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Über einen

besonders einfachen Fall von Stufenreaktionen.


Von
E. AbeL

Anlässlich einiger kritischer Ausführungen zur Theorie der Tri-


glycerid verseif ung 1 ) stiess ich bei Diskussion und in Verfolgung der
die Triacetinverseifung behandelnden Arbeiten A. C. G e i t e l s * ) auf
einen eigentümlichen Fall von Stufenreaktionen oder Reaktionen mit
Folgewirkungen 3 ), deren Geschwindigkeitskonstante sich in besonders
einfacher Gestalt darstellen und sich überdies unter gewissen Umständen
in mehrfacher Weise deuten lässt Da dem betreffenden Falle eine über
die Verseifung dreiwertiger Ester hinausreichende Verallgemeinerung
zukommt, und er auch sonst wohl einiges Interesse beansprucht, so sei
er hier in seiner allgemeinen Form kurz entwickelt
Es sei in leicht verständlicher Bezeichnung:
nB — A + Bri +#„ + ••• B,
•t r,... rr,B +
bzw.: + nB —*• A -\-nBr
die Bruttoform für eine vollständig von links nach rechts vor sich
gehende, homogene Reaktion, deren Verlauf durch die zeitliche Abnahme
von B, bzw., sofern etwa die Konzentration von B so gross ist, dass
letztere während der Reaktion praktisch keine Änderung erfährt, durch
die Zunahme von 2 B r verfolgt werde. Der letztere Fall, der z.B. bei
der Katalyse der Ester vorliegt, soll aus Zweckmässigkeitsgründen voran-
gestellt werden.
Unter Annahme d i r e k t - t o t a l e n Reaktionsablaufes im Sinne obigen
Schemas ([B] = konst) gilt bekanntlich die Geschwindigkeitsgleichung:

') „Theorie der Triglyceridverseifung" in U l z e r - K l i m o n t , Allgemeine und


physiologische Chemie der Fette, S. 220—261; Berlin, J. Springer 1906.
») Journ. f. prakt Chemie 55, 429 (1897); 57, 113 (1898).
*) O s t w a l d , Lehrbuch der allgem. Chemie 2% 277; R. W e g s c h e i d e r , Diese
Zeitschr. 36, 513 (1900).
Besonders einfacher Fall von Stufenreaktionen. 559

oder integriert: (l)


a
«
wenn a die Anfangskonzentration (in g-Molen) von Anr und Z die der
Zeit t entsprechende Konzentration von EJ9r ist
Unter Voraussetzung eines p a r t i e l l e n Verlaufes über n Stufen:
Anr + B-+ A{n_l)r + Br
-4(«-l)r + B -4{»-2)r+ Br

Ar + B-+ A + Br
([£] = konst.),
ergibt sich hingegen ein System von n simultanen Differentialgleichungen:

(2)

wenn a wieder die Anfangskonzentration von AHr, zH, *„_i . . . x1 die


durch den chemischen Umsatz bedingten Konzentrationsabnahmen,
(a — xH), (xn — z„_i) . . . (x2— also die jeweiligen Konzentrationen
von Anr, ^4(M_i)r. . . Ar und k n , kH—i . . . k t die diesbezüglichen par-
tiellen Geschwindigkeitskoeffizienten bedeuten.
Diese Gleichungen sind integrierbar, indem man aus der ersten xn
auswertet, die erhaltene Funktion zH = f(t) in die zweite Gleichung
einsetzt, letztere integriert1), das so ermittelte z , _ 1 in die nächstfolgende
Gleichung substituiert, und auf diese Art schrittweise bis zur letzten
der Differentialgleichungen fortfährt. Die Integrationskonstanten ergeben
sich hierbei aus der Bedingung:
XM = = ••• = 0 für £ = 0.
Man erhält:

') Sämtliche Ausdrücke lassen sich auf die Form bringen:

deren Integral bekanntlich lautet:

, = f r f w . y v a t + c ] .
560 K Abel

o[l —e-*»'],

1+ kn — hn — i
e-*n< +
^N — 1 ^n
^'h — 1 &I.-S -*»< —
Zn — 2 1 —
(Ä-„ — k n - i ) ( k „ — kH _ 2)

k„kH—2

— k „ ) ( k H - i — i » _ 2 )

kn — l ^
>-*„-2<
( k n - 2 — kH)(kM—2 — X „ _ i )

r — « fl-4-i—IV ¿.-1fc.-2t.-8--.A-1 <>-*„< +

k n kH — 2 A'n —8 • • •
+(-1)" e-»—
i — k„)(k„—i — s) —¿.—3) • • • (kn—1 —

kn k n — 1 kn __ 2 • • • ¿2 _ fc t~|
+ (-1)" e 1
r ) ( A , — ( Ä ^ - I Ü J '
1
k < O
oder1), da:

/ • *»
e = ,

r„_i - o • ( i ^ M _l h
"

. — A„_i \ a Z - * - Ä , , - ! — Ä„ \ n /

= «
1 1 / 1 \« ¿n-ä • • • / a — ¿»N
L ' (*.-*»_,)(*„ —*._aj...(*»—Äi) V «
k n k a — 2kn — 3 • • • ¿1

(i„-l — Ä„) (An.! ¿„.2)(£„-1 — ¿„.3)• • • (/<Vl — ~ «


jkl
Ä« _ 1 . . . ¿2 U«
+ ( - 1)"

') Der Umweg über diese Substitution wurde gewählt, um den auf S. 563 be-
handelten allgemeinern Fall der Veränderlichkeit der Konzentration von B in obige
Ableitung gleichzeitig mit einzubeziehen.
Besonders einfacher Fall von Stufenreaktionen. 561

Die Konzentration Z von Br, bzw. von 2Br, durch deren jeweilige
Ermittlung wir der Voraussetzung gemäss den Reaktionsverlauf verfolgen,
erhalten wir aus der Beziehung:
£ = * , + * „ _ ! + ••. + *, (5)
als Funktion von t oder xn, je nachdem wir die x aus dem Gleichungs-
system (3) oder (4) in (5) einsetzen; sie wird ersichtlicherweise im all-
gemeinen eine recht komplizierte Gestalt haben, deren nähere Formu-
lierung hier überflüssig erscheint Nur in einem s p e z i e l l e n Falle
v e r e i n f a c h t sich diese Funktion sehr erheblich und führt zu einem,
wie mir scheint, auch sonst bemerkenswerten Resultate, nämlich unter
der singulären Voraussetzung, dass sich die G e s c h w i n d i g k e i t s k o e f f i -
z i e n t e n der e i n z e l n e n S t u f e n r e a k t i o n e n w i e d i e Zahl der in
den b e t r e f f e n d e n Z w i s c h e n k ö r p e r n n o c h v o r h a n d e n e n — „un-
verseiften" — r - G r u p p e n v e r h a l t e n , d. h. wenn:
k„ : : Ä„_ s : • • •: Aj = n:n — 1: n — 2 : • • •: 1.
In der Tat ist eine solche Ansicht, beispielsweise in bezug auf die Tri-
glycerid verseifung, wiederholt diskutiert worden 1 ); auf reaktionskineti-
schem Wege lässt sich jedoch, wie aus dem Folgenden hervorgeht,
hierüber eine eindeutige Entscheidung nicht fällen.
Unter Voraussetzung der genannten Beziehung treten in (4) an
Stelle der Ä-Werte die den bezüglichen Index darstellenden Zahlen-
werte; man erhält demgemäss:

i—
1.2 \ a ) (— l).l V a ) "
n(n — 1) /a—'Xn\——

- (M_i)(w_2)(n-3) (a-zn\
: 1.2.3 V a Z"1"
. n[n — 2)(n— 3) fa — xn\1zzl
7X72 " +
n (n — 1) (w —3)_
+ <_2K-1)
+

w ( w — ! ) ( » — 2 ) (a — XnVLzl'
( - 3 ) ( — 2)(— 1) V a / " .
*) Vgl. etwa hierüber das von mir bearbeitete Kapitel in U l z e r - K l i m o n t , 1. c.
Zeitschrift f. physik. Chemie. LVI. 36
562 G. Abel

1
M —rt|I+( l) 1 . 2 . 3 . . . (w — 1) a J'
• in — 1 )

' ( — l ) . 1 . 2 . 3 . . . ( / < — 2) V a J ^
n(n — 1)(h — 3)(w — 4 ) . . . 1 in — ..\* ' 2
+ ( - D"
( — 2 ) ( - l ) . l .2...(n — 3) \ a
— J ^

n(n — l)(w — 2 ) . . . 2 a xn
h + 1) ( - Ii + 2) ( - w + 3 ) . . . ( - 2) ( - 1 ) \~~a "-
Mithin:
Z — xn xn — i -j- • • • —(- x^ —

„ ± V i —!)(» —2)(W-3)...[»-(j< —1)] (a — x„\


H=n (H — 1)
u=1
n{» — 2) (w — 3)...(«—-ju) /«•
(1 = » — 1 . 1 . 2 . 3 . . ."(> — 1) I" a / "

( _ ! ) . . + .• -r){_v+i^_v + 2)...(—2)(—1). 1.2. ..(p— l)""" 1 ""«

oder, da alle Z-Koeffizienten gleich Null sind:

Z = an 1 — (6)

Hieraus berechnet sich:


Z
a—-xn - a i 1i V,
a)/ J
1
(l Xu Z dZ
1— •
I f a u dt '

und unter Substitution in die erste der Gleichungen (2) und nach er-
folgter Integration:
fl
7 » 1
• =
t — Z T ' ( 7 )

Dies aber ist, wie der Vergleich mit (1) unmittelbar zeigt, abgesehen
von dem Faktor ?i, auch die Beziehung für die Geschwindigkeitskon-
stante b e i d i r e k t e r Umsetzung o h n e B i l d u n g v o n Z w i s c h e n s t u f e n .
Besonders einfacher Fall von Stufenreaktionen. 563
Die Konstanz des Ausdruckes (1) lässt also in Hinblick auf den hier-
durch veranschaulichten R e a k t i o n s m e c h a n i s m u s eine d o p p e l t e
D e u t u n g zu: sie ist — z. B. bei Katalyse von ra-wertigen Estern, die ja
hier vorzugsweise in Betracht kommen mag — sowohl im Sinne u n m i t t e l -
b a r - t o t a l e r Yerseifung der n verseifbaren Gruppen diskutierbar, als
auch im Sinne p a r t i e l l e r Yerseifung mit dem singulären Geschwindig-
keitsverhältnisse der einzelnen Stufenreaktionen k„ : &»_! : • • • : Ä-, =
n : n — 1 : • • • : 1. Da, wie erwähnt, dieses letztere Verhältnis in der
Tat mehrfach in Erwägung gezogen wurde, so schien mir die Hervor-
kehrung und Verallgemeinerung dieses Sonderfalles reaktionskinetischer
Mehrdeutigkeit gerechtfertigt.
Sehr einfach erledigt sich nun auch der weitere Fall der Veränder-
lichkeit der Konzentration von B, wie dies etwa der Verseifung mit
Alkali entspricht.
Die Geschwindigkeitsgleichungen lauten, wenn b die Anfangskon-
zentration von B ist:
dx„
- kH (a — z„) (b — Z)
dt
f/.i'n-i
= kn—i (z„ — — Z)
" dt (8)

dt = M*s-*i ){b-Z).

Die funktionelle Beziehung zwischen jedem der *-Werte und x n ist,


wie bei Division der einzelnen Differentialgleichungen durch die erste
Gleichung in (8) unmittelbar ersichtlich ist, dieselbe, wie vorhin; mit-
hin ist die Gesamtabnahme Z der Konzentration von B nach (6):

Z = an

und daher, unter Berücksichtigung von (8), erste Gleichung:

die Integration mit den Anfangsbedingungen t = 0, Z — 0, gibt:


(an — Z)b
k - —I L - 1
h-n In (9;
t an — b (b — Z)an '
bzw., wenn A„r und B in äquivalenten Konzentrationen zugegen sind
(b = an :
) , n Z
k — — (9)
t b(b — Z)
rt/f» ——

36*
564 E. Abel, Besonders einfacher Fall von Stufenreaktionen.

Die Bestimmung der Abnahme von B , also z. B. bei Verseifung der


Titration des verschwundenen Alkalis, Hesse mithin unter den genannten
Verhältnissen die Reaktion über n Stufen als eine R e a k t i o n z w e i t e r
O r d n u n g erscheinen. Eine Mehrdeutigkeit der Konstanz liegt im all-
gemeinen hier nicht vor, da die direkte Reaktion ohne Bildung von
Zwischenstufen von der Ordnung (n -+- 1) wäre. Nur etwa in dem
Falle, dass die Umsetzung wohl tatsächlich über Stufen vor sich ginge,
jedoch die Konzentration der letztern infolge ihrer grossen Umsetzungs-
geschwindigkeit dauernd praktisch gleich Null wäre, also die Geschwindig-
keitskoeffizienten hn—i, kn—2 • • • A", sehr gross gegenüber k„ wären,
würde dieser Reaktionsmechanismus gleichfalls durch Formel (9), bzw.
(9') seinen Ausdruck finden.

W i e n , im April 1906.

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