Presse und Sprache | März 2021 Im Fokus: Im Weltraum 3

Wohnen und Arbeiten auf Mond und Mars

R AUMFAHRT Besonders angenehm ist die Umgebung auf dem Mond für Menschen nicht. Wer hier lebt und arbeitet,
braucht einen besonderen Wohnraum. mit Übungsmaterial

**mittel | B2 – C1
1 EIN FENSTER muss sein:
„Für Ingenieure natürlich ein Alp-
traum“, räumt Christiane Heini-
cke ein. Aber wer mit Menschen
monatelang auf allerengstem
Raum lebt und arbeitet und das
im Weltall, der braucht eine le-
benswerte Umgebung. „Damit die
Crew nicht durchdreht“, sagt die
Geophysikerin vom Zentrum für
angewandte Raumfahrttechnolo-
gie und Mikrogravitation (ZARM)
der Universität Bremen. Sie hat in
zweijähriger Arbeit ein aus sechs
Modulen bestehendes Habitat
entwickelt, das für den Einsatz auf
Mond oder Mars konzipiert ist.
2 Der Weltraum-Wohn- und
Arbeitsplatz ist aufgeteilt in
die Einheiten Schlafen, Küche,
Freizeit sowie Labor, Werkstatt
und Gewächshaus. Sieben Me-
ter hoch sind die miteinander
verbundenen zylinderförmigen
Segmente jeweils. Das silberfar-
bene zweistöckige Labor-Modul
steht in Originalgröße in einer
Halle des Zentrums und hat
eine Grundfläche von 15 Qua-
dratmetern. Das Fenster ist für
das Freizeit-Modul gedacht, das
anders als das Labor keine Zwi-
schendecke haben soll, damit die
Bewohner ein weiträumigeres
Gefühl haben. Denn wenn eine
Crew von vier Astronauten bis zu
eineinhalb Jahre in dem Habitat
verbringt, ist das psychologisch
herausfordernd.
3 „Eigentlich sind es Probleme,
die man aus dem Alltag kennt,
nur eben deutlich verschärft“, er-
zählt die 34-Jährige, die selbst ei-
nen einjährigen Testversuch auf
Hawaii unter extraterrestrischen
Bedingungen mit fünf Kollegin-
nen und Kollegen auf nur 100
Quadratmetern absolvierte. „Un-
ter Normalbedingungen hat man
Urlaub, Wochenende, Feiertage,
um räumlich und mental Abstand
zu gewinnen. Das geht unter sol-
chen Bedingungen nicht. Kein
Abstand, keine Pause.“
4 Auch Volker Schmid hält die-
sen Punkt für wichtig. Layout und
Gestaltung des Habitats müssten
so sein, dass die Psyche bei Ein-
sätzen keinen Schaden nehme.
„Das darf nicht nur eine weiße
Blechkiste sein“, sagt der Raum-
fahrtingenieur und Leiter der
Abteilung ISS, Astronautische
Raumfahrt und Exploration am
Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR). Besondere
Bedeutung komme autarken Le-
benserhaltungssystemen zu.
5 Auf der Raumstation ISS wird
etwa der Urin der Astronauten
mit Filtersystemen so aufbereitet,
dass das saubere Wasser ins Ver-
sorgungssystem zurückgeführt
werden kann. „Die Astronauten
sagen immer: Der Kaffee von
Christiane Heinicke steht in dem Modell eines Habitats für den
Weltraum. | Foto: Picture Alliance/DPA
heute ist der Kaffee von morgen“,
sagt Schmid schmunzelnd. Der
Aspekt der Ressourcenaufberei-
tung spielt bei dem von der Klaus
Tschira Stiftung mit 380 000 Euro
geförderten Bremer Habitatpro-
jekt „Moon and Mars Base Ana-
log“ (MaMBA) eine große Rolle.
Das Team um Forscherin Heinicke
setzt dabei auch auf Cyanobakte-
rien, auch Blaualgen genannt, die
zur Sauerstoffproduktion einge-
setzt werden können.
6 Das Habitat ist für Mond und
Mars konzipiert, wo es in einer
Art Hangar stünde, der die Mo-
dule durch eine bis zu ein Meter
dicke Betonaußenwand vor der
aggressiven Weltraumstrahlung
und Sonnenstürmen schützt. „Si-
cherheit kommt an erster Stelle“,
sagt Heinicke. Aber auch die Aus-
stattung wird erforscht. Sind die
Arbeitsflächen optimal gestaltet,
was muss bei der Klimaanlage,
der Stromversorgung, den Steck-
dosen, der Beleuchtung bedacht
werden?
7 All das sollte geklärt sein,
bevor irgendwann einmal ein
Habitat per Rakete in Richtung
Mond oder gar Mars auf den Weg
gebracht wird. Noch besteht das
Modul in Bremen vor allem aus
den Materialien Holz und Gips-
beton. Das soll sich ändern. „Das
Ziel ist die Umsetzbarkeit und
dass das Habitat 1:1 kopiert auf
den Mond gestellt werden könn-
te“, sagt Heinicke.
8 Wann das sein wird? Eine Fra-
ge, die auch DLR-Raumfahrtin-
genieur Schmid nicht einfach be-
antworten kann. Die NASA habe
mal das Jahr 2028 für die nächste
Mondlandung ausgegeben, was
dann von der US-Regierung auf
2024 vorgezogen worden sei.
9 Geplant ist auch die Station
„Lunar Gateway“, die ihre Bah-
nen um den Mond zieht. „Dann
hat man schon mal die Gewähr,
dass man nachhaltiger und wirt-
schaftlicher zur Mondoberfläche
runter-, aber auch wieder hoch-
kommen kann“, sagt Schmid. Der
Aufbau einer Infrastruktur auf
dem Mond mit Habitaten könnte
dann nach den 2030er Jahren be-
ginnen. Intergalaktisch betrach-
tet eigentlich keine allzu lange
Zeit.
Helmut Reuter
Deutsche Presse-Agentur
2.1.2021

0 – 1 e Raumfahrt,en wissenschaftliche u. technische Versu-
che, in den Weltraum zu fliegen u. den Kosmos kennenzulernen –
r Alptraum,¨e hier: etw. Schreckliches – einräumen zugeben;
sagen – auf allerengstem Raum mit sehr wenig Platz – s Weltall
Kosmos – lebenswert hier: angenehm; attraktiv – durchdrehen
verrückt werden – s Modul,e Teil – s Habitat,e Wohnstätte; Haus –
r Einsatz,¨e Dienst; Nutzung – konzipieren entwickeln; planen
2 r Weltraum Kosmos – s Labor,s/e Raum für wissenschaft-
liche Untersuchungen – s Gewächshaus,¨er kleines Haus aus
Glas, in dem Pflanzen gut wachsen – zylinderförmig wie ein
Rohr/runder Hohlraum – s Segment,e Teilstück – weiträumig
groß; mit viel Platz – herausfordernd anstrengend; kompliziert
3 – 4 verschärft intensiver; schlimmer – extraterrestrisch
außerirdisch; nicht auf der Erde – absolvieren erfolgreich ma-
chen u. beenden – r Abstand,¨e Distanz – gewinnen bekom-
men – e Blechkiste,n Box aus Metall – autark unabhängig –
s Lebenserhaltungssystem,e Technik, die Leben weiterhin
möglich macht – e Forscherin,nen Wissenschaftlerin, die Neues
herausfinden will
5 – 6 s Filtersystem,e Technik, die etw. sauber macht – aufbe-
reiten präparieren; bearbeiten – schmunzeln leicht lächeln –
r Aspekt,e Thema; Bereich – e Ressourcenaufbereitung,en
Recycling/Bearbeitung von Vorräten/allem, die/das man zum
Leben braucht – fördern finanziell unterstützen – r Hangar,s
Halle (für Flugobjekte) – e Weltraumstrahlung,en energetische
Emissionen im Kosmos – erforschen wissenschaftlich untersu-
chen/Neues suchen – bedenken über etw. nachdenken; nicht
vergessen
7 – 9 r Gipsbeton Masse, die sehr fest wird – e Umsetzbarkeit,en
Machbarkeit; Möglichkeit der Realisierung – ausgeben hier: of-
fiziell nennen – e Gewähr Sicherheit; Garantie – nachhaltig so,
dass etw. lange u. effizient genutzt werden kann – intergalak-
tisch zwischen verschiedenen Sternensystemen im Kosmos

Europa räumt im All auf 3 Die Risiken durch mögliche schen einem Satelliten des von
Zusammenstöße sind erheblich. Elon Musk gegründeten amerika-
Ein Beispiel: Im Jahr 2016 setzte nischen Weltraumunternehmens
ein sechs Millimeter kleines Me- SpaceX und dem europäischen
WELTR AUMMÜLL 6 000 Raketenstarts haben in
tallteil, das mit 28 000 Kilometern Forschungssatelliten Aeolus. Nur
60 Jahren Raumfahrt rund 23 000 Objekte im Weltraum zurückgelassen. je Stunde um die Erde kreiste, weil die ESA letztlich auswich,
Jetzt soll der Schrott beseitigt werden. das Solarpanel des europäischen war die Gefahr gebannt. Doch
Erdbeobachtungssatelliten Sen- Ausweichen heißt, mehr Treib-
**mittel | B2 – C1 dass dadurch mehr Umweltbe- Schätzungsweise 128 Millionen tinel-1A außer Gefecht. Im Sep- stoff zu verbrauchen und damit
1 DIE EUROPÄISCHE Raum- wusstsein sowie ein neues Ge- Objekte sind einen Millimeter bis tember 2019 kam es zu einem Fortsetzung auf Seite 8
fahrtagentur ESA hat kürzlich den schäftsmodell im All entstehen. einen Zentimeter groß. Beinahe-Zusammenstoß zwi-
international ersten Vertrag zum 2 Der Bedarf ist groß. Laut ESA
Aufräumen von Weltraummüll un- haben nach 60 Jahren Raumfahrt 0 – 1 s All Kosmos – r Weltraum Kosmos – e Kollision,en Zusammenstoß – e Fragmentierung,en
terzeichnet. Das Schweizer Start- knapp 6 000 Raketenstarts rund e Raumfahrt,en wissenschaftliche u. technische Versu- Teilung in viele kleine Stücke – schätzungsweise unge-
up-Unternehmen Clear Space soll 23 000 Objekte im Weltraum zu- che, in den Weltraum zu fliegen u. den Kosmos kennen- fähr
im Jahr 2025 ein 112 Kilogramm rückgelassen. Seit 1957 kam es zu zulernen – r Schrott Müll; kaputter Rest – beseitigen 3 – 4 erheblich sehr groß – außer Gefecht setzen dafür
schweres Teil einer europäischen mehr als 550 Explosionen, Kolli- wegräumen – e Trägerrakete,n Objekt, das etw. in den sorgen/machen, dass jmd./etw. nicht mehr kämpfen kann/
Kosmos transportiert – verglühen sehr heiß werden u. da- nicht mehr funktioniert – kreisen sich in einer Runde bewe-
Trägerrakete Richtung Erdatmo- sionen und anderen Ereignissen,
bei kaputtgehen – r Meilenstein,e wichtige Entwicklung; gen – s Solarpanel,s Objekt, das Sonnenenergie aufnimmt
sphäre ziehen, wo es schrittweise die zu einer Fragmentierung der entscheidender Schritt – s Geschäftsmodell,e Konzept u. damit Strom herstellt – ausweichen aus dem Weg gehen –
verglüht. Die ESA bezeichnet die Objekte führten. Kleinere Teile einer Firma, um Geld zu verdienen die Gefahr bannen riskante Situation ungefährlich machen
Mission als Meilenstein. Sie hofft, fallen gar nicht in diese Statistik. 2 r Bedarf,e etw., das man braucht; Nachfrage – – r Treibstoff,e Benzin; Sprit