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Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Institut für Psychologie

Seminararbeit
Neuropsychologie von Sprache und Kommunikation

LV: 160.623 PS Biologische Psychologie


LV-Lehrender: Hon.-Prof. Prof. Dr. Martin Meyer

Nina Waltersdorfer
Matrikelnummer: 12023427
Wintersemester 2022
Email-Adresse: ninawal@edu.aau.at
PS Biologische Psychologie Nina Waltersdorfer
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Inhaltsverzeichnis
Fragestellung 1.......................................................................................................................3
Fragestellung 2.......................................................................................................................5
Fragestellung 3.......................................................................................................................8
Fragestellung 4.....................................................................................................................11
Literaturverzeichnis ..............................................................................................................14
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Fragestellung 1
In dieser Seminararbeit wird näher auf die Frage eingegangen, ob es einen Zusammenhang
zwischen Gehirngröße und Intelligenz gibt. Hierfür wird analysiert, inwieweit die generelle
Größe, sowie einzelne Bereiche oder Prozesse des Gehirns, eine Rolle spielen. Um diese
Frage beantworten zu können, wird auf wissenschaftliche Literatur zurückgegriffen und die
wichtigsten Aspekte zu diesem Thema zusammengetragen. Grundsätzlich gibt es keine
allgemeine Methode, um Intelligenz zu messen sowie keine allgemein gültige Definition, da
man diese bei unterschiedlichen Lebewesen auch unterschiedlich interpretieren sollte. Jedoch
wird Intelligenz von verschiedenen ForscherInnen pauschal als der Erfolg beziehungsweise
die Fähigkeit, in der individuellen Umwelt zu überleben, beschrieben. PsychologInnen sind der
Meinung, dass sich diese Fähigkeit am besten durch das Testen der mentalen Flexibilität
erheben lässt, da diese Flexibilität auf bessere Problemlösefähigkeiten in unbekannten
Situationen schließen lässt. Weiters wird davon ausgegangen, dass verschiedene Bereiche
des Gehirns auch unterschiedlichen Einfluss auf die Auffassungsfähigkeit haben (Roth &
Dicke, 2005).

Man unterscheidet bei der Anatomie des Gehirns zwischen generellen und spezifischen
Eigenschaften. Die generellen Eigenschaften umfassen die absolute sowie die relative Größe
des Zerebrums. Obwohl davon ausgegangen wird, dass die absolute Größe des Gehirns einen
Einfluss auf die Ausprägung der Intelligenz hat, kann von einem größeren Zerebrum nicht
automatisch auf höhere Intelligenz geschlossen werden. Die relative Größe des Gehirns
bedeutet, dass man das Hirn im Verhältnis zu der Größe des Körpers des Organismus
betrachtet. Je größer der Körper eines Lebewesens, desto größer wird die absolute Größe des
Gehirns, die relative Größe sinkt jedoch, da die Zunahme an Gehirngewicht der Zunahme an
Körpergewicht nicht nachkommt. Die Forschung zu diesem Zusammenhang mit der Intelligenz
liefert jedoch keine eindeutigen Ergebnisse (Roth & Dicke, 2005). Ein weiterer genereller
Faktor ist der Encephalisationsquotient (EQ), welcher das Gehirn-Körpervolumen-Verhältnis
angibt. Dadurch kann man erkennen, wie viel das Gehirn eines bestimmten Säugetiers über
oder unter dem Durchschnitt, welcher dem Gehirn einer Katze entspricht, liegt. Obwohl
Menschen hierbei den höchsten EQ aufweisen, ist diese Kennzahl ebenfalls nicht optimal
dafür geeignet, Intelligenz vorherzusagen (Roth, 2011). Auch wenn Menschen nicht das
größte Gehirn sowie nicht den größten Kortex aufweisen, haben sie die höchste Anzahl
kortikaler Neuronen und die beste Informationsverarbeitungs-Kapazität. Da die generellen
Eigenschaften des Gehirns keine gute Vorhersage über die Intelligenz treffen können, werden
auch die adaptiven Spezialisierungen im Hirn von verschiedenen Spezies betrachtet (Roth &
Dicke, 2005).

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Manche Forscher gehen davon aus, dass spezifische Eigenschaften des Gehirns einen
Zusammenhang mit Intelligenz aufweisen, wie beispielsweise die Tatsache, dass
Herausforderungen in der Umwelt zur Steigerung von kognitiven Kapazitäten sowie zu
erhöhter Hirn-Komplexität führen. Des Weiteren wird Erfahrung in Zusammenhang mit dem
Wachstum des Hippocampus gebracht, welcher an Lernprozessen beteiligt ist. Zusätzlich
zeigte Forschung, dass die Pyramidenzellen in Menschen viermal so groß sind als der
Durchschnitt im Vergleich zu anderen Lebewesen und somit weitere Verbindungen mit
anderen Hirnregionen aufweisen, was auf bessere Informationsprozess-Kapazität hindeutet.
Da der Mensch als intelligentestes Lebewesen gilt stellt sich die Frage, ob unser Gehirn
einzigartige Merkmale aufweist. Eigenschaften, welche nur uns Menschen zugeschrieben
werden, sind das Verständnis von Mechanismen beim Benutzten von Werkzeugen, Werkzeug-
Herstellung, syntaktische und grammatikalische Sprache, ein Bewusstsein sowie
Selbsterkenntnis, Imitation, Täuschung und Empathie. Menschenaffen haben zwar in
manchen Hinsichten ähnliche Fähigkeiten, welche jedoch nicht an jene der Menschen
herankommen. Das wichtigste Beispiel ist unsere menschliche Sprache, da keine anderen
Spezies vergleichbar kommunizieren kann. Jedoch ist der Mensch in ziemlich allen kognitiven
Leistungen, wie Spiegeln, Abstraktion oder Denken, den Tieren um einiges voraus. Dies macht
den Menschen zu einem Überlebenskünstler und somit, laut der zuvor festgelegten Definition,
besonders intelligent (Roth & Dicke, 2005).

Schlussendlich kann nicht mit eindeutiger Sicherheit gesagt werden, worauf die hohe
Intelligenz von Menschen zurückgeführt werden kann. Betrachtet man die generellen
Eigenschaften des Gehirns, gelten die Anzahl kortikaler Neuronen, die
Nervenleitgeschwindigkeit der kortikalen Fasern, sowie die strukturellen und funktionalen
Besonderheiten des präfrontalen Kortex des Menschen, als besonders relevant. Der
präfrontale Kortex spielt eine wichtige Rolle für Sprache, Denken, Planung und weitere
Verhaltensweisen, welche für unser Überleben eine wichtige Rolle spielen. Der Literatur zu
Urteil kann jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen Intelligenz und Größe des Gehirns
gefunden werden. Dies trifft sowohl auf die absolute und relative Gehirngröße als auch auf den
Encephalisationsquotient zu (Roth & Dicke, 2005).

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Fragestellung 2
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob es eine Broca-Area gibt und wenn dem so
ist, welche Aufgaben diese erfüllt. Dieser Bereich des Gehirns, welcher nach dem Forscher
Paul Broca benannt wurde, befindet sich in der linken Hemisphäre und galt lange Zeit,
gemeinsam mit dem Wernicke-Areal, als ein Zentrum für Sprache. Aufgrund der zunehmend
besser werdenden Forschung der Neurowissenschaften kamen jedoch immer mehr Zweifel
daran auf, ob es tatsächlich explizite Zentren für Sprache gibt, welche allein für diese Fähigkeit
verantwortlich sein sollen, wie es das klassische Modell, auch genannt das Wernicke-
Geschwind-Modell, postuliert. Die Beschränkung von Sprachverarbeitung und
Sprachproduktion auf lediglich zwei spezifische Areale unterschätzt die Komplexität dieser
Fähigkeit, sowie die vielseitige Beteiligung verschiedener Hirnregionen an der menschlichen
Sprache. Um einen besseren Überblick über diese Thematik zu gewinnen, wird Literatur von
verschiedenen Autoren herangezogen, welche jedoch ebenfalls zum Teil in Widerspruch
zueinanderstehen, was die große Uneinigkeit dieser Thematik widerspiegelt (Tremblay & Dick,
2016).

Das sogenannte klassische Modell fokussiert sich hauptsächlich auf das Broca- und Wernicke-
Areal und der Erforschung ihrer Funktionen bei Sprache. Somit liefert dieses Modell einige
Probleme für die Wissenschaft. Es ist zu eingeschränkt in der Theorie und man kann dadurch
nur spezifische Hypothesen bezüglich dieser beiden Areale testen und deshalb nur schwer
etwas Neues über die Beziehung zwischen Gehirn und Sprache herausfinden. Es beschränkt
sich ausschließlich auf zwei Regionen und deren kortikale Strukturen und ignoriert zum Teil
wichtige subkortikale Strukturen oder Verbindungen zu anderen relevanten Arealen. Diese
Faktoren machen es fast unmöglich, das Wernicke-Geschwind-Modell mit modernen
Erkenntnissen, wie zum Beispiel dem Zusammenhang zwischen weißer Materie und der
Funktion von Sprache, zusammenzuführen (Tremblay & Dick, 2016).

Aufgrund der bisherigen Forschung ist heutzutage bekannt, dass Sprache zwar bei den
meisten Menschen von der linken Hemisphäre dominiert wird, sich dabei aber nicht auf die
Broca-Area beschränkt. Diese hat jedoch ebenfalls Relevanz für die Sprachfähigkeit, was Paul
Broca aufgrund von Läsionen in dieser Region und den damit einhergehenden
Beeinträchtigungen in der Sprachfunktion bereits 1861 beobachten konnte. Hierbei wurden
jedoch die Verbindungen zu den umliegenden Hirnregionen der Broca-Area und deren Rolle
bei der Verarbeitung und Produktion von Sprache eher weniger berücksichtigt. Das Broca-
Areal kann in Subregionen unterteilt werden, bestehend aus dem Brodmann-Areal 44 und 45,
welche Korbinian Brodmann aufgrund zytoarchitektonischer Eigenschaften, also anhand von
Unterschieden in der Zusammensetzung des Gewebes des Gehirns, unterteilte. Die Broca-

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Area ist über diese Subregionen mit dem Temporal-Kortex und über das frontale Operculum
mit dem vorderen Temporal-Kortex verbunden (Friederici, 2011).

Das Broca-Areal wird als heteromodales Areal angesehen, welches Informationen von
verschiedenen Sinnesorganen verarbeitet. Dazu zählen Aufgaben wie die visuelle
Sprachverarbeitung und die Verarbeitung von Gebärdensprache. Weiters wird vermutet, dass
die Broca-Region Kontrolle über Aspekte des verbalen Arbeitsgedächtnisses hat, welches die
Aufgabe hat, linguistische Operationen komplexer Satzstrukturen durchzuführen (Meyer,
2020). Die meisten ForscherInnen sind sich bezüglich der Beteiligung der Broca-Area bei
Sprachverarbeitung einig, aber auch die Subregionen des Broca-Areals spielen eine wichtige
Rolle bei verschiedenen Aspekten von Sprache. Das Brodmann-Areal 44 unterstützt
beispielsweise die Bildung von syntaktischen Strukturen sowie die thematische
Rollenverteilung, welche die Funktion darstellt, Bedeutungseigenschaften zu erfassen und zu
verstehen. Das Brodmann-Areal 45 hingegen hat die Aufgabe, semantische Prozesse zu
unterstützen. Diese Funktionen zusammengefasst definieren die Broca-Region als einen
Bereich im Gehirn, welcher verschiedene Aspekte der Sprache vereinigt (Friederici, 2011).

Die Broca-Area hat trotz dem, dass ihre Entdeckung schon über 150 Jahre zurückliegt, noch
immer keine klare Definition, beziehungsweise können ihr auch heute noch wenig eindeutige
Funktionen zugeschrieben werden, bei welchen sich die WissenschaftlerInnen einig sind.
Auch bezüglich der Lokalisation dieser Region in der Anatomie des Gehirns wurde noch kein
Konsens gefunden. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Broca-Area im posterioren Teil
des Gyrus frontalis inferior in der linken Hemisphäre befindet. Die Region um diesen Bereich
wird als perisylvischer Kortex bezeichnet und gilt als besonders relevanter Teil des Gehirns für
die Funktionen von Sprache. Da die Wissenschaft immer noch daran arbeitet, die Funktionen
der verschiedenen Bereiche des Kortex zu erforschen, ist es wichtig, vorsichtig mit
Zuordnungen umzugehen, weshalb das Broca-Areal immer mehr kritisch hinterfragt wird, da
es unter ForscherInnen noch immer zu keiner Einigung bezüglich dieser Region gekommen
ist, weder funktional, noch bezüglich der exakten Lokalisation, beziehungsweise der
Eingrenzung des Areals (Tremblay & Dick, 2016).

Verschiedene WissenschaftlerInnen gehen davon aus, dass es besser wäre, das klassische
Modell sowie den Gebrauch des Broca- und Wernicke-Areals zu verwerfen, um somit
theoretische Fortschritte im Verständnis von Sprache erzielen zu können, da diesbezüglich
große Uneinigkeit herrscht, welche eher für Verwirrung statt Klarheit sorgt. Das Wernicke-
Geschwind-Modell beschränkt die Wissenschaft darin, andere Ansätze zu Sprachverarbeitung
und Sprachproduktion zu erforschen, wie zum Beispiel den Ansatz einer verteilten

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anatomischen Verbundenheit verschiedener Bereiche, welche bei der Sprachfunktion


zusammenarbeiten. Um Sprache jedoch wirklich verstehen zu können ist es wichtig, die
Zusammenhänge zwischen Sprache und anderen funktionalen Systemen, wie emotionale
Prozesse, ohne welche die Sprachfähigkeit nicht aktiv eingesetzt werden könnte, zu
betrachten. Schlussendlich kann gesagt werden, dass die Broca-Area zwar existiert und diese
auch Funktionen für Sprache bereitstellt, es jedoch aufgrund der großen Ungewissheit besser
wäre, neue Ansätze zu erforschen (Tremblay & Dick, 2016).

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Fragestellung 3
Diese Seminararbeit widmet sich der Frage, welche Rolle die rechte Hemisphäre für die
Sprache spielt. In der Neurowissenschaft ist bekannt, dass die linke Hemisphäre für die
Funktionen von Sprache dominant ist, jedoch bedeutet das nicht, dass die rechte Hemisphäre
keinen wichtigen Beitrag zur Sprachfunktion liefert. Forschungen zeigen, dass diese
Hemisphäre sehr wohl eine große Rolle in der Sprachverarbeitung darstellt. Wie genau sie die
menschliche Sprache unterstützt und beeinflusst, wird in dieser Arbeit mittels Fachliteratur
zusammengefasst (Lindell, 2006).

Lange Zeit galt die linke Hemisphäre als die verbale, analytische und dominante Hirnhälfte,
während die rechte Hemisphäre als nonverbal, holistisch und kreativ galt. Diese
Unterscheidung von verbaler und nonverbaler Hirnhälfte war darauf zurückzuführen, dass
Patienten, welche Verletzungen der linken Hemisphäre aufwiesen, starke Defizite in der
Sprachverarbeitung und -produktion zeigten. Verletzungen der rechten Hemisphäre hingegen
führten eher zu geringeren und unauffälligeren Problemen in der Sprachfunktion. Auch die
Arbeit von Paul Broca mit einem Patienten, welcher Probleme in der linken Hemisphäre
aufwies, bestätigte die hohe sprachliche Relevanz dieser Hirnhälfte. Der Forscher war sich
jedoch bewusst, dass auch die rechte Hirnhälfte einen wichtigen Beitrag zur Sprachfunktion
liefert. Die linke Hemisphäre ist zwar verantwortlich für die gesprochene Sprache, jedoch
benötigt die menschliche Sprache eindeutig mehr Prozesse, als die linke Hirnhälfte allein zur
Verfügung stellen kann. Bei 95 Prozent der Bevölkerung ist zum Großteil die linke Hemisphäre
für die Sprachproduktion verantwortlich, aber es kann auch manchmal auftreten, dass diese
Funktion von der rechten Hemisphäre, oder sogar von beiden Hirnhälften gemeinsam,
gesteuert wird. Vor allem ist das bei Linkshändern der Fall. Auch das Geschlecht kann einen
Einfluss auf die Verortung der Steuerung von Sprache haben. Bei Frauen ist die
Sprachfunktion eher bilateral lokalisiert während bei Männern diese Funktion eher durch die
linke Hemisphäre gesteuert wird. Die Lateralisation ist bei Frauen jedoch auch von ihrem
Zyklus abhängig und kann somit nicht generalisiert werden (Lindell, 2006).

Forschungen von Hughlings-Jackson zeigten, dass die rechte Hirnhälfte für non-propositionale
Sprache verantwortlich ist. Es handelt sich dabei um eine Form von expressiver Sprache,
welche automatische und kontextbezogene Äußerungen beinhaltet, wie zum Beispiel Reime.
Eine weitere wichtige Aufgabe der rechten Hemisphäre ist die Unterstützung der linken
Hemisphäre bei der Produktion von prosodischen und paralinguistischen Aspekten der
alltäglichen Sprache. Prosodie beinhaltet Eigenschaften wie Tonhöhe und Rhythmus, durch
welche die emotionale Bedeutung des Gesprochenen erkannt werden kann. Das bedeutet
jedoch nicht, dass Personen, welche Verletzungen in dieser Hemisphäre aufweisen, keine

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Gefühle empfinden, wenn sie über etwas bestimmtes sprechen, sie können es jedoch nicht
mehr in der Sprache ausdrücken und wirken aufgrund ihrer monotonen Redensart oft kalt und
emotionslos. Aber nicht nur bei Sprachproduktion, sondern auch bei Sprachverständnis sind
beide Gehirnhälften involviert. Um Sprache verstehen zu können benötigt man Fähigkeiten,
wie das Erkennen der verschiedenen Komponenten eines Satzes. Diese müssen im
Gesamtzusammenhang gesehen werden, um darauf richtig reagieren zu können. Zusätzlich
zeigt die rechte Hemisphäre nicht nur Relevanz bei der Produktion der Prosodie, sondern auch
beim Verarbeiten und Verstehen der empfangenen Prosodie. Das bedeutet, dass
Verletzungen der rechten Gehirnhälfte bei einem Patienten zu Problemen beim Interpretieren
des emotionalen Gehalts eines Satzes führen kann. Die hohe Stellung dieser Hemisphäre
beim Verarbeiten der Prosodie ist vermutlich auf ihre hohe Sensibilität bezüglich Tonhöhe und
Stimmlage zurückzuführen. Die rechte Hemisphäre spielt auch eine wichtige Rolle bei
pragmatischen Aspekten von Sprache und ist wichtig, um den Kontext einer Aussage richtig
interpretieren zu können. Die Bedeutung, welche hinter einem Satz oder Text steckt, ist mehr
als die Summer seiner einzelnen Teile und muss im Zusammenhang der Sätze betrachtet
werden. Durch Forschung zu funktioneller Bildgebung konnte bestätigt werden, dass die
rechte Hemisphäre einen wichtigen Teil dazu beiträgt, einzelne Elemente zu einem kohärenten
Narrativ zusammenzufügen. Patienten mit Schädigungen in dieser Hirnhälfte nehmen oft die
Bedeutung hinter dem Gesprochenen nicht wahr. Witze oder Redewendungen können diese
Menschen häufig nicht verstehen, da sie diese wortwörtlich aufnehmen (Lindell, 2006).

Zusätzlich spielt die rechte Hemisphäre eine wichtige Rolle beim Spracherwerb und der
Sprachvermittlung. Während die linke Hirnhälfte eindeutig die dominante Hälfte für
Sprachprozesse bei erwachsenen Menschen darstellt, ist es bei Kindern umgekehrt. Schäden
in der rechten Hemisphäre verursachen bei jungen Menschen deutlich mehr Probleme der
Sprachfunktionen als bei Erwachsenen. Untersuchungen zeigten, dass bei Kindern unter fünf
Jahren, bei welchen ein Teil der linken Hirnhälfte entfernt werden musste, die rechte
Hemisphäre den Großteil der Funktionen, welche die linke Hemisphäre für die Sprache hat,
entwickeln und übernehmen konnte. Diese Erkenntnisse können somit auch beweisen, dass
die rechte Hemisphäre wichtig für Erwerb und Vermittlung von Sprache ist. Einen weiteren
Einfluss hat die rechte Hirnhälfte bei der visuellen Worterfassung. Diese zeigt eine hohe
Effizienz bei der Verarbeitung von bestimmten Wörtern, wobei das Ausmaß durch
verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Dazu zählen vorlexikalische Faktoren, welche
Auswirkungen auf die Kodierung des Wortes haben, wie zum Beispiel die Schriftart. Weiters
spielen lexikalische Faktoren, welche das Abfragen des Wortes beeinflussen, eine Rolle,
sowie postlexikalische Faktoren, welche für die Interpretation des Wortes relevant sind,
beispielsweise die Semantik (Lindell, 2006).

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Obwohl lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass die rechte Hemisphäre gar keinen
Einfluss auf die Sprachfähigkeit hat, konnte diese Annahme durch verschiedene Forschungen
widerlegt werden. Heutzutage ist bekannt, dass diese sowohl einige wichtige Funktionen für
sowohl das Sprachverständnis als auch die Sprachproduktion liefert. Sie spielt also sehr wohl
eine wichtige Rolle in der menschlichen Kommunikation (Lindell, 2006).

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Fragestellung 4
Diese Seminararbeit geht auf die Frage ein, ob man seine Muttersprache verlernen kann.
Mittels Forschung an adoptierten Personen, welche zu Beginn ihres Lebens mit einer anderen
Sprache konfrontiert waren als bei ihren Adoptiveltern, wird versucht, diese Fragestellung zu
klären. ForscherInnen bezweifeln, dass solche frühen Repräsentationen der Muttersprache
komplett ausgelöscht werden können, auch wenn das Kind zu einem späteren Zeitpunkt eine
neue Sprache erlernt hat. Um hierfür eine Antwort zu finden, wurden zahlreiche
Untersuchungen durchgeführt und die Ergebnisse ausgewertet, welche durch diese
Hausarbeit mithilfe von Fachliteratur zusammengefasst werden sollen (Pierce et al., 2014).

Der Input, welchen wir durch unsere Umwelt aufnehmen, ermöglicht es uns, relevante
Fähigkeiten, wie die menschliche Sprache, zu erlernen und uns unserer Umgebung
entsprechend anpassen zu können. Es stellt sich jedoch die Frage, ob wir das Gelernte
aufrechterhalten, wenn es nach einer gewissen Zeit keinen weiteren Input gibt. ForscherInnen
sind sich uneinig, ob solche Fähigkeiten, wie eine bestimmte Sprache, wirklich überschrieben
werden können und somit einfach nicht mehr in uns existieren, oder ob wir diese durch
mangelndes Wiederholen einfach nur vergessen, uns jedoch unterbewusst erhalten bleiben.
Vor allem in der frühen Entwicklung von Menschen, also im Säuglings- und Kindesalter gilt
das menschliche Gehirn als besonders plastisch und somit als sehr aufnahmefähig und leicht
durch äußere Einwirkungen beeinflussbar. Als Säugling hat man eine erhöhte Fähigkeit,
zwischen verschiedenen Sprachen und deren Eigenheiten zu unterscheiden. Je länger die
Kinder jedoch mit ihrer Muttersprache konfrontiert werden, desto sensibler werden sie für die
eigene Sprache und desto geringer wird die Empfindsamkeit für andere Sprachen. Das hat
den Sinn, dass man sich besser auf das Erlernen der eigenen Sprache, wie beispielsweise
deren Grammatik oder Aussprache, konzentrieren kann. Da dies jene Zeitspanne darstellt, in
welcher man seine Muttersprache lernt, gehen ForscherInnen davon aus, dass diese früh
erlernten Sprachrepräsentationen neuronal erhalten bleiben, auch wenn der Kontakt mit dieser
Sprache zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr gegeben ist (Pierce et al., 2014).

Um diese Thematik zu erforschen, werden in den meisten Fällen international adoptierte


Kinder und Jugendlich mittels funktionalen MRI untersucht. Die adoptierten Kinder werden
dann ihrer Erstsprache ausgesetzt und es konnte in den meisten Fällen beobachtet werden,
dass diese bestimmte neuronale Aktivitäten zeigen, während Personen, welche nie Kontakt
mit dieser Sprache hatten, nicht dieselbe Gehirnaktivität aufweisen. Weiters wird die
Annahme, dass die Repräsentationen der Muttersprache erhalten bleiben, dadurch
unterstützt, dass Personen, welche von ihrer Erstsprache getrennt wurden, einen besseren
Umgang mit der jeweiligen Sprache zeigen. Sie können beispielweise phonologische Regeln

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besser verstehen, leichter den Akzent sowie die Sprachgeschwindigkeit ihrer Muttersprache
nachahmen und haben eine bessere Konsonantenwahrnehmung und -produktion als
Personen, welche nie mit dieser Sprache konfrontiert waren. Jedoch gibt es auch Kritik an
diesen Studien, da manche WissenschaftlerInnen argumentieren, dass diese Kinder aufgrund
ihrer Herkunft möglicherweise trotz Adoption Kontakt zu ihrer Erstsprache haben (Pierce et al.,
2014).

Aufgrund dessen gab es in der folgenden Studie verschiedene Kontrollgruppen, um


festzustellen, ob die Muttersprache tatsächlich ohne weiteren Input erhalten bleibt. Hierfür
untersuchte man Kinder und Jugendliche, im Alter zwischen neun und 17 Jahren, welche in
China geboren und von französischen Eltern adoptiert wurden. Diese wurden im Alter von
durchschnittlich 12,8 Monaten von ihrer Muttersprache getrennt. In diesem Fall handelte es
sich dabei um die Sprache Chinesisch. Mittels fMRI wurde die Gehirnaktivität von französisch-
sprechenden Adoptivkindern, welche zu Beginn ihres Lebens mit Chinesisch konfrontiert
waren, gemessen. Dafür bekamen sie linguistische Elemente vorgelegt, vor allem jene, welche
dafür bekannt sind, früh erworben zu werden, wie beispielsweise lexikalische Töne. Diese sind
in der chinesischen Sprache besonders relevant, da je nach Betonung eines Wortes, dieses
unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Die Messungen wurden mit einer Gruppe, in
welcher die Teilnehmer sowohl Französisch als auch Chinesisch sprechen können verglichen,
sowie mit einer Gruppe, in welcher die Personen nur die französische Sprache beherrschen
(Pierce et al., 2014).

Die Resultate zeigten, dass die bilingualen Probanden und die adoptierten Kinder und
Jugendlichen ähnliche Gehirnaktivität bei lexikalischen Tönen aufwiesen. Dabei handelte es
sich um verschiedene Regionen im linken Temporalkortex, welcher mit der tonalen
Verarbeitung in Verbindung gebracht wird und relevant für das Verarbeiten von Tönen ist.
Zusätzlich zeigte sich eine hohe Aktivität im linken PT, welche sich bei Vertrautheit oder
Bekanntheit mit etwas, in diesem Fall mit dem lexikalischen Ton, zeigt. Die monolingualen
Teilnehmer hatten Gehirnaktivität im rechten hinteren STG, welcher beim Verarbeiten von
Tönen aktiviert wird, welche nicht mit Sprache in Zusammenhang gebracht werden. Dies
konnte bei den beiden anderen Gruppen nicht nachgewiesen werden. Diese Resultate waren
unabhängig vom Alter der Probanden sowie von der Zeitspanne, welche seit der letzten
Konfrontation mit der Muttersprache vergangen war. Die Ergebnisse legen nahe, dass die
frühen Repräsentationen der Erstsprache trotz dem, dass die Personen keinen Kontakt mehr
zu dieser Sprache haben, erhalten bleiben (Pierce et al., 2014).

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Die Resultate dieser Studie stimmen mit anderen Forschungen an Menschen oder auch Tieren
überein, in welchen gezeigt werden konnte, dass neu erlernte Informationen keine alten
Informationen komplett ersetzen oder zerstören können, auch wenn auf die älteren
Informationen dadurch schwieriger zugegriffen werden kann. Die Aufrechterhaltung der
Repräsentationen der Erstsprache stammt vermutlich davon, dass unser Gehirn davon
ausgeht, diese Informationen und Fähigkeiten zu einem späteren Zeitpunkt noch gebrauchen
zu können. Aufgrund dessen können adoptierte Kinder, welche zu Beginn ihres Lebens mit
einer bestimmten Sprache in Kontakt waren, später ihre Muttersprache auch leichter erneut
erlernen. Diese Forschungen deuten darauf hin, dass die erste Sprache nicht durch eine
zweite Sprache ersetzt werden kann, der Zugriff auf die Erstsprache dadurch jedoch eindeutig
erschwert wird (Pierce et al., 2014).

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Literaturverzeichnis
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Pierce, L. J., Klein, D., Chen, J.-K., Delcenserie, A., & Genesee, F. (2014). Mapping the

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