springerzahnmedizin.

de

CME
MKG-Chirurgie 2023 · 16:281–287
https://doi.org/10.1007/s12285-023-00427-z
Angenommen: 13. Juli 2023
Online publiziert: 18. August 2023
© The Author(s), under exclusive licence to
Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von
Springer Nature 2023, korrigierte Publikation 2023

Wissenschaftliche Leitung
Zertifizierte Fortbildung
Felix Blake, Bad Oldesloe
Reinhard Bschorer, Schwerin

Zur Aufklärung nichtdeutsch-

sprachiger und minderjähriger
Patienten

Karsten Fehn1,2,3 · Christina Heneka1 · Frank Sarangi1,3 · Bernd Josef Fehn1,4 ·

Max Heiland5
1
Sozietät FEHN Legal Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, Köln, Deutschland
2
Technische Hochschule Köln, Köln, Deutschland
3
Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
4
Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, Köln, Deutschland
5
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Campus Virchow-Klinikum und Campus Benjamin Franklin,
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

Zusammenfassung

Online teilnehmen unter: Dieser Beitrag befasst sich mit den besonderen Voraussetzungen der Aufklärung
www.springermedizin.de/cme minderjähriger sowie nichtdeutschsprachiger Patienten. Solchen Patienten, die kein
Deutsch sprechen, muss ein „Sprachmittler“ zur Verfügung gestellt werden, der sowohl
Für diese Fortbildungseinheit
eine angehörige Person als auch ein professioneller Dolmetscher sein kann. Die dabei
werden 3 Punkte vergeben.
möglicherweise entstehenden Kosten sind den Patienten aufzuerlegen, können bei
Kontakt Asylbewerben, die sich erst kurz in Deutschland aufhalten, und Sozialhilfeempfängern
Springer Medizin Kundenservice aber auch vom Staat übernommen werden. Bei minderjährigen Patienten ist deren
Tel. 0800 77 80 777 Fähigkeit zur Einwilligung in den Eingriff zu beachten. Eine Legaldefinition dieses
(kostenfrei in Deutschland) Begriffs existiert nicht. Der Patient muss nach der Rechtsprechung aber entsprechend
E-Mail: seiner geistigen Entwicklungsreife im Stande sein, den Eingriff und die Einwilligung
kundenservice@springermedizin.de
in diesen richtig einschätzen zu können. Behandelnde Ärzte sind dazu angehalten, in
Informationen
jedem Fall die Einwilligungsfähigkeit zu dokumentieren. Da die Einwilligungsfähigkeit
zur Teilnahme und Zertifizierung finden nicht gleichbedeutend mit der Geschäftsfähigkeit ist, kann der Arzt u. U. seinen Anspruch
Sie im CME-Fragebogen am Ende des auf Vergütung verlieren, wenn der Behandlungsvertrag ohne das Einverständnis
Beitrags. der gesetzlichen Vertreter geschlossen wird. Weiterhin sind bei Abschluss eines
Behandlungsvertrags mit dem Einverständnis der Eltern Fragen der ärztlichen
Schweigepflicht zu beachten, um einer möglichen entsprechenden Strafbarkeit
zu entgehen. Gegebenenfalls ist hier eine vorherige Schweigepflichtentbindung
erforderlich.
Schlüsselwörter
Sprachbarriere · Dolmetscher · Elterliche Einwilligung · Behandlungsvertrag · Ärztliche
Schweigepflicht

QR-Code scannen & Beitrag online lesen

Die MKG-Chirurgie 3 · 2023 281

CME
Lernziele
Nach der Lektüre dieses Beitrags wissen Sie,
– was bei der Aufklärung von Patienten zu beachten ist, die kein
Deutsch sprechen.
– welche Anforderungen durch den Arzt an die Übersetzung der
Aufklärung zu stellen sind.
– wer die Kosten einer solchen Übersetzung zu tragen hat.
– was hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit minderjähriger
Patienten zu beachten ist.
– welche Fragen bezüglich der Schweigepflicht bei Abschluss
des Behandlungsvertrags im Einverständnis der Eltern beachtet
werden müssen.
Einleitung
Im Rahmen ärztlicher Aufklärung gibt es Sonderkonstellationen,
bei denen ein besonderes Augenmerk auf zusätzliche Vorausset-
zungen des Patientengesprächs gelegt werden muss. Dies gilt
insbesondere für die Aufklärung nichtdeutschsprachiger Patien-
ten sowie für Minderjährige. Diese Sonderkonstellationen sollen
im Folgenden näher beleuchtet werden.
Aufklärungsgespräch mit nichtdeutschsprachigen
Patienten
Ein Problem ergibt sich, wenn Patienten nicht (in ausreichen-
dem Maß) der deutschen Sprache mächtig sind, weil dem Arzt
die Pflicht obliegt, eine wirksame Einwilligung einzuholen, um
die in dem mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen (und je-
dem anderen invasiven medizinischen Eingriff) liegende, objek-
tiv tatbestandliche Körperverletzung zu rechtfertigen. Hieraus
folgt die unmittelbar aus § 630 e Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
resultierende Verpflichtung des Arztes, den Patienten in seiner
Muttersprache aufzuklären, da nur so die umfassende Informati-
on über Therapie, Risiken und Alternativen gewährleistet werden
kann. Das Verstehen dieser Informationen durch den Patienten ist
denknotwendige Voraussetzung für eine rechtlich wirksame Ein-
willigung. Um dies sicherzustellen, kann der Arzt auf Kosten des
Patienten einen professionellen Dolmetscher oder einen ehren-
amtlichen „Sprachmittler“, etwa einen Familienangehörigen des
Patienten, hinzuziehen. Dem Arzt obliegt es dabei im Rahmen
seiner Möglichkeiten, zu überprüfen, ob die umgangssprachli-
che Verständigung funktioniert, nicht jedoch, ob die fachliche
Übersetzung zutreffend und vollständig ist.
Außerdem muss der Arzt die Einwilligung des Patienten zur
Aufhebung der Schweigepflicht (§ 9 Musterberufsordnung Ärzte
[MBO-Ä], § 7 Musterberufsordnung Zahnärzte [MBO-Z], § 203 Straf-
gesetzbuch [StGB]) gegenüber dem Dolmetscher bzw. Sprachmitt-
ler einholen und dokumentieren.1 Sieht der Arzt Anlass zu Zweifeln
an einem ausreichenden Verständnis des Sprachmittlers, muss er
diesen als Übersetzer ablehnen und den Patienten um adäquaten
Ersatz ersuchen. Verschließt sich ein Patient diesem Vorgehen oder
kann trotz ernsthafter Bemühungen eine Verständigung mit dem
1 OLG Köln, Urt. v. 09.12.2015–5 U 184/14.
282 Die MKG-Chirurgie 3 · 2023
Abstract
Informed consent from non-German-speaking and
minor patients
This article deals with the special requirements for information prior to
treatment of minors and non-German-speaking patients. Those who do
not speak German must be provided with a “language mediator,” who can
be either a relative or a professional interpreter. The translation costs have
to be charged to the patients, but may also be borne by the state in the
case of asylum seekers who have only been in Germany for a short period
of time as well as welfare recipients. In the case of minor patients, their
ability to consent to the procedure must be taken into account. There
is no legal definition of this term, but according to jurisprudence, the
patient must have the mental maturity to correctly assess the treatment
and their consent to it. Treating physicians are required to record the
patient’s capacity to consent in every case. Since capacity to consent is
not the same as legal capacity to enter contracts, the physician may lose
their entitlement to compensation if the treatment contract is arranged
without the consent of the minor patients’ legal representatives (parents).
Furthermore, when concluding a treatment contract with the parents’
consent, issues of medical confidentiality must be considered in order to
avoid possible criminal liability. In certain cases, a prior release from the
obligation to maintain confidentiality may be required.
Keywords
Language barriers · Interpreter · Parental consent · Treatment contract ·
Medical confidentiality
Patienten nicht erfolgen, kann der Arzt ohne Verstoß gegen berufs-
oder vertragsrechtliche Regelungen die Behandlung verweigern,
sofern es sich nicht um einen Notfall handelt. In Notfällen hat die
Hilfeleistungspflicht des Arztes Vorrang.2
7 Merke
Patienten, die kein Deutsch sprechen, ist ein von der Schweigepflicht zu
entbindender „Sprachmittler“ zur Verfügung zu stellen. Wichtig ist da-
bei, dass die Patienten den Aufklärungsinhalt verstehen.
Die Kosten für einen Dolmetscher fallen dem Patienten zur Last.3 Ein
Anspruch auf Übernahme der Dolmetscherkosten gegenüber der
gesetzlichen Krankenversicherung besteht dabei im ambulan-
ten Bereich unstreitig nicht.4 Im stationären Bereich wird teilweise
die Ansicht vertreten, die Dolmetscherkosten seien Krankenhaus-
leistungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz
(KHEntgG), was aber nicht überzeugt und wohl überwiegend ab-
gelehnt wird.5 Bei Asylbewerbern kann eine Kostenübernahme
hingegen jedenfalls in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts
gemäß § 4 und § 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Be-
tracht kommen. Bei Asylbewerbern, die sich bereits länger in
2 OLG Köln, Urt. v. 09.12.2015–5 U 184/14.
3
OLG Köln, Urt. v. 09.12.2015–5 U 184/14; Wienke, Ärztliche Aufklärung
fremdsprachiger Patienten – Neue Anforderungen! https://thieme-
compliance.de/fileadmin/user_upload/Juristischer_Beitrag/Feburar_
2017.pdf Schulenburg, Rheinisches Ärzteblatt 8/2015, S. 20.
4 BSG, Urt. v. 10.05.1995, 1 RK 20/94; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt.
v. 23.01.2018, L 4 KR 147/14; Deutscher Bundestag, WD-9-3000-021/17,
Dolmetscher im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung, Anspruch und
Kostenübernahme, S. 6.
5 Deutscher Bundestag, WD-9-3000-021/17, a. a. O. m. w. N.
Deutschland aufhalten, und bei Sozialhilfeempfängern kommt ei-
ne Kostenübernahme auf der Grundlage des § 2 AsylbLG und des
§ 73 Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Betracht.6
7 Merke
Die Übersetzungskosten sind vom Patienten zu tragen. Nur in Aus-
nahmefällen werden solche Kosten bei Sozialhilfeempfängern sowie
Asylbewerbern, die erst kurz in Deutschland leben, auf Grundlage des
AsylbLG und SGB XII vom Staat übernommen.
Aufklärung Minderjähriger
Da die Einwilligungsfähigkeit keine Geschäftsfähigkeit im Sinne
der §§ 104 ff. BGB voraussetzt, sie unabhängig von der Schuldfähig-
keit im Sinne des § 19 StGB ist und es keine explizite Regelung zur
Altersgrenze der Einwilligungsfähigkeit gibt, können u. U. auch
Minderjährige einwilligungsfähig sein. Das Bestehen der Einwil-
ligungsfähigkeit hängt vielmehr davon ab, ob der Minderjährige
„nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Trag-
weite des Eingriffes und seiner Gestattung zu ermessen vermag.“7
Einigkeit scheint in der Rechtsliteratur jedoch darin zu bestehen,
dass Kinder unter 14 Jahren grundsätzlich einwilligungsunfähig
sein sollen und ab dem 14. Lebensjahr im Einzelfall Einwilligungs-
fähigkeit gegeben sein kann.8
Die Festlegung auf eine Altersgrenze ist indes nach der vorge-
gebenen Formel des Bundesgerichtshofs nicht zwingend. Hiernach
könnte vielmehr auch ein Minderjähriger, der jünger ist als 14 Jahre,
u. U. in einfache, risikolose bzw. risikoarme, ihm möglicherweise
aus Vorbehandlungen schon bekannte Maßnahmen wirksam ein-
willigen.
Bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren ist der Arzt
gehalten,dienatürlicheEinsichts-,Urteils- und Verständnisfähigkeit
in jedem Einzelfall festzustellen und zu dokumentieren. Dabei
wird er zum einen auf das Lebensalter abzustellen haben und
zum anderen auf die Art der Krankheit, die Art und Schwere
der geplanten (zahn)ärztlichen Maßnahme, deren Dringlichkeit,
Risikopotenzial und mögliche körperliche Auswirkungen. Dabei
gilt der Grundsatz, dass die Einwilligungsfähigkeit umso eher fehlt,
desto weniger dringlich der Eingriff ist und desto schwerwiegender
und unübersehbarer seine Risiken und Folgen sind.9
7 Merke
Die Einwilligungsfähigkeit ist nicht mit der Geschäftsfähigkeit gleichzu-
setzen und für jeden minderjährigen Patienten individuell festzustellen
sowie zu dokumentieren.
6 von dem Minderjährigen von dieser nicht gegenüber seinen Eltern
Deutscher Bundestag, WD-9-3000-021/17, a. a. O., S. 8 f. m. w. N.
7
BGHZ 29, 33, 36.
8 K. Fehn, Strafrechtliche Compliance in der (oral)chirurgischen Praxis,
insbesondere bei ambulanten Operationen in Vollnarkosen, 2017, S. 76 f.
m. w. N.
9 BGHSt 12, 379, 382; K. Fehn, Strafrechtliche Compliance in der
(oral)chirurgischen Praxis, insbesondere bei ambulanten Operationen in
Vollnarkosen, 2017, S. 77 m. w. N.
Stellt der Arzt nach den vorstehenden Grundsätzen fest, dass der
Minderjährige nach seiner Überzeugung einwilligungsfähig ist,
sind die Gründe, die zu dieser Annahme geführt haben, zu doku-
mentieren. Sodann ist folgerichtig ausschließlich der Minderjährige
aufzuklären; die ärztliche Schweigepflicht (§ 9 MBO-Ä, § 7 MBO-Z,
§ 203 StGB) gilt in diesem Fall – vorbehaltlich der nachfolgenden
Ausführungen – auch gegenüber den Eltern des Minderjährigen.
Zu beachten ist, dass insoweit die therapeutische und die wirt-
schaftliche Aufklärungspflicht Hand in Hand gehen, d. h. kann
der Minderjährige eigenständig in eine invasive medizinische Be-
handlung einwilligen, muss er auch über die damit verbundenen
Kosten aufgeklärt werden (§ 630 c Abs. 2 BGB). Allerdings ergibt
sich diesbezüglich eine rechtliche Besonderheit, wie nachfolgend
ausgeführt wird.
Da der Vergütungsanspruch des Arztes aus einem Behand-
CME
lungsvertrag resultiert (§ 630 a Abs. 1 BGB), müssen die Ver-
tragspartner geschäftsfähig sein, um einen wirksamen Vertrags-
schluss herbeiführen zu können. Minderjährige, die im Einzelfall
einwilligungsfähig sind, sind indes nur beschränkt geschäftsfähig
(§ 106 BGB) mit der Folge, dass sie nur solche Verträge schlie-
ßen können, die für sie ausschließlich rechtlich vorteilhaft sind
(§ 107 BGB). Schließt ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähri-
ger Verträge ab, die nicht nur rechtlich vorteilhaft sind, sind diese
bis zur Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter schwebend
unwirksam. Da aus dem Behandlungsvertrag eine Vergütungs-
pflicht resultiert, handelt es sich jedenfalls dann um einen nicht
ausschließlich rechtlich vorteilhaften Vertrag, wenn Behandlungs-
maßnahmen in Rede stehen, die nicht vollständig über das Sach-
leistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 SGB V)
abgedeckt sind, d. h. wenn der Patient privat krankenversichert
ist, oder bei Leistungen, die im Fall gesetzlicher Krankenversiche-
rung nicht von dieser bezahlt werden.
Der Arzt muss also bedenken, dass er seinen Vergütungsan-
spruch in den vorgenannten Fallkonstellationen trotz erbrachter
Behandlungsleistung verlieren kann, wenn die Eltern den Ab-
schluss des Behandlungsvertrages nachträglich nicht genehmigen.
Hiergegen wird man wohl auch nicht einwenden können, dass
die nachträgliche Verweigerung der Genehmigung des Behand-
lungsvertrages einen Verstoß der Eltern gegen ihre Verpflichtung
zur Personensorge darstellt (§ 1626 BGB), da die Behandlung ja
bereits erfolgt ist.
Es kann mithin aufgrund des Auseinanderfallens von Einwil-
ligungsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit dazu kommen, dass der
Minderjährige zwar eigenständig rechtswirksam in die Heilbehand-
lung einwilligen, ohne Zustimmung der Eltern aber rechtswirksam
keinen Behandlungsvertrag schließen kann. Will der Arzt seinen
Vergütungsanspruch erhalten, muss er die Eltern also informie-
ren, dabei aber dennoch seine Schweigepflicht beachten, soweit er
entbunden wird. Das bedeutet, dass der Arzt den Eltern nur die-
jenigen Informationen mitteilen darf, die unbedingt erforderlich
sind, um diese in die Lage zu versetzen, über die Genehmigung
des Behandlungsvertrages zu entscheiden. Solange die Vergütung
des Arztes nicht gesichert ist, kann dieser allerdings ohne Ver-
stoß gegen Berufs- oder Vertragsrecht die Behandlung ablehnen,
da es sich bei einem Behandlungsvertrag um einen Vertrag han-
Die MKG-Chirurgie 3 · 2023 283
CME
delt, dessen Leistung und Gegenleistung in einem abhängigen
Austauschverhältnis (Synallagma) stehen. Die Ausnahme hiervon
stellt die erforderliche Notfallbehandlung dar, zu welcher der Arzt
schon unter dem Gesichtspunkt des § 323 c StGB (unterlassene
Hilfeleistung, allgemeine Hilfeleistungspflicht) immer verpflichtet
bleibt.
7 Merke
Bei minderjährigen Patienten besteht jedenfalls bei privatärztlichen
Leistungen kein Anspruch auf Behandlungsvergütung, wenn die ge-
setzlichen Vertreter (i. d. R. die Eltern) den vom Minderjährigen schwe-
bend unwirksam geschlossenen Behandlungsvertrag nicht genehmi-
gen. Bei Einholung dieser Genehmigung gilt die ärztliche Schweige-
pflicht gegenüber den gesetzlichen Vertretern grundsätzlich jedoch
weiter.
Kommt der Arzt zu dem Ergebnis, dass bei einem Minderjährigen
die Einwilligungsfähigkeit nicht gegeben ist, hat er die Zustim-
mung beider Elternteile einzuholen, da diese gemeinschaftlich
als gesetzliche Vertreter fungieren (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). In
der Praxis stellt sich hierbei jedoch häufig das Problem, dass nur
ein Elternteil mit dem Minderjährigen zur Behandlung erscheint.
Hierzu hat der BGH die sog. Dreistufentheorie entwickelt, bei
der zwischen 1) Routineeingriffen, 2) (zahn)ärztlichen Eingriffen
schwererer Art mit nicht unbedeutenden Risiken und 3) großen
Operationen mit schwierigen, weitreichenden Entscheidungen und
erheblichen Risiken für das Kind differenziert wird.10 Bei Maßnah-
men der Kategorie 1 darf sich der Arzt ungefragt darauf verlassen,
dass der erschienene Elternteil zum Handeln für den zweiten El-
ternteil ermächtigt ist. Stehen Maßnahmen der Kategorie 2 an,
muss sich der Arzt vergewissern, ob der erschienene Elternteil über
eine Ermächtigung des zweiten Elternteils verfügt und wie weit
diese reicht, d. h. er muss i. d. R. konkret nachfragen. Bei Kategorie 3
muss sich der Arzt schließlich Gewissheit darüber verschaffen, dass
auch der nichterschienene Elternteil einverstanden ist.
7 Merke
Je schwerer der Eingriff, desto eher ist von einer fehlenden Einwilli-
gungsfähigkeit des Minderjährigen auszugehen, sodass auf die Einwil-
ligung der Eltern abzustellen ist.
Auch im Fall fehlender Einwilligungsfähigkeit muss der Arzt aber
mit dem Patienten –wie bei einem unter Betreuung stehenden –
zumindest ein Informationsgespräch führen (§ 630 c Abs. 2 BGB),
dessen Inhalt an dessen Verständnisfähigkeit angepasst ist.
Unter dem Gesichtspunkt größtmöglicher Vorsorge ist dem
Arzt zusammenfassend im eigenen rechtlichen Interesse zu raten,
bei Minderjährigen unter 14 Jahren im Zweifel auf die Einwilligung
der gesetzlichen Vertreter, i. d. R. der Eltern, zurückzugreifen.
Es zeigt sich, dass die besprochenen Sonderkonstellationen
einige Fallstricke beinhalten, die zu vermeiden sind. Wird dies
vernachlässigt, drohen der Verlust der Behandlungsvergütung und
eventuelle strafrechtliche Konsequenzen. Hier gilt es besonders,
10
Grundlegend BGH, NJW 1988, 2946 ff.; vgl. auch BGH, NJW 2007, 217 f.
284 Die MKG-Chirurgie 3 · 2023
die Anforderungen an die Patientenaufklärung einzuhalten, um
solche Nachteile zu umgehen.
Fazit für die Praxis
5 Nichtdeutschsprachigen Patienten muss bei der ärztlichen Aufklä-
rung ein Sprachmittler zur Seite gestellt werden. Dies kann entweder
ein Angehöriger bzw. Bekannter oder ein vereidigter Dolmetscher
sein.
5 Es muss sichergestellt sein, dass die Patienten den Sinngehalt der
Aufklärung verstehen.
5 Bei minderjährigen Patienten bedarf es einer individuellen Einschät-
zung hinsichtlich deren Einwilligungsfähigkeit.
5 Bei Abschluss des Behandlungsvertrags muss ggf. das Einverständ-
nis der Eltern eingeholt werden, wobei grundsätzlich weiterhin die
ärztliche Schweigepflicht zu beachten ist.
5 Wird ein Behandlungsvertrag mit einem Minderjährigen später von
den Eltern nicht genehmigt, kann der Arzt, jedenfalls bei Privatleis-
tungen, seinen Vergütungsanspruch verlieren.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Dr. Karsten Fehn
Sozietät FEHN Legal Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB
Konrad-Adenauer-Ufer 65, 50668 Köln, Deutschland
k.fehn@fehn-legal.de
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden
Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und
Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen
und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.
Autoren. K. Fehn: A. Finanzielle Interessen: Wir sind Rechtsanwälte und von Berufs
wegen (Rechts-) Berater und beraten zahlreiche Leistungserbringer in Bezug auf das
Thema des Beitrags. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Niedergelassener Rechtsanwalt,
ordentlicher Professor für Strafrecht und öffentliches Recht an der Technischen Hoch-
schule Köln, Lehrbeauftragter an der Universität Witten/Herdecke | Mitgliedschaften:
In diversen anwaltlichen Berufsvereinigungen und Fachgesellschaften. C. Heneka:
A. Finanzielle Interessen: C. Heneka gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt
besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Angestellte Rechtsanwältin/Fachanwältin
für Medizinrecht in der Kanzlei Fehn Legal. F. Sarangi: A. Finanzielle Interessen: F. Sa-
rangi gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle
Interessen: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht. Ich berate medizinische Leis-
tungserbringer prozessual und außergerichtlich im Medizinrecht. Darüber hinaus
unterrichte ich als Lehrbeauftragter an der Fakultät für Gesundheit der Universität
Witten Herdecke. B.J. Fehn: A. Finanzielle Interessen: B. J. Fehn gibt an, dass kein fi-
nanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Rechtsanwalt
und Steuerberater; Partner der FEHN Legal Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB
Köln/Düsseldorf/Hamburg | Mitgliedschaften: Tax & Legal Excellence; Mitglied sowie
Zertifizierter Verteidiger für Steuerstrafrecht und für Wirtschaftsstrafrecht des DSV
(Deutscher Strafverteidiger Verband e. V.); Assoziiertes Mitglied der Institute für Po-
lizei- und Kriminalwissenschaften (IPK) und für Geschichte und Ethik der Polizei und
öffentlichen | Verwaltung (IGE) der HSPV NRW (Hochschule für Polizei und öffentliche
Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen). M. Heiland: A. Finanzielle Interessen:
M. Heiland gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinan-
zielle Interessen: Klinikdirektor für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Charité –
Universitätsmedizin Berlin, Vorstandsmitglied der DGMKG, stellv. Ausschussvorsit-
zender Ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus des Spifa, Chair of the European Board der
AOCMF. geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Wissenschaftliche Leitung. Die vollständige Erklärung zum Interessenkonflikt der

Wissenschaftlichen Leitung finden Sie am Kurs der zertifizierten Fortbildung auf www.
springermedizin.de/cme.

Der Verlag erklärt, dass für die Publikation dieser CME-Fortbildung keine Sponsoren-
gelder an den Verlag fließen.

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CME
ren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen
ethischen Richtlinien.

Dieser CME-Beitrag basiert auf dem Beitrag „Basiswissen zur ärztlichen Aufklärung
in der MKG-Chirurgie – Ein Praktiker-Update“ (https://doi.org/10.1007/s12285-023-
00424-2), ebenfalls erschienen in Die MKG-Chirurgie 3/2023.

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Die MKG-Chirurgie 3 · 2023 285

CME-Fragebogen
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Zur Aufklärung nichtdeutschsprachiger und

minderjähriger Patienten

Zu den Kursen dieser Zeitschrift: Scannen Sie den QR-Code

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? Wer kommt als Übersetzer bei nicht-
deutschsprachigen Patienten für ein
Aufklärungsgespräch am wenigsten
infrage?
◯ Volljährige Familienangehörige
◯ Professionelle Dolmetscher
◯ Bekannte des Patienten, die zur Begleitung
dabei sind
◯ Minderjährige Kinder im Kindergartenalter
◯ Eine zahnmedizinische Fachangestellte,
die die Muttersprache des Patienten be-
herrscht
? Was muss durch den Arzt beim Hinzu-
ziehen eines Sprachmittlers unbedingt
überprüft werden?
◯ Grammatikalische Korrektheit der Überset-
zung
◯ Korrekte Übersetzung von Fachtermini
◯ Funktionalität der umgangssprachlichen
Übersetzung
◯ Fachliche Korrektheit der Übersetzung
◯ Vollständigkeit der Übersetzung
? Sie behandeln einen Patienten, der
nicht deutsch spricht und in Beglei-
tung eines Dolmetschers zur Behand-
lung erscheint. Was müssen Sie bei
Anwesenheit eines Dolmetschers in je-
dem Fall einholen und protokollieren?
◯ Schweigepflichtsentbindung
◯ Nachweis über die Zulassung als Dolmet-
scher
◯ Unbefangenheitserklärung
◯ Private Adresse des Dolmetschers
◯ Nachweis über mind. 2 Jahre Berufserfah-
rung
? Was ist Voraussetzung für eine recht-
lich wirksame Einwilligung eines Pati-
enten?
◯ Verstehen von Informationen über Thera-
pie, Risiken und Alternativen
◯ Unterschrift auf einem Aufklärungsbogen
◯ Anwesenheit des Ehepartners
◯ Unterschrift auf einem Mehrkostenformu-
lar
◯ Ausreichend vorhandenes schriftliches
Informationsmaterial
? Wer muss prinzipiell die Kosten für
einen Dolmetscher tragen?
◯ Gesetzliche Krankenversicherung
◯ Behandler
◯ Haftpflichtversicherung
◯ Patient
◯ Krankenhäuser
? Welche Voraussetzungen müssen für
die Einwilligungsfähigkeit bei Minder-
jährigen vor einem (zahn)ärztlichen
Eingriff zwingend vorliegen?
◯ Vollendung des 10. Lebensjahres
◯ Vollendung des 16. Lebensjahres
◯ Leistung von Vorauszahlungen
◯ Vorliegen von geistiger/sittlicher Reife, um
Bedeutung und Tragweite zu ermessen
◯ Vorliegendes Einverständnis von beiden
Elternteilen
? Welche gesetzliche Grundlage (allge-
meine Hilfeleistungspflicht) sichert
die Versorgung von Minderjährigen
im Notfall auch ohne Zustimmung der
Eltern?
◯ § 1629 BGB
◯ § 1626 BGB
◯ § 2 SGB V
◯ § 323c StGB
◯ § 203 StGB
? Eine 7-jährige Patientin erscheint in
Begleitung ihrer Mutter zu einem Kon-
trolltermin in Ihrer Praxis. Wie müssen
Sie in dieser Situation bezüglich des
Einverständnisses des anderen Eltern-
teils verfahren, wenn Sie neben der
Kontrolle noch eine Zahnreinigung
planen?
◯ Die Patientin ist einwilligungsfähig und
kann somit eigenständig über die Behand-
lung entscheiden.
◯ Da es sich um einen Routineeingriff han-
delt, reicht die Einwilligung der Mutter
aus.
◯ Es handelt sich hier um einen Eingriff
schwerer Art mit nicht unbedeutenden
Risiken, somit benötigen Sie zwingend das
Einverständnis des anderen Elternteils für
die Zahnreinigung.
◯ Da es sich um einen operativen Eingriff
handelt, sollten Sie das schriftliche Einver-
ständnis beider Elternteile einholen.

Informationen zur zertifizierten Fortbildung

Diese Fortbildung wurde von der
Ärztekammer Nordrhein für das
„Fortbildungszertifikat der Ärztekammer“
gemäß § 5 ihrer Fortbildungsordnung mit
3 Punkten (Kategorie D) anerkannt und ist
damit auch für andere Ärztekammern
anerkennungsfähig. Nach den Leitsätzen
zur zahnärztlichen Fortbildung werden
ärztliche Fortbildungspunkte auch von
den Zahnärztekammern anerkannt
(entsprechend Position F der
Punktebewertung von Fortbildungen der
BZÄK/DGZMK).
Anerkennung in Österreich: Für das
Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP)
werden die von deutschen
Landesärztekammern anerkannten
Fortbildungspunkte aufgrund der
Gleichwertigkeit im gleichen Umfang als
DFP-Punkte anerkannt (§ 14, Abschnitt 1,
Verordnung über ärztliche Fortbildung,
Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) 2013).
Hinweise zur Teilnahme:
– Die Teilnahme an dem zertifi-
zierten Kurs ist nur online auf
www.springermedizin.de/cme möglich.
– Der Teilnahmezeitraum beträgt
12 Monate. Den Teilnahmeschluss
finden Sie online beim Kurs.
– Die Fragen und ihre zugehörigen
Antwortmöglichkeiten werden
online in zufälliger Reihenfolge
zusammengestellt.
– Pro Frage ist jeweils nur eine Antwort
zutreffend.
– Für eine erfolgreiche Teilnahme müssen
70% der Fragen richtig beantwortet
werden.
– Teilnehmen können Abonnenten
dieser Fachzeitschrift und e.Med- und
e.Dent-Abonnenten.

286 Die MKG-Chirurgie 3 · 2023 Online teilnehmen unter www.springermedizin.de/cme

◯ Sie sollten das andere Elternteil in jedem
Fall telefonisch über die geplante Behand-
lung informieren.
? Ein 17-jähriger Patient stellt sich bei
Ihnen mit dem Wunsch einer Ver-
sorgung mit Keramikveneers seiner
Frontzähne aus ästhetischen Gründen
vor. Nach einem eingehenden Aufklä-
◯ Da es sich um einen Routineeingriff han-
delt, können sich für Sie keine Komplikati-
onen ergeben.
◯ Da es sich um einen ästhetischen Ein-
griff handelt, müssen Sie das Jugendamt
hinzuziehen.
◯ Da es sich um einen Eingriff mit erhöhtem
Risiko für Komplikationen handelt, müssen
Sie davon ausgehen, dass der Patient nicht

CME-Fragebogen
rungsgespräch gehen Sie von einer einwilligungsfähig ist.
vorhandenen Einwilligungsfähigkeit
des Patienten aus und erläutern ihm ? Ab welchem Alter geht die Rechtslite-
die anfallenden privaten Zusatzkosten ratur bei Minderjährigen übereinstim-
der ästhetischen Versorgung. Welche mend davon aus, dass im Einzelfall
Komplikation kann sich aufgrund der eine Einwilligungsfähigkeit vorliegen
Minderjährigkeit dennoch in dieser kann?
Situation ergeben? ◯ Ab dem 8. Lebensjahr
◯ Die Sorgeberechtigten des Patienten kön- ◯ Ab dem 10. Lebensjahr
nen Sie verklagen, da sie bei dem Aufklä- ◯ Ab dem 11. Lebensjahr
rungsgespräch nicht anwesend waren. ◯ Ab dem 12. Lebensjahr
◯ Sie können bei einer Behandlung ohne ◯ Ab dem 14. Lebensjahr
Genehmigung der Eltern ihren Vergü-
tungsanspruch der privaten Zuzahlung
verlieren.

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