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GESCHICHTE
SÜDOSTEUROPAS
M I T 23 KARTEN
U N D MIT EINEM A N H A N G
MÜNCHEN 19 5 0
Copyright 1950 by R. Oldenbourg, Miindien. Alle Rechte vorbehalten
Gesamtherstellung : R. Oldenbourg, Graphische Betriebe GmbH., München 8
Franz Dölger
als k l e i n e s Z e i c h e n m e i n e r Dankbarkeit
zugeeignet
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Vorwort 9
Einleitung: Die L a n d s c h a f t als Schicksal — D e r Vielvölkerraum Südosteuropa. . . . 13
Kapitel 1: Römerherrschaft und Romanisierung 18
Kapitel 2 : Die germanische Völkerwanderung 55
Kapitel 3: Eurasische Völkerwanderung u n d H u n n e n r e i d i 67
Kapitel 4 : D a s oströmische Reich in der großen W e n d e 75
Kapitel 5 : Die slawische L a n d n a h m e (um 600) 88
Kapitel 6 : Oströmische Selbstbehauptung und Reconquista 102
Kapitel 7: Das großbulgarische Reich 121
Kapitel 8 : Die altbairische Südostkolonisation und die Großmachtstellung des
Karolrngerreidies im D o n a u r a u m 128
Kapitel 9 : Christianisierung u n d S t a a t e n g r ü n d u n g 144
Kapitel 10: D a s Zeitalter d e r Kreuzzüge 166
Kapitel 11: Venedig u n d sein ü b e r s e e r e i c h 175
Kapitel 12: Die deutsche Südostkolonisation des Mittelalters 188
Kapitel 13: D i e albanisch-rumänische W a n d e r u n g s b e w e g u n g (11.-13. J a h r h u n d e r t ) 202
Kapitel 14: D e r Ausgang der oströmischen u n d balkanslawischen Geschichte . . . . 211
Kapitel 15: D a s Erwachen des Nationalbewußtseins 225
Kapitel 16: D e r Hussitismus: die nationalkirchliche Revolution der Tschechen . . 240
Kapitel 17: Die Reformation 250
Kapitel 18: D e r Aufstieg der osmanischen W e l t m a c h t 261
Kapitel 19: Die Gegenreformation 285
Kapitel 2 0 : D e r Staat der H a b s b u r g e r 309
Kapitel 2 1 : D e r innere Verfall des osmanischen Reiches u n d die Entstehung der
orientalischen Frage 334
Kapitel 2 2 : Die Anfänge der balkanischen Unabhängigkeitsbewegung und der
griechische Freiheitskampf (1821—1829) 351
Kapitel 2 3 : Die nationalistischen Bewegungen im Rahmen des Habsburger-Reiches 378
Kapitel 2 4 : D e r Endsieg der Nationalitäten. Die V e r d r ä n g u n g d e r T ü r k e i aus
Europa u n d die Zerschlagung der österreichisch-ungarischen Monarchie 392
Anhang: Die Entwicklung der geschichtlichen Südosteuropa-Forschung 401
Anmerkungen 417
Schrifttumsverzeichnis 423
Herrschertafeln 469
Zeittafel 501
N a m e n - u n d Sachverzeichnis 513
V E R Z E I C H N I S DER K A R T E N
Seite
Daß bisher kein Versuch gewagt wurde, die Geschichte des gesamten
riesigen Vielvölkerraumes Südosteuropas —- von den Sudeten bis zum
Bosporus — in einer zusammenfassenden Darstellung zu behandeln, hat
seinen guten Grund zunächst in den arbeitsmäßigen Schwierigkeiten, die
sich einem solchen Unternehmen entgegenstellen. Das fachwissenschaft-
liche Schrifttum ist in mehr als einem Dutzend verschiedener Sprachen
verstreut. Manches davon war schon vor der Katastrophe des 2. Welt-
krieges in keiner deutschen Bibliothek vorhanden und mußte auf persön-
lichem Wege beschafft werden. Größer sind die inneren und grundsätz-
lichen Schwierigkeiten, mit denen jeder Versuch einer zusammenfassenden
Betrachtung zu kämpfen hat. Der vielfältig aufgegliederte Raum Südost-
europa bildet nur in sehr bedingtem Sinne eine gewisse geographische
Einheit. Das Fehlen eines geographischen Schwerpunktes hat zu allen
Zeiten auch die staatliche Zusammenfassung dieses Raumes vereitelt. Die
einzelnen Teilräume lebten ihre eigene Geschichte. Audi die Großreiche
der Oströmer, Osmanen und Habsburger vermochten es nie, den gesamten
Raum in ihrem Rahmen zu vereinigen. Freilich hoben sich unter den
Teilräumen stets zwei heraus, denen zu allen Zeiten eine überragende
Bedeutung zukam: 1. der Raum um die Ägäis, der Mutterboden des grie-
chischen Volkstums und Ausgangspunkt für die Großreichsbildungen der
Oströmer und Osmanen und zugleich der Schwerpunkt des venezianischen
überseereiches (Oltramare), 2. das pannonische (ungarländische) Becken
an der mittleren Donau, der Raum des ungarländischen Staates und das
Kerngebiet des habsburgischen Viel völkerreiches. Die großen Staats-
bildungen von bleibender Bedeutung, die in diesen beiden Teilräumen
ihre Wurzeln haben, sind daher auch die natürlichen Schwerpunkte der
Geschichte Südosteuropas.
Die Darstellung wendet sich an einen allgemeinen historisch interessierten
Leserkreis. Um aber darüber hinaus auch dem, der tiefer in diesen un-
wegsamen Bereich der Geschichtsforschung einzudringen wünscht, die
Hilfsmittel an die Hand zu geben, wurden im Anhang Anmerkungen,
Schrifttumsverzeichnis, Herrscher- und Zeittafeln sowie ein Namen-
und Sachverzeichnis beigegeben. Besonderer Wert wurde auf die reiche
Ausstattung mit Karten gelegt. Sie sollen für die verschiedenen Zeiträume
10 Vorwort
Nation stammt und durch keinerlei innere Bande mit diesen ewigen
Nachbarschaftsgegensätzen verknüpft ist, eher berufen, ein objektives
Bild der Geschichte Südosteuropas zu zeichnen.
D a hier nicht beabsichtigt wurde, der Kritik einer chauvinistischen
Pseudowissenschaft auszuweichen oder gar ihren Beifall zu erringen,
konnten an den nationalen Mythologien und Autochthonitätsideologien
überall die notwendigen Abstriche gemacht werden. Da man Geschichte
nicht dichten darf, ist es auch nicht möglich, dem infantilen Überschwang
chauvinistischer Geschichtsausdeutung Genüge zu tun.
Ein W o r t des Dankes gebührt allen jenen, die mich durch Aussprache,
Rat und Mithilfe bei dieser Arbeit gefördert haben. Mit W e h m u t denke
ich daran, daß mein verehrter Lehrer Carl Patsch das Erscheinen der
Darstellung, an der er all die Jahre hindurch so starken inneren Anteil
nahm, nicht mehr erleben durfte. Er ist noch kurz vor dem Ende dieses
Krieges das Opfer eines Luftangriffes geworden.
V o r allem gilt mein Dank meinem verehrten Lehrer Franz Dölger,
in dessen Schule ich mir die philologisch-historische Methode der By-
zanz-Forschung erworben habe. Durch manchen Rat und durch die
Überlassung von Büchern aus seiner reichen Privatbibliothek, hat er
mich bei der nochmaligen Umarbeitung im Jahre 1948 in vielfacher
12 Vorwort
Weise unterstützt. Ihm sei dieses Buch als ein kleines Zeichen meiner
Dankbarkeit zugeeignet.
Die Arbeit hätte in den schwierigen Jahren 1946—1948 vielleicht
nicht weitergeführt und abgeschlossen werden können, wenn mir das
Byzantinische Institut der Benediktiner-Abtei Scheyern mit seiner einzig-
artigen Fachbücherei nicht gastfreundliche Aufahme gewährt hätte. Die
Jahre, da in den deutschen Universitätsstädten ein eigentliches wissen-
schaftliches Arbeiten kaum möglich war, konnten in Scheyern eine
geistig fruchtbare Zeit werden. So ist es mir heute eine freudige
Ehrenpflicht, Seiner Gnaden dem Hochwürdigsten Herrn Abt P. Franz
Seraph Schreyer OSB und dem Hochwürdigen Prior P. Dr. Johannes
Maria Hoeck OSB meinen geziemenden Donk zu sagen.
Durch die auswärtige Verleihung von Büchern aus den ihrer Leitung
anvertrauten Bibliotheken haben mich zu Dank verpflichtet: Herr
Bibliotheksdirektor Dr. Josef Deutsch (früher Breslau, jetzt Heidelberg),
Herr Bibliotheksdirektor Dr. Fritz Redenbacher (Erlangen), Herr Ober-
bibliotheksrat Dr. Gurt Höfner (Bamberg). — Für vielfältige biblio-
graphische Mithilfe danke ich Maria Roemmich und Ingeborg Charisius,
für Bereitstellung kartographischer Unterlagen Bernarda Oestrefcher, für
die Zusammenstellung der Zeittafel Otto Volk. Die sorgfältige Bearbei-
tung des Namen- und Sachverzeichnisses ist das Werk von Maria
Roemmich.
Für einzelne Hinweise danke ich Herrn Prof. Dr. Franz Babinger
(München) und Herrn Prof. Dr. Rudolf Sdireiber (früher Prag, jetzt
Speyer).
Besonderen Dank schulde ich auch dem großzügigen Verständnis
des Verlegers Herrn Kommerzienrat Wilhelm Oldenbourg, der die so
reiche Ausstattung des Buches mit Karten möglich gemacht hat. — Die
Ausführung der Karten lag in der Hand von Hans Kreuzkamp.
*
EINLEITUNG
D i e L a n d s c h a f t als S c h i c k s a l
hinauf nach Nisch, dann hinüber in das Wardartal nach Skoplje und von
dort flußtalabwärts nach Saloniki.
3.Die antike Via Egnatia,vori der albanischen Hafenstadt Durazzo durch
das Shkumbital über Elbasan nach Ochrid und von dort über Monastir
nach Saloniki.
Ungarn und die rumänischen Donaufürstentümer kennen diese schwe-
ren Verkehrsprobleme nicht. Die Donau ist eine bequeme, natürliche
Verkehrsstraße, die freilich weder in der Vergangenheit noch in der
Gegenwart von der Bedeutung gewesen ist, die man ihr in der landläufi-
gen Meinung gem zuschreibt. Auch der Gebirgswall der Karpaten ist
nicht ein so schwieriges Hindernis für den Obergangsverkehr von Sieben-
bürgen nach der Moldau und der Walachei. Es gibt zahlreiche gute Pässe
(vor allem Predeal- und Rotenturmpaß).
Während der pannonische Raum und die rumänischen Fürstentümer
auf den Binnenlandverkehr von der Natur angewiesen sind, ist für die
Balkanhalbinsel der Seeverkehr von wenigstens derselben Bedeutung. Die
Balkanhalbinsel besitzt eine überaus glückliche Küstengliederung mit
zahlreichen günstigen Naturhäfen. So hat die Küstenprovinz Dalmatien
im Adriatischen Meer zahlreiche geschützte Küstenbuchten und Inseln, an
denen sich schon in antiker Zeit bedeutende Hafenstädte entwickelten.
Noch günstiger ist die Küstengestaltung Griechenlands, dessen Bewohner
dadurch ebensosehr wie durch die Kargheit des festländischen Bodens
schon von der Natur auf die See verwiesen und zum Seefahrer- und
Händlervolk bestimmt worden sind. Der Raum des Ägäischen Meeres hat
eine unübersehbare Fülle von guten Häfen, von denen sich nur die aller-
günstigsten zu großen Handelsmittelpunkten entfalteten. Die Küste des
Schwarzen Meeres besitzt nicht eine so einzigartig reiche und günstige
Küstengliederung, aber auch sie hat in dem tief eingeschnittenen Golf
von Burgas und den ringsherumliegenden Hafenbuchten von Anchialo,
Mesembria und Sozopol sowie in der Bucht von Warna günstige Häfen.
Noch weiter nördlich entwickelte sich schon im Hochmittelalter im Mün-
dungsgebiet des Dnjestr der wichtige Hafen Cetatea Alba (Akkerman).
Das dazwischenliegende Stück der Dobrudscha hat keine guten Natur-
häfen, der moderne Hafen von Konstanza mußte mit Hilfe künstlicher
Hafenanlagen ausgebaut werden.
Die natürlichen Reichtümer Südosteuropas sind in den einzelnen Län-
dern ganz verschieden. Der Reichtum der Slowakei beruht vor allem auf
ihren riesigen Waldbeständen. Ungarn hat einen überaus fruchtbaren
Natürliche Reiditümer 17
R ö m e r h e r r s c h a f t und R o m a n i s i e r u n g
Seitdem stand die Ostküste der Adria unter einer gewissen römischen
Kontrolle. Rom betrachtete sich als Schutzmacht der dortigen griechi-
schen Küstenstädte.
Schon bald nach diesem Zusammenstoß mit der illyrischen Seemacht
wurde Rom durch die mazedonische Politik zum erneuten Eingreifen
9»
20 Rams Sieg über Mazedonien
Dichter Antipatros von Sidon die Zerstörung des herrlichen Korinth be-
klagt hat:
„Wohin sdbwand deine Schönheit, Xorinth, die einst so berühmte?
'Wo blieb der Türme 'Kranz, wo sind die Schätze von einst ?
Wo sind die ¡Tempel der Götter, die Häuser, und wo sind die Trauen
Jus des Sisyphos Stamm, wo ist das zahllose Volk?
'."Nidht einmal eine Spur ist von dir, du Arme, geblieben.
Alles hat gierigen Griffs tödlidh vernidhtet der Krieg.
Einzig nur wir Nereiden, Okeanos' göttliche Tödbter,
Singen von deinem Leid ewig ein klagendes £ied."
Danach wurde Gesamtgriechenland (mit Einschluß von Mazedonien,
wo die vier Bezirke verschwanden) zu einer einzigen römischen Provinz
vereinigt. Thessalonike wurde der Sitz des römischen Statthalters.
*
M. Licinius Cfassus zum zweiten Male und dieses Mal endgültig unter-
worfen (29 v. Chr.). Der östliche Teil wurde zunächst mit der römi-
schen Provinz Thrazien vereinigt (ripa Jbraciae), der westliche wurde
eingeborenen Fürsten überwiesen.
Nach mehreren früheren örtlichen Aufständen kam es in den Jahren
11—9 v. Chr. zu einer großen Erhebung der Thrazier. Erst nach der
Unterdrückung dieser Freiheitsbewegung war die Ruhe an der unteren
Donau vorläufig gesichert.
Kaiser Augustus errichtete dort ein ständiges Militärkommando,
woraus sich dann die Provinz Moesien entwickelte. Als während des
illyrisch-pannonischen Freiheitskrieges (6—9 n. Chr.) die Truppenver-
bände von der unteren Donau nach Pannonien abgezogen werden muß-
ten, kam es wiederholt zu Einfällen dazischer und sarmatischer Völker-
schaften. Einem solchen Raubüberfall fiel das im Donaudelta gelegene
römische Aegisua (Tulcea) zum Opfer. Sogar das wichtige Tomi (Kon-
stanza) wurde damals durch die Geten bedroht.
Zunächst geboten im mittleren und östlichen Teil von Niedermösien
noch die getischen Stammesfürsten. Dann wurde das östliche Gebiet dem
Odrysenfürsten unterstellt, der die Verteidigung der Ripa Jbraciae und
der Scythia "Minor (Dobrudscha) gegen die Einfälle der Barbaren über-
nahm. Gegen den großen illyrisch-pannonischen Aufstand (6—9 n. Chr.)
waren beide Odrysenfürsten als römische Vasallen zu Felde gezogen.
Später gab es freilich ernste Verwicklungen mit dem Odrysenfürsten
Rhaskuporis, als dieser eine verdächtig selbständige Politik einschlug.
Trotzdem suchte Rom einen Feldzug gegen ihn zu vermeiden. In Thra-
zien lebten noch immer zahlreiche freiheitsstolze Stämme. Ihr Wider-
stand hätte einen Rückhalt an den kriegerischen Völkerschaften jenseits
der Donau gefunden und wäre daher nur unter starkem Truppenauf-
gebot zu brechen gewesen. Rhaskuporis wurde durch eine List in
römische Gefangenschaft gelockt und auf diese Weise unschädlich ge-
macht (um 18 n. Chr.).
Freilich kostete es noch viele Kämpfe, bis Thrazien wirklich befriedet
war. Die römische Rechtsprechung und die beginnende Rekruten-
aushebung schürten die Unzufriedenheit der eingeborenen Stämme. Im
Jahre 21 n. Chr. kam es zu einem großen Aufstand der Odrysen, Dier
und Koitaleten, der freilich vor dem festen Philippopel scheiterte. Ge-
fährlicher war die Erhebung des Jahres 26, die ebenfalls durch Rekruten-
aushebung ausgelöst worden war. Doch gelang es dem römischen Be-
Befriedung Thraziens 27
Auch im Süden der Donau wurde Trajan zum Festiger und Vollender
der römischen Herrschaft. In den Kriegen gegen die Dazier hatte Mösien
als Aufmarschgebiet für die römischen Truppen besondere Bedeutung
erlangt. Das angrenzende Stammgebiet der Roxolanen, deren Einfall den
Krieg ausgelöst hatte, wurde schon während der beiden Feldzüge der
Provinzverwaltung von Obermösien unterstellt. Andere Umgestaltungen
vollzogen sich weiter ostwärts. Die Provinz Thracia wurde nach Norden
erweitert. Das dünn besiedelte Gebiet der großen Walachei ostwärts vom
30 Sdiwarzmeerküste
Die römischen Eroberer haben sich in der Rolle der Schutzherren, über
die griechische Kultur gefallen. Römische Bewunderer des griechischen
Geistes pilgerten voll Ehrfurcht nach Athen und Sparta. Auf dem Pelo-
ponnes nahm Sparta unter dem Sdiutze und mit der Begünstigung der
Römer einen Ehrenvorrang ein. Dabei verstand es jedoch die weitsichtige
römische Politik sehr geschickt, durch zeitweilige Begünstigung der pelo-
ponnesischen Nachbarlandschaften Spartas zu verhindern, daß dieses den
Gesellschaftliches und kulturelles Leben in Hellas
33
die den Griechen seit jeher angeborene Sucht nach innerem Hader, der
durch die Römerherrschaft nur oberflächlich eingedämmt, aber nicht be-
seitigt und ausgerottet wurde. An die Stelle der ehemaligen Lokalkriege
zwischen den einzelnen Landschaften traten nunmehr endlose Prozeß-
streitigkeiten. Und sobald die straffe römische Herrschaft und Verwal-
tung einmal erschüttert wurde und in Unordnung geriet, loderten auch
die Kriege zwischen benachbarten Landschaften sofort wieder auf, so
als nach dem Sturze des Kaisers Nero allgemeine Thronwirren aus-
brachen. (68 n. Chr.)
Die nächste Aufgabe nach der Eroberung und Befriedung der Balkan-
halbinsel war der Aufbau einer starken Grenzverteidigung. Die Reichs-
grenze gegen das nördlich angrenzende Barbarenland deckte sich bis
in die Zeit Trajans mit der Donau. Dort mußte alle Zeit mit den Ein-
fällen barbarischer Heerhaufen gerechnet werden. Der Stromlauf war
trotz seiner Breite von kleinen Feindgruppen leicht zu überschreiten, für
Verteidiger aber war eine lückenlos wirksame Kontrolle kaum möglich.
Das Flachufer auf der linken Stromseite mit seinen mächtigen Auwäldern
gewährte auch stärkeren feindlichen Aufgeboten die Möglichkeit, sich
unbeobachtet zu versammeln, und die zahlreichen bewaldeten Inseln, die
bis in die Nähe des rechten Stromufers herüberreichten, sowie die vielen
Seitenarme boten bequeme Späh- und Schlupfwinkel. Im Winter kam als
weitere Erleichterung für einen Angreifer die Eisdecke hinzu. Diese
Grenzverhältnisse waren so unsicher, daß auch volksfremde Freibeuter
sich in den Auwäldern herumtrieben, von der Aussicht auf gewinn-
bringende Raiubfahrt in römisches Provinzland angelockt.
Zur Sicherung der neugewonnenen Provinzen südlich der Donau ent-
stand ein Donau-Limes. Seine Anfänge gehen wahrscheinlich auf
Augustus zurück. In der Folgezeit wurde er dann immer stärker aus-
gebaut. An den wichtigen Punkten längs des Stromes entstanden große
Legionslager. S o in Oberpannonien Vindobona ( W i e n ) , Cannuntum
(Petronell), Brigetio (Komorn), in Unterpannonien Aquincum (Altofen),
Acumincum (wahrscheinlich Peterwardein), in Obermösien Skigidunum
(Belgrad), Viminacium (Kostolac), in Niedermösien Novae (Swischtov),
Durostorum (Silistria), Troesmis (Iglitza). Gegenüber von diesen großen
Donau-Limes 35
Die Verwaltung
Fast allerorts hat es die römische Regierung nach der Eroberung als
erste Aufgabe der sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung betrachtet,
die Besitzrechte an Grund und Boden zu überprüfen. Das Land wurde
in neue Bezirke aufgegliedert, die nun von städtischen Mittelpunkten
(Munizipien, Kolonien) aus verwaltet wurden. Die Eingeborenen in den
Dörfern hatten als Peregrine keinen Anteil an deren Verwaltung. Sie be-
zeichneten vielfach auch weiterhin ihre Herkunft nach dem Provinz- bzw-
3*
36 Römische Provinzverwaltung
Gaunamen, dagegen benannten sie sich nur selten nach ihrem Ge-
burtsorte.
In den schwer zugänglichen Berglandschaften des illyrischen Nord-
westbalkans konnten sich die bisherigen Gesellschaftsverhältnisse noch
bis tief in die römische Kaiserzeit hinein behaupten. Zunächst wurde
von den römischen Eroberem das System der „Militärverwaltung" ein-
geführt. Das gesamte Land wurde in zahlreiche örtliche Bezirke ein-
geteilt, die der Befehlsgewalt eines dazu abkommandierten Offiziers oder
Unteroffiziers unterstanden. Erst im 2. Jahrhundert konnte in diesen un-
ruhigen Berglandschaften das System der örtlichen Selbstverwaltung ein-
geführt werden. Die römische Provinzverwaltung beschränkte sich darauf,
die einzelnen Stammeskantone, die natürlichen Landschaften (Gebirgs-
kammern, Flußtälem, Inseln) entsprachen, als GaugemeAnden (civitates)
zu konstituieren. In jeder Gaugemeinde wurden als Mittelpunkte des
öffentlichen Lebens eine oder zwei Städte gegründet. Die Führung in
diesen „civitates" lag auch weiterhin bei dem alten illyrischen Stammes-
adel. So sind bei einigen illyrischen Stämmen (Dalmaten, Dokleaten,
Japoden) erbliche „Principes" noch in Inschriften der späten Kaiserzeit
bezeugt. Aus dem Kreise dieser Adelsfamilien pflegte die römische Pro-
vinzverwaltung auch den Gaiuvorsteher (Praepositus civitatis) zu er-
nennen.
In inneren Rechtsfragen blieb die einheimische Organisation zunächst
unangetastet. Dann wurde die römische Gerichtsverfassung des Con-
ventus auch auf die Stammesgebiete ausgedehnt. Die alten Stammesgaue
(civitates) wurden schrittweise in Stadtgebiete aufgelöst. Eine größere
Anzahl von Städten bildeten einen Gerichtssprengel (Conventus, Con-
ventus juridicus), der nach seinem Hauptort benannt wurde. So gab es
in der Provinz Dalmatien drei solcher Gerichtesprengel: Salona, Scar-
dona, Narona. In diesen Conventus wurde auch den einheimischen Stäm-
men, die in Decurien gegliedert waren, Recht gesprochen. So bildete
das Dalmatenland während der frühen Kaiserzeit eine in 342 Decurien
gegliederte peregrine Gaugemeinde, die zum Gerichtssprengel Salona ge-
hörte. Außerdem gehörten zum Conventus Saionitanus ferner noch: 25
Decurien der Deuri, 239 der Ditiones, 269 der Maezei, 52 der Sardeates.
Der Gau (civitas) der Japoden, der noch in der ersten Hälfte des
2. Jahrhunderts bestand, gehörte zum Conventus juridicus von Scar-
dona. Die Verwaltung des Japodengaues wurde von Praepositi ge-
leitet, die vielfach alteinheimische Adelige (principes) waren.
Römische Pravinzverwaltung 37
Die politische Kunst Roms hat sich nicht zuletzt in den Formen der
Provinzverwaltung entfaltet. Aufschlußreich ist hier das Beispiel der
Provinzen Mazedonien, Mösien und Thrazien. Mazedonien zerfiel in der
römischen Kaiserzeit in verschiedene Bezirke (/¿eg/;), von denen
jeder seinen Rat (avvedgiov) hatte. Alljährlich trat der mazedonische
Landtag (XOLVOV Motyeddvotv) zusammen, dessen Aufgabe sich im
wesentlichen auf die sakrale Pflege des Kaiserkultes beschränkte. Daher
stand an seiner Spitze der Oberpriester des provinzialen Kaiserkults
(iägxterevg rov xoivoQ Maxeöovojv). Ihm oblag die Leitung und Über-
wachung der gottesdienstlichen Handlungen, die mit dem Kaiser-
kult verbunden waren, die Verwaltung der für den Kaiserkult bestimmten
Gelder, der Vorsitz bei den provinzialen Spielen und die Verwaltung
der dazugehörigen Stiftungen. Den Ehrenvorsitz dieses mazedonischen
Bundes führte Beroia, das seit Kaiser Nerva (96—98) mit dem Titel
UrfTQonoXiQ ausgezeichnet war. Es war Sitz des Oberpriesters und In-
haber der „Neokorie", d. h. des Ehrenvorrechts, den Kaiserkult be-
sonders zu pflegen. Zwischen Beroia als dem sakralen Hauptort des
Bundes und Thessalonike als der Provinzhauptstadt kam es ständig zu
Eifersüchteleien.
Ähnlich verlief die Entwicklung in der Nachbarprovinz Mösien. Zur
Zeit der römischen Besetzung hatte Mösien aus zwei großen Stammes-
bereichen bestanden: dem dardanisch-mösischen und dem getisch-thra-
zischen. Dazu kamen dann als Randgebiet die griechischen Städte an
der Schwarzmeerküste. Sie wurden zunächst dem Statthalter von Maze-
donien unterstellt, während ihr militärischer Schutz den benachbarten
thrazischen Klientelfürsten übertragen wurde. Seit der Einrichtung einer
eigenen Provinz Mösien (44 n. Chr.) gehörten die pontisdien Griechen-
städte teils zu dieser neuen Provinz Mösien, teils (Apollonia, Anchialos,
Mesembria) zur Provinz Thrazien. Die zu Mösien gehörigen Griechen-
städte waren in dem Bund der fünf, später sechs Städte (Hexapolis,
xoivov RFJQ ¿¿¡anoP^WG TOV evojvv/xov JIOVXOV) vereinigt, der einen ziemlidi
selbständigen Verwaltungsbezirk mit eigenem Kaiserkult bildete. In
späterer Zeit gehörten zu diesem Bund Tomi, Kallatis, Odessos, Istros,
Dionysopolis, Mesembria. Der Hauptort des Bundes (/.irpQÖnohc,) war
seit Antoninus Pius Tomi.
Ähnlich war das Bild in dem benachbarten Thrazien, das im Jahre 45
n. Chr. römische Provinz geworden war. An den inneren Verhältnissen
des Landes änderte sich nicht viel. Die römische Provinzverwaltung,
38 Römische Provinzverwaltung
die von oben darübergelegt wurde, ließ die bisherigen Formen nach Mög-
lichkeit unangetastet. Der Sitz des römischen Statthalters wurde Perinth
(in nachdiakletianischer Zeit Heraclea oder Heraclea Perinthus genannt).
Neben der römischen Provinzverwaltung stand auch hier der alte
„Landtag" (xoivov Ogaxwv), der unter dem Vorsitz des 'ocqxisqsog rov
xoivov Opqxfjjv in Philippopolis zusammentrat. Seine Hauptaufgabe be-
stand wie auch in anderen Provinzen in der Pflege des provinzialen
Kaiserkultes. Als Sitz dieses Kaiserkultes erhielt Philippopolis die „Neo-
korie", seit Septimius Severus (193—211) führte es auch den Titel
[¿rjToo7io2.it; •
Die schon vorrömische Einteilung des Landes in Bezirke (arqoarjyix)
blieb bestehen. Die kleinste Verwaltungseinheit war das Dorf (vicus,
KMfirf). Mehrere Dörfer waren zu einem Dorfverband (xwß&Qxlci) zu-
sammengefaßt. Während es in vorrömischer Zeit nur im Küstengebiete
Städte gegeben hatte, entstanden unter römischer Herrschaft auch im
Binnenlande zahlreiche Städte in der Form griechischer Politien. Sie
wurden von Kaiser Trajan begründet oder von ihm mit dem römischen
Stadtredit belehnt. Daher lebte die Erinnerung an den kaiserlichen
Städtegründer noch lange in dem Beinamen Ulpia fort, den zahlreiche
Städte auf Münzen und Inschriften führten (Anchialus, Augusta Trajana,
Bizye, Nicopolis ad Istrum, Nicopolis ad Nestum, Pautalia, Plotinopolis,
Serdica, Topirus, Trajanopolis). Von Kaiser Hadrian wurde das bald
mächtig aufblühende Hadrianopolis gegründet.
Wirtschaftliche Verbältnisse
zeit, so jener Dämon Peripoltas von Chaironeia (74 v. Chr.). Als Radier
seiner persönlichen Ehre war er genötigt, seine bürgerliche Umwelt zu
verlassen. Er wurde Bandit, dann entwickelte er sich zum gemeingefähr-
lichen Straßenräuber. Schließlich waren die eigenen Mitbürger genötigt,
sich seiner durch feigen Meuchelmord zu entledigen.
Die meisten Städte scheinen in römischer Zeit eine Bevölkerungsver-
mehrung erlebt zu haben. Dies gilt vor allem von Korinth, das in
römischer Zeit glanzvoll ausgebaut wurde. An Flächenausdehnung und
Bevölkerung war es um vieles größer als die vorrömische Stadt. Ähnlich
war der wirtschaftliche Aufschwung in Patras, das in römischer Zeit sich
zu einem großen Textilzentrum entwickelte. Die Textilindustrie der
Stadt bezog ihre Rohstoffe aus dem Hinterland: die Ebenen von Elis
lieferten den Byssos, die Bergweiden Arkadiens die Schafwolle.
Athen wurde im 2. Jahrhundert mit neuen Bauten geschmückt. Der
riesige Tempel des olympischen Zeus, der bereits ein halbes Jahrtausend
früher begonnen worden war, wurde damals fertiggestellt. Die Studenten,
die aus aller Welt zusammenströmten, brachten viel Geld nach Athen.
Das damalige Athen war wenigstens ebenso volkreich wie zu irgend-
einer früheren Zeit. Die Landschaft Attika hatte freilich seit dem An-
wachsen des Großgrundbesitzes nicht mehr dieselbe Siedlungsdichte
und Bedeutung wie einst. Rund die Hälfte des Bodens soll im 1. Jahr-
hundert Eigentum des Millionärs Herades Attikos gewesen sein.
Audi alle anderen städtischen Mittelpunkte der Ebenen haben siich in
der Kaiserzeit günstig entwickelt. Nicht nur die altehrwürdigen Wall-
fahrtsorte von Olympia und Epidaiuros erhielten prächtige kaiserzeitliche
Bauten, sondern auch andere Städte: Argos, Asine, Hermione, Ägion,
Gythion. Auch die Stadt Sparta war damals ohne Zweifel volkreicher
als je zuvor. Die Entwicklung der benachbarten Marmorbrüche bedeutete
einen Zustrom des Reichtums.
Ähnlich war das Bild in Mittelgriechenland und Thessalien. Während
die kleinen Bergnester verödeten, zog sich die Bevölkerung in den
städtischen Mittelpunken zusammen, die einen beträchtlichen Auf-
schwung erlebten. Für ein starkes Bevölkerungswachstum spricht auch
die Tatsache, daß damals ein Drittel des Kopa.is-Sees trockengelegt und
in Bebauung genommen wurde.
Anders war es dagegen in Epirus. Die Besiedlung der von Augustus
neugegründeten Stadt Nikopolis ist auf Kosten des flachen Landes er-
folgt. Die dadurch hervorgerufene Entvölkerung war um so kata-
Heeresstraßen im Nordbalkan 41
strophaler, als sich Epirus auch damals noch nicht von dem römischen
Strafgericht des 1. Jahrhunderts v. Chr. erholt hatte.
In Mazedonien konnte die römische Kultur und lateinische Sprache
einen gewissen Einfluß erringen. Eine Anzahl lateinischer Städte ent-
standen. Sitz der römischen Verwaltung wurde Thessalonike, während
das wirtschaftliche Leben seinen Mittelpunkt in Beroia hatte. Neben dem
Ackerbau spielte die Waldwirtschaft eine Rolle. Holz scheint die wich-
tigste Ausfuhrware gewesen zu sein. Der Bergbau hatte an Bedeutung
verloren, fiel aber noch immer ins Gewicht.
*
Die 'Romanisieruncj
oxo i^jysjh
H H B U
[Dyrrachiumj
Karte 1
Slawen (um 600) hat jedoch den weiteren Fortschritt der Romanisie-
rung jäh unterbrochen und die Sprache der Uralbaner in ihrem merk-
würdigen Zwischenzustand teilweiser Romanisierung erstarren lassen.
Zugleich mit der Sprache und der Sachkultur wurde auch die Welt
religiöser Vorstellungen durch die Romanisierung umgestaltet. Mit der
römischen Herrschaft drangen nun auch die Kulte römischer Reichs-
gottheiten überallhin vor. Und infolge der merkwürdig innigen Ver-
bindung des illyrischen Provinzpatriotismus mit dem römischen Reichs-
bewußtsein schmolzen die alteinheimischen Gottheiten in der gläu-
bigen Verehrung des Volkes rasch mit römischen Gottheiten zusam-
men, die bereits verwandte Züge aufwiesen. So ging der Name des
kleinen italischen Bauerngottes Silvanus über auf eine mächtige alt-
illyrische Schutzgottheit der Wälder und Herden. Silvanus, der oft
gemeinsam mit den als „Silvanae" bezeichneten Nymphen erscheint,
ist im römischen Nordwestbalkan wohl die meistverehrte Gottheit ge-
wesen. Andere altillyrische Gottheiten verbergen sich sicherlich unter
dem römischen Gewände des Liber und der Libera.
*
noch fast ein halbes Jahrhundert, bis die griechische Sprache auch für
letztwillige Verfügungen zugelassen wurde (durch ein Gesetz Theo-
dosios' II. von 439). Biis dahin konnten römische Bürger auch im grie-
chischen Sprachgebiet ihre Testamente nur in lateinischer Sprache
errichten.
Von den Anfängen und der ältesten Kultur der Germanen hatten wir
früher ziemlich unrichtige Vorstellungen, solange wir nur auf die grie-
chischen und römischen Berichte angewiesen waren (für die ältere Zeit
vor allem auf Cäsars „Gallischen Krieg" und auf die „Germania" des
Tacitus). Diese Berichte aber verfolgen einen publizistischen Zweck.
Cäsars Darstellung seiner Kolonialfeldzüge in Gallien ist eine Selbst-
56 Entstehung und erste Ausbreitung der Germanen
weitgehende Selbständigkeit. So kam es häufig vor, daß sie sich von dem
Staat lossagten und sich selbständig machten.
Vorwiegend bei den Ostgermanen (besonders Goten) und den Nord-
germanen, seltener bei den Westgermanen (Friesen, Hermunduren) stand
über den Gaufürsten an der Spitze des Staates ein König (rex). Wie die
Königsgewalt, die nicht sehr weitgehend war, entstanden ist, bleibt un-
klar. Das Recht der Königswahl war auf ein bestimmtes Geschlecht der
civitas beschränkt, so daß man, wenn nicht von Erbrecht, so doch von
einem gewissen dynastischen „Geblütsrecht" sprechen kann.
Die entscheidende Gewalt lag auch in den germanischen Königreichen
bei der Landesgemeinde. Mißliebige Herrscher konnten, wie dies nicht
selten gsediehen ist, abgesetzt, vertrieben oder getötet werden. Erst unter
römischem Einfluß ist in den germanischen Reichen auf dem Boden des
Imperiums die Gewalt des Herrschers wirklich bestimmend geworden.
Die Macht der Landesgemeinde wurde freilich nur in dem Wandalen-
reiche Geiserichs völlig gebrochen.
Jeder dieser „Staaten" war nur ein loser Bund von Stämmen, Gauen
und Sippen. Ein solcher Bund konnte sich schnell auflösen und die ein-
zelnen Glieder konnten sich einem andern Bund anschließen. Dies ist
auch immer wieder geschehen. Die militärische Niederlage eines „Staates"
bedeutete häufig seine innere Auflösung. Die einzelnen überlebenden
Stämme gingen ihre eigenen Wege, ähnlich wie in den kurzlebigen Staats-
bildungen der eurasi'schen Reiternomadenvölker (vgl. unten S. 68).
Mit dem Vordringen der Germanen auf den fremden Volksboden am
Schwarzen Meer wurden auch nichtgermanische Völker und Volkssplitter
diesen „Staaten" eingegliedert, die nach dem herrschenden Volk benannt
wurden. Wir müssen uns also die Staatsbildungen der Goten und ihrer
Stammverwandten als ein buntes Völkergemenge vorstellen, das nur
durch die ordnende Kraft eines germanischen Herrschervolkes zu-
sammengehalten wurde. Eine Niederlage des herrschenden Volkes be-
deutete das Auseinanderbrechen des Staates und die Entstehung neuer
politischer Verbindungen. So kam es/ daß die damaligen Staaten so
außerordentlich unstetig und kurzlebig waren. Blitzartig konnte sich
das Kartenbild der germanischen Staatenwelt verändern. Das eine herr-
schende Volk löste das andere ab.
Die zahlenmäßige Stärke der germanischen Völkerschaften darf nicht,
wie dies vielfach geschieht, überschätzt werden. Genaue Zahlenangaben
sind selten. Die zuverlässigste haben wir über die Wandalen Geiserichs.
Donau als Reichsgrenze 59
•das wie ein spitzer Keil die römischen Provinzen Pannonien und Dazien
auseinanderhielt, unterworfen werden müssen. Dies wurde jedoch
versäumt.
Wie militärisdi unhaltbar die neue Grenzziehung war, zeigte dann
der Markomannenkrieg, der wie ein Vorspiel der kommenden gotischen
Gefahr den ganzen Ernst der Lage blitzartig beleuchtete. Die Goten hatten
um die Mitte des 1. Jhs.n.Chr. ihre bisherigen Wohnsitze im Gebiete der
Weichselmündung mächtig nach Südosten ausgedehnt und drangen nach
dem Schwarzen Meer zu vor. Dadurch wurden zahlreiche andere Völker-
schaften nach Süden und Westen abgedrängt. Sie erschienen am 'Donau-
Limes und forderten Wohnsitze auf dem Boden der römischen Provinz
Pannonien. Rom lehnte ab. Darüber kam es zum Kriege, der 14 Jahre lang
(166 bis 180) mit Erbitterung geführt und von Kaiser Marc Aurel (161
bis 180) nur mit einem großen militärischen Kräfteaufgebot siegreich be-
endigt werden konnte. Dieser Kaiser hatte auch den Plan, den ganzen
Raum bis zu den Sudeten und Karpaten — also die heutige Tschecho-
slowakei und das heutige Ostungarn — in das Imperium einzugliedern und
daraus zwei neue Provinzen zu bilden: Marcomannia und Saimatia. Die
römischen Heere hatten dieses Gebiet schon unterworfen. Marc Aurels
Nachfolger Commodus (180—192) jedoch begnügte sich im Friedensschluß
von 180 mit der Wiederherstellung der alten Klientelverhältnisse.
Dieser Markomannenkrieg hat mit erschreckender Deutlichkeit ge-
zeigt, daß das bisherige Klientelstaatensystem versagte. Es hatte so lange
gute Dienste getan, als Roms militärische Macht selbst furchterregend
dastand. Mit dem militärischen Kräfteverfall des Imperium Romanum,
der sich schon damals drohend abzeichnete, hatte sich aber auch das
Wesen des Klientelverhältnisses verschoben. Die Römer, die bisher diesen
„schutzbedürftigen" Stämmen als Schutzherren gegenübergestanden
hatten, gerieten nunmehr immer mehr in gefährliche Abhängigkeit von
den Barbaren. Bald war es so weit, daß Rom sich durch Geldzahlungen
das friedliche Verhalten der „Klientelvölker" erkaufen mußte.
*
Die Goten sind ziemlich spät aus ihrer skandinavischen Heimat aus-
gewandert; erst um den Beginn unserer Zeitrechnung kamen sie und mit
ihnen der gotische Teilstamm der Gepiden über die Ostsee herüber, wie
uns die bei dem lateinischen Geschichtsschreiber Jordanes (6. Jh.) über-
lieferte gotische Stammessage erzählt (Jordanes, Getica 4, 25). Sie ließen
sich im Gebiete der Weichselmündung nieder, wo sie bis zur Mitte des
2. Jhs. n. Chr. blieben. Dort werden sie im 2. Jahrhundert von dem
römischen Geschichtsschreiber Tacitus (Germania 44) und von dem
griechischen Geographen Ptolemaios (III, 5, 20) erwähnt. Zunächst be-
setzten sie Westpreußen, Nordposen und das westliche Ostpreußen. Zu
Anfang des 3. Jahrhunderts aber drang ihre Hauptmenge weiter nach
Südosten vor und besetzte die Ukraine. Diese große Wanderung süd-
wärts führte nach der Erzählung des Jordanes durch eine Sumpfgegend —
wahrscheinlich die heutigen Pripjetsümpfe.
Noch im Laufe des 3. Jahrhunderts tauchen die Goten dann am
Schwarzen Meere auf. Nach einer Nachricht, deren Glaubwürdigkeit
freilich umstritten ist, wäre der erste Zusammenstoß mit den Römern
bereits 214 erfolgt. Kaiser Caracalla soll damals in Dazien einige Goten-
schwärme, die von der nördlichen Karpatengrenze her einen Angriff
führten, besiegt haben. Sicher bezeugt ist aber dann, daß die Goten im
Jahre 238 n. Chr. in das römische Reichsgebiet einfielen. In jenem Jahre
gerieten auch die reichen Küstenstädte Olfaia (Nikolajev) und Tyras
(Akkerman) in die Hand der Goten. Zehn Jahre später brachen diese
wiederum in Niedermösien ein. Unter Kaiser Decius (249—251) stießen
sie sogar bis nach Thrazien vor. Das wichtige Philippopel wurde erobert.
Der Kaiser selbst fiel im Jahre 251 in der Schlucht bei Abrytus. Danadi
besetzten die Goten die Halbinsel Krim.
Auch unter den folgenden Kaisern blieb die gotische Gefahr unver-
mindert. Nun begannen die in der Ukraine sitzenden Germanenstämme
unter Führung der seetüchtigen Heruler ihre Raubzüge über See. Beson-
ders die pontische Nordküste Kleinasiens hatte darunter schwer zu leiden.
Im Jahre 267 brachen gotische und herulische Raubscharen in das Reich
ein und drangen auf einem abenteuerlichen Kriegszuge bis nach Athen
vor. Gleichzeitig landete ein zweiter Heerhaufe von Goten und Herulem
an der Ostküste des Peloponnes und begann das Land zu verwüsten und
zu brandschatzen. Das bäuerliche Binnenland war wehrlos gegen diesen
Angriff. Die Städte, selbst die größeren, wie Korinth, Patras, Argos,
Tegea, Sparta, waren fast völlig unbefestigt. Im Schutze der Vax Romana
Goten im 3. Jahrhundert 63
Karte 2
war die Bevölkerung, die seit Jahrhunderten keinen Feind mehr im Lande
gesehen hatte, des Waffenhandwerks völlig entwöhnt. So konnten die
Streifscharen der Goten und Heruler, ohne einen nennenswerten Wider-
stand zu finden, die ganze östliche Hälfte des Peloponnes bis nach Arka-
dien hinein verheeren. Nach der Ausplünderung des Landes zogen sie
wieder ab. Gleichzeitig wurde der andere germanische Heerhaufe vor
Athen besiegt, wobei sich in der Leitung des griechischen Abwehrkampfes
der Geschichtsschreiber Dexippos hervortat. Und zwei Jahre später erlitt
ein großes gotisches Heer bei Naissus (Nisch) durch Kaiser Claudius II.,
den Gotensieger, eine vernichtende Niederlage (269). Audi die gleich-
zeitig ausgelaufene germanische Raubflotte mußte ohne Erfolg nach der
ukrainischen Heimatküste zurückkehren. Auf ein Jahrhundert hinaus war
der römische Reichsboden seitdem gegen germanische Einfälle gesichert.
Aber der gotische Druck gegen Dazien — die einzige römische Pro-
vinz nördlich der Donau — blieb doch auch in der Folgezeit so stark,
daß Kaiser Aurelian zwei Jahre nach dem Siege bei Naissus diese Provinz
völlig aufgab und ihre romanische Bevölkerung auf das südliche Donau-
ufer hinüberführte (271). In einem Kriege mit den Goten wäre diese
Provinz Dacia Trajana doch nur unter einem ungeheuren Aufwand
militärischer Mittel zu verteidigen gewesen. Dazu war damals bei dem
64 Wulfila. Das großgotiedie Reidi
Verfall der römischen Militärmacht gar keine Möglichkeit mehr. Die Räu-
mung von D a d a Trajana war daher eine vorbeugende Maßnahme.
Während des folgenden halben Jahrhunderts herrschte ein ziemlich
friedliches Verhältnis zwischen den Goten und dem Römischen Reich.
Erst unter Konstantin dem Großen ( 3 2 4 — 3 3 7 ) kam es wieder zum
Kriege. Die Goten wurden besiegt. Sie mußten sich zur Waffenhilfe ver-
pflichten und wurden als „foederati" des Reiches in das Kli'entelverhältnis
aufgenommen. Freilich dauerte an der ukrainischen Schwarzmeerküste
der gotische Druck an. l i m diese Zeit brachten die Goten auch die Städte
Chersonesos und Pantikapaion (Kertsch) auf der Halbinsel Krim unter
ihre Herrschaft.
Diese militärisch-politischen Erfolge Roms scheinen die Ausbreitung
des Christentums gefördert zu haben. Das Christentum war, wie auch
aus sprachgeschichtlichen Tatsachen hervorgeht, schon früher bei den
Goten eingedrungen. Unter dem Eindruck der Erfolge Konstantins
machte die Christianisierung der Goten dann weitere Fortschritte. Da-
gegen kam es zu einer Reaktionsbewegung der altheidnischen Partei. Die
gotischen Christen unter der Führung ihres Bischofs Wulfila mußten aus
dem Gotenreiche flüchten. Sie gingen über die Donau und wurden von
Kaiser Konstantius II. (337—361) in Mösien, dem heutigen Nord-
bulgarien, angesiedelt. Dort ist wahrscheinlich auch die gotische Bibel-
übersetzung des Bischofs Wulfila, das älteste Denkmal einer germanischen
Literatursprache, entstanden.
Das großgotische Reich in der Ukraine bestand daneben weiter und
schüttelte den römischen Einfluß wieder ab. Es ist die erste große germa-
nische Staatsschöpfung der Geschichte. W i r brauchen uns nur die räum-
liche Ausdehnung vor Augen zu halten. In der Zeit seiner größten Macht,
also kurz vor dem Hunneneinfall, reichte es von der Ostsee bis zum
Schwarzen Meer. Es gehörten dazu : die Ukraine mit der Halbinsel Krim,
dann der größte Teil des heutigen Polen und ein großer Teil des heutigen
Rumänien, also ein Gebiet, das etwa viermal so groß wie das Deutsch-
land von 1937 war. Die staatliche Zusammenfassung dieses weiten Raumes
war ziemlich locker. Sie beruhte vor allem auf der gotischen Oberschicht
und auf dem gotischen Herrscherhaus. Der lose, aber weitgespannte
Rahmen dieses kurzlebigen Vielvölkerreiches umspannte zahlreiche
Völkerschaften und Stämme verschiedener Sprache und Abstammung.
Am Schwarzen Meere in der unmittelbaren Berührung mit der grie-
chisch-römischen und der iranisch-skythischen Kultur haben sich die
Hunnensfcutim 65
Karte 3
Kapitel 3
Eurasische V ö l k e r w a n d e r u n g und H u n n e n r e i c h
weit waren daher ohne jede Stetigkeit, sie waren unaufhörlich in stür-
mischer Wandlung. Die Stämme wechselten sich in der Vorherrschaft ab.
Und ständig verschoben sich auch die unbestimmten Grenzen des poli-
tischen Machtbereiches, die wir uns nicht im Sinne der heutigen Staats-
grenzen als eindeutig feste Linien vorstellen dürfen. Kaleidoskopartig
wechseln die Bilder von Jahrzehnt zu Jahrzehnt.
Wenn es solchen Horden erobernder Reiternomaden gelungen war,
ihre politische Vorherrschaft über ein Bauernvolk aufzurichten, dann
stand erst die eigentliche Schicksalsfrage aller dieser Staaten bevor: die
allmähliche Auseinandersetzung mit dem unterworfenen Volkstum. Oft
lebten die beiden Völker Jahrhunderte hindurch nebeneinander im
gemeinsamen Siedlungsraum, gewöhnlich endete das Ringen zwischen
den beiden Volkstümern schließlich mit der Einschmelzung der Herren-
schicht in die zahlenmäßig unterlegene Unterschicht.
Die eurasischen Reiternomadenvölker, vor allem Völker türkischer
Sprache, waren bis in das Hochmittelalter hinein das politisch führende
Element Osteuropas. Erst im Spätmittelalter wurden sie durch die mehr
und mehr erstarkenden Völker und Staaten der Slawen zurückgedrängt.
Von den ehemals zahlreichen Staatsgründungen der Turkvölker haben
sich nur zwei Staaten in Osteuropa bis in die Gegenwart behauptet:
Ungarn und die Türkei. Ein anderer ursprünglich türkischer Staat hat
später seinen türkischen Charakter verloren: das bulgarische Reich.
der, wie ich oben erzählt halbe, auch in die skythischen Länder mit seinem
Volk eingedrungen war, fand unter seinem Volk gewisse Zauberinnen,
die es in heimischer Sprache Alraunen nennt, und da sie ihm verdächtig
vorkamen, jagte er sie von dannen und zwang sie, wie sie weit von
seinem Heere verscheucht waren, in der Einsamkeit umherzuirren. Als
diese Zauberinnen unreine Geister auf ihrer Streife durch die Wüste
erblickt und sich mit ihnen gepaart hatten, brachten sie dieses wüste Volk
zur Welt, das anfangs in den Sümpfen lebte, als Menschen betrachtet,
klein, greulich, schmächtig und durch keinen anderen Laut kenntlich war,
als daß es ein Schattenbild menschlicher Rede andeutete. Aus solchem
Stamme waren die Hunnen entsprossen, die nun an das Reich der Goten
herankamen. Ihr wüstes Volk, das . . . am jenseitigen Ufer des Mäotis-
Sees wohnte, kannte nur die Jagd, aber keine andere Arbeit, nur, daß es,
als es unter den Völkern herangewachsen war, durch Frevel und Raub-
züge die Ruhe der benachbarten Völker störte . . . Denn sobald sie jenen
gewaltigen See überschritten hatten, rissen sie wie ein Völkersturm Alpid-
zuren, Alcildzuren, Itimaren, Tunkarsen und Boisker, die am Ufer jenes
Skythenlandes wohnten, mit sich fort. Auch die Halanen, die ihnen im
Kampf gewachsen, aber an Gesittung, Lebensweise und Gestalt ungleich
waren, unterwarfen sie, indem sie sie durch häufige Kämpfe zermürbten.
Denn mochten sie sie auch im Kampf keineswegs bezwingen, so flößten
sie ihnen doch durch ihren scheußlichen Anblick übermäßige Furcht ein
und jagten sie durch ihre schreckliche Erscheinung in die Hucht, weil sie
ein fürchterliches, schwärzliches Aussehen und, mit Verlaub zu sagen,
kein menschliches Antlitz, sondern nur einen unförmigen Klumpen und
vielmehr Punkte als Augen im Kopfe hatten. Ihr Selbstvertrauen verriet
schon ihr finsterer Anblick." (Jordanes, Getica 24, 121 ff.) — Dies war
der Eindruck, den das unheimliche Reitervolk aus den unbekannten
Weiten des Ostens auf Germanen und Römer machte.
*
Bildung eines Hunnenreiches 71
D a s o s t r ö m i s c h e R e i c h in d e r g r o ß e n Wende
Zuerst prallten die Awaren und Slawen mit dem oströmischen Reich
zusammen. Dieses merkwürdige Staatsgebilde wird heute und seit langem
gewöhnlich als Byzanz bezeichnet. Dieser Name ist jedoch erst in der
Zeit des Humanismus aufgekommen. Der oströmisdie Staat hat sich
selbst immer nur als „römisch" bezeichnet, die „Byzantiner" nannten
sich „Römer" (' Pwfxtxioi), die Kaiserstadt Konstantinopel führte den
stolzen Ehrennamen „Neues Rom" {Neu Pwfirj). Wenn wir heute das
Humanistenwort „Byzanz" gebrauchen, so hat es in den meisten Ohren
einen sonderbaren Klang. Man denkt an politische Servilität und Kor-
ruption, an rückgratlose Verlogenheit, an maßlose Heuchelei. Man be-
trachtet die oströmische Geschichte vielfach als ein wüstes Durchein-
ander von Armeerevolten, Palastrevolutionen, Haremsintrigen und
Eunuchenwirtschaft. Das machtlose Kaisertum habe sich in prankvollem
Zeremonienwesen erschöpft, die Kirche sei ein willenloses und gefügiges
Werkzeug aller machtpolitischen Tendenzen gewesen, die Armee ein bunt
zusammengewürfelter Haufe von fremden Söldnern aus allen Nationen,
das Volk ein Rassengemisch. Der Zwang der Tradition hätte in einem
peinlich vorgeschriebenen Etikettenwesen das freie Leben auf allen Kultur-
gebieten erstickt.
Die geschichtlichen Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Die
ruhmvolle Geschichte Ostroms ist die glänzendste Widerlegung solcher
falschen Anschauungen. Die mehr als tausend Jahre oströmischer Ge-
schichte sind zum größten Teile ausgefüllt durch unaufhörliche siegreiche
Abwehrkämpfe gegen äußere Feinde. Bis in das 11. Jahrhundert hinein
war Ostrom — von wenigen kurzen Schwächeperioden abgesehen — die
größte Militärmacht der damaligen Welt, sowohl zu Wasser als auch zu
Lande. Es verfügte über die reichsten Finanzen und über die beste Ver-
waltung. Durch die Fülle seiner materiellen Kultur war es bis in das Zeit-
alter der Kreuzzüge hinein dem gleichzeitigen Abendlande weit überlegen.
Neben der griechischen Geschichtsschreibung Ostroms nimmt sich die
gleichzeitige lateinische Geschichtsschreibung Deutschlands oder Italiens
geradezu unbeholfen und kümmerlich aus. Der byzantinischen Kunst
76 Ruhm Konstantinopels
konnte das Abendland erst in der Gotik des Hoch- und Spätmittelalters
etwas Gleichwertiges — wenn auch ganz Andersartiges — entgegen-
stellen. Die allgemeine Bildung stand in Ostrom unvergleichlich höher
als im Westen. Karl d. Gr. hat noch als bejahrter Mann versucht, das
Alphabet zu erlernen. In Ostrom wäre es schlechterdings undenkbar
gewesen, daß der Sproß einer alten Herrscherfamilie des Schreiibens un-
kundig gewesen wäre.
Dem lateinischen Abendland war diese Überlegenheit Ostroms bis in
die Zeit der Kreuzzüge hinein wohlbewußt. Im Westen erzählte man mit
Staunen und Bewunderung von der glänzenden Kaiserstadt am Bosporus,
von Konstantinopel mit seinen märchenhaften Sehenswürdigkeiten. Das
„Neue Rom" war bis zur Plünderung durch die Kreuzfahrer des vierten
Kreuzzuges (1204) die größte, schönste und reichste Stadt der Welt. Ihr
Ruhm drang bis hinauf nach Island, wo die altnordischen Sagas noch von
der Schönheit der „großen Stadt" (!Mikkelgard) — so heißt Konstan-
tinopel im hohen Norden — zu erzählen wissen. Noch ehrfürchtiger
standen die slawischen Völker vor dem unbegreiflichen Schauspiel des
Reichtums und der Macht Ostroms. Sie haben dieses Konstantinopel ein-
fachhin die „Kaiserstadt" (Carigrad) genannt. Für die slawischen Völker
der orthodoxen Welt gab es nur eine einzige Kaiserstadt, weil es auch
nur einen einzigen Kaiser als Stellvertreter Gottes auf Erden gab und
geben konnte.
*
(330). Sie wunde nach ihm Konstantinopel benannt und erhielt die stolze
Ehrenbezeichnung: „das Neue Rom" ('H Ne»'Pcofirj). Durch diese Taten
steht die Persönlichkeit Konstantins d. Gr. am Anfang der oströmischen
Geschichte.
Der Staat war in Ostrom durchaus römisch. Die Verfassungs- und Ver-
waltungseinrichtungen der römisdien Kaiserzeit fanden hier ihre grad-
linige Fortsetzung. Es gab einen Senat, der freilich nur noch repräsentative
Aufgaben hatte. Jahrhundertelang ernannte man auch noch Jahr für Jahr
zwei Konsuln. Die Stadt- und Provinzialverwaltung blieb die römische.
Das römische Recht wurde übernommen und fortgebildet. Im oströmi-
schen Reich erst erhielt es auf Veranlassung Kaiser Justinians eine
zusammenfassende Kodifikation in dem „Corpus juris civilis". Die Mili-
tärorganisation ruhte bis in das Hochmittelalter hinein auf den ererbten
römischen Grundlagen. Sogar die staatliche Amtssprache blieb bis in das
7. Jahrhundert hinein das Latein. Bis zum Ausgange der frühbyzan-
tinischen Zeit war das Lateinische in der Armee, bei Hofe, in der Ver-
waltung und Justiz die Amtssprache, auf den Münzen blieben die
Aufschriften lateinisch. So erschien schon durch die sprachliche Fassade
des Latein der ältere oströmische Staat als unmittelbarer Nachfolger des
römischen Staates.
Seit Konstantin d. Gr. war der bisherige erbitterte Kampf zwischen
Kirdie und Staat durch ein freundschaftliches Verhältnis abgelöst wor-
den, das bald in ein Bündnis überging. Die Kirche wurde dem Staat
eingegliedert. Sie wurde Staatskirche und blieb dies in Ostrom für immer.
Beide Gewalten — Kirche und Staat — haben sich im Osten auf Gedeih
und Verderb miteinander verschworen. Der gewaltige Kampf zwischen
Kaisertum und Papsttum, der sich im abendländischen Mittelalter ab-
spielte, wäre in Ostrom undenkbar gewesen. Kein Patriarch durfte es
wagen, dem Kaiser entgegenzutreten. Die wenigen, die es versuchten,
wurden kurzerhand abgesetzt. Auch die Leitung der Kirche war dort von
der Macht des Kaisers nicht ausgenommen. Dadurch wurde die Reichs-
politik freilich auch, ob sie wollte oder nicht, in das Getriebe dogmatischer
Streitigkeiten hineingezogen. Der Kaiser mußte dazu Stellung nehmen;
war es doch im Sinne jener Zeit eine seiner Hauptaufgaben, die Recht-
gläubigkeit der Kirche zu schützen. Die Konzilien erhielten ihre wirk-
liche Autorität erst durch die Staatsgewalt, die Konzilienbeschlüsse wurden
als Reichsgesetze bestätigt und verkündigt, wodurch sie erst rechtskräftig
wurden. Damit wurde die religiöse Eigenmeinung, die „Häresie", zur
78 Hellenistisches Geisteserbe
sich erfolglos an den Riesenmauern die Köpfe blutig gerannt. Die Kreuz-
fahrer des vierten Kreuzzuges (1204) haben die Stadt zwar gewaltsam,
aber doch mit Unterstützung einer inneren Partei eingenommen. Um
diesen Platz mit bewaffneter Hand nehmen zu können, bedurfte es einer
ganz neuen Belagerungswaffe: des Pulvergeschützes. Erst mit Hilfe der
Artillerie ist es den Osmanen im Jahre 1453 gelungen, eine Bresche in
die Mauern zu schießen und so in die Stadt einzudringen. Bis dahin
war Ostrom militärisch nicht zu vernichten gewesen, weil alle feindlichen
Angriffe bestenfalls bis zu den Mauern von Konstantinopel vordringen
konnten. Dort prallten sie ab.
80 Kampf der Religionen im 3.—4. Jahrhundert
Kaum hatte die christliche Kirche durch Konstantin d. Gr. die öffentlidie
Duldung erlangt, da brachen auch schon in ihrem Schöße jene großen
theologischen Lehrstreitigkeiten aus, deren Austrag die Theologie des
griechischen Ostens Jahrhunderte hindurch beschäftigte. Die unermüd-
liche Fragelust des hellenischen Geistes hat sich in diesen dogmatischen
Erörterungen nodimals ausgelebt. Zunächst drängten sich die Fragen
nach dem Verhältnis der drei Personen Vater, Sohn und Geist zu der
einen ewigen göttlichen Wesenheit hervor. Die Theologen des 4. Jahr-
hunderts, unter denen vor allem Athanasios v. Alexandria und die drei
großen Kappadokier (Basileios d. Gr., Gregorios v. Nazianz, Gregorios
v. Nyssa) hervorragten, haben diese Fragen unter Zuhilfenahme der
neuplatonischen Philosophie geklärt, nachdem durch die Verurteilung
des Arius auf dem I. ökumenischen Konzil (Nikäa 325) bereits die
Richtung der weiteren Lehrentwicklung gewiesen war. Der Arianismus
blieb das ganze 4. Jahrhundert hindurch ein gefährlicher Gegner der
Reichskirche und lebte, nachdem er im Innern des oströmischen Reidies
niedergerungen war, noch zwei Jahrhunderte länger in den Germanen-
staaten des Westens fort.
Im 5. Jahrhundert drehte sich dann die theologische Erörterung um
das Verhältnis des Göttlichen und Menschlichen in dem Gottmenschen
Christus. Die Lehren des Nestorios (III. ökumenisches Konzil zu Ephesos
431) und des Eutyches (IV. ökumenisches Konzil zu Chalkedon 451)
wurden unter dem Einfluß des römischen Papsttums, das damals unter
Papst Leo I. d. Gr. (440—461) seinen ersten weltgeschichtlichen Höhe-
punkt erstieg, verurteilt, aber damit begann der theologisdie Streit erst
zum kirchenpolitischen Kampf zu werden. Die Anhänger des Nestorios
und des Eutydies gründeten ihre eigenen Volkskirchen (Nestorianer,
Monophysiten), denen in Syrien, Palästina und Ägypten bald der Groß-
teil der Bevölkerung anhing.
Solche theologischen Erörterungen haben im 4. bis 9. Jahrhundert (bis
zum Ausgang des Bilderstreits) nicht nur die Theologen, sondern die
gesamte öffentliche Meinung leidenschaftlich beschäftigt und die kaiser-
liche Politik fast ununterbrochen in Atem gehalten. An ihnen ist schließ-
lich die Reidisgewalt in den wichtigen Ostprovinzen Syrien und Ägypten
tatsächlich zerbrochen, bevor noch der Sturm der Araber die organisa-
torischen Formen der oströmischen Herrschaft hinwegfegte. Daß diese
christlichen Streitigkeiten dem Reich zum Verhängnis wurden, ist unbe-
streitbar. Aber es wäre durchaus ungeschichtlich, in den theologischen
Neuaufleben der Gotengefahr 83
„Diese Stadt ist voll von Handwerkern und Sklaven, die alle tief-
gründige Theologen sind und in den Läden und auf den Straßen
predigen. W e n n du von einem M a n n e ein Geldstück gewechselt
haben willst, wird er zunädist dich darüber belehren, worin der
Unterschied zwischen Gott-Vater u n d Gott-Sohn besteht; und wenn
du nach dem Preis von einem Laiib Brot fragst, wird man dir an Stelle
einer Antwort erklären, d a ß der Sohn dem Vater untergeordnet ist;
und wenn du wissen willst, ob dein Bad fertig ist, wird der Bade-
meister dir antworten, der Sohn sei aus dem Nichts geschaffen
worden . . . "
*
Dies war die innere Geschichte des Reiches. Nach außen waren die
ersten drei Viertel des 4. Jahrhunderts an der Donaugrenze ziemlich ruhig
gewesen. Erst der große Hunneneinfall (375) brachte neue gefährliche
Völkerbewegungen. Die geschlagenen Goten flohen auf das Reichsgebiet.
Bei Adrianopel wurde Kaiser Valens von den Westgoten vernichtend
geschlagen (378). N u r die gewaltigen Stadtmauern schützten Konstan-
tinopel vor der Einnahme durch die siegreichen Goten. Im Jahre 395
wurde das Reich in eine westliche und östliche Hälfte geteilt. In dieser
M a ß n a h m e fand das allmähliche Auseinanderwachsen der beiden Reichs-
hälften, das vor allem seit Diokletian eingesetzt hatte, seinen sichtbaren
politischen Ausdrude.
In dem ganzen Jahrhundert nach der Schlacht bei Adrianopel wurde
das Reichsgebiet immer wieder durch Plünderungszüge germanischer
Völkerschaften heimgesucht. Infolge dieser Verheerungen war das offene
Land zu Ende des 5. Jahrhunderts in weiten Teilen der Balkanhalbinsel
verödet. Schon in den vorausgegangenen Jahrhunderten hatte sich die
Zahl der Bevölkerung beträchtlich verringert. Zunächst hatte die Land-
6«
84 Justinian I. ( 5 2 7 — 5 6 5 )
Sabana
Noviodunum
herna
Singidunum Marisca
tononia
« 0 0
fMopohs VAxrói
Brundisium, 'Jipo/loma,
'JVikopolis
'AthenSt
'Syrakus « A
Sebietsverhältnisse um 550
Karte 5
86 Die drei Völkerwanderungen
Die Langobarden, die unter dem Drucke der Awaren ihre bisherigen
Wohnsitze in Pannonien räumten, fielen unter ihrem König Alboin 568
in Oberitalien ein, wo sie nach und nach fast alle Landschaften und
Städte eroberten. Das oströmische Herrschaftsgebiet schrumpfte unter
ihren Angriffen rasch zusammen. Das ganze Binnenland ging innerhalb
weniger Jahrzehnte an die Langobarden verloren. Nur Ravenna, der Sitz
des oströmischen Statthalters, konnte bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts
behauptet werden.
Unmittelbar nach dem Langobardeneinfall in Italien begann die große
Slawen flut.
Xapitel 5
D i e s l a w i s c h e L a n d n a h m e (um 6 0 0 )
*
Einfälle der Slawen 91
Seit jener Zeit erscheinen die Slawen wieder als Untertanen der
Awaren. So unternahmen sie 5 8 5 einen großen Plünderungszug durch
Thrazien bis in die Nähe von Konstantinopel. Der slawische Drude wurde
nur dadurch etwas gemildert, daß die gewandte oströmische Diplomatie
die Völkerschaften der „Anten" und „Sklawinen" gegeneinander aus-
spielte. Im Jahre 591 wagten die Slawen den ersten Angriff auf das feste
Thessalonike (Saloniki). Nach diesen vorübergehenden Raubzügen gingen
siedann zu Ausgang des 6. Jahrhunderts an die dauernde Besitzergreifung
des offenen Landes. Die slawische Landnahme begann, während weiter-
hin schwere Kämpfe tobten. In den Jahren 591—593 stand Kaiser Mau-
rikios im Kampf gegen die Slawen, wobei die germanischen Gepiden als
Verbündete Ostroms erscheinen. Dann kam es seit 598 wiederum zum
Krieg mit den Awaren. In den Jahren 598—600 wurden die Küsten-
provinzen Istrien und Dalmatien von Awaren, Langobarden und „Skla-
winen" überrannt. Damals (bald nach 5 9 8 ) ist auch Epidaurum, die
Mutterstadt Ragusas, zerstört worden, nachdem die wichtige Handels-
stadt Narona schon um 5 8 0 dem slawischen Angriff erlegen war.
Unter der Regierung des unfähigen Kaisers Phokas (602—610) vollzog
sich dann die eigentliche slawische Landnahme. Damals ist die europäische
Reichshälfte Ostroms zusammengebrochen. Nunmehr kamen ganze sla-
Slawische Überflutung des inneren BaJkans 93
plünderten sie Kreta. Und im 7. Jahrhundert scheinen sie sich sogar auf
der Insel Korfu niedergelassen zu haben.
In kultureller und politischer Hinsicht bedeutete die slawische Land-
nahme auf Jahrhunderte hinaus einen Rückfall in die Barbarei. Als die
Slawen in einzelnen Bauern schwärmen unter der Führung derKut(r)iguren
und dann der Awaren in den Donauraum und in das balkanische Binnen-
land einbrachen, standen sie kulturell und politisch nodi auf einer recht
tiefen Stufe (großenteils noch Holzkultur). Eine entwickelte staatliche
Organisation fehlte. So kam es, daß sie — zum Unterschied von den Ger-
manen und den Arabern — in den eroberten Gebieten keine größeren
Staaten bildeten, sondern weiterhin als einzelne Stämme dahinlebten.
Die größeren Staaten der werdenden slawischen Welt — Bulgarien, der
Warägerstaat von Kiew, Kroatien, Polen — sind nachweislich von nicht-
slawischen Oberschichten begründet worden. Das Erbe der Antike wurde
von den Slawen nur langsam und unvollkommen übernommen. Politisch
und kulturell gerieten die slawischen Völker in den Strahlungsbereich
zweier benachbarter Großmächte: des oströmischen Reiches und des deut-
schen Karolingerreiches. So haben die westlichen Slawen unter deutschem
(und italienischem) Einfluß vom Abendland her, die östlichen Slawen
von Byzanz her ihre politischen und kulturellen Ideen und Lebensformen
empfangen.
Auf der Balkanhalbinsel bedeutete die slawische Landnahme nicht nur
einen kulturellen Absturz, sondern auch eine politische Wende von un-
absehbarer Bedeutung. Die ausschließliche Vormachtstellung des ost-
römischen Reiches auf dem Balkan erhielt einen vernichtenden Stoß. Ja
das Reich selbst schien zum Untergang verurteilt zu sein, als wenige
Jahrzehnte nach der slawischen Landnahme eine ebenso große Katastrophe
im Osten eintrat: der Einbruch der Araber.
*
zwei volle Jahrhunderte hindurch — bis zum Jahre 8 0 9 — wie eine Insel
mitten im Meere des slawischen Volkstums hielt.
Ein anderer Teil der vorslawischen Balkanbevölkerung flüchtete vor
den eindringenden Slawen nicht an die Küsten, sondern in die Berge
und wurde dort unter dem Druck der neuen wirtschaftlichen Umwelt-
bedingungen aus Ackerbauern oder halben Ackerbauern wieder zu Hir-
ten : die Vorfahren der heutigen Albaner und Rumänen. Dieser Vorgang,
von dem keine erzählenden Geschichtsquellen berichten, ist nur im
Spiegel sprachgeschichtlicher Tatsachen erkennbar. Die slawischen W ö r -
ter, die zugleich mit Sachentlehnungen in das Albanische und Rumänische,
eingedrungen sind, geben wichtige Hinweise auf die sozialen und kultu-
rellen Nachbarschaftsbeziehungen, die sich in dem dunklen halben Jahr-
tausend nach der slawischen Landnahme zwischen der in die Berge ge-
flüchteten Altbevölkerung und der slawischen Neubevölkerung entwickel-
ten. Es ergibt sich daraus die Schlußfolgerung, daß die ganz oder teilweise
romanisierte Altbevölkerung der nördlichen Balkanhalbinsel nach ihrem
Rückzug in die Berglandschaften einem schweren kulturellen Rückschritt
verfiel. Als sich dann nach einigen Menschenaltern ein friedliches Nach-
barschaftsverhältnis zu den slawischen Eindringlingen herausbildete, er-
scheinen die „wlachischen" Wanderhirten als kulturell durchaus unter-
legen. Dann aber haben sie allmählich im Laufe der Jahrhunderte — so
lange dauerte es — von den Slawen wieder den Ackerbau und die bäuer-
liche seßhafte Lebensweise erlernt. Die „Uralbaner" und „Urrumänen"
verdanken nach Ausweis der slawischen Lehnwörter einen großen Teil
ihrer Sachkultur der Entlehnung von den Slawen. Diese Entlehnungen
betreffen zunächst die Bereiche von Haus, Hof und Hausrat. Die meisten
Ausdrücke für Haus und Hof und ihre Teile sowie viele Ausdrücke für
den Hausrat und für die Brotbereitung wurden von den Slawen über-
nommen, ebenso manche Ausdrücke für den Pflug und seine Teile. Von
den Slawen lernten die Wlachen und Albaner ferner kennen: die W a l d -
rodung, die künstliche Bewässerung, das Dreschen, die Wiesenwirtschaft
und die Getreidemaße, ferner Handwerk und Gewerbe, insbesondere die
Weberei, die Töpferei, die Tischlerei, das Schmiede- und Waffenhand-
werk, die Flechtkunst, den Mauer- und Hausbau, die Mühle und
Walkmühle.
*
Urbulgaren als Erben der Awaren 101
gingen die Slawen auch daran, mit ihren Einbaumgeschwadem die Küsten
und Inseln des Ägäisdien Meeres zu beunruhigen. So unternahmen sie
im Jahre 675 einen großen Raubzug nach den ägäisdhen Inseln und nach
den Küsten des Peloponnes.
Um diese Zeit muß die slawische Landnahme auf dem Peloponnes schon
beträchtliche Ausmaße erreicht haben. Freilich scheint das Griechentum
noch bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts das zahlenmäßige Übergewicht
behauptet zu haben. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts mag der Peloponnes
etwa folgendes Bild geboten haben: Die slawische Einwanderung, die
bereits seit mehr als einem Jahrhundert auf der Halbinsel Fuß gefaßt
hatte, sickerte weiterhin da und dort tropfenweise ein. Die griechische
Verwaltung in Verbindung mit den schwachen vorhandenen Milizen ver-
suchte wohl, die weitere Ausbreitung der Slawen nach Möglichkeit ein-
zudämmen. Aber mit der vollzogenen Tatsache der slawischen Ansiedlung
mußte man sich endgültig abfinden.
Nachdem sich die Slawen einmal in ganzen Landstrichen festgesetzt
hatten, scheint das Zusammenleben mit den Griechen zeitweilig recht
friedlich gewesen zu sein. Die einzelnen Slawenstämme werden wohl
auch die Oberhoheit des oströmischen Kaisers anerkannt haben. Für die
weitere Auseinandersetzung zwischen griechischem und slawischem Volks-
tum wurde es entscheidend, daß die slawischen Stämme im Peloponnes
und in Mittelgriechenland nicht zu einer zusammenfassenden staatlichen
Machtbildung gelangten, sondern auch weiterhin nur als einzelne — viel-
fach untereinander verfeindete — Stämme auftraten. Dem Geld und der
Diplomatie Ostroms fiel es nicht schwer, die einzelnen Stämme gegen-
einander auszuspielen und Bundesgenossen zu gewinnen.
Daß das griechische Volkstum auf dem Peloponnes und in Mittel-
griechenland auch zu Anfang des 8. Jahrhunderts zahlenmäßig noch
ziemlich stark gewesen sein muß, zeigt die Tatsache, daß es eine große
Erhebung gegen die kaiserliche Zentralgewalt unternehmen konnte (726).
Die Empörung, die sich vor allem gegen das kaiserliche Verbot der Bilder-
und Heiligenverehrung richtete, war so allgemein, daß sogar die im Lande
stehenden Garnisonen davon fortgerissen wurden. Ein Gegenkaiser wurde
aufgestellt und eine Flotte der Aufständischen segelte zum Angriff gegen
die Reichshauptstadt Konstantinopel aus. Doch brach diese Erhebung
rasch wieder zusammen.
Um die Mitte des 8. Jahrhunderts errang dann das slawische Volkstum
auf dem Peloponnes die Oberhand. In den Jahren 746—748 wurde die
112 Slawen und Griechen auf dam Peloponnes
griechische Bevölkerung durch eine Pest stark gelichtet. Nicht nur die
Zahl, sondern auch die Widerstandskraft des griechischen Volkstums
scheint damals empfindlich geschrumpft zu sein. Die Slawen, die weiter
nördlich saßen, nutzten diese Gelegenheit und drangen in Massen nach
dem Peloponnes vor, wo sie genug verödete Ländereien als neue
Wohnsitze besetzen konnten. Der oströmische Kaiser war durch stän-
dige schwere Kämpfe mit den Bulgaren außerstande, diese slawische Ein-
wanderung mit Waffengewalt zu verhindern. Viele Griechen, die vor den
andrängenden Slawen geflohen waren, wurden damals nach Konstanti-
nopel überführt, um die durch die Pest verödete Hauptstadt wieder zu
bevölkern. So gewannen im Peloponnes die Slawen erst recht das Über-
gewicht. Zu Ende des 8. Jahrhunderts und zu Anfang des 9. Jahrhunderts
hat dann das slawische Volkstum auf dem Peloponnes offensichtlich seine
größte Ausdehnung erreicht.
Es bildeten sich eine Anzahl slawischer Stammesgaue heraus, von
denen sich einige bis in das Hochmittelalter erhielten, so derGauderMilin-
gen im nördlichen Taygetos, der Gau der Ezeriten zwischen dem Tay-
getos und dem Unterlauf des Eurotas, ferner der Kanton Skorta, der die
wilden Berglandschaften Westarkadiens um den Oberlauf des Alpheios
umfaßte. Außerdem war der gesamte mittlere und westliche Peloponnes
fast völlig von Slawen besetzt. Dort behaupteten sich die Griechen nur in
einzelnen Küstenorten, vor allem in der unmittelbaren Umgebung der
Festungen Patras und Arkadia (Kyparissia).
Die griechische Bevölkerung des Binnenlandes war vor dem Drude der
slawischen Einwanderung in die Küsten!andschaften zurückgewichen.
Hier boten die großen Seefestungen sicheren Schutz. Von der Behaup-
tung dieser Waffenplätze hing das Schicksal des peloponnesischen
Griechentums während der dunklen Jahrhunderte des slawischen An-
sturmes ab. Der stärkste unter ihnen war Korinth mit seinem unein-
nehmbaren Burgberg Akrokorinth, wo ein kaiserlicher General (Strategos)
als Befehlshaber des Wehrkreises (Jhema) Peloponnes saß. Weitere
Stützpunkte der oströmischen Herrschaft waren die Küstenfestungen
Patras, Nauplion, Monemwasia, Arkadia, Methone und Korone, die wie
eine eiserne Klammer das slawisch gewordene Binnenland des Peloponnes
umspannten.
Patras, Nauplion und Methone waren schon in spätantiker Zeit be-
deutende Küstenplätze gewesen. In der Zeit der Slawennot gelangten
sie dann zu ihrer großen militärischen Bedeutung. Die anderen Seefestun-
Griechische Fluchtsiedlungen 113
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116 Unterwerfung der pelopormesisehen Slawen
Mit dem militärischen Vorrücken der Reconquista ging auch das Neu-
erwachen der geistigen Kräfte Hand in Hand. Das kulturelle Leben,
118 Erstarken der Aristokratie
mit der Zielsetzung der oströmischen Bauern- und Wehrpolitik. Wir sehen
daher immer wieder, wie die oströmischen Kaiser als Beschützer des
Bauerntums gegenüber dem landhungrigen Großgrundbesitz auftreten.
Die Macht dieser Großgrundbesitzer war um so gefährlicher, als sie
meistens zugleich als Inhaber eines staatlichen oder kirchlichen Amtes
erschienen. Die straffe Zentralisierung der gesamten Verwaltung hat es
den Kaisern lange ermöglicht, die gefährlichen Ausdehnungsbestrebungen
des Großgrundbesitzes in Schranken zu halten.
Der Großgrundbesitz hatte in diesem Kampf mit dem Kaisertum
einen wertvollen Bundesgenossen in dem Steuerdrude, der sich vor allem
gegen den kleinen 'Bauern auswirkte. Was die steuerlichen Lasten
in die Höhe trieb, waren ja nicht die Forderungen des Fiskus, sondern
das Bereicherungsstreben der Steuerbeamten, die sich durch ungerechte
Steuereinschätzung und durch Einforderung von zusätzlichen Leistungen
die Taschen zu füllen wußten. Der Großgrundbesitzer konnte sich schon
auf Grund seiner tatsächlichen Macht dagegen leichter schützen als der
kleine Bauer.
So begann schon in mittelbyzantinischer Zeit eine verhängnisvolle
Entwicklung, die später zum Ruin des freien Bauerntums führen sollte:
der freie Bauer begab sich als Höriger in den Schutz eines Groß-
grundbesitzers. Er wurde unfrei, hatte nunmehr aiber wenigstens Schutz
vor ungerechtem Steuerdruck. Vielfach eigneten sich die Großgrund-
besitzer, gestützt auf ihre amtliche oder wirtschaftliche Machtstellung
fremde Ländereien auch durch gewaltsame Usurpation an. Die kleinen
Bauern fanden sich mit solchen Gewaltakten ab und wurden Hörige.
Die Kaiser des 9. und 10. Jahrhunderts haben sich mit allen Mitteln
gegen das Ausdehnungsbestreben des Großgrundbesitzes eingesetzt.
Kaiser Basileios I. (867—886) verschaffte auch den unbemittelten Klein-
bauern die Möglichkeit, gegen Großgrundbesitzer wegen rechtswidriger
Aneignung von Liegenschaften Klage zu erheben. Die gemeinsamen
Kaiser Konstantinos VII. und Romanos Lekapenos veröffentlichten 922
ein Gesetz, durch das den „Reichen" verboten wurde, die Liegen-
schaften von „Armen" und von „Soldaten" zu erwerben, unter welchen
Rechtsformen auch immer dies geschehe (Adoption, Schenkung auf den
Todesfall, Testamentsverfügung, Nießbrauch, Pacht, Tausch).
Mit besonderer Tatkraft nahm sich Kaiser Basileios II. (976—1025)
des Bauerntums an. In einer Novelle verfügte er, daß die Steuern, die
von den „Armen" nicht aufgebracht werden könnten, von den benach-
120 Basileios II. als Gegner des Großgrundbesitzes
harten „Reichen" zu bezahlen seien. Dies war ein schwerer Schlag für
die großgrundbesitzenden Magnaten. Aus einer einzelnen Urkunde wis-
sen wir, mit welch rücksichtsloser Härte der Kaiser in einzelnen Fällen
landhungrige Großgrundbesitzer bestrafte. Wie Friedrich II. von Preußen
oder Joseph II. von Österreich, war auch Basileios II. viel unterwegs, um
in seinem Lande nach dem Rechten zu sehen und um die Bauern gegen
die Habgier der Großgrundbesitzer und gegen die Willkürherrschaft der
Beamten zu schützen. Der rücksichtslose Gerechtigkeitssinn des harten
Herrschers, dem die zeitgenössischen Geschichtsschreiber wegen seiner
grausamen Maßnahmen in den Bulgarenkriegen den Beinamen „Bulgaren-
schlächter" gegeben hatten, hat auf diesen Inspektionsreisen wohl man-
ches abschreckende Exempel statuiert. Von einem Fall berichtet der
Kaiser selbst in einer Urkunde: „Wir sind auf den Fall des Philokales
aufmerksam geworden, der ursprünglich zu dem niederen Volke der
Bauern gehörte, später aber zu den Angesehenen und Reichen aufstieg.
Solange dieser noch unten war, vertrug er sich gut mit seinen Mitbauern
und schädigte sie nicht. Nachdem ihn aber Gott erhöht hat zur Würde
eines Hebdomadarios, dann eines Koitonites und schließlich eines Proto-
bestiarios, da eignete er sich das ganze Dorf nebst dem Vorwerk an,
indem er sogar den Namen dieses Dorfes änderte. Daher hat unsere
kaiserliche Majestät, die den Ort durchreiste und auf die Anklage der
Armen (d. h. der Bauern) hin die Sache untersuchte, jenem nur das ge-
lassen, was er von Anfang an besaß, und ihn so wieder zu einem der
Bauern gemacht."
Alle diese kaiserlichen Schutzmaßnahmen blieben gegenüber der wirt-
schaftlichen Übermacht des Großgrundbesitzes auf die Dauer wirkungs-
los, wie schon daraus ersichtlich wird, daß es die Kaiser immer wieder
für notwendig hielten, diese Gesetzesbestimmungen von neuem einzu-
schärfen. Das Anwachsen des Großgrundbesitzes dauerte an, und im
1 1 . Jahrhundert hatten die Großgrundbesitzer solche politische Macht,
daß auf ihr Betreiben die Bauemschutzgesetzgebung und die Reste der
Themenverfassung beseitigt wurden (vgl. unten S. 166).
Xapitel 7
Im Laufe dieses Ringens wechselten sich die beiden Gegner in der Rolle
des Angreifers und Verteidigers ab. Zunächst befanden sich die Bulgaren
auf ein Jahrhundert lang in Verteidigung, dann gingen sie auf mehr als ein
Jahrhundert — von Krum bis Symeon — zum Angriff über und bedrohten
ernstlich die oströmische Machtstellung. Erst nach dem Tode Symeons
des Großen wurden die Bulgaren dann wieder in die Verteidigung zurück-
gedrängt. Der Ausgang dieses jahrhundertelangen Kampfes stand also
durchaus nicht von vornherein fest. Vielmehr schienen die Bulgaren unter
Krum und Symeon sogar die Oberhand zu behalten.
Die Bulgaren, sind der oströmischen Macht dadurch besonders ge-
fährlich geworden, daß sie die an sich unpolitischen Slawen staatlich zu-
sammenfaßten und organisierten, wodurch zum ersten Male im Binnen-
lande der Balkanhalbinsel eine große staatliche Macht entstand.
Der Aufstieg des jungen bulgarischen Staates vollzog sich außerordent-
lich schnell. Schon im Jahre 705 — also 26 Jahre nach der Einwanderung —
intervenierte ein bulgarischer Chan in einem innerbyzantinischen Thron-
streit. Er erreichte bei dieser Gelegenheit die Abtretung von Grenzgebieten
und die völkerrechtliche Anerkennung durch den byzantinischen Kaiser-
hof. Damals bildete sich vorübergehend ein gutes Einvernehmen zwischen
Byzanz und Bulgarien heraus. Im Jahre 716 wurde sogar ein Freund-
schaftsvertrag zwischen beiden Mächten abgeschlossen. Dann machte
aber Kaiser Konstantin V. Kopronymos (741—775) den großangelegten
Versuch, Bulgarien niederzuringen. Militärische Unternehmungen und
politische Interventionen sollten zu diesem Ziel führen. Die oströmische
Diplomatie vermochte es auch, durch Bestechungsgelder in Bulgarien eine
kaiserfreundliche christliche Partei zu gründen, die den bulgarischen Staat
von innen her unterwühlen sollte. Im Jahre 774 gelang es aber dem Chan
Telerig durch eine List, die Umtriebe dieser Partei aufzudecken und sie
zu vernichten. Im folgenden Jahre (775) starb auch Kaiser Konstantinos V.
Kopronymos. Damit war der Höhepunkt dieser Gefahr überschritten.
Ein Vierteljahrhundert später begann mit dem eroberungslustigen
Chan Krum (802—814) das Zeitalter der bulgarischen Offensive und
Expansion nach allen Seiten. Krum verleibte die Osthälfte des zerfallen-
den Awarenreiches, das nach der Vernichtung durch Karl den Großen
herrenloses Gebiet darstellte, seinem Reiche ein, das dadurch sich nun-
mehr auch über das heutige Rumänien und Ostungarn erstreckte. Dann
ging er an den Kampf gegen Ostrom. Im Jahre 809 eroberte er Serdika
(das heutige Sofia), den wichtigsten noch in oströmischer Hand verblie-
Christianisierung der Bulgaren 123
Im Jahre 865 gelangte das Christentum auch bei den Bulgaren zum
Stege. Der Chan Boris (Bogoris) ließ sich taufen. Nach anfänglichem
Schwanken schloß er sich nicht der lateinischen Westkirche, sondern der
griechischen Ostkirche an. Damit vollzog er zugleich die geistige Einord-
nung Bulgariens in den byzantinischen Kulturkreis. Um auch nach außen
hin sichtbar zu machen, daß nun ein neues Zeitalter in der bulgarischen
Geschichte begann, legte Boris, der in der Taufe den Namen Michael
erhalten hatte, den heidnisch-bulgarischen Herrschertitel „Chan" ab und
nahm den christlichen Herrschertitel „Zar" an. Zugleich baute er als
124 Entstehung einer christlich-bulgarischen Kultur
Böhmen
DEUTSCHES | |
'•••Mi.rapP-
R E I c i T ^ S ^
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Thessaloniké 1 Komtsntmope!
Kephallenta %
Sizilien
'Monemwasia %
Gebietsverhältnisse um 1025
ra^ , Slawen
Karte 8
Xapitel S
zeit, die im 8. und 9. Jahrhundert das Gebiet der Ostalpen und einen
Teil Westungarns erfaßte. Der Einbruch eines neuen Reiternomaden-
volkes, der Madjaren, zu Ende des 9. Jahrhunderts, hat dann das Fort-
schreiten dieser Kolonisation jäh unterbrochen und ihre Außenposten
vernichtet. Die Madjarengefahr mußte erst beseitigt werden, bevor die
Ostkolonisation wieder aufgenommen werden konnte. Dies geschah durch
die Christianisierung Ungarns. So sehen wir denn, wie nach der Annahme
des Christentums durch den ungarischen König Stephan d. Hl. sofort
wieder ein Vorfluten des Deutschtums nach Osten einsetzt. Damit be-
gann im Rahmen der großen abendländischen Ostbewegung der zweite
und größte Vorstoß: die Ostkolonisation des Hochmittelalters. Bereits
im 11. Jahrhundert setzte sie in Ungarn mit verhältnismäßig schwachem
Zuzug deutscher Ritter und Dienstmannen ein, griff im 12. Jahrhundert
auf die Sudetenländer und auf Nordostdeutschland über und steigerte
sich zu planmäßiger Städtegründung und Bauernsiedlung. Der Menschen-
zustrom deutscher Siedler dauerte bis etwa in die Mitte des 14. Jahr-
hunderts an, dann stockte er und versiegte bald völlig. Und es setzte ein
ungeheurer Rückschlag ein. Die jungen Völker des Ostens und Süd-
ostens, deren nationales Selbstbewußtsein durch die Auseinandersetzungen
zwischen Reformation und Gegenreformation mächtig gesteigert wurde,
nahmen Front gegen das Deutschtum und drängten es an vielen Stellen
ein bedeutendes Stück zurück. Den dritten großen Vorstoß brachte dann
das 18. Jahrhundert. Die beiden absolutistischen Staaten Österreich und
Preußen trieben zur wirtschaftlichen Erschließung ihrer neugewonnenen
Provinzen in Ungarn bzw. in Posen und Westpreußen eine planmäßige
Siedlungspolitik. Dieser Vorstoß dauerte bis in die Mitte des 19. Jahr-
hunderts. Dann begann ein schwerer Rückschlag. Der neuerwachte Natio-
nalismus der jungen Völker zog vielerorts die deutsche Bildungsschicht
der deutschen Siedlungsinseln zu sich hinüber, am stärksten in Ungarn.
Dies ist das Gesamtbild der Ostkolonisation in ihren drei Entwicklungs-
abschnitten. Dem deutschen Volkstumsraum hat diese Siedlungsbewegung
eine gewaltige Erweiterung gebracht. Zwei Fünftel des deutschen Volks-
tumsbodens, wie er bis zum Vorabend des 2. Weltkrieges bestand, sind
erst durch die friedliche Kulturarbeit des deutschen Bauern und Bürgers
im Verlaufe der Ostkolonisation gewonnen worden. So erscheint einer
rückschauenden Betrachtung die deutsche Ostkolonisation als die größte
und bleibendste abendländische Leistung des deutschen Volkes.
An dieser kolonisatorischen Großtat der deutschen Geschichte haben
9 Stadtmüller, Geschichte Südosteuropas
130 Altbairische Starrrmeskolonisation
scheinen sie den Grenzstrich längs der Donau von Regensburg bis zum
Wienerwald besetzt zu haben. Die Fortdauer römischer Städte und
Kastelle, wenigstens zwischen Passau und Lorch, spricht dafür, daß diese
bajuwarische Landnahme nicht gewaltsam erfolgt ist. Wahrscheinlich
wurden die Bajuwaren in friedlicher Weise aufgenommen und als
loederati zur Verteidigung des übernommenen Grenzstriches verpflichtet.
Das damalige Siedlungsgebiet hat die fruchtbare oberbairische Hochfläche
zwischen Donau und Alpen umfaßt. Nach Westen scheint der bajuwa-
rische Siedlungsboden nicht viel über den Starnberger See hinausgereicht
zu haben. Nördlich der Donau gehörte zum bajuwarischen Stammes-
gebiet später noch der sogenannte Nordgau, der das Gebiet zwischen
Donau, Bairisdiem Wald und der Linie Regensburg—Nürnberg umfaßte.
Schon im 6. Jahrhundert begannen die Bajuwaren ihren Lebensraum
mächtig auszudehnen, und zwar nach Süden und Osten; innerhalb von
drei Jahrhunderten haben sie langsam in friedlichem Vordringen das
ganze Gebiet der Ostalpen, also das heutige Österreich, besetzt, ein Ge-
biet, das etwa viermal so groß ist wie der ursprüngliche Siedlungsraum
im Alpenvorland. Es ist dies fürwahr eine gewaltige Leistung, nur zu
erklären aus einer besonderen kolonisatorischen Kraft dieses Stammes.
Der bairisdie Stamm zeigt eine stark ausgeprägte Eigenart, unter den
deutschen Stämmen unserer Gegenwart wohl die stärkste. Die Hauptzüge
dieses Stammescharakters weisen die Baiern als einen ausgesprochen
bäuerlichen Stamm aus. Zähes Festhalten am guten Alten, eine starke
innere Ausgeglichenheit, eine starke Lebensbejahung, die den großen
Reichtum an Volksfesten und festlichen Volksbräuchen geschaffen hat,
vor allem aber eine starke Liebe zum heimatlichen Boden. Dort liegen
die Wurzeln seiner Kraft und seines geruhsamen Glückes. Dort lebt
dieser Stamm noch heute, zähe am ererbten Boden haftend. Dort in dem
engen heimatlichen Lebenskreis, lebt er zufrieden. Mehr will er nicht.
Dem bairischen Stamme fehlt das starke äußere Geltungs- und Macht-
bedürfnis, das anderen Stämmen eigen ist; er lebt in seiner eigenen
inneren Welt. Das Stadtleben liebt er überhaupt nicht. Das Städtewesen
war auf bairischem Stammesgebiet immer geringer entwickelt als in den
anderen deutschen Landschaften. Und noch heute zeigt der Stil des
städtischen Lebens dort ein merkwürdig bäuerliches Gepräge. Die
Kraft des bairischen Bauernstammes beruht in etwas anderem: in der
zähen Beharrlichkeit, mit der er alles Ererbte festhält: den heimatlichen
Boden, den heimischen Brauch, die heimische Mundart; in dieser Zähig-
132 Bairische Kirche
keit und Beharrlichkeit kommt ihm kein anderer Stamm gleich. Die
fremden Einflüsse gleiten wirkungslos ab. Der Ausstrahlung der bairischen
Eigenart aber kann sich auf die Dauer niemand, der längere Zeit damit
in Berührung kommt, entziehen.
Die Siedlungsausbreitung des bairischen Stammes zeigt ganz die ent-
sprechenden Züge. Es ist ein friedlicher — man möchte fast sagen: un-
politischer — Vorgang. Es hat sich hier nicht der scharfe Gegensatz
zwischen dem deutschen Herrn und der slawischen Unterschicht heraus-
gebildet, wie er in dem nordostdeutschen Kolonialgebiet vorliegt. Der
bairische Kolonist trat dem slawischen Altsiedler nicht als Herr, sondern
als Erzieher gegenüber. Dazu kam noch ein anderes: der bairische Kolo-
nist hat wenig Städte gegründet, während im nordostdeutschen Kolonial-
gebiet die deutschen Städte bekanntlich die Stützen und Mittelpunkte
der ganzen Kolonisationsbewegung wurden.
*
noch vor 750 den karantanischen Slawen entrissen und besiedelt. Be-
günstigt wurde das bairische Vordringen dadurch, daß die Karantanier
auf der anderen Seite sich gegen den starken awarischen Drude verteidi-
gen mußten. Um 750 wurde dieser Drude so stark, daß der karantanisdie
Herzog Boruth die Hilfe der Baiern anrief. Durch dieses Bündnis wurde
die Angliederung Karantaniens (also Kärnten, Obersteier ohne Ennstal,
Osttirol und Lungau) angebahnt und eingeleitet. Bis 772 herrschte noch
ein karantanisches Herzogsgeschlecht, dann verwalteten bairische Grafen
das Land.
Die Eindeutschung dieses Gebietes vollzog sich völlig friedlich, durch
die Kulturarbeit des bairischen Bauern im Bunde mit der Missionstätig-
keit der bairischen Kirche. Bairische und slawische Siedler saßen jahr-
hundertelang friedlich nebeneinander und durcheinander. Die damalige
bairische Siedlungsweise bestand darin, daß man einzelne Nester deut-
scher Dörfer mitten in der slawischen Umgebung gründete. Von hier aus
drang dann die Eindeutschung infolge der kulturellen Überlegenheit des
deutschen Volkstums in das slawische Gebiet vor. Dabei war es wichtig,
daß sich die Deutschen und die Slawen nicht als abgeschlossene Ober-
schicht und Unterschicht gegenüberstanden. In der Oberschicht überwogen
die Deutschen, in der Unterschicht die Slawen. Die Ansätze einer deut-
schen Unterschicht wurden sehr wichtig. Denn gerade diese bäuerliche
Unterschicht hat eindeutschend gewirkt.
*
Die Jahre 795 und 796 brachten dann die völlige Unterwerfung der
Awaren. 795 vernichtete Herzog Erich von Friaul die awarisdie Madit
in Südungarn. Im Awarenreiche brachen innere Wirren aus, die Fürsten
wurden ermordet. Im folgenden Jahre zog Karls Sohn Pippin von Italien
aus siegreich nadi Ungarn, ließ sich von den Awaren huldigen und er-
beutete ihre Schätze. Wegen eines Vertragsbruches der Awaren mußte
er in dem darauffolgenden Jahr 797 nochmals nach Ungarn ziehen, um
die Verhältnisse zu ordnen. Das Ende der ehemals so gewaltigen Awaren-
madit war dann sehr kläglich. Die Slawen erhoben sich gegen ihre bis-
herigen Bedrücker. Das Reich mußte sie in Schutz nehmen. 803 wurde
das gesamte Westungarn bis in die Nähe des heutigen Belgrad als
„Pannonische Mark" dem Reich eingegliedert. Im Jahre 805 wurden die
Awarenreste als friedlicher Volkssplitter zwischen Carnuntum (Petronell)
und Sabaria (Steinamanger) in dem heutigen Burgenland angesiedelt.
Ihr Fürst (Chan) ließ sich taufen. Der Streit zwischen Awaren und
Slawen dauerte freilich noch eine Weile fort. Noch 826 hörte man davon.
Dann verschwinden die Awaren aus der Geschichte.
Durch diese Vernichtung des Awarenreidies und die Eingliederung
Westungams als „Pannonische Mark" in das Reidi wurde die deutsdie
Vormachtstellung im Donauraum begründet.
Die Awarenpolitik Karls des Großen war nur ein Teil seiner groß-
angelegten Ostmarkenpolitik. Die Grenzmark gegen die Awaren mußte
zuerst gesidiert werden, weil die awarisdie Gefahr am drohendsten war.
Dann ging Karl daran, auch die übrigen Abschnitte der Ostgrenze zu
ordnen. Ausgehend von der bairisdien Ostmark und der neuerworbenen
pannonischen Mark schritt seine Ostpolitik von Süden nadi Norden
fort. Zunächst kam Böhmen an die Reihe.
Nachdem Thüringen und Baiern dem Karolingerreiche eingegliedert
waren, und nachdem im Norden — unter viel Blut — die trotzigen Sadhsen
und die Elbslawen unterworfen waren, war Böhmen von drei Seiten her
von Reichsgebiet umgeben. Die kleinen böhmischen Stämme, in sich
uneinig, konnten der gewaltigen Macht Karls des Großen keinen ernst-
lichen Widerstand entgegensetzen. Wahrscheinlich wurde schon gegen
788 an der Westgrenze Böhmens der bairische Nordgau als Mark unter
dem Grafen Gerold eingerichtet. Als Karl der Große 791 zum erstenmal
gegen die Awaren zog, nahm das Nordheer aus Sachsen und Thüringen
Unterwerfung Böhmens 137
den geraden Weg mitten durdi Böhmen. Vielleicht haben die dortigen
Slawen also schon damals die deutsche Oberhoheit anerkannt; wenig
später gerieten audi die slawischen Stämme Mährens und das slowenisch-
kroatische Gebiet südlich davon unter Karls Oberherrschaft. So stand
ein Viertel des heutigen Südosteuropa unter deutscher Oberhoheit
Mähren, Westungam und der nordwestliche Balkan. Nur Böhmen fehlte
noch. Um es zu unterwerfen, unternahm Karl der Große im Jahre 805
mit drei Heersäulen einen konzentrischen Angriff. Die Slawen nahmen
den offenen Kampf nicht auf, sondern flüchteten in die Wälder. Daher
wurde die förmliche Unterwerfung des Landes nicht erreicht. Im folgen-
den Jahre (806) kam es zu einem neuen großen Angriff. Der Erfolg ist
unbekannt. Jedenfalls waren weitere Feldzüge nicht mehr notwendig.
Der Widerstand der Slawen war gebrochen. Sie galten seitdem nicht
mehr als gefährlich. Es wird dies ersichtlich aus einer kaiserlichen Ver-
fügung von 807 über das Sachsenaufgebot. Darin wird bestimmt, daß
für den Krieg gegen die Sorben das allgemeine Aufgebot zu ergehen
habe. Bei Unruhen in Böhmen aber brauche nur jeweils der dritte Mann
auszurücken, den die beiden andern ausrüsten müßten. Es kam aber in
der Folgezeit nicht zu solchen Unruhen. Böhmen blieb unterworfen.
Es wurde jedoch nicht Reichsland in dem üblichen Sinne. Fränkische
Verwaltung und Verfassung wurden nidit eingerichtet, sondern die
tschechischen Häuptlinge (duces, subreguli, reguli) verblieben in ihrer
Herrschaft. Sie hatten einen Jahrestribut zu zahlen und wurden von
einem benachbarten Reichsbeamten beaufsichtigt. Sie waren noch keine
Reidisfürsten. Nur gelegentlich erschienen sie bei Hofe. So ist uns über-
liefert, daß vor Kaiser Ludwig auf dem Reichstag zu Paderborn im
Jahre 815 und auf dem Reichstag zu Frankfurt im Jahre 822 „alle" Fürsten
der Slawen persönlich oder durch Gesandte erschienen, um zu huldigen,
Geschenke zu überbringen und die Befehle des deutschen Herrschers ent-
gegenzunehmen.
*
Die Gestalt Karls des Großen leitet ein neues Zeitalter ein. Er hat
durch seine gewaltigen Feldzüge die Großmachtstellung des Deutschen
Reiches im Donauraum begründet und zugleich durch die Eingliederung
Westungarns dem deutschen Siedler das Tor dorthin aufgestoßen. Der
Eindruck seiner gewaltigen Persönlichkeit, der Klang seines gefürchteten
Namens wirkte bei den Slawen so nach, daß der Name „Karl" zur Be-
zeichnung des Königs schlechthin wurde (kral, korol).
138 „Pannonisdie Made"
Nach der Niederwerfung der Awaren durch Karl den Großen (791,
795/796) war das ganze Gebiet Westungams dem Reiche als „Panno-
nische Mark" lose eingegliedert worden. Ein deutscher Markgraf über-
nahm die Oberleitung des Landes. Aber neben ihm und unter ihm
herrschten slawische Fürsten weiterhin. Zu Ende der zwanziger Jahre
scheinen die Bulgaren auch einen Teil des Gebietes ihrer Herrschaft ein-
gegliedert zu haben. In den vierziger Jahren erhielt dann der Slawenfürst
Priwina von Neutra, der durch Moimir vertrieben worden war, nach
einem unsteten Flüchtlingsleben das ganze Land zwischen Raab und
Drau als reichsuntertäniges Fürstentum. Slawen müssen also dort noch
die Mehrheit der Bevölkerung gebildet haben. Großenteils hatten sie dort
schon unter der Awarenherrschaft als zinsbare Unterschicht gesessen.
Dann war nach der Vernichtung der Awarenherrschaft ein neuer Slawen-
zustrom in das Land gekommen, während gleichzeitig deutsche Siedler
das Gebiet westlich der Raab besetzten.
Das Land muß damals ganz dünn bevölkert gewesen sein. Die Zahl
der Awaren war so gering, daß sie schon 805 in ein kleines Gebiet in der
Nähe des späteren Neusiedler Sees verpflanzt werden konnten. Es scheint
sich um aussterbende Reste gehandelt zu haben, die damals in eine Art
„Reservation" eingewiesen wurden, um sie vor dem Drude der Slawen
zu schützen. Die Bevölkerungsleere Pannoniens wird auch von Einhard
bezeugt. In seiner Lebensbeschreibung Karls des Großen spricht er von
einem „menschenleeren Pannonien".
Priwina begann also von allen Seiten Siedler herbeizuholen, um sein
menschenarmes Fürstentum zu bevölkern. Diese Siedler waren teils
Slawen, teils Deutsche. Unter ihnen haben die Deutschen wohl wesent-
lich überwogen. Die Namen der Orte, an denen Kirchen gebaut wurden,
sind deutscher Herkunft.
Als Residenz ließ sich Fürst Priwina in einem Sumpf der Zala vor ihrer
Missionierung und Kolonisation in Pannoniai 139
Einmündung in den Plattensee eine Festung erbauen, die bald den Namen
Moosburg erhielt (wahrscheinlich unweit des heutigen Zalavär). In An-
lehnung an diese Burg entwickelte sich bald ein ansehnlicher Ort. Schon
nach einigen Jahren ließ Priwina deutsche Handwerker und Künstler aus
Salzburg berufen und von ihnen in Moosburg drei Kirchen erbauen
(Marien-, Hadrian- und Johanniskirche). Audi andernorts wurden da-
mals in dem Fürstentume Priwinas zahlreiche Kirchen erbaut, die den
Mittelpunkt deutscher Ansiedlungen bildeten. Demgegenüber erscheinen
nur drei Orte mit slawischen Namen: Dudleipa (bei Radkersburg), Ussitin
und Businiza, außerdem noch der antike Name Bettovia für Pettau
(Poetovio). Dieses Bild wird durch die Urkunden jener Zeit bestätigt.
Zahlenmäßig muß freilieft die slawische Bevölkerung jenes Gebietes
auch weiterhin mächtiger gewesen sein als die deutsche Kolonistenbevöl-
kerung. Anders ließe es sich gar nicht erklären, daß die zu Ende des
9. Jahrhunderts einwandernden Madjaren die ersten entscheidenden An-
regungen zur staatlichen und kulturellen Weiterentwicklung nicht von
den Deutschen, sondern von den dort seit der slawischen Landnahme
sitzenden Slawen erhalten haben.
Die deutsche Kolonisation in Priwinas Fürstentum war in erster Linie
das Werk der Geistlichkeit, die es auf Ansuchen des Fürsten übernommen
haben mag, die Siedler herbeizubringen. So wissen wir, daß der Erz-
bischof von Salzburg deutsche Handwerker sandte. Neben der Geistlich-
keit spielte der Adel und der große weltliche Grundbesitz damals noch
gar keine Rolle.
Die Siedlrungspolitäk wurde nach dem Tode Priwinas von seinem
Sohne Chezil (Kozel) fortgeführt. Durch das Erscheinen der sogenannten
„Slawenapostel" Kyrillos und Methodios am Hofe Chezils (867) wurde
aber die ganze Lage vollständig verändert. Unter ihrem Einfluß ging Chezil
daran, eine von Deutschland unabhängige Kirche zu errichten. Er erreichte
es sogar beim Papste, daß Methodios zum Erzbisdiof des neuerrichteten
pannonischen Kirchensprengels von Sirmium ernannt wurde. Damit war
die kirchliche Unabhängigkeit von Salzburg erreicht. Und mit der geist-
lichen Herrschaft der bairischen Kirche war zugleich auch der Fortgang
der deutschen Kolonisation in dem Lande jenseits der Raab schwer be-
droht. O b und wie sich die deutsche Siedlung in Chezils Fürstentum
weiter entwickelt hat, wissen wir nicht.
Diesseits der Raab war die deutsche Kolonisation stärker und nach-
haltiger. Dieses Gebiet zerfiel damals in zwei Grafschaften, deren Grenze
140 Entstehung des großmäihrisehen Reiches
etwa der Grenze der heutigen Komitate von Eisenburg und Odenburg
entsprochen haben mag. Hier hatte neben der Geistlichkeit auch der
höhere Adel einen beträchtlichen Anteil an der Besiedlung des Landes.
Es scheint, daß Karl der Große selbst schon Anordnungen über die plan-
mäßige Besiedlung getroffen hat. Wenigstens erzählt eine Urkunde
Ludwigs des Deutschen für Niederaltaich vom Jahre 863, Karl der Große
habe seinen (geistlichen) Untertanen die Erlaubnis gegeben, sich in
Pannonien Land anzueignen, was auch vielerorts geschehen sei.
Die Nachfolger des großen Karl vermochten es nicht, das von diesem
geschaffene politische W e r k zu behaupten. 819 brach im Südosten ein
gefährlicher Aufstand des kroatischen Fürsten Ljudevit aus, der erst nach
jahrelangen schwierigen Kämpfen niedergeschlagen werden konnte. Dann
wurde das Reich immer wieder mit den Bulgaren in Kämpfe um die
Grenzgebiete an der mittleren Donau verwickelt. In 'Böhmen lockerte sich
die deutsche Oberherrschaft bedenklidi. Als 8 4 0 der jüngere Ludwig auf
der Flucht vor seinem kaiserlichen Vater von Thüringen durch Böhmen
nadi Baiern zog, mußte er sich den Durchzug durch Geschenke an die
böhmischen Häuptlinge erkaufen.
Um das Jahr 8 4 0 aber vollzog sidi jene große Veränderung, wodurch
die Großmachtstellung des Deutschen Reiches im Donauraum schwer
erschüttert wurde. In Mähren bildete sich, ausgehend vom Gebiete der
March, ein neuer, mächtiger slawischer Staat, das großmährische Reich.
Moimir, einer der dortigen Häuptlinge, beseitigte alle übrigen und er-
richtete einen straffen Einheitsstaat. Das Deutsche Reich konnte infolge
der damaligen inneren Wirren nichts dagegen unternehmen. Man be-
gnügte sich damit, einen der vertriebenen mährischen Häuptlinge, den
schon genannten Priwina, der Christ geworden war, aufzunehmen und
zum Fürsten der reichsuntertänigen Slowenen Pannoniens zu machen.
Nach der Reichsteilung von Verdun ( 8 4 3 ) aber ging Ludwig der Deutsche
daran, das gesunkene Ansehen des Reiches im Osten wiederherzustellen.
8 4 5 kamen die böhmischen Häuptlinge nach Regensburg. 14 von ihnen
ließen sich dort taufen, was einer feierlichen Anerkennung der Reichs-
hoheit gleichkam. Im folgenden Jahre ( 8 4 6 ) wurde der mährische Fürst
Moimir beseitigt und sein Neffe Rastislav durch den deutschen König als
Nachfolger eingesetzt.
Kampf um Böhmen und Mähren 141
nach der ein böhmischer Herzog Borivoj und seine Gemahlin von
Methodios getauft wurden. Die Regensburger Kirche hat es in den
damaligen Streitigkeiten gar nicht für nötig gehalten, ihre Ansprüche
auf das böhmische Missionsgebiet zu verteidigen.
Der kraftvolle König Arnulf von Kärnten (887-899), der Onkel
Ludwigs des Deutschen, machte noch einmal den Versuch, die Ober-
hoheit des deutschen Königs über das großmährische Reich in der alten
Form wiederherzustellen. In schweren Kämpfen (892—894) wurde dieser
Versuch von Zwentibald abgewehrt. Nach Zwentibalds Tod (894) aber
zerfiel das großmährische Reich. Die untertänigen Randvölker fielen ab,
darunter schon im Jahre 895 auch die Stämme Böhmens. In demselben
Jahre erkannten diese auf dem Regensburger Reichstag auch die Ober-
hoheit des Deutschen Reiches wieder feierlich an. 897 und 900 kämpften
Baiem und Böhmen gemeinsam gegen die Mährer.
So stieg kurz vor dem Ausgang des 9. Jahrhunderts der deutsche Ein-
fluß im Donauraume wieder mächtig an. Die Gesamtleistung des deut-
schen Kolonisationswerkes stand eindrucksvoll da. Im Verlauf von zwei
Jahrhunderten war der Ostalpenraum eingedeutscht und der vorgelagerte
westungarische Raum mit deutschen Siedlungen überzogen worden. Das
gesamte Gebiet zwischen Wienerwald und Drau schien für immer
deutsches Bauernland zu werden. Nach der Vertreibung der Methodios-
Schüler (885) war auch ein kirchliches Erstarken des Slawentums aus-
geschlossen.
Da trat wenige Jahre später ein Ereignis ein, das alle bisherigen poli-
tischen und kulturellen Verhältnisse über den Haufen warf: der Einfall
eines neuen Reiternomadenvolkes aus dem Osten, der Madjaren. Sie
haben die Vormachtstellung des Deutschen Reiches im Donauraum end-
gültig vernichtet, das deutsche Kolonisationswerk in Westungarn zerstört
und die Fortsetzung der großartigen bairischen Südostkolonisation auf
mehr als anderthalb Jahrhunderte hinaus unmöglich gemacht.
Die deutsche Siedlung des 9. Jahrhunderts in dem ehemaligen awa-
rischen Westungarn hat nur zu einem geringen Teile den Madjaren-
einfall überlebt. Diese Reste deutscher Siedlung haben dann freilich
manches zu den Grundlagen von Kultur und Staat bei den Madjaren
beigetragen.
Ungarnpolitik und Missicmsgedanke 143
Bleibend war noch ein anderer Ertrag jenes Zeitalters. Die Züge Karls
des Großen gegen Awaren und Slawen leiteten eine neue Epoche in der
nationalpolitischen Entwicklung des Deutschen Reiches ein. Mit jenen
Feldzügen war in der deutschen Geschichte zum ersten Male eine plan-
mäßige Ostpolitik aufgetaucht. Sie stand ganz im Zeichen der Awaren-
und Slawengefahr. Ungarn war und blieb während des ganzen 9. und
10. Jahrhunderts der wichtigste Nachbarraum des Deutschen Reiches.
Die Politik des Reiches war vor allem Ungarnpolitik. Sie stand in unlös-
licher Verbindung mit dem Gedanken der christlichen Mission. An den
politischen, kolonisatorischen und missionarischen Aufgaben, die Karl
der Große im Osten und Südosten aufgegriffen hatte, entwickelte sich
zuerst ein über den einzelnen Stämmen stehendes gesamtdeutsches Be-
wußtsein, das bereits im Hochmittelalter lebendiger und stärker heran-
gewachsen war als das Sonderbewußtsein der einzelnen Stämme.
Kapitel 9
C h r i s t i a n i s i e r u n g und S t a a t e n g r ü n d u n g
wirkte Karl der Große im Jahre 798 von Papst Leo III. die Erhebung des
schon 739 gegründeten Bistums Salzburg zum Erzbistum und damit die
Errichtung einer eigenen bairischen Kirchenprovinz.
Das folgende 9. Jahrhundert war die große Zeit der bairischen ^Mission,
die von dem altbairischen Stammesgebiet aus strahlenförmig in die um-
liegenden Slawenlande hinauswirkte. Das Hauptmissionsfeld des Bistums
Regensburg war das benachbarte Böhmen. Passau, das seine hochfliegen-
den kirchenpolitischen Bestrebungen durch Urkundenfälschungen zu
stützen suchte, wirkte nach Mähren und nach der westlichen Slowakei,
Salzburg betätigte sich vor allem in Westungarn und Freising missionierte
bei den Slowenen. Die Christianisierung der Slowenen in Karantanien
und in der Pannonischen Mark schritt rasch und ohne gewaltsame Aus-
einandersetzungen voran. Langsamer ging es bei den Sudetenslawen, den
Vorfahren der heutigen Tschechen. Erst 845 ließen sich in Regensburg
vierzehn slawische Häuptlinge taufen. Im Anschluß an die bairische Kirche
und das bairische Herzogtum vollzog sich auch der Aufstieg des premys-
lidischen Fürstenhauses in Prag, von dem dann die spätere Zusammen-
fassung Böhmens zum Einheitsstaate ausgehen sollte. Freilich wandte
sich gegen die mit der Mission zusammenhängende enge Anlehnung an
Baiern eine starke nationaltschechische Reaktion, die vor allem vom Adel
getragen war. Es kam zu dem Bruderstreit zwischen Wenzel und Boleslaus.
Der tschechische Fürst Wenzel, der heilige Wenzel, wie ihn die christliche
Geschichtsschreibung später benannte, hielt in seiner Politik ganz aus-
gesprochen an der bairischen Orientierung fest. Er war selbst von einem
Priester der Regensburger Kirche erzogen worden. Wenzels Bruder
Boleslaus aber war der Führer einer nationaltschechischen Gegenpartei,
die sich von dem bairischen Einfluß völlig loslösen wollte. Bereits 922
mußte der bairische Herzog Arnulf mit seinem Heerbann in Böhmen
erscheinen, um den jugendlichen Wenzel gegen diese mächtige Gegen-
partei zu schützen. Die innertschechischen Gegensätze dauerten jedoch
fort. Als ihr Opfer fiel im Jahre 929 Fürst Wenzel, ermordet von seinem
Bruder Boleslaus.
Schreibung hat auf ihn das Klischee des „ T y r a n n u s " , das heißt des
Christenverfolgers angewandt. In Wirklichkeit ging es bei dieser Ausein-
andersetzung zwischen d e n beiden fürstlichen Brüdern nicht so sehr um
eine religiöse als vielmehr um eine politische Entscheidung. Die Frage
hieß: Sollte man sich weiterhin mit der Unterordnung unter die tatsäch-
liche Oberhoheit des bairischen Herzogs zufrieden geben? Wenzel war
dazu bereit, Boleslaus nicht. D a ß es dabei gar nicht um einen Kampf f ü r
oder gegen das Christentum ging, zeigt ganz klar die spätere Entwicklung.
Auch Boleslaus begünstigte das Christentum. Sein Versuch, sich von dem
Deutschen Reiche völlig selbständig zu machen, scheiterte freilich gegen-
über der Macht Kaiser Ottos I. Immerhin wurde die enge Bindung an
Baiern beseitigt. Im Jahre 973 oder 974 wurde in Prag ein eigenes 'Bistum
errichtet und dieses nicht mehr entsprechend der bisherigen kirchlichen
Zugehörigkeit Böhmens zum Bistum Regensburg der bairischen Kirchen-
provinz Salzburg, sondern vielmehr der Kirchenprovinz Mainz ange-
gliedert. Dies war ein beträchtlicher Erfolg der böhmischen Eigenpolitik.
Denn der fränkische oder sächsische Einfluß konnte sich in Böhmen
niemals so stark auswirken wie der Einfluß des benachbarten Baiern.
Diese neue Lösung entsprach auch den Bestrebungen d a - sächsischen
Kaiserpolitik, die sich f ü r die Z u k u n f t gegen das im 10. Jahrhundert
mehrmals gefährlich gewordene Bündnis zwischen Baiern u n d Böhmen
sichern wollte. So wurde der karolingischen Unterordnung Böhmens
unter Baiern ein Ende gemacht.
W ä h r e n d die bairische Missionsarbeit in Böhmen zwar langsam, aber
ohne große Rückschläge voranschritt, verlief sie in Mähren u n d W e s t -
ungarn schneller, erlebte aber dann zwei schwere Rückschläge. U m 840
kam es zur Qründung des ¿¡roßmährisdhen Staates. Aus dem politischen
Nachbargegensatz zum Deutschen Reich wurde die bairische Mission bald
unterdrückt. M a n wandte sich nach Konstantinopel und bat um Missionare
der griechischen Kirche. Konstantinopel war fern, der byzantinische Ein-
fluß konnte also nicht leicht eine solche politische Gefahr werden wie der
deutsche Einfluß. Im Jahre 863 erschienen die beiden griechischen Mis-
sionare Kyrillos (Konstantinos) und Methodios in Mähren. Ihre W i r k -
samkeit war von großem Erfolge und hat ihnen im M u n d e der Nachwelt
den Beinamen der „Slawenapostel" eingetragen. Der deutsche Einfluß
wurde unterdrückt. Dagegen setzte sich die bairische Kirche in Verteidi-
gung ihrer bisherigen Stellung zur W e h r . Nach dem T o d e der beiden
„Slawenapostel" wurden ihre Schüler eingekerkert und des Landes ver-
152
153
Karte 1 O
154 Landnahme der Madjaren
Mit Stephan d. Hl. und dem Sieg des Christentums in Ungarn war die
äußere Christianisierung Südosteuropas nach einer zweihundertjährigen
bewegten Entwicklung zum Abschluß gekommen. Damit brach für Süd-
osteuropa ein neues Zeitalter an. Die durch die Christianisierung ver-
mittelten neuen Anschauungen, die zunächst nur auf der gesellschaft-
lichen und geistigen Oberfläche herrschend geworden waren, drangen
von dieser Oberfläche aus langsam in das Innere vor. So folgte der
äußeren Christianisierung die allmähliche innere Christianisierung, deren
Gegenstand die Auseinandersetzung der fremden christlichen Anschau-
ungen mit den arteigenen überkommenen Auffassungen darstellt. Diese
Auseinandersetzung spielte auf einer doppelten Ebene: in der politischen
Gedankenwelt und im Volksglauben.
Im politischen Bereich stießen alte und neue Anschauungen unver-
mittelt und kompromißlos aufeinander in der Auffassung der Herrscher-
gewalt. Die Madjaren, über die wir in dieser Hinsicht am klarsten sehen,
hatten aus ihrer früheren eurasischen Umwelt die Vorstellung mitge-
bracht, daß die Herrschergewalt auf dem Rechte des Blutes beruht. Das
Herrscherhaus rechtfertigte seine Herrschaft aus dem Geblütsrecht. Es
wußte sich in einer mystischen 'Beziehung zum großen Himmelsgott, von
dem es die Herrschergewalt auf der Erde erhalten hatte. Darum galt als
Träger der Herrschergewalt das Herrscherhaus als ganzes, das heißt in
allen seinen Gliedern. Der einzelne König war nur der jeweilige Inhaber.
W i r haben hier ein (Jeblütsredhtlidhes Qottesgnadentum des Herrscher-
hauses. Daher fehlte in jener Staatsauffassung der eurasischen Reiter-
nomadenvölker auch eine feste Thronfolgeordnung. Zur Herrschaft be-
rechtigt war an und für sich jeder vom Geblüte des gottbegnadeten
Herrscherhauses.
Das Christentum hat eine neue politische Anschauung in diese Welt
hereingebracht, die der altüberkommenen madjarischen Herrscheridee
völlig entgegengesetzt war. Als Herrscher berechtigt gilt nicht, wer das
Blut des gottbegnadeten Herrscherhauses in seinen Adern hat, sondern
wer dazu moralisch würdig (idoneus) in dem neuen christlichen Sinne
dieses Wortes ist, wer dem Idealbild des christlichen Königs entspricht.
Dieses Idealbild im Frühmittelalter ist der rex pius, justus atcjue pacißcus,
der fromme und gerechte Friedensherrscher. Nur wer diese drei von dem
christlichen Zeitbewußtsein geforderten Herrschertugenden aufweist, kann
christlicher König werden. Dies ist die christliche Theorie, die das Früh-
mittelalter entwickelt hat. Sie steht in einem ausgesprochenen Gegensatz
158 Kirche und Staat
diakonatsgerichte). Nach und nach büßte das weltliche Gericht jede Ge-
walt über die Person der Geistlichen ein. Ein Kleriker konnte nur noch
vor dem geistlichen Gericht verklagt werden, sogar in güterreditlichen
und strafrechtlichen Angelegenheiten. Die staatliche Organisation schien
weithin aufgelöst und durch die kirchliche ersetzt zu werden.
Wenn das so mächtige ungarische Königtum der kirchlichen Gerichts-
barkeit einen solchen Herrschaftsraum zugestand, so müssen die kirch-
lichen Zeitideen, die damals das ganze Abendland überfluteten, über-
mächtig gewesen sein. Dazu kamen innere Wirren, in denen die Kraft des
Staates geschwächt wurde. In inneren Kämpfen und Bürgerkriegen ver-
armte der „Hof" des Königs und verlor an Macht und Ansehen. Um das
Königtum gegen diese inneren Widerstände zu stärken, suchte sich
Koloman auf die gregorianische Bewegung zu stützen, die von den sieg-
haften Ideen des Zeitbewußtseins getragen war. Aber die Notlage der
königlichen Krone war so groß, daß sogar Koloman, der überzeugte An-
hänger der gregorianischen Kirchenreform sich gezwungen sah, zur
Festigung der königlichen Macht eine Säkularisation des Kirchengutes
durchzuführen.
Noch stärker wird dieses Ringen der inneren Christianisierung mit den
altüberkommenen volkstümlichen Anschauungen sichtbar im Bereich des
Volksglaubens und Volksbrauches. Wie die volkskundliche Forschung
gezeigt hat, war der vorchristliche Volksglaube überall sehr langlebig.
Das Volk hielt an den liebgewordenen religiösen Überlieferungen der
Ahnen zäh fest, über Jahrhunderte, ja über ein Jahrtausend hindurch.
Vielerorts leben vorchristliche Zauberbräuche bis zum heutigen Tage im
Volksglauben weiter, längst unverstanden und vielfach ganz entstellt.
Manche vorchristliche Gottheiten wurden in christliche Heilige umge-
deutet.
In Südosteuropa können wir diese religionsgeschichtliche Entwicklung
leider nur in den allgemeinsten Umrissen erkennen. Nur auf griechischem,
madjarischem und serbischem Volkstumsboden ist das Dunkel durch die
eifrige Arbeit der volkskundlichen Forschung bereits einigermaßen ge-
lichtet. Bei den Qrtedhen lebt der alte vorchristliche Volksglaube vor
allem unter der Hülle der kirchlichen Heiligenverehrung weiter. Die
Christianisierung vollzog sich in der Seele des Volkes in der Weise, daß
an die Stelle vorchristlicher Gottheiten nunmehr christliche Heilige traten,
160 Heiligen- und DämonenvereKrung
Auf die Frage nach der Stärke und Tiefe der inneren Christianisierung
ist auch die T)idbtuncl der einzelnen Völker berufen, eine Antwort zu
geben. Jede echte und große Dichtung ist das getreue Spiegelbild der
Volksseele. Die religiösen Kräfte, die im Leben der Völker wirksam wer-
den, äußern sich daher auch in ihrer Dichtung. W o in der Volksseele
das Christliche einen wesentlichen Einfluß gewonnen hat, da wird dies
auch die Dichtung zum Ausdrude bringen.
Bei den Märchen Südosteuropas fällt von vornherein auf, daß eine
ausgesprochen christliche Haltung zum wenigsten außerordentlich selten
ist. Viel häufiger ist dagegen der Fall, da ein vorchristlicher Stoff in das
Christliche umgebogen oder umgedeutet wird. Vielfach tritt das christ-
liche Element dabei nur in einem einzelnen Motiv auf: in einer moralischen
iNJutzanwendung, die am Schluß angefügt wird, in der Erwähnung von
Priestern, Einsiedlern u. a.
Die Gegenwartsdichtung der Völker Südosteuropas zeigt schon bei
einer flüchtigen Durchmusterung, daß bei den Völkern, die sich der
Westkirche angeschlossen haben, der Einfluß der inneren Christianisie-
rung ungleich tiefer ist als im ostkirchlichen Einflußbereich. Im west-
kirchlichen Räume ist es viel häufiger, dkß ein Dichter einen christ-
lich-religiösen Stoff behandelt. Viel entscheidender aber ist die Tatsache,
daß hier das religiöse, und zwar das eigentlich christliche Ethos in der
Dichtung viel tiefer und stärker lebt. Am sichtbarsten ist dies bei den
Slowaken und Slowenen, die als besonders religiöse Völker gelten können.
Aber auch bei Madjaren, Kroaten und einem Teil der Tschechen (Süd-
böhmen) wird dies deutlich. Bei allen diesen Völkern, die durch die west-
liche Kirche und die abendländische Kultur geformt wurden, sind starke
religiöse Kräfte im geistigen Leben und insbesondere in der Dichtung
wirksam.
Dagegen ist die Dichtung jener Völker, die im Einflußbereich der Ost-
kirche leben — Serben, Bulgaren, Griechen, Rumänen — offensichtlich in
geringerem Maße von einem religiös-christlichen Ethos [bestimmt. Am
wenigsten wohl bei den Serben und nächst ihnen bei den Bulgaren,
stärker bei den Griechen und vor allem bei den Rumänen.
*
Ii*
164 Wesensart der Ostkirche
Die drei ersten Kreuzzüge waren auf den weiten Landweg angewiesen,
da das reiche Venedig, das allein die Transportflotte zur ü b e r f a h r t stellen
konnte, sich mit Rücksicht auf seine levantinischen Handelsinteressen von
Kreuzzugsbegeisterung und Kreuzzugspolitik fernhielt. So blieb nur der
mühselige Anmarsch zu Lande. Die drei ersten Kreuzheere nahmen diesen
W e g : zunächst donauabwärts bis W i e n , dann durch Ungarn nach Belgrad
(Griechisch-Weißenburg). Dort begann der schwierigste und gefährlichste
Teil des Marsches — quer durch die schwer zugänglichen Berglandschaften
des inneren Balkans. Hinter Belgrad kam man in den „Bulgarenwald"
(siiva Bulgarorum), das mit mächtigen Waldungen bedeckte Bergland
zwischen Belgrad und Sofia. Hier mußte das Kreuzfahrerheer ständig
auf der Hut sein vor feindlichen Überfällen. Auch nach dem Abstieg in
das Maritzatal wurden die Widerstände und Schwierigkeiten um nichts
geringer. Dort drohten nicht mehr einzelne kleine Überfälle aus dem
Hinterhalt, sondern der große Zusammenstoß mit der Armee Ostroms.
Die Kreuzzüge stellten die oströmische Staatskunst vor eine schwierige
politische Frage. Die ostkirchliche Kulturwelt, alles was kirchlich, geistig
und politisch nach Konstantinopel hin orientiert war, hatte seit dem 7. Jahr-
hundert die Idee des Glaubenskrieges nicht mehr gekannt. Mit der isla-
mischen Staatenwelt verkehrte man seit Jahrhunderten in denselben
völkerrechtlichen Formen wie mit den fränkischen „Barbaren" des
Westens. Seit langem war der Kampf zwischen Ostrom und den Arabern
zu einer gewissen Gleichgewichtslage abgeklungen. Seitdem war dem öst-
lichen Menschen der Gedanke des „Heiligen Krieges", des Waffenhand-
172 Abendländische Feindschaft gegen Ostrom
gegangen. Und die jungen Staaten der Serben und Bulgaren schickten sich
an, erobernd weiter auszugreifen.
Gleichzeitig mit der äußeren Bedrohung vollzog sich zu Ende des
12. Jahrhunderts auch die innere Zersetzung des Reiches durch die
Sonderbestrebungen mächtiger Archontenfamilien und ehrgeiziger Statt-
halter. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, daß dieses morsch-
gewordene griechische Reich, das nach innen seine Autorität, nach außen
seine Widerstandskraft verloren hatte, durch die landschaftlichen Sonder-
bestrebungen auseinandergesprengt werden und sich in eine Anzahl von
kleinen, untereinander verfeindeten Territorialstaaten auflösen würde.
Außere Schicksalsschläge beschleunigten die Wirkung dieses inneren
Zerfalls. Das oströmische Reich schien reif als Beute für einen Eroberer.
Diese Eroberung aber war das Werk der Handelsrepublik Venedig, die
es verstand, die Begeisterung des vierten Kreuzzuges in den Dienst der
eigenen Machtpolitik zu zwingen.
Kapitel i i
sondern auch jene kühl berechnende Staatsräson, die dann in der neu-
zeitlichen Staatenwelt allgemein herrschend geworden ist.
Keine dieser Seemächte der Mittelmeerwelt hat für die allgemeine
Geschichte eine Bedeutung erlangt, die mit der Venedigs vergleichbar
wäre. Venedig griff durch sein überseeisches Levantereich (Oltramare)
tief in den griechischen Volksboden hinüber, seine Geschichte hängt daher
unlöslich mit der byzantinischen und balkanischen Geschichte zusammen.
Aquileja, nach der früheren Zerstörung durch Attila „kaum mehr atmend",
wurde vollends zerstört. Die Bevölkerung floh hinter die Mauern der
Inselstadt Grado (568). Aus dem verwüsteten Concordia flüchteten die
Menschen in das benachbarte Caorle. Mit dem Langobardeneinfall begann
auch die eigentliche Besiedelung der Laguneninseln in großem Umfange.
So kann man mit gutem Recht das Jahr 568 das „Geburtsjahr Venedigs"
nennen. Nunmehr entfalteten sich in der amphibischen Landschaft des
Brenta-Deltas jene zahlreichen Lagunensiedlungen, aus deren Zusammen-
wachsen dann die Seestadt Venedig entstand. Als vorgeschobene Außen-
posten des oströmischen Reiches haben diese Lagunensiedlungen im
Schutze der oströfnischen Reichsflotte die Stürme der germanischen
Völkerwanderung (5.—6. Jahrhundert), und die Wirren der slawischen
Landnahme (6.—7. Jahrhundert) überlebt.
Das folgende Jahrhundert von 568—667 brachte dann die politische
und kirchliche Konstituierung der Provinz Seevenetien, die seit 588 die
einzige oströmische Besitzung in Oberitalien war. Durch die Übersiede-
lung des Patriarchen aus dem langobardischen Aquileja in das oströmische
Grado gewann Seevenetien eine überragende kirchenpolitische Bedeutung,
da die große Mehrzahl der Suffraganbischöfe von Grado in langobar-
dischem Gebiet lagen. Die oströmische Politik versuchte es, vermittelst
des Patriarchen Einfluß zu gewinnen auf den langobardischen Teil der
Kirchenprovinz, die langobardische Politik war bestrebt, durch die Mehr-
heit der Suffragane einen Drude auf den Patriarchen auszuüben, das er-
starkende römische Papsttum suchte mehr und mehr seinen Einfluß auch
hier geltend zu machen. So wurde Seevenetien und sein Patriardiensitz
Grado zur politischen Drehscheibe zwischen Ostrom, den Langobarden
und dem Papsttum.
Dieser kirchenpolitischen Bedeutung entsprach der gebietsmäßige Um-
fang in keiner Weise. Zu Ende des 7. Jahrhunderts war die ehemalige
Provinz „Venetia" zu einer kleinen Grenzmark zusammengeschrumpft.
Sie bestand aus zahlreichen größeren und kleineren Lagunensiedlungen,
unter denen als die wichtigsten die folgenden hervorragten: Grado, Caorle,
Heracliana, Jesolo (neben Grado der vornehmste Sitz der Inselaristo-
kratie), Torcello, Murano, Malamocco, Chioggia. Die spätere Haupt-
stadt des Lagunenlandes — Rialto — war im 7. Jahrhundert noch ohne
Bedeutung. Sie war bestenfalls eine Art Vorstadt von Malamocco.
Zu Ende des 7. Jahrhunderts hat Ostrom die Provinz Seevenetien aus
der bisherigen Verbindung mit Istrien und der Unterordnung unter den
12 Stadtmüller, Geschichte Südosteuropag
178 Dogat als Keim der venezianischen StaatsbiLdung
In der Zeit Karls d. Gr. hat Venedig sich zum ersten Male politisch
nadi dem Westen orientiert. Es bildete sich eine fränkische Partei. Eine
Revolution (804) ersetzte den oströmisch gesinnten Dogen durch einen
fränkisch gesinnten. Eine oströmische Flottendemonstration (807) er-
zwang jedoch wieder die Unterwerfung Venetiens. Daraufhin eroberte
König Pippin im Jahre 809—810 das Lagunengebiet. Auch die Hauptstadt
Malamocco ist damals gefallen. Die Dogen gerieten in fränkische Ge-
fangenschaft. N u r Rialto, wohin die meisten patrizischen Geschlechter
geflüchtet waren, scheint sich damals behauptet zu haben. Venetien mußte
jedenfalls die fränkische Oberhoheit anerkennen. Aber schon zwei Jahre
später kam es an Ostrom zurück. Im Frieden von Aachen (812) verzichtete
Karl der Große gegen Anerkennung seiner Kaiserwürde auf die eroberten
Gebiete Venetiens, Istriens, Liburniens und Dalmat'iens.
Seitdem wurde Rialto, wo die Dogen ihren Sitz hatten, der neue poli-
tische Mittelpunkt. Das kirchliche Ansehen dieser Stadt wurde vor allem
durch die Übertragung der Markus-Reliquien (828) gesteigert — später
pflegte sich die Stadt mit Stolz die „Republik des hl. Markus" zu nennen.
In Rialto zog sich dann schließlich immer mehr die Bevölkerung und
Wirtschaft des ganzen Gebietes zusammen. Die übrigen Lagunenstädte
verloren daneben ihre Bedeutung. Der ursprüngliche Gebietsname „Ve-
Aufstieg zur Unabhängigkeit 179
netia" bezeichnete bald nur noch die neue mächtig aufblühende Haupt-
stadt, deren alter Name Rialto mehr und mehr in Vergessenheit geriet.
Wenn der Friede von Aachen (812) auch die Rückgliederung an das
oströmische Reich gebracht hat, so gewann Venetien doch schon im
9. Jahrhundert eine ziemliche Unabhängigkeit. Dann brachte das Ende
des 10. Jahrhunderts den Beginn des machtvollen Aufstiegs zur See-
macht. Der Doge Pietro Orseolo II. (991—1009) eroberte zahlreiche
Küstenstädte in Istrien und Dalmatien und legte so den Grund zu dem
späteren venezianischen Seereich. Im 11. Jahrhundert war die Abhängig-
keit von Ostrom bereits mehr eine staatsrechtliche Fiktion als eine poli-
tische Wirklichkeit. Die Republik von San Marco trieb längst ihre eigene
Politik, gewöhnlich im Bunde mit Ostrom, ohne sich jedoch dadurch in
einen Gegensatz zum Papsttum oder zum deutschen Kaisertum zu bringen.
Die vorsichtige und nüchterne Diplomatie Venedigs hat im 11. und 11.
Jahrhundert überall Erfolge geemtet. Schritt um Schritt stieg die Lagunen-
stadt zur Herrin der Adria auf, um dann schon darüber hinaus in den
Raum des östlichen Mittelmeeres auszugreifen. Dabei hat es die geschmei-
dige venezianische Politik verstanden, sich überall Freunde zu gewinnen.
Freilich ließ man sich geleistete Dienste gut bezahlen. Ostrom mußte
die venezianische Flottenunterstützung gegen die Normannen (1081)
mit der Handelsfreiheit im gesamten oströmischen Reiche bezahlen. Und
ein Jahrhundert später gewann Venedig durch seine Friedensvermittlung
zwischen Friedrich I. Barbarossa und Papst Alexander III. (Friedens-
kongreß zu Venedig 1177) auch die Handelsfreiheit im deutschen Reiche.
Der Handel mit dem oströmischen Reiche bildete die Grundlage für
den ungeheuren wirtschaftlichen Aufstieg Venedigs. Schon zu Ende des
11. Jahrhunderts hatten venezianische Kaufleute den Handel im ost-
römischen Reiche tatsächlich in ihrer Hand. Und dieser wirtschaftliche
Einfluß war auf dem Wege, sich zum politischen zu erweitern. Das alte
Verhältnis politischer Abhängigkeit zwischen Venedig und Ostrom schien
sich umkehren zu wollen. Wirtschaftlich war Venedig unvergleichlich
stärker. Ebenso war die venezianische Flotte der oströmischen Flotte seit
der unglückseligen Änderung der Wehrverfassung in der Mitte des
11. Jahrhunderts weit überlegen. Die oströmischen Kaiser sahen wohl die
Gefahr, daß ihr Staat auf dem Wege der wirtschaftlichen Aushöhlung
allmählich eine Wirtschaftskolonie der mächtigen Seerepublik Venedig
12«
180 Wirtschaftliche Durchdringung Ostroms und der Kreuzfahrerstaaten
Gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts begann die öffentliche Meinung
des Abendlandes, 'Byzanz — die „treulosen Griechen" — für die schweren
Rückschläge im Heiligen Land verantwortlich zu machen. Es verbreitete
sich die Überzeugung, zunächst müsse das schismatische Konstantinopel
erobert werden. Der Gedanke eines solchen Angriffs lag irgendwie in
der Lirft. Es war nur die Frage, wer den vernichtenden Schlag aus-
Venedig und Ostram 181
Das Jahr 1204 ist dadurch ein Schicksalsjahr der Geschichte Südost-
europas geworden. Die politische Landkarte erhielt ein völlig neues
Aussehen. Diejenigen Teile des oströmischen Reiches, auf die die Vene-
zianer keinen Wert legten — vor allem das ganze Binnenland —, wurden
zu Fürstentümern abendländischer Barone. In Konstantinopel wurde ein
„Lateinisches Kaisertum" errichtet, das jedoch nur ein halbes Jahrhundert
hindurch (1204—1261) ein Schattendasein führte.
Auf den Trümmern des oströmischen Reiches baute Venedig sein
überseeisches Kolonialreich auf. Es besetzte die Inseln und Küstenstriche,
die für die Behauptung seiner Vormachtstellung im östlichen Mittelmeer
von Bedeutung waren. Das venezianische Levantereich, das auf diese
Weise entstand, erinnert mit seinem vielfältigen Gefüge verschieden-
artiger politischer Abhängigkeiten in mancher Hinsicht an das Britische
Commonwealth, so wie es sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts staats-
und verwaltungsrechtlich herausbildete. Sitz aller großen politischen Ent-
scheidungen in dem weiten Reiche war die Hauptstadt Venedig. Von ihr
aus wurde das oberitalienische Hinterland, die „Jerraferma", in straff
zentralistischer Weise regiert. Dagegen war die Regierung und Verwal-
tung der überseeischen Besitzungen lockerer gegliedert, sie bediente sich
auch verschiedener autonomer und halbautonomer Formen. Vielerorts
trat die venezianische Herrschaft nur in gewissen Äußerlichkeiten in Er-
scheinung, während die einheimische Selbstverwaltung unangetastet blieb.
So verwalteten die Städte Istriens und Dalmatiens auch unter veneziani-
scher Oberhoheit: weiterhin ihre Angelegenheiten selbständig unter ein-
heimischen Stadtoberhäuptern. Venedig beschränkte sidi darauf, die
Statuten der einzelnen Städte einander anzugleichen und zur Landes-
verteidigung eine einheimische Miliz, das „Vaysanaticum", aufzustellen.
184 Venedigs Levaatfereidi
Im Besitze der langen dalmatinisdien Küste war Venedig der Herr der
Adria. In diesem geschlossenen Meer („Tdare clausuni") beanspruchte
Venedig die Alleinherrschaft und volle Gewässerhoheit. So heißt es schon
im Jahre 1347 in Verhandlungen mit Ungarn: „ D a . . . unsere Ahnen
und wir selbst immer unser Herz und unseren Sinn vor allem auf die
Verteidigung und Sicherheit unseres Golfes (,culphi nostri') gerichtet
haben, auf dem unser ganzer Wohlstand und Staat b e r u h t . . . . , da wir
Verträge haben, durch die wir es ausdrücklich verboten haben, daß sie
in unseren genannten Golf mit Bewaffneten e i n f a h r e n . . . " Die Einfahrt
in die Adria war fremden Kriegsschiffen untersagt. Dort übten die vene-
zianischen „Generalkapitäne der Galeeren des Golfes" („Capitanei
generales ¿jalearum culphi") die Seepolizei aus.
Der Schiffahrtsweg aus der Adria in die Levante war durch die vene-
zianischen Küstenfestungen in Durazzo, Modon und Koron, wo vene-
zianische Besatzungen die Wacht hielten, gesichert. In den peloponnesi-
sdien Gewässern begann das eigentliche Levantereich. Sein Mittelpunkt
war die reiche Insel Kreta, die wie eine riesige Gebirgsbarriere die
ägäische Inselwelt nach Süden abschirmte, ü b e r die Sicherheit dieser
Insel wachte Venedig mit besonderer Sorgfalt. Die militärische Ansied-
lung venezianischer Auswanderer gab der venezianischen Herrschaft dort
einen starken Rückhalt gegen die stets aufruhrbereite griechische Be-
völkerung. Die Insel hatte ihre eigene Verfassung, die der der Haupt-
stadt nachgebildet war. An der Spitze stand ein Herzog (duca). Ihm
waren als Beamte untergeordnet: 1 Capitaneus, 1 Räte, 1 oder 3 Kämmerer,
4 Rektoren als Vorstände der Verwaltungsbezirke Kandia, Rethymno,
Kanea und Sithia. Beratenden Anteil an der Regierung hatten ein „großer
Rat", ein Senat und der Landtag der kretisdien Lehensleute (das „Con-
silium leudatorum").
Von Kreta aus führte der große Schiffahrtsweg über die Insel Zypern,
die erst im 15. Jahrhundert unter unmittelbare venezianische Herrschaft
geriet, nach der Küste Syriens und Palästinas. Venedig hatte seit dem
Beginn des 12. Jahrhunderts den anfänglichen Vorsprung, den Genua
und Pisa dort gewonnen hatten, rasch eingeholt und sich ein dichtes Netz
von exterritorialen Handelsquartieren entlang der Küste aufgebaut.
Dieses ganze Gebiet bildete das „Bailat Syrien". Dem venezianischen
Bailo, der in Akkon seinen Sitz hatte, waren die Vicecomites und Cón-
sules in Antiochia, Beirut, Tripolis, Tyrus und wahrscheinlich auch in
Alexandria unterstellt.
Venedigs Herrschaft im Ägäischen Meere 185
Nach dem Fall der Festung Akkon (1291) waren zunächst Zypern
und „Armenien" (d. h. das kleinarmenische Königreich der Rubeniden
in Zilizien) die Außenposten venezianischer Macht in der Levante. Dann
erlag audi der kleinarmenische Reststaat, wo eine Zeitlang ein venezia-
nischer Bailo seinen Sitz gehabt hatte, dem Anstürme der Türken ( 1 3 7 5 ) .
Nach dem Verlust der Außenbesitzungen in Palästina verlagerte sich
das Schwergewicht der venezianischen Levanteherrschaft noch stärker
in das Ägäische Meer, wo der „Herzog" von Kreta die Stellung eines
Generalgouverneurs innehatte. Auf Euböa (Negroponte) regierten die
„Dreiherren" {„Jerzieri") als Lehnsherren unter venezianischer Ober-
hoheit, während in der Hauptstadt Negroponte ein venezianischer Bailo
saß. Auf den vielen kleinen und großen Inseln des Ägäischen Meeres —
z. B. Tinos, Keos, Naxos — herrschten einzelne Grafen, Barone, Herzöge
über ihre kleinen feudalen Fürstentümer unter der losen Oberhoheit
Venedigs. In einem großen Teile seines überseereiches hat sich Venedig
auf ein System des „Indirect Rule" beschränkt. Die überkommenen
lehensrechtlichen Formen, in denen nach mittelalterlicher Auffassung
sowohl staatsrechtliche als völkerrechtliche Abhängigkeitsverhältnisse
ausgedrückt werden konnten, genügten zur Verankerung der veneziani-
schen Oberhoheit.
In Konstantinopel saß nach 1204 ein venezianischer Podesta, der 1265
zum Bailo aufrückte.
*
Seit dem Schicksalsjahre 1204 war Venedig nicht nur die vorherrschende
Seemacht im östlichen Mittelmeer, sondern auch eine europäische Groß-
macht. Jahrhunderte hindurch vermochte es, vielfach im Kampfe mit
Genua, diese Machtstellung zu behaupten, bis dann zu Beginn der Neuzeit
verschiedene Ursachen zusammenwirkten, sie zu erschüttern: das Vor-
dringen der Osmanen führte zum Verlust der Außenbesitzungen ( 1 4 7 0
Negroponte, 1571 Zypern, 1669 Kandia, 1716 Morea), die Entdeckung
des Seeweges nach Ostindien ( 1 4 9 8 ) und die osmanische Besetzung
Ägyptens (1517) unterbanden die bisherigen Handelswege, auf denen die
wirtschaftliche Blüte Venedigs beruht hatte. Freilich verstand es die
Republik des hl. Markus durch die Gewandtheit ihrer Diplomatie, ihre
staatliche Unabhängigkeit noch bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts
zu bewahren und sogar noch weiterhin eine gewisse Rolle in der großen
europäischen Politik zu spielen.
186 Stil der venezianischen Politik
Von Ungarn aus fand die deutsche Kolonisation und mit ihr die
deutsche Kultur ihren Weg zu den Rumänen, ja in einzelnen verstreuten
Vorläufern sogar bis nach Bulgarien,Serbien und Bosnien. Schon zur Zeit,
da die Rumänen sich als Volk herauszukristallisieren begannen, traten sie
in den Bannkreis der abendländischen Kultur. Der Ausstrahlungskraft
der deutschen Städte, die in den benachbarten Landschaften Sieben-
bürgens und der nördlichen Moldau (Bukowina) während des 13. Jahr-
hunderts entstanden waren, konnten sich die jungen rumänischen
Fürstentümer der Moldau und der Walachei nicht entziehen. Die rumä-
nische Sprache übernahm damals aus der Berührung mit dem Bürgertum
der deutschen Städte zahlreiche deutsche Lehnwörter, die ein getreues
Spiegelbild des deutschen Einflusses geben. Es ist bezeichnend, daß unter
diesen Lehnwörtern völlig solche fehlen, die auf engere geistige Beziehun-
gen schließen ließen. Die selbstgewollte Abschließung der Siebenbürger
Sachsen in ihre „Sächsische Nation" hat zwischen Deutschen und Rumänen
eine breite völkische, soziale und religiöse Kluft bestehen lassen. So
Rumänien, Bulgarien, Serbien, Bosnien 197
den steigenden Zuzug vom Lande her im Laufe der Jahrhunderte unmerk-
lich langsam entdeutscht worden.
Die vereinzelten deutschen Bauernsiedlungen hatten ein anderes
Schicksal. Sie gaben ihr Volkstum nicht auf. Die deutschen Kolonisten-
bauern blieben in ihrem engen bäuerlichen Lebenskreis unter sich. Hier
lag kein Anreiz und keine Notwendigkeit dafür vor, sich dem fremden
Volkstum anzupassen. Anders war dies für alle jene, die aus dem
geschlossenen bäuerlichen Lebenskreis hinaufstrebten in die gesellschaft-
liche Oberschicht. Dort, wo die Oberschicht fremdvölkisch war, mußte
der emporstrebende Deutsche sein Volkstum zwangsläufig verlieren. So
war es vor allem im neuzeitlichen Ungarn, wo das bäuerliche Deutschtum
in Südungarn zwar auf dem Dorfe sein Volkstum zähe behauptete, aber
es nicht vermochte, eine Volksdeutsche Oberschicht hervorzubringen. Die
gesellschaftliche und politische Oberschicht im Königreiche Ungarn war
madjarisch, dachte und fühlte madjarisch. W e r dorthin aufstieg, mußte
im Madjarentum aufgehen, er wurde Madjare. Die deutschen Bauern-
söhne, die während des 19. Jahrhunderts in ungarische Beamtenstellungen
einrückten, haben im allgemeinen schon in der ersten Generation ihr
Deutschtum aufgegeben. Dies war die tiefe Tragik der vereinzelten
bäuerlichen Volkstumsinseln: das Deutschtum erhielt sich auf dem Dorfe,
aber bei dem Fehlen einer Oberschicht kam es nicht zum völkischen und
politischen Bewußtsein seiner selbst.
Glücklicher war die Lage dort, wo deutsche Volkstumsinseln von einer
gewissen Ausdehnung sowohl Bauernsiedlungen als auch Städte um-
faßten. Stadt und Dorf haben sich hier gegenseitig gestützt. Die deutsche
Stadt blieb von fremdvölkischer Unterwanderung verschont, denn der
Zuzug vom Lande war deutsch, da die bäuerliche Umgebung der Stadt
deutsch war. Umgekehrt hatte das deutsche Bauerntum die Möglichkeit,
in der nahen deutschen Stadt mit ihren deutschen Schulen sich eine eigene
Oberschicht heranzubilden.
So bestätigt sich auf dem heißen Vielvölkerboden Südosteuropas jene
uralte Einsicht: Ein Volkstum kann sich nur dann in seinem biologischen
Bestände behaupten, wenn es eine starke Grundschicht hat. Es kann aber
nur dann zu einem politisch selbstbewußten Volkskörper werden, wenn
die geistige Führung einer eigenvölkischen Oberschicht anvertraut ist.
Dieses Zusammenwirken von Stadt und Land bei der Erhaltung und
politischen Führung des Volkstums war in der Geschichte des vorge-
schobenen Sprachinseldeutschtums ein seltener Idealfall. Er ist Wirklich-
Schicksale des Spradiinseldeutsditams 201
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Karte 1 2
206 Siedlungsausbreitung der Albaner
legenheit und vor allem durch die kulturelle Wirksamkeit der orthodoxen
Kirche das verlorene Gebiet Schritt für Schritt zurückgewonnen. Die
orthodoxen Albaner nahmen unter kirchlichem Einfluß die griechische
Sprache an und begannen bald, sich selbst als Griechen zu fühlen.
Die Albaner des Mutterlandes sind im 13. und 14. Jahrhundert stark
unter den abendländischen Kultureinfluß geraten, der durch das angio-
vinisdie Königreich Neapel und die benachbarten venezianischen Be-
sitzungen vermittelt wurde. Im 15. Jahrhundert wurden sie dann durch
die anbrechende Türkenherrschaft zu einer erneuten Siedlungsausbrei-
tung veranlaßt. Die neue Auswanderung spielte sich in verschiedenen
Formen ab: Zunächst verließen größere Massen Albaner als Flüchtlinge
ihre Wohnsitze in Albanien und Morea und siedelten sich in Italien
(Sizilien, Kalabrien, Basilicata, Apulien, Rosciano) an.
*
nördlich der Donau tragen zu einem guten Teile kumanische Namen. Die
Kumanen scheinen also an dieser großen waladiisdien Nordwanderung
einen beträchtlichen Anteil gehabt zu haben.
U m 1210 werden die Rumänen zum ersten Male sicher in Siebenbürgen
erwähnt, und zwar in der Gegend von Fogarasch im südwestlichen Sieben-
bürgen. Dort hat sich um jene Zeit am Südhang der Karpaten unter
der Schutzherrsdiaft des ungarischen Königs auch das älteste rumänische
Staatswesen entwickelt. Wie die Namen zeigen, war die Herrenschicht
wenigstens zu einem guten Teile turkvölkischer Abstammung. Die Haupt-
stadt war zuerst Argesch, dann Campulung, schließlich Targovischte. Im
14. Jahrhundert war dieser von Ungarn bisher abhängige Staat schon
so erstarkt, daß sein Herrscher, der den türkischen Namen Basarab trug,
es wagen konnte, die ungarische Oberherrschaft abzuschütteln. In dem
Krieg, der darüber ausbrach, gelang es Basarab, das ungarische Heer in
den Karpaten zu umzingeln und zu vernichten (1330). Audi dem mäch-
tigen ungarischen König Ludwig dem Großen (1342—1382) gelang die
Unterwerfung der Walachei nur auf kurze Zeit. Bald rissen sich die
Walachen wiederum los. 1369 wurde ein ungarisches Heer in der
Waladiei vernichtet. Damit war die Selbständigkeit des rumänischen
Fürstentums der Walachei gesichert.
Im 14. Jahrhundert entstand das zweite rumänische Staatswesen. Um
1360 gründete der ungarische König eine Grenzmark Moldau, die rumä-
nischen Woiwoden zur Bewachung gegen die von Osten drohenden
Tataren anvertraut wurde. Ausgangspunkt dieser Staatsbildung war die
Berglandschaft von Marmarosch (Maramuresch). Aber schon im Jahre
1365 riß sich dieses Vasallenfürstentum vom ungarischen Staate los und
machte sich zum selbständigen Staate, dessen Schwergewicht sich nun-
mehr ostwärts an die große Handelsstraße Lemberg—Suceava—Akkerman
verlegte. Unter ständigen Kämpfen mit den Polen und Tataren wurde das
Staatsgebiet, dessen älteste Hauptstadt das kirdien- und klosterreiche
Suceava war, nach Norden und Osten ausgedehnt. — Die weitere macht-
politische Entfaltung der beiden rumänischen Fürstentümer wurde sehr
dadurch gehemmt, daß im 15. Jahrhundert beide in ständige gegenseitige
Kämpfe verwickelt waren.
*
Um die Achse des großen Karpatenbogens hatte sich im 13. bis 15.
Jahrhundert der mächtige rumänische Volkstumsblodk herausgebidet.
Aber die rumänische Siedlungsausbreitung beschränkte sich nicht auf das
Waladiisdne Stedlurngsausbreitung 209
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Gebietsverhältnisse um 1210
Karte 13
Kaiserreich von Nikäa 213
Der dritte Staat griechischer Nation war das Kaiserreich, von Nikäa.
In unmittelbarer Nähe des Lateinischen Kaiserreiches gelegen, mußte es
sich zunächst jahrelang unter harten Kämpfen gegen die fränkischen
Angriffe verteidigen, während nach Osten gleichzeitig schwere Abwehr-
kämpfe gegen die Seldschuken zu führen waren. Unter den tüchtigen
Herrschern Theodoras I. Laskaris (1204—1222) und Johannes III.
Dukas Batatzes (1222—1254) festigte sich das kleine Staatswesen und
dehnte sich allseitig aus. Bald war das Kaiserreich von Nikäa wieder zu
solchem Ansehen in der internationalen Welt aufgestiegen, daß der
deutsche Kaiser Friedrich II. in seinem Kampf gegen das Papsttum
einen Bündnisvertrag mit Nikäa schloß und seine Tochter Konstanze
dem Kaiser von Nikäa zur Frau gab (1244?).
Erstaunlich war die Aufbauleistung des Kaisers Johannes III. Batatzes
im Innern. Er hat Verwaltung und Finanzen reformiert und alle seine
Sorgfalt an die Förderung des wirtschaftlichen Lebens gesetzt. Die
kaiserlichen Domänen wurden unter ihm zu Musterwirtschaften entwik-
kelt. So hat dieser Herrscher sich ein unvergleichliches Ansehen gewonnen.
Ein Beweis dieses Ansehens ist es, daß er ein halbes Jahrhundert nach
seinem Tode heilig gesprochen und seitdem als der „heilige Kaiser Jo-
hannes, der Barmherzige", verehrt wurde. Diese einzigartige Sonderstel-
lung in der langen Reihe der oströmischen Kaiser nähert diesen Herr-
scher den heiligen Königen aus dem Zeitalter der Christianisierung.
Sein Nachfolger, Theodoras II. Laskaris (1254—1258) war ein Mann
von ungewöhnlich vielseitiger Bildung, 'der unter seinen Zeitgenossen
und bei der Nachwelt sich als theologischer Schriftsteller Ruhm er-
worben hat. Während seiner kurzen Regierung (1254—1258) wurde
der Kaiserhof in Nikäa zum Mittelpunkt eines lebhaften geistigen
Lebens. Nach seinem Tode warf sich der Feldherr Michael Paläologos
durch einen Staatsstreich zum Regenten und schließlich nach der Er-
mordung des jungen Kronprinzen zum Kaiser auf: Michael VIII. (1261
bis 1282). Der neue Herrscher sah sich einer doppelten Aufgabe gegen-
über: Zunächst galt es noch immer, die abendländischen Angriffspläne,
die von Westen her drohten, zurückzuweisen. Dann handelte es sich
darum, die „gottbehütete Kaiserstadt" Konstantinopel zurückzugewinnen
und das oströmische Reich in seinem früheren'Umfang wieder herzustellen.
Zunächst schien es, als sollten die europäischen Besitzungen des Kaiser-
reiches von Nikäa dem Angriff einer großen Feindkoalition erliegen.
Der Hohenstaufe Manfred von Sizilien hatte sich mit dem Despoten
214 Michael Vili, und Karl von Anjou
von Epirus und dem Fürsten von Achaia zum Angriff gegen Michael VIII.
zusammengeschlossen. Aber diesem gelang es, in der Schlacht bei Pela-
gonia (1259) einen entscheidenden Sieg zu erringen. Damit waren die
westlichen Besitzungen gesichert.
Zwei Jahre später gelang dann auch die Rüdeeroberung Konstanti-
nopels fast ohne Schwertstreich. Zu einem Zeitpunkt, da der Großteil
der fränkischen Garnison zugleich mit der venezianischen Flotte von
Konstantinopel fern waren, bemächtigte sich der kaiserliche Heerführer
Alexios Strategopulos durch Handstreich der Stadt (25. Juli 1261). Am
15. August konnte Kaiser Michael in der alten Hauptstadt seinen feier-
lichen Einzug halten.
Die eigentliche Gefahr aber drohte vom Abendland. Im Jahre 1267
schloß Karl I. von Anjou, der im Jahre 1266 das staufische Erbe in
Unteritalien erobert hatte, im Einverständnis mit dem Papst zu Viterbo
ein Freundschaftsbündnis mit dem lateinischen Kaiser Balduin II. und
vereinbarte mit ihm die Teilung des zu erobernden oströmischen Reiches.
Michael VIII. hat gegen diese Gefahr die rechten diplomatischen Aus-
wege gefunden. Nach längeren Verhandlungen gewann er den Papst
durch die Zusage der kirchlichen Union, sich den Angriffsplänen des
Karl von Anjou zu widersetzen. Auf dem Konzil von Lyon (1274)
wurde diese Kirchenunion feierlich beschlossen. In Konstantinopel aber
führte der Versuch des Kaisers, die Union tatsächlich durchzuführen,
zu großen inneren Wirren. Gegen den Kaiser und den von ihm einge-
setzten unionsfreundlichen Patriarchen Johannes Bekkos stellte sich der
Großteil der griechischen Geistlichkeit. Daran ist schließlich auch diese
Union gescheitert — so wie alle ähnlichen Versuche vorher und nachher.
Nach einem neuen Wechsel auf dem Stuhle des hl. Petrus wurde die
von Westen drohende Gefahr wieder dringender. Der neue Papst
Martin IV., ein Franzose, ließ sich ganz und gar für die Politik Karls
von Anjou gewinnen. Mit seinem Einverständnis schlössen Karl und der
lateinische Titularkaiser Philipp, der Sohn Balduins II., mit der Republik
Venedig den Vertrag von Orvieto (1281) — „zur Wiederherstellung des
von dem Paläologen usurpierten römischen Imperiums". Der Papst ver-
urteilte den byzantinischen Kaiser, obwohl dieser sich noch immer zur
Union bekannte, als Schismatiker. Damit war die Unionspolitik Mi-
chaels VIII. gescheitert. Es drohte der Angriff einer großen abendländi-
schen Mächtekoalition. Michael VIII. war gegen diese Gefahr nicht
untätig geblieben.
Innerer Zerfall Ostroms 215
wesen aber erwies sich als zweischneidige Waffe. Wie weit es damit
gekommen war, zeigt am anschaulichsten die Rolle der Xatalanisdhen
Kompanie. Im Jahre 1302 wurden für die Bekämpfung der Türken
6500 katalanische Söldner angeworben. Die Katalanen unter ihrem
Führer Roger de Flor warfen die Türken rasch zurück und retteten die
Lage. Danach aber begannen die katalanischen Sieger die umliegenden
Landschaften durch Streifzüge zu Wasser und zu Lande unsicher zu
machen und auszuplündern. Dann unternahmen sie ihren großen Plün-
derungszug durch die europäischen Provinzen bis hinunter nach Mittel-
griechenland, wo sie in der Schlacht am Kephissos die Streitkräfte der
fränkischen Herrschaften besiegten (1311).
Der Erfolg dieses abenteuerlichen Unternehmens zeigte blitzartig, wie
die Verhältnisse im Osten standen. Dort herrschte damals ein Zustand
der Machtleere. Das Söldnerheer Ostroms konnte keinem Gegner mehr
Furcht einflößen. Die osmanischen Türken waren noch nicht zu einer
bedeutenden Macht aufgestiegen. Freilich war schon um 1300 fast das
gesamte Anatolien in türkischer Hand. Nur noch einige feste Plätze und
Hafenstädte ragten wie Inseln aus der türkischen Flut (Nikäa, Ni'ko-
media, Brussa, Sardes, Philadelphia, Magnesia, Smyrna, Phokäa, Heraklia).
Es entstanden eine Anzahl von türkischen Fürstentümern, unter denen
die Herrschaft Osmans in alten Bithynien zu besonderer Bedeutung ge-
langen sollte.
Im Jahre 1326 wurde das ausgehungerte Brussa von den Türken
Osmans erobert und zur Hauptstadt gemacht. Zwischen den vordringen-
den Serben und Osmanen wurde das oströmische Restreich ebenso wie
die fränkischen und byzantinischen Teilstaaten vollends zerriöben. Die
inneren 'Bürgerkriege zwischen Andronikos II. und Andronikos III.
machten eine Zusammenfassung der kümmerlichen Verteidigungskräfte
gegen die anstürmenden Feinde unmöglich. Im Jahre 1331 eroberten die
Türken Nikäa, im Jahre 1337 Nikomedia. Im Westen siegten die Serben
bei Wel'buschd (Küstendil) über die Bulgaren. Seitdem war Serbien die
erste Balkanmacht.
Auch die Finanzen waren im Verfall. Die Steuereinkünfte des Reiches,
die schon im Frühmittelalter rund 8 Millionen vollwertiger Goldstücke
(Nomismata) betragen hatten, sanken im 14. Jahrhundert auf rund
1 Million geringwertiger Goldmünzen herab. Die hohen Tributzahlungen,
mit denen sich das wehrlos gewordene Reich den Frieden von den feind-
lichen Nachbarstaaten erkaufen mußte, waren ein gefährlicher Aderlaß
Sozialrevolutionäre Bewegung der Zeloten 217
K a r t e 14
Aufstieg der ungarischen Großmacht 219
der Bulgarenzar Symeon (vgl. oben S. 124 f.) erreicht. Ohne Flotte war
jeder Angriff auf die „gottbehütete" Kaiserstadt von vorneherein zum
Scheitern verurteilt.
Mit dem Ende des großen Bürgerkrieges wurde die völlige Zerrüttung
des oströmischen Staatswesens offenkundig. Es gab keinen geregelten
Staatshaushalt mehr. Die Kronjuwelen mußten nach Venedig verpfändet
werden. Das Geld, das um 1350 der Großfürst von Moskau geschickt
hatte, um die Sophienkirche renovieren zu lassen, mußte für die Besol-
dung der türkischen Hilfstruppen verwandt werden. Ehemals waren die
wohlgeordneten Finanzen und die treffliche Verwaltung die Hauptpfeiler
oströmischer Macht gewesen. Beide Pfeiler waren eingestürzt. Die Steuer-
kraft war erschöpft, die Währung verfallen, die Staatskasse leer. Die Ver-
waltung aber war in völliger Auflösung.
*
D a s E r w a c h e n des Nationalbewußtseins
Das unbewußte Gefühl entfaltete sich zum klaren Bewußtsein, das dann
schon bald seinen Herrsdiafts- und Geltungsanspruch auf den gesamten
Bereich des politischen Lebens erweiterte. Das neue Bewußtsein fordert
kraft seines inneren Rechtes den Staat für sich. Mit dieser Steigerung des
Bewußtseins ging die Erweiterung des „Bewußtseinsraumes" Hand in
Hand. Immer größer wurde der Kreis jener Menschen, die von dem
neuen Nationalbewußtsein innerlich durchdrungen wurden. In früher
Vergangenheit war es mancherorts nur der Umkreis des Herrscherhauses,
dazu kam dann der Adel, später das städtische Bürgertum und schließlich
das gesamte übrige Volk.
In dieser vielfältigen Entwicklung vom Unbewußten zu klarer innerer
Bewußtheit heben sich drei große Stufen heraus: Volksgefühl — National-
bewußtsein — Nationalismus.
Das Volksgefühl ruht in dem allgemeinen, noch nicht bewußtseins-
mäßig geklärten Empfinden der eigenen zum Unterschied von der frem-
den Volksart. In der Geschichte tritt es häufig auf in der Form des Frem-
denhasses oder der Fremdenveraditung. Fremdenhaß liegt vor in der
älteren bewußtseinsmäßigen Scheidung von Tschechen und Deutschen,
Fremdenverachtung liegt vor in dem antiken Gegensatz zwischen Hellenen
und Barbaren. Dieses allgemeine Volksgefühl, das auf die Politik noch
keinen Einfluß hat, ist seit jeher allen Völkern eigen. Es ist mit der Her-
ausbildung unterschiedlicher Völker von selbst gegeben. Das abend-
ländische Mittelalter kennt viele Zeugnisse dafür.
In dem Nationalbewußtsein hat sich das Volksgefühl bereits zu einem
geklärten und gefestigten Bewußtsein fortentwickelt, das machtvoll in die
Politik eingreift. Die Ausdrücke Natio und Patria erscheinen als bedeu-
tungsschwere. Symbole des neuen Bewußtseins in der politischen Ausein-
andersetzung. Ob eine Politik gut oder schlecht sei, das wird nun danach
bewertet, ob und was sie der TJatio und der Patria, der Nation und
dem Vaterland nütze. Diese Bewußtseinsstufe wurde im Abendland erst
zu Ausgang des Mittelalters erreicht. Im Zeitalter des Humanismus, der
Reformation und der Gegenreformation hat das neue Nationalbewußt-
sein seine Ausprägung erfahren. Es war die Zeit der Emanzipation des
politischen Denkens von der bisherigen Vorherrschaft kirchlicher und
theologischer Ideen.
Der Nationalismus (Nationalstaatsgedanke) ist die geradlinige Weiter-
entwicklung des früheren Nationalbewußtseins. Zwei Dinge sind für
den neuzeitlichen Nationalismus charakteristisch und grenzen ihn von
16*
228 Nationalismus (Nationalstaatsgedanke)
Ludwig II. (1516 bis 1526), nach diesem gelangten 1526 die Habsburger
auf den ungarischen Thron.
So sind diese beiden Jahrhunderte des ausgehenden Mittelalters für
Böhmen-Mähren und für Ungarn-Kroatien das Zeitalter der fremd-
stämmigen Könige gewesen. In jedem der beiden Staaten gab es wäh-
rend zweier Jahrhunderte nur einen einzigen Herrscher aus eigenem
Stamme. Die Herrschaft fremder Könige lieferte der allgemeinen Unzu-
friedenheit mit dem übermächtigen deutschen Einfluß neuen gefährlichen
Zündstoff.
*
zum Stadtrichter gewählt werden und die Hälfte des Rates und der
Hundertmannen sollten Madjaren sein.
Schon im folgenden Jahre kam der nationale Gegensatz zu noch
schärferem Ausbruch. Als König Albrecht bei den ungarischen Ständen
Hilfe gegen die Türken beantragte, da forderten die madjarischen Prälaten
und Adeligen gesetzliche Vorkehrungen gegen den wachsenden Einfluß
der Fremden. Den Fremden sollten keine Ämter und Besitzungen mehr
übertragen werden. Die Pachtung von Staatseinkünften solle den
Madjaren vorbehalten bleiben, die Handelsfreiheit der Kaufleute solle
beschränkt werden. König Albrecht mußte gegenüber diesen national-
madjarischen Forderungen, die sich in erster Linie gegen die Deutsdien
richteten, nachgeben. Viele deutsche Beamte wurden aus hohen Stellungen
entfernt.
Bei den Thronkämpfen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
standen sich eine deutsche und eine nationalmadjarische Partei schroff
gegenüber. Die deutsche Partei hielt an den Habsburgern fest, die
Nationalmadjaren stellten sich diesen Bestrebungen mit leidenschaftlicher
Entschiedenheit entgegen.
Seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts wurde in Ungarn der Fremden-
haß, der sich vor allem gegen das mächtige und reiche Bürgertum der
deutschen Städte richtete, zu einer starken Strömung. W i e weit es
damit schon gekommen war, erwies sich auf den Reichstagen von 1492
und 1504. Die Beschlüsse der nationalmadjarischen Stände schränkten
damals die bisherigen Vorrechte der deutschen Bürgerschaft stark ein.
Die Häuser der madjarischen Prälaten und Barone in den Städten sollten
steuerfrei sein; den Bürgern wurde die Zwangseintreibung ihrer aus-
stehenden Guthaben bei den Adeligen erschwert; zugunsten der Adeligen
wurden Handels- und Bergrechte abgeändert; das bisher den städtischen
Bürgern zustehende Recht der Preisfestsetzung wurde beschränkt.
Auf dem ungarischen Reichstag von 1505 wurde unter dem Einfluß von
Johann Zäpolya der damalige Verfall ungarischer Macht auf die verderb-
liche Regierung fremder Fürsten zurückgeführt und es wurde der ein-
stimmige Beschluß gefaßt, in Zukunft nur einen Madjaren zum König
zu wählen und jedem fremden Thronbewerber erbitterten Widerstand
zu leisten. Dieser Beschluß richtete sich natürlich vor allem gegen die
Habsburger, deren Einfluß infolge der Heiratsverbindungen mächtig war.
Der Reichstag von 1523 brachte eine weitere Verschärfung der deutsch-
feindlichen Bestimmungen. Damals erging der Beschluß, alle Lutheraner
Deutsche Bürgerschaft und imadjarischer Adel 233
sollten mit dem T o d e bestraft werden und ihre Güter sollten eingezogen
werden. Dieser Beschluß richtete sich ausschließlich gegen die Deutschen;
denn unter den Madjaren gab es damals noch keine Anhänger der Refor-
mation. Zwei Jahre später, auf dem Reichstage zu Pest (1525), stellte der
nationalmadjarisdie Adel unter der Führung von Johann Zäpolya noch viel
maßlosere Forderungen gegen das Deutschtum; die deutschen Hofleute
und Unternehmer, wie die Fugger, sollten aus dem Lande vertrieben und
durch Madjaren ersetzt werden; der kaiserliche Gesandte solle aus
Ungarn ausgewiesen werden; alle Lutheraner, deren man habhaft würde,
sollten verbrannt werden! Als der König zögerte, diese Beschlüsse zu
bestätigen, kam der Kleinadel noch in demselben Jahre bewaffnet in
Hatvan zusammen und forderte erneut die Absetzung der deutschen
Hofbeamten, die Vertreibung der Fremden, die Ausweisung und Ver-
mögenskonfiskation der Fugger. Der letzte Reichstag (1526) vor dem
Türkeneinbruch faßte auch den Beschluß, alle Schuldverschreibungen an
Fremde sollten ungültig sein.
Nach der Katastrophe bei Mohäcs (1526) wählte die deutsche Partei
entsprechend den alten Erbverträgen den Habsburger Ferdinand von
Österreich zum König. Die nationalmadjarisdie Partei rief Johann Zä-
polya, der seit langem der Wortführer des madjarischen Kleinadels ge-
wesen war, zum König aus.
In den folgenden Jahrhunderten wurde das Bürgertum der deutschen
Städte durch den madjarischen Adel ständig weiter zurückgedrängt.
Seitdem das südliche und mittlere Ungarn unter türkische Herrschaft
geraten war, boten die deutschen Städte mit ihrem starken Mauerring
die beste Zuflucht. So flüchteten auch viele madjarisdie Adelsfamilien
in die deutschen Städte der Slowakei. Diese Zuwanderer forderten nun
kraft ihrer adeligen Sonderstellung gleichen Anteil an den Vorrechten
der Bürgerschaft und Einfluß auf die Stadtregierung, ohne aber sich den
Gesetzen und Lasten, die für die alteingesessene Bürgersdiaft galten,
unterwerfen zu wollen. Sie benutzten ihren vorherrschenden Einfluß im
ungarischen Landtag dazu, um durch neue Gesetze der Rechtsstellung
der deutschen Bürgerschaft Abbruch zu tun. Die ungarischen Landtags-
beschlüsse jener Zeit sind voll von Äußerungen der Abneigung gegen das
deutsche Bürgertum, dessen kulturelle und wirtschaftliche Überlegenheit
man als drückend empfand. Es wurde gefordert, von den Beamtenstellen
sollten alle Deutschen entfernt und durch gute Madjaren ersetzt werden.
Ein anderes Mal forderte die nationalmadjarisdie Partei, der König solle
234 Tschechen und Deutsche
nur Madjaren in seinen Rat berufen. Man verwahrte sich dagegen, daß
in Angelegenheiten Ungarns Entscheidungen in der „deutschen Kanzlei"
getroffen würden. Die deutschen Söldner sollten von ungarischem Boden
verschwinden. Die madjarischen Truppenaufgebote sollten nur madjari-
schen Hauptleuten unterstehen und nur an die ungarischen Landesgesetze
gebunden sein. Solche Forderungen hielten den madjarisch-deutschen
Gegensatz stets leibendig.
*
stets in den Verband des Deutschen Reiches. Die Tschechen haben wäh-
rend des ganzen Mittelalters in dieser Reichszugehörigkeit keine politische
Demütigung gesehen. Im 12. Jahrhundert erwähnt ein tschechischer Ge-
schichtsschreiber mit Stolz, der böhmische Herzog Sobeslav I. sei der
beste und treueste Freund des Kaisers, er sei es, der die Gegner des
Romanum Imperium unter die Herrschaft der Kaiser Lothars II. und
Konrads II. gebeugt habe. Nicht an der Oberhoheit des Deutschen Rei-
ches nahmen die Tschechien Anstoß, sondern an der massenhaften Ein-
wanderung deutscher Siedler im Zuge der großen deutschen Ostkoloni-
sation. Aus dieser Abneigung gegen die deutschen Kolonisten erwuchs
bald ein fanatischer Deutschenhaß. Schon in der „Chronik der Böhmen"
des Pragers Dekans Kosmas zu Anfang des 12. Jahrhunderts findet sich
ein interessanter Beweis für den Deutschenhaß. Kosmas erzählt: Herzog
Spitignev (10. Jahrhundert) halbe sich bereits am ersten Tage seiner
Herrschaft ein großes und für alle Jahrhunderte unvergängliches Denk-
mal gesetzt, indem er innerhalb von drei Tagen alle Deutschen — Arme
und Reiche — aus dem Lande Böhmen vertrieb. Kosmas wirft den Deut-
schen auch Hochmut und Aufgeblasenheit vor, sowie ihre Verachtung der
Slawen und der slawischen Sprache. Die Erwähnung der Frage, mit wem
der bischöfliche Stuhl von Prag im Jahre 1068 besetzt werden sollte, ist
für Kosmas ebenfalls Anlaß, seiner Abneigung gegen die Deutschen
kräftigen Ausdrude zu verleihen: „Denn so ist die menschliche Natur,
daß ein jeder, in welchem Lande es auch sei, nicht nur sein eigenes mehr
als ein fremdes Volk liebt, sondern auch wenn er könnte, die fremden
Flüsse in sein Vaterland ulmlenken würde." Daher sei den Tschechen
ein Hundeschwanz oder ein Eselskot auf dem Prager Bischofsstuhl lieber
als der Sachse Lancze. — Aus solchen Zeugnissen wird ersichtlich, wie
früher schon auf dem heißen doppelvölkischen Boden Böhmens sich an
der Abneigung gegen ein fremdes Volkstum das Bewußtsein der be-
sonderen eigenvölkischen Art entfaltete.
Aus der Zeit der Marchfeldschlacht (1278) haben wir wieder ein wert-
volles Zeugnis des Volksgefühls; einen „Brief" an Polen, der vielleicht von
einem Tschechen verfaßt wurde. Darin wird eingangs betont, daß die
Polen den Tschechen am nächsten verwandt und ihnen durch gleiche
Sprache und gleiches Blut verbunden seien. Böhmen sei überdies ein
Schutz und Bollwerk für Polen. Breche dieses Bollwerk zusammen, dann
würde sich der unersättliche Schlund der Deutschen noch weiter öffnen,
in ihrer frechen Gier würden sie ihre dreisten Hände bis nach Polen
236 Reimchronik des Dalimil
ausstrecken und mit größter Härte das Land unter das Joch der Knedit-
schaft beugen.
Bald darauf erlebt der Fremdenhaß seine stärkste Steigerung in der
alttschechischen Reimchronik des Dalimil (14. Jahrhundert). Sie ist ein
erschütterndes Zeugnis dafür, wie früh dieses Völkchen vorwiegend
aus einer verkrampften Abwehrhaltung gegen das große deutsche Nach-
barvolk heraus zu leben, zu denken und zu hassen begann. Unter diesem
starren Blickwinkel wurde nun die gesamte nationale Vergangenheit um-
gedeutet. Der Grundgedanke dieser ganzen Chronik ist der Gegensatz
zwischen Deutschen und Tschechen. Der Tscheche Dalimil betrachtete
auch das Kaisertum nicht mehr als universale Weltherrschaftsform, die
es in der politischen Theorie jener Zeit ja immer noch sein wollte, son-
dern als völkische, deutsche, den Tschechen seit jeher feindliche Zwing-
herrschaft. Die Aufgabe der böhmischen Politik müsse es sein, den
deutschen Einfluß abzuwehren. Demgemäß fällt Dalimil sein Werturteil
über die altböhmischen Herrscher der Vergangenheit je nach der Stellung,
die sie zu den Deutschen eingenommen haben. Schon am Anfang der
tschechischen Geschichte soll die sagenhafte Fürstin Libusdia dem
tschechischen Volke geweissagt haben, wenn ein Fremder König würde,
dann werde sich die tschechische Sprache nicht lange behaupten können.
Dalimil überschlägt sich geradezu in seinem Deutschenhaß. So wird zur
Verherrlichung des altböhmischen Herzogs Sobeslav II. eine blutrünstige
Greuelgeschichte erzählt: Dieser Fürst soll allen Deutschen, deren er
habhaft wurde, selbst die Nase abgeschnitten haben. W e r von seinen
Untertanen einen Schild voll deutscher Nasen brachte, erhielt als Belohnung
100 Mark. Diese Greuelgeschichte erzählt der tschechische Chronist im
Tone nationaler Genugtuung zum größeren Ruhme des bömischen Her-
zogs. So geht es durch die ganze Chronik hindurch. Und sie klingt aus in
die Mahnung an den damaligen böhmischen König Johann (1306 bis
1346) — einen Deutschen — , er solle keine Fremden in das Land lassen
und die einheimische Sprache sprechen.
lerisch schlau wie Füchse benehmen, dann aber wie Löwen herrschen
wollen, so daß die Einheimischen schließlich genötigt sind, sie wie Hunde
zu verjagen.
Die Fürsten sollen so klug sein, diese verächtlichen Ameisen im Sommer
ihre Vorräte sammeln zu lassen, um ihnen diese im Winter wieder abzu-
nehmen und sie aus dem Lande zu vertreiben. Vor dieser deutschen
Gefahr sollten sich alle Völker in acht nehmen: Madjaren, Dalmatiner,
Polen, Russen, Böhmen, Mährer, Kroaten, Engländer, sowie alle Slawen
und die Bewohner aller anderen nichtdeutschen Länder. Mit solcher
Warnung sdiließt die tschechische Schmähschrift des 14. Jahrhunderts.
*
Stimme erhebt, brüllt wie das Rind. Dem Baiern widersteht die Sprache
des Sachsen, wie dem Stein das Rauschen der Wellen, denn er versteht
sie ebensowenig wie eine Nachteule eine Elster. Sächsische Worte, süße
und herbe, erfaßt der Baier nur im Schlaf, oibwohl man beide mit gutem
Grund Deutsche nennen darf." Die Tapferkeit der Deutschen gegenüber
den Italienern wird hervorgehoben. Gegensätze zu dem Tschechentum
wenden kurz angedeutet: Schon im Jahre 1318, zu Zeiten des Königs
Johann, hat man in Böhmen von tschechischer Seite das Gerücht ausge-
streut, der König wolle alle Tschechen aus dem Lande vertreiben, damit
das Land ganz ausschließlich den Deutschen gehöre. Der deutsche Chro-
nist erledigt diese tendenziöse Nachricht mit der kurzen Bemerkung, es
sei ein „falsches Gerücht" gewesen. Dabei fällt kein Wort von einer
Beschimpfung. Der Chronist versucht sogar die feindliche Einstellung der
Tschechen zu rechtfertigen: es sei natürlich, so bemerkt er, daß kein
Volk Zuwanderer aus einem fremden Volke gut vertrage.
Die Gegenüberstellung dieser kurzen sachlichen Bemerkungen der
deutschen Chronik über das Tschechentum und der maßlosen Be-
schimpfungen der tchechischen Chronik gegen das Deutschtum bestätigt,
was wir schon wissen: die Deutschen waren Oberschicht im Lande. Sie
hielten es nicht für nötig, den von der tschechischen Unterschicht kommen-
den Angriffen überhaupt zu antworten. Dieses Verhältnis von deutscher
Oberschicht und tschechischer Unterschicht sollte sich jedoch bald ändern
durch die große nationalkirchliche Revolution des Hussitismus.
Kapitel 16
D e r H u s s i t i s m u s : die n a t i o n a l k i r c h l i c h e Revolution
der T s c h e c h e n
kam es zum Verhör vor dem Konzil. Man forderte von Hus das Bekennt-
nis, geirrt zu haben, Abschiwörung seiner Irrtümer, öffentlichen Widerruf
und die Annahme der Gegenlehre. Hus erklärte, er könne nicht Sätze
widerrufen, die er nie behauptet habe, das verbiete ihm sein Gewissen.
Darauf wurde er am 6. Juli 1415 verurteilt und nodi am gleichen Tage
vor dem Tore der Stadt Konstanz verbrannt. Johannes Hus, der sidi im
Verlaufe des ganzen Prozesses als aufrechter Charakter erwiesen hatte,
bewährte seine unverzagte Seelenhaltung auch im Angesicht des Todes.
Er ist auf dem Scheiterhaufen tapfer gestorben.
*
Die Nachricht von der Verbrennung des Hus rief in den böhmischen
Landen eine ungeheure Aufregung hervor. Ein großer Teil des tschechi-
schen Adels schickte eine Protestschrift an das Konzil. Darin hieß es, die
Verurteilung des Hus sei „zur dauernden Schmach und zum Brandmal für
Böhmen und Mähren" geschehen. Nachdem Hus nun als Märtyrer seiner
religiösen Überzeugung gestorben war, wurde sein Name ein politisches
Programm. Die Partei der böhmischen Kirchenreformer nannte sich nun
nicht mehr „Wiclifiten" sondern „Hussiten". Zugleich kamen zwei
andere Bezeichnungen auf: Utraquisten und Kalixtiner. Hus hatte zuletzt
auch den Gedanken gebilligt, das Abendmahl sei unter beiden Gestalten
(sub utracjue specie), d. h. als Brot und Wein den Gläubigen zu spenden.
Daher wählten nun die „Hussiten" den Kelch (calix) zum kirchlichen
Symbol ihrer Reformbestrebungen. Man nannte sich Utraquisten oder
Kalixtiner.
Dieser kirchlich-revolutionären Bewegung, die in den böhmischen Lan-
den rasch wie ein fressendes Feuer um sich griff, stellte sich nun alles ent-
gegen, was an der alten Kirche festhalten wollte, im Adel, in der Ritter-
schaft, in den Städten. Als Führer dieser altkirchlich-katholischen Partei
ging das böhmische Königtum im Auftrag des Konzils an die gewaltsame
Unterdrückung des Hussitismus. Hussitisdhe Beamte und Geistliche wur-
den aus ihren Stellungen entfernt. 1419 erhielt die Prager Neustadt einen
ausschließlich katholischen Rat. Als diese katholischen Räte noch im glei-
chen Jahre eine hussitische Prozession störten und verhöhnten, brach der
Aufruhr aus. Die Hussiten stürmten das Neustädter Rathaus und warfen
sieben katholische Ratsherren zum Fenster hinaus auf die Spieße der be-
waffneten Volksmenge. Dies war das Zeichen zum allgemeinen Aufruhr,
zunächst in Prag, dann im ganzen Lande. An diesem Tage wurde der
Hussitenkriege 245
das Heer einen Angriff von allen Seiten gegen Graben und Mauern.
Trotzdem die Einwohner der Stadt flüssiges Pech und siedendes Wasser
auf die Angreifer schütteten, drangen die Prager von der einen, die Ta-
boriten von der anderen Seite in die Stadt und Burg ein und begannen
einen Raubzug durch diese, wobei sie soviel Reichtümer nahmen, wie nie
vorher irgendwo. Alle Männer der Stadt wurden ermordet oder verbrannt,
nur etwa dreißig zurückgelassen, die die Toten zu begraben hatten. Und
sie begruben mehr als 3500, nicht mitgerechnet die verbrannten Krieger,
Bürger, Priester und Juden. Die feindseligen Taboritenweiber begingen
ein schreckliches Verbrechen. Sie führten die Frauen und Mädchen, die
ihre Männer und Väter beweinten, vor die Stadt, nachdem sie ihnen freien
Abzug versprochen hatten; draußen angekommen, beraubten sie sie aber
vorerst ihrer Kleider, ihrer Wäsche, ihres Geldes und aller anderen ihrer
mitgenommenen Habe, sperrten sie in eine Weinberghütte und verbrann-
ten sie, nicht einmal der Schwangeren schonend.
Gegen solche Greueltaten wandte sich überall die öffentliche Meinung.
So war es möglich, daß ein Kreuzzug gegen die böhmischen Ketzer ver-
kündet werden konnte. Nachdem aber auch dieses von dem päpstlichen
Legaten Cesarini geführte Heer von den Hussitten geschlagen wurde (bei
Taus 1431), ließ sich das Baseler Konzil zu Verhandlungen herbei. Die
innere Uneinigkeit der hussitischen Bewegung machte eine Verständi-
gung möglich. Die Hussiten hatten sich schon von Anfang an in zwei
Gruppen aufgespalten. Neben die gemäßigten „Utraquisten", die auch
„Kalixtiner" oder „Prager" genannt wurden, trat die radikale Partei der
„Taboriten"', geführt von Ziska (Zizka). Die gemäßigten Hussiten ge-
lang es nun durch das Zugeständnis des Laienkelches („Prager Kompak-
taten" 1433) für die Rüdkkehr in die alte Kirche zu gewinnen. Die „Ta-
boriten", die diesen Friedensschluß verwarfen, erlitten bald darauf im
Kampfe gegen die Utraquisten und Katholiken eine vernichtende Nieder-
lage (Schlacht bei Lipan 1434).
Damit war das Zeitalter der Hussitenkriege zuEnde.DieKompaktaten
wurden auf dem Landtage zu Iglau von den böhmischen Ständen bestätigt
und von König Sigismund beschworen, dem daraufhin die Stände als
ihrem König huldigten. So kehrten die böhmischen Lande wieder in den
Verband des Deutschen Reiches zurück.
Freilich waren die böhmischen Wirren dadurch nur vorübergehend
beigelegt worden. Die Versuche König Sigismunds und seines Nach-
folgers Albrecht II. (1437—1439), die den Hussiten gewährten Zugestand-
Peter Ghdoidcy 247
nisse wieder rückgängig zu machen, scheiterten, aber auch der Versuch des
Königs Georg von Podiebrad ( 1 4 5 8 — 1 4 7 1 ) , eines Utraquisten, in gutem
Einvernehmen mit dem deutschen Nachbarn die Kompaktaten gegen den
Willen des Papstes zu behaupten. D e r katholische tschechische Adel
und Matthias Corvinus von Ungarn brachte sein Königtum zu Falle.
Mähren und Schlesien fielen für zwei Jahrzehnte an Ungarn, Böhmen
kam unter Wladislaw II. den Jagellonen und war schwächer als j e zuvor
oder nachher.
Nach allen kirchlichen Wirren erwies sich die Rückkehr zu den Kom-
paktaten als die einzig mögliche Lösung. Ein Landtag zu Kuttenberg
(1485) bestätigte die Kompaktaten und ein Reichstag von 1512 gewährte
den Katholiken und den Utraquisten kirchliche Gleichberechtigung. Aber
schon ein Menschenalter später brach die böhmische Kirchen frage erneut
in blutigem Zwist aus.
*
Die Reformation
es geradezu so, daß die Reformation als Erbin des Hussitismus auftrat.
Die Fortentwicklung des Hussitismus mündete unmerklich in den breiten
Strom der Reformation ein. In Böhmen flössen beide Bewegungen schon
um die Mitte des 16. Jahrhunderts zusammen. Die gemäßigten Hussiten,
die sich selber Neo-Utraquisten nannten, übernahmen die Gedanken
Luthers, und die Lutheraner gaben sich, um dem gegenreformatorischen
Druck auszuweichen, als Neo-Utraquisten aus. So wird es der historischen
Betrachtung schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts nicht mehr mög-
lich, eine klare Unterscheidungslinie zwischen beiden Bewegungen zu
erkennen.
*
Schon sehr früh griff die deutsche Reformation auch auf die Südslawen
über. Die österreichischen Alpenländer gingen rasch zur neuen Lehre
über und mit ihnen die in den innerösterreichischen Ländern (Kärnten,
Krain und Steiermark) siedelnden Slowenen. Mit den reformatorischen
Schriften in ihrer slowenischen Muttersprache wurden sie versorgt von
dem schwäbischen Buchdrucker Primus Jrubar, der meistens in Tübingen,
teilweise auch in Urach, Regensburg, Laibach und Wittenberg druckte.
Damals wurde auch eine vollständige slowenische Bibelübersetzung aus
der Feder von Georg Dalmatin veröffentlicht. Sie wurde 1584 zu Witten-
berg auf Kosten der Stände von Steiermark, Kärnten und Krain gedruckt.
Wie aus diesem Beschluß ersichtlich wird, ging das Deutschtum dieser
Gebiete, das in den Städten die Mehrheit hatte, in der Förderung der
Reformation mit den Slowenen völlig zusammen. In demselben Jahre wie
die slowenische Bibelübersetzung erschien auch die erste slowenische
Grammatik von Adam Boboric, einem Schüler Melanchtons. Durch diese
und zahlreiche andere slowenische Schriften, die alle mit der Reformation
in Zusammenhang standen, wurde eine eigene slowenische Schriftsprache
überhaupt erst geschaffen. Ihre lexikalische und grammatische Grund-
lage war die unterkrainische Mundart, die von Tru'bar, Dalmatin und
Bohoric gesprochen wurde. Diese Schriftsprache, die Errungenschaft der
deutschen Reformation, überdauerte auch den baldigen Sieg der habs-
burgischen Gegenreformation. Die Jesuiten, die überall von der Arbeits-
weise der refoimatorischen Prediger zu lernen wußten, haben diese
Schriftsprache bewußt benutzt und weiterentwickelt.
Zu der Zeit, da die Reformation auf ihrem Höhepunkt stand — also
am Vorabend der habsburgischen Gegenreformation — dachten Trubar,
andere Slowenen und die Stände der innerösterreichischen Länder,
namentlich die von Krain, sogar daran, in Verbindung mit den Kroaten
den ganzen slawischen Balkan bis nach Konstantinopel hinab für die
Reformation zu gewinnen. Als allgemeine balkanische Schriftsprache
versuchte man einen kroatischen Dialekt zu benutzen (überwiegend das
Tschakawische).
17 Stadtmüller, Geschichte Süd Osteuropas
258 Reformation bei den Kroaten
Die Erregung über seine Hinrichtung und über seine kirchliche Verur-
teilung war allgemein und wirkte noch lange nach. Noch zwei weitere
orthodoxe Synoden mußten sich mit der Bekenntnisschrift des Lukaris
beschäftigen: die Synode von Jassy (1642) und die Synode von Jerusa-
lem (1672). Auf der letzteren Synode, die zusammenfassend die kalvi-
nischen Lehren behandelte, setzte Patriarch Dositheos von Jerusalem als
Entgegnung auf die Schrift des Lukaris eine eigene Bekenntnisschrift auf.
Um wenigstens die Ehre des ökumenischen Patriarchenthrones zu retten,
hat man auf dieser Synode auch versucht, die Verfasserschaft des Lukaris
zu bestreiten.
Schließlich griff die Auseinandersetzung um die dogmatischen An-
schauungen des Kyrillos Lukaris auf die gesamte Ostkirche über. So
können wir schon im 17. Jahrhundert den Wellenschlag der Reformation
bis nach Palästina und Ägypten hinüber verfolgen. Der Nachfolger des
Lukaris, Patriarch Kyrillos Kontaris schloß im Jahre 1638 ein Schreiben
an den Patriarchen von Alexandria mit mahnenden Worten: „Ich habe
nur den Wunsch, daß Eure Seeligkeit die Führer der Häresie Luther und
Calvin gemäß den kirchlichen Kanones verfluche und anathematisiere,
ebenso wie ihren Anhänger Kyrillos Lukaris, der die häretischen Kapitel
schrieb." Dieses Beispiel zeigt, in welche Ferne die geistige Bewegung
der deutschen Reformation hinaus gewirkt hat: bis nach Vorderasien
und Ägypten hinüber.
*
Der Höhepunkt der deutschen Reformation liegt nach der Mitte des
16. Jahrhunderts. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts setzte
dann die große Gegenbewegung der alten Kirche ein: die Gegenrefor-
mation, geleitet von dem neugegründeten Orden der Jesuiten.
Xapitel 18
K a r t e .1,6
Osmanische Eroberung Südosteuropas 265
von Tirnowo 1393 und von Widin 1396) und die Serben (Schlacht auf
dem Amselfelde [Kosovopolje] 1389) wurden besiegt und unterworfen.
Das ehemalige oströmische Weltreich schrumpfte zu einem kläglichen
Rumpfstaat zusammen, der sich nur mehr mit zweifelhaften diplomati-
schen Praktiken zu behaupten wußte, und der sein in der europäischen
Staatengemeinschaft immer noch zäh fortlebendes Ansehen eigentlich nur
der stolzen Tradition einer großen Vergangenheit verdankte. Nach einem
kurzen Rückschlag infolge des Mongoleneinfalls in Kleinasien (Schlacht
bei Ankara 1402) setzte dann der zweite große Stoß osmanischer Macht-
ausbreitung ein. Auch die restlichen Landschaften der Balkanhalbinsel
wurden unterworfen. Nur Konstantinopel, die größte Festung der mittel-
alterlichen Welt, konnte sich noch dank seines gewaltigen Mauerringes
halten. Erst 1453 wurde es durch eine neue Erfindung der Zeit — das
Pulvergeschütz — bezwungen. Damit traten die osmanischen Eroberer
machtpolitisch und bald auch kulturell und ideologisch das Erbe der ost-
römischen Weltmacht an.
*
Die Wurzeln der Kraft des altosmanischen Staates — zugleich die Ur-
sachen des meteorhaften politischen Aufstiegs — sind die angeborene
Tapferkeit der Osmanen, die Militärverfassung, die einerseits auf dem
militärischen Lehenssystem, andererseits auf dem Janitscharentum be-
ruhte, die absolute monarchische Staatsführung und schließlich die von
Byzanz übernommene Reichsverwaltung.
Die osmanischen Türken, wie alle Nomaden, haben von Natur aus
eine angeborene Kriegslust und Tapferkeit und einen ausgesprochenen
politischen Machtinstinkt. In den Persönlichkeiten der altosmanischen
Eroberersultane, die ihr Leben im Feldlager zubrachten, wird dies be-
sonders offenkundig.
Das militärische Lehenswesen (das Timar-System), das stark beeinflußt
ist durch das Vorbild des spätbyzantinischen Lehenswesens, war die
Grandlage der Wehrkraft des Reiches. Nach der Eroberung des Landes
wurde der Boden in größere und kleinere Lehen (drei Größenklassen
Cbass, Ziamet, 7imar) aufgeteilt. Der Lehensträger war zur Heeres-
folge mit einem der Größe seines Lehens entsprechenden Aufgebot an
Bewaffneten verpflichtet. Die kleinsten Güter stellten einen einzigen
Bewaffneten, die größeren mehrere. Die Lehensinhaber in Küsten- und
Inselgebieten mußten eine, entsprechende Anzahl Matrosen zur Reichs-
flotte stellen. Die Mobilmachung dieser Lehens- und Flottenmilizen, die
in altosmanischer Zeit den Großteil der Wehrmacht bildeten, ging sehr
schnell vor sich. Auch der ¡militärische Wert dieser Truppen war ur-
sprünglich recht bedeutend.
Schon damals nahmen die riesigen Militärdomänen großer Provinz-
statthalter stellenweise einen Umfang an, der dem Reich hätte gefährlich
werden können. So besaß die türkische Familie der Michaloghlu an der
Donau gewaltige Ländereien mit zahlreichen Erbschlössern. In Serbien,
Bulgarien und sogar in der Walachei hatte sie eine solche Machtstellung,
daß dort nichts ohne ihr Einverständnis oder ihre Mitwirkung geschah.
In ihrer Hand waren die festen Plätze der Grenzmark an der unteren
268 Lchenstruppen und Janitsdiaren
Der altosmanische Staat in der Zeit der großen Eroberersultane (15. bis
16. Jahrhundert) ist das klassische Beispiel eines zweischichtigen Staates.
Die Reichsbevölkerung bestand aus einer politisch bevorrechteten Herren-
schicht und aus einer politisch rechtlosen Unterschicht. Die erstere umfaßte
die Muslims, d. h. alle Bekenner der islamischen Religion, gleichgültig
welchen Volkstums und welcher Abstammung sie waren. Als Angehörige
der herrschenden Oberschicht waren sie steuerfrei und durften Waffen
tragen. Sie allein bildeten die politische Reichsnation. Unter ihnen und
von ihnen durch einen Abgrund sozialer, rechtlicher und wirtschaftlicher
Unterschiede getrennt, lebten als politisch rechtlose Unterschicht die
Nichtmuslims, die Rajab, gleichgültig welchem Volkstum und welcher
Volkskirche zugehörig. Sie mußten Kopf- und Grundsteuer zahlen. Das
Waffentragen war ihnen verboten.
Die Osmanen kümmerten sich im Sinne des islamischen Fremden-
rechtes grundsätzlich nicht um die inneren Verhältnisse der unter-
worfenen Völker, sondern überließen diese sich selbst. Mohammed II.
bestätigte nach der Eroberung Konstantinopels (1453) den byzantinischen
Patriarchen, der nun unter osmanischer Herrschaft zugleich die Aufgabe
erhielt, alle orthodoxen Religionsgemeirtden des osmanischen Reiches
zu leiten, nicht nur die Griechen, sondern auch die Bulgaren, Serben und
Rumänen. Die Nationalitäten hatten unter osmanischer Herrschaft durch-
aus erträgliche Verhältnisse. Handel, Wirtschaft und Kultur erlebten
einen Aufstieg. Das 16. Jahrhundert war eine glänzende Blütezeit für den
gesamten Balkan. Die Balkanvölker hatten sich in jener Zeit mit der
altosmanischen Herrschaftsordnung abgefunden. Es kam damals nicht
zu Aufständen. Etwaigen revolutionären Bewegungen hätten allerdings
auch die Führer gefehlt. Die alle fünf Jahre stattfindende Aushebung der
Christenkinder nahm den besten Teil des Nachwuchses, der zur Führung
des Volkes berufen gewesen wäre, hinweg.
Gesellsdiaftsaufbaiu und Rechtspflege
Für die Bulgaren, Serben, Bosnier und Albaner bedeutete die os-
manische Herrschaft eine soziale Nivellierung, ja Prknitivisierung. Der
alte Feudaladel, der ehedem die politische Führerschicht gewesen war,
ging entweder zum Islam über — so in Albanien und Bosnien — oder er
verschwand, d. h. er flüchtete oder wurde ausgerottet — so bei den Bul-
garen und Setiben —, seine Stelle nahmen türkische Lehensträger ein. Der
abgestufte Gesellschaftsaufbau der spätmittelalterlichen Balkanstaaten
wurde durch diese Beseitigung des Adels eingeebnet. So kam es, daß die
Balkanvölker als rein bäuerliche Völker, ohne eine adelige Oberschicht,
ohne Bürgertum, ohne Intelligenz in das Zeitalter der nationalen Frei-
heitsbewegungen eintraten. Anders vollzog sich diese Entwicklung bei den
Rumänen, wo sich der alte Bojarenadel erhielt, aber kulturell durch die
Gräzisierung überfremdet wurde und mit dem Verlust seiner politischen
Funktion zu einer feudalen Parasitenschicht entartete, sowie bei den
Griechen, die kein bäuerliches, sondern ein Handel und Schiffahrt trei-
bendes Volk sind, und die, gestützt auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit,
auch in der Bürokratie des Reiches eine bedeutsame Rolle spielten
(Phanarioten).
In den lokalen Autondmien der Berglandschaften und Inseln behauptete
sich auch das balkanische patriarchale Volksrecht. Die osmanischen
Eroberer halben auf den Balkan ihr eigenes Recht mitgebracht. Es war
das heilige Recht des Islam flikb), das sie bereits in Anatolien über-
nommen hatten. Die altosmanischen Sultane errichteten eine straffe staat-
liche Organisation der Rechtspflege, es wurde ein hierarchisch geordneter
Richterstand mit einheitlicher Ausbildung geschaffen. Ein hoher Staats-
beamter, der oberste Mufti, der den Titel Scheidt-ül-Jslatn führte, hatte
für die Befolgung des heiligen Gesetzes im öffentlichen Leben zu sorgen,
über wichtige Staatshandlungen gab er sein Gutachten (7etwa) ab,
ob diese im Einklang standen mit dem heiligen Gesetz. Da das heilige
Recht natürlich nur einen gewissen Teil der Rechtsfragen (Sozialverhält-
nisse, Strafrecht) erschöpfte, erließen die Sultane über die übrigen
Rechtsfragen besondere Reichsgesetze (Xanun-TJameb).
Dieses osmanische Reichsrecht — heiliges Recht und Reichsgesetze —
galt nicht für die inneren Verhältnisse der Rajahvölker. Diese lebten
nach dem kanonischen Recht ihrer Volkskirche oder — in den Auto-
nomien— nach ihrem alten Gewohnheitsrecht. Dieses Gewohnheits-
recht der patriarchal-gentilen Stämme weist auf dem Gesamtbalkan so
weitgehend übereinstimmende Züge auf, daß man von einem gesamt-
272 Volksrecht. Orientalisierung
fHÜ Türken-Viertel
IS'fol Bulgaren- ••
HB Duden-
t=S Z i g e u n e r - ••
Das türkische Sofia (1879) ISSM Armenier- -
(nach Wilhelmy) E S Gärten
500 m
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Karte 17
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Belgrad
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•1 l^Konstantinopelj,
jlsmanen
(Turksn)
K a r t e 18
Türkische und albanische Siedhingsausbreitimg 277
Karte 19
280 Übergang der Wanderhirten zum Ackerbau
Nach der Eroberung Ungarns ging im 16. und 17. Jahrhundert der
Kampf der Osmanen um die Behauptung und Erweiterung des ge-
wonnenen Gebietes. Wien war das erstrebte Ziel. Auf dem Wege dorthin
entschied sich im Kampf zwischen Habsburg und den Osmanen das
Zerreißung Ungarns 281
Der zweite große Gegner des osmanischen Reiches war die Seemacht
Venedig. Das venezianische Levantereich hatte selbst den Sturm der türki-
sdien Eroberung ziemlich gut überstanden. Während des 15. Jahrhunderts
waren nur einige Plätze verlorengegangen (so das wichtige Negroponte
im Jahre 1470). Die Großzahl der Inseln des Ägäischen Meeres, vor allem
das reiche Kreta, blieben bis in das 17. Jahrhundert unangefochten in
venezianischem Besitz. Dort entwickelte sich ebenso wie auf den jonischen
Inseln jene merkwürdige venezianisch-griechische Mischkultur, deren
Spuren sich der Sprache und dem Landschaftsbilde unverlierbar ein-
geprägt haben. Noch heute sieht mah an den griechischen Küsten und auf
den griechischen Inseln vielerorts die Zeichen der venezianischen Herr-
schaft und des venezianischen Einflusses. An den großen Hafenplätzen
stehen noch die alten venezianischen Kastelle. Vielfach trifft man noch
venezianische Barockkirchen, die dann äußerlich den Bedürfnissen des
orthodoxen Gottesdienstes angepaßt wurden. Manche Städte zeigen
venezianische Bauweise mit einer viereckigen Piazza in der Mitte, wo
sich das öffentliche Leben abspielt. Die neugriechische Sprache hat in
zahlreichen italienischen Lehnwörtern noch die Zeichen und Spuren der
Venezianerherrschaft bewahrt. Bezeichnenderweise handelt es sich dabei
überwiegend um Ausdrücke der Schiffahrt. Die in der griechischen Volks-
sprache abgefaßte Literatur besteht in älterer Zeit größtenteils aus Über-
setzungen oder Bearbeitungen italienischer Dichtungen. Auf dem venezia-
Abstieg Venedigs 283
nischen Kreta hat die neugriechische Literatur damals ihre erste Blütezeit
erlebt. Dort hat Xornaros unter venezianischem Einfluß das berühmte
Epos „Erotokritos" gedichtet, das dann eine solche Verbreitung und An-
erkennung erlangte, daß man es geradezu den neugriechischen Homer
nennen könnte.
Mit dem Aufstieg der Osmanen geriet Venedig zwangsläufig in Gegen-
satz zu der neuen Macht. Solange seine Herrschaft zur See unbestritten
blieb, konnten die Osmanen nicht gefährlich werden. Die klugen Kauf-
leute und Diplomaten von Venedig haben es im Gegenteil verstanden,
sich mit den Osmanen in gutes Einvernehmen zu setzen. Anders wurde
dies, als die Osmanen sich im 16. Jahrhundert eine große Seemacht
schufen. Damals schlössen sich Venedig und Spanien zur See zusammen.
1571 siegte die vereinigte spanisch-venezianisch-päpstliche Flotte in der
Seeschlacht bei Lepanto (Naupaktos) über die osmamsche Flotte. Für
einige Zeit war damit die osmanische Gefahr abgewendet. Aber im 17.
Jahrhundert begann es dann doch stark von dem venezianischen Ko-
lonialreich abzubröckeln. D a und dort fielen Plätze und Inseln in die Hand
der Osmanen. Dann kam es nochmals zu einer großen Machtprobe
zwischen beiden Staaten: zum langjährigen Krieg um den Besitz der Insel
Kreta (1645—1669). Die Osmanen blieben Sieger. Im Jahre 1669 er-
oberten sie die Hauptstadt Kandia. Damit war der Abstieg Venedigs be-
reits besiegelt. Einige Jahrzehnte später hat es nochmals im Bunde
mit Habsburg versucht, die verlorenen griechischen Besitzungen zurück-
zugewinnen. Es ist nur auf kurze Zeit gelungen. Im 18. Jahrhundert war
das ehemalige venezianische Kolonialreich auf die Restbesitzungen am
Adriatischen und Jonischen Meer zusammengeschrumpft. Napoleon hat
dann dem venezianischen Staat überhaupt ein Ende gemacht.
*
Schon zu Mitte des 17. Jahrhunderts waren die Zeichen des drohen-
den Machtverfalles innerhalb des osmanischen Reiches unverkennbar.
Dann setzte nochmals auf ein Menschenalter eine Erneuerung des Reiches
ein. Sie war das W e r k der Wesire aus der Familie der Köprülü (die
„Restauration der Köprülü"). Mohammed Köprülü, der nach einer aben-
teuerlichen Laufbahn schließlich zum Großwesir aufstieg, hat während
der fünf Jahre ( 1 6 5 6 — 1 6 6 1 ) , da er die Macht in Händen hielt, die
Selbständigkeitsbestrebungen der Provinzstatthalter und des Provinz-
adels gebrochen, durch die Siege gegen Venedig und Siebenbürgen die
284 Restauration und Abstieg der osmanisdien Madit
Grenzen gesichert und im Innern sogar den Versuch gemacht, gegen die
Verschwendungssucht des Serais und des Harems einzuschreiten. Sein
Sohn und Nachfolger Achmed wurde der Eroberer Kretas (1669) und
Podoliens (1672) und der Erneuerer des Bündnisses mit Frankreich.
So bezeichnete das Ende des 17. Jahrhunderts nochmals einen Höhe-
punkt osmanischer Macht. Emeut wagten damals die Osmanen den
Angriff auf Wien. 1683 erschienen sie mit einem gewaltigen Heeresauf-
gebot vor der Stadt. Aber diese Belagerung scheiterte und endete durch
das Eingreifen eines Entsatzheeres aus deutschen und polnischen Truppen
mit einer schweren türkischen Niederlage. Der deutsche Gegenstoß drang
in den folgenden Jahren bis an die Karpaten vor. Der Friedensschluß
von Karlowitz (1699) brachte dem osmanischen Reiche den Verlust des
ganzen mittleren Donauraumes, der dem habsburgischen Gesamtstaat
einverleibt wurde. Damit war der Abstieg der osmanisdien Weltmacht
besiegelt.
Xapitel 19
Die Gegenreformation.
Leitung dieses Feldzuges saß in Rom, sein Vortrupp war der neugegrün-
dete Orden der Jesuiten. Die festen Stützpunkte, von denen diese Rück-
eroberung ausging, waren die Gymnasien, Kollegien und Hochschulen
der Gesellschaft Jesu.
Freilich richtete sich dieser Felidzug nicht nur und nicht in erster Linie
gegen die deutsche Reformation. Vielmehr war er nur eine von verschie-
denen Äußerungen jener gewaltigen inneren Erneuerungsbewegung, durch
die es der alten Kirche gelang, sich der bisherigen Mißstände zu ent-
ledigen, ihre Verfassung zu straffen und ihre Kräfte neu zusammenzu-
fassen, um dann nach außen wieder allseitig erobernd auszugreifen: gegen
den Protestantismus als Gegenreformation, gegen die Orthodoxie als
Kampf für die Kirchenunion, gegen den Islam und das Heidentum in den
neuentdeckten überseeischen Ländern als Missionstätigkeit. Alle diese
Erscheinungen gesteigerter Lebenskraft der alten Kirche sind nur die
verschiedenen Seiten jenes einen großen Schauspiels der katholischen
Restauration.
Endergebnis und Leistung der Gegenreformation waren — vom Stand-
punkte der alten Kirche her gesehen — gewaltig. Zwar blieben England
und die nordischen Länder verloren. Aber Deutschland, das fast ganz
protestantisch gewesen war, wurde beinahe zur Hälfte zurückgewonnen,
vor allem die westlichen und südlichen Landschaften. Ähnlich wurde in
Ungarn der Protestantismus zurückgedrängt. In Frankreich, Böhmen und
Polen sowie bei den Slowenen wurde die Sache der Reformation bis auf
unbedeutende Reste völlig vernichtet. In Spanien und Italien waren die
schwachen Ansätze reformatorischen Ideeneinflusses schon am Anfange
unterdrückt worden. Und überall, in den behaupteten und in den zurück-
gewonnenen Gebieten, wuchs eine neue Generation heran, die der kirch-
lichen Sache in unbedingter Anhänglichkeit zugetan war.
Zu diesen großen äußeren Erfolgen der Gegenreformation wirkten vor
allem zwei Faktoren zusammen: die innere Kirchenreform und der neu-
gegründete Orden der Jesuiten. Die Befreiung der Kirche von den ihr
anhaftenden Mißständen war seit Jahrhunderten Wunsch und Sehnsucht
der 'Besten gewesen. Der bedenkliche Sittenverfall des kirchlichen Lebens,
der im ausgehenden Mittelalter vielerorts um sich griff, hat immer wieder
die Forderung nach einer inneren Kirchenreform laut werden lassen. Die
„Gravamina der deutschen Nation" hatten die Forderung erhoben. Kon-
zilien und Synoden hatten sich damit beschäftigt. Geschehen aber war
nichts. Die Reformation zwang nun zu Reformen. Das Konzil von Trient,
Konzil von Trient 287
auch zu ihrem Sturz. Im 18. Jahrhundert mußte der Orden auf Drängen
der Regierungen von Portugal, Spanien und Frankreich durch den Papst
aufgehoben werden (1773).
Das Zeitalter der Gegenreformation umfaßt in der gesamteuropäischen
Geschichte das Jahrhundert von 1547—1648, vom Ende des Schmalkal-
dischen Krieges bis zum Westfälischen Frieden. Der Schmalkaldische
Krieg (1546—1547) hatte zum ersten Male die katholische Partei wieder
im siegreichen Vordringen gezeigt, der Westfälische Friede (1648) be-
endigte das im Dreißigjährigen Krieg mit den Waffen ausgetragene
Ringen zwischen Reformation und Gegenreformation. Damals bildete
sich zwischen beiden Mächten in Deutschland und in Europa endgültig
jener Gleichgewichtszustand heraus, der dann blieb und erstarrte.
In Südosteuropa dauerte das Vordringen der Gegenreformation noch
ein Jahrhundert länger an. In dem Großteile Ungarns und in Sieben-
bürgen konnte die Gegenreformation erst zu Ende des 17. Jahrhunderts
einsetzen, als diese Gebiete, die bis dahin unter türkischer Herrschaft
gestanden hatten, an das habsburgische Reich kamen.
*
cjnisten" an Zahl und Bedeutung bald sehr zusammen. So trat das Luther-
tum das eigentliche Erbe des Utraquismus an.
Der habsburgische König Ferdinand I. (als König von Böhmen 1526
bis 1564) war nicht gewillt, der kirchlichen Neuerung in seinen Ländern
irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Ein Schreiben an Johann von
Pernstein sprach dies klar aus (1539): Er, der König, wolle in Böhmen
nur zwei Bekenntnisse dulden: Katholizismus und Utraquismus, in den
übrigen Provinzen aber nur den Katholizismus. Der übertritt vom Katho-
lizismus zum Utraquismus sei für alle, insbesondere jedoch für die Hof-
leute verboten. Das Luthertum und das gesamte übrige Sektenwesen
werde unter keiner Bedingung zugelassen werden. Die Irrlehre, daß jeder
nach seinem eigenen freien Ermessen glauben und leben könne, lehne er
unerbittlich ab. Hier sehen wir noch einmal ganz klar die Formulierung
des alten Standpunktes: aus der mittelalterlichen Verbindung von Kirche
und Staat ergibt sich die Ablehnung der neuen Forderung nach Glaubens-
freiheit des einzelnen. Im Zusammenhang mit der angeführten Äußerung
sprach König Ferdinand auch das düstere Wort aus, er werde seine
eigenen Kinder hassen, wenn sie vom rechten Glauben abfielen..
Freilich zu einer gewaltsamen Unterdrückung der Reformation in
Böhmen war damals die Zeit noch nicht gekommen. Da die reformato-
rische Partei zu mächtig war, wagte es der König nicht, an die heikle reli-
giöse Frage zu rühren. Er beschränkte sich darauf, Wenzel Mitmanek,
den Führer des Neo-Utraquismus, des Landes zu verweisen (1544).
Im Schmalkaldischen Kriege (1546—1547) verweigerten die böhmischen
Stände ihrem König die Stellung von Hilfstruppen gegen die befreundeten
protestantischen Fürsten. Der Sieg des Kaisers bei Mühlberg entschied
damit auch gegen sie. Ein zeitgenössischer Chronist erzählt, auf die Nach-
richt vom Siege der katholischen Partei sei oben in der Prager Burg von
den katholischen Deutschen das T e Deum, unten in der Prager Stadt von
den neo-utraquistiscihen Tschechen das Requiem gesungen worden. Die
böhmischen Stände mußten ihrem König erneut huldigen. Die Stadt Prag,
die bis zuletzt Widerstand leistete, wurde schwer bestraft. Sie verlor alle
ihre Privilegien und Einkünfte, schwere Steuerlasten wurden ihr auf-
gebürdet. Ähnlich ging es zahlreichen anderen Städten. Fünfunddreißig
Herren und Ritter wurden angeklagt und zu leichteren oder schwereren
Strafen verurteilt, die meisten verloren einen Teil ihrer Güter. Einige
vornehme Herren wurden auf dem Hradschin hingerichtet. Andere konn-
ten sich durch die Flucht retten. So waren durch das königliche Straf-
19 Stadtmüller, Geschichte Südosteuropas
290 Anfänge der Gegenreformation in Böhmen
weniger als 1200 zur „Confessio Bohemica", aber diese waren ohne zu-
sammenfassende kirchliche Organisation und in sich durdb scharfe Gegen-
sätze zwischen Lutheranern, Kalvinern und „Brüdern" aufgespalten. 200
utraquistische Pfarreien unterstanden dem utraquistischen Administrator,
200 römisch-katholische Pfarreien dem Erzbischof von Prag. So zeigte
es sich, daß die utraquistische Konfession, die noch vor einem Menschen-
alter in Böhmen vorgcherrscht hatte, in der Auseinandersetzung zwischen
Katholizismus und Protestantismus mehr und mehr zerrieben wurde.
Mittlerweile war auf den Jesuitenschulen eine neue Generation heran-
gewachsen, die mit der Gegenreformation vollen Ernst machte. Die ade-
ligen Jesuitenschüler wurden als Grundherren die Förderer der Rekatholi-
sierung auf ihren Gütern. Durch den Eifer katholischer Adelsfamilien
wurden nun auch draußen auf dem Lande Jesuitenklöster gegründet. Mit
ihnen suchten die wiedererstarkenden Klöster der alten Orden zu wett-
eifern. So war die alte Kirche schon zu Ausgang des 16. Jahrhunderts
wieder in sichtlichem Vordringen. Der in zahlreiche Richtungen aufge-
spaltene Protestantismus war durch das Fehlen einer einheitlichen kirch-
lichen Organisation in hoffnungsloser Unterlegenheit.
Die Zeit schien reif für den entscheidenden Feldzug gegen den Pro-
testantismus. Schon im Jahre 1584 entwarf der päpstliche Nuntius
Malaspina den Plan, das geistige Leben sei durch strenge Bücherzensuren
zu überwachen, die katholischen Pfarreien und Klöster seien durch kaiser-
liche Visitationen zu überprüfen. Mittelpunkt des katholischen Geistes-
lebens müsse die Prager Universität sein. Daher solle entweder die von
den Utraquisten beherrschte alte Karls-Universität (Carolinum) im katho-
lischen Sinne erneuert oder es solle die Akademie der Jesuiten zu einer
Volluniversität ausgebaut werden. „Pikarden" und Lutheraner sollten
aus dem Lande verwiesen, die Utraquisten zur Union mit Rom genötigt
werden.
Die große Prager Diözesansynode von 1605 glich bereits einer Heer-
schau des siegreich vorrückenden Katholizismus, während ringsum die
Nichtkatholiken in die Verteidigung gedrängt waren und um ihren Be-
stand zu ringen hatten. Im Jahre 1602 war es zu einer erneuten und
dieses Mal noch schwereren Verfolgung der böhmischen Brüder gekom-
men. Schulen und Bethäuser wurden geschlossen, die Prediger vertrieben.
Damals verfaßte Wenzel Budowetz von Budow, der geistige Führer der
Brüderunität, eine Schrift zu deren Verteidigung, die dem Kaiser unter-
breitet wurde. Durch das Eintreten der böhmischen Stände für die Sache
Entscheidungsschlacht am Weißen Berge (1620) 293
der Brüderunität wurde auch erreicht, daß die offizielle Verfolgung auf-
hörte. Im kleinen ging freilich auf den herrschaftlichen Gütern die Re-
katholisierung weiter.
Im Jahre 1609 haben die Stände dann dem Kaiser Rudolf den be-
rühmten Majestätsbrief abgerungen, durch den in gewissen Grenzen die
Glaubensfreiheit verbürgt wurde. Den evangelischen Utraquisten wurde
darin die Universität und das utraquistische Konsistorium zugesprochen.
Dem Lande sollte durch den „Majestätsbrief" der religiöse Friede wieder-
gegeben werden, aber gerade aus dem Streit um seine Auslegung ent-
wickelten sich bald Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und
Protestanten, die schließlich zum Dreißigjährigen Kriege führten und von
Böhmen aus ganz Mitteleuropa in Flammen setzten.
Der Streit über die Auslegung drehte sich darum, ob zu den „königlichen
Gütern", auf denen protestantische Kirchen gebaut werden durften, auch
die geistlichen Güter gehörten. Die konfessionellen Gegensätze ver-
schärften sich. 1617 kam es an einem Ort zur Schließung, an einem
anderen Ort zur Niederreißung einer protestantischen Kirche. Beide
Kirchen standen auf geistlichem Boden. Nach katholischer Auffassung lag
hier keine Verletzung des „Majestätsbriefes" vor. Die Protestanten sahen
jedoch darin einen Bruch des kaiserlichen Versprechens. Im ganzen Lande
entstand eine ungeheure Erregung. In Prag kam es zum Aufruhr. Zwei
katholische oberste Landesbeamte, denen man die Schuld ziuschob, wur-
den auf der Prager Burg aus dem Fenster gestürzt (1618). Der katholische
Erzlbischof mußte fliehen, die Jesuiten wurden vertrieben.
Dieser „Prager Fenstersturz" war der äußere Anlaß zu dem furcht-
baren Dreißigjährigen Kriege. Die böhmischen Stände wählten den
protestantischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum König. Aber
schon 1620 wurde das böhmische Heer am Weißen Berge westlich von
Prag von den kaiserlichen Truppen geschlagen.
Das war das Ende der böhmischen Eigenstaatlichkeit. Der mit dem
Hussitismus anhebende nationaltschechische Versuch, das böhmisch-
mährische Kernland Mitteleuropas aus dem Rahmen des Deutschen
Reiches herauszureißen und sich unter Verleugnung der ganzen früheren
Entwicklung geistig, politisch und wirtschaftlich abzusondern, dieser Ver-
such, der das politische Bewußtsein des tschechischen Volkes seit zwei
Jahrhunderten erfüllt hatte, war nun durch den Gang der Ereignisse end-
gültig widerlegt worden.
Zunächst brach ein furchtbares Strafgericht über die Böhmen herein.
294 Rekatholisierung iii Böhmen
Der Kaiser und König entschied sich entgegen dem Rat einsichtiger
und maßvoller Männer, die eine vorsichtige Politik friedlicher Rekatholi-
sierung empfahlen, für die Anwendung gewaltsamer Maßnahmen. Die
nichtkatholischen Bekenntnisse wurden schrittweise verboten und unter-
drückt. Der Herrscher zerschnitt eigenhändig den „Majestätsbrief" von
1609. Unmittelbar nach dem Sieg am Weißen Berge wurden alle Prediger
der Kalviner, der evangelischen Utraquisten und der Brüderunität, gleich-
gültig welchen Volkstums sie waren, durch kaiserlichen Befehl des
Landes verwiesen. Im Jahre 1622 mußten dann auch die deutschen
lutherischen Geistlichen das Land verlassen, obwohl der sächsische Kur-
fürst nachdrücklich dagegen Verwahrung einlegte. Es folgte die Vertrei-
bung der Schulmeister. Dann wurden 1624 alle freien Bürger durch ein
kaiserliches Qeneralpatent vor die W a h l gestellt, entweder katholisch zu
werden oder innerhalb einer kurzen Frist auszuwandern. Den unfreien
„Untertanen" blieb sogar dieser Ausweg der Auswanderung verschlossen.
Im Jahre 1627 wurde dann auch der Adel vor die Entscheidung zwischen
Auswanderung und Ubertritt gestellt. Insgesamt sind damals rund 30 0 0 0
Familien aus den böhmischen Landen ausgewandert. D i e meisten wand-
ten sich nach Sachsen und Schlesien. Diese böhmischen „Exulanten" be-
schäftigten im 17. Jahrhundert zahlreiche Buchdruckereien in Zittau,
Dresden, Halle, Wittenberg/Magdeburg, Berlin, Amsterdam sowie einige
in der ungarischen Slowakei mit dem Druck von tschechischen Büchern.
Unter den „Exulanten" befand sich auch der große tschechische Schrift-
steller Johann Arnos Comenius ( 1 5 9 2 — 1 6 7 0 ) .
Katholische Generalaktion 295
vertrieben und an ihre Stelle traten die vorzüglichen Schulen der Jesuiten
und Piaristen. Diesen vermochte der zusammengeschrumpfte und er-
schöpfte Protestantismus auch dann nichts Ebenbürtiges mehr entgegen-
zustellen, als sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts wieder eine Mög-
lichkeit zu freier Betätigung eröffnete.
rang war für den Gedanken, die Einheit des religiösen Bekenntnisses
durch staatliche Maßnahmen der Rekatholisierung zu verwirklichen, kein
Raum. Die Idee der Reichseinheit stand diesem Böhmen, der in seinem
eigenen Lebenswege die beiden sich grimmig befehdenden Bekenntnisse
durchschritten hatte, höher als alle kirchlichen Erwägungen. Es war dies
eine der Ursachen, aus denen die Entfremdung zwischen Wallenstein
und seinem kaiserlichen Herrn erwuchs.
Wallensteins Traum und Sehnsucht von einer starken deutschen
Reichsgewalt ging nicht in Erfüllung. Der Dreißigjährige Krieg und der
unwürdige Westfälische Friede (1648) bedeuteten im Gegenteile den
endgültigen Todesstoß für den alten Reichsgedanken. Zwei fremde
Großmächte drangen tief in das Reich ein: Frankreich am Rhein, Schwe-
den an der Ostsee. Das Haus Österreich — domus Austriae, wie es seit
jener Zeit heißt — zog sich nun mehr und mehr auf seine Hausmacht
zurück und wandte alle Kräfte dem Ausbau seines Donaustaates zu.
*
nisdien Königs Johann Sobieski und unter dem Kommando des Herzogs
Karl von Lothringen heran und befreite durch den Sieg am Kählenberge
die schwer bedrängte Stadt von der türkischen Gefahr. Bei dieser Be-
lagerung von Wien zeigte sich nochmals die Stärke des gesamtdeutsdien
Reichsbewußtseins in glanzvoller Weise — über den trennenden Graben
Führung ist zu Ende des 17. Jahrhunderts der ganze mittlere Donau-
raum — das geschichtliche Großungarn — zurückerobert worden. Durch
den Sieg bei Zenta (1697) wurden die Osmanen genötigt, im Frieden
von Karlowitz (1699) die Abtretung Ungarns zuzugestehen.
Der Widerhall dieser ruhmvollen Waffentaten im Südosten des Rei-
ches war überall ungeheuer. Truppenteile aus allen Stämmen kämpften
in Ungarn mit, seit 1686 haben sich besonders die Brandenburger aus-
gezeichnet. Das Bewußtsein der nationalen Einheit aller Deutschen ist
damals — erst ein Menschenalter nach dem furchtbaren religiösen
Bruderkrieg — gegenüber dem äußeren Feind wiederum mächtig auf-
gelebt.
Die Rückeroberung Ungarns bedeutete eigentlich schon den Abschluß
in der Herausbildung des habsburgischen Donaustaates. Das weite Ge-
biet bis an die siebenbürgisdien Karpaten und das Eiserne Tor, ja zeit-
weilig noch darüber hinaus (Nordserbien, Kleine Walachei), wurde
diesem habsburgischen Gesamtstaate eingegliedert. Eine Anzahl neuer
Völker wurden damit Randvölker des Reiches: die Serben in Südungarn,
die Rumänen in Siebenbürgen, die Ukrainer in „Oberungarn" (Karpaten-
Ukraine). Der Schwerpunkt des Gesamtstaates verlagerte sich aus den
österreichisdien Erbländern in den ungarischen Raum. An diesem Bilde
des habsburgischen Donaustaates haben die beiden folgenden Jahr-
hunderte nur weniges geändert (1772 Erwerbung Galiziens, 1774 bzw.
1775 Erwerbung der Bukowina, 1878 bzw. 1908 Erwerbung von Bosnien
und Herzegowina).
*
320 Absolutistische Wirtsdhafts- und Siedhrngspolitik
Andererseits suchte man die eigenen Grenzen streng gegen jede Aus-
wanderung zu verschließen.
Die Gründe jener absolutistischen Siedlungspolitik des 18. Jahr-
hunderts waren rein wirtschaftlicher Art. Die Siedlungspolitik war frei
von irgendwelchen nationalistischen Bestrebungen, sie war weiter nichts
als „Menschenökonomie". Nationalistische Zielsetzungen traten in der
Siedlungspolitik erst im 19. Jahrhundert hervor. Daß die Kolonisten,
die in den drei genannten Staaten angesiedelt wurden, zum ganz über-
wiegenden Teile Deutsche waren, hatte seinen Grund nicht in einer be-
wußt nationalpolitischen Auswahl, sondern in der Tatsache, daß deutsche
Siedler wegen ihres größeren Fleißes und wegen ihrer höheren Kultur
mehr bevorzugt wurden. Von ihnen vor allem erwartete man eine
Hebung der Landeskultur und des allgemeinen Wohlstandes. Daneben
wurden aber auch andersvölkische Kolonisten angesetzt. In dem alten
Südungarn, das durch die habsburgische Siedlungspolitik des 18. Jahr-
hunderts bevölkert wurde, fand sich geradezu eine Mustersammlung
der verschiedenartigsten Nationalitäten zusammen. Neben den Deut-
schen, Madjaren und Serben, den drei Grundelementen der Bevölkerung
gab es dort: Kroaten, Albaner, Bulgaren, Rumänen, Ukrainer, Slowaken,
Tschechen, Franzosen, Italiener, daneben noch die Splittergruppen der
Bunjewatzen und Schokatzen. Alle diese Nationalitäten fanden sich
auf einem Räume, der nicht größer ist als die Provinz Schlesien. An
einem solchen Beispiel erweist es sich, daß die absolutistische Siedlungs-
politik die Siedler aus jedwedem Volkstum nahm, woher sie zu be-
kommen waren.
auf Schiffen die Donau hinunter. Als Siedler bevorzugte man zunächst
katholische Deutsche, weil an deren Staatstreue von vornherein kein
Zweifel bestand. W o diese nicht in genügender Anzahl verfügbar waren,
zog man später auch protestantische Deutsche herbei. Die Deutschen
wurden auch weiterhin als Kolonisten wegen ihres Fleißes bevorzugt.
Allerdings sprachen bei dieser Begünstigung des deutschen Elementes
auch politische Erwägungen mit. Durch eine deutsche Kolonistenbevöl-
kerung auf ungarischem Boden wollte man ein Gegengewicht schaffen
gegen die in Wien als Unbotmäßigkeit empfundene madjarische Forde-
rung voller Eigenstaatlichkeit. So hatte schon Kardinal Kollonitsch in
seinem „Einrichtungswerk des Königreiches Ungarn" den Zuzug deut-
scher Kolonisten gefordert „damit das Königreich oder wenigstens ein
großer Teil desselben nach und nach germanisiert werde und das hun-
garländische zu Revolutionen geneigte Geblüt mit dem teutschen
temperiert werde".
Auch nichtdeutsche Bauern wurden in den menschenleeren Wüsteneien
Südungarns angesiedelt: Slowaken, Ukrainer, Rumänen, Kroaten, Tsche-
chen, in vereinzelten Fällen sogar Italiener, Franzosen und Spanier. So
bildete sich auf dem jungen Kolonialland ein buntes Mosaik vieler
Völkerschaften heraus. Die kleineren dieser Volksgruppen sind in den
folgenden Menschenaltern durch Einschmelzung in den umwohnenden
stärkeren Volksgruppen aufgegangen. Aber auch nadi dieser Ein-
schmelzung blieb das Bild der Volkstumskarte noch buntfarbig genug.
an. So entstand durch Waldrodung, die noch das ganze 18. Jahrhundert
hindurch fortdauerte, ein breiter deutscher Siedlungsboden, um den sich
noch zahlreiche kleinere deutsche Streusledlungen gruppierten. Audi
zwei Klöster hatten dort großen Anteil an der Ansiedlung deutscher
Kolonisten: die Benediktinerabtei Martinsberg (Pannonhalma) und die
Zisterzienserabtei Zirc, deren Mutterkloster Heinrichau in Schlesien
ebenfalls Siedler nach Ungarn sandte. Die deutschen Siedler im ungari-
schen Mittelgebirge stammten aus verschiedenen Landschaften: Schwa-
ben, Baiern, Österreich, Steiermark, Kärnten, Schlesien, Mähren.
Der Aufstand des Fürsten Räköczy (1703) und die folgenden Kämpfe
bedeuteten eine schwere Störung des Siedlungswerkes. Erst nach dem
Frieden von Sathmar (1711) kam es wieder in Fortgang. In den folgen-
den Jahren stimmten sogar die ungarischen Stände neuen kolonisten-
freundlichen Gesetzen zu. Gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts er-
reichte dann der Kolonistenzustrom seinen Höhepunkt. Seit 1734 wurden
die evangelischen Bauern aus den Ostalpenländern nach dem Südosten
„transmigriert". Dann wurde die Einwanderung zwar durch den öster-
reichischen Erbfolgekrieg (1741—1748) unterbrochen, setzte aber danadi
im verstärkten Maße wieder ein. Nach dem Hubertusburger Frieden
(1763) erfolgte dann ein nochmaliges Ansteigen des Kolonistenzustroms.
Die folgenden anderthalb Jahrzehnte waren die große Zeit der theresia-
nischen Kolonisation, die auch auf die neuerworbenen Provinzen Galizien
(1772) und Bukowina (1775) ausgriff.
Unter Joseph II. (1780—1790) nahm der Zustrom deutscher Siedler
nach Ungarn ab. Zwar suchte auch dieser Kaiser durch verschiedene
Maßnahmen (Aufhebung der Leibeigenschaft und Ansiedlungspatent
1781) die Staatskolonisation in Ungarn, für die hohe Aufwendungen
gemacht wurden, zu fördern, aber die neuen Provinzen Galizien und
Bukowina zogen nun die Auswanderungslustigen dorthin. 1786 wurde
die Staatskolonisation eingestellt, seitdem blieb die Siedlung der privaten
Initiative überlassen. Auch ihre Leistung in Galizien und der Bukowina
blieb erstaunlich. Uber das ganze Land hin entstanden blühende deutsche
Bauerndörfer, in den Städten wuchs ein wohlhabendes deutsches Bürger-
tum auf. In der Bukowina trug die Ansiedlung der Deutschen großen-
teils gewerblichen Charakter. Die dortigen deutschen Siedlungen ent-
standen vielerorts um Bergwerke, Glashütten und Salzsiedereien. Die
Wachstumsspitzen dieser großen deutschen Siedlungsausbreitung griffen
über die Karpaten hinüber. Seit dem Anfang des 18. Jahrunderts ent-
326
Zwei Gruppen des ungarländisdien Deutschtums 327
standen in den Städten der Moldau und der Walachei wieder Kolonien
deutscher Handwerker und Kaufleute.
*
Des Kaisers politisches Ideal war ein von Wien aus straff regierter
Einheitsstaat, worin alle Völkerschaften des weiten Reiches unter deutscher
Führung friedlich zusammenleben sollten. Diese bewußte Förderung des
deutschen Elementes und die Erhebung des Deutschen zur allgemeinen
Amtssprache ließ im Bewußtsein der anderen Völker die Gefahr der „Ger-
manisierung" auftauchen. In Wirklichkeit war dem Kaiser jedoch das Be-
streben zu germanisieren, durchaus fremd, weil es dem politischen Denken
des Aufklärungszeitalters überhaupt noch unbekannt war. Auch die ein-
schneidenden Reformen Josephs II. waren nur ein Mittel zur staatlichen
Machtsteigerung. Durch den Aufbau einer zentralistischen Verwaltung,
durch die Zerschlagung der ungarischen und böhmischen Eigenstaatlich-
keit und durch die Erhebung des Deutschen zur alleinigen Amtssprache,
sollten alle inneren Grenzlinien ausgelöscht, alle zwischenvölkischen Rei-
bungen beseitigt werden. Die deutsche Amtssprache, die Dynastie und
das Heer sollten den Vielvölkerstaat zusammenhalten.
Diese zentralistische Politik Josephs II. ist an den Madjaren ge-
scheitert. Der Widerstand, auf den die kaiserlichen Reformen in Ungarn
stießen, war um so gefährlicher, als die Madjaren schon seit langem in
ihren Auseinandersetzungen mit Habsburg auswärtige Bundesgenossen
— die Türkei, Frankreich, Schweden oder Preußen — zu gewinnen
wußten. Die madjarischen Revolutionäre — sie selbst nannten sich
„Freiheitskämpfer", in Wien sprach man von „Rebellen" — fanden
ihren Rückhalt fast immer an einer auswärtigen Macht. Mit dem
Hervortreten des österreichisch-preußischen Gegensatzes rissen die poli-
tischen Fäden zwischen Preußen und Ungarn nicht mehr ab. In den
nationalmadjarischen Widerstandsbewegungen gegen Habsburg spielte
die preußische Gesandtschaft in Wien oft eine größere Rolle als der
madjarische Landtag in Preßburg und später in Budapest. In der
preußischen Gesandtschaft liefen häufig die Fäden zusammen, und von
dort aus wurde die nationale Unzufriedenheit der Madjaren geschürt.
Aus dem Gegensatz gegen Habsburg ist damals in madjarischen
Magnatenkreisen wiederholt der Gedanke aufgetaucht, den preußischen
König zum apostolischen König von Ungarn zu wählen. Da dieser aber
nicht recht geneigt schien, die ungarische Krone anzunehmen, hat man
einmal auch daran gedacht, Karl August von Weimar, den Gönner
Goethes, zu wählen. Er hat ebenfalls abgelehnt.
In Wien war man immer gut im Bilde über die Sonderbestrebungen
der „malkontenten" Madjaren. Doch die ständige preußische Inter-
332 Sieg der ungarischen Eigenstaatlichkeit
Damit entstand die Gefahr, daß die großen Lehen, die mitunter ganze
Landschaften umfaßten, sich, wie in der deutschen Geschichte, zu Terri-
torialherrschaften weiterentwickelten. Gegenüber der landschaftlichen
Machtstellung solcher Magnaten, in deren Hand auch mehr und mehr
die Provinzverwaltung geriet, vermochte sich die Zentralgewalt in den
einzelnen Provinzen nicht mehr voll durchzusetzen. Seit dem Anfange
des 17. Jahrhunderts begann der Einfluß der Zentralgewalt in den
Provinzen nahezu völlig zusammenzubrechen, und die Rebellionen der
Provinzstatthalter wurden fast zur Regel.
Das osmanische Reich war eine absolute Militärdespotie, aufgebaut
auf dem Zusammenwirken der unbeschränkten Sultansmacht mit dem
Sklavengehorsam der Untertanen. In einem solchen Staate hängt alles
davon ab, daß der Despot ein wirklicher Herrscher ist, der mit kraft-
voller Hand die Zügel des Reiches führt. Die ältesten Sultane waren
solche Herrschergestalten gewesen, die Abgötter ihrer Soldaten. Ihr
Leben spielte sich draußen im Feldlager ab. Aber schon die Sultane
nach Süleiman II. hatten nichts mehr gemeinsam mit jenen wahr-
haft weltgeschichtlichen Persönlichkeiten, welche die Größe und Macht-
stellung des osmanischen Reiches begründet hatten. Es waren Schatten-
herrscher, die ihr Leben im Harem und in den weiten Palastgärten des
Serai zubrachten. Eine rassische Entartung der Sultansdynaistie ist unver-
kennbar. Am meisten dazu beigetragen haben wohl die überfeinerte
Zivilisation des Sultanshofes, die verweichlichend wirken mußte, und
das ausschweifende Haremsleben. So kam es, daß bei den Nachkommen
der großen Sultane ausgesprochene Verfallserscheinungen feststellbar sind.
Einer von ihnen war geradezu blödsinnig und konnte nur zusammen-
hangloses Zeug stammeln, so daß man in sein sinnloses Gestammel sogar
inspirierte Orakel hineindeuten konnte.
Daß unter solchen Schattenherrschern ein Vielvölkerreich, das seinem
ganzen Aufbau nach auf despotisch strenge Führung angewiesen war, in
schlimmste Unordnung, ja in Chaos und Anarchie geraten mußte, war
unvermeidlich. Die Verwaltung wurde korrupt und unzuverlässig. In den
Provinzen lockerte sich die straffe osmanische Herrschaftsordnung.
Rebellionen ehrgeiziger Statthalter und Revolten unbotmäßiger Truppen-
teile wechselten sich ab. Infolge der ständigen Finanznöte mußte die
Steuerschraube immer unbarmherziger angezogen werden. Dagegen
regte sich die Erbitterung der unterworfenen christlichen Völker, deren
nationales Selbstbewußtsein wieder zu erwachen begann. Die Armee
336 Verfall der Janitscharentruppe
verfiel, der Sollbestand stand nur noch auf dem Papier. Das Janitscharen-
korps, dieser Kern der Armee, verlor seinen Elitecharakter. Es wurde eine
Prätorianergarde, die der eigenen Regierung gefährlicher ward als dem
äußeren Feind. Die schwache Zentralgewalt, entnervt durch das -Weiber-
und Eunuchenregiment des Harems, ließ sich von den Janitscharen und
anderen Gewalten vielfach deren Willen aufzwingen. So verweigerten
schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts die Janitscharen vor Beginn eines
Feldzuges offen den Gehorsam. Der damalige Sultan (Osman II.) wurde
von ihnen entthront, eingekerkert und schließlich erdrosselt (1622). Im
Jahre 1648 wurde dann wiederum ein Sultan (Ibrahim I.) unter An-
wendung „staatsrechtlicher" Formen von den Janitscharen im Zusammen-
wirken mit den Spahis und Ulema abgesetzt und dann getötet. Infolge
dieser inneren Anarchie, die im 18. Jahrhundert immer schlimmer wurde,
reichten die Kräfte des osmanischen Reiches nach außen bestenfalls aus,
um den von den großen Eroberersultanen errungenen Besitzstand zu
verteidigen.
schicht heran, die dem Sultan unbedingt ergeben war. Dieses System der
Janitscharenheranbildung, eine der Grundlagen osmanischer Macht, ge-
riet nun im Verlaufe des 17. Jahrhunderts auch in Verfall. Die Aus-
hebung von Christenkindern und ihre Ausbildung für den Staatsdienst
kam damals »allmählich außer Übung.
Dafür drangen nun in immer steigendem Maße viele andere Rene-
gaten in den Staatsdienst ein; damit griff die Korruption reißend um
sich. Die strenge altosmanische Auffassung von dem Amt als Dienst für
den Sultan kam in Verfall. Nunmehr wurde jedes Amt als Geschäft
und Einnahmequelle betrachtet. Als tüchtiger Beamter galt jener, der es
am besten verstand, sich seine Taschen zu füllen. Die Ämter wurden
käuflich. Die Summe, die ein Bewerber für den Kauf eines Amtes aus-
gab, wurde ein Kapital, das möglichst rasch möglichst hohe Zinsen ab-
werfen mußte. Dieses „Bakschisch-System" ist im Verlauf des 17. Jahr-
hunderts völlig zur Herrschaft gelangt.
*
Das 17. Jahrhundert brachte ferner einen schlimmen Verfall des Heer-
wesens. Die Osmanen sind wie alle türkisdien Völker infolge ihrer an-
geborenen Veranlagung und ihrer Geschichte ein ausgesprochen kriege-
risches Volk. Nur kraft ihrer überragenden soldatischen Fähigkeiten
haben sie es vermocht, als Eroberer ein gewaltiges Weltreich zu be-
gründen. Der zweischichtige Aufbau dieses Reiches war derselbe wie in
allen Erobererstaaten. Um die inneren Angelegenheiten der nichtmusli-
mischen Unterschicht kümmerte sich der osmanische Staat nicht. Ent-
sprechend den Grundsätzen des islamischen Rechtes blieb es den ver-
schiedenen Religionsgemeinschaften (millet) überlassen, für die Er-
ziehung und Rechtssprechung ihrer Angehörigen zu sorgen. Das
osmanische Nationalitätenrecht — wenn wir hier diesen modernen Aus-
druck überhaupt anwenden können — beruhte also durchaus auf dem
Prinzip der Personalität.
Ein solcher Erobererstaat kann sich nur halten, wenn er ständig
kriegsbereit ist. Die ehemals so straffe Heeresverfassung, auf der die
Kraft des osmamischen Reiches beruht hatte (vgl. oben S. 267 f.), war im
17. Jahrhundert längst in Verfall geraten. Für die Entwicklung der
Lehensmiliz (Timar-System) erwiesen sich zwei Tatsachen als verhäng-
nisvoll. Eine Miliz ist nur vollwertig, wenn sie in Übung bleibt. In der
älteren osmanischen Zeit war dies .infolge der ständigen Kriege so ge-
22 Stadtmüller, Geschichte Südosteuropas
338 Verfall der Lehensmiliz und der Janitsdiarentruppe
wesen. In späterer Zeit aber fehlte es daran. Der Kampfwert der Lehens-
milizen wurde dadurch sehr beeinträchtigt. Eine zweite Tatsache/ die
auch aus der Geschichte des abendländischen Lehenswesens bekannt ist,
kam dazu, um den Verfall des osmanischen Lehenswesens zu vollenden.
Jedes Lehen hat das Bestreben, erblich zu werden. Die Kriegstauglichkeit
des Inhabers, die ursprünglich die wesentliche Voraussetzung der Be-
lehnung war, ward bald gar nicht mehr in Erwägung gezogen. So
lockerte sich die Verbindung von Kriegsdienstpflicht und Lehensbesitz.
Und bald vermochten es die Lehensinhaber, sich der Kriegsdienstpflicht
zu entziehen. Diese Entwicklung hat im osmanischen Reiche im. 17. Jahr-
hundert verhängnisvolle Fortschritte gemacht. Der militärische Wert der
Lehensmilizen war schon zu Ausgang des 17. Jahrhunderts sehr gesunken.
Bereits in derselben Zeit ging es auch mit der stehenden Infanterie
der Janitscharen abwärts. Im 17. Jahrhundert war sie nicht mehr der
Schrecken der Feinde, sondern eine Plage für den eigenen Staat. Dieser
Verfall hängt mit der Lockerung der alten Janitscharendisziplin zusam-
men. Die Eheschließung wurde schon im 16. Jahrhundert in einzelnen
Fällen, im 17. Jahrhundert dann allgemein erlaubt. Die Janitscharen setz-
ten es durch, daß auch ihre Kinder in das Janitscharenkorps aufge-
nommen wurden. Die alte strenge Ausbildung im Rahmen des soldatisdi-
mönchischen Männerbundes wurde durch die Familiengründung unmög-
lich gemacht. Die Janitscharen wurden zu einer bevorrechtigten Parade-
truppe. Auch geborene Türken, die die strenge Ausbildung der Jani-
tscharen nicht durchlaufen hatten, fanden Aufnahme. Bald hatten sie auch
das Vorrecht erwirkt, einen Zivilberuf auszuüben. Damit war es mit
der alten militärischen Tüchtigkeit vollends vorbei. Die Janitscharen
wurden eine Prätorianergarde, die bald durch ihr eigenmächtiges Willkür-
regiment eine innere Gefahr für den Staat und eine beständige Drohung
für die Sultane wurde.
Je unfähiger sie zum Kampf gegen äußere Feinde wurden, desto
tyrannischer spielten sie sich im Innern des Reiches als die wahren
Herren auf. Sie konnten ungestraft ihnen mißliebige Pasdias und andere
hohe Beamte ermorden. Im Jahre 1648 entthronten sie sogar einen
Sultan und ersetzten ihn durdi einen andern, der ihnen genehmer war.
Und nach dem völligen Scheitern des zweiten Feldzuges gegen Wien
(1683) wurde auch Sultan Mohammed IV. von den Janitscharen gemein-
sam mit der Geistlichkeit abgesetzt (1687; starb 1691 im Gefängnis).
Haktuken. Innere Anarchie 339
zwischen dem Frieden von Passarowitz (1718) und dem Frieden von
Belgrad (1739) hielten deutsche Kultur und Verwaltung ihren Einzug;
die allgemeine Unsicherheit wich geordneten Verhältnissen. Belgrad
wurde eine deutsche Stadt. Diese Eindrücke der österreichischen
Herrschaft überdauerten auch den baldigen Abzug der Österreicher. In
der serbischen Bevölkerung des österreichischen Okkupationsgebietes
blieb ein starkes Selbstbewußtsein gegenüber den Türken zurück. Man
fühlte sich in einer gewissen Zugehörigkeit der Sache Österreichs ver-
bunden. Und man erwartete von Österreich die nationale Befreiung.
*
Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts schien das osmanische
Reich am Rande des Abgrundes zu stehen. Da setzte nochmals eine
Erneuerung ein, die das Werk der tatkräftigen Wesire aus der Familie
der Köprülü war (die „Restauration der Köprülü"). Diese Reichserneue-
rung ging bezeichnenderweise von einer balkanischen Aufstiegsgeneration
aus. Seit Menschenaltern schon führte die Islamisierung der osmanischen
Reichsnation neue Volkstumskräfte zu. Im 16. Jahrhundert waren es
Bosnier gewesen, vom Ausgang des 16. Jahrhunderts ab begannen dann
albanische Renegaten mehr und mehr eine hervorragende Rolle in der
Verwaltung und im Heer des osmanischen Reiches zu spielen. Ge-
rade in der Armee erlangten die Albaner vermöge ihrer angeborenen
Kriegstüchtigkeit eine bedeutende Stellung. Schließlich gelangten sie als
„Arnauten" in den Ruf, die besten Soldaten des Reiches zu sein. Aber
auch in die höhere Verwaltung drangen die Albaner schon verhältnis-
mäßig früh ein. Bereits um 1590 waren zahlreiche Wesire Albaner. Im
17. Jahrhundert wurden dann die Albaner neben den Türken die wich-
tigsten Träger der osmanischen Reichsnation. Durch die Islamisierung
wurde auch eine erneute siedlungsmäßige Ausbreitung der Albaner be-
günstigt, die um 1600 stärker einsetzte, im 18. Jahrhundert ganz große
Ausmaße erreichte und bis zum Balkankrieg (1912) andauerte. Durch
diese Siedlungsbewegung wurde vor allem der größte Teil Westmaze-
doniens und der altserbischen Beckenlandschaften nach Verdrängung der
bisherigen slawischen Bevölkerung albanischer Siedlungsboden. Außer-
dem breitete sich eine diasporaartige dünne arnautische Volkstumsschicht
über das weite osmanische Reich aus. In allen Provinzen entstanden
arnautische Garnisonen. Und ebenso wie das Netz arnautischer Garni-
sonen bedeckte auch eine dünne albanische Herrenschicht (in Armee und
344 Entstehung der orientalischen Frage
Reich von dem Frieden von Karlowitz (1699) bis zu Anfang des
19. Jahrhunderts seinen territorialen Besitzstand zu bewahren.
*
3. Die Familie des Ali Pasdia von Dschanik in Trapezunt und Um-
gebung.
4. Die Eliasoglu von Kuschadasi (bei Ephesus), die das Sandsdiak
Mentesche beherrschten.
Zu Anfang des 19.Jahrhunderts war es in dieser verhängnisvollen
Entwicklung so weit gekommen, daß im gesamten Anatolien nur noch
die Statthalterschaften (Eyalete) Karaman und Anadolu von Statthaltern
der Pforte verwaltet wurden. Erst der Reformsultan Mahmud II. hat die-
sen Zuständen ein Ende gemacht.
Zu dem Ausgreifen des Agrarfeudalismus kam das Selbständigkeits-
streben der großen Provinzstatthalter, die fern von der Reichshauptstadt
ihre tatsächliche Unabhängigkeit behaupteten. Sie stützten sich auf den
Grundbesitz, der* sie zusammenrafften, auf ihr Söldnerheer und auf das
Bündnis mit anderen, ebenso unabhängigen Provinzstatthaltern. Ihre
Agenten in Stambul wußten durch Bestechungsgelder oder auch durch
Meuchelmord dafür zu sorgen, daß der Statthalter trotz allem die Gunst
des Hofes nicht völlig verlor. So lebten die Provinzen ihre eigene Ge-
schichte; die Randprovinzen formten unter der Decke der Reichs-
zugehörigkeit ihre spätere Staatlichkeit aus. Die bedeutendsten dieser
selbständigen Provinzstatthalter — Ali Pascha von Janina und Mehmed
Ali Pascha von Ägypten — beide waren Albaner — haben eine wirkliche
Staatlichkeit mit Territorium, Verwaltung, Armee und Gesandtschafts-
wesen geschaffen, die auch in die große europäische Geschichte hinein-
spielte. Der diplomatische Entscheidungskampf zwischen Napoleon und
England wurde auch an diesen beiden Paschahöfen ausgetragen. In
Skutari hatte die Familie Buschatlija — ebenfalls albanische Empor-
kömmlinge — fast ein volles Jahrhundert (1752—1832) die Pascha-
würde inne, ein Erbfürstentitm der Buschatlija schien sich herauszubilden.
Die Versuche der Sultane, diese Paschadynastie zu beseitigen, waren
vergeblich. In seiner Provinz war der Pascha stärker als die Zentral-
gewalt in der fernen Reichshauptstadt. Die unbequeme und gefährliche
Paschadynastie in Skutari mußte ein Jahrhundert lang geduldet werden.
Ein weiterer verhängnisvoller Faktor, der zur fortschreitenden inneren
Auflösung des Reiches mitwirkte, war die Entfesselung der kriegerischen
Bergstämme an den Grenzen des Reiches — im Westen der Albaner, im
Osten der Kurden. Jahrhunderte hindurch hatte eine starke Zentral-
gewalt die angeborene Rauflust dieser Stämme gebändigt. Mit der zu-
nehmenden inneren Anarchie in den Provinzen war für diese Raub-
.Konföderation von Anarchien" 347
Nur aus dieser inneren Anarchie sind die Aufstände der Balkanvölker,
ihr Erfolg und ihre Staatsbildung verständlich. Während das Reich in
innerer Auflösung lag, erstarkten die unterworfenen Balkanvölker ständig.
Im Kampf an der Volkstumsgrenze war das balkanische Bauerntum
schon zu Ende des 18. Jahrhunderts im Vordringen; das türkische
Bauerntum, das in altosmanischer Zeit kolonisierend eingedrungen war,
begann nun zurückzuweichen. Gleichzeitig stieg das Selbstbewußtsein
der Balkanvölker durch die Rüdebesinnung auf die eigene Geschichte
(Otec Paisi) und durch die Berührung mit den neuen Ideen, die von
348 Osmaniisdie Refonmbewegung
war grundsätzlich der Sieg der Reform entschieden. Aber in der Praxis
waren die Reformen nur schrittweise möglich. Nur langsam konnte das
Trägheitsmoment des Bestehenden überwunden werden. Und die Un-
zulänglichkeit der Verwaltung, d. h. die Korruption, trug am meisten
dazu bei, die Reformen praktisch zu verlangsamen. Was in der Haupt-
stadt an Neuerangen beschlossen wurde, blieb in der Provinz noch lange
Theorie. Mahmud II. begann mit der Reform des Heeres, das nach
europäischem Muster umgewandelt werden sollte. Preußische Instruk-
tionsoffiziere unterstützten ihn (Hauptmann v. Moltke, der später e
Feldmarschall damals in der Türkei). Ein allgemeines Reichsgesetz,
der Jiatti-i-sdherif von Qüihane (1839) bedeutete den ersten Anfang
einer verfassungsmäßigen Regierungsweise. Die Nachfolger Mahmuds II.
führten langsam, zögernd, schrittweise die Reformen auf dem einmal
beschrittenen Wege weiter. 1856 sicherte ein neues Reichsgesetz, der
yiatti-i-Jlumajun, den Christen die volle Gleichberechtigung zu. Zahl-
reiche andere Reformgesetze folgten.
Diese Reformen haben indes die innere Krise des Reiches nicht be-
hoben, sondern nur in ihrer ganzen Schärfe aufgedeckt. Sie nahmen
einen Stein nach dem andern aus dem alten Bau, ohne daß wirklich
tragkräftige neue Steine eingemauert wurden. Denn die Übernahme
westlicher Anschauungen und Einrichtungen blieb doch auf halbem
Wege stehen und war daher unwirksam. So drohte gerade infolge
der Reformen dem gesamten Bau des Reiches erst recht der Einsturz.
Die Neuerungen haben eine natürliche Entwicklung nicht aufhalten können,
sondern sie haben die innere Krise des Reiches aller Welt offenkundig
gemacht und dadurch die Auflösung des Reiches nur noch beschleunigt.
Durch die Reformen wurde die Nationalitätenfrage erst recht bren-
nend. Der allgemeine Grundsatz der Zweischichtigkeit des Reiches —
Einteilung in Muslimanen und Nichtmuslimanen — wurde aufgegeben.
Damit entstand die Frage nach der politischen Rechtsstellung der christ-
lichen Reichsbevölkerung. Die Versuche der Sultansregierung, durch Re-
formen dem Nationalismus der erwachenden Balkanvölker den Wind
aus den Segeln zu nehmen, waren vergeblich. Das Reich aber konnte
den Nationalismus der Rajah nicht grundsätzlich anerkennen,. es konnte
sich auch nicht mit dem erwachenden türkischen Nationalismus identisch
erklären, denn dies hätte bedeutet, daß dann bei dem Fehlen eines über-
nationalen Bandes der Rahmen des Reiches durch den Nationalismus der
Einzelvölker, zu denen nunmehr auch das türkische Herrenvolk herab-
350 Auseinaruderhrödieln des osmanischen Reiches
D i e A n f ä n g e der b a l k a n i s c h e n U n a b h ä n g i g k e i t s b e w e g u n g
und der g r i e c h i s c h e F r e i h e i t s k a m p f
(1821 — 1829)
Trajan an den Anfang der rumänischen Geschichte. Auf sie geht eine
historische Tendenzliteratur zurück, die zunächst nur der nationalen
Erweckung und Aufklärung zu dienen hatte, dann aber schließlich auch
mit dem Anspruch der „Wissenschaftlichkeit" auftrat. Es entstanden
rumänische Volks- und Priesterschulen. Rumänische Druckereien wurden
errichtet. Verschiedene volkstümliche rumänische Zeitschriften begannen
zu erscheinen, alle demselben Ziele gewidmet: das rumänische Volk
zu nationaler Bewußtheit wachzurütteln.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts griff dann das junge rumänische
Nationalbewußtsein von Siebenbürgen aus in die beiden Donaufürsten-
tümer hinüber. Auch dort ging die nationale Erweckung von einem
siebenbürgischen Rumänen aus: Qheortjhe Lazar.
*
Als erstes unter allen balkanischen Völkern erhoben sich die Serben
zum bewaffneten Aufstand, der sich freilich zunächst nicht gegen die
Herrschaft des Sultans, sondern gegen das Schreckensregiment der Jani-
tscharen richtete.
In Belgrad waren zu Ausgang des 18. Jahrhunderts die Janitscharen die
eigentlichen Herren. Der osmanische Pascha war ihnen gegenüber ohn-
mächtig. Am klarsten hatte sich dies schon darin gezeigt, daß Kaiser
Joseph II. lieber mit den Janitscharenführern, die sich nach deni Vorbild
der nordafrikanischen (barbaresken) Deys Vabi nannten, verhandelte,
als mit dem Pascha von Belgrad. Schließlich gelang es einem neuen
Pascha, das Oberhaupt der Janitscharen durch einen Meuchelmörder zu
beseitigen und danach die Janitscharen aus Serbien zu vertreiben. Sie
fanden jedoch einen Rückhalt an dem benachbarten Pascha Paswan
Ogblu von Widin, der nunmehr Serbien mit Krieg überzog. Der Pascha
von Belgrad Jiadsdhi !Mustafa, wußte sich bei der Schwäche der ihm
zur Verfügung stehenden Truppen gegen diese Gefahr nur dadurch zu
helfen, daß er die serbische Rajah bewaffnete. Es war ein folgen-
schwerer Schritt. Die Rajah im Besitz von Waffen, das war ein neues
und unerhörtes Bild. Das nationale Selbstbewußtsein der Serben mußte
dadurch mächtig steigen. Noch mehr trugen dazu die Siege der Serben
bei. Das Heer, das die serbischen Schulzen (Knesen) aufgestellt hatten,
blieb im Felde siegreich. Nachdem aber so die Janitsdiarengefahr ab-
gewehrt war, kehrten die Janitscharen doch wieder auf Grund eines
Mufti-Spruches nach Serbien zurück. Sie ermordeten den Pascha von
Belgrad und übten von neuem eine unbeschränkte Willkürherrschaft aus.
Zur Behauptung gegen die Pforte und deren Bestrebungen auf Her-
stellung einer starken Zentralgewalt bildete sich damals eine Allianz der
Janitscharen von Belgrad mit den Paschas von Bosnien und Widin —
ein Bündnis der altgläubigen Reaktion gegen die Reformbestrebungen des
Sultans Selim III.
Die alteingesessene Bevölkerung von Serbien — sowohl die Osmanen
in den Städten als auch die Serben auf dem Lande — hatten unter dieser
Willkürherrschaft schwer zu leiden. Ein Aufstand der osmanischen
Spahis wurde von den Dahis blutig unterdrückt. Nunmehr wandten sich
die serbischen Knesen mit einer Bittschrift an den Sultan von Konstanti-
nopel. Der Sultan drohte den Dahis mit der Mobilisierung der Rajah. Um
dem zuvorzukommen, beschlossen die Dahis die Ermordung aller ge-
fährlichen Rajahführer. Im Jahre 1804 wurden mit einem Schlage alle
23*
356 Karadschordsdie
ausgeliefert. Oder aber: er konnte sich dem Befehl dies Sultans wider-
setzen; das bedeutete offene Rebellion und Krieg gegen die Macht des
osmanischen Sultans. Karadschordsche tat das letztere. Damit wurde die
serbische Erhebung erst zum wirklichen Freiheitskampf. Aus dem Kampfe
örtlicher Gewalten um die Macht in einer Provinz wurde ein Krieg
zwischen den Serben und Osmanen.
Das anrückende Heer des Paschas von Nisch wurde von Karad-
schordsche zurückgeschlagen. Wenig später gelang es, das bosnische
Heer bei Schabatz zu vernichten (1806). Sogar Belgrad wurde erobert.
Die dortigen Türken wurden niedergemacht. Nach diesen Siegen bildete
sich bereits ein serbisches Staatswesen heraus. Die eigentliche Herrschaft
lag bei den mächtigeren Anführern, die sich Woiwoden nannten. Jährlidh
hielten sie einen Landtag (Skupsdhtina) ab. Daneben entstand als be-
ratender Ausschuß ein Senat aus zwölf Mitgliedern. Die Zusammen-
arbeit in Landtag und Senat war freilich von Anfang an durch den all-
gemeinen Hader, der zwischen den einzelnen Woiwoden und Knesen
ausbrach, behindert. Aber die Macht des Anführers Karadschordsche
festigte sich trotz dieser inneren Uneinigkeit. Nur seiner klaren, ent-
schlossenen Persönlichkeit war eine einheitliche militärische und politische
Leitung des Freiheitskampfes zu verdanken.
Nachdem die Kämpfe im Jahre 1808 ziemlich geruht hatten, lebten
sie in den beiden folgenden Jahren wieder auf. Die Serben erlitten zu-
nächst schwere Niederlagen, so daß Karadschordsche schon daran dadite,
sich der österreichischen Oberhoheit zu unterstellen. Denn nur so schien
überhaupt die Wiederkehr der osmanischen Zwingherrschaft vermeidlich.
Dann aber wandte sich doch wieder das Kriegsglück. Die Serben er-
fochten von neuem Siege über die Paschas von Nisch und Bosnien.
Der innere Hader unter den serbischen Führern hinderte jedoch die
Ausnützung dieser Siege. Es kam zu einer großen Machtprobe zwischen
Karadschordsche und anderen Gospodaren. Wiederum setzte sich
Karadschordsche völlig durch. Seine Gegner wurden des Landes ver-
wiesen. Nachdem diese inneren Kämpfe glücklich überstanden waren,
stand das junge Staatswesen gefestigter da. Noch fehlte ihm freilich
die völkerrechtliche Anerkennung von außen. Diese verdankte es zuerst
der russischen Unterstützung. In dem türkisch-russischen Friedensver-
trag von Bukarest (1812) wurden auch die Rechte der Serben fest-
gelegt: innere Selbstverwaltung und mäßige Steuerlasten. Die Festungen
hingegen sollten den Türken wieder übergeben werden.
358
Kart e 2 3
Milosch Obrenawiitsdi 359
Und die Schlußverse zeichnen das leuchtende Bild der freien Zu-
kunft:
„Das Kreuz des Heilands leuchte
Hoch über Land und See,
Gerechtigkeit erscheine,
Des Feindes Macht verweh!
Der Knechtschaft harte Geißel
Sei aus der W e l t verbannt!
Als Freie laßt uns wohnen
Im freien Vaterland".
Durch diese Lieder hat Rigas bleibend weitergewirkt. Sie waren sein
politisches Vermächtnis. Die Nachwelt hat ihm darum den Ehrennamen
des „thessalischen Tyrtaios" verliehen.
fen fiel die Stadt im Oktober 1821, wobei unter Bruch der Kapitulations-
bedingungen die türkische Besatzung und Bevölkerung größtenteils
niedergemacht wurden. Nur den tapferen Amauten gelang es, sich nach
Norden durchzuschlagen. Damit war zu Ende des Jahres 1821 bereits
der gesamte innere Peloponnes in der Hand der Aufständischen.
Zu Anfang des folgenden Jahres fiel dann auch Korinth. Nur noch
Nauplion, Patras und die messenischen Festungen Methone und Korone
leisteten Widerstand. Im folgenden Jahre kapitulierte auch Nauplion.
Durch diese Schläge sahen sich die Türken in die Verteidigung ge-
drängt. In den Jahren 1823—1824 fehlte es an größeren Kampfhand-
lungen. Der bisherige Kriegsverlauf hatte gezeigt, daß die gewaltsame
Niederwerfung dieser großen gesamtgriechischen Aufstandsbewegung
die militärischen Machtmittel des damaligen Sultansreiches überstieg. Der
Sultan wandte sich daher um Hilfe an den halbunabhängigen Statthalter
von Ägypten, Mehmed Ali, der die türkische Sache bisher nur durch
Entsendung von Kriegsschiffen unterstützt hatte. Damit trat der
griechische Freiheitskampf emeut in eine kritische Phase ein.
*
Daß das kleine griechische Volk aus eigener Kraft den immer noch
beträchtlichen Machtmitteln des türkischen Reiches standhalten konnte,
verdankte es der Begeisterung und Opferbereitschaft für die große
nationale Sache, von der es beseelt war. Die tatkräftige Kriegführung
der Aufständischen war aber dadurch gelähmt, daß die oberste Befehls-
gewalt des J'heodoros Xolokoironis sich nur teilweise und nur unter
schweren Reibungen gegen die Rivalitäten der andern Führer durdi-
setzen konnte. Diese Schwierigkeiten wuchsen sich nach und nach zu ge-
wichtigen innergriechischen Gegensätzen aus. Die Kraft der Aufstands-
bewegung wurde dadurch aufgespalten und geschwächt. Zu dem Gegen-
satz zwischen Kolokotronis und den andern militärischen Führern kam
bald der gegenseitige Streit der „Schifferinseln" und dann der lang-
jährige, schwere Kampf zwischen den politischen und den militärischen
Führern. Geradezu erstaunlich ist es daher, daß es den Aufständischen
trotz dieses Mangels an Einigkeit gelungen war, in den Jahren 1822 bis
1824 den Krieg zu Wasser und zu Lande im wesentlichen siegreich
durchzuführen.
Mit der Landung einer starken ägyptischen Truppenmacht bei
Methone zu Anfang des Jahres 1825 geriet die Aufstandsbewegung in
24 Stadtmüller, Geschichte Südosteuropas
370 Klepfhtenkrieg auf dem Peloponnes
nach und nach alle diese Mächte auf eine griechenfreundliche Politik
umschwenken. Seit 1823 waren in den meisten großen Städten West-
und Mitteleuropas Vereinigungen der „Phiibellenen", d . h . Griechen-
freunde, gegründet worden, um die öffentliche Meinung ihrer Länder
zugunsten der Griechen aufzurufen. Dem machtvollen Einfluß dieser
philhellenischen Strömung konnte sich auch die amtliche Politik auf die
Dauer nicht verschließen. Im Jahre 1827 einigten sich die Großmächte
Rußland, England und Frankreich auf die Errichtung eines unabhängigen
griechischen Staates. Als ihre Forderung nach einem Waffenstillstand für
die Griechen von der türkischen Regierung abgelehnt wurde, kam es,
ohne daß der Krieg erklärt worden wäre, zum bewaffneten Austrag der
Gegensätze. In der Seesdhladbt bei Navarino wurde im Oktober 1827
das türkisch-ägyptische Geschwader von der vereinigten britisch-fran-
zösisch-russischen Flotte völlig vernichtet.
Durch diese große türkische Niederlage war der griechische Freiheits-
kampf im wesentlichen entschieden. Die Griechen gingen wieder allge-
mein zum Angriff über. Ibrahim Pascha wurde so bedrängt, daß er im
Frühjahr 1828 die Stadt Tripolitsa verbrannte und sich nach Messen ien
zurückzog. Mit Hilfe eines gelandeten französischen Expeditionskorps
unter dem Befehl des Generals Maison wurden die ägyptischen Truppen
dann aus den letzten festen Plätzen des Peloponnes verdrängt. Nach
dem offenen Eintritt Rußlands in den Krieg gegen die Türkei (1828)
gelang es auch, die Landschaften Mittelgriechenlands von der türkischen
Zwingherrschaft zu befreien.
Bereits seit dem Sommer 1828 führte Griechenland praktisch das
Leben eines selbständigen Staates. Durch den zwischen Rußland und
der Türkei abgeschlossenen Friedensvertrag von Adrianopel (1829) und
durch die Londoner Konferenz der Großmächte (1830) wurde dann in
aller Form die Errichtung eines unabhängigen griechischen National-
staates vollzogen.
*
Die Rumänen, die ebenfalls durch den Frieden von Adrianopel (1829)
ihre (zunächst formell noch beschränkte) Selbständigkeit erlangten,
haben eine ganz andere nationale Entwicklung durchlebt. Ihre soziale
und politische Lage war auch unter der türkischen Herrschaft völlig ver-
schieden von der der andern Balkanvölker. Während in den balkan-
slawischen Landschaften südlich der Donau der alte Bojarenadel von den
Türken vernichtet worden war, konnte er sich bei den Rumänen be-
haupten, wenn er freilich auch durch die Gräzisierung dem einheimischen
Volkstum entfremdet wurde. Auch ein gewisses politisches Eigenleben
konnten sich die Rumänen unter türkischer Herrschaft bewahren. Die
Moldau und die Walachei bildeten eigene Fürstentümer, freilich unter
der Oberhoheit des Sultans. Fair die politische Entwicklung war es auch
sehr wichtig, daß die beiden Donaufürstentümer die oströmische Kaiser-
idee nach dem Falle Konstantinopels bewußt übernahmen. W i e ehemals
die byzantinischen Autokratoren, so betätigten sich nunmehr die rumäni-
schen Hospodare durch Stiftung zahlreicher Kirchen und Klöster als
Schutzherren der orthodoxen Kirche (Jorga: „Byzance après Byzance").
Die eigentliche Gefahr für das Rumänentum in jenen Jahrhunderten
war die Qräzisierung. Die politische, kulturelle und gesellschaftliche
Oberschicht im ganzen Lande war griechisch oder bediente sich der
griechischen Sprache und Kultur. Die Bischöfe und die hohen Beamten
waren im 18. Jahrhundert ausschließlich Griechen. Ein dicker griechischer
Kulturfirnis lag jahrhundertelang über dem ganzen öffentlichen Leben
und versperrte dem rumänischen Volkstum den W e g zur arteigenen
Rumäniens Weg zum Nationalstaat 373
Als letztes aller Balkanvölker sind die Bulgaren zur nationalen Selb-
ständigkeit gelangt. Es lag dies nicht an der geringeren politischen Be-
fähigung dieses Volkes, sondern vielmehr durchaus an äußeren Um-
ständen. Die Bulgaren im Osten der Balkanhalbinsel waren von der
unmittelbaren Berührung mit dem Abendland, woher die neuen natio-
nalen Ideen kamen, stärker abgeschlossen als die übrigen Balkanvölker.
Und andererseits lagen sie in unmittelbarer Nähe des osmanischen
Kräftezentrums, der Reichshauptstadt Konstantinopel, so daß ein natio-
naler Aufstand hier von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg hatte,
als in den entlegenen und schwer zugänglichen Bergkantonen Montene-
374 Nationales Erwachen der Bulgaren
gros. Noch viel schwerer aber wog eine andere Tatsache: die Bulgaren
waren nicht mehr Herren im eigenen Hause. Bulgarien war weithin von
Griechen und Türken überfremdet. Die Griechen beherrschten die offi-
zielle Kirche, die Literatur, den Handel und die Wirtschaft. Die Städte
waren zum großen Teile türkisch oder gräzisiert. Das literarische und
das gesamte kulturelle Leben der Bulgaren spielte sich damals in griechi-
scher Sprache ab. Die bulgarische Sprache galt nicht als gesellschafts-
fähig. Man schrieb griechisch; oder wenn man das Griechische nicht be-
herrschte, bulgarisch mit griechischen Buchstaben. Die gebildete Schicht
war auch bewußtseinsmäßig gräzisiert und dem eigenen bulgarischen
Volkstum entfremdet. Man schämte sich des bulgarischen Namens und
nannte sich „Bulcjarophonoi heüenes" (bulgarisch sprechende Griechen).
Der griechische Einfluß hat bei den Bulgaren damals ebensosehr zu einem
Verfall der arteigenen Kultur und des nationalen Selbstbewußtseins ge-
führt wie gleichzeitig bei den Rumänen.
Gegen die griechische Überfremdung und gegen das würdelose Ver-
gessen der eigenen Art und Überlieferung wandten sich dann die großen
nationalen Erwecker, allen voran der Mönch Otez Paisi, der 1762 seine
rasch berühmt gewordene „Slawisch-bulgarische Chronik" veröffentlichte,
um mit diesem volkstümlichen Geschichtsbuch für Schule und Haus das
nationale Selbstbewußtsein der Bulgaren durch den Appell an die ruhm-
reiche Vergangenheit wachzurütteln. Seine „Chronik" hat eine unge-
heure Wirkung gehabt; sie hat die große Geschichte des bulgarischen
Mittelalters zum ersten Male wieder in das Gedächtnis des bulgarischen
Volkes zurückgerufen und hat dem bulgarischen Volke wieder das Be-
wußtsein geschichtlicher Gleichwertigkeit gegenüber dem Griechentum
verliehen.
W a s Otez Paisi als vereinzelter Vorkämpfer der nationalen Wieder-
geburt eingeleitet hatte, wurde von den nationalen Erweckern des 19. Jahr-
hunderts fortgesetzt und zu Ende geführt. Wasil Aprilov, der die Gefahr
der Gräzisierung in seiner eigenen Seele durchlebt und überwunden hatte,
und darüber zum bewußt nationalen Bulgaren geworden war, gründete in
seiner Heimatstadt Gabrowo die erste moderne bulgarische Schule (1835),
der sich bald andere Gründungen anschlössen.
Paisi und Aprilov sind die großen nationalen Erwecker der Bulgaren
geworden. Sie halben die Grundlagen für die nationale Wiedergeburt
ihres Volkes gelegt. Ihr nationales Erziehungswerk im Kampfe gegen
griechische Überfremdung ist vergleichbar dem Wirken Lessings und
Entstehung eines bulgarischen Nationalstaates 375
Fidites, die in ähnlicher Weise das deutsche Geistesleben von der fran-
zösischen Überfremdung befreiten.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Griechen schritt-
weise aus allen bisherigen Machtstellungen verdrängt: aus dem Schul-
wesen durch die Gründung bulgarischer Schulen, aus der Kirche durch
die Vertreibung der griechischen Bischöfe, aus dem allgemeinen Geistes-
leben durch die Entwicklung einer bulgarischen Literatur und durch die
Gründung bulgarischer Zeitungen und Zeitschriften. Diese literarische
Tätigkeit der Bulgaren konnte sich freilich zunächst nur im Auslande
ungehemmt entfalten. Die erste bulgarische Zeitung, der „Bulgarski Orel"
(„Bulgarischer Adler") erschien 1846 in Leipzig. In der Folgezeit ent-
wickelte sich Bukarest zu dem eigentlichen Mittelpunkt des bulgarischen
Geisteslebens.
Ebenso bedeutsam war es, daß in diesen Jahrzehnten die Bulgaren
auch ihre von Griechen und Türken überfremdeten Städte auf dem
Wege der Unterwanderung zurückgewannen und die Vorherrschaft im
Handel zurückerlangten. Gleichzeitig begann auch die Abdrängung der
türkischen und tatarischen Bauernbevölkerung aus Ostbulgarien. Die
bäuerlichen Landschaften im Hinterland des Schwarzen Meeres und in
der Maritza-Ebene waren seit dem 15. Jahrhundert in immer stärkerem
Maße von türkischen und dann auch von tatarischen Bauern besiedelt
worden. Diesen Pfahl im eigenen Fleisch zu beseitigen, war die nächste
große Aufgabe. Ihre schrittweise Bewältigung dauerte ein Jahrhundert,
fast bis in die unmittelbare Gegenwart hinein.
Die gesamten Fortschritte des bulgarischen Volkstums in jenem Zeit-
alter der nationalen Wiedergeburt sind um so erstaunlicher, als sie ohne
den Staat vollbracht wurden, ja gegen die herrschende Staatsgewalt
erkämpft werden mußten. Der äußere Sieg in dem großen Zweifronten-
kampf gegen Griechen und Türken wurde in den Jahren 1870 und
1878 erfochten. Im Jahre 1870 wurde das bulgarische Exarchat errichtet,
womit die kirchliche und kulturelle Unabhängigkeit der Bulgaren von
dem griechischen Patriarchat in Konstantinopel gesichert wurde. Im Jahre
1878 wurde dann mit russischer Waffenhilfe die politische Unabhängig-
keit Bulgariens und die Errichtung eines eigenen Nationalstaates er-
kämpft. So haben die Bulgaren insgesamt ein volles Jahrhundert —
seit Otez Paisi — gebraucht, um sich von der doppelten Überfremdung
freizumachen.
*
376 Sieg des nationalstaatlichen Gedankens
D i e n a t i o n a l i s t i s c h e n B e w e g u n g e n im R a h m e n
des H a b s b u r g e r - R e i c h e s
andere Weise und mit einem andern Rechtstitel an das Haus Habsburg
gekommen. Daraus ergab sich seine staatsrechtliche Individualität und
Sonderstellung.
Die verschiedenen Rechte, Sonderrechte und Vorrechte der einzelnen
Länder sollten gewahrt, aber doch auch in Einklang gebracht werden
mit der Politik des Gesamtstaates. Die Kunst, Gegensätze durch ein
Kompromiß zu überbrücken, oder zu vertagen, ist durch die Politik
dieses Staates — durch die Außenpolitik wie durch die Innenpolitik —
zu einer methodischen Kunst entwickelt worden, die man mit Virtuosität
handhabte. Man könnte geradezu von einem habsburgischen Stil in der
Politik sprechen.
Die Sonderstellung der einzelnen Länder im Rahmen des habsburgi-
schen Gesamtstaates gab den einzelnen Nationalitäten eine staatsrecht-
liche Plattform, von der aus sie ihre neuen Forderungen verfechten
konnten: die Tschechen in Böhmen und Mähren, die Slowenen in Krain
und Steiermark, die Polen in Galizien usw. Es war also — ganz anders
als im osmanischen Reiche — die Möglichkeit zu einer inneren Aus-
einandersetzung gegeben. Dort fehlte diese Plattform. Für das osmanische
Reich war die Nationalitätenfrage überwiegend eine Frage der Außen-
politik; die nationalen Forderungen wurden in den Grenzgebieten er-
hoben und von den auswärtigen Großmächten — Venedig, Österreich,
Rußland — unterstützt. Für den Staat der Habsburger dagegen, war die
Nationalitätenfrage zunächst eine ausschließlich innenpolitische An-
gelegenheit. Man versuchte im Inneren den Forderungen der Nationali-
täten entgegenzukommen, um ein erträgliches Zusammenleben der ver-
schiedenen Völker im Rahmen des Gesamtstaates zu ermöglichen. Die
verschiedenen Wege, die dabei versucht wurden, versagten schließlich
alle gegenüber dem steigenden Selbstbewußtsein der Nationalitäten.
Letztlich wurde der Gesamtstaat durch die Forderungen der Nationali-
täten auseinandergesprengt. Die Entwicklung verlief also ganz anders
als im osmanischen Reich, wo das Reich durch den allmählichen Ver-
lust einzelner Grenzprovinzen nach und nach immer mehr zusammen-
schrumpfte.
*
Seit etwa 1830 begann die Loslösung der Donauvölker von der bis-
herigen deutschen Führung sichtbarer zu werden. Etwa gleichzeitig voll-
zog sich die Loslösung der Balkanvölker von der griechischen Führung.
Die ersten Anfänge dieser „nationalen Wiedergeburt", wie sie im Ge-
schidhtsbewußtsein jener Völker genannt wird, verlieren sich in einem
vielfältigen Wurzelgeflecht verschiedenartiger Ursachen, hinter der sich
eine rätselhafte geschichtliche Triebkraft birgt, die alle Völker zwingt,
den W e g zu gehen, den der Geist des Zeitalters fordert. Am Anfang
stand überall die geistige Rückbesinnung auf die eigene nationale Ver-
gangenheit. An ihr entzündete sich das Selbstbewußtsein, den Deutschen
gleichwertig zu sein. Daraus entstand das soziale Aufstiegsbestreben, das
zur Bildung einer eigenen Intelligenz führte, die dann den irredentisti-
schen Kampf um einen eigenen Nationalstaat aufnahm. Das Kernstück
dieser Entwicklung war wohl die Entstehung einer eigenen Billdungsschicht.
Bis dahin hatte diesen Völkern eine eigene Intelligenz und ein städtisches
auf Handel und Gewerbe beruhendes Bürgertum gefehlt. Das städtische
Bürgertum war bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts hinein überall
deutsch. Nun begann sich bei allen diesen Völkern eine solche städtische
Oberschicht herauszubilden, die dann bald die Führung im nationalen
„Befreiungskampfe" übernehmen sollte. Diese Entwicklung eines „Dritten
Standes" knüpfte bei den einzelnen Völkern an verschiedene Ansätze
an: bei den Slowaken und Slowenen war es die Landgeistlichkeit, bei
Nationalismus der aufstrebenden Donauvölker 383
den Tschechen die Beamten der großen Güter und die in die Stadt wan-
dernden Bauernsöhne, bei den Madjaren der Kleinadel und die Juden.
Dabei haben die Madjaren kraft ihrer großen staatspolitischen Über-
lieferung von allem Anfang an einen großen Vorsprung vor den übrigen
Donauvölkern besessen.
Die „Ideen", mit denen die aufstrebenden Donauvölker ihre Forde-
rung nach Gleichberechtigung mit den Deutschen begründeten, ent-
hüllen sich in rückschauender Betrachtung als vertauschbare Schlagworte.
Hinter den „geistigen" Kämpfen stehen als dunkle Triebkräfte der Ent-
wicklung Machtwille und Lebensbehauptung der Völker, und es wäre,
angesichts eines solchen Ineinander von Wesenszusammenhängen ver-
fehlt, die Frage zu stellen, was Ursache und was Wirkung sei.
W a s in dem Wandel der Erscheinungen blieb, war der triebhaft
dunkle Drang der kleinen Völker, die deutsche Führung abzuschütteln.
Die Schlagworte, mit denen dieser Kampf geführt wurde, wechselten
ebenso wie ihre ideologischen Verbrämungen. Jede Idee, jedes Schlagwort
war gerade so lange brauchbar, als man damit die deutsche Führung
bekämpfen konnte. Der Gegensatz zur deutschen Oberschicht bestimmte
die jeweilige ideologische Haltung der Donauvölker. Gegen die auf-
klärerische Bürokratie Josephs II. und Franz" I. beriefen sich die Madjaren
und Tschechen auf ihre eigene romantische Vergangenheit, wobei man
vor poetischen Geschichtsfälschungen nicht zurückschreckte, und gegen
die Ideen Herders haben dann die Madjaren mit einer starken Front-
schwenkung in ihrem Kampf gegen den Bachschen Absolutismus sich zu
Verfechtern der liberalen Gedanken gemacht. Auch noch nach dem
ungarisch-österreichischen Ausgleich von 1867 blieb die politische Ge-
schichte Österreichs ganz von diesem Gesetz bestimmt. Die werdende
Oberschicht der Donauvölker griff je und je mit triebhafter Sicherheit
nach jenen deutschen Ideen, die als Waffen im Kampf gegen den deut-
schen Führungsanspruch und gegen die augenblicklich gerade herrschende
deutsche Schicht gebraucht werden konnte.
Die Anfänge dieser nationalen Loslösungsbewegung der Donauvölker
wurden wesentlich durch deutsche Kräfte bestimmt. Der Widerstand
gegen den aufklärerischen Zentralismus Josephs II. und Franz' I. wurde
gerade von dem deutschen und eingedeutschten Adel in Ungarn, Böhmen
und Krain geführt. So ergab sich eine nur aus dem Geiste jener Zeit ver-
ständliche Bundesgenossenschaft dieses Adels mit den werdenden Ober-
schichten der Donauvölker. Im Gefolge solcher Beziehungen ist sehr viel
384 Madjarisdier Nationalismus
meines Volkes ganz und für immer gewidmet." Dann gibt er eine ge-
schichtliche Darstellung des Verhältnisses des tschechischen Volkes in
Böhmen zu Deutschland und zum Deutschtum. Darauf beruhe zu aller-
erst seine Ablehnung der Einladung. Sein zweiter Beweggrund sei die
Überzeugung, daß Österreichs „Erhaltung, Integrität und Kräftigung"
notwendig sei, während durch die Frankfurter Nationalversammlung
vermutlich Österreich als selbständiger Kaiserstaat unheilbar geschwächt,
ja unmöglich gemacht werde. Der Bestand eines starken Österreich
sei vor allem notwendig zur Abwehr der schweren Gefahr, die ganz
Europa durch die Aufrichtung einer russischen Umversalmonarchie drohe.
Wie unentbehrlich ihm ein starkes Österreich als Gegengewicht gegen
Rußland erschien, zeigt sein Ausspruch: „Wahrlich existierte der öster-
reichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müßte im Interesse
Europas, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaf-
fen." „Denken Sie sich", so ruft er aus, „Österreich in eine Menge
Republiken und Republikchen aufgelöst — welch ein willkommener
Grundbau zur russischen Universalmonarchie." — Wien und nicht Frank-
furt betrachtete er als das „Zentrum, welches geeignet und berufen ist,
meines Volkes Frieden, Freiheit und Recht zu sichern und zu schützen".
Sein politisches Glaubensbekenntnis formulierte er in den Worten: „Da
Österreichs Aufgehen in Deutschland eine Zumutung des Selbstmordes,
umgekehrt Deutschlands Anschluß an Österreich eine dem deutschen
Nationalgefühl gegenüber unstatthafte Zumutung sei, erübrige nichts, daß
beide sich nebeneinander gleichberechtigt konstituieren und ein ewiges
Schutz- und Trutzbündnis, allenfalls noch eine Zolleinigung ab-
schließen."
Palacky hielt an dem Gedanken des habsburgischen Gesamtstaates
aus innerster politischer Überzeugung fest. In Rußland sah er die große
politische Gefahr der Zukunft, der von dem damals aufkommenden
Panslawismus die Wege bereitet wurden. Sein Hauptvertreter im Habs-
burger-Reiche war der Slowake Jan Xollär (1793—1852), der durch
seine Schriften den Gedanken der allslawischen Gemeinsamkeit pflegte.
Freilich dachte er nur an „literarische Wechselseitigkeit zwischen den
verschiedenen Mundarten und Stämmen der slawischen Nation" — dies
war auch der Titel eines seiner Hauptwerke (1837). Ein politischer
Zusammenschluß aller Slawen schwebte ihm noch nicht vor. Trotzdem
waren seine Gedanken auf die spätere Entwicklung des von den Russen
geführten Panslawismus von großem Einfluß.
25*
388 Tschechischer Nationalismus
der Armee eingeführt. Das bedeutete eigentlich schon den Bruch zwischen
Wien und Budapest. Aber infolge des allgemeinen Chaos konnte der
Kaiser, der sich nach dem ruhigen Innsbruck zurückgezogen hatte, noch
nicht gegen Ungarn vorgehen.
Dann aber kam der Umschwung. Galizien wurde von 7ranz Stadion
befriedet, in Prag schaffte 7ürst Windisdbcjrätz Ordnung, in Italien unter-
warf Feldmarschall Qraf Radetzky die abgefallenen Provinzen. Nunmehr
trat man auch gegenüber Ungarn mit Nachdruck auf. Der Kaiser setzte
den treuen Joseph Jellatschitsch zum Banus von Kroatien ein. Dieser fiel
bald danach — wohl auf Befehl von Wien — in Ungarn ein. Als die
Madjaren sich gleichzeitig der vom Kaiser verfügten Reichstagsauflösung
gewaltsam widersetzten, war der Bruch fertig. Uber Ungarn wurde das
Kriegsrecht verhängt.
Damals kam es in Wien nochmals zu einem revolutionären Aufstand.
Der einberufene verfassungsgebende Reichstag mußte nach Kremsier in
Mähren verlegt werden. Wien wurde von Fürst Windischgrätz mit
Waffengewalt unterworfen. Nach der weiteren Festigung ihrer Stellung
löste die Regierung den Kremsierer Reichstag auf, der bereits eine Ver-
fassung entworfen hatte. 1849 oktroyierte dann Fürst Schwarzenberg
als Staatskanzler eine einheitliche Reichsverfassung für das gesamte
Kaisertum Österreich. Danach sollte in Ungarn die bisherige einheimische
Verfassung gelten „soweit sie nicht der Reichsverfassung und dem
Grundsatze der Gleichberechtigung der Nationalitäten widerspricht".
Nunmehr kam es in Ungarn zum militärischen Entscheidungskampf.
Die nichtdeutschen Nationalitäten (Rumänen, Serben, Kroaten und der
größte Teil der Slowaken) kämpften dabei auf der Seite des Kaisers mit.
Die ungarländischen Deutschen hingegen fochten wie gute Madjaren
gegen den Kaiser. Nur die Siebenbürger Sachsen schlössen sich der Sache
des Kaisers an. Ihr Führer Samuel Ludwig Roth wurde deswegen von
den Madjaren gefangengenommen und als „Hochverräter" erschossen.
Der Kampf zwischen Kaiserlichen und Madjaren war lang und wechsel-
voll. Die zahlreichen gut ausgerüsteten und gutgeführten Heere der
Madjaren konnten schließlich nur mit russischer WafTenhilfe besiegt
werden. Erst vor den Russen kapitulierten die Madjaren unter General
Qörgei (bei Vilägos 1849). Kossuth war rechtzeitig über die Grenze
gegangen.
Ungarn mußte nun die Härte des Siegers über sich ergehen lassen.
Vor einem Militärgericht in Arad wurden die madjarischen Revolutions-
390 Bachsdie Ära
1. Ungarn (mit Kroatien) wird als eigener Staat anerkannt, der mit
Zisleithanien nur durch Realunion zusammenhängt. Die gemeinsamen
Angelegenheiten werden durch gemeinsame Minister verwaltet und
alljährlich von Delegationen des ungarischen Reichstages und des öster-
reichischen Reichsrates beraten und beschlossen. Gemeinsam für beide
Reichs'hälften sind das Außen-, das Kriegs- und das Finanzministerium;
2. ein nach zehn Jahren zu erneuerndes Quotengesetz soll die jährlichen
Beiträge zu den Gesamtausgaben des Reiches bestimmen. Für das erste
Jahrzehnt sollte sich Ungarn mit 30, Österreich mit 70 Prozent be-
teiligen ;
3. ein nach je zehn Jahren zu erneuerndes Zoll- und Handelsbündnis;
4. ein nach je zehn Jahren zu erneuerndes Staatsschuldengesetz.
D e r E n d s i e g der N a t i o n a l i t ä t e n
D i e V e r d r ä n g u n g der T ü r k e i aus E u r o p a u n d die
Z e r s c h l a g u n g der ö s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e n M o n a r c h i e
Seit dem Frieden von Adrianopel (1829) hatte Rußland unter der
kraftvollen Regierung des Zaren Nikolaus I. (1825—1855) den vor-
herrschenden Einfluß in der Türkei.
Die schon in jenem Friedensvertrage gegebenen Ansätze einer russi-
schen Schutzherrschaft über die orthodoxen Untertanen des Sultans ver-
suchte dann die russische Diplomatie immer mehr auszuweiten, um auf
diesem Wege auch die türkische Innenpolitik zu bestimmen. Schließlich
forderte der Zar im Jahre 1853 von der Pforte in gebieterischer Weise,
es solle ihm in aller Form die volle Schutzherrschaft über die orthodoxen
Christen zugestanden werden. Diese Forderung, deren Erfüllung jeder-
zeit die Möglichkeit zur Intervention gegeben hätte, wurde von dem
Sultan abgelehnt. Daraufhin erklärte Rußland den Krieg (Krimkrieg
1853—1856). Den Russen gelang der erhoffte große Schlag nicht. Zwar
konnten sie ein türkisches Geschwader bei Sinope vernichten, aber zu
Lande konnte der türkische Feldherr Omer Pascha die Donaulinie gegen
die Russen halten, die durch die Belagerung der Festung Silistria auf-
gehalten wurden.
Mittlerweile hatten sich Frankreich und England in der Überzeugung,
daß das Fortbestehen der Türkei für das europäische Gleichgewicht
nötig sei, zum Eingreifen gegen Rußland entschlossen. Vor ihrem ver-
einigten Geschwader zog sich die russische Flotte in den Kriegshafen
Sewastopol zurück. Das russische Landheer kehrte nach der vergeblichen
Belagerung von Silistria an den Prath zurück. Gleichzeitig rückten die
Österreicher nach einem mit dem Sultan geschlossenen Vertrag in die
Donaufürstentümer ein. 1854 landete ein großes französisch-englisches
Heer, wozu dann noch sardinische Truppen kamen, auf der Halbinsel
Krim. Dort zog sich nunmehr der ganze Krieg zusammen. Das russische
Heer wurde an der Alma und bei Inkerman geschlagen, die Festung
Sewastopol fiel nach zwölfmonatiger Belagerung (1855). 1856 kam es
zum Frieden von Paris. Rußland verzichtete auf seine Vorherrschaft im
Rußland und die Balkanslawen 393
Schwarzen Meere, das dem Handel aller Nationen geöffnet wurde, und
auf die bisherige Schutzherrschaft über die Moldau und die Walachei.
Außerdem trat es einige Plätze an der Donaumündung ab. Die Türkei
dagegen sicherte den christlichen Untertanen die gleichen bürgerlichen
Rechte wie den Türken zu.
Die wichtigste Folge dieses Friedens war das Freiwerden der beiden
Donaufürstentümer. Es gelang ihnen, auch die türkische Oberherrschaft
abzuschütteln. 1861 vereinigten sie sich zu einem einzigen Fürstentum
unter dem Namen Rumänien. 1866 wurde Prinz Karl von Hohenzollern-
Sigmaringen zum Fürsten gewählt, der 1881 auch die Königskrone an-
nahm.
Rußland erholte sich wieder rasch von der Niederlage des Krim-
krieges. Seine politische Anziehungskraft auf die Balkanslawen steigerte
sich mit dem Hervortreten des Panslawismus, der alle Slawen zunächst
zu einer geistigen, später auch zu einer politischen Einheit unter russi-
scher Führung zusammenführen wollte, wie es der russische Dichter
Puschkin ausgesprochen hatte: „Alle slawischen Bäche müssen in dem
russischen Meer zusammenfließen/'
Der deutsch-französische Krieg (1870—1871) bot Rußland eine
günstige Gelegenheit, seine Forderungen in Südosteuropa wieder geltend
zu machen. Es erklärte, es werde die Beschränkung seiner Souveränitäts-
rechte im Schwarzen Meer durch den Pariser Friedensvertrag von 1856
nicht mehr länger anerkennen. Die auf Bismarcks Anregung in London
einberufene Pontuskonferenz (1871) beschloß, die Meerengen für die
russische Handelsschiffahrt zu öffnen und Rußland auch wieder die
Haltung einer Kriegsflotte auf dem Schwarzen Meer zu erlauben.
Der erneute Aufschwung der russischen Macht zeigte sich in dem
russisch-türkischen Krieg von 1877—1878. In der Herzegowina war
1875 ein von Serbien und Montenegro unterstützter Aufstand aus-
gebrochen. Gleichzeitig erhoben sich die Bulgaren. Beide Aufstände
wurden von den Türken unter schlimmen Grausamkeiten nieder-
geschlagen. Nunmehr intervenierten England und Rußland. Als die
Türkei die Forderungen dieser beiden Großmächte ablehnte, erklärte
Rußland den Krieg, „um für seine leidenden Glaubensgenossen auf
türkischem Boden die notwendigen Bürgschaften zu erkämpfen". Auch
Rumänien und Serbien traten in den Krieg ein. Nach harten Kämpfen
bei Plewen und am Sdiipkapaß besetzten die Russen Bulgarien und
Thrazien bis in die Nähe von Konstantinopel. Die Türkei mußte 1878
394 Berliner Kongreß (1878)
Das Kaiserhaus hatte bereits durch den Ausgleich von 1867 die Reichs-
treue der nichtmadjarischen Völkerschaften „Transleithaniens" auf eine
schwere Belastungsprobe gestellt, die sie auf die Dauer nicht aushalten
konnten. Andererseits war es nicht gelungen und konnte nicht gelingen,
die Madjaren für eine wirkliche Reichstreue (im Sinne Wiens) zu ge-
winnen. Die madjarische Generation von 1867 war zwar mit den im
Ausgleich erlangten Rechten zufrieden, dafür aber meldeten dann die
späteren madjarischen Generationen immer neue Forderungen an.
Wiederum begann zwischen Wien und Budapest der alte Kampf mit
diplomatischen Mitteln und juristischen Argumentationen: es ging um die
Auslegung und praktische Fortentwicklung der einzelnen Bestimmungen
des Ausgleichs. Um die Jahrhundertwende nahm dieser innere Kampf
Formen und Ausmaße an, daß er die Einheit des Reiches bedrohte. In
Ungarn wurden Forderungen nach einer eigenen Wehrmacht und nach
eigenen diplomatischen Vertretungen im Ausland laut. Die Lage war so
gespannt, daß Kaiser Franz Josef, der sich sonst von der Politik mög-
lichst zurückzuhalten pflegte, es für notwendig hielt, durch den berühmt
gewordenen Armeebefehl von Chlopy (17. September 1903) eine offene
und nachdrückliche Warnung an diese madjanischen Bestrebungen zu
richten. „Je sicherer begründet", so hieß es in jenem kaiserlichen Auf-
ruf, — „mein günstiges Urteil über den militärischen Wert, die hin-
gebungsvolle Dienstfreudigkeit und das einmütige Zusammenwirken
aller Teile meiner gesamten Wehrmacht ist, desto mehr muß und will
ich an deren bestehenden und bewährten Einrichtungen festhalten. Mein
Heer insbesondere — dessen gediegenes Gefüge einseitige Bestrebungen
in Verkennung der hohen Aufgaben, welche dasselbe zum Wohle beider
Staatsgebiete der Monarchie zu erfüllen hat, zu lockern geeignet wären —
möge wissen, daß ich nie der Rechte und Befugnisse midi begebe,
welche seinem obersten Herrn verbürgt sind, gemeinsam und einheitlich,
wie es ist, soll mein Jieer bleiben, die starke "Macht zur Verteidigung
der österreidhisdh-ungarisdhen Monarchie gegen jeden leind ..."
Mit der südslawischen Frage hing das Einvernehmen mit Serbien
zusammen und dieses war mit dem außenpolitischen Verhältnis zu Ruß-
land verquickt. Unter Bismarck, der es durch seine Vermittlertätigkeit
verstand, beide Großmächte im Gleichgewicht zu halten und über beide
sich eine gewisse Direktive zu wahren, war dies Verhältnis erträglich.
Zu Ende des 19. Jahrhunderts richtete sich zudem die ganze Kraft des
russischen Ausdehnungsstrebens nach Ostasien. So verloren die alten
396 Kaiser Franz Joseph
in der geistigen Macht der Kirche. Von solchen Erwägungen war seine
Haltung während der Revolution 1848/49 bestimmt gewesen. Und wie
sehr die Ereignisse der Zukunft ihn auch nötigten, den ursprünglichen
Versucheines „persönlichen Absolutismus" (Silvesterpatent 1851) aufzu-
geben, seinen politischen Grundanschauungen blieb er allezeit getreu.
Lebensart und äußere Erscheinung des greisen Kaisers trugen viel zu
seiner allgemeinen Beliebtheit bei. Mit seiner Pünktlichkeit, die als
musterhaft galt und bald sprichwörtlich wurde, vereinigte er eine
Korrektheit gegen alle — auch gegen seine Untergebenen —, eine ritter-
liche Höflichkeit und eine ungewollte und dadurch um so eindrucksvollere
Würde, die ihm als Erbe jahrhundertealten Herrschertums angeboren
war. So wurde die Gestalt des greisen Kaisers, der drei Menschenalter
österreichischer Geschichte erlebt hatte, das einigende Symbol, um das sich
die verschiedenen Völker des Reiches zusammenscharen konnten, zum
festen Felsen, der in der Flut aller Wandlungen unerschütterlich stand.
Zu dem sechzigjährigen Regierungsjubiläum kam der Deutsche Kaiser
Wilhelm II. und sämtliche deutsche Bundesfürsten persönlich zur Gratu-
lation nach Schönbrunn. Es waren Tage prunkvollen Glanzes für die
ganze Monarchie. Aber schon bald darauf zogen die Gewitterwolken
der Kriegsdrohung herauf. Als in der Türkei die jungtürkische Revolution
ausbrach, und Bulgarien Miene machte, seine völlige Unabhängigkeit
von der Pforte zu proklamieren, benutzte Österreich-Ungarn diese gün-
stige Gelegenheit und erklärte völlig überraschend am 5. Oktober 1908
die staatsrechtliche Einverleibung („Annexion") Bosniens und der Herze-
gowina. Der Sandschak Novipasar, der seit 1879 ebenfalls unter öster-
reichisch-ungarischer Verwaltung gestanden hatte, wurde an die Türkei
zurückgegeben. Die Türkei erhob Protest gegen die Annexion, und
Rußland, Großbritannien, Serbien und Montenegro drohten sogar mit
Krieg. Einflußreiche Kreise in Rußland trieben auch zum Kriege, aber
das Deutsche Reich ließ wissen, daß es sich an sein Bündnis mit Öster-
reich-Ungarn gebunden fühle. Vor dieser Warnung wich Rußland zurück,
da es nach dem verlorenen Krieg gegen Japan noch nicht wieder ge-
nügend für einen neuen Krieg gerüstet war. Die Spannung löste sich
zunächst. Es kam eine Verständigung zwischen Österreich-Ungarn und
der Türkei zustande. Die Türkei fand sich bereit, die vollzogene An-
nexion Bosniens und der Herzegowina anzuerkennen; Österreich-
Ungarn zahlte dafür eine Entschädigung.
*
398 Attentat von Sarajewo
ANHANG
1. Anmerkungen
3. Schrifttumsverzeichnis
4. Herrschertafeln
5. Zeittafel
In dem Zeitalter des Humanismus und der Renaissance, da die kritische Geschichts-
forschung im heutigen Sinne des Wortes erst entstand, ist auch bereits das Interesse an
der wissenschaftlichen Erforschung Südosteuropas unter dem Eindruck großer politischer
Zeitereignisse erwacht. Der Abstieg und Untergang der ehemaligen Weltmacht des
byzantinischen Reiches, der Fall Konstantinopels (1453) und die lawinenhafte Ausbrei-
tung der türkischen Macht, die unaufhaltsam alles zu überfluten drohte, lenkten die
politische Aufmerksamkeit des Abendlandes nadi dem Balkan. Die zahlreichen griechi-
schen Gelehrten, die auf der Flucht vor den Türken ihre Heimat verlassen mußten,
brachten nach deim Westen nicht nur bessere allgemeine Kenntnisse über die byzan-
tintsch-balkamsche Welt, sondern vor allem eine Menge griechischer Handschriften. Die
Kenntnis der griechischen Sprache verbreitete sich im Abendland. Man begann, die
byzantinischen Geschichtsquellen — Geschichtsschreiber und Chronisten — zu studieren
und in gedruckten Ausgaben zu veröffentlichen. Unter den verschiedenen Gelehrten, die
sich darum bemühten, ragt besonders ein Deutscher hervor: Hieronymus Wolf.
Hieronymus Wolf (1516—1580), der Nachkomme eines altadeligen aber verarmten
Geschlechtes (geb. zu öttingen im Ries), mußte sich gegen den anfänglichen Wideretand
seines Vaters den Weg zu den humanistischen Studien erkämpfen. Unter harten per-
sönlichen Entbehrungen studierte er an den Universitäten Tübingen und Wittenberg.
Dann führte er ein Wanderleben. In Mühlhausen (in Thüringen), Nürnberg, Tübingen,
Straßburg und Basel, überall blieb er nur einige Zeit. Nach einem einjährigen Auf-
enthalt in Paris wurde er dann Sekretär und Bibliothekar im Hause Jakob Fuggers.
Bis an sein Lebensende blieb er in Augsburg, vor allem beschäftigt mit der Herausgabe
antiker Klassiker. Von diesen kam er zu den byzantinischen Historikern. Als erster
' ) Der im folgenden versuchte Überblick über die Entwicklung der geschichtlichen
Südosteuropa-Forschung kann sich nur für einzelne Teilgebiete auf Vorarbeiten stützen.
Es seien insbesondere genannt: H ö m a n (5). F l e g l e r . S t a n o j e v i e (3). O s t r o -
Neben der Beschäftigung miit dem byzantinischen Mittelalter trat schon im 16. Jahr-
hundert das wissenschaftliche Interesse an der aufsteigenden Macht der Osmanen hervor.
Die türkische Gefahr, die das ganze Abendland bedrohte, zwang gebieterisch dazu, sidi
mit diesem gefürchteten Gegner zu beschäftigen. So entstanden zunächst zahlreiche
politische Gelegenheitsschriften über die Türken. Diese „Türkenliteratur" war ganz
verschiedenartig und versdriedenwertig. Sie umfaßte zunächst die zahllosen durch die
Tünkenkriege veranlaßten Flugschriften jener Zeit—die sogenannten „Türkenzeitungen"—,
ferner publizistische Schriften größeren Umfanges, schließlich auch größere W e r k e von
eigentlich wissenschaftlichem Wert, in denen der Versuch gemacht wurde, ein zusammen-
fassendes Bild des osmanischen Reiches zu geben. Unter den Werken dieser letzteren Art
sind am wichtigsten jene von Crusius und Leunclavius.
Martin C. Crusius (Kraus) (1526—1607) war von 1559 bis zu seinem Tode Professor
der griechischen Sprache zu Tübingen. Er gewann als akademischer Lehrer einen solchen
Ruf, daß viele Ausländer, insbesondere auch gebürtige Griechen, zum Studium nach
Tübingen kamen. Mit dem Zustande Griechenlands unter der osmanischen Herrschaft
befassen sich seine beiden Werke „Turco-Graecia" (Basel 1584) und „Germano-Graecia"
(Basel 1585).
Reisen m Europa und nach dein Orient. Sein Aufenthalt in Konstantinopel, seine Kenntnis
der orientalischen Sprachen und der byzantinischen Geschichtsqueillen, ferner die Be-
nutzung der in Wien vorgefundenen deutschen Ubersetzung der Annalen der osmanischen
Sultane, das alles zusammen gab ihm einzigartige Möglichkeiten, in die osmandscfie
Geschichte einzudringen. So kam Leunclavius zu einem f ü r jene frühe Zeit überraschend
richtigen und objektiven Bild der osmanischen Geschichte. In seiner eingehenden Kennt-
nis der türkischen Dinge eilte er seiner Zeit so weit voraus, daß seine Anschauungen
auf Jahrhunderte hinaus maßgeblich blieben und eigentlich erst zu Beginn des 19. Jahr-
hunderts durch die Forschungen von Tiammer-Purgstall vollständig überholt wurden.
In mehreren lateinisch und deutsch abgefaßten Werken gab er zusammenfassende Dar-
stelllungen des osmanischen Reiches, seiner Geschichte und seiner Verfassung. Die Dar-
stellung ist sachlich und gewissenhaft und in der Schilderung türkischer Verhältnisse von
einer geradezu überraschenden Objektivität; in der sprachlichen Form zeigen sich freilich
schon die ersten Anfänge jenes schwülstigen Stiles, der in der Folgezeit allgemein
herrschende Mode wurde. In den Türken sieht Leunclavius — darin ist er ein Kind
seines Jahrhunderts — eine Geißel Gottes, dazu gesandt, um die christlichen Völker und
Fürsten aufzurütteln.
Zu der eigentlichen Türkenliteratur kamen dann die großen Reisebesdireibungen, die
für das Abendland die wichtigste Quelle seiner Kenntnisse über den Balkan und das
osmanische Reich wurden. Die wertvollsten und ausführlichsten Reisebeschreibungen des
16. Jahrhunderts stammen von deutschen Reisenden: Jians T)ernsdhwam, Augier (Auge-
rius) de Busbedke, Stefan Qerladh und Salomon Schweiger. Im 17. und 18. Jahrhundert
traten dann französische Reisende in den Vordergrund.
Zu Ende des 17. Jahrhunderts wandelte sich das Bild des Türken in der politischen
Meinung Europas vollständig. Nach der großen türkischen Niederlage vor Wien (1683)
hörte das osmanische Reich auf, eine Gefahr für das Abendland zu sein. Aus einem
Gegenstand der Furcht und des Schreckens wurde der Türfee nunmehr fast ein Gegen-
stand des spöttischen Mitleides. Der seit Jahrhunderten gefürchtiete „Türkenhund" und
„Erbfeind der Christenheit" wurde seitdem zum „kranken Mann".
Diese Zeit einer geschichtlichen Wende hat eine große zusammenfassende Darstellung
der osmanischen Reichsgeschichte hervorgebracht in dem W e r k des moldauischen Poly-
histors Demetrius Cantemir (1673—1723")
*
Diese große Zeit der französischen Byzantinistik erlebte eine gewisse Nachblüte im
18. Jahrhundert in Italien, wo vor allem Ludovico Antonia Tduratori (167 2 - 1 7 5 0 ) , der größte
italienische Geschichtsforscher seiner Zeit, sich um die Belebung dieser Studien beimühte.
Auf der Grundlage dieser Forschungsarbeit des 17. und 18. Jahrhunderts entstanden
dann die zwei großen Gesamtdarstellungen der oströmischen Geschichte von Charles
Lebeau (1701—1778) und Edward Qibbon (1737—1794). Beide Verfasser ließen sich
von der rationalistisch-aufklärerischen Verachtung gegen alles Mittelalterliche die Feder
führen. Qibbon selbst erklärte mit dem selbstsicheren Pathos seines fortschrittsgläubigen
Zeitalters, er habe in seinem Werk „den Triumph des Barbarentums und der Religion"
schildern wallen. Diese Tendenz war so stark, daß beide Geschichtsschreiber nur ein
Zerrbild der geschichtlichen Wirklichkeit zu zeichnen vermochten. Aber trotzdem hat
Qibbons Werk durch die Sprachgewalt seiner DarstellungsJcunst die herkömmliche Auf-
fassung der aströmischen Geschichte als einer fortschreitenden Entartung in unheilvoller
Weise bis in das 20. Jahrhundert bestimmt.
*
Im 18. Jahrhundert wurde auch das slawische Osteuropa von der abendländischen
Geschichtsforschung entdeckt.
Die Rückgewinnung Gesamtungams für das Habsburgerreich, das nach dem Frieden
von Karl awitz (1699) wieder den ganzen mittleren Donauraum umfaßte, hat auch diese
neugewonnenen Gebiete für das allgemeine geschichtliche Bewußtsein des Abendlandes
wieder entdeckt. Bahnbrechend haben in dieser Richtung vier Geschichtsschreiber des
18. Jahrhunderts gewirkt: Matthias Bèi, Qeorg ?ray, Stephan Xatona und vor allem
johcinn Christian von Engel.
Matthias Bei (1684—1749) studierte an der Universität Halle Medizin und Theologie,
wirkte dann als Rektor an der evangelischen Schule zu Neusohl, später als Rektor
und als Prediger der evangelisch-deutschen Gemeinde zu Preßburg. Er entwickelte eine
außerordentliche gelehrte Fruchtbarkeit, insbesondere auf geschichtlichem Gebiet. Sein
Hauptwerk, eine umfassende geschichtliche Landeskunde Ungarns („Notitia Jlungariae")
widmete er Kaiser Karl VI., der ihn zu seinem Geschichtsschreiber ernannte und in den
Adelsstand erhob.
Qeorg Vray (1723—1801) stammte aus der Tiroler Adelsfamilie Pray von Luseneck.
Seine Studien machte er zunächst in Preßburg, Wien und Raab. Nachdem er 1740 in
den Jesuitenorden eingetreten war, wirkte er später als Lehrer an verschiedenen Ordens-
kollegien. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) wurde er von Maria Theresia
zum Historiographien des Königreiches Ungarn ernannt. Bei der Verlegung der Uni-
versität T y m a u nach Ofen (1777) und später nach Pest wurde er als erster Kustos an
die dortige Universitätsbibliothek berufen. Von Joseph II., Leopold II. und Franz H.
erhielt er Beweise allerhöchster Gunst. Seiine ausschließlich lateinisch abgefaßten Schriften
sind großenteils historischen, nur zum kleinsten Teile poetischen oder theologischen In-
halts. Am wichtigsten wurden seine zusammenfassenden Darstellungen der ungarischen
Geschichte, die sich durch Sorgfalt in den chronologischen Angaben und durch eine um-
fassende Gelehrsamkeit auszeichnen.
Johann Christian von Engel (1770—1814), der Sohn einer deutschen Bürgerfamilie
aus Leutschau, hat sich schon in jungen Jahren dafür entschieden, sein Leben der
Erforschung der ungarischen Geschichte zu widmen. In seiner Verbindung einer deutsch
und protestantisch bestimmten Geisteshaltung mit der Begeisterung für das größere un-
garische Vaterland ist er ein echter Zipser. Er studierte an der Universität Göttingen,
wo Sdhtözer einen großen Einfluß auf ihn hatte. Dann schlug er in Wien die Beamten-
laufbahn ein. Durch seine ungewöhnliche Sprachbegabung erregte er großes Aufsehen.
Er erlernte das Kirchenslawische, Serbische, Neugriechische und Rumänische. Im Jahre
1794 wurde er zum Bücherzensor ernannt. Und im Jahre 1799 wurde ihm auch die
Zensur der „illyrischen" (d. h. serbokroatischen) und neugriechischen Bücher anvertraut.
Seine Vaterstadt Leutschau verlieh dem großen Sohne das Ehrenbürgerrecht. Im Jahre
1801 wurde er Konsistorialrat beim evangelischen Konsistorium. Im Jahre 1812 wurde
er Hofsekretär. Durch seine rastlose Arbeit hatte er sich frühzeitig ein chronisches
Lungenleiden zugezogen, das ihn immer wieder hinderte, mit ganzer Kraft der Ver-
406 ENTWICKLUNG DER SCIDOSTEUROPA-FORSCHUNG
gestellt, ohne — und darin liegt vielleicht seine größte Leistung — der historischen
Objektivität Abbruch zu ton. Sein Hauptwerk, die „Geschichte des Deutschtums in den
Karpathenländem" hat in diesen verstreuten Volksgruppen überhaupt erst das Bewußt-
sein ihrer Schicksalsgemeinschaft erweckt. Der dritte Band des genannten Werkes ist der
von Xaindl ins Leben gerufenen ersten völkischen Tagung der Karpatendeutschen in
Czemcrwitz (1911) gewidmet. Xamdts Bedeutung reicht jedoch weit über den Raum des
Karpatendeutschtums hinaus. Er war einer der ersten und entschiedensten Vorkämpfer
eines gesamtdeutschen Geschichtsbewußtseins.
*
Jobarm Qeorg vcm Jiabn (1811—1869), als Sohn eines landgräflich hessischen Geheim-
rates zu Frankfurt geboren, studierte zunächst an den Universitäten Gießen und Heidel-
berg Rechtswissenschaft. Dann begab er sich nach mehreren Reisen zu Beginn des
Jahres 1834 nach Griechenland und trat in die Dienste der neuen griechischen Regierung.
Fast ein Jahrzehnt lang wirkte er erfolgreich bei dem Neuaufbau eines geordneten
staatlichen Justizwesens und als Mitglied der Gerichtshöfe von Tripolitza, Nauplia und
Ghalkis. Nach der fremdenfemdlidien griechischen Bewegung von 1843 mußte er diese
AmtssteHung aufgeben. Er lebte bis 1847 als Privatmann in Athen, vorübergehend ver-
waltete er dort aiudi das preußische Konsulat. Von 1847—1851 verwaltete er dann das
neuerrichtete österreichische Konsulat in Janina. Im Jahre 1851 wurde er zum öster-
reichischen Konsul für das östliche Griechenland mit dem Sitz in Syra ernannt und
später zum Generalkonsul befördert. Von dort aus unternahm er mehrere Reisen, vor
allem im Jahre 1863 eine größere Reise durch die Türkei. Im Frühjahr 1869 wurde er
zum Generalkonsul für Albanien ernannt, aber der Tod hinderte ihn, die neue Stellung,
in der er sich politisch und Wissenschaft]ich hätte voll entfalten können, anzutreten.
Durch die übermäßige Arbeitslast, die sich der unermüdliche Forscher stets zugemutet
hatte, war seine Gesundheit früh untergraben. In Deutschiland, wo er Genesung suchte,
ereilte ihn im Jahre 1869 nach mehrmonatigem schwerem Leiden der Tod.
Jiabn war einer joner Diplomaten, die durch ihre in langjährigem Aufenthalt er-
worbenen Kenntnisse von Sprache, Land und Volk bahnbrechende Leistungen für die
geschichtliche Erforschung Südosteuropas vollbracht haben. Die dreieinhalb Jahrzehnte
seines Aufenthaltes auf griechischem und albanischem Volkstumsgebiet nutzte er dazu,
in Sprache, Brauchtum und Volksdichtung dieser beiden Völker ganz tief einzudringen.
Auf dem Gebiete der Albanienkunde, wo er kaum nennenswerte Vorgänger hatte, er-
öffnete er erst das Zeitalter systematischer Erforschung. Seine „Albanesischen Studien",
das Ergebnis seiner in Janina betriebenen Forschungstätigkeit, gaben die erste zusammen-
fassende Darstellung des Landes und des Volkes, seiner geographischen, ethnographi-
schen, wirtschaftlichen, geschichtlichen, archäologischen und religiösen Verhältnisse, vor
408 ENTWICKLUNG DER SdDOSTEUROPA-FORSCHUNG
allem aber der Sprache, von der Jiahn die erste vollständige Grammatik in deutscher
Sprache und das erste albanisch-deutsche und deutsch-albanische Wörterbuch bot. Dieses
große Werk, zu dem Hahn den gesamten Tatsachenstoff selbst, zum Teil auf beschwer-
lichen und gefährlichen Reisen, gesammelt hat, war eine wirkliche Pionierleistung, durch
die Albanien für die wissenschaftliche Forschung eigentlich erst entdeckt wurde. Die
bleibende wissenschaftliche Bedeutung dieses Werkes geht am überzeugendsten daraus
hervor, daß es auch heute, nach fast einem Jahrhundert, für den Forscher noch völlig
unentbehrlich ist.
Neben diesem Hauptwerk, durch das sich Wahn in der wissenschaftlichen Welt einen
europäischen Namen erwarb, stehen andere ebenfalls beachtliche Veröffentlichungen:
zwei Reisebeschreibungen über Mazedonien, das er als erster systematisch erforschte,
und vor allem seine große Ausgabe griechischer und albanischer Märchen, die ebenfalls
Neuland erschloß. Die diesem Forscher angeborene Entdeckerlust hat ihn auch in die
Bereiche der Mythenvergleichung und Archäologie geführt, ohne daß es ihm auf diesen
Gebieten gelungen ist, ähnlich bleibende Leistungen zu schaffen.
der U n g a r Jranz Baron ftopcsa, dessen wissenschaftliches Lebenswerk die landes- und
volkskundliche Erforschung des katholischen Nordalbanien ist.
Dieses Leben ist von einer rastlosen Forschungstätigkeit, die das weite Gesamtgebiet
der slawischen Philologie umspannt, ausgefüllt gewesen. U n t e r seinen zahlreichen W e r k e n
stehen an Bedeutung die kritischen Erstausgaben altslawischer T e x t e im Vordergrunde.
Sein Lieblingsinteresse galt freilich immer der Tätigkeit der beiden „Slawenapostel"
Kyrill und M e t h o d , der Entstehung der slawischen Alphabete und der kirchenslawischen
Sprache. D a h e r darf seine Entstehungsgeschichte der kirchenslawischen Sprache gewisser-
maßen aüs Zusammenfassung des wichtigsten Teiles seines Lebenswerkes gelten.
Mit dieser „Geschichte der Bulgaren" promovierte er an der Universität Prag zum
Doktor der Philosophie. Schon im folgenden Jahre 1877 habilitierte er sich mit einer
historisch-geographischen Arbeit über die Heerstraße von Belgrad nach Konstantinopel
für das Lehrgebiet der „Geschichte des Orients" (d. h. osteuropäische Geschichte). Im
Wintersemester 1877/78 las er als erste Vorlesungen: 1. in tschechischer Sprache: „Uber
den vierten Kreuzzug und das lateinische Kaisertum in Konstantinopel", 2. in deutscher
Sprache: „Uber die Geographie der Balkanhalbinsel". 1878 und 1879 reiste er in den
Ferienmonaten nach Dalmatien, um in den Archiven von Ragusa die Quellen für die
Geschichte des mittelalterlichen Serbien und Bosnien zu sichten. Als erstes Ergebnis
dieser archivalischen Forschungen erschien schon 1879 eine Schrift über die mittelalter-
lichen Handelsstraßen und Bergwerke Bosniens und Serbiens. Dann folgten fast Jahr
um Jahr jene weiteren gewichtigen Veröffentlichungen, die ihrem Verfasser bald den
Ruhm einbrachten, der beste Kenner der balkanslawischen Geschichte zu sein.
gessene Arbeiten von Qeorg Vray aufmerksam, in denen dieser auf Befehl Josephs II. die
geschichtlichen und verfassungsrechtlichen Beziehungen U n g a r n s zu seinen südlichen
Provinzen behandelt hatte. Weiterhin wurde er dadurch zur Beschäftigung mit Johann
Christian von Engel gedrängt, in dem er seinen eigentlichen wissenschaftlichen Vor-
läufer sah. D e m Leben und W i r k e n dieses Geschichtsforschers widmete e r eine eigene
Veröffentlichung. Es wurde Jhallöczys großer Gedanke, das W e r k dieser beiden Vor-
gänger — Pray und f.ncjel — fortzuführen und die Geschichte der ungarischen Schutz-
staaten und der ungarischen Großmacht des Mittelalters ziu schreiben. In einer Anzahl
von größeren W e r k e n , die immer auf eindringender Einzelforschung beruhen, beschäf-
tigte er sich mit der Geschichte der einzelnen südlichen Nachbarländer. S o g a b er zu-
sammen mit Samuel Barabas das Urlcundenbuch der kroatisch-ungarischen Familie
Blazay und das Urkundenbudh der Familie Jrangepani heraus. Zusammen mit A. Hodinka
veröffentlichte er eine Urkundensammlung ü b e r die Anfänge der Militärgrenzorgani-
sation, wodurch die älteren von Vanicek und Sdbwidker dargelegten Anschauungen über
Entstehung und Anfänge der Militärgrenze wesentlich berichtigt wurden. In besonderen
Arbeiten handelte er ferner über die ungarisch-serbischen und ungarisch-bulgarischen
Beziehungen. Sein Hauptinteresse galt freilich unverändert Bosnien. Sein Plan, eine
große zusammenfassende Geschichte Bosniens zu schreiben, blieb unausgeführt. Als Vor-
arbeiten dazu erschienen eine Untersuchung über die Anfänge des bosnischen Banates,
eine Geschichte des Banates und der S t a d t J a j c e und ein Urkundenbuch der drei benach-
barten slawonischen Kamitate Dubica, O r b a c z und S z a n a .
V V
M i t Jirecek und Jhalloczy m u ß der kroatische Historiker Milan von Sufflay ( 1 8 7 9 bis
1 9 3 1 ) genannt werden. Seine Bedeutung darf nicht an dem äußeren U m f a n g seiner
Veröffentlichungen gemessen werden. Denn in noch höherem M a ß e als von Jhalloczy
412 ENTWICKLUNG DER SODOSTEUROPA-FORSCHUNG
kann man von ihm sagen, d a ß er nur Bruchstückc eines geplanten großen W e r k e s hinter-
lassen hat. W e n n Jballöczy mehr in die W e i t e ging und in seiner geschichtlichen K o n -
zeption von der Politik her stark bestimmt war, so war die Forscherpersönlidikeit
Sufflays ganz anderer Art. Sein wissenschaftliches W e r k zeigte zur Politik keinerlei
innere Beziehung. Seine Forschungspläne zielten nicht in die Weite, semdern in be-
sonnener Selbstbeschränkung darauf, ein verhältnismäßig kleines Forschungsgebiet —
Albanien — nach allen Richtungen und in die T i e f e zu durchdringen. Schon früh setzte
er sich die wissenschaftliche Lebensaufgabe, die dunkle Geschichte Albaniens zu erfor-
schen und darüber eine große zusammenfassende Darstellung zu geben. Die tragfähigen
kritischen Grundlagen dazu legte er in umfangreichen Vorarbeiten über die Entwicklung
der Städte, über die kirchenpolitischen Verhältnisse, über die Geschichte der Stammes-
verfassung, über die spätmittelalterliche Sozialgeschichte Nordalbaniens und über
andere Fragen. Er entwarf auch den Plan eines großen Regestenwerkes zur mittelalter-
lichen Geschichte Albaniens, den er dann zusammen mit Jirecek und Jballöczy teilweise
durchführte.
Die Stärke des Geschichtsforschers Sufflay lag in seinem scharfen Blick für Typen
und W e g e sozialgeschichtlidier Entwicklung, verbunden mit einer hervorragenden
Kenntnis des schwierigen und weitverstreuten Tatsachenstoffes. Die machtpolitisdien
Oberflächenbewegungen geschichtlichen Geschehens, der Kampf der großen Mächte um
das Küstenland an der Straße von Otranto, spielte in seiner Geschichtsschau keine Rolle,
weil für ihn der wesentliche Inhalt der Geschichte die Volkstums- und Sozialgeschichte
war. Im Vordergrund seiner Darstellung stehen daher die Gesellschafts-, Wirtschafts-
und Siedlungsformen, die er wie lebende Organismen in ihrer biologischen Entwicklung
zu schildern weiß. Seine Untersuchungen haben zum ersten M a l e das innere Leben der
albanischen Städte und Kleinstaaten im Spätmittelalter geschildert: die bunte Durch-
dringung und Verschmelzung der abendländisch-italienischen und der einheimischen
albanisch-slawisch-byzantinischen Kultur und die Verfassung der Bergstärnme in ihrer
sozialgeschichtlichen Bedingtheit. Diese Betrachtungsweise j s t die Stärke, in ihrer Aus-
schließlichkeit jedoch auch die Schwäche der Darstellung. Sufflay fehlt der Blick für die
Landschaft als Schicksalsfaktor und für den Staat als T r ä g e r des machtpolitisdien Aus-
dehnungswiilllens. D a z u kommt, d a ß die quellenmäßige Grundlage sich auf Geschichts-
schreibung und Urkunden beschränkt. Die übrigen, schwerer zu erarbeitenden Quellen —
archäologische Funde, kulturgeschichtliche Sprachanalyse, Ortsnamen — hat er eben-
sowenig wie seine Vorgänger benutzt. Infolge dieses Verzichtes auf die Verwertung der
„Uberreste" mußte e r sich auf das Spätmittelalter beschränken, wo seit dem 13. und
dann vor allem seit dem 14. Jahrhundert die literarischen und urkundlichen Quellen zu
fließen beginnen. F ü r die vorausgehenden zwei Jahrtausende — Illyrierherrschaft und
griechische Kolonisation, Römerherrsdhaft und Romanisierung, slawische Besiedlung und
byzantinische Rückgewinnung — mußte e r sich damit begnügen, die von allen Vor-
gängern schon angeführte Zusammenfassung der äußeren Tatsachen der politischen
Geschichte zu wiederholen.
*
M i t der Entwicklung der bailkanischen Landes- und Volksforschung und der balkan-
slawischen Geschichtsforschung hielt die Erforschung der osmanischen und byzantinischen
Geschichte Schritt. Für die Erforschung der osmanischen Reichsgeschichte leitete das
wissenschaftliche Lebenswerk von Tiammer-Vurgsiall ein neues Zeitalter ein.
Johann Wilhelm Zinkeisen (1803—1863) hat dann für die Erforschung der osmani-
schen Reichsgeschichte auch die westeuropäischen ardiivalischen Quellen, vor allen die
französischen (Paris) und die venezianiisdien (Relationen) nutzbar gemacht. Nikolaus
Jorga (1871—1941) hat dieses Bild aus seiner besonderen Kenntnis der byzantinischen
und rumänischen Geschichte vertieft. Er hat auch als erster den Versuch gemacht, das
kulturelle und gesellschaftliche Leben des osmanischen Reiches in aller Breite zu schildern.
y. W. Jiasludk (1878—1920) gab wichtige Beiträge zur türkisch-islamischen Religions-
geschichte, Tranz "Babinger (geb. 1891) die zusammenfassende Darstellung der osmani-
schen Geschichtsschreibung.
*
Qottlieb Lukas Jriedridh Jafel war der Bahnbrecher der byzantinischen Philologie
in Deutschland (1787—1860). Er war der Sohn eines Landpfarrers in der Rauhen Alb
und studierte zunächst ebenfalls Theologie. Aber schon nach einigen Jahren des Pfarr-
dienstes führte ihn seine innere Neigung immer stärker zur Philologie. 1818 wurde er
außerordentlicher Professor für alte Literatur an der Universität Tübingen und 1827
zweiter Ordinarius an derselben Universität. Er erklärte und edierte eine Anzahl antiker
griechischer Schriftsteller. Durch seine Pindarstudien wurde er auf den Kommentar des
Eustathios von Jhessalonike (12. Jahrhundert) aufmerksam. 1832 gab er die damals
erreichbaren Schriften des Eusthathios heraus. Dadurch wurde er zur Beschäftigung mit
der Topographie und Lokalgeschichte von Thessalonike geführt, der sein nächstes
Hauptwerk galt (1839). Die folgenden Arbeiten beschäftigten sich alle mit Fragen der
historischen Geographie: zwei Studien über die Via Egnatia (1837—1841), Neuheraus-
gabe und Kommentar zu den Strabo-Fragmenten über Thessalien und Mazedonien
(1844) und ein Programm „Constantini Porphyrogeniti de provinciis regni Byzantini"
(1846). Schon 1846 mußte er infolge einer Krankheit in den Ruhestand treten. Die letzten
14 Jahre seines Lebens brachte er in Ulm zu. Während dieser letzten Zeit seines Lebens
erschien noch eine ganze Reihe wichtiger Arbeitein: Zunächst veröffentlichte er einige
geschichtlich wichtige Stücke des Eustathios von Jhessalonike in deutscher Übertragung.
Dann gab er zusammen mit Q. M. Jhomas in München ein venezianisch-byzantinisches
Urkundenbuch in drei Bänden heraus. Aus den Vorbereitungen zu den geplanten, aber
nicht verwirklichten Ausgaben der Historiker Jheophanes und Chalkokandyles er-
wuchsen wenigstens einige kleine Veröffentlichungen, die geradezu eine Art fortlaufende
Kritik der Bonner Ausgabe byzantinischer Geschichtsquellen darstellen. Von diesem
Bonner Corpus hat er wiederholt geurteilt, es sei höchstens als eine lobenswerte Drude-
korrektur der älteren Editionen zu schätzen. D a ß Tafel, neben Benedikt Hase der einzige
damals lebende gründliche Kenner der byzantinischen Gräzität, sich von dem Banner
Corpus fernhielt, war verhängnisvoll; denn dies bedeutete, daß die Editionen des
Bonner Corpus völlig ungeeigneten Kräften übertragen wurden.
Xarl JHopf (1832—1873) widmete sein Leben der Erforschung der byzantinischen
Geschichte im Zeitalter der „Frankenherrschaft" (13.—16. Jahrhundert). Durch seine
umfassenden Archivforschungen erschloß er ganz neues Quellenmaterial (vor allem in
Neapel, Genua, Palermo und Venedig). Auf dieser Grundlage entstand seine groß-
angelegte „Geschichte Griechenlands vom Beginn des Mittelalters bis auf unsere Zeit"
und seine zahlreichen kleinen Monographien über einzelne fränkische und venezianische
Herrschaften auf griechischem Boden. Von bleibender Bedeutung ist auch seine Sammel-
ausgabe der von ihm neuentdeckten Lokalchroniken aus der Frankenzeit („Chroniques
gréco-romanes").
ENTWICKLUNG DER SDDOSTEUROPA-FORSCHUNG 415
Xarl Xrumbadher (1856—1909) war ein Sahn des Allgäu (geboren zu Kümach bei
Kempten). Sdion in jungen Jahren wandte sich sein Interesse dem neuen Griechenland
zu. Aus seiner eigenen späteren Erzählung wissen wir, wie die Phantasie und Begeiste-
rung des Buben sich an einem Buch über den griechischen Freiheitskampf entzündete.
Vielleicht hat dieses Buch schon in frühen Jahren über den Lebensweg des künftigen Ge-
lehrten entschieden. Von 1869—1875 besuchte er das Gymnasium zu Kempten. Danach
studierte er an der Universität München klassische Philologie. In zwei Leipziger Semestern
machte er sich bei Q. Curtius und X. Brugmann mit den Methoden der vergleichenden
Sprachwissenschaft vertraut. Von 1879 bis 1891 war er in München im Gymnasialdienst.
Er selbst hat schwer unter der Last dieser Lehrverpflichtungen gelitten. Aber trotzdem
war diese Zeit die eigentlich schöpferische seines Lebens. Im Jahre 1883 promovierte er,
1884/85 machte er eine Reise in den griechischen Orient, über die er 1886 auch eine
populäre Schilderung veröffentlichte, 1885 habilitierte er sich, 1891 wurde er kurz nach
der Veröffentlichung seiner byzantinischen Literaturgeschichte zum Extraordinarius
ernannt.
Schon früh ist sich Xrumbadher ganz klar geworden über die Lebensaufgabe, die er
sich vornehmen wollte. Er wollte der „Mittel- und neugriechischen Philologie" als einer
selbständigen Disziplin die Gleichberechtigung neben der klassischen Philologie und das
Heimatrecht an den Universitäten erkämpfen. Dabei aber spannte er diesen Begriff der
mittel- und neugriechischen Philologie inhaltlich sehr weit. Ihr Gegenstand sollte die
griechische Sprache, Literatur und Kultur von der ausgehenden Antike bis zur Gegen-
wart sein. Diese geistige Weite ist das eine Kennzeichen von Xrumbadhers Gelehrten -
persönlichkeit. Das andere war die Vorliebe des Forschers für das Konkrete, Einzelne
und Volkstümliche.
In Xrumbachers Leben und Werfe war das Jahr 1891 ein scharfer Einschnitt. Zu
Anfang jenes Jahres erschien seine zusammenfassende Darstellung der byzantinischen
Literaturgeschichte, zu Ende jenes Jahres wurde er daraufhin zum Extraordinarius er-
nannt. Nach dem Jahre 1891 begann dann die zweite Epoche seines Schaffens. W a s er
in der ersten Epoche an großen schöpferischen Arbeiten entworfen hatte, das galt es
nunmehr auszubauen und mit einer Organisation zu versehen. Im Jahre 1892 wurde
als erste wissenschaftliche Fachzeitschrift dieses Forschungsgebietes die „Byzantinische
Zeitschrift" begründet. 1899 setzte Xrumbadher nach langen Kämpfen schließlich doch
die Errichtung eines besonderen Mittel- und neugriechischen Seminars an der Universität
München durch. Neben dem Ausbau dieses Seminars, neben den großen Forschungen
und Veröffentlichungen, neben der zeitraubenden Herausgebertätigkeit an der „Byzan-
tinischen Zeitschrift" entfaltete Xrumbadher auch eine sehr erfolgreiche Lehrtätigkeit
in Vorlesungen und Übungen.
Die Universalität Xrumbadhers zeigt sich besonders darin, daß er die Bedeutung des
slawischen Nachbargebietes für die Byzantinistik richtig erkannte. Er begann selbst nodi
Russisch zu lernen und hielt seit 1901 an der Universität München öffentliche Einfüh-
rungskurse in die russische Sprache ab, Ulm damit den Beweis zu erbringen, daß ein
Bedürfnis nach Errichtung einer Professur für slawische Philologie bestehe. Die von
Xrumbadher betriebene Errichtung einer slawischen Professur wurde freilich erst ein
Jahr nach seinem Tode Wirklichkeit.
Auch als Wissenschaftsorganisator hat Xrumbadher eine große Bedeutung. Als erster
erkannte er die Bedeutung der Photographie für die geisteswissenschaftliche Forschung.
Zusammen mit Jirecek stellte er den großen Plan eines Corpus der byzantinischen Ur-
kunden auf.
*
ANMERKUNGEN
Kapitel 2
Allgemein: Sdhmidt, Sehmsdorf, Schenk v. Stauffenberg. — Sudetenländer: Hetlinger,
Preidel. — Pannonien: Jlföldi 0). — Wandalen: Jahn. — Bastarnen und Skiren: Petersen.
— Gepiden: Diculescu (hypothesenreich). — Goten: Müller-Kuales. — Krimgoten:
R. Loewe, Vasiliev. — Arianismus : Qiesedke.
Kapitel 3
Die geschichtliche Welt der alten eurasischen Reiternomadenvölker ist vor allem von der
madjarischen Wissenschaft erforscht worden. Grundlegend ist das Werk von TJémeth sowie
das von ihm herausgegebene Sammelwerk: Attil és hdnjai. — Vgl. ferner: Älföldi (2),
Jltheim, Barthold, Ldszlô, Marcjuart 0), Spuler CT, Thompson. — Turkvölkische Sprach-
reste in byzantinischen Quellen: Moravcsik 0 ) . — Bibliographie: Moravcsik, Räsonyi.
Kapitel 4
Nach der gewichtigen Forschungsarbeit Ducange's und der Mauriner entstanden die
großen im Geiste der Aufklärung gehaltenen Gesamtdarstellungen von Lenain de 7ille-
mont, Qibbon und Lebeau. Die darstellerische Kunst von Qibbon hat das Bild der ost-
Kapitel 5
Kapitel 7
Kapitel 8
Seit der großen Gesamtdarstellung der deutschen Südostkolonisation aus der Feder von
R. Fr. Xaindl hat die Forschung auf diesem Gebiete außerordentliche Fortschritte erzielt.
Der Versuch von Bretholz, die deutsche Kolonisation des Hochmittelalters zu bestreiten
und das Sudetendeutschtum als einen altansässigen „Germanenrest" zu betrachten,
wurde von Wostry u. a. widerlegt. — Wampe sowie Kötzsdhke u. Ebert gaben neue kurze
Gesamtdarstellungen, Aubin einen zusammenfassenden Bericht über den Stand der For-
ANMERKUNGEN 419
Xapitel 10
Ältere Darstellungen der Kreuzzüge und des Kreuzzugsgedankens: Wilken, Trutz, Röh-
richt, Xugler, Volk, Ru ville. — J e t z t grundlegend: Erdmann, Qrousset. — Vierter Kreuz-
z u g : Norden (3). — Kreuzzüge und O s t r o m : TJeumann CO, Sdhlumberger (4). — Levante-
handel: Jieydk, Heyd, Sdhaube.
Xapitel ii
Xapitel 12
Xapitel 13
27*
420 ANMERKUNGEN
Kapitel 14
Xapitel 15
Xapitel 17
Xapitel 18
Xapitel 20
Xapitel 2i
Xapitel 22
Xapitel 23
Aus der von Jahr zu Jahr unübersichtlicher anschwellenden Masse des fachwissen-
schaftlichen Schrifttums, das in mehr als einem Dutzend verschiedener Sprachen
vorliegt, ist im folgenden eine enge Auswahl getroffen. Es wurde versucht, f ü r
j e d e s Kapitel d e r Darstellung d i e w e s e n t l i c h e n Schriften (selbständige Bücher
und Abhandlungen) anzuführen (vor allem neuere Veröffentlichungen und soldie
in d e n geläufigen wissenschaftlichen Weltsprachen). — W e r k e von allgemeinerer
Bedeutung sind durch * hervorgehoben. —Hinweise auf Zugehörigkeit zu Sammel-
reihen u. ä. sind im allgemeinen nur bei Akademieveröffentlichungen gegeben.
— Infolge der mangelhaften derzeitigen Bibliotheksverhältnisse war es leider nicht mehr
möglich, alle Titel an Hand der Bücher nochmals nachzuprüfen.
ABKÜRZUNGEN
Abh. d. Ak. d. Wiss. = Abhandlungen der Am. Hist Rev. = American Historical Re-
Akademie der Wissenschaften view
ADB = Allgemeine Deutsche Biographie BA = Balkan-Archiv
AECO = Ardiivum Europae Centro- Biogr. Jb. = Biographisches Jahrbuch und
Orientalis deutscher Nekrolog
A. f. sl. Ph. = Archiv für slavische Philo- Byz.-neugr. Jbb. = Byzantinisch-neugrie-
logie chische Jahrbücher
AGÖ = Archiv für die Geschichte Öster- Byz. Z. = Byzantinische Zeitschrift
reichs CCH = Cesky Cäsopis Historicky
Alm. d.Ak.d. Wiss. = Almanach der Aka- DUHbll. = Deutsch-ungarische Heimat-
chemie der Wissenschaften blätter
424 SCHRIFTTUMSVERZEICHNIS
1633 by Edward Seymour F o r s t e r . Ox- S. CI. C h e w , The crescent and the rose.
ford 1927. Islam and England during the Renais-
R. B u s c h - Z a n t n e r , Agrarverfassung, sance. N . Y. 1937.
Gesellschaft und Siedlung in Südosteu- V. G. C h i 1 d e, The Danube in prehistory.
ropa. Unter besonderer Berücksichtigung Oxford 1929.
der Türkenzeit. L 1938. M. G. A. F. C h o i s e u l - G o u f f i e r ,
* Voyage pittoresque de la Grèce. Pal782.
M. C l a a r , Die Entwicklung der venetia-
St. C a n k o v , Bülgarskata pravoslavna nischen Verfassung... 1172—1297. Mû
cerkva ot osvobozdenieto do nastojaste 1895.
vreme [Die bulgarische orthodoxe Kirche
*F. C o g n a s s o , La questione d'Oriente.
von der Befreiung bis zur Gegenwart],
1. Dalle origini al congresso di Berlino.
So 1939.
Torino 1934. [m. n. e.]
D. C a n t e m i r , Historia incrementorum
*V. C o r o v i é , 0) Istorija Jugoslavije [Ge-
atque decrementorum aulae othomanicae schichte Jugoslawiens]. Bg 1933. — 0 )
(engl, übers. 1734, franz. übers. 1743, Istorija Bosne [Geschichte Bosniens], Bg
deutsche Ubers. 1745). 1940.
G. C a r o, Genua und die Mächte am Mit- *R. C r a e m e r , Deutschtum im Völker-
telmeer 1257-1311. Halle 1895. raum. Geistesgeschichte der ostdeutschen
*E. C a s p a r , Geschichte des Papsttums Volksfiumspolitik. 1. St 1938.
von den Anfängen bis zur Höhe der D. C r â n j a l a , Rumunské vlivy v Karpa-
Weltherrschaft. 2. Bd. : Das Papsttum un- tech se zvlastnim zretelem k Moravskému
ter byzantinischer Herrschaft. Tübingen Valassku [Rumänische Einflüsse in den
1933. Karpaten mit besonderer Berücksichti-
St. C a s s o n , Macedonia, Thrace and II- gung der Mährischen Walachei]. Pr 1938.
lyria. Their relations to Greece from the — Dazu vgl. Bespr. von B ä r b u l e s c u .
earliest times down to the time of Phi- C. W . C r a w l e v , The question of greek
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len mit gesonderter Seitenzählung, die Photian shism. History and legend. Cam-
häufig auch unter ihren Sondertiteln an- bridge 1948.
geführt werden : a) Familiae augustae by-
zantinae seu stemmata imperatorum Con- E. E b e l , Rumänien und die Mittelmächte
stan. b) Constantinopolis Christiana seu von der russisch-türkischen Krise 1877/78
descriptio urbis Constantinopolitanae bis zum Bukarester Frieden vom 10. Au-
qualis extitit sub imperatoribus christia- gust 1913. B1 1939.
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HERRSCHERTAFELN
O S T R O M (BYZANZ) TATAREN
LATEINISCHES KAISERREICH BALKANSLAWEN
VON KONSTANTINOPEL RUMÄNEN
NEUGRIECHENLAND MADJAREN
VENEDIG SUDETENSLAWEN
TÜRKEN OSTSLAWEN
O S T R O M (BYZANZ)
DIE O S T R O M I S C H E N ( B Y Z A N T I N I S C H E N ) KAISER
(nach O s t r o g o r s k y )
1 2 0 4 - 1 2 1 4 Midiael I.
1 2 1 4 - 1 2 3 0 T h e o d o r o s I.
1222 Proklamation zum Kaiser von Thessalonike.
1230 Niederlage bei Klokotnica gegen die Bulgaren. Verlust der Herrschaft.
Auseinanderfallen des großepeirotisdien Reiches in zwei Teilstaaten:
I. Thessalonike und Thessalonien. II. Epeiros.
I. T h e s s a l o n i k e u n d T h e s s a l i e n
1230-1240 M a n u e l I.
1240—1242 Joannes (als Kaiser).
1242-1244 (als Despot).
1244—1246 Demetrios (durch den Kaiser von Nikaia abgesetzt).
HERRSCHERTAFELN 471
II. E p e i r o s
III. T h e s s a l i e n ( H e r z ö g e von N e o p a t r a s )
(nach M i l l e r )
DIE O R T H O D O X E N P A T R I A R C H E N V O N K O N S T A N T I N O P E L
(nach G e d e o n , K r u m b a c h e r , Grumel)
Titularkaiser
DIE L A T E I N I S C H E N P A T R I A R C H E N V O N K O N S T A N T I N O P E L
(nach S a n t i f a l l e r , 17—45)
U m die Besetzung des lateinischen Patriarchates von Konstantinopel ging ein ständiger
K a m p f zwischen der venezianischen Partei und der französischen oder kaiserlichen
Partei, d. h. der Partei des lateinischen Kaisertums von Konstantinopel.
Es folgen Titularpatriarchen
(nach K r u m b a c h e r , 1150)
NEUGRIECHENLAND
1 8 3 2 - 1 8 6 2 Otto I. 1 9 2 0 - 1 9 2 2 Konstantin I. (nochmals)
1 8 6 3 - 1 9 1 3 Georg I. 1 9 3 6 - 1 9 4 7 Georg II.
1 9 1 3 - 1 9 1 7 Konstantin I. 1947— Paul I.
1 9 1 7 - 1 9 2 0 Alexander I.
VENEDIG
DIE D O G E N VON VENEDIG
(nach K r e t s c h m a y r , I, 4 0 0 - 4 0 2 . II, 5 5 6 - 5 5 7 . III, 5 7 1 - 5 7 2 )
V E N E Z I A N I S C H E H E R Z O G E V O N KRETA
[Für 1 3 1 3 - 1 5 0 0 nach G e r l a n d (3) 3 0 - 3 9 , f ü r die übrige Zeit H o p f und N o i r e t .
Wichtigere Abweichungen zwischen H o p f und N o i r e t sind vermerkt]
nach H o p f abweichend bei Noiret
nach G e r l a n d
1313—1315 Marino Baduario 1357-1358 Filippo Orio
1315-13,17 Fantino Dandolo 1358-1360 Pietro Baduario
1317—1319 Nicolò Zane 1360-1362 Marino Grimani
1319—1321 Giustiniano Giustiniani 1362 Rectores
1321-1323 Thomas Dandolo 1362-1363 Leonardo Dandolo
1323-1325 Enrico Michieli 1363-1364 M a r c o Gradenigo, Gubernator
1325-1327 Filippo Belegno 1364-1366 Pietro Morosini
1327—1329 Giovanni Morosini 1366-1368 Pietro Mocenigo
1329—1331 M a r i n o Morosini 1368-1370 Giovanni Gradenigo
1331—1332 Marco Gradenigo 1370-1372 Pietro Cornario
1332 Rectores 1372-1373 Francesco Morosini
1332—1334 Biagio Zeno 1373-1374 Guiberto Dandolo, Vicaduca
1334-1336 Pietro Zeno (Rectorum)
1336—1338 Giovanni Sanuto 1374-1376 Giovanni Gradenigo
1338—1339 Giovanni Morosini 1376-1378 Andrea Geno
1339 Rectores 1378—138.1 Andrea Dandolo
1339-1341 Nicolò Priuli 1381-1383 Pietro Mocenigo
1341—134,3 Andrea Cornaro 1383-1385 Donato Trono
1343-1345 Pietro Miani 1385-1387 M a r c o Geno
Rectores 1387-1389 Donato Moro
1345-1347 M a r c o da Molin 1389-1391 Domenico Buono
1347—1348 Marco Cornaro 13911-1393 M a t t e o Giustiniani
1348—1350 Marco Grimani 1393-1395 Pantaleone Barbo
1350—1352 Pietro Gradenigo 1395-1397 Donato Moro
1352—1355 M a r i n o Morosini 1397-1399 Guglielmo Quirini
1355-1357 G o f f r e d o Morosini 1399-1401 Albano Baduario
HERRSCHERTAFELN 481
TÜRKEN
I R A N I S C H E ODER B A G D A D ' S C H E D Y N A S T I E DER S E L D S C H U K E N
I K O N I S C H E ODER K L E I N A S I A T I S C H E D Y N A S T I E DER S E L D S C H U K E N
DIE O S M A N I S C H E N S U L T A N E
DIE G R O S S W E S I R E
DIE K A P U D A N - P A S C H A
(„Großadmirale")
(nach H a m m e r - P u r g s t a l l )
TATAREN
DIE T A T A R I S C H E N C H A N E DER G O L D E N E N H O R D E (KIPTSCHAK)
(nach S p u l e r 453f.)
Dynastie Girai
(nach H a m m e r - P u r g s t a l l )
BALKANSLAWEN
i. Mittelalter
I. K R O A T E N
(nach 5 i s i c)
II. B O S N I E R
(nach C o r o v i c)
III. SERBEN
(nach J i r e c e k)
S e r b i s c h e D e s p o t e n in Südungarn
14717-1485 W u k II. Brankowitsch 1 5 0 4 - 1 5 1 4 Johann Berislawitsch
1 4 8 6 - 1 4 9 6 Georg II Brankowitsch 1515-1535 Stephan Berislawitsch
1496-1502 Johann Brankowitsch 1537 Paul Bakitsch
IV BULGAREM
(nach Zlatarski)
634— 641 Kuwrat
Erstes Bulgarisches Reich
641— 702 Asparuch (Isperich) 777- 802 Kardam
7 0 2 - 719 Terbel 802— 814 Kruni
7 2 5 - 740 Sewar 814- 831 Omurtag
740— 756 Kormisosch 831- 836 Malamir
7 5 6 - 762 Winech 836- 853 Presian
7 6 2 - 765 Teletz 853- 888 Boris I. (Michael) der erste
7 6 5 - 767 Sabin christliche Zar ( t 907)
767 Umar 888- 893 Wladimir
7 6 7 - 772 Toktu 893- 927 Symeon d. Gr.
7 7 2 - ? Pagan 927- 969 Peter
772 oder 7 7 3 - 7 7 7 Telerig 969- 972 Boris II.
492 HERRSCHERTAFELN
1018—1186 . O s t r ö m i s c h e Herrschaft
Bulgarische Aufstände
2. Neuzeit
I. M O N T E N E G R O
Die Balschitschi
Die Crnojewitschi
II. S E R B I E N
Fürsten
Könige
III. B U L C A R I E N
RUMÄNEN
(nach N i k o l a u s J o r g a , Geschichte der Rumänen und ihrer Kultur.
Hermannstadt 1929. 3 5 8 - 3 7 1 )
I. W A L A C H E I
II. M O L D A U
III. V E R E I N I G T E F Ü R S T E N T Ü M E R , D A N N R U M Ä N I S C H E R EINHEITSSTAAT
Fürstentum
1859—1866 A l e x a n d e r J o h a n n I. C u z a
1866 Fürstliche S t a t t h a l t e r s c h a f t : N . G o l e s c u , L a s c a r C a t a r g i u , N . H a r a l a m b i e
1866—1881 K a r l I. von H o h e n z o l l e r n - S i g m a r i n g e n
Königreich
1881—1914 Caroll.
1 9 1 4 - 1 9 2 7 F e r d i n a n d I.
1927—1930 R e g e n t s c h a f t f ü r den u n m ü n d i g e n K ö n i g M i c h a e l I.
1 9 3 0 - 1 9 4 0 C a r o l II.
1 9 4 0 - 1 9 4 7 M i c h a e l I.
MADJAREN
895 U n g a r i s c h e Landnahme
S 5 5 Schlacht a u f d e m L e c h f e l d e bei A u g s b u r g
I. D y n a s t i e der Arpäden
II. D i e K ö n i g e a u s v e r s c h i e d e n e n Dynastien
(A vegyeshäzi kirälyok)
SUDETENSLAWEN
HERRSCHER DES G R O S S M Ä H R I S C H E N REICHES
um 8 3 0 - 8 4 6 M o j m i r l . 8 7 0 - 8 9 4 Svatopluk
8 4 6 - 8 7 0 Rastislav 8 9 4 - 9 0 4 Mojmir II.
Preniysliden
Luxemburger
Wahlmonarchie
1458-1471 Georg (Ji?i) von Podebrad Seit 1526 Habsburgische Dynastie
1 4 7 1 - 1 5 1 6 Vladislav Jagellovec (vgl. oben: Könige von U n g a r n )
1516-1526 Ludwig
32*
500 HERRSCHERTAFELN
OSTSLAWEN
R U S S I S C H E ( W A R Ä G I S C H E ) F O R S T E N V O N KIEV
Glanzzeit
Verfallszeit
1132-1139 Jaropolk II. (Monomachs Dynastie)
1139—1146 Wsewolod II. von Tschernigov 1167-1169 Mstislav II.
1146-1149; 11-50—1154 Izjaslav II. (Monomachs Dynastie)
(Monomachs Dynastie) 1169-1171 Gleb von Suzdal
1 1 5 4 - 1 1 5 5 ; 1157-1158 Izjaslav III. von 1)171 ; 1175—1176 Roman von Wolhynien
Tschernigov 1172 Michael von Suzdal
1158-1167 Rostislav 1176—1194 Swjatoslav III. von Tschernigov
Westen Osten
375 Jiunnensturm
Untergang des Qroßgotisdben Reiches
395 Reidhsteilung
453 Attila *
527—565 Justinian
6 1 0 - 6 4 1 Herakleios I.
um 720—730 Ennstal von Bajuwaren er- 726 I. Edikt Leos III. gegen die Bilder-
obert Verehrung
7 6 8 - 8 1 4 Karl der G r o ß e
780—802 Kaiserin Irene
788 Awareneinfall in Baiern
A b s e t z u n g des Baiernherzogs T a s -
silo III. u n d Besetzung des byzantini-
schen Istrien durch K a r l d. Gr.
789 Konzil z u N i k ä a
791 Karls erster Feldzug nach U n g a r n
8 0 2 - 8 1 4 K r u m , C h a n der Bulgaren
8 5 7 - 8 8 6 Patriarch Photios
8 5 3 - 8 8 8 Z a r Boris-Michael
E i n f ü h r u n g des Christentums in
Bulgarien
8 8 7 - 8 9 9 Arnulf von K ä r n t e n
8 9 3 - 9 2 7 Z a r Symeon der G r o ß e
504 ZEITTAFEL
895 M a d j a r i s c h e L a n d n a h m e
904 P l ü n d e r u n g Salonikis durch saraze-
nische Korsaren
9 0 7 Schlacht bei P r e ß b u r g
D e r bairische H e e r b a n n von den
M a d j a r e n vernichtet
955 Schlacht auf dem Lechfeld bei Augs-
burg 957 Besuch der russischen Fürstin Olga
( H e l e n a ) in Konstantinopel
1243/1244 Ansiedlung d e r K u m a n e n u n d
J a z y g e n an d e r T h e i ß
1 3 0 8 - 1 3 4 2 Karl I. Robert
Wiederherstellung der ungarischen
Königsmacht 1331—1355 Z a r S t e p h a n Duschan
Großserbisches Reich als balkarische
Vormacht
1512-1520 Selim I.
1658-1705 Leopold I.
(Francesco Morosini)
Eroberung Belgrads
1 8 1 6 - 1 8 4 9 Königreich Illyrien
1 8 5 3 - 1 8 5 6 Krimkrieg
1 8 7 7 - 1 8 7 8 Russisch-türkischer Krieg
1912—1913 Balkankriege
1914 (28.6.) Ermordung von Erzherzog IranzJerdinand
und Sophie
¡914—1918 I. Weltkrieg
NAMEN UND SACHVERZEICHNIS
33*
516 NAMEN- U N D S A C H V E R Z E I C H N I S
K o t y s 21 L Limes s. Donau-Limes
Kozel s. Chezil Limes orientis 102
Krain 47, 135, 257, 379, Ladislaus I. d. Hl. 158 Lipan 246
383 Ladislaus Postumus 229 Lissus (Alessio) 19, 51
Krakau 188 Laibach (Ljubljana) 47, Litauen 210, 259
196, 257, 381 Ljudevit 140
kral 137
Lakonien 39 Liverpool 365
Kralitzer Bibel 249 Locator 192
Lamartine 347
Krdschalien 347, 356 Löwen 195
Lancze 235
Kremnitz 193 Landschaft 1 3 — 1 7 London 365, 393
Krems 133 Langobarden 87, 90, 92, Londoner Konferenz 371
Kremsierer Reichstag 389 Lorch 131
109, 110, 134, 176, 177
Kremsmünster 133 Larissa 167 Loreto 305
K r e t a 96, n 6 f . , 184*, Laskaris s. Theodor I., Lothar II. 235
185, 259, 272, 282 bis Theodor II. Loyola s. Ignatius v. —
Lateinisches Kaiserreich Ludwig d. Deutsche 140,
284, 342, 344 141
Kreuzzüge 166—174 183, 2 1 1 — 2 1 4
Lateinische Kirche 110, Ludwig d. Fromme 137
Krim, Halbinsel 30, 62,
123, 141, 161—165*, Ludwig d. Gr. 208, 219
64, 146, 265, 344, 392 Ludwig II. v. Ungarn229,
Krimkrieg 392 f. 172, 223. — s. a. Chri-
stianisierung 230, 281, 310
Krimtataren 265 Lukaris, Kyrillos 259 f.
„Lateinischer Orient" 183
Krischanitsch, Jurij 307f. bis 185 Lukas v. Prag 248
Kritobulos 223 Lateinische Sprache 41, Lungau 135
K r k a 24 46—52*, 77, 78. 88, Lustkandl, Wenzel 391
Kroaten, Kroatien 94, 98, 162, 203 Luther, Martin 251, 252,
146, 147, 149, 161, latrunculi 35 260
162, 219,257t., 305t.*, Lausitz 188 Lutheraner 232 f., 248,
318, 319*, 385*, 389, Lausitzer Wenden 250 252—258, 285—288,
Laus Julia Corinthus 31 289, 291, 292, 300
394 Luxemburger (Herrscher-
Kronstadt 193, 194, 197, Lazar, Gheorghe 354, 373
Lechfeld (Schlacht) 154 haus) 229, 241
254. 255 Lykien 103
Krsno Ime 161 Leipzig 242, 362
Lyon, Konzil 214
K r u m 100, 121, 122 f.*, Lemberg 188, 208
125 Leo I. d. Gr. 82
K u b a n 344 Leo III. Kaiser 107—109
Kübeck 396 Leo III., Papst 150 M
Küstendil 216 Leo V I . der Weise 118
Leonidas 366 Macrinus 31
Kütschük-Kainardsche Macva (Macsó) 221
Leonidion 114
354. 363, 364. 376 Madjaren s. Ungarn
Leopold I., Kaiser 307,
Kumanen (Polovtzer) 67, Maezei 36
207, 208, 261 317 Mähren s. Böhmen, Groß-
Kurden 346, 347, 377 Leopold II., Kaiser 353 mähren
Kuschadasi 346 Lepanto 283 Mährische Walachei 209
Kut(r)iguren 67, 90, 96, Lesina 19 Mährisch-Trübau 201
261 Leutschau. 194, 203 Mäotis-See 70
Kuttenberg 247 Levante 184, 185, 361, Magdeburg 294
362 Magister militum 73, 91,
Kuttenberger Dekret 242 178
Levantereich, venez. 183
Kynoskephalai 20 Magnaten 118—120, 174,
bis 185
Kyparissia 112, 113 Liber 51 267f., 329, 345f.
K y p r o s 102 Libera 51 Magnaura-Palast 118
Kyrillische Schrift s. Cy- Liburner 23 Magnesia 216
rillische Schrift Liburnien 178 Magni, Valerian 295
Kyrillos (Konstantin), Sla- Libuscha 236 Mahmud II. 346—349
wenapostel 116, 124, lidi 176 Maina, Mainoten s. Mani
139, 151 Liesingtal 134 Mainfranken 190
NAMEN- U N D SACHVERZEICHNIS 521
Maison, General 371 Mazedonien 19—21*, 25, Mohammed 102, 262, 334
Malamocco 177, 178 37, 41, 123, 125, 206, Mohammed II., der Er-
Malaspina 292 207,277,278,280, 343, oberer (Fatih) 223,
Malea, K a p 113, 181 344. 376 266, 270, 360
Malekiten 262 Mecheln 195 Mohammed IV. 338
Meerengen 393 f. Moimir v. Mähren 138,
Maler, Philipp 254
Mehmed Ali 277, 346, 140
Malteser s. Johanniter Moldau 13, 14, 16, 17,
Malvasia 113 3 6 9, 37°
188, 196, 197, 208,
Manfred, Hohenstaufe Meißener Deutsch 241
209, 221, 265, 280,
213 Melanchthon, Ph. 257
327. 372, 393
Mani, Maniaten 114, 340, Meleda 22
Moltke, H . v. 349
368 Melitene 117
Monastir 16
Manissa 345 Mentesche 346
Monemwasia 112, 113
Mansiones 45 Mercy, Cl. Fl. v. 324
Mongoleneinfall 265
Mantinea 113 Mesembria 16, 37
Monophysiten 82, 108
Manuel I. Komnenos 171, Messenien 19, 33, 39, 113,
Montecuccoli, Raimund
173. 1 8 1 369, 371 313
Manzikert 167, 261 Methodios, hl. 124, 139, Montenegro (Crnagora)
Maramuresch 208 i 4 i f . * , 151 93. 271, 339—341*.
Marburg 196 Metbone (Modon) 112, 376. 393. 394. 397
Marc Aurel 61 113. i 8 4 . 369 Moosburg (Zalavar) 133,
March 140 Metten 132 139
Marchfeldschlacht 235 Metternich, CI. L. v. 381, Morawa 15
Marcianopolis 30, 42, 72 385. 386 Morea s. Peloponnes
Marcomannia 61 Metulum 23 Morlakken 207
Mare clausuni 184 Michael V I I I . Paläologos Morosini, Fr. 342
Margus 72 2x3—215 Moskau 219, 307
Maria v. Ungarn 252 Michael (Boris) v. Bulga- Mügeln, Heinrich v. 195
Maria Saal 133 rien 121, 123 Mühlberg (Schlacht) 289
Maria Theresia 307, 318, Michaloghlu 267 Mürzsteg 396
325, 328L* Micu, Joan s. Klein, Joh. Mukacevo s. Munkdcs,
Maria Wörth 133 Mikkelgard 76 Mummius (Konsul) 21
Marienspiele 192 Milingen 112 Mundzuc 71
Maritza 15, 25, 171, 375 Militärgrenze (Confines municipia 44
Markomannen 60, 99,130, militares, Vojnicka Munkäcs (Mukacevo) 307
132 granica) 319, 342 Murad III. 269
Markomannenkriege 30, Milites limitami 104 Murano 177
35. 44. 5 2 . 61* millet 337, 376 Mursa 47
Markus, hl. 178 Milosch Obrenowitsch359 Muslimanen 270, 341
Marmarosch 208, 209 Misthra 221, 265 Mykonos 363
Marneion 81 Mithras-Kult 80, 81
Marokko 263, 266, 363 Mithridates 25
Marosch 319 Mitmanek, Wenzel 289 N
Maroschburg 149 Mitrovica, Sremska 35
Marseille 365 Mittelgriechenland 40, Nádasdy 317
Martin IV., Papst 214 i n , 114, 216, 217, 371 Nagyszombat s. Tyrnau
Martinsberg (Pannon- Mittelmeer 22, 30, 39, 57, Naissus (Nisch) 28, 41, 42,
halma) 325 84, 86, 89, 106, 109, 63. 72
Masaryk, T h . G. 248 1x3, 168, 176, 179, Napoleon I. 283, 346, 348,
Mati-Gau 203, 206 183, 185, 186, 266, 380—382
Matthias Corvinus 229, 362, 363 Napoleonische Kriege 333
247. 3°9 Moawijah 106 362, 384, 385
Maurikios, Kaiser 92 Modon s. Methone Narenta 18, 22
Maurojenis, Nikolaus 366 Mösien 15, 25—31*, 37, Narodna Odbrana 398
Maurowlachen 207 43. 64 Narodni Noviny 388
Maximilian, Kaiser 291 Mohäcs 233, 252, 266, Narona 36, 92
Maximinus, Kaiser 53 3°9, 310 Natio 227, 242
522 NAMEN- U N D SACHVERZEICHNIS
Rastislav, mähr. Fürst Rupert, hl. 132 Schlesien 56, 57, 95, 99,
140, 141 Russe 268 144, 188, 190, 193,
Raszien 277, 278, 341 Rußland 219, 354, 357, 199, 242, 245, 247.
Ratiaria 72 3 6 3 ! , 367, 375, 376, 294, 296, 301, 321,
Ravenna 23, 87, 104, 110, 381, 387, 389f., 392 325. 328, 380. — s. a.
176, 178 bis 394*, 397, 398 Oberschlesien
„ R a z i s c h " 254 Ruthenen 306, 307 Schlesische Kriege 328
Reformation 250—260. Schliersee 132
— s. a. Kalviner, Lu- Schmalkaldischer Krieg
theraner S 248, 288, 289
Reformen s. Tansimat Schönbrunn 385, 397
Regensburg 131, 132, 140, Sabaria 136 Schokatzen 321
141, 142, 149, 151, Sabbatarier 253 Schtokawisch 306
257. 296, 380 Sabinus 27
regnum tripartitum 219 Schwäbische Türkei s. Ba-
regulus 57, 137 Sachsen s. Obersachsen ranya
Reichsteilung (395), 51, Sahuran 345 Schwarzenberg, Fürst
Salona 23, 36, 93 3 8 9, 396
83
Reiternomaden 67—74 Saloniki (Thessalonike) Schwarzes Meer (Pontus)
Repeal-Bewegung 388 16, 21, 22, 37, 41, 92 13, 16, 25, 28, 30*, 37,
Rethymo 184 bis 94*, 117, 167, 211, 41, 43, 51, 55, 57, 58,
rex 58, 157 217, 221, 222 61, 62f.*, 64, 145, 146,
Rhaskuporis 26 Salzburg 132, 133, 138, 188, 192,197, 198, 202,
Rhein 28, 44, 45, 55, 59, 139, 141. 149, 150. 267, 344- 375. 399f-*
73, 102, 312, 380, 381. 151, 156 Schweden 311, 312, 331
— s. a. Oberrhein Samo 100, 134 Schweiz 253
Rheinbund 333 Samuel, bulg. Zar 125 Schwendi, Lazarus 268
Rhodier 20 Sankt s. St. Scotisten 297
Rhodos 102, 266 San Stefano 394 Scupi 50, 51
Rhoimetalkes 27 Sarajewo, Attentat 398 Scythia Minor 26, 28
Rialto 177, 178, 179 Sarazenen s. Araber Sebastiani, General 348
Rieger, Fr. L. v. 385 Sardeates 36 Seevenetien 176 f.
Rigas Pheräos 366 f. Sardes 216 Seldschuken 67, 167, 213,
Ripa Thraciae 26, 28 Sardinien 84, 390, 392 261
Rizon 19 Sarmaten 26, 28, 89 Selim I. 266
Rodung 99* Sarmatia 61 Selim III. 348 355, 362
Römerherrschaft 18—54 Sarmizegetusa 28, 29 Semendria (Smederevo)
Rößler, E. Fr. 386 Sasa 197 268, 356
Roger de Flor 216 Sathmar 300, 318, 323, Septimius Severus 38, 44,
Romanos I. Lekapenos 325. 327 45
X19 Savaria 48 Serapeion 81
Romanos I V . 167 Sawe 41, 47 Serben, Serbien 88, 171,
Rosciano 207 Scandza 69 173, 196, 2x7—219*,
Rotenturmpaß 16 Scaptoparae 46 265, 278—280*, 342f.,
Roth, S. L. 389 Scarbantia 48 354—359*, 376. 385.
Roxolanen 28, 29, 60, 67 Scardona 36 389, 3 9 3 3 9 7 f -
Rozgony (Rozhanovce) Schabatz 356, 357 Serdika (Sofia) 35, 38, 41,
231 Schäßburg 194 42, 72, 96, 122, 186
Ruas 71 Schafi'iten 262 Sereth 88
Rubeniden 185 Scharosch 193 Severer 41, 52
Rudolf II. Kaiser 293 Scheich-ül-Islam 271, 348 Severin (Szorény) 221
Rumänen (Walachen) Schemnitz 193, 194, 201, Severus, Alexander 52
97 f., 202—210*, 249, 302 Sewastopol 392
254L, 256, 265, 306f., Schifferinseln 363, 369 Shkumbi 16
321,352—354*, 372f.*, Schildgebirge 324 Siebenbürgen 28f.*, 63,
389. 393 Schipkapaß 393 193 f., 197, 208 bis
Rumelien 347 Schisma 172?. 210*, 2 5 4 ! * , 281, 299,
Rumelioten 370 Schlehdorf 132 302, 328, 373, 389
NAMEN- U N D SACHVERZEICHNIS 525