO4).
mit zu größtmöglichen Teilen wieder verwendet Auch anderweitig ist Gold nicht so edel, wie
wird, kommt es immer wieder vor, dass durch allgemein angenommen wird. Es ist deutlich
Lecks in den Anlagen Natriumcyanid in die Um- reaktiver als Rhodium oder Iridium. Die Halo-
welt gelangt. Ein schwerer Nachteil dieses Verfah- gene Fluor, Chlor und sogar Brom und Iod
rens ist auch der Zwangsanfall riesiger Mengen greifen Gold an (Jansen 2000). In wässrigen
806 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Gold


Symbol: Au
Ordnungszahl: 79
CAS-Nr.: 7440-57-5

Aussehen: Goldgelb Goldbarren (CNBC Goldnuggets (finanzen.net


glänzend 2016) 2016)
Entdecker, Jahr Osteuropa, 5000 v. Chr.
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
197
79Au (100,0) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,004
Atommasse (u): 196,967
Elektronegativität 2,54 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Au3+ + 3 e ! Au (V) 1,52
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (174)
Van der Waals-Radius (pm): 166
Kovalenter Radius (pm): 136
Ionenradius (Au+/Au3+, pm) 137/91
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d10 6s1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 890 ♦ 1980
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,5  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 4,55  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 79 ♦ 180 ♦ 27
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 188–216 ♦ 188–245
Mohs-Härte 2,5–3
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 2030
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 19,32
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 10,21  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 320
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,42
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1064 ♦ 1337
Schmelzwärme (kJ/mol) 12,55
Siedepunkt ( C ♦ K): 2970 ♦ 3243
Verdampfungswärme (kJ/mol): 342

Cyanidlösungen ist Gold bei Luftzutritt leicht beim Erhitzen auf 150  C in Gold und Sauerstoff
als Kaliumdicyanidoaurat-I löslich, ebenso in zersetzt. Der kristalline, lichtempfindliche Fest-
heißen, sauren hydrothermalen Wässern (!) stoff kristallisiert verzerrt quadratisch planar; ein
(Zhu et al. 2011). Sogar Huminsäuren vermögen Goldatom ist dabei von vier Sauerstoffatomen
es unter Bildung löslicher Komplexe anzugrei- umgeben. Man kann die Substanz durch Re-
fen (Alloway 1999). aktion von Gold mit einem Sauerstoffplasma her-
stellen, oder versetzt wässrige Lösungen von
Verbindungen Gold-III-chlorid oder Tetrachlorogoldsäure mit
Chalkogenverbindungen Das noch stabilste Oxid einer ebenfalls wässrigen Lösung von Natrium-
ist das rotbraune Gold-III-oxid (Au2O3), das sich carbonat. Das darauf hin ausfallende hydrati-
5 Einzeldarstellungen 807

sierte Gold-III-oxid trocknet man über Silicagel Mischverbindung [Au(I)Au(III)Se2] vorliegt (Cre-
(nicht durch Erhitzen!). Die wasserfreie Verbin- tier und Wiegers 1973).
dung ist nur auf sehr kompliziertem Weg zugäng- Calaverit, der mit Krennerit dimorph ist, ist ein
lich (Brauer 1978, S. 1090). Man verwendet weltweit, aber selten vorkommendes Mineral der
Gold-III-oxid zum Färben von Gläsern (Gold- Dichte 9,3 g/cm3 und der Mohs-Härte 2,5–3. Es
rubinglas) und eventuell in der optischen Elek- kristallisiert monoklin mit vier Formeleinheiten
tronik. pro Elementarzelle und der chemischen Zusam-
Das braunschwarze Gold-I-sulfid (Au2S) ist mensetzung AuTe2 (Goldditellurid) und liegt
durch Einleiten von Schwefelwasserstoff in wäss- meist in Form blättriger Kristalle, aber gelegent-
rige Lösungen von Kaliumdicyanoaurat-I erhält- lich auch körniger Aggregate vor, deren Farbe von
lich, die wiederum leicht durch Auflösen von silbrig bis messinggelb reichen kann. Krennerit
Gold in wässriger Kaliumcyanidlösung gebildet dagegen besitzt eine orthorhombische Struktur,
werden (Ishikawa et al. 1995): die vereinzelt Silber atome anstelle von Goldato-
men im Kristallgitter enthält und im Extremfall
4 Au þ 8 KCN þ 2 H2 O þ O2
(I) die chemische Formel Au0,8,Ag0,2)Te2 besitzt.
! 4 KAuðCNÞ2 þ 4 KOH
Die Farbe natürlich vorkommenden Krennerits
ist ähnlich zu der des Calaverits, die Dichte mit
(II) 2 KAuðCNÞ2 þ H2 S þ 2 H2 O ! Au2 S # 8,62 g/cm3 etwas niedriger.
þ2 KOH þ 4 HCN Halogenverbindungen Gold-III-fluorid (AuF3)
gewinnt man durch Fluorierung von Gold mit
Gold-I-sulfid kristallisiert kubisch und isotyp Brom-III-fluorid (BrF3) (Mido und Taguchi
zu Silber-I-sulfid und Kupfer-I-oxid. Zwischen 1997), durch Fluorierung von Gold-III-chlorid
Raumtemperatur und 100  C hat die Verbindung (AuCl3) (Riedel und Janiak 2011, S. 759) oder
die Eigenschaften eines p-Halbleiters mit der durch vorsichtige Thermolyse von Gold-V-fluorid
niedrigen Bandlücke von 0,37 eV. Beim Erhitzen bei Temperaturen um 200  C. Der diamagneti-
an der Luft zersetzt sich die Verbindung zu Gold sche, orange-gelbe, hexagonal kristallisierende
und Schwefel-IV-oxid. Säuren zersetzen es zu und hydrolyseempfindliche Feststoff (Perry 2011,
Gold und Schwefelwasserstoff (Morris et al. S. 191; Bartlett et al. 1991) sublimiert bei etwa
2002). 300  C und zersetzt sich bei weiterem Erhitzen.
Das schwarze Gold-III-sulfid (Au2S3) schmilzt Im Molekülgitter ist jede AuF4-Einheit mit zwei
bei einer Temperatur von 197  C und hat die anderen dieser Einheiten unter Bildung spiralför-
Dichte 8,7 g/cm3. Zu seiner Darstellung leitet miger Ketten verbunden. Mit Fluoridionen bildet
man Schwefelwasserstoff in eine etherische Gold-III-fluorid Komplexanionen wie (AuF4)
Lösung von Tetrachlorogoldsäure ein. Eine wei- und (Au2F7) (Schmidt und Müller 1999). Gold-
tere Möglichkeit ist die Umsetzung von in De- III-fluorid hat fast nur akademisches Interesse und
kalin gelöstem Gold-III-chlorid mit Schwefel dient zur Präparation meist exotischer Goldver-
(Brauer 1978, S. 1017; Kristl und Drofenik bindungen (Roesky 2012, S. 96).
2003). Die Verbindung ist in Salpetersäure sowie Das rote, bei 60  C schmelzende Gold-V-fluo-
konzentrierter Natriumsulfid- und Natriumcya- rid (AuF5) zersetzt sich oberhalb einer Tempera-
nidlösung löslich, nicht aber in anderen Mineral- tur von 200  C zu Gold-III-fluorid und Fluor.
säuren. Diese starke Lewis-Säure kann durch thermische
β-Gold-II-selenid (AuSe) ist ein schwarzer, Zersetzung von Dioxygenylhexafluoroaurat-V
halbleitender Festkörper mit monokliner Kristall- (O2AuF6) bei 200  C erhalten werden; letzteres
struktur und vier Formeleinheiten pro Elementar- erzeugt man durch Umsetzung von Gold in einer
zelle. Im Kristall sind die Goldatome entweder Sauerstoff-/Fluor-Atmosphäre bei 350  C (Best-
linear an Selenatome gebunden oder in planar- gen 2016, S. 9; Laguna 2008). In der Gasphase
quadratischer Struktur von ihnen umgeben. Daher liegt Gold-V-fluorid in Form von Di- oder
ist die Annahme vermutlich richtig, dass hier eine Trimeren vor.
808 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Das dunkelorangerote, hygroskopische, bei Lösung wird Gold-III-chlorid durch Alkalien


einer Temperatur von 254  C unter Zersetzung schnell zu Gold-III-hydroxid [Au(OH)3] hydro-
zu Chlor und Gold-I-chlorid (AuCl) schmel- lysiert, das man abtrennen und durch Erhitzen in
zende Gold-III-chlorid (AuCl3) stellt man durch Gold-III-oxid (Au2O3) überführen kann.
Überleiten von Chlor über fein verteiltes Gold Gold-III-chlorid dient zur Herstellung ande-
bei Temperaturen knapp unterhalb des Schmelz- rer Goldverbindungen. Man setzt es auch in
punktes von Gold-III-chlorid her (Brauer 1978, der organischen Synthese als Katalysator ein,
S. 1013). Die einen stark kovalenten Charakter beispielsweise bei der Umsetzung endständiger
aufweisende Verbindung liegt sowohl im Fest- Alkine mit Wasser zu Methylketonen (Fukuda
stoff als auch in der Gasphase als Dimer vor und und Utimoto 1991) (vgl. Abb. 28) oder für die
besitzt im Unterschied zum ebenfalls dimeren Alkylierung aromatischer bzw. heterocyclischer
Aluminiumchlorid eine ebene Molekülstruktur. Verbindungen (Dyker 2003) (vgl. Abb. 29).
Die Verbindung ist eine Lewis-Säure und gut in Alkinylsubstituierte Furane reagieren unter den
Wasser, allerdings unter teilweise Hydrolyse, jeweiligen Reaktionsbedingungen mit einer Erwei-
und Ethanol löslich (s. Abb. 27). In wässriger terung des Furanringes zum Phenol (Hashmi et al.
2000) (vgl. Abb. 30).
In Salzsäure bildet sich die schon bei einer
Temperatur von 30  C schmelzende, stark hygro-
skopische, in Wasser und Ethanol leicht lösliche
und monoklin kristallisierende Tetrachlorogold-
säure (HAuCl4) (vgl. Abb. 31), die auch direkt
durch Auflösen von Gold in Königswasser und
anschließendem Abrauchen nitroser Gase zu-
gänglich ist (Sitzmann 2011).
Man verwendet sie in Farbtonbädern für die
Abb. 27 Konzentrierte wässrige Lösung von Gold-III- Fotografie sowie für Zwecke der Vergoldung
chlorid (Walkerma 2005) (Brauer 1978, S. 1014). Bei diesen Arbeiten ist
Vorsicht geboten, da die Substanz stark ätzend
wirkt und auf der Haut zu feinverteiltem Gold
O O zersetzt wird.
CH3 C CH3 C Das graue, wasserfreie Gold-III-bromid (AuBr3)
NaAuCl4
O (2 mol%) O erzeugt man durch Überleiten heißen Bromdamp-
O fes über fein verteiltes Gold. Die Verbindung
C CH3OH:H2O C
CH (10:1). 1 h reflux schmilzt bei einer Temperatur von 160  C, kristal-
CH3 lisiert monoklin und liegt im Feststoff ebenfalls in
Form von Dimeren vor (Hulliger 1977). Man ver-
Abb. 28 Hydratisierung von Alkinen (Walkerma 2005)
wendet es in einigen homöopathischen Medika-
menten (Albinus 1993).

O O
1 mol% AuCl3

H3C CH3CN H3C


O O
20 °C, 40 min
91% yield

Abb. 29 Reaktion von 2-Methylfuran mit Buten-1-on-3, katalysiert durch Gold-III-chlorid (Walkerma 2005)
5 Einzeldarstellungen 809

Abb. 30 Interner CH3


Ringschluss substituierter
Furane, katalysiert durch
Gold-III-chlorid (Walkerma CH3 2 mol% AuCl3
N Ts
2005) H3C O CH3CN H3C
N Ts
20 °C 94% yield
OH

Golds mit Cetyltrimethylammoniumbromid funk-


tionalisiert war. Die Nanopartikel des Goldphos-
phids waren als Fotokatalysatoren zur Erzeugung
von Wasserstoff sehr wirksam.
Sonstige Verbindungen Reines „Goldcarbid“
oder zumindest „Goldacetylid“ konnte bisher
nicht dargestellt werden, wohl aber 1-Alkynyl-
dimethyl(triorganophosphin)gold-III-Komplexe
des Typs cis-Me2(Ph3P)Au–CC–R mit R=H,
Abb. 31 Kristalline Tetrachlorogoldsäure (HAuCl4) Me, Ph, ausgehend von Lithiumalkinylen und
(Onyxmet 2018) cis-Me2(Ph3P)AuX (X = Cl, I). Diese Moleküle
haben eine planar-quadratische Geometrie, tre-
Das gelbe, tetragonal kristallisierende Gold-I- ten monomer auf und sind bei Raumtemperatur
iodid (AuI) ist durch Überleiten etwa 400  C heißen kristalline Feststoffe, die sich beim Erhitzen zer-
Ioddampfes über feinverteiltes Gold erhältlich setzen (Schmidbaur 2005).
(Brauer 1978, S. 1014). Alternativ liefert auch die Im Vakuum kondensierte, aus Gold und Sili-
Umsetzung von Tetrachlorogoldsäure-Lösung mit cium bestehende Doppelschichten erhitzten
einer wässrigen Lösung von Kaliumiodid das ge- Gaigher und Van den Berg bis zur eutektischen
wünschte Produkt. Die Verbindung schmilzt schon Temperatur. Spektren der Elektronendiffrakto-
bei 120  C und wird bei Gegenwart von Wasser metrie gaben hinsichtlich ihres Streumusters
und/oder Licht langsam zersetzt (Perry 2011, S. 486). Hinweise auf die Existenz eines oder mehrerer
Pnictogenverbindungen Oberflächenfilme aus kristalliner Goldsilicide mit entweder kubisch-
Gold, die Goldnitrid enthalten, sind wesentlich primitiver oder orthorhombischer Struktur (1980).
härter als solche, die aus reinem Gold bestehen, Das rote, kristalline Gold-II-sulfat [Au2(SO4)2]
besitzen aber das Aussehen reinen Golds. Man wird beim Einengen einer Lösung von Gold-III-
erhält solche Filme durch Beschuss von Gold mit hydroxid in konzentrierter Schwefelsäure gebil-
Stickstoffionen hoher Energie und Stromdichte det. Im Kristallgitter liegen dimere Au24+-Katio-
(500 eV, 5770 bzw. 21.700 μC/cm2). Die Licht- nen vor (Wickleder et al. 2001). Ebenfalls ein
emissionsspektren zeigen Linien bei 396,6 eV Au2+-Ion enthält der Komplex Tetraxenongold-
[wahrscheinlich durch in Form von Goldnitrid II [(AuXe4)2+], den man beim Auftauen einer
(AuxN) absorbierte Stickstoffatome verursacht] bei 196  C eingefrorenen Mischung aus Gold-
und 402,7 eV (bewirkt durch tiefer im Kristall III-fluorid, Xenon, Fluorwasserstoff und der
eingelagerte Stickstoffatome) (Šiller et al. 2009). starken Lewissäure Antimonpentafluorid erhält
Nanoteilchen von Goldphosphid (Au2P3) stellten (Seppelt und Seidel 2000). In Legierungen mit
Fernando et al. durch Einwirken von Tri-n-octyl- hochreaktiven Alkalimetallen wie Cäsium bildet
phosphin auf Gold-Nanostäbchen bei hoher Tempe- Gold, in equimolarer Menge miteinander legiert,
ratur her (2016). Dabei hat die Oberfläche der Gold- Cäsiumaurid (CsAu), das in der Schmelze Cs+-
teilchen einen starken Einfluss auf die Reinheit des und Au-Ionen enthält und im Feststoff ein dem
gebildeten Goldphosphids und dessen Ausbeute. Cäsiumchlorid analoges Gitter bildet (Sitzmann
Jene war am höchsten, wenn die Oberfläche des 2011).
810 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Anwendungen Nur ein knappes Zehntel des Gol- wohl sein Preis in den vergangenen Jahren stark
des wird industriell verwendet, wobei das schon schwankte. Dieser wird täglich zweimal in
den Einsatz in Dentalprodukten einschließt. Die London festgelegt und auf eine Feinunze bezo-
Häfte der Golderzeugung geht in Schmuckgegen- gen. Unter anderem hängt der Goldpreis vom
stände und rund ein Drittel wird als Anlage von Ölpreis, von aktuellen Fördermengen in wichti-
Investoren gekauft. Viele Zentralbanken stockten gen Produktionsländern und vom Kurs wichtiger
ihre Goldreserve in den letzten Jahren stark auf Währungen zum US$ ab. Heute sind alle Wäh-
eine aktuelle Menge von ca. 31000 t. Weltweit sind rungen der Welt nicht mehr an die Goldmenge
aktuell rund 170.000 t Gold im Umlauf. des jeweiligen Landes gebunden. Das hat aber
Schmuck und Dekoration: Gold wird entweder zur Folge, dass Geldmengen und Schulden ex-
in reiner Form oder mit anderen edlen Metallen trem stiegen.
legiert zu Ringen, Ketten, Armbändern, Uhren Optik: Da Gold namentlich langwelliges Infra-
etc. verarbeitet. Die weltweit größte Nachfrage rotlicht sehr gut reflektiert, enthalten wärmeab-
nach Goldschmuck kommt aktuell aus China schirmende Beschichtungen auf Gläsern und
und Indien. Für Vergoldungen wird hauchdünn Spiegeln Gold. Zur Änderung der Leitfähigkeit
gewalzte und geschlagene Goldfolie (Blattgold) je nach gewünschter Anwendung dotiert man
verwendet und auf Bilderrahmen, Bücher, Mobi- das halbleitende Germanium mit Gold.
liar, Figuren usw. geklebt, wobei 1 g Blattgold für Nanopartikel: Goldpartikel im Größenbereich
die Bedeckung einer Fläche von 0,5 m2 genügt. von nm erwiesen sich als sehr geeignete Katalysa-
Wird Blattgold beleuchtet, so scheint die Licht- toren für organisch-chemische Produktionsverfah-
quelle blaugrün durch. ren, durch die gelegentlich sogar auf den Einsatz
Metalle und Kunststoffe lassen sich in galva- von Lösungsmitteln verzichtet werden kann. Ein
nischen Bädern mit Gold beschichten. Auf Glas Einbau kleinster Goldcluster ermöglicht Studien
und Keramik kann man goldhaltige Pigmente ein- zur Wirkung von Eiweißen in lebenden Zellen, da
brennen. Die seit der Antike übliche Vergoldung einige Biomoleküle Goldatome ziemlich fest bin-
mit Hilfe eines aus Quecksilber und Gold be- den (Couto et al. 2016); als Fernziel erhofft man
stehenden Amalgams ist heute wegen der großen sich dadurch auch verbesserte Diagnosen einiger
Giftigkeit des Quecksilbers nicht mehr üblich; Krankheiten. Einige Gold-Nanopartikel haben ein
dabei tauchte man den zu vergoldenden Gegen- „strukturelles Gedächtnis“, denn sie werden nach
stand in das Amalgam, zog ihn wieder heraus und Wechselwirkung mit chiralen Substanzen selbst
ließ das Quecksilber verdunsten (!), bis die Ober- chiral und bleiben es meist auch (Jadzinsky et al.
fläche goldfarben erschien. Die Verarbeitung von 2007; Gautier und Bürgi 2008).
Goldpigmenten in der Glasherstellung ist aller- Elektronik: Gold verwendet man hier wegen
dings wegen der hohen Kosten durch preiswertere seiner leichten Verarbeitbarkeit und Lötbarkeit
Verfahren, die dieselbe Wirkung haben, ersetzt sowie seiner großen Beständigkeit gegenüber Kor-
worden. rosion. Die Kontakte (Bonds) zwischen den Chips
Lebensmittel: Gold ist als Lebensmittelzusatz- selbst und den jeweiligen Anschlüssen integrierter
stoff E 175 zugelassen. Man findet es in Über- Schaltkreise bestehen teils aus reinem Gold, jedoch
zügen von Süßwaren und Pralinen. In den Spiri- nimmt man aus Kostengründen Nachteile unedle-
tuosen Danziger und Schwabacher Goldwasser rer Metalle in Kauf und wechselt wegen des bes-
ist es ebenfalls enthalten. Metallisches Gold ist seren „Preis-Leistungsverhältnisses“ vermehrt zu
ungiftig und reichert sich im Körper nicht an. Kupfer oder Aluminium. Leiterplatten und Stecker
Wertanlagen und Währungen: Gold ist zugleich vergoldet man immer noch oft, ebenfalls Kontakte
Wertanlage und internationales Zahlungsmittel. in sicherheitsrelevanten Anlagen wie Signalschal-
Viele Zentralbanken lagern es ein, obwohl diese tungen oder Relais in der Bahntechnik.
Goldreserven längst nicht mehr die Währungs- Medizin: Gold ist Füllung bzw. Ersatz für
menge decken können. Man sieht Gold als relativ defekte bzw. fehlende Zähne. In der Therapie
beständige Wertanlage ohne Ausfallrisiko, ob- von Rheuma zeigt die Anwendung bestimmter
5 Einzeldarstellungen 811

goldhaltiger Präparate meist Erfolg, wogegen bei Goldatome, weswegen Weißgold bereits ziemlich
der Behandlung von Arthritis die Gefahr einer zu anfällig gegenüber Korrosion und Anlaufen ist.
hohen Zahl von Nebenwirkungen besteht. Rosé- und Rotgold enthalten Feingold, Kupfer
Grundlegende Ansprüche an die Eigenschaf- und eventuell geringere Anteile an Silber.
ten: In der Regel bewegen sich alle zur Herstellung Gelbgold kann neben Silber auch Anteile an
von Schmuck verwandten, leicht zu bearbeitenden Kupfer, dann meist im Verhältnis 1:1 zu Silber,
Goldlegierungen im Phasendreieck Gold-Silber- enthalten; dies geschieht je nach gewünschter Farbe
Kupfer (vgl. Abb. 32). der Legierung. In der Schmuckindustrie wird man
Andere Metalle als Kupfer oder Silber ändern sich naturgemäß auf mengenmäßig geringe Zusätze
die Eigenschaften der Legierung. Geringe Men- von Silber und Kupfer beschränken, um den edlen
gen niedrig schmelzender Metalle wie Gallium, Charakter des Schmuckes zu erhalten.
Indium, Zinn oder Zink senken Schmelztempe- Grüngold dagegen enthält kein Kupfer, son-
ratur und Oberflächenspannung der Metall- dern nur Gold und Silber im ungefähren Atom-
schmelze, ohne dass sich die Farbe der Legierung verhältnis 1:1 (Feingehalt um 650) und wird nur
wesentlich ändert und den Einsatz in Loten ermög- selten verwendet. Ein Zusatz von Cadmium inten-
licht. Dagegen wirken Zusätze von Nickel oder siviert den Grünton zwar noch, senkt aber den
Platin härtend bei gleichzeitigen Einbußen an gold- Schmelzpunkt und die Beständigkeit gegenüber
gelbem Glanz. Blei, Bismut und einige Leichtme- Korrosion deutlich.
talle können ab einem gewissen Mengenanteil sogar Der Sammelname Weißgold steht für Gold-
eine Versprödung verursachen. legierungen, die größere Anteile an Palladium,
Eine kräftige Eigenfarbe der Legierung bedingt Silber oder Nickel aufweisen und ihre goldene
einen Mindestgehalt von 75 Gew.-% Gold (Feinge- Farbe fast völlig verloren haben. Platin bildet
halt 750; Gelbgold); die restlichen 25 Gew.-% ent- mit Gold eine schwere, teure, sehr korrosions-
fallen in der Regel auf Silber. Bereits hier ist aber beständige und gut aushärtbare Legierung.
nur jedes zweite Atom ein Goldatom! Festigkeit und Nickel verleiht dem Gold eine höhere Festig-
Härte sind dagegen bei einem Feingehalt von keit, senkt den Schmelzpunkt der Legierung
585 am größten, jedoch geht dies teils auf Kosten und macht sie so leicht verarbeitbar. Auch der
des Goldglanzes. In einem 333er-Weißgold enthält Preis des Schmuckgegenstands ist dann deutlich
die Menge von elf Metalltomen nur noch zwei niedriger. Allerdings wächst die Gefahr allergi-
scher Reaktionen des Trägers. Daher setzt man
Nickel in Weißgold kaum noch ein, auch wenn
Gold derartiges Weißgold früher in der schmuckver-
(Au)
rot- arbeitenden Industrie gerne in stark beanspruch-
gelb ten Teilen wie Nadeln, Scharnieren und Verbin-
grün-
10

90

gelb dungsteilen verwendet wurde.


20

80
gelb

Palladium ist die bessere, wenn auch wesentlich


30
50 % Ag

70
Ge 0 5

teurere Alternative zu Nickel. Es ist weicher als


wic 0
40

Nickel, und die Grundfarbe eines palladiumbasier-


hts

blass
hts 40
gelblich
wic

grünlich- ten Weißgolds ist etwas dunkler. Zur völligen Eli-


%
Ge
60

gelb minierung des Goldfarbtons müssen mindestens


Au 0 2
rötlich
70

13 Gew.-% Palladium zugesetzt werden. Da aber


3

die fertigen Gegenstände auf Basis Palladium und


80

weißlich kupfer-
0

Gold noch oft einer Rhodinierung unterzogen


90

rot
10

weiß
werden, der ihnen einen hellen Metallglanz und
Silber 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Kupfer
(Ag)
bessere Kratzfestigkeit verleiht, ist die Farbe der
Gewichts % Cu (Cu)
Basislegierung nicht so wichtig. Im Vergleich zu
Abb. 32 Farben von Legierungen aus Gold, Silber und den nickelhaltigen Varianten liegen Schmelzpunkte,
Kupfer (Metallos 2009) Oberflächenspannung der Schmelze, Dichte und
812 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

natürlich der Preis jeweils höher. Aus Palladium-


weißgold gefertigte Schmuckgegenstände sind Al2O3, production method and use the-
meist teurer als solche aus Gelbgold bei sonst glei- reof (Universidad de Sevilla; Consejo
chem Feingehalt an Gold. Superior de Investigaciones Scientíficas,
Zur Herstellung von Trauringen schließlich US 2018361362 A1, veröffentlicht 20.
setzt man dem Feingold etwa 1 % Titan zu, das Dezember 2018)
die Festigkeit des Gegenstandes stark verbessert,
jedoch die Farbe „vergraut“. Außerdem ist beim
Gießen der Stücke auf Abwesenheit von Sauer-
und Stickstoff zu achten, da Titan sehr leicht mit 5.4 Roentgenium
beiden Elementen reagiert.
Geschichte und Darstellung Roentgenium wur-
de 1994, ebenfalls zuerst von einem Team um
Patente Hofmann, Armbruster und Münzenberg beim
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung
wide.espacenet.com) (GSI), durch Beschuss von 20983Bi-Kernen mit
denen des Nickels (6428Ni) in Gestalt eines einzi-
W.-Y. Park und C. E. Yoo, Method for detec- gen Atoms dargestellt (Hofmann et al. 1995):
ting mutation of gene using aggregation
of gold nanoparticle (Samsung Life Pu-
209
83 Bi þ 64
28 Ni ! 272
111 Rg þ 1
0n

blic Welfare Foundation, WO 2019022385


A1, veröffentlicht 31. Januar 2019) 2002 wurde dieses Experiment am Sitz des
A. Sulaiman und M. Altaf, Gold(I) complexes, GSI in Darmstadt wiederholt mit dem Ergebnis,
pharmaceutical compositions thereof, and dass drei Atome des Roentgeniums gefunden
methods for treating proliferative disorders wurden (Hofmann 2002). Darauf bekam die GSI
(University King Fahd, US 10189865 B1, den Anspruch auf die Entdeckung sowie Benen-
veröffentlicht 29. Januar 2019) nung dieses neuen Elements zugeteilt (Vogt et al.
B. Wang und G. Zeiner, Gold optimized 2003).
CAR T-cells (Chimera Bioengineering Dieselbe Kernfusionsreaktion versuchte 1986
Inc., US 2019024095 A1, veröffentlicht die Arbeitsgruppe um Oganessian vom russischen
24. Januar 2019) Gemeinschaftsinstitut für Kernforschung in Dubna,
A.-L. Morel, Gold nanoparticles and ecolo- jedoch registrierte man damals keine Atomkerne
gical method of production (Torskal, US des Roentgeniums oder erhielt zumindest keine
2019022234 A1, veröffentlicht 24. genügenden Beweise für deren eventuell erfolgte
Januar 2019) Bildung (Wilkinson et al. 1993; Vogt et al. 2001).
J. Arambula und K. Arumugam, Naphtho- Ungefähr ein Jahrzehnt lang nannte man dieses
quinone containing gold carbene com- Element nur „111“, bevor die GSI schließlich den
plexes and methods of uses thereof Namen Roentgenium zu Ehren des deutschen
(University of Texas; Georgia Southern Physikers Röntgen, des Entdeckers der Röntgen-
University, WO 2019006327 A1, veröf- strahlen, vorschlug. Dieser Name wurde dann
fentlicht 3. Januar 2019) auch offiziell anerkannt (Rosenblatt et al. 2004).
I. Holmes und A. Naylor, Anti-bacterial
compounds based on amino-gold-
phosphine complexes (Auspherix Ltd., Der deutsche Physiker Wilhelm Conrad
US 2018369258 A1, veröffentlicht 27. Röntgen (27. März 1845 Lennep, heute
Dezember 2018) zu Remscheid; † 10. Februar 1923 Mün-
J. A. Odriozola Gordón und S. L. Ivanova, chen) entdeckte am 8. November 1895 im
Gold catalyst supported in CuO/ZnO/ Physikalischen Institut der Julius-Maximi-
5 Einzeldarstellungen 813

lians-Universität Würzburg die nach ihm preis erhielt Röntgen zahlreiche weitere
benannten Röntgenstrahlen; dafür verlieh Ehrungen.
man ihm 1901 den Nobelpreis für Physik
(Beier 1995; Fölsing 2002; Gerabek 2005,
S. 1258). 1848 zog seine Familie nach Eigenschaften
Apeldoorn in die Niederlande. Von 1861 Physikalische Eigenschaften: Roentgenium kommt
bis 1863 besuchte Röntgen die Technische nur in Form radioaktiver, äußerst kurzlebiger Iso-
Schule in Utrecht, die er ohne Abschluss tope vor, die allesamt nur auf künstlichem Weg
verließ. Er bestand auch nicht die in den zugänglich sind. Die bisher erzeugten Isotope des
Niederlanden mögliche Zulassungsprüfung Elements besitzen Massenzahlen von 272, 274
für die Universität, belegte aber als Gast- sowie von 278 bis 282. Entweder erleiden diese
hörer Kurse in Naturwissenschaften, Ma- α-Zerfall oder spontane Kernspaltung, wobei die
thematik und Sprachen an einer niederlän- schweren Isotope stabiler sind als die leichteren.
dischen Universität. So besitzt das Isotop 282111Rg immerhin eine
Halbwertszeit von 2,1 min(!), die leichteren
Röntgen siedelte 1865 in die Schweiz über 281 280
111Rg und 111Rg aber nur noch solche von
und begann im November 1865 das Stu-
1–30 s. Die leichtesten Isotope (272111Rg und
dium des Maschinenbaus an der Eidgenös- 274
sischen Technischen Hochschule Zürich 111Rg) zerfallen jedoch schon mit Halbwerts-

(ETH Zürich). Er erhielt im August 1868 zeiten weniger ms. Durch α-Zerfall der entspre-
sein Diplom als Maschinenbauingenieur chenden Isotope des Nihoniums (Ordnungszahl
und promovierte ein Jahr später, ebenfalls 113) werden die jeweiligen Isotope des Roentge-
an der ETH, in Physik zu „Studien über niums ebenfalls gebildet (Morita et al. 2004).
Gase“ (Röntgen 1869, 1870). Röntgen Es ist offensichtlich, dass wieder Theorien über
habilitierte 1874 in Straßburg und wirkte die zu erwartenden Stabilitäten noch gar nicht
ab April 1875 als außerordentlicher Profes- entdeckter Isotope des Elements im Umlauf sind,
sor für Physik und Mathematik an der Uni- dies vor dem Hintergrund, dass die Atommassen
versität Hohenheim. Kundt, sein akademi- der Nuklide des Roentgeniums auf die ab einer
scher Lehrer aus frühen Zürcher Jahren, Massenzahl von 300 erwartete „Insel der Stabili-
verschaffte Röntgen dann ab Oktober 1876 tät“ zusteuern. So berechnete man für das noch
eine Stelle als außerordentlicher Professor nicht entdeckte 283111Rg eine Halbwertszeit von
für Physik in Straßburg. 1879 wechselte er 10 min.
als ordentlicher Professor nach Gießen, Man erwartet, dass Roentgenium unter Normal-
1888 nach Würzburg, wo er 1893 und bedingungen ein Feststoff kubisch-raumzentrierter
1894 zum Rektor der Universität gewählt Kristallstruktur und einer Dichte von 28,7 g/cm3 ist
wurde. Am 8. November 1895 entdeckte er (s. Tab. 4). Die leichteren Homologen Kupfer,
die von ihm so genannten X-Strahlen, die Silber und Gold besitzen im Grundzustand eine
im Deutschen den Namen „Röntgenstrah- Elektronenkonfiguration von nd10(n+1)s1. Für
len“ erhielten; er nahm dazu am 22. Dezem-
Roentgenium zeigen Berechnungen aber, dass die
ber 1895 die Hand seiner Frau auf. Im
Konfiguration 6d97s2 wegen relativistischer Ef-
Januar 1896 stellte Röntgen seine Entde-
fekte am stabilsten sein, und dass das Element
ckung dem deutschen Kaiser Wilhelm II.
wie Silber den typischen „Silberglanz“ aufweisen
und wenige Tage später der Würzburger
Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft vor sollte (Liu und Van Wüllen 1999).
(Röntgen 1896). Vom 1. April 1900 an war Chemische Eigenschaften: Roentgenium wird
Röntgen an der Ludwig-Maximilians-Uni- in seinen wesentlichen Eigenschaften dem Gold
versität München als ordentlicher Profes- ähneln, aber durchaus einige Abweichungen zei-
sor für Physik tätig. Neben dem Nobel- gen. Es ist ebenfalls ein Edelmetall; seine Oxida-
tionsstufe +1 ist weniger stabil als die vergleich-
814 16 Kupfergruppe: Elemente der ersten Nebengruppe

Tab. 4 Physikalische und chemische Eigenschaften von Roentgenium


Symbol: Rg
Ordnungszahl: 111
CAS-Nr.: 54386-24-2
Aussehen: ——
Entdecker, Jahr Hofmann, Armbruster, Münzenberg et al. (Deutschland), 1994
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
279
111Rg (synthetisch) 170 ms α > 275109Mt
280
111Rg (synthetisch) 3,6 s α > 276109Mt
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (280)
Elektronegativität Keine Angabe.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (berechnet) (pm): 138*
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 121*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d10 7s1 (?)
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 1023 ♦ 2074 ♦ 3078*
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Keine Angabe
Kristallsystem: Kubisch-raumzentriert*
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 28,7*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 9,76  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: Keine Angabe
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Schmelzwärme (kJ/mol) Keine Angabe
Siedepunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe
*Geschätzte bzw. berechnete Werte

bare des Goldes. Dafür sollten die Stufen +3 mit einer Halbwertszeit von 26 s relativ „langlebi-
und +5 beständiger sein, also die vorhandenen gen“ Isotops 281111Rg scheiterte es bisher daran,
d-Elektronen stärker in chemische Bindungen ein- dass nicht genug „Nachschub“ erzeugt werden
beziehen. Roentgenium hat eine geringere Elektro- konnte, um die Durchführung eines Versuches auf-
nenaffinität als Gold, daher ist die Existenz der Oxi- rechterhalten zu können. Bisher fand die Grundla-
dationsstufe 1 („Roentgenid“) unwahrscheinlich genforschung an Roentgenium aber noch nicht so
(Seth et al. 1998a, b). viel Interesse wie an den schwereren, vermutlich
edelgasähnlichen Elementen Copernicium und Li-
Verbindungen Eindeutige Beweise für die che- vermorium (Hancock et al. 2006; Eichler 2013).
mischen Eigenschaften des Elements gibt es noch Berechnungen einzelner Bindungen besagen,
nicht, da an solche Studien Bedingungen gestellt dass die Bindung zwischen einem Rg- und einem
werden. Diese besagen, dass anfangs vier Atome H-Atom wegen relativistischer Effekte ziemlich
des zu studierenden Elements vorhanden sein müs- stark ist. Ebenfalls untersucht wurden Bindungen
sen und zusätzlich pro Woche ein Nuklid einer zwischen je einem Atom des Roentgeniums und
Halbwertszeit von mindestens 1 s verfügbar sein eines Halogens. Rg+ wird ein extrem weiches Kat-
soll (Düllmann 2012; Griffith 2008). Im Falle des ion sein, noch weicher als Cs+ oder Au+, jedoch ist
Literatur 815

noch nicht klar, ob selbst „Roentgeniumhydroxid Blachnik R et al (1998) Taschenbuch für Chemiker und
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Zinkgruppe: Elemente der zweiten
Nebengruppe 17

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819
2 Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820
3 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821
4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821
5 Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852

Zusammenfassung Zink als Element kennt man seit dem 17.


Die Eigenschaften der Elemente der zweiten Jahrhundert, Cadmium seit 1817, wogegen
Nebengruppe (Zink, Cadmium, Quecksilber, Quecksilber schon in der Antike bekannt war.
Copernicium) sind relativ ähnlich. Cadmium Die erstmalige Darstellung von Atomen des
steht in seinen Eigenschaften zwischen Zink Coperniciums gelang 1996.
und Quecksilber. Zink und Cadmium haben
negative Normalpotenziale und sind damit
unedle Metalle, wogegen Quecksilber ein Halb- 1 Einleitung
edelmetall ist. Die Elemente dieser Gruppe
geben meist ein oder zwei äußere Valenzelek- Bei den Elementen der zweiten Nebengruppe des
tronen ab, um eine stabile Elektronenkonfigu- Periodensystems (Zink, Cadmium, Quecksilber,
ration zu erreichen. Bei Zink und Cadmium Copernicium) sind Auswirkungen der Lanthano-
sind die Oxidationsstufen +2 am stabilsten, idenkontraktion kaum noch zu erkennen. Cad-
bei Quecksilber +1 und +2. Für das höchste mium steht in seinen Eigenschaften etwa zwi-
Element dieser Nebengruppe, das Coperni- schen dem Zink und dem Quecksilber. Zink und
cium, konnten bisher kaum chemische Unter- Cadmium sind ziemlich unedle Metalle mit deut-
suchungen durchgeführt werden. Es ist zu lich negativen Normalpotenzialen, wogegen
erwarten, dass es sich chemisch ähnlich wie Quecksilber ähnlich beständig wie Silber und
Quecksilber verhält. somit ein Halbedelmetall ist. Die Elemente dieser
Gruppe geben meist ein oder zwei äußere Valenz-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 819
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_17
820 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente

elektronen ab, um eine stabile Elektronenkonfi- Chlor die chemische Verbindung Natriumchlorid,
guration zu erreichen. Bei Zink und Cadmium sind (also Kochsalz).
die Oxidationsstufen +2 am stabilsten, bei Queck- Einschließlich der natürlich vorkommenden
silber gleichermaßen +1 und +2. Für das höchste sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich
Element dieser Nebengruppe, das Copernicium, erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden-
konnten bisher kaum chemische Untersuchungen system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf.
durchgeführt werden. Es ist zu erwarten, dass es Die Einzeldarstellungen der insgesamt vier
sich chemisch ähnlich wie Quecksilber verhält. Vertreter der Gruppe der Elemente der zweiten
Zink als Element kennt man seit dem 17. Jahr- Nebengruppe enthalten alle wichtigen Informatio-
hundert, Cadmium seit 1817, wogegen Queck- nen über die jeweiligen Elemente, so dass hier nur
silber schon in der Antike bekannt war. Die erst- eine kurze Einleitung folgt.
malige Darstellung von Atomen des Coperniciums
gelang 1996. Sie finden alle Elemente im unten
stehenden Periodensystem in Gruppe 12 (II B). 2 Vorkommen
Elemente werden eingeteilt sowohl in Metalle
(z. B. Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbme- Zink ist mit einer Konzentration von 120 ppm in
talle wie Arsen, Selen, Tellur als auch Nichtme- der Erdhülle noch relativ häufig, dagegen sind
talle wie beispielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod Cadmium und Quecksilber mit Anteilen von 0,3
oder Neon. Die meisten Elemente können sich bzw. 0,4 ppm selten. Copernicium ist nur durch
untereinander verbinden und bilden chemische künstliche Kernreaktionen und auch dann nur in
Verbindungen; so wird z. B. aus Natrium und Mengen weniger Atome zugänglich.
5 Einzeldarstellungen 821

3 Herstellung Vorkommen Zink kommt in der Erdkruste


immerhin noch häufiger vor als Kupfer oder Blei
Zink erhält man zunächst durch Rösten von Zink- und steht an 24. Stelle aller Elemente. Wegen sei-
sulfid und Aufarbeitung des dabei entstehenden nes unedlen Charakters findet man es nur verein-
Zinkoxids nach verschiedenen Verfahren. Oft er- zelt in elementarer Form; es ist aber als Mineral
zeugt man am Schluss noch sehr reines Elektrolyse- anerkannt. Viel öfter tritt es chemisch gebunden in
zink. Cadmium ist ein steter Begleiter des Zinks und Erzen auf. Hierzu zählen beispielsweise Sphalerit
fällt bei dessen Aufarbeitung entweder als Metall an, bzw. Wurtzit (α- bzw. β-Zinksulfid), außerdem
das destillativ vom begleitenden Zink getrennt wer- „Galmei“ [eine historische Bezeichnung sowohl
den muss, oder man reichert Cadmium in Form für Smithsonit (Zinkspat, ZnCO3) als auch für
seines Sulfats an, reduziert es dann durch Zugabe Willemit (Zn2SiO4) (Weiß 2002)]. Selten kommen
von Zink zu Rohcadmium, das dann geeignet auf- Zinkit (Zinkoxid, ZnO), Adamin [Zn2 (AsO4)
gearbeitet wird. Quecksilber dagegen stellt man (OH)], Minrecordit [CaZn(CO3)2], Hemimorphit
durch Rösten von Zinnober (Quecksilbersulfid) her. [Zn4(OH)2(Si2O7)] oder auch Franklinit (Misch-
oxid von Zink, Mangan und Eisen) vor. Man kennt
aktuell rund 300 verschiedene Zinkminerale.
4 Eigenschaften Die größten Vorkommen befinden sich in Aus-
tralien, Nordamerika, China, Peru, Indien und
Die physikalischen Eigenschaften sind auch in Kasachstan. Die jährlichen, hier aus dem Jahr
dieser Gruppe mit nur wenigen Ausnahmen regel- 2013 zitierten und bis heute nur leicht veränderten
mäßig nach steigender Atommasse abgestuft. Fördermengen in diesen Ländern liegen bei 5 Mio.
Vom Zink zum Quecksilber nimmt die Dichte t (China), 1,52 Mio. t (Australien), 1,35 Mio.
zu, während Schmelzpunkte und -wärmen sowie t (Peru), 0,79 Mio. t (Indien), 0,78 Mio. t (USA),
Siedepunkte und Verdampfungswärmen, entge- 0,64 Mio. t (Mexiko) usw. (Tolcin 2015). Die deut-
gen dem in den Nebengruppen 3 bis 10 zu beob- schen Lagerstätten sind wegen der früheren intensi-
achtenden Trend, abnehmen. Die chemische ven Ausbeutung nur noch von historischem Inte-
Reaktionsfähigkeit geht vom Zink zum Queck- resse. Auch die europäischen Vorkommen bzw.
silber deutlich zurück. Produktionsbetriebe beschränken sich auf einzelne
Minen bzw. Recyclingbetriebe in Schweden, Bul-
garien, Finnland, Polen, Irland und der Schweiz.
5 Einzeldarstellungen
Gewinnung Zink erhält man oft durch Rösten
Im folgenden Teil sind die Elemente der Zink- von Zinksulfid an der Luft, wobei Zinkoxid gebil-
gruppe (2. Nebengruppe) jeweils einzeln mit ihren det wird. Das gleichzeitig entstehende Schwefel-
wichtigen Eigenschaften, Herstellungsverfahren IV-oxid verarbeitet man weiter zu Schwefelsäure.
und Anwendungen beschrieben. Ist dagegen Zinkspat das Ausgangsmaterial, so
wird dieses stark erhitzt. Unter Abgabe von
Kohlendioxid entsteht ebenfalls Zinkoxid. Dieses
5.1 Zink arbeitet man dann nach einem der beiden unten
genannten Verfahren auf.
Geschichte In der Antike kannte man bereits Nach dem trockenen Verfahren stellt man nur
Messing, in dem Zink mit Kupfer legiert ist. Erst noch einige Prozent der weltweit erzeugten Zink-
im 17. Jahrhundert aber entdeckte man es in Indien menge her. Dabei erhitzt man ein Gemisch aus
als eigenständiges Element. In England ging Mitte Zinkoxid und fein gemahlener Kohle in einem
des 18. Jahrhunderts die erste Zinkhütte in Betrieb, Gebläseschachtofen auf Temperaturen von 1100
etwa 70 bis 100 Jahre später folgten Produktions- bis 1300  C. Das bei diesem Prozess zunächst
stätten in Schlesien, Sachsen und im Gebiet des entstehende Kohlenmonoxid reduziert Zinkoxid
heutigen Nordrhein-Westfalen. zu Zinkmetall, das gasförmig entweicht:
822 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

65
CO þ ZnO ! CO2 þ Zn " 30Zn mit einer Halbwertszeit von 244 d, man setzt
ihn als Tracer ein. Das natürlich auftretende Isotop
67
Das Kohlendioxid komproportioniert mit der 30Zn kann mittels NMR-Spektroskopie vermessen
Kohle wieder zu Kohlenmonoxid, das in den werden.
Kreislauf zurückgelangt (Boudouard-Gleichge- Chemische Eigenschaften: Zink ist aufgrund
wicht). seines stark negativen Normalpotenzials ein uned-
In den Zinkdampf sprüht man flüssiges Blei ein les Metall, bildet aber an der Luft eine aus basi-
und kondensiert Zink auf diese Weise aus. Dieses schem Zinkcarbonat bestehende, relativ stabile
Rohzink ist noch stark durch Blei, Eisen und Cad- Schutzschicht und kann deshalb als Korrosions-
mium verunreinigt und wird deshalb durch fraktio- schutz für Eisen verwendet werden. (Das sehr
nierte Destillation aufgearbeitet. In der ersten Stufe wirksame Feuerverzinken beinhaltet das Eintau-
destilliert man zunächst die sehr flüchtigen Metalle chen der Stahlteile in flüssiges Zink, wodurch sich
Zink und Cadmium ab, wogegen Blei und Eisen an der Grenzfläche beider Metalle eine wider-
zurückbleiben. Die zweite Stufe beinhaltet eine standsfähige Legierung aus Eisen und Zink bildet.
Feindestillation von Cadmium und Zink, deren Darüber befindet sich eine Schicht reinen Zinks,
Siedepunkte etwa 140  C auseinanderliegen. Das die wiederum noch die oben beschriebene, korro-
tiefer siedende und daher zuerst verdampfende sionshemmende Deckschicht ausbildet.)
Cadmium sammelt man in Form von Staub. Zink Zink ist leicht in Säuren unter Bildung von
geht erst bei höherer Temperatur über und kann Zink-II-salzen löslich, aber auch in Laugen, wobei
durch dieses Verfahren auf einen Reinheitsgrad Zinkate ([Zn(OH)4]2) entstehen. Zinkoxid re-
von bis zu 99,99 % (Feinzink) gebracht werden. agiert somit amphoter, ähnlich wie Aluminium-
Beim mit Abstand wichtigeren nassen Verfah- oxid. Nur sehr reines Zink (99,999 %) ist kaum
ren löst man das noch verunreinigte Zinkoxid in oder gar nicht löslich in verdünnten Mineralsäu-
verdünnter Schwefelsäure. Eventuell mit in Lö- ren. Dies liegt an einer hohen Wasserstoffüber-
sung gegangene, aber edlere Metalle wie bei- spannung und einer dies bedingenden kinetischen
spielsweise Cadmium fällt man durch Zusatz Hemmung der Entladung von H3O+-Ionen auf der
von Zinkpulver wieder aus. Danach elektrolysiert Oberfläche des Zinks. Fast ausschließlich tritt
man die Zinksulfatlösung unter Einsatz von Bleia- Zink in seinen Verbindungen mit der Oxidations-
noden und Aluminiumkathoden. An der Kathode stufe +2 auf.
schlägt sich Zink mit einem Reinheitsgehalt von Pulverförmiges Zink ist hochreaktiv und kann
ebenfalls 99,99 % nieder. sich sowohl an Luft spontan entzünden als auch
mit Wasser unter Bildung von Zinkhydroxid und
Eigenschaften Wasserstoff reagieren.
Physikalische Eigenschaften: Das bläulich-weiße
Metall ist bei Raumtemperatur und bei Tempera- Verbindungen
turen oberhalb von 200  C relativ spröde und Chalkogenverbindungen Zinkoxid (ZnO) kommt
kristallisiert hexagonal-dichtest (s. Tab. 1). Bei natürlich in Form des Minerals Zinkit (Rotzink-
Temperaturen zwischen 100 und 150  C ist es erz) vor. Synthetisch stellt man es entweder in
sehr dehnbar und kann unter diesen Bedingungen Form von „Zinkweiß“ oder „Zinkoxid“ her. Ers-
zu Blechen gewalzt und zu Drähten gezogen wer- teres erzeugt man aus dem in Frankreich verbrei-
den. Zink ist nach Silber, Kupfer, Gold und Alu- teten Verfahren, das die Reaktion von Zinkdampf
minium der fünftbeste Leiter für Elektrizität mit Luftsauerstoff beinhaltet. „Zinkoxid“ erhält
(Hartwig 2006). man nach dem „amerikanischen Verfahren“ durch
Man kennt 29 Isotope und zusätzlich zehn Kern- Rösten von Zinkerz und -schrott, daran anschlie-
isomere im Bereich von 5430Zn bis 8330Zn, von ßende Reduktion mit Kohle mit folgender Reoxi-
denen die fünf in der Natur vorkommenden Isotope dation oder aber durch Fällung als Hydroxid oder
(6430Zn, 6630Zn, 6730Zn, 6830Zn und 7030Zn) alle Carbonat aus Zinksalzlösungen (I) und anschlie-
stabil sind. Das noch stabilste radioaktive, aber nur ßendes Erhitzen des abfiltrierten Zinkhydroxids
künstlich darstellbare Isotop ist der β- und γ-Strahler bzw. -carbonats (II):
5 Einzeldarstellungen 823

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Zink


Symbol: Zn
Ordnungszahl: 30
CAS-Nr.: 7440-66-6

Aussehen: Blaugrau Zink, 10 g-Pellet (Metallium Zink, 450 g-Kugel


metallisch Inc. 2016) (Onyxmet 2018)
Entdecker, Jahr Indien (17. Jahrhundert)
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)] (a)
64
30Zn (48,6) Stabil ———
66
30Zn (27,9) Stabil ———
68
30Zn (18,8) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 120
Atommasse (u): 65,38
Elektronegativität 1,65 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Zn2+ + 2 e > Zn (V) 0,793
Atomradius (berechnet) (pm): 135 (142)
Van der Waals-Radius (pm): 139
Kovalenter Radius (pm): 122
Ionenradius (Zn2+, pm) 74
Elektronenkonfiguration: [Ar] 3d10 4s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 906 ♦ 1733
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,6  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,67  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 108 ♦ 70 ♦ 43
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 32 ♦ 327–412
Mohs-Härte 2,5
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 3700
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 7,14
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 9,16  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 120
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 25,47
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 419,5 ♦ 692,65
Schmelzwärme (kJ/mol) 7,4
Siedepunkt ( C ♦ K): 907 ♦ 1180
Verdampfungswärme (kJ/mol): 115

(I) ZnSO4 þ 2 NaOH ! ZnðOHÞ2 # þNa2 SO4 ten mit rauer Oberfläche, die man in Solarzellen
einsetzt, können durch Abscheidung aus der
(II) ZnðOHÞ2 ! ZnO þ H2 O Gasphase (CVD) erzeugt werden. Insgesamt liegt
die jährliche Produktionsmenge bei ca. 1,5 Mio. t;
Oft enthält industriell hergestelltes Zinkoxid noch etwa ein Sechstel davon wird in Europa ver-
unzulässig hohe Gehalte an Blei. Sehr dünne Schich- braucht.
824 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Abb. 2 a Zinkoxid
(Onyxmet 2018).
b Zinkoxid (Stanford
Advanced Materials 2018).
c Zinkoxid Sputtertarget
(QS Rare Elements 2018)

Zinkoxid ist ein weißes Pulver (s. Abb. 2a, b) Jahren setzte man es sowohl in Öl- als auch Was-
der Dichte 5,61 g/cm3, das oberhalb einer Tempe- serfarben ein. Heutzutage verliert es gegenüber
ratur von 1300  C schon einen merklichen Titan-IV-oxid („Titanweiß“) an Bedeutung.
Dampfdruck besitzt und unter Normaldruck bei Aktuelle Arbeiten des Paul-Scherrer-Instituts
einer Temperatur von etwa 1800  C sublimiert. untersuchen die mögliche Eignung von Zinkoxid
Ein Schmelzen von Zinkoxid erfolgt erst unter zur Umwandlung von solarer in chemische Ener-
erhöhtem Druck bei ca. 1975  C. Starkes Erhitzen gie. Sonnenlicht wird auf einen mit Zinkoxid
ändert seine Farbe nach zitronengelb, beim Ab- beschichteten Tiegel fokussiert. Bei den herr-
kühlen entsteht aber wieder das weiße Pulver. schenden sehr hohen Temperaturen verdampft
Zinkoxid ist ein direkter Halbleiter mit einer Zinkoxid und wird in Zink und Sauerstoff zerlegt.
-allerdings großen- Bandlücke von 3,2–3,4 eV, Das sofort verdampfende Zink wird kondensiert
wird auch in Form von Sputtertargets (s. Abb. 2c) und dient als Rohstoff für so genannte „Zink-Luft-
verkauft und ist zudem wegen der asymmetrisch Batterien“, die bereits heute in Hörgeräten ver-
aufgebauten Elementarzelle piezoelektrisch. Die wendet werden. Hierin arbeiten diese Batterien
Halbleitereigenschaften der Verbindung kann in Form einer Knopfzelle hoher Energiedichte
man aber durch Dotierung mit aluminiumdotier- und fast waagerechter Entladungskurve. Zusätz-
tem Zinkoxid oder Bor verbessern. Die sonst so lich enthalten die transparenten leitenden Schich-
häufig für eine p-Dotierung eingesetzten Metalle ten von Leuchtdioden, Solarzellen und Flüssig-
Indium oder Gallium haben hier keine Anwen- kristallanzeigen Zinkoxid in seiner Funktion als
dung. Halbleiter, meist ist es dann mit Aluminium
Zinkoxid ist in Wasser unlöslich, aber Säuren zwecks Erzielung einer wesentlich höheren Leit-
lösen es unter Bildung von Zink-II-salzen. Ebenfalls fähigkeit dotiert.
löslich ist es in einem Überschuss an Base, zum Zinkoxid wirkt antiseptisch und ist daher gele-
Beispiel einem Alkalihydroxid, zum jeweiligen Zin- gentlich in Wundpräparaten enthalten, auch
kat. Erhitzen von Zinkoxid mit Cobalt-II-salzen solchen für die Behandlung von Zähnen. In Zink-
führt zur Bildung von Rinmans Grün (siehe Band salben, -pasten und -pflaster eingesetzt, trocknet
„Cobaltgruppe, Elemente der neunten Neben- es die Haut aus und unterbindet die Bildung von
gruppe“, ISBN 978-3-658-16345-7). Ekzemen und Mykosen. Man findet es in Sonnen-
Zinkoxid deckt zwar schwächer als Bleiweiß, schutzpräparaten und setzt es in großen Mengen
wird aber verbreitet unter den Namen Zinkweiß, als Aktivator bei der Vulkanisation von Kaut-
Chinesischweiß, Ewigweiß oder Schneeweiß als schuk zu (Krug et al. 2016). Es dient auch als
gegenüber Licht und Schwefelwasserstoff bestän- Korrosionsschutzmittel in Kühlkreisläufen von
diges, mit anderen Farben verträgliches Pigment Siedewasserreaktoren.
in Malerfarben eingesetzt. In alkalischen Binde- Nanopartikel auf Basis von Zinkoxid dienen
mitteln reagiert es teilweise zu löslichem Zinkat, seit einigen Jahren als UV-Absorber in Verpa-
und in Öl entstehen zu einem gewissen Grad ckungen für Lebensmittel. Zinkoxid ist Kata-
Zinkseifen. Mit Zinkweiß arbeitet man schon seit lysator bei der Synthese von Methanol, bei
der Antike, aber erst ab Ende des 18. Jahrhunderts Hydrierungen und Fettspaltungen. Es ist einer
ersetzte es das giftige Bleiweiß. Seit den 1830er- der Rohstoffe in Trocknungsmitteln (Sikkativen),
5 Einzeldarstellungen 825

Abb. 3 a Zinksulfid (Onyxmet 2018). b Zinksulfid Sput- Abb. 4 a Zinkselenid (Onyxmet 2018). b Zinkselenid
tertarget (QS Advanced Materials 2018) Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)

Kitten, Pudern, Klebstoffen und Fotokopierpa- Eine Mischung aus ausgefälltem Bariumsulfat
pier, um nur noch einige seiner weiteren Anwen- und Zinksulfid heißt Lithopone und wird in An-
dungen zu nennen. strichfarben als Weißpigment verwendet. Ein
Das weiße bis hellgelbe Zinksulfid (ZnS) Nachteil bei Außenanstrichen ist die mäßige Sta-
(s. Abb. 3a, b) kommt natürlich in Form des bilität von Zinksulfid gegenüber Sauerstoff, da
kubisch kristallisierenden Sphalerits (Zinkblende, jenes langsam zu löslichem Zinksulfat oxidiert
α-Zinksulfid) und Wurtzit (β-Zinksulfid) mit hexa- wird (Prabhu et al. 1984).
gonaler Kristallstruktur vor (Schröcke und Weiner Zinkselenid (ZnSe) ist ein zitronengelbes Pulver
1981, S. 142 und 177); letztere ist die Hochtempe- (s. Abb. 4a) der Dichte 5,42 g/cm3, das bei Tem-
raturmodifikation und bei Raumtemperatur meta- peraturen >1100  C schmilzt. Es kommt natürlich
stabil. Die Umwandlung von Sphalerit in Wurtzit in Form des Minerals Stilleit vor. Man kann die
beginnt erst oberhalb einer Temperatur von Verbindung durch Einleiten von Selenwasserstoff
1185  C. Bei einem Druck von 15 MPa liegt der in eine wässrige Lösung von Zinksulfat darstellen.
Schmelzpunkt von Wurtzit bei 1850  C, ansonsten Alternativ erhitzt man ein aus Zinkoxid, Zinksulfid
sublimiert Wurtzit schon oberhalb von 1200  C. und Selen bestehendes Gemisch auf etwa 800  C,
Zinksulfid ist ein II-VI-Verbindungshalbleiter mit oder man erwärmt eine Mischung von Zinksulfid
der großen Bandlücke von 3,54 eV (Sphalerit, mit Selen-IV-oxid (Brauer 1978, S. 1028):
20  C) bzw. 3,91 eV (Wurtzit, 20  C) und einer
Dichte von 4,1 g/cm3. ZnS þ SeO2 ! ZnSe þ SO2
Die Darstellung ist durch Schmelzen von Zink
mit Schwefel möglich, ebenso durch Reaktion Zinkselenid kristallisiert entweder im Zink-
von Zinkoxid mit Schwefel in ammoniakalischem blende- oder Wurtzit-Typ.
Medium oder durch Umsetzung einer ammo- Unter Verwendung von Zinkselenid erzeugt
niumgepufferten wässrigen Lösung von Zinksul- man hochreflektive Oberflächen, wozu man es in
fat mit Ammoniumsulfidlösung oder Schwefel- dünnen Schichten abwechselnd mit anderen
wasserstoff (Brauer 1978, S. 1027). Substanzen, beispielsweise Kryolith, nach vorhe-
Zinksulfid wird durch Dotieren mit Al3+- und/ rigem Absputtern von Oberflächen, wie beispiels-
oder Cu+- oder Ag+-Ionen lumineszierend und wird weise denen von Sputtertargets (s. Abb. 4b) sowie
zum Beispiel in Bildröhren oder nachleuchtenden geeignetem Transport in der Gasphase im Vakuum
Zifferblättern von Uhren eingesetzt. Die Verbindung aufdampft. Im Gegensatz zu gewöhnlichem Glas
hat einen hohen Brechungsindex, deshalb erzeugt ist es sowohl für Infrarot- als auch sichtbares Licht
man optische Spiegel bzw. Reflektoren durch Auf- durchlässig (s. Abb. 5). Daher setzt man es unter
dampfen dünner Schichten von Zinksulfid im anderem zur Produktion optischer Fenster und
Vakuum. Sie ist ferner sehr durchlässig für Infrarot- Fokussierlinsen für Laserlicht ein. Wegen seiner
licht und findet deshalb verstärkt in Nachtsichtkame- Transparenz für Infrarotlicht (Sauer 2008) ist es
ras Verwendung, jedoch muss man aus Zinksulfid speziell für die ATR-Spektroskopie interessant,
bestehende Fenster gründlich entspiegeln. bei der man es als stark lichtbrechenden, aber infra-
826 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

rotdurchlässigen Messkristall (Irtran-1) verwendet. Halogenverbindungen Zinkfluorid (ZnF2) bil-


Zu vermeiden ist unbedingt der Kontakt mit star- det farblose Kristalle (s. Abb. 7) der Dichte
ken Säuren und Basen, da diese die Oberfläche 4,95 g/cm3, die bei einer Temperatur von 872  C
ätzen, den Kristall somit unbrauchbar machen schmelzen (Siedepunkt der Flüssigkeit: 1500  C).
und, im Fall von Säuren, daneben auch noch sehr Man gewinnt es durch Reaktion der Elemente
giftigen Selenwasserstoff freisetzen. miteinander oder durch Umsetzung von Zink mit
Zinkselenid ist ein II-IV-Verbindungshalbleiter Fluorwasserstoff, alternativ durch Reaktion von
einer direkten Bandlücke von 2,7 eV. Zinkcarbonat mit Fluorwasserstoff. Die Verbin-
Das graue Zinktellurid (ZnTe) (s. Abb. 6a) dung kristallisiert im Rutil-Typ und ist, im Gegen-
wird beim Zerreiben rot, hat eine Dichte von satz zu den anderen Zinkhalogeniden, schlecht in
6,34 g/cm3 und schmilzt bei 1240  C. Man Wasser löslich. In Kontakt mit heißem Wasser
erzeugt es durch gemeinsames Schmelzen von hydrolysiert Zinkfluorid zu Zinkhydroxidfluorid
Zink- und Tellurpulver im Vakuum bei Tempera- [Zn(OH)F] (Srivastava und Secco 1967). Man
turen zwischen 800 und 900  C (Brauer 1978, verwendet es als Holzschutzmittel und als
S. 1030). Wie Zinkselenid muss es unter Aus- Ausgangsmaterial zur Herstellung anderer Fluor-
schluss von Feuchtigkeit aufbewahrt werden. verbindungen.
Die kristalline Verbindung ist ein direkter Halb- Wasserfreies Zinkchlorid (ZnCl2) ist eine wei-
leiter mit einem Bandabstand von ca. 2,25 eV, ist ße kristalline Masse (Zinkbutter, s. Abb. 8a, b),
in Form von Sputtertargets im Handel (s. Abb. 6b) die bei 318  C bzw. 732  C schmilzt bzw. siedet.
und wie Zinkselenid ein II-VI-Verbindungshalb- Die Verbindung ist stark hygroskopisch und sehr
leiter. Unter Verwendung dotierten Zinktellurids leicht löslich in Wasser (4300 g/L bei 20  C!).
stellt man blaue Leuchtdioden, Laserdioden und Zur Herstellung im kleineren Maßstab setzt
Solarzellen her (Amin et al. 2007). In Form von man Zink mit Salzsäure um und leitet anschlie-
Mischverbindungen mit jeweils unterschiedlichen ßend Chlor in die Lösung ein, um eisenhaltige
Anteilen von Cadmiumtellurid lässt sich die Verunreinigungen in Eisen-III-chlorid (FeCl3) zu
Bandlücke nahezu passgenau einstellen, womit überführen. Zugabe von Zinkoxid lässt das in
die optischen Eigenschaften fein justiert anpass- Lösung befindliche Eisen als Eisenhydroxid aus-
bar sind. fallen. Nach dem Filtrieren verdampft man das
Wasser schonend und kann Zinkchlorid in was-
serfreiem Zustand sublimieren. Im industriellen
Maßstab löst man Zinkoxid bzw. -sulfid in Salz-
säure und engt die so gewonnenen Lösungen von
Zinkchlorid zur Trockene ein.
Wasserfreies Zinkchlorid wirkt stark ätzend
und entzieht organischen Materialien sowohl ad-
sorbiertes als auch chemisch gebundenes Wasser.
Abb. 5 Zinkselenid-Fenster (Edmund Optics 2017)

Abb. 6 a Zinktellurid (Onyxmet 2018). b Zinktellurid


Sputtertarget (QS Advanced Materials) Abb. 7 Zinkfluorid (Onyxmet 2018)
5 Einzeldarstellungen 827

So verkohlt es Holz (!), setzt Ethanol zu Diethyle- wasserstoffsäure oder durch Umsetzung von
ther und Papier zu Pergamentpapier um. Bariumbromid mit Zinksulfat, wobei dann vom
Man verwendet wasserfreies Zinkchlorid zum ausgefällten Bariumsulfat leicht abfiltriert werden
Imprägnieren von Holz, ferner zur Herstellung kann (Brauer 1978, S. 1025). Zinkbromid schmilzt
von Pergamentpapier, zum Desinfizieren, zur bzw. siedet in wasserfreier Form bei 394  C bzw.
Konservierung tierischer Stoffe, zum Beizen und 697  C und hat die Dichte 4,2 g/cm3.
Färben von Messing, in der Färberei als Beize für Zinkbromid dient als Elektrolyt in Batterien
Anilinblau, zur Produktion einiger Teerfarben, als und Akkumulatoren (Winter und Besenhard
wasserentziehendes Mittel bei Synthesen sowie, 1999), ferner als Additiv in Flussmitteln für Löt-
neben weiteren Anwendungen, als Ätzmittel in zwecke und zur eleganten, elektrolytischen Her-
der Medizin. stellung organischer Zinkverbindungen in absolut
Aus hoch konzentrierten Lösungen von Zink- wasserfreiem Medium (Rjabova 2001). Die wich-
und Ammoniumchlorid gewinnt man Lötsalz tigste Anwendung ist die als Verdrängungs- und
[(NH4)2ZnCl4], das, in Wasser gelöst, oxidische Reaktionsflüssigkeit bei der Öl- und Gasförde-
Passivschichten von einem Metallstück entfernt, rung aus größerer Tiefe.
bevor jenes verlötet oder verzinnt wird. Zinkchlo- Zinkiodid (ZnI2) schmilzt bzw. siedet als wasser-
rid löst unter diesen Bedingungen die betreffen- freies Salz bei Temperaturen von 446  C bzw.
den Metalloxide (beispielsweise Eisen- oder Kup- 625  C. Die Substanz der Dichte 4,74 g/cm3 ist
feroxid) infolge Komplexbildung auf und stellt so ein farbloser bis hellgelber Feststoff (s. Abb. 9),
einen nicht unterbrochenen Kontakt zwischen der der sehr gut löslich in Wasser und auch in einigen
Oberfläche des Stahls und dem zum Löten benutz- organischen Lösungsmitteln ist. Beim Erhitzen des
ten Zinn her, wirkt aber selbst auch ätzend auf wasserhaltigen Salzes an der Luft erfolgt Hydro-
freigelegte Metalloberflächen. Daher muss der lyse; man erzeugt Zinkiodid durch Reaktion von
Einsatz genau dosiert erfolgen. In der Pyrotechnik Zink mit Iod unter Zusatz kleiner, katalytisch wirk-
setzt man zur Erzeugung weißen Rauchs ein samer Mengen an Wasser (Brauer 1978, S. 1025).
Gemisch aus Zinkoxid, Hexachlorethan und Zinkiodid ist keine salzartige Verbindung mehr,
Aluminiumpulver ein. sondern hat mehrheitlich kovalenten Charakter.
Zugabe von Natronlauge zu einer wässrigen Trotzdem setzt man sie gerne in Lehrversuchen als
Lösung von Zinkchlorid fällt zunächst gallertarti- Elektrolyt ein, weil sich deren Verlauf anhand der
ges Zinkhydroxid aus, das sich in einem Über- Bildung dunkel gefärbten Iods an der Anode gut
schuss an Lauge unter Bildung des Zinkats löst. veranschaulichen lässt. Im Molekülgitter liegen
Das wasserfreie Zinkbromid (ZnBr2) ist eben- jeweils vier an drei Ecken verbundene Tetraeder
falls ein weißer, extrem hygroskopischer Fest- vor, die einen Zn4I10-„Super-Tetraeder“ bilden.
stoff, der sich wie das Chlorid äußerst leicht in Diese haben eine strukturelle Ähnlichkeit zu denen
Wasser löst (4470 g/L bei 20  C). Man gewinnt es des Phosphor-V-oxids (P4O10). Man verwendet
durch Reaktion von Zink mit Brom bzw. Brom- Zinkiodid wegen seiner hohen Absorptionsfähigkeit

Abb. 8 a Zinkchlorid wasserfrei (Onyxmet 2018).


b Zinkchlorid (Walkerma 2005) Abb. 9 Zinkiodid (Onyxmet 2018)
828 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

für Röntgenstrahlung oft als Kontrastmittel in der


Diagnostik von Werkstoffen.

Pnictogenverbindungen Zinknitrid (Zn3N2) stellt


man durch Überleiten eines 600  C heißen Ammo-
niakstroms über flüssiges Zink (Brauer 1978,
S. 1031; Sharma 2007) dar. Auch die Umsetzung
von Zinkpulver mit Stickstoff bei erhöhter Tempe-
ratur ergibt Zinknitrid. Der grauschwarze, weitge-
hend gegenüber Luft beständige Feststoff einer Abb. 10 Zinkphosphid (Onyxmet 2018)
Dichte von 6,22 g/cm3 schmilzt bei einer Tempera-
tur von 700  C unter Zersetzung. Seine kubische
Kristallstruktur ist der von Calciumfluorid verwandt
(Zhao et al. 2010). Die Bildungsenthalpie ist mit
ca. 100 kJ/mol noch negativ (Mellor 1964). Es ist
ein Halbleiter mit einer Bandlücke von 3,02 eV
(Ebru et al. 2007), jedoch hat ein dünner Zink-
nitrid-Film, den man durch Elektrolyse geschmol-
zenen Lithiumnitrids mit einer Zinkelektrode erhält,
nur eine Bandlücke von 1,01 eV (Toyoura et al.
2005). Die Verbindung reagiert heftig mit Wasser
zu Zinkhydroxid und Ammoniak: Abb. 11 Zinkarsenid (Onyxmet 2018)

Zn3 N2 þ 6 H2 O ! 3 ZnðOHÞ2 þ 2 NH3 Säuren reagiert Zinkarsenid zum jeweiligen Zink-


salz und hochgiftigem Arsenwasserstoff; dies ist
Die Herstellung von Zinkphosphid (Zn3P2) auch die Grundlage der Anwendung in der Halb-
kann direkt aus den Elementen erfolgen (Brauer leitertechnik, bei der man unter Verwendung sehr
1978, S. 1031). Das dunkelgraue, reaktive Pulver reinen Arsenwasserstoffs gezielt Dotierungen
(s. Abb. 10) schmilzt bei Temperaturen oberhalb eines Basis-Halbleiters durchführt (Stellman 1998;
von 420  C (Siedepunkt unter Luftausschluss: Jones und Hitchman 2009).
ca. 1100  C) und hat eine Dichte von 4,55 g/cm3. Schmilzt man Zink mit einem Überschuss von
Mit Wasser, Säuren, Oxidationsmitteln und Alka- Arsen, so entsteht schwarzgraues Zinkdiarsenid
lien erfolgt heftige Reaktion unter Freisetzung (ZnAs2) (s. Abb. 12), das mit monokliner Struktur
hochgiftiger, selbstentzündlicher Phosphane (PH3, kristallisiert und bei einer Temperatur von 768  C
P2H4). Zinkphosphid verbrennt zu Zink- und Phos- schmilzt.
phor-V-oxid. Man setzt es als Fraßgift zur Bekämp-
fung von Wühlmäusen ein. Die Giftwirkung auf Sonstige Verbindungen Zinkcarbid und Zinksi-
Mensch und Säugetiere ist eingehend dokumentiert licid sind unbekannt. Dagegen wurden Strukturen
(Doğan et al. 2014; Amiri et al. 2014; Bildfell et al. und Halbleiterfunktion von Zinkdiborid-Clustern
2013; Brutlag et al. 2011). [(ZnB2)]x (x = 1, 2, 3) mit Hilfe der Dichtefunk-
Zinkarsenid (Zn3As2) ist ein schwarzgrauer II- tionstheorie berechnet. Danach zeigen ZnB2 und
V-Verbindungshalbleiter (s. Abb. 11; Palik 1998) (ZnB2)2 Gleichgewichtsstrukturen mit Boratomen
der Dichte 5,53 g/cm3, der bei 1015  C schmilzt. ungefähr in Anordnungen, wie man sie in einem
Bei Raumtemperatur kristallisiert er tetragonal- nur aus Boratomen bestehenden Gitter beobachtet,
innenzentriert. Man erzeugt die Verbindung durch wogegen (ZnB2)3 hierin von seinen Homologen
Schmelzen von Zink mit Arsen in stöchiometri- abweicht. Berechnungen der Elektronendichte las-
schem Verhältnis und unter Stickstoff bei etwa sen ähnlich gute halbleitende Eigenschaften für
700  C (Brauer 1975, S. 1033). Bei Kontakt mit alle Zinkboride erwarten (Dwivedi et al. 2015).
5 Einzeldarstellungen 829

Abb. 12 Zinkdiarsenid 99,999 % (Onyxmet 2018) Abb. 14 Zinknitrat (Onyxmet 2018)

von Distickstofftetroxid mit Zink. Der farblose


(s. Abb. 14), brandfördernde Feststoff zersetzt
sich beim Erhitzen unter Bildung von Stickoxiden
und Zinkoxid. Es existieren diverse Hydrate
(Schmit et al. 2014). Man setzt die Verbindung
etwa in Knitterfestausrüstungen für Textilien ein,
in galvanischen Bädern und auch in Koagulie-
rungsbädern für Latex, ferner auch als Beizmittel.

Abb. 13 Zinksulfat-Heptahydrat (Onyxmet 2018) Anwendungen Die Anwendungen für Zink sind
nahezu unerschöpflich. Der aktuelle weltweite Jah-
Zinksulfat-Heptahydrat (ZnSO4  7 H2O) bildet resbedarf dürfte bei 15 Mio. t liegen, wovon etwa
farblose, rhombische Kristalle (s. Abb. 13), die die Hälfte in die Verzinkung von Eisen und Stahl
bei mäßigem Erwärmen im eigenen Kristallwas- gehen. Sehr oft geht es in Legierungen mit Kupfer
ser schmelzen. Bei knapp 700  C zersetzt es sich (Messing) oder Aluminium. Mit Magnesium her-
zu Zinkoxid und Schwefel-VI-oxid. Man kann es gestellte Legierungen enthalten bis zu 5 % Zink.
einfach durch Auflösen von Zink oder Zinkoxid in Korrosionsschutz: In der Automobilindustrie
verdünnter Schwefelsäure herstellen. Infolge feuerverzinkt man seit gut 30 Jahren Stahl- und
Hydrolyse reagieren wässrige Lösungen von Eisenteile, um sie vor Korrosion zu schützen. Das
Zinksulfat schwach sauer. Verfahren gibt es aber schon wesentlich länger.
Man setzt Zinksulfat in der Färberei ein, außer- Auf dem Werkteil wird ein Überzug aus metalli-
dem bei der Imprägnierung von Holz und Leder. schem Zink erzeugt, das sowohl eine Barriere
Reinzink gewinnt man durch Elektrolyse wässri- bildet als auch bei freiliegenden und benachbarten
ger Lösungen von Zinksulfat. Die Verbindung ist Eisenteilen Korrosion verhindert, da es als Opfer-
in Flammschutzmitteln enthalten und bewirkt, anode wirkt. Beim ältesten Verzinkungsverfahren,
Firnis in geringer Konzentration zugesetzt, ein dem diskontinuierlichen Feuerverzinken (Stück-
beschleunigtes Trocknen der Farben bzw. des verzinken), taucht man aus Stahl bestehende Bau-
Leinöls. Zinkionen wirken bakterizid; daher teile in aus flüssigem Zink bestehende Bäder.
setzt man Zinkoxid und -sulfat in Salben und Später stellte man das Verfahren auf eine kon-
Augenwässern ein. Weitere Anwendungen sind tinuierliche Arbeitsweise um, bei dem man Stahl-
Textilbeiz- und galvanische Verzinkungsbäder, bänder durchlaufend verzinkt („Bandverzinken“)
Spurennährstoffe und Flotationsmittel, um noch und danach erst weiter verarbeitet. Beim diskon-
einige, aber nicht alle Einsatzgebiete zu nennen. tinuierlichen Verfahren erreicht der Zinküberzug
Wasserhaltiges Zinknitrat [Zn(NO3)2] entsteht eine Dicke von 50 bis 150 μm und kann jahr-
beim Auflösen metallischen Zinks in Salpetersäu- zehntelang vor Korrosion schützen; bei der Band-
re, wasserfreies dagegen nur durch Umsetzung verzinkung sind nur Dicken von 7 bis 25 μm
830 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

erzielbar, die naturgemäß eine deutlich verkürzte an Cadmium, Blei und/oder Mangan. In Alkali-
Schutzdauer bieten. Die Beschichtung kann aber Mangan-Batterien ist Zinkpulver das Anodenma-
wiederholt werden, und so sind ebenfalls größere terial, unter Beimengung geringer Anteile an Blei,
Dicken herstellbar. Bismut, Indium, Aluminium und Calcium, um die
Beim galvanischen Verfahren bringt man die Korrosionsanfälligkeit zu verringern.
Zinkschicht elektrolytisch auf. Das zu beschich- Bleche aus Titanzink sind der vorherrschende
tende Werkstück dient als Kathode, ein Stück Werkstoff, da sie noch beständiger gegenüber
reines Zink als Anode. Anlegen einer Gleichspan- Korrosion und zugleich mechanisch wesentlich
nung bewirkt sowohl die Auflösung der Anode als belastbarer sind als Bleche aus unlegiertem Zink.
auch die Bildung eines Überzuges aus Zink auf Man verwendet diese Bleche zum Dachdecken,
der Kathode. Die erreichbare Dicke der Zink- als Bekleidung von Fassaden, für (Regenrinnen
schicht beträgt 2,5 bis 25 μm, ist also geringer und Fallrohre), für Außenfensterbänken oder für
als die beim diskontinuierlichen Feuerverzinken diverse Arten von Anschlussstücken. Diese Ble-
gebildete. Beim galvanischen Verfahren lohnt che halten bis zu einem Jahrhundert und benöti-
sich wegen der hohen Energiekosten aber nicht gen während dieser Zeit kaum oder gar keine
die Erzeugung größerer Schichtdicken. Wartung.
Beim Spritzverzinken sprüht man geschmolze- Zinkdruckguss: Die im Druckgußverfahren
nes Zink mit Hilfe von Druckluft auf das Werk- produzierten Teile aus Zinklegierungen behalten
stück. Ein Vorteil bei der Verwendung hitzeemp- bei Temperatur- und Druckwechsel infolge ihrer
findlicher Werkstoffe ist eine geringere thermische hohen mechanischen Belastbarkeit weitgehend
Belastung. Plattieren ist das mechanische Auftra- ihre Maße. Man setzt sie daher oft zur Herstellung
gen von Zink auf die Oberfläche des Werkstücks, von Automobilzubehör und Beschlägen, im
das bei Kleinteilen angewandte Sherardisieren Maschinen- und Apparatebau, in Spielwaren und
beinhaltet das Diffundieren von Zink in das Träger- Elektrogeräten ein.
metall des zu beschichtenden Gegenstandes. Chemische Synthese: Zinkmetall ist ein wirk-
Batterien: Das gegenüber Eisen unedlere Zink sames Reduktionsmittel: so reduziert man Carbo-
ist stets die „Opferanode“ und wird bevorzugt nylverbindungen zu Alkanen nach Clemmensen,
oxidiert, wogegen das Eisen bzw. der Stahl unver- Allylalkohole zu Alkenen (Elphimoff-Felkin und
ändert bleibt. Erst wenn das Zink abgetragen ist, Sarda 1977), Acyloine zu Ketonen (Brückner
wird auch Eisen angegriffen. In Phosphatierungs- 2004) und Nitroverbindungen entweder zu Ary-
mitteln sind Zinkverbindungen enthalten. laminen, Arylhydroxylaminen (Kamm 1925),
Zinkmetall stellt die Anode in vielen nicht Azoarenen (Bigelow und Robinson 1942) oder
wiederaufladbaren Batterien und wird in großen N,N0 -Diarylhydrazinen.
Mengen hierfür verbraucht, so in Alkali-Mangan-, Zinkorganyle sind ausgezeichnete Alkylie-
Zink-Kohle-, Zink-Luft-, Silberoxid-Zink- und rungsmittel und wirken selektiver als Grignard-
Quecksilberoxid-Zink-Batterien. Zinkmetall ist Verbindungen, die gewisse funktionelle Gruppen
vergleichsweise billig, seine Verbindungen sind nicht angreifen und oft auch stereoselektiv reagie-
nicht sehr toxisch, ist ein gutes Reduktionsmittel ren. Dehalogenierungen verlaufen ebenfalls meist
und macht relativ hohe Zellspannungen erreich- glatt (Gronowitz und Raznikiewicz 1964).
bar. Darüber hinaus ist Zink ein guter elektrischer
Leiter und in wässrigen Elektrolyten einigerma- Physiologie, Toxizität Zink ist für den mensch-
ßen beständig. lichen Stoffwechsel essenziell, denn es ist Bestand-
Bau: Bis vor ca. zehn Jahren war noch korro- teil einer Vielzahl von Enzymen (RNA-Poly-
sionsbeständigeres, amalgamiertes Zink im Ein- merase, Carboanhydrase). Zink spielt eine
satz, aber Quecksilber wurde seitdem wegen sei- zentrale Rolle im Stoffwechsel und ist für das
ner Giftigkeit weitgehend aus den meisten Wachstum der Zellen unverzichtbar. Ein Zink-
Batterietypen eliminiert. In Zink-Kohle-Batterien mangel reduziert die Wirkung zahlreicher Hor-
verwendetes Zink ist oft becherförmig gestaltet mone (RHW-Redaktion 2011) und destabilisiert
und enthält als Korrosionsschutz geringe Mengen das Immunsystem.
5 Einzeldarstellungen 831

Erwachsene sollten täglich 10 mg (Männer)


bzw. 7 mg (Frauen) aufnehmen, Kinder 5–10 mg Patente
(Biesalski et al. 2010). Ein stetig zugeführter (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Überschuss an Zink kann zur Verdrängung des wide.espacenet.com)
Kupfers und somit zu Störungen der Blutbildung
führen. Die allgemein tolerierte Obergrenze des A. Morishita und T. Kaneto, Zinc hot-dipped
täglichen Bedarfs liegt bei 25 mg Zink. Ab einer steel sheet (Nippon Steel & Sumitomo
Zufuhr von rund 200 mg treten Vergiftungssymp- Metal Corp., WO 2019026116 A1, ver-
tome wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall auf öffentlicht 7. Februar 2019)
(RHW-Redaktion 2011). Die Einnahme von Zink- J. Swanzy, Zinc oxide complexes (Mary
präparaten ist wirklich nur bei Zinkmangel und Kay, US 2019040228 A1, veröffentlicht
erhöhtem Zinkbedarf erforderlich. 7. Februar 2019)
Vor einigen Jahren durchgeführte Studien zeig- B. H. Ryou und J. K. Kong, Zinc-air secon-
ten, dass Kinder, die über längere Zeit erhöhte dary battery (EMW Energy Co., Ltd., US
Zinkmengen aufnahmen, ihre geistige Leistungs- 20190442014, veröffentlicht 7. Februar
fähigkeit verbesserten. 2019)
Zinkmangel ist weltweit verbreitet und betrifft A. F. Martins und S. Chirayil, Zinc sensors
alle Altersklassen (Niestroj 2000). Rund 30 % der for in vivo imaging of beta-cell func-
weltweiten Bevölkerung dürfte an Zinkmangel tion by MRI (University of Texas, US
leiden. Symptome sind eine Unterfunktion der 2019031640 A1, veröffentlicht 31.
Keimdrüsen, Wachstumsstörungen, Blutarmut, Januar 2019)
Immunschwäche, Haarausfall, trockene Haut J. Phillips und S. Mohanta, Carbon fiber
und brüchige Nägel (Silvester 2005; Colagar zinc negative electrode (Zincfive Power
et al. 2009). Da Zink und Kupfer Antagonisten Inc., US 2019036109 A1, veröffentlicht
sind, verdrängen hohe Kupferkonzentrationen 31. Januar 2019)
Zink und umgekehrt; daher kann ein Zinkmangel N. J. Welham, Method for recovering zinc
dann auftreten, falls das Trinkwasser des jeweili- from solution (Metaleach Ltd., MX
gen Haushaltes in kupfernen Leitungsrohren 2018004024, veröffentlicht 9. November
fließt. Hohe Konzentrationen an Eisen haben ähn- 2018)
liche Wirkung, denn auch Eisen kann Zink aus
dem Organismus verdrängen. Besonders zinkhal-
tig sind rotes Fleisch, Linsen, Meeresfrüchte, grü- 5.2 Cadmium
ner Tee, Wal- und Pekannüsse, Pilze und Käse.
Zinksalze (Zinkacetat, -stearat, -sulfat, -gluconat Geschichte Cadmium wurde 1817 von Stroh-
usw.) wendet man zur Behandlung einer Störung des meyer und Hermann unabhängig voneinander in
Kupferstoffwechsels, Morbus Wilson, an, zinkhalti- unreinem Zinkcarbonat entdeckt. Der Name
ge Salben zur Behandlung von Hautausschlägen. Ein „Cadmium“ fand aber schon im Mittelalter Ver-
das Abklingen bzw. die Unterdrückung von Erkäl- wendung, vermutlich für das homologe Element
tungen beschleunigende Wirkung des Zinks konnte Zink. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gewann
bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden man Cadmium nur in Deutschland.
(Caruso et al. 2007; Marshall 2007).

Analytik Erhitzt man eine zinkhaltige Probe mit Der deutsche Chemiker Friedrich Stro-
wenigen Tropfen einer Lösung eines Cobaltsalzes meyer (* 2. August 1776 Göttingen; † 18.
auf einer Magnesiarinne in der Flamme eines Bun- August 1835 Göttingen) studierte von 1793
senbrenners, so erfolgt schnell die Bildung von Rin- bis 1799 in Göttingen Medizin und promo-
mans Grün. Quantitativ lässt es sich durch Titration vierte 1800. Allerdings legte er als Lehrkraft
mit einer EDTA-Maßlösung bestimmen, im Spuren- besonderen Wert auf die Vermittlung chemi-
bereich durch Grafitrohr-AAS oder ICP-MS. scher Kenntnisse und etablierte 1805 dort ein
832 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Gewinnung Cadmium gewinnt man fast aus-


chemisches Praktikum für Studenten. 1817 schließlich als Nebenprodukt der Verhüttung
entdeckte Stromeyer Cadmium und unter- von Zink, nur selten auch bei derjenigen von Blei
suchte darüber hinaus zahlreiche Minerale, und Kupfer. Geringe Mengen erhält man bei der
wie beispielsweise Aluminit, Magnesit, Aufarbeitung von Eisen bzw. Stahl.
Strontianit, Coelestin und Baryt. Hierüber Aus dem beim trockenen Verfahren der Zink-
verfasste er 1821 das Lehrbuch „Untersu- gewinnung erhaltenen Gemisch aus Cadmium
chungen über die Mischung der Mineralkör- und Zink destilliert Cadmium wegen seines nied-
per und anderer damit verwandter Substan- rigeren Siedepunktes zuerst ab. Die aufgefange-
zen“ (Arndt et al. 2001; Von Wilcke 1969).
ne Fraktion ist relativ reich an Cadmium, weist
Nach ihm benannte man das Mineral Stro-
aber noch einen gewissen Gehalt an Zink auf.
meyerit (Kupfersilberglanz). Er war Mitglied
Umsetzung mit Sauerstoff zum Gemisch der
einiger Gesellschaften wie der Akademie der
Metalloxide und deren Reduktion mit Kohle lie-
Wissenschaften zu Göttingen (1806), der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften fert in der Hitze wieder ein Gemisch der Metalle,
(1818), Ehrenmitglied der Preußischen Aka- das sich fraktioniert destillieren lässt. Auf diese
demie der Wissenschaften (ebenfalls 1818) Weise führt man die Destillation fort, bis reines
und Auswärtiges Mitglied der Londoner Cadmium erhalten wird.
Royal Society (1827). Beim nassen Verfahren der Zinkgewinnung
versetzt man die noch mit Cadmiumsulfat verun-
Der deutsche Apotheker und Produzent von reinigte Lösung des Zinksulfats mit Zink. So
Chemikalien Carl Samuel Leberecht Her- fällt man Cadmium als edleres Metall aus. Das
mann (* 20. Januar 1765 Königerode; † Rohcadmium löst man in Schwefelsäure; aus der
1. September 1846 Schönebeck/Elbe) über- so entstandenen Lösung von Cadmiumsulfat
nahm nach seinem Studium der Pharmazie gewinnt man durch Elektrolyse mit Anoden aus
1792 eine Apotheke bei Magdeburg und Aluminium und Kathoden aus Blei reines Elek-
erforschte daneben die Abraumsalze der trolyt-Cadmium.
benachbarten Saline in Schönebeck. Von
1794 an erzeugte die von Hermann gegrün-
dete Firma Hermania daraus Kalium- und Eigenschaften Cadmium ist weich, duktil und
Magnesiumsalze sowie Salzsäure. Das von silbrig glänzend. Für ein Schwermetall hat es tief
Leblanc zur Herstellung von Soda entwi-
liegende Schmelz- und Siedepunkte (s. Tab. 2).
ckelte Verfahren führte er als Erster in
Das Metall verwendete man früher gelegentlich in
Deutschland ein. Unabhängig von und
Atomreaktoren als Moderator des Spaltprozesses
nahezu zeitgleich zu Stromeyer entdeckte
wegen seines hohen Einfangquerschnitts für
Hermann 1817 das Element Cadmium
(Hermann 1818 und 1820; Poggendorff Neutronen, ersetzte dieses aber wegen der hohen
1863; Schulze 1962). Giftigkeit des Cadmiums durch unbedenklichere
Materialien.
An der Luft ist Cadmium beständig, bei erhöh-
Vorkommen Cadmium kommt in der Natur nur ter Temperatur überzieht es sich mit einer Oxid-
selten vor und hat an der Erdkruste einen Anteil haut. In der Hitze verbrennt es mit rötlichgelber
von lediglich 0,3 ppm. Bisher sind weltweit zwei Flamme zu Cadmiumoxid (CdO). Verdünnte Mi-
Fundorte elementaren Cadmiums bekannt. Die neralsäuren lösen es zum jeweiligen Cadmium-
cadmiumhaltigen Erze Greenockit (CdS) und Ota- salz auf. Mit Halogenen in seinen Verbindungen
vit (CdCO3) kommen in sehr geringen Mengen tritt es fast immer in der Oxidationsstufe +2 auf. In
und stets mit den entsprechenden Zinkerzen, wie chemischer Hinsicht ist es dem Zink sehr ver-
Sphalerit (ZnS) und Galmei (ZnCO3), vergesell- wandt, jedoch löst es sich im Gegensatz zu jenem
schaftet vor. Cadmium ist aus diesen Erzen aber kaum noch in Alkalilaugen unter Bildung von
nicht wirtschaftlich herzustellen. „Cadmaten“.
5 Einzeldarstellungen 833

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Cadmium


Symbol: Cd
Ordnungszahl: 48
CAS-Nr.: 7440-43-9

Aussehen: Silbergrau Cadmium-Pellet Cadmium-Granalien


metallisch (Metallium Inc. 2017) (periodictable.ru, 2017)
Entdecker, Jahr Stromeyer und Hermann (Preußen), 1817
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
110
48Cd (12,49) Stabil ———
111
48Cd (12,80) Stabil ———
112
48Cd (24,13) Stabil ———
114
48Cd (28,73) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,3
Atommasse (u): 112,414
Elektronegativität 1,69 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotenzial: Cd2+ + 2 e ! Cd (V) 0,403
Atomradius (berechnet) (pm): 155 (161)
Van der Waals-Radius (pm): 158
Kovalenter Radius (pm): 144
Ionenradius (Cd2+, pm) 92
Elektronenkonfiguration: [Kr] 4d10 5s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 868 ♦ 1631
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,9  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem: Hexagonal
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,43  107
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 50 ♦ 42 ♦ 14
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): — ♦ 203–220
Mohs-Härte 2
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 2310
293,15 K):
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 8,65
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 13,00  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 97
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 26,02
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 321 ♦ 594
Schmelzwärme (kJ/mol) 6,2
Siedepunkt ( C ♦ K): 765 ♦ 1038
Verdampfungswärme (kJ/mol): 100

Verbindungen zierbar und in verdünnten Säuren löslich, zudem


Chalkogenverbindungen Amorphes Cadmium- in Ammoniakwasser und Lösungen von Ammo-
oxid (CdO) ist gelb, in Abhängigkeit von der niumsalzen. Wird die Substanz in einer Sauer-
Teilchengröße auch braun bis schwarz (s. stoffatmosphäre stark erhitzt, so erhält man
Abb. 15a, b). Die pulverförmige Substanz der dunkelrotes, kristallines Cadmiumoxid der
Dichte 6,95 g/cm3 ist leicht zu Cadmium redu- Dichte 8,15 g/cm3, das sich bei weiterem Erhit-
834 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Abb. 15 a Cadmiumoxid (Mangl 2007). b Cadmiumoxid


(Onyxmet 2018) Abb. 16 a Amorphes Cadmiumsulfid (Oelen 2005).
b Cadmiumsulfid Sputtertarget (QS Advanced Materials
2018)

zen ins Schwarze verfärbt (Schulte-Schrepping


und Piscator 2002). Man verwendete Cadmiumsulfid lange Zeit als
Reines Cadmiumoxid in sublimierter, kristalli- gelbes Pigment; dies ist aber wegen der potenziel-
ner Form ist durch Leiten von Sauerstoff durch len Giftigkeit der Verbindung nicht mehr zulässig.
Cadmiumdampf zugänglich, des Weiteren durch Das heute im Handel befindliche Cadmiumgelb
thermische Zersetzung von Cadmiumcarbonat hat eine andere chemische Zusammensetzung.
oder -nitrat und ebenfalls durch Rösten des Cad- In seiner Funktion als II-VI-Verbindungshalb-
miumsulfids (Holleman et al. 2007, S. 1492). Die leiter setzt man es noch in CIGS-Solarzellen ein,
Verbindung kristallisiert in der kubischen Natri- die auf dem in einer sehr geringen und damit
umchlorid-Struktur und weist stets einen gerin- kostengünstigen Schichtdicke von 1–2 μm auf-
gen Unterschuss an Oxidionen auf. Die so im getragenen Werkstoff Kupfer-Indium-Gallium-
Kristallgitter entstehenden Fehlstellen verursa- Diselenid (CIGS) basieren. Diese Beschichtungen
chen in Abhängigkeit von der Temperatur auch besitzen im Gegensatz zu kristallinen Silicium-
die jeweils unterschiedlichen Farben (Holleman Solarzellen einen Absorber mit direkter Bandlü-
et al. 2007, S. 1764). Der II-VI-Verbindungshalb- cke. Das Substrat wird zunächst mit Molybdän als
leiter hat eine Bandlücke von 2,16 eV (Jefferson Kontaktmaterial beschichtet. Der eigentliche,
et al. 2008). Anwendungen sind die als Bestand- darauf gelagerte Halbleiter [Cu(In,Ga)Se2] ist ein
teil in Anlaufgläsern sowie die als Hydrierungs- leicht p-dotierter Absorber. Als darüber liegender
und Dehydrierungskatalysator. n-Halbleiter dient mit Aluminium dotiertes, licht-
Das in Form der Minerale Hawleyit und Gree- durchlässiges Zinkoxid („Fenster“). Zwischen
nockit in der Natur vorkommende Cadmiumsulfid Fenster und Absorber befinden sich Pufferschich-
(CdS) ist ein gelber bis oranger Feststoff vom ten aus Cadmiumsulfid (CdS) und undotiertem
Sublimationspunkt 980  C, der aber schon bei ZnO. Zur Herstellung dieser Pufferschicht können
Temperaturen oberhalb von 450  C Zersetzung auch Sputtertargets aus Cadmiumsulfid verwen-
erleidet (vgl. Abb. 16a und b). Das zitronengelbe det werden (s. Abb. 16b).
α-CdS kristallisiert in der hexagonalen Wurtzit- Auf alten Ölgemälden wandelt sich Cadmium-
Struktur, das scharlachrote β-CdS dagegen kubisch, sulfid während Jahrzehnten bei Kontakt mit Licht
und in Form eines gelben Pulvers liegt das amor- und Luft in Cadmiumsulfat um (Van der Snickt
phe Cadmiumsulfid vor (s. Abb. 16a). Die Verbin- et al. 2009).
dung ist nicht löslich in Wasser und nicht brenn- Das rote Cadmiumselenid (CdSe) (s. Abb. 17)
bar. Sie wird als ebenso toxisch wie andere kristallisiert in einer hexagonalen Wurzitstruktur
Verbindungen des Elements eingestuft, weil sie (Kim et al. 2006). Die bei 1268  C schmelzende
nach dem Verschlucken durch Magensäure in lös- Verbindung der Dichte 5,81 g/cm3 und Bandlücke
liche Cadmiumsalze überführt wird und beim 1,74 eV ist ebenfalls ein II-VI-Verbindungshalb-
Erhitzen zu Schwefel-IV-oxid und ebenfalls lös- leiter, wird aber wegen ihrer Giftigkeit nicht hier-
lichem Cadmiumoxid verbrennt. für eingesetzt. Cadmiumselenid ist für Infrarot-
5 Einzeldarstellungen 835

Licht transparent, weshalb es gelegentlich als Cadmiumtellurid (CdTe) ist eine kristalline,
Fenstermaterial in IR-Anwendungen benutzt grauschwarze (s. Abb. 19a), bei 1092  C bzw.
wird. 1121  C schmelzende bzw. siedende Verbindung
Die Verbindung wurde schon intensiv auf ihre der Dichte 5,85 g/cm3. Der direkte II-VI-Verbin-
Eignung als Nanokristall geprüft. In diesem dungshalbleiter, der in Form von Sputtertargets im
Kleinstmaßstab bestimmt hauptsächlich die Größe Handel ist (s. Abb. 19b), hat bei 27  C eine Band-
des Kristalls die Lage der Energieniveaus der Elek- lücke von nur 1,56 eV, weshalb er in Solarzellen
tronen und damit die Frequenz absorbierten bzw. oder Fotodioden eingebaut wird. Zudem ist die
emittierten Lichts. Je kleiner der Kristall, desto Verbindung billiger als Silicium, aber nicht von
niedriger ist meist auch die Wellenlänge des aus- gleicher Leistungsfähigkeit. In Form von mit
gesandten Lichts. Daher sind Cadmiumselenid- Quecksilbertellurid gebildeten Mischkristallen
Nanopartikel beispielsweise als Biomarker für in- dient es als Infrarotdetektor; als Mischkristall mit
vitro-Untersuchungen oder als Lichtumwandler in Zinktellurid resultiert ein sehr wirksamer Detektor
Solarzellen im Einsatz (Weiss 2006). für Röntgen- und γ-Strahlen (Brebrick 1988; Cap-
Cadmiumrot vermischt man in zur Verwen- per und Garland 2011).
dung in Malfarben mit Cadmiumsulfid und kann Für optische Fenster und Linsen verwendet
so die gesamte Palette von Gelb bis Dunkelrot man es wegen seiner potenziellen Gesundheits-
abbilden. Die Mischungen sind lichtbeständiger schädlichkeit nur noch in geringem Umfang.
als Zinnober und dürfen, trotz erheblicher Vorbe- Dabei zeigt es neben seiner Halbleitereigenschaft,
halte, immer noch in Farbpigmenten -und sogar seines geringen Absorptionsvermögens für Infra-
bei Tätowierungen(!)- eingesetzt werden. Dies rotlicht im Bereich von 800 bis 20.000 nm noch
gilt nicht für Autolacke und Kunststoffteile. eine weitere, sehr interessante Eigenschaft: Es hat
Das graue Cadmiumselenid (s. Abb. 18a, b) den höchsten linearen elektrooptischen Koeffizi-
wird in der Elektronikindustrie als Halbleiter ein- enten aller kristallinen II-VI-Verbindungen, sein
gesetzt. Brechungsindex variiert also stark und in erster
Näherung linear mit einem angelegten elektri-
schen Feld. Ohne Gegenwart eines elektrischen
Feldes liegt der Brechungsindex für Infrarotlicht
der Wellenlänge 10 μm bei 2,65. Die Verbindung
ist unlöslich in Wasser, aber viele Säuren zerset-
zen es unter Bildung toxischen Tellurwasser-
stoffs. Auch Cadmiumtellurid selbst ist, vor allem
in Form feinen Staubs, als giftig eingestuft.

Abb. 17 Cadmiumselenid (Cadmiumrot, Almbauer Halogenverbindungen Cadmiumfluorid (CdF2)


2015) erhält man durch Auflösen von Cadmiumcarbonat
in Flusssäure. Der kubisch im Fluorittyp kristalli-

Abb. 18 a Cadmiumselenid 99,99 % (Onyxmet 2018).


b Cadmiumselenid Sputtertarget (QS Advanced Materials Abb. 19 a Cadmiumtellurid (Onyxmet 2018). b Cadmium-
2018) tellurid Sputtertarget (QS Advanced Materials 2018)
836 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Abb. 20 Cadmiumfluorid Sputtertarget (QS Advanced


Materials 2018)
Abb. 21 Cadmiumchlorid-Monohydrat (Onyxmet 2018)
sierende, farblose Feststoff (s. Abb. 20) schmilzt
bei 1078  C (Siedepunkt der Schmelze: 1748  C)
und hat eine Dichte von 6,64 g/cm3 (Kojima et al. außerdem in der Fotografie und zur Herstellung von
1968). Es löst sich nur relativ schlecht in Wasser Pigmenten. Eine besondere Anwendung ist die als
(43,5 g/L bei 25  C). Man nutzt es in der Halblei- Katalysator bei der Biginelli-Reaktion, die 3,4-Di-
tertechnik als Isolator. In dünnen Schichten zeigt es hydropyrimidin-2(1H)-onen liefert. Diese säureka-
Photolumineszenz. Cadmiumfluorid ist wie viele talysierte Cyclokondensation macht generell durch
andere Verbindungen des Elementes sehr giftig, Umsetzung CH-acider Carbonylverbindungen, aro-
außerdem als krebserregend (Kategorie 1) und matischen Aldehyden und Harnstoff bzw. dessen
mutagen (Kategorie 3A) eingestuft. Derivaten eine Vielzahl substituierter Pyrimidin-
Wasserfreies Cadmiumchlorid (CdCl2) erzeugt Derivate zugänglich; oft sind die oben genannten
man durch Reaktion erhitzten Cadmiums mit 3,4-Dihydropyrimidinone die Wirkstoffe in Arznei-
Chlorgas oder bei Temperaturen um 450  C auch mitteln (Kampe 2005; Hu et al. 1998; Narsaiah et al.
mit trockenem Chlorwasserstoff. Ein elegantes 2004).
Darstellungsverfahren für das wasserfreie Salz geht Cadmiumchlorid ist sehr toxisch und umwelt-
von einer Lösung von Cadmiumacetat in wasser- gefährlich, außerdem krebserregend, mutagen
freier Essigsäure aus, das mit Acetylchlorid zur und teratogen. Die Verbindung darf man nur in
Reaktion gebracht wird (Brauer 1975, S. 1040). geschlossenen Anlagen herstellen oder verwen-
Das Monohydrat gewinnt man durch Auflösen den. Eine Vergiftung schädigt Nieren, Leber und
von Cadmium oder Cadmiumcarbonat in Salzsäure Lunge; am Zahnfleisch bildet sich ein gelber
und nachfolgendes Auskristallisieren. Durch Kochen Rand, der durch das Vorhandensein sulfidischer
mit Thionylchlorid kann man das Monohydrat voll- Cadmiumverbindungen gebildet wird. Gegenüber
ständig entwässern (Holleman et al. 2007, S. 1490). niederen Säugetieren und Meeresorganismen ist
Cadmiumchlorid hat, wie es bei sehr vielen es ebenfalls sehr giftig.
Metallsalzen beobachtet wird, wesentlich niedrigere Wasserfreies Cadmiumbromid (CdBr2) ist
Schmelz- und Siedepunkte als das Fluorid. Das was- bei erhöhter Temperatur aus den Elementen her-
serfreie Salz schmilzt bzw. siedet bei Temperaturen stellbar, ebenso ist alternativ das Auflösen von
von 568  C bzw. 960  C und hat bei Raumtempera- Cadmium bzw. Cadmiumcarbonat in Bromwas-
tur eine Dichte von 4,05 g/cm3. Die farblosen serstoffsäure in Verbindung mit anschließender
(s. Abb. 21), hygroskopischen und gut wasserlös- Kristallisation oder Kochen mit Thionylbromid
lichen Kristalle (1400 g/L bei 20  C) haben eine möglich. Die perlmuttglänzenden Schuppen
trigonale Schichtstruktur (Partin und O’Keeffe (s. Abb. 22) der Dichte 5,2 g/cm3 kristallisieren
1991), in der jedes Cadmiumion oktaedrisch von mit hexagonaler Struktur, schmelzen bei einer
sechs Chloridionen umgeben ist und in der wiederum Temperatur von 569  C, sind sehr hygroskopisch
jedes Chloridion an der Spitze einer trigonalen Pyra- und leicht wasserlöslich (950 g/L bei 18  C)
mide steht, deren Grundfläche mit drei Cadmiumio- (Brauer 1978, S. 1040). Für die Verbindung sind
nen markiert ist (Riedel und Janiak 2007, S. 138). wenige Einsatzmöglichkeiten beschrieben, so die
Die Verbindung setzt man beim Galvanisieren ein, Herstellung von Bromokomplexen der schweren
5 Einzeldarstellungen 837

Abb. 22 Cadmiumbromid (Onyxmet 2018) Abb. 23 Cadmiumiodid (Onyxmet 2018)

Übergangsmetalle (Wolfram) sowie früher auch Cadmiumnitrid (Cd3N2) ist ein schwarzer Fest-
die von Silberbromid-Gelatine. stoff der Dichte 7,67 g/cm3, der durch thermische
Cadmiumiodid (CdI2) hat analoge Zugangsver- Zersetzung von Cadmiumamid bei 180  C
fahren wie das -bromid, also Reaktion der Ele- (Brauer 1975, S. 1044) bzw. Cadmiumazid bei
mente miteinander oder Auflösen von Cadmium 210  C (Karau und Schnick 2007) zugänglich
oder Cadmiumcarbonat in Iodwasserstoffsäure mit ist. Die Verbindung zersetzt sich heftig bei Kon-
anschließender Kristallisation. Das dabei gebildete takt mit Luft und Feuchtigkeit, Cadmiumnitrid
Hydrat wird mit Thionylchlorid entwässert (Holle- reagiert nahezu explosionsartig mit verdünnten
man et al. 2007, S. 1490). Im kleineren Maßstab Säuren und Laugen.
funktioniert die Darstellung aus Cadmiumsulfat Das tetragonal kristallisierende, graue Cadmium-
und Kaliumiodid gut (Brauer 1978, S. 1043). phosphid (Cd3P2) hat die Dichte 5,96 g/cm3,
Die weiß glänzenden, leicht spaltbaren Plätt- schmilzt bei 700  C und ist ein Halbleiter mit
chen (s. Abb. 23) kristallisieren in einer hexago- einer Bandlücke von 0,52 eV. Man kann es daher
nalen Schichtstruktur (Villars und Cenzual 2006), in Laserdioden verwenden; wegen der Giftigkeit
in der die Iodidionen eine hexagonal-dichteste der hydrolyseempfindlichen Verbindung bevor-
Kugelpackung bilden, in der jede zweite Okta- zugt man aber andere Substanzen.
ederlückenschicht mit Cadmiumionen besetzt ist. Das dunkelgraue, geruchlose, tetragonal kris-
Diesen Strukturtyp findet man bei vielen anderen tallisierende, bei einer Temperatur von 621  C
Bromiden, Iodiden, Sulfiden, Seleniden und Tel- schmelzende Cadmiumarsenid (Cd3As2) erhält
luriden (Riedel und Janiak 2007, S. 138). Nano- man durch Umsetzung von Cadmium mit einem
partikel mit der Struktur eines geschlossenen mit Arsen-Dampf beladenen Wasserstoff-Strom
Käfigs, also ungefähr der eines Fullerens, erhält (Brauer 1975, S. 1047). Kurz unterhalb ihres
man bei der Bestrahlung von Cadmiumiodid mit Schmelzpunktes erfolgt ein Phasenübergang
Elektronen (Tenne et al. 2003). (Hiscocks und Elliott 1969; Freyland et al.
Die Verbindung schmilzt bzw. siedet bei Tem- 1983). Die Verbindung wird durch Kontakt mit
peraturen von 387  C bzw. 796  C und hat bei Säuren zersetzt, wobei sich hochgiftiger Arsen-
Raumtemperatur die Dichte 5,67 g/cm3. Sie ist wasserstoff bildet.
sehr leicht in Wasser löslich (1850 g/L bei Das tetragonal kristallisierende, graue Cad-
20  C). Man setzt Cadmiumiodid sehr vereinzelt miumdiarsenid (CdAs2) erhält man durch gemein-
als Reagenz zum Nachweis von Alkaloiden und sames Schmelzen von Cadmium und Arsen im
Nitrit ein, außerdem bei der Herstellung von stöchiometrischen Verhältnis bei Temperaturen
Leuchtfarben. Cadmiumiodid ist sehr giftig für um 650  C im Vakuum (Brauer 1975, S. 1047).
Säugetiere und Wasserorganismen.
Sonstige Verbindungen Cadmiumcarbid, Cad-
Pnictogenverbindungen Das in der kubischen miumsilicid und Cadmiumborid sind bisher nicht
anti-Bixbyit-Struktur kristallisierende, schwarze in der Literatur beschrieben.
838 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Abb. 24 Cadmiumsulfat-Hydrat (Onyxmet 2018) Abb. 25 Cadmiumcarbonat (Onyxmet 2018)

Cadmiumsulfat (CdSO4) kommt in der Natur


in Form der seltenen Minerale Drobecit und Vou-
dourisit vor. Im Labor gewinnt man es in Form
farbloser Kristalle (s. Abb. 24) durch Auflösen
von Cadmiumoxid in verdünnter Schwefelsäure.
Das so anfallende Hydrat kann durch vorsichtiges
Erhitzen im Trockenschrank entwässert werden.
Bei Temperaturen oberhalb von 830  C zersetzt
sich die Verbindung in Cadmiumoxid und Schwe-
fel-VI-oxid. Die wässrige Lösung kann man zum
Abb. 26 Cadmiumwolframat (Onyxmet 2018)
qualitativen Nachweis von Sulfiden, Fumarsäure
oder Resorcin verwenden. Auch Cadmiumsulfat
ist als krebserzeugend (Kat. 1) und mutagen (Kat. stellt es durch Versetzen einer Cadmiumchlorid-
3A) eingestuft. Seine wässrige Lösung kann Lösung mit einer wässrigen Lösung von Ammo-
durch die Haut resorbiert werden. niumcarbonat und Ammoniak her. Die Verbindung
Cadmiumnitrat [Cd(NO3)2] bildet farblose, gut hat die Dichte 4,26 g/cm3, schmilzt bei 357  C
wasserlösliche und an feuchter Luft zerfließliche unter Zersetzung und kristallisiert trigonal in Form
Kristalle. Oberhalb einer Temperatur von 57  C farbloser Kristalle (s. Abb. 25). Man setzt Cad-
kann man sie durch vorsichtiges Erwärmen völlig miumcarbonat unter anderem zur Herstellung von
entwässern. Das wasserfreie Salz schmilzt bei cadmiumhaltigen Farbpigmenten ein.
350  C und hat die Dichte 2,46 g/cm3; es zersetzt Cadmiumwolframat (CdWO4), ein farbloser,
sich in der Hitze zu Cadmiumoxid und nitrosen bei 1325  C schmelzender Feststoff (s. Abb. 26)
Gasen. Man stellt Cadmiumnitrat in Form seiner der Dichte 8,0 g/cm3, ist in wasserfreiem Zustand
Hydrate durch Auflösen von Cadmium oder durch Erhitzen einer aus Cadmiumoxid und
seinem Oxid in verdünnter Salpetersäure und fol- Wolfram-VI-oxid bestehenden Mischung oder
gender Kristallisation her (Schulte-Schrepping und durch Versetzen der wässrigen Lösung eines Cad-
Piscator 2002). Man nutzt Cadmiumnitrat in der miumsalzes mit einer wässrigen Natriumwolf-
Glas- und Porzellanherstellung zur Erzeugung von ramat-Lösung erhältlich (Hosseinpour-Mashkani
Perlmuttglanz und auch in Nickel-Cadmium- und Sobhani-Nasab 2016; Wang et al. 2012). Die
Akkumulatoren. Cadmiumnitrat wurde von der Kristallstruktur der Verbindung ist monoklin
ECHA unlängst als unter anderem Krebs erzeu- (Williams et al. 2000). Man setzt die Verbindung
gend (Kategorie 1B), mutagen (Kat. 1B) und als als Szintillator (Bardelli et al. 2006) und in Rönt-
sehr schädlich für innere Organe (H-Sätze 340, 350 genbildschirmen ein (Perry 2016, S. 84).
und 372) eingestuft. Cadmiumferrit (CdFe2O4) liegt in Form schwar-
Cadmiumcarbonat (CdCO3) findet man in der zer Kristalle vor (s. Abb. 27) und erhielt in den
Natur als Mineral Otavit und als Zink-Cadmium- letzten Jahren vermehrte Aufmerksamkeit durch
carbonat [Cadmiumsmithsonit, (Zn,Cd)CO3]. Man seine ungewöhnlichen Eigenschaften (Silva und
5 Einzeldarstellungen 839

gelbes Cadmiumsulfid aus. Quantitativ ist Cad-


mium sehr gut polarografisch oder inversvoltam-
metrisch bestimmbar (Heyrovský und Zuman
1959; Neeb 1969), dies trifft auch auf die
Graphitrohr-AAS zu (Schwedt 1995).

Physiologie, Toxizität Cadmium und seine Ver-


bindungen sind meist als giftig oder sehr giftig
eingestuft. Es besteht begründeter Verdacht auf
Abb. 27 Cadmiumferrit (Onyxmet 2014) karzinogene Wirkung beim Menschen. Innere
Organe werden durch Einatmen cadmiumhaltigen
Staubs geschädigt. Daher muss die Luft in
Morais 2005; Yokoyama et al. 1998). Es besitzt eine Arbeitsumgebungen, in denen mit erhitzten Cad-
Spinellstruktur mit Cadmiumionen auf den Ecken miumverbindungen gearbeitet wird (Lötplätze
eines Tetraeders (Nayak 2008) und ist antiferromag- und Cadmierbäder), zügig ausgetauscht bzw.
netisch (Albanese et al. 1992). Gleichzeitig gibt es abgesaugt werden.
Berichte, die es als n-Halbleiter beschreiben, und Die Verwendung cadmiumhaltiger Lote ist
dass sein Seebeck-Koeffizient mit steigendem EU-weit seit Dezember 2011 verboten. Zudem
Gehalt an Cadmium abnimmt. dehnte man das Verbot auf PVC-haltige Erzeug-
nisse mit Ausnahme des PVC-Recyclings aus.
Anwendungen Früher hatte Cadmium neben Die EU-Verordnung 2016/217 nahm bestimmte
derjenigen in niedrigschmelzenden Legierungen cadmiumhaltige Anstrichfarben und Lacke in
weitere zahlreiche Anwendungen, die teils Anhang XVII der REACH-Verordnung auf. Noch
schon oben genannt wurden. Seine starke Giftig- nicht eingeschränkt sind nur Anwendungen, in
keit führte im Dezember 2011 jedoch zum denen Cadmium aus technischen Gründen noch
EU-weiten Verbot, Cadmium und seine Verbin- unverzichtbar ist.
dungen zur Herstellung oder Verarbeitung von Die Weltgesundheitsorganisation setzte die
Schmuck, Lötmetallen und bestimmten Kunst- für Menschen monatlich tolerierbare Aufnahme-
stoffen einzusetzen. Verbindungen wie Cad- menge für Cadmium zuletzt 2013 auf 25 μg/kg
miumsulfid (gelb), -selenid (rot) und -tellurid Körpergewicht herab, wogegen die Europäische
(schwarz) sind wichtige II-VI-Halbleiter; man Behörde für Lebensmittelsicherheit schon 2009
setzt sie daher noch als Nanoteilchen als Quan- als wöchentlich tolerierbare Aufnahmemenge
tenpunkte in der Elektrooptik und auch in der 2,5 μg/kg Körpergewicht als Grenzwert ausgab.
Biochemie in-vitro ein. Der Mensch nimmt Cadmium vor allem über
Nahrungsmittel auf, wobei vor allem Leber, Pilze,
Analytik Als Vorprobe auf Cadmium ist die Muscheln, Krebse, Kakaopulver, Leinsamen,
Glühröhrchenprobe hilfreich, bei der die mit Tabak und getrockneter Seetang relativ cadmium-
Natriumoxalat vermischte Ursubstanz in einem reich sind. Natürlich abgebautes Phosphat, das zu
Glühröhrchen erhitzt wird. Das in dem bei hoher Düngern verarbeitet wird, enthält ebenfalls Cad-
Temperatur gebildeten Gemisch aus Cadmiumoxid mium, wobei der Anteil stark von der jeweiligen
und -sulfid wird durch Natriumoxalat zu Cadmium Lagerstätte abhängig ist. Auch wilde Müllkippen
reduziert, das verdampft und sich in den kälteren sind eine potenzielle Quelle für die Freisetzung
Zonen des Röhrchens als Metallspiegel nieder- von Cadmium.
schlägt (Gerdes 2001). Gibt man dann Schwefel Cadmium akkumuliert im Körper, woraus
zu und glüht erneut, bildet sich in der Hitze rotes chronische Vergiftungen resultieren können.
und in der Kälte gelbes Cadmiumsulfid. Cadmium wird in der Leber an schwefelhaltige
Einleiten von Schwefelwasserstoff in wässrige Eiweiße gebunden, die dabei entstehenden
Lösungen von Cadmiumsalzen fällt aus diesen Komplexe werden in der Niere absorbiert.
840 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Dadurch werden die Nieren geschädigt. Aus


dem Körper wird Cadmium mit einer Halb- mium film on graphene substrate (Uni-
wertszeit von 30 a nur sehr langsam wieder versity of Shanghai, CN 108546995 A,
ausgeschieden, so kommt es zu Schädigungen veröffentlicht 18. September 2018)
dieses Organs mit der Folge einer Proteinurie C. Wang und C. Hotz, Low cadmium content
(Eisenbrand und Metzler 1994). Darüber hin- nanostructure compositions and uses the-
aus verdrängt Cadmium teilweise Calcium aus reof (Nanosys Inc., CA 3015622 A1, ver-
Knochen und den in der Darmschleimhaut vor- öffentlicht 31. August 2017)
kommenden Proteinen, fördert also chronische
Darmerkrankungen und auch Osteoporose. Bei aku-
ten Vergiftungen kann man durch Verabreichung
von Penicillamin oder Dimercaprol versuchen, eine 5.3 Quecksilber
beschleunigte Ausscheidung des Elements zu errei-
chen, weitere mögliche Gegenmaßnahmen sind Geschichte Quecksilber erzeugte man schon in
nicht bekannt (Biesalski et al. 2010). der Antike, damals durch Verreiben von Zinnober
mit Essig oder dessen einfaches Erhitzen. Die
Legierung von Quecksilber mit Gold setzte man
Patente zum Feuervergolden von Gegenständen ein,
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world wobei Quecksilber verdampfte. Gelegentlich fan-
wide.espacenet.com) den Quecksilberverbindungen als Heilmittel -mit
entsprechend negativen Nebenwirkungen-Ver-
S. W. Kwon und J. H. Jung, Equipment for wendung (Khadilkar 1947; Almkvist 1948). Ab
distillation of liquid cadmium (Korea dem ausgehenden Mittelalter nutzte man Queck-
Atomic Energy Research Institute, KR silber als Amalgamierungsmittel zur Gewinnung
101921534 B1, veröffentlicht 23. Novem- anderer Metalle. Die drei Elemente des mittelal-
ber 2018) terlichen Alchemisten waren Quecksilber, Schwe-
D. P. Aleksandrovna und K. K. Lvin, fel und Salz.
Composition for producing metal-
polymer cadmium-containing coatings Vorkommen Quecksilber kommt elementar in
with increased corrosion resistance der Natur vor, beispielsweise in Steinkohle, und
with electrodeposition method (Fede- ist die einzige flüssige Substanz, die als Mineral
ralnoe Gosudarstvennoe Byudzhetnoe anerkannt ist. Oft findet man Zinnober (Queck-
Obrazovatelnoe Uchrezhdenie Vyss- silber-II-sulfid, HgS) in Gebieten erloschener Vul-
hego Obrazovaniya Rossijskij, RU kane (Italien, China, Russland, Algerien, Spanien
2674529 C1, veröffentlicht 12. November und Serbien). Im spanischen Almadén befand sich
2018) eine der weltweit bedeutendsten Minen für Zinn-
Q. Jia und H. Ren, Method for preparing ober (Milara 2011). Seltener kommen Montroydit
cadmium sulfide as visible-light-induced (HgO) oder Silber- bzw. Kupferamalgame vor.
photocatalyst (University of Tianjin Sci- Die internationale Handelseinheit für Quecksilber
ence and Technology, CN 108722438 A, ist FL („flask“, 34,473 kg oder 76 lbs.).
veröffentlicht 2. November 2018)
Y. Dong und S. Xia, Preparation method of Gewinnung Quecksilber erhält man durch Rösten
cadmium selenide sensitized cobaltosic von Zinnober (Schröter und Lautenschläger 1996):
oxide photocathode (University of
Jiangnan, CN 108716006, veröffentlicht HgS þ O2 ! Hg þ SO2
30. Oktober 2018)
J. Huang und Q. Gu, Preparation method for Eigenschaften Quecksilber ist ein silberweißes,
directional growth of tellurium-zinc-cad- flüssiges Schwermetall der Dichte 13,55 g/cm3
(s. Tab. 3). Die bei den schon ziemlich schweren
5 Einzeldarstellungen 841

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Quecksilber


Symbol: Hg
Ordnungszahl: 80
CAS-Nr.: 7439-97-6

Aussehen: Silbrigweiß glänzende Quecksilber (checkdent 2017) Quecksilber


Flüssigkeit (Onyxmet 2018)
Entdecker, Jahr Griechische Antike
Wichtige Isotope [natürliches Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]
199
80Hg (16,87) Stabil ———
200
80Hg (23,10) Stabil ———
201
80Hg (13,18) Stabil ———
202
80Au (29,86) Stabil ———
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,4
Atommasse (u): 200,592
Elektronegativität 2,00 ♦ K. A. ♦ K. A.
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Normalpotential: Hg2+ + 2 e ! Hg (V) 0,854
Atomradius (berechnet) (pm): 150 (171)
Van der Waals-Radius (pm): 155
Kovalenter Radius (pm): 132
Ionenradius (Hg+/Hg2+, pm) 106/93
Elektronenkonfiguration: [Xe] 4f14 5d10 6s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 1007 ♦ 1810
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,8  105
Magnetismus: Diamagnetisch
Kristallsystem (unterhalb von 38,9  C): Trigonal
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,04  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): ——— ♦ ——— ♦ ———
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): ——— ♦ ———
Mohs-Härte ———
Schallgeschwindigkeit (longitudinal, m/s, bei 293,15 K): 1407
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 13,55
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 14,09  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: 8,3
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: 27,983
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 38,83 ♦ 234,32
Schmelzwärme (kJ/mol) 2,37
Siedepunkt ( C ♦ K): 357 ♦ 630,2
Verdampfungswärme (kJ/mol): 58,2

Atomkernen des Elements und seiner abgeschlos- ist Quecksilber das einzige Element, dessen
senen d-Elektronenkonfiguration zutage treten- Dampf bei Raumtemperatur einatomig ist.
den relativistischen Effekte bewirken eine etwas Quecksilber leitet Strom im Vergleich zu ande-
lockerere „Packung der Atome“, wodurch das ren Metallen schlecht, zumindest in flüssigem
Metall eine geringere Dichte hat, als mit ca. Zustand (Ziman 1961). Festes Quecksilber leitet
16 g/cm3 eigentlich zu erwarten gewesen wäre den Strom besser und wird unterhalb einer Tem-
(Calvo et al. 2013). Mit Ausnahme der Edelgase peratur von 268,9  C supraleitend.
842 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Quecksilberatome weisen vollständig gefüll-


te s- und d-Atomorbitale und sind daher sehr
energiearm. Das Leitungsband der Atome ist
leer. Die leichteren, bei Raumtemperatur jeweils
festen Homologen Zink und Cadmium weisen
eine nur sehr geringe Energiedifferenz zwischen
Valenz- und Leitungsband auf, und Elektronen
gelangen leicht vom Valenz- ins Leitungsband,
wodurch eine Metallbindung zustande kommt.
Abb. 28 a Quecksilber-II-oxid (Onyxmet 2018).
Im Unterschied zu diesen besitzt Quecksilber b Quecksilber-II-oxid (Benjah-bmm27, 2006)
dagegen noch zusätzlich vollständig gefüllte
4f-Orbitale. Die Lanthanoidenkontraktion und
relativistische Effekte führen dazu, dass be-
setzte Orbitale und somit das Valenzband in 2 KOH þ 2 HgNO3 ! 2 KNO3 þ Hg2 ðOHÞ2
erster Näherung enger an den Kern herangezo-
gen werden. Die leeren Orbitale, also im nähe- Das zunächst entstehende Quecksilber-I-hy-
ren Sinne das Leitungsband, aber nicht, wo- droxid [Hg2(OH)2] zerfällt schnell unter Abspal-
durch eine hohe Energiedifferenz zwischen tung von Wasser zu Quecksilber-I-oxid, das in
Valenz- und Leitungsband resultiert. Dies er- Wasser unlöslich, in Salpetersäure aber löslich ist.
klärt sowohl die schlechte elektrische Leitfähig- Das orangerote Quecksilber-II-oxid (HgO)
keit als auch die schwache Bindung zwischen (s. Abb. 28a, b) schmilzt oberhalb von 400  C
den Metallatomen, die sich in einem um mehr unter Schwarzfärbung und Zersetzung in Sauer-
als 100 K niedrigeren Schmelzpunkt äußert, als stoff und Quecksilber, hat die Dichte 11,1 g/cm3
ohne Einfluss relativistischer Faktoren zu und ist sehr schwer löslich in Wasser. Auch diese
erwarten gewesen wäre. Verbindung ist sehr giftig. Im Molekülgitter lie-
Im Isotopenbereich zwischen 17580Hg und gen sowohl Ketten aus linearen O-Hg-O- als auch
208
80Hg kennt man bisher 34 Isotope und neun leicht gewinkelten Hg-O-Hg-Einheiten vor.
Kernisomere, von denen sieben Isotope stabil sind Man kann Quecksilber-II-oxid durch Reaktion
(mit den Massenzahlen 196, 198, 199, 200, von Quecksilber mit Sauerstoff bei Temperaturen
201, 202 und 204). Die radioaktiven Isotope sind >350  C oder durch Pyrolyse von Quecksilber-II-
oft nur kurzlebig. nitrat herstellen (Brauer 1975, S. 1053). Bei
Quecksilber ist ein Halbedelmetall und deut- Raumtemperatur ist die trigonal kristallisierende
lich reaktiver als die im Periodensystem benach- Modifikation am stabilsten, wandelt sich aber
barten Edelmetalle Platin oder Gold aber deutlich oberhalb von 200  C in die orthorhombische um.
beständiger als seine leichteren Homologen Cad- Quecksilber-II-oxid eignet sich gut zur Erzeu-
mium und Zink. Es bildet mit Metallen Le- gung sowohl reinen Quecksilbers als auch Sauer-
gierungen, die Amalgame (Simon et al. 2006). stoffs im Labormaßstab. Die hierfür bestehenden
Sicherheitsmaßnahmen sind unbedingt einzuhal-
ten! Quecksilber-II-oxid kann auch perkutan auf-
Verbindungen genommen werden. Eine orale Aufnahme des
Chalkogenverbindungen Quecksilber-I-oxid (Hg2O) Stoffes kann zu Nierenschäden führen. Klinische
ist sehr zersetzlich, da es bei Lichteinwirkung oder Überwachung ist erforderlich; die sofort zu ver-
beim Erhitzen zu Quecksilber und Quecksilber-II- abreichenden Gegenmittel sind medizinische
oxid zerfällt. Die Verbindung schmilzt schon bei Kohle und Dimercaptopropansulfonsäure.
Temperaturen um 100  C und hat eine Dichte Quecksilber-II-sulfid (HgS) kommt natürlich in
von 9,9 g/cm3. Ein möglicher Darstellungsweg ist Form dreier Minerale vor, die sich aber auch syn-
die Zugabe von Kalilauge zu einer wässrigen Lösung thetisch erzeugen lassen (vgl. Abb. 29). Der trigonal
von Quecksilber-I-nitrat: kristallisierende, rote Cinnabarit ist viel bekannter
5 Einzeldarstellungen 843

(I) 3 HgO þ 3 Se þ 4 HNO3


! 3 HgSeO3 þ 4 NO þ 2 H2 O

(II) 2 HgSeO3 þ 3 ðN2 H6 ÞSO4 þ 6 NH3


! 2 HgSe þ 3 N2 þ 3 ðNH4 Þ2 SO4
þ 6 H2 O

Alternativ ist auch die Synthese aus den Ele-


menten bei Temperaturen um 600  C möglich.
Der violettschwarze, metallisch glänzende Fest-
stoff der Dichte 8,27 g/cm3 ist ebenfalls ein
II-VI-Halbleiter, kristallisiert im Zinkblende-
Gitter (Madelung 2004) und ist im Vakuum bei
ca. 600  C unzersetzt sublimierbar. Es existie-
ren drei Hochdruckmodifikationen (Adachi
2004).
Quecksilber-II-tellurid (HgTe) ist in Überein-
stimmung mit seinen Homologen ein direkter II-
Abb. 29 a Quecksilbersulfid (Cinnabarit) als Pigment
Zinnoberrot. b und c Quecksilber-II-sulfid schwarz und VI-Halbleiter. Die in der Zinkblende-Struktur
rot (Onyxmet 2018) kristallisierende Verbindung der Dichte 8,12 g/
cm3 schmilzt bei einer Temperatur von 673  C.
unter dem Namen Zinnober und wird durch Einlei- Es ist durch Umsetzung von Quecksilberorgany-
ten von Schwefelwasserstoff in eine heiße, konzen- len mit Tellurwasserstoff in Form extrem dünner
triert essigsaure Lösung von Quecksilber-II-acetat Schichten (Gasphasenepitaxie) zugänglich (Cap-
gebildet. Der schwarze Metacinnabarit kristallisiert per und Garland 2011).
dagegen kubisch; er ist erhältlich durch Umsetzung
von Schwefelwasserstoff mit der wässrigen Lösung Halogenverbindungen Quecksilber-I-fluorid
eines Quecksilber-II-salzes (Brauer 1978, S. 1054). (Hg2F2) gewinnt man als gelblichen, sich im
Daneben existiert noch der hexagonal kristallisie- Licht schwarz färbenden Feststoff durch Um-
rende Hypercinnabarit. Quecksilber-II-sulfid ist ein setzung von Quecksilber-I-carbonat mit Fluor-
Halbleiter mit Schmelz- bzw. Siedepunkt 386  C wasserstoff (Brauer 1975, S. 252). Die hydro-
bzw. 584  C und der Dichte 8,1 g/cm3: lyseempfindliche, tetragonal kristallisierende
Verbindung (Dorm 1971) der Dichte 8,73 g/cm3
HgðCOOCH3 Þ2 þ H2 S ! HgS þ CH3 COOH schmilzt bei einer Temperatur von 570  C unter
Zersetzung. Quecksilber-I-fluorid kann man als
Da die Verbindung extrem schwer löslich in mildes Fluorierungsmittel einsetzen (Herrmann
Wasser ist, ist sie als einzige des Quecksilbers 1999).
nahezu ungiftig und wird auch als rotes Pigment Das weiße, licht- und feuchtigkeitsempfindli-
(Zinnoberrot) verwendet. Elementares Queck- che Quecksilber-II-fluorid (HgF2) kristallisiert
silber wird durch Verreiben mit Schwefel in das kubisch (Blachnik 1998, S. 484; Perry 2011,
rote Quecksilbersulfid umgewandelt und kann als S. 273), schmilzt bei einer Temperatur von
dieses entsorgt werden. 645  C unter Zersetzung und hat die Dichte
Quecksilber-II-selenid (HgSe), das auch natür- 8,95 g/cm3. Die Verbindung ist durch Reaktion
lich in Form des Minerals Tiemannit vorkommt, von Quecksilber-II-chlorid mit Fluor zugänglich
erzeugt man am besten durch mehrstufige Reak- (I), alternativ durch Umsetzung von Quecksilber-
tion unter Beteiligung von Salpetersäure, Selen, II-oxid mit Fluorwasserstoff (II) oder auch durch
Quecksilber-II-oxid, Ammoniak und Hydrazi- Fluorierung von Quecksilber-I-fluorid (III, Brauer
niumsulfat (Brauer 1978, S. 1057): 1975, S. 252):
844 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

(I) HgCl2 þ F2 ! HgF2 þ Cl2 Quecksilber-II-chlorid (HgCl2) erhält man


durch Erhitzen von Quecksilber-II-sulfat mit Nat-
(II) HgO þ 2 HF ! HgF2 þ H2 O riumchlorid (I), durch Chlorieren von Quecksilber-
I-chlorid (II) bzw. Quecksilber (III, Brauer 1975,
(III) Hg2 F2 þ F2 ! 2 HgF2 S. 253) oder durch Umsetzung von Salzsäure mit
Quecksilber-II-nitrat (IV):
Auch Quecksilber-II-fluorid dient als mildes
und daher selektives Fluorierungsmittel (Habibi (I) HgSO4 þ 2 NaCl ! HgCl2 þ Na2 SO4
und Mallouk 1991).
Vor einigen Jahren gab es erste Hinweise auf (II) Hg2 Cl2 þ Cl2 ! 2 HgCl2
die Existenz von Quecksilber-IV-fluorid (HgF4).
Nachdem Berechnungen gezeigt hatten, dass (III) Hg þ Cl2 ! HgCl2
HgF4 (d8-Konfiguration) stabil sein sollte,
bestrahlte man eine auf ca. 200  C gehaltene (IV) 2 HCl þ 2 HgðNO3 Þ2 ! HgCl2 þ 2 HNO3
Mischung festen Fluors und Quecksilbers mit
UV-Licht (Kaupp et al. 2007). Die danach durch-
geführte infrarotspektroskopische Untersuchung Die in Wasser etwas lösliche, farblose
ergab das Vorliegen von HgF4-Molekülen. (s. Abb. 31), sehr giftige Verbindung der Dichte
Quecksilber-I-chlorid (Hg2Cl2) ist ein farblo- 5,44 g/cm3 schmilzt bzw. siedet bei 281  C bzw.
ser Feststoff (s. Abb. 30) der Dichte 7,15 g/cm3, 302  C. Bereits beim Erhitzen sublimiert das
der sich in Wasser nur sehr wenig löst und bei molekular strukturierte (lineare Cl-Hg-Cl-Mole-
einer Temperatur von 380  C sublimiert. Bestrah- küle), flüchtige Quecksilber-II-chlorid und wird
lung mit Licht führt zur Disproportionierung in daher „Sublimat“ genannt. In Wasser dissoziiert
Quecksilber und Quecksilber-II-chlorid, weshalb die Verbindung kaum in Kat- und Anionen; daher
es sich dann ins Dunkle verfärbt. In der Natur leiten wässrige Lösungen der Verbindung den
kommt die Verbindung als seltenes Mineral Kalo- elektrischen Strom kaum.
mel vor. Man nutzt sie unter anderem in Kalomel- Hg2+-Ionen hemmen die Durchlässigkeit von
elektroden zur Potentiometrie, zur Schädlingsbe- Biomembranen für Wasser (Welsch und Delle
kämpfung, als Katalysator und sogar noch in der 2010). Quecksilber-II-chlorid wirkt fungizid,
Pyrotechnik für grünleuchtende Fackeln (!), wird in dieser Funktion wegen seiner Giftigkeit
obwohl beim Verbrennungsprozess Quecksilber- aber nicht mehr eingesetzt. Dies gilt entsprechend
dampf freigesetzt wird. für seine Verwendung in der Medizin (Hager et al.
Früher wurde Quecksilber-I-chlorid oft in der 1999). Bis etwa zum Jahr 1900 diente es als Kon-
Medizin eingesetzt, beispielsweise gegen Entzün- servierungsmittel für Leichen; man ersetzte es
dungen des Nasen-/Rachenraums, gegen Syphilis aber dann durch andere Wirkstoffe, weil sich die
und gegen Krankheiten innerer Organe als auch Haut der Leichen grau verfärbte, und weil die
gegen Geschwüre, Windpocken und Warzen. Giftigkeit von Quecksilber-II-chlorid damals

Abb. 30 Quecksilber-I-chlorid (Onyxmet 2018) Abb. 31 Quecksilber-II-chlorid (Onyxmet 2018)


5 Einzeldarstellungen 845

bekannt wurde. In Ätzmitteln für die Bearbeitung aus Monosacchariden (Horton 2004; Stick und
von Stahl und Kupfer und als Katalysator bei der Williams 2001). Eine Methode zum Nachweis
Herstellung von Vinylchlorid findet es noch Ver- von Arsen beruht auf Quecksilber-II-bromid, da
wendung. naszierender Wasserstoff Arsen zunächst in Ar-
Die Struktur des festen Quecksilber-I-bromids senwasserstoff umwandelt, der Quecksilber-II-
(Hg2Br2) beruht wie die des Chlorids auf dem bromid braunschwarz verfärbt (Pederson 2006;
Vorliegen linearer X-Hg-Hg-X-Moleküle (X: Odegaard und Sadongei 2005).
Halogen) (Wells 1984). Die als krebserregend Das bei 140  C bzw. 290  C schmelzende bzw.
(Kat. 3B) eingestufte, weißbräunliche Verbindung siedende Quecksilber-I-iodid (Hg2I2) hat eine
(s. Abb. 32) der Dichte 7,3 g/cm3 schmilzt bei Dichte von 7,7 g/cm3 und ist aus den Elementen
einer Temperatur von 390  C und kann durch darstellbar. Andere Möglichkeiten der Herstel-
Erhitzen von Quecksilber mit Brom in geeigneten lung sind die Komproportionierung von Queck-
Retorten oder durch Zugabe von Alkalibromid zu silber mit Quecksilber-II-iodid, die Fällung mit
einer Lösung von Quecksilber-I-nitrat gewonnen stöchiometrischen Mengen an Iodid aus einer
werden (Brauer 1978, S. 1052). Lösung eines Quecksilber-I-salzes (Riedel und
Das weiße Quecksilber-II-bromid (HgBr2) Janiak 2007; Moody 2013, S. 414) oder die von
(s. Abb. 33) schmilzt bzw. siedet bei den niedrigen Quecksilber-II-chlorid mit Kaliumiodid in alko-
Temperaturen von 238  C bzw. 319  C, hat die holischer Lösung bei gleichzeitiger Anwesenheit
Dichte 6,1 g/cm3 und ist sehr giftig. Die Darstel- des Reduktionsmittels Zinn-II-chlorid (Kozin und
lung ist entweder aus den Elementen in Gegen- Hansen 2013). Der gelbe, tetragonal kristallisie-
wart von Wasser (Zimmer und Niedenzu 1976) rende Feststoff disproportioniert unter Lichtein-
oder durch Bromierung von Quecksilber-I-bro- wirkung schnell zu Quecksilber und Quecksilber-
mid möglich. Man nutzt es als Katalysator bei II-iodid und färbt sich beim Erwärmen rot. Aus
der Koenigs-Knorr-Synthese von Glykosiden medizinischen Anwendungen ist es wegen seiner
Giftigkeit eliminiert worden (Weller 2014).
Quecksilber-II-iodid (HgI2) kommt als Mine-
ral Coccinit natürlich vor. Die in Form einer gel-
ben bzw. roten Modifikation vorliegende Verbin-
dung (s. Abb. 34) schmilzt bzw. siedet bei
Temperaturen von 259  C bzw. 354  C, hat die
Dichte 6,27 g/cm3 und ist durch Reaktion der
Elemente miteinander erhältlich. Alternativ lässt
es sich durch Zugabe von Quecksilber-II-chlorid
zu einer Kaliumiodidlösung als roter Nieder-
schlag ausfällen, die ebenfalls im Handel ist
Abb. 32 Quecksilber-I-bromid (Onyxmet 2018) (s. Abb. 34b).

Abb. 34 a Quecksilber-II-iodid, gelbe β- (links) und rote


α-Modifikation (rechts) (Oelen 2008). b Quecksilber-II-
Abb. 33 Quecksilber-II-bromid (Onyxmet 2018) iodid (Onyxmet 2018)
846 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Die rote α-Modifikation des Quecksilber-II-io- bei Einwirkung von Licht sowie bei Temperaturen
dids verfärbt sich beim Erhitzen bis zum Schmelz- oberhalb von 450  C. Mit Alkalisulfaten bildet es
punkt unter Umwandlung in die β-Form gelb Doppelsalze. Man nutzt die Verbindung als Kata-
(Hager et al. 1999). Für viele Organismen ist es lysator bei der Synthese von Acetaldehyd aus
giftig. In überschüssiger Kaliumiodidlösung ist es Ethin und Wasser. Quecksilber-II-sulfat ist als
unter Entstehung von Kaliumtetraiodomercurat-II sehr giftig für Mensch und Tier sowie als umwelt-
löslich. In der Veterinärmedizin ist Quecksilber- schädlich eingestuft.
II-iodid Bestandteil von Wundtinkturen. Quecksilber-II-nitrat [Hg(NO3)2] erhält man
durch Auflösen von Quecksilber in heißer, kon-
Pnictogenverbindungen Definierte Nitride oder zentrierter Salpetersäure:
Phosphide des Quecksilbers sind nicht bekannt. In
der Natur kommt jedoch sehr selten Atheneit vor, 3 Hg þ 8 HNO3 ! 3 HgðNO3 Þ2 þ 2 NO
ein hexagonal kristallisierendes Mineral (Bindi þ 4 H2 O
2010) der Zusammensetzung (Pd,Hg)3As, das
die Dichte 10,2 g/cm3 und die Mohs-Härte Auch hier kann man das reine, kristalline Pro-
5 besitzt. Es tritt in Form opaker, metallisch-sil- dukt nur aus saurer Lösung erhalten, da in Was-
berweißer Blasen auf. Die 9. Auflage der Syste- ser Hydrolyse eintritt. Ebenso ist die Darstellung
matik nach Strunz erfasst Atheneit unter „Sulfide aus Quecksilber-I-nitrat und Salpetersäure mög-
und Sulfosalze/Legierungen und legierungsartige lich (Bode und Ludwig 2013). Die wasserfreie,
Verbindungen/Verbindungen von Halbmetallen gelbliche, kristalline Verbindung (s. Abb. 36)
mit Platin-Gruppen-Elementen“. In der Systema- schmilzt schon bei einer Temperatur von 79  C.
tik nach Dana findet man Atheneit ebenfalls in der Es gibt auch verschiedene Hydrate (Kozin und
Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“, dort aber Hansen 2013).
unter „Sulfidminerale“. Wenn man dieses Mineral Da auch Quecksilber-II-nitrat sehr giftig ist
überhaupt in der Natur findet, dann meist in Kon- und die Umwelt stark belastet, setzt man es heute
zentraten von Goldauswaschungen; bisher war nicht mehr zur Behandlung von Fellen ein (Csu-
dies in einigen russischen, brasilianischen und ros und Csuros 2002; Lew 2008), sondern nur
südafrikanischen Fundorten der Fall. noch zur Herstellung anderer Verbindungen des
Quecksilbers. Da es ein Oxidationsmittel ist,
Sonstige Verbindungen Quecksilber-II-sulfat reagiert es teils heftig mit brennbaren organischen
(HgSO4) stellt man durch Auflösen von Queck- Chemikalien (Lewis 2008).
silber in konzentrierter Schwefelsäure her. Man
kann es nur aus schwefelsaurer Lösung auskris- Anwendungen
tallisieren, da es in Wasser zu basischem Sulfat Thermometer: Quecksilber benetzt Glas nicht und
hydrolysiert. Das weiße bis gelbliche Kristallisat hat eine thermische Ausdehnung, die über einen
(s. Abb. 35) der Dichte 6,47 g/cm3 zersetzt sich weiten Bereich hinweg nahezu proportional zur

Abb. 35 Quecksilber-II-sulfat (Onyxmet 2018) Abb. 36 Quecksilber-I-nitrat (Onyxmet 2018)


5 Einzeldarstellungen 847

Temperatur ist. Man verwendete es daher gerne in Xenon, das in der Autoindustrie als Füllgas für
Flüssigkeits- und Kontaktthermometern bis herab Scheinwerferlampen benutzt wird.
zu einer Temperatur von 35  C. Wegen seiner Schalter: Dieser Einsatz ist fast nur noch von
Giftigkeit ersetzt man es aber, wo immer es mög- historischem Interesse. Quecksilber diente in
lich ist, zunehmend durch niedrigschmelzende ihnen lange Zeit als flüssiges und bewegliches
Legierungen (Galinstan), gefärbten Alkohol oder Kontaktmedium für elektrischen Strom, ist aber
elektronische Thermometer. Für medizinische seit 2005 in der EU für diese Anwendung nicht
Anwendungen bestimmte Thermometer dürfen mehr zulässig. Die Funktion beruhte darauf, dass
innerhalb der EU seit April 2009 kein Quecksilber ein in einem Glasrohr befindlicher, beweglicher
mehr enthalten. Quecksilbertropfen neigungsabhängig den elek-
Manometer/Barometer: Bis heute dient Queck- trischen Kontakt zwischen zwei ins Glas einge-
silber oft als Manometerflüssigkeit. Bei Normal- schmolzenen Metallstiften öffnet oder schließt.
druck (1 Atmosphäre) ist die Säule des Quecksil- Derartige Schalter sind beispielsweise noch in
bers 760 mm hoch. Die Maßeinheiten für 1 mm alten Treppenlicht-Zeitschaltern oder in Thermo-
sind: 1 mm = 1 torr (bis 1978) = 133,21 staten von Boilern enthalten.
Pa = 1,33 mbar. Amalgam: Diese Legierungen des Quecksil-
Quecksilberdampflampen: Diese gibt es in ver- bers mit anderen Metallen (Zinn etc.) verwendet
schiedenen Auslegungsformen. Niederdrucklampen man noch als Füllmittel für Zähne. Quecksilber
haben Innendrücke bis ca. 10 mbar und strahlen ohne zerstört auch Konstruktionen aus Magnesium,
zusätzlich eingebrachten Leuchtstoff nur wenig Aluminium und Zink durch Amalgambildung!
sichtbares Licht ab, aber dafür einen hohen Anteil Desinfektions- und Heilmittel, Kosmetika: Frü-
an UV-Licht. Sie besitzen meist einen aus Quarzglas her waren organische Quecksilbersalze Wirkstoff
bestehenden Kolben und dienen beispielsweise zu zur Desinfektion von Wunden, sind aber nahezu
Desinfektionszwecken. Leuchtstofflampen tragen vollständig aus diesen verbannt worden. Vom
zusätzlich an der inneren Glasoberfläche einen fluo- Ende des Mittelalters bis zum Anfang des 20.
reszierenden Leuchtstoff und vereinen sehr hohe Jahrhunderts diente die graue Quecksilbersalbe zur
Lichtausbeute mit Langlebigkeit. Die neben Neon- Behandlung der Syphilis (Zimmermann 1989).
röhren verwendeten Leuchtröhren sind meist Bis in die 1990er-Jahre war Quecksilber-I-chlorid
Quecksilber-Niederdrucklampen mit Leuchtstoffen als Spermizid in Vaginal-Zäpfchen enthalten.
der jeweiligen Farbe und haben eine nochmals er- Elektrolyse: Im früher zur Produktion von Na-
höhte Lebensdauer. tronlauge und Chlor weit verbreiteten, heute in
Mitteldrucklampen verwendet man in der Ablösung befindlichen Amalgamverfahren band
Industrie zur Aushärtung bestimmter UV-reaktiver man das an der aus Quecksilber bestehenden
Klebstoffe, Lacke und Druckfarben. Hochdruck- Kathode entstandene Natrium in situ als Amal-
lampen dagegen weisen einen Betriebsdruck gam. Dieses wurde von Zeit zu Zeit abgeführt
bis zu ca. 10 bar auf, der bereits nach kurzer und durch frisches Quecksilber ersetzt. Das Amal-
Zeit aufgebaut wird. Diese Quecksilberdampf- gam zersetzte man in separaten Zellen mit Wasser
Hochdrucklampen setzt man vielfach zur Straßen- wieder zu Natriumhydroxid und reinem Queck-
und Industriebeleuchtung ein. Sie sind schon mit silber.
einer Zündelektrode ausgestattet, haben eine gute Gewinnung edler Metalle: Oft nutzte man
Lichtausbeute und senden blaugrünes Licht aus. Quecksilber, um Edelmetalle in gediegener Form
Die Lichtausbeute beträgt bis zu 60 %, der Rest aus dem Erdreich in Form eines Amalgams zu
der erzeugten Energie geht als Abwärme verloren. „extrahieren“. Anschließend ließen wilde Schür-
In ihnen sind die Wolframelektroden nur wenige fer – und lassen immer noch – das Quecksilber
mm voneinander entfernt. Das im Kolben befind- einfach verdunsten, wobei das reine Edelmetall
liche Quecksilber verdampft sehr schnell und dann zurück bleibt. Bei machen südamerikani-
erzeugt im Gaszustand das typische Lichtspek- schen Fundorten ist die Umwelt des umliegenden
trum. Ein Ersatz für Quecksilber ist seit längerem Gebietes daher stark belastet.
848 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

Astronomie: Quecksilber dient als „flüssiger Spie- Anlegen einer Spannung wieder oxidiert. Der
gel“ in Teleskopen. Das Metall befindet sich in einem Stromfluss bei gegebener Spannung korreliert
tellerförmigen, rotierenden Spiegelträger, wobei es direkt mit der Menge an vorhandenem Queck-
sich auf der gesamten Spiegelträgerfläche in dünner silber. Die Nachweisgrenze liegt auch hier im
Schicht verteilt und einen fast perfekten Parabolspie- unteren einstelligen ng-Bereich (Clevenger et al.
gel bildet. Der wesentliche Nachteil ist, dass man die 1997; Salaun und van der Berg 2006).
Spiegel nur horizontal ausrichten kann.
Physiologie, Toxizität und Gesetzgebung Bei
Analytik Die Amalgamprobe dient als qualitativer der Aufnahme über den Verdauungstrakt ist reines
Nachweis für Quecksilber. Hält man ein Kupferblech metallisches Quecksilber relativ ungefährlich,
in eine salpetersaure Lösung der Probe, so scheidet eingeatmete Dämpfe wirken aber stark toxisch.
sich auf dem Kupfer ein silbriger, nicht entfernbarer Am giftigsten sind organische Verbindungen des
Amalgamfleck ab. Im Unterschied zu Silber ver- Quecksilbers, beispielsweise Methylquecksilber.
flüchtigt sich dieser in der Flamme eines Bunsen- Je nach Aufnahme sind sowohl eine akute
brenners. Auf einem vor die Brennerflamme gehal- als auch eine chronische Vergiftung möglich
tenen Uhrglas kondensiert das verdampfte (Schweinsberg 2002).
Quecksilber in Form kleiner Tröpfchen. Die Glüh- Wirkung auf die Umwelt und Verbote: Norwe-
rohrprobe funktioniert ähnlich. Man vermischt die gen verbot 2008, Schweden 2009 generell den
zu analysierende Substanz mit derselben Menge an Gebrauch von Quecksilber. Innerhalb der EU
Natriumcarbonat und glüht das Gemisch im Abzug. verfolgt man seit Januar 2005 eine „Gemein-
Enthält die Probe Quecksilber, so scheidet sich die- schaftsstrategie für Quecksilber“, die eine Bewirt-
ses als metallischer Spiegel an der Wand des schaftung bestehender Mengen und den Schutz
Reagenzglases ab. von Menschen vor Exposition vorsieht. Seit
Im qualitativen Trennungsgang ist Quecksilber Inkrafttreten der EU-Verordnung über das Verbot
sowohl in der Salzsäure- als auch in der Schwe- der Ausfuhr von Quecksilber und bestimmten
felwasserstoff-Gruppe nachweisbar. Gibt man Verbindungen sowie die sichere Lagerung von
Salzsäure zu, so fällt Kalomel (Hg2Cl2) aus, das Quecksilber vom 22. Oktober 2008 gilt es als
nach Zugabe von Ammoniaklösung zu Queck- gefährlicher Abfall und muss in unterirdische,
silber und Quecksilber-II-amidochlorid dispro- gesicherte Lagerstätten verbracht werden. Der
portioniert. Einleiten von H2S dagegen fällt Export von Quecksilber oder quecksilberhaltigen
Quecksilber als schwarzen Zinnober (HgS) aus. Stoffen mit einer Konzentration von über 95 %
Mit Hilfe der AAS (Quarz- oder Graphitrohr) Quecksilber in Nicht-EU-Staaten ist verboten.
sind Quecksilberverbindungen bis zum Teil in Da auch die Vereinten Nationen Quecksilber als
extrem niedrigen Mengen nachweisbar (Flores „global umweltschädlich“ einstufen, ist die Nach-
et al. 2001; Lobinski und Marczenko 1997; Chen frage nach Quecksilber stark zurückgegangen. Das
et al. 2009). In Verbindung mit der Kaltdampfer- im Januar 2013 von 140 Staaten ratifizierte Mina-
zeugung konnte man eine Nachweisgrenze von mata-Übereinkommen regelt Produktion, Verwen-
0,03 ng (!) erreichen. Bei der AES-MIP erfolgt dung und Lagerung von Quecksilber und seinen
die Detektion ebenfalls bei den Wellenlängen Abfällen. Neue Produktionsstätten dürfen nicht
253,65 nm und 247,85 nm; der bisherige Rekord mehr errichtet, bestehende müssen innerhalb einer
steht bei einer absoluten Nachweisgrenze von Übergangszeit von 15 a geschlossen werden.
4,4 ng/g Probe. Die ICP-MS ist gerade bei Queck- Trotzdem schätzt man, dass auch gegenwärtig
silberorganylen sehr empfindlich und erreicht noch >2000 t/a gasförmiges Quecksilber in die
ähnlich niedrige Nachweisgrenzen (Craig et al. Atmosphäre entweichen und zudem noch erhebli-
1999; Frech et al. 2000). Bei der anodischen che Mengen in Böden und Gewässern vorhanden
Stripping-Voltammetrie reichert man zunächst sind (Chen et al. 2016; Streets et al. 2009).
Quecksilber auf der aus Gold bestehenden Mess- Goldsucher sind für ein knappes Drittel der
elektrode an, wonach man das Quecksilber durch weltweit emittierten Menge an Quecksilber
5 Einzeldarstellungen 849

verantwortlich. Kohlekraftwerke stoßen jährlich 5.4 Copernicium


mehr als 600 t des Elements aus; daran ist
Deutschland aber nur mit einem Prozent beteiligt. Geschichte und Darstellung
Quecksilber sammelt sich auch im Klärschlamm Copernicium wurde erstmalig 1996 durch ein
von Kläranlagen und wird bei der Verhüttung von Team des GSI Helmholtzzentrums für Schwerio-
Buntmetallen, Blei und Zink in die Atmosphäre nenforschung (GSI) in Darmstadt um Hofmann
abgegeben (Watras und Huckabee 1994; Ebing- (Kurzbiographie siehe „Darmstadtium“) und
haus et al. 1999). Ninov durch Beschuss von 20882Pb- mit 7030Zn-
Das deutsche Umweltbundesamt empfiehlt seit Kernen in Form eines einzigen Atoms erzeugt
einigen Jahren einen Grenzwert im Abgas von (Hofmann et al. 1996):
Kohlekraftwerken von 1 μg/m3 im Jahresmittel.
Nach Expertenmeinung können diese Grenzwerte 208
82 Pb þ 70
30 Zn ! 277
112 Cn þ 1
0n
durch Ausrüstung der Kraftwerke mit spezieller
Technik auch eingehalten werden. Vier Jahre später konnte dieselbe Arbeits-
gruppe das Experiment reproduzieren (Hofmann
et al. 2002). Das japanische RIKEN bestätigte die
Patente Angaben, vor allem die zu Zerfallsprozessen und
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world -zeiten, der Darmstädter Gruppe 2004 (Morita
wide.espacenet.com) 2004; Vogt et al. 2001).
Zunächst lehnte die IUPAC die Versuche als
H. W. Lee und L. L. Kinner, Systems and nicht ausreichend begründet ab, weil die Zerfalls-
methods for removal of mercury and/or daten eines der in der Zerfallskette des Coperni-
hydrochloric acid from gas streams cium erscheinenden Nuklide (261104Rf) nicht ein-
using calcium containing particles deutig waren (Vogt et al. 2003). Dies konnte die
(Graymont Pa Inc., WO 2019027622, GSI durch Vorlage neuer Befunde aber entkräften.
veröffentlicht 7. Februar 2019) 2009 erkannte die IUPAC schließlich der GSI die
M. Kramer und H. Reissner, Method for sepa- Entdeckung des neuen Elements und das Erstrecht
ration of mercury from washer suspensions auf dessen Benennung zu, für das das GSI schließ-
(Andritz AG Maschinenfabrik, RS 57731 lich den Namen Copernicium zu Ehren von
B1, veröffentlicht 31. Januar 2019) Kopernikus vorschlug (Meija 2009; Barber et al.
N. R. Denny und J. V. Meier, Enhanced 2009). Dieser Name wurde am 19. Februar 2010
injection of mercury oxidants (Ecolab von der IUPAC offiziell akzeptiert.
USA Inc., US 2019009210 A1, veröf-
fentlicht 10. Januar 2019)
M. Abbott, Enzyme treatment of coal for
mercury remediation (Nox II Ltd., US Der europäische Astronom, Arzt und Dom-
2018362870 A1, veröffentlicht 20. herr Nikolaus Kopernikus (* 19. Februar
Dezember 2018) 1473 Thorn; † 24. Mai 1543 Frauenburg)
Z. Wang, Improved method of making a besuchte zunächst die Sankt-Johannes-
Schule in Thorn und von 1488 bis 1491
mercury sorbent (Amcol International
die höhere Schule. Zwischen 1491 und
Corporation, US 2018304229 A1, ver-
1494 studierte er zusammen mit seinem
öffentlicht 25. Oktober 2018)
Bruder Freie Künste an der Universität Kra-
A. Wojciechowski und M. Lang, UV mercury
kau. 1495 erhielt Kopernikus den Ruf als
low-pressure lamp with amalgam deposit Kanoniker an die Domschule in Frauen-
(Xylem IP Manufacturing sarl, CA burg. Kurz darauf ging er nach Bologna,
3029787 A1, veröffentlicht 11. Januar wo er ab 1496/1497 Rechtswissenschaften,
2018) Griechisch und Astronomie studierte. Dort
850 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

wurde er mit einem Weltbild konfrontiert, in achtete ab 1610 Jupiter und die Rotation
dem die Sonne als Abbild Gottes galt. 1500 einiger seiner Monde um den Planeten,
verließ Kopernikus Bologna und begann und Bradley wies Anfang des 18. Jahrhun-
nach kurzem Aufenthalt im Ermland erneut derts die durch die relative Bewegung der
ein Studium in Italien, diesmal im Fach Erde zu den Sternen verursachte Aberration
Medizin in Padua. Gleichzeitig war Koper- des Lichtes nach. Kepler lieferte mit der
nikus oft in Rom, dies in seiner Funktion als Beschreibung der elliptisch um die Sonne
Bevollmächtigter des Frauenburger Dom- verlaufenden Planetenbahnen die mathema-
kapitels. tische Grundlage des „neuen“ heliozentri-
schen Weltbildes, die Newton mit seinem
Seine Studienaufenthalte in Italien schloss
er 1503 mit der Promotion zum Doktor des Gravitationsgesetz bewies (Bruhns 1876,
Kirchenrechts in Ferrara ab und kehrte dann S. 461–469; Carrier 2001; Freely 2015; Ha-
wieder nach Frauenburg zurück. Als Fürst- mel 1994).
bischof hatte er dort die Aufgabe, Verwalter
des Ermlandes zu sein. Er nahm 1504 an
Der bulgarische Atomphysiker Victor Ni-
den Preußischen Landtagen in Elbing und
nov (* 1959 Sofia) studierte an der Univer-
Marienburg teil. Mehrere Jahre später
sität Darmstadt, wo er 1992 auch promo-
wandte er sich wieder der Astronomie zu
vierte. Im Rahmen seiner späteren Tätigkeit
und stellte seine damals revolutionären
beim Darmstädter Helmholtzzentrum für
Thesen vom Umlauf der Planeten um die
Schwerionenforschung war er an der Entde-
Sonne und der durch die Drehung der Erde
ckung der Elemente Darmstadtium, Roent-
bedingten scheinbaren Bewegung der Fix-
genium und Copernicium beteiligt. Später
sterne auf. Seine Kernaussagen waren:
wechselte er zum Lawrence Berkeley
National Laboratory (LBNL) in Berkeley,
a) Die Erde dreht sich täglich einmal um
USA, und arbeitet heute an der privaten
ihre Achse.
University of the Pacific in Stockton, CA.
b) Die Erde bewegt sich in einem Jahr ein-
mal auf einer kreisförmigen Bahn um die Ein von ihm und vielen anderen Wissen-
Sonne. schaftlern im Jahr 1999 verfasster Bericht
c) Die übrigen Planeten bewegen sich über eine angeblich erstmalige Darstellung
ebenfalls auf kreisförmigen Bahnen um von Nukliden des Livermoriums und Oga-
die Sonne. nessons im LBNL enthielt Messdaten, die
von diversen anderen Forscherteams ein-
Nahezu alle seine Vorgänger, mit Aus- schließlich des LBNL selbst nicht reprodu-
nahme von Nikolaus von Kues sowie Re- ziert werden konnten, weshalb Ninov und
giomontanus, nahmen als Grund für die seine Kollegen der Fälschung von Messda-
Präzession eine langsame Drehung der ten bezichtigt wurden. Die Publikation
Fixsternsphäre an, hielten also die Erde für wurde im Jahr 2000 zurückgezogen, Ninov
den Fixpunkt des Universums. Kurz vor vom LBNL entlassen, wobei sich Ninov
Kopernikus’ Tod 1543 veröffentlichte dann jedoch auf durch die damals verwendeten
Johannes Petreius in Nürnberg Kopernikus’ Apparaturen erzeugte Messfehler beruft.
Darauf untersuchte man auch Ninovs frü-
Hauptwerk „De revolutionibus orbium coe-
here Berichte zur Entdeckung der Elemente
lestium“. Kopernikus’ Theorie wurde zu-
Darmstadtium und Copernicium; hier aber
nächst nahezu einhellig abgelehnt. Erst
waren fast alle Aufzeichnungen schlüssig,
deutlich später stützten Befunde anderer
und man musste keine Veröffentlichung
Wissenschaftler seine Thesen. Galilei beob-
zurückziehen.
5 Einzeldarstellungen 851

Eigenschaften relativistische Effekte entscheidend, ebenso für


Physikalische Eigenschaften: Alle Isotope des die Stabilisierung des 7s- Orbitals und die Desta-
Elements sind radioaktiv, bisher wurden Massen- bilisierung der 6d-Orbitale. Wir könnten hier also
zahlen von 277 bis 283 berichtet. Die meisten ein bei Raumtemperatur gasförmiges Edelmetall
erleiden α-Zerfall, manche auch spontane Kern- vor uns haben, das noch dazu die Eigenschaften
spaltung. Die Halbwertszeiten sind sehr kurz, eines Halbleiters hat! In jedem Fall wird Coperni-
wobei die schwereren Isotope noch die stabileren cium sehr flüchtig sein; der Siedepunkt wurde auf
sind (Halbwertszeit von 285112Cn: 29 s). Die ande- 84  C (Toleranz: +112 und 108  C) berechnet
ren Isotope zerfallen zur Hälfte in weniger als (Soverna 2004; Eichler et al. 2008).
0,1 s. Prognosen sagen für die noch nicht darge- Chemische Eigenschaften: Die Bildung starker
stellten Isotope 291112Cn und 293112Cn Halbwerts- intermetallischer Bindungen, beispielsweise zu
zeiten von 1200 a (!) voraus. Kupfer, Palladium, Platin, Silber und Gold ist
Copernicium sollte ein Schwermetall einer möglich. Das Cn2+-Ion sollte eher durch Abgabe
Dichte von ca. 23,7 g/cm3 sein (s. Tab. 4). Disku- von 6d- als von 7s-Elektronen gebildet werden.
tiert wird, ob es bei Raumtemperatur ein Feststoff, Ionisiertes Copernicium sollte sich trotzdem un-
eine Flüssigkeit oder sogar ein Gas ist. Dafür sind gefähr wie ein Übergangsmetallion verhalten,

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Copernicium


Symbol: Cn
Ordnungszahl: 112
CAS-Nr.: 54084-26-3
Aussehen: ——
Entdecker, Jahr Hofmann, Ninov et al. (Deutschland), 1996
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
283
112Cn (synthetisch) 4s α > 279110Ds
285
112Cn (synthetisch) 29 s α > 281110Ds ♦ SF
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): (285)
Elektronegativität Keine Angabe
(Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken)
Atomradius (berechnet) (pm): 147*
Van der Waals-Radius (pm): Keine Angabe
Kovalenter Radius (pm): 122*
Elektronenkonfiguration: [Rn] 5f14 6d10 7s2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), 1155 ♦ 2170 ♦ 3164*
erste ♦ zweite ♦ dritte:
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Diamagnetisch*
Kristallsystem: Hexagonal-dichtest*
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) 23,7*
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): 12,03  106
Wärmeleitfähigkeit [W/(m  K)]: Keine Angabe
Spezifische Wärme [J/(mol  K)]: Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
Schmelzwärme (kJ/mol) Keine Angabe
Siedepunkt ( C ♦ K): 84 (+112/108) ♦ 357 (+112/108)*
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe
*Geschätzte bzw. berechnete Werte
852 17 Zinkgruppe: Elemente der zweiten Nebengruppe

auch in einem möglichen Oxidationszustand +4. Bindi L (2010) Atheneite, [Pd2][As0.75Hg0.25], from Itabi-
Ein dem zweiatomigen Ion Hg22+ analoges Cn22+ ra, Minas Gerais, Brazil: crystal structure and revision
of the chemical formula. Can Mineral 48:1149–1155.
sollte Berechnungen zufolge instabil sein. Man https://doi.org/10.3749/canmin.48.5.1149
erwartet, dass sich Copernicium-II-fluorid (CnF2) Blachnik R (1998) Taschenbuch für Chemiker und Physi-
leicht in die Elemente zersetzt. Halogenokomplexe ker. Band III: Elemente, anorganische Verbindungen
sollten existieren. und Materialien, Minerale, 4. Aufl. Springer, Berlin/
Heidelberg, S 484. ISBN 3-540-60035-3
Bode H, Ludwig H (2013) Chemisches Praktikum für
Verbindungen Copernicium ist das schwere Mediziner. Springer, Berlin/Heidelberg, S 70. ISBN
Homologe des Quecksilbers und sollte wie dieses 978-3-540-60035-3
Brauer G (1975) Handbuch der Präparativen Anorgani-
starke binäre Bindungen mit Edelmetallen wie schen Chemie, Bd I, 3. Aufl. Enke-Verlag, Stuttgart.
Gold eingehen. In Versuchen wurde die Adsorp- ISBN 3-432-87813-3
tion von Atomen des Coperniciums auf Gold- Brauer G (1978) Handbuch der Präparativen Anorgani-
oberflächen bei verschiedenen Temperaturen schen Chemie, Bd II, 3. Aufl. Enke-Verlag, Stuttgart.
ISBN 3-432-87813-3
geprüft, um die Bindungsenthalpie zu messen. Brebrick RF (1988) Thermodynamic modeling of the Hg-
Copernicium erwies sich als flüchtiger als Queck- Cd-Te and Hg-Zn-Te systems. J Cryst Growth 86:39–48
silber; die Reaktionscharakteristika wiesen es ein- Brückner R (2004) Reaktionsmechanismen, 3. Aufl. Spek-
deutig dem schwersten Element der 2. Nebengrup- trum Akademischer Verlag, München, S 776. ISBN
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Seltenerdmetalle: Lanthanoide und
dritte Nebengruppe 18

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857
2 Geschichte, Vorkommen und Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859
3 Physikalische und chemische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863
4 Analytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864
5 Weltmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan,
Actinium) sowie der Gruppe der Seltenerdmetalle (Cer bis Lutetium) . . . . . . . 866
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957

Zusammenfassung 1 Einleitung
In diesem Kapitel werden ausführlich die Ele-
mente der dritten Nebengruppe des Perioden- Die Seltenerdmetalle: relativ häufig vorkommend,
systems der Elemente sowie die der Lantha- aber doch so fremd. Auch wenn Sie bisher noch
noiden („Seltenerdmetalle“) mitsamt ihrer nichts von ihnen gehört haben sollten, werden
wichtigsten Verbindungen beschrieben. Diese diese Elemente für die Realisierung moderner
insgesamt achtzehn Elemente sind Bestandteil Technologien immer wichtiger. Sowohl die Me-
vieler Gebrauchsgegenstände des täglichen talle als auch ihre Verbindungen kommen in
Bedarfs und in technologischer Hinsicht für vielen aktuellen Anwendungen zum Einsatz und
die Zukunft unverzichtbar. Wir führen ihre che- begegnen Ihnen täglich.
mischen und physikalischen Eigenschaften, ihr Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B.
Vorkommen, bedeutsame Herstellverfahren, An- Natrium, Calcium, Chrom, Eisen, Zink), Halbme-
wendungen und Patente auf. talle wie Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle
wie beispielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon.
Die meisten Elemente können sich untereinander
verbinden und bilden chemische Verbindungen;
so wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemische
Verbindung Natriumchlorid (also Kochsalz).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 857
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_18
858 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Einschließlich der natürlich vorkommenden sieben 4 f-Orbitale fortlaufend mit Elektronen auf,
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich so dass sich die Elektronenkonfiguration von 4f1
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden- (Cer) bis 4f14 (Lutetium) erstreckt. Als Ceriterden
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. bezeichnet man gewöhnlich die ersten sieben Ele-
Die in diesem Buch vorgestellten Seltenerdme- mente mit Konfigurationen von f1 bis f7 (Cer
talle wie z. B. Cer, Dysprosium oder Thulium und bis Gadolinium) einschließlich des Lanthans,
die diesen chemisch sehr ähnlichen Metalle der wogegen die Yttererden, zu denen auch Yttrium
dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lan- gerechnet wird, Elektronenkonfigurationen von f8
than, Actinium) sind ebenso chemische Elemente (Terbium) bis f14 (Lutetium) aufweisen. Die Lite-
wie die viel bekannteren Schwefel, Sauerstoff, ratur sieht diese Unterteilung aber nicht immer
Stickstoff, Wasserstoff, Helium oder Gold. scharf, zumal manche Eigenschaften der Lantha-
Die Metalle der dritten Nebengruppe erscheinen noide sich regelmäßig über die gesamte Elemen-
im Periodensystem unter „3 bzw. III B“. Ihre Atome tengruppe hinweg ändern und eine ausgeprägte
besitzen jeweils ein einziges Elektron in ihrer höch- Trennung nicht gegeben erscheinen lassen.
sten d-Elektronenkonfiguration (Scandium: 3d1, Insgesamt werden wir in diesem Kapitel also
Yttrium: 4d1, Lanthan: 5d1, Actinium: 6d1). achtzehn Elemente beschreiben, ein knappes
Die vierzehn Seltenerdmetalle von Cer bis Fünftel aller in der Natur vorkommenden. Ich
Lutetium finden Sie im obenstehenden Perioden- werde sie Ihnen zunächst in einer zusammenfas-
system unter „Ln“. Vom Atom des Cers bis zum senden Übersicht präsentieren und sie anschlie-
Atom des Lutetiums füllen diese ihre insgesamt ßend einzeln vorstellen.

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- VII VIII VIII VIII VIII
IA II A III B IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


2 Geschichte, Vorkommen und Herstellung 859

2 Geschichte, Vorkommen und von Van den Broek eingeführten Ordnungszahlen


Herstellung sowie die 1913 von Growyn und Moseley präsen-
tierte Relation zwischen Ordnungszahl eines Ele-
2.1 Geschichte ments und der Frequenz der von ihm emittierten
Röntgenstrahlen erlaubten die zweifelsfreie Ein-
Arrhenius entdeckte 1787 ein dunkles Erz nahe ordnung aller bis dahin entdeckten Lanthanoide in
Ytterby (Schweden) und nannte es Ytterit (Gupta das neue Periodensystem der Elemente.
und Krishnamurthy 2005). Nur wenige Jahre Das Element mit der Ordnungszahl 61 war
später isolierte Gadolin in Turku (Finnland) aber noch nicht bekannt. In den 1940er-Jahren
ein neues, bis dahin unbekanntes Metalloxid beanspruchten mehrere Arbeitsgruppen, zuerst
(„Erde“), das Ekeberg Gadolinit nannte. Anfang Nuklide dieses Elements nachgewiesen zu haben.
des 19. Jahrhunderts gewannen unabhängig von- Schließlich konnte es 1945 am Clinton Labora-
einander der Deutsche Klaproth sowie die Schwe- tory durch Marinsky, Glendenin und Coryell mit-
den Berzelius und Hisinger eine ähnliche „Erde“ tels Ionenaustauschchromatografie aus den Pro-
aus einem bei Bastnäs (Schweden) gefundenen dukten der Kernspaltung von Uran sowie denen
Erz. Jenes wurde Cerit und das daraus gewonnene der Bombardierung von Neodym mit Neutronen
Metall Cer genannt. isoliert werden; es wurde Promethium genannt
Um 1840 laugte Mosander Cerit mit Salpeter- (Marinsky et al. 1947). In der Natur kommt
säure aus, trennte das bei diesem Verfahren aus Promethium, dessen Isotope alle radioaktiv sind,
der Lösung gefällte schwerlösliche Produkt ab in verschwindend kleinen Mengen vor, erzeugt
und identifizierte es als Ceroxid. Er konnte aus entweder durch Spontanspaltung von Uran oder
der verbliebenen wässrigen Lösung zwei neue als durch Alphazerfall des Europiumisotops
„Erden“ isolieren, Lanthana und Didymia. Aus 151
63Eu entstandenes Isotop
147
61Pm. In Pech-
erstgenannter isolierte er durch fraktionierte Kris- blende (Uranoxid) ist es in einer Konzentration
tallisation Lanthansulfat. Wenige Jahre später von (41)  1015 g 14761Pm pro kg enthalten
stellte Mosander dann aus dem ursprünglichen (Attrep und Kuroda 1968). Hochgerechnet beträgt
Ytterit drei voneinander verschiedene Oxide dar, die in der Erdkruste vorhandene Gesamtmenge an
die er als Yttriumoxid (weiß), Erbiumoxid (gelb) Promethium ca. 560 g, erzeugt durch Spaltung
und Terbiumoxid (rosafarben) bezeichnete. 1864 von Uran, und etwa 12 g, die durch Zerfall von
151
wies Delafontaine die so isolierten Elemente spek- 63Eu entstehen (Belli et al. 2007).
troskopisch eindeutig nach, allerdings unter Ver- Scandium, das erste Element der dritten Ne-
wechslung der Namen von Terbium und Erbium, bengruppe, wurde 1879 von Nilsson in Form sei-
die bis heute nicht mehr geändert wurden. nes Oxids aus Euxenit und Gadolinit isoliert und
Ende des 19. Jahrhunderts gelang es Auer, eine nach seiner Heimatregion Skandinavien benannt.
durch Behandlung von Didymia mit Säuren erhal- 1937 gelang es erstmals, metallisches Scandium
tene wässrige Lösung mittels fraktionierter Kris- durch Schmelzflusselektrolyse einer Mischung
tallisation in Salze des Praseodyms und Neodyms von Kalium-, Lithium- und Scandiumchlorid her-
aufzutrennen. 1907 von ihm publizierte Ergeb- zustellen.
nisse von Versuchen bezogen sich auf zwei wei- Die Entdeckung der zu Scandium homologen
tere isolierte Elemente, die nach einem langen, mit Elemente Yttrium und Lanthan ist eng mit der der
dem französischen Chemiker Urbain und der Jus- Seltenerdmetalle verbunden und wurde bereits am
tiz geführten Streit über die Erstentdeckung heute Anfang dieses Kapitels erwähnt.
Ytterbium und Lutetium genannt werden. Debierne entdeckte Actinium, das bislang
Auch wenn bis Anfang des 20. Jahrhunderts schwerste Element der dritten Nebengruppe,
alle in der Natur vorkommenden Seltenerdmetalle 1899 durch Aufarbeitung von Pechblende (De-
entdeckt waren, war dies den damals mit diesen bierne 1899, 1900), in der es als Zerfallsprodukt
Arbeiten befassten Forschern nicht bewusst. Erst des Urans natürlich vorkommt. Alle Isotope des
die ab 1910 entwickelte Atomtheorie, die 1912 Actiniums sind radioaktiv.
860 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

2.2 Vorkommen ist gemischtes Yttrium-Ytterbiumphosphat [Y


(Yb)PO4].
Die Seltenerdmetalle kommen wegen ihrer hohen Monazit, vor allem aber Bastnäsit, sind eher
Reaktionsfähigkeit in der Natur nicht elementar, Ausgangsmaterialien für die leichteren Lanthanoide
sondern stets nur in Form ihrer chemischen Ver- (Ceriterden), wogegen die schwereren Seltenerd-
bindungen vor. Aufgrund ihrer großen chemi- metalle bevorzugt in Thalenit (Yttriumsilicat,
schen Ähnlichkeit treten sie darüber hinaus nie Y2Si2O7), Thortveitit (Y, Sc)2(Si2O7), Gadolinit
isoliert auf, sondern immer in Mischungen mit (BeII, FeII)3(Si2O10) und Xenotim angereichert sind.
mehreren anderen Seltenerdmetallen sowie ande- In China, das immer noch rund 80 % der
ren Begleitelementen. weltweiten Produktionsmenge aller Seltenerden
Die Häufigkeitsverteilung der Lanthanide ge- erzeugt, befinden sich mit knapp 3 Mio. t Erz, mit
horcht der Harkinschen Regel, die besagt, dass außerdem hohen Gehalten von 3 bis 5,4 %, einige
Elemente mit einer geraden Ordnungszahl häufi- der größten Lagerstätten für Seltenerdmetalle welt-
ger auftreten als die benachbarten Elemente mit weit, vor allem für die schwereren Yttererden (Spie-
ungerader Ordnungszahl (s. Abb. 2). gel Online 2014). Außerhalb Chinas liegen die größ-
Daher ist es nicht möglich, bei diese Elemente ten Vorkommen in Grönland, Sibirien, Kanada
enthaltenden Mineralien (z. B. Allanit, Monazit, (Provinz Québec) und in Australien (Mount Weld,
Bastnäsit, Xenotim) eine einheitliche chemische ca. 1,5 Mio. t).
Formel anzugeben. Es ist heute üblich, die Selten- Im Südwesten Grönlands betreibt der australische
erdmetalle bzw. ihre Ionen summarisch zu be- Konzern Greenland Minerals and Energy das Kva-
zeichnen und in der entsprechenden chemischen nefeld-Projekt. Die zwischen 2007 und 2011 auf
Formel mit SEE (Seltene-Erden-Elemente) bzw. einer Fläche von 80 km2 durchgeführten Erkun-
REE (Rare Earth Elements) abzukürzen. dungsbohrungen ergaben Vorräte von 956 Mio. t
Die oben genannten Erze sind die wichtigsten Erz, die unter anderem 0,26 Mio. t Uranoxid, 10,3
zur Gewinnung der Lanthanoide. Monazit besteht Mio. t Oxide von Seltenerdmetallen sowie 2,25
zumeist aus gemischten Phosphaten leichter Sel- Mio. t Zink enthalten. Der seit 2018 betriebene
tenerdmetalle (Lanthan, Cer, Neodym, Sama- Mine sieht eine jährliche Menge von 3 Mio. t zu
rium), unter Beimengung kleinerer Anteile an verarbeitendem Erz vor. Daraus sollen dann 7000 t
Thoriumverbindungen. Bastnäsit ist der Sammel- schwere und 16.000 t leichte Seltenerden pro Jahr
name für Lanthanoidfluoridcarbonate, zumeist erzeugt werden (Mumme 2014). Die ursprünglich
ebenfalls auf Basis der leichteren Seltenerdme- errechneten Erschließungskosten lagen schon
talle und des Yttriums. Xenotim (oder Ytterspat) 2007 bei ca. US$ 2,3 Mrd. (Elsner et al. 2014).

Abb. 2 Konzentration der 50


Seltenerdmetalle in der 45
Erdhülle (ppm) 40
35
30
25
20
15
10
5
0
8 9 0 1 5
2 6 3 7 84 9 0 1
r ,5 ,5 ,6 ,6 ,6
,6 ,6 ,6 ,6 ,6
,6 ,6 ,7 ,7
m m m m um um um um um um
m m m
Ce dy dy iu i u
riu i iu i iu
i li i i
eo o th a op lin erb ros olm Erb hu terb utet
as Ne ome am Eur ado T s p H T Yt L
Pr Pr
S G Dy
2 Geschichte, Vorkommen und Herstellung 861

Bereits erschlossene und in der Abbauphase Zur Gewinnung der einzelnen Metalle und
befindliche Vorkommen von Seltenen Erden ihrer Verbindungen wurden im Lauf der Zeit
befinden sich außerdem in den USA (Mountain diverse Methoden entwickelt, die folgend vorge-
Pass, Kalifornien), Indien, Brasilien und in stellt werden. Diese dienen zunächst zur Tren-
Malaysia (FID Verlag 2014). Vietnam arbeitet nung der Kationen der einzelnen Seltenerdmetalle
mit der Japanese Oil, Gas and Metals National voneinander, bevor aus den isolierten, ionenrei-
Corporation zusammen, um seine 2012 auf nen Fraktionen, je nach Menge, die jeweiligen
33 Mio. t geschätzten Vorräte an Seltenerdmetal- Metalle hergestellt werden können. Sehr ausführ-
len abzubauen (Hundt 2012). Japanische Forscher lich sind die Gewinnungsprozesse, vom Erz bis
entdeckten seit 2011 große Vorkommen an Ver- zum reinen Metall, bei Kieffer et al. (1971) sowie
bindungen der Seltenerdmetalle in ca. 6 km Tiefe Gupta und Krishnamurthy (2005) beschrieben.
im Pazifik, rund 2000 km südöstlich von Tokyo Fraktionierte Kristallisation Dieses bis An-
(Spiegel Online 2013). fang der 1970er-Jahre erfolgreich angewandte
2012 organisierte das deutsche Unternehmen Verfahren ist heutzutage nur noch von histori-
Seltenerden Storkwitz AG zusammen mit einem schem Interesse. Es nutzt die unterschiedliche
australischen Unternehmen Probebohrungen bei Löslichkeit der jeweiligen Magnesiumdoppelni-
Storkwitz, zwischen Dessau und Leipzig gelegen. trate 2 Ln(NO3)3  3 Mg(NO3)2  24 H2O in Wasser.
Die bis in eine Tiefe von 600 m durchgeführten Eine wässrige, diese Salze enthaltende Lösung
Bohrungen bestätigten die aus den 1970er-Jahren dampft man so weit ein, dass ungefähr die Hälfte
stammenden Resultate, dass es sich um Vorkom- der Salzmenge aus dieser auskristallisiert. Man
men in der Größenordnung von 4,4 Mio. t Erz mit filtriert dann die Kristalle ab, löst sie wieder in
einem Anteil von 0,45 % Seltenerdoxid handelt Wasser und lässt die Lösung wie oben beschrie-
(Wirtschaftswoche 2013). 2014 wurden weitere, ben erneut zur Hälfte auskristallisieren. Ebenso
bis zu einer Tiefe von 1200 m gehende Bohrungen dampft man die flüssige Phase, die Mutterlauge,
realisiert, deren Ergebnisse aber besagten, dass ein weiteres Mal ein.
die Förderung der Seltenerden in dieser Mine Durch mehr- bis vielfaches Wiederholen des
wirtschaftlich unattraktiv war, und dass die Sel- Prozesses und systematisches Vereinigen von
tenerden Storkwitz AG die erworbene Bergbauli- Lösungen und Kristallen können die Lanthanoid-
zenz an das Sächsische Oberrbergbauamt schon kationen zunächst in leicht, mittelschwer und
2015 zurückgab. Vor diesem Hintergrund werden schwer lösliche Fraktionen unterteilt werden.
eine effiziente Nutzung sowie eine Wiederge- Wird dieses Verfahren fortgesetzt, so ist nach
winnung einzelner Seltenerdmetalle immer wich- einer genügend hohen Zahl von Kristallisations-
tiger. Vorschläge hierzu macht das Öko-Institut schritten eine scharfe Auftrennung und damit die
e. V., Berlin und Darmstadt (Schossig 2011). Isolierung sehr reiner Fraktionen eines einzelnen
Lanthanoidkations erzielbar. Es können unter
Umständen aber ca. 10.000 Trennoperationen hier-
2.3 Herstellung für erforderlich sein (Bildungsserver für Chemie,
Sartori 1975).
2.3.1 Seltenerdmetalle Fraktionierte Fällung Diese Methode der frak-
Die Ähnlichkeit der chemischen Eigenschaften tionierten Fällung der Lanthanoid-hydroxide zeigt
der Lanthanoide (Ln) macht ihre Trennung auf- viele Parallelen zu dem der fraktionierten Kristal-
wändig und teuer. Für die meisten technischen lisation. Für die Auftrennung wichtige Kriterien
Anwendungen reicht der Einsatz preiswerterer sind die Löslichkeitsprodukte und Basizitäten der
Mischmetalle aus. Jenes kann direkt aus einem Lanthanoidhydroxide [Ln(OH)3]. Diese nehmen
Mischchlorid, das am Ende der Aufbereitung mit steigender Ordnungszahl des Seltenerdmetalls
von Erzen der Seltenerdmetalle, z. B. Monazit, (also mit abnehmenden Ionenradius) ab.
durch Hochtemperaturchlorierung anfällt, gewon- Eine wässrige Lösung von Salzen der Selten-
nen werden. erdmetalle wird mit Natronlauge oder Ammo-
862 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

niaklösung versetzt. Zuerst fallen die schwerer Ln3þ ðaqÞ þ 3 RSO3 H ðsÞ
löslichen Hydroxide der Yttererden aus, erst spä- ! LnðRSO3 Þ3 ðsÞ þ 3 Hþ ðaqÞ
ter die leichter löslichen Hydroxide der Ceriter-
den. Der pH-Wert der Lösung ist durch Zugabe verschiebt sich mit steigendem Ionenradius im-
der Base gut steuerbar, so lassen sich die in der mer mehr zur rechten Seite. Daher werden Lan-
Lösung enthaltenen Seltenerdmetallkationen in than-III-Ionen zuerst gebunden, die des Luteti-
verschiedene Fraktionen unterteilen. Indem fort- um-III dagegen zuletzt.
laufend die Fällungen wiederholt und einzelne Zur Vervollständigung der Trennung wäscht
Fraktionen vereinigt werden, kann man analog man anschließend die Säule mit anionischen
zum bei der fraktionierten Kristallisation angege- Komplexbildnern aus, die die in Form nahezu
benen Schema eine Auftrennung bis hin zu den getrennter Fraktionen auf der Säule gebundenen
einzelnen Elementen erreichen. Lanthanoidkationen Ln3+ im allgemeinen umso
Trennung durch Redoxreaktionen Einige Sel- leichter auswaschen, je kleiner der Radius des
tenerdmetalle bilden nicht nur Kationen der Oxi- betreffenden Kations ist. Diese Kationen fallen
dationsstufe + III, sondern auch solche mit den also in umgekehrter Reihenfolge ihrer Ordnungs-
Oxidationsstufen + II und + IV. Die Eigenschaften zahl an und werden in voneinander getrennten
der so gebildeten Verbindungen unterscheiden sich Eluatfraktionen gesammelt.
voneinander oft stark. Bereits eine ein- bis dreima- Die Isolierung einzelner Lanthanoidkationen
lige Wiederholung dieser Methode genügt, um das bzw. deren Komplexe mittels geeigneter Ionen-
betreffende Seltenerdmetall in ausreichender Rein- austauscher für technische oder medizinische
heit zu isolieren. Andererseits ist dieses Verfahren Anwendungen ist in einigen Patenten beschrie-
nur auf bestimmte Lanthanoide anwendbar. ben, beispielhaft seien hier (Maisano und Crivel-
Cer und Terbium können beispielsweise zu lin 2009) Gadoliniumchelate genannt.
ihren jeweiligen Kationen der Oxidationsstufe Hochleistungsflüssigchromatografie (HPLC)
+ IV oxidiert, Samarium, Europium und Ytter- Die Trennung der Seltenerdkationen ist eben
bium dagegen zu ihren Kationen der Oxidations- falls mittels Hochleistungsflüssigchromatographie
stufe + II reduziert und hiernach abgetrennt (HPLC) möglich und wurde bereits in mehre-
werden. ren Veröffentlichungen beschrieben (etwa Meyer
In der Technik wendet man dieses Verfahren 2008; Schwantes et al. 2008).
zur Herstellung reinen Cers an. Nach Ausfällung Einige Verfahren greifen zusätzlich auf Io-
der Hydroxide Ln(OH)3 aus einer mehrere Sel- nenaustausch zurück, um Paare benachbarter
tenerdmetallkationen enthaltenden Lösung fil- Lanthanoiden schnell und unter Erzielung hoher
triert man die Hydroxide ab und erhitzt sie an Reinheiten zu trennen (Tm/Er, Gd/Eu, Eu/Sm,
der Luft auf ca. 100  C. Nur Cer-III-hydroxid Sm/Pm und Pm/Nd). Schwantes et al. (2008)
wird dabei zu (in reinem Zustand hellbeigem) diskutieren die Isolierung radioaktiver Zielio-
Cer-IV-Oxid umgewandelt, das sich im Gegen- nen für Neutroneneinfangexperimente. Hier
satz zu den beim Erhitzen in Luft mit entstande- wird die chromatografische Trennung in einer mit
nen Seltenerdmetalloxiden Ln2O3 nicht in Salpe- einem Kationenaustauscherharz gefüllten Säule
tersäure löst. durchgeführt. Anschließend wurden die jeweili-
Ionenaustauschchromatografie Der Einsatz gen Lanthanoidkationen durch Elution mit
dieses Verfahrens ergibt bereits nach wenigen α-Hydroxyisobuttersäure (α-HIB) ausgewaschen,
Arbeitsschritten eine sehr gute Isolierung einzelner dies mit einer Trennungsauflösung von 4 innerhalb
Seltenerdmetallkationen. Dabei lässt man eine von 15 min.
wässrige, diese Kationen enthaltende Lösung durch Lösungsextraktion 1952 wurde als neues Auf-
Säulen laufen, die Kationenaustauscherharze enthal- arbeitungsverfahren die Lösungsextraktion entwi-
ten (Weis 2001; Hecht und Zacherl 1955). ckelt. Dabei extrahiert man die Lanthanoiden mit-
Das Gleichgewicht der Ionenaustauschreak- tels Tributylphosphat (TBP) fraktionierend als
tion Ln(NO3)3  3 TBP-Komplexe, deren Löslichkeit
3 Physikalische und chemische Eigenschaften 863

in Wasser mit steigender Atommasse zunimmt. ionen in reiner Form enthalten. Aus diesen fällt
Wirtschaftlich hat sich dieses Verfahren wegen man Lanthan-III-oxalat, das wiederum zu Lan-
des hohen Arbeitsaufwandes aber nicht dauerhaft than-III-oxid verglüht wird. Dieses setzt man ent-
behaupten können. weder im Gemisch mit Kohle im Chlorstrom
In der Praxis beruht die Lösungsextraktion der bei erhöhter Temperatur zu Lanthan-III-chlorid
Seltenerdmetallkationen auf der für jedes einzelne um, oder aber man überführt Lanthan-III-oxid
Kation unterschiedlichen und selektiven Auf- im Drehrohrofen mit Fluorwasserstoff zu
teilung zwischen zwei flüssigen Phasen, der Lanthan-III-fluorid. Das Metall gewinnt man
verdünnt salpetersauren (polaren) Lösung der schließlich durch Schmelzflusselektrolyse von
Lanthanoid-Ionen und einer organischen (unpola- Lanthan-III-chlorid oder durch Reduktion von
ren) Mischung von unpolarem Lösungsmittel und Lanthan-III-fluorid mit Calcium oder Magnesium.
einem Komplexbildner (z. B. Tributylphosphat, Da Actinium in der Natur nur in sehr geringen
Di(2-ethylhexyl)phosphorsäure (Gschneidner und Mengen vorkommt und zudem von seinen Begleit-
Eyring 1995; Koch et al. 1993) oder auchlangket- elementen, den Actinoiden, nur mit äußerst hohem
tige quartäre Ammoniumsalze). Aufwand getrennt werden kann, wäre eine Gewin-
Man verquirlt die beiden nicht miteinander nung natürlich vorkommenden Actiniums extrem
mischbaren Phasen im Gegenstrom, um bestimmte teuer. Heute stellt man das Isotop 22789Ac durch
Seltenerdmetallionen mittels TBP aus der wässri- Bestrahlung von 22688Ra mit Neutronen in Kernre-
gen Lösung zu extrahieren. Danach trennt man die aktoren her.
organische Phase, die jetzt die Ln3+-Ionen enthält,
ab, um jene danach wieder zurück in eine weitere
wässrige Phase zu überführen. 3 Physikalische und chemische
Die salpetersaure Lösung wird erneut mit dem Eigenschaften
organischen Lösungsmittel und einem anderen
Komplexbildner versetzt, um durch Wiederho- 3.1 Physikalische Eigenschaften
lung des Verfahrens weitere Ln3+-Ionen abzutren-
nen. Bis zur Erzielung ausreichend hoher Rein- 3.1.1 Seltenerdmetalle (Lanthanoide)
heiten ist dieses Verfahren etwa hundert Mal Wie in der Einleitung bereits erwähnt, besitzen die
hintereinander anzuwenden. Atome der vierzehn Lanthanoide die Elektronen-
Nach erfolgreicher Auftrennung in die einzel- konfiguration [Xe] 6s2 5d1 4f1–14. Einige ihrer
nen reinen Metallsalzfraktionen überführt man physikalischen Eigenschaften ändern sich konti-
letztere meist in die jeweiligen Chloride LnCl3, nuierlich von einem zum darauf folgenden Ele-
aus denen die reinen Metalle durch Schmelzfluss- ment. Charakteristisch ist die Abnahme der Ionen-
elektrolyse gewonnen werden. radien mit wachsender Kernladungszahl und
Atommasse („Lanthanoidenkontraktion“). Diese
2.3.2 Metalle der dritten Nebengruppe wirkt sich sogar noch auf einige Elemente der
Metallisches Scandium erzeugt man aus seinem dritten Reihe der Übergangsmetalle aus, deren
natürlich vorkommenden Silicat Thortveitit, das Ordnungszahlen auf die der Lanthanoide folgen.
in mehreren Schritten zu Scandiumoxid umge- Die außergewöhnliche Ähnlichkeit von Zirko-
wandelt wird. Dieses setzt man dann mit Fluor- nium und Hafnium, von Niob und Tantal und auch
wasserstoff zu Scandiumfluorid um und reduziert noch von Molybdän und Wolfram ist großenteils
jenes mit Calcium. hierauf zurückzuführen.
Wöhler stellte unreines Yttrium bereits 1824 Andere physikalische Eigenschaften wie
durch Reaktion von Yttriumchlorid mit Kalium Dichte, Schmelzpunkte, magnetische Momente
her. Heute erzeugt man reines Yttrium durch oder Farbe der dreiwertigen Ionen unterliegen
Reduktion seines Fluorids mit Calcium. dagegen periodischen Änderungen. Alle Daten
Zur Produktion von Lanthan müssen zunächst sind in den Tabellen im zweiten Teil dieses
Lösungen hergestellt werden, die Lanthan-III- Buches enthalten.
864 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Cer, Europium und Ytterbium weisen die nied- die Reaktion Ln3+ + 3 e ! Ln von 2,833 V
rigsten Schmelzpunkte auf, ebenso neben Praseo- (Ce) bis 2,25 V (Lu) leicht oxidiert werden und
dym die niedrigsten Dichten. Dysprosium und starke Reduktionsmittel darstellen. Sie reagieren
Holmium weisen die höchste Magnetisierung mit Wasser und verdünnten Säuren unter Ent-
auf und werden, vor allem Holmium, in Legierun- wicklung von Wasserstoff und mit Nichtmetallen
gen für Hochleistungsmagnete eingesetzt. Alle (z. B. Sauerstoff, Chlor, Stickstoff) bei erhöhter
Lanthanoide sind silbrig oder silbrig-weiß er- Temperatur meist heftig zu Oxiden (Ln2O3),
scheinende Schwermetalle mit Dichten von Chloriden (LnCl3) und Nitriden (LnN).
6,77 g/cm3 (Cer) bis 9,84 g/cm3 (Lutetium) (zum Aus diesen Gründen kommen die Lanthanoid-
Vergleich: Eisen mit 7,88 g/cm3). metalle nur chemisch gebunden und oft miteinan-
Die magnetischen und spektralen Eigenschaf- der vergesellschaftet in der Natur vor. Sie sind
ten einzelner Lanthanoidkationen bestimmt die relativ gleichmäßig in der Erdkruste verteilt; es
jeweilige Besetzung der 4f-Orbitale. Diese wer- gibt nicht viele Lagerstätten, in denen diese Ele-
den stark durch die weiter außen liegenden, mente hoch angereichert auftreten.
besetzten 5s2- und 5p6-Schalen abgeschirmt und Die schwer wasserlöslichen Fluoride (LnF3)
so nur schwach durch die Umgebung beeinflusst. erhält man am besten mittels Fällung aus schwach
Daher sind die für die Absorptions- bzw. Emissi- sauren Lösungen. Die Oxalate [Ln2(C2O4)3  n H2O]
onsspektren der Ln3+-Ionen maßgeblichen Ener- sind, ebenso wie die der Erdalkalimetalle, schwer
gieniveaus der 4f-Orbitale genau definiert, was in löslich in wässrigen Medien und können aus ver-
scharfen, nahezu monochromatischen Spektralli- dünnter salpetersauren Lösung gefällt werden,
nien zum Ausdruck kommt. Diese f-f-Übergänge übrigens eines der zur qualitativen und quantitati-
unterscheiden somit sehr deutlich von den über ven Analyse auf Lanthanoidkationen verwendetes
einen breiten Wellenlängenbereich verteilten d-d- Verfahren.
Übergängen, die oft einem starken Einfluss des
Ligandenfelds unterliegen. 3.2.2 Metalle der dritten Nebengruppe
Scandium, Yttrium, Lanthan und Actinium bilden
3.1.2 Metalle der dritten Nebengruppe fast nur Verbindungen, in denen sie in der Oxida-
Scandium und Yttrium zeigen Schmelzpunkte tionsstufe +3 vorliegen. Auch sie zeigen stark
um 1500  C, wogegen Lanthan und Actinium negative Normalpotenziale und werden, vom
bei etwa 1000  C schmelzen. Scandium ist noch Scandium zum Actinium hin zunehmend, von
ein Leichtmetall, Yttrium steht auf der Stufe Wasser auch bei Raumtemperatur schon angegrif-
zum Schwermetall, und Lanthan sowie Actinium fen; in Säuren lösen sie sich leicht.
haben bereits beachtlich hohe Dichten und sind
Schwermetalle. Alle Metalle dieser Gruppe haben
ein silbrig-weißes Aussehen. 4 Analytik

Alkalihydroxide und Ammoniumhydroxid fällen


3.2 Chemische Eigenschaften aus wässrigen Lösungen von Ln-III-salzen wei-
ße, in der Kälte schleimige Niederschläge der
3.2.1 Seltenerdmetalle (Lanthanoide) Hydroxide aus, die in überschüssiger Alkalihy-
Die am häufigsten vorkommende Oxidationsstufe droxidlösung unlöslich sind. In schwach saurer
der Lanthanoide ist +3, daneben existieren die Lösung sind die Ln3+-Kationen als Iodate, Oxa-
Oxidationsstufen +4 für Cer, Praseodym und Ter- late und Fluoride fällbar. Die wässrigen Lösungen
bium sowie die Oxidationsstufe +2 für Europium, der Ionen sind farbig und absorbieren Licht
Samarium und Ytterbium. bestimmter Wellenlänge (Hofmann und Jander
Alle Lanthanoide (im Folgenden als Ln abge- 1972; Van Nieuwenburg und Van Ligten 1959).
kürzt) sind reaktionsfähige Metalle, die wegen Die Nachweisgrenzen der Bestimmung der
ihrer stark negativen Normalpotenziale E0 für Ln3+-Kationen liegt bei 1 mg/kg; vermessen
5 Weltmarkt 865

wird das nach Bestrahlung mit Röntgenstrahlen beitung dieser Rohstoffe benötigten Schlüsselin-
emittierte Licht, dessen Wellenlängenverteilung dustrien im eigenen Land entwickeln zu können
für jedes Seltenerdmetallion charakteristisch ist. (Bradsher 2009). Die ursprüngliche Vermutung,
Einige andere Metallionen (z. B. Chrom-III) diese Politik bezwecke, Produktion aus dem Wes-
stören aber diese Bestimmung, so dass deren ten nach China zu verlagern, wird vermehrt in
vorherige Abtrennung erforderlich ist (Nopper Frage gestellt, da in China tätige westliche Unter-
2003). nehmen über eine zunehmende Benachteiligung
Die ICP-Atomemissionsspektrometrie ist die gegenüber einheimischen Herstellern klagen (Neue
heute gängigste Nachweismethode. Die in der Zürcher Zeitung 2010).
Probe enthaltenen Substanzen werden in ein ex- Diese Dominanz Chinas wird jedoch durch
trem heißes Plasma eingespritzt, worauf sie sofort das verstärkte Aufkommen anderer Förderländer
ionisiert und zudem angeregt werden. Beim Über- innerhalb der nächsten zehn Jahren weitgehend
gang der Ionen zurück in ihren Grundzustand schwinden, wodurch auch die Preise eine Korrek-
geben sie jeweils Licht einer für jedes Element tur erfahren dürften (Pothen 2014). Man schätzt,
typischen Wellenlänge ab (Nopper 2003). dass die außerhalb Chinas geförderte Menge an
Seltenerdmetallen bis zum Jahr 2020 auf bis zu
140.000 t/a steigen könnte, was zu jenem Zeit-
5 Weltmarkt punkt etwa der Hälfte der vorhergesagten welt-
weiten Fördermenge entspräche.
Die weltweite Marktsituation für Seltenerdmetal- In der jüngeren Vergangenheit wurde die För-
le ist für Ceriterden („leichte“ Lanthanoiden, derung Seltener Erden in den vormals wichtigen
z. B. Cer, Lanthan, Praseodym, Neodym) und Förderländern zwischenzeitlich unrentabel. Von
Yttererden („schwere“ Lanthanoiden, beispiels- 2011 bis heute brachte das US-amerikanische
weise Dysprosium, Terbium, Europium) unter- Unternehmen Molycorp Minerals vor dem Hin-
schiedlich. Eine umfassende Übersicht zur Situa- tergrund der chinesischen Ausfuhrbeschränkun-
tion bis 2009 liefern Elsner und Liedtke (2009). gen die Förder- und Produktionsanlagen in ihrer
Ebenfalls sehr ausführlich, jedoch nur die Situa- Mine in Mountain Pass auf den neuesten Stand.
tion bis Anfang der 2000er-Jahre betrachtend, ist Diese Mine war vor Eintritt Chinas in den Welt-
die Arbeit von Haxel et al. (2005), deren Themen- markt einmal die größte der Welt (Molycorp
schwerpunkte die damalige weltweite Situation Minerals, Inc. 2014); mit der Aufnahme der regu-
der Förderländer und die Häufigkeit des Vorkom- lären Produktion wurde bereits wieder begonnen
mens aller Elemente, im Besonderen die der (Thinking-kompakt 2013).
Seltenerdmetalle sind. Lohmann und Podbregar Die Vereinigten Staaten von Amerika verklag-
beschreiben die aktuelle Knappheit einiger Sel- ten China im März 2012 schließlich vor der
tenerdmetalle und den beginnenden Verteilungs- Welthandelsorganisation (WTO) (Frankfurter All-
kampf der Industrie um diese essenziellen Roh- gemeine Zeitung 2012). Als Antwort auf die
stoffe (2012). Proteste etablierte die Volksrepublik China wenig
Das Angebot für Ceriterden ist inzwischen später einen Wirtschaftsverband für Seltene Er-
ausreichend und durch mehrere Anbieterländer den, der deren Abbau und Verarbeitung koordi-
gesichert, bei den „schwereren“ Elementen hat nieren und die Verkaufspreise festsetzen sollte
China aber immer noch eine übermächtige Stel- (Spiegel Online 2012).
lung (Elsner 2014). Japanische Firmen, die einen großen Bedarf an
Bislang beherrschte China den Markt eindeu- Seltenerdmetallen und ihren Verbindungen haben,
tig; noch 2013 erzielte das Land 92 % der ge- treffen Vorsorgemaßnahmen gegenüber drohen-
samten weltweiten Fördermenge (Lohmann und den Engpässen. Manche Großunternehmen wie
Podbregar 2012) und reduzierte deren Export- z. B. Toyota bilden hierfür eigens Arbeitsgruppen;
quote binnen kurzem mehrfach nacheinander, für diese Maßnahmen werden vom Ministerium für
einige Metalle auch fast völlig, um die zur Verar- Handel und Wirtschaft unterstützt.
866 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Jüngst entdeckte, große Vorkommen von Sel- Elements voraus, auch wenn er damals Haupt-
teneren in Grönland und Kanada dürften weiter und Nebengruppen-elemente noch nicht deutlich
dazu beitragen, die weltweite Versorgungslage zu unterschied (die „korrekten“ Homologen sind,
entspannen. Die Vorräte im bereits vorher genann- wie wir heute wissen, Gallium, Indium und Thal-
ten grönländischen Kvanefeld-Projekt könnten lium). Zehn Jahre später isolierte Nilsson aus
bei 100.000 t liegen, womit alleine diese Region mehreren kg einer Mischung von Gadolinit und
für eine Produktionsmenge stünde, die der chine- Euxenit ein noch verunreinigtes Metalloxid, das
sischen Jahresproduktion nahekäme. sich in seinen Eigenschaften von denen der bis zu
Nach einer 2011 durchgeführten Studie von diesem Zeitpunkt bekannten Oxide unterschied
Roland Berger Strategy Consultants (2011) sowie (Nilsson 1879 und 1880). Daher nahm er an, ein
Cmiel (2012) werden Engpässe weiterhin eher bei neues Element entdeckt zu haben, und nannte es
den schweren Seltenerdmetallen gesehen. Die zu Ehren seiner Heimat „Scandium“.
Preise für jene werden deshalb demnächst anstei-
gen und auch über längere Zeit relativ hoch blei-
ben, wogegen die Preise für die leichteren Cerit- Lars Frederik Nilsson (*27. Mai 1840
erden in naher Zukunft eher sinken werden. Skönberga, † 14. Mai 1899 Stockholm)
Bencek et al. (2011) kommen zu dem Schluss, war ein schwedischer Chemiker, ab 1878
dass die aktuelle Nervosität um eventuelle Ver- Professor für Analytische Chemie in Upp-
sorgungsengpässe bei Seltenerdmetallen vorüber- sala, ab 1883 Leiter der Königlichen Akade-
gehend ist. Der Vorschlag der Industrie zur Errich- mie für Landwirtschaft in Stockholm.
tung von Vorratslagern sollte jedoch von der Zusammen mit Petterson forschte er in ver-
Wirtschaftspolitik unterstützt, und eine langfris- schiedenen Gebieten der Chemie. Das 1879
von ihm entdeckte Scandium füllte die
tige Rohstoffstrategie verfolgt werden.
damals noch vorhandene, als „Ekabor“
bezeichnete Lücke im Periodensystem. Au-
ßerdem stellte er als Erster reines Thorium-
6 Einzelne Metalle der dritten oxid dar und entwickelte für die damalige
Nebengruppe (Scandium, Zeit neuartige Düngemittel.
Yttrium, Lanthan, Actinium)
sowie der Gruppe der
Seltenerdmetalle (Cer bis Reines Scandium konnte man übrigens erst
Lutetium) 1937 durch Schmelzflusselektrolyse einer aus
Kalium-, Lithium- und Scandiumchlorid bestehen-
In den nachfolgenden Einzelbeschreibungen fin- den Mischung bei Temperaturen um 750  C dar-
den Sie das Portrait eines jeden Metalls auf jeweils stellen.
einer Doppelseite. Die dort beschriebenen An-
wendungen gehen weit über den Einsatz des Gewinnung Als Ausgangsstoff zur Herstellung
Mischmetalls für Feuersteine und Seltenerdoxide von Scandium dient hauptsächlich Thortveitit,
als hydrophobe Zusätze für Keramikerzeugnisse das einzige Mineral, das das Element in nennens-
(z. B. Azimi et al. 2013a) hinaus. werter Menge enthält. Scandiummetall wird an-
Zunächst sind die Portraits der Elemente der schließend durch Umsetzung zu Scandiumfluo-
dritten Nebengruppe dargestellt, danach folgen rid und dessen darauf folgender Reduktion mit
die Lanthanoide (Seltenerdmetalle). Calcium erzeugt. Weltweit wird Scandium
zur Zeit in fünf Minen abgebaut: Bayan-Obo
(Volksrepublik China), Schowti Wody (Жо́вті
6.1 Scandium Во́ди, Ukraine), von der Scandium International
Mining Corp. in Kiviniemi (Finnland) und Nyn-
Geschichte Mendelejew sagte schon 1869 die gan (Australien) sowie auf der Halbinsel Kola
Existenz eines zu Bor und Aluminium homologen (Russland).
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 867

Eigenschaften Scandium zählt zu den Leichtme- Lösungen verhalten sich Sc3+-Ionen ähnlich wie
tallen (s. Tab. 1). An Luft wird es langsam matt, Al3+-Ionen.
es bildet sich eine schützende gelblich-weiße
Oxidschicht. Scandium reagiert mit verdünnten Verbindungen
Säuren unter Bildung von Wasserstoff und Sc3+- Chalkogenverbindungen Scandiumoxid (Sc2O3)
Ionen. In Wasserdampf reagiert es ab 600  C entsteht durch Verbrennen des Metalls in Luft
schnell zu Scandiumoxid (Sc2O3). In wässrigen oder auch durch Glühen wärmeempfindlicher

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Scandium


Symbol: Sc
Ordnungszahl: 21
CAS-Nr.: 7440-20-2

Aussehen: Silbrig-weiß Scandium (Metallium, Inc. 2017)


Farbe von Sc3+aq.: Farblos
Entdecker, Jahr: Nilson, Cleve (Schweden), 1879
Wichtige Isotope [natürl. Vorkommen (%)]: Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
45
21Sc (100) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): Norwegen, Madagaskar Thortveitit
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 5,1
Preis (US$), 99,5 % Reinheit (Metallium Inc.): 5 g (Brocken) 120 (2019-07-01)
9,6 g (Walze, Ø 1,2 cm, 320 (2019-07-01)
in Ampulle):
Atommasse (u): 44,96
Elektronegativität (Pauling): 1,36
Normalpotenzial (V; Sc3+ + 3 e ! Sc): 2,03
Atomradius (berechnet, pm): 160 (184)
Kovalenter Radius (pm): 170
Ionenradius (pm): 81
Elektronenkonfiguration: [Ar] 4s2 3d1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 633 ♦ 1235 ♦ 2389
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,6  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 27
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,81  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 74,4 ♦ 56,6 ♦ 29,1
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): — ♦ 750
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 2,99
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 15,00  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 15,8
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 25,52
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1541 ♦ 1814
Schmelzwärme (kJ/mol): 14
Siedepunkt ( C ♦ K): 2836 ♦ 3109
Verdampfungswärme (kJ/mol): 333
868 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Scandiumsalze (Oxalat, Carbonat). Das weiße


Pulver schmilzt bei einer Temperatur von 2485  C,
hat die Dichte 3,86 g/cm3 und kristallisiert
kubisch, wie auch Yttrium-III-oxid (Y2O3) oder
die Sesquioxide (Ln2O3) der schweren Selten-
erdmetalle (Knop und Hartley 1968). Geringe
Zusätze der Verbindung erhöhen die Leistung gro-
ßer Rechner über eine schnellere Ummagnetisie- Abb. 3 Scandiumchlorid (Stanford Advanced Materials
rung von Magnetspeichern. Scandiumoxid reagiert 2017)
schwach basisch, beinahe schon amphoter wie das
ihm eng verwandte Aluminiumoxid.
Scandiumsulfid (Sc2S3) ist ein gelber Feststoff die Verbindung bereits bei Temperaturen von
mit einem Schmelzpunkt von 1775  C, der Dichte etwa 850  C zu sublimieren; an feuchter Luft tritt
2,91 g/cm3 und einer orthorhombischen Kristall- dabei Hydrolyse auf, die Scandiumchlorid schließ-
struktur. Die Verbindung ist durch etwa dreistün- lich vollständig zum Oxid zersetzt. Ein Einsatzge-
diges Überleiten eines Stromes von Schwefelwas- biet für die Verbindung bzw. allgemein für Verbin-
serstoff über in einem Grafittiegel befindliches dungen des Elements ist die als Katalysator in
Scandium-III-oxid bei sehr hoher Temperatur einer Prins-Cyclisierung, siehe beispielsweise
(1500  C) darstellbar: Rychnovsky et al. (2002).
Scandiumbromid (ScBr3) entsteht wasserfrei
Sc2 O3 þ 3 H2 S ! Sc2 S3 þ 3 H2 O durch Bromierung von Scandium, das Hydrat durch
Auflösen von Scandium oder Scandiumoxid in
Allerdings sollte das so gebildete Sulfid schnell Bromwasserstoffsäure (Brauer 1978, S. 1074). Es
abgekühlt werden, da es sich bei längerem Glühen ist durch gemeinsames Erhitzen mit Ammonium-
unter Abgabe von Schwefel zersetzt (Dismukes bromid in die wasserfreie Form überführbar. Aus
und White 1964). diesem kann man durch Umsetzung mit einem
Halogenverbindungen Das weiße, hochschmel- Überschuss an Ammoniumbromid wieder das was-
zende (1553  C) Scandiumfluorid (ScF3) ist durch serfreie Salz herstellen (Brauer 1978, S. 1074).
Auflösen von Scandiumoxid oder -hydroxid in Scandiumbromid ist ein leicht in Wasser löslicher,
Flusssäure darstellbar (Brauer 1975a, S. 268). Die farbloser, trigonal ähnlich zu Bismut-III-iodid kris-
trigonal kristallisierende Verbindung ist kaum tallisierender Feststoff mit Schmelzpunkt 970  C
löslich in Wasser, aber in Lösungen von Alkalicar- und Dichte 3,91 g/cm3 (D’Ans und Lax 1997,
bonat. Nur geschmolzenes Alkalihydroxid zerstört S. 718; Housecroft und Sharpe 2005, S. 598).
Scandiumfluorid vollständig (Ranft et al. 1982). Scandiumiodid (ScI3) ist durch Reaktion von
Scandiumfluorid ist Ausgangsstoff zur Herstellung Scandium mit Iod zugänglich und ist ein gel-
von Scandium durch Reaktion mit Calcium. ber, feuchtigkeitsempfindlicher Feststoff vom
Scandiumchlorid (ScCl3) (s. Abb. 3) ist auf Schmelzpunkt 920  C und der Dichte 4,65 g/cm3
verschiedenen Wegen zugänglich, in wasserfreier (Housecroft und Sharpe 2005). Die im trigonalen
Form durch Überleiten trockenen Chlorwasser- System kristallisierende Verbindung wird in Men-
stoffs oder Chlors über erhitztes Scandium oder gen weniger mg in solchen Quecksilberdampf-
durch Erhitzen von Scandiumoxid mit Ammoni- lampen verwendet, die ein dem Sonnenlicht ähn-
umchlorid (Brauer 1978, S. 897). liches Spektrum aussenden (Cardarelli 2008).
Das wasserfreie Salz, ein weißer, trigonal und Dies geschieht in Automobilleuchten bereits seit
ähnlich wie Eisen-III- bzw. Aluminium-chlorid etwa zwei Jahrzehnten (Gupta und Krishnamur-
kristallisierender Feststoff der Dichte 2,39 g/cm3, thy 2005, S. 48). Ähnlich wie Aluminiumchlorid
schmilzt bei 960  C, das Hexahydrat oberhalb von dient es auch als schwach saurer Lewis-Kata-
63  C im eigenen Kristallwasser (Fjellvåg und lysator bei organischen Synthesen (Enghag 2008,
Karen 1994). Beim Erhitzen an der Luft beginnt S. 477; Joule und Mills 2010, S. 380).
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 869

Pnictogenverbindungen Scandiumnitrid (ScN) Das System Scandium-Kohlenstoff ist ebenfalls


ist ein hochschmelzendes, graues Pulver, das in seit längerem schon Gegenstand von Untersuchun-
thermoelektrische Anwendungen und in die Halb- gen. Charakterisiert sind einige Scandiumcarbide
leitertechnik geht. Es hat eine relativ große Band- wie ScC und Sc3C4, die sämtlich hochschmel-
lücke von 2–2,4 eV, einen Schmelzpunkt von zende, aber hydrolyseempfindliche Verbindungen
>2600  C und es kristallisiert in der kubischen sind. Das Kristallgitter von Sc3C4 enthält Einheiten
Kochsalzstruktur (Gu et al. 2004). Es gibt einige von Propadien (!) (Poettgen und Jeitschko 1991),
Untersuchungen zur Eignung von Scandiumnitrid zusätzlich sind noch zwei C2-Paare und zwölf
bzw. dessen Mischnitriden für die Halbleitertech- isolierte C-Atome pro Zelle vorhanden. Die Eigen-
nik (Tsui 2016; Kerdsongpanya 2012; Moreno- schaften des ScC untersuchten Maibama et al. im
Armenta und Soto 2007; Mohammad und Katır- Vergleich zu denen des homologen Yttriumcarbids
cıoğlu 2011). ausführlich (2011). Sintert man Scandium und
Ebenfalls als Halbleiter und als Wirkprinzip Kohlenstoff bei hohen Temperaturen unter Luftzu-
unter anderem von Laserdioden lassen sich tritt zusammen, so bilden sich nicht nur Carbide,
Scandiumphosphid (ScP) und -arsenid (ScAs) sondern auch Oxycarbide, die alle von Juarez-
einsetzen. Arellano et al. beschrieben wurden (2010).
Sonstige Verbindungen Wasserfreies Scandium- Das in Spezialkeramiken verwendete Scandium-
nitrat [Sc(NO3)3] ist elegant durch Überleiten eines dodecaborid (ScB12) produziert man durch Glühen
Stromes von Stickstoffdioxid über erhitztes Scan- einer pulverförmigen Mischung elementaren Bors
dium zugänglich (Brauer 1975b, S. 1109): mit Scandiumoxid im Mischungsverhältnis 7:1
bei einer Temperatur von ca. 2500  C, erreichbar
Sc þ 6 NO2 ! ScðNO3 Þ3 þ 3 NO
durch den Lichtbogen eines Plasmaschweißbrenners.
Nach beendeter Umsetzung schreckt man das Reak-
Eine alternative Darstellung ist aus Distick-
tionsgemisch durch Einbringen in kaltes Wasser ab
stoffpentoxid und Scandiumchlorid möglich
und wäscht das rohe Borid mit konzentrierter Salz-
(Horovitz 2012). Das wie das wasserfreie Salz
säure (Matkovich 1965). Die Verbindung kristalli-
ebenso farblose Tetrahydrat (s. Abb. 4) ist einfach
siert in einer tetragonalen Struktur, es existiert aber
durch Auflösen von Scandium bzw. seinem Hy-
auch eine kubische Modifikation (Paderno und Shit-
droxid oder Carbonat in verdünnter Salpetersäure
sevalova 1995).
darstellbar (Riedel und Janiak 2011, S. 773). Beim
Eine noch borreichere, ebenfalls tetragonal
Erhitzen verliert das Tetrahydrat zunächst teil-
kristallisierende Phase (ScB19) stellten Gurinc
weise sein Kristallwasser, erleidet darauf aber
et al. dar (1998). Darüber hinaus existieren die
Hydrolyse zu basischen Nitraten.
auch im Handel befindlichen, durch Erhitzen einer
Auflösen von Scandiumoxid oder Scandium in
Mischung von Bor mit Scandiumoxid bzw. Scan-
verdünnter Schwefelsäure ergibt das weiße, kristalline
dium (dann unter Luftausschluss) in stöchiometri-
Scandiumsulfat-Pentahydrat [Sc2(SO4)3  5 H2O]
schem Verhältnis herstellbaren Scandiumdiborid
(s. Abb. 5).

Abb. 4 Scandiumnitrat-Tetrahydrat (Stanford Advanced Abb. 5 Scandiumsulfat-Pentahydrat, 99,9 % (Onyxmet


Materials 2017) 2018)
870 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

(ScB2) und -hexaborid (ScB6), die in Keramiken


und Halbleitern eingesetzt werden. ScB6 wird A. Kozyrev et al., Method for recovering
auch in Form von Sputtertargets angeboten. scandium from red mud left from alumi-
na production (Obshchestvo Ograni-
chennoy Otvetstvennostyu Obedinen-
Anwendungen Wichtigste Anwendung ist die
naya Kompaniya Rusal Inzhenerno Tekh
von Scandiumiodid in Hochleistungs-Hochdruck-
Tsentr, CA 2989832 A1, veröffentlicht
Quecksilberdampflampen, wie etwa im Flutlicht
21. Dezember 2018)
zur Beleuchtung von Sportstadien. In Kombination
L. Liao und C. J. Hartley, Method of refi-
mit Holmium- und Dysprosiumverbindungen
ning scandium oxide from concentrates
entsteht ein dem Tageslicht ähnliches Licht.
using solvent extraction (Bloom Energy
Legierungen verleiht Scandium gefügestabili-
Corp., US 2018320249 A1, veröffent-
sierende und korngrößenfeinende Eigenschaften.
licht 8. November 2018)
Eine Aluminium-Lithium-Legierung mit Zusät-
W. P. C. Duyvesteyn, Method for recover-
zen geringer Mengen an Scandium dient zur Her-
ing scandium values from leach soluti-
stellung einiger Bauteile in russischen Kampfflug-
ons (Scandium Intl. Mining Corp., US
zeugen. In manchen Bauteilen für Rennräder
2018312940 A1, veröffentlicht 1. Novem-
findet sich metallisches Scandium ebenfalls.
ber 2018)
Scandium wird ebenso zur Herstellung von
W. P. C. Duyvesteyn, Scandium containing
Laserkristallen wie auch magnetischen Daten-
master alloys and methods for making
speichern, letzteres zur Erhöhung der Ummagne-
the same (Scandium Intl. Mining Corp.,
tisierungsgeschwindigkeit, eingesetzt. Scandium-
AU 2016218269 A1, veröffentlicht 17.
chlorid ist, in sehr geringen Mengen verwendet,
August 2017)
eine unverzichtbare Komponente des Katalysa-
D. Nie et al., Wash titanium groove (Jiaozuo
tors zur Herstellung von Chlorwasserstoff.
Rongjia Scandium Ind. Science & Tech
Co., Ltd., CN 206015034, veröffentlicht
15. März 2017)
Patente W. P. C. Duyvesteyn, Systems and proces-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world ses for recovering scandium values from
wide.espacenet.com) laterite ores (Scandium Int. Mining Corp.,
US 2016289795 A1, veröffentlicht 6.
D. Kondrutskii et al., Solid extractant for Oktober 2016)
the recovery of scandium and method W. Chen et al., Aluminium, scandium, and
for producing the same (Axion Rare zirconium intermediate alloy for alumi-
Earth and Noble Metals Ltd., WO nium alloy and production method the-
2019009768 A1, veröffentlicht 10. reof (Hunan Oriental Scandium Co.,
Januar 2019) Ltd., CN 105821260 A, veröffentlicht
P. Gauthier und E. Di Cesare, Recovery of 3. August 2016)
scandium and vanadium values from D. G. Nakon, Process for the extraction of
feedstocks using ultra-sound assisted scandium from scandium containing ma-
extraction (Central America Nickel Inc., terials (Scandium Pty. Ltd., AU 20133
WO 2018232528 A1, veröffentlicht 27. 08390 A1, veröffentlicht 12. März 2013)
Dezember 2018) Q. Xiaotai et al., Method for recovering
T. Higaki und H. Nagai, Method for reco- scandium and titanium from titanium di-
vering scandium (Sumitomo Metal Mining oxide waste water (Hunan Oriental Scan-
Co., US 2018371579 A1, veröffentlicht dium Industry Co., Ltd., CN 10270370
27. Dezember 2018) 9 A, veröffentlicht 3. Oktober 2012)
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 871

6.2 Yttrium
im Auftrag des Bürgermeisters von Berlin
Geschichte Der finnische Chemiker Gadolin ein Lehrbuch der Chemie für Schüler, pa-
entdeckte im Jahre 1794 das erste chemische Ele- rallel hierzu übersetzte er die Lehrbuchreihe
ment aus der Gruppe der Seltenerdmetalle, das des schwedischen Chemikers Jöns Jakob
Yttrium im Mineral Gadolinit (früher: Ytterbit). Berzelius ins Deutsche. Wöhler erhielt 1836
den Ruf auf den Lehrstuhl für Chemie und
Pharmazie der Georg-August-Universität
Der Finne Johan Gadolin (* 5. Juni 1760 Göttingen.
Åbo/Turku, † 15. August 1852 Virmo/My-
nämäki) lehrte Chemie an der Universität
Turku und wird nach der Analyse des Ga- Gewinnung Aufkonzentriertes und gereinigtes
dolinits zitiert: „Aus diesen Eigenschaften Yttriumoxid wird durch Reaktion mit Fluorwas-
findet man, dass diese Erde in vielem mit serstoff in Yttriumfluorid überführt, das dann mit
der Alaunerde übereinkommt; in anderen Calcium im Induktionsofen zu Yttriummetall
aber mit der Kalkerde, dass sie sich aber umgesetzt wird:
auch von beyden, so wie auch von übrigen
2 YF3 þ 3 Ca ! 2 Y þ 3 CaF2
bisher gekannten Erdarten unterscheidet.
Daher scheint sie einen Platz unter den ein-
fachen Erdarten zu verdienen, weil die bis- Dieses Yttriumoxid gewinnt man nach Auf-
her gemachten Versuche keine Zu- schluss der in verschiedenen Teilen der Welt
sammensetzung von anderen vermuthen geförderten Erze. Den Ursprung bildet die mitt-
lassen. Jetzt wage ich noch nicht eine solche lerweile stillgelegte Grube in Ytterby (s. Abb. 6),
neue Erfindung zu behaupten, weil mein die die American Society of Minerals als histori-
kleiner Vorrath von der schwarzen Steinart sches Denkmal gekennzeichnet hat.
mir nicht erlaubte, die Versuche nach mei- Nach Abtrennung der anderen Seltenerden fällt
nen Wunsche zu verfolgen. Ohnedem halte man Yttrium aus wässriger Lösung durch Zugabe
ich auch dafür, dass die Wissenschaft viel- von Natronlauge als Yttriumhydroxid aus und
mehr gewinnen sollte, wenn die mehreren, überführt jenes durch Erhitzen in Yttriumoxid.
neuerlich von den Scheidekünstlern be-
schriebenen, neuen Erdarten in einfachere Eigenschaften Yttrium ist an der Luft relativ
Bestandtheile zerlegt werden könnten, als beständig, läuft dabei aber oberflächlich an. Bei
wenn die Zahl der neuen einfachen Erdarten Temperaturen oberhalb von 400  C können sich
noch vergrößert wird“ (Crell 1788). frische Schnittstellen an der Luft spontan entzün-
den. Von Wasser wird es langsam angegriffen, in
1824 erhielt Wöhler – noch verunreinigtes –
Yttrium durch Umsetzung von Kalium mit Ytt-
riumchlorid, aber erst 18 Jahre später konnte Mo-
sander die das Yttrium noch begleitenden Ele-
mente Erbium und Terbium von diesem trennen
und danach Yttrium in reiner Form darstellen.

Friedrich Wöhler (* 31. Juli 1800 Eschers-


heim/Frankfurt am Main, † 23. September
1882 Göttingen) war ein deutscher Chemi-
ker. 1823 promovierte er in Heidelberg im
Fach Medizin, widmete sich danach aber
nur noch der Chemie. Ab 1826 verfasste er Abb. 6 Eingang zur historischen Grube in Ytterby/
Schweden (Mirasmirakel.blogspot.com 2012)
872 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Säuren löst es sich als unedles Metall schnell auf. 2230  C) der Dichte 4 g/cm3. Die Verbindung ist
Yttrium tritt in seinen Verbindungen praktisch auf diversen Wegen zugänglich, wie der Fluorie-
ausschließlich in der Oxidationsstufe +3 auf, nur rung von Yttriumoxid oder der Auflösung von
in einigen Clusterverbindungen mit Oxidations- Yttriumoxid in Flusssäure. Yttriumfluorid ist trans-
stufen <3. Yttrium zählt noch zur Gruppe der parent in einem Bereich von 200 bis 14.000 nm
Leichtmetalle (s. Tab. 2). und kristallisiert orthorhombisch (Cheethan und
Norman 1974).
Verbindungen Yttriumfluorid dient als meist als Ausgangs-
Chalkogenverbindungen Reines Yttriumoxid (Y2O3) stoff zur Herstellung von Yttrium oder dessen
(s. Abb. 7) stellt man durch Verglühen des Carbo- Verbindungen, man produziert aber auch Spezial-
nats oder Oxalats her. Das weiße Pulver der Dichte gläser und keramische Materialien aus ihm.
5 g/cm3 schmilzt bei einer Temperatur von 2410  C Das ebenfalls farblose Yttriumchlorid (YCl3)
(Siedepunkt der Schmelze: 4300  C) und besitzt entsteht als Hydrat (s. Abb. 10) durch Auflösen
kubische Kristallstruktur (Marezio 1966). von Yttriumoxid in Salzsäure, das wasserfreie Salz
Bezüglich seiner Basizität steht es zwischen wird durch Umsetzung von Chlor mit Yttriumoxid
dem schwach basischen, nahezu amphoteren oder auch metallischem Yttrium gebildet. Das
Scandiumoxid und dem stark basischen Lanthan- monoklin kristallisierende Salz, indem jeweils ein
oxid. Ein gegen hohe Temperaturen beständiger Yttriumion verzerrt oktaedrisch von sechs Chlor-
keramischer Werkstoff aus 90 % Yttriumoxid idionen umgeben ist (Templeton und Carter 1954),
und 10 % Thoriumoxid (Yttrilox) zeigt einen schmilzt bzw. siedet bei 721  C bzw. 1507  C und
sehr weiten Bereich der Durchlässigkeit für hat ähnliche Anwendungen wie das Fluorid. Au-
Licht, der vom mittleren UV- bis zum mittleren ßerdem wirkt es als schwache Lewissäure kataly-
IR-Licht reicht. Da Einkristalle aus Yttriumoxid sierend bei einigen organischen Synthesen.
einen hohen Brechungsindex zeigen (ca. 1,9), Das ebenso farblose Yttriumbromid (YBr3) ist
hat es Anwendungen in der Lichttechnik (Spe- durch Reaktion der Elemente miteinander dar-
zialgläser und -linsen), außerdem in hochtempe- stellbar (Housecroft und Sharpe 2005). Die hygro-
raturfesten Keramiken für Lambdasonden oder skopische, erst bei einer Temperatur von 904  C
Beschichtungen für Grafitstäbe in Kernreaktoren. schmelzende Verbindung kristallisiert in der Struk-
Das durch Tempern der jeweiligen Metall- tur des Bismut-III-iodids (D’Ans und Lax 1997).
oxide erhältliche Yttrium-Barium-Cuprat (YBa2- Yttriumiodid (YI3), ein hellgraugelber, bei
Cu3O7–x) war Anfang der 1990er-Jahre die erste 997  C schmelzender Feststoff der Dichte
Verbindung, für die eine Sprungtemperatur von 4,62 g/cm3 ist gleichfalls leicht löslich in Wasser
181  C (92 K) ermittelt wurde, die oberhalb und kristallisiert trigonal (Jongen und Meyer
des Siedepunktes flüssigen Stickstoffs liegt (Dju- 2005). Man kann es durch Umsetzung von Iod
rovich und Watts 1993; Schwaigerer et al. 2002). mit Yttrium in wasserfreier Form herstellen,
Allerdings ist nur die orthorhombische Modifika- wogegen das Tetrahydrat durch einfaches Auf-
tion supraleitend, und dann muss auch die Bedin- lösen von Yttriumoxid in Iodwasserstoffsäure
gung x<0,6 erfüllt sein. erhältlich ist (Herzfeld und Korn 1901/2012).
Yttriumsulfid (Y2S3) (s. Abb. 8) ist ein gelbes, Daneben existiert auch noch ein Tri- und ein
feuchtigkeitsempfindliches Pulver mit einem Hexahydrat (Emeléus und Sharpe 1981).
Schmelzpunkt von 1925  C. Es kristallisiert Pnictogenverbindungen Yttriumnitrid (YN) ist
kubisch und zeigt eine Bandlücke von 2,58 eV. durch Einwirkung von Stickstoff unter hohem
man setzt es als III–VI-Halbleitern meist zur Druck auf feinverteiltes Yttrium synthetisierbar.
Dotierung ein (Hori et al. 2004). Günstiger ist es aber, zunächst Yttrium in sein
Halogenverbindungen Yttriumfluorid (YF3) Hydrid zu überführen und jenes dann bei „nur“
(s. Abb. 9) ist ein bei hoher Temperatur (1150  C) 800  C mit Stickstoff in Druckbehältern zum Ni-
schmelzender, weißer Feststoff (Siedepunkt: trid umzusetzen (Brauer 1975b, S. 1105). Der
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 873

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Yttrium


Symbol: Y
Ordnungszahl: 39
CAS-Nr.: 7440-65-5

Aussehen: Silbrig-weiß Yttrium (Metallium, Inc. Yttrium (Sicius


2017) 2017)
Farbe von Y3+aq.: Farblos
Entdecker, Jahr: Gadolin (Finnland)
Wichtige Isotope [natürl. Vorkommen Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
(%)]:
89
39Y (100) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): Brasilien, Indien, USA, Gadolinit, Thalenit,
China Xenotim, Monazit
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 26
Preis (US$), 99 % Reinheit, 50 g (Brocken) 39 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.) 14 g (Walze, Ø 1,2 cm, 68 (2019-07-01)
in Ampulle):
Atommasse (u): 88,906
Elektronegativität (Pauling): 1,22
Normalpotenzial (V; Y3+ + 3 e ! Y): 2,37
Atomradius (berechnet, pm): 180 (212)
Kovalenter Radius (pm): 190
Ionenradius (pm): 93
Elektronenkonfiguration: [Kr] 5s2 4d1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 600 ♦ 1180 ♦ 1980
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,2  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 1,3
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,66  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 63,5 ♦ 41,2 ♦ 25,6
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): — ♦ 589
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 3300
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 4,47
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 19,98  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 17
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,53
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1526 ♦ 1799
Schmelzwärme (kJ/mol): 11,4
Siedepunkt ( C ♦ K): 2930 ♦ 3203
Verdampfungswärme (kJ/mol): 390

blauviolette, als Pulver schwarz erscheinende Yttriumhydroxid und Ammoniak führt- sowie
Feststoff schmilzt erst bei sehr hoher Temperatur auch bei hohen Temperaturen Luftsauerstoff. Die
(>2670  C), weist eine Dichte von 5,6 g/cm3 auf Verbindung kristallisiert in der kubischen Koch-
und ist empfindlich gegenüber Hydrolyse – die zu salzstruktur (McGuire et al. 1957) und eignet sich
874 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 7 Yttrium-III-oxid 99,9 % (Onyxmet 2018) Abb. 10: Yttriumchlorid-Hexahydrat (Onyxmet 2018)

deutlich kovalenten Bindungsanteil spricht. Den-


noch zeigt auch Yttriumphosphid die Eigenschaften
eines Halbleiters und wird beispielsweise in Laser-
dioden verwendet.
Sonstige Verbindungen Das üblicherweise mit
hexagonaler Struktur kristallisierende, gelbe Yt-
trium-III-hydrid (YH3) erhält man durch Überlei-
ten von Wasserstoff über erhitztes Yttrium, wobei
die Reaktion über die Zwischenstufe Yttrium-II-
Abb. 8 Yttriumsulfid 99,9 % (Onyxmet 2018)
hydrid verläuft (Mueller et al. 2013, S. 450). Die
Verbindung der Dichte 3,94 g/cm3 zersetzt sich
beim Erhitzen auf Temperaturen von 300  C
(Mueller et al. 2013, S. 443). Yttrium-III-hydrid
zeigt keine metallischen Eigenschaften wie Licht-
reflexion mehr, sondern ist in dünner Schicht
sogar optisch durchscheinend. Allerdings kommt
es in Abhängigkeit von den äußeren Bedingungen
zu Anisotropien im Kristallgitter des Yttrium-III-
hydrids, die durch Wanderung der kleinen Hy-
Abb. 9 Yttrium-III-fluorid (Stanford Advanced Materials dridionen bedingt sind, wodurch sich stellenweise
2018)
Phasen wasserstoffärmerer Hydride oder sogar
metallisches Yttrium bildet. Dies ist interessant
sowohl als Zusatzstoff in Industriekeramiken als für optisch gesteuerte elektrische Schaltelemente,
auch in Halbleitern. Da sich die Gitterparameter jedoch muss die Technik in diesem Fall noch
des Yttriumnitrids nur gering von denen des eben- weiter entwickelt werden (Racu 2005; Griessen
falls als Halbleiter eingesetzten Galliumnitrids 1997; Remhof 2000).
unterscheiden, fungiert Yttriumnitrid oft als Puf- Yttrium-Aluminium-Granat („YAG“) ist eine
ferschicht zwischen einem Substrat und einem in künstlich hergestellte, farblose, kristalline Verbin-
der Aufzucht befindlichen Kristall aus Gallium- dung der Formel Y3Al5O12. Strukturell hierzu
nitrid. ähnlich ist der Yttrium-Eisen-Granat („YIG“,
Yttriumphosphid (YP) erzeugt man durch Über- Y3Fe5O12, siehe unten). Die Herstellung von Ein-
leiten gasförmigen weißen Phosphors über Yttrium kristallen des Materials (erreichbare Längen bzw.
bei Temperaturen oberhalb von 500  C im Vakuum. Durchmesser: >30 cm bzw 10 cm) erfolgt
Die farblose (!) Verbindung der Dichte 4,4 g/cm3 meist nach dem von Czochralski entwickelten
hat wesentlich tiefere Schmelz- bzw. Siedepunkte Tiegelzieh-Verfahren. Aufgrund der der Verbin-
als das Nitrid (201  C bzw. 511  C), was für einen dung eigenen hohen akustischen Wellenge-
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 875

schwindigkeiten (Spencer et al. 1963) setzt man längen >1100 nm als optischer Isolator, lässt also
den Granat oft als Wirtskristall in Festkörperla- Licht bestimmter Orientierung der Polarisations-
sern ein. Je nach gewünschter Wellenlänge des ebene nur in eine Richtung durch, aber in der
emittierten Lichtes dotiert man ihn mit geringen Gegenrichtung Licht beliebiger Polarisation ablenkt
Mengen anderer Seltenerdmetalle, wie Neodym und/oder absorbiert. YIG hat somit die Funktion
(hellvioletter Nd:YAG-Laser, s. Abb. 11) oder eines optischen „Ventils“ in der Hin- bzw. der eines
Erbium (blassrosaroter Er:YAG-Laser). Der „Isolators“ in der rückläufigen Richtung, man nennt
gelbe, mit Ce3+-Ionen dotierte Laser wird unter dieses Prinzip auch „optische Diode“.
anderem als Szintillator in Rasterelektronenmi- Man verwendet YIG in Hochfrequenzanwen-
kroskopen eingesetzt. dungen (Oszillatoren, Filter) sowie in der Mikro-
Undotierten YAG nutzte man wegen seiner wellen und magnetooptischen Technik (Helszajn
großen Härte sowie starker Brechung und Dis- 1985).
persion des Lichtes aber auch als künstlich Yttriumcarbid (YC2) ist ein harter, hoch-
erzeugter Schmuckstein, sogar als Ersatz für Dia- schmelzender, metallisch aussehender Feststoff
mant (Schumann 2002). der Dichte 4,13 g/cm3, den man in Keramiken
Der ebenfalls künstlich hergestellte Yttrium- einsetzt. Die Verbindung kann erhebliche Mengen
Eisengranat (YIG, Y3Fe5O12) (s. Abb. 12) ist an Wasserstoff bzw. Deuterium aufnehmen
unterhalb seiner Curie-Temperatur von 277  C (Maehlen et al. 2003), deren Atome unter Um-
(550 K) ferrimagnetisch. Als Dielektrikum zeigt wandlung der Struktur des Stammgitters in dieses
er bei Anlegen eines Magnetfeldes den Faraday- eingebaut werden. Seraphin et al. untersuchten die
Effekt, d. h. eine proportional zur Flussdichte des Wirkungen der Einlagerung von Yttriumcarbid in
Magnetfeldes und zur Länge des YIG-Einkristalls keramische Nanoröhrchen (1993).
eintretende Drehung der linearen Polarisations- Die diversen Yttriumboride (YB2, YB4, YB6,
ebene des Lichtes. Dabei wirkt YIG bei Wellen- YB12, YB25, YB50 und YB66) sind alle hochschmel-
zende, graue bis schwarze, harte kristalline
Feststoffe (Rogl und Klesnar 1990). So ist
Yttriumdiborid (YB2) ist ein wichtiger Supraleiter,
dessen hexagonales Gitter isotyp zu dem
des Magnesium- oder Aluminiumdiborids ist
(s. Abb. 13). Die Verbindung hat eine berechnete
Dichte von 5,05 g/cm3 und einen Schmelzpunkt
von ca. 2100  C (Warkentin et al. 2013). Yttrium-
diborid beginnt schon bei mäßigem Erhitzen an
der Luft zu oxidieren; bei etwa 800  C ist es voll-
ständig verbrannt (Wu 2001).
Abb. 11 Yttrium-Aluminium-Granat, mit Neodym do- Das tetragonal kristallisierende Yttriumtetra-
tiert (Unbekannt)
borid (YB4) (s. Abb. 14) hat eine ebenfalls berech-
nete Dichte von 4,32 g/cm3 (Crow et al. 1987).

Abb. 13 Kristallstruktur von Yttriumdiborid (Ben Mills


Abb. 12 Yttrium-Eisen-Granat (Krizu 2012) 2007)
876 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 14 Kristallstruktur von Yttriumtetraborid (Materi-


alscientist 2009)

Abb. 15 Kristallstruktur von Yttriumborid YB25 (Mate-


Wiederholtes Zonenschmelzen ergibt Einkristalle rialscientist, Datum unbekannt; Tanaka et al. 1997)
von mehreren cm Länge (Otani et al. 2000).
Das wichtigste Borid dieser Reihe ist Yttrium- Ein noch höheres Yttriumborid (YB50) mit or-
hexaborid (YB6), ein geruchloses, schwarzes Pul- thorhombischer Struktur erhält man nur über das
ver der Dichte 3,67 g/cm3 und eines Schmelz- oben beschriebene Zusammenschmelzen von Bor
punktes von 2300  C (Benenson et al. 2006). Es und Yttriumoxid im entsprechenden stöchiome-
hat eine zu den Hexaboriden der anderen Lantha- trischen Verhältnis. Auch dieses Borid zersetzt
noide und auch Erdalkalimetalle isotype Struktur. sich oberhalb einer Temperatur von 1850  C zu
Auch hier lassen sich mit Hilfe des Zonenschmel- YB12 und YB66 (Tanaka et al. 1994).
zens große Einkristalle erzeugen (Fisk et al. Das borreichste Yttriumborid ist YB66. In
1976). Die Verbindung ist ein Supraleiter mit seinem Kristallgitter liegen viele Bor-Super-
einer Sprungtemperatur von 264,15  C (8,4 K) ikosaeder vor [(B12)12B12]; in diese Matrix sind
(Szabó 2007). Wie andere Hexaboride der Selten- B80-Cluster mit Yttriumatomen eingebettet. Das
erdmetalle (zum Beispiel: LaB6) wirkt auch YB6 Molekülgitter ist bei Higashi et al. (1997) ausführ-
als Elektronenkathode; dies ist bereits auf den lich beschrieben. Unabhängig hiervon fanden
Elektronenmangel-Charakter des Borgitters zu- schon Richards und Kasper, dass die Elementar-
rückzuführen. zelle von YB66 1584 (!) Boratome enthält. Die
Yttriumdodecaborid (YB12) kristallisiert kubisch Verbindung besitzt nahezu die Dichte elementa-
und hat eine Dichte von 3,44 g/cm3 (Harima et al. ren Bors (2,52 g/cm3), wie Bor eine hohe Härte,
1985). Es zeigt eine relativ hohe Debye-Temperatur halbmetalltypisch niedrige Leitfähigkeiten für
von ca. 767  C (1040 K), also eine Temperatur, bei Elektrizität und Wärme und eine hohe Debye-
der alle möglichen Zustände der Quantenfrequenzen Temperatur von 1027  C (1300 K) (Oliver und
(Gitterschwingungen) in einem Kristallgitter eines Brower 1971; Schwetz et al. 1972). Hier ist es
Festkörpers gerade besetzt sind. Supraleitfähigkeit aber wieder möglich, durch Zonenschmelzen län-
tritt erst bei 270,65  C (2,5 K) und darunter auf gere Einkristalle zu produzieren (Tanaka et al.
(Czopnik et al. 2005). 1985); man setzt sie zum Monochromatisieren
Man kann Kristalle des „nächsthöheren“ Yt- von Röntgenlicht ein (Karge et al. 2004; Wong
triumborids (YB25) (s. Abb. 15) züchten, indem et al. 1999).
man eine in Pelletform komprimierte, ursprüng-
lich pulverförmige Mischung von Yttrium-III- Anwendungen Metallisches Yttrium verwendet
oxid und Bor auf eine Temperatur von ca. 1700  C man wegen seines geringen Einfangquerschnitts
erhitzt. Oberhalb von 1850  C disproportioniert für thermische Neutronen zur Herstellung von
die Verbindung aber schon zu YB12 und YB66, Rohren für Kernkraftwerke. Seine Legierung mit
ohne zu schmelzen; somit wird die Anwendung Cobalt (YCo5) ist stark magnetisch. Yttrium ist
des Zonenschmelzens schwierig. enthalten in Heizdrähten für Ionenquellen von
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 877

Massenspektrometern und fungiert beispielsweise


als Legierungsbestandteil zur Kornfeinung in R. Sato, Powder for film formation and
Eisen-Chrom-Aluminium-Heizleiterlegierungen. material for film formation (Nippon Yt-
Aluminium- und Magnesiumlegierungen verleiht trium Co., Ltd., US 2017342539 A1 ver-
es höhere Festigkeit. öffentlicht 30. November 2017)
Am wichtigsten ist die Verwendung von Yt- L. E. Mureşan et al., Process for preparing
triumoxid und -oxidsulfid in dotierten Leuchtstof- self-luminous pigments based on yttrium
fen, in Kombination verwendet mit Europium silicate doped with rare earth ions of
(rot) und Thulium (blau), in Fernsehbildröhren, variable luminescence (University Cluj-
Leuchtstofflampen und Radarröhren. Napoca, RO 132148 A2, veröffentlicht
Yttriumnitrat ist Beschichtungsmaterial in Glüh- 29. September 2017)
strümpfen, und Yttrium-Aluminium-Granat (YAG) Z. H. Ding, Extracting and purifying
dient als Laserkristall. Eine Zukunftstechnologie ist method for yttrium oxide (China Rare
der Einsatz durch Yttrium stabilisierten Zirkonium- Earth Co., Ltd., CN 107058734 A, ver-
dioxids als Festelektrolyt in Brennstoffzellen. öffentlicht 18. August 2017)
Als reiner Beta-Strahler wird das Isotop 9039Y
in der Radiosynoviorthese zur Therapie großer
Gelenke (z. B. Knie) eingesetzt. 6.3 Lanthan

Geschichte: Lanthan wurde 1839 vom schwedi-


schen Chemiker und Chirurg Mosander entdeckt,
Patente
der aus Cer-III-nitrat als Ausgangssubstanz durch
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Zusatz von Schwefelsäure Lanthansulfat durch
wide.espacenet.com)
fraktionierte Kristallisation abtrennen konnte.
D. Waller und M. S. Grønvold, An ammo-
nia oxidation catalyst for the production
Carl Gustav Mosander (* 10. September
of nitric acid based on yttrium gadoli-
1797 Kalmar, † 15. Oktober 1858 Ängs-
nium ortho cobaltates (Yara Int. ASA,
holm) war ein schwedischer Chemiker und
PL 2948243 T3, veröffentlicht 31. Dezem- Chirurg. Zunächst arbeitete er als Professor
ber 2018) für Chirurgie am Karolinska-Institut in
R. Sato und N. Fukagawa, Film forming Stockholm, folgte dann Berzelius dort als
material (Nippon Yttrium Co., Ltd., US ordentlicher Professor für Chemie und
2018362359 A1, veröffentlicht 20. De- Pharmazie nach. Mehr als zwei Jahrzehnte
zember 2018) erforschte Mosander die Chemie der Selte-
O. Larcher und E. Rohart, Zirconium and nen Erden und entdeckte dabei einige che-
yttrium oxide based composition, method mische Elemente. Zuerst trennte er um 1840
for preparing same and use thereof in Ceriterde in Cer-IV-, ein sogenanntes „Di-
a catalyst system (Rhodia Chimie, PL dymoxid“ und Lanthanoxid auf, wobei er
1735242 T3, veröffentlicht 30. Novem- als Erster einige Lanthanverbindungen iso-
ber 2018) lierte. Das von ihm postulierte Element
J. W. Anthis und B. Schmiege, Lanthanide, Didym erwies sich später als Gemisch aus
yttrium and scandium precursors for Praseodym und Neodym. 1843 trennte er
ALD, CVD and thin film doping and Verbindungen des Yttriums, Erbiums und
methods of use (Applied Materials, Terbiums aus der schon von Johan Gadolin
Inc., US 2017356083 A1, veröffentlicht 1794 beschriebenen Yttererde (Mosander
14. Dezember 2017) 1827, S. 470, 1843)
878 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Gewinnung Das wichtigste Mineral zur Gewin- langsam, mit warmem schnell unter Bildung
nung von Lanthan ist der in Brasilien, China und von Wasserstoff und Lanthanhydroxid. Mit Halo-
einigen afrikanischen Ländern häufig vorkom- genen reagiert es schon bei Raumtemperatur
mende Monazitsand (s. Abb. 16), der ca. 10- heftig; fast ebenso leicht bildet Lanthan Chal-
Gew.-% chemisch gebundenes Lanthan enthält. kogenverbindungen.
Nach dessen Aufschluss mit konzentrierter Schwe-
felsäure fällt man die so erhaltenen Sulfate der Verbindungen
Seltenerdmetalle in der Kälte als Oxalate aus Chalkogenverbindungen Lanthanoxid (La2O3) ist
und wandelt diese dann durch Glühen in die ein hochschmelzendes (2315  C; Siedepunkt der
jeweiligen Oxide um. Die Abtrennung des Lan- Schmelze: 4200  C), weißes, hygroskopisches
than-III-oxids erfolgt durch Ionenaustausch und Pulver der Dichte 6,51 g/cm3 (s. Abb. 17). Es ist
Komplexbildung. Gereinigtes Lanthan-III-oxid stark basisch und reagiert mit Wasser exotherm
überführt man mit Fluorwasserstoff in Lanthanf- unter Bildung von Lanthanhydroxid, auch wenn
luorid. Bei hoher Temperatur setzt man jenes dann es nur schwer in Wasser löslich ist. Seine Bandlü-
mit Calciummetall zu elementarem Lanthan und cke beträgt 4,3 e.V.
Calciumfluorid um, analog zu dem beim Yttrium Lanthanoxid wird meist verwendet, um aus
beschriebenen Prozess: ihm Lanthanmetall herzustellen. Hierzu überführt
man es entweder durch Lösen in Flusssäure in
LaF3 þ 2 Ca ! 2 La þ 3 CaF2
Lanthanfluorid (LaF3) oder durch Chlorieren bei
höherer Temperatur in Lanthanchlorid (LaCl3).
Die Abtrennung verbleibender Calciumreste
Beide Halogenide kann man mit reaktiven Erdal-
und Verunreinigungen erfolgt in einer zusätzli-
kalimetallen (Magnesium oder Calcium) dann zu
chen Umschmelzung im Vakuum.
Lanthan und Magnesium- bzw. Calciumchlorid
umsetzen.
Eigenschaften Das silberweiß glänzende Metall
Sehr reines, einkristallines Lanthanoxid ist
ist leicht verformbar (s. Tab. 3). Es existieren in
stark lichtbrechend, schwer und hart und ist daher
Abhängigkeit von der Temperatur drei Modifika-
oft ein Bestandteil optischer Linsen in hochwerti-
tionen. Lanthan ist reaktionsfähig, sehr unedel
gen Kameras. Es ist in piezo- und thermoelektri-
und überzieht sich an der Luft schnell mit einer
schen Materialien enthalten, ebenso wie in Kata-
weißen Oxidschicht, die in feuchter Luft zum
lysatoren für Verbrennungsmotoren (Cao et al.
Hydroxid weiterreagiert.
2005). Man setzt es in Leuchtmitteln (Phospho-
Lanthan reagiert bereits bei Raumtemperatur
ren) ein und sowohl in dielektrischen als auch
mit Luftsauerstoff zu Lanthanoxid (La2O3), mit
leitfähigen Keramiken. Bei Temperaturen um
vorhandenem Wasser dann weiter zu Lanthanhy-
350  C lassen sich polykristalline Filme der zu-
droxid [La(OH)3]. Bei Temperaturen oberhalb
vor gesputterten Verbindung durch thermische
von 440  C verbrennt Lanthan an der Luft zu
Abscheidung aus der Dampfphase erzeugen (Kale
Lanthanoxid. Mit kaltem Wasser reagiert es
et al. 2005). In den bisher für das Bogenschwei-
ßen unter Vakuum eingesetzen, mit Thoriumoxid
beschichteten Wolframelektroden wird das Tho-
rium- aus Sicherheitsgründen durch Lanthanoxid
ersetzt. Man prüft weiterhin seine Funktion als
Katalysator bei direkten chemischen Umsetzun-
gen von Alkanen, die gewöhnlich sehr reaktions-
träge sind (Manoilova et al. 2004).
Lanthansulfid (La2S3) ist ein gelbes, feuchtigkeits-
Abb. 16 Monazit, Fundort: Madagaskar, ausgestellt im empfindliches Pulver (s. Abb. 18) vom Schmelz-
Mineralogischen Museum in Bonn/Deutschland (Ra’ike punkt 2100  C und der Dichte 4,9 g/cm3. Im Tem-
2009) peraturbereich von 300 K bis 1400 K verhält
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 879

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Lanthan


Symbol: La
Ordnungszahl: 57
CAS-Nr.: 7439-91-0

Aussehen: Silbrig-weiß Lanthan (Metallium, Inc. 2017)


Farbe von La3+aq.: Farblos
Entdecker, Jahr Mosander (Schweden), 1839
Wichtige Isotope [natürl. Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
137
57La (synthetisch) 60.000 ε >13756Ba
138
57La (0,09) 1,05  1011 ε >13856Ba ♦ β >13858Ce
139
57La (99,91) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China, Skandinavien Monazit, Bastnäsit
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 17
Preis (US$), 99 % Reinheit (Metallium, Inc.): 50 g (Brocken, 38 (2019-07-01)
unter Mineralöl)
20 g (Walze, Ø 1,2 cm, 85 (2019-07-01)
in Ampulle):
Atommasse (u): 138,905
Elektronegativität (Pauling): 1,1
Normalpotenzial (V; La3+ + 3 e ! La): 2,38
Atomradius (berechnet, pm): 195
Kovalenter Radius (pm): 207
Ionenradius (pm): 103
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 5d1 4f0
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 538 ♦ 1067 ♦ 1850
Magnetische Volumensuszeptibilität: 5,4  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angaben
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 8,9
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,626  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 37 ♦ 28 ♦ 14
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 491 ♦ 363
Kristallsystem: Hexagonal (> 310  C:
Kubisch-flächenzentriert)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2475
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 6,17
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 22,39  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 13
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,11
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 920 ♦ 1193
Schmelzwärme (kJ/mol): 6,2
Siedepunkt ( C ♦ K): 3470 ♦ 3743
Verdampfungswärme (kJ/mol): 400

sich das Material wie ein intrinsischer Halbleiter, einem Produkt der chemischen Zusammenset-
dessen Leitfähigkeit dann durch das Verhältnis zung LaS1,48 (Wood et al. 1985).
von Lanthan- zu Sulfidionen bestimmt wird. Der Die kubisch kristallisierende γ-Modifikation des
höchste Wirkungsgrad liegt bei 5104 K1 bei Lanthansulfids ist eine der wenigen Verbindungen,
880 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

mechanischen Eigenschaften unter diesen Bedin-


gungen noch nicht. Quantenmechanische Simula-
tionen zeigen, dass sich unter Druck Gitterebenen
in einer Vorzugsrichtung gegeneinander verschie-
ben, und dass die über größere Bereiche im Gitter
etablierte ionische Wechselwirkung zwischen
Lanthan- und Telluridionen durch Einbau homo-
Abb. 17 Lanthanoxid (GeoffreyHautecouverture 2015)
loger Lanthanoide (Cer, Praseodym) anstelle Lan-
than geeignet ist, diese ionische Wechselwirkung
zu verstärken (Li et al. 2017).
Dünne Filme aus La2Te3 stellt man durch auf-
einanderfolgende Adsorption und Reaktion ioni-
scher Schichten nach der SILAR-Methode her.
Das Material hat eine spezifische Oberfläche von
51 m2/g (BET) und eignet sich als Superkonden-
sator mit einer Kapazität von 194 F/g (gemessen
in 1m LiClO4-Lösung mittels zyklischer Voltam-
metrie, galvanostatischer Be- und Entladung und
elektronischer Impedanzspektroskopie) (Patilac
Abb. 18 Lanthan-III-sulfid (Onyxmet 2017) et al. 2017).
Halogenverbindungen Lanthanfluorid (LaF3)
findet man mit Beimischung von Cer3+-Ionen in
die auch für langwelliges Infrarotlicht meist durch- der Natur als Tysonit genannt (Allen und Com-
lässig sind. Die Synthese des Produktes und die stock 1880). Man gewinnt es durch Umsetzung
Ergebnisse der damit durchgeführten Untersuchun- von Fluorwasserstoff mit Lanthanverbindungen.
gen sind bei Prashant et al. (1989) beschrieben. Durch Die weiße, trigonal kristallisierende Verbin-
thermische Zersetzung des La(Et2S2CN)3phen- dung (Zalkin und Templeton 1989; s. auch
Komplexes bei tiefer Temperatur ist γ-La2S3 in Form Abb. 19a, b) schmilzt bzw. siedet bei 1493  C
von Nanopartikeln (Durchmesser: 10–30 nm) zu- bzw. 2327  C und hat eine Dichte von 5,9 g/cm3.
gänglich, die eine infolge relativistischer Effekte er- Die Verbindung ist nahezu unlöslich in Wasser
höhte Bandlücke von 2,97 eV aufweisen. und verdünnten Mineralsäuren; nur konzen-
Lanthanselenid (La2Se3) ist ein ebenfalls im trierte Schwefelsäure schließt es unter Bildung
Handel erhältlicher p-Halbleiter, dessen direkte von Fluorwasserstoff auf. Bei erhöhter Tempe-
Bandlücke in dünnen Schichten und in Form ratur zeigt Lanthanfluorid eine auf dem Vorhan-
von Nanoteilchen (ca. 42 nm) zu 2,6 eV bestimmt densein von Leerstellen im Fluorid-Teilgitter
wurde (Badge et al. 2003). beruhende Ionenleitfähigkeit (Fielder 1969).
Im System Lanthan-Tellur existieren einige Dieser Effekt kann durch Dotieren mit Erdalka-
definierte Lanthantelluride (La2Te3, La3Te4 und lifluorid noch deutlich verstärkt werden. Man
LaTe), zusätzlich bestehen noch Übergänge zwi- verwendet Lanthanfluorid zur Synthese metalli-
schen diesen einzelnen Phasen. Dies zeigten schen Lanthans, indem man es thermisch mit
schon Untersuchungen von Wang et al. (1966). Calcium oder Magnesium umsetzt, oder aber in
Lanthantellurid der Formel La3xTe4, erzeugt Szintillatoren und Fluoreszenzlampen (Moses
durch Legieren von Lanthan und Tellur, zeigt eine und Derenzo 1990).
gute elektrische Leitfähigkeit bei hoher Tempera- Lanthanchlorid (LaCl3) stellt man als Hepta-
tur und übertrifft darin sogar Germaniumsilicid hydrat (s. Abb. 20) durch Auflösen von Lanthan-
(GeSi) (May 2008). oxid in Salzsäure her, wogegen die wasserfreie
Auch La3Te4 ist ein sehr guter (n)-Leiter bei Form durch Verbrennen metallischen Lanthans im
hohen Temperaturen, nur untersuchte man seine Chlorstrom darstellbar ist. Die wasserfreie, farb-
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 881

Abb. 19 a Lanthanfluorid,
Sputtertargets (QS
Advanced Materials 2017)
und wasserfreies Salz (b,
Onyxmet 2018)

samste Szintillationszähler, denn er vereint hohe


Lichtausbeute und Auflösung.
Bisher setzte man vorzugsweise Kristalle des
Natriumiodids für diesen Zweck ein, der sich im
Kopf der Messeinrichtung befindet und gegen
Lichteinfall und Feuchtigkeit gesichert ist. Auftref-
fende ionisierende Strahlung (α-, β-, γ- oder Neu-
tronenstrahlung) löst je nach ihrer Energie eine
gewisse Zahl schwacher Lichtblitze aus, die dann
Abb. 20 Lanthanchlorid-Heptahydrat (Onyxmet 2018)
auf der Kathode des dahinter installierten Photo-
multipliers Elektronen frei setzen. Diese vermehren
sich dann sehr stark durch Stöße an der Kathode,
lose Verbindung schmilzt bei 860  C (Siedepunkt und an der Anode registriert man darauf einen
der Schmelze: 1812  C), hat eine Dichte von Stromfluss. Neben Natriumiodid setzte man bisher
3,79 g/cm3 und kristallisiert mit hexagonaler Struk- bevorzugt Lanthanchlorid (LaCl3) oder Cäsiumiodid
tur, wogegen das Heptahydrat eine monokline (CsI) für diese Zwecke ein (Klipsch 2002).
Struktur aufweist (D’Ans und Lax 1997, S. 1463). Lanthaniodid (LaI3) ist dem homologen Bro-
Die Verbindung kann infolge ihres schwach mid eng verwandt; die hygroskopischen, leicht
Lewis-sauren Charakters meist dann als Kata- wasserlöslichen und farblosen Kristalle der Dich-
lysator für eine Synthese verwendet werden, wenn te 5,7 g/cm3 haben orthorhombische Struktur und
diese im sauren Milieu stattfindet. Wie vereinzelte schmelzen bei 778  C (Kruse et al. 1964).
andere Chloride der Seltenerdmetalle auch ist es als Pnictogenverbindungen Lanthannitrid (LaN)
Katalysator beim Cracken einsetzbar, außerdem als ist ein schwarzes hochschmelzendes Pulver der
„algostatische“ Substanz, die das Wachstum von Dichte 6,73 g/cm3 (Perry 2011). Man kann es
Algen infolge der Bindung von Orthophosphat als wie die Nitride anderer Seltenerdmetalle durch
Lanthanphosphat (LaPO4) verhindert. Mit Ratten Reaktion der Elemente bei 900–1100  C unter
durchgeführte Versuche erwiesen die Wirkung von Druck herstellen, oder aber auch durch Überleiten
Lanthanchlorid als Calciumantagonist, der also von Ammoniak (NH3) über auf ca. 700  C erhitz-
den Zustrom von Calciumionen ins Innere der tes Lanthan (Lyutaya und Goncharuk 1979).
Muskelzelle hemmt (He et al. 2008). Ein durch Reaktion von Lanthanoxid mit Am-
Das weiße, farblose und hygroskopische Lan- moniak hergestelltes Lanthannitrid erwies sich als
thanbromid (LaBr3) kristallisiert hexagonal und sehr leistungsfähiger Kondensator mit einer volu-
schmilzt bzw. siedet bei Temperaturen von metrischen Kapazität von 951,3 F/cm3,gemessen
783  C bzw. 1577  C. In wasserfreiem Zustand in Natriumsulfatlösung (c: 1 mol/l) bei einer
hat es eine Dichte von 5,07 g/cm3. Mehrere Stromdichte von 1 A/g, und nur sehr geringem
Hydrate der Verbindung sind bekannt. Mit Ce3+ Verlust an Ladung über eine lange Betriebsdauer.
aktiviertes Lanthanbromid ist der zur Zeit wirk- Vermutlich sind die Ladungen in Form elektri-
882 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

scher Doppelschichten im Kristallgitter gespei- selbst bei einer mehrfach überhöhten Dosierung
chert (Zhang et al. 2017). (Schmidt et al. 2008).
Über die anderen Pnictogenide [Lanthan- Lanthancarbonat verwendet man auch zur
phosphid (LaP), Lanthanarsenid (LaAs)] sind Produktion des in Brennstoffzellen eingesetzten
nur wenige physikalische Daten verfügbar. Bei- Lanthan-Strontium-Manganits (LSM) der Formel
des sind Feststoffe, die in Halbleitern und licht- La1xSrxMnO3. Dieses oxidische Keramikma-
technischen Anwendungen eingesetzt werden. terial besitzt einen Dotierungsgrad x, der bis 0,2
Sonstige Verbindungen Lanthannitrat [La(NO3)3] betragen kann. In seinem vorliegenden Perovskit-
erzeugt man durch Auflösen von Lanthan bzw. Gitter der generellen Formel ABO3 steht „A“ für
seinen Verbindungen in Salpetersäure (Singh Lanthan- und Strontiumionen, „B“ dagegen für
2007a). Das Hexahydrat schmilzt bereits bei die Manganionen. LSM zeigt vom Grad der
40  C im eigenen Kristallwasser, ist leicht löslich Dotierung abhängige Leiter-Nichtleiter-Übergän-
in Wasser und kristallisiert triklin. Durch vorsichti- ge, Para- und Ferro-Magnetismus (Urushibara
ges Erwärmen ist es dennoch möglich, das Hexa- et al. 1995) sowie auch Griffith-Phasen (Deisen-
zum Tetrahydrat zu entwässern; jenes besitzt ent- hofer et al. 2005; Dagotto 2003; Park et al. 1998).
weder orthorhombische oder monokline Struktur LSM ist ein schwarzer Festkörper der ungefähren
(Gobichon et al. 1996). Qualitativ lassen sich Ace- Dichte 6,5 g/cm3 und ein guter elektrischer Lei-
tylverbindungen bzw. Acetat hiermit nachweisen, ter. In Feststoff-Brennstoffzellen dient LSM als
denn basisches Lanthanacetat bildet mit Iod ein Kathode, denn es leitet mit steigender Temperatur
tiefblaues Clathrat. Der qualitative Nachweis des wie ein Halbmetall den Strom immer besser
Fluorids ist der Bildung des sehr schwer wasserlös- (Armstrong und Virkar 2002; Zudem zeigt LSM
lichen Lanthanfluorids geschuldet, das über die den CMR-Effekt (kolossalen magnetoresistiven
Messung der Trübung einer Lösung erfasst wird Effekt), der besagt, dass sich der elektrische
(Harzdorf 1967). Widerstand bei Anwesenheit von Magnetfeldern
Lanthancarbonat [La2(CO3)3] stellt man in drastisch ändert. Ursache ist eine Verschiebung
reinem Zustand, also ohne Hydrate und beige- der Bandstrukturen, die bis zur Bildung eines
mischte basische Carbonate, durch Einleiten von elektrischen Isolators führen können (Von Hel-
Kohlendioxid unter Druck in eine mit Anilin und molt et al. 1993; Ramirez 1997).
Aniliniumchlorid gepufferte Lösung her (Brauer Lanthancarbid (LaC2) wird ähnlich wie andere
1975b, S. 1116). Vereinzelt setzt man Lanthanc- Seltenerdcarbide durch Reaktion des jeweiligen
arbonat, wie andere Seltenerdverbindungen, als Metalls (hier: Lanthan) mit entgastem hochreinen
Katalysator beim Cracken von Kohlenwasser- Graphit bei ca. 2000  C im Lichtbogenofen unter
stoffen ein. Edelgasatmosphäre (Helium, Argon) und unter
Eine der wichtigsten Anwendungen liegt aber Beimengung eines Gettermetalls zur Entfernung
in der Medizin, wo man es Binder für Phosphat von Spuren an Sauerstoff erzeugt (Brauer 1975b,
einsetzt. Fosrenol ® dient bei Patienten mit Nieren- S. 1115). Der gelbe, elektrisch leitende Feststoff
insuffizienz zur Behandlung erhöhter Phosphat- schmilzt erst oberhalb von 2360  C, hat die Dichte
werte, zeigt nicht die Nachteile vergleichbarer 5,3 g/cm3 und kristallisiert tetragonal analog zu
aluminiumhaltiger Präparate (Fukagawa und Har- Calciumcarbid (Martienssen und Warlimont 2006).
man 2005), aber dafür eventuell Nebenwirkun- Die Verbindung erleidet heftige Hydrolyse bei
gen, deren Langzeiteffekt beim Menschen unter- Kontakt mit Wasser, wobei sich die brennbaren
sucht wurden und noch werden (Feng et al. 2006). Gase Wasserstoff und Ethin (Acetylen) bilden
Auch Tiere können mit diesem Wirkstoff behan- (Greenwood und Earnshaw 1997, S. 299):
delt werden, so Katzen mit Lantharenol ® oder
Renalzin®. In Abhängigkeit von der verabreich- 2 LaC2 þ 6 H2 O ! 2 LaðOHÞ3 þ 2 C2 H2
ten Dosis des Medikaments schied das Tier Phos- " þH2 "
phat aus (Schmidt et al. 2006, 2008; Spiecker-
Hauser et al. 2007). Darüber hinaus waren keine Lanthancarbid kann in besonderen Keramik-
schädlichen Nebenwirkungen zu beobachten, werkstoffen eingesetzt werden.
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 883

Lanthandisilicid (LaSi2) ist eines von mehre- (LaPO4:Ce, Tb) sowie Sonnenbanklampen einge-
ren Lanthansiliciden, ein hochschmelzender Fest- setzt, ferner in Batterien von Hybrid- oder Elek-
stoff der Dichte 5,0 g/cm3 [Preis für 1 g 99,9 %ige trofahrzeugen, deren Akkumulatoren bis zu 15 kg
Ware bei Alfa Aesar US$ 88 (November 2017)], Lanthan und 1 kg Neodym enthalten. Eine
der durch Wasser oder verdünnte Säuren jedoch Lanthan-Nickel-Legierung (LaNi5) dient als Was-
hydrolytisch zersetzt wird. Das System Lanthan- serstoffspeicher in Nickel-Metallhydrid-Akkumu-
Silicium wurde schon vor längerem hinsichtlich latoren, eine aus Lanthan und Kobalt als Per-
seiner thermodynamischen Eigenschaften unter- manentmagnet (LaCo5). Als Zusatz verwendet
sucht (Blinder et al. 1995). Aktuelle Versuche man es in Kohlelichtbogenlampen zur Studiobe-
zeigten, dass niedrige Schottky-Barrieren (φb) leuchtung. In Verbindung z. B. mit Kobalt, Eisen
auch auf hochdotierten Substraten nicht unbe- und Mangan dient es als Kathode für Hochtempe-
dingt niedrige Kontaktwiderstände garantieren ratur-Brennstoffzellen (SOFC). Legierungen mit
(Yu et al. 2017). Titan verwendet man in der Medizintechnik zur
Lanthanhexaborid (LaB6) erhält man durch Herstellung korrosionsresistenter und sterilisierba-
Umsetzung von Lanthanchlorid mit Natriumbor- rer Instrumente.
hydrid bei Temperaturen um 400  C. Wird dagegen Lanthanoxid dient zur Herstellung von Gläsern
Lanthanoxid anstelle des Chlorids verwendet, so mit relativ hohem Brechungsindex, der sich auch
steigt die für die Synthese benötigte Temperatur nur gering mit der Wellenlänge ändert; Einsatzge-
auf 1200  C (Lundström 1985; Tegus et al. 2014; biet sind Kameras, Teleskoplinsen und Brillenglä-
Qian et al. 2008; Bar-Cohen 2014, S. 171). Das ser. Es wird zudem zur Produktion von Kristall-
feuerfeste keramische Material (s. Abb. 21) schmilzt glas und Porzellanglasuren benutzt, da es die
bei 2210  C, hat die Dichte 4,71 g/cm3, ist geruchlos bisher hierfür verwendeten, toxischen Bleiverbin-
und besitzt violette Farbe (Etourneau et al. 1970). dungen bei gleichzeitig verbesserter chemischer
Bei Kontakt mit Wasser, Säuren oder Halogenen Beständigkeit, vor allem gegenüber Alkalien
können brennbare Silane freigesetzt werden. Es („spülmaschinenfest“) ersetzen kann. Lanthan-
kristallisiert kubisch (Korsukova et al. 1984). oxid ist ferner ein wichtiger Zusatz zu Zeolithen
Das Material ist beständig im Vakuum und wird beim Cracking-Prozess zur Verarbeitung von
in der Plasmatechnik und als Glühkathode in Elek- Erdöl in Raffinerien, in Poliermitteln für Glas, in
tronenmikroskopen eingesetzt. Durch Beimischen Glühkathoden für Elektronenröhren und in kera-
geringer Mengen an Lanthanhexaborid zu einem mischen Kondensatormassen sowie silikatfreien
Polymer erzielt man eine Absorption von Laser- Gläsern.
licht, was zum Markieren bzw. Schweißen mittels Lanthanfluorid wird als optisches Material,
Laserlicht genutzt wird (Sindlhauser 2017) Beschichtung von Lampen oder (dotiert mit Euro-
pium) als Elektrodenmaterial zum Nachweis von
Anwendungen Lanthan wird in Leuchtstoffen Fluoridionen verwendet. Lanthan-III-chlorid-Hep-
von Energiesparlampen und Leuchtstoffröhren tahydrat wird in der Medizin als Calciumkanalblo-
cker eingesetzt und kann in der Wasserwirtschaft
zur Eindämmung von Algenwachstum durch Bin-
Abb. 21 dung von Phosphaten verwendet werden.
Lanthanhexaborid-Kathode
(Ahecht 2007)

Patente
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
wide.espacenet.com)

J.-X. Chen und B. Sun, Crystalline lantha-


num carboxylate coordination polymers

(Fortsetzung)
884 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

(Giesel 1904) noch 1904 und ersetzte ihn durch


and their use (University Southern Medi- Actinium, nachdem man glaubte, die Identität
cal, University of Science and Techno- von Actinium und Emanium nachgewiesen zu
logy Macau, US 2018334733 A1, ver- haben. So erkannte man Debierne als Erstentde-
öffentlicht 22. November 2018) cker das Benennungsrecht zu. Spätere Veröf-
Q. Yang und J. Wu, Method for preparing fentlichungen deckten aber Widersprüche zwi-
lanthanum oxide through microwave schen Debiernes und Giesels Publikationen
calcination (Sichuan JCC Rare Earth (Kirby 1971).
Metals Co., Ltd., CN 108585015 A, ver-
öffentlicht 28. September 2018)
André-Louis Debierne (* 14. Juli 1874
R. Esaki und T. Nishizaki, Sintered body
Paris; † 31. August 1949 Paris) war ein
containing lithium titanate and lithium
französischer Chemiker und Hochschulleh-
lanthanum titanate, method for produ-
rer. Er arbeitete teils mit Pierre und Marie
cing same, and lithium battery (Central Curie zusammen und hatte im Zeitraum
Glass Co., Ltd., US 2018219224, ver- von 1935 bis 1946 eine Professur in Paris
öffentlicht 31. Juli 2018) als Direktor des Labors für Physik und Ra-
D. Thompson und J. W. Anthis, Lanthanum dioaktivität inne. Sein Arbeitsschwerpunkt
precursors for the deposition of lantha- war die Isolierung und technische Gewin-
num, lanthanum oxide and lanthanum nung radioaktiver Stoffe aus Uranerzen.
nitride films (Applied Materials, Inc., Nachdem er in Pechblende 1899 das Ele-
US 2017358444 A1, veröffentlicht 14. ment Actinium gefunden hatte, gelang ihm
Dezember 2017) zusammen mit Marie Curie 1902 die Iso-
H. Suzuki und T. Yoshida, Exhaust puri- lierung des Radiums. 1907 wies er als Pro-
fying catalyst (Toyota Jidoshia K. K., dukt des α-Zerfalls von Actinium und Ra-
Cataler Corp., US 2017348674, veröf- dium das Helium nach (Debierne 1899,
fentlicht 7. Dezember 2017) 1900, 1903a, b).
D. Hallenbeck und S. Bates, Method for use
of lanthanum carbonate pharmaceutical
Man kennt bisher nur wenige Actiniumverbin-
compositions (Shire International Licen-
dungen. Diese sind denen des Lanthans hinsicht-
sing B. V., US 7618656 B2, veröffent-
lich der Kristallstruktur und der Abmessungen der
licht 17. November 2009)
Elementarzellen sehr ähnlich. Immer treten in
E. Ballard und L. E. Martinson, Purification
ihnen Ac3+-Ionen auf (Zachariasen et al. 1950).
of lanthanum salts (Eastman Kodak Co.,
US 2394586 A, veröffentlicht 12. Fe-
bruar 1946) Gewinnung Die natürlichen Vorkommen von
Actinium in Uranerzen sind sehr gering und damit
für die technische Gewinnung des Metalles be-
6.4 Actinium deutungslos. Im technischen Maßstab stellt man
das Isotop 22789Ac durch Bestrahlung von 22688Ra
Geschichte 1899 entdeckte Debierne Actinium mit Neutronen in Kernreaktoren her (Morss et al.
in Pechblende und ordnete das als radioaktiv 2006).
strahlende Element zunächst in eine Gruppe
mit Titan (4. Nebengruppe) bzw. mit Thorium Eigenschaften Das Metall ist silberglänzend
ein (Debierne 1899, 1900). Drei Jahre später und ziemlich weich. Es leuchtet wegen der star-
fand Giesel das Element unabhängig ebenfalls ken von ihm emittierten radioaktiven Strahlung
in Pechblende auf und bestätigte korrekt dessen im Dunkeln mit hellblauem Licht. Actinium ist
Ähnlichkeit zum Lanthan. Jedoch verwarf man aufgrund seines stark negativen Normalpoten-
den von Giesel vergebenen Namen Emanium zials (s. Tab. 4) sehr reaktionsfähig und wird
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 885

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Actinium


Symbol: Ac
Ordnungszahl: 89
CAS-Nr.: 7440-34-8
Aussehen: Silbrig, blau leuchtend
Farbe von Ac3+aq.: Farblos
Entdecker, Jahr: Debierne (Frankreich), 1899
Wichtige Isotope [natürl. Vorkommen (%)]: Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
227
89Ac (100) 21,77 β- >22790Th, dann
α> 22388Ra
Vorkommen (geografisch/Erz): Sehr gering, Begleiter von Uranerzen
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ———
Atommasse (u): 227,028
Elektronegativität (Pauling): 1,1
Normalpotenzial (V; Ac3+ +3 e ! Ac): 2,13
Atomradius (berechnet, pm): 195
Kovalenter Radius (pm): 215
Ionenradius (pm): 118
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 6d1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite: 499 ♦ 1170
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,4  103
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 810
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): Keine Angabe
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): Keine Angabe
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 10,03
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 22,55  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 12
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,2
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1050 ♦ 1323
Schmelzwärme (kJ/mol): 14
Siedepunkt ( C ♦ K): 3300 ♦ 3573
Verdampfungswärme (kJ/mol): 400

selbst von Luft und Wasser schnell angegriffen. Chalkogenverbindungen Actiniumoxid (Ac2O3)
An der Luft überzieht es sich mit einer dünnen ist ein trigonal kristallisierender, weißer Feststoff
Schicht von Actiniumoxid, die es vor weiterer (Zachariasen 1949) der Dichte 9,19 g/cm3, der
Oxidation schützt. durch Verglühen gefällten Actiniumoxalats unter
Sauerstoff bei Temperaturen um 1100  C erhältlich
Verbindungen ist (Brauer 1975b, S. 1127):
Die meisten der wenigen überhaupt bekannten
Verbindungen des Actiniums sind die Halogenide Ac2 ðC2 O4 Þ3 ! Ac2 O3 þ 3 CO2 þ 3 CO
AcX3 und Oxidhalogenide AcOX, außerdem das
Oxid Ac2O3, das Sulfid Ac2S3 und das Phosphat Actiniumsulfid (Ac2S3) ist durch Überleiten
AcPO4. eines gasförmigen Gemisches von Schwefelwas-
886 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

serstoff und Schwefelkohlenstoff über Actinium- Sonstige Verbindungen Zugabe von Natrium-
III-oxalat bei 1400  C darstellbar (Brauer 1975b, dihydrogenphosphat zur salzsauren Lösung eines
S. 1127): Actiniumsalzes fällt weißes Actiniumphosphat
(AcPO4  0,5 H2O).
Ac2 ðC2 O4 Þ3 þ 3 H2 S ! Ac2 S3 þ 3 H2 O þ 3 CO2
þ 3 CO
Anwendungen Das selbst stark radioaktive Acti-
nium dient als Neutronenquelle in der Neutro-
Der schwarze Feststoff kristallisiert im kubi- nenaktivierungsanalyse, einer Methode, mit deren
schen Kristallsystem, darin in der seltenen Tho- Hilfe u. a. radioaktive Zerfallsprodukte genauer
rium-IV-phosphidstruktur (Th3P4). untersucht werden können. Darüber hinaus verwen-
Halogenverbindungen Actiniumfluorid (AcF3) det man es zur thermoionischen Energieumwand-
ist als sehr schwer in Wasser löslicher weißer lung in speziellen Generatoren. Jene emittieren
Feststoff der Dichte 7,88 g/cm3 durch Zugabe Elektronen aus einer durch das Radionuklid erhitz-
von Flusssäure zur Lösung eines Actiniumsalzes ten Glühkathode und haben Wirkungsgrade zwi-
erhältlich, oder aber man leitet Fluorwasserstoff schen 10 und 20 %. Einsatzgebiet sind meist kleine,
über auf ca. 700  C erhitztes Actinium, dies alles in der Raumfahrt verwendete Kernreaktoren. Acti-
in einer aus Platin bestehenden Apparatur (Zacha- nium findet zunehmend Einsatz in Radiotherapeu-
riasen et al. 1950; Meyer und Morss 1991, S. 71 tika (Scheinberg und McDevitt 2011).
und 87). Überleiten feuchten Ammoniaks über
auf 900  C erhitztes Actiniumfluorid ergibt das
Oxifluorid (AcOF); unter weniger drastischen Patente
Bedingungen bleibt das Fluorid im Gegensatz (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
zum Lanthanfluorid jedoch stabil. wide.espacenet.com)
Das farblose, kristalline und hydrolyseempfind-
liche Actiniumchlorid (AcCl3) entsteht in wasser- C. Griffith, Separation of actinium from pro-
freier Form durch Reaktion von Actiniumhydroxid cess liquors (Australian Nuclear Science
oder -oxalat mit Tetrachlorkohlenstoff bei Tempera- and Tech Organization, WO 2019000014
turen ab 500  C aufwärts (Brauer 1975b, S. 1125): A1, veröffentlicht 3. Januar 2019)
E. R. Birnbaum et al., Actinium-225 compo-
2 AcðOHÞ3 þ 3 CCl4 ! 2 AcCl3 þ 3 CO2 sitions of matter and methods of use (Los
þ 6 HCl Alamos Nat. Sec. LLC, US 2017202983
A1, veröffentlicht. 20 Juli 2017)
Die hexagonal kristallisierende Substanz hat Kozempel et al., A method of Ac isolation
eine Dichte von 4,81 g/cm3 und sublimiert ober- from a mixture of radium, actinium, and
halb von 900  C. Die Reaktion von Actiniumchlo- thorium (České Vysoké Učeni Technické
rid mit feuchtem Ammoniak bei 1000  C liefert das v Praze, CZ 20160151 A3, veröffentlicht
durch Hydrolyse gebildete Oxidchlorid AcOCl. 24. Mai 2017)
Die bei einer Temperatur von rund 750  C durch- J. M. Moreno Bermudez und A. Turler,
geführte Festkörperreaktion von Aluminiumbromid Method of purification of 225-Ac from
und Actiniumoxid ergibt Actiniumbromid (AcBr3), irradiated 226-Ra targets (Pharmaceuti-
einen weißen, in hexagonaler Struktur (Uran-III- cals, Inc., US 2017137916 A1, veröf-
chlorid-Typ) kristallisierenden Feststoff der Dichte fentlicht 18. Mai 2017)
5,85 g/cm3 (Brauer 1975b, S. 1126):
6.5 Cer
Ac2 O3 þ 2 AlBr3 ! 2 AcBr3 þ Al2 O3
Geschichte Cer wurde unabhängig voneinan-
Dessen Behandlung mit feuchtem Ammoniak der und im gleichen Jahr (1803) sowohl von
bei Temperaturen um 500  C führt analog zum Berzelius und Hisinger als auch von Klaproth
Oxibromid AcOBr. entdeckt und nach dem damals gerade aufgefun-
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 887

denen Kleinplaneten Ceres benannt. Die Rein-


darstellung des Elements gelang erst über Bibliothek: https://www.deutsche-digitale-bi
20 Jahre später durch Mosander, der Cer-III- bliothek.de/entity/118723367).
chlorid mit Natrium zu metallischem Cer redu-
zierte.
Gewinnung Zunächst isoliert man Cer aus lan-
thanoidhaltigen Mineralien unter anderem durch
Überführung in seine Oxidationsstufe +4. Nach
Jöns Jakob Berzelius (* 20. August 1779 mehreren weiteren Schritten des Prozesses fällt
Väversunda, † 7. August 1848 Stockholm)
man Cer-III-hydroxid aus, das dann durch Erhit-
war einer der bedeutendsten Chemiker aller
zen in Cer-III-oxid überführt wird. Leitet man
Zeiten. Er entwickelte Modelle zur chemi-
dann trockenen Chlorwasserstoff über dieses
schen Reaktion von Stoffen und erarbeitete
gereinigte Cer-III-oxid, so gewinnt man Cer-III-
die Grundlage der Stöchiometrie, vergab
erstmals Buchstabensymbole für chemische chlorid, aus dem durch Schmelzflusselektroly-
Elemente und bestimmte einige ihrer Atom- se oder durch Reduktion mit Calcium oder
massen. Er war Entdecker der Elemente Magnesium Cer erzeugt wird. Dieses Verfahren
Cer, Selen und Thorium, andere stellte er setzt man unter Berücksichtigung der jeweiligen
zum ersten Mal in reiner Form dar (Titan, elementspezifischen Abwandlungen prinzipiell
Zirconium, Silicium, Vanadium und Tan- zur Gewinnung aller Seltenerdmetalle ein.
tal). Er wies die Prinzipien der Isomerie
und Allotropie nach und war an der Erfor- Eigenschaften Das silberglänzende, weiche und
schung der katalytischen Wirksamkeit eini- leicht verformbare Metall ist nach Europium
ger Stoffe beteiligt (Rubenson et al. 1906a, das zweitreaktivste Element der Lanthanoide
S. 85–86). und ähnelt hinsichtlich seiner Reaktionsfähigkeit
schon den Erdalkalimetallen Calcium und Stron-
Wilhelm Hisinger (* 22. Dezember 1766 tium (s. Tab. 5). Verletzungen der schützenden
Västmanland; † 28. Juni 1852 Skinnskatte- gelben Oxidschicht können bei erhöhter Tempe-
berg) war ein ebenfalls schwedischer Minera- ratur zur spontanen Entzündung des Metalls füh-
loge, Geologe und Chemiker, der an der ers- ren (Gray 2010). Oberhalb von 150  C verbrennt
ten geologischen Kartierung von Schweden
Cer unter heftigem Glühen zu Cer-IV-oxid. Mit
maßgeblich beteiligt war. Nach Studien der
Wasser reagiert es bei Raumtemperatur langsam,
Chemie und Mineralogie arbeitete er als For-
in warmem Wasser schnell unter Bildung von
scher mit Berzelius zusammen und entdeckte
Wasserstoff zu Cerhydroxid. Von Säuren wird es
mit ihm die Oxide des Cers und Lithiums
(Rubenson et al. 1906c, S. 500). unter Bildung von Cer-III-salzen gelöst, wogegen
es Laugen ebenfalls auflösen, dies aber der Ent-
stehung von Cerhydroxo-Komplexen geschuldet
Martin Heinrich Klaproth (* 1. Dezember ist. Cer kommt in Verbindungen als dreiwertiges
1743 Wernigerode; † 1. Januar 1817 Berlin) farbloses oder vierwertiges gelbes bis orangefar-
war ein deutscher Chemiker, der die Ele- biges Kation vor. Cer tritt in seinen Verbindungen
mente Uran, Zirconium und Cer entdeckte in den Oxidationsstufen +3 und +4 auf.
sowie die Erstdarstellung des Titans, Tellurs
sowie Strontiums reproduzierte. Er war einer Verbindungen
der größten Analytiker seiner Zeit, da er die Chalkogenverbindungen Cer-III-oxid (Ce2O3) stellt
Waage einführte und exakt Buch über seine man aus Cer-IV-oxid (CeO2) durch Reduktion mit
Versuche führte. Einige Trennungsgänge Kohlen- oder Wasserstoff bei Temperaturen von
sind auf seine Arbeit zurückzuführen, ebenso über 1000  C her. Noch höhere Temperaturen
das in der Gravimetrie übliche Trocknen bis erzeugen ein Cer-III-oxid, das beim Stehenlassen
zur Gewichtskonstanz (Deutsche Digitale an der Luft beständig ist und nicht wieder zu Cer-
IV-oxid rückoxidiert (Brauer 1978, S. 1090):
888 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Cer


Symbol: Ce
Ordnungszahl: 58
CAS-Nr.: 7440-45-1

Aussehen: Silbrig-weiß Cer (Metallium, Inc. Cer (Sicius


Farbe von Ce3+aq.: Farblos 2017) 2017)
Entdecker, Jahr: Berzelius, Hisinger (Schweden)
Klaproth (Preußen), 1803
Wichtige Isotope [natürl. Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]:
138
58Ce (0,25) Stabil ——
140
58Ce (88,45) Stabil ——
142
58Ce (11,11) 5  1016 β- β- > 14260Nd
Vorkommen (geografisch/Erz): China, Südafrika, Indien, Bastnäsit, Monazit
Skandinavien, Kongo
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 43
Preis (US$), 99 % Reinheit 25 g (Brocken, 40 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): unter Mineralöl)
22 g (Walze, Ø 1,2 cm, 95 (2019-07-01)
in Ampulle):
Atommasse (u): 140,116
Elektronegativität (Pauling): 1,12
Normalpotenzial (V; Ce3+ + 3 e ! Ce) : 2,34
Atomradius (berechnet, pm): 185
Kovalenter Radius (pm): 204
Ionenradius (pm): 102
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 5d1 4f1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 534 ♦ 1050 ♦ 1949
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,4  103
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): — ♦ 12,5
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 0,73
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,35  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 33,6 ♦ 21,5 ♦ 13,5
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 270 ♦ 412
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert (bis 726  C)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2100
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 6,77
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 20,69  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 11,3
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,94
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 795 ♦ 1068
Schmelzwärme (kJ/mol): 5,5
Siedepunkt ( C ♦ K): 3443 ♦ 3716
Verdampfungswärme (kJ/mol): 398
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 889

2 CeO2 þ H2 ! Ce2 O3 þ H2 O tische Wirkung (Singh und Hegde 2008). Dies


2 CeO2 þ C ! Ce2 O3 þ CO nutzt man unter anderem bei der Umsetzung von
Kohlendioxid mit Methanol zu Dimethylcarbonat
aus (Schneider et al. 2011).
Cer-III-oxid besitzt eine goldgelbe Farbe und Beim Erhitzen sendet die Verbindung ein star-
geht in nicht stabilisiertem, vor allem pulverförmi- kes, helles Licht aus. Die beste Lichtausbeute
gen Zustand an der Luft langsam in Cer-IV-oxid erhält man bei Anwendung einer aus ca. 99 %
über. Die Verbindung ist in Säuren leicht löslich, Thorium-IV-oxid und 1 % Cer-IV-oxid zusam-
hat die Dichte 6,2 g/cm3 und schmilzt bei 2210  C mengesetzten Mischung; die in Gaslampen einge-
(Siedepunkt 3730  C). Cer-III-oxid kristallisiert bauten Glühstrümpfe taucht man hierzu in eine
hexagonal. Erhitzt man es zusammen mit Zinn-II- wässrige Lösung, die die Nitrate beider Elemente
oxid (SnO), entsteht eine keramikähnliche lumines- im oben genannten Mengenverhältnis enthält. Bei
zierende Masse, die sowohl UV-Licht adsorbiert deren Glühen bilden sich dann die Oxide, die eine
(maximale Absorption bei λ=320 nm) und dann hohe Lichtausbeute bewirken.
blaues Licht (maximale Emission bei λ=410 nm) In der Optikindustrie setzt man Poliermittel für
ausstrahlt (Moser et al. 1980). Gläser auf Grundlage von Cer-IV-oxid einer mitt-
In Katalysatoren von Verbrennungsmotoren leren Korngröße von 1 μm ein (Opaline). Die
eingesetzt, entfernen Ceroxide einen Teil des Verdünnung mit Wasser liegt bei 1:15 bis 1:20
Kohlenmonoxids aus den vom Motor produzier- (Conradt et al. 2001). Die für Polierzwecke in
ten Abgasen. Cer-IV-oxid bindet CO (siehe oben) der Elektronikindustrie eingesetzte Korngröße
und Sauerstoff oxidiert das bei der zuerst ablau- liegt dagegen bei nur 100 nm. In beiden Fällen
fenden Reduktion entstehende Cer-III-oxid wie- setzt man zur Stabiliserung der Suspension noch
der zu Cer-IV-oxid. organische Polymere ein. In Lacken dient die
Das im Fluoritgitter kristallisierende Cer-IV- Verbindung als UV-Absorber, was die Beständig-
oxid (CeO2) (McBride et al. 1993) ist in reinster keit der behandelten Oberfläche erhöht.
Form hellgelb (s. Abb. 22), hat die Dichte 7,3 g/cm3 Cer-III-sulfid (Ce2S3) ist ein dunkelrotbraunes,
und schmilzt bei Temperaturen oberhalb von kristallines Pulver der Dichte 5,02 g/cm3 mit
2000  C. Man stellt es durch Glühen von Cer-III- Schmelzbereich 1890–2100  C. Es ist als Farb-
Verbindungen her, wie beispielsweise Cer-III-nitrat pigment (Pigment Red 275 oder Neolor Maroon
oder -oxalat. Technische Ware, die geringe Mengen bzw. Burgundy) im Einsatz (American Elements
an anderen Lanthanoid-III-oxiden enthält, ist braun; 2017). Man kann es durch Überleiten von Schwe-
diese setzt man als Schleif- und Poliermittel ein. feldampf über erhitztes Cer im Argonstrom her-
Löst man die Verbindung in konzentrierter Schwe- stellen („reactive arc melting“, Kamarzin und Ver-
felsäure, so bildet sich Cer-IV-sulfat [Ce(SO4)2]. khovets 1971).
Vor allem in Form nanokristalliner Röhren (ø Ein elegantes Verfahren zur Herstellung aller Ses-
ca. 0,75 μm) zeigt Cer-IV-oxid eine starke kataly- quisulfide der Seltenerdmetalle (Ln2S3) ist das Erhit-
zen der jeweiligen Sesquioxide in Schwefelkohlen-
stoffdampf bei Temperaturen um 1000  C; etwaig
überschüssige, kleine Schwefelmengen werden
dabei im Stickstoffstrom absublimiert (Herrmann
und Edelmann 1997 und darin zitierte Literatur).
Das grauschwarze Ce3S4 kristallisiert in einem
ähnlichen Gitter wie Ce2S3, in dem jetzt aber alle
verfügbaren Positionen mit Cerionen besetzt sind.
Die Verbindung zeigt deutliche Eigenschaften
eines Halbleiters (Bouroushian 2010).
Cer-III-selenid (Ce2Se3) und Cer-III-tellurid
Abb. 22 Cer-IV-oxid (Onyxmet 2017) (Ce2Te3) sind kristalline Feststoffe, die unter
890 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

anderem als Sputtertarget verkauft werden. Durch 1881; Kürti und Czakó 2005, S. 194; Streitwieser
Beschuss dieser Targets mit energiereicher Strah- und Heathcock 1980, S. 1459; Allinger et al. 1980,
lung können durch zwischenzeitliches Verdamp- S. 1105; Vollhardt und Schore 2005, S. 1338).
fen der Substanz an anderer Stelle sehr dünne Cer-III-chlorid (CeCl3) ist in wasserfreiem
Schichten aufgebracht werden („chemical vapor Zustand ein weißer bis leicht gelblicher Feststoff
deposition“). Diese Chalkogenide des Cer-III vom Schmelzpunkt 817  C und der Dichte
haben halbleitende Eigenschaften (Ryan et al. 3,92 g/cm3 (s. Abb. 23). (Die geschmolzene Sub-
1962). stanz siedet bei einer Temperatur von 1730  C.)
Halogenverbindungen Cer-III-fluorid (CeF3) (Herrmann und Edelmann 1997).
ist ein farbloser Feststoff, der bei einer Temperatur Die Verbindung ist hygroskopisch und bildet
von 1460  C schmilzt (Siedepunkt der Flüssig- dabei verschiedene Hydrate, wie beispielsweise
keit: 2300  C) und eine Dichte von 6,16 g/cm3 das triklin kristallisierende Heptahydrat (Levason
hat. Man gewinnt ihn durch Lösen von Cer-III- und Webster 2002). Es ist das gängige Ausgangs-
chlorid (CeCl3) in Flusssäure und folgendes Ab- produkt zur Synthese weiterer Cer-III-Verbindun-
rauchen des rohen CeF3 mit Ammoniumfluorid gen, außerdem wird die Verbindung in ihrer Funk-
im Platintiegel. Auch die Reaktion von Cer-IV- tion als mittelstarke Lewissäure als Katalysator
oxid mit überschüssiger Flusssäure liefert das ge- bei einigen Friedel-Krafts-Acylierungen sowie
wünschte Produkt (Brauer 1963, S. 247). Die bei der Alkylierung von Ketonen eingesetzt.
Verbindung ist zwar schwer löslich in Wasser, Cer-III-chlorid kann als Ausgangsstoff zur
hydrolysiert in diesem aber langsam zu Ceroxid- Synthese anderer Cerverbindungen eingesetzt
fluorid (CeOF). Es ist isotyp zu den Fluoriden der werden, aber auch als Lewis-Säure dienen, zum
anderen leichten Lanthanoide (LaF3, PrF3 und Beispiel als Katalysator für Friedel-Crafts-Acylie-
NdF3) (Lundin et al. 1972). rungen und zur Alkylierung von Ketonen. Eine
Aufgrund seiner Transparenz im Bereich der besondere Reaktion ist die Luche-Reduktion von
Wellenlängen von 300 bis 5000 nm findet es zur Ketonen bei gleichzeitigem Vorliegen aldehydi-
Herstellung von Spezialgläsern Verwendung. scher Funktionen, bei der Cer-III-chlorid dem
Man setzt es in geringen Mengen in hitzebestän- Kohlenstoffatom der Ketogruppe durch Komple-
digen Keramiken ein, darüber hinaus als Szintil- xierung eine derart positive Partialladung über-
lator für Teilchendetektoren, als Sputtertarget in trägt, dass es die folgende mit Natriumboranat
der elektronischen Industrie und als leuchtkraft- durchgeführte Reduktion ziemlich selektiv ein-
verstärkendes Additiv in Grafit-Elektroden von geht (Gemal und Luche 1981; Takeda und Ima-
Kohlebogenlampen. moto 1999). Sogar β-ungesättigte Ketone können
Das weiße, in Wasser unlösliche Cer-IV-fluorid so zu Enolen reduziert werden, ohne dass die
(CeF4) erhält man durch Umsetzung von Cer-IV- C=C-Doppelbindung reduziert würde(!) (John-
oxid mit Fluor bei ca. 500  C (Brauer 1975a, son und Tait 1987).
S. 256). Gegenüber Hydrolyse ist es ziemlich
beständig; bei höheren Temperaturen lässt es sich
durch Wasserstoff zu Cer-III-fluorid reduzieren.
Die Verbindung schmilzt bei 650  C, hat die
Dichte 4,77 g/cm3 und besitzt eine Kristallstruktur
vom Uran-IV-fluorid-Typ (Riedel und Janiak
2011, S. 782). Man setzt es neben Silberdifluorid
und Cobalttrifluorid als Katalysator bei der Fluo-
rierung aliphatischer, aromatischer und heterocy-
clischer organischer Verbindungen mit elementa-
rem Fluor ein sowie, ebenfalls als Katalysator, für
die Hantzsch-Reaktion von Dihydropyridinen aus
β-Diketon, Aldehyd und Ammoniak (Hantzsch Abb. 23 Cer-III-chlorid, wasserfrei (BoFr@ 2006)
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 891

Cer-III-bromid (CeBr3) erhält man durch Auf- Cer-III-phosphid (CeP) ist ein Halbleiter, der
lösen hydratisierten Cer-III-carbonats [Ce2(CO3)3] in Hochfrequenzanwendungen und Laserdioden
in heißer konzentrierter Bromwasserstoffsäure. verwendet wird. Man erhält es durch Überleiten
Das dabei entstehende Hydrat kann durch gemein- gasförmigen weißen Phosphors über in Argonat-
sames Erhitzen mit Ammoniumbromid entwässert mosphäre erhitztem Cer.
werden (Mantz 2007, S. 455). Alternativ kann Sonstige Verbindungen Cercarbid (CeC2) ist
Bromwasserstoff über Cer-III-hydrid geleitet wer- ein dunkelbraunes Pulver der Dichte 5,23 g/cm3
den, um ein besonders reines Produkt zu erzeugen (s. Abb. 24), das durch Umsetzung von Cer-IV-
(Zuckerman 2009, S. 3). Das weiße, in wasserfreier oxid mit Kohlenstoff im elektrischen Ofen herge-
Form hexagonal und isotyp zu Uran-III-chlorid stellt wird. Bei Kontakt mit Wasser setzt es Ethin
kristallisierende Cer-III-bromid (Janiak et al. 2012, (Acetylen) frei. Einsatzgebiete sind Spezialkera-
S. 371; Zachariasen 1948) schmilzt bei einer Tem- miken und die chemische Forschung.
peratur von 732  C (Siedepunkt der Flüssigkeit: Cerdisilicid (CeSi2) ist ein tetragonal kristallisie-
1560  C), besitzt eine Dichte von 5,21 g/cm3 und rendes, graues Pulver der Dichte 5,3 bis 5,65 g/cm3
ist stark hygroskopisch. Die Verbindung dient zum und des Schmelzpunkts 1620  C, das in Reinhei-
quantitativen Nachweis von γ-Strahlung in Szintil- ten bis zu 5N kommerziell erhältlich ist. Die Ver-
lationszählern (Higgins et al. 2008). bindung hat halbleitende Eigenschaften, ist aber
Das gelbe, orthorhombisch kristallisierende auch als Beimengung zu keramischen Werkstof-
Cer-III-iodid (CeI3) schmilzt bei 760  C (Sie- fen im Einsatz. Cerdisilicid ist sehr hydrolyse-
depunkt: 1400  C) und kann in wasserfreier empfindlich und wird durch Wasser unter Bildung
Form aus den Elementen hergestellt werden. von an der Luft selbstentzündlichen Silanen und
Das Hydrat erhält man durch Auflösen von Cer-III-hydroxid zersetzt.
Cer-III-oxid in konzentrierter Iodwasserstoff- Cerhexaborid (CeB6) bildet blauschwarze,
säure. metallisch glänzende Kristalle der Dichte 4,85
Pnictogenverbindungen Cer-III-nitrid (CeN) ist g/cm3, die bei einer Temperatur von 2552  C
ein dunkelrotbraunes Pulver mit hohem Schmelz- schmelzen. Generell sind die Boride der Selten-
punkt (American Elements 2017). Gingerich erdmetalle meist alle harte, hochschmelzende
untersuchte dessen Beständigkeit in der Gasphase Stoffe mit metallischer Leitfähigkeit, die stabil
(1971). Es ist Bestandteil spezieller Keramiken gegenüber nichtoxidierenden Substanzen sind.
und von Halbleitern. Die Herstellung kann durch Angegriffen werden sie alle mehr oder weniger
Überleiten eines unter Druck stehenden Stick- durch Oxidantien und starke Laugen. Boride
stoffstroms über in einem Molybdäntiegel erhitz- setzt man in beispielsweise in Halbleitern, Turbi-
tes Cermetall erfolgen (Kaldis und Zürcher 1976), nenschaufeln und Raketendüsen ein. In jüngerer
oder man schmilzt Cer im Arc-Ofen zunächst Zeit durchgeführte Untersuchungen zeigten, dass
unter Argonatmosphäre, die dann durch Stickstoff diese Boride supraleitend mit hohen Sprungtem-
ersetzt wird (Gambino und Cuomo 1966). Eine peraturen und sehr widerstandfähig gegenüber
dritte, sicherheitstechnisch aber nicht unbedenkli- Kompression sind (American Elements 2017).
che Methode beinhaltet die Herstellung eines
Cer-Amalgams, also das Auflösen von Cerstück-
chen in Quecksilber, das Homogenisieren der
Mischung über 2 d bei 330  C, deren Einfüllen
in zwei Schiffchen aus Molybdän und schließlich
Umsetzung bei 1050  C während 9 h im Stick-
stoffstrom, wobei man das Quecksilber durch
Einleiten überschüssigen Stickstoffs austreibt
(Bischof et al. 1972; Magyar 1968). Nach diesen
Methoden können alle Nitride der Lanthanoiden
hergestellt werden. Abb. 24 Cercarbid (Onyxmet 2018)
892 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 25 Cerhexaborid Sputtertarget (QS Advanced Abb. 26 Cer(IV)-sulfat-Tetrahydrat (BXXXD 2005)


Materials, LLC 2017)

Ein weiterer Hersteller von Sputtertargets ist auch


QS Advanced Materials LLC (s. Abb. 25).
Wasserfreies Cer-III-sulfat [Ce2(SO4)3] ist ein
hygroskopisches, weißes Pulver monokliner Kris-
tallstruktur, das man am besten durch Reduktion
von Cer-IV-sulfat mit Oxalsäure, Hydrazin oder
Natriumthiosulfat darstellt (Singh 2007b, S. 262);
alternativ ist auch der Weg über Cer-IV-oxid und
Schwefeldioxid möglich (Kolb 2008, S. 103). Das Abb. 27 Ammoniumcer-IV-nitrat (Walkerma 2005)
Tetra- und auch Octahydrat kristallisieren gleich-
falls monoklin (Casari und Langer 2007), woge- ist es heute sowohl Vorprodukt zur Trennung
gen das Nonahydrat hexagonale Struktur zeigt. des Cers von anderen Seltenerden als auch ein für
Die Löslichkeit von Cer-III-sulfat in Wasser einzelne organische Synthesen benutzter Kata-
nimmt mit steigender Temperatur ab (!) (Miodu- lysator (Ganjali et al. 2006).
ski 1999; Ball et al. 2009, S. 48). Das rot-orange, kristalline (Beineke und Delgau-
Cer-IV-sulfat [Ce(SO4)2] erhält man durch dio 1968) Ammoniumcer-IV-nitrat [(NH4)2[Ce
Lösen von Cer-IV-oxid in heißer konzentrier- (NO3)6] (s. Abb. 27) ist gut wasserlöslich; man setzt
ter Schwefelsäure als gelborangen Feststoff es als Oxidationsmittel (Ce4+ + e ! Ce3+: 1,61 V)
(s. Abb. 26): in organischen Synthesen und auch in der quantita-
tiven Analyse (Reduktion zu fast farblosem Ce-III)
CeO2 þ 2 H2 SO4 ! CeðSO4 Þ2 þ 2 H2 O ein. Man erhält das Salz durch Auflösen von Ce-III-
Salzen in kochender Salpetersäure in Gegenwart
Vor allem in saurer Lösung wirkt die Verbin- von Ammoniumnitrat.
dung als starkes Oxidationsmittel, so reagiert sie Ammoniumcer-IV-nitrat hat den niedrigen
mit verdünnter Salzsäure bei Raumtemperatur Schmelzpunkt 108  C und die Dichte 2,49 g/cm3.
langsam unter Freisetzung von Chlor. Gleichzei- Man nutzt es in der Synthesechemie zur selektiven
tig wird bei diesen Redoxreaktionen Cer-IV zu Oxidation phenolischer und alkoholischer OH-Grup-
Ce-III reduziert, was in der quantitativen Analyse pen (Kasumov et al. 2007), benzylischer C–H-
(Cerimetrie) genutzt wird. In einzelnen organi- Bindungen sowie von C–O–C-Bindungen in
schen Synthesen nutzt man es als Oxidans, so Molekülen von Ethern (Nair et al. 2003, 2004).
bei der Herstellung von 1,2-Benzochinon aus Die Verbindung bewirkt die Spaltung von Metho-
Brenzcatechin (1,2-Dihydroxybenzol) (Grund- xybenzylether-Molekülen [(CH3OROR0 ; R = Ben-
mann 1979, S. 41). zyl; R0 = Alkyl, Aryl)] zu Etheralkohol [R0 OH] und
Cer-III-nitrat [Ce(NO3)3] schmilzt in Form aromatischen Rest (Kocieński 1994). Auch ver-
seines Hexahydrates bereits bei 150  C und hat wendet man die Verbindung, gelöst in ca. 10 %
die Dichte 2,38 g/cm3. Die farblosen Kristalle iger Salpeter-, Perchlor- oder Essigsäure, zum
besitzen trikline Struktur (Blachnik 2013, S. 372). selektiven Ätzen von Chrom.
Setzte man es früher in Kombination mit Thorium- Ammoniumcer-IV-sulfat [(NH4)4Ce(SO4)4] erhält
nitrat zur Herstellung von Glühstrümpfen ein, so man durch Vereinigen wässriger Lösungen von Cer-
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 893

gerung ihrer Helligkeit und zur Herstellung


von Poliermitteln und Spezialgläsern. Insbe-
sondere erhöht es die Korrosionsbeständigkeit
von Aluminium (Reinhardt und Winkler
2000).
Es existieren viele weitere Einsatzfelder für
Abb. 28 Ammoniumcer-IV-sulfat-Dihydrat (Benjah- Cer und seine Verbindungen, wie z. B. Röntgen-
bmm27 2007) filter, in lichtempfindlichen Gläsern, in Schutzglä-
sern für Schweißer und Glasbläser, in Glasgefä-
ßen für die Nahrungsmittelproduktion, in Gläsern
IV-sulfat und Ammoniumsulfat (Perry 2011, S. 19). hoher chemischer Widerstandsfähigkeit, in Kera-
Das gelborange Pulver (s. Abb. 28) ist schwach mikwerkstoffen für Kernreaktoren, in Isolatoren,
wasserlöslich und wird sowohl in der Titrimetrie in Kühlkolben im Inneren von Dampfmaschinen,
(Nürnberg und Surmann 2013) als auch als Kata- in der Pyrotechnik, zur Herstellung von Zündstei-
lysator in einigen Synthesen angewendet, so der des nen aus Cermischmetall, zur Herstellung von
Threo-3-(3,4-dihydroxyphenyl)serins, einem Anti- Katalysatoren, zur Bräunung von Leder, zum
depressivum (Yoshiaki und Kazunori 1996). Bleichen von Seide und zur Produktion wasser-
Cer-IV-perchlorat [Ce(ClO4)4] ist ein sehr star- resistenter Kleidung (Trovarelli 2002; Bleiwas
kes Oxidationsmittel; man verwendet es sowohl als 2003; U.S. Geological Survey; Gupta und Krish-
Katalysator in der organischen Synthese als auch in namurthy 2005).
der Cerimetrie, so zur Bestimmung von Strontium
über die Oxidation dessen Oxalats (Pecharsky et al.
2006, S. 306; Mijs und De Jonge 2013, S. 601; Patente
Bode et al. 2016, S. 80; Gagliardi und Wolf 1963; (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
List und Hörhammer 2013, S. 301). wide.espacenet.com)

Anwendungen Elementares Cer, legiert mit O. Yurasova et al., Method of electric oxi-
Magnesium, setzt man in der Luft- und Raumfahrt dation of cerium ions (III) (Aktsionernoe
ein, wegen seines geringen Einfangquerschnitts Obshchestvo Gosudarstvennyj Nauchno
für Neutronen in Kernreaktoren und schließlich Issledovatelskij i Projektnyj Inst Redko-
als Bestandteil von Hochleistungselektroden zur metallichesk, RU 2673809 C1, veröf-
Erzeugung von Lichtbögen. fentlicht 30. November 2018)
Wichtiger sind die Verbindungen des Cers S. Seal und S. Barkam, Cerium oxide nano-
als Oxid, Nitrat, Sulfat, Carbonat, Chlorid und particle compositions and methods (Uni-
Fluorid. Sie verwendet man zum Einfärben von versity Central Florida Foundation Inc.,
Emaille, als Zusatz zum Glas z. B. für UV-Filter Oakland University, US 2018339913
(Emsley 2011), als Katalysatoren, für Bildröhren A1, veröffentlicht 29. November 2018)
und als Getter. In der Glasindustrie wird Cer-IV- H. Kasaini, Selective extraction of cerium
oxid als Poliermittel für optische Gläser eingesetzt, from other metals (Rare Element Resour-
zum Ein- bzw. Entfärben von Glas und Porzellan ces, US 2018320248 A1, veröffentlicht
und zum Eintrüben von Emaillen. Cerverbindun- 8. November 2018)
gen enthaltende Gläser sind stabiler gegen Bestrah- Z. Ding et al., Corrosion inhibiting additive
lung durch Sonnenlicht; sie lassen gut IR-Licht (United Tech Corp., US2017350020 A1
durch und absorbieren gleichzeitig UV-Licht. veröffentlicht 7. Dezember 2017)
Cer-III-fluorid verwendet man bei der Ver- S. Chouzier et al., Cycloalkane oxidation
arbeitung von Metallen, als Bestandteil feuer- catalysts and method to produce alco-
fester Keramiken, in der Elektronikindustrie hols and ketones (Rhodia Operations,
zum Sputtern, als Zusatzstoff in Grafit-
Elektroden von Kohlebogenlampen zur Stei- (Fortsetzung)
894 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

US2017349524 A1, veröffentlicht 7. De- dymerde eine Mischung von Metalloxi-


zember 2017) den sein musste (Rubenson et al. 1906b,
M. Tucker und A. Z. Weber, Optimization S. 188).
of the cerium-hydrogen redox flow cell
Carl Freiherr Auer von Welsbach
(privat, US2017338508 A1, veröffent-
(* 1. September 1858 Wien; † 4. August
licht 23. November 2017)
1929 Mölbling) war ein österreichischer
N. Ochtake und F. Ocampo, Cerium oxide
Chemiker und Unternehmer. Er ent-
particles and method for production there-
deckte die vier Elemente Neodym,
of (Rhodia Operations, CA 3024282 A1, Praseodym, Ytterbium und Lutetium.
veröffentlicht 23. November 2017) Darüber hinaus erfand er den Glüh-
P. Ning et al., Preparation method of iron- strumpf für mit Gas betriebene Lich-
cerium-based porous catalyst used for ter, die Metallfadenlampe, den aus Cer-
removing organic sulfur (University Mischmetall bestehenden Zündsteins im
of Kunming Science & Tech., Feuerzeug und gründete die Marke Os-
CN106563508 A, veröffentlicht 19. April ram (Schuster 2011; Groß und Löffler
2017) 2012; Adunka 2013).

6.6 Praseodym Gewinnung Nach erfolgter Abtrennung von


den anderen Lanthanoiden mittels Ionenaustausch-
Geschichte Nachdem Mosander (siehe Lanthan) Chromatografie oder durch Flüssig-flüssig-Ex-
1841 das Mischoxid Didymoxid aus Lanthanoxid traktion erzeugt man Praseodym durch Schmelz-
isolierte, erkannte Cleve 1874 erstmalig, dass es flusselektrolyse seines Chlorids oder durch dessen
aus den Oxiden dreier Elemente bestand. Fünf Umsetzung mit Calcium. Unter Verwendung von
Jahre später isolierte De Boisbaudran hieraus zu- Praseodymverbindungen färbt man Glas grün
nächst Samariumoxid, bevor Didym 1885 von (s. Abb. 29).
Auer von Welsbach in Praseodym und Neodym
aufgetrennt wurde, die beide Salze mit verschie- Eigenschaften Praseodym ist ein weiches, sil-
denen Farben bilden (C. Auer von Welsbach berweißes paramagnetisches Metall (s. Tab. 6),
1885). das in Luft etwas korrosionsbeständiger als Eu-
ropium, Lanthan oder Cer ist, aber ebenfalls
schnell mit Luftsauerstoff reagiert. Auf der Ober-
fläche des Metalls bildet sich dann eine grüne
Per Teodor Cleve (* 10. Februar 1840
Stockholm; † 18. Juni 1905 Uppsala)
war ein schwedischer Professor, der
zunächst in Uppsala studierte und pro-
movierte. Als Dozent für Chemie und
Agrikulturchemie unternahm Cleve in
den Folgejahren zahlreiche Reisen durch
Europa und Nordamerika. Nach seiner
Rückkehr berief man ihn 1870 zum Pro-
fessor für Chemie an das Teknologiska
Institutet und dann 1874 an die Univer-
sität Uppsala. Die Entdeckung des Hol-
miums und Thuliums 1879 geht auf ihn
zurück, ebenso die Erkenntnis, dass Di- Abb. 29 Durch Praseodymverbindungen gefärbtes Glas
(http://images-of-elements.com/pse/praseodym.php
2016)
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 895

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Praseodym


Symbol: Pr
Ordnungszahl: 59
CAS-Nr.: 7440-10-0

Aussehen: Silbrig-gelblich Praseodym Praseodym


Farbe von Pr3+aq.: Farblos (Metallium, Inc. (Sicius 2017)
2017)
Entdecker, Jahr: Auer von Welsbach (Österreich), 1885
Wichtige Isotope [natürl. Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]:
141
59Pr (100) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/ China, Rußland, Vereinigte Staaten von Monazit, Xenotim, Bastnäsit
Erz): Amerika, Australien
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 5,2
Preis (US$), 99 % Reinheit 50 g (Brocken, 50 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): unter Mineralöl)
22 g (Walze, Ø 1,2 cm, 90 (2019-07-01)
in Ampulle):
Atommasse (u): 140,91
Elektronegativität (Pauling): 1,13
Normalpotenzial (V; Pr3+ +3 e ! Pr): 2,35
Atomradius (berechnet, pm): 185 (247)
Kovalenter Radius (pm): 203
Ionenradius (pm): 99
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f3
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 527 ♦ 1020 ♦ 2086
Magnetische Volumensuszeptibilität: 2,9  103
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 11,4
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,43  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 37,3 ♦ 28,8 ♦ 14,8
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 400 ♦ 481
Kristallsystem: Hexagonal (>798  C: Kubisch-
raumzentriert)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2100
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 6,48
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 20,80  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 12,5
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,2
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 935 ♦ 1208
Schmelzwärme (kJ/mol): 6,9
Siedepunkt ( C ♦ K): 3130 ♦ 3403
Verdampfungswärme (kJ/mol): 331

Oxidschicht aus. Diese schützt das Metall jedoch Wasser reagiert es unter Bildung von Wasserstoff
nicht vor weiterer Oxidation, da sie an Luft zum Praseodymhydroxid [Pr(OH)3], in Säuren
abblättert. Bei erhöhter Temperatur verbrennt löst es sich leicht auf. Praseodym tritt in seinen
Praseodym direkt zum Sesquioxid (Pr2O3). Mit Verbindungen mit den Oxidationszahlen +3 und
896 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

+4 auf, wobei +3 die häufigere ist. Pr-III-Ionen Die Verbindung kristallisiert kubisch in der
sind gelbgrün, Pr-IV-Ionen farblos. Fluorit-Struktur; dabei bleibt 1/12 der für die Sau-
erstoffatome vorgesehenen Plätze unbesetzt (Rii-
Verbindungen tershaus und Jørgensen 1967; McCullough 1950;
Chalkogenverbindungen Praseodym-III-oxid (Pr2O3) Guth et al. 1954). Es existieren außerdem noch
gewinnt man wie auch sein höheres Homologes, weitere Phasen zwischen Praseodym-III- und
Praseodym-IV-oxid (PrO2), durch Verbrennung -IV-oxid (Mashelkar 1995). Man verwendet
von Praseodym in Sauerstoff (Krebs 2006, S. 283). Praseodym-III, IV-oxid unter anderem für das
Alternative Darstellungsmethoden beinhalten die Färben von Glas und Keramik.
Reduktion des schwarzen Mischoxids (Praseo- Eine Übersicht über Ergebnisse aktueller
dym-III, IV-oxid, Pr6O11) mit Hydrazin oder die Untersuchungen zu Oxiden des Praseodyms geben
durch Erhitzen bewirkte Entwässerung von Yang et al. (2010), Wollschläger et al. (2008) und
Praseodym-III-hydroxid gewonnen werden. Ferro (2011).
Das grün gelbe, in Wasser unlösliche Pulver Praseodym-IV-oxid (PrO2), ein braunschwar-
(s. Abb. 30) hat die Dichte 6,9 g/cm3 und schmilzt zer, im Flussspat-Gitter kristallisierender (Brauer
bei einer Temperatur von 2183  C (Siedepunkt 1975b, S. 1081) Feststoff der Dichte 7,32 g/cm3,
der Flüssigkeit: 3760  C); es kristallisiert kubisch. kann man beispielsweise durch Erhitzen von
Daneben existiert noch eine farblose, hexagonal Praseodym-III,IV-oxid im Sauerstoffstrom bei
kristallisierende Form. Man verwendet es klas- hohem Druck gewinnen.
sisch zum Grünfärben von Gläsern und Keramik, Praseodym-III-sulfid (Pr2S3) erhält man durch
aber auch als Bestandteil halbleitender Komposite Umsetzung von Praseodym-III-oxid mit Schwe-
(O’Keefe et al. 2005; Sah 2007). felwasserstoff (Brauer 1975b, S. 1098). Die Ver-
Praseodym-III,IV-oxid (Pr6O11) ist ein schwar- bindung schmilzt bei einer Temperatur von
zer, geruchloser Feststoff (s. Abb. 31) vom 1765  C, hat die Dichte 5,1 g/cm3 und kommt in
Schmelzpunkt 2500  C (Siedepunkt der ge- Form dreier Modifikationen vor. Die bei Raum-
schmolzenen Verbindung: 4200  C) und der temperatur stabile ist γ- Pr2S3, ein grüner Feststoff
Dichte 6,5 g/cm3, der in der Natur als Begleiter (Faulkner und Schwartz 2009, S. 28). Die zwei
von Mineralien wie Bastnäsit, Monazit und Xeno- anderen Modifikationen sind α- Pr2S3 (kristalli-
tim vorkommt (Rao et al. 2003, S. 13). Man siert orthorhombisch) und β- Pr2S3 mit tetragona-
erzeugt es durch Verbrennung von Praseodym ler Kristallstruktur (Werheit et al. 1984, S. 332).
mit Sauerstoff (Kang et al. 2004, S. 166). Bei Erhitzen auf Temperaturen ab etwa 1400  C liefert
Kontakt mit heißem Wasserdampf disproportio- das Monosulfid (PrS) (Meyer und Morss 1991,
niert es zu Praseodym-III- und -IV-oxid (Albers S. 335).
et al. 2011). Praseodym-III-selenid (Pr2Se3) und Praseo-
dym-III-tellurid (Pr2Te3) werden ebenfalls als
Sputter-Target verkauft (American Elements 2017);
Abb. 30 Praseodym-III-
oxid, Hohhot Museum of
Geology, China (Brücke-
Osteuropa 2011)

Abb. 31 Praseodym-III, IV-oxid (Onyxmet 2018)


6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 897

beide sind kristalline Festkörper. Einsatzgebiet ist chlorid meistens zur Herstellung anderer Verbindun-
auch hier vorrangig die Elektronikindustrie sowie gen des Praseodyms.
die chemische Forschung. Ebenso interessant Praseodym-III-bromid (PrBr3) bildet grüne,
sind diese Verbindungen, wie auch generell die hexagonale Kristalle (Perry 1995, S. 323), die
Chalkogenide der Seltenerdmetalle, für Feststoff- ebenfalls hygroskopisch sind. Die Verbindung
Brennstoffzellen oder Solarzellen. Sie sind alle schmilzt bei 693  C (Siedepunkt: 1547  C) und
jedoch empfindlich gegenüber sauren Lösungen, besitzt die Dichte 5,28 g/cm3.
da dann aus ihnen der jeweilige, hochgiftige Chal- Sonstige Verbindungen Praseodym-III-nitrid
kogenwasserstoff freigesetzt wird. (PrN), ein schwarzgraues Pulver, und Praseody-
Halogenverbindungen Praseodym-III-fluorid m-III-phosphid (PrP) verwendet man als Reinst-
(PrF3) ist zugänglich aus Praseodym-III-oxid und materialien [Reinheitsgrad bis zu 5N (99,999 %)],
Fluorwasserstoff oder Chlortrifluorid (Simons dabei das Phosphid in der Halbleiterindustrie und
2012, S. 99; Brauer 1975a, S. 254). Der grüne, chemischen Forschung, das Nitrid darüber hinaus
geruchlose Feststoff (s. Abb. 32) schmilzt bei in Hochleistungskeramiken. Praseodym-III-arse-
1399  C (Siedepunkt der geschmolzenen Verbin- nid (PrAs) ist ein kristalliner Feststoff, der Be-
dung: 2300  C), hat die Dichte 6,3 g/cm3 und ist standteil von Halbleitern ist und auch in fotoopti-
nahezu unlöslich in Wasser. Die Kristallstrukturen sche Anwendungen geht.
der Trifluoride einiger Seltenerdmetalle wurden Praseodymcarbid wird als Mischung der bei-
von Lundin et al. untersucht (1972); eingesetzt den Carbide PrC und PrC2 verkauft; Einsatzge-
wird PrF3 zum Dotieren von Laserkristallen (Sha- biet sind meist Spezialkeramiken. Diese und viele
libeik 2007, S. 69). andere Metallcarbide sind bei Kosolapova (1971)
Praseodym-III-chlorid (PrCl3) erhält man beschrieben. Praseodymsilicid (PrSi2) ist eben-
durch Reaktion von Praseodym oder seinem Oxid falls ein kristalliner Festkörper, der in Keramiken
mit Chlorwasserstoff (Druding und Corbett 1961; und Halbleiter eingearbeitet wird.
Corbett 1973); ebenso erhält man das hydrati- Praseodymhexaborid (PrB6) bildet schwarze
sierte Salz natürlich durch Auflösen von Praseo- Kristalle der Dichte 4,84 g/cm3; es wird in kleinen
dym in Salzsäure. Das Hydrat kann durch Er- Mengen in Hochleistungskeramiken eingesetzt.
hitzen auf Temperaturen um 400  C vollständig Praseodym-III-sulfat [Pr2(SO4)3] liegt als Oc-
entwässert werden, wenn Aluminium- oder tahydrat in Form grüner, monokliner Kristalle
Thionylchlorid zugefügt werden (Taylor und Car- (s. Abb. 34) der Dichte 2,83 g/cm3 vor (Lin
ter 1962; Kutscher und Schneider 1971; Freeman et al. 2002), die einfach durch Auflösen von
und Smith 1958). Praseodym-III-oxid in Schwefelsäure und folgen-
Die wasserfreie Verbindung ist ein blaugrüner, des Eindunsten der Mutterlauge bei erhöhter Tem-
hexagonal kristallisierender Feststoff und stark peratur erhalten werden. Charakteristisch für alle
hygroskopisch; der Schmelzpunkt liegt bei 786  C
(Siedepunkt: 1710  C). Dagegen liegt das Hepta-
hydrat in Form hellgrüner Kristalle trikliner Struktur
vor (s. Abb. 33). Man verwendet Praseodym-III-

Abb. 32 Praseodym-III-fluorid (Stanford Advanced Abb. 33 Praseodym-III-chlorid-Heptahydrat (Walkerma


Materials 2018) 2004)
898 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 34 Praseodym-III-sulfat-Octahydrat (Spidey71


2009)
Abb. 36 Praseodymphosphat

dotiert, so wirken diese als einphasiger optischer


Verstärker (Zhang et al. 1995).
Eine Mischung von Praseodym- mit Cer- oder
Zirkoniumoxid wirkt gut als Katalysator für Oxi-
dationsreaktionen (Baumer et al. 2008).

Patente
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Abb. 35 Praseodym-III-acetat-Hydrat (beide jeweils wide.espacenet.com)
99,9 %, von Onyxmet 2018)
H. Suzuki et al., Exhaust gas puryfing catalyst
(Toyota Jidoshia K.K:, US 2017348674
Sulfate der Seltenerden ist, dass deren Löslichkeit
A1 veröffentlicht 7. Dezember 2017)
in heißem Wasser schlechter ist als in kaltem.
S. Titlbach et al., Mixed metal oxide com-
Erhitzen überführt das Octahydrat über verschie-
posite for oxygen storage (BASF SE,
dene wasserärmere Stufen schließlich in das was-
US 2017333877 A1, veröffentlicht 23.
serfreie, farblose Salz, das bei einer Temperatur
November 2017)
von 931  C schmilzt.
M. J. Dejneka, Multichromic glasses with
Auch andere Verbindungen des Praseodyms
praseodymium and neodymium (Cor-
liegen in Form hell- bis lindgrüner Kristalle
ning Inc., CA 3020836 A1, veröffent-
vor, wie bespielsweise Praseodym-III-acetat
licht 19. Oktober 2017)
[Pr(CH3COO)3] bzw. -phosphat (PrPO4) (siehe
H. Suzuki und T. Yoshida, Exhaust gas pu-
auch Abb. 35 und 36).
rifying catalyst (Toyota Motor Co., Ltd.;
Cataler Corp., US 2018264409 A1, ver-
Anwendungen Praseodym verwendet man zur
öffentlicht 20. September 2018)
Herstellung von sehr starken Magneten (IAM-
N. Lyskov et al., Cathode material for
GOLD Corporation 2012) sowie in Legierungen
SOFC based on praseodymium cuprate
mit Magnesium zur Herstellung hochfester Bau-
(Nekommercheskaya Organizatsiya Fond,
teile von Flugzeugmotoren (Rokhlin 2003; Nair
RU 2630216 C1, veröffentlicht 6. Septem-
und Mittal 1988). Eine Praseodym-Nickel-Legie-
ber 2017)
rung (PrNi5) besitzt einen derart starken magneto-
H. Li, Preparation of porous magnetic com-
kalorischen Effekt, dass sie die Annäherung an
posite silk-loaded, praseodymium-do-
den absoluten Nullpunkt bis auf ein Tausendstel
ped BiOBr photocatalyst (Jinan Univer-
Grad erlaubt (Emsley 2001).
sity, CN 108404981 A, veröffentlicht 17.
Praseodymverbindungen verleihen Gläsern und
August 2017)
Emaille eine gelbe bis grüne Farbe (Hammond
2000). Wird Fluoridglas mit Praseodymionen
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 899

6.7 Neodym

Geschichte Die Geschichte des Neodyms ist


untrennbar mit der des Praseodyms verbunden
und dort bereits beschrieben. Die Reindarstellung
metallischen Neodyms gelang erst 1925.

Gewinnung Gereinigtes Neodymoxid wird mit


Fluorwasserstoff zu Neodym-III-fluorid umge-
setzt, das danach bei hoher Temperatur mit Cal-
cium zur Reaktion gebracht wird. Die Produkte
sind Calciumfluorid und metallisches Neodym.

Nachhaltigkeit Zwecks Durchsetzung scharfer


Abb. 37 Bayan Obo-Mine nahe Hohhot, China (Google
Umweltauflagen ließ die chinesische Regierung
Maps 2017)
in den letzten Jahren einige illegale Minen schlie-
ßen; die Betreiber wurden nicht entschädigt. Auch
einige unter Lizenz arbeitende Minen mussten Die Vorräte schätzt man auf ca. 40 Mio. t Erz
schließen, erhielten aber Entschädigungen. Der (meist Bastnäsit und Monazit) bei einem Gehalt
staatliche Konzern Baotou Steel Rare Earth erhielt von 1 bis 6 %; gefördert werden fast alle Metalle
das Monopol für Abbau der die Seltenen Erdme- der Seltenen Erden. Infolge jahrelang fehlender
talle enthaltenden Erze und deren Aufarbeitung. Umweltauflagen sind die Bedingungen dort teils
In den USA bzw. Australien reaktivierte man dramatisch (News ORF.at 2015; Bradsher 2013).
inzwischen die Mountain Pass bzw. Mount Weld Immer noch kommen ca. 90 % der Lanthanoide
Mine. In Grönland vermutet man mittlerweile Tabelle aus chinesischer Produktion, daher wirkt sich
ebenfalls große Vorkommen aller Seltenerden; eine Verknappung der Produktionsmenge sofort auf
nur die Förderung ist aus technischen und klima- den Preis am Weltmarkt aus. Zum Zeitpunkt der
tischen Gründen viel schwieriger und daher teu- Minenschließungen in China 2011 erreichte der Preis
rer; ebenfalls bestehen für das sensible arktische für Neodym fast € 180/kg, fiel danach deutlich
Ökosystem enorm hohe Umweltgefahren und (€ 50–90/kg) und steigt seit August 2017 wieder
daher auch -auflagen (Bender 2013). Vietnam, stark an, nicht zuletzt verursacht durch zahlreiche
Brasilien und Russland besitzen nach China die internationale Krisen des Sommers 2017.
größten Lagerstätten weltweit, jedoch trägt bis-
lang nur Russland nennenswert zur Weltproduk- Eigenschaften Das silberglänzende Metall (s.
tion von aktuell 15.000 bis 20.000 t/a Nedoym bei. Tab. 7) ist an der Luft beständiger gegenüber
Die Bayan-Obo-Mine (Innere Mongolei, Volks- Korrosion als Europium, Lanthan, Cer oder sein
republik China, s. Abb. 37) ist weltweit die wich- Nachbarelement Praseodym, bildet aber durch
tigste Produktionsstätte für Lanthanoide (REE). Reaktion mit Luftsauerstoff schnell eine rosavio-
Etwa 5000 Menschen fördern hier die Erze und lette Oxidschicht auf seiner metallischen Oberflä-
verarbeiten sie. Insgesamt leben in Bayan Obo che aus (Rare Earth Metals Long Time Exposure
20.000 Menschen. Test Retrieved 2009). Auch diese blättert wie die
Zusätzlich befinden sich auf dem Gelände, das des Praseodyms leicht ab und leistet weiterer
mit ca. 300 km2 ungefähr die Fläche Münchens Oxidation des Metalls Vorschub. Bei hohen Tem-
einnimmt, große Vorkommen an Eisen- und Nio- peraturen verbrennt Neodym zum Sesquioxid
berz, Bayan Obo ist zugleich die größte Lager- (Nd2O3). Es kristallisiert bei Raumtemperatur in
stätte für Nioberz weltweit (!). Allein aus dieser hexagonaler Struktur, die sich oberhalb von
Mine kommt fast die Hälfte (!) der aktuellen jähr- 863  C in eine kubisch-raumzentrierte umwandelt
lichen Weltproduktion an Seltenen Erdmetallen. (Hammond 2000). Das in der Tabelle aufgeführte
900 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Tab. 7 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Neodym


Symbol: Nd
Ordnungszahl: 60
CAS-Nr.: 7440-00-8

Aussehen: Silbrig-weiß Neodym Neodym und sein Oxid


Farbe von Nd3+aq.: Farblos (Metallium, Inc. (Sicius 2017)
2017)
Entdecker, Jahr: Auer von Welsbach (Österreich), 1885
Wichtige Isotope [natürl. Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]:
142
60Nd (27,13) Stabil ——
143
60Nd (12,18) Stabil ——
144
60Nd (23,8) 2,3  1015 α > 14058Ce
146
60Nd (17,19) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/ China, Indien, Südafrika, Monazit, Bastnäsit
Erz): Skandinavien, Kongo, GUS
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 22
Preis (US$), 99 % Reinheit 50 g (Brocken, unter Mineralöl) 45 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 22 g (Walze, Ø 1,2 cm, 85 (2019-07-01)
in Ampulle):
Atommasse (u): 144,242
Elektronegativität (Pauling): 1,14
Normalpotenzial (V; Nd3+ + 3 e ! Nd): 2,32
Atomradius (berechnet, pm): 185 (206)
Kovalenter Radius (pm): 201
Ionenradius (pm): 98
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f4
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 533 ♦ 1040 ♦ 2130
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,6  103
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): — ♦ 19
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 49
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,56  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 41,4 ♦ 31,8 ♦ 16,3
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 343 ♦ 265
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2330
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 7
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 20,59  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 16,5
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,45
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1024 ♦ 1297
Schmelzwärme (kJ/mol): 7,14
Siedepunkt ( C ♦ K): 3030 ♦ 3303
Verdampfungswärme (kJ/mol): 289

Foto zeigt Neodymmetall neben seinem rotvio- stoffatmosphäre erhitzt, bildet es das Hydrid
lettfarbenen Oxid. NdH2. Neodym tritt in seinen Verbindungen haupt-
Mit Wasser reagiert Neodym unter Bildung sächlich in der Oxidationsstufe +3 auf, jedoch sind
von Wasserstoff zu Neodymhydroxid. In Wasser- auch Werte von +2 und +4 möglich.
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 901

Verbindungen dung kommt in drei Modifikationen vor. Die α-


Chalkogenverbindungen Neodym-III-oxid (Nd2O3) Modifikation kristallisiert orthorhombisch, die β-
kristallisiert hexagonal, schmilzt bei einer Tempe- Form tetragonal und die hellgrüne γ-Modifikation
ratur von 2272  C (Siedepunkt der Schmelze: kubisch. Neodym-III-sulfid schmilzt -extrapoliert-
4118  C) und hat die Dichte 7,24 g/cm3. Das blaue zwar bei der hohen Temperatur von 2207  C und
Pulver (s. Abb. 38) dient meist als Pigment zur hat eine Dichte von 5,46 g/cm3, zersetzt sich aber
Färbung von Keramiken und Spezialgläsern. schon bei 1650  C im Vakuum (γ-Modifikation) zum
Die Einlagerung von Neodym-III-oxid in Glas Monosulfid.
verleiht diesem eine klar konturierte Absorption von Neodym-III-selenid (Nd2Se3) dient als Sputter-
Licht, die diese zum Beispiel für Laser interessant Target, so zum Aufdampfen sehr dünner halblei-
macht. Außerdem geht es in Emaille großer Tem- tender Schichten des Sulfids auf einen aus Kupfer
peraturbeständigkeit, in Bariumtitanatondensatoren oder anderen Materialien bestehenden Träger.
(Dotierungsmittel) und in Katalysatoren zur Herstel- Generell sind alle Chalkogenide sehr ausführlich
lung von Polybutadienkautschuk (beispielsweise in Gmelins Handbuch der Anorganischen Chemie
Kloppenburg und Steinhauser 2012). Es kommt auch beschrieben (Bergmann et al. 1986).
als Pulver in der Nanotechnologie zum Einsatz. Neodym-III-tellurid (Nd2Te3) ist ein grauer,
Neodym-III-sulfid (Nd2S3) wird von einigen Her- kristalliner Feststoff vom Schmelzpunkt 1377  C
stellern kommerziell angeboten. Ein elegantes Her- und der Dichte 7 g/cm3. Es wird in Reinheiten bis
stellverfahren geht von wasserfreiem Neodym-III- zu 99,999 % (5N) verkauft (z. B. von American
sulfat aus, das während 4 h in einem aus Stickstoff Elements). Seine Einsatzgebiete sind sehr ähnlich
und Kohlenstoffdisulfid bestehendem Gasstrom auf zu denen des Selenids.
Temperaturen um 900  C erhitzt wird. Dabei entsteht Halogenverbindungen Das wasserhaltige hell-
rotbraunes, orthorhombisch kristallisierendes α- violette Neodym-III-fluorid (NdF3) (s. Abb. 39)
Nd2S3. Andere Phasen des Neodym-III-sulfids sowie kristallisiert hexagonal (Lundin et al. 1972),
etwaig gebildetes Neodym-II- oder -IV-sulfid wur- schmilzt bei einer Temperatur von 1377  C
den nicht beobachtet (Sato et al. 1998). Ausführliche (Siedepunkt der geschmolzenen Verbindung:
Untersuchungen zu Phasenumwandlungen und exis- 2300  C) und hat die Dichte 6,51 g/cm3. Man
tierenden Formen nicht nur von Neodymsulfiden, gewinnt es durch Auflösen von Neodym-III-oxid
sondern auch den Sulfiden anderer Seltenerdmetalle, in Flusssäure (Brauer 1975a, S. 254). Einsatzgebiet
vor allem denen des Thuliums, finden sich bei Zhang ist des öfteren in Fluoridgläsern.
(1991). Preise für diese Verbindungen sind bei den Wasserfreies Neodym-III-chlorid (NdCl3) schmilzt
wenigen Produzenten meist nur auf Anfrage erhält- bei 784  C, das Hexahydrat schon bei 124  C (Siede-
lich, aber als Rahmen ist ein Preis von ca. $ 700 für punkt der wasserfreien Verbindung: 1600  C). Man
25 g hochreines Neodym-III-sulfid aktuell (August erhält das Salz durch Umsetzung von Neodym-III-
2017) realistisch. Selenide und Telluride sind oft oxid mit Chlorwasserstoff oder Ammoniumchlorid
sogar noch deutlich teurer als Sulfide. Die Verbin- (Brauer 1981, S. 1079), aber auch die Synthese aus
den Elementen ist möglich (Nuyken und Anwander
Abb. 38 Neodym-III-oxid 2006).
im Hohhot Museum of
Geology, China (Brücke-
Osteuropa 2011)

Abb. 39 Neodym-III-fluorid (Stanford Advanced Mate-


rials 2018)
902 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Das malvenfarbene, hexagonal kristallisie- 1975b, S. 1081). Eine andere Methode beinhaltet
rende Pulver ist hygroskopisch und geht leicht die Reaktion des jeweiligen Seltenerdmetalls mit
in das intensiv rosafarbene Hexahydrat über dem entsprechenden Ammoniumhalogenid in
(D’Ans und Lax 2007, S. 634; s. Abb. 40). Man flüssigem Ammoniak bei ca. 78  C:
verwendet Neodym-III-chlorid oft zur Synthese
anderer Verbindungen des Elements (Meyer und Ln þ 2 NH4 X ! LnX2 þ 2 NH3 þ H2
Morss 1991; Patnaik 2003), wie Katalysatoren
für die chemische Synthese (beispielsweise die Das dabei zunächst entstehende Addukt mit
des Kautschuks). Das Hexahydrat dient meist zur Ammoniak spaltet dieses beim Erhitzen ab, und
violetten bis weinroten Färbung von Glas und das reine Dihalogenid bleibt zurück. Die Verbin-
Keramik. dung selber schmilzt bei ca. 725  C; an der Luft
Neodym-III-bromid (NdBr3) schmilzt bei einer oder bei Kontakt mit Feuchtigkeit geht sie über
Temperatur von 682  C (Siedepunkt: 1540  C) ihre Hydratform meist zügig in basische Bromide
und hat die Dichte 5,3 g/cm3. Es liegt in Form des Neodym-III über.
violetter, orthorhombischer (Paetzold 2009), hy- Analog kann Neodym-II-iodid (NdI2) erhalten
groskopischer Kristalle vor (s. Abb. 41). werden; die dunkelgrüne bis schwarze Verbin-
Das grüne Neodym-III-iodid (NdI3) kristalli- dung schmilzt bei 562  C und kristallisiert im
siert ebenfalls orthorhombisch; es ist wie das Strontiumbromid-Gittertyp.
Bromid sehr hygroskopisch, schmilzt bzw. siedet Sonstige Verbindungen Das dunkelgraubraune
bei 787  C bzw. 1370  C und weist die Dichte Neodym-III-nitrid (NdN) ist wie das Neodym-III-
5,85 g/cm3 auf. phosphid (NdP) ein Halbleiter für Hochfrequenzan-
Das dunkelgrüne, hygroskopische, im Blei-II- wendungen, ebenso eignet sich die Verbindung zur
chlorid-Typ kristallisierende Neodym-II-bromid Einarbeitung in Laserdioden. Neodym-III-nitrid
(NdBr2) ist durch Reduktion von Neodym-III-bro- verwendet man in geringen Mengen ebenfalls in
mid mit metallischem Neodym im Vakuum bei Hochleistungskeramiken. Das homologe Neodym-
Temperaturen um 850  C zugänglich (Brauer III-arsenid (NdAs) ist ein kristalliner Festkörper, der
ebenfalls in Halbleitern, aber auch photooptischen
Anwendungen eingesetzt werden kann.
Neodymcarbid (NdC2) ist ein graues Pulver,
das bei Kontakt mit Wasser brennbares Ethin
(Acetylen) freisetzt. Wie die anderen hochfesten
Silicide und auch Boride der Lanthanoiden dient
es unter anderem zur Herstellung sehr dünner
Beschichtungen im Bereich der Fotovoltaik, von
Abb. 40 Neodym-III-chlorid-Hydrat (Stanford Advan- Elektroden und Brennstoffzellen.
ced Materials 2018) Das schwarze, im Handel sowohl als Pulver als
auch in Form von geschmolzenen oder gesinterten
Stücken unterschiedlicher Reinheit erhältliche Neo-
dymhexaborid (NdB6) hat die Dichte 4,93 g/cm3.
Wie die anderen Seltenerdboride ist es hoch-
schmelzend und hart; es wird in Halbleitern,
Magneten und dort eingesetzt, wo metallische
Werkstoffe eine große Härte besitzen müssen.
Ebenso setzt man die Verbindung in Form von
Sputtertargets (s. Abb. 42) ein, aus denen man
durch Beschießen kleinste Mengen heraus lösen
und durch anschließenden Transport in der Gas-
Abb. 41 Neodym-III-bromid wasserfrei (Onyxmet 2018) phase an den Ort verbringen kann, auf dem dünn-
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 903

die in den 1980er-Jahren von General Motors


und Sumitomo Special Metals entwickelt wurde
(Pinkerton et al. 1984) und nach einem von
beiden Firmen damals schon entwickelten Sinte-
rungsprozess produziert wird (Sharma 1986; Ishi-
gaki und Hamada 1986). Überall dort, wo starke
Magnetfelder benötigt werden, findet man sie,
Abb. 42 Neodymhexaborid Sputtertarget (QS Advanced so in kleineren Gleichstrommotoren, Generatoren
Materials 2018) für Windkraftanlagen, Kopfhörern, Lautsprechern,
Linearmotoren für Festplatten zur Steuerung der
Schreib-Leseköpfe in Computern und in kleinen
Magneten für den Haushaltsgebrauch.
Die Magnete erreichen Koerzitivfeldstärken
im Bereich von 1000 bis >2500 kA/m bei gleich-
zeitig hohen Remanenzflussdichten von meist
etwa 1,3 T, manchmal auch deutlich höher.
Die magnetische Energiedichte beträgt bis zu
512 kJ/m3 und übertrifft damit klar diejenige
Abb. 43 Neodym-III-sulfat wasserfrei (Bahmtec 2009)
der Samarium-Cobalt-Magnete. Allerdings liegt
die Curietemperatur von Nd2Fe14B mit 310  C
ste Schichten des Neodymhexaborids erzeugt nicht sehr hoch (Fraden 2010). Die in diesen
werden sollen. starken Magneten enthaltenen kleinen Nd2Fe14B-
Neodym-III-sulfat [Nd2(SO4)3] bildet in Form Kristalle sind zudem noch von einer sehr dünnen,
seines Octahydrats violettrote Kristalle der Dichte stark neodymhaltigen Schicht umgeben. Große
2,85 g/cm3, die bei etwa 350  C unter Zersetzung Kristalle aus Nd2Fe14B dagegen sind leicht
schmelzen (s. Abb. 43). zu entmagnetisieren und als Dauermagnet unge-
eignet.
Anwendungen Neodymverbindungen werden
seit langem schon zum Färben von Emaille, Por-
zellan und Glas verwendet und verleihen diesen Patente
die charakteristische rotviolette bis weinrote Fär- (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
bung. Derart dotierte Gläser benutzt man in der wide.espacenet.com)
Astronomie wegen ihrer scharfen Lichtabsorption
zur Kalibrierung von Gläsern. Neodymverbin- M. Yue und Q. Lu, Thermal deformation
dungen filtern Komponenten des gelben Lichts mold with shear force and preparation
und verleihen Glühlampenkolben die Eigen- method for neodymium-iron-boron ma-
schaft, Licht auszustrahlen, das von der optischen gnet (University of Technology Beijing,
Farbe her eher Sonnenlicht entspricht (Bray WO 2019010824 A1, veröffentlicht 17.
2001). Weitere Anwendungen sind das Entfärben Januar 2019)
eisenhaltigen Glases, in tönenden Materialien für L. Wang, Novel neodymium-iron-boron
Sonnenschutzgläser, in Dielektrika von Konden- magnet (Tianjin Nibboh Magnets Co.,
satoren (Bariumtitanat mit Anteilen von Neodym- Ltd., CN 108573787 A, veröffentlicht
oxid), als Katalysator zur Produktion von Poly- 25. September 2018)
butadien-Kautschuk für Hochleistungsreifen. Q. Yi und J. He, Low refractive index neo-
Die aktuell stärksten Permanentmagnete ent- dymium fluoride doped polycarbonate
halten eine tetragonal kristallisierende Legierung (GE Lighting Solutions LLC, WO
aus Neodym, Eisen und Bor bzw. eine Misch-
verbindung der Zusammensetzung Nd2Fe14B, (Fortsetzung)
904 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Gewinnung Zur Herstellung des Isotops 14761Pm


2018157288 A1, veröffentlicht 7. Sep- wird 23592U-angereichertes Uran mit thermisch
tember 2018) angeregten Neutronen bombardiert. 14761Pm ist
D. Cai und J. K. Benner, LED apparatus das einzige Isotop des Promethiums, das man – in
employing neodymium based materials Form seines Oxids oder Chlorids – nutzt und auch
with variable content of fluorine and nur in wenigen Anwendungen, dies, obwohl es
oxygen (GE Lighting Solutions LLC, nicht einmal das längstlebige ist.
CA 3016820 A1, veröffentlicht 21. Ein anderer Weg zur Herstellung von 14761Pm
September 2017) läuft über 14760Nd, das mit kurzer Halbwertszeit
H. Kloppenburg und T. Gros, Bimodal zu 14761Pm zerfällt. Dieses Isotop des Neodyms
neodym-catalysed polybutadien (LAN- erhält man durch Bombardieren angereicherten
146
XESS Deutschland GmbH, EP 2536769, 60Nd mit thermischen Neutronen (Radhakrish-
veröffentlicht 26. Dezember 2012) nan et al. 2010).
Y. Haiden und D. Krashkevich, Strengthe-
nable high neodym content glass (Schott Eigenschaften Promethium ist ein silberweißes
Glass Tech. Ind. US, EP 2536769, ver- duktiles Schwermetall. Es besitzt einen Schmelz-
öffentlicht 26. Dezember 2012) punkt von 1080  C (s. Tab. 8); für den Siedepunkt
H. Kloppenburg und N. Steinhauser, Neo- reichen die geschätzten Werte von 2727 bis
dym-catalysed polybutadiene (LANXESS 3000  C. Das Metall wird an der Luft schnell
Deutschland GmbH, EP 2488561, veröf- oxidiert und reagiert bereits unter Standardbedin-
fentlicht 22. August 2012) gungen langsam mit Wasser. Promethium kommt
F. Seon und B. Boudot, Process for the in seinen Verbindungen ausschließlich in der
production of neodym alloys (Rhone Oxidationsstufe +3 vor. Das stabilste, und immer
Poulenc Chimie, EP 0272250, veröffent- noch sehr kurzlebige, Isotop ist 14561Pm mit einer
licht 22. Juni 1988) spezifischen Radioaktivität von 940 Ci (35 TBq)/
E. Schröder und R. Thyzel, Neodym-YAG- g und einer Halbwertszeit des Zerfalls von 17,7 a
Laser, Particularly for Ophthalmological unter Entstehung von 14560Nd (Audi et al. 2003;
Treatment (EP 0160689, veröffentlicht Hammond 2000).
13. November 1985)
Verbindungen
Wegen des schnell erfolgenden radioaktiven Zer-
6.8 Promethium falls des Elements konnte man seine Verbindun-
gen noch nicht in aller Vollständigkeit herstellen
Geschichte Marinsky, Glendenin und Coryell bzw. untersuchen. In den meisten Fällen besitzen
wiesen Promethium 1945 im Oak Ridge Natio- sie rote, violette oder rosa Farbe (Emsley 2011,
nal Laboratory (Tennessee, USA) als Spaltpro- S. 428–430; Aspinall 2001, S. 34; Lavrukhina und
dukt des Urans nach und publizierten die Entde- Pozdnyakov 1966, S. 120–123).
ckung zwei Jahre später (Marinsky et al. 1947). Chalkogenverbindungen Promethium-III-oxid
Ihnen gelang die Darstellung des Promethiums (Pm2O3) stellt man in reinster Form durch Glühen
auch über den Beschuss von Neodymtargets mit von Promethium-III-oxalat bei Temperaturen um
Neutronen. Da zu dieser Zeit die Arbeitsgruppe 800  C her (Weigel 1969). Die Verbindung tritt
um Seaborg in Berkeley bereits einige radioak- in Form dreier Modifikationen auf, von denen
tive und instabile Transurane entdeckt hatte, das kubisch strukturierte, korallenrote γ-Pm2O3
sollte der von den drei Forschern vorgeschla- (Dichte 6,85 g/cm3) bei Raumtemperatur am sta-
gene Name Promethium an den griechischen bilsten ist. Jenes wandelt sich beim Erhitzen ober-
Gott Prometheus erinnern, der den Menschen halb von 800  C in das violettrosafarbige, mono-
das Feuer brachte und so den Zorn der Götter klin kristallisierende β-Pm2O3 um. Ab einer
hervorrief. Temperatur von 1740  C erfolgt dann der Über-
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 905

Tab. 8 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Promethium


Symbol: Pm
Ordnungszahl: 61
CAS-Nr.: 7440-12-2
Aussehen: Metallisch
Farbe von Pm3+aq.: Rotviolett
Entdecker, Jahr: Marinsky, Glendenin, Corvell (USA), 1945
Wichtige Isotope [natürl. Vorkommen (%)] Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
145
61Pm (synthetisch) 17,7 ε > 14560Nd ♦
α > 14159Pr
146
61Pm (synthetisch) 5,5 ε > 14660Nd ♦
β > 14662Sm
147
61Pm (synthetisch) 2,6 β >14762Sm
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ——
Atommasse (u): 146,915
Elektronegativität (Pauling): 1,12
Normalpotenzial (V; Pm3+ + 3 e ! Pm): 2,42
Atomradius (berechnet, pm): 185 (205)
Kovalenter Radius (pm): 199
Ionenradius (pm): 97
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f5
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 540 ♦ 1050 ♦ 2150
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,4  103
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): Keine Angabe
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,33  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 46 ♦ 33 ♦ 18
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Kristallsystem: Hexagonal (> 890  C: Kubisch-raumzentriert)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2860
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 7,2
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 20,10  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 17,9
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,1 (berechnet)
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1080 ♦ 1353
Schmelzwärme (kJ/mol): 7,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 3000 ♦ 3273
Verdampfungswärme (kJ/mol): 290

gang zum violettbraunen α-Pm2O3 mit hexagona- durch Zugabe von Flusssäure zu einer sauren
ler Struktur (Huheey 1988, S. 873 ff.; Roberts Lösung eines Promethium-III-salzes in Form
et al. 1972). Der Schmelzpunkt dieser Modifika- eines hellrosafarbigen Niederschlages aus. Die
tion liegt bei 2130  C. Auch Ergebnisse von wasserfreie Verbindung hat eine violettrosa Farbe,
Untersuchungen zur magnetischen Suszeptibilität eine Dichte von 6,72 g/cm3 und schmilzt bei einer
liegen seit längerem vor; Promethium-III-oxid ist Temperatur von 1338  C (Holleman et al. 2007,
stark paramagnetisch (Roberts et al. 1963). S. 1942). Die Kristallstruktur ist hexagonal. Aus
Halogenverbindungen Das schwer in Wasser PmF3 erfolgte erstmals die Darstellung metalli-
lösliche Promethium-III-fluorid (PmF3) fällt man schen Promethiums durch Umsetzung mit Li-
906 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

thium (Weigel 1963). Erhitzt man wasserhalti- Isotops 14761Pm, dessen radioaktive Strahlung
ges Promethium-III-fluorid, so erfolgt teilweise eine nur geringe Eindringtiefe hat. 14761Pm ist in
hydrolytische Zersetzung zu violettfarbigem Pro- lumineszierenden Farben von Signallampen ent-
methium-III-oxidfluorid (PmOF). halten, deren Phosphore ein durch die Strahlung
Promethium-III-chlorid (PmCl3) ist durch dieses Isotops induziertes Licht ausstrahlen. Es
Überleiten trockenen Chlorwasserstoffs über Pro- wird hier aus Sicherheitsgründen gegenüber
226 3
methium-III-oxid (Pm2O3) darstellbar (Weigel 88Ra und 1H bevorzugt (Hammond 2000).
1969; Holleman et al. 2007, S. 1942). Der violette In Atombatterien wird die von 14761Pm emit-
Feststoff der Dichte 4,19 g/cm3 schmilzt bei einer tierte β-Strahlung in elektrischen Strom umge-
Temperatur von 655  C und kristallisiert hexagonal wandelt. Die promethiumhaltige Quelle befindet
(Weigel 1969; Huheey 1988, S. 873–900). Auch sich dabei zwischen zwei Halbleiterplatten. Die
hier liefert das Erhitzen des Hydrats oder eines Batterie hat eine Lebensdauer von einigen Jahren
nicht vollständig getrockneten Präparates das basi- (Elleman 1964). Promethium setzt man auch zur
sche Salz, in diesem Fall das blassrosafarbige Pro- Messung der Dicke von Werkstoffen ein, wobei
methiumoxidchlorid (PmOCl). der Betrag der Strahlung gemessen wird, der
Analog entsteht das korallenrote Promethium- die Probe durchdringt. Zukünftige Einsatzgebiete
III-bromid (PmBr3) durch Überleiten eines Stro- könnten in tragbaren Röntgenquellen oder in
mes trockenen Bromwasserstoffs über erhitztes Aggregaten für die Raumfahrt liegen.
Promethium-III-oxid; das Salz hat die Dichte
5,45 g/cm3, kristallisiert orthorhombisch und
schmilzt bei einer Temperatur von 660  C (Holle- Patente
man et al. 2007). (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Dieser Syntheseweg ist auf Promethium-III-iodid wide.espacenet.com)
(PmI3) nicht mehr anwendbar. Überleiten getrock-
neten Iodwasserstoffs über Promethium-III-oxid er- S. Saruta et al., Radiation detecting appara-
gäbe nur noch das basische Salz PmOI. Die Herstel- tus and radiation imaging system (Canon
lung des roten, bei 695  C schmelzenden Triiodids K. K., US 201715461754, veröffentlicht
gelingt aber beispielsweise durch Auflösen von 17. März 2017)
Promethium-III-oxid in geschmolzenem Alumini- S. Yuhua und J. Limin, Powder metallurgy
umiodid (AlI3) bei Temperaturen um 500  C: technique for preparing 147Pm high
active source (China Institute of Atomic
Pm2 O3 þ 2 AII3 ! 2 PmI3 þ Al2 O3 Energy, CN 101264515 A, veröffentlicht
17. September 2008)
Sonstige Verbindungen Wird zu sauren Lösungen L. Junyao und F. Zhejing, Battery equip-
von Salzen des Promethium-III Ammoniakwasser ment having promethium electric power
gegeben, so fällt hellbraunes Promethium-III-hy- (Wuhan Henghe Power, CN 2011564424
droxid [Pm(OH)3] aus, das in Mineralsäuren aber (Y), veröffentlicht 26. November 2008)
wieder gut löslich ist, So lassen sich zum Beispiel das F. F. Knapp et al., Chromatographic extrac-
rosafarbene Promethiumnitrat [Pm(NO3)3], ein gut tion with di(2-ethylhexyl)orthophos-
wasserlösliches Salz, oder auch das Sulfat darstellen. phoric acid for production and purifica-
Letzteres verhält sich analog zu den Sulfaten der tion of promethium-147 (UT-Battelle
benachbarten Lanthanoiden und ist nur mäßig löslich LLC, US 20080060998 A1, veröffent-
in Wasser. Das Oxalat-Hydrat [Pm2(C2O4) 3  licht 13. März 2008)
10 H2O], hat die niedrigste Löslichkeit in Wasser T. Ishigami und A. Inoue, Manufacture of
aller Oxalate der Seltenerdmetalle. radioactive substance sealding wire
source for metal halide lamp (Tokyo Shi-
Anwendungen Promethium wird meist nur für
(Fortsetzung)
Forschungszwecke eingesetzt, mit Ausnahme des
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 907

baura Electric Co., JP S57134857 A, 1886 Gadolinium nannte (de Marignac 1878
veröffentlicht 20. August 1982) und 1880; de Boisbaudran 1886). Er war
K. Takami und T. Matsuzawa, Self- Mitglied in verschiedenen wissenschaftli-
Luminescent light source for liquid crys- chen Akademien.
tal display watch (Hitachi Ltd., US
Paul Émile (François) Lecoq de Bois-
4285055 A, veröffentlicht 18. August
baudran (* 18. April 1838 Cognac; † 28.
1981)
Mai 1912 Paris) entdeckte 1875 das Ele-
C. Parry und K. Round, Promethium sour-
ment Gallium in Weiterentwicklung seiner
ces (CA Atomic Energy Ltd., US Arbeiten zur Funkenspektroskopie. Durch
3711326 A, veröffentlicht 16. Januar Aufarbeitung von 54 kg einer Zinkblende
1973) aus Südfrankreich erhielt er 1875 einen
L. C. Olsen et al., Nuclear battery (Mc Don- Rückstand, in dem er das Element Gallium
nell Douglas Corp., US 3706893 A, ver- mittels einer Spektrallinie nachwies und es
öffentlicht 19. Dezember 1972) daraus isolieren und auch darstellen
konnte. Dies erhielt er durch Elektrolyse
einer ammoniakalischen Galliumsulfat-
6.9 Samarium Lösung, worauf er die physikalischen
Eigenschaften bestimmte. In der Folge
Geschichte Die Entdeckung des Samariums arbeitete er insgesamt vier Tonnen Zink-
beschreibt die Literatur nicht klar. Einige Quellen blende in analoger Weise auf, um daraus
berichten, dass De Marignac schon 1853 Sama- am Ende 75 g Gallium herzustellen. Später
rum spektroskopisch im Didymoxid nachwies verlagerte sich sein Forschungsschwer-
und De Boisbaudran 1879 aus dem Mineral punkt in Richtung der Seltenerdmetalle;
Samarskit ((Y,Ce,U,Fe)3(Nb,Ta,Ti)5O16) das Ele- so entdeckte er 1879 Samarium im
ment isolieren konnte. Andere Autoren schreiben Samarskit und 1886 Dysprosium in der
Delafontaine die Entdeckung des Elements im Holmiumerde.
Jahr 1878 zu, der es offenbar aber nur in verun-
reinigtem Zustand erhielt, denn zwei Jahre später Gewinnung Monazit oder Bastnäsit werden
wies er die Existenz eines zweiten Elements im als durch Aufschluss und darauf folgende Trennver-
„Samarium“ beschriebenen Metall nach. Auch fahren in Fraktionen reiner einzelner Seltenerd-
hier erscheint 1879 de Boisbaudran als Entdecker, metallsalze aufgespalten. Aus der reines gelös-
der auch offiziell als solcher registriert ist. tes Samarium enthaltenden Fraktion erzeugt
man sehr reines Samariumoxid. Dieses setzt
man mit Lanthanmetall um, wobei das bei der
Reaktion gebildete Samarium wegen seines bei
Jean-Charles Galissard de Marignac diesen Temperaturen hohen Dampfdrucks ab-
(* 24. April 1817 Genf; † 15. April 1894 sublimiert.
Genf) entwickelte bereits 1866 das erste
industrielle Verfahren zur Trennung von
Eigenschaften An Luft ist Samarium einigerma-
Tantal und Niob auf Grundlage der unter-
ßen beständig, da sich auf frisch geschnittenen
schiedlichen Löslichkeit der jeweiligen
Metallflächen eine passivierende, gelbliche Oxid-
Fluorkomplexe (de Marignac 1866). 1878
entdeckte er im Mineral Gadolinit das Ele- schicht ausbildet. Metallisch glänzendes Sama-
ment Ytterbium, 1880 ein weiteres Element, rium entzündet sich an der Luft oberhalb einer
das de Boisbaudran, der de Marignacs Ent- Temperatur von 150  C. Mit Sauerstoff reagiert
deckung bestätigte, in Absprache mit ihm es lebhaft, wie die meisten anderen Seltenerd-
metalle, zum Sesquioxid (Sm2O3). Mit Wasser
908 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

reagiert es, wie das stark negative Normalpoten- riumhydroxid, auch von Säuren wird es zügig
zial schon vermuten lässt (s. Tab. 9), ebenfalls angegriffen und in ihnen unter Bildung von
schnell unter Bildung von Wasserstoff und Sama- Samarium-III-salzen gelöst. Die beständigste

Tab. 9 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Samarium


Symbol: Sm
Ordnungszahl: 62
CAS-Nr.: 7440-19-9

Aussehen: Silbrig-weiß Samarium (Metallium,


Inc. 2017)
Farbe von Sm3+aq.: Gelblich
Entdecker, Jahr: De Marignac (Schweiz), 1862
Wichtige Isotope [natürl. Vorkommen (%)]: Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
144
62Sm (3,07) Stabil ——
147
62Sm (14,99) 1,1  1011 α > 14360Nd
152
62Sm (26,75) Stabil ——
154
62Sm (22,75) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China, USA, Brasilien, In- dien, Sri Monazit, Bastnäsit
Lanka, Australien
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 6
Preis (US$), 99,5 % Reinheit (Metallium, 40 g (Brocken) 35 (2019-07-01)
Inc.): 24 g (Walze, Ø 1,2 cm, in Ampulle): 80 (2019-07-01)
Atommasse (u): 150,36
Elektronegativität (Pauling): 1,17
Normalpotenzial (V; Sm3+ + 3 e ! Sm): 2,3
Atomradius (berechnet, pm): 185 (238)
Kovalenter Radius (pm): 198
Ionenradius (pm): 96
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f6
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 1. 545 ♦ 1070 ♦ 2260
Magnetische Volumensuszeptibilität: 1,2  103
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): — ♦ 15
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 900
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,06  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 48,7 ♦ 37,8 ♦ 19,5
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 412 ♦ 441
Kristallsystem: Trigonal
(>731  C: Hexagonal)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2130
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 7,54
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 19,98  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 13
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 29,54
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1072 ♦ 1345
Schmelzwärme (kJ/mol): 8,6
Siedepunkt ( C ♦ K): 1900 ♦ 2173
Verdampfungswärme (kJ/mol): 192
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 909

Oxidationsstufe ist, wie bei fast allen Lanthanoi- kline ist. Die Verbindung absorbiert stark Infra-
den, +3, jedoch tritt es auch als stark reduzierend rotlicht und wird daher in optischen Gläsern hier-
wirkendes Sm2+-Kation auf. Sm3+-Kationen fär- für eingesetzt.
ben wässrige Lösungen gelb. Mit Halogenen Samarium-III-sulfid (Sm2S3) ist ein graubrau-
reagiert es zum jeweiligen Trihalogenid, die ober- ner bis roter Feststoff mit Schmelzpunkt von
halb von einer Temperatur von 700  C mit Sama- 1720  C und der Dichte 5,81 g/cm3 (Janiak et al.
rium, Lithium oder Natrium zu den Dihalogeni- 2012, S. 346). Die Verbindung existiert in Gestalt
den reduziert werden können (Meyer und Schleid zweier verschiedener Kristallmodifikationen, von
1986). denen bei Raumtemperatur die orthorhombische
Beim Abkühlen auf eine Temperatur von Struktur die stabilere ist. Man gewinnt Samarium-
258,55  C (14,6 K) wird Samarium antiferro- III-sulfid durch Überleiten von Schwefelwasser-
magnetisch (Lock 1957; Haire et al. 1983). Ein- stoff über erhitztes Samarium-III-oxid (Brauer
zelne Samariumatome können in einer festen 1975b, S. 1098) oder durch Erhitzen von Sama-
Fullerenmatrix eingeschlossen werden, worauf rium mit Schwefel unter Vakuum.
Samarium unterhalb einer Temperatur von 8 K Samarium-III-tellurid (Sm2Te3) ist ein kristal-
supraleitfähig wird (Chen und Roth 1995). lines, graues Pulver der Dichte 7,3 g/cm3, das man
in Halbleitern einsetzt.
Verbindungen Ein- oder Polykristalle von Samariummono-
Chalkogenverbindungen Das gelbe Samarium- chalkogeniden (SmX, X=S, Se, Te) erhält man
III-oxid (Sm2O3) (s. Abb. 44) schmilzt bei einer durch Reaktion des Metalls mit dem Dampf des
Temperatur von 2325  C, hat die Dichte jeweiligen Chalkogens (Schwefel, Selen, Tellur)
8,35 g/cm3 und wird am einfachsten durch Ver- bei hoher Temperatur (Maines et al. 1970). Durch
brennen von Samarium an Luft gewonnen, alter- Sputtern, beispielsweise mittels eines Elektronen-
nativ auch durch Erhitzen von Samariumoxalat strahls, können Teile des Materials verdampft und
oder -carbonat auf Temperaturen um 700  C an anderer Stelle in Form eines dünnen, halblei-
(Meyer und Morss 1991). In Form von Nanopar- tenden Filmes wieder niedergeschlagen werden
tikeln ist es durch Umsetzung von Samariumhy- (Morinaga et al. 2003). Eine andere Methode zur
drid mit Sauerstoff erhältlich; diese setzt man in Erzeugung dieser dünnen Filme ist das Bombar-
Mengen einiger 100 t/a als Katalysator für chemi- dieren von Samariumtargets mit Elektronen in
sche Synthesen, wie die Oxidation aliphatischer einer mit Chalkogenwasserstoff gesättigten At-
primärer Alkohole zu ihren Aldehyden, ein (Di- mosphäre (H2S, H2Se, H2Te) (Van der Kolk
rote 2004, S. 114; Emsley 2003, S. 372; Perry et al. 2010).
2011, S. 355). Die Verbindungen sind alle schwarze, halblei-
Samarium-III-oxid ist kaum löslich in Wasser tende Feststoffe mit kubischer Kochsalzstruktur
und tritt in Form zweier Modifikationen auf, von und Bandlücken von 0,15, 0,45 bzw. 0,65 eV in
denen die kubische Struktur stabiler als die mono- SmS, SmSe bzw. SmTe, jeweils bei einem Druck
von 0 bar gemessen (Buschow 2005). Einwirkung
äußeren Drucks lässt sie in die jeweiligen Modi-
fikationen mit metallischen Eigenschaften über-
gehen. Der Übergang erfolgt für SmTe bei 60 kbar,
für SmSe bei 45 kbar und bei SmS bereits ab
6,5 kbar. (Allerdings tritt bei SmS etwa der Über-
gang zur „wirklichen“ metallischen Form erst
oberhalb eines Druckes von 20 kbar auf, da dann
die vorher paramagnetische Substanz magnetisch
wird). Diese Umwandlungen treten deutlich zu-
tage, so ändert sich unter anderem die Farbe
Abb. 44 Samarium-III-oxid (Onyxmet 2018) beim Polieren und Kratzen von Schwarz sprung-
910 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

haft auf Goldgelb. Dabei ändert sich aber die Hexahydrat dagegen ist gelb, kristallisiert mono-
Kristallstruktur nicht, nur das Volumen der Ele- klin und gibt beim Erhitzen auf Temperaturen
mentarzelle nimmt deutlich ab. Der ganze Vor- oberhalb von 100  C das Kristallwasser voll-
gang ist für alle genannten Verbindungen rever- ständig ab. Die Schmelzflusselektrolyse einer
sibel, allerdings mit einer Hysterese verbunden, Mischung von Samarium-III-chlorid und Natri-
So geht „metallisches“ SmS zum Beispiel erst umchlorid ergibt reines Samarium. Gelegentlich
beim niedrigen Druck von ca. 0,5 kbar wieder in dient die Verbindung als Katalysator für Cyclisie-
die halbmetallische Form über. Eine Tempera- rungen (Schmittel und Strittmatter 1998) oder für
turerhöhung auf 200  C oder Bestrahlung mit die Polymerisation von Olefin (Miyatake und Ta-
Laserlicht (De Tomasi 2002) bewirkt dasselbe. kaoki 2009).
Diese Änderung des elektrischen Widerstands Auch ein dunkelbraunes, bei etwa 850  C
nutzt man in Drucksensoren (Elmegreen et al. schmelzendes Samarium-II-chlorid (SmCl2) ist
2008). Mäßig starkes Erhitzen erhöht die Leit- bekannt. Die Herstellung erfolgt analog zum
fähigkeit des Halbleiters enorm, so dass die unten beschriebenen Verfahren zur Darstellung
Samariummonochalkogenide in thermoelektrischen des Dibromids.
Energiewandlern eingesetzt werden (Golubkov Das bei einer Temperatur von 669  C schmel-
et al. 2002), ebenso in reversiblen elektrischen zende, rotbraune, im Blei-II-chlorid-Typ kristalli-
Speichern hoher Energiedichte (Sterzel 2014). sierende Samarium-II-bromid (SmBr2) erhält man
Halogenverbindungen Samarium-III-fluorid durch Reduktion von Samarium-III-bromid mit
(SmF3) ist ein gelblichweißes Pulver (s. Abb. 45) metallischem Samarium bei Temperaturen ober-
und schmilzt in wasserfreier Form bei einer halb von 800  C im Vakuum (Brauer 1975b,
Temperatur von 1306  C. Man erhält es auf ein- S. 1081). Die Verwendung von Wasserstoff als
fache Weise durch Reaktion von Fluorwasserstoff Reduktionsmittel funktioniert auch, allerdings
mit Samarium-III-oxid (Brauer 1975a, S. 254). sind Ausbeute und Reinheit des so erzeugten
Bei 25  C kristallisiert die Verbindung orthorhom- SmBr2 geringer (Procter et al. 2009). In guter Rein-
bisch, bei Temperaturen oberhalb von 495  C tri- heit ist es auch aus in Tetrahydrofuran gelösten
gonal (Gesland et al. 1998). Samarium-II-iodid und Lithiumbromid oder sogar
Samarium-III-chlorid (SmCl3) entsteht durch aus metallischem Samarium und 1,1,2,2-Tetrabro-
Auflösen von Samariummetall oder Samarium- methan darstellbar.
III-carbonat in Salzsäure. Die Verwendung tro- Ein elegantes, schon im Kapitel „Neodym“
ckenen Chlorwasserstoffs ergibt entsprechend erwähntes Verfahren, das auf die Herstellung der
das wasserfreie SmCl3, wie auch das Überleiten Dihalogenide der meisten Seltenerdmetalle an-
eines trockenen Chlorgasstroms über erhitztes wendbar ist, beinhaltet die Reaktion des Metalls
Samarium (Corbett und Druding 1961). Die gelb- (Ln) mit dem entsprechenden Ammmoniumhalo-
liche, hygroskopische Verbindung (s. Abb. 46) genid in flüssigem Ammoniak bei einer Tempera-
schmilzt bei 686  C, hat eine Dichte von 4,46 g/cm3
und kristallisiert in hexagonaler Struktur. Das

Abb. 45 Samarium-III-fluorid (Stanford Advanced Mate- Abb. 46 Samarium-III-chlorid (Stanford Advanced


rials 2018) Materials 2018)
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 911

tur von 78  C, wie folgende Summenformel findlich gegenüber Luftsauerstoff und Hydrolyse
wiedergibt: ist. Eine zu Beginn dunkelrote, klare Lösung der
Substanz in Wasser entfärbt sich innerhalb von
Ln þ 2 NH4 X ! LnX2 þ 2 NH3 þ H2
Minuten, es entwickelt sich Wasserstoff und es
fallen basische Iodide des Samarium-III aus
Zunächst entstehen bei dieser Methode Am-
der Lösung aus. Die Verbindung schmilzt bei
moniakaddukte der entsprechenden Dihalogeni-
einer Temperatur von 840  C unter Zersetzung
de, die aber beim Erhitzen auf 200  C im Vakuum
(Jantsch 1930) und ist nur durch Reduktion von
Ammoniak abspalten und in die reinen Dihaloge-
Samarium-III-iodid (SmI3) mit Wasserstoff bei
nide übergehen (Howell und Pytlewsky 1969).
etwa 750  C, durch Erhitzen auf 600  C, wobei
Diese sehr hygroskopischen Dihalogenide sind
Iod in einer evakuierten Kühlfalle aufgefangen
nur unter Ausschluss von Sauerstoff handhabbar.
wird, oder durch Umsetzung mit Samarium in
Samarium-II-bromid und auch das -II-iodid (siehe
stöchiometrischem Verhältnis herstellbar (Jantsch
unten) setzt man als Reduktionsmittel bei organi-
und Skalla 1930). Üblich ist jedoch mittlerweile
schen Synthesen ein. Vorteile sind trotz des hohen
die Darstellung aus 1,2-Diiodethan und Samarium
Preises, dass funktionelle Gruppen so gut wie nie
in absolutem Tetrahydrofuran und unter Schutz-
angegriffen bzw. verändert werden, und dass
gasatmosphäre (Kagan et al. 1980). Ebenfalls
das Sm2+-Ion mehrere Lewisbasen komplex bin-
möglich ist das Eintragen von Samariummetall
den kann. Grundlegende Arbeiten führte Kagan
in eine Lösung von Iod in Tetrahydrofuran. Da
bereits 1977 durch; das Anwendungsspektrum
diese Lösungen trotz aller Schutzmaßnahmen mit
wurde mittlerweile sehr breit und umfasst alle
der Zeit an aktivem SmI2 verarmen, sollten sie
Arten der Reduktion von Aldehyden und Keto-
immer frisch vor Gebrauch präpariert werden.
nen, beispielsweise zu cyclischen Alkoholen. Bei-
Schon lange verwendet man es in der organi-
spielhaft und stellvertretend seien hier die Arbei-
schen Synthese als Reduktionsmittel bei Dimerisie-
ten von Zörb (2010), Niermann (2012) und Kagan
rungen, Ringöffnungs- oder -schließungsreaktionen
(2003) einschließlich der in diesen zitierten Se-
(Soderquist 1991; Curran et al. 1992; Molander und
kundärliteratur genannt.
Harris 1996; Steel 2001; Yokoyama et al. 2007;
Das gelbe Samarium-III-bromid (SmBr3) ist
Chen et al. 2009; Procter et al. 2009).
wie das Chlorid hygroskopisch, schmilzt bei einer
Pnictogenverbindungen Samarium-III-nitrid
Temperatur von 640  C und kristallisiert im Gitter
(SmN) ist ein Halbleiter, dessen Struktur und
des Plutonium-III-bromids. In wasserfreier Form
elektronische Eigenschaften schon gut untersucht
ist es durch Reaktion der Elemente zugänglich,
und dokumentiert sind (Petit et al. 2005; Larson
das Hydrat durch Auflösen von Samarium oder
et al. 2007; Trodahl et al. 2008). Der dunkelgraue
Samariumcarbonat in Bromwasserstoffsäure
bis schwarze Festkörper hat die Dichte 7,35 g/cm3
(Brauer 1975b, S. 1080).
und wird auch in Form von Sputter-Targets verkauft
Samarium-II-iodid (SmI2) ist ein schwarzer bis
(Metallic Flex in Deutschland, Demaco in den Nie-
dunkelgrüner Feststoff (s. Abb. 47), der sehr emp-
derlanden oder von American Elements). Das
Erzeugen von Beschichtungen mit Samariumnitrid,
aber auch allen anderen Seltenerdmetallnitriden
wurde von Azimi et al. 2013b beschrieben. Im
kubisch-einfach koordinierten Kristallgitter der
Verbindung liegen sowohl ferro- als auch antifer-
romagnetische Zustände vor. Aufgrund der Lage
der Energiebänder und der Elektronendichte in
den jeweiligen Zuständen wird halbmetallisches
Verhalten für den ferromagnetischen Zustand und
metallisches in den antiferromagnetischen Zu-
Abb. 47 Samarium-II-iodid (Onyxmet 2011) ständen I und III erwartet (Som et al. 2018).
912 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Samarium-III-phosphid (SmP) ist wie die von Ladungsträgern möglich ist (topologischer
Phosphide der anderen Lanthanoiden ein Halb- oder Kondo-Isolator, Fisk et al. 2014; Li et al.
leiter, kann aber auch auf klassische Art zum 2014). Da Samarium und vor allem Bor einen
Tönen von Glas verwendet werden (Varanasi hohen Einfangquerschnitt für thermische Neutro-
et al. 1998). Auch Samarium-III-arsenid (SmAs) nen haben, verwendet man Samariumhexaborid in
und -antimonid (SmSb), die man durch Reaktion Atomreaktoren auch als Steuermaterial (Pöttgen
der Elemente unter Schutzgas erhält, kommen in und Johrendt 2014).
einigen Anwendungen als Halbleiter zum Ein- Samarium-III-sulfat [Sm2(SO4)3] tritt als Octahyd-
satz. rat in Form gelber Kristalle der Dichte 2,93 g/cm3 auf
Sonstige Verbindungen Samariumcarbid (s. Abb. 49).
(SmC2) ist ein kristalliner Feststoff der Dichte Samarium bildet, legiert mit Cobalt zwei starke
5,86 g/cm3, das in Wasser und Säuren unter Permanentmagnete, SmCo5 (ohne weitere Metall-
Bildung von Samarium-III-verbindungen und zusätze) und Sm2Co17 (mit Eisen, Kupfer und Zir-
Ethin (Acetylen) löslich ist. Samariumdisilicid konium als zusätzlichen Bestandteilen der Legie-
(SmSi2) ist ebenfalls empfindlich gegenüber wäss- rung). SmCo5 wurde vor bereits ca. 50 Jahren
rigen Medien. Beide Verbindungen sind Halblei- entwickelt und später dann in Gestalt von Sm2Co17
ter und werden zu technischen Zwecken gerne, verbessert. Diese beiden Legierungen waren bis
auch vereinigt mit ähnlichen Substanzen, als Kom- zur Darstellung der aus Bor, Neodym und Eisen
positschicht epitaktisch auf einen Träger, etwa Sili- bestehenden Supermagnet-Legierung diejenigen
cium, aufgedampft. Werkstoffe mit den höchsten magnetischen Ener-
Samariumhexaborid (SmB6) erzeugt man durch giedichten (bis zu 250 kJ/m3) und zugleich hohen
Reaktion von Samarium-III-chlorid oder -oxid mit Curie-Temperaturen (bis ca. 800  C), Einsetzbar
einer Mischung aus Bor-III-oxid (B2O3) und sind sie allerdings nur bis 250  C (SmCo5) und bis
Magnesium oder mit Natriumborhydrid (Duman ca. 500  C (einzelne Sm2Co17-Legierungen); au-
2015; Tegus 2015). Alternativ funktioniert auch ßerdem sind sie sehr spröde.
die Reduktion von Samarium-III-oxid mit Bor, Vorteile gegenüber den neueren Neodym-Bor-
Borcarbid oder Gemischen aus Bor und Grafit: Eisen-Magneten haben sie durch ihre höhere Ener-
giedichte bei hohen Temperaturen, die bessere
Sm2 O3 þ 6 B2 O3 þ 21 Mg Beständigkeit gegenüber Korrosion und gegenüber
! 2 SmB6 þ 21 MgO
ionisierender Strahlung, ein Nachteil ist ihr deut-
lich höherer Preis. Die Herstellung erfolgt derart,
Das tiefblaue Pulver (Einkristalle s. Abb. 48) dass man die Bestandteile der Legierung in einem
hat einen sehr hohen Schmelzpunkt (2580  C) und Vakuuminduktionsofen schmilzt, sie dann schnell
die Dichte 5,07 g/cm3. Die Kristallstruktur ist abkühlt und zu Pulver (<10 μm) mahlt. Das so
kubisch einfach (vergleichbar zu Cäsiumchlorid); erhaltene einkristalline Pulver richtet man dann in
die Verbindung ist halbleitend (Misra 2007) und einem Magnetfeld aus, presst es zu einem Form-
nahezu unlöslich in Wasser. In der Kälte ist sie in
ihrem Inneren ein Isolator, wogegen an den äuße-
ren Oberflächen oder Kristallkanten ein Transport

Abb. 48 Einkristalle von Samariumhexaborid (SciTech


Daily 2012) Abb. 49 Samarium-III-sulfat (Autor unbekannt)
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 913

körper, der dann im Vakuum unter Schutzgas


durchgesintert wird. Diese abschließende Wärme- Patente
behandlung verleiht den Magneten ihre Koerzitiv- (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
feldstärke. Diese Magneten werden unter anderem wide.espacenet.com)
in rotierende elektrischen Maschinen, Pumpen oder
Sensoren eingebaut (Campbell 1996; Pyrhonen A. Polkovnikov und O. V. Andreev, Method
et al. 2009). of the technical ceramics production
from samarium monosulfide (Federalnoe
Anwendungen Samarium hat einen sehr hohen Gosudarstvennoe Avtonomnoe Obrazo-
Einfangquerschnitt für Neutronen. Daher setzt vatelnoe Uchrezhdenie Vysshego Obra-
man das Metall als Neutronen-Absorber in nukle- zovaniya Tyumenskij, RU 2674346 C1,
aren Anwendungen ein. In Kernreaktoren entsteht veröffentlicht 17. Dezember 2018)
unter anderem 14962Sm als Spaltprodukt und ist S. Okada und K. Takagi, Samarium-Iron-
folglich ein zwangsläufig entstehender Hemmer Nitrogen magnetic powder and method
einzelner Kernreaktionen. for producing same (AIST und TDK
Samariummetall wird auch in Kohle-Licht- Corp., WO 2018221512 A1, veröffent-
bogenlampen eingesetzt sowie in Calciumfluorid- licht 6. Dezember 2018)
Einkristallen für Maser und Laser. Q. Yang und Y. Ma, Method for preparing
Samarium-Kobalt-Permanentmagnete der Zu- samarium oxide by using plant precipita-
sammensetzung SmCo5 zeigen eine Koerzitiv- ting agent (Inner Mongolia University of
feldstärke von bis über 2000 kA/m und sind sehr Science and Technology; Baotou Research
stabil gegenüber Entmagnetisierung. Noch wirk- Institute of Rare Earths, CN 108557859 A,
samer ist die Legierung der Formel Sm2Co17. veröffentlicht 21. September 2018)
Diese Hochleistungsmagnete setzt man in di- C. Armstrong und M. W. Copel, Wet etching
versen Elektromotoren ein (Schrittmotoren für of samarium selenium for piezoelectric
Quarzuhren, Antriebsmotoren in Walkmen oder processing (IBM, US 2018233378 A1,
Diktiergeräten), Kopfhörern, Sensoren, Kupplun- veröffentlicht 16. August 2018)
gen in Rührwerken und Festplattenlaufwerken. X. Zhong, Preparation method of samarium
Das hellgelbe Samariumoxid setzt man op- cobalt permanent magnet (Mianyang De-
tischem Glas zur Absorption von Infrarotlicht hua Magnetic Materials Co., Ltd., CN
zu. Die anderen, ebenfalls meist gelben Sama- 108281245 A, veröffentlicht 13. Juli 2018)
riumverbindungen kann man, wie die der anderen J. F. Brazdil und S.-Y. Lin Sean, Improved
Seltenerdmetalle auch, zur Sensibilisierung von ammoxidation catalysts containing sama-
Leuchtphosphoren verwenden, wenn diese mit rium (Ineos Europe AG, TW 201728368,
Infrarotlicht bestrahlt werden. veröffentlicht 16. August 2017)
Samariumoxid katalysiert zudem die Hydrie- S. Okada und K. Suzuki, Samarium-Iron-
rung und Dehydrierung von Ethanol (Alkohol). Nitrogen alloy powder and method for
In der Medizin wird das Isotop 15362Sm in Form producing same (Nat. Inst. Advanced
eines mit einem Bisphosphonat gebildeten Kom- Ind. Science & Tech., WO 2017150557,
plexes zum Töten von Krebszellen in Knochen veröffentlicht 8. September 2017)
eingesetzt, in Verbindung mit Ethylendiamintetra- V. A. González et al., Bismuth and cobalt
(methylenphosphonsäure) (EDTMP) in der Nukle- doped samarium ferrite type material for
armedizin zur palliativen Therapie von Knochen- the formation of films and use as gas
und Skelettmetastasen (Shelley et al. 2005). sensors (Universidad Autónoma de Nue-
Für sehr spezielle organische Synthesen be- vo Leon, MX 2015017128, veröffent-
nutzt man Samarium-II-verbindungen als Reduk- licht 12. Juni 2017)
tionsmittel, z. B. für Pinakol-Kupplungen.
(Fortsetzung)
914 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

R. Petry et al., Phosphors (Merck Patent Eugène-Anatole Demarçay (* 1. Januar


GmbH, US 2017306223 A1 (veröffent- 1852 Paris; † 5. März 1903 Paris) studierte
licht 9. Oktober 2014) an der École Polytechnique und wurde dort
1880 promoviert. Er gilt als einer der Ent-
decker des Elements Europium, das er
zuerst spektroskopisch nachwies und 1901
6.10 Europium isolierte. Er assistierte Marie Curie bei eini-
gen Arbeiten zur Isolierung des Radiums
Geschichte Zuerst registrierte Crookes 1885 aus Pechblende (Demarçay 1898, 1899,
einen Hinweis auf ein möglicherweise neues, 1900) und arbeitete über natürliche und syn-
in Samarium-Yttriumerzen vorliegendes Ele- thetische Geruchsstoffe. Zudem untersuchte
ment in Form einer intensiven orangen Linie er das Verhalten von Gasen unter Druck bei
des Fluoreszenzspektrums dieses Mischerzes. tiefer Temperatur.
Er nannte diese Spektrallinie „anomal“ und ord-
nete dem diese verursachenden Element zun- Gewinnung Europium gewinnt man durch Sch-
ächst das Symbol Sδ (Crookes 1885). Diesen melzflusselektrolyse einer Mischung aus Eur-
Linien fügte De Boisbaudran einige Jahre später opium-III-chlorid und Natriumchlorid mit Gra-
drei weitere blaue hinzu, als er das Funkenspekt- fitelektroden. Dabei wird bei Bastnäsit als
rum de Samariums analysierte (de Boisbaudran Ausgangsmaterial zunächst das Cer in Form
1892). Darauf postulierte Demarçay nach der von Cer-IV-oxid abgetrennt und die verbleiben-
Überprüfung der UV-Spektren der benachbarten den Seltenen Erden in Salzsäure gelöst. Darauf-
Lanthanoiden die Existenz eines damals noch hin trennt man mit Hilfe einer Mischung von
unbekannten Elements zwischen Samarium und DEHPA [Di(2-ethylhexyl)phosphorsäure] und
Gadolinium (Demarçay 1896). Fünf Jahre später Kerosin in Flüssig-Flüssig-Extraktion Europium,
gelang ihm die Isolierung des neuen Elements Gadolinium und Samarium von den restlichen Sel-
durch fraktionierte Kristallisation der Samarium/ tenerdmetallen. Die Trennung dieser drei Elemente
Europium-Magnesium-Nitrat-Doppelsalze; er gab erfolgt über die Reduktion des Europiums zu Eu2+
ihm den Namen Europium (Demarçay 1901; Croo- und Fällung als schwerlösliches Europium-II-sulfat,
kes 1905). während die anderen Ionen in Lösung bleiben
(McGill 2012).
Metallisches Europium kann durch Reaktion
Sir William Crookes (* 17. Juni 1832 von Europium-III-oxid mit Lanthan oder Misch-
London; † 4. April 1919 London) war
metall gewonnen werden. Wird diese Reaktion im
neben anderen Tätigkeiten Naturwissen-
Vakuum durchgeführt, destilliert Europium ab
schaftler, der den Begriff Isotop als erster
und kann so von anderen Metallen und Verunrei-
definierte, das Thoriumisotop 23490Th nach-
nigungen getrennt werden.
wies, das Element Thallium entdeckte und
Methoden zum Nachweis radioaktiver
Strahlung ausarbeitete. Außerdem stellte er Eigenschaften Europium ist, wie alle anderen
Thesen zur Entstehung der Lumineszenz Lanthanoide, ein silberglänzendes duktiles Schwer-
auf und forschte auf dem Gebiet der Selten- metall. Es besitzt mit 5,245 g/cm3 eine ungewöhn-
erdmetalle. Mit 22 Jahren erhielt er sowohl lich niedrige Dichte, die wesentlich geringer als
eine Stelle als Meteorologe am Ratcliffe diejenige der im Periodensystem benachbarten Ele-
Observatorium in Oxford als auch die Beru- mente Samarium oder Gadolinium und ebenfalls
fung auf den Lehrstuhl für Chemie in Ches- geringer als die des Lanthans ist. Ähnliches gilt auch
ter. für den relativ niedrigen Schmelzpunkt von 826  C
und den Siedepunkt von 1527  C (Gadolinium:
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 915

Schmelzpunkt 1312  C, Siedepunkt 3250  C). Ursache hierfür ist die Elektronenkonfigura-
Diese Werte stechen aus der Gleichmäßigkeit der tion [Xe] 4f7 6s2 des Europiums. Durch die halb
ansonsten vorliegenden Lanthanoidenkontraktion gefüllte f-Schale stehen nur die zwei 6 s-Valenz-
hervor (s. Tab. 10). elektronen für die metallische Bindung zur Verfü-

Tab. 10 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Europium


Symbol: Eu
Ordnungszahl: 63
CAS-Nr.: 7440-53-1

Aussehen: Silbrig-weiß Europium (Metallium, Europium (Sicius


Farbe von Eu3+aq.: Farblos Inc. 2017) 2017)
Entdecker, Jahr: Demarçay (Frankreich), 1901
Wichtige Isotope [natürl. Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]:
151
63Eu (47,8) 1,7  1018 α > 14761Pm
153
63Eu (52,2) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China (Bayan-Obo-Mine),
USA, Rußland
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,1
Preis (US$), 99,9 % Reinheit 25 g (Brocken, 195 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): unter Mineralöl)
17 g (Walze, Ø 1,2 cm, 195 (2019-07-01)
in Ampulle):
Atommasse (u): 151,964
Elektronegativität (Pauling): 1,2
Normalpotenzial (V; Eu3+ + 3 e ! Eu): 1,99
Atomradius (berechnet, pm): 185 (231)
Kovalenter Radius (pm): 198
Ionenradius (pm): 95
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f7
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 547 ♦ 1085 ♦ 2404
Magnetische Volumensuszeptibilität: 0,013
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): — ♦ 91
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 4100
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,11  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 18,2 ♦ 8,3 ♦ 7,9
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 167 ♦ —
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 1900
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 5,245
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 28,97  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 13,9
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,66
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 826 ♦ 1099
Schmelzwärme (kJ/mol): 9,2
Siedepunkt ( C ♦ K): 1529 ♦ 1802
Verdampfungswärme (kJ/mol): 176
916 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

gung. Resultat sind geringere Bindungskräfte und von DEHPA [Di(2-ethylhexyl)phosphorsäure] und
ein deutlich größerer Atomradius. Vergleichbares Kerosin. So isoliert man Europium, Gadoli-
ist auch bei Ytterbium mit seiner vollständig nium und Samarium von den übrigen Metallen,
gefüllten 4f-Schale zu beobachten. Europium reduziert dann Europium zu Eu2+ und fällt dieses
kristallisiert unter Normalbedingungen kubisch- hiernach als schwer in Wasser lösliches Europi-
raumzentriert (Barrett 1956). Von Drücken von um-II-sulfat (EuSO4), wogegen Sm3+ und Gd3+ in
80 GPa ab aufwärts und unterhalb einer Tempera- Lösung bleiben (McGill 2012). Dieses Europium-
tur von 271,35  C (1,8 K) wird es supraleitend II-sulfat trennt man ab und bringt es wieder in
(Shimizu et al. 2009), da sich dann auch die Struk- Lösung, fällt Eu2+ dann als schwer lösliches Oxa-
tur des Kristallgitters deutlich ändert. lat [Eu2(C2O4)3  10 H2O] und glüht jenes zu
Europium ist ein unedles Metall und reagiert Europium-III-oxid (Eu2O3).
schnell mit vielen Nichtmetallen. Es ist das reak- Europium-III-oxid (Eu2O3) ist ein weißer bis
tivste der Lanthanoide, nahezu vergleichbar mit leicht rosafarbener, basisch reagierender, hygro-
Erdalkalimetallen. Wird es auf 180  C erhitzt, skopischer Feststoff (s. Abb. 50a, b), der bei einer
entzündet es sich an der Luft spontan und ver- Temperatur von 2291  C schmilzt (Siedepunkt
brennt zu Europium-III-oxid (Emsley 2001). der Schmelze: 4118  C) und eine Dichte von
Auch mit den Halogenen Fluor, Chlor, Brom 7,42 g/cm3 aufweist. Die Verbindung kristallisiert
und Jod reagiert Europium zu den Trihalogeniden. monoklin und fluoresziert bei Bestrahlung mit
Europium löst sich in Wasser langsam, in war- UV-Licht rot; dies nutzt man zur Kennzeichnung
mem Wasser sowie in Säuren schnell unter Bil- von Banknoten (Adachi et al. 2004).
dung von Wasserstoff und des farblosen Eu3+ Europium-II-oxid (EuO) stellt man durch Umset-
-Ions. Das ebenfalls farblose Eu2+ -Ion lässt sich zung von Europium-III-oxid mit Europium bei
durch elektrolytische Reduktion an Kathoden in 800  C her; überschüssiges Europiummetall wird
wässriger Lösung gewinnen. In der Gruppe der im Vakuum abdestilliert (Shafer 1965). Oder aber
Seltenerdmetalle ist es ist das einzige Kation der man reduziert basisches Europiumchlorid mit Li-
Oxidationsstufe +2, das in wässriger Lösung sta- thiumhydrid (Brauer 1978, S. 1092). Der violette
bil gegenüber der Oxidation zu Ln3+ ist. Halbleiter besitzt eine relativ geringe Bandlücke von
1,12 eV und wird meist als extrem dünner Film
Verbindungen mittels physikalischer Abscheidung aus der Gas-
Chalkogenverbindungen Im Zuge der Aufarbei- phase epitaktisch auf feste Substrate aufgetragen
tung der Lanthanoidenerze, die mit dem Auf- (Sutarto et al. 2009; Altendorf et al. 2011). Die
schluss von Monazit oder Bastnäsit mit Schwe- Verbindung ist violett, kristallisiert kubisch in der
felsäure oder Natronlauge begann, setzt man zur Kochsalzstruktur und ist sehr empfindlich gegen-
Herstellung von Europium ein Verfahren auf über Wasser und Luftsauerstoff, durch die es zügig
Grundlage von Flüssig-Flüssig-Extraktion und in Europium-III-hydroxid überführt wird. Bis hinauf
einer Reduktion von Eu3+ zu Eu2+ ein. Nach der zu einer Temperatur von ca. 203  C ist Europium-
Abtrennung des Cers als Cer-IV-oxid löst man die II-oxid ferromagnetisch; Dotierungen mit Ionen
restlichen Seltenerdmetalle in Salzsäure und exta- weiterer Seltenerdmetalle heben die Curie-Tem-
hiert dann diese Lösung mittels einer Mischung peratur weiter an. Der Spinfilter-Effekt auf Elektro-

Abb. 50 a Europium-III-
oxid Sputtertarget (QS
Advanced Materials 2018).
b: Europium-III-oxid
(Stanford Advanced
Materials 2018)
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 917

nen, der von Europium-II-oxid ausgeübt wird, und wurde (Kim et al. 2016). Die so dargestellten Kris-
daraus abgeleitete potenzielle Anwendungen sind talle zeigten intensive Fluoreszenz und starken
derzeit Gegenstand von Forschungsarbeiten (Santos Magnetismus. Die Eignung zur Behandlung von
2007; Caspers et al. 2011). Krebs wird zur Zeit untersucht. Dies ist eine der
Das schwarze, an trockener Luft beständige ersten biogenen Synthesen von Nanokristallen.
Europium-II-sulfid (EuS) wird durch Reaktion Europium-II-tellurid (EuTe) gewinnt man
von Europium und Schwefel dargestellt (I), alter- durch Erhitzen einer Schmelze der Elemente auf
nativ ist es durch Überleiten von Schwefelwasser- Temperaturen von 500  C und höher (Brauer
stoff über Europium-III-oxid oder -oxalat ober- 1975b, S. 1102). Ebenso möglich ist die Einwir-
halb von 1000  C zugänglich (II) (Brauer 1975b, kung überschüssigen Tellurs auf Europium-II-
S. 1098; Pink 1969): oxid bzw. -oxalat oberhalb von 600  C oder das
Erhitzen einer Mischung von Europium-II-hydrid
(I) und Tellur im Wasserstoffstrom. Der schwarze
Eu þ S ! EuS antiferromagnetische Feststoff (Coey 2010; Szy-
tula und Leciejewicz 1994) hat die Dichte 6,48 g/
(II) cm3, schmilzt bei einer Temperatur von 1526  C
Eu2 O3 þ 3 H2 S ! 2 EuS þ 3 H2 O þ S und kristallisiert ebenfalls kubisch in der Kristall-
struktur des Natriumchlorids.
Halogenverbindungen Europium-III-fluorid
Die Verbindung hat die Dichte 5,7 g/cm3, kris- (EuF3) erhält man durch Umsetzung von Eu-
tallisiert kubisch im Kochsalzgitter und ist wie ropium-III-oxid mit Fluorwasserstoff (Brauer
andere Monochalkogenide der Seltenerdmetalle 1975a, S. 254), es ist ein weißer Feststoff
ein Halbleiter (Macintyre 1992, S. 3125). Wäh- (s. Abb. 51), der bei 1390  C schmilzt (Siede-
rend es in Wasser praktisch unlöslich ist, löst es punkt der Schmelze: 2280  C) und kaum löslich
sich in Säuren unter Entwicklung von Schwefel- in Wasser ist. Unter Normalbedingungen kristal-
wasserstoff. Feuchte Luft oxidiert es langsam zu lisiert die Verbindung orthorhombisch, oberhalb
basischem Sulfat. einer Temperatur von 647  C trigonal. Man
Verzerrungen der Struktur des Kristallgitters verwendet Europium-III-fluorid zur Produktion
verursachen auch bei Europium-II-selenid (EuSe) fluoridhaltiger Gläser.
lokal unterschiedliche Spinkonfigurationen (Callen Europium-III-chlorid (EuCl3) stellt man zweck-
und De Moura 1978). Der schwarze Halbleiter hat mäßig aus den Elementen her. Die wasserfreie
eine Dichte von 6,45 g/cm3 und wird ebenfalls als gelbliche Verbindung (s. Abb. 52) ist stark hygro-
Sputtertarget für die epitaktische Gasphasenab- skopisch, hat die Dichte 4,89 g/cm3, kristallisiert
scheidung verwendet. Nanoteilchen des Materials hexagonal und schmilzt bei 850  C unter Zerset-
mit einer Partikelgröße von 11–20 nm erzeugten zung zu Chlor und Europium-II-chlorid (Kuznet-
Hasegawa et al. 2008; sie konnten die Existenz sov und Gaune-Escard 2001).
von Fehlstellen (Europium-Defekten) im Kristallgit-
ter mittels Röntgenstrahldiffraktometrie, Transmis-
sionselektronenspektroskopie, ICP-AAS und Rönt-
genspektroskopie nachweisen. Die Magnitude des
Faraday-Effektes für einzelne Teilchen war erheb-
lich größer als dies für Bulk-Kristalle von EuSe oder
auch EuS gemessen wurde. Kürzlich erzeugte man
unter Einwirkung rekombinierender Zellen von
Escherichia coli und in Gegenwart von metall-
bindenden Eiweißen, Phytochelatinsynthase und
Metallthionin Nanopartikel der Verbindung, wie Abb. 51 Europium-III-fluorid (Stanford Advanced Mate-
durch geeignete Analyseverfahren nachgewiesen rials 2017)
918 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

kann (Brauer 1975b, S. 1081). Der weiße, hygro-


skopische Feststoff schmilzt bei einer Temperatur
von 683  C. Da die Verbindung empfindlich
gegenüber Wasser und Luft ist, muss man sie
unter Schutzgas aufbewahren. Europium-II-bro-
mid besitzt eine orthorhombische Kristallstruktur
vom Strontiumbromid-Typ.
Das hygroskopische Nonahydrat des Europi-
um-III-iodids (EuI3) bildet farblose Nadeln und
zersetzt sich namentlich beim Erwärmen leicht
Abb. 52 Europium-III-chlorid (Walkerma 2005)
in Iod und Europium-II-iodid (Brauer 1975b,
S. 1079).
Man verwendet Europium-III-chlorid haupt- Europium-II-iodid (EuI2) ist durch Reduktion
sächlich zur Darstellung anderer Verbindungen von Europium-III-iodid mit Wasserstoff bei
des Europiums. Temperaturen von 350  C zugänglich, alternativ
Europium-II-chlorid (EuCl2) erhält man in funktioniert auch die thermische Zersetzung von
wasserfreier Form durch Reduktion von Europi- Europium-III-iodid bei erhöhter Temperatur, das
um-III-chlorid mit Wasserstoff (Rossmanith 1979) Erwärmen eines Gemisches von Europium mit
oder Lithiumnaphthalenid (Brauer 1978, S. 1093). Quecksilber-II-iodid, die direkte Umsetzung der
Sein Dihydrat ist beispielsweise durch Reduktion Elemente oder die Reaktion von Europium mit
von Europium-III-oxid in salzsaurer Lösung mit Ammoniumiodid in flüssigem Ammoniak bei
Zink zugänglich. Der wasserfreie, weiß bis blass- 78  C (Brauer 1975b, S. 1081). Der weiße,
rosa gefärbte Feststoff schmilzt bei 757  C (Siede- monoklin kristallisierende Feststoff (Börnighau-
punkt der Schmelze oberhalb von 2000  C), hat sen 1961) schmilzt bei einer Temperatur von
eine Dichte von 4,86 g/cm3 und kristallisiert bei 510  C und weist eine Dichte von 5,50 g/cm3
Raumtemperatur orthorhombisch, bei hoher Tem- auf. Die Substanz ist sehr hygroskopisch und
peratur mit kubischer Struktur (Blachnik 1998, luftempfindlich (Wiecko 2008; Gschneidner
S. 446). Das wasserfreie Salz, aber vor allem sein 2009). Mit Wasser zersetzt sie sich schnell. Bei
Dihydrat sind sehr luftempfindlich. tiefen Temperaturen existiert auch eine Modifi-
Europium-III-bromid (EuBr3) ist durch Lösen kation orthorhombischer Struktur (Krings et al.
von Europium in Bromwasserstoffsäure in seiner 2009).
hydratisierten Form zugänglich; diese kann man Pnictogenverbindungen Das schwarzgraue Euro-
durch Erhitzen mit Ammoniumbromid in die was- pium-III-nitrid (EuN) (s. Abb. 53) ist ein Halbleiter
serfreie Form überführen, die bei einer Tempera- und enthält auch nicht-magnetisches Eu3+. Unterstö-
tur von 702  C schmilzt (Brauer 1975b, S. 1077). chiometrisches EuN enthält Eu in einer Mischung
Der hellgraue, hygroskopische Feststoff kristalli- aus Eu2+ und Eu3+. Erreicht die Konzentration von
siert mit orthorhombischer Elementarzelle in einer Eu2+ etwa 20 %, so wird EuN unterhalb der Curie-
Art Schichtgitter (Haynes 2012, S. 63). Temperatur von 153  C (120 K) ferromagnetisch
Die Darstellung von Europium-II-bromid (EuBr2) (Le Binh et al. 2013). Die Verbindung geht nicht nur
ist entsprechend durch Reduktion von Europium- in die Elektronikindustrie, sondern auch in lumi-
III-bromid mit Wasserstoff bei 350  C oder durch neszierende Komposite auf Basis von Nitriden der
thermische Zersetzung des Tribromids bei 200  C Seltenerdmetalle.
möglich. Auch die Reaktion von Europium mit Europium-III-nitrid ist durch Überleiten eines
Ammoniumbromid in flüssigem Ammoniak bei Ammoniakstroms über erhitztes Europium bei
78  C liefert das gewünschte Produkt, wobei ca. 600  C herstellbar (Suehiro et al. 2005). Es
man das dabei zunächst erhaltene erhaltene wird zur Zeit in Reinheitsgraden bis zu 99,9 %
Ammoniakat des Europium-II-bromids durch angeboten, ist hochschmelzend, aber auch hydro-
Erhitzen auf 200  C im Hochvakuum abbauen lyseempfindlich.
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 919

Europiumhexaborid (EuB6) ist ein grauer, har-


ter, ebenfalls hochschmelzender Feststoff, der gele-
gentlich in technische Keramiken eingearbeitet
wird. Man kann ihn durch Zusammenschmelzen
von Europium mit Bor in stöchiometrischem Ver-
hältnis herstellen. Vor einigen Jahren gelang seine
Darstellung in einer aus Europium-II-chlorid,
Natriumchlorid, Kaliumchlorid, Natriumfluorid
und Kaliumtetrafluoroborat bestehenden Schmelze
Abb. 53 Europiumnitrid (Last News 24 2018) (Bukatova et al. 2003). Die Verbindung kann
neben anderen Seltenerdmetallboriden als Infrarot-
adsorber in lasermarkierbaren oder -schweißbaren
Es gibt verschiedene Europiumphosphide (EuP,
Polymeren eingesetzt werden (Kieser et al. 2006).
Eu3P4), die meist schwarz und sehr empfindlich
Europium-III-sulfat [Eu2(SO4)3] schmilzt bei
gegenüber Hydrolyse sind. Eu3P4 ist parama-
einer Temperatur von 375  C unter Zersetzung und
gnetisch und unterhalb einer Temperatur von
hat die Dichte 4,99 g/cm3 (wasserfreies Salz). Sein
254  C (19 K) ferromagnetisch (von Schnering
Octahydrat bildet blassrosafarbene Kristalle, die
et al. 1984). EuP stellt man durch Auflösen von
unter Bestrahlung mit energiereichem UV-Licht
Europium in flüssigem Ammiak, Durchleiten von
intensiv rot fluoreszieren (s. Abb. 54).
Monophosphan (PH3) durch die Lösung, wobei
Europium-II-sulfat (EuSO4) stellt man mit Hilfe
ein dunkelgrüner Komplex aus Eu mit PH3 und
von zinkamalgamhaltigem Sand her, den man zu
NH3 [Eu(PH2)2  5 NH3] ausfällt. Nach dessen
einer salzsauren, in einem Jones-Reduktor befindli-
Abtrennung setzt man ihn Unterdruck aus, wobei
chen Lösung von Europium-III-chlorid gibt. Diese
zuerst Ammoniak und dann Phosphan
wird dann mittels einer Druckbefüllung des Reduk-
2 EuðPH2 Þ2 ! 2 EuP þ 2 PH3 þ H2 tors mit Kohlendioxid ohne weiteren Luftkontakt in
eine mit verdünnter Schwefelsäure gefüllte Vorlage
abgespalten werden (Pytlewski und Howell 1967). abgelassen. Wie die Erdalkalisulfate ist auch das
Die Farbe der Verbindung geht innerhalb von weiße Europium-II-sulfat schwer in Wasser löslich;
30 min in schwarz über, der Eigenfarbe des halb- nach dem Abfiltrieren und Waschen erhält man ein
leitenden EuP. kaum luftempfindliches Produkt.
Die berechneten Standardbildungsenthalpien
der Phosphide relativ zu EuP zeigen die hohe Anwendungen Europium und seine Verbindun-
Stabilität von ß-EuP3 und EuP7 sowie die Instabi- gen, vor allem Europium-III-oxid, setzt man haupt-
lität von EuP2 (Von Schnering et al. 1984a, b). sächlich als Dotierungsmittel zur Produktion fluo-
Europium-III-arsenid (EuAs) ist ein kristalliner reszierender Stoffe ein, oft in Bildschirmen für
Feststoff, der in der Elektronikindustrie als Halb- Kathodenstrahlröhren. In diesen Leuchtstoffen
leiter sowie in photooptischen Anwendungen ein- sind Verbindungen des zwei- und dreiwertigem
gesetzt wird. Die Verbindung ist in Reinheiten bis Europiums enthalten. In roten Leuchtstoffen ist
5N erhältlich. Auch gemischte Arsenide, die Eu2+ meist mit Europium dotiertes Yttriumoxid (Y2O3)
und Eu3+ enthalten (Eu5As3), wurden dargestellt verarbeitet, Eu2+ ist der blaue Leuchtstoff in Matrices
(Wang et al. 1978). aus Strontiumchlorophosphat [Sr5(PO4)3Cl] oder
Sonstige Verbindungen Das bei hoher Temperatur Bariummagnesiumaluminat (BaMgAl11O17, BAM)
schmelzende Europiumcarbid (EuC2) ist ein wasser- (Hänninen und Härmä 2011). In Plasmabild-
empfindlicher, kristalliner Feststoff, der in kleinen schirmen wandelt Eu2+/Eu3+ die vom Edelga-
Mengen Hochleistungskeramiken zugesetzt wird. splasma ausgesandte UV-Strahlung in sichtbares
Europiumdisilicid (EuSi2) hat sich bei der Herstel- Licht um.
lung von Halbleitern als idealer Kontakt bzw. Ersatz Zur Herstellung von Quecksilberhochdruck-
für Silicium erwiesen (Averyanov et al. 2016). lampen bringt man europiumdotiertes Yttriumva-
920 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 54 Europium-III-
sulfat, auf dem rechten Bild
ist die intensiv rotviolette
Fluoreszenz nach
Bestrahlung mit
kurzwelligem UV-Licht zu
sehen (Unbekannt)

nadat auf das Glas auf, um das Licht möglichst


natürlich erscheinen zu lassen (Enghag 2008). method and uses thereof (University of
Diese von Europiumionen verursachte Fluores- Shanghai, CN 108585853 A, veröffent-
zenz dient auch zur Prüfung von Euro-Banknoten licht 28. September 2018)
auf Echtheit. Sie kann auch in der Fluoreszenzspek- J. Li und H. He, Europium ion-doped car-
troskopie ausgenutzt werden. Komplexe des Euro- bon quantum dot and preparation method
piums reagieren an der gewünschten Stelle mit thereof (University of Technology Cheng-
bestimmten Proteinen. Werden diese Addukte mit du, CN 108179009 A, veröffentlicht 19.
UV-Licht bestrahlt, emittieren sie Fluoreszenzlicht Juni 2018)
(Rost 1995). T.-C. Wu und H.-J. Shy, Method of remo-
Europium ist in Russland und den GUS-Staaten ving yttrium from yttrium-containing
wegen seines hohen Einfangquerschnitts für Neu- europium oxide (National Chung Shan
tronen bereits seit langem Bestandteil von Steuer- Institute of Science and Technology, US
stäben für Kernreaktoren (Dorofeev et al. 2002). 2018162741 A1, veröffentlicht 14. Juni
2018)
K. L. Wong und H. Li, Lanthanide toolbox for
Patente organelle specific molecular imaging (Uni-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world versity of Hongkong, US 2017342090 A1,
wide.espacenet.com) veröffentlicht 30. November 2017)
W. E. Cohen et al., Phosphor compositions
Y. Liu und H. Cao, Liquid metal thermal and lighting apparatus thereof (General
interfacematerial with melt-back property Electric, MX 2017007590 A, veröffent-
and preparation method thereof (Ningbo licht 19. Oktober 2017)
Syrnma Metal Materials Co., Ltd., EP X. Mathew und N. R. Mathews, Photon con-
3431621, veröffentlicht 23. Januar 2019) verter coating for improving solar cell effi-
R. Petry und T. Juestel, Europium or sama- ciency and the process for manufacturing
rium-doped terbium molybdates (Merck the same (Universidad Nacional Autó-
Patent GmbH, SG 10201807889Q A, ver- noma de México, MX 2016001588, ver-
öffentlicht 30. Oktober 2018) öffentlicht 3. August 2017)
Y. B. Shin und K. S. Park, Immunochroma-
tographic strip comprising fullerene-
europium complex and its use (Bionano 6.11 Gadolinium
Health Guard Research Center; Genbo-
dy Inc., KR 20180117887, veröffentlicht Geschichte De Marignac entdeckte Gadolinium
30. Oktober 2018) 1880, als er die Löslichkeit von Samarskit in Lösun-
H. Feng und L. Zhuang, Europium-doped gen von Kaliumsulfat überprüfte und mehrere Frak-
scandium oxide scintillator, preparation tionen erhielt. Bei deren spektroskopischer Untersu-
chung zeigten sich im Absorptionsspektrum die
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 921

Spektrallinien eines noch unbekannten Elements, Reduktion zu Eu2+ leicht zu separieren; man kann
das er zuerst Yα nannte. Dessen Existenz wurde es dann als schwerlösliches Europium-II-sulfat aus-
einige Jahre später durch Crookes und de Boisbau- fällen und abfiltrieren. Die Flüssig-flüssig-
dran bestätigt, worauf De Boisbaudran und De Extraktion wird danach erneut eingesetzt, bis Gado-
Marignac dieses Gadolinium nannten. 1935 stellte linium in hoher Reinheit von den anderen Ionen
Trombe Gadolinium durch Schmelzflusselektrolyse getrennt ist (McGill 2012; Brown und Sherrington
einer aus Gadolinium-III-chlorid, Kalium- und 1979).
Lithiumchlorid bestehenden Mischung her (Trombe Die Gewinnung elementaren Gadoliniums ist
1935) und wies zusammen mit Urbain und Weiss durch Reaktion von Gadolinium-III-fluorid mit
auch den Ferromagnetismus des Gadoliniums nach Calcium möglich (Trombe 1935):
(Urbain et al. 1935).
2 GdF3 þ 3 Ca ! 2 Gd þ 3 CaF2

Félix Trombe (* 19. März 1906 Nogent- Eigenschaften Das silbrigweiß bis grauweiß
sur-Marne; † 1985 Ganties) war ein franzö- glänzende Gadolinium ist duktil und schmiedbar.
sischer Chemiker und Ingenieur. Er war Es ist neben Dysprosium, Holmium, Erbium,
Wegbereiter der Nutzung von Sonnenlicht Terbium und Thulium eines der Lanthanoide,
zur Gewinnung von Energie in Kraftwer- das Ferromagnetismus besitzt (Urbain et al.
ken. 1935; s. Tab. 11). Mit einer Curie-Temperatur von
292,5 K (19,3  C) weist es die höchste Curie-
Georges Urbain (* 12. April 1872 Paris; †
Temperatur aller Lanthanoide auf, nur Eisen, Kobalt
5. November 1938 Paris) studierte Chemie
an der Pariser Sorbonne, promovierte 1899 und Nickel haben höhere (Jackson 2000a, b; Rau
und hatte danach bis zu seinem Tod einen und Eichner 1986). Gadolinium hat mit 49.000 barn
Lehrstuhl in Paris inne. Sein wichtigstes wegen des in ihm mit ca. 15 % enthaltenen Isotops
157
Forschungsgebiet waren die Lanthanoide; er 64Gd (254.000 barn) den höchsten Einfangquer-
untersuchte deren Gemische vor allem spek- schnitt für thermische Neutronen aller bekannten
troskopisch. Ihm gelang die Isolierung von stabilen Elemente.
Lutetium und Gadolinium. Urbain gründete In trockener Luft ist Gadolinium relativ bestän-
1919 die Société des Terres Rares, wurde dig, in feuchter Luft bildet es eine nichtschützen-
1921 in die Wissenschaftliche Akademie de, lose anhaftende und abblätternde Oxidschicht
Frankreichs und 1925 als Korrespondenzmit- aus. Mit Wasser reagiert es langsam unter Ent-
glied in die Russlands aufgenommen. wicklung von Wasserstoff. In verdünnten Säuren
löst es sich auf.
Gewinnung Prinzipiell setzt man, wie für die
meisten anderen Seltenerdmetalle auch, neben Verbindungen
Ionenaustausch vor allem die Flüssig-Flüssig- Chalkogenverbindungen Gadolinium-III-oxid
Extraktion zur Gewinnung des reinen Elements (Gd2O3) schmilzt bei Temperaturen oberhalb
ein. Als Ausgangsmaterial im Falle des Gadoli- von 1900  C, hat eine Dichte von 7,41 g/cm3
niums dient meist Bastnäsit, der aufgeschlossen und ist ein weißer, praktisch wasserunlöslicher
und gelöst wird. Zuerst trennt man Cer als Cer- Feststoff (s. Abb. 55a, b). Bei längerem Stehenlas-
IV-oxid ab und nimmt das Filtrat in Salzsäure sen an der Luft zieht die Verbindung aber Feuch-
auf, das darauf mit einer Mischung von D2EH- tigkeit und Kohlendioxid aus der Luft an. Bei
PA [Bis (2-ethylhexyl)phosphorsäure] und Kero- Raumtemperatur kristallisiert sie kubisch; es gibt
sin in einem Mixer-Settler behandelt wird. Die aber noch zwei weitere, bei höheren Temperatu-
Lanthanoiden ab einer Ordnungszahl von 63 und ren existierende Modifikationen (Chen et al.
aufwärts (Europium, Gadolinium, Samarium, 2004). Man verwendet Gadolinium-III-oxid in
schwerere Seltenerdmetalle) gehen dabei in die Leuchtstoffen und fluoreszierenden Pulvern
organische Phase über. Europium ist durch (Degenhardt 1979), in Steuerstäben von Kernre-
922 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Tab. 11 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Gadolinium


Symbol: Gd
Ordnungszahl: 64
CAS-Nr.: 7440-54-2

Aussehen: Silbrig-weiß Gadolinium (Metallium, Gadolinium


Inc. 2017) (Sicius 2017)
Farbe von Gd3+aq.: Farblos
Entdecker, Jahr: Marignac (Schweiz), 1880
Wichtige Isotope [natürl. Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]:
155
64Gd (14,8) Stabil ——
156
64Gd (20,5) Stabil ——
157
64Gd (15,65) Stabil ——
158
64Gd (24,85) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China, Malaysia, Monazit, Bastnäsit
Skandinavien
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 5,9
Preis (US$), 99,5 % Reinheit 50 g (Brocken) 38 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 25 g (Walze, Ø 1,2 cm, in 58 (2019-07-01)
Ampulle):
Atommasse (u): 157,52
Elektronegativität (Pauling): 1,2
Normalpotenzial (V; Gd3+ + 3 e ! Gd): 2,4
Atomradius (berechnet, pm): 188 (233)
Kovalenter Radius (pm): 196
Ionenradius (pm): 94
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 5d1 4f7
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 593 ♦ 1170 ♦ 1990
Magnetische Volumensuszeptibilität: keine Angabe
Magnetismus: Ferromagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): 292,5 ♦ —
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 49.000
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 0,76  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 54,8 ♦ 37,9 ♦ 21,8
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 570 ♦ —
Kristallsystem: Hexagonal bis 1262  C
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2680
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 7,89
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 19,90  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 10,6
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 37,03
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1312 ♦ 1585
Schmelzwärme (kJ/mol): 10
Siedepunkt ( C ♦ K): 3000 ♦ 3273
Verdampfungswärme (kJ/mol): 301

aktoren (Kamimura et al. 1993), außerdem in oxiden (Granaten) mit Gallium und ggf. anderen
stark lichtbrechenden Gläsern als Röntgenkon- Elementen in magneto-optischen Speichern (Han-
trastmittel in der Medizin und in Form von Misch- sen et al. 1987).
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 923

Abb. 55 a Gadolinium-
III-oxid (Stanford
Advanced Materials 2018).
b Gadolinium-III-oxid,
Sputtertarget (QS
Advanced Materials, LLC
2017)

Die Monoxide der Lanthanoiden, unter ande-


rem auch Gadolinium-II-oxid (GdO), wurden seit
den 1970er-Jahren intensiv untersucht (Murad
und Hildenbrand 1980; Kordis und Gingerich
1977; Thorn et al. 1976). Sie sind unter Normal-
bedingungen Halbleiter, von denen sehr dünne
Filme erzeugt werden können (Bist und Srivas-
tava 1971).
Gadolinium-III-oxidsulfid (Gd2O2S) besitzt
eine Dichte von 7,32 g/cm3 und wird, gelegentlich Abb. 56 Gadolinium-III-fluorid (Onyxmet 2018)
dotiert mit Praseodym-, Cer- und Fluoridionen, in
keramischen Szintillatoren eingesetzt, also Strah- innerhalb des Systems Gadolinium-Selen wurden
lungsdetektoren für die medizinische Diagnostik. schon 1961 von Vickery und Muir untersucht.
Diese emittieren Licht, wenn sie mit Lichtquanten Gadolinium-III-tellurid (Gd2Te3) ist ein kristal-
hoher Energie bestrahlt werden. Man kann die lines Pulver der Dichte 7,7 g/cm3 mit einem
Verbindung entweder mittels des Halid-Flux-Ver- Schmelzpunkt von 1255  C. Gadolinium-II-tellurid
fahrens oder der Sulfitfällung herstellen (Rossner (GdTe) kann man in Form wasserlöslicher Nano-
et al. 1999). Diese Szintillatoren haben aber Nach- kristalle erzeugen; diese sind halbleitend und zei-
teile wie eine schwache Lichtausbeute an der gen ein enges Emissionsspektrum (490–740 nm),
Photodiode und eine starke Beschädigung der weshalb sie für spezielle optische Anwendungen
Probe durch Röntgenstrahlung, falls jene einge- eingesetzt werden (American Elements 2017).
setzt wird (Greskovich 1997). Am geeignetsten ist Halogenverbindungen Gadolinium-III-fluorid
noch ein durch Terbiumatome aktiviertes Gadoli- GdF3) erhält man durch Auflösen von Ga-
niumoxysulfid, wenn es um diese Anwendung dolinium-III-oxid in Flusssäure (Brauer 1975a,
geht. In phosphoreszierenden Materialien kommt S. 254). Der weiße, wasserunlösliche Feststoff
diese Verbindung ebenfalls zum Einsatz, also (s. Abb. 56) kristallisiert orthorhombisch, hat eine
auch bei der hier beschriebenen Umwandlung Dichte von 7,0 g/cm3 und schmilzt bei einer Tem-
von Röntgenstrahlung in sichtbares Licht. Die peratur von 1231  C. Man setzt die Verbindung
Kristallstruktur ist trigonal; jedes Gadoliniumion als Nebenkomponente in stark lichtbrechenden
ist von vier Sauerstoff- und drei Schwefelatomen Fluoridgläsern ein (Perry 2011, S. 492).
umgeben (Lian 2011/2012). Hydratisiertes Gadolinium-III-chlorid (GdCl3)
Gadolinium-III-sulfid (GdS) ist ein in kristalliner erhält man durch Auflösen metallischen Gadoli-
Form herstellbarer Halbleiter der Dichte 6,10 g/cm3, niums in Salzsäure, das wasserfreie Salz durch
der wie alle höheren Chalkogenide des Gadoliniums Umsetzung von Gadolinium im Chlor- oder Chlor-
empfindlich gegenüber Hydrolyse ist. wasserstoffstrom. Letztgenanntes schmilzt bei
Gadolinium-II-selenid (GdSe) ist ein Halblei- 609  C und hat eine Dichte von 4,52 g/cm3. Die
ter mit einer Bandlücke von 1,8 eV und der Dichte hygroskopische Verbindung ist farblos und ist
8,10 g/cm3, der bei einer Temperatur von 2170  C leicht wasserlöslich; aus wässriger Lösung kris-
schmilzt. Die thermoelektrischen Eigenschaften tallisiert das monoklin strukturierte, farblose He-
924 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 57 Gadolinium-III-chlorid-Hydrat (Stanford Ad-


vanced Materials 2017)
Abb. 58 Gadolinium-III-bromid-Hydrat, 99,9 % (Onyx-
xahydrat aus (Au und Au 1967; Marezio 1961; met 2017)
s. Abb. 57). Eine wichtige Anwendung ist die
Herstellung der GdPCTA-[12] und GdPCTA-
[13]-Komplexe, dies sind pyridinhaltige, triaza-
macrocyclische Komplexe mit Acetat als Donor-
gruppe. Man setzt sie in der Tomografie ein (Aime
et al. 1997).
Gadolinium-III-bromid (GdBr3) schmilzt bei
einer Temperatur von 770  C (Siedepunkt der
Schmelze: 1490  C). Hergestellt werden kann
die Verbindung durch Auflösen von Gadolinium
in Bromwasserstoffsäure oder Überleiten von Abb. 59 Gadolinium-III-iodid-Hydrat, 99,9 % (Onyxmet
Bromwasserstoff über erhitztes Gadoliniummetall 2017)
(Brauer 1975b, S. 1077). Die Verbindung liegt als
weißer bis schwach gelber, stark hygroskopischer in Stücken, Plättchen und Sputtertargets; hochreine
Feststoff vor (s. Abb. 58). Qualitäten auch in Form von Nano-, Ein- oder Poly-
Gadolinium-III-iodid (GdI3) schmilzt bzw. sie- kristallen. Auch dieses Carbid ist äußerst hart und
det bei Temperaturen von 926  C bzw. 1340  C; beständig gegenüber Korrosions und Verschleiß.
man erhält es durch Reaktion von Gadolinium mit Zähigkeit, Festigkeit, elektrische Leitfähigkeit und
Iod (Brauer 1975b, S. 1077). Der bernsteinfar- geringe Wärmeausdehnung sind weitere Kennzei-
bene Feststoff (s. Abb. 59) ist stark wasseranzie- chen.
hend und bildet an feuchter Luft daher leicht Gadoliniumchloridcarbid (Gd6Cl5C3) ist sehr
Hydrate. Beim Erhitzen der wasserhaltigen Ver- empfindlich gegenüber Hydrolyse und Luft. Die
bindung entsteht durch Hydrolyse das Oxidiodid. Verbindung dient modellhaft zur Untersuchung
Pnictogenverbindungen Gadolinium-III-nitrid kristalliner Phasen zwischen Halogenid und Car-
(GdN) ist ein dunkelgraues Pulver. Der Halbleiter bid (Mattausch 1997).
weist eine relativ geringer Bandlücke auf. Gado- Intensiv untersucht wurden in den letzten zwei
liniumnitrid kann man in dünnen Filmen aus der Jahrzehnten die thermodynamischen Eigenschaften
Substanz absputtern und dann aus der Dampfpha- diverser Gadoliniumsilicide (Gd5Si4 oder Gd5Si3),
se auf Substraten abscheiden (Brewer 2010; Sha- dies durch die Bestimmung der elektrischen Leis-
laan und Schmitt 2006; Gerlach et al. 2007). tung galvanischer Zellen (Sidorko und Polotskaya
Ebenso sind Gadolinium-III-phosphid (GdP) 1994) oder durch Phasenuntersuchungen (Lukas-
bzw. -arsenid (GdAs) Halbleiter, die in Laserdi- henko und Polotskaya 1993). Strukturelle Defekte
oden bzw. photooptischen Anwendungen einge- und magnetische Eigenschaften von Nanoparti-
setzt werden. keln sind ebenfalls seit längerem Gegenstand der
Sonstige Verbindungen Gadoliniumcarbid (GdC) Forschung (Tarasenko et al. 1993). Die magneti-
ist wie die Carbide der anderen Lanthanoide in ver- schen Messungen zeigten, dass die bei tiefen Tem-
schiedenen Formen erhältlich, als Folie, als Pulver, peraturen vorliegenden Nanomaterialien superpa-
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 925

ramagnetisches Verhalten aufweisen. Gadoli- Gadoliniumoxid fungiert in modernen Brenn-


niumdisilicid ist kommerziell erhältlich (Materion elementen als abbrennbarer Absorber, das nach
2017) einem Wechsel der Brennelemente zu Beginn des
Gadoliniumhexaborid (GdB6) hat die Dichte Betriebszyklus die durch überschüssigen Kern-
5,31 g/cm3 und schmilzt bei einer Temperatur brennstoff bedingte hohe Reaktivität des Reaktors
von 2100  C. Die Verbindung ist wie andere Bo- begrenzt (Johannesson und Johansson 1995).
ride sehr hart und zeigt metallische Leitfähigkeit; Verbindungen des Gadoliniums finden auch
man kann durch Sputtern eines Targets auf ande- Verwendung in der medizinischen Diagnostik.
ren Gegenständen sehr dünne Filme von Gadoli- Lösungen von Gadopentetat-Dimeglumin, in de-
niumborid erzeugen (s. Abb. 60). Während Bo- nen Gd3+ an starke Komplexbildner gebunden
ride stabil gegenüber nichtoxidierenden Säuren ist, dienen, intravenös injiziert, als Kontrastmittel
sind, werden sie durch starke Oxidationsmittel für kernspintomografische Untersuchungen. Die
und Alkalien angegriffen. Einsatzgebiete sind stark paramagnetischen Gd3+ -Ionen verursachen
Halbleiter, Keramiken, ferro- oder antiferroma- schnellere Spin-Spin-Relaxationen der Protonen
gnetische Legierungen, Schaufeln von Turbinen des im umliegenden Körpergewebe enthaltenden
und Raketendüsen. Wassers und führen, obwohl gleichzeitig parama-
gnetische Kationen vorhanden sind (!), zu einer
Anwendungen Gadolinium verwendet man zur wesentlich schärferen Auflösung der Resonanz-
Produktion von Gadolinium-Yttrium-Granat in Mi- signale und damit der MRT-Aufnahme.
krowellengeräten. Oxysulfide des Elements setzt
man zur Herstellung von grünem Leuchtstoff für
nachleuchtende Bildschirme (Radar) ein. Gadoli- Patente
nium-Gallium-Granat verwendet man zur Produk- (Auswahl aktueller Patente aus https://
tion von wiederbeschreibbaren Compact Discs. worldwide.espacenet.com)
Zusätze von nur 1 % Gadolinium verbessern die
Bearbeitbarkeit und erhöhen die Hochtempera- R. Nomura und T. Kizaki, Metal-covered
tur- und Oxidationsbeständigkeit von Eisen- und gadolinium wire rod, and heat exchanger
Chromlegierungen. Legierungen aus Gadolinium, and magnetic refrigerator using the same
Eisen und Kobalt setzt man zur optomagnetischen (Fujikura Ltd., US 2018342337 A1, ver-
Datenspeicherung ein. Das Metall könnte wegen öffentlicht 29. November 2018)
seines nahe 20  C liegenden Curie-Punktes in J. A. Park und J. Y. Kim, A pharmaceutical
Kühlgeräten, die nach dem Prinzip der adiabati- composition for neutron capture therapy
schen Magnetisierung funktionieren, Verwendung comprising gadolinium-labelled benzo-
finden. In solchen Kühlgeräten würden keine toxi- thiazole derivatives (Korea Institute of
schen und die Ozonschicht abbauenden Fluor- Radiological and Medical Sciences, KR
chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verwendet wer- 20180124653 A, veröffentlicht 21. No-
den müssen. vember 2018)
Q. Ziao und Z. Xu, Gadolinium coordination
polymer network microsphere and appli-
cation thereof to magnetic resonance
imaging (Wuhan Baiqiang Biological
Medicine Co., Ltd., CN 198434465 A,
veröffentlicht 24. August 2018)
J. Weichert und A. Pinchuk, Long-lived gado-
linium based tumor targeted imaging
and therapy agents (Wisconsin Alumni
Abb. 60 Gadoliniumhexaborid, Sputtertarget (QS Advan-
ced Materials, LLC 2017) (Fortsetzung)
926 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

luorid umgewandelt wird. Jenes reduziert man mit


Research Foundation, CN 108430520 A, Calcium in der Hitze zu Terbium, aus dem man
veröffentlicht 21. August 2018) durch Umschmelzen unter Vakuum das Metall
M. Berger und J. Lohrke, New gadolinium gewinnt. Jenes kann bei Bedarf noch mittels
chelate compounds for use in magnetic Destillation, Amalgambildung oder Zonenschmel-
resonance imaging (Bayer Pharma AG, zen feingereinigt werden (Patnaik 2003).
AU 2016272602,veröffentlicht 14. De-
zember 2017) Eigenschaften Silbergrau metallisch glänzendes
P. M. Reddy und P. B. Reddy, Novel process Terbium (s. Tab. 12) ist form- und schmiedbar. In
for the preparation of gadolinium com- Luft ist es relativ beständig, es überzieht sich dabei
plex of (4S)-4-(4-Ethoxybenzyl)-3,6,9- mit einer passivierenden Oxidschicht. In der
Tris(carboxylatomethyl)-3,6,9- triazaun- Flamme verbrennt es zum braunen Terbium-III,
decanoic acid disodium (gadoxetate IV-oxid (Tb4O7). Mit Wasser reagiert es unter Was-
disodium) (Biophore India Pharmaceuti- serstoffentwicklung zum Hydroxid, in Mineralsäu-
cals Pvt. Ltd., WO 2017208258 A1, ver- ren löst es sich als unedles Metall schnell auf.
öffentlicht 7. Dezember 2017)
M. M. Viola und H. B. Henderson, Radia- Verbindungen
tion shielding and mitigating alloys, Chalkogenverbindungen Terbium-III-oxid (Tb2O3)
methods for manufacture thereof and ist ein weißer bis cremefarbener Feststoff, der bei
articles comprising the same (University einer Temperatur von 2303  C schmilzt und eine
of Florida Research Foundation, Inc., US Dichte von 7,91 g/cm3 aufweist. Man kann die
2017321306 A1, veröffentlicht 9. No- Verbindung aber nicht durch Überleiten von Sau-
vember 2017) erstoff über erhitztes Terbiummetall gewinnen, da
diese Reaktion direkt zur Bildung des braunen
Terbium-III,IV-oxid (Tb4O7) führt. Jenes ist aber
6.12 Terbium durch Reduktion mittels Wasserstoff in Terbium-
III-oxid überführbar.
Geschichte Die Entdeckung des Elementes Ter- Die stabile Kristallstruktur der Verbindung
bium ist bis heute nicht vollständig geklärt. Oft ist eine kubisch-defekte Fluoritstruktur (Bixbyit-
schreibt man Mosander (Kurzbiografie siehe Typ) (Baenzinger et al. 1961); es gibt aber unter
„Lanthan“) die Entdeckung zu, da er um 1840 Normalbedingungen auch noch eine metastabile,
die sogenannte Yttererde analysierte und eine ter- monokline Struktur, die man durch Auskristal-
biumhaltige Fraktion daraus isolieren konnte, die lisieren eines geschmolzenen Gemisches aus
er nach der beim schwedischen Ort Ytterby gele- Terbium- und Magnesiumoxid erhält (Hubbert-
genen Erzmine als „Terbium“ benannte. Diese Paletta und Müller-Buschbaum 1968). Techni-
erwies sich kurze Zeit danach aber als eine sche Anwendungen gibt es praktisch keine. Die
Mischung von Verbindungen verschiedener Lan- lumineszierenden Eigenschaften von Terbium-III-
thanoide. Erst etwa hundert Jahre später erlaubte verbindungen wurden am Beispiel von Nanostäb-
es die Anwendung von Ionenaustauschern, reine chen- und plättchen des Hydroxids [Tb(OH)3]
Terbiumverbindungen zu isolieren und daraus das untersucht (Sohn 2014).
Metall darzustellen. Das dunkelbraune Terbium-III,IV-oxid
(Tb4O7) (s. Abb. 61) schmilzt bei 2340  C, hat
Gewinnung Nach erfolgter, sehr aufwändiger die Dichte 7,3 g/cm3 und wird durch Verbrennen
Abtrennung der Begleitelemente des Terbiums, von Terbium an Luft dargestellt. Ebenso ent-
sei es durch fraktionierte Kristallisation der Am- steht es als Ergebnis der thermolytischen Zer-
monium-Doppelnitrate oder durch Flüssig-flüs- setzung von Terbium-III-oxalat im Temperatur-
sig-Extraktion, erzeugt man reines Terbiumoxid, intervall 600–1000  C (Meyer und Morss 1991,
das wiederum mit Fluorwasserstoff in Terbiumf- S. 212).
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 927

Tab. 12 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Terbium


Symbol: Tb
Ordnungszahl: 65
CAS-Nr.: 7440-27-9

Aussehen: Silbrig-weiß Terbium (Metallium,


Farbe von Tb3+aq.: Farblos Inc. 2017)
Entdecker, Jahr: Mosander (Schweden), 1843
Wichtige Isotope [natürl. Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]:
159
65Tb (100) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): Westaustralien, Türkei, Südafrika, Brasilien, Monazit
Indien, Malawi, USA
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,85
Preis (US$), 99,5 % Reinheit 20 g (Brocken) 135 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 26 g (Walze, Ø 1,2 cm, 175 (2019-07-01)
in Ampulle):
Atommasse (u): 158,925
Elektronegativität (Pauling): 1,2
Normalpotenzial (V; Tb3+ + 3 e ! Tb): 2,39
Atomradius (berechnet, pm): 175 (225)
Kovalenter Radius (pm): 194
Ionenradius (pm): 92
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f9
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 566 ♦ 1110 ♦ 2114
Magnetische Volumensuszeptibilität: 0,11
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): 222 ♦ 230
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 23
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 0,87  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 55,7 ♦ 38,7 ♦ 22,1
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 863 ♦ 677
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2620
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 8,25
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 19,30  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 11,1
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 28,91
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1356 ♦ 1629
Schmelzwärme (kJ/mol): 10,8
Siedepunkt ( C ♦ K): 3123 ♦ 3396
Verdampfungswärme (kJ/mol): 391

Die Verbindung setzt sich aus zwei Phasen der jeweils nur eine Formeleinheit pro Elementarzelle
Formel Tb7O12 bzw. Tb11O20 zusammen (Lucas auf (Zhang et al. 1993). Die thermodynamischen
et al. 2014, S. 50; Housecroft und Sharpe 2005, Eigenschaften der Verbindung wurden von Kon-
S. 749). Ersteres kristallisiert rhomboedrisch und ings et al. untersucht (2014). Die Verbindung setzt
ist isomorph mit Praseodym-III,IV-oxid. Letzteres man in Röhren von Farbfernsehern und in Fluo-
dagegen kristallisiert triklin; beide Phasen weisen reszenzlampen ein.
928 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 61 Terbium-III,IV-oxid (Stanford Advanced Mate- Abb. 63 Terbium-III-chlorid (Stanford Advanced Mate-
rials 2018) rials 2017)

Der Feststoff der Dichte 7,2 g/cm3 wird zur Pro-


duktion von Luminophoren und Fluoridgläsern
eingesetzt. Die grün phosphoreszierenden und
zitronengelb fluoreszierenden Terbiumverbindun-
gen verbindet man mit blau phosphoreszieren-
den Europium-II- und rot fluoreszierendenen
Europium-III-Verbindungen in der auf drei Grund-
farben basierenden („trichromatischen“) Bildschirm-
Abb. 62 Terbium-III-fluorid (Stanford Advanced Materi-
als 2018) technik. Das thermische Verhalten der Seltenerd-
III-fluoride ist bei Sobolev beschrieben (2000).
Fluor oder starke Fluorierungsmittel über-
Terbium-IV-oxid (TbO2) ist ausschließlich führen Terbium-III-verbindungen in Terbium-IV-
durch Umsetzung von Terbium-III,IV-oxid mit fluorid (TbF4) (Meyer und Morss 1991, S. 60).
atomarem Sauerstoff bei Temperaturen um Der weiße Feststoff monokliner Kristallstruktur
350  C zugänglich. Der dunkelrote Feststoff kris- (Riedel und Janiak 2011, S. 782) zersetzt sich
tallisiert im Fluoritgitter und zersetzt sich beim beim Schmelzpunkt von 160  C.
Erhitzen unter Abspaltung von Sauerstoff zu Wasserhaltiges Terbium-III-chlorid (TbCl3 in
Terbium-III, IV-oxid (Emeléus und Sharpe 1977). Form seines Hexahydrates) erhält man durch Auf-
Terbium-III-sulfid (Tb2S3) ist ein Bestandteil lösen von Terbium oder Terbium-III-oxid in Salz-
von infrarotdurchlässigen Gläsern auf Grundlage säure, das wasserfreie Salz durch Chlorieren
von Gallium- und Germaniumsulfid. Es wird in von Terbium. Das weiße, hygroskopische Pulver
unter anderem von Lorad Chemical Corp., Ameri- (s. Abb. 63) schmilzt bei einer Temperatur von
can Elements und Spectrum Chemical Mfg. Corp. 588  C und hat die Dichte 4,35 g/cm3. Es kristal-
Vertrieben, der aktuelle Preis für 1 g ~200 mesh- lisiert orthorhombisch (Ferguson und Trotter
Pulver beträgt ca. US$ 250 (Oktober 2017). Der 1986; Paetzold 2009). Halbleiter werden mit der
weiße Feststoff hat die Dichte 6,35 g/cm3 und ist Verbindung dotiert, außerdem aktiviert Terbium-
empfindlich gegenüber Säuren, da diese ihn unter III-chlorid die grünen Luminophore in Röhren
Entwicklung von Schwefelwasserstoff angreifen. von Farbfernsehgeräten.
Das halbleitende Terbium-II-selenid (TbSe) ist Terbium-III-bromid (TbBr3) ist ein weißer
unter anderem als Sputtertarget erhältlich. Im Sys- Feststoff hexagonaler, zu Bismut-III-iodid isoty-
tem Terbium-Tellur existieren mehrere Verbindun- per Kristallstruktur, der löslich in Wasser ist. Die
gen (wie TbTe3); die Strukturen wurden unter ande- Verbindung schmilzt bzw. siedet bei 827  C bzw.
rem von Fischer et al. untersucht (1978). 1490  C und hat eine Dichte von 4,62 g/cm3.
Halogenverbindungen Das weiße, geruchlose, Terbium-III-iodid (TbI3) hat einen relativ hohen
hygroskopische, bei einer Temperatur von 1172  C Schmelzpunkt (955  C), eine Dichte von 5,2 g/cm3
schmelzende Terbium-III-fluorid (TbF3) (s. Abb. 62) und wird durch Umsetzung der Elemente mitei-
ist durch Reaktion von Terbium-III-oxid mit nander erzeugt. Die braunen, hygroskopischen
Fluorwasserstoff erhältlich (Brauer 1975a, S. 254). Kristalle haben ebenfalls eine hexagonale Struktur.
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 929

Pnictogenverbindungen Das dunkelgraue bis lung mit kurzwelligem UV-Licht mit gelbgrüner
schwarze Terbium-III-nitrid (TbN) hat die Dichte Farbe fluoreszieren (s. Abb. 64).
9,55 g/cm3 und ist ein Halbleiter. Terbium-III-phos- Terbium-Gallium-Granat (Tb3Ga5O12) ist ein
phid (TbP) ist ebenfalls ein Halbleiter, aber mit kristalliner Feststoff, der nach dem Czochralski-
geringerer Bandlücke als das Nitrid und wird in Verfahren durch Ziehen aus der Schmelze hergestellt
Hochfrequenzanwendungen sowie Laser- und Pho- wird. Die Substanz wird in Faraday-Isolatoren einge-
todioden eingesetzt. Terbium-III-arsenid (TbAs) baut.
zeigt ebenfalls halbleitende Eigenschaften und wird
in der Lichtoptik verwendet.
Für das System Terbium-Antimon stellten Anwendungen Terbium verwendet man vorran-
Mironov et al. 1981 ein Phasendiagramm auf. gig in Halbleitern als Dotierungsmittel für Cal-
Unter anderem findet man Eutektika bei einem ciumfluorid, Calciumwolframat und Strontium-
Anteil von 14 % Sb mit einem Schmelzpunkt molybdat. Eine Mischung aus Terbiumoxid und
von 1130  C sowie bei >99 % Sb und bei einem Zirkonium-IV-oxid verstärkt das Gefüge von
Schmelzpunkt von 623  C. Insgesamt ist die Bil- Hochtemperatur-Brennstoffzellen.
dung von vier Terbiumantimoniden nachweisbar; Legierungen aus Terbium, Eisen und Kobalt,
so schmelzen die durch peritektische Reaktion mit und ohne Zusätze von Gadolinium, verwen-
erzeugten Tb5Sb3 bzw. Tb4Sb3 bei 1650 bzw. det man zur Erzeugung der Beschichtungen auf
1770  C, wogegen TbSb kongruent bei 2160  C wiederbeschreibbaren magnetooptischen Disks.
schmilzt. Tb4Sb3 und TbSb zeigen polymorphe Aus Terbium und Dysprosium bestehende
Übergänge (Mironov et al. 1981). Legierungen weisen eine starke Magnetostrik-
Sonstige Verbindungen Es gibt einige im Sys- tion auf, was sie sehr geeignet für Materialprü-
tem Terbium-Kohlenstoff existierende Terbium- fungen macht. In den ohnehin schon starken
carbide (TbC2, TbC3, Tb2C3, Tb3C), die zwar alle Magneten aus Neodym-Eisen-Bor-Legierungen
hochschmelzend, hart und nahezu metallisch leit- verstärken terbiumhaltige Zusätze noch die
fähig sind, aber empfindlich selbst gegenüber Koerzitivität (Resistenz gegenüber Entmagneti-
feuchter Luft sind, durch die sie hydrolytisch zu sierung).
Methan, Acetylen oder Gemischen dieser oder Terbium-III, IV-oxid setzt man auch dem grü-
anderer Kohlenwasserstoffe zersetzt werden (Ko- nen Leuchtstoff in Bildröhren und Fluoreszenz-
solapova et al. 1974; O’Bannon 1984). lampen zu. Zur Erzeugung kohärenten Laserlichts
Terbiumhexaborid (TbB6) geht in ähnliche einer Wellenlänge von 546 nm (grün) verwendet
Anwendungen wie die anderen Boride der Seltener- man Natriumterbiumborat.
den. Der Faraday-Effekt des Terbium-Gallium-Gra-
Terbium-III-sulfat [Tb2(SO4)3] schmilzt bei nat Tb3Ga5O12 ist sehr hoch; daher findet er in
einer Temperatur von 360  C, das Octahydrat liegt optischen Isolatoren Verwendung (Schlarb und
in Form farbloser Kristalle vor, die bei Bestrah- Sugg 1994).

Abb. 64 Terbium-III-
sulfat vor und nach
Bestrahlung mit UV-Licht
(Unbekannt)
930 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

III-oxid aus dem damals als einheitliche Substanz


Patente geltenden Holmium-III-oxid isolieren.
(Auswahl aktueller Patente aus https://
worldwide.espacenet.com) Gewinnung Sie verläuft ähnlich wie die des
Terbiums. Nachdem die Begleitelemente des
J. W. Kolis und D. Sanjeewa, Faraday Dysprosiums abgetrennt worden sind, setzt man
rotators of terbium oxyhydroxide (Uni- das hochreine Dysprosiumoxid mit Fluorwasser-
versity of Clemson, US 2019018265 stoff zu Dysprosiumfluorid um. Jenes reduziert
A1, veröffentlicht 17. Januar 2019) man mit Calcium bei hoher Temperatur unter
A. Roux und A.-T. Bui, Terbium and dys- Bildung von Calciumfluorid und metallischem
prosium complexes with optimized Dysprosium. Anschließend erfolgt Feinreini-
antenna, used as luminescent markers gung des Metalls durch Umschmelzen im
(Ecole Normale Supérieure de Lyon; Vakuum, wahlweise noch kombiniert mit Hoch-
Centre National de Recherche Scientifi- vakuumdestillation.
que, WO 2019008118 A1, veröffentlicht
10. Januar 2019) Eigenschaften Dysprosium ist ein silbergraues,
R. Petry und T. Juestel, Europium or bieg- und dehnbares Schwermetall, das in zwei
samarium-doped terbium molybdates Modifikationen auftritt. Bei Temperaturen bis zu
(Merck Patent GmbH, SG 102018 1384  C liegt das hexagonal kristallisierende
07889Q A, veröffentlicht 30. Oktober α-Dysprosium vor; oberhalb dieser Temperatur
2018) existiert kubisch-raumzentriertes β-Dysprosium.
K. A. Almusaiteer und A. Al-Hadhrami, Neben Holmium zeigt es den stärksten Magnetis-
Multicomponent heterogeneous catalyst mus aller Elemente (Emsley 2001), vor allem bei
for direct CO2 hydrogenation to metha- tiefer Temperatur. Unterhalb von 95  C (178 K)
nol (Sabic Global Technologies BV, ist es antiferromagnetisch, darüber paramagne-
US 2018273454 A1, veröffentlicht 27. tisch (Jackson 2000b; Krebs 2006; s. Tab. 13).
September 2018) Das Metall ist unedel und ziemlich reaktions-
L. Wang und L. Ding, Electronic grade fähig. An der Luft überzieht es sich schnell mit
high-purity phosphoric acid synthesis einer Oxidschicht. Schon in kaltem Wasser wird
equipment produced from terbium es langsam unter Bildung seines Hydroxids ange-
antimony doped material (privat, CN griffen, in verdünnten Säuren löst es sich schnell
108545711 A, veröffentlicht 18. Sep- unter Bildung von Wasserstoff und Dysprosium-
tember 2018) III-salzen.
G. Watkins II, Rare earth materials as
coating compositions for conductors Verbindungen
(Southwire Co. LLC, US 10068683, ver- Chalkogenverbindungen 1886 isolierte De Bois-
öffentlicht 4. September 2018) baudran aus rohem Holmium-III-oxid Dys-
A. Tiwari und S. Saini, High performance prosium-III-oxid (Dy2O3) und stellte aus diesem
terbium based thermoelectric materials dann das freie Metall dar (De Boisbaudran 1886).
(University of Utah Research Founda- Heute erzeugt man umgekehrt Dysprosium-III-
tion, US 2018130936 A1, veröffentlicht oxid durch Verbrennen des Metalls an der Luft
10. Mai 2018) (Krebs 2006).
Der weiße bis gelbliche (s. Abb. 65a, b), hygro-
skopische Feststoff schmilzt bei einer Temperatur
6.13 Dysprosium von 2310  C (Siedepunkt der Schmelze: 3900  C)
und ist in Säuren unter Bildung von Dysprosium-
Geschichte 1886 konnte De Boisbaudran (Kurz- III-salzen löslich. Es ist magnetisch und kristalli-
biografie siehe „Samarium“) erstmals Dysprosium- siert mit kubischer Struktur (Adachi et al. 2004).
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 931

Tab. 13 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Dysprosium


Symbol: Dy
Ordnungszahl: 66
CAS-Nr.: 7429-91-6

Aussehen: Silbrig-weiß Dysprosium (Metallium, Dysprosium


Farbe von Dy3+aq.: Blaßgelb bis -grün Inc. 2017) (Sicius 2017)
Entdecker, Jahr: De Boisbaudran (Frankreich), 1886
Wichtige Isotope [natürl. Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]:
161
66Dy (18,91) Stabil ——
162
66Dy (25,51) Stabil ——
163
66Dy (24,90) Stabil ——
164
66Dy (28,18) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 4,3
Preis (US$), 99 % Reinheit 50 g (Brocken) 120 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 27 g (Walze, Ø 1,2 cm, in 120 (2019-07-01)
Ampulle):
Atommasse (u): 162,5
Elektronegativität (Pauling): 1,22
Normalpotenzial (V; Dy3+ + 3 e ! Dy): 2,29
Atomradius (berechnet, pm): 175
Kovalenter Radius (pm): 192
Ionenradius (pm): 91
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f10
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte 573 ♦ 1130 ♦ 2200
Magnetische Volumensuszeptibilität: 0,065
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): 87 ♦ 178
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 930
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,08  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 61,4 ♦ 40,5 ♦ 24,7
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 540 ♦ 500
Kristallsystem: Hexagonal (> 1384  C: Kubisch-raumzentriert)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2710
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 8,56
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 19,01  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 11
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,7
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1407 ♦ 1680
Schmelzwärme (kJ/mol): 11,06
Siedepunkt ( C ♦ K): 2600 ♦ 2873
Verdampfungswärme (kJ/mol): 280

Man setzt die Verbindung in Lasern, Leuchtstof- Magneten ausgerüsteten Maschinenteilen ist es
fen und Metalldampflampen ein, zudem in Cer- wegen seiner magnetischen Eigenschaften ver-
mets (Verbundwerkstoffe aus Keramik in einer wendbar (Chu 2010, S. 77). Dem Dielektrikum
Metallmatrix) für Kernreaktor-Steuerstäbe. In mit Bariumtitanatoxid wird es zur Herstellung sehr
932 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 65 a Dysprosium-
III-oxid (Materialscientist
2009). b Dysprosium-III-
oxid (Onyxmet 2018)

ments 2017) und wird ebenfalls in der Elektronik-


industrie verwendet.
Halogenverbindungen Dysprosium-III-fluorid
(DyF3) erhält man durch Auflösen von Dys-
prosium-III-oxid in Flusssäure (Brauer 1975a,
S. 254). Die weiße geruchlose Substanz, die auch
zu Sputtertargets verarbeitet wird (s. Abb. 66)
schmilzt bei 1360  C (Siedepunkt der Schmelze:
2200  C), hat die Dichte 7,45 g/cm3, ist kaum
Abb. 66 Dysprosium-III-fluorid (Stanford Advanced
löslich in Wasser und kristallisiert orthorhom-
Materials 2018)
bisch.
Dysprosium-III-chlorid (DyCl3) ist entweder als
Hexahydrat oder als wasserfreie Verbindung dar-
stellbar. Letzteres ist durch Reaktion der Elemente
miteinander möglich, wogegen man das kristall-
wasserhaltige Salz durch Auflösen von Dys-
prosium-III-oxid, Dysprosium oder Dysprosium-
III-carbonat in Salzsäure erhält.
Dysprosium-III-chlorid bildet glänzende, gelb-
lichweiße Schuppen (s. Abb. 67) mit monokliner
Abb. 67 Dysprosium-III-chlorid (Walkerma 2006) Kristallstruktur (Cahen und Vangelisti 2006), die
in Form ihres Hexahydrates bei 162  C, in Form
der wasserfreien Verbindung bei 680  C schmel-
leistungsfähiger Kondensatoren zudotiert (Ems- zen. Letztere hat die Dichte 3,67 g/cm3, der Sie-
ley 2003, S. 131). depunkt der Schmelze liegt bei 1530  C. Man
Dysprosium-III-sulfid (Dy2S3) verwendet man in setzt die Verbindung als Katalysator für Synthe-
der Glasfaseroptik, eine der möglichen Bezugsquel- sen ein (Veits und Read de Alaniz 2012).
len ist MaTeck [Preis: € 538.- für 25 g 99,9 %iges Dysprosium-II-chlorid (DyCl2) ist ein schwar-
Pulver (~ 200 mesh)]. Das gelbbraune Pulver ist zer, bei einer Temperatur von 721  C unter Zer-
ein Halbleiter wie auch Dysprosium-III-selenid setzung schmelzender Feststoff. Seine Herstel-
(Dy2Se3). Vor allem das Selenid zeigt eine erhebli- lung erfolgt analog wie für das Dibromid unten
che Phasenbreite (Foran et al. 1993). Ein Zusatz beschrieben.
von Dysprosium zu Gallium-Germaniumarsenid- Ähnliche Eigenschaften wie das Trichlorid zeigt
sulfid-Gläsern erhöht die Glasübergangstempera- Dysprosium-III-bromid (DyBr3), das am besten aus
tur erheblich (Cheng et al. 2012). Dysprosium-III- den Elementen hergestellt wird. Die wasserfreie
tellurid (Dy2Te3) ist ein schwarzes Pulver mit Verbindung schmilzt bzw. siedet bei 881  C bzw.
einem Schmelzpunkt von 1550  C (American Ele- 1480  C und hat die Dichte 5,8 g/cm3. Der weiße
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 933

bis graue, hygroskopische Feststoff ist leicht Sonstige Verbindungen Dysprosium-III-sulfat


löslich in Wasser und kristallisiert trigonal in der [Dy2(SO4)3] schmilzt in Form seines blassgelb-
Struktur des Bismut-III-iodids (Blachnik 1998). grünen Octahydrats (s. Abb. 69) schon bei einer
Dysprosium-II-bromid (DyBr2) gewinnt man Temperatur von 110  C. Man stellt es durch Auf-
durch Reduktion von Dysprosium-III-bromid mit lösen von Dysprosium oder Dysprosium-III-oxid
Dysprosium bei Temperaturen um 850  C im in Schwefelsäure dar (Heiserman 1992).
Vakuum (Brauer 1975b, S. 1081). Die schwarze, Weitere Verbindungen des Dysprosiums, wie
sehr hygroskopische und luftempfindliche Sub- sein gelbliches Nitrat (s. Abb. 70) oder Carbonat,
stanz kann man nur unter Schutzgas oder im sind alle im Handel erhältlich und wurden teils
Hochvakuum aufbewahren. An der Luft nimmt schon detailliert untersucht.
sie sofort Feuchtigkeit auf und hydrolysiert bzw. Das Dysprosium-III-carbonat (Vallina et al.
oxidiert zügig zu Dysprosium-III-oxidbromid. 2013) und auch das Oxalat sind wie die meisten
Das hygroskopische, hellbraune (s. Abb. 68), anderen analogen Verbindungen der Seltenerdme-
leicht wassserlösliche Dysprosium-III-iodid (DyI3) talle kaum in Wasser löslich, hierin ähneln sie den
hat einen relativ hohen Schmelzpunkt von 955  C jeweiligen Salzen der Erdalkalimetalle (Perry
(Siedepunkt der Schmelze: 1320  C) und kristalli- 1995, S. 152; Jantsch und Ohl 1911).
siert mit trigonaler Struktur (ebenfalls im Bismut- In Kohlenstoff-Nanoröhrchen eingeschlossene
III-iodid-Typ). In Gasentladungslampen begünstigt Fullerenmoleküle, die innerhalb ihres Käfigs
es die Bildung weißen Lichtes. ein Dysprosiumatom enthalten (Summenformel:
Das schwarzviolette Dysprosium-II-iodid (DyI2), Dy@C82-Fulleren), können vielseitig umgesetzt
wie alle Dihalogenide der Lanthanoiden sehr emp- werden. Der Elektronenstrahl löst beispielsweise
findlich gegenüber Luftsauerstoff und -feuchtigkeit, aus einem Fullerenkäfig das Dysprosiumatom,
ist auf den üblichen für diese Substanzklasse hier das bis zur Stufe Dy-IV ionisiert werden kann
dargelegten Wegen herstellbar; es schmilzt bei einer und dann als sehr starkes Oxidationsmittel bzw.
Temperatur von 659  C und kristallisiert im Cad-
miumchlorid-Gitter.
Pnictogenverbindungen Dysprosium-III-nitrid
(DyN) ist ein Halbleiter. Bei hoher Temperatur
reagiert in einer Kugelmühle fein verteiltes Dys-
prosium unter Stickstoff leicht zum Nitrid (Butt
et al. 2015). Der mittels der Mühle erzielbare
Größe der Dysprosiumteilchen ist entscheidend
für den Verlauf der Reaktion, der mittels einer
Druckmessung nachverfolgbar ist. Dysprosium-
III-phosphid (DyP) und -arsenid (DyAs) sind
ebenfalls Halbleiter, die man in Hochenergie- Abb. 69 Dysprosium-III-sulfat (Unbekannt)
Anwendungen und Laserdioden einsetzt.

Abb. 70 Dysprosium-III-nitrat-Pentahydrat (Stanford


Abb. 68 Dysprosium-III-iodid (Onyxmet 2018) Advanced Materials 2018)
934 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Beschleuniger für die Kettenpolymerisation der


Fullerenmoleküle wirkt (Chuvilin et al. 2010). Patente
Seltenerdmetallboride, darunter auch Dyspro- (Auswahl aktueller Patente aus https://
siumhexaborid (DyB6), sind starke Adsorber für worldwide.espacenet.com)
Infrarotlicht (Van den Bogerd et al. 2009) und wer-
den daher in Form sehr feiner Partikel in entspre- M. Miguirditchian und V. Haquin, Proces-
chenden Infrarot-Schutzfilmen verwendet (Adachi ses for selective recovery of rare earth
et al. 2003). Die thermischen Eigenschaften vieler metals present in acidic aqueous phases
Hexaboride der Lanthanoiden und auch einiger resulting from the treatment of spent or
MB66-Cluster (darunter auch Dysprosiumborid, scrapped permanent magnets (Com-
DyB66) wurden von Stober untersucht (2012). missariat Energie Atomique, US
2017291827 A1, veröffentlicht 12. Okto-
Anwendungen Die von Dysprosium jährlich ber 2017)
geförderte Menge liegt gegenwärtig bei weniger R. C. Poser et al., Semiconductor composi-
als 100 Tonnen. Manche Experten sehen die tion containing iron, dysprosium, and
Gefahr einer Verknappung, denn es wird in di- terbium (UT-Battelle LLC, US
versen Legierungen, in starken Magneten (für 9773876, veröffentlicht 26. September
Windkraftanlagen) und mit Blei legiert als 2017)
Abschirmmaterial in Kernreaktoren eingesetzt. M. Hayashi und T. Araki, Oxide supercon-
Legierungen mit Vanadium setzt man zur Herstel- ductor and method for producing same
lung von Laserwerkstoffen ein. Terbium- und dys- (Toshiba K. K., WO 2017145401 A1,
prosiumhaltige Legierungen zeigen eine starke veröffentlicht 31. August 2017)
Magnetostriktion und werden in der Materialprüf- E. S. Bryant und S. Bahaduri, Rare earth
technik verwendet. Wie Terbium verstärkt auch containing compounds to enhance per-
Dysprosium die Koerzitivität von Neodym-Eisen- formance on downhole treatment com-
Bor-Magneten (Shi et al. 1998). positions (US 2017240790 A1, veröf-
Dysprosium und Terbium werden den Ergeb- fentlicht 24. August 2017)
nissen einer aktuellen Recherche der Deutschen Y. Wang, Method of making Nd-Fe-B sin-
Rohstoffagentur zufolge unverzichtbar für den tered magnets with reduced dysprosium
Bau von Magneten, Windkraftanlagen und Elek- or terbium (GM Global Technology
troautos sein. Nur noch Lithium wird vermutlich Operations LLC, US 9468972 B2, ver-
eine stärkere Nachfrage erleben als die zu den öffentlicht 18. Oktober 2016)
schweren Seltenerdmetallen gehörenden Ele- C.-Y. Tai und C. H. Joshi, Terbium-Dys-
mente Dysprosium und Terbium (s. Abb. 71). prosium-Iron magnetostrictive materials
Wegen seiner starken Magnetisierbarkeit setzt and devices using these materials (Ener-
man das Element auch zum Bau elektronischer gen Inc., US 6451131 B1, veröffentlicht
Speichermedien ein, wie z. B. Festplatten (La- 17. September 2002)
gowski 2004). Gelegentlich ist Dysprosium auch R. C. Ropp, Method of preparing dys-
Bestandteil von Steuerstäben in Kernkraftwerken, prosium-activated rare earth metal vana-
da es einen hohen Einfangquerschnitt für thermi- date phosphor (Philips North America
sche Neutronen aufweist. LLC, US 3501412 A, veröffentlicht 29.
Weitere wichtige Anwendungen sind das Juni 1967)
Dotieren von in Dosimetern eingebauten Cal-
ciumfluorid- und Calciumsulfatkristallen, die
von Dysprosium-III-iodid in Halogen-Metall- 6.14 Holmium
dampflampen und die von Dysprosiumoxid in
Kondensatoren als Verstärker für das als Dielek- Geschichte: Im Absorptionsspektrum einer un-
trikum benutzte Bariumtitanat. reinen Probe eines Erbiumminerals wiesen 1878
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 935

Tab. 0.1: Globaler Metallbedarf für die analysierten 42 Zukunftstechnologien im Jahr 2013 und
2035 im Verhältnis zur Weltproduktionsmenge des jeweiligen Metalls 2013. Der über
die betrachteten Zukunftstechnologian hinaus bestehende Rohstoffbedarf ist nicht
berücksichtigt

Bedarf20xx/Produktion2013
Metall Zukunftstechnologien
2013 2035
Lithium 0,0 3,9 Lithium-lonen-Akku, Airframe-Leichtb.
Schwere Seltene Erden
0,9 3,1 Magnete, E-PKW, Windkraft
(Dy/Tb)
Rhenium 1,0 2,5 Superlegierungen
Leichte Seltene Erden
0,8 1,7 Magnete, E-PKW, Windkraft
(Nd/Pr)
Tantal 0,4 1,6 Mikrokondensatoren, Medizintechnik
Scandium 0,2 1,4 SOFC-Brennstoffzellen
Kobalt 0,0 0,9 Lithium-lonen-Akku, XtL.
Germanium 0,4 0,8 Glasfaser, IR- Technologie
Platin 0,0 0,6 Brennstoffzellen, Katalyse
Zinn 0,6 0,5 Transparente Elektroden, Lote
Palladium 0,1 0,5 Katalyse, Meerwasserentsalzung
Indium 0,3 0,5 Displays, Dünnschicht-Photovoltaik
Gallium 0,3 0,4 Dünnschicht-Photovoltaik, IC, WLED
Silber 0,2 0,3 RFID
Kupfer 0,0 0,3 Elektromotoren, RFID
Titan 0,0 0,2 Meerwasserentsalzung, Implantate

Anmerkung: die Ergebnisse in dieser Tabelle sind nicht mit der Vorgängerstudie ANGERER et al. (2009) zu vergleichen, da sie
sich auf einen anderen Zeitraum (22 statt 24 Jahre), ein anderes Basisjahr (2013 statt|2006), ein anderes Technologieport-
folio (42 statt 32) und neuere Erkenntnis se zur Innovationsdynamik beziehen.

Abb. 71 Für das Jahr 2035 auf Grundlage des Jahres 2013 geschätzter Bedarf an wichtigen Metallen (Marscheider-
Weidemann et al. 2016)

Delafontaine und Soret ein neues, bis dahin unbe-


kanntes Element nach, da dort Linien zu sehen Marc Abraham Delafontaine (* 31.
waren, die den bisher bekannten Elementen nicht März 1838 Céligny; † 1911 unbekannt)
zugeordnet werden konnten. Sie nannten das neue war ein Schweizer Chemiker, der in Genf
Element zunächst „X“. Ein Jahr später entdeckte bei de Marignac Chemie studierte und dort
es Cleve unabhängig; er trennte es in Form seines ab 1860 erst als Privatdozent und dann als
Oxids aus unreinem Erbiumoxid ab. Den braunen Professor für Mineralogie und Organische
Rückstand bezeichnete er als Holmia, den grünen Chemie wirkte. Später ging er vorüberge-
als Thulia. Trotzdem erwies sich die Herstellung hend in die Vereinigten Staaten, wo er von
1870 bis 1874 als Professor der Chemie und
reinen Holmiumoxids so schwierig, dass erst 1911
Toxikologie am medizinischen College für
erstmals reines Holmiumoxid hergestellt werden
Frauen in Chicago arbeitete. Hiernach kehrte
konnte. Es dauerte noch einmal 30 Jahre, bis
er nach Europa zurück und forschte in der
daraus metallisches Holmium in reiner Form dar-
gestellt wurde.
936 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Schweiz zu den Seltenerdmetallen (Pilgrim


1950).

Jacques-Louis Soret (* 30. Juni 1827


Genf; † 13. Mai 1890 Genf) war ab 1873
Professor für Chemie und ab 1876 für medi-
zinische Physik an der Universität Genf.
Dort entdeckte er 1878 mit Marc Delafon-
taine das Element Holmium. Zudem postu-
lierte er erstmals die Struktur des Ozons als
dreiatomige Modifikation des Sauerstoffs
(Soret 1883).

Gewinnung Sie verläuft prinzipiell so wie für


alle mittelschweren Seltenerdmetalle, darunter
Gadolinium und Terbium, beschrieben. Auch
Holmium wurde zuerst in Erzen aus Ytterby auf-
gefunden, einem kleinen, in Lappland gelegene-
nen Ort (s. auch Abb. 72). Nach Abtrennung der
Begleitmetalle setzt man reines Holmiumoxid mit
Flusssäure um. Das dabei entstehende Holmiumf-
luorid erhitzt man zusammen mit Calcium, wobei
sich Calciumfluorid und zunächst noch unreines
metallisches Holmium bildet. Dieses schmilzt
man im Vakuum um und erhält so sehr reines
Metall.

Eigenschaften Silberweiß glänzendes Holmium Abb. 72 Bei Arjeplog (Schweden, oben) und Kittilä
ist weich, form- und schmiedbar. Es besitzt außer- (Finnland, unten), gelegen in Lappland, einer der Regionen
mit größeren Vorkommen an Seltenerden (Sicius-Hahn
gewöhnliche magnetische Eigenschaften. Sein
2018)
Ferromagnetismus ist wesentlich stärker als der
des Eisens. Mit 10,6 μB besitzt Holmium das
höchste magnetische Moment eines natürlich vor-
kommenden chemischen Elements. Mit Yttrium
nen Verbindungen liegt es fast ausnahmslos in der
kann man es zu magnetischen Legierungen schmel-
Oxidationszahl +3 vor.
zen. Holmium ist unter Standardbedingungen para-
magnetisch und wird unterhalb einer Temperatur
Verbindungen
von 253  C (20 K) ferromagnetisch (Gupta und
Chalkogenverbindungen Erst 1911 gelang die
Krishnamurthy 2005; s. Tab. 14).
Reindarstellung von Holmium-III-oxid (Ho2O3).
In trockener Luft ist Holmium einigermaßen
Man gewinnt dieses heute durch Verbrennen metal-
beständig, in feuchter oder warmer Luft läuft es
lischen Holmiums im Sauerstoffstrom oder durch
als unedles Metall aber unter Bildung einer gelb-
die thermische Zersetzung von Holmiumnitrat
lichen Oxidschicht schnell an. Bei Temperaturen
(Meyer und Morss 1991, S. 195) oder -oxalat:
oberhalb von 150  C verbrennt es an der Luft zum
Oxid (Ho2O3). Mit Wasser reagiert es schon in der Ho2 ðC2 O4 Þ3 ! 2 Ho2 O3 þ 6 CO
Kälte langsam unter Entwicklung von Wasserstoff
zum Hydroxid. In Mineralsäuren löst es sich Holmium-III-oxid schmilzt bzw. siedet bei
zügig unter Bildung von Wasserstoff auf. In sei- Temperaturen von 2330  C bzw. 3900  C und
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 937

Tab. 14 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Holmium


Symbol: Ho
Ordnungszahl: 67
CAS-Nr.: 7440-60-0

Aussehen: Silbrig-weiß Holmium (Metallium, Holmium


Farbe von Ho3+aq.: Gelb Inc. 2017) (Sicius 2017)
Entdecker, Jahr: Delafontaine, Soret (Schweiz)
Cleve (Schweden), 1879
Wichtige Isotope [natürl. Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
Vorkommen (%)]:
165
67Ho (100) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China, GUS-Staaten,
Skandinavien, Südafrika
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 1,1
Preis (US$), 99 % Reinheit 50 g (Brocken) 70 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 28 g (Walze, Ø 1,2 cm, in 68 (2019-07-01)
Ampulle):
Atommasse (u): 164,93
Elektronegativität (Pauling): 1,23
Normalpotenzial (V; Ho3+ + 3 e ! Ho): 2,33
Atomradius (berechnet, pm): 175 (225)
Kovalenter Radius (pm): 192
Ionenradius (pm): 90
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f11
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 581 ♦ 1140 ♦ 2204
Magnetische Volumensuszeptibilität: 0,049
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): 20 ♦ 132
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 65
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 1,23  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 64,8 ♦ 40,2 ♦ 26,3
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 481 ♦ 746
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2760
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 8,78
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 18,74  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 16
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,15
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1461 ♦ 1734
Schmelzwärme (kJ/mol): 17
Siedepunkt ( C ♦ K): 2600 ♦ 2873
Verdampfungswärme (kJ/mol): 251

weist eine Dichte von 8,4 g/cm3 auf. Der hellgelbe Ultraviolett- bzw. Infrarotlichtes adsorbiert Hol-
Feststoff (s. Abb. 73) ist kaum löslich in Wasser, mium-III-oxid in gewissen Frequenzfenstern die
aber wohl in Säuren unter Bildung von Holmium- jeweilige Strahlung stark und wird daher in opti-
III-salzen, die wie die meisten Salze der trivalen- schen Filtergläsern verwendet (Allen 2007).
ten Lanthanoide in wässriger Lösung schwach Holmium-III-sulfid (Ho2S3) ist ein graues Pul-
sauer reagieren. Im Wellenlängenbereich des ver der Dichte 5,92 g/cm3 und im Handel in Rein-
938 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 75 Holmium-III-chlorid 99,9 % (Stanford Advan-


ced Materials 2017)
Abb. 73 Holmium-III-oxid, links in Tageslicht, rechts bei
Bestrahlung mit einer Leuchtstofflampe (wiki@filousoph.
sent.com, 2008)

Abb. 76 Holmium-III-bromid-Hydrat 99,9 % (Onyxmet


2017)

außerdem als Dotierungsmittel in Granat-Lasern.


Diese Laser verwendet man in medizinischen und
Abb. 74 Holmium-III-fluorid 99,9 % (Stanford Advan- zahnmedizinischen Anwendungen sowie auch in
ced Materials 2018)
der Glasfaseroptik. Gläser lassen sich mit Hilfe
von Holmiumverbindungen gelb oder rötlich fär-
heiten bis 5N erhältlich. Einsatzgebiet ist meist ben. Daher findet man Holmium- und andere Sel-
die Elektronikindustrie (Halbleiter); 1 g der pul- tenerdverbindungen auch als Kalibriersubstanzen
verförmigen Verbindung (~200 mesh; 99,9 % in Spektrophotometern.
Reinheit) kosten 53 € (Ma Teck, Oktober 2017). Das wasserfreie Holmium-III-chlorid (HoCl3)
Das dunkelrote bis schwarze Holmium-III-selenid gewinnt man analog durch Reaktion von Hol-
(Ho2Se3) ist sowohl als Pulver als auch in Gestalt mium-III-oxid mit Ammoniumchlorid bei Tempe-
von Sputtertargets für den Bau von Halbleitern er- raturen oberhalb von 200  C oder natürlich durch
hältlich. Das halbleitende Holmium-II-tellurid (Ho- erhitzen von Holmiummetall im Chlorstrom.
Te) ist das einzige käufliche Tellurid des Elements Das Hexahydrat ist durch Auflösen von Holmium
(American Elements 2017) und wird ebenfalls in in Salzsäure zugänglich, jedoch funktioniert
den oben genannten Anwendungen eingesetzt. das Entwässern nur über den Zusatz von Thionyl-
Halogenverbindungen Holmium-III-fluorid chlorid als Wasserfänger. Das wasserfreie Salz
(HoF3) erzeugt man elegant durch Umsetzung schmilzt bei einer Temperatur von 718  C (Siede-
von Ammoniumfluorid mit Holmium-III-oxid punkt der Schmelze: 1470  C) und hat die Dichte
und darauf folgendes Erhitzen des dabei gebilde- 3,7 g/cm3. Es ist wie das Hexahydrat hellgelb
ten Ammoniumsalzes (Janiak et al. 2012). Das (s. Abb. 75) und löslich in Wasser.
hellgelbe Fluorid (s. Abb. 74) schmilzt bei ei- Das gelbe Holmium-III-bromid (HoBr3) ist in
ner Temperatur von 1143  C (Siedepunkt der wasserfreier Form durch Überleiten von Bromwas-
Schmelze: 2200  C) und hat eine Dichte von serstoff oder auch Bromdampf über erhitztes
7,64 g/cm3. Die in Wasser kaum lösliche Verbin- Holmium darstellbar (Brauer 1975b, S. 1077).
dung kristallisiert unter Normalbedingungen or- Dagegen erhält man die wasserhaltige Verbindung
thorhombisch. Man setzt es in Keramiken, Glä- (s. Abb. 76) durch Auflösen von Holmium oder
sern, Halogenlampen und Leuchtstoffen ein, Holmium-III-oxid in Bromwasserstoffsäure; nur
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 939

das Erhitzen der hydrolyseempfindlichen Verbin- der 5N-Ware (99,999 %) US$ 75 (!) (Chemsavers,
dung mit Ammoniumbromid überführt sie ohne September 2017).
Zersetzung in das wasserfreie Salz. Jenes ist stark Sonstige Verbindungen Es gibt verschiedene
hygroskopisch, schmilzt bzw. siedet bei 919  C Holmiumcarbide, deren Zerfall bei hoher Tempe-
bzw. 1470  C, hat eine Dichte von 4,85 g/cm3 ratur bereits von Wakefield untersucht wurde
und kristallisiert in einer trigonaler Struktur. (1961). So existiert ein Holmiumdicarbid (HoC2),
Holmium-III-iodid (HoI3) gewinnt man in was- das bei Kontakt mit Säuren Ethin (Acetylen) frei
serfreier Form durch Umsetzung der Elemente setzt, aber auch die ebenfalls hydrolyseempfindli-
Holmium und Iod miteinander (Brauer 1975b, chen Ho2C3 und Ho3C.
S. 1077). Eine weitere Methode geht von der unter Holmiumdisilicid (HoSi2) ist ein graues Pulver
Vakuum und bei ca. 500  C durchgeführten der Dichte 7,1 g/cm3. Diese Verbindung sowie
Reaktion von Holmium mit Quecksilber-II-iodid generell das System Holmium-Silicium mit eini-
aus. Die wasserfreie Verbindung bildet hellbraune gen anderen intermediären Siliciden sind seit län-
Kristalle (s. Abb. 77), hat die Dichte 5,4 g/cm3 gerem Gegenstand intensiver Forschung (Perkins
und den für ein Metalltriiodid relativ hohen et al. 2005, s. auch Abb. 78; Kitayama et al. 2001;
Schmelzpunkt von 994  C. Seine Kristallstruktur Goncharuk et al. 2011).
ist ein Schichtengitter mit trigonal angeordneten Holmiumboride gibt es ebenfalls mehrere, die
Elementarzellen (Bismut-III-iodid-Typ). Ein Ein- im Handel sowohl als Pulver als auch in Form von
satzgebiet des Holmium-III-iodids ist in Metall- Sputtertargets erhältlich sind [darunter HoB4 oder
dampflampen (Flesch 2007). Holmiumhexaborid (HoB6)]; Anwendung dieser
Pnictogenverbindungen Holmium-III-nitrid (HoN) hochschmelzenden Verbindungen sind Halbleiter
ist ein grauer, harter, bei hoher Temperatur und Keramiken.
schmelzender Feststoff, der durch Erhitzen fein
verteilten Holmiums in einer Stickstoffatmosphä-
re erzeugt werden kann. Holmium-III-phosphid Anwendungen Seine hervorragenden magneti-
(HoP) ist durch Überleiten gasförmigen gelben schen Eigenschaften prädestinieren Holmium
Phosphors über erwärmtes, in Pulverform vorlie- für zahlreiche Anwendungen. In Polschuhen von
gendes Holmium zugänglich und ist ebenfalls ein Hochleistungsmagneten ist es ebenso enthalten
Halbleiter, der in Laserdioden und anderen Hoch- wie in Magnetblasenspeichern, in denen es in
energie- bzw. -frequenzanwendungen eingesetzt Form von in sehr dünner Schicht aufgebrachten
wird. Die magnetischen Übergänge dieser Verbin- Legierungen mit Eisen, Kobalt und Nickel zum
dung untersuchte schon Furrer (1976). Holmium- Einsatz kommt (Jiles 1998; Hoard et al. 1985). In
III-arsenid (HoAs) ist ein bei Raumtemperatur Steuerstäben von Brutreaktoren ist es als Absor-
ebenfalls fester Halbleiter und wird in lichtopti- ber für thermische Neutronen prinzipiell einsetz-
schen Modulen eingebaut, jedoch kosten 250 mg bar, jedoch sind die ihm verwandten Elemente
Gadolinium und Dysprosium hier leistungsfähi-
ger und auch wirtschaftlicher.
In Granaten für Festkörperlaser wird es weithin
verwendet als Dotiermittel [Yttrium-Eisen (YIG),
Yttrium-Aluminium (YAG), Yttrium-Lithium-
Fluorid (YLF)]. Sie emittieren IR-Licht einer
Wellenlänge von 2100 nm und werden in der
Medizin und Optik eingesetzt (Gupta und Krish-
namurthy 2005).
Holmiumoxid verwendet man zur Erzeugung
gelben Glases, wegen seiner auf einen engen Wel-
lenlängenbereich begrenzten Lichtabsorption zu-
Abb. 77 Holmium-III-iodid 99,9 % (Onyxmet 2018) dem als Kalibriersubstanz für Fotometer.
940 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 78 Holmiumsilicide
unter dem Scanner-Tunnel-
Mikroskop (Perkins et al.
2005)

Holmium-III-iodid ist Bestandteil der Wirk-


substanz in Metalldampflampen. sensors (Honeywell Ltd., CA 2987076
A1, veröffentlicht 2. März 2017)
O. Romanova et al., Holmium manganese
Patente sulfide with giant magnetoresistance
(Auswahl aktueller Patente aus https:// (FED Gosudarstvennoe, RU 2629058
worldwide.espacenet.com) C1, veröffentlicht 24. August 2017)

Z. Shao, Holmium laser ultrasonic lithotri-


psy and integrative device of laser scal- 6.15 Erbium
pel (Wuhan Haohong Technolgies Co.,
Ltd., CN 207837633 U, veröffentlicht Geschichte Erbium wurde 1843 von Mosander
11. September 2018) entdeckt; seine Kurzbiografie finden Sie unter
B. Lyu und H. Chen, Method for prepa- „Lanthan“. Allerdings setzte sich dieses seinerzeit
ring transparent magneto-optic hol- für rein gehaltene Erbiumoxid noch aus den Oxi-
mium oxide ceramic (University of den mehrerer Elemente der Seltenerden zusam-
Ningbo, CN 108358635 A, veröffent- men. In den folgenden Jahren arbeiteten Delafon-
licht 3. August 2018) taine und Berlin an Möglichkeiten zur Isolierung
J. Brandts et al., Body comprising an oxide des Elements; erst 1905 gelang Urbain (Kurzbio-
of lanthanide supported on a sulphur grafie siehe „Gadolinium“) in Zusammenarbeit
containing carbon based particle and a mit James die erstmalige Reindarstellung.
method of preparation thereof (BASF
Corp., WO 2018116274 A1, veröffent- Gewinnung Sie verläuft analog der für die vo-
licht 28. Juni 2018) rangegangenen Elemente Gadolinium bis Hol-
Y. Gu und W. Peng, Method and reactor for mium beschriebenen Vorgehensweise. Erbium
cracking hydrocarbon and method for entsteht bei hohen Temperaturen durch Reaktion
coating the reactor (General Electric, von Calcium mit Erbiumfluorid unter Argon und
US 2018057749 A1, veröffentlicht anschließendem Umschmelzen des Rohmetalls
1. März 2018) im Vakuum (Patnaik 2003).
H. Huang und G. Zheng, Dual-path hol-
mium laser (Hefei Hans Curestar Laser Eigenschaften Das silberweiß glänzende Erbium
Device Co., Ltd., CN 107693116 A, 16. (Tab. 15) ist schmiedbar, aber auch bereits etwas
Februar 2018) spröde und leitet so zu den Übergangsmetallen ab
S. Tixier, Holmium oxide glasses as calibra- der Ordnungszahl 72 (Hafnium) über. Das Metall
tion standards for near infrared moisture ist unterhalb einer Temperatur von 241  C (32 K)
ferromagnetisch, antiferromagnetisch zwischen
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 941

Tab. 15 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Erbium


Symbol: Er
Ordnungszahl: 68
CAS-Nr.: 7440-52-0

Aussehen: Silbrig-weiß Erbium (Metallium, Inc. 2017)


Farbe von Er3+aq.: Rosa bis pink
Entdecker, Entdeckungsjahr: Mosander (Schweden), 1843
Wichtige Isotope [natürl. Vorkommen (%)]: Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
166
68Er (33,6) Stabil ——
167
68Er (22,95) Stabil ——
168
68Er (26,8) Stabil ——
170
68Er (14,9) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China, Australien
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 2,3
Preis (US$), 99,9 % Reinheit 35 g (Brocken) 35 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 29 g (Walze, Ø 1,2 cm, in Ampulle): 68 (2019-07-01)
Atommasse (u): 167,259
Elektronegativität (Pauling): 1,24
Normalpotenzial (V; Er3+ + 3 e ! Er): 2,32
Atomradius (berechnet, pm): 175 (226)
Kovalenter Radius (pm): 189
Ionenradius (pm): 89
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f11
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte 589 ♦ 1150 ♦ 2194
Magnetische Volumensuszeptibilität: 0,033
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): 32 ♦ 82
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 0,16
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,16  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 69,9 ♦ 44,4 ♦ 28,3
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 589 ♦ 814
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2830
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 9,06
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 18,46  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 15
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 28,12
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1529 ♦ 1802
Schmelzwärme (kJ/mol): 19,9
Siedepunkt ( C ♦ K): 2900 ♦ 3173
Verdampfungswärme (kJ/mol): 280
942 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

241  C (32 K) und 193  C (80 K) und oberhalb chen oder Sputtertargets angeboten und spezifisch
von 193  C paramagnetisch (Jackson 2000a). in der Infrarotdetektion und -Fotografie eingesetzt
In Luft läuft Erbium grau an, ist dann aber wird. Mit geringen Mengen an Erbium dotiertes
relativ beständig. Bei erhöhter Temperatur ver- Zinn-II-selenid zeigt eine Selbstkompensierung
brennt es zum Sesquioxid (Er2O3). Mit Wasser (Huseynov et al. 2013).
reagiert es, wie namentlich alle Lanthanoide nied- Erbium-III-tellurid (Er2Te3) schmilzt bei einer
rigerer Ordnungszahl, unter Wasserstoffentwick- Temperatur von 1213  C, hat die Dichte 7,11 g/cm3
lung zum Hydroxid. In Mineralsäuren löst es sich und kristallisiert orthorhombisch. Aus der Ver-
ziemlich schnell unter Bildung von Wasserstoff bindung hergestellte Quantenpunkte („Quantum
und Erbium-III-verbindungen auf. In seinen Ver- Dots“), also Nanokristalle, haben im Wellenlän-
bindungen liegt es fast ausschließlich in der Oxi- genbereich zwischen 490 und 740 nm einen relativ
dationsstufe +3 vor, die Er3+ -Kationen bilden in engen Emissionsbereich. Anwendungen bestehen
Wasser rosafarbene Lösungen. Feste Salze des in Solarmodulen und der Optik.
Erbiums sind ebenfalls rosa gefärbt. Halogenverbindungen Erbium-III-fluorid (ErF3)
gewinnt man durch Reaktion von Erbium mit Fluor
Verbindungen oder durch die von Flusssäure mit Erbium-III-chlo-
Chalkogenverbindungen Erbium-III-oxid (Er2O3) rid (Herzfeld und Korn 2012, S. 90). Die rosafar-
gewinnt man durch Verbrennung von Erbium an bene Verbindung (s. Abb. 80) schmilzt bei einer
Luft. Das pinkfarbene, leicht hygroskopische Pul- Temperatur von 1146  C (Siedepunkt der Schmelze:
ver (s. Abb. 79) schmilzt bei einer Temperatur von 2200  C) und hat eine Dichte von 7,81 g/cm3.
2344  C (Siedepunkt der Schmelze: 3920  C) und Erbium-III-fluorid ist nahezu unlöslich in Wasser
hat die Dichte 8,64 g/cm3. Erstmals in reiner Form und kristallisiert orthorhombisch.
hergestellt wurde es erst 1905 (Ihde 1970, S. 377). Erbium-III-chlorid (ErCl3) ist in wasserfreier
Die in Wasser nahezu unlösliche Verbindung Form auf mehreren Wegen zugänglich. Entweder
kristallisiert kubisch. Man verwendet sie zur Fär- durch Umsetzung von Erbium-III-oxid oder -car-
bung von Gläsern und Keramik. Erbium-III-oxid bonat mit Ammoniumchlorid (Brauer 1975b,
absorbiert wie andere Seltenerdmetalloxide stark S. 897), des Weiteren durch Auflösen von Erbium
Infrarotlicht; daher setzt man es zur Produktion in Salzsäure und Entwässern des dabei gebildeten
von in der Glas- und Stahlindustrie benutzten Hydrates mit Thionylchlorid oder aber natürlich
Schutzbrillen ein. durch Reaktion der Elemente Erbium und Chlor
Das gelbweiße Erbium-III-sulfid (Er2S3) schmilzt miteinander.
bei einer Temperatur von 1730  C, hat eine Dichte Das wasserfreie Salz schmilzt bei 774  C (Sie-
von 6,07 g/cm3 und wird von einigen Herstellern depunkt: 1500  C), hat eine Dichte von 4,1 g/cm3
(Lorad Chemical Corp., American Elements) ange- und ist ein hygroskopischer, rosafarbener Fest-
boten. Das Einsatzgebiet liegt auch hier zumeist in stoff; das Hexahydrat hat eine noch intensivere
Halbleitern; dasselbe gilt auch für Erbium-III-sele- Farbe (s. Abb. 81). Beide Verbindungen sind gut
nid (Er2Se3), einem kristallinen Feststoff, der wie löslich in Wasser und haben jeweils monokline
alle vergleichbaren Seltenerdsulfide und -selenide Kristallstruktur (D’Ans und Lax 2007). Erbium-
sowohl in Stücken, als Pulver, in Form von Plätt-

Abb. 80 Erbium-III-fluorid (Stanford Advanced Materi-


Abb. 79 Erbium-III-oxid (Gfobt 2009) als 2018)
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 943

Abb. 82 Cs2Er2Ta12Cl36 (Catalyst Hub 2017)


Abb. 81 Erbium-III-chlorid-Hexahydrat, 99,9 % (Onyx-
met 2017)

III-chlorid ist sehr gut als Katalysator für die Acy-


lierung von Phenolen und Alkoholen geeignet
Dalpozzo et al. 2006), dient aber auch zur Syn-
these neuer Metallcluster-Verbindungen wie dem
oktaedrisch koordinierten Cs2Er2Ta12Cl36, einer
ebenfalls katalytisch aktiven, hexagonal kristalli-
sierenden Verbindung der Dichte 5 g/cm3, die eine Abb. 83 Erbiumhydrid (Stanford Advanced Materials
Bandlücke von 1,34 eV aufweist (Catalyst Hub 2018)
2017; s. Abb. 82).
Das bei einer Temperatur von 923  C schmel-
zende wasserfreie Erbium-III-bromid (ErBr3) er- wirkenden Erbiumcarbids (ErC2) auf Substraten
hält man am besten durch Umsetzung der Ele- aus Hafnium-IV-oxid abzuscheiden, was bei der
mente. Der ebenfalls rosafarbene Feststoff ist nur Entwicklung von MOSFET-Transistoren einen
mäßig in Wasser löslich und kristallisiert mit trikli- technischen Durchbruch bedeutete. Die Arbeits-
ner Kristallstruktur (Wasse et al. 2000). Das was- funktion (WF) ist sehr niedrig, die Bandlücke
serfreie, violette Erbium-III-iodid (ErI3), das durch (3,9 eV) und auch die chemische Stabilität hoch.
Überleiten von Ioddampf über erhitztes Erbium Die Ferminiveaus sind weitgehend festgelegt
gewonnen werden kann, besitzt Schmelz- bzw. („pinned“) (Ahn 2016). Die Art der Strom-Span-
Siedepunkte von 1020  C bzw. 1280  C und eine nungs-Kurve, die sich an der Phasengrenze von
Dichte von 5,5 g/cm3. Die trigonal kristallisierende Metall zu Halbleiter ausbildet, ob nun linear (po-
Verbindung ist relativ gut in Wasser löslich. lungsunabhängig, Ohmscher Kontakt) oder dio-
Pnictogenverbindungen Erbium-III-nitrid (ErN) denähnlich (polungsabhängig, Schottky-Kontakt)
ist ein kristalliner, olivgrüner Feststoff mit den hängt stark von der Lage der Ferminiveaus im
Eigenschaften eines Halbleiters. Auch die anderen Metall und einer eventuellen Dotierung des Halb-
Pnictogenide des Erbium-III (ErP und ErAs) sind leiters ab.
Halbleiter, die in hierfür maßgeschneiderten An- Erbiumcarbid wurde auf diese Weise auch
wendungen Einsatz finden, so in der Fotooptik. schon auf nichtmetallische Oberflächen aufge-
Die Eigenschaften anderer III-V-Halbleiter wie Gal- dampft (Patrat et al. 2002), dies zwecks Herstel-
liumarsenid können durch Dotieren mit den jewei- lung von Schottky-Dioden und CVD-Diamantfil-
ligen Seltenerdmetallphosphiden oder -arseniden men.
gezielt verändert werden. Singer et al. (1994) unter- Für einige Synthesen gut geeignet ist Erbium-
suchten das Wachstum von aus Erbiumarsenid III-hydrid (ErH3), da es nukleophilen Gruppen
bestehenden Dotierungsinseln in Galliumarsenid. eine leichte Anbindung an das Er3+-Ion ermög-
Sonstige Verbindungen Durch epitaktische Ab- licht. Die Verbindung liegt als schwarzes Pulver
scheidung aus der Gasphase gelang es, extrem vor (s. Abb. 83), das sich beim Erhitzen unter
dünne Filme des keramischen, hochisolierend Abspaltung von Wasserstoff zersetzt.
944 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 84 a Erbium-III-
nitrat-Pentahydrat 99,99 %
(Onyxmet 2018). b Erbium-
III-sulfat (Onyxmet 2018)

„Gewöhnliche“ Verbindungen des Erbiums


sind die Salze starker Mineralsäuren wie das Patente
jeweils rosafarbene Nitrat, Sulfat oder Phosphat (Auswahl aktueller Patente aus https://
(s. Abb. 84a, b). worldwide.espacenet.com)

Anwendungen Eine Erbium-Nickel-Legierung V. Utochnikova et al., Light emitting diode


(Er3Ni) hat bei Temperaturen nahe dem absoluten with an emission layer on the basis of
Nullpunkt eine ungewöhnliche hohe spezifische compounds of rare earth elements (pri-
Wärmekapazität, daher setzt man es in Kryokühlern vat, WO 2018208186 A1, veröffentlicht
ein. Eine Mischung aus 65 % Er3Co und 35 % 15. November 2018)
Er0,9Ni0,1Ni ist hierbei sogar noch wirksamer A. Hashimoto und Y. Aoki, Reddish light
(Ackermann 1997). emitting phosphorescent phosphor (Ne-
Erbium-dotierte Lichtwellenleiter setzt man in moto Luminescent Materials Co., Ltd.,
optischen Verstärkern ein. Eine Matrix aus Gold, US 2018259908 A1, veröffentlicht 13.
dotiert mit einigen 100 ppm Erbium, dient als Sen- September 2018)
sormaterial magnetischer Kalorimeter zur hochauf- P. Wang und J. Chen, Fixed stable form
lösenden Teilchendetektion (Becker et al. 1999). erbium doped fiber amplifier (Tianjin
Erbium wird, wie andere Seltenerdmetalle Wenhao Technology and Development
auch (Neodym, Holmium), zur Dotierung von Co., Ltd., CN 207623659 U, veröffent-
Laserkristallen in Festkörperlasern verwendet licht 17. Juli 2018)
(Er-YAG-Laser, siehe auch Nd-YAG-Laser). Der E. Dilk et al., Oxidation of limonene (Sym-
Er-YAG-Laser findet meist in der Humanmedizin rise AG, US 2018155262 A1, veröffent-
Verwendung. Er strahlt mit einer Wellenlänge von licht 7. Juni 2018)
2940 nm und wird damit sehr stark im Gewebe- R. Kurtz und A. Gulses, Spectrally pure
wasser absorbiert. short pulse laser (Luminit, LLC, US
Als reiner Beta-Strahler wird 16968Er in der 2017365974 A1 veröffentlicht 21.
Radiosynoviorthese zur Therapie kleiner Gelenke Dezember 2017)
eingesetzt, für mittelgroße Gelenke kommt 18675Re W. S. Lee und B. Joshi, Polycrystalline trans-
und für große 9039Y zur Anwendung. Erbium parent upconverting a sialon ceramics and
dient wegen seines hohen Einfangquerschnitts preparation method therefor (Industry-
für Neutronen auch als Bestandteil der zur Her- University Cooperation Foundation Sun-
stellung von Kontrollstäben verwendeten Legie- moon University, WO 2017195954 A1,
rung. Dies ist für RBMK-Reaktoren von Bedeu- veröffentlicht 16. November 2017)
tung (Parish 1999). L. Qiao, Optical amplifier (US 2017294756,
Erbium-III-chlorid katalysiert wirksam die veröffentlicht 12. Oktober 2017)
Acylierung von Alkoholen und Phenolen.
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 945

6.16 Thulium
scher Strukturen und die Darstellung der
Geschichte Die Entdeckung des Thuliums er- ersten Edelgasverbindungen. Er war Mit-
folgte erst weit in der zweiten Hälfte des 19. verfasser von Lehrbüchern für Anorgani-
Jahrhunderts, obwohl Forscher wie Mosander sche Chemie („Biltz-Klemm-Fischer“), da-
und de Marignac schon viel früher mit thulium- rüber hinaus Präsident der Gesellschaft
haltigen Erden arbeiteten, ohne zu wissen, dass Deutscher Chemiker, Rektor der Universität
diese das Element enthielten. Als Cleve (Kurzbio- Münster und von 1965 bis 1967 Präsident
grafie siehe „Praseodym“) 1879 Absorptions- der IUPAC. Außerdem war er Mitglied eini-
ger Akademien und einer der Herausgeber
spektren erbium- und ytterbiumhaltiger Proben
der Zeitschrift für anorganische und allge-
untersuchte, fand er, dass diese einige bis dahin
meine Chemie sowie des Chemischen Zen-
unbekannte Banden zeigten. Diese wies er zwei
tralblatts.
neuen Elementen zu, die er auch gleich mit den
heute noch gültigen Namen bezeichnete: Hol-
mium und Thulium. Soret (Kurzbiografie siehe
Gewinnung Nach der schon für die vorangegan-
„Holmium“) hatte anhand der gleichen Proben
genen Seltenerdmetalle dargelegten Methode wird
vorher und unabhängig von Cleve das Vorhanden-
auch hier das sehr reine Thuliumoxid durch
sein eines neuen Elements, des Holmiums postu-
Reaktion mit einem reaktiveren Metall, als es
liert, nicht aber auf Thulium verwiesen (Cleve
Thulium ist, reduziert. Allerdings gelangt hier
1879, 1880).
Lanthan und nicht Calcium zum Einsatz. Die hohe
James isolierte Thulium 1911 durch mehrtau-
Exothermie dieser Reaktion ermöglicht es, dass
sendfache fraktionierte Kristallisation der Bro-
aus dem Reaktionsgemisch heraus Thulium direkt
mate des Erbiums, Thuliums und Ytterbiums
absublimiert werden kann.
(James 1911). Noch einmal 25 Jahre später gelang
Klemm und Bommer die Darstellung reinen Thu-
liums durch Reaktion von Kalium mit Thulium- Eigenschaften Silbergraues Thulium ist sehr
III-chlorid bei einer Temperatur von ca. 250  C weich, gut dehn- und schmiedbar. Es kristalli-
(Klemm und Bommer 1937). siert bei Raumtemperatur in der stabileren
hexagonalen Modifikation (β-Tm), daneben
gibt es noch eine tetragonale Form (α-Tm)
Der englische Chemiker Charles James (Hammond 2000). Das Metall ist ferromagne-
(* 27. April 1880 Earls Barton; † 10. tisch unterhalb von 248  C (25 K), antiferro-
Dezember 1928 unbekannt) bearbeitete an magnetisch zwischen 248  C (25 K) und
der University of Hampshire die Trennung 217  C (56 K) und paramagnetisch oberhalb
der Seltenerdmetalle durch fraktionierte von 217  C (56 K) (Jackson 2000b)
Kristallisation. Ihm gelang ebenfalls die (s. Tab. 16).
Isolierung und Charakterisierung des Lute- In trockener Luft ist Thulium ziemlich
tiums. beständig, in feuchter Luft läuft es grau an. Bei
erhöhter Temperatur verbrennt es, wie alle ande-
Wilhelm Karl Klemm (* 5. Januar 1896 ren Lanthanoide auch, zum Sesquioxid
Guhrau; † 24. Oktober 1985 Danzig) stu-
(Tm2O3). Mit Wasser reagiert es unter Wasser-
dierte Chemie in Breslau. 1933 wurde er
stoffentwicklung zum Hydroxid, und Mineral-
zum Professor für Anorganische Chemie
säuren lösen es unter Entwicklung von Wasser-
an der Technischen Universität Danzig
stoff leicht auf. In seinen Verbindungen liegt es
ernannt. Schwerpunkte seiner Arbeit waren
die Magnetochemie, in Kooperation mit fast immer in der Oxidationsstufe +3 vor, die
Eduard Zintl die Aufklärung intermetalli- Tm3+ -Kationen bilden in Wasser pastell-bläu-
lich-grüne Lösungen.
946 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Tab. 16 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Thulium


Symbol: Tm
Ordnungszahl: 69
CAS-Nr.: 7440-30-4

Aussehen: Silbrig-grau Thulium,


Farbe von Tm3+aq.: Grünlich Brocken
[A-44]
Entdecker, Jahr: Delafontaine, Soret (Schweiz)
Cleve (Schweden), 1879
Isotop [natürl. Vork. (%)]: Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
169
69Tm (100) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China, Rußland Xenotim, Yttrium-Gadolinit/Bastnäsit,
Monazitsand
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,2
Preis (US$), 99 % Reinheit 25 g (Brocken) 155 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 30 g (Walze, Ø 1,2 cm, in Ampulle): 220 (2019-07-01)
Atommasse (u): 168,934
Elektronegativität (Pauling): 1,25
Normalpotenzial (V; Tm3+ + 3 e ! Tm): 2,32
Atomradius (berechnet, pm): 175 (222)
Kovalenter Radius (pm): 190
Ionenradius (pm): 88
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f13
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 597 ♦ 1160 ♦ 2285
Magnetische Volumensuszeptibilität: 0,017
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): 25 ♦ 56
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 115
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,48  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 74,0 ♦ 44,5 ♦ 30,5
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 520 ♦ 410
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 9,32
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 19,1  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 16,8
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,03
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1545 ♦ 1818
Schmelzwärme (kJ/mol): 16,8
Siedepunkt ( C ♦ K): 1950 ♦ 2223
Verdampfungswärme (kJ/mol): 247

Verbindungen hergestellt, obwohl Thulium zu den seltenen Lan-


Chalkogenverbindungen Cleve entdeckte Thu- thanoiden gehört. Man gewinnt es durch Verbren-
lium-III-oxid (Tm2O3) und Holmium-III-oxid als nen von Thulium an Luft oder durch Erhitzen von
Nebenbestandteile in Erbia, wie das rohe Erbium- Thuliumoxalat, -carbonat oder -acetat auf Tempe-
oxid damals genannt wurde (Emsley 2001, raturen um 700  C (Meyer und Morss 1991,
S. 442). Jährlich werden rund 50 t dieses Oxids S. 196; Adachi et al. 2004, S. 151). Die gelbgrüne
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 947

Abb. 85 a Thulium-III-
oxid (Stanford Advanced
Materials 2017). b
Thulium-III-oxid (Sicius
2017)

Verbindung (s. Abb. 85a, b) schmilzt bei 2341  C


(Siedepunkt der Schmelze: 3945  C), hat eine
Dichte von 8,6 g/cm3 und kristallisiert kubisch.
Die Verbindung ist aufgrund des komplizierten
Herstellverfahrens und der Seltenheit von Thu-
lium sehr teuer [Preis am 10.10.2017: 166 € für
1 g 99,99 %iger Ware (Sigma Aldrich)]. Man setzt
es in Gläsern oder Glasfasern für Lasergeräte ein.
Thulium bildet mit Schwefel mehrere Sulfide,
die zumeist alle charakterisiert sind, wie das in
Abb. 86 Thulium-III-chlorid-Hexahydrat 99,9 % (Onyx-
Halbleitern eingesetzte, feste und hochschmel- met 2017)
zende Thulium-III-sulfid (Tm2S3) oder Thulium-
II,III-sulfid (Tm5S7), dessen Kristallstruktur Range
et al. (1993) untersuchten. hellgelbes Thulium-III-chlorid (TmCl3), das bei
Mit Selen ergibt Thulium unter anderem die 824  C bzw. 1490  C schmilzt bzw. siedet, ist
beiden im Handel erhältlichen Verbindungen Thu- durch Umsetzung von Thulium-III-oxid oder -car-
lium-II-selenid (TmSe) und -III-selenid (Tm2S3), bonat mit Ammoniumchlorid zugänglich (Brauer
die ebenfalls für die Elektronikindustrie oder auch 1975, S. 893), ebenso durch Überleiten eines
die Konstruktion optischer Geräte wichtig sind. Chlorstroms über erhitztes Thulium. Das farb-
Stepanov untersuchte beispielsweise die Wärme- lose bis hellgrüne, hygroskopische Hexahydrat
energie, die Einkristalle von TmSe unter Druck (s. Abb. 86) ist einfach durch Auflösen von Thu-
abgeben (2014). 100 mg Thulium-III-selenid liummetall in Salzsäure und vorsichtiges Einduns-
kosten im Oktober 2017 bei MP Biomedicals ten der Lösung in kristalliner Form herstellbar.
LLC € 97,60.- (!). Erhitzen in Thionylchlorid liefert das wasserfreie
Halogenverbindungen Thulium-III-fluorid (TmF3) Salz. Thulium-III-chlorid hat eine monokline
stellt man auf üblichem Weg her, also durch Kristallstruktur.
Umsetzung von Thulium-III-oxid oder -III-chlorid Das dunkelrote, in Pulverform dunkelgrün
mit Fluorwasserstoff (Brauer 1975a, S. 254). Die erscheinende Thulium-II-chlorid (TmCl2) erzeugt
geruchlose, leicht grünliche Substanz schmilzt bei man durch Erhitzen von Thulium-III-chlorid mit
einer Temperatur von 1158  C (Siedepunkt der Thulium im Vakuum bei ca. 850  C (Brauer
Schmelze: 2230  C), weist die Dichte von 7,97 g/ 1975b, S. 1081). Ebenfalls möglich ist die Umset-
cm3 auf, ist nur wenig löslich in Wasser und kris- zung metallischen Thuliums mit Quecksilber-II-
tallisiert orthorhombisch. Man setzt die Verbin- chlorid, wobei allerdings giftiges Quecksilber
dung zum Dotieren optischer Gläser ein; dabei ist gebildet wird, das abdestilliert werden muss. Die
eine wichtige Anwendung die eines Filters für bei einer Temperatur von 718  C schmelzende
Infrarotlicht im Wellenlängenbereich von 3000 Verbindung ist stark hygroskopisch und empfind-
bis 8000 nm. lich gegenüber Luftsauerstoff. Feuchte Luft hy-
Die vorher genannten Verfahren zur Herstel- drolysiert es oxidativ zu basischem TmOCl.
lung der Trichloride der Seltenerdmetalle lassen Das hydratisierte Thulium-III-bromid (TmBr3)
sich auch auf Thulium anwenden. Wasserfreies, erhält man wie die Tribromide der anderen Selten-
948 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

erdmetalle durch Auflösen von Thulium in Brom- beispielsweise der von 2-Acetylthiophen mit
wasserstoffsäure; man kann es durch Erhitzen mit Aldehyden und Ketonen in Tetrahydrofuran, auch
Ammoniumbromid unzersetzt in die wasserfreie als Reduktionsmittel wie auch Samarium-II-iodid.
Form überführen (Brauer 1975b, S. 1077). Diese Pnictogenverbindungen Thulium-III-nitrid (TmN)
ist ebenfalls durch Überleiten von Bromdampf ist ein hochschmelzender, pulvriger, schwarzer Fest-
über erhitztes Thulium erhältlich. Der nahezu wei- stoff der Dichte 9,32 g/cm3, den man in hochtempe-
ße, stark wasseranziehende Feststoff schmilzt bei raturbeständigen Keramiken verwendet.
952  C Siedepunkt der Schmelze: 1440  C und Die höheren Pnictogenide sind, wie auch dieje-
kristallisiert im trigonalen Eisen-III-bromid-Typ. nigen der anderen Lanthanoide, eher für die Her-
Dunkelgrünes Thulium-II-bromid (TmBr2) ist stellung von Halbleitern wichtig. Sputtertargets
durch Reduktion von Thulium-III-bromid mit haben höchstmögliche Reinheit und Dichte sowie
Thulium im Vakuum bei hohen Temperaturen kleinstmögliche Korngröße. Die bei Raumtempe-
(ca. 900  C) zugänglich (Brauer 1975b, S. 1081). ratur ebenfalls dunkelgrauen bis schwarzen Thu-
Die gegenüber Wasser und Luft sehr empfindliche lium-III-phosphid (TmP) und Thulium-III-arsenid
Verbindung muss unter trockenem Schutzgas ge- (TmAs) gehen sowohl in Halbleiter und als auch in
handhabt werden. durch Aufdampfen erzeugte, dünne Beschichtun-
Thulium-III-iodid (TmI3) erhält man durch gen für die Display- und optische Technik. Die
Umsetzung von Thulium mit Iod. Der gelbe Fest- Gitterstrukturen dieser Verbindungen und die des
stoff (s. Abb. 87) ist stark hygroskopisch, schmilzt Thulium-III-antimonids (TmSb) (Dichte 8,61 g/cm3)
bzw. siedet bei 1015  C bzw. 1260  C und lässt prädestinieren sie für Anwendungen in infrarotemp-
sich nur bei Ausschluss auch von Spuren Wasser findlichen Kamerachips (Wijn 1998).
unzersetzt, also ohne Bildung von Hydrolysepro- Sonstige Verbindungen Thulium-III-sulfat
dukten, erhitzen. Man setzt Thulium-III-iodid in [Tm2(SO4)3] bildet jadegrüne, an feuchter Luft
Metalldampflampen ein. zerfließliche Kristalle [s. Abb. 88, Preis bei
Thulium-II-iodid (TmI2) erhält man auf ähn- Sigma-Aldrich für 1 g 99,9 %ige Ware: € 42.50.-
liche Weise, wie dies für das Dichlorid oder Di- (Oktober 2017)].
bromid schon beschrieben wurde, hier durch Durch Zusammenschmelzen von Thuliumme-
Reduktion des Triiodids mit Thulium im Vakuum tall mit Grafit im jeweiligen Mengenverhältnis
bei Temperaturen von 800 bis 900  C, oder auch sind bei hoher Temperatur diverse Thuliumcarbi-
mittels Reduktion von Quecksilber-II-iodid mit de zugänglich. Schon Emeléus und Sharpe be-
Thulium unter Luftausschluss bei rund 500  C schrieben Tm3C, Tm2C3 und TmC2 (1968).
(Brauer 1975b, S. 1077). Ebenfalls möglich ist Die Thuliumboride TmB4 und TmB6 sind sehr
die Darstellung aus stöchiometrischen Mengen harte, hochschmelzende Festkörper mit nahezu
der Elemente (Gschneidner et al. 2017). Der metallischer elektrischer Leitfähigkeit. Man ver-
schwarze Feststoff ist hygroskopisch und auch wendet sie in Keramiken, Halbleitern, Raketen-
empfindlich gegenüber Luftsauerstoff. Die bei düsen und Turbinenschaufeln; sie sind nur in
756  C schmelzende Verbindung kristallisiert im nichtoxidierenden Säuren beständig. Oxidierende
Cadmium-II-iodid-Typ. Man setzt sie als Kata- Säuren und starke Alkalien zerstören sie, vor
lysator bei pinakolartigen Kupplungen ein, wie allem beim Erhitzen.

Abb. 87 Thulium-III-iodid (Onyxmet 2017) Abb. 88 Thulium-III-sulfat 99,9 % (Onyxmet 2017)


6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 949

Anwendungen Thulium kommt in den Minera-


len Gadolinit, Monazit, Xenotim und Euxenit vor; 107099666 A, veröffentlicht 29. August
sein Anteil an der Erdkruste beträgt ca. 0,5 ppm. 2017)
Die Weltreserve beträgt ca. 100.000 t. Es ist das S. Sant, Plasma etching device with plasma
seltenste Metall der Lanthanoide mit Ausnahme etch resistant coating (Lam Resin Corp.,
des Promethiums (Emsley 2001), ist aber in der TW 201724197 A, veröffentlicht 1. Juli
Erdkruste immer noch häufiger vertreten als Gold, 2017)
Iod, Silber oder Platin. Es gibt nur wenige techni- X. Cai und M. R. Riley, Method of making
sche Einsatzfelder, wie etwa die Aktivierung der NIR-to-visible upconversion inkjet inks
Leuchtstoffe auf der Bildschirmfläche von Fern- (Troy Group, Inc., US 2017260408 A1,
sehgeräten. Thuliumkristalle sind ferner Wirksub- veröffentlicht 14. September 2017)
stanz in diodengepumpten Infrarotlasern.
In Nuklearreaktoren als Zwangsanfall entste-
hendes 17069Tm dient als Quelle für Röntgenstrah- 6.17 Ytterbium
len (Einsatz in der medizinischen Diagnostik)
sowie für Gammastrahlen (zur Materialprüfung). Geschichte De Marignac (Kurzbiografie siehe
Öfter setzt man mit Thuliumionen dotierte Ver- „Samarium“) entdeckte Ytterbium 1878 bei der
bindungen ein. Derart vorbehandeltes Yttriumtanta- fraktionierten Kristallisation der Nitrate der in
lat oder Lanthanoxidbromid dient in Röntgenverstär- Gadolinit enthaltenen Seltenerdmetalle und
kerfolien als Szintillator, wogegen thuliumdotiertes nannte das seiner Ansicht nach neue Element
Calciumsulfat der Wirkstoff des Detektors in Perso- Ytterbium, dies wegen seiner Ähnlichkeit zu
nendosimetern zur Erfassung niedriger Strahlendo- Yttrium (De Marignac 1878). 1907 wiesen Ur-
sen ist. Thuliumdotiertes Kieselglas wiederum ist bain (Kurzbiografie siehe „Gadolinium“), Auer
Grundlage von Faserlasern (Emsley 2001). von Welsbach („Kurzbiografie siehe „Praseo-
Thulium-III-oxid verwendet man auch in der dym“) und James (Kurzbiografie siehe „Thu-
einst klassischen Anwendung für viele Seltenerd- lium“) nach, dass das von De Marignac als
metalloxide, zum Färben von Gläsern und Kera- einheitlich angesehene Element Ytterbium in
miken. Es wird auch in magnetischen Keramik- Wirklichkeit noch ein weiteres Element ent-
materialien für Mikrowellengeräte eingesetzt. hielt, das Urbain Lutetium nannte (Auer von
Welsbach 1908; Urbain 1908). Diese beiden
Namensgebungen wurden 1909 vom Interna-
tionalen Atomgewichts-Ausschuss bestätigt
Patente
(Clarke et al. 1909)
(Auswahl aktueller Patente aus https://
1936 stellten Klemm und Bommer reines
worldwide.espacenet.com)
Ytterbium durch Umsetzung von Ytterbium-III-
chlorid mit Kalium bei 250  C dar (Klemm und
H. Huang und Y. Yue, Preparation methods
Bommer 1937).
of nano-thulium phosphate and electro-
chemical sensor based on graphene
Gewinnung Für die schweren Lanthanoiden ist
oxide/nano-thulium phosphate compo-
das am günstigsten anwendbare Trennverfahren
site materials (University of Jiangxi, Sci-
die Ionenaustauschchromatografie. Mit der wässri-
ence and Technology, CN 107777678 A,
gen, die einzelnen Seltenerdkationen enthaltenden
veröffentlicht 9. März 2018)
Lösung belädt man ein Kationenaustauscherharz,
Q. Han und Y. Zhou, Method of separating
das die einzelnen Lanthanoid-Ionen unterschied-
thulium, ytterbium, and lutetium through
lich stark bindet. Yb3+ -Ionen haben in der Lantha-
extraction (Guangdong Fuyuan Rare
noidenreihe nach Lu3+ die zweitniedrigste Affinität
Earth New Materials Co., Ltd., CN
zum üblicherweise angewandten Austauscherharz.
Nach erfolgter Bindung an dieses werden sie durch
950 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Komplexbildner (z. B. EDTA, DTPA) vom Harz einerseits durch Verbrennen von Ytterbium im Sau-
gelöst, wodurch eine Voranreicherung erzielt wird. erstoffstrom erzeugen (Holleman et al. 2007,
Eine weitere, am Ende reines Yb3+ liefernde S. 1938), alternativ liefert auch die thermische Zer-
Trennung ist über viele nachgeschaltete Trenn- setzung von Ytterbiumcarbonat oder -oxalat bei
schritte möglich. Metallisches Ytterbium wird Temperaturen um 700  C das gewünschte Produkt
durch Elektrolyse einer Schmelze aus Ytterbium- (Meyer und Morss 1991, S. 196).
III-fluorid und Ytterbium-III-chlorid erzeugt. Dabei Ytterbium-III-oxid lässt sich durch Umsetzung
setzt man Alkali- oder Erdalkalimetallhalogenide mit Tetrachlorkohlenstoff oder mit heißer Salz-
zur Senkung des Schmelzpunktes zu. Flüssiges säure zu Ytterbium-III-chlorid umsetzen (Sebas-
Cadmium oder Zink dient als Kathode. Alternativ tian und Seifert 1998). Einsatzgebiete sind dielek-
ist es über die Reaktion von Ytterbium-III-fluorid trische Keramiken, Katalysatoren und spezielle
mit Calcium, bzw. Ytterbium-III-oxid mit Lanthan optische Gläser (Medenbach et al. 2001; Bauer
oder Cer zugänglich. Hochreines Metall gewinnt 2011).
man durch anschließende Destillation im Hochva- Die höheren Ytterbium-III-chalkogenide, die
kuum. alle durch Mineralsäuren zersetzt werden, wurden
vor allem von Babaly et al. untersucht.
Eigenschaften Ytterbium ist ein silberglänzen- Halogenverbindungen Ytterbium-III-fluorid
des, weiches Schwermetall, besitzt mit nur (YbF3) ist durch Reaktion von Flusssäure mit
6,97 g/cm3 aber eine Dichte, die viel niedriger Ytterbium-III-oxid oder -chlorid erhältlich (Brauer
ist als die der im Periodensystem benachbar- 1975a, S. 254). Die farblose Verbindung (s. Abb. 90)
ten Seltenerdmetalle Thulium bzw. Lutetium schmilzt bei einer Temperatur von 1157  C, hat
(s. Tab. 17). Ähnliches gilt für die relativ niedri- die Dichte 8,2 g/cm3 und kristallisiert bei Raum-
gen Schmelz- und Siedepunkte. Diese Werte ste- temperatur orthorhombisch (β-YbF3). Es ist
hen, wie auch beim Europium, im Widerspruch schwach löslich in Wasser und wird verbreitet in
zur sonst geltenden Lanthanoidenkontraktion. Die Gläsern eingesetzt. Ytterbiumfluorid geht außer-
Erklärung dafür ist, dass die Elektronenkonfigu- dem in zahlreiche Faserverstärker und Lichtleiter.
ration [Xe] 4f14 6s2 des Elementes nur zwei anstatt Hohe Reinheitsgrade gehen als Dotierungsmittel in
drei – wie bei den anderen Lanthanoiden – Granatkristalle, die in Lasern verwendet werden.
Valenzelektronen für metallische Bindungen zur Ytterbium-III-chlorid (YbCl3) erhält man, wie
Verfügung stellt. Die Bindungskräfte im Metall- schon oben beschrieben, aus Ytterbium-III-oxid
gitter sind daher deutlich geringer. Bei Drücken und Tetrachlorkohlenstoff oder aber heißer Salz-
von >16.000 bar wird Ytterbium zum Halbleiter. säure (Sebastian und Seifert 1998). Das bei letz-
Ytterbium ist ein unedles Metall, das bei terer Synthese anfallende Hydrat kann man nur
erhöhter Temperatur mit Nichtmetallen wie Sau- durch Erhitzen im Chlorwasserstoffstrom auf
erstoff, Halogenen, Schwefel und Stickstoff ca. 350  C unzersetzt in die wasserfreie Form
reagiert. An trockener Luft oxidiert es oberfläch- überführen. Sowohl die wasserfreie Form als auch
lich und langsam, schneller bei Anwesenheit von das Hydrat sind farblos (s. Abb. 91).
Feuchtigkeit. Fein verteiltes metallisches Ytter- Das wasserfreie Salz schmilzt bei 703  C, hat
bium ist, wie die anderen Seltenerdmetalle auch, die Dichte 2,57 g/cm3 (Siedepunkt der Schmelze:
an Luft und unter Sauerstoff selbstentzündlich. 1900  C) und kristallisiert in einer Schichtstruk-
tur, die dem des kubisch strukturierten Alumi-
Verbindungen niumchlorids entspricht (Chervonnayi und Cher-
Chalkogenverbindungen Ytterbium-III-oxid (Yb2O3) vonnaya 2004). Es verhält sich auch ähnlich zu
ist ein bei 2355  C schmelzender, weißer Feststoff diesem in seiner Funktion als Lewis-Säure und
(s. Abb. 89) der Dichte 9,17 g/cm3; nur hinsichtlich katalysiert bestimmte organische Reaktionen wie
der Dichte seiner Verbindungen reihen sich Ytter- die Aldolsynthese sogar wesentlich besser als
bium und auch Europium also perfekt in die Reihe bekannte Lewis-Säuren wie Aluminium-III- oder
der Lanthanoiden ein. Die Verbindung kann man Eisen-III-chlorid, nur ist demgegenüber sein
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 951

Tab. 17 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Ytterbium


Symbol: Yb
Ordnungszahl: 70
CAS-Nr.: 7440-64-4

Aussehen: Silbrig-weiß Ytterbium, Brocken Ytterbium,


Farbe von Yb3+aq.: Farblos [A-44] Granalien
[A-45]
Entdecker, Jahr: Marignac (Schweiz), 1878
Isotop [natürl. Vork. (%)]: Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
171
70Yb (14,3) Stabil ——
172
70Yb (21,9) Stabil ——
173
70Yb (16,1) Stabil ——
174
70Yb (31,8) Stabil ——
Vorkommen (geografisch/Erz): China, Malaysia Xenotim (mit bis zu 6 % Yb)
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 2,5
Preis (US$), 99,9 % Reinheit 25 g (Brocken) 40 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 22 g (Walze, Ø 1,2 cm, in 80 (2019-07-01)
Ampulle):
Atommasse (u): 173,054
Elektronegativität (Pauling): 1,12
Normalpotenzial (V; Yb3+ + 3 e ! Yb): 2,22
Atomradius (berechnet, pm): 175 (222)
Kovalenter Radius (pm): 187
Ionenradius (pm): 87
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 4f14
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 603 ♦ 1175 ♦ 2417
Magnetische Volumensuszeptibilität: 3,4  103
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 35
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 4,0  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 23,9 ♦ 30,5 ♦ 9,9
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 206 ♦ 343
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert (>770  C:
Kubisch-raumz.)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 1590
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 6,97
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 24,84  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 39
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,74
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 824 ♦ 1097
Schmelzwärme (kJ/mol): 7,6
Siedepunkt ( C ♦ K): 1430 ♦ 1703
Verdampfungswärme (kJ/mol): 159

hoher Preis fast prohibitiv. Zudem verkürzt es die de hergestellt werden können, erheblich (Schaus
erforderliche Reaktionszeit der Pictet-Spengler- et al. 2004; Srinivasan und Ganesan 2003).
Reaktion zur Gewinnung von Tetrahydro-Beta- Zudem beschleunigt das relativ kleine Yb3+-Ion
Carbolinen, aus denen synthetische Indolalkaloi- Aldol-Synthesen stark; diese verlaufen im Unter-
952 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 91 Ytterbium-III-chlorid wasserfrei (Nblair11285


2007)
Abb. 89 Ytterbium-III-oxid (Walkerma 2005)
Hochvakuum auf 350  C dargestellt werden.
Wichtiger ist aber der thermische Abbau der
Verbindung zum Dibromid, alternativ hierzu ist
auch die Reduktion mit Wasserstoff bei einer
Temperatur oberhalb von 500  C möglich (Brauer
1975b, S. 1081). Oder aber man wählt den auch
für andere Dihalogenide der Seltenen Erden
bereits beschriebenen Weg, indem hier Ytterbium
Abb. 90 Ytterbium-III-fluorid wasserfrei (Onyxmet 2017) in flüssigem Ammoniak (78  C) mit Ammo-
niumbromid umgesetzt wird und man das dabei
entstehende Ammoniakaddukt bei 200  C im
schied zu denjenigen, bei denen größere Lantha- Hochvakuum zum reinen Ytterbium-II-bromid
noiden-Kationen als Katalysator fungieren, (YbBr2) abbaut. Man kann außerdem Ytterbium
schneller, aber nicht so selektiv (Clarke 2002). mit Ytterbium-III-bromid in stöchiometrischen
Dasselbe gilt für die Herstellung von Acetalen, Mengen im Vakuum bei knapp 1000  C zur
wobei Yb3+ trotzdem gerne eingesetzt wird, da Reaktion bringen.
es hohe Ausbeuten in kurzer Zeit liefert (Luche Ytterbium-II-bromid ist ein hellgelber, extrem
und Gemal 1978). hygroskopischer und luftempfindlicher Feststoff
Das farblose bis grünliche Ytterbium-II-chlorid orthorhombischer Kristallstruktur (Voos-Esquivel
(YbCl2) ist durch Reduktion von Ytterbium-III- und Eick 1987; Beck und Bärnighausen 1971;
chlorid mit Wasserstoff bei 500–600  C (Klemm Döll und Klemm 1939).
und Schüth 1929; Rossmanith 1979; Brauer Das gelbe, durch Umsetzung der Elemente er-
1975b, S. 1081) oder durch in Naphthalin disper- hältliche Ytterbium-III-iodid (YbI3) spaltet beim
giertes Lithiummetall herstellbar (Bärnighausen Erhitzen Iod ab und geht unter anderem in das
et al. 1974). Die wie alle Dihalogenide der Sel- Diiodid über. Dieses Ytterbium-II-iodid (YbI2)
tenerdmetalle sehr hygroskopische und luftemp- stellt man in hoher Reinheit aber heute aus Ytter-
findliche Verbindung kristallisiert rhombisch im bium und 1,2-Diiodethan in Tetrahydrofuran unter
Strontiumiodid-Typ (Beck und Bärnighausen Schutzgas her (Kagan et al. 1980). Auch diese
1971), schmilzt bei 720  C, siedet bei 1300  C Verbindung, ein gelber Feststoff, ist sehr wasser-
und hat die Dichte 5,27 g/cm3. In flüssigem und luftempfindlich; man verwendet es als Kata-
Ammoniak löst sich Ytterbium-II-chlorid unter lysator in organischen Synthesen.
Bildung roter Ammoniakaddukte. Man setzt es Pnictogenverbindungen Ytterbium-III-nitrid
als Katalysator zur reduktiven Dimerisierung un- (YbN) ist ein dunkelgrauer, metallisch aussehen-
gesättigter Ketone ein. der Feststoff der Dichte 6,57 g/cm3, den man in
Wasserfreies Ytterbium-III-bromid (YbBr3) gegen hohe Temperatur beständigen Keramiken
schmilzt bei einer Temperatur von 956  C unter und Halbleitern eingesetzt wird. Allerdings ist
Zersetzung; es kann durch gemeinsames Erhitzen die Verbindung wie die meisten Metallnitride vor
seines Hexahydrates mit Ammoniumbromid im allem bei erhöhter Temperatur empfindlich ge-
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 953

genüber Hydrolyse. Ein deutscher Lieferant rungen. Ytterbium-II-iodid kann wie das analoge
von Sputtertargets auf Basis der Nitride der Lan- Samarium-II-iodid als starkes Reduktionsmittel
thanoiden ist Metallic Flex. eingesetzt werden. Ytterbium-III-fluorid verwen-
Ytterbium-III-phosphid (YbP) ist ein metallisch det man zur Verhinderung von Karies in der Zahn-
glänzender Feststoff, der durch Einleiten von medizin. Es setzt kontinuierlich Fluorid frei, das
Phosphan (PH3) in eine Lösung von Ytterbium in den Zahnschmelz eingebaut wird.
in flüssigem Ammoniak synthetisiert werden
kann (Pytlewski und Howell 1967). Einsatzgebiet
ist auch hier die Halbleiterindustrie.
Sonstige Verbindungen An stabilen Ytterbium- Patente
carbiden sind Yb3C, Yb15C19 Stelle genannte Yt- (Auswahl aktueller Patente aus https://
terbiumacetylid und YbC2 bekannt; die Kristall- worldwide.espacenet.com)
strukturparameter dieser Verbindungen wurden
von Gschneidner und Calderwood zusammen I. Samartsev und M. Leonardo, Broadband
gefasst (1986). Letztes geht in besondere Kerami- red light generator for RGB display (IGB
ken. Beide Verbindungen sind empfindlich gegen- Photonics Corp., MX 2017003539 A,
über Säuren. veröffentlicht 16. Oktober 2017)
Ytterbiumhexaborid (YbB6) ist ein grauer, sehr M. Piz und E. Filipek, New type phase of
harter, hochschmelzender Feststoff, der in spezi- restricted solid solution in the triple sys-
ellen Keramiken verarbeitet wird [beispielsweise tem of vanadium, ytterbium and yttrium
bietet Nordic Biolabs das Produkt an; Preis für oxides and method for producing new
100 mg: SEK 852.- (Oktober 2017)]. type phase of restricted solid solution in
the triple system of vanadium, ytterbium
Anwendungen Ytterbium und seine Verbindun- and yttrium oxides (Zachodniopomorski
gen setzt man technisch nur in geringen Mengen Univ. Technologiczny w Szczecinie, PL
ein. Als Bestandteil in bestimmten Legierungen 417368 A1, veröffentlicht 4. Dezember
verbessert es die Kornfeinung, Festigkeit und 2017)
mechanischen Eigenschaften rostfreien Stahls. Z. Zhao und Y. Kobayashi, Solid-state laser
Geprüft wird Ytterbium-III-oxid aktuell wegen apparatus, fiber amplifier system, and
seiner starken Abstrahlungsleistung von Infrarot- solid-state laser system (University of
licht unter gegebenen Versuchsbedingungen als Tokyo, Gigaphoton, Inc., US 2017338617
Ersatz für Magnesiumoxid in schweren Wirkla- A1, veröffentlicht 23. November 2017)
dungen für kinematische Infrarottäuschkörper.
70Yb wird als γ-Strahler in der Radiografie
169

eingesetzt (Halmshaw 1995). 6.18 Lutetium


Wie auch andere Seltenerdmetalle wird Ytter-
bium als Dotierungsmittel für Yttrium-Alumi- Geschichte Die Entdeckung des Lutetiums ist
nium-Granat-Laser (Yb-YAG-Laser) genutzt, die stark mit der des Ytterbiums und des Thuliums
einen hohen Dotierungsgrad erlauben und ein brei- verbunden; auch hieran waren maßgeblich diesel-
teres Wellenlängenspektrum absorbieren. Auch in ben Chemiker (Urbain, Auer von Welsbach,
Faserlasern wird Ytterbium eingesetzt (Evgenii James) beteiligt. Urbain isolierte 1907 durch
et al. 2004; Ueda et al. 2005; McCumber 1964; mehrhundertfache fraktionierte Kristallisation von
Simpson 1999). Ytterbiumnitrat zwei neue Elemente, die er
Ytterbiumhalogenide finden als Katalysatoren Neo-ytterbium und Lutecium nannte. Auer von
in organischen Synthesen Anwendung. Ytter- Welsbach entnahm den Funkenspektren diverser
bium-III-chlorid ist eine schwächere Lewis-Säure Kristallisate von Ytterbiumammoniumoxalat, dass
als Aluminiumchlorid, eignet sich aber gut für diese auf das Vorliegen zweier weiterer Elemente
Aldol- bzw. Diels-Alder-Reaktionen und Allylie- hinweise, denen er die Namen Cassiopeium (das
954 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

spätere Lutetium) und Aldebaranium (das spätere Oxids her, davon geht ein Teil in Sputtertargets
Ytterbium) gab, ohne aber reine Stoffe daraus (s. Abb. 92). Dessen Kristallstruktur ist kubisch,
isolieren zu können. James gewann durch fraktio- wie dies auch für die entsprechenden Oxide der
nierte Kristallisation von Ytterbiummagnesiumnit- anderen schweren Lanthanoide beobachtet wird
rat im gleichen Jahr 1907 reines Lutetiumsalz, aber (Holleman et al. 2007, S. 1941).
Urbain legte die Ergebnisse seiner Forschung früh- Einige Anwendungen für Lutetium-III-oxid
zeitiger vor und erhielt später auch das Recht zur sind der jeweils komponentenweise Zusatz in
Namensgebung. Spezialgläsern (Medenbach et al. 2001), La-
serlichtquellen, ferner der als Katalysator bei
Gewinnung Wie für Ytterbium schon erwähnt, Reaktionen von Alkanen und Alkenen (Poly-
ist auch hier die Ionenchromatografie die erfolg- merisation, Cracken, Alkylierungen) und – trotz
versprechendste Methode. Das am Ende dieser seines hohen Preises – als Szintillationsmaterial in
Trennoperationen anfallende Lutetium-III-oxid der Medizin (Chang 2006).
wird zu Lutetium-III-fluorid umgesetzt, das mit Lutetium-III-sulfid (Lu2S3), -selenid und -tellu-
Calcium bei ca. 1400  C zu rohem Lutetiummetall rid sind sämtlich kristalline Feststoffe, die man
reduziert wird. Eine Feinreinigung erfolgt durch vereinzelt in Halbleitern einsetzt.
Umschmelzen im Hochvakuum. Halogenverbindungen Auf bekanntem Weg
kann man Lutetium-III-fluorid (LuF3) herstellen,
Eigenschaften Lutetium ist das letzte Element also aus Lutetium-III-oxid und Fluorwasserstoff
der Reihe der Seltenerdmetalle und leitet in seinen oder durch Reaktion von Flusssäure mit Lute-
physikalischen Eigenschaften zum benachbarten tium-III-chlorid (Brauer 1975a, S. 254).
Hafnium über. Lutetium ist ein weiches, silber- Der geruchlose weiße Feststoff (s. Abb. 93) hat
glänzendes Schwermetall und besitzt infolge der einen relativ hohen Schmelzpunkt (1182  C, Sie-
Lanthanoidenkontraktion mit 175 pm den kleins- depunkt der Schmelze: 2200  C) wie alle Fluoride
ten Atomradius, mit 9,84 g/cm3 die höchste der Seltenerdmetalle. Die Verbindung ist kaum
Dichte sowie die höchsten Schmelz- (1652  C) löslich in Wasser und kristallisiert orthorhom-
und Siedepunkte (3402  C) aller Seltenerdmetalle bisch. Man setzt sie gelegentlich in Szintillations-
(s. Tab. 18). zählern ein.
Auch Lutetium ist ein unedles Metall, das vor Wasserfreies Lutetium-III-chlorid (LuCl3) ist
allem bei höheren Temperaturen mit den meisten durch Umsetzung der Elemente oder durch
Nichtmetallen reagiert. An trockener Luft oxidiert Reaktion von Lutetium-III-oxid oder -carbonat
es langsam, schneller bei Anwesenheit von mit Ammoniumchlorid erhältlich (Brauer 1975b,
Feuchtigkeit. Metallisches Lutetium ist in feinver- S. 897). Auflösen von Lutetium in Salzsäure liefert
teiltem Zustand brennbar. In Wasser löst sich das Hexahydrat, das aber durch Erhitzen mit
Lutetium nur langsam, in Säuren schneller unter Thionylchlorid in die wasserfreie Form überführ-
Wasserstoffbildung (Krebs 2006). In Lösung lie- bar ist; diese schmilzt bzw. siedet bei 925  C bzw.
gen immer dreiwertige, farblose Lu3+ -Ionen vor. 1480  C, kristallisiert monoklin und hat eine
Dichte von 3,98 g/cm3. Sowohl die wasserfreie
Verbindungen Form als auch das Hexahydrat sind farblose Fest-
Chalkogenverbindungen Lutetium-III-oxid (Lu2O3) stoffe (s. Abb. 94), die leicht in Wasser löslich sind.
ist ein nahezu wasserunlösliches, weißes, leicht hy- Das ebenfalls weiße, stark hygroskopische
groskopisches Pulver vom Schmelzpunkt 2487  C Lutetium-III-bromid (LuBr3) stellt man in seiner
(Siedepunkt der Schmelze: 3980  C) und der Dichte wasserfreien Form durch Reaktion von Lutetium
9,42 g/cm3, das man entweder durch Verbrennen mit Bromwasserstoff her. Die Verbindung hat den
von Lutetium an der Luft oder durch thermische relativ hohen Schmelz- bzw. Siedepunkt 1025  C
Zersetzung von Lutetiumcarbonat oder -oxalat bzw. 1410  C kann durch Reaktion von Lutetium
erzeugt (Krebs 2006). Jährlich stellt man nur mit Bromwasserstoff gewonnen werden (Brauer
wenige t des seltenen Lutetiums in Form seines 1975b, S. 1077). Die Darstellung der wasserfreien
6 Einzelne Metalle der dritten Nebengruppe (Scandium, Yttrium, Lanthan, Actinium) sowie der . . . 955

Tab. 18 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Lutetium


Symbol: Lu
Ordnungszahl: 71
CAS-Nr.: 7439-94-3

Aussehen: Silbrig-weiß Lutetium (Metallium, Inc. 2017)


Farbe von Lu3+aq.: Farblos
Entdecker, Jahr: Auer von Welsbach (Österreich),
Urbain (Frankreich), James (England), 1907
Isotop [natürl. Vork. (%)]: Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
175
71Lu (97,41) Stabil ——
176
71Lu (2,59) 3,8  1010 β > 17672Hf
Vorkommen (geografisch/Erz): China, Malaysia Xenotim, Tonminerale
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 0,7
Preis (US$), 99,5 % Reinheit 5 g (Brocken) 42 (2019-07-01)
(Metallium, Inc.): 31 g (Walze, Ø 1,2 cm, in Ampulle): 195 (2019-07-01)
Atommasse (u): 174,967
Elektronegativität (Pauling): 1,27
Normalpotenzial (V; Lu3+ + 3 e ! Lu): 2,3
Atomradius (berechnet, pm): 175 (217)
Kovalenter Radius (pm): 187
Ionenradius (pm): 86
Elektronenkonfiguration: [Xe] 6s2 5d1 4f14
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 524 ♦ 1340 ♦ 2022
Magnetische Volumensuszeptibilität: >0
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 75
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 1,72  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 33,6 ♦ 21,5 ♦ 13,5
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 491 ♦ 363
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2100
Dichte (g/cm3, bei 298 K): 9,84
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 17,78  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 16,4
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,86
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1652 ♦ 1925
Schmelzwärme (kJ/mol): 22
Siedepunkt ( C ♦ K): 3402 ♦ 3675
Verdampfungswärme (kJ/mol): 414

Verbindung ist auch hier möglich, indem man das Lutetium mit Quecksilber-II-iodid (Brauer 1975b,
Hexahydrat zusammen mit Amminiumbromid S. 1077). Die Verbindung schmilzt bei 1050  C
oder auch Thionylbromid erhitzt. (Siedepunkt der Schmelze: 1210  C). Eine Um-
Das braune, ebenfalls stark wasseranziehende wandlung der wasserhaltigen in die -freie Form
Lutetium-III-iodid (LuI3) erzeugt man aus Lute- erfolgt durch gemeinsames Erhitzen mit Ammo-
tium und Iod oder aber durch Umsetzung von niumiodid; ein Erwärmen ohne Zufügen des Am-
956 18 Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe

Abb. 92 Lutetiumoxid Sputtertarget (QS Advanced Abb. 94 Lutetium-III-chlorid-Hydrat (Stanford Advan-


Materials, LLC 2017) ced Materials 2017)

Abb. 93 Lutetium-III-fluorid (Stanford Advanced Mate-


rials 2017)
Abb. 95 Lutetium-III-sulfat-Hydrat (Onyxmet 2018)
moniumiodids resultiert in zügiger Hydrolyse. Im
Oktober 2017 kosteten 5 g des wasserfreien Salzes
(99,9 %) bei Sigma Aldrich € 986.- (!). von Terbium dagegen im grüngelben Bereich
Pnictogenverbindungen Lutetium-III-nitrid (LuN) (495 und 545 nm), die von Praseodym wieder
stellt man durch Erhitzen kleiner Stückchen metalli- im roten Spektralbereich (615 nm), Dotierungen
schen Lutetiums unter Stickstoffatmosphäre (Druck: von Thulium im Blauen (455 nm) oder die von
0,92 MPa) auf eine Temperatur von 1600  C Dysprosium im orangen Bereich (580 nm). Am
während 8 h her (Suehiro et al. 2004). Wie das besten eignen sich zur Auslösung der Emission
Nitrid gehen auch Lutetium-III-phosphid (LuP), Elektronen-, Röntgen- oder energiereiche
Lutetium-III-arsenid (LuAs) und Lutetium-III- UV-Strahlung. Lutetiumtantalat zeigt auch
antimonid (LuSb) in Halbleiter und Hochfrequenz- Thermolumineszenz; es leuchtet im Dunkeln,
dioden, zudem in lichttechnische Anwendungen. wenn es nach vorausgehender Bestrahlung
Sonstige Verbindungen Lutetium-III-sulfat erhitzt wird (Shionoya 1998; Yin et al. 2009).
[Lu2(SO4) 3] dient zur Herstellung von Laserma- Eine Probe der Substanz kann man durch mehr-
terialien, das Hydrat ist ein weißes, leicht hygro- stündiges Sintern miteinander intensiv ver-
skopisches Salz (s. Abb. 95). mischten Lutetium-III- und Tantal-V-oxids bei
Lutetiumtantalat (LuTaO4) ist mit einer Temperaturen um 1200  C erhalten (Crawford et al.
Dichte von 9,81 g/cm3 dasjenige weiße und 1994). Nach dem Abkühlen laugt man das Roh-
stabile Material mit der höchsten bekannten produkt mit Wasser aus und filtriert sowie trocknet
Dichte. Daher ist diese Substanz Grundlage den weißen, pulvrigen Rückstand, der aus kleins-
phosphoreszierender Substanzen, denen aber ten Kristallen von Lutetiumtantalat besteht.
geringe Konzentrationen (ca. 1 %) anderer Sel- Lutetiumsilicide und -boride sind als Zusätze
tenerdmetallionen während des Kristallisations- für Hochleistungskeramiken und harte metalli-
prozesses zudotiert werden müssen. So ergeben sche Werkstoffe interessant; sie sind schon lange
beispielsweise geringe Beimengungen von Gegenstand der Forschung (Travlos und Aloupo-
Europium und Samarium jeweis eine scharfe giannis 1991; Przybylska et al. 1963; Novikov
Emissionslinie im Roten bei 610 nm, solche et al. 2014).
Literatur 957

Anwendungen Metallisches Lutetium hat we-


gen seiner schwierigen Gewinnung und Seltenheit (Shin-Etsu Chemical Co., Ltd., US
kaum wirtschaftliche Bedeutung. Meist wird es 2017336040 A1, veröffentlicht 23. No-
für Forschungszwecke benötigt. Es ist in Verbin- vember 2017)
dung mit anderen Lanthanoiden einer der Be- G. J. Boerekamp und C. R. Ronda, Lighting
standteile von Mischmetall. device with ceramic garnet (Koninklijke
Lutetiumverbindungen können z. B. als Kataly- Philips BV, US2017315433 A1, veröf-
satoren für das Cracken von Erdöl und für Poly- fentlicht 2. November 2017)
merisationsreaktionen genutzt werden. Mischkris-
talle aus Lutetium-III-fluorid und Lithium- sowie
Neodym-III-fluorid sind Wirkstoffe in einigen Szin- Literatur
tillationszählern.
Lutetium-Aluminium-Granat (LuAG, Al5Lu3O12) Ackermann RA (1997) Cryogenic regenerative heat ex-
findet unter anderem in Infrarot-Lasern und als changers. Springer, Berlin, S 58. ISBN 978-0-306-
45449-3
Leuchtstoff in weißen Leuchtdioden und Feldemis- Adachi K et al (2003) Nah-infrarot Schutzfilm als einzel-
sionsbildschirmen Verwendung, ebenso als Linsen- oder mehrschichtiger Film und Beschichtungsflüssig-
material bei der Immersionslithografie (Wei und keit zu dessen Bildung. EP19980308885, veröffentlicht
Brainard 2009). Technisch wichtig ist mit Cer 08.01.2003
Adachi G et al (2004) Binary rare earth oxides. Sprin-
dotiertes Lutetiumoxyorthosilicat, das man in Szin- ger, Dordrecht, S 95/138/151. ISBN 978-1-4020-
tillationszählern zur Positronen-Emissions-Tomo- 2568-6
grafie einsetzt (Wahl 2002; Schweitzer 1993). Adunka R (2013) Carl Auer von Welsbach: Entdecker
Lutetiumverbindungen können auch als phos- – Erfinder – Firmengründer. Verlag des Kärntner
Landesarchivs, Klagenfurt. ISBN 978-3-900531-
phoreszierende Substanzen in LED Glühbirnen 88-1
verwendet werden (Simard-Normandin 2011). Ahn HJ (2016) Very low-work-function ALD-erbium car-
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Radioaktive Elemente: Actinoide
19

Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973
2 Actinoide – Geschichte und Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 974
3 Aufarbeitung, Trennung und Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975
4 Actinoide – physikalische und chemische Eigenschaften, Analytik . . . . . . . . . . 975
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1056

Zusammenfassung Elementen sind Thorium, Uran und Plutonium.


In diesem Kapitel werden ausführlich die Da alle diese Metalle radioaktiv sind und manche
Actinoiden mit ihren wichtigsten Verbindungen von ihnen darüber hinaus in Kernkraftwerken als
beschrieben. Diese insgesamt vierzehn Elemente Abfall entstehen, mag bei manchem Leser die
sind alle radioaktiv, und nur einige von ihnen wie Abneigung verstärken, mehr über sie erfahren zu
Thorium oder Uran kommen in der Natur vor. wollen. Tatsächlich ist die Erforschung der natür-
Die meisten Actinoide sind nur auf künstlichem lich vorkommenden Actinoide wie Thorium und
Weg darstellbar. Es werden ihre chemischen und Uran, die seit Mitte der 1940er-Jahre durchgeführ-
physikalischen Eigenschaften, ihr Vorkommen, ten Synthesen neuer, künstlicher Elemente und die
bedeutsame Herstellverfahren, Anwendungen für diese Gruppe von Elementen – im Gegensatz
und Patente aufgeführt. zur Lanthanoidengruppe – merkbare Beeinflus-
sung der chemischen Eigenschaften durch die
Radioaktivität und auch durch die Größe der
1 Einleitung Atomkerne sehr interessant. Einige vor wenigen
Jahrzehnten noch unbekannte Metalle wie Ameri-
Die Actinoiden stehen im Periodensystem der Ele- cium und Curium setzt man bereits technisch ein,
mente mit Ordnungszahlen von 90 bis 103 ziemlich und diese Elementengruppe wird in der Zukunft
am Ende, und ihre Atommassen sind hoch. Die immer bedeutsamer.
wohl bekanntesten Vertreter dieser Gruppe von

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 973
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_19
974 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Elemente teilt man in Metalle (z. B. Natrium, 5f-Orbitale fortlaufend mit Elektronen auf, so
Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie Arsen, dass sich die Elektronenkonfiguration von 5f1
Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie beispiels- (Thorium) bis 5f14 (Lawrencium) erstreckt.
weise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon ein. Die Insgesamt werden wir in diesem Kapitel daher
meisten Elemente können sich untereinander ver- vierzehn Elemente beschreiben. Die Einzeldar-
binden und bilden chemische Verbindungen; stellungen werden alle relevanten Informationen
(so wird z. B. aus Natrium und Chlor die chemi- über diese, jeweils sehr individuellen Elemente
sche Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz). enthalten, so dass immer nur eine sehr kurze Ein-
Die in diesem Buch vorgestellten Actinoide leitung vorangestellt wurde.
wie z. B. Thorium, Neptunium, Berkelium oder
Nobelium sind ebenso chemische Elemente wie
die viel bekannteren Schwefel, Sauerstoff, Stick- 2 Actinoide – Geschichte und
stoff, Wasserstoff, Helium oder Gold. Vorkommen
Einschließlich der natürlich vorkommenden
sowie der bis in die jüngste Zeit hinein künstlich Die beiden einzigen in nennenswerter Menge in
erzeugten Elemente nimmt das aktuelle Perioden- der Natur vorkommenden Actinoiden sind Tho-
system der Elemente (Abb. 1) 118 Elemente auf. rium und Uran, die oder deren Verbindungen
Die vierzehn Actinoiden von Thorium bis bereits seit ungefähr 200 Jahren bekannt sind.
Lawrencium finden Sie im Periodensystem unten Alle anderen Actinoide entstehen dagegen entwe-
unter „An>“. Vom Atom des Thoriums bis zum der als Zwischenprodukte in Zerfallsreihen (Acti-
Atom des Lawrenciums füllen diese ihre sieben nium, Protactinium, Neptunium und Plutonium)

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- III VII VIII VIII VIII VIII
IA II A IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente


4 Actinoide – physikalische und chemische Eigenschaften, Analytik 975

oder wurden bislang künstlich erzeugt. Über diese 4 Actinoide – physikalische und
sämtlich metallischen Elemente wird in den Ein- chemische Eigenschaften,
zelkapiteln berichtet. Analytik
Sämtliche Actinoide sind sehr reaktionsfähige
Metalle. Daher kommen auch die in der Natur 4.1 Physikalische Eigenschaften
vorkommenden Thorium, Uran und die Spuren-
metalle Protactinium, Neptunium und Plutonium In der Gruppe der Actinoide werden die 5f-Niveaus
nicht elementar vor, sondern nur in Form ihrer schrittweise bei gleichzeitigem Vorliegen besetzter
chemischen Verbindungen. äußerer Unterschalen (6s2, 6p6, 7s2, teilweise 6dn,
n = 1 oder 2) aufgefüllt. Sie sind chemisch wesent-
lich stärker differenziert als die Elemente der homo-
3 Aufarbeitung, Trennung und logen Lanthanoidengruppe (Gruppe der Seltenerd-
Herstellung metalle), was namentlich für die Elemente von
Thorium bis Plutonium gilt. Mit Ausnahme von
Falls die Notwendigkeit besteht, verschiedene in Thorium bilden sämtliche Actinoide An3+-Ionen,
wässriger Lösung vorhandene Actinoide vonei- deren Farben sich wie die der Lanthanoidkationen
nander zu trennen, kommt wegen ihrer Ähnlichkeit in charakteristischer Weise ändern. Die Absorpti-
zu den Lanthanoiden prinzipiell die Anwendung onsspektren der An3+-Ionen sind durch schmale,
derselben Trennverfahren oder leicht hierzu abge- aber intensivere Banden als die der homologen Sel-
wandelter Prozesse in Betracht. Die Ähnlichkeit tenerdmetallionen charakterisiert.
der chemischen Eigenschaften der Actinoide (An) Weitere Analogien zwischen Actinoiden und
macht ihre Trennung in jedem Falle aufwändig und Lanthanoiden sind die mehr oder weniger gleich-
teuer. mäßige Abnahme der Ionenradien der An3+-Ionen
Zur Trennung der leichteren Actinoide (abge- mit steigender Kernladungszahl (Actinoidenkon-
kürzt als „An“) nutzt man die deutlichen Unter- traktion), viele Verbindungen beider Gruppen
schiede in der Stabilität der verschiedenen Oxida- sind zueinander isomorph [z. B. Trichloride
tionsstufen dieser Elemente, während für die (AnCl3/LnCl3), Dioxide (AnO2/LnO2)], ferner in
Trennung schwererer Actinoide, wie auch bei ähnlichen magnetischen Eigenschaften von An3+-
den Lanthanoiden, die Ionenaustauschchromato- und Ln3+-Ionen sowie im vergleichbaren Verhal-
grafie unter Nutzung der Actinoidenkontraktion ten bei Ionenaustauschprozessen.
eingesetzt wird. An3+-Ionen werden von Katio- Andere physikalische Eigenschaften wie Dichte,
nenaustauschern umso fester gebunden, je kleiner Schmelzpunkte, magnetische Momente oder Farbe
ihre Kernladungszahl ist, während die Extraktion der dreiwertigen Ionen unterliegen teils periodi-
mit Komplexbildnern, wie Citrat, Lactat oder schen Änderungen, jedoch gibt es von den Elemen-
α-Hydroxyisobutyrat bevorzugt für die durch ten Thorium bis Plutonium zum Teil gravierende
kleinere Ionenradien gekennzeichneten schweren Abweichungen von der Regel. Die Eigenschaften
An3+-Ionen erfolgt. Die Actinoidionen erscheinen der schwersten Actinoide, etwa ab Einsteinium, sind
im Eluat daher in der Reihenfolge Lr3+, No3+. . . durch deren starke Radioaktivität erheblich beein-
Bk3+, Cm3+. flusst, was sich vorrangig auf die Schwächung der
Aus abgebrannten, in wässrige Lösung einge- Gitterkräfte im Metall und in seinen Verbindungen
brachten Kernbrennstoffen kann man einzelne auswirkt. Alle Daten sind in den Tabellen im zwei-
Actinoide auch mittels der Flüssig-flüssig-Ex- ten Teil dieses Buches enthalten.
traktion isolieren.
Metallische Actinoide kann man generell
durch Reduktion ihrer wasserfreien Fluoride 4.2 Chemische Eigenschaften
AnF3 oder AnF4 mit Magnesium- oder Lithium-
Calcium-Dampf bei 1100 bis 1400  C oder durch Die am häufigsten vorkommende Oxidationsstufe
Schmelzflusselektrolyse gewinnen. der Actinoide ist +3, daneben existieren die Oxi-
976 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

dationsstufen +4 für Thorium bis Curium (Ord- und Schmidt, dass Thorium radioaktiv ist, und
nungszahlen 90 bis 96), +5 für Protactinium bis 1914 wurde Thorium erstmalig in reiner Form
Americium (Ordnungszahlen 91 bis 95), +6 (Uran dargestellt (Lely und Hamburger 1914; Van Arkel
bis Americium, Ordnungszahlen 92 bis 95) und und De Boer 1925).
sogar +7 (Neptunium und Plutonium, Ordnungs-
zahlen 93 und 94).
Actinoide sind reaktionsfähige Metalle, die Der dänische Geologe und Mineraloge Jens
leicht oxidiert werden und somit starke Reduk- Esmark (* 31. Januar 1763 Houlbjerg; †
tionsmittel sind. Dies wird an ihren negativen Nor- 26. Januar 1839 Christiania/Oslo) studierte
malpotenzialen E0 für die Reaktion An3++ 3 e ! ab 1784 Medizin und Naturwissenschaften
An im Bereich von 1,6 bis 2,3 V deutlich. Sie in Kopenhagen. Danach studierte er Jura
reagieren schon mit Wasser und verdünnten Säu- und Geometrie, ging 1791 zur sächsischen
ren unter Entwicklung von Wasserstoff, mit Nicht- Bergakademie Freiberg und studierte in
metallen (z. B. Sauerstoff, Chlor, Stickstoff) bei Chemnitz Mineralchemie. 1797 kehrte er
erhöhter Temperatur meist heftig zu Oxiden nach Dänemark zurück und wurde zunächst
An2O3, Chloriden AnCl3 und Nitriden AnN. Oberbergamts-Assessor in Kongsberg, bevor
Daher treten die Actinoidmetalle nur che- er dort ab 1802 den Lehrstuhl für Physik,
misch gebunden und oft miteinander vergesell- Chemie und Mineralogie übernahm. 1814
schaftet in der Natur auf, falls sie denn dort erhielt er den Ruf der Universität Christia-
nia/Oslo für den Lehrstuhl der Mineralogie.
überhaupt vorkommen. Die oft schwer wasser-
Er war einer der ersten Wissenschaftler, die
löslichen Fluoride AnF3 erhält man am besten
die Auswirkung der letzten Eiszeit auf die
mittels Fällung aus schwach sauren Lösungen.
Bildung der Gebirge in Zentraleuropa rich-
Die Oxalate An2(C2O4)3  n H2O sind, ebenso
tig beschrieben. Ab 1800 war er Mitglied
wie die der Erdalkalimetalle, meist schwer lös- der Dänischen Akademie der Wissenschaf-
lich in wässrigen Medien und können aus ver- ten, ab 1825 der Königlich Schwedischen
dünnter salpetersaurer Lösung gefällt werden. Akademie der Wissenschaften (Bryhni 2009).

Marie Skłodowska Curie (* 7. November


5 Einzelne Metalle der Actinoide 1867 Warschau; † 4. Juli 1934 Passy) war
(Thorium bis Lawrencium) eine polnische Physikerin und Chemikerin,
die in Frankreich lebte und arbeitete. Sie war
In den nachfolgenden Einzelbeschreibungen fin- die erste, die das Phänomen der Radioakti-
den Sie das Portrait eines jeden Metalls. vität beschrieb. Während ihrer Forschungen
entdeckte sie zusammen mit ihrem Ehemann
Pierre Curie die Elemente Polonium und
5.1 Thorium Radium. Sie bekam als eine von ganz weni-
gen Personen mehrfach einen Nobelpreis
Geschichte Esmark, ein norwegischer Professor zugesprochen. Sie wuchs in Polen auf,
konnte dort aber keine Zulassung zum Stu-
für Geologie, sandte ein 1828 im Tal des Lange-
dium erhalten und wanderte daher nach
sundsfjords gefundenes, schwarzes Mineral an
Frankreich aus. An der Pariser Sorbonne
den schwedischen Chemiker Berzelius (Kurzbio-
studierte sie ab 1891Physik und Mathematik
grafie siehe „Cer“). Dieser wies nach, dass dieses
und schloss diese Studiengänge 1897 ab. Sie
Mineral (Thorit) zu mehr als der Hälfte aus
heiratete Pierre Curie und untersuchte ab
dem damals noch unbekannten Thorium-IV-oxid Ende 1897 radioaktive Stoffe. Nach dem
bestand. Das diesem zugrunde liegende Metall Tod ihres Mannes übernahm sie ab 1906
nannte Berzelius Thorium und veröffentlichte seine Lehraufträge. 1908 erhielt sie den Ruf
seine Entdeckung im Folgejahr (Berzelius 1829). auf den Lehrstuhl für Allgemeine Physik.
Nahezu siebzig Jahre später entdeckten M. Curie
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 977

thermische Zersetzung von Thorium-IV-hydro-


Während des ersten Weltkriegs entwarf sie xid, -oxalat, -carbonat oder -nitrat (Brauer 1975,
eine fahrbare Röntgenstation, die in der S. 1145). Das geruchlose weiße Pulver (s. Abb. 2)
Nähe der Front eingesetzt wurde. An 1918 der Dichte 10 g/cm3 ist stark lichtbrechend, kris-
setzte sie sich für bessere Arbeitsbedingun- tallisiert im kubischen Fluoritgitter und löst sich
gen von Wissenschaftlern sowie für die För- nur in stark sauren wässrigen Lösungen. Daher
derung von weiblichen und ausländischen verwendet man Thorium-IV-oxid zur Verstärkung
Studierenden ein (M. Curie 1898–1906). der Lichtbrechung als Zusatz in optischen Glä-
sern. Aus Wolfram hergestellte Elektroden enthal-
Gewinnung Thorium wird durch Reaktion von ten bis zu 3 % Thorium-IV-oxid, damit der elek-
Thorium-IV-oxid mit Calcium in Form von Pulver trische Funken beim Elektroschweißen stabilisiert
oder Spänen im Ofen unter Argon-Atmosphäre wird (Wickleder et al. 2006).
gewonnen. Eine Reduktion mit Wasserstoff (wie Thorium-IV-oxid wird wegen seiner Radioak-
bei anderen Metallen üblich) ist hier nicht mög- tivität kaum noch in zivilen Anwendungen einge-
lich, da das in situ gebildete Thorium gleich zu setzt, denn es wirkt reizend auf Haut und Augen,
Hydriden weiter reagiert. Danach wäscht man den wird im Körper angereichert und erhöht als lang-
Schmelzkuchen in Flusssäure und filtriert das lebige Verbindung somit das Krebsrisiko. Verein-
Thoriummetall ab. Metallisches Thorium kostete zelt geht es als Katalysator in die Decarboxylie-
zuletzt US$ 176.-/kg (2016-01-28, United States rung von Carbonsäuren (Thorpe und Kon 1925).
Geological Survey). Thorium-IV-sulfid (ThS2) erhält man durch
Erhitzen pulverförmigen Thoriums mit Schwefel
Eigenschaften Reines Thorium ist silberweiß (Brauer 1975, S. 1148). Ein ebenfalls möglicher
und an der Luft bei Raumtemperatur stabil. Es Darstellungsweg ist das Überleiten von Schwefel-
behält seinen metallischen Glanz für längere Zeit. wasserstoff bei Temperaturen um 1500  C über
Ist es dagegen mit seinem Oxid verunreinigt, läuft Thorium-IV-oxid bzw. -hydrid (Brauer 1975,
es langsam an und wird grau, später schwarz. S. 1148). Der lilabraune bis purpurfarbene Fest-
Hochreines, oxidfreies Thorium ist weich und stoff schmilzt bei 1905  C unter Abgabe von
sehr dehnbar (s. Tab. 1), es kann kalt gewalzt und Schwefel, hat die Dichte 7,36 g/cm3 und kristal-
gezogen werden. Von Wasser wird es nur sehr lisiert im rhombischen Blei-II-chlorid-Gittertyp
langsam angegriffen, ebenfalls löst es sich auch (Brauer 1975, S. 1148). Man kann die Verbindung
in verdünnten Säuren (Fluss-, Salpeter-, Schwe- als Schmiermittel einsetzen (Perry 2011, S. 489),
felsäure) und in konzentrierter Salz- und Phos- jedoch wird dies wegen der Radioaktivität des
phorsäure nur langsam, schnell in rauchender Sal- Elements kaum gemacht.
petersäure und Königswasser. In feinverteilter Halogenverbindungen Thorium-IV-fluorid (ThF4)
Form ist Thorium an der Luft beim Erhitzen stellt man durch Umsetzung von Fluorwasserstoff
selbstentzündlich, es verbrennt mit weißer, leuch- oder Ammoniumhydrogendifluorid mit Thorium-
tender Flamme. IV-oxid bei einer Temperatur zwischen 500 und
550  C oder mit Thorium-IV-hydrid (ThH4) bei
Verbindungen 350  C her (Brauer 1975, S. 1135). Daneben steht
Chalkogenverbindungen Thorium-IV-oxid (ThO2) natürlich auch die Darstellung aus Thoriumgrana-
ist mit einem Schmelzpunkt von 3390  C (Siede- lien und Fluor zur Verfügung (Fuger et al. 2010,
punkt der Schmelze: 4400  C) dasjenige Metall- S. 79). Der weiße Feststoff (s. Abb. 3) schmilzt bei
oxid mit dem höchsten Schmelzpunkt. Hinsicht- 1068  C (Siedepunkt der Schmelze: 1680  C), hat
lich der Höhe seines Schmelzpunktes wird es nur die Dichte 6,32 g/cm3 und kristallisiert monoklin.
von Wolfram und Tantal-II- bzw. Tantal-IV-carbid Die Verbindung ist nahezu unlöslich in Wasser,
übertroffen. Man stellt es durch Verbrennen von wird durch Wasserdampf bei Temperaturen um
Thorium in Luft bzw. Sauerstoffstrom her. Al- 500  C aber zu Thoriumoxiddifluorid hydrolysiert.
ternative Möglichkeiten der Herstellung sind die Wird Thorium-IV-fluorid aus Lösungen ausgefällt,
978 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Tab. 1 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Thorium


Symbol: Th
Ordnungszahl: 90
CAS-Nr.: 7440-29-1

Aussehen: Silbrig-grau Thorium (chemicool.


Farbe von Th4+aq.: Farblos com 2012)
Entdecker, Jahr Berzelius (Schweden), 1829
Wichtige Isotope Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
[natürl. Vorkommen (%)]
232
90Th (100) 1,405  1010 α > 22888Ra
Vorkommen (geografisch, Erz): Australien, Norwegen, Sri Lanka, Monazit, Thorit
Kanada, Türkei, USA, Indien,
Brasilien
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 11
Atommasse (u): 232,038
Elektronegativität (Pauling) 1,3
Normalpotenzial (V; Th3+ + 3 e ! Th) 1,17 (berechnet)
Atomradius (berechnet, pm): 180
Kovalenter Radius (pm): 206
Ionenradius (pm): 101 (Th3+)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 6d1
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte: 578 ♦ 1110 ♦ 1930 ♦ 2780
Magnetische Volumensuszeptibilität: 8,4  105
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 7,4 (23290Th)
Elektrische Leitfähigkeit([A/(V  m)], bei 300 K): 6,67  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 79 ♦ 54 ♦ 31
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 350 ♦ 400
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert (>1400  C:
kubisch-raum.)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2490
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 11,72
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 19,8  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 54
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 26,23
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1755 ♦ 2028
Schmelzwärme (kJ/mol): 16
Siedepunkt ( C ♦ K): 4788 ♦ 5061
Verdampfungswärme (kJ/mol): 530

so liegt es in Form verschiedener Hydrate vor; man Man verwendet Thorium-IV-fluorid im Wesent-
kann das Hemihydrat durch Erhitzen auf 400  C in lichen zur Herstellung metallischen Thoriums und
die wasserfreie Verbindung umwandeln. Thorium- von Hochtemperaturkeramiken. Darüber hinaus
IV-fluorid ist sehr durchlässig für sichtbares und geht es in optische Anwendungen (Willey 2002,
UV-Licht; seine Einkristalle haben einen niedrigen S. 276) und ist eine mögliche Ausgangsverbindung
Brechungsindex. zur Herstellung von Kohlebogenlampen.
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 979

Abb. 2 Thorium-IV-oxid (Onyxmet 2017) Abb. 4 Thorium-IV-chlorid (Onyxmet 2017)

Abb. 5 Thorium-IV-bromid (Onyxmet 2017)

Abb. 3 Thorium-IV-fluorid (Onyxmet 2017) ThO2 þ 2 Br2 þ 2 C ! ThBr4 þ 2 CO

Dabei resultiert ein Gemisch der orthorhom-


Thorium-IV-chlorid (ThCl4) wird entweder aus bisch kristallisierenden Tieftemperatur-Modifi-
Thorium-IV-oxid, Kohle und Chlor gewonnen kation (α-ThBr4) und der tetragonal kristallisie-
oder aber durch Umsetzung von Tetrachlorkoh- renden β-Modifikation, die nur bei höherer
lenstoff mit Thorium-IV-oxalat im Kohlendioxid- Temperatur stabil und bei Raumtemperatur ledig-
strom (Brauer 1975, S. 1136). Auch möglich ist lich metastabil ist. Diese β-Form kann in reiner
die Synthese aus den Elementen; die Herstellung Form durch Erwärmen der oben genannten Reak-
aus Thorium und Ammoniumchlorid wurde tionsmischung auf 470  C und anschließendem
ebenfalls schon früh beschrieben (Jantsch und Abschrecken in Eiswasser dargestellt werden
Urbach 1919; Rosenheim et al. 1903). Der weiße, (Brauer 1975, S. 1136); sie wandelt sich danach
hygroskopische Feststoff (s. Abb. 4) besitzt eine aber langsam in die α-Modifikation um. Jene
tetragonale Kristallstruktur (Mooney 1949), kann in reiner Form durch längeres Erwärmen
schmilzt bei einer Temperatur von 770  C (Sie- der Mischung auf 350  C erhalten werden. Beide
depunkt der Schmelze: 921  C) und hat die Modifikationen sind weiße, hygroskopische Fest-
Dichte 4,6 g/cm3. Das aus wässriger Lösung körper (s. Abb. 5), die in Wasser und vielen polaren
kristallisierende Hydrat kann durch Erhitzen Lösungsmitteln leicht löslich sind. Beim Erwär-
nur dann in die wasserfreie Form umgewandelt men in wässriger Lösung erleidet Thorium-IV-bro-
werden, wenn Thionylchlorid zugesetzt wird; mid Hydrolyse zu Thorium-IV-oxiddibromid. Die
ansonsten entstehen hierbei basische Chloride. reaktiveren Halogene Fluor und Chlor sowie auch
Im wesentlichen dient Thorium-IV-chlorid zur Sauerstoff verdrängen beim Erwärmen das Brom
Gewinnung metallischen Thoriums. unter entsprechender Bildung des Thorium-IV-
Thorium-IV-bromid (ThBr4) erzeugt man neben fluorids, -chlorids und -oxids.
der alternativen Möglichkeit durch Reaktion der Thorium-IV-iodid (ThI4) ist bei Temperaturen
Elemente durch reduktive Bromierung, also aus um 500  C aus Thorium-IV-carbid (ThC) oder Tho-
Thorium-IV-oxid, Brom und Kohlenstoff bei Tem- rium mit Iod herstellbar (Brauer 1975, S. 1140).
peraturen von 800 bis 900  C: Ebenso ist die Darstellung aus Thorium-IV-hydrid
980 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Kochsalz-Gittertyp (Ferro 1955, 1956; Gingerich


und Wilson 1965; Javorsky und Benz 1967). Tho-
rium-IV-phosphid, ein n-Halbleiter mit einer
direkten Bandlücke von nur 0,4 eV, stellt man
durch Überleiten gasförmigen weißen Phosphors
über Thorium-IV-chlorid her (Wickleder et al.
Abb. 6 Thorium-IV-iodid (Onyxmet 2017) 2006 und darin zitierte Literatur), alternativ auch
aus Thoriumhydrid mit Monophosphan (PH3)
(Lipkind und Newton 1952).
und Iodwasserstoff möglich (Fuger et al. 2010, S. 61 Dies sind nicht die einzigen Thoriumphosphi-
und 83; MacIntyre et al. 1992, S. 3511). Der gelbe de; man kennt außerdem das schwarze, Ketten
(s. Abb. 6), in der Hitze orange Feststoff schmilzt von Phosphoratomen enthaltende Th2P11, das
bei 556  C (Siedepunkt der Schmelze: 658  C), hat durch Reaktion von Phosphor mit Thorium bei
die Dichte 6,0 g/cm3 und kristallisiert in monokliner ca. 1040  C zugänglich ist, und das eine Bandlü-
Struktur (Templeton et al. 1964). Die Verbindung ist cke von 0,3 eV zeigt.
sehr luft- und feuchtigkeitsempfindlich und kom- Das schwarzgraue Thorium-IV-arsenid (Th3As4)
proportioniert mit Thorium zu einem Gemisch von ist ebenfalls ein n-Halbleiter mit einer direkten
Thorium-II- und -III-iodid. Aus Thorium-IV-iodid Bandlücke von 0,43–0,51 eV (Warren und Price
erzeugt man nach dem Van Arkel-De Boer-Verfah- 1964; Henkie und Markowski 1978; Shein und
ren reinstes metallisches Thorium (Housecroft und Ivanovskii 2010). Ferner sind ThAs und ThAs2
Sharpe 2005, S. 756). beschrieben (Ferro 1955; Hulliger 1966). Ähnli-
Pnictogenverbindungen Thorium-IV-nitrid ches gilt für die entsprechenden Antimonide des
(Th3N4) ist ein metallisch aussehender, braun- Thoriums.
grauer Feststoff der Dichte 11,9 g/cm3, der bei Sonstige Verbindungen Thorium-IV-carbid (ThC)
2820  C schmilzt. Man erhält es, indem man über erzeugt man durch gemeinsames Schmelzen von
in einem Wolframtiegel gelagertes Thoriumpulver Thorium mit Kohlenstoff (Brauer 1978, S. 1083
Stickstoff bei Temperaturen von 550  C, dann und 1158). Der schwarzgraue, metallisch glän-
900  C strömen lässt (Auskern und Aronson zende Feststoff schmilzt bei 2621  C und hat eine
1967). Diese Eigenschaften in Verbindung mit Dichte von 10,67 g/cm3 (Martienssen und Warli-
einer hohen Wärmeleitfähigkeit sowie chemi- mont 2005). Thorium-IV-carbid kristallisiert im
scher Stabilität gegenüber dem als Kühlmittel kubischen Natriumchloridgitter und wird schon
verwendeten flüssigen Natrium machen derartige durch Wasser, erst recht durch verdünnte Mineral-
Verbindungen der Actinoide sehr geeignet als säuren unter Freisetzung von Kohlenwasserstof-
Brennstoff für schnell brütende Kernreaktoren. fen, vorrangig Methan, hydrolysiert.
Diesbezüglich wurde das andere Nitrid des Thorium-IV-nitrat [Th(NO3)4] ist ein farbloser,
Thoriums (Thorium-III-nitrid, ThN), das bei bei 50  C unter Zersetzung schmelzender Fest-
einer Temperatur von 2790  C unter Stickstoff stoff der Dichte 2,78 g/cm3. Die Verbindung wirkt
schmilzt, dynamischen molekularen Berechnun- brandfördernd wegen ihres hohen Sauerstoffge-
gen unterzogen, um seine thermodynamischen haltes und kann mit organischen, entzündlichen
Eigenschaften aufzuklären (Adachi et al. 2005). Verbindungen explosionsartig reagieren. Zwar ist
Thorium-IV-phosphid (Th3P4) ist ein Halblei- es leicht in Wasser und Ethanol löslich, erleidet in
ter, den man trotz der vom Anteil des Thoriums wässrigen Lösungen aber schnell Hydrolyse zu
ausgehenden Radioaktivität noch vereinzelt in basischem Thoriumnitrat. Thorium-IV-nitrat ist
Lasern und optischen Dioden einsetzt. Seine kubi- Ausgangsstoff zur Herstellung von Thorium-IV-
sche Kristallstruktur ähnelt der von Zirkonium- oxid und letztlich Thorium; es findet technisch
und Hafniumnitrid (Zerr et al. 2003; Kroll 2003). Anwendung unter anderem zur Herstellung von
Auch die nachstehend genannten höheren Tho- Gasglühkörpern. Als Metallsalz ist es giftig; dies
riumpnictogenide kristallisieren im kubischen äußert sich unter anderem in Form von Erbrechen,
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 981

Krämpfen und Kreislaufkollaps. Die emittierte rium in MOX-Brennelementen lief seit April 2013
radioaktive Strahlung, die mehrheitlich aus α- im norwegischen Forschungsreaktor Halden. Ziel
Strahlung besteht, ist ebenfalls gefährlich. Einge- war es, das Verfahren in kommerziellen Kernkraft-
atmeter Staub kann im Körper akkumuliert wer- werken anzuwenden und dabei auch den Einsatz
den. Im Versuch an Mäusen bewirkte eine orale des Plutoniums zu reduzieren (Peggs et al. 2012;
Gabe in hoher Dosis tödliche Magen- und Darm- World Nuclear Association 2013). Diese fünfjähri-
geschwüre (Witten et al. 1951; Natkunarajah und ge Testreihe wurde inzwischen beendet mit guten
Cliff 2009). Thorium-IV-nitrat war früher noch und erwartbaren Ergebnissen, dies zudem ohne
wichtig zur Herstellung von Glühstrümpfen für nennenswerte Zwischenfälle. Die in Halden Ver-
Gaslampen, wurde aber zwischenzeitlich durch antwortlichen hätten die neuen thoriumhaltigen
nichtradioaktive und daher meist ungefährlichere Pellets gerne in einem kommerziell arbeitenden
Materialien ersetzt. Reaktor getestet, nur sahen sie wegen der aktuell
geringen Akzeptanz der Kernenergie zunächst
Anwendungen Thorium setzte man in Form sei- kaum Möglichkeiten hierfür. Die Betreiber der
nes Dioxids zur Herstellung von Glühstrümpfen ein. Kernreaktoren hielten erst einmal an der bewähr-
Jene stellte man her, indem man Stoffgewebe mit ten, auf Uran basierenden Technologie fest. Even-
einer 99 % Thorium- und 1 % Cernitrat enthalten- tuell ergibt sich in der Zukunft wieder eine Chance
den Lösung tränkte und dann anzündete. In der (Røst 2019); eventuell ist diese „Thorium-Techno-
Hitze zersetzte sich Thorium-IV-nitrat unter Abspal- logie“ in anderen Anwendungen einsetzbar. Auch
tung von Stickoxiden zu Thorium-IV-oxid. Jenes das Konzept des beschleunigergetriebenen Rubbia-
verlieh der Gasflamme ein weißes Licht, das nicht tron-Reaktors basiert auf dem Einsatz von Tho-
auf die -sehr schwache- Radioaktivität des Thori- rium.
ums zurückzuführen war; es handelte sich einfach Zur Verbesserung der Zündeigenschaften der
um ein chemisch angeregtes Leuchten. Wegen der beim Wolfram-Inertgas-Schweißen (WIG-Schwei-
Radioaktivität des Thoriums ging man aber zwi- ßen) verwendeten Elektroden setzte man zwi-
schenzeitlich doch zu anderen Materialien über. schenzeitlich Thorium-IV-oxid in Mengen von
Thorium kann wegen seines hohen Wirkungs- 1 bis 4 % zu. Diese Verwendung ist inzwischen
querschnitts für thermische Neutronen zur Herstel- aber wegen der durch Dämpfe und Schleifstaub
lung des spaltbaren Uranisotops 23392U verwendet verbreiteten Strahlenbelastung nahezu eingestellt
werden. Aus Thorium 23290Th entsteht durch Neut- worden. Moderne WIG-Elektroden enthalten statt-
ronenbestrahlung 23390Th, das durch β-Zerfall über dessen Zusätze von Cer-IV-oxid.
Protactinium (23391 Pa) in Uran (23392U) übergeht. Als Glühelektrodenwerkstoff eingesetzter Wolf-
Die frühen Hochtemperaturreaktoren (HTR), die ramdraht wird zur Verringerung der Elektronen-
Thorium als Brennmaterial verwendeten (z. B. Austrittsarbeit mit geringen Mengen Thoriumdi-
THTR-300), bildeten aber weniger an 23392U als oxid versehen. Dies ermöglicht die Reduzierung
sie an Spaltstoff verbrauchten. Sie waren neben der der zur Erzielung einer vergleichbaren Emission
Zugabe von Thorium daher auf ständige Zufuhr nötigen Temperatur in Elektronenröhren und ver-
hochangereicherten Urans (93 % 23592U) angewie- bessert daher das Startverhalten von Entladungs-
sen. Dies war aus Sicherheitsgründen inakzepta- lampen. Im Lampenbau wird Thorium ferner als
bel, und neue Konzepte für Hochtemperaturreak- Getter in Form von Thorium-IV-oxid-Pillen oder
toren sehen die Verwendung von Thorium nicht Thoriumfolie eingesetzt.
mehr vor. Ein modern konstruierter HTR ist auf Thorium-IV-oxid setzte man früher den Glä-
Basis des klassischen U/Pu-Zyklus mit niedrig sern hochwertiger optischer Linsen zu, um jenen
angereichertem Uran aufgebaut. einen sehr hohen optischen Brechungsindex bei
Trotzdem versucht man, das schwach radio- zugleich kleiner optischer Dispersion zu ver-
aktive Thorium weiterhin zur Gewinnung von leihen (Canon Corp.). Thoriumhaltige Linsen
Energie zu nutzen. Eine auf zunächst fünf Jahre haben einen leichten, sich verstärkenden Gelb-
angelegte Versuchsreihe zur Verwendung von Tho- stich. Wegen der geringen, von thoriumhaltigem
982 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Glas emittierten Radioaktivität stellt man dieses 5.2 Protactinium


heute nicht mehr her, sondern verwendet statt-
dessen Zusätze auf Basis von Lanthan (LaK9) Geschichte Bis 1870 kannte man von den
(Zusammenfassung einschlägiger Literatur in Actinoiden nur Thorium und Uran. Ein Jahr später
einem Beitrag von Nutzer „Ill“ im Leica User vertrat Mendelejew die Auffassung, dass zwi-
Forum, Permalink). schen diesen beiden Elementen ein weiteres,
damals noch unbekanntes stehen müsse (Emsley
2001, S. 347–349). Er ordnete Thorium aber
Patente
noch in eine Gruppe mit Zirconium bzw. Eka-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Zirconium (dem späteren Hafnium) und Uran
wide.espacenet.com)
in die des Wolframs ein. Somit blieb für das neu
postulierte Element, das erst im Jahr 1949 als
S. Wang und H. Lu, Method for removing
Protactinium benannt wurde, in Mendelejews
radioactive thorium element in rare
Periodensystem erst einmal der Platz unterhalb
earth mineral (University Soochow,
des Tantals übrig (Laing 2005). Im Jahre 1900
WO 2018227674, veröffentlicht 20.
isolierte William Crookes ein stark radioaktives
Dezember 2018)
Material aus Uran; er konnte es aber nicht als
M. Boubcher und S. Kuran, Nuclear fuel
neues chemisches Element charakterisieren und
bundle containing thorium and nuclear
nannte es Uranium-X (UX) (Crookes 1899).
reactor comprising same (Atomic Ener-
Crookes extrahierte eine Lösung von Uranylnitrat
gy of Canada, US 2018240557 A1, ver-
[(UO2)(NO3)2] mit Wasser; in jener reicherten
öffentlicht 23. August 2018)
sich vor allem die Isotope 23490Th und 23491Pa an
L. Yang und J. Dai, Absorption method and
(Johansson 1954).
device of thorium elements in rare earth
Das erste Isotop des Protactiniums (234m91Pa)
waste residues (Changshu Institute of
wiesen Fajans und Göhring 1913 nach und nann-
Technology, CN 108396146 A, veröf-
ten es wegen seiner sehr kurzen Halbwertszeit
fentlicht 14. August 2018)
(t½: 1,17 min) Brevium (Fajans 1913; Fajans
B. P. Bromley, Heterogeneous core designs
und Göhring 1913). Das wiederum längstlebige
and thorium based fuels for heavy water
Isotop 23191Pa (t½ = 32.760 a) fanden Hahn und
reactors (Atomic Energy of Canada, US
Meitner 1917; sie nannten es Protoactinium und
2018075930 A1, veröffentlicht 15. März
wollten es damit als das chemische Element
2018)
bezeichnen, das in der Zerfallsreihe des 23592U
P. K. Mishra und B. R. Mishra, A process
(Uran) noch vor dem 22789Ac (Actinium) steht
for the production of thorium phosphate
(Hahn und Meitner 1918; Meitner und Hahn
from thorium oxalate and recovery of
1919; Hahn 1921). Gleichzeitig wiesen auch
oxalic acid (Indian Rare Earths Ltd.,
die englischen Forscher Soddy und Cranston
AU 2016210678 A1, veröffentlicht 22.
das Isotop 23191Pa nach (Cranston und Soddy
Februar 2018)
1918).
X. Li und L. Han, Method for analyzing
Die Reindarstellung des Metalls gelang 1934
content of rare earth elements in thorium
Von Grosse. Erst 1949 legte die IUPAC den Namen
tetrafluoride (Shanghai Institute of App-
des Elementes endgültig mit Protactinium fest.
lied Physics, CN 107436302 A, veröf-
fentlicht 5. Dezember 2017)
W. Liao und Y. Li, Use of amino-containing
neutral phosphine extractant in extrac- Dmitri Iwanowitsch Mendelejew (* 27.
tion and separation of thorium and pro- Januar.1834. Tobolsk; † 20. Januar 1907.
cess using same (US 2017267540 A1, Sankt Petersburg) war ein russischer Che-
veröffentlicht 21. September 2017) miker. Unabhängig von Lothar Meyer ent-
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 983

wickelte er eine Systematik der chemischen Im Juli 1901 promovierte er in Marburg,


Elemente, die er in einer Tabelle zu- wechselte 1904 an das University College
sammenfasste (Meyer 1871; Mendelejew London und wurde Mitarbeiter von Sir Wil-
1871). Diese nennt man heute das Perioden- liam Ramsay, des Entdeckers der Edelgase.
system oder Periodisches System der Ele- Hahn arbeitete dort auf dem Feld der Radio-
mente (PSE); sie erlaubte die Vorhersage chemie und schloss sich Ende 1905 an der
von Eigenschaften damals noch unbekann- McGill University in Montréal, Kanada,
ter Elemente, die dann im 20. Jahrhundert dem Arbeitskreis um Ernest Rutherford an,
entdeckt wurden (Technetium, Rhenium, wo er mit dort neu entwickelten Verfahren
Promethium und Francium). Das Element die Isotope 21284Po, 21082Pb und 22790Th
101 wurde Mendelejew zu Ehren Mendele- („Radioactinium“) entdeckte. 1910 erhielt er
vium genannt. den Titel des Professors und ab 1919 den
Aus Odessa 1856 nach Sankt Petersburg Lehrauftrag für Radioaktivität an der Berliner
zurückgekehrt, wurde er an der dortigen Universität. 1917 isolierte er mit Lise Meitner
Universität 1857 Privatdozent für Chemie. das Element „Proto-Actinium“ (Hahn und
1860/61 hielt er sich im Rahmen eines Aus- Meitner 1918). Hahn und Straßmann
landsstipendiums bei Robert Bunsen und bestrahlten 1938 eine uranhaltige Probe mit
Gustav Kirchhoff in Heidelberg auf. Men- Neutronen und fanden dabei Spuren des Ele-
delejew erhielt 1864 eine Professur am ments Barium, das nur durch Kernspaltung
Technologischen Institut Sankt Petersburg entstanden sein konnte (Graetzer und Ander-
und konnte daneben auch seinen Lehrauf- son 1971; McKay 1984; Zimen 1987).
trag an der Universität fortsetzen. 1865 pro- Von 1928 bis 1946 war Hahn Direktor
movierte er und blieb bis 1872 Dozent für des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in
Organische Chemie am Technologischen Berlin. 1934 legte Hahn aus Solidarität mit
Institut. Am 6. März 1869 präsentierte er entlassenen jüdischen Kollegen sein Lehr-
die erste Fassung des Periodensystems der mandat an der Universität Berlin nieder.
Elemente (PSE) vor der Russischen Chemi- Von 1948 bis 1960 war er erster Präsident
schen Gesellschaft unter dem Titel „Die der aus der KWG hervorgegangenen Max-
Abhängigkeit der chemischen Eigenschaf- Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wis-
ten der Elemente vom Atomgewicht“ senschaften (Berninger 1974; Hahn 1986).
(Mendelejew 1871, 1880). Er ordenete die
zu seiner Zeit bekannten Elemente nach Lise Meitner (* 7. November 1878 Wien; †
steigender Atommasse in sieben Gruppen 27. Oktober 1968 Cambridge, Vereinigtes
an; in jeweils eine Gruppe setzte er die Königreich) war eine österreichische Kern-
Elemente mit ähnlichen Eigenschaften physikerin. Ab 1901 studierte sie Physik,
(Holmyard 1929; Ihde 1964; Pattison Muir Mathematik und Philosophie an der Univer-
1975; Kaji 2003). sität Wien. 1906 promovierte sie in Physik
zum Thema Wärmeleitung in inhomogenen
Der deutsche Chemiker Otto Emil Hahn Körpern (Meitner 1906). Danach wandte
(* 8. März 1879 Frankfurt am Main; † 28. sich Meitner der Radiophysik zu (Meitner
Juli 1968 Göttingen) war einer der Wegbe- 1906) und ging 1907 zur Freien Universität
reiter der Radiochemie. Seine größten Leis- Berlin, wo sie dem Chemiker Otto Hahn
tungen waren die Entdeckung vieler Isotope begegnete. Mit ihm arbeitete sie drei Jahr-
(etwa zwischen 1905 und 1921), die des zehnte zusammen. Meitner und Hahn ent-
radioaktiven Rückstoßes (1909), die des deckten 1917 das Element Protactinium
Elements Protactinium (1917) und der erstma- 231. Zusammen mit Frisch publizierte sie
lige Nachweis einer Kernisomerie („Uran Z“, die erste theoretische Erklärung der Kern-
1921) (Hahn 1926, 1936, 1938, 1941). Er spaltung, die Hahn und Straßmann 1938
erhielt 1945 den Nobelpreis für Chemie des nachgewiesen hatten. Sie wurde insgesamt
Jahres 1944.
984 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Oberhalb einer Temperatur von 1050  C bildet sich


48-mal für den Nobelpreis nominiert, aber dann Protactinium-V-oxid hexagonaler Struktur,
eine Auszeichnung blieb ihr versagt. Das das bei noch höheren Glühtemperaturen teils in
Element 109 wurde jedoch Lise Meitner die rhomboedrische Modifikation übergeht (Brauer
zu Ehren Meitnerium genannt (Sexl und 1975, S. 1181).
Hardy 2002; Rife 1992; Sime 2001). Das schwarze Protactinium-IV-oxid (PaO2)
kristallisiert im kubischen Calciumfluorid-Gitter,
in dem eine Elementarzelle vier Formeleinheiten
Gewinnung 1927 isolierte Von Grosse aus enthält (Sellers 1954). Die Verbindung ist durch
Abfällen der Herstellung von Radium 2 mg Pro- Umsetzung trockenen Wasserstoffgases mit Pro-
tactinium-V-oxid (Pa2O5), und 1934 gelang ihm tactinium-V-oxid bei ca. 1500  C darstellbar
die erstmalige Darstellung elementaren Protacti- (Brauer 1975, S. 1182).
niums aus 0,1 mg Pa2O5, wobei zwei Verfahren Halogenverbindungen Protactinium-V-fluorid
angewandt wurden. Einerseits bestrahlte er Pa2O5 (PaF5) gewinnt man durch Reaktion von Brom-
im Vakuum mit Elektronen einer Energie von III- oder -V-fluorid mit Protactinium-V-oxid bei
35 KeV, dann setzte er das Oxid zum jeweiligen Temperaturen um 600  C:
Protactiniumhalogenid (Chlorid, Bromid oder
Iodid) um und reduzierte dieses dann im Vakuum 6 Pa2 O5 þ 20 BrF3 ! 12 PaF5 þ 10 Br2 þ 15 O2
an einem elektrisch beheizten Draht (von Grosse
1934, S. 512–516; 1935, S. 2200–2201). Ebenfalls möglich ist die Darstellung durch
Zwischen 1959 und 1961 erzeugte die United Reaktion von Protactinium-V-chlorid oder Protac-
Kingdom Atomic Energy Authority (UKAEA) tinium-IV-fluorid mit Fluor bei 700  C (Brauer
125 g des Elements einer Reinheit von 99,9 % 1975, S. 1170):
aus 60 t abgebrannter Kernbrennstäbe in einem
vielstufigen Prozess. Für lange Zeit stellte dies 2 PaF4 þ F2 ! 2 PaF5
die einzige weltweit verfügbare Quelle für Pro-
tactinium dar, die diverse Forschungslabors mit Wasserhaltiges Protactinium-V-fluorid erzeugt
Material für wissenschaftliche Untersuchungen man durch Reaktion von wässriger Flusssäure mit
versorgte (Emsley 2001). Protactinium-V-oxid:

Eigenschaften Protactinium ist silbrig metallisch Pa2 O5 þ 10 HF ! 2 PaF5  2 H2 O þ 6 H2 O


(s. Tab. 2) und wird supraleitend unterhalb von
271,75  C (1,4 K) (Fowler et al. 1965). Es Protactinium-V-fluorid ist ein weißer Fest-
kommt meist in zwei Oxidationsstufen vor, +4 stoff, leicht flüchtig und sehr hygroskopisch.
und +5, sowohl in Festkörpern als auch in Lösung. Die Verbindung ist unter langsamer Hydrolyse
in Wasser, besser noch in Flusssäure löslich
Verbindungen und kristallisiert tetragonal. Bei höherer Tempe-
Chalkogenverbindungen Protactinium-V-oxid ratur ätzt Protactinium-V-fluorid Quarzglas
(Pa2O5) ist ein weißer Festkörper mit kubisch- an. Das Dihydrat ist ebenfalls ein farbloser,
flächenzentrierter Kristallstruktur, die unter Nor- hygroskopischer, kristalliner Feststoff, der
malbedingungen auch die stabilste Modifikation von Phosphor-III-fluorid zu Protactinium-IV-
ist (Sellers 1954). Man kann diese Modifikation fluorid reduziert wird (Fuger et al. 2010). Das
aus einer Protactiniumsalzlösung durch Ausfällung Erhitzen des Dihydrates führt nicht zur wasser-
als Protactiniumoxidhydrat darstellen, das dann freien Verbindung, sondern zu hydrolysebe-
abfiltriert, getrocknet und schließlich an der Luft dingt gebildeten basischen Fluoriden (Kirby
bei Temperaturen um 650  C geglüht wird. Liegt et al. 2006).
diese Temperatur aber zwischen 700  C und Protactinium-IV-fluorid (PaF4) stellt man durch
900  C, so entsteht die tetragonale Modifikation. Fluorieren von Protactinium-IV-oxid mit einem
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 985

Tab. 2 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Protactinium


Symbol: Pa
Ordnungszahl: 91
CAS-Nr.: 7440-13-3

Aussehen: Silbrig-metallisch Protactinium, Kristall (ITE


Farbe von Pax+aq.: Siehe „Verbindungen“ Karlsruhe 2015)
Entdecker, Jahr Von Grosse (USA), 1927
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
[natürl. Vorkommen (%)]
230
91Pa (synthetisch) 17,4 d ε > 23090Th
231
91Pa (100) 32.760 a α > 22789Ac
232
91Pa (synthetisch) 1,31 d β > 23292U
233
91Pa (synthetisch) 26,97 d β > 23392U
Vorkommen (geografisch, Erz): —— Uranerze
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): ~106
Atommasse (u): 231,036
Elektronegativität (Pauling) 1,5
Normalpotenzial (V; Pa3+ +3 e ! Pa) Keine Angabe
Atomradius (berechnet, pm): 163 (—)
Kovalenter Radius (pm): 200
Ionenradius (pm): 113 (Pa3+)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 6d1 5f2
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ dritte: 568 ♦ 1814
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): Keine Angabe
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 5,56  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): Keine Angabe
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Kristallsystem: Tetragonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 15,37
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 15,18  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 47
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1568 ♦ 1841
Schmelzwärme (kJ/mol): 16,7
Siedepunkt ( C ♦ K): 4027 ♦ 4300
Verdampfungswärme (kJ/mol): 481

aus Wasserstoff und Fluorwasserstoff bestehenden monoklin kristallisierender Feststoff, der auch in
Gemisch bei 600  C her (Brauer 1975, S. 1171). starken Mineralsäuren unlöslich ist.
Auch ist die reduzierende Fluorierung von Pro- Protactinium-V-chlorid (PaCl5) kann man durch
tactinium-V-oxid mit einem solchen Gasgemisch Reaktion von Protactinium-V-oxid mit Chlor und
bei Temperaturen um 500  C möglich. Die Verbin- Kohlenstoff, oder aber unter Verwendung von
dung ist ein dunkelrotbrauner, wenig flüchtiger, Thionylchlorid oder Tetrachlorkohlenstoff herstel-
986 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

len (Brauer 1975, S. 1173). Die gelbe Verbindung Des Weiteren gibt es elegante Umsetzungen
schmilzt bzw. siedet bei Temperaturen von 306  C von Protactinium-V-oxid bzw. -chlorid mit Sili-
bzw. 420  C und kristallisiert im monoklinen Kris- ciumtetraiodid bei Temperaturen von 600 bis
tallsystem mit vier Formeleinheiten pro Elemen- 700  C (II und III), die Reaktion von Protactinium-
tarzelle, bestehend aus einer Kettenstruktur mit V-oxid mit Aluminiumiodid (IV) bei ähnlicher
siebenfach koordinierten, verzerrten pentagonalen Temperatur und die von Protactinium-V-chlorid
Bipyramiden (Dodge et al. 1967). mit Iodwasserstoff (V). Auch Überleiten von Iod-
Protactinium-IV-chlorid (PaCl4) ist durch dampf über Protactiniumcarbid (PaC) bei Tem-
Reduktion von Protactinium-V-chlorid mit Was- peraturen um 400  C liefert das gewünschte Pro-
serstoff oder Aluminium bei Temperaturen um dukt (VI, Emsley 2001, S. 348):
400  C zugänglich, alternativ geht auch die
Umsetzung von Protactinium-IV-oxid mit Tetra- (II) 2 Pa2 O5 þ 5 SiI4 ! 4 PaI5 þ 5 SiO2
chlorkohlenstoff (Brauer 1975, S. 1176). Auch die
thermische, im Vakuum durchgeführte Dispropor- (III) 4 PaCl5 þ 5 SiI4 ! 4 PaI5 þ 5 SiCl4
tionierung von Protactiniumoxidchlorid liefert bei
Temperaturen >500  C Protactinium-IV-chlorid (IV) 3 Pa2 O5 þ 10 AlI3 ! 6 PaI5 þ 5 Al2 O3
(Emeleus und Sharpe 1970, S. 15). Der gelbgrüne,
hygroskopische, kristalline Feststoff sublimiert ab (V) PaCl5 þ 5 HI ! PaI5 þ 5 HCl
400  C im Vakuum und besitzt tetragonale Kris-
tallstruktur. Protactinium-IV-chlorid löst sich in (VI) 2 PaC þ 9 I2 ! 2 PaI5 þ 2 I4 C
starken Mineralsäuren unter Bildung grüner
Lösungen (Fuger et al. 2010, S. 201).
Protactinium-V-bromid (PaBr5) erhält man Das schwarze, nur im gepulverten Zustand
durch Reaktion von Protactinium-V-chlorid mit braun erscheinende, orthorhombisch kristallisie-
Bortribromid bei Temperaturen zwischen 500 und rende Protactinium-V-iodid ist stark feuchtig-
550  C (Brauer 1975, S. 1177): keits- und luftempfindlich. Es ist nur in wasser-
freiem Acetonitril und Ethanol unzersetzt und in
3 PaCl5 þ 5 BBr3 ! 3 PaBr5 þ 5 BCl3 größeren Mengen löslich. Beim Erhitzen subli-
miert die Verbindung unter Bildung eines im Licht
Alternativ geht auch die Darstellung aus tiefrot erscheinenden Dampfes.
Protactinium-V-oxid mit Aluminiumbromid bei
etwa 400  C, wobei die Verbindung bei dieser Anwendungen Wegen seiner Seltenheit, hohen
Temperatur zu sublimieren beginnt. Radioaktivität und Giftigkeit findet Protactinium
Protactinium-V-bromid bildet orangerote Kris- außer in der Forschung keine praktische Anwen-
talle und ist sehr empfindlich gegenüber Wasser dung.
und Ammoniak. Nur in völlig trockener Luft ist es Das Protactiniumisotop 23191Pa, das beim
stabil und ist darüber hinaus kaum löslich in unpo- α-Zerfall von 23592U entsteht und sich in Kernre-
laren Lösungsmitteln. Protactinium-V-bromid tritt aktoren auch durch β-Zerfall von 23190Th bildet,
im Temperaturbereich bis 400  C mit monokliner kann Auslöser einer nukleare Kettenreaktion sein,
Struktur (α-Modifikation) und darüber in der eben- die prinzipiell auch zum Bau von Atomwaffen
falls monoklin kristallisierenden β-Struktur vor, genutzt werden könnte. Die kritische Masse
die Dimere auf den Plätzen des Kristallgitters ent- beträgt 750  180 kg (Seifritz 1984). Andere
hält (Brown 1979). Autoren kommen zum Schluss, dass eine Ketten-
Für Protactinium-V-iodid (PaI5) gibt es meh- reaktion in 23191Pa selbst bei beliebig großer
rere Darstellungswege, zu denen auch der aus den Masse nicht möglich ist (Ganesan et al. 1999).
Elementen zählt (I, Brauer 1975, S. 1179): Das Protactiniumisotop 23391Pa ist ein Zwi-
schenprodukt im Brutprozess von 23290Th zu
233
(I) 2 Pa þ 5 I2 ! 2 PaI5 92U in Thorium-Hochtemperaturreaktoren.
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 987

Seitdem hochempfindliche Massenspektro- die bergmännische Produktion von Uranverbin-


meter verfügbar sind, ist eine Anwendung des dungen ein, da man sie im Zeitraum von 1850
231
91Pa beispielsweise als Tracer in der Paläozea- bis 1950 zum Färben von Glas und Keramik ver-
nographie möglich geworden (McManus et al. wandte. Die Gegenstände erhielten dabei eine
2004). gelbgrüne Farbe. Erst gegen Mitte des 20. Jahr-
hunderts ersetzte man es durch ungefährlichere
Stoffe. Parallel dazu diente Uranylnitrat noch
Patente
lange in der Fotografie zur Braun- und Rottönung
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
von Diapositivplatten, Platinbildern und Bromsil-
wide.espacenet.com)
berbildern (Schmidt 1906).
Becquerel wies 1896 als Erster die Radioakti-
P. Kalbarczyk und H. Polkowska-Motren-
vität von Uran nach. Lange vermutete man, dass
ko, Method for the selective separation
Uran das Element mit der höchsten Ordnungszahl
of uranium and protactinium from tho-
sei, das noch in der Natur vorkommt. Erst 1971
rium containing material (Instytut Fiziki
wies man in Spuren das noch höher im Perioden-
Jadrowej, PL 226415 B1, veröffentlicht
system eingeordnete Plutonium nach (24494Pu)
31. Juli 2017)
(Hoffman et al. 1971).
W. McDuffee und R. Wischow, Process for
separation of protactinium, thorium and
uranium from neutron irradiated thorium Der Franzose Eugène-Melchior Péligot
(U. S. Atomic Energy Commission, (* 1811 Paris; † 1890 Paris) war Professor
US 3825649 A, veröffentlicht 23. Juli für Analytische Chemie am Institut Natio-
1974) nal Agronomique, das im Lauf der Vergan-
W. R. Grimes und J. H. Shaffer, Recovery of genheit im Institut des Sciences et Indus-
protactinium from molten fluoride salts tries du vivant et de l’Environnement
(U. S. Atomic Energy Commission, US (AgroParisTech) aufging. In Zusammenar-
3395991 A, veröffentlicht 6. August beit mit Dumas erforschte er die Synthese
1968) diverser Alkylverbindungen; unter anderem
J. C. Sullivan und M. H. Studier, Cation stellten sie erstmals einige Carbonsäurees-
exchange method for the recovery of ter und Diethylether her.
protactinium (US 2894807 A, veröffent-
Antoine Henri Becquerel (* 15. Dezember
licht 14. Juli 1959)t
1852 Paris; † 25. August 1908 Le Croisic)
erhielt 1903 zusammen mit Marie und
Pierre Curie den Nobelpreis für Physik für
5.3 Uran die Entdeckung der Radioaktivität. Er stu-
dierte von 1872 bis 1877 Physik, zuerst an
Geschichte 1789 gewann Klaproth (Kurzbiogra- der École Polytechnique, dann an der École
fie siehe „Cer“) erstmals Uran-IV-oxid (UO2) aus des Ponts et Chaussées. 1895 erhielt er den
dem Mineral Pechblende und nannte das seiner Ruf auf den Lehrstuhl für Physik an der
Auffassung nach neue Element Uran, dies nach École Polytechnique und experimentierte
dem einige Jahre zuvor entdeckten Planeten Ura- mit radioaktiven Stoffen. Am 1. März
1896 legte er Fotoplatten auf einige im
nus. Das aus einer bei Johanngeorgenstadt (Sach-
Dunklen gelagerte radioaktive Substanzen
sen) gelegenen Mine entstammende Erz erhitzte
und beobachtete eine Schwärzung der Plat-
Klaproth mit starker Säure und erhielt ein schwar-
ten, die nur durch eine unsichtbare Strah-
zes Pulver als Rückstand.
lung hervorgerufen worden sein konnte, die
Aber erst 1841 gelang es Péligot, reines Uran- Becquerel zunächst „Uranstrahlen“ nannte;
metall durch Umsetzung von Uran-IV-chlorid dies war die erstmalige Entdeckung der Ra-
(UCl4) mit Kalium zu gewinnen. Danach setzte
988 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

scher Zersetzung von Uranhalogeniden an einem


dioaktivität. Er führte weitere Arbeiten auf Glühdraht (Van Arkel-De Boer-Verfahren) erzeu-
dem Gebiet der Phosphoreszenz, der β- gen (Hammond 2000). Aus Urandioxid ist es
Strahlung und der Spektroskopie im Allge- u. a. durch Reduktion mit Calcium erhältlich (Jan-
meinen durch (Becquerel 1896,1897, 1900; der 1924).
Allisy 1996).
Eigenschaften Uran ist ein weiches, silberwei-
ßes Metall (s. Tab. 3), das in Form dreier Modifi-
Gewinnung Uranerze, z. B. Pechblende, (U3O8) kationen vorkommt: orthorhombisches α-Uran
oder Carnotit (KUO2VO4  1,5 H2O), werden bei <688  C, tetragonal kristallisierendes β-Uran
sauer mit Schwefelsäure oder auch alkalisch mit (zwischen 688 und 776  C) sowie γ-Uran ober-
Soda aufgeschlossen. halb von 776  C (kubische Struktur).
Die nach saurem Aufschluss entstandenen Uran ist in fein verteiltem Zustand selbstent-
Lösungen behandelt man mit Ammoniak, worauf zündlich. Die meisten Säuren lösen metallisches
der „Yellow Cake“ ausfällt. Dieser enthält über- Uran schnell auf, während es von Basen nicht
wiegend Ammoniumdiuranat [(NH4)2U2O7]. Die angegriffen wird. An der Luft überzieht sich das
beim alkalischen Aufschluss erhaltene Lösung ver- Metall mit einer Oxidschicht.
setzt man mit Natronlauge, so dass Natriumdiura-
nat (Na2U2O7) ausfällt. Zur Entfernung des Na- Verbindungen
triums löst man jenes in Schwefelsäure; Zugabe Chalkogenverbindungen Uranylperoxid („UO4“)
wässriger NH3-Lösung fällt dann (NH4)2U2O7 aus. kommt als Hydrat im Mineral Studtit vor;
Der „Yellow Cake“ wird in Salpetersäure synthetisch wird es durch Zugabe von Wasser-
(HNO3) gelöst, wobei unlösliche Anteile ausfal- stoffperoxid zu einer wässrigen Lösung einer
len und entfernt werden. Aus der Lösung kann Uran-VI-Verbindung hergestellt. Die Kristall-
dann noch unreines Uranylnitrat [UO2(NO3)2] struktur des so erhaltenen Tetrahydrats enthält
auskristallisiert werden. Dessen wässrige Lösung UO22+-Ionen, an die je zwei Wassermoleküle
extrahiert man danach mit Tributylphosphat und Peroxidionen angelagert sind. Die Peroxi-
(TBP), worauf man nach Eindampfen und Wa- dionen verbinden zwei Uranatome über die
schen reines Uranylnitrat erhält. Kanten des Dodekaeders (s. Abb. 7b). Die
Vorsichtige thermische Zersetzung des Uranyl- Kristallwassermoleküle sind über Wasserstoff-
nitrats ergibt Uran-VI-oxid (UO3), je nach brücken an die Uranylperoxidketten gebunden
Temperatur und Sauerstoffdruck (Federation of (Burns und Hughes 2003; Weck 2012). Vor kur-
American Scientists: Uranium Production; Wil- zem gelang die Darstellung von Peroxouranaten
lis). Zur Verringerung seines Transportgewichts mit fullerenähnlichen Käfigstrukturen (Forbes
wird der „Yellow Cake“ thermisch zersetzt, wo- et al. 2008, s. Abb. 7) aus Uranylnitrat, Wasser-
rauf schwarzes U3O8 entsteht. Uran-VI-oxid wird stoffperoxid und Alkalihydroxid in wässriger
mit Wasserstoff zu Urandioxid (UO2) reduziert Lösung. Zusatz von Oxalat ergab Dimere und
(Holleman und Wiberg 2007, S. 1950). cyclische Pentamere (Sigmon et al. 2009). Die
Reaktion von Uran-IV-oxid mit wasserfreiem Resultate der Untersuchungen zu Peroxouran-
Fluorwasserstoff liefert Uran-IV-fluorid, aus dem Verbindungen sind wichtig, weil die von Uran
schließlich durch Reduktion mittels Calcium oder und seinen Zerfallsprodukten emittierte Strah-
Magnesium reines Uran gewonnen wird. lung aus den Molekülen des Wassers Wasser-
Uran kann man generell durch Umsetzung sei- stoffperoxid zu bilden imstande ist, das sich dann
ner Halogenide mit Alkali- oder Erdalkalimetal- an uranhaltige Abfälle in Deponien radioaktiver
len herstellen, ebenso auch durch Schmelzfluss- Abfälle anlagern kann (Nilsson und Jonsson
elektrolyse von KUF5 oder UF4 in einer Mischung 2011). Beim Erhitzen auf Temperaturen oberhalb
aus geschmolzenem Calcium- und Natriumchlo- von 200  C zersetzt sich die Verbindung (Boggs
rid. Sehr reines Uran kann man mittels thermi- und El-Chehabi 1957).
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 989

Tab. 3 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Uran


Symbol: U
Ordnungszahl: 92
CAS-Nr.: 7440-61-1

Aussehen: Silbrig-weiß Uran (Rotatebot 2012)


Farbe von Ux+aq.: Siehe „Verbindungen“
Entdecker, Jahr Klaproth (Preußen), 1789
Péligot (Frankreich 1841)
Wichtige Isotope Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
[natürl. Vorkommen (%)]
234
92U (0,0055) 2,46  105 α > 23090Th
235
92U (0,72) 7,04  108 α > 23190Th
238
92U (99,27) 4,47  109 α > 23490Th
Vorkommen (geografisch, USA, Kanada, Pechblende, Carnotit
Erz): Skandinavien, GUS-St.,
Südafrika, Deutschland,
Tschechien
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 3,2
Preis (US$), 99 % 1 lb. (453 g) 21 (2018-01-29, UxC)
Atommasse (u): 238,039
Elektronegativität (Pauling) 1,38
Normalpotenzial (V; U3+ + 3 e ! U) 1,66
Atomradius (berechnet, pm): 139 (—)
Kovalenter Radius (pm): 142
Ionenradius (pm): 80 („U6+“)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 6d1 4f3
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: 598 ♦ 1420 ♦ 2130
Magnetische Volumensuszeptibilität: 4,1  10-4
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): — ♦ 19
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 586 (23592U)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 3,24  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 208 ♦ 100 ♦ 111
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Kristallsystem: Orthorhombisch (<668  C)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 3155
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 19,16
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 12,49  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 27,6
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 27,67
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1133 ♦ 1406
Schmelzwärme (kJ/mol): 9,14
Siedepunkt ( C ♦ K): 3930 ♦ 4203
Verdampfungswärme (kJ/mol): 417

Das in Form mehrerer Modifikationen auftre- ca. 600  C (Holleman et al. 2007, S. 1971). Ein-
tende Uran-VI-oxid (UO3) erhält man durch Glü- wirkung von Sauerstoff unter Druck auf Uran-V,
hen von Uranylverbindungen unter Sauerstoff bei VI-oxid (U3O8) ergibt ebenfalls Uran-VI-oxid, das
990 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Abb. 8 Uran-VI-oxid, mit und ohne Kristallwasser, aber


ohne Festlegung der aktuell vorliegenden Modifikation
Abb. 7 a Uranperoxid-Nanopartikel (Andif 2012). (Igor M. Olekhnovitch 2009)
b Uranperoxid-Pentagon (Andif 2012)

aber je nach Temperatur und Druck in insgesamt


sechs (!) verschiedenen Modifikationen entstehen
kann (Brauer 1978, S. 1225). Alle Uranverbin-
dungen sind sehr giftig, unabhängig von ihrer
Radioaktivität.
Das orthorhombisch kristallisierende, beige
α-UO3 ist durch Erhitzen amorphen Uran-VI-oxids Abb. 9 Uran-V,VI-oxid, hergestellt durch Glühen von
auf 500  C unter einem Sauerstoff-Partialdruck Ammoniumdiuranat (Leiem 2014)
von 40 bar zugänglich (Loopstra und Cordfunke
1966). Wird α-UO3 unter gleichem Sauerstoff- als Ausgangsstoff zur Herstellung von Uran-IV-
druck weiter auf eine Temperatur von 550  C ge- oxid (UO2).
glüht, so wird das orange bis rote β-UO3 gebildet, Uran-V,VI-oxid (U3O8) ist, wie oben schon
das monoklin kristallisiert (Debets 1966). Erhitzt erwähnt, durch Glühen von Uran-VI-oxid auf
man wiederum das Hydrat des β-UO3 an der Luft Temperaturen zwischen 700 und 900  C darstell-
auf knapp 400  C, so resultiert das tiefrote, im bar, umgekehrt auch durch Reaktion von Uran-
kubischen Gitter kristallisierende δ-UO3 (Weller IV-oxid mit Sauerstoff (Brauer 1978, S. 1227).
et al. 1988). Verwendet man nicht Sauerstoff, son- Die Verbindung entsteht ebenfalls beim Erhitzen
dern Stickstoff-IV-oxid (NO2) als Oxidans für anderer Uranoxide auf vergleichbare Temperatu-
Uran-V,VI-oxid, so entsteht das rote ε-UO3. ren an der Luft (Holleman et al. 2007, S. 1971).
(In Abb. 8 ist kristallwasserhaltiges und -freies Auch dieses bei 1300  C schmelzende Oxid
Uran-VI-oxid dargestellt, ohne jedoch die Modifi- tritt in Form mehrerer Modifikationen auf. Bei
kation angeben zu können). Raumtemperatur ist die grünschwarze (s. Abb. 9),
Erhitzt man aber Uranylnitrat, in dem Uran orthorhombische α-Struktur der Dichte 8,38 g/cm3
bereits mit der Oxidationsstufe +6 vorliegt, an am stabilsten, die sich oberhalb von 210  C
der Luft auf Temperaturen von mindestens reversibel in eine hexagonale Struktur umwandelt
400  C, so entsteht das tetragonal kristallisierende (Loopstra 1970). Bei Zimmertemperatur gibt es
γ-UO3 als gelbes Pulver (Loopstra et al. 1977). auch eine metastabile, orthorhombisch kristallisie-
Auch das nur durch Anwendung hoher Drücke rende β-Modifikation, die man durch Erhitzen der
(30 kbar!) und Temperaturen (1100  C) herstell- α-Form an der Luft bis zum Schmelzpunkt und
bare, im orthorhombischen Gitter kristallisierende anschließendes langsames Abkühlen darstellen
ζ-UO3 kennt man (Siegel et al. 1966). kann (Loopstra 1970; Peehs et al. 2007).
Die Verbindung reagiert amphoter, da es sich in Uran-V,VI-oxid ist ein n-Halbleiter (Peehs
Säuren unter Bildung von Uranyl-Ionen (UO22+) et al. 2007) und leitet den elektrischen Strom in
löst; in Basen dagegen entsteht Oxouranat. Glühen Abhängigkeit vom Gehalt an Sauerstoff. Frisch
bei Temperaturen um 800  C überführt es wieder aus natürlichen Uranerzen hergestelltes Uran-V,
in Uran-V,VI-oxid (U3O8). Technisch ist es wichtig VI-oxid hat eine spezifische Aktivität von
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 991

21450 Bq/g. Das Oxid ist in Schwefel- und Sal- sen eingesetzt. Frisch aus Natururan hergestelltes
petersäure löslich unter Bildung der jeweiligen Uran-IV-oxid hat eine spezifische Aktivität von
Uranylionen. Leitet man trockenen Chlorwasser- 22.300 Bq/g. Gemische von Stäuben der Verbin-
stoff bei Temperaturen um 700  C über Uran-V, dung und Luft können explodieren, in fein verteil-
VI-oxid, so bildet sich Uranylchlorid (UO2Cl2). tem Zustand ist Uran-IV-oxid pyrophor und ver-
Die Reduktion zum technisch wichtigen Uran- brennt zu Uran-V,VI-oxid.
IV-oxid ist durch Überleiten eines Stroms von Uran-IV-oxid verarbeitet man zu den in Kern-
Wasserstoff bei 700  C oder Kohlenmonoxid brennstäben eingesetzten Pellets (s. Abb. 11). Das
bei 350  C möglich. dafür nötige Uran-IV-oxid gewinnt man über ver-
Yellow Cake ist ein gelbes, pulveriges Gemisch schiedene Verfahren:
von Uranverbindungen (s. Abb. 10), das ur- Im AUC-Verfahren (AmmoniumUranylCar-
sprünglich bei der Aufarbeitung uranhaltiger Erze bonat) erzeugt man aus Uranerz zunächst Ammo-
als gelbes Material anfiel. Heute erzeugt man niumuranylcarbonat. Dieses glüht man zu Uran-
wegen der im Prozess angewandten höheren Tem- VI-oxid, das dann nachfolgend mit Wasserstoff zu
peraturen ein eher braunschwarzes Produkt. Yel- Uran-IV-oxid reduziert wird (Volkmer 1996).
lowcake löst man aus dem Erz durch Behandlung Das ADU-Verfahren (AmmoniumDiUranat)
mit Säuren heraus; 2 t Erz ergeben etwa 1 kg sieht zuerst die Herstellung von Uran-VI-fluorid
Yellowcake. Jener besteht zu >80 % aus Uranver- (UF6) vor, das man anschließend zu Uranylfluorid
bindungen (Hausen 1988) und ist Ausgangsmate- hydrolysiert. Dieses setzt man mit wässriger Am-
rial zur Herstellung von Brennelementen. Je nach moniaklösung zu Ammoniumdiuranat um und
dem Typ des Reaktors, in dem diese eingesetzt erhitzt jenes im Wasserstoffstrom, wobei Uran-
werden sollen, reichert man entweder das Isotop IV-oxid entsteht (Hermens und Kendall 1993):
235
92U über die Zwischenstufe des Uran-VI-fluo-
rids (UF6) an, oder aber man verarbeitet den Yel- UF6 þ 2 H2 O ! UO2 F2 þ 2 HF
lowcake weiter zu Uran oder Uran-IV-oxid. UO2 F2 þ 6 NH4 OH ! ðNH4 Þ2 U2 O7 þ 4 NH4 F
Die Rückstände aus der Herstellung von Yellow-
þ3 H2 O
cake sind ebenfalls radioaktiv und müssen entsorgt
ðNH4 Þ2 U2 O7 þ 2 H2 ! 2 UO2 þ 2 NH3 þ 3 H2 O
werden; dies ist aber manchmal wegen ihrer großen
Menge und langen Halbwertszeit ein Problem.
Das braun- bis schwarzfarbige Uran-IV-oxid Das trockene DC-Pulver-Verfahren (Direct Con-
(UO2) kristallisiert im kubischen Gitter des Fluo- version) beinhaltet die Umsetzung von Uran-VI-
rits, schmilzt bei einer Temperatur von 2865  C fluorid mit einem Gemisch aus Wasserdampf und
und hat eine Dichte von 10,97 g/cm3. Es hat die Wasserstoffgas bei hoher Temperatur, wobei sich
Eigenschaften eines Halbleiters (Meek et al. 2000; Uran-IV-oxid bildet (Gradel und Doerr 2001).
Rodriguez et al. 2011), es ist aber schlecht dotier- Im Zuge der Wiederaufbereitung von Brennele-
bar und wird daher -und natürlich wegen seiner menten (Purex-Prozess) löst man die Brennstäbe in
Radioaktivität- nicht in elektronischen Schaltkrei- Säure, extrahiert Uran mittels Flüssig-flüssig-

Abb. 10 Yellowcake in Trommel (Interiot-Commonswiki Abb. 11 Uran-IV-oxid-Pellets für einen Kernreaktor


2006) (Tungsten 2005)
992 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Extraktion und erhält schließlich Uranylnitrat, leichteren, spaltbaren Uranisotops 23592U für die
das man dann durch Glühen in Uran-VI-oxid Verwendung in Kernreaktoren. Während der
umwandelt und jenes anschließend zu Uran-IV- Gasdiffusion (s. Abb. 12) sammeln sich bevor-
oxid reduziert. zugt die Moleküle des Uran-VI-fluorids, die die-
Uransulfid-Kationen [(US2)2+] beschrieben ses leichtere Isotop erhalten (Gmelin), jedoch
Pereira et al.; sie stellten aus U2+-Kationen und muss dieser Prozess bis zu 1000 mal nacheinan-
Schwefeldonatoren Thiouranylionen in der Gas- der ausgeführt werden.
phase her (2013). Heute erzeugt man es meist durch Fluorieren
Neben Uran-IV-selenid (USe2) existieren noch von Uran-IV-fluorid (UF4). Ruff und Heinzel-
weitere Uranselenide (USe3, U3Se5, U2Se3, U3Se4 mann gewannen die Verbindung 1909 erstmalig
und USe) und auch ein Oxidselenid (UOSe). Vom durch Umsetzung von Uran-V-chlorid (UCl5) mit
Diselenid kennt man drei verschiedene Modifika- elementarem Fluor in einem auf 20  C gekühl-
tionen. Das schwarze α-Uran-IV-selenid kristalli- ten Platinrohr (Ruff 1909; Heinzelmann 1911):
siert mit tetragonaler Struktur und ist durch
Reduktion von Uran-VI-selenid mit Wasserstoff 2 UCl5 þ 5 F2 ! UF6 þ UF4 þ 5 Cl2
bei Temperaturen um 700  C zugänglich;
Aus Uran-V-chlorid und Fluorwasserstoff
USe3 þ H2 ! USe2 þ H2 Se dagegen ist das Hexafluorid nur in unreiner Form
erhältlich (Ruff und Heinzelmann 1911). Die Syn-
β- bzw. γ-Urandiselenid kristallisieren ortho- these aus den Elementen, die Fluorierung von
rhombisch (Noël 1996) bzw. hexagonal und sind Urancarbid (UC2) oder auch die Umsetzung von
ebenfalls schwarze Festkörper; man stellt sie Uranoxiden mit Chlor- oder Bromfluoriden liefert
durch Erhitzen von Uran-VI-selenid im Hochva- jedoch wieder reines UF6 (Hainer 1950). Die bei
kuum dar, wobei Selen abgespalten wird. Bei der Bildung der Verbindung auf verschiedenem
ca. 760  C entsteht β-Uran-IV-selenid, bei nied- Weg freiwerdenden Enthalpien ermittelte John-
rigerer Temperatur (575  C) γ-Urandiselenid son (1979).
(Brauer 1978, S. 1232). Die Verbindung ist unter- Frühere Versuche einer Umsetzung von Uran-
halb von 259  C (14 K) ferromagnetisch; ersetzt V,VI-oxid (U3O8) mit überschüssiger konzentrier-
man Selen teilweise durch Tellur, so erhöht dies ter Flusssäure ergaben eine leicht verdampfbare
die Curie-Temperatur noch. gelbe Flüssigkeit, wobei deren Dampf an den
Uran-II-tellurid (UTe) weist sogar eine Curie- kälteren Stellen der Versuchsapparatur wieder
Temperatur von 173  C (100 K) auf, zeigt also kondensierte. Es handelte sich dabei um Addukte
neben halbleitenden Eigenschaften auch noch diverser Uranfluoride mit Fluorwasserstoff bzw.
Ferromagnetismus über einen weiten Temperatur- Uranoxidfluoride (Ditte 1880, 1884; Smithells
bereich (Aldred et al. 1980). 1883).
Halogenverbindungen des U-VI Uran-VI-fluo- Wie oben beschrieben, stellt man heute Uran-
rid (UF6) ist ein farbloser, kristalliner Feststoff, VI-fluorid in endothermer Reaktion von Uran-IV-
der leicht flüchtig, radioaktiv und sehr giftig ist.
Die Substanz ist äußerst aggressiv gegenüber fast
jedem Stoff und tierischem Gewebe. Es ist nur bei
völligem Ausschluss von Wasser beständig; mit
Wasser reagiert es nahezu explosionsartig unter
Hydrolyse. Die Eigenschaften der Verbindung
beschrieben Von Grosse (1941), Kirshenbaum
(1943) sowie Weinstock und Crist (1948).
Bei einer Temperatur von 56,5  C sublimiert
Uran-VI-fluorid unter Normaldruck. Diese Ei- Abb. 12 Kaskade von Gaszentrifugen (U. S. Dept. Of
genschaft nutzt man bei der Anreicherung des Energy 1984)
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 993

fluorid (UF4) mit Fluor bei Temperaturen um 300  C Uranhexafluorid ist nur in trockener Luft
her. Nur bei Einsatz deutlich überschüssigen beständig, hydrolysiert mit Wasser äußerst heftig
Fluors erfolgt vollständige Umsetzung. Auf ana- zu Fluorwasserstoff und Uranylfluorid (Kessie
loge Weise sind übrigens auch die Hexafluoride 1976). Die Verbindung wirkt stark fluorierend
des Neptuniums und Plutoniums zugänglich und reagiert mit den meisten Metallen zu deren
(Malm et al. 1958). Relativ leicht reagieren Chlor- Metallfluoriden. Nur wenige Substanzen wie
trifluorid (ClF3), Bromtrifluorid (BrF3) und Brom- Nickel oder Teflon sind relativ stabil. Organische
pentafluorid (BrF5) mit allen Uranoxiden zu Verbindungen werden zügig fluoriert, wobei
Uran-VI-fluorid. Xenondifluorid (XeF2) oxidiert wegen der gelegentlichen Heftigkeit der Reak-
Uran-IV-fluorid bei erhöhter Temperatur und tion als Nebenprodukte Fluorwasserstoff, Uran-
unter Druck. Metallisches Uran und alle Uranoxide VI-fluorid und Kohlenstoff entstehen (De Witt
werden von Stickstofftrifluorid (NF3) ebenfalls bis 1960).
hin zum Uran-VI-fluorid fluoriert. NF3 ist ein milde- Nachdem dem Zermahlen der verbrauchten
res Oxidationsmittel als Fluor, weshalb man es bei Brennstäbe fluoriert man das Gemisch, wobei
der Aufarbeitung von Brennelementen zu flüchtigen die leicht flüchtigen Hexafluoride des Urans,
Fluoriden bevorzugt (McNamara et al. 2009); NF3 Neptuniums und Plutoniums abdestillieren (Uh-
besitzt aber ein außerordentlich hohes Treibhauspo- líř, Marečeka). Dieses leicht flüchtige Gemisch
tenzial (ca. 20.000-mal größer als Kohlendioxid!). kondensiert man und bestrahlt es anschließend
Uran-VI-fluorid bildet farblose Kristalle mit UV-Licht. Diesem gegenüber ist Uran-VI-
(s. Abb. 13) der Dichte 5,1 g/cm3, die unter fluorid aber im Gegensatz zu Neptunium- bzw.
Normaldruck und bei einer Temperatur von Plutonium-VI-fluorid (NpF6 bzw. PuF6) stabil;
56,5  C sublimieren (Oliver et al. 1953; Wein- jene zersetzen sich unter dem Einfluss der
stock et al. 1959). Aufbewahrt wird es unter abso- Bestrahlung zu den Tetrafluoriden und Fluor.
lutem Ausschluss von Feuchtigkeit in Ampullen Somit ist es möglich, Uran in reiner Form durch
aus Quarz- oder Pyrexglas. neuerliche Destillation seines Hexafluorids zu-
Das thermodynamische Verhalten der Verbin- rück zu gewinnen (Beitz und Williams 1990;
dung wurde detailliert untersucht (Scott et al. Jeapes und Fields 1998).
1948; Masi 1949). Obwohl Uran hier mit der Oxi- Der Transport der Uran-VI-fluorid enthalten-
dationszahl +6 auftritt, ist das Molekül mit einer den Tanks erfolgt auf dem Wasser- oder Landweg.
molaren magnetischen Suszeptibilität χmol von Die Tanks müssen den Normen ANSI N14.1 oder
4,3  105 cm3  mol1 deutlich paramagnetisch ISO 7195 entsprechen und bestehen gewöhnlich
(Henkel und Klemm 1935; Tilk und Klemm 1939). aus Stahl, haben einen Durchmesser von 30 Zoll
Im verzerrt oktaedrisch strukturierten Mole- (76 cm) und enthalten 2,28 t Produkt.
kül (Taylor et al. 1973) überwiegen aber eindeu- Uran-VI-fluorid ist in mehrfacher Hinsicht
tig kovalente Bindungen, die für den Paramagne- gefährlich für die menschliche Gesundheit
tismus mit verantwortlich sind (Kimura et al. (McGuire 1991). Es greift alle Gewebe an, bildet
1968). Die Kristallstruktur der festen Verbindung dabei ätzend wirkende Flusssäure. Dies kann bis
ist orthorhombisch (Levy et al. 1976) bei Raum- hin zu zum Verlust des Sehvermögens, zu Lun-
temperatur, wogegen sie bei 80  C hexagonal genödemen und schließlich zum Tod führen. Da-
wird, dies mit dann praktisch unverzerrten UF6- rüber hinaus ist es wie alle Uranverbindungen
Oktaedern (Taylor und Wilson 1975). Weiteres wegen der typischerweise von Schwermetallionen
Abkühlen auf 196  C, der Siedetemperatur des
Stickstoffs, stabilisiert die hexagonale Struktur
(Levy et al. 1983). Die Infrarot- und Raman-
Spektren der Verbindung wurden eingehend ana-
lysiert (Claassen et al. 1970; Weiss et al. 1972;
Paine et al. 1974; Bernstein und Meredith 1977;
Kim und Mulford 1990). Abb. 13 Uran-VI-fluorid (Materialscientist 2011)
994 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

ausgelösten Änderungen von Funktionen des durch Komproportionierung von Uran-IV-fluorid


Stoffwechsels sehr giftig; Uran(yl)ionen reichern und -VI-fluorid (II), durch Fluorieren von Uran-
sich in den inneren Organen an. Auch seine Ra- IV-fluorid (III) oder durch Reduktion von Uran-
dioaktivität birgt ein gewisses Gefahrenpotenzial. VI-fluorid mit Bromwasserstoff (Brauer 1978,
All dies führte zur Erhebung diverser Studien zur S. 1203) oder Schwefel-IV-oxid (IV) bei erhöhter
Gesundheit von in Kernkraftwerken arbeitenden Temperatur (Young et al. 1979):
Personen (Tollerud et al. 2010, 2011).
Das schwarzgrüne, sehr hygroskopische Uran- (I) 2 UCl5 þ 10 HF ! 2 UF5 þ 10 HCl
VI-chlorid (UCl6) gewinnt man durch Erhitzen
von Uran-V-chlorid auf ca. 175  C (Brauer 1975, (II) UF6 þ UF4 ! 2 UF5
S. 1208, I) oder mittels Umsetzung von Uran-VI-
fluorid mit Bortrichlorid bei sehr tiefer Tempera- (III) 2 UF4 þ F2 ! 2 UF5
tur (196  C) (Fuger et al. 2010, S. 567, II):
(IV) 2 UF6 þ SO2 ! 2 UF5 þ SO2 F2
(I) 2 UCl5 ! UCl6 þ UCl4
Die Verbindung schmilzt bei 348  C und tritt
bei Raumtemperatur in der blassgelben, tetrago-
(II) UF6 þ 6 BCl3 ! UCl6 þ 6 BCl2 F
nal kristallisierenden β-Modifikation der Dich-
Die Verbindung schmilzt bei einer Temperatur te 6,45 g/cm3 auf. Bei einer Temperatur von
von 177  C, zersetzt sich aber schon ab etwa 130  C geht diese Modifikation in die ebenfalls
120  C. Sie hat eine Dichte von 3,59 g/cm3 und eine tetragonale Struktur besitzende α-Form der
kristallisiert trigonal. Uran-VI-chlorid ist durch Dichte 5,8 g/cm3 über (Taylor und Waugh 1980),
Umsetzung mit flüssigem Fluorwasserstoff oder die oberhalb einer Temperatur von 150  C zu
Uran-VI-fluorid wieder in Uranfluoride über- sublimieren beginnt. In beiden Strukturen liegen
führbar. monomere UF5-Einheiten vor, die über Fluor-
Uranylfluorid (UO2F2) ist ein hellgrüngelber brücken zu linearen Ketten verbunden sind (Ho-
Feststoff, der sich bei Temperaturen oberhalb von ward et al. 1982; Takeuchi et al. 1997).
300  C unter Bildung von Fluorwasserstoff und Uran-V-chlorid (UCl5) wird durch autokataly-
Uran-VI-oxid oder -V,VI-oxid zersetzt (Katz und tische Reaktion von Uran-VI-oxid mit Tetrachlor-
Rabinowitch 1951, S. 564; Coenen 1966). Es kohlenstoff hergestellt.
entsteht beim Überleiten von Fluor über erhitztes
Uran-IV-oxid. 4 UO3 þ 10 CCl4 ! 4 UCl5 þ 10 COCl2 þ O2
Analog wird das gelbe, fluoreszierende (Saty-
anarayana 1942) Uranylchlorid (UO2Cl2) durch Weiterhin ist die Chlorierung von Uran-IV-
Überleiten von Chlor über rotglühendes Uran-IV- chlorid bei rund 550  C eine Möglichkeit (Brauer
oxid erzeugt. Es entsteht auch, wenn man Uran- 1975, S. 1208). Die braun- bis schwarzroten
oxid in Salzsäure löst und die Lösung danach Kristalle der Dichte 3,81 g/cm3, die in ihrer meist
evakuiert. Die anodische Oxidation von Uran in vorliegenden α-Modifikation monokline Gitter-
chloridhaltigem Acetonitril in Gegenwart von struktur besitzen, sind hygroskopisch und dispro-
Sauerstoff ergibt ebenfalls Uranylchlorid (Kumar portionieren beim Erhitzen zu Uran-VI- und
und Tuck 1984). Ein Verdampfen ist nicht ratsam, Uran-IV-chlorid. Einige organische Lösungsmit-
weil dabei teils Hydrolyse eintritt. Die Verbin- tel wie Dioxan, Ether, Alkanole oder Aceton wer-
dung lässt sich unter gewissen Bedingungen auch den chloriert, in anderen (Kohlenstoffdisulfid,
alkylieren (Seyam 1985). Uranylchlorid bildet Tetrachlorkohlenstoff oder Thionylchlorid) ist es
gelbe, instabile Kristalle, die hochtoxisch sind. stabil. Die trikline β-Modifikation entsteht nur sel-
Halogenverbindungen des U-V Uran-V-fluorid ten durch Auskristallisieren aus einer Lösung in
(UF5) entsteht durch Umsetzung von Uran-V- Dichlormethan oder Tetrachlorkohlenstoff (Fuger
chlorid mit wasserfreiem Fluorwasserstoff (I), et al. 2010, S. 522 und 1795).
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 995

Uran-V-bromid (UBr5) ist durch Bromieren (I) UO2 þ CCl4 ! UCl4 þ CO2
von in Acetonitril suspendiertem Uran bei tieferer
Temperatur oder durch Bromieren von Uran-IV- (II) UO2 þ 2 SOCl2 ! UCl4 þ SO2
bromid erhältlich (Brauer 1978, S. 1214). Der
dunkelbraune, hygroskopische und stark hydroly-
Weiterhin ist die Chlorierung von Uran-III-chlo-
seempfindliche Feststoff (Fuger et al. 2010, S. 526
rid möglich, die Umsetzung von Uran-VI-oxid mit
und 1795) kristallisiert triklin im Gitter des
einem reduzierend wirkenden Perchloralken (Heyn
β-Uran-V-chlorids.
et al. 1986) oder die klassische Reaktion von Uran-
Halogenverbindungen des U-IV Uran-IV-fluo-
IV-oxid mit Kohlenstoff und Chlor, letztere ergibt
rid (UF4) bildet hellgrüne Kristalle (s. Abb. 14),
wie bei den analogen Darstellungsverfahren ande-
hat eine Dichte von 6,7 g/cm3 und schmilzt
rer Metalle ein sehr reines Chlorid.
bzw. siedet bei Temperaturen von 1036  C bzw.
Uran-IV-chlorid schmilzt bzw. siedet bei Tem-
1417  C. Man stellt es durch Umsetzung von
peraturen von 590  C bzw. 791  C und hat die
Fluorwasserstoff mit Uran-IV-oxid her oder auch
Dichte 4,72 g/cm3. Es lässt sich unter Inertgas bei
durch Reduktion von Uran-VI-fluorid mit Wasser-
ca. 600  C unter Bildung eines rotbraunen Damp-
stoff. In sehr reiner Form erhält man es durch
fes sublimieren. So erhaltenes Uran-IV-chlorid
Überleiten trockenen Dichlordifluormethans über
liegt in Form dunkelgrüner Kristalle tetragonaler
auf 400  C erhitztes Uran-VI-oxid (Booth et al.
Struktur vor (Mooney 1949; Taylor und Wilson
1946):
1973), die in vielen polaren Solventien wie Wasser,
Ethanol oder Aceton löslich sind (Brauer 1978,
UO3 þ 2 CCl2 F2 ! UF4 þ Cl2 þ COCl2 þ CO2
S. 1210). Man setzt es bei der elektromagnetischen
Trennung von Isotopen in einem mit einem Mas-
Die stark exotherme Verbindung (Cordfunke
senspektrometer ausgerüsteten Zyklotron ein.
und Ouweltjes 1981) besitzt monokline Kristall-
Das dunkelbraune, stark hygroskopische Uran-
struktur mit zwölf Formeleinheiten pro Elemen-
IV-bromid (UBr4) schmilzt bzw. siedet bei 519  C
tarzelle (Larson et al. 1964; Kern et al. 1994).
bzw. 761  C, weist eine Dichte von 5,55 g/cm3 auf
Uran-IV-fluorid hydrolysiert an feuchter Luft
und kristallisiert in monokliner Struktur (Douglass
langsam zu Uran-IV-oxid und Fluorwasserstoff.
und Staritzky 1957). Man gewinnt es durch direkte
Es ist sehr giftig sowohl nach Verschlucken oder
Reaktion von Uran mit Brom bei Temperaturen um
Kontakt mit der Haut oder Schleimhäuten. Wie
650  C (Brauer 1978, S. 1214). Alternativ setzt
bei vielen Verbindungen von Schwermetallen
man Uran-III-hydrid mit Brom unter Bildung des
besteht auch hier die Gefahr der Anreicherung
Tribromids um, das danach unter Einwirkung von
im menschlichen Körper.
Brom in Uran-IV-bromid überführt wird. Schließ-
Das dunkel- bis olivgrüne Uran-IV-chlorid
lich ist auch die Reaktion von Uran-IV-oxid mit
(UCl4) (s. Abb. 15) wird technisch durch Um-
Kohle und Brom möglich.
setzung von Tetrachlorkohlenstoff oder Thionyl-
Uran-IV-iodid (UI4) erzeugt man aus Uran und
chlorid mit Urandioxid bei Temperaturen von
überschüssigem Iod (Brauer 1978, S. 1218).
knapp 400  C erzeugt (Brauer 1978, S. 1210):

Abb. 14 Uran-IV-fluorid (Bomazi 2013) Abb. 15 5 g Uran-IV-chlorid (Minerallad 2007)


996 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Schmelz- und Siedepunkt des schwarzen Fest- Uran-III-bromid (UBr3) stellt man durch Leiten
stoffs liegen bei 506  C bzw. 762  C; allerdings von Bromwasserstoff über erhitztes Uran-III-hy-
beginnt die Verbindung schon unterhalb ihres drid her (Brauer 1978, S. 1214). Der rote Feststoff
Schmelzpunktes, sich unter Abgabe von Iod wandelt sich bei ca. 730  C in eine grünliche
zu zersetzen. Die nadelförmige Kristalle haben Schmelze um. Die Verbindung ist isotyp zu Uran-
monokline Struktur (Levy et al. 1980). III-chlorid und besitzt daher ebenfalls ein Kristall-
Halogenverbindungen des U-III Das purpur- gitter hexagonaler Struktur (Levy et al. 1975).
farbene, bei 1495  C schmelzende Uran-III-fluo- Uran-III-iodid (UI3) ist das einzige Trihaloge-
rid (UF3) ist durch Reduktion von Uran-IV-fluo- nid des Urans, das man definiert durch Synthese
rid mit Aluminium bei ca. 900  C erhältlich aus den Elementen erzeugen kann (Brauer 1978,
(Brauer 1978, S. 1207). Auch möglich ist die S. 1218). Der schwarze Feststoff kristallisiert
exotherme (Cordfunke und Ouweltjes 1981) abweichend zu seinen niederen Homologen or-
Umsetzung der Elemente bei Einsatz stöchiome- thorhombisch im Gittertyp des Plutonium-III-
trischer Mengen, oder aber die aus Uran-IV-fluorid bromids (Levy et al. 1975). Es eignet sich gut als
und Urannitrid unter Inertgas (Tagawa 1976). Die Lewis-Säure-Katalysator für einige Diels-Alder-
trigonal, isotyp zu Lanthanfluorid kristallisierende Reaktionen (Collin et al. 2000).
Verbindung besitzt die Dichte 8,9 g/cm3 (Holle- Pnictogenverbindungen Es gibt mehrere Uran-
man et al. 2007, S. 1969). nitride, das bei 2805  C schmelzende Uranmono-
Uran-III-chlorid (UCl3) ist durch Reduktion nitrid (UN) der Dichte 14,3 g/cm3 und einer
von Uran-IV-chlorid mit Wasserstoff, aber auch kubisch-flächenzentrierter Kristallstruktur, das
durch Umsetzung von Uran mit einer auf ab einer Temperatur von 900  C unter Zerset-
ca. 700  C erhitzten Schmelze aus Natrium- und zung schmelzende Uransesquinitrid (U2N3) der
Kaliumchlorid erhältlich (Serrano et al. 2000). Dichte 11,3 g/cm3 (mit kubisch-raumzentrierter
Der rote, bei einer Temperatur von 837  C Struktur der α-Modifikation) und das nicht immer
schmelzende, kristalline Feststoff der Dichte stöchiometrisch auftretende, im kubisch-flächen-
5,50 g/cm3 ist stark hygroskopisch und sehr gut zentrierten Calciumfluorid-Typ kristallisierende
in Wasser löslich. In salzsaurer Lösung ist es als Urandinitrid (UN2). Alle diese Verbindungen
Lewis-Säure stabiler als in Wasser. sind dunkelgraue, pulvrige, hydrolyseempfindli-
Im Kristallgitter des festen Uran-III-chlorids che Feststoffe.
sind die Uranatome von jeweils neun Chlorato- Uranmononitrid (UN) erzeugt man in zweistu-
men umgeben, so dass ein trigonales Prisma ent- figer Synthese durch carbothermische Reduktion
steht, dessen Ecken mit jeweils einem Chloratom von Uran-IV-oxid (Minato et al. 2003; Carmack
besetzt sind. Zusätzlich gibt es noch drei flächen- 2004) unter Argon bei ca. 1500  C und während
zentriert angeordnete Chloratome. Insgesamt 10 bis 20 Stunden:
resultiert eine hexagonale Struktur mit zwei For-
meleinheiten pro Elementarzelle; eine Struktur, a) 2 UO2 þ 6 C ! 2 UC þ 4 CO
die auch bei den Trihalogeniden anderer Actinoi-
de und Lanthanoide vorkommt. Die molekulare b) 4 UC þ 2 UO2 þ 3 N2 ! 6 UN þ 4 CO
Struktur des geschmolzenen Salzes wurde inten-
siv untersucht (Okamoto et al. 1998, 2005). Ein weiterer Weg zur Darstellung von Uran-
Uran-III-chlorid ist das Ausgangsmaterial zur mononitrid läuft über die Reaktion von Uran mit
Herstellung von Metallocenen mit den Liganden Wasserstoffgas bei Temperaturen oberhalb von
Cyclopentadien oder Tetrahydrofuran (Brenna 280  C, wobei intermediär Uran-III-hydrid
et al. 1986). Die Verbindung katalysiert die Bil- (UH3) gebildet wird (Matthews et al. 1988).
dung von Aluminiumalkylen aus Lithiumalumi- Jenes setzt man bei ca. 500  C mit Stickstoffgas
niumhydrid und Alken (Folcher et al. 1986) und um; es wird zunächst Uransesquinitrid (U2N3)
ist äußerst giftig für den Menschen und sehr gebildet, das durch Erhitzen auf 1150  C in das
schädlich für die Umwelt. Mononitrid überführbar ist.
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 997

Der geeignetste Weg zur Herstellung des Uran- ca. 2750  C und kristallisiert im kubischen
dinitrids (UN2) ist die Reaktion von Uran-IV-fluo- Natriumchlorid-Gitter. Man muss bei seinem Ein-
rid mit Ammoniak bei hoher Temperatur und unter satz in keramischen Reaktorbrennstäben darauf
hohem Druck (Silva et al. 2008). Ein Gemisch achten, dass es mit Sauerstoff, einigen geschmol-
von Urannitriden ist durch Lichtbogenschmelzen zenen Metallen und auch mit Wasser reagiert
metallischen Urans unter Stickstoff zugänglich. (Gorlé et al. 1974).
Urandinitrid spaltet ab einer Temperatur von Urandiborid (UB2) stellt man durch Sintern
675  C Stickstoff ab, oberhalb von 975  C ent- von Borpulver mit Uran-III-hydrid unter Schutz-
steht das Mononitrid (Mizutani und Sekimoto gas bei Temperaturen oberhalb von 1300  C her
2005; Silva et al. 2009). Wegen seines unter radio- (Snyder und Tripler 1960). Die Verbindung ist
aktiven Brennstoffen fast unerreichten Schmelz- chemisch ziemlich beständig, hochschmelzend
punktes, seiner sehr guten Wärmeleitfähigkeit und feuerfest. Man setzt Urandiborid in der
und der hohen spaltbaren Dichte wird sein mögli- Bestrahlungstherapie ein, indem man es in Form
cher Einsatz in Kernreaktoren intensiv geprüft. von Mikrokügelchen direkt in die zu behandeln-
In jüngster Zeit gelang die Synthese einiger den Stellen im Körper implantiert, wo diese dann
Komplexe mit endständigen -UN-Gruppen wie für längere Zeit verbleiben.
UNF3 (Marsden et al. 2008) oder Kronenethern Vor wenigen Jahren gelang erstmals die Syn-
(King et al. 2012). these molekularer Uran-II-verbindungen, dies
Uranmonophosphid (UP) konnte durch Um- durch in situ-Reduktion von Uran-III mit Alkali-
setzung von Siliciumpulver mit Uran-IV-fluorid den (MacDonald et al. 2013). Ein ähnliches
bei ca. 900  C und gleichzeitigem Überleiten Ergebnis konnte durch Umsetzung von Tris(aryl-
von Phosphordampf dargestellt werden (Ono oxid)aren-Uran-III mit Kalium in Gegenwart
et al. 1971). Die kubischen Gitter des Uranarse- eines Kronenethers erzielt werden (Meyer 2014).
nids (UAs) und Uranantimonids (USb) sowie die- Uran-IV-sulfat-Octahydrat [U(SO4)2  8 H2O]
jenigen ternärer Arsenide wurden ebenfalls schon erhält man durch kathodische Reduktion von Ura-
vor längerer Zeit untersucht (Stirling et al. 1983; nylsulfat (Brauer 1978, S. 1245). Der dunkelgrü-
Jha und Sangal 1997; McWhan et al. 1990; Noël ne Feststoff kristallisiert mit monokliner Struktur
et al. 2000). und erleidet in Wasser Hydrolyse zum basischen
Sonstige Verbindungen Uran-IV-carbid (UC) Sulfat.
erzeugt man durch Sintern von Grafit mit Uran im Im sandwichartigen Molekül des Uranocens
Vakuum-Lichtbogenofen (Brauer 1978, S. 1241). [U(C8H8)2] ist ein U4+-Ion umgeben von zwei
Um daraus Keramik herzustellen, sintert man Cyclooctatetraen-Ringen. Der grüne Feststoff ist
Uranoxide (UO2 oder U3O8) mit Grafit bei Tem- luftempfindlich, in trockenem Zustand an Luft
peraturen um 2300  C (Zuckerman 2009, S. 349; auch selbstentzündlich, in organischen Lösemit-
Toumanov 2007; Martienssen und Warlimont teln löslich und relativ stabil gegenüber Hydro-
2006; S. 464; Perry 2011, S. 488): lyse. Es wurde erstmals 1968 von Streitwieser
et al. durch Umsetzung von Dikaliumcycloocta-
UO2 þ 3 C ! UC þ 2 CO tetraenid mit Uran-IV-chlorid in Tetrahydrofuran
(THF) bei 0  C erhalten:
Leitet man ein Gemisch aus Argon und Methan

bei Temperaturen um 600  C über feinverteiltes (I) C8 H8 þ 2 K ! ½C8 H6 K2 ðTHF,  30 CÞ
Uran, so bildet sich gleichfalls Uran-IV-carbid:
(II) 2 ½C8 H6 K2 þ UCl4 ! UðC8 H6 Þ2
U þ CH4 ! UC þ 2 H2 þ 4 KCl ðTHF, 0  CÞ

Eine jüngst entwickelte Methode verwendet Zi- Im Feststoff liegen die Cyclooctatetraen-Ringe
tronensäure als Kohlenstoffquelle (Salvato 2016). in der ekliptischen Konformation, also in de-
Das grauschwarze Uran-IV-carbid schmilzt bei ckungsgleicher Anordnung vor, sie können nach
998 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Überwindung einer geringen Anregungsenergie 16,8 kg absenken (Institut de Radioprotection et


in Lösung aber rotieren. Die π-Orbitale der Ligan- de Sûreté Nucléaire).
den koordinieren, wie fotoelektronische Spektren Das Uranisotop 23592U wird in Kernkraftwer-
zeigten, hauptsächlich mit den 6d-, in geringem ken zur Energiegewinnung genutzt, wogegen das
Ausmaß auch mit den 5f-Orbitalen des Uranions Isotop 23892U in Brutreaktoren zur Herstellung
(Clark und Green 1977). Diesen Befund bestätig- von Plutonium eingesetzt wird. Bei der Spaltung
ten Berechnungen (Roesch und Streitwieser 1983; eines Atoms 23592U wird im Mittel eine Energie
Chang und Pitzer 1989). Die Messungen der von 210 MeV frei, von denen ca. 90 % in einem
magnetischen Suszeptibilität und die Auswertung Reaktor thermisch verwertbar sind. Die Spaltung
der NMR-Spektren belegen die paramagnetische von 1 g 23592U erzeugt somit rund 0,95 MWd
Natur der Verbindung (Edelstein et al. 1970; (Megawatt-Tage) an thermischer Energie.
Fischer 1977; Fulde et al. 1997). Im sichtbaren Das entspricht einem theoretisch nutzbaren
Spektralbereich liegen drei Absorptionslinien vor Energiegehalt von 78 TJ (Terajoule) pro kg
235
(Dallinger et al. 1978), die für die grüne Farbe der 92U. Die aus 1 kg Uran natürlichen Ursprungs
Verbindung verantwortlich sind. tatsächlich erzeugte Strommenge hängt vom ver-
wendeten Reaktortyp und dem Brennstoffkreis-
Anwendungen Diese bestehen nahezu aus- lauf ab und bewegt sich zwischen 36 und
schließlich in der Verwendung als Kernbrennstoff. 56 MWh, falls die abgebrannten Brennelemente
Das Isotop 23892U hat eine Halbwertszeit von direkt endgelagert werden, also ohne Wiederauf-
4,468 Mrd. a und ist wie die anderen natürlich arbeitung und ohne Brüten (OECD Nuclear
vorkommenden Isotope 23492U und 23592U ein Energy Agency und Internationale Atomenergie-
α-Strahler. Die spezifische Aktivität von 238U als organisation 2008).
Ausgangsprodukt der Uran-Radium-Zerfallsreihe Kernreaktoren setzt man seit langem zum
beträgt 12450 Bq/g. Antrieb großer Kriegsschiffe ein. Jeder der zehn
Das spaltbare und damit als Kernbrennstoff Flugzeugträger der Nimitz-Klasse der US-Navy
einsetzbare Isotop 23592U hat eine Halbwertszeit hat 2 Reaktoren mit je 140 MW Leistung. 23592U
von 703,8 Mio. a und stellt den Ausgangspunkt ist neben Plutonium das wichtigste Ausgangsma-
der natürlichen Uran-Actinium-Zerfallsreihe dar, terial für den Bau von Kernwaffen und Zündsät-
kommt aber nur mit einem Anteil von 0,7 Gew.-% zen für Wasserstoffbomben.
in natürlichem Uran vor. Ziel ist es daher, durch
spezielle Anreicherungsverfahren den relativen Patente
Mengenanteil von 23592U zu erhöhen. (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Schwach angereichertes Uran, in der Fachspra- wide.espacenet.com)
che „LEU“ (lightly enriched uranium) genannt,
setzt man in Kernkraftwerken ein, wogegen hoch- J. Mauro, Continuous, real time monitor for
angereichertes Uran, „HEU“ (highly enriched airborne depleted uranium particles and
uranium) für Forschungszwecke, in der Medizin corresponding method of use (Mauro &
(World Nuclear Association) und zur Herstellung Ass. LLC, US 2019017917 A1, veröf-
von Kernwaffen verwendet wird. Die Grenze zwi- fentlicht 17. Januar 2019)
schen LEU und HEU wird gewöhnlich bei einem C. Marie und C. Berger, Ureas for separa-
Anreicherungsgrad des 23592U von 20 % festge- ting uranium(VI) and plutonium(IV)
setzt. Die zurückbleibende Fraktion nennt man without reducing the plutonium(IV)
entsprechend abgereichert. (Commissariat à l’Energie Atomique
Die kritische Masse, oberhalb derer es zu et aux Energies Alternatives; Orano
spontaner Kernspaltung kommt, beträgt für Cycle, WO 2019002788 A1, veröffent-
235
92U etwa 49 kg. Diese lässt sich mittels licht 3. Januar 2019)
eines 20 cm dicken Wasserreflektors auf 22 kg,
mit Hilfe eines 30 cm-Stahlreflektors sogar auf (Fortsetzung)
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 999

E. J. Lahoda und S. Middleburgh, Method to Institute of Chemical Engineering and


produce uranium silicides (Westinghouse Metallurgy, CN 108525238 A, veröf-
Electric Co. LLC, US 2018370808 A1, fentlicht 27. Juli 2018)
veröffentlicht 27. Dezember 2018) M. P. Hill, Improved uranium ore proces-
S. Vaudez und M. Brothier, Process of pre- sing using hydrocyclone beneficiation
paring pellets of a dense mixed fuel based (Uranium Beneficiation Pty. Ltd., CA
on uranium, plutonium and optionally 3012858 A1, veröffentlicht 24. August
minor actinides (Commissariat à l’Ener- 2017)
gie Atomique et aux Energies Alternati-
ves; Orano Cycle, WO 2018234694 A1,
veröffentlicht 27. Dezember 2018)
R. Scott, Conversion of spent uranium 5.4 Neptunium
oxide fuel into molten salt reactor bed
(privat, GB 2563792 A, veröffentlicht Geschichte Noddack und Fermi diskutierten un-
26. Dezember 2018) abhängig voneinander und erstmals die Möglich-
P. Artru, Valve for uranium hexafluoride sto- keit, dass jenseits des Urans noch weitere Ele-
rage tank (Daher Valves, US 2018363788 mente im Periodensystem existieren könnten
A1, veröffentlicht 20. Dezember 2018) (Noddack 1934; Fermi 1934). Noddack postu-
B. Stepnik und M. Grasse, Method for pro- lierte bei dieser Gelegenheit auch, dass schwere
ducing nuclear fuel products with a high Atomkerne eventuell spontanen Kernspaltungen
loading of low enriched uranium and unterliegen.
corresponding nuclear fuel product (Fram- 1940 konnte Neptunium dann durch Beschuss
atome SA, HU E039002 T2, veröffentlicht von Uran mit Neutronen dargestellt werden
16. Dezember 2018) (McMillan und Abelson 1940; Garrett 1947):
L. Dehuyser und H. Mokhtari, Methods

92 U þ 0 n! 92 U ! ð23 minÞ β þ
238 1 239 239
for extracting and retrieving the ura- 93 Np
nium present in an aqueous solution
! ð2,355 dÞ β þ 239
94 Pu
including phosphoric acid (Orano
Mining, US 2018355457 A1, veröf-
Die Erzeugung weiterer Isotope des Neptu-
fentlicht 13. Dezember 2018)
niums erfolgte schnell darauf, so die des mit einer
J. Bester und S. Corbet, Uranium recovery
Halbwertszeit von 2,144  106 a gleichzeitig längst-
(Dow Global Technologies LLC, AU
lebigen Isotops 23793Np durch Wahl und Seaborg,
2017274261 A1, veröffentlicht 25. Okto-
die der „leichten“ Isotope von 23193Np bis 23693Np
ber 2018)
durch Beschuss von Uran- mit Deuteriumkernen
J. Quinn, Method of eluting an anion
in den 1950er-Jahren (Seaborg et al. 1950; Engel-
exchange resin loaded with uranium
kemeir et al. 1958; Lessler und Michel 1960).
(Australian Nuclear Science and Tech-
nology Organisation, AU 2018101344,
veröffentlicht 11. Oktober 2018) Ida Eva Noddack, geb. Tacke (* 25. Fe-
M. Wrobel und J. Güntner, Process and bruar 1896 Lackhausen/Wesel; † 24.
apparatus for producing uranium or a September 1978 Bad Neuenahr) promo-
rare earth element (Outotec Finland Oy, vierte 1919 an der Technischen Hochschule
US 2018216209 A1, veröffentlicht Berlin und arbeitete danach erst in der che-
2. August 2018) mischen Industrie. Später forschte sie mit
M. Gong und H. Li, Uranium separating chro- ihrem Mann Walter Noddack an der Phy-
matographic column (Beijing Research sikalisch-Technischen Reichsanstalt nach
1000 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

den seinerzeit noch unbekannten Elemen- bremst werden, und erhielt für seine Arbeiten
ten der Ordnungszahlen 43 und 75, die sie 1938 den Nobelpreis. Im gleichen Jahr emi-
schließlich 1925 entdeckten und nach ihrer grierte Fermi in die USA und war ab 1944
persönlichen Herkunftsregion Masurium am Atom-Forschungsprogramm der USA
bzw. Rhenium nannten. Während die Ent- und an Entwicklung und Bau der ersten
deckung des Rheniums wenig später be- Atombomben beteiligt. Nach dem Zweiten
stätigt wurde, gelang dies für Element 43 Weltkrieg kehrte Fermi an das Kernfor-
zweifelsfrei erst 1937 durch Segrè, der es schungszentrum an der Universität Chi-
dann Technetium nannte. cago zurück. 1954 starb er an Magenkrebs.
Noddack stellte 1934 als Erste die These Nach ihm benannte man unter anderem
auf, dass beim Beschuss schwerer Kerne eine Gruppe von Elementarteilchen (Fer-
mit Neutronen diese Kerne in mehrere grö- mionen), das Element Fermium und ein
ßere Bruchstücke zerfallen. Damals galt der Energieniveau in Vielteilchensystemen
Zerfall schwerer Atomkerne in leichtere (Ferminiveau).
Elemente noch als ausgeschlossen, jedoch
wiesen Ende 1938 Hahn und Straßmann
diesen Effekt nach. 1939 benutzte Frisch Gewinnung Neptunium entsteht als Nebenpro-
dafür den Begriff der Kernspaltung. Trotz dukt der Energiegewinnung in Kernreaktoren.
mehrfacher Nominierung erhielt Noddack Eine Tonne abgebrannten Kernbrennstoffes ent-
nie den Nobelpreis für Chemie, 1931 aber hält ca. 500 g Neptunium (Hoffmann 1979). So
die Liebig-Gedenkmünze der Gesellschaft entstandenes Neptunium besteht fast nur aus dem
Deutscher Chemiker und 1966 das Große Isotop 23793Np. Dieses entsteht aus dem Uraniso-
Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutsch- top 23592U durch zweifachen Einfang von Neutro-
land.
nen und anschließenden β-Zerfall:
Enrico Fermi (* 29. September 1901 Rom;
† 28. November 1954 Chicago), einer der 235
92 U þ 1 0 n ! 236 92 U ! ð120 nsÞ236 92 U þ γ

92 U þ 0 n ! 92 U ! ð6,75 dÞβ þ
bedeutendsten Kernphysiker des 20. Jahr- 236 1 237 237
92 Np
hunderts, erhielt 1938 den Nobelpreis für
Physik für, so die Begründung, die Identi- Metallisches Neptunium kann man durch
fizierung neuer radioaktiver Elemente pro- Reaktion seiner Halogenide mit Alkali- bzw. Erd-
duziert nach Bestrahlung mit Neutronen. alkalimetallen darstellen, etwa durch Umsetzung
Dies, obwohl seine Behauptung, damit von Neptunium-III-fluorid mit Barium oder
Kerne von Transuranen erzeugt zu haben, Lithium bei 1200  C:
falsch war. Sein Studium der Physik
schloss er mit nur 21 Jahren ab. Nach zwei 2 NpF3 þ 3 Ba ! 2 Np þ 3 BaF2
Forschungsaufenthalten bei Born und Eh-
renfest in den Jahren 1923 und 1924 nahm
Eigenschaften Neptunium hat silbrig-metalli-
Fermi den Ruf auf eine Professorenstelle in
sches Aussehen (s. Tab. 4), ist sehr reaktionsfä-
Florenz an, nahm dann aber die Lehrtätig-
hig und tritt in drei verschiedenen Modifikatio-
keit als Professor für theoretische Physik
an der Universität Rom auf und arbeitete nen auf:
bis 1932 an Themen der Quantenmechanik
(Fermi-Dirac-Statistik für Fermionen, Fer- α-Np (orthorhombisch), bis 280  C [Dichte
mis Goldene Regel, Fermifläche, Fermi- 20,25 g/cm3 (20  C)]
Resonanz) (Fermi 1934, 1938). β-Np (tetragonal), zwischen 280  C und 577  C
Fermi fand, dass die durch Neutronen [Dichte 19,36 g/cm3 (313  C)]
ausgelöste Kernspaltung dann sehr effektiv γ-Np (kubisch), oberhalb von 577  C [Dichte
verläuft, wenn die Neutronen stark abge- 18,0 g/cm3 (600  C)]
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1001

Tab. 4 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Neptunium


Symbol: Np
Ordnungszahl: 93
CAS-Nr.: 7439-99-8

Aussehen: Silbrig-metallisch Neptunium (Los Alamos


Farbe von Npx+aq.: Siehe „Verbindungen“ National Labs)
Entdecker, Jahr McMillan, Abelson (USA, 1940, 23993Np),
Wahl, Seaborg (USA, 1942, 23793Np)
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
[natürl. Vorkommen (%)]
235
93Np (synthetisch) 398 d (ε) ε > 23592U ♦ α > 23191Pa
236
93Np (synthetisch) 1,54  105 a (ε) ε > 23692U ♦ β > 23694Pu
237
93Np (synthetisch) 2,14  106 a α > 23391Pa
239
93Np (synthetisch) 2,36 d β > 23994Pu
Vorkommen (geografisch, Erz): Pechblende (U3O8)
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 4  1014
Preis (US$), 99 %, O.R.N.L. 1 g (23793Np) 660 (2015-01-09)
Atommasse (u): 237,048
Elektronegativität (Pauling) 1,36
Normalpotenzial (V; Np3+ + 3 e ! Np) 1,79
Atomradius (berechnet, pm): 130 (—)
Kovalenter Radius (pm): Keine Angabe
Ionenradius (pm): 71 („Np7+“)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 6d1 5f4
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 605
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 180 (23793Np)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 0,82  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): Keine Angabe
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Kristallsystem: Orthorhombisch (<280  C)
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 20,45
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 11,59  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 6,3
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 29,64
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 639 ♦ 912
Schmelzwärme (kJ/mol): 39,9
Siedepunkt ( C ♦ K): 3902 ♦ 4175
Verdampfungswärme (kJ/mol): 1420

Neptunium ist neben Rhenium, Osmium, Iri- 237


93Np: Halbwertszeit 2,144Mio. a, α-Zerfall zu
233 237
dium und Platin das einzige Element, das bei 91Pa. 93Np bildetden Anfang der
Raumtemperatur eine höhere Dichte als 20 g/cm3 Neptunium-Zerfallsreihe, die beim Isotop
205
aufweist. 81Tl (Thallium) endet.
236
Zwanzig Isotope und fünf Kernisomere sind 93Np: Halbwertszeit 154.000 a, zerfällt zu
bekannt. Am längstlebigen sind die Isotope: 87,3 % durch Elektroneneinfang zu 23692U
1002 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

(Uran), zu 12,5 % durch β-Zerfall zu 23694Pu Verbindung und deren geringer Wärmekapazität
(Plutonium) und zu 0,16 % durch α-Zerfall zu wiederum in Kernbrennstäbe ein (Yamashita
232 236
91Pa (Protactinium). Das Isotop 92U wie- et al. 1997; Serizawa et al. 2001). Nach deren
derum zerfällt mit einer Halbwertszeit von Wiedereinsetzen in den Reaktor bestrahlt man sie
23,42 Mio. a zu 23290Th, dem einzigen natür- mit Neutronen und erzeugt so 23894Pu (Keller
lich vorkommenden Isotop des Thoriums, das 1969/1970; Holleman et al. 2007, S. 1972;
gleichzeitig Ausgangspunkt der Thorium- Yoshida et al. 2006).
Zerfallsreihe ist. 23694Pu dagegen ist sehr kurz- Industriell erzeugt man Neptunium-IV-oxid,
lebig und geht durch α-Zerfall mit einer indem man zuerst Neptunium-IV-oxalat aus einer
Halbwertzeit von 2,858 a (Audi et al. 2003) neptuniumhaltigen Lösung durch Zugabe von
in 23292U über, das sich wiederum durch Oxalsäure ausfällt und dieses Oxalat dann zum
α-Zerfall mit einer Halbwertszeit von 68,9 a gewünschten Neptunium-IV-oxid glüht. Eventu-
in 22890Th umwandelt. ell in Lösung befindliches Neptunium höherer
235
93Np: Halbwertszeit 396,1 d, wandelt sich fast Oxidationszahlen wird ggf. vor der Zugabe von
nur durch Elektroneneinfang um und bildet Oxalsäure mit Ascorbinsäure zu Np-IV reduziert
dann 23592U. (Porter 1964). Neptunium-IV-oxid ist das stabilste
Oxid des Elements (Fahey et al. 1976; Sharma
Die anderen, hier nicht gesondert aufgeführten 2001, S. 128; Richter und Sari 1987).
Isotope und Kernisomere sind sehr kurzlebig mit Das schwarzbraune Neptunium-V-oxid (Np2O5)
Halbwertszeiten zwischen 45 ns (237m193Np) und kristallisiert monoklin. Beim Erhitzen zersetzt es
4,4 d (23493Np). sich oberhalb von 420  C zu Neptunium-IV-oxid
und Sauerstoff. Die Literatur zitiert diverse Verfah-
Verbindungen ren zu seiner Darstellung wie beispielsweise das
Chalkogenverbindungen Neptunium-IV-oxid (NpO2) zwei- bis dreistündige Erhitzen von Neptuniumper-
ist ein gelbgrüner bis brauner, kubisch im oxid auf Temperaturen von 300–350  C (Sharma
Calciumfluorid-Gitter kristallisierender Feststoff 2001, S. 128; Richter und Sari 1987; Benedict et al.
mit einem Schmelzpunkt von 2800  C und der 1986; Fahey 1986).
Dichte 11,1 g/cm3, der das aus chemischer Sicht Ternäre Neptuniumoxide (Neptunate) erhält
beständigste Neptuniumoxid ist. Es ist im Gegen- man durch Erhitzen von Neptunium-IV-oxid mit
satz zu Uran-IV-oxid relativ reaktionsträge und dem Oxid eines anderen Metalls oder durch Aus-
zeigt sich auch nahezu inert beim Kontakt mit fällung aus alkalischer Lösung. Ein Sintern mit
Wasser. Die thermodynamischen Daten der Ver- Lithiumoxid über 16 h bei 400  C ergibt etwa
bindung wurden schon vor langem bestimmt Li5NpO6, die 16-stündige Umsetzung der jeweili-
(Huber und Holley 1968; Westrum et al. 1953). gen Peroxide der höheren Alkalimetalle mit NpO2
Es ist beständig unter Sauerstoffdrucken bis zu im Quarzglasrohr bei 400  C im Sauerstoffstrom
2,84 MPa und bis hinauf zu Temperaturen von ergibt beispielhaft K3NpO5 (Keller et al. 1965;
400  C. Man synthetisiert es durch Erhitzen ande- Carnall et al. 1965; Morss et al. 1994; Keller und
rer Verbindungen des Neptuniums wie des Ni- Seiffert 1969; Awasthi et al. 1971). Ternäre Oxide
trats, Oxalats, Hydroxids oder Oxide höherer des Neptunium-VI- und -VII entstehen durch
Oxidationszahl des Neptuniums (Porter 1964; Ta- Erhitzen von Neptuniumperoxid mit Wasser, das
buteau und Pagès 1985). In kristalliner Form ist es ein Alkali- oder auch Erdalkalihydroxid und das
auch aus nahezu neutraler wässriger Lösung aus- jeweilige Peroxid enthält, auf Temperaturen von
fällbar (Roberts et al. 2003). 400–600  C während einer Zeit von 15–30 h. So
Neptunium-IV-oxid (mit fast quantitativem entstehen etwa Ba3(NpO5)2 oder Na2Np2O7
Anteil an 23793Np) ist eines der Produkte der (Hoekstra und Gebert 1977).
Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemen- Neptunium-III,IV-sulfid (Np3S5) und Neptu-
te. Man separiert es von diesen und füllt es unter nium-III,IV-selenid (Np3Se5) konnten vor kurzem
Beachtung der thermischen Ausdehnung der in Form schwarzer Prismen durch Reaktion stö-
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1003

chiometrischer Mengen von Neptuniummetall Sehr ähnlich hierzu verhalten sich die entspre-
und Schwefel bzw. Selen in geschmolzenem Cä- chenden Sulfide des Neptuniums (Brauer 1978,
siumchlorid bei Temperaturen um 800  C her- S. 1272). Schließlich existieren auch Np2Se3 und
gestellt werden. Bis zur Néel-Temperatur von Np3Se4, die man durch Erhitzen stöchiometrischer
238  C (35 K) bzw. 237  C (36 K) herab sind Mengen von Neptuniumhydrid und Selen im
das Sulfid bzw. Selenid paramagnetisch, unter- Vakuum herstellen kann (Thévenin et al. 1982,
halb dieser Temperatur antiferromagnetisch. Das 1985).
Sulfid ist ein Halbleiter, das Selenid auch ein Ebenso kennt man mehrere Neptuniumtelluri-
Halbmetall. In beiden sind sowohl Np3+- als auch de, beispielsweise das im kubischen Gitter kristal-
Np4+-Ionen enthalten (Ibers et al. 2011, 2013). lisierende Np3Te4, ein grauschwarzer, ferrimagne-
Weitere Neptuniumsulfide konnten dargestellt tischer Feststoff der Dichte 10 g/cm3 (Persson
und charakterisiert werden, wie NpS, NpS3, 2016). Das ebenfalls kubisch kristallisierende
Np2S5, Np2S3, und Np3S4. Das hochschmelzende Neptunium-II-tellurid (NpTe) ist ein grauschwar-
Neptunium-III-sulfid (Np2S3) erzeugt man durch zer Feststoff der Dichte 11,22 g/cm3, zeigt metal-
Überleiten eines Gemisches von Schwefelwasser- lischen Charakter und zersetzt sich beim Erhitzen
stoff und Kohlenstoffdisulfid über Neptunium-IV- zu Np3Te4 und Neptunium (Jain et al. 2013;
oxid bei Temperaturen von ca. 1000  C. Von der Damien und Wojakowski 1975).
Verbindung kennt man drei allotrope Modifikatio- Halogenverbindungen des Np-VI Neptunium-
nen, so existiert die α-Form bis hinauf zu 1230  C, VI-fluorid (NpF6) ist ein orangefarbener kristalli-
die β-Form bis hinauf zu 1530  C. Bei noch höhe- ner Feststoff, der bei einer Temperatur von
rer Temperatur ist die γ-Modifikation am stabil- 54,4  C schmilzt [Siedepunkt der Schmelze:
sten. Das Monosulfid (NpS) wird durch Erhitzen 55,2  C (Frlec 1967)]. Die Verbindung ist sehr
von Np2S3 mit Neptunium bei Temperaturen von empfindlich gegenüber Hydrolyse, reagiert heftig
ca. 1600  C gebildet. Np2S5 wiederum entsteht mit Wasser und wirkt wegen der so bedingten
beim Erhitzen einer aus Np3S5 und Schwefel leichten Freisetzung von Fluorwasserstoff korro-
bestehenden Mischung auf etwa 500  C. Alle siv. Das feste, rein kovalente Neptunium-VI-fluo-
diese Neptuniumsulfide sind, mit Ausnahme von rid ist paramagnetisch (Hutchison und Weinstock
β- und γ-Np2S3, isotyp mit den entsprechenden 1960; Hutchison et al. 1962; Goodman und Fred
Uransulfiden, und einige wie NpS, α- und 1959; Eisenstein und Pryce 1960) und besitzt im
β-Np2S3 sind dies auch mit den jeweiligen Pluto- festen Zustand orthorhombische Struktur mit
niumsulfiden. Ebenso wurden Oxidsulfide wie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle. In der
NpOS, Np4O4S und Np2O2S dargestellt, wenn- Gasphase weisen die sechs Np-F-Bindungen im
gleich man sie auch nicht gründlich untersuchte. ideal oktaedrischen NpF6-Molekül eine jeweils
NpOS wurde beispielsweise hergestellt, indem gleiche Länge von 198 pm auf; der Bindungswin-
man ein Gemisch aus NpO2, Np3S5 und reinem kel F-Np-F beträgt 90 (Kimura et al. 1968).
Schwefel in einem geschlossenen Rohr aus Neptunium-VI-fluorid ist leicht durch Fluo-
Quarzglas für eine Woche auf eine Temperatur rieren von Neptunium-IV-fluorid (NpF4) bei
von 900  C erhitzte (Fried und Davidson 1948; etwa 500  C herstellbar (Weaver et al. 1958);
Zachariasen 1949; Peacock und Edelstein 1997). diese Reaktion wird auch heute noch zur Herstel-
Das in orthorhombisch-pseudo-tetragonaler lung der Verbindung angewandt. Die hohe Flüch-
Struktur kristallisierende Neptunium-V-selenid tigkeit des Hexafluorids erlaubt eine Abtrennung
(Np2Se5) wird unterhalb von 258  C (15 K) des Neptuniums von den meisten anderen in
ferromagnetisch (Thévenin et al. 1982). Daneben abgebrannten Brennstäben enthaltenen Elemen-
gibt es noch das halbleitende Neptunium-VI-sele- ten. Die erste Darstellung der Verbindung datiert
nid (NpSe3), das durch Erhitzen im Vakuum auf aus den 1940er-Jahren und ging von der Reak-
420  C in das oben genannte Np3Se5 überführt tion von Fluor mit Neptunium-III- oder -IV-fluo-
werden kann, und das im kubischen Kochsalzgit- rid aus (Fried und Davidson 1948; Seaborg und
ter kristallisierende Neptunium-II-selenid (NpSe). Brown 1947).
1004 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Zwei andere in verbrauchten Brennstäben ent- das sie zum jeweiligen Tetrafluorid und Fluor
haltene Elemente, Plutonium und Uran, lassen zersetzt. Lässt man Alkalifluorid mit NpF6 reagie-
sich in Form ihrer Tetrafluoride ebenfalls durch ren, so bilden sich unter Reduktion Fluorokom-
Fluorierung in ihr jeweiliges Hexafluorid über- plexe des Neptunium-V, wie beispielsweise mit
führen, nur laufen diese Reaktion bevorzugt bei Natriumfluorid das Na3NpF8 (Leverne et al. 1968)
vom Neptunium abweichender Temperatur ab oder mit Cäsiumfluorid das CsNpF6 (Peacock und
(Uran: 300  C, Plutonium: 750  C) und gestatten Edelstein 1976). Eine Hydrolyse mit geringen
nur auf diese Weise die Abtrennung von Neptu- Mengen Wasser ergibt Neptunium-VI-oxidtetra-
nium (Uhlíř und Marečeka 2009). Hinsichtlich der fluorid (NpOF4).
Flüchtigkeit verhalten sich die Hexafluoride Die Verbindung ist aus mehreren Gründen ex-
des Urans, Neptuniums und Plutoniums nahezu trem toxisch. Zum ersten bildet sich bei ihrem Kon-
gleich (Malm et al. 1959). Bei der Aufarbeitung takt mit Feuchtigkeit Flusssäure, die Haut und
fluoriert man das feingemahlene Brennmaterial Schleimhäute stark verätzt, auch die Atemwege,
direkt unter Bildung der oben genannten jeweili- und durch die unmittelbar erfolgende Resorption
gen Hexafluoride. Sollte man doch ein Gemisch den Calcium- und Magnesiumstoffwechsel meist
von diesen erhalten, so kann Neptunium im unter Todesfolge blockiert. Neptunium-VI-fluorid
Unterschied zu Uran zur Oxidationsstufe +4 redu- ist zudem radioaktiv und zeigt darüber hinaus die
ziert werden, indem man bei Temperaturen von typische Giftwirkung eines Schwermetalls.
ca. 100 bis 200  C Cobalt-II-fluorid in Form von Neptunium-VI-dioxiddifluorid (NpO2F2) ist
Pellets zugibt. Auch wird Neptunium-VI-fluorid ein rosafarbener Feststoff, den man durch Umset-
bei ca. 100  C zu zwei Dritteln seiner Menge zung von Neptuniumperoxid mit Neptunium-V-
durch Magnesiumfluorid absorbiert, während fluorid im Fluorstrom bei ca. 330  C erhält. Nep-
Uranhexafluorid inert bleibt (Nakajima und tunium-VI-oxidtetrafluorid (NpOF4) entsteht durch
Groult 2005). Erhitzen von Neptuniumoxiden in einem Gasge-
Weitere Darstellungswege sind die Umsetzung misch aus Fluorwasserstoff und Fluor (Eller et al.
von Neptunium-IV-oxid mit Fluor und die selek- 1998; Malm et al. 1968; Fried 1954, S. 471;
tiv nur auf Neptunium anwendbare Reaktion mit Drobyshevskii et al. 1978; Peacock und Edelstein
Brom-III- oder -V-fluorid (Trevorrow et al. 1968). 1976; Kleinschmidt et al. 1992).
Die Einwirkung von Disauerstoffdifluorid in was- Halogenverbindungen des Np-V Das hellblaue
serfreiem, flüssigen Fluorwasserstoff bewirkt Neptunium-V-fluorid (NpF5) schmilzt bei einer
schon bei einer Temperatur von 78  C eine Temperatur von 318  C unter Zersetzung und
praktisch vollständige Umsetzung zu Neptunium- kristallisiert tetragonal (Morss et al. 1993). Man
VI-fluorid (Eller et al. 1998): stellt es in zwei Schritten aus Cäsium- und
Neptunium-VI-fluorid her, wobei sich zunächst
CsNpF6 bildet, das dann mit Bor-III-fluorid in
NpO2 þ 3 O2 F2 ! NpF6 þ 4 O2
wasserfreiem Fluorwasserstoff umgesetzt wird
NpF4 þ O2 F2 ! NpF6 þ O2 (Holleman et al. 2007, S. 1969; Fuger et al.
2006, S. 699–812; Rao et al. 2006).
(Der Versuch, Disauerstoffdifluorid direkt mit Halogenverbindungen des Np-IV Bei Tempe-
der jeweiligen Neptuniumverbindung reagieren raturen von ca. 500  C erhält man durch Reaktion
zu lassen, führt dagegen zu dessen explosions- von Neptunium-IV-oxid mit Fluorwasserstoff im
artiger Zersetzung.) Sauerstoffstrom das grüne Neptunium-IV-fluorid
Sofern selbst Spuren von Feuchtigkeit und (NpF4) (Malm et al. 1958). Bei einer anderen
Fluorwasserstoff entfernt wurden, kann man Herstellmethode oxidiert man Neptunium-III-
Neptunium-VI-fluorid bei Raumtemperatur unbe- fluorid (NpF3) mit einem Gemisch aus Sauerstoff
grenzt lange in Ampullen aus Quarzglas lagern. und Fluorwasserstoff. Die Verbindung hat die
Allerdings ist die Substanz, wie auch das Pluto- Dichte 6,8 g/cm3, kristallisiert monoklin und ist
nium-VI-fluorid, empfindlich gegenüber Licht, leicht sublimierbar (Kleinschmidt et al. 1992). Mit
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1005

Wasserstoff lässt es sich wieder zum Neptunium- oxidierbar, so wird sie durch Umsetzung mit
III-fluorid reduzieren und mit Fluor zu Neptu- elementarem Fluor in das leicht flüchtige Neptu-
nium-VI-fluorid (NpF6) oxidieren. nium-IV-fluorid (NpF6) und durch ein aus Sauer-
Das orangebraune, bei einer Temperatur von und Fluorwasserstoff bestehendes Gemisch in
538  C schmelzende Neptunium-IV-chlorid (NpCl4) Neptunium-IV-fluorid (NpF4) überführt (Malm
(Holleman et al. 2007, S. 1969; Keller 1969/70) et al. 1958). Jedoch ist es auch möglich, das
wurde erstmals durch Reaktion von Tetrachlor- Trifluorid durch Umsetzung mit reaktiven Metal-
kohlenstoff mit Neptunium-IV-oxid (NpO2) oder len wie Lithium oder Barium bei Temperaturen
-IV-oxalat bei 500  C dargestellt. Die mit tetra- von ca. 1200  C zu metallischem Neptunium zu
gonaler Struktur kristallisierende Verbindung der reduzieren.
Dichte 4,92 g/cm3 ist sehr empfindlich gegenüber Das grüne, bei 800  C schmelzende Neptunium-
Hydrolyse. Erhitzt man nicht völlig entwässertes III-chlorid (NpCl3) stellt man durch Reduktion von
Neptunium-IV-chlorid, so hydrolysiert es durch Neptunium-IV-chlorid (NpCl4) mit Wasserstoff
bis zum Neptunium-IV-oxid. Durch Überleiten oder Ammoniak bei 450  C dar, ebenso auch durch
von Wasserstoff in der Hitze kann man es in Erhitzen einer Mischung von Aluminiumchlorid
Neptunium-III-chlorid (NpCl3) überführen. Es und Neptunium-IV-oxid. Das Salz der Dichte
ist in polaren organischen Lösungsmitteln wie 5,58 g/cm3 kristallisiert isotyp zu Uran-III-chlorid,
Aceton und Nitromethan löslich. also in hexagonaler Struktur mit zwei Formelein-
Neptunium-IV-bromid (NpBr4) erhält man durch heiten pro Elementarzelle. Auch hier ist jeweils ein
Reaktion von Neptunium-IV-oxid mit Alumini- Neptuniumatom von neun des Chlors umgeben.
umbromid (I), in reinerer Form aber durch Er- Das homologe Neptunium-III-bromid (NpBr3),
wärmen von Neptunium oder auch Neptunium- einen grünen Feststoff der Dichte 6,62 g/cm3,
III-bromid mit einer entsprechenden Menge kann man durch Reaktion von Neptunium-IV-
Brom bei Temperaturen um 420  C (II, III) (Kel- oxid mit Aluminiumbromid erhalten (Brauer
ler 1969/70): 1978, S. 1268). Die Verbindung ist wie alle Halo-
genide des Neptuniums sehr empfindlich gegen-
(I) 3 NpO2 þ 4 AlBr3 ! 3 NpBr4 þ 2 Al2 O3 über Hydrolyse und wird durch Wasser zu
basischen Halogeniden oder gleich ganz zum
(II) Np þ 2 Br2 ! NpBr4 jeweiligen Oxidhydroxid zersetzt. Von ihr gibt es
zwei Modifikationen, das hexagonal und isotyp zu
(III) 2 NpBr3 þ Br2 ! 2 NpBr4 Uran-III-chlorid kristallisierende α-NpBr3 und
daneben das β-NpBr3 mit orthorhombischer, zu
Der dunkelrote Feststoff schmilzt bei einer den höheren Actinoidtribromiden isotyper Struk-
Temperatur von 464  C und kristallisiert im tur. Ein Aufbromieren zum Neptunium-IV-bro-
monoklinen Kristallgitter. mid gelingt durch Erhitzen mit Bromdampf auf
Halogenverbindungen des Np-III Neptunium- Temperaturen oberhab von 400  C.
III-fluorid (NpF3) wird durch Reaktion von Das braune Neptunium-III-iodid (NpI3) ent-
Neptunium-IV-oxid mit einem Gemisch aus Was- steht durch Reaktion von Neptunium-IV-oxid mit
serstoff und Fluorwasserstoff bei Temperaturen Aluminiumiodid (Brauer 1978, S. 1269). Der bei
um 500  C erhalten. Alternativ ist auch die Aus- einer Temperatur von 767  C schmelzende Fest-
fällung der Verbindung durch Zugabe von Fluorid stoff der Dichte 6,82 g/cm3 ist empfindlich
zu einer wässrigen Lösung eines Neptunium-III- gegenüber Hydrolyse und kristallisiert isotyp
salzes im schwach Sauren möglich. Der violette zu Plutonium-III-bromid mit orthorhombischer
Feststoff schmilzt bei 1425  C (Siedepunkt der Struktur (Keller 1969/70).
Schmelze: 2223  C) und kristallisiert in der trigo- Ionische Spezies des Neptuniums in wässriger
nalen Struktur des Lanthanfluorids (Zachariasen Lösung Neptunium-III existiert in Form hydrati-
1949), in der jedes Neptunium- von neun Fluora- sierter, dunkelblauer bis purpurfarbener Np3+-
tomen umgeben ist. Die Verbindung ist leicht Ionen in saurer Lösung (Greenwood und Earn-
1006 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

shaw 1997, S. 1265). In Gegenwart von Sauer-


stoff wird es schnell zu Np-IVoxidiert, wenn nicht
gleichzeitig starke Reduktionsmittel anwesend
sind. Np3+ hydrolysiert in Wasser oder schwach
alkalischen Lösungen zu (NpOH)2+. Im schwach
sauren Milieu ist Np3+ bereits die bevorzugte Spe-
zies.
Neptunium-IV liegt in saurer Lösung in Form
gelbgrünlicher Np(H2O)4+-Ionen vor, die aber
leicht unter Bildung von (NpOH)3+ hydrolysieren.
Im basischen Milieu geht die Hydrolyse schnell bis
hin zum Neptunium-IV-hydroxid bzw. oxid.
Neptunium-V bildet in wässriger Lösung das Abb. 16 Neptuniumionen diverser Oxidationszahlen in
stabile, lewissaure, blaugrüne Neptunyl-V-Ion wässriger Lösung von links (Np3+) nach rechts [Neptunyl-
VII, (NpO2)3+] (Los Alamos National Laboratory 2010)
(NpO2+), das auch das am häufigsten in wässriger
Lösung anzutreffende Ion des Neptuniums ist. Im
Gegensatz zu den analogen Verbindungen der stellt (Sheft und Fried 1953). Es ist auch durch
benachbarten Elemente Uran und Plutonium dis- Leiten eines aus Stick- und Wasserstoff zusam-
proportioniert es nicht spontan in Zustände der mengesetzten Gemisches über erhitztes Neptu-
Oxidationsstufen +4 und +6. In basischer Lösung nium zugänglich. Die Verbindung hat unter
hydrolysiert es zu NpO2OH (Neck et al. 1992). einem Stickstoffdruck von 1 MPa den hohen
Neptunium-VI kommt als rosarotes Neptunyl- Schmelzpunkt von 2830  C (Olson und Mulford
VI-ion (NpO22+) in saurer Lösung vor und ist 1966) und ist isomorph mit den Mononitriden
nicht so stabil wie das Uranylion (UO22+), aber des Urans und Plutoniums (UN und PuN). Die
die vorherrschende ionische Form des Neptu- spezifische Wärme des Neptuniumnitrids berech-
niums bei pH 3–4. Basen hydrolysieren es zu neten Shibata et al. bis auf die Einzelbeträge
Oxidhydroxiden des Neptunium-VI (Kato et al. herunter, die das Kristallgitter und die Elektronen
1996). In stark alkalischer Lösung liegen beisteuern (2012).
[NpO2(OH)4]2-Ionen vor (Clark et al. 2013). Das mit kubisch-flächenzentrierter Fluoritstruk-
Neptunium-VII dürfte in stark alkalischer Lösung tur kristallisierende Neptuniumdinitrid (NpN2) und
vermutlich in Form dunkelgrüner [NpO2]3+-Ionen das Sesquinitrid (Np2N3) kubisch-innenzentrierter
existieren (Nikonov et al. 1994). In stark saurer Struktur wurden über die Fluoride des Elements
Lösung liegt es als NpO3+ vor. In verdünnter dargestellt (Silva et al. 2012).
Lösung und in neutraler wässriger Lösung wird Das in kubisch-flächenzentrierter Struktur kris-
es schnell zu Neptunium-VI reduziert (Eriksen tallisierende Neptuniumphosphid (NpP) entsteht
et al. 1993). durch Umsetzung feinverteilten Neptuniums mit
Alle in Lösung existierenden ionischen Spe- Monophosphan (PH3) bei 350  C. Unterhalb der
zies des Neptuniums sind in Abb. 16 dargestellt. Néel-Temperatur von 143  C (130 K) ist NpP
Das in Wasser nahezu unlösliche Neptunium- antiferromagnetisch (Erdős und Robinson 2012,
III-hydroxid [Np(OH)3] ist relativ stabil im Sau- S. 38). Die Reaktion von Neptunium mit rotem
ren, oxidiert aber in alkalischer Lösung schnell zu Phosphor bei 740  C ergibt dagegen Np3P4, wenn
Np-IV, vor allem bei Zutritt von Luft. Das Hy- man anschließend den nicht bei der Reaktion ver-
droxid Np(OH)4 ist dagegen schwach wasserlös- brauchten Phosphor absublimieren lässt. Erstaun-
lich, und zwar unabhängig vom pH. licherweise ist dieses Phosphid gegenüber Wasser
Pnictogenverbindungen Neptuniumnitrid (NpN) beständig.
wurde 1953 erstmalig durch Leiten von Ammo- Die drei bisher bekannten Neptuniumarsenide
niak über im Quarzglasrohr gelagertes Neptu- sind NpAs, NpAs2 und Np3As4. Die zwei erstge-
niumhydrid bei Temperaturen um 750  C darge- nannten entstehen beim einwöchigen Erhitzen
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1007

einer Mischung aus Arsen und Neptuniumhydrid Neptunium bildet Hydride der Formel NpH2+x
im evakuierten Rohr; zur Darstellung des Np3As4 kubisch-flächenzentrierter Struktur und hexagonal
setzt man noch Iod zu. Kristalle des bei tiefer kristallisierendes Neptunium-III-hydrid (NpH3).
Temperatur ferromagnetischen NpAs2 (Delapal- Diese sind sämtlich isotyp zu den jeweiligen
me et al. 1982; Aldred et al. 1974) sind goldbraun Hydriden des Plutoniums. Die Hydride müssen
und die des Np3As4 schwarz; beide Verbindungen mit äußerster Vorsicht gehandhabt werden, da sie
sind Halbmetalle (Blaise et al. 1981; Dabos et al. sich im Vakuum oberhalb von Temperaturen von
1986). Das Neptuniumantimonid (NpSb) erhält 300  C unter Bildung fein verteilten, selbstent-
man durch 16-tägiges Schmelzen einer Mischung zündlichen Neptuniums zersetzen.
stöchiometrischer Mengen der Elemente bei einer Einige Verbindungen des Neptuniums prüfte
Temperatur von 1000  C. Analog erhält man man darauf, ob sie radioaktiven Abfall infolge
ein Neptuniumbismutid (NpBi) durch tagelanges ihrer Schwerlöslichkeit in Wasser immobilisie-
Erhitzen einer Schmelze von Neptunium und Bis- ren könnten. Das grüne Neptuniumpyrophosphat
mut (Burlet et al. 1992). (α-NpP2O7) erzeugt man aus Neptunium-IV-oxid
Sonstige Verbindungen Einzelne Neptunium- und Borphosphat bei 1100  C. Ebenso konnte
carbide (NpC, Np2C3, NpC2) konnten erzeugt, man einige Neptuniumsulfate darstellen, wie auch
aber noch nicht vollständig charakterisiert und Carbonate.
im Hinblick auf ihre mögliche Eignung als Brenn- Einige wenige organische Verbindungen des
stoff in Reaktoren geprüft werden. NpC ist nicht Elements kennt man, wie die Komplexe mit Cy-
stöchiometrisch, wird zutreffender mit der Formel clopentadien und Cyclooctatetraen sowie deren
NpCx (0,82 x 0,96) beschrieben und ist durch Derivate. 1972 gelang die Synthese des Tetrahy-
Umsetzung von Neptuniumhydrid mit Grafit bei drofuran-Adduktes von Np(C5H5)3, nicht aber die
1400  C oder durch Schmelzen von Neptunium des reinen Komplexes. Die analoge Verbindung des
und Grafit im Lichtbogen einer Wolframelek- Neptunium-IV, ein in Tetrahydrofuran und Benzol
trode erhältlich (de Novion und Lorenzelli löslicher rotbrauner Feststoff, erhielt man durch
1968). NpC reagiert mit überschüssigem Kohlen- Reaktion von Neptunium-IV-chlorid mit Kaliumcy-
stoff unter Bildung von Np2C3. NpC2 entsteht, clopentadienid:
wenn Neptunium-IV-oxid im Grafittiegel auf
Temperaturen von 2700–2800  C erhitzt wird NpCl4 þ 4 KC5 H5 ! NpðC5 H5 Þ4 þ 4 KCl
(Holley et al. 1984).
Es existieren mehrere Neptuniumboride. Nep- Neptunocen [Np(C8H8)2] konnte ähnlich
tuniumdiborid (NpB2) erhält man durch Glühen durch Umsetzung von Neptunium-IV-chlorid
von Neptuniumhydrid mit Bor im Atomverhält- mit Kaliumcyclooctatetraenid dargestellt werden;
nis Np:B = 1:2 in einem aus Zirkoniumborid die Verbindung ist isotyp zu ihren Analoga Ura-
bestehenden Tiegel bei Temperaturen zwischen nocen und Plutonocen (s. Abb. 17) und reagiert
800 und 2100  C im Vakuum, allerdings nur in wie diese schon mit Luftsauerstoff. Da Neptu-
unreiner Form. Zur Herstellung des Neptunium- nium wegen seiner Fähigkeit, in Form aller Oxi-
tetraborids (NpB4) schmilzt man die Elemente dationsstufen von +3 bis +7 aufzutreten, das un-
im Atomverhältnis Np:B = 14:86 im elektrischen typischste Element der Actinoidenreihe ist, sind
Lichtbogenofen unter Argon. Neptuniumhexabo- Organokomplexe des Elements von enormem
rid (NpB6) entsteht nach gleicher Methode, nur Interesse.
unter Anwendung eines Atomverhältnisses Np:B Mit Oxalat, Gluconat und weiteren organi-
von 8:92 (Koch 1972, S. 194). Nach letzterem schen Anionen bildet Neptunium anionische
Verfahren entsteht allerdings auch das Dodekabo- Komplexe. In den meisten Fällen liegt das Ele-
rid (NpB12) in geringer Menge; dieses zersetzt sich ment dabei in den Oxidationsstufen +4 bis +6 vor.
aber in der Hitze zu Bor und dem Hexaborid. Die Die Reihenfolge der Stabilität für Komplexe des
einzige kongruent verdampfende Phase im gesam- Np-IV, Np-V und Np-VI mit monovalenten anor-
ten System Bor-Neptunium ist das Tetraborid. ganischen Liganden ist F > H2PO4 > SCN >
1008 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

5.5 Plutonium

Geschichte Die Arbeitsgruppe des Ernest Orlando


Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL)
um Seaborg und McMillan beschoss Ende 1940
das Isotop 23892U im Zyklotron mit Deuterium-
kernen (21D). Diese Fusionsreaktion verläuft
über ein zwischenzeitlich entstehendes Isotop
des Neptuniums (Wahl 1946):
Abb. 17 Struktur von Neptunocen (Ben Mills 2009)
238
92 U þ 2
1D ! 238
93 Np þ 21 0 n
NO3 > Cl > ClO4, für die divalenten ist sie
CO32 > HPO42 > SO42.
238
93 Np ! ð2, 117 dÞ β þ 238
94 Pu

Anwendungen Das in Kernreaktoren aus 23592U


Ein weiteres Isotop des Plutoniums erzeugte
erbrütete 23793Np kann man zur Gewinnung von
238 die Gruppe durch Beschuss desselben Uraniso-
94Pu nutzen, das in Radionuklidbatterien ein-
tops mit beschleunigten Neutronen:
gesetzt werden soll. Dazu trennt man es (zusam-
men mit unwesentlichen Mengen anderer Neptu- 
92 U! ð23,5minÞβ þ
238 1 239 239
niumisotope) vom abgebrannten Reaktorbrennstoff 92 Uþ 0 n! 93 Np

(„spent fuel“) ab. Dann füllt man es in Brennstäbe, ! ð2,36dÞβ þ 239 94 Pu


die ausschließlich Neptunium enthalten, die dann,
wieder im Kernreaktor eingesetzt, erneut mit Neu- In Fortführung der Benennungsweise der im
tronen bestrahlt werden. So wird aus 23793Np Periodensystem vorangehenden Elemente Uran
238
94Pu erbrütet (Lange und Carroll 2008). und Neptunium erhielt das neue Element im März
1942 den Namen Plutonium, nach dem wenige
Patente Jahre zuvor entdeckten Zwergplaneten Pluto.
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world Einige Monate später konnten einige μg Plutonium
wide.espacenet.com) isoliert werden (Holleman et al. 2007, S. 1948;
Cunningham und Werner 1949). Innerhalb von
B. Yin und Z. Qu, Preparation of neptunium drei Jahren waren die USA in der Lage, Plutonium
oxide target pellet (China Institute of in größerem Maßstab herzustellen, das dann auch
Atomic Energy, CN 106847353 A, ver- als spaltbares Material in den 1945 auf Japan ab-
öffentlicht 6. Juli 2018) geworfenen Atombomben eingesetzt wurde.
H. Mimura und K. Mori, Method of treating
neptunium containing water (Kurita Water Der US-amerikanische Chemiker und Kern-
Industries Ltd., JP 2017198595 A, veröf- physiker Glenn Theodore Seaborg (* 19.
fentlicht 2. November 2017) April 1912 Ishpeming MI; † 25. Februar
Z. Hu und Y. Guoan, Method for extracting 1999 Lafayette CA) war an der Entdeckung
uranium, plutonium and neptunium vieler Transuran-Elemente beteiligt, wofür
(China Institute of Atomic Energy, CN er 1951 den Nobelpreis für Chemie erhielt.
102776372 B, veröffentlicht 30. Oktober Er studierte an der University of California
2013) in Los Angeles und promovierte 1937 an
D. F. Peppard und G. W. Mason, Method of der University of California in Berkeley.
separating neptunium by liquid-liquid Dort wurde er 1941 Assistant Professor,
extraction (privat, US 3004832 A, ver- 1945 Professor der Chemie. Von 1958 bis
öffentlicht 17. Oktober 1961) 1961 war er Kanzler der Universität.
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1009

Seaborg wurden viele weitere Anerken- Radiation Laboratory der University of


nungen zuerteilt, darunter Ehrendoktorwür- California. 1960 wurde er Mitglied der
den, Medaillen und eine Ehrenmitglied- Kommission für Hochenergiephysik der
schaft in der Chemical Society in London. International Union of Pure and Applied
Er war ab 1948 Mitglied der National Aca- Physics. 1990 erhielt er die National Medal
demy of Sciences, erhielt 1959 den Enrico- of Science.
Fermi-Preis und 1991 die National Medal of
Science. Seaborg hatte auch Verbindungen Gewinnung Plutonium ist das letzte bisher
nach Deutschland, so nahm ihn 1968 die bekannte in der Natur vorkommende Element
Bayerische Akademie der Wissenschaften
des Periodensystems. Mit einem Gehalt von
als korrespondierendes Mitglied auf. Auch
2  1016 ppm (Binder 1999, S. 469–476; Holle-
war er ab 1973 Mitglied der Deutschen
man et al. 2007, S. 1948) ist es wohl das seltenste
Akademie der Naturforscher Leopoldina
in der Erdkruste vorkommende Element. In na-
(Benefiel et al. 1994). 1985 wählte ihn die
türlich vorkommendem Uran entsteht es in äu-
Londoner Royal Society zum auswärtigen
Mitglied (Hoffman et al. 2000). Zu seinen ßerst geringen Mengen durch Neutroneneinfang.
Ehren benannte man 1997 das Element Peppard gelang 1951 die Extraktion weniger μg
239
106 nach ihm. 94Pu aus kongolesischem Pechblendekonzen-
trat. Zur Erzeugung eines μg 23994Pu mussten
Der US-amerikanische Physiker Edwin Mat- 100 t (!) Pechblende verarbeitet werden (Peppard
tison McMillan (* 18. September 1907 Re- et al. 1951).
dondo Beach CA; † 7. September 1991 El Erst 1971 entdeckte man im Mineral Bastnäsit
Cerrito CA) erhielt 1951 zusammen mit Sea-
mit Hilfe der empfindlichsten damals verwende-
borg den Nobelpreis für Chemie. McMillan
ten Analysemethoden das längstlebige Plutonium-
studierte am California Institute of Techno-
isotop 24494Pu (Hoffman et al. 1971).
logy und schloss dort 1929 sein Studium
Im Zeitraum zwischen 1945 und 1980 durch-
ab. 1932 promovierte er an der Princeton
geführte oberirdische Kernwaffentests setzten
University mit einer Arbeit über die Ablen-
kung von Teilchenstrahlen in einem inho- Plutonium in Mengen von 3 bis 5 t frei, die über
mogenen elektrischen Feld. 1935 nahm die ganze Erdkugel verstreut wurden und noch bis
McMillan die Arbeit am Berkeley Radia- heute in Spuren nachweisbar sind. Weitere Men-
tion Laboratory auf, in deren Verlauf er gen entstanden bei Unfällen mit Kernwaffen oder
Kernreaktionen und ihre Zerfallsprodukte in Kernreaktoren, z. B. beim Wiedereintritt von
untersuchte und das Zyklotron mitentwi- Satelliten mit Radionuklidbatterien in die Erdat-
ckelte. 1936 wurde er zum Assistant Pro- mosphäre (Transit 5BN-3, Kosmos 954 und
fessor, 1941 zum Associate Professor und Apollo 13), 1957 beim Brand des Reaktors der
1946 zum Professor ernannt. Plutoniumfabrik von Sellafield (England), 2012
Er stellte 1940 dort erstmals Nuklide bei der Reaktorexplosion in Fukushima (Japan)
des Neptuniums dar und veröffentlichte und 1986 bei der Reaktorkatastrophe von Tscher-
seine Ergebnisse noch im gleichen Jahr nobyl (Ukraine).
(McMillan und Abelson 1940). Die nach- Plutonium entsteht stets in den mit 23892U-rei-
folgend genannten Arbeiten waren in den chem Isotopengemisch betriebenen Kernkraft-
USA geheim und durften erst nach Ende werken. 23892U fängt ein Neutron ein und wird
des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht wer- durch zwei folgende β–-Zerfälle in 23994Pu umge-
den. Ab November 1942 arbeitete McMillan wandelt:
bei Robert Oppenheimer im Los Alamos
Laboratory und konstruierte ab 1945 das  239
92 U! ð23,5minÞβ þ
238 1 239
92 Uþ 0 n! 93 Np
erste Elektronen-Synchrotron. Von 1958
bis 1973 war er Leiter des Lawrence ! ð2,3565dÞβ þ 239 94 Pu
1010 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Die angegebenen Zeiten sind Halbwertszeiten. ben dabei zurück. Im Jahr werden so ca. 20 t
239
94Pu hat eine Halbwertszeitvon 24.110 a (Audi Plutonium, meist in Form des Isotops 23994Pu,
et al. 2003) und zerfällt fast nur unter Aussendung produziert.
von α-Strahlung zu 23592U. Der weitere Zerfall
folgt der natürlichen Uran-Actinium-Reihe, die Eigenschaften Plutonium ist unter Normalbe-
bei 23592U beginnt. dingungen ein silberglänzendes Metall der
Der Einfang eines weiteren Neutrons führt hohen Dichte von 19,86 g/cm3 (Holleman et al.
meist zur Kernspaltung, zum Teil auch zur Bil- 2007, S. 2149; s. Tab. 5). Alle seine Isotope sind
dung des Isotops 24094Pu, das aber schlecht spalt- radioaktiv, durch die beim Zerfall der Nuklide
bar ist. 24094Pu erleidet mit einer Halbwertszeit frei werdende Energie erwärmt sich Plutonium
von 6564 a (Audi et al. 2003) α-Zerfall zu 23692U. von selbst. 100 g des Elements (23994Pu) erzeu-
Absorption eines weiteren Neutrons ergibt gen ca. 0,2 W Wärmeleistung (Greenwood und
das gut spaltbare 24194Pu, das sich mit kurzer Earnshaw 1988). Daher kann metallisches Plu-
Halbwertszeit von 14,35 a (Audi et al. 2003) tonium die Temperatur des absoluten Null-
praktisch ausschließlich per β-Zerfall in 24195Am punkts (0 K, 273,15  C) nicht mehr erreichen.
umwandelt. Es ist, verglichen mit anderen Metallen, ein
Weitere Einfangsreaktionen von Neutronen schlechter Leiter für Wärme und elektrischen
sind bis herauf zu 24394Pu möglich, das wegen Strom und kristallisiert in Abhängigkeit von der
seiner kurzen Halbwertszeit kaum noch in der Temperatur in insgesamt sechs (!) allotropen
Lage ist, weitere Neutronen zu absorbieren. Die- Modifikationen jeweils deutlich voneinander
ser Prozess ist daher bei 24394Pu beendet; 24394Pu verschiedener Dichte. Die bei Raumtemperatur
erleidet dann β-Zerfall zu 24395Am. stabile Modifikation (α-Pu) kristallisiert mono-
Das leichtere Isotop 23894Pu kann man gezielt klin.
durch Einfang mehrerer Neutronen aus dem Uran- Plutonium zeigt das seltene Phänomen der
Isotop 23592U herstellen. Es können in derart Dichteanomalie, die Dichte nimmt bei der Pha-
behandelten Brennstäben auch schwerere Pluto- senumwandlung zur δ0 - und ε-Modifikation
niumisotope vorkommen, die Ausgangspunkte wieder zu. Auch beim Schmelzen wird, wie bei
jeweils eigener Zerfallsreihen sind. Wasser, die Dichte größer (Los Alamos Science
Wird das oben genannte, im Kernkraftwerk 2000). Flüssiges Plutonium besitzt die höchste
erzeugte 23994Pu durch schnelle Neutronen ge- Viskosität aller Elemente im flüssigen Zustand.
spalten, ist die durchschnittliche Zahl neu freige- Plutonium weist ferner eine hohe magnetische
setzter Neutronen pro gespaltenem Atomkern sehr Suszeptibilität auf, ist aber trotzdem nur para-
hoch. Bei einer solchen Fahrweise des Reaktors und nicht ferromagnetisch(Los Alamos Science
kann daher mehr 23994Pu aus 23892U erzeugt wer- 2000).
den als durch Spaltung verbraucht wird. Einen Plutonium ist ein unedles und sehr reaktives
solchen Reaktor nennt man einen „schnellen Brü- Metall. An der Luft reagiert es schnell mit Luft-
ter“. Bislang konnte das Funktionieren eines sol- feuchtigkeit und Sauerstoff. Selbst in Form kom-
chen Brutprozesses in der Praxis aber noch nicht pakter Blöcke kann es sich beim Stehenlassen an
im großen Maßstab gezeigt werden. der Luft spontan entzünden (Haschke et al.
Das Plutonium befindet sich nach dem Brut- 2000). Das Metall läuft aber meist zuerst matt
prozess zusammen mit anderen Spaltprodukten an und überzieht sich mit einer blauschwarzen
und nicht umgesetzten Rest-Kernbrennstoff in Oxidhaut. Längeres Stehen an der Luft führt zur
den abgebrannten Brennelementen. Flüssig-flüs- Bildung einer dicken, graugrünen, pulverig
sig-Extraktion hilft, das Plutonium aus dieser abreibenden Oxidschicht (Brauer 1978). Das
Mischung zu isolieren. Dazu löst man das Mate- Metall reagiert beim Erhitzen mit den meisten
rial zunächst in Salpetersäure und extrahiert Plu- Nichtmetallen und Wasser, wogegen es bei
tonium und Uran mittels Tri-n-butyl-phosphat. Raumtemperatur von Wasser und Laugen nicht
Die Spaltprodukte und anderen Bestandteile blei- angegriffen wird.
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1011

Tab. 5 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Plutonium


Symbol: Pu
Ordnungszahl: 94
CAS-Nr.: 7440-07-5

Aussehen: Silbrig Plutonium, Scheibe,


Farbe von Pux+aq.: Siehe „Verbindungen“ auf CaCl2-Block (ARQ
Contributors 2008)
Entdecker, Jahr Seaborg, Kennedy, McMillan, Wahl (USA), 1940
Wichtige Isotope Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
[natürl. Vorkommen (%)]
238
94Pu (synthetisch) 87,7 α > 23492U
239
94Pu (synthetisch) 24.110 α > 23592U
240
94Pu (synthetisch) 6564 α > 23692U
241
94Pu (synthetisch) 375.000 β > 24195Am
Vorkommen (geografisch, Erz): Pechblende (U3O8)
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): 2  1016
Preis (US$), 99 % 1 g (Isotopengemisch) 4000 (2008)
1 g (23994Pu) 5240 (2008)
Atommasse (u): 244,064
Elektronegativität (Pauling) 1,28
Normalpotenzial (V; Pu3+ + 3 e ! Pu) 2,03
Atomradius (berechnet, pm): 151 (—)
Kovalenter Radius (pm): 187
Ionenradius (pm): 108 (Pu3+)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 5f6
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 585
Magnetische Volumensuszeptibilität: 6,2  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 1,7 (24494Pu)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 6,8  105
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 96 ♦ — ♦ 43
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Kristallsystem: Monoklin
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2260
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 19,82
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 12,29  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 6,74
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 35,5
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 639 ♦ 912
Schmelzwärme (kJ/mol): 2,82
Siedepunkt ( C ♦ K): 3230 ♦ 3509
Verdampfungswärme (kJ/mol): 335

In konzentrierter Salpetersäure ist es infolge ums ähneln denen anderer Actinoide; ähnlich wie
der Bildung einer schützenden Passivschicht nicht bei diesen bestimmt bei Plutonium die starke Ra-
löslich (Greenwood und Earnshaw 1988). Die dioaktivität die chemischen Eigenschaften mit, da
weiteren chemischen Eigenschaften des Plutoni- durch die entstehende Wärme Bindungen aufge-
1012 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

brochen werden können. Auch die freiwerdende erhält man Plutonium-IV-sulfid (PuS2) durch Erhit-
Strahlung kann zum Aufbrechen chemischer Bin- zen stöchiometrischer Mengen von Plutonium und
dungen führen. Schwefel auf 600  C. Erhitzt man es unter Vakuum
auf noch höhere Temperatur, so spaltet es Schwefel
Verbindungen unter Bildung von α-Plutonium-III-sulfid (Pu2S3)
Chalkogenverbindungen Das durch starken in- ab; jenes ist eine stark exotherme Verbindung mit
trinsischen radioaktiven Zerfall oft glühende, gelb- Schmelzpunkt 1727  C und der Dichte 10,0 g/cm3.
braune Plutonium-IV-oxid (PuO2) (s. Abb. 18) ist Glühen dieses Sesquisulfids im Vakuum auf eine
das aus chemischer Sicht stabilste Oxid des Ele- Temperatur von 1350  C ergibt β-Pu2S3 (Hummel
ments. Der braungrüne Feststoff der Dichte 11,5 g/cm3 et al. 2002).
schmilzt bei einer Temperatur von 2400  C (Sie- Das im kubischen Kochsalzgitter kristallisie-
depunkt der Schmelze: 2800  C) und kristallisiert rende, bei 2075  C schmelzende Plutoniummono-
im kubischen Calciumfluorid-Gittertyp (Clark selenid (PuSe) erhält man unter anderem durch
et al. 2006). Das nahezu inerte Material entsteht Umsetzung der Elemente in stöchiometrischem
durch spontanes Verbrennen von Plutonium an Verhältnis im elektrischen Lichtbogenofen (Koch
der Luft oder, in reinerer Form, unter Sauerstoff, 2013, S. 189, und dort zitierte Literatur; McIntyre
jeweils unter Normalbedingungen (Brauer 1978, 1992). Wie auch das homologe Samarium-II-sele-
S. 1305), ebenfalls beim Glühen von Plutonium- nid ist es ein Halbleiter. Für Plutonium-III-selenid
IV-oxalat oder -nitrat. Plutonium-IV-oxid kann (Pu2Se3) sind diverse Modifikationen bekannt
man zu Keramik sintern. Aus der Schmelze gezo- (Koch 1972, S. 189).
gene Einkristalle sind schwarz und glänzend. Man Plutonium-VI-dioxidtellurid (Pu2O2Te) hat
verwendet die Verbindung als Material für Brenn- dieselbe Struktur wie die entsprechenden Verbin-
stäbe und in Radionuklidbatterien. dungen der Seltenerdmetalle. Wie die im Tempe-
Plutoniummonosulfid (PuS) entsteht durch raturbereich von 269  C (4 K) bis 25  C (298 K)
mehrstündiges Überleiten von Schwefelwasser- gemessenen magnetischen Suszeptibilitäten und
stoff bei Temperaturen von 400 bis 600  C über Leitfähigkeiten nahelegen, ist die Verbindung
zuerst frisch hergestelltes, fein verteiltes und dann unterhalb der Néel-Temperatur von 217  C
thermolytisch teils zersetztes Plutonium-III-hy- (56 K) antiferromagnetisch und zugleich ein
drid (Kruger et al. 1965). Danach homogenisiert Halbleiter mit einer intrinsischen Bandlücke von
man das Material durch vierstündiges Erhitzen im 0,65 eV. Der Radius des Pu-Atoms ist wegen
Wolframtiegel auf eine Temperatur von 1600  C relativistischer Effekte deutlich kleiner als zu
im Vakuum. Das entstandene Sulfid ist von gelb- erwarten gewesen wäre, was in einer Aufblähung
brauner Farbe. der 5f-Orbitale und einer Schrumpfung des Atom-
Auch höhere Sulfide des Plutoniums sind radius im Kristall begründet ist. Die Ursache der
bekannt; viele Synthesen wurden von Cleveland gemessenen Bandlücke für diese Verbindung
(1970) und Grønvold (1984) ausgearbeitet. So hexagonaler Kristallstruktur ist die Energiediffe-
renz zwischen den hybridisierten p-Orbitalen des
Chalkogenatoms und dem 6d-7s Leitungsband
des Plutoniumatoms (Costantini et al. 1983).
Halogenverbindungen des Pu-VI Plutonium-
VI-fluorid (PuF6) ist bei einer Temperatur von
180  C farblos, vertieft aber seine Farbe beim
Erwärmen und liegt bei 20  C als rotbrauner,
leicht flüchtiger, kristalliner Feststoff vor, der
radioaktiv und korrosiv ist. Mittlerweile zur Her-
Abb. 18 PuO2 glüht durch die beim α-Zerfall des in ihm
stellung des Plutonium-VI-fluorids etabliert ist die
enthaltenen, kurzlebigen Isotops 23894Pu frei gesetzte Ener- endotherme und auch endergonische (!) Fluorie-
gie (U.S. Department of Energy 1997) rung von Plutonium-IV-fluorid (Mandleberg et al.
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1013

1956; Florin et al. 1956) bei Temperaturen um rausgesetzt aber, es sind nicht einmal Spuren von
750  C. Die Reaktion verläuft aber mit sehr guter Feuchtigkeit und Fluorwasserstoff darin enthal-
Ausbeute, wenn das entstehende PuF6 sofort ab- ten, und das Glas besitzt keinerlei Gaseinschlüsse.
kondensiert und so dem Gleichgewicht der Plutonium-VI-fluorid kann man in einer redu-
Reaktion entzogen wird (Weinstock und Malm zierenden Flamme in Plutonium-IV-oxid über-
1956; Steindler et al. 1958): führen (Sokolov et al. 2003). Erhitzen auf Tem-
peraturen von etwa 280  C führt in Umkehrung
PuF4 þ F2 ! PuF6 der Bildungsreaktion schnell zu einer Zersetzung
zu Plutonium-IV-fluorid und Fluor (Trevorrow
Viel glatter erfolgt die Reaktion von Uran- bzw. et al. 1961; Fischer at el. 1961, 1962; Tsujimura
Neptunium-IV-fluorid zum jeweiligen Hexafluorid et al. 1972; Burns et al. 1981). Die Verbindung
(bei 300  C bzw. 500  C; Malm et al. 1958). erleidet zudem Autoradiolyse, also die Zerset-
Alternativ ist auch die Fluorierung von zung durch die selbst abgestrahlte Radioaktivität
Plutonium-IV-oxid zum Hexafluorid möglich zu Plutonium-IV-fluorid und Fluor (Wagner et al.
(Steindler et al. 1959). „Exotische“ Verfahren sind 1965; Bibler 1979). In einem ausschließlich
die Fluorierung des Tetrafluorids mittels sehr star- das kurzlebige Isotop 23994Pu enthaltenden
ker Oxidationsmittel wie Krypton-II-fluorid (Asp- Plutonium-VI-fluorid führen die emittierten α-
rey et al. 1986) oder Disauerstoffdifluorid (Malm Teilchen zum Bruch von Bindungen, dies mit
et al. 1984; Sokolov et al. 2002). einer täglichen Zersetzungsrate von 1,5 % (!).
Bei Normaldruck schmilzt bzw. siedet Pluto- In der Gasphase und bei stark reduziertem Druck
nium-VI-fluorid bei 52  C bzw. 62  C und ist kann die Geschwindigkeit des Abbaus aber
daher leicht in die Gasphase überführbar (Wein- deutlich gesenkt werden. Energiereichere γ-Strah-
stock et al. 1959). Unterhalb eines Drucks von lung führt erwartungsgemäß ebenfalls zu einem
710 hPa sublimiert es beim Erwärmen. Diese schnellen Abbau zum Tetrafluorid und Fluor
Eigenschaft ist für die Anreicherung des Isotops (Steindler et al. 1964). Bestrahlung mit Licht im
239
94Pu (Halbwertszeit: 24.110 a) wichtig. ungefähren Wellenlängenbereich von 335 bis
Festes Plutonium-VI-fluorid ist paramagne- 560 nm zersetzt die Verbindung zügig zu Pluto-
tisch und weist bei 22  C eine molare magnetische nium-V-fluorid und Fluor (Rabideau und Camp-
Suszeptibilität χmol von 1,73  104 cm3/mol auf bell 1987).
(Gruen et al. 1956). Die Verbindung ist kova- Ohne die Eigenschaften von Uran- und
lent und kristallisiert orthorhombisch mit vier Plutonium-VI-fluorid im Einzelnen zu kennen,
oktaedrisch koordinierten Formeleinheiten pro postulierte man schon früh eine mögliche Tren-
Elementarzelle. Diese regelmäßige oktaedrische nung des Urans von Plutonium (Seaborg 1942;
Struktur zeigen die PuF6-Moleküle auch in der Steindler 1963). Bei den damals durchgeführten
Gasphase (Bindungswinkel F-Pu-F 90 mit Länge Versuchen erwies sich Plutonium in einem Fluor-
Pu-F 197,1 pm) (Kimura et al. 1968). Das Molekül strom nur oberhalb einer Temperatur von 700  C
zeigt jeweils drei Streck- und drei Biegeschwin- als flüchtig. Generell zeigte sich, dass Uranver-
gungen, deren IR- und Raman-Aktivität charakte- bindungen unter diesen Bedingungen am flüchtig-
risiert wurden (Hawkins et al. 1955; Malm et al. sten waren, diejenigen des Neptuniums und
1955; Steindler und Gunther 1964; Kugel et al. schließlich die des Plutoniums folgten mit Ab-
1976; Beitz et al. 1983; Walters und Briesmeister stand (Brown et al. 1942; CN-343). Daraus wurde
1984; Kim und Mulford 1990). geschlossen, dass höhere, leicht flüchtige Fluoride
Plutonium-VI-fluorid ist nur in völlig trocke- des Plutoniums instabiler als diejenigen des Urans
ner Luft beständig; mit Wasser erfolgt eine heftige seien (Brown et al. 1942; CN-363) bzw. dass sie
Reaktion unter Bildung basischer Plutoniumoxide nur in einer Fluoratmosphäre bei höherer Tempe-
und Fluorwasserstoff (Kessie 1967). Man kann ratur existieren könnten (Fisher et al. 1944). Die
die Substanz praktisch unbegrenzt lange in Quarz- von Brewer et al. vorausgesagten thermodynami-
glas- oder PYREX-Ampullen aufbewahren, vo- schen Daten (1945) konnten Anfang der 1950er-
1014 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Jahre experimentell bestätigt werden (Florin Bestrahlung von Plutonium-VI-fluorid mit Laser-
1950, 1953; Tannenbaum und Florin 1953; Bre- licht einer Wellenlänge von <520 nm darstellen
wer et al. 1950; Mandleberg et al. 1953; Hurst (Rabideau und Campbell 1987). Bestrahlen der
et al. 1953). Verbindung über längere Zeit setzt den Abbau
Plutonium-VI-fluorid ist allgemein zur Anrei- bis zum Plutonium-IV-fluorid fort.
cherung von Plutonium und, wie bereits erwähnt, Halogenverbindungen des Pu-IV Das rotbraune
besonders zur Isolierung des spaltbaren Isotops Plutonium-IV-fluorid (PuF4) erzeugt man meist
239
94Pu aus bestrahltem Uran unverzichtbar (Audi durch Reaktion von Plutonium-IV-oxid (PuO2)
et al. 2003). In Kernreaktoren entsteht dabei auch oder auch Plutonium-III-fluorid (PuF3) mit Fluor-
das kurzlebige 24194Pu (t1/2: 14 a), das einerseits wasserstoff im Sauerstoffstrom bei Temperaturen
spaltbar ist, andererseits durch β-Zerfall in zwischen 450 und 600  C. Der Zusatz von Sauer-
241
95Am übergeht. Bei der Lagerung verbrauchter stoff soll hier einer möglichen Reduktion des
atomarer Brennstoffe erfolgt daher schnell eine Plutonium-IV-fluorids durch Spuren an Wasser-
Anreicherung des Americiums, das seinerseits stoff entgegen wirken, die eventuell im Fluorwas-
mit einer Halbwertszeit von 432 a infolge α-Zer- serstoff enthalten sind. Die Verbindung hat eine
falls zu 23793Np zerfällt und die wesentliche Ursa- Dichte von 7,1 g/cm3 und kristallisiert mit mono-
che für die starke Radioaktivität radioaktiver kliner Struktur (Zachariasen 1949).
Abfälle über Jahrhunderte hinweg ist. [24195Am Halogenverbindungen des Pu-III Das violette,
ist dagegen nur unter drastischen Bedingungen in Wasser schwer lösliche Plutonium-III-fluorid
(Beschuss mit Neutronen) spaltbar. Eventuell vor- (PuF3) stellt man durch Reaktion von Fluoriden
handenes Americium muss nasschemisch auf zu mit einer wässrigen Lösung von Plutonium-III-
Uran, Neptunium und Plutonium unterschiedliche nitrat her (Burney und Tober 1965). Eine weitere
Weise aufgearbeitet werden, da es im Unterschied Möglichkeit der Darstellung ist die Umsetzung
zu diesen die Oxidationsstufe +3 bevorzugt.] von Plutonium-III- oder -IV-oxalat oder Plu-
Die Trennung des Plutoniums von dem in ihm tonium-IV-oxid mit einem aus Fluorwasserstoff
enthaltenem Americium erfolgt durch Oxidation und Wasserstoff bestehenden Gasgemisch (Brauer
mit Disauerstoffdifluorid (O2F2), wobei flüchtiges 1978, S. 1299):
PuF6 und festes AmF4 entstehen. Ersteres destil-
liert ab, wird separat kondensiert und hat nur noch Pu2 ðC2 O4 Þ3 þ 6 HF ! 2 PuF3 þ 3 CO þ 3 CO2
einen sehr geringen Anteil an Americium; der 2 PuO2 þ H2 þ 6 HF ! 2 PuF3 þ 4 H2 O
Rückstand enthält dann entsprechend einen hohen
Anteil daran (Mills und Reese 1994). Uran und Die Verbindung schmilzt bzw. siedet bei Tempe-
Plutonium sind dagegen durch Fluorierung leicht raturen von 1396 bzw. 1957  C und ist flüchtiger als
voneinander trennbar, da Uran-VI-fluorid schon Americium-III-fluorid (Carniglia und Cunningham
bei relativ niedriger Temperatur entsteht (Golliher 1955; Kleinschmidt 1989). Plutonium-III-fluorid
und Harris 1973; Nishimura und Sugikawa 1979; besitzt eine Dichte von 9,33 g/cm3 und kristallisiert
Moser und Navratil 1984; Drobyshevskii et al. in der Lanthanfluoridstruktur (Koch 1972), in der
2002). jedes Plutoniumion von neun Fluoridionen in einer
Plutonium-VI-fluorid ist extrem giftig, ätzend verzerrten trigonal-prismatischen Struktur umgeben
und zudem noch stark radioaktiv. Bei Inkorpora- ist. Lange diskutierte man darüber, ob die schlechte
tion wird es in der Leber und den Nieren angerei- Wasserlöslichkeit des PuF3 geeignet sei, Plutonium
chert. aus Lösungen ausfällen und somit abtrennen zu
Halogenverbindungen des Pu-V Im amorphen können (Gupta 1990). Galt es früher als unwirt-
bzw. flüssigen Plutonium-V-fluorid (PuF5) lie- schaftlich (Winchester 1957), so scheint man heute
gen PuF5-Einheiten vor, die miteinander durch ein solches Verfahren zu favorisieren (Martella et al.
Fluorbrücken zu linearen Ketten verbunden sind 1984; Grebenkin et al. 1997).
(Lemire 2005, S. 352; Holleman et al. 2007, Plutonium-III-chlorid (PuCl3) liegt in Form
S. 1970). Man kann die Verbindung durch grüner Kristalle hexagonaler, zu Uran-III-chlorid
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1015

isotyper Struktur (Burns et al. 1975) und der


Dichte 5,7 g/cm3 vor, die bei einer Temperatur
von 767  C schmelzen (Siedepunkt der Schmelze:
1727  C). Man kann die Verbindung aus den
Elementen im Vakuum oder aus Plutonium und
Tetrachlorkohlenstoff unter Argon herstellen
(Brauer 1978, S. 1301). Auch ist die Reaktion
von Tetrachlorkohlenstoff und Plutonium-IV-oxid
eine mögliche Alternative:

2 PuO2 þ 4 CCl4 ! 2 PuCl3 þ 4 COCl2 þ Cl2

Ein anderer, in solchen Fällen durchaus gän-


giger Weg verläuft über Plutoniumhydrid und Abb. 19 Verschiedene Oxidationsstufen des Plutoniums
Chlorwasserstoff (Brauer 1978, S. 1301). Das in wässriger Lösung, von links (Pu3+) nach rechts
hygroskopische Plutonium-III-chlorid bildet mit [Plutonyl-VII, (PuO2)3+] (D. L. Clark 2000)
Wasser verschiedene Hydrate; bei deren Erhitzen
hydrolysiert das Trichlorid teilweise. (PuVIO2)2+ orange und (PuVIIO2)3+ dunkelgrün
Plutonium-III-bromid (PbBr3) erhält man (s. Abb. 19).
durch Reaktion hydratisierten Plutonium-IV-oxids Pnictogenverbindungen Das Überleiten von
mit Bromwasserstoff (Brauer 1978, S. 1303). Stickstoff über erhitztes, fein verteiltes Plutonium
Die Verbindung liegt in Form stark hygroskopi- liefert dunkelgraues Plutoniummononitrid (PuN),
scher blau- bis smaragdgrüner Kristalle orthor- das unter einem Stickstoffdruck von 1013 hPa
hombischer Struktur vor (Zachariasen 1948), in (der atmosphärische Luftdruck auf Meereshöhe)
denen eine Elementarzelle jeweils vier Formelein- inkongruent bei 2570  30  C schmilzt; man
heiten enthält. Der Feststoff hat eine Dichte von vermutet ferner, dass der Feststoff unter hohem
6,69 g/cm3 und schmilzt bei 681  C (Siedepunkt: Stickstoffdruck (ca. 50 bar) einen Schmelzpunkt
1463  C). von 2830  50  C besitzt. Allerdings beginnt sich
Zur Darstellung des grünen Plutonium-III-io- Plutoniumnitrid unter diesen Bedingungen in die
dids (PuI3) reduziert man Quecksilber-II-iodid mit Elemente zu zersetzen (Koch 2013). Schon bei
metallischem Plutonium (Brauer 1978, S. 1304): Temperaturen ab 280  C entzündet sich pulver-
förmiges Plutoniumnitrid auch in Luft und ver-
2 Pu þ 3 HgI2 ! 2 PuI3 þ 3 Hg brennt zu Plutonium-IV-oxid, selbst beim Stehen-
lassen an der Luft geht feinverteiltes Nitrid
Unter striktem Ausschluss von Sauerstoff und innerhalb weniger Tage in das Oxid über. Mit
Wasser ist auch die Umsetzung von Plutonium mit Kohlenstoff reagiert es beim Glühen zu Nitridcar-
Iodwasserstoff bei Temperaturen um 450  C mög- biden. War bisher der Standardbrennstoff in
lich. Die Struktur der Kristalle ist orthorhombisch, schnell brütenden Reaktoren eine Mischung aus
der Schmelzpunkt liegt bei 777  C und die Dichte Uran- und Plutoniumoxid, gilt bereits seit einiger
bei 6,92 g/cm3. Zeit eine Mischung der Carbide bzw. Nitride bei-
Ionische Spezies des Plutoniums in wässriger der Elemente als geeigneter (Bernard 1989; Gan-
Lösung Plutonium kann wie seine Nachbarele- guly 2014). Ausgangsstoff für diesen „Powder
mente Uran und Neptunium in mehreren Oxidati- Pellet“ („POP“)-Prozess sind in jedem Fall die
onsstufen in seinen Verbindungen auftreten. Die Oxide UO2 und PuOx.
stabilste Oxidationsstufe ist +4. In wässriger Plutoniummonophosphid (PuP) erhält man
Lösung zeigen die unterschiedlichen Plutonium- durch Überleiten von Phosphan (PH3) über zu-
ionen jeweils charakteristische Farben, so ist Pu3+ nächst frisch hergestelltes, fein verteiltes und dann
violett, Pu4+ braun, (PuVO2)+ hellpurpurfarben, thermolytisch teilweise zersetztes Plutonium-III-
1016 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

hydrid (Kruger et al. 1965). Danach homogenisiert


man das Material durch vierstündiges Erhitzen im
Wolframtiegel auf eine Temperatur von 1400  C
im Vakuum. Das entstandene Phosphid ist ein
grauer Feststoff.
Sonstige Verbindungen Plutoniumcarbide (PuC
und Pu2C3) können in Kombination mit Urancar-
bid ebenfalls als Brennnmaterial in Reaktoren
genutzt werden (Sharpe und Eméleus 1968).
Auch Silicide des Plutoniums sind schon lange Abb. 20 Kristallstruktur von Plutoniumhexaborid (Mate-
rialscientist 2009)
Gegenstand der Forschung (Milner et al. 1966).
Zur Herstellung von mit PN-Dioden betriebenen
Phasenwechsel-Speichergeräten wurde kürzlich, Bei Temperaturen ab 1200  C und höheren
neben vielen anderen Siliciden, Plutoniumsilicid Boranteilen bilden sich Gemische, die daneben
-wohl aber nur zur Vervollständigung der Reihe auch Plutoniumtetraborid (PuB4) und Plutonium-
der angemeldeten Metalle- zum Patent angemel- hexaborid (PuB6) enthalten. Ersteres besitzt die
det (Acton 2013, S. 368). tetragonale Struktur des Urantetraborids, PuB6
In den 1960er-Jahren bevorzugte man in Kern- die auch bei den Lanthanoidhexaboriden vorlie-
reaktoren mit Siliciumcarbid umhüllte Brennstäbe gende kubische CaB6-Struktur (s. Abb. 20), in der
aus Uran-Plutoniumcarbid. Dabei bildeten sich an oktaedrische B6-Einheiten im Zentrum jeder Ele-
der Grenzfläche der zwei festen Phasen die Pluto- mentarzelle angeordnet sind.
niumsilicide PuSi und PuSi2, die am britischen Wie vereinzelt bei den Seltenerdboriden zu
Atomic Energy Research Establishment identifi- beobachten, existiert auch hier ein Borid mit sehr
ziert wurden (Milner et al. 1966). hohem Boranteil („Plutoniumhectoborid, PuB100“),
Die bis heute bekannten vier Plutoniumboride allerdings dürfte es in Wirklichkeit ein PuB66 sein,
sind durch Umsetzung von Plutoniumgranalien mit das isotyp zum entsprechenden Yttriumborid (YB66)
pulverförmigem Bor unter Schutzgas und reduzier- ist (Fuger et al. 2006, S. 1002).
tem Druck zugänglich (McDonald und Stuart Plutoniumhydrid ist eine nicht-stöchiometri-
1960; Eick 1965). Oder man wählt die Darstellung sche Verbindung der Formel PuH2+x mit x 0,7.
aus Plutoniumhalogenid und Magnesiumdiborid, Ein höherer Gehalt an Wasserstoff bis zu PuH3
die schon bei mäßigem Erwärmen einsetzt. Pluto- ergibt metastabile Produkte. Die kubisch kristal-
niummonoborid (PuB) entsteht durch Reaktion aus lisierende Verbindung ist leicht durch Überleiten
den Elementen bei einer Temperatur von 1200  C von Wasserstoff über auf Temperaturen von
und kristallisiert im kubischen Kochsalzgitter, ähn- 100–200  C erhitztes, fein verteiltes Plutonium
lich wie die Boride der Metalle der vierten Neben- herstellbar (Meyer und Morss 1991). Im Zuge
gruppe (TiB, ZrB und HfB). des Produktübergangs von PuH2 nach PuH3 ver-
Plutoniumdiborid (PuB2) entsteht durch Um- tieft sich die Farbe von silbrig nach grauschwarz
satz stöchiometrischer Mengen beider Elemente bei einem gleichzeitigen Verlust elektrischer
bei 800  C; die Verbindung kristallisiert im Leitfähigkeit.
Aluminiumdiborid-Strukturtyp. (In diesem bilden Röntgendiffraktometrische Untersuchungen ei-
die Boratome wie die Kohlenstoffatome im Gra- ner Oberfläche von Plutoniummetall, die feuchter
fitgitter ebene Schichten aus Sechsecken. Ober- Luft bei erhöhter Temperatur (200–350  C)
und unterhalb des Zentrums jedes Sechsecks ausgesetzt war, zeigen die Anwesenheit der zu
befindet sich ein Aluminiumatom. Die Alumi- erwartenden Oxide des Plutoniums in den Oxida-
nium- sind von zwölf Boratomen in Form eines tionsstufen +3 bis +6 (Stakebake et al. 1993) und
hexagonalen Prismas und die Bor- sind von sechs auch des Plutoniumhydrids kubischer Struktur im
Aluminiumatomen in Form eines trigonalen auf der Oberfläche befindlichen Film. Letzteres
Prismas umgeben.) katalysiert offenbar die Oxidation des Metalls,
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1017

da der Wasserstoff sehr bereitwillig mit dem 0,32 mg/kg Körpergewicht (Los Alamos Science
Sauer- und Stickstoff der Luft reagiert (Haschke 2000).
et al. 2000; Haschke und Allen 2001). Viel gefährlicher ist aber seine Radioaktivität,
Plutonium-III-sulfat [Pu2(SO4)3] bildet Dop- die Krebs verursachen kann. Bereits die Inhala-
pelsalze mit Alkalisulfat in wässriger Lösung tion von 40 ng 23994Pu genügt, um den Jahres-
(Koch 2013, S. 187). Plutonium-IV-sulfat-Tetra- grenzwert für Inhalation zu erreichen. Diese
hydrat [Pu(SO4)2  4 H2O] kristallisiert aus wäss- Menge ist so gering, dass die Giftigkeit von Plu-
riger Lösung als korallenroter Feststoff aus (spec- tonium noch gar nicht zum Tragen kommen kann.
trum.de). Außerhalb des Körpers wird die von 23994Pu aus-
gesendete α-Strahlung schon durch die oberste
Anwendungen Plutonium nutzt man zivil in Hautschicht aus abgestorbenen Zellen abge-
Form von in Kernreaktoren befindlichen Brenn- schirmt. Diesen Schutz gibt es nicht bei In-
stäben zur Erzeugung von Energie und militärisch korporation, beispielsweise Inhalation, da die
in nuklearen Sprengköpfen. Die Brennstäbe ent- α-Strahlung unmittelbar die Zellkerne lebender
halten Uran- und Plutoniumoxid in unterschiedli- Zellen trifft.
chem Mischungsverhältnis (MOX); meist liegt Kleine Dosen an 23994Pu führen im Langzeit-
der Anteil des Plutoniumoxids bei 7–8 %. versuch erst nach frühestens zehn Jahren bei
Zur Herstellung von Kernwaffen benötigt man Hunden zu Knochenkrebs. Grund dafür ist mögli-
reines 23994Pu, von dem sowohl die USA als auch cherweise eine ungleichmäßige Verteilung des
Russland ca. 100 t besitzen sollen. Im Sprengkopf Plutoniums im Skelett sein, die zu punktuell stark
befindet sich das spaltbare Material (etwa Pluto- bestrahlten Stellen führt (Frisch 1977).
nium) meist in Form einer ausgehöhlten Kugel. Das in Kernreaktoren immer miterzeugte
241 241
An der linken und rechten Außenseite der Kugel 94Pu zerfällt sehr schnell zu 95Am, das große
sind herkömmliche TNT-Sprengsätze angebracht, Mengen relativ weicher γ-Strahlung abgibt. In
deren Explosionswirkung in Richtung der aus gelagertem Plutonium erreicht die Konzentration
Plutonium bestehenden Hohlkugel gerichtet ist. von 24195Am nach ca. 70 a ihren höchsten Stand
Die gleichzeitige Zündung der TNT-Sprengsätze und stellt ein besonderes Gefahrenpotenzial dar.
verdichtet die Hohlkugel, und die kritische Masse
(Mindestmasse eines aus spaltbarem Material
Patente
bestehenden Objektes, oberhalb derer die effek-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
tive Neutronenproduktion eine Kettenreaktion der
wide.espacenet.com)
Kernspaltung aufrechterhalten kann) wird erreicht
bzw. überschritten. Es kommt dann zur fortgesetz-
C. Li und C. Zuo, Plutonium feed liquid
ten, unter Emission riesiger Energie- und Strah-
containing oxaidation device method
lungsmengen verlaufenden Kernspaltung und der
(China Institute of Atomic Energy, CN
so bewirkten Detonation des Sprengkopfes. Den
108682466 A, veröffentlicht 19. Okto-
Umsetzungsgrad der Kernspaltung kann man
ber 2018)
durch Einbau von Neutronenreflektoren und zu-
X. Heres und G. Bernier, Use of Hydroxiimi-
sätzlichen Neutronenquellen auf nahezu 100 %
noalkalnoic acids as anti-nitrous agents in
bringen.
operations of reductive stripping of pluto-
nium (Commissariat à l’Energie Ato-
Toxizität Plutonium ist wie einige andere
mique et aux Energies Alternatives; Orano
Schwermetalle giftig und schädigt besonders die
Cycle, US 2018286527 A1, veröffentlicht
Nieren. Es bindet ebenfalls an Proteine im Blut-
4. Oktober 2018)
plasma und lagert sich oft in den Knochen und der
C. Zuo und W. Zheng, Method for recy-
Leber ab. Die für einen Menschen tödliche Dosis
cling plutonium from spent radioactive
dürfte lediglich im zweistelligen Milligrammbe-
reich liegen, für Hunde beträgt die LD50Dosis (Fortsetzung)
1018 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Schicht von Plutonium-IV-oxid bedeckt war.


fuel (China Institute of Atomic Energy, Dann beschoss man die Folie im Zyklotron mit
WO 2018157424 A1, veröffentlicht Neutronen, löste die Beschichtung danach mit
7. September 2018) Salpetersäure wieder auf, fällte die Hydroxide
G. Zhang, Uranium plutonium mixed oxide mit wässriger Ammoniaklösung, löste diese in
fuel equipment (privat, CN 108305692 A, Perchlorsäure auf und ließ diese saure Lösung
veröffentlicht 20. Juli 2018) über Kationenaustauscher laufen. Als erstes
V. N. Momotov und A. E. Erin, Method for Isotop des neuen Elements konnte die Gruppe
241
joint determination of mass content of 95Am erzeugen, später folgten weitere Isotope.
neptunium, americium and plutonium Für dieses durch α-Zerfall in 23793Np übergehende
241
in solutions using spectrophotometric 95Am konnte man die Halbwertszeit unter He-
method (Rossijskaya Federatsiya Ot ranziehung der zur damaligen Zeit verfügbaren
Imeni Kotoroj Vystupaet Goskorporat- Methoden relativ genau mit 510  20 a bestim-
siya Rosatom, Ru 2647837 C1, veröf- men; zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführte
fentlicht 19. März 2018) Messungen ergaben den heute allgemein verwen-
C. Zuo und Z. Yuan, Uranium purification deten Wert von 432,2 a.
method for simultaneously removing nep-
tunium and plutonium in nuclear fuel Pu- Der US-Amerikaner Albert Ghiorso (* 15.
rex post-treatment process (China Institute Juli 1915 Vallejo, CA, USA; † 26. Dezem-
of Atomic Energy, CN 107130121 A, ver- ber 2010 Berkeley, CA, USA) studierte zu-
öffentlicht 5. September 2017) nächst Elektrotechnik und konstruierte
E. P. Loewen und Z. W, Kusslow, Methods danach Geigerzähler. Er wurde daraufhin
of fabricating metallic fuel from surplus Mitglied des Manhattan-Projektteams und
plutonium (privat, US 2016053391 A1, arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg
veröffentlicht 25. Februar 2016) zusammen mit Glenn Seaborg an der Her-
B. Schmitt und Wolfgang Dorr, Method for stellung der Transurane. Ghiorso war an der
sintering pellets from nuclear fuel (Sie- Erzeugung der Transurane bzw.- Transacti-
mens AG, TW 341705 B, veröffentlicht noide mit den Ordnungszahlen 95 bis
1. Oktober 1998) 106 maßgeblich beteiligt.
Die American Academy of Arts and Sci-
ences wählte ihn 1972 zu ihrem Mitglied,
und 2004 erhielt er den Lifetime Achieve-
5.6 Americium ment Award der Radiochemistry Society.
Ursprünglich sollte zu seinen Ehren das
Geschichte Ende 1944 entdeckte die Gruppe um Element 118, Oganesson, Ghiorsium ge-
Seaborg und Ghiorso Americium sowohl unter nannt werden. Dieser Namensvorschlag
musste aber zurück gezogen werden, als
Verwendung des Zyklotrons der Universität von
über Fälschungen von Messdaten berichtet
Kalifornien, Berkeley, als auch am Argonne
wurde, die von einem Mitarbeiter seiner
National Laboratory, zu dieser Zeit ein Labor der
früheren Arbeitsgruppe stammen sollten.
Universität von Chicago. In Analogie zum Ele-
ment Europium, das in der homologen Reihe der
Seltenerdmetalle über ihm steht, wurde das neu Gewinnung Americium fällt in kleinen Mengen
entdeckte Element Americium genannt (Seaborg in Kernreaktoren an und ist heute in Kilogramm-
et al. 1946, 1948, 1950). mengen verfügbar. Es muss aus abgebrannten
Damals trugen die Forscher eine wässrige Brennstäben isoliert werden und ist daher sehr
Lösung von Plutonium-IV-nitrat [239Pu(NO3)4] teuer. Americium-IV-oxid (mit dem Isotop
241
auf ein kleines Stück Platinfolie auf und glühten 95Am) kostet ca. US$ 1500 pro g (World
die Folie, bis sie mit einer – extrem dünnen- Nuclear Association 2014). Das Isotop 24395Am
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1019

entsteht in geringeren Mengen als 24195Am im 1962), was deutlich unter den Dichten für Uran,
Reaktor und ist daher noch erheblich teurer (US$ Neptunium und Plutonium liegt.
160 pro mg) (Florida Spectrum Environmental Es kann in insgesamt zwei Modifikationen
Services, Inc. 2008). auftreten. Die unter Standardbedingungen stabile
Americium fällt auf dem Weg über das Pluto- Modifikation α-Am kristallisiert mit hexagonaler
niumisotop 23994Pu in Kernreaktoren zwangs- Struktur (doppelt-hexagonal dichteste Kugelpa-
weise an. Aus letzterem wird, falls es nicht zur ckung mit der Schichtfolge ABAC). Diese
Kernspaltung kommt, durch stufenweisen Neu- Struktur ist somit isotyp zu der von α-La
troneneinfang (n,γ) und folgendem β-Zerfall unter (McWhan et al. 1962; Gmelins Handbuch der
anderem 24195Am oder 24395Am erbrütet. Anorganischen Chemie). Bei hohem Druck geht
Das aus abgebrannten Brennstäben von Leis- α-Am in β-Am über. Diese β-Modifikation kris-
tungsreaktoren gewonnene Plutonium besteht zu tallisiert im kubischen Kristallsystem (kubisch
etwa 12 % aus dem Isotop 24194Pu. Erst 70 a nach dichteste Kugelpackung mit der Stapelfolge
beendetem Brüten erreichen die abgebrannten ABC (McWhan et al. 1962).
Brennstäbe ihren Höchstgehalt von 24195Am; Die Lösungsenthalpie von Americium in
danach nimmt dessen Anteil wieder ab, jedoch Salzsäure bei Standardbedingungen beträgt
langsamer als der Anstieg des Massenanteils 620,6  1,3 kJ/mol. Ausgehend davon wurde
erfolgte [BREDL (Blue Ridge Environmental die Standardbildungsenthalpie (ΔH0) von Am3
Defense League)]. +
(aq.) auf 621,2  2,0 kJ/mol und das Standard-
Aus dem so entstandenen 24195Am kann durch potenzial E0 für die Reaktion Am3+ + 3e ➔ Am
weiteren Neutroneneinfang im Reaktor 24295Am auf 2,08  0,01 V berechnet (Mondal et al.
gebildet werden, das in Form zweier Kernisomere 1987).
auftritt. Americium ist reaktionsfähig, da es schon bei
Zur Herstellung des Isotops 24395Am ist ein Raumtemperatur mit Luftsauerstoff reagiert und
vierfacher Neutroneneinfang des 23994Pu erforder- sich gut in Säuren löst. Gegenüber Alkalien ist es
lich: stabil.

 243
94 Pu! ð4,96hÞβ þ
239 1 243 Verbindungen
94 Puþ4 0 n! 95 Am
Chalkogenverbindungen Americium-III-oxid
Metallisches Americium kann durch Reaktion (Am2O3) erhält man durch Erhitzen von Ameri-
von Americium-III-fluorid in wasser- und sauer- cium-IV-oxid (AmO2) im Vakuum, oder aber
stofffreier Umgebung in Reaktionsapparaturen man reduziert das Dioxid mittels Wasserstoffgas
aus Tantal und Wolfram mit elementarem Barium (Chikalla und Eyring 1968). Der rotbraune Fest-
erhalten werden (Westrum und LeRoy 1951). Die stoff schmilzt bei einer Temperatur von 2205  C
Reduktion von Americium-IV-oxid mittels Lan- (Holleman et al. 2007, S. 1972) und tritt in Ge-
than oder Thorium ergibt ebenfalls metallisches stalt dreier Modifikationen auf, der hexa-
Americium (Wade und Wolf 1967): gonal kristallisierenden α-Form (Templeton und
Dauben 1953), der monoklin strukturierten
3 AmO2 þ 4 La ! 3 Am þ 2 La2 O3 β-Form und des im Mangan-III-oxid-Gittertyp
kristallisierenden γ-Americium-III-oxids (Koch
Eigenschaften Americium ist ein künstlich er- 1972, S. 33).
zeugtes, radioaktives, in frisch hergestelltem Americium-IV-oxid (AmO2) entsteht aus-
Zustand silberweißes Metall, das bei Raumtempe- schließlich künstlich in Kernreaktoren beim
ratur an der Luft langsam matt wird. Es ist leicht Bestrahlen von Urandioxid (UO2) bzw. Pluto-
verformbar. Sein Schmelzpunkt beträgt 1176  C niumdioxid (PuO2) mit Neutronen. Liegen erst
(s. Tab. 6; Wade und Wolf 1967), der Siedepunkt einmal Verbindungen des Americiums vor, so
2607  C. Die Dichte liegt dagegen bei nur entsteht das Dioxid auch durch Glühen von
13,67 g/cm3 (Wade und Wolf 1967; McWhan et al. Americium-III-oxalat [Am2(C2O4)3] oder Ameri-
1020 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Tab. 6 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Americium


Symbol: Am
Ordnungszahl: 95
CAS-Nr.: 7440-35-9

241
Aussehen: Silbrig-weiß 95Am unter dem
Farbe von Amx+aq.: Siehe „Verbindungen“ Mikroskop (Bionerd 2010)
Entdecker, Jahr Seaborg, Ghiorso, James, Morgan (USA, 1944)
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
240
95Am (synthetisch) 50,8 h ε > 24094Pu
241
95Am (synthetisch) 432,2 a α > 23793Np
242 m1
95Am (synthetisch) 141 a IT > 24295Am
243
95Am (synthetisch) 7370 a α > 23993Np
241
Preis (US$, 2014/2008*) 1 g AmO2 ( 95Am) 1500
1 mg AmO2 (24395Am) 160
Atommasse (u): 243,061
Elektronegativität (Pauling) 1,3
Normalpotenzial (V; Am3+ + 3 e ! Am) 2,08
Atomradius (berechnet, pm): 184 (—)
Kovalenter Radius (pm): 229
Ionenradius (pm): 92 (Am4+)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 5f7
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 547
Magnetische Volumensuszeptibilität: 7  104
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 74 (24395Am)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 147,1
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): Keine Angabe
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): Keine Angabe
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 13,67
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 17,78  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 10
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): 62,7
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1176 ♦ 1449
Schmelzwärme (kJ/mol): 14,4
Siedepunkt ( C ♦ K): 2607 ♦ 2880
Verdampfungswärme (kJ/mol): 239

cium-III-nitrat [Am(NO3)3] bei Temperaturen um bindungen sind von Silva et al. zusammengefasst
950  C (Fried 1951). Der schwarze Feststoff worden (1995).]
kristallisiert in der kubischen Fluoritstruktur, Americium-IV-oxid auf Basis des Isotops
hat die Dichte 11,68 g/cm3 und schmilzt bei 241
95Am wurde als Emitter von Ionen in der Ver-
ca. 1000  C unter Zersetzung. [Die thermodyna- gangenheit oft in Ionisationsrauchmeldern einge-
mischen Daten des Americiums und seiner Ver- setzt, diese werden aber heute wegen deren Radio-
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1021

dieser Verbindung. Nur γ-Am2S3 als einzige stabile


Hochtemperaturmodifikation bleibt übrig.
Das schwarze α-Americium-III-sulfid wurde
erstmals in einer Menge von ca. 50 mg durch
Umsetzung einer stöchiometrischen Menge Schwe-
fel mit Americiumhydrid im evakuierten Röhrchen
bei einer Temperatur von 300 bis 500  C über vier
Abb. 21 Innenseite eines mit 241
95Am ausgerüsteten Tage hinweg dargestellt (Koch 2013 und darin
Rauchmelders (MD111 2009) zitierte Literatur). γ-Americium-III-sulfid kann
man in fünfminütiger Reaktion von Americium-
aktivität und der damit verbundenen Risiken IV-oxid mit Schwefelwasserstoff und Schwefelkoh-
zunehmend durch optische und thermische Mel- lenstoff bei Temperaturen von 1400–1500  C im
der ersetzt. Grafittiegel erzeugen.
Die Funktionsweise dieser Rauchmelder Roddy et al. stellten 1974 zwei Americiumse-
(s. Abb. 21) besteht darin, dass in ihnen ein gerin- lenide dar, Am3Se4 mit kubisch raumzentrierter
ges Volumen an Luft der α- bzw. β-Strahlung einer Struktur und AmSe2 mit tetragonaler. Von diesen
radioaktiven Substanz ausgesetzt und ionisiert Verbindungen konnten die Gitterkonstanten
wird. Zwei im Melder installierte Elektroden mes- bestimmt werden (Roddy 1974).
sen die Leitfähigkeit der Luft, die bei Anwesen- Halogenverbindungen Das schwach rosafar-
heit vieler Ionen auch entsprechend hoch ist. Ent- bene Americium-IV-fluorid (AmF4) hat die Dichte
hält die Luft aber Rauchpartikel, lagern sich die 7,32 g/cm3 (Runde und Schulz 2006) und kristal-
Ionen an diese an. Deshalb sinkt die Leitfähigkeit lisiert in monokliner, zu Uran-IV-fluorid isotyper
der Luft deutlich, und der Ionisationsmelder mel- Struktur mit zwölf Formeleinheiten je Elementar-
det Alarm. Das Gerät vergleicht den Stromfluss in zelle (Asprey und Haire 1973). Hergestellt wird
der Mess- mit dem in der Referenzkammer. Als es durch Fluorieren von Americium-III-fluorid
wirksam erwies sich über lange Zeit der Einsatz (Asprey 1954; Asprey und Penneman 1961,
des Isotops 24195Am, da das Ausmaß der von ihm 1962; Kruse und Asprey 1962):
abgegebenen γ-Strahlung viel geringer als das des
früher eingesetzten 22688Ra ist. Die nach einiger 2 AmF3 þ F2 ! 2 AmF4
Zeit durch chemische Prozesse auftretende Ver-
änderung der Verbindung, die, wenn überhaupt, Americium-III-fluorid (AmF3) fällt aus einer
nur gelegentlich mit einer sehr dünnen Goldfolie schwach sauren, Am3+-Ionen enthaltende Lö-
verkapselt wurde, führte jedoch zu nicht tolerier- sung als Niederschlag aus, wenn Fluoridionen
baren Fehlfunktionen und auch zum Austritt zugesetzt werden (Holleman et al. 2007;
radioaktiver Substanzen in die Umgebung. S. 1969). Ebenso gelang die Darstellung der Ver-
Im System Americium-Schwefel sind das bindung durch Überleiten eines aus Fluorwasser-
im kubischen Kochsalztyp kristallisierende Ame- stoff und Sauerstoff bestehenden Gemisches
riciummonosulfid (AmS), das α-bzw. γ-Americium- über Americium-III-hydroxid bei ca. 700  C
III-sulfid (Am2S3) kubischer (Thoriumphosphid-Typ) (Fried 1951). Der rosafarbene Feststoff besitzt
bzw. orthorhombischer Struktur (α-Cer-III-sulfid- die Dichte 9,53 g/cm3 und schmilzt bei einer
Typ) und ein höheres, in seiner Zusammensetzung Temperatur von 1393  C. Seine Kristallstruktur
nahe an das Disulfid reichendes Sulfid charakterisiert. ist die des hexagonal strukturierten Lanthanfluo-
Erstgenanntes ist leicht flüchtig, das α- Americium- rids (Kruse et al. 1965). Americium-III-fluorid
III-sulfid zersetzt sich beim Erhitzen auf Temperatu- ist Ausgangsstoff zur Synthese metallischen
ren um 650  C in AmS und γ-Americium-III-sulfid. Americiums, indem man es in Tiegeln aus hoch-
Bei weiterer Steigerung der Temperatur verflüchtigt schmelzendem Metall (meist Tantal oder Wolf-
sich das Monosulfid und kann kondensiert werden; ram) mit Barium umsetzt (Westrum und Eyring
dies ist die einzig gangbare Methode zur Darstellung 1951).
1022 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Wasserfreies Americium-III-chlorid (AmCl3) Chlorwasserstoff. Diese Addukte kristallisieren


schmilzt bzw. siedet bei Temperaturen von mit orthorhombischer Struktur und isotyp zu eini-
715 bzw. 1253  C (Weigel und Schuster 1985), gen analogen Chlorokomplexen der Seltenerd-
hat die Dichte 5,87 g/cm3 und liegt in Form rosa- metalle, wie beispielsweise K2PrCl5; ihre Gitter-
farbener Kristalle hexagonaler, zu Uran-III-chlorid konstanten liegen erwarteterweise im Bereich
isotyper Struktur mit zwei Formeleinheiten pro Ele- derer der Gruppe Neodym-Promethium-Samari-
mentarzelle vor. Das Hexahydrat (AmCl3  6 H2O) um (Schleid et al. 1987).
besitzt aber eine monokline Kristallstruktur Americium-III-bromid (AmBr3) stellten Kruse
(Kruse et al. 1965; Burns und Peterson 1971). Vor et al. durch Reaktion von Americium-III-chlorid
einigen Jahren gelang die Synthese des wasser- mit Ammoniumbromid bei Überleiten von Was-
freien Chlorids analog zu dem des Curiums durch serstoff und bei Temperaturen oberhalb von
Reaktion von miteinander vermischtem Cadmium- 400  C dar (Kruse et al. 1965). Das in wasserfreier
chlorid mit Americiumnitrid (Hayashi et al. 2008). Form farblose Salz hat die Dichte von 6,79 g/cm3
Americium ist, vom Thorium aus betrachtet, und kristallisiert mit vier Formeleinheiten pro Ele-
das erste Element der Actinoiden-Reihe, das eine mentarzelle und in orthorhombischer Struktur.
gewisse Analogie zu seinem Pendant in der Analog setzten Kruse et al. Americium-III-
Gruppe der Seltenerden, hier Europium, zeigt. chlorid mit Ammoniumiodid zur Darstellung
Wie dieses kann es von seinem Zustand in der von Americium-III-iodid (AmI3) um (1965). Der
Oxidationsstufe +3 relativ leicht in den der Stufe hellgelbe Feststoff einer Dichte 6,04 g/cm3
+2 überführt werden. So überführt etwa der schmilzt bei der relativ hohen Temperatur von
Zusatz metallischen Americiums zu geschmolze- 950  C und kristallisiert trigonal mit sechs For-
nem, wasserfreiem Americium-III-chlorid jenes meleinheiten pro Elementarzelle im Bismut-III-
in Americium-II-chlorid (Pernel et al. 2001; Pun- iodid-Typ (Koch 2013, S. 154).
jak et al. 2001). Pnictogenverbindungen Americiummononitrid
Bei der Aufarbeitung von Brennmaterialien (AmN) galt, wie auch Nitride anderer Actinoide,
will man das ursprünglich in reiner Form einge- noch vor einigen Jahren als Brennstoff der
setzte Plutonium (24194Pu) zurückgewinnen; die- Zukunft für Kernreaktoren wegen seines hohen
ses reicherte sich aber zuvor während einiger Schmelzpunktes und Anteils an radioaktivem
Jahre infolge radioaktiven Zerfalls an 24195Am Metall sowie auch infolge seiner guten chemi-
an. Das hinsichtlich seiner Reaktivität den Selten- schen Stabilität. Als mögliche Methode der Dar-
erdmetallen nahestehende Americium zeigt oft stellung zeigten Forscher des Kernforschungs-
ein zu den leichteren Nachbarn der Actinoiden- zentrums Karlsruhe die Reaktion von Stickstoff
reihe (Neptunium, Plutonium) abweichendes Ver- mit feinverteiltem Americium auf, alternativ auch
halten. So reagiert americiumhaltiges Plutonium die carbothermische Reduktion des Americium-
in einer in einem Tiegel befindlichen, aus Chlori- III-oxids (erstmals beschrieben von Takano et al.
den des Magnesiums, Natriums, Kaliums oder 1999) bei gleichzeitigem Überleiten von Stick-
Calciums bestehenden Schmelze derart, dass das stoff, wofür als höchste zulässige Temperatur
reaktionsfähigere Americium zu Americium-III- etwa 1300  C angegegen wurde, um Verdamp-
chlorid umgesetzt wird, wogegen das geschmol- fungsverluste des Metalls in Grenzen zu halten.
zene, schon fast americiumfreie Plutonium unter Allerdings beschränkten sich die Autoren der
die Salzschmelze auf den Boden des Tiegels sinkt, Karlsruher Arbeitsgruppe auf die Erzeugung zir-
abgelassen und nur noch elektrolytisch raffiniert coniumnitridhaltiger Pellets (Fernandez et al.
werden muss. 2004). (Zirconium hat einen sehr geringen Ein-
Americium-III-chlorid bildet mit in salzsau- fangsquerschnitt für thermische Neutronen bei
rer Lösung vorliegenden Alkalichloriden auch gleichzeitig hoher Beständigkeit gegen Korrosion
Chlorokomplexe wie K2AmCl5, Rb2AmCl5 und und wird daher in Form seiner Legierungen als
(NH4)2AmCl5; hierzu erhitzt man den beim Ein- Hülle für die uranhaltigen Brennelemente einge-
dampfen der Lösung erhaltenen Rückstand unter setzt.)
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1023

Eine allgemeine Anweisung zur Darstellung noch unsicher. Mit Reflektor beträgt die
von Nitriden, Sulfiden, Phosphiden und Oxiden kritische Masse sogar nur 3–5 kg (Dias et al.
der Actinoide enthält US 5218112. Demnach 2003).
konnten die oben genannten Zielverbindungen Theoretisch eignet sich dieses Isotop für
aus einer organometallischen Actinoidverbindung Raumschiffe mit atomarem Antrieb oder zum
und einer protischen Lewis-Base (Ammoniak, Bau sehr kompakter Kernwaffen, aber Americium
Phosphan, Hydrogensulfid und Wasser in einem ist gegenwärtig generell nur in sehr kleinen Men-
geeignetem Lösungsmittel erzeugt werden. Als gen verfügbar. Daher wird 242m195Am auch nicht
Zwischenprodukt bildet sich -im Falle der Nitride- in Kernreaktoren eingesetzt, obwohl es dazu
zunächst ein Amminkomplex, den man danach geeignet wäre (Ronen et al. 2000). Die zwei ande-
durch Erhitzen in das Nitrid überführen kann ren, in größeren Mengen vorhandenen Isotope,
241 243
(Van der Sluys et al. 1992). 95Am und 95Am sind zwar in der Lage, in
Die temperaturabhängige Ausdehnung des einem schnellen Reaktor eine Kettenreaktion auf-
Gitters von Americium-, Plutonium- und Neptu- rechtzuerhalten, jedoch besitzen sie zu hohe kriti-
niumnitrid beschreiben Takano et al. (2008). sche Massen [unreflektiert 65  10 kg bei
241 243
Ebenso stellten Roddy et al. drei höhere Ameri- 95Am, 209 kg bei 95Am (Institut de Radio-
ciumpnictogenide unter Einsatz des längstlebigen protection et de Sûreté Nucléaire)].
Isotops 24395Am dar und charakterisierten sie auch, Die vom Isotop 24195Am emittierte α-Strah-
soweit möglich. In drei dieser Systeme gelang es der lung (Halbwertszeit 432,2 a) nutzt man in Ionisa-
Arbeitsgruppe des Oak Ridge Laboratory, Legierun- tionsrauchmeldern (World Nuclear Association
gen mit jeweils ungefähr gleichem Verhältnis der 2014), da seine γ-Aktivität klein ist. Der Zerfall
Atome (AmAs, AmSb und AmBi) in kleinster Menge führt zur Bildung von 23793Np, das wegen seiner
zu erzeugen, die jeweils in der kubischen Koch- hohen Halbwertszeit von 2,144 Mio. a für diese
salzstruktur kristallisieren (Roddy 1974). Anwendung zu inaktiv ist.
Sonstige Verbindungen Die Carbide der Dasselbe Isotop (24195Am) könnte auch in Ra-
Actinoiden der Ordnungszahlen 90 bis 95, unter dionuklidbatterien (RTG) von Raumsonden ein-
ihnen Americiumcarbid (Am2C3), haben bis auf gesetzt werden, dies wurde technisch aber noch
das gelbe Thoriumdicarbid ein silbermetallisches nicht umgesetzt.
Aussehen und sind hochschmelzende, aber hy- In der Medizin setzt man 24195Am, in Form
drolyseempfindliche Feststoffe. Sie entstehen seines Oxids mit Beryllium verpresst, als Neu-
durch Reaktion des Metalls oder seines Hydrids tronenquelle für radiochemische Untersuchun-
mit Kohlenstoff oder auch geeigneten Kohlen- gen ein (Binder 1999, S. 174–178). Durch ihren
wasserstoffen bei hoher Temperatur (Ahrland hohen Wirkungsquerschnitt für die von 24195Am
et al. 1973; Koch 1972, S. 209). ausgesandten (α,n)-Teilchen werden die Beryl-
Für die Americiumboride AmB4 und AmB6 lium- in entsprechende Kohlenstoffisotope
beschrieben zuerst Eick und Mulford 1969 die umgewandelt.
Gitterparameter. AmB4 kristallisiert isotyp zu Americium ist Ausgangsstoff zur Herstellung
Cerborid (CeB4) mit tetragonaler, AmB6 istotyp von Isotopen höherer Ordnungszahl, zum Bei-
zu Calciumborid (CaB6) mit kubischer Struktur spiel der Curiumisotope 24296Cm und 24496Cm.
(Ahrland et al. 1973, S. 398). In Teilchenbeschleunigern erzeugt man durch
Beschuss von 24195Am mit 126C bzw. 2210Ne Ein-
Anwendungen Das Isotop 242m195Am hat mit steinium 24799Es bzw. Dubnium 260105Db.
ca. 5700 barn den höchsten jemals gemessenen Mit seiner intensiven Gammastrahlungs-
thermischen Spaltquerschnitt für eine induzierte Spektrallinie bei 60 keV zeigt 24195Am gute Eig-
Kernspaltung (Seelmann-Eggebert et al. 2006). nung als Strahlenquelle für die Röntgen-Fluores-
Die kritische Masse einer Kugel aus reinem zenzspektroskopie. Dies nutzt man auch zur
242m1
95Am beträgt nur 9–14 kg; die Wirkungs- Kalibrierung von Gammaspektrometern im nie-
querschnitte aller Isotope sind aber zum Teil derenergetischen Bereich, da die benachbarten
1024 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Linien vergleichsweise schwach sind und so ein stellung der ersten Nuklide des Americiums ge-
einzeln stehender Peak entsteht. wählt wurde. Dazu trug man eine wässrige
Lösung von Plutoniumnitrat [239Pu(NO3)4] auf
ein kleines Stück Platinfolie auf und glühte diese,
Patente
bis sie mit einer sehr dünnen Schicht von
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
Plutonium-IV-oxid bedeckt war. Dann beschoss
wide.espacenet.com)
man die Folie im Zyklotron mit Heliumkernen,
löste danach die Oxidschicht in Salpetersäure auf
T. Haraga und Y. Sato, Fluorescent probe for
und fällte durch Zugabe konzentrierten Ammo-
americium and curium measurement,
niakwassers die Metalle in Form ihrer Hydroxide
and separation and quantitative analysis
aus. Diese löste man in Perchlorsäure und gab
method for americium and curium (Japan
diese Lösung über Ionenaustauscher. Nachgewie-
Atomic Energy Agency, JP 6332669 B2,
sen wurde dabei die Isotope 24296Cm und 24096Cm.
veröffentlicht 30. Mai 2018)
Hayashi et al. griffen kürzlich die Abtrennung des
M. Alyapyshev und V. A. Babain, Method
Curiums von Plutonium bei gleichzeitiger Anwe-
for isolating americium from liquid
senheit von Spuren an Americium erneut auf
radioactive waste and for separating ame-
(Hayashi et al. 2013). Eine elegante Trennung ist
ricium from rare earth elements (State
mittels Ionenaustauscherharzen möglich, die Pyri-
Atomic Energy Corporation Rosatom on
dinstrukturen als funktionelle Gruppen enthalten
behalf of the Russian Federation, CN
(Suzuki 2007).
108026610 A, veröffentlicht 11. Mai
Das im Sommer 1944 erzeugte 24296Cm ent-
2018)
stand nach:
G. S. Jarvinen und L. A. Seaman, Oxidation
of americium in acidic solution (privat,
US 2015337412 A1, veröffentlicht 26. 239
þ 4
! 242
þ 1
94 Pu 2 He 96 Cm 0n
November 2015)
V. J. Seljavskij und M. N. Gerasimenko, Dieses neue Curiumisotop zerfiel unter α-Strah-
Method of extracting americium from lung mit einer Halbwertszeit von 150 d (damals
wastes (SIB Khim Kom AOOT, RU ermittelter Wert; heute zu 162,8 d bestimmt) wie-
2508413 C1, veröffentlicht 27. Februar der zu einem Isotop des Plutoniums (23894Pu).
2014) Ein halbes Jahr später entdeckte die Gruppe
W. W. Schulz, Removal of plutonium and unter Anwendung derselben Technik ein noch
americium from alkaline waste solutions kurzlebigeres Isotop (24096Cm, t1/2: 27 d) durch
(US Energy, US 4156646 A, veröffent- Beschuss von 23994Pu mit Kernen des Heliums
licht 29. Mai 1979) (α-Teilchen):

239
94 Pu þ 4
2 He ! 240
96 Cm þ 31 0 n
5.7 Curium
[Erstaunlich ist, dass Curium, gemessen an
Geschichte Noch vor der Entdeckung des Ame- seiner bereits hohen Ordnungszahl, durchaus in
riciums stieß die Arbeitsgruppe um Seaborg (Sea- Form langlebiger Isotope auftreten kann; alle
borg, Ghiorso und James) im Sommer 1944 auf diese synthetisierte man später: 24696Cm, t1/2:
Curium. Auch hierfür nutzten die Forscher bereits 4760 a, 25096Cm, t1/2: 8300 a, 24596Cm, t1/2:
das in Berkeley installierte 60-Inch-Zyclotron 8500 a, 24896Cm, t1/2: 348.000 a(!)]
(Seaborg et al. 1949; Lumetta et al. 2006). Auch Eine vergleichende Beschreibung der wichtigen
sonst entsprach die Durchführung des Versuches Eigenschaften von Verbindungen des Americiums
weitgehend derjenigen, die etwas später zur Dar- und Curiums geben Weigel und Kohl (1985).
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1025

Diese Reaktion findet unter anderem im Kern-


Der US-amerikanische Chemiker Ralph reaktor statt, so dass 24496Cm auch bei der Wie-
Arthur James (* 23. September 1920 Salt deraufarbeitung abgebrannter Brennstäbe in
Lake City, UT; † 24. Februar 1973 Alamo, geringen Mengen entsteht. Wegen seiner langen
CA) war an der Entdeckung der Elemente Halbwertszeit verwendet man bevorzugt 24896Cm.
Americium und Curium beteiligt. Er stu- Am leichtesten und mit einer Isotopenreinheit von
dierte zunächst an der University of Califor- 97 % erhält man dieses Isotop durch α-Zerfall von
nia, Berkeley und promovierte bei Seaborg 252
98Cf (Californium), das wegen seiner relativen
in Chicago mit Arbeiten zur Chemie des Stabilität besser verfügbar ist. Pro Jahr erhält man
Plutoniums. 1943 wurde er Mitglied dessen
bei Anwendung dieses Verfahrens 35 bis 50 mg
Arbeitsgruppe, ab den 1950er-Jahren arbei- 248
96Cm.
tete James an der University of California,
Metallisches Curium erhält man z. B. durch
Los Angeles und am Lawrence Livermore
Umsetzung von Curium-III-fluorid in wasser-
National Laboratory.
und sauerstofffreier Umgebung in Reaktionsappa-
raturen aus Tantal und Wolfram mit elementarem
Gewinnung Curium entsteht im Kernreaktor in Barium oder Lithium (Lumetta et al. 2006; Cun-
äußerst kleiner Menge; der weltweite Vorrat beläuft ningham und Wallmann 1964; Stevenson und
sich auf wenige kg. Daher ist es sehr teuer Peterson 1979):
(ca. US$ 160/mg für 24496Cm bzw. 24896Cm, 2014).
Im Reaktor wird es aus 23892U durch mehrere CmF3 þ 3 Li ! Cm þ 3 LiF
aufeinanderfolgende Kernreaktionen gebildet. Zu-
erst erfolgt ein Neutroneneinfang, gefolgt von zwei Ebenso ergibt die Reduktion von Curium-IV-
β-Zerfällen, wodurch 23994Pu entsteht. Von jenem oxid durch eine Magnesium-Zink-Legierung in
ausgehend finden zwei weitere (n,γ)-Reaktionen einer Schmelze aus Magnesiumchlorid und -fluo-
mit anschließendem β-Zerfall statt; Ergebnis ist rid metallisches Curium (Eubanks und Thompson
das Americiumisotop 24195Am. Dieses ergibt nach 1969).
einer weiteren (n,γ)-Reaktion mit nachfolgendem
β-Zerfall das Isotop 24296Cm (Binder 1999): Eigenschaften Curium ist ein künstlich erzeug-
tes, radioaktives Metall, ziemlich hart und mit
239
94 Pu þ 2 1
0 n=  γ ! 241
94 Pu silbrig-weißem Aussehen. Das zu Curium analoge

! ð14, 35 aÞβ þ 241 Lanthanoid, dem es auch sehr ähnelt, ist das
95 Am
Gadolinium. Der Schmelzpunkt des Curiums
von 1340  C liegt deutlich höher als diejenigen der
95 Am þ 0 n=  γ !
241 1 242
95 Am
vorhergehenden Transurane Neptunium (637  C),
! ð16, 02 hÞβ þ 242 96 Cm Plutonium (639  C) und Americium (1173  C)
(s. Tab. 7). Verglichen damit schmilzt Gadolinium
Curium kann man besser auch gezielt aus Plu- bei 1312  C. Der Siedepunkt von Curium liegt bei
tonium gewinnen, das in abgebrannten Brenn- 3110  C.
stäben in größeren Mengen vorkommt. Dazu Unter Standardbedingungen liegt das hexago-
bestrahlt man das Plutonium mit einer starken nal kristallisierende α-Cm vor. Oberhalb eines
Neutronenquelle. Das Isotop 23994Pu erfährt vier Drucks von 23 GPa geht α-Cm in β-Cm über.
aufeinander folgende (n,γ)-Reaktionen und wan- Die β-Modifikation kristallisiert kubisch-flächen-
delt sich dabei in 24394Pu um, das wiederum durch zentriert.
β-Zerfall (Halbwertszeit 4,96 h) in 24395Am Die stabilste Oxidationsstufe des Curiums ist
übergeht. Das daraus durch eine weitere (n,γ)- +3, manchmal kommt es auch in der Oxidations-
Reaktion entstehende 244Am erleidet seinerseits stufe +4 vor (Keenan 1961; Asprey et al. 1955)
β-Zerfall (Halbwertszeit 10,1 h) zu 24496Cm Sein chemisches Verhalten ähnelt sehr dem Ame-
(Seaborg et al. 1949; Lumetta et al. 2006). ricium und vielen Lanthanoiden. In verdünnten
1026 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Tab. 7 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Curium


Symbol: Cm
Ordnungszahl: 96
CAS-Nr.: 7440-51-9

Aussehen: Silbrig-weiß Curium (Materialscientist 2011)


Farbe von Cmx+aq.: Siehe „Verbindungen“
Entdecker, Jahr Seaborg et al. (USA), 1944
Wichtige Isotope Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
245
96Cm (synthetisch) 8500 α > 24194Pu
246
96Cm (synthetisch) 4760 α > 24294Pu
247
96Cm (synthetisch) 1,56  107 α > 24394Pu
248
96Cm (synthetisch) 348.000 α > 24494Pu ♦ SF > ?
Preis (US$) 1 mg 24496Cm 160 (2014)
1 mg 24896Cm 160 (2014)
Atommasse (u): 247,07
Elektronegativität (Pauling) 1,3
Normalpotenzial (V; Cm3+ + 3 e ! Cm) 2,06
Atomradius (berechnet, pm): 174 (—)
Kovalenter Radius (pm): 169
Ionenradius (pm): 95 (Cm3+)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 6d1 5f7
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 581
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 60 (24796Cm)
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V  m)], bei 300 K): 0,76  106
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): 54,8 ♦ 37,9 ♦ 21,8
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): 570 ♦ —
Kristallsystem: Hexagonal
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): 2680
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 13,51
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 18,05  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 10
Spezifische Wärme ([J/(mol  K)]): Keine Angabe
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1340 ♦ 1613
Schmelzwärme (kJ/mol): 15
Siedepunkt ( C ♦ K): 3110 ♦ 3383
Verdampfungswärme (kJ/mol): Keine Angabe

wässrigen Lösungen ist das Cm3+-Ion farblos, das und Uran und ähnelt auch hier mehr den Lantha-
Cm4+-Ion blassgelb (Holleman und Wiberg noiden. In Komplexen tritt es meist koordiniert
2007a). Konzentriertere Lösungen von Cm3+ mit neun Liganden auf.
erscheinen aber ebenfalls blassgelb (Lumetta Von Curium sind 20 Isotope und 7 Kernisomere
et al. 2006; Keller 1971; Lide 1997–1998). des Elements zwischen 23396Cm und 25296Cm
Curium unterscheidet sich in seinem Komplex- bekannt, die alle radioaktiv sind. Die längsten
bildungsverhalten von Actinoiden wie Thorium Halbwertszeiten weisen 24796Cm [15,6 Mio. a
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1027

(!)] und 24896Cm (348.000 a) auf. Relativ langle- trigonal, die β-Modifikation monoklin, und die
big sind auch noch die Isotope 24596Cm (8500 a), γ-Form ist isotyp zum γ-Mangan-III-oxid (Noé
250 246
96Cm (8300 a) und 96Cm (4760 a). et al. 1970). Weitere Salze des Curiums sind durch
Technisch am meisten verwendet werden aber Auflösen der Verbindung in Mineralsäuren dar-
die kurzlebigen Isotope 24296Cm mit 162,8 d und stellbar. In der Gasphase lässt es sich mit trocke-
244
96Cm mit 18,1 a Halbwertszeit, da beide leich- nen Halogenwasserstoffen zu den entsprechenden
ter zugänglich sind. Trihalogeniden umsetzen (Wallmann et al. 1967).
Die Nuklide mit ungerader Massenzahl zeigen Im System Curium-Schwefel kannte man
hohe Einfangsquerschnitte (in barn) für thermische lange Zeit nur ein Sulfid, Curium-III-sulfid
Neutronen und sind daher leicht durch diese spalt- (Cm2S3) (Koch 1092, S. 168). Man konnte die
bar: 24396Cm (620), 24596Cm (2100), 24796Cm (82). Verbindung durch fünfstündiges Überleiten eines
Gemisches aus Schwefelkohlen- und Schwefel-
Verbindungen wasserstoff über auf 1300  C erhitztes Curium-
Chalkogenverbindungen Curium-IV-oxid (CmO2) IV-oxid darstellen. Der dunkelbraune Feststoff
ist durch Glühen von Curium an der Luft oder kristallisiert kubisch im Thoriumphosphid-Git-
unter Sauerstoff zugänglich (Asprey et al. 1955). tertyp und ist in verdünnten Säuren unter Bildung
Oder man glüht die in der Hitze zersetzlichen von Curium-III-hydroxid und Schwefelwasser-
Curium-III-oxalat [Cm2(C2O4)3] oder Curium- stoff löslich.
III-nitrat [Cm(NO3)3] bis zur Gewichtskonstanz. Später wurden auch Monochalkogenide und
Schließlich bietet auch das Erhitzen von Curium- Monopnictogenide des 24896Cm erzeugt, die alle
III-oxid unter Sauerstoffdruck bei Temperaturen in der kubischen Kochsalzstruktur kristallisieren.
>600  C eine Möglichkeit. Erstaunlicherweise sind alle diese Verbindungen
Das schwarze, unter Normalbedingungen in zwar zu ihren americiumhaltigen Analoga isotyp,
leicht exothermer Reaktion gebildete Curium-IV- jedoch sind die Gitterkonstanten im Falle der
oxid (Konings 2001) beginnt sich ab einer Tem- Chalkogenide für die jeweilige Curium- höher
peratur von knapp 400  C unter Abgabe von als bei der entsprechenden Americiumverbin-
Sauerstoff und Bildung von Curium-III-oxid zu dung. Umgekehrt verläuft der Trend bei den Pnic-
zersetzen; dieser Prozess verläuft nach längerem togeniden (Damien et al. 1979).
Erhitzen bei ca. 430  C vollständig (Mosley 1972). Bereits einige Jahre früher wurden die Gitter-
Unter Sauerstoff bleibt Curium-IV-oxid aber auch parameter einiger Sulfide und Selenide des Cu-
in der Hitze beständig. Die Verbindung kristalli- riums (auf Basis des Isotops 24496Cm) bestimmt.
siert kubisch in der Fluorit-Struktur (Noé und Hierzu wurde Curiumhydrid mit überschüssigem
Fuger 1971), in der ein Curium- von acht Sauer- Schwefel bzw. Selen in evakuierten Ampullen aus
stoffatomen und ein Sauerstoff- von je vier Curiu- Pyrexglas umgesetzt. γ-Cm2S3 und Cm2Se3 kris-
matomen umgeben ist (Wallmann 1964). tallisieren kubisch mit Gitterkonstanten von 8,452
Curium-III-oxid (Cm2O3) erhält man durch bzw. 8,785 Å. Die Verbindungen CmX2 (X=S,
Erhitzen von Curium-IV-oxid im Vakuum auf Se) zeigen stöchiometrisch einen leichten Unter-
Temperaturen von ca. 600  C (Asprey et al. schuss an Schwefel bzw. Selen, kristallisieren tet-
1955; Konings 2001; Lumetta et al. 2006): ragonal und sind ebenfalls isotyp zu ihren Ameri-
ciumanaloga (Damien et al. 1975).
4 CmO2 ! 2 Cm2 O3 þ O2 Ab initio-Berechnungen der Kristallstrukturen
sowie elektronischer Eigenschaften von Verbin-
Eine andere Darstellungsmöglichkeit ist die dungen des Curiums sind bei Milman et al. (2003)
der Reduktion von Curium-IV-oxid mit Wasser- zu finden.
stoffgas (Haug 1967). Der farblose bis hellbraune Halogenverbindungen Curium-IV-fluorid (CmF4)
Feststoff schmilzt bei einer Temperatur von erzeugt man durch Fluorieren von Curium-III-
2270  C und tritt in Form dreier Modifikationen fluorid. Der braune Feststoff kristallisiert, isotyp
auf. Die bei 20  C stabile α-Form kristallisiert zu Uran-IV-fluorid, mit monokliner Struktur und
1028 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

zwölf Formeleinheiten pro Elementarzelle (Asp- 1965). Die farblose Verbindung schmilzt bei
rey und Haire 1973; Penneman et al. 1973; Haug 625  C, hat eine Dichte von 6,87 g/cm3 und kristal-
und Baybarz 1975). lisiert in orthorhombischer Struktur mit vier Formel-
Curium-III-fluorid (CmF3) entsteht durch Zu- einheiten pro Elementarzelle (Stevenson et al.
gabe von Fluorid zur wässrigen, schwach sauren 1975).
Lösung eines Curiumsalzes als weißer Nie- Die Synthese von Curium-III-iodid (CmI3)
derschlag. Alternativ funktioniert die Reaktion gelingt aus den Elementen jedoch glatt und weit-
Curium-III-hydroxid mit Flusssäure. Das bei die- gehend ohne Bildung von Nebenprodukten
ser Darstellungsweise immer noch in der Verbin- (Kruse et al. 1965). Alternativ hierzu ist die
dung enthaltene Kristallwasser ist durch Trocknen Umsetzung von Curium-III-chlorid mit Ammo-
mit heißem Fluorwasserstoff oder durch Stehen niumiodid möglich. Die farblose Verbindung ist
über Phosphor-V-oxid im Exsikkator entfernbar wie die meisten Iodide bei erhöhter Temperatur
(Lumetta et al. 2006; Cunningham 1966). Der luftempfindlich, hat die Dichte 6,37 g/cm3 und
farblose Feststoff schmilzt bei einer Temperatur kristallisiert im hexagonalen Kristallsystem mit
von 1406  C (Burnett 1966) und kristallisiert in sechs Formeleinheiten pro Elementarzelle und
der Lanthanfluoridstruktur (Penneman et al. 1973; isotyp zu Bismut-III-iodid (Milman et al. 2003).
Kruse et al. 1965). Durch Reaktion mit Barium- Diese Kristallstruktur kann unter Druck bei 20  C
metall in Tantal- oder Wolframtiegeln kann man in eine orthorhombische (Plutonium-III-bromid-
aus dem Fluorid metallisches Curium darstellen Typ) umgewandelt werden; zugleich verschieben
(Wallmann et al. 1951). sich die Absorptionsmaxima aus dem nahen UV
Curium-III-chlorid (CmCl3) entsteht durch Über- in das sichtbare Spektrum (Haire et al. 1987).
leiten wasserfreien Chlorwasserstoffs über Curium- Zudem tritt in den Lumineszenzspektren aller
III-oxid bei Temperaturen von 400–600  C als farb- Curium-III-halogenide sowohl ein Stokes- als
lose Verbindung (Wallmann et al. 1967). Eine auch ein Antistokes-Effekt auf, also eine Ver-
andere Synthese verlief durch Reaktion festen Cu- schiebung des nach Anregung der Verbindung
riumnitrids (auf Basis 24496Cm) mit Cadmiumchlo- abgestrahlten Lichtes sowohl zu längeren als auch
rid im mg-Maßstab bei ca. 475  C im dynamischen zu kürzeren Wellenlängen (Stump et al. 1993).
Vakuum. Das gebildete 24496CmCl3 kristallisierte Pnictogenverbindungen Die Nitride der Acti-
hexagonal; mittels Differenzthermoanalyse wurde noiden gelten, wie schon im Kapitel „Americium“
der Schmelzpunkt im Goldtiegel zu 695  C be- beschrieben, wegen ihrer relativen chemischen
stimmt. Bemerkenswert an dieser Synthese war der Beständigkeit und ihres hohen Schmelzpunktes als
Verzicht auf korrosive Hilfsstoffe (Hayashi et al. nahezu ideale Kernbrennstoffe. Hierzu erzeugte
2013). Schon 30 Jahre vorher wurde die Kristall- man eine Probe pulverförmigen Curiumnitrids
struktur von 24896CmCl3 erstmals bestimmt (Peter- (CmN) mit einem Gehalt an Plutonium von
son und Burns 1973). 0,35 % sowie an Americium von 3,59 % durch
Curium-III-bromid (CmBr3) kann man analog zu carbothermische Nitridierung des Oxids (Takano
Americiumbromid durch Umsetzung des Metall- et al. 2014). Um eine Vorstellung davon zu geben,
chlorids, hier also Curium-III-chlorid, mit Ammo- mit welchen Mengen hier gearbeitet wurde, ist
niumbromid bei einer Temperatur von 400 bis hier beispielhaft das zugehörige Herstellverfah-
450  C bei gleichzeitiger Gegenwart von Wasser- ren der Originalquelle entsprechend in Auszügen
stoff, also eines reduzierenden Agens, in wasser- beschrieben:
freier Form erhalten. Ebenso reagiert Curium-III-
Ca. 50 mg einer pulverförmigen Verbindung der
oxid mit Bromwasserstoff bei hoher Temperatur Zusammensetzung Pu0.74Cm0.26O2, in der 24094Pu
(600  C) zum wasserfreien Bromid. Die Reaktion durch α-Zerfall des 24496Cm angereichert wurde,
zwischen den Elementen dürfte sehr heftig und ziel- löste man in einem kochenden Gemisch aus 9 m
gerichtet zum wasserfreien Bromid verlaufen, Salpetersäure und Wasserstoffperoxid. Letzteres
sollte zur Reduktion der Pu-IV- und Pu-VI-Ionen zu
jedoch liegen hierüber keine Angaben vor. Das
Pu3+ dienen, bevor die Probe für vier Tage an der
Hydrat ist durch Auflösen von Curium-III-oxid in Luft gelagert wurde, um das gesamte in der Probe
Bromwasserstoffsäure zugänglich (Kruse et al. enthaltene Plutonium in Pu-IV umzuwandeln. Die so
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1029

hergestellte, Pu4+ und Cm3+-haltige Lösung gab Anwendungen Curium zeigt eine deutlich stärke-
man dann mehrfach nacheinander über ein Anione- re Radioaktivität als 22688Ra (Binder 1999). Daher
naustauscherharz, bis der Ablauf nur noch Cm3+
enthielt. Danach fällte man dieses in schwach salpe- gibt Curium große Wärmemengen ab (3 W/g bei
244 242
tersaurer Lösung als Oxalat, wusch den Nieder- 96Cm und 120 W/g (!) bei 96Cm), was den
schlag dreimal mit je 5 ml Wasser und erhielt dann Einsatz dieser Isotope in Form ihres Oxids (Cm2O3)
12 mg trockenes Curium-III-oxalat. Jenes glühte in Radionuklidbatterien zur Versorgung mit elektri-
man 3 h bei 870  C im Platintiegel, worauf nach
langsamem Abkühlen bis unter 400  C das schwarze scher Energie möglich erscheinen lässt. Für Raum-
CmO2 gewonnen wurde. Dieses Oxid wurde dann sonden wurde vor allem die Verwendung von
carbothermisch nitridiert nach (Minato et al. 2003): 244
96Cm geprüft. Am Ende unterlag es hinsichtlich
seiner Wirtschaftlichkeit aber gegen 23894Pu. Es
2 CmO2 þ 4 C þ N 2 ! 2 CmN þ 4 CO benötigt als α-Strahler zwar nur eine dünnere
Abschirmung, aber seine Spontanspaltungsrate
Hierzu mischt man 7 mg des pulverförmigen sowie die damit verbundene Intensität der Neutro-
Oxids mit amorphem Kohlenstoff im Atomverhält- nen- und γ-Strahlung ist höher, bei gleichzeitig sehr
nis C:Cm=4, presste aus der Mischung eine kurzer Halbwertszeit (18,1 a); zum Vergleich
Tablette mit Durchmesser 3,15 mm und gab diese 238
in einen Wolframtiegel zur Nitridierung. Die dabei 94Pu mit 87,7 a.
242
gebildete poröse CmN-Tablette behandelte man bei 96Cm wurde auch eingesetzt, um reines
238
1200  C für 1,5 h im N2/H2-Gasstrom nach. Die 94Pu für Radionuklidbatterien in Herzschritt-
diffraktometrische Bestimmung der Kristallstruktur machern zu erzeugen. 24496Cm fungiert als
gelang mit 5 mg der Probe. Viele der vorbereiten-
den Schritte wurden unter Argon in der Glovebox
α-Strahler in den vom Max-Planck-Institut für
durchgeführt. Chemie in Mainz entwickelten α-Partikel-Rönt-
genspektrometern (APXS). Diese gelangten in
Sonstige Verbindungen Die Kondensation des den Mars-Rovern Sojourner, Spirit und Opportu-
Dampfes metallischen Curiums im Vakuum auf eine nity zur chemischen Analyse von Oberflächenge-
mit einer 1 μm dicken Schicht amorphen Kohlen- stein zum Einsatz. Die kürzlich auf dem Kometen
stoffs überzogene Iridiumfolie führte zur Bildung Tschurjumow-Gerassimenko gelandete Sonde
von Curiumcarbiden. Der Gehalt an Curium in Philae der Raumsonde Rosetta ist mit einem
diesen Proben und damit deren chemische Zusam- APXS ausgerüstet, um die Zusammensetzung
mensetzung wurde über die Zahl der bei der spon- des Gesteins zu analysieren.
tanen Kernspaltung des 24496Cm emittierten Neutro- Außerdem ist Curium Ausgangsmaterial zur
nen zu Cm2C3 und Cm3C berechnet. Cm2C3 Erzeugung höherer Transurane und Transactinoi-
kristallisiert kubisch-einfach, Cm3C kubisch-flä- de. Beim Beschuss von 24896Cm mit bzw. Magne-
chenzentriert (Radchenko 2004). siumatomen (2612Mg) entstanden Nuklide des
Durch Reaktion von Curiumfluorid mit der Elements Hassium (269108Hs, 270108Hs) (Holle-
jeweils stöchiometrischen Menge Silicium im man und Wiberg 2007c).
Vakuum erhielten Weigel und Marquart 1983 die
Curiumsilicide CmSi, Cm2Si3 und CmSi2 bei Tem- Patente
peraturen von 1260  C (CmSi und CmSi2) bzw. (Weitere aktuelle Patente siehe https://world
1220  C (Cm2Si3). Das schwarze CmSi kristalli- wide.espacenet.com)
siert orthorhombisch, ist isotyp zu Lanthan- und
Cermonosilicid mit vier Formeleinheiten pro J. Narbutt und M. Rejnis, Method for sepa-
Elementarzelle und hat eine Dichte von 9,36 g/cm3. ration of americium(III) and alterna-
Cm2Si3 ist dagegen ein hellsilbriger Feststoff mit tively curium from the lanthanum pro-
hexagonaler, zum β-PuSi2 isotyper Struktur mit ducts of splitting in the liquid-liquid
zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle und der extraction systems (Instytut Chemii I
Dichte 8,84 g/cm3. CmSi2 liegt schließlich in Form Techniki Jądrowej, PL 405294 A1, ver-
silbriger Plättchen tetragonaler, zu α-ThSi2 isoty- öffentlicht 16. März 2015)
per Struktur mit vier Formeleinheiten pro Elemen-
tarzelle vor; die Dichte beträgt 9,26 g/cm3. (Fortsetzung)
1030 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Wie bei der erstmaligen Darstellung des Cu-


G. Modolo und R. Odoj, Method for sepa- riums wurde auch hier die wässrige Lösung eines
rating trivalent americium from tri- Salzes eines Elements auf einer Platinfolie aufge-
valent curium (Forschungszentrum Jü- bracht, dessen Ordnungszahl um zwei Einheiten
lich GmbH, US 2007009410 A1, unter der des zu Zielelementes stand. So trug man
veröffentlicht 13. Juli 2010) die wässrige Lösung von Americiumnitrat (mit
241
A. Bathellier und M. Germain, Process of 95Am) auf die Platinfolie auf, die dann soweit
the separation of americium from curium erhitzt wurde, dass die Lösung verdampfte. Der
contained in an aqueous nitric solu- Rückstand wurde dann zum Oxid (AmO2) ge-
tion (Commissariat Energie Atomique, glüht. Dieses beschoss man dann im Zyklotron
US 4318893 A, veröffentlicht 9. März ca. 6 h lang mit beschleunigten α-Teilchen der
1982) Energie von 35 MeV. Dabei entstanden 24397Bk
F. L. Moore, Separation and recovery of und zwei freie Neutronen:
americium from curium and other ele-
ments (Atomic Energy Commission,
241
95 Am þ 4
2 He ! 243
97 Bk þ 21 0 n
US 3687641 A, veröffentlicht 29.
August 1972) Danach löste man die Beschichtung in Salpe-
E. J. Weelwright, Ion exchange process for tersäure, fällte die Hydroxide der Metalle durch
recovering americium and curium (Ato- Zugabe konzentrierter wässriger Ammoniaklö-
mic Energy Commission, US 3445201 A, sung, filtrierte die Hydroxide ab und löste sie
veröffentlicht 20. Mai 1969) anschließend wieder in Salpetersäure. Zugabe
G. H. Higgins und W. W. T. Crane, Large eines stark oxidierend wirkenden Gemisches
scale method for the production von Ammoniumperoxodisulfat und -sulfat über-
and purification of curium (privat, führte das in der Lösung enthaltene Americium
US 2887358 A, veröffentlicht 19. Mai teils in seine lösliche Oxidationsstufe +6 und
1959) entfernte das Element so aus dem System.
Zugabe von Flusssäure fällte alle in der Lösung
enthaltenen Metalle als Fluoride; diese wurden
abgetrennt und in Kalilauge gelöst. Nach Ver-
5.8 Berkelium dünnen der Lösung fielen die Metallhydroxide
aus, die in Perchlorsäure gelöst wurden. Dann
Geschichte Die Arbeitsgruppe der Universität trennte man die An3+-Ionen in schwach saurer,
von Kalifornien in Berkeley, bestehend aus Sea- Zitronensäure-/Zitrat-gepufferter Lösung über
borg, Ghiorso und Thompson, erzeugten Ende Ionenaustauscher, wobei die Bestimmung des
1949 die ersten Nuklide des Berkeliums im Zy- miteluierten Berkeliums per Analogieschluss
klotron der Universität. Die Entdeckung des zum Verhalten der jeweils homologen Lantha-
Berkeliums erfolgte fast zeitgleich zu der des Ca- noiden Terbium (Berkelium), Gadolinium
liforniums; beide beschrieben die Entdecker in (Curium) und Europium (Americium) durchge-
denselben Publikationen (Thompson et al. 1950; führt wurde. Die Identifizierung des Berkeliums
Thompson und Cunningham 1958). Die Wahl des erfolgte dann über die durch seine Fraktion
Namens erfolgte in Analogie zu der des Terbiums, emittierte Röntgenstrahlung (Thompson et al.
des Mitglieds der Reihe der Lanthanoiden, das im 1950). Eine Vorstellung über die extrem gerin-
Periodensystem über dem Berkelium steht, weil gen Mengen an Substanz, die hier gehandhabt
beide Namen für den Ort stehen, an dem die wurden, gibt die Tatsache, dass wägbare Men-
Gruppe dieser Elemente (Lanthanoide bzw. Acti- gen an Berkelium erst 1958, nach jahrelangem
noide) zum ersten Mal gefunden bzw. erzeugt Beschuss von 23994Pu mit Neutronen, erhalten
wurden [Ytterby (Schweden) bzw. Berkeley, CA werden konnten (Thompson und Cunningham
(USA)]. 1958).
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1031

Am Ende entsteht aus 23994Pu durch vier


In Zusammenarbeit mit Glenn T. Seaborg aufeinander folgende (n,γ)-Reaktionen 24394Pu,
und Edwin McMillan entdeckte der US- das durch β-Zerfall (Halbwertszeit 4,96 h) in
amerikanische Kernchemiker Stanley 243
95 Am übergeht. Das durch nochmalige (n,γ)-
Gerald Thompson (* 9. März 1912 Los Reaktion gebildete 24495Am wandelt sich dann
Angeles, CA; † 16. Juli 1976 Berkeley, CA) durch β- Zerfall (t1/2: 10,1 h) in 24496Cm
die Transurane mit den Ordnungszahlen um. Aus jenem entstehen durch weitere (n,γ)-
97 bis 101 (Berkelium, Californium, Einstei- Reaktionen im Reaktor sowie jeweils darauf
nium, Fermium und Mendelevium). Er arbei- folgenden β-Zerfall in kleiner werdenden
tete am Lawrence Berkeley National Labora-
Mengen Kerne schwererer Elemente, darunter
tory von 1946 bis zu seinem Tod 1976. Davor
auch das nächsthöhere, Berkelium. Die Darstel-
studierte Thompson Chemie an der Univer-
lung und Charakterisierung des Elementes
sity of California, Los Angeles, erhielt dort
wurde schon in den 1950er-Jahren publiziert
1934 seinen Bachelor und wechselte dann
zunächst zu Standard Oil of California. (Seaborg et al. 1950, S. 2798–2801; Thompson
Auf Einladung von Seaborg wechselte und Seaborg 1950; Thompson und Cunningham
Thompson 1942/43 an das Metallurgische 1958).
Labor in Chicago, um dort in leitender Berkelium kann man auch durch Beschuss
Funktion die Produktion von Plutonium im leichterer Actinoide mit Neutronen in einem
industriellen Maßstab voranzutreiben. Nach Kernreaktor erzeugen. Der 85 MW-High-Flux-
dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er Isotope Reactor (HFIR) am Oak Ridge National
nach Chicago und 1946 wieder nach Berke- Laboratory in Tennessee, USA wird oft zur Her-
ley zurück und entwickelte Trenn- und stellung sehr schwerer Atomkerne genutzt. Im
Nachweisverfahren für die schon in der ers- Reaktor wird 24997Bk durch β-Zerfall aus
249
ten Hälfte der 1940er-Jahre entdeckten 96Cm gebildet; weitere Isotope des Berke-
Transurane Americium und Curium. Er liums sind auf diese Weise aber nicht zugäng-
war Leiter der Arbeitsgruppe, die Berke- lich. Jenes zerfällt relativ schnell weiter zu
lium und Californium entdeckte, war auch 249
98Cf:
an der Entdeckung von Einsteinium, Fer-
mium und Mendelevium beteiligt. In den 249
! ð64,15 minÞβ þ 249
96 Cm 97 Bk
späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren
wollte er Kerne superschwerer Elemente ! ð330 dÞβ þ 249
98 Cf
im Gebiet der „Insel der Stabilität“ erzeu-
gen, scheiterte aber wegen der damals Theoretisch ist die Bildung von 25097Bk durch
begrenzten technischen Möglichkeiten. Er Neutroneneinfang aus 24997Bk möglich, dieses
verstarb 1976 an Krebs. schwerere Isotop erleidet aber schnellen β-Zer-
fall zu 25098Cf (t1/2: 3,21 h). Das längstlebige
Gewinnung Berkelium entsteht in Kernreakto- Isotop 24797Bk ist somit nur durch gezielten
ren aus Uran (23892U) oder Plutonium (23994Pu) Beschuss von Isotopen der Actinoiden niedrige-
durch zahlreiche nacheinander folgende Neutro- rer Ordnungszahl mit leichten Atomkernen zu-
neneinfänge und β-Zerfälle, wobei vorher gänglich. Berkelium ist auch heute nur gerings-
eventuell erfolgende Spaltungen oder vorzeitige ten Mengen verfügbar und sehr teuer (US$
α-Zerfälle nicht zur Bildung eines Berkelium- 160/μg).
atoms führen und somit herausgerechnet werden Metallisches Berkelium konnte erstmals 1969
müssen. Diese (n,γ)- oder Neutroneneinfangs- durch Reaktion von BkF3 mit Lithium bei
reaktionen gehen stets mit der Aussendung eines 1000  C in einer aus Tantal gefertigten Apparatur
γ-Quants einher. Die hierzu benötigten freien dargestellt werden (Peterson et al. 1971):
Neutronen entstehen durch Kernspaltung anderer
Kerne im Reaktor. BkF3 þ 3 Li ! Bk þ 3 LiF
1032 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Es ist auch durch analoge Reaktion aus BkF4 tur geht α-Bk in das kubisch kristallisierende
mit Lithium oder aber von BkO2 mit Lanthan oder (Raumgruppe Fm3m, Schichtfolge ABC) β-Bk
Thorium darstellbar (Spirlet et al. 1987): über, dessen Dichte 13,25 g/cm3 beträgt (Peterson
et al. 1971).
3 BkO2 þ 4 La ! 3 Bk þ 2 La2 O3 Die Lösungsenthalpie von Berkelium in Salz-
säure unter Standardbedingungen beträgt 600,2
Eigenschaften Berkelium ist ein künstlich 5,1 kJ/mol. Auf dieser Basis wurde die
erzeugtes, radioaktives Metall mit silbrig-weißem Standardbildungsenthalpie von Bk3+ in wässri-
Aussehen (s. Tab. 8), einem Schmelzpunkt von ger Lösung auf 601  5 kJ/mol und das Stan-
986  C und einer Dichte von 14,78 g/cm3. Unter dardpotenzial E0 für die Reaktion Bk3+ + 3 e !
Standardbedingungen liegt das in einer doppelt- Bk zu 2,01  0,03 V berechnet (Fuger et al.
hexagonal dichtesten Kugelpackung (Raum- 1981).
gruppe P63/mmc) mit der Schichtfolge ABAC Zwischen 207 und 30  C (70 K bzw. 300 K)
kristallisierende α-Bk vor. Bei höherer Tempera- verhält sich Berkelium wie ein Curie-Weiss-Para-

Tab. 8 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Berkelium


Symbol: Bk
Ordnungszahl: 97
CAS-Nr.: 7440-40-6

Aussehen: Silbrig-weiß Berkelium,


Farbe von Bk3+aq.: Gelb, gelbgrün 100 μg (Oak Ridge Nat. Lab. 1984)
Entdecker, Jahr Seaborg, Thompson, Ghiorso (USA), 1949
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
245
97Bk (synthetisch) 4,94 d ε > 245
96Cm
247
97Bk (synthetisch) 1380 a α > 24395Am
249
97Bk (synthetisch) 330 d β > 24998Cf
250
97Bk (synthetisch) 3,2 h β > 25098Cf
Preis (US$) 1 μg 97Bk
249
160 (2014)
Atommasse (u): 247
Elektronegativität (Pauling) 1,3
Normalpotenzial (V; Bk3+ + 3 e ! Bk) 2,01
Atomradius (berechnet, pm): 170
Kovalenter Radius (pm): Keine Angabe
Ionenradius (pm): 98 (Bk3+)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 5f9
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 601
Magnetische Volumensuszeptibilität: Keine Angabe
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): 101 ♦ 34
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 710 (24997Bk)
Kristallsystem: Hexagonal
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 14,78
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 16,84  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 10
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 986 ♦ 1259
Siedepunkt ( C ♦ K): 2627 ♦ 2900
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1033

magnet mit einer Curie-Temperatur von 101 K. >1100  C oder durch Umsetzung der Elemente
Beim Abkühlen auf etwa 34 K geht Berkelium in miteinander zugänglich (Peterson und Hobart
einen antiferromagnetischen Zustand über (Miha- 1984, S. 53) und hat eine Dichte von 8,28 g/cm3.
lisin et al. 1980). Die Reaktion von Berkelium mit Schwefel, Selen
Berkelium ist wie alle Actinoide reaktionsfä- und Tellur in Quarzampullen ergibt Chalkogenide
hig und bildet mit Sauerstoff, Wasserstoff, Halo- der nichtstöchiometrischen Zusammensetzung
genen, Chalkogenen und Pnictogenen verschie- BkS2x, BkSe2x und BkTe2x, die sich bei weite-
dene Verbindungen, wobei die Reaktivität mit rem Erwärmen zu den Sesquichalkogeniden der
der Temperatur zunimmt. Bei Raumtemperatur allgemeinen Formel Bk2X3 (X=S, Se, Te) zer-
reagiert es allerdings mit Sauerstoff nur langsam setzen.
(Peterson und Hobart 2006). Halogenverbindungen Das gelbgrüne Berke-
Berkelium tritt in den meisten seiner Verbin- lium-IV-fluorid (BkF4) entsteht durch Einwirkung
dungen mit der Ordnungszahl +3 auf, jedoch ist von Fluor auf Berkelium bei Temperaturen um
auch +4 möglich, da das Element so eine relativ 400  C (Koch 1972). Es kristallisiert monoklin
stabile halbgefüllte f-Elektronenschale erhält. Ist es mit zwölf Formeleinheiten pro Elementarzelle
bei seinem Homologen in der Lanthanidenreihe, und isotyp zu Uran-IV-fluorid (Asprey und
dem Terbium, aber schwer bzw. unmöglich, reines Keenan 1968; Keenan und Asprey 1969; Asprey
Dioxid (TbO2) herzustellen, so ist dies für Berke- und Haire 1973; Penneman et al. 1973; Haug und
lium das gewöhnlicherweise anfallende Produkt Baybarz 1975; Ensor et al. 1981).
der Verbrennung. Das Tetrafluorid, das Jodat und β-Zerfall überführt Berkelium-IV-fluorid lang-
ein Chlorokomplex sind weitere Verbindungen des sam in Californium-IV-fluorid (CfF4) (siehe
Bk4+, das im Gegensatz zu „Tb4+“ in wässriger auch: Berkelium-III-bromid; beobachtet für
249 249
Lösung beständig ist, wenngleich es auch leicht 97BkF4 und 98CfF4) (Macintyre et al. 1992,
zu Bk3+ reduzierbar ist. Umgekehrt wirkt Bk4+ S. 2826). (Das Isotop 24997Bk hat eine Halbwerts-
ungefähr so stark oxidierend wie Ce4+. Liegen zeit von 330 d.)
Bk3+ oder Bk4+ nicht in stark saurer Lösung vor, Berkelium-III-fluorid (BkF3) ist ebenfalls ein
hydrolysieren beide leicht. Bk3+ ist in mineralsau- gelbgrüner Feststoff und kristallisiert bei Raum-
rer Lösung grün, Bk4+ gelb in salzsaurer und oran- temperatur orthorhombisch im Yttriumfluorid-
gegelb in schwefelsaurer Lösung. Typ mit der Dichte 9,70 g/cm3. Die Struktur wan-
delt sich bei Temperaturen oberhalb von 350  C in
Verbindungen den trigonalen Lanthanfluorid-Typ der Dichte
Chalkogenverbindungen Das braune Berkelium- 10,15 g/cm3 um (Peterson und Cunningham
IV-oxid (BkO2) kristallisiert kubisch in der Fluorit- 1968; Ensor et al. 1981). Aus Berkelium-III-fluo-
Struktur, in ihr ist ein Berkeliumion von acht rid gewann man durch Reaktion mit Lithium bei
Oxidionen und ein Oxidion von vier Berkeliumio- 1000  C in einer aus Tantal bestehenden Appara-
nen umgeben. tur erstmals metallisches Berkelium (Peterson
Reduktion mit Wasserstoffgas überführt die et al. 1971; S. 1775–1784).
Verbindung in Berkelium-III-oxid (Bk2O3), das Das grüne Berkelium-III-chlorid (BkCl3) kris-
ein gelbgrüner Feststoff mit einem Schmelzpunkt tallisiert hexagonal, isotyp zu Uran-III-chlorid,
von 1920  C ist und kubisch-raumzentriert kris- mit zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle
tallisiert (Holleman et al. 2007, S. 1972; Peterson und schmilzt bei 603  C (Peterson und Cun-
1967, S. 327–336; Peterson und Cunningham ningham 1968, S. 823–828; Peterson et al.
1967; Baybarz 1968). 1986). Das Hexahydrat besitzt aber monokline
Das braunschwarze, im kubischen Thorium- Kristallstruktur (Burns und Peterson 1971).
phosphid-Typ kristallisierende Berkelium-III-sul- Berkelium-III-bromid (BkBr3) existiert in Form
fid (Bk2S3) ist durch Überleiten eines Gemisches zweier Modifikationen, von denen die mit orthor-
aus Kohlenstoffdisulfid und Schwefelwasserstoff hombischer Struktur im PuBr3-Typ kristallisie-
über Berkelium-III-oxid bei einer Temperatur von rende bei Raumtemperatur stabiler ist. Beim
1034 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Erhitzen auf ca. 350  C wandelt diese sich in eine dride entstehen durch Reaktion des Metalls mit
mit monokliner Struktur (AlCl3-Typ) um. Einige Wasserstoffgas bei etwa 250  C und sind nicht-
Jahre gelagertes 249BkBr3 orthorhombischer Struk- stöchiometrische Verbindungen der allgemeinen
tur zeigt bei der Bestimmung der Kristallstruktur Formel BkH2+x (0<x<1).
mittels Röntgendiffraktometrie, dass in der Zwi- Hydrate des Berkelium-III-nitrats, -sulfats,
schenzeit ein erheblicher Anteil des 24997Bk -oxalats und -chlorids sind ebenfalls bekannt.
β-Zerfall zu 24998Cf eingegangen ist. Dabei war Erhitzt man Berkelium-III-sulfat-Dodecahydrat
kein Wechsel der Struktur zu beobachten, obwohl [Bk2(SO4)3  12 H2O] auf eine Temperatur von
ein orthorhombisch kristallisierendes Bromid zuvor 600  C unter Argon, so entsteht Berkelium-III-
bei Californium unbekannt war. Die Geschwin- oxydsulfat (Bk2O2SO4) als thermisch sehr stabile
digkeit der Umwandlung beträgt gut 0,2 % pro Verbindung.
d (!), was das Studium der Eigenschaften von Das in trigonaler Anordnung aufgebaute Mole-
Berkeliumverbindungen sehr erschwert. Neben kül des „Berkelocens“ [(η5–C5H5)3Bk] mit drei
der chemischen Kontamination durch Californium Cyclopentadienylgruppen entsteht durch Reaktion
schädigt dieses 24998Cf durch intensive Emission von Berkelium-III-chlorid mit geschmolzenem Be-
von α-Strahlen und dadurch bedingte starke Auf- ryllocen [Be(C5H5)2] bei einer Temperatur von
heizung das Kristallgitter. Eine so verursachte 70  C als bernsteinfarbener Feststoff der Dichte
Verfälschung der Messergebnisse kann nur dahin- 2,47 g/cm3. Der Organokomplex lässt sich sogar
gehend berichtigt werden, dass Messungen in weitgehend unzersetzt bei 350  C sublimieren,
Abhängigkeit von der Zeit durchgeführt und die jedoch zerstört die starke Radioaktivität des Me-
dabei erhaltenen Resultate extrapoliert werden tallatoms den Komplex innerhalb weniger Wo-
(Burns et al. 1975; Young et al. 1980; Cohen et al. chen.
1968; Peterson und Hobart 1984).
Berkelium-III-iodid (BkI3) ist ein gelber Fest- Anwendungen Berkeliumisotope verwendet man
stoff, der mit trigonaler Struktur und sechs For- oft zur Synthese noch schwererer Transurane
meleinheiten pro Elementarzelle im Bismut-III- und Transactinoide. So dient 24997Bk zur Herstel-
iodid-Gittertyp kristallisiert (Fellows et al. 1977; lung von Nukliden des Lawrenciums, Ruther-
Holleman et al. 2007, 1969). fordiums und Bohriums, ebenso auch der des
Pnictogenverbindungen Alle Berkeliumpnic- Isotops 24998Cf.
togenide der Formel BkX konnten auf Basis des Eine nach einem fast einjährigen Bestrahlungs-
Isotops 24997Bk für die Elemente (X) Stickstoff und Reinigungsprozess erhaltene Probe von 22 mg
249
(Stevenson und Peterson 1979), Phosphor, Arsen 97Bk wurde 2010 im Zuge der Zusammenarbeit
und Antimon dargestellt werden. Ausgangsstoffe des Vereinigten Instituts für Kernforschung [JINR,
waren entweder Berkelium-III-hydrid (BkH3) Dubna (Russland)] und dem amerikanischen
oder metallisches Berkelium, die man mit dem Lawrence Livermore National Laboratory 150 Tage
jeweiligen Pnictogen im Hochvakuum und bei lang mit Calciumionen im U400-Zyklotron
erhöhter Temperatur in Quarzampullen reagieren beschossen. Dieser Versuch führte zu den ersten
ließ. Alle Verbindungen kristallisieren im kubi- sechs Atomen des Elements Tenness (OZ: 117).
schen Kochsalz-Gitter mit den Gitterkonstanten
495,1 pm für BkN, 566,9 pm für BkP, 582,9 pm
Patente
für BkAs und 619,1 pm für BkSb (Damien et al.
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
1980) und haben halbmetallischen Charakter.
wide.espacenet.com)
Sonstige Verbindungen Berkelium-III- und
Berkelium-IV-hydroxid sind beide in verdünnter
L. I. Guseva und V. V. Stepushkina, Method
(1 m) Natronlauge beständig. Berkelium-III-phos-
of ion exchange separation of berkelium-
phat (BkPO4) zeigt in fester Form eine kräftige
250 from einsteinium-254 (Institut Geo-
Fluoreszenz, wenn es vorher durch Bestrahlung
mit grünem Licht angeregt wurde. Berkeliumhy- (Fortsetzung)
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1035

nach mehrjähriger vorheriger Bestrahlung von


239 249
khimii Analiticheskoj, SU 1293889 A1, 94Pu größere Mengen der Isotope 98Cf bis
252
veröffentlicht 15. Oktober 1987) 98Cf, und 1960 konnte als erste Verbindung das
V. N. Kosyakov und N. G. Yakovlev, Method Californium-III-oxidchlorid (CfOCl) durch Ein-
of extracting berkelium from nitrogen-acid wirkung von Wasserdampf und Chlorwasserstoff
solutions (privat, SU 1222634 A1, veröf- auf metallisches Calfornium erzeugt werden
fentlicht 7. April 1986) (Cunningham und Wallmann 1960).
F. L. Moore, Extraction of berkelium values Von Mitte der 1960er- bis Mitte der 1990er-
in the trivalent state using 2-thenoyl- Jahre produzierte der High Flux-Isotopen-Reaktor
trifluoroacetone (Atomic Energy Com- des Oak Ridge National Laboratory jedes Jahr ca.
mission, US 3409414 A, veröffentlicht 0,5 g Californium durch Bombardieren von Plu-
5. November 1968) tonium mit Neutronen. Ab Anfang der 1970er-
F. L. Moore, Method for separating berke- Jahre verkaufte die US-amerikanische Atomener-
lium from cerium (Atomic Energy Com- giebehörde an Forschungsinstitute und Firmen
mission, US 3402027 A, veröffentlicht zum Preis von US$ 10 pro μg. Haire und Baybarz
17. September 1968) stellten als Erste reines Californium durch
K. H. Ervin, Method for the recovery and Reduktion von Californium-III-oxid mit Lanthan
purification of berkelium (privat, US dar (1974; Zachariasen 1975).
2909405 A, veröffentlicht 20. Oktober
1959) Gewinnung Californium erzeugt man durch
Beschuss von Atomkernen leichterer Actinoide
mit Neutronen in einem Kernreaktor. Die meisten
der bisher durchgeführten Synthesen liefen im
5.9 Californium 85 MW High-Flux-Isotope-Reactor des Oak Rid-
ge National Laboratory in Tennessee, USA.
Geschichte Die erstmalige Entdeckung des Cali- In Kernreaktoren werden Isotope des Califor-
forniums gelang ebenfalls Forschern des Strah- niums ausgehend von 23892U oder Plutoniumiso-
lungslabors der Universität von Kalifornien in Ber- topen durch zahlreiche nacheinander folgende
keley im Februar 1950 (Thompson et al. 1950; Neutroneneinfänge und β-Zerfälle erzeugt. Kern-
Street et al. 1950). Hierzu bombardierte man ein spaltungen oder α-Zerfälle bleiben dabei, wie schon
wenige μg wiegendes Target von 24296Cm mit unter „Berkelium“ erwähnt, naturgemäß unberück-
4
2He-Kernen der Energie 35 MeV im Zyklotron: sichtigt. Zuerst gewann man so die Isotope 24998Cf,
250 251 252
98Cf, 98Cf und 98Cf. Wie bereits für Berke-
242
96 Cm þ 4
2 He ! 245
98 Cf þ 1
0n lium beschrieben, ist für einen solchen Prozess das
Aufeinanderfolgen mehrerer (n,γ)- oder Neutronen-
Bei diesem ersten Versuch entstanden nur rund Einfangsreaktionen entscheidend, die immer mit der
5000 Nuklide des neuen Elements; diese 24598Cf- Aussendung eines γ-Quants verbunden sind, durch
Kerne hatten eine Halbwertszeit von 44 min. die das gerade erzeugte, angeregte Tochternuklid
Die Namensgebung erfolgte nur teilweise in wieder in den Grundzustand übergeht.
Anlehnung an das Homologe in der Reihe der Zur gezielten Darstellung in Kleinstmengen
Lanthanoiden, Dysprosium. Hier wählte man bestrahlt man 23994Pu mit einer starken Neutro-
den Namen des Staates, in dem die ersten Tran- nenquelle. Vier aufeinander folgende (n,γ)-Reak-
surane künstlich erzeugt worden waren. tionen bilden 24394Pu, das durch β-Zerfall (t1/2:
Wägbare Mengen und auch mehrere Isotope 4,96 h) in 24395Am übergeht. Jenes fängt ein Neu-
des Calforniums konnten später durch Beschuss tron ein, daraus resultiert 24495Am, das sich durch
von Plutoniumtargets erzeugt werden (Diamond erneuten β-Zerfall (t1/2: 10,1 h) in 24496Cm
et al. 1954). In diesen Proben fiel die Neigung des umwandelt. Aus 24496Cm entstehen durch weitere
252
98Cf zur Spontanspaltung auf. 1958 erhielt man (n,γ)-Reaktionen im Reaktor in jeweils kleiner
1036 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

werdenden Mengen die nächst schwereren Cu- β-Cf kristallisiert kubisch-flächenzentriert bzw.
riumsotope bis hinauf zu 24996Cm. Aus letzterem kubisch-dichtest (Raumgruppe Fm3m, Stapel-
entsteht schließlich unter anderem durch zweima- folge ABC). Oberhalb von 725  C erfolgt
ligen β-Zerfall 24998Cf (Audi et al. 2003). Umwandlung der β- in die γ-Modifikation, die
Die Arbeitsgruppe um Seaborg beschrieb 1950 gleichfalls kubisch kristallisiert (Noé und Peter-
die erstmals erfolgte Erzeugung von Nukliden des son 1975).
Californiums (Seaborg et al. 1950; S. 4832–4835). Die Lösungsenthalpie von Californium in
Elementares Californium ist entweder durch Salzsäure liegt unter Standardbedingungen bei
Reduktion von Californium-III-oxid mit Lanthan 576,1  3,1 kJ/mol. Daraus berechnet sich die
oder Thorium oder aber von Californium-III-fluo- Standardbildungsenthalpie von Cf3+(aq.) zu
rid mit Lithium oder Kalium erhältlich: 577  5 kJ/mol und das Standardpotenzial E0
für Cf3+ + 3 e ! Cf zu etwa 1,92  0,03 V
CfF3 þ La ! Cf þ LaF3 (Fuger et al. 1984; Raschella et al. 1982).
Das silberglänzende Schwermetall ist wie alle
1974 reklamierten Haire und Baybarz (1974) Actinoide sehr reaktiv und wird von Wasser-
die erstmalige Darstellung metallischen Califor- dampf, Sauerstoff und Säuren angegriffen. Ge-
niums durch Umsetzung von Californium-III- genüber Alkalien ist es stabil.
oxid (Cf2O3) mit Lanthan. Beschrieben wurden Alle Californiumisotope von 24998Cf bis
254
eine kubisch-flächenzentrierte und eine hexa- 98Cf sind wegen ihrer relativen Langlebigkeit
gonale Struktur; der Schmelzpunkt wurde mit imstande, eine Kettenreaktion mit Spaltneutro-
900  30  C angegeben. nen aufrechtzuerhalten. Die kritischen Massen
1975 beschrieb man die beiden obenge- von aus 25198Cf bzw. 25498Cf bestehenden
nannten Strukturen nur als chemische Verbin- Kugeln liegen mit extrapolierten Massen von
dungen des Californiums: das hexagonal kris- 5,46 bzw. 4,3 kg sehr niedrig, jedoch sind entwe-
tallisierende Cf2O2S und das kubisch- der deren Herstellung zu aufwändig, ihre Ver-
flächenzentrierte CfS (Zachariasen 1975). Noé fügbarkeiten nicht gegeben oder die Halbwerts-
und Peterson stellten diese und eigene Ergeb- zeit dieser Isotope zu kurz, als dass sie in
nisse wenig später vor; diese belegen eindeutig Kernwaffen eingesetzt werden könnten.
die Darstellung von Californium und charakte-
risieren dessen Eigenschaften (Noé und Peter- Verbindungen
son 1975). Chalkogenverbindungen Californium-IV-oxid
(CfO 2) ist ein braunschwarzer Feststoff und kris-
Eigenschaften Californium zählt mit seiner Ord- tallisiert mit kubischer Fluorit-Struktur (Baybarz
nungszahl 98 zu den Actinoiden, das zu ihm ana- et al. 1972). In sehr geringen Mengen entsteht es
loge Element der Lanthanoidenreihe ist das in Kernreaktoren beim Bestrahlen von Uran-IV-
Dysprosium. Es ist ein künstlich gewonnenes, bzw. Plutonium-IV-oxid mit Neutronen. Der
radioaktives Metall mit einem Schmelzpunkt Abstand der Zentren der Elementarzellen liegt
von ca. 900  C und einer Dichte von 15,1 g/cm3 bei ca. 531 pm. Die Verbindung ist durch Oxida-
(s. Tab. 9), das in insgesamt drei verschiedenen tion von Californium mit molekularem Sauerstoff
Modifikationen auftritt (α-, β- und γ-Cf). Das bis bei hohem Druck darstellbar.
hinauf zu einer Temperatur von 600  C existie- Californium-III-oxid (Cf2O3) ist das gewöhn-
rende α-Cf besitzt eine doppelt-hexagonal dich- liche Produkt der exothermen Reaktion von Sau-
teste Kristallstruktur (Raumgruppe P63/mmc, erstoff mit Californium (Morss et al. 1987), ein
Schichtenfolge ABAC) (Noé und Peterson 1975; gelbgrüner Feststoff, der mit zwei Modifikatio-
Ermishev et al. 1986). nen auftritt. Von Raumtemperatur bis ca. 1400  C
Unter Temperatur- und Drucksteigerung geht liegt die kubisch-raumzentrierte Struktur vor,
α-Cf allmählich in β-Cf über (Peterson et al. von dieser Übergangstemperatur bis hin zum
1983). Das zwischen 600 und 725  C beständige Schmelzpunkt von 1750  C die monokline
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1037

Tab. 9 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Californium


Symbol: Cf
Ordnungszahl: 98
CAS-Nr.: 7440-71-3

Aussehen: Silbrig-weiß Californium,


Farbe von Cf3+aq.: Grün bis orange Ø 1 mm (United States Departm. of Energy)
Entdecker, Jahr Thompson, Street, Ghiorso, Seaborg (USA), 1950
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
244
98Cf (synthetisch) 19,4 min α > 24096Cm
248
98Cf (synthetisch) 334 d α > 24496Cm
249
98Cf (synthetisch) 351 a α > 24596Cm
251
98Cf (synthetisch) 900 a α > 24796Cm
Atommasse (u): 251
Elektronegativität (Pauling) 1,30
Normalpotenzial (V; Cf3+ + 3 e ! Cf) 1,92
Atomradius (berechnet, pm): 186
Kovalenter Radius (pm): Keine Angabe
Ionenradius (pm): 98 (Cf3+)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 5f10
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 608 (berechnet)
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 2900 (25198Cf)
Kristallsystem: Hexagonal
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 15,1
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 16,50  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 10
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 900 ♦ 1173
Siedepunkt ( C ♦ K): 1470 ♦ 1743

(Green und Cunningham 1967; Copeland und der analogen Verbindung des Berkeliums etwas
Cunningham 1969; Baybarz et al. 1972). Es wird höhere Dichte von 8,44 g/cm3 (Peterson und
in sehr reiner Form in Neutronenquellen auf Hobart 1984, S. 53).
Basis des Isotops 25298Cf eingesetzt, wozu man Halogenverbindungen Hellgrünes Califor-
mittels geeigneter Verfahren zunächst das Cali- nium-IV-fluorid (CfF4) wird durch Reaktion von
forniumoxalat [25298Cf2(C2O4)3] aus wässriger Californium-III-oxid mit Fluor bei 400  C gebil-
Lösung ausfällt, dieses trocknet und danach det (Macintyre et al. 1992):
zum Californium-III-oxid glüht (Boulogne und
Faraci 1971). 2 Cf 2 O3 þ 6 F2 ! 4 CfF3 þ 3 O2
Californium-III-sulfid (Cf2S3) konnte ähnlich
wie sein Berkeliumanalogon durch Leiten eines Ohne eine chemische Umsetzung entsteht
aus Schwefelwasserstoff und Kohlenstoffdisulfid 249
CfF4 durch β-Zerfall von Berkelium-IV-fluo-
bestehenden Gasgemischs über Californiumhy- rid (249BkF4). Die Verbindung kristallisiert mono-
droxid bei ca. 1100  C dargestellt werden. Auch klin mit zwölf Formeleinheiten pro Elementar-
diese Verbindung kristallisiert kubisch im Tho- zelle und isotyp zu Uran-IV-fluorid (Holleman
riumphosphid-Gittertyp und hat die gegenüber et al. 2007, S. 1969; Asprey und Haire 1973;
1038 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Penneman et al. 1973; Haug und Baybarz 1975; weils erhalten. So entsteht aus Berkeliumbro-
Chang et al. 1990). Erhitzt man Californium-IV- mid mit sechsfacher Koordination des Ber-
fluorid, so gibt es Fluor ab und geht in Califor- keliumions und monoklin aufgebautem Gitter
nium-III-fluorid (CfF3) über. (AlCl3-Typ) das in gleicher Weise strukturierte
Californium-III-fluorid (CfF3) ist ein gelbgrü- Californiumbromid, und analog bildet sich
ner Feststoff, der temperaturabhängig in Form aus BkBr3 achtfach koordinierter Geometrie
zweier Modifikationen auftritt. Die orthorhombi- (PuBr3-Typ) das gleich strukturierte CfBr3, eine
sche Struktur (YF3Typ) liegt bei tieferen Tem- ansonsten nicht bekannte Kristallstruktur der Ver-
peraturen vor, bei höheren die trigonale des Lan- bindung (Young et al. 1980). Sogar die Standard-
thanfluoridtyps. In jener ist jedes Metallion von bildungsenthalpie von CfBr3 bestimmte man; sie
neun Fluoridionen in einer verzerrten trigonal- ist mit ca. 753 kJ/mol erwartungsgemäß stark
prismatischen, dreifach überkappten Geometrie negativ (Fuger et al. 1990).
umgeben (Stevenson und Peterson 1973; Haire Auch das rotorangefarbene Californium-III-
2006). iodid (CfI3) konnte in einer Menge weniger μg
Auch Californium-III-chlorid (CfCl3) ist ein im Hochvakuum bei einer Temperatur von
grüner Feststoff und erscheint in Form zweier ca. 500  C aus Californium-III-hydroxid und Iod-
Modifikationen. In der hexagonalen Kristallstruk- wasserstoff dargestellt werden (MacIntyre et al.
tur des UCl3-Typs ist jedes Californiumion von 1992, S. 2826; Wild et al. 1978). Dieses Triiodid
neun Chloridionen umgeben und weist zwei For- bleibt beim Erhitzen bis zum relativ hohen Subli-
meleinheiten pro Elementarzelle auf. In der or- mationspunkt von ca. 800  C stabil (Macintyre
thorhombischen Geometrie des PuBr3-Typs ist et al. 1992, S. 2826). Es kristallisiert trigonal mit
jedes Metallion mit acht Chloridionen in jeweils sechs Formeleinheiten pro Elementarzelle und
unterschiedlichen Abständen koordiniert. Die wie viele andere Triiodide der Actinoiden isotyp
Verbindung kann zum tiefblauen Californium-II- zu Bismut-III-iodid. Reduktion der Verbindung
chlorid reduziert werden (Burns et al. 1973; Peter- mit hochreinem Wasserstoff bei knapp 600  C
son et al. 1986; Nave et al. 1987; Green und ergibt das dunkelviolette Californium-II-iodid
Cunningham 1967). (Wild et al. 1975).
Das grüne Californium-III-bromid (CfBr3) Die Herstellung dieses Californium-II-iodids
(s. Abb. 22) kristallisiert monoklin im Aluminium- (CfI2) gelang in Mengen einiger μg im Hochva-
chlorid-Gittertyp mit sechsfacher Koordination kuum in einer Quarzglaskapillare. Beim Erhitzen
der Cf3+-Ionen. Die Verbindung schmilzt bei über den Schmelzpunkt hinaus reagiert es mit dem
einer Temperatur von 675  C. Beim Erhitzen gibt im Glas enthaltenen Sauerstoff unter Bildung von
es zum Teil Brom ab und geht in Californium-II- Oxidiodid (Wild et al. 1978). Bei Raumtempera-
bromid (CfBr2) über (Burns et al. 1975; Young et al. tur kristallisiert die Verbindung orthorhombisch,
1975). in der Hitze trigonal.
Erleiden das Isotop 24997Bk enthaltende Berke- Hydrolyse der Trihalogenide ergibt, wie bei
liumverbindungen einen β-Zerfall zu der jeweili- vielen anderen Metall-III-halogeniden, zunächst
gen Verbindung des Californiums (24998Cf), so die Oxidhalogenide, so auch beim Californium.
bleiben Oxidationszahl und Kristallstruktur je- Californium-III-oxifluorid (CfOF) erhielt man
durch Hydrolyse von Californium-III-fluorid bei
hoher Temperatur; es kristallisiert im kubischen
Fluoritgitter (Peterson und Burns 1968).
Californium-III-oxichlorid (CfOCl) konnte
durch Hydrolyse hydratisierten Californium-III-
chlorids bei 300  C dargestellt werden und kris-
tallisiert tetragonal (Copeland und Cunningham
1969; Burns et al. 1998).
Abb. 22 Californium-III-bromid (Materialscientist 2009)
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1039

Pnictogenverbindungen Die jeweiligen Ver- Letztere wird zunehmend wichtig, da Califor-


bindungen des Typs CfX konnten für die Elemente nium das letzte Element und sozusagen das „letzte
Stickstoff, Arsen und Antimon dargestellt wer- Sprungbrett“ innerhalb der Reihe der Actinoide
den. Sie kristallisieren im kubischen NaCl-Gitter ist, dessen Isotope gerade noch langlebig genug
mit den Gitterkonstanten 581 pm für CfAs und sind, um aus ihnen durch Beschuss mit leichten
617 pm für CfSb (Damien et al. 1980; Nave et al. Atomkernen Nuklide deutlich höherer Protonen-
1986). und Massenzahlen zu erzeugen. Beispielsweise
Sonstige Verbindungen Einen deutlichen Un- ergibt der Beschuss von 24998Cf mit Kohlenstoff
terschied zu den meist kationisch in ihren Verbin- (126C) 255102No (Nobelium) (Holleman und
dungen auftretenden Seltenerdmetallen macht das Wiberg 2007; S. 1954):
Element aufgrund relativistischer Effekte im Cali-
fornium-III-polyborat. Das große Polyboratanion 249
98 Cf þ 12
6C ! 21 0 n þ 4
2 He þ 255
102 No
ist relativ flexibel und polarisierbar, was die
Beteiligung sämtlicher Außenorbitale des Ca- Im Oktober 2006 erschien die Veröffentlichung,
liforniumatoms im Stil mehrfacher kovalenter dass durch den Beschuss von 24998Cf mit 4820Ca
Bindungsanteile ermöglicht (Polinski et al. 2014). Kerne des bisher schwersten Elementes Oganesson
Die Verbindung wurde durch Umsetzung einer (Ordnungszahl: 118) erzeugt wurden.
wässrigen Lösung von Californium-III-chlorid
mit überschüssiger Borsäure im Autoklaven
Patente
bei einer über 7 d bei 240  C gehaltenen Tempera-
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
tur erzeugt. Dann kühlte man das Gemisch wäh-
wide.espacenet.com)
rend 72 h langsam auf 20  C ab, wusch mit Wasser
nicht umgesetzte Borsäure aus und erhielt die was-
N. Smirnov und V. V. Obnorskij, Sealed
serunlöslichen Kristalle der Verbindung.
isotopic source of fission fragments
Im Mikrogramm-Maßstab konnte durch Re-
based on californium-252 and a method
aktion geschmolzenen Beryllocens mit Califor-
of producing same (Akcionernoe Obsh-
nium-III-chlorid „Californocen“ Cp3Cf (Cp =
chestvo Radievyy Institut Imeni V G
C5H5) dargestellt werden, wie durch Röntgen-
Khlopina, WO 2018139954 A1, veröf-
strukturanalyse ermittelt wurde (Laubereau und
fentlicht 2. August 2018)
Burns 1970).
Y. H. Weon und M. H. Cho, Californium
neutron source container with optimum
Anwendungen Das Isotop 25298Cf ist als Neu-
lead shielding (Korea Hydro & Nuclear
tronenquelle wichtig. Da es zum Teil spontan
Power Co., KR 20140075383 A, veröf-
zerfällt, strahlt 1 μg pro Sekunde 2,314 Mio. Neu-
fentlicht 19. Juni 2014)
tronen ab (Audi et al. 2003). Es wird in Form von
M. J. Rivard, Dosimetry of californium-252
Californium-III-oxid (Cf2O3) und manchmal auch
(252Cf) neutron-emitting brachytherapy
in tragbaren Einheiten verwendet. Einsatzge-
sources and encapsulation, storage, and
biete sind in der Medizin zur Krebsbehandlung
clinical delivery thereof (New England
(Martin und Miller 2002; US 7118524), in der
Medical, US 6551232 B1, veröffentlicht
Industrie (Materialdiagnostik, „On the Spot“-
22. April 2003)
Neutronenaktivierungsanalyse) (Martin und Mil-
G. Seiler und W. Lange, Californium and
ler 2002), bei der Erdölförderung zur Messung
phosphorus irradiation esp. for in-vivo
des Wassergehaltes in ölführenden Schichten
investigation – uses californium as neu-
(Martin und Miller 2002), zum Auffinden von
tron source for highly localized target
Sprengstoffen (Martin und Miller 2002), als Star-
(Kernforschungszentrum Karlsruhe, DE
ter in Kernreaktoren (Bayerisches Staatsministe-
2655354 A1, veröffentlicht 20. Juli 1978)
rium für Umwelt 2006) und zur Herstellung höhe-
rer Elemente. (Fortsetzung)
1040 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Ungefähr zur gleichen Zeit reproduzierte eine


P. Smith und E. Albenesius, Californium- Arbeitsgruppe am späteren Vereinigten Institut für
palladium metal neutron source mate- Kernforschung in Dubna (Russland) die Ergeb-
rial (Atomic Energy Commission, US nisse (Guseva et al. 1956). Im gleichen Institut
3787321 A, veröffentlicht 22. Januar wurden dreißig Jahre später geringe Mengen an
1974) Einsteinium durch Bestrahlung von Californium
J. Mailen und L. Ferris, Separation of cali- mit Neutronen gewonnen (Smirnov et al. 1985).
fornium from other actinides (Atomic
Energy Commission, US 3761564 A,
veröffentlich 25. September 1973) Albert Einstein (* 14. März 1879 Ulm ; †
J. B. Knighton und R. K. Steunenberg, Cali- 18. April 1955 Princeton, NJ) studierte ab
fornium and einsteinium separation (pri- 1896 Mathematik und Physik für das Fach-
vat, US 3276861 A, veröffentlicht lehramt am Züricher Polytechnikum und
4. Oktober 1966) schloss 1900 mit dem Diplom in beiden Fä-
D. F. Peppard und G. W. Mason, Separation chern ab. In der Folgezeit erhielt er auf seine
of californium from curium by solvent Bewerbungen an Universitäten stets Absa-
extraction (privat, US 3034854 A, ver- gen, kam dann 1902 als Technischer Experte
3. Klasse beim Schweizer Patentamt in Bern
öffentlicht 15. Mai 1962)
unter. 1905 veröffentlichte Einstein seine
grundlegenden Werke, am 17. März des Jah-
res zunächst die über den photoelektrischen
Effekt. Sechs Wochen später folgte seine Dis-
5.10 Einsteinium
sertation „Eine neue Bestimmung der Mole-
küldimensionen“ (Einstein 1905), in der er
Geschichte Isotope des Einsteiniums und Fer-
die Größe von Zuckermolekülen in Lösung
miums erzeugte die Gruppe um Seaborg schon berechnete und daraus einen Wert für die
1953 durch Bestrahlung des Isotops 23994Pu, die Avogadro-Konstante (6,022  1023/mol), die
Ergebnisse erschienen dann in mehreren kurz auf- Zahl der in einem Mol einer Substanz
einander folgenden Publikationen (Ghiorso et al. enthaltenen Teilchen, ableitete. 1906 erhielt
1954; Thompson et al. 1954; Harvey et al. 1954; er die Promotionsurkunde.
Studier et al. 1954; Fields et al. 1954; Choppin Noch 1905 erklärte Einstein die Brown-
et al. 1954). Kurz vor Erscheinen dieser Schriften sche Molekularbewegung mit der „von der
veröffentlichte eine Arbeitsgruppe des schwedi- molekularkinetischen Theorie der Wärme
schen Nobel-Instituts für Physik in Stockholm geforderte Bewegung von in ruhenden
Ergebnisse von Arbeiten zum Beschuss von Flüssigkeiten suspendierten Teilchen“ (Ein-
Nukliden des Urans mit Sauerstoffkernen, bei stein 1905, S. 549). Im gleichen Jahr folgte
denen sie unter anderem das Isotop 250100Fm noch seine Arbeit zur Elektrodynamik
erhielten (Atterling et al. 1954). bewegter Körper (Einstein 1905, S. 891),
Kurz darauf publizierte die Gruppe um Seaborg im Nachtrag dazu stellte er mathematisch
in Berkeley bereits Resultate der chemischen Eigen- die Äquivalenz von Masse und Energie
schaften beider Elemente (Thompson et al. 1954). mit der Formel E=mc2 her (Einstein 1905,
Schließlich wurden die Ergebnisse der thermonu- S. 693). Die Inhalte beider Arbeiten
klearen Explosion von 1952, bei der man Isotope bezeichnet man heute als Spezielle Relati-
des Einsteiniums und Fermiums isoliert hatte, drei vitätstheorie, die, wie von Einstein postu-
Jahre später freigegeben und von 1955 an veröffent- liert, nur bei Abwesenheit von Schwerkraft
gilt, da die Lichtgeschwindigkeit c unter
licht (Ghiorso et al. 1955; Fields et al. 1956). Im
dem Einfluss der Gravitation nicht konstant
weiteren Verlauf gelang die Erzeugung weiterer Iso-
ist. Einstein erweiterte diese Spezielle bis
tope des Einsteiniums relativ schnell (Chetham-
zur Allgemeinen Relativitätstheorie, deren
Strode und Holm 1956; Harvey et al. 1956).
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1041

Dieses Resultat führte zu der Voraussage, dass


Ergebnisse er am 25. November 1915 der Urankerne in der Lage sind, viele Neutronen ein-
Preußischen Akademie der Wissenschaften fangen zu können, was zur Entstehung von Nukli-
vorstellte. Diese Allgemeine Relativitäts- den höherer Elemente führt (Ghiorso 2003). Die
theorie, die heute die allgemein anerkannte Trennung der verschiedenen bei der Explosion
Gravitationstheorie ist, beschreibt die Wech- gebildeten und dann in die wässrige Phase
selwirkung von Raum, Zeit und Materie, überführten Actinoidionen erfolgte im schwach
die sich in Form der Gravitation in der sauren Medium (pH 3,5, gepuffert mit Zitro-
gekrümmten vierdimensionalen Raumzeit nensäure/Ammoniumcitrat) unter Einsatz von Io-
äußert.
nenaustauschern bei erhöhter Temperatur. Von
Die Beziehung dieser Theorie zur Quan-
Einsteinium fand man zuerst das Isotop 25399Es,
tenphysik ist aber noch ungeklärt. Einsteins
einen intensiven α-Strahler (6,6 MeV), das durch
Verhältnis zur Quantenphysik war gespal-
Einfangen von 15 Neutronen aus 23892U, gefolgt
ten. Zum einen half die von ihm gelieferte
Erklärung des fotoelektrischen Effekts beim von sieben β-Zerfällen, gebildet wird (Ghior-
Verständnis einiger Phänomene, anderer- so 2003).
seits bemängelte er die von Bohr, Heisen- Auch Einsteinium kann noch durch Beschuss
berg, Schrödinger und Dirac entwickelte leichterer Actinoidkerne mit Neutronen im Kern-
Quantentheorie aufgrund fehlender mathe- reaktor gewonnen werden. Heute sind messbare
matischer Beweise. Seine Versuche, die Mengen leichter im 85 MW High-Flux-Isotope
Quantentheorie mit den damals verfügbaren Reactor am Oak Ridge National Laboratory in
Messmethoden experimentell zu unterstüt- Tennessee, USA, zugänglich, wo man auf die Her-
zen, lieferten oft nicht das gewünschte stellung höherer Transurankerne spezialisiert ist.
Ergebnis. Hier argumentierte die Gruppe 1961 konnte man dort 10 μg des Isotops
253
um Bohr oft überzeugender. 99Es synthetisieren, das man gleich zur Erzeu-
Einstein erhielt den Nobelpreis für Phy- gung von Mendeleviumisotopen (OZ: 101) ver-
sik 1922, musste Deutschland 1933 verlas- wendete. Weitere wägbare Mengen wurden im
sen und siedelte in die USA über. Im glei- Oak Ridge National Laboratory durch Beschuss
chen Jahr wurde er Mitglied des Institute for von 23994Pu mit Neutronen hergestellt (Seaborg
Advanced Study in Princeton NJ, wo er bis et al. 2000). Aus 1 kg Plutonium erhielt man nach
zu seinem Tod 1955 lebte. vierjähriger (!) Dauerbestrahlung und anschlie-
ßender Trennung der Nuklide verschiedener Ord-
Gewinnung Die Explosion der ersten ameri- nungszahl die Menge von 3 mg Einsteinium. In
kanischen Wasserstoffbombe Ivy Mike am diesem Gemisch von Isotopen identifizierte man
1. November 1952 auf dem Eniwetok-Atoll setzte vier Isotope, angegeben sind die damals ermittel-
neben anderen Transuranen auch Spuren von Ein- ten Halbwertszeiten des jeweilig dominierenden
steinium frei. Diese konnten auf Filterpapieren, Zerfalls:
die beim Durchfliegen durch die Explosionswolke
99Es [α (20,03 d) und SF („spontaneous fission/
253
mitgeführt wurden, gesammelt werden. Größere
Mengen isolierte man später aus Korallen, die in Spontanspaltung“)], daneben 254m199Es
der Nähe des Atolls wuchsen. Aus Gründen der [β (38,5 h)], 25499Es [α (320 d)] und 25599Es

militärischen Geheimhaltung wurden die Ergeb- [β (24 d)].
nisse zunächst nicht publiziert (Ghiorso 2003).
Aus einer ersten Analyse der Überreste der Mittlerweile konnte man weitere Isotope des
Explosion ergab sich die Bildung des damals Elements erzeugen. So erhielt man 24899Es [ε
neuen Isotops 24494Pu, das nur durch Aufnahme (25 min)] beim Bombardieren von 24998Cf mit
von sechs Neutronen durch einen 23892U-Kern Kernen des Deuteriums (21H) (Chetham-Strode
und zwei darauf folgende β-Zerfälle entstanden und Holm 1956). 24999Es, 25099Es, 25199Es und
sein konnte. 252 249
99Es konnte man durch Beschuss von 97Bk
1042 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

mit α-Teilchen (42He) darstellen (Thompson Haire und Baybarz 1973). Oft muss man experi-
1956). Das Isotop 25399Es ist am leichtesten zu- mentell erhaltene Daten wegen des schnell wach-
gänglich, weswegen es meist für Bestimmungen senden Gehaltes an Verunreinigungen retropolie-
der chemischen Eigenschaften verwendet wird, ren.
obwohl es nicht das längstlebige ist. Erzeugt wird Einsteinium und sein Oxid (Es2O3) bzw. Fluo-
es durch Bestrahlung von 25298Cf mit thermischen rid (EsF3) sind die am stärksten paramagnetischen
Neutronen (Smirnov et al. 1985). Stoffe der Actinoidenreihe mit effektiven magne-
Einsteiniummetall erhält man durch Reaktion tischen Momenten von 10,40,3 μB für Es2O3
von Einsteinium-III-fluorid mit Lithium (Cun- und 11,40,3 μB für EsF3. Die Curie-Temperatu-
ningham und Parsons 1971) oder von Einstei- ren liegen bei 220  C (53 K) und 236  C
nium-III-oxid mit Lanthan (Haire und Baybarz (37 K) (Huray et al. 1983, 1984).
1979): Die chemischen Eigenschaften des Metalls
wurden bereits 1954 von Seaborgs Arbeitskreis
EsF3 þ 3 Li ! Es þ 3 LiF beschrieben (Ghiorso et al. 1954; Seaborg et al.
Es2 O3 þ 2 La ! 2 Es þ La2 O3 1954a, b). Einsteinium ist wie die anderen Acti-
noide chemisch sehr reaktionsfähig. In wässriger
Lösung ist die dreiwertige Oxidationsstufe am
Eigenschaften Einsteinium steht mit seiner Ord- stabilsten, es sind aber auch Verbindungen mit
nungszahl 99 in der Reihe der Actinoide; sein Einsteinium in der Oxidationsstufe +2 bekannt.
Analogon in der Reihe der Lanthanoide ist das Zweiwertige Verbindungen konnten bereits als
Holmium. Die an seiner erstmaligen Synthese Feststoffe dargestellt werden. Wässrige Lösungen
beteiligten Arbeitsgruppen geben (Seaborg et al. mit Es3+-Ionen haben eine blassrosa Farbe (Hol-
1955) eine Beschreibung derjenigen Daten von leman und Wiberg 2007, S. 1956).
Eigenschaften, die man seinerzeit bestimmen
konnte. Verbindungen
Einsteinium ist ein künstlich erzeugtes, radio- Das farblose, kubisch kristallisierende Einstei-
aktives Metall mit einem Schmelzpunkt von nium-III-oxid (Es2O3) lag nach seiner erstmaligen
860  C, einem Siedepunkt von 996  C und einer Darstellung durch Glühen des Nitrats in μg-Men-
Dichte von 8,84 g/cm3 (Haire 1990; s. auch gen und Aggregaten eines ungefähren Durchmes-
Tab. 10). Es kristallisiert kubisch dichtest bzw. sers von 30 nm vor. Für die Verbindung kennt man
flächenzentriert. Die Radioaktivität des Elements auch noch je eine monokline und hexagonale
ist so stark, dass dadurch das Metallgitter ge- Modifikation, die sich in Abhängigkeit von der
schwächt oder zerstört wird (Haire und Baybarz Präparationstechnik, der Lagerungszeit und dem
1979), wofür die niedrige Dichte und die tiefen durch die Eigenbestrahlung ausgelösten Erhitzen
Schmelz- und Siedepunkte sprechen. Das Metall der Probe einstellen. Für Einsteinium-III-oxid
ist divalent und bei höherer Temperatur flüchtig liegt noch kein eindeutiges Phasendiagramm vor.
(Haire et al. 1984). Die von 25399Es abgestrahlte Die hexagonale Modifikation ist isotyp zur Struk-
Wärmeenergie beträgt 1000 W/g (!). tur des Lanthan-III-oxids (Haire und Eyring
Untersuchungen des Elements und seiner Ver- 1994).
bindungen müssen wegen der kurzen Halbwerts- Halogenide des Elements sind für dessen Oxi-
zeiten seiner Isotope, verbunden mit steigender dationszahlen +2 und +3 bekannt, wobei +3 stets
Kontamination durch andere Actinoide, und der die stabilere Form vertritt (Young et al. 1981).
durch starke radioaktive Strahlung bedingten Einsteinium-III-fluorid (EsF3) erhält man als farb-
Zerstörung der Kristallgitter dieser bei Raum- losen Niederschlag, wenn eine das Einsteinium-
temperatur festen Substanzen direkt nach ihrer III-chlorid enthaltende Lösung mit Fluoridionen
Herstellung erfolgen. Die Umwandlungsrate von versetzt wird. Alternativ kann man Einsteinium-
Einsteinium zu Berkelium und dann zu Califor- III-oxid unter leicht erhöhtem Druck und bei
nium beträgt 3,3 % pro d (!) (Ensor et al. 1981; 300–400  C mit Fluor oder Chlor-III-fluorid
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1043

Tab. 10 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Einsteinium


Symbol: Es
Ordnungszahl: 99
CAS-Nr.: 7429-92-7

Aussehen: Silbrig, blaues Leuchten Einsteinium,


Farbe von Es3+aq.: Blassrosa 0,3 mg 25399Es
Haire (2006b)
Entdecker, Jahr Seaborg et al. (USA), 1954
Wichtige Isotope Halbwertszeit (d) Zerfallsart, -produkt
252
99Es (synthetisch) 471,7 (α) α > 24897Bk ♦ ε > 25298Cf
253
99Es (synthetisch) 20,47 α > 24997Bk
254
99Es (synthetisch) 275,7 α > 25097Bk
255
99Es (synthetisch) 39,8 (β) β > 255100Fm ♦
α > 25197Bk
Atommasse (u): 252
Elektronegativität (Pauling) 1,3
Normalpotenzial (V; Es3+ + 3 e ! Es) 1,91
Atomradius (berechnet, pm): (203)
Kovalenter Radius (pm): Keine Angabe
Ionenradius (pm): 93 (Es3+)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 5f11
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 619
Magnetismus: Paramagnetisch
Curie-Punkt ♦ Néel-Punkt (K): Keine Angabe
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 160 (25399Es)
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 8,84
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 28,52  106
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m  K)]): 10
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 860 ♦ 1133
Sublimationswärme (kJ/mol) 142
Siedepunkt ( C ♦ K): 996 ♦ 1269

umsetzen. In der hexagonalen Kristallstruktur 1975). Das bernsteinfarbene Einsteinium-III-


sind die Es3+-Ionen von jeweils acht Fluoridionen iodid (EsI3) (s. Abb. 23) kristallisiert trigonal.
umgeben; die Anordnung entspricht der eines Verbindungen des Einsteiniums mit der Oxida-
zweifach überkappten trigonalen Prismas (Young tionszahl +2 wurden durch Reduktion der Trihalo-
et al. 1978). genide mit Wasserstoff dargestellt (Peterson et al.
Einsteinium-III-chlorid (EsCl3) ist durch Ein- 1979):
wirkung trockenen Chlorwasserstoffs auf Ein-
steinium-III-oxid bei etwa 500  C für ca. 20 min 2 EsX3 þ H2 ! 2 EsX2 þ 2 HX ðX ¼ F,Cl,Br,IÞ
erhältlich. Beim Abkühlen auf eine Temperatur
von 425  C kristallisiert es als orangefarbener Auf diese Weise erhielt man das Einsteinium-
Feststoff mit hexagonaler Struktur des UBr3- II-chlorid (EsCl2) (Fellows et al. 1977), Einstei-
Typs (Fujita et al. 1969). Das blassgelbe Einstei- nium-II-bromid (EsBr2) (Young et al. 1976) und
nium-III-bromid (EsBr3) kristallisiert im mono- das Einsteinium-II-iodid (EsI2). Diese Verbindun-
klinen Aluminiumchlorid-Gittertyp (Fellows et al. gen konnten bisher aber nur durch ihre Lichtab-
1044 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

werden können, beschränkt sich sein Einsatz auf


Studienzwecke.

Patente
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
wide.espacenet.com)

D. Chu und F. Peng, Atomic excitation


spectral line analyzer (Quzhou Pulin
Qianye Electronic Technology Co., Ltd.,
Abb. 23 Einsteinium-III-iodid glüht im Dunkeln (Los CN 204086143 U, veröffentlicht 7.
Alamos National Laboratories 2010)
Januar 2015)
P. Lustig und D. Yves, Composition based
on one or more transuranium elements –
sorption in Lösung charakterisiert werden; Daten
and especially plutonium – for the homo-
zur Struktur liegen noch nicht vor. Auch die Oxid-
eopathic prevention and treatment of
halogenide sind jeweils schon charakterisiert
HIV infection (privat, FR 2709063 A1,
(EsOCl, EsOBr und EsOI); man stellt sie durch
veröffentlicht 24. Februar 1995)
Hydrolyse des zugrunde liegenden Trihalogenids
N. B. Mikheev und V. I. Spitsyn, Method of
mit einem Dampfgemisch aus Wasser und dem
obtaining bivalent einsteinium (Institut
jeweiligen Halogenwasserstoff her.
Fizicheskoi Khimii Akade, SU 371781
Seine starke Radioaktivität macht Einsteinium
A1, veröffentlicht 15. November 1979)
potenziell für die Bestrahlungstherapie interessant.
Zu diesem Zweck synthetisierte man diverse orga-
nische Verbindungen des Elements mit dem Ziel,
diese geeignet in den Organismus einbringen zu
5.11 Fermium
können. Hunden wurden beispielsweise Lösun-
gen von Einsteiniumcitrat injiziert, und Diketoche-
Gewinnung Die Entdeckung des Fermiums er-
latkomplexe des Es3+ wurden, im Verhältnis
folgte erstmals in kontaminierten Korallen des
1:1000 verdünnt mit Gd3+-Ionen zur Minimierung
Eniwetok-Atolls, auf dem Versuche mit Atom-
der Zerstörung der Probe durch Strahlung, unter-
bomben durchgeführt wurden. Nach Überfüh-
sucht mit Hilfe der Lumineszenzspektrometrie, die
rung der Actinoidionen in die wässrige Phase
jedoch zu schwach war (Nugent et al. 1969).
wurden diese mit Hilfe von Ionenaustauschern
Eine durch Es3+-Ionen hervorgerufene Lumines-
in citratgepufferter Lösung voneinander ge-
zenz war aber in salzsaurer wässriger Lösung
trennt. Unter den so isolierten Ionen befand sich
als auch im Extraktionsmittel D2EHPA [Di-
auch ein intensiver α-Strahler (7,1 MeV) kurzer
(2-ethylhexyl) orthophosphorsäure] in Form einer
Halbwertszeit (ca. 1 d). Hauptsächlich wegen
sehr breiten Emissionsbande bei 1060 nm nach-
seines Elutionsverhaltens wurde es zu 255100Fm
weisbar, wenn die Anregung mit grünem Licht
bestimmt (Ghiorso 2003; Ghiorso et al. 1955;
einer Wellenlänge von 495 nm erfolgte. Breite
Fields et al. 1956).
und Lage der Bande wichen vom bei Lanthanoi-
Im Oak Ridge National Laboratory bestrahlte
den typischerweise beobachteten Verhalten ab;
man größere Mengen an Curium. Dabei entstan-
Ursache dürften auch relativistische Effekte sein
den Californium (mehrere 100 mg), Berkelium
(Fujita et al. 1969; Beitz et al. 1983).
und Einsteinium (einige mg) sowie einige pg Fer-
mium (Porter et al. 1997; Haire et al. 2003). Die
Anwendungen Einsteinium wird zur Erzeugung
bei Explosionen von Atombomben entstehenden
höherer Transurane und -actinoide eingesetzt. Da
Mengen an Fermium bewegen sich um einige
überhaupt nur Kleinstmengen des Metalls erzeugt
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1045

mg. 40 pg 257100Fm isolierte man aus 10 kg der einige Berechnungen oder Vorhersagen vor. Die
Explosionsreste aus dem Hutch-Bombentest vom Sublimationsenthalpie wurde direkt durch Mes-
16. Juli 1969 (Hoff und Hulet 1970). sung des Partialdrucks des Fermiums über Fm-
Nach der Bestrahlung wird Fermium durch Sm- und Fm/Es-Yb-Legierungen im Bereich der
Ionenaustauschchromatografie von den anderen Temperaturen von 370 bis 630  C bestimmt. Es
bei der Bestrahlung gebildeten Actinoiden getrennt. ergab sich dabei ein Wert von ca. 142 kJ/mol. Da
Die Elution erfolgt mit einer Lösung von Am- die Sublimationsenthalpie von Fermium in einer
monium-α-hydroxyisobuttersäuremethylester (Hoff ähnlichen Größenordnung liegt wie die der eben-
und Hulet 1970; Thompson et al. 1956; Choppin falls mit der Oxidationszahl 2 auftretenden Ele-
et al. 1956). Kleinere Kationen wie auch Fm3+ mente Einsteinium, Europium und Ytterbium, ist
bilden stabilere Komplexe mit den α-Hydroxyiso- anzunehmen, dass Fermium ebenfalls Ionen die-
buttersäuremethylester-Anionen, daher werden sie ser Oxidationszahl bilden kann. Vergleiche mit
bevorzugt von der Säule eluiert (Silva 2011). Eine Radien und Schmelzpunkten von Europium-,
Methode für die schnelle fraktionierte Kristallisation Ytterbium- und Einsteinium-Metall führten zu
entwickelten Mikheev et al. (1983). Schätzwerten von 198 pm und 852  C für Fer-
Obwohl 257100Fm mit einer Halbwertszeit von mium (Silva 2006) (s. Tab. 11).
ca. 100 d das stabilste Fermiumisotop ist, wird Das Normalpotenzial für das Fm3+/Fm-Paar
meist mit 255100Fm gearbeitet. Jenes ist zwar mit wurde zu 1,96 V berechnet, also dürfte Fermium
einer Halbwertszeit von etwa 20 h viel kurzlebi- wie die anderen Actinoide unedel und ziemlich
ger, jedoch kann es leicht als β-Zerfallsprodukt reaktionsfähig sein. Für das Redoxpaar Fm3+/Fm2+
des 25599Es gewonnen werden (Silva 2006; Porter schätzte man das Redoxpotenzial ähnlich zum
et al. 1997). Ytterbium Yb3+/Yb2+-Paar ein, mit einem Wert
von ca. 1,15 V (Podorozhnyi et al. 1977); ein
Eigenschaften Sämtliche bisher bekannten 19 Nu- Wert, der mit theoretischen Berechnungen überein-
klide und 3 Kernisomere sind radioaktiv, mit zum stimmt (Nugent 1975). Polarographische Untersu-
Teil sehr kurzen Halbwertszeiten. Am stabilsten ist chungen ergaben für das Fm2+/Fm-Redoxpaar ein
noch 257100Fm mit einer Halbwertszeit von 100,5 d. Normalpotenzial von 2,37 V (Hobart et al.
Die bisher beobachteten Massenzahlen reichen von 1979).
242 bis 260 (Audi et al. 2003). Nubase 2003 führt insgesamt 19 Isotope des
Als Fermiumbarriere bezeichnet man das Phä- Fermiums auf (Audi et al. 2003). Diese haben
nomen, dass die Fermiumisotope 258100Fm, Atommassen von 242 bis 260, von denen
259 260 257
100Fm und 100Fm nach kurzer Zeit durch 100Fm mit einer Halbwertszeit von 100,5 d
Spontanspaltung zerfallen. Zudem ist 257100Fm das längstlebige ist. Die anderen Isotope sind
ein α-Strahler und zerfällt zu 25398Cf. Auch erlei- deutlich instabiler, wie etwa 253100Fm mit 3 d,
251 254
det kein bislang bekanntes Isotop des Fermiums 100Fm mit 5,3 h, 100Fm mit 3,2 h oder
einen β-Zerfall (Audi et al. 2003). Dies verhin- 256
100Fm mit 2,6 h, und dies sind noch die be-
dert, dass mit Hilfe von Neutronenstrahlung, zum ständigsten. Die ganz kurzlebigen Isotope besit-
Beispiel im Kernreaktor, Elemente mit höheren zen Halbwertszeiten von 30 min bis hinunter in
Ordnungszahlen als 100 bzw. Massenzahlen grö- den ms-Bereich.
ßer als 257 erzeugt werden können. Die Atom-
kerne des Fermiums sind daher die schwersten, Verbindungen Feste Verbindungen des Fer-
die noch durch Neutroneneinfang hergestellt wer- miums konnte man bisher noch nicht darstellen,
den können. Jedes Zufügen weiterer Neutronen zu die bisher erhaltenen Ergebnisse beziehen sich auf
einem Fermiumnuklid führt zu dessen Spontan- die mit Tracertechnik verfolgte Chemie des Fer-
spaltung. miums in Lösung. Gewöhnlicherweise existiert in
Das Metall wurde bislang nicht dargestellt, Lösung das Fm3+-Ion, das eine Lewis-Säure mit
dagegen führte man Messungen an Legierungen einer Dissoziationskonstante von 1,6  104 (pKa:
mit Lanthanoiden durch, und schließlich liegen 3,8) ist (Lundquist et al. 1981). Dieses Ion bildet
1046 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Tab. 11 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Fermium


Symbol: Fm
Ordnungszahl: 100
CAS-Nr.: 7440-72-4

Aussehen: Noch nicht erzeugt Fermium-Ytterbium-Legierung


Farbe von Fm3+aq.: Keine Angabe (Manske2013)
Entdecker, Jahr Ghiorso et al. (USA), 1955
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
253
100Fm (synthetisch) 3,00 d (ε) ε > 25399Es ♦ α > 24998Cf
254
100Fm (synthetisch) 3,24 h α > 25098Cf
255
100Fm (synthetisch) 20,07 h α > 25198Cf
257
100Fm (synthetisch) 100,5 d α > 25398Cf
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): —
Atommasse (u): 257,095
Elektronegativität (Pauling) 1,3
Normalpotenzial (V; Fm3+ + 3 e ! Fm) 1,96 (berechnet)
Atomradius (berechnet, pm): (198)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 5f12
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 627
Magnetismus: Paramagnetisch
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): 5800 (257Fm)
Kristallsystem: Keine Angabe
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 8,84 (geschätzt)
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 29,08  106

Schmelzpunkt ( C ♦ K): 852 ♦ 1125
Sublimationswärme (kJ/mol) 142
Siedepunkt ( C ♦ K): Keine Angabe

Komplexe mit einer Vielzahl organischer Ligan- geringen Mengen, zu Studienzwecken gewonnen.
den über deren Sauer- oder Stickstoffatome; und Zur Zeit können daher noch keine möglichen
diese Komplexe sind stabiler als die meisten Anwendungen diskutiert werden.
der vorausgehenden Actinoide (Thompson et al.
1954), da gemäß der „Actinoidenkontraktion“ das
Patente
Fm3+-Ion einen kleineren Durchmesser als die
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
trivalenten Kationen der vorausgehenden Ele-
wide.espacenet.com)
mente hat. Die Reduktion von Fm3+ zu Fm2+ ver-
läuft relativ leicht (Malý 1967) und ist schon
N. B. Mikheev und V. I. Spitsyn, Method
durch milde Reduktionsmittel wie Sm2+ zu errei-
for preparing fermium in a bivalent state
chen, mit dem Fm2+ zusammen ausfällt (Mikheev
(Institut Fizicheskoj Khimii AN SSSR;
et al. 1972; Hulet et al. 1979; Mikheev et al. 1977;
Obedinennyj i Yadernykh I, SU 371782
Hobart et al. 1979).
A1 A1, veröffentlicht 30. Oktober 1979)
Anwendungen Fermium bzw. seine Verbindun- (Fortsetzung)
gen werden, wenn überhaupt und dann in extrem
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1047

genden Stelle innerhalb des Trägerbehälters ange-


N. B. Mikheev und A. N. Kamenskaya, bracht wurde. So erhoffte man sich, dass die
Method for recovering fermium (Insti- erzeugten Atome des Mendeleviums vom Target
tut Fizicheskoj Khimii AN SSSR, weggeschleudert und von einer als Fänger ver-
SU 923078 A1, veröffentlicht 30. Juli wendeten Goldfolie adsorbiert werden würden.
1983) Das Target (so genanntes „Recoil Target“) enthielt
109 Atome 25399Es, die elektrolytisch auf einer
dünnen Goldfolie aufgebracht worden waren.
Die Bombardierung erfolgte mit α-Teilchen einer
5.12 Mendelevium Energie von 41 MeV mit der damals sehr hohen
Strahlungsdichte von 6  1013 Teilchen pro s über
Geschichte 1955 stellte die Gruppe um Seaborg eine Fläche von 0,05 cm2. Das Target wurde
und Thompson im Zyklotron der Universität Ber- flüssigem Helium gekühlt und konnte bei Bedarf
keley durch Beschuss von Einsteinium-Targets ausgetauscht werden (Hall 2000; Ghiorso et al.
(25399Es) mit Helium-Kernen erstmals ein Isotop 1955).
des Mendeleviums dar (256101Md, t1/2=77 min). Das Element wurde nach Mendelejew benannt,
Im Zuge dieser Reaktion wurden gerade einmal der das erste Periodensystem der Elemente entwi-
17 (!) Atome des neuen Elements erzeugt (Chop- ckelt hatte (Kurzbiografie s. Kapitel „Protac-
pin 2003). Die Anwendung dieser Methode war tinium“). Der von Seaborg gemachte Namensvor-
erforderlich, weil Nuklide mit höheren Ordnungs- schlag musste, da man sich seinerzeit im Kalten
zahlen als Fermium nicht mehr durch Beschuss Krieg befand, eigens vom amerikanischen Parla-
von Plutonium oder höheren Actinoiden mit Neu- ment genehmigt werden (Choppin 2003).
tronen dargestellt werden können, denn es gibt
keine Isotope des Fermiums mehr, die durch β- Darstellung Die leichteren Isotope des Mende-
Zerfall Isotope des nächsthöheren Elements, leviums (245101Md bis 247101Md) erzeugt man
Mendelevium, bilden. meist durch Bombardieren von Bismuttargets
Bei solchen Experimenten musste die Zahl der mit Argonionen, wogegen die schwereren
erzeugten Atome etwa dem Produkt aus Atomen (248101Md bis 253101Md) durch Beschuss von Plu-
des beschossenen Elements, dessen Querschnitt, tonium- oder Americium-Targets mit Kohlen-
der Dauer und der Intensität des Beschusses sein. stoff- oder Stickstoffionen erhalten werden. Die
Unter bestmöglichen Bedingungen war also nur schwersten und gleichzeitig auch wichtigsten Iso-
die Erzeugung eines einzigen Atoms pro Experi- tope (254101Md bis 258101Md) werden gewöhnlich
ment zu erwarten. Eine überschlägige Rechnung durch Bombardieren von Einsteiniumisotopen
zeigte, dass es sinnvoll war, dieses Element durch- mit Heliumkernen (α-Teilchen) dargestellt, wobei
zuführen. Zunächst war man in der Lage, das 254
99Es als relativ langlebiges Target bevorzugt
Targetmaterial 25399Es durch einjähriges Bestrah- ist. 259101Md entsteht dagegen aus seinem Mutter-
len von Plutonium mit Neutronen in einer Menge nuklid 259102No durch Elektroneneinfang (β+-
von einer Mrd. Atome zu erzeugen. Dessen Halb- oder ε-Zerfall) (Silva 2006, S. 1630). Setzt man
wertszeit von drei Wochen gab nur eine Woche beispielsweise -mit bloßem Auge bereits nicht
Zeit, Atome des gewünschten Elements Mendele- mehr sichtbare!- μg-Mengen von Einsteinium
vium direkt nach Präparation des Targets darzu- ein, so erhält man 256101Md in fg-Mengen,
stellen. Nur das Zyklotron musste technisch nach- also im Femtogramm-Bereich, der um den
gerüstet werden, um die erforderliche Zahl von Faktor einer Milliarde kleiner ist als der der μg-
gut 1000 α-Teilchen pro s bereitzustellen (Hof- Region.
mann 2002). Im hier für alle Trans-Einsteiniumelemente
Der Beschuss lief nach der von Ghiorso entwi- stellvertretend beschriebenen Experiment müssen
ckelten Technik derart, dass das Target an der der die 256101Md-Isotope schnell und weit vom Ein-
Eintrittsstelle des Neutronenstrahls gegenüberlie- steiniumtarget entfernt werden. Dazu fängt man
1048 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

sie auf einer hinter dem Target montierten, dünnen sollte bei ca. 827  C liegen (s. Tab. 12), die Dichte
Metallfolie (meist aus Gold, Platin, Aluminium beim vergleichsweise niedrigen Wert von
oder Beryllium) im Vakuum auf. So vermeidet 10,30,7 g/cm3 (Haynes 2011). Der Radius des
man eine direkt nach dem Versuch nötige chemi- Md2+-Ions wurde mit 194 10 pm vorhergesagt.
sche Aufarbeitung mit dann resultierender Zerstö- Johansson und Rosengren versuchten schon früh,
rung des Einsteiniumtargets. Zur Folie transpor- ein generelles Phasendiagramm für die höheren
tiert werden die Atome des Mendeleviums mittels Actinoide aufzustellen (1975).
eines dann zugeschalteten Gasstroms (oft He- In Lösung fand man für Mendelevium die
lium, kombiniert ggf. mit einem Kaliumchlorid- Oxidationszahlen +3 oder +2, wogegen +1 zwar
Aerosol). Man behandelt dann die Folie mit berichtet, bisher aber nicht bestätigt wurde.
Säure, wäscht so die zunächst adsorbierten Nu- Schon nach seiner erstmaligen Synthese im Jahr
klide des neu erzeugten Elements aus, fällt 1955 wurde das Element direkt nach Fm3+ in der
die Ionen des Mendeleviums aus der Lösung Reihenfolge der Elution von einem Kationen-
zusammen mit Lanthan-III-fluorid aus, löst den austauscherharz nachgewiesen, ein deutlicher
entstandenen Niederschlag mit ethanolischer Hinweis auf das Vorliegen der Oxidationszahl
Salzsäure und leitet dieses salzsaure Eluat über +3. 1967 beobachtete man die Bildung von in
einen Kationenaustauscher. Besteht die Folie Wasser unlöslichen Hydroxiden und die ge-
dagegen aus Gold, so löst man diese in Königs- meinsame Fällung mit La3+ als Fluorid (Silva
wasser auf und lässt das auf eine Konzentration 2006, S. 1635). Weitere Resultate von Versu-
von 6 m HCl eingestellte Eluat dann über einen chen zum Kationenaustausch und zur Flüssig-
Anionenaustauscher laufen, der Gold in Form flüssig-Extraktion führten zur vorläufigen Fest-
seines Tetrachloroaurat-III-Komplexes bindet, die stellung, dass Mendelevium ein trivalentes
Actinoiden aber passieren lässt. Actinoid mit einem etwas geringeren Radius
des Md3+-Ions war als dies für Fm3+ registriert
Eigenschaften Infolge der mit steigender Ord- wurde.
nungszahl verstärkten relativistischen Stabilisie- Md3+ wird leicht zu Md2+ reduziert; das Redox-
rung der 5f-Orbitale geht das bei den Atomen der potenzial E0 beträgt 0,160,05 V für die
Lanthanoiden noch meist vorhandene einzelne Reaktion Md3+ + e ! Md2+ (Toyoshima et al.
d-Elektron bei den Atomen der höheren Actino- 2013). Das Metall selbst ist sehr anfällig für Oxi-
iden in die f-Schale über. So verbleiben zu Valenz- dation, wie die stark negativen Normalpotenziale
zwecken dienende Elektronen in der Regel nur in von 1,74 V für Md3+ + 3 e ! Md und 2,5 V
der s-Außenschale des Atoms des Elements; „ver- für Md2+ + 2 e ! Md belegen (Silva 2006).
fügbar“ sind also maximal nur zwei Elektronen. Versuche, Md3+ in Lösung zu Md4+ zu oxidie-
Auch deswegen haben die Elemente ab Einstei- ren, scheiterten bislang.
nium relativ niedrige Schmelzpunkte, aus ähnli- Insgesamt kennt man sechzehn Isotope des Men-
cher Ursache wie bei Europium und Ytterbium in deleviums, von 245101Md bis hin zu 260101Md, au-
der Reihe der Lanthanoiden. Ein weiterer Grund ßerdem fünf Kernisomere (245m101Md, 247m101Md,
249m 254m 258m
für die schwächeren Bindungen innerhalb des 101Md, 101Md und 101Md) (Nurmia
Metallatomgitters ist dessen teilweise Selbstzer- 2003). Das längstlebige Isotop überhaupt ist dabei
258
störung infolge der starken radioaktiven Strah- 101Md mit einer Halbwertszeit von 51,5 d und
lung. das längstlebige Isomer 258m101Md (t1/2: 58 min).
Die vergleichsweise hohe Flüchtigkeit des Trotzdem bevorzugt man zur Durchführung che-
Mendeleviums belegten von Zvara und Hübener mischer Experimente das deutlich kürzerlebige
256
durchgeführte thermochromatographische Stu- 101Md (t1/2: 1,17 h), da man es in größeren Men-
dien (Silva 2006, S. 1634). Die Sublimationsen- gen durch Beschuss von Einsteiniumtargets mit
thalpie schätzten Haire und Gibson auf nur rund Heliumkernen erzeugen kann. Nach 258101Md sind
140 kJ/mol, der Schmelzpunkt des kubisch flä- die längstlebigen Isotope 260101Md (t1/2: 31,8 d),
257 259
chenzentriert kristallisierenden Mendeleviums 101Md (t1/2: 5,52 h), 101Md (t1/2: 1,6 h) und
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1049

Tab. 12 : Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Mendelevium


Symbol: Md
Ordnungszahl: 101
CAS-Nr.: 7440-11-1
Aussehen: Noch nicht dargestellt
Farbe von Md3+aq.: Keine Angabe
Entdecker, Jahr Seaborg, Ghiorso, Harvey, Choppin, Thompson (USA), 1955
Wichtige Isotope Halbwertszeit (d) Zerfallsart, -produkt
258
101Md (synthetisch) 51,5 α > 25499Es
260
101Md (synthetisch) 27,8 (α) α > 25699Es ♦
β > 260102No
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): —
Atommasse (u): 258
Elektronegativität (Pauling) 1,3
Normalpotenzial (V; Md3+ + 3 e ! Md) 1,74 (berechnet)
Atomradius (berechnet, pm): (194)
Ionenradius (pm) 90 (Md3+) (berechnet)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 5f13
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 658
Magnetismus: Paramagnetisch
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): Keine Angabe
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 10,3*
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 25,0  106

Schmelzpunkt ( C ♦ K): 827 ♦ 1100*
Sublimationswärme (kJ/mol) 134 – 142*
*geschätzte Werte

256
101Md (t1/2: 1,17 h). Alle anderen Isotope zerfal- 5.13 Nobelium
len zur Hälfte in weniger als einer Stunde; einige
von ihnen haben Halbwertszeiten von nicht einmal Geschichte und Gewinnung Die erstmalige
5 min. Erzeugung von Atomen des Nobeliums bean-
Das für Versuche bevorzugte 256101Md zerfällt spruchten während des Jahrzehnts von 1957 bis
wie viele Actinoiden-Isotope über zwei oder 1966 mit wechselnder Führung Arbeitsgruppen in
sogar mehr Routen; hier sind es zu 90,7 % Elek- Schweden, den Vereinigten Staaten und der frü-
troneneinfang (β zu 256100Fm) und ansonsten heren Sowjetunion. Die erste Veröffentlichung
α-Zerfall zu 25299Es. kam 1957 von Physikern des Stockholmer
Nobel-Instituts, die ein Curiumtarget mit 136C-
Kernen während 25 h und in halbstündigen Inter-
Patente
vallen beschossen hatten. In den jeweilgen Pausen
(Weitere aktuelle Patente siehe https://world
wusch man die neu erzeugten Nuklide vom Target
wide.espacenet.com)
ab, ließ die jeweilige wässrige Phase über Ionen-
austauscher laufen und setzte das Target dann
N. B. Mikheev und A. N. Kamenskaya,
wieder zu Beschusszwecken an seinen Platz zu-
Mendelevium production method (Insti-
rück. In einigen der Lösungen fand man einen
tut Fizicheskoj Khimii AN SSSR; Insti-
α-Strahler der Abstrahlungsenergie 8,5 MeV, der
tut Yadernoj Fiziki, SU 907986 A1, ver-
schneller eluiert wurde als Fm3+ oder Cf3+ und der
öffentlicht 15. Oktober 1983)
eine Halbwertszeit von ca. 10 min haben sollte.
Die Schweden führten dies auf die Isotope
1050 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

251
102XX bzw. 253102XX zurück, auch wenn sie Berkeley 1959 erneut. Diesmal reklamierte man
100No, einen α-Strahler der Energie von 8,3
252
nicht vollständig die Erzeugung von Isotopen des
Mendeleviums ausschließen konnten (Atterling MeV, der nach folgender Gleichung gebildet wor-
et al. 1957), und schlugen den Namen Nobelium den sein sollte:
für das ihrer Ansicht nach neu aufgefundene Ele-
96 Cm þ 6C ! 102 No ! 102 No þ 4 0 n
ment vor. Dieser wurde von der IUPAC gleich 244 12 256 252 1

genehmigt, was aus Sicht des sowjetischen Verei-


nigten Instituts für Kernforschung in Dubna als Die mit den Amerikanern konkurrierende
übereilt kritisiert wurde (Ghiorso et al. 1993). Gruppe in Dubna versuchte zeitgleich die Syn-
Zumindest konnte man im amerikanischen Law- these von Nobeliumisotopen und bombardierte
rence Berkeley National Laboratory die in Schwe- Plutoniumtargets (23994Pu und 24194Pu) mit Sauer-
den erhaltenen Resultate nicht reproduzieren stoffkernen (168O). Man beanspruchte die Entde-
(Barber et al. 1993). ckung von 251102No bis 253102No, die auch eine
Zwar versuchte die schwedische Arbeits- Strahlungsenergie von 8,5 MeV bei Halbwertszei-
gruppe noch, ihre Ergebnisse zu verteidigen, doch ten unter 30 s aussenden sollten. Zur Sicherheit
zeigten spätere Versuche, dass es keine Nobeli- behauptete man aber, dass die gleichzeitige Erzeu-
umisotope einer Massenzahl <259 gibt, die eine gung von Blei- oder Bismutisotopen nicht auszu-
Halbwertszeit >3 min haben. (Nur diese „leichte- schließen gewesen sei. (Wie spätere Experimente
ren“ Isotope wären damals im Nobel-Institut zeigten, waren dies durchaus auftretende Effekte,
darstellbar gewesen.) Sehr wahrscheinlich war aber von der Gewichtung her so gering, dass es als
das dort aufgefundene Isotop in Wirklichkeit „Grundrauschen“ eingestuft wurde.) Bis 1967
225
90Th, das unter den damals angewandten hielt Dubna den Anspruch aufrecht, musste diesen
Bedingungen der Versuche entstanden sein dann aber aufgrund mangelnder Schlüssigkeit
konnte, und das dreifach nacheinander α-Zerfall aufgeben.
zu 21384Po unter Abgabe eben einer Strahlungs- Die Gruppe um Seaborg in Berkeley behaup-
energie von ca. 8,5 MeV erleidet. Zudem fand tete 1961, beim Beschuss von Targets aus Califor-
man später, dass die von Nobelium bevorzugte nium mit Bor- bzw. Kohlenstoffkernen sogar Ele-
Oxidationszahl +2 ist und jenes nicht gemeinsam ment 103 aufgefunden zu haben (257103YY), dies
mit anderen, trivalenten Actinoiden (An3+) eluiert gleichzeitig -und unbegründet- mit 255102No, das
wird. Die im Versuch von 1957 ausgewaschenen mit einer Halbwertszeit von 15 s unter α-Zerfall in
Ionen konnten also nicht die des Nobeliums sein. 251
100Fm übergehen solle. Wie sich in den folgen-
Die Gruppe des Nobel-Instituts zog darauf ihre den Jahren zeigte, waren die gemessenen Werte
Ansprüche zurück, aber der Name des Elements jedoch korrekt nur mit dem Isotop 257102No zu
blieb erhalten. vereinbaren. Auch dieses Experiment verlief also
1958 beanspruchte die Gruppe in Berkeley die ohne einen ausreichenden abschließenden Beweis
erstmalige Darstellung von Atomen des Nobe- (Barber et al. 1993).
liums im neuen Linearbeschleuniger für Schwer- In Dubna ging man 1964 dazu über, Urantar-
ionen, interessanterweise aber ebenfalls durch gets mit Neonionen zu beschießen. Die Produkte
Beschuss von Curiumtargets (5 % 24696Cm und der Reaktion führte man an einer als Fänger
95 % 24496Cm) mit 126C- und 136C-Kernen. Man dienenden Silberfolie vorbei und reinigte sie
registrierte stattdessen aber den Zerfall von nasschemisch. Entdeckt wurden die Fermiumi-
250
100Fm, vermutlich eines Tochterisotops von sotope 250100Fm und 252100Fm. Die von letzterem
254
102No, dessen Erzeugung man postulierte. erhaltene Ausbeute führte die russische Gruppe
1977 bestätigte sich die Halbwertszeit dieses Iso- darauf zurück, dass dieses Isotop durch α-Zerfall
tops (254102No) zu 2,3 s, aber das bei dessen des 256102No entstanden sein sollte. Dafür musste
α-Zerfall entstehende Isotop hätte ebenso durch aber ausgeschlossen werden, dass dieses
Umwandlung von 250m100Fm (t1/2: 1,8 s) gebildet 252
100Fm nicht an der Silberfolie gleichzeitig
werden können. Also wurden die Ergebnisse von durch α-Zerfall und Anlagerung überschüssiger
1958 so nicht bestätigt; daher versuchte man es in Neutronen erzeugt wurde. Als Halbwertszeit
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1051

bestimmte man 8 s, drei Jahre später korrigierte


man auf einen Wert von 3,2 s. Ab 1966 testete Ausland testete. Er entwickelte das Prinzip
man weitere Typen von Targets und von zum der Initialzündung und schließlich die Her-
Beschuss verwendeten Kernen, wie beispiels- stellung von Dynamit, in dem er Pasten aus
weise: Kieselgur und Nitroglycerin herstellte, ab
1865 in seiner Fabrik bei Stockholm, in
243
þ 15
! 41 0 n þ 254 den folgenden Jahren in bis zu 90 Fabriken
95 Am 7N 102 No
þ weltweit. Weitere seiner Erfindungen waren
10 Ne ! 6 0 n þ
238 22 1 254
92 U 102 No
die Sprenggelatine (1875) und das rauch-
schwache Pulver (1887). Nobel war im
Die Halbwertszeit von 254102No bestimmte
Grunde Pazifist und wollte mit seinen Erfin-
man zu 5010 s. Im Nachhinein sind diese Resul-
dungen ursprünglich die Regierungen durch
tate als sehr wahrscheinlich korrekt und die von
den Abschreckungseffekt von der Krieg-
Dubna reklamierte Entdeckung damit als plausi- führung abhalten (Schück et al. 1972).
bel anzusehen. Im gleichen Jahr veröffentlichte Ab 1884 war Nobel Mitglied der König-
die russische Gruppe Ergebnisse derselben Kern- lichen Schwedischen Akademie der Wis-
reaktionen, die die zuvor ermittelte Halbwertszeit senschaften, ab 1893 Ehrendoktor der
von 254102No ungefähr bestätigten. 1967 konnte Universität Uppsala. Seine letzten Jahre
man auch in Berkeley und 1971 im Oak Ridge verbrachte Nobel in Italien und Schweden.
National Laboratory die Entdeckung des Ele- In seinem 1895 aufgesetzten Testament ver-
ments 102 bestätigen. Die Gruppe in Kalifornien fügte er die Gründung einer Stiftung, in die
leitete daraus den Anspruch ab, schon zwischen fast sein gesamtes Vermögen fließen sollte.
1958 und 1961 das neue Element entdeckt zu Die Zinsen aus dem Fonds sollten ab 1900
haben. Die IUPAC-IUPAP Transfermium Wor- jährlich denen als Preis zuerkannt werden,
king Group (TWG) bewertete 1992 die Ansprü- die im abgelaufenen Jahr der Menschheit
che auf Entdeckung aber neu und erkannte Dubna den größten Nutzen erwiesen hätten, das
die erstmals 1968 erfolgte Darstellung von Isoto- auf den Gebieten Physik, Chemie, Physio-
pen des Nobeliums zu. logie oder Medizin, Literatur und Frieden
(Fant 1991).

Alfred Bernhard Nobel (* 21. Oktober Eigenschaften Eine Reihe an Voraussagen und
1833 Stockholm; † 10 Dezember 1896 San vorläufige Versuchsergebnisse liegen für Nobelium
Remo, Italien) wanderte 1842 mit seinen vor (Silva 2006, S. 1639). Nobelium verhält sich
Eltern nach St. Petersburg aus, wo der Va- demnach sehr ähnlich zu seinem linken Nachbarn
ter Hütten- und Waffenfabriken gründete. im Periodensystem der Elemente, Mendelevium.
Nobel Jr. studierte ab 1851 ein Jahr Chemie Man erwartet, dass die Elemente Fermium,
in den Vereinigten Staaten von Amerika, Mendelevium und Nobelium bevorzugt in der
publizierte dort sein erstes amerikanisches Oxidationszahl +2 auftreten, da die 5f-Orbitale
bzw. auch schwedisches Patent über ein ihrer Atome durch relativistische Effekte stabili-
Gasmeßgerät bzw. Schießpulver (Carlisle siert werden. Ferner sollten sie im Vergleich
2004) und verbrachte danach noch einige zu den meisten Actinoiden niedrige Dichten,
Jahre im Ausland. Nach dem Bankrott der Schmelz- und Siedepunkte haben, die fast auf
von seinem Vater betriebenen Waffenfabrik dem Niveau der für die homologen Lanthanoiden
kehrte die gesamte Familie 1859 nach gemessenen Werten liegen. Für das vermutlich
Stockholm zurück. Ab diesem Jahr konzen- kubisch-flächenzentriert kristallisierende Nobe-
trierte Nobel seine Forschung auf die Erpro- lium ergaben sich dabei eine Dichte von
bung und sichere Handhabung des Spreng-
9,90.4 g/cm3 (Fournier 1976) und ein Schmelz-
stoffes Nitroglycerin, den er auch im
1052 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

Tab. 13 Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Nobelium


Symbol: No
Ordnungszahl: 102
CAS-Nr.: 10028-14-5
Aussehen: Noch nicht dargestellt
Farbe von No3+aq.: Keine Angabe
Entdecker, Jahr Flerov et al. (Sowjetunion), 1968
Ghiorso et al. (USA), 1968
Wichtige Isotope Halbwertszeit (a) Zerfallsart, -produkt
254
102No (synthetisch) 51 s α > 250100Fm
257
102No (synthetisch) 25 s α > 253100Fm
259
102No (synthetisch) 58 min (α) α > 255100Fm
Atommasse (u): 259
Elektronegativität (Pauling) 1,3
Normalpotenzial (V; No3+ + 3 e ! No) 1,26 (berechnet)
Atomradius (berechnet, pm): (197)
Ionenradius 95 (No3+) (berechnet)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 5f14
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 642
Magnetismus: Paramagnetisch
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): Keine Angabe
Kristallsystem: Kubisch-flächenzentriert
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 9,9*
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 26,1  106
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 827 ♦ 1100*
Sublimationswärme (kJ/mol) 126*
Siedepunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
*geschätzte Werte

punkt von 827  C (Haynes et al. 2011, S. 4121) nicht, denn man erwartete sowohl für NoCl2 als
(s. auch Tab. 13); die Sublimationsenthalpie auch NoCl3 keine hohe Flüchtigkeit. 1968 wurde
schätzt man auf 126 kJ/mol (Silva 2006, S. 1639). aber die bevorzugte Oxidationszahl +2 für Nobe-
Die Chemie des Nobeliums ist nur lückenhaft lium belegt, als Ergebnisse von Versuchen zur
beschrieben und wenn, dann nur in wässriger Kationenaustauschchromatografie und Fällung
Phase (Hulet 1979). Mit seiner Grundkonfigura- an einigen Zehntausend (!) 255102No-Atomen
tion der Elektronen von [Rn]5f14 sollte, wie beim zeigten, dass sich das ionisierte Element mehr
homologen Element Ytterbium, der divalente wie ein Erdalkalimetall als wie ein Actinoid oder
Zustand der stabilste und nur durch Anwendung Lanthanoid verhielt (Nurmia 2003; Martin et al.
starker Oxidationsmittel in +3 überführbar sein, 1974). Sechs Jahre später fand man, dass No2+
was 1967 durch Ergebnisse von Versuchen mit sich zusammen mit Erdalkalimetallen von sauren
metallischem Nobelium, Fermium, Californium Kationenaustauscherharzen eluieren ließ (Silva
und Terbium bestätigt wurde. Alle Metalle setzte 2006, S. 1639) und im divalenten Zustand stark
man mit elementarem Chlor um und ließ die ent- ionisches Verhalten zeigt, wie etwa im Hydrid
stehenden Chloride mittels eines Trägergases in NoH2 (Balasubramanian 2001).
ein Röhrchen diffundieren. Alle Chloride wurden Das Komplexbildungsverhalten von Nobelium
auf fester Oberfläche stark adsorbiert, was den entspricht ungefähr der des Strontiums (Silva
Rückschluss zuließ, das sie nicht sehr flüchtig 2011, S. 1639). Das Standardredoxpotential E
sind. Sehr beweiskräftig war das Resultat aber für die Reaktion No3+ ! No2+ bestimmte man zu
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1053

ca. +0,75 V (Toyoshima et al. 2009), was No3+ als zu erzeugen; diese Versuche lieferten aber eben-
mäßig starkes Oxidationsmittel klassifiziert. Die in falls keine schlüssigen Ergebnisse.
der Literatur zitierten Normalpotenziale E für die 1961 unternahm dieselbe Gruppe einen neuen
Reaktionen No2+!No0 bzw. No3+!No0 schwan- Versuch und bombardierte ein aus verschiedenen
ken je nach Quelle stark, jedoch sind die inzwi- Isotopen zusammengesetztes, 3 mm großes Cali-
schen anerkannten Zahlen 2,61 bzw. 1,26 V. forniumtarget mit 105B- und 115B-Kernen im
Nobelium hat also eine etwa so starke Neigung, in Linearbeschleuniger für schwere Ionen (Ghiorso
ein Ion der Oxidationszahl +2 überzugehen, wie et al. 1961). Bei diesem Versuch entstand das
ein reaktives Erdalkalimetall, wie auch die nega- Isotop 257103XX, das eine Halbwertszeit von
tive freie Bildungsenthalpie dieser Reaktion zeigt. 8  2 s gehabt haben und α-Teilchen einer Energie
Man kennt insgesamt zwölf, sämtlich radioak- von 8,6 MeV abgestrahlt haben soll:
tive, Isotope des Nobeliums, mit Massenzahlen

von 250 bis 260 und 262, außerdem noch Kerni- 252
98 Cf þ 11
5B ! 263
103 Lr ! 258
103 Lr þ 51 0 n
somere mit den Massenzahlen 251, 253 und
254 (Kratz 2011). Das längstlebige Isotop über- (Später identifizierte man das in Frage kom-
haupt ist 259102No mit einer Halbwertszeit von mende Isotop korrekt als 258103Lr.) Nur eine Frage
58 min, und das längstlebige Kernisomer ist blieb noch unbefriedigend erklärt, warum die
251m
102No mit einer Halbwertszeit von 1,7 s. Für Ausbeutekurve über die Massenzahlen der er-
das noch nicht entdeckte Isotop 261102No sagt man zeugten Isotope so breit gewesen sein sollte. Das
eine Halbwertszeit von knapp 3 h voraus (Audi Team in Berkeley schlug als Namen für das Ele-
et al. 2003). Zur Durchführung chemischer Ver- ment Lawrencium vor, der von der IUPAC unter
suche, falls dies überhaupt möglich ist, bevorzugt Verwendung des Elementsymbols „Lr“ auch
man aber das „zweitstabilste“ Isotop, das schon akzeptiert wurde.
sehr kurzlebige 255102No (t1/2: 3,1 min), da es in Das Team im russischen Dubna (Vereinigtes
„größeren“ Mengen durch Beschuss von 24998Cf- Institut für Kernforschung, Joint Institute for
mit 126C-Kernen darstellbar ist. Danach sind die Nuclear Research, JINR) stieg erst 1965 in die
stabilsten Isotope des Nobeliums das 253102No (t1/ Versuche zur Erzeugung von Isotopen des Law-
2: 1,62 min),
254
102No (t1/2: 51 s),
257
102No (t1/2: renciums ein. Man postulierte dort, 256103Lr durch
256
25 s) und das 102No (t1/2: 3 s). Das kürzestlebi- Beschuss von 24395Am mit 188O-Kernen erzeugt
ge Isotop (250102No) hat nur eine Halbwertszeit zu haben:
von 0,25 ms (!).

95 Am þ 8O ! ! 256 103 Lr þ 51 0 n
243 18 261
103 Lr

5.14 Lawrencium Für dieses Isotop berichtete man von zwei


Bereichen von beim Zerfall freiwerdender Strah-
Geschichte Durch Bombardieren von Curium- lungsenergie (8,35–8,50 MeV und 8,5–8,6 MeV).
targets (5 % 24696Cm, 95 % 24496Cm) mit 147N- Die Forscher fanden aber keinen α-Strahler einer
Kernen versuchte die Arbeitsgruppe am Lawrence Halbwertszeit von 8 s (Flerov 1967; Donets et al.
Berkeley National Laboratory (LBNL) 1958, 1965).
Kerne des Elements 103 herzustellen, jedoch Zu Beginn der 1970er-Jahre war bekannt, dass
wurde bei dem Versuch das Target zerstört. Insge- Lawrencium das letzte der Gruppe der Actinoiden
samt registrierte man achtzehn Spuren mit einer ist. Zu dieser Zeit synthetisierten die Teams in
Zerfallsenergie von 91 MeV mit Halbwertszei- Berkeley und Dubna nahezu im Wettlauf immer
ten von ca. 0,25 s, ohne dass andere Möglichkei- neue Isotope des Elements. 1970 berichtete das
ten der Zerfallsursachen ausgeschlossen werden JINR über die Synthese von 255103Lr mit der
konnten (Barber et al. 1993). Später versuchte Halbwertszeit von 20 s und einer beim α-Zerfall
man dort, Nuklide des Elements 103 durch frei werdenden Energie von 8,38 MeV. Ein Jahr
Beschuss von 25298Cf mit Borkernen (105B, 115B) später erzeugte man im LBNL alle Isotope von
1054 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

255
bis 260103Lr, und sämtliche zuvor erhalte-
103Lr bis 254103Lr bzw. 266103Lr) nur durch α-Zerfall
nen Ergebnisse konnten bestätigt werden (Eskola von Isotopen des Dubniums gebildet werden, las-
et al. 1971). Nachdem aber die IUPAC 1971 noch sen sich die mittelschweren (255103Lr bis 262103Lr)
dem LBNL in Berkeley das Erstentdeckungsrecht durch Beschuss von Targets niederer Actinoide
zugesprochen hatte, erkannte die IUPAC Trans- der Gruppe Americium bis Einsteinium mit leich-
fermium Working Group (TWG) 1992 beide ten Kernen der Klasse Bor bis Neon erzeugen.
Teams als gemeinsame Entdecker des Elements Das Bombardieren von 24998Cf- mit 115B-Kernen
an. Die Begründung war, dass die in Dubna ge- einer Energie von 70 MeV liefert beispielsweise
256 260
tätigte Arbeit wesentlich zur Aufklärung und Be- 103Lr, wogegen 103Lr beim Beschuss von
249 18
stätigung früher erhaltener Ergebnisse beigetra- 97Bk- mit 8O-Nukliden anfällt.
gen hätte. Der Name „Lawrencium“ blieb aber Diese beiden Isotope des Lawrenciums
erhalten, da er 1992 schon viele Jahre in Ge- (256103Lr, 260103Lr) haben aber schon so kurze
brauch war. Halbwertszeiten, dass ihre Reinigung oder Isolie-
rung nur schwer möglich ist. Anfangs war die
Flüssig-flüssig-Extraktion mit einer Lösung von
Thenoyltrifluoroaceton in Methylisobutylketon
Der amerikanische Kernphysiker und No-
aus wässriger, acetatgepufferter Phase favorisiert.
belpreisträger Ernest Orlando Lawrence
Ein solches Vorgehen gestattet die pH-abhängige
(* 8. August 1901 Canton, SD; † 27. August
und selektive Extraktion von Actinoiden ver-
1958 Palo Alto, CA) nahm 1919 das Stu-
schiedener Ionenladung, trennt aber nicht die tri-
dium der Chemie an der University of South
Dakota auf und schloss dies 1923 mit dem valenten Ionen (An3+). Daher muss man in diesem
B.A. ab. Den Master erlangte er ein Jahr Extrakt noch 256103Lr anhand seiner mit der Ener-
später und promovierte 1925 an der Yale- gie 8,24 MeV emittierten α-Teilchen identifizie-
Universität in Physik. 1928 erhielt er den ren, bevor es zur Gänze zerfallen ist. Ein neueres
Ruf auf die Stelle eines Associate Professor Verfahren entfernt das produzierte, mit einer
für Physik an der University of California in Halbwertszeit von 3 min relativ „langlebige“
260
Berkeley. 1930 wurde er ordentlicher Profes- 103Lr mittels 0,05 m Salzsäure von der Auf-
sor für Physik und 1936 Direktor des Strah- fangfolie und verwendet α-Hydroxiisobuttersäure
lungslabors. als selektives Eluens.
1929 erfand Lawrence das Zyklotron,
erhielt 1932 ein Patent darauf und nutzte Eigenschaften Lawrencium ist dem Lanthanoid
dieses zusammen mit anderen Forschern Lutetium in seinen Eigenschaften verwandt und
zur Erzeugung einiger neuer, nur auf künst- unter Normalbedingungen wahrscheinlich ein
lichem Weg darstellbarer Elemente, aber Feststoff, der in einer hexagonal-dichtest gepack-
auch für Zwecke der Medizin und Biologie, ten Struktur kristallisiert, auch wenn man dies
unter anderem der Tumortherapie. Er war noch nicht bestätigen konnte (Östlin und Vitos
maßgeblich am Bau der amerikanischen 2011). Die im Vergleich zu seinen leichteren
Atombomben beteiligt, trat nach dem Zwei- Nachbarn der Actinoidenreihe hohen Sublima-
ten Weltkrieg aber für ein Ende der Atom- tions- und Schmelzentalpien weisen deutlich auf
bombentests ein. In den 1930er-Jahren
die Verwandtschaft zu Lutetium und die bevor-
wurde er Mitglied der National Academy
zugte Oxidationszahl +3 hin. Daher sollte Law-
of Sciences und der American Academy of
rencium ein bevorzugt trivalent auftretendes, silb-
Arts and Sciences, ab 1942 war er sogar
rig glänzendes Metall sein, dass durch Luft,
Ehrenmitglied der Akademie der Wissen-
Dampf und Säuren schnell angegriffen wird.
schaften der Sowjetunion.
Die Dichte wird im hohen Bereich erwartet
(16,10,5 g/cm3), und der Schmelzpunkt soll
Darstellung Während die leichtesten bzw. bei rund 1630  C liegen (Fournier 1976; Penne-
schwersten Isotope des Lawrenciums (252103Lr man und Mann 1976) (s. auch Tab. 14).
5 Einzelne Metalle der Actinoide (Thorium bis Lawrencium) 1055

Tab. 14 : Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Lawrencium


Symbol: Lr
Ordnungszahl: 103
CAS-Nr.: 22537-19-5
Aussehen: Noch nicht dargestellt
Farbe von Lr3+aq.: Keine Angabe
Entdecker, Jahr Ghiorso et al. (USA), 1961
Wichtige Isotope Halbwertszeit Zerfallsart, -produkt
262
103Lr (synthetisch) 3,6 h β > 262102No
260
103Lr (synthetisch) 2,7 min α > 256102Md
Atommasse (u): 266
Elektronegativität (Pauling) Keine Angabe
Normalpotenzial (V; Lr3+ + 3 e ! Lr) 2,06 (berechnet)
Atomradius (berechnet, pm): (171)
Ionenradius (pm) 88 (Lr3+) (berechnet)
Elektronenkonfiguration: [Rn] 7s2 6d1 5f14
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste: 444
Magnetismus: Paramagnetisch
Einfangquerschnitt Neutronen (barns): Keine Angabe
Kristallsystem: Hexagonal*
Dichte (g/cm3, bei 298 K) 16,1
Molares Volumen (m3/mol, bei 293 K): 16,5  106
Schmelzpunkt ( C ♦ K): 1627 ♦ 1900*
Sublimationswärme (kJ/mol) 352*
Siedepunkt ( C ♦ K): Keine Angabe
*geschätzte Werte

Ende der 1960er-Jahre fand man, dass Law- reduzieren, scheiterten, ähnlich wie bei Lutetium.
rencium mit Chlor wahrscheinlich zum Trichlorid Das Normalpotenzial E für die Reaktion Lr3+ !
(LrCl3) reagiert. Seine damals beobachtete Flüch- Lr+ wurde zu 1,56 V errechnet, das für Lr3+ !
tigkeit entsprach etwa der der Trichloride des Cu- Lr0 zu 2,06 V, was bedeutet, dass das Vorkom-
riums oder Fermiums. Eine an 1500 Atomen (!) men von Lr+ in Lösung sehr unwahrscheinlich ist.
durchgeführte Studie von 1970 zeigte, dass Law- Lr4+ sollte theoretisch ein extrem starkes Oxidati-
rencium mit anderen trivalenten Ionen der Acti- onsmittel sein und wurde bisher auch noch nicht
noiden extrahierbar war und mit Ammonium beobachtet.
α-hydroxyisobutyrat vor Md3+ eluiert. Es wird In der Regel sollten die 6d-Orbitale bei den
erwartet, dass Lawrencium-III-fluorid (LrF3) und kovalenten Verbindungen des Elements kaum
Lawrencium-III-hydroxid [Lr(OH)3] kaum lös- eine Rolle bei der chemischen Bindung spielen.
lich in Wasser sind. Gemäß der Actinoidenkon- Das Molekül des Dihydrids (LrH2) sollte zum
traktion sollte der Ionenradius von Lr3+ kleiner als Beispiel kürzere Metall-H-Bindungslängen als
der von Md3+ sein. 1987 und 1988 belegten am das des Lanthandihydrids (LaH2) haben, weil hier
längerlebigen Isotop 260103Lr durchgeführte Ver- durch die relativistisch bedingte Kontraktion die
suche, dass Lawrencium in seinen Verbindungen 7s- und sogar 7d-Orbitale stabilisiert sind und sich
bevorzugt mit der Oxidationszahl +3 auftritt an der Bindung beteiligen (Balasubramanian
(Greenwood 1997), und dass der Radius des 2001). Trotz aller kleinen Abweichungen sollte
Lr3+-Ions bei ca. 88,10,3 pm liegt. Versuche, sich Lawrencium wie ein typisches Actinoid ver-
Lr3+ in wässriger Lösung zu Lr2+ oder Lr+ zu halten und dem Lutetium stark ähneln. Diese Pa-
1056 19 Radioaktive Elemente: Actinoide

rallelen zeigen sich in der relativen Stabilität des Halbwertszeiten haben. So nutzte man 256103Lr
Trihydrids und einiger Komplexverbindungen (t1/2: 27 s) für erste Versuche, später ging man
(Xu und Pyykkö 2016). zum etwas stabileren 260103Lr (t1/2: 2,7 min) über.
Im Jahr 1971 durchgeführte Berechnungen Noch längerlebig sind 261Lr (t1/2: 44 min) und
262 252
sagten eher eine Elektronenkonfiguration [Rn] 103Lr (3,6 h). Das instabilste Isotop ( 103Lr)
5f147s27p1 für das Lawrenciumatom voraus hat nur eine Halbwertszeit von 390 ms.
(Xu und Pyykkö 2016). Obwohl frühe Rechnun-
gen noch uneindeutige Ergebnisse lieferten
(Nugent et al. 1974), sollte die 7s27p1-Hypothese Literatur
nach späteren Berechnungen zwar energetisch
günstiger sein (Eliav et al. 1995; Zou et al. Acton QA (2013) Oxides – advances in research and app-
lication, 2013 edition. Scholarly Editions, Atlanta.
2002), aber ein Element mit Atomen einer solchen
ISBN 978-1-481-67865-0
Konfiguration auch flüchtiger sein und nur Adachi J et al (2005) A molecular dynamics study of
schwach auf Oberflächen haften. Die bisher für thorium nitride. J Alloys Compd 394(1–2):312–316.
Lawrencium erhaltenen experimentellen Befunde https://doi.org/10.1016/j.jallcom.2004.11.005
Ahrland S et al (1973) The chemistry of the actinides,
sind aber gegenteiliger Natur, so dass hier vorerst
pergamon texts in inorganic chemistry, Bd 10, 1. Aufl.
keine klare Definition möglich war. Die 2015 Pergamon Press, Oxford, S 398. ISBN 008-018794-3
gemessene erste Ionisierungsenergie des Isotops Aldred AT et al (1974) Magnetic properties of the neptu-
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103Lr war mit 4,96 eV die niedrigste aller
https://doi.org/10.1103/PhysRevB.9.3766
Atome der Lanthanoiden und Actinoiden (Sato
Aldred AT et al (1980) Critical exponents of uranium
et al. 2015). Dies ließ die Annahme zu, das seine telluride. J Magnet Magn Mat 20(3):236–242
s2p-Konfiguration nur schwache Bindungskräfte Allisy A (1996) Henri Becquerel: the discovery of radio-
ausübt und dass Lutetium und mehr noch Law- activity. Rad Protect Dosim 68(1–2):3–10
Arnold PL et al (2009) Pentavalent uranyl complexes.
rencium, neben Lanthan und Actinium, die ei-
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gentlichen Homologen des Scandiums und Yt- ARQ Contributors (2008) Plutonium processing at Los
triums in der 3. Nebengruppe wären. Falls die Alamos, actinide research quarterly (3rd quarter, 2008).
s2p-Konfiguration wirklich zuträfe, könnte man United States Department of Energy, Washington, DC
Asprey LB (1954) New compounds of quadrivalent
Lawrencium gemäß der IUPAC-Definition aber
americium, AmF4, KAmF5. J Am Chem Soc
nicht mehr zu den Übergangsmetallen zählen 76(7):2019–2020. https://doi.org/10.1021/ja01636a094
(Kaldor und Wilson 2005). Andererseits erwartet Asprey LB, Haire RG (1973) On the actinide tetrafluoride
man auch eine gewisse Ähnlichkeit des Lawren- lattice parameters. Inorg Nucl Chem Lett 9(11):1121–1128.
https://doi.org/10.1016/0020-1650(73)80017-0
ciums zum Curium mit seiner [Rn]5f76d17s2-
Asprey LB, Keenan TK (1968) The preparation of berke-
Konfiguration. Die bislang erhaltenen Resultate lium tetrafluoride and its lattice parameters. Inorg Nucl
lassen jedenfalls noch Spielraum zur Spekulation, Chem Lett 4(9):537–541. https://doi.org/10.1016/0020-
solange keine neuen Ergebnisse vorliegen (Haire 1650(68)80028-5
Asprey LB, Penneman RA (1961) First observation of
2007).
aqueous tetravalent americium. J Am Chem Soc
Bisher sind die Isotope von 252103Lr bis 83(9):2200. https://doi.org/10.1021/ja01470a040
262 266
103Lr und 103Lr bekannt. Zusätzlich kennt Asprey LB, Penneman RA (1962) Preparation and proper-
man nur ein Kernisomer (253m103Lr). Das längst- ties of aqueous tetravalent americium. Inorg Chem
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lebige Isotop 266103Lr entsteht beim Beschuss
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(!) eines der beständigsten superschweren Iso- 77(6):1707–1708. https://doi.org/10.1021/ja01611a108
tope. Trotzdem bevorzugt man zur Durchführung Asprey LB et al (1986) Formation of actinide hexafluori-
von Versuchen einfacher zugängliche, leichtere des at ambient temperatures with krypton difluoride.
Isotope des Elements, die aber oft deutlich kürzere
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Ausblick: Chemische Elemente der
8. und 9. Periode 20

Inhalt
1 Wie geht es im Periodensystem weiter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1075
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1087

Zusammenfassung Erfolg. Auch den führenden kernphysikalischen


Nach der Entdeckung der letzten Elemente der Instituten der Welt gelang es bisher nicht, ein
7. Periode kam die Wissenschaft beim Oganes- Atom eines Elements darzustellen, das mindes-
son an, das die Kernladungszahl 118 besitzt. tens eine Ordnungszahl von 119 besitzt.
Aber wohin geht die Reise danach? Sind be-
reits Versuche unternommen worden, noch Im unten stehenden Periodensystem, das Ihnen in
schwerere Atomkerne zu erzeugen? Was sagen diesem Buch schon in der Einleitung eines jeden
theoretische Berechnungsmodelle über die Kapitels begegnet ist (siehe Abb. 1), begänne die
Möglichkeiten, die überhaupt noch bestehen? achte Periode unterhalb des Elements Francium
Dieses Kapitel gibt Ihnen einige Antworten auf mit Element 119 rechts von der Position des roten
diese spannenden Fragen. Pfeils. Lag der Abstand zwischen Lithium und
Natrium sowie zwischen Natrium und Kalium
noch bei acht Ordnungszahleinheiten, so wuchs
er von Kalium zu Rubidium und von diesem zu
1 Wie geht es im Periodensystem Cäsium auf 18 an. Von Cäsium zu Francium
weiter? besteht gemäß dem Aufbauprinzip der Elektro-
nenhülle bereits eine Differenz von 32 Einheiten,
Einleitung Bisher befassten wir uns in den Ka- und so verhält es sich auch zwischen Francium
piteln dieses Handbuchs mit allen Elementen bis und dem noch nicht entdeckten ersten Element der
hinauf zur Ordnungszahl 118. Es ist heute schon achten Periode mit der Ordnungszahl 119, das ein
10 bis 15 Jahre her, dass die letzten bekannten Alkalimetall sein sollte. Diese achte Periode sollte
Elemente, Oganesson, Tenness und Moscovium wegen der neu hinzukommenden 18 g-Elektronen,
entdeckt wurden. Schon seit mehreren Jahrzehn- so besagt es die Theorie des klassischen Aufbau-
ten versuchten Forscher, Elemente jenseits der prinzips, schon 50 Elemente beinhalten, so dass
Ordnungszahl 119 zu erzeugen, aber bislang ohne das nächsthöhere Homologe des Elements 119 ein

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021 1075
H. Sicius, Handbuch der chemischen Elemente,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55939-0_20
1076 20 Ausblick: Chemische Elemente der 8. und 9. Periode

Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
CAS- VII VIII VIII VIII VIII
IA II A III B IV B V B VI B IB II B III A IV A V A VI A VII A
Gruppe B B B B A
Periode Schale

1 2
1 K
H He

3 5 6 7 8 9 10
2 4Be L
Li B C N O F Ne

11 12 13 14 15 16 17 18
3 M
Na Mg Al Si P S Cl Ar

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
4 N
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54
5 O
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe

55 56 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
6 * P
Cs Ba Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

87 88 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118
7 ** Q
Fr Ra Rf Db Sg Bh Hs Mt Ds Rg Cn Nh Fl Mc Lv Ts Og

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71
* Lanthanoide (Ln)
La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103


** Actinoide (An)
Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr

Abb. 1 Periodensystem der Elemente; der rote Pfeil gibt die Lage der noch hypothetischen Elemente der achten
Periode an

Alkalimetall mit der Ordnungszahl 169 wäre und erlaubt“ zu sein scheint. Wäre es nur nicht so, dass
das bei ausschließlicher Anwendung des klassi- die reine Existenzfähigkeit derart schwerer Atome
schen Aufbauprinzips erste Element der neunten wegen einer zunehmend stärkeren Neigung zur
Periode darstellte. Spontanspaltung der Kerne mit steigender Ord-
Dieser Ausblick befasst sich damit, wie die nungszahl stets weiter und schließlich bis in den
Ordnung der Elemente wohl jenseits des Oganes- Bereich von Picosekunden sinken dürfte, es die
sons, des Elements der Ordnungszahl 118, aus- Atome dieser Elemente also de facto gar nicht
sehen könnte. Eine aufgrund der reinen Theorie mehr gäbe. Ob es dann jenseits der ersten „Insel
(„Aufbauprinzip“) als auch von Berechnungen der Stabilität“, in deren „Genuss“ offenbar noch
(Pyykkö- und Fricke-Modell) resultierende Auf- die Elemente der Ordnungszahlen 110 bis
stellung diskutieren wir im Folgenden. Die letzt- 118 kamen, weitere solche Inseln gäbe, ist dann
genannten zwei Modelle beziehen relativistische fast ohne Bedeutung, da mit steigender Ordnungs-
Effekte mit ein, die bereits bei den vorhandenen zahl dann zwar womöglich ein kurzzeitiges
Elementen bis zur Ordnungszahl 118 teils starke Wachstum der Halbwertszeit einzelner Isotope
Auswirkungen auf deren chemische und physika- beim Eintritt in diese Insel zu verzeichnen wäre,
lische Eigenschaften haben. Infolgedessen liefern der „Absturz“ danach, in Richtung noch höherer
das Fricke- und Pyykkö-Verfahren vor allem im Ordnungszahlen, aber um so drastischer ausfiele.
Bereich höherer Ordnungszahlen Daten, die er- Alle Elemente der achten Periode, für die Sea-
heblich vom Aufbauprinzip abweichen, da in die- borg vor ca. 25 Jahren eine Aufstellung vorschlug
sen „höheren Sphären“ dann fast „jede Ordnung (Seaborg 1996), sind bisher rein hypothetisch und
1 Wie geht es im Periodensystem weiter? 1077

tragen systematische, dem Lateinischen bzw. aber keine Spontanspaltung mehr erleiden. Über
Griechischen entlehnte Namen. Seaborg zufolge noch weiter entfernte Inseln solcher relativ „sta-
wäre das erste Element des g-Blocks dasjenige bilen“ Kerne besteht Unklarheit, außerdem ist
mit der Ordnungszahl 121 („Unbiunium“). nicht sicher, ob nicht vor beendeter Auffüllung
Die Einbeziehung eventueller, durch relativis- der achten Periode nicht schon die neunte begon-
tische Effekte bedingter Spin-Orbital-Wechsel- nen wird. Nach den Vorgaben der IUPAC muss
wirkungen erschwert bei höheren Elementen eine mindestens ein Isotop eines Elements länger als
Vorhersage über die relative Stabilität von Orbita- der extrem kurze Zeitraum von 0,01 ps existieren,
len enorm. Dies berücksichtigte Seaborg damals damit die Definition des „Elements“ Anwendung
noch nicht; er folgte weitgehend dem klassischen finden kann. Diese Zeit benötigt der Atomkern,
Aufbauprinzip. Dagegen nutzten Pyykkö und Fri- um um ihn herum eine Elektronenhülle auszubil-
cke Computermodelle, um die Positionen der Ele- den.
mente bis zur Ordnungszahl 172 darzustellen. Noch 1940 glaubte man, dass Elemente mit
Einige Elemente wichen dabei vom Madelung- einer Ordnungszahl >137 aufgrund der Dirac-
Schema ab (Fricke et al. 1971). Die Unsicherheit Theorie nicht existieren können (Schiff et al. 1940).
der Vorhersage der Eigenschaften der Elemente Eine etwas eingehendere Betrachtung berechnet
jenseits der Ordnungszahl 120 ist so stark, dass diese Grenze mit der Ordnungszahl 173, bei der
bisher noch keine Übereinstimmung darüber ge- die 1s-Unterschale in den Dirac-See, also den
funden wurde, wie diese Elemente dann tatsäch- tiefstmöglichen Zustand der Energie, tauchen soll-
lich einzuordnen seien. te. Jenseits dieser Ordnungszahl von 173 sollte es
Allgemein erwartet man für alle Elemente ei- keine vollständigen Atome mehr, sondern nur noch
ner Ordnungszahl größer als 118, dass alle ihre so genannte superkritische Atomkerne ohne eine sie
Isotope radioaktiv und dabei äußerst instabil sind. umgebende Elektronenhülle geben.
Der Zerfall der Kerne sollte demnach vorwiegend
mittels α-Strahlung oder Spontanspaltung vor sich Vorhersagemodelle Bereits 1913 sagte Rydberg
gehen. Das Element 126 sollte dabei das Zentrum sowohl die Existenz des höheren Homologen des
einer zweiten, wenngleich auch viel schwächer Radons, des Oganessons, voraus, ebenso benann-
ausgeprägten Insel der Stabilität bilden (siehe te er gemäß dem klassischen Aufbau-Prinzip die
Abb. 2 und 3), auf der die Kerne nur noch α-Zerfall, Ordnungszahlen der nächsthöheren Mitglieder

Abb. 2 Vektorversion der Insel der Stabilität nach Zagrebaev (Lasunncty 2020)
1078 20 Ausblick: Chemische Elemente der 8. und 9. Periode

Abb. 3 Vorhergesagte Zerfallsarten superschwerer Ker- geben die Position der noch nicht erzeugten Kerne
291
ne. Die Linie künstlich erzeugter, besonders protonenrei- 112Cn und 293112Cn an, für die die Wissenschaft extrem
cher Kerne bricht nach allgemeiner Auffassung kurz hinter lange Halbwertszeiten von Jahrhunderten oder Jahrtausen-
Z ¼ 120 ab. Die Halbwertszeiten der Isotope des Elements den prognostiziert. Die weißen Ringe zeigen die Lage der
121 (Z ¼ 121) sollten weniger als 1 μs betragen. Der ersten Insel der Stabilität nach dem Thorium-Fermium-
steigende Einfluss der spontanen Spaltung zeigt sich von Block (Karpov et al. 2012)
Z ¼ 122 an aufwärts bis Z ¼ 125. Die weißen Quadrate

der Gruppe der Edelgase mit Z ¼ 168, 218, 290, 2015 bis hinauf zum Element 118 führten, ver-
362 und 460. Bohr erklärte 1922, dass Elemente suchte man schon ab Anfang der 1970er-Jahre,
mit höheren Ordnungszahlen als Uran deswegen die Elemente der Ordnungszahlen 119 bis
nicht in der Natur vorkommen, weil sie zu instabil 127 mit Ausnahme von Element 123 zu synthe-
seien. Swinne veröffentlichte 1926 eine heute teils tisieren (Emsley 2011, S. 588; Hofmann 2002,
bestätigte Hypothese, dass es im Bereich der S. 105; Epherre und Stephan 1975). In Seaborgs
Ordnungszahlen 98–102 und 108–110 einige län- Modell wird erstmals ein neuer Block von
gerlebige Elemente geben müsste, und dass die 9 g-Orbitalen eingeführt, und ab Element 121 be-
Halbwertszeiten generell nicht proportional zur ginnt die Reihe der Superactinoide. Fricke berech-
steigenden Ordnungszahl abfallen. Diese schwe- nete bereits 1971 das Periodensystem bis zum
ren Elemente sollten seiner Ansicht nach im Erd- Element 172, Pyykkö 40 Jahre später (Pyykkö
kern oder im Weltraum vorkommen (Kragh 2018, 2011), und in beiden Entwicklungen finden sich
S. 6–10). Ab 1955 führte man die Bezeichnung wegen der stark einflussnehmenden relativisti-
superschwere Elemente ein (Hoffman et al. 2000). schen Kräfte deutliche Abweichungen in der
Theorie zu den bereits synthetisierten Elementen.
Theorien über noch unentdeckte Elemente Aktuell besteht keine Einigung darüber, wie die
entstanden ab Mitte der 1950er-Jahre, als schon Elemente jenseits der Ordnungszahl 120 darin ein-
Elemente mit Ordnungszahlen bis Z ¼ 100 ent- zuordnen sind. Die IUPAC verlieh allen diesen
deckt worden waren. So sagte man seinerzeit hypothetischen Elementen systematische Namen,
eine „Insel der Stabilität“ um Kerne der Ord- die so lange gültig sein werden, bis die Elemente
nungszahl 126 voraus. 1967 rechnete man mit entdeckt sowie bestätigt sind, und bis ein Name
verbesserten Modellen, die die Mitte einer etwai- offiziell genehmigt worden sein wird. Element
gen Insel der Stabilität in guter Übereinstim- 135 nennt man aber etwa nicht „Untripentium,
mung mit der tatsächlichen Situation auf das Utp“), sondern meist „Element 135“ mit dem Sym-
Element 114 (das heutige Flerovium) legten. Ne- bol „135“, ferner „(135)“ oder „E135“ (Hoffman
ben allen Synthesen, die zwischen 1980 und et al. 2006).
1 Wie geht es im Periodensystem weiter? 1079

Die folgende Tabelle enthält die dreibuchstabi- (Z ¼ 167–168) mit einem 9p-Orbital und schließ-
gen chemischen Symbole der Elemente, deren sys- lich erst mit den Ordnungszahlen 169–172 die
tematische Namen und deren vermutliche Elek- schwersten Vertreter der 5.–8. Hauptgruppe (8p).
tronenkonfiguration, die aber bereits von Element Frickes Modell entstand 1975, nur wenige Jah-
123 an ungewiss ist (s. Tab. 1). Dem klassischen re nach Seaborgs erstem Entwurf. Demnach sollte
Aufbau-Modell, das weiter unten zum Vergleich es nach Element 120 zwanzig Elemente des 5g-
angegeben ist, widersprechen diese aus den Be- und 14 Elemente des 6f-Blocks bis zur Ordnungs-
rechnungen von Fricke bzw. Pyykkö resultieren- zahl 154 geben, die er zu den Superactinoiden
den Ergebnisse, die beide selbst nur leicht von- zusammen fasste. Der 7d-Block mit zehn Über-
einander abweichen. Wesentlich hierbei ist, dass gangsmetallen von Z ¼ 155–164 schließt sich
nicht Element 168 als das nächsthöhere Homologe dem an. Möglicherweise endet nach seiner Theo-
des Oganessons berechnet wird, sondern erst Ele- rie die 8. Periode dort, bevor die Elemente 165–
ment 172, weil mit fortschreitender Füllung der 166 in Form der Alkali- bzw. Erdalkalimetalle des
Orbitale „unterwegs“ bereits das 9s- und ein 9s-Orbitals folgten. Schließlich füllen dann die
9p-Orbital mit je zwei Elektronen gefüllt werden sechs verbliebenen höchsten Vertreter der 3.–8.
sollten (Hoffman et al. 2006; Nefedov et al. 2006; Hauptgruppe die drei 8p-Orbitale.
Fricke 1975, 1977). Deutlicher können relativisti- Suche nach unentdeckten Elementen Zahl-
sche Effekte nicht auftreten, dass nämlich die 9s- reiche Versuche unternahmen Forscher bisher,
und 9p1/2-Orbitale sogar energieärmer als einige Kerne der Elemente der 8. Periode bis hinauf
Orbitale der 8. Periode sind, da immer in Reihen- zum Unbiseptium (Z ¼ 127) darzustellen, mit
folge steigender Energie der Orbitale mit Elektro- Ausnahme von Unbitrium (Z ¼ 123). Praktisch
nen aufgefüllt wird. ständig verfolgt wird die Synthese von Kernen des
In seinem einfachen Aufbau-Modell (s. Tab. 2) Ununenniums (Z ¼ 119), des ersten Elements der
berücksichtigte Seaborg noch keine relativisti- 8. Periode. Im Folgenden sind die bislang unter-
schen Effekte. Nach dem Akali- bzw. Erdalkali- nommenen Versuche, Nuklide dieser Elemente zu
metall auf Position 119 bzw. 120 folgen die erzeugen, beschrieben. Der in diesem Zusammen-
5g-Block-Superactinoide mit den Ordnungszah- hang öfters erscheinende Begriff des Wirkungs-
len 121–138, dann die 6f-Block-Superactinoide querschnitts (cross section) sei mit Bezug auf die
mit Position 139–152, die 7d-Block-Übergangs- hier diskutierten Fusionsreaktionen erläutert.
metalle mit den Ordnungszahlen 153–162, die Der Wirkungsquerschnitt σ gibt in der Teil-
Post-Übergangsmetalle im Ordnungszahlbereich chenphysik die Wahrscheinlichkeit an, dass zwi-
162–166 (8p), ein Halogen mit 167 (8p), das schen einem einfallenden Teilchen („Projektil“)
Edelgas-Homologe des Oganessons mit 168 und und einem anderen, bereits vor Ort befindlichen
dann wieder ein Akalimetall mit der Ordnungs- Teilchen („Target“) eine Absorption, Streuung
zahl 169 (9s). oder eine Reaktion eintritt. Die Dimension von σ
Pyykkös Berechnung von 2010 lieferte ein etwas ist die einer Fläche und wird meist in folgenden
anderes Modell, die als Resultat relativistischer Ef- Einheiten angegeben:
fekte einander überlappende Orbitale ergab. Beim
Alkali- und Erdalkalimetall mit Z ¼ 119, 120 ist a) Kern- und Teilchenphysik: in Barn (1 b ¼ 1028
alles noch unverändert, dann aber folgen die m2 ¼ 104 pm2 ¼ 100 fm2)
18 Elemente des 5g-Blocks (Z ¼ 121–138), die b) Atom- und Molekülphysik: in Megabarn (1022
ersten zwei Elemente des Post-Übergangsmetall- m2 ¼ 104 nm2 ¼ 100 pm2)
Blocks im 8p-Orbital, die 14 Superactinoide des
6f-Blocks (Z ¼ 141–154), die Übergangsmetalle Ein großer Wirkungsquerschnitt entspricht in
des 7d-Blocks (Z ¼ 155–164), dann schon die erster Linie einem häufig eintretenden Vorgang,
Alkali- und Erdalkalimetalle der 9. Periode im ein kleiner einem selten vorkommenden. Er ist eine
9s-Orbital, weiter die höchsten Elemente der Materialeigenschaft und hängt nicht nur von der
3. und 4. Hauptgruppe wiederum der 8. Periode Fläche des Targets ab, sondern unter Anderem
1080 20 Ausblick: Chemische Elemente der 8. und 9. Periode

Tab. 1 Aufgrund von Berechnungen nach Fricke und Pyykkö getroffene, relativistische Effekte berücksichtigende
Vorhersage über die Elektronenkonfiguration der Elemente 119 bis 173
Element Gruppe/Periode Vorhergesagte Elektronenkonfiguration
118 Og Oganesson Edelgas [Rn] 5f14 6d10 7s2 7p6
119 Uue Ununennium Alkalimetall [Og] 8s1
120 Ubn Unbinilium Erdalkalimetall [Og] 8s2
121 Ubu Unbiunium Superactinoid [Og] 8s2 8p11/2
122 Ubb Unbibium Superactinoid [Og] 7d1 8s2 8p11/2
123 Ubt Unbitrium Superactinoid [Og] 6f1 7d1 8s2 8p11/2 (Van der Schoor 2016)
124 Ubq Unbiquadium Superactinoid [Og] 6f3 8s2 8p11/2
125 Ubp Unbipentium Superactinoid [Og] 5g1 6f2 8s2 8p21/2
126 Ubh Unbihexium Superactinoid [Og] 5g2 6f3 8s2 8p11/2
127 Ubs Unbiseptium Superactinoid [Og] 5g3 6f2 8s2 8p21/2
128 Ubo Unbioctium Superactinoid [Og] 5g4 6f2 8s2 8p21/2
129 Ube Unbiennium Superactinoid [Og] 5g4 6f3 7d1 8s2 8p11/2
130 Utn Untrinilium Superactinoid [Og] 5g5 6f3 7d1 8s2 8p11/2
131 Utu Untriunium Superactinoid [Og] 5g6 6f3 8s2 8p21/2
132 Utb Untribium Superactinoid [Og] 5g7 6f3 8s2 8p21/2
133 Utt Untritrium Superactinoid [Og] 5g8 6f3 8s2 8p21/2
134 Utq Untriquadium Superactinoid [Og] 5g8 6f4 8s2 8p21/2
135 Utp Untripentium Superactinoid [Og] 5g9 6f4 8s2 8p21/2
136 Uth Untrihexium Superactinoid [Og] 5g10 6f4 8s2 8p21/2
137 Uts Untriseptium Superactinoid [Og] 5g11 6f4 8s2 8p21/2
138 Uto Untrioctium Superactinoid [Og] 5g12 6f3 7d1 8s2 8p21/2
139 Ute Untriennium Superactinoid [Og] 5g13 6f2 7d2 8s2 8p21/2
140 Uqn Unquadnilium Superactinoid [Og] 5g14 6f3 7d1 8s2 8p21/2
141 Uqu Unquadunium Superactinoid [Og] 5g15 6f2 7d2 8s2 8p21/2
142 Uqb Unquadbium Superactinoid [Og] 5g16 6f2 7d2 8s2 8p21/2
143 Uqt Unquadtrium Superactinoid [Og] 5g17 6f2 7d2 8s2 8p21/2
144 Uqq Unquadquadium Superactinoid [Og] 5g17 6f2 7d3 8s2 8p21/2
145 Uqp Unquadpentium Superactinoid [Og] 5g18 6f3 7d2 8s2 8p21/2
146 Uqh Unquadhexium Superactinoid [Og] 5g18 6f4 7d2 8s2 8p21/2
147 Uqs Unquadseptium Superactinoid [Og] 5g18 6f5 7d2 8s2 8p21/2
148 Uqo Unquadoctium Superactinoid [Og] 5g18 6f6 7d2 8s2 8p21/2
149 Uqe Unquadennium Superactinoid [Og] 5g18 6f6 7d3 8s2 8p21/2
150 Upn Unpentnilium Superactinoid [Og] 5g18 6f7 7d3 8s2 8p21/2
151 Upu Unpentunium Superactinoid [Og] 5g18 6f8 7d3 8s2 8p21/2
152 Upb Unpentbium Superactinoid [Og] 5g18 6f9 7d3 8s2 8p21/2
153 Upt Unpenttrium Superactinoid [Og] 5g18 6f10 7d3 8s2 8p21/2
154 Upq Unpentquadium Superactinoid [Og] 5g18 6f11 7d3 8s2 8p21/2
155 Upp Unpentpentium Superactinoid [Og] 5g18 6f12 7d3 8s2 8p21/2
156 Uph Unpenthexium Superactinoid [Og] 5g18 6f13 7d3 8s2 8p21/2
157 Ups Unpentseptium Superactinoid [Og] 5g18 6f14 7d3 8s2 8p21/2
158 Upo Unpentoctium Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d4 8s2 8p21/2
159 Upe Unpentennium Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d4 8s2 8p21/2 9s1
160 Uhn Unhexnilium Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d5 8s2 8p21/2 9s1
161 Uhu Unhexunium Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d6 8s2 8p21/2 9s1
162 Uhb Unhexbium Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d7 8s2 8p21/2 9s1
163 Uht Unhextrium Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d8 8s2 8p21/2 9s1
164 Uhq Unhexquadium Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2
(Fortsetzung)
1 Wie geht es im Periodensystem weiter? 1081

Tab. 1 (Fortsetzung)
Element Gruppe/Periode Vorhergesagte Elektronenkonfiguration
165 Uhp Unhexpentium Alkalimetall? [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2 9s1
166 Uhh Unhexhexium Erdalkalimetall? [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2 9s2
167 Uhs Unhexseptium Post-Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2 9s2 9p11/2
168 Uho Unhexoctium Post-Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2 9s2 9p21/2
169 Uhe Unhexennium Post-Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2 8p13/2 9s2 9p21/2
170 Usn Unseptnilium Post-Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2 8p23/2 9s2 9p21/2
171 Usu Unseptunium Post-Übergangsmetall [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2 8p33/2 9s2 9p21/2
172 Usb Unseptbium Edelgas [Og] 5g18 6f14 7d10 8s2 8p21/2 8p43/2 9s2 9p21/2
173 Ust Unsepttrium Alkalimetall [Usb] 6g1

Tab. 2 Elektronenkonfiguration der Elemente gemäß dem Aufbau-Modell nach Seaborg (1996)

Elektronenkonfiguration der Elemente 119 bis 168 gemäß dem Aufbau-Modell nach Seaborg
s- 119 120
Block Uue Ubn

g- 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138
Block Ubu Ubb Ubt Ubq Ubp Ubh Ubs Ubo Ube Utn Utu Utb Utt Utq Utp Uth Uts Uto

f- 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152
Block Ute Uqn Uqu Uqb Uqt Uqq Uqp Uqh Uqs Uqo Uqe Upn Upu Upb

d- 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162
Block Upt Upq Upp Uph Ups Upo Upe Uhn Uhu Uhb

p- 163 164 165 166 167 168


Block Uht Uhq Uhp Uhh Uhs Uho

auch von Art sowie kinetischer Energie des Pro- Wirkungsquerschnitts erwartete man, dass ein Atom
jektils, der Art des Targets, des Auftreffwinkels etc. des Ununenniums innnerhalb der ersten fünf Mona-
Ununennium (Z ¼ 119, Uue): Die Synthese von te nach Beginn des Experiments (!) erzeugt werden
Kernen dieses Elements wurde erstmals schon würde (Zagrebaev et al. 2013):
1985 versucht, als man ein Target von 25499Es mit
48 249 50 299 
20Ca-Nukliden in Berkeley beschoss. Nur konn- 97 Bk þ 22 Ti ! 119 Uue
ten damit keine Atome des Ununenniums erzeugt 296
! 119 Uue þ 31 0 n
werden (Lougheed et al. 1985):
249 50 299 
254
þ 48
! 302 
ðkeine AtomeÞ 97 Bk þ 22 Ti ! 119 Uue
99 Es 20 Ca 119 Uue
295
! 119 Uue þ 41 0 n
Unter den damals gegebenen Versuchsbedin-
gungen hätte man einen Wirkungsquerschnitt von Diese Reaktion sah man noch als die geeig-
0,5 nb erreichen müssen, womit die Erfolgswahr- netste für die Bildung von Kernen des Ununenni-
scheinlichkeit des Versuchs sehr gering war (Feng ums an, da das als Target dienende Berkelium
et al. 2009). Die Synthese von Atomen des Un- relativ einfach herzustellen und die damit durch-
unenniums ist schon lange Ziel deutscher und geführte Fusion eher kalt war. Bei Einsteinium
russischer Teams. Die Versuche in Dubna (Russ- wäre selbst die Gewinnung im mg-Bereich schon
land) begannen 2011. Ein Jahr später beschoss man schwierig gewesen, dafür aber ist 4820Ca als Pro-
am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenfor- jektil um das Zwanzigfache effektiver als 5022Ti,
schung in Darmstadt 24997Bk-Kerne mit 5022Ti-Iso- hätte man etwa folgende Reaktion durchführen
topen. Auf Grundlage des ursprünglich errechneten wollen:
1082 20 Ausblick: Chemische Elemente der 8. und 9. Periode

254 48 292  238 64 302 


99 Es þ 20 Ca ! 119 Uue 92 U þ 28 Ni ! 120 Ubn ! keine Atome
290

! 119 Uue þ 21 0 n
Auch im Frühherbst 2008 am GSI durch-
geführte Versuche waren erfolglos. Nach bis
Bei der 2012 versuchten Fusion hätte ein Wir-
zum Jahr 2011 durchgeführten Verbesserungen
kungsquerschnitt von 70 fb erzielt werden müs-
der Anlage versuchte man dort zum Zweck der
sen, um erfolgreich zu sein.
Erhöhung der Ausbeute eine etwas asymmetri-
Das Team des Joint Institute for Nuclear Re-
schere Fusion (schwereres Target, leichteres Pro-
search (JINR) in Dubna plante 2019, Versuche zur
jektil), aber auch diese blieb ohne Erfolg (Hof-
Darstellung von Kernen des Ununenniums und
mann 2016):
Unbiniliums in einer neuen Forschungsanlage zu
beginnen, indem man die Fusionen von 24997Bk 248
96 Cm þ 54
24 Cr ! 302 120 Ubn
mit 5022Ti und von 24998Cf mit 5022Ti versuchte
! keine Atome
(Dmitriev et al. 2016). Noch 2018 begann man am
japanischen RIKEN noch bis heute andauernde
Versuche zur Synthese von Nukliden derselben Immerhin beobachtete man bei letztgenannter
Elemente unter Verwendung von Targets aus Reaktion drei Resonanzsignale, die auf die voraus-
248 51 gesagten Energien der α-Zerfälle des 299120Ubn,
96Cm, die man mit Kernen von 23V bzw.
54 seines Tochterkerns 295118Og und den schon be-
24Cr beschießt (Ball 2019).
Unbinilium (Z ¼ 120, Ubn): Nach der 2006 kannten des Enkelkerns 291116Lv gepasst hätten.
erfolgreich durchgeführten Fusion von Nukliden Nur waren diese Halbwertszeiten viel länger als
des 24998Cf und 4820Ca, die zur Erzeugung von erwartet, und man konnte die Resultate auch nicht
Atomen des Oganessons führte, begann das JINR reproduzieren (Adcock 2015; Hofmann 2016). Im
schon im April 2007 mit Versuchen, die durch Herbst 2011 versuchte das GSI eine noch asym-
Beschuss von 24494Pu mit 5826Fe Isotope des Un- metrischere Reaktion, und bei der die Auslegung
biniliums ergeben sollten. Erwartet wurde, dass der Apparatur einen Wirkungsquerschnitt von
diese α-Zerfall mit Halbwertszeiten in der Grö- 200 fb erreichen ließ (Siwek-Wilczyńska et al.
ßenordnung von μs erleiden (Chowdhury et al. 2010):
2008a, b). Man beobachtete aber keine Atome
des Unbiniliums als Ergebnis, da der Wirkungs-
249
98 Cf þ 50
22 Ti ! 299 120 Ubn
querschnitt für die angewandte Energie der Pro- ! keine Atome
jektile auf 400 fb begrenzt war (Oganessian et al.
2009): Man hätte für irgendeine der oben stehenden
Synthesen, hätte sie erfolgreich sein sollen, unter
244
þ 58
! 302 120 Ubn den gewählten Versuchsbedingungen und Kernen
94 Pu 26 Fe
! keine Atome einen Wirkungsquerschnitt in der Größenordnung
von 0,1 fb voraussetzen müssen (Kratz 2011).
In Dubna sollten daraufhin die apparativen Infolgedessen ist man bisher noch ziemlich weit
Möglichkeiten verbessert werden, um in einem von einer erfolgreichen Fusion entfernt. Der bis-
zweiten Anlauf doch noch Kerne des neuen Ele- herige Weltrekord für eine gelungene Fusion liegt
ments herstellen zu können. Zeitgleich versuchte bei 30 fb, erreicht bei folgender Kernreaktion
man auch am GSI Helmholtz-Zentrum für Schwer- (Zagrebaev et al. 2013):
ionenforschung, durch Beschuss von 23892U mit 209 70 278 1
64 83 Bi þ 30 Zn ! 113 Nh þ 0n
28Ni ein Isotop des Unbiniliums darzustellen, aber
auch dieses Experiment war wegen des 1,6 pb be-
tragenden Wirkungsquerschnitts erfolglos (Hof- Kratz nannte 2011 einen zumindest erreich-
mann et al. 2008): baren Wirkungsquerschnitt von 20 fb, um wenigs-
1 Wie geht es im Periodensystem weiter? 1083

tens ein Isotop des Ununenniums darzustellen. von Elementen im Bereich der „Insel der Stabili-
Somit bewegen wir uns aktuell an den Grenzen tät“ herzustellen und deren Spaltprodukte zu un-
des technisch Möglichen. Aktuell laufen wieder tersuchen. 2008 publizierte man einen Bericht
Versuche in Dubna, Isotope des Ununenniums über die Bombardierung eines Germaniumtargets
bzw. Unbiniliums zu erzeugen mittels der Reak- mit Urankernen (!), bei der Kerne des Unbiquadi-
tionen: ums hätten entstehen können. Es seien Kerne
identifiziert worden, die eine Halbwertszeit von
249
97 Bk þ 50
22 Ti ! 299
119 Uue
 >1018 s gehabt hätten:

249 50 299  238 70 308 


98 Cf þ 22 Ti ! 120 Ubn 92 U þ 32 Ge ! 124 Ubq ! Spaltung

Unbiunium (Z ¼ 121, Ubu): Am GSI Helm- Das GANIL-Experiment zählt aber nicht als
holtzzentrum für Schwerionenforschung gab es Entdeckung eines neuen Elements. Nach den Vor-
schon 1977 Versuche, ein Isotop des Unbiuniums gaben der IUPAC muss ein Atom mindestens für
durch Bombardieren eines Urantargets mit Kup- 1014 s existieren, weil es erst dann Kern und
ferionen darzustellen, aber ohne Erfolg: Elektronenhülle ausgebildet hat. Am Schwerio-
nenbeschleuniger der italienischen Laboratori Na-
238 65 303  zionali di Legnaro versuchte man 2006 die Syn-
92 U þ 29 Cu ! 121 Ubu ! keine Atome
these des Kerns 312124Ubq, wobei man ebenfalls
Unbibium (Z ¼ 122, Ubb): Die ersten Versuche nur Spaltprodukte isolierte, interessanterweise
gab es schon 1972 am JINR in Dubna. Wegen der von so genannten doppelt-magischen Kernen
damals noch unzureichenden Empfindlichkeit der wie 13250Sn (Z ¼ 50, N ¼ 82). Aber auch hier
Geräte verfehlte man aber das Ziel folgender Fu- wurden keine Kerne des Zielelements erzeugt
sion, Nuklide des Unbibiums darzustellen, deut- (Lucarelli et al. 2007):
lich (Epherre und Stephan 1975):
232 80 312 
90 Th þ 34 Se ! 124 Ubq ! Spaltung
238 66 304 
92 U þ 30 Zn ! 122 Ubb ! keine Atome
Unbipentium (Z ¼ 125, Ubp): Beim ersten und
2000 versuchte das GSI mit Kernen derselben bisher auch letzten, schon vor 50 Jahren (!) durch-
Elemente, wenn auch mit schweren Zinkionen geführten Versuch zur Synthese von Kernen des
und stark verbesserter Emfindlichkeit der Geräte Unbipentiums beschoss man in Dubna ein Ame-
Ähnliches, aber ebenfalls erfolglos: riciumtarget mit Zinkionen (Epherre und Stephan
1975):
238 70 308 
92 U þ 30 Zn ! 122 Ubb ! keine Atome
243
95 Am þ 66
30 Zn ! 309 125 Ubp
Will man bei all diesen Fusionen irgendwann ! keine Atome
einmal Erfolg haben, sollte das apparativ erreich-
bare Ziel eines Wirkungsquerschnitts zumindest Mit den um 1970 verfügbaren Geräten war ein
auf 1 fb ausgerichtet sein. Generell glaubt man maximaler Wirkungsquerschnitt von 5 nb reali-
heute, dass superschwere Kerne Halbwertszeiten sierbar; dies liegt um Größenordnungen höher als
von 1 μs oder kürzer haben; erschwert werden die die Fusion erfordert hätte.
Versuche noch durch extrem kleine Wirkungs- Unbihexium (Z ¼ 126, Ubh): Auch hier gab es
querschnitte (Hofmann 2014). nur ein einziges Experiment, wiederum schon vor
Unbiquadium (Z ¼ 124, Ubq): Wissenschaftler langer Zeit (1971), diesmal am Genfer CERN
des französischen Grand Accélérateur National (Communauté Européenne pour la Recherche Nu-
d’Ions Lourds (GANIL) versuchten 2006, Isotope cléaire). Bimbot und Alexander beschossen ein
1084 20 Ausblick: Chemische Elemente der 8. und 9. Periode

Thoriumtarget mit Kryptonionen, um Kerne des Kerne in der Natur bzw. im Weltraum vermuten,
Unbihexiums zu synthetisieren: so etwa in den jüngsten Abhandlungen über Przy-
bylskis Stern (Dzuba et al. 2017).
232 84 316 
90 Th þ 36 Kr ! 126 Ubh ! keine Atome
Voraussichtliche Eigenschaften der Elemente
Die bei der Reaktion abgestrahlten α-Teilchen Einigermaßen sicher ist nur, dass Ununennium ein
deutete man als von Kernen eines neu gebildeten Alkali- und Unbinilium ein Erdalkalimetall sein
Elements abstammend; spätere Berechnungen er- wird. Für ersteres sagt man eine Dichte von
gaben aber, dass der erzielbare Wirkungsquer- ca. 3 g/cm3 sowie Schmelz- und Siedepunkte
schnitt nur 10 mb betrug und damit extrem weit von 0–30 °C bzw. 630 °C voraus; die hauptsäch-
vom hierfür erforderlichen Bereich entfernt war. liche Oxidationsstufe ist +1, aber sogar +3 er-
Unbiseptium (Z ¼ 127, Ubs): Ebenfalls auch scheint wegen relativistischer Effekte möglich.
nur ein einziges Mal versuchte man 1978, Kerne Für Unbinilium lauten die Zahlen: 7 g/cm3, 680 °
des Unbiseptiums am GSI zu synthetisieren. Am C, 1700 °C und +2 (auch +4 könnte theoretisch
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenfor- auftreten).
schung beschoss man dazu ein aus Tantal beste-
hendes Target mit Xenonkernen (!), aber ebenfalls Innerhalb der nach allgemeiner Auffassung bei
ohne Erfolg: Element 121 (Unbiunium) beginnenden Reihe der
Superactinoiden sollte deren erster Vertreter, eben
180
73 Ta þ 136
54 Xe ! 316 127 Ubs dieses Unbiunium, zu Lanthan und Actinium ähn-
! keine Atome liche Eigenschaften aufweisen (Waber 1969). Sei-
ne bevorzugte Oxidationszahl sollte +3 sein, und
Aufgrund einer US-amerikanischen Studie, die auch wenn wegen der relativistischen Stabilisie-
Mitte der 1970er-Jahre erschien und das Vorkom- rung der p-Orbitale seine Elektronenkonfiguration
men superschwerer Elemente in Mineralien sug- 8s28p1 anstatt 8s27d1 sein sollte, weisen die bisher
gerierte, arbeiteten darauf einige Forschungsgrup- berechnteten chemischen Eigenschaften doch auf
pen an deren Auffinden. Vor allem waren dabei eine große Ähnlichkeit zu Actinium hin (Amador
Unbiquadium und Unbihexium Gegenstand des Davi et al. 2016). Jedoch wäre die erste Energie
Interesses, aber die Arbeiten brachten am Ende der Ionisierung des Unbiuniums mit 429,4 kJ/mol
kein positives Ergebnis. Die israelische Gruppe die niedrigste aller bekannten Elemente mit Aus-
um Marinov beanspruchte 2008, Kerne des Unbi- nahme der höheren Alkalimetalle von Kalium bis
biums (292122Ubb) in Lagerstätten des Thoriums Francium; sie liegt aber sogar tiefer als die für das
gefunden zu haben. Eine kritische Abhandlung Alkalimetall Ununennium mit 463 kJ/mol berech-
der Technik wurde veröffentlicht (Marinov et al. nete.
2007), ebenso Marinovs Gegendarstellung (Mari- Das darauf folgende Unbibium (Z ¼ 122)
nov et al. 2009) zum inzwischen eingegangenen könnte zu Cer und Thorium ähnlich sein, da seine
Kommentar (Barber und de Laeter 2009). wichtigste Oxidationszahl gleichfalls +4 beträgt.
Auch der Versuch der Reproduktion dieser Nur entspricht die Elektronenkonfiguration seines
Versuchsergebnisse, durchgeführt mit Apparatu- Grundzustandes wohl (8)s2(8)p1(7)d1 und nicht
ren deutlich höherer Empfindlichkeit, scheiterte wie bei Thorium (7)s2(6)d2. Die erste Ionisie-
(Lachner et al. 2008), was in wissenschaftlichen rungsenergie des Unbibiums wird etwas niedriger
Kreisen erheblichen Zweifel an Marinovs Resul- liegen als die analoge des Thoriums. Ab Element
taten hervorrief. Später argumentierte man, dass, 123 würden die 6f-Orbitale, ab Element 125 die
selbst wenn es primordial solche superschweren 5g-Orbitale besetzt (Dongon und Pyykkö 2017).
Elemente gegeben hätte, deren Isotope inzwi- Man erwartet, dass die Atome der ersten Su-
schen längst hätten zerfallen sein müssen (Peter- peractinoide leicht alle verfügbaren Valenzelek-
mann et al. 2012). Trotzdem werden immer wie- tronen abgeben, dass also beispielsweise Unbihe-
der Stimmen laut, die die Existenz superschwerer xium (Z ¼ 126) auch in der Oxidationsstufe +8
1 Wie geht es im Periodensystem weiter? 1085

auftreten kann, und dass bei den nachfolgenden Fricke-Modell an; man erwartet eine gewisse
Elementen sogar noch höhere Oxidationsstufen Ähnlichkeit zu der von Yttrium (Z ¼ 39) bis
erreichbar sind. Umgekehrt sollten die Superacti- Cadmium (Z ¼ 48) reichenden Reihe. Die darin
noide auch in „allen möglichen“ Oxidationsstufen befindlichen, am obersten Ende der Gruppen der
erscheinen können, denn Berechnungen zufolge Platinmetalle stehenden Elemente [Osmium
wäre auch ein hypothetisches Unbihexium-I-fluo- (76) – Hassium (108) – Unhexnilium (160); Iridi-
rid (UbhF) möglich (Jacoby 2006). Für Unbihe- um (77) – Meitnerium (109) – Unhexunium (161);
xium sollte die stabilste Oxidationsstufe aber Platin (78) – Darmstadtium (110) – Unhexbium
+4 sein. (162)] sollten nicht mehr so „edel“, also reaktions-
Auch sollten Superactinoide verbreitet He- träge wie ihre leichten Homologen sein, da hier
xafluoride bilden. Am schwersten sollten die die äußere 8s-Schale zur Abschirmung fehlt, und
5g-Elektronen zur Teilnahme an Bindungen zu weil zudem die 7d-Schale aufgrund relativisti-
bewegen sein, da ihre Orbitale klein und „tief in scher Effekte energetisch aufgespalten ist. Für
der Elektronenhülle des Atoms versteckt“ sind dieses Unhexbium als höchstes Homologes des
(Makhyoun 1988). Bei den höheren Superactinoi- Platins sagt Fricke nach seinen Modellen eine
den ab Element 132 (Untribium, Utb) sollte die etwas erhöhte chemische Reaktivität voraus,
höchstmögliche Stufe der Oxidation aber auf +6 ebenso das Vorhandensein von Oxidationsstufen
begrenzt sein, ab Element 144 (Unquadquadium, +2, +4 und +6. Ein Atom des metallischen, als
Uqq) auf +4. Am Ende der Reihe dieser Super- höchstes Homologes des Quecksilbers aber bei
actinoide sinkt die maximale Oxidationszahl auf Raumtemperatur wohl gasförmigen (!) Unhex-
2 und tiefer, weil sich die dann volle 6f-Schale tief quadiums sollte wegen der aufeinander folgenden
in der Elektronenhülle befindet und zum Anderen Kontraktionen der Lanthanoiden, Actinoiden und
die 8s und 8p1/2-Orbitale zu fest gebunden sind, Superactinoiden gerade einmal einen Radius von
um sich an chemischen Bindungen beteiligen zu 158 pm aufweisen, das ist fast derselbe wie der für
können. Magnesium bestimmte. Und dies, obwohl die
Daher könnte Element 154 (Unpentquadium, Atommasse des Unhexquadiumatoms mit ca. 474 u
Upq) nach von Fricke durchgeführten Berechnun- nahezu zwanzig Mal höher ist als die eines Atoms
gen die Eigenschaften eines Edelgases besitzen des Magnesiums! Daher berechnete man mit
und wäre nach seiner Theorie das letzte Super- ca. 46 g/cm3 eine extrem hohe Dichte des Elements
actinoid. Dagegen besagt das von Pyykkö im festen Zustand, die mehr als doppelt so hoch
entwickelte Modell, dass Element 155 (Unpent- ist wie die der schwersten bisher bekannten Ele-
pentium, Upp) bereits in Form des Ions Upp3+ mente, des Iridiums und des Osmiums, und
vorkommen sollte. Des Weiteren sollte es wie bei 26 Mal höher als die des Magnesiums. Mit gro-
den Seltenerdmetallen („Ln3+“) und den Actinoi- ßer Reaktionsträgheit sollte es noch am ehesten
den („An3+“) auch eine Kontraktion der Super- den Platinmetallen ähneln. Aus Sicht der theo-
actinoiden („San3+“) geben, allerdings fällt diese retischen Chemie ist dieses Element 164 auch
mit einer Abnahme von nur 2 pm pro Element und deswegen schon seit Langem interessant, weil es
in Richtung steigender Ordnungszahl für die Ionen mit 164 Protonen und einer Zahl von Neutronen
des Typs „San3+“ geringer als bei den leichteren von 308–318 Zentrum einer zweiten, hypotheti-
homologen Reihen aus (Koura und Chiba 2013). schen „Insel der Stabiltät“ sein könnte (Gru-
Kulsha nennt die 36 Elemente zwischen mann et al. 1969).
121 und 156 „Ultransition Elements“ und schlägt Steigen die prognostizierten Dichten der Ele-
vor, sie in zwei Serien aufzuteilen, in eine von mente 156 bis 164 von 26 auf 46 g/cm3 an, so
121 bis 138 und eine zweite von 139 bis 156. Die weichen die beiden nächsten Elemente (Unhex-
erste ähnelte eher den Lanthanoiden (Selten- pentium, Z ¼ 165; Unhexhexium, Z ¼ 166) zu-
erden), die zweite mehr den Actinoiden. mindest nach dem Fricke-Modell davon dras-
Die Übergangsmetalle der 8. Periode (Ord- tisch ab, da die Berechnung für sie nur Dichten
nungszahlen 155–164 schließen sich nach dem von 7 bis 11 g/cm3 voraussagt. Diese sollten den
1086 20 Ausblick: Chemische Elemente der 8. und 9. Periode

schwersten Alkali- und Erdalkalimetallen ent- jetzigen Zeitpunkt Unsepttrium als extrem reaktiv
sprechen, und bei ihnen würde das 9s-Orbital an, noch weitaus stärker als seine niederen Homo-
(!) aufgefüllt. Dies ist sehr bemerkenswert, weil logen Cäsium oder Francium.
dieser Prozess vor der vollständigen Auffüllung Element 184 (Unoctquadium, Uoq) unterlag
der zur 8. Periode gehörenden Elektronenscha- einigen Spekulationen, da 184 vermutlich eine
len eintreten könnte! magische Zahl von Protonen darstellt. Es sollte
Die letzten sechs Elemente, die die 8. Periode in zahlreichen Oxidationsstufen auftreten, unge-
nach Frickes Modell „ordnungsgemäß“ abschlös- fähr wie Uran und Neptunium (Penneman et al.
sen, haben die Ordnungszahlen 167–172. Sie soll- 1971).
ten in gewisser Weise, sofern man dies bei Alle diese im Voraus getätigten Berechnungen
den stark dominierenden relativistischen Effekten und Schätzungen sind aber wertlos, wenn die in
überhaupt noch feststellen kann, den Elementen aufsteigender Richtung angeordnete Reihe der
der 3. bis 8. Hauptgruppe, also etwa der Reihe Elemente irgendwann abbricht, weil die jeweili-
vom Indium bis zum Xenon, ähneln. Bei ihnen gen Atomkerne nicht für eine ausreichend lange
sind nur noch die p-Orbitale wichtig, die sukzes- Zeit existieren können, um als zu einem Element
sive aufgefüllt werden. Der Effekt des inerten zugehörig bezeichnet zu werden (Cwiok et al.
s-Orbtals erscheint nicht mehr. Man erwartet da- 2005). Gambhir et al. schätzen etwa nach Analyse
her als wichtigste Oxidationsstufen von der drit- von Bindungsenergien der Atome und deren Ein-
ten bis zur sechsten Hauptgruppe (Z ¼ 167–170) bindung in die bekannten Zerfallsreihen, dass die
+3, +4, +5 bzw. +6, sowie einander relativ ähn- Grenze der möglichen Existenz von Atomkernen
liche Dichten im Bereich von 18 g/cm3. bei einer Ordnungszahl von Z ¼ 146 begrenzt ist
Element 171 (Unseptunium, Usu) gehört for- (Gambhir et al. 2015). Wiederum andere Wissen-
mal zur Gruppe der Halogene und ist das nächst- schaftler behaupten, dass die Reihe möglicher
höhere Homologe des Tenness (Z ¼ 117), sollte Elemente keiner Begrenzung unterliegt (Ball
aber bereits ein Metall (!) der hohen Dichte 16 g/cm3 2010), und auch die Ordnungszahlen Z ¼ 128
sein. Sein Anion Usu ähnelt dem Iodidanion (I), oder Z ¼ 155 werden als limitierende Größen
hat aber einen noch wesentlich größeren Radius und gehandelt.
ist eine sehr weiche Base. Viel eher sollte Unseptu- Nach Feynman wäre die Existenz von Elemen-
nium in positiven Oxidationsstufen von +1 bis +7 ten jenseits der Ordnungszahl 137 nicht mehr
auftreten. möglich, weil die Dirac-Gleichung für jene keine
Element 172 (Unseptbium, Usb) ist vermutlich Energie des Grundzustandes mehr berechnen
ein „Edelgas“ der Dichte 9 g/cm3 (als Feststoff), kann. Allerdings liegt dieser Rechnung die An-
liegt aber bei Raumtemperatur wohl in festem nahme zugrunde, dass der Atomkern nur eine
Zustand vor. Es sollte sich ähnlich wie Xenon punktuelle und damit vernachlässigbare Größe
verhalten, nur leichter oxidierbar sein als dieses. aufweist. Dies ist namentlich bei den schwersten
So erscheint die Bildung von Fluoriden und Oxi- Kernen aber nicht mehr der Fall, weshalb sich
den realistisch. diese Grenze zu deutlich höheren Ordnungszah-
Jenseits von „E172“ Nach der mit Unseptbi- len verschieben dürfte (Indelicato et al. 2011).
um abgeschlossenen 8. Periode läge Berechnun- Diese läge bei Z≈173; dann bewegt sich das in-
gen zufolge Element 173 vor. Dies sollte ein wei- nerste Elektron (im 1s-Orbital) theoretisch schnel-
teres Alkalimetall sein (Unsepttrium, Ust), dies ler als es der Lichtgeschwindigkeit entspricht, und
sowohl nach Frickes als auch Pyykkös Modell. das Atom verlöre dieses Elektron; es verschwände
Hierfür erwartet man aber abweichend von allen nach Dirac im negativen Kontinuum. Zum Aus-
bisher gültigen Regeln, dass das einzelne Elektron gleich zieht der Atomkern ein anderes Elektron
in das 6g7/2-Orbital eintritt -das 9s-Orbital ist bei- aus dem Vakuum heran, weshalb er aber spontan
den Modellen zufolge bereits besetzt!-, wegen zwecks Ladungsausgleich ein Positron emittieren
dessen relativ großer Energie aber äußerst locker müsste (Eisberg und Resnick 1985; Bjorken und
gebunden ist. Daher sieht die Wissenschaft zum Drell 1964; Greiner und Schramm 2008). Die
Literatur 1087

bisher übliche Terminologie nennt die Elemente ten aber ohne Berücksichtigung relativistischer
173–184 „schwach superkritische Atome“, da bei Effekte.
ihnen nur die 1s-Schale in das negative Kontinu- Nimmt man also jene sowie Deformationen
um getaucht wäre. Ab Element 185 berechnet des Atomkerns mit in die Grundlage des Rechen-
man dies auch für das 2p1/2-Orbital, ab Element modells auf, so erscheinen neue magische Zahlen
245 für die 2s-Schale. Versuche, diese superkriti- für superschwere Kerne, dies bei den Ordnungs-
schen Atome, wenn auch nur für extrem kurze zahlen (Z) von 126, 138, 154 und 164 sowie
Zeit, etwa durch Bombardieren eines Urantargets einer Anzahl der Neutronen von 228, 308 und
mit Bleikernen(!), zu erzeugen, schlugen fehl. 318 (Koura und Chiba 2013). Daher könnten wei-
(Die Addition der Kernladungszahlen beider Ele- tere „Inseln der Stabilität“ um die doppelt-magi-
mente ergäbe den Wert 174.) Das Ende des Peri- schen Isotope 354126Ubh, 472164Uhq oder 482164Uhq
odensystems dürfte aber eher durch die Instabilität existieren (Grumann et al. 1969). Diese Kerne
der Atomkerne als durch die der Elektronenschale sollten, so wird erwartet, keinem β-Zerfall unterlie-
bestimmt werden (Reinhardt und Greiner 2015). gen, sondern nur α-Zerfall oder Spontanspaltung
erleiden. Die Halbwertszeiten dieser Nuklide wä-
ren relativ lang; sie gälten abgeschwächt auch für
Auf der Suche nach Atlantis oder die „Inseln
die benachbarten Isotone mit N ¼ 228 (Koura
der Stabilität“ Die vermuteten Inseln der Stabi-
2011). Nur verdankten diese Kerne, falls es sie
lität, also relativ schmale Bereiche von Ordnungs-
gäbe, ihre Existenz vorwiegend der Neutronenkon-
und Massenzahlen im ausschließlich radioaktiven
figuration und nicht der hohen Zahl stark elektrisch
Spektrum des Periodensystems, innerhalb derer
abstoßender Protonen (Greiner 2013). Daher ist es
im Vergleich zu ihren Nachbarn relativ langlebige
möglich, dass trotz der magischen Kernladungs-
Isotope existieren (sollen), fasziniert die Kernphy-
und Neutronenzahlen die Kerne nicht für eine ge-
sik seit jeher.
nügend lange Zeit bestehen können, und ebenso,
dass zwischen den „Inseln der Stabilität“ auch ei-
Zunächst wissen wir, dass kein Element einer nige Elemente deshalb nicht existieren können. Für
höheren Ordnungszahl als Blei (Z ¼ 82) stabile Kerne superschwerer Elemente diskutiert man
Isotope besitzt (Marcillac et al. 2003). Nach Cu- auch andere als die bekannten Arten des radioakti-
rium (Z ¼ 96), dessen Isotop 24796Cm noch eine ven Zerfalls (Palenzuela et al. 2012; Poenaru et al.
Halbwertszeit von 1,56 · 107 a besitzt, nimmt die 2012).
durchschnittliche Stabilität der Isotope eines Ele- Ungeachtet dessen, obwohl man das Perioden-
ments drastisch ab. Jenseits der Ordnungszahl system gerade einmal mit 118 Elementen hat füllen
(Z) 101 gibt es nur noch Isotope mit Halbwerts- können – was bereits sehr aufwändig war-, wurden
zeiten unter 1 d, mit Ausnahme des Dubnium- diese Extrapolationen bis in dessen höchste Sphären
isotops 268105Db. Zwischen den Elementen mit fortgesetzt. Berichtet wird von magischen Kernla-
Z ¼ 110–114 existiert ein Bereich mit etwas län- dungszahlen Z ¼ 210, 274 und 354 sowie von
geren Halbwertszeiten; dies bezeichnet die Kern- Neutronenzahlen N ¼ 308, 406, 524, 644 und
physik als „Insel der Stabilität“. Eine darüber hinaus 772 (!) (Denisov 2005) mit zwei doppelt magischen
gehende Berechnung mittels der Hartree-Fock-Bo- Kernen 616210 und 798274, aber an irgendeinem Punkt
goliubov-Methode sieht bei Z ¼ 126 eine geschlos- wird das Periodensystem der Elemente enden.
sene und somit relativ stabile Konfiguration von
Protonen (nicht Elektronen!). Für Z ¼ 126 berech-
nete man die mögliche damit korrespondierende
Zahl von Neutronen einer ebenfalls geschlossenen Literatur
Konfiguration zu N ¼ 184, 196 und 228. Daher
Adcock C (2015) Weighty matters: Sigurd Hofmann on the
sollten die Isotope 310126Ubh, 322126Ubh sowie heaviest of nuclei. JPhys+. https://jphysplus.iop.org/
354
126Ubh deutlich stabiler als andere in ihrer Regi- 2015/10/02/weighty-matters-sigurd-hofmann-on-the-
on sein (Emsley 2011). Diese Berechnungen erfolg- heaviest-of-nuclei/
1088 20 Ausblick: Chemische Elemente der 8. und 9. Periode

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