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Das Wörterbuch der Journalistik
Kriegsberichterstattung
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Definition:
Kriegsberichterstattung ist ein Teilbereich der Auslandsberichterstattung.
Diese wird oft dafür kritisiert, dass sie selektiv und krisengetrieben
insbesondere über nicht-westliche Weltregionen wie Afrika, die arabische
Welt oder Südostasien berichtet (Hafez 2002). Die → Nachrichtenfaktoren
Konflikt, Schaden oder Negativität sind wichtige Treiber für die
journalistische Themenwahl über das Ausland (Segev 2015). Kriege
gelten in diesem Zusammenhang als nahezu unumgänglicher
Berichterstattungsanlass (Eilders/Hagen 2005).
Nicht alle Kriege werden aber in ähnlicher Intensität berichtet. Neben der
unmittelbaren Ereignislogik finden Kriege auch deshalb in den Medien
statt, weil sie ein Feld der Aushandlung politischer Legitimität darstellen.
Gerade der Rechtfertigungsdruck für den Eintritt in einen Krieg oder
Konflikt ist in demokratischen Staaten ungleich höher als in Autokratien.
Eilders argumentiert gar, dass „Kriege […] ohne Unterstützung der
öffentlichen Meinung nicht mehr geführt werden [können]“ (Eilders 2005:
283). Kriege, die ‚uns‘ (un)mittelbar betreffen, sind deutlich präsenter in
den Medien, als Kriege, die geografisch und gefühlt weit weg sind: So ist
der Krieg in der Ukraine 2022 aufgrund der geografischen Nähe, der
vielen Flüchtenden und der Debatte um eine deutsche Beteiligung viel
dominanter in den deutschen Medien als der Krieg im Jemen, der zwar
seit 2015 viele tausende Tote gefordert hat, aber weitgehend ohne
deutsche Betroffenheit verläuft.
Gegenwärtiger Zustand:
Die Berichterstattung über einen Krieg lässt sich typischerweise in drei
Phasen einteilen: 1) die Orientierungsphase, 2) die Expertenphase und 3)
die Routinephase. Die Orientierungsphase ist in der Regel nur wenige
Tage lang. Ein nachrichtenwertes Ereignis ‚passiert‘, bspw. greift die
russische Armee die Ukraine an oder die Taliban erobern Kabul. Alle
Medien versuchen daraufhin, sich einen Überblick zu verschaffen und
aktivieren ihre → Quellen. Hier wird häufig ein strukturelles Problem der
Auslandsberichterstattung deutlich: nur wenige Medien leisten sich
dauerhafte Korrespondent:innen in Krisenregionen wie Afghanistan und
Syrien oder kleineren Ländern, die bisher für die Weltpolitik kaum eine
Rolle gespielt haben, wie Ukraine oder Jemen. So entsteht das Phänomen
des Parachute-Journalism, bei dem Journalist:innen kurzfristig in das
Kriegsland eingeflogen werden, oft ohne Sprachkenntnisse,
Hintergrundwissen und ausreichende Kontakte (Fondren et al. 2019).
Deshalb werden gerade in dieser Phase oft vorgefertigte Frames und
Stereotypen abgerufen. Dabei orientieren sich → Journalist:innen häufig
an dem, was die Politik sagt. Das liegt neben dem Mangel an Expertise zu
der spezifischen Region auch am ‚Rally-‘round-the-flag-Effekt‘ – man
schart sich in gewisser Weise um die eigene Regierung, insbesondere,
wenn das eigene Land betroffen oder involviert ist (Bilke 2008).
verweigern.
Forschungsstand:
Im Zusammenhang mit Kriegsberichterstattung wird vor allem auch über
die Art des Berichtens diskutiert. Dabei stehen einerseits ethische
Aspekte im Mittelpunkt, etwa die Frage, welche Bilder einem Publikum
zugemutet werden können und der Schutz der Würde der Betroffenen
(Prinzing 2022). Andererseits wird auch stark über die (Re)produktion
von Feindbildern diskutiert, die durch negative Attribute, Abwertung oder
die unkritische Übernahme von Militärjargon erzeugt werden (Bilke 2010:
443). Der Konfliktforscher Johan Galtung hat zudem kritisiert, dass
Medien zumeist das von beteiligten Eliten erstellte Narrativ des
Nullsummenspiels aus Gewinnen/Verlieren übernehmen und sich vor
allem auf die Berichterstattung sichtbarer Gewalt fokussierten. Er fordert
Literatur:
Galtung, Johan: High Road, Low Road: Charting the course for Peace
Journalism. In: Springer-Briefs on Pioneers in Science and Practice, 5,
1998, S. 95-102.
Paul, Gerhard: Der ‚Pictorial Turn‘ des Krieges. Zur Rolle der Bilder im
Golfkrieg von 1991 und im Irakkrieg von 2003. In: Korte, Barbara; Horst
Tonn (Hrsg.): Kriegskorrespondenten: Deutungsinstanzen in der
Mediengesellschaft. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften]
2007, S. 113-136.