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Strandhaus der Leidenschaft

von Pamela Burford

So wild wie die Wellen toben die Gefühle im idyllischen Strandhaus


am Meer: Nur einen heißen Flirt wollen Molly und Quinn hier
erleben. Doch von der erotischen Atmosphäre lassen sie sich zu
hemmungsloser Leidenschaft verführen ...
1. KAPITEL

Ich habe noch nie eine nackte Frau im Freien gesehen! Der Gedanke
kam Quinn Marshall allerdings erst später, weil im Moment sein
Gehirn wie gelähmt war. Es war in dem Moment in Streik getreten, in
dem er die Rückseite von Phils Strandhaus erreichte und die Fremde
entdeckte. Sie stand unter der Dusche, die am Ende der rings um das
Haus reichenden hölzernen Terrasse angebracht war. Die Frau
bemerkte ihn nicht, fühlte sich offenbar sagenhaft wohl, hielt die
Augen geschlossen und tanzte unter den kräftigen Wasserstrahlen.
Dazu sang sie ziemlich falsch, aber fröhlich Gloria Gaynors „I Will
Survive“. Auch darüber dachte Quinn erst zu einem späteren
Zeitpunkt nach.
Er hatte noch nie zuvor eine nackte Frau tanzen gesehen, schon gar
keine, die sich völlig unbefangen und dann auch noch dermaßen
ausgelassen gab. Phils Polterabend zählte dabei allerdings nicht. Was
der Frau an stimmlichen Fähigkeiten fehlte, glich sie völlig durch
Schwung und gutes Gefühl für Rhythmus aus. In jedem Disco-Film
wäre sie der Spitzenstar gewesen, von den schwingenden Hüften bis
hin zu den zuckenden Schultern und schwingenden Brüsten. Die
Brustspitzen hatten sich so fest aufgerichtet, dass sie Quinn an
rosarote Beeren erinnerten. Dieser Anblick löste bei ihm endlich
wieder den ersten vernünftigen Gedanken aus, nämlich, dass das
Wasser offenbar kalt war. Oder bei der Dame ging tatsächlich die Post
ab. Er war nahe genug, um zu sehen, dass sie am ganzen Körper
Gänsehaut hatte. Und er betrachtete diesen ganzen Körper sehr genau.
Endlich meldete sich Quinns angeborener Anstand und beendete den
kurzen Ausflug in die Welt der Voyeure. Verlegen zog er sich zurück,
wobei er allerdings den Blick nicht abwenden konnte. Als er mit dem
Po auf der Wiese landete, stieß er einen überraschten Schrei aus. Der
Inhalt des Plastikeimers, über den er gestolpert war, rollte klappernd
davon. „I Will Survive“ endete mit einem schrillen Misston. Dann
verstummte auch das Rauschen der Dusche. Leise vor sich
hinfluchend stemmte Quinn sich wieder hoch und versuchte, den Fuß
aus dem Griff des Plastikeimers zu befreien. „Sie haben mich
überrascht“, sagte die Fremde lachend, griff nach einem bunten
Strandtuch, das auf der Terrasse lag, und trocknete das Gesicht ab.
„Sie müssen mein Nachbar von unten sein.“ „Ich ... ja.“ Endlich
gelang es Quinn, diesen grässlichen Eimer loszuwerden, aber
gleichzeitig streifte er den Turnschuh ab. Während er den Schuh
wieder über den nackten Fuß zog, suchte er verzweifelt nach
passenden Worten. Was sagte man in einem solchen Fall?
Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihre öffentliche Nacktshow
ungewollt gesehen und genossen habe? „Ich bin erst heute Vormittag
angekommen“, erklärte sie und drückte Wasser aus dem hüftlangen
braunen Haar. „Ich habe die obere Wohnung für den Juli gemietet.“
Während sie sich völlig locker gab, fühlte Quinn, dass er tomatenrot
anlief. Schwankend kam er auf die Beine und putzte den Sand von den
Khaki-Shorts. Sie ging auf ihn zu und rieb dabei energisch Brust und
Arme trocken. „Ich bin Molly. Wie lange bleiben Sie?“ fragte sie und
reichte ihm die Hand, die er automatisch ergriff. Sie war eisig von der
kalten Dusche. Ich schüttle einer nackten Frau die Hand. Da steht eine
nackte Frau vor mir, und ich schüttle ihr die Hand! Er räusperte sich.
„Quinn Marshall. Freut mich, Sie kennen zu lernen.“ „Der Name ist
toll! Willkommen, Quinn!“ Mollys Augen waren blau wie Saphire.
Unterhalb des linken Auges hatte sie ein kleines Muttermal. Wegen
der Wassertropfen, die noch an den Wimpern hingen, blinzelte sie
leicht. Es sah aus, als wäre sie soeben ausgiebig geliebt worden und
wäre nun herrlich müde. Das alles wäre ihm gar nicht aufgefallen,
hätte er ihr nicht heldenhaft nur in die Augen geblickt, um nirgendwo
sonst hinzusehen. Sie bückte sich, um die Beine trockenzureiben, und
blickte dabei erwartungsvoll hoch. Das erinnerte Quinn daran, dass sie
ihn etwas gefragt hatte. „Ich ... also, ich habe alles für den ganzen
Monat gemietet. Ja. Bis zum ersten August. Also, nicht alles, nur die
untere Wohnung. Nicht die obere Wohnung. Ich meine, Sie wissen ja,
dass Sie die obere Wohnung gemietet haben, nicht wahr?“ Halt doch
bloß den Mund! befahl er sich. Klappe! Schnauze! „Ach, hören Sie,
stört Sie das hier?“ Molly richtete sich auf und breitete die Arme aus,
um seine Aufmerksamkeit ausgerechnet auf jene Körperteile zu
ziehen, die er eifrigst ignorierte. Wassertropfen glitzerten noch
zwischen ihren Brüsten und in dem dunklen Haar zwischen ihren
Schenkeln. „Ach wo, nein!“ So gleichgültig wie nur möglich winkte
er ab, um zu zeigen, dass allein schon die Vorstellung geradezu
lächerlich war. „Wissen Sie, manchmal vergesse ich, dass die meisten
Leute etwas verkrampft sind, was ihre Körper angeht.“ Während sie
sprach, schlang sie das bunte Tuch um den Rücken, wickelte sich
darin ein und verknotete die Enden im Nacken. Jetzt erinnerte es
Quinn an eine griechische Toga.
Er hatte zwar gewusst, dass im ersten Stock des Hauses jemand
wohnte, aber wo hatte Phil bloß diese ungehemmte Exhibitionistin
aufgetrieben? Zog man sich in dieser Kleinstadt in Cape Cod
womöglich nur je nach Belieben etwas an, und niemand hatte ihn
bisher darüber informiert? Hier gäbe es keine Ablenkung, hatten seine
Freunde beteuert. Das wäre genau der Urlaub, den er brauchte. Einige
Wochen allein sein, sich ausruhen, sich erholen, über seine
Möglichkeiten nachdenken, seinen Lebenslauf überarbeiten und dann
den nächsten Karriereschritt machen – hoffentlich mit besseren
Ergebnissen als beim letzten Mal. Quinn hatte sich darauf verlassen.
Was verstand er schließlich schon von Urlaub? Die freien
Wochenenden in den letzten acht Jahren, in denen er sich im
Werbegeschäft hochgearbeitet hatte, konnte er an einer Hand
abzählen. Vor zwei Wochen war er unerwartet von der Karriereleiter
gefallen. Er hatte die Stellung als Finanzmanager bei „Phil Owen and
Associates“ verloren.
Dass Phil ihn wegen eines Firmenzusammenschlusses entlassen
musste, machte die Arbeitslosigkeit nicht leichter. Quinn war zwar
erst vier Monate bei der Agentur gewesen, aber niemand hätte
behaupten können, er hätte nicht fabelhafte Arbeit geleistet. Er hatte
sich gehütet, hinter sich alle Brücken abzubrechen, und blieb seinem
ehemaligen Chef weiterhin freundschaftlich verbunden. Trotzdem
hätte er beinahe abgelehnt, als Phil ihm gratis das Erdgeschoß seines
Strandhauses in Cape Cod für einen ganzen Monat anbot – vermutlich
aus Schuldgefühlen heraus. Seine Freunde hatten ihn dazu überredet,
eine Weile auszuspannen, ehe er sich um eine neue Stellung bewarb.
„Abkühlen“ hatten sie es genannt. Was war dabei das Wichtigste?
Keinerlei Ablenkung. Darauf hatten sie bestanden. Nun kannte er
Molly erst seit ungefähr zwei Minuten, war jedoch noch nie in seinem
Leben so abgelenkt gewesen.
Sie ging an ihm vorbei und bog um die Ecke des Hauses, das mit
verwitterten grauen Zedernschindeln verkleidet war und schon bessere
Tage gesehen hatte. „Ich helfe Ihnen, Ihre Sachen ins Haus zu
bringen.“ „Ach, danke, aber das ist nicht ...“ „Wow! Toller Wagen!“
Als er sie erreichte, stand sie neben seinem neuen Mercedes und strich
mit der Hand über den schimmernden Kotflügel. Es war der einzige
Wagen, der auf dem mit zerstampften Muscheln bestreuten Parkplatz
stand.
Quinn hätte gern gewusst, wo ihr Auto war. „Das ist exakt die Farbe
von Butter!“ Sie beugte sich über die Motorhaube und streichelte das
Fahrzeug wie einen Geliebten. „Ein ganz helles, cremiges Gelb.
Perfekt. Klasse!“ Als sie sich aufrichtete, strich ihr langes feuchtes
Haar über den frisch polierten Lack. Quinn reagierte darauf, als hätte
sie seine nackten Schenkel und nicht seinen Wagen berührt. Rasch
schloss er den Kofferraum auf und holte die Kleidertasche und den
Koffer aus burgunderrotem Leder heraus. Molly kam zu ihm und griff
nach dem Plastikkorb, in dem er Kaffee, Zucker und andere Sachen
aus seiner Wohnung in Manhattan mitgebracht hatte. „Nein, nein, das
schaffe ich wirklich allein“, versicherte er. „Sie sind verkrampft,
Quinn“, bemerkte sie und ging zur Haustür voraus. „Ziemlich steif,
wissen Sie?“
O ja, er wusste. Dank der weiten Shorts und des Polohemdes, das er
locker darüber trug, merkte sie es vielleicht nicht, als er ihr mit dem
Gepäck folgte. Die Toga verhüllte sie zwar züchtig bis zu den Knien,
schmiegte sich jedoch so an ihren phantastischen Körper, dass es noch
nackter wirkte. Molly klemmte sich den Korb unter den Arm und
öffnete die Haustür, die dringendst neu gestrichen werden sollte. Dann
wich sie zur Seite, damit Quinn die Diele betreten konnte. Links
befand sich eine Tür, die offenbar in seine Wohnung führte. Vor ihm
befand sich eine abgetretene hölzerne Treppe zum Obergeschoß, das
Molly gemietet hatte. Die Tür am oberen Ende der Treppe besaß zwar
ein Schloss, stand jedoch weit offen. Quinn stellte das Gepäck ab,
holte aus der Tasche die Schlüssel, die Phil ihm gegeben hatte, und
schloss seine Tür auf.
Phil hatte von einem Strandhaus ohne jeden überflüssigen Komfort
gesprochen und sich dabei absolut an die Wahrheit gehalten.
Wohnzimmer und Essbereich waren mit praktischen, aber schäbigen
Möbeln eingerichtet. Die braunen Plastikfliesen auf dem Fußboden
lösten sich an den am meisten begangenen Stellen. An den imitierten
Holzwänden hingen kitschige Meeresbilder. Innen war das Haus so
heruntergekommen wie außen, aber es war wenigstens einigermaßen
sauber, und Quinn konnte es im ganzen Juli gratis bewohnen.
Einunddreißig Tage lang wollte er nur entspannen, nichts tun und
überlegen, was er vom Leben erwartete. Ein ganzer Monat ohne
Arbeit und ohne die Hektik der Großstadt stand ihm bevor. Keine
Arbeit! Keine Freunde, die ihn ungebeten mit Ratschlägen
überhäuften. Keine Arbeit! Wenn er gleich losfuhr, war er noch vor
dem Abendessen wieder daheim ... „So schlimm ist es hier gar nicht.“
Molly hatte seine unglückliche Miene offenbar falsch gedeutet. „Es ist
nicht toll, aber wenigstens braucht man sich keine Sorgen zu machen,
man könnte etwas beschädigen, nicht wahr?“ Jetzt lächelte sie wieder
so strahlend, als hätte sie nicht die geringsten Sorgen. Vielleicht traf
das auch zu. Möglicherweise war das sanfte Molly-Mäuschen so
oberflächlich und unkompliziert, wie es auf den ersten Blick schien.
„Hey, Quinn, sehen Sie sich das mal an! Sie können sogar Musik
machen!“ Damit ging sie zur massigen Anrichte und stellte die Kiste
neben einen kleinen Plattenspieler. Es handelte sich um eines jener
billigen tragbaren Modelle, die in einem Gehäuse aus Sperrholz
eingebaut waren. Daneben lag ein Stapel alter LPs in Papphüllen, die
mit vergilbten Klebestreifen zusammengehalten wurden. „Wir sind
durch eine Zeitfalte gegangen“, murmelte Quinn. „Fünfziger und
sechziger Jahre“, stellte sie fest, während sie die Alben durchsah.
„Das ist noch zu früh für Disco, aber trotzdem sagenhaft. Die
Supremes, Chuck Berry, Buddy Holly und die Crickets. Sieht ganz so
aus, als hätte sich jemand im Urlaub einen CD-Spieler gekauft und
diese alten Schätzchen zurückgelassen.
Wie traurig! Jackson Five, James Brown, die Ronettes – ,Be My
Baby‘. Ich liebe diesen Song. Jerry Lee Lewis und die Shirelles.“
Geradezu zärtlich betrachtete sie das Cover eines Albums. „Bill Haley
and his Comets. Ich meine, wie kann man eine Gruppe mit einem
solchen Namen nicht lieben? Die Isley Brothers, die Marvelettes.
Wow, Little Richard!“ Molly holte die Platte aus der Hülle, legte sie
auf den Plattenspieler und schaltete ihn ein. Sobald sie die Nadel
aufsetzte, knisterte es im eingebauten Lautsprecher. Little Richard und
Molly sangen gleichzeitig „Awahbahbaloomahed!“, die Einleitung
von „Tutti Frutti“. Beim Singen ließ Molly zum Twistrhythmus die
Hüften kreisen. Das Handtuch glitt dabei an ihren Schenkeln
alarmierend hoch. In Musiksendungen im Fernsehen bekam man nie
so viel zu sehen.
Als Little Richard zu dem Girl namens Daisy kam, das ihn zum
Wahnsinn trieb, ließ Molly ihn allein weiter singen. „Puh!“ Sie
fächelte sich Luft zu. „Sie haben vielleicht unbeschreibliches Glück,
Quinn!“
Sie griff nach dem Karton und trug ihn durch einen Türbogen in die
angrenzende Küche. „Ich habe oben keine Musik“, rief sie zu ihm
herüber. „Nur meine Trompete.“ Quinn hörte, wie sie Schränke und
Schubladen öffnete und schloss. Besteck und Geschirr klapperten. Er
kehrte in die Diele zurück, um sein Gepäck zu holen. Nur ihre
Trompete? Ach ja, dachte Quinn, ich habe wirklich unbeschreibliches
Glück. „Ihre Küche ist übrigens besser ausgestattet als meine!“ rief
sie. „Und sie ist moderner. Bestimmt essen wir meistens hier unten.“
Er wollte soeben die Koffer hochheben und erstarrte mitten in der
Bewegung. Wir? Als er das Wohnzimmer betrat, eilte Molly soeben
durch den Korridor zu den Schlafzimmern. „Sind Sie allein hier?“
fragte sie. „Äh...“ „Ich auch. Auf jeder Etage gibt es drei
Schlafzimmer. Sie nehmen bestimmt das am Ende des Korridors. Es
ist am größten und hat ein eigenes Bad. Na ja, ein halbes Bad.“ Sie
betrat das größte Schlafzimmer und warf sich auf das ungemachte
Doppelbett. „Hier werde ich schlafen.“ Es dauerte einen Moment, ehe
Quinn seine Stimme wieder fand. „Wie bitte?“ Molly deutete zur
Zimmerdecke. „Oben. Ich habe das gleiche Zimmer genommen. Sie
werden unter mir schlafen!“ Sie sah ihn forschend an. „Hoffentlich hat
das nicht zweideutig geklungen“ sagte sie. „Nein!“ beteuerte er und
bemühte sich um einen überzeugenden Ton. Sie lächelte erleichtert.
„Gut. Manchmal sage ich etwas, und gleich darauf fällt mir ein, dass
man es falsch verstehen könnte.“
Sie hüpfte ein paar Mal auf dem Bett auf und ab. „Sie haben zwar
einen Melonenausstecher in der Küche, Quinn, aber ich liege besser.
Dafür quietschen meine Sprungfedern wie verrückt.“ Sie sprang vom
Bett auf und steuerte das Bad an. Mit der morbiden Faszination eines
Sturmbeobachters, der einen tödlichen Tornado verfolgt, trat Quinn in
die Tür und sah zu, wie sie das Bad inspizierte, das ungefähr die
Größe einer Flugzeugtoilette besaß. Das weiße Porzellan wies
Rostflecke auf, und am Schrank unterhalb des Waschbeckens waren
die Angeln gebrochen. „Behaupten Sie jetzt nicht“, bat er, „dass Sie
oben einen Waschtisch aus Marmor, einen Whirlpool und ein Bidet
mit vergoldeten Armaturen haben.“ „Sie haben Humor!“ stellte sie
freudig fest. Quinn holte tief Atem. „Molly ... also ... Was genau
haben Sie damit gemeint ... wir würden meistens hier unten essen?“
„Na, wir beide. Wir sind doch nur zu zweit.“ Ohne Vorwarnung
drückte sie sich an ihm vorbei durch die schmale Tür des
Badezimmers. Er hielt den Atem an und lächelte verlegen.
Gleichzeitig versuchte er, sich dünn zu machen, während er ihre
Wärme fühlte und den Duft von Kokosöl und Meer auffing. Bauch an
Bauch mit ihm blieb sie stehen. „Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht,
aber ich hasse es, allein zu essen.“ „Mir macht das gar nichts aus“,
krächzte er. Sie zuckte die Schultern und schob sich lächelnd weiter.
„Cool! Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie es sich anders überlegen.“
Er folgte ihr durch den Korridor und war enttäuscht, dass sie so leicht
aufgegeben hatte. Und das war wiederum äußerst albern von ihm.
Sicher hätte er nichts gegen eine Sommeraffäre einzuwenden gehabt,
aber in diesem Fall hätte sich aus der Affäre eine Katastrophe
entwickeln können. Er musste sich mit Molly dieses Haus einen
ganzen Monat lang teilen. Das reichte, dass aus einem netten,
harmlosen Vergnügen eine langweilige, aus allen Fugen geratene
Beziehung wurde. Tränen, Wutanfälle und bittere Vorwürfe drohten.
„Fatal Attraction“ à la Cape Cod. Während Little Richard im
Wohnzimmer etwas Unverständliches kreischte, sagte Quinn sich
immer wieder vor: Keine Ablenkung, keine Ablenkung! In der Tür
drehte Molly sich um. „Den Sonnenuntergang dürfen Sie nicht
versäumen. Alle kommen an den Strand, um die Sonne versinken zu
sehen. Das ist wie auf Key West, nur nicht so überdreht wie dort.“
„Warten Sie! Sie sagten doch, Sie wären erst heute Vormittag hier
eingetroffen.“ „Stimmt.“ „Woher wissen Sie dann über den
Sonnenuntergang Bescheid?“ „Ach, Phil und ich waren hier, wann
immer wir Zeit fanden, und wir haben keinen einzigen
Sonnenuntergang versäumt. Dieses Haus stellt sicher nicht den
höchsten Luxus dar, aber ich sage Ihnen, die Lage ist unübertroffen.
Das Haus liegt ganz nahe am Strand. Bis zum Wasser geht man
dreißig Sekunden. Was ist los?“ fragte sie neugierig, als Quinn
schlagartig ein Licht aufging. „Sie sind Molly!“ stellte er fest. „Sagte
ich das nicht?“ „Phils Molly!“ „Nun, jetzt nicht mehr. Sicher, ich bin
Molly Lamb. Woher kennen Sie Phil? Ich dachte, Sie wären auf das
Haus durch die örtliche Maklerin gekommen, mit der er
zusammenarbeitet.“ „Ich arbeite für ihn ... habe für ihn gearbeitet“,
verbesserte er sich. „Bis vor zwei Wochen.“ „Sie haben gekündigt?“
„Ich ... nein.“ „Dann haben wir etwas gemeinsam“, stellte sie
überrascht lächelnd fest. „Mich hat er auch rausgeworfen.“ „Ja, ich
weiß.“ „Stimmt. Vermutlich wissen alle Bescheid, nicht wahr?“ fragte
sie in einem Ton, als würde sie sich über den neuesten Film
unterhalten. Ging dieser Frau denn gar nichts nahe? „Es hat mich sehr
gefreut, Sie kennen zu lernen, Quinn“, versicherte sie und legte ihm
die Hand auf den Arm. „Ich weiß, dass Sie hier einen wunderbaren
Urlaub verbringen werden. Dieses Haus ist geradezu magisch. Und
das mit dem Sonnenuntergang habe ich ganz ernst gemeint. Sehe ich
Sie dann?“ Er nickte steif. „Sehr gut.“ Noch ein freundschaftlicher
Schlag auf seine Schulter, und sie verschwand und lief die Treppe
hinauf. Quinn schloss die Wohnungstür hinter sich ab und ließ sich im
Wohnzimmer auf das Sofa mit den kaputten Sprungfedern fallen,
während Little Richard „Good Golly Miss Molly“ brüllte. Das Haus
war groß, aber auch nicht allzu groß. Wie sollte Quinn einen ganzen
Monat lang Phil Owens Braut, die den Bräutigam in der Kirche
sitzengelassen hatte, ausweichen?
2. KAPITEL

Wieder ertönte dieses seltsame Klopfen. Molly hielt die Trompete


zwar unverändert an die Lippen, lauschte jedoch. Das Klopfen unter
ihr verstummte. Sie zuckte die Schultern, spielte weiter und
improvisierte wieder über ihre liebsten Jazznummern aus New
Orleans. Da! Das Klopfen ertönte erneut. Was machte Quinn denn da
unten? Bauarbeiten? Der Fußboden des Wohnzimmers erzitterte unter
ihren Füßen. Sie trat an die Treppe und rief nach unten: „Quinn!“ Erst
jetzt fiel ihr ein, dass er seine Tür zugeschlossen hatte. Molly lächelte.
Man merkte gleich, wenn ein Junge aus der Großstadt kam. Mit der
Trompete in der Hand stieg sie die Treppe hinunter und klopfte.
Drinnen hörte sie seine Schritte und ahnte, wie er auf der anderen
Seite der Tür zögerte. Endlich klickte das Schloss, und die Tür öffnete
sich einen Spalt. Ein himmlisches Aroma trieb ihr entgegen. Es roch
nach Gewürzen und in erster Linie nach gedünsteten Zwiebeln und
Knoblauch. Sie blickte in graugrüne Augen unter sinnlichen Lidern
und dichten schwarzen Wimpern und verspürte das gleiche Kribbeln
wie beim ersten Zusammentreffen. Das waren die schwülen Augen
eines erfahrenen Gigolos oder eines mächtigen und unersättlichen
Scheichs mit jeder Menge Sklavinnen, die ihm zu Willen waren. Das
waren nicht die Augen eines verklemmten Werbemanagers auf
Urlaub. Nun ja, Mutter Natur hatte sich vermutlich einen Scherz
erlaubt. „Quinn, was machen Sie denn bloß mit der Zimmerdecke?
Wollen Sie die Termiten mit einem Baseballschläger vertreiben?“
Durch den Spalt sah sie, dass er etwas in der Hand hielt. Einen Besen.
Er hatte doch tatsächlich gegen die Decke geklopft. „Ach, Moment!
Ging es vielleicht darum?“ fragte sie und hob die Trompete hoch. Die
Tür öffnete sich ein Stück weiter, und Molly sah, dass Quinn barfuss
war und nur eine dünne graue Trainingshose trug. Sein äußerst
beherrschtes Gesicht verriet nur einen Hauch von Ärger. „Es ist schon
nach Mitternacht“, erklärte er. Sie lehnte sich an den Türrahmen. „Ja,
aber ich habe Sie hier unten rumoren hören und wusste, dass Sie noch
nicht ins Bett gegangen waren. Hat mein Spiel Sie gestört?“ „Es ist
etwas spät, um Trompete zu blasen, finden Sie nicht?“ „Nein, wenn
Sie mich schon danach fragen“, erwiderte sie lachend. „Dieses
Klopfen gegen die Decke ist ganz typisch für die Großstadt. Warum
sind Sie nicht nach oben gekommen und haben mich gebeten
aufzuhören, wenn es Sie stört?“ „Ich habe nicht gesagt, dass es mich
...“ Er wich ihrem Blick aus und fuhr sich durch das kurze schwarze
Haar. „Sie spielen sogar ganz gut.“ „Danke, aber wenn ich aufhören
soll ...?“ „Nein. Das ist albern.“ Reuig betrachtete er den Besen in
seiner Hand. „Wahrscheinlich war es nur ...“ „Die Macht der
Gewohnheit?“ „Ja, vermutlich.“ „Was kochen Sie? Das riecht
wundervoll.“ Sie steckte den Kopf zur Tür hinein und drückte sie
dabei weiter auf. „Chili con queso, Chili mit Käse.“ „Ehrlich?“ Sie
drängte sich an ihm vorbei und ging in die Küche, in der goldgelber
geschmolzener Käse mit roten Tomaten, grünen Jalapeños und
braunen Zwiebeln in einer gusseisernen Pfanne blubberte. „Er hat
Humor und kann kochen! Heiraten Sie mich, Quinn!“ „Es reicht wohl
für zwei“, meinte er. „Möchten Sie etwas trinken?“ „Ach, ich bin
schrecklich, dass ich Sie dermaßen überfalle. Bier, wenn Sie haben.“
Sie öffnete den Kühlschrank und inspizierte den Inhalt. „Ich dachte,
Sie wären heute einkaufen gegangen.“ Er war weggefahren und mit
einer Tüte aus dem Supermarkt zurückgekommen. „Ich habe Bier.“ Er
öffnete einen Schrank und holte eine Tüte mit Tortilla-Chips und eine
schwere Keramikschüssel heraus. Molly genoss es zu beobachten, wie
er sich mit maskuliner Anmut bewegte. Schon bevor sie Quinn
halbnackt gesehen hatte, wusste sie, dass er einen guten Körper besaß.
Trotz des weiten Polohemds, in dem er angekommen war, hatte ihr
Adlerauge feste Armmuskeln, einen flachen Bauch und sagenhafte
Schultern ausgemacht. Jetzt bemühte sie sich, ihn nicht zu offen
anzustarren. Sie stand auf Schultern. „Mehr haben Sie nicht besorgt?“
fragte sie. „Bier, Limonade, Wasser und einen Karton Milch. Machen
Sie eine Flüssigkeitsdiät?“ „Sehen Sie in die Tiefkühltruhe“, forderte
er sie auf, trug das Essen ins Wohnzimmer und fügte halblaut hinzu:
„Wenn Sie schon dabei sind, Inventur zu machen.“ „Fertigmenüs?
Quinn, draußen auf der Terrasse haben Sie einen Holzkohlengrill.
Haben Sie den nicht gesehen?“ „In der Mikrowelle geht es schneller.
Kommen Sie jetzt zum Essen?“ „Es ist nicht wichtig, dass es schneller
geht. Wir haben Sommer. Nur darauf kommt es an. Wir sind in Cape
Cod. Und Sie können auch noch kochen.“
Sie öffnete ihr Bier, kam zu ihm ins Wohnzimmer, legte die Trompete
vorsichtig auf die Anrichte, ließ sich auf das Sofa fallen und streckte
die Beine auf den Kissen aus. Auch sie war barfuss. Auf dem weißen
Top mit den dünnen Trägern leuchtete vorne eine große Sonnenblume.
Die Jeans war so kurz abgeschnitten, dass die Taschen unter dem
ausgefransten Saum hervorlugten. Quinn setzte sich auf einen der
abgewetzten Sessel. Seine steife Haltung bildete einen merkwürdigen
Gegensatz zu seinem halbnackten Zustand. Molly griff nach einem
Chip und tauchte ihn tief in die Käsemasse. „Vorsicht“, warnte er. „Es
ist heiß.“ Sie blies auf den Käse, schob den Bissen in den Mund und
nahm sofort einen Schluck kaltes Bier, als sie sich prompt den Mund
verbrannte. „Ich bin zu ungeduldig“, erklärte sie, sobald sie wieder
sprechen konnte. „Was meinen Sie? Ist es ein Zeichen von Unreife,
wenn man auf Genuss nicht warten kann?“ Quinn überlegte, während
er die Flasche mit Quellwasser öffnete. „Ich kenne Sie nicht gut
genug, um das zu beurteilen. Halten Sie es denn für ein Zeichen von
Unreife?“ Sie hatte nur einen Scherz gemacht, um ein Gespräch in
Gang zu bringen. Mochte er auch Humor besitzen, so war er doch ein
äußerst ernster Mann. „Was die Unreife angeht“, fuhr er fort, „gibt es
deutlicher definierte Anzeichen, zum Beispiel Verantwortungs-
losigkeit. Dazu gehört auch, eingegangene Verpflichtungen nicht zu
erfüllen.“ Er sprach nicht weiter, sondern richtete nur die Gigolo-
Augen auf sie und griff nach einem Chip. Plötzlich verstand sie. Phil
und die Hochzeit! „Ich weiß, was Sie gehört haben und was Phil über
mich erzählt“, sagte Molly. „Er brauchte nicht viel zu erzählen. Ich
war dabei.“ „Wo? In der Kirche?“ Quinn nickte. „Das hat schlimm
ausgesehen, ich weiß.“ „Den Bräutigam vor dem Altar stehen zu
lassen?“ „Er stand noch nicht direkt vor dem Altar.“ „Nein, aber fast.
Der Hochzeitsmarsch spielte schon, Molly, und Sie sind nicht
erschienen.“ „Ich bin sehr wohl erschienen. Hat er den Leuten etwas
anderes erzählt? Hat er behauptet, ich wäre nicht in die Kirche
gekommen?“ Molly setzte sich gerade auf, schlug die Beine unter und
wartete fasziniert darauf, was Phil über sie verbreitet hatte. Quinn
wollte soeben einen Chip in den Käse tauchen, stockte jedoch. Mollys
Interesse verwirrte ihn. „Nun, es hat so ausgesehen. Phil gab natürlich
die Erklärung nicht persönlich ab. Sein Bruder Ron – er war der
Beistand ...“ „Ron ist ein netter Kerl und ein verdammt guter
Pokerspieler“, erklärte sie. „Er wollte mir beibringen, wie man blufft,
aber ich bin darin nicht gut.“ „Ron hat jedenfalls dem Organisten
abgewunken und den Gästen verkündet, dass die Hochzeit nicht
stattfindet, weil die Braut es sich anders überlegt hat.“ Molly prostete
ihm mit ihrem Bier zu. „Also, das stimmt. Das habe ich getan.“ „Wie
können Sie darüber bloß so ungerührt reden?“ fragte er ungläubig.
„Das ist schon vier Monate her, Quinn. Ich bin darüber hinweg.“ „Sie
mögen darüber hinweg sein!“ Er beugte sich vor, und seine Miene
verdüsterte sich. „Aber was ist mit Phil? Mit dem Kummer, den Sie
ihm verursacht haben, und mit der Demütigung?“ „Möchten Sie meine
Seite der Geschichte hören?“ „Nein.“ „Damit habe ich auch nicht
gerechnet“, entgegnete sie lächelnd. „Die Leute sind immer mit dem
zufrieden, was sie wissen ... was sie zu wissen glauben. Warum hat
Phil Sie entlassen?“ Bei der unerwarteten Frage verschlug es ihm
buchstäblich den Atem. Lieber Himmel, sie hatte ihn nicht in
Verlegenheit bringen wollen. Warum musste sie immer gleich den
Mund aufreißen? „Ich meine, Sie verstehen sich offenbar noch gut mit
ihm“, fuhr sie fort. „Es ist wichtig, nichts nachzutragen. Zu viele
Leute können ihren Stolz nicht überwinden, besonders Männer. Das
Chili schmeckt einfach köstlich. Sie müssen mir zeigen, wie man es
macht.“ „Es war eine rein geschäftliche Entscheidung“, sagte Quinn
gepresst. „Ich wurde aus keinem persönlichen Grund entlassen.
Bestimmt haben Sie von der Fusion mit Glacken and Ross gehört. Es
kommt zu einer umfangreichen Neuorganisation. Ich gehörte eben zu
denen, die ihren Arbeitsplatz verloren. Phil tat es sehr leid, aber es
blieb ihm nichts anderes übrig.“ „Wie lange haben Sie in der Firma
gearbeitet?“ „Vier Monate.“ „Offenbar sind Sie hingekommen,
nachdem ich schon gegangen war. Die beiden letzten Wochen vor der
Hochzeit habe ich mir für die Vorbereitungen frei genommen. Es
sollte ein wahr gewordenes Märchen werden. Sie hätten mein Kleid
sehen sollen! Ich fühlte mich wie Aschenputtel auf dem Königsball.“
Das galt allerdings nur bis zu dem Moment, an dem sie die Schleppe
durch Schlamm und Schotter hinter sich herzerrte, den duftigen Traum
aus elfenbeinfarbener Seide in den alten Honda ihrer Schwester Toni
stopfte und mit quietschenden Reifen den Parkplatz der Kirche
verließ. Tränen hatten ihren Blick getrübt. Neben der Straße hatte sie
schließlich das Frühstück zwischen winterlich vertrockneten
Forsythien erbrochen. Quinn betrachtete sie so eingehend, dass Molly
sich fragte, ob er ahnte, in welche Richtung ihre Gedanken liefen.
Bewusst verdrängte sie die Erinnerungen. Es kam nichts Gutes dabei
heraus, wenn man zu oft an erlittenen Schmerz dachte. „Also“, sagte
sie, „offenbar stehen Sie sich mit Phil unverändert gut, sonst hätten
Sie nicht einen Teil seines Strandhauses für einen ganzen Monat
gemietet.“ Quinn setzte an, wollte etwas richtig stellen, zögerte und
meinte schließlich: „Wie Sie schon sagten, es hat keinen Sinn,
nachtragend zu sein. Was Sie angeht ... Ich muss gestehen, dass es
mich schon überrascht, dass Sie nach allem hier wohnen. Und es
wundert mich, dass Phil einverstanden war.“ „Er weiß, wie sehr ich
das Haus und das Kap liebe. Wir haben hier viel Zeit verbracht. Ich
musste herkommen, um meine Gedanken zu sammeln und wieder zu
mir zu finden. Das Haus hat mich geradezu gerufen. Es ist jeden
Penny wert.“ „Wie viel berechnet er Ihnen?“ „Neunhundertfünfzig
Dollar.“ „Ein günstiger Preis. Er mag Sie offenbar noch immer,
Molly. Das Haus ist zwar heruntergekommen, aber er könnte
wesentlich mehr als neunhundertfünfzig im Monat verlangen“,
erwiderte er. „Ach, das ist pro Woche.“ Das Chili stockte jetzt so
schnell, dass sie sich beeilte, einen Chip einzutauchen. „Moment! Phil
verlangt neunhundertfünfzig in der Woche? Das ... das macht
dreitausendachthundert im Monat!“ „Mehr sogar. Der Monat hat
viereinhalb Wochen. Trotzdem komme ich noch gut weg.
Normalerweise zahlen die Leute über tausend pro Woche.“
Hat er Ihnen das erzählt?“ „Ja. Wieso? Wie viel bezahlen Sie?“ Quinn
griff nach der Flasche Quellwasser und trank. „Seien Sie mir nicht
böse, aber ich spreche nicht über meine finanziellen
Angelegenheiten.“ „Nur über die von anderen.“ Bei seinem scharfen
Blick warf sie lachend ein Sofakissen nach ihm. „Das war nur ein
Scherz! Sie müssen lockerer werden, Quinn. Sie machen doch
Urlaub.“ „Sie waren in Phils Firma Redakteurin?“ Molly schob den
Chip in den Mund und nickte. „Vermutlich haben Sie noch keine
andere Stellung gefunden?“ „Es gibt zu wenige Stellenangebote. Falls
ich nach der Rückkehr auch keine Anstellung finde, versuche ich es
freiberuflich.“ Mit einem Chip kratzte sie die Reste des Chilis von den
Wänden der Schüssel. „Aber haben Sie denn keine Ausgaben? Sie
müssen doch Miete zahlen.“ „Lieb, dass Sie sich um mich Sorgen
machen. Ich habe nichts mehr auf meinem Konto, aber dem Himmel
sei Dank für das Plastikgeld. Ohne Kreditkarte wäre ich jetzt nicht
hier.“ „Sie haben den Urlaub mit einer Kreditkarte finanziert?“ fragte
er ungläubig. „Na und?“ Unbekümmert trank sie ihr Bier aus. „Und
was kostet Sie das zusätzlich? Es kommen noch etwa einundzwanzig
Prozent Zinsen dazu und ...“ „Sie gehen den Dingen auf den Grund.
Manchmal muss man aber einfach den ganzen Alltagskram hinter sich
lassen, der einen niederdrückt, und sich für das alles hier öffnen.“ Sie
breitete die Arme weit aus, um anzudeuten, dass sie den Strand, die
Bucht und das ganze wunderbare Kap von Falmouth bis Provincetown
meinte. „Und wie wollen Sie das alles in Zukunft abzahlen, wenn Sie
kein Geld auf dem Konto und keine Arbeit in Aussicht haben?“ „Ich
wollte nun wirklich nicht, dass Sie sich auch noch darüber den Kopf
zerbrechen“, wehrte sie ab. „Ich komme schon zurecht. Alles renkt
sich irgendwie ein.“ „Was meinen Sie damit, dass ich mir auch noch
darüber den Kopf zerbreche? Ich habe sonst keine Probleme.“ Quinn
lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und seufzte tief.
Dabei wirkte er so entspannt wie ein frischgebackener
Schlangenbeschwörer, der zum ersten Mal auf eine Giftschlange traf.
„Nun, Sie sind schließlich auch arbeitslos, oder nicht?“ fragte sie.
„Aber nicht lange. Wäre ich daheim geblieben, hätte ich dieses
Problem noch diese Woche gelöst. Es war nicht meine Idee,
herzukommen und mich abzukühlen.“ Er trommelte hektisch mit den
Fingern auf das Knie. „Auch wenn die Idee nicht von Ihnen stammt,
ist sie gut. Warten Sie nur ab. Sie müssen alles auf sich zukommen
lassen, Quinn, und das machen Sie im Moment nicht. Ich dachte zum
Beispiel, Sie würden sich heute Abend mit allen anderen den
Sonnenuntergang ansehen.“ „Das habe ich getan.“ „Ungefähr ganze
zwei Sekunden.“ Er zuckte die Schultern. „Es war ein
Sonnenuntergang. Wie lange kann man denn herumstehen und sich so
etwas ansehen?“ „Das werden Sie schon noch begreifen“, meinte sie
lächelnd. „Bevor Sie wieder nach Hause fahren, wird Ihnen bestimmt
die Erleuchtung kommen.“ Sie stand auf. „Jetzt ist es bereits spät, und
Sie haben kein Chili mehr.“ Sie stützte die Hände ins Kreuz, bog sich
durch und stöhnte lustvoll, während sie sich streckte. Quinn hörte zu
trommeln auf, verzog allerdings keine Miene. Unter seinem Blick
begannen ihre Brustspitzen zu prickeln und richteten sich unter dem
dünnen T-Shirt auf. Natürlich sah er das, und se- kundenlang kam sie
sich wie eine dieser Sklavinnen vor, die dem Scheich vorgeführt
wurden, damit er sie begutachten konnte. Dreh dich um! Zieh dich
aus! Tanze für mich! Lieber Himmel! Sowohl ihr Mundwerk als auch
ihre Einbildungskraft liefen heute Nacht auf vollen Touren! „Vielen
Dank für das Chili“, sagte sie, um den Bann zu brechen. „Und für das
Bier“, fügte sie hinzu und stellte das Geschirr zusammen. Er sprang
auf und nahm ihr die Schale für die Chips aus den Händen. „Lassen
Sie das. Ich kümmere mich darum.“ „Wir könnten morgen grillen. Ich
habe Hot Dogs und Hähnchen, Kartoffelsalat und alles, was man dazu
braucht. Bringen Sie zwei Flaschen Bier mit, und wir sind versorgt.“
„Vielen Dank für das Angebot“, erwiderte er höflich, „aber ich esse
lieber allein.“ „Oh.“ „Ich ... also, ich möchte einige Wochen ganz für
mich sein.“ „Ach so.“ „Keine Verpflichtungen und keine ...
Ablenkung.“ Sie wurde schrecklich verlegen. Der arme Mann wollte
allein gelassen werden, und sie hatte ihn überfallen, sein Essen und
sein Bier an sich gerissen und seine Lebenseinstellung kritisiert!
„Alles klar“, versicherte sie, während sie zur Tür ging. „Gute Nacht.“
„Vergessen Sie das hier nicht.“ Er reichte ihr die Trompete. Molly
stieg langsam die Treppe hinauf, zog sich ins Wohnzimmer zurück,
warf sich aufs Sofa und drückte das Instrument an sich. Einunddreißig
Tage. Wie sollte sie ihrem verschlossenen Nachbarn mit den Gigolo-
Augen und den leckeren Schultern einen ganzen Monat lang
ausweichen?
3. KAPITEL

Im stillen Wasser der Bucht konnte man bei Flut viel leichter
schwimmen als im Atlantik, der gleich auf der anderen Seite des Kaps
lag. Für Quinn gab es auf dieser Seite der Bucht nur einen Nachteil,
und das war der kräftige Geruch bei Ebbe. Nach einem oder zwei
Tagen merkte er jedoch nichts mehr davon. Nach fünfundvierzig
Minuten spürte er das Kraulen in den Schultern. In einem Pool hätte er
die Entfernung berechnen können. Draußen auf dem Wasser konnte er
sie nur schätzen, was er ärgerlich fand. Er änderte die Richtung und
kehrte zum Ufer zurück. Hätten seine Freunde jetzt seine Gedanken
gelesen, hätten sie ihn als hoffnungslosen Fall abgeschrieben. Das
gleiche galt für Molly. Seine total entspannte Nachbarin und seine
Freunde daheim fanden, er sollte sich „abkühlen“ und sich zu einem
Strandmenschen entwickeln – oder was ihnen sonst noch Unsinniges
vorschwebte. Dabei wäre er am liebsten sofort in die Stadt
zurückgekehrt, um sich auf die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle
zu machen. Zeitverschwendung war ihm schon immer ein Gräuel
gewesen. Auf dem heißen Sand ging er zu seinem Handtuch, bei dem
er auch die Schlüssel, die Sonnenbrille und die Plastiksandalen
zurückgelassen hatte. Da das Haus so nahe am Strand lag, brauchte
man nicht mehr mitzubringen. Molly hatte recht gehabt. Die Lage war
einfach ideal. Heute zogen nur wenige hauchdünne Wolken über den
tiefblauen Himmel, und es war angenehm warm. Der Strand war
schmal und wurde von einer Düne vom dahinter liegenden Land
getrennt. Außer Quinn hielten sich hier hauptsächlich Paare und
Familien mit kleinen Kindern auf. Nachdem er sich abgetrocknet und
die Sonnenbrille aufgesetzt hatte, ging er über den Strand zu dem
kleinen Parkplatz, auf dem ein Eiswagen stand. Sandverklebte Kinder
umdrängten ihn und winkten mit Geldscheinen. Quinn zog die
Sandalen an, da er schon am ersten Tag gefühlt hatte, wie heiß
Asphalt war, auf den die Sonne stundenlang gebrannt hatte. Während
er den Parkplatz überquerte, nickte Quinn höflich dem Angestellten
zu, der in einem Liegestuhl saß und von jedem fünf Dollar kassierte,
der nicht in der Nähe wohnte. Das Haus stand gleich links, und wie
jedes Mal hielt Quinn zuerst Ausschau nach Molly. Wunschgemäß
hatte sie ihn in der letzten Woche in Ruhe gelassen, obwohl sie sich
unverändert fröhlich gab, wenn sie einmal zusammentrafen. Er hatte
sie nicht gern darum gebeten, sich von ihm fernzuhalten. Es musste
ihr peinlich gewesen sein, doch das war immer noch besser, als sich
lange miteinander herumzuquälen ... und zwar für beide besser. Quinn
war mit sich selbst ehrlich genug, um sich einzugestehen, dass er sich
zu Molly Lamb körperlich hingezogen fühlte. Doch sie war eine
überschäumende, ewig heitere und skrupellose Herzensbrecherin.
Immerhin hatte sie vor vier Monaten ihre Hochzeit platzen lassen und
einen der mächtigsten Männer im Anzeigengeschäft zum Narren
gemacht. Quinn hatte sie natürlich täglich am Strand gesehen, wenn
sie im Wasser herumplanschte, in ihren aufreizend knappen
Badeanzügen Sonne tankte oder mit anderen Strandbesuchern
plauderte. Während er mit den Leuten, die er täglich dort sah, keine
zwei Worte gewechselt hatte, war Molly offenbar mit dem einen oder
anderen schon befreundet. Sie brauchte Ewigkeiten, um an den Strand
zu gelangen, weil sie ständig jemandem zuwinkte oder ein Kind
küsste, als wollte sie sich um ein politisches Amt bewerben. Sie
tauschte mit den Leuten Essen aus und passte auf die Kinder auf. Und
heute Vormittag hatte sie sich doch tatsächlich von einem Kerl in
einer knappen roten Badehose und mit einem blonden Pferdeschwanz
den Rücken eincremen lassen! Mit dieser angeborenen Freundlichkeit
und dieser kritiklosen Vertrauensseligkeit handelte sie sich garantiert
einmal Schwierigkeiten ein. Quinn passte ein wenig auf sie auf, damit
sie nicht zu Schaden kam. Vergeblich hatte er versucht, ihren lockeren
Charme mit ihrem abscheulichen Verhalten Phil Owen gegenüber zu
vereinbaren. Andererseits wusste man nie, was sich hinter der Fassade
verbarg, ehe man jemanden genauer kennen lernte. Phil war zweifellos
ohne sie besser dran. Diese ungeheure Miete war vermutlich Phils
Rache. Sicher, das Haus war bestens gelegen, aber Phil hatte es
verkommen lassen. An manchen Stellen waren die Terrasse und der
Balkon verrottet, die Hälfte der Fenster und Schiebetüren ließ sich
nicht öffnen, auf die Wasserleitungen war kein Verlass, die Fußböden
wölbten sich, der Garten wurde von Unkraut überwuchert, und einige
der verwitterten Zedernschindeln mussten erneuert werden. Und dann
diese Möbel, die vom billigsten Trödelmarkt stammten! Mit geringen
Mitteln hätte Phil eine Menge verbessern können. Unglaublich, dass
sich seine zahlenden Hausbewohner nicht beschwerten.
Eigentlich hätte Phil nicht mehr als siebenhundert pro Woche und
Wohnung verlangen können, noch dazu in der Hauptsaison. Durch
diese kleinliche Rache sank Phil in Quinns Ansehen. Andererseits
hatte Phil ihm die Wohnung gratis zur Verfügung gestellt, obwohl
Quinn es sich hätte leisten können, das ganze Haus einfach zu kaufen.
Er überquerte die Straße und den Vorgarten und warf das feuchte
Handtuch über einen wackeligen Liegestuhl. Die Dusche befand sich
an der Hinterseite des Hauses. Von der Straße her hatte man keinen
Einblick. Quinn hatte Molly seit dem ersten Tag nicht mehr unter der
Dusche gesehen, aber mehrmals das Wasser gehört, wenn er in seiner
Wohnung war. Er hatte außerdem mitbekommen, wie sie Donna
Summers’ „Last Dance“ sowie „Staying Alive“ von den Bee Gees
schmetterte, und dank seiner lebhaften Phantasie hatte er sie genau vor
sich gesehen, wie sie sich einseifte, den Schaum wieder abspülte und
dabei wild tanzte. Gerade zog er die Sandalen aus, als ein Fahrrad
klingelte. Molly hatte eines gemietet und kam jetzt auf das Haus zu.
Zwei prall gefüllte Plastiktüten waren in den Drahtkorb gezwängt,
zwei Tüten hingen links und rechts am Lenker, eine weitere Tüte
baumelte von ihrem Unterarm. Das Haar hatte sie zu einem langen,
dicken Zopf geflochten, der unter dem hellblauen Fahrradhelm
hervorlugte. Molly entdeckte ihn, wollte den freien Arm heben und
ihm zuwinken, bog jedoch genau in diesem Moment von der Straße in
die Einfahrt, die mit zerstampften Muscheln bedeckt war. Das Fahrrad
wackelte heftig, und Molly griff zu spät wieder nach dem Lenker. Das
Vorderrad rutschte weg, und Molly landete auf den scharfkantigen
Muscheln, während die Tüten durch die Luft flogen und die Sachen
nach allen Seiten wegrollten. Quinn war blitzartig bei ihr. „Nicht
bewegen“, warnte er. „Liegenbleiben.“ Sie lag auf der Seite und
wirkte leicht benommen. Zum Glück trug sie den Helm. Rasch
untersuchte er sie, ob sie sich etwas gebrochen hatte, fand jedoch
nichts. Das dünne gelbe Top und die abgeschnittene Jeans boten
jedoch wenig Schutz. Sie hatte ziemlich viele Schrammen
abbekommen. „Wow“, murmelte sie und löste mit bebenden Fingern
den Verschluss des Helms. Quinn schob behutsam ihre Hände weg,
nahm ihr den Helm ab und half ihr beim Aufsetzen. „Meine Sachen!“
rief sie, als sie die zerbrochenen Eier, den aufgeplatzten Milchbehälter
und die zerquetschten Weintrauben entdeckte. „Wie kommen Sie bloß
dazu, so viel auf einem Fahrrad zu transportieren?“ Er schämte sich
auf der Stelle, als sie ihn völlig verzweifelt ansah. „Schon gut“,
versicherte er und putzte vorsichtig die Muscheln von ihrer
aufgerissenen Haut. „Wir machen das erst einmal sauber. Können Sie
gehen?“ „Meine Sachen ...“ Sie starrte auf das aufgeschlagene Knie,
das wie das Kinn, die Schulter und der Ellbogen stark zu bluten
begann. „Ich bringe Ihre Sachen ins Haus, keine Sorge. Zuerst wollen
wir Sie verarzten.“ Er holte die Schlüssel aus der Badeshorts, schloss
die Türen auf, kam zurück und hob Molly hoch. Sie setzte zum
Widerspruch an, lehnte sich dann jedoch an seine nackte Brust. Quinn
verspürte schlagartig einen starken Beschützerinstinkt, für ihn fremd,
erschreckend und erhebend zugleich. In den fast dreißig Jahren, die er
nun schon auf diesem Planeten wandelte, war er stets nur für sich
selbst verantwortlich gewesen. Er trug Molly ins Haus, legte sie
jedoch nicht auf das kratzige Sofa im Wohnzimmer, sondern ging ins
verhältnismäßig bequeme Schlafzimmer weiter. Dabei senkte er den
Kopf, bis einige feine Haarsträhnen, die sich aus dem Zopf gelöst
hatten, über seine Lippen strichen. Er hatte gedacht, ihr Haar wäre
braun, doch jetzt fand er darin goldblonde Strähnen. Behutsam ließ er
Molly auf das Doppelbett sinken und schob ihr Kissen in den Rücken,
damit sie angenehm lag. Sie betrachtete die straff gespannten Laken
und die weiche, glatt gestrichene Decke, auf der sie lag. „Sie machen
das Bett?“ „Ja, und?“ „Wer bekommt es denn zu sehen?“ „Heute Sie.“
Molly lächelte schwach. „Ich mache nur Blutflecke auf Ihre schöne
saubere Decke, Quinn.“ „Lassen Sie das meine Sorge sein. Ich habe
einen Erste- Hilfe-Kasten im Wagen. Rühren Sie sich nicht von der
Stelle!“ Er ging zum Mercedes und sammelte auf dem Rückweg
Mollys Einkäufe ein, soweit sie überhaupt noch zu retten waren. Die
Möwen brauchten kein dermaßen extravagantes Zusatzmahl. Als er
wieder ins Schlafzimmer kam, wirkte Molly etwas blass. Sie lag auf
der rechten Seite und achtete darauf, dass die Wunden nicht die Decke
berührten.
„Legen Sie sich endlich bequem hin.“ Er setzte sich zu ihr und rollte
sie auf den Rücken. „Wissen Sie, Molly, Sie sind richtiggehend
verkrampft. Dagegen sollten Sie unbedingt etwas unternehmen,
vielleicht Urlaub machen.“ Hatte er schon jemals etwas so
Bezauberndes gesehen wie dieses kleine amüsierte Lächeln, mit dem
sie auf seinen Scherz antwortete? Er öffnete den Erste-Hilfe-Kasten
und sah die einzelnen versiegelten Päckchen durch. „Also ...
Reinigungstücher mit Alkohol. Nein, nicht gut.“ „Was haben Sie denn
noch alles?“ fragte sie und beugte sich zu ihm. „Jodgetränkte Tücher.“
„Jod?“ Sie rümpfte die Nase. „Das brennt doch.“ Was immer sie auch
benützten, um die Wunden zu reinigen, würde unweigerlich als
Wachmacher wirken. Das brauchte er ihr allerdings noch nicht zu
verraten. „Hier, das ist es.“ Er holte etliche Päckchen heraus.
„Antiseptische Reinigungstücher.“ „Klingt viel versprechend.“ Quinn
riss eine Packung auf, betrachtete Molly und überlegte, wo er
anfangen sollte. Sie hob den Kopf an und deutete auf das Kinn. Er
faltete das feuchte Tuch auseinander und berührte damit die
aufgerissene Stelle. Mit einem Schrei wich Molly zurück und stieß
sich den Kopf am hölzernen Kopfteil. „Schon gut.“ Er hielt sie am
Arm fest. „Ich weiß, das tut weh, aber wir müssen die Stellen reinigen,
damit sie sich nicht entzünden.“ Molly hielt die Augen fest
geschlossen und murmelte zahlreiche Wörter vor sich hin, von denen
er nicht erwartet hätte, dass sie in ihrem Wortschatz vorkamen. Es war
nichts mit dem sanften Molly-Mäuschen. Beinahe hätte er gelächelt.
„So, sind Sie bereit?“ fragte er. Sie nickte, und er machte sich
vorsichtig am Kinn zu schaffen. Sie holte tief Luft und spannte sich
an, bewegte sich jedoch nicht. „Der nächste Patient.“ Quinn zog den
schmalen Träger ihres Tops über die verletzte Schulter und wusste
schon vorher, dass er darunter keinen BH-Träger finden würde.
Innerhalb einer Woche hatte er an Molly noch keinen gesehen.
Möglicherweise besaß sie gar keinen. Er öffnete die zweite
Verpackung und kümmerte sich um die Schulter. Molly stöhnte und
biss die Zähne zusammen. Er wollte sie gerade ablenken, doch bevor
ihm etwas einfiel, fragte sie: „Was ist mit dem Rad? Ich möchte nicht
die Kaution verlieren.“ „Werden Sie nicht. Wenn ich die Kette wieder
aufziehe und den Lenker gerade rücke, fällt niemandem der eine oder
andere Kratzer auf.“ Molly besaß keinen Wagen. Jemand hatte sie
zum Kap gebracht, und hier hatte sie das Fahrrad gemietet, um mobil
zu sein. „Ich wusste nicht, dass Sie mit diesem Ding einkaufen
wollten“, bemerkte er. „Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass ich
Sie mitnehmen soll?“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, als er
sich am liebsten die Zunge abgebissen hätte. Molly wich seinem Blick
aus. Sie beide kannten die Antwort auf diese Frage. Keine
Verpflichtungen und keine Ablenkung! „Ich meine, ich muss ja
schließlich auch einkaufen“, fuhr er fort. „Warum sollten Sie mich da
nicht begleiten? Ich ... also, wenn ich das nächste Mal in den
Supermarkt fahre, sage ich Ihnen vorher Bescheid.“ Er widmete sich
dem Ellbogen. Molly blickte weg, und nachdem sie einmal
zusammengezuckt war, hielt sie still und ließ ihn arbeiten. Diese
Selbstbeherrschung bewunderte er, weil es sicher höllisch schmerzte.
„Es ist gut, Quinn“, sagte sie nach einer Weile. „Sie brauchen mich
nicht zum Einkaufen mitzunehmen. Ich weiß, dass Sie lieber ungestört
sind. Normalerweise komme ich mit dem Fahrrad klar. Nur heute sind
die Pferde mit mir durchgegangen, und ich wollte zuviel nach Hause
schleppen.“ Darauf fiel ihm keine Antwort ein. Wie konnte jemand
bloß alles so locker angehen? Eigentlich sollte sie ihn doch dafür
hassen, dass er ihr die kalte Schulter gezeigt hatte. Er hatte geradezu
getan, als wären ihre freundlichen Annäherungsversuche mit dem
Angriff der Killerbienen zu vergleichen. Alle außer Molly hätten ihm
schon am ersten Tag empfohlen, sich zum Teufel zu scheren. Plötzlich
verstand er, wieso Phil sich zu ihr hingezogen gefühlt hatte. Das war
eine Frau, die er beherrschen konnte, die ihn nicht herausforderte und
nichts von ihm verlangte. Vermutlich hatte er sie erfreulich weich und
lenkbar gefunden. Das wäre allerdings keine gerechte Beurteilung
gewesen. Quinn hielt Molly nicht für lenkbar, sondern für ... heiter
und sonnig. Offenbar war es gar nicht so schlecht, wenn man sich
nicht alles zu Herzen nahm. Es hätte ihn nur interessiert, wie sie auf
eine Krise reagierte. Was sagte das nun wiederum über Phil? Es war
falsch gewesen, diesen Kerl zu mögen. Doch Quinn musste einen
Mann nicht mögen, um ihn auf geschäftlicher Ebene zu respektieren
und sogar zu bewundern. Jedenfalls war er sicher, dass sein
ehemaliger Chef eine Frau wie Molly schätzte. Viel erstaunlicher war,
dass sie sich in Phil verliebt hatte. Er hätte sie gern danach gefragt,
wagte es jedoch nicht. Wie konnte er verlangen, dass seine Nachbarin
seine Privatsphäre respektierte, wenn er es umgekehrt nicht tat?
„Haben meine Hähnchenschnitzel überlebt?“ fragte Molly. „Leider
nein. Das Päckchen ist aufgeplatzt. Der Krautsalat ist auch verloren.
Den Hot Dogs ist allerdings nichts passiert, und die Tüte mit den
Kartoffelchips ist jetzt zwar flach, aber unversehrt. Das sind nun Diät-
Chips. Sie können so viele davon essen, wie Sie wollen, ohne dick zu
werden, weil sie sehr, sehr dünn sind.“ Sie sah ihm zu, wie er die
letzte Packung öffnete, um ihr Knie zu versorgen, wandte jedoch den
Blick wieder ab, bevor er zu arbeiten begann. Er fand das niedlich.
„Heute Abend grille ich ohnedies nicht“, bemerkte sie. „Ich werde
einfach eine Dose Thunfisch öffnen.“ Während Quinn das Blut von
ihrem Knie tupfte, focht er einen inneren Kampf aus zwischen
Vernunft und ... und was? Er wusste es nicht, aber letztlich siegte
nicht die Vernunft. „Also, wenn Sie nichts gegen Hummer
einzuwenden haben, können Sie gern hier unten essen“, sagte er, ohne
die Tätigkeit zu unterbrechen. „Mit mir.“ Sie betrachtete ihn
eingehend. „Quinn, ich weiß, Sie wollen nicht ...“ „Sagen Sie doch
einfach ja, verdammt!“ Er fühlte, dass er rot wurde. „Ich bin
schließlich kein Einsiedler!“ Sie lächelte und verzichtete auf jegliche
bissige Bemerkung wie zum Beispiel: Doch, Quinn, Sie sind ein
Einsiedler. Stattdessen fragte sie: „Meinen Sie echten Hummer? Ich
habe schon Ewigkeiten keinen mehr gegessen! Die Hähnchenschnitzel
sollten der Höhepunkt meiner Woche werden.“ „Sie können nicht das
Kap besuchen und keinen Hummer essen, Molly. Ich glaube, das ist
hier sogar gesetzlich verankert.“ Er holte Verbandszeug und eine
desinfizierende Salbe hervor. Molly hatte noch nicht zugesagt. Und
für sich selbst wollte er sich nicht die Mühe machen, einen Hummer
zu besorgen. „Was habe ich Ihnen prophezeit?“ fragte sie mit einem
wissenden Blick. „Es geht bereits los. Sie fangen an.“ „Womit fange
ich an? Meinen Sie das lässige Leben auf Cape Cod mit Faulenzen am
Strand, Sonnenuntergängen, Fahrradtouren und Hummeressen?“
„Genau.“ Er befestigte ein Pflaster an ihrem Kinn. „Für jemanden, der
einen Gratis-Hummer an Land ziehen will, sind Sie ganz schön
vorlaut.“ „Mit einem Maiskolben.“ „Jetzt will sie auch noch einen
Maiskolben!“ Er griff nach dem nächsten Pflaster. „Und Muscheln!
Einen ganzen Eimer voll. Mögen Sie Muscheln?“ „Nein, aber ich
lasse mir nicht die Gelegenheit entgehen, Ihnen beim Essen
zuzusehen.“ „Hummer!“ rief Molly begeistert, hüpfte auf dem Bett
und störte ihn, als er ihren Ellbogen verbinden wollte. „Und danach
sehen wir uns den Sonnenuntergang an – und zwar den ganzen
Sonnenuntergang!“
4. KAPITEL

„Und ich sage Ihnen, dass ich keinen verdammten Schwan sehe!“
Quinn starrte angestrengt zum mondlosen Himmel hinauf. „Sie
strengen sich viel zu sehr an. Benützen Sie doch Ihre Phantasie.“ „Ich
habe keine.“ Molly lehnte neben Quinn am Geländer des Balkons im
ersten Stock. Sie war ihm nahe genug, um seine Körperwärme sogar
durch das Sweatshirt zu fühlen, das sie über das Top gezogen hatte.
Sein einziges Zugeständnis an die frische Brise, die nach Salzwasser
und Gras duftete, war ein langärmeliges T-Shirt. Die verwitterten
Bretter fühlten sich unter Mollys nackten Füßen rau an. Die Lichter im
Haus hatten sie ausgeschaltet, um die Sterne besser sehen zu können.
Über ihnen spannte sich der nächtliche Himmel mit all seiner
geheimnisvollen Pracht. „Konzentrieren Sie sich nicht auf das Bild“,
fuhr Molly fort, „sondern lassen Sie es einfach ... aus dem Nichts
heraus entstehen.“ „Ach ja, so geht das natürlich viel einfacher.“ Sie
lächelte über seinen spöttischen Ton. „Also, Sie sehen die
Milchstraße, ja?“ „Sicher.“ „Gut, und genau in der Mitte der
Milchstraße, da oben ...“ Sie zeigte zum Himmel hinauf. „Das ist
Deneb, ein blauer Riese, der hellste Stern im Sternbild Cygnus. Das ist
Lateinisch für Schwan.“ „Ja, ich habe Deneb.“ „Jetzt gerade hinunter
zum nächsten Stern und dann nach beiden Seiten wegen der
Schwingen und noch einmal nach unten für den Körper.“ Während er
zum Himmel hochblickte, betrachtete sie ihn von der Seite. Ob er
auch nur die geringste Ahnung hatte, wie attraktiv er wirkte? Als er
sie in sein Schlafzimmer trug und sie sich an seine breite Brust
schmiegte, war sie von ihren Gefühlen überrascht worden. Es war
schön gewesen, sich ihm zu überlassen und zu wissen, dass er sich um
sie kümmern würde. Gleichzeitig hatte sie sich unweigerlich zu ihm
hingezogen gefühlt. Seine Haut war sonnengebräunt, sein Körper
schlank und muskulös. Die tiefe Stimme faszinierte sie ebenso wie
sein überraschend trockener Humor. Und diese gefährlichen Augen!
Man konnte nicht lange in diese Augen blicken, weil man sonst
unweigerlich den Verstand verlor. Molly holte tief Atem und sah
wieder zu den Sternen hinauf. Denk nicht einmal daran, warnte sie
sich. Er war nicht interessiert. Und selbst wenn er es gewesen wäre,
hätte sie ganz sicher nicht wieder einen steifen, verbissenen,
zielstrebigen Manager gebraucht. Nein, jetzt beurteilte sie ihn nicht
gerecht. Schließlich kannte sie Quinn gar nicht richtig. Und sie wusste
nichts über seine Ziele. Er war allerdings von seiner Arbeit besessen.
Das hatte er mit Phil Owen gemeinsam. Vielleicht war sie dazu
verurteilt, immer wieder auf solche Typen anzuspringen. Sorglose
Redakteurin trifft Manager, der seine Nasenspitze nie zu weit
vorwagt, um sich nicht die Finger zu verbrennen, und schon fliegen
die Funken und brechen die Herzen! „Helfen Sie mir“, verlangte
Quinn. „Was macht denn dieser angebliche Schwan da oben?“ „Was
er macht? Ach ... er fliegt.“ Sie flatterte mit den Armen, um ihre
Worte zu unterstreichen. „Es ist ein fliegender Schwan.“ Er strengte
sich noch mehr an, schüttelte schon den Kopf und stockte. „Jetzt sehe
ich ihn ... glaube ich wenigstens.“ Auch er breitete die Arme aus, und
Molly stellte sich vor, wie albern sie beide aussahen, wie sie hier auf
dem Balkon standen, als wollten sie jeden Moment wegfliegen. Sie
legte die Hand auf Quinns Rücken und fühlte das Muskelspiel, als er
die Arme senkte. „Und Sie behaupten, Sie hätten keine Phantasie“,
bemerkte sie. „Ach, manchmal entwickle ich ein wenig.“ Bei seinem
Lächeln regte sich ihre eigene Phantasie und führte sie auf ein
gefährliches Gebiet. Rasch zog sie die Hand zurück. „Was für ein
Zeichen sind Sie?“ „Meinen Sie Sternzeichen? Sagen Sie jetzt bloß
nicht, dass Sie daran glauben.“ „Ich bin für alles aufgeschlossen, aber
deshalb habe ich nicht gefragt. Vielleicht finden wir Ihr Zeichen.“
„Krebs.“ „Krebs. Hey, da haben Sie ja jetzt Geburtstag! Wann denn?
Ist er schon vorbei?“ Er lächelte. „Sie wollen es nicht verraten? Also,
ich liebe Herausforderungen. Leider können wir im Sommer den
Krebs nicht sehen. Dafür müssen wir bis zum Herbst und Winter
warten. Ich bin Stier, aber den können wir heute auch nicht sehen.“
„Stier?“ wiederholte er. Sie lehnte sich gegen das Geländer. „Ich weiß,
was Sie denken, und das passt auch. Ich bin wie ein Stier in Ihre
Privatsphäre eingebrochen.“ „So sehe ich das nicht“, erwiderte er
leise. „Nett, dass Sie das sagen, Quinn, aber es ist schon gut. Ich weiß,
dass ich manchmal ziemlich ... aufdringlich sein kann.“ Er stützte sich
neben ihr auf das Geländer. „So würde ich das nicht ausdrücken. Ich
würde sagen, dass Sie freundlich und offenherzig sind.“
„Offenherzig?“ Molly lächelte. „Ja, das gefällt mir.“ Bildete sie es
sich nur ein, oder kam er näher? „Aufgeschlossen und heiter“, fuhr er
fort. „Unerschütterlich und nicht unterzukriegen.“ „Sie können jetzt
aufhören.“ „Sorglos.“ „Schluss!“ Er lachte. Zum ersten Mal hörte sie
ihn von Herzen lachen, und es freute sie, dass sie der Grund dafür war,
auch wenn er sie aufzog.
„Sorglosigkeit hat mir noch niemand vorgeworfen“, behauptete sie
und boxte ihm gespielt empört gegen die Brust. Er hielt ihre Hand fest
und überraschte sie mit seiner Schnelligkeit und der verhaltenen Kraft,
die sie hinter dem sanften Griff fühlte. In der Dunkelheit schimmerten
seine Zähne, als er lächelte, und jetzt war er so nahe, dass sein Atem
über ihr Haar strich. Sie bekam kaum noch Luft, und er war ihr so
nahe, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. „Es hat
Spaß gemacht, Ihnen beim Muschelessen zuzusehen“, sagte er leise.
„Ich ...“ Molly musste sich räuspern. „Ich habe ziemlich viel Schmutz
dabei gemacht.“ „Ich würde sagen, es war provozierend“, erwiderte er,
streichelte ihr Handgelenk und löste damit wohlige Schauer aus.
„Müssen Sie mir immer widersprechen?“ fragte sie und lachte nervös.
Als er die Lippen auf ihr Handgelenk drückte, musste Molly sich an
der Brüstung festhalten. „Danke, dass ich Ihnen beim Muschelessen
zusehen durfte“, sagte er. „Danke, dass Sie mich gedrängt haben, mir
den Sonnenuntergang anzusehen. Danke, dass Sie mir den Schwan
gezeigt haben.“ „Danke, dass Sie meine Wehwehchen geheilt haben“,
flüsterte sie. „Und danke, dass Sie mir einen zwei Pfund schweren
Hummer gekauft haben.“ „Gern geschehen“, erwiderte er, und sein
Lächeln schwand langsam. Jetzt war er wieder reserviert. Er hat sich
daran erinnert, wer ich bin und was ich getan habe, dachte sie. Er hat
in der Kirche auf eine Hochzeit gewartet, die nicht stattfand. Quinn
ließ ihre Hand los und wich zurück. Molly wollte die Worte nicht aus
seinem Mund hören. Deshalb sagte sie selbst: „Es ist schon spät. Wir
sollten uns jetzt verabschieden.“

Sie backt, dachte Quinn, als er die Haustür hinter sich schloss und
seine Wohnung aufsperrte. Wie üblich stand die Tür im ersten Stock
weit offen, und ein himmlisch süßer Duft trieb ihm entgegen. Es ging
auf neun Uhr zu. Draußen war es fast schon dunkel. Quinn war in der
Stadt gewesen und hatte zwei Videokassetten und Nusseis besorgt.
Fünf Tage waren vergangen, seit er Molly mit Hummer verwöhnt und
einen Schwan am Himmel entdeckt hatte. Er war nicht oft mit ihr
zusammengetroffen, war ihr aber auch nicht wie an den ersten Tagen
ausgewichen. Auch wenn er sich nicht mehr strikt zurückhielt,
existierte zwischen ihnen doch ein unsichtbares Hindernis, das so
unüberwindlich wie die Berliner Mauer vor der deutschen
Wiedervereinigung war. Die Vergangenheit dieser Dame sprach für
sich. Mit nichts konnte sie überdecken, was sie Phil angetan hatte,
dem Mann, unter dessen Dach Quinn im Moment wohnte und der in
seiner beruflichen Sparte einen gewaltigen Einfluss besaß. Quinn hatte
Phils Angebot mit dem Sommerhaus als Geste des guten Willens
angenommen. Außerdem wollte er hinter sich keine Brücken
abbrechen. Man konnte nie wissen, ob man nicht jemanden eines
Tages in einer Position wieder sah, in der er einem beruflich helfen
oder schaden konnte. In schwachen Momenten stellte Quinn sich ein
erotisches sommerliches Abenteuer mit der ehemaligen Verlobten
seines ehemaligen Chefs vor. Doch dann sah er in Gedanken eine aus
Lianen und Bambusstangen geflochtene Brücke, die in Flammen
aufging und deren brennende Trümmer in die bodenlose Tiefe eines
mit wallendem Nebel erfüllten Abgrundes stürzten. Eines musste er
Molly zugestehen. Sie hatte seine schlummernde Phantasie geweckt.
Natürlich merkte sie seine Zurückhaltung. Sie wartete darauf, dass er
ein Gespräch begann, und beendete es auch sehr schnell wieder, als
wollte sie ihn nicht zu lange belästigen. Vor wenigen Tagen war er
noch froh gewesen, dass sie ihn in Ruhe ließ. Jetzt schämte er sich nur
noch für seine Haltung. Er hatte seine Meinung über sie deutlich
ausgesprochen und ihr Verhalten und somit auch ihren Charakter
verurteilt. Allerdings hätte er ihr gern erklärt, dass es nicht nur daran
lag. Es ging auch um seine Karriere und diese Bambus- Hängebrücke,
die er in acht langen Jahren gebaut hatte. Das alles wollte er nicht aufs
Spiel setzen, indem er ... Indem er was? Indem er mit ihr höflich
umging? Es war ein gewaltiger Unterschied, ob er eine Frau wie eine
Aussätzige behandelte oder sie bat, von ihm ein Kind zu bekommen.
Vielleicht sollte er es mit einem Mittelweg versuchen. Das hätte er
von Anfang an machen sollen. Er ging direkt in die Küche und legte
unterwegs die Videokassetten auf den Wohnzimmertisch. Als er die
Eiscreme auf die Arbeitstheke stellte, klopfte es an der Tür. Das
konnte nur ein einziger Mensch auf der ganzen Welt sein. Molly stand
in einem bunten Sommerkleid in der Tür und lächelte strahlend. Die
Wunden von dem Sturz mit dem Fahrrad heilten gut, erinnerten ihn
aber noch immer an einen Horrorfilm. Es dauerte einen Moment, ehe
er merkte, was sie in den Händen hielt. „Alles Gute zum Geburtstag!“
rief sie. Es traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Er stand nur da und starrte völlig entgeistert auf die Schokoladentorte,


auf der brennende Kerzen die Ziffern 3 und 0 formten. Mollys
Lächeln schwand allmählich. Quinn schluckte heftig und versuchte,
dieses bemerkenswerte Ereignis verstandesmäßig zu verarbeiten. Es
gelang ihm nicht. „Ach, könnte ich vielleicht hereinkommen?“ fragte
sie. „Ich wollte das nur abgeben.“ „Sie haben mir eine Torte
gebacken!“ Er erkannte seine Stimme kaum. „Warum?“ Sie sah ihn so
betroffen an, dass er endlich wieder zu sich kam. „Ich meine ... Molly,
noch nie hat mir jemand eine Geburtstagstorte gemacht.“ Sogar seine
Mutter hatte sie stets in einer Bäckerei gekauft. Er sah ihr in die
blauen Augen, und sie hielt seinem Blick stand. Zwischen ihnen
wuchs in diesen Sekunden ein unsichtbares Band. Seine Augen
brannten, seine Kehle war wie zugeschnürt. Verdammt, er musste sich
zusammennehmen! Und zwar schnell! „Dann war es höchste Zeit,
nicht wahr?“ sagte sie sanft lächelnd. Offenbar sah sie ihm den
inneren Kampf an, die offen liegende Seele, das Staunen und die
Verwunderung, die er nicht verbergen konnte. Aber es machte nichts
aus, weil er es mit Molly zu tun hatte. Seine Hände zitterten leicht, als
er nach der Kuchenplatte griff. Es störte ihn nicht, dass Molly es sah.
„Wow! Das ist einfach ... Ist das ein Zirkuszug?“ Die Torte war etwas
schief und mit Schokoladen-Buttercreme überzogen. Mit leicht
verwackelten Buchstaben war liebevoll „Happy Birthday Quinn“ mit
gelbem Zuckerguss darauf geschrieben. Die Kerzen brannten schon
herunter und neigten sich in verschiedene Richtungen. Entlang des
Randes war ein winziger Zug aus buntem Zucker festgeklebt. In den
Käfigwagen saßen breit grinsende Zirkustiere. Molly rückte den
Bremswagen zurecht. „Richtig. Das ist ein Zirkus. Im Laden gab es
nur eine begrenzte Auswahl. Zirkuszug oder Clowns.“ „Danke. Ein
Zug ist doch wesentlich würdevoller.“ „Pusten Sie die Kerzen aus.
Ach, vorher müssen Sie sich etwas wünschen.“ Für einen Moment
packte ihn Panik. Was sollte er sich bloß wünschen? Dann lächelte er
über seine Dummheit, schloss die Augen und formulierte einen
bescheidenen Wunsch, in dem nicht einmal ein einziges Dollarzeichen
vorkam. Danach pustete er die Kerzen aus. „Ich habe nicht alles selbst
gemacht“, gestand sie. „Wissen Sie, ich habe eine Backmischung
benützt.“ „Die Torte ist einmalig, Molly. Ich habe sie schon gerochen,
als ich ins Haus kam, und ich habe mich gefragt, was Sie backen.“
„Ich bin nicht sonderlich geschickt.“ Sie deutete auf die wackligen
Buchstaben. „Die Schrift ...“ „Ich mag die Schrift. Ich mag die ganze
Torte!“ Er wich zur Seite, damit sie eintreten konnte. „Kommen Sie
herein. Ich hole Teller.“ Molly machte einige zögernde Schritte,
während er die Torte in die Küche brachte. „Ich wollte eigentlich nur
die Torte abgeben. Sie brauchen nicht ...“ „Ich habe auch Eis“, rief er.
„Nusseis. Das wird eine richtige Geburtstagsfeier. Haben Sie
vielleicht auch diese spitzen Hütchen besorgt?“ Sie trat in den
Durchgang zur Küche. Quinn erschien sie noch schöner als zuvor. Das
lange Haar mit den von der Sonne ausgebleichten Strähnen fiel über
die nackten Schultern. Ihr Lächeln war sanft, fast scheu. Als Antwort
auf seine Frage schüttelte sie den Kopf. Er holte zwei kleine Teller aus
dem Schrank. „Tröten?“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß
nicht, Molly“, meinte er und spielte den Enttäuschten. „Was soll denn
das für eine Party sein? Keine Tröten, keine Hütchen.“ Er holte das
Eis aus der Tüte und nahm den Deckel des Behälters ab. Amüsiert
lehnte sie sich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme. Das
drückte ihre Brüste leicht hoch und ließ das Dekolleté ihres Kleides
noch viel interessanter werden. Quinn hatte sie bereits splitternackt
gesehen. Wieso heizte ihm da der Anblick des V-Ausschnitts auf
einmal dermaßen ein? Mit Mühe konzentrierte er sich auf seine
Tätigkeit. Gabeln, Löffel, Schälchen und Servietten. „Kaffee?“ fragte
er. „Schon zu spät für mich, oder haben Sie welchen ohne Koffein?“
„Tut mir leid, nein, nur den normalen.“ „Stehen Sie da nicht die ganze
Nacht senkrecht im Bett?“ Bei den Gedanken, die er im Moment
wälzte, wäre ihm dieser Zustand nicht einmal unangenehm gewesen,
sofern seine Nachbarin mitspielte. „Kaffee hat mir noch nie etwas
ausgemacht“, erwiderte er, „aber für mich allein mache ich jetzt
keinen. Schneiden Sie schon die Torte an, während ich Partymusik
aussuche.“ „Ich stimme für die Supremes.“ Wenig später saßen sie
einander am Esstisch gegenüber. Quinn machte sich über das große
Tortenstück her, das Molly ihm vorgesetzt hatte. „Wie haben Sie
herausgefunden, dass ich heute Geburtstag habe?“ „Ich habe Cindy in
der Agentur angerufen.“ „Cindy? Ach, die Büroleiterin.“ „Sie hat in
Ihrer Personalakte nachgesehen und mir Ihr Geburtsdatum genannt.
Dreißig! Das ist ein wichtiger Meilenstein, Quinn, und muss
entsprechend gefeiert werden.“ „Wenn etwas gefeiert werden muss, ist
es die Tatsache, dass ich die selbst gesteckten Ziele erreicht habe.“ Er
seufzte. „Ich bin da, wo ich mit dreißig sein wollte, abgesehen davon,
dass ich im Moment keine Arbeit habe.“ „Sie meinen berufliche
Ziele.“ Quinn nickte. „Erreicht man sie, ergibt sich der Rest von
selbst.“ „Und mit dem Rest meinen Sie ...“ „Das müssen Sie fragen?
Geld und alles, was man damit kaufen kann.“ „Das ist die materielle
Seite“, wandte sie ein. „Wie sieht es mit persönlichen Zielen aus?“
„Das hängt alles zusammen. Wenn man in seinem Beruf einen
gewissen Status erreicht hat, folgt der Rest, wie ich schon sagte. Dazu
gehören auch Respekt und Wertschätzung durch andere.“ Molly war
mit ihrer Eiscreme fertig. „Also ... je mehr man beruflich erreicht,
desto mehr Geld verdient man und desto mehr Freunde hat man
auch?“ „Sie haben Eiscreme an der Nase“, sagte er und sah zu, wie sie
zu lächeln aufhörte und nach der Nasenspitze schielte. Vergeblich
versuchte sie, den Klecks mit der Zunge wegzulecken, und Quinn
reagierte darauf, als hätte sie an seinem Körper einen verborgenen
Schalter gefunden und betätigt. Endlich entschied sie sich für die
wesentlich weniger anregende Methode mit der Papierserviette, doch
der Schaden war bereits angerichtet. Das Bild, wie diese Zunge
hartnäckig arbeitete, hatte sich Quinn für immer und ewig ins
Gedächtnis eingebrannt. Er schob den Teller weg und lehnte sich
zurück. „Ich möchte Sie etwas fragen“, begann er und war jetzt schon
überzeugt, dass er es bereuen würde. Vielleicht aber auch nicht. Molly
war nicht so seicht und unkompliziert, wie er sie beim Kennen lernen
vor zwei Wochen eingeschätzt hatte. Sie war nicht so herzlos, wie Phil
sie ihm in allen hässlichen Einzelheiten geschildert hatte. Hätte das
auf sie zugetroffen, hätte sie die Zurückweisung durch ihn nicht so
einfach weggesteckt. Dann hätte sie ihm nicht geduldig den
nächtlichen Himmel gezeigt. Und ganz sicher hätte sie sich nicht die
Mühe gemacht, seinen Geburtstag herauszufinden und ihm eine Torte
zu backen. Eine Torte! Das hatte er noch immer nicht verkraftet. So
viel Herzenswärme und Lebensfreude beeindruckten ihn zutiefst.
„Warum haben Sie Ihre Hochzeit in letzter Minute platzen lassen?“
5. KAPITEL

Molly sah Quinn lange schweigend an, und er machte sich schon auf
alles Mögliche gefasst, angefangen von einem Tränenstrom bis hin zu
einem Heiterkeitsausbruch. Endlich lächelte sie schwach. „Wenn ich
es Ihnen erzähle, werden Sie vielleicht trotzdem weiterhin Phils
Standpunkt teilen. Die Geschichte ist nicht so einfach.“ „Nichts im
Leben ist das. Was ist passiert? Sie waren schon in der Kirche“,
drängte er. „Und Sie trugen Aschenputtels Hochzeitskleid.“ Sie holte
tief Luft. „Ich wartete in dem Raum, der für die Braut vorgesehen ist,
und war nervös. Glücklich, aber nervös. Vermutlich ergeht es allen
Bräuten so. Meine Schwester Toni war bei mir. Sie war eine meiner
Brautjungfern. Als die Trauung beginnen sollte, klopfte Phil. Ich
wollte nicht, dass er das Kleid vor der Zeremonie sieht, aber er
meinte, es wäre wichtig. Er kam mit seinem Bruder Ron und seinem
Freund Jim herein.“ „Was wollte er?“ „Nur eine Kleinigkeit,
versicherte er, etwas, das in letzter Sekunde noch erledigt werden
sollte, bevor wir heiraten konnten. Er gab mir ein Dokument, das ich
unterschreiben sollte. Es war ein Vertrag, absolut legal. Er benützte
nicht den Ausdruck ,Ehevertrag‘, sondern sprach von einer
,Einigung‘.“ „Moment.“ Quinn setzte sich kerzengerade auf. „Er legte
Ihnen einen solchen Vertrag vor, als Sie eigentlich schon auf dem
Weg zum Altar sein sollten?“ Sie nickte. „Er behauptete, es wäre die
Idee seines Anwalts gewesen. Ihm selbst wäre die Sache nicht weiter
wichtig, aber sein Anwalt wäre äußerst hartnäckig. Ron und Jim
sollten unsere Unterschriften bezeugen. Ich fragte Phil, warum er mir
den Vertrag nicht schon früher gezeigt hätte. Er behauptete, es hätte
Verzögerungen gegeben. Sein Anwalt hätte ihm die Papiere erst in der
Kirche übergeben. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, und
wandte mich an seinen Bruder.“ „Das ist der Kerl, der Ihnen beim
Pokern das Bluffen beibringen wollte.“ „Richtig. Ron ist mein Freund,
ein anständiger Mann. Ich weiß, wann er sein Pokergesicht macht.
Und in diesem Moment machte er es, als er heldenhaft versuchte,
seinen Bruder zu unterstützen. Als ich ihm aber direkt in die Augen
sah und ihn zwang, mich anzusehen, gab er auf und blickte verlegen
zur Seite. Da wusste ich ...“ Quinn erschrak, als ihre Stimme brach.
Bisher hatte er sie nur von allem unberührt erlebt. „Da wusste ich,
dass Phil log“, fuhr sie heiser fort. „Es war Taktik, mir den Vertrag
erst in letzter Minute vorzulegen. Er dachte, ich würde nachgeben und
unterschreiben. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Ich
hörte die Gäste in der Sakristei. Die Orgel spielte schon. Der
gewaltige Hochzeitsempfang war geplant und bezahlt, für die
Flitterwochen war alles reserviert.“ Molly sprach ruhig, doch ihre
Unterlippe bebte. „Was haben Sie getan?“ fragte Quinn sanft. „Ich
sagte Phil, ich könne einen solchen Vertrag nicht unterschreiben, ohne
ihn vorher von einem Anwalt prüfen zu lassen. Und ich hätte leider
nicht wie er gerade einen dabei. Er erklärte, dafür wäre keine Zeit
mehr. Der Vertrag müsste unterschrieben werden, bevor wir heiraten
können.“ „Wie sahen denn die Bedingungen des Vertrages aus?“ Als
ob er sich das nicht denken konnte! „Was glau ben Sie wohl? Natürlich
alles zu seinen Gunsten. Selbst wenn wir uns nach vierzig Jahren
scheiden ließen, könnte ich nur mitnehmen, was ich in die Ehe
mitgebracht hätte, also praktisch meine Zahnbürste. Ich würde keinen
Anteil am Vermögenszuwachs während der Ehe haben, da er ja die
Brötchen verdienen würde.“ „Dann sollten Sie also nicht arbeiten?“
„Nein. Phil und ich wollten sofort eine Familie gründen. Wir waren
uns einig, dass ich daheim bleibe, die Kinder erziehe, das Haus führe
und so weiter – und das ist meiner Meinung nach für eine Familie
genauso wichtig wie das Finanzielle. Bei einer Scheidung hätten
jedoch laut dieses Vertrages meine jahrelange harte Arbeit als
Hausfrau und Mutter nicht gezählt.“ „Kein Anwalt würde Sie einen
derartig einseitigen Vertrag unterschreiben lassen, Molly.“ „Phil
wurde ziemlich hässlich, als ich mich weigerte. Wahrscheinlich dachte
er, ich würde doch noch einlenken. Ich meine, ich bin unkompliziert,
aber auch das hat Grenzen.“ Quinn unterdrückte ein Lächeln. Es hatte
ihn interessiert, wie Molly in einer Krise reagieren würde. Offenbar
hatte er es soeben herausgefunden. „Dann ließ Quinn die Maske
fallen“, fügte sie hinzu. „Er sagte, entweder ich unterschreibe sofort,
oder es würde keine Hochzeit geben.“ „Und Sie sind gegangen“,
stellte er voll Bewunderung fest. „Ich bat Toni um die Schlüssel ihres
Wagens und darum, dass sie Mom und Dad alles erklärt. Dann drehte
ich mich um und ging hocherhobenen Hauptes hinaus. Er hat mich
keine einzige Träne vergießen gesehen“, betonte sie stolz. Quinn
merkte, dass ihre Augen feucht wurden. Vermutlich hatte sie später
ziemlich viele Tränen vergossen. Phils hinterhältiges Verhalten hatte
sie offenbar tiefer getroffen, als sie zeigte und sogar sich selbst
eingestand. Er fand es toll, dass sie die innere Kraft und Selbstachtung
aufgebracht hatte, diesem Mistkerl die Stirn zu bieten. Das sanfte
Molly-Mäuschen steckte voller Überraschungen! Eine Frage lag ihm
auf der Zunge. „Wieso sagten Sie, ich könnte trotzdem weiterhin Phils
Standpunkt teilen? Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll.“ „Weil
Sie beide so viel gemeinsam haben.“ Sie drückte die Lokomotive aus
Zucker an die Lippen und leckte den daran klebenden Tortenguss ab.
„Einen Moment!“ protestierte er. „Wir haben viel gemeinsam? Ich
und dieser ... dieser ...“ „Es war nicht als Beleidigung gemeint“,
wehrte sie ab. „Ach nein? Würden Sie es mir dann genauer erklären?“
Molly zählte an den Fingern mit. „Sie sind beide in der
Werbebranche, beide zielstrebig, erfolgreich und ehrgeizig. Und für
Sie beide zählt nur das Materielle.“ Sie machte an der anderen Hand
weiter. „Sie lassen sich nicht aufhalten, wenn Sie ein Ziel verfolgen.
Persönliche Beziehungen sind lediglich der private Teil Ihres
Berufslebens. Dunkles Haar. Deutsches Auto. Tolle Schultern.“ Sie
hielt alle zehn Finger hoch. „Mein Taschenrechner ist voll. Ach ja, Sie
tragen beide im Urlaub die gleiche Uniform – Polohemd und Khahi-
Shorts.“ „Das ist ja einfach ... großartig!“ stieß Quinn hervor. „Wollen
Sie mir auch nur in einem einzigen Punkt widersprechen?“ Sie
stocherte in den Resten auf seinem Teller. „Wo ist der Bremswagen?
Haben Sie ihn gegessen?“ „Könnten Sie einmal bei einem Thema
bleiben? Nein, ich widerspreche Ihnen nicht, was die Vergleiche
angeht, die Sie aufgezählt haben. Aber ich habe viel mehr
aufzuweisen als materielle Interessen und ... und ...“ Tolle Schultern!
„... und meinen Mercedes. Ich würde keiner Frau antun, was Phil mit
Ihnen gemacht hat!“ „Ach, das weiß ich, Quinn. Ich halte euch beide
nicht für Klons.“ „Wenigstens etwas.“ „Sie würden Ihrer Braut mehr
Zeit lassen, den Vertrag durchzulesen.“ Tatsächlich? War er der Typ,
der auf einer vorehelichen Vereinbarung bestand, falls er eine Frau
heiratete, die nicht so reich war wie er? Molly glaubte es. Das
Schlimme daran war, dass sie wahrscheinlich Recht hatte. Trotzdem
würde er nie versuchen, seine Auserwählte um den ihr zustehenden
Anteil am ehelichen Vermögen zu betrügen. Phil hatte ihm angeboten,
einen ganzen Monat mit seiner Exverlobten zu verbringen, der er ein
Unrecht angetan hatte. Hatte Phil denn nicht gefürchtet, sie könnten
über ihn sprechen? War es ihm völlig gleichgültig, wenn er, Quinn,
die Wahrheit erfuhr? Vermutlich nicht, aber Phil kannte ihn nur aus
der Agentur, und da hatte er sich nicht von seiner privaten Seite
gezeigt.
Phil nahm wohl an, es mit einem Mann zu tun zu haben, der privat so
knallhart war wie im Geschäft. Auf Phil traf das zu. Er hatte außerdem
Horrorgeschichten über seine Exverlobte erzählt und damit gerechnet,
Quinn würde Molly aus dem Weg gehen. Genau das hatte er auch
getan und war alles andere als stolz darauf. „Phil hat tolle Schultern?“
fragte er. „Ihre sind toller.“ „Danke.“ „Sein BMW ist allerdings
größer und hat mehr PS und mehr Leder.“ „Also, Phil und ich, wir
schwimmen vielleicht in derselben Suppe“, erklärte Quinn, „aber Sie
sollten uns trotzdem nicht in denselben Topf werfen. Ich bin empört,
dass er Sie dermaßen hereinlegen wollte. Und ich kann mir vorstellen,
dass Sie verbittert sind. Verbittert und wütend und rachedurstig.
Haben Sie eine Ahnung, was Phil Schlimmes über Sie erzählt hat?“
„Ich kann es mir vorstellen, aber das ist nicht wichtig. Niemand mit
einem Funken Verstand und auch nur dem geringsten
Einfühlungsvermögen würde Phils Version der Ereignisse glauben.“
Quinn wäre am liebsten im Boden versunken. Genau das hatte er
nämlich getan. Und er hatte Molly nicht einmal zugehört, als sie ihm
erklären wollte, wie alles gewesen war. Offenbar erriet sie seine
Gedanken, griff über den Tisch und drückte seine Hand. „Damit habe
ich nicht Sie gemeint, Quinn. Sie haben mich da noch nicht gekannt.“
Verwundert schüttelte er den Kopf. „Sie sind unglaublich
verständnisvoll und ... lieb. Ich an Ihrer Stelle hätte in der ,New York
Times‘ eine ganze Anzeigenseite gekauft, damit die Welt erfährt, was
Phil mir angetan hat. Nein, ich weiß etwas noch Besseres – einen
offenen Brief an ,Advertising Today‘!“ „Da kann ich ja nur hoffen,
dass Sie nie böse auf mich sind“, meinte sie lachend. „Wie kommt es,
dass Sie ihm nichts nachtragen?“ „Phil hat sich so verhalten, wie es
ihm entspricht“, erwiderte sie. „Er hat nach seinem Gefühl, seinem
Selbsterhaltungstrieb gehandelt. Auf diese Weise ist er schließlich
zum Eigentümer einer Agentur geworden, die heute viele Millionen
wert ist.“ „Sie sprechen jetzt vom Geschäft. So sollte man aber nicht
die Menschen behandeln, an denen einem etwas liegt.“ Sie lächelte
wissend. „Ich dachte, das hängt alles irgendwie zusammen. Haben Sie
das nicht selbst gesagt?“ „So habe ich das nicht gemeint“, wehrte
Quinn ab. „Er wendet in seinem Privatleben die gleichen Grundsätze
wie im Geschäftsleben an. Das habe ich allerdings erst bei der
Hochzeit erkannt.“ „Jetzt sprechen Sie schon wieder so unbekümmert
über diese Affäre.“ „Phil hat sich so verhalten, wie es ihm entspricht,
und ich habe getan, was mir entspricht. Niemand ist zu Schaden
gekommen.“ „Stimmt nicht.“ Er wartete, bis sie ihn ansah. „Sie sind
verletzt, Molly. Wollen Sie das abstreiten?“ „Nein, aber ich komme
darüber hinweg“, erwiderte sie ruhig. „Ich habe es fast schon
geschafft. Weshalb sollte ich in Bitterkeit und Hass baden? Das frisst
einen doch nur innerlich auf. Damit bestraft man sich selbst und nicht
denjenigen, der einen verletzt hat.“ „Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass
Sie ihm verziehen haben.“ Ihr süßes Lächeln war Antwort genug. „O
Molly!“ stöhnte er. „Ach, nun regen Sie sich nicht auf und hassen Sie
ihn nicht an meiner Stelle.“ Aber jemand musste Phil hassen! Quinn
zögerte nur zwei Sekunden, ehe er herausplatzte: „Sie sind vielleicht
nicht nachtragend, Phil dagegen schon.“ Sie putzte ihren Kuchenteller
mit der Gabel sauber. „Ich weiß. Er erzählt schreckliche Dinge über
mich.“ „Er geht noch weiter, und Sie lassen es zu. Verdammt, Molly!“
Bei seinem schroffen Ton sah sie ihn mit großen Augen an. „Was
habe ich denn getan?“ „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass
neunhundertfünfzig Dollar pro Woche für diese Wohnung ein
Sonderpreis ist!“ Er sah ihr deutlich an, wie sie allmählich begriff.
Phils Bruder mochte sich ja sehr bemüht haben, aber niemand würde
dieser Frau jemals das Bluffen beibringen.
Quinn hatte ihr aus ehrlicher Überzeugung die Wahrheit gesagt. Wenn
sie schon eine Heilige spielen wollte, sollte sie wenigstens alle
Tatsachen kennen. Als er jetzt jedoch ihr Gesicht betrachtete,
wünschte er sich, den Mund gehalten zu haben. Sie rang sich tapfer
ein Lächeln ab. „Na schön, dann habe ich mich eben dumm verhalten,
richtig? Glauben Sie, dass er sich über mich amüsiert?“ „Molly, es tut
mir leid“, erwiderte er bedrückt. „Ich hätte nicht ...“ „Hören Sie auf.
Ich bin froh, dass Sie es mir gesagt haben.“ Sie saß jetzt kerzengerade
da und sprach sehr beherrscht, doch ihre Wangen hatten sich gerötet,
und Quinn hatte bei ihr noch nie einen so harten Blick gesehen. „Darf
ich fragen, wie viel Sie bezahlen?“ Das hast du dir selbst eingebrockt,
dachte er. „Ich ... ich zahle gar nichts. Er ... also, er hat mir die
Wohnung gratis angeboten.“ Sie tat, als würde sie das gar nicht
überraschen. „Ich glaube“, fuhr er fort, „dass er von Ihnen ungefähr
zweihundert Dollar pro Woche mehr verlangt, als er normalerweise
bekommt. Die Konkurrenz durch Wohnungen, die sich in einem
wesentlich besseren Zustand befinden, ist sehr groß.“ „Vielen Dank,
dass Sie mir das gesagt haben, Quinn.“ Molly stand auf, sammelte
rasch das Geschirr ein und trug es in die Küche. Er hörte, wie die
Teller in der Spüle klapperten und Wasser mit voller Kraft rauschte.
Er hätte ihr angeboten, ihre Miete zu übernehmen, wenn er geglaubt
hätte, dass sie einverstanden war. Doch es ging im Moment gar nicht
in erster Linie um Geld. Er hörte ein rhythmisches Kratzen und
brauchte eine Weile, ehe ihm dämmerte, dass die Platte zu Ende war.
Er ging ins Wohnzimmer, schaltete das Gerät aus und nahm die Platte
vom Teller. In der plötzlich eingetretenen Stille drang ein fast
unhörbares Geräusch zu ihm. Unterdrücktes Weinen. Er legte die
Platte aus der Hand und eilte in die Küche. Molly stand an der Spüle
und drückte einen nicht endenden Strahl Spülmittel ins Wasser. Sie
merkte nicht einmal, dass der Schaum bereits überzufließen drohte.
Tränen liefen ihr aus den Augen. Er drehte das Wasser zu und nahm
ihr die Flasche mit dem Spülmittel aus der Hand. „Er musste das letzte
Wort haben.“ Sie schlug mit der Faust auf die verkratzte
Arbeitsfläche. „Beim ersten Versuch ist es ihm nicht gelungen, mich
zu betrügen. Also hat er es ein zweites Mal versucht, und ich bin drauf
reingefallen, weil ich so dumm bin!“ Tränen flossen ungehindert über
ihre Wangen. „Molly, Sie sind nicht ...“ „Ich bin ein Fußabstreifer!
Nach allem, was passiert ist, habe ich ihm vertraut! Ich bin ihm
blindlings in die Falle gegangen!“ rief sie und schüttelte die Hand ab,
die Quinn ihr tröstend auf den Rücken legte. „Wären Sie wirklich ein
Fußabstreifer“, redete er ihr zu, „wären Sie mit Phil vor den Altar
getreten. Dann wären Sie nämlich zu ängstlich oder verschämt
gewesen, um die Hochzeit in letzter Minute platzen zu lassen. Wegen
der Miete haben Sie ihm vertraut, weil Sie in Menschen nur das Gute
sehen. Und Sie schaffen es, in Menschen das Gute zu wecken.“ „Wie
zum Beispiel in Phil?“ „Sie können nichts wecken, was gar nicht
vorhanden ist. Jetzt schieben Sie sich eine Schuld zu, die in
Wirklichkeit er hat. Sie machen genau das, wovon Sie vorhin
gesprochen haben, und bestrafen sich selbst und nicht die Person, die
Sie verletzt hat.“ „Er ... er war immer so reizend, Quinn, wenn wir
zusammen waren. Hingebungsvoll. Jetzt weiß ich, dass es nur gespielt
war.“ Er trat näher, damit sie ihn ansah und erkannte, dass er es ernst
meinte. Sie wollte sich abwenden, doch er hielt sie fest. „Sie haben
das Gute in mir erkannt“, erklärte er. „Sie haben meine vielen Fehler
ignoriert und sich auf meine wenigen Tugenden konzentriert, und
sehen Sie mich jetzt an.“ Er blickte lächelnd in ihre traurigen Augen.
„Wenn die Sonne untergeht, bin ich der erste am Strand und der letzte,
der wieder weggeht. Man nennt mich schon den König vom Kap.“
Vergeblich versuchte sie, ihn von sich zu schieben. „Das sagen Sie
nur, damit ich mich besser fühle.“ „Wie kommen Sie nur darauf?
Habe ich das vielleicht vor zwei Wochen getan?“ Mit einer
Papierserviette von der Theke wischte er die Tränen weg. Molly nahm
sie ihm aus der Hand, putzte sich die Nase und warf die Serviette in
den Mülleimer. Quinn ignorierte die innere Stimme, die ihn warnte,
und kam noch näher. Molly blickte ihm in die Augen. Auch sie fühlte
die Anziehung. Er sah es ihr an, als sie das Gesicht abwandte und
schneller atmete. Ihre Brust hob und senkte sich und berührte ihn bei
jedem Atemzug. Molly hielt den Atem an, als seine Lippen ihren Hals
streiften. Unsicher hob sie die Hände. Wollte sie ihn festhalten oder
drängen? „Molly“, flüsterte er, und sein Atem strich über ihren Hals.
Er schob die Finger in ihr Haar. Es fühlte sich wunderbar an. Mit der
anderen Hand streichelte er ihre Hüfte und ließ die Finger lockend
höher gleiten. Sie atmete schneller, und er fühlte ihre wachsende
Erregung und vielleicht auch einen Hauch von Panik. Als er ihre Brust
berührte, drückte sie die Fingernägel in seine Schultern. Sie wehrte
sich, aber nicht gegen ihn, sondern gegen ihr wachsendes Verlangen.
In ihrem ausdrucksvollen Gesicht erkannte er ihre wahren Gefühle. Ihr
Blick verriet Verlangen, ihre Lippen waren leicht geöffnet. Ohne zu
überlegen, presste er seine Lippen auf ihren Mund und drückte sie
dabei gegen den Kühlschrank. Es war ein fordernder, erobernder
Kuss, aber Molly hielt sich noch immer zurück. Sie wehrte sich sogar
noch, als er sie fester an sich zog. „Molly“, flüsterte er. „Gib auf! Du
kannst nicht gewinnen.“ Mit den Händen auf ihrem Po zog er sie
näher zu sich heran. Als sie nach Luft rang, nutzte er die Gelegenheit
und nahm Besitz von ihrem Mund. Endlich stöhnte sie leise, gab nach
und öffnete ihre Lippen. Triumphierend schob er die Hände auf ihre
Brüste, fühlte die aufgerichteten Spitzen und streichelte sie sachte.
Molly stöhnte kaum hörbar. Quinn löste seine Lippen sanft von ihren
und betrachtete sie. Molly bot ein Bild der Sinnlichkeit. Sie atmete
heftig und hielt die Augen halb geschlossen. Die Spitzen ihrer Brüste
drückten sich durch den dünnen Stoff, und Quinn konnte an nichts
anderes mehr denken, als sie auszuziehen und mit ihr ins Bett zu
gehen. Voll Verlangen schob er die Hand unter den kurzen Saum ihres
Rocks und streichelte den Schenkel. Die Haut fühlte sich noch
seidiger an, als er es sich ausgemalt hatte. Und er hatte sich in den
letzten zwölf Tagen sehr viel ausgemalt. Mit dem Knie drängte er ihre
Beine auseinander und strich höher. Während sie nichts von BHs hielt,
trug sie einen Slip, zwar aus Baumwolle, aber sehr schmal. Als er die
Finger zwischen ihre Beine schob, fühlte er ihre Leidenschaft durch
den dünnen Stoff hindurch. Benommen vor Verlangen blickte sie zu
ihm hoch und öffnete die Beine weiter. „Schaffen wir es noch in dein
Schlafzimmer?“ flüsterte sie. Quinn drückte sich so gegen sie, dass sie
fühlen musste, wie sehr er sie begehrte. „Die Arbeitsfläche sieht doch
nicht schlecht aus.“ Sie lachte leise. „Nichts dagegen einzuwenden,
aber du hebst die Kondome vermutlich nicht zwischen den
Frühstücksflocken auf.“ Alarm! „Ach ... Molly ... Schatz ... Ich habe
gar keine Kondome.“ Keine Ablenkung! Darum war es doch
grundsätzlich bei diesem Urlaub gegangen, oder etwa nicht? Wer
packt schon Kondome ein, wenn jede Art von Ablenkung von Anfang
an ausgeschlossen ist? Sie schüttelte den Kopf. Der Drugstore war
bereits geschlossen. Doch wenn Quinn etwas in acht Jahren im
Werbegeschäft gelernt hatte, war es, wie man eine gefährdete
Präsentation rettet. „Weißt du“, meinte er, „ich habe erst vor kurzem
entdeckt, dass ich äußerst einfallsreich sein kann. Man könnte mich
sogar erfinderisch nennen.“ „Tatsächlich?“ fragte sie lächelnd. „Ja,
tatsächlich, und ich würde dir gern meinen neu entdeckten
Einfallsreichtum zeigen, ohne dass du dabei das geringste Risiko
eingehst.“ Sie schlang die Arme um seinen Nacken. „Ich bin geradezu
fasziniert.“ Er hob sie hoch und setzte sie auf die Arbeitstheke, schob
dabei den Kuchenteller zur Seite und warf die Zuckerschale um.
Während er sie leidenschaftlich küsste, schob er ihr Kleid hoch. Sie
half ihm, den Slip abzustreifen. „Ich habe mich wirklich bemüht, in
Verbindung mit dir nicht an Sex zu denken“, gestand sie. „Ich auch.“
Er zog den Slip über ihre Füße, die noch in Sandalen steckten, und
warf ihn auf den Toaster. „Aber Phil braucht ja nichts zu erfahren.“
„Phil? Was hat das mit Phil zu tun?“ Er wollte ihre Beine wieder
öffnen, doch sie presste die Knie zusammen, schob den Rock herunter
und hielt Quinn zurück, als er sie zu küssen versuchte. „Quinn, was ist
mit Phil?“ „Wir müssen es vor ihm verheimlichen. Ich bitte dich,
Molly, das brauche ich dir doch nicht zu erklären, oder?“ „Vielleicht
doch.“ Er wich ein Stück zurück. Sie betrachtete ihn jetzt nicht
verlangend, sondern vorsichtig. „Phil stellt in der Werbebranche einen
bedeutenden Machtfaktor dar. Das weißt du. Er kann mir helfen oder
schaden, und zwar ganz beträchtlich. Falls er Wind davon bekommt,
dass wir ...“ Er sprach nicht weiter, weil klar war, dass er die nächsten
lustvollen Minuten meinte. Molly schüttelte den Kopf zum Zeichen,
dass es keine lustvollen Minuten geben würde. „Ich hätte auf meinen
Instinkt achten sollen“, sagte sie leise wie zu sich selbst. „Ich wusste,
dass es ein Fehler war.“ Hastig griff sie nach dem Slip und schob ihn
über die Beine, ließ sich von der Theke gleiten und zog ihn hoch.
„Was hast du denn?“ Er folgte ihr ins Wohnzimmer. „Hier drinnen
sind zu viele Leute, Quinn. Du und ich und der bedeutende
Machtfaktor.“ Sie öffnete die Tür. „Findest du nicht, dass du zu
empfindlich reagierst?“ Sie drehte sich zu ihm um und überlegte.
„Mag sein“, räumte sie ein, „aber ich mag keine Geheimnisse. Ich
verschweige nie, was ich mache, als müsste ich mich dafür schämen.
Ich verstehe, dass du wegen deiner Karriere Bedenken hast, und das
ist schon in Ordnung. So bist du eben.“ „Ach, du lieber Himmel!“ „Es
geht einfach darum, dass Phil seit vier Monaten nicht mehr zu meinem
Liebesleben gehört, und so soll es auch bleiben.“ Sie stellte sich auf
die Zehenspitzen und küsste ihn wehmütig lächelnd auf die Wange.
„Alles Gute zum Geburtstag, Quinn. Ich hoffe, dein sehnlichster
Wunsch geht in Erfüllung.“ Damit verließ sie ihn und stieg die Treppe
hinauf. „Er ist nicht in Erfüllung gegangen“, murmelte Quinn.
6. KAPITEL

Molly hatte gehofft, der Regen würde um die Mittagszeit nachlassen,


doch jetzt regnete es noch heftiger. Wind war aufgekommen. Sie stand
an der Schiebetür zum Balkon und beobachtete, wie sich das hohe
Gras zwischen dem Haus und dem Strand im Wind bewegte.
Schaumbedeckte Wellen rollten durch die Bucht. Mit jeder Minute
wurde der Himmel dunkler. Nun, wir können uns nicht beklagen,
dachte sie. Einundzwanzig Tage lang war das Wetter wundervoll
gewesen. Wir können uns nicht beklagen? Molly lächelte. Seit wann
dachte sie nicht nur an sich, sondern auch an Quinn? Erging es ihm
wie ihr? Wahrscheinlich. Die beiden Wochen seit seinem Geburtstag
waren völlig anders verlaufen als die ersten spannungsgeladenen
Tage. Jetzt teilten sie sich das Haus ganz locker und lässig. Ohne es
extra vereinbart zu haben, schlossen sie die Türen nicht mehr ab. Jeder
ging bei dem anderen ein und aus. Meistens aßen sie zusammen,
teilten sich das Strandtuch, gingen in Fischrestaurants und stöberten in
Antiquitätenläden. Fanden sie das stille Wasser in der Bucht zu
langweilig, fuhren sie zur anderen Seite des Kaps, um die hohen
Wellen des Atlantiks zu genießen. Quinn hatte sogar ein Rad gemietet,
um mit ihr Touren unternehmen zu können. Zweimal waren sie im
Kino gewesen, um sich einen typischen Sommerfilm anzusehen. Und
als Molly herausfand, dass Quinn noch nie beim Bowling war, hatte
sie ihn trotz aller Proteste auf die nächste Bowlingbahn geschleppt. Er
hatte behauptet, in seinen Augen wäre das ein Pseudosport für
gelangweilte Hausfrauen und Kerle mittleren Alters mit Bierbauch
und ohne athletische Fähigkeiten. Diese Prahlerei hatte den ersten
Abend für ihn noch demütigender werden lassen. Molly hatte über
zweihundert Punkte gemacht. Quinn hatte sich geweigert, die Halle zu
verlassen, bevor er endlich über hundert Punkte kam. Seither hatten
sie es noch ein paar Mal versucht, und er hatte sich rasch verbessert.
Jetzt wollte er seine Technik durch Bücher und Videos perfektionieren
und die beste Ausrüstung kaufen. An den meisten Abenden waren sie
allerdings im Haus geblieben, hatten Poker gespielt, Videofilme
angesehen oder Musik gehört und miteinander geredet. Manchmal bat
Quinn sogar, dass Molly die alten Platten auf der Trompete begleitete.
Dann machte er so lange Scherze über Trompetenbläserinnen, bis sie
vor Lachen aufhören musste. Unlängst hatte sie alle weibliche
Überredungskunst und ein paar starke Margaritas eingesetzt, damit er
mit ihr tanzte. Vielleicht lag es am Tequila, Quinn hatte jedenfalls zu
den alten Rocknummern sein Bestes gegeben bei den erotischen,
lockeren Bewegungen ein überraschend gutes Rhythmusgefühl
gezeigt. Molly machte sich nichts vor. Sie beide waren mehr als
Freunde, seit sie sich auf Quinns Küchentheke beinahe geliebt hätten.
Seither hatte sie sich allerdings strikt zurückgehalten. Sie verstand,
dass Quinn sich wegen seiner Karriere sorgte. Trotzdem hatte sie
keine Lust zu Heimlichkeiten, schon gar nicht hinter dem Rücken
ihres ehemaligen Verlobten. Die Wuchermiete, die er von ihr verlangt
hatte, stellte eine schmerzliche Lektion dar, die ihr jedoch endgültig
die Augen über ihren Ex-Verlobten geöffnet hatte. Phil Owen war
jetzt total und für immer aus ihrem Leben verschwunden. Sie würde
nicht zulassen, dass er es in irgendeiner Form kontrollierte, nicht
einmal indirekt. Und dazu gehörte, dass sie Lust und Leidenschaft
nicht wie ein schmutziges Geheimnis verbergen wollte. Quinn bestand
noch immer auf Geheimhaltung, obwohl er mittlerweile einen Grund
mehr hatte, Phil zu verachten. Anfangs hatte er geglaubt, dass Phil ihn
wegen der Fusion mit Glacken and Ross entlassen musste. Doch nach
Mollys Enthüllung über die voreheliche Vereinbarung hatte Quinn
einige Erkundigungen eingezogen. Einen Tag nach seinem Geburtstag
hatte er erfahren, dass sein Posten mit einem nahen Verwandten Phils
besetzt worden war. Die Stelle war gar nicht durch die Fusion der
beiden Firmen weggefallen. Jetzt war klar, dass Phil die freie
Benützung des Hauses nur angeboten hatte, damit Quinn stillhielt,
sollte er herausfinden, dass er seine Arbeit durch Vetternwirtschaft
verloren hatte. Quinn bestätigte, dass diese jüngste Entdeckung seine
Meinung über seinen ehemaligen Chef weiter verschlechtert hatte.
Trotzdem war Phil unverändert ein bedeutender Machtfaktor. Molly
blickte zum Horizont, an dem Himmel und Meer grau in grau
miteinander verschmolzen, als plötzlich eine dunkle Gestalt vor ihr
auftauchte und heftig gegen die Glasscheibe klopfte. Mit einem
Aufschrei prallte Molly zurück und erkannte im nächsten Moment den
Mann, der im Wolkenbruch auf dem Balkon stand.
Quinn deutete auf den Türriegel. „Mach auf!“ Sie schloss auf. Quinn
drückte von außen, und die Tür glitt mit einem Ruck zurück. Er kam
herein und schob sie wieder zu. „Du bist klatschnass“, stellte Molly
fest. Er blickte auf die Pfütze hinunter, die sich zu seinen Füßen
bildete. Das schwarze Poloshirt und die olivfarbene lange Hose
klebten ihm am Leib. Als er sich durch das nasse Haar strich, stand es
wie schwarze Stacheln hoch. Er sah so verlockend aus, dass Molly
erst gar nicht versuchte, ihm zu widerstehen. Sie wollte ihm nur einen
flüchtigen Kuss geben, doch seine Lippen fühlten sich kühl an und
waren nass. Die Bartstoppeln kratzten leicht. Und plötzlich fiel ihr
Kuss gar nicht flüchtig, sondern sehr heftig aus. Und dabei seufzte sie
leise und gab genussvolle Laute von sich. Er stöhnte kurz, doch ehe er
reagieren konnte, änderte sie die Taktik und leckte die Regentropfen
von seinen Lippen wie ein Kätzchen, das über einen Topf Milch
herfiel. Quinn stieß einen überraschten Ruf aus und wollte sie
festhalten, doch sie wich lachend aus und leckte noch ein paar Mal
über seine Lippen, ehe er sie packte. Er presste sie gegen seine nasse
Kleidung. Sie lachte, während nun er sie küsste, und wand sich,
konnte sich jedoch nicht befreien. Er drückte sie nur noch fester an
sich. Als er sie endlich losließ, stolperte sie einen Schritt rückwärts
und lachte atemlos. „Da hast du es!“ rief er triumphierend. „Leg dich
bloß nicht mit mir an, du Hexe!“ „Du hast mich ganz feucht
gemacht!“ „Ach ja?“ fragte er unverschämt lächelnd und richtete den
Blick auf ihre Brüste. Sie sah an sich hinunter. Das hellblaue T-Shirt
war so nass, dass es fast durchsichtig war und wie eine zweite Haut an
den Brüsten klebte. Die Spitzen richteten sich unter dem Stoff auf.
Natürlich hatte er sie schon splitternackt gesehen, doch bei Männern
wirkte nichts besser als eine aufreizende Hülle. Was für seltsame
Wesen Männer doch sind, ging es Molly durch den Kopf. Allerdings
in den meisten Fällen liebenswert. Außerdem roch die überwiegende
Anzahl verlockend und schleppte schwere Gegenstände, ohne sich zu
beklagen. Nicht einmal der Reinfall mit Phil hatte Mollys Meinung
von der Gattung Mann beeinträchtigt. Sie zog das T-Shirt von der
Haut weg. Als sie es losließ, klebte es wieder am Körper. „Wieso
warst du bei diesem Regen draußen?“ „Ich habe die Gartenmöbel ins
Haus gebracht. Im Erdgeschoß bin ich schon fertig. Es zieht ein
Hurrikan herauf“, erklärte er, als sie ihn fragend ansah. „Nein!“ „Hast
du es nicht in den Nachrichten gehört?“ „Ich hatte den Fernseher den
ganzen Tag nicht eingeschaltet. Sollten wir nicht so schnell wie
möglich von der Küste verschwinden?“ „So schlimm wird es nicht“,
versicherte er. „Wir müssen nur alles verriegeln.“ „Was soll ich
machen?“ „Also, es wurde eine ärztliche Warnung durchgegeben. Wer
ein nasses T-Shirt trägt, muss es auf der Stelle ausziehen.“ „Guter
Versuch.“ „Wie du meinst, aber gib nicht mir die Schuld, wenn du dir
etwas holst, zum Beispiel ... Hurrikanfieber.“ „Sollten wir nicht
Bretter vor die Fenster nageln?“ erkundigte sie sich. „Das wäre am
besten. Aber wenn du denkst, dass ich in meinen Wagen springe, eine
Holzhandlung suche und ein Haus absichere, dessen Eigentümer es
verfallen lässt, hast du dich geirrt.“ „Da hast du nun auch wieder
recht.“ „Ich habe Klebeband im Wagen. Wir befestigen es auf allen
Scheiben. Wenn eine bricht, fliegen wenigstens nicht überall Scherben
herum.“ Er deutete zu ihrem Balkon. „Ich muss die Sachen
hereinholen, sonst fliegen sie durch die Glasscheiben. Du könntest alle
Behälter, die du auftreibst, mit Wasser füllen, falls das Trinkwasser
verseucht wird. Und sieh nach, ob irgendwo Kerzen sind. Der Strom
könnte ausfallen.“ „Gute Idee. Ist das aufregend!“ Quinn lächelte über
ihre Begeisterung und öffnete die Schiebetür. Sofort prasselten die
vom Sturm gepeitschten Regentropfen gegen ihn. Während er den
Tisch, die Stühle und den Holzkohlengrill ins Haus brachte, zog Molly
ein frisches Top und eine grüne Shorts an. Dann füllte sie alle
verfügbaren Behälter mit Wasser und durchwühlte die Schränke, fand
jedoch nur eine nach Zitrone riechende Kerze und eine Taschenlampe
mit leeren Batterien. Quinn hatte die Gartenmöbel in einer Ecke des
Wohnzimmers übereinander gestellt. Auf dem Weg nach unten zog er
schon die nassen Sachen aus und kam kurz darauf in einer trockenen
Shorts und einem T-Shirt zurück. Molly hatte es ihm in einem Army-
Laden gekauft, um ihn von seiner steifen „Urlaubsuniform“
wegzubringen. Auf dem grauen Shirt war eine Hummel mit
grimmigem Gesichtsausdruck zu sehen. Sie trug eine Mütze der
Marine und hielt Werkzeug und ein Gewehr in den Händen. Quinn
hatte aus dem Wagen das Klebeband und eine große und
funktionierende Taschenlampe geholt. Außerdem hatte er unter der
Küchenspüle einen fast vollen Karton mit vier Dutzend weißen
Kerzen gefunden. Unterdessen hatte Molly im Wohnzimmer Platz
gemacht und einen dicken Quilt und mehrere Sofakissen auf den
Fußboden gelegt. Von diesem gemütlichen Nest aus konnten sie das
Toben von Mutter Natur beobachten. Die Sicht wurde nur durch das
Kreuz aus Klebeband auf der Glasschiebetür behindert. Quinn sicherte
innerhalb weniger Minuten auch alle übrigen Scheiben im Haus.
„Fertig.“ Er warf das restliche Klebeband auf einen Lampentisch.
„Mehr können wir nicht tun.“ „Komm zu mir.“ Molly klopfte neben
sich auf die Decke, auf der sie mit untergeschlagenen Beinen saß.
Durch die Schiebetür beobachtete sie den rasch an Stärke
zunehmenden Sturm, öffnete eine Flasche Burgunder und goss den
Wein in zwei Saftgläser.
Quinn streifte die Turnschuhe ab, setzte sich zu ihr und nahm ein Glas
entgegen. „Ich hätte wissen müssen, dass du auch einen Hurrikan in
einen Riesenspaß verwandeln kannst.“ „Wir sollten alle Lampen
ausschalten, um besser sehen zu können.“ Wie auf Stichwort
flackerten die Lichter. Molly lachte und streckte herrisch den Arm
aus. „Mächte der Finsternis, hört auf meinen Befehl!“ Der Strom fiel
aus, und Molly reckte die Faust hoch. „Ja! Ich besitze die Macht!“
Quinn stellte das Glas weg, stand auf und streckte Molly die Hand hin.
„Falls es der Hohepriesterin der dunklen Mächte nicht zuviel Mühe
bereitet, einige Kerzen anzuzünden, könnte ich Hilfe brauchen.“ Sie
verteilten ein Dutzend Kerzen im Zimmer, wobei sie Kaffeetassen und
kleine Teller als Kerzenhalter benützten. Im Freien war es jetzt fast so
dunkel wie am späten Abend. Das Wasser war bei Flut über die
Dünen gestiegen, und mächtige Wellen bedrohten die Häuser direkt
am Strand. Quinn war überzeugt, dass das Wasser sie nicht erreichen
würde. Molly war nicht so sicher. Aber auch ohne Flutschäden wurde
das Haus gewaltig mitgenommen. Die Schiebetür klapperte im
Rahmen. Wind pfiff durch alle Ritzen und ließ die Kerzenflammen
flackern. Quinn und Molly saßen schweigend auf den Kissen, tranken
Wein und lauschten dem Heulen der Sturmböen. Die Scheibe wurde
zum Spiegel und zeigte sie beide lässig hingegossen im Kerzenschein
vor dem Hintergrund des Tobens der Natur. Was für Gegensätze,
dachte Molly und sah zu, wie sie das Saftglas an die Lippen hob.
Quinn beobachtete sie und füllte die Gläser nach. Sie sollte ihn fragen,
ob er hungrig war. Es war eigentlich Zeit für das Abendessen, doch sie
wollte nichts essen. Es hätte den Zauber zerstört, der sie beide
umhüllte. Molly wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war ... eine
Stunde, vielleicht zwei. Das Leben, das sie beide außerhalb dieses
kleinen Raums führten, existierte nicht mehr. Sie waren
Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel, abgeschnitten durch
heulenden Sturm und Regen. Die Mächte der Finsternis hielten sie
gefangen. Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Quinn betrachtete
sie in der Glasscheibe. Er hätte gern gewusst, warum sie lächelte,
fragte jedoch nicht, um den Bann nicht zu brechen. Minutenlang
hielten sich ihre Blicke gefangen. Endlich stellte er sein Glas weg.
Molly bekam aus Vorfreude Herzklopfen. Ganz langsam nahm er ihr
das Glas aus der Hand und stellte es neben seines. Als er sich ihr
wieder zuwandte, küsste er sie, schob die Finger in ihr Haar und rollte
sich halb über sie. Die Wärme und der Druck seines Körpers trieben
ihr Verlangen in nie gekannte Höhen. Ihre Lippen waren wie
füreinander geschaffen. Molly strich voll Sehnsucht über seine
Schultern und seinen Rücken, während er ihren heißen Mund eroberte.
Die Beine mit seinen verschlungen, bog sie sich ihm entgegen, stöhnte
leise und sehnte sich nach mehr. Er streichelte die nackte Haut an
ihrem Rücken oberhalb des Tops, und als er die Hand an ihre Brust
legte, unterbrach sie den Kuss. Ihr wurde schwindelig. Hastig holte sie
tief Atem. Bei Kerzenschein wirkten Quinns Augen noch
faszinierender, geradezu gefährlich und unwiderstehlich. Er löste die
im Nacken gebundenen Träger des Tops, und Molly hielt seine Hand
fest. Der Wind heulte, der Regen trommelte gegen die Scheiben, doch
ganz wurde die warnende innere Stimme nicht übertönt.
„Schüchtern?“ flüsterte er und blickte ihr in die Augen. „Ich habe dich
schon nackt gesehen, und da warst du alles andere als scheu.“ Sie
wollte bluffen, doch er durchschaute sie mühelos. Sie konnte vor ihm
nicht verbergen, wie sehr sie sich nach ihm sehnte. Er hielt seinerseits
ihre Hände fest und löste die Schlaufe der Träger. Seine Finger
strichen zu ihrer Taille und zogen auch dort an den Bändern. Das Top
war offen. „Zieh es aus“, verlangte er und ließ ihre Hände los. Molly
musste lachen. Quinn sah sie fragend an. Zieh dich aus und tanze für
mich ... Der Scheich, der seiner Sklavin Befehle erteilte ... „Vielleicht
erkläre ich es dir irgendwann“, versprach sie und entfernte das Top.
Die Luft strich kühl über ihren nackten Oberkörper. Quinns Blick war
dafür um so heißer. Er streckte sich neben ihr aus und stützte sich auf
einen Ellbogen. Sein Atem strich erregend über ihre Haut. Seine
Finger glitten leicht über ihren Bauch und erreichten den Nabel, der
oberhalb der Shorts zu sehen war. Molly erbebte wohlig, als er mit
den Fingerspitzen ihre Brust berührte. Atemlos sah sie zu, wie er
langsam den Kopf senkte und die Lippen über der Spitze schloss. Der
Atem blieb ihr weg, und sie drückte ihn an sich, als er sie mit der
Zunge verwöhnte. In der Scheibe waren sie beide zu sehen – sein
Kopf an ihrer Brust, ihre Finger in seinem dunklen Haar. Auf ihrem
Gesicht zeichnete sich das heftige Verlangen ab, das sie so lange
zurückgehalten hatte. Er hob den Kopf, und in seinem Blick erkannte
sie es, bevor er die Worte aussprach: „Es ist Zeit.“
7. KAPITEL

Quinn zog Molly auf die Knie hoch und hielt sie an sich gepresst.
„Sieh nur!“ Er deutete auf das Spiegelbild und drückte einen Kuss auf
ihre Schulter. „Ich schwöre dir, dass ich noch nie etwas so Schönes
gesehen habe.“ Molly betrachtete sich selbst im Kerzenschein. Sie war
bis zur Taille nackt. Das lange Haar hing offen und zerzaust herunter.
Quinns Hände lagen auf ihren Brüsten, die er streichelte und deren
Spitzen er so sanft umschmeichelte, dass sie es kaum aushielt. Sie
schloss die Augen. „Sieh hin, Molly“, drängte er. „Du bist so schön.“
Doch sie öffnete die Augen nicht, bis er ihre Beine
auseinanderdrängte. Einen muskulösen Arm hielt er um ihre Mitte
geschlungen. Seine gebräunte Haut hob sich dunkel von ihrer helleren
ab. Wie gebannt sah sie zu, als er die Finger der anderen Hand unter
den Saum ihrer Shorts und in den Slip schob. Und sie zuckte
zusammen, als er das Zentrum ihres Verlangens erreichte. Er hielt sie
fester. „O nein, zusehen“, flüsterte er, als sie die Augen wieder
schließen wollte, und sie gehorchte. Ihr Körper wand sich unter dem
erfahrenen Spiel seiner Finger, die sich abwechselnd schneller und
langsamer bewegten und kreisten. Plötzlich drang sein Finger tief in
sie ein, und sie stieß den Atem aus und hielt sich an seinem Arm wie
an einem Rettungsring fest. Sie rang im Rhythmus seiner Bewegungen
nach Luft, bis die herrliche Folter den Höhepunkt erreichte und sie nur
noch von der süßen Erfüllung beherrscht wurde. Quinn flüsterte ihr
ins Ohr, was er in diesen Momenten fühlte, und seine Worte steigerten
ihre Lust so, dass sie leise aufschrie. Tief befriedigt ließ sie sich gegen
ihn sinken. Doch Quinn zog ihr die Shorts und den Slip rasch herunter
und holte eine flache Packung aus der Tasche. Sekunden später drang
er von hinten in sie ein. Molly stöhnte laut auf. Sein Blick war im
Spiegelbild der Scheibe unverwandt auf sie gerichtet, während er sie
mit starken Armen festhielt und sich langsam in ihr bewegte. Auf jede
seiner Bewegungen antwortete sie mit einem lustvollen Stöhnen, das
sein Verlangen noch mehr steigerte. Er hielt die Hände keinen
Moment still, während er sie liebte, und als sie schließlich den Gipfel
erreichte, musste sie darum kämpfen, die Augen nicht zu schließen.
Dafür konnte sie Quinns Gesicht sehen, als er die höchste Lust erlebte.
Gemeinsam sanken sie auf die Decke. Durch sein T-Shirt hindurch
fühlte sie Quinns Herz hämmern. Es dauerte Minuten, bis sie wieder
das Heulen des Sturms hörte. Quinn stand kurz auf, kam mit einer
weichen Decke zurück und wickelte sie darin ein. „Das ist nicht fair“,
murmelte sie schläfrig und zwang sich, die Lider zu heben. „Was ist
nicht fair?“ fragte er leise. „Ich habe dich noch nicht ein einziges Mal
nackt gesehen, aber du mich schon zweimal.“ Sie zog am Bund seiner
Shorts. „Zieh alles aus.“ Lachend fügte sie hinzu: „Tanze für mich!“
Während sie sich auf den Rücken rollte und sich wohlig streckte, zog
er das T-Shirt aus. Er stand auf und entledigte sich der Shorts. „Ich
tanze gern für dich, aber ohne Schleier?“ Nachdem er den Slip
weggeschleudert hatte, streckte er die Arme seitlich weg und
präsentierte sich ihrem prüfenden Blick. Molly verschränkte die Arme
hinter dem Kopf und ließ sich nichts entgehen. Quinn war
phantastisch gebaut – und schon wieder erregt. „Schleier sind
überflüssig“, versicherte sie. „Ich dachte mehr an Hula-Hula.“ „Ich
weiß nicht recht. Diese Baströckchen kratzen schrecklich.“ Nachdem
er zu ihr unter die Decke gekrochen war, zog er sie an sich. Zum
ersten Mal spürten sie einander völlig nackt. „Was hältst du davon,
wenn wir Hula ohne alles versuchen?“

„Das meinte ich eigentlich nicht, als ich sagte, Sie sollen sich hier wie
zu Hause fühlen.“ In Quinns Unterbewusstsein schrillte ein Alarm.
Sogar im Schlaf wusste er, dass er nicht die Stimme eines anderen
Mannes hören sollte, während er mit Molly auf ihrem Bett lag. Sie
hatten nur eine dünne Decke über die nackten Körper gezogen,
nachdem sie sich bis zur völligen Erschöpfung geliebt hatten. Jetzt
zwang er sich dazu, aufzuwachen und ein Auge zu öffnen. Phil Owen
lächelte über Quinns gemurmelte Verwünschung. Es war kein nettes
Lächeln. Quinn blickte zu Molly. Die Decke verhüllte sie nur von der
Taille abwärts, doch wenigstens lag sie auf dem Bauch. Phil wusste
zwar, wie sie aussah, doch Molly gehörte jetzt Quinn. Er zog ihr die
Decke bis zum Hals hoch, setzte sich auf und sah sich nach seiner
Kleidung um. Phils Lächeln wurde noch eine Spur unangenehmer.
„Ihre Sachen liegen im Wohnzimmer.“ „Was machen Sie hier?“ „Ich
wollte überprüfen, ob der Hurrikan Schäden angerichtet hat. Niemand
hat geöffnet, als ich klopfte. Ich brauche ja wohl nicht zu fragen, was
Sie hier oben machen.“ Er sah gezielt auf Molly, die sich räkelte. Sie
hob den Kopf, blickte über die Schulter und runzelte verwirrt die
Stirn. „Phil?“
Benommen setzte sie sich auf und dachte gar nicht daran, sich zu
verhüllen. Erst als sie einen finsteren Blick von Quinn auffing, zog sie
die Decke wieder hoch. Quinn stand auf und setzte sich Phils
bohrendem Blick aus. Splitternackt fühlte er sich schutzlos. Sein
ehemaliger Chef stand in „Urlaubsuniform“ vor ihm – weißes
Poloshirt und lange Hose mit Bügelfalte. Trotzdem dachte Quinn gar
nicht daran, sich zu setzen und zu Phil aufzublicken. Er zuckte nicht
einmal mit der Wimper, als sie einen kurzen, typisch männlichen
Blick miteinander tauschten. Molly stand auf und wickelte sich dabei
in die Decke. „Hast du auf der Herfahrt gefrühstückt, Phil? Ich mache
Kaffee.“ „Er will keinen Kaffee“, sagte Quinn grimmig. „Aber sicher
will ich welchen“, erwiderte Phil trügerisch freundlich. „Molly weiß
genau, wie ich ihn am liebsten trinke.“ „Wenig Koffein“, sagte sie und
gähnte. „Nur ganz wenig entrahmte Milch und dazu ein Tütchen
Süßstoff, allerdings habe ich keinen ... Quinn übrigens auch nicht.
Nimmst du ausnahmsweise Zucker?“ „Aber sicher.“ Quinn sah sie
fassungslos an. „Wieso machst du ihm nicht gleich Eier mit Speck?
Pfannkuchen wären auch nicht schlecht.“ Jetzt war sie wieder das
sanfte Molly-Mäuschen und merkte nicht einmal, dass er es ironisch
meinte. „Sicher, wenn er möchte. Du könntest schon mal mit den
Vorbereitungen anfangen, während ich schnell dusche.“ Was machst
du da, wollte er sie anschreien. Das ist doch der Mistkerl, der dich
belogen und betrogen hat! Wie konnte sie sich mit Phil so freundlich
unterhalten, als wäre nichts geschehen? Phil sah ihr nach, als sie den
Raum verließ und die Decke langsam herunterrutschte. Mit einem
wissenden Blick betrachtete er alle falschen Stellen – oder besser
gesagt die richtigen Stellen. Es kam nur darauf an, von welchem
Standpunkt aus man das betrachtete. Eindeutig wollte er Quinn reizen.
Nicht nötig. Der war schon gereizt. Und wie. Quinn ging ins
Wohnzimmer und griff wortlos nach seinen Shorts, während Molly
ihre Sachen von der Decke auf dem Boden aufsammelte. Dabei wich
er bewusst ihrem Blick aus. Er wollte ja nicht die Beherrschung
verlieren. Allerdings wusste er nicht einmal, auf wen er wirklich
wütend war. In den vergangenen Wochen hatte er Mollys
unbekümmertes Wesen schätzen gelernt, doch es war höchste Zeit,
endlich auch einmal Schneid zu zeigen! Als sie an Phil vorbeiging,
legte er die Hand auf ihre nackte Schulter und flüsterte ihr etwas ins
Ohr. Die beiden lächelten einander zu, ehe Molly im Bad verschwand.
Dieser verschlagene Teufel machte eine unbeschreiblich zufriedene
Miene, als er zu Quinn ins Wohnzimmer zurückkam. Bestand sein
Spiel darin, einen Keil zwischen sie beide zu treiben, indem er
zuckersüß zu der Frau war, die er bei anderen schlecht machte? Phil
begutachtete die übereinander gestapelten Balkonmöbel und die
Klebestreifen auf den Glasscheiben. Dann betrachtete er besonders
eingehend die Decke und die Sofakissen auf dem Fußboden. Als er
sich Quinn wieder zuwandte, lächelte er nicht mehr, sondern sah ihn
hasserfüllt an. Und er fragte, wie lange Quinn und Molly es schon
miteinander trieben, wobei er sich der vulgärsten Ausdrücke bediente,
die man sich vorstellen konnte. Quinn dachte gar nicht daran zu
antworten. Molly hatte recht. Phil hatte keinen Anspruch mehr auf sie.
Daher gab es auch keinen Grund zur Geheimhaltung. Was sich
zwischen ihnen beiden abspielte, ging Phil absolut nichts an. „Halten
Sie mich meinetwegen für naiv“, sagte Phil, als er keine Antwort
erhielt. „Ich hätte nur nie gedacht, dass Sie sich an meine ehemalige
Verlobte heranmachen würden. Ich meine, diese Frau ist pures Gift.
Das ist Ihnen nicht unbekannt. Wenn Sie nur Ihren Spaß haben
wollten, hätten Sie sich doch eine von diesen Strandmiezen aufreißen
können. Oder ein Mädchen aus der Stadt. Die sind leicht zu haben.“
„Ich begreife nicht, wie Molly einen so phantastischen Mann wie Sie
verlassen konnte“, entgegnete Quinn. „Eines würde mich
interessieren. Wie lange haben Sie den Ehevertrag zurückgehalten, um
ihn ihr in letzter Minute vorlegen zu können?“ „Man passt immer den
günstigsten Zeitpunkt ab.“ Phil schüttelte bekümmert den Kopf.
„Quinn, ich habe Sie für klug gehalten, für einen Aufsteiger. Wären
Sie allerdings wirklich klug gewesen, hätten Sie sich nicht mit meiner
Exverlobten eingelassen!“ schrie er plötzlich los und wurde rot vor
Zorn. „Begreifen Sie, wie sehr Sie sich damit selbst geschadet
haben?“ Nachdem nun der schlimmste Fall eingetreten war, den er
gefürchtet hatte, konnte Quinn nur noch darüber staunen, wie
engstirnig er gewesen war. Beinahe hätte er laut gelacht. Was waren
die Drohungen dieses widerlichen, verschlagenen Kerls im Vergleich
zu dem, was er bei Molly gefunden hatte? „Wissen Sie“, fuhr Phil
fort, „was ich machen werde, sobald ich nach New York
zurückkomme? Ich werde einige Anrufe erledigen und mit jeder
wichtigen Werbeagentur sprechen. Lernen Sie lieber so schnell wie
möglich, Hamburger zu braten, mein Freund.“ „Darüber zerbreche ich
mir nicht den Kopf“, erwiderte Quinn lässig. „Ich glaube nämlich
nicht, dass Sie in der Branche tatsächlich so viel Einfluss besitzen.
Das dachte ich einmal, aber jetzt nicht mehr.“
Phil zitterte vor Wut, als er einen Schritt näher kam. „Sie glauben
nicht, dass ich Sie einfach vernichten kann?“ „Ich riskiere es.“ Für
Molly hätte Quinn noch viel mehr riskiert. „Verschwinden Sie auf der
Stelle aus meinem Haus!“ Damit hatte Quinn schon gerechnet. Molly
war noch unter der Dusche. Er hörte das Wasser laufen. Wortlos griff
er nach T-Shirt und Slip, zog die Schuhe an und ging nach unten. Als
Phil auf der Schwelle erschien, hatte Quinn schon alles in die Koffer
gelegt. Rasch machte er noch eine Runde durch die Räume und warf
die restlichen Sachen in den Plastikkorb, den er mitgebracht hatte. Nur
die Lebensmittel ließ er zurück. Phil sah stumm zu und hielt die Arme
verschränkt. Nachdem Quinn das Gepäck im Kofferraum seines
Wagens verstaut hatte, wollte er zum Haus und zu Molly
zurückgehen. Bestimmt wollte sie zusammen mit ihm abreisen. Phil
versperrte ihm den Eingang und streckte die Hand aus. „Schlüssel!“
„Molly!“ rief Quinn. War sie noch unter der Dusche? „Wenn Sie nicht
innerhalb von zehn Sekunden von meinem Grundstück verschwunden
sind, rufe ich die Polizei. Geben Sie mir die verdammten Schlüssel!“
Quinn löste die beiden Schlüssel für das Strandhaus von seinem
Schlüsselring und schleuderte sie über das Dach von Phils
silbergrauem BMW in die dahinter wachsenden Brennnesseln. Phil
fluchte wütend. Molly kam die Treppe herunter und zog den
Reißverschluss an ihrem kurzen Jeansrock zu. Das nasse Haar flatterte
um ihre Schultern. „Quinn!“ rief sie und drängte sich an Phil vorbei.
„Was ist hier los?“ „Ich wurde gebeten, das Grundstück zu verlassen.
Ich fahre, Molly.“ Sie wandte sich verwirrt an Phil. „Meinetwegen?
Ich dachte nicht, dass dir noch so viel an mir liegt.“ Phil berührte ihre
Wange. „Mir wurde das auch erst bewusst, als ich dich mit einem
anderen Mann sah.“ „Ich glaube es einfach nicht“, murmelte Quinn.
Phils Theater hatte nichts mit zärtlichen Gefühlen für Molly zu tun,
sondern entsprang rein männlichem Besitzdenken. Phil wollte sie
nicht, ertrug es aber auch nicht, dass sie mit einem anderen glücklich
war. Dass sie das nicht erkannte, frustrierte und ärgerte Quinn. „Bist
du zufrieden, Molly?“ fragte er gereizt. „Verstehst du jetzt, warum ich
auf Verschwiegenheit Wert gelegt habe? Es wird dich sicher freuen zu
hören, dass er mich auf die schwarze Liste bringen will. Ich wusste es
ja.“ Sie war sichtlich verletzt. Phil legte den Arm um ihre Schultern.
Sie schüttelte ihn nicht ab. Das war Quinn zuviel. Dieser
selbstgefällige Kerl berührte sie, als hätte er ein Recht dazu, und sie
erlaubte es ihm! „Du brauchst dir wegen deiner Karriere keine Sorgen
zu machen, Quinn“, sagte sie. „Ich habe dir etwas noch nicht
gesagt...“ „Würde ich auf dich hören, würde ich mir wegen nichts
Sorgen machen“, wehrte Quinn ärgerlich ab. „Mein Leben würde
einfach ziellos dahinplätschern. Zum Teufel mit meinen Träumen,
meinen Zielen und allem, wofür ich mich jemals angestrengt habe!“
„Quinn, hör mir doch zu, damit ...“ „Das kannst du dir sparen. Ich
muss mich jetzt um einen Job kümmern, Molly, und keine von deinen
nutzlosen Plattitüden kann mir dabei helfen.“ „Du bist aufgeregt,
Quinn, und deshalb gehst du auf mich los“, sagte sie ganz ruhig. „Das
verstehe ich.“ „Weißt du was?“ Er ging um den Mercedes herum. „Ich
will dein Verständnis nicht. Du bist mir nämlich etwas zu
verständnisvoll.“ „Ich glaube auch nicht“, bemerkte Phil mit einem
hinterhältigen Lächeln, „dass er hinter deinem ,Verständnis‘ her war,
Molly.“ Sie wandte den Blick nicht von Quinn, als er sich hinter das
Steuer setzte und den Wagen startete. Er hatte damit gerechnet, dass
sie etwas unternahm, wenn sie sah, dass er tatsächlich wegfuhr. Doch
sie rührte sich nicht von der Stelle. Er wollte sich nicht dadurch
demütigen, dass er sie bat, mit ihm zu kommen. Hätte sie es gewollt,
hätte sie es auch getan. Man musste ihr lassen, dass sie keine
Spielchen trieb. Ob sie Phil jetzt wieder aufnahm? Ließ sie sich von
ihm vormachen, dass er sie noch haben wollte? Ließ sie sich erneut
von ihm missbrauchen? Vermutlich. Auf Quinn machte es jedenfalls
den Eindruck, als würden sich Molly und ihr Ehemaliger sehr gut
verstehen. Er wendete mit quietschenden Reifen und steckte noch
einmal den Kopf aus dem Fenster. „Hey, Phil! Grüßen Sie Ben von
mir!“ „Welchen Ben?“ „Ben Curran, Sie Scherzbold! Ihren Cousin
mütterlicherseits, der meinen Posten bekommen hat. Er ist etwas
unerfahren und inkompetent, wie ich gehört habe. Jedenfalls haben
Sie mich seinetwegen hinausgeworfen, wie Sie sich bestimmt
erinnern.“ Phil sah aus, als wollte er alles andere, nur nicht sich
erinnern. Molly wirkte nicht verstört, sondern nur resigniert. Hätte sie
auch nur eine einzige Träne vergossen, oder hätte Quinn ihrem
ausdrucksvollen Gesicht angesehen, dass er ihr etwas bedeutete, wäre
er geblieben und hätte um sie gekämpft. Vielleicht hätte er sogar
darauf bestanden, dass sie mit ihm fuhr. Doch sie ließ sich nichts
anmerken. Quinn gab Gas.
8. KAPITEL

Molly blickte dem Mercedes nach, bis er nicht mehr zu sehen war.
Quinn kam bestimmt zurück und musste nur eine Weile allein sein.
Bisher hatte sie sich ausschließlich auf ihn konzentriert und merkte
erst jetzt, dass Phil den Arm um ihre Schultern gelegt hatte. Rasch
wich sie von ihm zurück. „Hast du wirklich gedroht, ihn auf die
schwarze Liste setzen zu lassen?“ „Das war keine Drohung, Molly.
Gleich morgen früh hänge ich mich ans Telefon.“ Sie seufzte. „Nun,
du musst tun, was du tun musst. Es ist deine Art, aggressiv zu
reagieren. Ich verstehe das.“ „Ich bewundere deine Fähigkeit, alles zu
verstehen, Molly, wirklich. Das ist der Unterschied zwischen mir und
Quinn.“ „Ach, zwischen dir und Quinn bestehen noch viel mehr
Unterschiede! Das ist mir nicht gleich aufgefallen, aber jetzt weiß ich
es.“ „Besser spät als nie. Allerdings sollte es mich nicht überraschen,
dass du dich zu einem Mann hingezogen gefühlt hast, der dich an
mich erinnert. Nach allem, was wir zusammen erlebt haben!“ Er kam
näher, aber sie wich ihm wieder aus. „Du hast vorhin erwähnt, dass du
telefonieren willst“, sagte sie. „Ich habe in der letzten Zeit auch einige
Ferngespräche geführt. Keine Angst, ich habe die Gebühren mit
meiner Kreditkarte bezahlt. Sie werden nicht auf deiner Rechnung
auftauchen.“ „Ach, das war doch nicht nötig“, versicherte Phil
großmütig. „Ich möchte dich nicht ausnützen, weißt du?“ Als er
wieder nach ihr greifen wollte, drehte sie sich um und ging vorsichtig
barfuss durch den Garten, in dem an vielen Stellen Brennnesseln
wuchsen, zu der alten rostigen Schaukel, ließ sich auf den Plastiksitz
sinken und schaukelte lässig. Im Sonnenschein blinkte etwas auf der
Erde. „Sind das deine Schlüssel?“ fragte sie. „Ja. Hättest du etwas
dagegen, sie mir zuzuwerfen?“ „Sie liegen genau zwischen den
Brennnesseln. Klar habe ich etwas dagegen.“ „Dann lass sie da liegen,
verdammt noch mal!“ Familien mit kleinen Kindern, die dieses Haus
für ihren Urlaub mieteten, taten ihr leid. Schon oft hatte sie mit Phil
darüber gesprochen, dass die Veranda und der Balkon verrottet waren,
die Schaukel auseinander fiel und die Brennnesseln jegliches Spielen
unmöglich machten. Jedes Mal hatte er ihr versprochen, alles
herrichten zu lassen. „Darf ich fragen, mit wem du telefoniert hast?“
erkundigte er sich. „Mit Leuten, die eventuell eine Redakteurin
einstellen könnten.“ „Und? Ist etwas dabei herausgekommen?“
„Allerdings“, erwiderte sie. „Kennst du Randall Harkin?“ „Randy
Harkin. Sicher. Er ist der Chefredakteur von ,Advertising Today‘.“ Sie
strahlte. „Lieber Himmel, du kennst dich in der Sparte wirklich gut
aus, nicht wahr?“ Er warf sich in die Brust. „Ich bin nicht bis an die
Spitze gekommen, indem ich den Kopf in den Sand gesteckt habe.“
„Das kannst du laut sagen! Randy findet deinen beruflichen
Werdegang geradezu faszinierend.“ „Wirklich? Ihr habt über mich
gesprochen?“ „Und ob! Du warst unser Hauptthema.“ „Seit Jahren ist
in ,Advertising Today‘ über mich kein Bericht erschienen“, meinte
Phil erregt. „Vielleicht sollte ich Randy anrufen und ...“ „Das kannst
du dir sparen. Die Sache steht bereits fest. Und ich spreche nicht von
einer einzigen Spalte, sondern von einem ganzen Leitartikel! Ich habe
Randy davon überzeugt, dass du es wert bist.“ Phil betrachtete sie voll
Dankbarkeit und tat sogar einen Schritt auf sie zu, zog sich jedoch
schnell wieder aus dem Morast des Gartens zurück. „Das hast du für
mich getan?“ Sie lächelte engelsgleich. „Hey, das ist doch das
mindeste nach allem, was du für mich getan hast.“
„Und wer schreibt den Artikel?“ „Die Autorin sitzt vor dir!“
verkündete sie stolz. „Du?“ „Randy hat mich eingestellt!“ „Was
denn?“ fragte Phil erstaunt. „Telefonisch?“ „Nein, nein, wir haben uns
getroffen. Er wollte das vorletzte Wochenende in Nantucket
verbringen, und ich habe ihn gefragt, ob ich mich dort mit ihm treffen
könnte. Quinn fuhr mich nach Hyannis Port, und dort habe ich die
Fähre genommen. Randy ist ganz reizend, Phil. Wusstest du, dass er
Meister im Hochseeangeln ist? Wir fuhren mit seiner Jacht hinaus,
und er fing einen gewaltigen ...“ „Warte! Immer langsam! Du
schreibst diesen Artikel über mich?“ „Ich habe ihn schon fertig.
Randy hat mich als Redakteurin eingestellt, aber ich darf auch Artikel
schreiben. Ach, und jetzt rate, was ich herausgefunden habe, als ich in
der Gegend herumtelefonierte. So gut wie jede Agentur bezahlt ihren
Mitarbeitern mehr als du. Wie findest du das? Die anderen könnten
noch von dir lernen, wenn es darum geht, die Kosten zu senken, nicht
wahr?“ Er bewegte die Lippen, brachte jedoch kein Wort hervor.
„Willst du nicht wissen, was in dem Artikel steht?“ erkundigte sie
sich. „Komm schon! Ich weiß doch, dass du vor Neugierde vergehst.“
„Nun ... also ... ich ... Vermutlich schreibst du über meine vielen Jahre
in der Branche und über die Preise, die ich gewonnen ...“ Molly
winkte ab. „Das ist der öffentliche Phil Owen, jener Phil Owen, den
bereits jeder kennt. Ich dachte, die Leser würden sich viel mehr für
deine wahre Persönlichkeit interessieren, für den Mann hinter dem
Marmorschreibtisch und den Anzügen für tausend Dollar das Stück.
Insider-Informationen, verstehst du?“ Phil sah sie sekundenlang
fassungslos an. „Worüber hast du geschrieben?“ „Über den einseitigen
Ehevertrag in letzter Minute. Über die krasse Vetternwirtschaft. Über
einige deiner ... sagen wir mal ... ungewöhnlichen Geschäftspraktiken.
Steht alles in dem Artikel. Dazu kommen viele enthüllende Zitate. Ich
habe telefonisch Interviews mit Leuten geführt, mit denen du im Lauf
der Jahre zu tun hattest. Alle haben mir überaus bereitwillig
verschiedene Anekdoten erzählt. Und weißt du, was am allerbesten
ist? Du wirst es nicht glauben, aber du kommst auf das Titelblatt!
Randy hat den Artikel gelesen und ist geradezu ausgeflippt!“ Phil riss
die Augen auf und wurde erschreckend rot im Gesicht. Molly war
froh, dass sie durch Brennnesseln voneinander getrennt waren. „Das
hat er dir eingegeben“, sagte er. „Wer? Quinn? Nein. Er weiß, dass ich
eine Stellung gefunden habe, aber von dem Artikel hat er keine
Ahnung. Ich hatte meine Gründe, darüber zu schweigen. Er machte
nur einmal eine Bemerkung über einen offenen Brief. Das hat mich
inspiriert.“ Phil nahm sich zusammen. „Du wirst diesen Artikel
zurückhalten, Molly!“ „Einverstanden.“ „Was?“ fragte er verblüfft.
„Es ist noch genug Zeit, um ihn zurückzuziehen, wenn du das wirklich
willst.“ Er atmete erleichtert auf, sah sie jedoch gleich darauf
misstrauisch an. „Wie viel?“ „Na bitte!“ Sie klatschte in die Hände.
„Es überrascht mich nicht, dass du annimmst, hier würde es um Geld
gehen. Du bist immer direkt auf den Kern der Sache gekommen. Ist es
da ein Wunder, dass du hoch oben an der Spitze stehst?“ „Lass den
Unsinn, Molly. Was muss ich tun, um diese Enthüllungsgeschichte zu
verhindern?“„Es geht nicht darum, was du tust, sondern was du nicht
tust. Erstens wirst du Quinns Karriere nicht durchkreuzen. Ich weiß,
dass du das tief in deinem Herzen gar nicht willst.“ Er überlegte und
betrachtete sie dabei, als hätte sie sich innerhalb des letzten Monats
von einem Wesen ohne Rückgrat in eine Löwin verwandelt. Ich war
eben bisher noch nie verliebt ...
Phil verschränkte die Arme. „Es gibt gar keinen Artikel und keine
Anstellung bei ,Advertising Today‘. Du bluffst.“ „Ich bluffe?“ rief sie
lachend. „Ich kann nicht bluffen. Frag deinen Bruder.“ „Also gut.“
Phil holte tief Atem. „Ich werde niemanden anrufen. Ich werde mich
in keiner Weise in Quinns Karriere einmischen. Darauf gebe ich dir
mein Wort.“ „Es bedeutet mir unglaublich viel, dass du mir dein Wort
gibst. Weißt du, manchmal vergessen die Leute allerdings, worauf sie
ihr Wort gegeben haben. Ich weiß, dass du in der Vergangenheit
bereits Opfer eines solchen Gedächtnisverlusts geworden bist. Darum
werde ich diesen Artikel aufbewahren und laufend auf den neuesten
Stand bringen. Nur für den Fall ... du weißt schon.“ In Wahrheit
wollte Molly gar nicht Phils Ruf zerstören. Als sie Randy den Artikel
zeigte, hatte sie gehofft, ihn nicht veröffentlichen zu müssen. Er diente
nur als Absicherung, falls Phil tatsächlich Quinns Karriere zerstören
wollte. Und er hatte seinen Zweck erfüllt. „Wenn ich jetzt darüber
nachdenke“, fuhr sie fort, „könntest du doch etwas tun.“ Er nickte.
„Bring dieses Haus in Ordnung. Ich meine, renoviere es innen und
außen. Und dann lass den Garten herrichten, damit man hier gehen
und spielen kann. Überlege doch! Wenn du diesen Besitz in einen
tadellosen Zustand bringst, kannst du viel mehr verlangen als die
üblichen sechshundertfünfundsiebzig pro Wohnung und Woche.“
„Woher weißt du ...?“ Er stockte. „Ich habe die Maklerin am Ort
angerufen, die für dich arbeitet. Sylvie war sehr überrascht, als sie
hörte, wie viel du von mir verlangt hast. Sie möchte mit dir ein
Wörtchen wechseln. Sehr nett, diese Sylvie. Wusstest du, dass ihre
Tante Thea die Maniküre von Elvis war?“ „Vermutlich ist das der
nächste Punkt auf deiner Erpresserliste.“ Phil hörte sich sehr erschöpft
an. „Ich soll dir die Miete zurückzahlen.“ „Lieber Himmel, tausend
Dank! Daran habe ich ehrlich nicht gedacht, aber wenn du es mir
schon anbietest, warum nicht?“ Sie nickte lächelnd. „Gib es ruhig zu.
Du fühlst dich schon besser, weil du weißt, dass du jetzt alles richtig
machst.“ „Nein.“ „Hoffentlich siehst du es eines Tages ein, Phil. Ich
glaube, dass in dir mehr steckt, als du zeigst. Mehr ... ich weiß nicht ...
mehr Menschlichkeit.“ „Du glaubst das wirklich, nicht wahr?“ fragte
er beeindruckt. „Trotz allem.“ „Im Lauf der Jahre habe ich ein paar
Mal einen flüchtigen Blick auf deine wahre Persönlichkeit erhascht“,
erwiderte sie betrübt. „Du kannst mich nicht davon überzeugen, dass
das alles nur gespielt war.“ Er schüttelte den Kopf, und in diesem
Moment entdeckte sie an ihm eine Spur der Menschlichkeit, die sie
erwähnt hatte. „Mit diesem Ehevertrag habe ich alles verdorben, nicht
wahr?“ „Es ist schon gut. Es hat eben nicht sollen sein.“ „Nein,
vermutlich nicht.“ Er sah sich im Garten um. „Ich beauftrage sofort
einen Landschaftsgärtner.“ Danach wandte er sich dem
heruntergekommenen Haus zu. „Und was das andere betrifft ...
Nächste Woche gehe ich auf Safari nach Kenia. Vorher veranlasse ich,
dass das Haus renoviert wird.“ Phil sah sie nicht mehr an, als er seine
Schlüssel holte und zu seinem BMW ging. „Du kennst den
Mietvertrag. Ich erwarte, dass du bis zum einunddreißigsten zwölf
Uhr mittags von hier verschwunden bist."
9. KAPITEL

Molly berührte den winzigen Muschelanhänger an der goldenen


Halskette. „Danke, dass du mir den Schwan gezeigt hast“, hatte Quinn
in der Nacht auf ihrem Balkon gesagt. Danke, dass du mir gezeigt
hast, wie es ist zu lieben, dachte sie. Selbst wenn es nicht von Dauer
war und Quinn ihre Liebe nicht erwidert hatte. Es war der 31. Juli, ein
Uhr nachts. Molly hatte gepackt, was nur ging. Bettwäsche und
Toilettenartikel mussten noch warten. Bis mittags musste sie das Haus
verlassen. Ihre Freundin Claire, deren Freund in Boston wohnte, hatte
sie bei einer ihrer Fahrten zu ihm auf dem Kap abgesetzt. Claire sollte
an diesem Vormittag wieder vorbeikommen und mit ihr nach New
York zurückfahren. Molly fand keine Ruhe, holte eine karierte
Wolldecke aus einem halb gepackten Karton und ging die Treppe
hinunter. Die Nachtluft war kühl und feucht. Wolken verhüllten den
Schwan und die anderen Sternbilder. Sie legte sich die Decke um die
Schultern und ging barfuss zum nahen Strand. Nachdem sie die Straße
überquert hatte, fühlte sie den kühlen Sand unter den Füßen. Diese
Gegend hier würde ihr fehlen. Wann immer sie in Zukunft daran
dachte, würde sie sich fragen, wo Quinn war, was er tat, mit wem er
zusammen war und ob er glücklich war. Sie wünschte ihm Glück und
Liebe und dass er alle seine hochgesteckten Ziele erreichte, die ihm so
viel bedeuteten. Quinn war nicht zu ihr zurückgekommen. Nach drei
Tagen musste sie sich eingestehen, dass sie sich verrechnet hatte.
Vielleicht hätte sie mit ihm fahren sollen, doch sie wollte sich nicht
wieder in sein Leben drängen. Hätte er sie bei sich haben wollen, hätte
er sich inzwischen schon bei ihr gemeldet. Sie hätte Quinn schon vor
zwei Wochen von dem Artikel für „Advertising Today“ erzählen
können, als sie ihn zu schreiben begann. Doch zu dem Zeitpunkt hatte
sie abwarten wollen, wie sich ihre Gefühle füreinander entwickelten.
Jetzt war sie froh, dass niemand sie am Strand störte. Doch als sie
einen Blick nach hinten warf, tauchte eine einsame Gestalt aus der
Dunkelheit auf. Also hatte sie sich zu früh gefreut. Geh weg, dachte
sie. Das ist keine gute Nacht für einen Spaziergang. Er setzte jedoch
seinen Weg fort. Einen Moment ärgerte sie sich, dann erkannte sie
diesen fließenden, weit ausholenden Gang. Selbst in der Dunkelheit
und auf diese Entfernung wusste sie, dass es Quinn war. Seine
Rückkehr konnte alles und nichts bedeuten. Vielleicht hatte er nur
etwas vergessen. Mit den Händen in den Hosentaschen wartete sie auf
ihn. Im Mondschein konnte sie sein Gesicht erst erkennen, als er
direkt vor ihr stand. Doch dann stockte ihr der Atem. Sein Blick glitt
zärtlich über sie – über ihr Haar, ihren Mund, ihre Augen. Langsam
hob er die Hand und strich über ihre Wimpern. „Tränen?“ fragte er
sanft. „Ach, Molly ...“ Sie holte bebend Luft. „Du bist
zurückgekommen. Ich ... ich habe nicht gedacht ...“ Er lächelte und
wandte den Blick nicht von ihr ab. Diese Gigolo-Augen, in die sie ein
Leben lang blicken konnte! „Nein, ich habe nicht gedacht. Oder ich
habe zuviel gedacht. Ich weiß es nicht. Mein Stolz stand mir im Weg.
Vielleicht bin ich tatsächlich wie Phil.“ „Nein, du hast gar nichts mit
ihm gemeinsam, Quinn. Das hätte ich sofort erkennen sollen, aber ich
war vorsichtig.“ „Wer könnte dir das verübeln?“ „Bist du nicht mehr
böse auf mich, weil Phil alles herausgefunden hat?“ „Molly.“ Er
streichelte ihre Wangen. „Ich habe dir nie die Schuld daran gegeben.
Was ich sagte, habe ich nicht so gemeint. Ich hätte dich packen und in
den Wagen setzen müssen, damit du gleich mit mir fährst. Mein
Instinkt hat mich davon abgehalten, aber ich hätte es tun sollen.“ Sie
lächelte gerührt. „Wir beide haben den Fehler begangen, auf unseren
Instinkt zu hören.“ „Ich bin ein Dummkopf.“ „Sag das lauter. Ich
möchte, dass es alle hören.“ Er legte den Kopf in den Nacken und
schrie: „Ich bin ein Dummkopf! Quinn Marshall ist ein ...“ Molly hielt
ihm den Mund zu, und er drückte einen Kuss in ihre Handfläche. „Ich
dachte, das Schlimmste, was mir passieren könnte, wäre, Phil zu
verärgern“, erklärte er. „Als es dann passierte, wurde mir klar, dass
nichts wichtig ist, so lange ich dich habe.“ Molly biss sich auf die
Unterlippe, um nicht vor Freude und Erleichterung zu weinen. Er legte
die Arme um sie und genoss ihre Nähe und Wärme. „Warum bist du
weggefahren?“ fragte sie endlich. „Ich weiß, dass Phil dich
hinausgeworfen hat, aber warum bist du nicht zurückgekommen?“
Er küsste sie auf die Stirn. „Ich dachte, du würdest dich mit Phil
versöhnen.“ Sie konnte ihn nur sprachlos ansehen. „Ich sagte doch
schon, dass ich ein Dummkopf bin. Dann begann ich, in der Gegend
herumzutelefonieren, um mich um eine Stellung zu bewerben. Dabei
stieß ich auf eine sehr interessante Geschichte. Es sieht ganz so aus,
als wäre mein sanftes Molly-Mäuschen sehr unternehmungslustig
gewesen.“ „Sanftes Molly-Mäuschen?“ Sie ließ sich den Ausdruck
durch den Kopf gehen und nickte schließlich zustimmend. „Weiter.“
„Viele Leute aus der Branche, mit denen ich sprach, waren von einer
charmanten und sehr netten jungen Frau angerufen worden, die an
einem Artikel über Phil Owen für ,Advertising Today‘ arbeitete. Stell
dir vor, diese Reporterin gab offen zu, dass sie mit dem Kerl verlobt
gewesen war. Und sie brachte alle Leute dazu, ihr die miesesten
Erfahrungen mit ihm zu verraten.“ „Man erntet eben, was man sät.“
„Es hieß, der Artikel wäre zurückgezogen worden. Und dann stellte
sich auch noch heraus, dass Phil seine Drohung, mich zu ruinieren,
nicht ausgeführt hat. Merkst du etwas? Sogar ein Dummkopf wie ich
begreift, was sich hier abgespielt hat.“ „Und was hat sich abgespielt?“
„Das sanfte Molly-Mäuschen hat die gar nicht so sanfte Kunst der
Erpressung gelernt.“ Sie zuckte die Schultern. „Er hat den Mann, den
ich liebe, bedroht.“ Quinn blickte ihr in der Dunkelheit tief in die
Augen. „Du bist mir zuvorgekommen. Ich wollte es als erster
aussprechen.“ „Genau genommen habe ich es gar nicht
ausgesprochen“, meinte sie lächelnd. „Wenn man es sich überlegt –
nein.“ Sanft drückte er die Lippen an ihr Ohr. „Ich liebe dich, Molly“,
flüsterte er. „Ich liebe dich so sehr, dass es mir angst macht.“ „Ich
liebe dich auch“, hauchte sie. „Und mir macht es überhaupt keine
Angst.“ Lächelnd streichelte er ihre Wangen und küsste sie, und sie
schlang die Arme um ihn. Die Decke begann zu rutschen. Molly griff
danach, doch Quinn hielt sie fest und schlang sie wieder um ihre
Schultern. „Ist darunter auch Platz für zwei?“ fragte er. Daraufhin
legte sie ihm die Decke um die Schultern und wurde sofort dafür
belohnt. Er zog sie an sich, strich ihr durch das Haar und küsste sie so
hingebungsvoll, dass sie sehr froh darüber war, von ihm gestützt zu
werden. „Drei Tage“, sagte er leise und raubte ihr mit Küssen auf den
Hals fast den Verstand. „So lange will ich nie wieder von dir getrennt
sein.“ Sie merkte erst, dass er ihre Jeansbluse geöffnet hatte, als kühle
Luft über ihre Brüste strich. Dafür waren seine Hände um so wärmer.
Sie stöhnte hilflos vor Lust. Der Reißverschluss ihrer Jeans kam als
nächstes an die Reihe, während sie versuchte, ihm das Sweatshirt über
den Kopf zu ziehen. Beide verloren das Gleichgewicht, als sie sich der
Jeans, Slips und Schuhe entledigten. Endlich drückte er sich nackt an
sie und sandte heiße Schauer der Lust durch ihren Körper. Jetzt gab es
für sie nur noch Quinn, der sie hier am Strand lieben wollte. Der Sand
unter der Decke war uneben, doch sie merkte es kaum. Quinn reizte
sie mit den Händen und verwöhnte sie mit den Lippen, und sie kam
ihm entgegen, weil sie für ihn bereit war und ihn brauchte. Völlig
ungehemmt flüsterte sie es ihm zu. „Vertrau mir“, bat er, küsste sie
und ließ die Lippen über ihren Körper wandern. Sie klammerte sich an
ihn, als er ihre Beine weiter öffnete und ihr mit einem intimen Kuss
einen unterdrückten Lustschrei entlockte. Mit Lippen und Zunge
stellte er Dinge an, die sie sich nicht einmal hätte träumen lassen. Und
während ihres Höhepunktes erinnerte sie sich nebelhaft daran, dass
Quinn sich selbst als „erfinderisch“ bezeichnet hatte. Er hob den Kopf.
„Was bin ich?“ „Ich habe nicht mit dir gesprochen.“ Quinn lächelte
wissend, glitt über sie und drang in sie ein. Er schob die Hände unter
sie, und sie erwiderte seine Zärtlichkeiten und kam ihm entgegen, bis
sie beinahe den Gipfel erreichten. Lächelnd sahen sie einander an, und
Quinn gab alle Zurückhaltung auf. Gemeinsam erlebten sie den
wunderbarsten Höhepunkt. Hinterher lagen sie mit heftigem
Herzklopfen im Sand.
Molly seufzte, streichelte Quinns Rücken und küsste ihn auf die
geschlossenen Augen. Er brummte zufrieden und gab ihr blindlings
einen Kuss, der seitlich an ihrer Nase landete. Ein Tropfen traf ihr
Auge, dann noch einer ihren Arm und einer den Fuß. „Es regnet.“ Er
murmelte nur etwas Unverständliches und wich auch nicht, als sie sich
aufrichten wollte. Leise lachend versuchte sie, ihn von sich zu
schieben. „Quinn, es fängt zu regnen an. Steh auf!“ Langsam öffnete
er die Augen, und sie hatte noch nie ein so sündig provozierendes
Lächeln bei einem Mann gesehen. Sogar als es richtig zu regnen
anfing, blieb er auf ihr liegen. „Du solltest wesentlich lockerer sein,
zum Beispiel wie ich“, sagte er und hielt sie fest, als sie hilflos lachte
und die Augen zum Schutz vor dem Regen schloss. Plötzlich stützte er
sich auf einen Ellbogen. „O nein!“ „Was ist?“ „Wir haben kein
Kondom benutzt.“ „Ich habe nicht einmal daran gedacht.“ „Ich auch
nicht. Das ist mir noch nie passiert, Molly.“ Nach einem Kuss stand er
auf und sammelte ihre Sachen ein. „Tut mir leid.“ Nachdenklich zog
er Slip und Hose an. „Stimmt nicht. Ich meine, wenn du schwanger
würdest. Also, das würde mir nicht leid tun.“ Er seufzte. „Ich drücke
mich unmöglich aus.“ Nur halb bekleidet trat sie zu ihm, ohne sich an
dem kühlen Regen zu stören, legte die Hände auf seine Schultern und
wartete, bis er sie ansah. „Du drückst dich sehr gut aus, Quinn“,
versicherte sie und küsste ihn. „Ich liebe dich, und du liebst mich. Ein
gemeinsames Kind könnte nur ein Glück sein, oder?“ „Damit wollte
ich dich aber nicht so bald belasten“, erwiderte er und streichelte ihre
Arme. „Ich wollte dich nicht verschrecken.“ Er holte tief Atem und
hielt sie fest. „Ich will dich heiraten, Molly.“ In ihre Augen schossen
Tränen und sie bekam kaum noch Luft. „Ich weiß, dass du auf dem
Gebiet schlechte Erfahrungen gemacht hast“, fuhr er fort. „Ich werde
dich daher nicht drängen.“ Zärtlich lächelnd berührte er ihren Bauch.
„So lange es keinen Grund dafür gibt“, fügte er hinzu. „Aber das sind
meine Absichten, und du hast ein Recht darauf, Bescheid zu wissen.“
Sie setzte zum Sprechen an. „Und bevor du fragst“, erklärte er, „ich
unterschreibe keinerlei Ehevertrag. Gib dir also gar keine Mühe.“
„Was denn! Soll ich dir etwa mein gewaltiges Vermögen
anvertrauen?“ scherzte sie. „Ich habe herausgefunden, dass ich
ziemlich altmodisch bin, was die Ehe angeht. In guten wie in
schlechten Zeiten gehören wir zusammen. Außerdem könnte so ein
vorehelicher Vermögensvertrag zum Bumerang werden.“ Er grinste
frech. „Immerhin bist du diejenige mit einer gut bezahlten
Arbeitsstelle.“ „Du hast noch keine neue Arbeit gefunden?“ wollte sie
wissen. „Ich suche erst seit einigen Tagen. Bisher haben sich zwei
Möglichkeiten geboten, aber es ist nichts Festes.“ Er zog das
Sweatshirt über den Kopf. „Es war schon unglaublich dumm von mir,
dir eine Predigt wegen deiner finanziellen Lage zu halten, und jetzt
hast du diese tolle Stelle an Land gezogen, ohne auch nur das Haus zu
verlassen.“ „Ich bin immerhin mit der Fähre nach Nantucket
gefahren.“ „Nimmst du alles so wörtlich?“ Sie stöhnte frustriert, als
sie sich abmühte, die Arme in die nassen Ärmel ihrer Bluse zu
schieben. „Gib dir keine Mühe.“ Quinn nahm ihr das Hemd weg und
wickelte sie in die feuchte, raue Decke. „Ich würde sie dir ohnedies
bald wieder ausziehen.“ Sie gingen über den feuchten Strand zum
Parkplatz hinauf. Das Haus kam in Sicht. Hinter den Fenstern im
ersten Stock brannte Licht. Impulsiv rannte Molly darauf zu und ließ
Quinn mit der Decke zurück. Von der Taille aufwärts nackt lief sie
über den Parkplatz und mitten auf der Straße weiter und lachte nur
über Quinns Rufe, während er versuchte, sie mit der Decke
einzuholen. Als ob jemand in dieser verregneten Nacht ihre Brüste
sehen würde! Sie blieb stehen, vollführte einen kleinen Siegestanz im
Regen und stieß einen Freudenschrei aus. Quinn hielt sich gar nicht
erst mit der Decke auf, sondern legte sich Molly über die Schulter,
trug sie zum Haus und zählte dabei laut jene Körperteile auf, die nur
noch er zu sehen bekommen durfte, jetzt, wo sie verlobt waren. „Sind
wir das denn?“ fragte sie schelmisch. Noch war sie nicht bereit,
zuzustimmen und ihn aus seinem Elend zu erlösen. Schon jetzt freute
sie sich darauf, wenn er sie tage- oder sogar wochenlang auf seine
unnachahmliche Weise überreden würde. Er stieß die Haustür auf und
stieg die Treppe hinauf. Dann sind wir eben so gut wie verlobt“, stellte
er fest. “Das reicht.“ In diesem Moment beschloss Molly, diesen
Mann mit den Gigolo-Augen nie mehr loszulassen.

– ENDE –

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