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Universität zu Köln

Humanwissenschaftliche Fakultät

Seminar Heterogenität und Differenzierung im Unterricht

Seminarleitung: Barbara Hövels

Sommersemester 2022

Bildungs- und Chancenungleichheiten im deutschen


Bildungssystem

Lara Gruber

Marie-Juchacz-Straße 25

50389 Wesseling

lgruber@smail.uni-koeln.de

2-Fach Bachelor, Fächerkombination: Deutsch, Latein,


6. Fachsemester

Matrikelnummer: 7355052

Prüfungstermin Klips 2.0: 15.09.2022

Eingereicht am: 22.08.2022


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung.........................................................................................................................1

2. Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu.................................................................................1

3. Formen sozialer Bildungsungleichheit.............................................................................2

3.1. Zusammenhänge von Ungleichheit und sozialem Status und deren Ursachen.........2

3.2. Zusammenhänge von Ungleichheit und Migrationshintergrund und deren Ursachen


...................................................................................................................................5

4. Verschärfung der Bildungsungleichheiten im Kontext der Pandemie.............................6

5. Fazit..................................................................................................................................9

6. Literaturverzeichnis........................................................................................................11

7. Eigenständigkeitserklärung............................................................................................13
1. Einleitung

Ungleichheiten in der Bildung sind, und waren schon immer, eine allgegenwärtige
Problematik im deutschen Bildungssystem. Diese betrifft vor allem Menschen aus der
unteren sozialen Schicht sowie jene mit Migrationshintergrund. Bildung ist ein wichtiges
Gut, das im Hinblick auf die spätere berufliche Laufbahn und finanzielle Zukunft eine
wichtige Rolle spielt.
In dieser Hausarbeit möchte ich mich mit der Thematik „Bildungs- und
Chancenungleichheiten im deutschen Bildungssystem“ beschäftigen und auf die
verschiedenen Arten der Ungleichheit sowie deren Zusammenhänge und Ursachen zu
sprechen kommen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Disparitäten im deutschen
Bildungssystem herauszuarbeiten und deren Gründe darzustellen. Auch werde ich die
Bildungsungleichheiten im Kontext von Corona und dem damit zusammenhängenden
Fernunterricht genauer beleuchten.
Zunächst werde ich die Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu darstellen und ihre einzelnen
Kategorien erläutern. Diese Theorie ist wichtig, um Aspekte der Bildungsungleichheiten
verstehen zu können. Danach wird der soziale Status im Hinblick auf die Ungleichheiten in
der Bildung betrachtet und mögliche Zusammenhänge zwischen diesen beiden Aspekten
werden herausgearbeitet. Anschließend möchte ich auf die Gründe für die
Zusammenhänge von Bildungsungleichheit und gesellschaftlichem Status eingehen. In
diesem Kontext werden sowohl die IGLU-Studie, die sich mit den Kompetenzen von
Grundschüler:innen befasst, als auch die aktuelle PISA-Studie, die die Kompetenzen von
15-jährigen Jugendlichen herausstellt, zur Analyse herangezogen. Im folgenden Kapitel
werde ich auf die Zusammenhänge zwischen Migrationshintergrund und
Ungerechtigkeiten in der Bildung eingehen und daraufhin die Ursachen dafür nennen.
Hierfür werde ich ebenfalls die beiden, schon oben genannten, Studien genauer betrachten.
Als vierten Punkt werden die Bildungsungleichheiten im Kontext der Corona-Pandemie
analysiert, inwiefern diese weiter durch den Lockdown und die Distanzlehre verschärft
werden. Abschließen werde ich diese Hausarbeit mit einem Fazit.

2. Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu

Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat im Zusammenhang mit den


vorherrschenden Bildungsungleichheiten die sogenannte Kapitaltheorie entwickelt, mit der
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sich die Ungerechtigkeiten im Bildungssystem erklären lassen. Im Folgenden führe ich die
verschiedenen Kategorien auf, die die Kapitaltheorie beinhaltet, die eine erhebliche Rolle
für die Entstehung dieser Bildungsbenachteiligungen spielen.
Bourdieu führt drei Kapitalarten an, die maßgeblich an den Ungleichheiten in der Bildung
beteiligt sind. Zum einen führt er das ökonomische Kapital an, welches die finanziellen
Mittel und den materiellen Besitz umfasst (vgl. Frohn 2020: 62). Als zweites nennt er das
kulturelle Kapital. Dieses lässt sich in drei Kategorien unterteilen: Das objektivierte
kulturelle Kapital beschreibt den Besitz von kulturellen Gütern wie z.B. Büchern oder
Musikinstrumenten. Mit dem inkorporiertem, also dem verinnerlichten, Kulturkapital
werden Fähigkeiten und das Wissen beschrieben, das die Kinder durch die elterliche und
außerschulische Erziehung erfahren. Als letzte der drei Unterformen des kulturellen
Kapitals führt Pierre Bourdieu den institutionalisierenden Zustand des Kulturkapitals an.
Dieses äußert sich in Form von Bildungsabschlüssen und -titeln (vgl. Jurt 2012: 25). Das
soziale Kapital stellt die dritte Kapitalart dar. Dieses beschreibt das soziale Netz einer
Person und kann laut Bourdieu die Wirkung der beiden anderen Kapitalarten verstärken
(vgl. Jurt 2012: 30). Diese Formen des Kapitals, sind Ressourcen, auf die die Schülerinnen
und Schüler in ihrem Schulalltag zurückgreifen können und deren Besitz zu einem
Bildungserfolg beitragen kann. Ein direkter Indikator, um bspw. das kulturelle Kapital
eines Kindes zu erfassen, stellen das Bildungsniveau sowie die berufliche Tätigkeit der
Eltern dar (vgl. Bos et al. 2017: 198ff.). Auch an kulturelle Formen gebundene
Gewohnheiten, wie ein Theater- oder Museumsbesuch, das Spielen eines Instruments usw.,
fallen unter die Kapitaltheorie Bourdieus und fördern ungleiche Startbedingungen der
Schüler:innen bereits bei der Einschulung, sodass keine Homogenität im Hinblick auf das
Vorwissen der Kinder bei dem Eintritt in die Grundschule besteht (vgl. Bos et al. 2017:
196).
So lassen sich durch die Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu Bildungsungleichheiten
beschreiben, die auch im Zusammenhang mit dem sozialen Status oder einem gegebenen
Migrationshintergrund der Kinder stehen, worauf ich im Verlauf dieser Arbeit zu sprechen
komme.

3. Formen sozialer Bildungsungleichheit


3.1 Zusammenhänge von Ungleichheit und sozialem Status und deren Ursachen

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Die familiäre Herkunft sowie der damit zusammenhängende Status von Schülerinnen und
Schülern im deutschen Bildungssystem kann oftmals einen großen Einfluss auf die
schulischen Erfolge sowie deren spätere berufliche Laufbahn haben. So sind Kinder aus
sozial schwächeren Familien häufig gegenüber jenen aus z.B. Akademikerfamilien
benachteiligt. Auf die Zusammenhänge sowie Gründe dafür möchte ich im Folgenden zu
sprechen kommen.
In Kontext des Sozialstatus ist es auffällig, dass Kinder aus einer niedrigeren sozialen Lage
in der Notengebung häufig benachteiligt sind und im Durchschnitt schlechter abschneiden
als Kinder, deren Eltern einen höheren sozialen Stand aufweisen (vgl. Klieme et al. 2019:
129). Schon durch die Analyse der IGLU-Studie, die sich mit den Kompetenzen von
Grundschülerinnen und Grundschülern beschäftigt, wird deutlich, dass eine Ungleichheit
bereits bei der Einschulung der Kinder festzustellen ist, die eng mit dem sozialen Status
verknüpft ist. So weisen Kinder aus einem Akademikerhaushalt bspw. bessere Leistungen
als Schüler:innen auf, deren Eltern in der ersten, also der untersten, Berufsgruppe tätig sind
(vgl. Bos et al. 2017: 21). Pierre Bourdieu äußert sich diesbezüglich, dass die ranghöchsten
Bildungseinrichtungen, wie z.B. Universitäten, das „aristokratischste Publikum“ besitzen.
So erzielen Kinder, deren Eltern die allgemeine Hochschulreife erworben haben, in den
meisten Fällen ebenfalls das Abitur. Daher wird der Bildungsgrad innerhalb der Familie
sozusagen „weitervererbt“ (vgl. Bourdieu & Steinrücke 2001: 1f.). Folglich ist es für ein
Kind, dessen Eltern beruflich in der oberen Dienstklasse tätig sind, deutlich
wahrscheinlicher, eine Empfehlung für das Gymnasium ausgesprochen zu bekommen als
für ein Kind, das aus einer Facharbeiterfamilie stammt. Rund 67% der Kinder, die aus
einem Akademikerhaushalt stammen, schließen ihre schulische Laufbahn mit dem Abitur
ab, während nur 24,5% der Schülerinnen und Schülern, deren Eltern einen
Hauptschulabschluss vorweisen, die allgemeine Hochschulreife erwerben. Sehr deutlich
spiegelt sich die soziale Ungleichheit auch in den Schulabgänger:innen wider, welche am
stärksten von Jugendlichen aus der unteren sozialen Schicht vertreten sind (Dombrowski &
Solga 2009: 14ff.).
Die Ursachen für die Ungleichheiten in der Bildung, die mit dem sozialen Status
zusammenhängen, sind vielfältig. So besteht ein enger Zusammenhang zwischen der
beruflichen Tätigkeit und der Bildungsdauer der Eltern. Ein höherer Beruf und eine lange
Bildungsdauer innerhalb der Familie wirken sich laut der Analyse der PISA-Studie positiv
auf die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler aus (vgl. Klieme et al. 2019: 155).
Des Weiteren ist erkennbar, dass das Bildungsniveau der Eltern mit der Armutsgefährdung

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der Familien einhergeht. So sind Familien, in denen die Eltern keinen beruflichen
Abschluss und maximal einen Realschulabschluss vorweisen, zu rund 76%
armutsgefährdet, wohingegen bei Familien mit mindestens einem Elternteil mit (Fach-)
Hochschulabschluss die Armutsgefährdung bei nur 9,5% liegt (vgl. Bos et al. 2017: 210).
Dieser Zustand der Armutsgefährdung wirkt sich negativ auf die schulischen Leistungen
der Kinder aus und tritt aus oben genannten Gründen eher in Familien mit einem
geringeren sozialen Status auf. Ein weiterer Punkt für die gegebenen
Bildungsungleichheiten ist, dass die Werte und Normen sowie die damit
zusammenhängenden Kompetenzen und das Allgemeinwissen des Elternhauses einen
hohen Einfluss auf die kindliche Entwicklung und die späteren Fähigkeiten des Kindes
haben. Auch die Unterstützung und Förderung der Eltern sind ein entscheidender Punkt
hinsichtlich der späteren schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Z.B.
Leistungsbereitschaft, Ehrgeiz und Selbstständigkeit können Eltern der unteren
Berufsklassen meist nur in geringem Maß vermitteln. Vor allem die finanzielle Situation
kann maßgeblich am Bildungserfolg der Kinder beteiligt sein, da durch diesen z.B. ein
angemessenes Lernumfeld, wie z.B. ein eigenes Zimmer sowie auch Nachhilfe
gewährleistet werden können (vgl. Dombrowski & Solga 2009: 21f.). In Bezug auf die
finanzielle familiäre Lage kann man auch das bereits im zweiten Kapitel angesprochene
kulturelle Kapital, das in Bourdieus Kapitaltheorie eine wichtige Rolle spielt, erwähnen. So
ist der Besitz von kulturellen Gütern wie z.B. Büchern, Musikinstrumenten etc.
ausschlaggebend für den schulischen Bildungserfolg. Dadurch wird die Schere zwischen
Arm und Reich und damit auch die Ungleichheiten noch weiter vergrößert, da diese Güter
oftmals nur Kindern aus wohlhabenderen Familien geboten werden können (vgl.
Dombrowski & Solga 2009: 36). Des Weiteren werden durch die Lehrkräfte das
Leistungsniveau für Schülerinnen und Schüler aus einer unteren Sozialschicht niedriger
angesetzt, woraus geringere Lernerfolge resultieren. Auch sprechen Lehrer:innen Kindern
aus sozial schwachen Familien trotz gleicher Leistung seltener eine Gymnasialempfehlung
aus als Kindern aus einem akademischen Haushalt, weshalb den Kindern dadurch oft die
Chance auf das Abitur genommen wird (vgl. Kristen 2002: 537f.). Auch die Eltern tragen
zur Entscheidung der späteren Schullaufbahn mit bei, da Eltern aus unteren sozialen
Schichten höhere Ausbildungsgänge und deren Erfolgschancen schwieriger einschätzen
können (vgl. Hillmert 2016: 107).
Die Disparitäten, die sich auch schon bei dem Einstieg in die Grundschule feststellen
lassen, sind durch primäre Herkunftseffekte zu erklären. So besuchen Kinder mit sozial

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höherem Stand in der Regel häufiger ein Theater oder Museum im Gegensatz zu jenen aus
einem ärmeren familiären Umfeld (vgl. Bos et al. 2017: 196).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Unterschiede im Bildungssystem, die im
Zusammenhang mit dem sozialen Status stehen, gravierend sind und Kinder aus sozial
schwächeren Familien in der IGLU- sowie PISA-Studie grundsätzlich geringere Kom-
petenzen aufweisen. Eine wichtige Rolle spielt dabei aber das kulturelle Kapital der Eltern,
durch das kognitive Fähigkeiten vermittelt werden und materielle Güter aufgebracht
werden können, die maßgeblich an einer positiven Schulentwicklung der Schülerinnen und
Schüler beteiligt sind.

3.2 Zusammenhänge von Ungleichheit und Migrationshintergrund und deren


Ursachen

Auch der Migrationshintergrund der Kinder spielt eine wichtige Rolle im Hinblick auf die
schulische Leistung. So schneiden Schüler:innen aus Zuwandererfamilien häufig
schlechter in der Schule ab als Gleichaltrige Deutsche. Vor allem die Lesekompetenzen
von migrantischen Jugendlichen fallen mit Blick auf die PISA-Studie geringer aus als von
jenen ohne Migrationshintergrund (vgl. Klieme et al. 2019: 149). Schon im
Grundschulalter werden die signifikanten Unterschiede deutlich, da Viertklässler mit
Migrationshintergrund geringere Leistungen in den Lesetests erbringen als Kinder ohne
Migrationshintergrund (vgl. Bos et al. 2017: 220). Ebenfalls erhalten Kinder aus
Zuwandererfamilien häufiger nur eine Empfehlung für die Hauptschule und sind daher an
Haupt- und Sonderschulen überrepräsentiert. Die Mehrzahl von Hauptschulabschlüssen
wird von Schülerinnen und Schülern mit ausländischem Hintergrund absolviert (vgl.
Dombrowski & Solga 2009: 17).
Für die Bildungsungleichheiten gibt es viele verschiedene Faktoren. Schon die
vorschulische Bildung der Kinder kann gravierende Auswirkungen auf deren spätere
Schullaufbahn haben. So gehen Jugendliche seltener auf eine Hauptschule, wenn sie im
Kindesalter den Kindergarten besucht haben. Jedoch ist den ausländischen Eltern teilweise
die Wichtigkeit des Kindergartens und die damit verbundene vorschulische Ausbildung
nicht genug bewusst, sodass einige Kinder mit Migrationshintergrund vor ihrer
Einschulung keinen Kindergarten besuchen (vgl. Becker 2016: 155). Des Weiteren räumen
Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern, die einen Migrationshintergrund vorweisen,
meist geringere Bildungschancen ein, wodurch u.a. die Überrepräsentation an Haupt- und
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Sonderschulen durch Migrantenkinder erklärt werden kann (vgl. Schilling 2016: 156).
Auch gehören Kinder aus Zuwandererfamilien in Deutschland oft der unteren sozialen
Schicht an, weshalb man die in Kapitel 3.1 aufgezählten Ursachen für die Ungleichheiten
im deutschen Bildungssystem auch für migrantische Jugendliche nennen kann. So ist z.B.
der Besitz von Büchern oder das Erlernen von Musikinstrumenten eine oft
kostenintensivere Investition, die sich vor allem Migrantenfamilien aufgrund ihres häufig
geringen Einkommens nicht leisten können (vgl. Dombrowski & Solga 2009: 25f.).
Außerdem verfügen ausländische Eltern oftmals über ein niedrigeres Bildungsniveau und
sind der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig. So besitzen vor allem die
Jugendlichen, die in ihrem familiären Umfeld kein Deutsch sprechen, meistens geringere
Sprachkenntnisse, die sich wiederum negativ auf deren Lesekompetenz auswirken (vgl.
Klieme et al. 2019: 130). Auch eventuelle Rückkehrabsichten der Familie spielen eine
wichtige Rolle im Hinblick auf die schulische Laufbahn der Schüler:innen. Ausländische
Eltern wählen Deutschland nicht als dauerhaften Wohnort und sehen daher nicht die
Notwendigkeit, dass ihre Kinder eine bildungshöhere Einrichtung besuchen, da die
Abschlüsse im Ausland wertlos sind. So kann ein unsicherer Aufenthaltsstatus in
Deutschland negative Auswirkungen auf die Leistungserfolge der Jugendlichen haben (vgl.
Diefenbach 2010: 114). Des Weiteren kann es auch durch mangelnde Deutschkenntnisse
seitens der Eltern oftmals zu Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Lehrer:innen und
Eltern kommen. Dadurch können sich Lehrkräfte auch Vorurteile gegenüber Kindern mit
ausländischem Hintergrund bilden, was dann zu deren Nachteil ausgelegt wird (vgl.
Dombrowski & Solga 2009: 29). Auch wird zwischen sogenannten Bildungsin- und
ausländern unterschieden. Im Hinblick auf diese Differenzierung ist das
Zuwanderungsalter entscheidend. So fallen unter die erste Gruppe die Kinder, die einen
Migrationshintergrund besitzen, aber in Deutschland geboren wurden. Zu Zweiteren zählen
diejenigen, die in der ersten Generation nach Deutschland gekommen sind und
dementsprechend im Ausland geboren wurden. Kinder der zweiten oder dritten
Zuwanderergeneration schneiden in den schulischen Leistungen meist besser ab und
erreichen höhere Bildungsabschlüsse als Kinder der ersten Generation, da diese häufig
über bessere Deutschkenntnisse verfügen und die Familie mehr in die deutsche
Gesellschaft eingegliedert ist (vgl. Diefenbach 2010: 96f.).
Insgesamt lässt sich feststellen, dass Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen
Bildungssystem deutlich benachteiligt sind. Diese Ungleichheit hat verschiedene Ursachen,

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die sich zum einen auf den oftmals geringeren sozialen Status der Familie, aber auch auf
die mangelnden Sprachkenntnisse der Eltern und Kinder gründen.

4. Verschärfung der Bildungsungleichheiten im Kontext der Pandemie

Aufgrund der Corona-Pandemie werden die Ungleichheiten im Bildungssystem noch


deutlicher offengelegt. Durch die Analyse der PISA-Studie aus dem Jahr 2018 wird
deutlich, dass die Schere zwischen Arm und Reich und die damit zusammenhängenden
Disparitäten in der Bildung sehr groß sind, wie schon in dem vorangegangenen Kapitel
herausgearbeitet. Dies wird mutmaßlich durch die aktuelle Krise der Covid19-Pandemie
verstärkt.
Ein wichtiger Aspekt, der durch die Corona-Lage nicht weiter gefördert werden kann, ist
vor allem die Sprachentwicklung bei Kindern mit ausländischem Hintergrund. Durch die
Kindergärten- und Schulschließungen fehlt den Kindern der Austausch in der deutschen
Sprache, da jene oft zu Hause kein Deutsch sprechen (vgl. Anger & Plünnecke 2020: 354).
Des Weiteren ist im Rahmen des Fernunterrichts problematisch, dass nicht jeder Haushalt
über digitale Endgeräte, wie z.B. Laptops oder Tablets verfügt. So sind Schülerinnen und
Schüler auch hinsichtlich ihrer digitalen Kompetenzen und des Umgangs mit technischen
Geräten benachteiligt und müssen sich die Handhabung während des Online-Unterrichts
selbst aneignen (vgl. Bremm & Racherbäumer 2020: 207f.). Auch das Fehlen von
lerngeeigneten Arbeitsplätzen stellt eine Erschwernis für Jugendliche während der
Pandemie dar. So haben vor allem Jugendliche aus ärmeren Verhältnissen nicht die
Möglichkeit, sich in einem eigenen Zimmer zurückzuziehen, um zu lernen oder am
Fernunterricht teilzunehmen. Ein weiteres Problem ist, dass v.a. Eltern aus unteren
sozialen Schichten sowie jene mit Migrationshintergrund ihren Kindern nicht ausreichend
Kompetenzen und Wissensbestände weitergeben können, was besonders während des
Lockdowns eine große Schwierigkeit darstellt, da für die Schülerinnen und Schüler der
direkte Kontakt mit ihren Lehrkräften fehlt (vgl. Frohn 2020: 66f.). Durch das Fehlen einer
Lehrperson und den fehlenden Kontaktaustausch mit dieser erlangten die Jugendlichen
während der Schulschließungen kein regelmäßiges Feedback für ihre Leistungen und
konnten auch den Lehrerinnen und Lehrern keine Rückmeldung zu deren
Unterrichtsgestaltung geben. Dies ist jedoch vor der Corona-Pandemie im
Präsensunterricht ein wichtiger Faktor gewesen, um die Unterrichtsqualität zu verbessern,
was durch die Fernlehre aufgrund von Corona ausfiel.
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Des Weiteren wurden an einigen Schulen Online-Lernplattformen mit Lerntools, wie z.B.
Erklärvideos, und Arbeitsaufträgen hochgeladen. Dies brachte jedoch auch viele
Schwierigkeiten mit sich, da die Kinder in Handhabung noch keine Erfahrung hatten und
auch die nötigen digitalen Endgeräte oftmals nicht zur Verfügung standen (vgl. Anger &
Plünnecke 2020: 356). Auch haben Lehrkräfte das Anspruchsniveau, was die Leistungen
ihrer Schüler:innen angeht, hinabgesenkt. Besonders bei Kindern aus benachteiligten
Familien, wie bspw. aus sozial schwachen oder migrantischen Familien, waren die
Leistungserwartungen seitens des Lehrpersonals während des Lockdowns besonders
niedrig. Das führte wiederum zu einer geringeren Motivation der Jugendlichen, was sich
schlussendlich auch durch eine schwächere Leistungsentwicklung der Kinder bemerkbar
machte (vgl. Bremm & Racherbäumer 2020: 208). Außerdem erschwert teilweise die
Kommunikation zwischen Eltern und Lehrkräften die Organisation des Fernunterrichts. So
können sich Eltern mit ausländischem Hintergrund, die keine ausreichenden
Sprachkenntnisse des Deutschen besitzen, schlecht mit den Lehrerinnen und Lehrern
verständigen, was v.a. für Grundschulkinder ein großes Problem im Hinblick auf das
Erledigen von Arbeitsaufträgen darstellt. Auch das zum Teil fehlende Engagement durch
die Familie erschwert den Schülerinnen und Schülern das Lernen und deren
Leistungsentwicklung in Corona-Zeiten. In einigen Fällen haben die Eltern keine
Möglichkeit, ihre Kinder zu unterstützen, was z.B. an den, wie schon oben genannten,
mangelnden Deutschkenntnissen oder an ihrem zu geringen Bildungsniveau liegt (vgl.
Frohn 2020: 71ff.).
Bei der Betrachtung der Entwicklung des Leistungsniveaus der Kinder während und nach
den Schulferien wird deutlich, dass die Schülerinnen und Schüler aus unteren sozialen
Schichten in ihren Leistungen zurückfallen, während Kinder aus einem z.B.
Akademikerhaushalt ihr Niveau über die Ferien halten können. Dies ist auch problematisch
für den Lockdown, da Kinder aus bildungsferneren Familien in ihren Leistungen stark
zurückfallen können, da sie, wie schon angesprochen, keine bzw. nicht ausreichende
Unterstützung des Elternhauses während des Fernunterrichts bekommen (vgl. Bremm &
Racherbäumer 2020: 210). Ebenfalls liegt Deutschland mit dem schulischen Gebrauch von
digitalen Medien weit unter dem OECD-Durchschnitt. So konnten andere Länder, wie z.B.
Dänemark, das schon vor bereits 20 Jahren die Digitalisierung in Schulen vorangetrieben
hat, schnell handeln, als die Schulschließungen aufgrund des Corona-Virus beschlossen
wurden. und komplikationslos auf die digitale Lehre umschalten. Dies war an den
deutschen Schulen nicht möglich, da der Umgang mit digitalen Medien im Vorfeld nicht

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intensiv erprobt wurde (vgl. Anger & Plünnecke 2020: 357). Des Weiteren stellten sich
durch den Lockdown auch neue Herausforderungen für die Familien und die Schulkinder
heraus. Dadurch, dass die Schulen und Kindergärten geschlossen wurden, waren die
älteren Schulkinder teilweise dazu verpflichtet, sich um deren jüngere Geschwister zu
kümmern und mehr im Haushalt mitzuhelfen. Ein besonders schwerwiegendes Problem
trat bei der Thematik der häuslichen Gewalt auf. Kinder, die im familiären Umfeld
häusliche Gewalt erleben, hatten durch die Schulschließungen keine Möglichkeit, dieser zu
entfliehen. Die Schule als „Ausgleichsraum“ konnte daher den Schülerinnen und Schülern
nicht geboten werden. Ebenfalls kam es durch den Lockdown zu einer massiven
Reduzierung der sozialen Kontakte, da der Präsensunterricht und z.B. der Vereinssport in
dieser Zeit wegfielen (vgl. Frohn 2020: 73f.). Diese ganzen Faktoren und Einflüssen
können zu Verhaltensauffälligkeiten und -störungen bei Kindern und Jugendlichen führen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Corona-Krise die schon vorher
existierenden Bildungsungleichheiten noch weiter verschärft, da Kinder aus sozial
schwächeren Familien sowie Migrantenfamilien keine ausreichende Förderung durch das
Elternhaus erhalten und auch oft keine digitalen Endgeräte zur Verfügung gestellt
bekommen. Jedoch lässt sich positiv anmerken, dass durch die Corona-Pandemie und die
damit zusammenhängenden Schulschließungen die Digitalisierung in den Schulen v.a. in
Deutschland gefördert wurde, was ein wichtiger Schritt für das deutsche Schulsystem ist.

5. Fazit

Durch die vorliegende Hausarbeit sollten die Missstände im deutschen Bildungssystem


offengelegt und hinsichtlich des sozialen Status und des Migrationshintergrundes
analysiert werden. Im Rahmen dessen habe ich Zusammenhänge und Ursachen für
Ungerechtigkeiten in der Bildung herausgearbeitet. Dafür wurde zunächst in die
Kapitaltheorie des Soziologen Pierre Bourdieu eingeführt. Abschließend wurden die
Bildungsungleichheiten im Kontext der Covid19-Pandemie untersucht.
Es wurde durch die Analyse der Schulleistungsstudien IGLU und PISA deutlich, dass
gravierende Unterschiede in den Kompetenzbereichen der Schülerinnen und Schülern
bestehen.
So habe ich im Verlauf dieser Arbeit herausgestellt, dass einige Zusammenhänge zwischen
Bildungsmissständen und dem sozialen Status sowie einem Migrationshintergrund
9
bestehen. Vor allem Kinder aus unteren sozialen Schichten schneiden mit ihren Leistungen
im Durchschnitt deutlich schlechter ab als Schüler:innen, die aus einem
Akademikerhaushalt kommen. Dies kann man unter anderem mit der mangelnden
Ausstattung von z.B. Büchern, technischen Geräten usw. in Familien mit einem geringen
sozialen Status erklären, was in der Kapitaltheorie als „kulturelles Kapital“ von Bourdieu
bezeichnet wird. Auch die teilweise fehlende Kompetenz der Eltern führt dazu, dass diese
ihre Kinder nicht ausreichend unterstützen können. Dies bewirkt, dass Jugendliche mit
sozial schwachem Status häufiger eine Hauptschule besuchen und seltener die allgemeine
Hochschulreife erwerben.
Auch Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund schneiden in Leistungstests
häufig schlechter ab als deutsche Jugendliche. So spielt die zu Hause gesprochene Sprache
eine wichtige Rolle im Hinblick auf die schulischen Erfolge der Kinder. Schüler:innen, die
in ihrem familiären Umfeld kein Deutsch sprechen, haben in ihrer schulischen Laufbahn
größere Schwierigkeiten und schneiden vor allem mit ihrer Lesekompetenz
unterdurchschnittlich ab. Des Weiteren erhalten diese Kinder nur mangelnde Unterstützung
durch ihr Elternhaus, da die Eltern meistens selbst unzureichende Deutschkenntnisse
besitzen. Daher sind auch Kinder mit Migrationshintergrund im Bildungssystem
benachteiligt.
Es wurde festgestellt, dass die Bildungsungleichheiten im Rahmen der Corona-Krise
weiter verschärft wurden. So entstanden durch das Homeschooling Probleme wie Fehlen
von adäquaten Arbeitsplätzen oder das Nicht-Vorhandensein von technischen Endgeräten.
Dies betraf während der Zeit des Lockdowns vor allem Familien aus den unteren sozialen
Schichten, die nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Dadurch sind viele
Kinder in ihrem Leistungsniveau stark zurückgefallen, was die Missstände zwischen den
Schülerinnen und Schülern noch zusätzlich vergrößert. So sind Kinder aus unteren sozialen
Schichten sowie jene mit Migrationshintergrund durch die Covid19-Pandemie noch stärker
benachteiligt als schon zuvor.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ungleichheiten im deutschen
Bildungssystem sehr präsent sind. Vor allem sind Kinder betroffen, die aus sozial
schwachen Familien kommen und die, die über einen Migrationshintergrund verfügen, was
häufig mit einem niedrigen Sozialstatus einhergeht. Daher muss in Zukunft noch viel daran
gearbeitet werden, dass diese Kinder zusätzlich gefördert und diese
Bildungsungleichheiten ausgeglichen werden.

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6. Literaturverzeichnis

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Perspektiven der Wirtschaftspolitik. 21 (4), 353 – 360.
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Rolf Becker und Wolfgang Lauterbach (Hg.): Bildung als Privileg. Erklärungen
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Bourdieu, P. & Steinrücke, M. (2001). Wie die Kultur zum Bauern kommt. Hamburg:
VSA-Verlag.

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Diefenbach, H. (2010). Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen


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Hillmert, S. (2016). Soziale Ungleichheit im Bildungsverlauf. In: Rolf Becker und


Wolfgang Lauterbach (Hg.): Bildung als Privileg. Erklärungen und Befunde zu
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Kemal Bozay (Hg.): Symbolische Ordnung und Bildungsungleichheit in der
Migrationsgesellschaft. Wiesbaden: Springer VS. 145 – 170.

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7. Eigenständigkeitserklärung

Hiermit bestätige ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine
anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen der Arbeit, die dem
Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken (dazu zählen auch Internetquellen)
entnommen sind, wurden unter Angabe der Quelle kenntlich gemacht.

Wesseling, den 22.08.2022

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