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Die Malschicht war durch viele Eingriffe und Übermalungen, incl.

farbige Lacke, um diese zu


verschleiern, nahezu monochrom in ihrer Erscheinung. Nach der Reinigung kam erstmals seit
Jahrhunderten wieder die ursprüngliche Subtilität von Pieter Bruegels Malerweise zutage. Eine Vielzahl
von Einzelheiten konnten so wieder enthüllt werden. Die offensichtlichste Veränderung ist, dass das
Gemälde seinen warmen Rot-Ocker-Ton verloren und eine Schärfe in den Blau- und Rottönen
zurückgewonnen hat. Dadurch ist es leichter lesbar geworden, und die Tiefe der Landschaft wieder
nachvollziehbar. Ergänzungen verlorener Details konnten mit Hilfe von Kopien und Varianten der
Komposition durch Bruegels Söhne – Pieter Brueghel der Jüngere und Jan Brueghel der Jüngere –
angefertigt werden. Die beiden Brueghels arbeiteten mit dem originalen Karton ihres Vaters weiter und
überlieferten so bedeutende Elemente des Bildes.

Was zeigt die Wiener Bruegel-Ausstellung? Die Hand des Malers!


Nur knapp über 40 Gemälde haben sich von der Hand Bruegels erhalten. Mit 12 Tafeln besitzt das
Kunsthistorische Museum die weltweit größte Sammlung. Nicht zuletzt liegt dies auch daran, dass die
außerordentliche Qualität und Originalität der Bildwelten Bruegels schon im 16. Jahrhundert bemerkt
worden waren und sich die Kunstsammler unter den Habsburgern frühzeitig die prestigeträchtigen Werke
Pieter Bruegels des Älteren sicherten.

Bereits der erste Raum zelebriert die „Hand des Malers“ in Form von fotografischen Bolw-Ups. Das in
sechs Jahren entwickelte Ausstellungsprojekt wurde auf Basis von umfassenden Forschungen der
Restaurierungsabteilung gestellt. Die ins Riesenhafte vergrößerten Figürchen zeigen die lockere Hand
des Malers, den Reichtum seiner Fantasie, den Detailreichtum seiner Kompositionen.

Die großen Galeriesäle bieten in der Folge einen klassischen monografischen Überblick, ergänzt durch
die Präsentation der Ergebnisse zum kreativen Prozess des flämischen Malers. So wird Bruegels größte
Tafel – „Die Kreuztragung“ (KHM) – erstmals ungerahmt in einer Glasvitrine präsentiert. Diese ermöglicht
Vorder- und Rückseite des Werks zu betrachten: die Fragilität der Holztafel, die Qualität der Malschicht
und die rückseitige Verbindung der Holzplatten. Der Bildträger ist eine nur wenige Millimeter dünne, 5-
teilige Holztafel, deren Ränder nicht bemalt sind. Als einziges Werk der Bruegel-Sammlung des
Kunsthistorischen Museums wurde es nie beschnitten und zeigt authentisch, wie der Maler mit den
Rändern seiner Bilder umging. In den Kabinetten ist das Forschungsprojekt anschaulich gemacht. Hier
findet man einen Schwerpunkt auf Zeichnungs-Techniken (in Kooperation mit der königlichen
Universitätsbibliothek in Brüssel), den Unterzeichnungen zum Wiener „Turmbau zu Babel“, der
schrittweisen Rekonstruktion des Schaffensprozesses von „Zwei angeketteten Affen“ aus Berlin
(Gemäldegalerie) sowie der Realienkunde in Bruegels „Wimmelbild“ „Karneval und Fasching“.

Eine Auswahl von Objekten aus der Zeit Bruegels, die im „Kampf zwischen Fasching und Fasten“
dargestellt sind, soll den Betrachter dazu animieren, die Detailvielfalt dieses sogenannten Wimmelbildes
gezielt wahrzunehmen. Dadurch kann die Bedeutung der einzelnen Szenen besser erfasst werden,
sowie Bruegels unübertroffene Gabe, die Materialität der Objekte malerisch festzuhalten.

Für die Ausstellung bedeutet dies, dass Materialeinsatz und Schaffensprozess im Zentrum stehen – und
die inhaltliche Deutung der Kompositionen sowie ihre Kontextualisierung eine geringere Rolle spielen.
Die Interpretation der Bilder wird von den Kuratorinnen und Kuratoren im begleitenden Katalog kritisch
hinterfragt. Bruegel wird so auf sein Handwerk reduziert, während die geisteswissenschaftliche
Beschäftigung mit dem Renaissance-Maler, seine gesellschaftskritischen und möglicherweise auch
politischen Kommentare gänzlich ausgeblendet werden. Weder eine Auseinandersetzung Bruegels mit
niederländischen Sprichwörtern noch historisch-politische Deutungen seiner Werke werden als sicher
beurteilt. Immerhin lebte Pieter Bruegel der Ältere in einer politisch höchst schwierigen Zeit, in der sich
17 Provinzen (heute: Niederlande, Belgien, Luxemburg) gegen König Philip II. von Spanien auflehnten.
1568, ein Jahr vor Pieter Bruegels Tod, brach der 80-jährige Krieg aus, der erst 1648 mit dem Frieden
von Münster beendet werden würde.

Vom Landschaftsmaler zum Moralisten?


Schon früher wurde herausgestellt, dass die Karriere von Pieter Bruegel dem Älteren als Zeichner
begann (→ Eva Michel: „Bruegel gelang ein neuer Blick auf die Landschaft, ein neuer Realismus“). Kurz
nach seiner Rückkehr aus Italien entwarf der flämische Meister in Antwerpen Bilder für den Verlag von
Hieronymus Cock, die als Kupferstiche umgesetzt und publiziert wurden. Schon in diesen frühen
Werken, wie die in der KHM-Schau gezeigten, auf 1552 datierten Blätter zeigen, steht die Landschaft im
Zentrum des Werks.
Pieter Bruegel d. Ä. stellte sich in Tradition der flämischen „Weltlandschaft“ seit Joachim Patinier, die er
mit seinen Erfahrungen der Alpenüberquerung verband. Bruegels Landschaftsbilder erstrecken sich weit
in die Tiefe, sind detailreich und laden zum Wandern mit dem Blick ein. Zu den Charakteristika von
Bruegels Landschaften gehören auch, dass die Hauptpersonen, darunter Heilige, Pilger, Bären, in den
weitläufigen Gegenden nahezu verlieren. Dabei nutzt der Entwerfer Bruegel Baumreihen als Repoussoir
im Vordergrund, baute Kirchtürme im Mittelgrund und schließt mit verblauenden Bergen und
atmosphärischen Himmeln den Horizont ab.

Gleichzeitig eroberte sich Pieter Bruegel der Ältere auch das Figurenrepertoire von Hieronymus Bosch.
Der bereits 1517 verstorbene Künstler war um 1500 mit skurrilen Höllendarstellungen berühmt
geworden. Seine Werkstatt dürfte bis 1520 noch weiter in s‘ Hertogenbosch bestanden haben, danach
wurde Boschs Haus und wohl auch die Entwurfszeichnungen verkauft. Die kostbaren Blätter dürften über
den Kunsthandel nach Antwerpen gelangt sein, wo in den 1540er Jahren eine wahre Bosch-Manie
ausbrach. Der gerade aus Italien zurückgekehrte Bruegel verdiente sich als Entwerfer in der Bosch-
Manier einen ausgesprochen guten Ruf, so dass ein Zeitgenosse ihn sogar den „Zweiten Bosch“ nannte.
Zeichnungen und Drucke wie „Die Versuchung des hl. Antonius“ (um 1556, Oxford), aber auch in den
Allegorien „Die sieben Hauptsünden“ und „Die sieben Tugenden“ (1556–1558) ist der Einfluss von und
die Vorliebe seiner Zeitgenossen für Hieronymus Bosch leicht nachvollziehbar. Der horror vacui ist ein
wichtiger Bestandteil auch von Bruegels frühesten Figurenbildern, den sogenannten „Wimmelbildern“
„Kampf zwischen Karneval und Fasten“ (1559) sowie „Kinderspiele“ (1560 → Pieter Bruegel der Ältere:
Kinderspiele).

Monumentale Landschaftsmalerei
Die radikale Neudefinition der Landschaftsmalerei steht am Anfang von Pieter Bruegels Werk: darunter
druckgrafische Serien zu Seeschlachten (ab 1600 als Marine eine eigene Gattung), der erst 2015 als
eigenhändige Arbeit anerkannte Darstellung „Der Hafen von Neapel“ (um 1563?) und der 1565
entstandene Zyklus zu den „Jahreszeiten“. Besonders spektakulär ist, dass vier Gemälde aus dem
berühmten, einst 6-teiligen Jahreszeiten-Zyklus in Wien gemeinsam studiert werden können (→ Pieter
Bruegel der Ältere, Jäger im Schnee (Winter)). Einzig das Metropolitan Museum in New York hat sein
Bild der „Getreideernte“ nicht entliehen. Die Serie dürfte vom Antwerpener Händler Niclaes Jonglinck für
dessen Landhaus in Auftrag gegeben worden sein. Anstelle der religiösen Anbindung der Jahreszeiten
an Stundenbücher tritt nun ein humanistischer Aspekt in den Vordergrund. Naturbeobachtung – bis hin
zu wenig schmeichelnden Details wie völlig erschöpfte Jaghunde – wird zur Basis für die
Kunstausübung.

Religiöse Themen
„Der Triumph des Todes“ (nach 1562?, Prado → Pieter Bruegel der Ältere: Der Triumph des Todes) und
die „Dulle Griet“ (Antwerpen, Meyer van den Bergh), die eigens in Hinblick auf die Ausstellung restauriert
wurden, werden ihm Kunsthistorischen Museum um die Allegorie-Serien der Tugenden und
Hauptsünden gruppiert. Die närrische Margarete, so die Übersetzung des flämischen Titels, stürmt am
Hölleneingang vorbei. Bewaffnet und energisch nimmt die übergroße Figur ihr Schicksal selbst in die
Hand. Ob „Der Triumph des Todes“ und die „Dulle Griet“ zu ihrer Entstehung ein Paar bildeten, ist in der
Forschung noch immer umstritten. Da beide Bilder jüngst restauriert wurden, lässt sich in Wien vielleicht
ein abschließendes Urteil in dieser Diskussion finden.
Zu den spektakulären Bildpaaren zählen auch beide Turmbau-Tafelbilder, die zum letzten Mal in der
Ausstellung über Rudolph II. nebeneinander gezeigt wurden. Vor allem in der Wiener Fassung des
„Turmbaus“ ist auf Bruegels Ausbildung als Miniaturmaler hinzuweisen. Minutiös ausformulierte Details
treffen auf eine überzeugende Schilderung eines in den Himmel ragenden Architekturmonstrums
(→ Pieter Bruegel der Ältere, Der Turmbau zu Babel ).
Szenen aus der Kindheitsgeschichte Jesu verbinden Volkstümliches mit Grausamkeit des biblischen
Geschehens (v.a. Kindermord). Vor allem die kleinformatige „Anbetung der Könige im Schnee“ (1563,
Winterthur) und das außergewöhnliche Hochformat „Die Anbetung der Könige“ (1564, The National
Gallery, London) zeigen zwei völlig unterschiedliche Kompositionsstrategien: einmal im Überblick kaum
ausnehmbar und ein anderes Mal in Nahsicht mit Physiognomiestudien. Die kleine Eiszeit in den
Niederlanden provozierte Bruegel, sich Schnee- und Winterlandschaften zuzuwenden. Dicke
Schneeflocken hüllen die Szene in ein winterliches Weiß. Die malerische Qualität zeigt sich auch in
„Winterlandschaft mit Vogelfalle“ (1565, Brüssel) und „Bethlehemitischer Kindermord“. Der „Kindermord“
ist eine Kopie von Pieter Brueghel dem Jüngeren nach der Komposition seines Vaters. Der führe Tod
des flämischen Malers und die hohe Nachfrage nach seinen Bildern bescherten seinem ältesten Sohn
die lebenslange Beschäftigung mit den Kompositionen.

„Bauernbruegel“
Erst im 18. Jahrhundert wurde Pieter Bruegel der Ältere als „Bauernbruegel“ bezeichnet und dadurch die
künstlerischen Leistung vor allem auf die späten Werke des Künstlers reduziert. Der letzte Saal der
Ausstellung präsentiert vor allem „Bauernhochzeit“ und „Bauerntanz“ nebeneinander. „Die Elster auf dem
Galgen“ bringt eine endzeitliche Stimmung in den sonst von fröhlicher Ausgelassenheit geprägten Saal.
Mit der Gegenüberstellung des Gemäldes „Vogeldieb“ (1568, KHM) und der Zeichnung „Die Imker“
(Berlin) wird die Arbeit mit nahezu bildfüllenden Figuren herausgestellt.

Wer war Pieter Bruegel der Ältere?


Pieter Bruegel der Ältere wurde zwischen 1525 und 1530 vermutlich in Breugel oder Antwerpen geboren
(→ Pieter Bruegel der Ältere: Biografie). Er erhielt wohl eine künstlerische Ausbildung im Antwerpener
Atelier des Pieter Coecke van Aelst (Antwerpen und später Brüssel). Dessen Frau Mayken Verhulst
bildete ihn auch zum Miniaturmaler aus (um 1545–1550). Seine Anfänge verbrachte Pieter Bruegel d. Ä,
in der Werkstatt des Claude Dorizi in Mechelen. 1551 wurde er Freimeister in Antwerpen und in das
Zunftregister eingeschrieben. Aus dem Jahr 1552 datieren auch die frühesten erhaltenen und datierten
Zeichnungen der niederländischen Renaissance-Malers.
Zur weiteren Ausbildung reiste Pieter Bruegel der Ältere zwischen 1552 und 1554 nach Italien, was für
niederländisch-flämische Künstler seiner Zeit üblich war. Er fuhr wahrscheinlich über Lyon auf die
Apennin-Halbinsel und weiter bis in die Straße von Messina. Seine Reisebegleiter waren vermutlich der
Maler Maerten de Vos (1532–1603) und der Bildhauer Jacob Jonghelinck (1530–1567). Für die Jahre
1553/54 ist Bruegels Aufenthalt in Rom dokumentiert, wo er mit Giulio Clovio zusammenarbeitete. Die
Reise führte den Niederländer bis in den Süden Italiens, nach Reggio Calabria. Von seiner Überquerung
der Alpen zeugen zahlreiche gezeichnete Gebirgsdarstellungen in seinem späteren zeichnerischen,
druckgrafischen und malerischen Werk.

Nach seiner Rückkehr nach Antwerpen begann Pieter Bruegel der Ältere 1554 eine intensive
Zusammenarbeit mit dem Verleger Hieronymus Cock. Für dessen Verlag „Aux Quatre Vents“ zeichnete
er erste Landschaften (sic!), moralisierende Bilder in der Tradition von Hieronymus Bosch und
Genrebilder. Zunehmend treten der Mensch und sein Verhältnis zur Gesellschaft ins Zentrum seines
Schaffens. In den ersten drei Jahren nach seiner Rückkehr aus Italien war Pieter Bruegel nur als
Entwurfszeichner tätig.

Erst 1559 begann sich Pieter Bruegel der Ältere der Malerei zuzuwenden, was er 1562 verstärkte. Dem
beruflichen Erfolg schloss 1563 der Umzug Pieter Bruegels nach Brüssel und die Heirat mit Mayken
Coecke van Aelst, der Tochter seines vermutlichen Lehrmeisters, an. Hier war er vornehmlich als Maler
und weiterhin für Antwerpener Auftraggeber tätig. Pieter Bruegel der Ältere starb knapp über 40-jähig
1669 in Brüssel. Seine beiden Söhne Pieter Brueghel der Jüngere und Jan Brueghel führten seine
Werkstatt weiter. Pieter Brueghel der Jüngere kopierte die Entwürfe seines Vaters, während sein
jüngerer Bruder als „Samtbrueghel“ (auch „Blumenbrueghel“) die Malerdynastie weiterführte.

Eva Michel: „Bruegel gelang ein neuer Blick auf die Landschaft, ein neuer Realismus“

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