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Der Personzentrierte Ansatz und die Gestalttherapie Frankfurt, wo er mit den Gestaltpsychologen in Berührung kam. Dort begegnete
er Lore Posner, seiner späteren Frau, die dort Gestaltpsychologie studierte und
mit der er die Gestalttherapie entwickelte. Später lebten sie getrennt. Fritz Perls
Elisabeth Zinschitz verstarb in den siebziger Jahren an Krebs.
Laura Perls stammte ebenfalls aus einer jüdischen, allerdings großbürgerli­
chen Familie, die ihr schon früh den Zugang zu den Künsten erschloß und sie
Gesprächspartner: mit humanistischen Bildungsinhalten vertraut machte. In Frankfurt studierte sie
Dr. Nancy Amendt-Lyon (Gestalttherapie) Psychologie und setzte sich mit der Existenzphilosophie auseinander. Später
Dr. Karl Sommer (Klientenzentrierte Psychotherapie) betonte sie, daß sie im Gegensatz zu Fritz Perls in erster Linie Gestaltpsycholo­
Moderation: Dr . Christian Korunka gin und erst in zweiter Linie Psychoanalytikerin geworden war. Sie trug maß­
geblich zur Kreativität in der Gestalttherapie bei und entwickelte den
1 Einleitung 'Ostküstenstil', der weniger konfrontativ ist.
Laura und Fritz wanderten 1 933 über Amsterdam nach Südafrika und später
1.1 Die Gestalttherapie nach Amerika aus. Eine große Enttäuschung über die Ablehnung, mit der sein
Die Gestalttherapie „ist ein holistisches Psychotherapiesystem, gekennzeich­ Vortrag über „Orale Widerstände" auf einem psychoanalytischen Kongreß in der
net durch einen phänomenologischen, gegenwarts- und personenzentrierten An­ Tschechoslowakei rezipiert wurde, und über die gleichgültige Haltung Freuds
satz. Ziel des Verfahrens ist es, den Menschen in seiner Emotionalität, in seinen ihm gegenüber bei einem kurzen Besuch in Wien beeinflußte Fritz Perls nach­
geistigen Bestrebungen und seiner Leib- und Körperlichkeit zu erfassen. Es ist haltig. In Amerika schloß er sich einer Gruppe von Neo-Freudianern an, die eine
darauf zentriert, Blockierungen im Erleben, Wahrnehmen und Handeln aufzulö­ direktere und persönlichere Beziehung zwischen Therapeut und Klient forderten.
sen und die vor�ande?en individuellen Potentiale freizusetzen" (Bünte-Ludwig, Sein Bemühen, sich von der Psychoanalyse zu distanzieren, mündete in der Ent­
1984, S.2 1 7 ! . Sie hat ihre Wurzeln in der Philosophie, Psychologie und Psycho­ wicklung der Gestalttherapie, die er 1942, bereits in Amerika, zuerst
analyse; zu ihrer Entstehung haben auch die politischen Ereignisse dieses Jahr­ 'Concentrative Therapy' nennen wollte. Im Zuge der Überarbeitung des ersten
hunderts in den Vereinigten Staaten wesentlich beigetragen. Im Laufe der Zeit Manuskripts stieß er auf Paul Goodman.
hat sich in Europa eine eigene Richtung unter der Bezeichnung Integrative The­ Dieser stammte aus einer eher armen jüdischen Familie in New York. Er war
rapie entwickelt, die kreative und körperzentrierte Methoden stärker miteinbe­ ein engagierter Sozialkritiker, der sich mit den verschiedensten geisteswissen­
zieht. schaftlichen Themen auseinandersetzte. Seine radikalen Ansätze in bezug auf die
Als Begründer der Gestalttherapie gelten Fritz Perls, Lore Perls und Paul Konsumgesellschaft, Wehrdienstverweigerung und Homosexualität machten aus
ihn einen der Anführer der Gegenbewegung der sechziger Jahre. Er fühlte sich
Good man, die Integrative Therapie wurde von Hilarion Petzold begründet. Die
. Husserls Gedankengut verbunden und war Freud gegenüber nicht so kritisch wie
�ntw1�klung der Gestalttherapie muß in engem Zusammenhang mit der Persön­
lichkeit der Begründer sowie mit der kulturellen und gesellschaftlichen Situation Perls. Goodman brachte Ordnung in Fritz Perls' Gedanken und Ideen, und so
der damaligen Zeit gesehen werden. erschien 1 95 1 das Buch Gestalt Therapy79, in dem Perls sich im Sinne der Hu­
manistischen Psychologie sowohl gegen die Psychoanalyse als auch gegen den
1.1.1 Die Begründerpersonen Behaviorismus richtet.
Fritz (Frederick) und Lore (Laura) Perls stammen beide aus Deutschland. 1.1.2 Die Entwicklung der Integrativen Therapie
Fritz stammte aus einer jüdischen Familie aus Berlin. Im jüdischen Kleinbür­
gertum, in dem er aufwuchs, galt er bereits früh als nonkonformistisch und auf­ ln Deutschland entwickelte sich auf Grundlage der Gestalttherapie die Jnte­
sässig. Später wurde er oft als unbeugsam und autoritär erlebt. Seine schillernde wative Therapie. Petzold und seine Mitarbeiterinnen dehnten die philosophi­
schen Grundlagen aus, indem sie das Prinzip der Intersubjektivität von Marcel
und dominante Persönlichkeit und seine Vorliebe für die Schauspielkunst - er
und die Leib- und Lebenswelt von Merleau-Ponty miteinbezogen. Merleau-
stand einige Zeit in engem Kontakt mit Max Reinhardt - prägten i nsbesondere
den sogenannten Westküstenstil der Gestalttherapie.
1'1
Nach seinem Medizinstudium bewegte er sich viel in KOnstlt·rkrdst•n und h - AIN dl · wlchli sl ·n W•rkc von Frilz 1 crls sind zu nennen: Ego, Hunger and Aggression (Perls,
11M , dl. n1rn l ·h. d ·r l lun11 ·rund di · Aggr ssion), Ges1ol1 Therapy (Perls, Hefferline, & Goodman,
schäftiglc sich mit Ph i losophen , insh sond ·r� mit L1111dm1t•r 1111d 111i1 Ji'1 h-dl l11dt•1"'
111� 1, dl C i1·Nl11lllh ll'Hpl • , (;1•.1•111/1 '/111•r1111y vulJ111i111 (P rls, 1969, dl. Gcslaltlhcrapic in Aktion) und
von 1 lztcr 'tn Oh •rnuhm •r splllL'r f!lr dil' < :1'.�l11lllhl'1 upi1• d 1� 'd1 l l1•1t 11111 111 J kn /'/ir< ( lr,1111/1A1111111111 h 11111/ r•yr w/111r.1',1' 111 '/'/1„1·11/ly (P1·rls, 197 ], dl. 1rundlng ·n d r cstnlllhcrapic).
k1·11'. lir lwp111111 \'i111• ps d1t111111dy1l 1·111 A 1 1sh i ld111 1 1 111 111 rl111 1111d ptu n wli
(i1•,1·1nlttht'r(l/ Jil' 181
180 staltth 'rcipi'

Ponty hebt die Radikalität des Dualismus zwischen L ·ih und S • •I · auf und legt w1 · S l i mm ·, K 1 p ·rh11ll1 1 1 1 und Almun in ihre lherapeutischen Beobachtungen ,
damit die Grundlage für eine ganzheitliche Sichtweise. Außerdem ließen sie sich 111i1 in.
vom Taoismus und Zen-Buddhismus beeinflussen. Im Zen wie in der Gestaltthe­ Mil s iner Hinwendung zum Prinzip der Homöostase wandte sich Perls
rapie spielt die 'awareness' und die menschliche Fähigkeit zur Selbstregulierung mH •nlativ von der Triebtheorie Freuds ab. Er betrachtet den menschlich
en Orga­
eine große Rolle. Hier wird auch eine Brücke zur Gestaltpsychologie geschla­ nismus - auf biologische r und auf sozialer Ebene - als in einem ständigen
gen, da das östliche Konzept des Tao dem Aspekt der Ganzheit, wie er im Be­ W ·chsel zwischen Gleichgew icht und Ungleichg ewicht mit dem Ziel,
seine Be­
griff 'Gestalt' enthalten ist, nahekommt. „Beide gehen davon aus, daß Vorder­ dllrfnisse zu befriedige n. Hier zeigt sich der Einfluß Friedlände rs, der davon
grund und Hintergrund ein vollständiges Ganzes bilden; sie können nicht von­ m1s eht, daß Gegensätz e aufeinande r bezogen sind; die Mitte dieser Gegensätz e
einander getrennt werden, ohne dabei ihre jeweilige individuelle Bedeutung zu isl der Ort, wo sie sich aufheben, d .h. wo der Mensch ein Gleichgew icht zwi­
verlieren bzw. die Ganzheit zu zerstören" (Quitmann, 1985, S.90). . ·hen seinen gegensätzlichen Bedürfnissen findet. Die Abgrenzung von der
'l'ri btheorie besteht darin, daß unser Handeln nicht aus Instinkten hervorgeht,
1.1.3 Theorie und Praxis der Gestalttherapie
•ondern aufgrund eines Ungleichgewichts und einem Streben nach Gleichge­
Als Grundlagen für seinen Ansatz nennt Perls das Gestaltprinzip, die Ho­ wicht zwischen unseren Bedürfnissen entsteht.
möostase und den Kontaktprozeß. Dieses Konzept bildet eine Grundlage für den Krankheitsbegriff: „Wenn der
Der Begriff Gestalt stammt von Christian von Ehrenfels (1890) und steht für homöostatische Prozeß bis zu einem gewissen Grade versagt, wenn der Orga­
eine seelische Ganzheit, die „übersummativ und transponierbar" ist, d.h. sie läßt nismus zu lange in einem Zustand des Ungleichgewichts bleibt und seine Be­
sich nicht aus der Summe der einzelnen Komponenten erklären und bleibt den­ dürfnisse nicht befriedigen kann, ist er krank. Wenn der homöopathische Prozeß
. .
noch konstant, wenn ein Teil dieser Komponenten sich verändert. Die menschli­ •nnz versagt, stirbt der Organismus" (Perls, 1973, S.22).
che Wahrnehmung ist in solchen Gestalten organisiert. Der Mensch konstruiert Perls verbindet die beiden Konzepte der Gestalt und der Homöostase m1tem­
aus den Teilen, die er wahrnimmt, immer ein sinnvolles Ganzes. Dabei gibt es under: Das stärkste Bedürfnis - entsprechend einer Hierarchie der Werte
- tritt
das Figur-Grund-Phänomen: „Die Wahl des hervortretenden Elementes ist das immer aus dem Hintergrun d der zahlreiche n Bedürfniss e des Individuum s hervor
Ergebnis vieler Faktoren, die auf den Generalnenner Interesse gebracht werden und wird den Gesetzen des Gestaltprinzips unterworfe n. Nach dem holistische
n
können. Solange Interesse vorhanden ist, wird die ganze Szene sinnvoll organi­ Prinzip ist der gesamte Organismus - Sinne, Gedanken, Körpererl�be� - .darauf
siert erscheinen. Nur wenn jegliches Interesse fehlt, wird die Wahrnehmung 11usgerichtet, sich mit dieser Figur zu beschäftigen. Sobald es befned1gt ist, so­
atomisiert, und der Raum wird als eine Anhäufung unzusammenhängender Ob­ bald die Gestalt geschlossen ist, tritt es in den Hintergrund, und ein anderes Be­
jekte wahrgenommen" (Perls, 1973 , S.20). Den Hintergrund bilden demnach die dUrfnis wird zur offenen Gestalt. Ein endgültiges Zufriedensein gibt es nicht.
Erfahrungen des Menschen, die im Vordergrund ein Bedürfnis, ein Interesse ent­ Dem holistischen Konzept zufolge stehen der Organismus und sein Umfeld in
stehen lassen; ist das Bedürfnis gestillt, tritt diese Figur in den Hintergrund und ·inem wechselseitigen Verhältnis zueinander. In seinem fortwährenden Streben
eine neue kommt hervor. nach Gleichgew icht muß der Organismus mit sich selbst und seiner Umwelt
in
Dieses Gestaltphänomen ist einigen Gesetzen unterworfen. Da ist die Rede Beziehung treten. Sie erschaffen sich nicht gegenseitig, sondern jedes ist, was es
von der Tendenz zur Schließung offener Gestalten, d.h. es besteht, wie Bünte­ isl. Ist die Beziehung konfliktgeladen, wird sie als abnorm betrachtet. „Das Stu­
Ludwig es formuliert, eine Neigung, Unerledigtes abzuschließen, Offenes zu dium der Art und Weise, wie das menschliche Wesen in seiner Umwelt funktio­
klären. Außerdem besteht das Prägnanzprinzip: unvollkommene, unregelmäßige ni ·rt, ist darauf zentriert, was an der Kontaktgrenze zwischen dem Individuum
Gestalten in der Wahrnehmung zu korrigieren. Das Konstanzprinzip wiederum und seiner Umwelt geschieht. An dieser Kontaktgrenze finden die psychischen
besagt, daß gute Gestalten, auch wenn sie verändert sind, trotzdem als konstant Ereignisse statt. Unsere Gedanken, unsere Handlungen, unser Verhalten und un­
wahrgenommen werden. Bei einem Gegeneinanderwirken von mehreren Ge­ s ·re Emotionen sind unsere Art, diese Grenzvorfälle zu erleben und
zu verar­
stalttendenzen kommt es zu Umstrukturierungen, wie beispielsweise die kogniti­ heiten" (Perls, 1973, S.35). Als Mittel zur Kontaktaufnahme stehen dem Men­
ve Einsicht, was in der Psychotherapie genützt werden kann. Petzold bezeichnet s ·hen seine Sinneswahrnehmung und seine Motorik zur Verfügung . Nur durch
solche Ereignisse als 'Evidenzerlebnisse ' . d ·n Kontakt kann der Mensch sich selbst und seine Erfahrung der Umwelt ver­
Entsprechend den Prinzipien der Ganzheitlichkeit, die aus dem Gestaltkon­ indern. o tritt der Mensch in einen Kontaktprozeß ein, der sich in vier Phasen
zept hervorgehen, muß die Therapie die Einheit von Leib und S 1 als einen unt •r diedern läßt: dem Vorkontakt, der Kontaktanbahnung/Kontaktnahme, dem
ihrer Ausgangspunkte betrachten. Perls übernimmt den B riff d( r Isomorphie Konlnktv llzug und dem Nachkontakt. Im Vorkontakt bestehen, wie es Quit-
(Gestaltgleichheit) von Köhler, der einen Zusammenhnn' 1.wisl lw11 11lk11 physi­ 11 1tuin ( l l 85) h s ·hr iht, inn r ( rganismische) und äußere (feldbedin
gte) Man-
sch n und Erlehnisproz ssen h rsl III. Laura P rls hl'1.il•hl 1111 111 h ild Lll• 1 1 1t:nl
ll I.�( 'III l w w u llh'. l l1111·111p• t l11 II III dh
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1 li•r •iht ·s vi·I · uni ·rsrhi·dli ·h• Arb·itssti l ', di d ·r
d.h. damit m Berührung zu kommen; die Gefühle werden dabei als Mille) des und J..011
arb·it etc sehr dir•kt iv
Konturierens, des Erkennens betrachtet. Da der Organismus immer nach dem w ilig n Th•rnr ut n entspringen. Fritz Perls Rolkn
chauspiclk u ns l schlug sich in d ·n
Prinzip der Vorrangigkeit arbeitet, ist es das Ich, das sich nun dafür entscheidet fronliercnd; sein Interesse an der
t sich durl'11
ob es sich mit der klar gewordenen Figur identifiziert oder sich von ihr entfrem� lcnslil kennz eichne
spielen nieder. Der von ihm geprägte
W cslküs

det. Hier kann es zu Ko,nflikten kommen, was zu Angst und Unsicherheit führen •rößtmöglichc Authentizität und Offenheit des Therapeuten und eine Z·ntril'
hkc its fö rd e rn d als
kann. Der Kontaktvollzug ereignet sich in dem Moment, wo das Selbst - für ei­ ru ng auf Einze larbei t in der Gruppe. Er arbeitet mehr rcrsönl ic
ransat z verstä rkt ein. Ihr Oslki.islcnsl i 1
n�n Augenblick - mit dem Bedürfnis eins ist, also zur Figur wird, wobei der kl inisch . Laura Perls brachte den Körpe
in einer Mitei nbezi ehung des Dort-und
Hmtergr�nd als solcher in dem Moment praktisch nicht existiert: Es besteht eine besteht in einer selektiven Offenheit und t mit kli
. te sich mehr auf die Arbei
völlige Ubereinstimmung zwischen Organismus und Umwelt, und der Mensch Damals und des Zukünftigen; sie konzentrier
ist sich der Einheit gewahr. Der Nachkontakt ist dann das Wachstum das sich nischen Patienten.
die Aufgabe des Th·
im Organismus niederschlägt und in verschiedenen Erscheinungsfor�en zum In der Beziehung zwischen Therapeut und Klient ist es
sphäre zu schaff en und dem Klienten :r.ur
Ausdruck kommen kann. rapeuten, eine vertrauensstiftende Atmo
tiger oder überle gener . Der Vorgang d•r
Die Neurose erklärt Perls mit einer Unterbrechung des Kontaktprozesses: „Im Verfügung zu stehen. Er ist nicht mäch
sse der Klien tin besch ränkt. Der Therapeut
Gegensatz zum Kontaktprozeß des Wachstums wird im neurotischen Prozeß das Therapie ist auf die Erfahrungsproze
und offen zu sein und seinen eigenen, ihm
· �orsätzliche Bemühen um Kontrolle' zum Hintergrund für eine Figur, die aus versucht dabei, möglichst authentisch
wald ( 1 980) beton t, daß diese Hallun'
emer 'gehemmten Erregung' besteht" (Quitmann, 1985, S.99). Der Organismus entsprechenden Stil zu entwickeln. Green
ändnis, dessen Lebens
versucht immer wieder die Erregung aufzuheben, indem er sich bemüht die Ge­ des Therapeuten ein Bestandteil von dessen Selbstverst
Umwelt wird.
stalt zu schließen. Da dies mißlingt, muß die unerledigte Situation un�erdrückt weise und von dessen Verhältnis zu sich selbst und seiner
werden, um für eine neue Figur Platz zu machen; es kommt zu einer Blockade 1.2 Die Gestalttherapie und der Klientenzentrierte Ansatz
des homöostatischen Prozes �es bzw. zu einem neurotischen Gleichgewicht. An­ In der Bearbeitung dieses Kapitels zeigte sich etwas Seltsames: Einerseits fiel
stelle von Wachstum treten Uberlebensstrategien. es mir schwer, in der den beiden Schulen zugrundeliegenden Theorie schwer­
Die Praxis der Gestalttherapie setzt dort an, wo diese Unterbrechungen statt- wiegende Unterschiede zu finden; diese lassen sich eher - wie auch aus dem Ge­
.
finden. Es geht darum zu verstehen, in welchem Stadium des Kontaktprozesses spräch hervorgeht - in der therapeutischen Vorgangsweise finden. Andererscils
und auf welche Art und Weise der Kontakt unterbrochen wurde; das 'Warum' fand ich trotz der Gemeinsamkeiten keine Nachweise für reale Begegnungen
steht nicht im Vordergrund. Die Therapie - wie auch im Klientenzentrierten An­ zwischen den Begründern Fritz (und Laura) Perls und Carl Rogers. Es ist höchst
satz - wird als ein 'Prozeß des Werdens' angesehen, der den Menschen helfen wahrscheinlich, daß Rogers und Perls sich bei verschiedenen psychotherapeuti­
soll, in Beziehung zu sich selbst und zu seiner Umwelt zu treten. Dabei wird in schen Veranstaltungen getroffen haben, es gibt auch eine Videoaufzeichnung
der Gestalttherapie auf Basis der folgenden Prinzipien gearbeitet: dem Hier-und­ von den Demonstrationsgesprächen mit Gloria, mit der beide gearbeitet haben.
Jetzt, der 'Awareness', der Konfrontation und der Ich-Du-Beziehung zwischen Von offiziellen oder inoffiziellen Begegnungen wird dennoch nirgends berichtet.
Therapeutin und Klientin. Rogers nimmt einige wenige Male einen eher negativen Bezug auf die Gestalt­
Die �beit in de� Gegenwart ist eine weitere Abgrenzung zur Psychoanalyse. therapie, wie beispielsweise hier:
Perls memt, daß Wlf, auch wenn wir unsere Erfahrungen in der Vergangenheit Der Fachmann ist zuweilen definitiv eine Autorität (wie etwa der Gestalt­
gesammelt haben, dennoch in der Gegenwart uns erinnern oder uns um die Zu­ therapeut, der sich mit der Person auf dem 'heißen Sitz' befaßt), aber es
kunft sorgen, d.h. Erleben, Existenz gibt es nur im Hier-und-Jetzt. Daher ist es wird auch das Recht des Individuums anerkannt, für sich selbst verant­
die Aufgabe des Therapeuten, den Klienten in die Gegenwart zu holen. Die wortlich zu sein. Es wurde kein Versuch unternommen, diese Widersprü­
'awareness' soll darauf g�richtet werden, unerledigte Situationen zur Figur zu
. . che zu rationalisieren. Diese Therapeuten nehmen eine paternalistische
�achen, damit sie bearbeitet werden können. Dazu wird in der Gestalttherapie Haltung ein oder folgen dem medizinischen Modell, das heißt, sie glauben,
viel mit Konfrontation und mit Experimentieren, Phantasien, Rollenspielen ge­
. daß die Kontrolle zeitweilig in den Händen des Therapeuten sein sollte,
arbeitet. Durch die Konfrontation - Perls nannte es auch 'skillful frustration' - und daß Kontrolle und Verantwortung in anderen Augenblicken (über die
soll de� Kl�ent dazu gebracht werden, sich seine Probleme zu vergegenwärtigen;
.
. getneben
er soll m eme Knse werden, um damit den ersten Schritt zum Wachs-
184 Gt'.1·ui/1rht•rapil' it'.1·1n/1tlll'raJJie 185

der Therapeut zu entscheiden hat) in di' f/l,ill(/ dt'.\' l'nti1'11t1•11 bzw. d 1s


• 1 111d ( >lij •k tiv 11 t uuszu h r • ·h •n l w. w. di s Leitdifferenz zu untertunneln, sodaß
Klienten zu legen seien. (Rogers, I 977b, S.29) d11 lw1d ·n ( l •nsfüz •zu ein r untr nnbcu·cn Einheit werden.
• •

Das Thema der direktiven/nondirektiven Vorgangsweise findet Erwähnung in 1 h· id • Anslltl'. weisen eine Beschäftigung auf mit den existentiellen Konzep-
einem Artikel mit dem Titel I walk softly through life (Rogers, l 983i). Laut Ro­ 11 11 vrn1 <l r p rsönlic hcn Freiheit des Menschen, der Selbstverantwortung; der �
gers beschreibt dieser Satz genau den Gegensatz zwischen der klientenzentrier­ 11tlt1·ntil',itfü (Kongruenz), der Angst und der Unsicherheit, auf die der Mensch f
ten Vorgangsweise in Gruppen und direktiven Gruppentherapieformen wie der 11 lt in d ·r Suche nach dem Sinn des Lebens einläßt, und mit dem Streben nach
Gestalttherapie. Weiter betont er seine ablehnende Haltung zur Rolle des Thera­ 11 lhstv ·rwirklichung (Aktualisierungstendenz80). Auch in der Literatur, in der
peuten in der Gestalttherapie in einem Kommentar zu einem Artikel und Vortrag 11 lt II • l'Urwörter und Gegner einer Synthese81 der beiden Richtungen orten las-
von Erving Polster (zu dem er sich übrigens grundsätzlich positiv äußert, da Pol­ 1 11, w ·rd n die Gemeinsamkeiten, die teilweise hinter einer Verschiedenheit im
ster seines Erachtens, das Konzept der Gestalttherapie verbreitert und vertieft): :pr 1 •h >cbrauch ausgemacht werden können, ausführlich erörtert. Stuart (1976)
Es gab nur eine Stelle in dem Artikel, an der ich, während ich las, zusam­ ltrnkt di sc im philosophischen Hintergrund, in der Betonung des Hier-und-Jetzt
mengezuckt bin (. . . ). Was er in dem Artikel über Geschichtenerzählen ge­ 1 1wh des Erlebens (Experiencing) und Verstehens anstelle des Suchens nach
sagt hat, war: „Der Therapeut hebelt die richtige Geschichte los." (Zeig, < :. ( 11d ·n und des Erklärens. Sie weist weiter daraufhin, daß in beiden Schulen
1991, S.541) d11• Jl1·!iscnz des Therapeuten als Mensch im therapeutischen Geschehen, seine
Darüberhinaus finden sich keine konkreten vergleichende Abhandlungen oder I· 11np1 u nz (in der. klientenzentrierten Diktion) und seine Offenheit ('disclosure'
Auseinandersetzungen zwischen den beiden Begründern dieser Therapierichtun­ 111 1kr estalttherapie) als wesentliche Faktoren betrachtet werden. Auch die
gen. 11 1111dl 'gende Idee, daß die Fähigkeit zur Problemlösung im Klienten selbst liegt
Berührungspunkte, die auch in der vergleichenden Literatur immer erwähnt 11 1 1 t l cl •r Therapeut nicht der Experte, sondern eher ein Facilitator ist, der den
werden, ergeben sich aus dem humanistischen Zeitgeist, der zur Entstehung der 11101.d.I fördert, ist beiden Richtungen gemeinsam. Somit wird die Therapie ein
beiden psychotherapeutischen Schulen beigetragen hat, sowie aus den philoso­ 11101, f.\ der Reifung und des kontinuierlichen Wachstums (growth continuum);
phischen Grundlagen. Es war die Zeit, in der sich als 'Dritte Kraft' neben der 111st ·II der Symptombehandlung tritt die Befähigung zur Selbstaktualisierung
Psychoanalyse und dem Behaviorismus die Humanistische Psychologie entwik­ 1111d wr Weiterentwicklung. Die Unterschiede findet Stuart in der Veränderungs­
kelte, eine Denkrichtung, die in den Vereinigten Staaten entstand, allerdings un­ t l it ori , in der die Klientenzentrierte Psychotherapie mit ihrer Annahme, daß ein
ter Mitwirkung zahlreicher europäischer Psychologen und Psychologinnen, wie M it�· m p finden des Erlebens eines Klienten Persönlichkeitsveränderungen er-
u.a. Charlotte Bühler, Ruth Cohn, Erich Fromm und Fritz Perls, die aufgrund der 11 1d11 rt, einen Schritt weiter geht als die Gestalttherapie, die die Veränderung
politischen Entwicklungen in Deutschland nach Amerika emigrierten. h dt dich dort ansiedelt, wo man wird, was man ist. Ein weiterer Unterschied lie­
Als philosophische Grundlage für die Humanistische Psychologie sind die ••t in der Vorgangsweise des G��talttherapeuten, also dem Konfrontieren, der
Existenzphilosophie und die Phänomenologie von Bedeutung. Die Vertreter der 1'1 1um- und Phantasiearbeit oder der 'hot seat' -Technik. Eine Synthese der bei­
Existenzphilosophie, wie Kierkegaard, Buber und Sartre, clie Existenz als aus­ d1• 1 1 Psychotherapieformen komme insbesondere solchen Klienten zugute, die
schließlich menschliche Seinsweise betrachten, brechen mit den alten philoso­ t hr kontrolliert und rationalisierend sind, aber dennoch von einer klientenzen-
phischen Werten. Sie sehen die wesentlichen Bestimmungen des Menschen in 1 1 1 ·11 'n Psychotherapie profitieren könnten, oder bei solchen mit starken inneren
der Einsamkeit, der Ungeborgenheit und der Angst. Methodisch beruft sich die 1 on ll i k ten, die sich ständig im Kreis bewegen, da sich die konfrontative Vor-
Existenzphilosophie auf die Phänomenologie, die die Betrachtung eines (wissen­ 1111 'Swcisc der Gestalttherapie zur Blockadebeseitigung eigne. Darge! (1976)
schaftlichen) Gegenstandes von seiner Erscheinung her vollzieht. Busserl betont li1•bt hinsichtlich einer solchen Synthese noch hervor, daß die Gestalttherapie das
die Bedeutung der Intuition, des geistigen Schauens bei dieser Herangehenswei­ 11 111ptaugenmerk auf die Beobachtung aller körperlichen Signale legt, und hält
se im Gegensatz zur Abstraktion. So ist diese Methode eine Überwindung der dt lnt gration dieses Aspekts in die Klientenzentrierte Psychotherapie für nütz­
mechanistischen Wissenschaftsidee und formuliert gleichzeitig den Grundsatz, l 1d1.
daß „Mensch und Welt, Subjekt und Objekt, Sein und Bewußtsein, Innen und
Außen stets als untrennbare Einheit anzusehen sind" (Quitmann, 1985, S.42),
der später das Fundament für den Begriff des 'In-der-Welt-sein' von Heidegger
Mil
und Merleau-Ponty bildet: Der Mensch wird als Forscher und Pors · h u n s cgcn­ Skhc d 1zu Grccnb rg. Ricc und Elliott. ( 1 993, S.39).
MI
V .,1.i ·kh ·nd· Un1crsuchungen, cli hier nicht weiter erörtert werden, sind zu finden bei Herlihy
stand zugleich gesehen, da er gleichzeitig ist und nach d · 11 1 S i n n d r ·i > ncn
(l '111�). M11h1 ·r, Nifokis, Abhukurn und SI rncr ( 1 984); Greenberg und Rice (1981); Stiles (1979);
Existenz fragen kann. Es geht der Phänomenologie dnrun 1 , 1111, cl1•111 1( 1 c l i • 'lll'O­ /\111h·1 1111 ( l 'l'IH)
piiisch c • ist es schicht so fundamental n , · •11s11t1p 1 11 d1 1 , '11hjl-kt ivit it
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186 l!Slllfllf11:1'rlflil!
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Die Bedeutung der Konfrontati n und d r 'skillful li11sf1:it ion' in der Gc­ 'l'llllll •1 ·m 1 lins •h ·n w •1 dt•11 l 1111 l 1. 1•1 1•11 111dle •ende Unt •rschi ·d • d ·ut li ·h, dir
stalttherapie sehen auch Cochrane und Holloway ( l 982) als den Aspekt, der die­ 't'lll ·s Eru ·ht ·ns doch so 11 1 v i ·1 ·11d sind, daß bei einer Synthese in d ·r Pwxi,
se von der klientenzentrierten Psychotherapie wesentlich unterscheidet. Sie d n s „therapeutische SelbstvcrslH ndnis und Verhalten in der GT eincrs ·its und in
überprüfen die beiden Schulen nach drei Grundfragen: Worin besteht das d •r G T andererseits miteinander in Kon!likt" geraten (a.a.O„ S.9).
Grundwesen des Menschen?; Was ist die Nichterfüllung seines Wesens?; Was 1 ic Annahme, daß ein völlig neues therapeutisches Grundmuster entst •h ·n
dient der Wiederherstellung der Erfüllung des menschlichen Wesens? Bezüglich wOrdc, begründet Esser insofern, als eine Integration gestalttherapeuti sch •r
des Grundwesens des Menschen sind sich die beiden Schulen einig, daß dieses Asp ·kte zu wesentlichen praktischen Veränderungen in bezug auf die Haitun
sich durch seine Einzigartigkeit, seine Aktualisierung, sein Erleben und seine tks klientenzentrierten Psychotherapeuten führen würde: zu einem drängender •n
Bewußtheit kennzeichnet. Die Nichterfüllung dieses Wesens besteht laut der kli­ V •rhalten gegenüber den Klienten, zu mehr Strukturierung und mehr Hypoth '
entenzentrierten Psychotherapie in der Inkongruenz, laut der Gestalttherapie in ,' nformulierung sowie -Überprüfung und zu intensiverem Experimentieren. Au-
einer Unfähigkeit, die eigenen Ressourcen zu mobilisieren. Die Wiederherstel­ 11 •rdcm entstehe eine größere Notwendigkeit und Bereitschaft, auf einem h h 'll
lung erfolgt, indem Kongruenz bzw. die Reintegration der organismischen Auf­ l\rrcgungsniveau zu arbeiten, da der Klient häufiger zu Experimenten oder Kon­
merksamkeit und Bewußtheit angestrebt wird. Bezüglich der Bedingungen, die J n>ntationen motiviert werden muß, sodaß mehr Erklärungen und Einführung n
dafür erforderlich sind, daß das Grundwesen des Menschen seine Erfüllung wie­ l'J forderlich sind. Auf die Dauer kann der Therapeut nicht mehr gleich rezeptiv
derfindet, unterscheiden sich laut den beiden Autorinnen die beiden Richtungen und reflektierend bleiben.
auch nicht sehr, außer eben in dem Aspekt der Frustration als Psychotherapeuti­ Auch Dargels Plädoyer für eine verstärkte Integration der Beobachtung aller
kum. l..llrperlichen Signale hält Esser entgegen, daß eine erhöhte Wahrnehmung fi.ir
In bezug auf die Frage, inwiefern eine Synthese der Gestalttherapie und der !.. lrperliche Signale nicht nur die Effizienz vergrößere, sondern auch den Thera­
klientenzentrierten Psychotherapie in der Praxis günstig sein könnte, beschreiben p uten und sein Verhalten 'labilisiere ' ; u.a. da er stärker mit der Frage konfron­
die beiden Verfasserinnen sogenannte 'pitfalls ' , also Fallen, in die Psychothera­ ti •rt werde, mit welcher therapeutischen Alternative er arbeiten möchte, d.h. es
peuten geraten können. Sie unterscheiden solche, die speziell für Klientenzen­ wn ·hse die Zahl der Interventionsi ndikationen und -alternativen.
trierte Psychotherapeuten gefährlich seien, wie 'giving' (den Klienten immer nur Schließlich wirft Esser noch die Frage auf, inwiefern sich ein Wechsel von
Zuneigung beweisen) und 'talking feelings' (Gefühle verbalisieren, die nicht ·incr Vorgangsweise zur anderen innerhalb einer Psychotherapie sich auf den
wirklich erlebt werden) und solche die spezifisch im gestalttherapeutischen Vor­ Klienten auswirkt und ob der Therapeut nicht gerade dann zu einer veränderten
gehen zu beachten sind, wie 'take-charge ' (Überforderung des Klienten durch zu Vorgangsweise neigt, wenn ihn das Reflektieren langweilt oder wenn er sich
frühe Konfrontation) und 'scatter ' (den Klienten in alle Richtungen gleichzeitig hilflos fühlt. Er steht hier im Gegensatz zu Greenberg et al, (1993), die in ihrem
schicken). Die Vermeidung solcher ansatzspezifischen 'pitfalls' durch die je­ Prozeßorientierten Ansatz sehr wohl eine Kombination der empathischen Vor
weils andere psychotherapeutische Richtung rechtfertige eine Synthese oder ma­ •11ngsweise der Klientenzentrierten Psychotherapie und der direktiven Vor
che diese wünschenswert. pnngsweise der Gestalttherapie für sinnvoll halten, mit dem Ziel „to stimulatr
Starke Kritik an Syntheseversuchen äußert Esser (1979). Er meint zwar prin­ n ·w awareness, experiencing, and meaning construction" (a.a.O., S . 1 6).
zipiell, daß eine Verknüpfung verschiedener therapeutischer Methoden im Sinne Essers Vorwurf der Oberflächlichkeit bei den Betrachtungen in bezug auf' l'i
einer Erweiterung therapeutischer Kompetenz durch die Einbeziehung unter­ II ' mögliche Synthese wird gewissermaßen von O'Hara (1984)
gestützt, dit
schiedlicher Perspektiven sinnvoll sei, daß aber dabei zu oberflächlich vorge­ 111 ·int, daß alle bisherigen Versuche einer Synthese, wie beispielsweise d r vt11 1
gangen werde. Esser hält die Kombination nicht für ideal, da die praktische 'ochrane und Holloway (1982), eher auf eine Fusion als auf eine Synthcs · 1111"
Realisierung der Gestalttherapie sich schwer in einem einheitlichen theoreti­ ·richtet seien. Sie beleuchtet die Thematik von einer holistischen H 1 1 1 rn 1
schen Konzept gemeinsam mit der klientenzentrierten Psychotherapie unterbrin­ h •nswcise aus, insbesondere auch um die Beziehung82 zwischen Therapeut 11 11d
gen lasse, und betont die Gefahr einer Paradigmenkollision. Es reiche nicht aus, Kli nt zu überprüfen. So könne man die Sitzungen mit Gloria83 nicht nur n:1 ·h
das Menschenbild und die therapeutischen Zielsetzungen zu vergleichen und die d ·n unterschiedlichen Interventionss tilen analysieren, sondern auch nach der Ai 1
therapeutischen Vorgehensweisen der Gestalttherapie und der klientenzentrier­ d •r jeweiligen Beziehung, und O ' Hara ortet hier unter diesem Gesichtspunk t
ten Psychotherapie einfach nur zu addieren, sondern es entwickle sich bei einem
Syntheseversuch ein neues therapeutisches Grundmuster, das auch eine Verän­ HJ Sich· d n u rccnberg e t al. ( 1993, S.39).
z nt n
derung der Haltung des Therapeuten mit sich bringe . Bei der Betrachtung der H1 1 l li·s • Kli · i wurde in drei auC·inantl ·dolp ·nd ·n Therapiesitzungen mit den Thernp ·ut ·n Ro
theoretischen Grundlagen kommt die Frage auf, ob denn eins Mrnschcnbild )'t'I I' •1 ls und Ellis � •lilmt (Shos110111, 1 %111
, ''
wirklich so ähnlich ist, wenn dann doch so unterschi dlid1 pl' 1 1 lll'ift•I wird. 1 •i
188 Gestalttherapie
'cstalttherapie 189

immer mehr Ähnlichkeiten, insbesondere auf der Be:liehungsehene, was man An d •m Ab nd sind wir mit un' fä h r zehn Leuten essen gegangen, auch das
dahingehend deuten könnte, daß die Synthese sich eben da vollzieht. Für O'Hara w ·rd. ich ni, ver essen. Was typisch war für Perls: Er hat sich ben?mmen, als
ist eine solche Perspektivenerweiterung insofern von Bedeutung, als sie für ein .
oh ·r nl l e sein ganzes Leben lang gekannt hätte. Er war völlig ungemert, hat m�t
tieferes Verstehen der psychotherapeutischen Wirkungsfaktoren unerläßlich ist. uiii g plaudert und gesagt: „Ach, das ist viel zu viel für dich!" und ha� von mei­
.
n ·m Teller gegessen. Er hat sich benommen, wie er ".'ollte, und hat emf�ch das
2 Das Gespräch l ,tb ·n gen ssen. Das war meine erste Begegnung mit der ��sta�ttherap1e, und
Moderator: Ich darf unsere heutigen Gäste 1 �h sagte mir: „Aha, so geht das. Ich weiß mcht, ob das was fur mich ist, aber es
vorstellen: Für die Integrative
Gestalttherapie begrüße ich Frau Dr. Nancy Amendt-Lyon. Sie ist war auf alle Fälle aufregend. "
Psychothera­ .
ann habe ich etwas von ihm gelesen und habe mich immer mehr dafür mter-
peutin in freier Praxis, ausgebildet in Integrativer Gestalttherapie,
Gruppenpsy­ i•ssiert. Einige Jahre später, als ich wieder in New York �ar, habe ich mit Fr�u
choanalyse und Psychodrama, und sie ist Lehrtherapeutin im ÖAGG
, in der Rubenfeld noch einmal über die Gründer der Gestalttherap1e gesproche�, und s�e
Sektion Integrative Gestalttherapie.
Die Klientenzentrierte Psychotherapie vertritt Dr. Karl Sommer, hul erzählt: „Du weißt, es gibt auch eine Frau Perls, Lore Perls, und s1� le?t m
Psychothe­ Manhattan" Fritz Perls war damals schon tot. Lore und er ware� seit v1e�en
rapeut in freier Praxis, Ausbildung in Klientenzentrierter Psycho _

therapie und luhren getrennt - „und sie hat die Gestalttherapie mitgegründet. Sie freut sich
Lehrtherapeut bei der ÖGWG.
, i ·her, wenn es junge Leute gibt, die �.ich dafür interessiere�."
2.1 Persönlicher Werdegang .
Damals, 1975, habe ich schon in Osterreich gelebt und ich ":ar zu Besuch m
Moderator: Wie kamen Sie zu Ihrer therapeutische d .11 taaten. Ich habe sie angerufen und gesagt, ich möchte sie kennenlern n,
n Richtung, warum wurde
es die Gestalttherapie und keine andere therapeutische Schule? . �
und habe einen Nachmittag mit ihr verbracht. Ich war sehr erstaun�, daß s1� sich
Amendt-Lyon: Wie Sie sicher hören, bin ich
.
, 0 viel Zeit nimmt: Sie hat viel erzählt, wie die Gestalttherap1e sich ent 1ckelt
keine hiesige: Ich bin gebürtige . �
Amerikanerin, ich komme aus New York und bin 1969 zur Gestal hnl u nd was ihr Werdegang war und auch, daß sie jedes Jahr drei Monate l� Eu-
ttherapie ge­
kommen. Ich habe 1968 mit dem Studium der Psychologie begonnen. 1 opa verbringt. Sie machte dort Workshops und v�rbr�cht� den Hauptteil der
1969 fand .
in Manhattan, New York, in der Praxis von Freunden meines Vaters z ·it auf Sommerfrische in Leogang. Ich habe gemeint, ich fände das spannen�,
ein Work­
shop mit Fritz Perls statt. Mein Vater war mit dem Ehepaar Frank d ·nn ich könnte vielleicht etwas in Österreich organisieren, und hab� �ann mit
und Ilana Ru­
benfeld befreundet, die jahrelang in Esalen mit Fritz Perls trainier ihr begonnen, jedes Jahr im Sommer Wochenendworkshops zu orgams1eren. So
t hatten. Sie
gehören zur ersten Generation von denen, die bei Fritz gelernt wurde ich mit der Gestalttherapie zunehmend vertraut.
haben. Sie haben . .
ein� Art Demonstrationsworkshop veranstaltet, zu dem ich als Gast 1 ·h hatte bevor ich nach Österreich gekommen bin und meme Ausb1ldu g

im Publikum
eingeladen wurde. Die Teilnehmer bestanden aus professionellen hi 'r fortges�tzt habe, ein Jahr in New York eine Ausbildung �n Gestalttherap1e
Psychothera­
peuten. Es war eine Art Marathon, der 24 Stunden gedauert hat. , ·macht, im Ostküstenstil Lore Perls', also das eher Unsensat1onelle: Ich nenne
Ich war nur am
Nachmittag dabei und als Neunzehnjährige war ich völlig verblü 1• • di e Thera ie der kleinen Schritte'.
fft und erstaunt, '

.
was es da alles gibt. Ich hatte damals gerade auf der Uni meine Sommer: Um zu erklären, wie ich zur Klientenzentrierten Psychot�erap�e g�­
Einführung in
Psychologie und vielleicht ein bißchen Entwicklungspsychologie kommen bin, muß ich ein wenig weiter ausholen, denn das hat se�r viel m1t �ir
gelernt und
hatte nicht viel Ahnung von Psychotherapie, und schon gar nicht p • rsön lich mit meinem persönlichen Hintergrund zu tun. Du�ch die Berufst „ t1 ­
von Gruppen­ ,

. � �
therapie. Das war ein Workshop, indem es wirklich vor lauter k • i t meines Vaters bin ich im Ausland aufgewachsen, d.h. w�r sm� all� drei bis
Spannung und
Aufregung geknistert hat. Perls hat typischerweise mit Einzelnen vi ·r Jahre immer wieder übersiedelt. Das hat mir natürlich emerse1ts em�n sehr
in der Gruppe
gearbeitet, hat Träume inszeniert, und hat sehr viel mit dem leeren 1 i· i ·h n Erfahrungshintergrund hinterlassen, andrerseits ist es aber auc� e1�e Ge-
Stuhl gear­
beitet. Das war das erste Mal, daß ich gesehen habe, wie Erwac ·hi ·hte der Trennungen, Entwurzelungen, Abschiede, die ich da �1t mir her-
hsene in diesem
Setting weinen und wirklich starke Emotionen zeigen. Ich war sehr 1 11111rn rc, die nie wirklich Raum hatte, sich auszubreiten, aufg�arbe1tet zu wer­
beeindruckt. .
Am Ende des Workshops bin ich zu Fritz Perls gegangen und habe di·n. In so einer Situation ist natürlich klar, daß Kinder dazu neigen, sich ehr an

mich bei ihm
bedankt. Ich habe ihm erzählt, wie beeindruckend es für mich war. dll' Hit ·rn zu klammern . Diese waren aber auch nicht gerade Eiche , an die man

Und zu mei­
ner völligen Verblüffung hat er mich an den Schultern gepackt idi ut Mit te klammern können. Ich habe immer so das vage Empfmden gehab�:
und auf den .
Mund geküßt, was mich noch mehr umgeschmissen hat. Das hatte Mii r h l t iP ndetwas. Das hat zunächst einmal dazu geführt, daß ich mich zwe1-
ich nicht von
ihm erwartet: Er war damals ungefähr siebzig Jahre alt . Ich hin aus 1 11111 i l h Jnhr , d rei mal pr Woche ganz klassisch auf die Couch gelegt ha?e. Die-
der Verwun­
derung nicht herausgekommen . Er hat gesagt „Ja, di j 1 1 1 1 p1•n L •ut ' sind 1 PH d \O n n n lys hnt nii ·h dann d h im Laufe der Zeit ziemlich frustnert, ge-
s, di
man h w und rn m u ß, und si sind di 1 !nffnun
g fUr u n. 1•11 /',1 1k1 1 1 1 f1 ."
( ;,." 111/11 /11•/'(l/lll ' 1 1
190 Cl1•.1'/t1/l/lil'l'll/ll1·

nau genommen war ich zweieinhalb J u h r l' i 1 1 1 W u lt• r , t 1 1 1d , r ndl' l l l i ·h all •s selbsl l hl'll tellenwcrt von 'Tun' im Gc-
A r h • i t u n d u11d1 l l l dl·r 1 1 1 Or l t i s · h
· n : dcr

gedeutet und memer Analylikerin keine han · • gl' · l' l w n ha ll • Und ich habe 1· 11sn t 1. zu ' Lnss · n ' wob i i · h 'Lass en' eine Aktivität betrachte -, der
auch als
en
•rcssi villit, aber auch von Destruktivität im menschlich
' .

immer noch das Gefühl gehabt: Irgendclwas geht mir ab. St · I I ·nwcrt von A •

I� Rahmen meines Psychologiestudiums in Wien bin ich über die Literatur 1 >us •in.
. e in diesem Bereich
auf � 1e Khentenzentrierte Psychotherapie gestoßen. Sepp Graupe hat damals ein Ich bin jet z t hier sehr neugierig, weil ich mir denke, gerad
wenn es viele Differen-
Semmar a ngeboten, wo es u. a. theoretisch um die Klientenzentrierte Therapie wird es mögl icherweise Berührungspunkte geben, auch
geg�n�en �. s�; da gab es aber_ auch die Möglichkeit eines Praktikums auf der Uni­ t. '11 gibt.
.
ver�1tats�lm1k. Ich habe also dieses Seminar belegt, und allein schon die Atmo­
. m der da� Ganze a?gelaufen ist, hat mir eine Ahnung davon gegeben, 2.2 Unterschiede und Gemeinsamkeiten
sphare,
da� es gena� das ist, was mlf immer . abgegangen ist: Das war so eine Geborgen­ n
. . 2.2. 1 Konfrontation versus Entstehen-lasse
h�1t, m der ich mich wohlfühlen konnte, wo ich mich ausbreiten konnte; das hat Was haben Sie für ein Bild vom anderen Ansatz -
von der Per­
Mode rator :
mich sehr angesprochen. im Unterschied zur Gestalt-
sonzentrierten, Klientenzentrierten Psychotherapie
In den z:vei Semest�rn dieser Lehrveranstaltung durfte ich auch die Erfahrung
. lhcrapie?
machen, mit emem
.
Patienten zu arbeiten, d.h. zu erfahren, was es bewirkt, wenn
Ame ndt-L yon: Ich habe ein sehr
sanftes Bild von der Klientenzentrierten
man mchts anderes tut, als nur bemüht zu sein, einen anderen Menschen zu ver­ t habe: viel Verständnis,
Psychotherapie, wie ich davon immer gelesen und gehör
stehe� . Zu verstehen oder e� zumin� est zu versuchen, was ein Mensch eigentlich Stützung. Das ist vielleicht
viel Empathie, sehr viel Wohlwollen und sehr viel
:on s� ch zum Ausdruck brmgen will, das möglichst genau zu erfassen und es rierten Ansatz unterschei­
. ein Punkt, wo die Gestalttherapie sich vom Personzent
ihm ruckzumelden: Welche Wirkung das haben kann ! Diese Erfahrungen haben als auch mit Konfrontation.
. det: Wir arbeiten sehr stark sowohl mit Stützung
letzten� hch dazu geführt, daß ich mit einer Ausbildung in Klientenzentrierter frustration "', d.h. kunstvolle
Pcrls hat immer gesagt: „Gute Therapie ist 'skillful
Thera�1e begonnen habe. Ich habe dann zunächst ausschließlich klientenzentriert und zwar in dem Sinne, daß
oder geschickte Frustration, optimale Frustration,
gearbeitet.
• i n Therapeut den Klienten oder die
Klientin zwar nicht überfordern soll, aber
Dann war es allerding� wieder so, daß mir irgendetwas abgegangen ist in der nur so viel, wie jemand
auch nicht mehr stützen soll, als notwendig ist, und
Therap1eform. I �h war mlf eben sehr unsicher, ob das, was ich da den Klienten üttern, sondern sie auch ein
. te, auch wirklich ausreicht, damit sie sich entwickeln können. Aus diesem braucht. Man soll die Klienten nicht mit Stütze überf
anb�� aktivität bringen, so daß
bißchen herausfordern und zur Eigeninitiative und Eigen
Gefuh � heraus, ? aß mir etwas abgeht, habe ich dann eine Ausbildung in Gestalt­ ihrer Handlungen sind.
sie auf eigenen Beinen stehen und selbst die Urheber
thera�1e a?solv1�rt. �ber schon während der fortlaufenden Ausbildungsgruppe von dem anderen Ansatz,
. en�deckt, daß das nicht meine Richtung ist. Es war Ich habe also ein eher sanftes, wohlwollendes Bild
habe 'eh e1genthch �ur mich Seite im guten Sinne - im
. wobei ich phantasiere, daß vielleicht die aggressive
ganz 1�teressant; Wlf hatten die ersten beiden Jahre Albin Hofer-Moser und auch eine Fehleinschät-
Sinne von 'auf etwas zugehen' - fehlt. Das kann aber
Karl�emz Ladenhauf als Trainer. Karlheinz Ladenhauf ist ja auch ein Klienten­
1'.ung von mir sein.
z�ntnerter Therapeut, und es war für mich immer frappant, wenn er mit mir in r wieder, wenn ich das höre, auch jetzt von
Sommer: Ich wundere mich imme
dieser G�uppe g�arbeitet und zwischendrinn immer wieder so klientenzentrierte Transkripte von Therapien, die Carl Rogers
1 ir. Wenn man sich nämlich die
�ntervent1o�en eingestreut hat. Das hat sich für mich so völlig anders angefühlt gemacht hat, anschaut, zeigt sich, daß der eigentlich
ganz schön fordernd ist,
1c� habe mich dabei völlig anders erlebt, als wenn er eher gestalttherapeutisch Es klingt vielleicht oberfläch-
. gearbeitet
. hat. Bis _ dann für mich klar wurde: Die Gestaltarbeit ist so wenn er die Leute auf sich selbst zurückverweist.
mit �1r ich bin immer wieder verwundert, daß die­
1 ich sehr nährend und stützend, aber
_

habe ich es damals wahrgenommen - eine sehr zielführende, sehr zielgerichtete hließlich nährend und stüt-
. �as W hltuende �m Klientenzentrierten Zugang hingegen war für mich ses konsequente auf-s ich-verwejsen-werden als aussc
�rbe1t. �. ;r,cnd aufgefaßt wird.
immer d� eses Emf �ch-m1ch-verstanden-fühlen' , dieses Gefühl: 'Ich bin ange­ Mein Bild und auch meine Erfahrung mit der Gesta
lttherapie ist, daß die Ge-
kommen . E� hat mich, s?wohl in meiner eigenen Erfahrung als auch in meiner so wie ich es wahrgenommen
. staltthcrapie sehr viel zielgerichteter ist. Es geht,
Er�ahrung mit Klienten, immer wieder so beeindruckt, was für eine ungeheure und diese dann auch zielstrebig zu verfolgen.
. l r abc, darum, sich Ziele zu stecken
Wirkung dieses Ankommen, Sich-verstanden-fühlen hat. Gestalttherapie immer als
Und - das ist meine subjektive Erfahrung - ich habe
Ich bin nicht ganz in die Klientenzentrierte Richtung zurückgekehrt, das muß erlebt.
. 1,i ·mlich anspruchsvoll - im Sinne von fordernd -
1�h schon offen sagen. Ich habe mir einen Teil mitgenommen, habe aber dann
fur mich . weiter überlegt und gegrübelt, wie sich die beiden R i ·htun •n verein­
baren lassen. Das ist mein Schwerpunkt in der klicnt nz� 1 1 t ri 1· 1 1 1· 1 1 th ·rur u t i -
11•.1 /11/11/lr'lllfll . 1 .1
192 Gestalttherapie

Ein weiteres wesentliches Unterscheidungsmerkmal d i ·s •r h id •n Th rapie­ , m1111wr: 1 ·h dl•nkt· 11ht•1 , <1111.\ d a · i n t J n tt;rsd1i ·d is t . 1 u machsl einen Vor-
formen, glaube ich, ist, daß die Gestalttherapie sehr viel energelis her, dynami­ ' hl , 1 , 1.11111 B ·ispi • I : „Du k nnt •st doch einmal probieren !" oder „Magsl Du
1 1 1 1 lit t i n m ul dus und da s prohi c r n'?" In der Klienlenzentrierlen Therapie
wird es
scher ist. Es geschieht irgendwie mehr, ohne das in irgendeiner Weise zu be­
werten. Ich würde sagen, daß die Gestalttherapie lauter ist und die Klientenzen­ 1 1 1 1 , rn l n u l"n. d a ß der Klienl von sich
aus enldeckt: „Ah ja, ich könnte ja mal
trierte Therapie leiser. Es gibt im 1-Ching einen Titel, Das stille Wirken, den ich p1 1 1hlL' l l'l111• 1 a, denke ich, ist ein Unlerschied.
mit der Klientenzentrierten Therapie sehr in Zusammenhang bringe. Außerdem A 111t111dt-Lyon: Ja! Oder ich sage: „Was könnten Sie anders machen, wenn
,11 d11 1 1 1 i t unzufrieden sind, wie würde es anders gehen?" Oder: „Wenn
Sie die-
denke ich, das Konfrontative, das du auch angesprochen hast, Nancy, ist ein
ganz wesentliches Unterscheidungsmerkmal. 1 y •rhallcn an den Tag legen, was vermeiden sie damit?"
Die Gestaltthera-
1 11 1 1 t 1· 1 1 denken in Polaritäten: Wenn sie A tun, muß es Nicht-A
ergeben. �as ist
.
2.2.2 Zielorientiertheit und Direktivität Klienten
1 1 11 1 t • n s das Spannende. Da würde ich vielleicht vorschlagen, daß die
Amendt-Lyon: Ich möchte etwas zur Zielgerichtetheit sagen: In jeder Thera­ il 1 1111d re ausprobieren oder sich hineinversetzen und schauen,
was sie nicht
pie ist es wichtig, daß man unmittelbare Ziele setzt, mittelfristige und langfristi­ 1 1 1 tt'l1 •n, indem sie das andere leben. Ich arbeite also mit den
zwei Seiten der
ge. Man schaut: „Wo bin ich am Anfang einer Therapie; was möchte ich unmit­ M1 d 1 1 i l lc: mil dem, was sie tun, und mit dem, was sie partout vermeide n.
telbar, hier und jetzt; was möchte ich in den nächsten Monaten so ungefähr; wo l'ublikumsfrage: Mir ist dennoch nicht ganz klar geworde
n, wie Sie zur
möchte ich hin und wo will ich a la longue hin, was will ich auf die Dauer." ',1t•loricnliertheit des Therapeuten oder des Klienten stehen.
Zweitens, wenn du sagst: „anspruchsvoll" und „Leistung" und „lauter", denke A mcndt-Lyon: Ich versuche, wenn jemand zu mir in die
Praxis kommt, in
ich, daß Du die 'drei E' der Gestalttherapie ansprichst: Sie ist erlebnisorientiert, J 1 J nhrung zu bringen: Was möchte dieser Mensch? Warum
kommt dieser
sie ist experimentell und sie ist existentiell. Ein wichtiger Teil der Gestaltthera­ M i· nsch zu mir, was braucht er von mir, was will er in einer Therapie ? Außer­
pie ist das Ausprobieren als Probe-Galopp, als Versuch, etwas in Szene zu set­ d1·111 v 'rsuche ich zu unterscheiden: Was braucht er heute, was muß er in Erfah-
: �
zen, wovor man sich fürchtet. So probiert man das in kleinen Schritten in der 1 111111 bringen, also seien es Fragen des Settings, mein Preis, die Regeln mi de-
therapeutischen Situation als quasi gesicherte Notfallsituation aus. Das ist ein 1 1 1 11 i<.:h arbeite, die Frequenz und die mittelfristigen Ziele, d.h. was will dieser
gesichertes Risiko. Dazu kommen die vielen kleinen Experimente, die ein The­ Mi n sc h in den nächsten Wochen für sich klären und auf Dauer für sich
klären
rapeut oder eine Therapeutin, die wirklich eine Maßschneiderin ist oder ein 1 11 11'1· verändern. Ich frage ihn auch danach. Mein Ansatzpu nkt ist das phänome -
Maßschneider, sich jeweils für die Klienten ausdenkt, etwas, das genau zur Si­ 111 1loj.1ische Hier und Jetzt. . .

tuation, zum momentanen Erleben, zum Zustand der Person, die mit mir in der Publikumsfrage: Aber ich habe aus dem Gespräch verstand
en, daß Sie em
Praxis sitzt, paßt. Das ist das, was du vielleicht mit „zielorientiert" meinst. 1 1 1 st immles Menschenbild haben, in bezug auf Lebendigkeit
und alle möglichen
Sommer: Ja, ja, das habe ich schon so gemeint. J > r n gc und ich vermute, daß Sie, da wahrscheinlich schon
,
ein Stückchen Ihren
Moderator: Die Frage wäre jetzt, würden Sie diese 'drei E' in der Klienten­ Vorstellungen entsprechend weitergehen.
zentrierten Therapie wiederfinden? A mcndt-Lyon: Es müssen nicht alle hüpfend und springen
d und irrsinnig
Sommer: In der Art nicht, nein. Ich würde es in der Klientenzentrierten Psy­ � r r:ntiv meine Räume verlassen. Wenn sie kreativer geworde n sind, dann ist es
chotherapie eher so sehen, daß von der Warte des Klientenzentrierten Thera­ l'11 )n. Sie müssen aber selber sagen, was für sie das Problem ist und woran sie
peuten oder der Therapeutin aus sehr viel mehr Zuwarten ist, bis etwas von 11 h ·itcn wollen . Sie müssen nicht meinen Vorstellu ngen von einem tollen Men­
selbst entsteht. Es werden weniger Vorschläge gemacht, obwohl auch nichts da­ d1 ·n entsprechen. Das Ziel ist die Selbstaktualisierun g eines Mensche n. Ich bin
gegen spricht, in der Klientenzentrierten Psychotherapie Vorschläge zu machen. t'in Beistand auf dem Weg zur Verwirklichung seines Potential s. Gemeins am
Zu experimentieren und somit auch neue Verhaltensweisen einzuüben ist aller­ ul'licn wir den Zugang zu seinen Ressourcen. Der Fokus liegt auf der Einmalig -
dings kein explizites Anliegen. � • i t des Menschen.
Amendt-Lyon: Ich möchte einem Mißverständnis vorbeugen. Es ist nicht so,
J .Z.J Theorie und Entstehungsgeschichte
.
daß jem_and kommt und ich mit Vorschlägen anfange, sondern diese kommen
aus dem Hier und Jetzt des Patienten, aus den Bedürfnissen, aus den Anliegen, M oderator: Nachdem gerade diese beiden Richtungen die großen Schulen
die jemand bringt. Ich verstehe mich als 'Maßschneiderin', versuche das in eine 1 it- r l lumanistischen Psychologie sind, bewegt mich das
natürlich zu der Frage:
Form zu bringen oder etwas vorzuschlagen, was dazu paßt. Das sind also nicht Wo wllrden Sie die Gemeinsamkeiten sehen? Gibt es da trotzdem etwas Ge-
meine Bedürfnisse, die ich als Vorschlag anbringe, sondern di Vors ·hlü e zum 111 ·insamcs?
Experimentieren enstehen aus dem, was ein Klienl verm idct, odt•r wu s aus den
mö rli ·h 'n Je' nt ilen zu seinem gegenwärtigen V 'rhnltt•n 11 A l l 1 1 1 1 1 l i V1' 1 1 si ·h
t rp i h l l .s w i rd i n fnd1 or ·h ·str i •rt .
• .
( ,',•,1 /11/1//11• 1 1 11 •i1• l'l l
194 Gl'staltth<•ro11it•

1111 •t11111 'l' l l , d 1 1· 1 '1 1


Sommer: Sehr viel Gemeinsamkeit sehe ich auf d •r th •on t i s ·h •n 1 ih ne, was 1 1 11 lt1 vo11 dn k l 1 1ss1sl"IH' l l I ' yt l 1 1 111111ily. l· oh • · w1111dt u11d hnt
11uclt: S i · h a t s1 1 1 1 vil'I
das Menschenbild anbelangt, die gesamte Anthropolo •ie. Auch dort w es um 1 11 1 1 1 1 11 11u f'1 • c h i s i t 1. · n 1. u l 1sSt· 1 1 . l ,or · P · rl s mndll • d a s
d ie 1 l u l t un ' 1 1 1 i t d 1 1
die Zielvorstellungen einer therapeutischen Entwicklung geht. Die Unterschiede 1 1 11 1 1 1 dl'n B l ic kkont akt, d •11 K füp 'I', d i e Körper sprach und
1 11 1 1 1 , n . S i haben ihre Theorie der oralen Widerstände und
di Wichtigk •it d ' ir
liegen eher im Vorgehen. Ich glaube, das hat wirklich sehr viel mit den Personen
Fritz Perls und Carl Rogers zu tun, die von ihrem ganzen Naturell her fast Ge- 1 1 1111p1·rs sowie die Aggression in die Entwicklungstheo �ie
mitei nbezogcn l � nd
.
gensätze waren. luilll' l l si ·h immer weiter von der Psychoanalyse wegent
w1ckelt. Sie waren b •111l'
.
Amendt-Lyon: Ich kann gar nicht sagen, ob da eine so große theoretische 11 1 wh polit isch sehr aktiv. Das hat auch damals dazu geführt

, da sie itt�, bn<.I ·!\._1
Ähnlichkeit besteht, denn die Gestalttherapie ist sehr stark von der Psychoanaly­ di·i vi ·rziger J ahre wieder einmal von Südafrika
weggegangen s.md - m d1� V · r
.
se, von der Gestaltpsychologie und vom Existentialismus beeinflußt. Außerdem 1 1 1 1 1 1 1 •n Staaten, wo sie Paul Goodm
an kennengelernt haben. Sie waren die dr ' J
hat die Gegenkultur der Hippies, die Studentenbewegung und die Anti-Vietnam­ < l 1 (I nder der moderneren Gestalttherapie, wie wir
sie kennen.
Kriegsbewegung die Gestalttherapie in den Staaten stark beeinflußt. Die Klien­ p ·rls war natürlich eine schwierige Person,
die mit zunehmendem Alter i n 1-
1 1 11·r w •niger Interesse für Patienten oder für klinische Fälle
gezeigt hat. Er hall '
tenzentrierte Therapie wie die Gestalttherapie sind ein Teil der 'dritten Kraft',
1 1 1 l normes klinisches Wissen und er hatte in seinen letzten
Jahren mehr Inter­
des 'Human Potential Movements', ein Teil von der eher politischen Anti­
,. �1• fllr Demonstrationsworkshops, für die Ausbildung und für einen alternati
Establishment-Bewegung, in der es gegen die Entfremdung im Spätkapitalismus
v1· 11 L •bensstil gezeigt. Er wollte einen Riesenkibbuz in
Kanada gründen, nach­
gegangen ist, um die Vorstellung, wie ein gesunder Mensch ausschauen sollte.
d1 1 1 1 •r jahrelang an der Westküste gelebt hat. Er wollte .
anders l�ben, und der
2.2.4 Persönlichkeiten: Carl Rogers, Fritz Perls, Lore Perls
' t i l , den er geprägt hat, war ein dramatischer, bomba stische r Sttl, etwas, was
Moderator: Die Begründer der beiden Richtungen, die ja beide sehr charis­ 1 1 11111 •her als 'laute Therapie' bezeichnen würde.
matische, ganz markante Persönlichkeiten waren, wie sie vermutlich verschiede­ Sommer: Es ist ja kein Zufall, daß er das Reinhardt-Seminar besucht hat. Das
ner kaum sein können; zwei Personen, an denen man sich möglicherweise jetzt, li lt · Rogers nie gemacht, niemals. .
schon fünfundzwanzig Jahre nach dem Tod von Perls und bald zehn Jahre nach A mendt-Lyon: Ganz sicher, er war begeistert,
auch wenn er nur als Statist
Rogers' Tod, noch immer mißt, oder die man zumindest als sehr prägend für 1•1 11rh itel hat, aber er wollte wahrscheinlich immer auf
der Bühne .stehen. Lore
Richtungen versteht. Inwiefern, meinen Sie, beeinflussen diese Gründerfiguren l 'e i ls hat im Gegensatz dazu sehr beständig
und behuts am gearbeitet, hat eher
die jeweilige Richtung bzw. auch ihren Bezug zur jeweiligen Richtung? 1 1 1 1 1 1>a t ienten gearbeitet, hat kleine Gruppen und auch kleine Patientengruppen
Amendt-Lyon: Ich meine, daß Fritz Perls die Gestalttherapie nicht alleine i•t• l (lhrl . In New York hat sie eine Gruppe von
profes sionell en Therapeuten u�
. emen ganz anderen Sttl
die
gegründet hat, ich sehe ihn eigentlich immer mit Laura Perls als Paar. Sie kom­ irh gehabt, die stark klinisch orientiert waren und
men beide aus der Psychoanalyse, sie waren beide praktizierende Psychoanalyti­ 1 1· 1Uhrt haben, der mich vor alle,m sehr geprägt ha�. .
ker und sie waren auch beide sehr stark von der Gestaltpsychologie geprägt. Sommer: Ich denke, so pauschal kann man diese
Frage gar mcht beantwor­
Laura Perls war eine der ersten Frauen, die in Gestaltpsychologie bei Gelb in h 1 1 , denn erstens einmal gibt es verschiedene
Entwicklungen: Die Gestaltthera­
Frankfurt promoviert hat; Fritz Perls war Assistent bei Goldstein, der stark von pi • ist nicht mehr das, was sie einmal war, genaus o wenig wie die Klientenzen·
der Frankfurter Schule beeinflußt war, also von der sozialkritischen Bewegung 11 i · rte Therapie noch das ist, was sie einmal war. .
um Horkheimer, Adorno und Marcuse. Perls war eine sehr schillernde Persön­ 1 ·h möchte es von der anderen Seite angehen:
Welchen Ruf hat die Gestalt­
lichkeit und das prägt natürlich den Westküstenstil, den er verkörpert hat. Lore th ·rnpie und welchen hat die Klientenzentrierte Therapie
und was h�t d�s wohl
Perls war eher eine konstante, gründliche, ruhige Person, die auch viel Sinn für 1 1 1 i t den Gründerpersönlichkeiten zu tun? Da würde ich mit dir überemstimmen,
die Künste hatte; sie hat modernen Tanz praktiziert, sie hat Klavier gespielt, sie d dl Fritz Perls doch sehr prägend für den Ruf der Gestalt therapi e, Lore Perls
außen nicht gar so wirksam w ar. Für �ich
war sehr interessiert an Philosophie, war stark beeinflußt von Tillich und Buber, 1 ·doch in bezug auf die Wirkung nach . .
wichtig : Fntz Perls hat sich gekrankt
die eine Rolle bei der Entstehung der Gestalttherapie gespielt haben. Man muß i1>1 dabei der Konflikt mit Sigmund Freud
ende nachge tragen. Er hätte so gerne
auch bedenken, daß beide Perls bis in die späten dreißiger, ja bis Anfang der pdllh l t und hat ihm das bis an sein Lebens
vierziger Jahre, sich als Analytiker bezeichnet haben. Erst nachdem sie von di · Kon frontati on gewollt, und das ist ihm nicht gelunge n. .
Deutschland nach Amsterdam und von Amsterdam nach Südafrika geflohen 13 i arl Rogers hingegen spielt es sich in erster
Linie zwischen ihm und sei-
sind, haben sie ihre Therapieform Konzentrationstherapie genannt, erst als Perls 111· 1 1 1 Vater ab. Er ist ganz anders vorgegangen, hat die
Konfrontation nich� ge­
bitter von der Psychoanalyse enttäuscht war: Ein Referat, das er 1 936 über orale , 11 ·ht sondern hat sich einfach abgewa ndt und gesagt: „O.k., mach du Demes,
Widerstände gehalten hat, wurde bei einem Kongreß der l ntcrnutionnl 'n Verei­ wi • t lu glaubst, ich mach Meines , wie ich glaube ". Dieses Mome nt, diese Quali-
nigung sehr schlecht rezipiert, und er ist sehr geknickt wi1·d1 1 1u1ch SOdufrika
zurück ekehrt und hat s ine ei ne M l h d w it r ·11t w11 k 1 l t 1 11 11111 1 ·h i 1 1 1 1 1 1 •r
1 96 Gestalttherapie Gestalttherapie 1 97

tät zieht sich eigentlich durch alles, was er geschrieben hat, durch. Es geht nicht einanderzusetzen begonnen hat und sehr wenig geschrieben hat darüber, aber er
um Konfrontation, es geht nicht um harte Begegnung, sondern wenn es Diffe­ hat es sehr viel mehr praktiziert.
renzen gibt, man muß sich ja nicht streiten. Da - das muß ich ehrlich sagen -
2.2.5 Beziehung und Technik
kann ich mit unserem werten Carl Rogers nicht ganz mit: Ich neige auch eher
dazu, die Konfrontation zu suchen. Das war auch der Grund, warum ich den Ex­ Moderator: Ich würde gerne jetzt in die Praxis der Psychotherapie überge­
kurs in die Gestalttherapie gemacht habe. Ich würde mir wünschen, daß in der hen, an praktischen Beispielen die Unterschiede diskutieren. Dazu hätte ich zu­
Klientenzentrierten Psychotherapie das Konfrontative, das Aktive, auch das eher erst eine Frage an Sie und zwar natürlich eine personzentrierte Frage: Welchen
lenkende Eingreifen zunimmt. Es gibt auch Entwicklungen in diese Richtung. Stellenwert messen Sie der Beziehung zwischen Therapeut und Klient in Ihrer
Amendt-Lyon: Ich denke, daß Perls nicht nur gekränkt weggegangen ist, praktischen Arbeit bei?
auch wenn ich ab und zu sage, daß die Gestalttherapie als zorniges Kind der Amendt-Lyon: Die Beziehung ist das Wirksame. Das ist überhaupt das

Psychoanalyse entstanden ist. Sein erstes Buch Ego, Hunger and Aggression ist Wichtigste. Wenn jemand sich bei mir nicht aufgehoben fühlt, wenn die Bezie­
als Revision der psychoanalytischen Triebtheorie entstanden, d.h. er hat auch hung nicht tragfähig ist, wenn jemand sich nicht beschützt und geborgen fühlt,
etwas aus seiner inneren Auseinandersetzung gemacht. Er hat das 'Selbst' anders dann läuft nichts.
definiert: als Prozeß und nicht als Instanz. Er hat die Persönlichkeitstheorie und Moderator: Könnten Sie ein bißchen mehr präzisieren, welche Komponen­
vor allem die Triebthe·orie revidiert. Ich denke, er hat etwas Neues daraus ge­ ten einer Beziehung dabei wichtig sind?
schaffen, er ist nicht nur gekränkt weggegangen. Amendt-Lyon: Dazu gehört Akzeptanz und Respekt, ebenso Einfühlungs­

Publikumsfrage: Ich habe verstanden, daß dieses Verhältnis Sohn-Vater bei vermögen und Mitgefühl; dazu gehört die Fähigkeit, mich in die Haut von je­
Rogers sich nicht so entwickelt hat, sondern, daß er von Anfang gesagt hat: „Na mandem zu versetzen und zugleich bei mir zu bleiben, zu pendeln zwischen der
gut, der ist so, ich bin anders." Das interessiert mich deshalb, weil ich wissen eigenen und der Fremdwahrnehmung und trotzdem den Sinn für meine eigene
möchte, wie so ein problematisches Verhältnis mit seiner Vorstellung von Au­ Grenze nicht zu verlieren. Dazu gehört Zuversicht und der Glaube an das Gute,
thentizität unter einen Hut zu bringen ist, und überhaupt, wie er mit dieser Be­ das in jemandem verborgen ist. Das ist im metaphorischen Sinne die Liebe für
ziehung umgegangen ist? diesen Menschen, also jemanden ganz anzunehmen, wie er oder sie ist, mit allen
Sommer: Zunächst einmal ist dieser Vermeidung einer Konfrontation mit Haken.
dem Vater eine sehr lange Entwicklung vorangegangen. Der Vater von Carl Ro­ Moderator: Ist das ein möglicher Berührungspunkt?

gers muß, seiner eigenen Beschreibung nach, in der Familie ein sehr dominanter Sommer: Das könnte die Klientenzentrierte Therapie nicht besser ausdrük­

Mensch gewesen sein. Er hat bestimmt, was für die Familie gut ist und was für ken.
die Familie schlecht ist, sogar bis dahin, daß er die Familie aus der Großstadt Moderator: Es frappiert mich, daß Sie das wirklich ganz genauso wie in der

und aufs Land ziehen hat lassen, denn dort ist man nicht mit soviel Sünde kon­ Personzentrierten .. .
frontiert. Ich denke, daß das Verhalten von Carl Rogers dem Vater gegenüber Amendt-Lyon: Ich habe nicht nachgeschaut! Zu einer guten Therapie gehört
später darauf zurückzuführen ist. Ich habe mir manchmal Gedanken darüber ge­ weiter die Kunst des Dosierens: Mein 'timing', wie ich Stützen oder Konfronta­
macht, wie das wohl verlaufen wäre, wenn die beiden wirklich die Konfrontation t ion dosiere. Dazu gehört natüdich diagnostisches Können. Ich muß in der Lage
gesucht hätten? Ich habe die Vermutung, daß da bei Carl Rogers sehr viel Haß sein zu erkennen, wo jemand im Augenblick steht, wo · ich jemanden abholen
und Aggression im Untergrund gewesen ist, die er aber in der Form nicht leben muß: Ist Regression angesagt, ist Progression angesagt? Ist es wichtig, daß ich
wollte. Außerdem gehe ich davon aus, daß er sich bewußt dazu entschieden hat j ·manden stütze, ist es wichtig, daß ich jemanden ein bißchen frustriere oder
so nicht leben zu wollen. Er sagt selbst, daß er sich mit Aggression immer wie� konfrontiere? Was ist notwendig? Und dazu gehört einfach viel Erfahrung, Pra­
der schwergetan hat, daß er es auch oft erst später gemerkt hat, wenn ihn etwas x i s und Können.
geärgert hat. Er hat eigentlich erst relativ spät begonnen, sich mit dem Wert der Moderator: Stimmen Sie auch dem 'timing' und der Diagnose zu?
Aggressivität zu beschäftigen. Sommer: Ich möchte den Beziehungsbegriff ein bißchen ausweiten. Du,
Publikumsbeitrag: Ich möchte das Bild des „sanften Carl Rogers" ein biß­ Nnncy, h as t jetzt gesprochen von der Beziehung zwischen Therapeutin und Kli­
chen zurechtrücken. Ich selbst war Zeuge, wie er in einem Seminar zu einem l' llt . In der Klientenzentrierten Therapie ist die Beziehung sozusagen das Zen-
Teilnehmer, der seine Freundin angegriffen hat, gesagt hat : „W nn es nach m i r 1 1 11 1 ', auf das geachtet wird. Dabei geht es aber nicht nur um Therapeut und Kli-
ginge, gehören Dir die Eier abgeschnitten." I c h g l a ube d a ß <.: s s · h o n s t i mmt, da(\
, 1• 1 1 1 , sond 'rn au ·h durum, welche Beziehung der Klient zu sich selbst hat und
d r arl Ro ers i m Laufe s i n s L h ns 'rst s 'hr spllt sil' 1 1 11111 /\ p1 ·ssion aus- WI ll'hl' l \czi •hun ich i n der th rnp 'llt isch 11 ituat i n ZU mir habe.
1g \ 1r,H U l l lfl TTl/11 ( i1'.1 /11/t1h1•1 111 1/1•

Das diagn stische W i ss n, das t l u j t 1. t t1 1 1 1 •spw ·ht·n hnsl, 1 • i t 1 si ·h in tl ' r


· · Moch•rn t o r : Wd · h •11 SI ·lk'nw · 1 t h s i t z n " l 'cchnikcn' Ci.Ir I h re Arbe i t ?
Klientenzentrierten Therapie von de r B ezi ehu ng a h , di de r Klient i n dem Mo­
· H o m m •r: T · ·hnik •11 kom111l k in eigener te l lenwert zu, so kann ich es am
ment zu sich hat. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Was tut da not, damit die Be­ l a• •1 · n formu l i r n. W nn eine Technik in einer ganz bestimmten Situation sich
ziehung des Klienten zu sich selbst eine bessere werden kann, damit der Mensch 1 1 1 1 1 d r kli ntenzent rierten Haltung vereinbaren läßt, dann ist nichts gegen ir­
in seinem Umgang mit sich selbst seiner Wesenhaftigkeit gerechter werden ' · nd •ine Technik einzuwenden. Nur, die Technik an sich ist nicht wichtig. Wo-
kann. Danach, denke ich, geht es auch darum abzuwägen, was der Mensch 1 11 u f s in der Klientenzentrierten Therapie ankommt, ist eigentlich die Haltung,
braucht, welche InterventiQn ich setzen muß, damit er sich selbst überhaupt ein­ tli • Ginstellung sowohl des Therapeuten zu sich selbst als auch zu seinem Ge­
mal in seiner Wesenhaftigkeit wahrnehmen kann, um dann im weiteren seiner p • n U b e r. Ich sage es einmal sehr salopp: So wie es eine artgerechte Tierha
��u�g
Wesenhaftigkeit gerecht zu werden. d b t , gibt es auch eine artgerechte Menschenhaltung. Nur, es kommt sehr hauf �g
Amendt-Lyon: Ja, wir gehen auch davon aus, daß Klienten oder Patienten vor . daß Menschen nicht artgerecht mit sich umgehen. Genau um das geht es m
den Weg zu uns finden, weil ihre ' Kontaktfunktionen', wie wir das nennen, ge­ der Therapie, daß Menschen lernen, mit sich selbst so umzugehen , daß sie ihrer
stört sind. Wir arbeiten darauf hin, daß jemand besser in der Lage ist zu spüren, ureigenen Wesenhaftigkeit gerecht werden können. Ob da jetzt Techniken ein­
zu fühlen, seinen Kopf und seinen Körper zu benützen und seine Mitmenschen •esetzt werden oder nicht, das ist nicht wesentlich.
zu integrieren und zu verwenden, um diese Bedürfnisse ohne Schaden für sich Moderator: Und die Techniken in der Gestalttherapie, die man vor allem
aus
selbst oder seine Mitmenschen zu befriedigen, und daß er erlebnisfähiger wird, dem Westküstenstil kennt?
d. h. daß er mehr spürt, mehr erlebt und spontaner wird. Bessere Wahrnehmung Amendt-Lyon: Lore Perls hat einmal gesagt: Es gibt so viele Möglichkeiten,
und Kontaktfähigkeiten sowie die Fähigkeit zum angemessenen Gefühlsausdruck estalttherapie zu praktizieren, wie es Gestalttherapeuten gibt. Und ich merke,
sind die therapeutischen Ziele. daß jede Therapie, die ich durchführe, anders ist. Manchmal sitzen wir einander
Moderator: Es gibt noch diese Facette des 'Therapeuten als Experten'. Da gegenüber, und es ist einfach ein Gespräch zwischen zwei Erwachsenen.
könnte auch ein Unterschied sein, daß Sie mehr bestimmen, wann da welche Manchmal arbeite ich sehr viel mit dem leeren Stuhl, und wir machen Rollen­
Schritte gesetzt werden, weil Sie sagen, Sie wissen vielleicht ein bißchen mehr spiele. Bei anderen merke ich, daß sie sehr viel mit der Körperhaltung und mit
als der Klient? Pantomime machen. Ich denke, jeder Therapeut und jede Therapeutin set.zt das
Amendt-Lyon: Ich glaube, daß die Klienten, die mich in meiner Praxis auf­ ein womit er oder sie gern arbeitet. Ich sehe auch die Gestalttherapie als einen
suchen, Experten für sich selber sind. Ich verstehe mich eher als 'Reise­ An�atz, als eine Haltung: Alles, was mich anspricht, was ich gut kenne, was ich
begleiterin' oder 'Hebamme' oder gelegentlich als 'Maßschneiderin'. Ich denke, gern tue, werde ich in der Begegnung mit meinem Gegenüber anwenden. Ich
daß meine Expertise, wie ich schon erwähnt habe, in meinem Timing liegt, in persönlich arbeite sehr gerne mit kreativen Medien. Bei mir wi:d v�el g�malt
meiner Fähigkeit, das Setting gut zu regeln, in meinem diagnostischen Können oder mit Plastilin gearbeitet, mancpmal mit Fingerfarben. Ich arbeite viel mit der
und in meiner Art, zu intervenieren. Ich sehe das allerdings eher als eine Kunst Körperhaltung, mit Mimik und Gestik, also mit dem Spiegel. Andere Therapeu­
denn als eine Technik. ten arbeiten gern mit Musik. Um zum nonverbalen oder präverbalen Raum zu
Sommer: Ich denke, daß man in der Therapeutenposition unvermeidlich un­ kommen, finde ich diese Mittel oft sehr nützlich. Ich genieße sie auch selbs_t und
ter anderem auch Experte ist, das liegt in der Natur der Sache. Jedoch, Experte darum setze ich kreative Medien ein, um verbale Hemmungen zu überwmden
in einer ganz bestimmten Weise: Ich kann niemals Experte sein, was das Leben und zu einem anderen psychischen Raum zu gelangen.
eines anderen Menschen anbelangt, nur was mein eigenes Leben anbelangt. Und Moderato r: Vielleicht wäre es ei.ne gute Möglichkeit, an einem Beispiel
die
dennoch kann ich, wenn ich es jetzt einmal so definiere, ein wenig mehr Ahnung Unterschiede da herauszuarbeiten, wenn Sie ein Beispiel aus Ihrer therapeuti­
davon haben als der Klient, was sozusagen eine gute Entwicklungsrichtung sein schen Praxis bringen, eine Situation, wann Sie einen leeren Stuhl oder ein krea-
könnte. Im Konkreten: Wie sich der Klient in diese Richtung bewegt, das kann tives Medium einsetzen.
ich wiederum nicht wissen. Aber ich kann Ahnungen davon haben, was nottäte. Amendt-Lyon: Ich arbeite viel mit Menschen in Wien, die Englisch
spre-
Ich glaube, ohne in dieser Weise Experte zu sein, kann niemand Psychothera­ chen, da es meine Muttersprache ist, und ich habe eine Amerikane rin einige Jah­
peut sein. Wir können nicht tun, als ob wir uns da völlig naiv auf der gleichen re lang in Therapie gehabt, die eine Art 'Midlife-c risis' ha�te. Sie ist sich sel �st
Ebene bewegen würden. Das ist ja übrigens auch die Kontroverse - oder viel­ ihrer Arbeit gelitten, da _ den Em­
sie
sehr unattraktiv vorgekommen. Sie hat in
leicht nicht direkt Kontroverse - zwischen Rogers und Buber. Es ist das, was druck hatte, sie sei benachteiligt. Sie hatte sexuelle Probleme mit ihrem Ma�n,
Buber so herausgestrichen hat: Es liegt im Wesen der therapeutischen Bezie­ ihre Kinder waren gerade dabei, das Elternhaus zu verlassen. Sie fühlte sich
hung, daß sie keine vollständige Ich-Du-Beziehung sein kann; wenn überhaupt, entwurzelt und sie arbeitete auch nicht mehr in ihrem ursprünglichen Beruf. Sie
dann erst am Ende der Therapie.
( ;,„, ,,,111h 1•1'11f1ic 201
200 Gt•sta/1tlu•ra11i1•

Symptome sprcch '.l l und die man


hatte das Gefühl, in einer Sackgass :t,u s • i 1 1, 1 h 1 • 1111 1. K1 cutivitLlt verloren zu P111icnten, die ja ofl und 1 1 1 1 1 1 111 li ·h über ihre
? Ich stelle mir das vor, daß

h
haben. Wir haben im Laufe dieser drei Jahre cnld · · k t , dul.\ si · s •hr gern schreibt. ehr schlecht oder sehr s · w • r zu sich führen kann
Ich habe ihr gesagt, sie könnte ein kleines Notizbuch immer mit sich führen l'S manchmal sehr langwierig sein
kann, wenn man nicht auch konfro1.1ticrt oder
wenn sie mit der Straßenbahn fährt, wenn sie auf den Arzt wartet, zwischen de � l'i ustriert, also zu Techniken
greift und nicht nur immer verständnisvoll und
Kursen in der Schule, in der sie gearbeitet hat, und sie könnte einfach aufschrei­ w ·rtschätzend ist. .
ben, was sie bewegt. ·Sie hat angefangen, kleine Gedichte zu schreiben kleine e Erfa hrun g ist, daß mir vielle icht zu Begi nn e�ner Therapie
Sommer: Mein
auch angekommen . ist und daß es
einfache Gedichte, was ihr eben so eingefallen ist. Oft schrieb sie diese Gedicht� 11icht rückgemeldet wird, daß mein Verständnis
für das, was der Klient zum A�s­
unter Träne? und war sehr bewegt dabei. Sie hat sie immer in die Praxis mitge­ ·t was bewirkt hat, aber daß mein Verständnis
Element der ges�mten The.rap1e,
bracht und m der nächsten Stunde hat sie vorgelesen, was sie in der Woche er­ d ruck bringen möchte, dennoch das tragende en
lebt hat, als sie die Gedichte geschrieben hat. Sie hat erzählt, was sie bewegt hat d •s gesamten therapeutischen
Verlaufes ist. B� i psycho.somat1.schen P�tlent
es mem Anh gen, die Sy m­
und was sich dadurch, daß sie es zu Papier gebracht hat, für sie gelöst hat. Es 1„ ß „ die sehr viel über ihre Symptome reden, ist � .
edru. ckt. We?n ich
war etwas, das sie wieder lesen konnte und was greifbar war, was sie mir dann verst ehen : Was wird über das S�m pto � �usg
plomsprache zu
mitteilen konnte. Es war für sie dann eine Möglichkeit, auch ein Stück von mir das möglichst präzise erfasse - und das ist w
�rkhch le1bhches Erleben, r:i1t d.em
sch sich verstanden fuh�t, geschieht 1m­

in die Woche mitzunehmen, wenn sie mich nicht gesehen hat, wenn sie mich tdl da konfrontiert bin -, wenn der Men
vorher eng war, die Durchblutung
vielleicht gebraucht hätte. Das war eine Art Übergangsobjekt. Sie hat es dann incr eine Wei tung. Das ist sichtbar. Wo es
'Sich-durch-und-durch­
wirklich toll gelöst, indem sie über die Jahre immer mehr Gedichte geschrieben h · hlecht war, dort entsteht eine Weitung. Dieses . ung verbunden. Da
mit Erleichter ung und Weit
hat und sich so zu helfen gewußt hat. Das war für sie eine eigene Stütze. v ·rstanden-Fühlen' ist immer
orientiere mich einfach an vegeta-
Moderator: Könnten Sie sich vorstellen, so eine Technik zu verwenden? brauche ich keine verbale Rückmeldung. Ich
Sommer: Ich glaube nicht, daß ich es als Technik einsetzen würde, aber ich t 1 vcn Symptomen. Da ist mein
e stille Devise: 'Kind hört mit'. . . .
kann mir durchaus vorstellen, daß, wenn mir so die Idee kommt, das könnte sfra ge: Sie hätte n im Gege nsatz zur Gest alttherap1.e mcht der Kh-
Publikum
doch was sein für diese Frau, ich sie am Rande einmal einbringe. Ich bin aber i'll l i n empfohlen, daß sie Gedichte
zu schreiben beginnen soll. Sie habe� gesagt,
ein zentraler Unterschied oder
davon überzeugt, daß diese Frau auch ohne deinen Vorschlag auf die Idee ge­ i . würde später selbst draufkommen. Ist das jetzt
kommen wäre, Gedichte zu schreiben. Es läßt sich nicht verifizieren, das ist mir 1 111 zentrales Merkmal
der Personzentrierten Richtung? gt
scho� klar: Wenn ich mich aber als ihr Gegenüber auf das, was sie gerade bringt, Sommer: Für mich ist es kein
zentraler Unterschied. Wie ich vorhe� gesa.
Vorschlag sich wirklich eme rsc1t s
.
Wlfkhch emlasse und etwas entdecke - da ist etwas, wo etwas lichter wird, etwas trnhc: Wenn z.B. so eine Empfehlung oder ein ha­
heller wird, etwas aufgelockert wird - und ich greife das auf, ich biete es wieder 1 1 1 i t meiner Haltung vereinbaren,
läßt und andererseits ich auch den Emdruck
fehlt, dann ist das ein Stückchen �11.festellung
,
an, dann wird mein Gegenüber von sich aus dort anbeißen, denn dort wird es lw daß genau das dem Klienten Frag l'
e prinz 1p1el le
hingezogen. dn� er vielleicht brauchen würde. Warum nicht? Das ist kein
Amendt-Lyon: Ich bin davon nicht so überzeugt. Ich denke, es ist oft wichtig 1( r mich. us biete
· · h d'1 s '
1c
nd
� notwendig, manchmal jemanden auf etwas aufmerksam zu machen, das vor Moderator: Die Frage dabei ist: Aus welcher Haltung her� sehe
� h
�e
on an, was will ich dadu rch verm itteln . Da
ihm steht und er oder sie nicht sieht, was jemand vermeidet, was jemand vor ' I ' ·chnik oder diese Interventi
fragen, weshalb Sie z.� . so · 1 1w
lauter Aufregung, Trauer, Ekel oder alles, was dazu gehört, nicht sieht, aber was dion einen Unterschied, und ich möchte Sie , 1 '. 1 1
.
einfach ganz offensichtlich im Raum ist. l l hung anbieten? Nac h meinem Verständ
nis liegt d�r Unter��hi�d dann �aß

ich als Therapeut weiß, es ware Jetzt gut ftlr d1 11


Sommer: Ich kann mir durchaus vorstellen, daß so eine Technik der direktere l' l l l •n Fall es darum geht, daß
anderen Fall geht e s darum: Ich . möch� e d e m K i t
Weg ist. In der Klientenzentrierten Therapie wird es vielleicht eher über ver­ 1 l i •ntcn , das zu erleben. I m -. s1
schlungene Wege gehen. Es wäre auch offen, ob die Frau das dann letztendlich l 1 l l · n helfe n, das, was jetzt da
ist, besser zu verstehen und damit zu .�me�n h
zu kommen, ihm das eigene Verstand nis z11 ·1
wirklich als Ausdrucksmöglichkeit, als Verarbeitungsmöglichkeit für sich ent­ l l 11 Vers tänd nis seiner Pers on
.
t um das Erleben an sich.' es g�ht mir t1 1 � 1 1 � l'
deckt. 1 1 1 \� liehen. ll
Publikumsfrage: Ich habe eine Frage bezüglich der Technik der Klienten­ A mcndt-Lyon: Mir geht es nich : !NI ,
die Vermittlung. Wenn mem Patie . nt traun
zentrierten Therapie und zwar in bezug auf den Moment, wenn es darum geht, 1 1, di uck des Erlebens und um h
Ausdruck verleihen kann, dann ge� t es der
m 1
den Klie�ten dazu zu bringen, daß er selbst etwas entdeckt oder versteht. Da gibt 1 1 1 11 1 · r di scm Zustand keinen · ,1 1 1
.
es � a gewisse Untersch1ede zur Gestalttherapie. Wie gehen Sie di shczi.lglich mit 1 1 , 1 1 1 1 d n rn m , daß er t rnt , s
•in Traurigkeit auszudrück.en, cm Med.1. um:
andere Korp rhnl
Vl u ti l d n rtlr 1.u find n, Nl'i ,
.
Klienten um, die von Haus aus sehr wenig Fähigkeiten zur . d hs 1 1 ·fl �xion mit­ ' 1 '01 1 rnl1 1 in , dicht oder emc
bringen und die möglicherweise sehr, sehr hartnäcki sind, / I I I ' yl'i 1rnm mnl i k -
202 U1·.1·11tl11ltr1111111•
<:1·.1111/11/i<'rntlil' 203
tung , damit er das sein en Mi11 11 ·nsd 1l'll
1 1 1 1 l l 1· 1 h•11 k 1 1 1 1 1 u nd d r 1 1 1 1 i 1 ·s Kom
kation gibt. Es geht um den angemessen muni­ 1 .1 11/';l llh · rn p i 11 l 1 1ss · wh ' 1 '1 1 u 1 1 1( 1 1 1s1, • n i •rcn, wenn jemand kommt und sagt:
•n /\ usd1 u ·k.
.
P ublikumsfrage: Mic h wür
de interessieren, w •lche n Slcl lcnwerl „M i d i b ·sch lfl i •I d ies •1 f ra u 1 1 1 , ich möchte ihn besser verstehen", dann ver­
' '

beitung der Kindheit hat. die Aufar­ wc.· nd ich den Traum wie ein Theaterstück und er wird auch in Gruppen insze­
Amendt-Lyon : Meistens llli'fl. Ich fi nde es immer sehr spannend und ich bin ganz verblüfft, was da her­
?1e. Pro�l�me der Pers?n aktuhat sie eine n sehr großen Stel lenwert, auch
ell sin? . Ein ichtiges Konzept der Ges
wenn Htskommt, was plötzlich alles erinnert wird und an Bedeutung gewinnt. Ich fin­
ist das Hier un? Jetzt , was aber nich :-V talttherapie de ·s sehr aufschlußreich und spannend, was jemand mit dem Traum zum Aus­
. t heißt, daß wir nicht mit der Vergan
heit u�d nur mit der Ge e�wart arbe gen­ d1 uck bringen will.
iten, sondern daß wir die Vergangen
oder �ie Zuku ft gegenwartig machen � heit Sommer: Für mich ist es immer wieder faszinierer1d, Menschen dabei zu ver­
. Ich finde es wichtig, weil ich auch eine
li1Igen, wie sie sich, ich möchte fast sagen, mit einer unbewußten Intentionalit�t
� n
� naly t1sch en Hmtergrund habe, immer den Bog
1 1 1 ganz bestimmte Erlebenszustände versetzen, z.B. über das �räumen Sie
en zwischen der aktuellen Situa­
t10n und 1 1öglic��n Entstehungssituationen :
: . zu spannen, indem ich frage, „Woher
kennen Sie das? oder: „Ist das em bekanntes Muster? " Wir denken aber �ommen in die Therapiestunde, noch ganz fasziniert oder beängstigt, auf Jeden
� mear-ka�sal; es gibt nicht nur einen Weg, der dorthin gefü nicht Fall beeindruckt von einem Erlebenszustand, in dem sie sich befunden haben.
Jemand dies und jener das erlebt, dan hrt hat, sondern wenn Du setzt meine Neugier an: Was veranlaßt diesen Menschen, sich just in diesen
n ist aus vielen Faktoren ein Bez iehu
mus ter entstanden. ngs­ l irlebenszustand zu versetzen? Wenn ich diesen Menschen länger kenne, dann
So�e�: Ic � gehe dav on kann ich auch sehen, daß das ein Erlebenszustand ist, in den er sich immer wie­
aus, daß das Erleben des Menschen
Geschi�hthchkeit überhaupt verstehb nur in seiner d ·r versetzt. Er bahnt sich seinen Lebensweg so, daß er immer wieder in einen
ar wird . Ich habe es für mich immer
f�rmu� ert: Indem der Mensch lebt, mac sö nnz bestimmten Erlebenszustand hineinkommt. Da ist dann meine Neugier ge­
� ht er einerseits seine Geschichte, imm
em St�ckch n neue Geschichte, aber er weckt, und es taucht für mich die Frage auf: Wozu ist das gut? Was ist der Sinn
� andererseits erzählt er auch immer sein
Ges chic hte, md m er lebt. �as �eißt, e davon? Was will dieser Mensch damit zum Ausdruck bringen, einerseits mir ge­
� daß alles, was ein Mensch jemals gele
d�rchlebt hat, em Ted. von ihm ist, das bt, g •nüber - was will er, daß von ihm verstanden wird -, andererseits auch als B ot­
imm er in seinem aktuellen Sein mite in­
füeß t. Auch � törungen fließen mit ein sdrnft an ihn selbst. Es klopft etwas in ihm und will verstanden werden, aber er
. und artikulieren sich in seinem Momen­
tan- Sem . Da ist es natürlich wichtig, dem nach v •rsteht sich selbst nicht. Da möchte ich behilflich sein, dieses Rätsel zu ent­
zugehen, wozu gerade dieses Er­
lebnis- � nd Verha� tensmuster entwicke s ·hlüsseln : Was bringt ihn dazu, sich just in diese Erlebenszustände zu verset-
lt wurde. Ich lege großen Wert auf die
Aufarbeitung der eigenen Biograph ie. 1. ·n? Der Mensch hat unter anderem diese Möglichkeit über das Träumen, aber

Publikumsfrage: Hei ßt das, ·r h at auch noch sehr viele andere Möglichkeiten.


dies e Frage: „Kennen Sie das scho n
her?" kommt in Ihrer Richtung auch vor? von frü­
So �e � : Ich formuliere die
2.2. 6 Erlebnis versus Verständnis
Frage nich t so. Ich biete eher struktur Unterschiedliche K'iienten fühlen sich von diesen beiden Rich­
male, die ich erkenne, inhaltsleer an elle Merk­ Moderator :
. .
Weise vertraut ist, ob das an irgendetwas
und frage danach, ob das in irgende
iner (ungcn angezogen, vielleicht auch in der Ausbildung, aufgrund der beiden � i-
erinnert. Dann schaue ich einfach was .
kommt. 11iensionen: Suche nach Verständnis versus Suche nach Erlebnis. Ist das eme
'
Moder�tor: Eine recht beka 1 lypothese, mit der sie etwas anfangen können?
.
.
nnte Tec hnik von Lore Perls ist die Traumarbeit. Sommer: Ich habe Schwierigkeiten mit der Fragestellung. Ich glaube nicht,
Die Frage Jetzt an Sie: der Stellenwert von
Träumen?
So �er : Mei ne _A uffassun daß es in der Klientenzentrierten Psychotherapie in erster Linie nur um Ver­
g dazu hat sich im Laufe der Jahre geän sllindnis geht, sondern es geht um Verständnis des Erlebens. Es geht darum zu
h�be fruher gerne mit Träumen gearbeit dert. Ich
. et, sowohl gestalttherapeutisch als auch verstehen: Aha, dieser Mensch erlebt haargenau so, und dieses Erleben will et­
khentenzent iert. Mir ist der Traum dam
. ' als auch - so wie es Freud for�uliert hat
- als via re a zum l'.nbewußte erschie was zum Ausdruck bringen. Und es geht darum, zu verstehen, was denn da zum
�� . � nen . Von dem bin ich immer mehr abge­ /\usdruck gebracht werden soll. Wenn es über das leibliche Erleben evident
k? mmen. Fur mic h ist das Traumen em .
Ausdrucksmittel des Menschen unter wird, dann kann man nicht mehr daran herumdeuten. Man kann sich nicht den­
vielen. Es hat für mich keinen herausra
genden Stel lenwert. k •n: „Ja, kann es so sein oder kann es so sein", sondern: „Ich habe es erlebt, das
Amendt-Lyon : Ich finde
Träume spannend. Ich sehe Träume s ·hmcrzt mich sehr." Oder: „Das macht micht wirklich wütend." Dann kann man
starkes Ausdrucksmittel und, wie Frit als ein sehr
z Perls gesagt hat, als existentielle Bot •s wirklich ernstnehmen an sich und von dort weg kann man sich Schritte über-
schaften. Ich sehe Träume weniger, wie ­
Freud, als ein sehr verschlü ssel tes Phä 1 · •n: „Wie könnte ich das ändern?" Da ist Erleben für mich schon ein sehr
nomen an, hinter dessen 'wirkliche' Bed ­
. eutung ich kommen muß, sond ern ich 1. · n t ra l s M oment darin.
betrachte sie mehr von der Phänomenologie, von der
Obertlä ·h ' hl·r. Au ·h i n
estalttherapie 205
204 Gesra lt1lterapit•

Amendt-Lyon: Für mich sind es keine 'c ·ns U zt , das •h rt fi.lr mich zu­ . .l.8 Bcrilliru11gsp11 11kt'
trotz �ller
• •

sammen. Insofern kann ich mit der Frage nicht s viel an fan rcn. Ich denke, ein Mod erator: Was glauh •n 'ic, könnte die Schuld dafür sei.n, daß es
tierte Berührungspunkte zwischen den beid en
Erleben ohne ein Verständnis ist für mich therapeutisch unbrauchbar. p ira llelen so wen ig doku men
Moderator: Vielleicht habe ich die Frage ein bißchen unklar ausgedrückt. , 'l'hul en gibt?
t genau sage n. Ich ka�n nu� ah�en, daß . �
�r
Ich meine, daß der therapeutische Prozeß sich möglicherweise in dieser Dimen­ Amendt-Lyon: Ich kann es nich �.g
für Fritz Perls zu weich, v1ell e � cht zu gut
sion unterscheidet: Bei Ihnen wird vielleicht durch kreative Übungen, durch w . " den Rogers eingeschlagen hat,
interessiert ha�. Er hat sich meh r fur
kreative Medien, durch den heißen Stuhl, durch eine Variation von Settings wur und daß ihn das einfach nicht so sehr
ger für das Personzenu:1ert� .
mehr Erleben geboten und im Personzentrierten Ansatz durch dieses Gleichhal­ Psychodrama interessiert und weni „ .

die dam alige Kontaktlos1gke1t, aber es wurde Ja


ten des Settings und viel weniger Einbeziehen solcher Dinge das Verständnis für Mod erator: Gut, das erklärt
den Klienten? 1 1i ·ht erklären, daß es heute imm
er noch so ist. . .

gedacht, mög licherweise hangt es damit zu-


Sommer: Ich habe jetzt lachen müssen, weil mir ist eingefallen: Die Werbung ommer: Ich habe mir gerade
einigermaßen stark auf der Suche
des Gestalttherapeuten würde dann lauten: „Bei mir können Sie was erleben !" nmmen daß beide Therapieformen doch noch us
Wie müßte es dann beim Klientenzentrierten lauten? „Bei mir erleben Sie nicht 1 111 ·h ei �er eigenen Identität mit
sich selbst beschäftigt sind, und aus dem hera
gar so viel?" dnnn vielleicht Rivalität oder
Konkurrenz entstehen kann. . .
denke, daß die �estaltth�ra�1e m de� letzt
en
Amendt-Lyon: Ich denke, auch wenn es eine tief regressive Arbeit oder eine Amendt-Lyon: Teil weis e! Ich �-

gemacht ha� : Sie hat "".ir hch als Emz elth
Arbeit mit kreativen Medien ist, gibt es immer einen abschließenden Teil; ich 1 lnfzi g Jahren eine n riesigen Bog en
entwickelte sich dann zur Emz�ltherap1e m
der Grup pe. Die
versuche immer auch auf die Uhr zu schauen, damit dieser Teil nicht zu kurz 1 npie bego nnen und
.
ikbe weg ung hat die Gest al �t�erap 1� sehr stark
kommt, wenn es darum geht zu verdauen, durchzuarbeiten, zu verstehen. Nach l intw icklung der Gruppendynam . , sowohl
einer Handlung, nach einer Aktivität ist es immer wichtig durchzukauen, zu ver­ 1 ) 111 f1 u ßt ' so daß sie ' wenn
sie als Gruppentherapie praktiziert w!fd . �. 1ch w�1' ß
·

als auch Psychoth.erapie der Grup pe 1s


dauen, loszulösen und das alle& zu assimilieren, was man gerade gegessen hat, 1 :, inze ltherapie in der Gruppe .
geistig und emotional. Dieser Teil darf nicht zu kurz kommen, sonst haben wir 1 1 j ·ht, inwi efern das auch in
der Klientenzentnerten .M �thode prakt1z1ert wird
ob es w1rk11ch ganz etwas anderes
nur erlebnisstiftende Sitzungen und Leute, die ständig 'high' sind und von einem und inwiefern die sich wirklich berühren oder
Höhepunkt zum anderen galoppieren. Das ist nicht meine Art zu arbeiten. l 'I. . n.
Sommer: Tendenziell sehe ich schon, daß sehr erlebnishungrige Menschen Sommer: Einzeltherapie in der
Gruppe hat es in diese1!1 s·mne mch .t gegebe
: Therapie der Gruppe. Die Gr � ppe wird als Ge­
sich zur Gestalttherapie hingezogen fühlen. Solche Erfahrungen mache ich im­ 1 \ s war eher immer die Rich tung n-
mer wieder. Gerade Menschen mit bestimmten Ausprägungen von sehr frühen nmtorganismus aufgefaßt, und da� wird dann eben geschaut, wie das Zusamme
Stö!"ungen, die sich nur über sehr starke Intensitäten überhaupt erleben können, piel in diesem Organismus ist.
die zieht es tatsächlich eher zur Gestalttherapie, würde ich meinen. ren Richtung lernen?
2.3 Was möc hte ich von der ande
Amendt-Lyon: Na ja, es kann eine sehr erlebnisstiftende Methode sein.
ren Richtung lernen?
Aber, wenn gut gearbeitet wird, bleibt es nicht dabei. Mod erator: Was würden Sie am liebsten von der ande
Sommer: Ja, ich wollte das noch einmal herausstreichen, was du da vorher ( liht e s Teile , die in der eigenen
Richtung ein bißchen fehle n?
Amendt-Lyon: Sofo rt fällt mir
nichts ein. Ich müßte überlegen.
u genommen schon bea�twortet, vor�er.
gesagt hast - das ist für mich etwas ganz Wesentliches -, nämlich: Es geht dar­
um, daß der Mensch Verständnis für sich selbst bekommt. Das Erleben an sich Sommer: Ich habe die Frag
e gena
e ich,
Wus ich mir von der Gestaltth
erapie mitgenommen habe, zummdest hoff
ist ein Ausdruck, der verstanden werden will.
rieren habe könn en: Ich möchte . fas � sage n, mehr
dul.I ich davo n auch etwas integ
2.2. 7 Therapieerfolg
l liß, so diese energetischere Qua
lität. Das war mir s.chon seh� w1ch t1g.
dem Wes��üstenstil. von. Fntz Perls, de� erleb
­
Moderator: Wie wird bei Ihnen Therapieerfolg beschrieben? Gibt es da un­ Amcndt-Lyon: Da ich nicht 1 m ve � ­
ich eher Ahnlichke1ten m der Halt ung,
terschiedliche Komponenten? nissti ftcnd en Stil anhä nge, sehe Wei
.
se wie
hast, und in der Art und
Amendt-Lyon: Zu einer guten Therapie gehört, daß jemand versteht, daß die �l!lnd nisv ollen Ansatz, den du beschrieben
Probleme nicht alle gelöst sind, aber der Patient oder Klient hat dann das Werk­ t d l o�stalttherapie praktiziere. . . .
zeug dazu, selbst damit umzugehen. Er oder sie ist in der Lage, mit den anfal­ s ist i n teressant, ich habe bei
der Lore Perls emmal �m .sem 1.nar
Sommer: mch t
lenden Schwierigkeiten im Leben gut umgehen zu können. Das ist ein Maß an � ' l l l l l · h t , und so wi sie strec
kenweise vorgegangen ist, hätte ich wirk hch
Integration, das ich mir wünsche, wenn Leute meine Praxis v rlassen.
206 Gestalttherapie
Gestalttherapie 207

unterscheiden können, ob das jetzt im klassischen Sinne Gestalttherapie oder im Wenn ich die beiden Persönlichkeiten von Carl Rogers und Fritz Perls in ei­
klassischen Sinne Klientenzentrierte Therapie ist. ner Metapher einander gegenüberstelle, erscheint mir, daß :er! � mit einem
.
Wildwasserbach vergleichbar ist, der sich auch hin und wieder m emen Wasser­
3 Resümee
fall hinunterstützt, und Rogers eher mit einem ruhig dahinfließenden Bach. M �n
In diesem Gespräch scheinen sich die eingangs erwähnte Ähnlic gewinnt den Eindruck, daß, wie auch Karl Somme� sagt, in der G� stalttherap1e
hkeiten im mehr 'Sensationelles' angeboten wird, auch wenn dies doch sehr mit der Pers�n
theoretischen Bereich und auch im praktischen wieder zu bestäti
gen.
Ein interessanter Vergleichsaspekt ergibt sich, wenn man die Persön des Fritz Perls selbst und in der Folge mit dem Westküstenstil verbunde? sem
lichkeiten .
der beiden Begründer betrachtet. So wie Nancy Amendt-Lyon mag. Es ist auffallend, wie stark in Zusamme?hang mit der Gestalttherapie im­
ihre Erfahrungen
mit Fritz Perls beschreibt und auch aus der Literatur entsteht ein mer wieder Fritz Perls in den Vordergrund tntt und Laura Perls und vor allem
Bild von einem
Menschen, dessen Unkonventionalität schon fast einen Eindru Paul Goodman eher im ·Hintergrund bleiben. Die Tatsache, daß an der Begrün­
ck von Anti­
Konventionalität evoziert. Er hatte zwei ältere Schwestern, von denen dung dieser psychotherapeutischen Richtung eine Frau beteiligt war, ist no�h
eine sich .
sehr um ihn kümmerte; sie folgte ihm später sogar bis nach New einmal ein Unterscheidungsmerkmal vom Personzentr1erten Ansatz. Es erschemt
York und ver­
sorgte seine Famili e. Seine Mutter räumte ihm immer alles weg mir bemerkenswert, daß eben diese Frau den Ostküstenstil prägte, der in der
und beschützte
ihn vor dem herrischen und lieblosen Vater. Die Beziehung zum Ablehnung artifizieller Techniken zugunsten echter Reaktionen sich immer mehr
Vater war sehr
schwierig und kontrovers, und Karl Sommer erwähnt hier auch der klientenzentrierten Vorgehensweise nähert.
die lebenslängli­ . .
che Kontroverse zwischen Perls und der Psychoanalyse, also der In der Entstehungsgeschichte und der Entwicklung der Th�one d er b� iden
inneren Kon­ .
troverse zwischen ihm und Freud als Vatergestalt. Perls selbst war psychotherapeutischen Schulen zeigen sich ebenfalls Unte� sch1ede, die mit �er
trotz seiner
Abneigung gegen seinen Vater ihm in seinem Umgang mit seinen realen Lebensgeschichte und der Persönlichkeit der beiden Begrunder zusa�en�an­
Kindern gen könnten. Fritz Perls, der schon aufgrun� seiner j �dischen Herkunft m semer
und seinen 'Therapiekindern' sehr ähnlich: Er war oft sehr lieblos
und in den
Therapien sehr schroff und dominant (vgl. dazu Clarkson & Macke Intellektualität sehr gefördert wurde, entwickelte sem� n Ansatz �ufgrund ver­
wyn, 1 993). .
Weitere Aspekte, die ihn geprägt haben, sind seine jüdische Herku schiedener psychologischer und philosophischer Theonen, die er � m Laufe sei­
nft, die
wahrscheinlic h sein Interesse für Kunst und seine Intellektualität ner Studien kennenlernte. Carl Rogers' Ansatz entstand aus praktischen Erfah­
gefördert hat,
sowie seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg, aus der seine Anti-E rungen, die er sowohl in seinen Beobachtung� n am Bauer�hof seiner Eltern als
stablishment­
Haltung hervorging. auch in seiner psychologischen und pädagogischen Arbeit machte. Er �ntw1k­
Rogers stammte aus einer kinderreichen amerikanischen Famili kelte Gedanken, die auch bei Ki.erkegaard und Heidegger zu finden smd. Er
e und wuchs .
in einem sehr streng christlichen, intellektuell kargen Kontext auf wurde von seinen Studenten darauf hingewiesen und bezog sich e: st nach? er auf
(vgl. dazu Ro­
gers, 1 96 1 ). Auch sei_n Vater war sehr dominant, aber Carl - diese Philosophen. Sein ganzes Leben lang blieb er �ffen für We1terent"".' 1cklun�
im Gegensatz zu
Fritz - ging der Konfrontation mit dem Vater aus dem Weg. gen seines Ansatzes und ermutigte andere dazu, we�terzudenk� n und mcht bei
Karl Sommer
meint, daß Carl Rogers sich bewußt dazu entschieden hat, seinen seinen Gedanken stehen zu bleiben. Von Fritz Perls hmgegen wird benchtet, daß
Haß auf den _
Vater nicht auszuleben, meint aber auch, daß Rogers generell er sich in einer späteren Lebensphase nicht mehr sehr f�r klinische Arbeit und
Probleme hatte,
seine aggressiven Tendenzen wahrzunehmen. Mögli chweise ist 1�orschung interessierte, sondern nur noch Demonstratlon� workshops machte,
das ein Faktor,
der bei vielen, wie auch bei Nancy Amendt-Lyon, den Eindruck einer was darauf schließen läßt, daß er nur mehr zeigen wollte, wie man ?e taltthe a­
'sanften' � �
Therapie entstehen läßt. Auch wenn Klientenzentrierte Psychotherape pie macht und daß sie in der Form, wie er sie entwickelt hat, f nkt1 mert. Fntz
uten der � ?.
Konfrontation nicht mehr aus dem Weg gehen, ist Aggression m.E. Pcr l s ist und bleibt ein sehr dominanter Vater der Gestalttherap1e, wahrend Carl
trotzdem ein
Thema, daß in diesem Ansatz noch nicht ausdiskutiert ist. Roger Rogers seinen 'Kindern' mehr eigene Wege gehen läßt.
s hat sich erst in . . . .
einer späten Lebensphase damit auseinderzusetzen begonnen. Auch Der Einfluß der Psychoanalyse macht sich m den beiden Richtungen � nter­
wenn da al­
so etwas 'fehlen ' mag, so hat die Umgangsweise Rogers' mit sch ied l ich bemerkbar. Nancy Amendt-Lyon bezeichnet die Gestalttherap1 als
dem Vater­ � .
Konflikt noch einen anderen Aspekt, der sich in der klientenzentrierten •in „zorniges Kind der Psychoanalyse" - Fritz Perl � �at seine Gestaltthe:ap1e m
psycho ­ /\h rcnzung zur Psychoanalyse entwickelt -, wobei sie betont, daß er mcht nur
therapeutischen Haltun g niederschlägt: Das, was Karl Sommer bezeich
net als . .
nus der Kränkung heraus agiert hat, sondern auch wirklic ? etwas � eues erschaf­
„Mach du Deines , wie du glaubs t; ich mach Meines, wie ich glaube
", findet sich
wieder als 'bedingungslose Wertschätzung' , di e es dem K l i enten l"n hat . 1 · h n hme an, daß sie verh i nde rn möchte, daß Fntz Perls G danken le­
ermög licht, �
sich frei und unabhä ngig von den 'cond i t i ons o r wort h ' <kr ' J 'h ·ra ·ut d i p l i ·h uls ErA •bnis • i n ·r Trotzr aktion an eschen werde � . Tatsache i s t , da � ne­
r i n 1.u ·111
w i c ke l n . lwn di· n i l' X i st • n t i · I I phi nom noln 1ri sch · n , ·dank n lUt v1 ·le psychoanalytische
·
C i1'.\'f11/1t/11•11111ic 209
208 Gc.1·tttl11!11'rt1/1!1·

daß man sich dazu


Begriffe Eingang in seine Thcori • fintl · n , 1 1 1 1 1101 1 1 1 1 1 · n , nh , wund ·lt od r ver­ zu h ·u ·ht ·n b . , · 1 m· 1 suld 11• 1 1 V rn ·h ·nsw •isc ist m.E„

s o '.l. i u l c ' Haltung strategisch einzu setzen, wie es


worfen werden. Rogers geht hier eher eigen W • ' • : Er 1 ·u rnet die von der Psy­ v1 1 l(lhr ·n lass •n kün1 1t •, di · 'n
ful frustration ' gemacht wird : Nanc y A�end_t-
choanalyse beschnebenen Phänomene nicht, aber er mißt ihnen keine besondere 1 1 1 d .,. 1 •stult t hcrap ie mit der 'skill
Dosierens' , wobei sie über � le t, ob e � w1c�tig
Bedeutung bei. Einzig Otto Rank schrieb er einen wesentlichen Einfluß auf sein 1 yon spric ht v n der 'Kun st des
ontie ren. D 1e Khen-
ein wenig zu frustrieren od�r zu konfr
Denken zu.84 Kramer ( 1 995) beschreibt sogar, wie er zu seinem Erstaunen Spu­ 1 1 , j 'man den gerade
g1s he Vorg e� en ab: D
.
1e �hera­
ren von Ranks Ideen in Rogers' gesamten Werk vorfand, sodaß er unter dem 11 111, •ntricrte Psyc hotherapie lehnt diese s strat� � em . a-�oz _ le Hal-
1
Hinweis auf Rogers' spateres Interesse für Spiritualität meint, der Geist Otto p l utin richtet sich - auch wenn
sie konfront�t1v wird oder � �
Ranks lebe in Geist, Herz und Seele von Rogers weiter. Rank wies darauf hin 1 \ l l ll' innim mt - nach ihrer Reso nanz , wobe i es � arum geht, die Khent� n em� a­
­
daß die Freudsche Interpretation der Vergangenheit Therapeut und Patient er� t l 1 1seh zu verstehen, ihr auch
in der Konfrontation kongruent und mit be_d1�
gnen, d.h. ihr das Gefü hl zu gebe n, daß sie m
laubt, sich der emotional geladenen Gegenwart zu entziehen, und betonte die '\lll •slos er Wertschätzung zu bege
Bedeutung des Hier-und-Jetzt. Auch Fritz Perls übernahm dieses Konzept von t l u ·m Agieren und Erleb en ernst geno mmen und ang�no�en wird.
Ra�k und beeinflußte damit einige humanistische und experientielle Psychothe­ L as strate gisch e Vorgehen finde
t sich auch wieder m dem, :vas Nancy
:velchem
rap1e�orme� (Cla�kson & Mackewyn, 1993, S . 1 79). Er sah die Bedeutung des m ndt-Lyon als 'Maß
schneidern' bezeichnet. Sie überlegt, . was 1.�
wäre, mach t d1esb ezug hch V �r­
Arbeitens 1m Hier-und-Jetzt insbesondere in bezug auf die 'awareness' Moment für die jewe ilige Klientin angebracht
(Achtsamkeit, Gewahrsein), einer ganzheitlichen Art des Kontaktaufnehmens chltige und geht - auch wenn wahrscheinlic h
in viel gerin gerem Maß e � Fntz
ls
t solche Vorschläg e 'am Rand e' mcht un­
mit sich und der Umwelt, die immer nur gegenwärtig geschehen kann (Bünte­ I ' rls _ direktiv vor.. Karl Sommer lehn n kom men
selbst auf solch e Idee
Ludwig, 1 984, S.249). tii·dingt ab, meint aber auch, daß eine Klientin
tät in der Gest altth erapi e läßt mich annehmen, daß das Ver-
Beide Diskussionsteilnehmer befürworten das Arbeiten im Hier-und-Jetzt k:inn . Die Direktivi
Geduld, ihr Zeit zur Entfaltung zu
beziehen aber die Vergangenheit und die Zukunft mit ein, sei es, um sie wi� 11 tiuen in die Aktualisierungstendenz und die
Nancy Amendt-Lyon gegenwärtig zu machen oder um wie Karl Sommer das l11sscn, geringer ist. . .
a, das in der Disk ussio n ange spro chen wurde, betnfft die
Gegenwärtige, das Geworden-Sein zu verstehen. Ein weiteres Them er
Unterschiede finden sich eher im praktischen Vorgehen, auch wenn die bei­ f\ , rress ion, die bei Perls sehr
viel mehr Beachtung fand als bei R ? gers. So�
bewußt dazu ent� chied en ha , seme Agg ress � on
den Diskussionsteilnehmer nicht oft divergieren. Dies mag damit zusammenhän­ �· •ht davo n aus, daß Rogers' sich . �
, beric htet aber auch , daß diese r sich seme r eigenen Aggression
gen, daß einerseits Nancy Amendt-Lyon von Laura Perls, die dem Personzen­ ui ·ht zu leben
Sommer der „Bedeu�ung d�r Ag­
trierten Ansatz nahekommt, beeinflußt ist, andererseits Karl Sommer neben der h!lufi g nicht sofort bewußt war. Selbst mißt
ischen Geschehen emen h?he�.en
klientenzentrierten auch eine gestalttherapeutische Ausbildung absolviert hat "' •ssiv ität und der Destrukti vität im therapeut hau­
u?d d �r konfrontativen Vorgehensweise sehr wohl etwas abgewinnen kann. Es St 'llenwert bei ( „ „) als dies (
) .i.n der Klientenzentrierten Psychotherapie
te� ­
„„

. , S.28 ) und mein t, daß Roge rs in seine r Vors


gibt e1mge Vertreter des klientenzentrierten Ansatzes, die das konfrontative l i , der Fall ist" (Som mer, 1994 von sei-
Kon struk tive a sgeri chtet ,
Element integrieren. Ich denke dabei an die Niederländer van Kessel und van lung , der Men sch sei im Grunde nur auf das �
en Wer ten gepr ägt war und dam it eine selektive Bewertung vor-
der Linde? , die den Schwerpunkt auf die interaktionellen Aspekte in der Psy­ 11 ·n christlich
ch?therap1e legen und dabei m.E. eher konfrontativ vorgehen. Sie führen dem nimmt. .
e zu den Kom pone nten , die in einer therapeutischen B ezteh�ng
Klienten v ?r Augen, �ie er die Beziehung gestaltet. Der Therapeut erkennt, wel­ Auf die Frag
auch Einfühlungsvermögen, e � ne
che_ Rolle ihm zug_ew1esen wird und nimmt immer wieder eine sogenannte 'a­ wirksam sind, nennt Nancy Amendt-Lyon u.a.
:
soziale 1 Haltung em, d.h. er steigt aus dem gewohnten Interaktionsstil des Kli­ I I ·dingung, die in der Klientenzentrie
rten Psychotherapie als sehr wes�nthch
: „Der Zustand der Empath1e. oder
enten aus, um ihn so dazu herauszufordern, sein rigides Verhalte�smuster zu 11n >eschen wird . Rogers sagt über Empathie
tem eines anderen genau ffilt den
übe�denken und zu erneuern (van Kessel & van der Linden, 1993). Wichtig da­ l'lllpathisch sein bedeutet, das innere Bezugssys
Bedeutun_gen .so wahrnehmen, als
bei ist, daß der Therapeut stets eine Balance zwischen Verunsichern und Stützen ·ntsprechenden emotionalen Komponenten und
zu finden weiß. Diese 'a-soziale' Haltung ist vergleichbar mit der 'skilful frus­ oh man die Person selbst wäre, ohne
jedoch die 'als ob' -S1tuat1on aufzugeben. D �s
wie
tration' aus �er Gesta�ttherapie, bei der es ebenfalls um die 'richtige Dosierung' h ·deutet das Verletztsein oder
das Vergnügen des anderen so zu empfinden,
, w�e er sie wahrnimm �h- t,
m� fmdet, und deren Ursachen so wahrzunehmen
, daß wir dies tun, als ob wir v_erlet�t o�.er verg
geht. Man konnte memen, daß van Kessel und van der Linden von der Gestalt­ · r ·s
nugt
therapie beein�ußt �urden, andererseits gibt es auch Klientenzentrierte Psycho­ 1w j ·doch jemals zu vergessen
therapeuten, die memen, diese Vorgehensweise sei nicht unbedingt n u ' sondern w r •n. ht diese s 'als ob' verloren, dann
wird daraus Identifikation. (Rog & ers
auch bei Rogers schon zu sehen. Ros ·nh ·r , 1 977, S.79) .

84 V g l . dazu auch di' B g · nung mil d •r PsychollllnlyN · Im vo1 lil •1 11111 11 l l1111tl
Gestalttherapie 21 1
2 1 0 Gestalttherapie

In der von mir gesehenen gestalttherapeutischen Literatur taucht der Begriff Vorgehensweise entwickelt, die an eine experientielle Technik erinnert: das
Empathie oder das Phänomen des Sich-In-Den-Anderen-Hineinversetzens nicht Focusing von Eugene Gendlin.
auf. Stattdessen wird sehr viel Wert gelegt, beispielsweise im Gestaltgebet, auf Abschließend möchte ich noch zur Frage „Was könnten die jeweiligen Schu­
die Unterscheidung „Ich bin ich und du bist du". Fritz Perls hat hier als Reaktion len voneinander lernen?" Stellung nehmen. Für die klientenzentrierter Seite gehe
auf die Tendenz zur 'Konfluenz', dem symbiotischen Verschmelzen von Per­ ich mit Karl Sommer konform, daß wir in der Auseinandersetzung mit dem
sönlichkeiten ohne Respekt für die Grenzen des Einzelnen (Friedman, 1 987, Thema Aggressivität oder auch Konfrontation von der Gestalttherapie etwas ler­
S . 1 38), sehr stark auf die Selbstverantwortung des Individuums gesetzt. Auch in nen können. Die Gefahr, daß die bedingungslose Wertschätzung als fortwähren­
einer wirksamen Klientenzentrierten Psychotherapie ist Wachstum der selbstver­ de Freundlichkeit ausgelegt wird, kann die Konfrontation oder die Auseinander­
antwortlichen Haltung beim Klienten zu bemerken, und das Wahrnehmen der setzung mit Aggression verhindern. Diese Gefahr muß von uns Klientenzen­
trierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gesehen werden.
eigenen Grenzen macht es der Therapeutin erst möglich, empathisch zu sein.
Allerdings ist die Stimmung in der gestalttherapeutischen Grenzwahrnehmung Nancy Amendt-Lyon fällt zu der Frage, was sie von der Klientenzentrierten
. eine andere: Hier wird der Schwerpunkt auf das Getrenntsein gelegt und die Be­ Psychotherapie lernen möchte, nichts ein, da sie den Ostküstenstil ebenfalls als
gegnung erscheint als Nebensache. Es wird versucht, die Tendenz zur Konfluenz sehr nahe dem Klientenzentrierten Vorgehen erlebt. Dennoch scheint mir, daß
eben die empathische Fähigkeit im klientenzentrierten Sinne und die bedin­
zu bekämpfen, statt sie zu verstehen. Das einfühlende Verstehen wird eher stra­
tegisch eingesetzt, d.h. die Therapeutin benützt das Verstandene für ihre Inter­ gungslose Wertschätzung auch das gestalttherapeutische Bemühen um Begeg­
nung unterstützen könnte (Cochrane & Holloway, 1 982).
ventionen und bietet es nicht dem Klienten an, damit dieser sich selbst verstehen
lernt. Friedman zitiert dazu Lore Perls: „Das sehr Problematische an seinem
(Fritz Perls) Vorgehen war, daß er nicht an der Person als solcher interessiert
war, sondern daran, was er mit ihr bewirken konnte" (a.a.O., S . 1 38). So er­
scheint es mir hier eher um kognitive soziale Perspektivenübernahme (Binder,
1 997) als um Empathie zu gehen. Die selbstverantwortliche Person ist ein ange­
strebtes Ziel der Gestalttherapie, sie ist ein absichtsloses Ergebnis einer ge­
glückten Klientenzentrierten Psychotherapie.
Interessant ist, daß auf die Frage zum Stellenwert der psychotherapeutischen
Beziehung die beiden Diskussionsteilnehmer scheinbar jeweils die Position des
anderen Ansatzes miteinbeziehen. Nancy Amendt-Lyon, indem sie die drei
Grundvariablen der Klientenzentrierten Psychotherapie nennt, Karl Sommer, in­
dem er die Expertenposition des Therapeuten in bezug auf den therapeutischen
Prozeß hervorhebt. Das bestätigt den Eindruck, daß der Ostküstenstil der Laura
Perls sich sehr dem Klientenzentrierten angenähert hat. Die Gestalttherapeutin
ist allerdings mehr Expertin als die Klientenzentrierte Therapeutin: Sie agiert
weniger von einer gleichwertigen Position aus, da sie zu wissen scheint, was für
den jeweiligen Klienten nottut, sie betätigt sich als „Maßschneiderin" und regelt
Setting und Timing.
Ein letzter Unterscheidungspunkt, den ich hervorheben möchte, ist die An­
wendung von Techniken in der Psychotherapie. Die Gestalttherapie verbindet
diese ganz eng mit dem psychotherapeutischen Vorgehen und hat eine ganze
Palette von kreativen Hilfsmitteln (der heiße Stuhl, Rollenspiele, künstlerische
Ausdrucksmittel). Auch für die Traumarbeit geht die Gestalttherapie nach ge­
wissen Techniken vor. Rogers meint, die 'core conditions' in der psychothera­
peutischen Haltung (Empathie, bedingungslose Wertschiitzu n und Kongruenz) •

wären hinreichende Bedingungen, wodurch sich e i n Z11 1 ( l' k 1• 1 • i f'l• n nuf solch
Techn i ken erübrigt. A l lerdi ngs hat sich auch i m K l k n tl· 1 111• 1 1 t 1 i1·1 trn Ansutz · i n ·

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