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Internationaler Verband der

Energieanlagenbetreiber

Energy
is us

Being Part
of the Future
Energy System
Liebe Leserinnen und Leser,

Energy is us – unter diesem Motto gehen wir den Weg in das Ener-
giesystem der Zukunft. In diesem Jahr feiert unser Verband sein
hundertjähriges Gründungsjubiläum. Die über 430 VGB-Mitglieder
aus 33 Ländern eint die Erkenntnis, dass aus der gemeinsamen
Dr. Georgios Stamatelopoulos
Verbandsarbeit wertvolle Impulse für die Entwicklung des eigenen
Vorsitzender des VGB PowerTech e.V.
Unternehmens entstehen. Diese Mehrwerte ergeben sich durch Er-
fahrungsaustausch, Wissenstransfer, Standardisierung und Innova-
tionen, die erst durch eine gemeinschaftliche Plattform wie den VGB
PowerTech möglich werden.

Wir sind fest davon überzeugt, dass wir mit unserem Know-how und
unseren Erfahrungen – sozusagen als technische Stimme – einen
wichtigen Beitrag zur Gestaltung des Energiesystems der Zukunft
leisten können. Diesen Anspruch haben wir bereits im Jahr 2019 mit
der Veröffentlichung unseres neuen Leitbildes deutlich gemacht. In
diesem White Paper formulieren wir, wie wir uns das Energiesys-
tem der Zukunft vorstellen, welche Beiträge wir als Betreiber von
Energieanlagen zu dessen Gestaltung leisten können und welche
technologischen und regulatorischen Rahmenbedingungen unseres
Erachtens dafür erforderlich sind. Dazu haben wir acht strategische
Handlungsfelder definiert, für die wir unsere Sicht zu technischen
Umsetzungsmöglichkeiten und Potenzialen erläutern und mit der
Position unserer Mitglieder, der Anlagenbetreiber, verknüpfen.

Die Anlagen unserer Mitglieder – die derzeit über eine installierte Ka-
pazität von mehr als 300 GW verfügen – sorgen schon heute dafür,
dass Energie als zentrale Lebensader der Gesellschaft zu jeder Zeit
sicher zur Verfügung steht. Um eine nachhaltige, umweltfreundliche,
sichere und wirtschaftliche Energieversorgung langfristig umzu-
setzen, ist die Zusammenarbeit aller Akteure der Energiebranche
essenziell. Wir im VGB sind bereit dafür – mit technischer Vernunft,
Augenmaß und Weitblick werden wir diese große Aufgabe gemein-
sam meistern!

3
Mit acht strategischen Handlungs-
feldern zur nachhaltigen, umwelt-
freundlichen, sicheren und wirt-
schaftlichen Energieversorgung

Der VGB ist der internationale technische Verband der Energieanla-


genbetreiber. Unsere Mitglieder sind Unternehmen, die weltweit An-
lagen zur Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung, Energiespeicherung
und Sektorkopplung betreiben. Wir bekennen uns zu dem Ziel, Wirt-
schaft und Gesellschaft klimaneutral und nachhaltig zu entwickeln,
und leisten mit unserem Know-how und unseren Aktivitäten einen
Beitrag zur Erreichung des Pariser Klimaabkommens sowie zum
europäischen Green Deal für Klimaneutralität in Europa bis 2050.

Unser Beitrag besteht darin, die erforderlichen technischen Optionen


für eine nachhaltige, umweltfreundliche, sichere und wirtschaftliche
Energieversorgung aufzuzeigen und mitzugestalten. Dabei nehmen
wir eine technologieneutrale Sicht ein und unterstützen den Auf-
bau des Energiesystems der Zukunft auf Basis unserer technischen
Kompetenz und unseres Fachwissens.

Um das Energiesystem der Zukunft zu gestalten, sind aus Sicht des


Expertennetzwerks des VGB acht strategische Handlungsfelder von
zentraler Bedeutung. Alle Akteure des Energiesektors – aus Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft – sind gefragt, ihre Beiträge zur Umset-
zung dieser Handlungsfelder zu leisten.

Wie diese Handlungsfelder aussehen und wie sich der VGB und
seine Mitglieder aktiv darin einbringen, ist Inhalt dieser Broschüre.

4
7
Nutzung der Digitalisierung
8
Entwicklung und Ausbau
1
Ausbau der
als technologischer einer modernen Energie- erneuerbaren Energien –
Wegbereiter für das infrastruktur als Fundament insbesondere in den
Energiesystem der Zukunft eines zunehmend dezentra- Bereichen Biomasse, Solar,
len Energiesystems Wasser und Wind

6
Schaffung verlässlicher
2
Stärkung der Flexibilität
Rahmenbedingungen, die im Energiesystem: alle
Anreize für eine nachhaltige, Optionen nutzen – Strom-
umweltfreundliche, wirtschaft- netze, Demand-Side-
liche und sichere Energie- Management, regelbare Erzeu-
versorgung bieten gung und Energiespeicher

5 4 3
Energy
Umsetzung einer bezahl- Anerkennung der Schlüs- Gewährleistung der Versor-

is us
baren Energieversorgung, selfunktion der Sektorkopp- gungssicherheit zu jeder Zeit
die sozioökonomische lung und Nutzung der sich und damit Deckung des Ener-
Vorteile generiert durch Technologie- und giebedarfs aller Verbraucher
Prozessvernetzung ergeben- durch regelbare Erzeugung
den Potenziale oder Energiespeicherung

5
1 Ausbau der erneuerbaren Energien

Erneuerbare Energien sind der zentrale Motor für die Ent-


wicklung des Energiesystems der Zukunft. Nur durch ihren
Ausbau sinken die Kohlendioxidemissionen und es entsteht
die Basis für eine klimaneutrale Energieversorgung. Die
wichtigsten erneuerbaren Ressourcen bilden Wasser, Wind,
Sonne und Biomasse. Allein die Wasserkraft steht derzeit
Als Wasserkraftbetreiber
für nahezu die Hälfte der weltweit installierten erneuerbaren
schätzen wir den internatio-
Stromerzeugungskapazitäten, die Ende 2019 rund
nalen Austausch zu techni-
2.516 GW betrugen – damit haben sie einen Anteil am welt-
schen und umweltrelevanten
weiten Strommix von ungefähr 27 Prozent 1.
Fragen rund um den effizi-
enten Betrieb von erneuer-
baren Erzeugungsanlagen Um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist mit einem starken

– im VGB ist dies dank des Anstieg des Anteils der erneuerbaren Energien zu rechnen.
europaweiten Kompetenz- Daher ist davon auszugehen, dass sich die jährliche Wachs-
netzwerks möglich. tumsrate von derzeit ca. acht Prozent weiter erhöhen wird.
Das Wachstum wird vor allem durch den Zubau von On- und
Dr. Karl Heinz Gruber,
Geschäftsführer von VERBUND
Offshore-Wind- sowie Photovoltaikanlagen getragen.
Wasserkraft, Mitglied des
VGB-Vorstands und Vorsitzender
des Strategic Forum „Hydro“

(1) REN21, Renewables 2020 Global Status Report, abgerufen von: www.ren21.net

Weltweit installierte Kapazität von Wasser, Wind, Solar und Biomasse


MW

2.500.000  Wasser gesamt  Wind on-/offshore  Solar PV  Biomasse gesamt

2.000.000

1.500.000

1.000.000

500.000

0
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
Quelle: IRENA

6
Im Netzwerk des VGB
können sich die Betreiber
austauschen – was gerade
Technische Bewertung und Potenziale
in der im Vergleich zu
anderen Technologien noch
Wasserkraft spielt eine wichtige Rolle, um in Europa den Umbau
relativ jungen Windbran-
des Energiesystems erfolgreich zu gestalten. Sie ist eine zuverlässi-
che essenziell ist. Damit
ge erneuerbare Energiequelle und insbesondere infolge ihres hohen
sind sie in der Lage, ge-
Wirkungsgrads und ihrer ausgereiften Technologie einer der Spitzen-
meinsam Branchenstan-
reiter bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien – 2019
dards zu entwickeln und
waren es mehr als 379 TWh bzw. 34 Prozent des erzeugten Stroms
Innovationen voranzutrei-
aus erneuerbaren Energiequellen 2. Laufwasserkraftwerke sorgen für
ben.
eine gut prognostizierbare und konstante Stromerzeugung; Pumpspei-
cher- und Speicherkraftwerke dienen vor allem zur Bereitstellung von Stefan Bogenberger,
Reserveleistung und Spitzenlast. Als regelbare Erzeugungstechnologie Leiter Erneuerbare Energien überre-
gional bei der SWM Services GmbH
kann Wasserkraft alle für einen stabilen Stromnetzbetrieb erforderlichen und Vorsitzender des Strategic Forum
Systemdienstleistungen zur Verfügung stellen. Aufgrund dieser Eigen- „Wind“

schaften wird Wasserkraft auch im Energiesystem der Zukunft eine


zentrale Rolle einnehmen. Für Europa (EU-27 sowie Großbritannien,
Island, Norwegen, Schweiz und Türkei) wird das technisch machbare
Wasserkraftpotenzial auf ca. 1.289 TWh geschätzt – das entspricht
ungefähr dem 1,3-Fachen der aktuellen Stromproduktion aus diesen
Ländern 3.

Windenergieanlagen haben sich in den vergangenen 20 Jahren tech-


nologisch enorm weiterentwickelt. Während Ende der 1990er-Jahre die
Leistung einer Windturbine noch ungefähr 500 kW betrug, liegt dieser
Wert heute bei ca. 5 MW. Zudem sind bereits Offshore-Windenergie-
anlagen bis 10 MW im Einsatz. Der starke Ausbau der On- und Off-
shore-Windenergieanlagen ist einer der Haupttreiber für die Reduktion
von Kohlendioxid. Technologische Weiterentwicklungen zielen vor allem
auf eine Leistungssteigerung und bessere Handhabbarkeit der Anla-
gen ab. Größere und intelligente Rotorblätter zählen ebenso dazu wie
neue Materialkonzepte für die Türme. Letztere dienen vor allem dazu, Hohe Betriebssicherheit bei Tag
den Transport und die Montage der Onshore-Anlagen zu vereinfachen. und Nacht: Die VGB-Betriebsda-
Bei Offshore-Wind zielen die Innovationen neben der Leistungsstei- tenbank für Windenergieanlagen
gerung auf die Entwicklung von schwimmenden Fundamenten ab – so liefert wertvolle Informationen für
lassen sich Meeresflächen mit größeren Wassertiefen für die Windkraft die Anlagenoptimierung.
erschließen. Ein weiteres wichtiges Entwicklungsthema ist die Mög-
lichkeit, mit Windenergieanlagen Systemdienstleistungen – wie z.B.
Momentanreserve – zur Verfügung zu stellen.

(2) VGB PowerTech e.V.: Zahlen und Fakten Stromerzeugung 2019/2020


(3) VGB PowerTech e.V., Eurelectric: Hydropower Fact Sheets 2018

7
Die energetische Nutzung von Biomasse – fest, flüssig oder gas-
förmig – ist durch einen hohen technologischen Reifegrad gekenn-
zeichnet. Dabei kommen thermische Kraftwerkstechnologien zum
Einsatz, die die chemische Energie von Biomasse in Wärme umwan-
deln, die in einem Wärmekraftprozess zur Strom- und Wärmeerzeu-
gung genutzt wird. Die Biomassenutzung ist eine gesicherte und
regelbare Erzeugungstechnologie, die alle Systemdienstleistungen
liefern kann. Das Ausbaupotenzial ist vor allem durch die Verfügbar-
keit nachhaltig produzierter Biomasse beschränkt. Bei der techno-
Der umweltverträgliche Ausbau von
logischen Weiterentwicklung geht es vor allem darum, die Prozess-
Wasserkraft ist ein Anliegen des VGB:
effizienz und die Brennstoffflexibilität zu erhöhen und einen stabilen
Die Relevanz von Wasserkraft für das
Betrieb sicherzustellen. Durch die Zufeuerung von Biomasse lassen
Energiesystem der Zukunft hat der
sich Kohlendioxidemissionen von Kohlekraftwerken reduzieren. Ge-
Verband gemeinsam mit Eurelectric
lingt der komplette Umstieg, können vorhandene Kohlekraftwerksin-
umfassend in den „Hydropower Fact
frastrukturen klimaneutral weitergenutzt werden.
Sheets“ dargelegt. 4

Die Sonnenenergie ist eine weitere zentrale Säule der erneuerba-


ren Energien. Bei der Nutzung mithilfe von Photovoltaik (PV)
wird Sonnen- bzw. Lichtenergie in den aus Halbleitermaterialien be-
stehenden Solarzellen direkt in elektrische Energie umgewandelt.
Die Kosten für die PV-Technologie sind in den vergangenen
15 Jahren enorm gesunken – so hat sich beispielsweise im Zeit-
raum 2006 bis 2016 der durchschnittliche Preis für PV-Dachanlagen
(pro Kilowatt installierter Leistung) auf ein Viertel reduziert. Techno-
logische Weiterentwicklungen zielen auf effizientere Solarzellen ab:
Perowskit-Solarzellen – auf bleihaltigen Ammonium-Halogeniden
basierend – sind ein Beispiel dafür. Die PV-Technologie ist modular
und kann daher in großen, netznahen Anlagen, aber auch in kleinen,
dezentralen Off-Grid-Anwendungen zum Einsatz kommen. Photo-
voltaik stellt zwar eine volatile Erzeugungstechnologie dar, sie kann
jedoch in bestimmten Regionen mit hoher, dauerhafter Sonneninten-
sität zumindest anteilig zur gesicherten Stromerzeugung beitragen.
Die International Renewable Energy Agency (IRENA) geht davon
aus, dass sich Photovoltaik im Jahr 2050 zur weltweit am stärksten
eingesetzten Stromerzeugungstechnologie entwickelt haben wird.
Insbesondere der Ausbau von PV-Dachflächen kann einen wichtigen

(4) VGB PowerTech e.V., Eurelectric: Hydropower Fact Sheets 2018

8
Beitrag dazu leisten, die Dekarbonisierung im urbanen Raum voran-
zutreiben. Ungefähr die Hälfte der globalen PV-Kapazitäten wird sich
dann IRENA zufolge in Asien befinden 5.

Neben PV stellt die Solarthermie (Concentrated Solar Power CSP)


eine weitere sonnenbasierte Stromerzeugungstechnologie dar. CSP
nutzt die Sonnenergie zur Erzeugung von Wärme, die in einem
Wärmekraftprozess in Strom umgewandelt wird. In sonnenreichen
Regionen stellt sie in Verbindung mit PV eine wirtschaftliche Option
zur klimafreundlichen und sicheren Stromversorgung dar.

Die Betreibersicht

Für eine umweltfreundliche und nachhaltige Energieversorgung ist


der stetige und intensive Ausbau der erneuerbaren Energien essen-
ziell. Volatile erneuerbare Energien wie Windenergie und Photo-
voltaik werden zusammen mit Wasserkraft und Biomasse die Haupt-
pfeiler der Energieversorgung bilden.

Der VGB hat sein weltweit bekanntes


Die VGB-Mitglieder bauen und betreiben bereits eine Vielzahl erneu- Kraftwerkskennzeichensystem
erbarer Energieanlagen unterschiedlichster Größe und Reifegrade. RDS-PP® (früher KKS) für Photovol-
Zudem beteiligen sich die Betreiber auch aktiv an der Weiterent- taikanlagen erweitert. Damit können
wicklung dieser Technologien. Der VGB bietet die Plattform für den auch diese Anlagen von einer durch-
Austausch zwischen Herstellern und Betreibern und unterstützt mit gängigen Bezeichnung profitieren.
diversen Projekten die Innovations- und Optimierungsaktivitäten.

Der VGB plädiert dafür, das Potenzial aller verfügbaren erneuerba-


ren Energien so effizient und nachhaltig wie möglich zu nutzen und
dabei auch deren Beiträge zur Systemstabilität und Versorgungssi-
cherheit zu berücksichtigen. Wichtig sind dafür auch entsprechende
regulatorische Rahmenbedingungen.

(5) IRENA: Future of solar photovoltaic, November 2019, abgerufen von: www.irena.org

9
2 Stärkung der Flexibilität
im Energiesystem

Heute tragen volatile Energieressourcen wie PV und Wind


ungefähr zehn Prozent zur globalen Stromerzeugung bei
– bis 2050 wird ihr Anteil IRENA zufolge auf ca. 60 Prozent
wachsen. Damit steigt auch der Bedarf an Flexibilität im
Energiesystem, der durch schwankende Residuallasten
entsteht. Die Residuallast ergibt sich aus dem schwan-
kenden Gesamtleistungsbedarf abzüglich der Einspeisung
volatiler Energieressourcen.

Die hier betrachtete Flexibilität kennzeichnet die Fähigkeit


des Energiesystems, Stromangebot und -nachfrage jeder-
zeit auszugleichen. Sie wird im Wesentlichen durch vier
Optionen gewährleistet:

• regelbare Erzeugung
• Energiespeicher
• Stromnetze
• Demand-Side-Management

Je flexibler ein Energiesystem ist, desto besser gelingt die


Integration zunehmender Anteile von PV und Wind.

10
Technische Bewertung und Potenziale

Regelbare Erzeugungstechnologien bilden derzeit das Rückgrat der


Systemflexibilität – in Europa stehen sie beispielsweise für 80 Prozent
der verfügbaren Flexibilitätskapazitäten 6. Zur regelbaren Erzeugung
zählen vor allem thermische Kraftwerke und Wasserkraftwerke. Deren
Flexibilität lässt sich anhand von drei Parametern charakterisieren:
Mindestlast, Lastrampen sowie An- und Abfahrzeiten. Die Mindestlast
stellt die niedrigste Last dar, bei der ein Kraftwerk unter stabilen Be-
dingungen – bei thermischen Kraftwerken ohne Zusatzbrennstoffe wie
Öl – betrieben werden kann. Die Lastrampe weist aus, wie schnell ein
Kraftwerk in bestimmter Zeit seine Leistung ändern kann. Die Anfahr-
zeit kennzeichnet die Dauer vom Start des Kraftwerksbetriebs bis zum
Erreichen der Mindestlast; die Abfahrzeit diejenige bis zum vollständi-
gen Herunterfahren.

Pumpspeicherkraftwerke weisen hervorragende Flexibilitätsparame-


ter auf – niedrige Minimallasten, hohe Lastrampen und kurze An- und
Abfahrzeiten. Bei thermischen Kraftwerken sind es vor allem Gas- und
Kohlekraftwerke, die einen wichtigen Beitrag zur Systemflexibilität leis- Die VGB-Flexibility-Toolbox für
ten. Gaskraftwerke weisen ebenfalls sehr gute Flexibilitätsparameter Kohlekraftwerke bietet einen
auf. Aber auch Braun- und Steinkohlekraftwerke lassen sich mittlerweile Überblick über Maßnahmen, die
äußerst flexibel betreiben. Kernkraftwerke können zudem dazu beitra- einen flexiblen Betrieb dieser
gen, große Lastrampen umzusetzen. Anlagen ermöglichen.

Unter Energiespeichern versteht man alle Technologien, die zu einem


bestimmten Zeitpunkt Energie speichern und sie zu einem späteren
Zeitpunkt wieder verfügbar machen. Zurzeit stellen Pumpspeicherkraft-
werke – sie speichern Strom in Form von potenzieller Energie in einem
Stausee – die ausgereifteste und weltweit am häufigsten eingesetzte
Speichertechnologie dar. Sie zählen zu den mechanischen Speicher-
systemen, zu denen auch Druckluftspeicher gehören. Ihr Ausbau ist
vor allem durch geografische Gegebenheiten begrenzt. Eine weitere
wichtige Speichertechnologie sind elektrochemische Speicher, wie z.B.
Lithium-Ionen-Batterien. Die IEA prognostiziert, dass Batterien in den
nächsten 20 Jahren die am schnellsten wachsende Flexibilitätsoption
sind – dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Kosten in
diesem Zeitraum halbieren dürften 7.

(6) IEA: World Energy Outlook 2019


(7) ebd.
11
Batteriespeicher dienen vor allem zur kurzfristigen Glättung der
Stromproduktion – ihr Beitrag zur Versorgungssicherheit ist be-
schränkt.

Bei chemischen Speichertechnologien wird Strom in chemische


Energieträger (z.B. Wasserstoff) umgewandelt, die sich in großen
Mengen und über lange Zeiträume speichern und vielfältig einsetzen
lassen. Diese als Power-to-X bekannten Prozesse bilden auch eine
wichtige Basis für die Sektorkopplung (Handlungsfeld 4). Eine weitere
vielversprechende Option sind die Strom-Wärme-Strom-Speicher, in
denen z.B. Salzschmelzen, Steinschüttungen oder Formsteine als
Wärmespeichermedium dienen. Die Wärme wird mithilfe von Strom
erzeugt, gespeichert und im Bedarfsfall mit Wärmekraftmaschinen
wieder in Strom umgewandelt.

Durch die großflächige Aggregation volatiler erneuerbarer Energien


ermöglichen Stromnetze einen systemdienlichen Glättungseffekt.
Zum Stromnetz gehören Hochspannungsübertragungsleitungen,
Mittel- und Niederspannungsleitungen im Verteilungssystem sowie
Transformatoren und Umspannwerke. Die genaue Vorhersage der
volatilen Stromerzeugung – z.B. mithilfe von Wettervorhersagedaten
– ist für den effizienten Netzbetrieb essenziell. Sie ermöglicht es
dem Systembetreiber, Betriebsreserven flexibel gemäß den Residu-
allastanforderungen einzusetzen. Verbindungen zu benachbarten
Ausgleichsbereichen – sogenannte Interconnections – sind dabei
von großem Vorteil.

Neben dem Ausbau des Übertragungsnetzes ist es vor allem wich-


tig, die Intelligenz im Verteilungsnetz zu erhöhen. Sie ist notwendig,
damit Strom in beide Richtungen fließen kann und so dezentrale An-
lagen zur Nutzung erneuerbarer Energien effizient über einen
Anschluss ins Verteilnetz integriert werden können.

Das Demand-Side-Management (DSM) stellt eine weitere Flexibili-


tätsoption dar. Private, gewerbliche und industrielle Verbraucher
passen dabei ihren Strombedarf an die Erfordernisse des Energie-
systems an.

12
DSM umfasst:

• zeitliches Verschieben des Stromverbrauchs (z.B. durch Laden


von Elektrofahrzeugen oder Benutzen von Haushaltsgeräten zu
einem späteren Zeitpunkt)

• Anpassen des Sollwerts von Geräten und Anlagen, um für eine


bestimmte Zeit mit reduziertem Verbrauch zu arbeiten (z.B. Klima-
anlage, Abwasserbehandlung und Beleuchtung)

• Unterbrechen des Stromverbrauchs in der Produktion (z.B. in


großen energieintensiven Branchen)

Um das DSM-Potenzial auszuschöpfen, müssen bestimmte techni-


sche Voraussetzungen erfüllt sein, z.B. eine genaue Messung des
Stromverbrauchs und eine digitalisierte Infrastruktur zur Fernsteue-
rung von Lasten. Darüber hinaus benötigt es einen unterstützenden
politischen und regulatorischen Rahmen mit entsprechenden Preis-
signalen und Anreizsystemen.

Die Betreibersicht

Flexibilität wird im Energiesystem der Zukunft von zentraler Bedeu-


tung sein. Mit ihren Anlagen zur regelbaren Erzeugung und zur Ener-
giespeicherung liefern die VGB-Mitglieder die notwendige Flexibilität,
die zur Deckung des Residuallastbedarfs erforderlich ist. Intelligente
Rahmenbedingungen mit entsprechenden Vergütungsmechanismen
für Flexibilität sowie Innovationsanreize sind wichtig, um vorhandene
Potenziale – z.B. im Bereich von Wasserkraft – auszuschöpfen und
neue Technologien wie Power-to-X markttauglich zu machen.

Daher engagieren sich der VGB und seine Mitgliedsunternehmen in


Forschungsprojekten und Initiativen, die auf eine Weiterentwicklung
von Energiespeichertechnologien und vernetzten Infrastrukturen ab-
zielen. Letztere bilden die Basis, um die Möglichkeiten des DSM voll
auszunutzen – insbesondere mit Blick auf die Elektromobilität und
die bedarfsgerechte Steuerung des privaten Stromverbrauchs.

13
3 Gewährleistung der
Versorgungssicherheit

Der steigende Anteil volatiler Energieressourcen erfordert


nicht nur ein hohes Maß an Flexibilität im Energiesystem,
sondern auch ein besonderes Augenmerk auf die Versor-
gungssicherheit. Es muss gewährleistet sein, dass zu jeder
Zeit und an jedem Ort der Strombedarf gedeckt wird. Die
Schwankungen in der Einspeisung von Wind und PV müs-
sen nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig ausgegli-
chen werden. So gibt es auch in Europa meteorologische
Situationen, in denen mehrere Tage oder Wochen kein Wind
weht und keine Sonne scheint. In dieser Zeit müssen regel-
bare Erzeugungskapazitäten und/oder Energiespeicher die
Versorgungssicherheit gewährleisten.

Die untenstehende Grafik zeigt die Entwicklung der Erzeu-


gungskapazitäten in Europa bis zum Jahr 2040. Zurzeit be-
trägt die maximale Spitzenlast in Europa ungefähr 540 GW.
Die derzeit geplanten regelbaren Erzeugungstechnologien
werden nicht ausreichen, um diesen Bedarf auch künftig
zu decken. Bleibt es bei dieser Planung, müsste diese
Lücke durch den Aufbau von Energiespeicherkapazitäten
im GW-Bereich geschlossen werden.

Entwicklung der Stromerzeugungskapazitäten in der EU-28


Kohle Stilllegung
Gas  2018–2025
Öl  2026–2040

Kernenergie
Kapazitätsaufbau
Wind
 2018–2025
Solar PV  2026–2040
Wasser
Bioenergie 2017–2040
Andere erneuerbare Energien  Nettoänderung
GW
-200 -100 0 100 200 300 400
Quelle: Ulreich, S., Schiffer, H.-W.: Prospects for development of power generation Europe, in: VGB PowerTech Journal 12/2019, S. 43 ff.

14
Durch den VGB gelingt
es uns, das umfassende
technische Know-how und
Technische Bewertung und Potenziale
die langjährigen Betriebs-
erfahrungen der gesamten
In einer Studie hat der VGB die Windstromproduktion in Deutschland
Branche zu bündeln und
und 17 europäischen Ländern für den Zeitraum 2015 bis 2017 darauf-
den Mitgliedern effizient
hin analysiert, ob im europäischen Netzverbund in Zeiten niedriger
zur Verfügung zu stellen.
Windstromerzeugung ausreichende Ausgleichsmöglichkeiten be-
stehen – also ob beispielsweise eine niedrige Windstromproduktion Prof. Nikolaus Elze,
im Süden Europas durch eine höhere Produktion im Norden kompen- Leiter Technik bei EnBW und Vorsit-
zender des Technical Advisory Board
sierbar wäre. Dabei zeigte sich, dass es zu keiner merklichen Glät-
tung der Gesamtproduktion kommt, sondern nur ca. fünf Prozent der
gesamten installierten Windkapazität für eine gesicherte Stromerzeu-
gung zur Verfügung stehen.

Die untenstehende Grafik, die sich auf die Situation in Deutschland


bezieht, zeigt ein ähnliches Bild. Aus den deutschen Zahlen lässt sich
abermals die Schlussfolgerung ableiten, dass in den nächsten Dekaden
ein enormer Ausbau von Speicherkapazitäten sowie regelbarer und
gesicherter Erzeugung erforderlich ist. Bei der regelbaren Erzeugung
spielen insbesondere Gasturbinen- und Gasmotorenkraftwerke eine
wichtige Rolle. Sie können mit Erdgas und zukünftig auch mit klimaneu-
tral produzierten Brennstoffen, wie z.B. Wasserstoff, betrieben werden.

In diesem Kontext kann sich das Konzept „Carbon Capture, Usage and
Storage“ (CCUS) als hilfreich erweisen. Es trägt dazu bei, dass thermi-
sche Kraftwerke – und damit regelbare und gesicherte Erzeugungsan-
lagen – ihre Kohlendioxidemissionen drastisch minimieren können.

Installierte und sichere Stromerzeugung in Deutschland (2018)


 installierte Kapazität (in MW)
 sichere Kapazität (in %)
52.444
45.929

29.767
24.462
21.033

9.515 93%
91% 6.396 7.900 5.710
91% 5.615
95% 25% 1% 4% 0% 65% 80%
Kern- Braun- Stein- Erdgas Lauf- Wind Wind Solar Bio- Pump-
energie kohle kohle wasser onshore offshore PV masse speicher

Quelle: Ulreich, S., Schiffer, H.-W.: Prospects for development of power generation Europe, in: VGB PowerTech Journal 12/2019, S. 43 ff.

15
CCUS-Technologien umfassen die Abscheidung von Kohlendioxid –
Capture – aus der Verbrennung (z.B. in thermischen Kraftwerken oder
industriellen Prozessen), den Transport dieses Kohlendioxid per Schiff
oder Pipeline sowie seine Verwendung – Usage – als Ressource für
wertvolle Produkte oder seine dauerhafte unterirdische Speicherung
– Storage – in geologischen Formationen. Bei der Speicherung unter-
scheidet man in Offshore- und Onshore-Speicherung. Insbesondere
Letztere befindet sich derzeit noch im Forschungsstadium. Die Poten-
ziale der CCUS-Technologie werden international unterschiedlich be-
wertet. In ihrem Sustainable-Development-Szenario geht die IEA jedoch
davon aus, dass sich durch den weltweiten Einsatz von CCUS bis 2030
0,7 Mrd. t Kohlendioxid und bis 2050 2,8 Mrd. t Kohlendioxid pro Jahr
einsparen lassen – dabei ist der CCUS-Einsatz zu gleichen Teilen auf
die Sektoren Energiewirtschaft und Industrie aufgeteilt 8. Im Jahr 2019
betrugen die weltweiten, energiebedingten Kohlendioxidemissionen
33 Mrd. t 9.

Die Betreibersicht
Um eine sichere und klimaneutrale
Stromversorgung zu gewährleisten, Die Versorgungssicherheit ist eines der wichtigsten Gütekriterien eines

setzen verschiedene Länder auf die Energiesystems. Um die Versorgungssicherheit auch zukünftig zu ge-

fortgesetzte oder auch erstmalige währleisten, ist der Aufbau regelbarer, gesicherter Erzeugungs- und

Nutzung von Kernenergie. Energiespeicherkapazitäten unabdingbar. Die VGB-Mitglieder sind mit

Die Gewährleistung einer höchst- ihren Anlagen bereits heute eine wichtige Stütze für die Energieversor-

möglichen Sicherheit beim Betrieb gung. Damit sie diese Rolle auch in der Zukunft weiter erfüllen können,

der Anlagen ist ein zentrales Thema sind stabile Rahmenbedingungen und ein geeignetes Marktdesign

beim Erfahrungsaustausch in den unerlässlich. Sie geben Betreibern die erforderliche Sicherheit für große

kerntechnischen Gremien des VGB. und langfristige Investitionen in neue Energieanlagen.

Zudem sind umfassende Innovationsaktivitäten erforderlich, um


Speichertechnologien und nachhaltige regelbare Erzeugungstechno-
logien, z.B. auf Basis klimaneutraler Brennstoffe, weiterzuentwickeln.
Der VGB und seine Mitglieder arbeiten in verschiedenen nationalen
und europäischen Projekten daran, diese Technologien kostengüns-
tig zum Einsatz zu bringen.

(8) IEA: World Energy Outlook 2019


(9) IEA: Global CO2 emissions in 2019

16
Anerkennung der Schlüsselfunktion
der Sektorkopplung

Unter Sektorkopplung versteht man die Verknüpfung der


Energiewirtschaft mit anderen Sektoren wie dem Transport,
der Industrie sowie der Wärme- und Kälteversorgung. Das Ziel
4
der Sektorkopplung besteht darin, mithilfe von erneuerbarem
Strom den Einsatz fossiler Energieträger in anderen Sektoren Auf dem Weg ins Ener-
zu reduzieren. Man unterscheidet in direkte und indirekte Sek- giesystem der Zukunft
torkopplung. Die direkte Sektorkopplung bezieht sich auf die gibt es noch viel Entwick-
Elektrifizierung in anderen Sektoren, wie z.B. im Transportsek- lungsarbeit zu leisten.
tor durch die Elektromobilität oder in der Wärmeversorgung Der VGB und die in ihm
durch Wärmepumpen. Für die Stabilität des Energiesystems gebündelten Kompetenzen
spielt vor allem die indirekte Sektorkopplung eine wichtige bieten eine starke Platt-
Rolle. Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) – Nutzung der (Ab-) form für gemeinschaft-
Wärme thermischer Kraftwerke für Heizzwecke – ist ein etab- liche Forschungsvorhaben,
liertes Beispiel dafür. Im Energiesystem der Zukunft spielt vor um Innovationen voranzu-
allem der Power-to-X-Ansatz eine zentrale Rolle. treiben.

Prof. Dr. Reinhold Elsen,


Der wesentliche Schritt von Power-to-X besteht in der Er- Leiter Forschung und Entwicklung bei
RWE Power und Vorsitzender des
zeugung von Wasserstoff durch den Einsatz von Strom aus Scientific Advisory Board
erneuerbaren Quellen. Dazu wird durch Elektrolyse Wasser
elektrochemisch in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Auf-
grund seiner hohen massenbezogenen Energiedichte kann
Wasserstoff auf vielfältige Weise eingesetzt werden – dafür
steht das „X“ in Power-to-X. Er lässt sich beispielsweise direkt
zur Strom- und Wärmeerzeugung, z.B. mit Gasturbinen oder
Brennstoffzellen, nutzen. Zudem kann Wasserstoff in der so-
genannten Methanisierung durch eine Reaktion mit Kohlendi-
oxid zu Methan umgewandelt werden. Aus dem synthetischen
Methan oder direkt aus Wasserstoff lassen sich mithilfe unter-
schiedlicher chemischer Verfahren flüssige Produkte bzw.
Kraftstoffe gewinnen („Gas-to-Liquid“). Kommt bei den Re-
aktionen aus einem Prozess abgeschiedenes Kohlendioxid
zum Einsatz, so ist dieser Umwandlungsprozess ein zentraler
Schritt im CCUS-Konzept (siehe Handlungsfeld 3).

17
Elektromobilität
Transport
S CO2 H 2O S
T T
stromgeführte Prozesse Gas-to- Methani- H2 Elektro-
Industrie
R Liquid sierung lyse R
+ CO2 /CO
O O
Wärmepumpen
M Kältemaschinen
Wärme/
Kälte Kraft-Wärme-Kopplung
M
}

}
DIREKTE INDIREKTE
SEKTORKOPPLUNG

Technische Bewertung und Potenziale

Vergleicht man die Energieeffizienz der direkten und indirekten Sektor-


kopplung, so liegt die Elektrifizierung deutlich vorn. Die Energieeffizienz
eines batteriebetriebenen Elektrofahrzeugs beträgt z.B. 69 Prozent, die
eines wasserstoffbasierten Brennstoffzellenfahrzeugs nur 26 Prozent;
die Gesamteffizienz einer Wärmepumpe ist über sechsmal höher als die
einer Brennstoffzellenheizung 10.
Dennoch nimmt Power-to-X eine Schlüsselrolle im Energiesystem der Zu-
kunft ein, weil durch die Umwandlung von Strom (aus erneuerbaren Quel-
len) in den Energieträger Wasserstoff eine wichtige Speichertechnologie im
GW-Maßstab zur Verfügung steht. Dazu müssen sich die Wirtschaftlichkeit
und die Dynamik der Prozesskette erhöhen. Dies gilt insbesondere für den
Elektrolysebetrieb bei Anwendungen in industriellen Größenordnungen (im
Bereich von 50 bis 100 MW installierter elektrischer Leistung je Anlage). Die
dynamische Fahrweise zielt vor allem darauf ab, den Elektrolyseprozess an
die unstete Stromzufuhr, die durch die Einspeisung volatiler erneuerbarer
Energien bedingt ist, anzupassen. Die Möglichkeit zum flexiblen Betrieb ist
auch eine zentrale Aufgabe bei der Weiterentwicklung der Methanisierung
und der Gas-to-Liquid-Syntheseverfahren. Eine weitere Herausforderung
ist der hohe Wasserverbrauch bei der Elektrolyse. Um z.B. in Deutschland
eine zweiwöchige Phase ohne Wind- und PV-Strom mithilfe von Power-to-X
zu überstehen, ist eine Wassermenge erforderlich, die dem jährlichen Ver-

(10) acatech/Leopoldina/Akademienunion: Sektorkopplung – Optionen für die nächste Phase


der Energiewende, 2017

18
brauch einer 200.000 Einwohner zählenden Stadt entspricht 11. Derzeit
laufen diverse nationale und europäische Demonstrationsprojekte, um die
Power-to-X-Technologie zur Marktreife weiterzuentwickeln. Für die optima-
le Einbindung der Power-to-X-Anlagen in das Energiesystem sind folgende
Aspekte besonders wichtig:

• S
 ie sollten sowohl in die Strom- als auch in die Gasinfrastruktur integriert
sein.

• Ihre Standorte sollten an geeigneten Knotenpunkten zwischen Strom- und


Gasnetz liegen.

• Die Steuerung der Anlagen sollte die tatsächliche Einspeisung erneuer-


barer Energien, die Residuallast sowie die Gasvolumenströme und das
Niveau der Gasspeicher gleichermaßen berücksichtigen und als integrier-
tes System betrachten.

Die Betreibersicht

Damit der Umstieg auf erneuerbare Energien gelingt, führt an der Sektor-
kopplung kein Weg vorbei. Mit Blick auf Flexibilität und Versorgungssicherheit
spielt insbesondere die indirekte Sektorkopplung eine große Rolle. Mit aus
erneuerbaren Energien erzeugtem Wasserstoff steht ein Energieträger zur
Verfügung, der die Stabilität im Energiesystem sichern kann.
Mit ihren KWK-Anlagen und Projekten zur Elektromobilität sowie zum Ein-
satz von Wärmepumpen sind die VGB-Mitglieder aktive Akteure der Sektor-
kopplung. Sie sehen es als ihre Rolle an, Sektorkopplungsanlagen zu betrei-
ben und damit die Energieversorgung flexibel und sicher zu gewährleisten.
Dabei stellt die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Unternehmen entlang
der industriellen Wertschöpfungskette einen zentralen Erfolgsfaktor dar.
VGB-Mitglieder engagieren sich in vielen Innovations- und Demonstrations-
projekten, die auf eine großtechnische Umsetzung von Power-to-X abzielen. Viele VGB-Mitglieder sind in
Dafür braucht es neben technischen Lösungen vor allem Rahmenbedingun- nationalen und europäischen
gen und Anreize, die Investitionen in den erforderlichen Größenordnungen Power-to-X-Projekten aktiv.
ermöglichen. Deshalb sind Initiativen wie die Hydrogen Roadmap der
Europäischen Kommission und die Nationale Wasserstoff-
strategie der deutschen Bundesregierung ausdrücklich zu begrüßen.
Mit seiner Wasserstoff-Plattform wird der VGB zur erfolgreichen Implemen-
tierung von Power-to-X-Technologien beitragen.

(11) Benesch, W.A.: Sector Coupling – buzzword or future of the energy supply, in:
VGB PowerTech Journal 1-2/2020, S. 36 ff.

19
5 Umsetzung einer bezahlbaren
Energieversorgung

Neben der Umweltverträglichkeit und der Versorgungssicherheit


zählt die Wirtschaftlichkeit zum Zieldreieck einer nachhaltigen
Energieversorgung. Als zentrale Lebensader der Gesellschaft
sollte die Energieversorgung für private Konsumenten bezahlbar
sein und die Wettbewerbsfähigkeit der gewerblichen und indus-
triellen Verbraucher nicht einschränken. Im Bereich der Strom-
versorgung ist für die Konsumenten und Verbraucher der Preis
je Leistungseinheit maßgebend. Dieser Preis setzt sich aus den
Kosten für die Strombeschaffung und den Vertrieb, aus Steuern
und Abgaben sowie aus Netznutzungsentgelten zusammen.

In Europa ist die Verteilung der verschiedenen Strompreisbe-


standteile von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland bei-
spielsweise setzte sich der Strompreis für private Haushalte im
Jahr 2019 zu 53 Prozent aus Steuern und Abgaben, zu 24 Prozent
aus Netznutzungsentgelten und zu 23 Prozent aus Kosten für die
Strombeschaffung und den Vertrieb zusammen 12. Damit ist weni-
ger als ein Viertel des Preises von marktbasierten Mechanismen

(12) BDEW-Strompreisanalyse, Januar 2020

Strompreise für private Haushalte, zweite Jahreshälfte 2019


EUR pro kWh

0,35
 ohne Steuern  sonstige Steuern  Mehrwertsteuer
0,30
0,25
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
Georgien
Serbien
Bulgarien
Moldawien
Türkei
Ungarn
Litauen
Malta
Kroatien
Polen
Island
Estland
Rumänien
Griechenland
Slowakei
Lettland
Slowenien
Norwegen
Tschechien
Finnland
Luxemburg
Frankreich
Niederlande
Österreich
Schweden
EU-28
Portugal
UK
Zypern
Euro-Zone
Italien
Spanien
Irland
Belgien
Deutschland
Dänemark

Quelle: Eurostat (online data codes: nrg_pc_204)

20
bestimmt. Daraus wird ersichtlich, dass zumindest in Deutsch-
land die Strombereitstellung nur einen begrenzten Einfluss auf
den Strompreis hat.

Technische Bewertung und Potenziale

Strom wird in Europa vor allem über den Großhandel vertrieben.


Einem aktuellen Report von Agora Energiewende zufolge sind die
Day-Ahead-Preise im Jahr 2019 in nahezu jedem EU-Land im Ver-
gleich zum Vorjahr gesunken sind – im Durchschnitt um ca.
5,3 Euro/MWh 13. Der starke Wettbewerb führt zu einem hohen Kos-
tendruck für Energieanlagen. Um sie wirtschaftlicher zu betreiben,
sind vor allem optimierte Betriebs- und Wartungskonzepte gefragt.
Ein hoher Automatisierungsgrad und eine intelligente Steuerung sind
für die Umsetzung dieser Konzepte wesentlich. Ein weiterer wich-
tiger Hebel für die Wirtschaftlichkeit sind die Herstellkosten für die
Energieanlagen und -komponenten. Neue und innovative Techno-
logien wie z.B. PV-Anlagen oder Batterien verfügen hierbei über ein
besonders hohes Potenzial zur Kostenreduktionen. Standards und Handlungsemp-
fehlungen sind wertvolle Instru-
mente, um den Anlagenbetrieb
Die Betreibersicht effizient und damit kostengüns-
tig zu gestalten. Im Jahr 2020
Eine bezahlbare Energieversorgung ist für das Funktionieren einer gibt es insgesamt mehr als 370
Gesellschaft essenziell. Der wirtschaftliche Betrieb von Energieanlagen VGB-Standards und -Berichte,
stellt ein zentrales Anliegen des VGB dar. Mit Erfahrungsaustauschen, die die Betreiber bei täglichen
Wissenstransfer und Standardisierung leistet der VGB einen wichtigen Aufgaben unterstützen.
Beitrag dazu, dass seine Mitglieder Anlagen zur Stromerzeugung, -spei-
cherung und Sektorkopplung so effizient wie möglich betreiben können.

Auf diese Weise tragen die VGB-Mitglieder ihren Teil dazu bei, dass
Energiepreise erschwinglich bleiben – welchen Hebel sie dabei mit
ihren Kosten zur Strombereitstellung haben, ist von den jeweiligen regu-
latorischen Rahmenbedingungen und vom Marktdesign abhängig.

(13) Agora Energiewende und Sandbag: The European Power Sector in 2019.
Up-to-Date Analysis on the Electricity Transition, March 2020

21
6 Schaffung verlässlicher
Rahmenbedingungen

Bei Energieanlagen handelt es sich um Assets mit einer


langen Lebensdauer, die in der Regel hohe Investitionen
erfordern. Die Höhe der Investitionen hängt insbesondere
von der Größe der Anlage und der Marktreife der eingesetz-
ten Technologie ab. Planungssicherheit mit vorhersehba-
ren, verlässlichen regulatorischen Rahmenbedingungen ist
deshalb für die Investitionsentscheidung von elementarer
Bedeutung. Entscheidend ist insbesondere ein Marktde-
sign, das Anreize für eine nachhaltige, umweltfreundliche,
wirtschaftliche und sichere Energieversorgung setzt. Hier-
bei sind gerade diejenigen Mechanismen wichtig, die für
Flexibilität und Versorgungssicherheit im Energiesystem
sorgen. Dafür sind gleiche Wettbewerbsbedingungen – ein
Level Playing Field – für alle relevanten Technologien er-
forderlich.

Technische Bewertung und Potenziale

Die Laufzeit für die meisten Energieanlagen beträgt mehrere Jahrzehnte.


Die untenstehende Tabelle zeigt ausgewählte Anlagentypen mit ihrer durch-
schnittlichen Lebensdauer und kapazitätsspezifischen Investitionskosten.

Lebensdauer und Investitionskosten


für verschiedene Energieanlagen
Anlage Technische Lebensdauer Investitionskosten in
in Jahren EUR pro kW (2018)
PV 25 600–1.400
Wind onshore 25 1.500–2.000
Wind offshore 25 3.100–4.700
Biogas 30 2.000–4.000
Gas- und Dampfkraftwerk 30 800–1.100

Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE: Stromgestehungskosten Erneuerbare Energie, März 2018

22
Für die Erlössituation der Energieanlagen ist das Marktdesign entschei-
dend. In offenen Märkten gibt es verschiedene Elemente oder Baustei-
ne, die nach Zeitdauer und Produkten oder Lieferungen unterschieden
werden können – von langfristigen Verträgen auf der Grundlage der
installierten Kapazität bis hin zum Intraday-Energiehandel. Kurzfristige
Märkte können eine wichtige Rolle für den flexiblen Betrieb von Ener-
gieanlagen übernehmen, indem sie Betreibern Anreize bieten, Anlagen
näher an der Echtzeit bzw. am tatsächlichen Bedarf zu betreiben.

Neben der Stromlieferung können auch andere Leistungen, die zur


Stabilität des Energiesystems beitragen, vergütet werden. Dazu zählen
z.B. die Regelenergie und Systemdienstleistungen wie beispielsweise
die Blindleistungsbereitstellung. Der Handel mit Regelenergie wurde in
mehreren Ländern wie Frankreich, Deutschland und den USA erfolg-
reich implementiert.

Ein wichtiges Instrument für die Gestaltung des Energiesystems ist der
Kohlendioxid-Zertifikate-Handel. Mit ihm steht ein marktbasierter Me-
chanismus zur Verfügung, der Anreize für die Dekarbonisierung setzt.

Der VGB engagiert sich zusam-


men mit Partnerorganisation wie
Die Betreibersicht z.B. Eurelectric und BDEW aktiv
in der Gestaltung der Rahmen-
Für die VGB-Mitglieder sind verlässliche Rahmenbedingungen das bedingungen.
Fundament ihres unternehmerischen Handelns, weil sie die Basis für
eine markt- und kundenorientierte Wirtschaft schaffen. Diese sollten so
gestaltet sein, dass sie Anreize für eine nachhaltige, umweltfreundliche,
wirtschaftliche und sichere Energieversorgung bieten. Deshalb sollten
alle systemrelevanten Leistungen – vom Strom bis zu den System-
dienstleistungen – vergütet werden.

Für eine erfolgreiche und effiziente Gestaltung des Energiesystems


sind gleiche Wettbewerbsbedingungen für Investitionen in klimaneutrale
Technologien sowie in Brückentechnologien erforderlich. Das Energie-
system der Zukunft ist auf ein vernetztes Portfolio unterschiedlicher Lö-
sungen angewiesen. Dafür ist auch ein geeigneter Rahmen für strategi-
sche Innovationen in Zukunftstechnologien unerlässlich. Der VGB liefert
die technologischen und betrieblichen Parameter zur Ausgestaltung
dieser Rahmenbedingungen.

23
7 Nutzung der Digitalisierung als
technologischer Wegbereiter

Das Energiesystem der Zukunft ist durch ein Zusam-


menspiel verschiedenster Technologien und Akteure
gekennzeichnet. Die Digitalisierung – also die informa-
tionstechnische Vernetzung im gesamten Energiewert-
schöpfungsprozess – macht es möglich, dieses komplexe
System effizient zu managen. Der Datenaustausch bildet
das Fundament dafür, Energieanlagen miteinander zu ver-
netzen und den Systembetrieb ganzheitlich zu organisie-
ren. Dafür braucht es hochautomatisierte Einzelanlagen,
in denen Betriebsdaten transparent sind und die über eine
intelligente Informationsverarbeitung verfügen.

Energieversorgungsanlagen zählen zur kritischen Infra-


struktur und unterliegen daher besonderen Sicherheits-
vorgaben. Daher spielt das Thema IT-Sicherheit eine
besonders wichtige Rolle.

Technische Bewertung und Potenziale

Die fortschreitende Verbindung der leittechnischen Systeme zur


Anlagensteuerung mit den in der Unternehmens-IT abgebildeten
Geschäftsprozessen ist einer der wesentlichen Treiber für die stetig
steigenden Anforderungen an die IT-Sicherheit. In Hacker-Kreisen
gerät die Automatisierungs- und Leittechnik zunehmend in den Fokus.
Dies zeigt sich durch eine ansteigende Zahl von entdeckten Sicher-
Der VGB-Standard „IT-Sicherheit
heitslücken sowie das Auftreten von spezialisierter Malware. Den
für Erzeugungsanlagen“ unter-
besonderen Anforderungen für die Branche werden beispielsweise
stützt die Betreiber dabei, ihre
in Europa mit dem Cyber Security Act und in Deutschland mit dem
Anlagen vor digitalen Gefahren zu
IT-Sicherheitsgesetz Rechnung getragen. Das Gesetz enthält Min-
schützen.
deststandards für die IT-Sicherheit von Anlagen der kritischen Infra-
struktur sowie Vorgaben zur Risikoeinschätzung und zur Umsetzung
von Maßnahmen.

24
Die Digitalisierung ist ein zentrales Instrument für die Optimierung
des Anlagenbetriebs. Der Einsatz hochkomplexer Modellierungen
– z.B. für Wetterprognosen oder für die Verbrennungsoptimierung
– oder der Künstlichen Intelligenz – z.B. für die Auswertung von
Betriebsdaten einer Anlagenflotte – macht die Umsetzung flexibler
Betriebskonzepte sowie eine vorausschauende Wartung und In-
standhaltung möglich.

Der Zusammenschluss vieler kleinerer dezentraler Anlagen zu einem Eine systematische und einheitliche
virtuellen Kraftwerk ist ein weiteres Beispiel für die Digitalisierung in Kennzeichnung von Energieanlagen
der Energiewirtschaft. Solche Anlagen können Stromerzeuger wie ist die Grundlage für ein effizientes
z.B. Biogas-, Windkraft-, PV- oder Wasserkraftanlagen sein, aber Datenmanagement – das Referenz-
auch Stromverbraucher, Stromspeicher oder Power-to-X-Anlagen. kennzeichensystem für Kraftwerke
RDS-PP® bzw. KKS vom VGB bietet
Zudem ist die Digitalisierung eine Voraussetzung dafür, dass ver- dafür die perfekte Basis.
schiedene Systemtechnologien zusammenwirken können. Das
gilt vor allem für die im Handlungsfeld 2 beschriebenen Flexibilitäts-
optionen.

Die Betreibersicht

Für den VGB und seine Mitglieder steht die Digitalisierung im Fokus
ihres Handelns – vor allem, weil sie einen wichtigen Motor für techno-
logische Weiterentwicklungen und die Anlagenoptimierung darstellt.
Die VGB-Mitglieder sind sich ihrer Verantwortung bewusst, dass sie mit
ihren Anlagen systemkritische Infrastrukturen betreiben. Daher nehmen
sie das Thema IT-Sicherheit sehr ernst.

Die Wettbewerbsfähigkeit der VGB-Mitglieder wird zukünftig umso mehr


von ihrer Fähigkeit abhängen, aus dem reichhaltigen Datenfundus
unternehmerische Mehrwerte zu generieren. Dies gilt sowohl für die
Effizienz des Anlagenbetriebs als auch für die Interaktion mit Kunden
und anderen Akteuren des Energiesektors.

25
8 Entwicklung und Ausbau einer
modernen Energieinfrastruktur

Zu einer modernen Energieinfrastruktur zählt neben den


Stromnetzen auch die digitale Infrastruktur, die die verschie-
denen Anlagen sowie die Akteure – z.B. in Form von virtu-
ellen Kraftwerken – miteinander vernetzt. Die Verbindung
benachbarter Übertragungsnetze durch Interconnections
trägt wesentlich zur Systemflexibilität und zur Versorgungs-
sicherheit bei. Daher hat sich die Europäische Union zum
Ziel gesetzt, den Anteil der Interconnections bis 2030 auf 15
Prozent zu erhöhen. Das bedeutet, dass jedes EU-Mitglieds-
land in der Lage sein sollte, 15 Prozent seiner Stromkapazi-
täten in seine Nachbarländer weiterzuleiten.

Über die Netz- und IT-Infrastruktur hinaus spielt auch die


Platzierung der Anlagen eine wichtige Rolle. So sollte der
Ausbau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien
Hand in Hand mit dem Stromnetzausbau gehen und die geo-
grafische Verteilung der vorhandenen Erzeugung und der
Last berücksichtigen. Ein weiteres Beispiel sind Anlagen zur
indirekten Sektorkopplung, die möglichst nah an Anlagen
zur Nutzung erneuerbarer Energien sowie an Knotenpunkten
zwischen Strom- und Gasnetz platziert sein sollten.

Technische Bewertung und Potenziale

Der VGB arbeitet an der Schnitt- Bei der Konzeption neuer Energieanlagen sollte die Möglichkeit der
stelle zwischen Energieanlage Nutzung vorhandener Kraftwerksstandorte, z.B. stillzulegender Kohle-
und Stromnetz, um gemeinsam kraftwerke, geprüft werden. Deren gut ausgebaute Infrastruktur mit den
mit allen beteiligten Akteuren (z.B. entsprechenden Anschlüssen für die Medienversorgung (z.B. Wasser),
im Rahmen der dena-Netzstudien an das Transportsystem sowie an das Stromübertragungsnetz bietet
oder ACER Network Codes) ein gute Voraussetzungen, große und neue Energieanlagen effizient in das
gegenseitiges Verständnis zu ent- System zu integrieren. Insbesondere die Wasserversorgung und die
wickeln und Anforderungen Anbindung an die Gasinfrastruktur werden für neue Anlagen, z.B. für
abzustimmen. Power-to-X-Anwendungen, eine besonders wichtige Rolle spielen.

26
Bei der Entwicklung der Stromnetze kommt das NOVA-Prinzip zur
Anwendung: Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau. Zur Ver-
stärkung der Übertragungsnetze kommen beispielsweise sogenann-
te High-Temperature-Low-Sag-Leiter zum Einsatz. Im Vergleich zu
herkömmlichen Leitern ermöglichen sie eine um 50 bis 100 Prozent
höhere Übertragungskapazität. Die Weiterentwicklung des Verteilungs-
netzes zielt darauf ab, dessen Kapazität für den Anschluss dezentraler,
kleinerer Energieanlagen zu erhöhen sowie dessen Intelligenz bzw.
Steuerbarkeit zu verbessern. Dies ist erforderlich, um den „wechsel-
seitigen Stromfluss“ bzw. „two way flow“ zu steuern – eine Situation, die
auftritt, wenn die Stromerzeugung in einem Teil des Verteilungsnetzes
den Verbrauch übersteigt und die Richtung der Stromflüsse von der
aktuellen Norm abweicht. Dazu werden leistungselektronische Betriebs-
mittel zur Lastflusssteuerung wie z.B. FACTS (Flexible AC Transmission
Systems) eingesetzt.

Für den Ausbau der digitalen Infrastruktur spielt das 5G-Netz eine
wichtige Rolle, das industrielle Anwendungen durch möglichst viele
Verbindungen mit eher geringen Datenraten und niedrigem Energiever-
brauch unterstützt. Um die Potenziale des De-
mand-Side-Managements (DSM)
zu nutzen, ist eine vernetzte IT-
Die Betreibersicht Infrastruktur unerlässlich. DSM ist
eines der Themen des VGB-Gre-
Die VGB-Mitglieder sind auf eine gute Energieinfrastruktur angewiesen. miums „Future Energy System“.
Für den Ausbau der erneuerbaren Energien sind insbesondere die Ver-
teilnetze von elementarer Bedeutung – ihre Weiterentwicklung sollte mit
hoher Priorität vorangetrieben werden. Eine moderne IT-Infrastruktur
stellt zudem eine wichtige Voraussetzung dafür dar, um die Potenziale
innovativer Technologien und Konzepte zu nutzen – z.B. im Bereich der
Künstlichen Intelligenz.

Einen aktiven Beitrag zur Gestaltung der Energiestruktur der Zukunft


können die VGB-Mitglieder mit der Standortwahl für ihre Energiean-
lagen sowie mit Konzepten zur Umnutzung vorhandener Kraftwerks-
standorte leisten.

27
Über den Unsere Mission
VGB
Als unabhängiges technisches Kompetenzzentrum und
Netzwerk unterstützen wir unsere internationalen Mitglie-
der in ihren jeweiligen Geschäftsaktivitäten sowie bei der
Umsetzung von Innovationen und strategischen Aufga-
ben. Wir sind die Stimme der Anlagenbetreiber, die sich
bei technischen Fragestellungen auch aktiv und faktenba-
siert in die politische und gesellschaftliche Debatte ein-
bringt. Die Zusammenarbeit mit allen Partnern entlang der
Energiewertschöpfungskette, insbesondere mit Herstel-
lern und Dienstleistern, ist dabei ein wesentliches Krite-
rium. Wir stehen zudem weltweit als zentraler Ansprech-
partner für alle technischen Themen rund um den Betrieb
von Energieanlagen zur Verfügung.

Gemeinsame Aktivitäten – individuelle Vorteile


Datenbanken

Standards

F&E-Projekte

Roadmaps

Konferenzen
und Workshops

28
Unsere Ziele

Unsere Aktivitäten zielen darauf ab,


• einen hohen Standard an Betriebs- und Anlagensicherheit sowie bei
der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten und
auszubauen,
• die Umweltverträglichkeit der Anlagen zu erhöhen und deren Emis-
sionsbilanz zu verbessern,
• die gemäß den Marktbedingungen optimale Verfügbarkeit und Zuver-
lässigkeit der Anlagen zu gewährleisten,
• die Effizienz und die Betriebskosten der Anlagen zu jedem Zeitpunkt
im Lebenszyklus zu optimieren,
• energietechnische Innovationen in wirtschaftliche Anwendungen zu
überführen,
• den Weg für einen marktorientierten Ausbau der erneuerbaren
Energien zu bereiten,
• Lösungen für die Sicherung der Energieversorgung und der Stabilität
des Energiesystems zu schaffen.

Im Rahmen unserer Aktivitäten


• stellen wir für unsere Mitglieder ein internationales Netzwerk und eine
Plattform für den Austausch und Transfer von technischem Know-
how bereit,
• bieten wir unseren Mitgliedern den Zugang zu qualifiziertem
Expertenwissen, z.B. in Form von Betriebs- und Verfügbarkeitsdaten-
banken für Benchmarks,
• definieren wir Best-in-Class-Prozesse sowie technische und betrieb-
liche Standards in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, z.B.
Herstellern, Dienstleistern oder Behörden,
• bieten wir technische Dienstleistungen an: von Technischem
Consulting bis hin zu Laboranalysen für Werkstoffe, Wasser und Öl,
• identifizieren, organisieren und koordinieren wir gemeinschaftliche
Forschungs- und Entwicklungsvorhaben,
• arbeiten wir eng mit nationalen und internationalen Branchenverbän-
den, wissenschaftlichen Einrichtungen und öffentlichen Institutionen
zusammen.

29
Vorteile der Ihr Nutzen
VGB-Mitglied-
schaft
• Austausch von technischen Erfahrungen und Know-how zu allen
Fragen über die gesamte Lebensdauer von Anlagen zur Strom-
und Wärmeerzeugung: Konstruktion, Engineering, Genehmigung,
Bau, Betrieb, Instandhaltung, Gesundheitsschutz & Arbeitssicher-
heit, Qualitätsmanagement, Umweltschutz, Rückbau
• Zugang zu Know-how – aus den Themenbereichen Brennstoff bis
Netz – über Gremien, Datenbanken, Informationen
• „VGB PowerTech Journal“ – die international renommierte tech-
nische Fachzeitschrift für die Strom- und Wärmeerzeugung
• Abstimmung von technischen Positionspapieren sowie Unterstüt-
zung nationaler und internationaler Partnerorganisationen
(z.B. Eurelectric, BDEW, WANO) auch in Bezug auf Gesetzge-
bungsverfahren der EU
• Abstimmung von technischen Positionspapieren z.B. mit ENTSO-E,
EPPSA, VDMA und Lieferanten
• effiziente Umsetzung von Projekten, optimierter Betrieb von Anlagen,
höhere Verfügbarkeit und Kostenoptimierung durch technische und
betriebliche Standardisierung zwischen Betreibern und Herstellern
• internationale Zusammenarbeit für besseren Zugang zu öffentlichen
Fördermitteln
• direkter Zugang zu Experten durch persönliche Kontakte, Daten-
banken sowie Online-Dienste (z.B. Benchmarks, Schadensanalyse,
Expertenbegutachtung, Mediation und Schlichtung, Expertenwissen
für das Management)
• unabhängige und qualifizierte Beratung als Teil des VGB-Experten-
netzwerks
• Sonderkonditionen für die Teilnahme an VGB-Veranstaltungen, den
Erwerb von VGB-Standards und Forschungsberichten sowie für
die Beauftragung der Technischen Dienste: Werkstoff- und Öllabor,
Wasserchemie sowie Qualitätsüberwachung und Bau- und Montage-
überwachung
• Aus- und Weiterbildung, durchgeführt vom Kraftwerksschule e.V.
und am Simulatorzentrum KSG|GfS für Kernkraftwerke

30
Bildnachweis:
Titel: shutterstock.com: IM_photo
Innenseiten: shutterstock.com: hxdbzxy, Alexander Kirch, ETAJOE,
HAJNY STUDIO, Maxim Burkovskiy, Vaclav Volrab, Martin Capek,
Fly_and_Dive, Stephen Barnes, Gorodenkoff, REDPIXEL.PL,
InaKos, Andrey Suslov, Frank Fennema

Übersicht über verwendete Quellen:


• acatech/Leopoldina/Akademienunion: Sektorkopplung – Optionen
für die nächste Phase der Energiewende, 2017
• Agora Energiewende und Sandbag: The European Power Sector in
2019. Up-to-Date Analysis on the Electricity Transition, March 2020
• BDEW-Strompreisanalyse,
 Januar 2020
• Benesch,
 W.A.: Sector Coupling – buzzword or future of the energy
supply, in: VGB PowerTech Journal 1-2/2020, S. 36 ff.
• Fraunhofer-Institut
 für Solare Energiesysteme ISE:
Stromgestehungskosten Erneuerbare Energie, März 2018
• IEA: Global CO2 emissions in 2019, abgerufen von: www.iea.org/
articles/global-co2-emissions-in-2019
• IEA: World Energy Outlook 2019
• IRENA: Future of solar photovoltaic, November 2019,
abgerufen von: www.irena.org
• Pieper, C.: Transformation of the German energy system – To-
wards photovoltaic and wind power, Technology Readiness Level
2018, Dissertation, 2019; Informationen sind in den Abschnitten
„Technische Bewertung und Potenzial“ enthalten
• REN21: Renewables 2020 Global Status Report, abgerufen von:
www.ren21.net
• Ulreich, S., Schiffer, H.-W.: Prospects for development of power gene-
Impressum
ration Europe, in: VGB PowerTech Journal 12/2019, S. 43 ff.; Grafiken
im Handlungsfeld „Gewährleistung der Versorgungssicherheit“
VGB PowerTech e.V.
• VGB PowerTech e.V., Eurelectric: Hydropower Fact Sheets 2018
Dr. Oliver Then
• VGB PowerTech e.V.: Zahlen und Fakten Stromerzeugung
Geschäftsführer
2019/2020

September 2020

31
Internationaler Verband der
Energieanlagenbetreiber

VGB PowerTech e.V.


Deilbachtal 173
45257 Essen
Deutschland
Telefon: +49 201 8128-0
www.vgb.org

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