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Lehrbuch der quantitativen Analyse

Daniel C. Harris

Lehrbuch
der quantitativen
Analyse
Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben
von Gerhard Werner und Tobias Werner

8. Auflage
Daniel C. Harris
Naval Air Wareforce Center, China Lake, USA

Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Gerhard Werner und Tobias Werner

Zusätzliche Informationen zum Buch finden Sie unter www.springer.com/978-3-642-37787-7

ISBN 978-3-642-37787-7 ISBN 978-3-642-37788-4 (eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografi-
sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer Spektrum
Übersetzung der amerikanischen Ausgabe: Quantitative Chemical Analysis von Daniel C. Harris, erschienen bei W. H. Free-
man and Company, New York 2011, Copyright © 2011 by W. H. Freeman and Company. Alle Rechte vorbehalten

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998, 2007, 2014

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Planung und Lektorat: Merlet Behncke-Braunbeck, Martina Mechler


Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg
Einbandentwurf: deblik, Berlin
Einbandabbildung: iStock

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer Spektrum ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business
Media.
www.springer-spektrum.de
Vorwort zur 8. amerikanischen
Ausgabe

Zielsetzung des Buches Lösung anschauen. Die Aufgaben zu jedem Kapitel decken den
Mein Ziel ist es, mit diesem Buch ein grundlegendes Verständ- gesamten Inhalt des Buchs ab.
nis der Prinzipien der analytischen Chemie zu vermitteln. Ich Tabellenkalkulationen sind inzwischen ein unentbehrli-
möchte zeigen, wie analytische Methoden in der Chemie und ches Werkzeug in Wissenschaft und Technik. Zwar würde man
in verwandten Disziplinen, besonders in den Bio- und Um- mit diesem Buch auch ohne Tabellenkalkulationen zurecht-
weltwissenschaften, angewendet werden. Ich habe versucht, kommen, aber Sie werden den Zeitaufwand nicht bereuen,
das Fach straff, gut lesbar und interessant abzuhandeln, die deren Anwendung zu erlernen. Im Text erkläre ich, wie mit
Studierende anspricht, unabhängig davon, ob ihr primäres In- den Arbeitsblättern umzugehen ist, und anhand von Übungen
teresse der Chemie gilt. Ich hoffe, dass die gewählte Darstellung können Sie einige Beispiele selbst anwenden. Wenn Ihnen Ta-
klar genug für Nebenfächler ist, aber auch die notwendige bellenkalkulationen geläufig sind, werden Sie sicher auch dann
Tiefe aufweist, die für fortgeschrittene Studierende der Chemie von ihnen Gebrauch machen, wenn Sie in den Aufgaben nicht
notwendig ist. Dieses Buch entstand auf der Grundlage einer explizit dazu aufgefordert wurden. Auf einige leistungsfähige
Einführung in die analytische Chemie für Nebenfächler an der Funktionen von Microsoft Excel wird bei Bedarf hingewiesen.
University of California in Davis und aus einer Vorlesung für Das betrifft die grafischen Darstellungen in den Kapiteln 2 und
angehende Chemiker im dritten Studienjahr am Franklin and 4, statistische Funktionen und Regressionsrechnung in Kapitel
Marshall College in Lancaster, Pennsylvania. 4, die Versuchsplanung im Kapitel 5, die einfache Zielwertsuche
in Kapiteln 7, 8 und 12, die Anwendung von Solver in den Ka-
Besonderheiten piteln 12 und 18 sowie die Matrixoperationen in Kapitel 18.
Seit der ersten Auflage im Jahre 1982 habe ich laufend Verände- Zu den weiteren Besonderheiten dieses Buchs gehören die
rungen vorgenommen, etwa neue Methoden ergänzt oder etab- wichtigen Begriffe, die im Text fett hervorgehoben und am
lierte Verfahren für die akademische Lehrpraxis angepasst. Neu Ende jedes Kapitels aufgelistet sind. Zusammen mit weiteren
in dieser Auflage sind kurze Aufgaben zur „Selbstüberprüfung“ wichtigen Fachausdrücken sind sie im Glossar zusammen-
im Anschluss an jedes Rechenbeispiel. Wenn Sie diese verstan- gefasst. In den Anhängen finden Sie Tabellen der Löslich-
den haben, können Sie Ihr Ergebnis mit meinem vergleichen. keitsprodukte, Säurekonstanten, Redoxpotentiale und Stabi-
Um Ihre Belastung bei der Fülle des dargestellten Stoffs etwas litätskonstanten. Weiterhin werden dort Logarithmen und
zu erleichtern, wurden „Exkurse“ eingeschoben, in denen in- Potenzen, die Geradengleichung, die Fortpflanzung der Mes-
teressante Sachverhalte beschrieben sind. Außerdem dienen sunsicherheit, die Äquivalentkonzentration und analytische
Farbtafeln zur Illustration der Versuche. Jedes Kapitel wird mit Standards sowie die Oxidationszahlen und das Ausgleichen
einem bebilderten Beispiel eingeleitet. von Redoxgleichungen behandelt. Am Ende des Buchs finden
Das Grundprinzip dieses Buchs ist die Einführung und Sie zu allen Kapiteln die zitierten Anmerkungen und Litera-
Behandlung des Stoffs mit konkreten, interessanten Beispielen. turangaben. Ergänzend zu dem Buch finden Sie im englisch-
Am Anfang jedes Kapitels findet sich als Einstieg ein Kasten, in sprachigen Solutions Manual for Quantitative Chemical Analy-
dem ich die große Bedeutung der analytischen Chemie für das sis (ISBN 1-4292-3123-8) des Originalverlags die vollständigen
alltägliche Leben und für viele andere Wissenschaftsdisziplinen Lösungen aller Aufgaben. Außerdem möchte ich Sie auf die
zeige. Ich hoffe, dass Sie als Leser diese Darstellungen interes- Website www.whfreeman.com/qca8e mit weiterem umfangrei-
sant und aufschlussreich finden. chen Studienmaterial hinweisen.
Lernen ist ein aktiver Vorgang – niemand kann es für Sie
tun. Der wichtigste Punkt, Erfolg in der analytischen Chemie Beteiligte Personen
zu haben, besteht neben der praktischen Arbeit im Labor darin, Ein Lehrbuch dieses Umfangs und dieser Komplexität ist das
beharrlich auch schwierige analytische Aufgabe durchzuarbei- Werk vieler Leute. Jodi Simpson hat als akribische Redakteurin
ten. Die Rechenbeispiele sollen Ihnen helfen, das soeben Ge- jedes Wort mit kritischem Auge gelesen und die Darstellung
lesene richtig anzuwenden. Die Fragen zur Selbstüberprüfung ständig verbessert. Im Verlag W.H. Freeman hatte Jessica Fio-
sollen Ihren Lernerfolg bestätigen. Die Übungen am Ende rillo die Gesamtleitung und kümmerte sich besonders um die
jedes Kapitels vermitteln die Mindestanforderungen zu den Meinungen der Lehrkräfte. Mary Louise Byrd begleitete das
wesentlichen Inhalten. Bitte suchen Sie auch bei kniffligen Manuskript wie von Zauberhand durch die Schritte der Her-
Aufgaben immer erst selbst nach einer Lösung, ehe Sie sich die stellung. Kristina Treadway brachte das Buch in die Produk-
VI Vorwort zur 8. amerikanischen Ausgabe

tion, und Anthony Petrites koordinierte die Überprüfung aller D. J. Asa (ESA, Inc.), F. N. Castellano und T. N. Singh-Rachford
Kapitel. Ted Sczcepanski fand für das Buch eine Reihe nicht all- (Bowling Green State University), J. M. Kelly und D. Ledwith
täglicher Fotos. Dave Quinn sorgte für den Internetauftritt und (Trinity College, University of Dublin), Justin Ries (University
Katalin Newman von der Firma Aptara leistete eine vorzügliche of North Carolina), Gregory A. Cutter (Old Dominion Uni-
Arbeit beim Korrekturlesen. versity), Masoud Agah (Virginia Tech), Michael E. Rybak (U.S.
An der Scripps Institution of Oceanography erzählten mir Centers for Disease Control and Prevention), James Harnly
Ralph Keeling, Peter Guenther, David Moss, Lynne Merchant (U.S. Department of Agriculture), Andrew Shalliker (University
und Alane Bollenbacher die Geschichte der CO2-Messungen of Western Sydney), R. Graham Cooks (Purdue University), Al-
in der Atmosphäre und verschafften mir freundlicherweise exander Makarov (Thermo Fisher Scientific, Bremen), Richard
Zugang zu den Familienfotos von Keeling. Ich habe mich be- Mathies (University of California, Berkeley), A. J. Pezhathinal
sonders über die Reaktion von Louise Keeling auf meine Ge- und R. Chan-Yu-King (University of Science and Arts of Okla-
schichte über ihren Ehemann, Charles David Keeling, gefreut. homa), Peter Licence (University of Nottingham), und Geert
Damit beginnt das Kapitel 0 dieses Buchs. Sam Kounaves von Van Biesen (Memorial University of Newfoundland).
der Tufts University widmete mir einen Tag und berichtete Zu den Personen, die Teile des Manuskripts der 8. Auflage
ausführlich über das nass-chemische Labor des Phoenix Mars bzw. die 7. Auflage für Vorschläge zur 8. Auflage durchgesehen
Lander, das im Kapitel 14 eine Rolle spielt. Jarda Ruzicka von haben, gehören Rosemari Chinni (Alvernia College), Shelly
der University of Washington machte mich auf die Bedeu- Minteer (St. Louis University), Charles Cornett (University of
tung der Fließinjektion und der sequentiellen Injektionsanalyse Wisconsin-Platteville), Anthony Borgerding (St. Thomas Col-
aufmerksam, stellte vorzügliches Lehrmaterial zur Verfügung lege), Jeremy Mitchell-Koch (Emporia State University), Ken-
und überprüfte meine Beschreibung dieser Methoden in den neth Metz (Boston College), John K. Young (Mississippi State
Kapiteln 18 und 19. David Sparkman von der University of the
Pacific half mit ausführlichen Kommentaren und Anregungen
zur Massenspektrometrie. Jörg Barankewitz von der Sartorius
AG in Göttingen lieferte Informationen und Abbildungen, die
Sie in Kapitel 2 finden.
Die Lösungen der Übungen und Aufgaben wurden von
den besonders sorgfältig arbeitenden Studentinnen Cassandra
Churchill und Linda Lait von der University of Lethbridge in
Kanada geprüft. Mit Erik Erickson und Greg Ostrom führte ich
am Michelson Lab viele Diskussionen und erhielt viele hilfrei-
che Hinweise.
Meine Ehefrau Sally hat an jeder Auflage dieses Buchs mit-
gearbeitet. Sie hat großen Anteil an den klaren Beschreibungen
und genauen Formulierungen. Dieses Buch ist allen Studie-
renden gewidmet, die es benutzen und ab und zu beim Lesen
schmunzeln, neue Einsichten gewinnen und Genugtuung emp-
finden, wenn sie erfolgreich um ein Ergebnis oder eine Lösung
gekämpft haben. Ich habe mein Ziel erreicht, wenn Ihnen das
Buch bei der Entwicklung eines kritischen, unabhängigen Den-
kens hilft, das Sie für neue Aufgaben anwenden können. Ich
freue mich sehr auf Ihre Bemerkungen, Kritiken, Vorschläge
und Korrekturen. Bitte senden Sie Ihre Korrespondenz an mich
unter Chemistry Division (Mail Stop 6303), Research Depart-
ment, Michelson Laboratory, China Lake CA 93555, USA.

Danksagung
Ich bin vielen Personen zu Dank verpflichtet, die Fragen ge-
stellt, Vorschläge gemacht und neue Informationen für diese
Auflage geliefert haben. Hierzu gehören Robert Weinberger
(CE Technologies), Tom Betts (Kutztown University), Paul
Rosenberg (Rochester Institute Of Technology), Barbara Bel-
mont (California State University, Dominguez Hills), David
Chen (University of British Columbia), John Birks (2B Tech-
nologies), Bob Kennedy (University of Michigan), D. Brynn
Hibbert (University of New South Wales), Kris Varazo (Francis
Marion University), Chongmok Lee (Ewha Womans Univer- Dans Enkel Samuel entdeckt, dass das Periodensystem einen an groß-
sity, Korea), Michael Blades (University of British Columbia), artige Orte führen kann.
Vorwort zur 8. amerikanischen Ausgabe VII

University), Abdul Malik (University of Southern Florida), University), Stephen Wolf (Indiana State University), Stuart
Colin F. Poole (Wayne State University), Marcin Majda (Uni- Chalk (University of North Florida), Barry Lavine (Oklahoma
versity of California, Berkeley), Carlos Garcia (University of State University), Katherine Pettigrew (George Mason Univer-
Texas, San Antonio), Elizabeth Binamira-Soriaga (Texas A&M sity), Blair Miller (Grand Valley State University), Nathalie Wall
University), Erin Gross (Creighton University), Dale Wood (Washington State University), Kris Varazo (Francis Marion
(Bishop´s University), Xin Wen (California State University, University), Carrie Brennan (Auston Peay State University),
Los Angeles), Benny Chan (The College of New Jersey), Pierre Lisa Ponton (Elon University), Feng Chen (Rider University),
Herckes (Arizona State University), Daniel Bombick (Wright Eric Ball (Metropolitan State College of Denver), Russ Bar-
State University), Sidney Katz (Rutgers University), Nelly Mat- rows (Metropolitan State College of Denver), und Mary Sohn
teva (Florida A&M University), Michael Johnson (University of (Florida Institute of Technology).
Kansas), Dmitri Pappas (Texas Tech University), Jeremy Less-
mann (Washington State University), Alexa Serfis (Saint Louis Daniel C. Harris
Vorwort zur deutschen Ausgabe

Vor 16 Jahren erschien die erste deutschsprachige Ausgabe des Für die Tabellenkalkulationen wurde die deutsche Version
inzwischen weltweit meistgenutzten Lehrbuchs der quantitati- von Microsoft Excel® 2007 verwendet, die weitgehend zur
ven analytischen Chemie. Ich, Gerhard Werner, hatte bei einem Version 2010 kompatibel ist. Bei der Benutzung anderer Excel-
USA-Besuch die vierte Auflage des Harris gesehen und sie mit Versionen sind die entsprechenden Hinweise zu berücksich-
meinen damaligen Leipziger Mitarbeiterinnen Carla Vogt und tigen. Zur besseren Lesbarkeit, wurde im Buch – und somit
Uta Zeller ins Deutsche übersetzt. Die deutsche Ausgabe fand auch bei Excel – durchgängig das im englisch-amerikanischen
so starken Zuspruch, dass nach einigen Jahren ein Nachdruck Sprachraum übliche Dezimaltrennzeichen Punkt statt Komma
erfolgte. Nun gibt es inzwischen weitere vier vollkommen über- verwendet. Es ist zu erwarten, dass die heutige Studentengene-
arbeitete amerikanische Auflagen. Die vorliegende achte ame- ration anhand der Anwendungsbeispiele mit den Tabellenkal-
rikanische Auflage wurde von uns übersetzt und so bearbeitet, kulationen einen neuen Zugang zur quantitativen Behandlung
dass sie hinsichtlich Nomenklatur und Eindeutigkeit den in- chemischer Sachverhalte erhält.
ternationalen Standards und dem deutschen Sprachgebrauch Wir wünschen den Leserinnen und Lesern dieses Buchs
entspricht. viel Vergnügen beim Erlernen und Anwenden der analyti-
Dabei haben wir versucht, die eigenwillige amerikanische schen Chemie. Wir bedanken uns bei Frau Merlet Behncke-
Art zu erhalten. Bei aller Leichtigkeit der Darstellung erkennt Braunbeck und Frau Martina Mechler vom Springer-Verlag für
man, dass sich Daniel C. Harris als echter Dienstleister versteht, die gute Zusammenarbeit und bei zahlreichen ehemaligen und
der sich in die Lage der Studierenden zu versetzen weiß und so aktuellen Kollegen und Studierenden, insbesondere der Hoch-
lange an den Formulierungen arbeitet, dass „die Chemie in den schule Mannheim, für ihre Hilfe und nützlichen Hinweise zu
Kopf geht wie mit einer Schaufel“, was man vor hundert Jahren verschiedenen speziellen Problemen.
schon Wilhelm Ostwald nachsagte. Es werden alle methodi-
schen Register gezogen, wie Redundanz, Rückverweise, zu-
sammenfassende Definitionen, eingebaute Kontrollfragen und Gerhard Werner Leipzig und Mannheim
Aufforderungen zur eigenständigen Problemlösung. Tobias Werner Dezember 2013
Die von uns vorgenommen Änderungen betreffen vor al-
lem einige gesetzliche Vorschriften. So wurde im Kapitel 2 das
neue Globally Harmonized System (GHS) zur Einstufung und
Kennzeichnung von Chemikalien beschrieben, das die R- und
S-Sätze ersetzt und dessen Symbole auf Farbtafel 34 darge-
stellt sind. Statt der amerikanischen ASTM-Toleranzklassen für
Messmittel (Wägestücke und Glasgeräte) wurden die der ISO-
bzw. DIN-Normen verwendet.
Bei der chemischen Nomenklatur haben wir im Großen
und Ganzen die IUPAC-Regeln berücksichtigt, sind dabei je-
doch der amerikanischen Vorlage bzw. der noch immer üb-
lichen Praxis folgend einige Kompromisse eingegangen. Die
Lichtabsorption wird deshalb mitunter weiterhin als Extinktion
(statt Absorbanz) bezeichnet. Für die „Stoffmengenkonzentra-
tion“ gibt es die amerikanische number of moles nicht mehr, die
Begriffe Molarität, Molalität und Normalität werden vermie-
den, jedoch Gewichts- und Volumenprozent weiter verwendet.
Bei den Säure-Base-Gleichgewichten wird der Dissoziati- Hinweise:
onsbegriff zumeist eliminiert und durch den Begriff Protolyse Zu den ausführlichen Lösungen der Übungsaufgaben am Ende
ersetzt. Damit kann in diesem Zusammenhang auch auf den der Kapitel haben alle Leser über die Homepage des Verlags
Begriff Hydrolyse verzichtet werden. (www.springer.com/978-3-642-37787-7) Zugang.
Kurzübersicht

0 Der analytische Prozess 1


1 Chemische Messungen 17
2 Handwerkszeug des Analytikers 35
3 Experimenteller Fehler 63
4 Statistik 81
5 Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden 115
6 Das chemische Gleichgewicht 137
7 Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten 165
8 Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte 187
9 Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte 215
10 Säure-Base-Titrationen 237
11 Komplexometrische Titrationen 271
12 Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene 295
13 Grundlagen der Elektrochemie 319
14 Elektroden und Potentiometrie 351
15 Redoxtitrationen 385
16 Elektroanalytische Methoden 407
17 Grundlagen der Spektralphotometrie 443
18 Anwendungen der Spektralphotometrie 473
19 Spektralphotometer 501
20 Atomspektroskopie 541
21 Massenspektrometrie 569
22 Einführung in Analytische Trennverfahren 609
23 Gaschromatographie 639
24 Hochleistungsflüssigkeitschromatographie 671
25 Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese 715
26 Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse 759
27 Probenvorbereitung 787
Farbtafeln
Anmerkungen und Literaturangaben 809
Glossar 843
Anhang A 881
Anhang B 883
Anhang C 885
Anhang D 887
Anhang E 891
Anhang F 893
Anhang G 897
Anhang H 907
Anhang I 919
Anhang J 923
Anhang K 925
Lösungen der Übungen 929
Sachverzeichnis 933
Inhaltsverzeichnis

0 Der analytische Prozess 1 4.5 t-Tests mit Tabellenkalkulation 98


0.1 Charles David Keeling und die Messung des 4.6 Grubbs-Test auf einen Ausreißer 99
atmosphärischen CO2 2 4.7 Die Methode der kleinsten Quadrate 100
0.2 Was der analytische Chemiker macht 7 4.8 Kalibrationskurven 105
0.3 Allgemeine Schritte in einer chemischen 4.9 Arbeitsblatt für kleinste Quadrate 108
Analyse 13
5 Qualitätssicherung und Kalibrations-
1 Chemische Messungen 17 methoden 115
1.1 SI-Einheiten 18 5.1 Grundlagen der Qualitätssicherung 116
1.2 Chemische Konzentrationen 21 5.2 Methodenvalidierung 121
1.3 Herstellung von Lösungen 25 5.3 Standardzusatz 127
1.4 Stöchiometrische Berechnungen für die 5.4 Innere Standards 131
gravimetrische Analyse 27 5.5 Effektivität der Versuchsplanung 133
1.5 Einführung in die Titration 28
1.6 Berechnungen zu Titrationen 30 6 Das chemische Gleichgewicht 137
6.1 Die Gleichgewichtskonstante 138
2 Handwerkszeug des Analytikers 35 6.2 Gleichgewicht und Thermodynamik 139
2.1 Sicherer und verantwortungsbewusster Umgang 6.3 Löslichkeitsprodukt 142
mit Chemikalien und Rückständen 36 6.4 Komplexbildung 145
2.2 Das Laborbuch 39 6.5 Protonensäuren und Basen 148
2.3 Die analytische Waage 39 6.6 pH-Wert 151
2.4 Büretten 45 6.7 Die Stärke von Säuren und Basen 153
2.5 Messkolben 47
2.6 Pipetten und Dosierspritzen 48 7 Aktivität und systematische Behandlung
2.7 Filtration 51 von Gleichgewichten 165
2.8 Trocknung 52 7.1 Der Einfluss der Ionenstärke auf die Löslichkeit
2.9 Kalibrierung volumetrischer Glasgeräte 53 von Salzen 166
2.10 Einführung in Microsoft Excel® 55 7.2 Aktivitätskoeffizienten 168
2.11 Die Verwendung von Diagrammen mit 7.3 pH, noch einmal 173
Microsoft Excel 58 7.4 Die systematische Behandlung des Gleich-
gewichts 174
3 Experimenteller Fehler 63 7.5 Anwendungen der systematischen Gleichgewichts-
3.1 Signifikante Ziffern 64 behandlung 178
3.2 Signifikante Ziffern in der Arithmetik 65
3.3 Fehlerarten 67 8 Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte 187
3.4 Fortpflanzung der Messunsicherheit des 8.1 Starke Säuren und Basen 188
Zufallsfehlers 70 8.2 Schwache Säuren und Basen 191
3.5 Fortpflanzung der Unsicherheit durch 8.3 Die Gleichgewichte schwacher Säuren 193
systematische Fehler 77 8.4 Die Gleichgewichte schwacher Basen 197
8.5 Puffer 199
4 Statistik 81
4.1 Gauß-Verteilung 82 9 Mehrprotonige Säure-Base-
4.2 Vertrauensintervalle 87 Gleichgewichte 215
4.3 Vergleich von Mittelwerten mit Students 9.1 Zweiprotonige Säuren und Basen 216
t-Test 91 9.2 Zweiprotonige Puffer 225
4.4 Vergleich von Standardabweichungen mit 9.3 Mehrprotonige Säuren und Basen 227
dem F-Test 97 9.4 Welche ist die hauptsächliche Spezies? 228
XIV Inhaltsverzeichnis

9.5 Gleichungen für die Berechnung der Anteile 14.7 Die Anwendung ionenselektiver
einzelner Formen 230 Elektroden 376
9.6 Isoelektrischer und isoionischer pH 232 14.8 Chemische Festkörpersensoren 378

10 Säure-Base-Titrationen 237 15 Redoxtitrationen 385


10.1 Titration einer starken Säure mit einer starken 15.1 Die Form der Redoxtitrationskurve 386
Base 238 15.2 Bestimmung des Endpunkts 392
10.2 Titration einer schwachen Säure mit einer 15.3 Einstellung des Oxidationszustands des
starken Base 241 Analyten 395
10.3 Die Titration einer schwachen Base mit einer 15.4 Oxidation mit Kaliumpermanganat 396
starken Säure 245 15.5 Oxidation mit Ce4+ 398
10.4 Titrationen in zweiprotonigen Systemen 246 15.6 Oxidation mit Kaliumdichromat 399
10.5 Ermittlung des Endpunkts mit einer pH- 15.7 Methoden unter Verwendung von Iod 401
Elektrode 249
10.6 Endpunktsbestimmung mit Indikatoren 254 16 Elektroanalytische Methoden 407
10.7 Praktische Hinweise 259 16.1 Grundlagen der Elektrolyse 408
10.8 Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl 259 16.2 Elektrogravimetrische Analyse 414
10.9 Der Nivellierungseffekt 262 16.3 Coulometrie 416
10.10 Berechnung von Titrationskurven mit Hilfe 16.4 Amperometrie 419
der Tabellenkalkulation 263 16.5 Voltammetrie 425
16.6 Karl-Fischer-Titration von Wasser 436
11 Komplexometrische Titrationen 271
11.1 Metall-Chelatkomplexe 272 17 Grundlagen der Spektralphotometrie 443
11.2 Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) 275 17.1 Eigenschaften des Lichts 444
11.3 Titrationskurven mit EDTA 280 17.2 Lichtabsorption 446
11.4 Versuchen Sie es mit einer Tabellen- 17.3 Messung der Absorption 450
kalkulation 282 17.4 Das Lambert-Beersche Gesetz in der Chemischen
11.5 Hilfskomplexbildner 284 Analyse 452
11.6 Metallindikatoren 287 17.5 Spektralphotometrische Titrationen 455
11.7 Titrationsmethoden mit EDTA 290 17.6 Vorgänge bei der Lichtabsorption 456
17.7 Lumineszenz 461
12 Gleichgewichtsprobleme für
Fortgeschrittene 295 18 Anwendungen der Spektralphotometrie 473
12.1 Allgemeiner Umgang mit Säure-Base- 18.1 Analyse einer Mischung 474
Systemen 296 18.2 Bestimmung von Gleichgewichtskonstanten:
12.2 Aktivitätskoeffizienten 300 Der Scatchard-Plot 479
12.3 Abhängigkeit der Löslichkeit vom pH 304 18.3 Methode der kontinuierlichen Variation 481
12.4 Analyse von Säure-Base-Titrationen mit 18.4 Fließinjektionsanalyse und Sequenzielle
Differenz-Plots 311 Injektionsanalyse 483
18.5 Immunoassays und Aptamere 488
13 Grundlagen der Elektrochemie 319 18.6 Sensoren auf der Basis von Fluoreszenz-
13.1 Grundkonzepte 320 löschung 490
13.2 Galvanische Zellen 325
13.3 Standardpotentiale 328 19 Spektralphotometer 501
13.4 Die Nernstsche Gleichung 330 19.1 Lichtquellen: Lampen und Laser 504
13.5 E 0 und die Gleichgewichtskonstante 336 19.2 Monochromatoren 507
13.6 Galvanische Zellen als chemische 19.3 Detektoren 512
Sonden 338 19.4 Optische Sensoren 520
13.7 Biochemiker verwenden E 0’ 341 19.5 Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie
(FT-IR Spektroskopie) 528
14 Elektroden und Potentiometrie 351 19.6 Rauschen 534
14.1 Bezugselektroden 352
14.2 Indikatorelektroden 354 20 Atomspektroskopie 541
14.3 Was ist ein Diffusionspotential? 357 20.1 Überblick 542
14.4 Wie arbeiten ionenselektive Elektroden? 358 20.2 Atomisierung: Flammen, Öfen und Plasmen 545
14.5 pH-Messung mit einer Glaselektrode 361 20.3 Der Einfluss der Temperatur in der Atom-
14.6 Ionenselektive Elektroden (ISE) 368 spektroskopie 551
Inhaltsverzeichnis XV

20.4 Apparatur 552 26.3 Beispiele für gravimetrische Berechnungen 767


20.5 Interferenz 558 26.4 Verbrennungsanalyse 770
20.6 Induktiv gekoppeltes Plasma – Massen- 26.5 Fällungstitrationskurven 773
spektrometrie (ICP-MS) 562 26.6 Titration eines Gemischs 778
26.7 Berechnung von Titrationskurven mit einem
21 Massenspektrometrie 569 Tabellenkalkulationsprogramm 779
21.1 Was ist Massenspektrometrie? 570 26.8 Endpunktbestimmung 781
21.2 Oh, Massenspektrum, sprich zu mir! 575
21.3 Arten der Massenspektrometer 582 27 Probenvorbereitung 787
21.4 Chromatographie – Massenspektrometrie 590 27.1 Statistik der Probenahme 789
21.5 Open-Air-Probenahme für die Massen- 27.2 Auflösung der Proben für die Analyse 794
spektrometrie 602 27.3 Techniken zur Probenvorbereitung 801

22 Einführung in Analytische Farbtafeln


Trennverfahren 609
22.1 Lösungsmittelextraktion 610 Anmerkungen und Literaturangaben 809
22.2 Was ist Chromatographie? 615
22.3 Chromatographie aus der Sicht eines Glossar 843
Rohrlegers 618
22.4 Effizienz einer Trennung 622 Anhang A 881
22.5 Warum Banden breiter werden 629 Logarithmen und Exponenten 881

23 Gaschromatographie 639 Anhang B 883


23.1 Der Trennprozess in der Gaschromato- Graphische Darstellung von Geraden 883
graphie 640
23.2 Probeninjektion 652 Anhang C 885
23.3 Detektoren 656 Fortpflanzung der Messunsicherheit 885
23.4 Probenvorbereitung 663
23.5 Methodenentwicklungen in der Anhang D 887
Gaschromatographie 665 Oxidationszahlen und Ausgleich von Redoxreaktionen 887

24 Hochleistungsflüssigkeitschromato- Anhang E 891


graphie 671 Äquivalentkonzentration 891
24.1 Der chromatographische Prozess 672
24.2 Injektion und Detektion in der HPLC 690 Anhang F 893
24.3 Methodenentwicklung für Trennungen an Löslichkeitsprodukte* 893
Umkehrphasen 697
24.4 Trennungen mit Gradienten 704 Anhang G 897
24.5 Hier hilft uns der Computer 708 Säure(dissoziations)konstanten 897

25 Chromatographische Methoden und Anhang H 907


Kapillarelektrophorese 715 Standardreduktionspotentiale 907
25.1 Ionenaustausch-Chromatographie 716
25.2 Ionenchromatographie 724 Anhang I 919
25.3 Molekülausschluss-Chromatographie 730 Komplexstabilitätkonstanten 919
25.4 Affinitätschromatographie 733
25.5 Hydrophobe Wechselwirkungschromato- Anhang J 923
graphie 734 Logarithmen der Komplexbildungskonstanten für die
25.6 Grundlagen der Kapillarelektrophorese 734 Reaktion M(aq) + L(aq) U ML(aq) 923
25.7 Durchführung der Kapillarelektrophorese 743
25.8 Lab on a chip: Erforschung der Chemie Anhang K 925
des Gehirns 754 Analytische Standards 925

26 Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen Lösungen der Übungen 929


und Verbrennungsanalyse 759
26.1 Beispiele für gravimetrische Analysen 760 Sachverzeichnis 933
26.2 Fällung 762
0 Der analytische Prozess

Die wichtigsten Umweltdaten des 20. Jahrhunderts


Im Jahr 1958 begann Charles David Keeling mit einer Reihe sehr genauer Messungen des atmosphärischen Kohlendioxid-Ge-
halts, die als „wichtigster ökologischer Datensatz des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet wurden.* Nach einem halben Jahrhundert
zeigen nun die Messungen, dass die Menschheit die CO2-Menge in der Atmosphäre um mehr als 40 % über den Durchschnitts-
wert der letzten 800 000 Jahre erhöht hat. In einer geologischen Zeitskala gesehen, haben wir in einem kurzen Moment den
ganzen Kohlenstoff, der in der Kohle und im Erdöl festgehalten wurde, freigelassen und dieser Erguss hat die Erde erschüttert
und ihren früheren Zustand verändert. Die vertikale Linie oben rechts im Diagramm zeigt, was wir gemacht haben. Diese Linie
wird ihre vertikale Bahn fortsetzen bis alle fossilen Brennstoffe auf der Erde verbraucht worden sind. Die Folgen werden künf-
tige Generationen erkennen, Ihr seid die erste!

Seit 1958 wird im Mauna Loa Observatorium,


3 400 Meter über dem Meeresspiegel, an einem Kra-
ter auf Hawaii, das atmosphärische CO2 bestimmt.
[Forrest M. Mims III, www.forrestmims.org/mauna-
loaobservatory.html, Photo aus dem Jahr 2006.]

400

350 Messwerte von Keeling:


Volumenanteil von CO2 in der Luft in ppm

CO2-Anstieg durch Verbrennung


fossiler Stoffe
300
(1 ppm = 1 Teil pro 1 Million)

250

200

150
Die historischen CO2-Daten wurden aus der Analyse
100 von Luftbläschen abgeleitet, die sich in Bohrkernen
aus der Antarktis befanden. Keelings Messergebnisse
50 für atmosphärisches CO2 ergeben die vertikale Linie
am rechten Ende der Kurve. [Eisbohrkerndaten von
0 D. Lühti et al., Nature, 2008, 453, 379. Mauna Loa –
800 700 600 500 400 300 200 100 0 Daten aus http://scrippsco2.ucsd.edu/data/in_situ_
Jahrtausende vor 1950 co2/monthly_mlo.csv.]

* C. F. Kennel, Scripps Institution of Oceanography

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
2 Kapitel 0 · Der analytische Prozess

Im letzten Jahrhundert haben die Menschen die Zusammensetzung der Erdatmosphäre


abrupt verändert. Wir beginnen unsere Beschäftigung mit der quantitativen chemischen
Analyse mit einem biographischen Beitrag, der schildert, wie Charles David Keeling dazu
kam, atmosphärisches CO2 zu messen. Danach wollen wir weitergehen und die allgemei-
nen Gesichtspunkte des analytischen Prozesses diskutieren.

0.1 Charles David Keeling und die Messung


des atmosphärischen CO2
Bemerkungen und Zitate finden Sie Charles David Keeling (1928–2005), (Abbildung 0.1) wuchs in der Nähe von Chicago wäh-
nach dem letzten Kapitel des Buchs. rend der schweren Wirtschaftskrise auf.1 Sein Vater, ein Investment-Banker, weckte in dem
fünfjährigen Keeling das Interesse für Astronomie und seine Mutter eine lebenslange Liebe
zur Musik. Obwohl er „nicht vorwiegend naturwissenschaftlich interessiert“ war, nahm er
jedes naturwissenschaftliche Unterrichtsangebot der High School wahr, darunter in der
Kriegszeit einen Kurs über die Luftfahrt, der ihn mit Aerodynamik und Meteorologie kon-
frontierte. Im Jahr 1945, mit 17 Jahren, schrieb er sich vor der vorgesehenen Einberufung in
die Armee für das Sommersemester an der University of Illinois ein. Als der Zweite Welt-
krieg in jenem Sommer zu Ende war, blieb er in Illinois und wandte sich der Chemie zu.
Nach dem Studienabschluss im Jahr 1948 bot ihm Professor Malcolm Dole, der
Keeling schon als frühreifes Kind kannte, ein Promotionsstipendium in Chemie an der
Northwestern University in Illinois an. Schon am zweiten Tag in Doles Labor lehrte ihn
dieser, wie man sorgfältige Messungen mit einer analytischen Waage durchführt. Keeling
begann mit Untersuchungen in der Polymerchemie, obwohl er weder die Polymere noch
die Chemie besonders attraktiv fand.
Eine Voraussetzung für das Promotionsstudium war die Belegung eines Nebenfachs
außerhalb der Chemie. Bei einem Freund sah er ein Buch „Glazialgeologie und das Pleisto-
zän“. Er fand es so interessant, dass er sich ein Exemplar kaufte und darin zwischen seinen
Experimenten im Labor las. Er stellte sich vor, „auf Berge zu steigen und die physikalischen
Eigenschaften der Gletscher zu messen“. Während seiner Promotionszeit absolvierte Kee-

Abb. 0.1 Charles David Keeling und


seine Ehefrau Louise, etwa 1970. [Mit
freundlicher Genehmigung von Ralph
Keeling, Scripps Institution of Oceanogra-
phy, University of California, San Diego.]
0.1 · Charles David Keeling und die Messung des atmosphärischen CO2 3

ling nebenbei fast das ganze Ausbildungsprogramm für Geologie und er unterbrach zwei-
mal seine Forschungsarbeit, um in den Bergen zu wandern und zu klettern. Als er im Jahr
1953 seine Ausbildung beendet hatte, bestand in der neuen Kunststoffindustrie ein großer
Bedarf an promovierten Polymerchemikern. Keeling hatte Job-Angebote von Fabriken aus
dem Osten des Landes, doch er sah seine Zukunft nicht auf diesem Gebiet. Er hatte sich
geologische Kenntnisse erworben und liebte die freie Natur. Professor Dole hielt es für
tollkühn, hochbezahlte Positionen zu Gunsten einer schlecht bezahlten Stelle als Postdoc
aufzugeben. Dennoch schrieb Keeling Bewerbungen für eine Postdoc-Anstellung als Che-
miker „nur in Geologie-Instituten westlich der nordamerikanischen kontinentalen Wasser-
scheide“. Er wurde der erste Postdoc im neuen Department of Geochemistry im Labor von
Harrison Brown im California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena.
Eines Tages erklärte Brown, wie wichtig die Anwendung chemischer Prinzipien in der
Geologie sei. Er meinte, dass die Menge des Carbonats im Oberflächenwasser abgeschätzt
werden kann, wenn man annimmt, dass sich dieses Wasser in einem chemischen Gleich-
gewicht sowohl mit Kalkstein [CaCO3] als auch dem Kohlendioxid in der Atmosphäre
befindet. Keeling entschloss sich, diesen Gedanken zu überprüfen. Er entwickelte eine
chemische Apparatur, die in der realen Umwelt funktionierte und mit der er im Freien
arbeiten konnte.
Keeling baute ein Vakuumsystem, mit dem er CO2 aus der Luft oder aus mit Säure ver-
setztem Wasser isolieren konnte. Das CO2 in getrockneter Luft wurde im Vakuumsystem
mit Hilfe von flüssigem Stickstoff, der zu dieser Zeit gerade im Handel zugänglich wurde,
als Feststoff abgeschieden. Keeling baute ein Manometer, um gasförmiges CO2 zu bestim-
men, indem ein bekanntes Gasvolumen bei bekannter Temperatur eingesperrt wurde (Ab-
bildung 0.2 und Exkurs 3.2). Die Messungen waren auf 0.1 % genau (reproduzierbar), was
gegenüber anderen Methoden zur CO2-Bestimmung gleichwertig oder gar besser war.
Keeling startete seinen Feldversuch in Big Sur, einem Strand an der kalifornischen Pa-
zifikküste. Das Gebiet ist reich an dem Mineral Calcit (CaCO3), das sehr wahrscheinlich
Kontakt zum Grundwasser hat. Keeling wusste nicht, welchen Wert er für die CO2 -Kon-
zentration der Luft annehmen sollte. Dieser Wert musste für seine Versuche bekannt sein.
Da die veröffentlichten Werte in einem weiten Bereich schwankten, entschloss er sich zu
eigenen Messungen. Er verfügte über ein Dutzend 5-Liter-Vakuumkolben mit Absperr-
hahn. Er bestimmte deren Masse, leer und mit Wasser gefüllt. Aus der Masse des Wassers
konnte er das Volumen jedes Kolbens ermitteln. Zur Vorbereitung der Feldversuche
untersuchte er Proben in Pasadena. Die CO2-Konzentrationen schwankten beträchtlich,
offenbar waren sie stark durch urbane Emissionen beeinflusst.
Da er nicht sicher war, ob der CO2-Gehalt der reinen Luft in der Nähe des Pazifi-
zum Vakuum
schen Ozeans in Big Sur konstant ist, nahm er über einen Tag und eine Nacht aller paar
Stunden Luftproben. Er nahm auch Wasserproben und brachte alles ins Labor, um CO2
zu messen. Einem Vorschlag Professor Sam Epsteins folgend gab Keeling auch einige Thermometer
zur Temperatur-
Proben an dessen Arbeitsgruppe, um mit dem gerade gebauten Massenspektrometer die messung
Isotopenverhältnisse von Kohlenstoff und Sauerstoff zu bestimmen. „Ich ahnte nicht, dass
das in diesem ersten Experiment entwickelte Verfahren eine wesentliche Grundlage für Absperrhahn
meine Forschungsarbeit für die nächsten mehr als vierzig Jahre werden sollte“ erzählte CO2-Gas
Keeling. Im Gegensatz zu der ursprünglichen Annahme fand Keeling, dass Flusswasser
und Grundwasser mehr gelöstes CO2 enthielten als zu erwarten war, wenn es sich im abge- Druck,
messenes gemessen
Gleichgewicht mit dem CO2 der Luft befindet. in Millimeter
Volumen
Keeling fiel ein eigenartiges und von der Tageszeit abhängiges Muster beim atmosphä- Quecksilber-
rischen CO2 auf. Nachmittags hatte die Luft einen fast konstanten CO2-Gehalt von 310 säule
Glas-
Volumenteilen pro Million (ppm) in trockener Luft. Nachts war die Konzentration höher anzeige
Quecksilber
und schwankend. Je höher der CO2-Gehalt war, umso niedriger war das 13C/12C-Ver- für das
Gasvolumen
hältnis. Man dachte, dass durch die Photosynthese der Pflanzen tagsüber am Erdboden
das atmosphärische CO2 abnimmt und nachts durch die Atmung wieder ansteigt. Jedoch
ergaben tagsüber an verschiedenen Orten genommene Proben überall den gleichen Wert Abb. 0.2 Manometer aus einem
U-förmigen Glasrohr. Die Höhendifferenz
von etwa 310 ppm CO2.
zwischen dem Quecksilber im linken und
Keeling fand eine Erklärung in dem Buch „Das Klima in Bodennähe“. Er hatte alle Pro- rechten Schenkel des Rohrs gibt den Gas-
ben bei schönem Wetter genommen, wenn die Sonnenwärme am Nachmittag Turbulenzen druck in Millimeter Quecksilbersäule an.
bewirkt, wodurch die Luft in Bodennähe mit der in höheren Schichten der Atmosphäre Details in Exkurs 3.2.
4 Kapitel 0 · Der analytische Prozess

gemischt wird. In der Nacht kühlt sich die Luft ab und bildet eine stabile Schicht in Boden-
nähe, die durch die Atmung der Pflanzen reicher an CO2 wird. Keeling hat entdeckt, dass
über weite Bereiche der nördlichen Hemisphäre der CO2-Gehalt in der freien Atmosphäre
etwa 310 ppm beträgt. Im Jahr 1956 waren seine Befunde sicher genug, um sie auch anderen
mitzuteilen, darunter Dr. Oliver Wulf, vom U.S. Wetterdienst, der am Caltech arbeitete.
Wulf schickte Keelings Resultate an Harry Wexler, den Forschungschef des Wet-
terdienstes. Wexler lud Keeling nach Washington, DC, ein, wo er ihm erklärte, dass
im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres ab Juli 1957 18 Monate lang
geophysikalische Daten gesammelt werden sollen. Der Wetterdienst hatte gerade ein
Observatorium in der Nähe des Gipfels des Vulkans Mauna Loa auf Hawaii gebaut und
Wexler wollte es in Betrieb zu nehmen. Der Wetterdienst sollte das atmosphärische CO2
in abgelegenen Standorten auf der ganzen Welt messen.
Keeling erklärte ihm, dass die in der wissenschaftlichen Literatur publizierten Mes-
sungen unzuverlässig sein könnten. Er schlug vor, CO2 mit einem Infrarot-Spektrometer
zu bestimmen, das sehr genau mit einem Gas, das mit einem Manometer bestimmt wor-
den war, kalibriert wird. Das Manometer ist das zuverlässigste Instrument zur CO2-Be-
stimmung, aber jede Messung dauert einen halben Tag. Das Spektrometer kann mehrere
Proben pro Stunde messen, aber es muss mit zuverlässigen Standards kalibriert werden.
Wexler gefiel der Vorschlag von Keeling und entschied, dass Infrarot-Messungen auf
dem Mauna Loa und in der Antarktis gemacht werden. Am nächsten Tag erhielt Keeling
von Wexler ein Stellengebot. Keeling beschreibt das so: „Ich wurde zu dem Platz geführt,
an dem ich arbeiten sollte …, ein dunkler Keller im Marine-Observatorium, wo die Un-
tersuchung zum Impfen von Wolken durch einen einsamen Wissenschaftler die ganze
Tätigkeit zu sein schien.“
Glücklicherweise hatten Keelings Ergebnisse auch bei Roger Revelle, dem Direktor
des Scripps Institute of Oceanography in der Nähe von San Diego in Kalifornien Interesse
gefunden. Revelle lud Keeling zu einem Vorstellungsgespräch ein. Es gab ein Mittagessen
im Freien bei prächtigem Sonnenschein und einer leichten Meeresbrise. Keeling dachte bei
sich: „dunkler Keller oder schöne Sonne und Seeluft?“ Er wählte das Scripps-Institut und
Wexler stellte wohlwollend Mittel zur Verfügung, um die CO2-Messungen zu unterstützen.
Keeling fand verschiedene kontinuierliche Gasanalysatoren und testete das Gerät der
einzigen Firma, „bei der es gelang, am Verkäufer vorbeizukommen und direkt mit einem
Ingenieur zu sprechen.“ Er unternahm alles, um das Infrarot-Spektrometer mit präzis
vermessenen Gasstandards zu kalibrieren. Mit großer Sorgfalt baute er ein Manometer,
dessen Resultate auf 0.025 % reproduzierbar waren, so dass damit CO2-Bestimmungen
in der Atmosphäre mit einer Reproduzierbarkeit auf 0.1 ppm möglich wurden. Seine
Zeitgenossen bezweifelten die Notwendigkeit einer solchen Präzision, da die vorhande-
nen Literaturdaten zeigten, dass der CO2-Gehalt der Luft mit einem Faktor 2 schwankt.
Außerdem gab es Bedenken, dass die Messungen am Mauna Lao mit CO2-Emissionen aus
dem Vulkan verwechselt werden.
Roger Revelle vom Scripps Institut sah den wesentlichen Wert der Untersuchungen
darin, dass die Messungen eine Momentaufnahme des Kohlendioxids rund um den
Globus für das Jahr 1957 darstellen, die mit einer Momentaufnahme nach 20 Jahren
verglichen werden kann, um zu sehen, ob sich die CO2-Konzentration verändert hat.
Man hatte angenommen, dass Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe
in der Atmosphäre zunimmt, aber auch geglaubt, dass ein großer Teil dieses CO2 durch
die Ozeane absorbiert wird. Es existierten keine aussagekräftigen Messungen, um diese
Hypothesen zu bewerten.
Im März 1958 installierten Ben Harlan vom Scripps-Institut und Jack Pales vom
Wetterdienst Keelings Infrarot-Spektrometer auf dem Mauna Loa. An den ersten Tagen
wichen die Messergebnisse maximal um 1ppm von dem 313 ppm-Wert ab, den Keeling
aus seinen Resultaten an der Pier von Scripps erwartet hatte. Die Konzentrationen stiegen
von März bis Mai an, danach wurden die Untersuchungen durch einen Stromausfall un-
terbrochen. Im September nahmen die Konzentrationen ab und wieder fiel der Strom aus.
Da durfte Keeling seine erste Reise nach Mauna Loa machen, um die Apparatur wieder
Scripps-Pier, wo eine sanfte Meeresbrise in Gang zu bringen. Die Konzentrationen stiegen von November bis Mai 1959 stetig an,
weht bis sie wieder allmählich abnahmen. Die Werte für das ganze Jahr 1959 in der Abbildung
0.1 · Charles David Keeling und die Messung des atmosphärischen CO2 5

320
Mauna Loa Observatorium
CO2-Konzentration (ppm)

1958

315

310

1958 J F M A M J J A S O N D

320
Mauna Loa Observatorium
CO2-Konzentration (ppm)

1959

315

310

1959 J F M A M J J A S O N D

Abb. 0.3 Atmosphärische CO2-Messungen aus Mauna Loa in den Jahren 1958 und 1959. [J. D. Pales
and C. D. Keeling, „The Concentration of Atmospheric Carbon Dioxide in Hawaii“, J. Geophys. Res. 1965,
70, 6053.]

400
390 Mauna Loa Observatorium
380
370
CO2 (ppm)

360
350
340
330
320
310
1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
Jahr

Abb. 0.4 Monatliche Durchschnittswerte für CO2 in der Atmosphäre, gemessen in Mauna Loa, Hawaii.
Diese Darstellung, Keeling-Kurve genannt, zeigt die Überlagerung von jahreszeitlichen Schwankun-
gen mit dem Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphäre. [Werte aus http://scrippsco2.ucsd.edu/ data/
in_siu_co2/monthly_mlo.csv.]

0.3 zeigen das gleiche Muster wie die für 1958. Diese Muster wären niemals zu erkennen
gewesen, wenn Keeling seine Messungen nicht so sorgfältig durchgeführt hätte.
Ein Maximalwert für CO2 wurde in der gemäßigten Zone der nördlichen Hemisphäre
gerade dann gefunden, wenn die Pflanzen im Mai neue Blätter ansetzen. Die niedrigsten
Werte für CO2 wurden am Ende der Vegetationsperiode im Oktober gefunden. Keeling
zog den Schluss, dass „wir erstmalig Zeuge des Vorgangs sind, wie die Natur aus der Luft
Kohlendioxid für das Pflanzenwachstum im Sommer entnimmt und dieses im folgenden
Winter wieder zurückgibt.“
Die Abbildung 0.4, bekannt als Keeling-Kurve, zeigt die Ergebnisse der CO2-Messun-
gen von Mauna Loa für ein halbes Jahrhundert. Man erkennt die jahreszeitlichen Schwan-
kungen und den stetigen Anstieg.
6 Kapitel 0 · Der analytische Prozess

Ungefähr die Hälfte des durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe (hauptsächlich
Kohle, Erdöl und Erdgas) im vergangenen halben Jahrhundert gebildeten CO2 verbleibt
in der Atmosphäre. Der größte Teil der anderen Hälfte wurde durch die Ozeane absor-
biert.
In der Atmosphäre absorbiert CO2 die von der Erdoberfläche kommende Infrarot-
Strahlung und strahlt einen Teil dieser Energie auf den Boden zurück (Abbildung 0.5).
Dieser Treibhauseffekt erwärmt die Erdoberfläche und könnte zu Klimaveränderungen
führen. In den Ozeanen bildet CO2 Kohlensäure (H2CO3), welche zu einer Versauerung
führt. Durch die Verbrennung der fossilen Brennstoffe hat sich der pH-Wert des Oberflä-
chenwassers der Ozeane gegenüber den vorindustriellen Werten schon um 0.1 Einheiten
erniedrigt. Es wird erwartet, dass durch die Verbrennung im 21. Jahrhundert die Ozeane
um weitere 0.3 bis 0.4 pH-Einheiten saurer werden – eine Bedrohung des Lebens im Meer
durch Auflösung der Kalkschalen vieler Meerestiere im Sauren (Exkurs 9.1). Die gesamte
ozeanische Nahrungskette ist durch die Versauerung der Ozeane gefährdet.2
Die Bedeutung der Keeling-Kurve ist offensichtlich, wenn man Keelings Daten an
den Kurvenverlauf der aus dem antarktischen Eis erhaltenen Werte für CO2 und Tempe-
ratur der vergangenen 800 000 Jahre anhängt. Die Abbildung 0.6 zeigt, dass Temperatur
und CO2 ungefähr aller 100 000 Jahre Spitzenwerte aufweisen, die durch Pfeile markiert
wurden.
Zyklische Änderungen der Erdumlaufbahn und der Neigung der Erdachse führen
zu zyklischen Temperaturänderungen. Ein kleiner Temperaturanstieg setzt CO2 aus dem
Ozean in die Atmosphäre frei. Der CO2-Anstieg in der Atmosphäre erhöht die Erwär-
mung durch den Treibhauseffekt. Abkühlung, die durch Änderung der Umlaufbahn
hervorgerufen wird, bewirkt erhöhte Löslichkeit von CO2 in Wasser, wodurch eine weitere
Abkühlung eintritt. Die CO2-Variation verläuft seit 800 000 Jahren etwa parallel zu den
Temperaturschwankungen.
Die Verbrennung fossiler Stoffe hat in den letzten 150 Jahren einen CO2-Anstieg von
Sonne dem historischen zyklischen Höchststand, der bei 280 ppm lag, auf gegenwärtig 380 ppm
sichtbare gebracht. Man hat keine Vorstellung, wie man verhindern könnte, dass in diesem Jahr-
Strahlung
hundert der CO2-Gehalt der Atmosphäre auf ein Mehrfaches seines früheren Werts steigt

Infrarot-
Strahlung 400
Erde

350 Keeling-Kurve:
CO2-Anstieg durch Verbrennung
fossiler Brennstoffe
300
Infrarot- CO2
Strahlung
CO2 (ppm, volumenbezogen)

in den
Weltraum 250
Infrarot-
strahlung
zum Erd- Treibhaus-
gase 200 5
boden

150 ΔT 0
ΔT (°C)

Infrarot-
Strahlung
Erde
100 −5

50 −10
Abb. 0.5 Treibhauseffekt. Die Sonne
erwärmt die Erde hauptsächlich durch 0
Strahlung im sichtbaren Gebiet. Die Erde 800 700 600 500 400 300 200 100 0
emittiert Infrarot-Strahlung, die bei Ab- Jahrtausende vor 1950
wesenheit einer Atmosphäre sämtlich in
das Weltall gehen würde. Treibhaus-Gase Abb. 0.6 Die Tragweite der Keeling-Kurve (oben rechts, farbig) erkennt man, wenn man sie in die
in der Atmosphäre absorbieren einen Darstellung des atmosphärischen CO2, das in Luftbläschen von Eisbohrkernen aus der Antarktis ein-
Teil der Infrarot-Strahlung und senden geschlossen war, einträgt. Die Temperatur der Atmosphäre wird aus der Isotopenzusammensetzung
ihn an die Erde zurück. Das führt zu einer von Wasserstoff und Sauerstoff im Eis über die Niederschlagsbildung ermittelt. [Vostok ice core data
stärkeren Erwärmung der Erde als bei from J. M. Barnola, D. Raynaud, C. Lorius, and N. I. Barkov, http://cdiac.esd.ornl.gov/ftp/trends/co2/
Abwesenheit dieser Stoffe. vostok.icecore.co2.]
0.2 · Was der analytische Chemiker macht 7

und ein Klimawandel eintritt. Je länger wir zur Reduzierung des Verbrauchs an fossilen
Brennstoffen brauchen, desto länger wird dieses unfreiwillige globale Experiment dauern.
Die Zunahme der Bevölkerung verschärft dieses und viele andere Probleme.
Keelings CO2-Messprogramm war mehrmals durch behördliche Entscheidungen zur
Forschungsförderung gefährdet. Aber seine Beharrlichkeit sicherte die Kontinuität und
Qualität der Untersuchungen. Die Herstellung von Standards zur Kalibration mit einem
Manometer erfordert viel Arbeit und ist teuer. Die Organisationen der Forschungsför-
derung versuchten, die manometrische Kalibrierung zu ersetzen, doch keine Methode
lieferte eine gleiche Präzision. Die hohe Qualität der Messungen von Keeling machte
die Aufdeckung sehr geringer Veränderungen möglich, zum Beispiel auch den El Niňo-
Temperaturverlauf der Ozeane, bei denen der größere Einfluss des CO2-Anstiegs gegen-
über den jahreszeitlichen Schwankungen herausgefunden wurde.

0.2 Was der analytische Chemiker macht

Schokolade3 war für manchen Studenten ein Retter in der langen Nacht vor einer schwe-
ren Aufgabe. Mein Lieblingsschokoriegel, vollgepackt mit 33 % Fett und 47 % Zucker, hat
mir über die Berge der kalifornischen Sierra Nevada geholfen. Zusätzlich zu dem großen
Energiehalt liefert Schokolade einen besonderen Schub durch die Stimulanzien Coffein
und dessen biochemischen Vorläufer, Theobromin.

O O
CH3 CH3
C N H3C C N
HN C N C
CH CH
C C C C
O N N O N N Es ist toll, Schokolade zu essen, aber
es ist nicht leicht, sie zu analysieren.
CH3 CH3 [W. H. Freeman Photo von K. Bendo.]
Theobromin (griechisch: Götterspeise) Coffein
Diuretikum, muskelentspannend, Stimulans für Zentralnervensystem
herzstimulierend, gefäßerweiternd

Zu viel Coffein ist für viele Menschen schädlich und einige unglückliche Personen kön- Ein Diuretikum hilft, Wasser zu lassen.
nen selbst kleine Mengen nicht vertragen. Wie viel Coffein ist in einem Schokoriegel? Wie
verhält sich diese Menge zu der in Kaffee oder in Softdrinks? Durch solche Fragen bringt
Professor Tom Wenzel am Bates College in Maine seinen Studenten die Lösung chemi-
scher Probleme bei.4
Aber wie kann man nun den Coffein-Gehalt im Schokoriegel bestimmen? Zwei Stu- Chemical Abstracts sind die umfas-
denten, Denby und Scott, beginnen am Computer mit ihrer Suche nach einer analytischen sendste Quelle für Artikel in chemi-
Methode. Mit den Stichworten „Coffein“ und „Schokolade“ finden sie viele Artikel in schen Zeitschriften. Scifinder ist die
chemischen Zeitschriften. Zwei Artikel mit dem Titel „Bestimmung von Theobromin und Software, die auf Chemical Abstracts
Coffein in Kakao und Schokoladeprodukten durch Hochdruckflüssigchromatographie“5 zugreift.
beschrieben eine Methode, für die ihr Laboratorium eingerichtet war.6

Probenahme
Der erste Schritt in jeder chemischen Analyse ist die Gewinnung einer repräsentativen Fettgedruckte Ausdrücke müssen
Probe für die Messung, die Probenahme. Ist jede Schokolade gleich? Natürlich nicht. gelernt werden. Sie sind am Ende
Denby und Scott kauften einen Schokoriegel in einem Laden in ihrer Nähe und analysier- jedes Kapitels und im Glossar am Ende
ten einige Stückchen davon. Wenn man allgemeine Aussagen über „Coffein in Schoko- des Buchs zusammengefasst.
lade“ machen will, muss man eine Vielzahl von Schokoladen unterschiedlicher Hersteller
analysieren. Man muss auch mehrere Proben von jeder Sorte vermessen, um den Bereich
des Coffeins in jeder Sorte zu ermitteln.
Ein reiner Schokoriegel ist ziemlich homogen, das heißt, seine Zusammensetzung Homogen: überall gleich
ist überall gleich. Man kann sicher davon ausgehen, dass ein Stück von dem einen Ende
8 Kapitel 0 · Der analytische Prozess

Heterogen: unterschiedlich von des Riegels genau so viel Coffein enthält wie ein Stück von dem anderen Ende. Scho-
Gebiet zu Gebiet kolade mit Nussstücken ist ein Beispiel für ein heterogenes Material. Hier ändert sich
die Zusammensetzung von einer Stelle zur anderen. Nussstücke sind etwas anderes als
Schokolade. Bei der Probenahme aus einem heterogenen Material ist eine andere Strategie
erforderlich als bei einem homogenen Stoff. Hier muss man die durchschnittlichen Mas-
sen von Schokolade und Nüssen in vielen Stücken kennen. Außerdem braucht man die
durchschnittlichen Coffein-Gehalte der Schokolade und der Nüsse (falls diese überhaupt
Coffein enthalten). Erst dann kann man Angaben zum durchschnittlichen Coffein – Ge-
halt der Nussschokolade machen.

Probenvorbereitung
Der erste Verfahrensschritt fordert Abwiegen (Wägen) von etwas Schokolade und die
Pistill
Extraktion ihres Fetts durch Herauslösen mit einem Kohlenwasserstoff als Lösungsmittel.
Das Fett muss entfernt werden, weil es bei der späteren Chromatographie in der Analyse
stören würde. Allerdings ist die Extraktion des Fetts sehr unvollständig, wenn man einen
Schokoladenbrocken nur mit dem Lösungsmittel schüttelt, da dieses die Schokolade nur
Mörser
außen angreifen kann. Deshalb schnitten unsere einfallsreichen Studenten die Schokolade
in sehr kleine Stücke, gaben diese in einen Mörser mit Pistill (Abbildung 0.7) in der Hoff-
nung, den Feststoff in kleine Teilchen zu mahlen.
Kann man Schokolade zermahlen? Dazu ist sie zu weich. Deshalb frosteten Denby
und Scott Mörser mit Pistill und der geschnittenen Schokolade ein. Die kalte Schokolade
Abb. 0.7 Keramikmörser und Pistill wurde spröde und konnte zerrieben werden. Nun gaben sie kleine Portionen in vorher
zum Zerreiben von Feststoffen zu gewägte 15-Milliliter (mL)-Zentrifugenröhrchen und bestimmten deren Masse erneut.
feinem Pulver.
Die Abbildung 0.8 zeigt den nächsten Teil des Verfahrens. Eine 10 mL-Portion des
Lösungsmittels Petrolether wurde in das Röhrchen gegossen und mit einem Stopfen abge-
schlossen. Das Röhrchen wurde stark geschüttelt, um das Fett aus der festen Schokolade
in das Lösungsmittel zu bringen. Coffein und Theobromin sind in diesem Lösungsmittel
unlöslich. Die Mischung aus Flüssigkeit und feinen Feststoffteilchen wurde anschließend
in eine Zentrifuge gespannt, um die Schokolade am Boden des Röhrchens zusammenzu-
ballen. Die klare Flüssigkeit mit dem gelösten Fett konnte nun dekantiert (abgegossen)
und verworfen werden. Die Extraktion wurde mit frischen Portionen des Lösungsmittels
noch zweimal wiederholt, um sicher zu sein, dass sämtliches Fett von der Schokolade
entfernt wurde. Lösungsmittelreste in der Schokolade wurden schließlich entfernt, indem
das Zentrifugenröhrchen in einem Becherglas mit siedendem Wasser erhitzt wurde. Die
Masse des Schokoladenrückstands konnte durch Wägung des Röhrchens mit dem ent-
fetteten Rückstand und Subtraktion der bekannten Masse des leeren Röhrchens ermittelt
werden.

gut Abgießen
schütteln zentrifugieren der Flüssigkeit

Lösungs- überstehende
mittel Flüssigkeit mit
(Petrolether) gelöstem Fett

fein gemahlene Suspension fester Rück- fettfreier


Schokolade des Feststoffs stand am Rückstand
im Lösungs- Boden des
mittel Röhrchen

Abb. 0.8 Extraktion von Fett aus Schokolade und Gewinnung eines fettfreien Rückstands für die Analyse.
0.2 · Was der analytische Chemiker macht 9

Substanzen, die bestimmt werden sollen – in diesem Fall Coffein und Theobromin
– nennt man Analyte. Der nächste Schritt der Probenvorbereitung war die quantitative
(vollständige) Überführung des fettfreien Schokolade-Rückstands in einen Erlenmeyer-
Kolben und die Auflösung der Analyte in Wasser. Wenn ein Teil des Rückstands nicht
aus dem Röhrchen in den Kolben überführt würde, wäre das Ergebnis der Analyse am
Ende falsch, da die Analyte nicht mehr vollständig vorhanden wären. Um eine quanti-
tative Überführung zu erreichen, gaben Denby und Scott einige Milliliter reines Wasser
in das Zentrifugenröhrchen, um unter Rühren und Erhitzen so viel wie möglich von der
Schokolade zu lösen oder zu suspendieren. Danach gossen sie die Aufschlämmung (Sus-
pension eines Feststoffs in einer Flüssigkeit) in einen 50-mL-Kolben. Dies wiederholten
sie mehrmals mit frischen Wasserportionen, um sicher zu sein, dass auch der letzte Rest
der Schokolade aus dem Röhrchen in den Kolben gebracht wurde.
Um die Auflösung der Analyte zu vervollständigen, gaben Denby und Scott Wasser Jede Lösung eines beliebigen Stoffs in
zu, so dass dessen Volumen etwa 30 mL betrug. Sie erhitzen den Kolben in einem sie- Wasser nennt man wäss(e)rige Lösung
denden Wasserbad, um Coffein und Theobromin vollständig aus der Schokolade in das
Wasser zu extrahieren. Um später die Menge der Analyte zu bestimmen, muss die Ge-
samtmasse des Lösungsmittels (Wasser) genau bekannt sein. Denby und Scott kannten
die Masse des Schokoladenrückstands im Zentrifugenröhrchen und ebenso die Masse
des leeren Erlenmeyer-Kolbens. Sie stellten nun den Kolben auf eine Waage und fügten
tropfenweise Wasser zu bis genau 33,3 g Wasser im Kolben waren. Später werden sie
bekannte wässrige Lösungen der reinen Analyte mit der unbekannten Lösung in 33,3 g
Wasser vergleichen.
Bevor Denby und Scott die unbekannte Lösung für die chemische Analyse in einen
Chromatographen injizieren konnten, musste sie diese noch weiter reinigen (Clean-up).
(Abbildung 0.9). Die Aufschlämmung des Schokolade-Rückstands in Wasser enthielt sehr
feine Feststoffteilchen, die wahrscheinlich ihre teure chromatographische Säule verstop-
fen und damit ruinieren würde. So überführten sie einen Teil der Aufschlämmung in
Röhrchen, zentrifugierten die Mischung, um möglichst viel vom Feststoff am Boden
zusammenzuballen. Die trübe, bräunliche, überstehende Lösung (Flüssigkeit über dem
Feststoff) wurde dann – als weitere Maßnahme zur Entfernung kleiner Feststoffpartikel –
filtriert.
Es ist wichtig, die Injektion von Feststoffen in eine Chromatographie-Säule zu ver- Analyseproben aus dem wirklichen
meiden, doch die bräunliche Lösung war noch immer trüb. So wechselten sich Denby Leben sind selten kooperativ!
und Scott zwischen den Vorlesungen ab und sie wiederholten das Zentrifugieren und die
Filtration fünf Mal. Nach jedem Zyklus, wurde die Lösung etwas klarer. Aber völlig klar
wurde die Flüssigkeit nicht. Es sah so aus, als ob nach einiger Zeit aus der filtrierten Lö-
sung immer wieder ein Niederschlag ausfällt.

Entfernung der über-


stehenden Flüssigkeit
in eine Spritze und
Überführung eines Filtration in ein frisches
Teils der Suspension Zentrifugenröhrchen
in ein Zentrifugen-
röhrchen zentrifugieren

0.45-Mikrometer-
Filter

überstehende Flüssigkeit
mit gelöstem Analyt und
feinen Partikeln

Suspension von Schokolade- Suspension unlöslicher filtrierte Lösung Abb. 0.9 Zentrifugation und Filtration
UFNVWlQ
GHiQNRFKHQGHP des Feststoffs Schokolade- mit gelöstem Analyt werden eingesetzt, um unerwünschte
Wasser in Wasser rückstand für die Injektion in den Feststoffrückstände aus wässrigen Ana-
Chromatographen lytlösungen abzutrennen.
10 Kapitel 0 · Der analytische Prozess

Die bisher beschriebene umständliche Prozedur nennt man Probenvorbereitung, die


Überführung einer Probe in einen Zustand, der sich für eine Analyse eignet. In diesem
Fall war Fett aus der Schokolade zu entfernen, die Analyte mussten in eine wässrige Lö-
sung gebracht werden, in der keine Feststoffrückstände sein durften.

Die chemische Analyse (Endlich!)


Das geeignetste Lösungsmittel für die Schließlich entschieden Denby und Scott, dass die Lösung bei einem vernünftigen Zeit-
Chromatographie findet man durch aufwand nun sauber genug war. Der nächste Schritt war die Injektion der Lösung in eine
systematisches Ausprobieren. Das chromatographische Säule, in der die Analyte getrennt und ihre Mengen bestimmt wer-
wird im Kapitel 24 beschrieben. Die den. Die Säule in Abbildung 0.10a ist mit winzigen Siliciumdioxid-Partikeln gefüllt, an
Essigsäure reagiert mit den negativ die lange Kohlenwasserstoffmoleküle gebunden sind. Zwanzig Mikroliter (20.0 ×10–6 L)
geladenen Sauerstoffatomen an der des Schokolade-Extrakts wurden in die Säule injiziert und mit einem Lösungsmittel
SiO2-Oberfläche. Wenn sie nicht neu- aus 79 mL Wasser, 20 mL Methanol und 1 mL Essigsäure durchgespült. Coffein ist in
tralisiert sind, binden sie einen kleinen dem Kohlenwasserstoff auf der Siliciumdioxidoberfläche besser löslich als Theobromin.
Teil des Coffeins und Theobromins Deshalb wird Coffein von den beschichteten SiO2-Partikeln in der Säule fester gehalten
ziemlich fest. als Theobromin. Wenn beide Analyte vom Lösungsmittel durch die Säule gespült sind,
erreicht Theobromin den Säulenausgang vor dem Coffein (Abbildung 0.10b).
Kieselgel-O– ⎯⎯⎯→
Essigsäure
Kieselgel-OH Die Analyte werden im Säulenauslauf auf Grund ihrer Fähigkeit, die ultraviolette
bindet Analyt bindet Analyt Strahlung der Lampe in Abbildung 0.10a zu absorbieren, angezeigt. Die Kurve des De-
sehr fest nur schwach tektorsignals gegen die Zeit in Abbildung 0.11 nennt man Chromatogramm. Theobromin
und Coffein ergeben die wesentlichen Peaks im Chromatogramm. Kleinere Peaks stam-
men von anderen Substanzen, die aus der Schokolade extrahiert wurden.
Das Chromatogramm allein sagt uns nicht, welche Stoffe vorhanden sind. Eine
Möglichkeit zur Identifizierung der einzelnen Peaks wäre die Messung ihrer spektralen
Eigenschaften so wie sie aus der Säule herauskommen. Eine andere Möglichkeit besteht

Injektion der Lösungsmitteleingabe


Analytlösung Lösung, die beide Theobromin
Analyte enthält
an die SiO2-Partikel Coffein
chemisch gebundene
Kohlenwasserstoffmoleküle

SiO2

mit SiO2-Partikeln gefüllte


Chromatographiesäule

UV-Lampe

1 2 3 4
zum Abfluss

Detektor Lösungsmittel- Zeit


ausgang

Ausgang zum Computer


a b

Abb. 0.10 Prinzip der Flüssigkeitschromatographie. a) Chromatographische Apparatur mit einem


Detektor, der die Absorbanz von ultravioletter Strahlung misst, um die Analyte im Säulenabfluss zu
erkennen. b) Chromatographische Trennung von Coffein und Theobromin. Coffein ist in der Kohlen-
wasserstoff-Schicht auf den Partikeln in der Säule besser löslich als Theobromin. Deshalb wird Coffein
stärker zurückgehalten und fließt langsamer durch die Säule als Theobromin.
0.2 · Was der analytische Chemiker macht 11

im Zusatz einer authentischen Probe, entweder von Coffein oder Theobromin, zur unbe- Nur Stoffe, die ultraviolette Strahlung
kannten Probe und die Prüfung, ob einer der Peaks anwächst. bei einer Wellenlänge von 254 Nano-
Die Identifizierung einer unbekannten Substanz ist eine qualitative Analyse. Die Fest- meter absorbieren, werden in Abbil-
stellung, wie viel von einer Substanz zugegen ist, heißt quantitative Analyse. Dieses Buch dung 0.11 beobachtet. Die meisten
befasst sich im Wesentlichen mit der quantitativen Analyse. Verbindungen des wässrigen Extrakts
In Abbildung 0.11 ist die Fläche unter jedem Peak proportional zur Menge des Stoffs, sind Zucker, doch sie werden bei die-
der den Detektor durchflossenen hat. Am besten misst man die Fläche mit Hilfe eines sem Experiment nicht angezeigt.
Computers, der die Signale des Detektors empfängt. Da Denby und Scott keinen Compu-
ter mit ihrem Chromatographen verbunden hatten, haben sie stattdessen die Höhen der
einzelnen Peaks gemessen.

Kalibrationskurven
Generell geben Analyte bei gleicher Konzentration unterschiedliche Detektorsignale. Des-
halb muss das Ansprechverhalten des Detektors bei bekannter Konzentration für jeden
Analyten gesondert ermittelt werden. Die graphische Darstellung des Detektorsignals
als Funktion der Analytkonzentration wird als Kalibrationskurve bezeichnet. Die oft
verwendete Bezeichnung als Eichkurve sollte vermieden werden, denn „eichen“ dürfen
nur Behörden. Um eine solche Kurve zu konstruieren, werden Standardlösungen, die
bekannte Konzentrationen von reinem Theobromin oder Coffein enthalten, hergestellt,
auf die Säule gegeben und die entsprechenden Peak-Höhen gemessen. Abbildung 0.12
zeigt das Chromatogramm einer solchen Standardlösung und Abbildung 0.13 zeigt die
Kalibrationskurven, die durch Injektion von Lösungen jedes Analyten mit 10.0, 25.0, 50.0
und 100.0 Mikrogramm pro Gramm Lösung erhalten wurden.
Ultraviolett-Absorbanz bei einer Wellenlänge von 253 Nanometer

Theobromin
Ultraviolett-Absorbanz bei einer Wellenlänge von 253 Nanometer

Theobromin

Coffein

Coffein

0 2 4 6 8 10 0 2 4 6 8
Zeit (Minuten) Zeit (Minuten)

Abb. 0.11 Chromatogramm von Abb. 0.12 Chromatogramm von 20.0 Mikro-
20,0 Mikroliter eines Extrakts dunkler liter einer Standardlösung mit 50.0 Mikro-
Schokolade. Eine Säule (4.6 mm Durch- gramm Theobromin und 50.0 Mikrogramm
messer, 150 mm Länge), gefüllt mit Coffein pro Gramm Lösung.
5-Mikrometer-Partikeln Hypersil ODS
wurde mit Wasser-Methanol-Essigsäure
(Volumenverhältnis 79:20:1) und einer
Geschwindigkeit von 1.0 mL pro Minute
eluiert (gewaschen).
12 Kapitel 0 · Der analytische Prozess

20

unbekannte Probe

15

Peakhöhe (Zentimeter)
Theobromin
y  0.197 7x  0.210 4
10

Abb. 0.13 Kalibrationskurven mit 5


den für bekannte Konzentrationen
gemessenen Peak-Höhen. 1 ppm ist ein
Mikrogramm des Analyten pro Gramm Coffein
Lösung. Die Gleichungen für die durch y  0.088 4x  0.030 3
die experimentellen Daten gezogenen
Geraden wurden mit der in Kapitel 4 0
0 25 50 75 100
beschriebenen Methode der kleinsten
Quadrate berechnet. Analytkonzentration (ppm)

Geraden, die durch die Kalibrationspunkte gezogen wurden, können nun zur Bestim-
mung der Konzentrationen von Theobromin und Coffein in unbekannten Proben genutzt
werden. Aus der Gleichung der Theobromin-Geraden in Abbildung 0.13 können wir
ableiten, dass bei einer unbekannten Probe eine gemessene Peak-Höhe von 15.0 cm eine
Konzentration von 76.9 Mikrogramm pro Gramm Lösung ergibt.

Interpretation der Ergebnisse


Mit der Kenntnis der Analytmengen im wässrigen Extrakt der Schokolade konnten Denby
und Scott berechnen, wie viel Theobromin und Coffein in der Original-Schokolade ent-
halten war. Tabelle 0.1 zeigt die Ergebnisse für dunkle und weiße Schokolade. Die Mengen
in weißer Schokolade betrugen nur etwa 2 % der in dunkler Schokolade.
In der Tabelle ist auch die Standardabweichung für drei Wiederholungsmessungen für
jede Probe angeführt. Wie in Kapitel 4 diskutiert wird, ist die Standardabweichung ein
Maß für die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Wenn drei Proben identische Ergebnisse
hätten, wäre die Standardabweichung 0. Sind die Ergebnisse nicht gut reprozierbar, ist
die Standardabweichung groß. Für Theobromin in dunkler Schokolade beträgt die Stan-
dardabweichung (0.002) weniger als 1 % des Durchschnittswerts (0.392), so dass wir die
Bestimmung als reproduzierbar bezeichnen können. Für Theobromin in weißer Schoko-
lade hingegen ist die Standardabweichung (0.007) fast so groß wie der Durchschnittswert
(0.010), die Messung ist schlecht reproduzierbar.
Der Zweck einer Analyse ist die Gewinnung einer bestimmten Aussage. Vorher
waren die Fragen gestellt worden: „Wie viel Coffein enthält ein Schoko-Riegel?“ und
„Wie viel ist das im Vergleich zu Kaffee oder Erfrischungsgetränken?“ Mit ihrer ganzen
bisherigen Arbeit hatten Denby und Scott den Coffein-Gehalt nur in einem speziellen
Schokoladen-Riegel ermittelt. Es macht sehr viel mehr Arbeit, viele Riegel der gleichen
Marke, aber auch vieler anderer Schokoladensorten zu untersuchen, um einen allgemei-
neren Überblick zu erhalten. In Tabelle 0.2 werden die Analysenergebnisse verschiedener
coffeinhaltiger Stoffe verglichen. Eine Dose Softdrink oder eine Tasse Tee enthält weniger
als die Hälfte Coffein im Vergleich zu einem kleinem Becher Kaffee. Schokolade enthält
noch weniger Coffein, aber ein hungriger Wanderer kann schon einen ganz guten Ruck
erhalten, wenn er genügend Bitterschokolade isst.
0.3 · Allgemeine Schritte in einer chemischen Analyse 13

Tabelle 0.1 Analyse von dunkler und weißer Schokolade

Analyt Gramm des Analyten pro 100 g Schokolade

Dunkle Schokolade Weiße Schokolade

Theobromin 0.392 ± 0.002 0.010 ± 0.007

Coffein 0.050 ± 0.003 0.0009 ± 0.0014

Durchschnittliche ± Standardabweichung von drei wiederholten Injektionen jedes Extrakts

Tabelle 0.2 Coffeingehalt von Getränken und Lebensmitteln

Coffein Portionsgröße

(Milligramm pro Portion) Unzen (1 Unze = 28.35 g)

Normaler Kaffee 106–164 5

Koffeinfreier Kaffee 2–5 5

Tee 21–50 5

Kakaotrunk 2–8 6

Bitterschokolade 35 1

Süßschokolade 20 1

Milchschokolade 6 1

Koffeinhaltige Drinks 36–57 12

Red Bull 80 8.2

Quelle: http://www.holymtn.com/tea/caffeine_content.htm. Red Bull von http://wilstar.com/caffeine.htm.

0.3 Allgemeine Schritte in einer chemischen Analyse

Der analytische Prozess beginnt häufig mit einer Frage, die nicht in der üblichen Aus-
drucksweise eines Chemikers formuliert ist. Die Frage könnte sein: „Kann man dieses
Wasser bedenkenlos trinken?“ oder „Verringert die Abgasuntersuchung von Kraftfahrzeu-
gen die Luftverschmutzung?“ Die Wissenschaftler beantworten diese Fragen, indem sie
besondere Messungen empfehlen. Ein analytischer Chemiker wählt dann die Verfahren
aus oder entwickelt neue, um die erforderlichen Messungen durchzuführen.
Wenn die Analyse fertig ist, muss der Analytiker die Ergebnisse in eine Form bringen,
die von anderen verstanden wird – vorzugsweise von der allgemeinen Öffentlichkeit.
Ein sehr wichtiges Merkmal jedes Resultats sind seine Begrenzungen. Wie groß ist die
statistische Unsicherheit in den angegebenen Ergebnissen? Wenn man die Probe auf ver-
schiedene Weise nimmt, gibt das stets das gleiche Resultat? Ist eine winzige Menge (eine
Spur) des Analyten, die in der Probe gefunden wurde, wirklich ein Bestandteil oder ist sie
als Verunreinigung hinein geraten? Nur wenn wir die Resultate, aber auch ihre Grenzen
verstehen, können wir die richtigen Schlüsse ziehen.
14 Kapitel 0 · Der analytische Prozess

Wir können nun die allgemeinen Schritte im analytischen Prozess zusammenfassen:

Formulierung der Übersetzung der allgemeinen Fragestellung in eine spezifische


Frage Frage zur Beantwortung durch chemische Messungen
Auswahl des Literaturrecherche, um ein geeignetes Verfahren zu finden, oder
analytischen – nötigenfalls – Entwicklung neuer Verfahren für die geforderten
Verfahrens Messungen
Probenahme Mit der Probenahme wird für die Analyse ein repräsentatives Ma-
terial ausgesucht. Exkurs 0.1 zeigt hierzu einige Möglichkeiten.
Wenn man mit einer schlampig genommen Probe anfängt, oder
mit einer Probe, die sich bis zum Beginn der Analyse verändert,
sind die Resultate wertlos. „Wo man Müll hineingibt, kommt auch
Müll wieder raus.“
Die Chemiker verwenden den Probenvorbereitung Bei der Probenvorbereitung wird die repräsentative Probe in eine
Begriff Spezies zur Bezeichnung für die Analyse geeignete Form gebracht, das bedeutet meist, dass
beliebiger Stoffe. Spezies ist sowohl man sie in Lösung bringt. Bei Proben mit einem kleinen Gehalt
Singular wie Plural. Störungen (In- des Analyten muss dieser vor der Bestimmung konzentriert wer-
terferenzen) entstehen, wenn eine den. Es kann notwendig sein, bei der Analyse störende andere
vom Analyten verschiedene Spezies Stoffe zu entfernen oder zu maskieren. Bei den Schoko-Riegeln
das analytische Signal erniedrigt bestand die Probenvorbereitung in der Entfernung von Fett und
oder erhöht und damit so wirkt, als der Auflösung der gesuchten Analyte. Fett wurde entfernt, da es
wäre weniger oder mehr Analyt als bei der Chromatographie stören würde.
tatsächlich vorhanden. Maskie-
Analytische Messung der Konzentration des Analyten in mehreren identischen
rung ist die Umwandlung einer
Bestimmung Aliquoten (Portionen). Der Grund für Wiederholungsmessungen
störenden Spezies in eine Form, die
ist die Beurteilung der Variabilität (Unsicherheit) bei der Analyse
nicht angezeigt wird. So kann z. B.
und der Schutz gegen einen groben Fehler bei der Analyse von nur
Ca2+ in Seewasser mit dem Reagenz
einem Aliquot. Die Messunsicherheit ist genau so wichtig wie die
EDTA bestimmt werden. Al3+ stört
Messung selbst, da sie uns angibt, wie zuverlässig die Messung ist.
bei dieser Analyse, da es ebenfalls
Es kann notwendig sein, unterschiedliche analytische Verfahren
mit EDTA reagiert. Al3+ kann mit ei-
auf ähnliche Proben anzuwenden, um sicher zu sein, dass alle
nem Überschuss an F- unter Bildung
Methoden gleiche Ergebnisse liefern. Es lohnt sich auch, mehrere
von AlF63– maskiert werden, welches
unterschiedliche Ausgangsmaterialien herzustellen und zu analy-
nicht mit EDTA reagiert.
sieren, um festzustellen, ob Schwankungen durch die Probenahme
bedingt sind.
Protokollierung Anfertigung eines klaren, vollständigen Berichts der Ergebnisse
und Interpretation unter Hervorhebung aller Begrenzungen, die zuordenbar sind.
Das Protokoll kann so geschrieben sein, dass es nur von einem
Spezialisten, z. B. einem anderen Analytiker verstanden wird, es
kann aber auch für die allgemeine Öffentlichkeit, vielleicht deine
Mutter, geschrieben werden. Man muss immer beachten, dass der
Bericht dem Leser angepasst ist.
Schlussfolgerungen Wenn der Bericht fertig ist, ist der Analytiker meist nicht mehr an
den Schlussfolgerungen aus seinen Informationen beteiligt, z. B.
der Änderung der Rohstoffversorgung für eine Fabrik oder der
Ausarbeitung neuer Gesetze zur Regulierung der Lebensmittel-
zusatzstoffe. Je klarer der Bericht geschrieben ist, desto weniger
wahrscheinlich sind Fehlinterpretationen durch seine Nutzer

Der größte Teil dieses Buchs befasst sich mit der Bestimmung chemischer Konzentrati-
onen in homogenen Aliquoten einer unbekannten Probe. Die Analyse ist wertlos, wenn
die Probe nicht sorgfältig genommen wurde, wenn keine Maßnahmen zur Sicherung der
Zuverlässigkeit der analytischen Methode getroffen und die Ergebnisse unvollständig und
unklar dargestellt wurden. Die analytische Bestimmung ist nur der mittlere Teil eines Pro-
zesses, der mit einer Frage beginnt und einer Schlussfolgerung endet.
0.3 · Allgemeine Schritte in einer chemischen Analyse 15

Exkurs 0.1

Herstellung einer repräsentativen Probe Gras dieser Flächenstücke gemäht und zu einer repräsentati-
Bei einem zufallsbedingt heterogenem Stoff treten Unter- ven Sammelprobe vereint.
schiede in der Zusammensetzung ganz zufällig und innerhalb Für einen abgegrenzt heterogenen Stoff (in dem offen-
winziger Abstände auf. Wenn man etwas von diesem Material sichtlich große Bereiche unterschiedliche Zusammensetzun-
zur Analyse nimmt, werden sich darin stets Anteile unter- gen haben) muss eine repräsentative Mischprobe hergestellt
schiedlicher Zusammensetzung befinden. Zur Herstellung werden. Zum Beispiel hat das Feld im Bild b drei verschiedene
einer repräsentativen Probe aus diesem heterogenen Material Arten von Gras, getrennt in den Bereichen A, B und C. Man kann
kann man es zunächst visuell in Segmente aufteilen. Eine Zu- nun die Fläche auf Millimeterpapier zeichnen und den Anteil
fallsprobe erhält man aus Portionen der gewünschten Zahl jedes Bereichs ermitteln. Im vorliegenden Fall gehören 66 % der
der Segmente, die zufällig ausgewählt wurden. Wenn man Region A, 14 % der Region B und 20 % der Region C. Um eine
z. B. den Magnesium-Gehalt des Grases auf einer 10 m × 20 m- repräsentative Sammelprobe aus diesem getrennten Material zu
Fläche (Bild a) bestimmen will, kann man sie in 20 000 kleine erhalten, nimmt man 66 Flächenstücke aus dem Bereich A, 14
Quadrate teilen, jedes mit einer Seitenlänge von 10 cm. Jedes aus dem Bereich B und 20 aus dem Bereich C. Dazu zieht man
Stück erhält eine Nummer und dann wählt man mit einem aus den Zahlen von 1 bis 20 000 solange Zufallszahlen, bis die
Zufallsprogramm per Computer 100 davon aus. Dann wird das gewünschte Zahl für jedes Gebiet erreicht ist.

20 Meter 20 Meter

A 66 %
10 cm × 10 cm
10 Meter
10 Meter

zufällig gewählte B 14 %
Flächenstücke

C 20%

zufallsbedingtes heterogenes Material abgegrenzt heterogenes Material


a b

Wichtige Begriffe

Diese Begriffe werden in den Kapiteln in Fettdruck eingeführt und im Glossar


definiert.

> Abgegrenzt heterogener Stoff > Aliquot > Aufschlämmung > Analyt > Dekan-
tieren > heterogen > heterogener Stoff > homogen > Kalibrationskurve > Mas-
kierung > Mischprobe > Probenahme > Probenvorbereitung > Qualitative Analyse
> Quantitative Analyse > Quantitative Überführung > Spezies > Standardlösung

> Störung > Überstehende Flüssigkeit > Zufallsbedingt heterogener Stoff > Zufalls-

probe
1 Chemische Messungen 1

Biochemische Messungen mit einer Nanoelektrode


Mit einer Elektrode, deren Spitze kleiner als eine einzelne Zelle ist, kann man die
Freisetzung von Neurotransmitter-Molekülen aus Nervenzellen durch eine chemi-
sche Stimulierung messen. Man bezeichnet diese Elektrode als Nanoelektrode, weil
ihr wirksamer Durchmesser im Nanometerbereich (10–9 Meter) liegt. Die Neurotrans-
mitter-Moleküle, die aus einem Vesikel (kleines Kompartiment in der Zelle) freige-
setzt werden, diffundieren zur Elektrode, wo sie Elektronen aufnehmen oder abge-
ben und dabei innerhalb von Millisekunden (10–3 Sekunden) einen Strom erzeugen,
der in Pikoampere (10–12 Ampere) gemessen wird. In diesem Kapitel werden die
Maßeinheiten behandelt, mit denen chemische und physikalische Messungen an
Objekten von atomaren Bereichen bis zur Größe von Galaxien beschrieben werden.

200 μm

b Zelle Elektrode
a

1
2
3 4
20 pA
elektrischer Strom

10 ms

50 pA 1
2
5s 3 4

c Zeit

a) Kohlefaser-Elektrode mit einer Spitze mit einem Durchmesser von 100 Nanometer
(100 × 10–9 Meter), die aus einer Glaskapillare ragt. Der Markierungsstrich hat eine Länge
von 200 Mikrometer (200 × 10–6 Meter). [W.-H. Huang, D.-W. Pang, H. Tong, Z.-L. Wang und
J.-K. Cheng, Anal. Chem. 2001, 73, 1048.] b) Elektrode, die sich neben einer Zelle befindet,
um die Freisetzung des Neurotransmitters Dopamin aus der Zelle zu detektieren. Die in
der Nähe befindliche Gegenelektrode ist nicht gezeigt. c) Gemessene Stromstöße bei der
Freisetzung von Dopamin. Oben stehen Vergrößerungen. [W.-Z. Wu, W.-H. Huang, W. Wang,
Z.-L. Wang, J.-K. Cheng, T. Xu, R.-Y. Zhang und J. Liu, J. Amer. Chem. Soc. 2005, 127, 8914.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
18 Kapitel 1 · Chemische Messungen

Die Neurotransmitter-Messungen zeigen die Notwendigkeit für Maßeinheiten, die viele


Größenordnungen (Zehnerpotenzen) umfassen. In diesem Kapitel werden diese Einheiten
eingeführt sowie die chemischen Konzentrationsmaße, die Herstellung von Lösungen, die
Stöchiometrie sowie die Grundlagen der Titrationen behandelt.

1.1 SI-Einheiten

Zur besseren Lesbarkeit wird nach Die SI-Einheiten, die von den Wissenschaftlern der ganzen Welt benutzt werden, ha-
jeder dritten Ziffer in einer Zahl auf ben ihren Namen von dem französischen Système International d’Unités erhalten. Die
beiden Seiten des Dezimalpunkts ein Grundeinheiten, von denen alle anderen Einheiten abgeleitet sind, werden in Tabelle 1.1
Zwischenraum gelassen. Beispiele: definiert. Für die Größen von Länge, Masse und Zeit sind dies Meter (m), Kilogramm (kg)
Lichtgeschwindigkeit: 299 792 458 m/s und Sekunde (s). Die Temperatur wird in Kelvin (K) gemessen, die Stoffmenge in Mol
Avogadrosche Zahl: 6.022 141 79 × 1023 (mol) und der elektrische Strom in Ampere (A).
mol–1 Die Tabelle 1.2 enthält abgeleitete SI-Einheiten, die aus den Grundeinheiten gebildet
wurden. Zum Beispiel wird die Kraft in Newton (N), der Druck in Pascal (Pa) und die
Druck ist definiert als Kraft pro Flä- Energie in Joule (J) gemessen; jede dieser Größen kann durch die Grundeinheiten der
cheneinheit: 1 Pascal (Pa) = 1 N/m2. Länge, Zeit und Masse ausgedrückt werden.
Der Atmosphärendruck beträgt unge-
fähr 100 000 Pa.
Verwendung von Präfixen als Multiplikatoren
Anstelle von Zehnerpotenzen verwendet man häufig die in Tabelle 1.3 zusammengestell-
ten Präfixe, um sehr große oder kleine Mengen auszudrücken. Als ein Beispiel betrachten

Tabelle 1.1 SI-Grundeinheiten

Größe Einheit Symbol Definition


1
Länge Meter m Ein Meter ist die Strecke, die das Licht im Vakuum in einer Zeit von ––––––––––– Sekunde zurück-
299 792 458
legt.

Masse Kilogramm kg Ein Kilogramm ist die Masse des Internationalen Kilogramm-Prototyps aus einer Pt-Ir-
Legierung, der in Sèvres, Frankreich, in einer inerten Atmosphäre aufbewahrt wird. Dieser
Prototyp wurde nur in den Jahren 1890, 1948 und 1992 aus seinem Schutzgehäuse genom-
men, um sekundäre Standards, die es in verschiedenen Ländern gibt, zu eichen. Leider kann
sich die Masse des Prototyp-Kilogramms im Laufe der Zeit durch chemische Reaktionen mit
der Atmosphäre oder mechanischen Verschleiß ändern. Es sind Untersuchungen im Gang,
das Urkilogramm durch einen Standard zu ersetzen, der auf unveränderlichen Natureigen-
schaften beruht, die mit einer Unsicherheit von 1:108 gemessen werden können. Siehe: I.
Robinson, „Weighty Matters“, Scientific American, Dezember 2006, Seite 102.

Zeit Sekunde s Die Sekunde ist die Dauer von 9 192 631 770 Perioden der Strahlung bei einem bestimmten
Übergang im Atom 113Cs.

Elektrische Ampere A Ein Ampere ist die Stärke des zeitlich unveränderlichen elektrischen Stroms durch zwei ge-
Stromstärke radlinige, parallele, unendlich lange Leiter der relativen Permeabilität 1 und von vernachläs-
sigbarem Querschnitt, die den Abstand 1 m haben und zwischen denen die durch den Strom
elektrodynamisch hervorgerufene Kraft im leeren Raum je 1 m Länge der Doppelleitung 2 ×
10-7 N beträgt.

Temperatur Kelvin K Die thermodynamische Temperatur ist so definiert, dass der Tripelpunkt des Wassers (an dem
sich Festkörper, Flüssigkeit und Wasserdampf im Gleichgewicht befinden), 273.16 K und die
Temperatur am absoluten Nullpunkt 0 K beträgt.

Lichtstärke Candela cd Candela ist ein Maß für die vom menschlichen Auge sichtbare Lichtstärke.

Stoffmenge Mol mol Ein Mol einer Substanz ist die Stoffmenge, in der ebensoviele elementare Einheiten wie in
0.012 kg des Nuklids 12C Atome enthalten sind. Die Teilchenzahl (Avogadrosche Zahl) beträgt
angenähert 6.022 × 1023 mol-1.

Ebener Winkel Radiant rad Es gibt 2π Radianten in einem Kreis.

Raumwinkel Steradiant sr Es gibt 4π Steradianten in einer Kugel.


1.1 · SI-Einheiten 19

wir den Partialdruck (Anteil am Gesamtdruck) von Ozon in der oberen Atmosphäre
(Abbildung 1.1). Ozon ist wichtig, weil es die ultraviolette Strahlung der Sonne absorbiert, 1
die für viele Organismen schädlich ist und Hautkrebs verursacht. In jedem Frühjahr ver-
schwindet ein großer Teil des Ozons aus der Stratosphäre über der Antarktis, wobei sich
das Ozon-Loch bildet. In der Einleitung von Kapitel 17 wird die Chemie dieses Vorgangs
beschrieben.
In einer Höhe von 1.7 × 104 Meter über der Erdoberfläche zeigt der Partialdruck des
Ozons eine Spitze von 0.019 Pa. Nun werden diese Zahlen mit den Präfixen aus der Ta-

Tabelle 1.2 Abgeleitete SI-Einheiten mit speziellen Bezeichnungen

Größe Einheit Symbol ausgedrückt ausgedrückt


durch andere durch SI-Grund-
Einheiten einheiten

Frequenz Hertz Hz 1/s

Kraft Newton N m . kg/s2

Druck Pascal Pa N/m2 kg/(m . s2)

Energie, Arbeit, Wärmemenge Joule J N.m m2 . kg/s2

Leistung, Strahlungsfluss Watt W J/s m2 . kg/s3

Elektrizitätsmenge, Elektrische Coulomb C s.A


Ladung

Elektrisches Potential, Potenti- Volt V W/A m2 . kg(s3. .A)


aldifferenz, Elektromotorische
Kraft

Elektrischer Widerstand Ohm Ω V/A m2 . kg/ s3.·.A2)

Elektrische Kapazität Farad F C/V s4 . A2/(m2 . kg)

Die Frequenz ist die Anzahl von Zyklen pro Zeiteinheit für einen sich wiederholenden Vorgang. Kraft ist das
Produkt aus Masse und Beschleunigung. Druck ist Kraft pro Flächeneinheit. Energie oder Arbeit ist Kraft mal
Abstand oder auch das Produkt aus Masse mal Beschleunigung mal Abstand. Leistung ist Energie pro Zeit.
Die elektrische Potentialdifferenz (Spannung) ist die erforderliche Arbeit, um eine positive Einheitsladung
zwischen zwei Punkten zu übertragen. Der elektrische Widerstand ist die Potentialdifferenz, die erforderlich
ist, um pro Zeiteinheit eine Einheitsladung zwischen zwei Punkten zu übertragen. Die elektrische Kapazität
zweier paralleler Oberflächen ist gleich der Ladungsmenge auf jeder Oberfläche bei einer Potentialdifferenz
zwischen den beiden Oberflächen von 1 Volt.

Tabelle 1.3 Präfixe für Größenordnungen

Präfix Symbol Faktor Präfix Symbol Faktor

Yotta Y 1024 Deci d 10–1

Zetta Z 1021 Centi c 10–2

Exa E 1018 Milli m 10–3

Peta P 1015 Mikro μ 10–6

Tera T 1012 Nano n 10–9

Giga G 109 Piko p 10–12

Mega M 106 Femto f 10–15

Kilo K 103 Atto a 10–18

Hekto H 102 Zepto z 10–21

Deka da 101 Yokto y 10–24


20 Kapitel 1 · Chemische Messungen

belle 1.3 ausgedrückt. Üblicherweise werden die Vorsilben für jede dritte Zehnerpotenz
30 Normalwert (10–9,10–6, 10–3, 103,106,109 und so weiter) verwendet. Die Zahl 1.7 × 104 m ist größer als
des strato-
phärischen 103 und kleiner als 106, 106, so dass ein Vielfaches von 103 Meter (Kilometer, km) verwen-
25
Ozons det wird:
20
1.7 × 104 m × 1 km/103 m = 17 km
Höhe (km)

Ozonloch
15
Die Größe 0.019 Pa ist größer als 10–3 Pa und kleiner als 100 Pa, deshalb wird ein Vielfa-
10 ches von 10–3 Pa (= Millipascal, mPa) verwendet:
Aug. 1995

5
12 Okt. 1993 0.019 Pa × 1 mPa/10–3 Pa = 19 mPa
5 Okt. 1995
In Abbildung 1.1 sind die y-Achse (Ordinate) mit km und die x-Achse (Abszisse) mit
0
0 5 10 15 20 mPA bezeichnet.
Ozon-Partialdruck (mPa) Es ist sehr zweckmäßig, bei Berechnungen neben den Zahlen auch die Einheiten in
Zähler und Nenner zu schreiben und dann die identischen Einheiten zu kürzen. Da-
Abb. 1.1 Ein Ozon-„Loch“ bildet sich
durch ist man sicher, dass für das Ergebnis die richtigen Einheiten verwendet werden.
jedes Jahr in der Stratosphäre über dem
Südpol, wenn dort im Oktober das Früh- Wenn der Druck berechnet werden soll und es kommt etwas anderes heraus als Pascal
jahr beginnt. Die Graphik vergleicht den (N/m2 oder kg/[m·s2] oder andere Einheiten für Kraft pro Fläche), dann muss etwas
Ozondruck im August, wenn es noch kein falsch sein.
Loch gibt, mit dem Druck im Oktober,
wenn das Loch am tiefsten ist. Am Nord-
pol wird ein weniger starker Ozonverlust
beobachtet. [Daten der National Oceanic Umwandlung von Maßeinheiten
and Atmospheric Administration.]
Obwohl die SI-Einheiten das für die Wissenschaft international gültige System der Maß-
einheiten darstellen, werden auch andere Einheiten verwendet. Die Umrechnungsfak-
toren sind in Tabelle 1.4 zusammengestellt. Zum Beispiel sind die Kalorie (cal) und die
Kilokalorie häufig verwendete Energieeinheiten, die nicht zum SI gehören. Aus Tabelle 1.4
können Sie entnehmen, dass 1 cal genau 4.184 J (Joule) entspricht.
Eine Kalorie ist die Energie, die benö- Der Grundumsatz, der den Stoffwechsel des Menschen charakterisiert, erfordert unge-
tigt wird, um 1 g Wasser von 14,5 auf fähr 46 kcal pro Stunde und 100 Pfund Körpergewicht, um die wesentlichsten Lebensfunk-
15,5 °C zu erwärmen. tionen ohne jede Belastung aufrecht zu halten. Wenn diese Person ca. 3 km pro Stunde auf
Ein Joule ist die Energie, die aufzuwen- einem ebenen Weg spazieren geht, verbraucht sie zusätzlich ungefähr 45 kcal pro Stunde
den ist, wenn eine Kraft von 1 N über und 100 Pfund Körpergewicht. Wenn sie stattdessen 3 km pro Stunde schwimmt, werden
einen Weg von 1 m wirkt. Dieser Ener- zusätzliche 360 kcal/h und 100 Pfund Körpergewicht verbraucht.
gieaufwand entspricht dem Anheben
einer Masse von 102 g um 1 m. > Beispiel
1 cal = 4.184 J Umrechnung von Einheiten
Berechnen Sie den Energieverbrauch der wandernden Person (46 + 45 = 91 kcal pro Stunde
1 Pfund (alte Masseneinheit) in und pro 100 Pfund Körpergewicht) in Joule.
Deutschland 500 g, in Großbritannien
Lösung Zunächst werden alle Angaben in SI-Einheiten umgewandelt. Aus Tabelle 1.4 ent-
und USA ≈ 0.453 6 kg
nimmt man, dass 1 kcal = 4.184 kJ, so dass gilt
1 Meile ≈ 1.609 km
Das Zeichen ≈ bedeutet „ist ungefähr 91 kcal × 4.184 kJ/kcal = 3.8 × 102 kJ.
gleich“.
Tabelle 1.4 liefert auch für die Masse (hier Körpergewicht) die Beziehung 1 lb = 0.453 6 kg,
so dass gilt 100 lb = 45.36 kg. Bezieht man den Energiebetrag auf die Zeit und das Körper-
gewicht, ergibt sich für den Energieverbrauch pro Stunde und kg Körpergewicht

Signifikante Ziffern werden in Kapitel 3 91kcal / h 381kJ / h kJ / h


behandelt. Für Multiplikation und Divi- = = 8.4
100 lb 45.36 kg kg
sion bestimmt die Zahl mit den wenigs-
ten Ziffern, wie viele Ziffern die Lösung oder ausführlicher geschrieben:
haben sollte. Die Größe 91 kcal am 91 kcal /h kJ 1 lb kJ/ h
Anfang der nebenstehenden Aufgabe × 4.184 × = 8.4
100 lb kcal 0.4536 kg kg
begrenzt die Lösung auf zwei Ziffern.
Selbstüberprüfung Ein Schwimmer, der 2 Meilen pro Stunde schwimmt, benötigt 360 +
46 Kilokalorien pro Stunde pro 100 lb Körpermasse. Geben Sie den Energieverbrauch in kJ/h
pro kg Körpermasse an. (Lösung: 37 kJ/h pro kg)
1.2 · Chemische Konzentrationen 21

Tabelle 1.4 Umrechnungsfaktoren


1
Größe Einheit Symbol SI-Äquivalent

Volumen Liter L *10–3 m3

Milliliter mL *10–6 m3

Länge Angström Å Å *10–10 m

inch in. *0.025 4 m

Masse Pfund (amerik.) lb *0.453 592 37 kg

Tonne *1 000 kg

Kraft Dyn dyn *10–5 N Hoppla! Im Jahr 1999 ging der


Druck Bar bar *105 Pa 125 Millionen Dollar teure NASA-
Satellit Mars Climate Orbiter ver-
Atmosphäre Atm *101 325 Pa
loren, weil er 100 km zu tief die
Atmosphäre Atm *1.013 25 bar Atmosphäre des Mars eintauchte.
Torr (= 1 mm Hg) Torr 133.322 Pa Hätte man die Maßeinheiten bei den
Messungen aufgeschrieben, wäre
2
Pound/inch psi 6 894.76 Pa
der Navigationsfehler vermieden
Energie Erg Erg *10–7 J worden. Die Ingenieure, die das
Elektronenvolt eV 1.602 176 487 × 10–19 J
Raumschiff bauten, berechneten
den Schub in einer englischen
Kalorie cal *4.184 J Maßeinheit, der sogenannten
Kilokalorie Cal *1 000 cal = 4.184 kJ Pfund-Kraft. Die Ingenieure des
Strahlantriebs-Laboratoriums
British thermal unit Btu 1 055.06 J
dachten, dass sie die Daten in me-
Leistung Pferdestärke PS 745.700 W trischen Einheiten, also in Newton,
Temperatur Grad Celsius °C *K – 273.15 erhielten. Niemand bemerkte den
Fehler.
Grad Fahrenheit °F *1.8(K – 273.15) + 32

Ein Stern (*) gibt an, dass die Umrechnung exakt definiert ist.

1.2 Chemische Konzentrationen

Eine Lösung ist ein homogenes Gemisch von zwei oder mehr Stoffen. Die Spezies, die in Ein homogener Stoff hat eine einheitli-
einer Lösung im Unterschuss vorliegt, ist der gelöste Stoff und die im Überschuss vor- che Zusammensetzung. Zucker, gelöst
handene Spezies ist das Lösungsmittel. Wir beschäftigen uns in diesem Buch hauptsäch- in Wasser, ist ein homogenes System.
lich mit wässrigen Lösungen, bei denen das Lösungsmittel Wasser ist. Die Konzentration Eine Mischung, die nicht überall die
gibt an, wie viel gelöster Stoff in einem bestimmten Volumen oder Masse der Lösung oder gleiche Zusammensetzung hat (zum
des Lösungsmittels enthalten ist. Beispiel Orangensaft, der Schwebstoffe
enthält), ist heterogen.

Stoffmengenkonzentration
Unter der Stoffmengenkonzentration einer Lösung versteht man den Quotienten aus
der Stoffmenge, n, des gelösten Stoffs und dem Volumen, V, des Lösungsmittels. Die
Einheit der Stoffmenge ist das Mol. Ein Mol (mol) besteht aus der durch die Avogad-
rosche Zahl angegebene Anzahl von Teilchen (Atomen, Molekülen, Ionen oder sonst
etwas). Eine veraltete, aber noch immer geläufige Bezeichnung der Stoffmengenkon-
zentration ist die „Molarität (M)“. Wegen der international weiten Verbreitung dieses
Begriffs wird er auch in diesem Buch gelegentlich verwendet. Die Stoffmenge der gelös-
ten Substanz wird meist auf einen Liter der Lösung bezogen, also durch Mol pro Liter
(M) ausgedrückt. Ein Liter (L) ist das Volumen eines Würfels mit einer Kantenlänge
von 10 cm. Da 10 cm = 0.1 m, ist 1 L = (0.1 m)3 = 10–3 m3. Die Konzentrationen werden
22 Kapitel 1 · Chemische Messungen

Avogadro-Zahl = Anzahl der Atome in in der Chemie meist durch eckige Klammern um das chemische Symbol gekennzeich-
12 g von 12C. net. So wird in diesem Buch z. B. für „Konzentration von H+“ neben cH+ vor allem [H+]
Stoffmengenkonzentration („Molarität verwendet.
(M)“) = Mol des gelösten Stoffs/Liter Für die Atommasse1 eines Elements gilt die Festlegung, dass 1 Mol von Atomen des
der Lösung Nuklids 12C eine Masse von genau 12 g hat. Daraus folgt für die Masse eines C-Atoms
Atommassen findet man im Perioden-
12 g
system auf der Innenseite des Buch- Masse eines C-Atoms = = 1.99 ×10–23 g.
6.022 × 1023
einbands. Physikalische Konstanten,
wie z. B. die Avogadrosche Zahl, stehen Absolute Atommassen werden in der Chemie selten gebraucht. Viel wichtiger ist die
ebenfalls im Einband. relative Atommasse, früher als Atomgewicht bezeichnet. Die relative Atommasse eines
Starke Elektrolyte: liegen in Lösung Atoms gibt an, wie viel Mal größer seine Masse als 1/12 der Masse des Nuklids 12C (mC)
größtenteils in Ionen dissoziiert vor ist. Diese Vergleichsmasse ist die atomare Masseneinheit u (auch als Dalton bezeichnet)
Schwache Elektrolyte: liegen in und es gilt
Lösung teilweise in Ionen dissoziiert
1
vor mC ≡ u = 1.66 × 10–24g.
12
MgCl+ wird Ionenpaar genannt. Siehe
Exkurs 7.1. Die relative Atommasse ist eine dimensionslose Zahl.
Die relative Molekülmasse (MM) (das frühere Molekulargewicht) einer Verbindung
ist die Summe der relativen Atommassen aller Atome im Molekül. Sie ist ebenfalls dimen-
sionslos. Dagegen entspricht die Molmasse der Masse von 6.022 × 1023 Molekülen mit der
SI-Einheit g/mol.
Ein Elektrolyt ist ein Stoff, der in einer Lösung in Ionen dissoziiert. Im Allgemeinen
sind Elektrolyte in Wasser stärker als in anderen Lösungsmitteln dissoziiert. Verbindun-
gen, die größtenteils dissoziiert sind, werden als starke Elektrolyte bezeichnet. Solche, die
nur teilweise dissoziiert sind, nennt man schwache Elektrolyte.
Magnesiumchlorid ist ein starker Elektrolyt. In einer 0.44 M MgCl2-Lösung sind
70 % freie Mg2+-Ionen und 30 % ist MgCl+. Die Konzentration von MgCl2-Molekülen ist
nahezu Null. Mitunter wird die Stoffmengenkonzentration eines starken Elektrolyten als
Formalkonzentration (F) bezeichnet, um auszudrücken, dass dieser Stoff in Lösung tat-
sächlich in andere Spezies umgewandelt wurde. Wenn wir sagen, dass die „Konzentration“
von MgCl2 im Meerwasser 0.054 M beträgt, ist in Wirklichkeit die formale Konzentration
(0.054 F) gemeint. Die relative Molekülmasse eines starken Elektrolyten wird deshalb auch
als relative Formelmasse (FM) bezeichnet, die sich aus der Summe der Atommassen
der Atome in der Formel ergibt, auch wenn nur sehr wenige Moleküle mit dieser Formel
existieren. Wir werden die Abkürzung FM sowohl für die relative Formelmasse wie auch die
relative Molekülmasse verwenden.

> Beispiel
Stoffmengenkonzentration (Molarität) der Salze im Meer
a) Typisches Meerwasser enthält 2.7 g Salz (Natriumchlorid, NaCl) in 100 mL (100 × 10–3 L).
Wie ist die Molarität von NaCl im Ozean? b) Die Konzentration von MgCl2 im Ozean beträgt
0.054 M. Wie viel Gramm MgCl2 befinden sich in 25 mL Meerwasser?

Lösung a) Die Molekülmasse von NaCl beträgt 22.99 g/mol (Na) + 35.45 g/mol (Cl) = 58.44
g/mol. Die Stoffmenge des Salzes in 2.7 g beträgt (2.7 g)/(58.44 g/mol) = 0.046 mol. Das
ergibt für die Molarität von NaCl:

mol NaCl /L Meerwasser = 0.046 mol/(100 × 10–3 L) = 0.46 M.

b) Die Molekülmasse von MgCl2 beträgt 24.30 g/mol (Mg) + 2 × 35.45 g/mol (Cl) = 95.20 g/
mol. Die Masse in 25 mL beträgt:

Gramm MgCl2 = (0.054 mol/L) (95.20 g/mol) (25 × 10–3 L) = 0,13 g.

Selbstüberprüfung Berechnen Sie die Formelmasse von CaSO4. Wie groß ist die Molarität
von CaSO4 in einer Lösung, die 1.2 g CaSO4 in einem Volumen von 50 mL enthält? Wie viel
Gramm CaSO4 befinden sich in 50 mL einer 0.086 M CaSO4-Lösung? (Lösung: 136.14 g/mol,
0.18 M, 0.59 g)
1.2 · Chemische Konzentrationen 23

Bei einem schwachen Elektrolyt, wie z. B. Essigsäure, CH3COOH, ist in Lösung nur ein Teil
der Moleküle in Ionen dissoziiert: 1
O O Formale Prozentuale
Konzentration Dissoziation
C C
CH3 OH CH3 O H 0.10 F 1.3 %
Essig- Acetat- 0.010 F 4.1 %
säure Ion
0.001 0 F 12 %

Eine Angabe der Stoffmengenkonzentration, bei der die Stoffmenge (in Mol) auf ein Ki- Stoffmengenkonzentrationen
logramm des Lösungsmittels (nicht der gesamten Lösung!) bezogen wird, wurde früher Mol gelöster Stoff
M = „Molarität“ =
als Molalität bezeichnet. Die Verwendung dieses Begriffs wird offiziell ebenfalls nicht L Lösung
empfohlen. Doch wird diese Empfehlung wenig befolgt. Damit Sie sich in der chemischen Mol gelöster Stoff
m = „Molalität“ =
Literatur zurechtfinden, wird die Molalität in diesem Buch gelegentlich erwähnt. Die kg Lösungsmittel
Molalität ist temperaturunabhängig. Die Molarität ändert sich mit der Temperatur, da das
Volumen einer Lösung beim Erhitzen gewöhnlich zunimmt.

Prozentuale Zusammensetzung
Auch die weiteren Angaben zu den Anteilen einer Komponente in einem Gemisch
werden in der Praxis in einer Form verwendet, die nicht DIN-gerecht ist. Offiziell sollte
man von Massenanteilen oder Volumenanteilen sprechen, z. B. Masse der Komponente
A/Gesamtmasse der Lösung. Meist gibt man aber den mit 100 multiplizierten Wert
und damit den Prozentgehalt an. Dieser Prozentgehalt eines Stoffs in einer Mischung
oder Lösung wird gewöhnlich als Gewichtsprozent (Gew%) ausgedrückt (exakter wäre
Masse%):

Masse des gelösten Stoffs


Gewichtsprozent = × 100 (1.1)
Masse der gesamten Lösung oder des Gemischs

Eine gebräuchliche Handelsform von Ethanol (CH3CH2OH) ist eine Lösung mit 95
Gew%. Das bedeutet, dass 95 g Ethanol in 100 g Lösung enthalten sind. Der Rest ist
Wasser. Eine andere übliche Angabe der prozentualen Zusammensetzung ist Volumen-
prozent (Vol%):

Volumen des gelösten Stoffs


Volumenprozent = × 100 (1.2)
Volumen der gesamten Lösung

Um bei prozentualen Größenangaben Verwechslungen zu vermeiden, sollte man stets


angeben, ob es sich um Masse- oder Volumenprozent handelt.

> Beispiel
Umwandlung von Gewichts% in Molarität und Molalität Masse g
Dichte = =
Bestimmen Sie Molarität und Molalität von HCl mit der Angabe 37.0 Gew%. Die Dichte einer Volumen mL
Substanz ist der Quotient aus Masse und Volumen. In der Tabelle im Einband am Ende des
Buchs finden Sie für die Dichte dieses Reagenz den Wert 1.19 g/mL. Eine eng verwandte dimensionslose
Größe ist
Lösung Zur Ermittlung der Molarität benötigen wir die Stoffmenge in mol HCl pro Liter
spezifisches Gewicht (Wichte ) =
Lösung. Die Masse eines Liters Lösung beträgt (1.19 g/mL) (1 000 mL) = 1.19 × 103 g. Die
Masse der HCl in 1 L ist demnach Dichte der Substanz
Dichte von Wasser bei 4°C
Masse von HCl pro Liter = (1.19 × 103 g Lösung/L) (0.370 g HCl/g Lösung) = 4.40 × 102 g HCl/L.
Da die Dichte von Wasser bei 4 °C sehr
Die Molekülmasse von HCl ist 36.46 g/mol, daraus folgt für die Molarität
nahe bei 1 g pro mL liegt, ist das spe-
mol HCl 4.40 x 100 mol
Molarität = = = 12.1 = 12.1 M zifische Gewicht nahezu identisch mit
L Lösung 36.46 g HCl/ mol L
der Dichte.
24 Kapitel 1 · Chemische Messungen

Wenn man 1.01 durch 0.063 0 teilt, Zur Ermittlung der Molalität müssen wir die Stoffmenge in mol HCl pro kg Lösungsmittel
erhält man 16.0. Wenn man jedoch (das ist hier Wasser) kennen. Da die Lösung 37.0 Gew% HCl enthält, wissen wir, dass 100 g
alle Ziffern in den Rechner gibt und der Lösung 37.0 g HCl (= 1.015 mol) und 100.0–37.0 = 63.0 g H2O enthalten. Aber 37.0 g HCl
beachtet, dass 1.01 in Wirklichkeit sind 37.0/(36.46 g/mol) = 1.01 mol. Die Molalität ist demnach
1.014 8 ist und erst am Ende rundet,
Molalität = mol HCl/kg Lösungsmittel = 1,01 mol HCl/0.063 0 kg H2O = 16.1 m.
erhält man 16.1.
Selbstüberprüfung Berechnen Sie die Molarität und die Molalität von 49.0 Gew%
HF unter Verwendung der am Buchende angegebenen Dichte. (Lösung: 31.8 M,
48.0 m)

Abbildung 1.2 zeigt die Anwendung der analytisch-chemischen Bestimmung von Ge-
wichtsprozenten in der Archäologie. Gold und Silber werden in der Natur gemeinsam
gefunden. Die Punkte in der Abbildung zeigen die Gewichtsprozente von Gold in
mehr als 1 300 Silbermünzen, die in einem Zeitraum von 500 Jahren geprägt wurden.
Vor 500 n. Chr. gab es nur wenige Münzen mit einem Goldgehalt unter 0.3 Gew%. Bis
600 n.Chr. wurden Methoden gefunden, Gold besser vom Silber abzutrennen, so dass
manche Münzen gerade noch 0.02 Gew% Gold enthielten. Die kleinen farbigen Quad-
rate in Abbildung 1.2 stammen von bekannten, neuzeitlichen Fälschungen aus Silber,
dessen Goldgehalt immer kleiner ist als der vorherrschende Goldgehalt in den Jahren
200 bis 500 n. Chr. Durch eine chemische Analyse kann man die Fälschungen leicht
erkennen.

2.0

1.0
Gewichtsprozent Goldverunreinigung in Silber

0.6

0.4

0.2

0.1

0.06
Abb. 1.2 Gewichtsprozent der Goldver-
unreinigung in Silbermünzen aus Persien. 0.04
Die farbigen Quadrate gehören zu be-
kannten, modernen Fälschungen. Beach-
ten Sie den logarithmischen Maßstab der 0.02
Ordinate. [A. A.Gordus und J. P.Gordus,
Archaeological Chemistry, Adv. Chem.
0.01
No. 138, American Chemical Society, 200 300 400 500 600
Washington, DC, 1974, S.124–147.] Jahreszahl n. Chr.

Parts per Million und Parts per Billion


Masse der Substanz Häufig wird die Zusammensetzung in parts per million (1 Teil pro eine Million Teile),
ppm = × 106
Masse der Probe ppm, bzw. parts per billion (1 Teil pro eine Billion Teile) ppb, angegeben. Das bedeutet,
Masse der Substanz dass 1 Gramm einer Substanz in einer Million (106) bzw. Milliarde (109) Gramm der Lö-
ppb = × 109
Masse der Probe sung oder Mischung enthalten ist. Beachten Sie, dass man hierbei auch in Deutschland
die amerikanische Bezeichnung Billion für den Wert 109 verwendet. Da die Dichte einer
Frage Was bedeutet ein Teil von verdünnten wässrigen Lösung nahe bei 1.00 g/mL ist, setzt man meist 1 g Wasser mit 1 mL
Tausend? Lösung gleich, obwohl dies nur eine Annäherung ist. Damit entspricht 1 ppm einer Kon-
zentration von 1 μg/mL und 1 ppb ist 1 ng/mL. Bei Gasen werden die ppm gewöhnlich auf
das Volumen und nicht auf die Masse bezogen. Atmosphärisches CO2 hat eine Konzentra-
tion von etwa 380 ppm, was bedeutet, dass im Liter Luft 380 μL CO2 enthalten sind. Auch
hier ist es empfehlenswert, die Bezugseinheiten anzugeben.
1.3 · Herstellung von Lösungen 25

> Beispiel
Umwandlung von ppb in Molarität 1
Normale Alkane sind Kohlenwasserstoffe mit der allgemeinen Formel CnH2n+2. Pflanzen
können selektiv Alkane mit einer ungeraden Anzahl von Kohlenstoffatomen synthetisieren.
Die Konzentration von C29H60 im Sommerregenwasser, das in Hannover gesammelt wurde,
betrug 34 ppb. Wie groß ist die Molarität dieses Alkans unter Verwendung eines Präfix aus
Tabelle 1.3?

Lösung Eine Konzentration von 34 ppb bedeutet, dass 34 ng C29H60 pro Gramm Regenwas-
ser enthalten sind, also 34 ng/mL. Durch Multiplikation der ng bzw. mL mit 1 000 erhalten
wir 34 μg C29H60 pro Liter Regenwasser. Die Molekülmasse von C29H60 beträgt 408.8 g/mol
und die Molarität ist
34 × 10−6 g /L
Molarität von C29H60 in Regenwasser = = 8.3 × 10−8 M
408.8 g/ mol
Ein geeignetes Präfix aus Tabelle 1.3 ist Nano (n), ein Vielfaches von 10–9:

8.3 × 10-8 M ⎛ 1nM ⎞= 83 nM nM = Nanomol pro Liter


⎜ −9 ⎟
⎝ 10 M ⎠
Selbstüberprüfung Wie viele ppm C29H60 sind in 23 μM C29H60 enthalten? (Lösung:
9.4 ppm)

1.3 Herstellung von Lösungen

Zur Herstellung einer wässrigen Lösung mit einer gewünschten Molarität wägen wir
die exakte Masse des zu lösenden Stoffs ein und lösen ihn in einem Messkolben (Abbil-
dung 1.3).

> Beispiel 500-mL-Marke


Herstellung einer Lösung mit einer gewünschten Stoffmengenkonzentration
Kupfer(II)sulfat Pentahydrat, CuSO4 . 5 H2O, hat im festen Kristall 5 mol Wasser pro mol
CuSO4. Die Formelgewicht von CuSO4 . 5 H2O (= CuSO9H10) beträgt 249.68 g/mol. (Kupfer(II)
sulfat ohne Kristallwasser hat die Formel CuSO4 und wird als wasserfrei bezeichnet.) Wie
viel g CuSO4 . 5 H2O müssen in einem 500 mL-Messkolben gelöst werden, um eine Lösung
zu erhalten, die 8.00 mM an Cu2+ ist?

Lösung Eine 8,00 mM Lösung enthält 8,00 × 10-3 mol/L. Man benötigt
⎛ −3 mol ⎞ −3
⎜ 8.00 × 10 ⎟ × 0.5000 L = 4.00 × 10 mol CuSO4⋅ 5H 2O
⎝ L ⎠
Die Masse beträgt (4.00 × 10–3 mol) × (249.69 g/mol) = 0.999 g.

Verwendung eines Messkolbens: Es müssen 0.999 g des festen CuSO4 . 5 H2O abge- Abb. 1.3 Ein Messkolben enthält ein be-
stimmtes Volumen, wenn sich die Mitte
wogen, in einen 500 mL-Messkolben überführt und mit ca. 400 mL destilliertem Wasser
der Wölbung der Flüssigkeitsoberfläche
aufgelöst werden. Hierzu wird der Kolben leicht geschüttelt. Dann wird vorsichtig mit (Meniskus) an der Markierung im dünnen
destilliertem Wasser bis zur 500-mL-Markierung des Kolbens aufgefüllt. Dann wird der Hals des Kolbens befindet. Die Verwen-
geschlossene Kolben mehrmals umgedreht, um eine vollständige Durchmischung zu dung dieses Kolbens wird im Abschnitt
sichern. 2.5 behandelt.

Selbstüberprüfung Ermitteln Sie die Formelmasse von wasserfreiem CuSO4. Wie viel
Gramm davon müssen in 250 mL gelöst werden, um eine 16.0 mM Lösung herzustellen?
(Lösung: 159.61 g/mol, 0.638 g)

Verdünnung
Verdünnte Lösungen werden aus konzentrierten Lösungen hergestellt. Ein entsprechen-
des Volumen der konzentrierten Lösung wird in einen frischen Kolben überführt und
bis zum gewünschten Endvolumen verdünnt. Die Stoffmenge des gelösten Stoffs der Mo-
26 Kapitel 1 · Chemische Messungen

In Gleichung 1.3 kann jede Konzentra- larität M in V Liter Lösung ist gleich dem Produkt M . V = (mol/L) . L. Daraus folgt die
tionseinheit (z. B. mmol/L oder g/mL) Verdünnungsformel
und jede Volumeneinheit (z. B. mL oder
μL) verwendet werden, solange auf Mkonz ∙ Vkonz = Mverd ∙ Vverd (1.3)
beiden Seiten die gleichen Einheiten
 
verwendet werden. Meist wird für das
Volumen mL verwendet. Der konzentrierten Lösung Der verdünnten Lösung
entnommene Stoffmenge zugesetzte Stoffmenge

> Beispiel
Herstellung von 0.100 M HCl
Die Konzentration käuflicher „konzentrierter“ HCl ist etwa 12.1 M. Wie viel Milliliter dieser
Säure werden benötigt, um 1.000 L einer 0.100 M HCl herzustellen?

Lösung Mit der Verdünnungsformel erhält man unmittelbar

Das Symbol ⇒ wird gelesen als Mkonz ∙ Vkonz = Mverd ∙ Vverd 1.3
„bedeutet dass“. (12.1 M) ∙ (x mL) = (0.100 M) ∙ (1 000 mL) ⇒ x = 8.26 mL

Zur Herstellung von 0.100 M HCl müssen 8.26 mL der konzentrierten HCl auf 1.000 L ver-
dünnt werden. Die Konzentration wird nicht genau 0.1000 M sein, da das Reagenz nicht
genau 12.1 M war. Eine Tabelle am Ende des Buchs gibt die erforderlichen Volumina zur
Herstellung 1.0 molarer Lösungen einiger Reagenzien an.

Selbstüberprüfung Berechnen Sie mit Hilfe der Angaben am Ende des Buchs, wie viele
mL von 74 Gew% Salpetersäure auf 0.250 L verdünnt werden müssen, um 3.00 M HNO3 zu
erhalten. (Lösung: 47.5 ml)

> Beispiel
Eine etwas kompliziertere Berechnung der Verdünnung
Eine wässrige Lösung von Ammoniak wird wegen des folgenden Gleichgewichts häufig
„Ammoniumhydroxid“ genannt:
In einer chemischen Reaktion werden
NH3 + H2O U NH+4 + OH– (1.4)
die Spezies auf der linken Seite der Ammoniak Ammonium Hydroxid
Reaktionsgleichung Reaktanten
genannt und die auf der rechten Seite Die Dichte einer konzentrierten NH3-Lösung, die 28.0 Gew% NH3 enthält, beträgt 0.899 g/
werden als die Produkte bezeichnet. mL. Welches Volumen dieser Lösung muss verdünnt werden, um 500.0 mL von 0.250 M NH3
In Reaktion 1.4 ist NH3 ein Reaktant herzustellen?
und NH+4 ein Produkt.
Lösung Um Gleichung 1.3 verwenden zu können, muss die Konzentration der konzentrier-
ten Lösung bekannt sein. Da die Lösung eine Masse von 0.899 g pro mL hat und da 0.280 g
NH3 pro Gramm Lösung (28.0 Gew%) vorhanden sind, können wir schreiben
g Lösung g NH3
899 × 0.280
L g Lösung
Molarität von NH3 = = 14.8 M
g NH 3
17.03
mol NH3
Nun können wir das Volumen des 14.8 M NH3 bestimmen, um 500.0 mL des 0.250 M NH3
herzustellen:

Mkonz ∙ Vkonz = Mverd ∙ Vverd


14.8 M × Vkonz = 0.250 M × 0.500 L ⇒ Vkonz = 8.46 mL

Zur genauen Herstellung der Lösung gibt man 8.46 mL der konzentrierten NH3-Lösung in
einen 500 mL-Kolben und gibt etwa 400 mL Wasser zu. Nach Schütteln wird mit Wasser auf
genau 500 mL Lösungsvolumen aufgefüllt. Abschließend wird die Lösung erneut mehrfach
geschüttelt.

Selbstüberprüfung Aus der Dichte der 70.4 Gew% HNO3 in der Tabelle im hinteren
Bucheinband soll deren Stoffmengenkonzentration in mol/L berechnet werden. (Lösung:
15.8 mol/L)
1.4 · Stöchiometrische Berechnungen für die gravimetrische Analyse 27

1.4 Stöchiometrische Berechnungen für die Unter Stöchiometrie versteht man


gravimetrische Analyse die Berechnung der Substanzmengen, 1
die an einer chemischen Reaktion
Die chemische Analysenmethode, die auf der Wägung eines Endprodukts beruht, nennt beteiligt sind. Es leitet sich vom grie-
man gravimetrische Analyse. Eisen in einer Tablette eines Nahrungsergänzungsmittels chischen stoicheion (Grundstoff ) und
kann bestimmt werden, indem man die Tablette auflöst und dann das Eisen in festes metrisi (messen) ab.
Fe2O3 umwandelt. Aus der Masse des Fe2O3 können wir die Masse des Eisens in der ur-
sprünglichen Tablette bestimmen.
O2C H

Das sind die Verfahrensschritte: C C


Schritt 1 Die Tabletten enthalten Eisen(II)fumarat (Fe2+C4H2O42–) und ein inertes Binde-
H CO2
mittel. Sie werden mit 150 ml 0.100 HCl gemischt, um Fe2+ in Lösung zu brin- Fumarat-Anion C4H2O24
gen. Die Lösung wird filtriert, um das unlösliche Bindemittel zu entfernen. (Anion der Fumarsäure)
Schritt 2 In der klaren Lösung wird Eisen(II) mit einem Überschuss von Wasserstoffper-
oxid zu Eisen(III) oxidiert
Die Einheit der Formelmasse (FM)
Fe2+ + H2O2 + 2 H+ → 2 Fe3+ + 2 H2O (1.5)
ist g/mol.
Eisen(II) Wasserstoff- Eisen(III)
(Ferro-Ion) peroxid FM 34.01 (Ferri-Ion)

Schritt 3 Nun wird Ammoniumhydroxid zugesetzt, um Eisen(III)oxid (ein wasserhal-


tiges Gel) auszufällen. Es wird abfiltriert und in einem Glühofen erhitzt, um Fe2O3(s) bedeutet, dass Fe2O3 ein
reines festes Fe2O3 zu erhalten Festkörper ist (solid, engl. fest). Andere
900 °C Abkürzungen für Phasen sind (l) (liquid,
Fe3+ + 3OH– + (x–1) H2O → FeOOH ⋅ xH2O (s) ⎯→ Fe2O3(s) (1.6)
engl. flüssig), (g) für gasförmig und
Hydroxid wasserhalt Eisen(III)oxid Eisen(III)oxid
(aq) für aqueous (bedeutet hier „gelöst
Nun werden wir einige praktische Laborrechnungen für diese Analyse behandeln. in Wasser“).

> Beispiel
Wie viele Tabletten sollten wir analysieren?
Für die gravimetrische Analyse benötigen wir für eine akkurate Wägung eine ausreichende Das Symbol ~ bedeutet „ungefähr,
Menge an Produkt. Jede Tablette enthält ~ 15 mg Eisen. Wie viele Tabletten müssen wir ana- etwa“
lysieren, um 0.25 g des Produkts Fe2O3 zu erhalten?

Lösung Wir können die Frage beantworten, wenn wir wissen, wie viel Gramm Eisen in
0.25 g Fe2O3 enthalten sind. Die Formelmasse von Fe2O3 beträgt 159.69 g/mol, demnach
entsprechen 0.25 g

mol Fe2O3 = 0.25 g/ 159.69 (g/mol) = 1.6 × 10-3 mol. mol = g/g pro mol = g/Formelmasse

Jedes mol Fe2O3 hat 2 mol Fe, somit sind in 0.25 g Fe2O3

(1.6 × 10–3 mol Fe2O3 × 2 mol Fe/1mol Fe2O3 = 3.2 × 10–3 mol Fe

Die Masse des Eisens beträgt

3.2 × 10-3 mol Fe × 55.845g Fe/mol Fe = 0.18 g Fe. Die Atommasse von Eisen, 55.845 g/
mol, finden Sie im Periodischen System
Da jede Tablette 15 mg Fe enthält, ergibt sich für die Zahl der notwendigen Tabletten
auf der vorderen Einbandseite.
0.18 g Fe/ 0.015 g Fe je Tablette = 12 Tabletten.

Selbstüberprüfung Wie viele Tabletten werden benötigt, um ~ 0.50 g Fe2O3 zu bilden,


wenn jede Tablette ~ 20 mg Eisen enthält? (Lösung: 18)

> Beispiel
Wie viel H2O2 ist erforderlich?
Welche Masse der 3.0 Gew% H2O2-Lösung ist erforderlich, um einen 50%igen Überschuss
Stoffmenge in mol = g/Formelmasse =
für die Reaktion 1.5 mit 12 Diät-Tabletten zu sichern.
g/(g/mol).
Lösung 12 Tabletten enthalten 12 Tabletten × 0.015 g Fe2+ pro Tablette = 0.18 g Fe2+ oder Diese Umrechnungen müssen Sie
(0.18 g Fe2+)/(55.845 g Fe2+/mol Fe2+) = 3.2 × 10–3 mol Fe2+. Reaktion 1.5 erfordert 1 mol H2O2 selbst im Schlaf anwenden können.
28 Kapitel 1 · Chemische Messungen

für je 2 mol Fe2+. Deshalb erfordern 3.2 × 10–3 mol Fe2+ für die Oxidation (3.2 × 10–3 mol Fe2+)
(1 mol H2O2/2 mol Fe2+) = 1.6 × 10–3 mol H2O2. Ein Überschuss von 50 % bedeutet, dass das
1.5 fache der stöchiometrischen Menge verwendet werden soll:
(1.50)(1.6 ×10–3 mol H2O2) = 2.4 ×10–3 mol H2O2. Die Formelmasse von H2O2 ist 34.01 g/mol, des-
halb beträgt die erforderliche Masse an reinem H2O2 (2.4 ×10–3 mol)(34.01 g/mol) = 0.082 g. Da
jedoch H2O2 als eine 3.0 Gew.% Lösung zur Verfügung steht, beträgt die benötigte Masse
dieser Lösung 0.082 g H2O2/0.030 g H2O2 pro g Lösung = 2.7 g Lösung.

Selbstüberprüfung Welche Masse einer H2O2-Lösung (3.0 Gew%) ist erforderlich, um


einen Reagenzüberschuss von 25 % für die Reaktion 1.5 mit 12 Nährstoff-Tabletten zu ge-
währleisten? (Lösung: 2.3 g)

Man sollte während einer längeren


Rechnung alle Ziffern im Rechner be- > Beispiel
halten. Das Produkt 1.73 × 2 ist nicht Die gravimetrische Berechnung
3.47, jedoch mit den zusätzlichen Zif- Am Ende des Experiments betrug die Masse des abgetrennten Fe2O3 0.277 g. Wie groß ist
fern im Rechner ergibt sich dieser Wert. die durchschnittliche Masse des Eisens pro Tablette?

Lösung Die Stoffmenge des isolierten Fe2O3 ist (0.277 g)/(159.69 g/mol) = 1.73 × 10–3 mol.
Da in einer Formeleinheit Fe2O3 zwei Mol Fe enthalten sind, ergibt sich für die Stoffmenge
des Eisens im Produkt
Niveau (1.73 × 10–3 mol Fe2O3)(2 Mol Fe/1 mol Fe2O3) = 3.47 × 10–3 mol Fe
des
Titranten
Die Masse des Eisens beträgt (3.47 × 10–3 mol Fe)(55.845 g/mol Fe) = 0.194 g Fe. Folglich
enthält jede der 12 Tabletten im Durchschnitt (0.194 g Fe)/12 = 0.016 1 g = 16.1 mg.

Büretten- Selbstüberprüfung Wie groß ist die durchschnittliche Eisenmasse jeder Tablette, wenn
halterung 0.300 g Fe2O3 abgetrennt wurden? (Lösung: 17.5 mg)
Bürette

1.5 Einführung in die Titration

Verfahren, bei denen wir das für die Reaktion mit dem Analyten (die zu bestimmende
Substanz) erforderliche Volumen eines Reagenzes ermitteln, werden als volumetrische
Analyse (Volumetrie) bezeichnet. Die Titration ist eine Form der volumetrischen Ana-
Absperr-
hahn
lyse, bei der die Reagenzlösung, der Titrant, in Portionen zum Analyten gegeben wird,
bis ihre Reaktion vollständig ist. Aus der Menge des hierzu erforderlichen Titranten wird
die Menge des vorhandenen Analyten berechnet. Der Titrant wird gewöhnlich aus einer
Bürette, einem mit Markierungen zur Volumenangabe versehenem Glasrohr (Abbildung
Kolben
1.4) zugegeben. Jede Portion des Titranten wird vom Analyten schnell und vollständig bis
zu seiner völligen Umsetzung verbraucht.
Magnet- Der Äquivalenzpunkt ist erreicht, wenn die Menge des zugesetzten Titranten genau
rühr- der für die stöchiometrische Umsetzung mit dem Analyten erforderlichen Menge ent-
stäbchen
Analyt- (Rührfisch) spricht. Zum Beispiel reagieren 5 mol Oxalsäure mit 2 mol Permanganat in saurer Lösung
lösung
bei erhöhter Temperatur:

O O
2
5HO C C OH 2MnO4 6H 10CO2 2Mn 8H2O
Analyt Titrant
(1.7)
Oxalsäure Permanganat
Rühr- farblos violett farblos farblos
motor

Abb. 1.4 Typischer Aufbau für eine Titra- Wenn die unbekannte Probe 5.000 mmol Oxalsäure enthält, ist der Äquivalenzpunkt bei
tion. Der Analyt befindet sich im Kolben, der Zugabe von 2.000 mmol Permanganat erreicht.
der Titrant ist in der Bürette. Der Rüher ist Am Äquivalenzpunkt ist das ideale (theoretische) Ergebnis erreicht, das wir bei einer
ein mit Teflon beschichteter Magnet, der
Titration suchen. In Wirklichkeit messen wir den Endpunkt, der durch eine plötzliche
gegen fast alle Lösungsmittel inert ist. Er
wird durch einen rotierenden Magneten Änderung einer physikalischen Eigenschaft der Lösung erkennbar ist. Bei der Reaktion
im Inneren des Rührmotors bewegt. Büret- 1.7 kann der Endpunkt in einfacher Weise durch das plötzliche Auftauchen der Violettfär-
ten werden im Abschnitt 2.4 beschrieben. bung des Permanganats im Glaskolben erkannt werden. Bis zum Äquivalenzpunkt wird
1.5 · Einführung in die Titration 29

das gesamte zugesetzte Permanganat durch die Oxalsäure verbraucht und die Titrations-
lösung bleibt farblos. Nach dem Erreichen des Äquivalenzpunkts erkennt man das zuge- 1
gebene und nun nicht mehr in der Reaktion umgesetzte MnO−4 -Ion an seiner Farbe. Die
erste Spur einer Violettfärbung kennzeichnet den Endpunkt. Je besser Ihre Augen sind,
desto dichter wird Ihr gemessener Endpunkt mit dem wahren Äquivalenzpunkt überein-
stimmen. Hier wird der Endpunkt nicht genau dem Äquivalenzpunkt entsprechen, da ein
kleiner MnO−4 -Überschuss notwendig ist, um die Violettfarbe zu zeigen.
Zu den Bestimmungsmethoden, bei denen der Analyt verbraucht wird, gehören (1)
die Ermittlung einer plötzlichen Änderung der Spannung oder des Stroms zwischen ei-
nem Paar von Elektroden, (2) die Beobachtung der Lichtabsorption durch die Reaktanten
oder Produkte oder (3) eine Farbänderung eines Indikators. Ein Indikator ist ein Stoff mit
einer physikalischen Eigenschaft (gewöhnlich ist es seine Färbung), die sich in der Nähe
des Äquivalenzpunktes abrupt ändert. Diese Änderung wird durch das Verschwinden des
Analyten oder durch die Erreichung eines Überschusses an Titrant verursacht.
Die Differenz zwischen dem Endpunkt und dem Äquivalenzpunkt ist ein unvermeid-
licher Titrationsfehler. Man kann den Titrationsfehler dadurch bestimmen, dass man
eine Titration bei Abwesenheit des Analyten durchführt (Blindtitration). So kann z. B. eine
Lösung, die keine Oxalsäure enthält, mit MnO−4 titriert werden, um zu sehen, wie viel für
eine erkennbare Violettfärbung notwendig ist. Dieses Volumen der MnO−4 -Lösung wird
dann von dem Volumen bei der Titration abgezogen.
Die Gültigkeit eines analytischen Resultats hängt davon ab, ob man die Menge eines der
verwendeten Reaktanten kennt. Die Konzentration des Titranten ist bekannt, wenn dieser
durch Auflösen einer abgewogenen Menge des reinen Reagenzes in einem bekannten Volu-
men der Lösung hergestellt wurde. In diesem Fall bezeichnen wir das Reagenz als primären

Exkurs 1.1

Chemische Reagenzien und primäre Standards


Einige Chemikalien haben eine so hohe Reinheit, dass sie sich
Chemikalien werden in vielen Reinheitsgraden verkauft. In der für die Herstellung primärer Standards eignen. Während analysen-
analytischen Chemie verwenden wir analysenreine Che- reines Kaliumdichromat eine Reinheit von ≥99.0 % hat, liegt die für
mikalien, deren Reinheit durch Garantieschein belegt ist. (In K2Cr2O7 mit „Primärstandardqualität“ zwischen 99.95 und 100.05
den USA hat die Chemische Gesellschaft Reinheitsstandards %. Primäre Standards müssen auf unbestimmte Zeit stabil sein.
festgesetzt)2. Das Analysenergebnis für bestimmte Verunreini- Für die Spurenanalyse (ppm und weniger) müssen die
gungen des Gesamtmaterials (Lot-Analyse) sollte auf jeder Rea- Verunreinigungen in den Reagenzien extrem gering sein. Hoch-
genzienflasche stehen. Das ist hier für Zinksulfat gezeigt: reine und teure Säuren, z. B. „HNO3 (HCl) zur Spurenanalyse“
werden verwendet, um die Probe aufzulösen. Man muss den
ZnSO4 US Standard- Lot-Analyse: Reagenzien und Gefäßen große Aufmerksamkeit widmen, denn
Reagenz deren Verunreinigungen können einen höheren Messwert erge-
Reinheitstest: 100.6 % Fe: 0.000 5 % Ca: 0.001 % ben als die gesuchte Spezies in der Probe.
Um die Reinheit der chemischen Reagenzien zu sichern,
Unlösliche Stoffe: 0.002% Pb: 0.002 8 % Mg: 0.000 3 %
sollte man folgendes beachten:
pH der 5% Lösung bei Mn: 0.6 ppm K: 0.002 % ▬ Niemals einen Spatel in die Reagenzflasche stecken. Man
25 °C: 5.6
gießt oder schüttet die Chemikalie in ein sauberes Gefäß
Ammonium: 0.000 8% Nitrat: 0,000 4 % Na: 0.003 % (oder auf das Wägepapier) und dosiert sie davon.
Chlorid: 1.5 ppm ▬ Nicht verbrauchte Chemikalien werden niemals in die Rea-
genzflasche zurückgeschüttet.
▬ Die Flasche muss sofort wieder verschlossen werden, damit
Der Wert für den Reinheitstest von 100.6 % bedeutet, dass die Staub ferngehalten wird.
Analyse für eine der Hauptkomponenten 100.6 % des theore- ▬ Der Stopfen einer Flasche mit einem flüssigen Reagenz darf
tischen Werts ergab. Wenn ZnSO4 mit Zn(OH)2 verunreinigt ist, nie auf den Labortisch gelegt werden. Entweder hält man
wird wegen dessen kleinerer Molmasse eine Zinkanalyse einen ihn in der Hand oder legt ihn in ein sauberes Becherglas
zu hohen Wert für ZnSO4 ergeben. Weniger reine Chemikalien, oder auf ein Uhrglas, während man das Reagenz dosiert.
die für die analytische Chemie nicht geeignet sind, haben Be- ▬ Chemikalien werden an einem kühlen, dunklen Platz, weg
zeichnungen wie „chemisch rein“, „gereinigt“ oder „technisch“. vom Sonnenlicht, aufbewahrt.
30 Kapitel 1 · Chemische Messungen

Standard, da es rein genug ist, um nach der Einwaage direkt verwendet zu werden. Ein pri-
märer Standard muss eine Reinheit von mindestens 99.9 % haben. Er darf sich bei normaler
Aufbewahrung nicht zersetzen, muss bei der Trocknung durch Erhitzen oder im Vakuum
stabil bleiben, denn eine Trocknung ist erforderlich, um Spuren von aus der Atmosphäre
adsorbiertem Wasser zu entfernen. Primäre Standards für viele Elemente sind im Anhang K
zusammengestellt. Die Reinheit der Reagenzien wird in Exkurs 1.1 behandelt.
Viele Reagenzien, die als Titrant verwendet werden, wie z. B. HCl, sind nicht als pri-
märer Standard verfügbar. In diesem Fall wird eine Lösung, die ungefähr die gewünschte
Konzentration hat, hergestellt und dazu verwendet, einen Analyten zu titrieren, der ein
primärer Standard ist. Bei diesem Verfahren, das man Einstellung der Lösung nennt, be-
stimmen wir die genaue Konzentration der Lösung, die wir für die Titrationen verwenden
wollen. Wir nennen diese Lösung dann eine Standardlösung. In jedem Fall hängt die
Gültigkeit des analytischen Ergebnisses letztlich davon ab, ob wir die Zusammensetzung
des primären Standards kennen. Natriumoxalat (Na2C2O4) ist ein käuflich erhältlicher
primärer Standard zur Erzeugung von Oxalsäure, mit dem eine Permanganat-Lösung
nach Reaktion 1.7 eingestellt werden kann.
Bei der direkten Titration wird der Titrant zum Analyten gegeben, bis die Umsetzung
vollständig ist. Gelegentlich ist es notwendig, eine Rücktitration durchzuführen, bei der
ein bekannter Überschuss eines Standardreagenzes zum Analyten gegeben wird. (Bei
einem Standardreagenz ist die Konzentration bekannt.) Dann wird ein zweites Standard-
reagenz verwendet, um den Überschuss des ersten Reagenzes zu titrieren. Rücktitrationen
werden angewendet, wenn der Endpunkt der Rücktitration besser zu erkennen ist als der
Endpunkt der direkten Titration oder wenn ein Überschuss des ersten Reagenzes für eine
vollständige Umsetzung mit dem Analyten notwendig ist. Um den Unterschied zwischen
einer direkten und einer Rücktitration zu verstehen, betrachten wir zunächst die Zugabe
des Permanganat-Titranten zum Analyten Oxalsäure in Reaktion 1.7; diese Reaktion
ist eine direkte Titration. Alternativ kann für eine Rücktitration ein Überschuss (aber in
bekannter Menge) des Permangants zugesetzt werden, um die Oxalsäure zu verbrauchen.
Dann wird der Überschuss Permanganat mit einer Standardlösung von Fe2+ zurücktit-
riert, um die durch Oxalsäure verbrauchte Menge des Permanganats zu bestimmen.
Bei einer Wägetitration, auch gravimetrische Titration genannt, wird nicht das Vo-
lumen, sondern die Masse des Titranten gemessen. Der Titrant kann aus einer Pipette
zugegeben werden. Die Konzentration des Titranten wird in mol des Reagenzes pro kg
der Lösung angegeben. Die Präzision wird von 0.3 %, die mit einer Bürette erreichbar ist,
auf 0.1 % bei Verwendung einer Waage verbessert. Die Experimente von Guenther und
von Butler und Swift sind hierfür Beispiele (siehe Webseite dieses Buchs www.whfree-
man.com/qca). „Wägetitrationen sollten zum Goldstandard werden und volumetrische
Glasgeräte gehören ins Museum.“3 Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich diese Ansicht
demnächst in der Praxis durchsetzen wird. Deshalb sind Sie gut beraten, wenn Sie sich
weiterhin auf die sorgfältige Durchführung volumetrischer Titrationen konzentrieren.

1.6 Berechnungen zu Titrationen

In diesem Abschnitt wird ein Beispiel für stöchiometrische Berechnungen in der volume-
trischen Analyse gegeben. Der wesentlichste Schritt ist die Herstellung von Beziehungen
zwischen den molaren Mengen des Titranten und den molaren Mengen des Analyten.

> Beispiel
Einstellung einer Titrantlösung und Bestimmung einer unbekannten
Analytmenge
Der Calciumgehalt des Urins kann nach folgender Methode bestimmt werden:
Schritt 1 Ca2+ wird als Calciumoxalat in alkalischer Lösung ausgefällt:

4 → Ca(C2O4)∙H2O(s)
Ca2+ + C2O2–

Schritt 2 Waschen des Niederschlags mit eiskaltem Wasser zur Entfernung von freier Oxal-
säure und Lösen des Festkörpers in Säure, wobei Ca2+ und H2C2O4 entstehen.
1.6 · Berechnungen zu Titrationen 31

Schritt 3 Die Lösung wird auf 60 °C erhitzt und Oxalat mit eingestellter Kaliumper-
manganat-Lösung titriert, bis am Endpunkt eine Violettfärbung auftritt 1
(Reaktion 1.7).

Einstellung der Lösung (Standardisierung) Zur Herstellung der Standardlösung wer-


den 0.365 2 g Na2C2O4 in einem 250.0 mL-Messkolben gelöst. Wenn bei einer Titration von
10.00 mL dieser Lösung 48.36 mL einer KMnO4-Lösung benötigt werden, wie groß ist dann
die Molarität der Permanganatlösung?

Lösung Die Konzentration der Oxalatlösung beträgt Behalten Sie alle Ziffern während ei-
ner Rechnung im Rechner. In Kapitel
0.356 2 g Na2C 2O 4 /(134.00 g Na2C 2O 4 /mol)
= 0.010 633 M 3 wird das Runden auf die richtige
0.250 0 mL
Ziffernzahl am Ende der Rechnung be-
Die Menge des C2O2– –4
4 in 10.00 mL beträgt (0,010 63 mol/L) (0,010 00 L) =1.0633 × 10 mol = handelt. In diesem Beispiel werden alle
0.106 3 mmol. Reaktion 1.7 erfordert 2 mol Permanganat für die Umsetzung mit 5 mol Oxa- Ziffern, die nicht gerechtfertigt sind,
lat, so dass die folgende Menge MnO4– benötigt wird: tiefgestellt.
mol MnO −4 = 2
5 (mol C2 O2-4 ) = 0.042 53 1 mmol

Die Konzentration des MnO4– im Titranten beträgt demnach


0,042 531mmol Reaktion 1.7 benötigt 2 mol MnO4– für
Molarität von MnO4– = = 8,7947 × 10-4 M
48.36 mL 5 mol C2O42–.

Analyse einer unbekannten Probe Nehmen Sie an, dass aus einer Probe von 5.00 mL
Beachten Sie: mmol/mL = mol/L
Urin das Calcium nach der genannten Vorschrift ausgefällt und wieder gelöst wurde und
dass bei der Titration 16.17 mL der eingestellten MnO4–-Lösung verbraucht wurden. Wie groß
ist die Calciumkonzentration im Urin?

Lösung In 16.17 mL der MnO4–-Lösung sind (0.016 17 L) (8.7947 × 10–4 mol/L) = 1.4221 × 10–5 Reaktion 1.7 benötigt 5 mol C2O42– für
mol Permanganat enthalten. Diese Menge reagiert mit folgender Menge an C2O2–
4 : 2 mol MnO4–.

mol C2 O24− = 5
2 (mol MnO-4 ) = 3.5553 × 10−5mol = 0.035 553 mmol

Da sich im Ca(C2O4)∙H2O für jedes Oxalation auch ein Calciumion befindet, müssen in der
Probe von 5.00 mL Urin auch 0.035 553 mmol Ca2+ enthalten sein:
0.035 55 3 mmol
[Ca2+ ] = = 0.007 11 1 M
5.00 mL

Selbstüberprüfung Bei der Standardisierung waren für die Umsetzung von 10.00 mL Na2-
C2O4-Lösung 39.17 mL einer KMnO4-Lösung erforderlich. Bestimmen Sie die Konzentration
von KMnO4. Eine unbekannte Urinprobe erforderte 14.44 mL MnO4–. Bestimmen Sie [Ca2+]
im Urin? (Lösung: 1.086 × 10–3 M, 7.840 × 10–3 M)

Wichtige Begriffe

Diese Begriffe werden in den Kapiteln in Fettdruck eingeführt und im Glossar


definiert.

Abszisse > Analysenreines Reagenz > Äquivalenzpunkt > Atomgewicht > Atom-
masse > Blindtitration > Dichte > Direkte Titration > Einstellung > Elektrolyt
> Endpunkt > Formalkonzentration > Formelmasse > Gelöster Stoff > Gewichts-

prozent > Gravimetrische Analyse > Indikator > Konzentration > Liter > Lösungs-
mittel > Mol > Molalität > Molare Masse > Molarität > Molekulargewicht > Mo-
lekülmasse > Ordinate > ppb (parts per billion) > ppm (parts per million) > Primä-
rer Standard > Produkt > Reaktant > Relative Atommasse > Relative Formelmasse
> Relative Molekülmasse > Rücktitration > SI-Einheiten > Spurenanalyse > Standar-

disierung > Standardlösung > Stöchiometrie > Stoffmengenkonzentration > Titrant


> Titration > Titrationsfehler > Volumenprozent > Volumetrische Analyse > Wägeti-

tration > wasserfrei


32 Kapitel 1 · Chemische Messungen

Zusammenfassung
Die SI-Grundeinheiten sind Meter (m), Kilogramm (kg), Sekunde (s), Ampere (A), Kel-
vin (K) und Mol (mol). Abgeleitete Größen wie Kraft (Newton, N), Druck (Pascal, Pa)
und Energie (Joule, J) können durch die Grundeinheiten ausgedrückt werden. In Berech-
nungen müssen alle Angaben mit Zahl und Maßeinheit angegeben werden. Präfixe, wie
Kilo- und Milli-, bezeichnen Vielfache der Einheiten. Übliche Ausdrücke für die Stoff-
mengenkonzentration sind Molarität (Mol gelöster Stoff pro Liter Lösung), Molalität (Mol
gelöster Stoff pro kg Lösungsmittel), Formalkonzentration (Formeleinheit pro Liter),
prozentuale Zusammensetzung und ppm (parts per million). Um die für die Herstellung
von Lösungen benötigten Reagenzmengen zu berechnen, ist die Gleichung Mkonz ⋅ Vkonz
= Mverd ⋅ Vverd sehr nützlich, indem die Stoffmenge (in Mol), die einer Vorratslösung ent-
nommen wird, mit der Stoffmenge in der neuen Lösung gleichgesetzt wird. Sie müssen
in der Lage sein, die stöchiometrischen Beziehungen zur Berechnung der Stoffmengen,
Massen und Volumina der Reagenzien für chemische Reaktionen anzuwenden.
Sie müssen aus der Masse eines Reaktionsprodukts berechnen können, wie viel
Reaktant verbraucht wurde. In der volumetrischen Analyse (Volumetrie) wird das Vo-
lumen des Titranten für eine stöchiometrische Reaktion mit dem Analyten gemessen.
Der stöchiometrische Punkt der Reaktion ist der Äquivalenzpunkt. Gemessen wird
durch eine abrupte Änderung einer physikalischen Eigenschaft (z. B. Indikatorfärbung
oder Elektrodenpotential) jedoch der Endpunkt. Die Differenz zwischen Endpunkt und
Äquivalenzpunkt ist der Titrationsfehler. Dieser Fehler kann reduziert werden, entweder
durch Subtraktion der Ergebnisse einer Blindtitration, bei der das gleiche Verfahren bei
Abwesenheit des Analyten durchgeführt wurde, oder durch Standardisierung des Titran-
ten mit der gleichen Reaktion und in einem ähnlichen Volumen, das für den Analyten
verwendet wird.
Die Gültigkeit eines analytischen Resultats hängt von der Kenntnis der Ergebnisse bei
Verwendung eines primären Standards ab. Eine Lösung mit einer Konzentration, die etwa
der gewünschten entspricht, wird standardisiert, indem man einen primären Standard ti-
triert. Bei einer direkten Titration wird der Titrant zum Analyten gegeben, bis die Umset-
zung vollständig ist. Bei einer Rücktitration wird ein bekannter Reagenzüberschuss zum
Analyten gegeben und der verbliebene Überschuss wird mit einem zweiten Standard-
reagenz zurücktitriert. Bei den volumetrischen Berechnungen werden die unbekannten
Stoffmengen des Analyten aus den bekannten Stoffmengen des Titranten berechnet.

Übungen

Zur Vertiefung des behandelten Stoffs dienen in jedem Kapitel einige Übun-
gen. Deren vollständige Lösungen befinden sich auf der Internetseite des Verlags
www.springer.com/978-3-642-37787-7. Am Ende des Buchs finden Sie nur die zahlen-
mäßigen Resultate. Auf dieser Internetseite finden Sie außerdem in englischer Sprache
viele Rechenaufgaben (problems) sowie deren Endergebnisse. Vollständige Lösungen
der Aufgaben finden Sie im Solutions Manual for Harris’ Quantitative Analysis, 8th
edition, W.H.Freeman and Company, New York, 2011. ISBN: 1-4292-3123-8.

1-A. Eine Lösung mit einem Endvolumen von 500.0 mL wurde hergestellt, indem 25.00 mL
Methanol (CH3OH, Dichte = 0.791 4 g/mL) in Chloroform gelöst wurden.
a) Berechnen Sie die Stoffmengenkonzentration („Molarität“) von Methanol in der
Lösung.
b) Die Lösung hat eine Dichte von1.454 g/mL. Wie ist die Molalität von Methanol?

1-B. Eine Lösung von 48 Gew% HBr in Wasser hat eine Dichte von 1.50 g/mL.
a) Wie groß ist die Formalkonzentration von HBr?
b) Welche Masse der Lösung enthält 36.0 g HBr?
c) Welches Volumen der Lösung enthält 233 mmol HBr?
d) Wie viel von dieser Lösung wird benötigt, um 0.250 mL einer 0.160 M HBr herzu-
stellen?
Übungen 33

1-C. Eine Lösung enthält 12.6 ppm gelöstes Ca(NO3)2 (welches in Ca2+ + 2 NO–3 dissozi-
iert). Wie ist die NO–3-Konzentration in ppm? 1
1-D. Ascorbinsäure (Vitamin C, Seite ■■■) reagiert mit I-3 nach der Gleichung
Ascorbinsäure + I-3 + H2O → Dehydroascorbinsäure + 3 I- + 2 H+
C6H8O6 C6H8O7

Bei dieser Reaktion wird Stärke als Indikator verwendet. Der Endpunkt wird durch die
Bildung des dunkelblauen Stärke-Iod-Komplexes angezeigt, der beim ersten Tropfen von
unverbrauchtem I-3 in der Lösung entsteht.
a) Bestimmen Sie mit den Atommassen aus dem Periodensystem im Bucheinband die
Formelmasse der Ascorbinsäure.
b) Berechnen Sie die Molarität der I-3-Lösung, wenn 29.41 mL benötigt werden, um
0,197 0 g reine Ascorbinsäure umzusetzen.
c) Eine Vitamin C-Tablette, die Ascorbinsäure und ein inertes Bindemittel enthält,
wurde zu einem Pulver zermahlen und 0.424 2 g davon wurden mit 31.63 mL I-3-
Lösung titriert. Wie viel Gew% Ascorbinsäure enthielt die Tablette?

1-E. Eine Lösung von NaOH wurde „eingestellt“ (standardisiert), indem mit ihr eine
bekannte Menge des primären Standards, Kaliumhydrogenphthalat (Seite ■■■), titriert
wurde:
C8H5O4K + NaOH ⎯→ C8H4O4NaK +H2O
Kaliumhydrogenphthalat
(FM 204.221)

Die Natronlauge wurde dann benutzt, um die Konzentration einer unbekannten Schwe-
felsäure zu bestimmen:
H2SO4 + 2 NaOH ⎯→ Na2SO4 + 2 H2O
a) Die Titration von 0.824 g Kaliumhydrogenphthalat erforderte 38.314 g NaOH-Lö-
sung bis zur Erreichung des Endpunkts gegen den Indikator Phenolphthalein. Wie ist
die Konzentration von NaOH (mol NaOH/kgLösung).
b) Ein 10.00 mL-Aliquot der Schwefelsäure benötigte zur Erreichung des Phenolphtha-
lein-Endpunktes 57.911 g dieser NaOH-Lösung. Wie ist die Molarität der Schwefel-
säure?
2 Handwerkszeug
des Analytikers 2

Die Quarzkristall-Mikrowaage in der medizinischen Diagnostik


Folsäure ist ein für viele Stoffwechselvorgänge wichtiges Vitamin. Das von Krebszellen exprimierte Folsäure-Bindungsprotein
tritt im Blut im Vergleich zu gesunden Personen mit erhöhten Werten auf. Die Messung des Folsäure-Bindungsproteins ist eine
Möglichkeit zur Krebsdiagnose, jedoch bedeuten hier „erhöhte Werte“ nur etwa 20 pM (pM = picomolar = 10–12 M), die sehr
schwer zu messen sind.
Ein Quarzkristall, der mit seiner Resonanzfrequenz schwingt, sorgt bei der Armbanduhr für die genaue Zeit. Eine Schwing-
quarz-Mikrowaage besteht aus einer Quarzscheibe, die zwischen zwei dünnen Goldelektroden angeordnet ist.1,2 Beim Anlegen
eines oszillierenden elektrischen Felds schwingt der Quarz. Bei der Bindung von10 ng (Nanogramm = 10–9 g) eines Stoffs auf
einer 1 cm2 großen Fläche einer Goldelektrode erniedrigt sich die 5 MHz Resonanzfrequenz des Quarzes um einen beobacht-
baren Betrag von 1 Hz.3,4 Eine Substanz, deren Dimensionen sich beim Anlegen eines elektrischen Feldes durch Verformung
verändern, nennt man piezoelektrisch.
Zur Messung des Folsäure-Bindungsproteins wird Folsäure an der Goldoberfläche fixiert (Bild d). Bei der Einwirkung von
Serum, welches das Folsäure-Bindungsprotein enthält, bindet dieses an die Folsäure und erhöht damit die Masse auf der Gold-
oberfläche, womit sich die Schwingungsfrequenz des Quarzes verringert. Allerdings ist die Masse des Proteins für das erfor-
derliche Nachweisniveau zu gering. Deshalb fügten pfiffige Chemiker einen Antikörper zu, der hochspezifisch an das Folsäure-
Bindungsprotein bindet (e). Der Antikörper ist kovalent an ein Goldteilchen mit einem Durchmesser von 20 nm gebunden (f ).
Die kombinierten Massen von Antikörper und Goldnanoteilchen erniedrigen die Nachweisgrenze von 30 nM auf 50 pM. Aber
noch immer ist eine weitere Senkung der Nachweisgrenze um den Faktor 10 erforderlich, ehe ein für klinische Anwendungen
brauchbarer Bereich erreicht ist.

Quarz- dünne Au-Beschichtung Eine Quarzscheibe (a) wird für eine Mi-
scheibe krowaage (b) verwendet. c) Änderung
Zugabe des Folsäure-
Änderung der Kristallfrequenz (Hz)

der Quarz-Schwingungsfrequenz,
Bindungsproteins
0
wenn 1 μM des Folsäure-Bindungspro-
teins mit der an der Goldoberfläche
fixierten Folsäure bindet. Nach dem
100 Waschung Waschen bleibt das meiste Protein
irreversibel an das Folat gebunden.
[Photo Dave Garvey/Lab Tech. Graphik
200 aus: W. A. Henne, D. D. Doomeweed,
J. Lee, P. S. Low und C. Savran, „Detec-
0 10 20 30 tion of Folate Binding Protein with
a b elektrischer Kontakt c Zeit (Minuten) Enhanced Sensitivity Using a Func-
tionalized Quartz Crystal Microbalance
Sensor“, Anal. Chem. 2006, 78, 4880.]

Gold-
Messung des Folsäure-Bindungs-
Nano- proteins mit der Quarzkristall-
partikel Mikrowaage. Folat wird an der
Goldoberfläche in (d) fixiert. Das
Folat-Bindungsprotein wird dann am
Folat- Folat gebunden (e). Zur Erhöhung der
Bindungs- Masse wird dann ein Antikörper, der
Folat wird protein an einem Gold-Nanoteilchen hängt,
an der an das Nanoteilchen
Goldober- gebundener Antikörper an das Folsäure-Bindungsprotein in
fläche fixiert (f ) gebunden.

Goldfilm
Quarz
d e f

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
36 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Die Analytische Chemie reicht von einfachen nasschemischen Verfahren bis zu kompli-
zierten instrumentellen Methoden. In diesem Abschnitt werden einige wichtige Labor-
gegenstände und Arbeiten für chemische Messungen beschrieben.5 Außerdem werden
Tabellenkalkulationen eingeführt, die unverzichtbar für jeden geworden sind, der sich mit
quantitativen Angaben beschäftigt.

Abb. 2.1 Im Labor sollten immer Schutz- 2.1 Sicherer und verantwortungsbewusster Umgang
brillen getragen werden. mit Chemikalien und Rückständen

Beim chemischen Experimentieren, gibt es genauso wie beim Autofahren oder bei der Ar-
Warum tragen wir Laborkittel: Im beit im Haushalt zahlreiche Gefahren. Die erste Sicherheitsregel lautet: Machen Sie sich die
Jahr 2003 entnahm die 23jährige möglichen Gefahren klar und unternehmen Sie nichts, was Sie oder Ihr Assistent für gefähr-
Forschungsassistentin an der Uni- lich halten. Wenn Sie glauben, dass eine Arbeit gefährlich ist, sollten Sie zunächst darüber
versity of California, Sheharbano sprechen und nicht beginnen, bevor vernünftige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen sind.
Sangji, mit einer Dosierspritze aus Vor Beginn der Laborarbeit macht man sich mit den Sicherheitsvorkehrungen, die für
einer Flasche etwas t-Butyllithium. das Laboratorium ausgearbeitet worden sind, vertraut. In Laboratorien ist das ständige Tra-
Dabei geriet der Stempel aus der gen von Schutzbrillen mit Seitenschutz Pflicht (Abbildung 2.1). Damit schützen Sie sich vor
Spritze und die an Luft selbst- Flüssigkeiten und Glasstücken, die herumfliegen, wenn sie am wenigsten erwartet werden.
entzündliche Flüssigkeit ging in Kontaktlinsen sind im Labor nicht zu empfehlen, da Dämpfe zwischen Linse und Auge ge-
Flammen auf und verbrannte ihren raten können. Die Haut kann vor Spritzern und Flammen durch einen Laborkittel aus flam-
Pullover und die Handschuhe. menbeständigem Material geschützt werden. Tragen Sie beim Umgießen von konzentrierten
Verbrennungen an 40 % des Kör- Säuren Gummihandschuhe. Im Labor darf niemals gegessen oder getrunken werden.
pers wurden ihr zum Verhängnis. Mit organischen Lösungsmitteln, konzentrierten Säuren und konzentriertem Am-
Ein flammenfester Kittel hätte sie moniak darf nur in einem Abzug gearbeitet werden. Die in den Abzug strömende Luft
schützen können. entfernt den Rauch aus dem Labor und verdünnt ihn, bevor er nach außen gelangt. Es
dürfen niemals größere Mengen giftiger Dämpfe erzeugt und durch den Abzug abgegeben
werden. Beim Umgang mit sehr feinen Pulvern ist eine Atemschutzmaske erforderlich, da
dabei Staubwolken entstehen, die eingeatmet werden könnten.
Aber Handschuhen helfen nicht Wenn Sie etwas verschüttet haben, müssen Sie diese Stelle sofort reinigen, um zu
immer: Im Jahr 1997 starb die verhindern, dass eine andere Person damit in Kontakt kommt. Spritzer auf der Haut wer-
Professorin Karen Wetterhahn vom den gewöhnlich zuerst dadurch behandelt, dass man die betroffene Stelle mit viel Wasser
Dartmouth College im Alter von 48 wäscht. Informieren Sie sich vor Beginn des Praktikums über den Standplatz und die
Jahren an einem Tropfen Dimethyl- Funktion der Löschbrause und der Augendusche. Wenn ein Waschbecken näher ist als
quecksilber, der durch ihre Latex- die Augendusche, sollte zunächst die Wasserleitung gegen Spritzer in die Augen benutzt
Handschuhe absorbiert wurde. werden. Sie müssen wissen, wie der Feuerlöscher im Labor funktioniert und wie man
Viele organische Verbindungen eine Löschdecke verwendet, um brennende Kleidungsstücke zu löschen. Ein Kasten für
durchdringen Latex sehr leicht. die Erste Hilfe muss verfügbar sein und alle Sicherheitsvorrichtungen sowie gefährliche
Wetterhahn war Expertin in der Operationen müssen deutlich gekennzeichnet sein. Außerdem sollten Sie wissen, wie und
Biochemie der Metalle und erste wo Sie schnelle medizinische Hilfe erhalten können.
Chemieprofessorin in Dartmouth. Alle Gefäße müssen Schilder mit Angaben über den Inhalt haben. Eine unbeschriftete
Sie hatte sich sehr für die Förde- Flasche, die im Kühlschrank oder sonstwo im Labor vergessen wurde, ist ein teures Ent-
rung von Frauen in den Naturwis- sorgungsproblem, denn es muss erst ermittelt werden, worum es sich handelt, ehe eine
senschaften engagiert. ordnungsgemäße Entsorgung erfolgen kann.
In Stoffsicherheitsdatenblättern für alle handelsüblichen Chemikalien finden Sie
Listen aller Gefahren, Sicherheitsmaßnahmen und Angaben zur Ersten Hilfe. Jeder an-
gehende Chemiker sollte sich mit der Gefahrstoffverordnung auskennen und auch über
das ab 2015 verbindliche GHS (Global Harmonisiertes System zur Einstufung und Kenn-
zeichnung von Chemikalien) informiert sein. [Umweltbundesamt, Das neue Einstufungs-
und Kennzeichnungssystem für Chemikalien nach GHS-kurz erklärt, Dessau, 2009.]

Das neue global harmonisierte System zur Einstufung


und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS)
GHS ist ein weltweit vereinheitlichtes System zur Einstufung von Chemikalien und deren
Kennzeichnung in Sicherheitsdatenblättern. Hierdurch sollen Gefahren für die mensch-
2.1 · Sicherer und verantwortungsbewusster Umgang mit Chemikalien und Rückständen 37

liche Gesundheit und die Umwelt bei der Herstellung, beim Transport und bei der
Verwendung von Chemikalien insbesondere von Gefahrstoffen minimiert werden. Die
bisher in der EU geltenden Kennzeichnungsmethoden werden ersetzt. In der Vergan-
genheit kam es weltweit sehr häufig – vor allem in Entwicklungsländern – zu schweren
Vergiftungen und Gesundheitsschäden durch gefährliche Chemikalien. Unzureichende, 2
missverständliche oder gänzlich fehlende Kennzeichnungen waren hierfür eine der
Hauptursachen. Das wird am Beispiel des Coffeins recht gut deutlich. Für diese Subs-
tanz wurde im Tierexperiment eine letale Dosis LD50von ca. 200 mg/kg Körpergewicht
ermittelt. (Mit LD50 wird eine Dosis (Menge) eines bestimmten Stoffes bezeichnet, die für
50 % einer beobachteten Population letal, also tödlich, wirkt.) Während bisher in der
EU diese Substanz als „nur“ gesundheitsschädlich eingestuft wurde, kennzeichnete
man Coffein in Neuseeland als gefährlich und in den USA und in Japan als giftig. Im
Gegensatz dazu wurde Coffein aber in vielen Ländern, wie zum Beispiel in China, als
nicht gefährlich eingestuft. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig eine weltweit einheitliche
Regelung zur Gefahrstoffkennzeichnung ist. Aus diesem Grund hat die Konferenz der
Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) bereits im Jahr 1992 den
Anstoß für die Entwicklung des global harmonisierten Systems zur Einstufung und
Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) gegeben. Es dauerte allerdings noch bis 2002,
dass das GHS von einer UN-Kommission verabschiedet wurde und bis 2008, dass die
EU-Kommission beschloss, GHS in weiten Teilen zu übernehmen und einen Entwurf
dem Europäischen Rat zur Verabschiedung zuleitete. Um der Industrie und dem Han-
del eine Übergangszeit für die Umstellung ihrer Produkte und Waren zu ermöglichen,
durften bzw. dürfen die alten Kennzeichnungen noch bis 2010 für reine Chemikalien,
bis 2015 für Gemische genutzt werden. Während sich das alte System der Kennzeich-
nung von Gefahrstoffen auf Gefährdungsmerkmale und Gefahrenhinweise – die so
genannten R- und S-Sätze – stützte, sieht das GHS Gefahrenklassen vor, welche die Art
einer Gefahr beschreiben:
▬ Physikalische Gefahr (z. B. Explosionsgefahr, Entzündungsgefahr)
▬ Gesundheitsgefahr (z. B. Giftigkeit, Gefahr der Verätzung);
▬ Umweltgefahr (z. B. Fischgiftigkeit).

Es gibt insgesamt 16 Gefahrenklassen für die Bereiche Brand und Explosion, 10 für
die menschliche Gesundheit und eine für die aquatische Umwelt. Die Gefahrenklassen
werden in Abhängigkeit vom Gefährdungspotential eines Stoffes in Gefahrenkategorien
unterteilt.
Entflammbare Flüssigkeiten werden beispielsweise in Abhängigkeit ihres Flamm-
punktes in vier Kategorien eingeteilt und ihnen wird ein bestimmtes Gefahrensymbol
zugewiesen. Zusätzlich gibt es Vorsorgehinweise und Vorsichtsmaßnahmen. Die GHS
sieht weltweit neun neue Symbole vor (Farbtafel 34). Diese Symbole ersetzen zukünftig
die bisher verwendeten schwarzen Zeichen auf orange-farbigem Grund.
Damit die Vergabe der Kennzeichen einheitlich erfolgt, legten die Vereinten Nationen
verbindliche Kriterien für die GHS fest. Die künftig geltenden Symbole weisen auf Stoffe
und Produkte hin, die
▬ schon in kleinen Mengen zu tödlichen Vergiftungen führen können;
▬ schwere Gesundheitsschäden verursachen und bei Kindern sogar tödlich wirken
können;
▬ Haut und Augen bei Kontakt dauerhaft schädigen können;
▬ schon in kleinen Mengen reizend oder Allergie auslösend wirken können;
▬ für Tiere und die Umwelt gefährlich sind;
▬ sich schnell entzünden können.

Für die Vergabe dieser neuen Symbole gelten eine Reihe neuer Kriterien. Während bei-
spielsweise bisher Stoffe, welche die Augen nachhaltig schädigen können, als „reizend“
gekennzeichnet waren, werden diese zukünftig als „ätzend“ gekennzeichnet. Stoffe, die
bei Kindern eine Aspirationspneumonie auslösen können, wurden bisher mit einem X
gekennzeichnet. Diese Stoffe oder Stoffgemische müssen zukünftig mit einem neuen
Symbol für schwere Gesundheitsschäden gekennzeichnet werden. Neu ist auch, dass
38 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Gesundheitsgefahren Sicherheitshinweise
H 3 01 P 1 02
laufende Nummer laufende Nummer
Gruppierung 2 = Physikalische Gruppierung 1 = Allgemein
Gefahren 2 = Vorsorge-
3 = Gesundheits- maßnahmen
gefahren 3 = Empfehlungen
4 = Umwelt- 4 = Lagerhinweise
gefahren 5 = Entsorgung
steht für Gefahrenhinweis steht für Sicherheitshinweis
(Hazard Statement) (Precautionary Statement)

H300 Lebensgefahr bei Verschlucken Allgemein


H301 Giftig bei Verschlucken P102 Darf nicht in die Hände von
H302 Gesundheitsschädlich bei Verschlucken Kindern gelangen
H310 Lebensgefahr bei Hautkontakt Vorsorgemaßnahmen
H311 Giftig bei Hautkontakt P202 Vor Handhabung sämtliche
H312 Gesundheitsschädlich bei Hautkontakt Sicherheitsratschläge lesen
H314 Verursacht schwere Verätzungen der und verstehen
Haut und Augenschäden P263 Berührung in der Schwanger-
H315 Verursacht Hautreizungen schaft/Stillzeit vermeiden
H317 Kann allergische Hautreaktionen Empfehlungen
verursachen P320 Gezielte Behandlung dringend
H318 Verursacht schwere Augenschäden erforderlich
H319 Verursacht schwere Augenreizung P335 Lose Partikel von der Haut ab-
H330 Lebensgefahr bei Einatmen bürsten
H331 Giftig bei Einatmen Lagerhinweise
H332 Gesundheitsschädlich bei Einatmen P420 Von anderen Materialien entfernt
lagern
Entsorgung
P501 Inhalt/Behälter ... zuführen

Abb. 2.2 Standardisierte Codes für Gesundheitsgefahren und Sicherheitshinweise.

künftig bei der Kennzeichnung zwischen akut und chronisch giftig wirkenden Chemika-
lien unterschieden wird.
Zu den chronisch oder langzeit-toxisch wirkenden Stoffen gehören unter anderem
Chemikalien, die Krebs auslösen können oder potentiell das ungeborene Leben schä-
digen. Neben der Änderung der Symbole und Gefahrenbezeichnungen werden nach
und nach auch die R- und S-Sätze und die Sätze für Zusatzgefahren verschwinden. Mit
dem GHS werden die sogenannten H-Sätze (Hazard Statements), P-Sätze (Precautionary
Statements) und die EUH-Sätze (besondere Gefährdungen) eingeführt. Alle drei Arten
erhalten dreistellige Nummern und sollen damit eine wesentlich höhere Aussagekraft be-
sitzen. Wie in der Abbildung 2.2 gezeigt wird, sind die Gefahrenhinweise standardisierte
Textbausteine, welche die Art und ggf. den Schweregrad der Gefährdung beschreiben.
Hingegen beschreiben die Sicherheitshinweise in standardisierter Form die empfohlenen
Schutzmaßnahmen zur Begrenzung und Vermeidung schädlicher Wirkungen.
Unabhängig davon, ob Sie im Labor mit der alten oder neuen Kennzeichnung kon-
Leuchtstofflampen (umgangssprach- frontiert sind, müssen Sie sich vor dem Beginn der Labortätigkeit in jedem Falle gründ-
lich auch als Energiesparlampen lich mit den potentiellen Gefahren der Substanzen befassen mit denen Sie in Kontakt
bezeichnet) müssen wegen ihres treten und den Inhalt der entsprechenden Sicherheitsdatenblätter genau kennen.
Quecksilbergehalts als Gefahrstoffe Wenn wir wollen, dass unsere Enkel einen bewohnbaren Planeten erben, müssen wir
behandelt werden. Sie dürfen nicht die Abfallproduktion minimieren und chemische Abfälle verantwortungsbewusst besei-
als gewöhnlicher Abfall weggeworfen tigen. Falls es ökonomisch möglich ist, zieht man ein Recycling der Chemikalien einer
werden. Sie sollen bald von Leucht- Abfallbeseitigung vor.6 Der krebserzeugende Abfallstoff Dichromat (Cr2O72–) liefert ein
dioden (LEDs) ersetzt werden, die Beispiel für eine akzeptierte Entsorgungsstrategie. Cr(VI) im Dichromat wird zunächst
sogar wirkungsvoller als Leuchtstoff- mit Natriumhydrogensulfit (NaHSO3) zum weniger toxischen Cr(III) reduziert und dann
lampen sind und kein Quecksilber mit Hydroxid als unlösliches Cr(OH)3 ausgefällt. Die Lösung wird bis zur Trockene ein-
enthalten. gedampft und der Feststoff wird in eine zugelassene Deponie gebracht, die abgedichtet ist,
2.3 · Die analytische Waage 39

um das Austreten der Chemikalien zu verhindern. Abfalllösungen, die Silber oder Gold
enthalten, können durch chemische Behandlung zur Metallgewinnung wirtschaftlich wie-
deraufbereitet werden.7
Grüne Chemie beruht auf einer Reihe von Grundsätzen mit dem Ziel, unser Verhal-
ten zu verändern und damit beizutragen, dass die Erde bewohnbar bleibt.8 Beispiele für 2
Verstöße gegen solche Prinzipien, sind der Verbrauch der begrenzen Ressourcen und der
sorglose Umgang mit den Abfällen. Mit der grünen Chemie wird versucht, chemische
Produkte und Prozesse zu entwickeln, bei denen der Verbrauch von Rohstoffen und
Energie sowie die Erzeugung von gefährlichem Abfall reduziert werden. Es ist besser,
ein Verfahren zur Abfallvermeidung als zur Abfallbeseitigung auszuarbeiten. Als Beispiel
aus der analytischen Chemie sei die Ammoniak-Bestimmung genannt. Es ist besser, zur
Messung eine ionenselektive Elektrode zu verwenden als das spektralphotometrische
Verfahren mit Nesslers Reagenz, bei dem HgI2-Abfall entsteht. Auch viele Experimente im
Unterricht könnten im Mikromaßstab sowohl die Kosten für die Reagenzien wie auch die
Abfallerzeugung verringern.

2.2 Das Laborbuch

In das Laborbuch tragen Sie ein, was Sie getan und was Sie dabei beobachtet haben. Der Ihr Laborbuch muss
größte Fehler, der selbst von erfahrenen Wissenschaftlern gemacht wird, besteht darin, 1. enthalten, was Sie gemacht haben
dass man Labornotizen anfertigt, die schwer zu verstehen sind. Selbst der Autor eines sol- 2. enthalten, was Sie beobachten
chen Laborbuchs kann seine eigenen Notizen nach einigen Jahren nicht mehr verstehen, 3. auch für einen anderen Leser ver-
weil die Eintragungen unklar und die Beschreibungen unvollständig waren. Gewöhnt man ständlich sein
sich an, ganze Sätze aufzuschreiben, verhindert man unvollständige Beschreibungen.
Für Studienanfänger ist es hilfreich, ein Experiment möglichst vollständig zu be- Eines schönen Tages in der Zukunft wer-
schreiben und dabei den Zweck des Experiments, die Methoden, die Resultate und die den Sie oder einer Ihrer Studienkollegen
Schlussfolgerungen zu schildern. Eine sehr gute Vorbereitung auf das Experiment besteht eine wichtige Entdeckung machen und
darin, dass man bereits zu Hause die entsprechenden Eintragungen in das Laborbuch ein Patent beantragen. Ihr Laborbuch
vorbereitet hat. Für jede Reaktion, die man verwendet, sollte man die exakte Gleichung ist ein gerichtsfester Beweis für Ihre Ent-
aufschreiben. Das hilft, die chemischen Arbeiten zu verstehen bzw. zu erkennen, was man deckung. Aus diesem Grund sollte jede
noch nicht verstanden hat. Seite in Ihrem Laborbuch nummeriert,
Ein Maß für wissenschaftliche „Wahrheit“ erhält man, wenn andere Personen ein Ex- unterschrieben und mit einem Datum
periment reproduzieren können. Ein gutes Laborbuch enthält alles, was gemacht wurde versehen sein. Eintragungen von even-
und ermöglicht Ihnen oder auch einer anderen Person, das Experiment in genau der glei- tueller Bedeutung sollten auch von ei-
chen Weise später zu wiederholen. ner zweiten Person unterschrieben und
Schreiben Sie in Ihr Laborbuch die Namen der Disketten und Files, auf denen Pro- mit einem Datum versehen werden.
gramme und Daten gespeichert sind. Alle Computerausdrucke und Programmlisten müs-
sen die entsprechenden File-Bezeichnungen und Programmnamen tragen. Übertragen
Sie alle wichtigen Computerdaten in Ihr Laborbuch. Die Lebensdauer einer Druckseite ist
10 bis 100 mal länger als die einer Computer-Datei.

2.3 Die analytische Waage

Bei einer elektronische Waage wird die elektromagnetische Kraft verwendet, um die Last
auf der Waagschale auszugleichen. Die Abbildung 2.3 zeigt eine typische elektronische
analytische Waage mit einer Belastbarkeit von 100–200 g und einer Ablesbarkeit von
0.01–0.1 mg. Die Ablesbarkeit ist das kleinste Masseninkrement, das gemessen werden
kann. Mit einer Mikrowaage kann man Massen im Milligramm-Bereich mit einer Emp-
findlichkeit von 0.1 μg wägen.
Der Wägevorgang beginnt damit, dass ein sauberes Wägegläschen auf die Waagschale
gesetzt wird. Dessen Masse wird Tara genannt. Bei den meisten Waagen gibt es einen
Schalter, mit dem die Taramasse gleich Null gesetzt wird. Dann wird der abzuwiegende
Stoff in das Wägeglas gegeben und die Masse erneut abgelesen. Wenn die automatische Abb. 2.3 Elektronische Analysenwaage
Tarakompensation fehlt, muss die Masse des leeren Gefäßes und von der des gefüllten [mit Genehmigung von Fisher Scientific,
Wägeglases abgezogen werden. Chemikalien dürfen niemals direkt auf die Waagschale Pittsburgh, PA, USA]
40 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

gegeben werden. Dadurch wird die Waage vor Korrosion geschützt und Verluste des einge-
wogenen Stoffs werden vermieden.
Eine alternative Methode, die Differenzwägung, ist bei hygroskopischen Reagenzien,
die sehr schnell Luftfeuchtigkeit aufnehmen, notwendig. Zuerst wird das geschlossene
Gefäß mit der Substanz gewägt. Dann entnimmt man schnell einen Teil des Stoffs aus
dem Gefäß und wägt erneut. Die Differenz der Wägungen entspricht der entnommenen
Menge. Mit einer elektronischen Waage setzt man die Anfangsmasse des Wägegefäßes mit
dem Taraknopf auf Null. Dann entnimmt man das Reagenz aus der Flasche und wägt die
Flasche erneut („Zurückwägung“). Die negative Ablesung an der Waage entspricht der
aus dem Gefäß entnommenen Masse des Reagenzes.

Funktionsweise einer mechanischen Waage


Die klassische mechanische Waage (Abbildung 2.4) hat zwei Waagschalen, die an den
entgegengesetzten Enden eines gleicharmigen Hebels hängen. Dieser Hebel (Waagebal-
ken) ruht auf einem Gelenk aus Pfanne und Schneide (Schneidenlager) am mittleren
Drehpunkt. Eine unbekannte Masse wird auf eine Waagschale gelegt und Standard-
Massestücke kommen auf die andere Schale. Wenn der Waagebalken in seine ur-
sprüngliche Position zurückkehrt, ist die Masse der Standards gleich der unbekannten
Masse.
Die mechanische Einschalenwaage (Abbildung 2.5) ist aus der Zweischalenwaage
hervorgegangen und arbeitet nach dem Substitutionsprinzip. Die Masse der Schale auf
der linken Seite wird durch ein Gegengewicht auf der rechten Seite ausgeglichen. Der zu
wägende Gegenstand wird auf die Waagschale gestellt. Mit Hilfe von Drehknöpfen kann
man kalibrierte Wägestücke von einem Balken oberhalb der Waagschale abheben. Der
Waagebalken kehrt zu seiner ursprünglichen Lage zurück, wenn die Masse der entfernten
Wägestücke der Masse des Wägeguts entspricht. Eine kleine Abweichung von der Null-
position wird auf einer Skala angezeigt, deren Ablesung zu den abgehängten Wägestücken
addiert wird.
Eine mechanische Waage sollte nur im arretierten (blockierten) Zustand be- oder ent-
laden werden und bei der Wahl der Wägestücke sollte die Waage teilweise blockiert werden.
Dadurch wird der Verschleiß der Schneiden verringert.

Balancepunkt Waagebalken
(Schneidenlager) optische Skalierung

Drehpunkt
(Schneidenlager)
Gegengewicht

entfernbare
Gewichtsstücke

Abb. 2.4 Gleicharmige Balkenwaage


(19. Jahrhundert). [Reproduktion aus Waagschale
Fresenius´ Anleitung zur quantitativen
chemischen Analyse, 1866.] Abb. 2.5 Mechanische Einschalenwaage (hergestellt bis in die 1980er-Jahre).
2.3 · Die analytische Waage 41

Funktionsweise einer elektronischen Waage


Ein Gegenstand auf einer elektronischen Waage in Abbildung 2.3 drückt auf die Waag-
schale mit der Kraft m × g, wobei m die Masse des Gegenstands und g die Erdbeschleuni-
gung ist. Abbildung 2.6 zeigt, wie die Waage funktioniert. Die Waagschale drückt auf den 2
Lastaufnehmer, der mit zwei parallelen Lenkern verbunden ist. Die Probe drückt die linke
Seite des Kraftübertragungshebels nach unten und die rechte Seite des Hebels bewegt sich
nach oben. Der Positionssensor an der äußersten rechten Seite zeigte die kleinste Abwei-
chung des Hebelarms von seiner Gleichgewichts-(Null-)Position an. Dann schickt der
Servoverstärker einen Strom zur Kraftkompensation durch die Drahtspule im Feld des
Permanentmagneten. Die vergrößerte Darstellung in der Abbildung 2.6 unten links zeigt
Teile der Spule und des Magneten. Der Stromfluss in der Spule wirkt auf das Magnetfeld
und erzeugt eine nach unten gerichtete Kraft. Der Regelverstärker liefert einen Strom, der
genau der aufwärts gerichteten Kraft am Hebelarm entspricht, um die Nullposition zu
erhalten. Der durch die Spule fließende Strom erzeugt über einen Präzisionswiderstand
eine Spannung, die in ein digitales Signal und schließlich in eine Anzeige in Gramm
umgewandelt wird. Die Umrechnung von Stromstärke in Masse wird durch Messung des
Stroms erreicht, der zum Ausgleich einer eingebauten Kalibriermasse erforderlich ist. Die
Abbildung 2.7 zeigt die Anordnung der Komponenten im Inneren der Waage.

Wägefehler
Die Proben müssen vor der Einwaage auf Umgebungstemperatur gebracht werden, um
Fehler durch konvektive Luftströmungen zu verhindern. Warme Proben erscheinen
leichter und kalte Proben schwerer als ihre wirkliche Masse. Die Wärme der Hand und

Regelverstärker

Null-
positions-
Waagschale sensor

Kraftübertragungshebel Spulenträger
Interne
Massen- Lastaufnehmer Drahtspule
kalibration

parallele Permanent- S NN S
Lenker magnet Präzisions-
widerstand

Federgelenk
Analog-
Spulenträger Digital-
Federgelenk mechanische
Wandler
Kraft
elektro-
Drahtspule magnetische Digitalanzeige
Kraft
Mikro-
122.57 g prozessor
S N

Abb. 2.6 Schematisches Diagramm einer elektronischen Waage [nach C. Berg, Grundlagen der Wäge-
technik, Göttingen, Sartorius AG,1996].
42 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Waagschale

Positionssensor
Lenkergestellstellen Lenkergestellstellen
oberer Lenker

Regel-
Spule verstärker
Eingang
Regel-
Kraftübertragungs- verstärker
Lastauf-
hebel Ausgang
nehmer
zur Spule

Koppel-
band
Systemträger

Lenkergestellstellen unterer Lenker

Abb. 2.7 a) Mechanische Anordnung


einer elektronischen Waage. Das Hebel-
verhältnis ist so gewählt, dass die elek-
tromagnetische Kraft nur ca. 10 % der
Belastung der Waagschale beträgt. [Nach
C. Berg, Grundlagen der Wägetechnik,
Göttingen, Sartorius AG, 1996.] b) Innere
Bauteile einer Sartorius-Analysenwaage
mit einer Höchstlast von 300 g und einer
Ablesungsgenauigkeit von 0.1 mg. Das
monolitische (aus einem Stück beste-
hende) Metallwägesystem hat nichtma-
gnetische Kalibrationsmassen, die durch
einen Mikroprozessor-gesteuerten Motor
Innere elektropolierte,
sehr sanft auf den Lastaufnehmer plat- unmagnetische Kalibrier-
ziert werden. Bei Temperaturänderungen massenstücke
wird die Kalibrierung automatisch akti-
viert. [Nach J. Barankewitz, Sartorius AG,
Göttingen.] b

die Abdrücke der Finger können die ermittelte Masse eines Gegenstands beeinflussen,
deshalb sollte bei der Beschickung der Waage eine Pinzette oder ein Tuch benutzt werden.
Eine Probe, die im Trockenschrank getrocknet wurde, hat sich in etwa 30 Minuten auf
Zimmertemperatur abgekühlt. Während dieser Abkühlungszeit bewahrt man die Probe
in einem Exsikkator auf. Die Glastüren der Waagen in Abbildung 2.3 müssen während
der Wägung geschlossen sein, um Luftströmungen zu vermeiden, welche die Ablesung
beeinflussen können. Bei Waagen, die von oben beschickt werden und keine Glasschie-
betüren haben, wird die Waagschale meist durch eine Schutzvorrichtung aus Glas oder
Kunststoff vor Luftströmungen bewahrt. Sehr empfindliche Waagen werden auf einem
schweren Tisch aufgestellt, z. B. mit einer Marmorplatte, um den Einfluss von Schwin-
gungen zu verringern. Durch Nivellierschrauben wird eine waagerechte Aufstellung der
Waage eingestellt und durch die Luftblase in der Libelle kontrolliert. Wenn die Waage
nicht eben aufgestellt ist, wird die Kraft nicht direkt auf den Lastaufnehmer in Abbildung
2.6 übertragen und es tritt ein Fehler auf. Nach der Waagerechtstellung der Waage muss
sie erneut kalibriert werden. Dabei muss das Wägeobjekt in die Mitte der Waagschale
gestellt werden.
Fehler bei der Wägung magnetischer Gegenstände können daran erkannt werden,
dass sich die angezeigte Masse ändert, wenn der Gegenstand auf der Waagschale hin und
2.3 · Die analytische Waage 43

Tabelle 2.1 Toleranzen (in mg) für Laboratoriumswägestücke (Richtlinie des Rats der Europäischen
Gemeinschaft)

Nominalwert Klasseneinteilung

E2 F1 F2 2
500g 0.75 2.5 7.5

200 g 0.30 1.0 3.0

100 g 0.15 0.5 1.5

50 g 0.10 0.30 1.0

20 g 0.080 0.25 0.8

10 g 0.060 0.20 0.6

5g 0.050 0.15 0.5

2g 0.040 0.12 0.4

1g 0.030 0.10 0.3

500 mg 0.025 0.08 0.25

200 mg 0.020 0.06 0.20

100 mg 0.015 0.05 0.15

50 mg 0.012 0.04 0.12

20 mg 0.010 0.03 0.10

10 mg 0.008 0.025 0.08

5 mg 0.006 0.02 0.06

2 mg 0.006 0.02 0.06

1 mg 0.006 0.02 0.06

her bewegt wird.10 Am besten wägt man magnetische Stoffe, indem man sie auf ein um-
gestürztes Becherglas auf der Waagschale stellt und damit die Anziehung durch Edelstahl-
bauteile der Waage verhindert. Elektrostatische Aufladungen des Wägeobjekts führen zu
Störungen bei der Messung und werden dadurch erkannt, dass eine Drift der angezeigten 200
Masse in einer Richtung erfolgt, weil eine allmähliche Entladung erfolgt.
Analytische Waagen haben eine eingebaute Kalibrierung. Ein Motor bringt eine in-
Gemessene Masse (g)

Linearitätsfehler
terne Masse auf den Lastaufnehmer unterhalb der Waagschale (siehe Abbildung 2.7b). = 0.2 mg
Der zum Ausgleich der Waage erforderliche Strom wird gemessen. Von Zeit zu Zeit muss
tatsächlicher
eine externe Kalibrierung mit Standard-Massestücken erfolgen, um sicherzustellen, dass Kurven-
die abgelesenen Werte innerhalb der zulässigen Grenzen liegen. Die Toleranzen (erlaubte verlauf
Abweichungen) für Standardmassestücke stehen in der Tabelle 2.1. Ein anderer Test für
idealer
die Waage besteht in der sechsmaligen Wägung eines Massestücks und der Berechnung Kurvenverlauf
der Standardabweichung (Abschnitt 4.1). Die Schwankungen liegen zum Teil an der
Waage, aber auch an Luftströmungen und Schwingungen. 0
0 200
Der Linearitätsfehler einer Waage ist der maximale Fehler, der als Folge einer nicht-
Wahre Masse (g)
linearen Beziehung des Systems zur zugegebenen Masse auftritt, nachdem die Waage ka-
libriert wurde (Abbildung 2.8). Eine Waage mit einer Höchstlast von 200 g und einer Ab- Abb. 2.8 Linearitätsfehler. Die gestrichelte
lesbarkeit von 0.1 mg habe eine Linearität von ±0.2 mg. Obwohl eine Ablesung auf 0.1 mg Linie zeigt die ideale lineare Beziehung
möglich ist, kann in einigen Teilen des zulässigen Messbereichs der Fehler der ermittelten zwischen wahrer und angezeigter Masse
Masse bis zu ±0.2 mg betragen. bei einer Waage, die bei 0 g und 200 g
Belastung kalibriert wurde. Die realen An-
Nachdem die Waage kalibriert wurde, kann die Anzeige durch Temperaturänderun-
zeigen weichen von der Geraden ab. Der
gen eine Drift zeigen. Wenn eine Waage einen Temperaturkoeffizienten der Empfindlich- Linearitätsfehler ist die maximale Abwei-
keit von 2 ppm/°C hat und eine Temperaturänderung von 4 °C eintritt, ändert sich die chung, die in der Abbildung sehr übertrie-
scheinbare Masse um (4 °C) (2 ppm/°C) = 8 ppm. Bei einer Masse von 100 g sind 8 ppm ben dargestellt ist.
44 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

(100) (8 × 10–6) = 0.8 mg. Man kann die Kalibrierung bei der jeweiligen Temperatur wie-
derholen, indem man den Kalibrierknopf drückt. Für die Temperaturstabilität ist es am
besten, die Waage auch bei Nichtbenutzung im Stand-by-Zustand zu belassen.

Auftrieb
Man kann im Wasser schwimmen, weil das Gewicht fast Null ist. Der Auftrieb ist eine
aufwärts gerichtete Kraft, die auf jeden Gegenstand wirkt, der sich in einem Gas oder
einer Flüssigkeit befindet.11 Ein an der Luft gewägter Gegenstand erscheint leichter als
seine tatsächliche Masse ist und zwar um einen Betrag, welcher der von ihm verdrängten
Luftmasse entspricht. Die wahre Masse kann nur im Vakuum bestimmt werden. Auch die
Standardmasse in einer Waage ist durch den Auftrieb beeinflusst. Der Auftriebsfehler tritt
immer auf, wenn die Dichten von Wägegut und Standardmassen verschieden sind.
Wenn mit der Waage eine Masse m’ bestimmt wurde, gilt für die wahre Masse m des
Gegenstands im Vakuum12

⎛ da ⎞
,⎜1 − d ⎟
Auftriebsgleichung: m= m⎝ ⎠ (2.1)
⎛ da ⎞
⎜1 − d ⎟
⎝ ⎠

mit da = Dichte der Luft (0.001 2 g/mL bei 1 bar und 25 °C)13; dw = Dichte der Wägestücke
(meist 8.0 g/mL); d = Dichte des Wägeobjekts.

> Beispiel
Auftriebskorrektur
Die „Tris“ genannte, reine Substanz wird als primärer Standard zur Messung der Konzentra-
tion von Säuren verwendet. Das Volumen der Säure, das mit einer bekannten Masse von Tris
reagiert, liefert uns die Konzentration der Säure. Bestimmen Sie die wahre Masse von Tris
(Dichte 1.33 g/mL), wenn die scheinbare Masse bei Wägung an der Luft 100.00 g beträgt.

Lösung Mit einer Dichte der Luft von 0.001 2 g/mL erhält mit Gleichung 2.1 die wahre
Masse:

⎛ 0.001 2 g/mL ⎞
100.00 g ⎜ 1 − ⎟
⎝ 8.0 g/mL ⎠
m = = 100.08 g
⎛ 0.001 2 g/mL ⎞
⎜1 − ⎟
⎝ 1.33 g/mL ⎠

Ohne Auftriebskorrektur hätten wir geglaubt, dass die Masse von Tris 0.08 % niedriger als
die tatsächliche Masse sei und wir hätten für die Molarität der Säure, die mit Tris reagiert
hat, einen um 0.08 % zu niedrigen Wert erhalten.
Auftriebskorrektur (m/m')

Wasser

Natriumchlorid
Silbernitrat
Abb. 2.9 Auftriebskorrektur mit den An-
nahmen da = 0.001 2 g/mL und dw = 8.0
g/mL. Die scheinbare, an Luft bestimmte
Masse (1.000 0 g) wird mit der Auftriebs-
korrektur multipliziert, um die tatsächli-
che Masse zu ermitteln. Dichte des Wägeobjekts (g/mL)
2.4 · Büretten 45

Die Abbildung 2.9 zeigt die Auftriebskorrektur (m/m’) für einige Stoffe. Wenn Sie Was-
ser mit einer Dichte von 1.00 g/mL wägen, beträgt die wahre Masse 1.001 1 g bei einer
Anzeige der Waage von 1.000 0 g. Der Fehler beträgt 0.11 %. Für NaCl mit einer Dichte
von 2.16 g/mL beträgt der Fehler 0.04 % und für AgNO3 mit einer Dichte von 4.45 g/mL
beträgt der Fehler nur 0.01 %. 2

2.4 Büretten
Benutzung einer Bürette:
Die Bürette in Abbildung 2.10 ist ein sehr sorgfältig angefertigtes Glasrohr mit einer ▬ Spülen Sie die Bürette mit der
Maßeinteilung zur Messung einer Flüssigkeit, die aus dem Absperrhahn am unteren neuen Lösung
Ende des Rohres ausläuft. Die Null-mL-Markierung befindet sich am oberen Ende. Wenn ▬ Entfernen Sie Luftblasen vor der
das anfängliche Flüssigkeitsniveau bei 0.83 mL und am Ende bei 27.16 mL lag, wurden Benutzung
der Bürette 27.16‒0.83 = 26.33 mL entnommen. Bei Büretten der Klasse AS (genaueste ▬ Lassen Sie die Lösung langsam
Klasse) werden die in Tabelle 2.2 angegebenen Toleranzen garantiert. Wenn die Ablesung ausfließen
in einer 50-mL-Bürette 27.16 mL ergibt, liegt das wahre Volumen irgendwo zwischen ▬ Geben Sie in der Nähe des End-
27.21 und 27.11 mL und damit nach immer in der Toleranzgrenze von ± 0.05 mL. punkts nur Bruchteile eines Trop-
Beim Ablesen des Flüssigkeitsstands in einer Bürette muss das Auge mit dem Flüs- fens zu
sigkeitsniveau auf gleicher Höhe sein. Wenn sich das Auge über dem Flüssigkeitsniveau ▬ Lesen Sie an der untersten Stelle
befindet, scheint dieser höher zu liegen. Wenn sich das Auge darunter befindet, scheint des Meniskus ab
weniger Flüssigkeit vorhanden zu sein. ▬ Schätzen Sie die Ablesung auf ein
Der Fehler, der sich ergibt, wenn sich Auge und Flüssigkeitsniveau nicht auf gleicher Zehntel der Bürettenskalierung
Höhe befinden, ist eine Folge der Parallaxe. ▬ Vermeiden Sie die Parallaxe
Die Oberfläche der meisten Flüssigkeiten bildet einen konkaven Meniskus, wie in ▬ Berücksichtigen Sie die Dicke der
Abbildung 2.10 in der Vergrößerung gezeigt.14 Zur Erleichterung der Ablesung kann man Markierungslinien
ein weißes Pappstück mit einem schwarzen Streifen verwenden. Durch entsprechende
Einschnitte in den Karton zieht man den Streifen so über die Bürette, dass die schwarze Bei einer Titration wird das Reagenz
Kante beim Ablesen vorn unter dem Meniskus liegt und mit dessen unterem Rand sowie portionsweise aus der Bürette zum
mit der hinteren weißen Kante eine Ebene bildet. Manche Lösungen, besonders wenn sie Analyten gegeben, bis die Reaktion
stark farbig sind, scheinen zwei Menisken zu haben. In solchen Fällen kann jeder von ih- vollständig ist. Aus dem zugesetzten
nen verwendet werden. Man muss bei den Ablesungen nur stets den gleichen verwenden. Volumen wird die Menge des Analyten
Da die Volumina durch die Subtraktion der einen Ablesung von der anderen ermittelt berechnet.
werden, müssen alle Ablesungen reproduzierbar erfolgen. Die Ablesung wird auf das
nächste Zehntel der Einteilung zwischen den Markierungen geschätzt.
Die Dicke der Markierungen auf einer 50-mL-Bürette entspricht etwa 0.02 mL. Um
die Bürette richtig zu verwenden, sollte man eine bestimmte Position der Markierungen 9
als Null-Wert annehmen. So können Sie zum Beispiel festlegen, dass sich die Flüssigkeit
an der Markierung befindet, wenn der Unterrand des Meniskus gerade den oberen Rand Niveau des
10 Meniskus
der Marke berührt. Wenn sich der Unterrand des Meniskus am unteren Rand der Markie-
rung befindet, ist die Ablesung um 0.02 mL verschieden.
Zur Bestimmung der genauen Lage des Endpunkts einer Titration gibt man in der 11
Nähe des Endpunkts jeweils weniger als einen Tropfen zu. (Ein Tropfen aus einer 50-mL-
Bürette hat ein Volumen von etwa 0.05 mL). Um kleinere Volumina zu dosieren, öffnet
man den Hahn vorsichtig, bis sich ein Tropfen zu bilden beginnt. (Sie können auch Teile

140
SEC

Absperrhahn
Tabelle 2.2 Toleranzen von Büretten der Klasse AS

Bürettenvolumen (mL) kleinste Einteilung (mL) Toleranz (mL), nach DIN 12700

5 0.01 ± 0.01 Abb. 2.10 Glasbürette mit Teflon-Ab-


10 0.05 oder 0.02 ± 0.02 sperrhahn. Die Vergrößerung zeigt den
Meniskus bei 9.68 ml. Beim Ablesen sollte
25 0.1 ± 0.03 bei jeder Skala auf das nächste Zehntel
der Teilung abgeschätzt werden. Diese
50 0.1 ± 0.05 Bürette hat eine 0.1-mL Einteilung, so
dass wir beim Ablesen auf den nächsten
100 0.2 ± 0.08
0.01 mL-Wert schätzen.
46 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

eines Tropfens aus der Bürette lassen, indem Sie den Absperrhahn sehr schnell einmal
Flüssigkeit
über die „offen“-Position drehen). Dann bringt man die innere Glaswand des Aufnah-
megefäßes an die Bürettenspitze, um die Flüssigkeit zu überführen. Danach spült man
den Tropfen mit der Spritzflasche in die Lösung. Besonders am Titrationsende muss der
Kolben geschüttelt werden, damit Tropfen von der Wand, die nicht umgesetztes Reagenz
enthalten können, in Kontakt mit der Lösung kommen.
Absperr- Die Flüssigkeit muss gleichmäßig von der Bürettenwand ablaufen. Wenn man die
hahn
Luft-
Flüssigkeit langsam aus der Bürette lässt (<20 mL/min), bleibt wenig an der Glaswand haf-
blase ten. Wenn jedoch viele Tropfen an der Wand hängen bleiben, muss die Bürette mit einem
Tensid und einer Bürettenbürste gereinigt werden. Wenn auch dies nicht ausreicht, wird
die Bürette mit einer Peroxodisulfat-Schwefelsäure-Reinigungslösung15 behandelt, welche
Flüssigkeit Kleidungsstücke und Menschen genauso frisst wie Fett in der Bürette. Glasgeräte für
Volumenmessungen dürfen nie mit alkalischen Reinigungslösungen behandelt werden,
da Glas von Laugen angegriffen wird. Eine NaOH-Lösung (5 Gew%) löst bei 95 °C Pyrex-
Glas mit einer Geschwindigkeit von 9 μm/h.
Abb. 2.11 Eine Luftblase, die unterhalb Ein weiterer Fehler bei der Verwendung einer Bürette beruht auf dem Versäumnis, die
des Absperrhahns eingefangen ist, muss Luftblase zu entfernen, die sich oft unmittelbar unter dem Absperrhahn bildet (Abbildung
vor Verwendung der Bürette entfernt 2.11). Wenn eine Luftblase zu Beginn einer Titration vorhanden ist, kann sie während
werden.
der Titration mit Flüssigkeit gefüllt werden und damit einen Volumenfehler hervorrufen.
Man kann die Luftblase entfernen, indem man für 1–2 Sekunden bei weit geöffnetem
Hahn Flüssigkeit laufen lässt. Bei hartnäckigen Luftblasen muss man die Bürette dabei
vorsichtig schütteln. Bevor man eine Bürette mit frischer Lösung füllt, sollte man mehr-
fach kleine Mengen der neuen Lösung hindurch schicken, die man anschließend verwirft.
Dabei ist es nicht notwendig, die ganze Bürette mit der Waschlösung zu füllen. Durch
Schräghaltung der Bürette erreicht man, dass die gesamte Oberfläche benetzt wird. Diese
Waschtechnik wird bei allen Gefäßen (z. B. Küvetten eines Spektralphotometers oder Pi-
petten) angewendet, die ohne Trocknung mehrfach verwendet werden.
Der Arbeitsaufwand für eine Titration wird durch Verwendung eines Autotitrators
(Abbildung 2.12) anstelle einer Bürette beträchtlich verringert. Diese Apparatur ent-
nimmt das Reagenz einem Vorratsbehälter und registriert das Reagenzvolumen sowie das
Signal einer in der Titrationslösung befindlichen Elektrode. Diese Angaben können direkt
zur Auswertung in den Computer gehen.

Lufteingang mit
Absorptionsmittel
als CO2-Schutz Spritzenpumpe
zur Titrant-
zugabe

pH-Elektrode

Titrationsspitze

Reagenzvorrats-
gefäß

Prozessor mit Anzeige Magnetrührer

Abb. 2.12 Der Autotitrator überführt das Reagenz aus der linken Flasche in das Becherglas rechts.
Die im Becherglas befindliche Elektrode misst den pH-Wert oder die Konzentration bestimmter Ionen.
Volumen und pH-Ablesung können direkt in ein Rechenprogramm gegeben werden. [Schott Instru-
ments, Mainz und Cole-Parmer, Instruments, Vernon Hills, IL, USA.]
2.5 · Messkolben 47

Wägetitrationen und Mikrotitrationen


Für hohe Präzision misst man die Masse des Reagenzes und nicht das von einer Bürette Präzision bedeutet Reproduzierbarkeit
oder Dosierspritze gelieferte Volumen.16 Die Masse kann mit höherer Präzision bestimmt
werden als das Volumen. 2
Für Verfahren, bei denen eine niedrigere Präzision zugelassen ist, können Experi-
mente im Mikromaßstab durchgeführt werden (z. B. im studentischen Praktikum). Dabei
werden weniger Reagenzien verbraucht und weniger Abfall erzeugt. Eine billige Bürette
kann für Studenten aus einer 2-mL-Pipette mit Markierungen in 0.01-mL-Abständen
hergestellt werden.17 Das Volumen kann auf 0,001 mL abgelesen werden und es gelingen
Titrationen mit einer Präzision von 1 %.

2.5 Messkolben

Ein Messkolben (auch Maßkolben) ist so kalibriert, dass er ein genau bestimmtes Volu- Volumetrische Glasgeräte aus Pyrex,
men Wasser bei 20 °C enthält, wenn der Meniskusunterrand genau in der Mitte der Mar- Duranglas oder anderen Glassorten
kierungslinie im Flaschenhals liegt (Abbildung 2.13, Tabelle 2.3). Die Messkolben tragen mit niedrigem Ausdehnungskoeffizi-
manchmal die Kennzeichnung In. Dies bedeutet, dass der Kolben auf Einguss kalibriert enten können bedenkenlos in einem
ist, das heißt der Kolben enthält den angegebenen Inhalt. (Pipetten und Büretten sind Trockenschrank bis 320 °C erhitzt
dagegen auf Ablauf geeicht und mit Ex gekennzeichnet.) Die Angabe der Temperatur der werden.18 Es gibt aber keinen Grund,
Gefäße ist wichtig, weil sich sowohl die Flüssigkeit wie auch das Glas beim Erwärmen oberhalb von 150 °C zu trocknen.
ausdehnen.
Messkolben werden verwendet, um Lösungen bekannter Konzentration herzustellen.
Dazu wird die gewünschte Masse des Reagenzes im Kolben in einem kleinen Volumen
des Lösungsmittels unter Schwenken gelöst. Dann wird immer mehr Lösungsmittel
zugegeben, jedes Mal geschwenkt und schließlich möglichst viel von der gut gemisch-
ten Lösung bis zur Marke aufgefüllt. (Wenn zwei verschiedene Flüssigkeiten gemischt
werden, gibt es gewöhnlich eine kleine Volumenänderung. Das Gesamtvolumen ist nicht
die Summe der beiden gemischten Volumina. Durch Schwenken der Flüssigkeit im fast
gefüllten Messkolben, bevor sie den dünnen Hals erreicht hat, kann man die Volumenän-
derung bei der Zugabe des letzten Flüssigkeitsrests klein halten.) Zur besseren Kontrolle
werden die letzten Tropfen mit einer Pipette, nicht mit einer Spritzflasche, zugegeben.
Nach Auffüllung des Kolbens wird dieser fest verschlossen und mehrmals umgedreht, um
Tabelle 2.3 Toleranzen für Messkol-
ben der Klasse A (nach ISO 1042 und
DIN 12664)
Rückseite
der Markierung Kolbeninhalt Toleranz (mL)
Meniskus (mL)
Vorderseite 1 ± 0.02
der Markierung
2 ± 0.02

500-mL- 5 ± 0.02
Füllstrich
10 ± 0.02

25 ± 0.03

50 ± 0.05

100 ± 0.08

200 ± 0.10
a b 250 ± 0.12

Abb. 2.13 a) Glasmesskolben der Klasse A mit richtiger Position des Meniskus – im Zentrum der Ellipse, 500 ± 0.20
die bei der Betrachtung von oben oder von unten von Vorder-und Rückseite der Markierung gebildet
wird. Messkolben und Pipetten werden auf diese Position kalibriert. b) Messkolben aus Polypropylen 1 000 ± 0.30
für die Spurenanalyse [mit Erlaubnis von Fisher Scientific, Pittsburgh, PA, USA]. Die zulässigen Toleran-
2 000 ± 0.50
zen für Kolben der Klasse A stehen in Tabelle 2.3. Die Toleranzen für Klasse B sind zweimal so groß.
48 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

eine vollständige Durchmischung zu gewährleisten. Bevor die Flüssigkeit homogen ist,


bemerkt man Schlieren, die auf die unterschiedliche Lichtbrechung in den verschiedenen
Gebieten zurückzuführen ist. Wenn die Schlieren verschwunden sind, wird der Kolben
noch mehrmals zur völligen Durchmischung umgedreht.
In der Abbildung 2.13 ist gezeigt, wie der Flüssigkeitsstand aussieht, wenn er sich in
der Mitte der Markierung eines Kolbens oder einer Pipette befindet. Das Flüssigkeitsni-
veau wird eingestellt, indem man den Kolben von oben oder unterhalb der Markierung
betrachtet. Die Vorder- und Rückseite der Markierung bilden eine Ellipse mit dem Menis-
kus in deren Zentrum.
Beispiele für Säurewäsche: Hochreine Glasoberflächen sind berüchtigt für die Adsorption von kleinen Chemikalienmen-
HNO3, die mit einer säuregewaschenen gen – besonders von Kationen. Adsorption ist der Vorgang, bei dem ein Stoff an einer
Glaspipette entnommen wurde, ent- Oberfläche haftet. (Im Unterschied hierzu ist Absorption der Vorgang, bei dem ein Stoff
hält keine nachweisbaren Spuren von in das Innere eines anderen aufgenommen wird, wie z. B. Wasser in einen Schwamm.)
Ti, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Zn (<0.01 Für sorgfältige Arbeiten sollte man die Glasgeräte einer Säurewäsche unterziehen, um
ppb). Die gleiche Säure enthält 0.5 bis die geringen Konzentrationen von Kationen an der Oberfläche durch H+ zu verdrängen.
9 ppb dieser Metalle, wenn sie mit ei- Hierzu tränkt man die bereits gut gereinigten Glasgeräte in 3–6 M HCl oder HNO3 im
ner sauberen, jedoch nicht säuregewa- Abzug mehr als eine Stunde, gefolgt von mehrmaligem Waschen mit destilliertem Wasser
schenen Pipette entnommen wurde.19 und einer abschließenden Tränkung mit destilliertem Wasser. Die für diese Wäsche ver-
wendete Säure kann mehrfach verwendet werden, solange sie nur für bereits vorgereinigte
Glasgeräte benutzt wurde. Die Säurewäsche ist besonders bei neuen Glasgeräten zu emp-
fehlen, bei denen man annehmen kann, dass sie nicht sauber sind. Die Polypropylenplas-
tikflasche in Abbildung 2.13b eignet sich gut bei Spurenanalysen (ppb-Konzentrationen),
bei denen der Analyt durch Adsorption an den Wänden von Glasflaschen leicht verloren
gehen kann.

2.6 Pipetten und Dosierspritzen

Blasen Sie niemals den letzten Tropfen Pipetten dienen zur Dosierung bestimmter Flüssigkeitsvolumina. Die in Abbildung 2.14a
aus einer Vollpipette heraus. gezeigte Vollpipette ist zur Dosierung eines festgelegten Volumens kalibriert. Der letzte
Flüssigkeitstropfen läuft nicht aus der Pipette und darf nicht ausgeblasen werden. Die
Messpipette (Abbildung 2.14b) ist wie eine Bürette kalibriert. Sie wird für die Dosierung
variabler Volumina verwendet, z. B. zur Dosierung von 5.6 mL, wenn der Ablauf an der
1 mL-Marke beginnt und an der 6.6 mL-Marke beendet wird. Die Vollpipette ist mit den
in Tabelle 2.4 genannten Toleranzen genauer.

Verwendung von Vollpipetten


Man verwendet einen Pipettierball, nicht den Mund, um die Flüssigkeit bis über die
Eichmarke in die Pipette zu saugen. Man verwirft ein oder zwei Pipettenvolumina,
um Reste von früheren Reagenzien aus der Pipette zu entfernen. Wenn die Lösung ein
drittes Mal in die Pipette gezogen wurde, entfernt man schnell den Pipettierball und
drückt den Zeigefinger auf das Pipettenende. Wenn die Pipette während der Entfer-
nung des Pipettierballs leicht gegen den Boden des Gefäßes gedrückt wird, aus dem
man die Flüssigkeit ansaugt, wird ein Auslaufen während dieses Manövers verhindert.

Eichmarke

Abb. 2.14 a) Vollpipette. b) Messpipette nach Mohr. [Genehmigt von A. H. Thomas Co., Philadelphia,
PA, USA.]
2.6 · Pipetten und Dosierspritzen 49

(Man kann auch eine automatische Ansaugvorrichtung verwenden, die auf der Pipette
Tabelle 2.4 Toleranzen für Vollpipet-
bleibt.) Nun nimmt man die Pipette aus dem Gefäß und entfernt überschüssige Lösung,
ten der Klasse AS (nach ISO 648 und
die sich außen befindet durch Abwischen mit einem sauberen Tuch. Dann hält man die DIN 12691)
Pipettenspitze an den Innenrand des Becherglases und lässt die Lösung bis zum Zentrum
der Markierung (siehe Abbildung 2.13) ablaufen. Dabei muss die Pipettenspitze das Inhalt (mL) Toleranz (mL) 2
Becherglas berühren, damit kein Tropfen hängenbleibt, bis sich der Meniskus an der 0.5 ±0.005
Marke befindet.
1 ±0.007
Nun bringt man die Pipette zum Aufnahmegefäß und lässt sie durch ihre Schwerkraft
auslaufen, wobei die Spitze die Glaswand berührt. Wenn die Flüssigkeit ausgelaufen ist, 2 ±0.01
wartet man noch einige Sekunden, um sicher zu sein, dass das kalibrierte Volumen ausge-
3 ±0.015
laufen ist. Der letzte Tropfen darf nicht ausgeblasen werden. Die Pipette muss vor Beendi-
gung des Auslaufens senkrecht gehalten werden, damit das angegebene Volumen ausläuft. 4 ±0.015
Wenn die Arbeit mit der Pipette beendet ist, wird sie mit destilliertem Wasser gereinigt. 5 ±0.015
Lösungen dürfen nie in einer Pipette eintrocknen, da die Entfernung der abgeschiedenen
Stoffe sehr schwierig ist. 10 ±0.03

15 ±0.05

20 ±0.05
Mikropipetten
25 ±0.05
Mikropipetten (Abbildung 2.15) werden zur Dosierung von Volumina zwischen 1 und
50 ±0.08
1 000 μL (1 μL = 10–6 L) verwendet. Die Flüssigkeit befindet sich in einer Wegwerf-Spitze
aus Polypropylen, die gegen die meisten wässrigen Lösungen und viele organische Lö- 100 ±0.12
sungsmittel mit Ausnahme von Chloroform (CHCl3) beständig ist. Auch gegen konzent-
rierte Salpeter- oder Schwefelsäure ist sie nicht beständig. Zur Verhinderung des Eindrin-
gens von Aerosolen in den Pipettenschaft nimmt man Spitzen mit Filtern aus Polyethylen.
Aerosole können die mechanischen Teile der Pipette korrodieren oder bei biologischen
Untersuchungen zu einer Kreuzkontamination führen.
Zur Verwendung einer Mikropipette wird eine frische Spitze fest auf den Zylinder ge- Ein Aerosol ist eine Suspension sehr
setzt. Die Spitzen befinden sich in ihrer Verpackung oder in einem Behälter, so dass man kleiner Flüssigkeitstropfen oder fester
sie nicht mit den Fingern verunreinigt. Das gewünschte Volumen wird am Drehknopf Partikel in einem Gas.
an der Pipettenspitze eingestellt. Nun wird der Stempel bis zum ersten Haltepunkt her-
untergedrückt, der dem gewählten Volumen entspricht. In senkrechter Position wird die Fehlerquellen bei Mikropipetten:20
Pipette dann 3–5 mm tief in die Reagenzlösung gehalten. Durch langsames Freilassen des ▬ Verwenden Sie die vom Hersteller
Stempels wird die Flüssigkeit angesaugt. Zur Vervollständigung lässt man die Spitze noch empfohlenen Spitzen. Andere Spit-
einige Sekunden in der Flüssigkeit. Dann wird die Pipette aus der Flüssigkeit genommen, zen könnten undicht sein.
ohne dass die Spitze den Gefäßrand berührt. Das Volumen der in die Spitze aufgenom- ▬ Saugen Sie dreimal Flüssigkeit
menen Flüssigkeit hängt von dem Winkel ab, in dem die Pipette gehalten wird und wie an und spritzen Sie wieder aus,
tief die Spitze in die Flüssigkeit beim Ansaugen eintauchte. Zur Dosierung der Flüssigkeit um die Spitze richtig zu nässen
wird die Mikropipettenspitze an die Wand des Aufnahmegefäßes gehalten. Der Stempel und die Innenseite mit Dampf ins
wird vorsichtig bis zum ersten Haltepunkt gedrückt. Nach einigen Sekunden, in denen Gleichgewicht zu bringen.
die Flüssigkeit von der Innenwand der Pipette ablaufen kann, wird der Stempel zum ▬ Unnötiges Abwischen der Spitze
Ausspritzen der letzten Flüssigkeit weitergedrückt. Zur Reinigung und Benetzung einer kann zu Substanzverlust führen.
neuen Spitze ist es zweckmäßig, zwei- oder dreimal auf die beschriebene Weise Reagenz ▬ Flüssigkeit und Pipette müssen
aufzunehmen und wieder herauszudrücken. Eine benutzte Spitze wird weggeworfen, gleiche Temperatur haben. Bei
kann aber auch durch einen Strahl destillierten Wassers aus der Spritzflasche abgespült kalter Flüssigkeit wird weniger
und wieder verwendet werden. Eine Spitze mit Filter (Abbildung 2.15b) kann nicht noch geliefert als angezeigt, bei warmer
einmal verwendet werden. Flüssigkeit wird mehr geliefert als
Die hier beschriebene Methode der Aufnahme und Abgabe der Lösung, bei der das angezeigt.
gesamte, in die Pipette aufgezogene Volumen wieder abgegeben wird, bezeichnet man als ▬ Mikropipetten sind auf das
Forward-Modus. Der Stempel wird bis zum ersten Haltepunkt niedergedrückt und damit Meeresspiegel-Niveau kalibriert.
die Flüssigkeit aufgenommen. Zum Ausstoßen der Flüssigkeit drückt man den Stempel Bei größeren Höhen stimmt die
über diesen Punkt hinaus. Bei dem Reverse-Modus wird mehr Reagenz in die Pipette auf- Kalibrierung nicht. Bei kleinen Vo-
genommen als anschließend wieder abgegeben wird. Hierzu wird der Stempel über den lumen sind die Fehler am größten.
ersten Haltepunkt hinaus gedrückt und dabei ein Flüssigkeitsüberschuss aufgenommen. Kalibrieren Sie die Pipette für Ihre
Um das richtige Volumen abzugeben, nimmt man Druck nur bis zum ersten Haltepunkt Höhenlage.
zurück und nicht weiter. Der Reverse-Modus wird bei schäumenden (proteinhaltigen oder
grenzflächenaktiven) und viskosen (sirupösen) Lösungen verwendet.21
50 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Tabelle 2.5 Toleranzen für Mikropipetten

Pipetten- bei 10 % des Pipettenvolumens bei 100 % des Pipettenvolumens


volumen (μL)
Richtigkeit (%) Präzision (%) Richtigkeit (%) Präzision (%)

Einstellbares Volumen

0.2–2 ±8 ±4 ±1.2 ±0.6

1–10 ±2.5 ±1.2 ±0.8 ±0.4

2,5–25 ±4.5 ±1.5 ±0.8 ±0.2


Piston
10–100 ±1.8 ±0.7 ±0.6 ±0.15
Schaft
30–300 ±1.2 ±0.4 ±0.4 ±0.15

100–1 000 ±1.6 ±0.5 ±0.3 ±0.12

Festes Volumen

10 ±0.8 ±0.4

Filter 25 ±0.8 ±0.3

100 ±0.5 ±0.2


Aerosol 500 ±0.4 ±0.18

1 000 ±0.3 ±0.12


Wegwerf-
spitze aus Quelle: Angaben von Hamilton Co., Reno, NV, USA.
Polyethylen

a b
In Tabelle 2.5 stehen die von einem Hersteller angegebenen Toleranzen für Mikropi-
petten. Weil die Teile der Pipette verschleißen, können sich Richtigkeit und Reproduzier-
barkeit um den Faktor 10 verschlechtern. Bei einer Untersuchung22 von 54 Mikropipetten
aus einem biomedizinischen Labor genügten 12 den Ansprüchen bezüglich Richtigkeit
und Präzision auf mindestens 1%. Fünf zeigten Fehler von mehr als 10 %. Als 54 Gütekon-
trolleure in vier pharmazeutischen Firmen eine gut funktionierende Mikropipette benutz-
ten, erhielten 10 Leute richtige und reproduzierbare Ergebnisse auf ≤1 %, sechs jedoch
hatten Fehler von ≥10 %. Für Mikropipetten ist eine regelmäßige Kalibrierung und War-
tung (Reinigung, Wechsel der Dichtungen und Schmierung) erforderlich und die Nutzer
müssen ihre Qualifikation nachweisen, ehe sie mit diesen Pipetten arbeiten dürfen. Wenn
die Pipetten im Durchschnitt nach zwei Jahren aus den Toleranzgrenzen fallen, ist die Ka-
librierung alle zwei Monate erforderlich, um eine Sicherheit von 95 % zu haben, dass die
c Mikropipetten des Labors noch vorschriftsgemäß funktionieren.23 Mikropipetten können
durch Bestimmung der Masse des abgegebenen Wasser kalibriert werden (beschrieben im
Abb. 2.15 a) Mikropipette mit Wegwerf-
plastikspitze. b) Vergrößerte Ansicht der Abschnitt 2.9, oder mit Hilfe eines handelsüblichen kolorimetrischen Testbestecks.24
Wegwerfspitze mit Polyethylenfilter zum
Schutz vor Aerosol-Verunreinigung des
Pipettenschafts. c) Anzeige der Volu-
menwahl von 150 μL. [Mit freundlicher Spritzen
Genehmigung von Rainin Instrument Co.,
Emeryville, CA, USA.] Mikroliterspritzen, wie in Abbildung 2.16 dargestellt, gibt es in Größen von 1−500 μL und
mit einer Richtigkeit und Präzision nahe bei 1 %. Bei der Benutzung einer Spritze nimmt
man mehrmals Flüssigkeit auf und spritzt sie wieder aus, um die Glaswände zu waschen

Nadel Zylinder Stempel

Richtigkeit bezieht sich auf die Nähe


zum wahren Wert.
Präzision bezieht sich auf die Repro- Abb. 2.16 Hamilton-Spritze mit einem Volumen von 1 μL und 0.02 μL-Einteilungen auf dem Glaszylin-
duzierbarkeit. der. [Mit freundlicher Genehmigung von Hamilton Co., Reno, NV, USA.]
2.7 · Filtration 51

und Luftblasen aus dem Zylinder zu beseitigen. Die Stahlnadel wird von starken Säuren
angegriffen, wodurch stark saure Lösungen mit Eisen verunreinigt werden. Eine Spritze
ist zuverlässiger als eine Mikropipette, erfordert aber bei der Handhabung und Reinigung
größere Sorgfalt.
2
2.7 Filtration

Bei gravimetrischen Analysen wird die Masse des Reaktionsprodukts gemessen, um daraus
zu bestimmen, wie viel eines unbekannten Stoffs vorhanden war. Die Niederschläge für
die gravimetrische Analyse werden durch Filtration gesammelt, gewaschen und dann
getrocknet. Wenn der Niederschlag nicht geglüht werden muss, wird er in einen Glasfil-
tertiegel (auch Fritte oder Gooch-Tiegel genannt) überführt, wobei zur schnellen Filtra-
tion eine Absaugung vorgenommen wird (Abbildung 2.17). Das trichterförmige Gefäß
hat eine Filterscheibe aus porösem Glas, welche die Flüssigkeit durchlässt und Feststoffe
zurückhält. Der leere Filtertiegel wird zunächst bei 110 °C getrocknet und gewogen. Nach
der Filtration werden der Niederschlag im Tiegel getrocknet, Tiegel mit Inhalt gewogen
und damit die Masse des Niederschlags bestimmt. Die Flüssigkeit, aus der eine Substanz
ausgefällt wird oder kristallisiert, ist die Mutterlauge. Die Flüssigkeit, die durch den Filter
läuft, nennt man Filtrat.
Bei einigen gravimetrischen Verfahren wird der Niederschlag abgetrennt und durch
Glühen in eine Verbindung bekannter konstanter Zusammensetzung überführt. So wird
z. B. Fe3+ als wasserhaltiges Eisen(III)oxid, FeOOH ∙ xH2O, mit wechselnder Zusam-
mensetzung ausgefällt und vor dem Wägen durch Glühen in Fe2O3 überführt. Wenn ein
Niederschlag geglüht werden soll, bringt man ihn auf aschefreies Filterpapier, das beim
Verbrennen nur einen geringen Rückstand hinterlässt.
Bei der Verwendung eines Papierfilters in einem konischen Glastrichter wird das Pa-
pier in Viertel gefaltet, eine Ecke abgerissen (damit das Papier gut in den Trichter passt)
und dann in den Trichter gegeben (Abbildung 2.18). Der Filter muss fest sitzen und wird
mit etwas destilliertem Wasser in den Trichter eingepasst. Wenn Flüssigkeit in den Trich-
ter gegossen wird, sollte sie einen ununterbrochenen Flüssigkeitsstrom im Stiel bilden.
Das Gewicht der Flüssigkeit im Stiel beschleunigt die Filtration.
Zur Filtration wird die Flüssigkeit mit dem aufgewirbelten Niederschlag an einem
Glasstab in den Filter gegossen (Abbildung 2.19). Der Stab verhindert ein Verspritzen
oder Abtropfen von der Seite des Becherglases. Im Becherglas oder am Glasstab haftender

Glasfiltertiegel
Luft
Gummi-
zwischenstück

Glastrichter
zum Vakuum-
system (Haus-
poröses Glas leitung oder
Glas-
filter- Wasserstrahl-
tiegel pumpe)

Saugflasche Sicherheitsfalle

Abb. 2.17 Filtration durch einen Glasfiltertiegel mit einer für die Flüssigkeit durchlässigen Glasscheibe.
Eine Sicherheitsfalle verhindert, dass Flüssigkeit versehentlich in das Vakuumsystem gezogen wird.
52 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Abb. 2.18 Falten eines Filters für einen


konischen Trichter. a) Filter in der Mitte
falten, b) nochmals in der Mitte falten,
c) Ecke abreißen, damit der Filter besser
in den Trichter passt, d) öffnen der Seite,
die nicht abgerissen wurde. a b c d

Glasstab

Becherglas mit
Niederschlag
und Mutterlauge

konischer Trichter
Papierfilter
ununterbrochener Flüssigkeits-
strom, wenn der Filter gut passt

a b

Auffang- Abb. 2.21 a) Einfacher Exsikkator. b) Vakuum-Exsikkator, der über die Abzweigung am Deckel evakuiert
becherglas werden kann. Unterdruck erleichtert die Trocknung. [Mit freundlicher Genehmigung von A. H. Thomas
Co., Philadelphia, PA, USA.]

Abb. 2.19 Abfiltrieren eines Niederschlags. Feststoff wird mit einem Gummiwischer (Glasstab mit einem flachen Gummistück am
Der konische Trichter wird durch einen
Ende, in den USA als rubber policeman bezeichnet) entfernt und mit einem Strahl aus
Metallring gehalten, der an einem Stativ
befestigt ist (beides ist nicht gezeigt). der Spritzflasche oder einer geeigneten Waschflüssigkeit in den Trichter überführt. Wenn
dann noch immer Feststoffe im Becherglas hängen, kann man sie mit einem kleinen Stück
feuchtes Filterpapier aufnehmen, in den Filter geben und gemeinsam mit der Haupt-
Uhrglasschale gebogene Glashaken
menge des Niederschlags glühen.

2.8 Trocknung
Reagenzien, Niederschläge und Glasgeräte werden meist im Trockenschrank bei 110 °C
getrocknet. (Einige Chemikalien erfordern andere Temperaturen.) Alles, was man in den
Wägegläschen
mit angelehntem Trockenschrank packt, muss beschriftet sein. Ein Becherglas mit Uhrglasabdeckung dient
Deckel zum Schutz vor Staub während der Trocknung (Abbildung 2.20). Es ist generell eine gute
Praxis, alle Gefäße auf dem Labortisch abzudecken, um Verunreinigungen durch Staub
Becherglas Reagenz
zu verhindern.
In der Gravimetrie wird zur Bestimmung der Masse eines Niederschlags zunächst ein
Abb. 2.20 Verwendung einer Uhrglas-
schale als Staubschutz beim Trocknen trockener, leerer Glasfiltertiegel gewogen und nach der Prozedur gefüllt mit dem getrock-
von Reagenzien oder Tiegeln im Trocken- neten Reaktionsprodukt zurückgewogen. Zur Wägung des leeren Tiegels muss dieser zu-
schrank. nächst auf „Massenkonstanz“ gebracht werden. Hierzu wird er mindestens 1 h getrocknet
und 30 min im Exsikkator abgekühlt. Der Tiegel wird gewogen und dann erneut 30 min
erhitzt. Dann wird abgekühlt und erneut gewogen. Wenn die aufeinanderfolgenden Wä-
gungen innerhalb von 0.3 mg übereinstimmen, hat der Tiegel „Massenkonstanz“ erreicht.
Staub ist bei allen Experimenten Wenn der Tiegel bei der Wägung noch warm ist, entstehen Konvektionsströmungen, die
die Quelle von Verunreinigungen, zu einer falschen Masse führen. Anstelle eines elektrischen Trockenschranks kann man
deshalb – wann immer es möglich zur Trocknung der Reagenzien und Tiegel einen Mikrowellenofen verwenden. Versuchen
ist – werden alle Gefäße abgedeckt. Sie eine anfängliche Erhitzungszeit von 4 min mit nachfolgendem Erhitzen im Zweiminu-
ten-Takt. Die Abkühlungszeit vor der Wägung sollte 15 min dauern.
2.9 · Kalibrierung volumetrischer Glasgeräte 53

Tabelle 2.6 Wirksamkeit von Trockenmitteln

Trocknungsmittel Formel Verbleibendes Wasser in


der Gefäßluft (μg H2O/L)a

Magnesiumperchlorat, wasserfrei Mg(ClO4)2 0.2


2
„Anhydrone“ Mg(ClO4)2 ⋅ 1–1.5 H2O 1.5

Bariumoxid BaO 2.8

Aluminiumoxid Al2O3 2.9

Phosphorpentoxid P4O10 3.6

Calciumsulfat (Drierite)b CaSO4 67

Silicagel SiO2 70

a
Über die Trockenmittel wurde feuchter Stickstoff geleitet und das im Gas verbliebene Wasser kondensiert
und ausgewogen. [A. I. Vogel, A Textbook of Quantitative Inorganic Analysis, 3rd ed. (New York. Wiley,
1961), S. 178.] Zum Trocknen von Gasen können diese durch einen 60 cm langen Nafion-Schlauch geleitet
werden. Bei 25 °C beträgt die Restfeuchte 10 μg/L. Wenn der Trockner auf 0 °C gehalten wird, beträgt sie
0.8 μgL. [K. J. Leckrone und J. M. Hayes, „Efficiency and Temperature Dependance of Water Removal by
Membrane Dryers“, Anal. Chem. 1997, 69, 911.]
b Benutztes Drierite kann durch 15 minütige Bestrahlung der 1.5 kg-Chargen in einer 100 × 190 mm Kri-
stallisierschale aus Pyrexglas in einem Mikrowellenofen regeneriert werden. Danach gibt man das noch
heiße, trockene Material zurück in den Originalbehälter. Zum Schutz der Glasplatte des Ofens stellt man
die Schale auf kleine Distanzstücke aus Glas. [J. A. Green und R. W. Goetz, „Recycling Drierite“, J. Chem. Ed.
1991, 68,429.]

Der Exsikkator (Abbildung 2.21) ist ein abgedecktes Gefäß, in dem sich ein Tro-
ckenmittel (Tabelle 2.6) befindet. Der Deckelrand wird gefettet, um einen luftdichten
Verschluss zu erreichen. Das Trockenmittel befindet sich unterhalb einer durchlöcherten
Scheibe. Außer den aufgelisteten Stoffen ist auch Schwefelsäure (98 Gew%) ein häufig ver-
wendetes wirksames Trocknungsmittel. Wenn ein heißer Gegenstand in den Exsikkator
gegeben wird, lässt man den Deckel für eine oder zwei Minuten einen Spalt offen, bis der
Gegenstand etwas abgekühlt ist. Dadurch wird verhindert, dass sich der Deckel anhebt,
wenn die Luft im Gefäß erwärmt wird. Zur Öffnung des Exsikkators wird der Deckel seit-
lich verschoben und nicht senkrecht nach oben gezogen. bis er abgehoben werden kann.

2.9 Kalibrierung volumetrischer Glasgeräte


Alle von uns verwendeten Instrumente haben eine bestimmte Skala, um Größen wie
Masse, Volumen, Kraft oder elektrischen Strom zu messen. Gewöhnlich bescheinigen die
Hersteller, dass die angezeigte Größe innerhalb einer bestimmten Toleranz der wahren
Größe entspricht.
So ist z. B. eine Vollpipette der Klasse AS dafür zertifiziert, dass sie bei richtiger Auf Seite 61 finden Sie eine ausführ-
Handhabung 10.00 ± 0.03 mL liefert. Ihre persönliche Pipette möge in einer Serie von liche Vorschrift für die Kalibrierung
Versuchen 10.016 mL ± 0.004 mL abgeben. Das bedeutet, dass diese Pipette in mehreren einer Bürette.
Versuchen im Durchschnitt 0.016 mL mehr als das angegebene Volumen liefert. Kalibrie-
rung ist das Verfahren zur Bestimmung der tatsächlichen Größe im Vergleich zur auf der
Skala des Instruments angegebenen Größe.
Wenn eine sehr große Genauigkeit erforderlich ist, werden volumetrische Glasgeräte
durch Bestimmung des tatsächlichen Volumens kalibriert, welches das Gerät besitzt oder
von ihm geliefert wird. Man macht das, indem die Masse von Wasser, die sich im Gefäß
befindet oder aus ihm herausläuft, gemessen wird. Die Umrechnung von Masse in Vo-
lumen erfolgt mit Hilfe der Dichte des Wassers. Bei äußerst anspruchsvollen Messungen
muss die thermische Ausdehnung der Lösungen und Glasgeräte bei Temperaturände-
rungen berücksichtigt werden. Deshalb müssen die Labortemperaturen zum Zeitpunkt
der Herstellung und der Benutzung der Lösungen bekannt sein. In Tabelle 2.7 sieht man,
54 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Tabelle 2.7 Dichte von Wasser

Temperatur (°C) Dichte (g/mL) Volumen von 1 g Wasser (mL)

bei dieser Temperatura korrigiert auf 20 °Cb

10 0.999 702 6 1.001 4 1.001 5

11 0.999 680 4 1.001 5 1.001 6

12 0.999 500 4 1.001 6 1.001 7

13 0.999 380 1 1.001 7 1.001 8

14 0.999 247 4 1.001 8 1.001 9

15 0.999 102 6 1.002 0 1.002 0

16 0.998 946 0 1.002 1 1.002 1

17 0.998 777 9 1.002 3 1.002 3

18 0.998 598 6 1.002 5 1.002 5

19 0.998 408 2 1.002 7 1.002 7

20 0.998 207 1 1.002 9 1.002 9

21 0.997 995 5 1.003 1 1.003 1

22 0.997 773 5 1.003 3 1.003 3

23 0.997 541 5 1.003 5 1.003 5

24 0.997 299 5 1.003 8 1.003 8

25 0.997 047 9 1.004 0 1.004 0

26 0.996 786 7 1.004 3 1.004 2

27 0.996 516 2 1.004 6 1.004 5

28 0.996 236 5 1.004 8 1.004 7

29 0.995 947 8 1.005 1 1.005 0

30 0.995 650 2 1.005 4 1.005 3

a Auftrieb korrigiert mit Gleichung 2.1


b Auftrieb und Ausdehnung des Borsilikatglases (0.001 0 % K–1) berücksichtigt.

dass sich reines Wasser in der Nähe von 20 °C um etwa 0.02 % pro Grad ausdehnt. Da die
Konzentration einer Lösung proportional zu ihrer Dichte ist, gilt

Die Konzentration nimmt bei c' c


Korrektur der thermischen Ausdehnung: = (2.2)
Temperaturanstieg ab. d' d

mit c’ und d’ als Konzentration und Dichte bei der Temperatur T’, während c und d für die
Temperatur T gelten.

> Beispiel
Temperatureinfluss auf die Konzentration einer Lösung
Eine verdünnte wässrige Lösung mit der Konzentration von 0.031 46 M wurde im Winter
bei einer Labortemperatur von 17 °C hergestellt. Welche Konzentration hat diese Lösung an
einem warmen Tag, wenn die Temperatur 25 °C beträgt?

Lösung Man nimmt an, dass die thermische Ausdehnung einer verdünnten Lösung der
thermischen Ausdehnung des Wassers sehr ähnlich ist. Unter Verwendung der Gleichung
2.2 und mit den Dichten aus der Tabelle 2.6 erhält man
c' bei 25 ° C 0.031 46 M
= ⇒ c' = 0.031 41 M
0.997 05 g/mL 0.998 78 g/mL
An dem warmen Tag hat die Konzentration um 0.16 % abgenommen.
2.10 · Einführung in Microsoft Excel® 55

Pyrex- und andere Borosilikatgläser dehnen sich in der Nähe der Raumtemperatur um
etwa 0.001 0 % pro °C aus. Wenn die Temperatur eines Glasgefäßes um 10 °C erhöht wird,
nimmt das Volumen um etwa (10 °C)(0.001 0 %/°C) = 0.010 % zu. Bei den meisten Arbei-
ten ist diese Ausdehnung nicht von Bedeutung.
Nun soll eine 25 mL-Vollpipette kalibriert werden. Zuerst wird das leere Wägegläs- Kleine oder ungünstig geformte Ge- 2
chen (Abbildung 2.20) gewogen. Dann füllt man die Pipette bis zur 25 mL-Marke mit fäße können mit Quecksilber kalibriert
destilliertem Wasser und lässt es in das Wägeglas laufen. Das Glas wird verschlossen, um werden. Dieses kann besser als Wasser
eine Verdunstung zu verhindern. Das Glas wird erneut gewogen und damit die Masse aus dem Glas heraus gegossen werden
des aus der Pipette gelaufenen Wassers bestimmt. Schließlich wird mit Gleichung 2.3 die und hat eine 13.6 Mal größere Dichte
Masse in das Volumen umgerechnet. als Wasser. Aber dieses Verfahren ist
etwas für den erfahrenen Chemiker,
Wahres Volumen = (Masse des Wassers in g) × (Volumen von 1 g H2O nach Tabelle 2.7) (2.3)
nicht für Studenten.

> Beispiel
Kalibrierung einer Pipette
Ein leeres Wägegläschen hat eine Masse von 10.313 g. Nach Zugabe des Wassers aus der Die Pipette liefert bei 20 °C ein ge-
25 mL-Pipette beträgt die Masse 35.225 g. Welches Volumen ist bei der Labortemperatur ringeres Volumen als bei 27 °C, weil
von 27 °C aus der Pipette geflossen? sich Glas bei Temperaturerniedrigung
Lösung Die Masse des Wassers in der Pipette beträgt 35.225–10.313 = 24.912 g. Mit Glei- etwas zusammenzieht. Volumetrische
chung 2.3 und der vorletzten Spalte der Tabelle 2.7 ergibt sich für das Volumen des Wassers Glasgeräte werden gewöhnlich bei
bei 27 °C (24.912 g) (1.004 6 mL/g) = 25.027 mL. Aus der letzten Spalte der Tabelle 2.6 ent- 20 °C kalibriert.
nimmt man das Volumen bei 20 °C. Es beträgt (24.912 g)(1.004 5mL/g) = 25.024 mL.

2.10 Einführung in Microsoft Excel®

Wenn Sie bereits Tabellenkalkulationsprogramme verwenden, können Sie diesen Ab-


schnitt überspringen. Tabellenkalkulationen mit dem Computer sind ein wirksames
Werkzeug zur Behandlung quantitativer Informationen. In der analytischen Chemie hel-
fen sie bei der Konstruktion von Kalibrationskurven, von Titrationskurven, in der Statis-
tik und bei Berechnungen zum chemischen Gleichgewicht. Tabellenkalkulationen erlau-
ben uns „was geschieht, wenn“-Experimente durchzuführen, z. B. die Untersuchung des
Einflusses einer stärkeren Säure oder einer anderen Ionenstärke auf eine Titrationskurve.
In diesem Buch wird Microsoft Excel als Hilfsmittel zur Lösung von Aufgaben in der
analytischen Chemie genutzt25. Obwohl dieser Abschnitt ohne Einbuße der Kontinuität in
der Stoffbehandlung übersprungen werden kann, erweitern die Tabellenkalkulationen das
chemische Verständnis und sind auch für andere Fächer von großem Nutzen.

Erste Schritte: Berechnung der Dichte des Wassers


Es wird eine Tabellenkalkulation zur Berechnung der Dichte des Wassers mit folgender
Gleichung durchgeführt:

Dichte (g/mL) = a0 + a1*T + a2*T2 + a3*T3 (2.4)

mit der Temperatur T (°C) und a0 = 0.999 89, a1 = 5.332 2 × 10-5, a2 = –7.589 9 × 10-6, a3 = Im Bereich von 4 °C bis 40 °C gilt
3.671 9 × 10–8. diese Gleichung auf fünf Dezimal-
stellen genau.
Das leere Arbeitsblatt in Abbildung 2.22a hat die mit A, B, C bezeichneten Spalten und die
nummerierten Zeilen 1, 2, 3,…,12. An der Schnittstelle einer Spalte mit einer Zeile befin-
det sich eine Zelle. In unserem Beispiel wird sie als Zelle B4 bezeichnet.
Zunächst muss jede Tabellenkalkulation einen Titel erhalten, damit sie besser ver-
ständlich wird. In der Abbildung 2.22b wird die Zelle A1 angeklickt und „Berechnung
der Dichte von H2O mit Gleichung 2.4“ eingetragen. Dann wird Zelle A2 angeklickt und
„(aus dem reizenden Buch von Dan Harris)“ ohne Anführungszeichen hineingeschrie-
ben. Der Computer benutzt bei der Eintragung die Nachbarzellen mit. Dann wird das
Arbeitsblatt gespeichert. Benennen Sie das Arbeitsblatt so, dass Sie auch später wissen,
56 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

was es enthält. Speichern Sie das Arbeitsblatt an einer Stelle, wo Sie es auch wiederfin-
den. Im Computer gespeicherte Informationen nützen nur etwas, wenn man weiß, wo
sie sich befinden.
In diesem Buch werden die Konstanten stets in die Spalte A eingetragen. In Zelle A4
wird „Konstanten:“ eingetragen. In die Zelle A5 schreibt man „a0=“ und in die Zelle A6
die Zahl 0.99989 (ohne Leerzeichen, aber mit Dezimalkomma). In die Zellen A7 bis A12
werden die übrigen Konstanten eingetragen. Zehnerpotenzen werden z.B. für 10-5 mit E-5
bezeichnet.
Wenn Sie in die Zelle A8 5.3322E-5 eintippen, wird auf dem Arbeitsblatt wahrschein-
lich 5.33E-5 erscheinen, wobei die zusätzlichen Kommastellen im Speicher behalten wer-
den. Um sich eine gewünschte Stelle nach dem Komma anzeigen zu lassen, klicke auf die
Zelle A8 und wähle den Menüpunkt „Start“. Gehe dann im Menü zu „Zahl“ und klicke
auf den unteren rechten Pfeil. Jetzt müsste das Formatierungsfenster der Zelle erschei-
nen. Wähle „Wissenschaft“ und 4 Dezimalstellen aus. Wenn Sie nun OK klicken lautet
der Eintrag in der Zelle A8 nun 5.3322E-5. Falls Sie zur Anzeige mehr Platz benötigen,
können Sie mit der Maus die Spaltenbreite oben zwischen A und B verändern. Sie können
alle Zahlen in der Spalte A formatieren, indem Sie oben die ganze Spalte markieren und
dann das gewünschte Zahlenformat auswählen. Ihr Arbeitsblatt sollte jetzt so wie in der
Abbildung 2.22b aussehen.
Schreiben Sie nun in die Zelle B4 die Überschrift „Temp. (°C)“ und geben die Tem-
peraturen von 5 bis 40 in die Zellen B5 bis B12 ein. Das ist der Bereich Input in Ihrem

Spalten

A B C A B C


1 1 Berechnung der Dichte von Wasser nach Gleichung 2-4


2 2 (aus dem reizenden Buch von Dan Harris)
3 3
4 Zelle B4 4 Konstanten:
5 5 a0
6 6 0.99989
Zeilen

7 7 a1
8 8 5.3322E-05
9 9 a2
10 10 -7.5899E-06
11 11 a3
12 12 3.6719E-08
a b

A B C A B C
1 Berechnung der Dichte von Wasser 1 Berechnung der Dichte von Wasser nach Gleichung 2-4
2 nach Gleichung 2-4 2 (aus dem reizenden Buch von Dan Harris)
3 (aus dem reizenden Buch von Dan Harris) 3
4 Konstanten: Temp. (°C) Dichte (g/mL) 4 Konstanten: Temp. (°C) Dichte (g/mL)
5 a0 5 0.99997 5 a0 5 0.99997
6 0.99989 10 6 0.99989 10 0.99970
7 a1 15 7 a1 15 0.99911
8 5.3322E-05 20 8 5.3322E-05 20 0.99821
9 a2 25 9 a2 25 0.99705
10 -7.5899E-06 30 10 -7.5899E-06 30 0.99565
11 a3 35 11 a3 35 0.99403
12 3.6719E-08 40 12 3.6719E-08 40 0.99223
13
c
14 Formel:
Abb. 2.22 Entwicklung eines Arbeitsblatts zur Berechnung der 15 C5 $A$6 $A$8*B5 $A$10*B5^2 $A$12*B5^3
Dichte von Wasser. d
2.10 · Einführung in Microsoft Excel® 57

Arbeitsblatt. Im Output erscheinen die berechneten Werte der Dichte in der Spalte C. Formeln beginnen mit einem Gleich-
Schreiben Sie dazu nun in die Zelle C4 die Überschrift „Dichte (g/mL)“. Jetzt kommen heitszeichen
wir mit der Zelle C5 zur wichtigsten Zelle im ganzen Arbeitsblatt. In diese schreiben Sie Arithmetische Rechenoperationen in
die folgende Formel: einem Arbeitsblatt sind
+ Addition 2
= $A$6 + $A$8 * B5 + $A$10 * B5^2 + $A$12 * B5^3
– Subtraktion
Hierbei spielt es keine Rolle, ob Sie zwischen den Rechenzeichen Leerzeichen setzen * Multiplikation
oder nicht. Wenn Sie nun bei markierter Zelle C5 die Eingabetaste drücken, erscheint / Division
in ihr die Zahl 9,9997E-01. Die oben stehende Gleichung ist die Arbeitsblatt-Überset- ^ Potenzierung
zung der Gleichung 2.4. $A$6 bezieht sich dabei auf die Konstante in der Zelle B5. Das
$-Zeihen werden wir gleich noch erklären. B5 bezieht sich auf die Temperaturangabe
dieser Zelle. Das Multiplikationszeichen ist * und zum Potenzieren wird in Excel ^ ver-
wendet. So bedeutet zum Beispiel „$A$12*B5^3“ (Inhalt der Zelle A12) × (Inhalt der
Zelle B5)3“.
Nun kommen wir zur größten „Zauberei“ bei der Tabellenkalkulation. Markieren Sie
die Zelle C5 und die darunter liegenden leeren Zellen von C6 bis C12. Gehen Sie dann
im Startmenü auf die rechte Seite in der Rubrik „Bearbeiten“ und klicken auf den nach
unten gerichteten Pfeil und „unten“. In früheren Excel-Versionen wählt man im Menü
„Bearbeiten“ die Option „nach unten Ausfüllen“ aus. Excel kopiert dabei die Formel von
C5 in die darunter liegenden Zellen und berechnet das Ergebnis in jeder Zelle. Nun er-
scheint in der Spalte C die Dichte des Wassers bei den entsprechenden Temperaturen wie
in Abbildung 2.22d. Sie können im Startmenü durch das Klicken auf den rechten Pfeil
unten rechts, in der Rubrik Zahl, zwischen der Dezimal- oder der wissenschaftlichen
Anzeige wählen und sich unter „Zellen formatieren“ die Zahlen mit 5 Dezimalstellen
anzeigen lassen.
Das Arbeitsblatt behandelt Zahlen anders als Text. Bei unserem Beispiel haben wir
drei verschiedene Arten von Einträgen gemacht. Beschriftungen wie „a0 =“ wurden als
Text eingetragen. Einträge, die nicht mit einer Zahl oder einem Gleichheitszeichen be-
ginnen, werden immer als Text behandelt. Wir haben Zahlen, wie 25, in einige Zellen
eingegeben. In die Zelle C5 haben wir eine Formel eingegeben, die unbedingt mit einem
Gleichheitszeichen beginnen muss.

Arithmetische Rechenoperation und Funktionen


Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division und Potenzierung haben die Symbole +,
–, *, / und ^. Funktionen wie zum Beispiel Exp(.) können entweder in die Zellen einge-
tippt oder vom Menü „Formeln“ eingegeben werden. In früheren Excel-Versionen wählen
Sie im Menü „Einfügen“ die Option Funktionen. Exp(.) erhebt die erste in der Klammer
stehende Zahl in die durch die zweite Zahl in der Klammer ausgedrückte Potenz zur Basis
e. Andere Funktionen wie Ln(.), Log(.), Sin(.), Cos(.) sind ebenfalls verfügbar.
Die arithmetischen Rechenoperationen beginnen mit der Inversion, gefolgt von ^, Reihenfolge der Operationen
danach folgen * und / (in der Reihenfolge der Anordnung von links nach rechts) und sie 1. Inversion (ein Minuszeichen vor
werden von + und – (ebenfalls von links nach rechts) abgeschlossen. Benutzen Sie dabei dem Term)
so oft wie möglich Klammern, um sicher zu gehen, dass der Computer auch das tut, was 2. Potenzieren
Sie vorhaben. Der in Klammern stehende Inhalt wird immer vor den Termen außerhalb 3. Multiplikation und Division (von
der Klammer berechnet. Hier sind einige Beispiele: links nach rechts)
4. Addition und Subtraktion (von links
9/5 * 100 + 32 = (9/5) * 100 + 32 = (1.8) * 100 + 32 = (1.8 * 100) + 32 = (180) + 32 = 212
nach rechts)
9/5 * (100 + 32) = 9/5 * (132) = (1.8) * (132) = 237.6
Die in Klammer stehenden Terme
9 + 5 * 100/32 = 9 + (5 * 100)/32 = 9 + (500)/32 = 9 + (500/32) = 9 + (15.625) = 24.625
werden zuerst berechnet.
9/5^2 + 32 = 9/(5^2) + 32 = (9/25) + 32 = (0.36) + 32 = 32.36
–2^2 = 4 aber –(2^2) = –4
Wenn Sie im Zweifel sind, wie ein Term richtig berechnet wird, setzen Sie Klammern, um
Ihren beabsichtigten Rechenweg ablaufen zu lassen.
58 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Dokumentation und Lesbarkeit


Dokumentation bedeutet Beschrif- Die erste wichtige Dokumentation im Arbeitsblatt ist der Name der Datei. Ein Name
tung. Falls ein anderer Ihr Arbeits- wie „Expt 10 Gran Plot“ sagt mehr aus als „Chem Lab“. Die nächste wichtige Sache ist
blatt ohne Ihre Hilfe nicht versteht, ein Titel in den oberen Zeilen, welcher den Zweck des Arbeitsblatts beschreibt. Um zu
müssen Sie es besser beschriften. zeigen, welche Formeln im Arbeitsblatt verwendet werden, wird in eine untere Zeile die
(Das gleiche gilt übrigens auch für Formel als Text eingetragen. In die Zelle A14 schreiben Sie „Formel:“ und in die Zelle
Ihr Laborjournal!) A15 fügen Sie„C5 = $A$6 + $A$8*B5+$A$10* B5^2 +$A$12 B5^3“ ein. Der sicherste
Weg zur Dokumentierung einer Formel ist das Kopieren des Textes der Formel in die
Formelleiste der Zelle C5. Gehen Sie dazu zur Zelle A15 und tippen „C5“ und fügen den
Text der Formel ein.
Wir haben die Lesbarkeit der Daten im Arbeitsblatt dadurch verbessert, dass wir eine
Zahl entweder im dezimalen oder wissenschaftlichen Format auswählten und dann ange-
geben haben, wie viele Dezimalstellen angezeigt werden sollen. Das Arbeitsblatt behält die
zusätzlichen Kommastellen im Speicher, auch wenn vielleicht nur 5 angezeigt werden.

Absolute und Relative Bezüge


Absoluter Bezug: $A$8 Die Formel „ = $A$8*B5“ bezieht sich in unterschiedlicher Weise auf die Zellen A8 und
Relativer Bezug: B5 B5. $A$8 wird als absoluter Bezug zum Inhalt der Zelle A8 bezeichnet. Unabhängig davon,
von wo aus die Zelle $A$8 im Arbeitsblatt aufgerufen wird, sucht Excel in der Zelle A8
nach einer Zahl. „B5“ ist ein relativer Bezug in der Formel in C5. Wenn die Formel von
Sichern Sie regelmäßig Ihre der Zelle C5 aufgerufen wird, schaut Excel in die Zelle B5 und findet eine Zahl. Wird die
Dateien, mit denen Sie arbeiten Formel von der Zelle C6 aufgerufen, schaut Excel in die Zelle B6 und findet eine Zahl.
und speichern Sie die Daten, vor Geschieht dasselbe von der Zelle C19 aus, schaut Excel in die Zelle B19 … usw. Deshalb
allen Dingen solche, die Sie um werden die Zellen, die ohne ein $-Zeichen geschrieben werden, als relativer Bezug be-
keinen Preis verlieren möchten. zeichnet. Wenn Excel aber bei einer Berechnung immer in der Zelle B5 suchen soll, muss
konsequent „$B$5“ geschrieben werden.

2.11 Die Verwendung von Diagrammen


mit Microsoft Excel
Diagramme sind entscheidend für das Verständnis quantitativer Beziehungen. Zum Erstel-
len eines Excel-Diagramms aus dem Arbeitsblatt in Abbildung 2.22d, gehen Sie im Menü
auf „Einfügen“ und wählen aus der Rubrik „Diagramme“ das Zeichen „Punkt“. Nun wäh-
len Sie den Diagrammtyp „Punkte mit interpolierten Linien und Datenpunkten“ aus. Zie-
hen Sie das leere Diagramm mit der Maus neben die Daten Ihres Arbeitsblattes. Im Menü
finden Sie jetzt die Rubrik „Diagrammtools“ und klicken auf „Daten auswählen“. Im nun
geöffneten Fenster „Datenquelle auswählen“ schreiben Sie für den Reihennamen „Dichte“
(ohne Anführungszeichen). Für die x-Werte markieren Sie die Zellen B5:B12 und für die
y-Werte löschen Sie den vorhanden Eintrag und markieren C5:C12. Abschließend klicken
Sie zweimal OK.
Wenn Sie nun auf die Grafik klicken, öffnet sich das Fenster „Zeichnungsfläche for-
matieren“. Sie haben hier die Möglichkeit durch entsprechende Auswahl der Formatie-
rung die Farben der Diagrammfläche und deren Rahmen auszuwählen. Zum Ausfüllen
wählen Sie „Einfarbige Füllung“ und als Farbe weiß. Für die Rahmenfarbe wählen wir aus
„Einfarbige Linie“ und die Farbe Schwarz. Wir haben nun eine weiße Fläche mit einem
schwarzen Rahmen vor uns.
Um den Titel für die x-Achse hinzuzufügen, wählen Sie unter „Diagrammtools“ Lay-
out. Hier klicken wir auf das Icon „Achsentitel hinzufügen“ und danach auf „Titel der
horizontalen Primärachse“ und wählen „Titel unter der Achse“ aus. Es erscheint „Achsen-
titel“ unter der x-Achse. Sie können den Bereich markieren und mit „Temperatur °C“
überschreiben. Genauso gehen Sie für die Bezeichnung der y-Achse vor: Klicken Sie dazu
auf „Titel der vertikalen Primärachse“ und wählen „Gedrehter Titel“ aus. Es erscheint wie-
der der „Achsentitel“ neben der y-Achse. Wir können den Bereich wieder markieren und
2.11 · Die Verwendung von Diagrammen mit Microsoft Excel 59

mit „Dichte g/mL“ überschreiben. Wählen Sie jetzt die Überschrift, die über der Abbil-
dung steht und löschen diese mit der Löschtaste. Jetzt sieht Ihr Diagramm wahrscheinlich
so aus wie in Abbildung 2.23.
Nun wird das Diagramm so verändert, dass es wie in Abbildung 2.24 dargestellt wird.
Dazu klicken wir auf die Kurve, damit alle Datenpunkte markiert werden. Falls nur ein 2
Datenpunkt markiert wird, klicken Sie an einer anderen Stelle erneut bis alle Punkte mar-
kiert sind. Im Menübereich „Aktuelle Auswahl“ wählen wir nun „Auswahl formatieren“.
Es öffnet sich das Fenster „Datenreihe formatieren“. Klicken Sie hier unter „Markierungs-
optionen“ auf „integriert“ und wählen als Punktmarkierung den Kreis mit der Größe 6
Punkte aus. Unter Markierungsfüllung wählen Sie „Einfarbige Füllung“ und eine Farbe
Ihrer Wahl. Unter Markierungslinienfarbe wählen wir „Einfarbige Linie“ und die gleiche
Farbe wie die der Markierungsfüllung aus. Um das Aussehen der Kurve im Diagramm zu
ändern, verwenden wir „Linienfarbe“ und „Linienart“. Nun erstellen Sie eine schwarze
durchgehende Linie mit der Breite von 1.5 Punkten.
Um das Aussehen der y-Achse zu verändern, klicken Sie auf eine Zahl der y-Achse.
Nun sind alle Zahlen markiert. Wählen Sie unter Diagrammtools im Bereich „Format“
aus „Auswahl formatieren“. Die Box „Achse formatieren“ erscheint. Unter Achsenoptio-
nen wählen Sie „Minimum“ und „Fest“ aus. Hier setzen wir den Wert auf 0.992. Unter
Maximum wählen wir „Fest“ und setzen den Wert auf 1.000. Um das Hauptintervall
festzulegen, klicken wir „Fest“ und setzen den Wert auf 0.002, während das Hilfsintervall
mit „Fest“ und dem Wert von 0.0004 festgelegt wird. Nun wählen wir für Haupt- und
Hilfsstrichtyp „Außen“ und unter „Zahl“ die Anzeige von 3 Dezimalstellen. Jetzt schlie-
ßen wir das „Achse formatieren“-Fenster zum Abschluss der Arbeit an der y-Achse. In
analoger Weise gehen wir nun bei der Umformatierung der x-Achse vor. Hier wählen wir
eine Zahl der x-Achse aus und verändern Sie so, dass sie wie in Abbildung 2.24 aussieht:
wir setzen das Minimum auf 0, das Maximum auf 40, das Hauptintervall auf 10 und das
Hilfsintervall auf 5. Auch hier wählen wir für Haupt- und Hilfsstrichtyp „Außen“. Um
vertikale Gitternetzlinien zuzufügen, gehen wir unter Diagrammtools im Bereich Layout
auf „Gitternetzlinien“. Hier können wir die vertikalen und horizontalen Gitternetzlinien
in das Diagramm einfügen. Weiterhin können wir nun das Diagramm mit einem Titel
versehen. Unter Diagrammtools im Bereich Layout wählen wir unter Diagrammtitel
„über Diagramm“ aus und überschreiben den Text in der Box mit „Dichte von Wasser“.
Als Schriftgröße wählen wir aus dem Startmenü 10 Punkte aus. Unser Diagramm sollte
nun ungefähr so wie in Abbildung 2.24 aussehen. Wir können den Diagrammbereich
jeweils an den Ecken mit Hilfe der Maus vergrößern oder verkleinern.

A B C D E F G H
1 Berechnung der Dichte von Wasser nach Gleichung 2-4
2
3 1.00100
4 Konstanten: Temp. (°C) Dichte (g/mL) 1.00000
5 a0 = 5 0.99997 0.99900
6 0.99989 10 0.99970 0.99800
Dichte (g/mL)

Dichte
7 a1 = 15 0.99911 0.99700
8 5.3322E-05 20 0.99821 0.99600
9 a2 = 25 0.99705 0.99500
0.99400
10 −7.5899E-06 30 0.99565
0.99300
11 a3 = 35 0.99403
0.99200
12 3.6719E-08 40 0.99223
0.99100
13 0 10 20 30 40 50
14 Formel: Temperatur (°C)
15 C5 = $A$6+$A$8*B5+$A$10*B5^2+$A$12*B5^3
16
17

Abb. 2.23 Mit Hilfe von Excel erstelltes Dichte-Diagramm.


60 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Dichte von Wasser Wenn Sie etwas in das Diagramm schreiben wollen, gehen Sie unter dem Menüpunkt
1.000 „Einfügen“ auf „Textfeld“ und klicken dort auf den Diagrammbereich, in den der Text
0.998
eingefügt werden soll. Zur Formatierung der Box können Sie deren Rand anklicken und
Dichte (g/mL)

dann unter der Registerkarte „Format“ Fülleffekt und Kontur wählen. Um Pfeile oder
0.996 Linien hinzuzufügen, wählen Sie unter „Einfügen“ die Rubrik „Formen“ aus. Zur Ände-
rung des Symbols der Datenpunkte klicken Sie auf einen Punkt. Im Menü Diagrammtools
0.994
können Sie unter der Registrierkarte „Entwurf “ das Aussehen der Datenpunkte und der
0.992
Linie verändern.
0 10 20 30 40
Temperatur (°C) Wichtige Begriffe
> Absorption > Adsorption > aschefreie Filter > Auftrieb > Bürette > Exsikka-
Abb. 2.24 Dichte-Diagramm nach tor > Filtrat > glühen > Grüne Chemie > hygroskopisch > Kalibrierung > Menis-
Umformatierung.
kus > Messkolben > Mutterlauge > Parallaxe > Pipette > Säurewäsche > Tara

Zusammenfassung
Die Arbeitssicherheit erfordert, dass man seine Laborarbeit gut vorbereitet und keine
gefährlichen Experimente macht. Sie müssen sich mit allen Arbeitsschutzmitteln und -ge-
räten auskennen: Schutzbrille, Abzüge, Laborbekleidung, Schutzhandschuhe, Laborbrause,
Augenspülung und Feuerlöscher. Alle Chemikalien müssen so aufbewahrt und verwendet
werden, dass niemand mit diesen Feststoffen, Flüssigkeiten oder Dämpfen in Kontakt
kommt. Umweltfreundliche Entsorgungsverfahren für alle von Ihnen verwendeten Chemi-
kalien müssen bereits vor Arbeitsbeginn festgelegt werden. Das Laborprotokoll enthält al-
les, was Sie gemacht und beobachtet haben; es muss auch von anderen verstanden werden.
Ihr Laborbuch sollte Ihnen die Wiederholung der Experimente in gleicher Weise auch in
der Zukunft ermöglichen. Sie müssen die prinzipielle Funktionsweise elektronischer und
mechanischer Waagen kennen und diese als sehr empfindliche Geräte behandeln. Für sehr
genaue Wägungen ist eine Auftriebskorrektur erforderlich. Büretten müssen in reprodu-
zierbarer Weise abgelesen werden. Um gute Ergebnisse zu erhalten, lässt man die Flüssig-
keit langsam auslaufen. Zwischen den Markierungen wird interpoliert. Man erzielt damit
eine Genauigkeit, die eine Dezimalstelle größer als die Einteilung ist. Messkolben werden
zur Herstellung von Lösungen mit bekanntem Volumen verwendet. Vollpipetten liefern
festgelegte, die weniger genauen Messpipetten variable Volumina. Lassen Sie sich nicht von
der hübschen digitalen Ablesung der Mikropipetten einlullen. Wenn Sie die Mikropipette
nicht erst vor kurzem kalibriert und auch ihre eigene Fertigkeit überprüft haben, können
Sie riesige Fehler machen. Die Sammlung und Filtration von Niederschlägen erfordert
die gleiche Sorgfalt wie das Trocknen der Reagenzien, Niederschläge und Glasgeräte in
Trockenschränken und Exsikkatoren. Die volumetrischen Glasgeräte werden durch Wä-
gen des Wassers, mit dem das Gefäß gefüllt wird oder aus dem vollen Gefäß herausläuft,
kalibriert. Bei sehr anspruchsvollen Messungen muss der Einfluss der Temperatur auf die
Konzentrationen der Lösungen und auf die Volumina der Gefäße berücksichtigt werden.
Wenn Sie mit der Tabellenkalkulation arbeiten wollen, müssen Sie wissen, wie man
Gleichungen in die Tabellen einträgt und wie eine Grafik aus den Daten der Rechnung
gezeichnet wird.

Übungen
2-A. Wie groß ist die wahre Masse einer Wasserprobe, wenn die Masse bei Atmosphären-
druck 5.397 4 g beträgt? Hinweis: Wenn Sie den Wert der Dichte von Wasser suchen, neh-
men Sie als Labortemperatur (a) 15 °C und (b) 25 °C an. Die Dichte der Luft sei 0.001 2 g/
mL und die der Wägestücke 8.0 g/mL.

2-B. Eine durch Glühen eines gravimetrischen Niederschlags erhaltene Probe Eisenoxid
(Fe2O3, Dichte = 5.24 g/mL) wiegt bei Normaldruck 0.296 1 g. Wie ist die wahre Masse
im Vakuum?

2-C. Für eine Kaliumpermanganat-Lösung (KMnO4) erhielt man durch Titration bei
24 °C eine Konzentration von 0.051 38 M. Wie ist die Konzentration, wenn die Labortem-
peratur auf 16 °C fällt?
Übungen 61

2-D. Wasser wurde aus einer Bürette zwischen den Markierungen bei 0.12 und 15.78 mL
abgelassen. Das scheinbare Volumen beträgt 15.78‒0.12 = 15.66 mL. Die Masse des Was-
sers (an Luft bei 22 °C) war 15.569 g. Wie groß war das wahre Volumen?

2-E. Wiederholen Sie die Tabellenkalkulation in Abbildung 2.23 und für Abbildung 2
2.24.

Referenzverfahren: Kalibrierung einer 50 mL-Bürette

Dieses Verfahren beschreibt die Konstruktion einer Grafik, wie z. B. Abbildung 3.3,
mit der das aus einer Bürette entnommene Volumen in das wahre Volumen bei
20 °C umgerechnet wird.

0. Messen Sie die Labortemperatur. Das destillierte Wasser in diesem Experiment muss
die Labortemperatur haben.
1. Füllen Sie die Bürette mit destilliertem Wasser und beseitigen Sie alle Luftblasen aus
der Spitze. Überprüfen Sie, dass die Bürette beim Auslaufen keine Tropfen an der
Wand hinterlässt. Wenn Tropfen zurückbleiben, muss die Bürette mit Seifenlösung
und Wasser oder der Reinigungslösung15 gesäubert werden. Stellen Sie den Menis-
kus auf 0.00 mL oder leicht darunter ein und berühren Sie mit einem Becherglas die
Bürettenauslaufspitze, um einen anhängenden Wassertropfen zu beseitigen. Lassen
Sie die Bürette 5 min stehen und wägen Sie einen 125 mL-Kolben mit einem Gum-
mistopfen. (Halten Sie den Kolben mit einem Tuch, nicht mit den Händen, um Mas-
senänderungen durch Fingerspuren zu vermeiden.) Wenn sich das Flüssigkeitsniveau
in der Bürette geändert hat, muss der Absperrhahn abgedichtet werden und die Pro-
zedur beginnt von vorn. Notieren Sie den Flüssigkeitsstand.
2. Lassen Sie ca. 20 mL Wasser mit einer Geschwindigkeit von <20 mL/min in den ge-
wogenen Kolben fließen und schließen Sie ihn dicht ab, um jede Verdunstung zu ver-
meiden. Lassen Sie den Flüssigkeitsfilm ca. 30 s in der Bürette absetzen, ehe Sie die
Bürette ablesen. Schätzen Sie alle Ablesungen auf den nächsten 0.01 mL-Wert. Wägen
Sie den Kolben erneut, um die Masse des gelieferten Wassers zu bestimmen.
3. Nun lassen Sie aus der Bürette das Volumen zwischen 10 bis 20 mL ab und bestim-
men dessen Masse. Das wiederholen Sie für 30, 40 und 50 mL. Dann wiederholen Sie
das ganze Verfahren (10, 20, 30, 40 und 50 mL) ein zweites Mal.
4. Wandeln Sie mit Tabelle 2.7 die ausgeflossenen Wassermassen in die entsprechenden
Volumina um. Wiederholen Sie alle Gruppen von Doppelbestimmungen zur Büret-
tenkorrektur, die nicht innerhalb von 0.04 mL übereinstimmen. Fertigen Sie entspre-
chend Abbildung 3.3 eine Kalibrationskurve zur Anzeige des Korrekturfaktors für
jedes 10-mL-Intervall an.

> Beispiel
Bürettenkalibrierung
Beim Ablassen einer Bürette bei 24 °C werden folgende Werte erhalten:

Endablesung 10.01 10.08 mL


Anfangsablesung 0.03 0.04
Differenz 9.98 10.04 mL
Masse 9.984 10.056 g
Tatsächliches Volumen 10.02 10.09 mL
Korrektur +0.04 +0.05 mL
Durchschnittskorrektur +0.045 mL

Um das tatsächliche Volumen für die bei 24 °C ausgeflossene Wassermasse zu berechnen,


sehen Sie in Tabelle 2.7 in der Spalte „korrigiert auf 20 °C“ nach. In der Zeile für 24 °C finden
Sie, dass 1.000 0 g Wasser ein Volumen von 1.003 8 mL einnimmt. Daraus folgt für das
62 Kapitel 2 · Handwerkszeug des Analytikers

Volumen für 9.984 g (9.984 g)(1.003 8 mL/g) = 10.02 mL. Die durchschnittliche Korrektur
für beide Datensätze beträgt +0.045 mL.
Für die Korrektur eines größeren Volumens als 10 mL werden aufeinander folgende
Wassermassen in den Kolben gegeben. Wir nehmen an, dass folgende Massen gemessen
wurden:

Volumenbereich (mL) Abgeflossene Masse

0.03–10.01 9.984
10.01–19.90 9.835
19.90–30.06 10.071
Summe: 30.03 mL 29.890 g

Das insgesamt ausgeflossene Wasservolumen beträgt (29.890 g)(1.003 8 mL/g) = 30.00 mL.
Für das angezeigte Volumen von 30.03 mL gilt somit eine Bürettenkorrektur von –0.03 mL.

Was bedeutet das? Nehmen Sie an, dass die Abbildung 3.3 für Ihre Bürette gilt. Wenn
Sie eine Titration bei 0.04 mL beginnen und bei 29.00 mL beenden, hätten Sie bei einer
einwandfreien Bürette 28.96 mL abgelassen. Abbildung 3.3 zeigt, dass die Bürette 0.03 mL
weniger als angezeigt liefert, so dass tatsächlich nur 28.93 mL abgelassen wurden. Um die
Kalibrationskurve richtig zu nutzen, sollte man alle Titrationen in der Nähe von 0.00 mL
beginnen oder man muss Anfangs- und Endablesung korrigieren. Sie sollten bei jeder
Verwendung Ihrer Bürette die Kalibrationkurve benutzen.
3 Experimenteller Fehler

Experimenteller Fehler

Die Ergebnisse aus dem Labor sind da:


John Smith ist schwanger.

Einige Fehler im Labor sind offensichtlicher als andere, aber Fehler treten bei jeder
Messung auf. Es ist unmöglich, den „wahren Wert“ zu messen. Das Beste, was wir
bei einer chemischen Analyse machen können, ist die sorgfältige Anwendung einer
Methode, die nach unserer Erfahrung zuverlässig ist. Die Wiederholung der Messun-
gen gibt uns die Reproduzierbarkeit (Präzision) der Messung an. Wenn wir die gleiche
Menge mit verschiedenen Methoden bestimmen und die Resultate untereinander
übereinstimmen, können wir annehmen, dass wir uns in der Nähe der „Wahrheit“
(Richtigkeit) befinden.

Wir wollen annehmen, dass die Dichte eines Minerals durch Ermittlung seiner Masse
(4.635 ± 0.002 g) und seines Volumens (1.13 ± 0.05 mL) bestimmt wurde. Dichte bedeutet
Masse pro Volumeneinheit, also 4.635 g/1.13 mL = 4.101 8 g/mL. Die Unsicherheiten bei
der Masse- bzw. Volumenmessung sind 0.002 g bzw. 0.05 mL, aber wie groß ist die Un-
sicherheit bei der berechneten Dichte? Und wie viele signifikante Ziffern sollten für die
Dichteangabe verwendet werden? In diesem Kapitel wird die Fortpflanzung der Unsicher-
heit bei Laborberechnungen behandelt.

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
64 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

3.1 Signifikante Ziffern

Signifikante Ziffern: Mindestzahl Die Anzahl der signifikanten Ziffern ist die Mindestzahl von Stellen, die benötigt wird,
der Stellen, die bei wissenschaftlichen um einen gegebenen Zahlenwert bei wissenschaftlichen Angaben ohne Verlust an Präzi-
Angaben notwendig sind, um einen sion anzugeben. Die Zahl 142.7 hat vier signifikante Ziffern, denn sie kann als 1.427 × 102
Zahlenwert ohne Verlust an Präzision geschrieben werden. Wenn man 1.427 0 × 102 schreibt, würde dies bedeuten, dass man den
anzugeben. Wert der Stelle hinter der 7 kennt, das ist aber für die Zahl 142.7 nicht der Fall. Die Zahl
1.427 0 × 102 besteht daher aus fünf signifikanten Ziffern.
Die Zahl 6.302 × 10-6 hat vier signifikante Ziffern, da alle vier Stellen notwendig sind.
Man kann die gleiche Zahl auch als 0.000 006 302 schreiben, die auch nur vier signifikante
Ziffern hat. Die Nullen links von der 6 dienen bloß zur Angabe der Dezimalstellen. Die
Zahl 92 500 ist im Hinblick auf die Zahl der signifikanten Ziffern mehrdeutig. Sie kann
nämlich das folgende bedeuten:
9.25 × 104 3 signifikante Ziffern
9.250 × 104 4 signifikante Ziffern
9.250 0 × 104 5 signifikante Ziffern
Daher sollte man besser eine der drei obenstehenden Zahlen anstelle der 92 500 schrei-
ben, um anzugeben, wie viele Ziffern tatsächlich bekannt sind.
Die fettgedruckten Nullen sind signifi- Die Null ist eine signifikante Ziffer, wenn sie an folgenden Stellen steht: (1) in der
kant: 106; 0.010 6; 0.106; 0.106 0 Mitte einer Zahl oder (2) am Ende einer Zahl, rechts vom Dezimalpunkt.
Die letzte (am weitesten rechts stehende) signifikante Ziffer in einer Messgröße ist
immer fehlerbehaftet. Der minimale Fehler in der letzten Stelle beträgt ± 1. Die Skala des
Spectronic 20 Spektralphotometers ist in Abbildung 3.1 dargestellt. Der Zeiger steht bei
einem Extinktionswert von 0.234. In diesem Fall haben wir drei signifikante Ziffern, denn
die Zahlen 2 und 3 sind vollständig sicher und die Zahl 4 ist ein Schätzwert. Man könnte
auch 0.233 oder 0.235 ablesen. Die prozentuale Durchlässigkeit liegt bei 58.3. Da die
Durchlässigkeitsskala an diesem Punkt enger als die Absorptionsskala ist, wird der Fehler
bei der letzten Stelle der Durchlässigkeit wahrscheinlich größer sein. Mit einer vernünf-
tigen Abschätzung des Fehlers wird man 58.3 ± 0.2 erhalten. Demnach hat die Zahl 58.3
drei signifikante Ziffern.
Interpolieren: Alle Ablesungen wer- Wenn man die Skala an einem Gerät abliest, sollte man versuchen, zwischen zwei
den auf ein Zehntel des Abstands zwi- Markierungen auf ein Zehntel des Abstandes zu schätzen. So kann man bei einer 50-mL
schen der Skaleneinteilung geschätzt. Bürette, die auf 0.1 mL eingeteilt ist, den Flüssigkeitsstand auf 0.01 mL ablesen. Bei einem
Lineal, das in Millimeter eingeteilt ist, kann die Strecke auf ein Zehntel Millimeter ge-
schätzt werden.
Eine Messunsicherheit tritt bei jeder gemessenen Größe auf, selbst wenn das Messgerät
eine Digitalanzeige besitzt, die nicht schwankt. Wenn ein Digital-pH-Meter einen pH-
Wert von 3.51 anzeigt, ist die Ziffer 1 unsicher (vielleicht sogar auch die 5). Im Gegensatz
hierzu: ganze Zahlen sind immer genau. Um die durchschnittliche Größe von vier Perso-
nen zu bestimmen, dividiert man die Summe der Einzelgrößen (die als gemessene Werte
eine Unsicherheit haben) durch die ganze Zahl 4. Es sind genau vier Personen und nicht
4.000 ± 0.002 Leute!

Prozentuale Durchlässigkeit
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abb. 3.1 Analog-Skala des Bausch &


Lomb Spectronic 20 Spektralphotome-
ters. Die prozentuale Durchlässigkeit
hat eine lineare und die Extinktion eine ∞ 2 1.0 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.05 0
logarithmische Skala. Extinktion
3.2 · Signifikante Ziffern in der Arithmetik 65

3.2 Signifikante Ziffern in der Arithmetik

In diesem Abschnitt wird behandelt, wie viele Stellen man beibehalten muss, nachdem
arithmetische Operationen mit den Messwerten vorgenommen worden sind. Rundungen
sollten nur mit dem Endergebnis (nicht mit Zwischenergebnissen) durchgeführt werden,
um eine Anhäufung von Rundungsfehlern zu vermeiden.
3
Addition und Subtraktion
Wenn die Zahlen, die addiert oder subtrahiert werden, die gleiche Stellenzahl haben, hat
das Ergebnis die gleiche Stellenzahl wie die einzelnen Zahlen:
1.362 × 10-4
+ 3.111 × 10-4
4.473 × 10-4
Die Anzahl der signifikanten Ziffern im Ergebnis kann aber auch größer oder kleiner sein
als in den Einzeldaten.
5.345 7.26 × 1014
+ 6.728 – 6.69 × 1014
12.073 0.57 × 1014
Wenn die Zahlen, die man addiert, nicht die gleiche Anzahl signifikanter Ziffern haben, Das Periodensystem im Einband dieses
werden wir durch die letzte sichere Ziffer begrenzt. So ist zum Beispiel die Molekülmasse Buchs gibt die Unsicherheit bei der
von KrF2 nur auf drei Dezimalstellen bekannt, da wir die Atommasse von Kr nur auf drei letzten Ziffer der Atommasse an:
Dezimalstellen kennen: F: 18.998 403 2 ± 0.000 000 5
Kr: 83.798 ± 0.002
18.998 403 2 (F)
+ 18.998 403 2 (F)
+ 83.798 (Kr)
121.794 806 4


nicht signifikant

Die Zahl 121.794 806 4 muss daher auf 121.795 als Ergebnis gerundet werden.
Beim Runden betrachtet man alle Stellen hinter der letzten anzugebenden Ziffer. Im Regeln für das Runden von Zahlen
obigen Beispiel liegen die Ziffern 806 4 hinter der letzten signifikanten Dezimalstelle. Da
diese Zahl größer als die Hälfte der Differenz bis zur nächsthöheren Ziffer ist, runden wir
die 4 zu einer 5 auf, d. h., wir runden auf 121.795. Wenn die nichtsignifikante Ziffer klei-
ner ist als 5, runden wir ab, z. B. 121.794 3 wird auf 121.794 abgerundet.
In dem speziellen Fall, bei dem die zu betrachtende Ziffer genau 5 ist, runden wir
zur nächsten geraden Ziffer. So wird 43.55 auf 43.6 gerundet, wenn wir nur drei signi-
fikante Ziffern betrachten. Aus der Zahl 1.425 × 10-9 wird 1.42 × 10-9, wenn wir nur eine
dreistellige Zahl haben wollen. Die Zahl 1.425 01 × 10-9 wird 1.43 × 10-9, da 501 oberhalb
500 liegt. Wenn man immer zur nächsten geraden Zahl rundet, wird eine systematische
Zunahme oder Abnahme der Ergebnisse durch aufeinanderfolgende Rundungsfehler
vermieden. Wenn man diese Rundungsregel konsequent anwendet, wird genau zur Hälfte
auf- bzw. abgerundet.
Bei der Addition oder Subtraktion von wissenschaftlichen Zahlenangaben werden alle Addition und Subtraktion: Man
Zahlen zunächst so umgewandelt, dass sie in der gleichen Größenordnung liegen: drückt alle Zahlen in der gleichen
Zehnerpotenz aus und ordnet sie in
1.632 × 105 1.632 × 105 Bezug auf die Dezimalstellen. Die Zahl
+ 4.107 × 103 + 0.411 07 × 105 mit den wenigsten Dezimalstellen
+ 0.984 × 106 + 9.84 × 105 bestimmt die Dezimalstellen bei der
11.51 × 105. Rundung des Ergebnisses.

Die Summe 11.513 07 × 105 wird auf 11.51 × 105 gerundet, da uns die Zahl 9.84 × 105 auf
zwei Dezimalstellen begrenzt, wenn alle Zahlen als Vielfache von 105 angegeben werden.
66 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

Multiplikation und Division


Bei der Multiplikation und Division ergibt sich die Zahl der Stellen im Ergebnis aus der
Zahl mit den wenigsten signifikanten Ziffern. Zum Beispiel

3.26 × 10-5 4.317 9 × 1012 34.60


× 1.78 × 3.6 × 10-19 ÷ 2.46287
5.80 × 10-5 1.6 × 10-6 14.05

Die Zehnerpotenzen haben keinen Einfluss auf die Zahl der Stellen, die erhalten bleiben.
Im Abschnitt über die Regeln für signifikante Ziffern auf Seite 59 wird erklärt, warum es
sinnvoll ist, eine zusätzliche Stelle anzugeben, wenn die erste Ziffer der Lösung eine 1 ist.
Das oben gezeigte mittlere Produkt könnte als 1.55 × 10-6 statt 1.6 × 10-6 angegeben wer-
den, um zu vermeiden, dass etwas von der Präzision des Faktors 3.6 in der Multiplikation
verloren geht.

Logarithmen und Antilogarithmen


In der Gleichung n = 10a ist a der dekadische (auf die Basis 10 bezogene) Logarithmus
von n.

Logarithmus von n: n = 10a bedeutet log n = a (3.1)

10-3 = 1/103 = 1/1000 = 0.001 So ist z. B. 2 der Logarithmus von 100, denn 100 = 102. Der Logarithmus von 0.001 ist –3,
denn 0.001 = 10-3. Um den Logarithmus einer Zahl mit dem Taschenrechner zu finden,
gibt man die Zahl ein und drückt die log-Funktion.
In der Gleichung 3.1 wird die Zahl n als Antilogarithmus oder als Numerus bezeich-
net. Das heißt, der Antilogarithmus von 2 ist 100, denn 102 = 100. Der Antilogarithmus
von -3 ist 0.001, denn 10-3 = 0.001. Taschenrechner haben entweder die 10x- oder antilog-
Taste, die zum Aufrufen des Antilogarithmus einer Zahl gedrückt wird.
Ein Logarithmus setzt sich zusammen aus der Mantisse und der Kennziffer (Charak-
teristik).
log 339 = 2.530 Kennziffer = 2 Mantisse = 0.530
log 3.39 × 10-5 = -4.470 Kennziffer = -4 Mantisse = 0.470
Die Zahl der Ziffern in der Mantisse Die Zahl 339 kann als 3.39 × 102 geschrieben werden. Die Anzahl der Stellen in der Man-
von log x ist gleich der Zahl der tisse von log 339 sollte genauso groß sein wie die Zahl der signifikanten Ziffern in der Zahl
signifikanten Ziffern von x: 339. Der Logarithmus von 339 wird damit sinnvoll mit 2.530 angegeben. Die Kennziffer,
-8
2, entspricht dem Exponenten in 3.39 × 102.
log ( 5.403
 × 10 ) = - 7.267
 4 Die folgenden Ergebnisse zeigen, dass die dritte Dezimalstelle die letzte signifikante
4 Stellen 4 Stellen
Stelle ist:
102.531 = 340 (339.6)
102.530 = 339 (338.8)
102.531 = 338 (338.1)
Die Zahlen in Klammern sind die Ergebnisse vor der Rundung auf drei Ziffern. Eine Ver-
änderung des Exponenten um 1 in der dritten Dezimale verändert das Resultat um 1 in
der letzten (dritten) Stelle von 339.
Die Anzahl der Stellen in antilog x Bei der Umwandlung eines Logarithmus in seinen Antilogarithmus (Numerus) muss
(= 10x) = Anzahl der Ziffern in der die Zahl der signifikanten Stellen im Antilogarithmus der Zahl der Stellen in der Mantisse
Mantisse von x: gleich sein, also
antilog (–3.42) = 10-3.42 = 3.8 x 10–4
10
6.142
= 1N
. 39 × 10
6    
3 Stellen zwei zwei zwei
Stellen Stellen Stellen
3.3 · Fehlerarten 67

Die folgenden Beispiele zeigen die richtige Anwendung signifikanter Ziffern für Logarith- 0.8

men und Antilogarithmen:


0.4
log 0.001 237 = -2.907 6 antilog 4.37 = 2.3 × 104
log 1 237 = 3.092 4 104.37 = 2.3 ×104
y 0.0
log 3.2 = 0.51 10-2.600 = 2.51 × 10-3
–0.4
3
Signifikante Ziffern und graphische Darstellungen –0.8
0 5 10 15 20 25
x
Bei der Zeichnung einer graphischen Darstellung mit dem Computer muss man zunächst
überlegen, ob nur das qualitative Verhalten der Daten (Abbildung 3.2) oder genaue Werte Abb. 3.2 Beispiel für eine Darstellung des
mit mehreren signifikanten Ziffern dargestellt werden sollen. Wenn man die Graphik (wie qualitativen Verhaltens der Funktion y =
e-x/6cos x. Diese Abbildung ist nicht geeig-
z. B. die Kalibrationskurve in Abbildung 3.3) benutzen will um Punkte abzulesen, muss sie net, die Koordinaten direkt abzulesen.
an beiden Seiten der horizontalen und vertikalen Skala markiert sein. Noch besser ist ein
feines Raster, das über die Darstellung gelegt wird.
In Aufgabe 3.8 wird gezeigt, wie mit
Gitternetzen in Excel-Grafiken umge-
+ 0.04 gangen wird.

+ 0.02
Korrektur (mL)

0.00
29.43
mL
– 0.02

– 0.04
10 20 30 40 50
ausgeflossenes Flüssigkeitsvolumen (mL)

Abb. 3.3 Kalibrationskurve für eine 50-mL-Bürette. Das ausgeflossene Volumen kann auf Werte zwi-
schen zwei 0.1 mL-Markierungen abgelesen werden. Für eine Bürettenablesung von 29.43 mL findet
man bei 29.4 mL in der Grafik den hinreichend genauen Korrekturfaktor. Der Korrekturfaktor auf der
Ordinate hat für 29.4 mL auf der Abszisse einen Wert von –0.03 mL (als nächster 0.01-mL-Wert).

3.3 Fehlerarten

Jede Messung hat eine gewisse Unsicherheit, die als experimenteller Fehler bezeichnet wird.
Schlussfolgerungen können mit einem hohen oder niedrigen Grad der Zuverlässigkeit,
aber nie mit absoluter Sicherheit gezogen werden. Die experimentellen Fehler werden in
systematische und Zufallsfehler eingeteilt

Systematischer Fehler
Ein systematischer Fehler, auch bestimmter Fehler, entsteht bei einem Defekt in der Der systematische Fehler ist ein gleich-
Ausrüstung oder bei falscher Durchführung des Experiments. Wenn das Experiment in bleibender Fehler, der aufgedeckt und
genau der gleichen Weise wiederholt wird, ist dieser Fehler reproduzierbar. Ein systema- korrigiert werden kann. In Exkurs 3.1
tischer Fehler kann prinzipiell aufgedeckt und korrigiert werden, obwohl das manchmal finden Sie ein Beispiel aus der Umwelt-
nicht einfach ist. analytik.
Zum Beispiel liefert ein pH-Messgerät, das falsch kalibriert worden ist, einen systema-
tischen Fehler. Wenn der pH-Wert der verwendeten Pufferlösung statt der angenommenen
7.00 in Wirklichkeit 7.08 beträgt, werden, wenn keine weiteren Fehler vorliegen, alle pH-
Messungen um 0.08 Einheiten zu niedrig sein. Bei der Ablesung von pH = 5.60 beträgt der
Wert der Probe in Wahrheit 5.68. Dieser systematische Fehler kann festgestellt werden,
wenn ein anderer Puffer mit bekanntem pH-Wert zur Überprüfung verwendet wird.
68 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

Exkurs 3.1

Fallstudie zur Ethik: Systematischer Fehler bei der Luftfeuchtigkeit nicht gestört. Eine tiefgründige Analyse
der Ozon-Messung des Problems führte zu der Hypothese, dass eine Adsorption
Ozon (O3) ist ein giftiges und korrosives Gas, welches die Lunge von Wasser an den Innenflächen der Messzelle das Reflexions-
und alle Lebensformen schädigt. Es entsteht nahe der Erdober- vermögen dieser Oberfläche verändert. Bei einer Sorte von
fläche durch Einwirkung des Sonnenlichts auf Luftschadstoffe, Geräten reflektiert das in der Quarzzelle adsorbierte Wasser
die hauptsächlich aus Automobilabgasen stammen. In Deutsch- weniger Licht als trockener Quarz und erhöht damit den Licht-
land liegt der Grenzwert für Ozon in der Luft bei 120 μg/m3 als verlust durch Absorption in der schwarzen Farbe außerhalb
8-Stunden-Mittelwert. In Gebieten, in denen dieser Wert nicht der Zelle. Diese Geräte liefern falsche, zu hohe Ozon-Werte. Ein
eingehalten wird, müssen die Quellen der Umweltverschmut- anderes Gerät hat eine Aluminiumzelle mit hohem Reflexions-
zung, die zur Ozon-Bildung beitragen, reduziert werden. Fehler vermögen und einer inneren Beschichtung mit Polyvinyliden-
bei der Ozonbestimmung können ernste Folgen für die Gesund- fluorid. Eine Adsorption von Wasser an dieser Beschichtung
heit und die Wirtschaft einer Region haben. verringert die Totalreflexion und erhöht die Strahlungsenergie,
Zur Überwachung der Einhaltung der Grenzwerte wird eine die den Detektor erreicht und erzielt damit falsche, zu nied-
Vielzahl von Instrumenten verwendet. Bei dem Gerät in der Ab- rige O3-Werte. Diese Effekte müssen nicht sehr groß sein. Eine
bildung wird Luft durch eine Zelle von 15 cm Länge gepumpt. Änderung in der Lichtintensität am Detektor von 0.03 % ent-
Die ultraviolette Strahlung einer Quecksilber-Lampe wird von spricht einer Ozon-Änderung von ca.100 μg/m3. Zur Lösung
Ozon teilweise absorbiert. Je mehr Ozon in der Luft enthalten des Problems wurde ein wasserdurchlässiges Schlauchstück
ist, umso weniger kommt von der Strahlung am Detektor an. vor der Absorptionszelle angebracht, um gleiche Feuchtigkeit
Aus der gemessenen Absorbanz berechnet das Gerät die O3- bei der gemessenen und bei der Nullsetzung verwendeten
Konzentration. Im Routineeinsatz stellt das Bedienungspersonal Luft zu erreichen.
nur den Nullpunkt ein, der durch Messung einer ozonfreien Luft- Bereits vor der Aufklärung des Einflusses der Luftfeuchtig-
probe festgelegt wird. In regelmäßigen Abständen erfolgt eine keit auf die O3-Bestimmung war bekannt, dass Ozon-Monitore
Kalibrierung mit einer Probe, deren Ozongehalt bekannt ist. sich an heißen und feuchten Tagen oft fehlerhaft verhalten.
Bei Untersuchung kommerzieller Monitore stellte sich he- Von einigen Leuten wurde vermutet, dass die Hälfte der Regi-
raus, dass kontrollierte Veränderungen der Luftfeuchtigkeit zu onen, die außerhalb der Normen lagen, tatsächlich unter dem
systematischen Fehlern in der scheinbaren O3-Konzentration gesetzlichen Grenzwert liegt. Dieser Fehler könnte teure Sanie-
von einigen zehn bis zu hunderten von μg/m3 führten (Fehler, rungsmaßnahmen erzwingen, obwohl sie gar nicht erforderlich
die teilweise vielfach größer waren als die zu messende Ozon- waren. Umgekehrt gab es Gerüchte, dass einigen skrupellosen
konzentration). Steigende Luftfeuchtigkeit führte bei einigen Betreibern der Ozon-Monitore bewusst war, dass durch eine
Geräten zu systematisch positiven Fehlern, während bei anderen Nullsetzung der Geräte in der Nacht bei der höheren Luftfeuch-
Geräten systematisch negative Werte auftraten. tigkeit am nächsten Tag niedrigere Ozon-Werte gemessen wer-
Wasser absorbiert die vom Detektor gemessenen UV- den und damit die Zahl der Tage, die außerhalb der zulässigen
Wellenlängen nicht, also wird die Strahlungsabsorption von Werte liegen, kleiner wird.

Luft- Ausgang
pumpe

Hg- Temperatur- Photo-


Lampe sensor dioden-
Schwarze Farbe detektor

Absorptionszelle (15 cm lang)


mit einigen Lichtstrahlen, die an Filter für 254 nm
den Wänden reflektiert werden Strahlung der
Lampe
Druck-
sensor

Magnet-
ventil

Optischer Weg im Ozon-Monitor 2B Technologies Model 202. Ein Ma-


gnetventil liefert abwechselnd die Umgebungsluft und ozonfreie Luft.
Die Absorbanz der UV-Strahlung aus der Hg-Lampe ist proportional O3-
zur O3-Konzentration. [Diagramm aus www.twobtech.com/manuals/ Wäscher
model_202_new.pdf. Die Geschichte stammt von K. L. Wilson und J. W.
Birks, “Mechanism and Elimination of a Water Vapor Interference in the
Measurement of Ozone by UV Absorbance”, Environ Sci. Technol. 2006,
40, 636] Luft-Eingang
3.3 · Fehlerarten 69

Ein systematischer Fehler entsteht auch bei der Verwendung einer unkalibrierten Methoden zur Ermittlung systematischer
Bürette. Nach Herstellerangaben hat eine 50-mL Bürette der Klasse AS eine Toleranz Fehler:
von ± 0.05 mL. Wenn man glaubt, 29.43 mL dosiert zu haben, kann das tatsächliche 1. Analyse von Proben bekannter Zusam-
Volumen irgendwo zwischen 29.38 und 29.48 mL und damit noch im Toleranzbereich mensetzung, z. B. Standardreferenzma-
liegen. Ein Weg, diesen Fehler zu beseitigen, besteht in der Konstruktion einer experi- terialien. Die von Ihnen angewendete
mentellen Kalibrierkurve, wie z. B. in Abbildung 3.3 auf Seite 67 gezeigt. Hierbei wird Methode muss das bekannte Ergebnis
destilliertes Wasser aus der Bürette in einen Kolben gegeben und gewägt. Das Volumen wiedergeben. (In Exkurs 14.1 ist ein Bei-
des Wassers wird aus der Masse mit Hilfe der Tabelle 2.7 bestimmt. Aus Abbildung 3.3 spiel angeführt.)
3
kann man für das gemessene Volumen von 29.43 mL eine Korrektur von -0.03 mL ent- 2. Analyse von „Blindproben“, die den ge-
nehmen, so dass bei einer Ablesung von 29.43 mL das tatsächliche Volumen 29.40 mL suchten Analyten nicht enthalten. Wenn
beträgt. Sie ein von Null abweichendes Ergebnis
Ein wesentliches Merkmal des systematischen Fehlers ist seine Reproduzierbar- erhalten, gibt Ihre Methode zu hohe Werte
keit. Für die besprochene Bürette beträgt der Fehler stets –0.03 mL, wenn die Ablesung an. In Abschnitt 5.1 werden verschiedene
29.43 mL beträgt. Der systematische Fehler kann in einigen Bereichen immer positiv und Blindproben behandelt.
in anderen immer negativ sein. Mit Sorgfalt und Geschick kann man einen systemati- 3. Verwendung verschiedener analytischer
schen Fehler erkennen und korrigieren. Methoden zur Bestimmung der gleichen
Menge. Wenn die Ergebnisse nicht über-
einstimmen, dann ist in einer (oder mehre-
Zufallsfehler ren Methoden) ein Fehler vorhanden.
4. Ringversuch. Proben des gleichen Aus-
Der Zufallsfehler, auch unbestimmter Fehler genannt, entsteht durch unkontrollierte gangsmaterials werden von verschiedenen
(wahrscheinlich unkontrollierbare) Variablen bei der Messung. Der Zufallsfehler ist mit Personen in verschiedenen Laboratorien
gleicher Wahrscheinlichkeit positiv und negativ. Er ist stets vorhanden und kann nicht untersucht (Verwendung der gleichen
korrigiert werden. Auch beim Ablesen der Skala eines Messinstruments tritt ein Zufalls- oder von unterschiedlichen Methoden).
fehler auf. Nichtübereinstimmungen über den erwar-
Wenn unterschiedliche Personen die Extinktion oder Durchlässigkeit in der Abbil- teten Zufallsfehler hinaus zeigen systema-
dung 3.1 ablesen, geben sie eine Reihe von Werten an, die auf ihrer subjektiven Interpo- tische Fehler an.
lation zwischen den Teilstrichen beruhen. Auch eine Person, die das gleiche Instrument
mehrere Male abliest, wird verschiedene Ablesungen angeben. Eine andere Art des
Zufallsfehlers beruht auf dem elektrischen Rauschen eines Instruments. Positive und ne- Der Zufallsfehler kann nicht beseitigt
gative Schwankungen treten mit ungefähr der gleichen Häufigkeit auf und können nicht werden. Durch ein besser ausgeführtes
vollständig eliminiert werden. Experiment kann die Größe des Zu-
fallsfehlers verkleinert werden.

Präzision und Richtigkeit


Die Präzision beschreibt die Reproduzierbarkeit eines Ergebnisses. Wenn man bei der Präzision: Reproduzierbarkeit
mehrmaligen Wiederholung einer Messung sehr dicht beieinander liegende Werte erhält, Richtigkeit: Nähe zum „wahren“ Wert
ist die Messung präzis. Liegen sie dagegen weit auseinander, ist die Messung unpräzis.
Die Richtigkeit beschreibt, wie nahe ein Messwert am „wahren“ Wert liegt. Wenn eine
Standardsubstanz vorhanden ist, drückt die Richtigkeit aus, wie nahe der gefundene am
bekannten Wert liegt.
Das U.S. National Institute of Standards and Technology und die entsprechenden
Institutionen anderer Länder verkaufen zertifizierte Referenzmaterialien (Standardrefe-
renzmaterialien), z. B. klinische und Umweltstandards sowie Werkstoffe, die man benut-
zen kann, um die Richtigkeit seiner analytischen Methode zu überprüfen.1 Für die Menge
eines Analyten in einem Referenzmaterial wird garantiert, dass sie in einem angegebenen
Bereich liegt.
Ein Messergebnis kann reproduzierbar, aber falsch sein. So hat z. B. eine Lösung nicht
die gewünschte Konzentration, wenn bei ihrer Herstellung für die Titration ein Fehler
gemacht wurde. Man kann dann eine Serie von sehr reproduzierbaren Titrationen haben,
trotzdem erhält man ein falsches Resultat, da die Konzentration der Lösung nicht die
beabsichtigte war. In einem solchen Fall können wir sagen, dass die Präzision des Resul-
tats gut, aber die Richtigkeit sehr schlecht ist. Umgekehrt kann man eine Reihe von sehr
wenig reproduzierbaren Messungen machen, die alle um den wahren Wert herum liegen.
In diesem Fall ist die Präzision niedrig, aber die Richtigkeit hoch. Bei einem idealen Ver-
fahren hat man sowohl eine hohe Präzision als auch eine hohe Richtigkeit.
70 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

Die Richtigkeit ist durch die Nähe zum „wahren“ Wert definiert. Das Wort „wahr“
steht in Anführungszeichen, da irgendjemand den „wahren“ Wert messen müsste. Da aber
bei jedem Experiment ein Fehler auftritt, ist das eigentlich nicht möglich. Der „wahre“
Wert wird am besten durch einen erfahrenen Analytiker, der ein bewährtes Verfahren
anwendet, ermittelt. Man sollte dieses Ergebnis durch Anwendung verschiedener Ver-
fahren überprüfen. Ein systematischer Fehler würde eine schlechte Übereinstimmung
zwischen den Methoden ergeben, selbst wenn jede einzelne Methode sehr präzis ist. Eine
gute Übereinstimmung zwischen verschiedenen Methoden gibt uns dagegen eine gewisse
Zuversicht, aber keine Garantie, dass die Ergebnisse „wahr“ sind.

Absolute und relative Messunsicherheit


Eine Messunsicherheit von ± 0.02 mL Die absolute Messunsicherheit ist ein Ausdruck für den Bereich, in dem die unsicheren
bedeutet, dass z. B. bei einer Able- Messwerte liegen. Wenn die geschätzte Unsicherheit bei der Ablesung einer kalibrierten
sung von 13.33 mL der wahre Wert Bürette ± 0.02 mL beträgt, nennen wir die Größe ± 0.02 mL die absolute Messunsicherheit
irgendwo im Bereich zwischen 13.31 bei dieser Ablesung
bis 13.35 mL liegt. Die relative Messunsicherheit ist ein Ausdruck, bei dem die Größe der absoluten
Messunsicherheit auf den Messwert bezogen wird. Die relative Messunsicherheit bei einer
Bürettenablesung von 12.35 ± 0.02 mL ist ein dimensionsloser Quotient

absolute Messunsicherheit
relative Messunsicherheit =
Messgröße
(3.2)
0.02 mL
= = 0.002
12.35 mL

Wenn Sie eine 50-mL-Bürette benut- Der prozentuale relative Fehler ist einfach
zen, sollten Sie für eine kleine relative
prozentualer relative Messunsicherheit = 100 x relative Messunsicherheit (3.3)
Unsicherheit von 0.1–0.05 % die
Titration so gestalten, dass 20–40 mL = 100 x 0.002 = 0.2 %
Reagenz-Lösung benötigt werden.
In dem obigen Beispiel beträgt der prozentuale relative Fehler 0.2 %.
Wenn die absolute Messunsicherheit beim Ablesen einer Bürette konstant ± 0.02 mL
Bei einer gravimetrischen Analyse beträgt, ist die prozentuale relative Unsicherheit bei einem Volumen von 10 mL 0.2 % und
sollte man für eine kleine relative bei 20 mL 0.1 %.
Unsicherheit möglichst viel Nieder-
schlag einsetzen. Bei einer Präzision
der Wägung von ± 0.3 mg hat man bei 3.4 Fortpflanzung der Messunsicherheit des Zufallsfehlers2
100 mg Niederschlag einen relativen
Wägefehler von 0.3 % und bei 300 mg Meist kann man den Zufallsfehler, der bei einer bestimmten Messung auftritt, z. B. der
eine Unsicherheit von 0.1 %. Länge eines Gegenstandes oder der Temperatur einer Lösung, abschätzen oder messen. Eine
Unsicherheit beruht auf unserer Fähigkeit, das Instrument richtig ablesen zu können oder
auf unserer Erfahrung mit einer bestimmten Methode. Nach Möglichkeit wird die Mes-
sunsicherheit mit Hilfe der Standardabweichung des Mittelwerts oder als Vertrauensintervall
angegeben. Das wird im Kapitel 4 behandelt. Dieser Abschnitt befasst sich nur mit dem Zu-
fallsfehler. Wir nehmen an, dass jeder systematische Fehler entdeckt und korrigiert wurde.
Bei den meisten Berechnungen zur Bei den meisten Experimenten ist es notwendig, arithmetische Operationen mit meh-
Fortpflanzung der Unsicherheit be- reren Zahlenangaben durchzuführen, bei denen jede einen Zufallsfehler aufweist. Die
schäftigen wir uns nur mit dem Zufalls- wahrscheinlichste Unsicherheit im Ergebnis ist nicht einfach die Summe der individuellen
fehler, nicht mit dem systematischen Fehler, denn einige von ihnen können positiv und einige negativ sein. Wir erwarten, dass
Fehler. Es ist immer unser Ziel, den sys- sich die Fehler zu einem gewissen Grad aufheben.
tematischen Fehler zu eliminieren.

Addition und Subtraktion


Die folgende Berechnung soll durchgeführt werden, bei der die experimentellen Unsi-
cherheiten, bezeichnet als e1, e2 und e3 in Klammern angegeben sind.
3.4 · Fortpflanzung der Messunsicherheit des Zufallsfehlers 71

1.76 ( ± 0.03 ) ← e1
+ 1.89 ( ± 0.02 ) ← e2
− 0.59 ( ± 0.02 ) ← e3
3.06 ( ± e 4 ) (3.4)

Die arithmetische Lösung beträgt 3.06; aber wie groß ist die Unsicherheit bei diesem
Ergebnis?
3
Bei der Addition und Subtraktion verwendet man zur Ermittlung der Unsicherheit
der Lösung die absoluten Unsicherheiten der Einzelgrößen wie folgt:

Unsicherheit bei der Addition oder Subtraktion: e 4 = e12 + e22 + e23 (3.5) Bei der Addition und Subtraktion
verwendet man die absolute
Unsicherheit.
Für die Summe in Gleichung 3.4 können wir schreiben

e 4 = (0.03)2 + (0.02)2 + (0.02)2 = 0.041

Die absolute Unsicherheit in der Summe beträgt ± 0.04 und wir können 3.06 ± 0.04 als
Lösung aufschreiben. Obwohl wir nur eine signifikante Ziffer in der absoluten Unsicher-
heit haben, schreiben wir sie als 0.041, dabei wird die erste nichtsignifikante Ziffer tiefge-
stellt. Wir behalten eine oder mehrere nichtsignifikante Ziffern bei, um Rundungsfehler
bei späteren Berechnungen zu vermeiden. Die tiefgestellte nichtsignifikante Ziffer dient
zur Erinnerung, wo die letzte signifikante Ziffer im Endergebnis stehen muss.
Die prozentuale relative Unsicherheit in der Summe von Gleichung 3.4 beträgt
0.041
prozentuale relative Unsicherheit = × 100 = 1.3 %
3.06
Die Unsicherheit, 0.041, ist 1.3 % des Ergebnisses 3.06. Die tiefgestellte 3 in 1.3 % ist nicht signifi-
kant. Nun lässt man die nichtsignifikanten Ziffern weg und drückt das Ergebnis wie folgt aus
3.06 (± 0.04) (mit der absoluten Unsicherheit) oder
Bei der Addition und Subtraktion
3.06 (± 1 %) (mit der relativen Unsicherheit)
verwendet man die absolute Unsicher-
heit. Die relative Unsicherheit wird am
> Beispiel
Ende der Berechnung ermittelt.
Unsicherheit beim Ablesen einer Bürette
Das aus einer Bürette geflossene Volumen ist die Differenz aus der End- und Anfangsable-
sung. Wie groß ist die Unsicherheit für die Volumenangabe, wenn die Unsicherheit bei jeder
Ablesung ± 0.02 mL beträgt?

Lösung Angenommen wird eine Anfangsablesung von 0.05 (± 0.02 mL) und eine Endab-
lesung von 17.88 (± 0.02 mL). Das Auslaufvolumen ist die Differenz 17.88 (± 0.02)- 0.05
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯
(± 0.02) = 17.83(± e) e = √ (0.02)2 + (0.02)2 = 0.028 ≈ 0.03. Ungeachtet der Anfangs-und
Endablesung, deren Unsicherheiten je 0.02 mL betragen, ist die Unsicherheit des ausgeflos-
senen Volumens 0.03 mL.

Selbstüberprüfung Wie groß ist die Messunsicherheit des gelieferten Volumens, wenn
die Unsicherheit der Ablesungen je 0.03 ml beträgt? Lösung: ± 0.04 mL.

Multiplikation und Division


Für die Multiplikation und Division werden zunächst alle Unsicherheiten in prozentuale
relative Unsicherheiten umgewandelt. Dann wird die Unsicherheit des Produkts oder
Quotienten wie folgt berechnet
Unsicherheit bei der Multiplikation oder Division:

Für die Multiplikation und Division ver-


% e 4 = (% e1 )2 + (% e2 )2 + (% e3 )2 (3.6)
wendet man die relative Unsicherheit.
72 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

Hinweis: Man behält eine oder meh- Folgende mathematische Operationen sollen durchgeführt werden:
rere nichtsignifikante Ziffern in der
1.76 (± 0.03) × 1.89 (± 0.02)
Rechnung, bis man die gesamte = 5.64 ± e 4
Berechnung abgeschlossen hat. Erst 0.59 (± 0.02)
dann wird auf die korrekte Stellen-
zahl gerundet. Wenn man die Zwi- Zuerst werden alle absoluten Fehler in prozentuale relative Fehler umgewandelt.
schenergebnisse in einem Rechner
1.76 (± 1.7 %) × 1.89 (± 1.1 %)
speichert, behält man alle Zahlen = 5.64 ± e 4
ohne Rundung bei. 0.59 (± 3.4 %)

Nun wird der relative Fehler des Ergebnisses mit Hilfe von Gleichung 3.6 ermittelt.

% e 4 = (1.7 )2 + (1.1 )2 + (3.4 )2 = 4.0 %

Das Ergebnis ist 5.64 (± 4.0 %).


Zur Umwandlung des relativen Fehlers in den absoluten Fehler müssen 4.0 % des Er-
gebnisses ermittelt werden:
4.0% × 5.64 = 0.040 × 5.64 = 0.23
Für die Multiplikation und Division Das Ergebnis lautet 5.64 (± 0.23). Am Ende werden alle Ziffern, die nicht signifikant sind,
wird die relative Unsicherheit verwen- weggelassen. Das Resultat wird ausgedrückt als 5.6 (± 0.2) (mit der absoluten Unsicher-
det. Die absolute Unsicherheit ermit- heit) und 5.6 (± 4 %) (mit der relativen Unsicherheit).
telt man am Ende der Berechnung. Der Nenner, 0.59, in der Ausgangsaufgabe begrenzt die Lösungsangabe auf zwei
Stellen.

Gemischte Rechenoperationen
Nun werden die folgenden gemischten Rechenoperationen betrachtet.

⎡⎣1.76 (± 0.03) − 0.59 (± 0.02)⎤⎦


= 0.6190 ± ?
1.89 (± 0.02)

Zuerst wird die Differenz im Zähler ausgerechnet, hierzu wird der absolute Fehler ver-
wendet:
1.76 (± 0.03) - 0.59 (± 0.02) = 1.17 ± 0.036, weil (0.03)2 + (0.02)2 = 0.036

Dann erfolgt die Umwandlung in den relativen Fehler:


1.17 (± 0.036 ) 1.17 (± 3.1 %)
= = 0.6190 (± 3.3 %)
1.89 (± 0.02) 1.89 (± 1.1 %)

weil (3.1 )2 + (1.1 )2 = 3.3

Die prozentuale relative Unsicherheit im Ergebnis beträgt 3.3 %. Die absolute Unsicherheit
beträgt 0.033 × 0.6190 = 0.020. Das Endergebnis kann geschrieben werden als

0.619 (± 0.020) (mit der absoluten Unsicherheit) oder


0.619 (3.3 %) (mit der relativen Unsicherheit)

Das Resultat einer Berechnung muss Da die Unsicherheit die letzten beiden Stellen im Ergebnis betrifft, kann man das Ergeb-
in einer Form angegeben werden, die nis auch als 0.62 (± 0.02) oder 0.62 (± 3 %) angeben.
mit seiner Unsicherheitsangabe ver-
einbar ist.
3.4 · Fortpflanzung der Messunsicherheit des Zufallsfehlers 73

Faustregel über signifikante Ziffern


Die erste Ziffer der absoluten Unsicherheit ist die letzte signifikante Ziffer der Lösung. So Faustregel: Die erste unsichere Ziffer ist
erscheint z. B. im Quotient die letzte signifikante Ziffer.

0.002 664 (±0.000 3)


= 0.094 6 (±0.000 2 )
0.025 00 (±0.000 05 )
3
die Unsicherheit (± 0.000 2) an der vierten Dezimalstelle. Deshalb ist die Lösung 0.094 6
mit drei signifikanten Ziffern richtig angegeben, obwohl die Ausgangsdaten vier signi-
fikante Ziffern haben. Die erste unsichere Ziffer im Ergebnis ist die letzte signifikante
Ziffer. Der Quotient
0.002 664 ( ± 0.000 003)
= 0.106 6 ( ± 0.000 2)
0.025 00 ( ± 0.000 05)
wird durch vier signifikante Ziffern ausgedrückt, da die Unsicherheit in der vierten Dezi-
malstelle auftritt. Der Quotient
0.821 (± 0.002)
= 1.022 (± 0.004)
0.803 (± 0.002)

wird mit vier Ziffern ausgedrückt, obwohl Dividend und Divisor nur drei signifikante
Ziffern haben.
Jetzt erkennt man, warum es richtig ist, eine zusätzliche Ziffer zu behalten, wenn die Bei Multiplikation und Division behält
erste Ziffer einer Lösung zwischen 1 und 2 liegt. Der Quotient 82/80 wird besser als 1.02 man eine zusätzliche Stelle, wenn die
statt als 1.0 geschrieben. Wenn die Unsicherheiten von 82 und 80 bei 1 liegen, ist die Grö- Lösung zwischen 1 und 2 liegt.
ßenordnung der Unsicherheit bei 1 %, also der 2. Dezimale von 1.02. Wenn 1.0 geschrie-
ben wird, ist zu vermuten, dass die Unsicherheit mindestens 1.0 ± 0.1 = ± 10 % beträgt,
was viel größer als die tatsächliche Unsicherheit ist.

> Beispiel
Signifikante Ziffern bei der Laborarbeit
Sie haben eine 0.250 M NH3-Lösung durch Verdünnen von 8.45 (± 0.04) mL einer 28.0 (± 0.5)
Gew% NH3-Lösung (Dichte = 0.899 (± 0.003) g/mL) auf 500 (± 0.2) mL hergestellt. Wie groß
ist die Unsicherheit der Konzentration bei der 0.250 M Lösung? Die Unsicherheit der Mol-
masse von NH3, 17.030 5 g/mol, ist bei dieser Aufgabe gegenüber den anderen Unsicherhei-
ten zu vernachlässigen.

Lösung Zur Ermittlung der Unsicherheit in der Molarität müssen wir die Unsicherheit bei
der Stoffmenge ermitteln, die in den 500-mL-Kolben gegeben wurde. Die konzentriertere
Lösung enthielt 0.899 (± 0.003) g Lösung pro mL. Die Angabe Gewichtsprozent sagt, dass
das Reagenz 0.280 (± 0.005) g NH3 pro g Lösung enthält. In unserer Rechnung behalten wir
nichtsignifikante Stellen bei und runden erst am Ende.

Gramm NH3 pro mL in der konzentrierten Lösung: Bei der Multiplikation wandelt man
= 0.899 (± 0.003) g Lösung/mL × 0.280 (±0.005) g NH3/g Lösung die absolute Unsicherheit in die pro-
= 0.899 (± 0.34 %) g Lösung/mL × 0.280 (±1.79 %) g NH3/g Lösung zentuale relative Unsicherheit um.
= 0.251 7 (± 1.82 %) g NH3/ mL,
2 2
weil (0.334 % ) + (1.79%) = 1.82 %.

Als nächstes bestimmen wir die Stoffmenge Ammoniak in 8.45 (±0.04) des konzentrierten
Reagenzes. Die relative Volumenunsicherheit beträgt 0.04/8.45 = 0.473 %.

gNH3
0.2517 (±1.82% ) × 8.45 (± 0.473%) mL
mol NH3 = mL = 0.124 9(±1.88 %) mol
gNH 3
17.030 5( ± 0%)
mol

wegen 1.88 % = (1.82%)2 + (0.473%)2 + (0%) 2


74 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

Diese Menge Ammoniak wurde auf 0.500 0 (± 0.000 2)L verdünnt. Die relative Unsicherheit
des Endvolumens beträgt 0.000 2/0.5000 0 = 0.04 %.

Die Molarität ist

mol NH3/L = 0.124 9 (±1.88%) mol/0.5000 0 (±0.04%)L


= 0.249 8(±1.88%) M
In Exkurs 3.2 sind die Messungen der
wegen 1.88 % = (1.88%)2 + (0.04)2
CO2-Standards von Charles David
Keeling für die atmosphärischen CO2- Die absolute Unsicherheit ist 1.88 % von 0.249 8 M = 0.004 7 M. Die Unsicherheit in der Mola-
Bestimmungen beschrieben. Sie sollen rität liegt in der dritten Dezimalstelle, somit ist die gerundete endgültige Lösung
erkennen, wie genau Druck, Volumen
[NH3] = 0.250 (±0.005) M
und Temperatur gemessen werden
müssen, um eine Gesamtpräzision von Selbstüberprüfung Wie groß ist die Unsicherheit der NH3-Konzentration, wenn die Kon-
0.025 % (ein Teil in 4 000) zu schaffen. zentration der Ausgangslösung 28.0 (±0.7) Gew% betrug? (Lösung: 0.250 (±0.006) M)

Exkurs 3.2

Keelings äußerst präzise CO2-Bestimmung Die Abbildung zeigt das Prinzip der Messung. Das Kalibra-
Die Bestimmungen von CO2 in der Atmosphäre auf dem Mauna tionsgas wird zum Ausfrieren von Wasserspuren durch eine
Loa, die im Abschnitt 0.2 vorgestellt wurden, wurden mehrmals Trockeneisfalle geleitet und kommt dann in einen Raum mit
pro Stunde durch Messung der Infrarotabsorption (Exkurs 19.3) einem Volumen von 5.013 82 ± 0.000 5 L, dessen Temperatur
durchgeführt. Die Richtigkeit hängt von der Qualität der Kalibra- und Druck gemessen werden (siehe Bildteil a). Der Druck wird
tionsgase (CO2 in trockenem N2 oder CO2 in trockener Luft) ab. auf ± 0.02 mm Hg genau auf den beiden Seiten eines U-Rohrs
Das Kalibrationsgas wurde im Scripps Institut für Meereskunde gemessen. Die Quecksilberhöhe wird mit einem Kathetometer
durch sehr sorgfältige Manometrie bestimmt, bei der Tempera- (Gerät zur Bestimmung kleiner Höhenunterschiede) gemessen,
tur, Druck und Volumen des CO2 im Gas gemessen wurden, um Es besteht aus einem Fernrohr, das auf ein Gestell mit einem
die Stoffmenge (in Mol) des CO2 zu bestimmen. Präzisionsgewinde montiert wurde. Beim Drehen der Welle

Vakuum Vakuum

Kondensation von CO2 aus Messung von Druck und


einem bekannten (~5 L) Luft- Temperatur von CO2 (g) in
volumen im Manometer bekanntem Volumen (~4 mL)

Absperr-
hahn 2 Thermometer
+ 0.01 K)
(−
5.013 8 L
trockenes
Kalibra-
tionsgas
ΔP (mm Hg)
mit be- + 0.02 mm)
(−
kannten
Vakuum T,P,V
oder Glaszeiger CO2
N2-Druck markiert gas
Absperr- kalibriertes Kalibriertes
hahn 1 Volumen Volumen
3.793 0 mL
Absperr-
hahn 3
Flüssiger
Stickstoff
Festes
CO2
Hg- Öffnung 1
Reservoir

(a) (b)
3.4 · Fortpflanzung der Messunsicherheit des Zufallsfehlers 75

Exkurs 3.2

wird das Fernrohr auf und ab bewegt, bis der Hg-Meniskus im Luft enthält 0.3 ppm N2O, welches zusammen mit CO2
Fadenkreuz zentriert ist. Die Höhe wird durch die Zahl der Um- kondensiert und bei der Bestimmung stört. Das Verhältnis
drehungen der Welle angezeigt. N2O/CO2 in der Luft wird durch Gaschromatographie be-
Wie in Bild a gezeigt, sammelt sich das CO2 aus dem 5-L- stimmt und N2O wird von der manometrisch bestimmten
Behälter quantitativ (vollständig) durch Ausfrieren mit flüssigem Summe abgezogen.
Stickstoff (77 K) an der Innenwand des Manometers an. Gase, Um das 5.013 82-L-Volumen im Bildteil a zu bestimmen,
3
die nicht ausfrieren, werden über die Absperrventile 1 und 2 ab- wird ein 4-L-Kolben, der mit einem Vakuum-Hahn verschließ-
gepumpt. Mit dem gefrorenen CO2 im evakuierten Bereich wird bar ist, leer und mit Wasser gefüllt gewogen. Beide Massen
nun Stickstoff über Ventil 3 eingelassen, damit steigt die Queck- werden bezüglich des Auftriebs korrigiert. Aus der Masse
silbersäule an und schließt die Öffnung 1 ab. des Wassers und der Temperatur wird das Kolbenvolumen
In Bild b wird die Situation gezeigt, wenn sich das CO2 auf bestimmt. Dieser kalibrierte Kolben wird dann mit CO2 bei
Zimmertemperatur erwärmt hat. Der Druck im Hg-Reservoir bekanntem Druck und Temperatur gefüllt. Das CO2 wird quan-
wird so eingestellt, dass sich das Hg-Niveau genau an der Spitze titativ in den 5-L-Behälter überführt und dann werden Druck
des Glaszeigers befindet (wie im Bildeinsatz gezeigt). Das vorher und Temperatur gemessen. Aus dem Druck und der Tempe-
bestimmte Volumen oberhalb der Zeigerspitze beträgt 3.793 0 ± ratur dieser bekannten Gasmenge wird nun das Volumen des
0.000 9 mL. Der Druck innerhalb dieses Volumens ist gleich der 5-L-Behälters berechnet. Mit einem ähnlichen Verfahren wird
Höhendifferenz der Hg-Säulen, im Bildteil b als ΔP bezeichnet. das Volumen des 3.793 0-mL-Bereichs durch Überführung von
Aus Druck, Temperatur und Volumen kann die Stoffmenge des CO2 aus einem externen 2-mL-Volumen gemessen. Das Vo-
CO2 in mol bestimmt werden. lumen des 2-mL-Gefäßes wird durch Differenzwägung – leer
Da mit dem idealen Gasgesetz die notwendige Genau- und mit Quecksilber gefüllt – bestimmt. Über mehrere Jahre
igkeit nicht erreichbar ist, wird die Virialzustandsgleichung durchgeführte Messungen zeigen eine Standardabweichung
verwendet: von 0.010 % für den 5-L-Behälter und von 0.025 % für das
4-mL-Volumen.
Virialzustandsgleichung PVm = RT ( 1 + B/Vm + C/V m 2 + …),
Der Zufallsfehler von 0.025 % bei der Messung des
mit dem Druck P, der Gaskonstanten R, der Temperatur (K) und 4-mL-Volumens begrenzt die Präzision der CO2-Bestimmung
Vm dem Molvolumen des Gases. B ist der zweite Virialkoeffizient in Luft auf 0.025 % bzw. etwa 0.1 ppm für CO2-Gehalte von
und C der dritte Virialkoeffizient. Wenn diese Koeffizienten Null 400 ppm. Zur Abschätzung eines systematischen Fehlers
sind, geht die Viralgleichung in das ideale Gasgesetz über. Die wurde CO2 in einem Kalibrationsstandard nach zwei unter-
Virialkoeffizienten sind temperaturabhängig. Schon die Verwen- schiedlichen Methoden in zwei verschiedenen Labors be-
dung des Koeffizienten B genügt, um eine hinreichende Genau- stimmt. Die Messungen stimmten innerhalb von 0.02 ppm
igkeit für die Bestimmung von CO2 in Luft zu erhalten. CO2 überein.

Exponenten und Logarithmen


Für die Funktion y =xa beträgt die prozentuale relative Unsicherheit von y (% ey) dem a- Um mit der Potenz oder der Wurzel auf
fachen der prozentualen relativen Unsicherheit von x (% ex). dem Taschenrechner zu rechnen, wird
der yx-Knopf gedrückt. So findet man
Unsicherheit für Potenzen und Wurzeln: y = xa ⇒ % ey = a % ex (3.7)
z.B. die Kubikwurzel (y1/3), indem y in
So ergibt sich z. B. für y = x = x aus einer Unsicherheit von 2 % bei x eine Unsicherheit
1/2
die 0.333 333 333 ... Potenz mit Hilfe
von ( 12 ) (2%) = 1% für y. Für y = x2 ergibt sich bei einer Unsicherheit von 3 % für x eine des yx-Knopfes erhoben wird. In Excel
Unsicherheit 2 × 3 % = 6 % für y. gilt yx = y^x und für die Kubikwurzel
y^(1/3).
Wenn y der dekadische Logarithmus von x ist, dann ist die absolute Unsicherheit von y
(ey) der relativen Unsicherheit von x (ex/x) proportional.
Man verwendet die relative Unsi-
1 ex e
Unsicherheit für Logarithmen: y = log x ⇒ e y = ≈ 0.434 29 x (3.8) cherheit (ex/x), nicht die prozentuale
ln10 x x relative Unsicherheit [100 × ex/x] in
Man sollte nicht mit der prozentualen relativen Unsicherheit (100 x ex/x) in logarith- Berechnungen, bei denen log x, ln x,
mischen Rechnungen arbeiten, da auf einer Seite der Gleichung 3.8 relative und auf der 10x und ex vorkommen.
anderen absolute Unsicherheiten stehen.
Der natürliche Logarithmus (ln) von x ist die Zahl y, deren Wert der Gleichung In Excel ist der dekadische Logarith-
x = ey entspricht, wobei e (=2.718 28 ...) die Basis der natürlichen Logarithmen dar- mus log(x). Der natürliche Logarithmus
stellt. Die absolute Unsicherheit von y ist hierbei gleich der relativen Unsicherheit ist ln(x). Der Ausdruck 10x ist 10^x und
von x. ex ist exp(x).
76 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

ex
Unsicherheit für natürliche Logarithmen: y = ln x ⇒ ey = (3.9)
x
Nun wird die Gleichung y = antilog x betrachtet, sie entspricht der Gleichung y = 10x. In die-
sem Fall ist die relative Unsicherheit von y der absoluten Unsicherheit von x proportional.
ey
Unsicherheit für 10x: y = 10 x ⇒ = (ln10) e x ≈ 2.302 6 e x (3.10)
y
Für y = ex ist die relative Unsicherheit gleich der absoluten Unsicherheit von y.
ey
Unsicherheit für ex: y = e x ⇒ = ex (3.11)
y
Anhang C gibt die allgemeinen Regeln In Tabelle 3.1 sind die Regeln für die Fortpflanzung der Unsicherheit zusammengestellt.
für die Fehlerfortpflanzung beliebiger Man muss die Regeln für Exponenten und Logarithmen nicht auswendig kennen, aber
Funktionen an. man sollte mit ihnen umgehen können.

> Beispiel
Unsicherheit in der H+-Konzentration
In der Funktion pH = -log [H+] bedeutet [H+] die Konzentration von H+ in mol pro Liter.
Für pH = 5.21 ± 0.03 sind die Konzentration von H+ und deren Unsicherheit gesucht.
–log [H+] = pH Lösung Zunächst muss die Gleichung pH = –log [H+] für [H+] gelöst werden. Für a = b gilt
log [H+] = –pH auch, dass 10a = 10b. Mit pH = –log [H+] gilt log [H+] = –pH und 10log [H+] (= [H+]) = 10–pH. Wir
10log [H+] = 10–pH müssen daher die Unsicherheit in der Gleichung
[H+] = 10-pH
[H+] = 10-pH = 10-(5.21 ± 0.03)

finden. Aus Tabelle 3.1 entnehmen wir die zutreffende Funktion y = 10x für den Fall y = [H+]
und x = –(5.21 ± 0.03). Für y = 10x entnehmen wir aus der Tabelle ey/y =2.302 6 ex
ey
= 2.302 6ex = (2.302 6) (0.03) = 0.069 1 (3.12)
y

Die relative Unsicherheit von y (= ey/y) beträgt 0.069 1. Durch Einsetzen des Wertes von y =
10-5.21 = 6.17 × 10-6 in die Gleichung 3.12 erhält man die Lösung:
ey ey
= = 0.069 1 ⇒ e y = 4.26 × 10 −7
y 6.17 × 10−6

Die Konzentration von H+ beträgt 6.17 (± 0.426) × 10-6 = 6.2 (± 0.4) × 10-6 M. Eine Unsi-
cherheit von 0.03 im pH-Wert gibt eine Unsicherheit von 7 % bei [H+]. Beachten Sie, dass
zusätzliche Ziffern in den Zwischenergebnissen enthalten sind und keine Rundung bis zum
Endergebnis vorgenommen wurde.
Selbstüberprüfung Wenn die Unsicherheit beim pH-Wert auf ±0.06 verdoppelt wird, wel-
che relative Unsicherheit ergibt sich für [H+]? (Lösung: 14 %)

Tabelle 3.1 Zusammenfassung der Regeln für die Fortpflanzung der Messunsicherheit

Funktion Unsicherheit Funktiona Unsicherheitb

y = x1 + x2 e y = e 2x + e 2x
1 2
y = xa % ey = a % ex

1 ex e
y = x1 − x2 ey = e 2x + e2x y = log x ey = ≈ 0.434 29 x
1 2
ln10 x x

ex
y = x1 ⋅ x2 % e y = % e 2x + % e 2x y = ln x ey =
1 2
x

x1 ey
y = % e x = % e 2x + % e 2x y = 10 x = ( ln10 )e x ≈ 2.302 6e x
x2 1 2
y

ey
y = ex = ex
y
ax
gibt die Variable an und a bedeutet eine Konstante ohne Unsicherheit
b e /x
x ist die relative Unsicherheit für x und % ex ist 100 × ex/x
3.5 · Fortpflanzung der Unsicherheit durch systematische Fehler 77

3.5 Fortpflanzung der Unsicherheit durch systematische


Fehler

Ein systematischer Fehler tritt in einigen ganz gewöhnlichen Fällen auf und er wird ma-
thematisch anders behandelt als die Zufallsunsicherheit. Als Beispiele dienen systemati-
sche Fehler in der Molmasse und bei volumetrischen Glasgeräten.3
3
Unsicherheit in der Atommasse: Die Rechteckverteilung
Das Periodensystem auf der Einbandinnenseite dieses Buchs gibt für die Atommasse
von Sauerstoff einen Wert von 15.999 4 ±0.000 3 g/mol an. Die Unsicherheit wird hier
nicht hauptsächlich vom Zufallsfehler bei der Bestimmung der Atommasse bestimmt.
Die Unsicherheit beruht vor allem auf der Schwankung der Isotopenverteilung des Sau-
erstoffs aus unterschiedlichen Quellen. Das heißt, Sauerstoff aus einer Quelle kann eine
mittlere Atommasse von 15.999 1 und von einer anderen eine Atommasse von 15.999 7
haben. Die Atommasse von Sauerstoff in einer bestimmten Menge eines Reagenz hat
eine systematische Unsicherheit. Diese kann bei 15.999 7 oder 15.999 1 oder bei jedem
Wert dazwischen relativ konstant sein mit nur einer kleinen Zufallsschwankung um den
Mittelwert.
Die Atommassen von Sauerstoff aus verschiedenen Quellen zeigen ungefähr eine
Rechteck-Verteilung (Abbildung 3.4). Die Wahrscheinlichkeit, eine Atommasse zwischen
15.999 1 und 15.999 7 zu finden, ist überall gleich und für das Gebiet außerhalb dieses Be-
_
reichs ist sie vernachlässigbar klein. Der Mittelwert ist x (= 15.999 4) und die Reichweite
auf beiden Seiten des Mittelwerts beträgt a (= 0.000 3). Die Standardabweichung (definiert
in Abschnitt 4.1) für diese Verteilung, auch Standardunsicherheit genannt, beträgt ± a/√ ⎯3
= ± 0.000 3/√⎯ 3 = ± 0.000 17. Die Standardabweichung ist ein Maß für die Unsicherheit der
Atommasse.

Unsicherheit der Molmasse


Wie groß ist die Unsicherheit der Molmasse von O2? Wenn die Masse jedes Sauer-
stoffatoms an der oberen Grenze des Standardunsicherheitsbereichs der Abbildung 3.4
(15.999 57) liegt, beträgt die Masse von O2 2×15.999 57 = 31.999 14 g/mol. Liegt die Masse
jedes Sauerstoffatoms an der unteren Grenze (15.999 23) dann ist die Molmasse von O2
2×15.999 23 = 31.998 46 g/mol. Die Molmasse von O2 liegt demnach irgendwo im Bereich
von 31.998 8 ± 0.000 34. Die Unsicherheit der Masse von n Atomen ist n × (Standard-
unsicherheit eines Atoms) = 2 × (±0.000 17) = ±0.000 34. Die Unsicherheit ist nicht ±
0.00017 2 + 0.000² = ±0.000 24. Für die Ermittlung der systematischen Unsicherheit wer-
den die Einzelunsicherheiten addiert.
Nun wird die Standardunsicherheit der Molmasse von C2H4 gesucht. Die im Perio-
densystem angegebenen Unsicherheiten sind 0.000 8 g/mol für Kohlenstoff und 0.000 07 g/

Standardunsicherheit
= x− +
− a/√3

x− − a x− − a/√3 x− x− + a/√3 x− + a
Häufigkeit

Abb. 3.4 Rechteck-Verteilung der Atom-


massen. Das farbig dargestellte Intervall
a
der Standardunsicherheit (Standardab-
weichung) ist gleich der bei dem Element
angegebenen Unsicherheit dividiert
durch √3. Die im Periodensystem ange-
15.999 1 15.999 4 15.999 7 gebene Atommasse ist 15.999 4 ± 0.000 3.
15.999 23 15.999 57 ⎯3
Die Standardunsicherheit ist ±0.000 3/√
Masse (g) = ± 0.000 17.
78 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

mol für Wasserstoff. Um die Standardunsicherheiten zu finden, werden diese Unsicher-


heiten durch ⎯√3 dividiert:

⎯ 3 = 12.010 7 ± 0.000 46
Atommasse von C = 12.010 7 ± 0.000 8/√
⎯ 3 = 1.007 94 ± 0.000 040
Atommasse von H = 1.007 94 ± 0.000 07/√

Die Unsicherheiten in den Atommassen der Atome im C2H4 erhält man durch Multiplika-
tion der Standardunsicherheiten mit der entsprechenen Anzahl der Atome im Molekül:

Fortpflanzung der systematischen 2 C: 2(12.010 7 ± 0.000 46) = 24.021 4 ± 0.000 92 ←2 × 0.000 46


Unsicherheit: 4 H: 4(1.007 94 ± 0.000 040) = 4.031 76 ± 0.000 16 ←4 × 0.000 040 (3.13)
Unsicherheit der Masse von n identi- 28.053 16 ± ?
schen Atomen
= n × (Standardunsicherheit der Zur Ermittlung der Unsicherheit in der Summe der Massen von 2C + 4H wird die Glei-
Atommasse) chung 3.5 verwendet, die für den Zufallsfehler gilt, weil die Massenunsicherheiten von C
= n × (Unsicherheit aus dem und H unabhängig voneinander sind. Die eine kann positiv und die andere negativ sein.
Periodensystem)/√ ⎯3 So ergibt sich für die Molmasse von C2H4:
28.053 16 ± 0.000 92 2 + 0.000 16 2
Für die Fortpflanzung der Zufalls-
unsicherheit für die Summe der Atom- 28.053 16 ± 0.000 93
massen verschiedener Elemente wird
28.053 2 ± 0.000 9 g/mol
das Fortpflanzungsgesetz verwendet,
da die Unsicherheiten bei den ver- Beim letzten Schritt wird gerundet, so dass die letzte signifikante Ziffer die erste unsichere
schiedenen Elementen voneinander Ziffer ist.
unabhängig sind.

Mehrmalige Entnahme aus einer Pipette


Eine 25-mL-Vollpipette hat eine Herstellergarantie für 25.00 ± 0.03 mL. Das von der
Pipette gelieferte Volumen ist reproduzierbar, aber es kann im Bereich von 24.97 bis
25.03 mL liegen. Die Hersteller der Pipetten bemühen sich sehr, dieses Volumen mög-
lichst dicht an 25.00 mL zu bringen. In diesem Fall behandelt man die Volumina für eine
große Pipettenzahl mit der Dreiecksverteilung nach Abbildung 3.5. Die höchste Wahr-
scheinlichkeit liegt bei einem Volumen von 25.00 mL. Die Wahrscheinlichkeit nimmt
etwa linear ab, wenn das Volumen von 25.00 mL abweicht. Für Volumina außerhalb des
25.00 ± 0.03 mL-Bereichs ist die Wahrscheinlichkeit zu vernachlässigen. Die Standard-
unsicherheit (Standardabweichung) bei der Dreiecksverteilung beträgt ± a/√ ⎯ 6, hier also
± 0.03/√⎯ 6 = ± 0.012 mL.
Wie groß ist die Messunsicherheit bei einem Volumen von 100 mL, wenn man es
viermal mit einer unkalibrierten 25-mL-Vollpipette abmisst? Die Unsicherheit ist ein
systematischer Fehler, deshalb entspricht die Unsicherheit der vier Pipettenfüllungen der

Standardunsicherheit
= x− +
− a/√6

a
wahrscheinlichkeit
Häufigkeits-

Abb. 3.5 Dreiecksverteilung für


volumetrische Glasgeräte (Messkolben,
Vollpipetten). Das farbig gezeichnete
Standardunsicherheitsintervall (Standard- x− − a x− − a/√6 x− x− + a/√6 x− + a
abweichung) beträgt a/√ ⎯6. Volumen (mL)
3.5 · Fortpflanzung der Unsicherheit durch systematische Fehler 79

Unsicherheit der Masse von vier Mol Sauerstoff. Die Standardunsicherheit beträgt 4 × (±
0.012) = ± 0.048 mL und nicht √ ⎯4(0.012)
⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 2 = ± 0.024 mL.
Die Differenz zwischen 25.00 mL und dem tatsächlichen Volumen, das eine bestimmte 0.006 mL ist die Standardabweichung
Pipette liefert, ist ein systematischer Fehler. Dieser ist immer gleich, mit einem kleinen (definiert in Kapitel 4), die bei einer
Zufallsfehler. Durch Wägung des ausfließenden Wassers kann man die Pipette kalibrie- mehrmaligen Entnahme von Wasser
ren (siehe Abschnitt 2.9). Die Kalibrierung beseitigt den systematischen Fehler, weil nun bestimmt wurde.
festgestellt wird, dass die Pipette immer z. B. 24.991 ± 0.006 mL liefert. Die Unsicherheit
(± 0.006 mL) ist die Zufallsunsicherheit.
3
Die Kalibrierung erhöht die Sicherheit, weil der systematische Fehler beseitigt wird.
Wenn eine kalibrierte Pipette ein mittleres Volumen von 24.991 mL mit einer Standard-
unsicherheit von ± 0.006 mL liefert und vier Aliquote genommen werden, beträgt das
Gesamtvolumen 4 × 24.991 = 99.964 mL und die Unsicherheit ± √ ⎯4(0.006)
⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 2 = ± 0.012 mL.
Für eine unkalibrierte Pipette beträgt die Unsicherheit ± 0.048 mL.
Kalibriertes Pipettenvolumen = 99.964 ± 0.012 mL
Unkalibriertes Pipettenvolumen = 100.00 mL ± 0.05 mL

Wichtige Begriffe
> Absolute Unsicherheit > Antilogarithmus > bestimmter Fehler > dekadischer Loga-

rithmus > Kennziffer > Logarithmus > Mantisse > Numerus > Präzision > relative
Unsicherheit > Richtigkeit > signifikante Ziffer > Standardreferenzmaterial > syste-
matischer Fehler > zertifiziertes Referenzmaterial > Zufallsfehler

Zusammenfassung
Unter der Anzahl signifikanter Ziffern in einem Zahlenwert versteht man deren erforder-
liche Mindestzahl bei wissenschaftlichen Zahlenangaben. Die erste unsichere Stelle ist die
letzte signifikante Ziffer. Bei der Addition und Subtraktion (in der gleichen Größenord-
nung) ergibt sich die letzte signifikante Ziffer aus der Zahl mit den wenigsten Dezimal-
stellen. Bei der Multiplikation und Division wird die Anzahl der Ziffern gewöhnlich durch
den Faktor mit der kleinsten Stellenzahl bestimmt. Die Zahl der Ziffern in der Mantisse
eines Logarithmus muss der Zahl der signifikanten Ziffern in der zu logarithmierenden
Größe entsprechen. Zufallsfehler beeinflussen die Präzision (Reproduzierbarkeit) eines
Ergebnisses, während systematische Fehler die Richtigkeit (Nähe zum „wahren“ Wert)
beeinflussen. Von einem guten Analytiker können systematische Fehler entdeckt und
beseitigt werden, der Zufallsfehler ist jedoch nicht vermeidbar. Man muss bei allen Mes-
sungen bestrebt sein, den systematischen Fehler zu beseitigen. Die Fortpflanzung der
Unsicherheit erfordert bei der Addition und Subtraktion die Verwendung der absoluten
Fehler (e 3 = e 12 + e 22 ), während die Multiplikation und Division die relativen Fehler
(% e3 = % e12 + % e 22 ) benutzt. Andere Regeln für die Fehlerfortpflanzung sind in Tabelle
3.1 zusammengestellt. Während einer Rechnung sollte man mehr Stellen als notwendig
verwenden und erst am Ende auf die erforderliche Stellenzahl runden. Der systematische
Fehler in der Masse von n Atomen eines Elements ist das n-fache der Standardunsi-
cherheit der Masse dieses Elements. Für die Rechteckverteilung der Atommasse hat die
Standardunsicherheit den im Periodensystem angegebenen Wert dividiert durch ⎯√3. Die
Unsicherheit in der Molmasse eines Moleküls mit verschiedenen Elementen wird aus der
Summe der Quadrate der systematischen Unsicherheit jedes Elements berechnet.

Übungen
3-A. Schreiben Sie jede Lösung mit der vernünftigen Anzahl von Ziffern. Geben Sie die
absolute und die prozentuale relative Unsicherheit für jede Lösung an.
a) [12.41 (± 0.09) ÷ 4.16 (± 0.01)] × 7.068 2 (± 0.000 4) =?
b) [3.26 (± 0.10) × 8.47 (± 0.05)] - 0.18 (± 0.06) =?
c) 6.843 (± 0.008) × 104 ÷ [2.09 (± 0.04) - 1.63 (± 0.01)] =?
d) 3.24 ± 0.08 =?
e) (3.24 ± 0.08)4 =?
f) log (3.24 ± 0.08) =?
g) 103.24 ± 0.08 =?
80 Kapitel 3 · Experimenteller Fehler

3-B. Eine Flasche mit einer wässrigen Lösung hat die Aufschrift „53.4 (± 0.4) Gew%
NaOH; Dichte = 1.52 (± 0.01) g/mL“.
a) Wie viele Milliliter der 53.4 % NaOH werden benötigt, um 2.000 L einer 0.169 M
NaOH herzustellen?
b) Wenn die Unsicherheit bei der Dosierung der NaOH ± 0.1 mL beträgt, wie groß
ist dann die absolute Unsicherheit in der Molarität (0.169 M)? Sie können einen
vernachlässigbaren Fehler bei der Formelmasse von NaOH und beim Endvolumen,
2.000 L, annehmen.

3-C. Es wird eine Lösung, die 37.0 (± 0.5) Gew% HCl in Wasser enthält, betrachtet. Die
Dichte der Lösung ist 1.18 (± 0.01) g/mL. Um 0.050 0 mol Salzsäure zu dosieren, werden
4.18 mL der Lösung benötigt. Wie groß darf die absolute Unsicherheit der 4.18 mL sein,
wenn die Unsicherheit der 0.050 0 mol HCL ± 2 % betragen darf? (Achtung: Bei dieser
Aufgabe müssen Sie rückwärts vorgehen. Normalerweise würden Sie die Unsicherheit der
mol HCl aus der Unsicherheit des Volumens berechnen:
mol HCl = [(mL Lösung × (g Lösung/mL Lösung) × g HCl/g Lösung)]/g HCl/mol HCl
In diesem Fall ist aber die Unsicherheit der HCl bekannt (2 %) und es muss ermittelt wer-
den, welche Unsicherheit in mL Lösung zu diesen 2 % führt. Die Gleichung hat die Form:
a = b · c · d. Für diese gilt % ea2 = % e2b +% ec2 + % ed2. Wenn % ea, % ec und % ed bekannt sind,
lässt sich % eb2 berechnen.

3-D. Wie groß sind die Molekülmasse und deren Standardunsicherheit für NH3? Wie
groß ist die prozentuale relative Unsicherheit der Molekülmasse?
4 Statistik

4
Wie viele rote Blutkörperchen habe ich heute?
Alle Messungen haben einen experimentellen Fehler, so dass ein Ergebnis niemals
absolut sicher ist. Dennoch suchen wir häufig die Antwort auf solche Fragen, wie
„Habe ich heute mehr rote Blutkörperchen als gewöhnlich?“ Wenn die heutige Zahl
doppelt so groß ist wie sonst, ist sie sicher höher als normal, aber was ist, wenn die
hohe Zahl nicht deutlich über dem „Normalen“ liegt?

Zahl an „normalen“ Tagen heutige Zahl

5.1 ⎫

5.3 ⎪

4.8 ⎬ × 106 Blutkörperchen/μL 5.6 × 106 Blutkörperchen/μL
5.4 ⎪

5.2 ⎪⎭

Durchschnitt 5.16 × 106

Die Zahl 5.6 ist größer als die fünf Normalwerte, aber die Zufallsverteilung der Nor-
malwerte lässt vermuten, dass 5.6 auch an einem „normalen“ Tag gemessen wird.
Im Abschnitt 4.3 werden Sie sehen, dass es nur eine Zufallschance von 1.3 %
gibt, an einem „normalen“ Tag einen mit 5.6 so weit vom Durchschnitt entfernt
liegenden Wert zu beobachten. Es liegt nun bei Ihnen zu entscheiden, was Sie mit
dieser Information anfangen.

Rote Blutzellen, die Erythrozyten, transportieren den an Hämoglobin gebundenen Sauer-


stoff. [Susumu Nishinaga/Photo Researchers.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
82 Kapitel 4 · Statistik

Experimentelle Messungen zeigen immer gewisse Schwankungen, so dass die daraus ge-
zogenen Schlussfolgerungen nicht völlig sicher sind. Mit Hilfe der Statistik kann man aber
eine Aussage treffen, ob ein Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit korrekt ist oder ob es
verworfen werden muss.1

4.1 Gauß-Verteilung

Wir bezeichnen die Schwankungen Wenn ein Experiment sehr viele Male wiederholt wird und wenn die Fehler rein zufällig
der experimentellen Daten als normal sind, sammeln sich die Ergebnisse symmetrisch um den Mittelwert an. Je öfter das Ex-
verteilt, wenn Wiederholungsmessun- periment wiederholt wird, umso mehr ergeben die Resultate eine ideale, gleichmäßige
gen die glockenförmige Verteilung der Kurve, die Gauß-Verteilung genannt wird. Im Laboratorium kann man meist nicht so
Abbildung 4.1 ergeben. Es ist gleich viele Experimente machen. Man wird ein Experiment vielleicht drei- bis fünfmal, aber
wahrscheinlich, dass ein Messwert nicht 2 000 Mal wiederholen. Aber auch mit einer kleinen Zahl von Ergebnissen können
höher oder niedriger als der Mittel- wir Parameter zur Beschreibung der Gesamtheit finden. Aus der kleinen Zahl der Mes-
wert ist. Die Wahrscheinlichkeit einen sungen können Abschätzungen des statistischen Verhaltens erfolgen.
Messwert zu finden, nimmt mit dem
Abstand vom Mittelwert ab.
Mittelwert und Standardabweichung
In dem hypothetischen Beispiel in Abbildung 4.1 hat ein Hersteller die Lebenszeit von
4 768 elektrischen Glühlampen überprüft. Das Balkendiagramm zeigt die Zahl der Glüh-
birnen mit der entsprechenden Lebenszeit in jedem 20-Stunden-Intervall. Die Lebens-
zeiten entsprechen angenähert einer Gauß-Verteilung, weil die Schwankungen bei der
Herstellung der Glühlampen, wie Dicke der Glühfäden und Qualität der Verbindungen,
zufällig sind. Die eingezeichnete Kurve ist die Gauß-Verteilung, die den Messwerten am
besten entspricht. Jeder endliche Datensatz weicht etwas von der Gaußkurve ab.
Die Werte für die Lebenszeit der Glühbirnen und die entsprechende Gaußkurve wer-
den durch zwei Parameter charakterisiert. Das arithmetische Mittel, x , der Mittelwert, ist
Der Mittelwert ist das Zentrum der die Summe aller Messwerte, dividiert durch die Anzahl der Messungen, n:
Verteilung. Die Standardabweichung
gibt die Breite der Verteilung an. Mittelwert: x=
∑x
i i
(4.1)
n

x = 845.2 h

400

300
s = 94.2 h
Anzahl der Glühlampen

Abb. 4.1 Balkendiagramm und Gauß- 200


kurve beschreiben die Lebensdauer
einer hypothetischen Menge elektrischer
Glühlampen. Die geglättete Kurve und
das Balkendiagramm haben den gleichen
Mittelwert, die gleiche Standardab- 100
weichung und die gleiche Fläche. Jede
endliche Datenmenge weicht jedoch
etwas von der Glockenkurve ab. Je mehr
Messungen gemacht werden, umso
besser passen die Ergebnisse unter die 500 600 700 800 900 1000 1100
glatte Kurve. Lebensdauer (h)
4.1 · Gauß-Verteilung 83

mit xi, der Lebensdauer einer einzelnen Glühbirne. Der griechische Buchstabe (großes) Ein Experiment mit einer kleinen
Sigma, Σ, bedeutet Summenbildung: ∑ i xi = x1 + x2 + x3 + ..... + xn . In Abbildung 4.1 ist Standardabweichung ist präziser als
der Mittelwert durch den Pfeil bei 845.2 h gekennzeichnet. eines mit einer großen Standardab-
Die Standardabweichung, s, gibt an, wie dicht die Werte am Mittelwert liegen. Je weichung. Größere Präzision bedeu-
geringer die Standardabweichung ist, desto enger liegen die Werte um den Mittelwert (Ab- tet nicht unbedingt auch größere
bildung 4.2). Richtigkeit. Diese bedeutet Nähe zur
∑i (xi − x )
2
„Wahrheit“.
Standardabweichung: s= (4.2)
n −1
Für die Werte in Abbildung 4.1 beträgt die Standardabweichung s = 94.2 h. Wenn eine 4
Charge von Glühbirnen eine kleine Standardabweichung in der Lebensdauer hat, wurde
sie einheitlicher produziert als eine Charge mit höherer Standardabweichung.
Für eine unendliche Zahl von Messwerten wird der Mittelwert durch ein kleines grie- Mit Zunahme der Anzahl der Messun-
_
chisches mü, μ (Mittelwert der Grundgesamtheit), und die Standardabweichung durch ein gen nähert sich x dem Wert von μ an,
kleines griechisches sigma, σ, (die Standardabweichung der Grundgesamtheit) bezeichnet. falls kein systematischer Fehler vorliegt.
Die Größen μ und σ können nicht gemessen werden, aber die Werte von x und s nähern
sich μ und σ mit zunehmender Zahl der Messungen.
_
Die Größe n – 1 in Gleichung 4.2 wird Freiheitsgrade genannt. Das Quadrat der Variationskoeffizient = 100 × s/x
Standardabweichung ist die Varianz. Drückt man die Standardabweichung als Prozentteil
des Mittelwerts aus (= 100 × s/x ), erhält man die relative Standardabweichung oder den
800
Variationskoeffizienten.

> Beispiel
Mittelwert und Standardabweichung 600

Anzahl der Glühlampen


Bestimmen Sie Mittelwert, Standardabweichung und Variationskoeffizient für 821, 783, 834
s = 47.1 h
und 855.
400
Lösung Der Mittelwert beträgt s = 94.2 h

821 + 783 + 834 + 855


x = = 823.2
4
200
Um die Anhäufung von Rundungsfehlern zu vermeiden, gibt man den Mittelwert ge-
genüber den Einzelwerten mit einer zusätzlichen Stelle an. Die Standardabweichung
beträgt
845.2
2 2 2 2 Lebensdauer (h)

s=
( 821− 823.2 ) + ( 783 − 823.2 ) + ( 834 − 823.2 ) + ( 855 − 823.2 ) = 30.3
( 4 − 1) Abb. 4.2 Gaußkurven für zwei verschie-
dene Gruppen von Glühlampen, die sich
Mittelwert und Standardabweichung sollen beide mit der gleichen Dezimalstelle enden. in der Standardabweichung unterschei-
_ den. Die Anzahl der Lampen in beiden
Deshalb lautet das Ergebnis: x = 823.2 und s = 30.3. Der Variationskoeffizient ist die prozen-
Gruppen ist gleich, die Standardabwei-
tuale relative Unsicherheit chung der einen Gruppe ist doppelt so
_ groß wie die der anderen.
Variationskoeffizient = 100 × s/x = 100 × 30.3 /823.2 = 3.7 %

Selbstüberprüfung Wie ändern sich Mittelwert, Standardabweichung und Variations-


koeffizient, wenn jede der vier Zahlen 821, 783, 834 und 855 im obigen Beispiel durch Üben Sie die Verwendung der Funk-
_
2 geteilt wird? (Antwort: x und s werden durch 2 geteilt, der Variationskoeffizient bleibt tion „Standardabweichung“ Ihres
unverändert) Taschenrechners und sehen Sie, dass
Sie s = 30.269 6…. erhalten.
Tabellenkalkulationsprogramme haben eingebaute Funktionen zur Bestimmung des
Mittelwerts und der Standardabweichung. Im nebenstehenden Arbeitsblatt sind die Da-
ten in die Zellen B1 bis B4 eingetragen. Der Mittelwert soll in Zelle B5 mit der Funktion
„=MITTELWERT(B1:B4)“ berechnet werden. Dabei bedeutet B1:B4, dass alle Werte in
den Zellen B1, B2, B3 und B4 ausgelesen werden. Zur Ausführung der Rechnung wird die
Funktion „=MITTELWERT(B1:B4)“ in die Zelle B5 eingetragen In der Bearbeitungsliste
des Arbeitsblatts können Sie kontrollieren, dass links die Zellenbezeichnung B5 erschie-
nen ist und rechts die richtige Funktion. Nach Drücken der Enter-Taste erscheint in der
Zelle B6 der gesuchte Mittelwert. In gleicher Weise kann nun die Standardabweichung
in Zelle B6 mit dem Befehl „=STABW(B1:B4)“ berechnet werden. Wegen der besseren
84 Kapitel 4 · Statistik

A B Übersichtlichkeit können in den Zellen B5 und B6 nur zwei Dezimalstellen angezeigt


1 821 werden. Das lässt sich über das Startmenü unter Standard und Zahlenformat erreichen.
2 783 Die stärkere Linie zwischen den Zellen B4 und B5 erhält man wie folgt: Markiere die Zelle
3 834 B4, klicke auf Start und wähle im Bereich Schriftart das entsprechende Symbol für die
4 855 Randmarkierung aus.
5 Mittelwert= 823.25
6 Standabw = 30.27
7 B5=MITTELWERT(B1:B4) Signifikante Ziffern des Mittelwerts und der
8 B6=STABW(B1:B4) Standardabweichung
Man gibt experimentelle Ergebnisse meist in folgender Form an: x ± s (n =_), wobei n die
Anzahl der Einzeldaten ist. Es ist sinnvoll, das vorige Ergebnis als 823 ±30 (n = 4) oder
Während einer Rechnung sollten gar 8.2 ± 0.3 × 102 zu schreiben und damit zu zeigen, dass der Mittelwert gerade zwei si-
Zwischenergebnisse nicht gerundet gnifikante Ziffern hat. Die Angaben 823 ± 30 und 8.2 ± 0.3 × 102 sind für weiterführende
werden. Behalten Sie alle Ziffern im Rechnungen nicht geeignet, in denen x und s Zwischenergebnisse sind. Man behält eine
Rechner. oder mehrere nichtsignifikante Ziffern bei, um für die weitere Arbeit Rundungsfehler zu
vermeiden. Kriegen Sie bitte keinen Herzanfall wegen der signifikanten Ziffern, wenn Sie
823.2 ± 30.3 als Ergebnis einer Aufgabe in diesem Buch finden.
0.4

0.3
Standardabweichung und Wahrscheinlichkeit
Die Formel für die Gaußkurve lautet

1
e ( )
2
y

0.2 − x −  /2 2

Gaußkurve: y= (4.3)
 2

0.1 mit der Basis der natürlichen Logarithmen e (= 2.718 28 ...). Um die Kurve für eine end-
liche Zahl von Messwerten zu beschreiben, nähert man μ durch x und σ durch s an. Die
Kurve der Gleichung 4.3 ist in Abbildung 4.3 gezeigt, in der zur Vereinfachung σ = 1 und
μ= 0 gesetzt wurden. Der maximale Wert für y liegt bei x = μ und die Kurve ist symmet-
–3 –2 –1 0 1 2 3 risch um x = μ.
z
Beim Umgang mit der Gaußkurve drückt man häufig die Abweichungen vom Mittel-
Abb. 4.3 Gaußkurve mit μ = 0 und σ = 1. wert in Vielfachen der Standardabweichung aus. Hierzu wird x in z transformiert:
Eine Gaußkurve, deren Fläche 1 ist, wird
x− x−x
als normierte Gaußkurve bezeichnet. Die z = ≈ (4.4)
Abszisse z = (x–μ)/σ ist der Abstand vom  s
Mittelwert, gemessen in Einheiten der
Standardabweichung. Für z = 2 beträgt Die Wahrscheinlichkeit, dass z in einem bestimmten Gebiet gemessen wird, ist gleich der
der Abstand vom Mittelwert zwei Stan- Fläche dieses Gebiets. So beträgt z. B. die Wahrscheinlichkeit, z zwischen –2 und –1 zu
dardabweichungen finden, 0.136. Diese Wahrscheinlichkeit entspricht der schraffierten Fläche in Abbildung
4.3. Die Fläche unter jedem Abschnitt der Gaußkurve steht in Tabelle 4.1. Da die Summe
der Wahrscheinlichkeiten für alle Messungen 1 beträgt, muss die Fläche von z = − ∞ bis
Wenn z den Wert +1 hat, liegt x eine z = + ∞ auch 1 sein. Die Größe 1 / ( 2 ) in Gleichung 4.3 ist der Normierungsfaktor.
Standardabweichung über dem Mittel- Er garantiert, dass die Fläche unter der gesamten Kurve 1 beträgt. Eine Gaußkurve, deren
wert. Für z = –2 liegt x zwei Standard- Fläche 1 ist, heißt normierte Fehlerkurve.
abweichungen unter dem Mittelwert.
> Beispiel
Fläche unter einer Gaußkurve
Ein Hersteller von Glühlampen bietet an, jede Glühlampe aus Abbildung 4.1, die weniger
als 600 h leuchtet, kostenlos zu ersetzen. Wie viele Glühlampen müssen als Ersatzlieferung
bereitgehalten werden, wenn ein Verkauf von einer Million Stück geplant ist?

Lösung Zur Beantwortung dieser Frage wird der gewünschte Bereich in Vielfachen der
Standardabweichung ausgedrückt. Dann ergibt sich die Fläche des Bereichs aus der Tabelle
_
4.1. Da x = 845.2 und s = 94.2, ergibt sich z = (600–845.2)/94.2 = –2.60. Die Fläche unter
der Kurve zwischen dem Mittelwert und z = –2.60 beträgt nach Tabelle 4.1 0.495 3. Da die
gesamte Fläche zwischen dem Mittelwert und –∞ 0.500 0 beträgt, muss die Fläche zwischen
4.1 · Gauß-Verteilung 85

1 2
Tabelle 4.1 Ordinatenwerte und Flächen für die normierte Gaußfehlerkurve y = e−z /2

|z|a y Flächeb |z| y Fläche |z| y Fläche

0.0 0.398 9 0.000 0 1.4 0.149 7 0.419 2 2.8 0.007 9 0.497 4

0.1 0.397 0 0.039 8 1.5 0.129 5 0.433 2 2.9 0.006 0 0.498 1

0.2 0.391 0 0.079 3 1.6 0.110 9 0.445 2 3.0 0.004 4 0.498 650

0.3 0.381 4 0.117 9 1.7 0.094 1 0.455 4 3.1 0.003 3 0.499 032

0.4 0.368 3 0.155 4 1.8 0.079 0 0.464 1 3.2 0.002 4 0.499 313
4
0.5 0.352 1 0.191 5 1.9 0.065 6 0.471 3 3.3 0.001 7 0.499 517

0.6 0.333 2 0.225 8 2.0 0.054 0 0.477 3 3.4 0.001 2 0.499 663

0.7 0.312 3 0.258 0 2.1 0.044 0 0.482 1 3.5 0.000 9 0.499 767

0.8 0.289 7 0.288 1 2.2 0.035 5 0.486 1 3.6 0.000 6 0.499 841

0.9 0.266 1 0.315 9 2.3 0.028 3 0.489 3 3.7 0.000 4 0.499 904

1.0 0.242 0 0.341 3 2.4 0.022 4 0.491 8 3.8 0.000 3 0.499 928

1.1 0.217 9 0.364 3 2.5 0.017 5 0.493 8 3.9 0.000 2 0.499 952

1.2 0.194 2 0.384 9 2.6 0.013 6 0.495 3 4.0 0.000 1 0.499 968

1.3 0.171 4 0.403 2 2.7 0.010 4 0.496 5 ∞ 0 0.5

a
z = (x–μ)/σ
b
Die angegebene Fläche ist die Fläche zwischen z = 0 und z =Tabellenwert. So beträgt die Fläche von z = 0 bis
z = 1.4 0.419 2. Die Fläche von z = 0 bis z = –0.7 ist genauso groß wie von z = 0 bis z = 0.7. Die Fläche von
z = –0.5 bis z = +0.3 beträgt (0.191 5 + 0.117 9) = 0.309 4. Die Gesamtfläche zwischen z = –∞ bis z = +∞ ist 1.

–∞ und –2.60 aus 0.500 0–0.495 3 = 0.004 7 betragen. Demnach beträgt die Fläche links von
600 h in Abbildung 4.1 nur 0.47 % der Gesamtfläche unter der normierten Fehlerkurve. Von
nur 0.47 % der Glühlampen ist ein Versagen in weniger als 600 h zu erwarten. Wenn der
Hersteller eine Million Glühbirnen verkauft, sollte er 4 700 Stück zusätzlich herstellen, um
eine genügende Zahl für die Garantieleistungen zu haben.

Selbstüberprüfung Wie viele zusätzliche Glühlampen müssen hergestellt werden, wenn


der Hersteller alle Lampen ersetzen will, die in weniger als 620 Stunden versagen? (Antwort:
z ≈ –2.4, Fläche ≈ 0.008 2 = 8 200 Glühlampen.

Fläche von
Anzahl der Glühlampen

> Beispiel – ∞ bis 900


= 0.719 6
Verwendung einer Tabellenkalkulation zur Ermittlung der Fläche
unter einer Gaußkurve
Fläche von
Welcher Bruchteil der Glühbirnen hat eine Lebensdauer zwischen 900 und 1000 Stunden?
– ∞ bis 1000
= 0.949 8
Lösung Zur Beantwortung dieser Frage benötigen wir den Bruchteil der Fläche unter der
Gaußkurve zwischen x = 900 und x = 1000 h. Die Funktion NORMVERT in Excel liefert die
Fläche unter der Kurve von –∞ bis zu dem bestimmten Punkt x. Wir gehen so vor: Zuerst
wird die Fläche von –∞ bis 900 h bestimmt, die in Abbildung 4.4 links hell schraffiert ist.
Dann bestimmen wir die Fläche von –∞ bis 1 000 Stunden, also die Gesamtfläche links von
600 700 800 900 1000 1100
1 000 h in Abbildung 4.4. Die Differenz der beiden Flächen ist die Fläche von 900–1 000 Lebensdauer (h)
Stunden:
Abb. 4.4 Verwendung der Gaußkurve
Fläche von 900 bis 1 000 Stunden = (Fläche von –∞ bis 1 000) – (Fläche von –∞ bis 900) zur Ermittlung des Anteils der Glühlam-
pen mit einer Lebenszeit zwischen 900
Bei einer Tabellenkalkulation trägt man den Mittelwert in die Zelle A2 und die Standard- und 1 000 Stunden. Wir ermitteln die Flä-
abweichung in die Zelle B2 ein. Um die Fläche unter der Gaußkurve von –∞ und 900 h che zwischen –∞ und 1 000 h und ziehen
in Zelle 4 zu bestimmen, klickt man im Menü auf „Formel“ und „Funktion einfügen“. Hier die Fläche zwischen –∞ und 900 h ab.
86 Kapitel 4 · Statistik

wählt man unter Statistik die Funktion NORMVERT aus. Nach dem Doppelklick erscheint
ein Fenster, in das vier verschiedene Werte eingegeben werden sollen. (Unter „Hilfe für
diese Funktion“, befindet sich eine kryptische Erklärung zur Verwendung der Funktion
NORMVERT).

A B C
1 Mittelwert = Standardabw. =
2 845.2 94.2
3
4 Fläche von −∞ bis 900 = 0.7196
5 Fläche von −∞ bis 1000 = 0.9498
6 Fläche von 900 bis 1000 0.2302
7
8 C4 = NORMVERT(900,$A$2,$B$2,WAHR)
9 C5 = NORMVERT(1000,$A$2,$B$2,WAHR)
10 C6 = C5-C4

Die für die Funktion NORMVERT benötigten Werte x, Mittelwert, Standardabweichung,


kumuliert) werden Argumente der Funktion genannt. Das erste Argument ist x, mit der
Größe 900. Das zweite Argument ist der Mittelwert, welcher 845.2 beträgt. Man kann
hier nun diesen Wert oder A2, die Zelle, in welche 845.2 geschrieben wurde, eintragen.
Wir tragen hier allerdings $A$2 ein. Mit dem $ Zeichen stellen wir sicher, dass beim
Übertragen des Eintrags auf andere Zellen immer auf den Wert der Zelle A2 Bezug ge-
nommen wird. Das dritte Argument ist die Standardabweichung. Dafür tragen wir $B$2
ein. Das letzte Argument wird mit „kumulativ“ bezeichnet. Wenn hier der Wert „WAHR“
angegeben ist, bedeutet dies, dass von NORMVERT die Fläche unter einer Gauß-Kurve
ausgegeben wird. Wird kumulativ auf FALSCH gesetzt, dann erhält man mit NORMVERT
die Ordinate (y-Wert) der Gaußkurve. Da wir die Fläche suchen, setzen wir den Wert auf
WAHR. Zur Berechnung steht nun die Formel „=NORMVERT(900; $A$2; $B$2; WAHR)“ in
der Zelle C4. Wurde alles richtig eingegeben, dann erhalten wir für die Fläche unter der
Kurve von –∞ und 900 h den Wert 0.719 6. Zur Berechnung der Fläche von –∞ bis 1 000
h wird als Formel „=NORMVERT (1000; $A$2; $B$2; WAHR)“ in die Zelle C5 eingegeben.
Der ausgegeben Wert beträgt 0.949 8. Danach subtrahiert man die Flächen (C5 - C4) und
erhält 0.230 2, was der Fläche von 900 zu 1 000 entspricht. Diese Zahl bedeutet, dass
23.02% der Fläche innerhalb des Bereichs zwischen 900 und 1 000 liegen. Somit kann
man erwarten, dass ca. 23 % der Lampen eine Lebenszeit zwischen 900 und 1.000 Stun-
den haben.

Selbstüberprüfung Wie groß ist die Fläche von 800 bis 1 000 Stunden? (Antwort: 0.634 2)

Die Standardabweichung gibt die Breite der Gaußkurve an. Je größer der Wert von σ ist,
Bereich Prozent der Messungen
desto so breiter ist die Kurve. In jeder Gaußkurve befinden sich 68.3 % der Fläche im
μ ± 1σ 68.3 Gebiet zwischen μ –1σ und μ +1σ, das heißt, dass mehr als zwei Drittel der Messungen
μ ± 2σ 95.5 innerhalb der einfachen Standardabweichung des Mittelwerts liegen. Entsprechend liegen
95.5 % der Fläche innerhalb von μ ± 2σ und 99.7 % der Fläche innerhalb von μ ± 3σ.
μ ± 3σ 99.7
Nehmen wir als Beispiel zwei verschiedene Methoden zur Schwefelbestimmung in Kohle
an: Methode A hat eine Standardabweichung von 0.4 % und Methode B von 1.1 %. Man
kann erwarten, dass ungefähr zwei Drittel der Messungen bei Methode A innerhalb eines
Bereichs von 0.4 % des Mittelwerts liegen, während bei Methode B dieser Bereich 1.1 %
des Mittelwerts umfasst.

Standardabweichung des Mittelwerts


Um die mittlere Lebenszeit einer großen Zahl von Glühlampen zu bestimmen, können
wir eine Lampe auswählen und ihre Brenndauer ermitteln. Wir können auch gleichzei-
tig, z. B. vier Glühlampen nehmen, deren Lebenszeiten messen und den Durchschnitt
4.2 · Vertrauensintervalle 87

berechnen. Wir wiederholen diese Methode der Messung von vier Lampen mehrmals,
berechnen den Mittelwert μ und die Standardabweichung, die hier σ4 genannt wird, weil
sie auf Gruppen von vier Glühlampen beruht. Der Mittelwert von vielen Gruppen aus
vier Lampen ist gleich dem Mittelwert der Grundgesamtheit. Die Standardabweichung
der Mittelwerte der einzelnen Vierergruppen ist jedoch kleiner als die Gesamtstandard-
abweichung σ, nach der Beziehung σ4 = σ/√⎯4. Man nennt σ4 Standardabweichung des
Mittelwerts der Gruppen aus vier Proben. Generell beträgt die Standardabweichung des
Mittelwerts von Gruppen aus n Proben
Standardabweichung des Mittelwerts von Gruppen aus n Werten: σn = σ/ n (4.5)
4
Je häufiger eine Größe gemessen wird, desto sicherer kann man sein, dass der Mit- Geräte mit schneller Datenerfassung
telwert der Messungen sehr nahe am Mittelwert der Grundgesamtheit liegt. Die Un- ermöglichen in kurzer Zeit die Durch-
⎯n ab, dabei ist n die Zahl der Messungen. Man
sicherheit nimmt proportional zu 1/√ schnittsbildung vieler Messwerte zur
kann die Unsicherheit um den Faktor 2 (=√ ⎯4) erniedrigen, wenn man die Zahl der Verbesserung der Präzision.
Messungen vervierfacht und um den Faktor 10 (= 100) bei der hundertfachen Zahl der
Messungen.

4.2 Vertrauensintervalle

Student’s t ist ein statistisches Mittel, das meist zur Angabe der Vertrauensintervalle und „Student“ war das Pseudonym von
zum Vergleich der Ergebnisse verschiedener Experimente verwendet wird. Mit dieser Me- W. S. Gossett, dessen Arbeitgeber, die
thode kann auch die Wahrscheinlichkeit beurteilt werden, ob die Bestimmung der Zahl Guinness Brauerei in Irland, wegen der
der roten Blutkörperchen innerhalb des Bereichs „normaler“ Tage liegt. Eigentumsrechte die Publikation ver-
boten hatten. Wegen der Bedeutung
von Gossetts Arbeiten wurde ihm eine
Berechnung von Vertrauensintervallen Publikation (Biometrika 1908, 6, 1)
unter einem angenommenen Namen
Aus einer begrenzten Zahl von Messungen (n) ist es unmöglich, den wahren Mittelwert erlaubt.
μ der Grundgesamtheit, und die wahre Standardabweichung σ zu bestimmen. Es können
nur x und s, der Mittelwert und die Standardabweichung für eine Probe ermittelt werden.
Das Vertrauensintervall wird mit folgender Gleichung berechnet

ts
Vertrauensintervall = x ± (4.6)
n

mit t, einem von Student eingeführten Faktor (Tabelle 4.2) für eine gewünschte Wahr-
scheinlichkeit, auch Vertrauensniveau genannt, z. B. von 95 %. Das Vertrauensintervall hat
folgende Bedeutung: Wenn wir die n Messungen viele Male wiederholen, um Mittelwert
und Standardabweichung zu bestimmen, würde das Vertrauensintervall den wahren Mit-
telwert der Grundgesamtheit (dessen Wert wir nicht kennen) in 95 % der Gruppen von
n Messungen einschließen. Wir sagen (etwas unpräzis), „dass wir zu 95 % sicher sind,
dass der wahre Mittelwert innerhalb des Vertrauensintervalls liegt“. Häufig wird für das
Vertrauensniveau neben dem Begriff der Wahrscheinlichkeit auch der einer „statistischen
Sicherheit“ verwendet. Bei einem Vertrauensniveau von 95 % liegt eine Wahrscheinlich-
keit = 95%ige statistische Sicherheit vor. Die Differenz zu 100 % bzw. 1 (also 5 % bzw. 0.05)
sind das Irrtumsrisiko.

> Beispiel
Berechnung von Vertrauensintervallen
Der Kohlenhydratgehalt eines Glycoproteins (ein Protein mit gebundenen Zuckermolekü-
len) wird in Wiederholungsanalysen bestimmt und es werden 12.6, 11.9, 13.0, 12.7 und
12.5 g Kohlenhydrat pro 100 g Protein gefunden. Wie groß sind die Vertrauensintervalle für
den Kohlenhydratgehalt bei einem Vertrauensniveau von 50 % und 90 %?
_
Lösung Zuerst werden x (= 12.54) und s (= 0.40) für die fünf Messungen bestimmt. Zur
Berechnung des Vertrauensintervalls bei 50 % Wahrscheinlichkeit wird in Tabelle 4.2 unter
88 Kapitel 4 · Statistik

13.0 50 % bei 4 Freiheitsgraden (Zahl der Freiheitsgrade = n – 1) der Wert t = 0.741 gefunden.
Damit ergibt sich das Vertrauensintervall bei 50% Wahrscheinlichkeit
12.9
ts ( 0.741) ( 0.4 0 )
12.8 x ± = 12.54 ± = 12.54 ± 0.13 Gew.%
n 5
12.7 50 % 90% Entsprechend gilt für Vertrauensintervall bei 90 % Wahrscheinlichkeit
Chance, Chance,
Kohlenhydrat-Gehalt

dass der dass der


12.6 ts ( 2.132 ) ( 0.4 0 )
wahre Wert wahre x ± = 12.54 ± = 12.54 ± 0.38 Gew.%
in diesem Wert in n 5
12.5 Intervall diesem
liegt Intervall Diese Berechnungen bedeuten, dass bei mehrmaliger Wiederholung von Gruppen aus
12.4 liegt
fünf Messungen in der Hälfte der 50%-Vertrauensintervalle der wahre Mittelwert μ ent-
halten ist. Neun Zehntel der 90%-Vertrauensintervalle sollten den wahren Mittelwert μ
12.3
enthalten.
12.2
Selbstüberprüfung In einer weiteren Probe wird ein Kohlenhydratgehalt von 12.3 Gew%
12.1
gefunden, wie groß ist das 90%-Vertrauensintervall mit sechs Resultaten? (Lösung: 12.50 ±
⎯ 6 = 12.50 ± 0.31 Gew%)
(2.015)(0.37)/√
12.0

Tabelle 4.2 Werte für den Students t-Faktor

Freiheits- Vertrauensniveau (%)


grade
50 90 95 98 99 99.5 99.9

1 1.000 6.314 12.706 31.821 63.656 127.321 636.578

2 0.816 2.920 4.303 6.965 9.925 14.089 31.598

3 0.765 2.353 3.182 4.541 5.841 7.453 12.924

4 0.741 2.132 2.776 3.747 4.604 5.598 8.610

5 0.727 2.015 2.571 3.356 4.032 4.773 6.869

6 0.718 1.943 2.447 3.143 3.707 4.317 5.959

7 0.711 1.895 2.365 2.998 3.500 4.029 5.408

8 0.706 1.860 2.306 2.896 3.355 3.832 5.041

9 0.703 1.833 2.262 2.821 3.250 3.690 4.781

10 0.700 1.812 2.228 2.764 3.169 3.581 4.587

15 0.691 1.753 2.131 2.602 2.947 3.252 4.073

20 0.687 1.725 2.086 2.528 2.845 3.153 3.850

25 0.684 1.708 2.060 2.485 2.787 3.078 3.725

30 0.683 1.697 2.042 2.457 2.750 3.030 3.646

40 0.681 1.684 2.021 2.423 2.704 2.971 3.551

60 0.679 1.671 2.000 2.390 2.660 2.915 3.460

120 0.677 1.658 1.980 2.358 2.617 2.860 3.373

∞ 0.674 1.645 1.960 2.326 2.576 2.807 3.291

Bei der Berechnung der Vertrauensintervalle kann σ an die Stelle von s in Gleichung 4.6 treten, wenn man
für eine bestimmte Methode eine große Erfahrung hat und deshalb die „wahre“ Standardabweichung der
Grundgesamtheit kennt. Wenn σ anstelle von s verwendet wird, benutzt man für Gleichung 4.6 den t-Wert
aus der letzten Zeile von Tabelle 4.2.
Die Werte für t in dieser Tabelle gelten für den zweiseitigen Test (dargestellt in Abbildung 4.9a). Das 95%-
Vertrauensniveau legt die Gebiete fest, die 2.5 % der Fläche auf jeder Seite der Kurve einnehmen. Für den
einseitigen Test wird der t-Wert für 90 % Sicherheit genommen. Jede Seite der Kurve enthält außerhalb von t
(für 90 % Sicherheit) 5 % der Fläche unter der Kurve.
4.2 · Vertrauensintervalle 89

Die Bedeutung des Vertrauensintervalls


Das in Abbildung 4.5 dargestellte Experiment illustriert die Bedeutung der Vertrauens-
intervalle. Ein Zufallsgenerator wählte Zahlen aus einer Gaußschen Grundgesamtheit
mit dem Mittelwert (μ) von 10 000 und einer Standardabweichung der Grundgesamt-
heit (σ) von 1 000 für die Gleichung 4.3 aus. Im Versuch 1 wurden vier Zahlen gewählt
und Mittelwert sowie Standardabweichung mit den Gleichungen 4.1 und 4.2 berechnet.
Das 50%-Vertrauensintervall wurde dann mit Gleichung 4.6 unter Verwendung von t
= 0.765 aus Tabelle 4.2 berechnet (Vertrauensniveau 50%, drei Freiheitsgrade). Dieser
Versuch ist als erster Punkt ganz links in Abbildung 4.5a eingetragen; das Quadrat ist 4
auf den Mittelwert von 9 526 zentriert und der Fehlerbalken reicht vom unteren bis
zum oberen Ende des 50%-Vertrauensintervalls (±290). Dieses Experiment wurde
hundertmal wiederholt und damit wurden sämtliche Punkte der Abbildung 4.5a
erhalten.
Das Vertrauensintervall für eine statistische Sicherheit von 50 % ist so definiert, dass
bei einer unendlichen Zahl von Wiederholungsmessungen 50 % der Fehlerbalken in Ab-
bildung 4.5a den wahren Mittelwert der Grundgesamtheit von 10 000 einschließen. Tat-
sächlich ergibt sich bei den 100 Experimenten, dass 45 Fehlerbalken die horizontale Linie
bei 10 000 in Abbildung 4.5a schneiden.
In Abbildung 4.5b ist das gleiche Experiment mit dem gleichen Satz von Zufallszah-
len für die 90%-Vertrauensintervalle dargestellt. Hier sollten bei einer unendlichen Zahl
von Experimenten 90 % der Vertrauensintervalle den Mittelwert der Grundgesamtheit
von 10 000 einschließen. Tatsächlich trifft dies bei 89 der 100 Fehlerbalken in Abbildung
4.5b zu.

13 000
Vertrauensintervalle (Vertrauensniveau 50 %)
12 000
Mittelwert aus vier Werten

11 000

10 000

9 000

8 000

7 000
0 20 40 60 80 100
a Versuchsnummer

13 000
Vertrauensintervalle
(Vertrauensniveau 90 %)
12 000
Mittelwert aus vier Werten

11 000

10 000

9 000

8 000

7 000
0 20 40 60 80 100
b Versuchsnummer

Abb. 4.5 Vertrauensintervalle für das 50%- und 90%-Vertrauensniveau für den gleichen Zufallsda-
tensatz. Die gefüllten Quadrate sind Datenpunkte, deren Vertrauensintervall den wahren Mittelwert
(10 000) der Grundgesamtheit nicht enthält.
90 Kapitel 4 · Statistik

Standardabweichung und Vertrauensintervall


zur Abschätzung der experimentellen Unsicherheit
„Die analytischen Chemiker müssen In Kapitel 3 wurden die Regeln für die Fortpflanzung der Unsicherheit in Berechnun-
gegenüber der Öffentlichkeit stets gen behandelt. So erhält man z. B. aus der Division einer Masse mit einem Volumen die
betonen, dass bei jedem Ergebnis von Dichte; die Unsicherheit der Dichte beruht auf den Unsicherheiten in der Masse und im
analytischen Messungen die wichtigste Volumen. Die gebräuchlichsten Abschätzungen der Unsicherheit sind Standardabwei-
Angabe eine ausreichende Erklärung des chung und Vertrauensintervall.
Unsicherheitsbereichs ist.“2 Bei der fünfmaligen Bestimmung des Volumens eines Gefäßes erhielt man z. B. 6.375,
6.372, 6.374, 6.377 und 6.375 mL, mit dem Mittelwert x = 6.3746 mL und der Standardab-
weichung s = 0.0018 mL. Wir können das Volumen als 6.3746 ± 0.0018 mL (n = 5) angeben,
Mittelwert wobei n die Anzahl der Messungen ist.
Zur Abschätzung der Unsicherheit wird das Vertrauensintervall (z. B. für 95 % Wahr-
6.372 6.373 6.374 6.375 6.376 6.377
scheinlichkeit) gewählt. Mit Gleichung 4.6 findet man für das 95%-Vertrauensintervall
bei vier Freiheitsgraden mit ±ts n = ± (2.776)(0.0018)/ 5 = ± 0.0025. Mit diesem Kri-
± Standardabweichung
terium beträgt die Unsicherheit des Volumen ±0.0025 mL. Es ist äußerst wichtig, genau
anzugeben, welche Art von Unsicherheit gemeint ist, entweder die Standardabweichung
95%-Wahrscheinlichkeit für n Messungen oder das 95%-Vertrauensintervall für n Messungen.
für 5 Messungen Die Unsicherheit kann durch eine größere Zahl von Messungen verringert werden.
Für 21 Messungen wird bei gleichem Mittelwert und gleicher Standardabweichung
95%-Wahrscheinlichkeit das 95%-Vertrauensintervall von ±0.0025 auf ± (2.086)(0.0018)/ 21 = ±0.000 8 mL
für 21 Messungen verringert.

Ermittlung des Vertrauensintervalls mit Excel


Excel hat eine eingebaute Funktion zur Berechnung der Student-t-Verteilung. In Ab-
bildung 4.6 geben wir Daten in den Block der Zellen A4:A13 ein. Wir reservieren 10
Zellen zur Dateneingabe, die Anzahl kann aber natürlich beliebig verändert werden. Für
fünf Datenpunkte in Abbildung 4.6 wird der Mittelwert in der Zelle C3 mit dem Befehl
„=MITTELWERT (A4:A13)“ berechnet, obwohl einige Zellen in diesem Bereich keine
Daten enthalten. Excel ignoriert hier die leeren Zellen und betrachtet diese nicht etwa
als Daten mit dem Wert 0, was bei der Berechnung natürlich einen falschen Mittelwert
ergeben würde. Die Standardabweichung wird in der Zelle C4 berechnet. Die Anzahl der
Datenpunkte steht in der Zelle C5 und ergibt sich durch „=ANZAHL(A4:A13)“. Die An-
zahl der Freiheitsgrade folgt aus n – 1 in der Zelle C7. Darüber hinaus benötigen wir noch
die Angabe des Vertrauensniveaus in der Zelle C9. Hier geben wir 0.95 ein.

A B C D E F

1 Vertrauensintervall
2
3 Daten Mittelwert  6.3746  MITTELWERT (A4:A13)
4 6.375 Stand.abw.  0.0018  STABW (A4:A13)
5 6.372 n 5  ANZAHL (A4:A13)
6 6.374 Freiheits-

7 6.377 grade  4  C5-1


8 6.375 Vertrauens-

9 niveau  0.95
10 Student’s

11 t 2.776  TINV (1-C9,C7)


12 Vertrauens-
Abb. 4.6 Arbeitsblatt zur Bestimmung
13 intervall  0.0023  C11*C4/WURZEL(C5)
des Vertrauensintervalls.
4.3 · Vergleich von Mittelwerten mit Students t-Test 91

Die Funktion zur Berechnung von Student’s t in der Zelle C11 lautet „=TINV (Irr- Überprüfen Sie, dass der t-Faktor von
tumsrisiko; Freiheitsgrade)“. Das Irrtumsrisiko ist für diese Funktion = 1–0.95 = 0.05. Student in Zelle C11 mit dem Wert in
Somit muss in die Zelle C11 geschrieben werden „=TINV(1-C9; C7)“ um Student’s t Tabelle 4.2 übereinstimmt.
mit 95%iger Wahrscheinlichkeit und 4 Freiheitsgraden zu erhalten. Schließlich wird in
Zelle C13 das Vertrauensintervall nach Gleichung 4.6 mit dem Kommando „= C11*C4/
WURZEL(C5) berechnet.

4.3 Vergleich von Mittelwerten mit Students t-Test


4
Wenn man zwei Gruppen von Messungen der gleichen Größe ansetzt, wird der Mittelwert Vertrauensintervall und t-Test (ebenso
der einen Gruppe aufgrund kleiner Zufallsschwankungen der Messungen generell nicht wie der später in diesem Kapitel be-
gleich dem Mittelwert der anderen Gruppe sein, Wir benutzen den t-Test, um die beiden handelte Grupps-Test) setzen voraus,
Mittelwerte miteinander zu vergleichen und damit zu entscheiden, ob zwischen den bei- dass die Messwerte einer Gauß-Vertei-
den Mittelwerten ein statistisch signifikanter Unterschied besteht. Die Frage lautet also: lung gehorchen.
Stimmen die beiden Mittelwerte „innerhalb des experimentellen Fehlers“ überein? Die
Nullhypothese in der Statistik besagt, dass sich die Mittelwerte der Messungen von zwei
Gruppen nicht unterscheiden. Die Statistik liefert die Wahrscheinlichkeit, dass der ge-
fundene Unterschied zwischen zwei Mittelwerten auf zufälligen Messfehlern beruht. Üb-
licherweise wird die Nullhypothese verworfen, wenn die Chance kleiner als 5 % ist, dass der
beobachtete Unterschied auf Zufallsschwankungen beruht. Mit diesem Kriterium besteht
eine Chance von 95 %, dass unsere Schlussfolgerung richtig ist. In einem von 20 Fällen ist
die Feststellung, dass die beiden Mittelwerte nicht übereinstimmen, falsch.

Es gibt drei Fälle, die etwas unterschiedlich behandelt werden:


Fall 1: Eine Größe wird mehrfach gemessen und ein Mittelwert sowie die Standardab-
weichung werden bestimmt. Wir müssen unsere Lösung mit einem akzeptierten
Wert vergleichen. Der erhaltene Mittelwert entspricht dem akzeptierten Wert
nicht genau. Entspricht unser gemessenes Ergebnis dem akzeptierten Wert „in-
nerhalb des experimentellen Fehlers“?
Fall 2: Wir messen eine Größe mehrmals mit zwei verschiedenen Methoden und erhalten
zwei verschiedene Ergebnisse, jede mit ihrer eigenen Standardabweichung. Stim-
men die beiden Ergebnisse „innerhalb des experimentellen Fehlers“ überein?
Fall 3: Die Probe A wird einmal mit der Methode 1 und einmal mit der Methode 2
gemessen; die beiden Messungen geben nicht genau das gleiche Ergebnis. Nun
wird eine mit B bezeichnete andere Probe einmal mit Methode 1 und einmal mit
Methode 2 gemessen und wieder sind die beiden Ergebnisse nicht gleich. Dieses
Verfahren wird mit n verschiedenen Proben wiederholt. Stimmen die beiden Me-
thoden „innerhalb des experimentellen Fehlers“ überein?

Fall 1. Vergleich eines Messwerts mit einem


„bekannten“ Wert
Sie haben eine Kohleprobe als Standardreferenzmaterial gekauft, die 3.19 Gew% Schwefel Wenn der „bekannte“ Wert nicht in-
enthält. Sie erproben eine neue analytische Methode, um festzustellen, ob diese den be- nerhalb des 95%-Vertrauensintervalls
kannten Wert reproduzieren kann. Die Messwerte waren 3.29, 3.22, 3.30 und 3.23 Gew% liegt, ergeben die beiden Methoden
Schwefel mit dem Mittelwert x = 3.260 und der Standardabweichung s = 0.041. Entspricht „verschiedene“ Resultate.
Ihr Ergebnis dem bekannten Wert? Um das zu ermitteln, wird das 95%-Vertrauensinter-
vall für Ihr Ergebnis berechnet und festgestellt, ob das bekannte Ergebnis in diesem Bereich
liegt. Wenn das nicht der Fall ist, stimmen die Ergebnisse nicht überein.
Und so gehen wir vor. Bei vier Messungen haben wir drei Freiheitsgrade und t95% =
3.182 in Tabelle 4.2. Das 95%-Vertrauensintervall beträgt
95%-Vertrauensintervall =
Behalten Sie in dieser Rechnung viele
ts (3.182 )(0.041) Stellen bei.
x ± = 3.260 ± = 3.260 ±0.065 = 3.195 bis 3.325 Gew% (4.7)
n 4
92 Kapitel 4 · Statistik

Der zertifizierte Wert (3.19 Gew%) liegt gerade etwas außerhalb des Vertrauensinter-
valls. Daher können wir schließen, dass die neue Methode einen vom bekannten Wert
verschiedenen Messwert liefert, denn die Chance, dass die Werte gleich sind, ist kleiner
als 5 %.
Wir ziehen den Schluss, dass unsere Methode ein vom bekannten Wert „abwei-
chendes“ Resultat liefert. Jedoch liegt in diesem Fall der Vertrauensbereich so dicht am
bekannten Wert, dass es klug wäre, mehr Messungen zu machen, bevor man die neue
Methode als ungenau ablehnt.

Fall 2. Vergleich von Wiederholungsmessungen


Stimmen zwei verschiedene Gruppen von Messungen „innerhalb des experimentellen
Fehlers“ überein?3 Das folgende Beispiel stammt aus der Arbeit von Lord Rayleigh (John
W. Strutt), an den heute seine bahnbrechenden Entdeckungen der Lichtstreuung, der
Strahlung des schwarzen Körpers und der elastischen Wellen in Festkörpern erinnern. Er
erhielt 1904 den Nobelpreis für die Entdeckung des Edelgases Argon, eine Entdeckung,
die darauf beruhte, dass er eine kleine Differenz zwischen zwei Messreihen der Dichte von
Tabelle 4.3 Massen von Gasproben, die gasförmigem Stickstoff bemerkte.
von Lord Rayleigh untersucht wurden In der Zeit von Rayleigh war bekannt, dass trockene Luft zu etwa 15 aus Sauerstoff und
4
aus Luft (g) durch chemische zu 5 aus Stickstoff besteht. Rayleigh entfernte den gesamten Sauerstoff aus einem Luftvo-
Zersetzung (g) lumen, indem er dieses über rotglühendes Kupfer leitete (wobei der Sauerstoff festes CuO
bildet) und bestimmte dann die Dichte des verbliebenen Gases durch Auffangen in einem
2.310 17 2.301 43
bestimmten Volumen bei konstanter Temperatur und konstantem Druck. Er stellte ein
2.309 86 2.298 90 gleiches Volumen von Stickstoff durch chemische Zersetzung von Distickstoffmonoxid
2.310 10 2.298 16
(N2O), Stickstoffmonoxid (NO) oder Ammoniumnitrit (NH +4 NO2−) her. Tabelle 4.3 und
Abbildung 4.7 zeigen die Massen des Gases, die bei den Versuchen erhalten wurden. Die
2.310 01 2.301 82 durchschnittliche Masse für den aus Luft gewonnenen Stickstoff (2.310 11 g) ist um 0.46 %
2.310 24 2.298 69 größer als die durchschnittliche Masse des gleichen Gasvolumens chemischen Ursprungs
(2.299 47 g).
2.310 10 2.299 40
Wenn Rayleigh seine Untersuchungen nicht so sorgfältig ausgeführt hätte, wäre die
2.310 28 2.298 49 Differenz für einen experimentellen Fehler gehalten worden. Rayleigh war jedoch der
– 2. 298 89
Meinung, dass der Unterschied außerhalb seines Fehlerbereichs lag und postulierte, dass
der aus der Luft gewonnene Stickstoff noch eine kleine Menge eines schwereren Gases
Durchschnitt enthält, das sich schließlich als Argon herausstellte.
2.310 11 2.299 47
Nun soll der t-Test benutzt werden, um zu entscheiden, ob Stickstoff aus Luft „sig-
Standard- nifikant“ schwerer ist als Stickstoff chemischer Herkunft. In diesem Fall hat man zwei
abweichung 0.001:38 Messreihen, jede mit ihrem eigenen Fehler und keinen „bekannten“ Wert. Es wird ange-
0.000 143 nommen, dass die Standardabweichung der Grundgesamtheit (σ) für jede Methode im
Quelle: R. D. Larsen, J. Chem. Ed. 1990, Wesentlichen gleich ist.
67, 925; siehe auch C. J. Giunta, J. Chem. In den zwei Reihen von n1 bzw. n2 Messungen (mit den Mittelwerten x 1 und x 2) wird
Ed.1998, 75, 1322. ein Wert von t aus der Formel

x1 − x2 n1n2
tberechnet = (4.8)
s pooled n1 + n2

Abb. 4.7 Lord Rayleighs Bestimmungen berechnet, wobei |x 1-x 2| der absolute Wert der Differenz (eine positive Zahl) ist und die
der Massen konstanter Gasvolumina vereinigte Standardabweichung spooled mit Gleichung (4.9)
(bei konstanter Temperatur und Druck),
die aus Luft nach Sauerstoffentfernung
isoliert oder durch Zersetzung von Stick-
stoffverbindungen gewonnen wurden.
Rayleigh erkannte, dass der Unterschied
chemisch erzeugter Stickstoff aus
zwischen beiden Probengruppen außer-
Stickstoff Luft
halb seines experimentellen Fehlers lag
und schloss, dass eine schwerere Kompo-
nente, die sich als Argon erwies, in dem
aus der Luft gewonnenen Gas enthalten 2.295 2.300 2.305 2.310 2.315
sein muss. Masse (g)
4.3 · Vergleich von Mittelwerten mit Students t-Test 93

2
∑ ∑ (x
2
(xi − x1 ) + j − x2 )
s12 (n1 − 1 ) + s22 (n2 − 1)
spooled = Reihe 1 Reihe 2
= (4.9)
n1 + n2 − 2 n1 + n2 − 2

aus beiden Messreihen erhalten wird. Der aus Gleichung 4.7 berechnete Wert von t wird Bei tberechnet > ttabelliert (95 %) ist die
nun mit dem Wert von t in Tabelle 4.2 für n1 + n2 -2 Freiheitsgrade verglichen. Wenn der Differenz signifikant.
berechnete Wert von t größer ist als der bei dem 95%-Vertrauensniveau angegebene Tabel-
lenwert, können die beiden Ergebnisse als verschieden angesehen werden. Die Chance, dass
die beiden Messreihen aus der gleichen Grundgesamtheit mit dem gleichen Mittelwert
stammen, ist kleiner als 5 %. 4
> Beispiel
Hat das Gas, das Lord Rayleigh aus Luft gewonnen hat, eine größere Dichte
als N2 aus chemischen Reaktionen?
_
Die durchschnittliche Masse des Stickstoffs aus Luft in Tabelle 4.3 betrug x1 = 2.310 11 g
mit einer Standardabweichung s1 = 0.000 143 (für n1 = 7 Messungen). Die durchschnittliche
_
Masse von Stickstoff chemischen Ursprungs beträgt x2 = 2.299 47 g mit einer Standardab-
weichung von s2 = 0.001 8 (für n2 = 8 Messungen).

Lösung Zur Beantwortung der Frage werden die gepoolte Standardabweichung spooled mit
Gleichung 4.9
2 2

spooled =
( 0.000 14 ) ( 7− 1) + ( 0.001 38) ( 8 −1)
3
= 0.001 02
7 + 8 −2
und t mit Gleichung 4.8

2.31011− 2.29947 7⋅8


tberechnet = = 20.2 berechnet.
0.00102 7+8

Für 7 + 8 – 2 = 13 Freiheitsgrade liegt t in Tabelle 4.2 für 95 % Wahrscheinlichkeit zwischen


2.228 und 2.131. Der ermittelte Wert von t (20.2) ist größer als der tabellierte Wert, so dass
der Unterschied signifikant ist. Selbst der tabellierte Wert für das 99.9 % Vertrauensniveau
ist mit ~4.3 größer, so dass die Wahrscheinlichkeit eines Unterschieds größer als 99.9 % ist.
Unsere Augen haben uns bei der Betrachtung der Abbildung 4.7 nicht getäuscht. Das Gas
aus Luft hat zweifellos eine größere Dichte als N2 chemischer Herkunft. Diese Beobachtung
führte Rayleigh zur Entdeckung eines schweren Bestandteils der Luft.
_ _
Selbstüberprüfung Wenn |x1–x2| nur halb so groß, aber spooled unverändert ist, sind dann
die beiden Mittelwerte noch immer signifikant verschieden? (Antwort: tberechnet = 10.1 und
der Unterschied ist weiterhin signifikant)

Die Gleichungen 4.8 und 4.9 beruhen auf der Annahme, dass die Standardabweichung In Abschnitt 4.4 wird der F-Test ver-
der Grundgesamtheit für beide Messreihen gleich ist. Wenn das nicht der Fall ist, werden wendet, um einen signifikanten Unter-
die Gleichungen4 schied von zwei Standardabweichun-
gen festzustellen.
x1 − x2
tberechnet = (4.8a)
s12 s22
+
n1 n2

und
2
⎛ s12 s22 ⎞
⎜ + ⎟
Freiheitsgrade = ⎝ n1 n2 ⎠ (4.9a) Die Gleichung 4.9a unterscheidet
2 2
(s
2
1 / n1 ) +
(s 2
2 / n2 ) sich geringfügig von der in früheren
n1 − 1 n2 − 1 Auflagen dieses Buchs verwendeten
Gleichung. Die neue und die alte Glei-
verwendet. Nun wird angenommen, dass für Rayleighs Werte in Abbildung 4.7 die Stan- chung sind beide Annäherungen.
dardabweichung der Massenbestimmung aus Luft kleiner ist als für die aus chemischen
94 Kapitel 4 · Statistik

Umsetzungen. Mit den Gleichungen 4.8a und 4.9a erhält man tberechnet = 21.7 und 7.17
≈ 7 Freiheitsgrade. Dieser Wert von tberechnet ist noch immer viel größer als die Werte in
Tabelle 4.2 für 7 Freiheitsgrade bei 95 oder 99.9 % Wahrscheinlichkeit.

Fall 3. Gepaarter t-Test zum Vergleich individueller


Unterschiede
In diesem Fall werden zwei Methoden angewendet und Einzelmessungen an mehreren un-
terschiedlichen Proben durchgeführt. Keine Messung wird wiederholt. Liefern die beiden
Methoden das gleiche Ergebnis „innerhalb des experimentellen Fehlers“? Abbildung 4.8
zeigt die Ergebnisse einer Aluminiumbestimmung in 11 Trinkwasserproben. Die Ergeb-
nisse der Methode A stehen in Spalte B und die der Methode B in Spalte C. Bei jeder Probe
sind die beiden Ergebnisse ähnlich, aber nicht identisch.
Zur Feststellung eines signifikanten Unterschieds zwischen beiden Methoden wird
der gepaarte t-Test benutzt. Zuerst berechnet Spalte D die Differenzen (di) zwischen den
beiden Werten für jede Probe. Der Mittelwert für die 11 Differenzen (d = –2.491) wird in
Zelle D16 und die Standardabweichung der 11 Differenzen (sd) in Zelle D17 berechnet.
2

sd =
∑ (d − d ) i

n −1

2 2 2 2

sd =
(−3.0 − d ) + (4.8 − d ) (
+ ... + 0.2 − d ) (
+ −11.6 − d ) = 6.7 48 (4.10)
11 − 1

Wenn man Mittelwert und Standardabweichung erhalten hat, ergibt sich tberechnet aus

d
tberechnet = √n (4.11)
sd

A B C D
1 Vergleich von zwei Methoden zur
2 Aluminium-Bestimmung
3 Probe-Nr. Methode 1 Methode 2 Differenz
4 (g/L) (g/L) (di)
5 1 17.2 14.2 3.0
6 2 23.1 27.9 4.8
7 3 28.5 21.2 7.3
8 4 15.3 15.9 0.6
9 5 23.1 32.1 9.0
10 6 32.5 22.0 10.5
11 7 39.5 37.0 2.5
12 8 38.7 41.5 2.8
13 9 52.5 42.6 9.9
14 10 42.6 42.8 0.2
15 11 52.7 41.1 11.6
16 Mittelwert = 2.491
17 Standardabweichung = 6.748
Abb. 4.8 Aluminium-Bestimmung mit
zwei Methoden. [Messwerte von P. T. 18 tberechnet = 1.224
Srinivasan, T. Viraraghavan und K. S. 19 D5  C5-B5
Subramanian, „Method Development for 20 D16  MITTELWERT(D5:D15)
Drinking Water Aluminum Measurement 21 D17  STABW(D5:D15)
Using a Graphite Furnace Atomic Absorp-
22 D18  ABS(D16)*WURZEL(A15)/D17
tion Spectrophotometer“, Am. Lab., Feb-
ruary 2000, S. 76.] 23 ABS = absoluter Wert
4.3 · Vergleich von Mittelwerten mit Students t-Test 95

Exkurs 4.1

Wahl der Nullhypothese in der Epidemiologie Was bedeutet das? In der Statistik wird angenommen, dass die
Nullhypothese wahr ist. Solange es keine starken Hinweise gibt,
Eines schönen Tages reiste ich zu Malcolm Pike, einem Epi- dass sie nicht wahr ist, glaubt man weiter, dass sie wahr ist. Auch
demiologen an der University of Southern California. Die im amerikanischen Rechtssystem sagt die Nullhypothese, dass die
Epidemiologen verwenden statistische Methoden, um die angeklagte Person unschuldig ist. Es ist Sache der Staatsanwalt-
Ursachen sowie die Verbreitung von Erkrankungen zu er- schaft, zwingende Beweise zu liefern, dass die angeklagte Person
kennen. Pike untersuchte den Zusammenhang zwischen der nicht unschuldig ist. Gelingt das nicht, muss die Jury den Ange-
Oestrogen-Progesteron-Hormontherapie in den Wechseljah- klagten freisprechen. Im Hormontherapie-Beispiel heißt die Null- 4
ren der Frau und dem Brustkrebs. Seine Untersuchung ergab hypothese, dass die Behandlung keinen Krebs erzeugt. Die Belas-
ein Anwachsen des Brustkrebsrisikos von 7.6 % in jedem Jahr tung dieses Tests besteht darin, dass zwingende Beweise vorliegen
dieser Hormontherapie.5 müssen, dass die Behandlung Krebs verursacht. Pike meint, dass
Wie konnte eine solche Therapie zugelassen werden? Pike bei der Annahme einer Krebsgefahr durch die Hormontherapie die
erklärte, dass bei den von der U.S. Drug and Food Adminis- Nullhypothese lauten muss, „die Behandlung verursacht Krebs“.
tration geforderten Tests zur Nullhypothese ermittelt wird, Dann ist es die Aufgabe der Verfechter der Hormonbehandlung,
„dass diese Behandlung nicht schadet“. Stattdessen, sagte er, zwingende Beweise zu liefern, dass die Behandlung keinen Krebs
müsste die Nullhypothese lauten „die Behandlung erhöht die verursacht. Mit den Worten von Pike: überprüfe die Hypothese,
Wahrscheinlichkeit der Verursachung von Brustkrebs“. „dass das Offensichtliche wahrscheinlich das Wahre ist.“

mit |d | als absolutem Betrag der Mittelwertdifferenzen, so dass tberechnet stets positiv ist.
Durch Einsetzen der Zahlen in Gleichung 4.11 erhält man
2.491
tberechnet = 11 = 1.224
6.748
Wir finden, dass tberechnet (1.224) kleiner ist als ttabelliert (2.228 für das 95%-Vertrauensniveau
und 10 Freiheitsgrade in Tabelle 4.2). Die Chance ist größer als 5 %, dass die beiden Grup-
pen von Ergebnissen „innerhalb der experimentellen Fehler“ liegen. Wir können daraus
schließen, dass die Resultate nicht signifikant verschieden sind. Jetzt haben Sie genug
gelesen, um Exkurs 4.1 zu verstehen.

Einseitiger und zweiseitiger Signifikanztest


In Gleichung 4.7 haben wir versucht, den Mittelwert von vier Wiederholungsmessungen
mit einem zertifizierten Wert zu vergleichen. Die Kurve in Abbildung 4.9a ist die t-Ver-
teilung für drei Freiheitsgrade. Wenn der zertifizierte Wert in den äußeren 5 % der Fläche
unter der Kurve liegt, verwerfen wir die Nullhypothese und schließen mit einer Sicherheit
von 95 % , dass der ermittelte Mittelwert und der zertifizierte Wert nicht äquivalent sind.
Der kritische Wert von t für die Ablehnung der Nullhypothese ist 3.182 für drei Frei-
heitsgrade in Tabelle 4.2. In Abbildung 4.9a liegen 2.5 % der Fläche unter der Kurve über
t = 3.182 und 2.5 % der Fläche unter t = –3.182. Wir bezeichnen das als zweiseitigen Test,
weil wir die Nullhypothese verwerfen, wenn der zertifizierte Wert in dem wenig wahr-
scheinlichen Gebiet auf beiden Seiten vom Mittelwert liegt.
Wenn wir einen berechtigten Grund zu der Annahme haben, dass unsere Methode
systematisch niedrige Werte liefert, können wir den einseitigen t-Test in Abbildung 4.9b
anwenden. In diesem Fall verwerfen wir die Nullhypothese (die aussagt, dass es keinen
signifikanten Unterschied zwischen gemessenem und zertifiziertem Wert gibt), wenn
ttabelliert größer als 2.353 ist. Abbildung 4.9b zeigt, dass 5 % der Fläche unter der Kurve
oberhalb von t = 2.353 liegen. Die linke Seite der Kurve wurde nicht berücksichtigt, da ein
Grund zur Annahme vorlag, dass die Methode niedrigere, nicht höhere Werte liefert.
Wie kann man den Wert von t finden, der die oberen 5 % der Fläche unter der Kurve
(b) abgrenzt? Da die t-Verteilung symmetrisch ist, muss der zweiseitige t-Wert von 2.353
für das 90%-Vertrauensintervall der gesuchte Wert sein, weil 5 % der Fläche oberhalb von
t = 2.353 und 5 % unterhalb von t = –2.353 liegen.
96 Kapitel 4 · Statistik

0.4
Zweiseitiger Test
t-Verteilung für
3 Freiheitsgrade

Relative Wahrscheinlichkeit
0.3

0.2

t = 3.182
0.1
2.5 % der 2.5 % der
Fläche Fläche

0
−5 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 5
a x

0.4
Relative Wahrscheinlichkeit

Einseitiger Test

0.3

0.2

t = 2.353
0.1
5 % der
Fläche

0
−5 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 5
b x

Abb. 4.9 Verteilung der t-Werte für den Student-Test bei drei Freiheitsgraden. Im oberen Bild (a) ent-
hält jeder schraffierte Bereich 2.5 % der Fläche unter der Kurve. Im unteren Bild (b) enthält der eine
schraffierte Teil 5 % der Fläche unter der Kurve. Je weniger Freiheitsgrade vorliegen, desto breiter wird
die Verteilung. Wenn die Zahl der Freiheitsgrade zunimmt, nähert sich die Kurve einer Gaußkurve.

Diese Diskussion diente zur Erklärung des Unterschieds zwischen ein- und zweiseiti-
gen Tests. Alle t-Tests in diesem Buch werden als zweiseitige Tests durchgeführt.

Wie viele rote Blutkörperchen habe ich heute?


Diese Frage steht am Anfang dieses Kapitels. An fünf „normalen“ Tagen wurden 5.1, 5.3,
4.8, 5.4 und 5.2 × 106 Zellen/μL gefunden. Nun sollte geklärt werden, ob der am heutigen
Tag gefundene Wert von 5.6 × 106 Zellen/μL „signifikant“ höher ist als der Normalwert.
_
Ohne Beachtung des Faktors 106 beträgt das Mittel der normalen Tage x = 5.16 und die
Standardabweichung s = 0.23. Für die heutige Zahl von 5.6 ergibt sich
| heutige Zahl − x | 5.16 − 5.6
tberechnet = √n = √5 = 4.28
s 0.23
Für welche Wahrscheinlichkeit (Vertrauensniveau) hat bei vier Freiheitsgraden Students
t den Wert 4.28.
In Tabelle 4.2 findet man in der Zeile für 4 Freiheitsgrade den Wert 4.28 zwischen den
Vertrauensintervallen für 98% (t = 3.747) und 99 % (t = 4.604) statistische Sicherheit. Die
heutige Zahl roter Blutkörperchen im oberen Ast der Kurve und nimmt weniger als 2 %
der Fläche unter der Kurve ein. Die Wahrscheinlichkeit, an einem „normalen“ Tag eine
Zahl von 5.6 × 106 Zellen/μL ist kleiner als 2 %. Deshalb ist es sinnvoll, den heutigen Wert
als erhöht zu betrachten.
Bestimmen Sie die Wahr- In Tabelle 4.2 befindet sich der Wert für die Wahrscheinlichkeit der heutigen
scheinlichkeit mit Excel: Zahl roter Blutkörperchen zwischen 1 und 2 %. Excel liefert die Wahrscheinlichkeit mit
TVERT(x;Freiheitsgrade;Seiten) der Funktion TVERT(x;Freiheitsgrade;Seiten) mit x = tberechnet, Freiheitsgrade = 4 und
4.4 · Vergleich von Standardabweichungen mit dem F-Test 97

Seiten = 2. Die Funktion TVERT(4.28;4;2) ergibt den Wert 0.013. Die heutige Zahl roter
Blutkörperchen liegt in den oberen 1.3 % der Fläche der t-Verteilung.

4.4 Vergleich von Standardabweichungen


mit dem F-Test
Zur Entscheidung, ob Rayleighs Messreihen der Stickstoff-Massen in Abbildung 4.7 „si- Wenden Sie auf den Fall 2 den F-Test
gnifikant“ voneinander verschieden sind, wurde der t-Test benutzt. Wenn sich die Stan- zum Vergleich der Mittelwerte im Ab-
dardabweichungen der beiden Datensätze nicht signifikant unterscheiden, verwenden schnitt 4.3 an. 4
wir hierzu die Gleichung 4.8. Sind die Standardabweichungen signifikant verschieden,
verwenden wir stattdessen die Gleichung 4.8a. Für Fberechnet < Ftabelliert benutzen Sie
Der F-Test entscheidet, ob sich zwei Standardabweichungen „signifikant“ voneinander Gleichung 4.8.
unterscheiden. F ist der Quotient der Quadrate der Standardabweichungen:
Für Fberechnet > Ftabelliert benutzen Sie
2 2
Fberechnet = s1 / s2 (4.12) Gleichung 4.8a.

Man schreibt stets die größere Standardabweichung in den Zähler, damit F ≥1 wird. Wir Das Quadrat der Standardabweichung
testen die Hypothese s1 > s2 mit dem einseitigen F-Test in Tabelle 4.4. Wenn Fberechnet grö- wird Varianz genannt.
ßer als Ftabelliert ist, ist der Unterschied signifikant.

Tabelle 4.4 Kritische Werte von F = s21/s22 für 95 % Sicherheit

Freiheitsgrade Freiheitsgrade für s1


für s2
2 3 4 5 6 7 8 9 10 12 15 20 30 ∞

2 19.0 19.2 19.2 19.3 19.3 19.4 19.4 19.4 19.4 19.4 19.4 19.4 19.5 19.5

3 9.55 9.28 9.12 9.01 8.94 8.89 8.84 8.81 8.79 8.74 8.70 8.66 8.62 8.53

4 6.94 6.59 6.39 6.26 6.16 6.09 6.04 6.00 5.96 5.91 5.86 5.80 5.75 5.63

5 5.79 5.41 5.19 5.05 4.95 4.88 4.82 4.77 4.74 4.68 4.62 4.56 4.50 4.36

6 5.14 4.76 4.53 4.39 4.28 4.21 4.15 4.10 4.06 4.00 3.94 3.87 3.81 3.67

7 4.74 4.35 4.12 3.97 3.87 3.79 3.73 3.68 3.64 3.58 3.51 3.44 3.38 3.23

8 4.46 4.07 3.84 3.69 3.58 3.50 3.44 3.39 3.35 3.28 3.22 3.15 3.08 2.93

9 4.26 3.86 3.63 3.48 3.37 3.29 3.23 3.18 3.14 3.07 3.01 2.94 2.86 2.71

10 4.10 3.71 3.48 3.33 3.22 3.14 3.07 3.02 2.98 2.91 2.84 2.77 2.70 2.54

11 3.98 3.59 3.36 3.20 3.10 3.01 2.95 2.90 2.85 2.79 2.72 2.65 2.57 2.40

12 3.88 3.49 3.26 3.11 3.00 2.91 2.85 2.80 2.75 2.69 2.62 2.54 2.47 2.30

13 3.81 3.41 3.18 3.02 2.92 2.83 2.77 2.71 2.67 2.60 2.53 2.46 2.38 2.21

14 3.74 3.34 3.11 2.96 2.85 2.76 2.70 2.65 2.60 2.53 2.46 2.39 2.31 2.13

15 3.68 3.29 3.06 2.90 2.79 2.71 2.64 2.59 2.54 2.48 2.40 2.33 2.25 2.07

16 3.63 3.24 3.01 2.85 2.74 2.66 2.59 2.54 2.49 2.42 2.35 2.28 2.19 2.01

17 3.59 3.20 2.96 2.81 2.70 2.61 2.55 2.49 2.45 2.38 2.31 2.23 2.15 1.96

18 3.56 3.16 2.93 2.77 2.66 2.58 2.51 2.46 2.41 2.34 2.27 2.19 2.11 1.92

19 3.52 3.13 2.90 2.74 2.63 2.54 2.48 2.42 2.38 2.31 2.23 2.16 2.07 1.88

20 3.49 3.10 2.87 2.71 2.60 2.51 2.45 2.39 2.35 2.28 2.20 2.12 2.04 1.84

30 3.32 2.92 2.69 2.53 2.42 2.33 2.27 2.21 2.16 2.09 2.01 1.93 1.84 1.62

∞ 3.00 2.60 2.37 2.21 2.10 2.01 1.94 1.88 1.83 1.75 1.67 1.57 1.46 1.00

Kritische Werte von F für einen einseitigen Test mit der Annahme s1>s2. Die Wahrscheinlichkeit, dass F oberhalb des Tabellenwerts liegt, beträgt 5 %. Man
kann F für einen beliebigen Vertrauensbereich mit der Excel-Funktion FINV(Wahrscheinlichkeit; Freiheitsgrad 1; Freiheitsgrad 2) berechnen. Die Eingabe
„=FINV(0.05;7;6)“ liefert den Wert F = 4.21 in dieser Tabelle. Der Befehl „=FINV(0.1;7;6)“ liefert F = 3.01 für 90% Sicherheit.
98 Kapitel 4 · Statistik

> Beispiel
Ist in den Daten von Rayleigh die Standardabweichung bei der
chemischen Zersetzung signifikant größer als die Standardabweichung
bei der Gewinnung aus Luft?
In Tabelle 4.3 beträgt die Standardabweichung der chemischen Zersetzung s1 = 0.000 38 (n1
= 8 Messungen) und die Standardabweichung aus Luft s2 = 0.000 143 (n2 = 7 Messungen).

Lösung Zur Beantwortung der Frage wird F mit Gleichung 4.12 bestimmt:
Fberechnet = s21/s22 = (0.001 38)2 / (0.000 143)2 = 93.1.

In der Tabelle 4.4 geht man in die Spalte für 7 Freiheitsgrade für s1 (Zahl der Freiheitsgrade
ist n–1) und in die Zeile mit 6 Freiheitsgraden für s2 und findet den Wert Ftabelliert = 4.21. We-
gen Fberechnet (= 93.1) > Ftabelliert (4.21) akzeptieren wir die Annahme, dass s1 mit einer höheren
als 95%igen Sicherheit größer als s2 ist. Der offensichtliche Unterschied in der Streuung der
beiden Datensätze in Abbildung 4.7 ist hoch signifikant.

Selbstüberprüfung Wäre die Differenz bei den zwei Varianzen s21 = (0.002 00)2 (7 Freiheits-
grade) und s22 = (0.001 00)2(6 Freiheitsgrade) ebenfalls signifikant? (Antwort: Nein. Fberechnet =
4.00 < Ftabelliert = 4.21)

4.5 t-Tests mit Tabellenkalkulation

Um die beiden von Rayleigh erhaltenen Datenreihen in Tabelle 4.3 zu vergleichen, geben
Sie diese Daten – genau wie im Arbeitsblatt in Abbildung 4.10 – in die Spalten B und C
ein. In den Zeilen 13 und 14 können Mittelwert und die Standardabweichung ermittelt
werden, was wir aber für den Datenvergleich nicht benötigen.
In Excel finden Sie eventuell unter dem Menüpunkt Daten die Rubrik Analyse mit der
Option „Datenanalyse“. Falls nicht, laden Sie die Analyse-Funktionen, indem Sie auf die
Registerkarte Datei und dann auf Optionen klicken. Jetzt wählen Sie Add-Ins und danach
im Feld Verwalten die Option Excel-Add-Ins aus. Bestätigen Sie mit OK. Aktivieren Sie
im Feld „Verfügbare Add-Ins“ das Kontrollkästchen Analyse-Funktionen, und klicken Sie
dann auf OK. Falls angezeigt wird, dass die Analyse-Funktionen derzeit nicht auf dem
Computer installiert sind, klicken Sie auf Ja, um das Add-In zu installieren. Nachdem
Sie die Analyse-Funktionen geladen haben, steht der Befehl Datenanalyse in der Gruppe
Analyse auf der Registerkarte Daten zur Verfügung.
Nun zurück zur Abbildung 4.10. Hier wollen wir nun die Nullhypothese, dass die bei-
den Datenreihen statistisch nicht unterschiedlich sind, testen. Dazu wählen wir aus dem
Menü Daten die „Datenanalyse“ aus. In früheren Versionen von Excel muss man „Daten-
analyse“ im Menü „Diagrammtools“ aufrufen. In dem sich öffnenden Fenster wählen wir
„Zwei-Stichproben t-Test: gleicher Varianzen“. Klicken Sie auf OK. Das nächste Fenster
fragt nun nach dem Ort, an dem sich die Daten befinden. Schreiben Sie für Variable 1
B5:B12 und für Variable 2 C5:C12. Das Programm ignoriert dabei die leer gelassene Zelle
B12. Für die Hypothetische Differenz der Mittelwerte geben wir 0 und für Alpha 0.05 ein.
Alpha ist das Irrtumsrisiko, mit dem sich der Wert außerhalb des entsprechenden Inter-
valls befindet, für den eine Unterscheidung der Mittelwerte getroffen werden kann. Alpha
= 0.05 bedeutet, dass wir ein Vertrauensniveau von 95% (bzw. 0.95) haben. Für den Aus-
gabebereich wählen wir E1 und klicken auf OK. Excel beginnt mit der Arbeit und gibt uns
die Ergebnisse in den Zellen E1 bis G13, wie in Tabelle 4.10 gezeigt. Mittelwerte stehen in
den Zellen F3 und G3 und die Zellen F4 und G4 enthalten jeweils die Varianz, was nichts
weiter ist als das Quadrat der Standardabweichung. In die Zelle F6 wurde nach Gleichung
4.9 die Gepoolte Varianz in wenigen Sekunden ausgegeben, also mit wesentlich weniger
zeitlichem Aufwand, als wenn man diese mit Bleistift und Papier zu lösen versucht. In der
Zelle F8 ist die Anzahl der Freiheitsgrade (df) angegeben und tberechnet wird als t-Statistik =
20.2 durch Berechnung mit der Gleichung 4.8 in F9 geschrieben.
An dieser Stelle haben wir im Abschnitt 4.3 die Tabelle 4.2 zu Rate gezogen und ge-
funden, dass ttabelliert zwischen 2.228 und 2.131 mit 95%iger Wahrscheinlichkeit und 13
Freiheitsgraden liegt. Excel berechnete hierfür den kritischen t-Wert mit 2.160 in der Zelle
4.6 · Grubbs-Test auf einen Ausreißer 99

A B C D E F G
1 Analyse von Rayleighs Daten Zweistichproben t-Test unter der Annahme gleicher Varianzen
2 Variable 1 Variable 2
3 Masse des Gases (g) Mittelwert 2.310109 2.299473
4 Luft chemisch Varianz 2.03E-08 1.9E-06
5 2.31017 2.30143 Beobachtungen 7 8
6 2.30986 2.29890 Gepoolte Varianz 1.03E-06
7 2.31010 2.29816 Hypothetische Varianz der Mittelwerte 0
8 2.31001 2.30182 Freiheitsgrade (df) 13
9 2.31024 2.29869 t-Statistik 20.21372
10 2.31010 2.29940 P(T < = t) einseitig 1.66E-11 4
11 2.31028 2.29849 Kritischer t-Wert bei einseitigem t-Test 1.770932
12 2.29889 P(T < = t) zweiseitig 3.32E-11
13 Mittelwert 2.31011 2.29947 Kritischer t-Wert bei zweiseitigem t-Test 2.160368
14 Stand Abw 0.00014 0.00138
15 Zweistichproben t-Test unter der Annahme unterschiedlicher Varianzen
16 B13 MITTELWERT(B5:B12) Variable 1 Variable 2
17 B14 STANDABW(B5:B12) Mittelwert 2.310109 2.299473
18 Varianz 2.03E-08 1.9E-06
19 Beobachtungen 7 8
20 Hypothetische Varianz der Mittelwerte 0
21 Freiheitsgrade (df) 7
22 t-Statistik 21.68022
23 P(T< = t) einseitig 5.6E-08
24 Kritischer t-Wert bei einseitigem t-Test 1.894578
25 P(T< = t) zweiseitig 1.12E-07
26 Kritischer t-Wert bei zweiseitigem t-Test 2.364623

Abb. 4.10 Arbeitsblatt zur Tabellenkalkulation zum Vergleich der Mittelwerte der Messungen von
Rayleigh in Tabelle 4.3.

F13 in Abbildung 4.10. Wegen tberechnet (= 20.2) > ttabelliert (= 2.160) können wir schlussfol-
gern, dass die beiden Mittelwerte nicht identisch sind. Der Unterschied ist signifikant. In
der Zelle F12 wird mit dem Wert 3 × 10–11 die Wahrscheinlichkeit angegeben, dass diese
beiden Mittelwerte und ihre Standardabweichung zufällig die gleichen wahren Mittel-
werte ergeben. Damit ist der Unterschied hoch-signifikant. Für jeden Wert von P ≤ 0.05
in der Zelle F12 können wir deshalb die Nullhypothese verwerfen und feststellen, dass die
Mittelwerte unterschiedlich sind.
Der F-Test in Gleichung 4.12 hat gezeigt, dass die Standardabweichungen in den
beiden Messreihen von Rayleigh unterschiedlich sind. Deshalb können wir den anderen
t-Test aus „Datenanalyse“ anwenden. Wählen Sie: Zwei-Stichproben t-Test unterschied-
licher Varianzen und füllen Sie die leeren Zeilen des erschienenen Fensters aus. Die auf
den Gleichungen 4.8a und 4.8b beruhenden Ergebnisse werden in den Zellen E15 bis
G26 des in Abbildung 4.10 gezeigten Arbeitsblatts berechnet. Wie schon im Abschnitt 4.3
gefunden, liegen sieben Freiheitsgrade vor (Zelle F21) und tberechnet = 21.7 (Zelle F22). Da
tberechnet größer als der kritische Wert von t (2.36 in Zelle F26) ist, kann die Nullhypothese
verworfen werden und man kann schlussfolgern, dass die zwei Mittelwerte signifikant
verschieden sind.

4.6 Grubbs-Test auf einen Ausreißer

Eine Studentengruppe löst Zink von je einem galvanisierten Nagel, bestimmt den Mas- Fragwürdiger Wert Mittelwert
senverlust des Nagels und berechnet, wie viel Zink in den Nägeln enthalten ist. Sie erhal-
ten diese 12 Ergebnisse:
Massenverlust (%): 10.2, 10.8, 11.6, 9.9. 9.4, 7.8, 10.0, 9.2, 11.3, 9.5, 10.6, 11.6. 7 8 9 10 11 12
Messwerte
Der Wert 7.8 scheint aus der Reihe zu fallen.
100 Kapitel 4 · Statistik

Der Grubbs-Test wird von der Interna- Ein Wert, der weit von den anderen entfernt ist, wird Ausreißer genannt. Sollte 7.8
tionalen Organisation für Standardisie- verworfen werden, bevor man mit den anderen den Durchschnitt bestimmt oder muss 7.8
rung anstelle des in früheren Auflagen berücksichtigt werden?
dieses Buchs verwendeten Q-Tests Diese Frage wird mit dem Grubbs-Test beantwortet. Zunächst werden der Mittelwert
empfohlen. ( x = 10.16) und die Standardabweichung (s = 1.11) des gesamten Datensatzes (alle 12
Werte) ermittelt. Dann wird die Prüfgröße G berechnet

| fragwürdiger Wert − x |
Grubbs-Test: Gberechnet = (4.13)
Tabelle 4.5 Kritische Werte von G für s
die Ablehnung von Ausreißern

Zahl der G
bei der im Zähler der absolute Wert der Differenz zwischen dem verdächtigen Ausreißer
Beobach- (95% Vertrauens- und dem Mittelwert steht. Wenn Gberechnet größer ist als G in der Tabelle 4.5, sollte der frag-
tungen intervall) würdige Wert verworfen werden.
4 1.463
Für unser Beispiel: Gberechnet = |7.8 – 10.16|/1.11 = 2.13. In Tabelle 4.5 finden wir mit
12 Werten für Gtabelliert = 2.285. Wegen Gberechnet< Gtabelliert sollte der verdächtige Wert erhal-
5 1.672 ten bleiben. Zu mehr als 5% besteht die Chance, dass der Wert 7.8 zur gleichen Grundge-
6 1.822 samtheit gehört wie die übrigen Werte.
Der gesunde Menschenverstand sagt uns natürlich, dass beim Verschütten eines Teils
7 1.938
einer Lösung das Ergebnis zu niedrig sein muss. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für ein
8 2.032 falsches Resultat gleich 100 % und das Ergebnis muss verworfen werden. Jeder Wert, der
aus einer fehlerhaften Prozedur stammt, sollte verworfen werden, unabhängig davon, wie
9 2.110
gut er zu den übrigen Werten passt.
10 2.176

11 2.234 4.7 Die Methode der kleinsten Quadrate


12 2.285

15 2.409
Bei den meisten chemischen Analysen muss das Ansprechverhalten des Verfahrens für
bekannte Konzentrationen des Analyten (Standards) ermittelt werden, damit dieses für
20 2.557 die Bestimmung unbekannter Konzentrationen verwendet werden kann. Hierzu dient ge-
Gberechnet = |fragwürdiger Wert –
wöhnlich eine Kalibrationskurve, wie z. B. die für Coffein in Abbildung 0.13. Sehr häufig
Mittelwert|/s. Für Gberechnet> Gtabelliert kann arbeitet man in Bereichen, in denen die Kalbrationskurve eine Gerade ist.
der fragwürdige Wert mit 95 % Sicherheit Wir benutzen die Methode der kleinsten Quadrate, um die „beste“ Gerade durch die
verworfen werden. Die Werte in dieser experimentellen Punkte, die etwas streuen und nicht genau auf einer geraden Linie liegen,
Tabelle gelten für den einseitigen Test.
zu zeichnen.6 Bei der besten Linie werden einige Punkte oberhalb und einige unterhalb
Quelle: ASTM E 178-02 Standard Practice for
Dealing with Outlying Observations, http://
der Linie liegen. Wir werden erfahren, wie die Unsicherheit bei einer chemischen Analyse
webstore.ansi.org; F. E. Grubbs und G. Beck, von den Unsicherheiten der Kalibrationskurve und der Messwerte bei Wiederholungs-
Technometrics, 1972, 14, 847. messungen der unbekannten Proben abhängt.

Ermittlung der Geradengleichung


Bei der Methode der kleinsten Quadrate wird angenommen, dass die Fehler der y-Werte
beträchtlich größer sind als die der x-Werte.7 Diese Bedingung ist bei Kalibrationskurven
häufig erfüllt, bei denen die experimentelle Messantwort (y-Werte) weniger sicher ist als
die Menge des Analyten (x-Werte). Weiterhin wird angenommen, dass die Unsicherheiten
(Standardabweichungen) bei allen y-Werten ähnlich sind.
Die beste Gerade durch die Punkte in Abbildung 4.11 soll dadurch gefunden werden,
dass die vertikalen Abweichungen zwischen den Punkten und der Linie minimiert wer-
den. Es werden nur die vertikalen Abweichungen minimiert, da angenommen wird, dass
die Unsicherheiten der y-Werte viel größer sind als die der x-Werte.
Die Gleichung der Geraden sei
y = mx + b (4.14)
mit dem Anstieg m und dem Ordinatenabschnitt b. Die vertikale Abweichung des
Punktes (xi, yi) in Abbildung 4.11 beträgt yi -y, mit y, dem Ordinatenwert der Geraden
für x = xi.
4.7 · Die Methode der kleinsten Quadrate 101

vertikale (xi, yi)


4 Abweichung
= yi – y Δy
σy
Δx
Δy
3 Anstieg = =m
Δx
y

y = mx + b Abb. 4.11 Kurvenfitting nach der Me-


2
thode der kleinsten Quadrate. Die über 4
den Punkt (3,3) gezeichnete Gaußkurve
soll beschreiben, dass jeder Wert von yi
1 Ordinatenabschnitt = b um die Gerade normalverteilt ist. Das
heißt, der wahrscheinlichste Wert von y
liegt auf der Geraden, es besteht jedoch
eine endliche Wahrscheinlichkeit, dass y
1 2 3 4 5 6 auch in einem bestimmten Abstand von
x der Linie gemessen wird.

Vertikale Abweichung = di = (yi – y) = yi – (mxi + b) (4.15) y (x2, y2)

Δy = y2 – y1
Einige Abweichungen sind positiv, andere negativ. Da die Größe der Abweichungen unab- (x1, y1)

hängig vom Vorzeichen minimiert werden soll, werden die Abweichungen quadriert und Δx = x2 – x1
b
damit erhält man nur positive Zahlen
x
di2 = (yi – y)2 = (yi – mxi – b)2
Da die Quadrate der Abweichungen minimiert werden, spricht man von der Methode
der kleinsten Quadrate. Es kann gezeigt werden, dass die Minimierung der Quadrate der Gleichung für die Gerade: y = mx × b:
Abweichungen (und nicht die der absoluten Werte) zu dem wahrscheinlichsten Satz von Δy y 2 − y1
Anstieg m = =
y-Werten führt. Δx x 2 − x1
Die Herleitung der Werte von m und b, mit denen eine Minimierung der Quadrat- Ordinatenabschnitt (b) = Schnittpunkt
summe der vertikalen Abweichungen erfolgt, erfordert einige Berechnungen, die hier mit y-Achse
weggelassen sind. Das Endergebnis für Anstieg und Ordinatenabschnitt wird in Form von
Determinanten ausgedrückt, welche die arithmetischen Operationen zusammenfassen.
e f Zur Berechnung der Determinanten
Die Determinante stellt den Wert eh – fg dar, z. B. werden die Diagonalelemente e und h
g h
multipliziert und davon wird das Pro-
6 5 dukt der anderen Diagonalelemente f
= 6 × 3 − 5 × 4 = −2
4 3 und g subtrahiert.

Der Anstieg und der Ordinatenabschnitt der „besten“ Geraden sind:


e—
—f

⎪ Anstieg : m =
∑ (x y ) ∑ x
i i i
÷ D (4.16) g—
—h
⎪ ∑y n i


b=
∑ (x ) ∑ (x y )
2
i i i
÷ D (4.17)
⎪Ordinatenabschnitt :
⎩ ∑x i∑y i

Übersetzung der Determinanten in


Beste Gerade der kleinsten Quadrate:
Gleichungen:
Dabei ergibt sich D aus
n∑ (x i y i ) −
∑x ∑y
m=
i i

D =
∑ (x 2i ) ∑ xi (4.18)
n∑ (x ) − ( ∑ x )
2
i i
2

∑x n
∑(x )∑ y − ∑(x y )∑ x
i 2

b =
i i i i i

n∑ (x ) − ( ∑ x )
2 2
mit der Zahl der Messpunkte n. i i
102 Kapitel 4 · Statistik

Tabelle 4.6 Berechnungen für die Methode der kleinsten Quadrate

xi yi xi yi x²i di (=yi–mxi–b) di2

1 2 2 1 0.038 46 0.001 479 3

3 3 9 9 -0.192 31 0.036 982

4 4 16 16 0.192 31 0-036 982

6 5 30 36 -0.038 46 0.001 479 3

∑x i = 14 ∑y i = 14 ∑x y i i = 57 ∑ (x ) = 62
2
i ∑ (d ) = 0.076 923
2
i

Mit diesen Gleichungen sollen Anstieg und Ordinatenabschnitt der besten Geraden
für die vier Punkte in Abbildung 4.11 gefunden werden. Die Berechnung ist in Tabelle 4.6
dargestellt. Mit n = 4 und Einsetzen der verschiedenen Summen in die Determinanten in
den Gleichungen 4.16, 4.17 und 4.18 erhält man
57 14 62 14 (57 × 4 )− (14 × 14 ) 32
m= ÷ = = = 0.615 38
14 4 14 4 (62 × 4 )− (14 × 14 ) 52
62 57 62 14 (62 × 14 )− (57 × 14 ) 70
b = ÷ = = = 1.346 15
14 14 14 4 (62 × 4 )− (14 × 14 ) 52
Die Gleichung der besten Gerade durch die Punkte in Abbildung 4.11 ist demnach
y = 0.0615 38x + 1.346 15
Im nächsten Abschnitt wird die Frage behandelt, wie viele signifikante Ziffern m und b
haben sollten.

> Beispiel
Ermittlung des Kurvenanstiegs und Ordinatenabschnitts mit Tabellen-
kalkulation
Excel hat die Funktionen Steigung und Achsenabschnitt, deren Anwendung hier gezeigt wird.

A B C D E F
1 x y Formeln:
2 1 2 Steigung =
3 3 3 0.61538 D3 = STEIGUNG(B2:B5,A2:A5)
4 4 4 Achsenabschnitt =
5 6 5 1.34615 D5 =
ACHSENABSCHNITT(B2:B5,A2:A5)

Rufen Sie im Excel-Arbeitsblatt bei Formeln unter „Mehr Funktionen“ Steigung und Achsen-
abschnitt auf und nehmen die angegebenen Eintragungen vor. Der Anstieg in Zelle D3 wird
mit Hilfe der Formel „=STEIGUNG (B2:B5;A2:A5) berechnet, wobei B2:B5 den Bereich der y-
Werte und A2:A5 den Bereich der x-Werte darstellt.

Selbstüberprüfung Ändern Sie den zweiten x-Wert von 3 auf 3.5 und bestimmen Sie die
Steigung und den Achsenabschnitt. (Ergebnis: 0.610 84, 1.285 71)

Wie zuverlässig sind die Parameter der kleinsten


Quadrate?
Um die Unsicherheiten (ausgedrückt als Standardabweichung) beim Anstieg und dem
Ordinatenabschnitt zu ermitteln, müssen die Unsicherheiten in den Gleichungen 4.16
und 4.17 betrachtet werden. Da sich die Unsicherheiten von m und b aus den Unsicher-
4.7 · Die Methode der kleinsten Quadrate 103

heiten jedes Messwerts von y ergeben, wird zunächst die Standardabweichung für die Ge-
samtzahl der y-Werte abgeschätzt. Diese Standardabweichung, σy, kennzeichnet die kleine
Gaußkurve, die in Abbildung 4.11 eingetragen ist.
Die Standardabweichung der Grundgesamtheit aller y-Werte, σy, wird ermittelt, in-
dem die Standardabweichung sy für die vier gemessenen y-Werte berechnet wird. Die
Abweichung jedes Werts yi vom Zentrum der Gaußkurve beträgt di = yi – y = yi – (mxi +
b). Die Standardabweichung dieser vertikalen Abweichungen beträgt

 y ≈ sy =
∑ (d i − d)2
(4.19)
Gleichung 4.19 ist analog zu
(Freiheitsgrade) Gleichung 4.2 4
Da die durchschnittliche Abweichung d für die beste Gerade 0 ist, reduziert sich der Zäh-
ler in Gleichung 4.17 auf ∑ (d 2i ).
Die Zahl der Freiheitsgrade ist die Zahl der verfügbaren unabhängigen Informatio-
nen. Bei n Werten hat man n Freiheitsgrade. Wenn man die Standardabweichung von
n Werten berechnet, wird bei Verwendung der Gleichung 4.2 zunächst der Mittelwert
bestimmt. In dieser Gleichung wird die Zahl der Freiheitsgrade = n – 1 gesetzt. Der
Grund hierfür besteht darin, dass mit n Freiheitsgraden begonnen wurde, jedoch ein
Freiheitsgrad durch Bestimmung des Mittelwerts x „verloren“ wurde. Damit sind nur
n – 1 Informationen zusätzlich zum Mittelwert verfügbar. Wenn n – 1 Werte und
der Mittelwert bekannt sind, ist auch der n-te Wert festgelegt und kann berechnet
werden.
Bei der Gleichung 4.19 wird mit n Punkten begonnen. Zwei Freiheitsgrade wurden
jedoch für die Bestimmung des Anstiegs und des Ordinatenabschnitts der besten Gerade
„verbraucht“. Damit verbleiben n – 2 Freiheitsgrade. Gleichung 4.19 lautet dann

sy =
∑ (d ) 2
i
(4.20)
n − 2

wobei di durch Gleichung 4.15 gegeben ist.


Die Analyse der Messunsicherheit für die Gleichungen 4.16 und 4.17 führt zu folgen-
den Ergebnissen:
Standardabweichung von Anstieg und Ordinatenabschnitt:
⎧ 2 s y2 n
⎪ sm = (4.21)
⎪ D

y ∑ (x i )
2 2
⎪ 2 s
s
⎪⎩ b = (4.22)
D
mit sm als Schätzwert der Standardabweichung des Anstiegs, sb als Schätzwert der
Standardabweichung des Ordinatenabschnitts, sy aus Gleichung 4.20 und D aus Glei-
chung 4.18.
Nun können die signifikanten Ziffern für Anstieg und Ordinatenabschnitt der Gera-
den in Abbildung 4.11 bestimmt werden. Aus Tabelle 4.6 sieht man: ∑ (d 2i ) = 0.076 923.
Einsetzen dieses Werts in Gleichung 4-20 ergibt
0.076 923
s2y = = 0.038 462
4−2
Abschließend können wir Zahlen in die Gleichungen 4.21 und 4.22 einsetzen und er-
halten
s y2 n (0.038 462) (4)
sm2 = = = 0.002 958 6 → sm = 0.054 39
D 52

s y2 ∑ (x 2i ) (0.038 462) (62)


sb2 = = = 0.045 859 → sb =0.214 15
D 52
104 Kapitel 4 · Statistik

Die erste Ziffer der Unsicherheit ist Nach Kombination der Ergebnisse für m, sm, b und sb ergibt sich
die letzte signifikante Ziffer. Häufig
0.615 38
werden zusätzliche, nicht signifikante Anstieg: = 0.62 ± 0.05 oder 0.615 ± 0.054 (4.23)
Ziffern beibehalten, um Rundungsfeh- ± 0.054 39
ler in nachfolgenden Rechnungen zu
1.346 15
vermeiden. Ordinatenabschnitt = 1.3 ± 0.2 oder 1.35 ± 0.21 (4.24)
± 0.214 15
Das Vertrauensintervall für 95 % wobei die Unsicherheitsangaben eine Standardabweichung bedeuten. Die erste Dezimal-
Sicherheit beträgt beim Anstieg ± tsm stelle der Standardabweichung ist die letzte signifikante Ziffer beim Anstieg oder Ordina-
= (4.303) (0.054) = ± 0.23 bei n + 2 = 2 tenabschnitt. Häufig schreibt man das Ergebnis in der Form 1.35 ± 0.21, um übermäßiges
Freiheitsgraden. Das Vertrauensinter- Runden zu vermeiden.
⎯n,
vall beträgt ± tsm und nicht ± tsm/√ Wenn die Unsicherheit durch das Vertrauensintervall anstelle der Standardabwei-
da √
⎯n bereits in sm enthalten ist. chung angegeben werden soll, werden die Unsicherheiten in den Gleichungen 4.2 und
4.24 mit den entsprechenden Student’s t-Werten aus Tabelle 4.2 für n – 2 Freiheitsgrade
multipliziert.

> Beispiel
Ermittlung von sy, sm und sb durch Tabellenkalkulation
Die Excel-Funktion RGP liefert in einer Tabelle (Matrix) Steigung und Ordinatenabschnitt
sowie deren Unsicherheiten. Als ein Beispiel tragen Sie die x- und y-Werte in die Spalten
A und B ein. Dann markieren Sie mit der Maus den Bereich aus 3 Zeilen und 2 Spalten
E3:F5. In diesem Zellenblock soll die RGP-Ausgabe erscheinen. Im Menü suchen Sie un-
ter Formeln bei den statistischen Funktionen nach RGP und klicken dort an. Ein Fenster
fragt Sie nach vier Eingaben. Als y-Werte geben Sie B2:B5 ein und als x-Werte A2:A5. Die
nächsten beiden Einträge heißen „WAHR“. Das erste „WAHR“ teilt Excel mit, dass der Ordina-
tenabschnitt aus den kleinsten Quadraten berechnet werden und nicht ein Wert von Null
erzwungen werden soll. Dass zweite „WAHR“ fordert Excel auf, die Standardabweichungen
sowohl für die Steigung wie für den Ordinatenabschnitt zu liefern. Die eingegebene For-
mel lautet „=RGP(B2:B5; A2:A5; WAHR;WAHR)“. Beim Klicken auf OK erscheint die Steigung
in Zelle E3.

A B C D E F G
1 x y Output von RGP
2 1 2 Steigung Ord.Abschn.
3 3 3 Parameter 0.61538 1.34615
4 4 4 Std.abw. 0.05439 0.21414
5 6 5 R^2 0.98462 0.19612 Std.abw. (y)
6
7 Markiere die Zellen E3:F5
8 Eingabe lautet " RGP(B2:B5,A2:A5,WAHR,WAHR)"
9 Drücke CTRL+SHIFT+ENTER (PC)
10 Drücke COMMAND+RETURN (MAC)

Die Ausgabe von RGP sollte eine Matrix sein, nicht nur ein Einzelwert. Was ist falsch gelau-
fen? Um dem Computer mitzuteilen, dass eine Matrix gewünscht ist, geht man zurück und
markiert die Zellen E3:F5 erneut. Wieder erscheint „=RGP(B2:B5;A2:A5;WAHR;WAHR)“ in der
Formelzeile. Nun wird gleichzeitig STRG + SHIFT + ENTER (PC) oder COMMAND+RETURN
(Mac) gedrückt und Excel erfüllt seine Pflicht und liefert die Matrix in den Zellen E3:F5.
Schreiben Sie rund um den Block die entsprechenden Bezeichnungen, damit Sie wissen,
was in den Zellen steht. Auf der obersten Zeile stehen die Werte der Steigung (m) und
des Ordinatenabschnitts (b). Die zweite Zeile enthält sm und sb. Zelle F5 enthält sy und in
Zelle E5 steht die Größe R², die in Gleichung 5.2 definiert ist und ein Maß für die Güte der
Datenanpassung an eine Gerade ist. Je dichter diese Größe bei 1 liegt, desto besser ist die
Anpassung.

Selbstüberprüfung Ändern Sie den zweiten Wert von x von 3 in 3.5 und wenden sie die
Funktion RGP an. Wie groß ist der Wert für sy? (Lösung: 0.364 70)
4.8 · Kalibrationskurven 105

4.8 Kalibrationskurven

Eine Kalibrationskurve (oft fälschlich Eichkurve genannt) zeigt das Ansprechverhalten In den Abschnitten 17.1 und 17.2 wird
einer analytischen Methode gegenüber bekannten Mengen des Analyten.8 In Tabelle 4.7 die Lichtabsorption behandelt und
stehen die Messdaten aus einer Proteinbestimmung, bei der ein farbiges Reaktionspro- der Ausdruck Absorbanz definiert.
dukt gebildet wird. Mit einem Spektralphotometer wird die Lichtabsorption gemessen, (Im deutschen Sprachgebrauch wird
die zur Menge des analysierten Proteins proportional ist. Lösungen mit bekannten häufig auch der Begriff Extinktion
Konzentrationen des Analyten heißen Standardlösungen. Lösungen, die sämtliche Re- verwendet.) Die Begriffe aus diesen
agenzien und Lösungsmittel enthalten, jedoch ohne wissentlichen Zusatz des Analyten, beiden Abschnitten werden überall
werden Blindproben genannt. Mit den Blindproben misst man das Ansprechverhalten in diesem Buch verwendet. Vielleicht 4
(Response) der analytischen Methode auf Verunreinigungen oder störende Spezies in sollten Sie daher diese Abschnitte als
den Reagenzien. Hintergrundinformation schon jetzt
Wenn man die drei Messwerte der Absorbanz in jeder Zeile der Tabelle 4.7 über- einmal lesen.
fliegt, scheint der Wert 0.392 aus der Reihe zu tanzen: er ist unvereinbar mit den anderen
Werten für 15.0 μg und die Spannweite der Werte der 15.0 μg-Proben ist viel größer als
fragwürdiger
die Spannweiten für die anderen Proben. Die lineare Beziehung zwischen den Mittel- Wert
werten der Absorbanz zeigt bis zur 20 μg-Probe ebenfalls, dass der Wert 0.392 fehlerhaft 0.400 Mittelwert
ist (Abbildung 4.12). Daraus folgt der Entschluss, 0.392 für die weiteren Rechnungen mit dem frag-
würdigen Wert

Absorbanz
wegzulassen. 0.300
Es ist einleuchtend, danach zu fragen, ob alle drei Absorbanzwerte für die 25 μg- Mittelwert ohne
0.200 den fragwürdigen
Proben aus einem unbekannten Grund zu niedrig ausfallen, weil der entsprechende
Wert
Punkt in der Abbildung 4.12 unter der Geraden liegt. Eine Wiederholung der Analyse 0.100
zeigt, dass der 25 μg-Punkt durchweg unterhalb der Geraden liegt und dass an den Werten
der Tabelle 4.7 nichts „falsch“ ist.
5 10 15 20 25
analysiertes Protein (μg)

Abb. 4.12 Durchschnittswerte der


Konstruktion einer Kalibrationskurve Absorbanz aus Tabelle 4.7 gegen Mikro-
gramm Protein. Die Mittelwerte für 0 bis
Für die Konstruktion einer Kalibrationskurve wird folgender Weg eigeschlagen: 20 μg Protein liegen auf einer Geraden,
Schritt 1 Stellen Sie bekannte Proben des Analyten her, die den für die unbekannte Probe wenn der fragwürdige Wert 0.392 weg-
erwarteten Konzentrationsbereich überstreichen und messen Sie die Analysen- gelassen wird.
signale dieser Standards. Damit erhalten Sie die Daten in der linken Hälfte der
Tabelle 4.7.
Schritt 2 Ziehen Sie die mittlere Absorbanz (0.0093) der drei Blindproben von jeder Die Absorbanz der Blindprobe kann
gemessenen Absorbanz ab, um die korrigierte Absorbanz zu erhalten. Die Mes- auf einer Färbung der Ausgangsstoffe,
sung der Blindprobe ergibt das Ansprechverhalten der Methode für eine protein- auf Reaktionen von Verunreinigungen
freie Lösung. oder Reaktionen störender Spezies
Schritt 3 Stellen Sie die korrigierte Absorbanz als Funktion der Proteinmenge dar (Abbil- beruhen. Blindwerte können sich
dung 4.13). Verwenden Sie die Methode der kleinsten Quadrate, um die beste von einer Charge der Reagenzien zur
Gerade durch den linearen Abschnitt der Werte bis einschließlich 20 μg Protein nächsten ändern, korrigierte Absor-
zu legen (14 Punkte, einschließlich der drei korrigierten Blindwerte im schraf- banz-Werte jedoch nicht.
fierten Teil der Tabelle 4.7). Bestimmen Sie Anstieg und Ordinatenabschnitt

Tabelle 4.7 Spektralphotometrische Daten für die Aufstellung einer Kalibrationsgeraden

Masse Absorbanz unabhängiger Proben Spannweite korrigierte Absorbanz


Protein (μg)

0 0.099 0.099 0.100 0.001 –0.0003 –0.0003 0.0007

5.0 0.185 0.187 0.188 0.003 0.0857 0.0877 0.0887

10.0 0.282 0.272 0.272 0.010 0.1827 0.1727 0.1727

15.0 0.345 0.347 (0.392) 0.047 0.2457 0.2477 –

20.0 0.425 0.425 0.430 0.005 0.3257 0.3257 0.3307

25.0 0.483 0.488 0.496 0.013 0.3837 0.3887 0.3967


106 Kapitel 4 · Statistik

sowie die Unsicherheiten mit Hilfe der Gleichungen 4.16, 4.17, 4.20, 4.21 und
4.22. Die Ergebnisse sind
m = 0.016 30 sm = 0.000 22 sy = 0.0059
b = 0.0047 sb = 0.0026
Gleichung der Kalibrationsgeraden Gleichung für die Kalibrationsgerade:
y(±sy) = m(±sm)x + b(±sb)
Absorbanz
 = m × (μg Protein) + b
y x (4.25)
= (0.016 30)( μg Protein) + 0.0047

mit der korrigierten Absorbanz y (gemessene Absorbanz minus Absorbanz der


Blindprobe).
Schritt 4 Wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine unbekannte Probe analysiert werden
soll, muss eine neue Blindprobe untersucht werden. Die Absorbanz der Blind-
probe wird dann von der Absorbanz der unbekannten Probe abgezogen, um die
korrigierte Absorbanz zu erhalten.

> Beispiel
Anwendung einer linearen Kalibrationskurve
Eine unbekannte Proteinprobe zeigte eine Absorbanz von 0.406, eine unter gleichen Be-
dingungen behandelte Blindprobe eine von 0.104. Wie viele μg Protein sind in der Probe
enthalten?

Lösung Die korrigierte Absorbanz ist 0.406–0.104 = 0.302. Sie liegt damit im linearen Be-
reich der Kalibrationskurve in Abbildung von 4.13. Die Gleichung 4.25 liefert

Absorbanz − 0.0047 0.302 − 0.0047


μ g Protein = = = 18.24 μ g (4.26)
0.016 30 0.016 30

Selbstüberprüfung Welche Proteinmasse gibt eine korrigierte Absorbanz von 0.250?


(Lösung: 15.05 μg)

Man bevorzugt Kalibrationsmethoden mit einem linearen Ansprechverhalten, bei de-


nen das korrigierte analytische Signal (= Signal der Probe – Signal der Blindprobe) zur
Analytmenge direkt proportional ist. Obwohl man bemüht ist, im linearen Bereich zu
arbeiten, können gültige Ergebnisse in Abbildung 4.13 auch außerhalb des linearen Ge-
biets (>20 μg) erhalten werden. Die gestrichelte Kurve, die bis zu 25 μg des Proteins reicht,
stammt aus einer Anpassung der kleinsten Quadrate der Messwerte an die Gleichung y =
ax2 + bx +c (Exkurs 4.2).

0.40

0.35 unbekannte Probe außerhalb


des linearen Bereichs
Abb. 4.13 Kalibrationsgerade für die
Proteinbestimmung in Tabelle 4.7. Die 0.30
unbekannte Probe im
Gleichung der durchgezogenen Gerade linearen Bereich
korrigierte Absorbanz

wurde nach der Methode der kleinsten 0.25


quadratische
Quadrate aus 14 Messpunkten (offene
0.20 Kalibrations-
Kreise) zwischen 0 und 20 μg ermittelt kurve
und lautet: y = 0.016 30 (±0,000 22) x + 0.15
0.0047 (±0.0026) mit sy = 0.0059. Die Glei-
chung für die gestrichelte quadratische 0.10
Kurve, die alle 17 Datenpunkte von 0 bis lineare
25 μg vereinigt, wurde durch ein nichtli- 0.05 Kalibrations-
neares Verfahren der kleinsten Quadrate6 gerade
ermittelt zu: y = –1.17 (± 0.21) × 10-4x2 + 0.00
0.018 58 (± 0.000 46) x – 0.000 7 (± 0.001 0).
–0.05
Die Standardabweichung ist hier sy = 0 5 10 15 20 25
0.0046. Proteinmenge (μg)
4.8 · Kalibrationskurven 107

Exkurs 4.2

Verwendung einer nichtlinearen Kalibrations- Nach Umstellung in


kurve 1.17 × 10 −4 x 2 − 0.018 58x + 0.375 7 = 0

Wir betrachten eine Probe unbekannter Konzentration, hat man jetzt die Standardform einer quadratischen Gleichung
deren korrigierte Absorbanz von 0.375 außerhalb des Be-
ax2 + bx + c = 0
reiches der linearen Kalibration in Abbildung 4.13 liegt. Alle
Datenpunkte können mit der quadratischen Gleichung6 deren zwei mögliche Lösungen sind

y = − 1.17 × 10 −4 x 2 + 0.018 58x − 0.000 7 (a) −b + b 2 − 4ac −b − b 2 − 4ac 4


x= x =
2a 2a
angepasst werden.
Um die Proteinmenge in der Probe zu ermitteln, muss Einsetzung von a = 1.17 . 10–4, b = –0.018 56 und c = 0.375 7 in
die gemessene Absorbanz in Gleichung a ersetzt werden: diese Gleichungen ergibt x = 135 μg und x = 23.8 μg. Die Kurve
in Abbildung 4.13 zeigt, dass 23.8 μg und nicht 135 μg die rich-
0.375 = − 1.17 × 10 −4 x 2 + 0.018 58x − 0.000 7
tige Wahl ist.

Der lineare Bereich einer analytischen Methode ist der analytische Konzentrationsbe- dynamischer Bereich
reich, in dem das analytische Signal proportional zur Konzentration ist. Eine verwandte
Größe in Abbildung 4.14 ist der dynamische Bereich – der Konzentrationsbereich, in linearer
Bereich
dem es ein für die Analyse verwendbares des Analyten gibt, selbst wenn das Ansprechver-
halten nicht linear ist.

Signal
Praktische Hinweise
Fertigen Sie stets eine grafische Darstellung Ihrer Daten an. Die Grafik gibt eine Gelegen-
heit, schlechte Werte zu verwerfen oder regt zur Wiederholung einer Messung an oder c1 c2
zeigt gar, dass eine Gerade nicht die angemessene Funktion ist. Analytkonzentration
Es ist nicht seriös, eine Kalibrationskurve, ob linear oder nicht linear, jenseits des mit
Abb. 4.14 Kalibrationskurve mit linea-
Standards gemessenen Bereichs zu extrapolieren. Der gesamte interessierende Konzentra-
rem und dynamischem Bereich.
tionsbereich muss mit Standards vermessen werden.
Es werden mindestens sechs verschiedene Konzentrationen zur Kalibrierung und zwei
Wiederholungsmessungen der unbekannten Probe empfohlen. Bei der gründlichsten Me-
thode wird jede einzelne Kalibrierlösung unabhängig von den anderen aus einem zertifi-
zierten Material hergestellt. Verdünnungsreihen aus einer einzigen Stammlösung sollten
vermieden werden. Bei Verdünnungsreihen pflanzt sich jeder systematische Fehler der
Stammlösung fort. Kalibrationslösungen sollten in zufälliger Reihenfolge und nicht in mit
steigender Konzentration fortlaufender Reihenfolge vermessen werden.

Fortpflanzung der Unsicherheit mit einer


Kalibrationskurve
Im vorangegangenen Beispiel hatte eine unbekannte Probe mit der korrigierten Absor- y = korrigierte Absorbanz der
banz von y = 0.302 einen Proteingehalt von x = 18.24 μg. Wie groß ist die Unsicherheit der unbekannten Probe = 0.302
Zahl 18.24? Die Fortpflanzung der Unsicherheit zur Anpassung der Gleichung y = mx + b xi = μg Protein in den Standard-
(jedoch nicht y = mx) hat folgendes Ergebnis:1,9 lösungen der Tabelle 4.7
2 = (0, 0, 0, 5.0, 5.0, 5.0, 10.0, 10.0,
sy1 1 ( y − y) 10.0, 15.0, 15.0, 20.0, 20.0, 20.0)
Unsicherheit in x (= sx) = ( + + ) (4.27) _
m k n m2 ∑(x – x )2 y = Mittelwert von 14 y-Werten =
i
0.1618
_
mit sy der Standardabweichung von y (Gleichung 4.20), |m| dem Absolutwert des An- x = Mittelwert von 14 x-Werten =
stiegs, der Anzahl der Wiederholungsmessungen der unbekannten Probe, n der Anzahl 9.643 μg
der Werte in der Kalibrationskurve (14 in der Tabelle 4.7), y dem Mittelwert für y für die
108 Kapitel 4 · Statistik

Punkte der Kalibrationskurve, xi den Einzelwerten von x für die Punkte auf der Kurve
und x dem Mittel aller x-Werte der Kurve. Für eine Einzelmessung der unbekannten
Zur Ermittlung von t-Werten, die nicht Probe ist k = 1 und Gleichung 4.27 liefert sx = ±0.39 μg. Vier Wiederholungsmessungen (k
in Tabelle 4.2 stehen, wird die Excel- = 4) mit einem Durchschnittswert der korrigierten Absorbanz von 0.302 reduzieren die
Funktion TINV benutzt. Für 12 Frei- Unsicherheit auf ±0.23 μg.
heitsgrade und das 95%-Vertrauens- Das Vertrauensintervall für x beträgt ±tsx mit Student’s t (Tabelle 4.2) für n–2 Frei-
intervall erhält man mit der Funktion heitsgrade. Für sx = 0.23 μg und n = 14 Werte (12 Freiheitsgrade) beträgt das 95%-Vertrau-
TINV(0.05,12) t = 2.179. ensintervall für x: ±tsx = ±(2.179)(0.23) = ±0.50 μg.

4.9 Arbeitsblatt für kleinste Quadrate

Die Abbildung 4.15 zeigt die Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate ein-
schließlich der Fehlerfortpflanzung mit der Gleichung 4.27. Dazu werden die Werte
für x und y in die Spalten B und C des Arbeitsblatts eingegeben. Dann wählen Sie die
Zellen B10:C12 aus und geben die Formel „=RGP(C4:C7;B4:B7;WAHR; WAHR)“ein
und drücken gleichzeitig CONTRAL+SHIFT+ENTER am PC oder COMMAND (a)+
RETURN am Mac-Rechner. Daraufhin gibt RGP die Werte für m, b, sm, sb R2 und sy
in die Zellen B10:C12 aus. Wir beschreiben wie gewohnt in die Zellen A10:A12 und
D10:D12, was sich in den Ausgabespalten befindet. In der Zelle B14 ist die Anzahl der
Datenpunkte mit der Formel „=ANZAHL(B4:B7)“ angegeben, während in Zelle B15
der Durchschnittswert für y berechnet wurde.
In der Zelle B16 wird die für die Gleichung 4.27 benötigte Summe ∑ (xi − x )2 be-
rechnet. Da diese Berechnung häufig durchgeführt wird, gibt es auch hierfür in Excel
eine eingebaute Funktion. Sie lautet SUMQUADABW und ist unter Funktion einfügen
im Untermenü Statistik zu finden.
Man schreibt den ermittelten Mittelwert aus den Wiederholungsmessungen für y
in die Zelle B18 und trägt in die Zelle B19 die Anzahl der Messwiederholungen ein. In
der Zelle B20 wird der x-Wert, der sich auf den y-Mittelwert bezieht, berechnet. In B21
wird die Gleichung 4.27 mit dem Befehl = „(C12/B10)*WURZEL ((1/B19) +(1/B14)+
((B18-B15)^2)/ (B10^2*B16))“ verwendet, um die Unsicherheit (Standardabweichung)
des Wertes von x zu bestimmen. Wenn man zusätzlich das Vertrauensintervall für x
benötigt, wird sx mit Student’s t aus der Tabelle 4-2 für n–2 Freiheitgrade und dem ge-
wünschten Vertrauensniveau multipliziert.
95%-Vertrauensintervall für x in Durch eine graphische Darstellung will man feststellen, ob die Kalibrierpunkte eine
Abbildung 4.15: Gerade ergeben. Zur graphischen Darstellung folgen Sie der in Abschnitt 2.11 gegebenen
x±tsx = 2.232 5 ± (4.303)(0.373 5) Anleitung. Zunächst lassen Sie nur die einzelnen Punkte B4:C6 anzeigen, gehen dann
= 2.2 ± 1.6 über Layout zu den Trennlinienoptionen und wählen die lineare Trendlinie und die An-
(Freiheitsgrade = n–2 = 2) zeige der Gleichung im Diagramm aus. Die nach der Fehlerquadratmethode ermittelte
Regressionsgerade wird zusammen mit der Gleichung auf der Grafik angezeigt.
Durch Doppelklick auf die Trendlinie gelangt man zum Fenster „Trendlinie formatie-
ren“. Hier können durch die Wahl der entsprechenden x,y-Achsenabschnitte sowohl der
Bereich der Anzeige auch die Farbe und die Art der Trendlinie verändert werden.

Hinzufügen von Fehlerbalken in eine Grafik


Fehlerbalken in einer Grafik dienen zur Beurteilung der Qualität der Daten und der An-
passung einer Kurve an die Datenpunkte auf einen Blick. Wir betrachten die Daten in der
Tabelle 4.7. Zunächst werden die Werte der mittleren Extinktion der Spalten 2 bis 4 gegen
die Proteinmasse in Spalte 1 aufgetragen und außerdem die entsprechenden Fehlerbalken
Vertrauensintervall = ± ts
n für den Vertrauensbereich mit 95% Wahrscheinlichkeit an jedem Punkt hinzugefügt.
t = Student’s t für 95% Sicherheit und Im Arbeitsblatt auf Abbildung 4.16 ist die Masse in Spalte A und die durchschnittliche
n–1 = 2 Freiheitsgrade Extinktion in Spalte B angegeben. Die Standardabweichung für die Extinktion steht in
s = Standardabweichung der Spalte C. Der Vertrauensbereich wird in der Spalte D mit der Formel in Zeile 13 der
n = Anzahl der Werte für den Durch- Abbildung 4.16 berechnet. Der dabei verwendete Student’s t-Wert von 4.303 ergibt sich
schnitt = 3 für eine 95%ige Sicherheit und 3–1 = 2 Freiheitsgraden aus der Tabelle 4.2. Alternativ
4.9 · Arbeitsblatt für kleinste Quadrate 109

A B C D E F G H I
1 Arbeitsblatt kleinste Fehlerquadrate
2
6
3 markierte Zellen B10:C12 x y
4 Eingabe "= RGP(C4:C7, 1 2 y = 0.6154x + 1.3462

5 B4:B7,WAHR,WAHR) 3 3 5
6 4 4
7 6 5 4
8
9 RGP-Ergebnisse
3 4

y
10 m 0.6154 1.3462 b
11 sm 0.0544 0.2141 sb
12 R2 0.9846 0.1961 sy 2
13
14 n= 4 B14 = ANZAHL(B4:B7) 1
15 Mittelwert von y = 3.5 B15 = MITTELWERT(C4:C7)
16 (xi – Mittelwert von x)2 = 13 B16 = SUMQUADABW(B4:B7)
17 0
0 1 2 3 4 5 6
18 gemessenes y = 2.72 Eingabe x

19 k = Anzahl der wiederholten


Messungen von y = 1 Eingabe
20 erhaltenes x = 2.2325 B20 = (B18-C10)/B10
21 sx = 0.3735 B21 = (C12/B10)*WURZEL((1/B19)+(1/B14)+((B18-B15)^2)/(B10^2*B16))

Abb. 4.15 Arbeitsblatt für die Analyse nach dem Verfahren der kleinsten Quadrate.

A B C D E F G H
1 Hinzufügen von Fehlerbalken in eine Grafik
2 Protein Mittlere Stand.Abw. 95%-Ver-
3 (g) Extinktion Extinktion trauensinterv.
0.5
4 0 0.0993 0.00058 0.0014
5 5 0.1867 0.00153 0.0038
6 10 0.2753 0.00577 0.0143
0.4
7 15 0.3613 0.02658 0.0660
8 20 0.4267 0.00289 0.0072
9 25 0.4890 0.00656 0.0163
Mittlere Extinktion

0.3
10
11 TINV(0.05,2)  4.303
12 Student's t (95% Sicherheit, 2 Freiheitsgrade)
0.2
13 95% Vertrauensintervall: D4 = $B$11*C4/WURZEL(3)
14
15
16 0.1

17
18
19 0.0
0 5 10 15 20 25
20 Protein (g)
21
22
23

Abb. 4.16 Hinzufügen von Fehlerbalken (Vertrauensintervalle mit 95% Sicherheit) in eine Grafik.
110 Kapitel 4 · Statistik

dazu kann man auch Student’s t mit der Funktion TINV(0,05;2) in Zelle B11 berechnen.
Um Fehlerbalken in ein Diagramm einzufügen, klickt man auf einen Datenpunkt zur
Markierung aller Punkte. Nun unter Diagrammtools, Layout und aus der Menüoption
„Fehlerindikatoren“ den Punkt „Weitere Fehlerindikatorenoptionen …“ auswählen. Hier
können wir jetzt die Fehlerindikatoren formatieren. Wir wählen „Benutzerdefiniert“ aus
und „Wert angeben“. Sowohl für den positiven, als auch für den negativen Fehlerwert
geben wir D4:D9 an. Mit dieser Angabe haben wir dem Arbeitsblatt mitgeteilt, die jewei-
ligen 95%-Vertrauensintervalle als Fehlerbalken zu benutzen. Nachdem wir OK geklickt
haben, erscheint der Graph sowohl mit horizontalen als auch mit vertikalen Fehlerbalken.
Um die horizontalen Fehlerangaben für die x-Werte zu entfernen, können diese einfach
angeklickt und gelöscht werden.

Wichtige Begriffe
> Anstieg > Ausreißer > Blindprobe > Determinante > Durchschnittswert > Dyna-
mischer Bereich > F-Test > Freiheitsgrad > Gauß-Verteilung > Grubbs-Test > Irr-
tumsrisiko > Kalibrationskurve > lineares Ansprechverhalten > linearer Bereich > Me-
thode der kleinsten Quadrate > Mittelwert > Ordinatenabschnitt > Standardabwei-
chung > Standardabweichung des Mittelwerts > Standardlösung > Student’s t-Faktor
> t-Test > Varianz > Vertrauensintervall > Vertrauensniveau

Zusammenfassung
Die Ergebnisse mehrfacher Messungen einer experimentellen Größe folgen einer Gauß-
Verteilung. Der gemessene Mittelwert, x , nähert sich dem wahren Mittelwert μ, wenn
die Anzahl der Messungen sehr groß wird. Je breiter die Verteilung ist, desto größer ist
σ, die Standardabweichung. Für eine begrenzte Anzahl von n Messungen gibt man einen
Schätzwert der Standardabweichung an:

⎡ (x − x)2 ⎤ / (n − 1).
s = ⎢⎣ ∑ i ⎥⎦

Ungefähr zwei Drittel aller Messungen liegen innerhalb ± 1 σ und 95 % liegen innerhalb ±
2 σ. Die Wahrscheinlichkeit, einen Wert innerhalb eines bestimmten Bereichs zu finden,
ist der Fläche dieses Bereichs proportional.
Nachdem man eine bestimmte Wahrscheinlichkeit gewählt hat, kann man den t-Test
nach Student zur Ermittlung des Vertrauensintervalls ( = x ± ts / n ) und zum Ver-
gleich der Mittelwerte, die mit verschiedenen Methoden bestimmt wurden, verwenden.
Der F-Test wird verwendet, um zu entscheiden, ob sich zwei Standardabweichungen
signifikant voneinander unterscheiden. Der Grubbs-Test hilft bei der Entscheidung, ob
ein fragwürdiges Ergebnis verworfen werden kann oder nicht. Um die Wahrscheinlich-
keit für eine richtige Entscheidung zu erhöhen, sollte die Messung mehrfach wiederholt
werden.
Eine Kalibrationskurve gibt das Ansprechverhalten einer chemischen Analyse auf
bekannte Mengen (Standardlösungen) des Analyten wieder. Bei einem linearen An-
sprechverhalten ist das korrigierte analytische Signal (= Signal der Probe minus Signal
der Blindprobe) proportional zur Menge des Analyten. Blindproben werden aus den
gleichen Reagenzien und Lösungsmitteln hergestellt, die für die Standards und die
Analysenprobe verwendet werden, ohne dass der Analyt bewusst zugesetzt wird. Die
Blindprobe liefert das Ansprechverhalten des Verfahrens gegenüber Verunreinigungen
oder störender Spezies in den Reagenzien. Der Blindwert wird vom Messwert der Stan-
dards vor der Konstruktion der Kalibrationskurve abgezogen. Der Blindwert wird vom
Messwert der Analysenprobe abgezogen, bevor die Menge des Analyten in der Probe
berechnet wird.
Mit der Methode der kleinsten Quadrate wird die Gleichung für die beste Gerade
durch eine Serie von Messpunkten gefunden. Die Gleichungen 4.16 bis 4.18 und 4.20 bis
4.22 geben den Anstieg und den Ordinatenabschnitt sowie deren Standardabweichungen
an. Mit Gleichung 4.27 wird die Unsicherheit von x bei einem Messwert y in der Kalib-
rationskurve abgeschätzt. Tabellenkalkulationen vereinfachen die Rechnungen mit den
kleinsten Quadraten und die graphische Darstellung der Ergebnisse.
Übungen 111

Übungen
4-A. Für die Zahlen 116.0, 97.9, 114.2, 106.8 und 108.3 sollen der Mittelwert, die Stan-
dardabweichung, die Spannweite und das Vertrauensintervall für den Mittelwert (90%-
Sicherheit) angegeben werden. Mit Hilfe des Grubbs-Tests soll entschieden werden, ob die
Zahl 97.9 ein Ausreißer ist.

4-B. Tabellenkalkulation für die Standardabweichung. Wir erarbeiten uns ein Ar-
beitsblatt zur Berechnung des Mittelwerts und der Standardabweichung von Zahlen in
einer Spalte auf 2 verschiedenen Wegen. Das folgende Arbeitsblatt ist eine Vorlage für
diese Übung. 4
A B C D
1 Berechnung der Standardabweichung
2
3 Werte = x x-Mittelwert (x-Mittelw.)^2
4 17.4
5 18.1
6 18.2
7 17.9
8 17.6
9 Summe =
10 Mittelwert =
11 Stand.abw. =
12
13 Formeln B9 =
14 B10 =
15 B11 =
16 C4 =
17 D4 =
18 D9 =
19
20 Berechnungen mit eingebauten Funktionen:
21 Summe =
22 Mittelwert =
23 Stand.abw. =

a) Wir versuchen, die Vorlage auf unserem Arbeitsblatt zu reproduzieren. Die Zellen B4
bis B8 enthalten die Daten (x-Werte), deren Mittelwert und Standardabweichung wir
berechnen wollen.
b) Schreiben Sie eine Formel in die Zelle B9, um die Summe der Zahlen von B4 bis B8
zu berechnen.
c) Schreiben Sie eine Formel zur Berechnung des Mittelwerts in die Zelle B10.
d) Schreiben Sie eine Formel in die Zelle C4, um den Wert (x-Mittelwert) zu berech-
nen, bei dem x dem Wert der Zelle B4 und der Mittelwert der Zelle B10 entspricht.
Verwende die Option des nach unten Ausfüllens zur Berechnung der Werte in den
Zellen C5 bis C8.
e) Schreiben Sie eine Formel in die Zelle D4, um das Quadrat des Wertes aus der Zelle
C4 zu berechnen. Verwende die Option des nach unten Ausfüllens zur Berechnung
der Werte in den Zellen D5 bis D8.
f) Schreiben Sie eine Formel in die Zelle D9, um die Summe der Werte aus den Zellen
D4 bis D8 zu berechnen.
g) Schreiben Sie eine Formel in die Zelle B11, um die Standardabweichung zu berechnen.
h) Dokumentieren Sie die verwendeten Formeln in den Zellen B13 bis B18.
i) Nun machen wir uns das Leben etwas einfacher, indem wir Formeln im Arbeitsblatt
verwenden. In die Zelle B21 schreiben wir „= SUMME(B4:B8)“. Das bedeutet, dass
hier die Summe aller Zahlen in den Zellen von B4 bis B8 gesucht wird. In der Zelle
112 Kapitel 4 · Statistik

B21 muss nun die gleiche Zahl wie in Zelle B9 stehen. Prinzipiell kann man am An-
fang nicht wissen, welche Funktionen verfügbar sind, und wie man diese schreibt.
Allerdings sind sämtliche Funktionen unter der Rubrik „Formeln“ und „Funktion
einfügen“ alphabetisch gelistet. Vorsichtshalber sollte man bei der Auswahl der Kate-
gorien „ALLE“ auswählen
j) Markieren Sie die Zelle B22 und wählen Sie unter „Funktion einfügen“ die Funktion
MITTELWERT aus. Wenn man jetzt in die Zelle „=MITTELWERT(B4:B8) eingibt,
muss der gleiche Wert wie in Zelle B10 erscheinen.
k) Markieren Sie die Zelle B23 und wählen Sie die Funktion zur Berechnung der Stan-
dardabweichung („=STABW(B4:B8)“ und überprüfen Sie, ob der Wert mit dem in
der Zelle B11 übereinstimmt.

4-C. Benutzen Sie die Tabelle 4.1 für diese Übung. Die Fahrstrecke, nach der 10 000 Au-
tobremsen zu 80 % verschlissen waren, wurde registriert. Der Durchschnitt betrug 62 700
und die Standardabweichung 10 400 Meilen.
a) Welcher Anteil der Bremsen wird nach weniger als 40 860 Meilen zu 80 % verschlis-
sen sein?
b) Welcher Anteil wird bei einer Fahrstrecke zwischen 57 500 und 71 020 Meilen zu
80 % verbraucht sein?

4-D. Verwenden Sie die Arbeitsblattfunktion NORMVERT zur Beantwortung der


folgenden Fragen zu den Bremsen, die in der Übung 4-C beschrieben sind:
a) Wie groß ist der zu erwartende Anteil an Bremsen, die nach weniger als 45 800 Mei-
len zu 80 % abgenutzt sind.
b) Wie groß ist der zu erwartende Anteil an zu 80% abgenutzten Bremsen zwischen
60 000 und 70 000 gefahrenen Meilen.

4-E. Mit einer sehr zuverlässigen Methode wurde gefunden, dass der ATP (Adenosintri-
phosphat)-Gehalt einer bestimmten Zellenart 111 μmol/100 mL beträgt. Eine neue
Methode ergab bei Wiederholungsmessungen die folgenden Werte: 117, 119, 111, 115,
120 μmol/100 mL. Der Durchschnittswert beträgt 116.4. Kann man mit 95 % Sicherheit
sagen, dass die neue Methode ein Ergebnis liefert, das sich vom „bekannten“ Wert nicht
unterscheidet?

4-F. Spuren des toxischen anthropogenen Hexachlorohexans in Sedimenten der Nordsee


wurden mit einem bereits etablierten und mit zwei neuen Verfahren extrahiert und chro-
matographisch bestimmt.

Methode Gefunden Standardabweichung Zahl der Messungen


(pg/g) (pg/g)

Bisherige 34.4 3.6 6

Verfahren A 42.9 1.2 6

Verfahren B 51.1 4.6 6

Quelle: D. Sterzenbach, B.W. Wenclawiak und V. Weigelt, Anal. Chem.1997, 69, 831.

a) Sind die Konzentrationen ppm, ppb oder ganz anders?


b) Unterscheidet sich die Standardabweichung für das Verfahren B signifikant von der
Standardabweichung der bisherigen Methode?
c) Ist die mit Methode B gefundene mittlere Konzentration signifikant von der mit der
bisherigen Methode gefundenen verschieden?
d) Beantworten Sie die Fragen (b) und (c) zum Vergleich des Verfahrens A mit der bis-
herigen Methode
Übungen 113

4-G. Kalibrationskurve (Diese Aufgabe können Sie mit Ihrem Rechner lösen, aber
leichter geht es mit dem Arbeitsblatt in der Abbildung 4.15). Bei der Bradford-Protein-
bestimmung ändert sich die Farbe eines Farbstoffs von braun nach blau, wenn er an das
Protein gebunden wird. Die Lichtabsorption wird gemessen.
Protein (μg) 0.00 9.36 18.72 28.08 37.44
Absorbanz bei 595 nm 0.466 0.676 0.883 1.086 1.280
a) Mit der Methode der kleinsten Quadrate soll die Gleichung für die beste Gerade
durch diese Punkte in der Form y(±sy) = m(±sm)x + b(±sb) mit einer vernünftigen
Anzahl signifikanter Ziffern gefunden werden. 4
b) Stellen Sie die experimentellen Daten und die berechnete Gerade graphisch dar.
c) Eine unbekannte Proteinprobe ergab eine Absorbanz von 0.973. Berechnen Sie die
Mikrogramm des Proteins in der Probe und geben Sie die Unsicherheit an.
5 Qualitätssicherung und
Kalibrationsmethoden

Die Notwendigkeit der Qualitätssicherung 5


Das Institut für Referenzmaterialien und Messungen (IRMM) in Belgien führt ein In-
ternationales Messbewertungsprogramm durch, mit dem Laboratorien in die Lage
versetzt werden, die Zuverlässigkeit ihrer Analysen einzuschätzen. Bildteil a zeigt die
Ergebnisse der Bleibestimmung in Flusswasser. Von 181 Laboratorien gaben 18 Re-
sultate an, die mehr als 50 % oberhalb und 4 solche, die mehr als 50 % unterhalb des
zertifizierten Werts von 62.3 ± 1.3 nM lagen. Obwohl die meisten Laboratorien dieser
Studie anerkannte Qualitätsmanagementverfahren anwendeten, schloss ein großer
Teil der Ergebnisse den zertifizierten Bereich überhaupt nicht ein. Bildteil b zeigt die
Ergebnisse des gleichen Flusswassers von neun staatlichen Institutionen, in denen
mit größter Sorgfalt gearbeitet wird, die sehr nahe beim zertifizierten Bereich liegen.
Dieses Beispiel zeigt, dass es keine Garantie für zuverlässige Resultate gibt,
selbst wenn sie von „akkreditierten“ Laboratorien stammen und mit anerkannten
Verfahren erhalten wurden. Eine gute Methode zur Überprüfung der Zuverlässig-
keit eines Labors besteht darin, dass man ihm eine „Blindprobe“ mit einem ähnli-
chen und bekannten Gehalt zur Analyse gibt. Diesen Gehalt darf der beauftragte
Analytiker nicht kennen. Wenn das Labor diesen bekannten Gehalt nicht bestätigt,
hat es ein Problem. Solche Überprüfungen müssen periodisch wiederholt werden,
um ständig die Zuverlässigkeit nachzuweisen.

18 weitere
Resultate

50
91
40 50
% Abweichung vom Mittelwert des zertifizierten Bereichs

86
91
Zertifizierter
% Abweichung vom Mittelwert des zertifizierten Bereichs
81 Bereich 30 40
86
76
20 81 30
71
76
Konzentration (nM)

10 20
66 Zertifizierter
Konzentration (nM)

71 Bereich
0 10
61
66
56 –10 0
61
51 –20 56 –10
46
–30 51 –20
41
46
–40 –30
36
41
31 –50 –40
36

4 weitere b 31 –50
a Resultate

a) Streuende Messergebnisse für Blei in Flusswasser aus verschiedenen Laboratorien, die alle ein anerkanntes Qualitätsmanagement-
system anwendeten. b) Reproduzierbare Ergebnisse von staatlichen Messinstitutionen. [Aus: P. De Bièvre und P. D. P. Taylor, „Demons-
tration“ vs. „Designation“ of Measurement Competence: The Need to Link Accreditation to Metrology, Fresenius J. Anal. Chem. 2000,
368, 567.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
116 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

Drei Standards für die Qualität der Unter Qualitätssicherung versteht man alles, was man tun muss, um für unsere Auf-
Daten: gabe die richtige Antwort zu erhalten. Diese Antwort muss hinreichende Richtigkeit
▬ Bestimme die richtigen Daten und Präzision haben, um anschließende Schlussfolgerungen zu rechtfertigen. Es hat
▬ Bestimme die Daten richtig keinen Zweck, zusätzliches Geld auszugeben, um genauere und reproduzierbarere
▬ Gehe richtig mit den Daten um Ergebnisse zu erhalten, wenn dies unnötig ist. In diesem Kapitel werden die grund-
legenden Fragen und Methoden der Qualitätssicherung2 behandelt und zwei weitere
[Nancy W. Wentworth, U.S. Umwelt- Kalibrationsmethoden eingeführt. Im Kapitel 4 wurde beschrieben, wie eine Kalibra-
behörde.1] tionskurve konstruiert wird. In diesem Kapitel werden die Standardaddition und der
innere Standard beschrieben.

5.1 Grundlagen der Qualitätssicherung

Zitat von Ed Urbansky. Der Ab- „Nehmen wir an, dass Du für ein paar Freunde kochst. Während der Arbeit an der
schnitt 5.1 ist eine Adaption einer Spaghetti-Soße kostest Du davon, gibst ein Gewürz zu, kostest erneut. Jede Kostprobe
Beschreibung von Ed Urbansky. ist eine Probenahme mit einem Qualitätskontrolltest. Du kannst die Soße insgesamt
kosten, denn es gibt nur eine Charge. Nun nehmen wir an, dass Du Chef einer Fabrik für
Spaghetti-Soßen bist, die von diesen pro Tag 1 000 Dosen herstellt. Du kannst nicht jede
einzelne kosten, deshalb entscheidest Du, drei Dosen pro Tag zu prüfen, je eine um 11, 14
und 17 Uhr. Wenn alle drei gut schmecken, glaubst Du, dass alle 1 000 Dosen in Ordnung
sind. Dummerweise muss das nicht stimmen, aber das relative Risiko – dass eine Dose zu
viel oder zu wenig Würze enthält – ist nicht so wichtig, weil Du bereit bist, das Geld an
den enttäuschten Kunden zurückzugeben. Bei einer kleinen Zahl solcher Reklamationen,
z. B. 100 pro Jahr, bringt es nichts, wenn Du vier Dosen pro Tag prüfen würdest.“ Das wä-
ren 365 zusätzliche Tests, um die Rückerstattung von 100 Dosen zu vermeiden, also eine
Gewinneinbuße im Wert von 265 Dosen.
Rohdaten: einzelne Messungen In der analytischen Chemie wird keine Spaghetti-Soße hergestellt. Hier sind die
Behandelte Daten: Konzentrationen, Produkte vielmehr Rohdaten, behandelte Daten und Ergebnisse. Rohdaten sind die Ein-
die aus Rohdaten durch Anwendung zelwerte einer gemessenen Größe, z. B. die Peak-Flächen eines Chromatogramms oder
einer Kalibrationsmethode abgeleitet die Volumina aus einer Bürette. Die behandelten Daten sind Konzentrationen oder Stoff-
wurden mengen, die sich aus der Kalibrierung der Rohdaten ergeben. Mit statistischen Methoden
Ergebnisse: Zahlenangaben, die nach werden die behandelten Daten schließlich in Form von Mittelwert, Standardabweichung
statistischer Analyse der behandelten und Vertrauensintervall als Ergebnisse abgeliefert.
Daten abgeliefert werden

Verwendungsziele
Verwendungsziel: gibt den Zweck Ein wichtiges Ziel der Qualitätssicherung besteht in der Gewährung der Sicherheit, dass
der Ergebnisverwendung an die Ergebnisse den Anforderungen der Kunden entsprechen. Wenn ein Arzneimittel her-
gestellt wird, dessen therapeutische Dosis knapp unterhalb der tödlichen Dosis liegt, muss
man sorgfältiger arbeiten als bei der Produktion von Spaghetti-Soße. Welche Daten und
auf welche Weise sie bestimmt werden müssen, hängt davon ab, wie sie verwendet werden
sollen. Eine Waage im Badezimmer muss nicht auf Milligramm genau sein, dagegen dür-
fen in einer Arzneitablette, die 2 mg des Wirkstoffs enthalten soll, nicht 2 ± 1 mg sein. Die
Formulierung klarer und prägnanter Verwendungsziele der Daten und Ergebnisse ist ein
entscheidender Teil bei der Qualitätssicherung und hilft sehr, den Missbrauch der Daten
und Ergebnisse zu verhindern.
Nehmen wir folgendes Beispiel für ein Verwendungsziel. Zur Abtötung von Mikro-
organismen wird Trinkwasser mit Chlor behandelt. Leider reagiert Chlor auch mit im
Wasser gelösten organischen Stoffen und bildet „Desinfektionsnebenprodukte“, Verbin-
dungen, die für Menschen schädlich sein können. Eine Desinfektionsanlage mit einem
neuen Chlorungsverfahren wurde geplant und folgendes analytisches Verwendungsziel
wurde formuliert:

Die analytischen Daten und Ergebnisse sollen zur Feststellung verwendet werden,
ob der modifizierte Chlorungsprozess zu einer mindestens 10%igen Reduzierung
der Bildung ausgewählter Desinfektionsnebenprodukten führt.
5.1 · Grundlagen der Qualitätssicherung 117

Vom neuen Verfahren wurde eine Abnahme der Desinfektionsnebenprodukte angenom-


men. Das Verwendungsziel fordert, dass die Messunsicherheit klein genug ist, um eine
10%ige Abnahme ausgewählter Nebenprodukte klar vom experimentellen Fehler zu un-
terscheiden. Mit anderen Worten: ist eine beobachte Abnahme von 10% real?

Spezifikationen
Wenn man das Verwendungsziel kennt, kann man die Spezifikationen formulieren, die Spezifikationen können enthalten:
angeben, wie gut die Zahlen sein müssen und welche Vorsichtsmaßnahmen bei der ana- ▬ Anforderungen an die Probe-
lytischen Methode zu treffen sind. Wie soll die Probe genommen werden und wie viel nahme
wird gebraucht? Ist eine besondere Vorsicht zum Schutz der Probe erforderlich und wie ▬ Richtigkeit und Präzision
verhindert man ihren Abbau? Welches Niveau an Richtigkeit und Präzision entspricht ▬ Anteil falscher Resultate 5
dem Verwendungsziel unter Berücksichtigung der praktischen Grenzen durch Kosten, ▬ Selektivität
Zeitaufwand und vorhandenem Probenmaterial? Welcher Anteil an falsch positiven oder ▬ Empfindlichkeit
falsch negativen Ergebnissen ist erträglich? Diese Fragen müssen in detaillierten Spezifi- ▬ Akzeptierbare Blindwerte
kationen beantwortet werden. ▬ Wiederfindung eines Zusatzes
Die Qualitätssicherung beginnt mit der Probenahme. Man muss repräsentative Proben ▬ Kalibrationsprüfungen
nehmen und der Analyt muss danach sicher aufbewahrt werden. Wenn die Probe nicht ▬ Proben zur Qualitätskontrolle
repräsentativ ist oder wenn der Analyt nach der Probenahme teilweise verlorengeht, ist
auch die genaueste Analyse sinnlos.
Was ist mit falsch positiven und falsch negativen Ergebnissen gemeint? Nehmen wir an,
Sie sollen angeben, dass eine Verunreinigung im Trinkwasser unterhalb der gesetzlichen
Vorschrift liegt. Eine falsch-positive Antwort sagt, die Konzentration liegt oberhalb der
Grenze, obwohl sie darunter liegt. Eine falsch-negative Antwort liegt vor, wenn gesagt
wird, dass die Konzentration unterhalb der Grenze liegt, obwohl sie in Wirklichkeit
darüber liegt. Selbst bei gut durchgeführten Verfahren gibt es wegen der Statistik von
Probenahme und Messung einige falsche Resultate. Bei Trinkwasser ist es wichtiger, eine
geringere Zahl falsch-negativer Angaben als falsch-positiver zu haben. Es wäre natürlich
schlechter, wenn bestätigt wird, dass ein verunreinigtes Wasser sauber ist als zu behaup-
ten, dass sauberes Wasser verunreinigt ist.
Der Test von Sportlern auf Drogen ist so angelegt, dass falsch-positive Ergebnisse mi-
nimiert werden, damit ein unschuldiger Sportler nicht fälschlich des Dopings bezichtigt
wird. Im Abschnitt 5.2 wird gezeigt, dass es einen Kompromiss zwischen falsch-positiven,
falsch-negativen Werten und der Nachweisgrenze einer analytischen Methode gibt.
Bei der Wahl einer Methode betrachten wir auch die Selektivität und die Empfindlich- Empfindlichkeit
keit. Die Selektivität (auch Spezifität genannt) beschreibt die Eigenschaft, einen Analyten = Anstieg der Kalibrationskurve
von anderen Spezies in der Probe zu unterscheiden (und damit Störungen zu vermeiden). = Signaländerung/Konzentrations-
Die Empfindlichkeit ist die Eigenschaft, zuverlässig und messbar auf Änderungen der änderung des Analyten
Analytkonzentration zu reagieren. Die Nachweisgrenze einer analytischen Methode muss
niedriger sein als die zu bestimmenden Konzentrationen.
Zu den Spezifikationen können auch die geforderte Richtigkeit und Präzision, Rein-
heit der Reagenzien, Toleranzwerte bei Apparaturen, die Verwendung zertifizierter Re-
ferenzmaterialien und akzeptierte Blindwerte gehören. Zertifizierte Referenzmaterialien
enthalten einen zertifizierten Gehalt des Analyten in realistischen Materialien, die analy-
siert werden sollen, wie z. B. Blut, Kohle oder Metalllegierungen. Die verwendete analyti-
sche Methode sollte ein Ergebnis liefern, das in akzeptabler Nähe zum zertifizierten Wert
liegt. Andernfalls stimmt etwas nicht mit der Richtigkeit der Methode.
Blindwerte beruhen auf Störungen durch in der Probe vorhandene andere Spezies
und auf Spuren des Analyten, die sich in den bei der Probenvorbereitung eingesetzten
Materialien und Reagenzien befinden. Durch häufige Bestimmung der Blindwerte kann
festgestellt werden, ob Analyte aus früheren Proben, die an Gefäßen oder Geräten hängen
geblieben waren, in nachfolgende Analysen verschleppt wurden.
Blindproben (englisch: blanks) haben für die Qualitätssicherung eine große Bedeu-
tung. Eine Methodenblindprobe ist eine Probe, die mit Ausnahme des Analyten alle
Komponenten enthält und mit der alle Schritte des analytischen Verfahrens gegangen
werden. Man zieht deren Messwert vom Messwert der wirklichen Probe ab, bevor die
118 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

Analytmenge berechnet wird. Bei einer Reagenzblindprobe werden nicht sämtliche


Schritte der Probenvorbereitung durchlaufen. Deshalb erlaubt die Methodenblindprobe
eine vollständigere Abschätzung des Blindwerteinflusses auf das analytische Signal. Die
Feldblindprobe ähnelt der Methodenblindprobe, doch hier wurde die Blindprobe zum
Ort der Probenahme gebracht. Wenn z. B. Feinstaub in der Luft gemessen wird, saugt man
ein bestimmtes Luftvolumen durch einen Filter, welcher dann aufgelöst und analysiert
wird. Ein Filter, der an der Stelle der Probenahme aus der gleichen Packung wie die übri-
gen Filter genommen und genauso wie die Sammelfilter in einen geschlossenen Behälter
gegeben wird, kann als Feldblindprobe dienen. Der Unterschied zu den anderen Filtern
besteht darin, dass keine Luft hindurch gesaugt wurde. Flüchtige organische Verbindun-
gen, die während des Transports oder am Ort der Probenahme aufgenommen wurden,
sind denkbare Verunreinigungen der Feldblindprobe.
Man setzt ein kleines Volumen der Eine weitere häufig erhobene Leistungsanforderung ist die Spike-Wiederfindung
konzentrierten Standardlösung zu, um (vom Englischen „to spike“ und bedeutet so viel wie etwas zusetzen oder mit etwas beimp-
signifikante Volumenänderungen der fen). Mitunter wird das Signal eines Analyten in einer Probe durch etwas anderes erhöht
Probe zu vermeiden. So gibt man z. B. oder erniedrigt. Unter der Matrix versteht man alles, was sich in der Probe befindet, mit
50.5 μL einer 500 μg/L-Standardlösung Ausnahme des Analyten. Ein Spike ist eine bekannte Menge des Analyten, die der Probe
zu 5.00 mL der Probe, um die Ana- zugesetzt wird, um festzustellen, ob das Ansprechverhalten gegenüber der Probe genauso
lytkonzentration um 5.00 μg/L zu ist, wie aus der Kalibrationskurve zu erwarten ist. Proben mit Spikes („gespikte“ Proben)
erhöhen. werden in gleicher Weise wie unbekannte Proben analysiert. Zum Beispiel wird zu einer
Trinkwasserprobe, die 10 μg/L Nitrat enthält, ein Spike mit 5 μg/L zugesetzt. Im Idealfall
Endkonzentration werden 15 μg/L gefunden. Wenn ein anderer Wert gefunden wird, könnte die Matrix bei
= Anfangskonzentration × Ver- der Bestimmung stören.
dünnungsfaktor
> Beispiel
= ⎜⎛ 500 μg ⎟⎞ ⎜⎛ 50.5 μ L ⎟⎞ = 5.00 μg
Spike-Wiederfindung
⎝ L ⎠ ⎝ 5050.5 μ L ⎠ L
C sei die Konzentration. Eine Definition für die Spike-Wiederfindung lautet
C Probe mit Spike – C Probe ohne Spike
% Wiederfindung = ×100 (5-1)
C zugesetzt

In einer Probe wurden 10 μg des Analyten pro L gefunden. Ein Zusatz von 5 μg/L zu einer
anderen Portion der Probe ergab eine Konzentration von 14.6 μg/L. Wie groß ist die prozen-
tuale Wiederfindung des Zusatzes?

Lösung Die prozentuale Wiederfindung des Spikes ist


14.6 μg / L − 10.0 μg / L
% Wiederfindung = ×100 = 92%
5.0 μg / L
Matrixeffekte können das analytische Wenn in der Spezifikation eine Wiederfindung im Bereich von 96 % bis 104 % gefordert war,
Signal erniedrigen (Abbildung 5.4 und ist 92 % nicht akzeptierbar. Die Methode muss verbessert werden.
Aufgabe 5-26) oder erhöhen (Aufgabe
Selbstüberprüfung Wie groß ist die prozentuale Wiederfindung, wenn Probe + Spike eine
5-33).
Konzentration von 15.3 μg/L ergab. (Lösung: 106 %)

Wenn eine große Zahl von Mess- und Vergleichsproben zu bearbeiten ist, werden re-
gelmäßige Kalibrationsprüfungen durchgeführt, damit man sicher ist, dass alle Geräte
Zur Beurteilung der Richtigkeit sind funktionieren und die Kalibrierung noch stimmt. Bei Kalibrationsprüfungen werden Lö-
wichtig: sungen mit bekannten Analytkonzentrationen untersucht. Eine Spezifikation könnte z. B.
▬ Kalibrationsüberprüfung fordern, dass nach der Messung von je 10 Proben eine Kalibrationsprüfung erfolgen muss.
▬ Spike-Wiederfindung Die Lösungen für die Kalibrationsprüfungen dürfen nicht mit denen übereinstimmen, die
▬ Qualitätskontrollproben für die Herstellung der ursprünglichen Kalibrationskurve verwendet wurden. Das dient
▬ Blindproben der Bestätigung für die ordentliche Herstellung der Kalibrationsstandards.
Qualitätskontrollproben (auch sie werden Blindproben genannt) sind ein Qualitäts-
Zur Beurteilung der Präzision sind kontrollmaß, das helfen soll, die Befangenheit eines Analytikers, der die Konzentration
wichtig: der Proben zur Kalibrationsprüfung kennt, zu eliminieren. Diese Proben mit bekannter
▬ Mehrfachmessungen Zusammensetzung werden dem Analytiker als unbekannt übergeben. Die Ergebnisse
▬ Messungen mehrerer Portionen werden dann, meist von einem Qualitätskontrolleur, mit den bekannten Werten vergli-
der gleichen Probe chen. So unterhält z. B. das U.S. Department of Agriculture für die Qualitätskontrolle
5.1 · Grundlagen der Qualitätssicherung 119

Exkurs 5.1

Qualitätsregelkarten Bei einer Gauß-Verteilung liegen 95.5 % aller Messungen inner-


halb ± 2σ/√ ⎯n um den Mittelwert und 99.7 % innerhalb ± 3σ/√ ⎯n,
Eine Qualitätsregelkarte ist die anschauliche Darstellung mit der Tablettenzahl n (= 25). Erinnern Sie sich, dass die Stan-
der Vertrauensintervalle für eine Gauß-Verteilung. Die dardabweichung des Mittelwerts (Abschnitt 4.1) σ/√ ⎯n ist. Die
Karte warnt sofort, wenn eine gemessene Eigenschaft ge- ± 2σ/√ ⎯n-Grenze wird als Warngrenze und die ± 3σ / √ ⎯n-Grenze
fährlich weit vom beabsichtigten Sollwert entfernt liegt. als Eingriffsgrenze bezeichnet. Wir erwarten, dass ~4.5 % der
Zum Beispiel ist bei der Herstellung von Vitamin C-Tab- Messungen außerhalb der Warngrenzen und ~0.3 % außerhalb
letten ein Zielwert von μ Milligramm Vitamin C pro Tablette der Eingriffsgrenzen liegen. Es ist unwahrscheinlich, dass zwei
vorgesehen. Viele Analysen, die über einen langen Zeitraum aufeinanderfolgende Messungen an der Warngrenze liegen
durchgeführt wurden, liefern für den Produktionsprozess die (Wahrscheinlichkeit 0.045 × 0.045 = 0.002 0).
Standardabweichung der Grundgesamtheit σ. Die folgenden Bedingungen werden als derartig unwahr- 5
Zur Qualitätskontrolle werden der Produktion stündlich scheinlich betrachtet, dass bei ihrem Auftreten der Herstellungs-
25 Tabletten zufällig entnommen und analysiert. Der Mittel- prozess für eine Fehlersuche abgebrochen werden sollte:
wert des Vitamin-C-Gehalts in den 25 Tabletten ergibt einen ▬ Ein Wert außerhalb der Eingriffsgrenze
Datenpunkt in der Kontrollkarte. ▬ Zwei von drei aufeinander folgenden Messungen liegen zwi-
schen Warn- und Eingriffsgrenze
▬ Sieben aufeinanderfolgende Messungen liegen sämtlich
μ + 3σ obere Eingriffsgrenze
oberhalb oder sämtlich unterhalb der Mittellinie
√n
obere Warngrenze ▬ Sechs aufeinanderfolgende Messungen, unabhängig von
μ+ 2σ
√n ihrer Lage, zeigen einen Anstieg oder Abfall
Sollwert ▬ Vierzehn aufeinanderfolgende Messungen zeigen unabhän-
μ
gig von ihrer Lage ein abwechselndes Auf und Ab.
▬ Auftreten eines Musters, das deutlich nicht auf Zufall beruht
μ − 2σ
√n untere Warngrenze
μ − 3σ untere Eingriffsgrenze Zur Beurteilung der Qualität einer analytischen Methode kann
√n
eine Qualitätsregelkarte die relativen Abweichungen der Mess-
werte der Kalibrations- oder der Qualitätskontrollproben von
ihren bekannten Werten zeigen. Eine andere Kontrollkarte zeigt
die Präzision von Wiederholungsmessungen bei Analysenproben
Zeit oder Standards als Funktion der Zeit.

eine Probenbank mit homogenisierten Futtermitteln zur Verteilung von Blindproben an


Untersuchungslaboratorien zur Bestimmung der Nährstoffe in Futtermitteln3.
Die Rohdaten und die Ergebnisse der Kalibrationsprüfungen, Spike-Wiederfindung,
Qualitätskontrollproben und Blindproben, alles zusammen wird zur Bestimmung der
Richtigkeit gebraucht. Die wiederholte Messung mehrerer Proben oder mehrerer Portio-
nen der gleichen Probe liefert die Angaben zur Präzision. Durch die Zugabe von Spikes
kann auch bestätigt werden, dass die qualitative Identifizierung des Analyten stimmt.
Wenn man z. B. wie in Abbildung 0.11 der unbekannten Probe Coffein zusetzt und eine
Peakfläche wächst, die gar nicht für Coffein gehalten wurde, dann hatte man den Coffe-
inpeak falsch zugeordnet.
Die Standard Operating Prozedur (SOP) (Standardarbeitsanweisung) legt fest, welche
Schritte einzuhalten sind und wie die Arbeit auszuführen ist. Sie gilt als das Bollwerk der
Qualitätssicherung. Wenn sich z. B. aus irgendeinem Grund ein Reagenz verändert hat,
wird durch die in den normalen Arbeitsablauf eingebauten Kontrollexperimente aufge-
deckt, dass etwas faul ist und dass die Ergebnisse nicht gelten dürfen. Natürlich müssen
sich alle Beteiligten an die SOP halten. Die Einhaltung dieser Verfahren schützt vor dem
normalen menschlichen Trieb zur Vereinfachung, die auch auf falschen Annahmen beru-
hen kann.
Eine sinnvolle Analyse setzt eine sinnvolle Probe voraus, die repräsentativ für das
Gesuchte ist. Sie muss in Behältern und unter Bedingungen aufbewahrt werden, die
keine wesentlichen chemischen Veränderungen erlauben. Ein Schutz kann gegen Oxi-
dation, Zersetzung durch Lichteinwirkung und gegen Wuchs von Mikroorganismen
120 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

Bei der Dopingkontrolle von Sport- notwendig sein. Die Sorgfaltskette ist der Weg, den eine Probe vom Moment der Gewin-
lern sind in der Kette der Sorgfalt nung bis zum Zeitpunkt der Analyse, vielleicht auch ihrer Asservierung, nimmt. Bei der
notwendigerweise unterschiedliche Weitergabe der Dokumente wird unterschrieben, damit man weiß, wer die Verantwor-
Personen an Probenahme und Analyse tung für die Probe hat. Jede Person in der Kette befolgt eine schriftliche Anweisung, in
beteiligt. Die Identität des Sportlers der steht, wie die Probe zu behandeln und aufzubewahren ist. Bei Entgegennahme der
ist dem Probenehmer bekannt, nicht Probe muss man sich davon überzeugen, dass sie sich im erwarteten Zustand und in ei-
aber dem Analytiker, so dass dieser nem geeigneten Behälter befindet. Wenn die Originalprobe eine homogene Lösung war,
das Ergebnis nicht absichtlich fälschen nun aber einen Niederschlag enthält, kann die Standardarbeitsanweisung fordern, dass
kann, um eine bestimmte Person oder sie zurückzuweisen ist.
Mannschaft zu begünstigen oder zu Die Standardarbeitsanweisungen schreiben vor, wie die Geräte zu behandeln und zu
belasten. kalibrieren sind, damit ihre Zuverlässigkeit gewährleistet ist. Viele Laboratorien haben
ihre eigene gängige Praxis etwa zur Aufzeichnung der Temperatur der Kühlschränke, des
Datums der Waagenkalibrierung, der Routine-Wartung der Geräte oder der Ersetzung
der Reagenzien. Diese Praktiken sind Bestandteil des allgemeinen Qualitätsmanage-
mentplans. Dahinter steckt die Überlegung, dass das Labor von vielen Leuten und für
unterschiedliche Analysen genutzt wird. Man spart Geld, wenn man ein Programm zur
Befolgung der strengsten Anforderungen hat.

Begutachtung
Die Begutachtung umfasst (1) die Zusammenstellung aller Daten, die zeigen, dass analy-
tische Methoden innerhalb vorgegebener Grenzwerte funktionieren und (2) die Bestäti-
gung, dass das Ergebnis dem Verwendungsziel entspricht.
Die Dokumentation ist von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung. Standar-
disierte Protokolle geben die Vorschriften für das Was und Wie der Dokumentation an,
einschließlich der Eintragung von Informationen in Notizbücher bzw. Laborjournale.
In Laboratorien, die sich auf Handbücher der Laborpraxis verlassen, ist es unerlässlich,
dass alles überwacht und aufgezeichnet wird, was zur Erfüllung der Vorschriften getan
wurde. Qualitätsregelkarten (Exkurs 5.1) können zur Überwachung der Blindwerte,
Kalibrationsprüfungen und der gespikten Proben herangezogen werden, um die Stabili-
tät der Ergebnisse über gewisse Zeiträume zu zeigen oder die Arbeitsweise der einzelnen

Tabelle 5.1 Qualitätssicherungsprozess

Frage Maßnahme

Verwendungsziele

Warum werden die Daten und ▬ Formulierung der Verwendungsziele


Resultate gebraucht und wie
werden die Resultate genutzt?

Spezifikationen

Wie gut müssen die Zahlen- ▬ Schreiben Sie die Spezifikationen auf
angaben sein? ▬ Wählen Sie die Methoden zur Erfüllung der Spezifikationen aus
▬ Berücksichtigen Sie Probenahme, Präzision, Richtigkeit, Selek-
tivität, Empfindlichkeit, Nachweisgrenze, Robustheit, Anteil
falscher Resultate
▬ Verwenden Sie Blindproben, Zusatzmethoden, Kalibrations-
prüfungen, Qualitätskontrollproben und Regelkarten zur
Überwachung der Einhaltung
▬ Formulieren Sie Standardarbeitsanweisungen und befolgen
Sie diese

Begutachtung

Wurden die Spezifikationen ▬ Vergleichen Sie die Daten und Ergebnisse mit den Spezifika-
erreicht? tionen
▬ Dokumentieren Sie die Verfahren und zeichnen Sie alles auf,
was zum Verwendungsziel gehört
▬ Weisen Sie nach, dass die Verwendungsziele erreicht wurden
5.2 · Methodenvalidierung 121

Laboranten zu beurteilen. Diese Karten werden auch zur Überwachung der Empfind-
lichkeit oder Selektivität benutzt, besonders wenn sich das Labor mit der Analyse vieler
und sehr unterschiedlichen Stoffe beschäftigt.
Staatliche Einrichtungen, wie die U.S. Umweltbehörde, legen die Anforderungen zur
Qualitätssicherung für ihre eigenen Laboratorien und für die Zertifizierung anderer La-
bore fest. In den veröffentlichten Standardmethoden finden sich detaillierte Angaben zur
Präzision, Richtigkeit, Anzahl von Blind- und Wiederholungsproben sowie zur Kalibrati-
onsüberprüfung. Für die Trinkwasserüberwachung gibt es Vorschriften, wie oft und wie
viele Proben genommen werden müssen. Zum Nachweis ihrer Erfüllung dient eine sorgfäl-
tige Dokumentation. Tabelle 5.1 fasst den Qualitätssicherungsprozess zusammen.

5.2 Methodenvalidierung 5
Unter Methodenvalidierung versteht man den Nachweis, dass eine analytische Methode
für den beabsichtigten Zweck akzeptierbar ist4. In der pharmazeutischen Chemie gehören
zu den Anforderungen an die Methodenvalidierung bei den Zulassungsanträgen für Arz-
neimittel Untersuchungen zur Spezifität, Linearität, Richtigkeit, Präzision, Arbeitsbereich,
Nachweisgrenze, Bestimmungsgrenze und Robustheit.

Spezifität
Spezifität ist die Eigenschaft einer analytischen Methode, den Analyten von allen ande-
ren Bestandteilen der Probe zu unterscheiden. Die Elektrophorese ist eine analytische Me-
thode, bei der die Substanzen durch ihre unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit in
einem starken elektrischen Feld voneinander getrennt werden. Ein Elektropherogramm
ist die graphische Darstellung des Detektorsignals gegen die Zeit der elektrophoretischen
Trennung. Die Abbildung 5.1 zeigt ein Elektropherogramm des Medikaments Cefotaxim
(Peak 4), dem 0.2 Gew% der bekannten Verunreinigungen zugesetzt wurden, die gewöhn-
lich durch die Synthese vorhanden sind. Eine sinnvolle Anforderung an die Selektivität
könnte eine Basislinientrennung des Analyten (Cefotaxim) von allen vorhandenen Verun-
reinigungen sein. Basislinientrennung bedeutet, dass das Detektorsignal auf die Grundli-
nie zurückkehrt, bevor die nächste Verbindung den Detektor erreicht.
In der Abbildung 5.1 ist der Peak der Verunreinigung 3 nicht vollständig vom Ce-
fotaxim abgetrennt. Für diesen Fall besteht ein anderes vernünftiges Kriterium für die
Spezifität darin, dass die nicht völlig aufgelösten Verunreinigungen bei ihrer erwarteten
Maximalkonzentration die Bestimmung des Cefotaxims um nicht mehr als 0.5 % beein-
flussen. Wenn wir dagegen nicht das Cefotaxim, sondern die Verunreinigungen bestim-
men wollen, gilt als sinnvolles Kriterium für die Spezifität, dass alle Verunreinigungen, die

4
0.002

Cefotaxim Abb. 5.1 Elektropherogramm des


Antibiotikums Cefotaxim (Peak 4) mit
2 5 bekannten Verunreinigungen, die aus
Absorbanz

0.001 3 der Synthese stammen (Peaks 2, 3, 5-9).


9
Peak 1 ist ein Marker für den elektroos-
motischen Fluss. Es werden auch kleinere
7
1 Peaks von unbekannten Verunreinigun-
6
gen beobachtet. Die Trennung erfolgte
0.000 8 durch micellare elektrophoretische Ka-
pillarchromatographie (Abschnitt 25.7).
[H. Fabre und K. D. Altria, „Key Points for
Validating CE Methods, Particularly in
6 10 14 18 22 Pharmaceutical Analysis“, LCGC, 2001,
Zeit (Minuten) 19, 498.]
122 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

mehr als 0.1 % der Gesamtfläche des Elektropherogramms einnehmen, vom Cefotaxim
„Basislinien-getrennt“ sind. In Abbildung 5.1 ist dieses Kriterium nicht erfüllt.
Bei der Ausarbeitung einer Analysenmethode müssen wir entscheiden, welche Ver-
unreinigung zur Prüfung der Spezifität absichtlich zugesetzt werden soll. Bei der Analyse
einer Arzneimittelformulierung wollen wir den reinen Wirkstoff mit einer Probe verglei-
chen, die außer dem Wirkstoff noch Zusätze aller möglichen synthetischen Nebenpro-
dukte, Zwischen- und Zersetzungsprodukte sowie Hilfsstoffe (Zusätze für gewünschte
Formen oder Konsistenz) enthält. Zersetzungsprodukte können durch Wärme, Lichtein-
wirkung, Feuchtigkeit, Säuren, Basen und Oxidationsmittel entstehen, wodurch bis zu
~20 % des Originalmaterials zersetzt werden.

Linearität
Die Linearität gibt an, wie gut eine Kalibrationskurve einer Geraden folgt und damit
zeigt, dass das Messsignal proportional zur Menge des Analyten ist. Wenn z. B. die Ziel-
konzentration des Analyten in einem Arzneimittel bekannt ist, kann die Kalibrations-
kurve mit fünf Standardlösungen, welche den Bereich zwischen dem 0.5- bis 1.5fachen
der erwarteten Analytkonzentration überspannen, auf Linearität geprüft werden. Jede
Standardlösung sollte dreimal hergestellt und analysiert werden. (Zu diesem Verfahren
werden 3 × 5 = 15 Standards und drei Blindproben benötigt.) Für die Kalibrationskurve
einer Verunreinigung, die z. B. im Bereich zwischen 0.1 und 1 Gew% vorliegt, wird die
Kalibrationskurve mit fünf Standards zwischen 0.05 und 2 Gew% hergestellt.
Ein oberflächliches, aber übliches Maß für die Linearität ist das Quadrat des
Korrelationskoeffizienten R2:

Quadrat des Korrelationskoeffizienten R =2 [ ∑ (x − x ) (y − y )]


i i
2

(5.2)
∑(x − x) ∑( y − y)
2 2
i i

R² kann diagnostisch zur Methoden- mit x dem Mittelwert aller x-Werte und y dem Mittelwert aller y-Werte. Man findet R²
beurteilung verwendet werden. Wenn in einfacher Weise mit der RGP-Funktion in Excel. Im Beispiel auf Seite 104 werden die
nach der Einführung einer Methode Werte von x und y in die Spalten A und B eingetragen. RGP erzeugt eine Tabelle in den
der R²-Wert abnimmt, ist mit der Me- Zellen E3:F5 mit R² in Zelle E5. Für einen linearen Verlauf muss R² dicht bei 1 liegen. Für
thode nicht mehr alles in Ordnung. einen Analyten als Hauptbestandteil wird ein Wert für R² über 0.995 oder, vielleicht, 0.999
als guter Wert für die meisten Zwecke erachtet5. Für die Daten der Abbildung 4.11, die
nicht sehr dicht an der Geraden liegen, ist R² = 0.985.
Ein weiteres Kriterium für die Linearität besteht darin, dass der Ordinatenabschnitt
der Kalibrationskurve (nachdem das Blindwertsignal von jeder Standardprobe abgezogen
wurde) dicht bei y = 0 liegt. Ein akzeptables Maß für „Nähe zu 0“ könnten z. B. 2 % des Si-
gnals für die Zielgröße des Analyten sein. Für die Bestimmung der Verunreinigungen, die
in niedrigeren Konzentrationen vorliegen als der Hauptbestandteil, kann für den Bereich
von 0.1–2 Gew% ein akzeptierbarer Wert von R2 ≥ 0.98 betragen mit einem Ordinatenab-
schnitt ≤ 10 % des Signals für den 2%-Standard.

Richtigkeit
Richtigkeit ist Nähe zum wahren Wert. Es gibt folgende Möglichkeiten zum Nachweis der
Richtigkeit:
1. Analyse eines zertifizierten Referenzmaterials in einer Matrix, die der unbekannten
Probe ähnlich ist. Dabei sollte der zertifizierte Wert des Analyten im Referenzmate-
rial innerhalb der Reproduzierbarkeit (Zufallsunsicherheit) der Methode gefunden
werden.
2. Vergleich der Ergebnisse von mindestens zwei unterschiedlichen analytischen Me-
thoden. Sie müssen innerhalb ihrer erwarteten Präzision übereinstimmen.
3. Analyse einer Blindprobe, der eine bekannte Analytmenge zugesetzt wurde. Die Ma-
trix muss der Untersuchungsprobe entsprechen. Bei der Bestimmung eines Haupt-
5.2 · Methodenvalidierung 123

bestandteils werden drei Wiederholungsmessungen durchgeführt, jede mit drei Kon-


zentrationen zwischen dem 0.5 und 1.5fachen des erwarteten Wertes. Auch bei den
Verunreinigungen sollten die drei Zusätze den erwarteten Konzentrationsbereich,
z. B. von 0.1 bis 2.0 Gew%, überstreichen.
4. Wenn es nicht möglich ist, eine Blindprobe herzustellen, die die gleiche Matrix wie die
Probe hat, werden Standardadditionen (Abschnitt 5.3) zur Probe durchgeführt. Bei
einer richtigen Analyse wird die bekannte zugesetzte Menge exakt wiedergefunden.

Spiken ist die gebräuchlichste Methode zur Beurteilung der Richtigkeit, da geeignete
Referenzmaterialien oder eine zweite analytische Methode fehlen. Außerdem wird die
Matrix kaum verändert.
Beispiele für Spezifikationen der Richtigkeit sind: Wiederfindung des Spike bei Haupt-
komponenten 100 ± 2 %, bei Verunreinigung 0.1 Gew% absolut oder ± 10 % relativ. 5

Präzision
Die Präzision gibt an, wie gut Wiederholungsmessungen miteinander übereinstimmen. Autosampler sind Probengeber in der
Sie wird gewöhnlich als Standardabweichung ausgedrückt. Mehrere Arten der Präzision Chromatographie und Graphitofen-
werden unterschieden: Atomspektroskopie, die eine um den
Gerätebedingte Präzision, auch Injektionspräzision genannt, ist die beobachtete Re- Faktor 3–10 verbesserte Injektions-
produzierbarkeit bei mehrfacher Eingabe (≥ zehnmal) der gleichen Probenmenge in das präzision gegenüber der manuellen
Gerät. Die Variabilität kann hier auf Schwankungen in der zugesetzten Menge und des Injektion haben.
Ansprechverhaltens des Geräts beruhen.
Die Intra-Assay-Präzision (Präzision in der Serie) wird durch die mehrfache Analyse
von Aliquoten eines homogenen Materials an einem Tag von der gleichen Person und am
gleichen Gerät bestimmt. Jede Analyse ist unabhängig von den anderen, so dass die Intra-
Assay-Präzision angibt, wie reproduzierbar die Methode ist. Die Intra-Assay-Variabilität
ist wegen der höheren Zahl von Einflussfaktoren größer als die instrumentelle Variabilität.
In der Spezifikation für eine Messmethode könnte stehen, dass die instrumentelle Präzi-
sion unter 1 %, die Intra-Assay-Präzision unter 2 % liegen soll.
Die intermediäre Präzision, früher auch Robustheit genannt, ist die beobachtete Schwan-
kung, wenn eine Bestimmung von verschiedenen Leuten, an unterschiedlichen Geräten und
an verschiedenen Tagen, jedoch im gleichen Labor durchgeführt wird. Bei jeder Analyse
können neue Reagenzien und verschiedene chromatographische Säulen verwendet werden.
Die Interlaboratoriumspräzision, auch Reproduzierbarkeit genannt, ist das allgemeinste
Maß für die Reproduzierbarkeit, die beobachtet wird, wenn Aliquote der gleichen Probe
von verschiedenen Personen in verschiedenen Labors analysiert werden. Die Interlabora-
toriumspräzision wird schlechter, wenn der Gehalt der Analyte in einer Probe abnimmt
(Exkurs 5.2).

Arbeitsbereich
Der Arbeitsbereich ist der Konzentrationsbereich mit akzeptierbarer Linearität, Richtigkeit Verwirrende Begriffe:
und Präzision. Ein Beispiel einer Spezifikation für den Arbeitsbereich zur Bestimmung Linearer Arbeitsbereich: Konzentra-
eines Hauptbestandteils ist die Forderung nach einem Konzentrationsbereich mit einem tionsbereich, in dem die Kalibrations-
Korrelationskoeffizienten R2 ≥ 0.98 (als Maß der Linearität), einer Spike-Wiederfindung kurve linear ist (Abbildung 4.14)
von 100 ± 2 % (als Maß der Richtigkeit) und einer Interlaboratoriumspräzision von ± 15 %. Dynamischer Arbeitsbereich: Kon-
zentrationsbereich, in dem messbare
Signale erhalten werden
Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze Arbeitsbereich: Konzentrationsbe-
reich, in dem Linearität, Richtigkeit
Die Nachweisgrenze ist die kleinste Menge eines Analyten, die „signifikant verschieden“ und Präzision den Anforderungen der
vom Blindwert ist7. Hier betrachten wir ein Verfahren, das eine Nachweisgrenze liefert, die Spezifikationen für analytische Metho-
mit ~99 % Wahrscheinlichkeit größer als der Blindwert ist. Das bedeutet, dass nur ~1 % der den entsprechen
Proben, die keinen Analyten enthalten, ein Signal geben, das größer als die Nachweisgrenze
124 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

Exkurs 5.2

Die Horwitz-Trompete: Veränderung der Tages in der Gesetzgebung tätig sind, sollten die von Ihnen
Interlaboratoriumspräzision zugelassenen Analytgehalte Schwankungen zwischen den
Angaben aus verschiedenen Laboratorien erlauben. Aus der
Interlaboratoriumstests werden routinemäßig bei der Validierung Gauß-Verteilung wissen wir, dass ~5 % der Messungen oberhalb
_
neuer analytischer Verfahren eingesetzt – besonders bei der von x + 1.65 s liegen (Abschnitt 4.1). Wenn die zulässige Analyt-
Anwendung im regulativen Bereich. Es ist üblich, an 5–10 Labo- konzentration 1 ppb beträgt, darf die gefundene Menge 1 + 1.65
ratorien identische Proben und die gleiche schriftliche Analysen- × 0.45 ppb also etwa 1.7 ppb betragen. Dabei können 5 % falsch-
vorschrift zu geben. Wenn alle Ergebnisse aus diesen sogenann- positive Werte, die über dem zulässigen Wert liegen, sein, selbst
ten Ringversuchen „fast gleich“ und ohne ernste systematische wenn der wahre Wert unter 1.0 ppb liegt.
Fehler sind, wird die Methode als „zuverlässig“ betrachtet.
Der Variationskoeffizient ist die durch den Mittelwert 26
dividierte Standardabweichung und wird als Prozentzahl ange- 60
_
geben: VK(%) = 100 × s/x . Je kleiner der Variationskoeffizient ist, 50
desto präziser ist ein Satz von Messungen.
40
Bei der Überprüfung von mehr als 150 Ringversuchen mit
30 Medikamente 25
unterschiedlichen Analyten, die mit verschiedenen Techniken in Nahrungs-
untersucht wurden, stellte sich heraus, dass die Variationskoeffi- 20

Variationskoeffizient (%)
mitteln
24
zienten der Mittelwerte, die von den verschiedenen Laboratorien 10 Pharmaka Pestizid- 232
angegeben wurden, mit kleiner werdender Analytkonzentration rückstände Aflatoxine 2
0
größer wurden. Im besten Fall war der Variationskoeffizient nie- 101 106 109 1012
10 103 Spuren-
mals besser6 als 2(1–0.5log C) Grund- Spuren- elemente
20 nahrungs- nährstoffe
Horwitz-Kurve: VK% ≈ 2(1–0.5log c) mittel
30
mit c als Bruchteil des Analyten in der Probe (c= g Analyt/g
40
Probe). Der Variationskoeffizient beträgt innerhalb eines Labors
etwa die Hälfte bis zwei Drittel des VK zwischen verschiedenen 50

Laboratorien. Die experimentellen Werte wichen von der idealen 60


0.01%

1 ppm

1 ppb
10%

1%

Kurve in vertikaler Richtung um den Faktor 2 und in horizontaler


Richtung um den Faktor 10 ab. Ungefähr 5–15 % aller Ringver-
suche waren Ausreißer – deutlich außerhalb der Gruppe der an-
Konzentration (gg Analyt
Probe )

deren Ergebnisse. Diese Häufigkeit an Ausreißern liegt über der


Variationskoeffizient bei Ringversuchen als Funktion der Proben-
statistischen Erwartung.
konzentration (in g Analyt/g Probe). Das schraffierte Gebiet wird
Die Horwitz-Kurve sagt voraus, dass bei Ringversuchen der wegen seines Aussehens Horwitz-Trompete (auch Horwitz-Trichter)
Variationskoeffizient bei einer Analytkonzentration von 1 ppm genannt. [W. Horwitz, „Evaluation of Analytical Methods Used for
~16 % und bei 1 ppb ~45 % beträgt. Wenn Sie vielleicht eines Regulation of Foods and Drugs“, Anal. Chem. 1982, 54, 67A.]

ist (Abbildung 5.2). Wir sagen, dass es in Abbildung 5.2 einen Anteil von ~1 % falsch-posi-
tiver Werte gibt. Wir nehmen an, dass in der Nähe der Nachweisgrenze die Standardabwei-
chungen der Proben mit Analyt und der Blindproben etwa gleich groß sind.
1. Zunächst wird aus den Erfahrungen mit früheren Experimenten die Nachweisgrenze
geschätzt. Dann wird eine Probe hergestellt, deren Analytmenge etwa zwischen der
vermuteten Nachweisgrenze und ihrem ~ fünffachen Betrag liegt.
2. Nun wird das Signal von n Wiederholungsproben gemessen (n ≥ 7).
3. Anschließend berechnet man die Standardabweichung s der n Messungen.
4. Nun bestimmt man das Signal von n Blindproben (sie enthalten keinen Analyten)
und ermittelt den Mittelwert yBlind.
5. Das kleinste ermittelbare Signal, yNWG, ist definiert als
Signal an der Nachweisgrenze: yNWG = yBlind + 3 s (5.3)
6. Das korrigierte Signal, yProbe– yBlind, ist proportional zur Konzentration der Probe
Kalibrationskurve: yProbe – yBlind = m × Probenkonzentration (5.4)
5.2 · Methodenvalidierung 125

wobei yProbe das für die Probe beobachtete Signal und m der Anstieg der linearen
Kalibrationskurve ist. Die kleinste detektierbare Konzentration ist die Nachweis-
grenze. Man erhält sie durch Substitution von yNWG aus Gleichung 5.3 für yProbe in
Gleichung 5.4:
3s
Nachweisgrenze: Kleinste detektierbare Konzentration = (5.5)
m

> Beispiel
Nachweisgrenze
Aus vorherigen Messungen einer geringen Analytkonzentration wurde eine Nachweis-
grenze für das Messsignal im unteren Nanoampere-Bereich geschätzt. Die Signale von
sieben Wiederholungsproben mit der dreifachen Konzentration der angenommenen Nach-
weisgrenze waren 5.0, 5.0, 5.2, 4.2, 4.6, 6.0, und 4.9 nA. Die Blindproben ergaben Werte von 5
1.4, 2.2, 1.7, 0.9, 0.4, 1.5 und 0.7 nA. Der Anstieg der Kalibrationskurve für höhere Konzent-
rationen ist m = 0.229 nA/μM. a) Wie groß sind die Nachweisgrenzen für das Signal und für
die kleinste bestimmbare Konzentration? b) Wie groß ist die Konzentration in einer Probe,
die ein Signal von 7.0 nA ergab?

Lösung a) Zuerst werden der Mittelwert der Blindproben und die Standardabweichung
der Proben berechnet. Zusätzliche, nichtsignifikante Stellen werden beibehalten, um Run-
dungsfehler zu verringern.

Blindproben: Mittelwert = yBlind = 1.26 nA


Proben: Standardabweichung = s = 0.56 nA

Die Nachweisgrenze für das Signal ist nach Gleichung 5.3


yNWG = yBlind + 3 s = 1.26 nA + (3) (0.56 nA) = 2.94 nA

yblind yProbe
50 % der Fläche
liegen links von Wahrscheinlich-
Wahrscheinlichkeits- der Nachweis- keitsverteilung
verteilung der Blind- grenze der Probe
probe

s s

3s
~ 1 % der Fläche
der Blindprobe liegt
rechts von der
Nachweisgrenze

Signalamplitude
Nachweisgrenze

Abb. 5.2 Nachweisgrenze. Verteilung der Messwerte für eine Blindprobe und eine Probe, deren Kon-
zentration in der Nähe der Nachweisgrenze liegt. Die Fläche jedes Bereichs unter der Kurve ist propor-
tional zur Zahl der Messwerte in diesem Gebiet. Es wird angenommen, dass nur 1 % der Messungen
des Blindwerts die Nachweisgrenze überschreitet. 50 % der Messungen einer Probe, die den Analyten
in einer Konzentration nahe an der Nachweisgrenze enthält, liegen jedoch unter der Nachweisgrenze.
Es besteht eine Chance von 1 % für die Schlussfolgerung, dass eine Blindprobe einen Wert oberhalb
der Nachweisgrenze liefert (falsch-positives Ergebnis). Wenn eine Probe den Analyten in der Konzent-
ration an der Nachweisgrenze enthält, besteht zu 50 % die Chance, den Messwert für einen Blindwert
zu halten, da das Signal unter der Nachweisgrenze liegt (falsch-negatives Resultat). Die Kurven sind
Verteilungen des t-Faktors von Student für 6 Freiheitsgrade und sind breiter als die entsprechenden
Gaußverteilungen.
126 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

Die Nachweisgrenze für die niedrigste Konzentration folgt aus Gleichung 5.5:

3s ( 3) ( 0.56 nA)
Nachweisgrenze: = = 7.3 μM
m 0.229 nA / μM
Detektorsignal (nA)

b) Um die Konzentration einer Probe zu bestimmen, die ein Signal von 7.0 nA liefert, wird
Gleichung 5.4 verwendet:

yProbe – yBlind = m × Probenkonzentration

yProbe − yBlind 7.0 nA − 1.26 nA


⇒ Konzentration = = = 25.1 μM
m 0.229 nA / μM
Steigung = 0.229 nA/μM

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie die minimal bestimmbare Konzentration, wenn der


Durchschnitt der Blindwerte 1.05 nA beträgt bei s = 0.63 nA. (Lösung: 8.3 μM)
Konzentration (μM)

Ein anderer üblicher Weg, die Nachweisgrenze zu definieren, geht über die Gleichung der
kleinsten Quadrate für die Kalibrationskurve: Signal an der Nachweisgrenze = b + 3 sy,
mit dem Ordinatenabschnitt b und sy aus Gleichung 4.20. Ein strengeres Verfahren finden
Sie in den Anmerkungen zu diesem Kapitel.8
Die Nachweisgrenze in Gleichung 5.5 beträgt 3s/m mit der Standardabweichung s
einer Probe mit kleiner Analytkonzentration und m dem Anstieg der Kalibrationskurve.
Die Standardabweichung ist ein Maß für das Rauschen (Zufallsschwankungen) in einer
Blindprobe oder bei einem kleinen Signal. Wenn das Signal dreimal größer ist als das
Rauschen, kann man es nachweisen, es ist aber für zuverlässige Messungen noch zu
klein. Ein Signal, das zehnmal größer ist als das Rauschen, wird als Bestimmungsgrenze
bezeichnet, bzw. als kleinste Menge, die mit hinreichender Richtigkeit bestimmt werden
kann.
3s 10s
Nachweisgrenze ≡ Bestimmungsgrenze ≡ (5.6)
m
m
10 s Die instrumentelle Nachweisgrenze wird durch Wiederholungsmessungen (n ≥ 7) von
Bestimmungsgrenze ≡
m gleichen Teile einer Probe (Aliquote) bestimmt. Die methodische Nachweisgrenze, die über
Das Symbol ≡ bedeutet „ist definiert der instrumentellen Nachweisgrenze liegt, erhält man aus (n ≥ 7) einzeln hergestellten
als“. Proben, die jeweils einmal analysiert werden.
Die Meldegrenze (reporting limit) ist die Konzentration, unterhalb der nach gesetzli-
cher Vorschrift oder behördlicher Anordnung eine Substanz als „nicht erkannt“ betrach-

Nutrition Facts
Serving Size 6 Crackers (28g)
Servings Per Container About 10
CO2H
Amount Per Serving
Stearinsäure – eine gesättigte Fettsäure
Calories 120 Calories from Fat 40
% Daily Value*

Total Fat 4.5g 7% CO2H


Saturated Fat 0.5g 3% Ölsäure – eine einfach ungesättigte cis-Fettsäure
Trans Fat 0g
Polyunsaturated Fat 2.5g CO2H
Monounsaturated Fat 1g
Linolsäure – eine mehrfach ungesättigte cis-Fettsäure
Cholesterol 0mg 0%
Sodium 150mg 6%
CO2H
Total Carbohydrate 19g 6%
Dietary Fiber 3g 13 % eine ungesättigte trans-Fettsäure („Trans-Fett“)

Sugars 0g
Diese trans-Fettsäuren liegen als sogenanntes „Trans-Fett“ in veresterter Form
Protein 3g gebunden an Glycerol als Triacylglycerid (Triglycerid) vor.

Abb. 5.3 Nährwertetikett auf einer Cracker-Packung. Die Meldegrenze für Trans-Fett beträgt 0.5 g/
Portion. Jede Menge unter diesem Wert wird als 0 angegeben. Am Ende von Kapitel 6 wird die Kurz-
schreibweise für diese Verbindungen mit 18 Kohlenstoffatomen beschrieben.
5.3 · Standardzusatz 127

tet wird, was aber nicht bedeutet, dass sie nicht beobachtet wurde. Es bedeutet vielmehr, Fette sind Ester des dreiwertigen
dass der Analyt unterhalb eines vorgeschriebenen Niveaus liegt. Die Meldegrenzen wer- Alkohols Propan-1,2,3-triol (Glycerin)
den mindestens fünf- bis zehnmal höher als die Nachweisgrenzen angesetzt, so dass die mit aliphatischen Monocarbonsäu-
Erkennung des Analyten an der Meldegrenze eindeutig ist. ren, den Fettsäuren.
In den USA muss auf dem Etikett der Nahrungsmittel der Gehalt von „Trans-Fett“
angegeben werden. Diese Fettart beruht auf der teilweisen Hydrierung von Pflanzenöl
und ist ein wesentlicher Bestandteil der Margarine und des Backfetts. Es gibt Hin-
weise darauf, dass Trans-Fette einen Risikofaktor für Herzkrankheiten, Schlaganfall
und bestimmte Krebsarten darstellen. Die Meldegrenze für Trans-Fett liegt bei 0.5 g
pro Portion. Eine Konzentration < 0.5 g/Portion wird mit 0 angegeben (siehe Abbil-
dung 5.3, in der eine Portion aus sechs Crackern besteht und eine Masse von 28 g
hat). Durch Reduzierung der Portionsgröße kann der Hersteller die Feststellung eines
Trans-Fett-Gehalts von 0 erfüllen. Somit kann Ihr Lieblingssnack mit partiell hydrier- 5
tem Öl hergestellt worden sein und Trans-Fett enthalten, auch wenn das Etikett etwas
anderes sagt.

Robustheit
Unter Robustheit wird die Eigenschaft einer analytischen Methode verstanden, kleinen
wissentlich eingetretenen Änderungen der Arbeitsbedingungen standzuhalten. So ist
z. B. eine chromatographische Methode robust, wenn sie auch bei kleinen Veränderun-
gen der Lösungsmittelzusammensetzung, des pH-Werts, der Pufferkonzentration, der
Temperatur, des Injektionsvolumens oder der Detektorwellenlänge akzeptable Ergeb-
nisse liefert. Zur Überprüfung der Robustheit kann z. B. das organische Lösungsmittel
in der mobilen Phase um 2 %, der pH-Wert des Elutionsmittels um ± 0.1 und die Säu-
lentemperatur um ± 5 °C geändert werden. Wenn man zufriedenstellende Ergebnisse
erhält, sollte in der Vorschrift angegeben werden, dass diese Schwankungen zulässig
sind. In der Kapillarelektrophorese werden derartig kleine Volumina eingesetzt, dass
es denkbar wäre, eine vorhandene Lösung mehrere Monate lang zu benutzen, ehe sie
verbraucht ist. Daher sollte die Stabilität der Lösung, ihre Haltbarkeit, auf Robustheit
geprüft werden.

5.3 Standardzusatz9

Bei einem Standardzusatz (Standardaddition) werden bekannte Mengen eines Analyten


der Probe mit unbekannter Analytkonzentration zugesetzt. Das dadurch ansteigende 8
Relative massenspektrometrische Peakfläche

Signal lässt Rückschlüsse zu, wie viel Analyt in der ursprünglichen Probe enthalten war.
Diese Methode erfordert ein lineares Ansprechverhalten gegenüber dem Analyten. Wie Matrix = destilliertes Wasser

bei der Titration kann eine höhere Präzision durch Zugabe von Masse- statt Volumenin- 6
krementen erreicht werden.10
Standardadditionen sind besonders geeignet, wenn die Probenzusammensetzung un-
4
bekannt oder kompliziert ist und das analytische Signal beeinflusst. Als Matrix bezeichnet
man alle Bestandteile der Probe, mit Ausnahme des Analyten. Ein Matrixeffekt ist eine
Veränderung des analytischen Signals, die nicht vom Analyten, sondern durch irgendet- 2
was anderes hervorgerufen wird.
Matrix = Grundwasser
Abbildung 5.4 zeigt einen starken Matrixeffekt bei der massenspektrometrischen
Analyse von Perchlorat (ClO−4 ). Perchlorat kann ist in einem Bereich oberhalb von 18 μg/L 0
0 20 40 60 80
im Trinkwasser problematisch, da es die Bildung der Schilddrüsenhormone beeinträchti- Perchlorat (μg/L)
gen kann. Standardlösungen von ClO−4 in reinem Wasser stehen in der oberen Kurve der
Abbildung 5.4. Der Anstieg der unteren Kurve für die Standardlösungen in Grundwasser Abb. 5.4 Kalibrationkurve für Perchlorat
war 15 Mal geringer. Die Abnahme des ClO−4 -Signals ist ein Matrixeffekt, der auf der An- in reinem Wasser und in Grundwasser.
wesenheit anderer Anionen im Grundwasser beruht. [C. J. Koester, H. R. Beller und R. U. Halden,
„Analysis of Perchlorate in Groundwater
Da verschiedene Grundwässer eine unterschiedliche Konzentration der Anionen by Electrospray Ionization Mass Spec-
haben, gibt es keine Möglichkeit, eine Kalibrationskurve für mehr als ein Grundwasser trometry/Mass Spectrometry“, Environ.
aufzustellen. Hier bietet sich die Methode der Standardzugabe an. Wenn ein kleines Volu- Sci. Technol. 2000, 34, 1862.]
128 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

men einer konzentrierten Standardlösung zur Probe gegeben wir, ändert sich die Konzen-
tration der Matrix nicht sehr.
Die Matrix beeinflusst die analytische Betrachten wir eine Standardzugabe, bei der eine Probe mit der unbekannten Aus-
Signalgröße. Bei der Standardaddition gangskonzentration des Analyten [X]i ein Signal mit der Intensität IX gibt. Nach Zusatz
haben alle Proben die gleiche Matrix. einer bekannten Konzentration eines Standards S wird die Intensität IS+X für diese zweite
Lösung gemessen. Der Zusatz des Standards zur Probe verändert die Konzentration der
Probe aufgrund von Verdünnungseffekten. Man bezeichnet die verdünnte Konzentration
mit [X]v, wobei v für „verdünnt“ steht. Die Konzentration des Standards in der zweiten
Lösung wird mit [S]v bezeichnet. (Denken Sie immer daran, dass X und S die gleiche
chemische Spezies sind.)
Da das Signal direkt proportional zur Analytkonzentration ist, kann man sagen, dass

Konzentration des Analyten in der Ausgangslösung


Konzentration des Analyten + Standard in der verdünnten Endlösung
Signal der Ausgangslösung
=
Signal der Lösung nach Standardzusatz

[X]i I
Ableitung von Gleichung 5.7: Standardzusatzgleichung: = X (5.7)
[S]v + [X]v IS + X
Es gilt Ix = k [X]i, mit k als Proportio-
nalitätskonstante, und Is+x = k ([S]v +
[X]v) mit demselben Proportionali- Für das Ausgangsvolumen der Probe V0 der Probe mit unbekannter Konzentration und
tätsfaktor k. dem zugesetzten Volumen des Standards VS mit der Konzentration [S]0 beträgt das Ge-
Nach Division der einen Gleichung samtvolumen V = V0 + Vs und die nach Gleichung 5.7 berechneten Konzentrationen
durch die andere erhält man sind
IX k[X]i [X]i
= = ⎛V ⎞ ⎛V ⎞
IS+X k([S]v +[X]v ) [S]v + [X]v ⎡⎣ X ⎤⎦ v = ⎡⎣ X ⎤⎦ i ⎜ S ⎟ ⎡⎣S ⎤⎦ v = ⎡⎣S ⎤⎦ 0 ⎜ S ⎟ (5.8)
⎝V ⎠ ⎝V ⎠
↑ ↑
Der Quotient Ausgangsvolumen/Endvolumen (V0/V) ist der Verdünnungsfaktor. Er er-
gibt sich aus Gleichung 1.3.

Drückt man die verdünnte Analytkonzentration [X]v mit Hilfe der Anfangskonzentration
[X]i aus, kann man nach [X]i auflösen, da alles Übrige in Gleichung 5.7 bekannt ist.

> Beispiel
Standardzusatz
Eine Probe Blutserum, die Natriumionen enthält, ergibt bei einem Atomemissionsexperi-
ment ein Signal von 4.27 mV. Es werden 5.00 mL einer 2.08 M NaCl-Lösung zu 95 mL Serum
gegeben. Diese gespikte Serumprobe erzeugt ein Signal von 7.98 mV. Bestimmen Sie die
Ausgangskonzentration an Na+ im Serum.

Lösung Aus der Gleichung 5.8 ergibt sich für die Endkonzentration von Na+ nach Verdün-
nung mit dem Standard
⎛ VS ⎞ ⎛ 95.0mL ⎞
⎣⎡ X ⎦⎤ v = ⎣⎡ X ⎦⎤ i ⎜ V ⎟ = ⎣⎡ X ⎦⎤ i ⎜ 100.0 mL ⎟ .
⎝ ⎠ ⎝ ⎠
⎛ VS ⎞
Die Endkonzentration des Standards beträgt [S]v = [S]0 ⎜ ⎟ = (2.08M)(5.00mL/100.0mL) =
⎝V ⎠
0.104 M. Gleichung 5.7 lautet dann
[Na + ] i 4.27 mV
= ⇒ [Na+ ]i = 0.113 M
[0.104 M] + 0.950[Na+ ]i 7.98 mV

Selbstüberprüfung Wie groß ist die Ausgangskonzentration von Na+, wenn die gespikte
Probe ein Signal von 6.50 mV ergeben hat? (Lösung: 0.182 M)
5.3 · Standardzusatz 129

Graphisches Verfahren für den Standardzusatz


zu einer einzelnen Lösung
Es gibt zwei gebräuchliche Verfahren zur Durchführung der Standardaddition. Wenn bei
der Analyse keine Lösung verbraucht wird, beginnen wir mit der unbekannten Lösung
und messen das analytische Signal. Dann setzen wir ein kleines Volumen des konzent-
rierten Standards zu und messen erneut das Signal. Wir geben weitere kleine Volumina
des Standards zu und messen das Signal nach jeder Zugabe. Die Standardlösung sollte
konzentriert sein, so dass nur kleine Volumina zugesetzt werden und die Probenmatrix
nicht sehr verändert wird. Die zugesetzten Standards sollten das analytische Signal um
den Faktor 1.5 bis 3 erhöhen. Ein weiteres gebräuchliches Verfahren wird im nächsten
Abschnitt beschrieben.
Abbildung 5.5 zeigt die Werte eines Experiments, bei dem Ascorbinsäure (Vitamin C) 5
in Orangensaft mit einer elektrochemischen Methode bestimmt wurde. Der Strom, der
beim Anlegen einer geeigneten Spannung zwischen diesen beiden Elektroden fließt, ist
proportional zur Konzentration der Ascorbinsäure. Die acht Zugaben ergaben einen An-
stieg der Stromstäke von 1.78 auf 5.82 μA (Spalte C), dem oberen Ende des vorgesehenen
Bereichs des 1.5 bis dreifachen Signalanstiegs.

Hinweis zum Ausfüllen des Arbeitsblatts


Schreiben Sie in Zelle A6 das Volumen der Ausgangslösung und in Zelle A8 die Konzen-
tration der Ascorbinsäure, die Sie in acht Portionen zusetzen. In die Zellen B7:B15 tragen
Sie die Werte für das zugesetzten Volumen (mL) und in die Zellen C7:C15 die erhaltenen
Messergebnisse (μA) ein. In Zelle D7 schreiben Sie die Funktion „=$A$8* B7/$A$6“ und
klicken auf ENTER. In Zelle D7 erscheint als Resultat 0.000. Um die Resultate D8:D15
zu erhalten, aktivieren Sie die Zelle D/7 erneut und klicken mit der linken Maustaste auf
das kleine schwarze Quadrat unten rechts im Zellrahmen. Wenn Sie nun mit gedrückter
Maustaste die Maus bis zur Zelle D15 nach unten ziehen, erscheinen die Werte der Zel-
len D8:D15. Wenn Sie einige Erfahrung mit Excel haben, ist dieses Vorgehen wesentlich
schneller und praktischer als die unter 2-10 beschriebene Prozedur. Mit der Funktion
„=C7*($A$6+B7)/$A$6) in Zelle E7 erhalten Sie in gleicher Weise die Ordinatenwerte für
die Abbildung 5.6.

A B C D E
1 Vitamin C Standardzugabe
2 Zugabe von 0.279 M Ascorbinsäure zu 50 mL Orangensaft
3
4 Vs =
5 Vo (mL) = zugefügte mL l(s+x) = Funktion für x-Achse Funktion für y-Achse
6 50 Ascorbinsäure Signal (A) Si*Vs/Vo l(s+x)*V/Vo
7 [S]i (mM) = 0.000 1.78 0.000 1.780
8 279 0.050 2.00 0.279 2.002
9 0.250 2.81 1.395 2.824
10 0.400 3.35 2.232 3.377
11 0.550 3.88 3.069 3.923
12 0.700 4.37 3.906 4.431
13 0.850 4.86 4.743 4.943
14 1.000 5.33 5.580 5.437
15 1.150 5.82 6.417 5.954
16
17 D 7 = $ A $ 8 * B 7 /$ A $ 6 E 7 = C 7 * ($ A $ 6 + B 7 )/$ A $ 6

Abb. 5.5 Daten für ein Standardzusatzexperiment mit variablem Gesamtvolumen.


130 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

Die Gleichung einer Geraden lautet 6


y = 0.6463x + 1.8687
y = mx + b. Den Abszissenabschnitt er-
hält man durch die Festlegung y = 0:
5
0 = mx + b en
ab

y = lS+X*V/V0
x = –b/m g
d zu
ar
4 a nd
St
n
de B
c h
na
3 te
w er
e ss
M
2
Abb. 5.6 Graphische Behandlung der unbekannte
Messwert der unbekannten
Standardzugaben zu einer einzelnen Konzentration [X]i
Lösung (ohne Zugabe)
Lösung mit variablen Gesamtvolumen. 1 A
Werte aus Abbildung 5.5. Durch die
Standardzugaben soll das analytische
Signal auf das 1.5 bis Dreifache des
Ausgangswerts steigen (das heißt B = –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 7
0.5A bis 2 A). x = [S]i*Vs /V0

Die Abbildung 5.6 ermöglicht die Ermittlung der ursprünglichen Konzentration der
unbekannten Probe. Das theoretische Ansprechverhalten wird durch Substitution der
Ausdrücke für [X]v und [S]v aus den Gleichungen 5.8 in die Gleichung 5.7 abgeleitet.
Aufeinanderfolgende Standard- Nach Umformung erhält man für aufeinanderfolgende Standardzugaben zu einer Lö-
zugaben zu einer einzelnen Lösung: sung:
⎛V ⎞ ⎛V ⎞ IX ⎛V ⎞
Auftragung von I s + x ⎜⎜ ⎟⎟ I s + x ⎜⎜ ⎟⎟ = IX + Si ⎜⎜ S ⎟⎟ (5.9)
⎝ V0 ⎠ ⎝ V0 ⎠ Xi ⎝ V0 ⎠
⎛ VS ⎞
gegen Si ⎜⎜ ⎟⎟ ;
⎝ V0 ⎠ (Die blauen Terme sind Wertebereiche für die Achsen des Koordinatensystems der Gra-
der Abschnitt auf der x-Achse ist die phik 5.6.)
unbekannte Konzentration [X]i Die graphische Darstellung von Is+x(V/V0) (dem korrigierten Signal) auf der y-Achse
gegen [S]i (Vs /V0) auf der x-Achse sollte eine Gerade ergeben. Die in der Abbildung 5.6
eingetragenen Werte wurden in der Abbildung 5.5 in den Spalten D und E berechnet.
Die rechte Seite der Gleichung 5.9 ist 0, für [S]i (Vs/V0) = – [X]i. Der Wert des Abs-
zissenabschnitts ergibt die ursprüngliche Konzentration der Probe, [X]i = 2.89 mM in
Abbildung 5.6.
Die Unsicherheit des Abszissenabschnitts beträgt11

sy 1 y2
Standardabweichung des Abszissenabschnitts = + 2
(5.10)
m n m2
∑ ( xi − x )
mit sy der Standardabweichung von y (Gleichung 4.20), |m| dem absoluten Wert des An-
stiegs der Geraden der kleinsten Quadrate (Gleichung 4.16), n der Zahl der Wertepunkte
(in der Abbildung 5.6 sind es neun), y ist der Mittelwert der neun y-Werte, xi sind die
einzelnen x-Werte der 9 Punkte, und x deren Mittelwert. Für die Punkte in Abbildung 5.6
beträgt die Unsicherheit im Abszissenabschnitt 0.098 mM.
Das Vertrauensintervall beträgt ± t × (Standardabweichung des Abszissenabschnitts),
wobei t der Faktor von Student (Tabelle 4.2) für n-2 Freiheitgrade ist. Das Vertrauens-
intervall für 95%ige Sicherheit für den Schnittpunkt in Abbildung 5.6 ist ±(2.365)(0.098
mM) = ± 0.23mM. Für t wurde der Wert 2.365 der Tabelle 4.2 für 9.2 = 7 Freiheitsgrade
entnommen.
5.4 · Innere Standards 131

Zugabe von 5 mL der Probe in jeden Kolben

1 2 3 4 5

Zugabe von 0, 5, 10, 15 oder 20 mL der Standardlösung

5
1 2 3 4 5

Jeder Kolben wird zur 50 mL-Marke aufgefüllt und geschüttelt

1 2 3 4 5

Abb. 5.7 Standardzusatzexperiment bei konstantem Gesamtvolumen.

IS+X
Graphisches Verfahren für mehrere Lösungen
mit konstantem Volumen
Das zweite übliche Standardadditionsverfahren ist in der Abbildung 5.7 dargestellt.
Gleiche Volumina der unbekannten Probe werden in mehrere Messkolben pipettiert. Zu- Abszissen-
abschnitt
nehmende Volumina der Standardlösung werden in die Kolben gegeben und alle werden  [X] ν
auf das gleiche Endvolumen verdünnt. Jeder Kolben enthält die gleiche Konzentration der
Probe und unterschiedliche Konzentrationen des Standards. Für jeden Kolbenhalt wird
ein analytisches Signal, Is+x, gemessen. Die Methode in der Abbildung 5.7 ist erforderlich,
wenn die Analyse etwas von der Lösung verbraucht. [S]ν
Wenn alle Standardzugaben auf das konstante Gesamtvolumen gebracht worden sind,
wird das Signal Is+x gegen die Konzentration des verdünnten Standards, [S]v, aufgetragen Abb. 5.8 Graphische Behandlung der
(Abbildung 5.8). In diesem Fall ist der Abszissenabschnitt die Endkonzentration des Standardzugabe bei konstantem Gesamt-
volumen. Auftragung von Is+x gegen [S]ν
unbekannten Analyten, [X]v, nach der Verdünnung auf das Endvolumen der Probe. Die liefert den Abszissenabschnitt = [X]ν. Die
Gleichung 5.10 gilt weiterhin für die Unsicherheit. Die Ausgangskonzentration des Analy- Geraden der Abbildungen 5.6 und 5.8
ten, [X]i, wird aus der vorgenommenen Verdünnung berechnet. sind beide aus Gleichung 5.9 abgeleitet.

5.4 Innere Standards

Ein innerer Standard ist eine bekannte Menge einer Verbindung, die einer Probe zuge- Bei der Standardzugabe sind Standard
setzt wird, sich aber vom Analyten unterscheidet. Das vom Analyten (X) erzeugte Signal und Analyt identische Substanzen.
wird mit dem des internen Standards (S) verglichen. Der innere Standard ist eine andere
Innere Standards sind besonders bei solchen Analysen nützlich, bei denen sich Pro- Substanz als der Analyt.
benmenge oder das Ansprechverhalten des Messinstruments zwischen den Analysen
leicht ändert. Zum Beispiel schwankt in der Gas- oder Flüssigchromatographie (Abbil-
dung 0.10) die Fließgeschwindigkeit um ein paar Prozent, wodurch auch das Detektorsig-
nal schwankt. Eine Kalbrationskurve ist nur unter den bei ihrer Aufstellung vorliegenden
Bedingungen gültig. Dagegen ist das relative Ansprechverhalten des Detektors gegenüber
132 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

Die Annahme, dass das relative An- Analyt und Standard meist über einen gewissen Bereich konstant. Wenn das Signal des
sprechverhalten auf Analyt und Stan- Standards wegen einer Änderung der Fließgeschwindigkeit um 8.4 % ansteigt, steigt das
dard über einen Konzentrationsbe- Signal des Analyten ebenfalls um 8.4 %. Solange die Konzentration des Standards bekannt
reich konstant bleibt, muss überprüft ist, kann die korrekte Konzentration des Analyten abgeleitet werden. Innere Standards
werden. werden bevorzugt in der Chromatographie verwendet, da die kleinen Probenmengen, die
in den Chromatographen injiziert werden, nicht gut reproduzierbar sind.
Die Verwendung innerer Standards ist zu empfehlen, wenn während der Probenvor-
bereitung vor der Messung ein Probenverlust eintreten kann. Wenn man eine bekannte
Menge eines Standards zur Probe vor deren Weiterbehandlung gibt, bleibt das Verhältnis
zwischen Standard und Analyt konstant, da der gleiche Anteil von beiden Verbindungen
beim Bearbeiten der Proben verloren gehen sollte.
Um einen inneren Standard einzusetzen, wird ein bekanntes Gemisch aus Standard
und Analyt hergestellt und vor der Analyse vermessen, um das relative Ansprechverhalten
der analytischen Methode auf beide Spezies zu bestimmen. Bei dem Chromatogramm in
Abbildung 5.9 ist die Fläche, A, unter jedem Peak proportional zur Konzentration der auf
die Säule injizierten Spezies. Der Detektor spricht jedoch auf unterschiedliche Verbin-
dungen auch unterschiedlich an. Wenn z. B. sowohl der Analyt (X) wie auch der innere
Standard (S) in der Konzentration 10.0 mM vorliegen, kann die Fläche unter dem Analyt-
peak durchaus 2.30 Mal größer sein als die unter dem Standardpeak. Man sagt, dass der
Response-Faktor, F, für X 2.30 Mal größer ist als für S.
Wenn der Detektor auf Standard und
Analyt völlig gleich anspricht, ist F = Fläche des Analytsignals ⎛ Fläche des Standardsignals ⎞
Response-Faktor: =F⎜ ⎟ (5.11)
1. Wenn der Detektor gegenüber dem Analytkonzentration ⎝ Standardkonzentration ⎠
Analyten ein zweifaches Signal gibt, ist
F = 2. Wenn der Detektor auf den Ana-
AX ⎛ A ⎞
lyten halb so stark reagiert wie auf den =F⎜ S ⎟
⎡⎣ X ⎤⎦ ⎜ ⎡S⎤ ⎟
Standard, ist F = 0.5. ⎝⎣ ⎦⎠

[X] und [S] sind die Konzentrationen von Analyt und Standard, nachdem sie gemischt
worden sind. Die Gleichung 5.11 gilt für ein lineares Ansprechverhalten auf Analyt und
Standard.
X

> Beispiel
Anwendung eines inneren Standards
In einer Voruntersuchung ergab eine Lösung, die 0.083 7 M an X und 0.066 6 M an S war,
S Peakflächen von 423 für X und 347 für S (Flächenangabe in willkürlichen Einheiten). Um die
Detektorsignal

unbekannte Probe zu analysieren, wurden 10.0 mL einer 0.146 M Lösung von S zu 10.0 ml
der Probe gegeben und die Mischung auf 25.0 mL in einem Messkolben verdünnt. Diese
Mischung ergab das Chromatogramm in Abbildung 5.9. in dem die Peakfläche von X 553
und die von S 582 betrug. Bestimmen Sie die Konzentration von X in der Probe.

Lösung Zunächst wird die Standardmischung benutzt, um den Response-Faktor in Glei-


chung 5.11 zu bestimmen:
0 5 10
Zeit (Minuten) AX ⎛ A ⎞
Standardmischung: = F⎜ S ⎟
⎡⎣ X ⎤⎦ ⎜ ⎡⎣ S⎤⎦ ⎟
Abb. 5.9 Chromatographische Trennung ⎝ ⎠
der unbekannten Substanz X und des in- 423 ⎛ 347 ⎞
neren Standards S. Eine bekannte Menge =F ⎜ ⎟ ⇒ F = 0.9700
S wurde zur Probe gegeben. Die relativen
0.083 7 ⎝ 0.066 6 ⎠
Flächen der Signale von X und S ermög- In dem Gemisch aus Probe und Standard beträgt die Konzentration von S
lichen die Bestimmung von X in der Mi-
schung. Vorher muss jedoch das relative ⎛ 10.0 ⎞
[S] = ( 0.146 M ) ⎜ = 0.058 4 M
Ansprechverhalten des Detektors auf die  ⎝ 25.0 ⎟⎠
Ausgangs-  
beiden Komponenten ermittelt werden. konzentration Verdünnungs-
faktor

Mit dem bekannten Response-Faktor ergibt sich aus Gleichung 5.11 die Konzentration des
Analyten in der Mischung:
AX ⎛ A ⎞
Unbekannte Mischung = F⎜ S ⎟
⎡⎣ X ⎤⎦ ⎜ ⎡⎣ S⎤⎦ ⎟
⎝ ⎠
5.5 · Effektivität der Versuchsplanung 133

553 ⎛ 582 ⎞ Der Verdünnungsfaktor


= 0.970 0 ⎜ ⎟ ⇒ ⎡⎣ X ⎤⎦ = 0.057 21 M
⎣⎡ X ⎦⎤ ⎜ ⎣⎡0.058 4 ⎦⎤ ⎟ Anfangsvolumen
⎝ ⎠
Endvolumen
Da X bei der Herstellung des Gemischs mit S von 10.0 auf 25 mL verdünnt wurde, ergibt
wandelt die Anfangskonzentration in
sich für die ursprüngliche Konzentration von X (25.0 mL/10.0 mL)( 0.057 21 M) = 0.143 M.
die Endkonzentration um.
Selbstüberprüfung Nehmen Sie an, dass die Peakflächen der bekannten Mischung AX =
423 und AS = 447 betrugen. Wie groß ist [X] in der Probe? (Lösung: F = 0.7530, [X] = 0.184 M)

5.5 Effektivität der Versuchsplanung

Bei der Ausarbeitung eines analytischen Verfahrens müssen die Arbeitsbedingungen 5


optimiert werden. Am uneffektivsten wäre es, jeweils einen Parameter zu ändern und
dabei alle anderen konstant zu halten. Effektivere Verfahren sind fraktionelle faktorielle
Versuchspläne12 und die Simplex-Optimierung13. Es wird nun ein Beispiel für einen Ver-
suchsplan behandelt, das zeigt, wie man mit möglichst wenigen Versuchen eine maximale
Information erhalten kann.
Es liegen drei unbekannte Säure-Lösungen vor, die mit A, B und C bezeichnet werden.
Wenn jede Lösung einmal mit einer Base titriert wird, erhalt man die Konzentrationen,
hat aber keine Abschätzung der Unsicherheit. Titriert man jede Lösung dreimal, werden
sowohl die Konzentrationen wie die Standardabweichungen erhalten. Allerdings sind
neun Titrationen erforderlich.
Ein effizienterer Versuchsplan liefert die Konzentrationen und Standardabweichungen Die Zugabe der Säuren erfolgt mit Voll-
mit weniger als neun Messungen14. Ein sehr wirksamer Versuchsplan ist in Abbildung 5.10 pipetten, deren Toleranzen in Tabelle 2.4
gezeigt. Anstelle der Titration jeder einzelnen Säure werden Mischungen titriert. In Zeile stehen. 2 mL bedeutet 2.000 mL mit einer
5 des Arbeitsblatts steht, dass 2 mL A, 2 mL B und 2 mL C 23.29 mL einer 0.120 4 M NaOH Unsicherheit in der dritten Dezimalstelle.
verbrauchen, was 2.804 mmol OH– entspricht. In Zeile 6 besteht die Säuremischung aus
2 mL A, 3 mL B und 1 mL C. Die Ergebnisse anderer Zusammensetzungen stehen in den
Zeilen 7 und 8. In Zeile 9 steht eine unabhängige Wiederholung des Ansatzes von Zeile 5.
In der Spalte E stehen die für den jeweiligen Ansatz verbrauchten mmol Base.

A B C D E
1 Versuchsplanung
2
3 Volumina der unbekannten Säuren (mL) mL NaOH mmol
4 A B C (0.1204 M) NaOH
5 2 2 2 23.29 2.804
6 2 3 1 20.01 2.409
7 3 1 2 21.72 2.615
8 1 2 3 28.51 3.433
9 2 2 2 23.26 2.801
10
11 [C] [B] [A]
12 Molarität 0.8099 0.4001 0.1962
13 Stand.abw. 0.0062 0.0062 0.0062
14 0.9994 0.0130 #N/A
15 R2 Sy
16 Markierung der Zellen C12:E14
17 Eingabe "= RGP(E5:E9,A5:C9,FALSCH,WAHR)"
18 Drücken von STRG+SHIFT+ENTER (PC)
19 Drücken von COMMAND+RETURN (Mac)

Abb. 5.10 Tabellenkalkulation zur effizienten Versuchsplanung mit der Excel RGP Funktion zur An-
passung der Funktion y = mAxA + mBxB + mCxC an die experimentellen Daten mit dem Verfahren der
kleinsten Quadrate.
134 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

Bei jeder Titration entsprechen die verbrauchten mmol der Base den mmol Säure im
Gemisch:

⎛ mol ⎞ . mmol OH– = [A]VA + [B]VB + [C]VC (5.12)


⎜ ⎟ mL = mmol    
⎝ L ⎠
y mAxA mBxB mCxC

wobei [A] die Konzentration der Säure A (mol/L) und VA das Volumen von A in mL ist.
Die Zeilen 5 bis 9 in der Tabelle sind äquivalent mit den folgenden Gleichungen:
2.804 = [A] ∙ 2 + [B] ∙ 2 + [C] ∙ 2 ⎞
2.409 = [A] ∙ 2 + [B] ∙ 3 + [C] ∙ 1 ⎟
2.615 = [A] ∙ 3 + [B] ∙ 1 + [C] ∙ 2 ⎬ (5.13)
3.433 = [A] ∙ 1 + [B] ∙ 2 + [C] ∙ 3 ⎟
2.801 = [A] ∙ 2 + [B] ∙ 2 + [C] ∙ 2 ⎠
Nun besteht unser Problem darin, die besten Werte für die Konzentrationen [A], [B] und
[C] zu finden.
Zum Glück findet Excel mit RGP, einem Verfahren der kleinsten Quadrate, diese
Werte für uns.
Auf Seite 104 haben wir RGP zur Ermittlung der Steigung und des Ordinatenabschnitts
für die Gleichung y = mx + b benutzt. In der Abbildung 5.10 wird nun RGP verwendet,
den Anstieg für y = mAxA + mBxB + mCxC +b zu finden (wobei hier der Ordinatenab-
schnitt, b, Null ist. Zur Ausführung von RGP werden die Zellen C12:E14 markiert und
„=RGP(E5:E9;A5:C9;FALSCH; WAHR)“ eingeben. Dann wird STRG+SHIFT+ENTER
(PC) gedrückt oder COMMAND + RETURN bei einem Mac-Computer. Das erste Ar-
gument von RGP, E5:E9, enthält die Werte von y (= mmol OH–). Das zweite Argument,
A5:C9, enthält die Werte von x (Volumina der Säuren). Das dritte Argument (FALSCH)
fordert den Computer auf, den Ordinatenabschnitt (b) gleich Null zu setzen und das
vierte Argument (WAHR) das Anforderung der statistischen Berechnung von s und R².
Excel findet die Steigungen mit den kleinsten Quadraten in der Zeile 12 und ihre Un-
sicherheiten in Zeile 13. Die Steigungen sind die Stoffmengenkonzentrationen (in mol/L)
[C], [B] und [A] in umgekehrter Reihenfolge. So zeigen uns die Zellen 12 und C13, dass
die Konzentration von C 0.8099 ± 0.062 beträgt. Die Unsicherheit wird aus der Qualität
der Anpassung der kleinsten Quadrate an die Gleichungen 5.13 abgeleitet, die auf den
Unsicherheiten der Volumina und der Äquivalenzpunktbestimmung beruht.
Für fünf Gleichungen und drei Unbe- Man braucht mindestens n Gleichungen für die Berechnung von n Unbekannten.
kannte gibt es 5–3 = 2 Freiheitsgrade. In diesem Beispiel haben wir fünf Gleichungen (5.13), aber nur die drei Unbekannten
Bei null Freiheitsgraden gibt es keine [A], [B] und [C]. Die zwei zusätzlichen Gleichungen ermöglichen eine Abschätzung der
Information, mit der man die Unsicher- Unsicherheiten der Unbekannten. Mit einer größeren Anzahl von Versuchen wird man
heit abschätzen könnte. generell die Unsicherheit der Konzentrationsbestimmung verringern.

Wichtige Begriffe
Arbeitsbereich > Begutachtung > Bestimmungsgrenze > Empfindlichkeit > falsch-
negativ > falsch-positiv > Feldblindprobe > Innerer Standard > Kalibrationsprü-
fung > Linearität > Matrix > Matrixeffekt > Meldegrenze > Methodenblindprobe
> Methodenvalidierung > Nachweisgrenze > Qualitätskontrollprobe > Qualitätsre-

gelkarte > Qualitätssicherung > Reagenzblindprobe > Response-Faktor > Robustheit


> Selektivität > Spezifikationen > Spezifität > Spike > Standardoperationsverfahren

> Standardzusatz > Variationskoeffizient > Verdünnungsfaktor > Verwendungsziele

Zusammenfassung
Um die richtige Lösung für ein analytisches Problem zu erhalten, müssen wir uns mit der
Qualitätssicherung beschäftigen. Wir schreiben zunächst auf, was mit den analytischen
Daten gemacht werden soll, formulieren also die Verwendungsziele. Daraus leiten sich
die Spezifikationen für die Qualität der Daten ab. Zu diesen Spezifikationen gehören
Anforderungen an die Probenahmen, Richtigkeit, Präzision, Spezifität, Nachweisgrenze,
Standardsubstanzen und Blindwerte. Für jede sinnvolle Analyse müssen wir uns zuerst
Übungen 135

eine repräsentative Probe beschaffen. Mit einer Methodenblindprobe, die alle Komponen-
ten, mit Ausnahme des Analyten, enthält, werden alle Stufen des analytischen Verfahrens
durchlaufen. Das Signal der Methodenblindprobe wird vor der Berechnung der Ana-
lytmenge in der Probe vom Signal dieser Probe abgezogen. Eine Feldblindprobe liefert
Aussagen darüber, ob der Analyt versehentlich aus dem Umfeld der Probenahmestelle
aufgenommen wurde. Die Richtigkeit kann entweder durch die Analyse von zertifizierten
Referenzmaterialien bewertet werden, oder durch Kalbrationsprüfungen mit selbst her-
gestellten Spikes bzw. durch die Analyse von Qualitätskontrollproben beurteilt werden.
Schriftliche Arbeitsvorschriften sind strikt einzuhalten, um versehentliche Abweichungen
von der Arbeitsweise zu verhindern, die das Ergebnis beeinflussen können. In einem Be-
wertungsprozess werden alle Daten, die zeigen, dass die analytischen Methoden innerhalb
vorgegebener Grenzen funktionieren, zusammengestellt und es wird damit bestätigt, dass
das Ergebnis dem Verwendungsziel entspricht. Mit Qualitätsregelkarten verfolgt man 5
Richtigkeit, Präzision oder Leistung der Geräte über einen längeren Zeitraum.
Bei der Methodenvalidierung wird ein Verfahren zum Nachweis durchgeführt, dass
zeigt, ob eine analytische Methode für den vorgesehenen Zweck geeignet ist. Bei der Vali-
dierung einer Methode wird typischerweise gezeigt, dass die Anforderungen an Spezifität,
Linearität, Richtigkeit, Präzision, Arbeitsbereich, Nachweisgrenze, Bestimmungsgrenze und
Robustheit erfüllt werden. Spezifität ist die Fähigkeit, den Analyten von anderen Spezies in
der Probe zu unterscheiden. Die Linearität wird gewöhnlich durch das Quadrat des Korre-
lationskoeffizienten angegeben. Die Präzision der Ergebnisse wird in verschiedener Weise
angegeben. Man unterscheidet so zwischen Gerätepräzision, Präzision innerhalb eines
Labors, zwischen verschiedenen Laboratorien, mit oder ohne Berücksichtigung der Pro-
benbehandlung. Die „Horwitz-Trompete“ veranschaulicht die empirische Feststellung, dass
die Präzision mit abnehmender Konzentration des Analyten schlechter wird. Der Arbeits-
bereich gibt an, in welchem Konzentrationsintervall Linearität, Richtigkeit und Präzision
akzeptierbar sind. Als Nachweisgrenze gilt ein Wert, der beim Blindwertmittel plus der drei-
fachen Blindwertstandardabweichung liegt. Bei der Bestimmungsgrenze tritt an diese Stelle
die zehnfache Standardabweichung des Blindwerts. Die Meldegrenze ist der Schwellenwert
für die Konzentration, unterhalb der von Verordnungen gefordert wird, den Analyten als
„nicht nachgewiesen“ zu bezeichnen. Die Robustheit beschreibt die Unempfindlichkeit ei-
ner analytischen Methode gegenüber kleinen Schwankungen der Arbeitsbedingungen.
Unter einer Standardzugabe versteht man den Zusatz einer bekannten Analytmenge
zu einer Probe. Sie ist von besonderer Bedeutung, wenn Matrixeffekte zu berücksichtigen
sind. Darunter versteht man die Veränderung des Analytsignals durch andere Stoffe. Mit der
Gleichung 5.7 kann die Analytkonzentration nach einer einmaligen Standardzugabe berech-
net werden. Für mehrfache Standardzugaben zu einer Einzelprobe wird Gleichung 5.9 ver-
wendet und eine Gerade gezeichnet (Abbildung 5.6), deren Schnittpunkt mit der Abszisse
die gesuchte Analytkonzentration liefert. Für mehrere Lösungen, die alle auf ein gleiches
Endvolumen gebracht werden, wird die etwas andere Grafik in Abbildung 5.8 verwendet.
Gleichung 5.10 liefert die Unsicherheiten im x-Achsenabschnitt für beide Graphen.
Ein innerer Standard ist eine bekannte Menge einer vom Analyten verschiedenen Sub-
stanz, die dem Analyten zugesetzt wird. Das Signal des Analyten wird mit dem Signal des
inneren Standards verglichen, um die Konzentration des Analyten zu bestimmen. Innere
Standards sind wichtig, wenn die Menge der Probe schlecht reproduzierbar ist, wenn sich
das Ansprechverhalten des Geräts von Messung zu Messung ändert oder wenn bei der
Probenvorbereitung ein Teil der Probe verlorengeht. Der Response-Faktor in Gleichung
5.11 ist das Signalverhältnis von Analyt und Standard.
Eine gute Versuchsplanung reduziert die Zahl der benötigten Versuche, um die erfor-
derlichen Angaben und deren Unsicherheit zu erhalten. Der Kompromiss besteht darin,
dass wir es bei weniger Versuchen mit einer größeren Unsicherheit zu tun haben.

Übungen
5-A. Nachweisgrenze. In der Spektralphotometrie bestimmen wir die Konzentration des
Analyten durch seine Lichtabsorption. Es wurde eine Probe mit geringer Analytkonzen-
zentration hergestellt und in neun Wiederholungsmessungen wurden folgende Werte für
die Absorbanz gemessen: 0.004 7, 0.005 4, 0.006 2, 0.006 0, 0.004 6, 0.005 6, 0.005 2, 0.004 4
136 Kapitel 5 · Qualitätssicherung und Kalibrationsmethoden

und 0.005 8. Für 9 Blindproben wurden folgende Werte gemessen: 0.000 6, 0.001 2, 0.002 2,
0.000 5, 0.001 6, 0.000 8, 0.001 7, 0,001 0 und 0.001 0
a) Bestimmen Sie die Nachweisgrenze für die Absorbanz mit Gleichung 5.3.
b) Die Kalibrationskurve ist eine graphische Darstellung der Absorbanz gegen die
Konzentration. Die Absorbanz ist eine dimensionslose Zahl. Der Anstieg der Kali-
brationskurve beträgt m = 2.24 × 104 M–1. Bestimmen Sie die Konzentration an der
Nachweisgrenze mit Gleichung 5.5.
c) Bestimmen Sie die Bestimmungsgrenze mit Gleichung 5.6.

5-B. Standardzugabe. Eine Probe mit einer unbekannten Menge Ni2+ lieferte bei einer
elektrochemischen Analyse einen Strom von 2.36 μA. Bei Zugabe von 0.500 mL einer
0.028 7 M Lösung von Ni2+ zu 25.0 mL der Probe stieg der Strom auf 3.79 μA an.
a) Formulieren Sie einen Ausdruck für die Endkonzentration an [Ni2+]v mit der An-
fangskonzentration [Ni2+]i nach der Mischung von 25.0 mL der Probe mit 0.500 mL
des Standards. Verwenden Sie hierzu den Verdünnungsfaktor.
b) Formulieren Sie in gleicher Weise die Endkonzentration des zugesetzten Standards
Ni2+, bezeichnet als [S]v.
c) Bestimmen Sie [Ni2+]i der Probe.

5-C. Innerer Standard. Eine Lösung aus 5.00 mL des unbekannten Elements X und 2.00 mL
einer Lösung, die 4.13 μg des Standardelements S pro mL enthalten wurde schließlich auf
10.0 mL aufgefüllt. Das Signalverhältnis in der Atomabsorptionsspektroskopie (Signal von
X/Signal von S) betrug 0.808. In einem separatem Versuch mit den gleichen Konzentra-
tionen von X und S betrug dieses Verhältnis 1.31. Wie groß ist die Konzentration von X
in der Probe?

5-D. In der Abbildung 5.6 beträgt der Abszissenabschnitt –2.89 mM mit einer Standard-
abweichung von 0.098 mM. Wie groß sind die Vertrauensintervalle für 90 % und 99 %
Wahrscheinlichkeit?

5-E. Qualitätsregelkarten. Flüchtige Stoffe im menschlichen Blut wurden mit der Kom-
bination von purge and trap-Gaschromatographie/Massenspektrometrie bestimmt. Zur
Qualitätskontrolle wurde Blutserum in unregelmäßigen Abständen mit einer konstanten
Menge von 1,2-Dichlorobenzol versetzt und die Konzentration (ng/g = ppb) bestimmt.
Bestimmen Sie den Mittelwert und die Standardabweichung für die folgenden Spike-
Werte und fertigen Sie eine Qualitätsregelkarte an. Stellen Sie fest, ob die gemessenen
Werte (ppb) allen Stabilitätskriterien einer Regelkarte entsprechen.

Tag ppb Tag ppb Tag ppb Tag ppb Tag ppb

0 1.05 91 1.13 147 0.83 212 1.03 290 1.04

1 0.70 101 1.64 149 0.88 218 0.90 294 0.85

3 0.42 104 0.79 154 0.89 220 0.86 296 0.59

6 0.95 106 0.66 156 0.72 237 1.05 300 0.83

7 0.55 112 0.88 161 1.18 251 0.79 302 0.67

30 0.68 113 0.79 167 0.75 259 0.94 304 0.66

70 0.83 115 1.07 175 0.76 2.62 0.77 308 1.04

72 0.97 119 0.60 182 0.93 277 0.85 311 0.86

76 0.60 125 0.80 185 0.72 282 0.72 317 0.88

80 0.87 128 0.81 189 0.87 286 0.68 321 0.67

84 1.03 134 0.84 199 0.85 288 0.86 323 0.68

Quelle: D. L. Ashley, M. A. Bonin, F. L. Cardinali, J. M. McCraw, J. S. Holler, L. L. Needham und D. G. Patterson,


Jr., “Determining Volatile Organic Compounds in Blood by Using Purge and Trap Gas Chromatography/Mass
Spectrometry”, Anal. Chem., 1992, 64, 1021.
6 Das chemische Gleichgewicht

Chemisches Gleichgewicht in der Umwelt


In einigen nördlichen Nebenflüsse des Potomac fließt kristallklares Wasser durch das malerische Appalachen-Gebirge. Aber
es gibt darin keine Lebewesen, denn sie sind ein Opfer der sauren Abwässer aus stillgelegten Kohlengruben geworden. Wenn 6
der Fluss aber eine Papierfabrik und eine Kläranlage in der Nähe von Westernport, Maryland, passiert, erhöht sich der pH-
Wert von dem sauren, tödlichen Wert von 4.5 zu dem nahezu neutralen Wert von 7.2, bei dem Fische und Pflanzen gedeihen.
Dieser glückliche Zufall kommt zustande, weil Calciumcarbonat, das aus der Papierfabrik fließt, mit großen Mengen von
Kohlendioxid aus der bakteriellen Atmung von der Abwasserbehandlungsanlage in ein Gleichgewicht kommt. Dabei entsteht
lösliches Bicarbonat und dieses neutralisiert den sauren Fluss und bringt flussabwärts das Leben wieder in Gang.1 Bei Abwe-
senheit von CO2 würde das feste Calciumcarbonat in der Kläranlage hängenbleiben und könnte nicht in den Fluss gelangen.
CaCO3(s) + CO2(aq) + H2O(l) U Ca2+(aq) + 2 HCO–3 (aq)
Calciumcarbonat in gelöstes Calciumbicarbonat gelangt
der Kläranlage in den Fluss und neutralisiert ihn

Neutralisation
2 HCO3– (aq) + H+(aq) ⎯⎯⎯⎯⎯→ CO2(g) + H2O(l)
Bicarbonat Säure im Fluss

Die gleiche Chemie, die dem Potomac-River hilft, gefährdet die Korallenriffe, die hauptsächlich aus CaCO3 bestehen. Das
Verbrennen fossiler Brennstoffe hat zu einer Zunahme des CO2-Gehalts in der Atmosphäre von 280 ppm, als Captain
Cook 1770 das Great Barrier Reef zum ersten Mal gesehen hat, auf heutige 380 ppm geführt (Abbildung 0.6). CO2 in der
Atmosphäre führt zu mehr CO2 in den Ozeanen, wodurch CaCO3 aus den Korallen gelöst wird. Durch die Zunahme des
CO2-Gehalts und wohl auch durch die Temperaturerhöhung in der Atmosphäre aufgrund des Treibhauseffekts sind die
Korallenriffe vom Aussterben bedroht.2 CO2 hat den durchschnittlichen pH-Wert des Ozeans von dem vorindustriellen Wert
von 8.16 auf heutige 8.04 erniedrigt.3 Ohne Veränderungen der Verhaltensweise der Menschen, könnte bis zum Jahr 2100
ein pH-Wert von 7.70 in den Meeren erreicht werden.

Die Papierfabrik am Potomac-River in der Nähe von Westernport, Maryland, neutra- Das Great Barrier Reef und andere Korallen-
lisiert die sauren Grubenabwässer im Fluss. Flussaufwärts der Fabrik ist das Wasser riffe sind durch den Anstieg des atmosphäri-
sauer und ohne Leben; unterhalb der Fabrik wimmelt der Fluss von Lebewesen. schen CO2 vom Aussterben bedroht. [Copy-
[Photo: C. Dalpra, Potomac River Basin Commission.] right Jon Arnold Images/Almay.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
138 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

Das chemische Gleichgewicht bildet die Grundlage nicht nur für die chemische Analytik,
sondern auch für andere Gebiete der Wissenschaft, z. B. die Biochemie, Geologie und
Ozeanographie. In diesem Kapitel werden Gleichgewichte für die Löslichkeit ionischer
Verbindungen, die Komplexbildung und Säure-Base-Reaktionen behandelt.

6.1 Die Gleichgewichtskonstante

Die Gleichung 6.2, das Massenwir- Für die Reaktion


kungsgesetz, wurde im Jahr 1864
aA + bB U cC + dD (6.1)
von den Norwegern C. M. Guldberg
und P. Waage formuliert. Ihre Ablei- schreiben wir die Gleichgewichtskonstante K in der Form
tung beruhte auf der Vorstellung, dass
im chemischen Gleichgewicht die [C]c [D]d
Gleichgewichtskonstante: K = (6.2)
Geschwindigkeiten von Hin- und Rück- [A]a [B]b
reaktion gleich sein müssen.4
in der die hochstehenden Kleinbuchstaben die stöchiometrischen Koeffizienten bedeuten
und jeder Großbuchstabe für eine chemische Spezies steht. Das Symbol [A] steht für die
Konzentration von A, bezogen auf seinen Standardzustand (weiter unten definiert). Defi-
nitionsgemäß ist eine Reaktion begünstigt, wenn K > 1 ist.
Die Gleichgewichtskonstante wird Bei der thermodynamischen Ableitung der Gleichgewichtskonstanten wird jede Größe
exakter als Verhältnis von Aktivitäten in Gleichung 6.2 durch das Verhältnis der Konzentration jeder Spezies zur Konzentration
anstelle von Konzentrationen ausge- in ihrem Standardzustand ausgedrückt. Für gelöste Stoffe ist der Standardzustand 1 M.
drückt. Die Diskussion der Aktivität Für Gase ist der Standardzustand 1 bar (≡ 105 Pa; 1 atm ≡ 1.013 25 bar) und für Feststoffe
erfolgt in Kapitel 7. und Flüssigkeiten wurden der reine Festkörper oder die reine Flüssigkeit als Standardzu-
stand gewählt. Streng genommen (aber selten geschrieben) müsste der Ausdruck [A] in
Gleichung 6.2 [A]/(1 M) heißen, wenn A ein gelöster Stoff ist. Wenn D ein Gas ist, bedeu-
tet [D] eigentlich (Druck von D in atm)/(1 atm). Um auszudrücken, dass [D] den Druck
von D bedeutet, schreiben wir meist PD anstelle von [D]. Die Ausdrücke in Gleichung 6.2
sind damit dimensionslos; demzufolge sind auch alle Gleichgewichtskonstanten dimensi-
onslos. Diese Tatsache erklärt auch, dass es möglich ist, die Gleichgewichtskonstante zu
logarithmieren. Denn das geht nur mit Zahlen, nicht mit Einheiten.
Gleichgewichtskonstanten sind Damit die Quotienten [A]/(1 M) und [D]/(1 bar) dimensionslos sein können, muss
dimensionslos. [A] in Mol pro Liter (M) und [D] muss in bar ausgedrückt werden. Wenn C eine reine
Flüssigkeit oder ein reiner Festkörper ist, wird der Quotient [C]/(Konzentration von C in
seinem Standardzustand) = 1, da der Standardzustand die reine Flüssigkeit oder der reine
Festkörper ist. Wenn [C] das Lösungsmittel ist, so ist dessen Konzentration so nahe an der
der reinen Flüssigkeit C, dass der Wert von [C] noch immer 1 beträgt. Allerdings wird in
der Praxis der Bezug auf den Standardzustand selten erwähnt, so dass die Gleichgewichts-
konstanten scheinbar eine Dimension haben, die außerdem von der Stöchiometrie der
Gleichgewichtsreaktion abhängt (Löslichkeitsprodukte, Säure- und Basenkonstante).
Folgendes müssen Sie sich merken: Bei der Aufstellung von Gleichgewichtskonstanten
1. müssen die Konzentrationen gelöster Stoffe in Mol pro Liter ausgedrückt werden
2. müssen die Konzentrationen von Gasen in bar ausgedrückt werden
Gleichgewichtskonstanten sind dimen- 3. werden die Konzentrationen reiner Festkörper, reiner Flüssigkeiten und von Lösungs-
sionslos, aber zur Angabe von Konzen- mitteln weggelassen, da sie 1 sind.
trationen muss man für gelöste Stoffe
die Einheiten der Stoffmenge (mol/ Diese Konventionen sind willkürlich, aber sie müssen eingehalten werden, wenn mit
L= M) und für Gase die Einheit bar ver- Tabellenwerten von Gleichgewichtskonstanten, Standardreduktionspotentialen und der
wenden. freien Enthalpie gearbeitet wird.

Umgang mit Gleichgewichtskonstanten


Im gesamten Buch können Sie an- Wir betrachten die Reaktion
nehmen, dass in den chemischen
⎡H + ⎤ ⎡ A − ⎤
K1 = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
Gleichungen alle Spezies in wässriger
HA U H+ + A–
Lösung vorliegen, solange es nicht an- ⎡⎣HA ⎤⎦
ders angegeben ist.
6.2 · Gleichgewicht und Thermodynamik 139

Wenn die Richtung einer Reaktion umgekehrt wird, ist der neue Wert von K einfach der
reziproke Wert der ursprünglichen Gleichgewichtskonstanten K.

Gleichgewichtskonstante für die Rückreaktion: H+ + A– U HA K1, = ⎣⎡ HA⎦⎤ = 1/K


1
⎡ H + ⎤ ⎡ A− ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦
Wenn zwei Reaktionen addiert werden, ist der neue Wert von K das Produkt der zwei Ein-
zelwerte:
HA U H+ + A– K1
H+ + C U CH+ K2
HA+ C U A–+ CH+ K3

Gleichgewichtskonstante für die Summe von Reaktionen: Wenn eine Reaktion umgekehrt wird,
+
[H ][A ]−
[CH ] +
[A ][CH ] − + dann gilt K’ = 1/K. Wenn zwei Reaktio-
K3 = K1K 2 = ⋅ + −
= nen addiert werden, gilt K3 = K1 ∙ K2.
⎡⎣HA ⎦⎤ [H ][C ] ⎡⎣HA ⎦⎤ ⎣⎡C ⎦⎤ 6
Wenn n Reaktionen addiert werden, ist die Gesamtgleichgewichtskonstante das Produkt
aller n individuellen Gleichgewichtskonstanten.

> Beispiel
Kombination von Gleichgewichtskonstanten
Die Gleichgewichtskonstante für die Reaktion H2O U H+ + OH– heißt KW (= [H+][OH–]), das
Ionenprodukt des Wassers, und hat bei 25 °C den Wert 1.0 × 10–14. Wenn gegeben ist, dass für
die Reaktion NH3(aq) + H2O U NH4+ + OH– der Wert von KNH3 = 1.8 × 10–5, kann die Gleichge-
wichtskonstante für die Reaktion NH4+ U NH3(aq) + H+ gefunden werden.
Lösung Die dritte Reaktion kann durch Umkehr der zweiten Reaktion und Addition zur
ersten Reaktion erhalten werden:
H2O U H++ OH– K = KW
NH+4 + OH– U NH3(aq) + H2O K = 1/KNH3
1
NH+4 U H++ NH3(aq) K = Kw × = 5.6 ×10 −10
K NH3

Selbstüberprüfung Für die Reaktion Li++ H2O U Li(OH) (aq) ist KLi = 2.3 × 10–14. Kombi-
nieren Sie diese Gleichung mit Kw, um die Gleichgewichtskonstante für die Reaktion Li++
OH– U Li(OH)(aq) zu finden. (Lösung: 2.3)

6.2 Gleichgewicht und Thermodynamik

Das Gleichgewicht wird durch die Thermodynamik einer chemischen Reaktion bestimmt.
Die Wärme, die bei einer Reaktion aufgenommen oder freigesetzt wird (Enthalpie) und
das Ausmaß der Unordnung von Reaktanten und Produkten (Entropie) bestimmen unab-
hängig voneinander, ob eine Reaktion begünstigt oder nicht begünstigt ist.

Enthalpie
Die Enthalpieänderung, ΔH, für eine Reaktion ist die ausgetauschte (aufgenommene ΔH = (+)
oder abgegebene) Wärme, wenn die Reaktion bei konstantem Druck abläuft.5 Die Stan- Wärme wird aufgenommen
dardenthalpieänderung, ΔH° ist die Reaktionswärme, wenn sich alle Reaktanten und Pro- endotherm
dukte in ihrem Standardzustand befinden:†


Die genaue Definition des Standardzustands enthält Feinheiten, die über den Umfang dieses Bu-
ches hinausgehen. Für die Reaktion 6.3 ist der Standardzustand von H+ oder Cl– ein hypothetischer
Zustand, in dem jedes Ion in einer Konzentration von 1 M vorliegt, sich aber wie in einer unendlich
verdünnten Lösung verhält. Das heißt, die Standardkonzentration beträgt 1 M, aber das physikali-
sche Standardverhalten ist das einer sehr verdünnten Lösung, in der jedes Ion von den umgeben-
den Ionen nicht beeinflusst wird.
140 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

HCl(g) U H+(aq) + Cl–(aq) ΔH° = –74.85 kJ/mol bei 25 °C (6.3)

Gemäß Vereinbarung bedeutet ein negatives Vorzeichen von ΔH°, dass bei Ablauf der
Reaktion 6.3 Wärme abgegeben wird. Dementsprechend wird das Reaktionsmedium
wärmer. Bei anderen Reaktionen kann ΔH positiv sein. Dies bedeutet, dass von den Re-
aktanten bei der Reaktion Wärme aufgenommen wird. Damit wird sich das Medium der
Reaktion abkühlen. Eine Reaktion mit positivem ΔH heißt endotherm, eine Reaktion mit
negativem ΔH heißt exotherm.

Entropie
ΔS = (+) Die Entropie S einer Substanz ist ein Maß für ihre „Unordnung“. Diese Größe soll hier
Die Reaktionsprodukte befinden sich nicht quantitativ definiert und behandelt werden. Je größer die Unordnung ist, desto
in einem weniger geordneten Zustand größer ist die Entropie. Im Allgemeinen hat ein Gas eine größere Unordnung (also eine
als die Ausgangsstoffe höhere Entropie) als eine Flüssigkeit. Diese wiederum hat eine größere Unordnung als ein
Festkörper. Ionen in wässriger Lösung sind normalerweise weniger geordnet als in ihren
ΔS = (–) festen Salzen:
Die Reaktionsprodukte befinden sich
KCl(s) U K+(aq) + Cl–(aq) ΔS° = +76.4 J/(K . mol) bei 25 °C (6.4)
in einem geordneteren Zustand als die
Ausgangsstoffe ΔS° ist die Entropieänderung (Entropie der Reaktionsprodukte minus Entropie der Aus-
gangsstoffe), wenn sich alle Spezies im Standardzustand befinden. Der positive Wert von
ΔS° zeigt, dass ein Mol von K+(aq) plus ein Mol von Cl–(aq) eine größere Unordnung
besitzt als ein Mol KCl(s). Für die Reaktion 6.3 beträgt ΔS° = –130.4 J/(K . mol) bei 25 °C.
Die Ionen in wässriger Lösung haben eine geringere Unordnung als gasförmiges HCl.

Freie Enthalpie
Systeme, die sich im Zustand konstanter Temperatur und konstantem Druck befinden,
wie dies üblicherweise unter Laborbedingungen der Fall ist, haben das Bestreben, in
Richtung niedriger Enthalpie und zunehmender Entropie zu reagieren. Das bedeutet,
eine chemische Reaktion verläuft in Richtung auf die Bildung von Produkten mit einem
negativen Wert von ΔH (Wärme wird abgegeben) und/oder einem positiven Wert von ΔS
(Entropiezunahme). Wenn ΔH negativ und ΔS positiv sind, ist die Reaktion eindeutig
begünstigt. Wenn ΔH positiv und ΔS negativ sind, ist das Gegenteil der Fall.
Was entscheidet, wenn ΔH und ΔS beide positiv oder beide negativ sind, über den
Ablauf der Reaktion? Die Änderung der freien Enthalpie, ΔG, (früher auch Gibbs-Energie
genannt) ist so etwas wie der Schiedsrichter zwischen den gegenläufigen Tendenzen von
ΔH und ΔS. Für konstante Temperatur gilt

Freie Enthalpie ΔG = ΔH – T ΔS (6.5)

Die Einflüsse von Entropie und Enthalpie werden in Gleichung 6.5 kombiniert. Eine Re-
aktion ist begünstigt, wenn ΔG negativ ist.
Die Dissoziation von HCl (Reaktion 6.3) ist durch ΔH° begünstigt, wenn alle Spezies
in ihrem Standardzustand vorliegen, während ΔS° ungünstig ist. Um das Gesamtergebnis
zu bestimmen, müssen wir ΔG° berechnen:
ΔG° = ΔH° – TΔS°
Beachten Sie: 25.00 °C = 298.15 K.
= (–74.15 × 103 J/mol) – (298.15 K)(–130.4 J/K∙mol)
= –35.97 kJ/mol
ΔG° ist negativ und somit ist die Reaktion unter Standardbedingungen begünstigt. In die-
sem Fall ist die günstige Enthalpieänderung größer als die ungünstige Entropieänderung.
Diese Diskussion zur freien Enthalpie ist wichtig, da sie eine Beziehung zwischen der
Gleichgewichtskonstante und den thermodynamischen Größen ΔH° und ΔS° herstellt.
Die Gleichgewichtskonstante K hängt mit ΔG° in folgender Weise zusammen:
6.2 · Gleichgewicht und Thermodynamik 141

Freie Enthalpie und Gleichgewicht: K = e −ΔG


0
/ RT
(6.6) Herausforderung: Überzeugen Sie
sich, dass für negative Werte von ΔG°
mit der Gaskonstanten R [= 8.314 472 J/(K . mol)] und der Temperatur T in Kelvin. Je ne- die Gleichgewichtskonstante K > 1 ist.
gativer der Wert von ΔG° ist, desto größer ist die Gleichgewichtskonstante. Für Reaktion
6.3 erhalten wir
⎡ J ⎤
− (35.97 ×103 J / ⎢8.314 472 . (298.15 K )
K mol ⎥⎦
K= e ⎣
= 2.00 × 106

Da die Gleichgewichtskonstante groß ist, ist HCl(g) in Wasser sehr gut löslich und bei
seiner Auflösung nahezu vollständig in H+ und Cl– ionisiert.
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine chemische Reaktion immer durch ΔG = (+)
Freisetzung von Wärme (ΔH ist negativ) und Zunahme der Unordnung (ΔS ist positiv) Die Reaktion ist nicht begünstigt.
begünstigt wird. ΔG berücksichtigt beide Effekte bei der Entscheidung, ob eine Reaktion
begünstigt ist oder nicht. Man bezeichnet eine Reaktion unter Standardbedingungen als ΔG = (–)
spontan oder freiwillig, wenn ΔG° negativ ist, oder äquivalent hierzu, wenn K > 1 ist. Eine Die Reaktion ist begünstigt.
Reaktion läuft nicht spontan ab, wenn ΔG° positiv ist (K < 1). Sie sollten in der Lage sein, 6
für selbstgewählte Beispiele K aus ΔG° und umgekehrt zu berechnen.

Das Prinzip von Le Châtelier


Bei einem im Gleichgewicht befindlichen System soll eine Veränderung vorgenommen
werden, die das System beeinflusst. Das Prinzip von Le Châtelier (Prinzip vom kleinsten
Zwang) besagt, dass sich das System in der Richtung zum Gleichgewicht zurückbewegt,
bei der die Veränderung zumindest teilweise kompensiert wird.
Um zu zeigen, was diese Aussage bedeutet, werden die Folgen bei der Veränderung
der Konzentration einer Teilchenart in der Reaktion 5.7 dargestellt:
BrO–3 + 2 Cr3+ + 4 H2O U Br– + Cr2O72– + 8 H+ (6.7)
deren Gleichgewichtskonstante bei 25 °C lautet
Beachten Sie, dass Wasser in der
[Br − ][Cr2O72 − ][H + ]8
K = = 1 × 1011 Formel für K weggelassen wurde,
[BrO3− ][Cr 3 + ]2
denn Wasser ist das Lösungsmittel.
Für einen bestimmten Gleichgewichtszustand des Systems sollen folgende Konzentrati-
onen gelten: [H+] = 5.0 M, [Cr2O72–] = 0.10 M, [Cr3+] = 0.003 0 M, [Br–] = 1.0 M, [BrO3–]
= 0.043M. Nun wird das Gleichgewicht gestört, indem Dichromat in die Lösung gegeben
wird, wobei die Konzentration des [Cr2O72–] von 0.10 auf 0.20 M ansteigt. In welche Rich-
tung verläuft die Reaktion, um erneut das Gleichgewicht zu erreichen?
Nach dem Prinzip von Le Châtelier sollte die Reaktion nach links verlaufen, um die Der Reaktionsquotient hat die gleiche
Zunahme des Dichromats, das auf der rechten Seite der Reaktion 5.7 steht, teilweise zu Form wie die Gleichgewichtskons-
kompensieren. Wir können dies rechnerisch durch Aufstellung des Reaktionsquotienten tante, aber die Konzentrationen sind
(Q) zeigen. Dieser hat die gleiche Form wie die Gleichgewichtskonstante. Der einzige generell nicht die Gleichgewichtskon-
Unterschied besteht darin, dass Q für alle möglichen Konzentrationen berechnet werden zentrationen
kann, auch wenn sich die Lösung nicht im Gleichgewicht befindet. Im Gleichgewicht gilt
Q = K. Für die Reaktion 6.7 gilt
(1.0)(0.20)(5.0)8
Q = = 2 × 1011 > K
(0.043)(0.0030)2
Bei Q > K muss die Reaktion nach links ablaufen, um den Zähler zu verringern und den Für Q < K muss die Reaktion nach
Nenner zu vergrößern, bis Q = K. rechts verlaufen, damit das Gleichge-
wicht erreicht wird. Für Q > K muss die
Allgemein gilt Reaktion nach links verlaufen, um das
1. Wenn sich eine Reaktion im Gleichgewicht befindet und Reaktionsprodukte zu- Gleichgewicht zu erreichen.
gesetzt werden (oder Ausgangsstoffe entfernt werden), verläuft die Reaktion nach
links.
2. Wenn sich eine Reaktion im Gleichgewicht befindet und Ausgangsstoffe zugesetzt
werden (oder Reaktionsprodukte entfernt werden), verläuft die Reaktion nach rechts.
142 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

Wenn die Temperatur eines Systems verändert wird, verändert sich auch die Gleichge-
wichtskonstante. Um den Einfluss der Temperatur auf K zu zeigen, können die Gleichun-
gen 6.5 und 6.6 vereint werden:
−ΔG °/RT − (ΔH °− TΔS° )/RT
e(a+b) = ea ∙ eb K = e = e (6.8)
(−ΔH ° /RT + ΔS ° /R)
= e = e −ΔH °/RT ⋅ e ΔS° /R

Der Ausdruck eΔS°/R ist temperaturunabhängig (mindestens in dem begrenzten Tempe-


raturbereich, in dem ΔS° konstant ist). Bei Temperaturerhöhung nimmt der Ausdruck
e–ΔH°/RT zu, wenn ΔH° positiv ist und nimmt ab, wenn ΔH° negativ ist. Die Gleichung 5.8
erklärt damit,
1. Die Gleichgewichtskonstante einer endothermen Reaktion (ΔH° = +) steigt bei Tem-
peraturerhöhung.
2. Die Gleichgewichtskonstante einer exothermen Reaktion (ΔH° = –) sinkt bei Tempe-
raturerhöhung.

Diese Feststellungen können mit Hilfe des Prinzips von Le Châtelier erklärt werden. Eine
endotherme Reaktion kann wie folgt beschrieben werden:
Wärme kann für eine endotherme Re-
Wärme + Reaktionspartner U Reaktionsprodukte
aktion wie ein Ausgangsstoff und für
eine exotherme Reaktion wie ein Reak- Bei Temperaturerhöhung wird dem System Wärme zugeführt. Die Reaktion verläuft nach
tionsprodukt betrachtet werden. rechts, um diese Veränderung teilweise zu kompensieren.6
Bei der Behandlung von Gleichgewichtsproblemen machen wir thermodynamische,
aber keine kinetischen Vorhersagen. Wir berechnen, was geschehen muss, um das Gleich-
gewicht zu erreichen, aber nicht, wie lange dies dauern wird. Manche Reaktionen laufen
augenblicklich ab; andere erreichen das Gleichgewicht selbst in Millionen von Jahren
nicht. Zum Beispiel bleibt ein Dynamitstab unendlich lange unverändert, bis ein Fun-
ken eine explosive Zersetzung hervorruft. Die Größe der Gleichgewichtskonstanten sagt
nichts über die Geschwindigkeit (die Kinetik) der Reaktion. Eine große Gleichgewichts-
konstante bedeutet nicht, dass eine Reaktion schnell abläuft.

Das Quecksilber(I)-Ion, Hg2+


2 , ist ein
Dimer. Das bedeutet, dass zwei 6.3 Löslichkeitsprodukt
identische Einheiten aneinander
gebunden sind. In der analytischen Chemie setzen wir uns mit dem Begriff der Löslichkeit bei den Fäl-
lungstitrationen, den elektrochemischen Referenzelektroden und bei der Gravimetrie
auseinander. Die Wirkung von Säuren auf die Löslichkeit der Minerale und der Einfluss
250 pm von atmosphärischem CO2 auf das Auflösen (und den Tod) der Korallenriffs zeigt dessen
¨ææÆ
Bedeutung in der Ökologie.
Das Löslichkeitsprodukt ist die Gleichgewichtskonstante für eine Reaktion, bei der
[Hg Hg]2 ein festes Salz aufgelöst wird und dabei die entsprechenden Ionen in Lösung gehen. Bei
Oxidationszustand der Formulierung der Gleichgewichtskonstanten wird die Konzentration des Festkörpers
+1 von Quecksilber weggelassen, da sich der Festkörper in seinem Standardzustand befindet. Eine Tabelle der
Löslichkeitsprodukte befindet sich in Anhang F.
Anionen wie OH–, S2– und CN– Als Beispiel für ein Löslichkeitsgleichgewicht wird das Auflösen von Quecksilber(I)
stabilisieren Hg(II) und bewirken chlorid (Hg2Cl2) in Wasser betrachtet. Die Reaktion lautet
eine Umwandlung von Hg(I) in
Hg2Cl2(s) U Hg 22 + + 2 Cl– (6.9)
Hg(II) und Hg(0):
mit dem Löslichkeitsprodukt KL
2 +2CN → Hg(CN)2(aq) + Hg(liq)
Hg2+ –

Hg(I) Hg(II) Hg(0) KL = [Hg22+]Cl–2 = 1.2 × 10–18 (6.10)


Diese Disproportionierung ist Eine Lösung, die den nichtgelösten Festkörper im Überschuss enthält, wird als gesättigte
ein Vorgang, bei dem ein Element Lösung bezeichnet. Diese Lösung enthält die unter den entsprechenden Bedingungen
in einer mittleren Oxidationsstufe maximal mögliche Menge des Festkörpers in gelöster Form.
Reaktionsprodukte in höheren und Das Löslichkeitsprodukt hat folgende physikalische Bedeutung: Wenn sich eine
niedrigen Oxidationsstufen ergibt. wässrige Lösung in Kontakt mit überschüssigem festen Hg2Cl2 befindet, löst sich der
Festkörper so lange auf, bis die Bedingung [Hg22+][Cl–]2 = KL erfüllt ist. Danach bleibt
6.3 · Löslichkeitsprodukt 143

Exkurs 6.1

Die Löslichkeit wird nicht nur vom Aber diese Antwort ist nicht richtig. Denn wir haben andere
Löslichkeitsprodukt bestimmt Reaktionen nicht berücksichtigt, zum Beispiel

Wenn wir wissen wollen, wie viel Hg22+ in einer gesättigten Lö- Protolyse Hg22++ H2O U Hg2OH+ + H+ K = 10–5.3
sung von Hg2Cl2 gelöst ist, sind wir versucht, auf Gleichung 6.9 zu Disproportionierung Hg22+ U Hg2+ + Hg0 K = 10–2.1
schauen, aus der wir entnehmen, dass für jedes in Lösung gehen-
des Hg22+-Ion zwei Cl–-Ionen entstehen. Wenn wir die Hg22+-Konzent- In beiden Reaktionen wird Hg22+ verbraucht. Nach dem Prin-
ration mit x bezeichnen, muss die Konzentration des gelösten Cl– 2x zip von Le Châtelier muss deshalb mehr Hg2Cl2 in Lösung
betragen. Einsetzen dieser Konzentrationswerte in die Gleichung gehen. Wenn die Löslichkeit einer Verbindung berechnet
für das Löslichkeitsprodukt 6.10 KL = [Hg22+][Cl–]2 ergibt (x)(2x)² und werden soll, muss man also alle wesentlichen chemischen
wir erhalten 4x³ = 1.2 × 10–18 und x = [Hg22+] = 6.7 × 10–7 M. Reaktionen kennen.

6
die Menge des nichtgelösten Festkörpers konstant. Wenn kein überschüssiger Festkör-
per vorhanden ist, besteht keine Garantie, dass [Hg22+][Cl–]2 gleich KL ist. Wenn Hg22+
und Cl– (mit ihren entsprechenden Gegenionen) jedoch in solchen Konzentrationen
gemischt werden, dass das Produkt [Hg22+][Cl–]2 größer wird als KL, dann wird Hg2Cl2
ausfallen.
Sehr oft wird das Löslichkeitsprodukt verwendet, um die Konzentration eines Ions
anzugeben, wenn die des Gegenions bekannt bzw. auf irgendeine Weise festgelegt ist. Wie
groß ist die Konzentration von Hg22+ im Gleichgewicht mit 0.10 M Cl– in einer KCl-Lö-
sung, die im Überschuss festes Hg2Cl2 als Bodenkörper enthält? Zur Beantwortung dieser
Frage wird Gleichung 6.10 umgeformt und wir erhalten:
−18
KL 1.2 × ⎡⎣10 ⎤⎦
⎡Hg 22 + ⎤ = = = 1.2 × 10–16 M
⎣ ⎦ 2
0.102
⎡Cl − ⎤
⎣ ⎦
Da Hg2Cl2 sehr wenig löslich ist, kann zusätzlich aus Hg2Cl2 gelöstes Chlorid gegenüber
0.10 M KCl vernachlässigt werden.
Mit dem Löslichkeitsprodukt allein kann die Löslichkeit von schwerlöslichen Salzen Jeder Festköper, der wie CaSO4 oder
nicht vollständig beschrieben werden. Zusätzlich zu den Komplikationen, die in Exkurs Hg2Cl2 aus Ionen besteht, ist ein Salz.
6.1 beschrieben wurden, können aus einigen Salzen bis zu einem bestimmten Grad lösli-
che Ionenpaare entstehen. Das bedeutet, dass aus MX(s) sowohl MX(aq) wie auch M+(aq)
und X–(aq) gebildet werden kann. Im Falle von CaSO4 z. B. liegen in einer gesättigten Lö-
sung etwa zwei Drittel des gelösten Calciums als Ca2+ und ein Drittel als CaSO4 (aq) vor.7
Das CaSO4 (aq)-Ionenpaar ist ein eng verbundenes Paar beider Ionen und verhält sich in
der Lösung wie ein einheitliches Teilchen. Im Anhang J und in Exkurs 7.1 gibt es weitere
Informationen über Ionenpaare.8

Der gleichionige Zusatz


Für die ionische Lösungsreaktion
CaSO4 U Ca2+ + SO42– KL = 1.2 × 10–5
ist das Produkt [Ca2+][SO42–] bei Gegenwart von festem, überschüssigem CaSO4 im Gleichioniger Zusatz: Ein Salz
Gleichgewicht konstant. Wenn die Konzentration von Ca2+ durch Zusatz einer anderen ist weniger löslich, wenn eines seiner
Quelle für Ca2+, z. B. von CaCl2 erhöht wird, muss die Konzentration von SO42– abneh- Ionen bereits in der Lösung vorhan-
men, damit das Produkt [Ca2+][SO42–] konstant bleibt. Mit anderen Worten: es löst sich den ist. (Versuch 6.1)
weniger CaSO4(s) auf, wenn Ca2+ oder SO42– bereits aus anderen Quellen vorhanden ist.
Abbildung 6.1 zeigt, wie die Löslichkeit von CaSO4 in Gegenwart von gelöstem CaCl2
abnimmt.
Diese Anwendung des Prinzips von Le Châtellier wird gleichioniger Zusatz genannt.
Ein Salz ist weniger löslich, wenn eines der Ionen, aus denen es besteht, zusätzlich in der
Lösung vorhanden ist.
144 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

 Versuch 6.1
Gleichioniger Zusatz9,10
Zwei große Reagenzgläser werden zu etwa einem Drittel mit gesättigter wässriger KCl-Lö-
sung gefüllt, die keinen überschüssigen Festkörper enthält. Die Löslichkeit von KCl beträgt
ungefähr 3.7 M, so dass sich für das Löslichkeitsprodukt (unter Vernachlässigung der später
einzuführenden Aktivitätskoeffizienten) ergibt

KL = [K+][Cl–] = (3.7)(3.7) = 13.7

Nun werden gleiche Volumina (je ein Drittel eines gleichen Reagenzglases) von 6 M HCl in
das eine und 12 M HCl in das andere Reagenzglas gegeben. Obwohl in beiden Fällen das
gemeinsame Ion Cl– zugesetzt wird, fällt KCl nur in einem Reagenzglas aus.
Um diese Beobachtungen zu verstehen, müssen Sie die Konzentrationen von K+ und Cl–
in jedem Reagenzglas nach der HCl-Zugabe berechnen. Dann wird der Reaktionsquotient Q
= [K+] [Cl–] für jedes Reagenzglas ermittelt. Erklären Sie Ihre Beobachtungen.

Zugabe einer Zugabe einer


Volumeneinheit Volumeneinheit
6 M HCl (aq) 12 M HCl (aq)

KCl (aq) gesättigt homogene KCl-


(ohne Säure- Lösung Niederschlag
überschuss)

0.016

0.014
Löslichkeit von CaSO4, ausgedrückt

0.012
als gelöstes Gesamtsulfat (M)

0.010

0.008

0.006

0.004

0.002

0.000
0.000 0.025 0.050
Gelöstes CaCl2 (M)

Abb. 6.1 Löslichkeit von CaSO4 in Lösungen, die Abb. 6.2 Der gelbe Feststoff (PbI2) fällt aus,
gelöstes CaCl2 enthalten. Die Löslichkeit wird wenn die farblose Lösung von Pb(NO3)2 zur
durch die Konzentration des gesamten gelösten farblosen Lösung von Kaliumiodid (KI) gegeben
Sulfats (freies SO42– und Ionenpaar CaSO4 (aq) ) wird. [Photo von Chip Clark.]
ausgedrückt. [Daten aus Literaturzitat 8.]
6.4 · Komplexbildung 145

Trennung durch Fällung


Eine wichtige Anwendung des Löslichkeitsprodukts ist die Trennung einer Substanz
von einer anderen durch Ausfällen der einen aus der Lösung.11 Als Beispiel wird eine
Lösung betrachtet, die [Pb2+]- und [Hg22+]-Ionen enthält, jede in einer Konzentration
von 0.010 M. Jedes Ion bildet ein unlösliches Iodid (Abbildung 6.2), wobei Hg2I2 be-
trächtlich schwerer löslich ist, wie der kleinere Wert von KL zeigt. Der kleinere Wert von KL bedeutet eine
geringere Löslichkeit für Hg2I2, aber
PbI2(s) U Pb2+ + 2 I– KL = 7.9 × 10–9 nur, weil die Stöchiometrie der beiden
Hg2I2(s) U Hg22++ 2 I– KL = 4.6 × 10–29 Reaktionen gleich ist. Bei unterschied-
licher Stöchiometrie trifft es nicht zu,
Ist es möglich, durch selektive Fällung mit Iodid die Konzentration von Hg22+ um 99.990 % dass ein kleineres Löslichkeitsprodukt
zu senken, ohne dass Pb2+ ausfällt? in jedem Fall eine geringere Löslichkeit
Das würde bedeuten, dass die Hg22+-Konzentration auf 0.010 % von 0.010 M = 1.0 bedeutet.
× 10–6 M ihres ursprünglichen Wertes verringert wird, ohne dass Pb2+ gefällt wird. Wir
machen folgendes Experiment: Wir geben genügend Iodid zu, um 99.990 % des Hg22+ aus- 6
zufällen und nehmen an, dass dabei kein Pb2+ ausfällt. Das muss aber bewiesen werden.
Hierzu müssen wir die I–-Konzentration im Gleichgewicht mit dem ausgefällten Hg2I2
und dem verbliebenen 1.0 × 10–6 M Hg22+ kennen:
KL
Hg2I2(s) U Hg22+ + 2 I–
[Hg22+] [I–]2 = KL
(1.0 × 10–6) [I–]2 = 4.6 × 10–29
4.6 × 10 −29
[I–] = = 6.8 ×10 −12 M
1.0 × 10 −6

Tritt bei dieser Konzentration von I– aus einer Lösung von 0.010 M Pb2+ eine Fällung ein?
Wir können diese Frage beantworten, indem wir feststellen, ob das Löslichkeitsprodukt
von PbI2 überschritten wird.

Q = [Pb 2+ ][I- ]2 = (0.010) (6.8 × 10 -12 )2


= 4.6 × 10−25 < K L (für PbI 2 )

Der Reaktionsquotient Q beträgt 1.0 × 10–24, er ist damit kleiner als KL (= 7.9 × 10–9) für
PbI2. Demnach wird Pb2+ nicht ausfallen und die „vollständige“ Trennung von Pb2+ und
Hg22+ ist möglich. Wir können vorhersagen, dass beim Zusatz von I– zu einer Lösung von
Pb2+ und Hg22+ zunächst praktisch das gesamte Quecksilber ausgefällt wird, bevor die ers-
ten Pb2+-Ionen ausfallen.
Wenn das Leben so einfach wäre! Wir haben jetzt eine thermodynamische Vorhersage Frage Wenn Sie wissen wollen, ob
gemacht. Falls sich das System im Gleichgewicht befindet, können wir die gewünschte eine kleine Menge von Pb2+ mit Hg2I2
Trennung erreichen. Gelegentlich fällt jedoch eine Substanz zusammen mit einer ande- mitfällt, sollten Sie dann die Pb2+-
ren aus. Bei dieser Mitfällung fällt ein Stoff, dessen Löslichkeit nicht überschritten wird, Konzentration in der Mutterlauge
gemeinsam mit einer anderen Substanz, deren Löslichkeit überschritten ist, aus. So kann (Lösung) oder die Pb2+-Konzentration
z. B. etwas von Pb2+ an der Oberfläche der Hg2I2-Kristalle angelagert sein oder es kann im Niederschlag bestimmen? Welches
sogar Gitterplätze innerhalb des Kristalls besetzen. Die durchgeführte Berechnung sagt Experiment ist empfindlicher? Unter
uns, dass man eine Trennung versuchen sollte. Jedoch kann nur ein Experiment zeigen, ob „empfindlich“ verstehen wir hier: Wo-
die Trennung tatsächlich gelingt. mit lässt sich eine kleine Menge der
Mitfällung besser nachweisen? Was
sprícht besser auf eine kleine Menge
6.4 Komplexbildung der Mitfällung an? (Antwort: Bestim-
men Sie Pb2+ im Niederschlag.)
Wenn das Anion X– das Metallion M+ ausfällt, beobachtet man häufig, dass bei einer
hohen Konzentration von X– der Feststoff MX wieder in Lösung geht. Man kann dies
durch die Bildung von Komplexionen, wie z. B. MX–2 erklären, bei denen zwei oder mehr
einfache Ionen aneinander gebunden sind.
146 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

Lewis-Säuren und -Basen


In den komplexen Ionen, wie z. B. PbI+, PbI3– und PbI42– wird Iodid als Ligand des Pb2+ be-
zeichnet. Ein Ligand ist jedes Atom oder Gruppe von Atomen, die an das interessierende
Teilchen angelagert sind. Wir bezeichnen in diesen Komplexen Pb2+ als Lewis-Säure und
I– als Lewis-Base. Eine Lewis-Säure nimmt ein Elektronenpaar von einer Lewis-Base auf,
wenn diese beiden eine Bindung eingehen.

: :
: :
Lewis-Säure + Lewis-Base U Addukt Pb : I: Æ Pb I:
Elektronen- Elektronen- Raum für freies Elektronen-
paarakzeptor paardonator
Elektronen- paar, das
aufnahme abgegeben wird

Das Produkt der Reaktion zwischen einer Lewis-Säure und einer Lewis-Base wird häufig
Addukt genannt. Die Bindung zwischen einer Lewis-Säure und einer Lewis-Base wird als
eine dative oder koordinative kovalente Bindung bezeichnet.

Der Einfluss der Komplexbildung auf die Löslichkeit12


Wenn Pb2+ und I– nur zu festem PbI2 reagieren, ist dessen Löslichkeit in Gegenwart von
überschüssigem I– sehr gering.
PbI2(s) U Pb2+ + 2 I– KL = [Pb2+][I–]2 = 7.9 × 10–9 (6.11)
Das Experiment zeigt jedoch, dass bei hohen Konzentrationen von festes PbI2 in Lö- I–
sung geht. Man kann dies durch die Bildung einer Reihe von Komplexionen zwischen
Pb2+ und I– erklären:
Pb2++ I– U PbI+ K1= [PbI+]/[Pb2+][I–] = 1.0 × 102 (6.12)
Die Bezeichnung für diese Gleich-
gewichtskonstanten wird in Exkurs 6.2 Pb 2++ 2I– U PbI2(aq) β2 = [PbI2 ]/[Pb2+][I–]2 = 1.4 × 103 (6.13)
behandelt.
Pb2++ 3I– U PbI3– β3 = [PbI3–] / [Pb2+][I–]3 = 8.3 × 103 (6.14)
Pb2+ +4I– U PbI42– β4 = [PbI42–]/[Pb2+][I–]4 = 3.0 × 104 (6.15)

−1

Einfluss des
gleichionigen
−2 Zusatzes
Einfluss der
Komplex-
bildung
−3

Abb. 6.3 Simultangleichgewichte von


[Pb]total
Komplexionen. Gesamtlöslichkeit von
−4 [PbI+]
Blei(II) (Punktkurve) und Konzentrationen
der gelösten Pb-Spezies (Geraden) in Ab-
hängigkeit von der Iodid-Konzentration.
log[Pbges]

Links vom Minimum wird die Gesamt- −5


konzentration des Blei [Pbges] durch das
Löslichkeitsprodukt des PbI2(s) bestimmt. [PbI2(aq)]
Beim Anstieg von [I–] nimmt [Pbges] we-
gen des gleichionigen Zusatzes zunächst −6
weiter ab. Bei hohen Konzentrationen
[PbI3– ]
von [I–] löst sich PbI2(s) wieder auf, denn [Pb2+]
es reagiert mit I– und bildet lösliche Kom- −7
plexionen, wie zum Beispiel PbI42–. Beach-

ten Sie die logarithmische Darstellung. [PbI42 ]
Die Lösung wurde schwach angesäuert,
−8
so dass [PbOH+] nicht berücksichtigt −3.0 −2.0 −1.0 0.0 1.0
werden muss. log[I–]
6.4 · Komplexbildung 147

Exkurs 6.2

Bezeichnung für Komplexbildungskonstanten Die Bruttobildungs- oder Bruttostabilitätskonstanten


werden mit βi bezeichnet:
Bildungskonstanten oder Stabilitätskonstanten sind die Gleich- M + 2X U MX2 β2 = [MX2]/[M] [X]2
gewichtskonstanten für die Komplexbildung. Die individuellen M + nX U MXn βn = [MXn]/[M] [X]n
Bildungs-oder Stabilitätskonstanten, mit Ki bezeichnet, sind wie
folgt definiert: Eine wichtige Beziehung lautet: βn = K1 K2 ... Kn.
M+X U MX K1 = [MX]/[M] [X]
MX + X U MX2 K2 = [MX2]/[MX] [X]
MXn–1 + X U MXn K3 = [MXn]/[MXn–1] [X]

Das Teilchen PbI2(aq) in Gleichung 6.13 ist gelöstes PbI2, bei dem zwei Iodatome an ein
Bleiatom gebunden sind. Die Reaktion 6.13 ist nicht die Umkehr von 6.11, die sich auf 6
festes PbI2 bezieht.
Bei geringer I–-Konzentration wird die Löslichkeit von Blei nur durch die Löslichkeit
von PbI2(s) bestimmt. Bei hohen I–-Konzentrationen jedoch werden Reaktionen 6.12 bis
6.15 nach dem Prinzip von Le Châtelier nach rechts verschoben und die Gesamtkonzent-
ration von gelöstem Blei ist beträchtlich höher als die von Pb2+ allein (Abbildung 6.3).
Ein sehr wichtiges Charakteristikum des chemischen Gleichgewichts besteht darin,
dass alle Gleichgewichtsbedingungen gleichzeitig erfüllt sind. Wenn wir auf irgendeine
Weise die Konzentration von I– kennen, lässt sich die Konzentration von Pb2+ durch Subs-
titution dieses Wertes in den Ausdruck für die Gleichgewichtskonstante, die mit Reaktion
6.11 gegeben wurde, berechnen, unabhängig, ob weitere Reaktionen mit Pb2+ ablaufen.
Die Konzentration von Pb2+, die eine Gleichgewichtsbedingung erfüllt, muss auch alle übri-
gen Gleichgewichtsbedingungen erfüllen. Es kann immer nur eine einzige Konzentration von
Pb2+ in der Lösung geben.

> Beispiel
Einfluss von I– auf die Löslichkeit von Pb2+
Gesucht sind die Konzentrationen der Teilchen PbI+, PbI2(aq), PbI3– und PbI42– in einer Lö-
sung, die mit PbI2(s) gesättigt ist und gelöstes I– in Konzentrationen von a) 0.001 0 M und b)
1.0 M enthält.

Lösung a) Aus KL für Reaktion 6.11 berechnen wir für [I–] = 0.001 0 M

[Pb2+] = KL /[I–]2 = (7.9 ×10–9)/(0.001 0)2 = 7.9 × 10–3 M

Aus den Reaktionen 6.12 bis 6.15 berechnen wir nun die Konzentrationen der anderen
bleihaltigen Spezies:

[PbI+] = K1[Pb2+][I–] = (1.0 × 102)(7.9 × 10–3)(1.0 × 10–3) = 7.9 × 10–4 M


[PbI2(aq)] = β2[Pb2+][I–]2 = 1.1 × 10–5 M
[PbI–3] = β3[Pb2+][I–]3 = 6.6 × 10–8 M
[PbI42–] = β4[Pb2+][I–]4 = 2.4 × 10–10 M

b) Für [I–] = 1.0 M ergeben sich folgende Konzentrationen:

[Pb2+] = 7.9 × 10–9 M [PbI–3] = 6.6 × 10–5 M


[PbI+] = 7.9 × 10–7 M [PbI–4] = 2.4 × 10–4 M
[PbI2(aq)] = 1.1 × 10–5 M

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie [Pb2+], [PbI2(aq)] und [PbI3–] in einer gesättigten


Lösung von PbI2(s) mit [I–] = 0.10 M. (Lösung: 7.9 × 10–7; 1.1 × 10–5, 6.6 × 10–6 M)

Die Gesamtkonzentration des gelösten Blei im vorstehenden Beispiel ergibt sich als
⎡⎣Pb ⎤⎦ ges = [Pb2+ ] + [Pb+ ] + [PbI2 (aq)] + [PbI-3 ] + [PbI2-4 ]
148 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

Für [I–] = 10–3 M beträgt [Pbges] = 8.7 × 10–3 M, wovon 91 % Pb2+ ist. Wenn [I–] ansteigt,
nimmt [Pb]ges aufgrund des gleichionigen Zusatzes, der in Reaktion 6.11 wirkt, ab. Bei
hinreichend hohem [I–] überwiegt jedoch die Komplexbildung und [Pb]ges nimmt zu (Ab-
bildung 6.3). Für [I–] = 1.0 wird [Pb]ges 3.2 × 10–4 M, wovon 76 % PbI42– ist.

Tabellierte Gleichgewichtskonstanten sind gewöhnlich


nicht „konstant“
Wenn man die Gleichgewichtskonstanten einer chemischen Reaktion in zwei verschiede-
nen Büchern nachschlägt, findet man mit sehr großer Wahrscheinlichkeit unterschiedli-
che Werte (manchmal um einen Faktor von 10 oder mehr).13 Diese Unterschiede treten
auf, weil die Konstanten unter anderen Bedingungen und vielleicht auch mit anderen
Methoden bestimmt worden sind.
Der Einfluss gelöster Ionen auf Eine der häufigsten Ursachen für die Unterschiede in den berichteten Werten für K
chemische Gleichgewichte wird im ist die ionale Zusammensetzung der Lösung. So ist es wichtig zu wissen, ob K für eine be-
Kapitel 7 behandelt. stimmte festgelegte Zusammensetzung ermittelt wurde (zum Beispiel 1 M NaClO4), oder
ob der Wert auf eine Ionenkonzentration von Null extrapoliert wurde. Wenn man für die
eigene Arbeit eine Gleichgewichtskonstante benötigt, sollte man einen solchen Wert von
K verwenden, der unter Bedingungen gemessen wurde, die den eigenen Arbeitsbedingun-
gen so nahe wie möglich kommen.

6.5 Protonensäuren und Basen

Das Verständnis der Reaktionen von Säuren und Basen ist für jeden Wissenschaftszweig
wichtig. der etwas mit Chemie zu tun hat. In der analytischen Chemie müssen wir fast immer
den Einfluss des pH-Werts auf analytische Reaktionen, bei denen Komplexbildungsreakti-
onen oder Reduktions-Oxidationsreaktionen beteiligt sind, berücksichtigen. Der pH-Wert
kann auch die Molekülladung und -form beeinflussen, wodurch sich Trennmöglichkeiten mit
Hilfe der Chromatographie und Elektrophorese ergeben oder bestimmte Spezies der zu be-
stimmenden Substanzen bei speziellen Methoden der Massenspektrometrie erzeugt werden.
In der Chemie wässriger Lösungen wird eine Säure am besten definiert als eine
Substanz, die die Konzentration von H3O+ (Hydroniumion) erhöht, wenn sie in Wasser
gebracht wird. Umgekehrt verringert eine Base die Konzentration von H3O+ in wässriger
Lösung. Wie wir gleich sehen werden, bedingt eine Abnahme der H3O+-Konzentration
eine Zunahme der OH–-Konzentration. Somit ist eine Base eine Substanz, welche die OH–-
Konzentration in wässriger Lösung erhöht.
Mit dem Wort protisch werden chemische Vorgänge bezeichnet, bei denen eine
Übertragung von H+ von einem Molekül auf ein anderes erfolgt. (Deshalb nennt man die
Protonensäuren auch protische Säuren.) Die Spezies H+ wird auch Proton genannt, da bei
der Abgabe eines Elektrons aus einem Wasserstoffatom genau dieses Teilchen verbleibt.
Das Hydroniumion, H3O+, ist eine Verbindung von H+ mit Wasser. Obwohl H3O+ das
Wasserstoffion in wässriger Lösung genauer darstellt als H+, verwenden wir H3O+ und H+
in diesem Buch in gleicher Weise.

Brønsted-Lowry-Säure: Säuren und Basen nach Brønsted-Lowry


Protonendonator
Brønsted-Lowry-Base: Brønsted und Lowry haben Säuren als Protonendonatoren und Basen als Protonenakzep-
Protonenakzeptor toren bezeichnet. So ist z. B. HCl eine Säure (ein Protonendonator), denn sie bewirkt eine
J. N. Brønsted (1879–1947) von der Zunahme der Konzentration von H3O+ in Wasser:
Universität Kopenhagen und T. M.
HCl + H2O U H3O+ + Cl–
Lowry (1874–1936) von der Universtät
Cambridge veröffentlichten 1923 Die Definition von Brønsted-Lowry erfordert nicht, dass H3O+ gebildet wird. Die Defi-
unabhängig voneinander ihre Defini- nition kann deshalb auch auf nichtwässrige Lösungsmittel und selbst auf die Gasphase
tionen von Säuren und Basen. ausgedehnt werden.
6.5 · Protonensäuren und Basen 149

HCl (g) + NH3(g) U NH +4 Cl–(s)


Chlorwasserstoff Ammoniak Amoniumchlorid
Säure Base Salz

Wenn in diesem Buch von Säuren und Basen die Rede ist, sind stets Säuren und Basen
nach Brønsted-Lowry gemeint.

Salze
Jeder ionische Festkörper, so z. B. Ammoniumchlorid, wird Salz genannt. In formaler
Hinsicht kann ein Salz als das Produkt einer Säure-Base-Reaktion betrachtet werden.
Wenn eine Säure und eine Base stöchiometrisch reagieren, neutralisieren sie sich ge-
genseitig. Die meisten Salze aus einfach positiv geladenen Kationen und einfach negativ
geladenen Anionen sind starke Elektrolyte. Diese Bezeichnung bedeutet, dass sie nahezu
vollständig in verdünnter wässriger Lösung in ihre Ionen dissoziieren. So ergibt Ammoni- 6
umchlorid in wässriger Lösung NH4+ und Cl–:
NH +4 Cl − (s ) → NH+4 (aq) + Cl− ( aq)

Konjugierte Säure- und Base-Paare


Die Reaktionsprodukte jeder Reaktion zwischen einer Säure und einer Base können eben- Konjugierte Säuren und Basen sind
falls als Säuren und Basen bezeichnet werden. durch Aufnahme oder Abgabe eines
O O H Protons miteinander verknüpft. In die-
sen Strukturen ist ein fettgedruckter
CH3 C CH3 N CH3 C CH3 N Keil eine Bindung, die aus der Papier-
H H
O H H O H ebene herausragt und ein unterbro-
Essigsäure Methylamin Acetation Methylammonium- chener Keil eine Bindung an ein Atom
ion hinter der Papierebene.
Säure Base Base Säure

ein konjugiertes Paar

ein konjugiertes Paar

Das Acetation ist eine Base, da es ein Proton aufnehmen kann, wobei Essigsäure entsteht.
Das Methylammoniumion ist eine Säure, weil es ein Proton abgeben kann und dabei die
Base Methylamin entsteht. Essigsäure und das Acetation werden als ein konjugiertes
Säure-Base-Paar bezeichnet. In gleicher Weise sind Methylamin und das Methylammo-
niumion konjugiert. Konjugierte Säuren und Basen sind miteinander durch die Aufnahme
oder Abgabe eines H+ verknüpft.

Die Natur von H+ und OH–


Ein einfaches Proton kann in Wasser nicht existieren. Die einfachste Formel, die in eini-
gen kristallinen Salzen gefunden wurde, ist H3O+. So bestehen z. B. die Kristalle der Ver-
bindung Perchlorsäuremonohydrat aus tetraedrischen Perchlorationen und pyramidalen
Hydroniumionen (auch Hydroxoniumionen genannt).

O
ist in
HClO4 • H2O Wirklich- O Cl
keit O
H H O
H O
Hydronium Perchlorat
150 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

102 Mit der Formel HClO4 . H2O wird die Zusammensetzung der Substanz angegeben, wenn
pm
wir nichts über die Struktur wissen. Eine genauere Formel ist H3O+ClO−4 .
Die durchschnittliche Größe des H3O+-Kations, das in vielen Kristallen vorkommt, ist
in Abbildung 6.4 gezeigt. In wässriger Lösung ist das H3O+-Kation eng mit drei Wasser-
110 molekülen durch außerordentlich starke Wasserstoffbrückenbindungen (Abbildung 6.5)
verbunden. Das H5O2+-Kation ist eine andere einfache Spezies, in der ein Wasserstoffion
17
2p
m durch zwei Wassermoleküle gebunden ist.16,17
H H
+ O • • • H • • • O Zundel-Struktur
Eigen-Struktur von H3O
(H3O+ ∙ H2O)
H ¨ 243 pm Æ H
Abb. 6.4 Struktur des Hydronium-Ions
H3O+, die von M. Eigen vorgeschlagen In der Gasphase kann H3O+ von einer dodekaedrischen Schale aus 20 Wassermolekülen
und in vielen Kristallen gefunden wur- mit 30 Wasserstoffbrückenbindungen umgeben sein.18 Sowohl in einem Salz mit dem
de.14 Die Bindungsenthalpie (die zur
diskreten Kation (C6H6)3H3O+ als auch in einer Benzol-Lösung sind die Wasserstoffatome
Trennung der OH-Bindung benötigte
Wärme) in H3O+ beträgt 544 kJ/mol, des pyramidalen H3O+-Ions zum Zentrum der π-Elektronenwolke des Benzols orientiert
ungefähr 84 kJ/mol mehr als die OH- (Abbildung 6.6).
Bindungsenthalpie in Wasser. Das Ion H3O2− (OH– . H2O) wurde durch Röntgenkristallstrukturanalyse entdeckt.19
Die zentrale O…H…O-Bindung enthält die kürzeste Wasserstoffbrücke, die jemals unter
Beteiligung von H2O gefunden wurde.

H
O H O
H ¨ 229 pm Æ
252 pm

••••• •••••• In den meisten chemischen Reaktionen werden wir gewöhnlich H+ schreiben, obwohl wir
in Wirklichkeit H3O+ meinen. Bei besonderer Betonung der Chemie des Wassers schrei-
•••

ben wir H3O+. So kann z. B. Wasser sowohl eine Säure wie eine Base sein. Bei der Reaktion
mit Methoxid ist Wasser eine Säure:
H O H CH3 O H O CH3 O H
Abb. 6.5 Umgebung von H3O+ in wässri- Wasser Methoxid Hydroxid Methanol
ger Lösung. Drei H2O-Moleküle sind mit
H3O+ durch starke Wasserstoffbrücken
Aber bei der Reaktion mit Bromwasserstoff ist Wasser eine Base:
gebunden (punktierte Linien), ein H2O-
Molekül (an der Spitze) wird durch die
H2O HBr H3O+ Br–
Wasser Brom- Hydromium- Bromid
schwächere Ion-Dipol-Anziehung festge-
wasserstoff ion
halten (gestrichelte Linie). Der O–H∙∙∙O-
Abstand der Wasserstoffbrücke von
252 pm (Pikometer, 10–12 m) lässt sich
mit dem O–H∙∙∙O-Abstand von 283 pm
zwischen Wassermolekülen, die durch
Wasserstoffbrücken verbunden sind, ver-
gleichen. Das diskrete Kation (H2O)3H3O+,
das in einigen Kristallen gefunden
wurde, hat eine ähnliche Struktur, wie
(H2O)4H3O+, bei dem das schwach ge-
bundene H2O an der Spitze fehlt.15

Abb. 6.6 Das H3O+ ∙ 3 C6H6-Kation, das


in der Kristallstruktur der Verbindung
[(C6H6)3 H3O+][CHB11Cl11–] gefunden
wurde. [E. S. Stoyanov, K.-C. Kim und C. A.
Reed, „The Nature of H3O+ Hydronium Ion
in Benzene and Chlorinated Hydrocarbon
Solvents,“ J. Am. Chem. Soc. 2006, 128,
1948.]
6.6 · pH-Wert 151

Autoprotolyse
Wasser unterliegt einer Selbstionisation, genannt Autoprotolyse, in der es sowohl als
Säure wie als Base wirkt:
H2O + H2O U H3O+ + OH– (6.16)
oder
Wir schreiben H+, wenn wir in
H2O U H+ + OH– (6.17)
Wirklichkeit H3O+ meinen.
Reaktionen 6.16 und 6.17 beschreiben den gleichen Sachverhalt.
Protische Lösungsmittel haben ein reaktionsfähiges H+ und alle protischen Lösungs-
mittel unterliegen der Autoprotolyse. Ein Beispiel ist Essigsäure:

O OH O Beispiele für protische Lösungsmittel


 
2CH3COH— —CH3C —— —CH3C  O ——
(in Essigsäure) (6.18) (das saure Proton ist fettgedruckt):
OH H2 O CH3 CH2 OH
6
Wasser Ethanol

Das Ausmaß dieser Reaktionen des Wassers oder der Essigsäure ist sehr gering. Die Beispiele für aprotische Lösungsmittel
Autoprotolysekonstanten (Gleichgewichtskonstanten) für die Reaktionen 6.17 und 6.18 (keine sauren Protonen):
betragen bei 25 °C 1.0 × 10–14 bzw. 3.5 × 10–15. CH3 CH2 OCH2 CH3 CH3 CN
Diethylether Acetonitril

6.6 pH-Wert

Die Autoprotolysekonstante für H2O, auch Ionenprodukt des Wassers genannt, hat das Denken Sie daran, dass Wasser (das
spezielle Symbol KW, dabei bedeutet der Index W Wasser. Lösungsmittel) bei der Gleichgewichts-
konstante weggelassen wird. Für die
Autoprotolyse von Wasser: H2O U H+ + OH– KW = [H+] [OH–] (6.19)
Rechnungen in diesem Buch ist der
Wie alle Gleichgewichtskonstanten hängt auch KW von der Temperatur ab (Tabelle 6.1). Wert von KW = 1.0 × 10–14 bei 25 °C
Der Wert von KW bei 25.00 °C beträgt 1.01 × 10–14. genau genug.

Tabelle 6.1 Temperaturabhängigkeit von KWa

Temperatur KW pKw = –log KW Temperatur KW pKw= –log KW


(°C) (°C)

0 1.15 × 10–15 14.938 40 2.88 × 10–14 13.541

5 1.88 × 10–15 14.726 45 3.94 ×10–14 13.405

10 2.97 ×10–15 14.527 50 5.31 ×10–14 13.275

15 4.57 × 10–15 14.340 100 5.43 × 10–13 12.265

20 6.88 × 10–15 14.163 150 2.30 × 10–12 11.638

25 1.01 × 10–14 13.995 200 5.14 × 10–12 11.289

30 1.46 × 10–14 13.836 250 6.44 × 10–12 11.191

35 2.07 × 10–14 13.685 300 3.93 × 10–12 11.406

a
Die Konzentrationen in dem Produkt [H+][OH–] in dieser Tabelle sind in mol/kg Lösungsmittel und nicht in
mol/Lösung ausgedrückt. Die Richtigkeit von log KW ist 0.01. Zur Umwandlung der Molalität (mol/kg) in
Molarität (mol/L) muss mit der Dichte des Wassers bei der jeweiligen Temperatur multipliziert werden. Bei
25 °C ergibt sich: KW = 10–13.995 (mol/kg)²(0.997 05 kg/L)² = 10–13.998(mol/L)².
Quelle: W. L. Marshall und E. U. Franck, „Ion Product of Water Substance, 0–1 000 °C, 1–10.000 Bars”, J. Phys.
Chem. Ref. Data 1981, 10, 295. Für KW-Werte im Temperaturbereich von 0 °C–800 °C und Bereich der Dichte
von 0–1.2 g/cm3 siehe A. V. Bandura und S. N. Lvov, „The Ionization Constant of Water over Wide Ranges of
Temperature and Pressure”, J. Phys. Chem. Ref. Data 2006, 33, 15.
152 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

> Beispiel
Konzentration von H+ und OH– in reinem Wasser bei 25 °C
Berechnen Sie die Konzentrationen von H+ und OH– in reinem Wasser bei 25 °C.

Lösung Aus der Stöchiometrie der Reaktion 6.19 folgt, dass H+ und OH– in einem Molver-
hältnis von 1:1 entstehen. Ihre Konzentrationen müssen gleich sein. Wenn wir jede Konzent-
ration mit x bezeichnen, können wir schreiben

KW = 1.0 × 10–14 = [H+] [OH–] = [x] [x] ⇒ x = 1.0 × 10–7 M

In reinem Wasser betragen die Konzentrationen von H+ und OH– beide 1.0 × 10–7 M.

Selbstüberprüfung Benutzen Sie die Tabelle 6.1und geben Sie [H+] von Wasser bei 100 °C
und bei 0 °C an. (Lösung: 7.4 × 10–7 und 3.4 × 10–8 M)

> Beispiel
Konzentration von OH–, wenn H+ bekannt ist
Wie ist die Konzentration von OH–, wenn [H+]= 1.0 × 10–3 M? (Ab jetzt nehmen wir an, dass
die Temperatur stets 25 °C beträgt, wenn nichts anderes angegeben ist.)

Lösung Man setzt [H+] = 1.0 × 10–3 M in die Gleichung für Kw und erhält
KW = 1.0 × 10–14 = (1.0 × 10–3) [OH–] ⇒ [OH–] = 1.0 × 10–11 M

Eine Konzentration von [H+] = 1.0 × 10–3 M ergibt [OH–] = 1.0 × 10–11 M. Wenn die Konzen-
tration von H+ zunimmt, muss die Konzentration von OH– notwendigerweise abnehmen und
umgekehrt. Eine Konzentration von [OH–] = 1.0 × 10–3 M ergibt [H+] = 1.0 × 10–11 M.

Selbstüberprüfung Berechnen Sie [OH–], wenn [H+] = 1.0 × 10–4M (Lösung: 1.0 × 10–10 M)

Zur Angabe der Wasserstoffionenkonzentration verwendet man den pH-Wert. Eine Nähe-
rungsdefinition des pH ist der negative dekadische Logarithmus der H+-Konzentration.
pH ≈ –log[H+]. Der Begriff pH wurde
Näherungsdefinition des pH: pH ≈ –log[H+] (6.20)
1909 vom dänischen Biochemiker S. P.
L. Sørensen eingeführt und als „Wasser- In Kapitel 7 wird der pH-Wert genauer unter Verwendung der Aktivitäten definiert, je-
stoffionenexponent“ bezeichnet.20 doch für die meisten Zwecke ist Gleichung 6.20 eine sehr praktikable Definition des pH.
Die Bestimmung des pH-Werts mit Glaselektroden und Puffern, die z. B. vom National
Institute of Standards and Technology (NIST) zur Definition der pH-Skala benutzt wer-
den, wird in Kapitel 14 behandelt.
Logarithmieren Sie die beiden Seiten In reinem Wasser bei 25 °C mit [H+] = 1.0 × 10–7 M, beträgt der pH-Wert –log(1.0 ×
–7) = 7.00. Wenn die Konzentration von OH– 1.0 × 10–3 M beträgt, ist [H+] 1.0 × 10–11
des Ausdrucks für KW, um Gleichung 10
6.21 zu erhalten: M und der pH beträgt 11.00. Eine wichtige Beziehung zwischen den Konzentrationen von
KW = [H+][OH–] H+ und OH– lautet
log KW = log[H+] + log[OH–]
pH + pOH = –logKW = 14.00 bei 25 °C (6.21)
–log KW = pH + pOH
14.00 = pH + pOH bei 25 °C mit pOH = –log[OH–] analog zu pH = –log[H+].
Gleichung 6.21 ist ein anderer Weg zu
sagen: Wenn der pH 3.58 beträgt, muss pOH = 14.00–3.58 = 10.42 betragen oder [OH–]
= 10–10.42 = 3.8 × 10–11 M.
Eine Lösung ist sauer, wenn [H+] > [OH–] ist. Eine Lösung ist basisch für [H+] <
[OH–]. Bei 25 °C hat eine saure Lösung einen pH unter 7 und eine basische Lösung einen
pH über 7.
Der pH-Wert wird im Allgemeinen mit 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
einer Glaselektrode gemessen. Sie wird pH
¨ææææ sauer ææææÆ ¨ææææ basisch ææææÆ
æÆ

in Kapitel 14 beschrieben.
Der pH-Wert von Wasser oder Eis liegt
neutral
an der Oberfläche ~2 pH-Einheiten
unter dem Wert in der Gesamtmasse Die pH-Werte für verschiedene Substanzen finden Sie in der Abbildung 6.7.
(im „Bulk“), weil H3O+ an der Oberfläche Obwohl die pH-Werte der meisten Lösungen im Gebiet zwischen 0 und 14 liegen,
besonders stabil ist. Die Oberflächen- bedeutet dies nicht die Grenzen der pH-Skala. Ein pH von –1.0 z. B. bedeutet –log[H+] =
azidität könnte in der Wolkenchemie –1.00 oder [H+] = 10 M. Diese Konzentration wird in einer konzentrierten Lösung einer
der Atmosphäre von Bedeutung sein.21 starken Säure, wie z. B. HCl, erreicht.
6.7 · Die Stärke von Säuren und Basen 153

Backpulver Abb. 6.7 pH-Werte verschiedener Sub-


Ontariosee stanzen [Chem. Eng. News, 14. Septem-
menschlicher Urin ber 1981]. Das sauerste Regenwasser
alkalisch
(Exkurs 14.1) ist eine stärkere Säure als
Speichel, pH 5.7–7.1
Tomatensaft 14 Zitronensaft. Als sauerstes Wasser in der
durchschnittl. pH des 13 Natur kennt man Grubenwässer mit einer
12
Regens, Toronto, 11 Beizlauge Gesamtkonzentration gelöster Metalle
Februar 1979 10
9 Ammoniak von 200 g/L und einer Sulfatkonzent-
Äpfel 8 ration von 760 g/L.22 Dieses Wasser hat
7 Magnesiamilch
Zitronensaft 6 einen pH-Wert von –3.6. Das bedeutet
5 Meerwasser
sauer 4 aber nicht, dass [H+] gleich 103.6 M wäre,
3 menschliches Blut
2 denn das wäre 4 000 mol/L! Es bedeutet
1 neutral vielmehr, dass die Aktivität von H+ 103.6
0
–1 Milch beträgt. Die Aktivität wird in Kapitel 7
–2 theoretisch „reiner“ Regen, pH 5.6 behandelt.
–3
hier sterben die meisten Fischarten, pH 4.5–5.0
Essig
sauerster Regen in den USA, bei Wheeling,
W.VA, gemessen
6
Akkusäure
.
saures Grubenwasser, Iron Mountain, Kalifornien

Gibt es wirklich reines Wasser?


In den meisten Laboratorien wird die Antwort „Nein“ lauten. Reines Wasser von 25 °C
Tabelle 6.2 Wichtige starke Säuren
sollte einen pH-Wert von 7.00 haben. Destilliertes Wasser ist in den meisten Labors sauer, und Basen
denn es enthält CO2 aus der Atmosphäre. CO2 ist eine Säure aufgrund der Reaktion
Formel Name
CO2 + H2O U HCO3– + H+ (6.22)
Säuren
Man kann Wasser weitgehend frei von Kohlendioxid herstellen, indem das Wasser zu-
HCl Salzsäure (Chlorwasser-
nächst abgekocht und dann vor dem Einfluss der Atmosphäre geschützt wird. stoff )
Vor mehr als 100 Jahren wurden sehr sorgfältige Messungen der Leitfähigkeit des
Wassers von Friedrich Kohlrausch und seinen Studenten vorgenommen. Sie fanden, dass HBr Bromwasserstoff
es zur Entfernung ionischer Verunreinigungen notwendig ist, das Wasser 42 Mal im Va- HI Iodwasserstoff
kuum zu destillieren, um die Leitfähigkeit bis zu einem Grenzwert zu senken.
H2SO4a Schwefelsäure

HNO3 Salpetersäure
6.7 Die Stärke von Säuren und Basen HClO4 Perchlorsäure

Basen
Säuren und Basen werden gewöhnlich in Abhängigkeit davon, ob sie „vollständig“ oder
nur „teilweise“ H+ oder OH– bilden, als stark oder schwach klassifiziert. Da es einen LiOH Lithiumhydroxid
kontinuierlichen Übergang von „vollständig“ zu „teilweise“ gibt, existiert keine scharfe
NaOH Natriumhydroxid
Unterscheidung zwischen stark und schwach. Einige Verbindungen reagieren jedoch so
vollständig, dass man sie als starke Säuren oder Basen bezeichnet und man kam überein, KOH Kaliumhydroxid
alles andere als schwach zu bezeichnen. RbOH Rubidiumhydroxid

CsOH Cäsiumhydroxid
Starke Säuren und Basen
Die wichtigsten starken Säuren und Basen sind in Tabelle 6.2 zusammengestellt, die Sie R4NOHb Quaternäres Ammoni-
auswendig lernen müssen. Definitionsgemäß ist eine starke Säure oder Base in wässriger umhydroxid
Lösung vollständig dissoziiert. Das heißt, die Gleichgewichtskonstanten für die folgenden a Bei H2SO4 erfolgt nur die erste Proto-
Reaktionen sind sehr groß. nenabgabe vollständig. Die Abgabe des
zweiten Protons hat eine Gleichgewichts-
HCl(aq) U H+ + Cl– konstante von 1.0 × 10–2.
b
Das ist eine allgemeine Formel für Hy-
KOH(aq) U K+ + OH– droxidsalze eines Ammoniumkations
mit vier organischen Gruppen. Ein Bei-
In der wässrigen Lösung existiert faktisch kein undissoziiertes HCl oder KOH. Der Ver- spiel ist Tetrabutylammoniumhydroxid
such 6.2 zeigt eine Folge des stark sauren Verhaltens von HCl. (CH3CH2CH2CH2)4N+OH–.
154 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

 Versuch 6.2
Der HCl-Springbrunnen
Die vollständige Dissoziation von HCl in H+ und Cl– ist der Grund für die sehr hohe Löslich-
keit von HCl(g) in Wasser.

HCl(g) U HCl(aq) (A)


HCl(aq) U H+(aq) + Cl– (aq) (B)

Gesamtreaktion: HCl(g) U H+(aq) + Cl– (aq) (C)

Da das Gleichgewicht von Reaktion B vollständig auf der rechten Seite liegt, wird auch das
Gleichgewicht der Reaktion A auf die rechte Seite verschoben.

Aufgabe: Die Änderung der freien Standardenthalpie (ΔG°) für die Reaktion C beträgt –36.0
kJ/mol. Zeigen Sie, dass die Gleichgewichtskonstante 2.0 × 106 beträgt.

Die sehr hohe Löslichkeit von HCl(g) in Wasser ist die Grundlage des HCl-Springbrunnens23,
dessen Aufbau unten gezeigt ist. In Abbildung a sehen Sie einen umgekehrten 250 mL
Rundkolben, der mit Luft gefüllt ist. Ein doppelt durchbohrter Stopfen hält zwei Glasrohre,
von denen das eine mit einem HCl(g)-Vorratsgefäß verbunden ist und das andere in eine
mit Wasser gefüllte Flasche führt. Beim Einleiten von HCl in den Kolben wird die Luft ver-
drängt. Wenn die Flasche mit Luft gefüllt ist, ist auch der Kolben mit HCl(g) gefüllt.
Nun werden die Schläuche entfernt und durch ein Becherglas mit einem Indikator bzw.
einen Gummifinger ersetzt (Abbildung b). Als Indikator wird Methylpurpur in einer schwach
alkalischen Lösung verwendet, welches oberhalb pH 5.4 grün und unterhalb pH 5.8 purpur
ist. Wenn mit dem Gummifinger etwa ein Milliliter Wasser in den Kolben gespritzt wird, ent-
steht ein Vakuum und die Indikatorlösung wird in den Kolben gezogen, wobei ein faszinie-
render Springbrunnen entsteht. (Farbtafel 1)

Frage: Warum entsteht ein Vakuum, wenn Wasser in den Kolben gespritzt wird und warum
ändert der Indikator seine Farbe, wenn er in den Kolben kommt?

Verengung

250-mL-
Rundkolben

Glas-
rohre
Gummi-
stopfen

2-mL-
Becherglas mit
Gummi-
250-mL- Indikator nach
Schläuche finger
Flasche eigener Wahl

HCl(g)-Ein-
lass aus
Vorratsgefäß

a Wasser b

Während die Halogenwasserstoffe HCl, HBr und HI sämtlich starke Säuren sind, ist zu
beachten, dass HF keine starke Säure ist. Exkurs 6.3 gibt für diesen unerwarteten Befund
eine Erklärung. Für die meisten praktischen Zwecke können die Hydroxide der Erdalkali-
metalle (Mg2+, Ca2+, Sr2+ und Ba2+) als starke Basen betrachtet werden, obwohl sie bedeu-
tend weniger löslich als die Alkalimetallhydroxide sind und auch eine gewisse Tendenz
zur Bildung von MOH+-Komplexen haben (Tabelle 6-3). Die stärkste bekannte Base ist
die Gasphasenspezies LiO–.25
6.7 · Die Stärke von Säuren und Basen 155

Tabelle 6.3 Gleichgewichte der Erdalkalimetallhydroxide

M(OH)2(s) U M2+ + 2 OH–


KL = [M2+][OH–]2
M2+ + OH– U M(OH)+
K1 = [M(OH)+]/[M2+][OH–]

Metall log KL log K1

Mg2+ –11.15 2.58

Ca2+ –5.19 1.30

Sr2+ – 0.82
2+
Ba – 0.64

Bei 25 °C und einer Ionenstärke = 0 M (Ionenstärke wird im Abschnitt 7.1 behandelt)

Schwache Säuren und Basen


Alle schwachen Säuren, HA, reagieren mit Wasser durch Übertragung eines Protons an
das Wasser:
Dissoziation einer schwachen Säure: HA + H2O U H3O+ + A– (6.23)
Das entspricht völlig der Beziehung

⎡H +⎤ ⎡A −⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦
Dissoziation einer schwachen Säure: HA U H+ + A– K S= (6.24)
⎣⎡HA ⎦⎤

⎡⎣H+⎤⎦ ⎡⎣A−⎤⎦
Die Gleichgewichtskonstante, KS, wird als Säurekonstante bezeichnet. Definitionsgemäß Säurekonstante: KS=
⎡⎣HA ⎤⎦
ist eine schwache Säure in Wasser nur teilweise dissoziiert, das heißt, dass KS für eine
schwache Säure „klein“ ist.

Exkurs 6.3

Das seltsame Verhalten von Fluorwasserstoffsäure14 In wässrigen Lösungen treten bei allen Ionen mit einer Ladung
über1 häufig Ionenpaare auf. In nichtwässrigen Lösungsmitteln,
Die Halogenwasserstoffe HCl, HBr und Hl sind starke Säuren. welche die Dissoziation in Ionen nicht so gut wie Wasser begüns-
Das bedeutet, dass die Reaktion tigen, sind Ionenpaare die Regel.
Weil F– und H3O+ miteinander verbunden bleiben, benimmt
HX(g) + H2O U H3O+ + X–
sich HF nicht wie eine starke Säure. Wenn man 1 mol der starken
(X = Cl, Br, I) vollständig nach rechts abläuft. Warum ist dann Säure HCl in Wasser löst, entsteht 1 mol freies H3O+. Wenn man
HF eine schwache Säure? 1 mol der schwachen Säure HF löst, entsteht sehr wenig freies H3O+.
Das Ergebnis ist merkwürdig. Zunächst gibt HF sein Proton Fluorwasserstoffsäure ist nicht die einzige Verbindung mit
vollständig an das Wasser ab: einer Neigung zur Bildung von Ionenpaaren. Viele einigermaßen
starke Säuren, wie die unten angeführten, existieren in wässriger
HF(g) U H3O+ + F–
Lösung vorwiegend als Ionenpaare (HA + H2O U A– ∙∙∙H3O+).24
und bildet ein Hydronium- und ein Fluoridion
Aber Fluorid bildet von allen Ionen die stärkste Wasserstoff- O OH
brückenbindung. Das Hydroniumion bleibt eng mit F– durch eine
Wasserstoffbrückenbindung verbunden. Wir nennen eine solche
Assoziation ein Ionenpaar.
CF3COOH O OH
H3O+ + F– U F–∙∙∙ H3O+ Trifluoressigsäure Quadratsäure
Ionenpaar KS = 0.31 KS = 0.29
156 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

Basen(protolyse)konstante KB = Schwache Basen, B, reagieren mit Wasser durch Aufnahme eines Protons aus dem
⎡⎣BH ⎤⎦ ⎡⎣OH ⎤⎦
+ − Wasser

⎣⎡B ⎦⎤ ⎡BH + ⎤ ⎡OH − ⎤


⎣ ⎦⎣ ⎦
Protolyse der Base: B + H2O U BH++ OH– KB = (6.25)
Protolyse ist eine Reaktion, bei der ⎡⎣B ⎤⎦
ein Proton zwischen zwei Reaktions-
partnern übertragen wird. Die Gleichgewichtskonstante, KB, ist die Basenkonstante, die bei schwachen Basen „klein“
ist.

Beispiele für schwache Säuren und Basen


Essigsäure ist eine typische schwache Säure.

O O
5
CH3 C CH3 C H KB 1.75 10
(6.26)
O H O
Essigsäure Acetat
(HA) (A )

Essigsäure ist ein Vertreter der Carbonsäuren mit der allgemeinen Formel RCOOH. R steht
hier für einen organischen Substituenten. Die meisten Carbonsäuren sind schwache Säuren
und die meisten Carboxylatanionen sind schwache Basen.
O O
R C R C
O H O
Carbonsäure Carboxylat-Anion
(schwache Säure, HA) (schwache Base, A )

Methylamin ist eine typische schwache Base.

Carbonsäuren (RCOOH) und Ammoni- H


umionen (R3NH+) sind schwache N H2O N — —OH —— KB 4.47 10 4
Säuren. Carboxylat-Anionen (RCOO–) H— — H
CH3 CH3 (6.27)
H H
und Amine (R3N) sind schwache Basen.
Methylamin Methylammoniumion
B BH

Amine sind stickstoffhaltige Verbindungen:

¨ 2


RNH ein primäres Amin RNH 3

¨
R2NH ein sekundäres Amin R2NH 2 Ammoniumionen

¨
R3 N ein tertiäres Amin R3NH

Amine sind schwache Basen und Ammoniumionen sind schwache Säuren. Die Stammver-
bindung aller Amine ist Ammoniak, NH3. Wenn eine Base, wie Methylamin, mit Wasser
reagiert, wird als Reaktionsprodukt die konjugierte Säure gebildet. Das heißt, in Reaktion
6.27 wird die schwache Säure Methylammoniumion gebildet:
Obwohl wir gewöhnlich eine Base mit
KB
CH3NH3 — —CH3NH2
:

B und eine Säure mit HA bezeichnen, H ——— KB 2.26 10 11


(6.28)
muss man immer daran denken, dass BH B
BH+ ebenso eine Säure und A– ebenso
eine Base ist. Das Methylammoniumion ist die konjugierte Säure der Base Methylamin.
Sie sollen lernen zu erkennen, ob eine Verbindung saure oder basische Eigenschaften
hat. So dissoziiert z. B. das Salz Methylammoniumchlorid in wässriger Lösung vollständig
in das Methylammoniumkation und das Chloridanion:
6.7 · Die Stärke von Säuren und Basen 157

CH3NH3+Cl–(s) → CH3NH3+(aq) + Cl–(aq) (6.29) Methylammoniumchlorid ist aus fol-


Methylammonium- Methyl- genden Gründen eine schwache Säure:
Chloride ammoniumion 1. Es dissoziiert in CH3NH+3 und Cl–.
2. CH3NH+3 ist eine schwache Säure,
Das Methylammoniumion ist als die konjugierte Säure des Methylamin eine schwache konjugiert zu CH3NH2, einer
Säure (Reaktion 6-28). Das Chloridion als konjugierte Base der sehr starken Säure HCl schwachen Base.
ist eine äußerst schwache Base. Das bedeutet, dass Cl– praktisch keine Tendenz hat, mit 3. Cl– hat keine basischen Eigenschaf-
H+ zusammenzutreten, denn sonst wäre HCl keine starke Säure. Eine Lösung von Me- ten. Es ist zu der starken Säure HCl
thylammoniumchlorid ist demnach sauer, weil das Methylammoniumion eine Säure und konjugiert. Das heißt, HCl dissozi-
Cl– praktisch keine Base ist. iert vollständig.
Metallionen, Mn+, wirken wegen der Protolysereaktion und Bildung von M(OH)(n–1)+
als schwache Säuren.26 In Abbildung 6-8 finden Sie die Säurekonstanten für die Reaktion
Aufgabe Phenol (C6H5OH) ist eine
Mn+ + H2O U MOH(n–1)+ + H+
schwache Säure. Erklären Sie, warum
Einwertige Metallionen sind sehr schwache Säuren (Na+, KS = 10–13.9). Zweiwertige Katio- eine Lösung der ionischen Verbindung
nen sind etwas stärkere (Fe2+, KS = 10–9.4) und dreiwertige noch stärkere Säuren (Fe3+, KS Kaliumphenolat (C6H5O–K+) basisch ist. 6
= 10–2.19).
Metallionen sind in wässriger Lösung
mit mehreren H2O-Molekülen verbun-
Mehrprotonige Säuren und Basen den (hydratisiert), so dass wir genauer
für die Säuredissoziation schreiben
Mehrprotonige Säuren und Basen sind Verbindungen, die mehr als ein Proton abgeben müssen:
M(H2O)n+x U M(H2O)x–1(OH)
(n–1)+
oder aufnehmen können. Zum Beispiel ist Oxalsäure zweiprotonig und Phosphorsäure + H+
dreiprotonig:
OO OO
 
HOCCOH— —H OCCOH— — KB1 5.37 10 2 (6.30) Bezeichnung für Säure- und Base-
Oxal- Hydrogen- Gleichgewichtskonstanten: KS1 gilt
säure oxalat für die saure Spezies mit den meisten
Protonen und KB1 gilt für die basische
OO OO
  Spezies mit den wenigsten Protonen.
— —H
OCCOH— OCCO —— KB2 5.42 10 5 (6.31) Der Index S bei den Säurekonstanten
Oxalat wird gewöhnlich weggelassen.

Li+ Be
13.64

Na+ Mg2+ stärker sauer Al3+


13.9 11.4 5.00

K Ca2+ Sc3+ Ti3+ VO2+ Cr2+ 5.5a Mn2+ Fe2+ 9.4 Co2+ 9.7 Ni2+ Cu2+ Zn2+ Ga3+ Ge
3+ 3+
12.70 4.3 1.3 5.7 Cr 3.66 10.6 Fe 2.19 Co3+ 0.5b 9.9 7.5 9.0 2.6

Rb Sr Y3+ Zr4+ Nb Mo Tc Ru Rh3+ Pd2+ Ag+ Cd2+ In3+ Sn2+ Sb


13.18 7.7 –0.3 3.33c 1.0 12.0 10.1 3.9 3.4

Cs Ba2+ La3+ Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg22+ 5.3d Tl+ Pb2+ Bi3+


13.36 8.5 Hg2+ 3.40 13.21 7.6 1.1

Ce3+ Pr3+ Nd3+ Pm Sm3+ Eu3+ Gd3+ Tb3+ Dy3+ Ho3+ Er3+ Tm3+ Yb3+ Lu3+
9.1b 9.4b 8.7b 8.6b 8.6d 9.1b 8.4d 8.4d 8.3 9.1b 8.2d 8.4b 8.2d

Ionenstärke = 0, wenn nicht durch den hochgestellten Index vermerkt


a. Ionenstärke = 1 M, b. Ionenstärke = 3 M, c. Ionenstärke = 2.5 M, d. Ionenstärke 0.5 M

Abb. 6.8 Säuredissoziationskonstanten (–log KS) der Metallionen in wässriger Lösung: Mn+ + H2O U
MOH(n–1)+ + H+, z. B. für Li+: KS = 10–13.64. In Kapitel 8 erfahren Sie, dass die Werte dieser Tabelle pKS-
Werte heißen. Die stärkste Schraffierung zeigt die stärksten Säuren. [Werte aus R. M. Smith, A. E. Mar-
tell, und R. J. Motekaitis, NIST Critical Stability Constants of Metal Complexes Database 46 (Gaithers-
burg, MD: National Institute of Standards and Technology, 2001).]
158 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

O O
 
P –H2O —
— —
— P –OH — KB1 2.3 10 2

O O O OH (6.32)
O O
Phosphat Monohydrogen-
phosphat

O O
 
P –H2O —
— —
— P –OH — KB2 1.60 10 7

O OH O (6.33)
O HO OH
Dihydrogenphosphat

O O
 
P –H2O P –OH KB3 1.42 10 12

O OH HO OH (6.34)
HO HO
Phosphor-
säure

Die Standardbezeichnung für aufeinanderfolgende Säurekonstanten einer mehrprotonigen


Säure ist K1, K2, K3 und so weiter, der Index S wird gewöhnlich weggelassen. In diesem Buch
wird der Index S nur verwendet, wenn Verwechslungsmöglichkeiten bestehen. Für aufeinan-
derfolgende Basenkonstanten verwenden wir den Index B. Die obenstehenden Beispiele zei-
gen, dass KS1 (oder K1) für die saure Spezies mit den meisten Protonen und KB1 für die basische
Spezies mit der geringsten Anzahl von Protonen verwendet wird. Kohlensäure, eine wichtige
zweiprotonige Carbonsäure, die sich von CO2 ableitet, wird in Exkurs 6.4 beschrieben.

Exkurs 6.4

Kohlensäure27 Gesamtgelöstes CO2 (= CO2(aq) + H2CO3) U HCO3– + H+


Kohlensäure entsteht bei der Reaktion von Kohlendioxid mit ⎡⎣HCO3− ⎤⎦ ⎡⎣H+ ⎤⎦
Wasser: KS1 = = 4.46 × 10–7
⎡CO2 ( aq ) + H2 CO3 ⎤
[CO2(aq)] ⎣ ⎦
CO2(g) CO2(aq) K 0.034 4
PCO2 Nur ungefähr 0.2 % des gelösten CO2 liegt als H2CO3 vor. Wenn der
O tatsächliche Wert von [H2CO3] anstelle des Wertes [H2CO3 + CO2(aq)]
H2CO3 verwendet wird, erhält man für die Gleichgewichtskonstante
CO2(aq) H2O C K 0.002
CO2(aq)
HO OH ⎡HCO3− ⎤⎦ ⎡⎣H+ ⎤⎦
Kohlensäure KS1 = ⎣ = 2 × 10–4
⎣⎡H2 CO3 ⎦⎤
H2CO3 U HCO–3 + H+ KS1 = 4.46 × 10–7
Bicarbonat Die Hydratation von CO2 (Reaktion von CO2 mit H2O) und die
HCO–3 U CO32– + H+ KS2 = 4.69 × 10–11 Dehydratation von H2CO3 sind überraschend langsame Reaktio-
Carbonat nen, was man leicht in einem Vorlesungsversuch zeigen kann.27
Das Verhalten der Kohlensäure als zweiprotonige Säure erscheint Lebende Zellen verwenden das Enzym Carboanhydrase zur
auf den ersten Blick ungewöhnlich, da der Wert von KS1 ungefähr Erhöhung der Geschwindigkeit, mit der sich H2CO3 und CO2 ins
102 bis 104 Mal kleiner ist als KS für andere Carbonsäuren. Gleichgewicht setzen, damit dieses wichtige Stoffwechselpro-
CH3COOH KS = 1.75 × 10–5 HCOOH KS = 1.80 × 10–4 dukt schnell umgesetzt werden kann. Die aktiven Stellen des
Essigsäure Ameisensäure Enzyms bieten eine Umgebung, die gerade für die Reaktion von
N≡CCH2COOH KS = 3.37 × 10–3 HOCH2COOH KS = 1.48 × 10–4 CO2 mit OH– geeignet ist. Dabei wird die Aktivierungsenergie (die
Cyanoessigsäure Glykolsäure Energiebarriere für die Reaktion) von 50 auf 26 kJ/mol gesenkt.
Dabei steigt die Reaktionsgeschwindigkeit um einen Faktor von
Der Grund für diese scheinbare Anomalie ist nicht, dass H2CO3 mehr als 106. In wässriger Lösung ist Kohlensäure nicht sehr
ungewöhnlich ist, sondern dass der Wert, der gewöhnlich für stabil. Das Dimer (H2CO3)2 oder Oligomere (H2CO3)n würden im
KS1 angegeben wird, für die folgende Gleichung gilt festen Zustand beschrieben.28
6.7 · Die Stärke von Säuren und Basen 159

Beziehung zwischen KS und KB


Zwischen den Werten von KS und KB für ein konjugiertes Säure-Base-Paar in wässriger
Lösung besteht eine äußerst wichtige Beziehung.

⎡H + ⎤ ⎡ A − ⎤
/–
HA U H+ + A KS = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
⎡⎣HA ⎤⎦

⎡⎣HA ⎤⎦ ⎡⎣OH − ⎤⎦
/ + H2O U HA + OH
A – –
KB =
⎡A− ⎤
⎣ ⎦
H2O U H+ + OH– KW = KS ∙ KB

⎡H + ⎤ ⎡ A − ⎤ ⎡⎣HA ⎤⎦ ⎡OH − ⎤
= ⎣ ⎦⎣ ⎦ ∙ ⎣ ⎦
⎡⎣HA ⎤⎦ ⎡A− ⎤
⎣ ⎦ 6
Wenn man die beiden oberen Reaktionen addiert, muss man die Gleichgewichtskonstan-
ten multiplizieren und erhält dabei das wichtige Ergebnis:
KS ⋅ KB = KW für ein konjugiertes Säure-
Beziehung zwischen KS und KB für ein konjugiertes Säure-Base-Paar: KS ⋅ KB = KW (6.35) Base-Paar in wässriger Lösung.

Die Gleichung 6.35 gilt für jede Säure und ihre konjugierte Base in wässriger Lösung.

> Beispiel
Ermittlung von KB für die konjugierte Base
Der Wert von KS für Essigsäure ist 1.75 × 10–5 (Reaktion 6.26). Wie groß ist KB für das
Acetation?
Lösung Die Berechnung ist sehr einfach†:
K W 1.0 ×10 −14
KB = = = 5.7 × 10–10
K B 1.75 ×10 −5

> Beispiel
Ermittlung von KS für die konjugierte Säure
Der Wert von KB für Methylamin beträgt 4.47 × 10–4 (Reaktion 6.27). Wie groß ist KS für das
Methylammoniumion?
Lösung Wieder sehr einfach:
KW
KS = = 2.2 × 10–11
KB

Selbstüberprüfung KB für Dimethylamin ist 5.9 × 10–4. Wie groß ist KS für das Dimethylam-
moniumion? (Lösung: 1.7 × 10–11)

Für eine zweiprotonige Säure können wir Gleichungen ableiten, die für jede der zwei Säu-
ren und ihre konjugierten Basen gilt:
H2A U H+ + HA KS1 HA– U H+ + A2– KS2
HA– +H2O U H2A + OH– KB2 A2– + H2O U HA– + OH– KB1
H2O U H+ + OH– KW H2O U H+ + OH– KW

† In diesem Buch wird für KW = 10–14 = 1.00 × 10–14 bei 25 °C verwendet. Der genauere Wert in
Tabelle 6.1 beträgt KW = 10–13.995. Bei Essigsäure mit KS = 10–4.756 beträgt der genaue Wert für KB
10–(13.995–4.756) = 10–9.239 = 5.77 × 10–10.
160 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

Die Ergebnisse lauten

Allgemeine Beziehung zwischen KS und KB: KS1 ⋅ KB2 = KW (6.36)

KS2 ⋅ KB1 = KW (6.37)

Aufgabe Leiten Sie die folgenden Ergebnisse für eine dreiprotonige Säure ab:

KS1 ⋅ KB3 = KW (6.38)

KS2 ⋅ KB2 = KW (6.39)

KS3 ⋅ KB1 = KW (6.40)

Kurzschrift für organische Strukturen


Wir beschäftigen uns in diesem Buch auch mit organischen Verbindungen. In der Chemie
und Biochemie gibt es einfache Vereinbarungen, wie man Formeln darstellt, ohne jedes
einzelne Atom zu schreiben. Jeder Scheitelpunkt in einer Strukturformel ist als C-Atom
zu verstehen, sofern er nicht anders gekennzeichnet ist. Gewöhnlich werden Bindungs-
striche von Kohlenstoff zu Wasserstoff weggelassen. Vom Kohlenstoff gehen vier Bin-
dungen aus. Sieht man in einer Formel bei einem C-Atom weniger als vier Bindungen,
müssen die fehlenden Bindungen zu Wasserstoffatomen gehen, die nicht dargestellt sind.
Hier ist ein Beispiel:

gestrichelte Bindung geht das bedeutet, dass


hinter die Papierebene hier ein H-Atom
HO H sitzt
H Keil zeigt Bindung, HO H
C C die aus der
OH Papierebene kommt HO OH
HO C C C
C C CH2 NH2 CH3 NH2 CH3
CH2-Gruppe
H H
Kurzdarstellung von Adrenalin
Adrenalin

Benzen, C6H6, besitzt zwei Resonanz- Die Kurzschreibweise zeigt, dass das Kohlenstoffatom oben rechts im sechsgliedrigen
strukturen, sodass sämtliche C–C-Bin- Benzolring drei Bindungen zu anderen Kohlenstoffatomen eingeht (eine Einfach- und
dungen äquivalent sind. Oft wird der eine Doppelbindung), so dass sich noch ein Wasserstoffatom an diesem C-Atom befin-
Benzen-Ring mit einem Kreis anstelle den muss. Das Kohlenstoffatom an der linken Seite des Benzolrings hat drei Bindungen
der drei Doppelbindungen gezeichnet zu anderen Kohlenstoffatomen und eine Bindung zu einem Sauerstoffatom. An diesem
C-Atom gibt es kein Wasserstoffatom. Bei der CH2-Gruppe neben dem Stickstoffatom
werden in der Kurzschreibweise beide Wasserstoffatome weggelassen.

Wichtige Begriffe
Benzene Amin > Ammoniumion > aprotisches Lösungsmittel > Autoprotolyse > Base > Base-
C6H6 konstante (KB) > basische Lösung > Brønsted-Lowry-Base > Brønsted-Lowry-Säure
> Bruttobildungskonstante > Carbonsäure > Carboxylatanion > Disproportionie-

rung > endotherm > Enthalpieänderung > Entropie > Exotherm > freie Enthalpie
> gesättigte Lösung > Gleichgewichtskonstante > gleichioniger Zusatz > Hydronium-

ion > individuelle Bildungskonstante > Ionenpaar > Komplexion > konjugiertes Säure-
Base-Paar > Lewis-Base > Lewis-Säure > Löslichkeitsprodukt > Massenwirkungsge-
setz > mehrprotonige Säuren und Basen > Mitfällung > Neutralisation > pH > Prin-
zip von Le Châtelier > protisches Lösungsmittel > Reaktionsquotient > Salz > Säure
> saure Lösung > Säurekonstante (K ) > Stabilitätskonstante > Standardzustand
S
Übungen 161

Zusammenfassung
Für die Reaktion aA + bB U cC + dD lautet die Gleichgewichtskonstante K = [C]c[D]d/
[A]a[B]b. Die Konzentrationen gelöster Stoffe werden in mol pro Liter und Gaskon-
zentrationen in bar angegeben; die Konzentrationen reiner Festkörper, Flüssigkeiten
und Lösungsmittel werden weggelassen. Wenn die Richtung einer Reaktion umgekehrt
wird, gilt K’ = 1/K. Wenn zwei Reaktionen addiert werden, gilt K3 = K1 ∙ K2. Der Wert
der Gleichgewichtskonstanten kann aus der Änderung der freien Enthalpie einer che-
mischen Reaktion berechnet werden: K = e–ΔG°/RT. Die Gleichung ΔG = ΔH – TΔS fasst
die Beobachtungen zusammen, nach denen eine Reaktion begünstigt ist, wenn Wärme
freigesetzt wird (exotherm, negativer Wert von ΔH) oder die Unordnung zunimmt
(positiver Wert von ΔS). Das Prinzip von Le Châtelier sagt voraus, welchen Einfluss der
Zusatz von Ausgangsstoffen oder Reaktionsprodukten oder eine Temperaturänderung
auf eine chemische Reaktion haben. Der Reaktionsquotient Q wird verwendet, um zu
ermitteln, durch welche Änderungen ein System wieder in den Gleichgewichtszustand
gebracht werden kann.
Das Löslichkeitsprodukt ist die Gleichgewichtskonstante für die Auflösung eines fes- 6
ten Salzes in seine ionischen Bestandteile und wird zur Berechnung der Löslichkeit eines
Salzes in wässriger Lösung verwendet. Wenn ein Bestandteil des Salzes bereits in der Lö-
sung vorhanden ist, wird die Löslichkeit des Salzes verringert (gleichioniger Zusatz). Es ist
möglich, durch geeignete Gegenionen eine Ionenart in Gegenwart anderer Ionen selektiv
aus der Lösung zu fällen Bei hoher Konzentration eines Liganden kann ein ausgefälltes
Metallion aufgrund der Bildung eines löslichen Komplexions wieder in Lösung gehen. In
einem Metallkomplex ist das Metall die Lewis-Säure (Elektronenpaar-Akzeptor) und der
Ligand eine Lewis-Base (Elektronenpaar-Donator).
Brønsted-Lowry-Säuren sind Protonendonatoren und Brønsted-Lowry-Basen sind
Protonenakzeptoren. Eine Säure erhöht in wässriger Lösung die Konzentration von H3O+
und eine Base erhöht die Konzentration von OH–. Ein Säure-Base-Paar, das durch die
Aufnahme oder Abgabe eines Protons verbunden ist, wird als konjugiert bezeichnet.
Wenn ein Proton von einem Molekül auf ein anderes Molekül eines protischen Lösungs-
mittles übertragen wird, nennt man diese Reaktion Autoprotolyse.
Die Definition des pH lautet pH = –log[H+] (diese Beziehung wird mit der Ein-
beziehung der Aktivität später modifiziert). KS ist die Gleichgewichtskonstante für die
Dissoziation (Protolyse) einer Säure: HA + H2O U H3O+ +A–. KB ist die Basenkonstante
für die Reaktion B + H2O U BH+ + OH–. Wenn entweder KS oder KB groß sind, wird
die Säure bzw. Base als stark bezeichnet. Anderenfalls ist die Säure oder Base schwach.
Wichtige starke Säuren und Basen, die man sich merken muss, sind in Tabelle 6.2 zu-
sammengestellt. Die wichtigsten schwachen Säuren sind Carbonsäuren (RCOOH) und
die wichtigsten schwachen Basen sind Amine (R3N:). Carboxylatanionen (RCOO–) sind
schwache Basen und Ammoniumionen (R3NH+) schwache Säuren. Für ein konjugiertes
Säure-Base-Paar in Wasser gilt KS.KB = KW. Für mehrprotonige Säuren schreiben wir die
aufeinanderfolgenden Säurekonstanten KS1, KS2 und KS3 … oder einfach K1, K2, K3 ….
Für mehrbasige Spezies bezeichnen wir die aufeinanderfolgenden Basekonstanten mit
KB1, KB2, KB3 …. Für ein zweiprotoniges System lautet die Beziehung zwischen den aufei-
nanderfolgenden Säure- und Basekonstanten KS1 ⋅ KB2 = KW und KS2 ⋅ KB1 = KW. Für ein
dreiprotoniges System gilt KS1 ⋅ KB3 = KW, KS2 ⋅ KB2 = KW und KS3 ⋅ KB1 = KW.
In der Kurzschreibweise für die Struktur organischer Verbindungen bedeutet jeder
Scheitel ein C-Atom. Wenn weniger als vier Bindungen zu diesem C-Atom führen, müs-
sen sich dort so viele Wasserstoffatome befinden, dass die Bindungszahl vier ergibt.

Übungen
6-A. Folgende Gleichgewichte, bei denen alle Ionen hydratisiert vorliegen, werden be-
trachtet:
1. Ag+ + Cl– U AgCl(aq) K = 2.0 × 103
2 AgCl(aq) + Cl U AgCl2
– –
K = 9.3 × 101
3. AgCl(s) U Ag + Cl
+ – K = 1.8 × 10–10
a) Berechnen Sie den Zahlenwert der Gleichgewichtskonstanten für die Reaktion
AgCl(s) U AgCl(aq)
162 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

b) Berechnen Sie die Konzentration von AgCl(aq) im Gleichgewicht mit einem Über-
schuss an ungelöstem festen AgCl.
c) Ermitteln Sie den Wert von K für die Reaktion AgCl2– U AgCl(s) + Cl–..

6-B. Die Lösung der Reaktion 6.7, die ursprünglich 0.010 0 M BrO3–, 0.010 0 M Cr3+ und
1.00 M H+ enthielt, kommt in ein chemisches Gleichgewicht. Um die Gleichgewichts-
konzentrationen zu bestimmen, kann man die Anfangs- und Endkonzentrationen in die
folgende Tabelle eintragen. Wir verwenden die stöchiometrischen Koeffizienten der Re-
aktion, die zeigen, dass bei der Bildung von x mol Br– auch x mol Cr2O72– und 8x mol H+
entstehen. Hierbei werden x mol BrO3– und 2x mol Cr3+ verbraucht.

BrO3– + 2 Cr3+ +4 H2O U Br–+ Cr2O72– + 8 H+

Anfangskonzentration 0.010 0 0.010 0 1.00

Endkonzentration 0.010 0 – x 0.010 0 – 2x x x + 8x

a) Formulieren Sie einen Ausdruck für die Gleichgewichtskonstante, mit dem Sie den
Wert x für die Gleichgewichtskonzentrationen berechnen würden, aber versuchen Sie
nicht, den Wert auszurechnen.
b) Da für Reaktion 6.7 die Gleichgewichtskonstante K = 1 × 1011 beträgt, kann man
einen nahezu vollständigen Verlauf nach rechts anzunehmen. Das bedeutet, dass wir
im Gleichgewicht sowohl für die Konzentration von Br– und Cr2O72– einen Wert in
der Nähe von x = 0.005 00 M annehmen. (Warum?) Mit diesem Werts von x erhalten
Sie [H+] = 1.00 + 8x = 1.04 sowie [BrO3–] = 0.010 0 – x = 0.005 0 M. Man darf aber
nicht sagen, [Cr3+] = 0.010 0 –2x = 0, denn im Gleichgewicht muss eine kleine Cr3+-
Konzentration vorhanden sein. Cr3+ ist hier der limitierende Reaktant, denn es lag
im stöchiometrischen Unterschuss vor, während BrO3– immer noch vorhanden ist.
Setzen Sie nun die ermittelten Werte in Ihre unter (a) gefundene Gleichung ein und
lösen Sie diese nach [Cr3+] auf.

6-C. Bestimmen Sie [La3+], wenn ein Überschuss von festem Lanthaniodat, La(IO3)3, mit
einer Lösung 0.050 M LiIO3 bis zur Einstellung des Gleichgewichts gerührt wird. Bei der
Berechnung muss IO3– aus La(IO3)3 gegenüber dem aus LiIO3 nicht berücksichtigt werden.

6-D. Welche Verbindung ist leichter löslich (mol gelöstes Metallion pro Liter Lösung),
Ba(IO3)2 (KL = 1.5 × 10–9) oder Ca(IO3)2 (KL = 7.1 × 10–7)? Geben Sie ein Beispiel für eine
chemische Reaktion, bei der eine Umkehr der vorhergesagten Löslichkeiten erfolgt.

6-E. Fe(III) kann aus saurer Lösung durch Zugabe von OH– ausgefällt werden, wobei
Fe(OH)3(s) gebildet wird. Bei welcher Konzentration von OH– ist die Konzentration von
Fe(III) auf 1.0 × 10–10 M gesunken? Welche Konzentration von OH– ist notwendig, wenn
stattdessen Fe(II) verwendet wurde und auch hier die Konzentration auf 1.0 × 10–10 M
gesenkt werden soll? Verwenden Sie die Löslichkeitsprodukte aus Anhang F.

6-F. Ist es möglich 99.0 % von 0.010 M Ce3+ durch Zugabe von Oxalat (C2O42–) auszufäl-
len, ohne dass 0.010 M Ca2+ ausfällt?
CaC2O4 KL = 1.3 × 10–8
Ce2(C2 O4)3 KL = 5.9 × 10–30

6-G. Für eine Lösung von Ni2+ und Ethylendiamin (en) gelten bei 20 °C folgende Gleich-
gewichtskonstanten:
Ni2+ + H2NCH2CH2NH2 U Ni(en)2+ log K1 = 7.52
Ethylendiamin

Ni(en)2+ + H2NCH2CH2NH2 U Ni(en)22+ log K2 = 6.32


Ni(en)22+ + H2NCH2CH2NH2 U Ni(en)32+ log K3 = 4.49
Übungen 163

Berechnen Sie die Konzentration von freien Ni2+ in einer Lösung aus 0.100 mol en +
1.00 mL 0.010 0 M Ni2+, die auf 1.00 L mit verdünnter Base aufgefüllt wurde (der Zusatz
von Base sorgt dafür, dass en in seiner unprotonierten Form vorliegt). Dabei wird ange-
nommen, dass nahezu das gesamte Ni als Ni(en)32+ (d. h. [Ni(en)32+] = 1.00 × 10–5 M) vor-
liegt. Berechnen Sie die Konzentrationen von Ni(en)2+ und Ni(en)22+, um zu sichern, dass
diese Konzentrationen gegenüber [Ni(en)32+] vernachlässigt werden können.

6-H. Die folgenden Verbindungen werden in Wasser gelöst. Ist die Lösung sauer, basisch
oder neutral?
a) Na+Br–
b) Na+CH3COO–
c) NH +4 Cl–
d) K3PO4
e) (CH3)4N+Cl–
f) (CH3)4N COO–
g) Fe(NO3)3 6
6-I Bernsteinsäure dissoziiert wie folgt:

O O O O
  K1  
HOCCH2CH2COH—— HOCCH2CH2CO H
5
K1 6.2 10

O O O O
  K2  
HOCCH2CH2CO —— —— OCCH2CH2CO H
K2 2.3 10 6

Berechnen Sie KB1 und KB2 für die folgenden Reaktionen:

O O O O
  KB1  
OCCH2CH2CO H2O— HOCCH2CH2CO OH

O O O O
  KB2  
HOCCH2CH2CO H2O— HOCCH2CH2COH OH

6-J. Histidin ist eine dreiprotonige Aminosäure:


CO2H
NH CO2
K1 3 10 2 NH
HC CH2
N HC CH2
H N
NH3 H
NH3
7
K2 8.5 10
CO2
NH CO2
K3 4.6 10 10 NH
HC CH2
N HC CH2
N
NH2
NH3
164 Kapitel 6 · Das chemische Gleichgewicht

Welchen Wert hat die Gleichgewichtskonstante für die folgende Reaktion?


CO 2 CO 2
NH NH
HC CH2 H2O HC CH2 OH
N N
H
NH3 NH3

6-K.
a) Berechnen Sie unter Verwendung der Werte von KW in Tabelle 6.1 den pH-Wert von
destilliertem Wasser bei 0 °C, 20 °C und 40 °C.
b) Die Gleichgewichtskonstante für die Reaktion D2O U D+ + OD– beträgt bei 25 °C
K = [D+] [OD–] = 1.35 × 10–15. In dieser Gleichung bedeutet D Deuterium, das Iso-
top 2H. Wie ist der pD-Wert (= –log[D+]) für neutrales D2O?
7 Aktivität und systematische
Behandlung von
Gleichgewichten

Hydratisierte Ionen Berechnete Zahl der Hydratwas-


Ionen und Moleküle sind in Lösungen von einer geordneten Hülle aus Lösungsmittel- sermoleküle
molekülen umgeben. Das Sauerstoffatom von H2O hat eine partiell negative Ladung Molekül Fest gebundene 7
und jedes Wasserstoffatom hat eine halb so große positive Ladung. Wassermoleküle
δ
H H 200 pm 220 pm CH3CH2CH3 0

O 2δ O Li Cl H O C6H6 0
330 pm H
H H CH3CH2Cl 0
δ

Wasser wird von Kationen über das Sauerstoffatom gebunden. Die erste Koordinations- CH3CH2SH 0
sphäre von Li+ besteht z. B. aus ~ vier Wassermolekülen.1 Cl– bindet ~ 6 H2O-Moleküle CH3–O–CH3 1
über H-Atome.1,2 Dabei werden die Wassermoleküle sehr schnell zwischen dem gesam-
CH3CH2OH 1
ten Lösungsmittel (dem „Bulk“) und den Koordinationsstellen der Ionen ausgetauscht.
Die Ionenradien in der Abbildung wurden durch Röntgenbeugung der Ionen in (CH3)2C=O 1,5
Kristallen bestimmt. Die Radien der hydratisierten Ionen wurden aus den Diffusions-
CH3CH=O 1,5
koeffizienten der Ionen in Lösung und aus den Ionenbeweglichkeiten in einem elektri-
schen Feld berechnet.3,4 Die kleineren, höher geladenen Ionen binden mehr Wassermo- CH3CO2H 2
leküle und verhalten sich in der Lösung wie ein größeres Teilchen. Die Aktivität der in CH3C≡N 3
Wasser gelösten Ionen, mit der wir uns in diesem Kapitel beschäftigen, beruht auf der
Größe der hydratisierten Ionen. O 4
⏐⏐
CH3CNHCH3

CH3NO2 5

CH3CO2– 5

CH3NH2 6
Li + Be 2+ Fe 2+ CO 32– F–
Ionen- CH3SO3H 7
radius
NH3 9

Hydrated CH3SO3– 10
Na+ radius Mg 2+ Fe 3+ SO 42– Cl –
NH4+ 12

Quelle: S. Fu und C. A. Lucy, „Prediction


of Electrophoretic Mobilities“, Anal.
K+ Ca 2+ NO–3 CIO4– Br – Chem.1998, 70, 173.

Radien der freien und hydratisierten Ionen. Die kleine-


Rb+ Sr 2+ NH4+ IO 3– I– ren, höher geladenen Ionen binden Wassermoleküle
500 pm fester und verhalten sich wie eine höher hydratisierte
Spezies.3

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
166 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

300 In Kapitel 6 haben wir die Konstante für ein Reaktionsgleichgewicht in dieser Form ge-
[FeSCN2+] / [Fe3+][SCN – ]

schrieben:
250
⎡ Fe (SCN)2 + ⎤
200 ⎣⎢ ⎦⎥
Fe3+ + SCN– U Fe(SCN)2+ K= (7.1)
⎡ ⎡Fe3 + ⎤ ⎡SCN − ⎤ ⎤
150
hellgelb farblos rot ⎣⎣ ⎦⎣ ⎦⎦

100
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7
Die Abbildung 7.1, Versuch 7.1 und Farbtafel 2 zeigen, dass der Konzentrationsquotient
KNO3, zugesetzt (M) in Gleichung 7.1 abnimmt, wenn der Lösung das „inerte“ Salz KNO3 zugesetzt wird. Das
heißt, dass die Gleichgewichts„konstante“ nicht wirklich konstant ist. In diesem Kapitel
Abb. 7.1 Abnahme des Gleichgewichts- wird erklärt, warum man in den Gleichgewichtskonstanten die Konzentrationen durch
quotienten für die Reaktion Fe3+ + Aktivitäten ersetzt und wie die Aktivitäten verwendet werden.
SCN– U Fe(SCN)2+ durch Zugabe von
Kaliumnitrat zur Lösung. Farbtafel 2
zeigt das Verblassen der roten Farbe von 7.1 Der Einfluss der Ionenstärke auf die Löslichkeit
Fe(SCN)2+, nachdem KNO3 zusetzt wurde.
In der Aufgabe 12-11 gibt es weitere An- von Salzen
gaben zu diesem System. [R. J. Stolzberg,
„Discovering a Change in Equilibrium Wir betrachten eine gesättigte Lösung von CaSO4 in destilliertem Wasser.
Constant with Change in Ionic Strength“,
J. Chem. Ed. 1999, 76, 640.]
CaSO4 (s) U Ca2+ + SO42– KL = 2.4 × 10–5 (7.2)

Die Abbildung 6.1 hatte gezeigt, dass die Löslichkeit 0.015 M beträgt. Die gelösten Spe-
zies sind hauptsächlich 0.010 M Ca2+, 0.010 M SO42– und 0.005 M CaSO4(aq) (ein Ionen-
paar).
Wenn nun ein Salz, wie etwa KNO3, zur Lösung gegeben wird, tritt ein interessanter
Effekt ein. Weder K+ noch NO3– reagieren mit Ca2+ oder SO42–. Dennoch löst sich der Fest-
Zusatz eines „inerten“ Salzes erhöht die stoff auf, wenn 0.050 M KNO3 zur gesättigten Lösung von CaSO4 gegeben wird, bis die
Löslichkeit einer ionischen Verbindung Konzentrationen von Ca2+ und SO42– um etwa 30 % zugenommen haben.
Es gilt ganz allgemein, dass bei der Zugabe eines „inerten“ Salzes (z. B. KNO3) zu
einem wenig löslichen Salz (z. B. CaSO4) die Löslichkeit dieses schwer löslichen Salzes zu-
nimmt. Unter „inert“ verstehen wir ein Salz, dessen Ionen nicht mit der interessierenden
Verbindung reagieren. Immer wenn Salze zu einer Lösung gegeben werden, sagen wir,
dass wir die Ionenstärke der Lösung erhöht haben. Die genaue Definition der Ionenstärke
werden wir gleich kennenlernen.

Die Erklärung
Ein Anion ist von mehreren Kationen
umgeben. Ein Kation ist von mehreren Warum erhöht sich die Löslichkeit, wenn wir der Lösung ein Salz zusetzen? Wir betrach-
Anionen umgeben. ten ein bestimmtes Ca2+-Ion und ein bestimmtes SO42–-Ion in der Lösung. Das SO42–-Ion ist
von Kationen (K+, Ca2+) und Anionen (NO3−, SO42–) umgeben. Im Durchschnitt befinden
Ionenatmosphären
sich aber mehr Kationen als Anionen in der Umgebung dieses gewählten Anions, da das
Anion Kationen anzieht, Anionen aber abstößt. Durch diese Wechselwirkungen entsteht
um jedes Anion ein Gebiet positiver Ladungen. Wir nennen dieses Gebiet Ionenatmo-
δ– δ+ sphäre (Abbildung 7.2). Die Ionen diffundieren kontinuierlich in diese Ionenatmosphäre
hinein und wieder heraus. Die Gesamtladung in dieser Atmosphäre ist im zeitlichen
+ –
Durchschnitt geringer als die Ladung des Anions im Zentrum. Ein ähnliches Phänomen
gilt für Gebiete negativer Ladung um die Kationen in der Lösung.
Die Ionenatmosphäre verringert die Anziehung zwischen den Ionen in der Lösung.
Kation Anion Das Kation plus seiner negativ geladenen Atmosphäre hat eine geringere positive Ladung
als das Kation allein. Das Anion plus seiner Ionenatmosphäre hat eine geringere negative
Abb. 7.2 Die Ionenatmosphäre, eine ku- Ladung als das Anion allein. Dadurch ist die Gesamtwechselwirkung zwischen Kation
gelförmige Wolke mit der Ladung δ+ oder plus Atmosphäre und Anion plus Atmosphäre kleiner als die zwischen dem reinen Kation
δ–, umgibt die Ionen in der Lösung. Die
und dem reinen Anion bei Abwesenheit der Ionenatmosphäre. Je größer die Ionenstärke
Ladung dieser Atmosphäre ist kleiner als
die des Zentralions. Je größere die Ionen- einer Lösung ist, desto größer ist die Ladung in der Ionenatmosphäre. Jedes Ion mit seiner
stärke der Lösung ist, desto größer ist die Ionenatmosphäre besitzt eine kleinere Ladung und deshalb ist die Anziehung zwischen Kati-
Ladung in jeder Ionenatmosphäre. onen und Anionen geringer.
7.1 · Der Einfluss der Ionenstärke auf die Löslichkeit von Salzen 167

 Versuch 7.1
Einfluss der Ionenstärke auf die Dissoziation5
Dieses Experiment zeigt den Einfluss der Ionenstärke auf die Dissoziation des roten Eisen(III)
thiocyanat-Komplexes:

Fe(SCN)2+ U Fe3+ + SCN–


rot hellgelb farblos

Man stellt eine Lösung von 1 mM FeCl3 her, indem 0.27 g FeCl3∙6H2O in 1 L Wasser
gelöst werden, das 3 Tropfen einer 15 M (konzentrierten) HNO3 enthält. Der Grund für
diese Säurezugabe ist die Verlangsamung der Ausfällung von Fe3+, die innerhalb eini-
ger Tage erfolgt und die Herstellung einer frischen Lösung für diesen Versuch erfordern
würde.
Um den Einfluss der Ionenstärke auf die Dissoziationsreaktion zu zeigen, werden
300 mL der 1 mM FeCl3-Lösung mit 300 mL 1.5 mM NH4SCN oder KSCN gemischt. Die
blassrote Lösung wird in zwei gleiche Portionen geteilt. Zu einer Portion werden 12 g
KNO3 gegeben, um die Ionenstärke auf 0.4 M zu erhöhen. Bei der Auflösung von KNO3
dissoziiert der rote Fe(SCN)2+-Komplex und die Farbe verblasst deutlich (Farbtafel 2).
Die Zugabe einiger Kristalle von NH4SCN oder KSCN zu jeder Lösung verschiebt die
7
Reaktion in Richtung auf die Bildung von Fe(SCN)2+, dabei wird die Rotfärbung intensiver.
Diese Reaktion demonstriert das Prinzip von Le Châtelier: die Zugabe eines Reaktionspro-
dukts führt zur erhöhten Bildung der Ausgangsstoffe.

Mit steigender Ionenstärke einer Lösung wird daher die Anziehung zwischen einem
bestimmten Ca2+-Ion und einem bestimmten SO42–-Ion im Vergleich zu deren Wechsel-
wirkung in destilliertem Wasser verringert. Die Wirkung beruht darauf, dass eine Annä-
herung erschwert wird, wodurch sich die Löslichkeit von CaSO4 erhöht.
Mit steigender Ionenstärke wird die Dissoziation in Ionen erleichtert. So verschiebt
sich das Gleichgewicht bei jeder der folgenden Reaktionen auf die rechte Seite, wenn die
Ionenstärke von z. B. 0.01 auf 0.1 M erhöht wird:

Fe(SCN)2+ Fe3+ + SCN–


Thiocyanat

OH O H
Phenol Phenolat
HO OH HO OH
Kaliumhydrogentartrat, Löslichkeit (M)

HO2CCHCHCO2K(s)— —HO2CCHCHCO2 – –K
Kaliumhydrogentartrat 0.05
MgSO4
0.04
NaCl
Abbildung 7.3 zeigt den Einfluss eines Salzzusatzes auf die Löslichkeit von Kaliumhydro- 0.03
Glucose
gentartrat.
0.02
KCl
0.01

Was ist mit „Ionenstärke“ gemeint? 0.00


0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10
Konzentration der zugesetzten
Die Ionenstärke, μ, ist ein Maß für die Gesamtkonzentration der Ionen in einer Lösung. Substanz (M)

Je höher geladen ein Ion ist, desto stärker wird es in der folgenden Rechnung berück-
Abb. 7.3 Die Löslichkeit von Kalium-
sichtigt: hydrogentartrat steigt beim Zusatz der
Salze MgSO4 oder NaCl. Die Zugabe
1 1 der neutralen Verbindung Glucose hat
Ionenstärke: μ=
2
(c1z12 + c2 z22 + …) = 2 ∑ci zi2 (7.3)
keinen Einfluss auf die Löslichkeit. Ein
i
Zusatz von KCl verringert die Löslichkeit.
(Warum?) [C. J. Marzzacco, „Effect of Salts
mit ci, der Konzentration des Teilchens i und zi, der Ladung dieses Teilchens. Die Summe and Nonelectrolytes on the Solubility of
wird über alle Ionen der Lösung gebildet. Potassium Bitartrate“, J. Chem. Ed. 1998,
75, 1628.]
168 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

> Beispiel
Berechnung der Ionenstärke
Wie groß ist die Ionenstärke von a) 0.10 M NaNO3; b) 0.10 M Na2SO4 und c) 0.020 M KBr plus
0.010 M Zn2SO4?

Lösung
a) μ = 1
2 {[Na+ ] ⋅ (+1)2 +[NO3- ] ⋅ (-1)2 } = 1
2 {[0.10] ⋅ 1 + [0.10] ⋅ 1} = 0.10 M

b) μ = 1
2 {[Na+ ] ⋅ (+1)2 + [SO2-4 ] ⋅ (-2)2 } = 1
2 {(0.20) ⋅ 1 + (0.10) ⋅ 4} = 0.30 M

Beachten Sie, dass [Na+] = 0.20 M, da in einem mol Na2SO4 zwei mol Na+ enthalten sind.

c) μ = 1
2 {[K + ] ⋅ ( + 1)2 + [Br − ] ⋅ ( − 1)2 + [Na+ ] ⋅ ( + 1)2 + [SO24− ] ⋅ ( − 2)2 }
= 1
2 {(0.020) ⋅ 1 + (0.020) ⋅ 1 + (0.020) ⋅ 1 + (0.010) ⋅ 4} = 0.050 M

Selbstüberprüfung Wie groß ist die Ionenstärke von 1 mM CaCl2? (Lösung: 3 mM)

NaNO3 ist ein sogenannter 1:1-Elektrolyt, da sowohl Kation wie Anion die Ladung 1 ha-
Elektrolyt Molarität Ionenstärke
ben. Für 1:1-Elektrolyte entspricht die Ionenstärke der Molarität. Bei jeder anderen Stöchi-
1:1 M M ometrie (z. B. für den 2:1-Elektrolyt Na2SO4) ist die Ionenstärke größer als die Molarität.
2:1 M 3M Die Berechnung der Ionenstärke für Lösungen mit höherer Konzentration ist kompli-
ziert, da Ionen mit der Ladung ≥ 2 nicht vollständig dissoziiert sind. In Exkurs 7.1 sieht
3:1 M 6M
man, dass bei einer formalen Konzentration von 0.025 M MgSO4 35 % des Mg2+ im Ionen-
2:2 M 4M paar MgSO4(aq) gebunden ist. Je höher die Konzentration und je höher die Ionenladung,
desto stärker ist die Tendenz, Ionenpaare zu bilden. Es gibt keine einfache Methode, die
Ionenstärke einer Lösung von 0.025 mol/L MgSO4 zu bestimmen.

Exkurs 7.1

Salze aus Ionen mit der Ladung ≥ |2| sind nicht Prozentteil der Metallionen in Ionenpaaren in 0.025 F MxLy-
vollständig dissoziiert6 Lösunga
Salze, die aus Kationen und Anionen mit einer Ladung von ±1
M L = Cl– SO42–
bestehen, dissoziieren bei Konzentrationen <0.1 in Wasser meis-
tens vollständig. Salze aus Ionen mit einer Ladung ≥ 2 sind selbst Na+ 0.6 % 4%
in verdünnter Lösung weniger dissoziiert. Im Anhang J sind die Mg 2+
8% 35 %
Bildungskonstanten für Ionenpaare aufgeführt:
a
Zur Berechnung der Aktivitätskoeffizienten wurden 500 pm für
Ionenpaar-Bildungskonstante: die Größe von ML angenommen.
Mn+(aq) + Lm–(aq) U Mn+Lm–(aq)
Ionenpaar Die Tabelle zeigt, dass 0.025 F NaCl nur zu 0.6 % als Na+Cl–(aq)
⎡ML ⎤ γML assoziiert vorliegt, während bei Na2SO4 4 % NaSO4–(aq) bil-
K= ⎣ ⎦ ,
⎣⎡M ⎦⎤ γM ⎣⎡L ⎦⎤ γL det. MgSO4 existiert zu 35 % als Ionenpaar. Eine Lösung von
0.025 F MgSO4 enthält 0.016 M Mg2+, 0.016 M SO42– und 0.009 M
mit den Aktivitätskoeffizienten γi. Mit den Konstanten aus Anhang MgSO4(aq). Die Ionenstärke von 0.025 F MgSO4 ist nicht 0.10 M,
J, etwas Geschick und Ausdauer lassen sich die folgenden Prozent- sondern nur 0.065 M. Aufgabe 7-28 ist ein Beispiel für eine ähnli-
anteile der Ionenpaar-Bildung in einer 0.025 F Lösung berechnen: che Rechnung.

7.2 Aktivitätskoeffizienten

Aus Gleichung 7.1 ist nicht zu erkennen, dass es irgendeinen Einfluss der Ionenstärke auf
eine chemische Reaktion gibt. Um diesen Einfluss der Ionenstärke zu berücksichtigen,
müssen die Konzentrationen durch die Aktivitäten ersetzt werden.
Aktivität von C: AC = [C]γC (7.4)

Aktivität Konzentration Aktivitätskoeffizient


von C von C von C
7.2 · Aktivitätskoeffizienten 169

Die Aktivität des Teilchens C ergibt sich aus seiner Konzentration multipliziert mit sei- Verwechseln Sie nicht die Begriffe
nem Aktivitätskoeffizienten. Der Aktivitätskoeffizient gibt die Abweichung vom idealen Aktivität und Aktivitätskoeffizient
Verhalten an. Wäre der Aktivitätskoeffizient 1, dann läge ein ideales Verhalten vor und die
Form der Gleichgewichtskonstanten in Gleichung 7.1 wäre korrekt.
Die korrekte Form für die Gleichgewichtskonstante lautet
Allgemeine Form für die Gleichgewichtskonstante:
c d Gleichung 7.5 ist die „wahre“ Gleich-
⎡⎣C ⎤⎦ γ Cc ⎡⎣D ⎤⎦ γdD
K = ACc ADd /AAa ABb = a a b b (7.5) gewichtskonstante. Bei Gleichung 6.2,
⎣⎡ A ⎦⎤ γ A ⎣⎡B ⎦⎤ γ B dem Konzentrationsquotient, Kc,
fehlen die Aktivitätskoeffizienten:
Gleichung 7.5 berücksichtigt den Einfluss der Ionenstärke auf ein chemisches Gleichge- c d
⎣⎡C ⎦⎤ ⎣⎡D ⎦⎤
wicht, da die Aktivitätskoeffizienten von der Ionenstärke abhängen. Kc = a b
(6.2)
Für Reaktion 7.2 lautet die Gleichgewichtskonstante ⎡⎣A ⎤⎦ ⎡⎣B ⎤⎦

KL = ACa2+ ASO42– = ⎡⎣Ca 2 + ⎤⎦ γCa ⎡⎣ SO42 − ⎤⎦ γSO 2+ 2−


4

Wenn die Konzentrationen von und SO42– mit der Ionenstärke ansteigen, muss der
Ca2+
Wert der Aktivitätskoeffizienten mit steigender Ionenstärke sinken. 7
Bei niedriger Ionenstärke nähern sich die Aktivitätskoeffizienten dem Wert 1 und
die thermodynamische Gleichgewichtskonstante (7.5) nähert sich der „Konzentrations“-
Gleichgewichtskonstanten (6.2). Eine Methode zur Bestimmung der thermodynamischen
Gleichgewichtskonstanten besteht darin, dass man das Konzentrationsverhältnis (6.2) bei
immer niedrigeren Ionenstärken ermittelt und dann auf die Ionenstärke 0 extrapoliert.
Üblicherweise sind die tabellierten Gleichgewichtskonstanten nicht die wahren thermo-
dynamischen Konstanten, sondern nur Konzentrationsquotienten, die für bestimmte
Bedingungen gemessen wurden.

> Beispiel
Exponenten der Aktivitätskoeffizienten
Wie lautet das Löslichkeitsprodukt von La2(SO4)3 unter Verwendung der Aktivitätskoeffi-
zienten?

Lösung Die Exponenten der Aktivitätskoeffizienten sind die gleichen wie für die Konzent-
rationen:
2 3
KL = A La3+A SO42− = ⎡⎣La3+ ⎤⎦ γ La3+ 2 ⎡⎣ SO4 2− ⎤⎦ γSO2− 3
2 3

Selbstüberprüfung Formulieren Sie die Gleichgewichtskonstante für Ca2+ +2 Cl– U


CaCl2(aq) mit Aktivitätskoeffizienten.
(Lösung: K= Gleichgewichtskonstante für Ca2++2 Cl CaCl2(aq) mit Aktivitätskoeffizienten.
A CaCl ⎡⎣CaCl2 ⎤⎦ γ Cacl
2
= 2

ACa ACl
2+
2

2+
2+
2
⎡⎣Ca ⎤⎦ γ Ca ⎡⎣Cl − ⎤⎦ γ Cl2 −

Aktivitätskoeffizienten von Ionen


Eine genaue Betrachtung des Modells der Ionenatmosphäre, welche die Aktivitätskoeffizi-
enten mit der Ionenstärke verknüpft, führt zu der erweiterten Debye-Hückel-Gleichung:

− 0.51z 2 
Erweiterte Debye-Hückel-Gleichung: log  = (bei 25 °C) (7.6)
1 + (  / 305)

In Gleichung 7.6 ist γ der Aktivitätskoeffizient eines Ions der Ladung ± z und der Größe α
(Pikometer, pm; 1 pm = 10–12 m) für wässrige Lösungen der Ionenstärke μ. Die Gleichung
gilt bis μ ≤ 0.1 M ziemlich gut. Um die Aktivitätskoeffizienten für Ionenstärken über 0.1 M
(für viele Salze bis zu Molalitäten von 2–6 mol/kg) zu ermitteln, werden gewöhnlich die
komplizierteren Pitzer-Gleichungen benutzt.7
170 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

Tabelle 7.1 enthält die Größen (α) und Aktivitätskoeffizienten vieler Ionen. Alle
Ionen gleicher Größe und Ladung stehen in der gleichen Zeile und haben die gleichen
Aktivitätskoeffizienten. So haben z. B. Ba2+ und das Succinat-Ion [–OOCCH2CH2COO–,
eingetragen als (CH2COO–)2] den gleichen Hydratradius von 500 pm und sie sind des-
halb gemeinsam unter den Ionen mit der Ladung ± 2 aufgeführt. In einer wässrigen
Lösung mit der Ionenstärke 0.001 M haben beide Ionen einen Aktivitätskoeffizienten
von 0.868.
Die Ionengröße α in Gleichung 7.6 ist ein empirischer Parameter, der dafür sorgt,
dass die gemessenen Aktivitätskoeffizienten und die Ionenstärken bis zu μ ≈ 0.1 M die
Gleichung erfüllen. Theoretisch sollte α der Durchmesser des hydratisierten Ions sein.8
Jedoch sind die Größen der Ionen in Tabelle 7.1 nicht wirklich genau. So beträgt z. B. der
Durchmesser des Cs+-Ions in Kristallen 340 pm. Das hydratisierte Cs+-Ion müsste eigent-
lich größer sein als das Ion im Kristall, doch in Tabelle 7.1 ist seine Größe nur 250 pm.
Die Größen der freien und hydratisier- Auch wenn die Angaben in Tabelle 7.1 empirische Werte sind, kann man bestimmte
ten Ionen sind am Anfang dieses Kapi- Trends erkennen. Kleine, hochgeladene Ionen binden die Moleküle des Lösungsmittels
tels dargestellt. fester und haben größere Hydratradien als große und weniger geladene Ionen. So ist z. B.
die Reihenfolge der Ionengrößen in Tabelle 7.1 Li+ > Na+ > K+ > Rb+, obwohl die kristallo-
graphischen Radien einen umgekehrten Verlauf zeigen: Li+ < Na+ < K+< Rb+.

1.0
Einfluss von Ionenstärke, Ionenladung und Ionengröße
M± auf den Aktivitätskoeffizienten
0.8
Aktivitätskoeffizient (γ)

M2± Im Bereich der Ionenstärken von 0 bis 0.1 M gibt es folgende Einflüsse auf die Aktivitäts-
0.6 koeffizienten:
M3±
1. Beim Anstieg der Ionenstärke nimmt der Aktivitätskoeffizient ab (Abbildung 7.4).
0.4 M4± Für alle Ionen nähert sich γ dem Wert 1, wenn die Ionenstärke μ gegen Null geht.
2. Wenn die Ladung des Ions ansteigt, nimmt die Abweichung seines Aktivitätskoeffizi-
0.2 enten von 1 zu. Aktivitätskorrekturen für Ionen mit der Ladung ± 3 sind viel wichti-
ger als für solche mit der Ladung ± 1 (Abbildung 7.4).
0.0 3. Je kleiner die Ionengröße α ist, desto wichtiger sind die Einflüsse der Aktivität.
0.001 0.01 0.1
Ionenstärke (μ)
> Beispiel
Abb. 7.4 Aktivitätskoeffizienten für Verwendung der Tabelle 7.1
unterschiedlich geladene Ionen mit kon- Wie groß ist der Aktivitätskoeffizient von Ca2+ in einer 3.3 mM CaCl2-Lösung?
stanter Ionengröße α von 500 pm. Wenn
die Ionenstärke Null ist, wird γ =1. Je grö- Lösung Die Ionenstärke beträgt
ßer die Ladung des Ions ist, desto stärker
nimmt der Wert von γ mit steigender
( )
1
μ= ⎡Ca2+ ⎤⎦ · 22 + ⎡⎣Cl− ⎤⎦ · ( −12 )
Ionenstärke ab. Beachten Sie die logarith- 2 ⎣
mische Skalierung der Abszisse.
=
1
2
{ }
( 0.003 3 ) · 4 + (0.006 6 ) · 1 = 0.010 M
In Tabelle 7.1 ist Ca2+ unter der Ladung ± 2 und der Größe von 600 pm aufgeführt. Somit
folgt ein Wert für γ = 0.675 bei μ = 0.010 M.

Selbstüberprüfung Wie groß ist γ für Cl– in 0.33 mM CaCl2? (Lösung: 0.964)

Wie wird interpoliert


Interpolation ist Abschätzung einer Wenn man einen Aktivitätskoeffizienten für eine Ionenstärke braucht, die zwischen den
Zahl, die zwischen zwei Werten einer in der Tabelle 7.1 angegebenen Werten liegt, kann man die Gleichung 7.6 verwenden. Als
Tabelle liegt. Alternative bietet sich, auch ohne Tabellenkalkulation, eine gar nicht schwierige Interpo-
Die Abschätzung einer Zahl, die lation mit den Werten der Tabelle 7.1 an. Bei der linearen Interpolation nehmen wir an,
außerhalb der Tabellenwerte liegt, dass die Werte zwischen zwei Tabellenwerten auf einer Geraden liegen. Wir betrachten
nennt man Extrapolation. z. B. die beiden Tabellenwerte y = 0.67 für x = 10 und y = 0.83 für x = 20. Welchen Wert
hat y für x = 16?
7.2 · Aktivitätskoeffizienten 171

unbekanntes y-Intervall
x-Wert y-Wert
y = 0.83
10 0.67 y y=? bekanntes
x-Inter-
16 ? y = 0.67
vall

20 0.83
x = 10 x = 16 x = 20

x

Tabelle 7.1 Aktivitätskoeffizienten für wässrige Lösungen bei 25 °C

Ion Ionengröße Ionenstärke (μ, M)


(α, pm)
0.001 0.005 0.01 0.05 0.1

Ladung = ± 1 Aktivitätskoeffizient (γ)


+
H 900 0.967 0.933 0.914 0.86 0.83
7
(C6H5)2CHCO2–, (C3H7) 4N+ 800 0.966 0.931 0.912 0.85 0.82

(O2N)3C6H2O–, (C3H7)3NH+, CH3OC6H4 CO2– 700 0.965 0.930 0.909 0.845 0.81

Li+, C6H5CO2–, HOC6H4CO2–, ClC6H4CO2–, C6H5CH2CO2–, CH2=CHCH2 CO2– , 600 0.965 0.929 0.907 0.835 0.80
(CH3)2 CHCH2CO2–, (CH3CH2)4N+, (C3H7)2NH+2

Cl2CHCO2–, Cl3CCO2–, (CH3CH2) 3NH+, (C3H7)NH+3 500 0.964 0.928 0.904 0.83 0.79

Na+, CdCl+, ClO2–, IO3–, HCO3–, H2PO4–, HSO3–, H2AsO4–, Co(NH3)4(NO2)+2 , 450 0.964 0.928 0.902 0.82 0.775
CH3CO2–, ClCH2CO2–, (CH3)4N+, (CH3CH2) 2NH2+, H2NCH2CO2–
+H
3NCH2CO2H, (CH3)3NH+, CH3CH2NH3+ 400 0.964 0.927 0.901 0.815 0.77

OH–, F–, SCN–, OCN–, HS–, ClO3–, ClO4–, BrO3–, IO4–, MnO4–, HCO2–, H2citrat–, 350 0.964 0.926 0.900 0.81 0.76
CH3NH+3 , (CH3) 2NH2+

K+, Cl–, Br–, I–, CN–, NO2–, NO3– 300 0.964 0.925 0.899 0.805 0.755

Rb+, Cs+, NH4+, Tl+, Ag+ 250 0.964 0.924 0.898 0.80 0.75

Ladung ± 2 Aktivitätskoeffizient (γ)

Mg2+, Be2+ 800 0.872 0.755 0.69 0.52 0.45

CH2(CH2CH2CO2–)2, (CH2CH2CH2CO2–)2 700 0.872 0.755 0.685 0.50 0.425

Ca2+, Cu2+, Zn2+, Sn2+, Mn2+, Fe2+, Ni2+, Co2+, C6H4(CO 2–)2, H2C(CH2CO 2–)2, 600 0.870 0.749 0.675 0.485 0.405
(CH2 CH2CO 2–)2

Sr2+, Ba2+, Cd2+, Hg2+, S2–, S2O42–, WO42–, H2C(CO2–)2, (CH2CO2–)2, (CHOH- 500 0.868 0.744 0.67 0.465 0.38
CO2–)2

Pb2+, CO23–, SO23–, MoO24–, Co(NH3) 5Cl2+, Fe(CN) 5NO2–, C2O42–, Hcitrat2– 450 0.867 0.742 0.665 0.455 0.37

Hg2+ 2– 2– 2– 2– 2– 2– 2–
2 , SO4 , S2O3 , S2O6 , S2O8 , SeO4 , CrO4 , HPO4 400 0.867 0.740 0.660 0.445 0.355

Ladung ± 3 Aktivitätskoeffizient (γ)

Al3+, Fe3+, Cr3+, Sc3+, Y3+, In3+, Lanthanoidena 900 0.738 0.54 0.445 0.245 0.18

Citrat3– 500 0.728 0.51 0.405 0.18 0.115

PO43–, Fe(CN)63–, Cr(NH3)63+, Co(NH3)63+, Co(NH3)5H2O3+ 400 0.725 0.505 0.395 0.16 0.095

Ladung ± 4 Aktivitätskoeffizient (γ)

Th4+, Zr4+, Ce4+, Sn4+ 1 100 0.588 0.35 0.255 0.10 0.065

Fe(CN)64–, 500 0.57 0.31 0.20 0.048 0.021

a
Lanthanoiden sind die Elemente 57 bis 71 im Periodensystem
Quelle: J. Kielland, J. Am. Chem. Soc. 1937, 59, 1675.
172 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

Diese Berechnung entspricht der Um den Wert von y zu interpolieren, können wir eine Proportion ansetzen:
Aussage:
unbekannter Δy-Abschnitt bekannter Δx-Abschnitt
=
„16 ist 60 % der Strecke von 10 bis Δy Δx
20. Deshalb ist der y-Wert 60 %
der Strecke von 0.67 bis 0.83.“ 0.83 − y 20 − 16 (7.7)
=
0.83 − 0.67 20 − 10

⇒ y = 0.766

Für x = 16 hat y einen Wert von 0.766.

> Beispiel
Interpolation der Aktivitätskoeffizienten
Berechnung des Aktivitätskoeffizienten von H+ für eine Ionenstärke μ = 0.025 M.

Lösung H+ steht in der ersten Zeile der Tabelle 7.1.

μ γ für H+

0.01 0.914

0.025 ?

0.05 0,86

Die lineare Interpolation wird wie folgt angesetzt:


unbekannter γ -Abschnitt bekannter μ -Abschnitt
=
Δγ Δμ
0.86 − γ 0.05 − 0.025
=
0.86 − 0.914 0.05 − 0.01
⇒ γ = 0.89 4

Eine andere Lösung Eine genauere, aber etwas komplizierte Berechnung verwendet die
Gleichung 7.6 mit der Ionengröße α = 900 pm, die für H+ in Tabelle 7.1 angegeben ist;

(-0.51) (12 ) 0.025


log γ H =
+ = -0.054 98
1 + (900 0.025 / 305)
γ H = 10 0.054 = 0.881
+
98

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie durch Interpolation den γ-Wert für H+ bei μ = 0.06 M.
(Lösung: 0.854)

Aktivitätskoeffizienten von nichtionischen Verbindungen


Für Neutralteilchen gilt: Ac ≈ [C]. Eine Neutrale Moleküle, wie Benzol und Essigsäure, sind nicht von einer Ionenatmosphäre
genauere Beziehung lautet: log γ = k umgeben, da sie nicht geladen sind. In guter Näherung sind ihre Aktivitätskoeffizienten 1,
∙ μ, mit k ≈ 0 für Ionenpaare, k ≈ 0.11 wenn die Ionenstärke kleiner als 0.1 M ist. Für alle Aufgaben in diesem Buch setzen wir
für NH3 und CO2 und k ≈ 0.2 für orga- für neutrale Moleküle γ = 1. Das heißt, wir nehmen an, dass die Aktivität eines Neutralmo-
nische Moleküle. Bei einer Ionenstärke leküls gleich seiner Konzentration ist.
von μ = 0.1 hat γ folgende Werte: Für Gase, wie H2, wird die Aktivität wie folgt geschrieben:
Ionenpaare ≈ 1.00, NH3 ≈ 1.03 und or-
A H = PH  H
ganische Moleküle ≈ 1.05. 2 2 2

mit dem Druck PH in Atmosphären. Die Aktivität eines Gases heißt Fugazität und der
2

Aktivitätskoeffizient heißt Fugazitätskoeffizient. Abweichungen des Verhaltens eines Ga-


ses vom idealen Gasgesetz beruhen auf der Abweichung des Fugazitätskoeffizienten von
1. Für die meisten Gase beträgt dieser bei oder unter 1 bar ungefähr 1. Deshalb können
Für Gase gilt: A ≈ P (bar) wir für alle Gase A = P (bar) setzen.
7.3 · pH, noch einmal 173

Hohe Ionenstärken
Oberhalb einer Ionenstärke von ungefähr 1 M steigen die Aktivitätskoeffizienten der Bei hoher Ionenstärke steigt γ bei der
meisten Ionen an, wie dies für H+ in NaClO4-Lösungen in Abbildung 7.5 gezeigt ist. Wir Erhöhung von μ.
sollten nicht zu sehr überrascht sein, dass die Aktivitätskoeffizienten in konzentrier-
ten Salzlösungen die gleichen wie die in einer verdünnten wässrigen Lösung sind. Das
„Lösungsmittel“ ist dann nicht mehr das Wasser, sondern eine Mischung von H2O und
NaClO4. Künftig richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die verdünnten wässrigen Lö-
sungen.

> Beispiel
Die Verwendung von Aktivitätskoeffizienten
Berechnen Sie die Konzentration von Ca2+ im Gleichgewicht mit 0.050 M NaF in einer mit
CaF2 gesättigten Lösung. Da die Löslichkeit von CaF2 gering ist, ist die Fluorid-Konzentration
0.050 M.

Lösung Wir berechnen [Ca2+] mit dem Ausdruck für das Löslichkeitsprodukt, einschließlich
der Aktivitätskoeffizienten. Die Ionenstärke von 0.050 M NaF ist 0.050 M. Bei μ = 0.050 fin-
den wir in der Tabelle 7.1 γCa2+ = 0.485 und γF–= 0.81. 7
KL = [Ca2+]γCa2+ [F–]2γ F2–
3.2 × 10–11 = [Ca2+] (0.485)(0.050)2(0.81)2 KL stammt aus Anhang F. Beachten Sie,
[Ca2+] = 4.0 × 10–8 M dass γ F– quadriert ist.

Selbstüberprüfung Wie groß ist [Hg22+] im Gleichgewicht mit einer an Hg2Cl2 gesättigten
0.010 M KCl-Lösung? (Lösung: 2.2 × 10–14 M)

7.3 pH, noch einmal Was der pH-Wert wirklich bedeutet


und wie der pH-Wert primärer Stan-
Die Definition des pH in Kapitel 6, pH ≈ –log [H+], ist nicht exakt. Die richtige Definition dardlösungen gemessen wird, finden
lautet Sie in dem Artikel von B. Lunelli und
F. Scagnolari „pH Basics“, J. Chem. Ed.
pH = –log A H+ = –log[H+] H+ (7.8) 2009, 86, 246.

Wenn wir den pH mit einem pH-Meter messen, bestimmen wir den negativen Logarith-
mus der Wasserstoffionenaktivität, nicht den seiner Konzentration.
2.5
> Beispiel
Aktivitätskoeffizient von H+

pH von reinem Wasser bei 25 °C 2.0


Wie groß ist der pH-Wert von reinem Wasser bei der Verwendung von Aktivitätskoeffizi-
enten?
1.5
Lösung Das entsprechende Gleichgewicht lautet
1.0
H2O U H+ + OH– (7.9)

KW = AH+ AOH− = ⎡⎣H+ ⎤⎦ γ H + ⎡⎣OH− ⎤⎦ γ OH − (7.10) 0.5


0 1 2 3
H+ und OH– entstehen im Stoffmengenverhältnis 1:1, so dass ihre Konzentrationen gleich μ (M)
sein müssen. Wenn wir die Konzentrationen mit x bezeichnen, schreiben wir
Abb. 7.5 Aktivitätskoeffizient von H+ in
KW = 1.0 × 10–14 = (x)γH+(x)γOH– Lösungen von 0.010 0 M HClO4 und stei-
genden Mengen von NaClO4. [Abgeleitet
Da die Ionenstärke des reinen Wassers äußerst gering ist, kann man annehmen, dass beide nach L. Pezza, M. Molina, M. de Moraes,
Aktivitätskoeffizienten gleich 1 sind. Damit sind im reinen Wasser Konzentration und Aktivi- C. B. Melios und J. O. Tognoli, Talanta,
tät gleich und es gilt 1996, 43, 1689.] Weitere wichtige Daten
über Aktivitätskoeffizienten von Elektro-
pH = − log [H+ ] γ H = − log (1.0 × 10 -7 ) (1.00) = 7.00
+
lytlösungen findet man in dem Buch von
H. S. Harned und B. B. Owen, The Physical
Chemistry of Electrolyte Solutions (New
York, Reinhold, 1958).
174 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

> Beispiel
pH von Wasser, das ein Salz enthält
Nun soll der pH-Wert von Wasser, das bei 25 °C 0.10 M KCl enthält, bestimmt werden.

Lösung Aus Reaktion 7.9 folgt [H+] = [OH–]. Die Ionenstärke von 0.10 M KCl beträgt 0.10 M.
Die beiden Werte von γ in Gleichung 7.10 sind aber nicht gleich. Nach Tabelle 7.1 betragen
für die Ionenstärke von 0.10 die Aktivitätskoeffizienten von H+ und OH– 0.83 bzw. 0.76. Beim
Einsetzen dieser Werte in Gleichung 7.10 ergibt sich

K W = [H+ ] γ H [OH- ] γ OH
+ −

1.0 × 10 −14 = (x) (0.83) (x) (0.76)


x = 1.26 × 10 −7M

Die Konzentrationen von H+ und OH– sind gleich und beide größer als 1.0 × 10–7 M. Die Akti-
vitäten von H+ und OH– sind in dieser Lösung nicht gleich:

A H = [H+ ] γ H = (1.26 × 10 -7 ) (0.83) = 1.05 × 10−7


+ +

A OH = [OH- ] γ OH = (1.26 × 10 -7 ) (0.76) = 0.96 × 10−7


− −

Schließlich berechnen wir den pH-Wert:

pH = − logAH = − log(1.05 × 10-7 ) = 6.98


+

Selbstüberprüfung Wie groß sind [H+] und pH von 0.05 M LiNO3? (Lösung: 1.20 × 10–7,
6.99)

Der pH-Wert von Wasser ändert sich von 7.00 auf 6.98, wenn 0.10 M KCl zugesetzt
wird. KCl ist weder eine Säure noch eine Base. Diese kleine Veränderung im pH beruht
auf dem Einfluss von KCl auf die Aktivitäten von H+ und OH–. Die pH-Änderung um
0.02 Einheiten liegt innerhalb der gegenwärtigen Grenzen der Genauigkeit von pH-
Messungen und ist kaum von Bedeutung. Immerhin ist die Konzentration von H+ in
0.10 M KCl (1.26 × 10–7 M) um 26 % größer als die Konzentration von H+ in reinem
Wasser (1.0 × 10–7 M).

7.4 Die systematische Behandlung


des Gleichgewichts
Die systematische Behandlung von Gleichgewichten in diesem Kapitel versetzt uns in die
Lage, jede Form eines chemischen Gleichgewichtes, ungeachtet seiner Komplexität, zu
behandeln. Nach dem Aufstellen allgemeiner Gleichungen werden häufig spezifische
Bedingungen oder gut überlegte Näherungen eingeführt, die zur Vereinfachung vieler
Rechnungen führen. Aber selbst vereinfachte Rechnungen sind oft mühselig, so dass man
sehr gern Tabellenkalkulationen für numerische Lösungen anwendet. Nach dem Durch-
arbeiten dieses Kapitels sollten Sie in der Lage sein, die Gleichgewichte in komplexen
chemischen Systemen zu untersuchen.
Die systematische Vorgehensweise beruht auf der Formulierung so vieler unabhängi-
ger algebraischer Gleichungen, wie Unbekannte (Spezies) im System vorliegen. Die Glei-
chungen werden aus allen vorliegenden chemischen Gleichgewichtsbedingungen sowie
zwei weiteren Bedingungen: der Ladungs- und der Massen- bzw. Stoffbilanz, formuliert.
Für ein gegebenes System gibt es nur eine Ladungsbilanz, es können aber mehrere ver-
schiedene Stoffbilanzen vorliegen.

Ladungsbilanz
Lösungen müssen die Gesamtladung Die Ladungsbilanz ist die algebraische Formulierung der Elektroneutralitätsbedingung
Null haben. für eine Lösung: In jeder Lösung ist die Summe der positiven Ladungen gleich der Summe
der negativen Ladungen.
7.4 · Die systematische Behandlung des Gleichgewichts 175

Nehmen wir an, dass eine Lösung die folgenden Ionenarten enthält: H+, OH–, K+, H2PO4–,
HPO42– und PO43–. Die Ladungsbilanz lautet
[H+ ] + [K + ] = [OH- ] + [H2PO-4 ] + 2 [HPO2-4 ] + 3 [PO3-4 ] (7.11)
Aus dieser Formulierung geht hervor, dass die von H+
und K+
erzeugte Gesamtladung Der Koeffizient vor jedem Term in der
der Summe der Ladungen aller auf der rechten Seite der Gleichung aufgeführten Anio- Ladungsbilanz ist gleich dem Betrag
nen entspricht. Der Koeffizient vor jeder Spezies ist stets gleich dem Betrag der Ladung des der Ladung auf jedem der Ionen.
Ions. Die obige Formulierung stimmt deshalb, weil beispielsweise ein Mol PO43– drei Mole
negativer Ladung zur Ladungsbilanz beisteuert. Ist [PO43–] = 0.01 M, beträgt die negative
Ladung 3[PO43–] = 3(0.01) = 0.03 M.
Die Gleichung 7.11 erscheint auf den ersten Blick als nicht ausgeglichen. Man könnte
denken „Die rechte Seite der Gleichung enthält viel mehr Ladung als die linke Seite!“. Man
hätte damit aber nicht recht.
Betrachten wir als Beispiel eine Lösung, die durch Einwägen von 0.025 0 Mol KH2PO4
und 0.030 0 Mol KOH und anschließende Verdünnung auf 1.00 L hergestellt wurde. Die
Konzentrationen der Spezies im Gleichgewicht können berechnet werden und betragen:
[H+] = 5.1 × 10–12 M [H2PO−4 ] = 1.3 × 10–6 M
PO34 – 7
[K+] = 0.055 0 M [HPO24−] = 0.022 0 M
HPO 24 –
[OH–]= 0.002 0 M [PO34−] = 0,003 0 M
H2PO4–
Bei dieser Berechnung, die Sie nach dem Studium des Abschnittes über Säuren und Basen
verstehen sollten, wurde die Reaktion von OH– mit H2PO4– unter Bildung von HPO42– und OH–
PO43– berücksichtigt.
K+
Sind nun die Ladungen wirklich ausgeglichen? Selbstverständlich! Setzt man die er-
mittelten Werte in Gleichung 9.1 ein, erhält man H+
–0.06 –0.04 –0.02 0.00 0.02 0.04 0.06
[H+ ] + [K + ] = [OH- ] + [H2PO-4 ] + 2 [HPO2-4 ] + 3 [PO3-4 ] Ladung (M)

5.1 × 10 −12 + 0.055 0 = 0.002 0 + 1.3 × 10 −6 + 2 (0.022 0) + 3 (0.003 0)


Abb. 7.6 Ladungsbeitrag der einzelnen
0.055 0 M = 0.055 0 M Ionen in 1 L einer Lösung aus 0.025 0 Mol
KH2PO4 und 0.030 0 Mol KOH. Die Sum-
Die Gesamtmenge positiver Ladungen (mit drei signifikanten Ziffern) ist 0.055 0 M men von positiver und negativer Ladung
und die Gesamtmenge negativer Ladungen ist ebenfalls 0.055 0 M (Abbildung 7.6). Die sind gleich.
Ladungen müssen in jeder Lösung ausgeglichen sein. Ansonsten würde ihr Becherglas
mit überschüssiger positiver Ladung über den Labortisch sausen und gegen ein anderes
Becherglas mit überschüssiger negativer Ladung knallen.
Die allgemeine Form der Ladungsbilanz in einer beliebigen Lösung lautet Σ[positive Ladungen] = Σ[negative
Ladungen].
Ladungsbilanz: n1[C1 ] + n2[C 2 ] +  = m1[A1 ] + m2[A 2 ] +  (7.12) Aktivitätskoeffizienten treten in der
Ladungsbilanz nicht auf. Die durch
[Ci] ist hier die Konzentration des iten Kations, ni die Ladung des iten Kations, [Ai] die 0.1 M H+ erzeugte Ladung beträgt
Konzentration des iten Anions und mi der Betrag der Ladung des iten Anions. exakt 0.1 M. Denken Sie darüber nach!

> Beispiel
Aufstellen einer Ladungsbilanz
Formulieren Sie die Ladungsbilanz für eine Lösung mit H2O, H+,OH–, ClO4–, Fe(CN)63–, CN–,
Fe3+, Mg2+, CH3OH, HCN, NH3 und NH4+.

Lösung Neutrale Spezies (H2O, CH3OH, HCN und NH3) tauchen in der Ladungsbilanz nicht
auf. Die korrekte Gleichung lautet deshalb

[H+ ] + 3 [Fe3+ ] + 2 [Mg2+ ] + [NH+4 ] = [OH- ] + [ClO-4 ] + 3 [Fe(CN)3-6 ] + [CN- ]

Selbstüberprüfung Wie ändert sich die Ladungsbilanz, wenn zu dieser Lösung MgCl2, das
in Mg2+ + 2 Cl– dissoziiert, gegeben wird? (Lösung: [H+] + 3[Fe3+] + 2[Mg2+] + [NH4+] = [OH–] +
[ClO4–] + 3[Fe(CN)63–] + [CN–] + [Cl–])
176 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

Massenbilanz
Die Massenbilanz ist eine Form des Die auch als Stoffbilanz bezeichnete Massenbilanz ist eine Form des Gesetzes von der
Gesetzes von der Erhaltung der Masse. Erhaltung der Masse. Die Massenbilanz besagt, dass die Summe der Massen aller Spezies
Sie bezieht sich eigentlich auf die in einer Lösung, die ein bestimmtes Atom (oder eine Gruppe von Atomen) enthalten, der
Erhaltung von Atomen, nicht auf die dieser Lösung zugesetzten Gesamtmenge des Atoms (oder der Gruppe) gleich ist. Dies
Erhaltung von Masse. lässt sich leichter anhand von Beispielen als durch eine so allgemeine Formulierung
begreifen.
Nehmen wir an, dass eine Lösung durch Verdünnung von 0.050 Mol Essigsäure mit
Wasser auf ein Volumen von 1.00 L hergestellt wurde. Die Essigsäure dissoziiert dabei
teilweise zu Acetat:
CH3COOH U CH3COO– + H+
Essigsäure Acetat

Die Massenbilanz besagt, dass die Summe der Mengen an dissoziierter und undissoziier-
ter Essigsäure in der Lösung der zur Herstellung der Lösung verwendeten Menge Essig-
säure gleich sein muss.

Massenbilanz für Essigsäure in Wasser:


0.05 0 M = [CH3COOH] + [CH3COO–]
in die Lösung nichtdissoziiertes dissoziiertes
gegeben Produkt Produkt

Aktivitätskoeffizienten erscheinen in der Dissoziiert eine Verbindung in mehreren Stufen, muss die Massenbilanz alle entstehenden
Massenbilanz nicht. Die Konzentration Produkte enthalten. So kann beispielsweise Phosphorsäure (H3PO4) in H2PO4–, HPO42–
jeder Spezies ist ein exaktes Maß für und PO43– dissoziieren. Die Massenbilanz für eine Lösung von 0.025 0 Mol H3PO4 in
die Anzahl Atome dieser Spezies. 1.00 L Wasser lautet deshalb:
0.025 0 M = [H3PO4] + [H2PO4–] + [HPO42–] + [PO43–]

> Beispiel
Massenbilanz bei bekannter Gesamtkonzentration
Formulieren Sie die Massenbilanz für K+ und für Phosphat in einer Lösung, die durch
Mischen von 0.025 0 Mol KH2PO4 und 0.030 0 Mol KOH und anschließende Verdünnung mit
Wasser auf 1.00 L hergestellt wurde.

Lösung Die Gesamtkonzentration an K+ ist 0.025 0 M + 0.030 0 M, so dass die einfache Mas-
senbilanz lautet

[K+] = 0.055 0 M

Die Gesamtkonzentration aller Phosphatformen ist 0.025 0 M. Die Massenbilanz für Phos-
phat lautet

[H3PO4] + [H2PO4–] + [HPO42–] + [PO43–] = 0.025 0 M

Selbstüberprüfung Schreiben Sie zwei Massenbilanzen für eine Lösung von 0.100 Mol
Natriumacetat in 1.00 L auf. (Lösung: [Na+] = 0.100 M; [CH3COO–] + [CH3COOH] = 0.100 M)

Nun betrachten wir eine Lösung, die durch Auflösen von La(IO3)3 in Wasser hergestellt
wurde.
La(IO3)3(s) U La3+ + 3 IO3–
Wir wissen zwar nicht, wie viel La3+ oder IO3– gelöst wurden, wir wissen aber, dass für
jedes Lanthanion drei Iodationen in Lösung gegangen sind, d. h. die Iodat-Konzentration
muss dreimal so groß sein wie die Lanthankonzentration. Wenn nur La3+ und IO–3 in der
Lösung vorliegen, lautet die Massenbilanz
[IO3–] = 3[La3+]
7.4 · Die systematische Behandlung des Gleichgewichts 177

Wenn die Lösung auch das Ionenpaar LaIO32+ und das Hydrolyseprodukt LaOH2+ enthält,
lautet die Massenbilanz
[Gesamt Iodat] = 3 [Gesamt Lanthan]
[IO3–] + [LaIO32+] = 3 {[La3+] + [LaIO32+] +[LaOH2+]}

> Beispiel
Massenbilanz bei unbekannter Gesamtkonzentration
Formulieren Sie die Massenbilanz für eine gesättigte Lösung des wenig löslichen Salzes
Ag3PO4, aus dem beim Lösen 3Ag+ und PO43– entstehen.

Lösung Wenn das Phosphat in der Lösung als PO43– vorläge, könnten wir schreiben
[Ag+] = 3[PO43–],

da drei Silberionen für jedes Phosphation entstehen. Da jedoch Phosphat mit Wasser unter
Bildung von HPO42–, H2PO4– und H3PO4 reagiert, lautet die exakte Massenbilanz
Zahl der Ag-Atome = 3 × Zahl der
[Ag+] = 3 {[PO43–] + [HPO42–] + [H2PO4–] + [H3PO4]} P-Atome

Die Gleichung besagt, dass die Anzahl Ag+-Ionen dem Dreifachen der Gesamtzahl phos-
Exkurs 7.2 zeigt, wie die Massenbilanz
7
in natürlichen Wässern aussieht
phorhaltiger Ionen entsprechen muss, egal, wie viele verschiedene Spezies Phosphor ent-
halten.

Selbstüberprüfung Schreiben Sie die Massenbilanz für eine gesättigte Lösung von
Ba(HSO4)2 auf, wenn in der Lösung folgende Ionen vorliegen: Ba2+, BaSO4(aq), HSO4–,
SO42– und BaOH+. (Lösung: 2 × Gesamt-Barium = Gesamt-Sulfat oder 2{[Ba2+] + [BaSO4(aq)]
+[BaOH2+]} = [SO42–] + [HSO4–] +[BaSO4(aq)])

Systematische Behandlung des Gleichgewichts


Nach der Behandlung von Ladungs- und Massenbilanz sind wir für die systematische Be-
handlung von Gleichgewichten gerüstet.11 Im Allgemeinen verfährt man nach folgendem
Schema:
1. Schritt Schreiben Sie alle zum Problem gehörenden Reaktionen auf.
2. Schritt Formulieren Sie die Ladungsbilanz.
3. Schritt Formulieren Sie die Massenbilanzgleichungen. Davon kann es mehrere geben.
4. Schritt Formulieren Sie die Gleichgewichtskonstante für jede chemische Reaktion.
Dieser Schritt ist der einzige, bei dem Aktivitätskoeffizienten auftreten.
5. Schritt Zählen Sie die Gleichungen und die Unbekannten im System. Sie sollten die
gleiche Zahl von Gleichungen wie Unbekannten (chemische Spezies) im
System haben. Ist das nicht der Fall, müssen entweder weitere Gleichgewichte
formuliert oder für einige Spezies feste Konzentrationswerte angenommen
werden.
6. Schritt Rechnen Sie die Werte für alle Unbekannten aus.

Kernstück des Problems sind normalerweise die Schritte 1 und 6. Zu wissen (oder zu
vermuten), welche chemischen Gleichgewichte in einer gegebenen Lösung vorliegen,
setzt ein recht hohes Maß an chemischen Kenntnissen und Intuition voraus. In diesem
Buch werden Ihnen vor allem Hilfestellungen zum Schritt 1 gegeben. Nur wenn man alle
zum gegebenen System gehörenden Gleichgewichte kennt, ist es möglich, die Zusam-
mensetzung einer Lösung exakt zu berechnen. Da wir nicht alle ablaufenden chemischen
Reaktionen kennen, werden zweifellos viele Gleichgewichtsprobleme zu sehr vereinfacht.
Schritt 6 stellt ein mathematisches, und kein chemisches Problem dar. Mit n Gleichungen
und n Unbekannten kann das Problem stets gelöst werden, zumindest im Prinzip. Im
einfachsten Fall kann das durch eine Rechnung auf dem Papier erfolgen, für die meisten
Probleme macht sich jedoch eine Tabellenkalkulation oder die Anwendung von Nähe-
rungsverfahren notwendig.
178 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

Exkurs 7.2

Massenbilanz von CaCO3 in Flüssen Eintrag von CO2 in die Atmosphäre gefährdet bestimmte Plank-
Ca2+ ist das häufigste Kation in Flüssen und Seen. Das liegt an ton- und Muschelarten10, deren Verschwinden auch die höheren
der Auflösung des Minerals Calcit durch die Einwirkung von CO2, Glieder der Nahrungskette gefährdet.
bei der für jedes Mol Ca2+ zwei Mol HCO3– gebildet werden:

CaCO3(s) + CO2(aq) + H2O U Ca2+ + 2 HCO3– (A) Don


Calcit Bicarbonat Rio Grande
Mackenzie Donau
In einer neutralen Lösung ist das Produkt hauptsächlich Bi- Dwina
Yukon Rhein
100 Nil Mississippi
carbonat, nicht CO2–3 oder H2CO3. Die Massenbilanz für die Sankt-Lawrence-Strom
Columbia River
Auflösung von Calcit ist danach [HCO3–] = 2 [Ca2+]. Tatsächlich Niger Welt
bestätigen Messungen von HCO3– und Ca2+ in vielen Flüssen
Rio Paraná Fraser River
diese Massenbilanz, wie die Gerade in der Graphik zeigt. Flüsse Pechora

[HCO 3− ] (mg/L)
Amazonas Kongo
wie die Donau, der Mississippi und der Kongo, sind offenbar Orinoco
an CaCO3 gesättigt, da die Werte für [HCO3–] = 2 [Ca2+] auf der Rio Uruguay
Geraden liegen. Befinden sich die Flüsse im Gleichgewicht mit
10


]
atmosphärischem CO2 (PCO2= 10–3.4 bar), beträgt die Konzent-

3
O
C
[Ca2 + ] = 20 mg/L

[H
ration von Ca2+ 20 mg/L (siehe Aufgabe 7-30). Flüsse mit mehr

]=
2+
für normalen Partial-
als 20 mg/L haben eine höhere Konzentration an gelöstem CO2,

a
C
druck in der Atmosphäre

2[
das aus der Atmung oder dem Zufluss von Grundwasser mit PCO = 10 − 3.4 bar
2
einem hohen CO2-Gehalt stammt. Flüsse wie der Nil, der Niger
oder der Amazonas, bei denen 2 [Ca2+] < [HCO3–] ist, sind offen-
sichtlich nicht mit CaCO3 gesättigt.
1
Zwischen 1960 und 2008 hat das atmosphärische CO2 1 10 100
hauptsächlich durch Verbrennung fossiler Brennstoffe um [Ca2 + ] (mg/L)
20 % zugenommen (Abbildung 0.4, Seite 5). Diese Zunahme
Die Konzentration von Bicarbonat und Calcium in vielen Flüssen be-
verschiebt die Reaktion A nach rechts und bedroht die Existenz
stätigt die Massenbilanz [HCO3–] ≈ 2 [Ca2+]. [Daten aus W. Stumm und
der Korallenriffe9, welche hauptsächlich aus CaCO3 bestehende J. J. Morgan, Aquatic Chemistry, 3rd ed. (New York: Wiley-Interscience,
lebendige Strukturen sind. Korallenriffe sind ein einzigartiger 1996) S. 189; und H. D. Holland, The Chemistry of the Atmosphere
Lebensraum für viele aquatische Lebewesen. Der fortgesetzte and Oceans (New York: Wiley-Interscience, 1978).]

7.5 Anwendungen der systematischen


Gleichgewichtsbehandlung

Nun wird an einigen Beispielen die systematische Behandlung chemischer Gleichgewichte


gezeigt und dargestellt, was von Hand und was mit Hilfe von Tabellenkalkulationspro-
grammen gelöst wird.

Eine Lösung von Ammoniak


Es werden die Konzentrationen der einzelnen Spezies in einer wässrigen Lösung von
0.010 0 M NH3 in einem Volumen von 1.000 L gesucht. Das primäre Gleichgewicht ist
NH3 + H2O U NH+4 + OH– KB = 1.76 × 10–5 bei 25 °C (7.13)
Ein zweites Gleichgewicht in wässriger Lösung lautet:
H2O U H+ + OH– KW = 1.0 × 10–14 bei 25 °C (7.14)

Wir müssen also [NH3], [NH4+], [H+] und [OH–] bestimmen.


1. Schritt Die Gleichungen 7.13 und 7.14 sind die relevanten Gleichungen.
2. Schritt Ladungsbilanz. Die Summe der positiven Ladungen ist gleich der Summe der
negativen Ladungen:
7.5 · Anwendungen der systematischen Gleichgewichtsbehandlung 179

[NH4+] + [H+] = [OH–] (7.15)

3. Schritt Massenbilanz. Der gesamte in der Lösung befindliche Ammoniak liegt in


Form von NH3 und NH4+ vor. Beide müssen zusammen 0.010 0 M ergeben.
Das Symbol ≡ bedeutet
[NH3] + [NH4+] = 0.010 0 M ≡ F, (7.16)
„ist definiert als“
wobei F für Formalkonzentration steht.
4. Schritt Gleichgewichtskonstanten
⎡ NH +4 ⎤  NH ⎡OH − ⎤  OH
KB = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
+ −
4
= 1.76 × 10–5 (7.17)
⎡⎣ NH3 ⎤⎦  NH 3

K W = ⎡⎣H + ⎤⎦  H ⎡⎣OH − ⎤⎦  OH = 1.0 × 10 −14


+ − (7.18)

Nur bei diesem Schritt werden Aktivitätskoeffizienten berücksichtigt.


5. Schritt Abzählen der Gleichungen und der unbekannten Größen. Wir haben vier Man braucht n Gleichungen
Gleichungen 7.15 bis 7.18 und vier Unbekannte [NH3], [NH4+], [H+] und für n Unbekannte.
[OH–]. Damit liegen genügend Informationen vor, um das Problem zu lösen. 7
6. Schritt Auflösung.

Dieses „einfache“ Problem ist schon ziemlich kompliziert. Wir wollen zu Beginn die
Aktivitätskoeffizienten unberücksichtigt lassen, aber später darauf zurückkommen. Un-
ser Ansatz besteht darin, die Variablen solange zu substituieren, bis nur noch eine übrig
geblieben ist. Bei einem Säure-Base-Problem wird hier jede Konzentration durch [H+]
ausgedrückt. Eine Substitution, die immer gemacht werden kann, lautet [OH–] = KW/
[H+]. Setzt man das in die Ladungsbilanz 7.15 ein, erhält man [NH+4 ] + [H+] = KW/[H+],
was nach [NH4+] aufgelöst wird:
K
⎡ NH 4+ ⎤ = W − ⎡H + ⎤ (7.19)
⎣ ⎦ ⎡H + ⎤ ⎣ ⎦
⎣ ⎦
Aus der Massenbilanz ergibt sich: [NH3] = F – [NH4+]. Wir können nun den Ausdruck für
[NH4+] aus Gleichung 7.19 in die Massenbilanz einsetzen, um [NH3] in Abhängigkeit von
[H+] auszudrücken:
⎛ K ⎞
⎡⎣ NH3 ⎤⎦ = F − ⎣⎡ NH 4+ ⎦⎤ = F − ⎜ W+ − ⎣⎡H + ⎦⎤ ⎟ (7.20)
⎜ ⎡H ⎤ ⎟
⎝⎣ ⎦ ⎠
Somit liefert Gleichung 7.19 [NH4+] in Abhängigkeit vom pH, und Gleichung 7.20 [NH3]
in Abhängigkeit vom pH.
Nun können wir eine Gleichung formulieren, in der [H+] die einzige Unbekannte ist.
Dazu werden die Ausdrücke für [NH3], [NH4+] und [OH–] in die Gleichung für KB einge-
setzt (und dabei werden noch immer die Aktivitätskoeffizienten vernachlässigt):
⎛ K ⎞⎛ ⎞
⎜ W − ⎡H + ⎤ ⎟⎜ K W ⎟
⎡ NH 4+ ⎤ ⎡OH − ⎤ ⎜ ⎣⎡H ⎦⎤
+ ⎣ ⎦ ⎟⎜ ⎡H ⎤ ⎟
+

KB = ⎣ ⎦⎣ ⎦ =⎝ ⎠⎝ ⎣ ⎦ ⎠ (7.21)
⎡⎣ NH3 ⎦⎤ ⎛ ⎞
⎜ F − K W + ⎡H + ⎤ ⎟
⎜ ⎡H ⎤
+ ⎣ ⎦ ⎟
⎝ ⎣ ⎦ ⎠

Gleichung 7.21 ist schrecklich, aber [H+] ist die einzige Unbekannte. Eine Möglichkeit
zur Lösung besteht in der Schätzung eines Werts für [H+], Einsetzen in die rechte Seite
von Gleichung 7.21 und Ermittlung des Wertes von KB. Natürlich trifft man bei der ersten
Schätzung nicht den richtigen Wert. Deshalb nimmt man bei der nächsten Schätzung
einen etwas kleineren Wert für [H+] und probiert erneut. Liegt das Ergebnis dichter am
bekannten Wert von KB als beim ersten Versuch, setzt man die Schätzung mit einem noch
kleineren pH-Wert fort bis die Gleichung gelöst ist. War die zweite Schätzung schlechter
als die erste, nimmt man höhere pH-Wert an, bis die Gleichung gelöst ist.
180 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

Bei Excel gibt es das Verfahren Zielwertsuche (Goal Seek), bei dem eine systematische
Suche zur richtigen Lösung erfolgt. Wir werden dieses Verfahren später in diesem Kapitel
kennenlernen.
Wenn wir [H+] bestimmt haben, können wir [OH–] = KW/[H+] berechnen. Nun kön-
nen wir [NH4+] mit der Gleichung 7.19 bestimmen und schließlich [NH3] aus der Basen-
konstante KB berechnen. Damit haben wir die vier gesuchten Konzentrationen.
Doch was machen wir mit den Aktivitätskoeffizienten? Aus [NH4+], [H+] und [OH–]
können wir die Ionenstärke berechnen und die Aktivitätskoeffizienten der Tabelle 7.1
entnehmen oder mit der erweiterten Debye-Hückel-Gleichung berechnen. Dann kön-
nen wir diese Koeffizienten in die Gleichungen 7.17 und 7.18 einsetzen und die Aufgabe
erneut lösen. Die neuen Konzentrationen sind nun etwas andere als die ohne Aktivi-
tätskoeffizienten gefundenen. Diese Konzentrationen werden nun verwendet, um eine
neue Ionenstärke, neue Aktivitätskoeffizienten und somit auch einen neuen Satz von
Konzentrationen zu bestimmen. Diesen Vorgang können wir solange wiederholen, bis die
Unterschiede der einzelnen Ergebnisse vernachlässigbar klein werden (kleiner als 1 %).
An diesem Punkt ist das Problem gelöst.
Sie dürften nun erkannt haben, dass die systematische Behandlung des chemischen
Gleichgewichts selbst für die einfachsten Probleme recht kompliziert ist. Deshalb werden
in den meisten Fällen Vereinfachungen vorgenommen, mit denen bei vernünftigem Auf-
wand gute Ergebnisse erzielt werden. Nachdem eine Rechnung abgeschlossen ist, muss
geprüft werden, ob die Annäherungen zutreffend waren.
Hier folgt eine Annäherung zur Vereinfachung des Ammoniak-Problems. Da Ammo-
niak eine Base ist, können wir annehmen, dass [OH–] >> [H+]. Bei pH-Wert = 9 ist [H+] =
10–9 und [OH–] (KW/[H+]) =10–14/10–9 = 10–5. Das heißt: [OH–] >> [H+]. Deshalb können
wir im ersten Term des Zählers von Gleichung 7.21 [H+] gegenüber KW/[H+] vernachläs-
sigen.
Im Nenner können wir ebenso [H+] gegenüber KW/[H+] vernachlässigen. Mit diesen
Näherungen wird aus Gleichung 7.21:
⎛ K ⎞⎛ ⎞ ⎛ ⎞⎛ ⎞
⎜ W − ⎡H + ⎤ ⎟⎜ K W ⎟ ⎜ K W ⎟⎜ K W ⎟
⎜ ⎡H ⎤
+ ⎣ ⎦ ⎟⎜ ⎡H ⎤ ⎟ ⎜ ⎡H ⎤ ⎟⎜ ⎡H ⎤ ⎟
+ + +
⎡OH − ⎤
2

⎝ ⎣ ⎦ ⎠⎝ ⎣ ⎦ ⎠ ⎝ ⎣ ⎦ ⎠⎝ ⎣ ⎦ ⎠ ⎣ ⎦
K B= = = (7.22)
⎛ K ⎞ ⎛ K ⎞ F − ⎡⎣OH − ⎤⎦
⎜F − W
+ ⎡H ⎤ ⎟
+ ⎜F − W ⎟
⎜ ⎡H + ⎤ ⎣ ⎦ ⎟ ⎜ ⎡H + ⎤ ⎟
⎝ ⎣ ⎦ ⎠ ⎝ ⎣ ⎦⎠

Das ist eine quadratische Gleichung mit [OH–] als einziger Variablen. Diese Gleichung
ist einfach zu lösen. Mit Gleichungen von dieser Art werden wir uns im nächsten Kapitel
über Säuren und Basen ausführlich beschäftigen.
Nun folgen zwei Beispiele, die bis zum Zahlenwert durchgerechnet werden.

Löslichkeit von Calciumsulfat


Wir suchen die Konzentrationen der hauptsächlichen Spezies in einer gesättigten Lösung
von CaSO4.
1. Schritt Relevante Gleichungen. Selbst in einem so einfachen System gibt es mehrere
Reaktionen:
Bei allen Gleichgewichtsproblemen
CaSO4(s) U Ca2+ + SO42– KL = 2.4 × 10–5 (7.23)
sind wir darauf angewiesen, die
Chemie des Systems umfassend zu CaSO4(s) U CaSO4(aq) KIonenpaar = 5.0 × 10–3 (7.24)
verstehen. Ohne Kenntnis aller rele-
Ca2+ + H2O U CaOH+ + H+ KS = 2.0 × 10–13 (7.25)
vanten Gleichgewichte ist es unmög-
lich, die genaue Zusammensetzung SO42– + H2O U HSO4– + OH– KB = 9.8 × 10–13 (7.26)
des Systems zu berechnen.
H2O U H+ + OH– KW = 1.0 × 10–14 (7.27)
Es ist recht schwierig, auf Anhieb mit all diesen Reaktionen zurechtzukom-
men. Deshalb wird Ihnen bei diesem Schritt geholfen.
7.5 · Anwendungen der systematischen Gleichgewichtsbehandlung 181

2. Schritt Ladungsbilanz. Die Gleichsetzung der positiven und negativen Ladungen


ergibt: [Ca2+] und [SO42–] muss mit 2 multipli-
ziert werden, weil 1 Mol dieser Ionen
2[Ca2+]+ [CaOH+] + [H+] = 2 [SO42–] + [HSO4–] + [OH–] (7.28)
2 Mol Ladungen hat.
3. Schritt Massenbilanz. Nach Reaktion 7.23 entsteht pro Mol auch 1 Mol SO42–.
Ca2+
Unabhängig davon, was mit diesen Ionen weiter geschieht, muss die Gesamt-
konzentration aller Spezies mit Sulfat genau so groß sein wie die Gesamtkon-
zentration aller Spezies mit Calcium:
[Gesamt Calcium] = [Gesamt Sulfat]
[Ca2+]+ [CaSO4(aq)] + [CaOH+] = [SO42–] + [HSO4–] + [CaSO4(aq)] (7.29)
4. Schritt Die Gleichgewichtskonstanten für die einzelnen Reaktionen lauten:
KL = ⎣⎡Ca 2 + ⎦⎤  Ca ⎣⎡SO42 − ⎦⎤  SO = 2.4 × 10− 5
2+ 2− (7.30)
4

KIonenpaar = [CaSO4(aq)] = 5.0 × 10–3 (7.31)

⎡CaOH + ⎤  CaOH ⎡H + ⎤  H
K S= ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ 7
+ +
= 2.0 × 10–13 (7.32)
⎡Ca 2´+ ⎤  Ca
⎣ ⎦ 2+

⎡HSO−4 ⎤  HSO ⎡OH − ⎤  OH


KB = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
− −
4
= 9.8 × 10–13 (7.33)
⎡SO24− ⎤  SO
⎣ ⎦ 2−
4

K W = ⎣⎡H + ⎦⎤  H ⎣⎡OH − ⎦⎤  OH = 1.0 × 10–14


+ − (7.34)

Nur bei diesem Schritt werden Aktivitätskoeffizienten verwendet.


5. Schritt Abzählung der Gleichungen und der Unbekannten. Es gibt sieben Gleichun-
gen (7.28 bis 7.34) und sieben Unbekannte: [Ca2+], [SO42–], [CaSO4(aq)],
[CaOH+], [HSO4–], [H+] und [OH–].
6. Schritt Auflösung. Das ist jetzt wirklich nicht einfach Wir kennen die Ionenstärke
nicht, so dass wir die Aktivitätskoeffizienten nicht berechnen können. Also,
wo beginnen wir, wenn wir sieben Unbekannte haben.

Aber manchmal, wenn die Welt düster aussieht, und einem nichts einfällt, kommt eine
gute Fee und rettet uns mit ihren Ratschlägen. „Zuerst sieh Dir die Reaktionen 7.25 und
7.26 an“ sagt die Fee. „Sie haben kleine Gleichgewichtskonstanten, so dass sie im Vergleich
zu den Reaktionen 7.23 und 7.24 weniger wichtig sind. Und zu den Aktivitätskoeffizien-
ten: zunächst gibst Du ihnen für alle Konzentrationen den Wert 1 und berechnest alle
Konzentrationen. Dann kannst Du die Ionenstärke ausrechnen und dadurch neue Werte
für die Aktivitätskoeffizienten erhalten. Mit diesen Koeffizienten kannst Du das Problem
ein zweites Mal lösen und damit einen neuen Satz von Konzentrationen ermitteln. Das
kannst Du solange machen, bis Du zu konstanten Werten kommst.“
Wie uns die gute Fee geraten hat, vernachlässigen wir die Säure-Base-Reaktionen 7.25
und 7.26. Die verbleibenden Reaktionen von Calciumsulfat, 7.23 und 7.24, sind keine
Reaktionen mit Wasser. Deshalb ist in unserer Näherung die Reaktion 7.27 unabhängig
von Reaktionen des CaSO4. In Reaktion 7.27 entstehen H+ und OH–, die, wie wir wissen,
je 1.0 × 10–7 M betragen. Diese Konzentrationen von H+ und OH– sind nicht ganz korrekt,
weil wir die Reaktionen 7.25 und 7.26, die bei deren Bestimmung eine Rolle spielen, nicht
berücksichtigt haben.
Nach diesen Näherungen bleiben nur noch die 7.23 und 7.24 übrig. In der Ladungs-
bilanz 7.28 werden CaOH+ und HSO4– vernachlässigt, ebenso wie H+ und OH–, die sich
gegenseitig aufheben. Die Ladungsbilanz lautet nun
2 [Ca2+] = 2 [SO42–].
In der Massenbilanz streichen wir CaOH+ und HSO4–, weil wir die Reaktionen 7.25 und
7.26 vernachlässigt haben. Der Term [CaSO4(aq)] hebt sich auf und es bleibt nur noch
182 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

[Ca2+] = [SO42–], wie in der Ladungsbilanz, übrig. Wir haben nun die drei Unbekannten
[Ca2+], [SO42–], [CaSO4(aq)] und die drei Gleichungen
K L = ⎣⎡Ca 2 + ⎦⎤  Ca ⎣⎡SO24− ⎦⎤  SO = 2.4 × 10− 5
2+ 2− (7.30)
Der Aktivitätskoeffizient der neutralen 4

Spezies CaSO4(aq) ist 1. KIonenpaar = [CaSO4(aq)] = 5.0 × 10–3 (7.31)

[Ca2+] = [SO42–] (7.35)

Gleichung 7.31 sagt aus, dass [CaSO4(aq)] = 5.0 × 10–3 M, also ist [CaSO4(aq)] bekannt.
Das vereinfachte Problem wurde auf die Gleichungen 7.30 und 7.35 reduziert. In ers-
ter Näherung setzen wir die Aktivitätskoeffizienten gleich 1:
[Ca2+]1  Ca [SO42–]1  SO2−
2+ = 2.4 × 10–5 (7.36)
4

[Ca2+ ]1 (1) [SO42–]1(1) = 2.4 × 10 –5

[Ca2+]1 (1) [Ca2+]1 (1) = 2.4 × 10–5 ⇒ [Ca2+]1 = 4.9 × 10–3


Es wird eine sukzessive Approximation Der Index 1 an der Konzentration bedeutet, dass es sich um die erste Annäherung han-
durchgeführt. Jeder einzelne Schritt ist delt. Bei [Ca2+] = [SO42–] = 4.9 × 10–3 M beträgt die Ionenstärke μ = 4∙(4.9 × 10–3 M) =
eine Iteration. 0.020 M. Durch Interpolation finden wir in Tabelle 7.1 für die Aktivitätskoeffizienten  Ca 2+

= 0.628 und  SO24− = 0.606. Setzen wir diese Koeffizienten erneut in Gleichung 7.36 erhalten
wir eine zweite Näherung
[Ca2+]2 (0.628) [Ca2+]2 (0.606) = 2.4 × 10–5 ⇒ [Ca2+]2 = 7.9 × 10–3 M
⇒ μ =0.032 M

Die Wiederholung dieses Vorgangs liefert die folgenden Ergebnisse

Iteration γCa2+ γSO2– [Ca2+] (M) μ (M)


4

1 1 1 0.004 9 0.020

2 0.628 0.606 0.007 9 0.032

3 0.570 0.542 0.008 8 0.035

4 0.556 0.526 0.009 1 0.036

5 0.551 0.520 0.009 2 0.037

6 0.547 0.515 0.009 2 0.037

Die Gesamtkonzentration des gelösten Der sechste Iterationsschritt liefert die gleiche Konzentration wie der fünfte. Damit haben
Sulfats wir ein konstantes Ergebnis erzielt.
= [SO42–] + [CaSO4(aq)] Nachdem wir den Ratschlag der guten Fee befolgt haben, hat sich unser Problem
= 0.009 2 + 0.005 0 = 0.014 2 M, enorm vereinfacht. Nun wollen wir wissen, ob es ein guter Ratschlag war. Aus den Be-
was nahe beim Messwert in Abbildung ziehungen [Ca2+] = [SO42–] = 0.009 2 M sowie [H+] = [OH–] =1.0 × 10–7 M können wir
6.1 liegt. Wenn man nicht interpoliert, abschätzen, ob [CaOH+] und [HSO4–] vernachlässigbar sind. Wenn wir nur die Größen-
sondern die Aktivitätskoeffizienten ordnungen wissen wollen, können wir dabei auf die Aktivitätskoeffizienten verzichten.
mit der erweiterten Debye-Hückel- Aus der Gleichung 7.32 erhalten wir
Gleichung berechnet, erhält man für
⎡CaOH + ⎤ ⎡H + ⎤
die Gesamtkonzentration des gelösten ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ = 2.0 × 10 −13
Sulfats 0.014 7 M. ⎡Ca 2 + ⎤
⎣ ⎦

⎡CaOH + ⎤ ≈
(2.0 × 10−13) ⎣⎡Ca 2 + ⎦⎤ (2.0 × 10−13) ⎣⎡0.009 2 ⎦⎤
⎣ ⎦ = = 2 × 10 −8 M
⎡H + ⎤ ⎡1.0 × 10 −7 ⎤
⎣ ⎦ ⎣ ⎦

Aus der Gleichung 7.33 erhalten wir

(9.8 × 10−13) ⎣⎡SO24− ⎦⎤ (9.8 × 10 −13) ⎡⎣0.009 2 ⎤⎦


⎡HSO−4 ⎤ ≈ = = 9 × 10 −8 M
⎣ ⎦ ⎡OH − ⎤ ⎡1.0 × 10 −7 ⎤
⎣ ⎦ ⎣ ⎦
7.5 · Anwendungen der systematischen Gleichgewichtsbehandlung 183

Sowohl [CaOH+] wie auch [HSO4–] sind etwa um den Faktor 105 kleiner als [Ca2+] und
[SO42–]. Daher war es berechtigt, [CaOH+] und [HSO4–] in der Ladungs- und Massenbilanz
wegzulassen.
Wir waren bei der Vereinfachung auch davon ausgegangen, dass der pH-Wert dicht
bei 7.00 liegt. Wenn Sie es genau wissen wollen, können Sie die im Abschnitt 12.3 be-
schriebene Methode verwenden, bei der alle fünf Reaktionen 7.23 bis 7.27 berücksichtigt
werden. Das Ergebnis der Aufgabe 12-13 lautet: pH= 7.06.

Gewöhnlich werden Aktivitätskoeffizienten weggelassen


Obwohl es exakter ist, die Gleichgewichtskonstanten auf der Grundlage von Aktivitäts-
koeffizienten zu formulieren, ist das Rechnen mit ihnen eine ziemliche Plage. Deshalb
werden in den folgenden Kapiteln die Aktivitätskoeffizienten mit wenigen Ausnahmen
vernachlässigt, es sei denn, es besteht ein besonderer Grund für ihre Berücksichtigung.
Gelegentlich werden Sie die Aufgaben an die Aktivitäten erinnern, damit Sie diese Grö-
ßen im Gedächtnis behalten.
7
Die Löslichkeit von Magnesiumhydroxid
Jetzt werden die Konzentrationen aller in einer gesättigten Lösung von Mg(OH)2 vorlie-
genden Spezies gesucht. Zur Vereinfachung wird auf die Aktivitätskoeffizienten verzichtet.

Mg(OH)2(s) U Mg2+ + 2 OH– KL = [Mg2+] [OH–]2 = 7.1 × 10–12 (7.37)

⎡MgOH + ⎤
Mg2+ + OH– U MgOH+ K1 = ⎣ ⎦ = 3.8 ×102 (7.38)
⎡Mg 2 + ⎤ ⎡OH − ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦
H2O U H+ + OH– KW = [H+] [OH–] = 1.0 × 10–14 (7.39)

1. Schritt Die zum Problem gehörenden Reaktionen stehen oben.


2. Schritt Ladungsbilanz:
2[Mg2+] + [MgOH+] + [H+] = [OH–] (7.40)
3. Schritt Massenbilanz. Die Sache ist etwas knifflig. Nach der Reaktion 7.37 könnten
wir sagen, dass die Konzentrationen aller Teilchen, die OH– enthalten, gleich
der doppelten Summe aller Magnesium-Spezies sind. Aber auch die Reaktion
7.39 liefert pro H+ ein OH–. Die Massenbilanz muss demnach beide Quellen
für OH– berücksichtigen:
[OH–] + [MgOH+] = 2 {[Mg2+] + [MgOH+]} + [H+] (7.41)
Spezies mit OH– Spezies mit Mg2+

Jetzt ist Gleichung 7.41 äquivalent zu Gleichung 7.40.


4. Schritt Die Gleichgewichtskonstanten stehen in den Gleichungen 7.37 bis 7.39.
5. Schritt Abzählen der Gleichgewichtskonstanten und der Unbekannten. Wir haben
vier Gleichungen (7.37 bis 7.40) und vier Unbekannte: [Mg2+], [MgOH+],
[H+] und [OH–].
6. Schritt Berechnung

Bevor wir mit dem Ausrechnen beginnen, überlegen wir uns, welche Vereinfachungen
gemacht werden können. Die Lösung ist basisch, denn sie wurde aus Mg(OH)2 hergestellt.
In einer basischen Lösung gilt [OH–] >> [H+], so dass wir [H+] auf der linken Seite von
Gleichung 7.40 im Vergleich zu [OH–] auf der rechten Seite weglassen können. Damit
vereinfacht sich die Ladungsbilanz zu
2[Mg2+] + [MgOH+] = [OH–] (7.42)
184 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

Aus der Gleichgewichtskonstanten K1 in Gleichung 7.38 können wir schreiben


[MgOH+] = K1 [Mg2+] [OH–].
Setzen wir das für [MgOH+] in Gleichung 7.42 ein, ergibt sich
2[Mg2+] + K1 [Mg2+] [OH–] = [OH–].
Diese Gleichung wird nach [Mg2+] aufgelöst

⎡OH − ⎤
⎡Mg 2 + ⎤ = ⎣ ⎦
⎣ ⎦ 2 + K ⎡OH − ⎤
1⎣ ⎦
und in das Löslichkeitsprodukt eingesetzt, um eine Gleichung mit nur einer Variablen zu
erhalten:
3
⎛ ⎡OH − ⎤ ⎞ ⎡OH − ⎤
⎣ ⎦ ⎟ ⎡OH − ⎤ = ⎣ ⎦
2 2
K L= ⎡⎣Mg ⎤⎦ ⎡⎣OH ⎤⎦ = ⎜
2+ −
(7.43)
⎜ 2 + K1 ⎡OH − ⎤ ⎟ ⎣ ⎦ 2 + K ⎡OH − ⎤
⎝ ⎣ ⎦⎠ 1 ⎣ ⎦

Nun sind wir zur Lösung des hässlichen Gleichung 7.43 für [OH–] gekommen. Und
wieder sieht die Welt düster aus. Doch die gute Fee gibt uns erneut einen Hinweis und
sagt: „Benutze die Tabellenkalkulation und variiere [OH–] solange, bis die Gleichung
7.43 erfüllt ist.“ Wir machen das in Abbildung 7.7, indem ein geschätzter Wert für
[OH–] in Zelle C4 eingetragen und die rechte Seite der Gleichung 7.43 in Zelle D4 be-
rechnet wird. Wenn wir den richtigen Wert für [OH–] eingesetzt haben, kommt in Zelle
D4 das Löslichkeitsprodukt heraus. Die Abschätzung erfolgt durch systematische Ver-
änderung von [OH–] in Zelle C4 bis in Zelle D4 der gewünschte Wert von 7.1 × 10–12
erscheint.

Lösung von Gleichungen mit der Excel-Zielwertsuche


Ein besseres Verfahren zur Lösung der Gleichung 7.4 besteht in dem Verfahren der Ziel-
wertsuche. Dabei wird der Wert in Zelle C4 solange verändert, bis in Zelle D4 der richtige
Wert von KL erscheint. Tragen Sie in Zelle C4 einen Schätzwert für [OH–], z. B. 0.01, ein.
Vor Beginn der Zielwertsuche mit Excel klicken Sie dazu oben links auf dem Arbeitsblatt
das Microsoft-Ikon an und danach „Excel Optionen“. Nun wählen Sie auf der linken Seite
„Formeln“. Bei den Berechnungsoptionen tragen Sie bei „maximale Änderung“ den Wert
1E-24 ein, wodurch Excel nach Unterschieden suchen kann, die kleiner als die Zielgröße
7.1 × 10–12 sind. Klicken Sie OK und gehen zurück zum Arbeitsblatt. Im Menü wird bei
Daten und Datentools unter „Was-wäre-wenn-Analyse“ die „Zielwertsuche“ ausgewählt.
Es öffnet sich das rechts in Abbildung 7.7 gezeigte Fenster. Wir geben als Zielzelle D4 an

A B C D
1 Mg(OH)2 Löslichkeit
2
_ _ _
3 KL = [OH ]geschätzt = [OH ]3/(2 + K1[OH ]) = Zielwertsuche
4 7.1E-12 0.0002459 7.1000E-12
5 K1 = Zielzelle: D4
6 3.8E+02 [Mg2+] = [MgOH+] =
Zielwert: 7.1E-12
7 0.0001174 0.0000110
8 veränderbare Zelle: C4
9 D4 = C4^3/(2+A6*C4)
10 C7 = A4/C4^2 OK Abbrechen
11 D7 = A6*C7*C4

Abb. 7.7 Arbeitsblatt zur Lösung von Gleichung 7.43.


Übungen 185

und setzen als Zielwert 7.1E-12 ein. Als veränderbare Zelle geben wir C4 an. Wir klicken
OK und Excel variiert den Wert der Zelle C4 so lange bis der Zielwert von 7.1E-12 in D4
erreicht ist. Als Ergebnis für [OH–] erhalten wir 2.459 × 10–4 M. Gleichzeitig werden in
den Zellen C7 und D7 [Mg2+] und [MgOH+] nach den Gleichungen 7.37 und 7.38 berech-
net. Diese Ergebnisse bestätigen unsere anfangs gemachte Näherung:[H+] = KW/[OH–] =
4.1 × 10–11 M <<[OH–].

Wichtige Begriffe
Aktivität > Aktivitätskoeffizient > Erweiterte Debye-Hückel-Gleichung > Ionenstärke

> Ionenatmosphäre > Massenbilanz > Ladungsbilanz > pH

Zusammenfassung
Die thermodynamische Gleichgewichtskonstante für die Reaktion aA + bB  cC + dD
lautet K =A Cc ADd / (AA A B ) mit Ai als der Aktivität der Teilchenart i. Die Aktivität ist das
a b

Produkt aus der Konzentration (c) und dem Aktivitätskoeffizienten (γ): Ai = ci γi. Für
nichtionische Spezies und für Gase gilt γi ≈ 1. Für ionische Spezies hängt der Aktivitäts-
koeffizient von der Ionenstärke ab, die durch  = 12 ∑ c iz 2i definiert ist. Die Aktivitätskoef-
fizienten nehmen ab, wenn die Ionenstärke ansteigt,i zumindest für niedrige Ionenstärken 7
(≤ 0.1 M). Das Ausmaß der Dissoziation ionischer Verbindungen nimmt mit der Ionen-
stärke zu, da die Ionenatmosphäre jedes Ions die Anziehung der Ionen untereinander
verringert. Sie sollten in der Lage sein, Aktivitätskoeffizienten durch Interpolation der
Werte in Tabelle 7.1 abzuschätzen. Der pH-Wert ist durch die Aktivität von H+ definiert:
pH = − logAH = − log[H +]  H .
+ +

Bei der systematischen Behandlung von Gleichgewichten werden alle zum Problem
gehörenden Gleichgewichtsreaktionen, sowie die Ladungs- und Massen- bzw. Stoffbi-
lanzgleichungen formuliert. Die Ladungsbilanz besagt, dass die Summe aller positiven
Ladungen gleich der Summe aller negativen Ladungen in der Lösung sein muss. Die
Massenbilanz besagt, dass die Summe der Stoffmengen aller Formen eines Elementes in
der Lösung gleich der Stoffmenge des in die Lösung gegebenen Elementes entspricht.
Wenn man sicher ist, gleich viel Gleichungen wie Unbekannte zu haben, verwendet
man Algebra, Sachverstand, Näherungsmethoden sowie Tabellenkalkulationen, um die
Systeme zu lösen.

Übungen
7-A. Berechnen Sie unter Annahme einer vollständigen Dissoziation der Salze die Ionen-
stärke von a) 0.2 mM KNO3; b) 0.2 mM Cs2CrO4; c) 0.2 mM MgCl2 + 0.3 mM AlCl3.

7-B. Wie groß ist die Aktivität (nicht der Aktivitätskoeffizient) des (C3H7)4N+ (Tetrapro-
pylammonium)-Ions in einer Lösung, die 0.005 0 M (C3H7)4N+Br– + 0.005 0 M (CH3)4N+Cl–
enthält?

7-C. Bestimmen Sie unter Berücksichtigung der Aktivitäten die Konzentration von [Ag+]
in 0.060 M KSCN, gesättigt mit AgSCN(s).

7-D. Berechnen Sie den pH und die Konzentration von H+ in einer 0.050 M LiBr-Lösung
bei 25 °C und benutzen Sie hierfür nicht die Konzentrationen, sondern die Aktivitäten.

7-E. 40.0 mL einer Lösung von 0.040 0 M Hg2(NO3)2 wurden mit 60.0 mL einer 0.100 M
KI-Lösung titriert und dabei entstand ein Niederschlag von Hg2I2 (KL = 4.6 × 10–29).
a) Zeigen Sie, dass 32.0 mL der KI-Lösung notwendig waren, um den Äquivalenzpunkt
zu erreichen.
b) Wenn 60.0 mL KI-Lösung zugesetzt wurden, sind praktisch das gesamte Hg 22 + und
3.2 mmol I– ausgefällt worden. Betrachten Sie alle in der Lösung verbliebenen
Ionen und berechnen Sie daraus die Ionenstärke, wenn 60.0 mL KI-Lösung zuge-
fügt wurden.
c) Verwenden Sie zur Berechnung von pHg 22 + (= -logA Hg2+) die Aktivitäten für den
2
Fall (b).
186 Kapitel 7 · Aktivität und systematische Behandlung von Gleichgewichten

7-F.
a) Wie lautet die Massenbilanz für CaCl2 in Wasser, wenn dabei Ca2+- und Cl–-Ionen
entstehen?
b) Wie lautet die Massenbilanz bei der Entstehung von Ca2+, Cl–, CaCl+ und CaOH+?
c) Wie lautet die Ladungsbilanz für Teil b?

7-G. Formulieren Sie die Ladungs- und die Massenbilanz für eine wässrige, gesättigte
CaF2-Lösung, in der folgende Reaktionen ablaufen:
CaF2(s) U Ca2++ 2 F–
Ca2++ H2O U CaOH+ + H+
Ca2++ F– U CaF+
CaF2(s) U CaF2(aq)
F–+ H+ U HF(aq)
HF(aq) +F– U HF2−

7-H. Stellen Sie die Ladungs- und Massenbilanzen für eine wässrige Lösung von Ca3(PO4)2
auf, in der folgende Spezies vorliegen: Ca2+, CaOH+, CaPO4–, PO43–, HPO42–, H2PO4– und
H3PO4.

7-I. (Warnung: lange Aufgabe) UnterVerwendung der Aktivitäten sollen die Kon-
zentrationen der wesentlichen Spezies in einer 0.10 M NaClO4-Lösung, die an Mn(OH)2
gesättigt ist, ermittelt werden. Nehmen Sie eine Ionenstärke von 0.10 M an und setzen Sie
für die Ionengröße von MnOH+ den gleichen Wert wie für Mn2+. Betrachten Sie nur die
folgenden Reaktionen:
Mn(OH)2(s) U Mn2+ + 2 OH– KL = 1.6 × 10–13
Mn +OH U MnOH
2+ – +
K1 = 2.5 × 103
H2O U H + OH+ –
KW = 1.0 × 10–14
8 Einprotonige Säure-Base-
Gleichgewichte
pH-Messung im Inneren von Zellkompartimenten
Makrophagen sind weiße Blutkörperchen, die Infektionen durch die Aufnahme und Auflösung fremder Zellen oder Krankheitser-
reger bekämpfen – ein Vorgang, den man Phagozytose nennt. Das Kompartiment, in dem sich die aufgenommene fremde Zelle
befindet, fusioniert mit den Lysosomen. Lysosomen sind Zellorganellen in tierischen Zellen, in denen sich Verdauungsenzyme
befinden, die in saurer Umgebung aktiv sind. Die niedrige Enzymaktivität im pH-Bereich über 7 schützt die Zelle vor eventuell in
das Zytosol ausfließenden Enzymen.
Eine Möglichkeit zur pH-Messung im Inneren des Kompartiments, in dem sich die aufgenommenen Partikel und Verdauungs-
enzyme befinden, besteht darin, den Makrophagen Polystyren-Kügelchen anzubieten, die mit einer Lipidschicht bedeckt sind, an
die fluoreszierende (Licht aussendende) Farbstoffe kovalent gebunden sind. In Bild d ist gezeigt, dass die Fluoreszenzintensität
beim Fluorescein stark vom pH abhängt, während sie sich bei Tetramethylrhodamin kaum mit dem pH-Wert ändert. Das Verhältnis
der Emissionsintensitäten beider Farbstoffe ist ein Maß für den pH-Wert. In Bild e sieht man, wie sich das Fluoreszenz-Intensitätsver-
hältnis ändert, nachdem das Kügelchen phagozytiert wurde und der pH-Wert in seiner Umgebung von 7.3 auf 5.7 abgesunken ist. 8
Unter diesen Bedingungen kann nun die enzymatische Verdauung aller wichtigen Gruppen von Makromolekülen erfolgen.

a) Die Fresszelle (Makrophage) einer Maus „verschlingt“ zwei


fremde rote Blutzellen und die Phagozytose beginnt [J. P. Revel
in: B. Alberts, D. Bray, J. Lewis, M. Raff, K. Roberts, und J. D. Wat-
son, „Molecular Biology of the Cell“ 2nd ed.(New York, Garland
Publishing, 1989]
b) Makrophagen, die fluoreszierende Beads (Kügelchen mit ei-
nem Durchmesser von 1.6 μm) aufgenommen haben.
c) Darstellung der Fluoreszenz des Hellfeld-Mikroskopiebilds
von (b) [K. P. McNamara, T. Nguyen, G. Dumitrascu, J. Ji, N. Ro-
senzweig, und Z. Rosenzweig, „Synthesis, Characterization, and
Application of Fluorescence Sensing Lipobeads for Intracellular
pH Measurements“, Anal. Chem. 2001,73, 3240]
a b c
d) Fluoreszenzspektren von Lipobeads* in Lösungen von pH 5–8
e) pH-Änderung eines einzelnen Beads durch eine Makrophage
* McNamara hat in seiner Publikation im Jahre 2001 den Namen Lipo- während der Phagozythose [McNamara et al., ibid.]
beads eingeführt. Dabei handelt es sich um kleine, nur wenige μm große
Polystyrenkügelchen, die mit kovalent gebunden Fluorophor-markierten
Phospholipiden umgeben sind.

pH 8
Fluorescein-
Emission pH 7.3
Verhältnis derFluoreszenzintensität
(Fluorescein/Rhodamin)
Fluoreszenzintensität

pH 7

Tetramethylrhodamin-
Emission
pH 6

pH 5

pH 5.7

500 520 540 560 580 600 0 5 10 15 20


d Wellenlänge (nm) e Zeit (s)

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
188 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Das Verständnis des Verhaltens von Säuren und Basen ist überall in der Chemie unbe-
dingt notwendig, und natürlich auch in der analytischen Chemie, wie z. B. für die intel-
ligente Durchführung chromatographischer oder elektrophoretischer Verfahren. Eine
vernünftige Diskussion etwa über die Reinigung eines Proteins oder die Verwitterung von
Gesteinen wäre ohne Kenntnisse zum Verhalten von Säuren und Basen unmöglich. In
diesem Kapitel untersuchen wir sehr detailliert die Säure-Base-Gleichgewichte und dis-
kutieren, wie Puffer funktionieren. In Kapitel 9 erweitern wir unsere Betrachtungen auf
mehrprotonige Systeme, bei denen zwei oder mehrere saure Protonen beteiligt sind. Na-
hezu jedes biologische Makromolekül ist mehrprotonig. In Kapitel 10 werden Säure-Base-
Titrationen behandelt. Jetzt ist es an der Zeit, die Grundlagen über Säuren und Basen aus
den Abschnitten 6.5 bis 6.7 zu wiederholen.

8.1 Starke Säuren und Basen

Die in Tabelle 6.2 aufgeführten starken Was ist einfacher als die Berechnung des pH einer 0.10 M HBr? HBr ist eine starke Säure,
Säuren und Basen sollten Sie auswen- deshalb läuft die folgende Reaktion vollständig ab
dig lernen. Erinnern Sie sich noch?
HBr + H2O → H3O+ + Br–
Gleichgewichtskonstanten für die und die Konzentration an H3O+ beträgt 0.10 M. Wir können anstelle von H3O+ auch H+
Reaktion1 schreiben und sagen,
HX(aq) + H2O U H3O+ + X–
pH = –log [H+] = –log (0.10) = 1.00-
HCl KS = 103.9
HBr KS = 105.8
HI KS = 1010.4 > Beispiel
HNO3 KS = 101.4 Aktivitätskoeffizienten bei der Berechnung für eine starke Säure
HNO3 wird in Exkurs 8.1 näher be- Berechnen Sie den pH einer 0.10 M HBr unter Verwendung der Aktivitätskoeffizienten.
trachtet. Lösung Die Ionenstärke einer 0.10 M HBr-Lösung ist μ = 0.10 M. Unter diesen Bedingun-
gen ist der Aktivitätskoeffizient von H+ 0.83 (Tabelle 7.1). Denken Sie daran: pH = –log A H+
und nicht log [H+]. Der pH ist dann
pH = − log [H+ ] γ H = − log (0.10) (0.83) = 1.08
+

Selbstüberprüfung Berechnen Sie den pH-Wert von 0.010 M HBr in 0.090 KBr.
(Lösung: 2.08)

Die Korrektur durch die Anwendung der Aktivitätskoeffizienten ist nicht sehr groß und
von nun an werden wir die Aktivitätskoeffizienten in unseren Berechnungen meistens
vernachlässigen.
Wie berechnet man den pH einer 0.10 M KOH? KOH ist eine starke Base (das bedeu-
tet, dass die Base vollständig dissoziiert), so dass [OH–] = 0.10 M. Unter Verwendung von
KW = [H+][OH–] können wir schreiben

Wenn Sie [OH–] kennen, können Sie KW 1.0 × 10 −14


[H+ ] = −
= = 1.0 × 10−13
immer auch [H+] bestimmen, denn [OH ] 0.10
[H+] = KW/[OH–]. pH = − log [H+ ] = 13.00

Die Bestimmung der pH-Werte anderer KOH-Konzentrationen ist äußerst einfach


[OH–] M [H+] M pH
–3.00 10–11.00
10 11.00
–4.00 10–10.00
10 10.00
10–5.00 10–9.00 9.00

Eine äußerst wichtige Beziehung lautet


Die Temperaturabhängigkeit von KW
steht in Tabelle 6.1. Zusammenhang zwischen pH und pOH: pH + pOH = –logKW = 14.00 bei 25 °C (8.1)
8.1 · Starke Säuren und Basen 189

Exkurs 8.1

Konzentrierte HNO3 ist nur wenig dissoziiert2 das von der dissoziierten Säure herrührt. Die mit einem Stern ge-
Starke Säuren sind in verdünnter Lösung im Prinzip vollständig kennzeichneten Banden beruhen auf der undissoziierten HNO3.
dissoziiert. Wenn ihre Konzentration zunimmt, verringert sich der Wenn die Konzentration erhöht wird, verschwindet das Signal
Grad der Dissoziation. Die Abbildung zeigt ein Raman-Spektrum bei 1 049 cm–1 und die der undissoziierten HNO3 zugeordneten
von Salpetersäure mit ansteigender Konzentration. Hier wird die Signale nehmen zu. Die rechte Kurve zeigt den Anteil der Disso-
Lichtstreuung gemessen, deren Energie der Schwingungsenergie ziation, der aus den spektroskopischen Messungen abgeleitet
der Moleküle entspricht. Das scharfe Signal bei 1 049 cm–1 in 5.1 M wurde. Dabei sollte man berücksichtigen, dass in 20 M HNO3 we-
NaNO3 ist charakteristisch für das freie NO3–-Anion. Eine 10.0 M niger H2O als HNO3-Moleküle vorliegen. Die Dissoziation nimmt
HNO3-Lösung hat ebenfalls ein starkes NO–3-Signal bei 1 049 cm–1 ab, weil nicht genügend Lösungsmittel zur Stabilisierung der
freien Ionen vorhanden ist.
Theoretische Untersuchungen zeigen, dass verdünnte HNO3
* an einer Wasser-Luft-Grenzfläche eine schwache Säure ist, weil
98.6 wt % HNO3 nicht genug H2O-Moleküle zur Solvatisierung der freien Ionen vor-
23.4 M HNO3 * handen sind.3 Diese Feststellung hat Auswirkungen für die Atmo-
* sphärenchemie an der Oberfläche kleiner Tropfen in den Wolken.
* *
*
21.8 M HNO3 Temperatur (°C) Säuredissoziationskonstante, KS

0 46.8
19.7 M HNO3
8
25 26.8
Raman-Streuung

50 14.9
15.7 M HNO3

10.0 M HNO3 * 48.3 wt % HNO3 1.0 H2O


Bruchteil der Dissoziation α

* * * * = 3 1 1
2
HNO3
0.8
5.1 M NaNO3
0.6

0.4
1 360 cm–1 1 049 cm–1 720 cm–1 Raman
0.2 NMR
Raman-Spektrum von wässriger HNO3 bei 25 °C. Die Signale bei
1 360, 1 049 und 720 cm-1 stammen vom NO–3-Anion, die mit einem 0.0
Stern gekennzeichneten Signale von der undissoziierten HNO3. Die 0 5 10 15 20
Einheit Wellenzahl, cm-1, ist 1/Wellenlänge. Formalkonzentration (M)

Das Dilemma
Wie groß ist der pH einer 1.0 × 10-8 M KOH? Wenn wir unser bisheriges Wissen anwen-
den, sieht die Berechnung folgendermaßen aus Zugabe einer Base zu Wasser kann den
−8
[H ] = K W /(1.0 × 10 ) = 1.0 × 10 ⇒ pH = 6.00
+ −6 pH-Wert nicht erniedrigen (niedriger
pH-Wert bedeutet stärker sauer). Hier
Doch wie kann die Base KOH beim Auflösen in reinem Wasser eine saure Lösung (pH < 7) muss etwas falsch sein.
erzeugen? Das ist unmöglich!

Die Rettung
Es ist uns klar, dass in unserer Berechnung ein Fehler steckt. Wir haben nämlich nicht
beachtet, dass durch die Eigendissoziation des Wassers ebenfalls OH- erzeugt wird. In rei-
nem Wasser ist [OH–] = 1.0 × 10–7 M, also größer als der mit der KOH in die Lösung ge-
gebene Betrag an OH–. Um dieses Problem exakt bearbeiten zu können, kehren wir zum
Abschnitt der systematischen Behandlung von Gleichgewichten zurück und verwenden
Ladungs- und Stoffbilanzen sowie alle vorliegenden Gleichgewichtsreaktionen.
190 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

1. Schritt Relevante Reaktionen. Es gibt nur eine, nämlich H2O U H+ + OH–


2. Schritt Ladungsbilanz der in der Lösung vorhandenen Ionen K+, H+ und OH–
[K+] + [H+] = [OH–] (8.2)
3. Schritt Alle K+-Ionen
stammen von KOH, also gilt [K+] =1× 10–8 M.
Bei der Verwendung von Aktivitäten 4. Schritt Gleichgewichtskonstanten
wären nur in Schritt 4 Aktivitätskoeffi-
Die einzige zu berücksichtigende Gleichgewichtskonstante ist [H+][OH–] =
zienten erschienen.
KW
5. Schritt Abzählen der Unbekannten und der Gleichungen
Wir haben drei Gleichungen und drei Unbekannte ([H+], [OH–] und [K+])
und damit genug, um das Problem zu lösen.
6. Schritt Berechnung
Da wir den pH ermitteln möchten, setzen wir [H+] = x. Wir erhalten nach
Substitution der Werte [K+] = 1.0 × 10–8 M und [H+] = x in Gleichung 8.2
[OH–] = [K+] + [H+] = 1.0 × 10–8 + x

Lösung einer quadratischen Gleichung Nach Einsetzen dieses Ausdruckes für [OH–] in das Dissoziationsgleichgewicht des Was-
ax 2 + bx + c = 0 sers (KW) können wir das Problem lösen:

−b ± b2 − 4 ac [H + ][OH − ] = K W
x =
2a
(x ) (1.0 × 10 −8 + x ) = 1.0 × 10 −14
Runden oder streichen Sie keine Stel-
x 2 + (1.0 × 10 −8 ) x − (1.0 × 10 −14 ) = 0
len während der Rechnung, da der
Wert für b2 manchmal sehr nahe an
−1.0 × 10 −8 ± (1.0 × 10 −8 )2 − 4(1) (−1.0 × 10 −14 )
4 ac liegt. Wenn Sie vor dem Berech- x =
nen von b2–4ac runden, könnte ein 2(1)
sinnloses Ergebnis herauskommen. = 9.6 × 10 −8 oder − 1.1 × 10 −7 M

Nach dem Streichen der negativen Lösung (Konzentrationen können niemals negativ
sein) schlussfolgern wir, dass

12 [H + ] = 9.6 × 10 −8M ⇒ pH = − log [H + ] = 7.02


Systematische
11
Behandlung
erforderlich Dieser pH ist logisch, da eine 10–8 M KOH nur ganz schwach basisch reagieren darf.
10
KOH In Abbildung 8.1 ist der pH dargestellt, der für verschiedene Konzentrationen einer
9
in Wasser gelösten starken Säure bzw. starken Base berechnet wurde. Der Kurvenverlauf
8 lässt sich in drei Regionen unterteilen:
1. Wenn die Konzentration von Säure oder Base „hoch“ ist (≥10–6 M), hat der pH einen
pH

6 Wert, den wir allein durch Berücksichtigung der zugesetzten Mengen an H+ oder
OH– berechnen können. So ist der pH-Wert einer 10–5.00 M KOH 9.00.
5
HBr 2. Wenn die Konzentration „niedrig“ ist (≤10–8 M), ist der pH-Wert 7.00. Wir haben
4
keine ausreichenden Mengen an Säure oder Base zugegeben, um den pH des Wassers
3 merklich zu verändern.
2 3. Bei einer dazwischenliegenden Konzentration (∼10–6–10–8 M) liegen die Effekte der
–2 –3 –4 –5 –6 –7 –8 –9 –10
log (Konzentration) Eigendissoziation des Wassers und der zugesetzten Mengen an Säure oder Base in
der gleichen Größenordnung. Nur in diesem Bereich ist die Anwendung einer syste-
Abb. 8.1 Die Kurven zeigen den berech- matischen Gleichgewichtsberechnung notwendig.
neten pH als Funktion der Konzentration
einer in Wasser gelösten starken Säure
und Base. Nur im schraffierten Gebiet Region 1 ist der einzige praktisch relevante Fall. Wenn Sie eine 10–7 M KOH nicht unter
ist eine systematische Behandlung des Luftabschluss aufbewahren, würde der pH nahezu ausschließlich durch gelöstes CO2, und
Gleichgewichts erforderlich. nicht durch KOH bestimmt.
8.2 · Schwache Säuren und Basen 191

Aus Wasser entstehen fast nie 10–7 M H+ und 10–7 M OH–


Die weit verbreitete Ansicht, dass die Dissoziation von Wasser stets 10–7 M H+ und 10–7 M Jede Säure oder Base unterdrückt nach
OH– erzeugt, gilt nur in reinem Wasser ohne Zusätze an Säure oder Base. So ist der pH ei- dem Prinzip von Le Châtelier die Disso-
ner 10–4 M HBr-Lösung beispielsweise 4. Die Konzentration an OH– beträgt [OH–] = KW/ ziation des Wassers.
[H+] = 10–10 M. Die einzige Quelle für [OH–] ist dabei die Eigendissoziation des Wassers.
Wenn durch das Wasser nur 10–10 M an OH– erzeugt werden, können auch nur 10–10 M Frage Welche Konzentrationen von H+
an H+ entstehen, da für jedes freigesetzte OH– genau ein H+ gebildet wird. In einer 10–4 und OH– entstehen durch die Dissozia-
M HBr-Lösung werden durch die Ionisation des Wassers nur 10–10 M OH– und 10–10 M tion des Wassers in 0.01 M NaOH?
H+ gebildet.

8.2 Schwache Säuren und Basen

Wir wollen zuerst die Bedeutung der Säurekonstante KS für die Säure HA rekapitu-
lieren:
Selbstverständlich wissen Sie, das KS
⎡H + ⎤ ⎡ A − ⎤
Gleichgewicht einer schwachen Säure: HA U H++A– KS = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ (8.3) mit den Aktivitäten formuliert werden
⎣⎡HA ⎦⎤ müsste:
K5 = A H+ A A– / A HA
Eine schwache Säure ist nicht vollständig dissoziiert. Reaktion 8.3 läuft demnach nicht 8
vollständig ab. Für eine Base B wird die Basekonstante KB durch folgende Reaktion de-
finiert
Die Basekonstante wird manchmal
⎡BH + ⎤ ⎡OH − ⎤
Gleichgewicht einer schwachen Base: B + H2O U BH++ OH– KB = ⎣ ⎦⎣ ⎦ (8.4) auch als Basehydrolysekonstante be-
⎣⎡B ⎦⎤ zeichnet. Hydrolyse ist eine Reaktion
mit Wasser.
Bei einer schwachen Base läuft Reaktion 8.4 nicht vollständig ab.
Der pK-Wert ist der negative Logarithmus einer Gleichgewichtskonstante:

pK W = − log K W

pK S = − log KS

pK B = − log KB

Wird ein K-Wert größer, sinkt seine p-Funktion und umgekehrt. Beim Vergleich von Me-
thansäure (Ameisensäure) und Benzoesäure finden wir, dass Ameisensäure die stärkere
Säure ist, da sie eine größere Säurekonstante und einen kleineren pKS-Wert als Benzoe-
säure besitzt.
O O
  KS = 1.80 × 10–4
HCOH H HCO Wenn KS steigt, nimmt pKS ab. Je
Ameisensäure Formiat pKS = 3.744
kleiner pKS ist, desto stärker ist die
Säure.
O O
  KS = 6.28 × 10–5
COH CO
pKS = 4.202
Benzoesäure Benzoat

Die Säure HA und ihre korrespondierende Base A– werden als konjugiertes Säure-Base- HA und A– sind ein konjugiertes Säure-
Paar bezeichnet, da sie durch Abgabe oder Aufnahme eines Protons ineinander überführt Base-Paar, genauso wie B und BH+.
werden können. In gleicher Weise stellen B und BH+ ein konjugiertes Paar dar. Eine wich-
tige Beziehung zwischen KS und KB eines konjugierten Säure-Base-Paares lautet

Beziehung zwischen KS und KB für ein konjugiertes Paar: KS . KB = KW (8.5)


192 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Schwach ist zu schwach konjugiert


Die konjugierte Base einer schwachen Die konjugierte Base einer schwachen Säure ist eine schwache Base und die konjugierte
Säure ist eine schwache Base. Die kon- Säure einer schwachen Base ist eine schwache Säure. Wir wollen diese Aussage untersu-
jugierte Säure einer schwachen Base chen. Betrachten wir eine schwache Säure HA mit KS = 10–4. Die konjugierte Base A- be-
ist eine schwache Säure. Schwach ist zu sitzt einen KB = KW/KS = 10–10. Das zeigt, dass bei einer schwachen Säure HA die Base
schwach konjugiert. A– schwach sein muss. Wäre KS = 10–5, hätte KB den Wert 10–9. Wenn die Säurestärke von
HA sinkt, wird A– eine stärkere Base (aber niemals eine starke Base!). Umgekehrt gilt, dass
bei steigender Säurestärke von HA die Basestärke von A– sinkt. Wenn entweder A– oder
HA schwache Basen/Säuren sind, dann sind das auch ihre konjugierten Partner. Ist HA
eine starke Säure (z. B. HCl), dann ist ihre konjugierte Base Cl– so schwach, das sie sich in
Wasser überhaupt nicht mehr als Base verhält.

Verwendung von Anhang G


In Anhang G gibt es eine Tabelle mit Säurekonstanten. Jede Verbindung ist dort in ihrer
vollständig protonierten Form aufgeführt. So wird beispielsweise bei Dimethylamin der
Wert KS-Wert für (CH3CH2)2NH2+, das Dimethylammoniumion, (1.0 × 10–11) aufgelistet.
Um KB für Dimethylamin zu erhalten, rechnet man folgendermaßen um: KB = KW/KS =
1.0 × 10–14 /1.0 × 10–11 = 1.0 × 10–3.
Für mehrprotonige Säuren und Basen sind mehrere KS-Werte angegeben. Pyridoxal-
phosphat wird in seiner vollständig protonierten Form folgendermaßen angegeben4:
Phosphatproton O O H
Hydroxyl
pKS KS



P OH 1.4 (POH) 0.04


HO O
3.51 (OH) 3.1 × 10–4
HO N CH3
Ammonium H 6.04 (POH) 9.1 × 10–7
Pyridoxalphosphat
(ein Derivat von Vitamin B) 8.25 (NH) 5.6 × 10–9

Der pK1 (1.4) gilt für die Dissoziation eines der Phosphatprotonen und pK2 (3.51) für das
Proton in der Hydroxylgruppe. Das drittstärkste saure Proton ist das zweite Phosphatpro-
ton mit pK3 = 6.04 und die NH+-Gruppe ist am wenigsten sauer (pK4 = 8.25).
Für die Verbindungen im Anhang G wurden die Strukturen der voll protonierten Spe-
zies gezeichnet. Wenn in der Strukturformel eine von 0 verschiedene Ladung erscheint,
dann stimmt die Struktur nicht mit dem Namen überein. Die angegebenen Namen sind
die der neutraten Verbindungen. So ist z. B. nicht das neutrale Molekül Pyridoxalphosphat
gezeichnet, sondern das oben stehende Ammoniumkation. Die neutrale Verbindung hat
folgende Struktur, bei der ein POH-Proton fehlt, weil es das am stärksten saure Proton im
Molekül ist (pKS = 1.4) und nicht das NH+-Proton.
O O H



P OH
O O
KS bei μ = 0 ist die thermodynamische
Säurekonstante, die bei jeder Ionen- HO N CH3
H
stärke verwendet wird, wenn die für
diese Ionenstärke gültigen Aktivitäts- Als ein anderes Beispiel betrachten wir das neutrale Molekül Piperazin und die zweifach
koeffizienten eingesetzt werden: protonierte Form, die im Anhang G zu finden ist:
A H AA ⎡H+ ⎤ γ ⎡A − ⎤ γ
=⎣ ⎦ H ⎣ ⎦ A
+ − + −
KS = H2N NH2 HN NH
A HA ⎣⎡HA ⎦⎤
Struktur für Piperazin Tatsächliche Struktur von
KS bei μ = 0.1M ist der Konzentrations- im Anhang G Piperazin, das neutral sein muss
quotient für die Ionenstärke 0.1 M:
⎡H+ ⎤ ⎡A + ⎤
Im Anhang G stehen die pKS-Werte für die Ionenstärken 0 und 0.1 (soweit vorhanden).
K S ( μ = 0.1M ) = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ Wir verwenden pKS-Werte für μ = 0, es sei denn, es sind nur andere Werte vorhanden
⎡⎣HA ⎤⎦
oder für einen bestimmten Zweck wird μ = 0.1 benötigt.
8.3 · Die Gleichgewichte schwacher Säuren 193

8.3 Die Gleichgewichte schwacher Säuren

Wir wollen nun die Ionisation von ortho- und para-Hydroxybenzoesäure miteinander
vergleichen:

CO2H
HO CO2H
OH
o-Hydoxybenzoesäure p-Hydoxybenzoesäure
(Salicylsäure)
pKS = 2.97 pKS = 4.54

Warum ist das ortho-Isomer 30 Mal saurer als das para-Isomer? Jeder Einfluss, der zur
Stabilisierung eines Reaktionsprodukts führt, verschiebt ein Gleichgewicht in diese Rich-
tung. Beim ortho-Isomer kann das Produkt der Dissoziation, die Base, eine starke intra-
molekulare Wasserstoffbrückenbindung ausbilden.

O
CO2H C H
O
OH
O H
Wasserstoffbrücke 8
Im para-Isomer ist eine Bindung zwischen der Hydroxyl- und der Carboxylgruppe
nicht möglich, da die beiden funktionellen Gruppen zu weit voneinander entfernt
sind. Durch die Stabilisierung des Dissoziationsprodukts macht die Wasserstoffbrü-
ckenbindung die ortho-Hydoxybenzoesäure stärker sauer als die para-Hydroxybenzoe-
säure.

Eine typische Aufgabe mit einer schwachen Säure


Wie ermittelt man den pH einer Lösung der schwachen Säure HA, wenn die Formalkon- Als Formalkonzentration wird die
zentration von HA und der Wert für KS gegeben sind?5 Wir wollen die Formalkonzent- Stoffmenge einer Verbindung, gelöst
ration der Säure mit F bezeichnen und die systematische Behandlung der Gleichgewichte in einem Liter, bezeichnet. Die Formal-
anwenden: konzentration einer schwachen Säure
bezieht sich auf die Gesamtmenge
Reaktionen: HA U H++A– H2O U H+ + OH- an HA in der Lösung, ungeachtet der
Tatsache, dass ein Teil davon in A– um-
Ladungsbilanz: [H+] = [A–] + [OH–] (8.6)
gewandelt wurde.

Massenbilanz: F = [HA] + [A–] (8.7)


⎡H ⎤ ⎡ A ⎤ + −

Gleichgewichtskonstanten: K s = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ (8.8)
⎡⎣HA ⎤⎦
KW = [H+][OH–]

Wir haben jetzt vier Gleichungen und vier Unbekannte ([A–], [HA], [H+], [OH–]), und
somit kann das Problem gelöst werden.
Doch ganz so einfach ist es nicht, diese simultanen Gleichungen zu lösen. Wenn Sie
alle Gleichungen kombinieren, erhalten Sie eine kubische Gleichung. An diesem Punkt
kommt wieder die gute Fee und ruft „Halt! Es gibt keinen Grund, eine kubische Glei-
chung zu lösen. Stattdessen können wir eine ausgezeichnete, vereinfachende Näherung
vornehmen! (Und außerdem, auch ich habe Schwierigkeiten beim Lösen kubischer Glei-
chungen)“.
Bei jeder ordentlichen schwachen Säure ist die Konzentration an H+, die aus der
Dissoziation der Säure resultiert, viel größer als die, die durch die Eigendissoziation des
Wassers entsteht. Bei der Dissoziation von HA entsteht A–. Bei der Dissoziation des Was-
194 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

sers wird OH– gebildet. Ist die Säuredissoziation viel größer als die Eigendissoziation des
Wassers, gilt [A–] >> [OH–] und Gleichung 8.6 vereinfacht sich zu
[H + ] ≈ [A − ] (8.9)
Bei schwachen Säuren ist x = [H+] Zur Lösung der Aufgabe wird [H+]
= x gesetzt. Aus Gleichung 8.9 geht hervor, dass auch
[A–] = x gilt. Aus Gleichung 8.7 ergibt sich [HA] = F – [A–] = F – x. Nach Einsetzen dieser
Ausdrücke in Gleichung 10.8 erhalten wir

[H + ][A − ] (x )(x)
KS = =
[HA] F−x

Setzt man für F = 0.050 0 M und für o-Hydroxybenzoesäure KS = 1.07 × 10–3 ein, ist
die Gleichung schnell gelöst, da es sich jetzt nur noch um eine quadratische Form
handelt.

x2
= 1.7 × 10 −3
F−x

x 2 + (1.07 × 10 −3 ) x − 5.35 × 10 −5 = 0
x = 6.80 × 10−3 (negative Wurzel verworfen)
[H + ] = [A − ] = x = 6.80 × 10−3 M
[HA] = F − x = 0.0432 M
pH = − log x = 2.17

Aus Gründen der Einheitlichkeit wer- War die Näherung [H+] ≈ [A–] berechtigt? Der berechnete pH-Wert ist 2.17, womit die
den wir pH-Werte auf 0.01 Dezimal- Konzentration der OH–-Ionen [OH–] = KW/[H+] = 1.5 × 10–12 M ist.
stellen genau angeben, unabhängig
[A–] (aus der Dissoziation von HA) = 6.8 × 10–3 M;
davon, ob die Stellenzahl durch die
signifikanten Ziffern gerechtfertigt ist. damit wird [H+] aus der Dissoziation von HA ebenfalls 6.8 × 10–3 M.
Die üblichen pH-Messungen sind nicht
[OH–] (aus der Dissoziation des Wassers) = 1.5 × 10–12 M;
genauer als ± 0.02 pH-Einheiten.
damit wird [H+] aus der Dissoziation des Wassers ebenfalls 1.5 × 10–12 M.

In der Lösung einer schwachen Säure, Die Annahme, dass der Hauptanteil des gebildeten H+ aus der Säuredissoziation stammt,
stammt das gebildete H+ fast aus- war demnach korrekt.
schließlich von der schwachen Säure,
nicht aus der Eigendissoziation des
Wassers. Â Versuch 8.1
Die Leitfähigkeit schwacher Elektrolyte6
Die relative Leitfähigkeit von starken und schwachen Säuren steht in direkter Beziehung
zu ihrem Dissoziationsgrad in wässriger Lösung. Um die Leitfähigkeit zu demonstrieren,
Laut- ~20 V verwenden wir einen Lautsprecher auf Piezobasis, aber jeder andere Summer oder jede
sprecher Spannungsquelle
Lampe kann auf einfache Weise gegen die elektrische Hupe ausgetauscht werden. Die
zur Signalerzeugung notwendige Spannung hängt vom verwendeten Summer oder der
Lampe ab.
Kupfermetallstreifen
(~1 5 cm) Wenn sich im Becher eine leitende Lösung befindet, ertönt der Summer oder die Lampe
leuchtet. Zeigen Sie zuerst, dass destilliertes Wasser und Saccharoselösung nicht leiten.
Die Lösungen starker Elektrolyte, wie NaCl oder HCl, sind elektrische Leiter. Vergleichen
Sie starke und schwache Elektrolyte, indem Sie zeigen, dass eine 1 mM HCl einen lauten
Ton, eine 1 mM Essigsäure nur einen leisen oder keinen Ton erzeugt. Bei 10 mM Essigsäure
variiert die Lautstärke merklich, wenn die Elektroden im Becherglas voneinander entfernt
werden.
Wenn CO2 von reinem Wasser absorbiert wird, nimmt die Leitfähigkeit wegen der Dis-
soziation der entstandenen H2CO3 (Kohlensäure) zu. Atmosphärisches CO2 kann durch die
Becher- Leitfähigkeit gemessen werden.7
glas
8.3 · Die Gleichgewichte schwacher Säuren 195

Der Dissoziationsgrad
α ist der dissoziierte Bruchteil von HA:
Der Dissoziationsgrad α wird als Bruchteil der Säure in der Form A– definiert:
[A − ]
α = −
[A − ] x x [A ] + [HA]
Dissoziationsgrad:  = −
= = (8.10)
[A ] + [HA] x + (F-x ) F

Für eine 0.050 0 M Lösung an o-Hydroxybenzoesäure ermitteln wir


6.8 × 10 −3M 1.00
 = = 0.14 CO2H
0.050 0 M 0.90
OH
Das bedeutet, dass 14 % der Säure bei einer Formalkonzentration von 0.050 0 M dissozi- 0.80 pKS = 2.97
iert sind.
Die Abhängigkeit des Dissoziationsgrads α von der Formalkonzentration ist in Ab- 0.70

bildung 8.2 dargestellt. Alle schwachen Elektrolyte (Verbindungen, die nur teilweise

Dissoziationsgrad ()
0.60
dissoziiert sind) dissoziieren stärker, wenn sie verdünnt werden. Bei gleicher Formalkon-
zentration ist o-Hydroxybenzoesäure stärker dissoziiert ist als p-Hydroxybenzoesäure, 0.50

weil das o-Isomer die stärkere Säure der beiden ist. In Versuch 8.1 und Exkurs 8.2 wird die
0.40
elektrische Leitfähigkeit schwacher Elektrolyte veranschaulicht.
0.30

0.20
pKS = 4.54 8
Die Hauptsache bei dieser Aufgabe
0.10 HO CO2H
Wenn Sie den pH-Wert für eine schwache Säure bestimmen wollen, sollten Sie sich sofort
an die Vereinfachung [H+] = [A-] = x erinnern und damit die Gleichungen lösen 0 –1 –2 –3 –4 –5 –6
log (Formalkonzentration)
[H + ][A − ] x2
Gleichung für schwache Säuren: = = KS (8.11)
[HA] F−x Abb. 8.2 Der Dissoziationsgrad eines
schwachen Elektrolyten steigt mit zu-
F ist dabei die Formalkonzentration von HA. Die Näherung [H+
] = [A ] ist nicht gerecht- –
nehmender Verdünnung. Die stärkere
fertigt, wenn die Säure zu stark verdünnt oder zu schwach ist. Beide Varianten stellen Säure ist bei jeder Konzentration in ei-
jedoch nur Ausnahmen ohne praktischen Hintergrund dar. nem größeren Ausmaß dissoziiert als die
schwächere.
> Beispiel
Bestimmen Sie den pH einer 0.050 M Trimethylammoniumchlorid-Lösung.

H
N Cl Trimethylammoniumchlorid

H3C CH3
H3C
Lösung Wir können annehmen, dass Salze dieses Typs vollständig unter Bildung von
(CH3)3NH+ und Cl– dissoziieren†. Wir stellen dann fest, dass Trimethylammoniumion eine
schwache Säure ist, die zu Trimethylamin (CH3)3N, einer typischen schwachen organi-
schen Base, konjugiert ist. Cl– besitzt weder basische noch saure Eigenschaften und muss


R4N+X–-Salze sind nicht vollständig dissoziiert, weil Ionenpaare R4N+X–(aq) gebildet werden (Exkurs
7.1). Unten sind die Gleichgewichtskonstanten für R4N+ + X– U R4N+X–(aq) angegeben. Für 0.050 F
Lösungen beträgt der Anteil der Ionenpaarbildung bei Berücksichtigung der Aktivitätskoeffizienten
4 % bei (CH3)4+Br-, 7 % bei (CH3CH2)4+Br– und 9 % bei (CH3CH2CH2)4+Br–.

R4N+ X– KIonenpaar (μ = 0) R4N+ X– KIonenpaar (μ = 0)


Me4N+ Cl– 1.1 Me4N+ I– 2.0
Bu4N+ Cl– 2.5 Et4N+ I– 2.9
+ – + –
Me4N Br 1.4 Pr4N I 4.6
Et4N+ Br– 2.4 Bu4N+ I– 6.0
Pr4N+ Br– 3.1
Me = CH3–, Et = CH3–CH2–,Pr =CH3–CH3–CH2–, Bu=CH3–CH2–CH2–CH2–
196 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Cl– hat weder basische noch saure nicht berücksichtigt werden. In Anhang G finden wir das Trimethylammoniumion unter
Eigenschaften, denn es ist die kon- Trimethylamin aufgeführt, aber als Trimethylammoniumion gezeichnet. Der pKS-Wert bei
jugierte Base der starken Säure HCl. der Ionenstärke μ = 0 ist 9.799, so dass gilt
Hätte Cl– eine merkliche Basizität, wäre
K S = 10 −pK = 1.59 × 10 −10
S

HCl nicht vollständig dissoziiert.


Ab jetzt geht es fast von allein weiter:

(CH3)3NH+ U (CH3)3N + H+
F–x x x

x2
= 1.59 × 10 −10
0.050 − x
(8.12)
−6
x = 2.8 × 10 M ⇒ pH = 5.55

Selbstüberprüfung Geben Sie den pH von 0.050 M Triethylammoniumbromid an.


(Lösung: 6.01).

Exkurs 8.2

Färben von Stoffen und der Dissoziationsgrad8 Cl O Cellulose


N O Cellulose N
Baumwollstoffe bestehen weitgehend aus Cellulose, einem Farb- N Farb- N Cl
stoff N stoff N
Polymer mit wiederkehrenden Einheiten des Zuckers Glu- Die chemisch reaktive
Cl Form der Cellulose ist Cl
cose: ein deprotoniertes Anion
an diesen Sauerstoffatomen kann der
Farbstoff gebunden werden Nachdem das Textilgewebe in kaltem Wasser gefärbt wurde,
CH2OH OH CH2OH wird der überschüssige Farbstoff durch heißes Waschen entfernt.
O O
O H O ON Während dieser heißen Wäsche wird das zweite Chloratom des
H O Farbstoffs durch Cellulose verdrängt oder auch durch Wasser,
O HO O CH2OH H O
O HO wobei dann am Farbstoff eine OH-Gruppe sitzt.
Struktur der Cellulose. Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Glucose-Bausteinen
verfestigen die Struktur. Die chemisch reaktive Form der Cellulose ist die konjugierte
Base:
Farbstoffe sind farbige Verbindungen, die an eine feste Matrix, KS ≈ 10–15
Cellulose-CH2OH U
 Cellulose-CH2O– + H+
zum Beispiel kovalent an Textilien, gebunden werden können.
R-OH R-O–
So ist z. B. Procion Brilliant Blue M-R ein Farbstoff mit einem
blauen Chromophor (farbtragende Gruppe) an einem reakti- Um die Dissoziation des Cellulose-CH2OH-Protons zu begünsti-
onsfähigen Dichlorotriazin-Ring: gen, wird der Färbungsprozess in einer Natriumcarbonat-Lösung
vom pH ≈ 10.6 durchgeführt. Der Bruchteil der reaktiven Cellu-
O lose wird durch den Dissoziationsgrad der schwachen Säure bei
 SO3Na pH 10.6 bestimmt:
Cl ⎡⎣RO − ⎤⎦ ⎡⎣RO − ⎤⎦
 H N Chloratome, die durch Dissoziationsgrad = ≈
⎣⎡ROH⎦⎤ + ⎡⎣RO ⎤⎦ ⎡⎣ROH⎤⎦
O −
Sauerstoffatome der
HN N N Cellulose ersetzt werden
N können
Da der Dissoziationsgrad einer sehr schwachen Säure sehr klein
Cl
SO3Na ist, gilt [R-OH] Ԡ [R-O–]. Damit ist der Nenner angenähert etwa
[R-OH]. Der Quotient [R-O–]/[R-OH] kann aus KS und pH berech-
Blauer Chromophor Procion Brilliant Blue M-R Textilfarbstoff net werden:
⎡RO − ⎤⎦ ⎡⎣H+ ⎤⎦ ⎡RO − ⎤⎦ 10 −15
KS = ⎣ ⇒ ⎣
K
Die Sauerstoffatome der –CH2OH-Gruppen der Cellulose = +S ≈ −10.6 = 10 −4.4 ≈ α
⎣⎡ROH⎦⎤ ⎡⎣ROH⎦⎤ ⎡⎣H ⎤⎦ 10
können an die Stelle der Cl-Atome des Farbstoffs treten und
dadurch den Farbstoff fest an das Textilgewebe binden: Der Dissoziationsgrad beträgt nur 10–4.4, d. h. nur eine einzige
von 104 Cellulose-CH2OH-Gruppen liegt bei pH 10.6 in der reak-
tiven Form vor.
8.4 · Die Gleichgewichte schwacher Basen 197

Ein kleiner Tipp: Gleichung 8.11 kann natürlich als quadratische Gleichung gelöst werden.
Leichter geht es, wenn man zunächst das x im Nenner vernachlässigt. Wenn für x ein
Wert herauskommt, der viel kleiner als F ist, war die Näherung zulässig und die quadrati-
sche Gleichung muss nicht gelöst werden. Für Gleichung 8.12 funktioniert die Näherung
wie folgt
Annäherung: Wir vernachlässigen x
x2 x2
≈ = 1.59 ×10 −10 ⇒ x = ( 0.050)(1.59 ×10 −10)= 2.8 × 10–6 M im Nenner, wenn es weniger als 1 %
0.050 − x 0.050
von F beträgt.
Die Näherungslösung (x ≈ 2.8 × 10–6 M) ist viel kleiner als der Term 0.050 im Nenner
von Gleichung 8.12. Deshalb ist die angenäherte Lösung in Ordnung. Eine Faustregel sagt,
dass solche Näherungen gemacht werden können, wenn x kleiner als 1 % von F ist.

8.4 Die Gleichgewichte schwacher Basen

Die Behandlung der Gleichgewichte schwacher Basen erfolgt auf gleiche Weise wie für
schwache Säuren.
⎡BH + ⎤ ⎡OH − ⎤ Wenn KB größer wird, nimmt pKB ab
B + H2O U BH + OH
+ – KB = ⎣ ⎦⎣ ⎦
und die Base wird stärker.
⎡⎣B ⎤⎦
Wir nehmen an, dass nahezu sämtliches OH– aus der Reaktion B + H2O stammt und nur 8
ein geringer Teil aus der Dissoziation von H2O. Wenn wir [OH–] = x setzen, müssen wir
auch [BH+] = x setzen, da für jedes OH– ein BH+ erzeugt wird. Bezeichnet man die For-
malkonzentration der Base (= [B] + [BH+]) mit F, kann man formulieren
[B] = F – [BH+] = F – x
Setzt man diese Ausdrücke in die Gleichgewichtsgleichung von KB ein, erhält man
Die rechnerische Behandlung der
[BH + ][OH − ] x2 schwachen Basen erfolgt auf gleiche
Gleichung für schwache Basen: = = KB (8.13)
[B] F−x Weise wie bei den schwachen Säuren,
mit dem Unterschied, dass K = KB und
die der Gleichung für schwache Säuren sehr ähnlich sieht, nur dass hier x = [OH–] ist. x = [OH–].

Eine typische Aufgabe mit einer schwachen Base


Wir betrachten die schwache Base Cocain:
O
CH3
N COCH3 6
KB 2.6 10
H O H2O
OCC6H5 O
H CH3
H N COCH3
Cocain
H O OH
OCC6H5
H
Für eine Formalkonzentration 0.037 2 M kann das Problem wie folgt behandelt werden:
B + H2O U BH+ + OH–
0.037 2 – x x x
2
x Frage: Welche OH–Konzentration
= 2.6 × 10 −6 ⇒ x = 3.1 × 10−4 M
0.037 2 − x wird durch die Dissoziation des
Wassers in dieser Lösung erzeugt?
Wegen x = [OH–] ist, können wir schreiben
War es gerechtfertigt, die Dissoziation
[H + ] = K W /[OH − ] = 1.0 × 10− 14 /3.1 × 10− 4 = 3.2 × 10− 11M des Wassers als Quelle für OH–Ionen
pH = −log [H + ] = 10.49 zu vernachlässigen?
198 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Dieser pH liegt im Erwartungsbereich für eine schwache Base.


Welcher Bruchteil von Cocain hat in dieser Lösung nun mit Wasser reagiert? Für eine
Base können wir α, den Assoziationsgrad, als Anteil der Base formulieren, der mit Was-
ser reagiert hat:
[BH + ] x
Bei einer Base ist α der Anteil, der mit Assoziationsgrad einer Base:  = = = 0.008 3 (8.14)
Wasser reagiert hat.
[BH + ] + [B] F

Nur 0.83 % der Base Cocain haben mit Wasser reagiert.

Konjugierte Säuren und Basen – noch einmal


HA und A– sind ein konjugiertes Säure- Wenige Seiten zuvor haben wir festgestellt, dass die konjugierte Base einer schwachen
Base-Paar, genauso wie BH+ und B. Säure eine schwache Base und die konjugierte Säure einer schwachen Base eine
schwache Säure ist. Wir haben ebenfalls eine wichtige Beziehung zwischen den Gleichge-
In wässriger Lösung dissoziiert, wichtskonstanten eines konjugierten Säure-Base-Paares abgeleitet: K S ⋅ K B = K W
In Abschnitt 8.3 haben wir o- und p-Hydroxybenzoesäure untersucht (mit HA be-
CO2 Na zeichnet). Nun werden ihre konjugierten Basen behandelt. Beim Auflösen des Salzes
OH
Natrium-o-hydroxybenzoat erscheinen in der Lösung das Na+-Kation (welches keine
Säure-Base-Eigenschaften besitzt) und das o-Hydroxybenzoatanion, das sich wie eine
in schwache Base verhält.
Als Säure-Base-Reaktion läuft die Reaktion von o-Hydroxybenzoat mit Wasser ab:
CO2 Na

OH CO 2 H2O CO2H OH
o-Hydroxybenzoat
OH OH (8.15)

A (o-Hydroxybenzoat) HA
F x x x

x2
= KB
F−x
Aus dem KS-Wert für jedes Isomer können wir KB für die konjugierte Base berechnen.

Isomer der Hydroxybenzoesäure KS KB =KW/KS


ortho 1.07 × 10–3 9.3 × 10–12
para 2.9 × 10–5 3.5 × 10–10

Bei F = 0.050 0 M erhält man mit diesen Werten von KB


pH einer 0.050 0 M o-Hydroxybenzoatlösung = 7.83
pH einer 0.050 0 M p-Hydroxybenzoatlösung = 8.62

Beides sind sinnvolle pH-Werte für Lösungen schwacher Basen. Außerdem ist, wie erwar-
tet, die konjugierte Base der stärkeren Säure die schwächere Base.

> Beispiel
Rechenübung mit einer schwachen Base
Bestimmen Sie den pH-Wert einer 0.10 M Ammoniaklösung.

Lösung Wenn Ammoniak in Wasser gelöst wird, tritt folgende Reaktion ein:
NH3 + H2O U NH4+ + OH–
Ammoniak Ammonium-Ion
F–x x x

In Anhang G finden wir das NH4+-Ion mit einem pKS (für NH4+) von 9.245. KB für Ammoniak ist
deshalb
K W 10 −14.00
KB = = = 1.76 × 10 −5
K S 10 −9.245
8.5 · Puffer 199

Um den pH einer 0.10 M Ammoniaklösung zu berechnen, lösen wir die folgenden


Gleichungen

[NH4+ ][OH− ] x2
= = K B = 1.76 × 10 −5
[NH3 ] 0.10 − x
x = [OH− ] = 1.32 × 10− 3M
K
[H+ ] = W− = 7.6 × 10−12 M
[OH ]
pH = −log[H+ ] = 11.12

Selbstüberprüfung Wie groß ist der pH-Wert von 0.10 M Methylamin? (Lösung: 11.80)

8.5 Puffer

Eine gepufferte Lösung verändert ihren pH-Wert nicht oder nur geringfügig, wenn Säu- 5
ren oder Basen zugesetzt werden oder wenn die Lösung verdünnt wird. Ein Puffer ist eine
Mischung aus einer Säure und ihrer konjugierten Base. Es müssen vergleichbare Mengen
4
von konjugierter Säure und Base vorhanden sein (innerhalb eines Faktors von ~10), damit

Relative Reaktionsgeschwindigkeit
der Puffer wirkt.
Puffer haben große Bedeutung in allen Zweigen der Naturwissenschaft. Am Anfang
3
8
dieses Kapitels haben wir gesehen, dass die Verdauungsenzyme in den Lysosomen nur im
Sauren wirken, wodurch die Zelle vor ihrem eigenen Enzym geschützt wird. Wenn die
Enzyme in das gepufferte, neutrale Zytoplasma eindringen, ist ihre Reaktionsfähigkeit 2
gering und sie können die Zelle weniger schädigen als bei ihrem optimalen pH-Wert.
Abbildung 8.3 zeigt die pH-Abhängigkeit einer enzymkatalysierten Reaktion, die bei pH
= 8 am schnellsten abläuft. Damit ein Organismus überlebt, muss er den pH-Wert jedes 1
subzellulären Kompartiments kontrollieren, damit alle Reaktionen mit der richtigen Ge-
schwindigkeit ablaufen.
5.0 6.0 7.0 8.0 9.0 10.0
pH

Mischen einer schwachen Säure und ihrer


Abb. 8.3 pH-Abhängigkeit der Ge-
konjugierten Base schwindigkeit der Spaltung einer Amid-
Bindung durch das Enzym Chymotripsin,
Wenn Sie die Stoffmengen von A Mol einer schwachen Säure mit B Mol ihrer konjugierten welches die Verdauung von Proteinen
Base mischen, bleiben die Stoffmengen der Säure in der Lösung nahe bei A und der Base im Darm unterstützt [M. L. Bender, G.
nahe bei B. Es läuft kaum eine Reaktion ab, die zur Veränderung einer der beiden Kon- E. Clement, F. J. Kėzdy und H. A. Heck,
zentrationen führen würde. „The Correlation of the pH (pD) Depen-
dence and the Stepwise Mechanism of
Um zu verstehen, warum das so ist, wollen wir uns die zu KS und KB gehörigen α-Chymotripsin-Catalyzed Reactions”, J.
Reaktionen unter dem Blickwinkel des Prinzips von Le Châtelier anschauen. Gegeben Am. Chem. Soc. 1964, 86, 3680]
sei eine Säure mit pKS = 4.00 und ihre konjugierte Base mit pKB = 10.00. Wir wollen
zuerst den Anteil der Säure berechnen, der in einer 0.100 M Lösung von HA dissoziiert O
vorliegt. RC NHR
Amid-Bindung
HA U H+ + A– pKS = 4.00
0.100 – x x x
2
x
= K S ⇒ x = 3.1 × 10–3 M
F−x
x
Dissoziationsgrad =  = = 0.031
F
Die Säure ist also unter diesen Bedingungen nur zu 3.1 % dissoziiert.
In 1.00 L einer 0.100 M Lösung von A– ist das Ausmaß der Reaktion von A– mit Was-
ser noch viel geringer.
A– + H2O U HA + OH– pKB = 10.00
0.100 – x x x
200 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

x2
= K B ⇒ x = 3.2 × 10–6 M
F−x
x
Assoziationsgrad =  = = 3.2 × 10 −5
F
Die Näherung, dass die Konzentra- HA dissoziiert nur sehr wenig und durch Zugabe von zusätzlichem A- sinkt der Dissoziati-
tionen von HA und A– unverändert onsgrad von HA weiter ab. Analog reagiert A– nur wenig mit Wasser und durch zusätzlich in
bleiben, gilt nicht mehr bei stark ver- die Lösung gebrachte HA sinkt der Assoziationsgrad von A– weiter. Wenn 0.050 Mol A– und
dünnten Lösungen oder bei extremen 0.036 Mol HA in Wasser gelöst werden, liegen im Gleichgewichtszustand etwa 0.050 Mol
pH-Werten. Wir prüfen die Gültigkeit A– und etwa 0.036 Mol HA vor.
der Näherung auf Seite 209.

Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung
Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung ist als zentrale Puffergleichung eigentlich nur
eine Umstellung des Gleichgewichtsausdruckes für KS.

[H + ][A − ]
KS =
[HA]
[H + ][A − ] [A − ]
log xy = log x + log y log K S = log = log[H + ] + log
[HA] [HA]

[A ]
−log[H + ] = − log K S + log
     [HA]
pH pK S

L. J. Henderson war ein Arzt, der die Henderson-Hasselbalch-Gleichung für eine Säure:
Gleichung [H+] = KS [Säure]/[Salz] in
einem physiologischen Artikel im ⎡A− ⎤
Jahre 1908 formulierte, ein Jahr bevor pH = pKS + log ⎣ ⎦ (8.16)
⎡⎣HA ⎤⎦
der Begriff Puffer und das pH-Konzept
von dem dänischen Biochemiker S. P. L.
KS
Sørensen eingeführt wurden. Hender- HA U H+ + A–
sons Beitrag bestand in der Näherung,
wonach [Säure] gleich der Konzentra- Der Henderson-Hasselbalch-Gleichung können wir entnehmen, dass wir den pH einer
tion der in die Lösung gebrachen HA Lösung berechnen können, wenn wir das Verhältnis der Konzentrationen an konjugierter
und [Salz] gleich der Konzentration Säure und Base sowie den pKS-Wert der Säure kennen. Wird eine Lösung aus der schwa-
des in die Lösung gebrachten A- ist. Im chen Base B und ihrer konjugierten Säure hergestellt, lautet die analoge Gleichung
Jahr 1916 formulierte K. A. Hasselbalch
in einer biochemischen Zeitschrift das,
Henderson-Hasselbalch- Gleichung für eine Base:
was wir heute als Henderson-Hassel-
balch-Gleichung bezeichnen.9 ⎡⎣B ⎤⎦
pH = pKS + log (8.17)
⎡BH + ⎤ ← (pKS gilt für BH+)
⎣ ⎦
KS = KW/KB
BH+ U B + H+
Die Gleichungen 8.16 und 8.17 sind Die wesentlichen Merkmale der Gleichungen 8.16 und 8.17 sind, dass die Base (A– oder
nur empfindlich, wenn die Base (A– B) in beiden Gleichungen im Zähler erscheint und die Gleichgewichtskonstante KS für die
oder B) im Zähler steht. Wenn die im Nenner stehende Säure gilt.
Konzentration der Base steigt, wird
der log-Term größer und der pH-Wert Übung Zeigen Sie, dass bei Berücksichtigung der Aktivitäten die korrekte Form der
nimmt zu. Henderson-Hasselbalch-Gleichung lautet
[A − ] A −
pH = pK S + log (8.18)
[HA] HA
Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung ist keine Näherung. Sie ist einfach ein Ausdruck
der umgeformten Gleichgewichtskonstante. Annäherungen werden bei den Werten von
8.5 · Puffer 201

HA und A– dann gemacht, indem wir annehmen, dass alles, was wir davon in die Lösung
geben, unverändert erhalten bleibt. Am Ende dieses Kapitels werden wir den Fall behan-
deln, dass eine solche Annahme nicht berechtigt ist, weil die Lösung zu verdünnt oder die
Säure zu stark ist.

Eigenschaften der Henderson-Hasselbalch-Gleichung


Aus Gleichung 8.16 folgt für [A–] = [HA], dass pH = pKS.
[A − ]
pH = pK S + log = pK S + log1 = pK S Für [A–] = [HA] gilt pH = pKS.
[HA]
Selbst in ganz kompliziert zusammengesetzten Lösungen gilt für den Fall, dass pH gleich
pKS ist, stets [A–] = [HA].
Das liegt daran, dass in einer im Gleichgewicht befindlichen Lösung alle vorliegenden
Gleichgewichte simultan erfüllt sein müssen. Liegen beispielsweise 10 verschiedene Säu- Tabelle 8.1 pH-Änderung bei Ände-
ren und Basen in der Lösung vor, muss aus allen 10 Formen der Gleichung 8.16 stets rung des Verhältnisses [A–]/[HA]
der gleiche pH resultieren, da es nur eine einzige H+-Konzentration in der Lösung
[A–]/[HA] pH
gibt.
Eine andere Aussage aus der Henderson-Hasselbalch-Gleichung ist, dass sich für 100:1 pKS + 2
jede Veränderung des Verhältnisses [A–]/[HA] um eine Zehnerpotenz der pH um eine 10:1 pKS + 1 8
Einheit ändert (Tabelle 8.1). Steigt die Konzentration der Base (A–), wächst der pH;
steigt die Konzentration der Säure (HA), sinkt der pH. Für jedes konjugierte Säure- 1:1 pKS

Base-Paar gilt, dass bei pH = pKS – 1 die Säure HA im zehnfachen Überschuss gegen- 1:10 pKS – 1
über A– vorliegen muss. Zehn Elftel liegen deshalb in der Form HA und ein Elftel in der
1:100 pKS – 2
Form A– vor.

> Beispiel
Anwendung der Henderson-Hasselbalch-Gleichung
Natriumhypochlorit (NaOCl), der wirksame Bestandteil von nahezu allen Bleichmitteln,
wurde in einer auf pH 6.20 gepufferten Lösung gelöst. Bestimmen Sie das Verhältnis [OCl–]/
[HOCl] in dieser Lösung.

Lösung Aus Anhang G entnehmen wir pKS = 7.53 für unterchlorige Säure HOCl. Da der pH
bekannt ist, kann das Verhältnis [OCl–]/[HOCl] aus der Henderson-Hasselbalch-Gleichung
berechnet werden.

HOCl U H+ + OCl–
[OCl− ]
pH = pK S + log
[HOCl]
[OCl− ]
6.20 = 7.53 + log
[HOCl]
[OCl− ]
−1.33 = log
[HOCl]
− [OCl− ]
10 −1.33 = 10 log([OCl ]/[HOCl]) = 10log z = z
[HOCl]

[OCl ]
0.047 =
[HOCl]

Zur Bestimmung des Verhältnisses [OCl–]/[HOCl] sind nur der pH und pKS erforderlich. Wir
müssen nicht wissen, wie viel NaOCl der Lösung zugesetzt wurde oder welches Volumen
die Lösung hatte.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie das Verhältnis [OCl–]/[HOCl], wenn der pH-Wert um


eine Einheit auf 7.20 erhöht wird. (Lösung: 0.47)
202 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Ein Puffer in Aktion


Zur Veranschaulichung haben wir den in der Praxis sehr oft angewendeten „Tris“-Puffer
ausgewählt. Das Kürzel steht dabei für die Substanz Tris(hydroxymethyl)aminomethan.

NH3 NH2
C C H
HOCH2 CH2OH HOCH2 CH2OH
HOCH2 HOCH2
+
BH B
pKS = 8.072 das ist „tris“

In Anhang G finden wir pKS = 8.072 für die konjugierte Säure von Tris. Ein Beispiel für
ein Salz mit dem Kation BH+ ist Trishydrochlorid BH+Cl–. Wenn BH+Cl– in Wasser gelöst
wird, dissoziiert es vollständig in BH+ und Cl–.

> Beispiel
Eine Pufferlösung
Bestimmen Sie den pH einer Lösung, die durch Auflösen von 12.43 g Tris (FM 121.135) und
4.67 g Trishydrochlorid (FM 157.596) in 1.00 L Wasser hergestellt wurde.
Lösung Die nun in der Lösung vorliegenden Konzentrationen an B und BH+ sind

12.43 g/L
[B] = = 0.102 6 M
121.135 g/mol

4.67 g/L
[BH+ ] = = 0.029 6 M
157.596 g/mol

Wenn wir annehmen, dass die Spezies, die in Lösung gebracht wurden, ihre chemische
Form nicht verändern, können wir diese Konzentrationen einfach in die Henderson-Hassel-
balch-Gleichung einsetzen. Wir finden für den pH:
[B] 0.102 6
pH = pK S + log = 8.072 + log = 8.61
[BH+ ] 0.029 6

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie den pH-Wert, wenn ein weiteres Gramm Trishydro-
chlorid zugesetzt wird. (Lösung: 8.53)

Der pH-Wert eines Puffers ist nahezu Beachten Sie, dass das Volumen der Lösung ohne Bedeutung für die Bestimmung des pH ist,
unabhängig vom Volumen. da sich die Volumina in Zähler und Nenner des logarithmischen Terms aufheben:

Mol B je Liter Lösung


pH = pK S + log
Mol BH + je Liter Lösung
Mol B
= pK S + log
Mol BH +

> Beispiel
Die Wirkung einer Säurezugabe zum Puffer
Welchen pH-Wert hat die im vorangegangenen Beispiel besprochene Pufferlösung, wenn
ihr 12.0 mL einer 1.00 M HCl zugesetzt werden?

Lösung Den Schlüssel zur Lösung dieser Aufgabe liefert die Kenntnis, dass bei Zugabe
einer starken Säure zu einer schwachen Base beide unter Bildung von BH+ vollständig mitein-
ander reagieren (siehe Exkurs 8.3). Im vorliegenden Beispiel werden 12.0 mL einer 1.00 M
HCl zugesetzt, die (0.012 0 L) × (1.00 mol/L) = 0.012 0 Mol H+ enthält. Diese Menge an H+
verbraucht 0.012 0 Mol an B, um 0.012 0 Mol BH+ zu bilden. Das lässt sich am leichtesten in
einer kleinen Tabelle darstellen:
8.5 · Puffer 203

B (Tris) + H+ (aus HCl) → BH+

Stoffmenge zu 0.102 6 Mol 0.012 0 Mol 0.029 6 Mol


Beginn

Stoffmenge am 0.102 6 – 0.012 0 = – 0.029 6 + 0.012 0 =


Ende 0.090 6 Mol 0.041 6 Mol

Diese Tabelle enthält alle erforderlichen Informationen zur pH-Berechnung.

Mol B
pH = pK S + log
Mol BH +

0.090 6
= 8.072 + log = 8.41
0.041 6

Das Volumen der Lösung ist für die Berechnung unwichtig. Frage Ändert sich der pH-Wert
in die richtige Richtung, wenn
Selbstüberprüfung Wie groß ist der pH-Wert, wenn an Stelle von 12.0 nur 6.0 mL HCl
HCl zugegeben wird?
zugefügt wurden? (Lösung: 8.51)

Das eben diskutierte Beispiel hat gezeigt, dass sich der pH-Wert eines Puffers nicht sehr Ein Puffer widersteht
ändert, wenn eine begrenzte Menge starker Säure oder Base zugesetzt wird. Die Zugabe von pH-Änderungen … 8
12.0 mL einer 1.00 M HCl veränderte den pH-Wert nur von 8.61 auf 8.41. Eine Zugabe
von 12.0 mL einer 1.00 M HCl zu 1.00 L ungepufferter Lösung hätte zur Senkung des pH-
Wertes auf 1.93 geführt.
Aber warum kann eigentlich ein Puffer derartigen pH-Änderungen widerstehen? Er … da der Puffer die zugesetzte
kann es, weil die starke Säure oder Base von B oder BH+ des Puffers verbraucht wird. Säure oder Base verbraucht.
Wenn man HCl zu einem Tris-Puffer zugibt, wird B in BH+ umgewandelt. Wenn NaOH
zugesetzt wird, entsteht aus BH+ die freie Base B. Solange B oder BH+ des Puffers nicht
vollständig durch zu große Mengen an HCl oder NaOH verbraucht werden, ändert sich
das logarithmische Glied der Henderson-Hasselbach-Gleichung nur wenig und damit
treten auch nur geringe pH-Änderungen ein. Versuch 8.2 zeigt, was bei vollständigem
Verbrauch des Puffers passiert. Der Puffer besitzt seine maximale Kapazität gegenüber
pH-Änderungen bei pH = pKS. Wir werden später auf diesen Punkt zurückkommen.

Exkurs 8.3

Stark plus schwach reagiert vollständig Wenn HA Essigsäure ist, beträgt die Gleichgewichtskonstante für
Eine starke Säure reagiert mit einer schwachen Base praktisch die Reaktion mit NaOH
„vollständig“, da die Gleichgewichtskonstante groß ist.
1 K S (für HA)
K= = = 1.7 ×10 9
1 KB KW
B + H+ U BH+ K=
schwache starke
K S ( für BH + )
Base Säure Der Umsatz bei der Reaktion einer starken Säure mit einer
starken Base ist noch vollständiger als in der Reaktion stark +
Für B = Tris(hydroxymethyl)aminomethan ist die Gleichgewichts- schwach:
konstante für die Reaktion mit HCl z. B. 1
H+ + OH– U H2O K= =1014
1 1 KW
K= = = 1.2 ×10 8 starke starke
K S 10 −8.072 Säure Base

Eine starke Base reagiert mit einer schwachen Säure praktisch Wenn man eine starke Säure, eine starke Base, eine schwa-
„vollständig“, da auch in diesem Fall die Gleichgewichtskons- che Säure und eine schwache Base miteinander mischt,
tante sehr groß ist. verbrauchen sich die beiden starken Partner gegenseitig,
bis eine davon aufgebraucht ist. Die übrigbleibende starke
1
OH– + HA U A–+ H2O K= Säure oder Base reagiert danach mit der schwachen Base
starke schwache K B ( für A− )
Base Säure
oder Säure.
204 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

> Beispiel
Berechnung zur Herstellung eines Puffers
Wie viele Milliliter einer 0.500 M NaOH müssen zu 10.0 g Trishydrochlorid gegeben werden,
um bei einem Endvolumen von 250 mL einen pH-Wert von 7.60 einzustellen?

Lösung Die Stoffmenge Trishydrochlorid beträgt in 10 g (10.0 g)/(157.596 g/mol) = 0.063 5


mol. Wir wollen eine Tabelle zur Lösung der Aufgabe benutzen:

Reaktion mit OH–: BH+ + OH– → B

Stoffmenge zu Beginn 0.063 5 Mol x –

Stoffmenge am Ende (0.063 5 – x) Mol – x

Über die Henderson-Hasselbalch-Gleichung können wir x ermitteln, da wir den pH sowie


pKS kennen.

Mol B
pH = pK S + log
Mol BH+
x
7.60 = 8.072 + log
0.0635 − x
x
−0.472 = log
0.063 5 − x
x
10 −0.472 = ⇒ x = 0.016 Mol
0.063 5 − x

Diese Stoffmenge an mol NaOH ist enthalten in


0.016 0 Mol
= 0.032 0 L = 32.0 mL
0.500 Mol/L

Selbstüberprüfung Wie viele mL einer 0.500 M NaOH müssen zu 10.0 g Trishydrochlorid


gegeben werden, um bei einem Endvolumen von 500 mL einen pH von 7.40 zu erhalten?
(Lösung: 22.3 mL)

 Versuch 8.2
Wie Puffer wirken
Ein Puffer kann pH-Änderungen widerstehen, da die zugesetzte Säure oder Base durch den
Puffer verbraucht wird. Ist der Puffer jedoch verbraucht, verliert er seine Widerstandsfähig-
keit gegenüber pH-Änderungen.
Für diesen Versuch10 wird ein Gemisch von HSO–3 und SO32– mit einem Molverhältnis von
10:1 hergestellt. Da pKS von HSO3– 7.2 ist, hat der pH ungefähr folgenden Wert

[SO23− ] 1
pH = pK S + log = 7.2 + log = 6.2
[HSO3− ] 10

Wird der Lösung Formaldehyd zugesetzt, ergibt sich ein Verbrauch von HSO–3, jedoch nicht
von SO32–:

O OH
H2C O HSO 3 H2C H2C A)
Formaldehyd Bisulfit SO 3H SO 3

O
H2C O SO 32 H2C
Sulfit SO 3 B)

O OH
H2C HSO 3 H2C SO 23
SO 3 SO 3
8.5 · Puffer 205

(In Sequenz A wird Bisulfit direkt verbraucht. In Sequenz B läuft als Nettoreaktion der Abbau
von HSO–3 ab, ohne dass die Konzentration an SO32– verändert wird.)
Aus einer Tabelle erkennen wir, wie sich der pH-Wert mit der Umsetzung des HSO3–
ändert.

prozentuale Umsetzung [SO2– –


3 ] : [HSO3] berechneter pH

0 1 : 10 6.2

90 1:1 7.2

99 1 : 0.1 8.2

99.9 1 : 0.01 9.2

99.99 1 : 0.001 10.2

Man erkennt, dass sich nach 90%iger Umsetzung der pH um eine Einheit erhöht hat. Wäh-
rend der nächsten 9 % der Reaktion steigt der pH um eine weitere Einheit. Gegen Ende der
Reaktion erfolgt die Änderung des pH sehr abrupt.
Bei der sogenannten Formaldehyd-Uhrreaktion11 wird Formaldehyd zu einer Lösung aus 10.0
HSO–3, SO32– und dem Indikator Phenolphthalein gegeben. Phenolphthalein ist unterhalb
von pH 8.5 farblos und darüber rot gefärbt. Man beobachtet bei dieser Reaktion, dass die 8
Lösung für mehr als eine Minute farblos bleibt. Plötzlich steigt der pH-Wert abrupt an und
9.0
die Lösung färbt sich rot. Beim Registrieren des pH-Wertes mit einer Glaselektrode erhält
man die in der Abbildung gezeigte Kurve.
Vorschrift: Alle Lösungen müssen frisch hergestellt sein. Die Formaldehydlösung erhält

pH
man durch Verdünnen von 9 mL einer 37 Gew% Lösung auf 100 mL mit Wasser. Lösen Sie 8.0

danach 1.4 g Na2S2O5 (Natriummetabisulfit)12 und 0.18 g Na2SO3 in 400 mL Wasser und
geben Sie ca. 1 mL Phenolphthalein-Lösung (siehe Tabelle 10.3) zu. Um die Uhrreaktion zu
starten, werden der gut gerührten Pufferlösung 23 mL der verdünnten Formaldehydlösung 7.0
zugesetzt. Die Reaktionsdauer kann durch Variation der Temperatur, der Konzentrationen
oder der Volumina verändert werden. O O
Bei einer weniger toxischen Variante dieses Versuchs wird Glyoxal  
HC CH 6.0
0 30 60 90 120
statt Formaldehyd verwendet.13 Am Tag vor dem Versuch werden 2.9 g 40 Gew% Glyo-
Zeit (s)
xal (20.0 mmol) auf 25 mL verdünnt. Daneben wird eine Lösung von 0.90 g Na2S2O5 (4.7
mmol), 0.15 g Na2SO3 (1.2 mmol) und 0.2 g Na2EDTA∙2H2O (0.48 mmol zum Schutz von Darstellung des pH-Werts gegen die Zeit
Sulfit vor Luftoxidation, die durch Metallionen katalysiert wird) in 50 mL hergestellt. Ein in der Formaldehyd-Uhrreaktion
Mol Na2S2O5 liefert durch Reaktion mit Wasser 2 Mol HSO3-. Für den Demonstrationsver-
such gibt man 0.5 mL Phenolrot-Indikator (Tabelle 10.3) zu 400 mL H2O plus 5.0 mL der
Sulfit-Lösung. Dann werden 2.5 mL der Glyoxal-Lösung zu der gut gerührten Sulfit-Lösung
gegeben, um die Uhr-Reaktion zu starten.

Gründe, weshalb eine Berechnung


So stellt man einen Puffer wirklich her falsch werden kann:
1. Die Aktivitätskoeffizienten werden
Wenn Sie in der Praxis einen Tris-Puffer mit dem pH-Wert 7.60 herstellen wollen, werden nicht berücksichtigt.
Sie es nicht über die Berechnung der zu mischenden Komponenten tun. Nehmen wir an, 2. Die Temperatur war nicht 25 °C, für
Sie möchten 1.00 L Puffer mit einer Tris-Konzentration von 0.100 M und einem pH von welche die pKS-Werte angegeben
7.60 herstellen. Sie haben dafür festes Trishydrochlorid und eine NaOH-Lösung (Konzen- sind.
tration ~1 M) zur Verfügung. So geht man dabei vor: 3. Die Näherungen [HA] = FHA und
1. Auswägen von 0.100 Mol Trishydrochlorid und Lösen des Feststoffes in einem Becher- [A–] = FA– sind unzutreffend.
glas mit etwa 800 mL Wasser. 4. Der pKS in der von Ihnen bevorzug-
2. Eintauchen einer kalibrierten pH-Elektrode in die Lösung und Messen des pH. ten Tabelle stimmt nicht mit dem
3. Zugabe von NaOH, bis der pH-Wert exakt 7.60 beträgt. von Ihnen im Labor gemessenen
4. Überführung der Lösung in einen Messkolben sowie mehrfaches Auswaschen des Wert überein.
Becherglases. Zugabe der Waschlösungen zur Flüssigkeit im Messkolben. 5. Sie könnten irgendwo einen
5. Auffüllen bis zur Markierung und gut durchmischen. Rechenfehler gemacht haben.
206 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Man gibt nicht einfach die berechnete Menge an NaOH zu, weil dadurch der gewünschte
pH-Wert nicht exakt erreicht wird. Man verwendet 800 mL Wasser im ersten Schritt,
um auf diese Weise das Volumen während der pH-Einstellung möglichst nahe am End-
volumen zu halten. Bei größeren Abweichungen in den Volumina kommt es sonst beim
Auffüllen auf das Endvolumen und der Änderung der Ionenstärke zu leichten pH-Wert-
Änderungen.

Pufferkapazität14
Die Pufferkapazität β ist ein Maß dafür, wie gut eine Lösung bei der Zugabe von starken
Säuren oder Basen Änderungen im pH verhindern kann. Die Pufferkapazität ist wie folgt
definiert:
dCB dC
Pufferkapazität:  = =− S (8.19)
dpH dpH

CS und CB ist die Stoffmenge (in Mol) an starker Säure oder starker Base je Liter, die zur
pH-Änderung um eine Einheit benötigt werden. Je größer der Wert von β ist, desto besser
ist der Widerstand der Lösung gegen pH-Änderungen.
Wählen Sie einen Puffer, dessen pKS In Abbildung 8.4a ist CB gegen den pH für eine 0.100 F Lösung an HA mit einem pKS-
nahe am gewünschten pH-Wert liegt. Wert von 5.00 aufgetragen. Auf der Ordinate (CB) ist die Formalkonzentration einer starken
Base aufgetragen, die mit der 0.100 F HA gemischt werden muss, um den aufgetragenen pH
zu erhalten. So würde beispielsweise eine Lösung mit 0.050 F OH– und 0.100 F HA einen
0.18
0.16
pH von 5.00 haben (bei Vernachlässigung der Aktivitäten).
0.14
Die Kurve (b) in Abbildung 8.4 ist die Ableitung der oberen Kurve. Sie zeigt die Puf-
0.12 ferkapazität für das gleiche System. Das wichtigste Kennzeichen der Pufferkapazität ist,
a
dass sie bei pH = pKS ihr Maximum erreicht. Das bedeutet: ein Puffer widersteht pH-Än-
Cb (M)

0.10
0.08 derungen dann am besten, wenn für die Lösung pH = pKS gilt (und damit [HA] = [A–]).
0.06 Bei der Auswahl sollte man sich für eine Substanz entscheiden, deren pKS so nahe wie
0.04 möglich am gewünschten pH liegt. Der nutzbare pH-Bereich eines Puffers ist gewöhnlich pKS
0.02 ± 1 pH-Einheit. Außerhalb dieses Bereiches liegt entweder zu wenig an schwacher Säure
0.00
oder an schwacher Base vor, um die zugesetzten starken Säuren oder Basen umzusetzen.
0.16
Die Pufferkapazität kann jedoch durch eine höhere Konzentration des Puffers verbessert
0.14
werden.
Pufferkapazität

0.12
0.10
Bei hohen pH-Werten (auch bei niedrigem pH, hier aber nicht dargestellt) steigt die
0.08 Pufferkapazitätskurve in Abbildung 8.4b steil an, weil in diesem Bereich ohnehin eine
0.06 sehr hohe OH–-Konzentration (bzw. H+-Konzentration) vorliegt. Die Zugabe geringer
0.04 b Mengen an Säure oder Base zu einer hohen OH–-Konzentration (oder H+-Konzentration)
0.02 hat keinen großen Einfluss auf den pH-Wert. Eine Lösung mit hohem pH wird durch das
0.00
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 konjugierte Säure-Base-Paar H2O/OH– gepuffert, eine Lösung mit niedrigem pH durch
pH das konjugierte Säure-Base-Paar H3O+/H2O.

Abb. 8.4 a) CB als Funktion des pH für die


Lösung einer 0.100 F HA mit pKS = 5.00.
b) Pufferkapazität als Funktion des pH für
Abhängigkeit des Puffer-pH von Ionenstärke
das gleiche System mit dem Maximum und Temperatur
bei pH = pKS. Die untere Kurve ist die Ab-
leitung der oberen. In der vollständigen Henderson-Hasselbalch-Gleichung 8.18 stehen die Aktivitätskoeffi-
zienten. Das Weglassen der Aktivitätskoeffizienten bei der Berechnung eines Puffer-pH
ist die Hauptursache, warum berechneter und gemessener pH oft nicht exakt überein-
stimmen. Die Ionenstärke ist nicht Null und daher sind die Aktivitätskoeffizienten nicht
1. In Tabelle 8.2 stehen die pKS-Werte für Puffersubstanzen, die in der Biochemie breite
Anwendung finden. Die Werte sind für die Ionenstärken μ = 0 und μ = 0.1 M angegeben.
Wenn eine Lösung eine Ionenstärke hat, die näher an 0.1 als an 0 liegt, ist es vernünftiger,
den pKS-Wert für μ = 0.1 M für eine realistischere pH-Berechnung zu verwenden.
Beim Mischen von 0.200 Mol Borsäure mit 0.100 Mol NaOH in 1.00 L Lösung erhal-
ten wir eine 1:1-Mischung von Borsäure und ihrer konjugierten Base mit einer Ionen-
stärke μ = 0.1 M:
8.5 · Puffer 207

B(OH)3 + OH– → (HO)2BO– + H2O


Borsäure (HA) Borat (A–)

Für Borsäure finden wir in Tabelle 8.2 Werte für pKS = 9.24 bei μ = 0 und pKS = 8.98 bei Eine Veränderung der Ionenstärke
μ = 0.1. So können wir vorhersagen, dass der pH-Wert einer 1:1-Mischung von Borsäure führt zur Veränderung des pH.
und Borat bei niedrigen Ionenstärken in der Nähe von pKS = 9.24 und bei einer Ionen-
stärke von 0.1 nahe bei 8.98 liegt. Ein sehr deutlicher Einfluss der Ionenstärke auf den
pH-Wert zeigt sich beim Verdünnen einer 0.5 M Stammlösung eines Phosphatpuffers mit
pH 6.6 auf eine Konzentration von 0.05 M, wobei der pH auf 6.9 ansteigt.

Tabelle 8.2 Strukturen und pKS-Werte für häufig verwendete Puffer

Name Struktur pKS Formel- Δ(pKS)/


masse ΔT(K1)
μ=0 μ = 0.1
N-2-Acetamidoiminodiessigsäure (ADA) O — (COOH) 1.59 190.15 –
CH2CO2H
H 2NCCH 2NH
CH 2CO2H

N-Tris(hydroxymethyl)-methylglycin (TRICIN) (HOCH2) 3CNH2CH 2CO 2H 2.02 (COOH) – 179.17 –0.003

Phosphorsäure H3PO4 2.15 (pK1) 1.92 98.00 0.005


8
N,N-Bis(2-hydroxyethyl)glycin (BICIN) (HOCH 2CH2) 2NHCH2CO 2H 2.23 (COOH) – 163.17 –

ADA siehe oben 2.48 (COOH) 2.31 190.15 –


Piperazin-N,N’-bis(2-ethansulfonsäure) (PIPES) O3SCH2CH2NH H NCH2CH2SO3 — (pK1) 2.67 302.37 –

Citronensäure OH 3.13 (pK1) 2.90 192.12 –0.002


HO2CCH2CCH2CO2H

CO2H

Glycylglycin O 3.14 (COOH) 3.11 132.12 0.000


H3NCH2CNHCH2CO2H

Piperazin-N,N’-bis(3-propansulfonsäure) (PIPPS) O3S(CH2)3NH H N(CH2)3SO 3 — (pK1) 3.79 330.42 –

Piperazin-N,N’-bis(4-butansulfonsäure) (PIPBS) O3S(CH2)4NH H N(CH2)4SO 3 — (pK1) 4.29 358.47 –

N,N’-Diethylpiperazin-dihydrochlorid (DEEP-2HCl) CH3CH2NH H NCH2CH3 2Cl — (pK1) 4.48 215.16 –

Citronensäure siehe oben 4.76(pK2) 4.35 192.12 –0.001


Essigsäure CH3COOH 4.76 4.62 60.05 0.000
N.N’-Diethylendiamin-N,N’-bis(3-propansulfonsäure (DE- O 3S(CH2) 3NH CH2CH2H N(CH2) 3SO3 — (pK1) 5.62 360.49 –
SPEN)
CH3CH2 CH2CH3

2-(N-Morpholino)-ethansulfonsäure (MES) O NH CH2CH2SO3 6.27 6.06 195.24 –0.009

Citronensäure siehe oben 6.40(pK3) 5.70 192.12 0.002


N,N.N’.N’-tetraethylendiamin-dihydrochlorid (TEEN∙2HCl) Et 2NHCH2CH2HNEt2 2Cl — (pK1) 6.58 245.23 –

1,3-Bis[tris(hydroxymethyl) methylamino]propanhydro- (HOCH 2)3CN H2(CH2) 3NH2 2Cl 6.65 (pK1) – 355.26 –
chlorid (BIS-TRIS-propan-2HCl)
(HOCH2) 3C

ADA siehe oben 6.48 (NH) 6.67 190.15 –0.007


N-2-Acetamido-2-aminoethansulfonsäure (ACES) O 6.85 6.75 182.20 –0.018

H2NCCH 2NH2CH2CH2SO3

3-(N-Morpholino)-2-hydroxypropansulfonsäure (MOPSO) OH 6.90 – 225.26 –0.015


O NHCH2CHCH 2SO3
208 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Tabelle 8.2 Fortsetzung

Name Struktur pKS Formel- Δ(pKS)/


masse ΔT(K1)
μ=0 μ = 0.1
Imidazolhydrochlorid HN 6.99 7.00 104.54 –0.022
Cl
N
H
PIPES siehe oben 7.14 (pK2) 6.93 302.37 –0.007
3-(N-Morpholino)-propansulfonsäure (MOPS) O NHCH2CH2CH2SO3 7.18 7.08 209.26 –0.012

Phosphorsäure H3PO4 7.20 (pK2) 6.71 98.00 –0.002


4-(N-Morpholino)-butansulfonsäure (MOBS) O NHCH2CH2CH2CH2SO3 – 7.48 223.29 –

N-Tris(hydroxymethyl)methyl-2- (HOCH 2) 3CN H2CH2CH2SO 3 7.55 7.60 229.25 –0.019


aminoethansulfonsäure(TES)
N-2-Hydroxyethylpiperazin-N’-2-ethansulfonsäure (HEPES) HOCH2CH2N NH CH2CH2SO3 7.56 7.49 238.30 –0.012

PIPPS siehe oben — (pK2) 7.97 330.42 –


N-2-Hydroxyethylpiperazin-N’-3-propansulfonsäure HOCH2CH2N NH (CH2)3SO 3 7.96 7.87 252.33 –0.013
(HEPPS)
Glycinamidhydrochlorid O – 8.04 110.54 –
H3NCH2CNH2 Cl

Tris(hydroxymethyl)aminomethanhydrochlorid (TRIS∙HCl) (HOCH 2) 3CNH3 Cl 8.07 8.10 157.60 –0.028

TRICIN siehe oben 8.14 (NH) – 179.17 –0.018


Glycylglycin siehe oben 8.26 (NH) 8.09 132.12 –0.026
BICIN siehe oben 8.33 (NH) 8.22 163.17 –0.015
PIPBS siehe oben — (pK2) 8.55 358.47 –
DEPP ∙ 2HCl siehe oben — (pK2) 8.58 207.10 –
DESPEN siehe oben — (pK2) 9.06 360.49 –
BIS-TRIS-propan ∙ 2HCl siehe oben 9.10 (pK2) – 355.26 –
Ammoniak NH4+ 9.24 – 17.03 –0.031
Borsäure B(OH)3 9.24 (pK1) 8.98 61.83 –0.008
Cyclohexylaminoethansulfonsäure (CHES) NH2CH2CH2SO3 9.39 – 207.29 –0.023

TEEN ∙ 2HCl siehe oben — (pK2) 9.88 245.23 –


3-(Cyclohexylamino)propansulfonsäure (CAPS) NH2CH2CH2CH2SO3 10.50 10.39 221.32 –0.028

N,N,N’,N’-Tetramethylendiamin∙2HCl (TEMN∙2HCl) Et 2NHCH2HNEt2 2Cl — (pK2) 11.01 231.21 –

Phosphorsäure H3PO4 12.38 (pK3) 11.52 98.00 –0.009


Borsäure B(OH)3 12.74 (pK2) – 61.83 –
a Für jedes Molekül ist die protonierte Form abgebildet. Die sauren Wasserstoffatome sind fett markiert. Die pKS-Werte gelten für 25 °C.
b Viele der hier aufgeführten Puffer werden auf Grund ihrer relativ schwachen Bindungen zu Metallionen und ihrer physiologischen Inertheit sehr häufig in
der biomedizinischen Forschung verwendet (C. L. Bering, J. Chem. Ed. 1987, 64, 803). In einer Untersuchung, bei der MES und MOPS keine erkennbare Affi-
nität zu Cu2+ zeigten, wurde durch geringe Verunreinigungen in HEPES und HEPPS eine starke Affinität zu Cu2+ gefunden und MOPSO ging mit Cu2+ sogar
eine stöchiometrische Verbindung ein (H. E. Marsh, Y.-P. Chin, L. Sigg, R. Hari und H. XU, Anal. Chem. 2003, 75, 671). Die Puffer ADA, BICIN, ACES und TES
haben gegenüber Metallionen eine gewisse Bindungsfähigkeit (R. Nakon und C. R. Krishnamoorthy, Science 1983, 221, 749). Lutidinpuffer wurden für den
pH-Bereich von 3 bis 8 mit begrenzter Metallbindungsfähigkeit von U. Bips, H. Elias, M. Hauröder, G. Kleinhans, S. Pfeifer und K. J. Wannowius, Inorg. Chem.
1983, 22, 3862 beschrieben.
c Einige Daten stammen von R. N. Goldberg, N. Kishore, und R. M. Lennen, J. Phys. Chem. Ref. Data 2002, 31, 231. Dort befinden sich auch Angaben zur Tem-
peraturabhängigkeit von pKS-Werten.
d Temperatur- und Ionenstärkeabhängigkeit von Puffern: HEPES – D. Feng, W. F. Koch und Y. C. Wu, Anal. Chem. 1989, 61, 1400; MOPSO – Y. C. Wu, P. A. Bere-
zansky, D. Feng und W. F. Koch, Anal. Chem. 1993, 65, 1084; ACES und CHES – R. N. Roy, J. Bice, J. Greer, J. A, Carlsten, J. Smithon, W. S, Good, C. P. Moore, L.
N. Roy und K. M. Kuhler, J. Chem. Eng. Data 1997, 42, 41; TEMN, TEEN, DEPP, DESPEN, PIPES, PIPPS, PIPBS, MES, MOPS und MOBS – A. Kandegedara und D. B.
Rorabacher, Anal. Chem. 1999, 71, 3140. Diese letzte Gruppe von Puffern wurde vor allem wegen ihrer geringen Metallbindungsfähigkeit entwickelt (Q. Yu,
A. Kandegedara, Y. Xu und D. B. Rorabacher, Anal. Biochem. 1997, 253, 50).
e Siehe die Randnotiz auf Seite 192 zur Unterscheidung von pKS bei μ = 0 und μ = 0.1.
8.5 · Puffer 209

In diesem Buch wird bei fast allen Berechnungen KS für μ = 0 verwendet. Falls kein
entsprechender Wert vorhanden ist, wird KS für μ = 0.1 benutzt.
Der pKS für Puffer hängt von der Temperatur ab, wie die letzte Spalte der Abbildung 8.2 Der pH ändert sich bei Temperatur-
zeigt. Bei Tris ist die Temperaturabhängigkeit ungewöhnlich groß, –0.028 pKS-Einheiten änderungen.
pro Grad in Nähe der Zimmertemperatur. Eine Lösung von Tris mit einem pH von 8.07 bei
25 °C hat einen pH ≈ 8.7 bei 4 °C und einen pH ≈ 7.7 bei 37 °C.

Nicht immer stimmen Ihre Vereinfachungen


In stark verdünnten Lösungen oder bei extremen pH-Werten können HA und A– in der Vor allem in stark verdünnten Lösun-
Lösung nicht mit ihren Formalkonzentrationen gleichgesetzt werden. Wir wollen das gen und bei extremen pH-Werten
durch die folgenden Überlegungen beweisen. Nehmen wir an, wir mischen die Stoffmen- erhält man in der Lösung nicht immer
gen FHA von HA und FA– des Salzes Na+A–. Die Massen- und Ladungsbilanzen lauten das, was man gemischt hat.

Massenbilanz: FHA + FA– = [HA] + [A–]

Ladungsbilanz: [Na+] + [H+] = [OH–] + [A–]

Nach Substitution von FA– = [Na+] in die Ladungsbilanz und einigen mathematischen
Operationen erhalten wir folgendes Gleichungspaar

[HA] = FHA – [H+] + [OH–] (8.20)


8
[A–] = FA– + [H+] – [OH–] (8.21)

Bisher haben wir [HA] ≈ FHA und [A–] ≈ FA– angenommen, und diese Ausdrücke in der
Henderson-Hasselbalch-Gleichung verwendet. Exakter ist jedoch die Anwendung von
Gleichung 8.20 und 8.21. Wenn FHA oder FA– sehr klein sind oder [H+] bzw. [OH–] sehr
groß, sind die Näherungen [HA] ≈ FHA und [A–] ≈ FA– nicht länger anwendbar. In saurer
Lösung gilt [H+] >> [OH–], so dass [OH–] in den Gleichungen 8.20 und 8.21 vernachläs-
sigt werden kann. In basischer Lösung kann [H+] vernachlässigt werden.

> Beispiel
Herstellung eines verdünnten Puffers aus einer mittelstarken Säure
Wie groß ist der pH einer wässrigen Lösung aus 0.010 0 mol HA (pKS = 2.00) und 0.010 0 mol
A- in 1.00 L?

Lösung Da die Lösung sauer ist (pH ≈ pKS = 2.00), können wir [OH–] bei der Anwendung
der Gleichungen 8.20 und 8.21 vernachlässigen. In beiden Gleichungen setzen wir [H+] = x
und verwenden die Gleichung der Gleichgewichtskonstante KS, um [H+] zu bestimmen.

HA U H+ + A–
0.010 0 – x x 0.010 0 + x

⎡H+ ⎤ ⎡A − ⎤ (x) (0.010 0 + x )


KS = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ = =10 −2.00 (8.22)
⎣⎡HA ⎦⎤ ( 0.010 0 − x )
⇒ x = 0.004 14 ⇒ pH = –log [H+] = 2.38

Die Konzentrationen an HA und A– sind nicht mit den eingesetzten Konzentrationen


identisch:

[HA] = FHA − [H+ ] = 0.005 86 M HA ist in dieser Lösung zu mehr


− +
[A ] = FA + [H ] = 0.014 1M

als 40 % dissoziiert. Für die Annahme
[HA] ≈ FHA ist die Säure zu stark.
HA ist in diesem Beispiel eine zu starke Säure und die Konzentrationen von HA und A–
sind zu gering, so dass deren reale Konzentrationen nicht ihren Formalkonzentrationen
entsprechen.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie den pH, wenn pKS = 3.00 statt 2.00. Hat diese Lösung
Sinn? (Lösung: 3.07).
210 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung (mit Aktivitätskoeffizienten) trifft immer zu, da


sie im Prinzip nur eine Umstellung des Gleichgewichtsausdruckes für KS darstellt. Nicht
immer anwendbare Näherungen sind dagegen die Behauptungen [HA] ≈ FHA und [A–]
≈ FA–.
Zusammengefasst stellt ein Puffer ein Gemisch einer schwachen Säure mit ihrer
konjugierten Base dar. Die Pufferwirkung ist am stärksten bei pH ≈ pKS. Über einen
relativ großen Konzentrationsbereich ist der pH-Wert des Puffers nahezu unabhängig
von der Konzentration. Ein Puffer kann Änderungen des pH-Wertes widerstehen, da er
mit den zugesetzten Säuren und Basen reagiert. Sind die zugesetzten Mengen an Säure
oder Base zu groß, wird der Puffer verbraucht und der pH-Wert nicht länger konstant
gehalten.

> Beispiel
Zielwertsuche mit Excel und Benennung der Zellen
Wir haben am Ende von Kapitel 7 gesehen, dass mit der Zielwertsuche numerische Glei-
chungen gelöst werden können. Bei der Aufstellung der Gleichung 8.22 haben wir die
(großartige) Annäherung [H+] >>[OH–] vorgenommen und [OH–] vernachlässigt. Mit der
Zielwertsuche kann man leicht die Gleichungen 8.20 und 8.21 ohne Annäherungen ver-
wenden:

KS = =
(
⎡⎣H+ ⎤⎦ ⎡⎣A − ⎤⎦ ⎡⎣H ⎤⎦ FA + ⎡⎣H ⎤⎦ − ⎡⎣OH ⎤⎦
+

+ −
) (8.23)
⎡⎣HA ⎤⎦ FHA − ⎡⎣H+ ⎤⎦ + ⎡⎣OH− ⎤⎦

Das Arbeitsblatt erklärt die Zielwertsuche und die Benennung von Zellen, um die For-
meln aussagekräftiger zu machen. Tragen Sie in die Spalte A die Bezeichnungen für KS,
KW, FHA, FA (=FA–), H (= [H+]) und OH (= [OH–]) ein. In die Zellen B1:B4 werden die Zahlen-
werte für KS, KW, FHA und FA eingetragen. In die Zelle B5 schreibt man einen Schätzwert
für [H+].

A B C D E
1 KS = 0.01 Reaktionsquotient
2 Kw = 1.00E-14 für KS =
3 FHA = 0.01 [H+][A−]/[HA] =
4 FA = 0.01 0.001222222
5 H= 1.000E-03 <−Veränd. von H mit d. Zielwertsuche bis D4=KS
6 OH = Kw/H = 1E-11 D4 = H*(FA + H − OH)/(FHA − H + OH)
7 pH = − log(H) = 3.00

Nun werden die Zellen B1:B6 benannt. Klicken Sie in Excel die Zelle B1 an, gehen in das
Formelmenü. Dort klicken Sie „ Namen definieren“. Die Dialogbox fragt, ob Sie „KS“ für die
Zelle A1 beibehalten wollen. Wenn ja, klicken Sie OK und in der Namenbox oben links in der
Bearbeitungszeile des Arbeitsblatts erscheint statt B1 nun KS. Auf diese Weise benennen Sie
nun die weiteren Zellen der Spalte B mit „KW“, „FHA“, „FA“, „H“ und „OH“. Wenn Sie sich nun in
einer Formel auf die Zelle B2 beziehen wollen, können Sie KW statt B2 schreiben. KW ist ein
absoluter Bezug auf die Zelle $B$2.
In die Zelle B6 schreiben Sie die Formel „=KW/H“ und Excel liefert für [OH–] den
Wert 1E-11.
Es ist viel verständlicher, eine Zelle mit „=KW/H“ als mit „=$B$2/$B$5“ zu benennen. In
die Zelle B7 wird die Formel „-log(H)“ für den pH-Wert eingetragen.
Nun tragen Sie in Zelle D4 den Quotienten der Gleichung 8.23 ein: „H*(FA+H-OH)/(FHA-
H+OH“). Auf der Grundlage des Schätzwerts [H+] = 0.001 in Zelle B5 antwortet Excel mit
dem Wert 0,001 222.
Jetzt erfolgt die Zielwertsuche, bei der [H+] in der Zelle B5 solange verändert wird, bis
Reaktionsquotient in der Zelle D4 dem vorgegebenen Wert von KS =0,01 entspricht. Vor
dem Start der Zielwertsuche wird das Zeichen von Microsoft Office auf dem Arbeitsblatt
oben links angeklickt und „Excel Optionen“ und danach „Formeln“ aufgerufen. Bei den
Berechnungsoptionen wird bei der maximalen Änderung zur Erreichung einer hohen
Übungen 211

Präzision eine kleine Zahl, z. B. 1E-20, eingetragen. und auf „OK“ geklickt. Dann geht man
bei den Datentools auf „Was wäre wenn-Analyse“ und klickt dort „Zielwertsuche“ an. In
das Dialogfenster trägt man als Zielzelle D4, Zielwert 0,01und veränderbare Zelle B5 ein.
Nach dem Klicken auf OK wird die Zelle B5 solange verändert, bis der Wert [H+] = 4,142
× 10–3 den Reaktionsquotienten von 0,01 in Zelle D4 ergibt. Andere Schätzwerte für H
können negative oder gar keine Lösungen bringen. Nur ein positiver Wert von H erfüllt
die Gleichung 8.23.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie H bei KS = 0.001. (Lösung: 8.44 × 10–4, pH = 3.07)

Wichtige Begriffe
Assoziationsgrad α (einer Base) > Basekonstante KB > Dissoziationsgrad α (einer
Säure) > Henderson-Hasselbalch-Gleichung > konjugiertes Säure-Base-Paar > pK
> Puffer > Pufferkapazität > Säurekonstante K > schwache Base > schwacher Elekt-
S
rolyt > schwache Säure > starke Base > starke Säure

Zusammenfassung
Starke Säuren und Basen. Für praktisch relevante Konzentrationen (≥ 10–6 M) kön-
nen pH und pOH direkt aus der Formalkonzentration der Säure oder Base ermittelt
werden. Liegt die Konzentration in der Nähe von 10–7 M, verwendet man die syste-
matische Behandlung des Gleichgewichtes zur Bestimmung des pH-Wertes. Bei noch 8
geringeren Konzentrationen ist der pH aufgrund der Autoprotolyse des Lösungsmittels
Wasser 7.00.
Schwache Säuren. Für die Reaktion HA U H+ + A– löst man die Gleichung KS = x2/(F
– x), wobei [H+] = [A–] = x und [HA] = F – x sind. Der Dissoziationsgrad α ist definiert
als α = [A–]/([HA] + [A–]) = x/F. Die Größe pKS ist definiert als pKS = –logKS.
Schwache Basen. Für die Reaktion B + H2O U BH+ +OH– löst man die Gleichung KB
2/(F – x), wobei [OH–] = [BH+] = x und [B] = F – x sind. Die konjugierte Säure einer
=x
schwachen Base ist eine schwache Säure und die konjugierte Base einer schwachen Säure
ist eine schwache Base. Für ein konjugiertes Säure-Base-Paar gilt KS ∙ KB = KW.
Puffer. Ein Puffer ist ein Gemisch aus einer schwachen Säure und ihrer konjugierten
Base. Er widersteht Änderungen des pH-Wertes, da er mit der zugesetzten Säure oder
Base reagiert. Der pH eines Puffers ist durch die Henderson-Hasselbalch-Gleichung ge-
geben,
[A − ]
pH = pK S + log
[HA]
wobei pKS zur im Nenner stehenden Säure gehört. Die Konzentrationen an HA und A-
liegen im Vergleich zu den bei der Herstellung des Puffers verwendeten Konzentrationen
im Wesentlichen unverändert vor. Der pH eines Puffers ist nahezu unabhängig vom Ver-
dünnungsgrad, die Pufferkapazität ist jedoch umso größer, je höher die Konzentration des
Puffers ist. Die maximale Pufferkapazität liegt beim Punkt pH = pKS vor; der praktisch
nutzbare Pufferbreich beträgt pH = pKS ± 1.
Die konjugierte Base einer schwachen Säure ist eine schwache Base. Je schwächer die
Säure, desto stärker die Base. Ist einer der beiden Partner im konjugierten Paar schwach,
so ist es auch der andere. Der Zusammenhang für KS einer Säure und KB für ihre konju-
gierte Base ist in wässriger Lösung KS ∙ KB = KW. Wird eine starke Säure (oder Base) zu
einer schwachen Base (oder Säure) zugegeben, reagieren sie nahezu vollständig mitein-
ander.

Übungen
8-A. Bestimmen Sie den pH-Wert einer 1.0 × 10–2 M NaOH unter Verwendung der Ak-
tivitätskoeffizienten.

8-B. Berechnen Sie (ohne Aktivitäten) den pH-Wert einer


a) 1.0 × 10–8 M HBr
b) 1.0 × 10–8 M H2SO4 (die H2SO4 dissoziiert bei dieser niedrigen Konzentration voll-
ständig in 2 H+ und SO42–).
212 Kapitel 8 · Einprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

8-C. Welchen pH besitzt eine Lösung, die aus 1.23 g 2-Nitrophenol (MM 139.1) in 0.250 L
Wasser hergestellt wurde?

8-D. Der pH einer 0.010 M o-Kresollösung ist 6.16. Bestimmen Sie für diese schwache
Säure den pKS.
CH3
o-Kresol
OH

8-E. Berechnen Sie den Grenzwert des Dissoziationsgrades α einer schwachen Säure (pKS
= 5.00), wenn die Konzentration von HA Null erreicht. Wiederholen Sie die gleiche Be-
rechnung für pKS = 9.00.

8-F. Bestimmen Sie den pH-Wert einer 0.050 M Lösung von Natriumbutyrat (dem Natri-
umsalz der Buttersäure).

8-G. Der pH einer 0.10 M Ethylaminlösung ist 11.82.


a) Bestimmen Sie ohne Verwendung von Anhang G den KB-Wert für Ethylamin.
b) Verwenden Sie das Ergebnis von (a), um den pH-Wert einer 0.10 M Ethylammonium-
chlorid-Lösung zu berechnen.

8-H. Welche der folgenden Basen ist am besten zur Herstellung eines Puffers vom pH
9.00 geeignet?
a) NH3 (Ammoniak, KB = 1.76 × 10–5)
b) C6H5NH2 (Anilin, KB = 3.99 × 10–10)
c) H2NNH2 (Hydrazin, KB = 1.05 × 10–6)
d) C5H5N (Pyridin, KB = 1.58 × 10–9 M)

8-I. Eine Lösung enthalte 63 verschiedene konjugierte Säure-Base-Paare, darunter Acryl-


säure und das Acrylation in einem Verhältnis von [Acrylat]/[Acrylsäure] = 0.75. Welchen
pH hat die Lösung?
H2C=CHCOOH pKS = 4.25
Acrylsäure

8-J.
a) Bestimmen Sie den pH einer Lösung, die aus 1.00 g Glycinamid-Hydrochlorid
(Tabelle 8.2) und 1.00 g Glycinamid in 0.100 L Wasser hergestellt wurde.
O
H2N  Glycinamid
C2H6N2O
NH2 FM 74.08

b) Wie viel Gramm Glycinamid müssen zu 1.00 g Glycinamid-Hydrochlorid zugesetzt


werden, um in 100 mL Lösung einen pH von 8.00 einzustellen?
c) Welcher pH würde sich einstellen, wenn Lösung (a) mit 5.00 mL einer 0.100 M HCl
gemischt würde?
d) Wie wäre der pH-Wert, wenn die Lösung (c) mit 10.00 mL einer 0.100 M NaOH
gemischt würde?
e) Wie wäre der pH-Wert, wenn Lösung (a) mit 90.46 mL einer 0.100 M NaOH ge-
mischt würde? (Das ist genau die Menge, die zur Neutralisation des Glycinamid-
Hydrochlorids erforderlich ist.)
Übungen 213

8-K. Eine Lösung mit 0.010 0 M Phenylhydrazin und einer Ionenstärke von 0.10 M hat
einen pH-Wert von 8.13. Bestimmen Sie pKS für das Phenylhydrazoniumion im Phenyl-
hydrazinhydrochlorid unter Verwendung der Aktivitätskoeffizienten. Setzen Sie für γBH+
den Wert 0.80 ein.

NHNH2 NHNH3C1
Phenylhydrazin Phenylhydrazinhydrochlorid
BH+Cl–

8-L. Bestimmen Sie mit der am Ende des Kapitels besprochenen Excel Zielwertsuche
den pH-Wert einer 1L-Lösung von 0.030 mol HA (pKS = 2.50) und 0.015 mol A–. Wie ist
der pH-Wert für eine Lösung mit der Annäherung [HA] = 0.030 und [A–] = 0.015?

8
9 Mehrprotonige Säure-Base-
Gleichgewichte

Proteine sind mehrprotonige Säuren und Basen


Proteine besitzen biologische Funktionen, als Strukturbildner, bei der Katalyse chemischer Reaktionen, für die Immunant-
wort auf fremde Substanzen, für den Transport von Molekülen durch Membranen und bei der Kontrolle der Genexpression.
Die dreidimensionale Struktur und Funktionsweise eines Proteins wird durch die Sequenz der Aminosäuren bestimmt, aus
denen das Protein aufgebaut ist. Die unten stehende Abbildung zeigt, wie Aminosäuren miteinander zu einem Polypeptid
verknüpft sind. Von den 20 Standardaminosäuren haben drei basische und vier haben saure Substituenten. Das oben ge-
zeigte Myoglobin ist in verschiedene helikale (spiralförmige) Regionen gefaltet. Diese Regionen regulieren den Zugang von
Sauerstoff und anderen kleinen Molekülen zu den Häm-Gruppen, die für die Speicherung von O2 in den Muskelzellen ver-
antwortlich sind. Von den 153 Aminosäuren im Myoglobin des Pottwales besitzen 35 basische und 23 saure Seitengruppen.

9
60
20
50 COO–
COO–

CH2 CH2
30
70 40 Häm CH2 CH2
H
b-Gruppe C
C C
110 H3C C C CH3
C C
10
C N N C
HC Fe CH
90 153
130 C N N C
H2 C c Raumfüllendes Modell von Myoglobin
C C CH3
80 140 C C C a) Aminosäure-Hauptkette des Proteins
150 C
H C C
1
H
Myoglobin, des Sauerstoffspeichers im
CH3 C Muskelgewebe. Die Substituenten (R-
H CH2
Gruppen der Tabelle 9.1) wurden aus
a Myoglobin-Hauptkette b Struktur von Häm Gründen der Übersichtlichkeit wegge-
lassen. Die ebene Häm b-Gruppe an der
rechten Seite des Proteins bildet das aktive
Zentrum und enthält ein Eisen-Atom, wel-
ches O2, CO und andere kleine Moleküle
binden kann. [Aus M. F. Perutz, „The He-
H H H moglobin Molecule, Copyright © 1964 by
Scientific American, Inc.]. b) Struktur von
H3N C CO2 H3N C CO2 H3N C CO2 Aminosäuren Häm b, einem Vertreter eisenhaltiger Por-
phyrinkomplexe. c) Raumfüllendes Modell
R1 R2 R3 von Myoglobin mit geladenen sauren und
basischen Aminosäuren in dunkler Farbe
Substituent 2H2O
und hydrophoben (unpolaren, wasserab-
stoßenden) Aminosäuren in heller Farbe.
H O H O H
Polypeptid Weiße Aminosäuren sind hydrophil (polar,
H3N C C N C C N C CO2 (Ein langes Poly- „wasserliebend“), jedoch nicht geladen.
peptid wird Protein Die Oberfläche dieses wasserlöslichen Pro-
R1 H R2 H R3 genannt.) teins wird durch geladene und hydrophile
N-terminaler C-terminaler Gruppen bestimmt. [Aus J. M. Berg, J. L.
Rest Peptid- Rest Tymoczko und L. Stryer, Biochemistry, 5th
bindung ed. (New York, Freeman, 2002)]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
216 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Mehrprotonige Säuren und Basen können nicht nur ein, sondern mehrere Protonen ab-
geben oder aufnehmen. Nachdem wir zunächst zweiprotonige Systeme (mit zwei sauren
oder basischen Stellen) kennenlernen, ist danach die Erweiterung auf drei oder mehr
saure Stellen nicht kompliziert. Wir können dann einen Blick auf das große Ganze werfen
und darüber nachdenken, welche Spezies bei jedem beliebigen pH-Wert in der Lösung
dominieren.

9.1 Zweiprotonige Säuren und Basen

Aminosäuren sind die Bausteine der Proteine. Sie haben eine saure Carboxylgruppe, eine
basische Aminogruppe und einen unterschiedlichen, mit R bezeichneten Substituenten.
Die Carboxylgruppe ist stärker sauer als die Ammoniumgruppe, so dass sich die nicht-
ionische Form der Aminosäure spontan in das Zwitterion umwandelt, welches sowohl
positive wie negative Stellen hat:

Als Zwitterion wird ein Molekül Aminogruppe H2N H3N Ammoniumgruppe


bezeichnet, das positive und
CH R CH R
negative Ladungen besitzt.
Carbonsäure HO C O C Carboxylgruppe

O O
Zwitterion

Die pKS-Werte der Aminosäuren in Bei niedrigem pH-Wert sind sowohl die Ammonium- als auch die Carboxylgruppe proto-
lebenden Zellen unterscheiden sich niert. Bei hohem pH ist dagegen keine der beiden Gruppen protoniert. In Tabelle 9.1 sind
etwas von den Werten in Tabelle 9.1, die Säurekonstanten der Aminosäuren zusammengestellt, alle Substanzen sind in ihrer
weil die physiologische Temperatur vollständig protonierten Form dargestellt.
nicht 25 °C und die Ionenstärke nicht In Lösung sind die Zwitterionen durch Wechselwirkungen von –COO– und –NH+3 mit
Null ist. Wasser stabilisiert. Das Zwitterion ist auch im festen Zustand die stabile Form der Amino-
säuren, weil Wasserstoffbrückenbindungen zwischen –COO– und –NH+3 von benachbarten
Molekülen gebildet werden. In der Gasphase gibt es keine Nachbarn zur Ladungsstabili-
sierung, so dass die nichtionisierte Struktur mit einer intramolekularen Wasserstoffbrücke
vom –NH2 zu einem Carboxyl-Sauerstoff in Abbildung 9.1 vorherrscht.
Die weitere Diskussion wollen wir an einem konkreten Beispiel, der Aminosäure Leu-
cin (HL), führen.

Der Substituent im Leucin ist eine pKS1 2.328 pKS2 9.744


Isobutylgruppe: (CH3)2CHCH2_ H3NCHCO2H H3NCHCO2 H2NCHCO2
H2L+ HL (Leucin) L–

Die Gleichgewichtskonstanten beziehen sich auf die folgenden Reaktionen:


Zweiprotonige Säure: H2L+ U HL + H+ KS1 ≡ K1 (9.1)
Gewöhnlich wird der Index S in KS1
und KS2 weggelassen, bei Basen bleibt HL U L– + H+ KS2 ≡ K2 (9.2)
dagegen der Index B in KB1 und KB2
erhalten. Zweiprotonige Base: L– + H2O U HL + OH– KB1 (9.3)
HL + H2O U H2L+ + OH– KB2 (9.4)
Erinnern Sie sich, dass zwischen Säure- und Basekonstante die folgenden Zusammen-
hänge bestehen:
Beziehung zwischen KS und KB: KS1 ⋅ KB2 = KW (9.5)
KS2 ⋅ KB1 = KW (9.6)

Wir wollen jetzt damit beginnen, pH und Zusammensetzung verschiedener Lösun-


gen von 0.050 0 M H2L+, 0.050 0 M HL und 0.050 0 M L– zu berechnen. Die dabei zur
9.1 · Zweiprotonige Säuren und Basen 217

270 pm

Abb. 9.1 Struktur von Alanin in der Gasphase,


bestimmt durch Mikrowellenspektroskopie
288 pm [Aus: S. Blanco, A. Lesarrri, J. C. López und L. L.
Alonso „The Gas-Phase Structure of Alanine“, J.
Am. Chem. Soc. 2004, 126, 11675].

Tabelle 9.1 Säurekonstanten von Aminosäuren

Aminosäure Substituenta Carbonsäure pKS Ammoniumb pKS Substituentb pKS Formelmasse

Alanin (Ala) –CH3 2.344 9.868 89.09


Arginin (Arg) NH2 1.823 8.991 (12.1c) 174.29
C 2CH2CH2NHC
CH
NH2

Asparagin (Asn) O 2.16c 8.73c 132.12


CH2CNH 2

Asparagin-Säure (Asp) –CH2COOH 1.990 10.002 3.900 133.10 9


Cystein (Cys) –CH2SH (1.7) 10.74 8.36 121.16
Glutaminsäure (Glu) –CH2CH2COOH 2.16 9.96 4.30 147.13
Glutamin (Gln) O 2.19c 9.00c 146.15
CH2CH2CNH 2

Glycin (Gly) –H 2.350 9.778 75.07


Histidin (His) NH (1.6) 9.28 5.97 155.16
CH2
N
H
Isoleucin (Ile) –CH(CH3)(CH2CH3) 2.318 9.758 131.17
Leucin (Leu) –CH2CH(CH3)2 2.328 9.744 131.17
Lysin (Lys) –CH2CH2CH2CH2NH+3 (1.77) 9.07 10.82 146.19
Methionin (Met) –CH2CH2–S–CH3 2.18c 9.08c 149.21
Phenylalanin (Phe) CH2 2.20 9.31 165.19

Prolin (Pro) H2N 1.952 10.640 115.13


vollständige
Struktur der
HO2C Aminosäure

Serin (Ser) –CH2OH 2.187 9.209 105.09


Threonin (Thr) –CH(CH3)(OH) 2.088 9.100 119.12
Tryptophan (Trp) CH2 2.37c 9.33c 204.23

N
H
Tyrosin (Trp) CH2 OH 2.41c 8.67c 11.01c 181.19

Valin (Val) –CH(CH3)2 2.286 9.719 117.15


a
Die sauren Protonen sind fett gedruckt. Jede Aminosäure ist in ihrer vollständig protonierten Form abgebildet. In Klammern ist der Dreibuchstaben-Code
angegeben.
b Die pK -Werte gelten für 25 °C und eine Ionenstärke von Null, es sei denn, sie sind mit c gekennzeichnet. Unsichere Werte wurden in Klammern gesetzt. Im
S
Anhang G stehen Werte für μ = 0.1.
c Diese Werte wurden bei einer Ionenstärke von 0.1 M ermittelt; für die Konstanten wurden Konzentrationen anstelle von Aktivitäten verwendet.

Quelle: A. E. Martell und R. J. Motekaitis, NIST Database 46 (Gaithersburg, MD: National Institute of Standards and Technology, 2001).
218 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Anwendung kommenden Methoden sind allgemeingültig. Sie hängen nicht vom La-
dungstyp der Säuren und Basen ab. Wir können die gleiche Vorschrift verwenden, um die
pH-Werte einer zweiprotonigen Säure H2A mit beliebigem A oder von H2L+ zu bestimmen,
wo HL für Leucin steht.

Die saure Form H2L+


Leucinhydrochlorid enthält die protonierte Spezies H2L+, die nach den Reaktionen 9.1
und 9.2 zweimal Protonen abgeben kann. Mit K1 = 4.70 × 10–3 ist H2L+ eine schwache
Säure. HL ist eine noch schwächere Säure, denn K2 = 1.80 × 10–10. Es sieht also danach
aus, dass H2L+ nur teilweise dissoziiert und das daraus entstehende HL kaum noch weiter
reagiert. Aus diesem Grund können wir die „geniale“ Vereinfachung machen und anneh-
men, dass sich eine Lösung von H2L+ wie eine einprotonige Säure (KS = K1) verhält.
Mit dieser Näherung wird die pH-Berechnung einer 0.050 0 M H2L+ zu einer einfa-
chen Angelegenheit.

H2L+ kann wie eine einprotonige Säure


mit KS = KS1 behandelt werden. KS KS1 K1
H3NCHCO2H H3NCHCO2 H
H2L+ HL H+
0.050 0 – x x x

K S = K1 = 4.70 × 10-3

Nach x mit quadratischer Gleichung x2


= K S ⇒ x = 1.32 × 10-2 M
auflösen. F−x

[HL] = x = 1.32 × 10-2 M

[H+ ] = x = 1.32 × 10-2 M ⇒ pH = 1.88

[H2 L+ ] = F − x = 3.68 × 10-2 M

Wie groß ist nun die Konzentration an L– in dieser Lösung? Wir haben schon ange-
nommen, dass diese Konzentration sehr klein sein muss, aber nicht Null sein kann. Wir
können [L–] aus der Gleichung für KS2 berechnen, indem wir die eben berechneten Kon-
zentrationen HL und H+ einsetzen.

[H + ][L− ] K [HL]
K S2 = ⇒ [L− ] = S2 + (9.7)
[HL] [H ]

(1.80 × 10 −10 )(1.321 × 10 −2 )


[L− ] = (1.32 × 10 −2 )
= 1.80 × 10-10 M (= K S2 )

Durch die Näherung [H+] ≈ [HL] vereinfacht sich Gleichung 9.7 zu [L–] = KS2.
Damit bestätigt sich, dass wir vorhin zu Recht unsere „geniale“ Vereinfachung ge-
macht haben. Die Konzentration von L– ist etwa um acht Größenordnungen kleiner
als die von HL. Als Protonenlieferant kann die Dissoziation der HL im Vergleich zur
Dissoziation der H2L+ tatsächlich vernachlässigt werden. Für die meisten zweiprotonigen
Säuren liegen K1 und K2 so weit auseinander, dass die Gültigkeit der Näherung gewähr-
leistet ist. Selbst wenn K2 nur 10 mal kleiner als K1 wäre, hätte der für [H+] berechnete
Wert bei Vernachlässigung der zweiten Dissoziationsstufe einen Fehler von nur 4 % und
der Fehler des pH-Wertes würde 0.01 pH-Einheit betragen. Allgemein gilt deshalb, dass
sich Lösungen zweiprotoniger Säuren wie Lösungen einprotoniger Säuren verhalten und
damit KS = KS1.
Gelöstes Kohlendioxid ist eine der wichtigsten zweiprotonigen Säuren im Ökosystem
der Erde. In Exkurs 9.1 wird die drohende Gefahr für die gesamte Nahrungskette in den
Weltmeeren durch die zunehmende Lösung von atmosphärischen CO2 in den Ozeanen
9.1 · Zweiprotonige Säuren und Basen 219

geschildert. Die Reaktion A in Exkurs 9.1 verringert die Konzentration von CO23 − im Was-
ser. Dabei lösen sich durch Reaktion B die Gehäuse und Knochengerüste von Lebewesen
auf, die in der Nahrungskette ganz unten stehen. Dieser Effekt ist sehr viel stärker abgesi-
chert als der Einfluss von atmosphärischem CO2 auf das Weltklima.

Die basische Form L–


Die vollständig deprotonierte Form L– liegt beispielsweise in einem Salz wie Natrium-
leucinat vor, das durch Versetzen von Leucin mit einer äquimolaren Menge an NaOH
hergestellt werden kann. Durch Auflösen von Natriumleucinat in Wasser erhält man eine
Lösung mit der vollständig basischen Form L–. Die KB-Werte für dieses zweibasige Anion
sind
L– + H2O U HL + OH– KB1 = KW/KS2 = 5.55 × 10–5

HL + H2O U H2L+ OH– KB2 = KW/KS1 = 2.13 × 10–12

Aus dem Wert von KB1 sehen wir, dass L– in Wasser nicht sehr stark unter Bildung von HL Als Protolyse wird der Protonenüber-
protolysiert. Der Wert von KB2 zeigt, dass die entstehende HL eine so schwache Base ist, gang zwischen einer beliebigen
dass die weitere Reaktion zu H2L+ kaum abläuft. Substanz und Wasser bezeichnet. Im
Wir können deshalb L- wie eine einbasige Spezies behandeln und KB = KB1 setzen. Aus vorliegenden Fall wird die Reaktion
dieser wieder mal genialen Näherung ergibt sich: L– + H2O U HL + OH– als Protolyse von
L– bezeichnet.
9
KB KB1 L– kann wie eine einbasige Spezies mit
H2NCHCO2 H2O H3NCHCO2 OH KB = KB1 behandelt werden.
L– HL OH–
0.050 0 – x x x

KW
K B = K B1 = = 5.55 × 10-5
K S2

x2
= 5.55 × 10-5 ⇒ x = 1.64 × 10-3 M
F−x

[HL] = x = 1.64 × 10-3 M

[H + ] = KW/[OH–] = K W /x = 6.11 × 10-12 M ⇒ pH = 11.21

[L− ] = F − x = 4.84 × 10-2 M

Die Konzentration von H2L+ kann aus den Gleichgewichtskonstanten KB2 (oder KS1) er-
mittelt werden:

[H2L+ ][OH − ] [H2L+ ]x


K B2 = = = [H2L+ ]
[HL] x

Wir finden für [H2L+] = KB2 = 2.13 × 10–12 M, wodurch die Gültigkeit der Näherung be-
stätigt wird, dass [H2L+] im Vergleich zu [HL] vernachlässigbar klein ist. Generell kann
die vollständig basische Form einer zweiprotonigen Säure wie eine einbasige Substanz mit
KB = KB1 behandelt werden, wenn ein ausreichender Abstand zwischen KS1 und KS2 (oder
zwischen KB1 und KB2) vorhanden ist.
220 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Exkurs 9.1

Kohlendioxid in der Atmosphäre und in den aus CaCO3 nicht überleben.3 Calciumcarbonat tritt in den beiden
Ozeanen Kristallformen Calcit und Aragonit auf, von denen Aragonit etwas
Die Kurve auf der ersten Seite dieses Buches zeigt, dass der Koh- leichter löslich ist. Die Meeresorganismen enthalten sowohl Cal-
lendioxidgehalt der Atmosphäre 800 000 Jahre lang zwischen cit wie Aragonit.
etwa 180 und 280 ppm (μL/L) hin und her schwankte. Aber seit Eine Form des Zooplanktons sind die Pteropoden, auch
Anfang des 19. Jahrhunderts gibt es durch die Verbrennung Flügelschnecken genannt. Aus dem subarktischen Teil des Pazi-
fossiler Brennstoffe und durch die Zerstörung der Wälder auf der fischen Ozeans wurden solche Tierchen gesammelt und dann in
ganzen Welt eine exponentielle Zunahme des CO2 und damit Wasser gegeben, das nicht mit Aragonit gesättigt war. Innerhalb
eine akute Drohung, dass sich das Klima der Erde noch zu unse- von 48 Stunden begann die Auflösung der Schneckengehäuse.
ren Lebzeiten verändert. Da dieses Plankton die Basis der ozeanischen Nahrungskette bil-
Mit dem Anstieg des atmosphärischen CO2 nimmt auch die det, wirkt sich dessen Zerstörung auf den ganzen Ozean aus.
Konzentration des in den Ozeanen gelösten CO2 zu und dadurch Heutzutage enthält das Wasser an der Oberfläche der
werden Carbonat-Ionen verbraucht sowie der pH-Wert erniedrigt:1 Ozeane mehr als genug CO32– zum Erhalt von Aragonit und
Calcit. Wenn aber das atmosphärische CO2 im 21. Jahrhundert
CO2(aq) + H2O + CO32– U 2 HCO–3 (A)
unaufhaltsam weiter ansteigt, wird das Oberflächenwasser der
Der pH-Wert der Ozeane ist bereits von seinem vorindustriellen Ozeane hinsichtlich des Aragonits ungesättigt werden und
Wert von 8.16 auf den heutigen Wert von 8.04 gesunken.2 Ohne damit zum Abtöten aller Organismen führen, die dieses Mineral
Veränderung unseres Verhaltens könnte der pH-Wert bis zum zum Aufbau ihrer Struktur benötigen. In den polaren Gebieten
Jahr 2100 auf 7.7 sinken. wird das Schicksal zuerst zuschlagen, da CO2 in kaltem Wasser
Eine niedrige Carbonat-Konzentration begünstigt die Auflö- besser löslich ist als in warmen und KS1 und KS2 bei niedrigen
sung von festem Calciumcarbonat, denn nach dem Prinzip von Temperaturen HCO32– und CO2(aq) relativ zu CO32– begünstigen.
Le Châtelier wird mit der Abnahme von [CO32–] das Reaktions- (Aufgabe 9-12)
gleichgewicht nach rechts verschoben: Abbildung b zeigt die vorhergesagten CO32–-Konzentrationen
im polaren Ozeanwasser in Abhängigkeit des atmosphärischen
CaCO3 U Ca2+ + CO32– (B)
CO2. Die obere horizontale Linie kennzeichnet die Carbonat-
Wenn [CO32–] im Ozean genügend gesunken ist, können Organis- Konzentration unterhalb der Aragonit in Lösung geht. Das
men wie Plankton und Korallen mit Schalen oder einem Skelett atmosphärische CO2 liegt gegenwärtig bei 400 ppm und [CO32–]

vorindustrielles gegenwärtiges
CO2 CO2
150
2 × vorindustrielles CO2

120
[CO32− ] (μmol/kg)

90

Aragonit-Löslichkeitsgrenze
60

Calcit-Löslichkeitsgrenze

30 [CO32− ]

0
0 500 1 000 1 500 2 000
atmosphärisches CO2 (Volumen-ppm)
a b

a) Pteropoden (Flügelschnecken). Das Gehäuse einer lebenden Schnecke löst sich nach 48 Stunden in Wasser auf, das bezüglich Arago-
nit ungesättigt ist [David Wrobel, Visuals Unlimited].
b) Berechneter Wert von [CO32–] des Oberflächenwassers im Polargebiet in Abhängigkeit vom atmosphärischen CO2. Wenn [CO32–] unter
die obere horizontale Linie fällt, löst sich Aragonit auf. [J. C. Orr et al., Nature 2005, 437, 681.4]. Literaturzitat 1 enthält die Gleichungen,
mit denen die Kurven der Abbildungen berechnet werden können
9.1 · Zweiprotonige Säuren und Basen 221

Exkurs 9.1

in der Nähe von 100 μmol/kg Seewasser – mehr als genug zur führen können. Die zum Phytoplankton gehörenden Coccolitho-
Ausfällung von Aragonit und Calcit. Wenn aber in der Mitte die- phoriden sind marine Organismen mit einem CaCO3-Gerüst von
ses Jahrhunderts das atmosphärische CO2 600 ppm erreicht und mehreren Mikrometer Durchmesser. Diese Organismen produ-
damit [CO32–] auf 60 μmol/kg Seewasser sinkt, beginnt das Ver- zieren in den Ozeanen etwa ein Drittel des gesamten CaCO3. In
schwinden der Lebewesen mit Aragonit-Strukturen im Polarwas- den vergangenen 220 Jahren, in denen das atmosphärische CO2
ser. Bei noch höherer Konzentration des atmosphärischen CO2 angestiegen ist, hat die durchschnittliche Masse der zu den Coc-
wird sich das Aussterben auf niedrigere Breitengrade ausdehnen colithophoriden gehörenden Spezies Emiliania huxleyi um 40 %
und sowohl Organismen mit Aragonit-Strukturen als auch solche zugenommen und dadurch etwas CO2 aus dem Ozean entfernt.5
mit Calcit-Strukturen heimsuchen. Wie lange wollen wir noch Die Coccolithophoriden können den CO2-Anstieg bis zu einem
Unmengen an CO2 in die Atmosphäre bringen, um zu sehen, ob sich bestimmten Punkt mildern. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass
diese Vorhersagen bewahrheiten? alle kalkbildende Meeresorganismen überleben können, wenn
In der Natur helfen zum Glück einige entgegenwirkende der CO2-Gehalt so sehr ansteigt, dass CaCO3 thermodynamisch
Prozesse, die zu einer Milderung der geschilderten Situation nicht mehr beständig ist.

Die amphotere Form HL


Eine aus Leucin, HL, hergestellte Lösung stellt für die Berechnung ein größeres Problem Eine schwierigere Aufgabe.
dar als die Lösung von H2L+ oder L–, da HL sowohl basisch als auch sauer reagieren
kann. 9
HL ist sowohl eine Base als auch eine
HL U H+ + L– KS = KS2 = 1.80 × 10–10 (9.8)
Säure.
HL + H2O U H2L+ + OH– KB = KB2 = 2.13 × 10–12 (9.9)

Ein Molekül, das Protonen sowohl aufnehmen als auch abgeben kann, wird als amphipro-
tisch (oder amphoter) bezeichnet. Die Dissoziationsreaktion der Säure (9.8) besitzt eine
größere Gleichgewichtskonstante als die Protolysereaktion der Base (9.9), weshalb wir für
die Lösung von Leucin einen pH < 7 erwarten.
Wir können in diesem Fall jedoch Reaktion 9.9 nicht einfach vernachlässigen, selbst
wenn KS und KB sich um einige Größenordnungen unterscheiden. Beide Reaktionen lau-
fen in etwa gleichem Ausmaß ab, da das in Reaktion 9.8 erzeugte H+ mit dem in Reaktion
9.9 erzeugten OH– reagiert, wodurch das Gleichgewicht von Reaktion 9.9 auf die rechte
Seite verschoben wird.
Um diesen Fall exakt zu behandeln, greifen wir auf die systematische Behandlung von
Gleichgewichten zurück. Das Procedere wird wieder auf 0,050 0 F Leucin angewendet,
dessen amphotere Form (HL) keine Ladung besitzt. Die Ergebnisse haben jedoch allge-
meingültigen Charakter und sind auf jede amphotere Form unabhängig von ihrer Ladung
anwendbar.
Für die Reaktionen 9.8 und 9.9 lautet die Ladungsbilanz
[H + ] + [H2L+ ] = [L− ] + [OH − ] beziehungsweise [H2L+ ] − [L− ] + [H + ] − [OH − ] = 0
Wir verwenden nun die Säurekonstanten, um [H2L+] durch [HL][H+]/K1und [L–] durch
[HL]K2/[H+] zu ersetzen. Zusätzlich können wir formulieren, dass [OH–] = KW/[H+] ist.
Wenn wir diese Ausdrücke anschließend in die Ladungsbilanzgleichung einsetzen, erhal-
ten wir
[HL][H + ] [HL]K 2 KW
− +
+ [H + ] − = 0
K1 [H ] [H + ]
Die Gleichung wird jetzt nach [H+] aufgelöst. Zuerst multiplizieren wir alle Glieder der
Gleichung mit [H+]:

[HL][H + ]2
− [HL]K 2 + [H + ]2 − K W = 0
K1
222 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Danach klammern wir [H+]2 aus und stellen die Gleichung um:
⎛ [HL] ⎞
[H + ]2 ⎜⎜ + 1 ⎟⎟ = K 2[HL] + K W
⎝ K1 ⎠
K 2[HL] + K W
[H + ]2 =
[HL]
+ 1
K1

Durch Multiplikation von Zähler und Nenner mit K1 und Ziehen der Wurzel auf beiden
Seiten erhalten wir nun
K1K 2[HL] + K1K W
[H + ] = (9.10)
K1 + [HL]
Nun fehlt der Durchblick! Außer der Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizienten haben wir bis zu diesem Punkt
keine Näherungen vorgenommen. Wir haben unsere Gleichung mit bekannten Konstan-
ten und nur einer weiteren Unbekannten [HL] nach [H+] aufgelöst. Wie geht es nun wei-
ter? Ahnen Sie schon, wer jetzt wieder ins Spiel kommt? Natürlich, es ist unsere gute Fee,
die uns mit den fehlenden Informationen versorgt. „Die Hauptkomponente ist HL, weil
es sich sowohl um eine schwache Säure, als auch um eine schwache Base handelt. Weder
Reaktion 9.8 noch Reaktion 9.9 laufen in großem Umfang ab. Für die Konzentration der
HL kann in Gleichung 9.10 einfach 0.050 0 M eingesetzt werden.“
Wenn wir den weisen Rat der guten Fee befolgen, können wir Gleichung 9.10 in die
praktikable Form überführen:
pH der amphiprotischen Form einer zweiprotonigen Säure:
In dieser Gleichung sind K1 und K2 die
beiden Säurekonstanten (KS1 und KS2). K 1K 2 F + K 1K W
[H + ] ≈ (9.11)
K1 + F

F ist die Formalkonzentration von HL (= 0.050 0 M im vorliegenden Fall).


Schließlich können wir den pH einer 0.050 0 M Lösung von Leucin berechnen:

(4.70 × 10-3 )(1.80 × 10-10 )(0.050 0) + (4.70 × 10-3 )(1.0 × 10-14 )


[H + ] =
4.70 × 10-3 + 0.050'0
= 8.80 × 10-7 M ⇒ pH = 6.06

Die Konzentrationen von H2L+ und L– können mit den Konstanten K1 und K2 berechnet
werden, wobei für [H+] = 8.80 × 10–7 M und [HL] = 0.050 0 M eingesetzt werden.
[H + ][HL] (8.80 × 10-7 )(0.050 0)
[H2 L+ ] = = = 9.36 × 10-6 M
K1 4.70 × 10-3
K 2[HL] (1.80 × 10-10 )(0.050 0)
[L− ] = +
= = 1.02 × 10-5 M
[H ] 8.80 × 10-7

Wenn [H2L+] + [L–] nicht viel kleiner War die Näherung [HL] ≈ 0.050 0 M berechtigt? Natürlich war sie es, da [H2L+] (= 9.36 ×
als [HL] ist und Sie die Werte für [H2L+] 10–6 M) und [L–] (= 1.02 × 10–5 M) im Vergleich zu [HL] (≈ 0.050 0 M) deutlich geringer
und [L–] verfeinern wollen, verwenden sind. Fast das gesamte Leucin verbleibt in der Form HL. Beachten Sie, dass die Konzentrati-
Sie die Methode in Exkurs 9.2. onen von [H2L+] und [L-] fast gleich groß sind. Dies bestätigt, dass die Reaktionen 9.8 und
9.9 etwa in gleichem Ausmaß ablaufen, obwohl KS für Leucin 84 Mal größer als KB ist.
In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse für Leucin zusammengefasst. Beachten
Sie die relativen Konzentrationen von H2L+, HL und L- in jeder Lösung und auch den
pH-Wert der Lösungen.

Lösung pH [H+] (M) [H2L+] (M) [HL] (M) [L–] (M)

0.050 0 M H2A 1.88 1.32 × 10–2 3.68 × 10–2 1.32 × 10–2 1.80 × 10–10

0.050 0 M HA– 6.06 8.80 × 10–7 9.36 × 10–6 5.00 × 10–2 1.02 × 10–5

0.050 0 M A2– 11.21 6.11 × 10–12 2.13 × 10–12 1.64 × 10–3 4.84 × 10–2
9.1 · Zweiprotonige Säuren und Basen 223

Exkurs 9.2

Schrittweise Annäherung Man sieht, dass [H2M] und [M2–] gegenüber F = 1.00 × 10–3 M
Die Methode der schrittweisen Annäherung (sukzessiven nicht vernachlässigt werden können und wir unsere Annahme
Approximation) ist ein guter Weg, schwierige Gleichungen für [HM–] revidieren müssen. Über die Massenbilanz erhalten wir
mit komplizierten Lösungen zu behandeln. So ist Gleichung eine zweite Näherung:
9.11 keine gute Approximation für den Fall, dass die Konzen-
[HM− ]2 = F − [H2M]1 − [M2− ]1 =
tration der amphoteren Form einer zweiprotonigen Säure
0.001 00 - 0.000 129 - 0.000 175 = 0.000 696 M
einen Wert hat, der nicht dicht bei der Formalkonzentration
der Lösung liegt. Dieser Fall liegt vor, wenn K1 und K2 nahe Durch Einsetzen des Wertes [HM–]2 = 0.000 696 M in Gleichung
beieinander liegen und F klein ist. Gegeben sei eine Lösung 9.10 erhält man
von 1.00 × 10–3 M HM–, mit HM–, der amphoteren Form der
Äpfelsäure. K 1K 2 ( 0.000 696 ) + K 1K W
[H+ ]2 = = 4.29 × 10-5 M
K 1 + ( 0.000 696 )
HO CO2H 4
HO CO2 ⇒ [H2M]2 = 8.53 × 10-5 M und [M2− ]2 = 1.28 × 10-4 M
K1 3.5 10
pK1 3.46
CO2H CO2H Die Werte für [H2M]2 und [M2–]2 können jetzt zur Berechnung ei-
Äpfelsäure ner dritten Näherung für [HM-] verwendet werden:
H 2M HM–
[HM− ]3 = F − [H2M]2 − [M2− ]2 = 0.000 786 M
6
HO CO2
K2 7.9 10 Durch Einsetzen des Wertes für [HM–]3 in Gleichung 9.10 erhält
pK2 5.10 man
CO2
M2– [H+]3 = 4.37 × 10–5 M 9
Als erste Näherung setzen wir [HM–] ≈1.00 × 10–3 M. Nach dem und nach nochmaliger Wiederholung der Prozedur ist
Einsetzen dieses Wertes in Gleichung 9.10 erhalten wir erste Nä-
[H+]4 = 4.35 × 10–5 M.
herungen für [H+], [H2M] und [M2–].
Wir haben jetzt einen Wert für [H+] erreicht, dessen Präzision
K 1K 2 ( 0.001 00) + K 1K W schon kleiner als 1 % ist. Die vierte Annäherung gibt einen pH
⎡⎣H+ ⎤⎦ = = 4.53 × 10-5 M
1
K 1 + (0.00100 ) von 4.36 im Vergleich zu 4.34 nach der ersten Annäherung und
von 4.28 aus der Formel pH ≈ ½ (pK1+pK2). Wenn wir die Unsi-
⎡H+ ⎤ ⎡HM− ⎤⎦ ( 4.53 ×10 −5 ) (1.00 ×10 −3 ) cherheiten bei pH-Messungen betrachten, war diese Berechnung
⇒ ⎣⎡H2M ⎦⎤ = ⎣ ⎦ ⎣ = = 1.29 ×10 −4 M kaum der Mühe wert. Die Konzentration [HM–]5 beträgt jedoch
1
K1 3.5 ×10 −4
0.000 768 M und liegt damit 23 % unter der ursprünglichen
K 2 ⎡⎣HM− ⎤⎦ Annahme ([HM–]1 ≈ F = 0.001 00 M). Sukzessive Näherungsrech-
( 7.9 ×10 −6 ) (1.00 ×10−3 )
[M2-]1 = = = 1.75 ×10 −4 M nungen können per Hand, jedoch leichter und zuverlässiger mit
⎡⎣H+ ⎤⎦ 4.53 ×10 −5
einer Tabellenkalkulation durchgeführt werden.

Vereinfachte Berechnung der amphoteren Form


Für gewöhnlich ist Gleichung 9.11 eine ganz gute Näherung. Eine noch einfachere Form
der Gleichung 9.11 ergibt sich aus der Berücksichtigung von zwei meist zutreffenden Be-
dingungen. Zuerst kann wegen K2F >> KW das zweite Glied im Zähler von Gleichung 9.11
vernachlässigt werden.

K 1K 2 F + K 1K W
⎡H + ⎤ ≈
⎣ ⎦ K1 + F

Wenn dann noch K1 << F, kann auch das erste Glied im Nenner weggelassen werden:

K 1K 2 F
⎡H + ⎤ ≈
⎣ ⎦ K1 + F
224 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

Erinnern Sie sich an die Beziehungen und nach Kürzen von F erhält man
log (x1/2) = ½ log x
⎡ H + ⎤ ≈ K 1K 2
log (xy) = log x + log y ⎣ ⎦
log (x/y) = log x - log y
oder log ⎡⎣H + ⎤⎦ ≈ ½(log K1 + log K 2)

–log ⎡⎣H + ⎤⎦ ≈ –½(log K1 + log K 2)

Der pH der amphiprotischen Form Amphotere Form einer zweiprotonigen Säure:


einer zweiprotonigen Säure liegt nahe
beim Mittelwert zwischen den beiden pK 1 + pK 2
pKS-Werten und ist weitgehend unab- pH ≈ (9.12)
2
hängig von der Konzentration.

Gleichung 9.12 ist wichtig genug, um sie im Gedächtnis zu behalten. Man bekommt für die
Leucinlösung einen pH-Wert von 6.04 heraus, im Vergleich zu pH = 6.06 aus Gleichung
9.11. Gleichung 9.12 besagt, dass der pH der amphoteren Form einer zweiprotonigen Säure
unabhängig von der Formalkonzentration dicht beim Mittelwert aus pK1 und pK2 liegt.

> Beispiel
Der pH der amphoteren einer zweiprotonigen Säure
Kaliumhydrogenphthalat, K+HP-, ist das Salz der amphoteren Form der Phthalsäure. Berech-
nen Sie den pH der Lösungen, die 0.10 M und 0.010 M an KHP sind.

CO2H pK1 2.950 CO 2 pK2 5.408 CO 2


H H
CO2H CO2H CO 2
Phthalsäure Monohydrogenphthalat Phthalat

Lösung Der pH-Wert einer Kaliumhydrogenphthalatlösung ist ungeachtet der Konzentra-


tion nach Gleichung 9.12 (pK1 + pK2)/2 = 4.18. Mit Gleichung 9.11 berechnet man einen pH
von 4.18 für 0.10 M K+HP– und von 4.20 für 0.010 M K+HP–.

Selbstüberprüfung Berechnen Sie den pH einer 0.002 M K+HP–-Lösung mit Gleichung 9.11.
(Lösung: 4.28)

Ratschlag: Verwenden Sie Gleichung 9.11 zur Berechnung des pH, wenn Sie es mit der
amphiprotischen Form einer zweiprotonigen Säure zu tun bekommen. Das Ergebnis sollte
nahe bei dem Wert für (pK1 + pK2)/2 liegen.

Zusammenfassung der Berechnungen mit


zweiprotonigen Säuren
Die folgende Vorgehensweise wird zur Berechnung des pH und der Zusammensetzung
von Lösungen, die aus unterschiedlichen Formen einer zweiprotonigen Säure zusammen-
gesetzt sind (H2A, HA– und A2–), empfohlen.

H2A-Lösung
1. Behandeln Sie H2A zur Bestimmung von [H+], [HA–] und [H2A] wie eine einproto-
nige Säure mit KS = K1.
K1 x2
H2A U H+ + HA– = K1
F–x x x
F−x

2. Verwenden Sie K2, um [A2–] auszurechnen.

K 2 ⎡⎣HA − ⎤⎦
⎡ A2 − ⎤ = = K2
⎣ ⎦ ⎡H + ⎤
⎣ ⎦
9.2 · Zweiprotonige Puffer 225

HA–-Lösung
1. Verwenden Sie die Näherung [HA–] ≈ F und bestimmen Sie den pH mit Glei-
chung 9.11.
K 1K 2 F + K 1K W
[H + ] =
K1 + F
Der pH sollte nahe bei dem Wert ½ (pK1 + pK2) liegen.
2. Verwenden Sie den Wert für [H+] aus dem ersten Schritt und [HA–] ≈ F, um [H2A]
und [A2–] mit Hilfe der Konstanten K1 und K2 zu bestimmen.
[HA − ][H + ]
[H2 A] =
K1
K 2[HA − ]
[A 2 − ] =
[H + ]

A2–-Lösung
1. Behandeln Sie A2– als einbasig und verwenden Sie KB = KB1 = KW/KS2, um [A2-], Es ist sehr wichtig, diese Berechnun-
[HA–] und [H+] zu bestimmen. gen zu verstehen und anzuwenden.
Doch wir sollten trotz dieses Wissens
KB1 x2 K
A2– + H2O U
 HA– + OH– = K B1 = W nicht allzu übermütig sein, denn es
F–x x x
F−x K S2 könnte noch Gleichgewichte geben,
KW K die wir nicht berücksichtigt haben. So
[H + ] = −
= W bilden z. B. Na+ oder K+ in Lösungen
[OH ] x
von HA– oder A2– schwache Ionen- 9
2. Lösen Sie die Gleichung für K1 nach [H2A] auf paare, die wir vernachlässigt haben.6
K+ + A2– U [K+A2–]
⎛ K ⎞
⎡HA − ⎤ ⎜ W ⎟ K+ + HA– U [K+HA–]
⎡HA − ⎤ ⎡H + ⎤ ⎣ ⎦ ⎜ ⎡OH − ⎤ ⎟
⎡⎣H2 A ⎤⎦ = ⎣ ⎦⎣ ⎦ = ⎝⎣ ⎦⎠
= K B2
K S1 K S1

9.2 Zweiprotonige Puffer

Ein aus einer zweiprotonigen (oder mehrprotonigen) Säure hergestellter Puffer wird in
der gleichen Weise wie ein Puffer einer einprotonigen Säure behandelt. Für die Säure H2A
können die beiden folgenden Henderson-Hasselbalch-Gleichungen formuliert werden,
die beide immer richtig sind. Wenn wir [H2A] und [HA–] kennen, verwenden wir die
Gleichung für pK1. Kennen wir dagegen [HA–] und [A2–], verwenden wir pK2.

[HA − ] Alle Henderson-Hasselbalch-Gleichun-


pH = pK1 + log
[H2 A] gen (mit Aktivitätskoeffizienten) gelten
[A 2 − ] für Lösungen, die sich im Gleichge-
pH = pK 2 + log
[HA − ] wicht befinden, in jedem Fall.

> Beispiel
Ein zweiprotoniges Puffersystem
Bestimmen Sie den pH-Wert einer Lösung, die aus 1.00 g Kaliumhydrogenphthalat und
1.20 g Dinatriumphthalat in 50.0 mL Wasser hergestellt wurde.

Lösung Die Formeln des Monohydrogenphthalat- und des Phthalations wurden bereits
im vorangehenden Beispiel gezeigt. Die relativen Formelmassen sind für KHP = C8H5O4K =
204.221 und für Na2P = C8H4O4Na2 = 210.094. Wir kennen [HP-] und [P2–] und wenden des-
halb die Henderson-Hasselbalch-Gleichung für pK2 zur pH-Bestimmung an:

[P2− ] (1.20 g)/(210.094 g/mol)


pH = pK 2 + log = 5.408 + log = 5.47
[HP − ] (1.00 g)/(204.221 g/mol)
226 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

K2 ist die Säurekonstante für HP-, das im Nenner der Henderson-Hasselbalch-Gleichung


erscheint. Beachten Sie, dass das Volumen der Lösung für die Antwort keine Rolle ge-
spielt hat.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie den pH-Wert für den Fall, dass im obigen Beispiel der
Lösung 1.50 g Na2P statt 1.20 g zugesetzt wurden. (Lösung: 5.57)

> Beispiel
Herstellung eines Puffers aus einem zweiprotonigen System
Wie viele Milliliter einer 0.800 M KOH müssen einer wässrigen Lösung von 3.38 g Oxal-
säure zugesetzt werden, um beim Verdünnen auf 500 mL einen pH-Wert von 4.40 einzu-
stellen?

OO
HOCCOH pK1 = 1.250
Oxalsäure pK2 = 4.266
(H2Ox)
Formelmasse = 90.035

Lösung Der gewünschte pH liegt oberhalb von pK2. Wir wissen, dass bei einem Mol-
verhältnis von 1:1 an HOx– : Ox2– der pH = pK2 = 4.266 sein muss. Wenn ein pH von 4.40
eingestellt werden soll, muss also mehr Ox2– als HOx– in der Lösung vorliegen. Wir müssen
deshalb eine ausreichende Menge Base zugeben, um sämtliches H2Ox in HOx– zu über-
führen, sowie etwas an zusätzlicher Base, um einen entsprechenden Anteil von HOx– in
Ox2– zu überführen.

H2 Ox + OH− → HOx − + H2 O

pK 1 + pK 2
pH ≈ = 2.76
2
HOx − + OH− → Ox 2− + H2 O

Ein 1:1 Gemisch hätte den pH = pK 2 = 4.266

3.38 g H2Ox sind 0.037 54 Mol. Das für die Reaktion mit H2Ox zur Bildung von HOx– notwen-
dige Volumen an 0.800 M KOH ist (0.037 54 Mol)/(0.800 M) = 46.93 mL.

Für die Einstellung eines pH-Wertes von 4.40 sind nötig

HOx– + OH– → Ox2–

Stoffmenge vor der Umsetzung: 0.037 54 x –

Stoffmenge nach der Umsetzung: 0.0375 4 – x – x

[Ox 2− ]
pH = pK 2 + log
[HOx − ]
x
4.40 = 4.266 + log ⇒ x = 0.021 64 Mol
0.037 54 − x

Das Volumen an KOH, das 0.021 64 Mol OH– enthält, beträgt (0.021 64 Mol)/(0.800 M) = 27.05
mL. Das zur Einstellung des pH-Wertes auf 4.40 benötigte Gesamtvolumen an KOH ist dem-
zufolge 46.93 + 27.05 = 73.98 mL.

Selbstüberprüfung Welches Volumen an KOH bringt den pH auf 4.50? (Antwort:


76.56 mL)
9.3 · Mehrprotonige Säuren und Basen 227

9.3 Mehrprotonige Säuren und Basen

Die Behandlung zweiprotoniger Säuren und Basen kann auf mehrprotonige Systeme aus-
gedehnt werden. So sehen die zu einem dreiprotonigen System gehörenden Gleichungen
aus:
H3A U H2A– + H+ KS1 = K1
H2A– U HA2– + H+ KS2 = K2
HA2– U A3– + H+ KS3 = K3
A3– + H2O U HA2-+ OH– KB1 = KW/KS3
HA2– + H2O U H2A– + OH– KB2 = KW/KS2
H2A– + H2O U H3A + OH– KB3 = KW/KS1

Dreiprotonige Systeme behandelt man wie folgt:


1. H3A wird wie eine einprotonige schwache Säure mit KS = K1 behandelt.
2. H2A– wird wie die amphotere Form einer zweiprotonige Säure behandelt.

K 1K 2 F + K 1K W Die K-Werte in den Gleichungen 9.13


[H + ] ≈ (9.13)
K1 + F und 9.14 sind die Säurekonstanten KS
für die dreiprotonige Säure.
3. HA2– wird ebenfalls wie die amphotere Form einer zweiprotonige Säure behandelt.
Allerdings ist HA2– von H2A– und A3– „umgeben“, so dass anstelle von K1 und K2 hier
K2 und K3 verwendet werden.

K 2 K 3F + K 2 K W 9
[H + ] ≈ (9.14)
K2 + F

4. A3– wird einbasig mit KB = KB1 = KW/KS3 behandelt.

> Beispiel
Ein dreiprotoniges System
Bestimmen Sie die pH-Werte von 0.10 M H3His2+, 0.10 M H2His+, 0.10 M HHis und 0.10 M
His–. Die Abkürzung His steht für die Aminosäure Histidin.

CO2H CO2 CO2

HN pK1 1.6 HN pK2 5.97 N


NH NH3 NH NH3 NH NH3

H3His2+ H2His+ HHis, Histidin


CO2
pK3 9.28
N
NH NH2

His–

Lösung 0.10 M H3His2+: Bei der Behandlung von H3His2+ als einprotonige Säure können wir
formulieren:
H3His2+ U H2His+ + H+
F–x x x
2
x
= K 1 = 10 −1.6 ⇒ x = 3.9 ×10 −2 M ⇒ pH = 1.41
F−x

0.10 M H2His+: Mit Gleichung 9.13 ergibt sich

(10 --1.6 )( 10-5.97 )(0.10) + (10-1.6 )(1.0 × 10-14 )


[H+ ] =
10 -1.6 + 0.10
= 1.4 7 × 10-4 M ⇒ pH = 3.83
Dieser Wert liegt dicht bei ½ (pK1 + pK2) = 3.78
228 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

0.10 M HHis: Gleichung 9.14 gibt

(10 -5.97 )( 10 -9.28 )(0.10) + (10-5.97 )(1.0 × 10-14 )


[H+ ] =
10 -5.97 + 0.10
= 2.37 × 10-8 M ⇒ pH = 7.62

Der gleiche Wert ergibt sich aus ½ (pK2 + pK3)= 7.62.

0.10 M His-: Bei der einbasigen Behandlung von His– folgt

His– + H2O U HHis + OH–


F–x x x
2
x K
= K B1 = W = 1.9 × 10-5 ⇒ x = 1.37 × 10-3 M
F− x K S3

⎛K ⎞
pH = − log⎜ W ⎟ = 11.14
⎝ x ⎠

Selbstüberprüfung Berechnen Sie den pH von 0.010 M HHis. (Antwort: 7.62)

Drei Existenzformen für Säuren und Wir haben die Aufgaben zu Säuren und Basen auf den zurückliegenden Seiten auf drei
Basen: Typen eingegrenzt. Wenn Sie eine Aufgabe mit einer Säure oder Base lösen müssen,
▬ sauer entscheiden Sie zuerst, ob Sie es mit einer sauren, einer basischen oder einer dazwischen-
▬ basisch liegenden amphoteren Form zu tun haben. Danach können Sie die passenden mathemati-
▬ amphiprotisch = amphoter schen Operationen zur Lösung der Aufgabe auswählen.

9.4 Welche ist die hauptsächliche Spezies?

Bei der Planung einer chromatogra- Oft werden wir mit dem Problem konfrontiert, dass wir entscheiden müssen, ob unter
phischen oder elektrophoretischen den gegebenen Bedingungen die Säure, Base oder die amphotere Zwischenform domi-
Trennung muss man wissen, in wel- niert. Hier ist ein relativ einfaches Beispiel einer solchen Aufgabe: Welche Form der Ben-
cher Form die zu trennenden Stoffe zoesäure dominiert in einer wässrigen Lösung mit dem pH-Wert 8?
vorliegen. Man verwendet nämlich un-
terschiedliche Strategien zur Trennung CO2H pKS 4.20
von Kationen, Anionen oder neutralen Benzoesäure
Verbindungen.
pKS für Benzoesäure ist 4.20. Das bedeutet, dass bei einem pH von 4.20 ein 1:1 Gemisch
[A− ] an Benzoesäure (HA) und Benzoation (A–) vorliegt. Bei pH = pKS + 1 (= 5.20) hat der
pH = p K S + log
[HA] Quotient [A–]/[HA] einen Wert von 10:1. Bei pH = pKS + 2 (= 6.20) ist das Verhältnis von
[A–]/[HA] gleich 100:1. Wenn der pH weiter steigt, erhöht sich das Verhältnis [A–]/[HA]
ebenfalls weiter.
Bei einem einprotonigen System überwiegt bei pH > pKS die basische Spezies A–. Die
saure Form HA dominiert für pH < pKS. Die vorherrschende Form der Benzoesäure bei
pH 8 ist deshalb das Benzoation C6H5COO–.

> Beispiel
Hauptkomponenten – welche sind es und in welcher Konzentration
liegen sie vor?
Welche Spezies ist die Hauptkomponente in einer ammoniakalischen Lösung mit dem pH-
Wert 7.0? Berechnen Sie näherungsweise, welcher Anteil in dieser Form vorliegt.

Lösung Aus Anhang G erhalten wir für das Ammoniumion (NH4+, konjugierte Säure von
NH3) den pKS-Wert 9.24. Bei pH 9.24 gilt [NH4+] = [NH3]. Unterhalb pH 9.24 ist das NH4+-Ion
die dominierende Spezies. Da pH = 7.0 gelten soll, befinden wir uns etwa 2 pH-Einheiten
unterhalb von pKS, so dass der Quotient [NH4+]/[NH3] etwa 100:1 ist. Mehr als 99 % liegen
als NH4+ vor.
9.4 · Welche ist die hauptsächliche Spezies? 229

Selbstüberprüfung Welcher ungefähre Anteil des Ammoniak liegt bei pH 11 in Form von pH Hauptkomponente
NH3 vor? (Antwort: Etwas weniger als 99 %, denn der pH-Wert ist fast zwei Einheiten größer
< pKS HA
als pKS.)
> pKS A–

saurer pH basischer
Bei mehrprotonigen Systemen geht man ebenso vor, es müssen jedoch mehrere pKS-Werte dominie-
berücksichtigt werden. Wir wollen dies am Beispiel der Oxalsäure H2Ox mit pK1 = 1.25 und rende HA A–
pK2 = 4.27 untersuchen. Bei pH = pK1 gilt [H2Ox] = [HOx–]. Bei pH = pK2 gilt dagegen Form

[HOx–] = [Ox2–]. Die Tabelle auf dem Rand zeigt die Hauptkomponenten in jedem pH- pKS
Bereich.

> Beispiel pH Hauptkomponente


Hauptkomponenten in einem mehrprotonigen System pH< pK1 H2A
Die Aminosäure Arginin kann in folgenden Formen vorliegen:
pK1<pH< pK2 HA–

H3N H pH> pKS A2–


N NH2 pK1 1.82

saurer pH basischer
HO2C NH2

H3Arg2 Substituent H 2A HA A2–

H3 N H
N NH2 pK2 8.99 pK1 pK2

O2C NH2
H2Arg 9
H2 N H H2N H
N NH2 pK3 12.1 N NH2

O2C NH2 O2C NH


HArg, Arg
das neutrale Molekül

Aus Anhang G sehen wir, dass die α-Ammoniumgruppe (links) stärker sauer ist als der Sub-
stituent (rechts). Welche Form des Arginins ist die Hauptkomponente bei pH 10.0? Welchen
Anteil hat diese Form (näherungsweise)? Welche der Formen hat die zweithöchste Konzent-
ration bei diesem pH-Wert?

Lösung Wir wissen, dass bei pH = pK2 = 8.99 gilt: [H2Arg+] = [HArg]. Genauso gilt bei pH =
pK3 = 12.48: [HArg] = [Arg–]. Bei pH 10.0 muss deshalb HArg die Hauptkomponente sein. Da
der pH-Wert 10.0 etwa 1 pH-Einheit über dem pK2-Wert liegt, können wir [HArg]/[H2Arg+]
≈ 10:1 annehmen. Etwa 90 % des Arginins liegen in der Form HArg vor. Die zweithäufigste
Spezies ist H2Arg+, in der etwa 10 % des Arginins vorliegen.

Selbstüberprüfung Welches ist die Hauptform von Arginin bei pH 11? Welche ist die
zweithäufigste Form? (Antwort: HArg, Arg–)

> Beispiel
Noch mehr zu mehrprotonigen Systemen
Im pH-Bereich zwischen 1.82 und 8.99 ist H2Arg+ die Hauptform des Arginins. Welches ist
die zweithäufigste Spezies bei pH 6.0 und bei pH 5.0?

Lösung Wir wissen, dass wir den pH der reinen amphoteren Spezies H2Arg+ aus Gleichung
9.12 erhalten können:

pH von H2Arg+ ≈ ½(pK1 + pK2) = 5.40

Oberhalb von pH 5.40 (und unterhalb pH = pK2) sollte die konjugierte Base von H2Arg+,
HArg, die zweithäufigste Spezies sein. Unterhalb von pH 5.40 (und oberhalb pH = pK1) ist
H3Arg2+ die zweithäufigste Spezies.

Selbstüberprüfung Für welchen pH gilt [H2Arg+] = [Arg–]? (Antwort: 10.54)


230 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

saurer pH basischer

Haupt- H3A H2A– HA2– A3–


komponente

pK1 pK2 pK3


Abb. 9.2 Die vorherrschende Teilchen-
art in dem dreiprotonigen System (H3A) pH = 12 (pK1 + pK2) pH = 12 (pK2 + pK3)
2– –
in verschiedenen pH-Bereichen. [H3A] = [HA ] [H2A–] = [A3 ]

Gehen Sie zurück und rekapitulieren In Abbildung 9.2 erkennen Sie, wie ein dreiprotoniges System aussieht. Wir ermitteln die
Sie das Beispiel „Herstellung eines Puf- Hauptkomponente durch Vergleich des pH-Wertes der Lösung mit den einzelnen pKS-
fers in einem zweiprotonigen System“ Werten.
auf Seite 226. Sie sollten jetzt die Die Speziation beschreibt die Verteilung eines Analyten auf seine möglichen For-
Lösung besser verstehen. men. Bei Säuren oder Basen sind das die unterschiedlich protonierten Formen. Wenn
jemand aus dem Trinkwasser die anorganischen Verbindungen AsO(OH)3 und As(OH)3
aufnimmt, entstehen bei Stoffwechselprozessen im Körper durch Methylierung Spezies
wie (CH3)AsO(OH)2, (CH3)As(OH)2, (CH3)2AsO(OH), (CH3)2As (OH), (CH3)3AsO und
(CH3)3As. Bei der Speziation werden die vorhandenen Formen identifiziert und in ihren
Mengen bestimmt.

9.5 Gleichungen für die Berechnung der Anteile


einzelner Formen

Wir wollen jetzt Gleichungen ableiten, die uns die Berechnung des Anteils jeder Spezies
einer Säure oder Base bei einem bestimmten pH ermöglichen. Wir benötigen diese Glei-
chungssysteme für Säure-Base- oder EDTA-Titrationen, aber auch für elektrochemische
Gleichgewichte. Sie sind besonders für das Kapitel 12 wichtig.

Einprotonige Systeme
Es sollen Ausdrücke für den Anteil aller Spezies einer Säure (HA und A–) in einer Lösung
als Funktion des pH-Werts gefunden werden. Dazu wird die Gleichgewichtskonstante mit
der Massenbilanz kombiniert. Wir betrachten dazu eine Säure mit der Formalkonzentra-
tion F:
⎡H + ⎤ ⎡ A − ⎤
HA U H+ + A– KS = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
⎡⎣HA ⎤⎦
Massenbilanz: F = [HA] + [A–]
Durch Umstellung der Massenbilanz erhält man den Ausdruck [A–] = F–[HA], den wir in
den Ausdruck von KS einsetzen

(
⎡H + ⎤ F − ⎡⎣HA ⎤⎦
KS = ⎣ ⎦
)
⎡⎣HA ⎤⎦

Nach kleinen mathematischen Operationen ergibt sich daraus


⎡H + ⎤ F
⎡⎣HA ⎤⎦ = ⎣ + ⎦ (9.15)
⎡H ⎤ + K S
⎣ ⎦

Der Anteil der Moleküle in der Form HA wird mit αHA bezeichnet.

αHA = ⎣⎡HA ⎦⎤ ⎡HA ⎦⎤


= ⎣ (9.16)
⎡ −
⎣⎡HA ⎦⎤ + ⎣ A ⎦⎤ F
9.5 · Gleichungen für die Berechnung der Anteile einzelner Formen 231

Wenn wir Gleichung 9.15 durch F dividieren, erhalten wir αHA = Anteil der Spezies in der HA-Form
αA- = Anteil der Spezies in der A–-Form.
⎡HA ⎤⎦ ⎡H + ⎤ αHA + αHA = 1
Anteil der Moleküle in der Form HA: αHA = ⎣ = ⎣+ ⎦ (9.17)
F ⎡H ⎤ + K S
⎣ ⎦
Auf die gleiche Weise erhält man den mit αA- bezeichneten (früher als Dissoziations- oder 1.0
Protolysegrad α eingeführten) Anteil in der Form A–: 0.9

⎡A− ⎤ 0.8
HA A

 (Anteil der jeweiligen Form)


Anteil der Moleküle in der Form A–:  A− = ⎣ ⎦ =
KS
(9.18) 0.7
F ⎡H + ⎤ + K S
⎣ ⎦ 0.6

In Abbildung 9.3 sind αHA und αA- für ein System mit pKS = 5.00 dargestellt. Bei niedri- 0.5
gem pH-Wert liegt die Säure nahezu vollständig in der Form HA vor. Bei hohem pH-Wert 0.4
liegt die Säure fast vollständig als A– vor. 0.3

0.2
pKS
0.1
Zweiprotonige Systeme
0.0
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wir wollen nun die Gleichungen für die anteilige Zusammensetzung eines zweiprotoni- pH
gen Systems ableiten. Wir folgen dabei dem gleichen Schema wie für das einprotonige
System. Abb. 9.3 Zusammensetzung eines ein-
protonigen Systems mit pKS = 5.00. Un-
H2A U H+ + HA– terhalb von pH 5 ist HA die dominierende
Form, oberhalb pH 5 überwiegt A–.
9
HA– U H+ + A2–

⎡H + ⎤ ⎡HA − ⎤
K1 = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ K
⇒ ⎣⎡HA ⎦⎤ = ⎡⎣H2 A ⎤⎦ +1

⎡⎣H2 A ⎤⎦ ⎡H ⎤
 ⎣ ⎦

⎡H + ⎤ ⎡ A2 − ⎤
K2 = ⎣ ⎦ ⎣ − ⎦
K KK
⇒ ⎡⎣ A ⎤⎦ = ⎡⎣HA ⎤⎦ +2 = ⎣⎡H2 A ⎦⎤ 1 22
2− −

⎡HA ⎤ ⎡H ⎤ ⎡H + ⎤
⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦

Massenbilanz: F = ⎡⎣H2 A ⎤⎦ + ⎣⎡HA − ⎦⎤ + ⎣⎡ A 2 − ⎦⎤


Der Anteil, der hier als αA- bezeichnet
K1 K 1K 2
F = ⎡⎣H2 A ⎤⎦ + ⎡⎣H2 A ⎤⎦ + ⎡⎣H A ⎤⎦ wird, ist der gleiche, den wir vorher als
⎡H + ⎤
2 2
⎣ ⎦ ⎡H + ⎤ Dissoziationsgrad bezeichnet haben.
⎣ ⎦
⎛ ⎞ ⎛ ⎡ + ⎤2 ⎡ + ⎤ ⎞ αH2A = Anteil der Spezies in der
F = ⎡⎣H2 A ⎤⎦ ⎜ 1 +
K1 KK
+ 1 22 ⎟ = ⎡ H A ⎤ ⎜ ⎣ H ⎦ + ⎣ H ⎦ K 1 + K 1K 2 ⎟
⎜⎜ ⎣ 2 ⎦⎜ H2A-Form
⎡ ⎤ ⎟⎟ ⎟⎟
+ 2
⎣H ⎦ ⎣⎡H ⎦⎤ ⎜ ⎡ +⎤
+
⎝ ⎠ ⎝ ⎣H ⎦ ⎠ αHA– = Anteil der Spezies in der
HA–-Form
Für ein zweiprotoniges System nennen wir den Anteil der Form H2A α H2 A, den Anteil der αA2– = Anteil der Spezies in der
Form HA– α HA und den Anteil der Form A2– α A .
− 2− A2–-Form
αH2A + αHA– + αA2– = 1
Mit Hilfe der Definition für  H2 A können wir schreiben
2
⎡H A ⎤ ⎡ +⎤
Anteil in der Form H2A: α H A =⎣ 2 ⎦= ⎣H ⎦ (9.19)
2 Die allgemeine Form für α einer mehr-
F ⎡ H + ⎤ + ⎡ H + ⎤ K 1 + K 1K 2
2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦ protonigen Säure HnA lautet


Auf die gleiche Weise lassen sich die folgenden Gleichungen aufstellen: [H+ ]n
H A =
⎡HA ⎤ −
K1 ⎡⎣H ⎤⎦ + D n

Anteil in der Form HA-:  HA = ⎣ −


⎦= (9.20) K 1[H+ ]n−1
H A =
2
F ⎡ H + ⎤ + ⎡ H + ⎤ K 1 + K 1K 2
⎣ ⎦ ⎣ ⎦ D n −1

K 1K 2 K j [H+ ]n− j
⎡ A2 − ⎤ H A =
Anteil in der Form A2–:  A = ⎣ ⎦= K 1K 2 D n− j

2−
2
(9.21)
F ⎡ H ⎤ + ⎡ H + ⎤ K 1 + K 1K 2
+
⎣ ⎦ ⎣ ⎦ mit D = [H+]n + K1[H+]n-1 + K1K2[H+]n-2 +
... + K1K2K3...Kn.
232 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

1.0 αH2A αA2–

H CO2H αHA–

Anteil der jeweiligen Form


C

C
0.5 pK1 pK2
HO2C H

Abb. 9.4 Anteile der verschiedenen Spe- pK1 = 3.02


zies der Fumarsäure (trans-Butendisäure).
pK2 = 4.48
Bei niedrigem pH überwiegt H2A, bei
mittlerem pH HA– und bei hohem pH A2–.
Da pK1 und pK2 dicht beieinander liegen,
erreicht der Anteil von HA– nirgends den 0 1 2 3 4 5 6 7
Wert 1. pH

In Abbildung 9.4 sind die Kurven für die Anteile  HA und  A für Fumarsäure abgebil- − 2−

det, deren beide pKS-Werte nur 1.46 Einheiten voneinander entfernt liegen.  HA steigt −

deswegen nur auf maximal 0.73. Im Bereich pK1 < pH < pK2 liegen merkliche Anteile an
H2A und A2– vor.
Die Gleichungen 9.19 bis 9.21 können genauso gut für B, BH+ und BH22+ angewendet
So werden die Anteile in der Zusam- werden, die beim Lösen der Base B in Wasser entstehen. Der Anteil  H2 A entspricht der
mensetzung bei Basen ermittelt. sauren Form BH22+. Analog entspricht  HA dem Anteil von BH+ und  A dem Anteil von − 2−

B. Die beiden Konstanten K1 und K2 sind die Säurekonstanten von BH22+ (K1 = KW/KB2
und K2 = KW/KB1).

9.6 Isoelektrischer und isoionischer pH

Biochemiker sprechen oft vom isoelektrischen oder isoionischen pH mehrprotonischer


Moleküle, beispielsweise bei den Proteinen. Diese Begriffe lassen sich am leichtesten an
einem einfachen zweiprotonigen System, wie der Aminosäure Alanin, erläutern.

CH3 CH3
H3NCHCO2H H3NCHCO2 H pK1 2.34
Alaninkation neutrales Zwitterion
H2 A+ HA

CH3 CH3
H3NCHCO2 H2NCHCO2 H pK2 9.87
Alaninanion A–

Der isoionische pH ist der pH der Der isoionische Punkt (oder isoionische pH) ist der pH-Wert, der beim Lösen der reinen,
reinen, neutralen mehrprotonigen neutralen mehrprotonigen Säure HA (des neutralen Zwitterions) in Wasser entsteht. Die
Säure. einzigen Ionen, die sich in der Lösung befinden, sind in diesem Fall H2A+, A–, H+ und
OH–. Der größte Teil des Alanins liegt in der Form HA vor und die Konzentrationen von
H2A+ und A– sind nicht gleich.
Der isoelektrische pH ist der pH, Der isoelektrische Punkt (oder isoelektrischer pH) ist der pH-Wert, bei dem die
bei dem die mittlere Ladung der mittlere Ladung der mehrprotonigen Säure Null ist. Der größte Teil der Moleküle liegt in
mehrprotonigen Säure Null ist. der ungeladenen Form HA vor und die Konzentrationen von H2A+ und A– sind gleich. Für
das Verständnis ist jedoch die Tatsache wichtig, dass immer einige Ionen H2A+ und A– im
Gleichgewicht neben der HA vorliegen.
Alanin ist die amphotere Form einer Wenn reines Alanin in Wasser gelöst wird, stellt sich per Definition der isoionische
zweiprotonigen Säure, so dass man pH ein. Da Alanin (HA) die amphotere Form einer zweiprotonigen Säure (H2A+) ist,
Gleichung 9.11 zur pH-Berechnung ergibt sich der pH zu
verwenden kann. K 1K 2 F + K 1K W
Isoionischer Punkt: ⎡⎣H + ⎤⎦ = (9.22)
K1 + F
9.6 · Isoelektrischer und isoionischer pH 233

wobei F die Formalkonzentration von Alanin ist. Für eine 0.10 M Alaninlösung liegt der
isoionische pH bei

K1K 2 (0.10) + K1K W


⎡H + ⎤ = = 7.7 × 10 −7 M ⇒ pH = 6.11
⎣ ⎦ K1 + (0.10)

Aus [H+], K1 und K2 kann man [H2A+] = 1.68 × 10–5 M und [A–] = 1.76 × 10–5 M für rei-
nes Alanin in Wasser (die isoionische Lösung) berechnen. Es liegt ein geringer Überschuss
von A– vor, da HA eine etwas stärkere Säure relativ zu seiner Basenstärke ist. HA disso-
ziiert etwas stärker und liefert mehr A– im Vergleich zu der etwas schwächeren Reaktion
mit Wasser, bei der H2A+ entsteht.
Der isoelektrische Punkt ist der pH, an dem die Konzentrationen von H2A+ und A–
gleich sind und damit die mittlere Ladung des Alanins Null ist. Um von einer isoioni-
schen Lösung (reine Verbindung HA in Wasser) zur isoelektrischen Lösung zu kommen,
muss man gerade so viel starke Säure zufügen, um [A–] zu senken und [H2A+] zu erhöhen,
bis beide Konzentrationen gleich sind.
Wir berechnen den isoelektrischen pH, indem wir zuerst Ausdrücke für die Kationen
und Anionen in der Lösung formulieren:

⎡HA ⎤⎦ ⎡⎣H + ⎤⎦ K ⎡HA ⎦⎤


⎡H2 A + ⎤ = ⎣ ⎡A− ⎤ = 2 ⎣
⎣ ⎦ K ⎣ ⎦ ⎡H + ⎤
1 ⎣ ⎦
Durch Gleichsetzen von [H2A+] = [A–] erhalten wir
9
⎣⎡HA ⎦⎤ ⎡⎣H ⎤⎦ K 2 ⎡⎣HA ⎤⎦
+

= ⇒ [H+] = K1K 2
K1 ⎡H + ⎤
⎣ ⎦

woraus sich ergibt


Der isoelektrische Punkt liegt genau
pK 1 + pK 2
Isoelektrischer Punkt: pH = (9.23) in der Mitte zwischen den beiden
2
pKS-Werten, die die amphotere Form
Bei einer zweiprotonigen Aminosäure liegt der isoelektrische Punkt exakt in der Mitte „umgeben“.
zwischen den beiden pKS-Werten. Der isoelektrische pH von Alanin ist ½ (2.34 + 9.87)
= 6.10.
Die isoelektrischen und isoionischen Punkte einer mehrprotonigen Säure haben
nahezu den gleichen Wert. Am isoelektrischen pH ist die mittlere Ladung des Moleküls
Null und es gilt [H2A+] = [A–] sowie pH = ½ (pK1 + pK2). Für den isoionischen Punkt
ist der pH-Wert durch Gleichung 9.22 gegeben und [H2A+] ist nicht ganz genauso
groß wie [A–]. Trotzdem liegt der isoionische Punkt sehr nahe am isoelektrischen
Punkt.
Bei einem Protein ist der isoionische pH der pH der Lösung, bei dem neben dem rei-
nen Protein keine anderen Ionen außer H+ und OH– vorliegen. Proteine werden norma-
lerweise in einer geladenen Form, gemeinsam mit verschiedenen Gegenionen (wie Na+,
NH4+ oder Cl–) isoliert. Wird ein solches Protein gegen reines Wasser dialysiert (Versuch
26-1), nähert sich der pH auf der Seite des Proteins dem isoionischen Punkt, wenn die
Gegenionen durch die semipermeable Membran hindurchtreten können, während das
Protein zurückbleibt. Der isoelektrische Punkt ist der pH-Wert, an dem das Protein keine
Nettoladung besitzt. In Exkurs 9.3 wird gezeigt, wie Proteine auf der Grundlage ihrer un-
terschiedlichen isoelektrischen Punkte getrennt werden können.
Ähnliche Eigenschaften, für die auch in der Geologie, der Umweltforschung und in
der Keramikindustrie Interesse besteht, sind die Oberflächenazidität von Festkörpern7
und der pH der Null-Ladung8. Mineralien, Ton und selbst organische Oberflächen verhal-
ten sich wie Säuren und Basen. Die SiO2-Oberfläche von Sand oder Glas kann vereinfa-
chend als zweiprotonige Säure betrachtet werden:
{SiOH} ⎡⎣H + ⎤⎦
≡Si—OH+2 U ≡Si—OH + H+ K S1 = (9.24)
{SiOH2+}
234 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

{SiO− } ⎡⎣ H + ⎤⎦
≡Si—OH U ≡Si—O– + H+ K S2 = (9.25)
{SiOH}

Mit ≡Si ist ein Siliciumatom an der Oberfläche gemeint. Die Silanolgruppe (≡Si—OH) kann
ein Proton abgeben oder aufnehmen und damit der Oberfläche eine positive oder negative
Ladung geben. In den Gleichgewichtskonstanten werden die Konzentrationen der Oberflä-
chenspezies {Si—OH+2 }, {Si—OH} und {Si—O–} in Mol pro Gramm Feststoff angegeben.

Exkurs 9.3

Isoelektrische Fokussierung und 100 μm breite Kapillare wurde 25 μm tief in ein Quarzplätt-
Am isoelektrischen Punkt ist die durchschnittliche Ladung aller chen hinein geätzt. Der Streifen (i) zeigt Fluoreszenzmarker
Formen eines Proteins Null. Demzufolge kann es am isoelektri- mit bekannten isoelektrischen Punkten (pI), die als Standards
schen pH im elektrischen Feld nicht wandern. Dieser Effekt bildet gelaufen sind. Die Streifen (ii) und (iii) zeigen die Trennung von
die Grundlage der isoelektrischen Fokussierung, einer sehr Fluoreszenz-markierten Proteinen. Die Proteine wandern im
empfindlichen Technik für die Trennung von Proteinen. Ein Pro- elektrischen Feld bis zu ihrem isoelektrischen Punkt. Wenn ein
teingemisch wird in einem starken elektrischen Feld an einem Molekül aus seinem isoelektrischen Gebiet heraus diffundiert,
speziell hergestellten Material getrennt, das zur Ausbildung eines erhält es eine elektrische Ladung und wandert sofort in seine
pH-Gradienten führt. Die positiv geladenen Moleküle wandern isoelektrische Zone zurück. Die Kurve zeigt die gemessenen pH-
zum negativen Pol und die negativ geladenen Moleküle wandern Werte gegen die Wanderungsstrecke in der Kapillare. Trennun-
zum positiven Pol. Die Proteine wandern solange in die eine oder gen oder Reaktionen in Kapillaren auf Glas- oder Polymerchips
andere Richtung bis sie den Punkt erreichen, an dem der pH mit sind Beispiele für lab-on-a-chip-Methoden (Abschnitt 25.8).
ihrem isoelektrischen Punkt übereinstimmt. An diesem Punkt besit- Die Abbildung unten rechts zeigt die Trennung von ganzen
zen sie keine Nettoladung mehr und wandern deshalb nicht mehr Hefezellen bei drei verschiedenen Wachstumsstadien (frühe ex-
weiter. Auf diese Weise wird jedes Protein aus dem Gemisch in ei- ponentielle Phase, mittlere exponentielle Phase und stationäre
ner schmalen Zone an seinem isoelektrischen Punkt (pl) fokussiert. Phase) durch isoelektrische Fokussierung in einem Quarzkapil-
Im linken unteren Bild ist das Ergebnis einer Trennung larrohr. Die Säure-Base-Eigenschaften (und damit der pH) der
durch isoelektrische Fokussierung gezeigt. Eine 6 mm lange Zelloberfläche ändern sich während des Zellkulturwachstums.

mittlere exponentielle Phase


stationäre
Phase
Extinktion bei 280 nm

pl = 6.3 pl = 6.1
7.0

6.5

6.0 frühe
Proteine
exponentielle
5.5 Phase
pH

pl-Fluoreszenzmarker
5.0
pl = 5.2
4.5

4.0 29 38 47
Zeit (Minuten)
3.5
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
Anteil der Migrationsstrecke im 6-mm-Kanal Isoelektrische Kapillarfokussierung von ganzen Hefezellen aus
drei Wachstumsphasen. Nachdem die Zellen an ihrem iso-
Lab-on-a-chip. Isoelektrische Fokussierung (i) Fluoreszenzmarker zur pI- elektrischen Punkt fokussiert waren, wurde das Einlassstück
Festlegung. (ii) und (iii) Trennung von Fluoreszenz-markierten Proteinen: der Kapillare angehoben und die Extinktion der auslaufen-
(OVA) Ovalbumin; (GFP) Grün fluoreszierendes Protein; (BSA) Bovine Serum den Flüssigkeit mit einem Ultraviolett-Detektor gemessen.
Albumine; (TF) Transferrin; (CA) Carboanhydrase; (PhB) Phosphorylase B Auf der Abszisse ist die Zeit aufgetragen, die erforderlich
und (Hb) Hämoglobin. [G. J. Sommer, A. K. Singh, and A. V. Hatch, “On-Chip ist, damit die Banden den Detektor erreichen. [Y. Shen, S.
Isoelectric Focusing Using Photopolymerized Immobilized pH Gradients,” J. Berger, und R. D. Smith,“Capillary Isoelectric Focusing of
Anal. Chem. 2008, 80,3327]. Yeast Cells,” Anal. Chem. 2000, 72. 4603].
Zusammenfassung 235

Der pH der Null-Ladung ist der pH-Wert, bei dem {Si—OH+2 }={Si—O–}, also die
Oberfläche eine Nettoladung von Null hat. Wie beim isoelektrischen Punkt einer zwei-
protonigen Säure gilt für den pH der Null-Ladung ½ (pKS1 + pKS2). Kolloidale Partikel
(solche mit einem Durchmesser im Bereich von 1–500 nm) bleiben dispergiert, wenn sie
geladen sind, in der Nähe des pH-Werts der Null-Ladung flocken sie dagegen aus (sie tre-
ten zusammen und bilden einen Niederschlag). In der Kapillarelektrophorese (Kapitel 25)
bestimmt die Oberflächenladung die Geschwindigkeit, mit der das Lösungsmittel durch
die Kapillare fließt.

Wichtige Begriffe
Aminosäure > amphoter (amphiprotisch) > Hydrolyse > isoelektrischer Punkt > iso-
elektrische Fokussierung > isoionischer Punkt > mehrprotonige Säuren und Basen
> zweiprotonige Säuren und Basen > Speziation (Speziierung) > zweiprotonige Säuren

und Basen > Zwitterion >

Zusammenfassung
Zweiprotonige Säuren und Basen lassen sich in drei Gruppen einteilen:
1. Die vollständig saure Form H2A verhält sich wie eine einprotonige Säure, H2A U H+
+ HA–, wofür wir die Gleichung KS1 = x2/(F – x) mit [H+] = [HA–] = x und [H2A] = F
– x lösen können. Nach der Berechnung von [HA–] und [H+] kann der Wert für [A2–]
aus KS2 bestimmt werden.
2. Die vollständig basische Form A2– verhält sich wie eine Base mit A2– + H2O U HA–
+ OH–, für die wir die Gleichung KB1 = x2/(F – x) mit [OH–] = [HA–] = x und [A2–]
= F – x lösen können. Nach Bestimmung dieser Konzentrationen kann [H2A] aus KS1 9
oder KB2 ermittelt werden.
3. Die amphotere (amphiprotische) Form HA- reagiert sowohl sauer als auch basisch.
Ihr pH-Wert ergibt sich aus
K 1K 2 F + K 1K w
[H + ] = ,
K1 + F
worin K1 und K2 die Säurekonstanten für H2A und F die Formalkonzentration
der amphoteren Form sind. In den meisten Fällen reduziert sich diese Gleichung
auf die Form pH ≈ ½ (pK1 + pK2), in der der pH unabhängig von der Konzentra-
tion ist.

In dreiprotonigen Systemen gibt es zwei amphotere Formen. Für beide kann der pH über
eine Gleichung analog der für die amphotere Form des zweiprotonigen Systems ermit-
telt werden. Dreiprotonige Systeme besitzen ebenfalls eine vollständig saure und eine
vollständig basische Form. Beide können wie einprotonige Spezies bei der Berechnung
des pH behandelt werden. Für mehrprotonige Puffer verwenden wir die entsprechende
Henderson-Hasselbalch-Gleichung, die die beiden Hauptkomponenten im System ver-
bindet. Der pKS-Wert in dieser Gleichung gehört zur Säure im Nenner des logarithmi-
schen Gliedes.
Die Hauptkomponente eines einprotonigen oder mehrprotonigen Systems wird
durch Vergleich des pH mit den verschiedenen pKS-Werten ermittelt. Bei pH < pK1
ist die vollständig protonierte Species HnA die dominierende Form. Bei pK1 < pH <
pK2 überwiegt die Form Hn-1A–. Bei jedem folgenden pK-Wert wird die nächste de-
protonierte Form zur Hauptkomponente. Ist der pH schließlich größer als der höchste
pK-Wert, dominiert die vollständig basische Form An–. Die anteilige Zusammensetzung
einer Lösung wird durch α-Werte ausgedrückt, die durch die Gleichungen 9.17 und
9.18 für einprotonige Systeme und Gleichungen 9.19 bis 9.21 für zweiprotonige Systeme
gegeben sind.
Der isoelektrische pH einer mehrprotonigen Verbindung ist der pH, bei dem die
durchschnittliche Ladung aller Spezies Null ist. Bei einer zweiprotonigen Aminosäure,
deren amphiprotische Form neutral ist, wird der isoelektrische pH definiert durch pH =
½ (pK1 + pK2). Der isoionische pH einer mehrprotonigen Spezies stellt sich in einer Lö-
sung ein, die nur Ionen enthält, die aus der neutralen mehrprotonischen Spezies und H2O
236 Kapitel 9 · Mehrprotonige Säure-Base-Gleichgewichte

entstanden sind. Für eine zweiprotonige Aminosäure, deren amphiprotische Form neutral
ist, ergibt sich der isoionische pH aus

⎡H + ⎤ = (K1K 2F + K1K W) / (K1 + F )


⎣ ⎦

mit F der Formalkonzentration der Aminosäure.

Übungen
9-A. Bestimmen Sie den pH und die Konzentrationen von H2SO3, HSO3− und SO23 − in
jeder der folgenden Lösungen: (a) 0.050 M H2SO3; (b) 0.050 M NaHSO3; (c) 0.050 M
Na2SO3.

9-B.
a) Wie viele Gramm NaHCO3 (FM 84.007) müssen zu einer wässrigen Lösung von 4.00 g
K2CO3 (FM 138.206) gegeben werden, um in 500 mL der Lösung einen pH von 10.80
einzustellen?
b) Welchen pH-Wert hat die Lösung, wenn 100 mL einer 0.100 M HCl zu Lösung a)
gegeben wurden?
c) Wie viele Milliliter einer 0.320 M HNO3 müssen zu einer Lösung von 4.00 g K2CO3
gegeben werden, um in 250 mL einen pH von 10.00 einzustellen?

9-C. Wie viele Milliliter einer 0.800 M KOH muss man zu 5.02 g gelöster 1,5-Glutarsäure
(C5H8O4, FM 132.11) geben, um in 250 mL einen pH von 4.40 einzustellen?

9-D. Berechnen Sie den pH-Wert einer 0.010 M Lösung jeder der drei Aminosäuren
(Glutamin, Cystein und Arginin) in der abgebildeten Form.

NH2 S H2N NH2


C O CH2 C

CH2 H3NCHCO2 NH

CH2 CH2

H3NCHCO2 CH2
CH2
H2NCHCO2

9-E.
a) Zeichnen Sie die Struktur der Hauptkomponente von 1,3-Dihydroxybenzen bei pH
9.00 und bei pH 11.00.
b) Welche Spezies liegt am zweithäufigsten bei diesen pH-Werten in der Lösung vor?
c) Berechnen Sie den prozentualen Anteil der Hauptkomponente für beide pH-Werte.

9-F. Zeichnen Sie die Strukturen der dominierenden Spezies von Glutaminsäure und
Tyrosin bei pH 9.0 und pH 10.0. Welches sind die zweithäufigsten Spezies bei den beiden
pH-Werten?

9-G. Berechnen Sie den isoionischen pH von 0.010 M Lysin.

9-H. Neutrales Lysin kann mit HL abgekürzt werden. Die anderen Formen des Lysins
sind H3L2+, H2L+ und L–. Der isoelektrische Punkt ist der pH, bei dem die durchschnittli-
che Ladung von Lysin Null ist. Am isoelektrischen Punkt gilt deshalb 2[H3L2+] + [H2L+] =
[L–]. Berechnen Sie daraus den isoelektrischen pH von Lysin.
10 Säure-Base-Titrationen

Säure-Base-Titration eines Proteins


Das Enzym Ribonuklease ist ein Protein mit 124 Aminosäuren. Seine Funktion im Organismus besteht in der Spaltung der
Ribonukleinsäure (RNA) in kleine Bruchstücke. Eine wässrige Lösung, die außer dem reinen Protein und daraus entstehen-
den Produkten keine anderen Ionen, als die aus dem Wasser stammenden Ionen H+ und OH– enthält, wird als isoionisch
bezeichnet. Von diesem in der Graphik gezeigten Punkt nahe bei pH 9.6 kann das Protein entweder mit einer Säure oder
mit einer Base titriert werden. Von den 124 Aminosäuren des neutralen Enzyms können 16 durch Säure protoniert und
20 durch Basen deprotoniert werden. Aus der Form der Titrationskurve kann ein ungefährer pKS für jede der titrierbaren
Gruppen ermittelt werden.1,2 Diese Information liefert Aussagen über die unmittelbare Umgebung dieser Aminosäure im
Protein. Für Ribonuklease wurde ermittelt, dass drei Tyrosinreste „normale“ pKS-Werte (∼ 10) (Tabelle 9.1) und drei weitere
pKS-Werte > 12 besitzen. Dieses Ergebnis wird mit der freien Zugänglichkeit von drei Gruppen bezüglich Lösungsmittel
und OH– erklärt, während drei andere Tyrosingruppen innerhalb des Proteins verborgen sind, so dass sie nicht leicht titriert
werden können. Die Kurve in der Abbildung wurde aus den pKS-Werten aller titrierbaren Gruppen berechnet.
Theoretische Titrationskurven für Enzyme können aus den bekannten Kristallstrukturen und Grundgesetzen der Elek-
trostatik berechnet werden. Die wichtigsten Aminosäuren im aktiven Zentrum der Enzyme, dort wo die katalytische Reak-
tion abläuft, haben deutlich abweichende pKS-Werte und zeigen ein ungewöhnliches Verhalten, da sie über einen großen
10
pH-Bereich teilweise protoniert sind.3 Im Prinzip können solche Titrationsberechnungen die aktiven Zentren eines Proteins
identifizieren, dessen Struktur, nicht aber seine Funktion bekannt ist.

12 leicht zugänglich OH

10
isoelektrischer
Punkt unzugänglich
isoionischer
8 Punkt OH

Phenol- Protein
pH

gruppe des
6 Tyrosins
O−
OH−

2
OH
15 10 5 0 5 10
zugesetzte H+ zugesetzte OH–
pro Molekül pro Molekül

Säure-Base-Titration des Enzyms Ribonuklease. Der isoionische Punkt ist der Um die Phenolgruppe des im Inneren
pH des reinen Proteins bei Abwesenheit weiterer Ionen, außer H+ und OH–. des Proteins schwer zugänglichen Ty-
Der isoelektrische Punkt ist der pH, bei dem die Durchschnittsladung des Pro- rosins zu deprotonieren, ist eine hohe
teins Null beträgt. [C. T. Tanford und J. D. Hauenstein, „Hydrogen Ion Equilibria Konzentration an OH- erforderlich.
of Ribonuclease“, J. Am. Chem. Soc. 1956, 78, 5287].

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
238 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Lipophilie ist ein Maß für die Löslich- Aus einer Säure-Base-Titrationskurve können wir die Mengen und die pKS-Werte einer
keit in unpolaren Lösungsmitteln. Sie sauren oder basischen Substanz in einer Mischung bestimmen. In der medizinischen
wird durch das Verteilungsgleichge- Chemie bestimmen der pKS und die Lipophilie eines möglichen Arzneimittels, wie gut es
wicht eines Arzneimittels zwischen die Zellmembranen durchdringen kann. Aus pKS und pH können wir die Ladung einer
Wasser und Oktanol bestimmt. mehrprotonigen Säure berechnen. Im Allgemeinen kann ein Arzneimittel die Zellwände
umso schlechter passieren, je höher es geladen ist. In diesem Kapitel lernen wir, wie man
Arzneimittel(aq) U die Formen von Titrationskurven vorhersagt und die Bestimmung von Endpunkten mit
Arzneimittel(in Oktanol) Elektroden und Indikatoren durchführt.

Lipophilie =
10.1 Titration einer starken Säure mit einer starken Base
⎣⎡Arzneimittel ( inOktanol ) ⎦⎤
log ( )
⎡⎣Arzneimittel (aq ) ⎤⎦ In diesem Kapitel sollen Sie für jeden Titrationstyp die Konstruktion einer Kurve, die die
Veränderung des pH-Wertes in Abhängigkeit vom zugesetzten Titranten zeigt, erlernen. Wenn
Sie dies beherrschen, verstehen Sie auch, was während der Titration passiert und Sie können
den Verlauf einer experimentellen Titrationskurve erklären. Der pH-Wert wird gewöhnlich
mit einer Glaselektrode gemessen, deren Funktion im Abschnitt 14.5 erklärt wird.
Zuerst formuliert man die Reaktion Der erste Schritt ist in jedem Fall die Formulierung der chemischen Reaktion zwi-
zwischen Titrant und Analyt. schen Titrant und Analyt. Wir verwenden anschließend diese Reaktion, um die Zusam-
mensetzung und den pH nach jeder Zugabe von Titrant zu berechnen. Wir beginnen mit
dem einfachen Beispiel der Titration von 50.00 mL einer 0.020 00 M KOH mit 0.100 0 M
HBr. Zwischen Titrant und Analyt läuft nur folgende einfache Reaktion ab
Die Titrationsreaktion H+ + OH– → H2O K = 1/KW = 1014
Da die Gleichgewichtskonstante für diese Reaktion 1/KW = 1014 ist, kann man ohne Ge-
wissensbisse von einer vollständig ablaufenden Reaktion sprechen. Jede zugesetzte Menge
an H+ verbraucht eine stöchiometrische Menge an OH–.
Es ist für die weitere Behandlung des Problems ganz praktisch, wenn wir mit der
Berechnung des Volumens an HBr (VÄ) beginnen, das zum Erreichen des Äquivalenz-
punktes notwendig ist:
VÄ(L)(0.100 0 mol/L) = 0.050.00 L(0.020 00 mol/L) ⇒ VÄ = 0.010 00 L
mol HBr am titrierte mol OH–
Äquivalenzpunkt

Statt der Multiplikation von L × mol/L, bei der mol erhalten werden, werden meist mL
mit mol/L multipliziert. Das entspricht mL × (mmol/mL) = mmol:
mol mmol
mL ×
L
= mL ×
mL
= mmol VÄ(mL)(0.100 0 M) = 50.00 mL(0.020 00 M) ⇒ VÄ = 10.00 mL
mmol HBr am titrierte mmol OH–
Äquivalenzpunkt

Nach der Zugabe von 10.00 mL HBr ist die Titration vollständig. Bevor man diesen Punkt
erreicht, enthält die Lösung einen Überschuss an nicht umgesetztem OH–. Nach dem Er-
reichen von VÄ enthält die Lösung einen Überschuss an H+.
Im Fall der Titration einer beliebigen starken Base mit einer beliebigen starken Säure
kann die Titrationskurve in drei Regionen unterteilt werden, zu denen jeweils unter-
schiedliche Berechnungen gehören:
1. Vor dem Erreichen des Äquivalenzpunktes wird der pH durch den Überschuss an
OH– in der Lösung bestimmt.
2. Am Äquivalenzpunkt reicht die zugesetzte Menge an H+ für die Reaktion mit dem
restlichen OH– unter Bildung von H2O aus. Der pH-Wert wird durch das Dissoziati-
onsgleichgewicht des Wassers bestimmt.
Zur Erinnerung: 3. Nach dem Äquivalenzpunkt wird der pH durch den H+-Überschuss in der Lösung
Äquivalenzpunkt: Stöchiometrischer bestimmt.
Umsatz
Endpunkt: plötzliche Eigenschafts- Wir wollen jetzt für das obige Beispiel Berechnungen für jede der genannten drei Regio-
änderung, z. B. Indikatorfarbe oder nen durchführen. Die vollständigen Ergebnisse sind in Tabelle 10.1 und Abbildung 10.1
Elektrodenpotential zusammengefasst.
10.1 · Titration einer starken Säure mit einer starken Base 239

Region 1: Vor dem Äquivalenzpunkt


Diese Rechnung wird zunächst auf eine Weise durchgeführt, die Sie vielleicht noch aus Vor dem Äquivalenzpunkt existiert ein
der Schule kennen. Danach werden wir die Rechnerei rationalisieren. Überschuss an OH–.
Wenn der Probe 3.00 mL HBr zugesetzt wurden, beträgt das Volumen 53 ml. HBr
wird durch NaOH verbraucht, es verbleibt ein Überschuss an NaOH. Die zugesetzte Selbst im Schlaf müssen Sie wissen:
Stoffmenge in Mol beträgt: (0.100 0M)(0.003 00L) = 0.300 × 10–3 mol HBr = 0.300 mmol mmol mol
HBr. Am Anfang waren (0.020 00M)(0.050 00L) = 1.00 ×10–3 mol = 1.000 mmol NaOH = =M
mL L
vorhanden. Das nicht umgesetzte OH– ist die Differenz 1.000 mmol – 0.300 mmol =
0.700 mmol. Die Konzentration der nicht umgesetzten OH– ist (0.700 mmol)/53.00
Überschuss Überschuss
mL) = 0.013 2 M. Demnach ist [H+] = KW/[OH–] = 7.57 × 10–13 M und pH = –log [H+] OH– H+
= 12.12.
13

Und hier ist die rationellere Rechnung 12

Wenn der Probe 3.00 mL HBr zugesetzt wurden, ist die Reaktion zu drei Zehntel abge- 11
laufen (erinnern Sie sich, dass 10.00 mL HBr bis zum Erreichen des Äquivalenzpunktes 10
notwendig waren). Der Anteil nicht umgesetzter OH– beträgt sieben Zehntel. Die Kon-
9
zentration der noch nicht umgesetzten OH–-Ionen ist das Produkt aus dem noch vor- Äquivalenz-
8 punkt
handenem Anteil, der Ausgangskonzentration und einem Verdünnungsfaktor:

pH
7
Ausgangsvolumen Wende-
der OH- − Ionen
6 punkt
⎛ 10.00 − 3.00 ⎞ ⎛ 50.00 ⎞
[OH − ] = ⎜ 5 2

⎝
⎟ (
0.020 00 M ) ⎜
   ⎟ = 0.013 2 M (10.1) ( dd xy = 0)
⎠ ⎝
10.00 50.00+3.00 ⎠ 2
Ausgangskon-     Gesamtvolumen
der Lösung
4
Anteil an übrig- zentration von Verdünnungs-
bleibendem OH- OH- faktor 3

+ KW 1.0 × 10-14
2
0 2 4 6 8 10 12 14 16 10
[H ] = = = 7.57 × 10 -13 M ⇒ pH = 12.12 VS (mL)
[OH − ] 0.0132
Abb. 10.1 Die berechnete Titrations-
Gleichung 10.1 besagt, dass die OH–-Konzentration unter Berücksichtigung der eintre- kurve zeigt, wie sich der pH bei Zugabe
von 0.100 0 M HBr zu 50.00 mL 0.020 00M
tenden Verdünnung einem bestimmten Anteil der Ausgangskonzentration proportional
KOH ändert. Der Äquivalenzpunkt ist
ist. Der Verdünnungsfaktor ergibt sich aus dem durch das Gesamtvolumen der Lösung ein Wendepunkt der Kurve, an dem die
dividierten Ausgangsvolumen. zweite Ableitung Null ist.
In Tabelle 10.1 wird das zugesetzte Volumen der Säure mit VS bezeichnet. Der pH-
Wert wird auf die zweite Kommastelle genau angegeben, egal ob die Umstände dies
rechtfertigen. Die Angabe auf 0.01 pH-Einheiten genau erfolgt aus Gründen der Ein- Aufgabe Formulieren Sie Gleichung
heitlichkeit der Werteangaben, und weil 0.01 etwa der Genauigkeit von pH-Messungen 10.1 für den pH der Lösung nach der
entspricht. Zugabe von 6.00 mL HBr. Prüfen Sie
Ihr Ergebnis anhand der in Tabelle 10.1
zusammengestellten Werte.
Region 2: Am Äquivalenzpunkt
Region 2 ist der Äquivalenzpunkt, an dem gerade so viel H+ zugesetzt wurde, um mit dem
restlichen OH– in der Lösung zu reagieren. Exakt die gleiche Lösung können wir auch
durch Auflösen von KBr in Wasser herstellen. Der pH-Wert wird durch das Dissoziati-
onsgleichgewicht (Protolysegleichgewicht) des Wassers bestimmt:
H2O U H+ + OH–
x x
Am Äquivalenzpunkt ist pH = 7.00, je-
K W = x ⇒ x = 1.00 × 10 M ⇒ pH = 7.00
2 -7 doch nur dann, wenn eine starke Säure
und eine starke Base miteinander um-
Der pH-Wert am Äquivalenzpunkt bei jeder Titration einer starken Base (oder Säure) mit gesetzt werden.
einer starken Säure (oder Base) hat bei 25 °C den Wert 7.00.
Wie wir gleich sehen werden, ist der pH-Wert am Äquivalenzpunkt der Titration
schwacher Säuren oder Basen nicht 7.00. Ein pH-Wert von 7.00 stellt sich nur ein, wenn
Titrant und Analyt beides starke Säuren und Basen sind.
240 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Tabelle 10:1 Berechnung der Titrationskurve für 50.00 mL einer 0.020 00 M KOH, die mit 0.100 0 M HBr
titriert wird

mL HBr (VS) [OH–], nicht reagiert (M) [H+], Überschuss (M) pH

0.00 0.020 0 12.30

1.00 0.017 6 12.24

2.00 0.015 4 12.18

3.00 0.013 2 12.12

4.00 0.011 1 12.04

5.00 0.009 09 11.95


Region 1
6.00 0.007 14 11.85
(Überschuss OH–)
7.00 0.005 26 11.72

8.00 0.003 45 11.53

9.00 0.001 69 11.22

9.50 0.000 840 10.92

9.90 0.000 167 10.22

9.99 0.000 016 6 9.22

Region 2 10.00 – 7.00

10.01 0.000 016 7 4.78

10.10 0.000 166 3.78

10.50 0.000 826 3.08

11.00 0.001 64 2.79


Region 3
12.00 0.003 23 2.49
(Überschuss H+)
13.00 0.004 76 2.32

14.00 0.006 25 2.20

15.00 0.007 69 2.11

16.00 0.009 09 2.04

Region 3: Nach dem Äquivalenzpunkt


Nach dem Äquivalenzpunkt setzen wir der Lösung einen Überschuss an HBr zu. So ergibt
sich die H+-Konzentration bei 10.50 mL HBr-Zugabe zur Lösung zu
Volumen des
H+ − Überschusses

Nach dem Äquivalenzpunkt enthält ⎛ 0.50 ⎞


[H + ] = (0.100 0 M ) ⎜ = 8.26 × 10 -4M
die Lösung einen H+-Überschuss.  ⎝ 50.00+10.50 ⎟⎠ Gesamtvolumen
Ausgangskon-  der Lösung
zentration an Verdünnungs-
H+ faktor

pH = -log[H+ ] = 3.08

Bei VS = 10.50 mL ist der Überschuss genau VS–VÄ = 10.50–10.00 = 0.50 mL an HBr.
Deshalb erscheint der Wert 0.50 im Verdünnungsfaktor als Volumen des H+-Über-
schusses.
10.2 · Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base 241

Die Titrationskurve
Die vollständige Titrationskurve ist in Abbildung 10.1 dargestellt. Charakteristisch für
alle analytisch sinnvollen Titrationen ist ein deutlicher Sprung des pH-Werts in der Nähe
des Äquivalenzpunktes. Im Äquivalenzpunkt ist die Steigung der Kurve (dpH/dVS) am
größten (und die zweite Ableitung ist Null, wodurch sich ein Wendepunkt ergibt). Es soll
hier nochmals wiederholt werden, dass der pH am Äquivalenzpunkt nur dann 7.00 ist,
wenn eine Titration starker Säuren und Basen miteinander erfolgt. Ist einer der beiden
Reaktionspartner schwach, ist der pH-Wert am Äquivalenzpunkt nicht 7.00. Er kann un-
ter Umständen sogar recht weit von pH 7.00 entfernt liegen.

10.2 Titration einer schwachen Säure mit einer


starken Base

Für die Untersuchung der Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base benö-
tigen wir sämtliche bisher erworbenen Kenntnisse über die Säure-Base-Gleichgewichte.
Wir wollen das Problem am Beispiel der Titration von 50.00 mL einer 0.020 00 M MES-
Lösung mit 0.100 M NaOH diskutieren. MES ist die Abkürzung für 2-(N-Morpholino)
ethansulfonsäure, einer schwachen Säure mit einem pKS von 6.27.

Folgende Titrationsreaktion läuft ab:


Beginnen Sie stets mit der Formulie-
O NHCH2CH2SO3 OH Æ O NCH2CH2SO3 H2O rung der Titrationsreaktion
HA A–
(10.2)
MES, pKS = 6.27
10
A–
Die Reaktion 10.2 ist die Umkehrung der Reaktion zwischen der Base und Wasser, deren Stark + Schwach → vollständige
Gleichgewichtskonstante KB ist. Die Gleichgewichtskonstante für Reaktion 10.2 lautet dem- Reaktion
nach K = 1/KB = 1/(KW/KS für HA) = 5.4 × 107. Dieser Wert ist so groß, dass wir von einer
vollständigen Umsetzung nach jeder Zugabe von OH– sprechen können. Wie bereits in Ex-
kurs 8.3 gezeigt, reagieren starke und schwache Reaktionspartner vollständig miteinander.
Zuerst wird das Volumen VB berechnet, das zum Erreichen des Äquivalenzpunktes
notwendig ist.

(VB (mL)) (0.100 0 M) = (50.00 )


mL)(0.020 00 M ⇒ VB = 10.00 mL
   
mMol Base mMol HA

Bei der Berechnung des Titrationsverlaufs können bei dieser Aufgabe vier Regionen un-
terschieden werden:
1. Vor der Zugabe der Base enthält die Lösung nur HA in Wasser. Der pH kann also
aus den Gleichgewichtsbedingungen HA U H+ + A– für die schwache Säure mit der
Säurekonstanten KS ermittelt werden.
2. Von der ersten Zugabe der Base bis unmittelbar vor dem Äquivalenzpunkt liegt ein
Gemisch aus nicht umgesetzter HA und der durch Reaktion 10.2 erzeugten A– vor.
Es hat sich also ein Puffer gebildet. In diesem Bereich können wir die Henderson-
Hasselbalch-Gleichung zur Bestimmung des pH-Wertes verwenden.
3. Am Äquivalenzpunkt ist „sämtliche“ HA in A– umgewandelt. Die Aufgabe wäre die
gleiche, wenn wir gleich A– in Wasser gelöst hätten. Wir haben es hier also mit der pH-
Bestimmung einer schwachen Base zu tun und können dazu folgendes Gleichgewicht
A– + H2O U HA + OH–
mit der Basekonstanten KB verwenden.
4. Nach dem Äquivalenzpunkt entsteht ein Überschuss an OH– in der Lösung von A–.
In guter Näherung wird der pH nun durch die starke Base bestimmt. Wir berechnen
den pH, als hätten wir den Überschuss an NaOH nur zu reinem Wasser gegeben und
vernachlässigen dabei den geringen Einfluss des vorhandenen A–.
242 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Region 1: Bevor Base zugesetzt wurde


Vor dem Zusatz der Base enthält die Lösung nur 0.020 00 M HA mit pKS = 6.27. Dieses
einfache Problem einer schwachen Säure löst man auf folgende Weise:

Die Ausgangslösung enthält nur die HA U H+ + A– KS = 10–6.27


schwache Säure HA. F–x x x

x2
= K S ⇒ x = 1.03 × 10-4 ⇒ pH = 3.99
0.020 00 − x

Region 2: Vor dem Äquivalenzpunkt


Vor dem Äquivalenzpunkt liegt eine Sobald wir mit der Zugabe von OH– beginnen, wird ein Gemisch aus HA und A– erzeugt.
Mischung aus HA und A– vor, die eine Dieses Gemisch ist ein Puffer, dessen pH-Wert mit der Henderson-Hasselbalch-Glei-
Pufferlösung darstellt. chung (8.16) aus dem Verhältnis [A–]/[HA] ermittelt werden kann.
Wir wollen als Beispiel den Quotienten [A–]/[HA] nach der Zugabe von 3.00 mL OH–
Wir benötigen nur relative Konzentrati- ermitteln. Da VÄ = 10.00 mL ist, haben wir so viel Base zugesetzt, dass drei Zehntel der
onen, da der pH-Wert eines Puffers vom HA umgesetzt werden. Als Hilfsmittel können wir eine Tabelle aufstellen, die die relativen
Quotienten [A–]/[HA] abhängig ist. Konzentrationen vor und nach der Reaktion zusammenfasst:

Titrationsreaktion HA + OH– → A– + H2O

Relative Ausgangsmengen (HA≡1) 1 3/10 – –

Relative Endmengen 7/10 – 3/10 –

Haben wir auf diese Weise den Quotienten [A–]/[HA] bestimmt, können wir den pH-
Wert der Lösung berechnen:
[A − ] 3/10
pH = pK S + log = 6.27 + log = 5.90
[HA] 7/10
Der Punkt, bei dem das Volumen des Titranten genau 1/2VÄ erreicht, hat in jeder Titra-
tion besondere Bedeutung („Punkt halber Neutralisation“).

Titrationsreaktion HA + OH– → A– + H2O

Relative Ausgangsmengen 1 ½ – –

Relative Endmengen ½ – ½ –

Für VB = 1/2VÄ gilt pH = pKS. 1/2


pH = pK S + log = pK S
Dies ist in jeder Titration ein 1/2
Orientierungspunkt.
Wenn das Volumen des Titranten gleich 1/2VÄ beträgt, ist pH = pKS für die Säure HA
(bei Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizienten). In einer experimentell ermittelten
Titrationskurve kann man den ungefähren Wert für pKS beim Volumen VB = ½VÄ ablesen
(VB ist das Volumen der zugesetzten Base). Um den exakten Wert von pKS zu ermitteln,
müssen jedoch die Aktivitätskoeffizienten berücksichtigt werden.

Hinweis Sobald Sie feststellen, dass in einer Lösung HA und A– nebeneinander vorliegen,
haben Sie es mit einem Puffer zu tun. Der pH kann berechnet werden, sobald Sie das Ver-
hältnis [A–]/[HA] kennen.
[A − ]
pH = pK S + log
[HA]
Lernen Sie mit Puffern zu leben. Sie lauern in jeder Ecke der Säure-Base-Chemie!
10.2 · Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base 243

Region 3: Am Äquivalenzpunkt
Am Äquivalenzpunkt wurde gerade so viel NaOH zugegeben, um die HA vollständig zu Am Äquivalenzpunkt ist HA voll-
verbrauchen. ständig zu A–, einer schwachen
Base, umgesetzt.
Titrationsreaktion HA + OH– → A– + H2O

Relative Ausgangsmengen 1 1 – –

Relative Endmengen – – 1 –

Die Lösung enthält nun „nur noch“ A–. Beim Auflösen des Salzes NaA in destilliertem
Wasser hätten wir eine gleiche Lösung erhalten. Eine Lösung von Na+A– ist lediglich die
Lösung einer schwachen Base
Um den pH-Wert einer schwachen Base zu berechnen, formulieren wir zuerst die
Reaktion der schwachen Base mit Wasser:

A– + H2O U HA + OH– KB = KW/KS


F–x x x

Eine kleine Schwierigkeit besteht darin, dass die Formalkonzentration von A– nicht mehr ge-
nau 0.020 00 M beträgt und damit der Ausgangskonzentration von HA nicht gleich ist. Die
Lösung von A– wurde während der Titration durch die NaOH aus der Bürette verdünnt:
Ausgangsvolumen
der HA
⎛ 50.00 ⎞
F′ = ( 0.020 00 M ) ⎜ = 0.016 7 M
   ⎝ 50.00 + 10.00 ⎟⎠ Gesamtvolumen
  
Ausgangskon-
zentration an
HA
Verdünnungs-
faktor
der Lösung 10
Mit diesem F´-Wert können wir die Aufgabe lösen:
x2 K
= K B = W = 1.86 × 10-8 ⇒ x = 1.76 × 10-5 M
F−x KS

KW
pH = −log [H + ] = − log = 9.25
x

Der pH-Wert am Äquivalenzpunkt dieser Titration ist 9.25. Er ist also nicht 7.00. Der Wenn eine schwache Säure mit einer
pH-Wert am Äquivalenzpunkt von Titrationen einer schwachen Säure liegt stets oberhalb starken Base titriert wird, ist der pH-
von 7, da die schwache Säure am Äquivalenzpunkt vollständig in ihre konjugierte Base Wert am Äquivalenzpunkt stets größer
umgewandelt wurde. als 7.

Region 4: Nach dem Äquivalenzpunkt


Jetzt geben wir die NaOH zu einer Lösung von A–. Da die Base NaOH sehr viel stärker Wir nehmen an, dass der pH durch den
als die Base A– ist, kann man mit großer Sicherheit sagen, dass der pH-Wert durch die Überschuss an OH– bestimmt wird.
Konzentration an überschüssigem OH– in der Lösung bestimmt wird.
Wir wollen jetzt den pH-Wert nach der Zugabe von VB = 10.10 mL berechnen. Das
sind exakt 0.10 mL nach dem Äquivalenzpunkt und VÄ. Die Konzentration des Über-
schusses an OH– ergibt sich zu
Volumen des OH- - Aufgabe Vergleichen Sie die Konzen-
Überschusses
tration an OH– aus dem Titrantüber-
⎛ 0.10 ⎞
[OH − ] = (0.100 0 M ) ⎜ = 1.66 × 10-4M
 ⎝ 50.00+10.10 ⎟⎠
schuss bei VB = 10.10 mL mit der OH–-
Ausgangskon -  Gesamtvolumen
der Lösung
Konzentration, die aus der Protolyse
zentrationan Verdünnungs-
OH − faktor der A– entsteht. Überprüfen Sie, ob
es gerechtfertigt war, den Beitrag der
KW
pH = −log = 10.22 A–-Protolyse zum pH-Wert nach dem
[OH − ] Äquivalenzpunkt zu vernachlässigen.
244 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Die Titrationskurve
Orientierungspunkte in einer Titration: In Tabelle 10.2 sind die Berechnungen für die Titration von MES mit NaOH zusammen-
Bei VB = VÄ ist die Kurve am steilsten. gefasst. Die berechnete Titrationskurve in Abbildung 10.2 besitzt zwei leicht erkennbare
Bei VB = 1/2VÄ gilt pH = pKS und die Punkte. Der Äquivalenzpunkt befindet sich im steilsten Teil der Kurve. Der andere Orien-
Steigung ist sehr klein. tierungspunkt befindet sich bei VB = 1/2VÄ, an dem pH = pKS gilt. Dieser zweite Punkt ist
ebenfalls ein Wendepunkt mit minimalster Steigung.
Die Pufferkapazität ist ein Maß für die
Fähigkeit einer Lösung, bei Zugabe
von Säure oder Base ihren pH konstant
Tabelle 10.2 Berechnung der Titrationskurve für 50.00 mL einer 0.020 00 M MES-Lösung, die mit
zu halten.
0.100 0 M NaOH titriert wird

mL zugesetzter Base (VB) pH

Region 1 (schwache Säure) 0.00 3.99


Puffer- Überschuss 0.50 4.99
gebiet OH–
12 1.0 5.32

11 2.0 5.67

10 maximaler 3.0 5.90


Äquivalenzpunkt Anstieg
(Wende- 4.0 6.09
9 punkt)
5.0 6.27
8 minimaler Anstieg Region 2 (Puffer)
pH

(Wendepunkt) 6.0 6.45


7
7.0 6.64
6 pH = pKS
8.0 6.87
5
Ve/2 Ve 9.0 7.22
4 9.50 7.55

3 9.90 8.27
0 2 4 6 8 10 12 14 16
VB (mL) Region 3 (schwache Base) 10.0 9.25

10.10 10.22
Abb. 10.2 Berechnete Titrationskurve für
die Reaktion von 50.00 mL einer 0.020 00 10.50 10.91
M MES-Lösung mit 0.100 0 M NaOH. Ori-
entierungspunkte sind der Punkt halber 11.00 11.21
Neutralisation (pH = pKS) und der Äquiva-
12.00 11.50
lenzpunkt im steilsten Teil der Kurve Region 4 (Überschuss OH–)
13.00 11.67

14.00 11.79

15.00 11.88

16.00 11.95

Wenn Sie einmal auf die Abbildung 8.4b zurückblicken, werden Sie bemerken, dass
die maximale Pufferkapazität bei pH = pKS vorliegt. Das bedeutet, dass die Lösung pH-
Änderungen am besten bei pH = pKS (und VB = ½VÄ) kompensieren kann. Der Anstieg
(dpH/dVB) geht daher durch ein Minimum.
In Abbildung 10.3 wird gezeigt, in welcher Weise die Titrationskurve von der Säure-
konstante der HA abhängt. Wenn HA eine schwächere Säure wird (KS nimmt ab, pKS
steigt) oder wenn die Konzentrationen von Analyt und Titrant abnehmen, verringert sich
der Sprung des pH-Wertes am Äquivalenzpunkt so sehr, dass die Kurve schließlich so flach
verläuft, dass der Äquivalenzpunkt nicht mehr erkannt werden kann. Es ist nicht sinnvoll,
eine Säure oder Base mit zu geringer Stärke oder zu geringer Konzentration zu titrieren.
10.3 · Die Titration einer schwachen Base mit einer starken Säure 245

10.3 Die Titration einer schwachen Base mit einer starken


Säure

Die Titration einer schwachen Base mit einer starken Säure stellt genau den umgekehrten
Fall der Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base dar. Die Titrationsreaktion
lautet in diesem Fall
B + H+ → BH+
Da die Reaktanten eine schwache Base und eine starke Säure sind, läuft die Reaktion nach
jeder Säurezugabe nahezu vollständig ab. Auch hier gibt es vier unterscheidbare Regionen
in der Titrationskurve:
1. Bevor Säure zugesetzt wird, enthält die Lösung nur die schwache Base B in Wasser.
Der pH-Wert der Lösung wird demzufolge durch die Protolyse von B bestimmt:
KB Bei VS = 0 müssen wir den pH der
B + H2O U BH+ + OH–
schwachen Base berechnen
F–x x x

2. Zwischen Ausgangs- und Äquivalenzpunkt liegt ein Gemisch aus B und BH+ vor –
schon wieder ein Puffer! Der pH-Wert wird mit folgender Gleichung berechnet
[B] Bei 0 < VS < VÄ liegt ein Puffer in der
pH = pK S (für BH+ ) + log Lösung vor.
[BH + ]
Durch Zugabe von Säure (steigendes VS) erreichen wir den speziellen Punkt, an dem
VS = 1/2VÄ und pH = pKS (für BH+). Wie zuvor kann pKS (und damit auch pKB)
leicht aus der Titrationskurve ermittelt werden.
3. Am Äquivalenzpunkt wurde B vollständig in die schwache Säure BH+ umgewandelt.
Der pH wird aus der Protolysereaktion von BH+ berechnet.
Bei VS = VÄ enthält die Lösung die
10
K
BH+ U B+ H+ KS = W schwache Säure BH+.
KB
F´ – x x x

Die Formalkonzentration, F´, von BH+ ist nicht genauso groß wie die ursprüngliche
Formalkonzentration von B, da die Lösung während der Titration verdünnt wurde.
Da die Lösung am Äquivalenzpunkt BH+ enthält, reagiert sie sauer. Der pH-Wert am
Äquivalenzpunkt muss kleiner als 7 sein. Bei VS > VÄ enthält die Lösung einen
4. Nach dem Äquivalenzpunkt liegt ein Überschuss an H+ in der Lösung vor. Der pH- Überschuss an starker Säure
Wert wird unter Vernachlässigung des Beitrags der schwachen Säure BH+ aus der
Konzentration des H+-Überschusses ermittelt.

12
20 mM HA
11
pKS  10 2 mM HA
10 0.2 mM HA
9 0.02 mM HA
pKS  8 0.002 mM HA
8

7
pH

pKS  6
6 Abb. 10.3 a) Berechnete Kurven der
Titration von 50.0 mL von 0.020 0 M Säu-
5
pKS  4 ren (mit verschiedenen pKS-Werten) mit
4 0.100 M NaOH. (b) Berechnete Kurven
von 50.0 mL HA (pKS = 5, mit unter-
3 pKS  2 schiedlicher Konzentration) mit NaOH,
deren Konzentration fünfmal größer als
2 starke Säure
die von HA ist. Je schwächer oder ver-
0 2 4 6 8 10 12 14 16 0 2 4 6 8 10 12 14 16 dünnter die Säure wird, umso weniger
a VB (mL) VB (mL) b deutlich wird der Endpunkt.
246 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

> Beispiel
Titration von Pyridin mit HCl
Wir wollen die Titration von 25.00 mL einer 0.083 64 M Pyridinlösung mit 0.106 7 M HCl
betrachten.
Kw
N: KB 1.59 10 9
⇒ KS KB 6.31 10 6
pKS 5.20
Pyridin

Die Titrationsreaktion lautet

N: H Æ NH

und der Äquivalenzpunkt wird nach 19.60 mL erreicht:

(VÄ (mL))(0.106 7 M) = (25.00


 mL)(0.083
 M) ⇒ VÄ = 19.60 mL
64 

mMol HCl mMol Pyridin

Bestimmen Sie den pH-Wert bei VS = 4.63 mL.

Lösung Ein Teil des Pyridins wurde durch den HCl-Zusatz neutralisiert, so dass jetzt ein
Gemisch aus Pyridin und Pyridiniumion vorliegt – wieder mal ein Puffer! Der bereits titrierte
Pyridinanteil ist 4.63/19.60 = 0.236, da 19.60 mL benötigt werden, um den Äquivalenzpunkt
zu erreichen. Der noch nicht titrierte Pyridinanteil ist demnach (19.60–4.63)/19.60 = 0.764.
Der pH berechnet sich danach zu
[B]
pH = pK S + log
[BH+ ]
0.764
= 5.20 + log = 5.71
0.236

Selbstüberprüfung Berechnen Sie den pH für VS = 14.63 mL. (Lösung: 4.73)

10.4 Titrationen in zweiprotonigen Systemen

Die für Titrationen monoprotoniger Säuren und Basen entwickelten Verfahren werden
jetzt auf die Titration mehrprotoniger Säuren und Basen erweitert. In diesem Abschnitt
werden zwei Fälle behandelt.

Der typische Fall


Die obere Kurve in Abbildung 10.4 wurde für die Titration von 10.0 mL einer 0.100 M Base
B mit 0.100 M HCl berechnet. Es handelt sich um eine zweibasige Verbindung mit den zwei
pK-Werte pKB1 = 4.00 und pKB2 = 9.00. Die Titrationskurve hat ausreichend steile Sprünge
an den beiden Äquivalenzpunkten, die durch folgende Reaktionen verursacht werden
B + H+ → BH+
BH+ + H+ → BH22+
Das verbrauchte Volumen am ersten Äquivalenzpunkt ist 10.00 mL, da

(VÄ ( mL )(0.100 M ) = (10.00 mL )(0.100 0 M ) ⇒VÄ =10.00 mL


mmol HCl mmol B

VÄ2 = 2VÄ1 gilt immer Das Volumen am zweiten Äquivalenzpunkt muss 2VÄ betragen, da in der zweiten Reak-
tion exakt die gleiche Stoffmenge HCl verbraucht wird wie in der ersten Reaktion.
Die Berechnung des pH-Wertes in jedem Punkt der Kurve ähnelt sehr stark der Be-
rechnung des entsprechenden Punktes bei der Titration einer einbasigen Verbindung.
Hierzu werden die Punkte A bis E in Abbildung 10.4 diskutiert.
10.4 · Titrationen in zweiprotonigen Systemen 247

erste zweite Überschuss


Pufferregion Pufferregion H+

12
A
11
F B
pK2 10 a

8 G
C
7
Abb. 10.4 a) Titration von 10.0 mL einer
pH

6 b 0.100 M Base (pKB1 = 4.00, pKB2 = 9.00)


H D mit 0.100 M HCl. Die beiden Äquivalenz-
pK1 5
punkte sind C und E. Die Punkte B und
4 D sind die Punkte halber Neutralisation,
E deren pH-Werte den Werten von pKS2
3 I bzw. pKS1 entsprechen. b) Titration von
2 J 10.0 mL einer 0.100 M wässrigen Lösung
Ve 2Ve von Nicotin (pKB1 = 6.15, pKB2 = 10.85)
1 mit 0.100 M HCl. Hier gibt es am zweiten
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26
Äquivalenzpunkt keinen Sprung, da der
VS (mL)
pH zu niedrig ist.

Punkt A
Bevor die Säure zugegeben wird, enthält die Lösung nur die schwache Base B, deren pH Erinnern Sie sich, dass die vollständig
durch folgende Reaktion bestimmt wird basische Form einer zweibasigen
KB1 Verbindung wie eine einbasige Verbin-
10
B + H2O U BH+ + OH–
dung behandelt werden kann. (Die zu
0.100–x x x
KB2 gehörige Reaktion kann vernach-
2
x lässigt werden.)
= 1.00 × 10-4 ⇒ x = 3.11 × 10-3
0.100 − x
KW
[H + ] = ⇒ pH = 11.49
x

Punkt B
An jedem Punkt zwischen A (dem Ausgangspunkt) und C (dem ersten Äquivalenzpunkt)
liegt ein aus B und BH+ bestehender Puffer vor. Punkt B liegt genau in der Mitte der Stre- Natürlich erinnern Sie sich an
cke bis zum Äquivalenzpunkt, so dass [B] = [BH+] gilt. Der pH-Wert berechnet sich aus KW K
der Henderson-Hasselbalch-Gleichung für die schwache Säure BH+, deren Säurekonstante K B1 = und K B2 = W .
K S2 K S1
KS2 von BH22+ ist. Der Wert von KS2 ist KW/KB1 = 10–10.00

Um den pH-Wert an Punkt B zu berechnen, formulieren wir


[B]
pH = pK S2 + log = 10.00 + log1 = 10.00
[BH + ]

Der pH-Wert an Punkt B ist also gerade pKS2.


Um den Quotienten in jedem beliebigen Punkt der Pufferregion zu bestimmen, er-
mittelt man, welcher Anteil der Titration zwischen den Punkten A und C bereits erfolgt
ist. Ist VS beispielsweise 1.5 mL, dann folgt
[B] 8.5
+
=
[BH ] 1.5
da 10.00 mL zum Erreichen des Äquivalenzpunktes notwendig sind und erst 1.50 mL
zugesetzt wurden. Der pH-Wert nach Zugabe von 1.50 mL ergibt sich zu
8.5
pH = 10.00 + log = 10.75
1.5
248 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Punkt C
BH+ ist die amphiprotische (amphotere) An diesem ersten Äquivalenzpunkt wurde B vollständig in BH+ umgewandelt. BH+ verhält
Form einer zweiprotonigen Säure. sich amphiprotisch, kann also sowohl sauer als auch basisch reagieren. Die pH ergibt sich
(wie in Gleichung 9.11 gezeigt) zu

1 K 1K 2 F + K 1K W
pH ≈ ( p K 1 + pK 2 ) [H + ] ≈ (10.3)
2 K1 + F

wobei K1 und K2 die Säurekonstanten von BH22+ sind.


Die Formalkonzentration von BH+ wird unter Berücksichtigung der Verdünnung der
Ausgangslösung von B berechnet.
Ausgangsvolumen
von B
⎛ 10.0 ⎞
F = (0.100 M ) ⎜ = 0.050 0 M
 ⎝ 20.0 ⎟⎠
Ausgangskon-  Gesamtvolumen
zentration der Lösung
Verdünnungs-
von B faktor

Wenn man alle ermittelten Werte in Gleichung 10.3 einsetzt, erhält man

(10−5 )(10−10 )(0.050 0) + (10−5 )(10−14 )


[H + ] = = 3.16 × 10-8
10-5 + 0.050 0
pH = 7.50

Beachten Sie, dass in diesem Beispiel pH = (pKS1 + pKS2)/2.


Die amphiprotische Form einer mehr- An Punkt C in Abbildung 10.4 kann man erkennen, an welcher Stelle der Kurve die
protonigen Säure ist die schlechteste amphiprotische Form einer zweiprotonigen Säure vorliegt. Es handelt sich dabei um
Wahl für einen Puffer. den am wenigsten gepufferten Punkt auf der gesamten Kurve, da sich der pH bei Zusatz
kleiner Mengen an Säure oder Base stark ändert. Ein weitverbreiteter Irrtum besteht
in der Annahme, dass sich die amphiprotische Form einer zweiprotonigen Säure wie
ein Puffer verhält, während sie in Wirklichkeit die schlechteste Wahl für einen Puffer
darstellt.

Punkt D
In jedem Punkt zwischen C und E, liegt in der Lösung wieder ein Puffer vor. Diesmal
wird er von BH+ (der Base) und BH22+ (der Säure) gebildet. Für VS = 15.0 mL gilt [BH+] =
[BH22+] und
[BH + ]
Aufgabe Zeigen Sie, dass bei VS = 17.2 pH = pK S1 + log = 5.00 + log1 = 5.00
mL das Verhältnis im logarithmischen [BH22 + ]
Glied folgenden Wert hat
Punkt E
[BH+ ] 20.0 − 17.2 2.8
= = Punkt E ist der zweite Äquivalenzpunkt. Die Lösung kann formal als eine Lösung von
[BH22+ ] 17.2 − 10.0 7.2
BH2Cl2 in Wasser betrachtet werden. Die Formalkonzentration von BH22+ ist
Ausgangsvolumen
von B
⎛ 10.0 ⎞
F = (0.100 M ) ⎜ ⎟ = 0.033 3 M
⎝ 30.0 ⎠ Gesamtvolumen
der Lösung

Der pH-Wert wird durch die Protolysereaktion von BH22+ bestimmt.


BH22+ U BH+ + H+ KS1 = KW/KB2
Am zweiten Äquivalenzpunkt ist BH22+
F–x x x
entstanden, das wie eine einprotonige
schwache Säure behandelt werden x2
= 1.0 × 10-5 ⇒ x = 5.72 × 10-4 ⇒ pH = 3.24
kann. 0.033 3 − x

Nach dem zweiten Äquivalenzpunkt (VS > 20.0 mL) kann der pH der Lösung aus dem
Volumen der zur Lösung gegebenen starken Säure berechnet werden. So beträgt bei-
10.5 · Ermittlung des Endpunkts mit einer pH-Elektrode 249

spielsweise bei VS = 25.00 mL der Säureüberschuss 5.00 mL einer 0.100 M HCl in einem
Gesamtvolumen von 10.00 + 25.00 = 35.00 mL. Der pH ergibt sich deshalb zu
⎛ 5.00 ⎞
[H + ] = (0.100 M) ⎜ ⎟ = 1.43 x 10 M ⇒ pH = 1.85
-2

⎝ 35.00 ⎠

Unscharfe Endpunkte
Die Titrationen vieler zweiprotoniger Säuren oder Basen besitzen zwei deutliche End- Wenn der pH-Wert zu niedrig oder zu
punkte (siehe Kurve a in Abbildung 10.4). Wie aus der Kurve b in Abbildung 10.4 ersicht- hoch ist bzw. wenn die pKS-Werte zu
lich ist, können bei einigen Titrationen nicht beide Endpunkte registriert werden. Diese dicht beieinander liegen, werden die
Kurve wurde für die Titration von 10.0 mL einer 0.100 M Nicotinlösung (pKB1 = 6.15, Titrationsendpunkte unscharf.
pKB2 = 10.85) mit 0.100 M HCl berechnet. Folgende Reaktionen laufen ab

N N N
N CH3 N H CH3 N H CH3
+
H 2+
Nicotin (B) BH BH 2

Am zweiten Äquivalenzpunkt (J) gibt es keinen erkennbaren Sprung in der Kurve, da


BH22+ eine zu starke Säure ist (oder dementsprechend BH+ eine zu schwache Base). Wenn
die Titration einen niedrigen pH erreicht hat (pH ≤ 3), stimmt die Näherung, dass sämt-
liche zugesetzte HCl mit BH+ unter Bildung von BH22+ reagiert, nicht mehr. Um den pH-
Wert zwischen den Punkten I und J zu berechnen, muss das Gleichgewicht ganz systema-
tisch behandelt werden. Am Ende dieses Kapitels werden wir zeigen, wie man die gesamte
10
Kurve mit Hilfe einer Tabellenkalkulation berechnen kann.
Für die Titration der Ribonuklease am Beginn dieses Kapitels beobachtet man eine
kontinuierliche pH-Änderung ohne deutliche pH-Sprünge. Ursache dafür sind die 29
funktionellen Gruppen, die im abgebildeten pH-Intervall titriert werden. Die 29 Titra-
tionsendpunkte liegen so dicht beieinander, dass sich ein nahezu einheitlicher Anstieg
ergibt. Auch diese Kurve kann zur Bestimmung der vielen pKS-Werte genutzt werden,
jedoch ist die Genauigkeit der individuellen pKS-Werte nicht sehr hoch.

10.5 Ermittlung des Endpunkts mit einer pH-Elektrode

Titrationen werden vor allem durchgeführt, um entweder die Menge oder die Gleichge- In Exkurs 10.1 wird eine wichtige An-
wichtskonstanten eines Analyten zu bestimmen. In beiden Fällen bekommen wir die ge- wendung der Säure-Base-Titrationen
wünschten Informationen, indem der pH der Lösung während der Titration verfolgt wird. in der Umweltanalytik vorgestellt.
Abbildung 2.12 zeigte einen Autotitrator, in dem die gesamte Messung automatisch ab-
läuft.6 Das Gerät wartet automatisch die Stabilisierung des pH-Wertes nach jeder Titrant-
zugabe und vor der Messung ab. Danach wird das nächste Titrantvolumen zugegeben. Der
Endpunkt wird automatisch aus dem maximalen Anstieg der Titrationskurve berechnet.
In der Abbildung 10.5a sind die experimentellen Ergebnisse einer manuellen Titration
der sechsprotonigen schwachen Säure H6A mit NaOH dargestellt. Da sich die Verbindung
nur schwer reinigen ließ, stand für die Titration nur eine sehr geringe Probenmenge zur
Verfügung. Nur 1.430 mg wurden in 1.000 mL Wasser gelöst und mit Mikrolitermengen
einer 0.065 92 M NaOH, dosiert über eine Hamiltonspritze, titriert.
In der Abbildung 10.5a sind zwei Stufen bei etwa 90 und 120 μL deutlich erkennbar,
die der Titration des dritten und vierten Protons der H6A entsprechen:
H4A2– + OH– → H3A3– + H2O (ca. 90 mL bis zum Äquivalenzpunkt)
H3A3– + OH– → H2A4– + H2O (ca. 120 mL bis zum Äquivalenzpunkt)
Die Äquivalenzpunkte der ersten beiden und der letzten beiden Protolysestufen ergeben
keine detektierbaren Endpunkte, da sie in zu niedrigen oder zu hohen pH-Bereichen liegen.
250 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Exkurs 10.1

Alkalinität und Azidität 2.5 mMol H+/kg liegen im Grenzbereich und Wässer mit Gehalten
Die Alkalinität einer Probe von natürlichem Wasser ist definiert als ≤ 1.25 mMol H+/L können für die Beregnung verwendet werden.
die Stoffmenge in Mol HCl, die äquivalent zum Überschuss der Die Azidität natürlicher Wässer bezieht sich auf den Ge-
Stoffmenge basischer Spezies ist, der bei einer Ionenstärke von samtgehalt an Säure, der bis zum pH-Wert 8.3 mit NaOH titriert
Null und einer Temperatur von 25 °C aus schwachen Säuren mit werden kann. Dieser pH entspricht dem zweiten Äquivalenz-
einem pKS>4.5 stammt.4 Das entspricht ungefähr der Mol HCl, punkt der Titration der Kohlensäure (H2CO3) mit OH–. Nahezu alle
die nötig sind, um 1 kg Wasser auf einen pH von 4.5 zu bringen. schwachen Säuren in der Wasserprobe werden bei dieser Titration
Dieser pH-Wert entspricht dem zweiten Äquivalenzpunkt bei der mit erfasst. Die in mMol OH– angegebene Azidität wird durch pH-
Titration des Carbonations (CO32–) mit H+. In guter Näherung gilt: Einstellung von 1 L Wasser auf den pH-Wert 8.3 ermittelt.

Alkalinität ≈ [OH–] +2[CO32–] + [HCO3]

Wird Wasser mit Säure auf den pH 4.5 titriert, werden vorhan- 7.5
dene OH–-, CO32–- und HCO–3-Ionen neutralisiert. Andere basische
7.0
Verbindungen, wie Phosphat, Borat, Silikat, Fluorid, Ammoniak,
Sulfid und organische Verbindungen können ebenfalls einen 6.5

kleinen Beitrag leisten. Aber in fast allen Wässern wird die Alkali- 6.0
nität durch die Ionen OH–, CO32– und HCO3– bestimmt. Sie wird
5.5
normalerweise in Millimol H+ angegeben, die zur Einstellung des

pH
pH-Wertes 4.5 in 1 L dieses Wassers notwendig sind. In der Mee- 5.0

resforschung benötigt man diesen Wert, um die Aufnahme von 4.5


anthropogenem CO2 durch die Ozeane zu beurteilen und den
4.0
CaCO3-Meereshaushalt (Quellen und Senken für CaCO3) zu mes-
sen.5 Salzgehalt (Ionenstärke) und Temperatur müssen bei der 3.5

Bestimmung der Alkalinität immer berücksichtigt werden.4 3.0


Alkalinität und Wasserhärte (gelöstes Ca2+ und Mg2+, siehe 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5

Exkurs 11.3) sind wichtige Parameter für Bewässerungsanlagen. Volumen HCl (mL)

Die zusätzlich zum Ca2+- und Mg2+-Gehalt vorhandene Alkalinität


Titration der Alkalinität von 165.4 mL Salzwasser bei 20.05 °C mit
wird als „Restgehalt an Natriumcarbonat“ bezeichnet. Wasser mit 0.209 5 M HCl in einer geschlossenen Zelle, um das Entweichen von
einem Restgehalt an Natriumcarbonat von ≥ 2.5 mMol H+/kg ist CO2 zu verhindern. Die HCl enthält Kochsalz, um die Ionenstärke kon-
für die Bewässerung ungeeignet, Restgehalte zwischen 1.25 und stant zu halten [Werte von Dickson.4]

11
a
10

7
pH

0.3 b
1. Ableitung

Abb. 10.5 a) Experimentelle Punkte der 0.2


Titration von 1.430 mg Xylenolorange, in
1.000 mL einer wässrigen 0.10 M NaNO3- 0.1
Lösung. Der Titrant war 0.065 92 M NaOH.
b) Erste Ableitung, ΔpH/ΔV, der Titra- c
tionskurve. c) Die zweite Ableitung, Δ 0.05
2. Ableitung

(ΔpH/ΔV)/ ΔV, ist die Ableitung der Kurve


0.00
in (b). Die Ableitungen für den ersten
Endpunkt werden in der Abbildung 10.6 − 0.05
berechnet. Endpunkte erscheinen als Ma-
xima in der ersten und als Nulldurchgang 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180
in der zweiten Ableitung. NaOH (μL)
10.5 · Ermittlung des Endpunkts mit einer pH-Elektrode 251

Anwendung der Ableitungen zur Ermittlung


des Endpunkts
Am Endpunkt besitzt die Kurve
Als Endpunkt gilt der Punkt mit dem steilsten Anstieg (dpH/dV) der Titrationskurve. maximalen Anstieg und die zweite
Der Anstieg (erste Ableitung) in Abbildung 10.5 wird in der Tabellenkalkulation in Ab- Ableitung ist Null.
bildung 10.6 berechnet.
In den ersten zwei Spalten der Tabelle stehen die experimentellen Volumina und die
gemessenen pH-Werte. (Das pH-Meter gab drei Stellen nach dem Komma an, auch wenn
die Genauigkeit der pH-Messung nur bis zur zweiten Kommastelle möglich ist.) Zur Be-
rechnung der ersten Ableitung wurden die Volumina paarweise gemittelt und der Wert
ΔpH/ΔV berechnet. ΔpH ist die pH-Änderung bei aufeinanderfolgenden Ablesungen und
ΔV die Volumenänderung zwischen aufeinanderfolgenden Zugaben. Die letzten beiden
Spalten der Tabelle 10.6 und die Abbildung 10.5c liefern die auf gleiche Weise berechnete
zweite Ableitung. Der Endpunkt der Titration entspricht dem Volumen, bei dem die
zweite Ableitung den Wert Null hat. Durch eine Graphik wie in Abbildung 10.7 lassen
sich die Endpunktvolumina gut bestimmen.

A B C D E F
1 Ableitungen einer Titrationskurve
2 Daten 1. Ableitung 2. Ableitung
3 L NaOH pH L pH/ L ( pH/ L)
4 85.0 4.245 L L
5 85.5 0.155
6 86.0 4.400 86.0 0.0710
7 86.5 0.226
8 87.0 4.626 87.0 0.0810
9 87.5 0.307 10
10 88.0 4.933 88.0 0.0330
11 88.5 0.340
12 89.0 5.273 89.0 0.0830
13 89.0 0.257
14 90.0 5.530 90.0 0.0680
15 90.5 0.189
16 91.0 5.719 91.25 0.0390
17 92.0 0.131
18 93.0 5.980
19 verwendete Formeln: Abb. 10.6 Tabellenkalkulation zur
20 C5 (A6 A4)/2 E6 (C7 C5)/2 Berechnung der ersten und zweiten
21 D5 (B6 B4)/(A6 A4) F6 (D7 D5)/(C7 C5) Ableitung bei 90 μL in Abbildung 10.5.

0.1

118.9 μL
2. Ableitung

0.0

−0.1
115 116 117 118 119 120 121 122 123

0.1

88.2 μL
2. Ableitung

0.0

Abb. 10.7 Vergrößerung der End-


−0.1
85 86 87 88 89 90 91 92 93 punktgebiete in der Kurve der zweiten
Volumen (μL) Ableitung in Abbildung 10.5c
252 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

> Beispiel
Berechnung der Ableitungen einer Titrationskurve
Jetzt sollen die erste und zweite Ableitung in Tabelle 10.6 berechnet werden.
Lösung Die erste Zahl in der dritten Spalte (85.5) ist der Mittelwert aus den ersten beiden
Volumina (85.0 und 86.0) der ersten Spalte. Die Ableitung ΔpH/ΔV wird aus den ersten bei-
den pH-Werten und den ersten beiden Volumina auf folgende Weise berechnet:

ΔpH 4.400 − 4.245


= = 0.155
ΔV 86.0 − 85.0

Die Koordinaten x = 85.5 und y = 0.155 ergeben einen Punkt in der Kurve für die erste Ablei-
tung in Abbildung 10.5b.
Die zweite Ableitung wird aus den Werten der ersten Ableitung berechnet. Das erste
Volumen in der fünften Spalte in Tabelle 10.6 ist 86.0 – der Mittelwert aus 85.5 und 86.5. Die
zweite Ableitung ergibt sich wie folgt:

Δ( ΔpH / ΔV ) 0.226 − 0.155


= = 0.071
ΔV 86.5 − 85.5

Die Koordinaten x = 86.0 und y = 0.071 werden als Punkt in die Kurve in Abbildung 10.5c für
die zweite Ableitung eingetragen.

Selbstüberprüfung Bestätigen Sie durch Berechnung den Wert für die erste Ableitung in
der Zelle D 7 der Abbildung 10.6.

Anwendung des Gran-Verfahrens zur Ermittlung


des Endpunkts7,8
Bei einem verwandten Verfahren Ein generelles Problem bei der Verwendung von Ableitungen zur Bestimmung des End-
werden Werte aus der Mitte der punktes besteht in der Schwierigkeit, genaue Titrationsdaten in unmittelbarer Endpunkt-
Titration (nicht aus der Nähe des nähe zu erhalten, da hier die Pufferung des Systems äußerst gering ist und die Elektroden
Äquivalenzpunkts) verwendet, um VÄ ein träges Ansprechverhalten zeigen. Die Gran-Darstellung ist eine graphische Methode,
und KS abzuleiten.9 bei der Messdaten vor dem Endpunkt (normalerweise von 0.8 VÄ bis VÄ) verwendet wer-
den, um den Endpunkt zu lokalisieren.
Dieses Verfahren wird am Beispiel der Titration einer schwachen Säure HA disku-
tiert:
[H + ] H [A − ] A
+ −
HA U H++ A– KS =
[HA] HA
Stark plus schwach reagieren voll- Für die Diskussion ist die Berücksichtigung der Aktivitätskoeffizienten notwendig, da
ständig. eine pH-Elektrode auf die Wasserstoffionenaktivität und nicht auf deren Konzentration
anspricht.
Vor dem Äquivalenzpunkt kann man mit guter Näherung annehmen, dass jedes Mol
NaOH 1 Mol HA in 1 Mol A– umwandelt. Wenn VS mL an HA (mit der Formalkonzent-
ration FS) mit VB mL an NaOH (mit der Formalkonzentration FB) titriert wurden, können
wir formulieren
umgesetzte Stoffmenge an OH - VF
[A − ] = = B B
Gesamtvolumen VB + VS

ursprünglich vorhandene Stoffmenge HA - Stoffmenge OH- VSFS − VBFB


[HA] = =
Gesamtvolumen VS + VB

Durch Einsetzen dieser Ausdrücke für [A–] und [HA] in der Gleichgewichtskonstanten
ergibt sich

[H + ] H VBFB A
+ −
KS =
(VSFS − VBFB)  HA
10.5 · Ermittlung des Endpunkts mit einer pH-Elektrode 253

Aus dieser Gleichung erhält man durch Umstellung

 ⎛ V F − VBFB ⎞
VB [H + ] H = HA K S ⎜⎜ S S ⎟⎟ (10.4) A H = [H+ ]γ H = 10 − pH
 
+ + +
A − ⎝ FB ⎠
− pH
10

Der Term auf der linken Seite der Gleichung ist VB.10–pH, wegen [H+]γH+ = 10–pH. Der
eingeklammerte Term auf der rechten Seite ist

VSFS − VBFB VSFS VS FS = VÄ FB ⇒ VÄ =


VS FS
= − VB = VÄ − VB FB
FB FB

Gleichung 10,4 kann deshalb auch in folgender Form geschrieben werden


γ HA
Gleichung für die Gran-Darstellung: VB ⋅ 10−pH = K (V − VB ) (10.5)
γA S Ä

Als Gran-Darstellung (Gran-Plot) bezeichnet man eine Graphik, in der VB.10–pH gegen VB Gran-Darstellung:
aufgetragen wird. Ist γHA/γA- konstant, ergibt sich eine Gerade mit dem Anstieg -KS γHA/ Auftragung von VB ∙ 10–pH gegen VB.
γA- und einem Schnittpunkt mit der Abszisse (x-Achse) bei VÄ. In Abbildung 10.8 ist Schnittpunkt mit der x-Achse = VÄ.
die Gran-Kurve für die in Abbildung 10.5 gezeigte Titration dargestellt. Für VB können Anstieg = –KS γHA/γA-
beliebige Einheiten verwendet werden. Gleiche Einheiten sollten jedoch an beiden Achsen
abgetragen werden. In Abbildung 10.8 wurde VB an beiden Achsen in Mikrolitern abge-
tragen.
Das Besondere an der Gran-Darstellung ist die Verwendung von Daten zur Ermitt-
lung des Endpunktes, die vor dem Endpunkt gemessen wurden. Der Anstieg der Gran-
Kurve wird zur Bestimmung von KS verwendet. Obwohl wir die Gran-Gleichung nur
für eine einprotonige Säure abgeleitet haben, kann die Darstellung (VB.10–pH gegen VB)
auch für mehrprotonige Säuren (wie beispielsweise H6A in Abbildung 10.5) verwendet
10
werden.
Die Gran-Funktion VB.10–pH geht nicht durch Null, da 10–pH nie Null wird. Zur Be-
stimmung von VÄ muss die Kurve extrapoliert werden. Grund dafür, dass die Funktion
niemals den Nullpunkt erreicht, ist unsere Näherung, dass jedes Mol an OH– 1 Mol
A– erzeugt. Diese Annahme stimmt allerdings nicht mehr, wenn sich VB an VÄ annä-
hert. Aus praktischen Gründen wird deshalb nur der lineare Teil der Gran-Darstellung
verwendet.
Eine weitere Ursache für eine Krümmung der Gran-Kurve ist die sich ändernde
Ionenstärke, die zu einer Veränderung des Verhältnisses γHA/γA- führt. In Abbildung
10.8 wurde das Abknicken der Kurve verhindert, weil durch NaNO3-Zugabe eine na-
hezu konstante Ionenstärke eingestellt wurde. Selbst ohne Salzzusatz ergeben die letzten 0.012
10–20 % der Daten vor Erreichen von VÄ eine hinreichende Gerade, da sich der Wert
für γHA/γA- nur wenig ändert. Der Gran-Plot im sauren Bereich gibt exakte Ergebnisse, 0.010

Steigung = VÄ  HA
V B • 10 pH (L)

auch wenn im stark basischen Titranten CO2 gelöst sein sollte. Der Gran-Plot im al- A
0.008
kalischen Bereich kann zur Bestimmung von CO2 in einer starken Base verwendet
werden.7 0.006
V Ä = 88.4 L
Aufgabe Zeigen Sie, dass bei der Titration einer schwachen Base B mit einer starken 0.004

Säure folgende Gran-Gleichung gültig ist


0.002
⎛1 B ⎞
VS . 10 + pH = ⎜ ⎟ (VÄ - VS ) (10.6)
⎜KS .  ⎟ 80 82 84 86 88 90
⎝ BH +
⎠ V B (L)

wobei VS das Volumen der zugesetzten starken Säure und KS die Säurekonstante von BH+ Abb. 10.8 Gran-Plot für den ersten Äqui-
sind. Die Funktion von VS10+pH in Abhängigkeit von VS sollte eine Gerade mit dem An- valenzpunkt der Abbildung 10.5. Diese
stieg -γB/(γBH+ × KS) und dem Schnittpunkt VÄ auf der VS-Achse sein. Darstellung gibt einen Schätzwert für VÄ,
der von dem in Abbildung 10.7 um 0.2 μL
abweicht (88.4 gegenüber 88.6). Norma-
lerweise verwendet man in einem Gran-
Plot die letzten 10–20 % des Volumens
vor dem Äquivalenzpunkt.
254 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

10.6 Endpunktsbestimmung mit Indikatoren

Ein pH-Indikator ist eine Säure oder Säure-Base-Indikatoren sind selbst Säuren oder Basen, deren verschieden protonierte
Base, deren verschieden protonierte Spezies unterschiedliche Farben haben. Ein Beispiel dafür ist der Indikator Thymolblau.
Spezies unterschiedliche Farben haben.
HO OH O OH O O
In wässriger Lösung wird der instabile O pK1 1.7 pK2 8.9
Sultonring gespalten und die gebil- SO 3 SO 3
S O
dete Sulfonatgruppe (–SO3–) macht den
O
Indikator wasserlöslich. Rot (R) Gelb (G–) Blau (B2–)
Thymolblau

Phenolphthalein zählt zu den am Unterhalb von pH 1.7 ist die Hauptkomponente rot; zwischen pH 1.7 und pH 8.9 do-
häufigsten verwendeten Indikato- miniert eine gelbe Spezies und oberhalb von pH 8.9 ist die vorherrschende Spezies blau
ren. Genutzt wird der Farbumschlag (Farbtafel 3). Der Einfachheit halber kürzen wir die drei Spezies mit R, G– und B2– ab.
von farblos zu violett im pH-Bereich Folgendes Gleichgewicht besteht zwischen den Spezies R und G–
8.0–9.6.
[G − ][H + ] [G − ]
OH R U G– + H+ K1 = pH = pK1 + log (10.7)
[R] [R]

pH [G–] : [R] Farbe


O C OH
0.7 1:10 rot
O farbloses
Phenolphthalein, 1.7 1:1 orange
pH < 8.0
2.7 10:1 gelb
2H 2OH

O Bei pH 1.7 (= pK1) liegt ein 1:1 Gemisch der gelben und der roten Spezies vor und es
ergibt sich eine orange Färbung. Als grobe Faustregel können wir sagen, dass die Lösung
rot erscheint, wenn das Verhältnis [G–]/[R] ≤ 1/10 wird und dass bei [G–]/[R] ≥ 10/1 eine
gelbe Färbung beobachtet werden kann. Aus Gleichung 10.7 folgt, dass die Lösung bei pH
O2C C O 2H2O
≈ pK1 – 1 rot und bei pH ≈ pK1 + 1 gelb ist. In den Indikatortabellen ist angegeben, dass
violettes Phenolphthalein, Thymolblau bei pH < 1.2 rot und bei pH > 2.8 gelb gefärbt ist. Im Vergleich dazu liefert
pH > 9.6
unsere Faustregel die pH-Werte 0.7 und 2.7. Der pH-Bereich zwischen den beiden pH-
Werten 1.2 und 2.8, in dem der Indikator in unterschiedlichen Orangetönen erscheint,
In starker Säure färbt sich Phenolphthal- wird Umschlagsbereich genannt. Im Gegensatz zu den meisten Indikatoren mit nur
ein orangerot. In stark basischer Lösung einem Farbumschlag, findet beim Thymolblau zwischen pH 8.0 und pH 9.6 eine weitere
verliert Phenolphthalein seine Farbe.10 Reaktion und ein zweiter Farbumschlag von Gelb zu Blau statt. Bei diesem Farbumschlag
kann eine Reihe von Grüntönen beobachtet werden.
HO Farbänderungen von Säure-Base-Indikatoren bilden die Grundlage für Versuch 10.1.
In Exkurs 10.2 wird gezeigt, wie über die optische Absorption eines Indikators pH-Werte
gemessen werden können.
HO2C C OH

orangerot
Indikatorwahl
(65–98 % H2SO4)
In Abbildung 10.9 ist eine Titrationskurve mit pH = 5.54 als Äquivalenzpunkt dargestellt.
O Für die Endpunktbestimmung der Titration wäre somit ein Indikator besonders geeignet,
dessen Farbumschlag in unmittelbarer Nähe des pH am Titrationsendpunkt liegt. Man
erkennt aus der Kurve in Abbildung 10.9, dass der pH-Wert steil (von pH 7 auf 4) in-
nerhalb eines sehr kleinen Volumenbereiches abfällt. Deshalb eignet sich jeder Indikator,
HO C O dessen Farbumschlag in diesem pH-Intervall erfolgt, zur ausreichend exakten Detektion
O2C des Titrationsendpunktes. Je näher der Farbumschlag am pH 5.54 liegt, desto genauer
wird der Endpunkt detektiert. Als Indikatorfehler bezeichnet man die Differenz zwischen
farblos beobachtetem Endpunkt (Farbumschlag) und wahrem Äquivalenzpunkt.
pH > 11
10.6 · Endpunktsbestimmung mit Indikatoren 255

Wenn Sie zu viel Indikator zusetzen, kommt es zu einem anderen Indikatorfehler. Da


die Indikatoren selbst Säuren oder Basen sind, können sie mit Analyt oder Titrant reagie-
ren. Die Anwendung von Indikatoren erfolgt unter der Annahme, dass die Stoffmenge des
Indikators vernachlässigbar gegenüber der Analytmenge ist. Verwenden Sie deshalb stets
nur wenige Tropfen Indikatorlösung für eine Titration.
In Tabelle 10.3 sind einige der gebräuchlichsten Indikatoren zusammengestellt. Viele
der hier erwähnten Indikatoren würden für die in Abbildung 10.9 gezeigte Titration eine
gute Endpunktbestimmung ermöglichen. Wird beispielsweise Bromkresolpurpur ver-
wendet, kann der purpur-gelbe Farbumschlag zur Endpunktbestimmung genutzt werden.
Die letzte Spur an Purpurfärbung sollte bei pH 5.2, also nahe genug am wahren Äquiva-
lenzpunkt (Abbildung 10.9) verschwinden. Wird dagegen Bromkresolgrün als Indikator
verwendet, erfolgt der Farbumschlag von Blau zu Grün (= Gelb + Blau).
Generell wählt man einen Indikator aus, dessen Umschlagsbereich im steilsten Teil der Man nimmt den Indikator, dessen
Titrationskurve und so nahe wie möglich am wahren Äquivalenzpunkt liegt. Die Steilheit Umschlagsgebiet im steilsten Teil der
der in Abbildung 10.9 dargestellten Titrationskurve ist um den Äquivalenzpunkt so groß, Titrationskurve liegt.
dass der Indikatorfehler aufgrund der Nichtübereinstimmung von Endpunkt und Äquiva-
lenzpunkt vernachlässigbar klein wird. Wäre beispielsweise der Indikatorendpunkt bei pH
6.4 (anstatt pH 5.54), würde der Fehler für VÄ in diesem konkreten Fall nur 0.25 % betra-
gen. Der Indikatorfehler kann geschätzt werden, indem man das umgesetzte Volumen des
Titranten bis zum pH 6.4 anstelle von pH 5.54 ermittelt.

Bromkresolpurpur,
11
Umschlagsbereich
10 Bromkresolgrün,
Umschlagsbereich
9 10
8
pH = 5.54 am purpur
7
Äquivalenzpunkt
pH

6
blau
5
gelb
4
gelb
3

2
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26
V S (mL)

Abb. 10.9 Berechnete Titrationskurve für die Reaktion von 100 mL einer 0.010 0 M Base (pKB= 5.00)
mit 0.050 0 M HCl.
256 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Exkurs 10.2

Was bedeutet ein negativer pH-Wert? Azidität stark saurer Lösungsmittel wird heutzutage bequemer
Louis Hammett und seine Studenten bestimmten in den dreißi- mit elektrochemischen Methoden bestimmt.14
ger Jahren die Stärken sehr schwacher Säuren und Basen, indem Spricht man von negativen pH-Werten, meint man norma-
sie eine schwache Referenzbase (B) (wie beispielsweise p-Nitro- lerweise H0-Werte. Wird z.B. eine 8 M HClO4 hinsichtlich ihrer
anilin, pKS = 0.99) verwendeten, deren Basestärke in wässriger Fähigkeit zur Protonierung sehr schwacher Basen untersucht, er-
Lösung gemessen werden konnte. hält man einen „pH-Wert“ von etwa –4. Die Abbildung zeigt, dass
HClO4 eine stärkere Säure als viele andere Mineralsäuren ist. Die
O O H0-Werte für eine Reihe extrem stark saurer Lösungsmittel sind in
pKS 0.99
N NH 3 N NH 2 H der folgenden Tabelle zusammengefasst. Die stärkste bekannte
O O Säure ist [CHB11Cl11]–H+, in der ein ikosaedrischer Carboran-Käfig
p-Nitroanilinium Ion p-Nitroanilin
BH+ B
keine merkliche Affinität für H+ hat.

Säure Name H0
Nehmen wir an, dass etwas p-Nitroanilin und eine zweite Base C in
einer starken Säure, z.B. in 2 M HCl, gelöst seien. Der pKS von CH+ H2SO4 (100 %) Schwefelsäure –11.93
kann jetzt im Vergleich zu BH+ gemessen werden. Zuerst formuliert H2SO4 . SO3 rauchende Schwefel- –14.14
man für jede der Säuren eine Henderson-Hasselbalch-Gleichung: säure (Oleum)
HSO3F Fluoroschwefelsäure –15.07
[B]γ B
pH = pK S (für BH+ ) + log HSO3F + 10 % SbF5 „Supersäure“ –18.94
[BH+ ]γ BH +

HSO3F + 7 % SbF5 . 3 SO3 - –19.35


[C]γ C
pH = pK S (für CH+ ) + log
[CH+ ]γ CH +
−12
Nach Gleichsetzen beider Gleichungen (es gibt nur einen pH- H2SO4

Wert in der Lösung!) erhält man HClO4


−10
[B][CH+ ] γ Bγ +
pK S (für CH ) − pK S (für BH ) = log
+ +
+ log CH
 +
[C][BH ] γ Cγ BH +
ΔpK S −8 HF

Der zweite Term auf der rechten Seite dieser Gleichung hat einen
Wert nahe bei Null, da das Verhältnis der Aktivitätskoeffizienten −6
nahezu 1 ist. Durch Vernachlässigung dieses letzten Gliedes der HNO3
H0

HCl
Gleichung erhält man einen gut handhabbaren Ausdruck: −4
+ CF3CO2H
[B][CH ]
ΔpK S ≈ log
[C][BH+ ] −2

Wenn man nun in der Lage ist, die Konzentrationen von B, BH+, HCO2H
C und CH+ zu ermitteln und den Wert für den pKS von BH+ kennt, 0

kann man den pKS von CH+ aus dieser Gleichung bestimmen.
Die Konzentrationen lassen sich spektralphotometrisch12 +2
oder durch Kernresonanzspektroskopie13 bestimmen, so 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
dass pKS für CH+ berechnet werden kann. Verwendet man Stoffmengenanteil („Molenbruch“) der Säure
anschließend CH+ als Referenz, kann der pKS einer weiteren
Verbindung DH+ gemessen werden. Dieser Vorgang lässt sich Hammettsche Aziditätsfunktion, H0 für wässrige Lösungen von Säuren
[R. A. Cox und K. Yates, „Acidity Functions,“ Can. J. Chem. 1983, 61, 2225].
auf die Bestimmung immer schwächerer Basen bis hin zu der-
artig schwach basischen Verbindungen (wie Nitrobenzol, pKS
= -11.38) ausdehnen, die in Wasser nicht protoniert werden H

können. C

Die Hammettsche Aziditätsfunktion charakterisiert die Azi-


dität eines Lösungsmittels, das eine schwache Base B protoniert: Cl

[B]
Hammettsche Aziditätsfunktion: H0 = pK S (für BH+ ) + log
[BH+ ] B
Ikosaedrisches Carboran-
Anion von [CHB11Cl11]–H+,
In verdünnten wässrigen Lösungen nähert sich H0 dem pH an.
der stärksten bekannten
In konzentrierten Säuren ist H0 dagegen ein Maß für die Säure- Säure.15 Das ikosaedrische
stärke. Je schwächer eine Base B ist, umso höher muss die Azi- H2[B12Cl12] ist die stärkste
dität des Lösungsmittels sein, um die Base zu protonieren. Die zweiprotonige Säure.
10.6 · Endpunktsbestimmung mit Indikatoren 257

Tabelle 10.3 Häufig verwendete Indikatoren

Indikator Umschlags- Farbe der Farbe der Herstellung


bereich (pH) sauren Form basischen Form

Methylviolett 0.0–1.6 gelb violett 0.05 Gew% in H2O

Kresolrot 0.2–1.8 rot gelb 0.1 g in 26.2 mL 0.01M NaOH.


Danach Zugabe von 225mL H2O

Thymolblau 1.2–2.8 rot gelb 0.1 g in 21.5 mL 0.01M NaOH.


Danach Zugabe von 225mL H2O

m-Kresolrot 1.2–2.8 rot gelb 0.1 g in 26.2 mL 0.01M NaOH.


Danach Zugabe von 225mL H2O

Erythrosin (Dinatriumsalz) 2.2–3.6 orange rot 0.1 Gew% in H2O

Methylorange 3.1–4.4 rot gelb 0.01 Gew% in H2O

Kongorot 3.0–5.0 violett rot 0.1 Gew% in H2O

Ethylorange 3.4–4.8 rot gelb 0.1 Gew% in H2O

Bromkresolgrün 3.8–5.4 gelb blau 0.1 g in 14.3 mL 0.01M NaOH.


Danach Zugabe von 225mL H2O

Methylrot 4.8–6.0 rot gelb 0.02 g in 60 mL Ethanol. Dann Zugabe von 40 mL H2O

Chlorphenolrot 4.8–6.4 gelb rot 0.1 g in 23.6 mL 0.01M NaOH.


Danach Zugabe von 225mL H2O

Bromkresolpurpur 5.2–6.8 gelb purpur 0.1 g in 18.5 mL 0.01M NaOH. 10


Danach Zugabe von 225mL H2O

p-Nitrophenol 5.6–7.6 farblos gelb 0.1 Gew% in H2O

Lackmus 5.0–8.0 Rot blau 0.1 Gew% in H2O

Bromthymolblau 6.0–7.6 Gelb blau 0.1 g in 16.0 mL 0.01M NaOH.


Danach Zugabe von 225mL H2O

Phenolrot 6.4–8.0 Gelb rot 0.1 g in 28.2 mL 0.01M NaOH.


Danach Zugabe von 225mL H2O

Neutralrot 6.8–8.0 Rot gelb 0.01 g in 50 mL Ethanol. Dann Zugabe von 50 mL H2O

Kresolrot 7.2–8.8 gelb rot 0.01 g in 50 mL Ethanol. Dann Zugabe von 50 mL H2O

α-Naphtholphthalein 7.3–8.7 rosa grün 0.1 g in 50 mL Ethanol. Dann Zugabe von 50 mL H2O

Kresolpurpur 7.6–9.2 gelb purpur 0.1 g in 50 mL Ethanol. Dann Zugabe von 50 mL H2O

Thymolblau 8.0–9.6 gelb blau 0.1 g in 50 mL Ethanol. Dann Zugabe von 50 mL H2O

Phenolphthalein 8.0–9.6 farblos rosa 0.05 g in 50 mL Ethanol. Dann Zugabe von 50 mL H2O

Thymolphthalein 8.3–10.5 farblos blau 0.04 g in 50 mL Ethanol. Dann Zugabe von 50 mL H2O

Alizaringelb 10.1–12.0 gelb orange-rot 0.01 Gew% in H2O

Nitramin 10.8–13.0 farblos orange-braun 0.1 g in 70 mL Ethanol. Dann Zugabe von 30 mL H2O

Tropaeolin 11.1–12.7 gelb orange 0.1 Gew% in H2O


258 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Tabelle 10.4 Primäre Standards

Verbindung Dichte (g/mL) Bemerkungen


zur Auftriebs-
korrektur

Säuren

CO2H 1.64 Das reine Handelsprodukt wird bei 105 °C getrocknet


und zur Standardisierung von Basen verwendet. Mit
CO2K Phenolphthalein kann der Endpunkt gut detektiert
Kaliumhydrogen- werden.
phthalat CO2H CO 2
FM 204.221 OH H 2O
CO 2 CO 2

HCl – HCl und Wasser destillieren als ein azeotropes Ge-


Chlorwasserstoff-Säure misch, dessen Zusammensetzung ( ∼ 6 M) vom Druck
FM 36.461 abhängig ist. Die Zusammensetzung ist in Abhängig-
keit vom Druck während der Destillation tabelliert.
Mehr Informationen siehe bei Aufgabe 10-56.

KH(IO3)2 – Die Verbindung ist eine starke Säure, so dass jeder


Kaliumhydrogeniodat Indikator für einen Endpunkt von pH ∼ 5 bis ∼ 9 ge-
FM 389.912 eignet ist.

1.27 Primärer Standard für nichtwässrige Titrationen in Lö-


CO2H
sungsmitteln wie Ethanol. Zur Endpunktbestimmung
Benzoesäure wird eine Glaselektrode verwendet.
FM 122.121

OH OH - 1 Mol handelsüblicher Sulfosalicylsäure wird gemein-


CO2H CO2K sam mit 0.75 Mol analysenreinem KHCO3 mehrmals
aus Wasser umkristallisiert und bei 110 °C getrocknet.
Dabei entsteht ein Doppelsalz mit 3 K+-Ionen und
SO 3K SO 3K
einem titrierbaren H+-Ion.16 Bei der Titration mit NaOH
Sulfosalicylsäure, wird Phenolphthalein als Indikator verwendet.
Doppelsalz
FM 550.639

H3N+SO3– 2.15 Amidosulfonsäure ist eine starke Säure mit einem


Amidosulfonsäure sauren Proton. Jeder Indikator mit einem Umschlag
FM 97.094 zwischen pH ~5 und ~9 ist geeignet.

Basen

H2NC(CH2OH)3 1.33 Das reine Handelsprodukt wird bei 100–103 °C ge-


Tris(hydroxymethyl)- trocknet und mit starker Säure titriert. Der Endpunkt
aminomethan (TRIS) liegt im Bereich von pH 4.5 bis 5.
FM 121.135 H2NC(CH2OH)3 + H+ → H3N+C(CH2OH)3

HgO 11.1 Reines HgO wird in einem großen Überschuss I– oder


Quecksilberoxid Br– unter Freisetzung von 2 OH– gelöst:
FM 216.59 HgO + 4 I– + H2O → HgI42– + 2 OH–
Die Base wird unter Zuhilfenahme eines Indikators
titriert.

Na2CO3 2.53 Urtiterreines Na2CO3 ist kommerziell erhältlich. Als


Natriumcarbonat Alternative kann umkristallisiertes NaHCO3 für 1 h auf
FM 105.988 260–270 °C erhitzt werden, um Na2CO3 zu erzeugen.
Das Natriumcarbonat wird dann mit Säure bis zum
Endpunkt bei pH 4–5 titriert. Unmittelbar vor dem
Endpunkt kocht man die Lösung auf, um das CO2 zu
entfernen

Na2B4O7∙10H2O 1.73 Das umkristallisierte Material wird in einer Kammer ge-


Borax trocknet, die eine wässrige Lösung enthält, die an NaCl
FM 381.372 und Sucrose gesättigt ist. Durch diese Vorschrift wird
das Dekahydrat in reiner Form erhalten.17 Der Standard
wird anschließend mit Säure bis zum Endpunkt von Me-
thylrot titriert: „B4O7 .10H2O2–“ + 2 H+ → 4 B(OH)3 + 5 H2O
10.8 · Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl 259

 Versuch 10.1
Indikatoren und die Azidität von CO2
Dieser Versuch wird Ihnen richtig Spaß machen11. Füllen Sie zwei 1 L-Messzylinder mit je
900 mL Wasser und geben Sie in jeden einen Magnetrührer. Setzen Sie je Lösung 10 mL
einer 1 M NH3 zu, bevor in den einen Zylinder 2 mL Phenolphthalein-Indikatorlösung und in
den anderen 2 mL Bromthymolblau-Indikatorlösung gegeben werden. Bei beiden Indikato-
ren sieht man die Farbe ihrer basischen Spezies.
Werfen Sie nun einige Stücke Trockeneis (festes CO2) in jeden Zylinder. Durch die CO2-
Gasblasen werden die Lösungen angesäuert. Zuerst verschwindet die Rosafärbung des
Phenolphthaleins. Nach einiger Zeit ist auch der pH-Abfall im Zylinder mit dem Bromthy-
molblau weit genug fortgeschritten, dass sich die Färbung von Blau zur Mischfarbe Grün
ändert. Der pH-Wert sinkt jedoch nicht weit genug ab, um einen Farbumschlag nach Gelb
zu bewirken.
Unterschichten Sie nun beide Lösungen unter Verwendung eines Schlauches an einem
Trichter mit ca. 20 mL einer 6 M HCl. Rühren Sie die Lösungen anschließend für wenige
Sekunden mit dem Magnetrührer. Erläutern Sie die Farbentwicklung. Die Reihenfolge der
Versuche ist in Farbtafel 4 dargestellt.

10.7 Praktische Hinweise

Die in Tabelle 10.4 zusammengestellten Säuren und Basen sind in ausreichend reiner Vorschriften zur Herstellung von Stan-
Form erhältlich, um sie als primäre Standards oder Urtiter18 zu verwenden. NaOH und dardlösungen der Säuren und Basen
KOH eignen sich nicht als Urtiter, da die analysenreinen Substanzen Carbonat (aus der stehen am Ende dieses Kapitels
Reaktion mit atmosphärischem CO2) enthalten und Wasser adsorbieren. Die Lösungen
von NaOH und KOH müssen deshalb gegen einen Urtiter eingestellt werden. Eine der
dafür am besten geeigneten Verbindungen ist Kaliumhydrogenphthalat. Verdünnte Na-
10
OH-Lösungen werden für die Titration durch Verdünnen einer Stammlösung von 50 %
(w/v) wässriger NaOH hergestellt. Da Natriumcarbonat in dieser Stammlösung nur wenig
löslich ist, setzt es sich am Boden der Flasche ab.
Alkalische Lösungen (z.B. 0.1 M NaOH) müssen luftgeschützt aufbewahrt werden, da
sie sonst CO2 absorbieren:
OH– + CO2 → HCO3–
Durch CO2 wird nicht nur die Konzentration der starken Base mit der Zeit verändert, son- (w/v) bedeutet Masse/Volumen und ist
dern es wird auch bei der Titration schwacher Säuren der Reaktionsgrad um den Endpunkt eine häufig verwendete Abkürzung für
herum verringert. Bewahrt man die Lösungen in fest verschlossenen Polyethylenflaschen Masse-(Gewichts)prozent.
auf, können sie ca. eine Woche ohne merkliche Veränderungen verwendet werden.
Standardlösungen werden am besten in Schraubflaschen aus Polyethylen hoher Dichte
(HDPE) aufbewahrt. Verdunstung aus einer Flasche verändert allmählich die Reagenz-
konzentration. Die Chemikalienfirma Sigma-Aldrich gibt an, dass wässrige Lösungen,
nach zwei Jahren in einer dicht verschlossenen Flasche bei 23 °C um 0.2 % und bei 30 °C
um 0.5 % konzentrierter wurden. Einpacken in einen geschlossenen Aluminiumbeutel
verringert die Verdunstung um den Faktor 10. Hieraus sieht man, dass Standardlösungen
im Labor eine begrenzte Lebenszeit haben.
Stark basische Lösungen greifen Glas an und werden deshalb am besten in Plastikbe-
hältern aufbewahrt. Derartige Lösungen sollten deshalb auch nicht länger als nötig in der
Bürette stehen. Durch einstündiges Kochen einer 0.01 M NaOH in einem Kolben verrin-
gert sich die Konzentration wegen der Reaktion des OH– mit dem Glas um 10 %.19

10.8 Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl

Die Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl, die 1883 entwickelt wurde, ist eine der am
häufigsten verwendeten Methoden zur Stickstoffbestimmung in organischen Substanzen.
Protein ist in unseren Nahrungsmitteln der Hauptlieferant von Stickstoff. Die meisten
Proteine enthalten etwa 16 Gew% Stickstoff, deshalb ist die Stickstoff-Bestimmung ein
260 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Abb. 10.10 a) Kjeldahl-Aufschluss-


Kolben. Der lange Hals verhindert Subs-
tanzverlust durch Verspritzen. b) Block-
Aufschluss-Einheit für mehrere Proben
mit Schutz vor Säuredämpfen [Labconco
Corp.]. a b

Ersatz für die Bestimmung von Protein (Exkurs 10.3). Eine andere gebräuchliche Stick-
stoffbestimmung in Nahrungsmitteln ist die Verbrennungsanalyse (Abschnitt 26.4).
Bei der Kjeldahl-Methode wird die feste Probe zunächst in kochender Schwefelsäure
aufgeschlossen (zersetzt und gelöst). Dabei wird Stickstoff der Amine und Amide in Am-
moniumionen, NH4+, umgewandelt und alle anderen Elemente werden oxidiert:23
Jedes Stickstoffatom im Ausgangs- kochende H SO
Kjeldahl-Aufschluß: organisches C, H, N ⎯⎯⎯⎯⎯⎯→
2 4
NH4+ + CO2 + H2O (10.8)
material wird in ein NH4+-Ion umge-
wandelt. Quecksilber-, Kupfer- und Selenverbindungen katalysieren den Aufschluss. Um die
Geschwindigkeit der Reaktion zu erhöhen, wird der Siedepunkt der konzentrierten (98
Gew%) Schwefelsäure (338 °C) durch Zugabe von K2SO4 erhöht. Der Aufschluss erfolgt in
einem Langhals-Kjeldahl-Kolben (Abbildung 10.10), wodurch ein Verlust der Probe durch
Verspritzen verhindert wird. Bei einer alternativen Aufschlussmethode werden H2SO4
und H2O2 oder K2S2O7 plus NaOH24 in einer Mikrowellenbombe verwendet (einem
Druckgefäß, wie in Abbildung 27.7 gezeigt).
Nach vollständigem Aufschluss wird die NH4+ enthaltende Lösung alkalisch gemacht
und das freigesetzte NH3 wird mit Wasserdampf (mit einem großen Überschuss von
Dampf) in ein Auffanggefäß destilliert, in dem sich eine bekannte Menge HCl befindet25
(Abbildung 10.11). Die überschüssige, nicht umgesetzte HCl wird mit Standard-NaOH
titriert, um den HCl-Verbrauch durch NH3 zu bestimmen.
Neutralisation von NH4+: NH4+ + OH– → NH3(g) + H2O (10.9)
Destillation von NH3 in Standard HCl: NH3 + H+ → NH4+ (10.10)
Titration von unreagierter HCl mit NaOH: H+ + OH– → H2O (10.11)
Eine Alternative zur Titration besteht in der Neutralisation der Säure, anschließender
pH-Einstellung mit einem Puffer und Zugabe der Reagenzien für eine Farbreaktion mit
NH3.26 Die Extinktion der farbigen Lösung ergibt die Konzentration von NH3 nach dem
Aufschluss.

> Beispiel
Kjeldahl-Bestimmung
Ein typisches Protein enthält 16.2 Gew% Stickstoff. Ein 0.500 mL-Aliquot einer Proteinlösung
wird aufgeschlossen und das freigesetzte NH3 in 10.00 mL einer 0.021 40 M HCl destilliert.
Die unreagierte HCl erfordert 3.26 mL einer 0.019 8 M NaOH zur kompletten Umsetzung.
Wie groß ist die Konzentration des Proteins (mg Protein/mL) in der Ausgangsprobe?
Abb. 10.11 Originalapparatur, die von
dem dänischen Chemiker J. Kjeldahl Lösung Die ursprüngliche Menge von HCl in der Vorlage war (10.00 mL) (0.021 40 mmol/
(1849–1900) verwendet wurde [D. T.
mL) = 0.214 0 mmol HCl. Die zur Titration der nach Reaktion 10.11 verbliebenen HCl erfor-
Burns, „Kjeldahl, the Man, the Method
and the Carlsberg Laboratory,“ Anal. Proc. derliche Menge an NaOH war (3.26 mL) (0.019 8 mmol/mL) = 0.064 5 mmol NaOH. Die Diffe-
(Royal Society of Chemistry) 1984, 21, renz 0.214 0–0.064 5 = 0.149 5 mmol muss der Menge an NH3 entsprechen, die bei Reaktion
210]. 10.9 entstanden ist und in die Salzsäure destilliert wurde.
10.8 · Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl 261

Da ein mol Stickstoff im Protein 1 mol NH3 bildet, mussten 0.149 5 mmol Stickstoff im Pro-
tein enthalten sein, entsprechend

⎛ mg N ⎞
(0.149 5 mmol) ⎜14.006 74 ⎟ = 2.093 mg N
⎝ mmol ⎠

Wenn das Protein 16.2 Gew% N enthält, berechnet sich die Konzentration wie folgt

2.093 mg N
= 12.9 mg Protein
0.162 mg N/mg protein
12.9 mg Protein mg Protein
⇒ = 25.8
0.500 mL mL

Selbstüberprüfung Wie viel mg Protein pro mL liegen vor, wenn 3.00 mL NaOH erforder-
lich waren? (Lösung: 26.7 mg/mL)

Exkurs 10.3

Die Kjeldahl-Bestimmung des Stickstoffs in Proteinquelle Gewichts% Protein


den Schlagzeilen
Fleisch 16.0
Im Jahr 2007 starben in Nordamerika ganz plötzlich sehr viele
Hunde und Katzen durch Nierenversagen. Die Krankheitsursa- Blutplasma 15.3
chen wurden verfolgt und die Spur führte zu Tiernahrung, die
Milch 15.6
mit Melamin verseuchtes Weizengluten aus China enthielt. Mela-
min, das zur Kunststoffherstellung verwendet wird, war absicht- Mehl 17.5
lich zugesetzt worden, „um in einem Angebot die vertraglichen
10
Eier 14.9
Anforderungen in den Proteingehalt der Produkte zu erfüllen.“20
Quelle: D. J. Holme und H. Peck, Analytical Biochemistry, 3rd ed. (New
Auch Cyanursäure, die zur Desinfektion von Swimming-Pools York, Addison Wesley Logman, 1998) 388.
benutzt wird, wurde gefunden. Reines Melamin allein führt nicht
zu Nierenversagen, allerdings mit der herstellungsbedingt meist Es ist unglaublich, dass im Sommer 2008 etwa 300 000 chinesi-
vorhandenem Cyanursäure können sich in der Niere Kristalle sche Babys erkrankten und bei einigen die Nieren versagten.21
bilden, die die feinen Gefäße des Organs verstopfen und zum Viele chinesische Unternehmen hatten Milch mit Wasser ver-
Nierenversagen führen können. dünnt und Melamin zugesetzt, um einen normalen Proteinge-
halt vorzutäuschen. Die vergifteten Milchprodukte wurden im
H 2N N NH 2 HO N OH Inland und auf Auslandsmärkten verkauft. Als Antwort auf das
Auftauchen von Melamin in der Nahrung hat zumindest eine
N N N N Firma einen kolorimetrischen Test entwickelt, mit dem Protein-
Stickstoff von Nichtprotein-Stickstoff unterschieden werden
NH 2 OH
Melamin Cyanursäure
kann.22
(66.6 Gew% Stickstoff) (32.6 Gew% Stickstoff) Ein anderes Mittel zur Stickstoff-Bestimmung in Nah-
rungsmitteln ist die Dumas-Methode. Das organische Material
Was haben diese Verbindungen mit Protein zu tun? Nichts – au- wird mit CuO gemischt und in einer CO2-Atmosphäre auf
ßer dass sie viel Stickstoff enthalten. Protein mit seinen ~16 % 650–700 °C erhitzt, wobei sich CO2, H2O, N2 und Stickstoffoxide
Stickstoff ist die wichtigste Stickstoffquelle in der Nahrung. Ein bilden. Die Reaktionsprodukte werden durch den CO2-Strom
Nahrungsmittel mit 10 Gew% Protein enthält 10 % von 16 % also über heißes Cu geleitet, um die Stickoxide zu Stickstoff zu re-
~ 1.6 % Stickstoff. Wenn man 1.6 Gew.% N im Nahrungsmittel be- duzieren. Danach wird das Gas zum Auffangen des CO2 durch
stimmt, kann man schließen, dass es ~ 10 Gew% Protein enthält. konzentrierte wässrige KOH-Lösung geleitet. Das Stickstoff-
Melamin enthält 66.6 Gew.% N, also viermal mehr als Protein. Volumen wird in einer Gasbürette gemessen. Auch diese Me-
Zugabe von 1 Gew% Melamin zur Nahrung ergibt einen schein- thode unterscheidet nicht zwischen Stickstoff aus Protein und
baren Wert von 4 Gew% Protein. Melamin.
262 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

10.9 Der Nivellierungseffekt

Die stärkste in Wasser vorliegende Säure ist H3O+ und die stärkste Base OH–. Wird eine
stärkere Säure als H3O+ in Wasser gelöst, wird durch sie H2O zu H3O+ protoniert. Löst
man eine stärkere Base als OH– in Wasser, wird dadurch H2O deprotoniert, wobei OH–
entsteht. Aufgrund dieses Nivellierungseffekts verhalten sich HClO4 und HCl, als wür-
den sie die gleiche Säurestärke besitzen. Beide werden auf die Stärke von H3O+ nivelliert:

HClO4 + H2O → H3O+ + ClO4–


HCl + H2O → H3O+ + Cl–

In dem (im Vergleich zu H2O) weniger basischen Lösungsmittel Essigsäure werden


HClO4 und HCl nicht auf die gleiche Säurestärke nivelliert:
HClO4 + CH3COOH W CH3COOH2+ + ClO4– K= 1.3 ∙ 10–5
Im Lösungsmittel Essigsäure ist HClO4
Lösungsmittel
eine stärkere Säure als HCl; in wäss-
HCl + CH3COOH W CH3COOH2+ + Cl– K = 2.8 ∙ 10–9
riger Lösung werden beide Säuren
dagegen auf die Stärke von H3O+ Aus den Gleichgewichtskonstanten geht hervor, dass im Lösungsmittel Essigsäure HClO4
nivelliert. eine stärkere Säure als HCl ist.
In Abbildung 10.12 ist die Titrationskurve für ein Gemisch aus fünf Säuren dargestellt,
die im Lösungsmittel Methylisobutylketon (MIBK) mit 0.2 M Tetrabutylammoniumhy-
droxid titriert wurden. Das Lösungsmittel wird nur ganz geringfügig durch diese Säuren
protoniert. Auch in diesem Lösungsmittel zeigt sich, dass Perchlorsäure eine stärkere
Säure als HCl ist.
Nun wollen wir eine Base, z. B. Harnstoff, (H2N)2C=O (KB = 1.3 × 10–14), betrachten,
die zu schwach ist, um bei der Titration mit starker Säure in Wasser einen scharfen End-
punkt zu erzeugen.
Titration mit HClO4 in H2O: B + H3O+ W BH+ + H2O
Der Endpunkt kann nicht erkannt werden, da die Gleichgewichtskonstante für die Titrati-
onsreaktion nicht groß genug ist. Hätte man eine stärkere Säure als H3O+ zur Verfügung,
wäre die Gleichgewichtskonstante der Titrationsreaktion vielleicht groß genug, um einen
scharfen Endpunkt zu erhalten.
Ein scharfer Endpunkt ist dagegen zu beobachten, wenn man die gleiche Base in Es-
sigsäure löst und sie mit HClO4 in Essigsäure titriert.
Eine Base, die für die Titration mit H3O+
Titration mit HClO4 in CH3COOH: B + HClO4 V BH+ClO4–
in Wasser zu schwach ist, kann mit Ionenpaar
HClO4 im Lösungsmittel Essigsäure
titriert werden. Die Reaktion könnte eine ausreichend große Gleichgewichtskonstante besitzen, da HClO4
eine viel stärkere Säure als H3O+ ist. (Das Reaktionsprodukt wird als Ionenpaar formu-

500

300
Hydroxybenzol

100 Abb 10.12 Die Titration eines Gemischs von


Essigsäure fünf Säuren mit Tetrabutylammoniumhy-
–100 doxid im Lösungsmittel Methylisobutylketon
Potential (mV)

zeigt die Reihenfolge der Säurestärke HClO4


–300 2-Hydroxybenzoesäure > HCl > 2-Hydroxybenzoesäure > Essigsäure
> Hydroxybenzol (Phenol). Die Messungen
–500 wurden mit einer Glaselektrode und einer
HCl
Platin-Bezugselektrode durchgeführt. Die
–700 Ordinate ist zum pH-Wert proportional, mit
steigendem pH wird das Potential positiver
HClO4 [D. B. Bruss und G. E. A. Wyld,“Methyl Isobutyl
–900
Frage Wo liegt nach Ihrer Meinung Ketone as a Wide-Range Solvent for Titration
0.4 mL
der Endpunkt für die Säure H3O+ClO4– of Acid Mixtures and Nitrogen Bases,“ Anal.
–1100
in Abbildung 10.12? Titrantvolumen Chem. 1957, 29, 232].
10.10 · Berechnung von Titrationskurven mit Hilfe der Tabellenkalkulation 263

liert, da Essigsäure eine zu geringe Dielektrizitätskonstante besitzt, um die Bildung einer Die Dielektrizitätskonstante wird in der
größeren Anzahl freier Ionen zu ermöglichen.) Titrationen, die in Wasser nicht durch- Aufgabe 7-13 behandelt.
führbar sind, können in anderen Lösungsmitteln möglich sein.27
Bei der Elektrophorese (Kapitel 25) werden Ionen durch ihre unterschiedliche Beweg- Verbindungen, die in Acetonitril
lichkeit in einem elektrischen Feld getrennt. Die auf dem Rand gezeigten Verbindungen durch Perchlorchlorsäure und Eisessig,
sind derartig schwache Basen, dass sie in wässriger Lösung nicht protoniert werden und CH3COOH2+ClO4– , protoniert werden
dadurch nicht in geladene Teilchen für die wässrige Elektrophorese überführt werden können:
können. Dagegen werden sie in wasserfreiem Acetonitril durch HClO4 (gelöst in Wasser- S O
freier Essigsäure) protoniert und können als Kationen getrennt werden.28 O2 N
H3C NH2 NH2
Thioacetamid 4-Nitrobenzamid
10.10 Berechnung von Titrationskurven
mit Hilfe der Tabellenkalkulation
Zu Beginn dieses Kapitels haben wir versucht, ihr Verständnis für die während der Titra- Im Experiment 10 „Anpassung einer
tionen ablaufende Chemie zu entwickeln. Die dafür verwendeten Näherungen haben aber Titrationskurve mit dem Excel-Solver“
wenig Wert, wenn die Konzentrationen der Lösungen zu niedrig sind, die Gleichgewichts- bei www.whfreeman.com/qca werden
konstanten nicht den richtigen Wert haben oder die KS-Werte zu nahe beieinander liegen die in diesem Abschnitt entwickelten
(beispielsweise wie bei einem Protein). In diesem Abschnitt sollen deshalb Gleichungen Gleichungen angewendet
entwickelt werden, die bei Verwendung von Tabellenkalkulationen29 in jedem Falle eine
mathematische Behandlung von Titrationen ermöglichen sollen.

Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base


Wir wollen hierfür die Titration der Säure HA (mit dem Volumen VS und der Ausgangs-
konzentration CS) mit dem Volumen VB einer NaOH der Konzentration CB untersuchen.
10
Die Ladungsbilanz dieser Lösung lautet
Ladungsbilanz: [H + ] + [Na + ] = [A − ] + [OH − ]
und die Konzentration an Na+ ergibt sich zu
CBVB
[Na + ] =
VS + VB
da wir durch die Titration die Stoffmenge CBVB an HA auf das Gesamtvolumen VS + VB
verdünnt haben. Die Formalkonzentration der schwachen Säure ist demzufolge
CSVS
FHA = [HA] + [A − ] =
VS + VB
da CSVS von HA auf das Gesamtvolumen VS + VB verdünnt wurden.
Nun wollen wir die Gleichungen für die anteilige Zusammensetzung aus Abschnitt 9.5
anwenden. Gleichung 9.18 besagt
 ⋅ CSVS −
αA- = Anteil der Säure in der Form A–:
[A − ] =  A ⋅ FHA = A
− (10.12)
VS + VB [A − ]
αA =

FHA
mit αA- = KS/([H+] + KS) und KS als Säurekonstante der HA. Durch Substitution von [Na+]
und [A–] in der Ladungsbilanz erhält man
CBVB  ⋅ CSVS

[H + ] + = A + [OH − ]
VS + VB VS + VB
φ = CBVB/CSVS ist der Anteil des Wegs
Das können Sie umstellen in Titrationsgrad für die Umsetzung von schwacher Säure mit bis zum Äquivalenzpunkt:
starker Base φ Volumen der Base
[H + ] − [OH − ]
A −

0.5 VB = ½ VÄ
CV CS
 ≡ B B = (10.13) 1 VB = VÄ
CSVS [H + ] − [OH − ]
1+
CB 2 VB = 2VÄ
264 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Jetzt haben wir es geschafft! Gleichung 10.13 ist in der Tat sehr nützlich. Sie verknüpft das
Volumen des Titranten (VB) mit dem pH und einer Reihe Konstanten. Die als Quotient
CBVB/CSVS gegebene Größe ϕ ist der Anteil des Wegs bis zum Äquivalenzpunkt VÄ. Ist ϕ
= 1, sind das Volumen an zugesetzter Base VB und VÄ gleich groß. Die Gleichung 10.13
funktioniert umgekehrt als wir gewohnt sind zu denken. da man durch Eingabe des pH-
Wertes auf der rechten Seite auf der linken Seite ein Volumen erhält. Noch einmal gesagt:
Wir geben eine H+-Konzentration ein und erhalten das Volumen des Titranten, welches diese
Konzentration erzeugt.
Wir wollen nun unter Verwendung von Gleichung 10.13 eine Tabellenkalkulation
O NHCH2CH2SO3 durchführen, um die Titrationskurve für 50.00 mL der schwachen Säure 0.020 00 M MES
2-(N-Morpholino)ethansulfonsäure mit 0.100 0 M NaOH zu berechnen (siehe Abbildung 10.2 und Tabelle 10.2). Das Äquiva-
MES, pKS = 6.27 lenzvolumen ist VÄ = 10.00 mL. Folgende Werte werden in Gleichung 10.13 eingesetzt:
CB = 0.1 M [H+] = 10–pH
CS = 0.02 M [OH–] = KW/[H+]
VS = 50 mL
KS
KS = 5.37 × 10–7 A =

⎡H + ⎤ + KS
KW= 10–14 ⎣ ⎦

CSVS
pH ist die Eingabe VB= ist die Ausgabe
CB

In das Arbeitsblatt der Tabellenkalkulation der Abbildung 10.13 wird der pH in Spalte B
eingegeben und in Spalte G VB erhalten. Aus dem pH werden in den Spalten C, D und E
die Werte für [H+], [OH–] und αA- berechnet. In Spalte F wird dann Gleichung 10.13 zur
Ermittlung des Titrationsgrads ϕ benutzt. Aus diesem Wert kann danach in Spalte G das
Volumen VB des Titranten errechnet werden.

A B C D E F G
1 Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base
2
3 CB = pH [H+] [OH-] α(A-) φ VB (mL)
4 0.1 3.90 1.26E-04 7.94E-11 0.004 -0.002 -0.020
5 CS = 3.99 1.02E-04 9.77E-11 0.005 0.000 0.001
6 0.02 5.00 1.00E-05 1.00E-09 0.051 0.050 0.505
7 VS = 6.00 1.00E-06 1.00E-08 0.349 0.349 3.493
8 50 6.27 5.37E-07 1.86E-08 0.500 0.500 5.000
9 KS = 7.00 1.00E-07 1.00E-07 0.843 0.843 8.430
10 5.37E-07 8.00 1.00E-08 1.00E-06 0.982 0.982 9.818
11 Kw = 9.00 1.00E-09 1.00E-05 0.998 0.999 9.987
12 1.E-14 9.25 5.62E-10 1.78E-05 0.999 1.000 10.000
13 10.00 1.00E-10 1.00E-04 1.000 1.006 10.058
14 11.00 1.00E-11 1.00E-03 1.000 1.061 10.606
15 12.00 1.00E-12 1.00E-02 1.000 1.667 16.667
16
17 C4 = 10^-B4 F4 = (E4-(C4-D4)/$A$6)/(1+(C4-D4)/$A$4)
18 D4 = $A$12/C4 G4 = F4*$A$6*$A$8/$A$4
19 E4 = $A$10/(C4+$A$10)

Abb. 10.13 Tabellenkalkulation unter Verwendung von Gleichung 10-13 zur Berechnung der Titra-
tionskurve für 50 mL der schwachen Säure MES (pKS= 6.27, Konzentration =0.02 M) mit 0.1 M NaOH.
Der pH wird als Eingangsgröße in Spalte B eingetragen und das Programm liefert das Volumen der
Base, die erforderlich ist, diesen pH-Wert zu erreichen.
10.10 · Berechnung von Titrationskurven mit Hilfe der Tabellenkalkulation 265

Tabelle 10.5 Titrationsgleichungen für die Tabellenkalkulation

Berechnung des Titrationsgrades φ

Titration einer starken Säure mit einer starken Base Titration einer schwachen Säure (HA) mit einer starken Base
⎡H+ ⎤ − ⎡OH− ⎤⎦ ⎡H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦
1− ⎣ ⎦ ⎣ αA − ⎣

CV CS CBVB CS
φ= B B = φ= =
C SVS ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦ C SVS ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦
1+ 1+
CB CB

Titration einer starken Base mit einer starken Säure Titration einer schwachen Base (B) mit einer starken Säure
⎡H+ ⎤ − ⎡OH− ⎤⎦ ⎡H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦
1+ ⎣ ⎦ ⎣ α BH + ⎣
+
CV CB C SVS CB
φ= S S = φ= =
CBVB ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦ CBVB ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦
1− 1−
CS CS

Titration einer schwachen Säure (HA) mit einer schwachen Base (B) Titration einer schwachen Base (B) mit einer schwachen Säure (HA)
⎡H+ ⎤ − ⎡OH− ⎤⎦ ⎡H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦
αA − ⎣ ⎦ ⎣ − α BH + ⎣
+
CBVB CS CV CB
φ= = φ= S S =
C SVS ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦ CBVB ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦
α BH + + αA −

CB CS

Titration von H2A mit einer starken Base (→ → A2–) Titration von H3A mit starker Base (→ → → A3–)
⎡H ⎤⎦ − ⎡⎣OH ⎤⎦
+ −
⎡H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦
αHA + 2α A − ⎣
− 2− α H A + 2α HA + 3α A − ⎣
− 2− 3−
CBVB CS CBVB 2
CS
φ= = φ= =
C SVS ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦ C SVS ⎡H+ ⎤ − ⎡OH− ⎦⎤
1+ 1+ ⎣ ⎦ ⎣
CB CB

Titration von zweibasigem B mit starker Säure (→→ BH22+) Titration von dreibasigem B mit starker
⎡H+ ⎤ − ⎡OH− ⎤⎦ Säure (→→→ BH22+) 10
α BH
+ + 2α BH + ⎣ ⎦ ⎣
2+ ⎡H+ ⎤ − ⎡OH− ⎤⎦
CV CB α BH + 2α BH + 3α BH + ⎣ ⎦ ⎣
2

φ= S S = + 2+ 3+

CBVB ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦ C SVS 2 3


CB
φ= =
1− CBVB ⎡⎣H+ ⎤⎦ − ⎡⎣OH− ⎤⎦
CS 1−
CS

Symbole:
φ = Anteil des Wegs bis zum ersten Äquivalenzpunkt, Titrationsgrad α = Dissoziationsgrad der Säure oder Assoziationsgrad der Base
CS = Ausgangskonzentration der Säure VS = Volumen der Säure
CB = Ausgangskonzentration der Base VB = Volumen der Base

Berechnung des Dissoziationsgrads oder Assoziationsgrads α

Einprotonige Systeme

⎣⎡H ⎦⎤
+
KS
α HA = αA =
− KS = Säurekonstante von HA
⎡⎣H ⎤⎦ + K S
+
⎡⎣H+ ⎤⎦ + K S

⎡⎣H+ ⎤⎦ K BH
α BH = αB =
+
+ K BH = Säurekonstante von BH+ (=KW/KB)
+
⎡⎣H ⎤⎦ + K BH
+
+
⎡⎣H+ ⎤⎦ + K BH +

Zweiprotonige Systeme
[H+ ]2 [H+ ]K 1 K 1K 2
αH A = α HA =
− αA =
2−
2
[H+ ]2 + [H+ ]K 1 + K 1K 2 [H+ ]2 + [H+ ]K 1 + K 1K 2 [H+ ]2 + [H+ ]K 1 + K 1K 2
[H+ ]2 [H+ ]K 1 K 1K 2
α BH =
2+ α BH =
+ αB =
2
[H+ ]2 + [H+ ]K 1 + K 1K 2 [H+ ]2 + [H+ ]K 1 + K 1K 2 [H+ ]2 + [H+ ]K 1 + K 1K 2

Symbole
K1 und K2 der Säure sind die Säurekonstanten von H2A und HA–
K1 und K2 der Base sind die Säurekonstanten von BH22+ und BH+ (K1 = KW/KB2 und K2 = KW/KB1)

Dreiprotonige Systeme
[H+ ]3 [H+ ]2 K 1
αH A = αH A = −
3
[H+ ]3 + [H+ ]2 K 1 + [H+ ]K 1K 2 + K 1K 2 K 3 2
[H+ ]3 + [H+ ]2 K 1 + [H+ ]K 1K 2 + K 1K 2 K 3
[H+ ]K 1K 2 K 1K 2 K 3
α HA = 2− αA = 3−
[H ] + [H ] K 1 + [H+ ]K 1K 2 + K 1K 2 K 3
+ 3 + 2
[H+ ]3 + [H+ ]2 K 1 + [H+ ]K 1K 2 + K 1K 2 K 3
266 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

In Abbildung 10.13 kann Excel Woher wissen wir, welchen pH-Wert wir einsetzen müssen? Den pH vor der Titration
Zielwertsuche (Seite 184) verwendet kann man einfach durch Probieren ermitteln. Man setzt einen pH-Wert ein und schaut,
werden, um den pH in Zelle B5 zu ver- ob der resultierende VB-Wert positiv oder negativ ist. Bereits nach wenigen Versuchen
ändern, bis VB in Zelle G5 Null ist hat man den pH ermittelt, bei dem VB = 0 ist. Aus Abbildung 10.13 erkennt man, dass
ein pH von 3.90 zu niedrig ist, da negative Werte für ϕ und V resultieren. Die Abstände
der vorzugebenden pH-Werte können Sie beliebig dicht setzen, so dass man damit auch
eine glatte Titrationskurve erzeugen kann. Aus Platzgründen sind in Abbildung 10.13 nur
einige wenige Punkte enthalten, darunter der Mittelpunkt (pH 6.27 ⇒ VB = 5.00 mL) und
der Endpunkt (pH 9.25 ⇒ VB = 10.00 mL) der Titration. Mit dieser Tabellenkalkulation
wird die Rechnung aus Tabelle 10.2 ohne Näherungen (mit Ausnahme der vernachlässig-
ten Aktivitätskoeffizienten) wiederholt. Selbst wenn die für die Berechnung in Tabelle 10.2
vereinbarten Näherungen nicht mehr gültig sind, erhält man hiermit exakte Ergebnisse.

Titration einer schwachen Säure mit einer


schwachen Base
Wir wollen nun die Titration von VS mL der Säure HA (Ausgangskonzentration CS) mit
VB mL der Base B (Konzentration CB) untersuchen. Die Säurekonstante von HA sei KS
und die Säurekonstante von BH+ sei KBH+. Die Ladungsbilanz lautet dann
Ladungsbilanz: [H + ] + [BH + ] = [A − ] + [OH − ]
Wie bereits vorhin diskutiert, gilt [A–] = αA- × FHA mit αA- = KS/([H+] + KS) und FHA =
CSVS/(VS + VB).
Wir wollen jetzt einen analogen Ausdruck für die schwache, einprotonige Säure [BH+]
formulieren. Wäre die Säure HA, würden wir Gleichung 9.17 verwenden und schreiben

αHA ist der Anteil der Säure in der Form [H + ]


[HA] =  HA FHA  HA =
HA: [H + ] + K S
[HA]
α HA =
FHA wobei KS zur Säure HA gehört. Für die schwache Säure BH+ formulieren wir

αBH+ ist der Anteil der Base in der Form [H + ]


[BH + ] =  BH FB
+  BH =
+

BH+: [H + ] + K BH +

[BH+ ]
α BH+ =
FB wobei die Formalkonzentration der Base FB = CBVB/(VS + VB) ist.
Nach Substitution von [BH+] und [A–] in der Ladungsbilanz ergibt sich
 BH ⋅ CBVB
+  A ⋅ CSVS

[H + ] + = + [OH − ]
VS + VB VS + VB
die für das Resultat umgestellt werden kann
Titrationsgrad für die Umsetzung von schwacher Säure mit schwacher Base

[H + ] − [OH − ]
A −

CBVB CS
ϕ= = (10.14)
CSVS [H + ] − [OH − ]
 BH + +
CB

Gleichung 10.14 für eine schwache Base ähnelt Gleichung 10.13 für eine starke Base bis
auf die Substitution von 1 durch αBH+ im Nenner.
In Tabelle 10.5 sind eine Reihe sehr nützlicher Gleichungen zusammengefasst. die aus
der Ladungsbilanz abgeleitet und mit Hilfe der anteiligen Zusammensetzungen für ver-
schiedene Konzentrationen aufgeschrieben wurden. Für die Titration der zweiprotonigen
Säure, H2A, ist ϕ der Bruchteil des Wegs bis zum ersten Äquivalenzpunkt. Bei ϕ = 2 ist der
zweite Äquivalenzpunkt erreicht. Es sollte nicht überraschen, dass folgende Beziehungen
gelten: bei ϕ = 0.5 ist pH ≈ pK1 und bei φ = 1.5 ist pH ≈ pK2. Bei φ = 1 haben wir die
Zwischenform HA– und pH ≈ ½ (pK1+pK2).
Zusammenfassung 267

Wichtige Begriffe
Gran-Darstellung > Hammetsche Säurefunktion > Indikator > Indikatorfehler > Kjel-
dahl-Methode zur Stickstoffbestimmung > Nivellierungseffekt > Umschlagsbereich

Zusammenfassung
Schlüsselgleichungen zur Berechnung von Titrationskurven

Titration von starken Säuren und Basen


H+ + OH– → H2O
pH-Wert wird durch die Konzentration an überschüssigem, nicht umgesetzten H+
oder OH– bestimmt. Der pH-Wert am Äquivalenzpunkt ist 7.00.

Schwache Säure wird mit starker Base titriert


HA + OH– → A– + H2O (VÄ = Äquivalenzvolumen)
(VB = Volumen zugesetzter Base)
VB = 0: pH wird durch KS von HA U H+ +A– bestimmt.
0< VB < VÄ: pH = pKS + log ([A–]/[HA]); pH = pKS bei VB = 1/2VÄ (unter Vernachläs-
sigung der Aktivitätskoeffizienten).
Bei VB =VÄ (am Äquivalenzpunkt): pH wird durch KB von A– + H2O U HA + OH–
bestimmt. Der pH-Wert liegt oberhalb von 7.00.
VB >VÄ (nach dem Äquivalenzpunkt): pH wird durch den Überschuss von OH– be-
stimmt.

Schwache Base wird mit starker Säure titriert


B + H+ → BH+ (VÄ = Äquivalenzvolumen)
(VS = Volumen zugesetzter Säure)
VS = 0: pH wird durch KB von B + H2O U BH+ +OH– bestimmt
10
0< VS < VÄ: pH = pKBH+ + log ([B]/[BH+]); pH = pKBH+ bei VS = 1/2VÄ
Bei VS =VÄ (am Äquivalenzpunkt): pH wird durch KBH+ von BH+ U B + H+ be-
stimmt. Der pH-Wert liegt unterhalb von 7.00.
VS >VÄ (nach dem Äquivalenzpunkt): pH wird durch den Überschuss von H+ be-
stimmt.

H2A wird mit OH– titriert


H2A → HA– → A2– Äquivalenzvolumina: VÄ2 = 2 VÄ1
OH– OH–

VB = 0: pH wird durch K1 von H2A U H+ +HA– bestimmt


0< VB < VÄ1: pH = pK1 + log ([HA–]/[H2A]); pH = pK1 bei VB = 1/2VÄ1
Bei VÄ1: Erster Äquivalenzpunkt

K1K 2F′+ K1K W 1


[H + ] = ⇒ pH ≈ (pK S1 + pK S2 )
K1 + F′ 2

F´= Formalkonzentration von HA–


VÄ1 < VB < VÄ2: pH = pK2 + log ([A2–] / [HA–]); pH = pK2 bei VB = 3/2VÄ1
Bei VÄ2: Zweiter Äquivalenzpunkt pH wird durch KB1 von A2– + H2O U HA– +OH–
bestimmt
VB >VÄ2 (nach dem 2.Äquivalenzpunkt): pH wird durch den Überschuss von OH–
bestimmt.

Verhalten der Ableitungen am Äquivalenzpunkt


Erste Ableitung: ΔpH/ΔV hat ein Maximum
Zweite Ableitung: Δ(ΔpH/ΔV)/ ΔV = 0

Gran-Darstellung (Gran-Plot)
Darstellung von VB . 10–pH in Abhängigkeit von VB: Abszissenabschnitt = VÄ; Anstieg =
–KS γHA/γA- KS = Säurekonstante; γ =Aktivitätskoeffizient
268 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

Indikatorwahl
Der pH des Farbumschlags sollte mit dem pH von VÄ übereinstimmen. Zu bevorzu-
gen ist ein vollständiger Farbumschlag im steilen Bereich der Titrationskurve

Kjeldahl-Bestimmung von Stickstoff


Eine stickstoffhaltige organische Verbindung wird in kochender H2SO4 in Gegenwart
eines Katalysators aufgeschlossen. Der Stickstoff wird zunächst in NH4+ und danach
mit Lauge in NH3 umgewandelt, welches in Standard-HCl destilliert wird. Aus der
nicht umgesetzten, überschüssigen HCl wird berechnet, wie viel Stickstoff in der ur-
sprünglichen Probe vorhanden war.

Übungen
10-A. Berechnen Sie den pH an jedem der folgenden Punkte bei der Titration von 50.00
mL einer 0.010 0 M NaOH mit 0.100 M HCl. Folgende Volumina wurden zugegeben:
0.00, 1.00, 2.00, 3.00, 4.00, 4.50, 4.90, 4.99, 5.00, 5.01, 5.10, 5.50, 6.00, 8.00 und 10.00 mL.
Zeichnen Sie eine Kurve mit dem pH in Abhängigkeit vom Volumen der zugesetzten
HCl.

10-B. Berechnen Sie den pH an den folgenden Punkten für die Titration von 50.0 mL
einer 0.050 0 M Ameisensäure mit 0.050 0 M KOH: VB = 0.0, 10.0, 20.0, 25.0, 30.0, 40.0,
45.0, 48.0, 49.0, 49.5, 50.0, 50.5, 51.0, 52.0, 55.0 und 60.0 mL. Zeichnen Sie eine Kurve mit
dem pH in Abhängigkeit von VB.

10-C. Berechnen Sie den pH an den folgenden Punkten für die Titration von 100.0 mL
einer 0.100 M Cocainlösung (Abschnitt 8-4, KB = 2.6 × 10–6) mit 0.200 M HNO3: VS =
0.0, 10.0, 20.0, 25.0, 30.0, 40.0, 49.0, 49.9, 50.0, 50.1, 51.0 und 60.0 mL. Zeichnen Sie eine
Kurve mit dem pH in Abhängigkeit von VS.

10-D. Gegeben sei die Titration von 50.0 mL einer 0.050 0 M Malonsäure mit 0.100 M
NaOH. Berechnen Sie den pH an jedem der folgenden Punkte und zeichnen Sie die Titra-
tionskurve: VB = 0.0, 8.0, 12.5, 19.3, 25.0, 37.5, 50.0 und 56.3 mL.

10-E. Formulieren Sie die chemischen Reaktionen (einschließlich der Strukturen von
Reaktanten und Reaktionsprodukten) bei der Titration der Aminosäure Histidin mit Per-
chlorsäure. (Das Molekül Histidin besitzt keine Nettoladung.) Eine Lösung von 25.0 mL
0.050 0 M Histidin wurde mit 0.050 0 M HClO4 titriert. Berechnen Sie den pH-Wert bei
folgenden VS-Werten: 0, 4.0, 12.5, 25.0, 26.0 und 50.0 mL.

10-F. Wählen Sie aus Tabelle 10.3 Indikatoren aus, die für die Titrationen in Abbildung
10.1, 10.2 und für die Kurve mit pKS = 8 in Abbildung 10.3 geeignet sind. Wählen Sie
dabei für jede Titration einen anderen Indikator und erklären Sie, welchen Farbumschlag
Sie für den Endpunkt nutzen würden.

10-G. Bei der Titration von 100.0 mL einer schwachen Säure mit 0.093 81 M NaOH
wurde nach 27.63 mL der Äquivalenzpunkt erreicht. Der pH-Wert am Äquivalenz-
punkt war 10.99. Welchen pH hatte die Lösung nach der Zugabe von nur 19.47 mL
NaOH?

10-H Eine 0.100 M Lösung der schwachen Säure HA wurde mit 0.100 M NaOH titriert.
Der am Punkt VB = 1/2 VÄ gemessene pH war 4.62. Berechnen Sie pKS unter Verwendung
der Aktivitätskoeffizienten. Die Größe des Anions A– sei dabei 450 pm.

10-I. Endpunktermittlung aus pH-Messungen. In der folgenden Tabelle sind die


Messpunkte in der Nähe des zweiten scheinbaren Endpunkts der Kurve in Abbildung 10.5
zusammengestellt.
Referenzverfahren 269

VB (μL) pH VB (μL) pH

107. 6.921 117. 7.878

110. 7.117 118. 8.090

113. 7.359 119. 8.343

114. 7.457 120. 8.591

115. 7.569 121. 8.794

116. 7.705 122. 8.952

a) Stellen Sie eine Tabelle analog zu Abbildung 10.6 zusammen, in der die erste und
zweite Ableitung enthalten sind. Tragen Sie beide Ableitungen gegen VB auf und er-
mitteln Sie aus jeder der beiden Kurven den Endpunkt.
b) Zeichnen Sie eine Gran-Darstellung analog zu Abbildung 10.8. Verwenden Sie eine
Ausgleichsrechnung, um die beste Gerade zu finden. Ermitteln Sie den Endpunkt. Sie
benötigen hier Ihr Urteilsvermögen für die Entscheidung, welche der Punkte noch
auf der „Geraden“ liegen.

10-K. Indikatorfehler. Betrachten wir die Titration in Abbildung 10.2, bei welcher der pH
am Äquivalenzpunkt (Tabelle 10.2) 9.25 bei einem Volumen von 10.00 mL liegt.
a) Nehmen Sie an, Sie hätten den Farbumschlag des Indikators Thymolblau von Gelb
zu Blau für die Endpunktbestimmung verwendet. Nach Tabelle 10.3 verschwindet die
letzte Spur der Grünfärbung bei etwa pH 9.6. Welches Volumen an Base muss zum
Erreichen von pH 9.6 zugesetzt werden? Die Differenz zwischen diesem Volumen
und 10.00 mL entspricht dem Indikatorfehler.
b) Wie groß wäre der Indikatorfehler, wenn Sie den Farbumschlag von Kresolrot bei pH
10
8.8 verwendet hätten?

10-K. Spektralphotometrie mit Indikatoren.† Säure-Base-Indikatoren sind selbst Säuren


oder Basen. Gegeben sei ein Indikator HIn, der folgendermaßen dissoziiert:
KS
HIn U
 H++ In–
Nehmen wir an, der molare Extinktionskoeffizient ε sei bei einer Wellenlänge von 440 nm
für HIn 2 080 M–1cm–1 und für In– 14 200 M–1cm–1.
a) Formulieren Sie einen Ausdruck, der die Extinktion bei 440 nm auf die in der Lö-
sung enthaltene HIn mit der Konzentration [HIn] und auf In– mit der Konzentration
[In–] bezieht. Die Schichtdicke der Messstrecke sei 1.00 cm. Beachten Sie dabei das
additive Verhalten der Extinktionen. Die Gesamtextinktion ist die Summe aller Ex-
tinktionen der in der Lösung vorhandenen Komponenten.
b) Eine Lösung enthält den Indikator in einer Formalkonzentration von 1.84 × 10–4
M. Die auf den pH 6.23 eingestellte Lösung besitzt bei 440 nm eine Extinktion von
0.868. Berechnen Sie pKS für diesen Indikator.

Referenzverfahren: Herstellung der Standardlösungen von Säuren und Basen


0.1 M Standard-NaOH
1. Stellen Sie eine wässrige 50 Gew% NaOH-Lösung her und lassen Sie diese über
Nacht stehen, damit das in dieser Lösung unlösliche Na2CO3 ausfallen kann. Bewah-
ren Sie die Lösung in einer dicht verschlossenen Polyethylen-Flasche auf und entneh-
men Sie vorsichtig die überstehende Lösung, ohne den Niederschlag aufzuwirbeln.
Die Dichte der Lösung liegt nahe bei 1.50 g Lösung pro mL.
2. Trocknen Sie die kommerzielle Urtitersubstanz Kaliumhydrogenphthalat eine Stunde
bei 110 °C und bewahren sie im Exsikkator auf.

† Diese Aufgabe beruht auf dem Lambert-Beer’schen Gesetz (Abschnitt 17.2)


270 Kapitel 10 · Säure-Base-Titrationen

CO 2 K CO 2 K
NaOH H 2O
CO2H CO2 Na
Kaliumhydrogenphthalat
FM 204.221

3. Bringen Sie 1 L Wasser für 5 Minuten zum Sieden, um CO2 auszutreiben. Gießen
Sie das Wasser in eine Polyethylenflasche, die bei Nichtbenutzung fest verschlossen
gehalten wird. Berechnen Sie das Volumen der 50 Gew% NaOH, das zur Herstellung
von 1 L einer ~ 0.1M NaOH nötig ist (~ 5.3 mL). Verwenden Sie einen Messzylinder,
um dieses Volumen in die Flasche mit Wasser zu gießen. Mischen Sie gut durch und
kühlen Sie die Lösung auf Raumtemperatur (vorzugsweise über Nacht).
4. Wägen Sie vier Portionen von ~0.51 g Kaliumhydrogenphthalat ab und lösen jede in
~25 mL destilliertem Wasser in einem 125 mL-Kolben. Jede Probe sollte ~25 mL 0.1
mL NaOH benötigen. Geben Sie zu jeder 3 Tropfen des Phenolphthalein-Indikators
(Tabelle 10.3) und titrieren Sie eine Probe schnell, um den ungefähren Endpunkt zu
finden. Die Bürette sollte zur Vermeidung des CO2-Zutritts abgedeckt sein.
5. Berechnen Sie das zur Titration der drei anderen Proben erforderliche NaOH-Volu-
men und titrieren Sie die Lösungen besonders sorgfältig. Drehen und kippen Sie das
Gefäß während der Titration, um Flüssigkeit von den Wänden in die Lösung zu spü-
len. In der Nähe des Endpunkts sollte jedes Mal weniger als ein Tropfen zugegeben
werden. Hierzu wird vorsichtig nur ein Teil eines Tropfens von der Bürettenspitze
aufgenommen, indem man mit der Innenwand des Titrierkolbens die Spitze berührt
und die anhaftende Flüssigkeit durch Ankippen und Schütteln des Kolbens in das
Innere der Lösung bringt. Der Endpunkt ist erreicht, wenn das erste Auftreten einer
Rosa-Färbung 15 Sekunden anhält. Die Farbe verblasst durch Aufnahme von CO2
aus der Luft.
_
Berechnen Sie die mittlere Molarität (x ), die Standardabweichung (s) und die relative
_
Standardabweichung (s/x ). Bei sorgfältiger Arbeit sollte die relative Standardabweichung
<0.2 % betragen.

M Standard-HCl
1. Auf der vorletzten bedruckten Seite dieses Buchs finden Sie, dass 8.2 mL einer ~ 37
Gew% HCl zu einem Liter gegeben werden müssen, um eine ~0.1 M HCl herzustel-
len. Bereiten Sie diese Lösung mit einem Messzylinder in einem geschlossenen Poly-
ethylenkolben.
2. Trocknen Sie die Urtitersubstanz Na2CO3 eine Stunde bei 110 °C und bewahren Sie
sie im Exsikkator auf.
3. Wägen Sie vier Portionen von genügend Na2CO3 ab, um mit ~ 25 mL 0.1 M HCl aus
einer Bürette zu reagieren und lösen Sie es in ~ 25 mL destilliertem Wasser in einem
125 mL-Titrierkolben.
HCl + Na2CO3 → CO2 + 2 NaCl + H2O
FM 105.988

Geben Sie zu jeder Probe drei Tropfen des Indikators Bromkresolgrün (Tabelle 10.3)
und titrieren Sie eine Probe schnell bis zu einer grünen Farbe und bestimmen damit
den ungefähren Endpunkt.
4. Titrieren Sie die drei anderen Proben sorgfältig bis die Farbe gerade von blau nach
grün wechselt. Nun erhitzen Sie die Lösung zum Vertreiben von CO2. Die Lösung
sollte wieder blau werden. Fügen Sie vorsichtig aus der Bürette weitere HCl zu, bis
die Lösung wieder grün wird.
5. Titrieren Sie eine Blindprobe, die aus drei Tropfen des Indikators + 50 mL 0.05M
NaCl-Lösung besteht. Ziehen Sie dieses „Blindvolumen“ vom Titrationsvolumen für
Na2CO3 ab.

Berechnen Sie die mittlere HCl-Molarität, die Standardabweichung und die relative Stan-
dardabweichung.
11 Komplexometrische
Titrationen

Ionenkanäle in Zellmembranen
Gramicidin A ist ein Antibiotikum, welches Zellen dadurch abtötet, dass ihre Membranen für Na+ und K+ durchlässig ge-
macht werden. Gramicidin A besteht aus 15 Aminosäuren, die zu einer Helix gewunden sind, die in der Mitte einen offenen
Kanal mit einem Durchmesser von 0.4 nm hat. Im Kanal befinden sich die polaren Amidgruppen und die Außenseite von
Gramicidin A ist mit unpolaren Kohlenwasserstoffsubstituenten bedeckt (Tabelle 9.1). Polare Gruppen tragen positive oder
negative Ladungen, die benachbarte Moleküle durch elektrostatische Kräfte anziehen. Unpolare Gruppen sind hingegen nur
gering geladen und daher in der unpolaren Zellmembran löslich.
Metallkationen lösen sich in Wasser, sie sind hydrophil („Wasser liebend“). Zellmembranen schließen Wasser aus, sie sind
hydrophob („Angst vor Wasser“). Gramicidin A kann sich wegen seiner hydrophoben äußeren Oberfläche in die Zellmembran
einlagern. Na+ und K+ können jede hydrophile Pore mit einer Geschwindigkeit von 107 Ionen pro Sekunde passieren. Die
Pore ist selektiv für einwertige Kationen, sie schließt Anionen und höher geladene Kationen aus.
Die Hälfte des Nobelpreises für Chemie ging 2003 an Roderick MacKinnon für die Strukturaufklärung der Kaliumkanäle,
die selektiv den Durchtritt von K+ durch Zellmembranen, z.B. bei Nervenzellen ermöglichen.1 Im Gegensatz zu den Kanälen
in Gramicidin A bevorzugen die Kaliumkanäle K+ gegenüber Na+. Die Amid-Sauerstoffatome des Proteingerüsts im Kanal ha-
ben gerade den richtigen Abstand, um das Hydratwasser des K(H2O)+6 abzustreifen. Die Energie ändert sich nur wenig, wenn
das hydratisierte K+-Ion Wasser abgibt und im Kanalinneren gebunden wird. Der Abstand der Amidsauerstoffatome ist um 11
0.04 nm zu groß, um Wasser aus Na(H2O)+6 zu verdrängen. Hydratisiertes Na+ bleibt außerhalb des Kanals, während hydratisier-
tes K+ Wasser abgibt und mit einer Geschwindigkeit von 108 Ionen/s pro Kanal diesen passiert – 100 Mal schneller als Na+.

O
C N
H
Amid-
Gruppe

Pore
Molekül 1
Molekül 2

Einlagerung des lipophilen Proteins Seitenansicht des Dimeren Blick in den


als Ionenkanal in eine Zellmembran von Gramidin A Ionenkanal

Links und Mitte: Zwei Moleküle Gramicidin A lagern sich zusammen und überbrücken eine Zellmembran, indem sich ein Ionenka-
nal zwischen dem Zytoplasma und dem extrazellulären Raum bildet. Rechts: Axialansicht des Ionenkanals. [Struktur von B. Roux,
„Computational Studies of the Gramicidin Channel,“ Acc. Chem. Res. 2002, 35, 366, aus Messungen der Festkörper-Kernmagneti-
schen Resonanz; Schema links von L. Stryer, Biochemistry, 4th ed. (New York: W. H. Freeman and Company, 1995).]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
272 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen


CO 2
N

CO 2 3+
+ Mn

Abb. 11.1 EDTA bildet stabile 1:1- CO 2
Komplexe mit vielen Metallionen. Die N
Bindung erfolgt über vier Sauerstoff- und –
CO 2
zwei Stickstoffatome. Die Geometrie der
sechsfachen Koordination des Mn3+- EDTA
4–

EDTA-Komplexes in der Verbindung


KMnEDTA ∙ 2H2O wurde durch Röntgen-
kristallstrukturanalyse ermittelt. [J. Stein,
J. P. Fackler, Jr, G. J. McClune, J. A. Fee und
L. T. Chan, Inorg. Chem. 1979, 18, 3511.] Mn O C N

Die Konzentration von gelöstem Nickel EDTA ist die überall verwendete Abkürzung für Ethylendiamintetraessigsäure. Diese Ver-
in der South San Francisco Bay erreicht bindung bildet stabile 1:1 Komplexe mit den meisten Metallionen (Abbildung 11.1) und
im Sommer eine Konzentration von wird in der quantitativen Analyse vielfältig angewendet. EDTA spielt wegen der starken
110 Nanomol pro Liter. Fähigkeit zur Metallbindung eine große Rolle in technischen Prozessen und Produkten,
z. B. bei Wasch- und Reinigungsmitteln. Als Nahrungsmittelzusatz dient EDTA zur Ver-
hinderung der durch Metalle katalysierten Oxidation. EDTA gewinnt in der Umweltche-
mie eine zunehmende Bedeutung.2 Zum Beispiel liegen die Hauptmenge des in die San
Francisco Bay fließenden Nickels sowie ein beträchtlicher Teil von Eisen, Blei, Kupfer
und Zink als EDTA-Komplex vor, die unversehrt alle Anlagen zur Abwasserbehandlung
durchströmen.

11.1 Metall-Chelatkomplexe

Ag + + 2 C N Metallionen sind Lewis-Säuren, die Elektronenpaare von elektronenliefernden Liganden


Lewis Säure Lewis Base
(Elektronen- (Elektronen- (Lewis-Basen) aufnehmen. Cyanid (CN–) wird als einzähniger Ligand bezeichnet, da es
paarakzeptor) paardonator) nur über ein Atom an ein Metallion binden kann. Die meisten Übergangsmetallionen

[:N C–Ag–C N:] können sechs Ligandatome binden. Ein mehrzähniger Ligand bildet mit mehr als einem
Ligandatom Bindungen zum Metallion aus. Ein mehrzähniger Ligand, wie die EDTA,
wird auch als Chelatligand bezeichnet.3
H 2N NH2 + Cu2+
Ein einfacher Chelatligand ist Ethylendiamin (H2NCH2CH2NH2, auch 1,2-Diamino-
Ethylenediamin
ethan genannt), dessen Bindung zu einem Metallion auf dem Rand dargestellt ist. Ethy-
lendiamin wird als zweizähniger Ligand bezeichnet, da es über zwei Ligandatome an das
Metallion bindet.
H2N NH2
Der Chelateffekt kennzeichnet die Fähigkeit eines mehrzähnigen Liganden, stabilere
Cu2+ Komplexe mit einem Metall zu bilden als vergleichbare einzähnige Liganden.4,5 So ist
Zweizähnige Koordination
beispielsweise die Reaktion von Cd(H2O)62+ mit zwei Molekülen Ethylendiamin gegenüber
der Reaktion mit vier Molekülen Methylamin bevorzugt:

2
H2 OH2 H
2
N N
Die Nomenklatur für die Konstanten K Cd(H2O)62 + 2H2N NH2 Cd 4H2O
und β wurde in Exkurs 6.2 beschrieben. Ethylenediamin (11.1)
N N
H2 OH2 H2

K 2 8 109
11.1 · Metall-Chelatkomplexe 273

2
OH2 Es wurden die trans-Isomere der
H3CNH2 H2NCH3 oktaedrischen Komplexe (mit H2O-
Cd(H2O)62 + 4CH3NH2 Liganden an den gegenüberliegenden
Cd 4H2O (11.2)
Methylamin Polen) gezeichnet. Es sind jedoch auch
H3CNH2 H2NCH3 cis-Isomere möglich (mit benachbarten
OH2
H2O-Liganden)

K 4 4 106

Der Quotient [Cd(Ethylendiamin)22+]/[Cd(Methylamin)42+] beträgt bei pH 12 in einer


Lösung von 2 M Ethylendiamin und 4 M Methylamin 30.
Ein wichtiger vierzähniger Ligand ist Adenosintriphosphat (ATP). Die Komplex-
bildung mit zweiwertigen Metallionen (wie beispielsweise Mg2+, Mn2+, Co2+ und Ni2+)
erfolgt an vier der sechs vorhandenen Koordinationsstellen des Metalls (Abbildung 11.2).
Die fünfte und sechste Bindungsstelle sind durch Wassermoleküle besetzt. Die biologisch
aktive Form von ATP ist im Allgemeinen der Mg2+-Komplex.
Metallchelatkomplexe sind in der Biologie allgegenwärtig. Bakterien wie Escherichia
coli und Salmonella enterica scheiden im menschlichen Darm den Chelatbildner Entero-
bactin aus, der das für das Bakterienwachstum wichtige Eisen besonders fest bindet (Ab-
bildung 11.3). Der Eisen-Enterobactin-Komplex wird an spezifischen Stellen der Bakteri-
enoberfläche erkannt und in die Zelle aufgenommen. Das Eisen wird dann innerhalb des
Bakteriums durch enzymatische Zerstörung des Chelatbildners freigesetzt. Zur Bekämp-
fung der bakteriellen Infektion produziert unser Immunsystem das Protein Siderocalin,
welches Enterobactin unwirksam macht.9 Eine wichtige medizinische Chelatanwendung
wird in Exkurs 11.1 behandelt.

P
11
NH2
P 3 –
N O O
7 6 N O
– – – 5 1 M
O O O 8 N
4 2 O
9 P O O
3 NH
O P O P O P O O N N N O NH
O HN O
N
O O O N O O O
HO OH C P P N
Fe
N N O O O
a b O

Abb. 11.2 a) Struktur von Adenosintriphosphat (ATP) mit farbig hervorgehobenen Ligandatomen. Abb. 11.3 Eisen(III)-Komplex von Entero-
b) Mögliche Struktur eines Metall-ATP-Komplexes; das Metall, M, hat vier Bindungen mit ATP und bactin. Einige Bakterienarten scheiden
zwei zu H2O-Liganden. Enterobactin aus, welches Eisen bindet
und in die Zellen transportiert. Entero-
C O2
– bactin ist einer von mehreren bekannten
+ Chelatbildnern, den Siderophoren, die
NH
von Bakterien ausgeschieden werden,
C O 2H
– um Eisen einzufangen, das von der Zelle
C O2 –
– C O2 verwendet wird. [R. J. Abergel, J. A. War-
+ HO 2C + C O2 +
HN C O 2H + NH ner, D. K. Shuh und K. N. Raymond, „En-
HN NH

C O 2H O 2C C O 2H C O 2H terobactin Protonation and Iron Release,“
NTA EDTA DCTA J. Am. Chem. Soc. 2006, 128, 8920.]
Nitrilotriessigsäure Ethylendiamintetraessigsäure trans-1,2-Diaminocyclohexantetraessigsäure


O 2C H C O 2H
+ N+ +
HN NH –
C O 2H
– O 2C
HO 2C C O2 + + Abb. 11.4 Strukturen einiger in der
– HN O O NH
O 2C HO 2C

C O2 Analytik verwendeter Chelatbildner.
DTPA EGTA Nitrilotriessigsäure (NTA) bildet auch 2:1
Diethylentriaminpentaessigsäure Bis(Aminoethyl)glycolether- (Ligand:Metall)-Komplexe, alle anderen
N,N,N´,N´-tetraessigsäure Liganden bilden 1:1-Komplexe.
274 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

Exkurs 11.1

Chelat-Therapie und Thalassämie benschance ohne Herzerkrankung 91 %.7 Es gibt allerdings auch
Der Sauerstoff wird im menschlichen Blutkreislaufsystem durch negative Effekte der Desferrioxamin-Behandlung; z. B. hemmen
das eisenhaltige Protein Hämoglobin transportiert, das aus den zu hohe Dosen das Wachstum der Kinder.
mit α und β bezeichneten Untereinheiten zusammengesetzt Desferrioxamin ist sehr teuer und muss durch regelmäßige
ist. Bei β-Thalassämie (Mittelmeeranämie), einer Krankheit, die subkutane Infusionen in fünf bis sieben Nächten pro Woche
genetischen Ursprungs ist, werden die β-Untereinheiten des Hä- verabreicht werden. Es wird durch den Verdauungstrakt nicht ab-
moglobins nicht in ausreichenden Mengen synthetisiert. Kinder sorbiert. Viele wirksame Chelatbildner für Eisen wurden bereits
mit dieser Krankheit können nur durch regelmäßige Bluttransfu- getestet, um eine effektive Verbindung für die orale Applikation
sionen normaler roter Blutkörperchen überleben. Problematisch zu finden, aber nur wenige sind in die klinische Praxis gelangt.8
ist dabei, dass der Patient bei dieser Behandlung jährlich ca. 4–8 Das 1987 eingeführte orale Chelatmittel Deferipron wird mit
g Eisen aus dem Hämoglobin der Transfusionszellen akkumuliert. positiver Wirkung in über 50 Ländern angewendet (ist aber in
Der menschliche Organismus besitzt jedoch keinen Mecha- den USA und Kanada nicht zugelassen). Eine kombinierte An-
nismus, um solch große Eisenmengen zu entsorgen und viele wendung von Desferrioxamin und Deferipron erhöht die Überle-
Patienten können aufgrund der toxischen Wirkung der hohen benschance und verringert die Häufigkeit der Herzerkrankungen
Eisenbelastung sterben. im Vergleich zur alleinigen Behandlung mit Desferrioxamin. Als
Zur Erhöhung der Eisenausscheidung wird eine intensive erste oraler Chelator in den USA wurde 2005 Deferasirox zuge-
Therapie mit Chelatbildnern angewendet. Desferrioxamin B ist lassen. Die fortgesetzte Suche nach weiteren Chelatbildnern
dabei das bisher am erfolgreichsten angewendete Arzneimittel, für Eisen zeigt, dass keine der derzeitigen Behandlungen völlig
das von dem Bakterium Streptomyces pilosus produziert wird.6 zufriedenstellend ist. Zukünftig könnten Knochenmarktransplan-
Der damit gebildete Fe3+-Komplex (Ferrioxamin B) hat eine Stabi- tationen oder die Gentherapie zur Bekämpfung dieser Krankheit
litätskonstante von 1030.6. Wird Deferrioxamin B gemeinsam mit erfolgreich eingesetzt werden.
Ascorbinsäure (Vitamin C) angewendet, die das Fe3+ zum besser
löslichen Fe2+-Komplex reduziert, lassen sich mehrere Gramm
Eisen pro Jahr aus einem geschädigten Patienten entfernen. Der
Ferrioxaminkomplex wird mit dem Urin ausgeschieden.
O
Klinische Versuche zeigten, dass durch Desferrioxamin die
3 + Fe3+ + 3H+
Häufigkeit von Herz- und Leberschädigungen bei Thalassämie- N
H3C OH
patienten verringert und eine annähernd normale Eisenbilanz im CH3
Organismus aufrechterhalten werden konnte. Bei Patienten, bei
Deferipron
denen durch Desferrioxamin die Eisenbelastung wirksam kont-
rolliert wurde, beträgt nach 15 Jahren der Therapie die Überle-

Schlüssel

= Fe
O
N =O
HN =N
NH O O =C
O Transfusion +
O Fe O Desferrioxamin

O O 100
N ?
Prozentzahl Überlebender

N
80
CH3
nur
NH2 60
Transfusion
Ferrioxamin B 40 keine Behandlung

20

O O
0
N C 0 10 20 30
Hydroxamat-
Gruppe Kristallstruktur von Ferrioxamin E Alter (Jahre)

Struktur des Eisenkomplexes Ferrioxamin B und Kristallstruktur des verwandten Komplexes Ferrioxamin E, in dem das Chelat eine Ringstruk-
tur hat. Die graphische Darstellung zeigt den Erfolg von Transfusionen und Transfusionen plus Chelatherapie. [Kristallstruktur zur Verfügung
gestellt von M. Neu, Los Alamos National Laboratory, auf der Grundlage von D. Van der Helm und M. Poling, J. Am. Chem. Soc. 1976, 98, 82.
Graphik von P. S. Dobbin und R. C. Hider, „Iron Chelation Therapy,“ Chem. Br. 1990, 26, 565.]
11.2 · Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) 275

Abb. 11.5 Struktur von Fe(NTA)3– 2 im Salz


Na3[Fe(NTA)2]∙5 H2O. Der rechte Ligand
ist durch drei Sauerstoffatome und ein
Stickstoffatom an das Eisen gebunden.
Der andere Ligand verwendet zwei
Fe
Sauerstoffatome und ein Stickstoffatom.
Seine dritte Carboxylat-Gruppe koor-
C
diniert nicht. Das Eisenatom hat hier
sieben Koordinationsstellen. [W. Clegg,
O
A. K. Powell und M. J. Ware, „Structure of
Na3[Fe(NTA)2]∙5 H2O“, Acta Crystallogr.
N
1984, C40, 1822.]

Abb. 11.6 Struktur von Fe(DTPA)2- im


Salz Na2[Fe(DTPA)]∙2 H2O. Die sieben
Koordinationsstellen in der pentagonal-
axialer
Ligand bipyramidalen Koordinationssphäre des
Eisens werden durch 3 Stickstoffatome
und 2 Sauerstoffatome in der äquatorialen
Ebene (gestrichelte Linien) und 2 axiale
Sauerstoffatome besetzt. Die axialen Fe-O-
Bindungslängen sind um 11 bis 19 pm kür-
Fe
zer als die dichter stehenden äquatorialen
axialer
Fe-O-Bindungen. Eine Carboxylgruppe des
Ligand C
Liganden koordiniert nicht. [D. C. Finnen,
A. A. Pinkerton, W. R. Durham, R. H. Sands
O und M. O. Funk, Jr., „Structures and Spect-
roscopic Characterization of Fe(III)-DTPA
N Complexes,“ Inorg. Chem. 1991,30, 3960.] 11

Die in Abbildung 11.4 zusammengestellten Aminocarbonsäuren sind gebräuchliche


synthetische Chelatbildner. Potentielle Ligandatome in diesen Molekülen (Abbildungen
11.5 und 11.6) sind die Aminstickstoffatome und die Sauerstoffatome in den Carbonsäu-
regruppen. Bei der Bindung dieser Atome an ein Metallion verlieren die Ligandatome ihre
Protonen. Eine medizinische Anwendung des Liganden DTPA in Abbildung 11.4 hat der
sehr stabile Gd3+-DTPA-Komplex gefunden, der den Patienten in der Kernspintomogra-
phie in einer Konzentration von ~0.5 mM zur Kontrasterhöhung injiziert wird.10
Eine auf einer Komplexbildung basierende Titration wird als komplexometrische
Titration bezeichnet. Mit Ausnahme der NTA bilden die in Abbildung 11.4 gezeigten Li-
ganden stabile 1:1 Komplexe mit allen Metallionen, mit Ausnahme der einwertigen Ionen
(wie Li+, Na+ und K+). Die Stöchiometrie der Komplexbildungsreaktion ist unabhängig von
der Ladung des Metallions immer 1:1.

11.2 Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA)

EDTA ist der in der analytischen Chemie am häufigsten verwendete Chelatbildner. Na- Ein Mol EDTA reagiert mit einem Mol
hezu jedes Element des Periodensystems kann durch direkte Titration oder eine indirekte Metallionen.
Reaktionsfolge mit EDTA analysiert werden.

Säure-Base-Eigenschaften
Die EDTA ist ein sechsprotoniges System und wird mit H6Y2+ abgekürzt. Die bei der
Komplexbildung mit Metallionen freiwerdenden sauren Wasserstoffatome sind in der
Abbildung hervorgehoben und ihre pKS-Werte daneben aufgeführt.
276 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

HO2CCH2 CH2CO2H pK1 = 0.0 (COOH) pK4 = 2.69 (COOH)


HNCH2CH2NH pK2 = 1.5 (COOH) pK5 = 6.13 (NH+)
HO2CCH2 CH2CO2H
H6Y2 pK3 = 2.0 (COOH) pK6 = 10.37 (NH+)

Die pK-Werte gelten für 25 °C und μ = 0.1, Ausnahme pK1 gilt für μ = 1 M.

Die ersten vier pK-Werte gehören zu den Carboxylprotonen, die beiden letzten zu den
Ammoniumprotonen. Die neutrale Säure ist vierprotonig und hat die Formel H4Y.
H4Y kann zwei Stunden bei 140 °C getrocknet und als Urtiter-Substanz verwendet
werden. Zum Auflösen verwendet man eine NaOH-Lösung aus einer Plastikflasche. Eine
NaOH-Lösung aus einer Glasflasche sollte nicht verwendet werden, da sie Erdalkalime-
tallionen, die aus dem Glas gelöst wurden, enthält. Analysenreines Na2H2Y . 2 H2O hat ~
0.3 % überschüssiges Wasser. Es kann mit einer entsprechenden Berücksichtigung dieses
Wassergehalts in dieser Form verwendet werden oder man trocknet es bei 80 °C auf die
exakte Zusammensetzung Na2H2Y . 2 H2O. Das zertifizierte Referenzmaterial CaCO3 wird
zur Standardisierung der EDTA oder zur Bestätigung der Formelreinheit verwendet.
Der Anteil jeder protonierten Form der EDTA in Lösung ist in Abbildung 11.7 ge-
zeigt. Wie bereits in Abschnitt 9.5 können wir auch für jede Spezies der EDTA einen
α-Wert definieren, der den Anteil dieser Form an der Summe aller nicht komplexierten
Formen angibt. So ergibt sich beispielsweise für αY4– folgende Formulierung:
Anteil der EDTA in der Form Y4-:

[Y 4 − ]
Y =
4−
[H6 Y ] + [H5 Y ] + [H 4 Y] + [H3 Y − ] + [H2 Y 2 − ] + [HY 3 − ] + [Y 4 − ]
2+ +

[Y 4 − ]
Y =
4− (11.3)
[EDTA]

[EDTA] ist dabei die Gesamtkonzentration aller freien EDTA-Species in der Lösung. Mit
„frei“ ist die nicht mit Metallionen komplexierte EDTA gemeint. Wenn man die Ableitung
in Abschnitt 9.5 nachvollzieht, ergibt sich für αY4– der Ausdruck
K 1K 2 K 3 K 4 K 5 K 6
αY4– = (11.4)
D
mit D =[H+]6 +[H+]5K1+[H+]4K1K2+[H+]3K1K2K3+[H+]2K2K1K3K4+[H+]K1K2K3K4K5+
K 1K 2K 3K 4 K 5K 6

1
HY 3 − Y 4−
0.9 H2Y 2 −

0.8
H5Y +
Anteilmäßige Zusammensetzung

0.7

0.6
H3Y −
0.5 H4Y
H6Y 2 +
0.4

0.3
pK 5 pK 6
0.2

0.1

0
Abb. 11.7 Anteil der einzelnen Formen 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
der EDTA in Abhängigkeit vom pH. pH
11.2 · Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) 277

In Tabelle 11.1 sind die αY4–-Werte in Abhängigkeit vom pH der Lösung zusammen-
gestellt.

> Beispiel
Was bedeutet αY4–?
Der Anteil der Form Y4– an der Gesamtmenge der freien (nichtkomplexierten) Formen der Frage Antworten Sie mit Hilfe von
EDTA ist αY4–. Bei pH = 6 und einer Formalkonzentration von 0.1 M ist die EDTA-Lösung wie Abbildung 11.7: Welche Spezies hat
folgt zusammengesetzt: die höchste Konzentration bei pH= 6?
Und bei pH = 7? Und bei pH = 11?
[H6Y2+] = 8.9 × 10–20 M [H5Y+] = 8.9 × 10–14 M [H4Y] = 2.8 × 10–7 M
[H3Y–] = 2.8 × 10–5 M [H2Y2–] = 0.057 M [HY3–] = 0.043 M
[Y4-] = 1.8 × 10-6 M

Wie groß ist αY4–? Tabelle 11.1 Werte für αY4– von EDTA
bei 25 °C und μ = 0.10 M
Lösung αY4– ist der Bruchteil der Form Y4-
pH αY4–
[Y 4 − ]
αY =
4−
[H6 Y ] + [H5 Y ] + [H4 Y] + [H3 Y − ] + [H2 Y 2− ] + [HY 3− ] + [Y 4 − ]
2+ + 0 1.3 × 10-23

1 1.4 × 10-18
1.8 ×10 −6
αY4– = = 1.8 × 10–5
( 8.9 ×10 −20 ) + ( 8.9 ×10 −14 ) + ( 2.8 ×10 −7 ) + ( 2.8 × 10−5 ) + ( 0.057 ) + ( 0.043) + ( 1.8 × 10−6 ) 2 2.6 × 10-14

3 2.1 × 10-11
Selbstüberprüfung Bei welchem pH ist αY4– = 0.50? (Lösung: pH = pK6 = 10.37)
4 3.0 × 10-9

5 2.9 × 10-7
EDTA-Komplexe
6 1.8 × 10-5
Die Gleichgewichtskonstante für die Reaktion eines Metalls mit einem Liganden ist die
7 3.8 × 10-4
Stabilitätskonstante (auch Bildungskonstante genannt) für folgende Reaktion:

n−4
8 4.2 × 10-3 11
[MY ]
Stabilitätskonstante: Mn+ + Y4– U MYn–4 K= (11.5) 9 0.041
[Mn + ][Y 4 − ]
10 0.30
Beachten Sie, dass K für die Reaktion des Teilchens Y4- mit dem Metallion definiert ist.
11 0.81
Diese Spezies ist aber nur eine von sieben verschiedenen Formen freier EDTA in Lösung.
Die Gleichgewichtskonstante hätte auch für jede andere der sechs Formen der EDTA in 12 0.98
der Lösung formuliert werden können. Gleichung 11.5 sollte nicht so verstanden werden,
13 1.00
dass nur Y4- mit Metallionen reagiert. Aus Tabelle 11.2 geht hervor, dass die Stabilitäts-
konstanten der meisten EDTA-Komplexe sehr groß sind und mit zunehmender positiver 14 1.00
Ladung des Metallions steigen.
In vielen Komplexen schließt die EDTA das Metallion unter Bildung der in Abbil-
dung 11.1 dargestellten sechsfach koordinierten Spezies ein. Der Versuch der Konstruk-
tion eines raumfüllenden Modells des sechsfach koordinierten Metall-EDTA-Komplexes
zeigt, dass die Chelatringe dann beträchtlich unter Spannung stehen. Die Spannung
wird abgebaut, wenn die Sauerstoffliganden in Richtung der Stickstoffliganden zurück-
gezogen werden. Durch diese Verzerrung wird eine siebente Koordinationsposition
geschaffen, die durch ein Wassermolekül (siehe Abbildung 11.8) besetzt werden kann.
In einigen Komplexen, wie beispielsweise im Ca(EDTA)(H2O)22–, ist das Metallion so
groß, dass eine achte Koordinationsstelle möglich wird12. Größere Metallionen benöti-
gen mehr Ligandatome. Auch wenn Wassermoleküle an das Reaktionsprodukt gebunden
sind, wird die Stabilitätskonstante durch Gleichung 11.5 ausgedrückt. Das Lösungsmittel
(in diesem Fall H2O) wird stets aus dem Reaktionsquotienten entfernt. Die Ionen der
Lanthanoiden und Aktinoiden haben typischerweise die Koordinationszahl 9 mit der
Form eines dreifach überdachten trigonalen Prismas (Abbildung 11.19).13 Pu(IV) bildet
einen Komplex mit einem EDTA-Liganden und drei Wassermolekülen, um die Koor-
dinationssphäre mit neun Ligandatomen zu komplettieren.14 Eu(III) bildet gemischte
Komplexe der Art Eu(EDTA)(NTA), in denen EDTA sechs und NTA drei Ligandatome
beisteuert (Abbildung 11.4).15
278 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

H H
Tabelle 11.2 Logarithmen der Stabilitätskonstanten für Metall-EDTA-Komplexe

Ion log K Ion log K Ion log K

Li+ 2.95 V3+ 25.9a Tl3+ 35.3

Na+ 1.86 Cr3+ 23.4a Bi3+ 27.8a

K+ 0.8 Mn3+ 25.2 Ce3+ 15.93


2+ Fe3+ Pr3+
Be 9.7 25.1 16.30

Mg2+ 8.79 Co3+ 41.4 Nd3+ 16.51


Fe O C N
Ca2+ 10.65 Zr4+ 29.3 Pm3+ 16.9
Abb. 11.8 Koordinationsgeometrie bei
Sr2+ 8.72 Hf4+ 29.5 Sm3+ 17.06
der Koordinationszahl 7 in [Fe(EDTA)
(H2O)]-. Weitere Metallionen, die sieben- Ba2+ 7.88 VO 2+
18.7 Eu3+
17.25
fach koordinierte EDTA-Komplexe bilden,
sind Fe2+, Mg2+, Cd2+, Co2+, Mn2+, Ru3+, Ra2+ 7.4 VO+2 15.5 Gd3+ 17.35
Cr3+, Co3+, V3+, Ti3+, In3+. Sn4+, Os4+ und
Sc3+ 23.1a Ag+ 7.20 Tb3+ 17.87
Ti4+. Einige dieser Ionen bilden auch
EDTA-Komplexe mit der Koordinations- Y3+ 18.08 Tl+ 6.41 Dy3+ 18.30
zahl 6. Ca2+, Er3+, Yb3+ und Zr4+ bilden
3+
Komplexe mit der Koordinationszahl La 15.36 Pd2+ 25.6a Ho3+ 18.56
8. [T. Mizuta, J. Wang und K. Miyoshi,
„A 7-Coordinate Structure of Fe(III)-EDTA,“ V2+ 12.7a Zn2+ 16.5 Er3+ 18.89
Bull. Chem. Soc. Japan, 1993, 66, 2547.] Cr2+ 13.6a Cd2+ 16.5 Tm3+ 19.32

Mn2+ 13.89 Hg2+ 21.5 Yb3+ 19.49


2+ Sn2+ 18.3b
Fe 14.30 Lu3+ 19.74

Co2+ 16.45 Pb2+ 18.0 Th4+ 23.2

Ni2+ 18.4 Al3+ 16.4 U4+ 25.7

Cu2+ 18.78 Ga3+ 21.7


Ansicht von oben
Ti3+ 21.3 In3+ 24.9

Hinweis: Die Stabilitätskonstante ist die Gleichgewichtskonstante für die Reaktion Mn+ + Y4– ↔ MYn–4. Wenn
nichts anderes angegeben ist, gelten die Tabellenwerte für 25 °C und eine Ionenstärke von μ = 0.1 M
a 20 °C; μ = 0.1 M b. 20 °C; μ = 1 M

Quelle: A. E. Martell, R. M. Smith und R. J. Motekaitis, NIST Critically Selected Stability Constants of Metal
Complexes, NIST Standard Reference Database 46, Gaithersburg, MD, 2001.

Konditionelle Stabilitätskonstanten
Die Stabilitätskonstante in Gleichung 11.5 beschreibt die Reaktion zwischen Y4– und ei-
Abb. 11.9 Dreifach überdachte trigo-
nale Prismastruktur vieler Ln(III)- und
nem Metallion. Wie man aber Abbildung 11.7 entnehmen kann, liegt unterhalb von pH
An(III)-Komplexe, wobei Ln ein Element 10.37 der größte Teil der EDTA nicht in der Form Y4– vor. Bei niedrigeren pH-Werten
der Lanthanoide und An eines der Ak- dominieren die Spezies HY3–, H2Y2– usw. Es ist deshalb bequemer, den Anteil freier EDTA
tinoiden ist. Im Aquakomplex M(H2O)93+ durch Umstellung von Gleichung 13.3 auf folgende Weise auszudrücken
sind die Bindungen vom Metall zu den 6
Sauerstoffatomen an den Ecken des Pris- [Y 4 − ] =  Y [EDTA]
4−

mas kürzer als die Bindungen vom Metall


zu den 3 Sauerstoffatomen, die aus den wobei [EDTA] die Gesamtkonzentration aller EDTA-Spezies darstellt, die nicht an das
rechteckigen Seiten herausragen. Metallion gebunden sind.
Die Gleichgewichtskonstante für Reaktion 11.5 kann jetzt folgendermaßen formuliert
werden

[MY n − 4 ] [MY n − 4 ]
Nur ein Teil der freien EDTA liegt in K= n+ 4−
= n+
der Form Y4– vor. [M ][Y ] [M ] Y [EDTA] 4−
11.2 · Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) 279

Wird der pH-Wert durch einen Puffer konstant gehalten, wird αY4– eine Konstante, die mit
K kombiniert werden kann:

[MY n − 4 ]
konditionelle Stabilitätskonstante: K′ = Y K =
4− (11.6)
[Mn + ][EDTA]

Die Größe K´= αY4– K wird als konditionelle Stabilitätskonstante oder effektive Stabi-
litätskonstante bezeichnet. Sie beschreibt die Bildung von MYn-4 bei jedem beliebigen
pH-Wert.
Die konditionelle Stabilitätskonstante ist recht nützlich, da mit ihr die Komplexbil- Mit der konditionellen Stabilitätskon-
dung der EDTA so behandelt werden kann, als ob sämtliche unkomplexierte EDTA nur stante kann die Komplexbildung der
in einer Form vorläge: EDTA so behandelt werden, als ob
sämtliche freie EDTA in einer Form vor-
Mn+ + EDTA U MYn–4 K′ = Y K 4−
liegen würde.
Für jeden gegebenen pH-Wert können αY4– ermittelt und K´ berechnet werden.

> Beispiel
pH = 5
Anwendung der konditionellen Stabilitätskonstante
In Tabelle 11.2 ist die Stabilitätskonstante für CaY2– mit 1010.65 angegeben. Berechnen Sie pH = 6

Potential
die Konzentration an freiem Ca2+ in Lösungen von 0.10 M CaY2– bei den pH-Werten 10.00
pH = 7
und 6.00.
pH = 8
Lösung Die Komplexbildungsreaktion lautet
0.040 V 2 mL pH = 9
Ca2+ + EDTA U CaY2– K’ = αY4–K
Volumen (mL)
wobei EDTA auf der linken Seite der Gleichung alle nicht komplexierten Formen der EDTA
(= Y4–, HY3–, H2Y2–, H3Y– usw.) umfasst. Unter Verwendung der αY4–-Werte aus Tabelle 11.1 Abb. 11.10 Titration von Ca2+ mit EDTA
erhalten wir: bei verschiedenem pH. Bei niedrigerem
pH wird der Endpunkt undeutlicher. Das
bei pH 10.00: K’ = (0.30)(1010.65) = 1.34 × 1010 Potential wurde mit Quecksilber- und 11
bei pH 6.00: K’ = (1.8 × 10-5)(1010.65) = 8.0 × 105 Kalomelelektroden gemessen, wie in
Übung 14-B beschrieben. [C. N. Reilley
Da bei der Dissoziation von CaY2– gleiche Mengen an Ca2+ und EDTA entstehen müssen, und R. W. Schmid, „Chelometric Titration
kann man auch schreiben with Potentiometric End Point Detection.
Mercury as a pM Indicator Electrode,”
Ca2+ + EDTA U CaY2– Anal. Chem. 1958, 30, 947.]

Anfangskonzentration (M) 0 0 0.10

Endkonzentration (M) x x 0.10 – x

⎣⎡CaY ⎦⎤
2−
0.10 − x
= = 1.34 ×1010 bei pH = 10.00
⎡⎣Ca2+ ⎤⎦ ⎣⎡EDTA ⎦⎤ x2 8.0 × 105 bei pH = 6.00

Beim Auflösen nach x (= [Ca2+]) erhalten wir [Ca2+] = 2.7 × 10–6 M bei pH 10.00 und
3.5 × 10–4 M bei pH 6.00. Bei Verwendung der konditionellen Stabilitätskonstante für
einen bestimmten pH-Wert können wir die dissoziierte EDTA wie eine einzige Spezies
behandeln.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie [Ca2+] in 0.10 M CaY2– bei pH = 8.00 (Lösung: 2.3 ×
10–5 M)
Durch Einstellung des pH-Wertes kann
man festlegen, welche Metalle mit
Das Beispiel zeigt, dass Metall-EDTA-Komplexe bei sinkendem pH-Wert weniger stabil EDTA titriert werden können und wel-
sind. Für eine Titrationsreaktion muss die Reaktion möglichst „vollständig“ (etwa zu che nicht. Metallionen der Komplexe
99.9 %) ablaufen und das erfordert eine große Gleichgewichtskonstante, das heißt, Analyt mit größeren Stabilitätskonstanten
und Titrant haben am Äquivalenzpunkt im Wesentlichen vollständig reagiert. In Abbil- können bei niedrigeren pH-Werten
dung 11.10 sieht man, wie die Titration von Ca2+ mit EDTA vom pH-Wert beeinflusst titriert werden. Wenn eine Lösung,
wird. Unterhalb von pH ≈ 8 ist der Sprung am Äquivalenzpunkt für eine exakte Bestim- die gemeinsam Fe3+ und Ca2+ enthält,
mung nicht groß genug, da in diesem Bereich die konditionelle Stabilitätskonstante für bei pH 4 titriert wird, reagiert nur Fe3+
CaY2– zu klein ist. ohne Störung durch Ca2+.
280 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

11.3 Titrationskurven mit EDTA

K´ ist die effektive Stabilitätskonstante In diesem Abschnitt berechnen wir die Konzentration an freien Metallionen im Verlauf
bei einem bestimmten pH-Wert der ihrer Titration mit EDTA. Folgende Titrationsreaktion läuft ab
Lösung
Mn+ + EDTA U MYn—4 K′ = Y K
4− (11.7)
Wenn K´ groß ist, kann die Reaktion an jedem Punkt der Titration als vollständig ange-
sehen werden.
Region 3 Die Titrationskurve ist eine graphische Darstellung von pM = –log [Mn+] gegen das
Überschuss EDTA
16 Volumen der zugesetzten EDTA. Sie verläuft analog zur Auftragung des pH gegen das
Titrantvolumen bei einer Säure-Base-Titration. Die Titrationskurve kann in drei Bereiche
14
unterteilt werden (Abbildung 11.11).
12
pM = –log [M ]
n+

Region 1
10 Überschuss Mn+

8 Region 1: Vor dem Äquivalenzpunkt


Region 2
6
Äquivalenz- In diesem Bereich liegt nach dem Verbrauch der zugesetzten EDTA ein Überschuss an Mn+
4 punkt
in der Lösung vor. Die Konzentration des freien Metallions ist gleich der Konzentration an
2 noch nicht umgesetztem Mn+. Die Dissoziation von MYn–4 ist vernachlässigbar klein.
0 10 20 30 40 50 60 70
Volumen EDTA (mL)

Abb. 11.11 Drei Regionen bei einer Region 2: Am Äquivalenzpunkt


EDTA-Titration, dargestellt für die Re-
aktion von 50.0 mL 0.050 0 M Mn+ mit In der Lösung liegt gleich viel EDTA wie Metallion vor. Wir können die Lösung behan-
0.050 0 M EDTA bei der konditionellen deln, als hätten wir den reinen Komplex MYn–4 verdünnt. Durch die geringfügige Dissozi-
Stabilitätskonstanten K´= 1.15×1016. Die ation von MYn–4 wird etwas freies Mn+ erzeugt:
Konzentration von freiem Mn+ nimmt
während der Titration ab. MYn–4 U Mn+ + EDTA
In dieser Reaktion stellt die EDTA die Gesamtkonzentration an freier EDTA in allen ihren
Formen dar. Am Äquivalenzpunkt gilt [Mn+] = [EDTA].

Region 3: Nach dem Äquivalenzpunkt


Hier liegen EDTA im Überschuss und praktisch sämtliche Metallionen in der Form
MYn–4 vor. Die Konzentration an freier EDTA kann aus der Konzentration des EDTA-
Überschusses berechnet werden, der nach dem Äquivalenzpunkt vorliegt.

Berechnungen der Titration


Nun wird die Form der Titrationskurve für die Reaktion von 50.0 mL einer 0.040 0 M
Ca2+-Lösung (gepuffert auf pH 10.00) mit 0.080 0 M EDTA berechnet:

Der Wert für αY4– stammt aus Ca 2 + + EDTA → CaY 2 −


Tabelle 11.1. K ′ =  Y K = (0.30)(1010.65 ) = 1.3 4 × 1010
4−

Da K´ groß ist, kann man davon ausgehen, dass die Reaktion bei jedem Titrantzusatz
vollständig abläuft. In einem Diagramm wird pCa2+ (= –log[Ca2+]) gegen die zugesetzten
Milliliter EDTA aufgetragen werden. Das Äquivalenzvolumen beträgt 25.0 mL.

Region 1: Vor dem Äquivalenzpunkt


Vor dem Äquivalenzpunkt liegt ein Betrachten wir die Situation nach Zugabe von 5.0 mL EDTA. Da der Äquivalenzpunkt
Überschuss an noch nicht umgesetz- erst nach 25.0 mL erreicht wird, ist hier erst ein Fünftel der Ca2+-Ionen komplexiert und
tem Ca2+ vor. vier Fünftel sind noch übrig.
11.3 · Titrationskurven mit EDTA 281

Ausgangsvolumen
von Ca 2+
⎛ 25.0 − 5.0 ⎞ ⎛ 50.0 ⎞
[Ca 2 + ] = ⎜ ⎟ (0.040 0)
⎝ 25.0 ⎠    ⎜⎝ 55.0 ⎟⎠
  Ausgangskon-  Gesamtvolumen
der Lösung
übrigbleibender zentration an Verdün-
Anteil (=4/5) Ca 2+ nungs-
faktor

= 0.029 1 M ⇒ pC a 2 + = − log[Ca 2 + ] = 1.54

Auf analoge Weise können wir pCa2+ für jedes EDTA-Volumen unterhalb von 50.0 mL
berechnen.

Region 2: Am Äquivalenzpunkt
Praktisch sämtliches Metall liegt hier in der Form CaY2– vor. Wenn wir annehmen, dass Am Äquivalenzpunkt ist MYn–4 die
die Dissoziation vernachlässigbar klein ist, kann unter Berücksichtigung der Verdünnung Hauptkomponente, die sich im Gleich-
mit einer Korrektur der Volumenänderung, die Konzentration an CaY2– gleich der Aus- gewicht mit kleinen, gleich großen
gangskonzentration an Ca2+ gesetzt werden. Mengen an Ca2+ und EDTA befindet.
Ausgangsvolumen
von Ca 2+
⎛ 50.0 ⎞
[CaY 2 − ] = (0.040 0 M ) ⎜ = 0.026 7 M
 ⎝ 75.0 ⎟⎠
Ausgangskon-  Gesamtvolumen
der Lösung
zentration an Verdün -
Ca 2+ nungs -
faktor

Die sehr kleine Konzentration an freiem Ca2+ ist nicht bekannt. Aber wir können formu-
lieren

Ca2+ + EDTA U CaY2–

Anfangskonzentration (M) – – 0.026 7

Endkonzentration (M) x x 0.026 7 – x


11

[CaY 2 − ]
= K ′ = 1.34 × 1010 [EDTA] entspricht der Gesamtkonzent-
[Ca 2 + ][EDTA] ration aller Formen der EDTA, die nicht
0.026 7 − x an Metallionen gebunden sind.
= 1.34 × 1010 ⇒ x = 1.4 × 10-6 M
x
pCa 2 + = − log x = 5.85

Region 3: Nach dem Äquivalenzpunkt


In diesem Gebiet liegt sämtliches Metall in der Form CaY2- vor und in der Lösung exis- Nach dem Äquivalenzpunkt liegt prak-
tiert ein Überschuss an nicht umgesetzter EDTA. Die Konzentration des CaY2– und des tisch sämtliches Metall als MYn–4 vor.
EDTA-Überschusses lassen sich leicht berechnen. So liegt beispielsweise nach Zugabe von In der Lösung herrscht ein bekannter
26.0 mL EDTA ein Überschuss von 1.0 mL vor. EDTA-Überschuss. Eine äußerst geringe
Menge an freiem Ca2+ befindet im
Volumen des
EDTA-Überschusses Gleichgewicht mit CaY2– und EDTA in
⎛ 1.0 ⎞ der Lösung.
[EDTA] = (0.080 0) ⎜ = 1.05 ×10 -3 M
  ⎝ 76.0 ⎟⎠
Ausgangs-  Gesamtvolumen
konzentra- der Lösung
Verdün-
tion an EDTA nungs-
faktor

Ausgangsvolumen
von Ca 2+
⎛ 50.0 ⎞
[CaY 4 − ] = (0.040 0) ⎜ = 2.63 ×10 -2 M
  ⎝ 76.0 ⎟⎠
Ausgangs-  Gesamtvolumen
konzentra- der Lösung
Verdün -
tion an Ca 2+ nungs -
faktor
282 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

Die Konzentration an Ca2+ ist gegeben durch

[CaY 2 − ]
= K ′ = 1.34 × 1010
[Ca 2 + ][EDTA]

[2.63 × 10-2 ]
= 1.34 × 1010
[Ca 2 + ](1.05 × 10-3 )

[Ca 2 + ] = 1.9 × 10-9 M ⇒ pCa 2 + = 8.73

Überschuss an Metall
Überschuss Auf gleiche Weise kann die Metallionenkonzentration für jedes Volumen nach dem Äqui-
EDTA valenzpunkt berechnet werden.
10
Ca2+
K 'f = 1.3 × 1010
8
Die Titrationskurve
2+ Sr+
Ca Äquivalenzpunkt
6 Die berechneten Titrationskurven für Ca2+ und Sr2+ in Abbildung 11.12 zeigen einen
K 'f = 1.6 × 108
scharfen Sprung am Äquivalenzpunkt (Gebiet des steilsten Kurvenanstiegs). Da die kon-
pM

Sr 2+ Äquivalenzpunkt
4 ditionelle Stabilitätskonstante K´ (= K∙αY4–) von CaY2– größer als die von SrY2– ist, ist die
Änderung von pCa2+ am Äquivalenzpunkt größer als die Änderung von pSr2+ und der
Endpunkt ist deutlicher zu erkennen. Wenn der pH erniedrigt wird, nimmt die konditio-
2
nelle Stabilitätskonstante ab (da αY4– kleiner wird) und der Endpunkt wird weniger deut-
lich, wie in Abbildung 11.10 zu sehen war. Der pH-Wert darf aber nicht willkürlich erhöht
0
0 5 10 15 20 25 30 35 werden, da Metallhydoxide ausgefällt werden könnten.
Volumen EDTA (mL)

Abb. 11.12 Theoretische Titrationskur- 11.4 Versuchen Sie es mit einer Tabellenkalkulation
ven für die Reaktion von 50.00 mL einer
0.040 0 M M-Lösung mit 0.080 0 M EDTA
bei pH 10.00. Wir wollen jetzt die EDTA-Titrationskurve aus Abbildung 11.12 mit Hilfe einer für die
gesamte Titration anwendbaren Gleichung berechnen. Da die Reaktionen bei einem fest-
gelegten pH durchgeführt werden, reichen die Gleichgewichtsausdrücke und die Massen-
bilanzen aus, um nach allen Unbekannten aufzulösen.
Wir wollen die Titration eines Metallions M (Konzentration = CM, Ausgangvolumen
= VM) mit einer Lösung des Liganden L (Konzentration = CL, zugesetztes Volumen = VL)
unter Bildung von 1:1 Komplexen untersuchen.
[ML]
Gesamte Metallionenkonzentration M + L U ML K= ⇒ [ML] = K[M][L] (11.8)
[M][L]
Anfangsstoffmenge des Metalls
= Die Massenbilanzen für das Metallion und den Liganden lauten
Gesamtvolumen
CMVM CMVM
= Massenbilanz für M: [M] + [ML] =
VM + VL VM + VL
CLVL
Gesamte Ligandkonzentration
Massenbilanz für L: [L] + [ML] =
VM + VL
Stoffmenge des zugesetzten Liganden
= Durch Substitution von K[M][L] (aus Gleichung 11.8) für [ML] in der Massenbilanz er-
Gesamtvolumen
gibt sich
CLVL
=
VM + VL CMVM
[M](1 + K[L]) = (11.9)
VM + VL

CLVL
CLVL VM + VL
[L](1 + K[M]) = ⇒ [L] = (11.10)
VM + VL 1 + K[M]
11.4 · Versuchen Sie es mit einer Tabellenkalkulation 283

Jetzt substituieren wir den letzten Ausdruck für [L] aus Gleichung 11.10 zurück in Glei-
chung 11.9:

⎛ CLVL ⎞
⎜ V + VL ⎟⎟ C V
[M] ⎜ 1 + K M = M M
⎜ 1 + K[M] ⎟ VM + VL
⎜ ⎟
⎝ ⎠

und benötigen etwa fünf Zeilen Algebra, um nach dem Titrationsgrad ϕ aufzulösen:
Gleichung für das Arbeitsblatt zur Titration von M mit L:
2
⎡M ⎤ + K ⎣⎡M ⎦⎤
1 + K ⎡⎣M ⎤⎦ − ⎣ ⎦
CLVL CM
ϕ= = 2
(11.11) Ersetzen Sie K durch K´, wenn L = EDTA.
CMVM ⎡M ⎤ + K ⎡⎣M ⎤⎦
K ⎡⎣M ⎤⎦ + ⎣ ⎦
CL

Wie bei Säure-Base-Titrationen (Tabelle 10.5) ist ϕ der Anteil der Wegstrecke bis zum
Äquivalenzpunkt. Für ϕ = 1, gilt VL = VÄ. Bei ϕ = 1/2 gilt VL = 1/2 VÄ usw.
Bei einer Titration mit EDTA kann man der Ableitung der Gleichung folgen und wird
dabei finden, dass die Stabilitätskonstante K in Gleichung 11.11 durch die konditionelle
Stabilitätskonstante K´ zu ersetzen ist, die bei dem konstanten pH während der Titration
gilt. Abbildung 11.13 zeigt ein Arbeitsblatt in dem unter Verwendung von Gleichung 11.11
die Ca2+-Titrationskurve in Abbildung 11.12 berechnet wurde. Analog zu den Säure-Base-
Titrationen wird in Spalte B pM eingegeben und in Spalte E das Volumen des Titranten
erhalten. Zur Ermittlung des Ausgangspunktes wird pM solange variiert, bis VL einen
Wert nahe Null erhält.
Wenn man auf umgekehrte Weise den Liganden mit einem Metallion titriert, ergibt
sich als Anteil des Weges bis zum Äquivalenzpunkt der Kehrwert des Bruches in Glei- 11
chung 11.11:
Gleichung für das Arbeitsblatt zur Titration von L mit M:

[M] + K[M]2
K[M] +
C V CL
ϕ= M M = (11.12) Ersetzen Sie K durch K´, wenn L = EDTA.
CLVL [M] + K[M]2
1 + K[M] −
CM

A B C D E
1 Titration von 50 mL 0.04 Ca2+ mit 0.08 EDTA
2
3 CM = pM M Phi V(Ligand)
4 0.04 1.398 4.00E-02 0.000 0.002
5 VM = 1.537 2.90E-02 0.201 5.026
6 50 2.00 1.00E-02 0.667 16.667
7 C(Ligand) = 3.00 1.00E-03 0.963 24.074 Abb. 11.13 Tabellenkalkulation für die
8 0.08 4.00 1.00E-04 0.996 24.906 Titration von 50.0 mL einer 0.040 0 M
9 K= 5.85 1.41E-06 1.000 25.0000 Ca2+-Lösung mit 0.080 0 M EDTA bei pH
10 1.34E+10 7.00 1.00E-07 1.001 25.019 10.00. Diese Berechnung wiederholt die
Rechnungen im Abschnitt 11.3. Die pM-
11 8.00 1.00E-08 1.007 25.187
Werte wurden nach dem „trial and error“-
12 8.73 1.86E-09 1.040 26.002 Verfahren für die Volumina 5, 25 und
13 C4 = 10^-B4 26 mL, die im vorigen Abschnitt ver-
14 Gleichung 11.11: wendet wurden, variiert. Besser es mit
15 D4 = (1+$A$10*C4-(C4+C4*C4*$A$10)/$A$4)/ der Zielwertsuche (Seite 184), indem pM
in der Zelle B9 solange geändert wird,
16 (C4*$A$10+(C4+C4*C4*$A$10)/$A$8)
bis das Volumen in Zelle E9 25.000 mL
17 E4 = D4*$A$4*$A$6/$A$8
beträgt.
284 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

HO OH 11.5 Hilfskomplexbildner
HO2C CO2H
Weinsäure Die in diesem Kapitel behandelten EDTA-Titrationen wurden so ausgesucht, dass bei dem
gewählten pH keine Metallhydroxide ausgefällt werden. Bei vielen Metallen ist eine Titra-
HO CO2H tion mit EDTA nur in alkalischer Lösung möglich. Dann wird mit einem Hilfskomplex-
bildner gearbeitet. Dieses Reagenz ist ein Ligand, wie zum Beispiel Ammoniak, Tartrat,
CO2H
Citrat oder Triethanolamin, der das Metallion fest genug bindet, um eine Hydroxidfällung
HO2C
Citronensäure zu vermeiden, jedoch nicht so fest, dass das Metallion an der Reaktion mit EDTA behin-
dert wird. Zn2+ wird gewöhnlich in einem ammoniakalischen Puffer titriert, der den pH-
N(CH2CH2OH)3 Wert konstant hält und das Metallion komplexiert und damit in Lösung hält. Wir wollen
Triethanolamin nun diesen Fall näher betrachten.

Metall-Ligand-Gleichgewichte17
Es soll ein Metallion untersucht werden, das mit dem Hilfskomplexbildner L zwei Kom-
plexe bilden kann:
[ML]
M + L U ML 1 = (11.13)
[M][L]
[ML2 ]
M + 2L U ML2 2 = (11.14)
[M][L]2

Die Gleichgewichtskonstanten, ßi, werden als Brutto- oder kumulative Stabilitätskon-


stanten bezeichnet. Der Anteil des Metallions im unkomplexierten Zustand M kann
folgendermaßen ausgedrückt werden
[M]
M = (11.15)
CM
wobei CM der Gesamtkonzentration aller Formen von M (in diesem Fall M, ML und ML2)
entspricht.
Wir suchen jetzt einen gut anwendbaren Ausdruck für αM. Die einfache Massenbilanz
für das Metall lautet
CM = [M] + [ML] + [ML2 ]
Aus den Gleichungen 11.13 und 11.14 geht hervor:
[ML] = ß1[M][L] und [ML2] = ß2[M][L]2
Es gilt deshalb
CM = [M] + ß1[M][L] + ß2[M][L]2
= [M] (1 + ß1[L] + ß2[L]2)
Nach Substitution dieses Ergebnisses in Gleichung 11.15 erhalten wir das gewünschte
Resultat:
Anteil des freien Metallions:
Wenn das Metallion mehr als zwei
Komplexe bildet, nimmt Gleichung [M] 1
M = = (11.16)
11.16 folgende Form an [M]{1 + 1[L] + 2[L]2 } 1 + 1[L] +  2[L]2
1
αM = .
> Beispiel
1+ β1[L] + β2 [L]2 + .... + βn [L]n
Zink-Ammin-Komplexe
In einer Lösung, die Zn2+ und NH3 enthält, liegen die Komplexe Zn(NH3)2+, Zn(NH3)2+
2 ,
Zn(NH3)32+ und Zn(NH3)42+ nebeneinander vor. Bestimmen Sie den Anteil an Zink in der Form
Zn2+, wenn die Konzentration an freiem, unprotoniertem NH3 0.10 M ist. (Bei jedem pH liegt
stets auch etwas NH4+ im Gleichgewicht mit NH3 vor.)
11.5 · Hilfskomplexbildner 285

Lösung Aus Anhang I erhält man die vier stufenweisen Stabilitätskonstanten (K1, K2, K3 und Komplexe mit NH3 als Ligand werden
K4) für die Komplexe Zn(NH3)2+, Zn(NH3)2+ 2+ 2+
2 , Zn(NH3)3 und Zn(NH3)4 . Die Bruttostabilitäts- als Ammin-Komplexe bezeichnet
konstante ergibt sich wie folgt aus den einzelnen Stabilitätskonstanten

β1 = K 1 = 102.18
β2 = K 1K 2 = 102.18 ⋅102.25 = 10 4.43
β3 = K 1K 2 K 3 = 102.18 ⋅102.25 ⋅102.31 = 10 6.74
β4 = K 1K 2 K 3 K 4 = 102.18 ⋅102.25 ⋅102.31 ⋅101.96 = 10 8.70

Die Konstanten ß1 bis ß4 entsprechen den vier Gleichgewichten analog zu den Reaktionen
11.13 und 11.14. Die hier gültige Form von Gleichung 11.16 lautet
1
α Zn =
2+ (11.17)
1+ β1[L] + β2 [L]2 + β3 [L]3 + β4 [L]4

Durch Einsetzen von [L] = 0.10 M und den vier Werten für βi erhält man für αZn2+ = 1.8 × 10-5.
Das bedeutet, dass in Gegenwart von 0.10 M NH3 nur sehr wenig Zink in der Form Zn2+
vorliegt.

Selbstüberprüfung Wie groß ist αZn2+ bei [NH3] = 0.02 M? (Lösung: 0.007 2)

Exkurs 11.2

Die Metallionenhydrolyse erniedrigt die Den dritten Beitrag zur konditionellen Stabilitätskonstanten
konditionellen Stabilitätskonstanten der liefert αFeY–, der Anteil des EDTA-Komplexes in Form von FeY–.
EDTA-Komplexe Bei niedrigem pH nimmt der Komplex ein Proton auf und liegt
teilweise als HFeY vor, wodurch αFeY– in der Nähe von pH 1
Die Gleichung 11.18 besagt, dass die konditionelle Stabilitäts- abnimmt. Im pH-Gebiet von 2 bis 5 ist αFeY– konstant gleich 1. 11
konstante der EDTA-Komplexe K das Produkt von drei Faktoren In neutralen und in basischen Lösungen werden Komplexe wie
ist: der Stabilitätskonstanten K, dem Anteil des Metalls in der Fe(OH)Y2– und [Fe(OH)Y]4– 2 gebildet und αFeY– nimmt ab.
Form Mm+ und dem Anteil des Liganden in der Form Y4-: K´´= Merken Sie sich: In diesem Buch beschränken wir uns auf
K . α Mm+ . α Y 4 − . Die Tabelle 11.1 hat gezeigt, dass αY4– mit dem pH Fälle, in denen Hydrolyse keine Rolle spielt und αMm+ durch ab-
ansteigt und oberhalb pH 11 den Wert 1 erreicht. sichtlich zugesetzten Hilfskomplexbildner kontrolliert wird. Tat-
Im Abschnitt 11.3 gab es keinen Hilfskomplexbildner und sächlich beeinflusst die Hydrolyse von Mm+ und MY die meisten
wir haben einfach angenommen, dass αMm+ den Wert 1 hat. Tat- EDTA-Titrationen und erschwert damit die theoretische Beschrei-
sächlich reagieren Metallionen mit Wasser und bilden M(OH)n- bung viel mehr als in diesem Kapitel ausgeführt wird.
Spezies. Im Abschnitt 11.3 wurden die Beispiele so gewählt,
dass bei der Kombination der Metallionen und der pH-Bereiche
die Hydrolyse zu M(OH)n vernachlässigt werden konnte. Für die 15
meisten M2+-Ionen lassen sich solche Bedingungen finden, aber K'''f
10
nicht mehr für M3+ oder M4+. Selbst in saurer Lösung hydrolysiert
Fe3+ zu Fe(OH)2+ und Fe(OH)2+.18 (Im Anhang I stehen die Stabi- 5
litätskonstanten der Hydroxokomplexe.) Die nebenstehende αFeY –
0
Kurve zeigt, dass αFe3+ von pH 1 bis 2 nahe bei 1 liegt (log αFe3+ ≈
log

αFe3+
0), mit Beginn der Hydrolyse dann aber abnimmt. Bei pH = 5 be- –5
trägt der Anteil von Eisen(III) in der Form Fe3+ ~ 10-5.
–10
Zur konditionellen Stabilitätskonstanten für FeY– in der
αY 4–
Kurve tragen drei α-Werte bei: –15
αFe3+ α Y 4 −
K ´´´ = K –20
1 2 3 4 5
αFeY − pH

Bei Anstieg des pH nimmt αY4– zu, so dass K´´´ ansteigt. Bei die-
Beiträge von αY4–, αFe3+ und αFeY– zur konditionellen (effektiven) Stabi-
sem pH-Anstieg tritt die Hydrolyse von Eisen(III) ein und αFe3+ litätskonstanten. Bei der Berechnung der Kurven wurden folgende
nimmt ab. Der Anstieg von αY4– gleicht etwa die Abnahme von Spezies berücksichtigt: H6Y2+, H5Y+, H4Y,H3Y-,H2Y2-, HY3-,Y4-, Fe3+,
αFe3+ aus, so dass K´´´ oberhalb von pH 3 nahezu konstant ist. Fe(OH)2+, Fe(OH)2+, FeY- und HFeY.
286 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

K´´ ist die konditionelle Stabilitätskon- EDTA-Titration mit einem Hilfskomplexbildner


stante bei konstantem, bekanntem pH
und konstanter, bekannter Konzentra- Wir wollen jetzt die Titration von Zn2+ mit EDTA in Gegenwart von NH3 untersuchen.
tion an Hilfskomplexbildner. In Exkurs Durch die Erweiterung von Gleichung 11.6 wird die Formulierung einer neuen, konditio-
11.2 wird der Einfluss der Metallionen- nellen Stabilitätskonstante notwendig, die dem Fakt Rechnung trägt, dass nur ein Teil der
hydrolyse auf die konditionelle Stabili- EDTA in der Form Y4– und nur ein Teil des Zinks in der Form Zn2+ vorliegt:
tätskonstante beschrieben. K ′′ =  Zn  Y K (11.18)
2+ 4−

In diesem Ausdruck ist αZn2+ durch Gleichung 11.17 und αY4– durch Gleichung 11.4 gege-
ben. Für einen bestimmten pH-Wert und eine bestimmte NH3-Konzentration können wir
einen Wert für K´´ berechnen und mit der Berechnung der Titration analog zu Abschnitt
11.3 verfahren, indem wir K´´ für K´ verwenden. Weiterhin nehmen wir an, dass EDTA
ein sehr viel stärkerer Komplexbildner als Ammoniak ist und dass an jedem Punkt der
Titration nahezu sämtliche in die Lösung gegebene EDTA an Zn2+ gebunden wird, bis
dieses verbraucht ist.

> Beispiel
EDTA-Titration in Gegenwart von Ammoniak
Wir betrachten die Titration von 50.0 mL einer 1.00 × 10–3 M Zn2+-Lösung mit 1.00 × 10–3 M
EDTA bei pH 10.00 in Gegenwart von 0.10 M NH3. (Dies ist die Konzentration von NH3, das
im Gleichgewicht mit NH4+ in der Lösung vorliegt.) Der Äquivalenzpunkt wird nach 50.0 mL
erreicht. Bestimmen Sie pZn2+ nach der Zugabe von 20.0, 50.0 und 60.0 mL EDTA.

Lösung In Gleichung 11.17 hatten wir den Wert von αZn2+ zu 1.8 × 10–5 ermittelt. Aus Tabelle
11.1 erhalten wir den Wert für αY4– mit 0.30. Die effektive Stabilitätskonstante ist deshalb
K ′′ = α Zn α Y K = (1.8 × 10 -5 )(0.30)(1016.5 ) = 1.7 × 1011
2+ 4−

a) Vor dem Äquivalenzpunkt – 20.0 mL: Da der Äquivalenzpunkt bei 50.0 mL liegt, ist der üb-
riggebliebene Anteil an Zn2+ 30.0/50.0, der Verdünnungsfaktor ist 50.0/70.0 und für die
Konzentration des nicht durch EDTA gebundenen Zink gilt

⎛ 30.0 ⎞ -3 ⎛ 50.0 ⎞
C Zn = ⎜
2+ ⎟ (1.00 × 10 ) ⎜ ⎟ = 4.3 × 10 M
-4

⎝ 50.0 ⎠ ⎝ 70.0 ⎠
Nahezu sämtliches nicht durch die EDTA gebundenes Zink wird jedoch von NH3 komple-
xiert. Die Konzentration an freiem Zink beträgt deshalb
Die Beziehung [Zn2+ ] = α Zn2+ C Zn2+ folgt [Zn2+ ] = α Zn C Zn = (1.8 × 10 -5 )(4.3 × 10-4 ) = 7.7 × 10-9 M
2+ 2+

aus Gleichung 11.15.


⇒ pZn2+ = − log[Zn2+ ] = 8.11

Ist das plausibel? Das Produkt [Zn2+][OH–]2 beträgt [10–8.11][10–4.00]2= 10–16.11 und ist da-
mit kleiner als das Löslichkeitsprodukt von Zn(OH)2 (KL= 10–15.52).
b) Am Äquivalenzpunkt – 50.0 mL: Am Äquivalenzpunkt gilt für den Verdünnungsfaktor
50.0/100.0, so dass für [ZnY2–] = (50.0/100.0)(1.00 × 10–3) = 5.00 × 10–4 M resultiert. Wir
fertigen wieder eine kleine Tabelle an

Zn2+ + EDTA U ZnY2–

Anfangskonzentration (M) 0 0 1

Endkonzentration (M) x x 5.00 × 10–4 – x

c) Nach dem Äquivalenzpunkt – 60.0 mL: Nahezu sämtliches Zink liegt als ZnY2– vor. Mit dem
Verdünnungsfaktor von 50.0/110.0 für Zink ergibt sich

⎛ 50.0 ⎞
[ZnY 2− ] = ⎜ ⎟ (1.00 × 10 ) = 4.5 × 10 M
-3 -4

⎝ 110.0 ⎠
Wir kennen auch die Konzentration des EDTA-Überschusses, dessen Verdünnungsfaktor
10.0/110.0 ist:
⎛ 10.0 ⎞
[EDTA] = ⎜ ⎟ (1.00 × 10 ) = 9.1 × 10 M
-3 -5

⎝ 110.0 ⎠
11.6 · Metallindikatoren 287

Nachdem wir [ZnY2–] und [EDTA] bestimmt haben, können wir die Gleichgewichtskons- 16

tante zur Berechnung von [Zn2+] verwenden: 15


2− 14
[ZnY ]
= α Y K = K ′ = (0.30)(1016.50 ) = 9.5 × 1015
4−
[Zn2+ ][EDTA] 13
[4.5 × 10-4 ]
= 9.5 × 1015 12
[Zn2+ ][9.1 × 10-5 ]
11
⇒ [Zn2+ ] = 5.3 × 10-16 ⇒ pZn2+ = 15.28

pZn
10
Beachten Sie, dass die Berechnung nach dem Äquivalenzpunkt nicht mehr von der Anwesenheit
9 0.1 M NH3
des NH3 abhängt, da wir sowohl die Konzentrationen von [ZnY2–] als auch von [EDTA] kennen.
8
Selbstüberprüfung Wie groß ist pZn2+ nach Zugabe von 30.0 und 51.0 mL EDTA (Lösung:
7
8.35; 14.28) 0.02 M NH3
6

5
In Abbildung 11.14 werden die berechneten Titrationskurven für Zn2+ in Gegenwart 0 10 20 30 40 50 60 70

verschiedener Konzentrationen des Hilfskomplexbildners einander gegenübergestellt. Je EDTA-Volumen (mL)

größer die Konzentration an NH3 ist, desto kleiner ist die Änderung von pZn2+ in unmit-
Abb. 11.14 Titrationskurven für die Re-
telbarer Nähe des Äquivalenzpunktes. Bei Verwendung eines Hilfskomplexbildners muss aktion von 50.0 mL 1.00×10–3 M Zn2+ mit
dessen Konzentration folglich unter dem Wert gehalten werden, der zu einem Verschwin- 1.00×10–3 M EDTA bei pH = 10.0 bei zwei
den des Endpunktes der Titration führen würde. Auf Farbtafel 5 ist das Aussehen einer verschiedenen NH3-Konzentrationen
ammoniakalischen Cu2+-Lösung während der Titration mit EDTA abgebildet.

11.6 Metallindikatoren

Die Anwendung eines Metallindikators ist die gebräuchlichste Form der Detektion des Detektionsmethoden für den End-
Endpunktes einer EDTA-Titration. Als Alternativen kommen die Quecksilberelektrode punkt:
(Abbildung 11.10 und Übung 14-B) und ionenselektive Elektroden (Abschnitt 14.6) in 1. Metallindikatoren
Frage. Mit einer pH-Elektrode lässt sich der Titrationsverlauf in ungepufferter Lösung 2. Quecksilberelektrode 11
verfolgen, da H2Y2- bei der Bildung eines Metallkomplexes 2 H+ freisetzt. 3. Ionenselektive Elektrode
Ein Metallindikator (Tabelle 11.3) ist eine Verbindung, deren Farbe sich bei der Kom- 4. Glaselektrode (pH)
plexierung von Metallionen ändert. Um als Indikator geeignet zu sein, muss er die Metall-
ionen weniger stark als EDTA binden.
An einer typischen komplexometrischen Titration, der Bestimmung von Mg2+ mit
EDTA und Eriochromschwarz T als Indikator (In), wird dessen Funktionsweise illustriert:
Der Indikator muss das von ihm ge-
MgIn + EDTA → MgEDTA + In (11.19) bundene Metall an die EDTA abgeben.
(rot) (farblos) (farblos) (blau)
Am Beginn des Experiments wird eine kleine Menge Indikator (In) zu der farblosen
Mg2+-Lösung gegeben, wodurch eine geringe Menge an rotem Komplex gebildet wird. Ti-
triert man danach mit EDTA, reagiert diese zuerst mit den freien, farblosen Mg2+-Ionen.
Erst wenn das freie Mg2+ verbraucht ist, verdrängt die letzte vor dem Äquivalenzpunkt
zugesetzte EDTA den Indikator aus dem roten MgIn-Komplex. Durch die Farbverände-
rung vom Rot des MgIn-Komplexes zum Blau des unkomplexierten Indikators In wird
der Endpunkt der Titration indiziert (Versuch 11.1).

 Versuch 11.1
Die Farbänderung von Metallindikatoren
In diesem Versuch soll die in Reaktion 11.19 auftretende Farbänderung demonstriert wer-
den. Es soll weiterhin gezeigt werden, dass durch Zugabe eines zweiten Farbstoffs zur Lö-
sung ein leichter zu detektierender Farbumschlag erreicht werden kann.

Stammlösungen:

Puffer (pH = 10.0): 142 mL konzentrierten (14.5 M) wässrigen Ammoniak zu 17.5 g Ammoni-
umchlorid geben und auf 250 mL mit Wasser verdünnen
MgCl2: 0.05 M
EDTA: 0.05 M Na2H2EDTA . 2 H2O
288 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

Stellen Sie eine Lösung aus 25 mL MgCl2-Lösung, 5 mL Puffer und 300 mL Wasser her. Ge-
ben Sie dazu 6 Tropfen der Indikatoren Eriochromschwarz T oder Calmagit und titrieren Sie
mit der EDTA-Lösung. Beachten Sie den Farbumschlag am Äquivalenzpunkt von weinrot
nach schwach blau (Farbtafel 6a).
Für manchen Beobachter wird die Schärfe des Farbumschlages des Indikators nicht wie
gewünscht ausfallen. Die Farben können durch Zugabe eines „inerten“ Farbstoffes beein-
flusst werden, dessen Farbe das Aussehen der Lösung vor und nach der Titration verändert.
Gibt man beispielsweise 3 mL Methylrot (oder einen der vielen anderen gelben Farbstoffe)
zur Lösung, wird vor dem Endpunkt eine orange Färbung und nach dem Endpunkt eine
grüne erzeugt. Diese Farbfolge ist in Farbtafel 6b dargestellt.

1.0 Mg2+-Calmagit-Komplex

0.8

0.6 freies Calmagit


Extinktion

Spektren (sichtbarer Bereich) des Mg2+-


Komplexes von Calmagit und von freiem 0.4
Calmagit bei pH 10 im Ammoniak-Puffer.
0.2
[C. E. Dahm, J. W. Hall und B. E. Mattioni,
„A Laser Pointer-Based Spectrometer for 0.0
Endpoint Detection of EDTA Titrations,“ J. 350 450 550 650 750 850
Chem. Ed. 2004, 81, 1787.] Wellenlänge (nm)

Tabelle 11.3 Gebräuchliche Metallindikatoren

Name Struktur pKS Farbe des freien Indikators Farbe des Indikator-Metall-Komplexes
Calmagit OH HO pK2 = 8.1 H2In– rot weinrot
N N SO3 pK3 = 12.4 HIn2– blau
In3– orange
(H2In )
CH3

Eriochrom- OH OH pK2 = 6.3 H2In– rot weinrot


schwarz T pK3 = 11.6 HIn2– blau
O 3S N N
In3– orange
(H2In )

NO 2

Murexid O O pK2 = 9.2 H4In– rotviolett gelb (mit Co2+, Ni2+, Cu2+)
HN NH pK3 = 10.9 H3In2– violett rot mit Ca2+
O N O
HN NH H2In3– blau
O O
(H4In )

Xylenol- CH3 CH3 pK2 = 2.32 H5In– gelb rot


orange O OH pK3 = 2.85 H4In2– gelb
O 2C CO2
HN NH pK4 = 6.70 H3In3– gelb
O 2C CO2
SO3 pK5 = 10.47 H2In4– violet
pK6 = 12.23 HIn5– violett
(H 3In 3 ) In6– violett

Pyrocatechol OH OH pK1 = 0.2 H4In rot blau


Violett O OH pK2 = 7.8 H3In– gelb
pK3 = 9.8 H2In2– violett
SO3 pK4 = 11.7 HIn3– purpurrot

(H3In )

Herstellung und Stabilität:


Calmagit: 0.05 g/100 mL H2O; Lösung ist im Dunklen ein Jahr stabil
Eriochromschwarz T: 0.1 g des Feststoffs in 7.5 mL Triethanolamin und 2.5 mL absolutem Alkohol lösen; Lösung ist mehrere Monate stabil, am besten für Titra-
tionen oberhalb von pH 6.5 geeignet
Murexid: 10 mg Murexid mit 5 g analysenreinem NaCl im sauberen Mörser verreiben. Pro Titration 0.2–0.4 g der Mischung verwenden
Xylenolorange: 0.5 g/100 mL H2O; Lösung sehr lange stabil.
Pyrocatechol Violett: 0.1 g/100 mL; Lösung ist mehrere Wochen stabil
11.6 · Metallindikatoren 289

Die meisten Metallindikatoren sind auch Säure-Base-Indikatoren (pKS-Werte in Tabelle


11.3). Da die Farbe des freien Indikators pH-abhängig ist, können die meisten Indikatoren
nur in bestimmten pH-Bereichen verwendet werden. So verändert beispielsweise Xylenol-
orange bei der Komplexierung eines Metallions bei pH 5.5 seine Farbe von Gelb zu Rot.
Dieser Farbumschlag ist leicht zu beobachten. Der Umschlag bei pH 7.5 von Violett zu Rot

pH
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
2+
Mg
EB
PC, TP
2+
Ca
EB TP MX NN,
Calcein
Sr2+, Ba2+
TP
Sc3+
EB EB PC MT
PAN, XO MT
Abb. 11.15 Leitfaden für die EDTA-Titra-
Zr4+, Hf 4+ VO2+
tion der wichtigsten Metalle. Die hellen
XO, MT Cu-PAN
Balken zeigen das pH-Gebiet, in dem die
Mn2+ Reaktion mit EDTA quantitativ abläuft.
MT EB, PV, BP Die dunklen Balken zeigen das pH-Ge-
Fe3+ biet, in dem ein Hilfskomplexbildner zur
VB, Tiron, BG Cu-PAN, PAN, PV Verhinderung der Ausfällung des Metalls
Co2+ erforderlich ist. Calmagit ist stabiler als
Cu-PAN MX Eriochromschwarz T (EB) und kann dieses
PV, PR, BP ersetzen. [Übernommen von K. Ueno,
Ni2+ “Guide for Selecting Conditions for EDTA
Cu-PAN PV, PR, BP MX, TP Titrations,” J. Chem. Educ., 1965, 42, 432.]
Cu2+
PAN Abkürzung der Indikatoren:
GT, GC MX PV BG, Bindschedlers Grün Leukobase 11
Zn2+ BP, Brompyrogallol Rot
EB Eriochromschwarz T
Cu-PAN XO, MT EB, PV, Zincon
GC, Glycinkresolrot
2+
Cd GT, Glycinthymolblau
MT, Methylthymolblau
Cu-PAN XO, MT EB, PR, BP
MX, Murexid
2+
Hg NN, Calconcarbonsäure
Cu-PAN XO, MT EB PAN, Pyridylazonaphthol
3+
Cu-PAN, PAN + CuEDTA
Al
PC, o-Kresolphthaleinkomplexon
Cu-PAN Chromazurol S PR, Pyrogallolrot
Ga 3+ PV, Pyrocatecholviolett
TP, Thymolphthaleinkomplexon
Cu-PAN Morin
VB, Variaminblau B, Base
In3+ XO, Xylenolorange
Cu-PAN PV, Morin PAN EB
2+
Pb
MT
Cu-PAN XO EB MT
Bi3+ OH
OH
XO, MT PV
Seltene pK4(OH) = 12.5
Erden NaO3S SO3Na pK3(OH) = 7.6
XO MT PR, BP MX, EB
„Tiron“
Th4+ pH-Gebiet, in dem die Reaktion Natriumsalz der
1,2-Dihydroxybenzen-
mit EDTA quantitativ abläuft
XO, MT, PV 3,5-disulfonsäure
pH-Gebiet, in dem ein Hilfskom-
2+ plexbilder zur Verhinderung der
UO 2
Ausfällung des Metallhydroxids Tiron ist ein Indikator für die EDTA-
PAN erforderlich ist
Titration von Fe(III) bei pH 2–3 und
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 40 °C. Der Farbumschlag erfolgt von
pH blau nach blass gelb.
290 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

ist dagegen viel schwieriger zu erkennen. Man kann natürlich auch ein Spektralphotometer
für die Beobachtung der Farbänderungen verwenden, aber es ist doch viel bequemer, wenn
man sie mit eigenen Augen verfolgen kann. Abbildung 11.15 zeigt die pH-Gebiete, in denen
viele Metalle titriert werden können und die Indikatoren, die in den verschiedenen Gebieten
verwendet werden können.
Frage Welchen Farbumschlag Der Indikator muss seine gebundenen Metallionen an die EDTA abgeben. Dissozi-
erwarten Sie bei der Durchführung iert das Metallion nicht freiwillig aus dem Metall-Indikator-Komplex, blockiert es den
der Rücktitration? Indikator. So wird beispielsweise Eriochromschwarz T durch Cu2+, Ni2+, Co2+, Cr3+, Fe3+
und Al3+ blockiert und kann deshalb nicht für die direkte Titration dieser Metallionen
verwendet werden. Für eine Rücktitration kann der Indikator jedoch verwendet werden.
Dabei gibt man beispielsweise einen Überschuss an eingestellter EDTA-Lösung zu einer
Cu2+-Lösung. Danach setzt man den Indikator zu und titriert den EDTA-Überschuss mit
Mg2+ zurück.

11.7 Titrationsmethoden mit EDTA

Da man eine sehr große Anzahl der Elemente durch Titration mit EDTA analysieren
kann, findet man ausreichend Literatur, die sich mit den vielen Varianten der Grundvor-
schrift der Titration befasst.16,21

Direkte Titration
Bei einer direkten Titration wird der Analyt mit einer eingestellten EDTA-Lösung
titriert. Der Analyt wird hierfür auf einen geeigneten pH-Wert gepuffert, bei dem
die konditionelle Stabilitätskonstante des Metall-EDTA-Komplexes groß ist und der
freie Indikator eine vom Metall-Indikator-Komplex deutlich abweichende Färbung
Phytoremediation (Phytosanierung)19,20 aufweist.
Eine Möglichkeit zur Beseitigung to- Hilfskomplexbildner, wie Ammoniak, Tartrat, Citrat oder Triethanolamin, können zur
xischer Metalle aus kontaminierten Verhinderung der Ausfällung der Metallionen vor der EDTA-Zugabe eingesetzt werden.
Böden besteht im Anbau von Pflanzen, So wird z. B. die direkte Titration von Pb2+ in ammoniakalischer Lösung bei pH 10.0 in
die fähig sind, zwischen 1 und 15 g Gegenwart von Tartrat durchgeführt, das die Metallionen komplexiert und damit die
Metall pro Gramm Pflanzentrocken- Bildung des Fällungsproduktes Pb(OH)2 verhindert. Der Blei-Tartrat-Komplex muss
masse aufzunehmen. Die Pflanzen eine geringere Stabilität als der Blei-EDTA-Komplex besitzen, da sonst die Titration nicht
werden geerntet und Metalle wie Blei, möglich wäre.
Cadmium und Nickel zurückgewon-
nen. Zur Mobilisierung unlöslicher Ver-
bindungen wird die Phytosanierung Rücktitration
durch Zusatz von EDTA verbessert.
Leider verbreitet Regenwasser die Bei einer Rücktitration wird der Lösung des Analyten ein bekannter Überschuss an
löslichen EDTA-Komplexe im Boden, EDTA zugesetzt. Die überschüssige EDTA wird anschließend mit einer eingestellten
so dass diese Methode auf solche Orte Lösung eines zweiten Metallions titriert. Eine Rücktitration macht sich beispielsweise er-
beschränkt ist, die keine Verbindung forderlich, wenn der Analyt in Abwesenheit von EDTA ausfällt, wenn er unter Titrations-
zum Grundwasser haben oder wo die bedingungen zu langsam mit der EDTA reagiert oder wenn das Metallion den Indikator
Auslaugung nicht von Bedeutung ist. blockiert. Das für die Rücktitration verwendete Metallion darf das Analytion nicht aus
Der Chelatbildner Ethylendiamindi- seinem EDTA-Komplex verdrängen.
bernsteinsäure (Name des Salzes: Ethy-
lendiamindisuccinat, abgekürzt EDDS) > Beispiel
mobilisiert Metalle und wird biologisch Rücktitration
abgebaut, bevor er sich weit verteilen Ni2+ kann durch Rücktitration mit einer eingestellten Zn2+-Lösung bei pH 5.5 und Xylenol-
kann. orange als Indikator bestimmt werden. 25.00 mL einer nickelhaltigen, verdünnten HCl
CO2H werden mit 25.00 mL einer 0.052 83 M Na2EDTA versetzt. Die Lösung wird anschließend mit
H
N CO2H
NaOH neutralisiert und der pH mit Acetatpuffer auf 5.5 eingestellt. Nach der Zugabe weni-
HO2C N ger Tropfen Indikator färbt sich die Lösung gelb. Für die Rücktitration mit einer 0.022 99 M
H
CO2H Zn2+-Lösung waren 17.61 mL bis zum Endpunkt erforderlich. Welche Konzentration hatte
S,S–Ethylendiamindibernsteinsäure (EDDS) Ni2+ in der Probe?
11.7 · Titrationsmethoden mit EDTA 291

Lösung Die Probe wurde mit 25.00 mL einer 0.052 83 M EDTA versetzt, die (25.00 mL)
(0.052 83 M) = 1.320 8 mMol an EDTA enthielt. Durch Rücktitration wurden (17.61 mL)
(0.022 99 M) = 0.404 9 mMol Zn2+ verbraucht. Da 1 Mol der EDTA mit genau 1 Mol eines
jeden Metalls reagiert, enthielt die Probe 1.320 8 mMol EDTA – 0.404 9 mMol Zn2+ = 0.915 9
mMol Ni2+.

Die Konzentration des Ni2+ ist damit 0.915 9 mMol/25.00 mL = 0.036 64 mol/L.

Selbstüberprüfung Wenn für die Rücktitration 13.00 mL Zn2+ erforderlich sind, wie groß
war dann die Ausgangskonzentration der Ni2+-Lösung? (Lösung: 0.040 88 M)

Bei einer Rücktitration wird die Ausfällung des Analyten verhindert. So fällt beispiels-
weise Al3+ als Al(OH)3 in Abwesenheit von EDTA bei pH 7 aus. In einer sauren Lösung
kann das Al3+ mit einem EDTA-Überschuss versetzt werden, auf pH 7–8 mit Natriumace-
tatlösung eingestellt und gekocht werden, um die vollständige Komplexierung des Ions
zu gewährleisten. Bei diesem pH ist der Al3+-EDTA-Komplex stabil. Die Lösung wird
anschließend abgekühlt, Eriochromschwarz T zugesetzt und die Rücktitration mit einge-
stellter Zn2+-Lösung durchgeführt.

Verdrängungstitration
Die Verdrängungstitration wird bei Metallionen angewendet, für die kein geeigneter
Indikator vorhanden ist. Für Hg2+ gibt es keinen zufriedenstellenden Metallindikator.
Deshalb wird die Lösung mit einem Überschuss Mg(EDTA)2- versetzt, wodurch Mg2+ aus
seinem Komplex verdrängt wird und anschließend mit eingestellter EDTA-Lösung titriert
werden kann.
Mn + + MgY 2 − → MY n − 4 + Mg 2 + (11.20)
Die konditionelle Stabilitätskonstante von Hg(EDTA)2–muss größer als die von 11
Mg(EDTA)2– sein, ansonsten findet die Verdrängung des Mg2+ aus seinem Komplex
nicht statt.
Auch für Ag+ existiert kein geeigneter Metallindikator. Jedoch kann Ni2+ aus dem
Tetracyanonickelat(II)-Ion durch Ag+ verdrängt werden:
2Ag + + Ni(CN)24− → 2Ag(CN)2− + Ni 2 +
Das freigesetzte Ni2+ kann danach mit EDTA titriert werden, um die Menge des zugesetz-
ten Ag+ zu ermitteln.

Indirekte Titration
Durch indirekte Titration mit EDTA können Anionen bestimmt werden, die mit be-
stimmten Metallionen Fällungsprodukte bilden. So kann beispielsweise Sulfat analysiert
werden, nachdem es mit einem Ba2+-Überschuss bei pH 1 gefällt wurde. Der BaSO4-
Niederschlag wird anschließend filtriert, gewaschen und mit einem EDTA-Überschuss
bei pH 10 gekocht, um die Ba2+-Ionen als Ba(EDTA)2– wieder in Lösung zu bringen. Am
Ende wird der EDTA-Überschuss mit Mg2+ zurücktitriert.
In ähnlicher Weise können Anionen auch mit einem bekannten Überschuss eines Me-
tallions gefällt werden. Der gebildete Niederschlag wird filtriert und gewaschen und das
überschüssige Metallion im Filtrat durch Titration mit EDTA bestimmt. Durch indirekte
Titration mit EDTA lassen sich unter anderen CO32–, CrO42–, S2– und SO42– analysieren22.

Maskierung
Als Maskierungsmittel werden Reagenzien bezeichnet, die einzelne Komponenten des
Analyten vor der Reaktion mit EDTA schützen. So kann beispielsweise Al3+ in einem Ge-
292 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

Die Maskierung wird zur Vermeidung misch aus Mg2+ und Al3+ durch eine Differenzbestimmung ermittelt werden, indem man
von Störungen eines Elementes bei einmal die Summe und dann durch Maskierung von Al3+mit F- maskiert in einer zweiten
der Analyse eines anderen eingesetzt. Titration dadurch nur Mg2+ mit EDTA umgesetzt wird.
Die Maskierung ist dabei nicht auf die Cyanid ist ein häufig verwendetes Maskierungsmittel, das mit Cd2+, Zn2+, Hg2+, Co2+,
+, Ag+, Ni2+, Pd2+, Pt2+, Fe2+ und Fe3+ Komplexe bilden kann, Mg2+, Ca2+, Mn2+ oder
Titrationen mit EDTA beschränkt. In Cu
Exkurs 11.3 wird eine wichtige Anwen- Pb2+ jedoch nicht komplexiert. Setzt man Cyanid einer Cd2+- und Pb2+-haltigen Lösung
dung der Maskierung vorgestellt. zu, kann nur Pb2+ mit EDTA reagieren. (Vorsicht: Cyanid bildet bei pH <11 toxisches gas-
förmiges HCN! Cyanidlösungen müssen stets stark basisch sein und dürfen nur unter ei-
nem Abzug verwendet werden.) Fluorid kann für die Maskierung von Al3+, Fe3+, Ti4+ und
Be2+ eingesetzt werden. (Vorsicht: Die in sauren Lösungen aus F- gebildete HF ist extrem
gefährlich und darf nicht in Kontakt mit der Haut oder in die Augen gelangen. Mitunter
treten unmittelbar nach Kontaktierung noch keine Schmerzen auf. Trotzdem sollte die
betroffene Hautpartie mit viel Wasser abgespült und anschließend mit Calciumgluconat-
Gel behandelt werden, das man vor dem Experiment bereitstellen sollte. Die Erste Hilfe leis-
SH tende Person sollte zum eigenen Schutz Gummihandschuhe tragen.) Durch Triethanolamin
HOCH2CHCH2SH werden Al3+, Fe3+ und Mn2+ und durch 2,3-Dimercaptopropanol werden Bi3+, Cd2+, Cu2+,
2,3-Dimercapto-1-propanol Hg2+ und Pb2+ maskiert.
Demaskierungsreagenzien setzen die Metallionen aus dem Maskierungsmittel frei. So
können Cyanidkomplexe mit Formaldehyd demaskiert werden:
M(CN)mn – m + mH2CO + mH+ mH2C(OH)(CN) + Mn+
Durch Thioharnstoff wird Cu2+ zu Cu+ reduziert und letzteres maskiert. Mit H2O2 kann
aus dem Cu+-Thioharnstoff-Komplex erneut Cu2+freigesetzt werden. Die mittels Maskie-

Exkurs 11.3

Wasserhärte da die Erdalkaliionen zum Ausflocken (Aggregation) kolloidaler


Teilchen im Boden neigen und dadurch die Durchlässigkeit des
Der Begriff Härte bezieht sich auf die Gesamtkonzentration an Bodens gegenüber Wasser erhöhen. Weiches Wasser greift Be-
Erdalkaliionen im Wasser, im Wesentlichen auf die von Ca2+ und ton, Gips und Mörtel an.
Mg2+. Die Wasserhärte wird gewöhnlich auf Milligramm CaCO3 Zur Messung der Gesamtwasserhärte wird die Probe mit As-
je Liter umgerechnet. Das bedeutet, dass bei [Ca2+] + [Mg2+] = corbinsäure (oder Hydroxylamin) versetzt, um Fe3+ zu Fe2+ zu re-
1 mM die Wasserhärte einen Wert von 100 mg CaCO3 je Liter duzieren. Mit Cyanid werden Fe2+, Cu+ und verschiedene andere
hätte, denn 100 mg CaCO3 = 1 mMol CaCO3. In Deutschland Spurenmetalle maskiert. Die EDTA-Titration zur Bestimmung der
wurden im Jahr 2007 im Wasch- und Reinigungsmittelgesetz die Gesamtkonzentration an Mg2+ und Ca2+ wird bei pH 10 in ammo-
früheren Angaben in „Grad deutscher Härte“ (°dH) durch die An- niakalischem Puffer durchgeführt. Die Ca2+-Konzentration wird
gabe „Millimol Calciumcarbonat je Liter“ ersetzt. Die neuen Här- in einer separaten Analyse durch Titration bei pH 13 in Abwesen-
tebereiche sind wie folgt definiert: Härtebereich „weich“ weniger heit von Ammoniak bestimmt. Bei diesem pH fällt Mg(OH)2 aus,
als 1,5 Millimol Calciumcarbonat je Liter (entspricht 8,4 °dH); das durch die EDTA nicht mehr aufgelöst werden kann. Die Stö-
Härtebereich „mittel“ 1,5 bis 2,5 Millimol Calciumcarbonat je Liter rungen durch eine Vielzahl anderer Metallionen kann man durch
(entspricht 8,4 bis 14 °dH); Härtebereich „hart“ mehr als 2,5 Milli- geschickte Wahl der Indikatoren ausschalten23.
mol Calciumcarbonat je Liter (entspricht mehr als 14 °dH) Durch einen Kohlendioxidüberschuss werden unlösliche Car-
Hartes Wasser reagiert mit Seife unter Bildung unlöslicher bonate in lösliche Bicarbonate überführt:
Flocken.
CaCO3(s) + CO2 + H2O → Ca(HCO3)2(aq) (B)
Ca + 2 RCOO  Ca(RCOO)2 (s)
2+ –
Durch Erhitzen werden Bicarbonate in Carbonate (Entfernung
Seife Feststoff (A)
(Kalkseife)
von CO2) umgewandelt, wodurch es zur Ausfällung von Kes-
R ist eine lange Kohlenwasserstoff-Kette, z.B. C17H35— selstein (CaCO3) kommen kann. Durch die Umkehrreaktion
von (B) werden feste Partikel gebildet, die eine Verstopfung
Bei der Zugabe der Seife zum Waschwasser bildet sie mit Ca2+ der Heizungsrohre zur Folge haben. Der auf Ca(HCO3)2(aq) zu-
und Mg2+ unlösliche Kalkseife. Damit setzen Ca2+ und Mg2 die rückgehende Anteil der Wasserhärte wird als temporäre Härte
Waschwirkung der Seife herab. Hartes Wasser hinterlässt beim bezeichnet, da dieses Calcium beim Erhitzen (Fällung von CaCO3)
Verdampfen in Rohren eine festen Niederschlag, den Kesselstein. verschwindet. Als permanente Härte bezeichnet man die durch
Es ist nicht bekannt, dass hartes Wasser ungesund wäre. Große andere Salze verursachte Härte (hauptsächlich gelöstes CaSO4).
Wasserhärte ist beim Einsatz von Berieselungswässern nützlich, Sie wird beim Erhitzen nicht entfernt.
Übungen 293

rung, Demaskierung und pH-Kontrolle einstellbare Selektivität erlaubt die Bestimmung


einzelner Komponenten eines komplexen Gemisches durch eine Titration mit EDTA.

Wichtige Begriffe
Blockierung > Bruttostabilitätskonstante > Chelatbildner > Chelateffekt > Demas-
kierung > Direkte Titration > einzähnig > Indirekte Titration > Komplexometrische
Titration > Konditionelle (effektive) Stabilitätskonstante > Kumulative Stabilitätskons-
tante > Lewis-Base > Lewis-Säure > Maskierungsmittel > mehrzähnig > Metallin-
dikator > Rücktitration > Stabilitätskonstante > Verdrängungstitration

Zusammenfassung
In einer komplexometrischen Titration reagieren Analyt und Titrant zu einem Komple-
xion. Die Gleichgewichtskonstante dieser Reaktion wird als Komplexbildungs- oder Kom-
plexstabilitätskonstante K bezeichnet. Durch Chelatbildner (mehrzähnige Liganden) wer-
den stabilere Komplexe gebildet als durch einzähnige Liganden. Synthetische Aminocar-
bonsäuren, wie die EDTA, besitzen große Komplexstabilitätskonstanten mit Metallionen.
Stabilitätskonstanten der EDTA werden mit [Y4–] ausgedrückt, auch wenn sechs un-
terschiedlich protonierte EDTA-Formen existieren. Da der Anteil protonenfreier EDTA in
der Form Y4– (αY4-) vom pH-Wert abhängig ist, wird eine effektive (oder konditionelle)
Stabilitätskonstante K´= αY4-K = [MYn–4]/[Mn+][EDTA] definiert. Durch diese Konstante
wird die hypothetische Reaktion Mn+ + EDTA U MYn–4 beschrieben, bei der EDTA alle
EDTA-Formen umfasst, die nicht an ein Metallion gebunden sind. Die Titrationsberech-
nung kann in drei Gebiete eingeteilt werden: Liegt ein Überschuss an nicht umgesetztem
Mn+ vor, wird pM direkt aus pM = –log[Mn+] berechnet. Liegt ein EDTA-Überschuss vor,
kennen wir sowohl [MYn-4] als auch [EDTA] und können deshalb [Mn+] aus der konditio-
nellen Stabilitätskonstante berechnen. Am Äquivalenzpunkt ermöglich die Voraussetzung
[Mn+] = [EDTA] das Auflösen nach [Mn+]. Für alle drei Bereiche der Titrationskurve kann
eine einzige Gleichung zur Tabellenkalkulation verwendet werden.
Mit steigender konditioneller Stabilitätskonstante werden die Sprünge von EDTA- 11
Titrationskurven steiler. Zugesetzte Hilfskomplexbildner, die mit der EDTA um die Me-
tallionen konkurrieren und dadurch die Steilheit der Titrationskurve limitieren, werden
mitunter benötigt, um die Analyten in Lösung zu halten. Für Berechnungen von Lösun-
gen mit EDTA und einem Hilfskomplexbildner wird die konditionelle Stabilitätskonstante
K´´= αMαY4-K verwendet, in der αM der Anteil an freiem Metallion ist, der nicht durch
den Hilfskomplexbildner gebunden ist.
Zur Endpunktdetektion werden häufig Metallindikatoren, Glaselektroden, ionenselek-
tive Elektroden oder eine Quecksilber-Elektrode verwendet. Kann eine direkte Titration
nicht durchgeführt werden, weil der Analyt instabil ist, zu langsam mit EDTA reagiert
oder für die Detektion kein geeigneter Indikator zur Verfügung steht, können Rücktitrati-
onen mit EDTA-Überschuss oder Verdrängungstitrationen mit Mg(EDTA)2- angewendet
werden. Maskierungsmittel verhindern Störungen durch unerwünschte Spezies. Indirekte
Titrationen mit EDTA eignen sich für die Analyse vieler Anionen oder anderer Spezies,
die nicht direkt mit dem Reagenz reagieren.

Übungen
11-A. In einer 250 (± 0.1) mL Wasserprobe wurden die Kaliumionen mit Natriumtetra-
phenylborat gefällt:
K + + (C 6H5 )4 B − → KB(C 6H5 )4 (s)
Das Fällungsprodukt wurde filtriert, gewaschen und in einem organischen Lösungsmittel
aufgelöst. Nach Behandlung der organischen Lösung mit einem Hg(II)-EDTA-Überschuss
lief folgende Reaktion ab:
CaCO3 (s) + CO2 + H2O → Ca(HCO3 )2 (aq)
Die freigesetzte EDTA wurde mit 28.73 (± 0.03) mL einer 0.043 7 (± 0.000 1) M Zn2+-Lö-
sung titriert. Bestimmen Sie die Konzentration des K+ (und deren absolute Unsicherheit)
in der Wasserprobe.
294 Kapitel 11 · Komplexometrische Titrationen

11-B. Für die vollständige Titration von 25.00 mL einer Fe3+- und Cu2+-haltigen Probe
wurden 16.06 mL einer 0.050 83 M EDTA benötigt. 50.00 mL der Probe wurden mit
NH4F zur Maskierung der Fe3+-Ionen versetzt. Danach wurde Cu2+ durch Zugabe von
Thioharnstoff reduziert und maskiert. Nach Zugabe von 25.00 mL einer 0.050 83 M
EDTA wurde das Fe3+ aus seinem Fluoridkomplex unter Bildung des EDTA-Komplexes
freigesetzt. Für die Titration des EDTA-Überschusses waren 19.77 mL einer 0.018 83 M
Pb2+-Lösung mit Xylenolorange als Indikator notwendig. Bestimmen Sie die Cu2+-Kon-
zentration in der Probe.

11-C. Berechnen Sie pCu2+ (auf 0.01 Dezimale genau) an jedem der folgenden Punkte in
der Titration von 50.0 mL einer 0.040 0 M EDTA mit 0.080 0 M Cu(NO3)2 bei pH 5.00.
Zeichnen Sie eine Kurve mit pCu2+ in Abhängigkeit vom Titrantvolumen.
a) 0.1 mL (d) 15.0 mL (g) 25.0 mL
b) 5.0 mL (e) 20.0 mL (h) 26.0 mL
c) 10.0 mL (f) 24.0 mL (i) 30.0 mL

11-D. Berechnen Sie die Konzentration an H2Y2– am Äquivalenzpunkt der Übung C.

11-E. Nehmen Sie an, dass eine 0.010 0 M Mn2+-Lösung mit 0.005 00 M EDTA bei pH
7.00 titriert wird.
a) Wie groß ist die Konzentration an freiem Mn2+ am Äquivalenzpunkt?
b) Wie groß ist der Quotient [H3Y–]/[H2Y2–] in der Lösung, wenn in der Titration exakt
63.7 % der Strecke bis zum Äquivalenzpunkt zurückgelegt wurde?

11-F. Eine Lösung mit 20.0 mL 1.00 × 10–3 M Co2+ wurde in Gegenwart von 0.10 M
C2O42– bei pH 9.00 mit 1.00 × 10–2 M EDTA titriert. Berechnen Sie unter Verwendung der
Stabilitätskonstanten von Co(C2O4) und Co(C2O4)22– in Anhang I pCo2+ für die folgen-
den EDTA-Volumina: 0, 1.00, 2.00 und 3.00 mL. Setzen Sie für die C2O42– Konzentration
immer 0.10 M ein. Zeichnen Sie eine Kurve mit Co2+ in Abhängigkeit von den mL an
zugesetzter EDTA.

11-G. Die in diesem Beispiel mit H2X abgekürzte Iminodiessigsäure bildet 2:1 Komplexe
mit vielen Metallionen:

CH2CO3H
+
H2N H3X +
CH2CO3H

[X 2 − ]
X =2−
[H3 X ] + [H2 X] + [HX − ] + [X 2 − ]
+

Cu2+ + 2 X2– U CuX22– K = ß2 = 3.3 × 1016

25.0 mL einer auf den pH-Wert 7.00 gepufferten Lösung von 0.120 M Iminodiessigsäure
wurden mit 25.0 mL einer 0.050 0 M Cu2+-Lösung titriert. Berechnen Sie die Konzentra-
tion des Cu2+ in der resultierenden Lösung, wenn bei pH = 7.00 αX2– = 4.6 ×10-3.
12 Gleichgewichtsprobleme
für Fortgeschrittene

Saurer Regen
Kalkstein und Marmor sind Baumaterialien, deren Hauptbestandteil der Calcit ist, die übliche kristalline Form von Calcium-
carbonat. Dieses Mineral ist in neutraler und basischer Lösung nicht gut löslich (KL=4.5 × 10–9), löst sich jedoch in Säuren
durch zwei gekoppelte Gleichgewichte, in denen die Reaktionen eine Spezies gemeinsam haben – das Carbonat-Ion:

CaCO3(s) U Ca2+ + CO32–


CO32– + H+ U HCO3–

Das in der ersten Reaktion gebildete Carbonat wird in der zweiten Reaktion protoniert und bildet in der zweiten Reaktion
Bicarbonat (exakt Hydrogencarbonat genannt). Das Prinzip von Le Châtelier hat uns gelehrt, dass bei der Entfernung eines
Reaktionsprodukts der ersten Reaktion deren Gleichgewicht nach rechts verschoben wird und dadurch mehr Calcit gelöst
wird. In diesem Kapitel werden gekoppelte Gleichgewichte in chemischen Systemen behandelt.
Zwischen 1980 und 1990 wurde ein halber Millimeter der äußeren Steinmauern der Saint Paul’s Cathedral in London
durch sauren Regen gelöst. In einer Ecke des Gebäudes gegenüber einem Kraftwerk löste sich der Stein mit einer zehnfa-
chen Geschwindigkeit gegenüber dem übrigen Bauwerk, bis das Kraftwerk geschlossen wurde. Kraftwerke und andere Be-
triebe, die Kohle verbrennen, emittieren SO2, die Hauptursache des sauren Regens (siehe Exkurs 14.1). Mit dem Verschwin-
den der Schwerindustrie und durch Gesetze zur Emissionsbegrenzung nahm der SO2-Gehalt in der Atmosphäre von so 12
hohen Werten wie 100 ppb in den 1970er-Jahren auf 10 ppb im Jahr 2000 ab. Nur noch ein Viertel Millimeter der äußeren
Mauer von St. Paul’s verschwand zwischen 1990 und 2000.1,2

70

60
Emissionen (109 kg/Jahr)

SO2
50

40

30
NO2
20

NH3
10

1880 1910 1940 1970 2000 2030


Jahr

Geschätzte Emissionen über Europa. [R. F. Wright, T. Larssen, L. Camarero,


B. J. Crosby, R. C. Ferrier, R. Helliwell, M. Forsius, A. Jenkins, J. Kopáček, V.
Majer, F. Moldan, M. Posch, M. Rogora und W. Schöpp, „Recovery of Acidi-
fied European Surface Waters,“ Environ. Sci. Technol. 2005, 39, 64A.]
St. Paul’s Cathedral, London. [Pictor International/
Picture Quest.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
296 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

Dieses fakultative Kapitel liefert das Werkzeug zur Berechnung der Konzentrationen der
Spezies in Systemen mit mehreren Simultangleichgewichten.3 Am wichtigsten ist die in
Kapitel 7 behandelte systematische Betrachtung des Gleichgewichts. Danach kommt die
Tabellenkalkulation zur numerischen Lösung der entsprechenden Gleichungssysteme.
Dann werden wir sehen, wie die Aktivitätskoeffizienten in die Gleichgewichtsberechnun-
gen einbezogen werden. Die späteren Kapitel dieses Buchs können Sie jedoch auch ohne
Kapitel 12 verstehen.

12.1 Allgemeiner Umgang mit Säure-Base-Systemen

Die Behandlung von Gleichgewichts- Zuerst wird gezeigt, wie man vorzugehen hat, um die Konzentrationen der Spezies in
problemen in diesem Kapitel stammt Mischungen von Säuren und Basen zu bestimmen. Wir wollen eine wässrige Lösung
von Julian Roberts, University of Red- betrachten, die durch Auflösen von 20.0 mmol Natriumtartrat (Na+HT–), 15 mmol Pyri-
lands. diniumchlorid (PyH+Cl–) und 10.0 mmol KOH in einem Volumen von 1.00 L hergestellt
wurde. Wir wollen den pH-Wert und die Konzentrationen aller Teilchen in der Lösung
bestimmen.

HO OH

In diesem Beispiel werden die Säure- NH Cl


HO2C CO2H
konstanten von H2T mit K1 und K2 und
D-Weinsäure Pyridiniumchlorid
die Säurekonstante von PyH+ mit KS H2T PyH+Cl
bezeichnet. pK1 = 3.036; pK2 = 4.366 pKS = 5.20

Die chemischen Reaktionen und Gleichgewichtskonstanten bei der Ionenstärke μ=0 sind:

H2T U HT– + H+ K1 = 10–3.036 (12.1)


HT– U T2– + H+ K2 = 10–4.366 (12.2)
PyH+ U Py + H+ KS = 10–5.20 (12.3)
H2O U H+ + OH– KW = 10–14 (12.4)

Die Ladungsbilanz lautet


Beachten Sie den Faktor 2 vor [T2–], da
[H+] + [PyH+] + [Na+] + [K+] = [OH–] + [HT–]+ 2 [T2–] + [Cl–] (12.5)
das Ion die Ladung –2 trägt. Ein Mol
T2– leistet in der Ladungsbilanz einen Es gibt mehrere Massenbilanzen:
Beitrag von zwei Mol.
[Na+] = 0.020 0 M [K+] = 0.010 0 M [Cl–] = 0.015 0 M
[H2T] +[HT–]+ [T2–] = 0.020 0 M [PyH+] +[Py] = 0.015 0 M

Es gibt 10 unabhängige Gleichungen und 10 Spezies. Damit können wir sämtliche Kon-
zentrationen ausrechnen.

„Voneinander unabhängige“ Gleichun- Mit der folgenden systematischen Methode können wir diese Aufgabe ohne algebraische
gen können nicht ineinander umge- Verrenkungen lösen:
wandelt werden. Ein triviales Beispiel: Erster Schritt Formulierung des Bruchteils jeder Säure oder Base durch den α-Wert
Die Gleichungen a = b + c und 2a = 2b entsprechend Abschnitt 9.5
+ 2c sind nicht voneinander unabhän- Zweiter Schritt Einsetzen dieser Bruchteile sowie der bekannten Werte von Na+], [K+]
gig. Die drei Gleichgewichtskonstanten und [Cl–] in die Ladungsbilanz. Außerdem setzen wir [OH–] = KW/
KS, KB und KW für eine schwache Säure [H+]. Damit erhält man eine ziemlich komplizierte Gleichung mit [H+]
und ihre konjugierte Base ergeben nur als einziger Variablen.
zwei unabhängige Gleichungen, da KB Dritter Schritt Die zuverlässige Tabellenkalkulation liefert [H+].
aus KS und KW abgeleitet werden kann:
KB = KW/KS Hier ist eine kurze Zusammenfassung der Gleichungen für die Anteile der einzelnen For-
men für jede einprotonige Säure HA und jede zweiprotonige Säure H2A.
12.1 · Allgemeiner Umgang mit Säure-Base-Systemen 297

⎡H + ⎤ FHA
Einprotoniges System: ⎡⎣HA ⎤⎦ =  HA FHA = ⎣ + ⎦ (12.6a) FHA = [HA] + [A–]
⎡H ⎤ + K S
⎣ ⎦
K S FHA
⎡ A − ⎤ =  A FHA = (12.6b) FH2A= [H2A] + [HA–] + [A2–]
⎣ ⎦ −
⎡H + ⎤ + K S
⎣ ⎦
2
⎡H + ⎤ FH A
Zweiprotoniges System: ⎣⎡H2 A ⎦⎤ =  H A FH A = ⎣ ⎦ 2
(12.7a)
2
⎡ H + ⎤ + ⎡ H + ⎤ K 1 + K 1K 2
2 2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦

K1 ⎡⎣H + ⎤⎦ FH A
⎡HA − ⎤ =  HA FH A = 2
(12.7b)
⎣ ⎦ − 2
⎡ H ⎤ + ⎡ H ⎤ K 1 + K 1K 2
+ +
2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦

K1K 2FH A
⎡ 2− ⎤
⎣ A ⎦ =  A FH A =
2
2− 2 (12.7c) In Tabelle 10.5 stehen die α-Werte
⎡ H ⎤ + ⎡ H ⎤ K 1 + K 1K 2
+ +
2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦ für H3A

In jeder Gleichung ist αi der Anteil der entsprechenden Form, z. B. ist αA2– der Anteil der
Form A2– am gesamten zweiprotonigen System. Multiplikation von αA2– mit FH A (der Ge- 2

samt- oder Formalkonzentration von H2A ergibt die Konzentration von A2–.

Ausführung der Rechnung


Nun wird auf dem vorgeschlagenen Weg die Berechnung der Mischung von 0.020 0 M Natri-
umtartrat (Na+HT–), 0.015 0 M Pyridiniumchlorid (PyH+Cl–) und 0.010 0 M KOH gestartet.
Wir bezeichnen die Formalkonzentrationen mit FH T = 0.020 0 M und FPyH+ = 0.015 0 M. 2

Erster Schritt Formulierung des Bruchteils jeder Säure oder Base, die in der Ladungsbi-
lanz stehen, durch die α –Werte
12
⎡H + ⎤ FPyH
= ⎣ +⎦
+
⎡ PyH +⎤ = α PyH FPyH (12.8)
⎣ ⎦ + +
⎡H ⎤ + K S
⎣ ⎦

K1 ⎡⎣H + ⎤⎦ FH T
⎡HT − ⎤ = α HT FH T = 2
(12.9)
⎣ ⎦ − 2
⎡ H + ⎤ + ⎡ H + ⎤ K 1 + K 1K 2
2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦

K1K 2FH T
⎡T2 − ⎤ = α T FH T = 2
(12.10)
⎣ ⎦ 2− 2
⎡ H + ⎤ + ⎡ H + ⎤ K 1 + K 1K 2
2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦

Außer [H+] sind alle Größen auf den rechten Seiten der Gleichungen
bekannt.
Zweiter Schritt Einsetzen der rechten Seiten dieser Gleichungen für die entsprechenden
Größen dieser Bruchteile sowie der bekannten Werte von Na+], [K+] und
[Cl–] in die Ladungsbilanz (12.5). Außerdem wird [OH–] = KW/[H+] gesetzt.
[H+] + [PyH+] + [Na+] + [K+] = [OH–] + [HT–]+ 2 [T2–] + [Cl–] (12.5)
KS, K1, K2 und [H+] stehen in den
[H+] +  PyH+ FPyH++ [0.020 0] + [0.010 0]
α-Werten. Die einzige Variable in
(12.11)
= KW/[H+] +  HT FH T +2( T FH T) +[0.015 0]

2
2−
2
Gleichung 12.11 ist [H+].

Dritter Schritt Die Tabellenkalkulation in Abbildung 12.1 löst die Gleichung 12.11 für
[H+].
298 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

Wichtigster Schritt: Abschätzung eines In der Abbildung 12.1 stehen die Eingaben in den farbigen Zellen. Alles andere rechnet
Werts für [H+] und dessen Variierung das Programm aus. Die Werte für FH T , pK1, pK2, FPyH+, pKS und [K+] wurden in der Auf-
2

mit Excel Solver bis die Ladungsbilanz gabe gegeben. Der Anfangswert des pH in Zelle H13 ist eine Schätzung. Mit Excel Solver
stimmt. wird der pH variiert, bis die Summe der Ladungen in Zelle E15 Null wird. Die Spezies für
die Ladungsbilanz stehen in den Zellen B10:E13. [H+] in Zelle B10 wird aus dem pH, der
in Zelle H13 geschätzt wurde, berechnet. [PyH+] in Zelle B11 wird mit Gleichung 12.8
berechnet. Als bekannte Werte werden [Na+], [K+] und [Cl–] eingetragen. [OH–] wird aus
KW/[H+] berechnet. [HT–] und [T2–] in den Zellen E11 und E12 werden mit den Glei-
chungen 12.9 und 12.10 berechnet.
Die Summe der Ladungen, [H+] + [PyH+] + [Na+] + [K+] – [OH–] – [HT-] – 2[T2–]
– [Cl–], wird in Zelle E15 berechnet. Wenn der geschätzte pH in Zelle H15 richtig war,
ist die Ladungssumme Null. Tatsächlich beträgt die Summe –2.25 × 10–2 M. Mit Excel
Solver wird nun der pH in Zelle H13 verändert, bis die Ladungssumme in Zelle E15
Null ist.

Verwendung von Excel Solver


Im Excel-Arbeitsblatt wird oben links das Zeichen von Microsoft Office angeklickt und
unter den Excel-Optionen und Add-Ins das Programm Solver aufgerufen. Im Solver-
Fenster wird als Zielzelle E15 und als Zielwert 0 eingegeben. Die veränderbare Zelle ist
H13. Beim Beginn mit einem pH-Wert von 6 in Zelle H13 kommt durch Einstellung auf
pH = 4.298 eine Nettoladung von ~ 10–6 in Zelle E15 heraus. Der Grund für eine Ladung
von 10–6 statt 0 ist die voreingestellte Genauigkeit von Solver mit 10–6. Um einen Wert zu
erreichen, der näher bei 0 liegt, wird im Solver-Fenster bei Optionen geklickt und eine
Genauigkeit von 1E-16 eingegeben. Nun liefert Solver in Zelle E15 einen Wert für die
Ladung von ~10–16. Der pH in Zelle H13 ist immer noch 4.298 (auf drei Dezimalstellen).
Die pH-Differenz, die zur Verringerung der Gesamtladung von 10–6 auf 10–16 erforderlich
ist, kann man in der dritten Dezimale des pH nicht erkennen. Bei vielen chemischen
Problemen geht es um sehr große oder auch um sehr kleine Zahlen, für die es notwendig

A B C D E F G H I
1 Mischung aus 0.020 M Na+HT–, 0.015 M PyH+Cl– und 0.010 M KOH
2
3 FH2T = 0.020 FPyH+ = 0.015 [K+] = 0.010
4 pK1 = 3.036 pKS = 5.20 Kw = 1.00E-14
5 pK2 = 4.366 KS = 6.31E-06
6 K1 = 9.20E-04
7 K2 = 4.31E-05
8
9 Spezies in der Ladungsbilanz: Andere Konzentrationen:
10 [H+] = 1.00E-06 [OH-] = 1.00E-08 [H2T] = 4.93E-07
+ -
11 [PyH ] = 2.05E-03 [HT ] = 4.54E-04 [Py] = 1.29E-02
12 [Na+] = 0.020 [T2-] = 1.95E-02
13 [K+] = 0.010 [Cl-] = 0.015 pH = 6.000  geschätzter
14 pH in H13 wird mit Solver Anfangs-pH
15 Positive Ladung minus negative Ladung = -2.25E-02  solange geändert, bis der Wert Null ist
16 E15 = B10+B11+B12+B13-E10-E11-2*E12-E13
17 Überprüfung: [PyH+] + [Py] = 0.01500 (= B11+H11)
Abb. 12.1 Tabellenkalkulation für eine
Mischung von Säuren und Basen mit 18 Überprüfung: [H2T] + [HT–] + [T2–] = 0.02000
(= H10+E11+E12)
dem Programm Solver zur Ermittlung des 19
pH in Zelle H13, der die Ladungsbilanz 20 Formeln:
in Zelle E15 erfüllt. Die Summen [PyH+] 21 B6 = 10^-B4 B7 = 10^-B5 E5 = 10^-E4 E10 = H4/B10
+[Py] in Zelle D17 und [H2T] +[HT-]+ 22 B10 = 10^-H13 B12 = B3 B13 = H3 E13 = E3
[T2-] in Zelle D18 werden berechnet, um 23 E11 = B6*B10*B3/(B10^2+B10*B6+B6*B7) B11 = B10*E3/(B10+E5)
sicher zu sein, dass die Formeln für die
24 E12 = B6*B7*B3/(B10^2+B10*B6+B6*B7) H11 = E5*E3/(B10+E5)
einzelnen Spezies keinen Fehler haben.
Diese Summen sind pH-unabhängig. 25 H10 = B10^2*B3/(B10^2+B10*B6+B6*B7)
12.1 · Allgemeiner Umgang mit Säure-Base-Systemen 299

ist, die Genauigkeit von Solver richtig einzustellen. Die Konzentrationen nach der Solver-
Rechnung sind

A B C D E F G H
9 Spezies in der Ladungsbilanz: Andere Konzentrationen:
10 [H+] = 5.04E-05 [OH-] = 1.99E-10 [H2T] = 5.73E-04
11 [PyH+] = 1.33E-02 [HT-] = 1.05E-02 [Py] = 1.67E-03
12 [Na+ ]= 0.020 [T2-] = 8.95E-03
13 [K+] = 0.010 [Cl-] = 0.015 pH = 4.298
14
15 Positive Ladung minus negative Ladung = 9.71E-17

Unwissenheit ist ein Segen: Komplikation durch


Ionenpaare
Nun sollten wir aber mit unserem Wissen über die Behandlung komplizierter Systeme
nicht zu übermütig werden, denn wir haben die tatsächliche Situation sehr vereinfacht.
Erstens wurden bisher die Aktivitätskoeffizienten vernachlässigt, welche die Lösung
gewöhnlich um einige Zehntel einer pH-Einheit beeinflussen. In Abschnitt 12.2 wird ge-
zeigt, wie die Aktivitätskoeffizienten berücksichtigt werden.
Aber auch mit den Aktivitätskoeffizienten sind unsere Kenntnisse durch unbekannte
chemische Reaktionen begrenzt. In der Mischung von Mischung Natriumhydrogentartrat
(Na+HT–), Pyridiniumchlorid (PyH+Cl–) und KOH sind Ionenpaar-Gleichgewichte mög-
lich
⎡ NaT − ⎤
Na+ + T2– U NaT– K NaT = ⎣ ⎦ =8 (12.12)

⎡ Na + ⎤ ⎡T2 − ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦
⎡⎣ NaHT ⎤⎦ Gleichgewichtskonstanten aus A. E.
Na+ + HT– U Na+HT– K NaHT = = 1.6 (12.13)
⎡ Na + ⎤ ⎡HT− ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦ Martell, R. M. Smith und R. J. Motekai- 12
tis, NIST Standard Reference Database
Na+ + Py U PyNa+ K PyNa = 1.0+ (12.14) 46, Version 6.0, 2001.

K+ +T2– U KT– K KT = 3

K+ + HT– U KHT– K KHT = ?

PyH+ + Cl– U PyH+Cl– K PyHCl = ?

PyH+ + T2– U PyHT- K PyHT = ? −

Einige Gleichgewichtkonstanten sind für die Ionenstärke 0 angegeben. Für die anderen
Reaktionen sind sie nicht vorhanden, es gibt aber keinen Grund zu der Annahme, dass
diese Reaktionen nicht ablaufen.
Wie kann die Bildung von Ionenpaaren unserer Tabellenkalkulation zugefügt werden?
Zur Vereinfachung zeigen wir dies nur für die Reaktionen 12.12 und 12.13. Mit diesen
Reaktionen lautet die Massenbilanz für Natrium
[Na+]+[NaT–]+[NaHT] = FNa = FH T = 0.020 0 M 2
(12.15)
Aus den Ionenpaar-Gleichgewichten folgt = [NaT–] KNaT– [Na+][T2–]
und [NaHT] = KNaHT
[H+][HT–]. Mit diesen Substitutionen für [NaT–] und [NaHT] in der Massenbilanz für
Natrium erhalten wir für [Na+]
FH T2
[Na+] = (12.16)
1 + K NaT ⎡⎣T ⎤⎦ + K NaHT ⎡⎣HT − ⎤⎦

2−
300 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

Ein größeres Übel bei der Betrachtung der Ionenpaare besteht darin, dass sich die Glei-
chungen für die Anteile für [H2T], [HT–] und [T2–] ebenfalls ändern, da die Massenbilanz
nun fünf Spezies statt drei enthält
FH T = [H2T] +[HT–]+ [T2–] +[NaT–] + [NaHT]
2
(12.17)
Es müssen analog zu 12.9 und 12.10 neue Gleichungen aus der Massenbilanz 12.17 abge-
leitet werden.
1.0
Diese neuen Gleichungen für die Anteile der einzelnen Formen sind unangenehm. Des-
halb heben wir diesen Fall für die Aufgabe 12.19 auf. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Ionen-
0.9 paar-Gleichgewichte 12.12 und 12.13 den berechneten pH-Wert von 4.30 auf 4.26 verändern.
Diese Änderung ist nicht groß, deshalb führt die Vernachlässigung von Ionenpaaren mit
0.8 kleinen Gleichgewichtskonstanten nicht zu ernsten Fehlern. Wir finden, dass 7 % des Natri-
|z | = 1
ums in Ionenpaaren gebunden ist. Unsere Möglichkeiten zur Berechnung der Speziesverteilung
0.7
in einer Lösung werden durch die Kenntnis der entsprechenden Gleichgewichte begrenzt.
Aktivitätskoeffizient

0.6

0.5 Debye-Hückel 12.2 Aktivitätskoeffizienten


0.4
Selbst wenn wir alle Reaktionen und Gleichgewichtskonstanten in einem System kennen,
Davies
0.3 |z | = 2 können wir ohne die Aktivitätskoeffizienten die Konzentrationen nicht genau berechnen.
In Kapitel 7 wurde die erweiterte Debye-Hückel-Gleichung 7.6 für die Aktivitätskoeffizi-
0.2 enten mit den Größenparametern in Tabelle 7.1 besprochen. Viele wichtige Ionen stehen
nicht in dieser Tabelle und wir kennen ihre Größenparameter nicht. Deshalb führen wir
0.1 |z | = 3 die Davies-Gleichung ein, die diese Parameter nicht enthält:
0.0
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 ⎛  ⎞
Davies-Gleichung: log  = –0.51z² ⎜ − 0.3 ⎟ (bei 25 °C) (12.18)
Ionenstärke (M) ⎜1+  ⎟
⎝ ⎠
Abb. 12.2 Aktivitätskoeffizienten nach mit dem Aktivitätskoeffizienten γ für ein Ion der Ladung z bei der Ionenstärke μ. Glei-
der erweiterten Debye-Hückel- und der
Davies-Gleichung. Graues Gebiet: Aktivi-
chung 12.18 wird bis zu Ionenstärken μ ≈ 0.5 M verwendet (Abbildung 12.2), ist bei nied-
tätskoeffizienten nach Debye-Hückel für rigeren Ionenstärken jedoch genauer. Für die beste Genauigkeit werden die Gleichungen
Ionengrößen der Tabelle 7.1. von Pitzer verwendet (Kapitel 7, Literaturangabe 7).
Jetzt wird der primäre Standardpuffer aus 0.025 0 m KH2PO4 und 0.025 0 m Na2HPO4
betrachtet. Sein pH beträgt bei 25 °C 6.865 ± 0.006.4 Die Konzentrationseinheit m ist die
Eine 0.5 Gew% Lösung von KH2PO4 hat Molalität (Mol gelöster Stoff pro kg Lösungsmittel). Für genaue chemische Messungen
eine Molarität von 0.028 13 mol/L und werden Konzentrationen durch die Molalität statt der Molarität ausgedrückt, weil die
eine Molalität von 0.028 20 mol/kg. Der Molalität unabhängig von der Temperatur ist. Tabellierte Gleichgewichtskonstanten ver-
Unterschied beträgt 0.25%. wenden meist die Molalität, nicht die Molarität. Die Unsicherheiten der Gleichgewichts-
konstanten sind aber hinreichend groß, um die Differenz von 0.3 % zwischen Molalität
und Molarität in verdünnten Lösungen bedeutungslos zu machen.
Die Säure-Base-Gleichgewichtskonstanten für H3PO4 bei μ = 0 und 25 0C sind
⎡H2PO−4 ⎤ γH PO ⎡H + ⎤ γH
K1 = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ − +
H3PO4 U H2PO4– + H+ 2 4
= 10 −2.148 (12.19)
⎡⎣H3PO4 ⎤⎦ γ H PO 3 4

⎡HPO24− ⎤ γHPO ⎡H + ⎤ γH
K2 = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ 2− +
H2PO4– U HPO42– +H+ 4
=10 −7.198 (12.20)
⎡H2PO4− ⎤ γ H PO
⎣ ⎦ 2

4

⎡PO34− ⎤ γPO ⎡H + ⎤ γH
K3 = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
3− +
HPO42– U PO43– + H+ 4
=10 −12.375 (12.21)
⎡H2PO4− ⎤ γ H PO
⎣ ⎦ 2

4

K’2 ist der Konzentrationsquotient Die Gleichgewichtskonstanten werden aus den Konzentrationsquotienten bei mehreren
⎡⎣HPO ⎤⎦ ⎡⎣H ⎤⎦
2− + niedrigen Ionenstärken bestimmt und auf die Ionenstärke Null extrapoliert.
Für Ionenstärken ≠ 0 formen wir die Ausdrücke der Gleichgewichtskonstanten zur
4

⎡⎣H2PO 4− ⎤⎦
Einbeziehung der Aktivitätskoeffizienten für eine bestimmte Ionenstärke um und erhal-
bei einer bestimmten Ionenstärke. ten die konditionelle Gleichgewichtskonstante K´ bei dieser Ionenstärke.
12.2 · Aktivitätskoeffizienten 301

⎛ γ H PO ⎞ ⎡H2PO4− ⎤ ⎡H + ⎤
K1´ = K1 ⎜ 3 4
⎟= ⎣ ⎦⎣ ⎦ (12.22)
⎜ γH PO γ H ⎟ ⎡⎣H3PO4 ⎤⎦
⎝ 2

4
+

⎛ γH PO ⎞ ⎡HPO24− ⎤ ⎡H + ⎤
⎟= ⎣ ⎦⎣ ⎦

K 2´ = K 2 ⎜ 2 4
(12.23)
⎜ γHPO γH ⎟ ⎡H2PO4− ⎤
⎝ 2−
4
+
⎠ ⎣ ⎦

⎛ γ HPO ⎞ ⎡PO34− ⎤ ⎡H + ⎤
⎟= ⎣ ⎦⎣ ⎦
2−
K3´ = K 3 ⎜ 4
(12.24)
⎜ γ PO γH ⎟ ⎡HPO24− ⎤
⎝ 3−
4
+
⎠ ⎣ ⎦

Für die ionischen Spezies werden die Aktivitätskoeffizienten mit der Davies-Gleichung
12.18 berechnet. Für das neutrale Teilchen H3PO4 nehmen wie γ ≈ 1.00 an.
Nun erinnern wir uns an die Gleichungen für die Ionisation des Wassers Die Werte für KW stehen in Tabelle 6.1.

H2O U H+ + OH– K W = ⎣⎡H + ⎦⎤ γH ⎣⎡OH − ⎦⎤ γOH = 10−13.995


+ −

KW
KW´ = =⎡H + ⎤ ⎡OH − ⎤⎦ ⇒ ⎡⎣OH − ⎤⎦ = KW´/⎡⎣H + ⎤⎦ (12.25)
γ H γOH ⎣ ⎦ ⎣
+ −

pH = –log(⎡H + ⎤ γ H+ ) (12.26)
⎣ ⎦
Und so werden die konditionellen Gleichgewichtskonstanten benutzt:
Erster Schritt Lösung des Säure-Base-Problems mit den Konstanten K1, K2 und K3 für
die Ionenstärke μ = 0. In diesem 1. Schritt wird angenommen, dass die
Aktivitätskoeffizienten 1 sind.
Zweiter Schritt Aus den Ergebnissen des 1. Schritts wird die Ionenstärke berechnet.
Dann werden mit der Davies-Gleichung die Aktivitätskoeffizienten er-
mittelt. Mit diesen Aktivitätskoeffizienten bestimmt man nun die kondi-
tionellen Gleichgewichtskonstanten K1, , K 2, , K 3, und K W
,
.
Dritter Schritt Das Säure-Base-Problem wird nun mit den Konstanten K1, , K 2, , K 3, und
KW,
erneut gelöst. 12
Vierter Schritt Aus den Ergebnissen des dritten Schritts wird eine neue Ionenstärke und
ein neuer Satz von K´-Werten berechnet. Das Verfahren wird solange
wiederholt, bis die Ionenstärke konstant ist.

Nun soll der pH der Mischung von 0.025 0 M KH2PO4 und 0.025 0 M Na2HPO4 bestimmt
werden. Wir verwenden die chemischen Reaktionen 12.19 bis 12.21 sowie die Ionisation
des Wassers. Die Massenbilanzen lauten: [K+] = 0.025 0 M, [Na+] = 0.050 0 M und Ge-
samtphosphat ≡ FH P = 0.050 0 M. Die Ladungsbilanz lautet:
3

[Na+] + [K+] + [H+] = [H2PO4–] +2 [HPO42–] + 3[PO43–] + [OH–] (12.27)


Wir verfolgen die Strategie, solche Ausdrücke in die Ladungsbilanz einzusetzen, dass [H+]
die einzige Variable ist. Hierzu werden die Gleichungen für die anteilige Zusammenset-
zung der dreiprotonigen Säure H3PO4, abgekürzt H3P, verwendet:

K1, K 2, K 3, FH P
[P3–] = αP FH P =
3− 3 2
3
(12.28)
⎡ +⎤ ⎡ +⎤ , ⎡ +⎤ , ,
⎣ H ⎦ + ⎣ H ⎦ K 1 + ⎣ H ⎦ K 1K 2 + K 1K 2 K 3
3
, , ,

⎡H + ⎤ K1, K 2, FH P
⎣ ⎦
= α HP FH P =
3
[HP2–] 2− 3 2 (12.29)
⎡H ⎤ + ⎡H ⎤ K1, + ⎡H + ⎤ K1, K 2, + K1, K 2, K 3,
+ +
3

⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
2
⎡H + ⎤ K1, FH P
= ⎣ ⎦ 3
[H2P–] = α H P FH P − 3 2 (12.30)
⎡H ⎤ + ⎡H ⎤ K1, + ⎡H + ⎤ K1, K 2, + K1, K 2, K 3,
+ +
2 3

⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
302 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

3
⎡H + ⎤ FH P
⎣ ⎦
[H3P] = αH P FH P =
3
3 2 (12.31)
⎡H ⎤ + ⎡H ⎤ K1, + ⎡H + ⎤ K1, K 2, + K1, K 2, K 3,
+ +
3 3

⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦

In der Abbildung 12.3 wird alles in ein Arbeitsblatt eingetragen. Die Eingangswerte für
FKH PO ,FNa HPO , pK1, pK2, pK3 und pKW befinden sich in den farbigen Zellen. Wir schrei-
2 4 2 4

ben einen geschätzten pH-Wert in die Zelle H15 und die anfängliche Ionenstärke von 0
in die Zelle C19. In den Zellen A9:H10 werden die Aktivitäten mit der Davies-Gleichung
berechnet. Für μ = 0 sind alle Aktivitätskoeffizienten 1. In den Zellen A13:H16 werden die
Konzentrationen berechnet. [H+] in Zelle B13 ist (10–pH)/ H + = (10^-H15)/B9. In der Zelle
E18 wird die Ladungssumme berechnet.
Ein anfänglicher Schätzwert für den pH von 7 in Zelle H15 liefert bei der Ladungsbilanz
einen Wert von 0,005 6 M in der Ladungsbilanz und ist in der Abbildung 12.3 nicht gezeigt.
Mit dem Excel-Programm Solver wurde der pH in der Zelle H15 solange verändert, bis in
Zelle E18 für die Ladungsbilanz ein Wert in der Nähe von 0 herauskam. Dazu wurde bei
den Solver-Optionen die Präzision auf 1e-16 gesetzt. Die Abbildung 12.3 zeigt, dass nach
der Solver-Rechnung ein pH-Wert von 7.198 in der Zelle H15 zu einem Ladungsüberschuss
von 2 × 10–17 M führt. Die berechnete Ionenstärke in Zelle C20 ist 0.100 M.
Für die zweite Iteration wird die Ionenstärke 0.100 M in Zelle C9 der Abbildung 12.4
geschrieben. Damit erhält man automatisch die neuen Aktivitätskoeffizienten in den Zel-
len A9:H10 und neue konditionelle Gleichgewichtskonstanten in den Zellen H3:H6. Die
Ladungssumme in Zelle E18 ist nicht mehr in der Nähe von Null. Mit Hilfe von Solver

A B C D E F G H
1 Mischung aus KH2PO4 und Na2HPO4 mit Aktivitätskoeffizienten aus der Davies-Gleichung
2
3 FKH2PO4 = 0.0250 pK1 = 2.148 K1' = 7.11E-03
4 FNa2HPO4 = 0.0250 pK2 = 7.198 K2' = 6.34E-08
5 FH3P = 0.0500 (=B3+B4) pK3 = 12.375 K3' = 4.22E-13
6 pKw = 13.995 Kw' = 1.01E-14
7
8 Aktivitätskoeffizienten:
+ 2-
9 H = 1.00 H3P = 1.00 (festgelegt) HP = 1.00
10 OH- = 1.00 H2P-= 1.00 3-
P = 1.00
11
12 Spezies in der Ladungsbilanz: Andere Konzentrationen:
13 [H+] = 6.34E-08 [OH -] = 1.60E-07 [H3P] = 2.23E-07
14 +
[Na ] = 0.050000 [H2P-] = 2.50E-02
+ 2-
15 [K ] = 0.025000 [HP ] = 2.50E-02 pH = 7.198
16 [P3-] = 1.66E-07  Anfangswert ist
17 geschätzt
18 Positive Ladung minus negative Ladung = -2.27E-17
19 Ionenstärke = 0.0000 Anfangswert ist 0
20 Neue Ionenstärke = 0.1000 diesen Wert in Zelle C19 für die nächste Iteration
21 eintragen
22 Formeln:
23 H3 = 10^-E3*E9/(E10*B9) H4 = 10^-E4*E10/(H9*B9)
24 H5 = 10^-E5*H9/(H10*B9) H6 = 10^-E6/(B9*B10)
25 B9 = B10 = E10 = 10^(-0.51*1^2*(WURZEL($C$19)/(1+WURZEL($C$19))-0.3*$C$19))
26 H9 = 10^(-0.51*2^2*(WURZEL($C$19)/(1+WURZEL($C$19))-0.3*$C$19))
27 H9 = 10^(-0.51*2^2*(WURZEL($C$19)/(1+WURZEL($C$19))-0.3*$C$19))
28 B13 = (10^-H15)/B9 B14 = 2*B4 B15 = B3 E13 = H6/(B13)
29 E14 = B13^2*H3*B5/(B13^3+B13^2*H3+B13*H3*H4+H3*H4*H5)
30 E15 = B13*H3*H4*B5/(B13^3+B13^2*H3+B13*H3*H4+H3*H4*H5)
Abb. 12.3 Arbeitsblatt mit den Lösungen 31 E16 = H3*H4*H5*B5/(B13^3+B13^2*H3+B13*H3*H4+H3*H4*H5)
für das System 0.025 0 M KH2PO4 plus
32 H13 = B13^3*B5/(B13^3+B13^2*H3+B13*H3*H4+H3*H4*H5)
0.025 0 M Na2HPO4 mit der anfänglichen
33 E18 = B13+B14+B15-E13-E14-2*E15-3*E16
Ionenstärke 0 und den Aktivitätskoeffizi-
enten 1. 34 C20 = 0.5*(B13+B14+B15+E13+E14+4*E15+9*E16)
12.2 · Aktivitätskoeffizienten 303

A B C D E F G H
1 Mischung aus KH2PO4 und Na2HPO4 mit Aktivitätskoeffizienten aus der Davies-Gleichung
2
3 FKH2PO4 = 0.0250 pK1 = 2.148 K1' = 1.17E-02
4 FNa2HPO4 = 0.0250 pK2 = 7.198 K2' = 1.70E-07
5 FH3P = 0.0500 (=B3+B4) pK3 = 12.375 K3' = 1.86E-12
6 pKw = 13.995 K w' = 1.66E-14
7
8 Aktivitätskoeffizienten:
9 H+ = 0.78 H3P = 1.00 (festgelegt) HP 2- = 0.37
- - 3-
10 OH = 0.78 H2P = 0.78 P = 0.11
11
12 Spezies in der Ladungsbilanz: Andere Konzentrationen:
+ -
13 [H ] = 1.70E-07 [OH ] = 9.74E-08 [H3P] = 3.65E-07
14 [Na+] = 0.050000 [H2P-] = 2.50E-02
15 [K+] = 0.025000 [HP2-] = 2.50E-02 pH = 6.876
3-
16 [P ] = 2.73E-07  Anfangswert ist
17 geschätzt
Abb. 12.4 Zweite Iteration der Tabel-
18 Positive Ladung minus negative Ladung = 8.56E-17
lenkalkulation für das System 0.025 0 M
19 Ionenstärke = 0.1000 Anfangswert ist 0
KH2PO4 plus 0.025 0 M Na2HPO4 mit der
20 Neue Ionenstärke = 0.1000 diesen Wert in Zelle C19 für die nächste Iteration eintragen Ionenstärke 0.100 aus der ersten Iteration.

wird wieder der pH-Wert in Zelle H15 verändert, um zu einer Nettoladung von Null in
Zelle E18 zu kommen. Es wird ein Wert von 8.56 × 10–17 M in Zelle E 18 gefunden. Die
neue Ionenstärke in Zelle C20 ist bei 0.100 M geblieben, so dass wir fertig sind.
Wenn die neue Ionenstärke in der Zelle C20 der alten Ionenstärke in der Zelle C19
(auf drei Dezimalstellen) entspricht, sind keine weiteren Iterationen erforderlich.
Der pH in Zelle H15 der Abbildung 12.4 beträgt 6.876 und differiert vom zertifizierten
pH 6.865 um 0.111. Diese Differenz ist etwa so groß wie die zwischen einem gemessenen
und berechneten pH-Wert. Bei Verwendung der Aktivitätskoeffizienten für μ = 0.1 M mit
der erweiterten Debye-Hückel-Gleichung wäre der berechnete pH 6.859 und damit nur 12
noch 0.006 vom festgelegten Wert entfernt.
Manchmal findet Solver keine Lösung, weil die Präzision im Options-Fenster von
Solver zu niedrig eingesetzt wurde. Man kann die Präzision größer wählen und sehen,
ob Solver eine Lösung findet. Man kann auch einen anderen Schätzwert für den pH am
Beginn wählen.

Zurück zu den Grundlagen


Die Verwendung einer Tabellenkalkulation, bei der die Ladungsbilanz auf eine Nettola-
dung Null gebracht wird, eignet sich vorzüglich zur Lösung komplexer Gleichgewichts-
probleme. Wir hatten jedoch bereits in Kapitel 8 eine einfache, weniger strenge Methode
kennengelernt, den pH einer Mischung aus KH2PO4 plus Na2HPO4 zu bestimmen. Wir
erinnern uns, dass wir bei der Mischung einer schwachen Säure (H2PO4–) und ihrer kon-
jugierten Base (HPO42–), das bekommen, was wir gemischt haben. Der pH wird aus der
Henderson-Hasselbalch-Gleichung 8.18 mit Aktivitätskoeffizienten ermittelt

⎡A− ⎤ γ ⎡ HPO24−⎤ γHPO


pH = pK S + log ⎣ ⎦ A = pK 2 + log ⎣ ⎦
− 2−
4
(8.18)
⎡⎣HA ⎤⎦ γHA ⎡ H2PO4− ⎤ γ H PO
⎣ ⎦ 2

4

Für 0.025 0 M KH2PO4 plus 0.025 0 M Na2HPO4 beträgt die Ionenstärke

= ½ ∑ci zi = ½ ([K+]∙(+1)²+[H2PO4–]∙(–1)²+[Na+]∙(+1)²+[HPO42–]∙(–2)²)
2
μ
i

= ½ ([0.025]∙1+[0.025]∙1+[0.050]∙1+[0.025]∙4) = 0.100 M
304 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

Aus Tabelle 7.1 entnehmen wir die Aktivitätskoeffizienten bei μ = 0.1 M für H2PO4– mit
0.775 und für HPO42– mit 0.355 und setzen diese Werte in Gleichung 8.18 ein:

⎡0.025⎦⎤ 0.355
pKS = pK2 in Gleichung 8.18 gilt für
pH = 7.198 + log ⎣ = 6.859
μ = 0. ⎡⎣0.025⎤⎦ 0.775

Die Lösung ist gleich der, die wir mit der Tabellenkalkulation erhalten haben, denn die
Näherung, dass „was wir mischen, ist das was wir bekommen“ stimmt in unserem Fall
besonders gut.
Nun wissen Sie also, wie Sie den pH eines Puffers mit einer einfachen Rechnung be-
stimmen können. Die Nützlichkeit der Tabellenkalkulation mit der Ladungsbilanz zeigt
sich besonders dann, wenn man nicht das bekommt, was man gemischt hat, etwa weil die
Konzentrationen zu niedrig oder K2 nicht so klein waren oder zusätzliche Gleichgewichte
eine Rolle spielen.

Unwissenheit ist immer noch ein Segen


Selbst in einer einfachen Lösung wie KH2PO4 plus Na2HPO4, für die wir mit berechtigtem
Stolz den genauen pH-Wert berechnet haben, wurden einige Ionenpaar-Gleichgewichte
übersehen:
Es gibt einen entsprechenden Satz PO43– + Na+ U NaPO42– K = 27 HPO42– + Na+ U NaHPO4– K = 12
von Reaktionen für K+, deren Gleich-
H2PO4– + Na U NaH2PO4
+
K=2 NaPO42– + Na U
+
Na2PO4– K = 14
gewichtskonstanten denen für Na+
ähneln. Na2PO4– + H+ U Na2PO4– K = 5.4 × 1010
Die Zuverlässigkeit der berechneten Konzentrationen hängt davon ab, ob alle relevanten
Gleichgewichte bekannt sind und ob man die Beharrlichkeit hat, sie alle in die Berech-
nung einzubeziehen, was keineswegs trivial ist.
Für den konditionellen pK 2, -Wert für H3PO4 findet man im Tabellenwerk NIST Criti-
cally Selected Stability Constants Database 46 (2001) für eine Ionenstärke 0.1 M folgende
Angaben: 6.71 bei Na+-Hintergrund, 6.75 bei K+-Anwesenheit und 6.92 bei Anwesenheit
nicht näher bezeichneter Tetraalkylammoniumionen. Die Abhängigkeit der konditionel-
len pK-Werte von der Art des Neutralsalzes legt die Annahme nahe, dass Ionenpaare eine
merkliche Rolle in der Chemie wässriger Lösungen spielen.

12.3 Abhängigkeit der Löslichkeit vom pH

Ein wichtiges Beispiel des pH-Einflusses auf die Löslichkeit liefert die Karies. Der Zahn-
schmelz enthält das Mineral Hydroxyapatit, welches in der Nähe des Neutralpunktes
unlöslich ist. In saurer Lösung jedoch geht es in Lösung, weil die Hydoxyl- und die Phos-
phationen im Hydroxyapatit mit H+ reagieren:
Ca10(PO4)6(OH)2(s) + 14 H+ U 10 Ca2+ + 6H2PO4– + 2 H2O
Calciumhydroxyapatit

H3C H Bakterien auf der Zahnoberfläche metabolisieren Zuckermoleküle und produzieren


Milchsäure, wodurch der pH so stark sinkt, dass sich der Zahnschmelz allmählich löst.
HO CO2H Fluorid hemmt die Karies, weil Fluoroapatit Ca10(PO4)6F2 gebildet wird, der gegenüber
L-Milchsäure Säuren widerstandsfähiger ist als Hydroxyapatit.

Löslichkeit von CaF2


Das Mineral Fluorit, CaF2, (Abbildung 12.5) hat eine kubische Kristallstruktur und
lässt sich leicht spalten, wobei nahezu perfekte Oktaeder (Festkörper mit acht gleich-
seitigen Dreiecksflächen) entstehen. In Abhängigkeit von Verunreinigungen kann das
12.3 · Abhängigkeit der Löslichkeit vom pH 305

Mineral in verschiedenen Farben vorkommen und bei der Bestrahlung mit UV-Licht
fluoreszieren.
Die Löslichkeit von CaF2 wird durch das Löslichkeitsprodukt des Salzes KL, die Hydro- Die Löslichkeitsprodukte stehen im
lyse von F– und Ca2+ sowie durch die Ionenpaar-Bildung zwischen Ca2+ und F– bestimmt: Anhang F. Die Säurekonstante von
HF steht im Anhang G. Die Protolyse-
CaF2(s) U Ca2+ + 2 F KL = [Ca2+][ F–]2 = 3.2 × 10–11 (12.32)
konstante (auch Hydrolysekonstante
⎡H ⎤ ⎡F ⎤
+ −
genannt) für Ca2+ ist der Kehrwert
HF U H+ + F– K HF = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ = 6.6 × 10 4 (12.33) der Komplexbildungskonstanten von
⎣⎡HF ⎦⎤ CaOH+ im Anhang I. Die Bildungskons-
⎡CaOH + ⎤ ⎡H + ⎤ tante für CaF+ steht im Anhang J.
Ca2+ + H2O U CaOH+ + H+ K S= ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ = 2 × 10−13 (12.34)
⎡Ca 2 + ⎤
⎣ ⎦
⎡CaF+ ⎤
Ca2+ + F– U CaF+ K IP= ⎣ ⎦ = 4.3 (12.35)
⎡Ca 2 + ⎤ ⎡F− ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦
H2O U H+ + OH– KW = [H+] [OH–] = 1.0 × 10–14 (12.36)
Die Ladungsbilanz lautet:
Ladungsbilanz: [H+] + 2[Ca2+]+ [CaOH+] + [CaF+] = [OH–]+[F–] (12.37)
Zur Aufstellung der Massenbilanz müssen wir beachten, dass alle Calcium- und Fluo-
ridspezies aus dem CaF2 stammen. Deshalb ist das gesamte Fluorid das Doppelte des
gesamten Calcium:
2[Gesamtcalciumspezies] = [Gesamtfluoridspezies]
2{[Ca2+]+ [CaOH+] + [CaF+]} = [CaF+] + [HF]+[F–]
Massenbilanz: 2[Ca2+]+ 2 [CaOH+] + [CaF+] = [F–]+ [HF] (12.38)
Wir haben sieben unabhängige Gleichungen und sieben Unbekannte, als genügend Infor-
mationen zur Lösung der Aufgabe.
Wir lassen jetzt die Aktivitätskoeffizienten weg, Sie wissen ja, wie man mit ihnen So werden die Aktivitätskoeffizienten
umgeht. Sie würden zunächst die Aufgabe mit den als 1 angenommenen Aktivitätskoef- verwendet. 12
fizienten lösen, dadurch die Ionenstärke ermitteln und danach mit der Davies-Gleichung
die Aktivitätskoeffizienten bestimmen. Mit diesen würden Sie nun die konditionellen
Gleichgewichtskonstanten bestimmen und die Aufgabe erneut lösen. Nach jeder Iteration
finden Sie neue Ionenstärken und einen neuen Satz von Aktivitätskoeffizienten. Dieser
Vorgang wird solange fortgesetzt, bis die Ionenstärke konstant ist.

Ca
Abb. 12.5 Kristalle des Minerals Fluorit,
CaF2. Jedes Ca2+-Ion ist von acht F–Ionen
an den Ecken eines Würfels und jedes F-
Ion ist von vier Ca2+-Ionen an den Ecken
eines Tetraeders umgeben. Wenn Sie
sich die nächste Elementarzelle oberhalb
der abgebildeten vorstellen, sollten Sie
erkennen, dass das Ca2+-Ion im Zentrum
der oberen Fläche von vier F–Ionen der
0.546 nm gezeichneten und von vier F–Ionen der
darüber liegenden Elementarzelle um-
a b geben ist.
306 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

Wir wollen die sieben Gleichungen mit sieben Unbekannten auf eine einzige Glei-
chung mit einer Unbekannten reduzieren – doch das ist nicht einfach. Wir können
aber auch alle Konzentrationen mit Hilfe von H+ und F– ausdrücken und dadurch die
Massen- und Ladungsbilanz auf zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten zu redu-
zieren.
Folgende Substitutionen werden aus den Gleichgewichtsausdrücken benutzt:
[Ca2+] = KL /[ F–]2 [HF] = [H+][F–]/KHF

K S ⎡⎣Ca 2 + ⎤⎦ K SK L K IP K L
Der erste Ausdruck für [CaOH+] stammt [CaOH+] = = [CaF+] = KIP[Ca2+][F–] =
⎡H ⎤ +
⎡H + ⎤ ⎡F− ⎤
2
⎡F− ⎤
aus Gleichung 12.34. Der zweite Aus- ⎣ ⎦ ⎣ ⎦⎣ ⎦ ⎣ ⎦
druck wurde durch die Substitution
[Ca2+] = KL/[ F–]2 in die erste Gleichung Diese Ausdrücke werden in die Ladungsbilanz eingesetzt
erhalten.
[H+] + 2[Ca2+] + [CaOH+] + [CaF+] – [OH–] – [F–] = 0 (12.39a)
K SK L K IP K L K
[H+] + 2 KL /[ F–]2 + 2 + – W+ – [F–] = 0 (12.39b)
⎡⎣H ⎤⎦ ⎡⎣F ⎤⎦
+ − ⎡F− ⎤ ⎡H ⎤
⎣ ⎦ ⎣ ⎦
Beim Einsetzen in die Massenbilanz folgt
2[Ca2+]+ 2 [CaOH+] + [CaF+] – [F–] – [HF] = 0

2K S K L K IP K L [H+][F–]
2 KL/[ F–]2 + + – [F–
] – =0 (12.40)
⎡H + ⎤ ⎡F− ⎤
2
⎡F− ⎤ KHF
⎣ ⎦⎣ ⎦ ⎣ ⎦

Wir könnten mit einigen hässlichen Rechnungen aus Gleichung 12.39b den Wert für [H+]
berechnen und diesen in Gleichung 12.40 einsetzen. Dann hätten wir nur noch eine Glei-
chung mit [F–] als einziger Unbekannter.5
Bei Pufferzusatz gilt die Massenbilanz Stattdessen wollen wir eine Tabellenkalkulation für eine numerische Lösung verwenden.
weiter, die ursprüngliche Ladungs- Wir nehmen an, dass der pH-Wert durch einen Puffer konstant gehalten wird. Die Massen-
bilanz stimmt aber nicht mehr. bilanz gilt hinsichtlich der Beziehung zwischen Calcium und Fluorid auch weiterhin. Die
Ladungsbilanz gilt aber nicht mehr, denn mit dem Puffer werden zusätzliche Ionen in die
Lösung gebracht. Wir werden gleich einen Weg zur Lösung dieses Problems finden.
In der Tabellenkalkulation in Abbildung 12.6 wird der pH in Spalte A eingetragen. In
Spalte B berechnen Sie [H+] = 10–pH und tragen eine Schätzung für [F–] in Spalte C ein. Mit
diesen Werten für [H+] und [F–] wird die Massenbilanz 12-40 in Spalte D berechnet. Dann
wird mit Solver [F–] in Spalte C variiert, bis die Massenbilanz in Säule D Null wird.
Jede Zeile des Arbeitsblatts muss einzeln bearbeitet werden. Zum Beispiel wurde in
Zeile 10 der pH-Wert in Zelle A10 gleich 0 und in Zelle C10 für die Fluoridkonzentration
ein Schätzwert von 0.000 1 M eingesetzt. Vor Beginn der Solver-Rechnung wird bei den
Solver-Optionen eine Genauigkeit von 1E-16 eingegeben. Die Zielzelle D10 soll den Wert
0 annehmen und die veränderbare Zelle ist C10. Solver verändert den Wert von [F–] in
der Zelle C10 auf 3.517E-5, um die Massenbilanz in Zelle D10 zu erfüllen. Mit dem rich-
tigen Wert von [F–] aus Zelle C10 werden die Konzentrationen von Ca2+, CaOH+, CaF+,
HF und OH– in den Spalten E bis I berechnet. Anschließend führt man diese Operation
mit den Zeilen 11 bis 24 durch.
Die Abbildung 12.7 zeigt, wie sich die Konzentrationen mit dem pH-Wert verändern.
Bei niedrigem pH reagiert H+ mit F– zu HF und erhöht die Löslichkeit von CaF2. Die
Spezies CaF+ und CaOH+ spielen nur eine geringe Rolle, jedoch oberhalb von pH 12.6,
dem pKS-Wert von Reaktion 12.34, wird CaOH+ zu Hauptform des gelösten Calciums.
Die Fällungsreaktion von Ca(OH)2(s) wurde nicht berücksichtige. Ein Vergleich des
Produkts[Ca2+][OH–]2 mit KL von Ca(OH)2 zeigt, dass Ca(OH)2 zwischen pH 13 und 14
ausfallen sollte.
Wie wäre der pH, wenn kein Puffer vorhanden wäre? Spalte J gibt die Nettoladungen
von Gleichung 12.39a an, die alle Ionen, außer denen des Puffers, enthält. Der pH einer un-
gepufferten Lösung ist der Wert, bei dem in der Spalte J eine 0 erscheint. Die Nettoladung
12.3 · Abhängigkeit der Löslichkeit vom pH 307

A B C D E F G H I J
1 Bestimmung der Spezieskonzentration in einer gesättigten Lösung von Calciumfluorid
2
3 KL = 3.2E-11 Massenbilanz:
4 KHF = 6.8E-04 2KL 2KSKL KipKL 
[H][F ]
5 KS = 2.E-13    [F ]  0
6 Kip = 4.3
[F ]2 [H][F ]2 [F ] KHF
7 Kw = 1.0E-14 - Massen- Summe
[F ] durch
8 Eingabe SOLVER bilanz- der
9 pH
+
[H ] berechnet summe [Ca2+] [CaOH+ ] [CaF+ ] [HF] [OH-] Ladungen
10 0 1.E+00 3.517E-05 5.6E-17 2.6E-02 5.17E-15 3.9E-06 5.17E-02 1.0E-14 1.1E+00
11 1 1.E-01 7.561E-05 0.0E+00 5.6E-03 1.12E-14 1.8E-06 1.11E-02 1.0E-13 1.1E-01
12 2 1.E-02 1.597E-04 -7.6E-17 1.3E-03 2.51E-14 8.6E-07 2.35E-03 1.0E-12 1.2E-02
13 3 1.E-03 2.960E-04 -2.8E-17 3.7E-04 7.31E-14 4.6E-07 4.35E-04 1.0E-11 1.4E-03
14 4 1.E-04 3.822E-04 -1.2E-17 2.2E-04 4.38E-13 3.6E-07 5.62E-05 1.0E-10 1.6E-04
15 5 1.E-05 3.982E-04 -1.5E-17 2.0E-04 4.04E-12 3.5E-07 5.86E-06 1.0E-09 1.6E-05
16 6 1.E-06 3.999E-04 -7.8E-18 2.0E-04 4.00E-11 3.4E-07 5.88E-07 1.0E-08 1.6E-06
17 7 1.E-07 4.001E-04 -1.0E-17 2.0E-04 4.00E-10 3.4E-07 5.88E-08 1.0E-07 5.8E-08
18 8 1.E-08 4.001E-04 -1.0E-17 2.0E-04 4.00E-09 3.4E-07 5.88E-09 1.0E-06 -9.9E-07
19 9 1.E-09 4.001E-04 -1.1E-17 2.0E-04 4.00E-08 3.4E-07 5.88E-10 1.0E-05 -1.0E-05
20 10 1.E-10 4.004E-04 -2.5E-17 2.0E-04 3.99E-07 3.4E-07 5.89E-11 1.0E-04 -1.0E-04
21 11 1.E-11 4.028E-04 -8.7E-18 2.0E-04 3.95E-06 3.4E-07 5.92E-12 1.0E-03 -1.0E-03
22 12 1.E-12 4.252E-04 -2.5E-17 1.8E-04 3.54E-05 3.2E-07 6.25E-13 1.0E-02 -1.0E-02
23 13 1.E-13 5.770E-04 -5.5E-17 9.6E-05 1.92E-04 2.4E-07 8.48E-14 1.0E-01 -1.0E-01
24 14 1.E-14 1.104E-03 -2.0E-17 2.6E-05 5.25E-04 1.2E-07 1.62E-14 1.0E+00 -1.0E+00
25
26 B10 = 10^-A10 E10 = $B$3/C10^2 F10 = $B$5*$B$3/(B10*C10^2)
27 G10 = $B$6*$B$3/C10 H10 = B10*C10/$B$4 I10 = $B$7/B10
28 D10 = 2*$B$3/C10^2+2*$B$5*$B$3/(B10*C10^2)+$B$6*$B$3/C10-C10-B10*C10/$B$4
29 J10 = B10+2*E10+F10+G10-I10-C10

Abb. 12.6 Solver-Tabellenkalkulation für eine gesättigte Lösung von CaF2 bei festgelegten pH-Werten. 12

0 6
pH der an
CaF2 gesättigten
Lösung
–2 4
F–
Net charge in solution (10–8 M)

–4 Ca2+
log (Konzentration), M

–6
CaF+ 0
–8

–2
–10
HF
CaOH+ –4
–12

–14 –6
0 2 4 6 8 10 12 14 7.00 7.05 7.10 7.15 7.20
pH pH

Abb. 12.7 pH-Abhängigkeit der Spezies in einer Abb. 12.8 Nettoladung in einer gesättigten
gesättigten Lösung von CaF2. Bei sinkendem pH Lösung von CaF2, da H+, Ca2+, CaOH+, CaF+, OH–
reagiert H+ mit F– zu HF und [Ca2+] steigt an. Be- und F– pH-abhängig sind. Bei pH 7.10 ist die
achten Sie die logarithmische Ordinate. Nettoladung in ungepufferter Lösung 0.
308 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

liegt in der Nähe von pH 7 bei Null. Genauere Berechnungen in der Abbildung 12.8 zeigen,
dass die Nettoladung bei pH 7.10 den Wert 0 hat. Daraus folgt, dass eine gesättigte Lösung
von CaF2 einen pH-Wert von 7.10 hat (bei Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizienten).

Saurer Regen löst Minerale und bringt Umweltgefahren


Im Allgemeinen haben die Salze mit basischen Ionen, wie F–, OH–, S2–, CO32–, C2O42– und
PO43– bei niedrigem pH eine erhöhte Löslichkeit, da die Anionen mit H+ reagieren. Abbil-
dung 12.9 zeigt, dass sich Marmor, der hauptsächlich aus CaCO3 besteht, viel leichter löst,
wenn die Azidität des Regens zunimmt. Die Säure im Regen stammt vor allem aus den
SO2-Emissionen durch die Verbrennung schwefelhaltiger Kraft- und Brennstoffe sowie
aus Stickstoffoxiden, die bei allen Arten der Verbrennung entstehen. SO2 regiert in der
Luft bis zur Schwefelsäure (SO2 + H2O → H2SO3 mit nachfolgender Oxidation zu H2SO4),
die dann mit dem Regenwasser auf die Erde fällt.
Aluminium ist das dritthäufigste Element in der Erdkruste (nach Sauerstoff und Sili-
cium), aber es ist fest in unlöslichen Mineralen wie Kaolinit (Al2(OH)4Si2O5) und Bauxit
(AlOOH) fixiert. Der saure Regen als Ergebnis menschlichen Handelns stellt für unseren
0.30 Planeten eine aktuelle Veränderung dar, die lösliche Formen von Aluminium (und Blei
[Ca ] im Ablauf (mM)

und Quecksilber) in die Umwelt einbringt.6 Abbildung 12.10 zeigt, dass Aluminium un-
0.20
terhalb von pH 5 aus Mineralen mobilisiert wird und seine Konzentration im Wasser von
Seen stark ansteigt. Bei Konzentrationen von 130 μg/L werden Fische durch Aluminium
getötet. Beim Menschen verursachen hohe Aluminiumkonzentrationen Demenz, Kno-
2+

0.10
pH 4 chenerweichung und Anämie. Aluminium steht unter dem Verdacht, eine Ursache für die
pH 5 Alzheimer-Erkrankung zu sein. Während die metallischen Elemente aus den Mineralen
0
0 0.04 0.08 0.12 0.16
durch Säuren freigesetzt werden, regulieren organische Stoffe ihre Konzentration und
+
[H ] im Regen (mM) Verfügbarkeit in der Umwelt, indem sie mit ihnen Bindungen eingehen.7

Abb. 12.9 Die gemessenen Werte für


Calcium im Ablauf des Regenwassers von
Marmor (CaCO3) steigen mit Zunahme Löslichkeit von Bariumoxalat
von [H+] im Regenwasser erkennbar an.
[P. A. Baedecker und M. M. Reddy, „The Nun wird die Auflösung von Ba(C2O4) betrachtet, dessen Anion zwei Protonen aufneh-
Erosion of Carbonate Stone by Acid Rain,“ men kann und dessen Kation eine schwache Säure ist.8 Folgende Reaktionen sind zu
J. Chem. Ed. 1993, 70, 104.] berücksichtigen:
Ba(C2O4)(s) U Ba2+ + C2O42– KL = [Ba2+] [(C2O4)2–] = 1.0 × 10–6 (12.41)
HO O
⎡H + ⎤ ⎡HC 2O−4 ⎤
C C H2C2O4 UH+ + HC2O4– K1 = ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ = 5.4 ×10 −2 (12.42)
O OH ⎣⎡H2C 2O4 ⎦⎤
Oxalsäure

7.0

Konzentrationen > 130 μg/L


6.5 gefährden die Fische

6.0
pH

5.5
Abb. 12.10 Beziehung zwischen dem
Gesamtaluminiumgehalt (einschließlich
der gelösten und suspendierten Spezies) 5.0
in 1 000 norwegischen Seen und dem pH
des Seewassers. Je saurer das Wasser ist,
desto höher ist die Aluminiumkonzen- 4.5
tration. [G. Howells, Acid Rain and Acid
Waters, 2nd ed. (Hertfordshire: Ellis Hor- 0 100 200 280
wood, 1995).] Total Al (μg/L)
12.3 · Abhängigkeit der Löslichkeit vom pH 309

⎡H + ⎤ ⎡C 2O24− ⎤
HC2O4– U H+ + C2O42– K 2 = ⎣ ⎦ ⎣ − ⎦ = 5.42 ×10 −3 (12.43)
⎡HC 2O4 ⎤
⎣ ⎦

⎡H + ⎤ ⎡BaOH + ⎤
Ba2+ + H2O U BaOH+ + H+ K S = ⎣ ⎦ ⎣ 2+ ⎦ = 4.4 ×10 −14 (12.44) Ba2+ ist eine schwache Säure
⎡Ba ⎤
⎣ ⎦

⎡ Ba (C 2O4 ) (aq)⎤
Ba2+ + C2O42– U Ba(C2O4)(aq) K IP = ⎣ 2 + ⎦ = 2.1×102 (12.45) Ionenpaar-Bildung
⎡Ba ⎤ ⎡C 2O24− ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦

Der Wert für KL gilt für μ = 0.1 M und 20 °C, K IP für μ = 0 und 18 °C, K1, K2 und KS für
μ = 0 und 25 °C. Da wir nichts Besseres haben, verwenden wir diesen Mix von Gleichge-
wichtskonstanten.
Die Ladungsbilanz lautet
Ladungsbilanz: [H+] + 2[Ba2+] + [BaOH+] = [OH–] + [HC2O4–] + 2[C2O42–] (12.46)
Die Massenbilanz besagt, dass die Stoffmenge in Mol von Barium und Oxalat gleich sind:
[Gesamt-Bariumspezies] = [Gesamt-Oxalatspezies]
[Ba2+] +[BaOH+] + Ba(C2O4)(aq) = [H2C2O4] +[HC2O4–] + [C2O42–] + Ba(C2O4)(aq)
Massenbilanz: [Ba2+] + [BaOH+] = [H2C2O4] +[HC2O4–] + [C2O42–] (12.47) Wir definieren FBa und FH2Ox, um das
  Ionenpaar Ba(C2O4)(aq) auszuschließen.
FBa FH2Ox
Wir haben acht Unbekannte und acht unabhängige Gleichungen (einschließlich [OH–] =
KW/[H+]) und damit genügend Informationen, um die Konzentrationen aller Spezies zu
bestimmen.
Zur Betrachtung der Ionenpaar-Bildung addieren wir die Reaktionen 12.41 und 12.45
und erhalten
Ba(C2O4)(s) U Ba(C2O4)(aq) K = [Ba(C2O4)(aq)] = KLKIP = 2.1 × 10–4 (12.48). Das Ionenpaar Ba(C2O4)(aq) hat in

Das bedeutet, dass die Konzentration des Ionenpaars [Ba(C2O4)(aq)] konstant 2.1 × 10 –4 diesem System eine konstante Kon-
zentration.
12
M beträgt, solange ungelöstes Ba(C2O4)(s) vorhanden ist.
Nun kommen sie wieder: die Gleichungen für die anteilige Zusammensetzung. Mit
der Abkürzung H2Ox für die Oxalsäure können wir schreiben:
2
⎡H + ⎤ FH Ox
[H2Ox] =  H Ox FH Ox = ⎣ ⎦ 2
(12.49) FH2Ox = [H2C2O4] + [HC2O4–] + [C2O42–]
2
⎡ H ⎤ + ⎡ H + ⎤ K 1 + K 1K 2
+
2 2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦

K1 ⎡⎣H + ⎤⎦ FH Ox
[HOx–] = α HOx FH Ox =
− 2
2
(12.50)
⎡ H ⎤ + ⎡ H ⎤ K 1 + K 1K 2
+ +
2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦

K1K 2FH Ox
[Ox2–] = α Ox FH Ox =
2− 2
2
(12.51)
⎡ H + ⎤ + ⎡ H + ⎤ K 1 + K 1K 2
2

⎣ ⎦ ⎣ ⎦

Auch Ba2+ und BaOH+ sind ein konjugiertes Säure-Base-Paar. Ba2+ verhält sich wie eine
einprotonige Säure HA und BaOH+ ist die konjugierte Base A–.

⎡H + ⎤ FBa
[Ba2+] = αBa FBa = ⎣ + ⎦
2+ (12.52) FBa= [Ba2+] + [BaOH+]
⎡H ⎤ + K S
⎣ ⎦

K SFBa
[BaOH–] = α BaOH FBa = + (12.53)
⎡H + ⎤ + K S
⎣ ⎦
310 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

Nun nehmen wir an, dass der pH durch Zusatz eines Puffers festgelegt ist (wodurch die
Ladungsbilanz 12.46 nicht mehr gilt). Für das Löslichkeitsprodukt können wir schreiben
KL = [Ba2+][C2O42–] = α Ba FBa × α Ox FH Ox
2+ 2−
2

Die Massenbilanz 12.47 sagt uns, dass FBa = FH Ox und damit 2

KL = αBa FBa × αOx FH Ox = αBa FBa × αOx FBa


2+ 2−
2
2+ 2−

KL
⇒ FBa = (12.54)
α Ba αOx
2+ 2−

Im Arbeitsblatt der Tabellenkalkulation in Abbildung 12.11 wird der pH-Wert in Spalte


A eingetragen. Aus diesem pH und den bekannten Größen K1 und K2 und werden die
Anteile αH Ox, αHOx und αOx mit den Gleichungen 12.49 bis 12.51 in den Spalten C, D
2
− 2−

und E berechnet. Aus dem pH und KS werden die Werte von αBa und αBaOH mit den 2+ +

Gleichungen 12.52 und 12.53 in Spalten F und G berechnet. Die Gesamtkonzentra-


tionen von Barium und Oxalat FBa und FH Ox sind gleich und werden in der Spalte H
2

A B C D E F G H
1 Bestimmung der Konzentrationen aller Spezies in einer gesättigten Lösung
2 von Bariumoxalat
3 KL = 1.0E-06 K1 = 5.4E-02 Kip = 2.1E+02
4 KS = 4.4E-14 K2 = 5.42E-05 Kw = 1.0E-14
5 FBa
+
6 pH
+
[H ] (H2Ox) (HOx )
-
(Ox 2-) (Ba2+) (BaOH ) = FH2Ox
7 0 1.E+00 9.5E-01 5.1E-02 2.8E-06 1.0E+00 4.4E-14 6.0E-01
8 2 1.E-02 1.6E-01 8.4E-01 4.6E-03 1.0E+00 4.4E-12 1.5E-02
9 4 1.E-04 1.2E-03 6.5E-01 3.5E-01 1.0E+00 4.4E-10 1.7E-03
10 6 1.E-06 3.4E-07 1.8E-02 9.8E-01 1.0E+00 4.4E-08 1.0E-03
11 7.643 2.E-08 1.8E-10 4.2E-04 1.0E+00 1.0E+00 1.9E-06 1.0E-03
12 8 1.E-08 3.4E-11 1.8E-04 1.0E+00 1.0E+00 4.4E-06 1.0E-03
13 10 1.E-10 3.4E-15 1.8E-06 1.0E+00 1.0E+00 4.4E-04 1.0E-03
14 12 1.E-12 3.4E-19 1.8E-08 1.0E+00 9.6E-01 4.2E-02 1.0E-03
15 14
12 1.E-14 3.4E-23 1.8E-10 1.0E+00 1.9E-01 8.1E-01 2.3E-03
16
17 Netto-
2-
18 pH 2+
[Ba ] [BaOH ]
+
[H2Ox] [HOx-)]
(Ox [Ox 2-] [OH-] Ladung
19 0 6.0E-01 2.6E-14 5.7E-01 3.1E-02 1.7E-06 1.0E-14 2.2E+00
20 2 1.5E-02 6.5E-14 2.3E-03 1.2E-02 6.7E-05 1.0E-12 2.7E-02
21 4 1.7E-03 7.4E-13 2.0E-06 1.1E-03 5.9E-04 1.0E-10 1.2E-03
22 6 1.0E-03 4.4E-11 3.4E-10 1.8E-05 9.9E-04 1.0E-08 1.9E-05
23 7.643 1.0E-03 1.9E-09 1.8E-13 4.2E-07 1.0E-03 4.4E-07 6.9E-18
24 8 1.0E-03 4.4E-09 3.4E-14 1.8E-07 1.0E-03 1.0E-06 -8.1E-07
25 10 1.0E-03 4.4E-07 3.4E-18 1.8E-09 1.0E-03 1.0E-04 -1.0E-04
26 12 9.8E-04 4.3E-05 3.5E-22 1.9E-11 1.0E-03 1.0E-02 -1.0E-02
27 14 4.3E-04 1.9E-03 7.9E-26 4.3E-13 2.3E-03 1.0E+00 -1.0E+00
28
29 B7 = 10^-A7 B19 = F7*H7
30 C7 = $B7^2/($B7^2+$B7*$E$3+$E$3*$E$4) C19 = G7*H7
31 D7 = $B7*$E$3/($B7^2+$B7*$E$3+$E$3*$E$4) D19 = C7*H7
Abb. 12.11 Arbeitsblatt für eine ge-
sättigte Lösung von Ba(C2O4). Das Pro- 32 E7 $E$3*$E$4/($B7^2+$B7*$E$3+$E$3*$E$4) E19 = D7*H7
gramm Solver wurde zur Ermittlung des 33 F7 = B7/(B7+$B$4) F19 = E7*H7
pH in Zelle A11 benutzt. Dieser Wert ist 34 G7 = $B$4/(B7+$B$4) G19 = $H$4/B7
erforderlich, damit die Nettoladung in
Zelle H23 Null wird. 35 H7 = SQRT($B$3/(E7*F7)) H19 = B7+2*B19+C19-G19-E19-2*F19
12.4 · Analyse von Säure-Base-Titrationen mit Differenz-Plots 311

0
aus Gleichung 12.54 berechnet. Bei einer realen Tabellenkalkulation müssten wir nun
rechts mit der Spalte I fortfahren. Damit aber die Rechnung auf eine Druckseite passt, –1
wurde die Rechnung in Zeile 18 fortgesetzt. In diesem unteren Abschnitt der Abbildung Ba2+
werden die Konzentrationen von [Ba2+] und [BaOH+] mit den Gleichungen 12.52 und pH 7.64
–2 ohne
12.53 berechnet. [H2C2O4], [HC2O4–] und [C2O42–] ergeben sich aus den Gleichungen Puffer
12.49 bis 12.51.

log (Konzentration), M
Ox2–
Die Nettoladung (=[H+]+2[Ba2+]+[BaOH+]–[OH–]–[HC2O4–]–2[C2O42–]) wird ab Zelle –3
Ba2+
H19 berechnet. Hätten wir keinen Puffer zugesetzt, wäre die Nettoladung Null. In unse-
rem Fall geht die Nettoladung zwischen pH 6 und 8 von positiven zu negativen Werten. BaOx(aq)
–4
Mit Hilfe von Solver finden wir den pH-Wert in Zelle A11, der die Nettoladung in Zelle
H23 Null werden lässt (Solver Präzision = 1e-16). Der pH, 7.64, ist der pH der ungepuf-
ferten Lösung. –5 Ox2–

Der Ergebnisse in Abbildung 12.12 zeigen, dass die Löslichkeit von Bariumoxalat im HOx– BaOH+
mittleren pH-Bereich gleichbleibend bei 10–3 M liegt. Die Löslichkeit wächst unter pH 5, –6
weil C2O42– mit H+ zu HC2O4– reagiert. Die Löslichkeit steigt oberhalb von pH 13, weil Ba2+ H2Ox
mit OH– zu BaOH+ reagiert.
–7
Zum Schluss sehen wir, dass die Löslichkeit von Ba(OH)2(s) nicht überschritten wird. 0 2 4 6 8 10 12 14
Das Produkt [Ba2+][OH–]2 überschreitet unterhalb von pH 13.9 den Wert von KL= 3 × 10–4 pH
nicht. Wir können vorhersagen, dass Ba(OH)2(s) ab pH=13.9 ausfällt.
Abb. 12.12 pH-Abhängigkeit der Spezies-
konzentration in einer gesättigten Lösung
12.4 Analyse von Säure-Base-Titrationen von Ba(C2O4). Bei pH-Erniedrigung reagiert
H+ mit C2O42– zu HC2O4– und H2C2O4 und die
mit Differenz-Plots9 Konzentration von Ba2+ steigt an.

Ein Differenz-Plot, auch Bjerrum-Plot genannt, eignet sich sehr gut, um aus Titrations-
kurven, die mit einer Elektrode gemessen wurden, Komplexstabilitäts- oder Säurekon-
stanten zu bestimmen. Hier wird die Anwendung auf eine Säure-Base-Titrationskurve
behandelt.
Es wird die Schlüsselgleichung für eine zweiprotonige Säure, H2A, abgeleitet und auf Niels Bjerrum (1879–1958) war ein
eine allgemeine Säure, HnA, erweitert. Die mittlere Zahl von Protonen, die in H2A gebun- dänischer Physikochemiker, der grund-
den sind, liegt zwischen 0 und 2 und ist wie folgt definiert legende Beiträge zur anorganischen 12
Koordinationschemie geleistet hat und
Stoffmenge der gebundenen H + 2 ⎡⎣H2 A ⎤⎦ + ⎣⎡HA − ⎦⎤ dem wir viele Kenntnisse über Säuren
nH = = (12.55)
Gesamtstoffmenge der schwachen Säure ⎣⎡H2 A ⎦⎤ + ⎡HA − ⎤ + ⎡ A 2 − ⎤ und Basen sowie über die Titrations-
⎣ ⎦ ⎣ ⎦
kurven verdanken.10
Wir können n H durch eine Titration bestimmen, die mit einer Mischung aus A mmol
H2A und C mmol HCl in V0 mL beginnt. Der Säurezusatz ist erforderlich, um die Proto-
nierung von H2A, welches bei Abwesenheit von HCl teilweise dissoziiert ist, zu erhöhen.
Nun wird die Lösung mit Standard-NaOH der Konzentration CB mol/L titriert. Nach
Zugabe von ν mL NaOH liegen in der Lösung CBv mmol Na+ vor.
Zur Einhaltung einer nahezu konstanten Ionenstärke enthält die Lösung aus H2A und
HCl zusätzlich 0.10 M KCl und die Konzentrationen von H2A und HCl sollten sehr viel
kleiner als 0.10 M sein. Die Konzentration der NaOH hingegen sollte hinreichend groß
sein, damit das zugesetzte Volumen gegenüber V0 klein ist.
Die Ladungsbilanz für die Titration lautet
[H+] + [Na+] + [K+] = [OH–] + [Cl–]HCl + [Cl–]KCl + [HA–] + 2[A2–]
wobei [Cl–]HCl aus HCl und [Cl–]KCl aus KCl stammen. Wegen [K+] = [Cl–]KCl heben sich
diese Beträge auf und die Nettoladungsbilanz lautet
[H+] + [Na+] = [OH–] + [Cl–]HCl + [HA–] +2 [A2–] (12.56)
Der Nenner in Gleichung 12.55 ist FH A = [H2A] +
2
[HA–]+ [A2–]. Der Zähler kann als 2
FH A – [HA–] – 2[A2–] geschrieben werden. Daraus ergibt sich
2

2FH A − ⎡⎣HA − ⎤⎦ − 2 ⎡⎣ A 2 − ⎤⎦
nH = 2
(12.57)
FH A
2
312 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

Aus Gleichung 12.56 können wir schreiben: – [HA–] – 2[A2–] = [OH–] + [Cl–]HCl – [H+] –
[Na+]. Setzen wir dies in den Zähler von Gleichung 12.57, ergibt sich

2FH A + ⎡⎣OH − ⎤⎦ + ⎡⎣Cl − ⎤⎦ − ⎡⎣H + ⎤⎦ − ⎡⎣ Na + ⎤⎦ ⎡OH − ⎤ + ⎡Cl − ⎤ − ⎡H + ⎤ − ⎡ Na + ⎤


nH = 2 HCl
=2+ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ HCl ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
FH A2
FH A
2

Für eine allgemeine mehrprotonige Säure, HnA, beträgt die mittlere Zahl der gebundenen
Protonen

⎡OH − ⎤ + ⎡Cl − ⎤ − ⎡H + ⎤ − ⎡ Na + ⎤
nH = n +
⎣ ⎦ ⎣ ⎦ HCl ⎣ ⎦ ⎣ ⎦
(12.58)
FH A n

Jeder Term auf der rechten Seite der Gleichung 12.58 ist während der Titration bekannt.
Für die Reagenzien, die vor Titrationsbeginn gemischt wurden, gilt
mmol H2 A A mmol HCl C
FH A = = [Cl–]HCl = =
2
Gesamtvolumen V0 + v Gesamtvolumen V0 + v

mmol NaOH C v
[Na+] = = B
Gesamtvolumen V0 + v
[H+] und [OH–] werden mit einer Glaselektrode gemessen und wie folgt berechnet: Die
,
konditionelle Konstante von KW für die Ionenstärke μ = 0.10 M sei K W = KW/( H  OH ) = + −

[H ] [OH ] (Gleichung 12.25). Wegen pH = –log [H ] H schreiben wir


+ – +
+

10 −pH ,
KW (pH − pK ) γ ,

[H+] = [OH–] = = 10 H
W
+

γH ⎡H ⎤
+
+
⎣ ⎦

Durch Einsetzen in Gleichung 12.58 erhält man die gemessene Zahl der durchschnittlich
gebundenen Protonen:

Experimentell bestimmte Zahl


(pH − pK W, ) C 10 − pH
der durchschnittlich an die Säure 10 γH + + + − CBv / (V0 − v )
V0 + V γH +
gebundenen Protonen n H (gemessen) = n + (12.59)
A / (V0 − v )

Ein Differenz-Plot, oder Bjerrum-Plot, ist bei Säure-Base-Titrationen die graphische


Darstellung der durchschnittlich an die Säure gebundenen Protonen gegen den pH-Wert.
Dieser Wert n H wird mit Gleichung 12.59 berechnet. Bei Komplexbildungsreaktionen
wird im Differenz-Plot die durchschnittliche Zahl der Liganden, die an ein Metall gebun-
den sind, gegen pL (= –log L) aufgetragen.
Die Gleichung 12.59 liefert die Messwerte für n H. Aber wie ist der theoretische Wert?
Bei einer zweiprotonigen Säure wird die durchschnittliche Zahl der an die Säure gebun-
denen Protonen von den Anteilen der vorliegenden protonierten Formen H2A und HA–
bestimmt:
Wenn die Gleichung 12.60 nicht klar
ist, kann sie aus Gleichung 12.55 abge- n H (theoretisch) = 2 H2 A+ HA− (12.60)
leitet werden. Hierzu wird die rechte
Seite der Gleichung umgeformt: mit  H A , dem Anteil der Säure in der Form H2A und  HA , dem Anteil der Säure in der
2

2 ⎡⎣H2 A ⎤⎦ + ⎡⎣HA ⎤⎦ − Form HA–. Die Gleichungen für die beiden α-Werte sollten Sie selbst im Schlaf aufschrei-
= ben können:
⎡⎣H2 A ⎤⎦ + ⎡⎣HA − ⎤⎦ + ⎡⎣A 2− ⎤⎦
[H + ]2 K1[H + ]
2 ⎡⎣H2 A ⎤⎦ + ⎣⎡HA − ⎦⎤ 2 ⎡⎣H2 A ⎤⎦ ⎡⎣HA − ⎤⎦ H A = + 2
+
 HA = + 2 − (12.61)
= + =
2
[H ] + [H ]K1 + K1K 2 [H ] + [H + ]K1 + K1K 2
FH A
2
FH A
2
FH A
2

2α H A + α HA
2

Wir gewinnen K1 und K2 aus einer experimentellen Titrationskurve, indem wir mit
Gleichung 12.59 einen Differenz-Plot konstruieren. Dazu tragen wir in einer Graphik n
gemessen gegen pH auf. Dann passen wir die theoretische Kurve (Gleichung 12.60) der
12.4 · Analyse von Säure-Base-Titrationen mit Differenz-Plots 313

experimentellen Kurve mit der Methode der kleinsten Quadrate an, um die Werte von K1
und K2 zu finden, welche die Summe der Residuen minimieren:
Bei den besten Werten für K1 und K2
∑ (Residuen ) = ∑ ⎡⎣nH (gemessen )− nH (theoretisch )⎤⎦
2 2
(12.62) hat die Quadratsumme der Residuen
ein Minimum
In Abbildung 12.13 stehen die experimentellen Daten für eine Titration der Aminosäure
Glycin. Die Ausgangslösung von 40.0 mL enthielt 0.190 mmol Glycin plus 0.232 mmol
HCl, um den Anteil der voll protonierten +H3NCH2COOH zu erhöhen. Es wurden Ali- +H NCH COOH
3 2
quote von 0.490 5 M NaOH zugesetzt und der pH nach jeder Zugabe gemessen. Volumina Glycin
und pH-Werte stehen in den Spalte A und B, beginnend in Zeile 16. Der pH war auf 0.001 pK1 = 2.35 bei μ = 0
Einheiten reproduzierbar, die Richtigkeit der pH-Messung ist bestenfalls ± 0.02. pK2 = 9.78 bei μ = 0
Die eingegebenen Werte für Konzentrationen, Volumina und Stoffmengen (in mol)
stehen in der Abbildung 12.13 in den Spalten B3:B6. Zelle B7 hat den Wert 2, um zu
zeigen, dass Glycin eine zweiprotonige Säure ist. Zelle B8 enthält den mit der Davies-
Gleichung (12.18) berechneten Aktivitätskoeffizienten von H+. Zelle B9 beginnt mit dem
, ,
konditionellen Wert von pK W = 13.797 in 0.1 M KCl.11 Im Rechenprogramm wurde pK W
variiert, um eine beste Übereinstimmung mit den experimentellen Werten zu erzielen
und dabei in Zelle B9 das Ergebnis 13.807 gefunden. Die Zellen B10 und B11 begannen
mit Schätzwerten für pK1 und pK2 des Glycin. Wir starteten mit den Werten 2.35 und 9.78
aus Tabelle 9.1 für die Ionenstärke μ = 0. Wie im nächsten Anschluss erklärt wird, dient
Solver zur Variierung von pK1, pK2 und pKW, für eine bestmögliche Übereinstimmung mit
den experimentellen Daten. Die Ergebnisse 2.312 und 9.625 stehen nun in den Zellen B10
und B11.

A B C D E F G H I
1 Differenzplot für Glycin
2 C16 = 10^-B16/$B$8
3 Titrant NaOH = 0.4905 CB (M) D16 = 10^-$B$9/C16
4 Anfangsvolumen = 40 V0 (mL) E16 = $B$7+($B$6-$B$3*A16-(C16-D16)*($B$4+A16))/$B$5
5 Glycin = 0.190
zugesetzte HCL = 0.232
L (mmol)
A (mmol)
F16 + $C16^2/($C16^2+$C16*$E$10+$E$10*$E$11)
G16 = $C16*$E$10/($C16^2+$C16*$E$10+$E$10*$E$11)
12
6
+
7 Anzahl von H = 2 n H16 = 2*F16+G16
8 Aktivitätskoeff. = 0.78 H I16 = (E16-H16)^2
9 pKw' = 13.807
10 pK1 = 2.312 K1 = 0.0048713 = 10^-B10
11 pK2 = 9.625 K2 = 2.371E-10 = 10^-B11
(Residuen) = 0.0048
2
12 = Summe von Spalte I
13
-
[H+] =
2
14 v pH [OH ] = nH nH (Residuen) =
15 mL NaOHPH (10-pH)/H (10-pKw)/[H+] gemessen H2A HA- theoretisch (ngemessen-ntheoretisch)2
16 0.00 2.234 7.48E-03 2.08E-12 1.646 0.606 0.394 1.606 0.001656
17 0.02 2.244 7.31E-03 2.13E-12 1.630 0.600 0.400 1.600 0.000879
2-
18 0.04 2.254 7.14E-03 2.18E-12 (Ox1.612
) 0.595 0.405 1.595 0.000319
19 0.06 2.266 6.95E-03 2.24E-12 1.601 0.588 0.412 1.588 0.000174
20 0.08 2.278 6.76E-03 2.30E-12 1.589 0.581 0.419 1.581 0.000056
21 0.10 2.291 6.56E-03 2.38E-12 1.578 0.574 0.426 1.574 0.000020
22 :
23 0.50 2.675 2.71E-03 5.75E-12 1.353 0.357 0.643 1.357 0.000022
24 :
25 1.56 11.492 4.13E-12 3.77E-03 0.016 0.000 0.017 0.017 0.000000
26 1.58 11.519 3.88E-12 4.01E-03 0.018 0.000 0.016 0.016 0.000004
27 1.60 11.541 3.69E-12 4.22E-03 0.015 0.000 0.015 0.015 0.000000

Abb. 12.13 Arbeitsblatt für den Differenz-Plot der Titration von 0.190 mmol Glycin plus 0.232 mmol
HCl in 40 mL mit 0.0490 5 M NaOH. Die Zellen A16:B27 enthalten nur einen Teil der experimentellen
Daten. [Die vollständigen Daten von A. Kraft, Heriot-Watt University, stehen bei der Aufgabe 12-16.]
314 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

1.6

1.4

1.2 theoretischer Fit

nH (gemessen)
1.0

0.8

0.6 Messwerte

0.4

0.2
Abb. 12.14 Bjerrum-Differenz-Plot für
die Titration von Glycin. Viele experimen- 0.0
telle Punkte wurden aus Gründen der 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Übersichtlichkeit weggelassen. pH

Die Tabellenkalkulation in Abbildung 12.13 berechnet ab Zeile 16 [H+] und [OH–]


in den Spalten C und D. Die nach Gleichung 12.59 ermittelte mittlere Protonierungszahl
_ _
nH (gemessen) steht in Spalte E. Der Bjerrum-Differenz-Plot in Abbildung 12.14 stellt nH
(gemessen) gegen pH dar. Die Werte für αH A und αHA aus den Gleichungen 12.61 werden

_ 2

in den Spalten F und G berechnet und nH (theoretisch) wurde mit Gleichung 12.60 in
_ _
Spalte H berechnet. Die Spalte I enthält die Quadrate der Residuen, [nH (gemessen)–nH
2
(theoretisch)] . Ihre Summe steht in Zelle B12.

Anwendung von Excel Solver zur Optimierung


mehrerer Parameter
,
Wir suchen nach Werten von pK W , pK1und pK 2 , mit denen die Quadratsumme der Resi-
duen in der Zelle B12 minimiert wird. Im Solver-Fenster wird der Zielwert B12 eingegeben
und durch Veränderung der Zellen B9, B10 und B11 auf Min gesetzt. Bei Klicken auf „Lösen“
findet Solver hierzu die besten Werte. Beginnend mit 13.797, 2.35 und 9.78 in den Zellen B9,
B10 und B11erhält man einen Wert von 0.110 in Zelle B12. Nach der Ausführung von Solver
erscheinen in B9, B10 und B11 die Werte 13.807, 2.312 und 9.625. Die Summe in der Zelle
B12 hat sich auf 0.0004 8 verringert. Wenn Solver zur gleichzeitigen Optimierung mehrerer
Parameter verwendet wird, sollte man mit verschiedenen Ausgangswerten beginnen und
feststellen, ob gleiche Ergebnisse erhalten werden. Manchmal wird ein lokales Minimum
erreicht, das nicht so niedrig ist, wie ein anderes, das auf anderem Weg gefunden wird.
Die theoretischen Werte n H (theoretisch) = 2 H A+ HA , die auf den Ergebnissen von
2

Solver beruhen, stehen in den Spalten F, G und H der Abbildung 12.13 und in der Kurve
der Abbildung 12.14. Die Kurve stimmt gut mit den experimentellen Werten überein, ein
Zeichen, dass wir zuverlässige Werte von pK1 und pK2 gefunden haben.
,
Genau genommen sollten pK1 und pK2 Es mag unpassend erscheinen, den Wert von pK W , zu variieren, denn wir haben am
, ,
einen Strich haben, um zu zeigen, dass Angang behauptet, pK W , zu kennen. Eine Veränderung von pK W , von 13.797 auf 13.807
sie für 0.10 M KCl-Lösung gelten. Die hat den Fit signifikant verbessert. Der Wert von 13.794 lieferte Werte für n H (gemes-
Striche wurden weggelassen, um die sen), die sich am Ende der Titrationskurve in Abbildung 12.14 in der Nähe von 0.04
Symbole zu vereinfachen. Es wurde einpegelten. Ein solches Verhalten ist qualitativ unkorrekt, denn n H muss sich bei hohen
,
aber zwischen KW, das für μ=0 gilt, und pH-Werten 0 annähern. Eine kleine Änderung von pK W , hat den Fit merklich verbessert,
K’W (für μ = 0.1) unterschieden. wenn sich n H 0 nähert.

Wichtige Begriffe
> Gekoppelte Gleichgewichte > Differenz-Plot

Zusammenfassung
Gekoppelte Gleichgewichte sind reversible Reaktionen mit einer gemeinsamen Spezies.
Deshalb beeinflussen sich die Reaktionen gegenseitig.
Übungen 315

Die allgemeine Behandlung von Säure-Base-Problemen beginnt mit den Ladungs-


und Massenbilanzen und den Gleichgewichtskonstanten. Es müssen gleichviel unab-
hängige Gleichungen und chemische Spezies vorhanden sein. Die Gleichungen für den
Anteil jeder Säure oder Base werden in die Ladungsbilanz eingesetzt. Nach Einsetzung
der bekannten Konzentrationen von Spezies wie Na+ und Cl– und nach Substitution
von KW/[H+] für [OH–], sollte nur noch [H+] als Variable vorhanden sein. Durch
Excel Solver wird [H+] gefunden und damit können alle übrigen Konzentrationen
ausgerechnet werden. Wenn neben den Säure-Base-Reaktionen noch weiter Gleichge-
wichte, z. B. Ionenpaar-Bildung, zu berücksichtigen sind, muss eine vollständige syste-
matische Behandlung des Gleichgewichts erfolgen. Um das Problem zu vereinfachen,
sollten die Gleichungen für die Anteile der einzelnen Spezies (α-Werte) angewendet
werden.
Um die Aktivitätskoeffizienten zu berücksichtigen, wird das Gleichgewichtsproblem
zunächst mit der Annahme berechnet, dass alle Aktivitätskoeffizienten gleich 1 seien.
Aus den erhaltenen Konzentrationen wird die Ionenstärke berechnet und mit der Davies-
Gleichung werden die Aktivitätskoeffizienten berechnet. Mit ihnen wird die konditionelle
Gleichgewichtskonstante K´ für jede chemische Reaktion berechnet. K´ ist der Gleichge-
wichtskonzentrationsquotient für eine bestimmte Ionenstärke. Das Problem wird nun mit
K´ bearbeitet und eine neue Ionenstärke gefunden. Der Zyklus wird solange wiederholt,
bis man konstante Konzentrationswerte erhält.
Es wurden Löslichkeitsprobleme behandelt, bei denen Kation und Anion eine oder
mehrere Säure-Base-Reaktionen eingingen und bei denen Ionenpaar-Bildung erfolgte.
Für alle Säure-Base-Spezies werden die α-Werte in die Massenbilanz eingesetzt. Bei ei-
nigen Systemen, wie bei Bariumoxalat enthalten die resultierenden Gleichungen die For-
malkonzentrationen von Kation und Anion sowie [H+]. Das Löslichkeitsprodukt liefert
die Formalkonzentrationen von Anion und Kation, so dass eine davon aus der Massenbi-
lanz entfallen kann. Beim Einsetzen eines Werts für [H+] können die verbliebene Formal-
konzentration und damit alle Konzentrationen bestimmt werden. Auf diese Weise wird
die Zusammensetzung in Abhängigkeit vom pH bestimmt. Beim pH der ungepufferten
Lösung ist die Ladungsbilanzgleichung erfüllt.
Um Säurekonstanten aus einer Säure-Base-Titrationskurve zu gewinnen, kann ein
Bjerrum-Differenz-Plot konstruiert werden, bei dem die durchschnittliche Zahl gebunde- 12
ner Protonen nH gegen den pH-Wert aufgetragen wird. Diese durchschnittliche Protonen-
zahl kann aus den eingesetzten Mengen der Reagenzien und dem gemessenen pH-Wert
bestimmt werden. Die theoretische Form des Differenz-Plots hängt von vorliegenden
Anteilen der Spezies des Säure-Base Paares ab. Man kann mit Excel Solver die Gleichge-
wichtskonstanten variieren, um eine beste Übereinstimmung der theoretischen Kurve mit
_
den Messwerten zu finden. Bei diesem Prozess wird die Quadratsumme [nH (gemessen)–
_ 2
nH (theoretisch)] minimiert.

Übungen
Hinweis an Lehrkräfte: Die Lösung der meisten Aufgaben dauert ziemlich lange. Seien Sie
kulant, wenn Sie diese Aufgaben vergeben.

12-A. Bestimmen Sie unter Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizienten und der


Ionenpaarbildung den pH und die Konzentrationen der Spezies in 1.00 L einer Lösung
von 0.010 mol Hydoxybenzen (Phenol), HA, 0.030 mol Dimethylamin, B, und 0.015 mol
HCl.

12-B. Wiederholen Sie die Übung 12-A mit Aktivitätskoeffizienten aus der Davies-
Gleichung.

12-C.
a) Bestimmen Sie unter Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizienten und der Ionen-
paarbildung den pH und die Konzentrationen der Spezies in 1.00 L einer Lösung von
0.040 mol 2-Aminobenzoesäure (ein neutrales Molekül, HA), 0.020 mol Dimethyla-
min (B) und 0.015 mol HCl.
316 Kapitel 12 · Gleichgewichtsprobleme für Fortgeschrittene

b) Welchen Anteil hat jede der drei Spezies, die HA bilden kann? Welchen Anteil von
B hat jede der beiden Formen? Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit denen, die Sie
finden, wenn B mit HCl reagiert und dann der Überschuss von B mit HA reagiert.
Welchen pH können Sie bei dieser einfachen Annahme schätzen?

12-D. Berechnen Sie unter Einbeziehung der Aktivitätskoeffizienten nach der


Davies-Gleichung den pH und die Konzentrationen der Spezies in der Mischung von
Natriumtartrat, Pyridiniumchlorid und KOH in Abschnitt 12.1. Berücksichtigen Sie nur
die Gleichungen 12.1 bis 12.4.

12-E.
a) Bestimmen Sie die Spezies in 0.025 M MgSO4 unter Verwendung der Ionenpaar-
Gleichgewichtskonstante aus Anhang I mit den Aktivitätskoeffizienten γ = 1.Die
Hydrolyse des Kations und Anions in der nahezu neutralen Lösung kann vernach-
lässigt werden. Betrachten Sie nur die Ionenpaar-Bildung. Sie können die Aufgabe
mit einer quadratischen Gleichung exakt lösen. Sie können sie aber auch mit Solver
lösen. Setzen Sie für die Genauigkeit 1E-6 (nicht 1E-16) in der Solver Option ein.
Bei einem zu geringen Wert findet Solver keine befriedigende Lösung. Bei dieser
Aufgabe hängt der Erfolg von Solver davon ab, wie nahe die erste Schätzung an der
richtigen Lösung lag.
b) Berechnen Sie die neue Ionenstärke und wiederholen Sie Teil a) mit den neuen Akti-
vitätskoeffizienten aus der Davies-Gleichung. Führen Sie mehrere Iterationen durch
bis die Ionenstärke konstant bleibt. Der Anteil der Ionenpaar-Bildung sollte dicht bei
dem in Exkurs 7.1 angegebenen Wert liegen, der mit Aktivitätskoeffizienten nach der
Debye-Hückel-Gleichung berechnet wurde.
c) Wir haben ganz naiv für die Ionenstärke von 0.025 M MgSO4 einen Wert von 0.10 M
angenommen. Wie groß ist die tatsächliche Ionenstärke dieser Lösung?

12-F. a) Bestimmen Sie die Konzentrationen der Spezies in einer gesättigten Lösung
von CaF2 als Funktion des pH entsprechend Reaktionen 12.32 bis 12.36 und fügen Sie
folgende Reaktion hinzu:
HF(aq) + F– U HF2– K HF =100.58

2

Verwenden Sie keine Aktivitätskoeffizienten. Zeichnen Sie eine Graphik ähnlich wie Ab-
bildung 12.7.

12-G. Zeichnen Sie eine Graphik von [Ag+], [AgOH(aq)], [CN–] und [HCN] als
Funktion des pH in einer gesättigten Lösung von AgCN. Betrachten Sie die folgenden
Gleichgewichte ohne Berücksichtigung der Aktivitätskoeffizienten. Bestimmen Sie den
pH, wenn kein Puffer zugesetzt wurde:
AgCN(s) U Ag+ + CN– pKL = 15.66
HCN(aq) U CN– + H+ pKHCN = 9.21
Ag+ + H2O U Ag(OH)(aq) + H+ pKAg = 12.0

12-H. Differenz-Plot Eine Lösung, die 3.96 mmol Essigsäure plus 0.484 mmol HCl
in 200 mL 0.10 M KCl enthielt, wurde mit 0.490 5 M NaOH titriert, um KS von Essigsäure
zu bestimmen.
a) Formulieren Sie die Ausdrücke für die experimentelle Durchschnittszahl der Proto-
_ _
nierung nH (gemessen) und die theoretische Durchschnittszahl der Protonierung nH
(theoretisch).
_
b) Zeichnen Sie aus den folgenden Werten eine Kurve von nH (gemessen) gegen pH.
,
Bestimmen Sie die besten Werte für pKS und pK W durch Minimierung der Quadrat-
_ _
summe der Residuen ∑[nH (gemessen)–nH (theoretisch)]2.
Übungen 317

v (ml) pH v (ml) pH v (ml) pH v (ml) pH

0.00 2.79 2.70 4.25 5.40 4.92 8.10 5.76

0.30 2.89 3.00 4.35 5.70 4.98 8.40 5.97

0.60 3.06 3.30 4.42 6.00 5.05 8.70 6.28

0.90 3.26 3.60 4.50 6.30 5.12 9.00 7.23

1.20 3.48 3.90 4.58 6.60 5.21 9.30 10.14

1.50 3.72 4.20 4.67 6.90 5.29 9.60 10.85

1.80 3.87 4.50 4.72 7.20 5.38 9.90 11.20

2.10 4.01 4.80 4.78 7.50 5.49 10.20 11.39

2.40 4.15 5.10 4.85 7.80 5.61 10.50 11.54

Werte von A. Kraft, J. Chem. Ed. 2003, 80, 554

12
13 Grundlagen der
Elektrochemie

Der Lithium-Ionen-Akkumulator
Die aufladbaren Hochleistungs-Lithiumbatterien, wie sie in Handys und Laptop-Computern verwendet werden, sind ein glän-
zendes Beispiel für die Erfolge der chemischen Materialforschung. Die idealisierte Reaktionsgleichung lautet
Entladung
C6 Li + Li1–xCoO2 U C6Li1–x + LiCoO2
Ladung

Im C6Li sitzen die Lithiumatome zwischen den Kohlenstoffschichten des Graphits. Atome oder Moleküle, die sich zwischen
den Schichten einer Struktur befinden, werden als interkaliert bezeichnet. Während des Betriebs der Batterie wandern Lithium-
ionen vom Graphit zum Cobaltoxid. Die Lithiumatome lassen Elektronen im Graphit zurück und lagern sich zwischen die
CoO2-Schichten. Auf dem Weg vom Graphit zum Cobaltoxid wandert Li+ durch einen Elektrolyten, der aus einem Lithiumsalz in
einem hochsiedenden organischen Lösungsmittel besteht. Ein poröser Polymerseparator zwischen Graphit und Cobaltoxid ist
ein elektrischer Isolator, der die Wanderung der Lithiumionen ermöglicht. Die Elektronen wandern durch den äußeren Strom-
kreis zum Cobaltoxid und erhalten somit die Elektroneutralität.
Der Einzellen-Lithiumionenakku liefert ~3.7 Volt. Diese Batterie speichert doppelt so viel Energie pro Masseneinheit wie die
bisher verwendeten Nickel-Metallhydrid-Batterien. Die laufende Forschung zielt auf verbesserte Materialien und hochaufge-
löste Mikrostrukturen für die Elektroden und die Separatorschicht. Gesucht wird nach größerer Energiedichte, längerer Lebens-
dauer und sicherem Betrieb. Die Batterien sind galvanische Zellen, welche Gegenstand dieses Kapitels sind. Eine galvanische
Zelle nutzt eine freiwillig in eine Richtung ablaufende chemische Reaktion zur Erzeugung von Elektrizität.

Li1– x CoO2 LiCoO2

13
Li+-Schicht
Entladen
CoO2-Schicht
Laden

Co
O
Li
C6Li C6Li1– x
Graphit
C Schicht
Entladen
Li Schicht QCA
QCA

Laden

e
e
Blick von oben
auf die C6Li-Struktur

Li Lithium-Ionen- Graphit-Schicht
batterie Poröser Separator mit
Li+-Salz in organischem
Graphit ist ein hexagonales Lösungsmittel
Blatt aus C-Atomen Schicht aus Cobaltoxid

Richtung des Elektronenflusses von der Lithiumbatterie zum Laptop-Computer.

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
320 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Die Elektrochemie ist ein wichtiger Zweig der analytischen Chemie, der elektrische
Messungen für analytische Zwecke benutzt.1,2 Zum Beispiel haben wir am Beginn des
Kapitels 1 gesehen, wie mit einer Elektrode die Moleküle eines Neurotransmitters, die
aus einer einzelnen Nervenzelle stammen, gemessen werden. Die Elektrochemie nutzt
aber auch die Elektrizität zur Auslösung einer chemischen Reaktion bzw. verwendet um-
gekehrt eine chemische Reaktion zur Erzeugung von Elektrizität.

13.1 Grundkonzepte

Oxidation: Abgabe von Elektronen Eine Redoxreaktion beruht auf der Übertragung von Elektronen von einer Spezies auf
Reduktion: Aufnahme von Elektronen eine andere. Eine Spezies wird oxidiert, wenn sie Elektronen abgibt. Sie wird reduziert,
Oxidationsmittel: nimmt Elektronen auf wenn sie Elektronen aufnimmt. Ein Oxidationsmittel, nimmt Elektronen von einer an-
Reduktionsmittel: gibt Elektronen ab deren Substanz auf und wird reduziert. Ein Reduktionsmittel gibt Elektronen an eine
andere Substanz ab und wird bei diesem Vorgang oxidiert. Bei der Reaktion
Fe3+ + V2+ → Fe2+ + V3+ (13.1)
Oxidationsmittel Reduktionsmittel

Fe3+ + e– → Fe2+ ist Fe3+ das Oxidationsmittel, denn es übernimmt ein Elektron von V2+. V2+ ist das Re-
V2+ → V3++e– duktionsmittel, denn es gibt ein Elektron an Fe3+ ab. Fe3+ wird reduziert und V2+ wird
oxidiert, wenn die Reaktion von links nach rechts abläuft. Eine Behandlung der Oxidati-
onszahlen und der Aufstellung von Redoxgleichungen erfolgt in Anhang D.

Chemie und Elektrizität


Wenn die Elektronen, die an einer Redoxreaktion beteiligt sind, durch einen elektrischen
Stromkreis fließen, erfahren wir durch eine Messung der Spannung und des Stroms etwas
über diese Reaktion. Der elektrische Strom ist proportional zur Geschwindigkeit der Re-
aktion und die Zellspannung ist proportional zur Änderung der freien Enthalpie der elek-
trochemischen Reaktion. In der Voltammetrie kann die Spannung dazu genutzt werden,
die Reaktanten zu identifizieren.

Elektrische Ladung
Die elektrische Ladung (q) wird in Coulomb gemessen (C). Ein einzelnes Elektron hat
Coulomb
Faraday-Konstante (F) = eine Ladung von 1.602 × 10–19 C, so dass 1 mol Elektronen eine Ladung von (1.602 ×
Mol Elektronen
10–19 C) (6.022 × 1023mol–1) = 9.649 × 104 C besitzt. Diese Größe wird Faraday-Kons-
tante (F) genannt.
Beziehung zwischen Ladung und Stoffmenge (mol) q = n ⋅ F (13.2)
mol Coulomb
Coulomb
mol

> Beispiel
Beziehung zwischen Coulomb und Stoffmengen einer Reaktion
Wenn 5.585 g Fe3+ in Reaktion 13.1 reduziert wurden, welche Ladungsmenge wurde dann
von V2+ auf Fe3+ übertragen?

Lösung Zunächst wissen wir, dass 5.585 g Fe3+ 0.100 0 mol Fe3+ sind. Da jedes Fe3+-Ion in
Reaktion 13.1 ein Elektron benötigt, müssen 0.100 0 mol Elektronen übertragen werden. Mit
der Faraday-Konstante finden wir, dass 0.100 0 mol Elektronen folgender Ladungsmenge
entsprechen
⎛ C ⎞
q = nF = 0.100 0 mol e– ⎜ 9.649 ×10 4 ⎟ = 9.649 × 10 C
3
⎝ mol e− ⎠
Selbstüberprüfung Wie viel mol Sn4+ werden durch 1.00 C elektrische Ladung zu Sn2+
reduziert? (Lösung: 5.18 μmol)
13.1 · Grundkonzepte 321

Elektrischer Strom
Die Ladungsmenge, die pro Sekunde durch einen Stromkreis fließt, wird Stromstärke ge- 1 A = 1 C/s
nannt. Die Einheit der Stromstärke ist das Ampere, abgekürzt A. Der Strom einer Strom-
stärke von 1 A stellt eine Ladung von 1 C dar, die pro Sekunde durch einen Stromkreis
fließt.

> Beispiel
Beziehung zwischen der Stromstärke und der Reaktionsgeschwindigkeit
Wir nehmen an, dass ein Platindraht, durch den Elektronen geleitet werden, in eine Lösung
von Sn4+ (Abbildung 13.1) taucht. Sn4+ wird mit einer konstanten Geschwindigkeit von 4.24
mmol/h zu Sn2+ reduziert. Wie groß ist die Stärke des Stroms, der in dieser Lösung fließt?

Lösung Zur Reduktion von einem Sn4+-Ion sind zwei Elektronen erforderlich:
Sn4+ + 2e– → Sn2+

Wenn Sn4+ mit einer Geschwindigkeit von 4.24 mmol/h reagiert, fließen die Elektronen mit
einer Geschwindigkeit von 2(4.24) = 8.48 mmol/h. Das entspricht

8.48 mmol e− / h mmol e− mol e−


= 2.356 ×10 −3 = 2.356 × 10 −6
3 600 s / h s s e–

Um die Stromstärke zu bestimmen, müssen wir mol Elektronen pro Sekunde in Coulomb
pro Sekunde umwandeln:
Coulomb mol Coulomb
Stromstärke = = ⋅
Sekunde Sekunde mol
4+
⎛ −6 mol ⎞ ⎛ C ⎞ Sn
= ⎜ 2.356 × 10 ⎟ ⎜ 9.649 × 10
4

⎝ s ⎠ ⎝ mol ⎠ 2+
Sn
= 0.227 C/s = 0.227 A

Selbstüberprüfung Bei welcher Stromstärke wird Sn4+ mit einer Geschwindigkeit von
1.00 mmol/h reduziert? (Lösung: 53.6 mA)
Abb. 13.1 Die Elektronen fließen in eine
Platindrahtspirale, an der die Sn4+-Ionen
In der Abbildung 13.1wurde eine Platinelektrode verwendet, welche Elektronen in che- der Lösung zu Sn2+-Ionen reduziert wer-
mische Spezies, die an einer Redoxreaktion beteiligt sind, hinein- oder herausführt. Platin den. Dieser Vorgang läuft nicht von allein
wird im Allgemeinen als eine inerte Elektrode verwendet. Sie nimmt nicht an Redoxvor- ab, da er keinen vollständigen Kreislauf 13
darstellt. Wenn Sn4+ an der Pt-Elektrode
gängen teil, sie ist nur der Überträger von Elektronen. Exakt wird eine Elektrode als ein reduziert werden soll, muss an einer an-
mehrphasiges System definiert, in dem durch Stoffumsätze zwischen den Phasen elektro- deren Stelle eine andere Spezies oxidiert
chemische Gleichgewichte eingestellt oder angestrebt werden. werden.

Spannung, Arbeit und freie Enthalpie


Die Differenz des elektrischen Potentials, E, zwischen zwei Punkten ist eine Angabe über Es muss eine Arbeit geleistet werden,
die erforderliche Arbeit (oder die geleistet wird), wenn eine elektrische Ladung von einem um gleichsinnige Ladungen gegen-
Punkt zu einem anderen bewegt wird. Die Potentialdifferenz wird in Volt (V) gemessen. Je einander zu bewegen. Dagegen wird
größer die Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten ist, desto größer ist der Antrieb für Energie frei, wenn entgegengesetzte
ein geladenes Teilchen, sich zwischen diesen Punkten zu bewegen. Ladungen zusammenkommen.
Eine gute Analogie zum Verständnis von Stromstärke und Potential ist die Betrach-
tung von fließendem Wasser in einen Gartenschlauch (Abbildung 13.2). Der elektrische
Strom ist die elektrische Ladung, die in einem Draht an einem Punkt pro Sekunde vor-
beiströmt. Die Stromstärke entspricht dem Wasservolumen, das im Gartenschlauch pro
Sekunde an einem Punkt vorbeifließt. Die Differenz im elektrischen Potential (Spannung)
ist ein Maß für die Schubkraft, die auf die Elektronen wirkt. Je größer diese Kraft ist,
desto mehr Strom fließt. Die Potentialdifferenz ist analog zum Druck auf das Wasser im
Schlauch. Je größer der Druck ist, desto schneller fließt das Wasser.
Wenn sich eine Ladung, q, durch eine Potentialdifferenz E bewegt, wird eine Arbeit
geleistet.
322 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Beziehung zwischen Arbeit und Spannung: Arbeit = E ∙ q (13.3)


Joule Volt Coulomb

Die Arbeit hat die Dimension einer Energie, deren Einheit ist Joule (J). Ein Energiebetrag
von einem Joule wird gewonnen oder abgegeben, wenn eine Ladungsmenge von einem
Coulomb zwischen zwei Punkten, deren Potentiale sich um ein Volt unterscheiden, be-
Der elektrische Strom ist analog wegt wird. Aus Gleichung 13.3 ergibt sich die Dimension von Volt als Joule pro Coulomb
dem Volumen von Wasser,
das pro Sekunde aus einem (1 V = 1 J/C).
Schlauch fließt.
> Beispiel
Elektrische Arbeit
Welcher Arbeitsbetrag wird geleistet, wenn 2.4 mmol Elektronen durch eine Potentialdiffe-
renz von 0.27 V fallen?

Lösung Um Gleichung 13.3 anzuwenden, müssen wir mol Elektronen in die Ladungs-
hoher
Druck menge Coulomb überführen. Die Beziehung kennen wir schon aus dem vorletzten Beispiel:
niedriger
Druck
q = nF = (2.4 × 10–3 mol) (9.649 × 104 C/mol) = 2.3 × 102 C

Die geleistete Arbeit beträgt

Arbeit = E × q = (0.27 V) (2.3 × 102 C) = 62 J


Die elektrische Potentialdifferenz ist analog
zum hydrostatischen Druck, der das Wasser Selbstüberprüfung Wie groß muss der Potentialabfall (V) für 1 μmol Elektronen sein, um
durch einen Schlauch drückt. Hoher Druck
ergibt einen hohen Fluss. ein Arbeit von 1.00 J zu leisten? (Lösung: 10.4 V)

Abb. 13.2 Analogie zwischen dem Flie-


Bleiben wir bei der Analogie zum Gartenschlauch und nehmen an, dass das eine Ende des
ßen von Wasser durch einen Schlauch
und dem Fließen des elektrischen Stroms Schlauchs 1 Meter über das andere angehoben wird und durch den Schlauch 1 L Wasser
durch einen Draht. fließt. Das fließende Wasser läuft durch eine mechanische Vorrichtung und leistet eine
bestimmte Arbeit. Wenn das eine Ende des Schlauchs 2 Meter über das andere angehoben
wird, ist die durch das fallende Wasser erbrachte Arbeit zweimal so groß. Der Höhenun-
terschied zwischen den Schlauchenden kann mit der elektrischen Potentialdifferenz und
das Volumen des Wassers mit der elektrischen Ladung verglichen werden. Je größer die
elektrische Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten in einem Stromkreis ist, desto mehr
Arbeit kann durch den Ladungsfluss zwischen den beiden Punkten geleistet werden.
In Abschnitt 6.2 gab es eine kurze Die Änderung der freien Enthalpie, ΔG, für eine chemische Reaktion, die bei kon-
Information zu ΔG. stanter Temperatur und konstantem Druck reversibel abläuft, ist gleich der maximalen
elektrischen Nutzarbeit, die von dieser Reaktion auf ihre Umgebung geleistet wird:
Arbeit, die gegenüber der Umgebung geleistet wird = –ΔG (13.4)
Das negative Vorzeichen in Gleichung 13.4 zeigt, dass die freie Enthalpie eines Systems
abnimmt, wenn Arbeit gegenüber der Umgebung geleistet wird.
Durch Kombination der Gleichungen 13.2, 13.3 und 13.4 erhält man eine Beziehung,
die äußerst wichtig für die Chemie ist:
ΔG = –Arbeit = –E ∙ q
q = nF
Beziehung zwischen freier Enthalpiedifferenz und elektrischer Potentialdifferenz:
ΔG = –n FE (13.5)

Die Gleichung 13.5 stellt eine Beziehung zwischen der Änderung der freien Enthalpie
einer chemischen Reaktion und der elektrischen Potentialdifferenz (das heißt, der Span-
nung) her, die durch diese Reaktion geliefert werden kann.

Ohmsches Gesetz
Das Ohmsche Gesetz besagt, dass die Stromstärke (häufig kurz Strom genannt), I, direkt
proportional zur Potentialdifferenz (= Spannung U) in diesem Stromkreis und umgekehrt
proportional zu seinem Widerstand (R) ist.
13.1 · Grundkonzepte 323

E
Ohmsches Gesetz: I= (13.6) Je größer die Spannung, desto grö-
R
ßer ist die Stromstärke. Je größer der
Die Einheit des Widerstands ist das Ohm, mit dem griechischen Buchstaben Ω (Omega) Widerstand, desto geringer ist die
bezeichnet. Ein Strom von einem Ampere fließt durch einen Stromkreis mit einer Poten- Stromstärke.
tialdifferenz von einem Volt, wenn der Widerstand im Stromkreis ein Ohm beträgt. Glei-
chung 13.6 zeigt, dass die Einheit Ampere (A) dem Quotienten V/Ω entspricht. Exkurs 13.1 zeigt Widerstandsmessun-
gen eines Einzelmoleküls durch Mes-
sung der Stromstärke und der Span-
Leistung nung mit dem Ohmschen Gesetz.

Die Leistung, P, ist die Arbeit, die in einer Zeiteinheit verrichtet wird. Die SI-Einheit der
Leistung ist J/s, besser bekannt als Watt (W). Als Symbol für Potential und Span-
nung wird in Deutschland meist
Arbeit E ∙ q q
P= = =E (13.7) U verwendet. International findet
s s s man dagegen, insbesondere in der
Da q/s die Stromstärke I ist, können wir auch schreiben Elektrochemie, häufig das Symbol
E, das sich von der elektromotori-
P=E∙I (13.8)
schen Kraft (EMK) ableitet.
Eine Zelle, die bei einer Potentialdifferenz von einem Volt einen Strom von einem Am-
pere liefert, hat eine Leistungsabgabe von einem Watt.
Leistung (Watt) = Arbeit pro Sekunde
> Beispiel P = E . I = (IR) . I = I2R
Anwendung des Ohmschen Gesetzes
Ein schematisches Diagramm für einen sehr einfachen Stromkreis zeigt Abbildung 13.3. Die
Batterie liefert eine Spannung von 3.0 V und der Widerstand beträgt 100 Ω. Wir nehmen an,
dass der Widerstand des Verbindungsdrahts vernachlässigbar ist. Welche Stromstärke und
+ Wider-
welche Leistung werden von der Batterie in diesem Stromkreis geliefert? stand
Batterie
3.0 V Elektronen 100 Ω
Lösung Die Stromstärke beträgt – fließen in
diese Richtung
E 3.0 V
I= = = 0.030 A = 30 mA
R 100
Die abgegebene Leistung der Batterie ist demnach
Abb. 13.3 Ein Stromkreis mit einer Bat-
P = E ∙ I = (3.0V)(0.030 A) = 90 mW terie und einem Widerstand. Benjamin
Selbstüberprüfung Welche Spannung ist erforderlich, um eine Leistung von 180 mW zu Franklin untersuchte in den 1740er 13
Jahren die statische Elektrizität.6 Er hielt
erzeugen? (Lösung: 4.24 V) Elektrizität für ein fluides Etwas, das von
einem Seidentuch zu einem Glasstab
Was geschieht mit der in Abbildung 13.3 vom Stromkreis erzeugten Leistung? Die Energie fließt, wenn der Stab mit dem Tuch gerie-
tritt im Widerstand als Wärme auf. Die Leistung (90 mW) ist gleich der Geschwindigkeit, ben wird. Wir wissen heute, dass Elektro-
nen vom Glas zur Seide fließen. Jedoch
mit der im Widerstand die Wärme produziert wird.
wurde Franklins Annahme bezüglich der
Zusammenfassung der Symbole, Einheiten und Beziehungen von den vorherigen Stromrichtung beibehalten, so dass wir
Seiten: sagen, der Strom fließt vom positiven
zum negativen Pol in der umgekehrten
Beziehung zwischen Ladung und Stoffmenge (Mol): Richtung des Elektronenflusses.
q = n ⋅ F
Ladung (Coulomb, C) Mol Elektronen C/mol

Beziehung zwischen Arbeit und Spannung:


Arbeit = E ⋅ q
Joule (J) Volt (V) Coulomb (C)

Potentialdifferenz: ΔG = –n FE
Joule

Ohmsches Gesetz: I = E / R
Strom (A) Volt(V) Widerstand (Ohm, Ω)

Elektrische Leistung: P = Arbeit/s = E ⋅ I


Leistung (Watt, W) J/s Volt Ampere
324 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Exkurs 13.1

Ohmsches Gesetz, Leitfähigkeit und Brücken vorhanden sind und die Elektroden werden auseinander
molekulare Drähte3 gezogen, bricht eine der Brücken und der Leitwert fällt auf 38 nS.
Die elektrische Leitfähigkeit eines einzelnen Moleküls, das zwi- Wenn die zweite Brücke bricht, sinkt der Leitwert auf 19 nS. Der
schen zwei Goldelektroden hängt, ist durch Anwendung des exakte Wert variiert etwas, da die Umgebungen der Moleküle an
Ohmschen Gesetzes aus Messungen von Spannung und Strom der Goldoberfläche nicht identisch sind. Eine Häufigkeitsvertei-
bekannt. Der elektrische Leitwert ist der reziproker Widerstand, lung von über 500 Beobachtungen (rechts im Bild) zeigt Peaks
er hat deshalb die Dimension 1/Ohm ≡ Siemens (S). bei 19, 38 und 57 nS.
Die Leitfähigkeit eines Stoffs wird hingegen mit κ bezeichnet Alkankohlenwasserstoffe können als typische chemische
und trägt die Einheit S/cm. Beide Begriffe werden häufig bedeu- Isolatoren betrachtet werden. Die Leitfähigkeit der Alkandithiole
tungsgleich verwendet. Das ist nicht weiter problematisch, wenn nimmt exponentiell ab, wenn die Kettenlänge ansteigt:4
man weiß, dass κ = 1/ρ (ρ = spezifischer elektrischer Widerstand,
Ω . cm) ist. SH
HS
Zur Herstellung molekularer Kontakte wird in Gegen- HS(CH2)8SH Leitwert = 16.1 nS
wart einer Lösung des Testmoleküls, das zwei endständige
Thiolgruppen (-SH) trägt, die Goldspitze eines Rastertunnel- SH
HS
mikroskops durch Hin- und Her-Bewegungen mit einem Gold-
HS(CH2)10SH Leitwert = 1.37 nS
substrat zusammengebracht. Dabei binden die Thiolgruppen
spontan an das Gold und es entstehen die hier gezeigten SH
HS
Brücken. Es wurden Ströme von Nanoampere mit einem Po-
HS(CH2)12SH Leitwert = 0.35 nS
tentialunterschied von 0.1 V zwischen den Goldoberflächen
gemessen.
Die Leitfähigkeit einer Kette von Chromatomen mit Pyridylamin-
+NH
H 3 Liganden ist größer als die der Alkane.5 Das Diagramm zeigt,
Au S N S Au dass die Leitfähigkeit exponentiell mit der Kettenlänge abnimmt,
O jedoch weniger als bei den Alkanen.

Die untere Abbildung zeigt die viermalige Änderung des Leit-


wertes, wenn die Spitze des Rastertunnelmikroskops von dem
Goldsubstrat weggezogen wurde. Plateaus wurden bei Vielfa-
N N N N N
chen von 19 μS gefunden. Das wird damit erklärt, dass ein ein- 4
zelnes Molekül, das die beiden Au-Oberflächen verbindet, einen S C N Cr Cr Cr Cr Cr N C S
Leitwert von 19 nS (oder einen Widerstand von 50 MΩ) hat. Wenn m = 0, 1 oder 2
Cr3-Kette (m = 0) Leitwert = 1100 nS
zwei Moleküle parallele Brücken bilden, steigt der Leitwert auf Cr5-Kette (m = 1) Leitwert = 310 nS
38 nS. Drei Moleküle geben einen Leitwert von 57 nS. Wenn drei Cr7-Kette (m = 2) Leitwert = 140 nS

57 7

6
76 38
19 5 Cr-Ketten
Anzahl

Anstieg  0.52
Leitwert (nS)

57 4
ln (Leitwert, nS)

3
Leitwert
38
2

19 1
C-Ketten
0
Anstieg  0.96
1
1 nm
2
Änderungen des Leitwerts, wenn die Spitze eines Rastertunnelmikro- 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
skops, die in eine Dithiol-Lösung taucht, vom Au-Substrat weggezo- Anzahl der Cr- oder C-Atome
gen wird. [X. Xiao, B. Xu und N. Tao, „Conductance Titration of Single-
Peptide Molecules“, J. Am. Chem. Soc. 2004, 126, 5370.] Abhängigkeit der Leitfähigkeit von der Kettenlänge.
13.2 · Galvanische Zellen 325

13.2 Galvanische Zellen

In einer galvanischen Zelle werden freiwillig ablaufende chemische Reaktionen zur Elek- Eine galvanische Zelle verwendet eine
trizitätserzeugung genutzt. Hierzu muss ein Reaktant oxidiert und ein anderer reduziert freiwillig ablaufende chemische Reak-
werden. Diese beiden dürfen nicht in Kontakt sein, denn dann würden die Elektronen tion zur Erzeugung von elektrischem
einfach vom Reduktionsmittel zum Oxidationsmittel fließen. Deshalb sind Oxidations- Strom.
und Reduktionsmittel räumlich getrennt und die Elektronen sind gezwungen, über einen
äußeren Stromkreis zu fließen, um von dem einen Reaktionspartner zum anderen zu
gelangen. Batterien7 und Brennstoffzellen8 sind galvanische Zellen, die ihre Reaktanten
zur Elektrizitätsgewinnung verbrauchen. In einer Batterie befinden sich die Reaktanten
in einem abgeschlossenen Raum. In einer Brennstoffzelle fließen die Reaktionsteilnehmer
an den Elektroden vorbei und die Reaktionsprodukte werden kontinuierlich ausgespült.

Wirkungsweise einer galvanischen Zelle


Abbildung 13.4 zeigt eine galvanische Zelle, bei der zwei Elektroden in eine wässrige
Lösung von CdCl2 eintauchen. Die eine Elektrode ist ein Cadmium-Metallstreifen, die
andere ist ein Stück metallisches Silber, das mit festem AgCl bedeckt ist. Die chemischen
Reaktionen, die in dieser Zelle ablaufen, sind:
Reduktion: 2 AgCl(s) + 2 e– U 2 Ag(s) + 2 Cl–(aq)
Oxidation: Cd(s) U Cd2+(aq) + 2 e–
Gesamtreaktion: 2 AgCl(s) + Cd(s) U 2 Ag(s) + 2 Cl–(aq) + Cd2+(aq)
Die Gesamtreaktion setzt sich aus der Reduktions- und der Oxidationsreaktion zusam-
men. Jede von ihnen wird als Halb(zellen)reaktion bezeichnet. Die beiden Halbzellen-
reaktionen werden mit der gleichen Anzahl von Elektronen geschrieben, so dass in der
Summe keine freien Elektronen auftreten.
Die Oxidation des Cd-Metalls, bei der Cd2+(aq) gebildet wird, liefert Elektronen, die Denken Sie daran, dass ΔG für eine
durch den äußeren Stromkreis in Abbildung 13.4 zur Ag-Elektrode fließen. An der Ober- spontane (freiwillig ablaufende) Reak-
fläche der Ag-Elektrode wird Ag+ (aus AgCl) zu Ag(s) reduziert. Die Chloridionen des tion negativ ist.
AgCl gehen in Lösung. Die Änderung der freien Enthalpie für die Bruttoreaktion, –150
kJ pro Mol Cd, ist die Triebkraft für diesen Vorgang, bei dem die Elektronen quasi durch
den Leiter gedrückt werden.
13

– +

e Potentiometer Draht

Cd Ag

Cd 2 (aq)
Anode AgCl(s ) Kathode Abb. 13.4 Eine einfache galvanische
(Oxidation) (Reduktion) Zelle. Das Potentiometer misst die Span-
0.016 7 M CdCl2 (aq)
nung. Es besitzt einen positiven und ei-
Cl  (aq) nen negativen Pol. Wenn die Elektronen,
wie in dieser Abbildung, zum negativen
Pol fließen, ist die Spannung positiv.
326 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

> Beispiel
Entstehung einer Spannung durch eine chemische Reaktion
Berechnen Sie die Spannung, die an dem Potentiometer der Abbildung 13.4 gemessen
werden kann.

Lösung Zur Berechnung verwenden wir Gleichung 13.5. Hierbei ist n die Stoffmenge der
Elektronen, die in der Reaktion ausgetauscht werden. Mit ΔG = –150 kJ/mol erhalten wir
ΔG −150 × 103 J
E = − = −
nF ⎛ C ⎞
(2 mol) ⎜ 9.649 × 104 ⎟
⎝ mol ⎠
Erinnern Sie sich: 1 J/C = 1 Volt = + 0.777 J/C = + 0.777 V

Eine spontane chemische Reaktion (negativer Wert von ΔG) ergibt eine positive Spannung.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie die Spannung E für ΔG = +150 kJ/mol und n = 1mol.
(Lösung: –1.55 V).

Kathode: hier erfolgt die Reduktion Die Elektrode, an der eine Reduktion erfolgt, heißt Kathode. An der Anode erfolgt die
Anode: hier erfolgt die Oxidation Oxidation. In Abbildung 13.4 ist Ag die Kathode, da hier an der Oberfläche eine Reduk-
tion erfolgt (2 AgCl + 2e– → 2 Ag + 2Cl–) und Cd ist die Anode, da es oxidiert wird (Cd
→ Cd2+ + 2e–).

Salzbrücke
Wir betrachten die Zelle in Abbildung 13.5 mit den Reaktionen
Kathode: 2 Ag+(aq) + 2e– U 2 Ag(s)
Anode: Cd(s) U Cd2+(aq) + 2e–
Gesamtreaktion: 2 Ag+(aq) + Cd(s) U 2 Ag(s) + Cd2+(aq) (13.9)
Die Gesamtreaktion läuft freiwillig ab, aber es fließt nur ein ganz kleiner Strom durch
Die Zelle in Abbildung 13.5 ist kurz- den Stromkreis, da die Ag+-Ionen nicht an der Silberelektrode reduziert werden müssen.
geschlossen Die Ag+-Ionen der Lösung können direkt an der Cd(s)-Oberfläche reagieren und ergeben

– +

Cd Ag

2+ –
Cd (aq), NO3 (aq)

+ –
Ag (aq), NO3 (aq)
Abb. 13.5 Eine Zelle, die nicht funktio-
niert. Die Lösung enthält Cd(NO3)2 und
AgNO3.
13.2 · Galvanische Zellen 327

damit die gleiche Reaktion, ohne dass Elektronen durch den äußeren Stromkreis fließen
müssen.
Wir können jedoch die Reaktanten in zwei Halbzellen11 trennen, wenn wir die beiden Eine Salzbrücke erhält die Elektro-
Hälften mit einer Salzbrücke, wie in Abbildung 13.6 gezeigt, verbinden. Die Salzbrücke neutralität in der Zelle aufrecht. (Es
besteht aus einem U-Rohr, das mit einem Gel gefüllt ist, in dem sich in hoher Konzent- erfolgt kein Ladungsaufbau). Siehe
ration KNO3 oder ein anderer Elektrolyt befindet, der nicht an der Zellreaktion beteiligt Versuch 13.1.
ist. Die Enden der Brücke sind mit einer porösen Scheibe geschlossen, die eine Diffusion
der Ionen ermöglicht, aber eine Vermischung von Innen- und Außenlösung verhindert.
Wenn die galvanische Zelle in Betrieb ist, wandert K+ aus der Brücke in den Kathoden-
raum und eine kleine Menge NO3– wandert aus dem Kathodenraum in die Salzbrücke.
Diese Ionenwanderung kompensiert genau die Ladung, die sich aufbauen würde, wenn
Elektronen in die Silberelektrode übergehen. Die Ionenwanderung aus der Salzbrücke
ist stärker als die Wanderung von Ionen in die Brücke hinein, da die Salzkonzentration
in der Brücke viel höher ist als die Salzkonzentrationen in den Halbzellen. An der linken
Seite der Salzbrücke wandert NO3– in den Anodenraum und etwas Cd2+ wandert in die
Salzbrücke, um den Aufbau einer positiven Ladung zu verhindern.
Bei Reaktionen ohne Beteiligung von Ag+ oder anderen Spezies, die mit Cl- reagieren,
enthält die Salzbrücke gewöhnlich KCl. Eine typische Salzbrücke wird hergestellt, indem
3 g Agar und 30 g KCl in 100 mL Wasser erhitzt werden, bis eine klare Lösung entstanden
ist. Die Lösung wird in das U-Rohr gegossen, wobei ein Gel entsteht. Die Brücke wird in
einer gesättigten KCl-Lösung aufbewahrt.

Zellsymbole
In der Kurzschreibweise zur Beschreibung elektrochemischer Zellen werden nur zwei Das Symbol für die Salzbrücke ⏐⏐
Symbole benutzt: kennzeichnet die beiden Phasen-
Phasengrenze Salzbrücke grenzen an den Seiten der Brücke

Die Zelle in Abbildung 13.4 wird durch folgende Symbolik beschrieben


Cd(s) CdCl 2 (aq) AgCl(s) Ag(s)
Jede Phasengrenze wird durch einen vertikalen Strich angezeigt. Die Elektroden stehen
auf der äußersten linken bzw. rechten Seite dieser Zeile. Die Zelle in Abbildung 13.6 wird
wie folgt beschrieben:
13
Cd (s ) | (Cd(NO3 )2 (aq) AgNO3 (aq) Ag (s)

V
– +

e–

Salzbrücke
– +
Cd NO3 K Ag

– +
NO3 K
Cd(NO3)2(aq) AgNO3(aq)

2+
Cd poröse –
NO3
Glas-
scheiben
Anode Kathode Abb. 13.6 Eine funktionierende Zelle –
2+ +
Cd(s) Cd (aq) + 2e– 2Ag (aq) + 2e– 2Ag(s) dank der Salzbrücke!
328 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

 Versuch 13.1
Die menschliche Salzbrücke

Eine Salzbrücke ist ein ionisches Medium mit einer halbdurchlässigen Barriere an jedem
Ende. Kleine Moleküle und Ionen können diese halbdurchlässige Barriere passieren,
große Moleküle können das nicht. Stellen Sie eine Salzbrücke her, indem Sie ein U-Rohr
mit Agar und KCl füllen (wie im Text beschrieben) und bauen Sie die hier gezeigte Zelle
auf. Das pH-Meter ist ein Potentiometer, dessen negativer Pol die Buchse für die Refe-
renzelektrode ist.
Schreiben Sie die Halbzellenreaktionen für diese Zelle auf und berechnen Sie die the-
oretische Zellspannung mit der Nernstschen Gleichung (13.15). Messen Sie die Spannung
mit einer gewöhnlichen Salzbrücke. Ersetzen Sie dann die Salzbrücke durch eine aus Filter-
papier, das soeben mit einer NaCl-Lösung getränkt wurde und messen Sie die Spannung er-
neut. Ersetzen Sie schließlich die Salzbrücke aus Filterpapier durch zwei Finger der gleichen
Hand und messen Sie erneut die Spannung. Der menschliche Körper ist in der Tat so etwas
wie ein Salzsack, der sich in einer halbdurchlässigen Membran befindet. Die kleinen Unter-
schiede in der gemessenen Zellspannung bei der Veränderung der Salzbrücke beruhen auf
dem Diffusionspotential, das in Abschnitt 14.3 behandelt wird. Um zu beweisen, dass es
schwer ist, zwischen einem Chemielehrer und einem Hot Dog zu unterscheiden, nehmen
Sie ein Hot Dog als Salzbrücke9 und messen erneut die Spannung.
Herausforderung: Hundertachtzig Studenten des Virginia Polytechnic Institute haben
eine Salzbrücke gebildet, indem sie sich an den Händen hielten.10 Ihr Widerstand wurde
von 106 Ω pro Student auf 104 Ω pro Student verringert, wenn sie ihre Hände nassgemacht
hatten. Können Sie diesen Rekord brechen?

pH-
Meter
– +
Referenz- Glaselektroden-
elektroden- Buchse
buchse
Salzbrücke

Streifen 0.1 M 0.1 M Streifen


aus ZnCl2 CuSO4 aus
Zn-Metall Cu-Metall

13.3 Standardpotentiale

Die Spannung, die in Abbildung 13.6 gemessen wurde, ist die Differenz der elektrischen
Potentiale zwischen der Silberelektrode auf der rechten und der Cadmiumelektrode auf
der linken Seite. Die Spannung beschreibt, welcher Arbeitsbetrag von den Elektronen, die
von der einen auf die andere Seite fließen (Gleichung 13.3) geleistet werden kann. Das
Potentiometer (Voltmeter) zeigt eine positive Spannung an, wenn die Elektronen in den
negativen Pol des Instruments fließen, wie in Abbildung 13.6 gezeigt. Wenn die Elektro-
der positive Eingang
ist der innere Draht nen in der anderen Richtung fließen würden, wäre die Spannung negativ.
im Stecker Meist ist die negative Buchse schwarz und die positive Buchse rot gekennzeichnet.
BNC-Stecker Wenn ein pH-Meter mit einer BNC-Buchse (die nach Neill und Concelman benannte
Bezugs- und wohl verbreitetste Koaxialsteck-Bajonett-Verbindung) als Potentiometer benutzt
elektrode (– Buchse)
pH-Elektrode werden soll, ist der innere Draht der positive Eingang und der äußere Draht der negative
(+ Buchse) Eingang. Bei älteren pH-Messgeräten ist der negative Eingang die kleinere Steckdose für
U.S. Standardstecker die Bezugselektrode.
13.3 · Standardpotentiale 329

Um die Spannung zu ermitteln, die wir erhalten, wenn unterschiedliche Halbzellen


miteinander verbunden werden, muss das Standardreduktionspotential (E0) für jede
Halbzelle experimentell bestimmt werden. Die prinzipielle Messanordnung für ein sol-
ches Experiment ist in Abbildung 13.7 gezeigt. Die Halbzellenreaktion, die uns interes-
siert, lautet
Ag+ + e– U Ag(s) (13.10)
Sie läuft in der rechten Halbzelle, die mit dem positiven Pol des Potentiometers verbunden
ist, ab. Der Begriff Standard bedeutet, dass die Aktivitäten aller Spezies 1 sind. Für die
Reaktion 13.10 bedeutet dies, dass AAg+= 1 und, nach Definition, die Aktivität von Ag(s)
ebenfalls gleich 1 ist.
Die linke Halbzelle, die mit dem negativen Pol des Potentiometers verbunden ist, ist Frage: Welchen pH-Wert hat die
die Standard-Wasserstoffelektrode (S.H.E.). Sie besteht aus einer katalytischen Pt-Ober- Standard-Wasserstoffelektrode?
fläche in Kontakt mit einer sauren Lösung von AH+= 1. Ein Gasstrom von H2(g) strömt
durch die Elektrode und sättigt die Lösung mit H2(aq). Die Aktivität von H2(g) beträgt 1
für den Druck von H2(g) = 1 bar. Die Reaktion, die an der Oberfläche der Pt-Elektrode zu
einem Gleichgewicht kommt, lautet
Wir schreiben alle Halbzellenreaktio-
S.H.E.-Halbzellen-Reaktion: H+ (aq, A=1) + e– U ½ H2(g, A =1) (13.11)
nen als Reduktionen. Vereinbarungs-
Wir geben dem Potential der Standard-Wasserstoffelektrode willkürlich den Wert Null. gemäß gilt für die S.H.E.: E0 = 0.
Die am Potentiometer in Abbildung 13.7 gemessene Spannung kann damit der Reaktion
13.10 zugeschrieben werden, die sich in der rechten Halbzelle abspielt. Der gemessene
Wert E0 = + 0.799 V ist das Standardreduktionspotential für die Reaktion 13.10. Das
positive Vorzeichen sagt uns, dass die Elektronen von links nach rechts durch das Poten-
tiometer fließen.
Wir können dem Potential der Reaktion 13.11 deshalb einen willkürlichen Wert von 1897 hat wahrscheinlich Walter Nernst
0 zuordnen, weil es als Bezugspunkt dient, von dem aus wir andere Halbzellenpotentiale erstmals dem Potential der Wasserstoff-
messen können. Ein analoger Fall ist die willkürliche Festlegung von 0 °C für den Gefrier- elektrode den Wert 0 zugeteilt.12
punkt des Wassers. Bezogen auf diesen Gefrierpunkt siedet Hexan bei 69 °C und Benzen
bei 80 °C. Die Differenz zwischen den beiden Siedepunkten beträgt 80° – 69° = 11°. Hät-
ten wir den Gefrierpunkt des Wassers auf 200 °C statt auf 0 °C festgelegt, würde Hexan bei
269 °C und Benzen bei 280 °C sieden. Die Differenz ist wieder 11 °C. Wohin auch immer Die linke Elektrode wird immer mit
wir auf der Skala die Null setzen, die Differenzen zwischen den Punkten bleiben gleich. dem negativen Pol des Potentiometers
verbunden und die rechte Elektrode
Die Zellsymbolik für die Zelle in Abbildung 13.7 lautet
mit dem positiven Pol. Die am Potentio-
13
+ +
Pt (s) H2 (g , A = 1), H (aq, A = 1) Ag (aq, A = 1) Ag (s) meter gemessene Zellspannung ist die
Differenz:
S.H.E. Ag + (aq, A = 1) Ag (s) Spannung = Potential der rechten Elekt-
rode – Potential der linken Elektrode

+0.799 V
– +

H2(g ) e–
(A H2 = 1)

Salzbrücke

Glas-
rohr
+ + Ag
Pt H Ag
H2- (A H+ = 1) (A Ag+ = 1)
Bläschen Abb. 13.7 Galvanische Zelle zur Mes-
sung des Standardpotentials der Reak-
tion Ag+ + e– U Ag(s). Das ist eine hy-
+ +
Pt(s) H2(g, A = 1) H (aq, A = 1) Ag (aq, A = 1) Ag(s) pothetische Zelle, denn gewöhnlich ist
es unmöglich, die Aktivität einer Spezies
Standardwasserstoffelektrode auf 1 einzustellen.
330 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Frage Das Potential für die Reaktion


Tabelle 13.1 Reihenfolge der Standardreduktionspotentiale
K+ +e– U K(s) beträgt –2.936 V. Das
bedeutet, dass K+ ein sehr schlechtes Oxidationsmittel Reduktionsmittel E0(V)
Oxidationsmittel ist (es nimmt prak- F2(g) + 2 e– U 2F 2.890
tisch keine Elektronen auf ). Bedeutet
dies damit, dass K+ ein gutes Redukti- O3 (g) + 2H+ + 2e– U O2 (g) +H2O 2.075
onsmittel ist?
MnO4– + 8 H+ + 5 e– U Mn2+ + 4 H2O 1.507
Antwort Nein! Um ein gutes Redukti-

Zunahme der Reduktionskraft


Zunahme der Oxidationskraft
onsmittel zu sein, müsste K+ sehr leicht Ag+ + e– U Ag(s) 0.799
Elektronen abgeben (unter Bildung
Cu2+ +2 e– U Cu(s) 0.339
von K2+), was nicht möglich ist. (Je-
doch, das stark negative Reduktions- 2 H+ + 2e– U H2(g) 0.000
potential bedeutet, dass K(s) ein gutes
Cd2+ +2 e– U Cd(s) –0.402
Reduktionsmittel ist.)
K+ + e– U K(s) –2.936

Li+ + e– U Li(s) –3.040

Vereinbarungsgemäß wird die linke Elektrode (Pt) mit der negativen (Referenz-)Buchse
des Potentiometers und die rechte Elektrode mit dem positiven Eingang des Potentiometers
verbunden.
Beachten Sie stets, dass ein Standardreduktionspotential in Wirklichkeit eine Potenti-
aldifferenz zwischen dem Standardpotential der uns interessierenden Reaktion und dem
Potential der S.H.E.-Halbzellenreaktion ist, das wir willkürlich gleich 0 gesetzt haben.
Wenn wir das Standardpotential der Halbzellenreaktion
Cd2+ + 2 e– U Cd(s) (13.12)
messen wollen, müssen wir die Zelle
S.H.E. Cd 2 + (aq, A = 1) Cd (s)
Aufgabe: Zeichnen Sie ein Bild der konstruieren, bei der die Cadmium-Halbzelle mit dem positiven Pol des Potentiometers
Zelle S.H.E. Cd2+ (aq ,A = 1) Cd (s ) und verbunden wird. In diesem Falle beobachten wir eine negative Zellspannung von –0.402
zeigen Sie die Richtung des Elektro- V. Das negative Vorzeichen sagt uns, dass die Elektronen in diesem Fall von Cd zu Pt flie-
nenflusses ßen, eine im Vergleich zur Abbildung 13.7 umgekehrte Richtung.
Im Anhang H finden Sie die Standardreduktionspotentiale, die in alphabetischer
Reihenfolge der Elemente angeordnet sind. Wenn man die Halbzellenreaktionen nach
abnehmenden Wert von E0 ordnet (wie dies in Tabelle 13.1 geschehen ist), finden wir die
stärksten Oxidationsmittel oben links und die stärksten Reduktionsmittel unten rechts.
Wenn wir die zwei Halbzellen aus den Reaktionen 13.10 und 13.12 verbinden, würde Ag+
zu Ag(s) reduziert und Cd(s) zu Cd2+ oxidiert.

13.4 Die Nernstsche Gleichung

Ein Reaktionsablauf ist spontan, wenn Das Prinzip von Le Châtelier besagt, dass mit zunehmender Konzentration der Aus-
ΔG negativ und E positiv ist. ΔG0 und gangsstoffe eine Reaktion nach rechts verschoben wird und dass sich mit Zunahme der
E0 sind die Änderung der freien Ent- Konzentration der Reaktionsprodukte die Reaktion wieder nach links verschiebt. Die
halpie bzw. des Potentials, wenn die Gesamttriebkraft für eine Reaktion wird durch die Nernstsche Gleichung ausgedrückt,
Aktivitäten der Ausgangsstoffe und deren zwei Terme die Triebkraft unter Standardbedingungen (E0, wenn alle Aktivitäten 1
Produkte gleich 1 sind. sind) und die Konzentrationsabhängigkeit beschreiben.
ΔG0 = –nFE0
13.4 · Die Nernstsche Gleichung 331

Nernst-Gleichung für eine Halbzellenreaktion


Für die Halbzellenreaktion Aufgabe: Zeigen Sie, dass das Prinzip
von Le Châtelier ein negatives Vorzei-
aA + n e– ↔ bB
chen vor dem Ausdruck für den Reak-
ergibt die Nernstsche Gleichung das Halbzellenpotential E: tionsquotienten in der Nernstschen
RT Ab Gleichung erfordert. Hinweis: Je mehr
Nernstsche Gleichung: E = E 0 − ln aB (13.13) eine Reaktion begünstigt ist, desto
nF AA
positiver ist E.
mit
E0 = Standardreduktionspotential (AA = AB = 1)
R = Gaskonstante [8.314 J/(K . mol) = 8.314 (V . C)/(K . mol)]
T = Temperatur (K)
n = Anzahl der Elektronen in der Halbzellenreaktion
F = Faradaykonstante (9.649 × 104 C/mol)
Ai = Aktivität der Spezies i

Der logarithmische Term in der Nernst-Gleichung ist der Reaktionsquotient Q.


A bB
Q = (13.14)
A aA
Q hat die gleiche Form wie eine Gleichgewichtskonstante, die Aktivitäten müssen aber
nicht den Gleichgewichtswerten entsprechen. Reine Festkörper, reine Flüssigkeiten und
Lösungsmittel werden bei Q weggelassen, denn ihre Aktivitäten sind 1 (oder nahe bei 1);
die Konzentrationen der gelösten Stoffe werden in Mol pro Liter und die Konzentrationen
der Gase als Druck in bar angegeben. Wenn alle Aktivitäten 1 sind, wird Q = 1 und ln Q
= 0 und man erhält E = E0.
Wenn man den natürlichen Logarithmus in Gleichung 13.13 in den dekadischen Lo- Anhang A zeigt die Beziehungen
garithmus umwandelt und für T die Temperatur von 298.15 K = 25.00 °C einsetzt, erhält von ln und log: log x = (ln x)/(ln 10) =
man die praktisch meist angewandte Form der Nernstschen Gleichung: (ln x)/2.303
0.059 16 V Ab
Nernst-Gleichung bei 25 °C: E = E0 − log aB (13.15)
n AA
Das Potential ändert sich um 59.16/n mV bei jeder Veränderung des Wertes von Q um
den Faktor 10.
13
> Beispiel
Formulierung der Nernstschen Gleichung für eine Halbzellenreaktion
Wir schreiben die Nernstsche Gleichung für die Reduktion von weißem Phosphor zu gasför-
migem Phosphin:
Phosphin ist ein hochtoxisches Gas
¼ P4(s, weiß) + 3 H+ + 3e– U PH3 (g) E0 = –0.046 V
und riecht nach verfaulendem Fisch
Phosphin

Lösung Wir lassen den Festkörper beim Reaktionsquotienten weg und drücken die Gas-
konzentration als Gasdruck aus. Dann lautet die Nernstsche Gleichung

0.059 16 PPH
E = − 0.046 − log + 33

3 [H ]

Selbstüberprüfung Formulieren Sie die Nernstsche Gleichung für die folgende Reaktion
ZnS(s) + 2 e– U Zn(s) + S2– mit dem Wert für E0 in Anhang H.
0.059 16
(Lösung: E = −1.405 − log ⎡⎣S 2− ⎤⎦ )
2

> Beispiel
Die Multiplikation einer Halbzellenreaktion ändert den Wert von E0 nicht
Wenn wir eine Halbzellenreaktion mit einem Faktor multiplizieren, ändert sich der Wert von
E0 nicht. Es ändert sich jedoch der Faktor n vor dem logarithmischen Term und auch der
332 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Reaktionsquotient Q ändert sich. Wenn wir die Nernstsche Gleichung für die Reaktion im
vorigen Beispiel mit 2 multiplizieren, erhalten wir
½ P4(s, weiß) + 6 H+ + 6e– U 2 PH3 (g) E 0 = –0.046 V
2
0.059 16 P
Lösung E = − 0.046 −
PH3
log + 6
6 [H ]
Obwohl diese Nernstsche Gleichung etwas anders als die vorhergehende aussieht, zeigt
Exkurs 13.2, dass sich der Zahlenwert von E nicht verändert hat. Der quadratische Term im
Reaktionsquotientenen kürzt sich gegen den verdoppelten Wert von n vor dem log-Term.

Selbstüberprüfung Formulieren Sie die Nernstsche Gleichung für P4 + 12 H+ + 12e– U


4 PH3. Zeigen Sie mit Exkurs 13.2, dass E den gleichen Wert hat wie bei ½ P4 oder ¼ P4.

Exkurs 13.2
1
E0 und Zellspannung hängen nicht davon ab, Ag+ + e– U Ag(s) E = E0 – 0.059 16 log
⎡⎣Ag+ ⎤⎦
wie Sie die Zellreaktion schreiben
Die Multiplikation einer Halbzellenreaktion mit irgendeiner Zahl än-
dert das Standardreduktionspotential E0 nicht. Die Potentialdiffe- 0.059 16 1
2Ag+ + 2e– U 2Ag(s) E = E0 – log 2
renz zwischen zwei Punkten ist gleich der erbrachten Arbeit pro 2 ⎡⎣Ag+ ⎤⎦
Coulomb Ladung, die durch diese Potentialdifferenz (E = Arbeit/q)
transportiert wird. Die Arbeit pro Coulomb ist gleich, ob 0.1, 2.3 Die beiden Ausdrücke sind gleich, denn log ab = b log a:
oder 104 Coulomb überführt werden. Die Gesamtarbeit ist in
0.059 16 1 2 ⋅0.059 16 1 1
jedem Fall eine andere, aber die Arbeit pro Coulomb ist konstant. log = log = 0.059 16 log
2 [Ag+ ]2 2 [Ag+ ] [Ag+ ]
Deshalb verdoppeln wir E0 nicht, wenn wir eine Halbzellenreak-
tion mit 2 multiplizieren. Der Exponent im log-Term kürzt sich gegen den Faktor 1/n vor
Die Multiplikation einer Halbzellenreaktion verändert das dem log-Term. Die Zellenspannung ist eine messbare Größe,
Halbzellenpotential E nicht. Um das zu zeigen, betrachten wir die die nicht davon abhängen kann, wie die Reaktion geschrieben
Silberhalbzellenreaktion, mit einem oder mit zwei Elektronen wird.
formuliert:

Nernstsche Gleichung für eine vollständige Reaktion


In Abbildung 13.6 ist die gemessene Spannung die Differenz zwischen den Potentialen
der beiden Elektroden:
Nernstsche Gleichung für eine vollständige Zelle: E = E+ – E– (13.16)
mit E+, dem Potential der Elektrode am positiven Eingang des Potentiometers und E–, dem
Potential der Elektrode am negativen Eingang. Das Potential jeder Halbzellenreaktion (als
Reduktion geschrieben) wird durch die Nernstsche Gleichung bestimmt und die Spannung
der Gesamtreaktion ist die Differenz zwischen den beiden Halbzellenpotentialen.
Vorschrift zur Aufstellung der vollständigen Zellreaktion und zur Ermittlung der
Zellspannung:
Schritt 1 Schreiben Sie die Reduktionshalbzellenreaktionen für beide Halbzellen auf und
entnehmen Sie E0 für jede von ihnen aus Anhang H. Falls erforderlich, multi-
plizieren Sie die Halbzellenreaktionen so, dass Sie für beide die gleiche Anzahl
von Elektronen erhalten. Wenn Sie eine Reaktion mit irgendeiner Zahl multi-
plizieren, multiplizieren Sie nicht den Wert von E0.
Schritt 2 Schreiben Sie die Nernstsche Gleichung für die Halbzellenreaktion in der
rechten Halbzelle, die mit dem positiven Pol des Potentiometers verbunden
ist, auf. Das ist E+.
Schritt 3 Schreiben Sie die Nernstsche Gleichung für die Halbzellenreaktion in der
linken Halbzelle, die mit dem negativen Pol des Potentiometers verbunden ist,
auf. Das ist E-.
Schritt 4 Ermitteln Sie die Gesamtzellspannung durch Subtraktion: E = E+ – E.
13.4 · Die Nernstsche Gleichung 333

Schritt 5 Um eine bilanzierte Gesamtzellreaktion aufzuschreiben, subtrahieren Sie die


linke Halbzellenreaktion von der rechten (das entspricht der Umkehr der lin-
ken Halbzellenreaktion mit anschließender Addition).

Wenn die Gesamtzellspannung, E (= E+ – E–), positiv ist, dann verläuft die Gesamtzell- E > 0: Gesamtzellreaktion verläuft →
reaktion spontan in die Vorwärtsrichtung. Wenn die Gesamtzellspannung negativ ist, E < 0: Gesamtzellreaktion verläuft ←
verläuft die Reaktion spontan in die umgekehrte Richtung.

> Beispiel
Nernstsche Gleichung für eine vollständige Reaktion
Ermitteln Sie die Zellspannung der Zelle in Abbildung 13.6, wenn die rechte Halbzelle 0.50
M AgNO3(aq) und die linke Halbzelle 0.010 M Cd(NO3)2(aq) enthält. Schreiben Sie die Ge-
samtzellreaktion auf und stellen Sie fest, ob die Hin- oder Rückreaktion spontan verläuft.

Lösung
Schritt 1 rechte Elektrode 2 Ag+ + 2e– U 2 Ag(s) E+0 = 0.799 V
linke Elektrode Cd2+ + 2e– U Cd(s) E–0 = –0.402 V
Schritt 2 Nernstsche Gleichung für die rechte Elektrode: Reine Festkörper, reine Flüssigkeiten
und Lösungsmittel werden bei Q weg-
0.059 16 1 0.059 16 1
E + = E +0 − log = 0.799 − log = 0.781 V gelassen.
2 [Ag+ ]2 2 (0.50)2

Schritt 3 Nernstsche Gleichung für die linke Elektrode:


0.059 16 1 0.059 16 1
E − = E −0 − log = -0.402 − log = -0.461 V
2 [Cd2+ ] 2 0.010

Schritt 4 Zellspannung: E = E + − E − = 0.781 − ( − 0.461) = + 1.242 V


Schritt 5 Gesamtzellreaktion: 2 Ag+ + 2e– U 2 Ag(s) Die Subtraktion einer Reaktion ist iden-
– Cd2+ + 2 e– U Cd(s) tisch mit der Umkehr der Reaktion und
Cd(s) + 2 Ag+ U Cd2+ + 2 Ag(s) nachfolgender Addition

Da die Zellspannung positiv ist, verläuft die Gesamtreaktion freiwillig nach rechts. Cd(s) wird
oxidiert und Ag+ wird reduziert. Die Elektronen fließen von der linken zur rechten Elektrode.

Selbstüberprüfung Verläuft die Reaktion auch freiwillig, wenn in den Halbzellen folgende 13
Konzentrationen vorliegen: 5.0 μM AgNO3 und 1.0 M Cd(NO3)2? (Lösung: E+ = 0.485 V, E– =
–0.402, E = + 0.887 V, freiwillig)

Was wäre passiert, wenn Sie die Nernstsche Gleichung für die rechte Halbzelle mit nur
einem Elektron anstelle von zwei geschrieben hätten?
Ag+ + e– U Ag(s)
Wäre die Gesamtzellspannung eine andere geworden? Natürlich nicht, denn die Chemie
ist die gleiche geblieben. Exkurs 13.2 zeigt, dass weder E0 noch E davon abhängen, wie wir
die Reaktion schreiben. In Exkurs 13.3 wird die Ableitung der Standardreduktionspoten-
tiale für Halbzellenreaktionen gezeigt, die sich als Summe anderer Halbzellenreaktionen
darstellen lassen.

Eine intuitive Art der Betrachtung von


Halbzellenpotentialen2
Im vorstehenden Beispiel fanden wir für die Silber-Halbzelle einen Wert von E = 0.781 V Elektronen fließen zum positiveren
und für die Cadmium-Halbzelle von E = –0.461 V. Tragen Sie diese Werte auf den Zah- Potential
lenstrahl der Abbildung 13.8 ein und beachten Sie, dass Elektronen stets in Richtung auf
das positivere Potential fließen. Deshalb fließen im Stromkreis die Elektronen vom Cad-
mium zum Silber. Der Abstand der beiden Halbzellen beträgt 1.242 V. Dieses Diagramm
334 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Elektronen fließen
von Cd zu Ag

Cd2+ Cd Ag+ Ag
E = –0.461 V E = 0.781 V

Abb. 13.8 Elektronen fließen stets von –1.0 – 0.5 0 0.5 1.0
der negativeren zur positiveren Elek-
trode. Sie fließen demnach in diesem Zellspannung E = 0.781 – (–0.461)
Diagramm immer nach rechts.2 = 1.242 V

funktioniert auch, wenn beide Halbzellenpotentiale positiv oder beide negativ sind. Die
Elektronen fließen immer zum positiveren Potential.

Eine andere Beschreibungen der gleichen Reaktion


Die rechte Halbzellenreaktion der Abbildung 13.4 kann wie folgt geschrieben werden
AgCl(s) + e– U Ag(s) + Cl– E+0 = 0.222 (13.17)

E+ = E+0 – 0.059 16 log[Cl–] = 0.222 – 0.059 16 log[0.033 4] = 0.3093 (13.18)

Die Cl–-Konzentration in der Silberhalbzellenreaktion ergibt sich aus 0.016 7 M CdCl2(aq).


Nehmen wir an, ein anderer Autor hätte dieses Buch geschrieben und folgende Halb-
zellenreaktion gewählt:
Ag+ + e– U Ag(s) E+0 = 0.799 V (13.19)
Diese Beschreibung ist genauso gültig wie die voranstehende. In beiden Fällen wird Ag(I) zu
Ag(0) reduziert.
Wenn beide Beschreibungen richtig sind, sollten sie die gleiche Zellspannung ergeben.
Die Nernstsche Gleichung für Reaktion 13.19 lautet
1
E+ = 0.799 − 0.059 16 log
[Ag + ]

Um die Konzentration von Ag+ zu ermitteln, müssen wir das Löslichkeitsprodukt von
AgCl verwenden. Da die Zelle 0.033 4 M Cl- und festes AgCl enthält, können wir sagen
K L (für AgCl) 1.8 × 10 −10
KL = [Ag+] [Cl–] [Ag + ] = −
= = 5.4 × 10 −9 M
[Cl ] 0.033 4
Setzen wir diesen Wert in die Nernstsche Gleichung ein, erhalten wir
1
E+ = 0.799 − 0.059 16 log = 0.309 9 V
5.4 × 10 −9
Die Zellspannung kann nicht davon Dieses Ergebnis unterscheidet sich von dem mit Gleichung 13.18 berechneten Wert nur
abhängen, wie wir die Reaktion schrei- auf Grund der Richtigkeit von KL und der Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizienten.
ben! Gleichung 13.17 und 13.19 ergeben die gleiche Zellspannung, da die gleiche Zelle be-
schrieben wird.

Ratschläge für das Auffinden der richtigen


Halbzellenreaktion
Wie man die Halbzellenreaktionen Wenn Sie eine Zelle zeichnen, oder die Zellsymbolik aufschreiben sollen, dann schreiben
findet. Sie zunächst die Reduktionsreaktionen für jede Halbzelle auf. Hierzu suchen Sie ein Ele-
ment in der Zelle, das in zwei Oxidationsstufen auftritt.
13.4 · Die Nernstsche Gleichung 335

Exkurs 13.3

Latimer-Diagramme: Wie findet man E0 für IO–3 +6 H+ + 6 e– U I– + 3 H2O


eine neue Halbzellenreaktion
Ein Latimer-Diagramm fasst die Standardreduktionspotenti- Um E0 für diese Reaktion zu ermitteln, drücken wir diese Reaktion
ale (E0) zusammen, die verschiedene Oxidationszustände eines als Summe von Reaktionen aus, deren Potentiale wir kennen.
Elements verbinden.13 So werden z. B. in einer sauren Lösung die Die Änderung der freien Standardenthalpie, ΔG0, für eine
folgenden Standardreduktionspotentiale beobachtet: Halbzellenreaktion ergibt sich aus
?
ΔG0 = –nFE0
1.318
1.589 1.154 1.430 0.535 Wenn zwei Halbzellenreaktionen addiert werden und eine dritte
IO 4 IO 3 HOI I 2(s) I 0
Oxidations- Reaktion ergeben, ist die Summe der individuellen ΔG -Werte gleich
( 7) ( 5) ( 1) (0) ( 1) stufe des dem Gesamtwert von ΔG0.
Iods
Um die Änderung der freien Enthalpie auf diese Aufgabe an-
1.210
zuwenden, schreiben wir die beiden Reaktionen, deren Summe
Als ein Beispiel für die Bedeutung der einzelnen Pfeile schreiben die gewünschte Reaktion ergibt:
wir die Gleichung für den Pfeil, welcher IO3– und HOI verbindet, auf: E10 =1.210
IO3− + 6H+ + 5e − ⎯⎯⎯→ 2 I2 (s ) + 3H2 O
1
ΔG10 = − 5F (1.210)
IO3− ⎯⎯ ⎯
1.154
→ HOI
0
1
I (s )
2 2 + e − ⎯⎯⎯→
E =0.535
2
I− ΔG20 = − 1F (0.535)
0
Diese Kurzfassung steht für die vollständige Gleichung IO3− + 6H+ + 6e− ⎯⎯→
E =?
I− 3
+ 3H2 O ΔG30 = − 6FE30

IO–3 + 5 H+ + 4 e– U HOI + 2 H2O E0 = +1.154 V


Mit Hilfe von ΔG10 + ΔG20 = ΔG30 können wir E30 berechnen:
Es ist auch möglich, die Reduktionspotentiale für Redoxpaare
ΔG30 = ΔG10 + ΔG20
abzuleiten, deren Wert im Diagramm nicht angegeben ist. indem
−6FE30 = − 5F (1.210) − 1F (0.535)
wir ΔG0 verwenden. So ist z. B. die folgende Halbzellenreaktion
5(1.210) + 1(0.535)
durch die gestrichelte Linie im Latimer-Diagramm angedeutet: E30 = = 1.098 V
6

Für die Zelle


Pb(s) PbF2 (s) F − (aq) Cu 2 + (aq) Cu(s)
sehen wir Pb in zwei Oxidationszuständen, nämlich als Pb(s) und PbF2(s) und auch Cu in
zwei Oxidationsstufen, nämlich Cu2+ und Cu(s). So lauten die Halbzellenreaktionen
13
rechte Halbzelle Cu2+ + 2 e– U Cu(s)
linke Halbzelle PbF2 + 2e– U Pb(s) + 2 F– (13.20)
Vielleicht haben Sie auch die Bleihalbzellenreaktion wie folgt geschrieben
linke Halbzelle Pb2+ + 2e– U Pb(s) (13.21)
da Sie wissen, dass bei Gegenwart von PbF2(s) eine kleine Menge Pb2+
in der Lösung
sein muss. Die Reaktionen 13.20 und 13.21 sind gleichberechtigte Beschreibungen der
Zelle und mit jeder können Sie die gleiche Zellspannung berechnen. Die Entscheidung,
Reaktion 13.20 oder Reaktion 13.21 zu verwenden, hängt davon ab, ob man leichter die
F–- oder die Pb2+-Konzentration ermitteln kann.
Wir beschreiben die linke Halbzellenreaktion als Redoxreaktion unter Beteiligung Erfinden Sie keine Teilchen, die in der
von Pb, da Pb das Element ist, das in zwei Oxidationszuständen auftritt. Wir dürfen eine Zelle nicht auftreten. Verwenden Sie
Reaktion, wie F2(g) + 2e– U 2F– nicht verwenden, da F2(g) in der Gleichung der Zellsym- für die Halbzellenreaktionen nur Stoffe,
bolik überhaupt nicht vorkommt. die in der Zellsymbolik auftreten.

Verwendung der Nernstschen Gleichung zur Bestimmung


der Standardreduktionspotentiale
Das Standardreduktionspotential wird erhalten, wenn die interessierende Halbzelle (mit
den Aktivitäten = 1), wie in Abbildung 13.7 gezeigt, mit einer Standard-Wasserstoffelek-
trode verbunden wird. Es ist jedoch nahezu unmöglich, eine solche Zelle zu konstruieren,
336 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Aufgabe 13.20 gibt ein Beispiel zur Ver- da es sehr kompliziert ist, Konzentrationen und Ionenstärke so einzustellen, dass die
wendung der Nernstschen Gleichung Aktivität 1 erreicht wird. In Wirklichkeit sind die in jeder Halbzelle verwendeten Aktivi-
für die Ermittlung von E0. täten kleiner als 1 und man nutzt die Nernstsche Gleichung, um den Wert von E0 aus der
Zellspannung zu gewinnen.14 Bei der Wasserstoffelektrode werden Standardpuffer mit
bekanntem pH (Tabelle 14.3) verwendet, um bekannte Aktivitäten von H+ zu erhalten.

13.5 E 0 und die Gleichgewichtskonstante

Eine galvanische Zelle erzeugt Elektrizität, weil sich die Zellenreaktion nicht im Gleich-
gewicht befindet. Durch das Potentiometer fließt ein vernachlässigbarer Strom (Exkurs
13.4), so dass sich die Konzentrationen in jeder Halbzelle nicht verändern. Wenn wir das
Potentiometer durch einen Draht ersetzen, würde ein viel größerer Strom fließen und die
Konzentrationen würden sich verändern, bis ein Gleichgewichtszustand erreicht ist. An
diesem Punkt gibt es keine Triebkraft für eine Reaktion und E wäre 0. Wenn eine Batterie
(sie ist eine galvanische Zelle) auf 0 Volt abfällt, haben die im Inneren befindlichen Reak-
Im Gleichgewicht ist E (nicht E0) = 0. tanten das Gleichgewicht erreicht und die Batterie ist „tot“.
Nun wollen wir die Beziehung von E für eine Gesamtreaktion zum Reaktionsquotien-
ten, Q, für die Zellreaktion aufstellen. Für die beiden Halbzellenreaktionen
Zellengesamtreaktion: Rechte Elektrode aA + n e– U cC E+0
aA + bB U cC + dD Linke Elektrode dD + n e– U bB E−0
ergibt die Nernstsche Gleichung:

log a + log b = log ab 0.059 16 Ac ⎛ 0.059 16 Ab ⎞


E = E+ − E− = E+0 − log aC − ⎜⎜ E−0 − log dB ⎟⎟
n AA ⎝ n AD ⎠

0.059 16 A c Ad 0.059 16
E = (E+0 − E−0 ) − log Ca Db = E 0 − log Q (13-22)
  n A AA B n
E0 
Q

So kommen Sie von Gleichung 13.23 Die Gleichung 13.22 ist für jeden Zeitpunkt gültig. Für den Spezialfall, dass sich die Zelle
zu 13.24: im Gleichgewicht befindet, ist E = 0 und Q = K, die Gleichgewichtskonstante. Deshalb
0.059 16 kann Gleichung 13.22 für den Gleichgewichtsfall in die äußerst wichtige Form umgewan-
log K = E 0 delt werden:
n
nE 0 0.059 16
log K = Ermittlung von E0 aus K: E 0 = log K (bei 25 °C) (13.23)
0.059 16 n
0
0 Ermittlung von K aus E0: K = 10nE /0.059' 16
(bei 25 °C) (13.24)
10log K = 10 nE /0.059 '16

Gleichung 13.24 ermöglicht die Ableitung der Gleichgewichtskonstanten aus E0. Umge-
0
K = 10 nE /0.059'16
kehrt können wir E0 aus K mit Gleichung 13.23 ermitteln.

Exkurs 13.4

Konzentrationen in der arbeitenden Zelle Der Elektronenfluss ist dann


Warum tritt beim Betrieb einer Zelle keine Änderung der
10 −15 C / s
Konzentrationen in dieser Zelle ein? Die Zellspannung = 1018 mol e − / s
9.649 ×10 4 C / mol
wird unter Bedingungen gemessen, bei denen der Strom-
fluss vernachlässigbar ist. So beträgt z. B. der Widerstand wodurch eine Oxidation und Reduktion der Reagenzien in der
eines Hochleistungs-pH-Meters 1013 Ω. Wenn eine Zelle Zelle vernachlässig werden kann.
eine Spannung von 1 V liefert, beträgt die Stromstärke im Wenn eine Salzbrücke für lange Zeit in einer galvanischen
Stromkreis Zelle belassen wird, verändern sich die Konzentrationen und die
Ionenstärke aufgrund einer Diffusion zwischen den einzelnen
E 1V
I = = = 10 −13 A Teilen der Zelle und der Salzbrücke. Die Zellen sollten nur für
R 1013 Ω
eine solch kurze Zeit zusammengestellt werden, dass keine Ver-
mischung erfolgt.
13.5 · E0 und die Gleichgewichtskonstante 337

> Beispiel
Ermittlung der Gleichgewichtskonstanten aus E 0
Gesucht ist die Gleichgewichtskonstante für die Reaktion

Cu(s) + 2 Fe3+ U 2 Fe2+ + Cu2+

Lösung Die Reaktion wird in die zwei Halbzellenreaktionen, die Sie in Anhang H finden,
aufgeteilt:
Wir verknüpfen E-0 mit der Halbzellen-
2 Fe3+ + 2e– U 2 Fe2+ E +0 = 0.771 V
reaktion, die umgekehrt werden muss,
– Cu2+ + 2e– U Cu(s) E –0 = 0.339 V
um die gewünschte Gesamtreaktion
Cu(s) + 2 Fe3+ U 2 Fe2++ Cu2+
zu erhalten.
Wir finden für die Gesamtreaktion einen Wert von E0

E 0 = E +0 − E −0 = 0.771− 0.339 = 0.432 V

und berechnen die Gleichgewichtskonstante mit Gleichung 13.24:

K = 10(2)(0.432)/(0.059 16) = 4 × 1014

Beachten Sie, dass ein gar nicht so großer Wert von E0 einer sehr großen Gleichgewichts- Die signifikanten Ziffern für Logarith-
konstante entspricht. Der Wert von K ist richtig mit einer signifikanten Ziffer angegeben, da men und Exponenten wurden in Ab-
E0 drei Stellen hat. Zwei werden für den Exponenten (14) benötigt und nur eine ist für den schnitt 3.2 behandelt.
Faktor (4) übrig.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie K für die Reaktion Cu(s) + 2Ag+ U Cu2+ + 2 Ag(s).
(Lösung: E0 = 0.460 V, K = 4 × 1015).

Ermittlung von K für Gesamtreaktionen,


die keine Redoxreaktionen sind
Wir betrachten die folgenden Halbzellenreaktionen, deren Differenz die Reaktion des
Auflösens von Eisen(II)carbonat ergibt:
E0 für die Auflösung von Eisen(II)car-
FeCO3(s) + 2e– U Fe(s) + CO32– E+0 = -0.756 V
bonat ist negativ. Das bedeutet, dass
– Fe2+ + 2 e– U Fe(s) E−0 = –0.44 die Reaktion nicht freiwillig abläuft.
„Nicht freiwillig“ bedeutet einfach K <
13
FeCO3(s) U Fe2+ + CO32– E0 = –0.756–(–0.44) = –0.316 V
1. Die Reaktion läuft solange ab, bis die
K L = 10 (2)( −0.31 )/(0.059 16) = 2 × 10 −11
6 Konzentrationen der Reaktanten und
Produkte die Gleichgewichtsbedin-
Aus E0 für die Gesamtreaktion können wir KL für Eisen(II)carbonat berechnen. Die po- gung erfüllen.
tentiometrischen Messungen ermöglichen die Bestimmung von Gleichgewichtskonstan-
ten, die zu groß oder zu klein sind, um die Konzentrationen der Reaktanten und Produkte
direkt zu bestimmen.
An dieser Stelle könnten Sie protestieren: „Wie kann es ein Redoxpotential für eine Re-
aktion geben, die gar keine Redoxreaktion ist?“ Exkurs 13.3 zeigt, dass das Redoxpotential
nur eine andere Art des Ausdrucks für die Änderung der freien Enthalpie der Reaktion ist. Je
mehr eine Reaktion energetisch begünstigt ist (je negativer ΔG0 ist), desto positiver ist E0.
Ganz allgemein lautet die Beziehung zwischen den E0-Werten der Halbzellenreaktio-
nen und K für eine Gesamtreaktion
Halbreaktion: E+0
− Halbreaktion: E−0
0
Gesamtreaktion: E 0 = E+0 − E−0 K = 10 nE /0.059 16

Wenn Sie E–0 und E+0 kennen, lässt sich E 0 und K für die gesamte Zellreaktion ermitteln.
Umgekehrt können Sie bei Kenntnis von E 0 und von E–0 oder E+0 das fehlende Standardpo-
tential bestimmen. Wenn Sie K kennen, können Sie E0 berechnen und dazu benutzen, um
entweder E–0 oder E+0 zu bestimmen, vorausgesetzt Sie kennen eines von ihnen.
338 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

H2 > Beispiel
O O N
Die Beziehung zwischen E 0 und K
Ni
Aus der Bruttostabilitätskonstante von Ni(glycin)2 und dem Wert von E0 für das Ni2+⏐Ni(s)-
N O O
H2 Paar
mögliche Struktur
von Ni(glycin)2 Ni2+ + 2 Glycin– U Ni(glycin)2 K = β2 = 1.2 × 1011
Ni2+ + 2 e– U Ni(s) E0 = –0.236 V

soll der Wert für E0 für die folgende Reaktion berechnet werden

Ni(glycin)2 + 2e– U Ni(s) + 2 Glycin– (13.25)

Lösung Wir müssen die Beziehung zwischen den folgenden drei Reaktionen finden:
Ni2+ +2e– U Ni(s) E+0 = –0.236 V
– Ni(glycin)2 + 2e– U Ni(s) + 2 Glycin– E–0 = ?
Ni2+ + 2 Glycin– U Ni(glycin)2 E0 = ? K = 1.2 × 1011

Wir wissen, dass E+0 – E–0 = E0 sein muss, so dass wir E–0 berechnen können, wenn wir den
Wert für E0 haben. E0 können wir aus der Gleichgewichtskonstante für die Gesamtreaktion
bestimmen.
0.059 16 0.059 16
Das negativere Potential von –0.564 V E0 = = log K = log (1.2 × 1011 ) = 0.328 V
n 2
zur Reduktion von Ni(glycin)2 im Ver-
gleich zu –0.236 V zur Reduktion von Somit beträgt das Standardreduktionspotential für die Halbzellenreaktion 13.25
Ni2+ sagt uns, dass die Reduktion von
E–0 = E+0 - E0 = –0.236 – 0.328 = –0.564 V
Ni(glycin)2 schwieriger ist als die von
Ni2+. Ni2+ ist in Bezug auf seine Reduk- Selbstüberprüfung Wählen Sie die Halbzellenreaktionen im Anhang H aus, um die Kom-
tion durch die Komplexbildung mit plexstabilitätskonstante β2 für Cu+ + 2 Ethylendiamin U Cu(ethylendiamin)+2 zu bestimmen.
Glycin stabilisiert. (Lösung: E0 = 0.637 V, β2 = 6 × 1010)

13.6 Galvanische Zellen als chemische Sonden15

Es ist sehr wichtig, zwischen zwei Arten der Gleichgewichte in galvanischen Zellen zu
unterscheiden:
1. Das Gleichgewicht zwischen den zwei Halbzellen
2. Das Gleichgewicht innerhalb einer Halbzelle

Eine chemische Reaktion, die inner- Wenn eine galvanische Zelle eine von Null verschiedene Spannung besitzt, ist die Ge-
halb einer Halbzelle abläuft, kann den samtzellenreaktion nicht im Gleichgewicht. Das Gleichgewicht zwischen den beiden
Gleichgewichtszustand erreichen und Halbzellen hat sich nicht eingestellt.
ihn beibehalten. Eine solche Reaktion Gewöhnlich haben die Halbzellen genügend Zeit zur Einstellung des Gleichgewichts
ist nicht die Gesamtzellreaktion. innerhalb der Halbzelle. So wird z. B. in der rechten Halbzelle in Abbildung 13.9 die Re-
aktion
AgCl(s) U Ag+(aq) + Cl–(aq)
das Gleichgewicht erreichen, unabhängig davon, ob eine andere Halbzelle zugegen ist.
Das Gleichgewicht innerhalb einer Zelle ist nicht Gegenstand der Gesamtzellreaktion. Es
ist einfach eine chemische Reaktion, deren Gleichgewicht sich einstellt, wenn AgCl(s) mit
einer wässrigen Lösung in Kontakt kommt. In der linken Halbzelle hat die Reaktion
CH3COOH U CH3COO– + H+
ebenfalls einen Gleichgewichtszustand erreicht. Keine der genannten Reaktionen ist eine
an der Gesamtzellreaktion beteiligte Redoxreaktion.
Die Redoxreaktion für die rechte Halbzelle der Abbildung 13.9 lautet
AgCl(s) + e– U Ag(s) + Cl–(aq, 0.10 M) E+0 = –0.222 V
Doch welche Reaktion läuft in der linken Halbzelle ab? Das einzige Element, das in zwei
Oxidationsstufen vorliegt, ist Wasserstoff. Wir sehen, dass H2(g) durch die Zelle strömt
13.6 · Galvanische Zellen als chemische Sonden 339

+0.503 V
– +

H2
(1.00 bar)

Salzbrücke

Pt Ag
0.10 M
KCl
AgCl(s)

CH3CO2H(0.050 M)
CH3CO2Na(0.005 0 M)

Pt(s) H2(1.00 bar) CH3CO2H(0.050 M), CH3CO2Na(0.005 0 M) Cl (0.10 M) AgCl(s) Ag(s) Abb. 13.9 Diese galvanische Zelle kann
zur Bestimmung des pH-Wertes in der
Aha! Ein Puffer! linken Halbzelle verendet werden.

und wir wissen, dass jede wässrige Lösung H+ enthält. Damit ist Wasserstoff in zwei
Oxidationszuständen vorhanden und die Halbzellenreaktion kann geschrieben werden
mit
2 H+(aq, ? M) + 2e– U H2(g, 1.00 bar) E−0 = 0
Die Gesamtzellenreaktion befindet sich nicht im Gleichgewicht, denn es wird eine Zell-
spannung von 0.503 V gemessen.
Die Nernst-Gleichung für die Gesamtzellreaktion ist:
⎛ ⎞
⎛ 0.05916 2⎞ 0.05916 pH
E = E+ − E− = ⎜ 0.222 − log ⎡⎣Cl − ⎤⎦ ⎟ − ⎜ 0 − log 2 ⎟
⎜ ⎡ +⎤
2 ⎟⎟
⎝ 2 ⎠ ⎜ 2
⎣H ⎦
⎝ ⎠
Wenn wir alle bekannten Größen einsetzen, bleibt als einzige Unbekannte der Wert von
[H+]. Die gemessene Zellspannung erlaubt uns demnach die Bestimmung der Konzentration
von H+ in der linken Halbzelle:
13
0.059 16 1.00
0.503 = (0.222–0.059 16 log [0.10]) – (0 – log 2
)
2 ⎡H + ⎤
⎣ ⎦
⇒ [H+] =1.8 × 10–4 M
Mit diesem Wert können wir wiederum die Gleichgewichtskonstante der Säure-Base-
Reaktion bestimmen, die sich in der linken Halbzelle in einem chemischen Gleichgewicht
befindet:
[CH3COO− ][H + ] (0.005 0)(1.8 × 10 −4 ) Frage Warum können wir annehmen,
KS = = = 1.8 × 10 −5 dass die Konzentrationen der Essig-
[CH3COOH] 0.050
säure und der Acetationen gleich ihrer
Die Zelle in Abbildung 13.9 kann somit als eine Sonde für die Messung der unbekannten Ausgangskonzentration sind?
H+-Konzentration in der linken Halbzelle betrachtet werden. Mit Zellen dieser Art kön-
nen wir Gleichgewichtskonstanten für die Dissoziation von Säuren oder der Protolyse von
Basen ermitteln, die wir in die linke Halbzelle geben.

Hinweise zur Bewältigung dieser Aufgaben


Die Aufgaben in diesem Kapitel enthalten einige ziemlich harte Nüsse, die geeignet sind,
Ihre bisherigen Kenntnisse über die Elektrochemie, das chemische Gleichgewicht, die
Löslichkeit, die Komplexbildung und die Chemie der Säuren und Basen zusammenzu-
bringen.
340 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Das fordert von Ihnen, die Gleichgewichtskonstante einer Reaktion, die nur in einer
Halbzelle abläuft, aufstellen zu können. Die uns interessierende Reaktion ist nicht die
Gesamt-Zellreaktion und auch keine Redoxreaktion. Sie sollten auf folgende Weise an
dieses Problem herangehen:
Die Halbzellenreaktionen, die Sie auf- Schritt 1 Schreiben Sie die beiden Halbzellenreaktionen und ihre Standardpotentiale
schreiben, müssen die Teilchen enthal- auf. Wenn Sie eine Halbzellenreaktion gewählt haben, für die Sie den Wert
ten, die in zwei Oxidationszuständen von E0 nicht finden können, suchen Sie nach einem anderen Weg, die Reak-
in der Zelle vorkommen. tion zu formulieren.
Schritt 2 Schreiben Sie die Nernstsche Gleichung für die Gesamtreaktion auf und tra-
gen Sie alle bekannten Größen ein. Wenn nur eine Unbekannte in der Glei-
chung zurückbleibt, ist alles in Ordnung.
Schritt 3 Lösen Sie nach der unbekannten Konzentration auf und benutzen Sie diese
Konzentration, um das ursprüngliche Gleichgewichtsproblem zu lösen.

> Beispiel
Untersuchung einer sehr komplizierten Zelle
Die Zelle in Abbildung 13.10 dient zur Bestimmung der Stabilitätskonstante (K) von
Hg(EDTA)2–. Die Lösung im rechten Gefäß enthält 0.500 mmol Hg2+ und 2.00 mmol EDTA in
einem Volumen von 0.100 L (gepuffert auf pH 6). Aus der Zellspannung von +0.342 V soll
der Wert von K für Hg(EDTA)2- bestimmt werden.

Lösung
Schritt 1 Die linke Halbzelle ist eine Standard-Wasserstoffelektrode, für die wir
E- = 0 setzen können. In der rechten Halbzelle ist Quecksilber das Element,
das in zwei Oxidationsstufen vorkommt. So schreiben wir für die Halb-
zellenreaktion

Hg2+ + 2e– U Hg(l) E +0 = 0.852 V

0.059 16 ⎛ 1 ⎞
E + = 0.852 − log ⎜ ⎟
2 ⎜ ⎡Hg ⎤ ⎟
2 +
⎝⎣ ⎦⎠
In der rechten Halbzelle findet eine Reaktion zwischen Hg2+ und EDTA statt

Hg2+ + Y4– U HgY2–

Da K für Chelatkomplexe des Quecksilbers K immer sehr groß ist, können


wir davon ausgehen, dass das gesamte Hg2+ zu HgY2– umgesetzt wurde
Deshalb beträgt die Konzentration von HgY2– 0.500 mmol/100 mL =
0.005 00 M. Die verbleibende EDTA hat eine Gesamtkonzentration von
(2.00–0.50) mmol/100 mL = 0.015 0 M. Im rechten Gefäß befinden sich
demnach 0.050 00 M HgY2–, 0.015 0 M EDTA und eine kleine unbekannte
Konzentration von Hg2+.
Die Stabilitätskonstante für HgY2– lautet

⎡⎣HgY 2− ⎤⎦ ⎡⎣HgY 2− ⎤⎦
K= =
⎡⎣Hg2+ ⎤⎦ ⎡⎣ Y 4 − ⎤⎦ ⎡⎣Hg2+ ⎤⎦ α Y ⎡⎣EDTA ⎤⎦
4−

bei der mit [EDTA], die Formalkonzentration von EDTA, die nicht an Metall
gebunden ist, zu verstehen ist. Dieser Wert von [EDTA] beträgt für diese Zelle
0.015 0 M. Der Anteil von EDTA, der in der Form Y4– vorliegt, ist αY4– (Abschnitt
11.2). Da wir wissen, dass HgY2– = 0.005 00 M, müssen wir nur noch Hg2+ ermit-
teln, um K zu berechnen.
Schritt 2 Die Nernstsche Gleichung für die Gesamtzellreaktion lautet
Erinnern Sie sich an [Y4–] = αY 4– [EDTA] ⎡ ⎛ 1 ⎞⎤
0.059 16
E = 0.342 = E + − E − = ⎢ 0.852 − l og ⎜ ⎟⎥ − ( 0 )
⎢ 2 ⎜ ⎡Hg2+ ⎤ ⎟⎥
⎣ ⎝⎣ ⎦ ⎠⎦
Hier ist Hg2+ die einzige Unbekannte.
13.7 · Biochemiker verwenden E0’ 341

+0.342 V
– +

H2 Lösung hergestellt aus


50.0 mL 0.010 0 M HgCl2
40.0 mL 0.050 0 M EDTA
10.0 mL Puffer, pH 6.00
Salzbrücke

Pt

Hg(l )
Pt-Kontakt

Standardwasserstoffelektrode Abb. 13.10 Eine galvanische Zelle, die


zur Bestimmung der Stabilitätskonstante
2–
S.H.E. Hg(EDTA) (aq, 0.005 00 M), EDTA(aq, 0.015 0 M) Hg(l ) von Hg(EDTA)2– verwendet werden kann.

Schritt 3 Nun lösen wir die Nernstsche Gleichung, um [Hg2+] zu finden und erhalten
einen Wert von 5.7 × 10–18 M. Mit diesem Wert von [Hg2+] können wir die Stabili-
tätskonstante für HgY2- bestimmen:
[HgY 2− ] (0.005 00) Der Wert von αY 4– entstammt
K = = Tabelle 11.1
[Hg ] α Y [EDTA]
2+
4− (5.7 × 10 −18 ) (1.8 × 10 −5 ) (0.015 0)

= 3 × 1021
Die Mischung von EDTA und Hg(EDTA)2– in der Kathode dient als ein Puffer
für Quecksilberionen, der die Konzentration von Hg2+ konstant hält. Diese be-
stimmt dann umgekehrt wieder die Zellspannung.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie die Stabilitätskonstante bei einer Zellspannung von


0.300 V. (Lösung: 8 × 1022)

13
13.7 Biochemiker verwenden E 0’

Bei der Atmung werden Nahrungsmittel durch O2 oxidiert, um Energie oder Stoffwech-
selzwischenprodukte zu gewinnen. Die Standardreduktionspotentiale, mit denen wir
uns bisher beschäftigt haben, beziehen sich auf Systeme, bei denen alle Aktivitäten der
Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte gleich 1 waren. Wenn H+ an der Reaktion betei-
ligt ist, gilt E 0 für pH = 0 (AH+ = 1). Immer wenn H+ in einer Redoxreaktion auftritt oder
die Reaktionsteilnehmer Säuren oder Basen sind, hängen die Reduktionspotentiale vom
pH-Wert ab.
Da der pH-Wert innerhalb einer pflanzlichen oder tierischen Zelle in der Nähe von
7 liegt, sind Reduktionspotentiale, die sich auf pH 0 beziehen, nicht besonders zweckmä-
ßig. So ist z. B. Ascorbinsäure (Vitamin C) bei pH 0 ein viel kräftigeres Reduktionsmittel
als Bernsteinsäure. Dagegen ist diese Reihenfolge bei pH 7 umgekehrt. Es ist aber die
Reduktionswirkung bei pH 7 und nicht bei pH 0, die für die lebende Zelle von Bedeu-
tung ist.
Das Standardpotential für eine Redoxreaktion ist für eine galvanische Zelle definiert, Das Formalpotential bei pH = 7 wird
in der alle Aktivitäten 1 sind. Das Formalpotential ist das Reduktionspotential, das unter E0’ genannt.
festgelegten Bedingungen gilt (einschließlich pH, Ionenstärke, Konzentration von Kom-
plexbildnern usw.). Die Biochemiker nennen das Formalpotential bei pH 7 E0’ (gelesen
„E Null Strich“). In Tabelle 13.2 finden Sie E0’-Werte für zahlreiche biologische Redox-
paare.
342 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Tabelle 13.2 Reduktionspotentiale von biologischer Bedeutung

Reaktion E 0 (V) E 0´(V)

O2 + 4H+ + 4e– U 2H20 +1.229 +0.815

Fe3++ e– U Fe2+ +0.771 +0.771

I2 + 2e– U 2I– +0.535 +0.535

Cytochrom α (Fe3+) + e– U Cytochrom α (Fe2+) +0.290 +0.290

O2 + 2H+ + 4e– U H2O2 +0.695 +0.281

Cytochrom c (Fe3+) + e– U Cytochrom c (Fe2+) – +0.254

2,6-Dichlorphenolindophenol (D) + 2e– U reduzierte Form – +0.22

Dehydroascorbat + 2H+ + 2e– U Ascorbat + H2O +0.390 +0.058

Fumarat + 2H+ + 2e– U Succinat (Anion der Bernsteinsäure) +0.433 +0.031

Methylenblau + 2H+ + 2e– U reduzierte Form +0.532 +0.011

Glyoxalat + 2H+ + 2e– UGlycolat – –0.090

Oxaloacetat + 2H+ + 2e– U Malat +0.330 –0.102

Pyruvat + 2H+ + 2e– U Lactat +0.224 –0.190

Riboflavin + 2H+ + 2e– U reduziertes Riboflavin – –0.208

FAD + 2H+ + 2e– U FADH2 – –0.219

(Glutathion)2 + 2H+ + 2e– U 2 Glutathion-SH – –0.23

Safranin T + 2 e– U Leucosafranin T –0.235 –0.289

(C6H5S)2 + 2H+ + 2e– U 2 C6H5S – –0.30

NAD+ + H+ + 2e– U NADH -0.105 –0.320

NADP+ + H+ +2e– U NADPH – –0.324

Cystin + 2H+ + 2e– U 2 Cystein – –0.340

Acetoacetat + 2H+ + 2e– U L-β-Hydoxybutyrat – –0.346

Xanthin + 2H+ + 2e– U Hypoxanthin + H2O – –0.371

2H+ + 2e– U H2 0.000 –0.414

Gluconat + 2H+ + 2e– U Glucose + H2O – –0.44

SO42– + 2H+ + 2e– U SO32– + H2O – –0.454

2 SO32– + 2H+ + 2e– U S2O42– + 2 H2O – –0.527

Beziehung zwischen E 0 und E0’


Wir betrachten die Halbzellenreaktion
aA + n e– U bB + m H+ E0
in der A eine oxidierte und B eine reduzierte Spezies ist. Sowohl A wie B können Säuren
oder Basen sein. Die Nernstsche Gleichung für diese Halbzellenreaktion lautet
0.059 16 [B]b[H + ]m
E = E0 − log
n [A]a
Um E0’ zu ermitteln, müssen wir die Nernstsche Gleichung so umformen, dass der lo-
garithmische Term nur die Formalkonzentrationen von A und B in der entsprechenden
Potenz von a und b enthält.
13.7 · Biochemiker verwenden E0’ 343

0.059 16 Fb
Rezept für E0’: E = E 0
 + andere
  −
Terme log Ba (13.26) Bei Einbeziehung der Aktivitätskoeffizi-
Das alles gehört bei pH = 7 zu E 0' n FA enten erscheinen diese auch in E0´

Alle über der Klammer stehenden Terme, die bei pH = 7 ermittelt wurden, ergeben E0’.
Um [A] oder [B] in FA oder FB umzuwandeln, verwenden wir die Gleichungen für die
Anteile der einzelnen Formen (Abschnitt 9.5), die eine Beziehung zwischen der formalen
(d. h. Gesamt-)Konzentration aller Formen einer Säure oder Base zu ihrer Konzentration
in einer besonderen Form herstellen:
[H + ] F Für einprotonige Säuren:
Einprotonige Systeme: [HA] = α HA F = (13.27)
[H + ] + K S F = [HA] + [A–]
KS F Für zweiprotonige Säuren:
[A - ] = α A F = +
(13.28)
[H ] + K S
-
F = [H2A] + [HA–] + [A2–]

[H + ]2 F
Zweiprotonige Systeme: [H2 A] = α H A F = (13.29)
2
[H + ]2 +[H+ ]K1 + K1K 2
K1[H + ] F
[HA- ] = α HA F = (13.30)
[H + ]2 +[H+ ]K1 + K1K 2
-

K 1K 2 F
[A 2- ] = α A F = + 2
(13.31)
[H ] + [H+ ]K1 + K1K 2
2-

mit F als der Formalkonzentration von HA oder H2A, KS, der Säurekonstante von HA und
K1 und K2, den Säurekonstanten für H2A.
Ein Weg zur Messung von E0’ besteht im Aufbau einer Halbzelle mit gleichen Formal-
konzentrationen der oxidierten und reduzierten Spezies und einem pH von 7. Dann ist
der log-Term in Gleichung 13.26 Null und das gegen S.H.E. gemessene Potential ist E 0’.

> Beispiel
Ermittlung des Formalpotentials
Gesucht ist E0’ für die Reaktion (das Redoxpaar)

OH
HO O
O O
O 2H 2e HO H 2O E = 0.390 V
O HO OH Mit dem Begriff saure Protonen wer-
HO
saure (13.32) den umgangssprachlich dissoziierbare
13
HO OH
Ascorbinsäure Protonen Protonen bezeichnet
Dehydroascorbin-
(Vitamin C)
säure
(reduzierte Form)
(oxidierte Form)
pK1 4.10 pK 2 11.79

Lösung Wir kürzen Dehydroascorbinsäure16 mit D und Ascorbinsäure mit H2A ab und
schreiben die Reduktion als

D + 2H+ + 2e– U H2A + H2O

Die Nernstsche Gleichung lautet

0.059 16 [H2 A]
E = E0 − log (13.33)
2 [D][H+ ]2

D ist weder eine Säure noch eine Base, so dass ihre Formalkonzentration gleich der molaren
Konzentration ist: FD = [D]. Für die zweiprotonige Säure H2A benutzen wir Gleichung 13.29,
um [H2A] mit Hilfe von FH2A auszudrücken:
[H+ ]2 FH A
[H2 A] = + 2
2

[H ] +[H+ ]K 1 + K 1K 2

Wenn wir diese Werte in Gleichung 13.33 einsetzen, erhalten wir


⎛ [H+ ]2 FH A ⎞
⎜ +2 2

[H ] + [H+ ]K 1 + K 1K 2
log ⎜⎜ ⎟
0.059 16
E = E0 − ⎟⎟
2 ⎜ FD [H+ ]2
⎝ ⎠
344 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Diese Gleichung kann umgeformt werden in


0.0591 6 1 0.059 16 FH A
E = E0 − log + 2 − log 2

2 [H ] + [H+ ]K 1 + K 1K 2 2 FD (13.34)

Formalpotential ( = E 0' für pH = 7)
= + 0.062 V

Wenn die Werte von E0, K1 und K2 in Gleichung 13.34 eingesetzt werden und für [H+] 10–7.00
gesetzt wird, erhält man für E0’ + 0.062 V.

Selbstüberprüfung Berechnen Sie E0’ für die Reaktion O2 + 4H++ 4e– U 2H2O. (Lösung:
0.815 V)

Die Kurve a in Abbildung 13.11 zeigt, wie das berechnete Formalpotential für Reaktion
13.32 vom pH-Wert abhängt. Das Potential nimmt ab, wenn der pH-Wert bis pH ≈
pK2 steigt. Oberhalb von pK2 ist A2– die überwiegende Form der Ascorbinsäure und an
der Redoxreaktion sind keine Protonen beteiligt. Deshalb wird das Potential dann pH-
unabhängig.
Ein biologisches Beispiel für E0’ ist die Reduktion von Fe(III) im Protein Transferrin.
Dieses Protein hat zwei Bindungsstellen für Eisen, eine in jeder Hälfte des Moleküls
in den mit C und N bezeichneten Enden der Peptidkette. Transferrin transportiert
Eisen(III) im Blutplasma zu den Zellen, die Eisen benötigen. Die Zellmembranen besit-
zen einen Transferrinrezeptor, der Fe(III)-Transferrin bindet und in Zellkompartimente,
die sogenannten Endosomen überführt, in die H+ gepumpt wird, wodurch der pH auf
~5.8 sinkt. Durch die pH-Erniedrigung wird das dreiwertige Eisen vom Transferrin de-
komplexiert und setzt seinen Weg in der Zelle als Fe(II), gebunden an ein intrazellulares
Transportprotein, fort. Der gesamte Kreislauf von Transferrinaufnahme, Metallentfer-
nung und Transferrinfreisetzung zurück in das Blut dauert 1–2 Minuten. Die erforderli-
che Zeit für die Dissoziation des Eisens vom Transferrin bei pH 5.8 beträgt ~ 6 min. Das
ist für den Transferrin-Kreislauf viel zu langsam. Das Reduktionspotential von Fe(III)-
Transferrin bei pH 5.8 beträgt E0’= –0.52 V und ist für physiologische Reduktionsmittel
zu niedrig.
Das Geheimnis der Freisetzung von Fe(III) vom Transferrin im Endosom wurde
durch Messung von E0’ des Fe(III)-Transferrin-Rezeptor-Komplexes bei pH 5.8 gelöst.
Zur Vereinfachung der Chemie wurde Transferrin gespalten und nur die C-terminale
Hälfte (bezeichnet als TrFC) wurde für die Untersuchung benutzt. Abbildung 13.12
zeigt Messungen von log {[Fe(III)TrFC]/ [Fe(II)TrFC]} für das freie Protein und für

0.40

0.30

Abb. 13.11 pH-Abhängigkeit des Re-


duktionspotentials von Ascorbinsäure.
Formalpotential (V)

a
a) Kurve des Formalpotentials aus 0.20
Gleichung 13.34. b) Experimentelle
polarographische Halbstufen-Redukti-
onspotentiale der Ascorbinsäure in einer
Lösung der Ionenstärke 0.2 M. Das Halb- 0.10
stufenpotential (Kapitel 16) entspricht b
etwa dem Formalpotential. Bei hohem
pH (>12) flacht die Neigung der Kurve
nicht auf Null ab, wie Gleichung 13.34
0.00
aussagt. Stattdessen erfolgt Hydrolyse
der Ascorbinsäure und die Chemie ist
komplizierter als nach Gleichung 13.32
vorhergesagt. [J. J. Ruiz, A. A. Aldaz und –0.10
M. Dominguez, Canad. J. Chem.1977, 55, 0 2 4 6 8 10 12 14
2799; ibid. 1978, 56, 1533.] pH
Zusammenfassung 345

log{[oxidierte Form]/[reduzierte Form]}


2.5
Free
2.0 Fe-Trfc Fe-TrfC-Rezeptor
Komplex
1.5

1.0

0.5 Abb. 13.12 Spektroskopische Bestim-


mung von log [Fe(III)Trfc]/[Fe(II)Trfc] gegen
0.0 das Potential bei pH 5.8. [Aus S. Dhun-
E °' E °' gana, C. H. Taboy, O. Zak, M. Larvie, A. L.
–0.5 Crumbliss, and P. Aisen, „Redox Properties
–0.5 –0.4 –0.3 –0.2 –0.1
of Human Transferrin Bound to Its Recep-
E (V vs. S.H.E.) tor“, Biochemistry 2004, 43, 205.]

den Protein-Rezeptor-Komplex. In Gleichung 13.26 sehen Sie, dass E = E0’, wenn der
log-Term Null ist (das heißt [Fe(III) TrFC] =[Fe(II)TrFC]). Die Abbildung 13.12 zeigt,
dass E0’ für Fe(III) TrFC bei –0.50 V liegt, E0’ für den Fe(III)TrFC-Rezeptor-Komplex
jedoch einen Wert von –0.29 V besitzt. Die physiologischen Reduktionsmittel NADH
und NADPH in Tabelle 13.2 sind stark genug, um am Rezeptor gebundenen Fe(III)TrFC
Komplex bei pH 5.8 zu reduzieren, aber nicht in der Lage, das freie Fe(III)-Transferrin
zu reduzieren.

Wichtige Begriffe
Ampere > Anode > Coulomb > E0´ > elektrisches Potential > Elektrochemie
> Elektrode > Faraday-Konstante > Formalpotential > galvanische Zelle > Halb-

zellenreaktion > Joule > Kathode > Latimer-Diagramm > Leistung > Nernstsche
Gleichung > Ohm > Ohmsches Gesetz > Oxidation > Oxidationsmittel > Poten-
tiometer > Reaktionsquotient > Redoxreaktion > Reduktion > Reduktionsmittel
> Salzbrücke > Spannung > Standardreduktionspotential > Standard-Wasserstoff-

elektrode > Stromstärke > Volt > Watt > Widerstand

Zusammenfassung
Die Arbeit, die geleistet wird, wenn eine Ladungsmenge von q Coulomb durch eine
Potentialdifferenz von E Volt fließt, ist die Arbeit = E . q. Die maximale Arbeit, die ge-
13
genüber der Umgebung durch eine spontane chemische Reaktion erbracht werden kann,
steht in einer Beziehung zu der Änderung der freien Enthalpie für diese Reaktion: Arbeit
= –ΔG. Wenn die chemische Veränderung eine Potentialdifferenz E bewirkt, lautet die
Beziehung zwischen der freien Enthalpie und der Potentialdifferenz ΔG = –nFE. Das
Ohmsche Gesetz (I = E/R) beschreibt die Beziehung zwischen Stromstärke, Spannung
und Widerstand in einem elektrischen Stromkreis. Es kann mit der Definition von Ar-
beit und Leistung P (P = Arbeit pro Sekunde) kombiniert werden und man erhält P = E
. I = I2 . R.

Eine galvanische Zelle benutzt eine freiwillig ablaufende Redoxreaktion zur Er-
zeugung von elektrischem Strom. Die Elektrode, an der eine Oxidation erfolgt, ist die
Anode und die Elektrode, an der eine Reduktion stattfindet, ist die Kathode. Die beiden
Halbzellen sind gewöhnlich durch eine Salzbrücke getrennt, wodurch eine Wanderung
von Ionen von der einen zur anderen Seite möglich wird, um die Elektroneutralität
aufrecht zu erhalten, andererseits aber eine Vermischung der beiden Halbzellen ver-
mieden wird. Das Standardreduktionspotential für eine Halbzellenreaktion wird da-
durch gemessen, dass man die interessierende Halbzellenreaktion mit einer Standard-
Wasserstoffelektrode kombiniert. Der Begriff Standard bedeutet, dass die Aktivitäten
der Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte gleich 1 sind. Wenn verschiedene Halbzel-
lenreaktionen addiert werden, um eine andere Halbzellenreaktion zu erhalten, ergibt
sich das Standardpotential der Gesamthalbreaktion durch Gleichsetzung der freien
Enthalpie der Halbzellenreaktion mit der Summe der freien Enthalpien der einzelnen
Halbzellenreaktionen.
346 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

Die Spannung für eine vollständige Reaktion ist die Differenz zwischen den Potentia-
len der beiden Halbzellenreaktionen: E = E+ – E-, mit E+ als dem Potential der Halbzelle,
die mit dem positiven Eingang des Potentiometers und E- als dem Potential der Halbzelle,
die mit dem negativen Eingang des Potentiometers verbunden ist. Das Potential jeder
Halbzellenreaktion ergibt sich aus der Nernstschen Gleichung: E = E0 – (0.059 16/n) log Q
(bei 25 °C), wobei jeder Reaktion als Reduktion geschrieben wird und Q der Reaktions-
quotient ist. Der Reaktionsquotient hat die gleiche Form wie die Gleichgewichtskonstante,
berechnet sich aber aus den Konzentrationen, die zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegen. Die
Elektronen fließen durch den Stromkreis von der Elektrode mit dem negativeren Poten-
tial zur Elektrode mit dem positiveren Potential.
Komplexgleichgewichte können dadurch untersucht werden, dass man sie in eine
elektrochemische Zelle einbaut. Wenn wir die Spannung messen und die Konzentratio-
nen aller Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte mit einer Ausnahme kennen, ermöglicht
die Nernstsche Gleichung die Berechnung dieser unbekannten Größe. Die elektrochemi-
sche Zelle kann als Sonde für dieses Teilchen dienen.
Biochemiker benutzen das Formalpotential einer Halbzellenreaktion bei pH 7 (E0’)
anstelle des Standardpotentials (E0), welches für pH 0 gilt. E0´ wird durch Aufstellen der
Nernstschen Gleichung für die gewünschte Halbzellenreaktion ermittelt, indem alle Grö-
ßen mit Ausnahme des Logarithmus, der die Formalkonzentrationen der Ausgangsstoffe
und Produkte enthält, zusammengefasst werden. Die Kombination dieser Ausdrücke, die
für pH 7 bestimmt werden, ergibt E0´.

Übungen
13-A. Früher wurde zum Betreiben eines Herzschrittmachers eine Quecksilberzelle ver-
wendet, in der folgende Reaktion abläuft:
Zn (s)  HgO (s) o ZnO (s)  Hg (l) E0 1.35 V
Wie groß ist die Zellspannung? Wenn die für die Funktion des Herzschrittmachers be-
nötigte Leistung für die Funktion des Herzschrittmachers 0.010 0 W beträgt, wie viel kg
HgO (FM 216.59) werden in 365 Tagen verbraucht?

13-B. Berechnen Sie E 0 und K für jede der folgenden Reaktionen.


a) I2(s) + 5Br2(aq) + 6H2O U 2IO3– + 10Br– +12H+
b) Cr2+ + Fe(s) U Fe2+ + Cr(s)
c) Mg(s) + Cl2(g) U Mg2+ + 2Cl–
d) 5MnO2(s) + 4H+ U 3Mn2+ + 2MnO4– + 2H2O
e) Ag+ + 2S2O32– U Ag(S2O3)23–
f) CuI(s) U Cu+ + I–

13-C. Berechnen Sie die Spannung für jede der folgenden Zellen. Geben Sie mit der Be-
gründung in Abbildung 13.8 die Richtung des Elektronenflusses an.
a) Fe(s)⏐FeBr2(0.010 M)⏐⏐NaBr(0.050 M) ⏐Br2(l) ⏐Pt(s)
b) Cu(s)⏐Cu(NO3)2(0.020 M)⏐⏐Fe(NO3)2(0.050 M)⏐Fe(s)
c) Hg(l)⏐Hg2Cl2(s)⏐KCl(0.060 M)⏐⏐KCl(0.040 M)⏐Cl2(g, 0.50 bar)⏐Pt(s)

13-D. Betrachten Sie die rechts dargestellte Zelle. Die Reaktion in der linken Halbzelle der
abgebildeten Zelle kann in zwei verschiedenen Arten geschrieben werden:
AgI(s) + e– U Ag(s) + I– (1)
oder
Ag+ + e– U Ag(s) (2)
Die rechte Halbzellenreaktion lautet
H+ + e– U ½ H2(g) (3)
Übungen 347

V
– +
H2 (g)
ein

Salzbrücke

I−(aq ) H+(aq)

mit Agl(s) Pt
überzogener
Silberdraht

Ag(s ) Agl(s ) Nal (0.10 M) HCI (0.10 M) H2 (g, 0.20 bar) Pt(s )

a) Berechnen Sie mit den Reaktionen (2) und (3) E0 und schreiben Sie die Nernstsche
Gleichung für diese Zelle auf.
b) Benutzen Sie den Wert von KL für AgI, um [Ag+] zu berechnen und bestimmen Sie
die Zellspannung. In welche Richtung fließen die Elektronen?
c) Beschreiben Sie nun die Zelle mit den Reaktionen (1) und (3). Wir wissen, dass die
Zellspannung (E, nicht E0) die gleiche sein muss, unabhängig davon, welche Formu-
lierung wir wählen. Schreiben Sie die Nernstsche Gleichung für die Reaktionen (1)
und (3) auf und ermitteln Sie E0 der Reaktion (1). Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit
dem Wert im Anhang H.

13-E. Berechnen Sie die Zellspannung der Zelle


Cu(s)⏐Cu2+(0.030 M)⏐⏐K+Ag(CN)2–(0.010 M), HCN(0.10 F), Puffer mit pH 8.21⏐Ag(s)
bei Verwendung der folgenden Reaktionen:
Ag(CN)2– + e– U Ag(s) +2CN– E0 = –0.310 V
HCN U H+ + CN– pKS = 9.21
In welche Richtung fließt der elektrische Strom? (Abbildung 13.8 hilft Ihnen.)
13
13-F.
a) Schreiben Sie die ausgeglichene Gleichung für die Reaktion PuO+2 → Pu4+ und be-
rechnen Sie E0 für die Reaktion.
0.966 ? 1.006
PuO22 PuO2 Pu4 Pu3
1.021

b) Ermitteln Sie, ob eine äquimolare Mischung von PuO22+ und PuO+2 bei pH = 2 H2O
zu O2 oxidieren wird oder nicht. Nehmen Sie PO2 = 0.20 bar an. Findet bei pH 7 eine
Sauerstoffentwicklung statt?

13-G. Berechnen Sie die Zellspannung der folgenden Zelle. KHP bedeutet Kaliumhydro-
genphthalat, das Monokaliumsalz der Phthalsäure.
Hg(l)⏐Hg2Cl2(s)⏐KCl(0.10 M)⏐⏐KHP(0.050 M)⏐H2(g, 1.00 bar)⏐Pt(s)
In welche Richtung fließt der Strom?

13-H. Die folgende Zelle hat eine Zellspannung von 0.083 V.


Hg(l)⏐Hg(NO3)2(0.001 0 M), KI(0.050 M)⏐⏐S.H.E.
Aus dieser Zellspannung soll die Gleichgewichtskonstante der Reaktion
Hg2+ + 4I– U HgI42–
berechnet werden. In 0.5 M KI liegt praktisch das gesamte Quecksilber als HgI42– vor.
348 Kapitel 13 · Grundlagen der Elektrochemie

13-I. Die Stabilitätskonstante für Cu(EDTA)2– ist 6.3 × 1018 und der Wert von E0 ist +
0.339 V für die Reaktion Cu2+ + 2e– U Cu(s). Bestimmen Sie aus diesen Angaben E0 für
die Reaktion CuY2– + 2e– U Cu(s) + Y4–

13-J. Geben Sie auf der Basis der untenstehenden Reaktion an, welche der beiden Stoffe,
H2(g) oder Glucose, das stärkere Reduktionsmittel bei pH = 0 ist.

CO2H CHO
HCOH HCOH
E 0.45 V
HOCH 2H 2e HOCH H2O
HCOH HCOH
HCOH HCOH
CH2OH CH2OH
Gluconsäure Glucose
pKS 3.56 (keine sauren Protonen)

13-K. Lebende Zellen wandeln Energie aus dem Sonnenlicht oder durch die Verbrennung
der Nahrungsmittel in energiereiche ATP-(Adenosintriphosphat-)Moleküle um. Für die
ATP-Synthese ergibt sich ΔG = + 34.5 kJ/mol. Diese Energie wird den Zellen zur Verfügung
gestellt, wenn ATP zu ADP (Adenosindiphosphat) hydrolysiert wird. In den tierischen
Organismen wird ATP synthetisiert, wenn Protonen durch ein komplexes Enzym, die ATP-
Synthase, die Mitochondrienmembranen17 passieren. Zwei Faktoren sind für die Wanderung
der Protonen durch dieses Enzym in das Mitochondrion verantwortlich (siehe Abbildung):
(1) [H+] ist außerhalb der Mitochondrien höher als innerhalb, da Enzyme, welche die Oxi-
dation der Nahrungsmittel katalysieren, Protonen aus den Mitochondrien herauspumpen.
(2) Das Innere des Mitochondrions ist relativ zum äußeren Bereich negativ geladen.
a) Die Synthese eines ATP-Moleküls erfordert, dass zwei Protonen durch das Phospho-
rylierungsenzym durchtreten. Die Differenz in der freien Enthalpie, die sich bei der
Wanderung eines Moleküls aus einem Gebiet hoher Aktivität in ein Gebiet niedriger
Aktivität ergibt, beträgt
A hoch
ΔG = − RT ln
A tief

positives elektrisches
Potential
+ + + + + +
chondrienmembran
Mito
– – – – – –
negatives elektrisches
Potential

niedrige H+-
Konzentration
+ +
H H
Phosphorylierungs-
+
2H enzym
während der
ADP + HPO 4
2–
ATP Atmung aus
dem Mitochondrion
verdrängtes H+

+
2H
hohe H+-
Konzentration
Übungen 349

Wie groß muss der pH-Unterschied (bei 298 K) sein, damit der Durchtritt von zwei
Protonen genügend Energie liefert, um ein ATP-Molekül zu synthetisieren?
b) So große pH-Unterschiede wurden in Mitochondrien nicht beobachtet. Wie groß
muss die elektrische Potentialdifferenz zwischen dem Innen- und dem Außenraum
sein, damit aus der Wanderung von zwei Protonen genügend Energie für die Syn-
these von ATP geliefert wird. Vernachlässigen Sie bei der Beantwortung dieser Frage
jeden Beitrag aus dem pH-Unterschied.
c) Man nimmt an, dass die Energie für die ATP-Synthese sowohl auf dem pH-Unter-
schied wie auf dem elektrischen Potential beruht. Falls ein pH-Unterschied von 1.00
pH-Einheiten existiert, wie groß ist dann die Potentialdifferenz?

13
14 Elektroden und
Potentiometrie

Chemielabor auf dem Mars


Sam Kounaves und seine Studenten erlebten 2008 die Sensation ihres Lebens, als ihr nass-chemisches Labor im Phoenix Mars
Lander begann, die erhaltenen Messwerte der Bodenproben, die in der Nähe des Mars-Nordpols eingeschaufelt worden waren,
zur Erde zu senden. In dem großen Untersuchungsprogramm sollten unter anderem die Salze ermittelt werden, die sich durch
Rühren der Bodenproben mit Wasser auflösen. Die Messungen der gelösten Salze erfolgten mit 25 elektrochemischen Senso-
ren; 15 davon waren sehr ähnlich mit den in diesem Kapitel behandelten ionenselektiven Elektroden. Die Sensoren waren in
die Wände von vier 40-mL Epoxy-Plastikbechern eingebettet, die für die Auslaugungsexperimente benutzt wurden.1
Die Temperatur auf dem Mars ist deutlich unter 0 °C, so dass als erster Arbeitsgang die wässrigen Lösungen 90 Minuten
lang mit der kostbaren elektrischen Energie aufgetaut wurden. Eine 25 mL-Lösung mit 10–5 M Ionenstandards wurden in jeden
Becher gegeben und die Sensorsignale wurden 15 min registriert und damit für jeden Sensor ein erster Kalibrationspunkt er-
halten. Danach wurden mit einem Tiegel bekannte Mengen von Salzen in den Becher gegeben und unter Rühren gelöst. Die
Sensorsignale wurden 30 min verfolgt und damit die zweiten Kalibrationspunkte festgelegt.
Vorher hatte der Roboterarm die Bodenprobe aufgenommen und durch ein Sieb geschüttet, damit Teilchen, die größer als
2 mm sind, entfernt werden. Die Bodenpartikel fielen in einen 1-mL-Behälter, aus dem sie später in die Laugungslösung im Be-
cher geworfen wurden. Jeden Tag schickten die Wissenschaftler von der Erde eine Reihe von Kommandos, was der Roboterarm
machen sollte. Am jeweils nächsten Tag kamen Photos vom Lander an und zeigten, was der Roboter gemacht hatte und wie
der Boden aussah. Aus den Photos wurden dann die Kommandos für den nächsten Tag geplant.
Die Sensorsignale wurden 200 min registriert, während sich die Salze aus dem Boden auflösten. Man ließ die Mischung wäh-
rend der Mars-Nacht gefrieren und taute sie um nächsten Tag wieder auf und wiederholte die Messungen, um zu sehen, ob wäh-
rend des Gefrier-Auftau-Zyklus Veränderungen eintraten. Danach wurden 4 mg 2-Nitrobenzoesäure zugegeben, um Veränderung
durch eine geringe Erhöhung der Azidität frstzustellen. Schließlich wurde die Lösung durch dreimalige Zugabe von festem BaCl2
titriert und SO42– durch Fällung von BaSO4 bestimmt. So hatte selbst auf dem Mars im Jahre 2008 die Fällungstitration ihren Platz.
Im Verlauf der Untersuchungen wurden Ca2+, Mg2+, K+, NO–3, NH+4, SO42–, Cl–, Br–, I– und der pH mit ionenselektiven Elektro-
den bestimmt. Mit anderen Elektroden wurden die Leitfähigkeit, Reduktionspotentiale, Redox-Paare und reduzierbare Metallio-
nen bestimmt, darunter Cu2+, Cd2+, Pb2+, Fe2+, Fe3+ und Hg2+. Eine der größten Überraschungen war die hohe Konzentration an 14
ClO–4, die mit der Nitratelektrode bestimmt wurde (Exkurs 14.3). Eine zweite Überraschung war die Abwesenheit von Sulfat.

Behälter mit der


Laugungslösung

Bedienungs-
arm für die
Sieb aus Zugabe fester
Edelstahl Stoffe
zur Abtrennung
großer Boden-
brocken

Behälterfach

Der Roboterarm des Phoenix Mars Lander entnimmt auf dem Mars Eine der vier Kammern für die Nass-Chemie zur Bodenana-
Bodenproben für die chemische Analyse. [NASA-Foto, S. Kounaves, lyse an Bord des Phoenix Mars Lander. [NASA-Foto, S. Kouna-
Tufts University.] ves, Tufts University.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
352 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

Die analytischen Chemiker haben Elektroden entwickelt, die selektiv auf bestimmte Analyte
in Lösung oder in der Gasphase ansprechen. Typische ionenselektive Elektroden haben etwa
die Größe eines Kugelschreibers. Besonders einfallsreiche Chemiker haben ionensensitive
Feldeffekttransistoren hergestellt, die gerade einige hundert Mikrometer groß sind und die
man in einem Blutgefäß unterbringen kann. Die Verwendung von Elektroden zur Messung
von Zellspannungen, die chemische Informationen liefern, heißt Potentiometrie.
Im einfachsten Fall ist der Analyt eine elektroaktive Spezies, die Teil einer galvanischen
Indikatorelektrode: Sie spricht auf Zelle ist. Eine elektroaktive Spezies kann an einer Elektrode entweder Elektronen ab-
die Analytaktivität an geben oder aufnehmen. Wir können die unbekannte Lösung zu einer Halbzelle machen,
Referenzelektrode: Sie besitzt ein indem wir eine Elektrode, z. B. einen Platindraht, in die Lösung einsetzen, der die Elek-
festgelegtes (Bezugs-)Potential tronenübertragung vom oder zum Analyten übernimmt. Da diese Elektrode direkt auf
den Analyten anspricht, wird sie Indikatorelektrode genannt. Wir verbinden nun diese
Halbzelle mit einer zweiten Halbzelle über eine Salzbrücke. Die zweite Halbzelle muss
eine bekannte, festgelegte Zusammensetzung haben, so dass sie ein bekanntes, konstantes
Potential besitzt. Da die zweite Halbzelle ein konstantes Potential hat, nennen wir sie Re-
ferenz- oder Bezugselektrode. Die Zellspannung ist die Differenz zwischen dem variab-
len Potential der Analyt-Halbzelle und dem konstanten Potential der Referenzelektrode.

14.1 Bezugselektroden

Zunächst sollen die relativen Mengen von Fe2+ und Fe3+ in einer Lösung bestimmt werden.
Wir können diese Lösung zum Teil einer galvanischen Zelle machen, indem wir einen
Platin-Draht hineinhängen und diese Zelle über eine Salzbrücke mit der Halbzelle, die ein
konstantes Potential hat, verbinden. Die Abbildung 14.1 zeigt, wie man das machen kann.
Die beiden Halbzellenreaktionen sind:

rechte Elektrode: Fe3+ + e– U Fe2+ E+0 = 0.771V


linke Elektrode: AgCl(s) + e– U Ag(s) + Cl– E−0 = 0.222 V

Die beiden Elektrodenpotentiale betragen


[Fe2 + ]
E+ ist das Potential der Elektrode, die E+ = 0.771 − 0.059 16 log
[Fe3 + ]
mit dem positiven Eingang des Poten-
tiometers verbunden ist. E− = 0.222 − 0.059 16 log [Cl −]
E– ist das Potential der Elektrode, die und die Zellspannung ist die Differenz zwischen E+ und E–
mit dem negativen Eingang des Poten-
⎛ [Fe2 + ] ⎞
tiometers verbunden ist. E = ⎜ 0.771 − 0.059 16 log 3+ ⎟
− (0.222 − 0.059 16 log [C l − ])
⎝ [Fe ] ⎠
Tatsächlich liefert die Spannung den Die Konzentration von Cl– in der linken Halbzelle ist konstant, da sie sich aus der Löslich-
Aktivitätsquotienten, AFe2+ / AFe3+. keit von KCl in der gesättigten Lösung ergibt. Deshalb ändert sich die Zellspannung nur,
Jedoch wollen wir die Aktivitätskoef- wenn sich der Quotient [Fe2+]/[Fe3+] ändert.
fizienten vernachlässigen und weiter Die Halbzelle auf der linken Seite in Abbildung 14.1 fungiert als eine Bezugselekt-
die Nernstsche Gleichung mit Kon- rode. Wir können diese Halbzelle und die Salzbrücke, die in der Abbildung durch die
zentrationen anstelle von Aktivitäten gestrichelte Linie umschlossen sind, als eine einzige Einheit in die Analytlösung tauchen,
schreiben. wie das in Abbildung 14.2 gezeigt ist. Der Platindraht ist die Indikatorelektrode, deren
Potential auf Veränderungen im Quotienten [Fe2+]/[Fe3+] anspricht. Die Bezugselektrode
komplettiert die Redoxreaktion und liefert ein konstantes Potential zur linken Seite des
Potentiometers. Veränderungen in der Zellspannung können damit eindeutig auf Ände-
rungen im Quotienten ([Fe2+]/[Fe3+]) zurückgeführt werden.

Silber-Silberchlorid-Bezugsselektrode2
Die Bezugselektrode, die in Abbildung 14.1 von der gestrichelten Linie umschlossen ist,
heißt Silber-Silberchlorid-Elektrode. Abbildung 14.3 zeigt, wie die Elektrode als dünnes
Rohr angefertigt wurde, das in die Analytlösung getaucht wird. Abbildung 14.4 zeigt eine
14.1 · Bezugselektroden 353

V
– +

V
– +
Ag Salzbrücke

Pt
AgCl gesättigte Anode Kathode
2+ 3+
KCl-Lösung Fe , Fe Pt


festes Ag AgCl Cl
KCl plus
Salzbrücke 2+
Fe , Fe
3+

– – 3+ – 2+
Anode: Ag + Cl AgCl + e Kathode: Fe +e Fe
Bezugs-
elektrode
– 2+ 3+
Ag(s) AgCl(s) Cl (aq) Fe (aq), Fe (aq) Pt(s)

Abb. 14.1 Galvanische Zelle zur Bestimmung des Verhältnisses [Fe2+]/[Fe3+] in der rech- Abb. 14.2 Ein anderer Blick auf Abbildung 14.1.
ten Halbzelle. Der Pt-Draht ist die Indikatorelektrode und die gesamte linke Halbzelle Der Inhalt des in Abbildung 14-1 gestrichelt
einschließlich der Salzbrücke (von der gestrichelten Linie umrahmt) kann als Referenz- umrahmten Kästchens ist nun die Bezugselekt-
elektrode angesehen werden. rode, die in die Lösung des Analyten taucht.

Doppelkammerelektrode, bei der nur ein geringer Kontakt zwischen der Analytlösung Unter Vergiftung versteht man hier die
und der KCl-Lösung der Elektrode besteht. Die Silber-Silberchlorid- sowie die als nächste Anlagerung von Verbindungen an der
beschriebene Kalomel-Bezugselektrode werden wegen ihrer bequemen Handhabung be- Platinoberfläche. Sie blockieren damit
vorzugt. Eine Standard-Wasserstoff-Elektrode (S.H.E.) ist schlecht handhabbar, man die Andockstellen für die Moleküle, die
braucht gasförmigen Wasserstoff und eine frisch hergestellte katalytische Pt-Oberfläche, eigentlich umgesetzt werden sollen.
die durch viele Lösungen vergiftet wird.
Das Standardreduktionspotential für das AgCl⏐Ag-Paar beträgt + 0.222 V bei 25 °C.
Das wäre das Potential einer Silber-Silberchlorid-Elektrode für ACl = 1. Da die Aktivität −
Leitungsdraht
von Cl– in einer gesättigten KCl-Lösung bei 25 °C nicht 1 beträgt, erhält man für das
Potential der Elektrode in Abbildung 14.3 einen Wert von + 0.197 V in Bezug auf die Luftzutritt, damit die
Standard-Wasserstoffelektrode bei 25 °C. Lösung langsam durch
den porösen Pfropfen
Ag⏐AgCl Elektrode: AgCl(s) + e– U Ag(s) + Cl– E0 = + 0.222 V laufen kann 14
E (gesättigtes KCl) = + 0.197 V zu einer Schlinge
gebogener Ag-Draht
Bei den Bezugselektroden besteht das Problem, dass die porösen Pfropfen verstopfen kön- wässrige Lösung
nen, wodurch schleppende, instabile elektrische Signale erhalten werden. Bei einigen An- (gesättigt an AgCl
ordnungen wird eine frei fließende Kapillare anstelle der porösen Verbindungen benutzt. und KCl)

In anderen Konstruktionen wird vor jeder Messung frische Lösung aus der Elektrode AgCl-Paste

durch das Verbindungsstück zwischen Elektrode und Analytlösung gespritzt. festes KCl und
etwas AgCl

Poröser Pfropfen als


Kontakt zur äußeren
Kalomel-Elektrode Lösung (Salzbrücke)

Die Kalomel-Elektrode in Abbildung 14.5 beruht auf der Reaktion Abb. 14.3 Silber-Silberchlorid-Bezugs-
elektrode.
Kalomel-Elektrode: ½ Hg2Cl2 (s) + e U Hg(l) + Cl
– – 0
E = + 0.268 V
Quecksilber(I)chlorid (Kalomel) E (gesättigtes KCl) = + 0.241 V
Das Standardpotential (E0) für diese Reaktion beträgt + 0.268 V. Wenn die Zelle mit KCl
bei 25 °C gesättigt ist, ergibt sich aus der Aktivität von Cl– ein Potential der Elektrode von
+ 0.241 V. Eine mit KCl gesättigte Kalomel-Elektrode heißt gesättigte Kalomel-Elektrode,
abgekürzt S.C.E. Der Vorteil der Verwendung einer gesättigten KCl-Lösung besteht darin,
dass sich beim Verdunsten von Flüssigkeit die Konzentration von Chlorid nicht ändert.
354 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

innere Elektrode äußere Kammer Umrechnungen zwischen verschiedenen


Bezugselektroden
poröse Pfropfen Manchmal ist es notwendig, Potentiale von einer Referenzskala in eine andere umzurech-
nen. Wenn eine Elektrode ein Potential von –0.461 V in Bezug auf die Kalomel-Elektrode
Abb. 14.4 Zwei-Kammer-Bezugselekt- hat, hat sie gegen die Silber-Silberchlorid-Elektrode ein anderes Potential. Wie groß ist
rode Die innere Elektrode ist die Gleiche
das Potential in Bezug auf die Standard-Wasserstoffelektrode?
wie die in Abbildung 14.3. Die Lösung im
äußeren Bereich ist mit der Analytlösung Zur Beantwortung dieser Fragen betrachten wir die Abbildung 14.6, in der die
kompatibel. Wenn z. B. ein Kontakt der Potentiale der Kalomel- und der Silber-Silberchlorid-Elektrode auf der Skala der
Analytlösung mit Cl– vermieden werden Standard-Wasserstoffelektrode (S.H.E.) eingezeichnet sind. Sie sehen, dass der Punkt
muss, kann dieser Bereich mit KNO3-Lö- A, der auf der S.H.E.-Skala einen Wert von –0.220 V hat, ein Potential von –0.461 V
sung gefüllt werden. Die inneren und äu-
gegenüber S.C.E. und –0.417 V gegenüber der Silber-Silberchlorid-Elektrode besitzt.
ßeren Lösungen mischen sich allmählich;
deshalb muss der äußere Bereich regel- Der Punkt B, dessen Potential +0.033 V größer als das Silber-Silberchlorid-Potential ist,
mäßig mit frischer KNO3-Lösung gefüllt liegt –0.011 V vom S.C.E.-Potential entfernt und hat einen Wert von +0.230 V auf der
werden. [Dank an Fisher Scientific, PA.] S.H.E.-Skala. Mit diesem Diagramm können Sie die Potentiale aus einer Skala in die
andere umrechnen.

Leitungsdraht
14.2 Indikatorelektroden
Pt-Draht

Luftzutritt, damit Es werden zwei Gruppen von Indikatorelektroden unterschieden. Bei den in diesem
die Lösung lang- Abschnitt behandelten Metallelektroden beruht das Potential auf einer Redoxreaktion an
sam durch den
porösen Pfropfen der Metalloberfläche. Später werden ionenselektive Elektroden besprochen, die nichts mit
laufen kann Redoxreaktionen zu tun haben. Stattdessen erzeugt eine selektive Wechselwirkung einer
Hg(/)
Ionenart an einer Membran das elektrische Potential.
Hg, Hg2Cl2 Die gebräuchlichste Indikatorelektrode besteht aus Platin. Dieses ist relativ inert, d.
+ KCl h., es nimmt an vielen chemischen Reaktionen nicht teil. Die Elektrode dient nur zur
Glaswolle Übertragung von Elektronen zu oder von den Spezies in der Lösung. Goldelektroden
Öffnung sind noch inerter als Platin. Es werden auch verschiedene Arten von Kohlenstoff als In-
gesättigte dikatorelektroden verwendet, da die Geschwindigkeiten vieler Redoxreaktionen an einer
KCl-Lösung
Kohlenstoffoberfläche ziemlich hoch sind. Eine Metallelektrode funktioniert am besten,
KCl(s)
wenn die Oberfläche groß und sehr sauber ist. Ein kurzes Eintauchen in heiße 8 M Salpe-
Glaswand
tersäure im Abzug mit anschließendem Abspülen durch destilliertes Wasser ist eine sehr
Poröser Pfropfen wirksame Methode zur Reinigung der Metallelektrodenoberfläche.
(Salzbrücke)
Abbildung 14.7 zeigt eine Silberelektrode, die in Verbindung mit einer Kalomel-Elek-
Abb. 14.5 Gesättigte Kalomel-Elektrode trode zur Messung der Silberionenkonzentration (in Wahrheit der Aktivität) verwendet
(S.C.E.). wird.3 Die Reaktion an der Silberindikatorelektrode lautet
Ag+ + e– U Ag(s) E+0 = 0.799 V

–0.220
A

– 0.461

– 0.417

festgelegtes
Potential +0.197 +0.241
der S.H.E. Ag AgCl S.C.E.

–0.2 0 0.1 0.2


S.H.E.-
Skala Potential gegen S.H.E. (Volt)
+0.033
– 0.011
Abb. 14.6 Diagramm zur Umwandlung
von Elektrodenpotentialen in verschiede- B
nen Bezugssystemen +0.230
14.2 · Indikatorelektroden 355

Die Reaktion in der Kalomel-Bezugshalbzelle ist V


– +
Hg2Cl2(s) + 2e– U 2Hg(l) + 2Cl– E– = 0.241 V
Das Potential der Bezugshalbzelle (E–, nicht E–0) hat den konstanten Wert von 0.241 V, da
die Bezugselektrode mit KCl gesättigt ist. Die Nernstsche Gleichung für die gesamte Zelle
lautet demnach
Ag-Draht

E E E {0.799 0.059 16 log ( [Ag ] )}


1
{0.241}
+
Potential der Ag Ag Potential der S.C.E. gesättigte Ag (aq)
Indikatorelektrode Bezugselektrode Doppel-
kammer-
Kalomel-
E = 0.558 + 0.059 16 log [Ag+] (14.1) Elektrode

Das bedeutet, dass die Zellspannung in Abbildung 14.7 ein direktes Maß für die Ag+-
Konzentration ist. Im Idealfall ändert sich die Spannung bei jeder Verzehnfachung von
Abb. 14.7 Bestimmung der Ag+-Ionen-
[Ag+] um 59.16 mV (bei 25 °C).
konzentration mit einer Silber- und einer
Kalomel-Elektrode. Die Kalomel-Elektrode
> Beispiel hat eine Doppelkammer, wie in Abbil-
Potentiometrische Fällungstitration dung 14.4 gezeigt. Die äußere Kammer
Einhundert mL einer 0.100 0 M NaCl-Lösung wurden in der in Abbildung 14.7 gezeigten ist mit KNO3 gefüllt, so dass kein direkter
Kontakt zwischen Cl– in der inneren Kam-
Zelle mit 0.100 0 M AgNO3 titriert. Dabei wurde die Spannung gemessen. Der Äquivalenz-
mer und Ag+ im Becherglas besteht.
punkt VÄ liegt bei 100.0 mL. Berechnen Sie die Spannung nach Zugabe von (a) 65.0, und (b)
135.0 mL AgNO3.

Lösung Die Titrationsreaktion lautet Ag+ + Cl– → AgCl(s)


a) Bei 65.0 mL: 65.0 % von Cl– wurden ausgefällt und 35.0 % verbleiben in Lösung.
Anfangsvolumen
von Cl–

[Cl ] (0.350) (0.100 0 M) ( 100.0


165.0 )
0.021 2 M

noch ursprüngliche Verdünnungs- Gesamtvolumen


vorhandener Konzentration faktor der Lösung
Anteil von Cl–
Um die Zellspannung in Gleichung 14.1 zu finden, müssen wir [Ag+] kennen:

K L (für AgCl) 1.8 × 10 −10


[Ag+ ] = = = 8.5 × 10−9 M

[Cl ] 0.021 2 14
Die Zellspannung ist daher

E = 0.558 + 0.059 16 log (8.5 x 10–9) = 0.081 V

b) Bei 135.0 mL: Jetzt liegt ein Überschuss von 35.0 mL einer 0.100 0 M AgNO3 in der
Lösung vor = 3.50 mmol Ag+ in 235.0 mL. Deshalb ist [Ag+] = (3.50 mmol)/(235.0 mL) =
0.014 9 M. Die Zellspannung beträgt:

E = 0.558 + 0.059 16 log (0.014 9) = 0.450 V

Selbstüberprüfung Wie groß ist die Spannung nach Zugabe von 99.0 mL AgNO3?
(Antwort: 0.177 V)

Die Abbildung 14.8 zeigt die Titrationskurve des vorstehenden Beispiels. Es existiert eine
strenge Analogie zu einer Säure-Base-Titration, wobei Ag+ an die Stelle von H+ und Cl– an
die Stelle der zu titrierenden Base getreten ist. Wenn die Säure-Base-Titration fortschrei-
tet, steigt [H+] an und der pH-Wert sinkt. Bei der Ag+/Cl–-Titration steigt [Ag+] an und
pAg = –log [Ag+] sinkt. Die Silberelektrode misst pAg. Das erkennt man, wenn in Glei-
chung 14.1 pAg eingesetzt wird:
E = 0.558 – 0.059 16 pAg (14.2)
356 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

Die Zelle spricht auf eine Veränderung Eine Silberelektrode ist auch eine Halogenidelektrode, wenn festes Silberhalogenid in der
der Cl–-Konzentration an, weil sich Zelle vorhanden ist.4 Wenn die Lösung AgCl(s) enthält, gilt
dabei notwendigerweise auch die KL
Ag+-Konzentration verändert: [Ag+] [Ag + ][Cl − ] = K L ⇒ [Ag + ] =
[Cl − ]
[Cl–] = KL.
Wenn wir diesen Wert von [Ag+] in Gleichung 14.1 einsetzen, erhalten wir eine Bezie-
hung zwischen der Zellspannung und [Cl–]
KL
E = 0.558 + 0.059 16 log (14.3)
[Cl − ]
Versuch 14.1 ist ein gutes Beispiel für Einige Metalle, wie z. B. Ag, Cu, Zn, Cd und Hg, können als Indikatorelektroden für
die Verwendung einer Indikator- und ihre Ionen in der Lösung verwendet werden. Die meisten Metalle sind jedoch für diesen
einer Referenzelektrode Zweck ungeeignet, da sich das Gleichgewicht Mn+ + ne– U M an der Metalloberfläche
nicht schnell genug einstellt.

 Versuch 14.1
0.50 10
Potentiometrie mit einer Oszillierungsreaktion5
9 Die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion ist die durch Cer katalysierte Oxidation von Malonsäure
pAg
durch Bromat, bei welcher der Quotient [Ce3+]/[Ce4+] um einen Faktor von 10 bis 100 oszil-
0.40 8
liert.6
7 3CH2 (COOH)2 + 2BrO3− → 2BrCH(COOH)2 + 3CO2 + 4H2 O
Malonsäure Bromat Bromomalonsäure
E (V vs. S.C.E.)

0.30 6
Wenn die Ce4+-Konzentration hoch ist, ist die Lösung gelb gefärbt. Wenn Ce3+ überwiegt,
pAg

5 ist die Lösung farblos. Mit Redoxindikatoren (Abschnitt 15.2) oszilliert diese Reaktion durch
eine Folge von Farben.7
0.20 4
Oszillationen zwischen gelb und farblos erreicht man in einem 300 mL-Becherglas mit
3 folgenden Lösungen:

0.10 2 160 mL 1.5 M H2SO4


E 40 mL 2 M Malonsäure
1 30 mL 0.5 M NaBrO3 (oder gesättigtes KBrO3)
0.00 0 4 mL gesättigtes Cer(IV)ammoniumsulfat, (Ce(SO4)2 . 2(NH4)2SO4 . 2H2O)
0 40 80 120 160
VAg (mL) Nach einer Induktionsperiode von 5 bis 10 Minuten, während der ein Magnetrührer in
Betrieb ist, können die Oszillationen durch Zugabe von 1 mL der Cer(IV)ammoniumsulfat-
Abb. 14.8 Berechnete Titrationskurve für Lösung gestartet werden. Möglicherweise kann die Reaktion in den ersten 5 Minuten etwas
die Zugabe von 0,100 0 M Ag+ zu 100.0 mehr Ce4+ benötigen, damit die Oszillationen beginnen.
ml einer Lösung von 0.100 0 M Cl– mit Eine galvanische Zelle wird, wie in der Abbildung gezeigt, aufgebaut. Der Quotient von
den Elektroden in Abbildung 14.7. Für
[Ce3+]/[Ce4+] wird mit Hilfe einer Platin- und Kalomel-Elektrode verfolgt. Sie sollten in der
65.0 und 135.0 mL wurden die berech-
neten Punkte eingezeichnet. Die farbige Lage sein, die Zellreaktionen und die Nernstsche Gleichung für dieses Experiment zu formu-
Kurve ist pAg = –log[Ag+]. lieren.

+ Spannungs- – + Computer –
versorgung
~1.2 V ~100 mV scale

gesättigte Pt-Draht
Kalomel-
Elektrode
Apparatur zur Beobachtung des Quotien-
Oszillierungs-
ten [Ce3+]/[Ce4+] bei einer Oszillierungsre-
reaktion
aktion. [Die Idee zu diesem Versuch hatte
George Rossman, California Institute of
Technology.] Magnetrührer
14.3 · Was ist ein Diffusionspotential? 357

1 min
20 mV
Potential

Zeit Zeit
a b

Anstelle eines Potentiometers (pH-Meter) verwenden wir einen Computer oder ein anderes
Registriergerät zur ständigen Aufzeichnung der Oszillationen. Da das Potential über einen
Bereich von ~100 mV oszilliert, welcher in der Nähe von ~1.2 V liegt, wird die Zellspannung
mit Hilfe einer äußeren Spannungsquelle um ~1.2 V kompensiert.8 Das Bild (a) zeigt den
normalen Verlauf. Das Potential ändert sich schnell während der abrupten Farbänderungen
von farblos nach gelb und langsamer während der Veränderung von gelb nach farblos. Bild
(b) zeigt zwei verschiedene Zyklen, die in der gleichen Lösung überlagert sind. Dieses unge-
wöhnliche Ereignis trat spontan bei einer Reaktion ein, die bereits etwa 30 Minuten normal
abgelaufen war.9

14.3 Was ist ein Diffusionspotential?

Jedesmal, wenn zwei verschiedene Elektrolytlösungen in Kontakt kommen, entsteht an Ebeobachtet = EZelle + EDiffusion
ihrer Grenzfläche eine Spannungsdifferenz, das Diffusionspotential. Diese kleine Span- Da das Diffusionspotential gewöhnlich
nung (gewöhnlich einige mV) tritt an jedem Ende der Salzbrücke auf, die sich zwischen unbekannt ist, ist auch Ebeobachtet
den beiden Halbzellen befindet. Das Diffusionspotential stellt eine grundsätzliche Grenze unsicher.
für die Richtigkeit direktpotentiometrischer Messungen dar, da wir gewöhnlich seinen An-
teil an der gemessenen Spannung nicht kennen.
Zur Erklärung des Diffusionspotentials betrachten wir eine NaCl-Lösung in Kontakt 14
mit destilliertem Wasser (Abbildung 14.9). Die Na+- und Cl–-Ionen beginnen, aus der
NaCl-Lösung in das Wasser zu diffundieren. Dabei hat jedoch das Cl–-Ion eine größere
Beweglichkeit als Na+. Das bedeutet, dass Cl– schneller als Na+ diffundiert. Als Ergebnis
entsteht an der Diffusionsfront ein Gebiet, das reicher an Cl– ist und eine überschüssige
negative Ladung trägt. Dahinter gibt es eine positiv geladene Region, die an Cl– verarmt
ist. Das Ergebnis ist eine elektrische Potentialdifferenz am Übergang zwischen der NaCl-
und H2O-Phase. Das Diffusionspotential wirkt der Bewegung von Cl– entgegen und
beschleunigt die Bewegung von Na+. Das Diffusionspotential stellt eine Balance zwischen
den unterschiedlichen Beweglichkeiten dar, die ein Ladungsungleichgewicht und dessen
Bestreben zur Verzögerung der Bewegung von Cl– erzeugt.
Die Beweglichkeiten einiger Ionen sind in Tabelle 14.1 und die Diffusionspotentiale
verschiedener Lösungen in Tabelle 14.2 zusammengestellt. Da K+ und Cl– ähnliche Be-

+ + –
NaCl- Na NaCl-
Wasser + – Wasser
Lösung – Lösung
Cl + –
Abb. 14.9 Entstehung des Diffusions-
Na+-reiches Cl–-reiches potentials durch ungleiche Ionenbeweg-
Gebiet Gebiet lichkeiten von Na+ und Cl–.
358 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

weglichkeiten haben, sind die Diffusionspotentiale an den zwei Grenzflächen einer KCl-
Tabelle 14.1 Ionenbeweglichkeiten
in Wasser bei 25 °C Salzbrücke nur gering. Deshalb wird in Salzbrücken meist gesättigte KCl verwendet.
Dennoch, das Diffusionspotential an der Grenzfläche 0.1 M HCl|3.5 M KCl beträgt
Ion Beweglichkeit 3.1 mV. Eine pH-Elektrode zeigt ein Ansprechverhalten von 59 mV pro pH-Einheit. Eine
[m²/(s ∙ V)]a
pH-Elektrode, die in eine 0.1 M HCl taucht, hat ein Diffusionspotential von ~ 3 mV, oder
H+ 36.30 × 10–8 einen Fehler von 0.05 pH-Einheiten (12 % Fehler bei der Bestimmung von [H+]).
Rb+ 7.92 × 10–8

K+ 7.62 × 10–8 > Beispiel


NH4+ 7.61 × 10 –8 Diffusionspotential
Eine 0.1 M NaCl-Lösung wird mit 0.1 M NaNO3 in Kontakt gebracht. Welche Seite der Pha-
La3+ 7.21 × 10–8
sengrenze ist positiv und welche negativ?
Ba2+ 6.59 × 10–8
Lösung Da [Na+] auf beiden Seiten gleichgroß ist, wird keine Diffusion von Na+ durch die
Ag +
6.42 × 10 –8
Phasengrenze erfolgen. Jedoch wird Cl– in die NaNO3-Lösung und NO–3 in die NaCl-Lösung
diffundieren. Da die Beweglichkeit von Cl– größer als die von NO–3 ist, wird das NaCl-Gebiet
Ca2+ 6.12 × 10–8
schneller an Cl– verarmen als das NaNO3-Gebiet an NO–3 verarmt. Dadurch wird die NaNO3-
Cu2+ 5.56 × 10–8 Seite negativ und die NaCl-Seite positiv.
Na+ 5.19 × 10–8 Selbstüberprüfung Welche Seite der 0.05 M NaCl|0.05 M LiCl-Verbindungsstelle ist positiv
Li+ 4.01 × 10–8 aufgeladen? (Antwort: LiCl)

OH– 20.50 × 10–8

Fe(CN)4–
6 11.45 × 10–8 14.4 Wie arbeiten ionenselektive Elektroden?10
Fe(CN)63– 10.47 × 10–8
Ionenselektive Elektroden, die im Rest dieses Kapitels behandelt werden, sprechen selek-
SO42– 8.27 × 10–8 tiv auf ein Ion in einer Lösung an. Diese Elektroden unterscheiden sich grundlegend von
Br– 8.13 × 10–8 den Metallelektroden, denn bei ionenselektiven Elektroden sind keine Redox-Vorgänge
beteiligt. Das wesentliche Merkmal einer idealen ionenselektiven Elektrode ist eine dünne
I– 7.96 × 10–8
Membran, die in der Lage ist, nur das gesuchte Ion zu binden.
Cl– 7.91 × 10–8 Eine Flüssig-Membran-Elektrode ist in Abbildung 14.10a dargestellt. Die Elektrode hat
eine ionenselektive Membran aus einem hydrophoben organischen Polymer, das mit einer
NO3– 7.40 × 10–8
viskosen organischen Lösung imprägniert ist, die einen Ionenaustauscher und, manch-
ClO4– 7.05 × 10–8 mal, einen Liganden zur Bindung des Analytkations C+ enthält. Im Inneren der Elektrode
F– 5.70 × 10–8 befindet sich die Innenfüllung mit den Ionen C+(aq) und B–(aq). Die Elektrode wird in
die Analytlösung getaucht, so dass sich an der Außenseite der Membran die Ionen C+(aq),
HCO3– 4.61 × 10–8 A–(aq) und eventuell auch andere Ionen befinden. Im Idealfall spielt es keine Rolle, welche
CH3COO– 4.24 × 10–8 weiteren Ionen (A–, B– usw.) noch vorhanden sind. Die elektrische Potentialdifferenz (die
Spannung) an der ionenselektiven Membran wird mit zwei Bezugselektroden gemessen,
a
Die Ionenbeweglichkeit ist die Endge- die z. B. Silber-Silberchlorid-Elektronen sein können. Wenn sich die Konzentration (tat-
schwindigkeit, die ein Teilchen in einem
elektrischen Feld von 1 V/m erreicht. Be-
sächlich ist es die Aktivität) von C+ in der Analytlösung ändert, ändert sich auch die ge-
weglichkeit = Geschwindigkeit/Feldstärke. messene Spannung zwischen den beiden Bezugselektroden. Mit Hilfe einer Kalibrations-
Die Einheiten der Ionenbeweglichkeit sind kurve erhält man aus der Spannung die gesuchte Aktivität von C+ in der Analytlösung.
daher (m/s)/(V/m) = m2/(s . V). Abbildung 14.10b zeigt, wie die Elektrode funktioniert. In diesem Beispiel hat der
Ligand, L, die Hauptbedeutung. Er ist ein Ionophor (Ionentransporteur), der in der Mem-
bran löslich ist und selektiv Analytionen bindet. Zum Beispiel enthält eine ionenselektive
Hydrophob: wasserabweisend (nicht Elektrode für Kalium den Liganden Valinomycin, ein natürliches Antibiotikum, das von
mit Wasser mischbar) bestimmten Mikroorganismen ausgeschieden wird, um K+ durch Zellmembranen zu
transportieren. Es wird ein solcher Ligand L gewählt, der eine hohe Affinität zum Analytka-
tion C+ und eine geringe Affinität zu anderen Ionen hat. Bei einer idealen Elektrode bindet
L hat eine gewisse Fähigkeit, außer C+ L nur C+. In der Praxis haben die Elektroden auch eine gewisse Affinität zu anderen
auch andere Ionen zu binden, so dass Kationen, so dass diese bei der Bestimmung von C+ etwas stören können. Zur Ladungs-
diese bei der Bestimmung von C+ stö- neutralität enthält die Membran auch hydrophobe Anionen, R–, wie Tetraphenylborat,
ren. In einer ionenselektiven Elektrode (C6H5)4B–, das sich gut in der Membran und schlecht in Wasser löst.
werden Liganden verwendet, die das Fast alle Analytionen im Inneren der Membran in Abbildung 14.10b sind im Kom-
gesuchte Ion stark bevorzugen. plex LC+ gebunden, der sich im Gleichgewicht mit einer kleinen Menge C+ in der Mem-
bran befindet. Sie enthält auch den freien Liganden L im Überschuss. C+ kann durch
die Grenzfläche diffundieren. Bei einer idealen Elektrode kann R– die Membran nicht
14.4 · Wie arbeiten ionenselektive Elektroden? 359

a ionenselektive Elektrode
Tabelle 14.2 Diffusionspotentiale bei
innere Bezugs- äußere Bezugs- 25 °C
elektrode elektrode
Elektrolyt-Kontaktfläche Potential
Innenlösung
(mV)
ionenselektive 0.1 M NaCl | 0.1 M KCl –6.4
Membran
0.1 M NaCl | 3.5 M KCl –0.2

Analyt- 1 M NaCl | 3.5 M KCl –1.9


lösung
0.1 M HCl | 0.1 M KCl +27

0.1 M HCl | 3.5 M KCl +3.1

b Innenlösung B– Anmerkung: Ein positives Vorzeichen be-


C+ C+
der Elektrode B– C+ B– deutet, dass die rechte Seite der Kontakt-
C+ B– fläche gegenüber der linken Seite positiv
B– C+ geworden ist.
innere Ober- C+
fläche der
R–
Membran
R– LC+ R– LC+ Beispiel:
L LC+ – R– C+ = K+
R L
R– = (C6H5)4B–
R– R– LC+
ionenselektive L = Valinomycin
LC+ L
Membran
LC+
L L
R–

R– LC+ R–
LC+ – L LC+ R–
äußere Ober- R Überschuss negativer Ladung
fläche der Überschuss positiver Ladung
C+ C+
Membran
+
C A–
Analytlösung außer- A– C+
halb der Elektrode
A– C+

Abb. 14.10 a) Ionenselektive Elektrode, die in wässrige Lösung mit den Analytkationen C+ taucht. Die K O C N
Membran besteht aus Polyvinylchlorid, das mit der unpolaren Flüssigkeit Dioctylsebacat als Weichma-
cher und Lösungsmittel für den ionenselektiven Ionophor L, den Komplex LC+ und das hydrophobe
Anion (R–) imprägniert wurde. b) Großaufnahme der Membran. Die Ellipsen um die Ionenpaare sollen Valinomycin-K+-Komplex mit sechs Car-
die Ladungen zur besseren Zählung in jeder Phase übersichtlicher darstellen. Die fettgedruckten bonylsauerstoffatomen in oktaedrischer
Ionen geben den Ladungsüberschuss jeder Phase an. Die elektrische Potentialdifferenz an jeder Mem- Anordnung um K+. [Aus L. Stryer, Bio- 14
branoberfläche hängt von der Aktivität der Analytionen in den beiden wässrigen Lösungen ab, die chemistry, 4th ed. (New York, W. H. Free-
mit der Membran Kontakt haben. man and Company, 1995, S. 273.]

verlassen, denn es löst sich nicht in Wasser und das Anion A– kann aus der wässrigen
Lösung nicht in die Membran eindringen, da es sich nicht in der organischen Phase löst. Beispiel für ein hydrophobes Anion, R–:
Sobald einige C+-Ionen aus der Membran in die wässrige Phase diffundieren, gibt es einen
Überschuss an positiver Ladung in der wässrigen Phase. Dieses Ladungsungleichgewicht
erzeugt eine elektrische Potentialdifferenz, die einer weiteren Diffusion von mehr C+ in
die wässrige Phase entgegenwirkt. Das Gebiet des Ladungsungleichgewichts erstreckt sich
nur über wenige Nanometer in die Membran und in die benachbarte Lösung. B
Wenn C+ aus einem Bereich der Aktivität Am in der Membran in einen Bereich der Ak-
tivität AL in der äußeren Lösung diffundiert, beträgt die Änderung der freien Enthalpie
Tetraphenylborat, (C6H5)4B–

G GSolvatisierung
( )
RT ln A m
Ao
G wegen Lösungs- G wegen
mitteländerung Aktivitätsänderung
360 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

mit der Gaskonstanten R, und der Temperatur T (K). ΔGSolvatisierung ist die Änderung der
Solvatisierungsenergie, wenn sich die Umgebung von C+ von der organischen Flüssigkeit
in der Membran in die wässrige Lösung außerhalb der Membran verändert. Der Term
–RT ln (Am/AL) gibt die Änderung der freien Enthalpie an, wenn ein Teilchen zwischen
Gebieten unterschiedlicher Aktivitäten (Konzentrationen) diffundiert. Bei Abwesenheit
einer Phasengrenze ist ΔG immer negativ, wenn ein Teilchen aus einem Gebiet hoher
Aktivität in einen Bereich niedriger Aktivität diffundiert.
Die Triebkraft für die Diffusion von C+ aus der Membran in die wässrige Lösung
ist die begünstigte Solvatation der Ionen durch Wasser. Wenn C+ aus der Membran in
das Wasser diffundiert, wird in unmittelbarer Nähe der Membran eine positive Ladung
im Wasser aufgebaut. Die Ladungstrennung erzeugt eine elektrische Potentialdifferenz
(Eaußen) an der Membran. Die Differenz der freien Enthalpie von C+ in den beiden Phasen
beträgt ΔG = –nFEaußen, mit der Faraday-Konstanten F und der Ionenladung n. Im Gleich-
gewicht muss die Gesamtänderung der freien Enthalpie für die Diffusion von C+ durch
die Grenze der Membran Null sein:

G GSolvatisierung
( )
RT ln A m
AL
( nFEaußen) 0

G wegen Phasentransfer und G wegen


Aktivitätsunterschied Ladungsungleichgewicht

Auflösung der Gleichung nach Eaußen ergibt für die elektrische Potentialdifferenz an der
Grenze zwischen Membran und der äußeren wässrigen Lösung in Abbildung 14.10b:
Elektrische Potentialdifferenz an
der Phasengrenze zwischen Membran
und Analyt:
Eaußen
GSolvatis.
nF
RT
nF (
ln A m AL
/ ) (14.4)

Es gibt auch eine Potentialdifferenz Einnen an der Grenze der Membran mit der Innenfül-
lung, in der die analogen Größen wie in Gleichung 14.4 stehen.
Die Potentialdifferenz zwischen der äußeren Analytlösung und der inneren Elekt-
rodenfüllung ist die Differenz E = Eaußen - Einnen. In Gleichung 14.4 hängt Eaußen von den
Aktivitäten von C+ in der Analytlösung und in der Membran in der Nähe der äußeren
Oberfläche ab. Einnen ist konstant, da die Konzentration von C+ in der Innenfüllung kon-
stant ist.
Auch die Aktivität von C+ in der Membran (Am) ist aus folgendem Grund nahezu
konstant: Die hohe Konzentration von LC+ in der Membran befindet sich im Gleichge-
wicht mit freiem L und einer geringen Konzentration von freiem C+ in der Membran. Das
hydrophobe Anion R– is schlecht wasserlöslich und kann die Membran nicht verlassen.
Nur sehr wenig C+ kann aus der Membran diffundieren, da jedes C+, das in die wässrige
Phase übertritt, ein R– in der Membran zurücklässt. (Diese Ladungstrennung ist die Ur-
sache für die Potentialdifferenz an der Phasengrenze.) Sobald ein winziger Teil von C+
aus der Membran in die Lösung diffundiert, wird eine weitere Diffusion durch den Über-
schuss an positiver Ladung in der Lösung in Membrannähe verhindert.
Somit beträgt die Potentialdifferenz zwischen den äußeren und inneren Lösungen

ln x/y = ln x – ln y E Eaußen Einnen


GSolvatis.
nF
RT
nF (
ln A m AL / ) Einnen

E
GSolvatis.
nF
RT
nF ( )
ln A L
RT
nF
ln Am ( ) Einnen

konstant variabel konstant konstant

Durch Kombination der konstanten Terme zeigt sich, dass die Potentialdifferenz an der
Membran nur von der Aktivität des Analyten in der äußeren Lösung abhängt:

E Konstante ( )
RT
nF
ln AL
14.5 · pH-Messung mit einer Glaselektrode 361

Nach Umwandlung von ln in log und Einsetzen der Werte für R, T und F erhält man die In Anhang A finden Sie: ln x = (ln 10)
wichtige Gleichung zur Bestimmung der Potentialdifferenz an der Membran: (log x) = 2.303 log x

Elektrische Potentialdifferenz 0.059 16


E Konstante log AL bei 25 °C (14.5) Der Wert 0.059 16 V ergibt sich aus
für ionenselektive Elektroden: n
RT ln10
bei 25 °C.
F
mit der Ladung n des Analytions und A L, seiner Aktivität in der äußeren (unbekannten)
Lösung. Gleichung 14.5 gilt für alle ionenselektiven Elektroden, einschließlich der Glas-
elektrode. Wenn der Analyt ein Anion ist, ist das Vorzeichen von n negativ. Später wird
die Gleichung zur Berücksichtigung von Störionen noch etwas verändert.
Eine Potentialdifferenz von 59.16 mV (bei 25 °C) baut sich an der pH-Glaselektrode
für jede Änderung der H+-Aktivität in der Lösung um den Faktor 10 auf. Da ein Unter-
schied in der H+-Aktivität um den Faktor 10 eine pH-Einheit ist, führt ein pH-Unter-
schied von 4 Einheiten zu einer Potentialdifferenz von 4.00 × 59.16 = 237 mV. Da die
Ladung des Calcium-Ions n = 2 ist, beträgt die Potentialänderung bei einer Aktivitätsän-
derung von Ca2+ um den Faktor 10 bei der Messung mit einer ionenselektiven Elektrode
für Calcium 59.16/2 = 29.58 mV.

14.5 pH-Messung mit einer Glaselektrode

Die am meisten verwendete ionenselektive Elektrode ist die Glaselektrode zur pH-Mes- M. Cremer vom Institut für Physiologie
sung. Eine typische Einstabmesskette (Kombinationselektrode), bei der die Glas- und in München entdeckte 1906, dass sich
die Referenzelektrode in einem Elektrodenkörper vereint sind, wird in Abbildung 14.11 eine Potentialdifferenz von 0.2 V an
gezeigt. Die entsprechende Zellsymbolik lautet: einer Glasmembran mit Säure auf der
einen und einer neutralen Salzlösung
Glasmembran
auf der anderen Seite aufbaute. Im
Jahre 1908 verbesserte der Student
Ag(s) AgCl(s) Cl (aq) H (aq, außen) H+ (aq, innen), Cl– (aq) AgCl(s) Ag(s) Klemensiewicz, der bei Fritz Haber in
Karlsruhe arbeitete, die Glaselektrode
äußere Referenz- H+ außerhalb H+ innerhalb innere Referenz-
und benutzte sie zur Verfolgung der
elektrode der Glaselektrode der Glaselektrode elektrode
(Analytlösung) ersten Säure-Base-Titration.11

Der pH-empfindliche Teil der Elektrode ist die dünne Glasmembran in Form einer Kugel
oder Kegels am unteren Ende der Elektroden in den Abbildungen 14.11 und 14.12. Die
Bezugselektrode links in der Zellsymbolik ist die gewickelte Ag|AgCl-Elektrode in der 14
Einstabmesskette in Abbildung 14.11. Die Bezugselektrode auf der rechten Seite der Zell- Es fließt ein derart geringer Strom
symbolik ist die gerade Ag|AgCl-Elektrode in der Elektrodenmitte in Abbildung 14.11. durch eine Glaselektrode, dass sie
Die beiden Referenzelektroden messen die elektrische Potentialdifferenz an der Glas- bei ihrer Entdeckung im Jahr 1906
membran. Die Salzbrücke (in der Symbolik mit || gekennzeichnet) ist der poröse Pfropfen praktisch nicht nutzbar war. Unter
unten rechts bei der Einstabmesskette in Abbildung 14.11. den ersten, die eine Vakuum-Röhre
Abbildung 14.13 zeigt die unregelmäßige Struktur des Silikatgitters im Glas. Negativ als Verstärker zur pH-Messung mit der
geladene Sauerstoffatome im Glas können Metallkationen geeigneter Größe binden. Ein- Glaselektrode benutzten, war 1928 der
wertige Kationen, besonders Na+, können langsam durch das Silikatgitter diffundieren. Student E. H. Wright an der University
Ein schematischer Querschnitt der Glasmembran einer pH-Elektrode ist in Abbildung of Illinois, der seine Elektronikkennt-
14.14 gezeigt. Die beiden Oberflächen absorbieren Wasser und quellen. Metallkationen nisse als Radioamateur einsetzte. Ar-
in diesen hydratisierten Gelgebieten der Glasmembran diffundieren aus dem Glas heraus nold Beckman vom California Institute
und in die Lösung hinein. Gleichzeitig kann H+ aus der Lösung in die Membran diffun- of Technology entwickelte 1935 ein
dieren. Die Reaktion, bei der die Metallkationen im Glas durch H+ ersetzt werden, ist ein robustes, tragbares Vakuumröhren-pH-
Ionenaustauschgleichgewicht (Abbildung 14.15). Eine pH-Elektrode spricht selektiv Meter, welches die chemische Mess-
auf H+ an, weil H+ das einzige Ion ist, das in beträchtlicher Menge in der hydratisierten technik revolutionierte.12
Gelschicht gebunden wird.
Bei einer elektrischen Messung muss wenigstens ein winziger Strom durch den
gesamten Stromkreis fließen – selbst durch die Glasmembran der pH-Elektrode. Unter-
suchungen mit Tritium (dem radioaktiven Isotop 3H) zeigen, dass H+ die Glasmembran
einer pH-Elektrode nicht durchquert. Dagegen durchquert Na+ sehr träge die Membran.
362 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

(+)
Leitungen zum pH-Meter
(–)

Luftzutritt
Flüssigkeits-
niveau der
äußeren
Referenz-
elektrode

Flüssigkeits-
niveau der
inneren
Referenz-
elektrode

Silberdraht wässrige Innenfüllung,


gesättigt mit AgCl und KCl

suspendierte AgCl-
Paste zwischen
dem gefalteten Flüssigkeitsniveau der
Silberdraht Analytlösung im
Abb. 14.11 Aufbau einer Glaselektrode Becherglas
mit Silber-Silberchlorid-Bezugselektrode poröser Pfropfen, der für
als Einstabmesskette. Die Glaselektrode leichten Elektrolytfluss
AgCl(s) + KCl(s) aus der Elektrode sorgt
wird in eine Lösung mit unbekanntem
pH so tief eingetaucht, dass sich der
poröse Pfropfen (unten rechts) unterhalb Glasmembran 0.1 M HCl
der Flüssigkeitsoberfläche befindet. Die gesättigt mit
AgCl
beiden Ag|AgCl-Elektroden messen die
Spannung an der Glasmembran.

Platin-
„Diaphragma“

Ag AgCl

Salz- pH-empfindliches
brücke Glas
a b =O = Si = Kation

Abb. 14.12 a) Glas-Einstabmesskette mit pH- Abb. 14.13 Schematische Darstellung der
empfindlichem Glaskolben. Ein poröser Keramik- Glasstruktur, die aus einem unregelmäßigem
pfropfen (Salzbrücke) verbindet die Analytlösung Netz von SiO4-Tetraedern besteht, die über
mit der Referenzelektrode. Zwei mit Silberchlorid Sauerstoffatome verbunden sind. Kationen,
beschichtete Silberdrähte sind im Inneren zu wie Li+, Na+, K+ und Ca2+ sind an die Sauer-
erkennen. [Fisher Scientific, Pittsburgh PA.] b) stoffatome gebunden. Das Silikat-Netzwerk
pH-Elektrode mit Platin-Diaphragma (Bündel von ist nicht planar. Diese Darstellung ist eine Pro-
Pt-Drähten), durch welches der Keramikpfropfen jektion jedes Tetraeders auf die Papierebene.
weniger verstopfen soll. [W. Knappek, Am. Lab. [Entnommen aus G.A. Perley, „Glasses for Mea-
News Ed. July 2003, S. 14.] surement of pH“, Anal. Chem. 1949, 21, 394.]
14.5 · pH-Messung mit einer Glaselektrode 363

10 nm 5 10 nm – –
0.1 mm (10 nm) H
+ O O +
+ H
H – –
H
+ O O
Glas + +
+ –
O O
– H H
Innenlösung Außenlösung H + +
der Elektrode im Becherglas H
+ H – Na –
O O
(A H+ ≈ 0.1) (A H+ ist variabel)
Innenlösung Außen-
lösung
(Analyt)

hydratisierte trockene hydratisierte


Gelschicht Glasschicht Gelschicht
Abb. 14.15 Ionenaustauschgleichge-
wichte an den Oberflächen einer Glas-
(Austauschplätze (alle Plätze (Austauschplätze membran: H+ verdrängt die am negativ
durch H+ und Na+ durch Na+ durch H+ und Na+
geladenen Sauerstoff gebundenen
besetzt) besetzt) besetzt)
Metallionen. Der pH der Innenlösung ist
festgelegt. Wenn sich der pH der äußeren
Abb. 14.14 Schematischer Querschnitt der Glasmembran einer pH-Elektrode. Schema für den Quer-
Lösung (die Probenlösung) ändert, än-
schnitt der Glasmembran einer pH-Elektrode
dert sich auch die elektrische Potential-
differenz an der Glasmembran.

Die H+-empfindliche Membran kann man sich daher als zwei Oberflächen vorstellen, die
elektrisch durch den Na+-Transport verbunden sind. Der Widerstand der Glasmembran
beträgt gewöhnlich 108 Ω, so dass nur ein äußerst geringer Strom fließt.
Die Potentialdifferenz zwischen der inneren und äußeren Silber-Silberchlorid-Elekt-
rode in Abbildung 14.11 hängt von der Chlorid-Konzentration in jedem Kompartiment
der Elektrode und von der Potentialdifferenz an der Glasmembran ab. Da die Chlorid-
Konzentration in den Elektrodenkompartimenten konstant ist und die H+-Konzentration
im Inneren der Glasmembran festgelegt ist, ergibt sich als einzige Variable der pH-Wert
der Analytlösung außerhalb der Glasmembran. Die Gleichung 14.5 zeigt, dass sich bei
25 °C die Spannung einer idealen pH-Elektrode um 59.16 mV pro pH-Einheit der Analyt-
aktivität ändert.
Das Ansprechverhalten realer Glaselektroden wird durch folgende Gleichung be-
schrieben, die der Nernst-Gleichung ähnelt:
Ansprechverhalten der Glaselektrode:
E = Konstante + β (0.059 16)log AH+ (außen) Elektroden
E = Konstante – β (0.059 16) pH (außen) (14.6)
Der Wert von β, die elektromotorische Effizienz, ist nahe bei 1 (meist > 0.98). Man be- pH-Meter von Beckman
stimmt die Werte für die Konstante und β bei der Kalibrierung der Elektrode durch Lö-
sungen mit bekanntem pH.
14
Kalibrierung einer Glaselektrode Der Wert 0.059 16 V ergibt sich aus
RT ln10
Eine pH-Elektrode wird kalibriert, indem zwei (oder mehr) Standardpufferlösungen aus- bei 25 °C, mit der
F
gewählt werden, so dass der pH-Wert der unbekannten Lösung innerhalb des Bereichs
Gaskonstanten R, der Temperatur T
dieser Standards liegt. Die Standards in der Tabelle 14.3 sind auf ± 0.01 pH-Einheiten
und der Faraday-Konstanten F
genau.13
Bei der Kalibrierung einer Elektrode mit Standardpuffern misst man die Spannung
mit der Elektrode in jedem Puffer (Abbildung 14.16). Der pH von Puffer S1 sei pHS1 und Eine pH-Elektrode muss kalibriert
das in diesem Puffer gemessene Elektrodenpotential sei ES1. Der pH von Puffer S2 sei werden, bevor man sie verwenden
pHS2 und das in diesem Puffer gemessene Elektrodenpotential sei ES2. Die Gleichung für kann. Sie sollte im Dauergebrauch
die Gerade durch diese beiden Standardpunkte ist dann etwa aller 2 h kalibriert werden.
E − ES1 ES2 − ES1
= (14.7)
pH − pHS1 pHS2 − pHS1

Die Steigung der Geraden ist ΔE/ΔpH = (ES2 – ES1)/(pHS2-pHS1) und beträgt 59.16 mV/
pH bei 25 °C für eine ideale Elektrode und β ∙ (59.16) mV/pH für eine reale Elektrode
(mit dem Korrekturfaktor β aus Gleichung 14.6).
Zur Messung des pH einer unbekannten Lösung misst man ihr Potential mit der kali-
brierten Elektrode und findet den pH-Wert durch Einsetzen in Gleichung 14.7:
364 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

250 Eunbek.Lösung − ES1 ES2 − ES1


= (14.8)
200 pHunbek.Lösung − pHS1 pHS2 − pHS1
150
Aber die modernen pH-Meter sind „black boxes“ und erledigen diese Rechnungen für uns, in-
Standard-
100 Puffer dem sie die Gleichungen 14.7 und 14.8 verwenden und automatisch den pH-Wert anzeigen.
Vor der Verwendung der Elektrode muss man sich überzeugen, dass das Luftloch am
50
E (mV)

oberen Ende der Elektrode in Abbildung 14.11 nicht mehr geschlossen ist. (Dieses Loch hat
0 bei der Lagerung einen Deckel, damit die innere Bezugslösung nicht verdunstet). Nun wird
4 5 6 7 8 9 10 11 die Elektrode mit destilliertem Wasser gewaschen und vorsichtig mit einem Tuch abgetupft.
–50 pH Man darf eine Elektrode nicht abwischen, da hierbei eine statische Aufladung des
–100 Kalibrationsgrade
Glases erfolgt.
Die Elektrode wird nun in einen Standardpuffer mit einem pH in der Nähe von 7 ge-
–150 geben und für mindestens eine Minute ins Gleichgewicht gebracht. Die Kalibrations- und
Messlösungen sollten während der Messung gerührt werden. Folgen Sie der Bedienungs-
–200
anleitung. Das Gerät erkennt den pH-Wert entweder automatisch oder der pH-Wert des
Abb. 14.16 Zweipunkt-Kalibration einer Puffers muss manuell eingegeben werden. Die Elektrode wird danach abgespült, getrock-
pH-Elektrode. net und in eine zweite Standardlösung gegeben, deren pH deutlich von 7 verschieden ist.
Der pH-Wert wird in das Gerät eingegeben. Schließlich wird die Elektrode in die unbe-
kannte Lösung getaucht, die Lösung gerührt und der pH-Wert abgelesen.
Lassen Sie die Elektrode niemals Die Glaselektrode wird in einer wässrigen Lösung aufbewahrt, um eine Austrocknung
außerhalb von Wasser (oder in einem des Glases zu verhindern. Am besten sollte diese Lösung eine ähnliche Zusammensetzung
nichtwässrigen Lösungsmittel) länger haben wie die Innenfüllung der Elektrode. Wenn eine Elektrode trocken geworden ist,
als notwendig stehen. muss man sie mehrere Stunden in einer verdünnten Säure aufbewahren. Vor einer Ver-
wendung oberhalb pH 9 muss sie mit einem Puffer von hohem pH-Wert getränkt werden.
(Die Feldeffekttransistor-pH-Elektrode in Abschnitt 14.8 wird trocken aufbewahrt. Vor
der Verwendung sollte sie vorsichtig mit einer weichen Bürste gereinigt und 10 Minu-
ten mit einer Pufferlösung (pH 7) getränkt werden.) Wenn die Elektrode nur noch sehr
langsam anspricht oder wenn sie nicht mehr richtig kalibriert werden kann, können Sie
versuchen, sie zunächst mit 6 M HCl und dann mit Wasser zu tränken. Als letzter Versuch
kann die Elektrode in 20 Gew% wässrigem Ammoniumbifluorid, NH4HF2, eine Minute
lang in einem Plastikbecher getränkt werden. Dieses Reagenz löst etwas vom Glas auf
und liefert eine frische Oberfläche. Dann wird die Elektrode mit Wasser gewaschen und
die Kalibration wird erneut versucht. Vorsicht: Ammoniumbifluorid darf nicht mit Ihrer
Haut in Kontakt kommen, denn es verursacht schmerzhafte HF-Verätzungen.

Häufige Fehler bei pH-Messungen


1. Standards. Eine pH-Messung kann nicht richtiger als unsere Standards sein. Diese
haben im Allgemeinen eine Richtigkeit von ± 0.01 pH-Einheiten.
Der scheinbare pH-Wert ändert sich 2. Diffusionspotential. Ein Diffusionspotential tritt an der porösen Verbindung im unteren
mit der ionalen Zusammensetzung des Teil der Elektrode von Abbildung 14.11auf. Wenn die ionale Zusammensetzung der
Analyten, selbst wenn der tatsächliche Analytlösung verschieden von der des Standardpuffers ist, tritt ein Diffusionspotential
pH-Wert konstant bleibt. selbst dann auf, wenn der pH-Wert der beiden Lösungen gleich ist. (Exkurs 14.1,
Seite 367). Dieser Unterschied ergibt eine Unsicherheit von mindestens ~0.01 pH.
3. Drift des Diffusionspotentials. Die meisten Kombinationselektroden haben eine
Ag|AgCl-Referenzelektrode mit einer gesättigten KCl-Lösung. Mehr als 350 mg Ag
pro Liter lösen sich in dieser Lösung, vor allem als AgCl 34− und AgCl 23 −. Im porösen
Pfropfen wird die KCl-Lösung verdünnt und AgCl fällt aus. Wenn die Analytlösung
ein Reduktionsmittel enthält, kann Ag(s) ebenfalls im Pfropfen ausfallen. Beide Ef-
fekte verändern das Diffusionspotential und führen zu einer Drift des gemessenen
pH-Wertes (volle farbige Punkte in Abbildung 14.17). Dieser Fehler kann durch Kali-
brierung der Elektrode aller zwei Stunden kompensiert werden.
4. Natriumfehler. Bei sehr kleiner Konzentration von H+ und hoher Konzentration von
Na+ spricht die Elektrode auf Na+ genauso wie auf H+ an und der scheinbare pH ist
niedriger als der wahre pH. Das ist der sogenannte Alkalifehler oder Natriumfehler
(Abbildung 14.18).
14.5 · pH-Messung mit einer Glaselektrode 365

5. Säurefehler. In starker Säure ist der gemessene pH höher als der tatsächliche pH
(Abbildung 14.18), vielleicht weil das Glas mit H+ gesättigt ist und nicht weiter proto-
niert werden kann.
6. Einstellzeit. Zur Einstellung eines Gleichgewichts an der Elektrode ist eine gewisse
Zeit erforderlich. In einer gut gepufferten Lösung sind das bei gutem Rühren ~30 Se-
kunden. In einer schwach gepufferten Lösung (das ist der Fall in der Nähe des Äqui-
valenzpunktes einer Titration) dauert es einige Minuten.
7. Hydratation von Glas. Eine trockene Elektrode muss einige Stunden zur Ausbildung
der Quellschicht getränkt werden, bevor sie wieder richtig auf H+ anspricht.
8. Temperatur. Ein pH-Meter muss bei der gleichen Temperatur kalibriert werden, bei Aufgabe: Zeigen Sie mit Gleichung
der auch die Messungen durchgeführt werden. 14.6, dass sich das Potential einer Glas-
9. Reinigung. Wenn die Elektrode einer hydrophoben Flüssigkeit, z. B. Öl, ausgesetzt elektrode um 1.3 mV ändert, wenn sich
war, muss sie mit einem Lösungsmittel für diese Flüssigkeit gereinigt werden und die Aktivität von H+ um 5 % ändert
dann sorgfältig in wässriger Lösung konditioniert werden. Die Messwerte einer un- und dass 1.3 mV 0.02 pH-Einheiten
sachgemäß gesäuberten Elektrode können während dieser Re-Äquilibrierung noch sind.
einige Stunden driften. Schlussfolgerung: Eine kleine Unsicher-
heit in der Messspannung (1.3 mV)
Die Fehler 1 und 2 begrenzen die Richtigkeit der pH-Messung mit der Glaselektrode im oder im pH (0.02 Einheiten) entspricht
günstigsten Fall auf ±0.02 pH-Einheiten. Die Bestimmung von pH-Differenzen zwischen einer großen Unsicherheit (5%) in der
zwei Lösungen kann auf ± 0.002 pH-Einheiten richtig werden, doch die Angabe eines wah- Analytkonzentration. Ähnliche Unsi-
ren pH-Werts wird noch immer mindestens eine Größenordnung weniger richtig sein. Eine cherheiten treten auch bei anderen
Messunsicherheit von ± 0.02 pH-Einheiten entspricht einem Fehler von ± 5 % für A H+. potentiometrischen Messungen auf.

Nicht alle pH-Elektroden sind aus Glas


Glaselektroden sind die häufigsten, aber nicht die einzigen Elektroden zur pH-Messung.
Festkörperelektroden auf der Basis des Feldeffekt-Transistors werden am Ende dieses Ka-
pitels beschrieben. Flüssigmembran-Elektroden werden im Abschnitt 14.6 besprochen.
Eine Schicht von wasserfreiem IrO2, die durch Oxidation eines Ir-Drahts erzeugt
wurde, spricht auf H+ entsprechend der folgenden Reaktion an20
IrO2(s) + H+ +e– U IrOOH(s)
⎛ 1 ⎞
E = E0 – 0.059 16 log ⎜ + ⎟ = E0 – 0.059 16 pH
⎜ ⎡H ⎤ ⎟
⎝⎣ ⎦⎠

–1.0 14
8
C
D
Error, ΔpH

–0.5
Drift des Diffusions- E
potentials F
pH-Wert

7.5 G
0 A

B
Ionenaustausch-Harz
in der Elektrode
0.5
–2 0 2 4 6 8 10 12 14
7
0 10 20 30 pH
Tage
Abb. 14.18 Säure- und Alkalifehler
Abb. 14.17 Die farbigen Punkte zeigen die Drift des scheinbaren pH-Werts im Wasser geringer einiger Glaselektroden A: Corning 015,
Leitfähigkeit einer industriellen Wasserversorgungsanlage. Der pH-Wert wurde kontinuierlich mit H2SO4, B: Corning 015, HCl, C: Corning
einer Einzelelektrode gemessen. Einzelmessungen mit einer frisch kalibrierten Elektrode (schwarze 015, 1M Na+, D: Beckman-GP, 1 M Na+, E:
Punkte) zeigen keine Drift. Die Drift beruht auf einer allmählichen Verstopfung des porösen Pfrop- L&N Black Dot, 1 M Na+, F: Beckman Type
fens der Elektrode mit AgCl(s). Wenn innerhalb der Bezugselektrode ein Kationenaustauscher-Harz E, 1 M Na+, G: Ross-Elektrode.19. [R. G.
in die Nähe des Pfropfens eingebaut wurde, wird Ag+ vom Ionenaustauscher gebunden und kann Bates, Determination of pH: Theory and
keinen Niederschlag bilden. Diese Elektrode lieferte kontinuierliche Messwerte ohne Drift (offene Practice, 2nd ed. (New York: Wiley, 1973),
Karos). [S. Ito, H. Hachiya, K. Baba, Y. Asano und H. Wada, „Improvement of the Ag⏐AgCl Reference Daten der Ross-Elektrode aus Orion Ross
Electrode and its Application to pH Measurement“, Talanta 1995, 42, 1685.] pH Electrode Instruction Manual.]
366 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

Tabelle 14.3 pH-Werte der Puffer des National Institute of Standards und Technology

Tempera- 0.05 m Ka- Gesättigtes 0.05 m Ka- 0.05 m 0.08 m 0.025 m 0.08 m HE- 0.008 695 m 0.01 m 0.025 m
tur (°C) liumtetra- (25 °C) Ka- liumdihyd- Kalium- MOPSO, Kaliumdi- PES, 0.08 m Kaliumdi- Borax (9) Natriumbi-
oxalat (1) liumhydro- rogencitrat hydrogen- 0.08 m hydrogen- NaHEPES, hydrogen- carbonat,
gentartrat (3) phthalat (4) NaMOPSO, phosphat, 0.08 m NaCl phosphat, 0.025 m
(2) 0.08 m NaCl 0.025 m (7) 0.030 43 m Natriumcar-
(5) Dinatrium- Dinatrium- bonat (10)
hydrogen- hydrogen-
phosphat phosphat
(6) (8)
0 1.667 – 3.863 4.003 7.268 6.984 7.853 7.534 9.464 10.317
5 1.666 – 3.840 3.999 7.182 6.951 7.782 7.500 9.395 10.245
10 1.665 – 3.820 3.998 7.098 6.923 7.713 7.472 9.332 10.179
15 1.669 – 3.802 3.999 7.018 6.900 7.645 7.448 9.276 10.118
20 1.672 – 3.788 4.002 6.940 6.881 7.580 7.429 9.225 10.062
25 1.677 3.557 3.776 4.008 6.865 6.865 7.516 7.413 9.180 10.012
30 1.681 3.552 3.766 4.015 6.792 6.853 7.454 7.400 9.139 9.966
35 1.688 3.549 3.759 4.024 6.722 6.844 7.393 7.389 9.102 9.925
37 – 3.548 3.756 4.028 6.695 6.840 7.370 7.385 9.088 9.910
40 1.694 3.547 3.753 4.035 6.654 6.838 7.335 7.380 9.068 9.889
45 1.699 3.547 3.750 4.047 6.588 6.834 7.278 7.373 9.038 9.856
50 1.706 3.549 3.749 4.060 6.524 6.833 7.223 7.367 9.011 9.828
55 1.713 3.554 – 4.075 – 6.834 – – 8.985 –
60 1.722 3.560 – 4.091 – 6.836 – – 8.962 –
70 – 3.580 – 4.126 – 6.845 – – 8.921 –
80 – 3.609 – 4.164 – 6.859 – – 8.885 –
90 – 3.650 – 4.205 – 6.877 – – 8.850 –
95 – 3.674 – 4.227 – 6.886 – – 8.833 –

Anmerkung: Die Bezeichnung m steht für Molalität. Die Massenangaben in den Puffervorschriften sind an Luft bestimmte scheinbare Massen.
Zur Herstellung der Pufferlösungen ist es notwendig, hochreines Material und frisch destilliertes oder deionisiertes Wasser mit einem spezifischen Widerstand über
2 000 Ω ∙ m zu benutzen. Lösungen von pH 6 oder höher sollten in Plastikgefäßen aufbewahrt werden und eine Absperrvorrichtung mit NaOH sollte den Einfluss
von atmosphärischem Kohlendioxid verhindern. Diese Lösungen können etwa 2 bis 3 Wochen aufbewahrt werden bzw. in einem Kühlschrank etwas länger.
1. 0.05 m Kaliumtetraoxalat, KHC2O4∙H2C2O4∙2H2O. 12.71 g Kaliumtetraoxalat-Dihydrat werden in 1kg Wasser gelöst. Die pH-Werte stammen von P.M. Juusola, J. I.
Partanen, K. P. Vahteristo, P. O. Minkkinen und A. K. Covington, J. Chem. Eng. Data 2007, 52, 973
2. Bei 25 °C gesättigtes Kaliumhydrogentartrat, KHC4H4O6. Ein Überschuss des Salzes wird mit Wasser geschüttelt und in dieser Form aufbewahrt. Vor der Verwen-
dung muss bei Temperaturen zwischen 22 und 28 °C filtriert oder dekantiert werden.
3. 0.05 m Kaliumdihydrogencitrat, KH2C6H5O7. 11.41 g des Salzes werden bei 25 °C zu einer Lösung von 1 L gelöst.
4. 0.05 m Kaliumhydrogenphthalat. Obwohl es meist nicht notwendig ist, werden die Kristalle eine Stunde bei 110 °C getrocknet und dann im Exsikkator abge-
kühlt. Bei 25 °C werden 10.12 g C6H4(COOH)(COOK) in Wasser gelöst und anschließend auf 1 L aufgefüllt.
5. 0.08 m MOPSO ((3-N-morpholino)-2-hydroxopropansulfonsäure, Tabelle 8-2), 0.08 m des Natriumsalzes von MOPSO, 0.08 m NaCl. Die Puffer 5 und 7 werden für
Zweipunktkalibrierungen der Elektroden für pH-Messungen von physiologischen Flüssigkeiten empfohlen. MOPSO wird zweimal aus 70 Gew% Ethanol kristallisiert
und bei 50 °C 24 h im Vakuum getrocknet. NaCl wird 4 h bei 110 °C getrocknet. Na+MOPSO– kann durch Neutralisation von MOPSO mit Standard-NaOH hergestellt
werden. Das Natriumsalz ist auch als Standardreferenzmaterial erhältlich. Es werden 18.00 g MOPSO, 19.76 g Na+MOPSO– und 4.674 g NaCl in 1.000 kg Wasser gelöst.
6. 0.025 m Dinatriumhydrogenphosphat, 0.025 m Kaliumdihydrogenphosphat. Am besten geeignet sind die wasserfreien Salze; jedes sollte 2 h bei 120 °C ge-
trocknet und anschließend im Exsikkator abgekühlt werden, da sie etwas hygroskopisch sind. Höhere Trocknungstemperaturen müssen wegen der Bildung von
kondensierten Phosphaten vermieden werden. 3.53 g Na2HPO4 und 3.39 g KH2PO4 werden in Wasser zu einem Liter Lösung bei 25 °C gelöst.
7. 0.08 m HEPES (N-2-hydroxyethylpiperazin-N’-2-ethansulfonsäure, Tabelle 8-2), 0.08 m Natriumsalz von HEPES, 0.08 m NaCl. Die Puffer 5 und 7 werden für eine
Zweipunktkalibrierung der Elektroden für pH-Messungen in physiologischen Flüssigkeiten empfohlen. HEPES wird zweimal aus 80 Gew% Ethanol kristallisiert und
im Vakuum 24 h bei 50 °C getrocknet. NaCl wird 4 h bei 110 °C getrocknet. Na+HEPES– kann durch Neutralisation von HEPES mit Standard-NaOH hergestellt wer-
den. Das Natriumsalz ist auch als Standardreferenzmaterial erhältlich. Es werden 19.04 g HEPES, 20.80 g Na+HEPES– und 4.674 g NaCl in 1.000 kg H2O gelöst.
8. 0.008 695 m Kaliumdihydrogenphosphat, 0.030 43 m Dinatriumhydrogenphosphat. Die Herstellung erfolgt wie bei Puffer 6; 1.179 g KH2PO4 und 4.30 Na2HPO4
werden in Wasser zu 1 L Lösung bei 25 °C gelöst.
9. 0.01 m Natriumtetraborat-Dekahydrat. Es werden 3.80 g Na2B4O7.10H2O in Wasser zu 1 L Lösung gelöst. Diese Boraxlösung ist besonders gegen pH-Änderung
durch Kohlendioxidabsorption anfällig und sollte deshalb entsprechend geschützt werden.
10. 0.025 m Natriumbicarbonat, 0.025 m Natriumcarbonat. Als Urtitersubstanz geeignetes Na2CO3 wird 90 min bei 250 °C 90 getrocknet und über CaCl2 und CaSO4
aufbewahrt. Analysenreines NaCO3 wird über Molekularsieben und CaSO4 zwei Tage bei Zimmertemperatur getrocknet. NaHCO3 darf nicht erhitzt werden, weil es
dabei in Na2CO3 übergehen würde. 2.092 g NaHCO3 und 2.640 g Na2CO3 werden in 1 Lösung bei 25 °C gelöst.
QUELLEN: R. G. Bates, J. Res. National Bureau of Standards, 1962, 66A, 179; B. R. Staples und R. G. Bates, J. Res. National Bureau of Standards, 1969, 73A, 37. Die Anga-
ben über HEPES und MOPSO stammen von Y. C. Wu, P. A. Berezansky, D. Feng und W. F. Koch, Anal. Chem. 1993, 65, 1084 und D. Feng, W. F. Koch und Y. C. Wu, Anal.
Chem. 1989, 61, 1400. Vorschriften für die Herstellung einiger dieser Lösungen sind von G. Mattock in C. N. Reilley, Ed., Advances in Analytical Chemistry and Instru-
mentation (New York: Wiley, 1963), Vol. 2, S. 45. Siehe auch R. G. Bates, Determination of pH: Theory and Practice, 2. Ed. (New York: Wiley, 1973), Kap. 4.
14.5 · pH-Messung mit einer Glaselektrode 367

Exkurs 14.1

Systematischer Fehler bei der pH-Messung von Die untere Abbildung c zeigt typische Ergebnisse für den
Regenwasser: Der Einfluss des Diffusionspotentials pH von Regenwasser. Der Durchschnitt der 17 Messungen wird
Zu den Verbrennungsprodukten der KFZ-Treibstoffe und der durch die horizontale Linie bei pH 4.14 angegeben und die Buch-
Industrie gehören Stickoxide und Schwefeldioxid, die in der staben s, t, u, v, w, x, y und z geben die Art der bei der Messung
Atmosphäre mit Wasser reagieren und Säuren bilden.14 benutzten pH-Elektrode an. Die Labors, die den Elektrodentyp s
Oxidation und w benutzten, erhielten ziemlich große systematische Fehler.
SO2 + H2O → H2SO3 ⎯⎯⎯⎯→ H2SO4
Die Elektrode s war eine Einstabmesskette (Abbildung 14.11), bei
Die Landkarte zeigt, dass in Nordamerika der saure Regen durch der die Bezugselektrode einen Elektrolytkontakt mit einer außer-
die Windrichtung vieler Kohlekraftwerke vor allem in der östlichen ordentlich großen Fläche besaß. Die Elektrode w hatte eine Refe-
Hälfte am schwerwiegendsten ist. Nachdem ein Gesetz zur Be- renzelektrode, die mit einem Gel gefüllt war.
grenzung der SO2-Emissionen erlassen wurde, nahmen von 1995 Es wurde angenommen, dass Unterschiede im Diffusionspo-
bis 1997 die Konzentrationen von SO42– und H+ im Regen in den tential (Abschnitt 14.3) zu den Differenzen in den pH-Messungen
östlichen Staaten um 10–25 % ab.15 führten. Die zur Kalibration benutzten Puffer haben gewöhnlich
Diese Verschmutzung ist eine ernste Bedrohung der Seen und eine Ionenstärke in der Nähe von 0.05 M, während die Regen-
Wälder überall in der Welt. Die Messung des pH-Werts des Regen- wasserproben Ionenstärken haben, die zwei oder mehr Größen-
wassers ist ein wichtiger Bestandteil aller Programme zur Messung ordnungen niedriger sind. Zur Überprüfung der Hypothese, dass
und Reduzierung der Quellen für sauren Regen. das Diffusionspotential die Ursache der systematischen Fehler
Um die systematischen Fehler bei der Messung des pH von ist, wurde eine reine HCl-Lösung mit einer Konzentration bei 2 ×
Regenwasser aufzuklären und zu korrigieren, wurde von 17 Labo- 10–4 M als pH-Standard anstelle der Puffer mit hoher Ionenstärke
ratorien eine sorgfältige Studie durchgeführt.16 Jedes Labor erhielt verwendet. Es wurden die im Bild d angegebenen Werte erhalten,
acht Proben und eine ausführliche Vorschrift zur Durchführung der die mit Ausnahme des ersten Labors alle recht gut waren. Die
Messungen. Jedes Labor benutzte zwei Pufferlösungen zur Kalibrie- Standardabweichung aller 17 Messungen wurde von 0.077 pH-
rung der pH-Meter. Sechzehn Laboratorien haben den pH-Wert der Einheiten mit den Standardpuffern auf 0.029 pH-Einheiten mit
unbekannten Probe A (innerhalb ±0.02 pH-Einheiten) bestimmt, der dem HCl-Standard verringert. Deshalb nimmt man an, dass für die
bei 25 °C 4.008 betrug. Ein Labor, dessen Ergebnis um 0.04 pH-Ein- Unterschiede zwischen den Laboratorien das Diffusionspotential
heiten zu niedrig war, hat später gefunden, dass es einen falschen verantwortlich ist und dass ein Standard von niedriger Ionenstärke
kommerziellen Standard-Puffer zur Kalibrierung verwendet hatte. für die pH-Messungen in Regenwasser besonders geeignet ist.17,18

4.7
5.3
5.1 5.1 4.7
5.3 5.5 Skandinavien
5.0
5.1 5.3 4.9
4.7 4.4 4.4 4.7 4.6
5.1 5.1 4.8 4.8 4.5 4.5
5.3 5.2 5.8 5.7 4.8 4.7 4.6
5.2
5.2 5.3 4.7 4.4 4.5 4.5
5.2 5.3 4.7 4.6
5.4 5.1 5.1 4.4 4.4
5.3 5.5 5.1 4.8 4.7 4.4 4.3 4.4 4.4 4.3
5.1 5.4
5.0 5.4 4.8
4.6 4.3 4.3
5.2 UK
5.4 5.2 4.4 4.3 4.4 4.3
4.6 4.5 4.4 4.3 4.5
5.2 5.6 5.4 5.2 4.4 4.2 4.3
5.4 5.2
5.7
5.1 5.1
5.2
5.4 4.9
4.6
4.6
4.6
4.3
4.6 4.6
4.3 4.4
4.5
4.6
4.4 4.6
4.5 14
5.2 5.1 5.1
5.4 5.0 4.9 4.5 4.5 4.5 4.5 4.6
4.8
5.0 4.9 4.8 4.5 4.4 4.7
5.7
4.6 4.6 4.7
5.3 4.8
5.1 4.9 4.7 4.9 4.7
5.1 4.8 5.0 4.6 4.6
5.2 5.0 4.8 5.0 4.8 4.6
5.2 4.6
4.8 4.8 4.9
5.7 4.8 4.6 4.8
a 5.1 4.6
5.1 5.1 4.8 4.8 4.8
4.8 4.5 Spanien
5.7
4.7 4.7
5.1 4.9 4.7
4.8 < 4.5
5.0
5.2 4.5–4.7
b 4.8–6.2

4.3 s
u
v u u t y z v
4.2 t t x 4.3 s
pH 4.1 w s u w s
s t
4.2 u x t y xv
pH
4.0 s Mittel- x 4.1
wert t v t u t z
c 3.9 d 4.0

a) pH des Niederschlags in den Vereinigten Staaten im Jahr 2001. Je niedriger der pH-Wert, umso saurer ist das Wasser. [Aus: National Atmo-
spheric Deposition Program (NRSP-3)/National Trends Network (2002). Illinois State Water Survey, 2204 Griffith Dr., Champaign, Il. 61820. Siehe
auch http:// nadp.sws.uiuc.edu und www.epa.gov/acidrain.] b) pH des Regens in Europa. Von Italien und Griechenland fehlen die Werte. [H.
Rodhe, F. Dentener und M. Schulz, Environ. Sci. Technol. 2002, 36, 4382.] c) pH-Werte identischer Regenwasserproben, gemessen in 17 ver-
schiedenen Laboratorien unter Verwendung von Standardpuffern zur Kalibrierung. Die Buchstaben kennzeichnen die unterschiedlichen Typen
der pH-Elektroden. d) pH-Werte von Regenwasser, bei deren Bestimmung HCl mit niedriger Ionenstärke zur Kalibrierung verwendet wurde.
368 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

Andere Metalloxidelektroden wurden unter extremen Bedingungen untersucht, z. B. kann


mit einer ZrO2-Elektrode der pH-Wert bis 300 °C gemessen werden.21
Der Phoenix Mars Lander, der im Einstieg zu diesem Kapitel beschrieben wurde, hatte
zwei Flüssigmembran-Elektroden in jeder Nass-Chemie-Zelle zur Messung des pH-Werts
der wässrigen Suspension des Marsbodens. Da nicht sicher war, dass diese Elektroden die
Temperatur- und Druckbedingungen während der Mission überleben, wurde noch eine
robuste IrO2-Elektrode mitgenommen. Diese Elektrode funktionierte auch noch oberhalb
von pH 9, wenn andere ionenselektive Elektroden nicht mehr ansprechen.

In den USA werden im Jahr mehr als 14.6 Ionenselektive Elektroden (ISE)22,23
200 Millionen Messungen von K+ mit
ionenselektiven Elektroden für klini- Ein schwer kranker Patient wird in die Notfallstation gefahren und der Arzt braucht für
sche Tests durchgeführt. die Diagnose schnell die Blutwerte. Die in Tabelle 14.4 genannten Analyte sind Bestand-
teil des Notfallprofils der klinischen Chemie zur Untersuchung von Blutproben. Jeder
Analyt in der Tabelle kann sehr schnell elektrochemisch bestimmt werden. Ionenselektive
Elektroden sind das Mittel der Wahl für Na+, K+, Cl–, pH und PCO . Der „Chem 7“-Test
2
Tabelle 14.4 Analyte in der Notfallmedizin umfasst bis zu 70% der im Krankenhaus durchgeführten Tests. Es werden Na+, K+, Cl–,
Kritische Funktion Analyt Gesamt-CO2, Glucose, Harnstoff und Kreatinin bestimmt, vier davon mit ionenselektiven
Elektroden.
Elektrische Leit- K+, Ca2+
fähigkeit
Die meisten Elektroden gehören zu einer der folgenden Gruppen:
1. Glasmembranen für H+ und bestimmte einwertige Kationen
Muskelkontraktion Ca2+, Mg2+
2. Festkörperelektroden auf der Basis kristalliner anorganischer Salze oder, neuerdings,
Energiezustand Glucose, PO2, Lac- leitfähiger Polymere
tat, Hämatokrit
3. Flüssigmembranelektroden, mit einer hydrophoben Polymermembran, die mit einem
Sauerstoffzufuhr PO2, PCO2 hydrophoben flüssigen Ionenaustauscher gesättigt ist
Durchblutung Lactat, % O2- 4. Verbundelektroden mit einer analyt-selektiven Elektrode, die sich hinter einer Mem-
Sättigung, bran befindet, die entweder das interessierende Teilchen von anderen abtrennt, oder
Hämatokrit
dieses Teilchen in einer chemischen Reaktion bildet.
Säure-Base- pH, PCO2, HCO–3
Haushalt
Osmolalität Na+, Glucose
Erinnern Sie sich wie ionenselektive Elektroden arbeiten?
Elektrolytgleich- Na+, K+, Ca2+,
gewicht Mg2+ In Abbildung 14.10 setzen sich die Analytionen mit den Ionenaustausch-Positionen an
Nierenfunktion Blut-Harnstoff- der äußeren Oberfläche der ionenselektiven Membran ins Gleichgewicht. Die Diffusion
Stickstoff (BUN), der Analytionen aus der Membran erzeugt ein leichtes Ladungsungleichgewicht (eine
Kreatinin elektrische Potentialdifferenz) an der Grenzfläche von Membran und Analytlösungen.
Quelle: C.C.Young, „Evaluation of Blood Änderungen der Konzentration des Analyten in der Lösung verändern die Potentialdiffe-
Chemistry Analyzers Based on Ion Selective renz an der äußeren Seite der ionenselektiven Membran. Eine Kalibrationskurve stellt die
Electrodes”, J. Chem. Ed. 1997, 74, 177 Beziehung zwischen der Potentialdifferenz und der Analytkonzentration her.
Eine ionenselektive Elektrode spricht auf die Aktivität der freien Ionen an, nicht auf
die komplexierten. Wenn z. B. Pb2+ im Leitungswasser bei pH 8 mit einer ionenselektiven
Die Analytionen stehen an der Ober- Elektrode bestimmt wurde, war das Ergebnis [Pb2+] = 2 × 10–10 M.24 Wenn das gleiche
fläche der ionenselektiven Elektrode in Wasser mit der Massenspektrometrie mit induktiv-gekoppeltem Plasma (ICP-MS, Ab-
einem Ionenaustausch-Gleichgewicht. schnitt 20.6) untersucht wurde, war das Ergebnis mehr als zehnmal größer: 3 × 10–9 M.
Andere Ionen, die vom Ionenaustau- Die Unstimmigkeit beruht darauf, dass mit dem ICP-MS sämtliches Blei, mit der ionen-
scher gebunden werden, stören. selektiven jedoch nur freies Pb2+gemessen wird. Im Leitungswasser ist bei pH 8 ein großer
Teil des Blei durch CO23 −, OH– und andere Anionen komplex gebunden. Wenn der pH des
Die ionenselektive Elektrode spricht Leitungswassers auf 4 eingestellt wird, dissoziiert Pb2+ aus seinen Komplexverbindungen
auf Pb2+ und nur wenig auf Pb(OH)+ und die von der ionenselektiven Elektrode angezeigte Konzentration war 3 × 10–9 M, der
und PbCO3(aq) an. gleiche Wert wie bei der Massenspektrometrie mit induktiv-gekoppelten Plasma.

Selektivitätskoeffizient
Es gibt keine Elektrode, die nur auf eine Art von Ionen anspricht, allerdings ist die Glas-
elektrode eine der selektivsten. Natriumionen sind die wesentlichsten störenden Spezies.
14.6 · Ionenselektive Elektroden (ISE) 369

Exkurs 14.2

Bestimmung der Selektivitätskoeffizienten aktivität und die Methode des angepassten Potentials (matched
für eine ionenselektive Elektrode potential)26.
Wenn Selektivitätskoeffizienten bestimmt werden, muss man zu- In der Abbildung ist das Ansprechverhalten einer ionenselek-
erst beweisen, dass die Elektrode auf jedes Störion entsprechend tiven Elektrode für Natrium gegenüber den Störionen K+, Ca2+ und
der Nernst-Gleichung anspricht.26.27,28 Das ist nicht so einfach, Mg2+ gezeigt. Um ein Nernst-Verhalten der Störionen zu erhalten,
wie es klingt. Eine ionenselektive Elektrode, die mit dem Primä- wurde die Elektrode in Abwesenheit von Na+ präpariert. Hierzu
rion im Gleichgewicht war, kann kinetisch unempfindlich gegen wurde die Elektrode mit 0.01 M KCl-Lösung gefüllt und über Nacht
schwach gebundene Störionen sein. in 0.01 M KCl getränkt. Nach der Messung von K+, Ca2+ und Mg2+
Die Grafik zeigt die Methode der getrennten Lösungen zur wurde Na+ gemessen. Für die folgende Verwendung zur Natrium-
Bestimmung der Selektivitätskoeffizienten. Bei dieser Methode bestimmung wurde die Innenlösung durch 0.01 M NaCl ersetzt.
werden Kalibrationskurven für jede einzelne Ionensorte erstellt. Die Messergebnise zeigen etwa ein Nernst-Verhalten für jedes
Weitere Verfahren sind die Methode der konstanten Störionen- Ion. Bei der Labortemperatur von 21.5 °C musste der Nernst-Faktor,
(RT ln10)/zF pro Aktivitätsdekade 58.5/z betragen (z = Ionenladung).
500 Die gemessenen Anstiege sind 61.3 ± 1.5 mV für Na+, 56.3 ± 0.6 mV
Na+ für K+, 26.0 ± 1.0 mV für Mg2+und 31.2 ± 0.7 mV für Ca2+. Die Abwei-
450
chung von der Geraden bei Ca2+ oberhalb der Aktivität von 10–2.5
400 wird auf Natriumverunreinigungen im hochreinen CaCl2 zurückge-
führt. Die Elektrode spricht viel besser auf Natrium als auf Calcium
350
an, so dass eine kleine Na+-Menge einen großen Einfluss hat.
300
Zur Ermittlung der Selektivitätskoeffizienten wird die Diffe-
renz zwischen der Natriumkalibrationsgerade und der Gerade
250 für jedes Störion bei einer bestimmten Aktivität bestimmt und
E (mV)

363 mV folgende Gleichung benutzt:


200
K+
z A F ( EX − EA ) ⎛ A ⎞
150
log K APot,X = + log⎜ A ⎟ (14.11)
RT ln10 ⎜ (A X ) z A / zX

100
⎝ ⎠
Ca2+ Hierbei bedeuten A = Na+ mit der Ladung zA = 1 und X das
50
Störion mit der Ladung zX. Bei einer Aktivität von 10–3 zeigt die
Mg2+
0 senkrechte gestrichelte Linie die Differenz zwischen ECa2+ – ENa+ =
–363 mV. Der Selektivitätskoeffizient beträgt
−50
− 3.0 − 2.5 − 2.0 −1.5
log A (+1) F (−0.363V ) + log ⎜⎛ 10 −3

⎟ = − 7.0
log K Pot
Na +, Ca 2 +=
⎜⎜ 1/2 ⎟⎟
Bestimmung der Selektivitätskoeffizienten einer ionenselektiven
RT ln10
⎝ (
10 −3 ) ⎠
Elektrode für Na+. Die Aktivitäten auf der Abszisse wurden aus den 14
Konzentrationen und Aktivitätskoeffizienten berechnet. [E. Bakker, Wenn wir die Differenz ECa2+ – ENa+ bei einer anderen Aktivität
„Determination of Unbiased Selectivity Coefficients of Neutral Carri- bestimmen, erhalten wir den gleichen Wert für K Pot Na +, Ca 2 +. Mit den

er-Based Cation-Selective Electrodes“, Anal. Chem. 1997, 69, 1061.] anderen Geraden erhalten wir logK Pot +
Na , Mg2+ = –8.0 und K
Pot
Na+ , K + = –4.9.

Ihr Einfluss auf die pH-Bestimmung ist aber erst bei [H+] ∼ < 10–12 M und [Na+] ∼
> 10–2 M
signifikant (Abbildung 14.18).
Eine Elektrode, die für die Bestimmung des Ions A vorgesehen ist, spricht auch auf
das Ion X an. Der Selektivitätskoeffizient gibt das relative Ansprechverhalten für unter-
schiedliche Teilchen mit gleicher Ladung an:
Ansprechverhalten auf X
Selektivitätskoeffizient: Pot
K A,X = (14.9)
Ansprechverhalten auf A
Die Bezeichnung KPot dient zur Unterscheidung von anderen Selektivitätskoeffizienten,
z. B. bei Trennverfahren. Pot ist die Abkürzung für Potentiometrie. Je kleiner der Selekti-
vitätskoeffizient ist, desto geringer ist die Störung durch X. Eine ionenselektive Elektrode
für K+ mit dem Chelatbildner Valinomycin als flüssigem Ionenaustauscher hat die Selekti-
vitätskoeffizienten K KPot,Na = 1 × 10–5, K KPot,Cs = 0.44 und K KPot,Rb = 2.8. Diese Koeffizienten
+ + + + + +
370 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

zeigen, dass bei der Kalium-Messung Natrium kaum stört, dagegen Cs+ und Rb+ sehr
stark stören. Tatsächlich spricht die Elektrode besser auf Rb+ als auf K+ an.
Wenn das Ansprechverhalten aller Ionen der Nernst-Gleichung entspricht, kann das
Potential der meisten ionenselektiven Elektroden durch die folgende Gleichung beschrie-
ben werden

Ansprechverhalten einer ionenselektiven Elektrode:


0.059 16 ⎡ ⎤
E = Konstante ± log ⎢AA +∑K A,X
A X⎥
Pot
(14.10)
zA ⎣ X ⎦
mit AA, der Aktivität des Messions, AX, der Aktivität der störenden Spezies, zA, der La-
Pot
dungszahl von A und K A,X ist der Selektivitätskoeffizient für jedes Störion. Wenn die io-
nenselektive Elektrode mit dem positiven Pol des Potentiometers verbunden wird, ist das
Vorzeichen vor dem log-Term positiv, falls X ein Kation ist, und negativ, falls X ein Anion
ist. In Exkurs 14.2 wird die Bestimmung der Selektivitätskoeffizienten beschrieben.
Aufgabe 14-43 enthält eine Formel zur Abschätzung des Fehlers bei der Bestimmung
des Primärions durch Störionen, die nicht die gleiche Ladung wie A haben.

> Beispiel
Verwendung der Selektivitätskoeffizienten
Eine ionenselektive Elektrode für F– hat den Selektivitätskoeffizienten K FPot

,OH−
= 0.1. Wie ändert
sich das Elektrodenpotential, wenn 1.0 × 10–4 M F– von pH 5.5 auf pH 10.5 gebracht wird?

Lösung Aus der Gleichung 14.10 finden wir das Potential bei der vernachlässigbaren OH–-
Konzentration bei pH 5.5

E = Konstante – 0.059 16 log [1.0 × 10–4] = Konstante + 236.6 mV

Bei pH 10.50 ist die OH–-Konzentration = 3.2 × 10–4 M, so dass sich für das Potential ergibt

E = Konstante – 0.059 16 [1.0 × 10–4 + (0.1)(3.2 × 10–4)]


= Konstante + 229.5 mV

Die Änderung beträgt 229.5 – 236.6 = –7.1 mV. Diese Änderung ist signifikant. Wenn man
nichts über die pH-Änderung wüsste, würde man eine Zunahme von F– um 32 % annehmen.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie die Potentialänderung, wenn eine 1.0 × 10–4 M Fluorid-
Lösung von pH 5.5 auf pH 9.5 gebracht wird. (Lösung: –0.8 mV)
zum Potentiometer

Festkörperelektroden
Die schematische Darstellung einer ionenselektiven Festkörperelektrode auf der Basis
eines anorganischen Kristalls ist in Abbildung 14.19 gezeigt. Eine gebräuchliche Elektrode
dieser Art ist die Fluoridelektrode, bei der ein Kristall von LaF3, der mit Eu2+ dotiert ist,
verwendet wird. Dotierung bedeutet die Zugabe einer kleinen Menge von Eu2+ anstelle von
La3+. Die Innenlösung enthält 0.1 M NaF und 0.1 M NaCl. Fluorid-Elektroden werden zur
kontinuierlichen Messung der Fluoridierung der öffentlichen Wasserversorgung verwendet.
Silber-Silberchlorid- Damit ein winziger elektrischer Strom fließt, wandert F– durch den LaF3-Kristall, wie
Elektrode
in Abbildung 14.20 gezeigt. Durch die Dotierung von LaF3 mit EuF2 werden im Kristall
Anionenfehlstellen erzeugt. Ein benachbartes Fluoridion kann in diese Fehlstelle sprin-
Innenlösung
gen, wobei es eine neue Fehlstelle hinterlässt. Auf diese Weise diffundiert F– von einer
Seite des Kristalls zur anderen.
In Analogie zur pH-Elektrode können wir das Ansprechverhalten der F–-Elektrode in
folgender Form beschreiben:
anorganischer Kristall
Ansprechverhalten der F–-Elektrode:
Abb. 14.19 Schematische Darstellung ei- E = Konstante −  (0.059 16)log A F (außen)− (14.12)
ner ionenselektiven Elektrode mit einem
anorganischen Salzkristall als ionenselek- mit β nahe bei 1. In Gleichung 14.12 steht vor dem log-Term ein Minus, da Fluorid ein
tive Membran. Anion ist. Die F–-Elektrode zeigt ein nahezu ideales Nernst-Verhalten über einen Kon-
14.6 · Ionenselektive Elektroden (ISE) 371

Vakanz
(unbesetzter Gitterplatz)

Abb. 14.20 Ionenwanderung von


F– durch mit EuF2 dotiertes LaF3. Da
Eu2+ eine Ladung weniger als La3+ hat,
entsteht durch jedes Eu2+ eine Anionen-
fehlstelle. Ein benachbartes F– kann in die
Vakanz (unbesetzter Gitterplatz) springen
und damit wandert diese an eine andere
Stelle. Wiederholungen dieses Vorgangs
führen zur Wanderung von F– durch das
– 3+ 2+
F La Eu Gitter.

zentrationsbereich des F– von ungefähr 10–6 M bis 1 M. Die Elektrode spricht auf F– ge- 350

genüber anderen Ionen um mindestens einen Faktor von größer als 1 000 an. Das einzige 300
störende Ion ist OH–. Der Selektivitätskoeffizient beträgt K FPot,OH = 0.1. Bei niedrigem pH
− −
250
wird F– in HF umgewandelt (pKS = 3.17), auf welches die Elektrode nicht anspricht.
200

E (mV)
In einem Routineverfahren zur Fluorid-Bestimmung wird die unbekannte Probe in
einem Puffer hoher Ionenstärke aus Essigsäure, Natriumcitrat, NaCl und NaOH auf pH 150
= 5.5 eingestellt. Der Puffer hält alle Proben- und Standardlösungen auf einer konstanten
100
Ionenstärke, sodass die Aktivitätskoeffizienten von F– in allen Lösungen konstant sind
(und deshalb ignoriert werden können). 50

0
E = Konstante – β(0.059 16) log[F–] F −7 −6 −5 −4 −3 −2 −1 0

log[F − ]
= Konstante – β(0.059 16) log F – β(0.059 16) log[F–]

        Abb. 14.21 Kalibrationskurve für eine
Dieser Ausdruck ist konstant, da  F −
ionenselektive Fluoridelektrode. [M. S.
bei konstanter Ionenstärke konstant ist Frant und J. W. Ross, Jr., „Electrode for
Sensing Fluoride Ion Activity in Solution“,
Science 1966, 154, 1553.]
Bei pH = 5.5 gibt es keine Störung durch OH– und nur eine geringfügige Umwandlung
von F– in HF. Die Citrat-Ionen komplexieren Fe3+ und Al3+, die sonst F– binden und damit
bei der Analyse stören würden.

> Beispiel
Ansprechverhalten einer ionenselektiven Elektrode
Wenn eine Fluoridelektrode in verschiedene Standardlösungen (konstante Ionenstärke 14
durch 0.1 M NaNO3) gegeben wurde, erhielt man die folgenden Potentiale (gegen S.C.E.):

[F–] (M) E (mV)

1.00 × 10–5 100.0

1.00 × 10–4 41.5

1.00 × 10–3 –17.0

Da die Ionenstärke konstant ist, hängen die Messwerte vom Logarithmus der F–-Konzentra-
tion ab. Wie groß ist [F–] bei einem Potentialwert von 0.0 V? 120

Lösung Zunächst stellen wir die Kalibrationskurve (Gleichung 14.12) auf:


80
E = m log [F − ] + b
y  
x
E (mV)

Beim Auftragen von E gegen log[F–] erhalten wir eine Gerade mit dem Anstieg –58.5 mV 40

und einem Ordinatenabschnitt von –192.5 mV. Für E = 0.0 mV können wir nach der Konzen-
tration von [F–] auflösen und erhalten: 0
y = − 58.5x − 192.5
0.0 mV = (–58.5) log [F–] – 192.5 ⇒ [F ] = 5.1 × 10 M
– –4

− 40
Selbstüberprüfung: Wie groß ist [F–] bei E = 81.2 mV. Gilt die Kalibrationskurve für E = −6 −5 −4 −3 −2

110.7 mV? (Antwort: 2.1 × 10–4 M; nein, die Kalibrationskurve geht nur bis 100 mV) log[F−]
372 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

Tabelle 14.5 Eigenschaften von Festkörpermembranelektroden

Ion Konzentrations- Membran- pH-Bereich Störionen


bereich (M) material

F– 10–6 – 1 LaF3 5–8 OH– (0.1 M)

Cl– 10–4 – 1 AgCl 2–11 CN–, S2–, I–, S2O32–, Br–

Br– 10–5 – 1 AgBr 2–12 CN–, S2–,I–

I– 10–6 – 1 AgI 3–12 S2–

SCN– 10–5 – 1 AgSCN 2–12 S2–, I–, CN–, Br–, S2O32–

CN– 10–6 – 10–2 AgI 11–13 S2–, I–

S2– 10–5 – 1 Ag2S 13–14

an der Cd-Ebene
adsorbiertes SH–

–200

Cd-Ebene

S-Ebene Response der

E (mV versus Ag AgCl)


–300 freigelegten
S-Ebene auf SH–

Cd-Ebene
–400 Response der
freigelegten
S-Ebene Cd-Ebene auf SH–

–500 Steigung = 53 mV
Cd-Ebene je Dekade

–6 –5 –4 –3 –2

log[HS ]

a b

Abb. 14.22 a) Die Kristallstruktur des hexagonalen CdS hat alternierende Ebenen von Cd und S längs
der vertikalen Achse (c-Achse des Kristalls). Ein HS–-Ion ist an der obersten Cd-Ebene adsorbiert.
b) Potentiometrisches Ansprechverhalten (Response) der freigelegten Kristallflächen gegenüber
HS–. [K. Uosaki, Y. Shigematsu, H. Kita, Y. Umezawa und R. Souda, „Crystal-Face-Specific Response of a
Single-Crystal Cadmium Sulfide Based Ion-Selective Electrode“, Anal. Chem. 1989, 61, 1980.]

Bei einer anderen gebräuchlichen anorganischen Festkörpermembranelektrode wird Ag2S


als Membranmaterial verwendet. Diese Elektrode spricht auf Ag+ und S2– an. Durch Do-
tierung der Elektrode mit CuS, CdS oder PbS kann man Elektroden herstellen, die auf
Cu2+, Cd2+ oder Pb2+ ansprechen. In Tabelle 14.5 sind verschiedene ionenselektive Elekt-
roden auf der Basis anorganischer Salze zusammengestellt.
Abbildung 14.22 illustriert den Mechanismus, wie ein CdS-Kristall selektiv auf be-
stimmte Ionen anspricht. CdS-Kristalle können so geschnitten werden, dass Ebenen von
Cadmium- oder von Schwefelatomen freigelegt werden. Die Cadmiumebene in Abbil-
dung 14.22a adsorbiert selektiv SH–-Ionen, während die freigelegte Schwefelebene nicht
sehr stark mit HS– in Wechselwirkung tritt. Abbildung 14.22b zeigt ein nahezu ideales
Ansprechverhalten der freigelegten Cadmiumebene auf SH–, aber nur eine schwache
Wechselwirkung, wenn die Schwefelfläche freigelegt wurde. Im Ansprechverhalten zu
14.6 · Ionenselektive Elektroden (ISE) 373

Cadmium wird das entgegen-gesetzte Verhalten beobachtet. Das schwache Ansprechen


der Schwefel-Fläche auf HS– ist darauf zurückzuführen, dass etwa 10 % der freigelegten
Atome Cd anstelle von S sind.

Flüssigmembranelektroden
Die ionenselektive Flüssigmembranelektrode ist der Festkörpermembranelektrode in
Abbildung 14.19 sehr ähnlich. Der Unterschied besteht darin, dass die Flüssigmembran-
elektrode eine hydrophobe Membran hat, die mit einem hydrophoben flüssigen Ionen-
austauscher (einem Chelatbildner, hier auch Ionophor genannt) imprägniert ist, der
selektiv mit dem Analytion reagiert (Abbildung 14.23). Das Ansprechverhalten einer
ionenselektiven Ca2+-Elektrode ist zum Potentiometer

0.059 16
Ansprechverhalten der Ca2+-Elektrode: E = Konstante +  log ACa (außen) (14.13)
2+
2
mit β nahe bei 1. Beachten Sie, dass die Gleichungen 14.13 und 14.12 unterschiedliche
Vorzeichen vor dem log-Term haben, denn in dem einen Fall handelt es sich um ein An-
ion und in dem anderen um ein Kation. Beachten Sie auch, dass die Ladung des Calcium-
ions den Faktor 2 im Nenner vor dem Logarithmus notwendig macht. Innenfüllung
Die Membran am unteren Ende der Elektrode in Abbildung 14.23 besteht aus (z. B. 0.01 M CaCl2,
mit einem Ionenaustauscher imprägniertem Polyvinylchlorid, zum Beispiel aus dem gesättigt mit AgCl für
Ca2+-ISE)
neutralen hydrophoben Ligand (L), dem Ionophor, und einem Salz eines hydropho-
ben Anions (Na+R–) gelöst in einer hydrophoben Flüssigkeit (Abbildung 14.24) in der
Polyvinylchlorid-Membran. Die gravierendste Störung verursacht Sr2+. Der Selektivi-
Pot Silber-Silberchlorid-
tätskoeffizient gemäß Gleichung 14.9 K Ca ,Sr
= 0.13. Das bedeutet, dass bei gleichen
2+ 2+
Elektrode
Konzentrationen 13% des Signals von Sr2+ stammen. Für die meisten Kationen gilt
Pot
K Ca
2+
,X
< 10–3.
Hydrophobes Polymer
In die Gefäßwände der Nass-Chemie-Labors des am Anfang dieses Kapitels bespro- mit hydrophobem
chenen Phoenix Mars Lander waren 11 Flüssigmembran-(Abbildung 14.25) und 4 Fest- Ionenaustauscher und
körpermembran-Elektroden eingebaut. In der Flüssigmembran-Elektrode für H+ wurde ionenselektivem
Ionophor
der Ionophor ETH 2418 (Abbildung 14.26) verwendet. Er spricht im pH-Bereich 1-9 an
und hat folgende Selektivitätskoeffizienten K HPot,Na = 10–8.6, K HPot,K = 10–9.7 und K HPot,Ca =
+ + + + + 2+
Abb. 14.23 Ionenselektive Elektrode
10–7.8. In Exkurs 14.3 erfahren Sie, wie eine Störung der Elektrodenfunktion zu der Entde- für Ca2+mit einem flüssigen Ionenaus-
ckung führte, dass sich auf dem Mars Perchlorat befindet.29 tauscher.

14

F3C
O
− +
N B Na
O NO2
F3C Hydrophobes flüssiges Lösungsmittel
4
2-Nitrophenyloctylether
O
Hydrophobes Anion (R–)
Tetrakis[3,5-bis(trifluoromethyl)phenyl]borat
O
N
Hydrophober Ligand für Calcium
N,N-Dicyclohexyl-N',N'-dioctadecyl-3-oxapentandiamid

Polyvinylchlorid
n
Cl Cl Cl Cl Cl Cl
Abb. 14.24 Membran-Bestandteile einer ionenselektiven Elektrode für Ca2+. Der Ligand L ist ein Iono-
phor, der Ca2+ selektiv bindet.
374 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

Hydrogel-
Elektrolyt
Haltering

plastische
Abb. 14.25 In die Gefäßwände des Polyvinylchlorid-
Membran mit
Nass-Chemielabors des Phoenix Mars zugesetztem Ionophor
Landers eingebaute Flüssigmembran-ISE.
Silberdraht
Der Hydrogel-Elektrolyt ist ein Poly(2-
Bezugselektrode
hydroxyethyl-methylacrylat)-Gel mit der
Ag | AgCl-Schicht
wässrigen Phase aus 1 mM M+Cl– (M+
ist das Analytion). [S. P. Kounaves et al.,
„The 2007 Mars Scout Lander MECA Wet Gefäßwand
3 mm
Chemistry Laboratory“, J. Geophys. Res.
2009, 114, EOOA 19.]

(n-Propyl)2HC O
Abb. 14.26 Ionophor ETH 2418 für OCH2(CH2)16CH3
Flüssigmembran-Elektrode für H+. ETH N
steht für Eidgenössische Technische N
Hochschule, an der viele Ionophore syn-
thetisiert wurden. H+-Ionophor ETH 2418

150
Durchbruch bei den Nachweisgrenzen der
100
50
Konventionelle ionenselektiven Elektroden24
Innenlösung
E (mV)

0 Die schwarze Kurve in Abbildung 14.27 ist für viele Flüssigmembranelektroden typisch.
–50 Die Elektrode reagiert auf Änderungen der Pb2+-Konzentrationen oberhalb von 10–6 M,
–100 10–12 M Pb2+ aber auf Konzentrationen unter 10–6 M spricht sie nicht an. Die Innenlösung der Elekt-
Innenlösung rode enthält 0.5 mM PbCl2.
–150
Die farbige Kurve in Abbildung 14.27 wurde mit der gleichen Elektrode erhalten, die
–12 –10 –8 –6 –4 –2
Innenlösung wurde jedoch durch einen Metallionen-Puffer (Abschnitt 14.7) ersetzt, der
log[Pb2+]
[Pb2+] auf 10–12 M festlegt. Nun spricht die Elektrode auf [Pb2+] herunter bis 10–11 M an.
Abb. 14.27 Ansprechverhalten einer Das Ansprechverhalten der Flüssigmembranelektroden ist durch das Herauslaufen
ionenselektiven Flüssigmembranelekt- des Messions (in diesem Fall Pb2+) aus der Innenlösung durch die Ionenaustauschmem-
rode für Pb2+ mit einer konventionellen bran begrenzt. Hierdurch gerät eine beträchtliche Konzentration des Primärions an die
Innenlösung von 0.5 mM Pb2+ (schwarze äußere Membranfläche. Wenn die Analytkonzentration unter 10–6 M sinkt, bleibt die
Kurve) oder mit einem Metallionenpuf-
Konzentration des Bleis durch das Auslaufen der Innenlösung an der Membranoberflä-
fer als Innenfüllung mit [Pb2+] = 10–12
(farbige Kurve). [T. Sokalski, A. Ceresa, T. che trotzdem bei etwa 10–6 M. Wenn wir die Konzentration des Primärions in der In-
Zwickl und E. Pretsch, „Large Improve- nenlösung verringern können, wird die Konzentration des auslaufenden Ions außerhalb
ment of the Lower Detection Limit of Ion- der Membran um Größenordnungen erniedrigt und die Nachweisgrenze entsprechend
Selective Polymer Membrane Electrodes“, gesenkt. Bei einer Festkörpermembran-ISE kann das Nachweisvermögen durch Ände-
J. Am. Chem. Soc. 1997, 119, 11347.]
rung der Innenfüllung nicht verbessert werden, da die Analytkonzentration durch die
Löslichkeit des anorganischen Salzkristalls bestimmt wird, aus dem die ionensensitive
Eine neue Entwicklungsrichtung der io- Membran besteht.
nenselektiven Elektroden ist der völlige Das Ansprechverhalten der Elektrode mit 10–12 M Pb2+ in der Innenfülllösung wird
Verzicht auf die Innenlösung. Ein elekt- durch Störungen von Na+ in der Innenlösung begrenzt, da sie 0.05 M Na2EDTA aus dem
risch leitendes Polymer, das mit einem Metallionen-Puffer enthält. Wenn die Lösung auf 10–12 M Pb2+ gepuffert ist, nimmt der
Ionophor beschichtet oder in ihm gelöst konditionelle Selektivitätskoeffizient für die meisten störenden Kationen um eine bis fünf
ist, dient als Ion-Elektron-Transducer.30 Größenordnungen ab. Es wird nicht nur die Nachweisgrenze um den Faktor 105 verbes-
Eine Nitrat-„all-solid-state“-Elektrode sert, sondern auch die Selektivität gegenüber anderen Kationen steigt um mehrere Grö-
auf der Basis des leitfähigen Polymers ßenordnungen. In der Tabelle 14.6 stehen Nachweisgrenzen und Selektivitätskoeffizienten
Polypyrrol kann in einem Studentenex- für ionenselektive Elektroden, bei denen dafür gesorgt wurde, dass die Primärionen nicht
periment hergestellt werden.31 auslaufen.
14.6 · Ionenselektive Elektroden (ISE) 375

Tabelle 14.6 Nachweisgrenzen und Selektivitätskoeffizienten von Flüssigmembran-Ionenselektiven


Elektroden ohne Auslauf des Primärions

Pot
Primärion (A) Nachweisgrenze Selektivitätskoeffizient für Störionen (X) log K A, X
für A (in nM) (Gleichung 14.9)

Na+ 30 H+, –4.8; K+, –2.7; Ca2+, –6.0

K+ 5 Na+, –4.2; Mg2+, –7.6; Ca2+, –6.9

NH3 20
+
Cs 8 Na+, –4.7; Mg2+, –8.7; Ca2+, –8.5

Ca2+ 0.1 H+, –4.9; Na+, –4.8; Mg2+, –5.3

Ag+ 0.03 H+, –10.2; Na+, –10.3; Ca2+, –11.3

Pb2+ 0.06 H+, –5.6; Na+, –5.6; Mg2+,–13.8

Cd2+ 0.1 H+, –6.7; Na+, –8.4; Mg2+,–13.4

Cu2+ 2 H+, –0.7; Na+, <–5.7 Mg2+, <–6.9

ClO4– 20 OH–, –5.0; Cl–, –4.9; NO3–, –3.1

I– 2 OH–, –1.7

Quelle: E. Bakker und E. Pretsch, „Modern Potentiometry“, Angew. Chem., Internat. Ed. 2007, 46, 5660.

Exkurs 14.3

Wie wurde Perchlorat auf dem Mars gefunden?29 Elektrode um 200 mV. Das entsprach einer scheinbaren Nitrat-
Niemand hatte erwartet, dass auf dem Mars Perchlorat (ClO–4) Konzentration von über 1 M und lag damit über der Masse der
vorkommt und deshalb war der Phoenix Mars Lander auch nicht gesamten Bodenprobe. Dagegen würden 4–6 mg ClO–4 in 1 g
auf seine Suche vorbereitet. Allerdings war die auf den Mars ge- Boden einen solchen Messwert liefern. Beim Erhitzen der Boden-
schickte ionenselektive Nitrat-Elektrode 1 000 mal empfindlicher probe auf 400–600 °C entstand ein Produkt mit der Molmasse 32
Pot
für ClO–4 als für NO3–. Das heißt K NO −
3
− = 10 . Die Flüssigkeit, mit (wahrscheinlich O2), was mit einer thermischen Zersetzung von
3 ,ClO 4

welcher der Marsboden ausgelaugt wurde, hatte eine konstante ClO–4 vereinbar ist. Auf der Erde kommt Perchlorat in ähnlicher
Nitrat-Konzentration von 1 mM. Nitrat konnte nur gefunden wer- Konzentration in Trockengebieten, darunter der Atacama-Wüste
den, wenn seine Konzentration über 1 mM betrug. in Chile, vor. Man nimmt an, dass es dort in der Atmosphäre
Nachdem die Salze im Nass-Chemielabor aus dem Boden durch photochemische Reaktionen von Ozon (O3) mit Chlor-
ausgelaugt wurden, änderte sich das Potential der Nitrat- Spezies entsteht. 14

Verbundelektroden
Verbundelektroden bestehen aus einer konventionellen Elektrode, die von einer Mem-
bran umgeben ist, welche den Analyten, auf den die Elektrode anspricht, isoliert (oder
erzeugt). Eine Gaselektrode für CO2 ist in Abbildung 14.28 dargestellt. Sie besteht aus Metall
einer gewöhnlichen pH-Glaselektrode, die von einer Elektrolytlösung umgeben ist, die
sich innerhalb einer halbdurchlässigen Membran aus Gummi, Teflon oder Polyethylen leitfähiges
Polymer
befindet.32 Eine Silber-Silberchlorid-Referenzelektrode wird in die Elektrolytlösung ge-
ionen-
bracht. Wenn CO2 durch die semipermeable Membran diffundiert, wird der pH in dem selektive
Elektrolytgefäß gesenkt. Von der Glaselektrode wird diese pH-Änderung als Maß für die Membran
CO2-Konzentration gemessen. Andere saure oder basische Gase, z. B. NH3, SO2, H2S, NOx
(Stickoxide) und HN3 (Stickstoffwasserstoffsäure) können auf die gleiche Weise bestimmt
werden. Man kann diese Elektroden zur Messung der Gase in einer Lösung oder in der
Gasphase benutzen.
Für die Bestimmung von CO2 oder NH3 in wässriger Lösung sind Verbundelektroden
nicht erforderlich. Es sind Ionophore verfügbar, mit denen CO23 − und NH4+ mit den übli-
chen Flüssigmembranelektroden bestimmt werden können.33
376 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

zum Potentiometer

0.1 M HCl
innere Ag/AgCl-
Elektrode

O-Ring
0.1 M KCl in
schwachem Hydrogen-
Ag/AgCl-Elektrode
carbonatpuffer
in KCl-Elektrolyt

Membran
Abb. 14.28 CO2-Gaselektrode. Die Mem- Abstandhalter der Glaselektrode
bran ist straff gespannt und zwischen der
Membran und dem Glaskölbchen befin-
det sich eine dünne Elektrolytschicht. CO2-durchlässige Membran

Viele einfallsreiche Verbundelektroden verwenden Enzyme.34 Sie enthalten eine kon-


ventionelle Elektrode, die mit einem Enzym bedeckt ist, welches die Reaktion des Analy-
ten katalysiert. Das Reaktionsprodukt wird dann mit der Elektrode bestimmt.

14.7 Die Anwendung ionenselektiver Elektroden

Vorteile ionenselektiver Elektroden: Ionenselektive Elektroden sprechen linear auf den Logarithmus der Aktivität des Ana-
1. lineares Ansprechverhalten auf log lyten über einen Bereich von 4 bis 6 Größenordnungen an. Bei der Messung wird die
A in großem Bereich Lösung des Analyten nicht verbraucht und der Eintrag von Kontaminationen ist ver-
2. zerstörungsfreie Messung nachlässigbar. Die Ansprechzeit liegt im Sekunden- bis Minutenbereich, so dass diese
3. Messung ohne Kontamination Elektroden in der Industrie zur Überwachung fließender Ströme verwendet werden
4. kurze Ansprechzeit können. Farbige und trübe Lösungen sind kein Hindernis für die Elektroden. Mikro-
5. kein Einfluss farbiger oder trüber elektroden können an unzugänglichen Stellen untergebracht werden, wie z. B. im Innern
Lösungen lebender Zellen.
Die Reproduzierbarkeit ist selten besser als 1 %, gewöhnlich ist sie schlechter. Durch
Proteine oder andere organische Substanzen können die Elektroden verunreinigt wer-
den und man erhält schleppende und driftende Signale. Bestimmte Ionen stören oder
vergiften die Elektroden. Einige Elektroden sind zerbrechlich und haben eine begrenzte
Lebensdauer.
Ein Fehler von 1 mV im Potential ent- Die Elektroden sprechen auf die Aktivität des unkomplexierten Analytions an. Deshalb
spricht 4 % Fehler in der Aktivität (ein- dürfen keine Komplexbildner anwesend sein oder man muss sie maskieren. Da wir vor
wertige Ionen). Ein Fehler von 5 mV allem die Konzentrationen und nicht die Aktivitäten wissen wollen, wird oft ein inertes
entspricht einem Fehler von 22 %. Der Salz zugesetzt, um die Standards und die Proben auf eine hohe und konstante Ionenstärke
relative Fehler verdoppelt sich für zwei- einzustellen. Wenn die Aktivitätskoeffizienten konstant bleiben, liefert das Elektrodenpo-
wertige Ionen und verdreifacht sich für tential direkt die Konzentrationen.
dreiwertige Ionen. Das menschliche Blutplasma enthält acht wichtige calciumhaltige Spezies, die durch
Kapillarelektrophorese getrennt und durch Atomemissionsspektrometrie mit induktiv-ge-
koppeltem Plasma bestimmt werden können (Abbildung 14.29). Diese Techniken werden
später in diesem Buch behandelt. Von den acht Spezies wurde eine mit der Konzentration
1.05 mM als freies Ca2+ identifiziert. In den anderen sieben Spezies ist das Calcium in
einer Gesamtkonzentration von 1.21 mM an Proteine oder andere Liganden gebunden.
Wann Ca2+ im Blut mit einer ionenselektiven Elektrode bestimmt wird, wird nur das freie
Ca2+ gefunden.35 An Liganden gebundenes Calcium ist für eine ionenselektive Elektrode
unsichtbar.
14.7 · Die Anwendung ionenselektiver Elektroden 377

Freies Ca2+ ist die einzige


Standardzugabe bei ionenselektiven Elektroden Spezies, die von einer
Ca2+-ISE erkannt wird
Bei Verwendung der ionenselektiven Elektroden ist es wichtig, dass die Konzentration

Ca-Detektorsignal
der Standardlösung nahe bei der Zusammensetzung der unbekannten Probe liegt. Das
Medium, in dem der Analyt vorliegt, ist die Matrix. Wenn die Matrix kompliziert zusam-
mengesetzt oder unbekannt ist, kann man die Standardzusatzmethode (Abschnitt 5.3)
anwenden. Bei dieser Technik wird die Elektrode in die unbekannte Lösung gegeben und
das Potential ermittelt. Dann wird ein kleines Volumen einer Standardlösung zugesetzt, so
dass die Ionenstärke der Lösung nicht wesentlich geändert wird. Die Potentialänderung
zeigt, wie die Elektrode auf den Analyten anspricht und wie viel davon in der ursprüng-
200 300 400 500 600 700 800
lichen Lösung vorhanden war. Am besten werden mehrere aufeinanderfolgende Zugaben
Zeit (s)
gemacht und mit einer graphischen Auswertung auf die ursprüngliche Konzentration
zurückgerechnet. Durch die Zugaben sollte die Analytkonzentration auf das 1.5 bis 3fache Abb. 14.29 Trennung calciumhaltiger
der Ausgangskonzentration ansteigen. Spezies im menschlichen Blutplasma.
Das graphische Verfahren beruht auf der Gleichung für das Ansprechverhalten der Der größte Peak stammt von freiem Ca2+.
ionenselektiven Elektrode in der Form Die anderen stammen von Calcium-
verbindungen (z. B. mit Proteinen). Der
⎛ RTln10 ⎞ Detektor spricht nur auf freies Calcium
E=k+β⎜ ⎟ log[X] (14.14) an. [B. Deng, P. Zhu, Y. Wang, J. Feng, X.
⎝ nF ⎠ Li, X. Xu, H. Lu und Q. Xu, „Determination
mit der Voltmeterablesung E und der Analytkonzentration [X]. Der Messwert ist die Diffe- of Free Calcium and Calcium-Containing
renz zwischen den Potentialen der ionenselektiven Elektrode und der Bezugselektrode. Die Species in Human Plasma by Capillary
Electrophoresis-Inductively Coupled
Konstanten k und β hängen von der ionenselektiven Elektrode ab. Der Faktor (RT/F) ln10
Plasma Optical Emission Spectrometry“,
hat bei 298.15 K den Wert 0.059 16 V. Bei β = 1 spricht man vom „Nernst-Verhalten“ der Anal. Chem. 2008, 80, 5721.]
Elektrode. Wir fassen den Ausdruck β(RT/nF) ln10 zusammen und nennen ihn S (Steil-
heit).
In einem Beispiel sei das Anfangsvolumen V0 mit der Anfangskonzentration cX. Das R = Gaskonstante
Volumen des zugesetzten Standards sei VS mit der Konzentration cS. Dann beträgt die T = Temperatur (K)
Gesamtkonzentration des Analyten nach der Standardzugabe (V0 cX +VS cS)/(V0 +VS). n = Ladung des Messions
Nach Einsetzen dieses Ausdrucks für [X] in Gleichung 14.14 und einige Umformungen F = Faraday-Konstante
erhält man

Standardzusatz-Gerade für (V0 VS) 10E/S 10k/S V0cX 10k/S cSVS


(14.15)
ionenselektive Elektrode: y b m x

Beim Auftragen von (V0 +VS) 10E/S auf der y-Achse gegen VS auf der x-Achse erhält man
eine Gerade mit dem Anstieg m = 10k/S cS und dem Ordinaten-Abschnitt 10k/S V0cX (Abbil-
dung 14.30). Den Abschnitt auf der x-Achse erhält man, wenn y = 0 gesetzt wird: 14
k /S
b 10 V0c X Vc
Abszissenabschnitt x = – =− =− 0 X (14.16)
m 10k / S cS cS

y = 0.744 8x + 0.439 2
3
(V 0 +V S) · 10 E/S

1
Abb. 14.30 Graphische Darstellung zur
Standardaddition für ionenselektive
Elektroden auf Grundlage von Gleichung
–1 0 1 2 3 4 14.15. Siehe Übung 14-F. [G. Li, B. J. Polk,
V S (mL) L. A. Meazell und D. W. Hatchett, „ISE
Achsenabschnitt = Analysis of Hydrogen Sulfide in Cigarette
–0.590 mL Smoke“, J. Chem. Ed. 2000, 77, 1049.]
378 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

Plastikflaschen eignen sich besser als Die Gleichung 14.16 liefert die unbekannte Konzentration cX aus V0, cS und dem Abszis-
Glasflaschen zur Aufbewahrung von senabschnitt.
sehr verdünnten Metallsalz-Lösungen, Eine Schwäche der Anwendung der Standardaddition bei ionenselektiven Elektroden
da Ionen vom Glas adsorbiert werden. besteht darin, dass wir den β-Wert in Gleichung 14.14 in der unbekannten Matrix nicht
messen können. Wir können β in einer Reihe von Standardlösungen (ohne Messprobe)
messen und diesen Wert zur Berechnung von S in der Funktion (V0 +VS) 10E/S in Glei-
[EDTA] = Gesamtkonzentration aller chung 14.15 verwenden. Ein anderes Verfahren ist der Zusatz einer konzentrierten, be-
EDTA-Formen, die nicht an Metall ge- kannten Matrix zur Probe und zu allen Standards, damit die Matrix im Prinzip in allen
bunden sind. Lösungen gleich ist.
αY 4– Anteil von EDTA in der Form Y4–.

Metallionenpuffer
Es ist zwecklos, CaCl2 auf 10–6 M zu verdünnen, um eine ionenselektive Elektrode zu ka-
librieren. Bei dieser geringen Konzentration geht das Ca2+-Ion durch Adsorption am Glas
oder durch Reaktionen mit Verunreinigungen verloren.
Eine Alternative besteht in der Herstellung eines Metallionenpuffers aus dem Metall-
ion und einem geeigneten Liganden. Wir können z. B. die Reaktion von Ca2+ mit EDTA
bei pH 6.00 betrachten, bei welcher der Anteil der EDTA in der Form Y4– Y − = 1.8 × 10 −5
4

beträgt (Tabelle 11.1):

Ca2+ + Y4– U CaY2–

⎡CaY 2 − ⎤
K = 1010.65 = ⎣ ⎦ (14.17)
⎡Ca 2 + ⎤ α Y − ⎣⎡ EDTA ⎦⎤
⎣ ⎦ 4

Bei gleichen Konzentrationen von CaY2– und EDTA beträgt die Konzentration von Ca2+
⎡CaY 2 − ⎤ ⎡CaY 2 − ⎤
⎡Ca 2 + ⎤ = ⎣ ⎦ = ⎣ ⎦
⎦ K α − ⎡EDTA ⎤ (1010.65 ) (1.8 × 10 −5 ) ⎡EDTA ⎤ = 1.2 × 10 M
–6

Y ⎣ 4
⎦ ⎣ ⎦

> Beispiel
Herstellung eines Metallionenpuffers
Welche Konzentration von EDTA muss zu 0.010 M CaY2– bei pH 6.00 zugesetzt werden, da-
mit [Ca2+] = 1.00 × 10–6 M?

Lösung Unter Verwendung von Gleichung 14.17 schreiben wir


⎡⎣CaY 2− ⎤⎦ 0.010
[EDTA] = = = 0.0124 M
Kα Y ⎡⎣Ca2+ ⎤⎦ (1010.65 )) (1.8 ×10 −5 ) (1.00 ×10 −6 )
4−

Das sind gut verwendbare Konzentrationen für CaY2– und EDTA.

Selbstüberprüfung Welche Konzentration von EDTA muss zu 0.010 M CaY2– bei pH=6
zugesetzt werden, damit [Ca2+] = 1.00 × 10–7 M? (Lösung: 0.124 M).

Ein Metallionenpuffer ist die einzige Möglichkeit, eine Lösung mit [Pb2+] = 10–12 M für
die Elektrodeninnenfüllung in Abbildung 14.27 zu herzustellen.

14.8 Chemische Festkörpersensoren36

Chemische Festkörpersensoren werden nach der gleichen Technologie hergestellt, die


auch für mikroelektronische Chips verwendet wird. Der Feldeffekttransistor (FET) ist das
Herzstück vieler Sensoren, z. B. der pH-Elektrode in Abbildung 14.31.
14.8 · Chemische Festkörpersensoren 379

Halbleiter und Dioden


Halbleiter, wie Si (Abbildung 14.32), Ge, und GaAs sind Materialien, deren spezifischer
elektrischer Widerstand37 zwischen dem der elektrischen Leiter und dem der Isolatoren
liegt. Die vier Valenzelektronen der reinen Materialien sind alle an Bindungen zwischen
den Atomen beteiligt (Abbildung 14.33a). Eine Phosphorverunreinigung mit fünf Elekt-
ronen liefert ein zusätzliches Leitungselektron, das sich frei durch den Kristall bewegen
kann (Abbildung 14.33b). Einer Aluminiumverunreinigung fehlt ein Bindungselektron,

Referenz-
elektrode

pH-FET-
Elektrode
(1 mm groß)
Thermistor zur
Temperaturmessung

Abb. 14.31 pH-Verbundelektrode auf der Basis des Feldeffekttransistors. Der Thermistor erfasst die Abb. 14.32 Diamantstruktur von Sili-
Temperatur und dient der automatischen Temperaturkompensation. [Mit freundlicher Genehmigung cium. Jedes Atom ist tetraedrisch mit
von Sentron, Europe BV.] einem Si-Si-Abstand von 235 pm an vier
andere Atome gebunden. Alle Atome in
der Abbildung sind Si. Die dunkelsten
Atome befinden sich an der Vorderfläche
des Würfels. Atome, die zunehmend
heller gezeichnet sind, befinden sich auf
jede Bindung stellt ein Ebenen mit wachsendem Abstand von
Si Bindungselektronenpaar dar der Vorderfläche.
Si Si

Si Si Si

Si Si
Si

a
14

Leitungselektron
Si Si (–)
Si Si Si Si
(+)
Si P Si Si P Si

Si Si Si Si
Si Si

b n-Silicium Abb. 14.33 a) Im reinen Silicium sind alle


Elektronen am Sigma-Bindungssystem
beteiligt. b) Ein Atom einer Verunreini-
Loch (Elektronenfehlstelle) gung, z. B. Phosphor, liefert ein zusätz-
Si Si
liches Elektron (*), das sich relativ leicht
(+) durch den Kristall bewegen kann. c)
Si Si Si Si Bei dem Verunreinigungsatom Alumi-
(–)
Si Al Si Si Al Si nium fehlt ein Elektron für das Sigma-
Bindungssystem. Das dadurch erzeugte
Si Si Si Si Loch (o) kann durch ein Elektron einer
Si Si benachbarten Bindung besetzt werden,
wodurch das Loch zu dieser Bindung
c p-Silicium wandert.
380 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

Zum Transport von Ladungsträgern a Durchlassrichtung (Stromfluss)

durch die Diode ist eine Aktivierungs-


+ –
energie notwendig. In Vorwärtsrich- +

tung sind bei Si ~ 0.6 V erforderlich, be- (+) + – (–)
vor ein Strom fließt. Für Ge sind ~ 0.2 V
+ –
notwendig. + –

p-Si n-Si
In Sperrrichtung fließt bei kleinen
Spannungen kein Strom. Wenn die b Sperrrichtung (kein Stromfluss)
Spannung hinreichend negativ ist, er-
folgt ein Durchbruch und Strom fließt + –
in der Sperrrichtung.
(–) + – (+)

+ –

Abb. 14.34 Verhalten eines pn-Über-


p-Si n-Si
gangs. a) Bei Polung in Durchlassrichtung Verarmungs-
(forward bias) fließt Strom. b) Bei umge- – Elektron gebiet
–6
kehrter Polung (Sperrrichtung, reverse (~10 m)
+ positives Loch
bias) fließt kein Strom.

so dass eine Fehlstelle, ein sogenanntes Loch, entsteht, die sich wie ein positiver Ladungs-
träger verhält. Wenn ein benachbartes Elektron dieses Loch ausfüllt, entsteht ein neues
Loch an der vorherigen Stelle (Abbildung 14.33c). Ein Halbleiter mit einem Überschuss
an Leitungselektronen ist ein n-Halbleiter, einer mit einem Überschuss an Löchern ein
p-Halbleiter.
Eine Diode basiert auf einem pn-Übergang (Abbildung 14.34a). Wenn n-Si gegenüber
p-Si negativ geworden ist, fließen Elektronen von einem äußeren Stromkreis in das n-Si.
Am pn-Übergang kombinieren Elektronen und Löcher. Wenn Elektronen vom p-Si in den
Stromkreis fließen, werden erneut Löcher im p-Si erzeugt. Im Ergebnis fließt ein Strom,
wenn n-Si negativ gegenüber p-Si gemacht wird. Die Diode befindet sich in der Durch-
lassrichtung.
Wenn die umgekehrte Polarität angewendet wird, wie in Abbildung 14.34b gezeigt,
werden Elektronen aus dem n-Si und Löcher aus dem p-Si gezogen und hinterlassen ein
dünnes Verarmungsgebiet, frei von Ladungsträgern, in der Nähe des pn-Übergangs. Die
Diode befindet sich in Sperrrichtung und leitet keinen Strom in der umgekehrten Rich-
tung.

Chemisch sensitiver Feldeffekttransistor (ChemFET)


Das Substrat des Feldeffekttransistors in Abbildung 14.35 besteht aus p-Si mit zwei n-Si-
Gebieten, die als Source und Drain bezeichnet werden. Eine isolierende Oberflächenschicht
von SiO2 ist mit einem leitfähigen Metallgate zwischen Source und Drain bedeckt. Source
und Substrat werden auf dem gleichen elektrischen Potential gehalten. Wenn eine Span-
nung zwischen Source und Drain angelegt wird (Abbildung 14.35a), fließt nur ein kleiner
Strom, da die Drain-Substrat-Grenzfläche ein pn-Übergang in Sperrrichtung ist.
Je positiver das Gate ist, desto höher Wenn das Gate positiv wird, werden Elektronen vom Substrat in Richtung auf das
ist die Stromstärke zwischen Source Gate gezogen und es bildet sich ein Leitungskanal zwischen Source und Gate (Abbildung
und Drain. 14.35b). Die Stromstärke steigt, wenn das Gate positiver wird. Das Potential des Gates
reguliert damit die Stromstärke zwischen Source und Drain.
Der wesentlichste Bestandteil des chemischen Feldeffekttransistors in Abbildung 14.36
ist die chemisch wirksame Schicht auf dem Gate. Ein Beispiel ist eine Schicht von AgBr.
Bei der Einwirkung einer Silbernitratlösung wird Ag+ an AgBr adsorbiert (Abbildung
26.2). Dabei erhält dieses eine positive Ladung und die Stromstärke zwischen Source
und Drain wird erhöht. Die Spannung, die von einem äußeren Stromkreis angelegt werden
muss, um die Stromstärke auf ihren ursprünglichen Wert zurückzubringen, ist die Antwort
14.8 · Chemische Festkörpersensoren 381

(+)

Source (–) (+) Verarmungsregion (–) (+)


(Gate)
Metallkontakt + + +
Drain
SiO2-Insulator

n n n n

p p
(Substrat)

Leitungskanal durch
die positive Ladung
des Gates
elektrischer Kontakt zwischen
Source und Substrat a b

Abb. 14.35 Arbeitsweise eines Feldeffekttransistors. a) Bei Abwesenheit eines Gate-Potentials nahezu
statistische Verteilung von Löchern und Elektronen im Substrat. b) Ein positives Gate-Potential zieht
Elektronen an, die einen leitfähigen Kanal unterhalb des Gates erzeugen. Durch diesen Kanal kann
Strom zwischen Source (Quelle) und Drain (Senke) fließen.

chemisch
Referenz- sensitive
elektrode Schicht

Analyt-
der Stromkreis stellt die Potential- lösung
Schutz-
differenz zwischen Referenz-
schicht
elektrode und Source so ein, dass
bei Änderung der Analytkonzentra- Metall-
tion ein konstanter Drain-Source- kontakt
Strom fließt Si3N4
SiO2-
n-Si n-Si Isolator

Source Drain
R Abb. 14.36 Arbeitsweise eines chemi-
schen Feldeffekttransistors (ChemFET).
C
R
p-Si
Der Transistor ist mit einer isolierenden 14
SiO2-Schicht und einer zweiten Schicht
Base
aus Si3N4 (Siliciumnitrid) beschichtet, die
A R für Ionen undurchlässig ist und die elek-
A trische Stabilität erhöht. Mit dem Strom-
kreis links unten wird die Potentialdif-
R ferenz zwischen Referenzelektrode und
diese Spannung
regelt den Drain- Source in Abhängigkeit von Änderungen
Vdrain in der Analytlösung so eingestellt, dass
Source-Strom
auf den erforder- ein konstanter Strom zwischen Drain und
lichen Betrag Source fließt.

auf das vorhandene Ag+. Abbildung 14.37 zeigt, dass Ag+ das Gate positiver und Br– das
Gate negativer macht. Auch hier wird bei einer zehnfachen Konzentrationsänderung eine
Änderung des Signals um 59 mV erhalten. Vorteile des Transistors sind die geringere
Größe (Abbildung 14.31) und die gegenüber ionenselektiven Elektroden robustere Bau-
art. Die wirksame Sensoroberfläche beträgt gewöhnlich 1 mm2. Chemisch sensitive Feld-
effekttransistoren wurden für zahlreiche Spezies entwickelt, z. B. H+,38 NH4+, Ca2+, NO3− ,39
CO2,40 Pestizide (Nachweisgrenze = 10–12 M),41,42 Adrenalin,43 und bestimmte Sequenzen
der DNA.44
382 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

500
+ Wichtige Begriffe
Ag
400 Alkali(Natrium)fehler > Diffusionspotential > Diode > Einstabmesskette > elektro-
aktives Teilchen > Feldeffekttransistor > Festkörpermembranelektrode > Flüssigmem-
300
Potential (mV)

branelektrode > Glaselektrode > Halbleiter > Indikatorelektrode > Ionenaustausch-


200 gleichgewicht > Ionenbeweglichkeit (Mobilität) > ionenselektive Elektrode > Kalomel-
elektrode > Leitungselektron > Loch > Matrix > Metallionenpuffer > Potentiometrie
100 > Referenzelektrode > S.C.E. (gesättigte Kalomelelektrode) > Selektivitätskoeffizient

> Silber-Silberchloridelektrode > Standardzusatzmethode > Verbundelektrode


0

Br
–100 Zusammenfassung
–6 –5 –4 –3 –2 –1 0 Bei potentiometrischen Messungen spricht die Indikatorelektrode auf Aktivitätsver-
log AA änderungen des Analyten an, während die Bezugselektrode als eine abgeschlossene
Halbzelle ein konstantes Referenzpotential besitzt. Die am häufigsten verwendeten
Abb. 14.37 Ansprechverhalten eines mit
Silberbromid beschichteten Feldeffekt- Referenzelektroden sind die Kalomel- und die Silber-Silberchlorid-Elektrode. Zu den
transistors. Die Fehlerbalken zeigen das üblichen Indikatorelektroden gehören (1) die inerte Platinelektrode, (2) die Silber-
Vertrauensintervall (für 95 % statistische elektrode, die auf Ag+, Halogenide und andere Ionen, die mit Ag+ reagieren, anspricht
Sicherheit) für Messwerte von 195 Sen- und (3) ionenselektive Elektroden. Kleine, unbekannte Diffusionspotentiale an Flüssig-
soren, die aus unterschiedlichen Chips
Flüssig-Grenzflächen beeinträchtigen die Richtigkeit der meisten potentiometrischen
hergestellt wurden. [E. P. Buck und D. E.
Hackleman, „Field Effect Potentiometric Messungen.
Sensors“, Anal. Chem. 1977, 49, 2315.] Ionenselektive Elektroden, einschließlich der pH-Glaselektrode, sprechen selektiv auf
ein Teilchen in der Lösung an, das selektiv an die Ionenaustauschmembran der Elektrode
gebunden ist. Die elektrische Potentialdifferenz an der Membran, E, hängt von der Aktivi-
tät (A 0) des Zielions in der äußeren Analytlösung ab. Bei 25 °C lautet die ideale Beziehung
E(V) = Konstante + (0.059 16/n) ln A0, mit der Ladung n des Zielions. Bei Anwesenheit
von Störionen (X) mit gleicher Ladung wie das Zielion wird das Bruttoansprechverhalten
durch folgende Gleichung beschrieben E = Konstante ± (0.059 16/n) log ⎡⎣A A + ∑KA,X Pot
A X⎤⎦
Pot
mit dem Selektivitätskoeffizienten K A,X für jedes Teilchen. Die üblichen ionenselektiven
Elektroden können in Festkörper-, Flüssigmembran- und Verbundelektroden eingeteilt
werden. Quantitative Bestimmungen mit ionenselektiven Elektroden erfolgen gewöhnlich
mit Kalibrationskurven oder durch Standardadditionsverfahren. Metallionenpuffer sind
für die Herstellung und Beibehaltung niedriger Ionenkonzentrationen geeignet. Der che-
misch sensitive Feldeffekttransistor ist ein Festkörper-Bauelement, in dem eine chemisch
empfindliche Beschichtung benutzt wird, die elektrischen Eigenschaften eines Halbleiters
zu verändern, womit Veränderungen in der chemischen Umgebung angezeigt werden.

Übungen
14-A. Die Apparatur in Abbildung 14.7 wurde dazu benutzt, die Titration von 50.0 mL
einer 0.100 M AgNO3 Lösung mit 0.200 M NaBr zu verfolgen. Berechnen Sie die Zell-
spannung bei jedem der zugegebenen Volumina von NaBr und skizzieren Sie die Titrati-
onskurve: 1.0, 12.5, 24.0, 24.9, 25.1, 26.0 und 35.0 mL.

14-B. Die hier gezeigte Apparatur kann verwendet werden, um den Verlauf einer EDTA-
Titration aufzunehmen. Sie diente zur Erzeugung der Kurven in Abbildung 11.10. Das
Herzstück der Zelle ist eine kleine Pfütze von flüssigem Quecksilber, die sich mit der Lö-
sung und einem Platindraht in Kontakt befindet. Eine kleine Menge von HgY2–, die dem
Analyten zugesetzt wird, ergibt im Gleichgewicht eine äußerst geringe Menge von Hg2+:
Hg2+ + Y4– U HgY2–
⎡HgY 2 − ⎤
K= ⎣ ⎦ = 1021.5 (A)
⎡Hg 2 + ⎤ ⎡ Y 4 − ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦
Das Redoxgleichgewicht Hg2+ + 2e– U Hg(l) stellt sich an der Oberfläche der Hg-Elek-
trode sehr schnell ein, so dass die Nernst-Gleichung für die Zelle in der folgenden Form
geschrieben werden kann
⎛ 0.059 16 1 ⎞
E = E+ − E− = ⎜ 0.852 − log 2+ ⎟
− E− (B)
⎝ 2 [Hg ]⎠
Übungen 383

mit E– als dem konstanten Potential der Referenzelektrode. Aus Gleichung (A) können
wir aber schreiben [Hg2+] = [HgY2–]/K[Y4–] und dies können wir in Gleichung (B) einset-
zen und erhalten
0.059 16 [Y 4 −] K 0.05916 K 0.05916
E = 0.852 − log − E− = 0.852 − E− − log − log[Y 4 − ] (C)
2 [HgY 2 − ] 2 [HgY 2 − ] 2
mit K, der Stabilitätskonstanten von HgY2–. Diese Apparatur spricht damit auf Verände-
rungen der EDTA-Konzentration während einer EDTA-Titration an.

V
Bürette
– +

Bezugs-
elektrode

Pt-Draht
in Kontakt unten
mit Hg geschlos-
senes
Glasrohr

2–
Analyt + Hg(EDTA)
kleine Glas-
schale
Rührmagnet

Hg(/)

Hg-Indikator- Loch im Boden


Elektrode des Glasrohrs

a b

a) Apparatur für Übung 14-B. b) Vergrößerte Ansicht der Quecksilber-Elektrode.

14
Wir nehmen an, dass 50.0 mL von 0.010 0 M MgSO4 mit 0.020 0 M EDTA bei pH 10 tit-
riert werden und dass die gezeigte Apparatur mit einer S.C.E.-Bezugselektrode verwendet
wird. Weiter wird angenommen, dass der Analyt 1.0 × 10–4 M Hg(EDTA)2– enthält, die
vor Beginn der Titration zugesetzt wurden. Berechnen Sie die Zellspannung bei folgenden
Volumina zugesetzter EDTA und zeichnen Sie eine Darstellung von Millivolt gegen Milli-
liter bei 0, 10.0, 20.0, 24.9, 25.0 und 26.0 mL.

14-C. Eine ionenselektive Festkörperelektrode für Fluorid spricht auf F–, aber nicht auf
HF an. Bei hohen Konzentrationen spricht sie auch auf Hydroxidionen an, wenn [OH]– ≈
[F–]/10. Wir nehmen an, dass eine solche Elektrode ein Potential von +100 mV (gegen
S.C.E.) in 10–5 M NaF und +0.41 mV in 10–4 M NaF hat. Skizzieren Sie qualitativ, wie sich
das Potential verändert, wenn die in 10–5 M NaF befindliche Elektrode pH-Werten von 1
bis 13 ausgesetzt wird.

14-D. Eine Natriumionen-sensitive Glasmembran-Elektrode hat einen Selektivitätsko-


Pot
effizienten K Na +
,H +
= 36. Wenn diese Elektrode in 1.00 mM NaCl bei pH 8 gegeben wird,
erhält man ein Potential von –38 mV (gegen S.C.E.).
a) Berechnen Sie mit Gleichung 14.10 unter Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizien-
ten das Potential, wenn die Elektrode in 5.00 mM NaCl bei pH 8 gegeben wird.
b) Wie wäre das Potential für 1.00 mM NaCl bei pH 3.87?
384 Kapitel 14 · Elektroden und Potentiometrie

14-E. Eine Gaselektrode für Ammoniak hatte die folgenden Kalibrationspunkte, wenn
alle Lösungen 1 M an NaOH waren.

NH3 (M) E (mV) NH3 (M) E (mV)

1.00 × 10–5 268.0 5.00 × 10–4 368.0


–5 –3
5.00 × 10 310.0 1.00 × 10 386.4

1.00 × 10–4 326.8 5.00 × 10–3 427.6

Eine trockene Lebensmittelprobe mit einer Masse von 312.4 mg wurde nach Kjeldahl auf-
geschlossen (Abschnitt 10.8), um den gesamten Stickstoff in NH4+ umzuwandeln. Die Auf-
schlusslösung wurde auf 1.0 L verdünnt und davon 20.0 mL in einen 100 mL-Messkolben
überführt. Dieser 20.0 mL-Teil wurde mit 10.0 mL einer 10.0 M NaOH und genügend
NaI behandelt, um den Quecksilberkatalysator aus dem Aufschluss zu komplexieren. An-
schließend wurde auf 100.0 mL verdünnt. Bei der Messung mit der Ammoniak-Elektrode
ergab diese Lösung einen Wert von 339.3 mV. Wie viel Masseprozent Stickstoff enthielt
die Lebensmittelprobe?

14-F. H2S aus Zigarettenrauch wurde aufgefangen, indem der Rauch durch eine wässrige
NaOH-Lösung geleitet wurde. Danach diente eine ionenselektive Sulfidelektrode zur
Bestimmung. Nach Standardzusätzen einer Lösung von Na2S der Konzentration cS = 1.78
nM mit den Volumina VS zur Probelösung mit dem Volumen V0 ergaben sich folgende
Messergebnisse:

VS (mL) E (mV) VS (mL) E (mV)

0 0.046 5 3.00 0.030 0

1.00 0.040 7 4.00 0.026 5

2.00 0.034 4

Aus einer zusätzlichen Kalibrationskurve wurde für β in Gleichung 14.14 ein Wert von
0.985 bestimmt. Konstruieren Sie eine Kurve für die Standardadditionen mit der Tempe-
ratur T = 298.15 K und n = –2 (Ladung des Sulfid-Ions) und bestimmen Sie die Sulfid-
Konzentration der Probe.
15 Redoxtitrationen

Chemische Analyse von Hochtemperatur-Supraleitern


Supraleiter sind Stoffe, die nahezu den gesamten elektrischen Widerstand bei
Abkühlung unterhalb einer kritischen Temperatur verlieren. Bis in das Jahr 1987
erforderten die bekannten Supraleiter eine Abkühlung bis zu Temperaturen in
der Nähe des flüssigen Heliums (4 K). Das war sehr teuer und bis auf wenige Aus-
nahmen auch sehr umständlich. Im Jahr 1987 wurde ein großer Schritt nach vorn
getan, als die „Hochtemperatur“-Supraleiter entdeckt wurden, die ihre Supraleitung
auch oberhalb des Siedepunkts von flüssigem Stickstoff (77 K) beibehalten. Die
überraschendste Eigenschaft der Supraleiter ist das magnetische Schweben, das in
der Abbildung gezeigt ist. Wenn ein Magnetfeld auf einen Supraleiter wirkt, fließt
ein Strom über den äußeren Rand des Materials, wobei das angelegte Magnetfeld
durch das induzierte Magnetfeld gerade aufgehoben wird und das Feld innerhalb
des Gegenstands Null wird. Das induzierte Magnetfeld stößt den Permanentmag-
neten ab, welcher dadurch über dem Supraleiter schwebt. Die Verdrängung eines
Magnetfelds aus dem Supraleiter wird Meissnereffekt genannt.
Ein typischer Hochtemperatur-Supraleiter ist Yttrium-Barium-Kupferoxid,
YBa2Cu3O7, bei dem zwei Drittel des Kupfers in der Oxidationsstufe +2 und ein
Drittel in der ungewöhnlichen Oxidationsstufe +3 vorliegen. Ein anderes Beispiel
ist Bi2Sr2(Ca0.8Y0.2)Cu2O8.295, bei dem die durchschnittliche Oxidationsstufe des
Kupfers +2.105 und die durchschnittliche Oxidationsstufe von Bismut +3.090 (das
ist formal ein Gemisch von Bi3+ und Bi5+) beträgt. Die zuverlässigste Methode zur
Enträtselung dieser komplizierten Formeln sind so genannte „nasse“ Redoxtitratio-
nen, die in diesem Kapitel beschrieben werden.

15

Ein Dauermagnet schwebt über einer supraleiten-


den Scheibe, die in einem Bad aus flüssigem N2
gekühlt wird. Redoxtitrationen haben eine große
Bedeutung für die Bestimmung der chemischen
Zusammensetzung von Supraleitern [Photo zur
Verfügung gestellt von D. Cornelius, Michelson
Laboratory, mit Material von T. Vanderah.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
386 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

Eisen und seine Verbindungen sind Eine Redoxtitration beruht auf einer Reduktions-Oxidations-Reaktion zwischen dem
ökotoxikologisch akzeptable Redox- Analyten und dem Titranten. Neben den vielen üblichen Analyten in der Chemie, Bio-
Reagenzien mit zunehmender Anwen- logie, in den Umwelt- und Materialwissenschaften, die mit Redoxtitrationen bestimmt
dung bei der Sanierung von durch werden, können in ungewöhnlichen Materialien, wie z. B. den Supraleitern und Laserma-
Giftmüll belastetem Grundwasser1: terialien, exotische Oxidationsstufen der Elemente durch Redoxtitrationen bestimmt wer-
den. So wird z. B. Chrom, das Laserkristallen zur Erhöhung ihrer Wirksamkeit zugesetzt
CrO42– + Fe(0) + 4 H2O → wird, gewöhnlich in den Oxidationsstufen +3 und +6 gefunden, manchmal aber auch in
gelöstes Eisen- der ungewöhnlichen Oxidationsstufe +4. Eine Redoxtitration ist ein geeigneter Weg, die
Chromat Partikel
(karzi- (Reduktions- Art dieser komplizierten Mischung von Chromionen aufzuklären.
nogen) mittel) In diesem Kapitel wird die Theorie der Redoxtitrationen behandelt und anschließend
werden die wichtigsten Reagenzien besprochen. Einige der Oxidations- und Reduktions-
Cr(OH)3(s)+Fe(OH)3(s) + 2 OH– mittel aus Tabelle 15.1 können als Titranten verwendet werden.2 Die meisten Reduktions-
Gemischter Hydroxid-Niederschlag mittel, die als Titrant verwendet werden, reagieren mit Sauerstoff und erfordern deshalb
(relativ ungefährlich)
einen Schutz vor Luftzutritt.
3 H2S + 8 HFeO4– + 6 H2O →
Schadstoff Ferrat(VI)
Oxidationsmittel
15.1 Die Form der Redoxtitrationskurve
8Fe(OH)3(s) + 3 SO42– + 2 OH–
ungefährliche Stoffe Wir betrachten die Titration von Fe2+ mit Standard Ce4+ und verfolgen deren Verlauf po-
tentiometrisch, wie in Abbildung 15.1 gezeigt. Die Titrationsreaktion lautet
Ce 4 + + Fe2 + → Ce3 + + Fe3 + (15.1)
Cer(IV) Eisen(II) Cer(III) Eisen(III)
(Titrant) (Analyt)
Die Titrationsreaktion läuft nach jeder
Zugabe des Titranten vollständig ab. mit K ≈ 1016 in 1 M HClO4. Pro mol Cer(IV)-Ionen wird 1 mol Eisen(II)-Ionen schnell
Die Gleichgewichtskonstante beträgt und vollständig oxidiert. Durch die Titrationsreaktion bildet sich im Becherglas von
0
K = 10nE / 0.059 16 bei 25 °C. Abbildung 15.1 ein Gemisch von Ce4+, Ce3+, Fe2+ und Fe3+. In Exkurs 15.1 wird ein ange-
nommener Mechanismus der Reaktion 15.1 beschrieben.
An der Pt-Elektrode kommen zwei Reaktionen in ein Gleichgewicht:

Die Gleichgewichte 15.2 und 15.3 stel- Indikatorhalbzellenreaktion: Fe3+ + e– U Fe2+ E0 = 0.767 V (15.2)
len sich beide an der Pt-Elektrode ein. Indikatorhalbzellenreaktion: Ce4+ + e– U Ce3+ E0 = 1.70 V (15.3)

Die hier angegebenen Potentiale sind die Formalpotentiale, die für 1 M HClO4 gelten. Die
Pt-Indikator-Elektrode spricht auf die relativen Konzentrationen (in Wirklichkeit Aktivi-
täten) von Ce4+ und Ce3+ oder Fe3+ und Fe2+ an.
Nun können wir berechnen, wie sich die Zellspannung ändert, wenn Fe2+ mit Ce4+
titriert wird. Die Titrationskurve hat drei Regionen.

Region 1: Vor dem Äquivalenzpunkt


Wir können sowohl Reaktion 15.2 als Für jedes zugesetztes Aliquot von Ce4+ verbraucht die Titrationsreaktion 15.1 dieses Ce4+
auch Reaktion 15.3 zur Berechnung und es entsteht eine gleiche Stoffmenge von Ce3+ und Fe3+. Vor dem Äquivalenzpunkt
der Zellspannung für jeden Zeitpunkt verbleibt nicht umgesetztes Fe2+ in der Lösung. Deshalb können wir die Konzentration
der Titration verwenden. Da wir jedoch von Fe2+ und Fe3+ ohne Schwierigkeiten ermitteln. Andererseits können wir die Konzen-
[Fe2+] und [Fe3+] kennen, ist es hier be- tration von Ce4+ nicht ohne weiteres bestimmen. Da die Mengen von Fe2+ und Fe3+ beide
quemer, Reaktion 15.2 zu verwenden. bekannt sind, bietet es sich an, die Zellspannung mit Hilfe von Reaktion 15.2 und nicht
mit Reaktion 15.3 zu bestimmen.

E+ ist das Potential der Pt-Elektrode, E = E+ -E– (15.4)


die mit dem positiven Pol des Potenti-
ometers in Abbildung 15.1 verbunden ⎡ ⎛ ⎡Fe2 + ⎤ ⎞ ⎤
E = ⎢0.767 − 0.059 16 log ⎜ ⎣ 3 + ⎦ ⎟ ⎥ − 0.241 (15.5)
ist. E– ist das Potential der Kalomel- ⎢ ⎜ ⎡Fe ⎤ ⎟ ⎥
Elektrode, die mit dem negativen Pol ⎣ ⎝⎣ ⎦ ⎠⎦
verbunden ist. Formalpotential für Potential der gesättigten
Fe3+-Reduktion Kalomelelektrode
in 1 MHClO4
15.1 · Die Form der Redoxtitrationskurve 387

Tabelle 15.1 Oxidations- und Reduktionsmittel

Oxidationsmittel Reduktionsmittel

BiO–3 Bismutat HO O Ascorbinsäure (Vitamin C)


O
HO
OH OH

BrO–3 Bromat BH–4 Tetrahydroborat

Br2 Brom Cr2+ Chrom(II)

Ce4+ Cer(IV) S2O42– Dithionit

CH3 SO2NCl Na Chloramin T Fe2+ Eisen(II)

Cl2 Chlor N2H4 Hydrazin

ClO2 Chlordioxid HO OH Hydrochinon

Cr2O72– Dichromat NH2OH Hydroxylamin

FeO42– Ferrat (VI) H3PO2 Hypophosphorige Säure


(Phosphinsäure)

H2O2 Wasserstoffperoxid H3C CH3 CH3 CH3 Retinol (Vitamin A)


CH2OH

CH3

Fe2+ + H2O2 Fenton-Reagenz3 Sn2+ Zinn(II)

OCl– Hypochlorit SO32– Sulfit

IO–3 Iodat SO2 Schwefeldioxid

I2 Iod S2O32– Thiosulfat

Pb(acetat)4 Bleitetraacetat CH3 CH3 α-Tocopherol (Vitamin E)4


HO
CH2 CH 2 CH 2 CH CH 2 3 H
H3C O CH3
CH3

HNO3 Salpetersäure

O atomarer Sauerstoff

O2 Sauerstoff

O3 Ozon

HClO4 Perchlorsäure 15
IO–4 Periodat

MnO–4 Permanganat

S2O82– Peroxodisulfat

⎛ ⎡Fe2 + ⎤ ⎞
E = 0.526 - 0.059 16 log ⎜ ⎣ 3 + ⎦ ⎟ (15.6)
⎜ ⎡Fe ⎤ ⎟
⎝⎣ ⎦⎠

Es gibt einen besonderen Punkt vor Erreichung des Äquivalenzpunkts. Wenn das zuge- Für Reaktion 15.2: E+ = E0 (Fe3+⏐Fe2+)
setzte Titrantvolumen der halben Menge, die zur Erreichung des Äquivalenzpunktes nötig für V= ½ VÄ
ist, entspricht (V = ½ VÄ), sind die Konzentrationen von Fe3+ und Fe2+ gleich. Für diesen
Fall wird der logarithmische Term in der obigen Gleichung Null und für das Fe3+⏐Fe2+-
Paar wird E+ = E0. Der Punkt bei V = ½ VÄ ist dem Punkt pH = pKS analog, für den in
Säure-Base-Titrationen V = ½ VÄ gilt.
388 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

Bürette mit Ce(IV)-Lösung

– +

Kalomel-
Bezugs-
elektrode

Fe2+ in 1 M HCIO4
Pt-Draht

Magnet-
rührstab
Abb. 15.1 Apparatur zur potentiometri-
schen Titration von Fe2+ mit Ce4+.

Exkurs 15.1

Viele Redoxreaktionen sind Atom-Transfer- nimmt man an, dass diese Reaktion und viele andere durch eine
Reaktionen Atom- und nicht durch eine Elektronenübertragung ablaufen.5
In diesem Fall könnte ein Wasserstoffatom (ein Proton plus ein
Reaktion 15.2 sieht so aus, als ob sich ein Elektron von Fe2+ zu Elektron) von der hydratisierten Fe2+-Spezies zur hydratisierten
Ce4+ bewegt, wobei Fe3+ und Ce3+entstehen. Tatsächlich aber Ce4+-Spezies übergehen:

H
H2O OH2 OH2 H2O OH2 OH2
H2O H O OH2 H2O HO OH2
H2O Ce O H + Fe H2O Ce OH2 + Fe
OH2 H2O OH2 OH2 H 2O OH2
OH OH2
OH2 2 OH2 OH2 OH2
“Ce4+” “Fe2+” “Ce3+” “Fe3+”
Ce(H2O)7 (OH)3+ Fe(H2O)62+ Ce(H2O)83+ Fe(H2O)5(OH)2+

Andere geläufige Redoxreaktionen zwischen Metallionen kön- ablaufen, wodurch als Gesamteffekt ein Elektronenübergang von
nen durch Übertragung von Sauerstoff- oder Halogenatomen einem Metall zum anderen resultiert.

Die Zellspannung vor der ersten Titrantzugabe kann nicht berechnet werden, da wir
nicht wissen, wie viel Fe3+ zugegen ist. Wäre [Fe3+] = 0, würde sich mit Gleichung 15.6 für
die Spannung –∞ ergeben. Tatsächlich muss etwas Fe3+ vorhanden sein, entweder als Ver-
unreinigung oder durch Oxidation mit Luftsauerstoff. Wie auch immer, die Zellspannung
kann niemals kleiner sein als die, die zur Reduktion des Lösungsmittels (H2O + e– → ½
H2 + OH–) nötig ist.
15.1 · Die Form der Redoxtitrationskurve 389

Region 2: Am Äquivalenzpunkt
Hier ist genau die erforderliche Menge an Ce4+ zugesetzt worden, um das gesamte Fe2+
umzusetzen. Dann liegt eigentlich das gesamte Cer in Form von Ce3+ und das gesamte
Eisen in Form von Fe3+ vor. Im Gleichgewicht sind aber sehr kleine Mengen von Ce4+
und Fe2+ noch immer vorhanden. Aus der Stöchiometrie der Reaktion 15.1 können wir
folgendes entnehmen:

[Ce3+] = [Fe3+] (15.7)


[Ce4+] = [Fe2+] (15.8)

Um zu verstehen, warum die Gleichungen 15.7 und 15.8 gelten, stellen wir uns vor, dass
das gesamte Cer und das gesamte Eisen in Ce3+ und Fe3+ umgewandelt worden sind. Wir
sind ja am Äquivalenzpunkt, für den [Ce3+] = [Fe3+] gilt. Nun soll die Reaktion 15.1 zum
Gleichgewicht kommen:
Fe3+ + Ce3+ U Fe2+ + Ce4+ (die Umkehr der Umkehr von Reaktion 15.1)
Falls ein kleiner Teil von Fe3+ zurück zu Fe2+ geht, muss die gleiche Stoffmenge Ce4+ gebil-
det werden. So folgt [Ce4+] = [Fe2+].
Zu jedem Zeitpunkt befinden sich die beiden Reaktionen 15.2 und 15.3 im Gleichge-
wicht an der Pt-Elektrode. Für den Äquivalenzpunkt ist es angebracht, beide Reaktionen
zur Beschreibung der Zellspannung zu verwenden. Die Nernstschen Gleichungen für
diese Reaktionen lauten
[Fe2 + ]
E+ = 0.767 − 0.059 16 log (15.9) Am Äquivalenzpunkt werden beide
[Fe3 + ]
Reaktionen 15.2 und 15.3 zur Berech-
[Ce3 + ] nung der Zellspannung verwendet.
E+ = 1.70 − 0.059 16 log (15.10)
[Ce 4 + ]

Hier stehen wir nun: Jede der obigen Gleichungen ist mathematisch richtig, aber keine
von ihnen allein ermöglicht uns die Bestimmung von E+, da wir die kleinen Konzentrati-
onen von vorhandenem Fe2+ und Ce4+ nicht genau kennen. Es ist aber möglich, die vier
simultanen Gleichungen 15.7 bis 15.10 zu lösen, indem zunächst die Gleichungen 15.9
und 15.10 addiert werden.
Die Addition von 15.9 und 15.10 ergibt

[Fe2 + ] [Ce3 + ] log a + log b = log ab


2 E+ = 0.767 + 1.70 − 0.059 16 log 3+
− 0.05 16 log
[Fe ] [Ce 4 + ] –log a – log b = –log ab

[Fe2 + ][Ce3 + ] 15
2 E+ = 2.467 − 0.059 16 log
[Fe3 + ][Ce 4 + ]

Wegen [Ce3+] = [Fe3+] und [Ce4+] = [Fe2+] am Äquivalenzpunkt ergibt sich für das Konzent-
rationsverhältnis im log-Term der Wert 1. Damit ist der Logarithmus 0 und wir erhalten
2 E+ = 2.467 V ⇒ E+ = 1.23 V
Die Zellspannung beträgt
E = E+ – E(Kalomel) = 1.23 – 0.241 = 0.99 V (15.11)
In dieser speziellen Titration ist die Zellspannung am Äquivalenzpunkt unabhängig von
den Konzentrationen und Volumina der Reaktanten. Nach dem Äquivalenzpunkt verwendet
man Reaktion 15.3, da die Konzent-
rationen von Ce3+ und Ce4+ leicht zu
Region 3: Nach dem Äquivalenzpunkt berechnen sind. Es ist unzweckmäßig,
Reaktion 15.2 zu verwenden, da wir
Nun liegt praktisch das gesamte Eisen als Fe3+ vor. Die Stoffmenge von Ce3+ entspricht der die Konzentration von Fe2+, das „ver-
von Fe3+, aber es gibt nun einen bekannten Überschuss an nichtumgesetztem Ce4+. Da wir braucht“ wurde, nicht kennen.
390 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

sowohl [Ce3+] und [Ce4+] kennen, ist es vernünftig, die Reaktion 15.3 zur Bestimmung
der Vorgänge an der Platinelektrode zu verwenden:
⎛ [Ce3 + ] ⎞
E = E+ − E(Kalomel) = ⎜ 1.70 − 0.059'16 log ⎟ − 0.241 (15.12)
⎝ [Ce 4 + ] ⎠
Für den speziellen Punkt bei V = 2VÄ gilt [Ce3+] = [Ce4+] und E+ = E0(Ce4+⏐Ce3+) = 1.70 V.
Vor dem Äquivalenzpunkt ist das Potential der Indikatorelektrode ziemlich gleichblei-
bend in der Nähe des Wertes E0(Fe3+⏐Fe2+) = 0.77 V.6 Nach dem Äquivalenzpunkt liegt
das Potential in der Nähe von E0(Ce4+⏐Ce3+) = 1.70 V. Bei VÄ steigt die Spannung sehr
steil an.
1.4

1.3
> Beispiel
Potentiometrische Redoxreaktion
1.2
Wir nehmen an, dass wir 100.0 mL 0.050 0 M Fe2+ mit 0.100 M Ce4+ in einer Zelle entspre-
1.1 chend Abbildung 15.1 titrieren. Der Äquivalenzpunkt ist bei VCe4+ = 50.0 mL erreicht. Berech-
Potential (V vs. S.C.E.)

Äquivalenzpunkt nen Sie die Zellspannungen bei 36.0, 50.0 und 63.0 mL.
1.0
(Wendepunkt)
0.9
Lösung
Bei 36.0 mL: Das entspricht 36.0/50.0 vom Weg bis zum Äquivalenzpunkt. Deshalb liegt
0.8 E = E+ – E–
3+ 2+ 36.0/50.0 des Eisens in Form von Fe3+ und 14.0/50.0 in Form von Fe2+ vor. Wir setzen den
= E (Fe Fe )
0.7 – E (S.C.E.)
Wert [Fe2+]/[Fe3+] = 14.0/36.0 in Gleichung 15.6 ein und erhalten eine Zellspannung von
0.550 V.
0.6
Bei 50.0 mL: Das ist der Äquivalenzpunkt. Gleichung 15.11 liefert eine Zellspannung von
0.5 0.99 V, die bei dieser speziellen Titration unabhängig von den Konzentrationen der Reagen-
0.4 1V
zien ist.
2 e
Bei 63.0 mL: Die ersten 50.0 mL des Cer wurden in Ce3+ umgewandelt. Da ein Über-
0.3
schuss von 13.0 mL Ce4+ vorliegt, beträgt der Wert von [Ce3+]/[Ce4+] in Gleichung 15.12
0 10 20 30 40 50 60 70 50.0/13.0 und die Zellspannung ist 1.424 V.
VCe4+ (mL)
Selbstüberprüfung Bestimmen Sie E bei VCe4+ = 20.0 und 51.0 mL. (Lösung: 0.516 V, 1.358 V)
Abb. 15.2 Theoretische Kurve für die
Titration von 100 mL 0.050 0 M Fe2+ mit
0.100 M Ce4+ in 1 M HClO4. Das Potential
vor der ersten Zugabe kann nicht berech- Formen der Redoxtitrationskurven
net werden. Man kann aber mit einem
kleinen Volumen, z.B. VCe4+ = 0.1 mL, Die obigen Rechnungen ermöglichen die Zeichnung der Titrationskurve in Abbildung
beginnen. 15.2, in der die Zellspannung als Funktion des zugesetzten Titrantvolumens dargestellt
ist. Der Äquivalenzpunkt ist durch einen steilen Potentialanstieg gekennzeichnet. Der
Wert von E+ bei ½ VÄ entspricht dem Formalpotential des Fe3+|Fe2+-Paares, da der
Wenn man in größerem Umfang Tit- Quotient [Fe2+]/[Fe3+] an diesem Punkt den Wert 1 hat. In dieser Titration hängt die
rationskurven berechnen muss, sollte Zellspannung an jedem Punkt nur vom Verhältnis der Reaktionsteilnehmer ab, ihre
man ein Tabellenkalkulationspro- Konzentrationen tauchen bei diesem Beispiel in keiner Berechnung auf. Wir erwarten
gramm mit einem allgemeineren Glei- deshalb, dass die Kurve in Abbildung 15.2 unabhängig von der Verdünnung ist. Wir
chungssystem als das hier benutzte sollten die gleiche Kurve erhalten, wenn beide Reaktanten um den Faktor 10 verdünnt
verwenden.7 Die Ergänzung bei www. werden.
whfreeman.com/qca erklärt dessen Für die Reaktion 15.1 verläuft die Titrationskurve in Abbildung 15.2 in der Nähe des
Verwendung zur Berechnung der Re- Äquivalenzpunkts symmetrisch, da die Stöchiometrie der Reaktion 1:1 ist. Abbildung 15.3
doxtitrationskurven. zeigt die Kurve, die für die Titration von Tl+ mit IO3– in 1.00 M HCl berechnet wurde.
IO3− + 2 Tl+ + 2Cl– + 6 H+ → ICl 2− + 2 Tl3+ + 3 H2O (15.13)
Die Form der Kurve in Abbildung 15.2 Diese Kurve ist nicht symmetrisch um den Äquivalenzpunkt, da die Stöchiometrie der
ist unabhängig von den Konzentrati- Reaktanten 2:1 und nicht 1:1 ist. Noch immer ist die Kurve in der Nähe des Äquivalenz-
onen des Analyten und des Titranten. punkts so steil, dass der Fehler vernachlässigbar ist, wenn die Mitte des steilen Teils als
Die Kurve ist wegen der 1:1-Stöchio- Endpunkt genommen wird. Versuch 15.1 liefert ein Beispiel für eine asymmetrische Titra-
metrie in der Nähe von VÄ symmet- tionskurve, deren Form auch vom pH des Reaktionsmediums abhängt.
risch. Die Spannungsänderung in der Nähe des Äquivalenzpunkts nimmt zu, wenn die
Differenz der E0-Werte der beiden Redox-Paare wächst. Je größer die Differenz der
E0-Werte ist, desto größer ist die Gleichgewichtskonstante der Titrationsreaktion. Bei
Abbildung 15.2 unterscheiden sich die beiden Halbzellen-Reaktionen 15.2 und 15.3 um
15.1 · Die Form der Redoxtitrationskurve 391

0.93 V und es ergibt sich ein großer Sprung am Äquivalenzpunkt der Titrationskurve. 1.0
Bei Abbildung 15.3 beträgt diese Differenz 0.47 V und der Sprung am Äquivalenzpunkt
ist kleiner.
0.9

IO3− + 2 Cl– + 6 H+ + 4 e– U ICl 2− + 3 H2O E0 = 1.24 V Äquivalenzpunkt

Tl3+ + 2 e– U Tl+ E0 = 0.77 V 0.8

Potential (V vs. S.C.E.)


Die besten Ergebnisse erhält man mit den stärksten Oxidations- und Reduktionsmitteln.
0.7
Für Säure-Base-Titrationen gilt ebenfalls, dass starke Säuren und Basen den größten
Sprung am Äquivalenzpunkt der Titration ergeben.
0.6
 Versuch 15.1
E + = E °(TI 3+ TI +)
Potentiometrische Titration von Fe2+ mit MnO4–
0.5
An dieser Reaktion werden verschiedene Prinzipien potentiometrischer Titrationen gezeigt:
1V
2 Ä
MnO–4 + 5 Fe2+ +8 H+ → Mn2+ +5 Fe3+ + 4 H2O (A)
Titrant Analyt 0.4
0 10 20 30 40 50 60 70
V IO– (mL)
Lösen Sie 0.60 g Fe(NH4)2(SO4)2 ∙ 6H2O (FM 392.13; 1.5 mmol) in 400 mL von 1 M H2SO4. Tit- 3

rieren Sie die gut gerührte Lösung mit 0.02 M KMnO4 (VÄ ≈ 15 mL) unter Verwendung einer
Abb. 15.3 Theoretische Kurve für die
Pt- und einer Kalomel-Elektrode und einem pH-Messgerät als Potentiometer. Vor Beginn Titration von 100 mL 0.010 0 M Tl+ mit
verbinden sie die beiden Eingänge miteinander und setzen die Millivolt-Skala auf Null. 0.010 0 M IO–3 in 1.00 M HCl. Der Äquiva-
Berechnen Sie vor dem Experiment einige Punkte der Titrationskurve. Dann vergleichen lenzpunkt bei 0.842 V liegt nicht im Zen-
Sie die theoretischen mit den experimentellen Ergebnissen. Beachten Sie auch die Überein- trum des steilen Teils der Kurve, da die
Stöchiometrie der Reaktion nicht 1:1 ist.
stimmung der visuellen und potentiometrischen Endpunkte.

Frage Kaliumpermanganat ist violett und alle anderen Spezies in dieser Titration sind
farblos (oder sehr schwach gefärbt). Welche Farbänderung ist am Äquivalenzpunkt zu er-
warten?

Zur Berechnung der theoretischen Kurve wurden folgende Halb-Reaktionen verwendet:

Fe3+ + e– U Fe2+ E0 = 0.68 V in 1 M H2SO4 (B)


MnO–4 + 8 H+ + 5 e– → Mn2++4 H2O E0 = 1.507 V (C)

Vor dem Äquivalenzpunkt entsprechen die Rechnungen denen im Abschnitt 15.1 für die
Titration von Fe2+ mit Ce4+, jedoch mit E0 = 0.68 V. Nach dem Äquivalenzpunkt finden Sie
das Potential mit der Reaktion C. Angenommen, Sie haben 0.400 L einer 3.75 mM Fe2+-
Lösung mit 0.020 0M KMnO4 titriert. Aus der Stöchiometrie der Reaktion A ergibt sich VÄ =
15 mL. Wenn 17 mL KMnO4 zugesetzt wurden, ist die Konzentration der Spezies in Reaktion
C [Mn2+] = 0.719 mM, [MnO–4] = 0.095 9 mM und [H+] = 0.959 M (bei Vernachlässigung der
kleinen Menge H+, die bei der Titration verbraucht wurde). Die Zellspannung lässt sich wie
folgt berechnen: 15
E = E+ - E(Kalomel)

⎡ ⎛ ⎡⎣Mn2+ ⎤⎦ ⎞⎤
= ⎢⎢1.507 − ⎟ ⎥ − 0.241
0.059 16
log⎜
⎜⎜ ⎡ 8 ⎟⎟ ⎥
5 MnO 4− ⎤⎦ ⎡⎣H+ ⎤⎦
⎣⎢ ⎝⎣ ⎠ ⎦⎥
⎡ ⎛ ⎞⎤
= ⎢1.507 − 0.059 16 log⎜ 7.19 ×10 −4 ⎟ ⎥ − 0.241
⎢ 5 ⎜ 9.59 ×10 −5 ) ( 0.959 )
8
⎟⎥
⎢⎣ ⎝( ⎠ ⎥⎦
= 1.254 V
Zur Berechnung der Spannung bei VÄ am Äquivalenzpunkt addieren wir die Nernst-Glei-
chungen für die Reaktionen B und C , so wie wir es für die Cer- und Eisen-Reaktionen im
Abschnitt 15.1 gemacht hatten. Vorher müssen wir aber die Permanganatgleichung mit 5
multiplizieren, damit wir die log-Terme addieren können:
⎛ ⎡Fe2+ ⎤ ⎞
E+ = 0.68 – 0.059 16 log⎜ ⎣ ⎦⎟
⎜ ⎡Fe3+ ⎤ ⎟
⎝⎣ ⎦⎠
392 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

⎡ ⎛ ⎡⎣Mn2+ ⎤⎦ ⎞⎤
5E+ = 5 ⎢⎢1.507 − ⎟⎥
0.059 16
log⎜
⎜⎜ ⎡ 8 ⎟⎟ ⎥
5 MnO −4 ⎦⎤ ⎣⎡H+ ⎦⎤
⎣⎢ ⎝⎣ ⎠ ⎦⎥

Addition der beiden Gleichungen


⎛ ⎡⎣Mn2+ ⎤⎦ ⎡⎣Fe2+ ⎤⎦ ⎞
6E+ = 8.215 - 0.059 16 log ⎜ ⎟ (D)
⎜⎜ ⎡ 8 ⎟⎟
MnO −4 ⎤⎦ ⎡⎣Fe3+ ⎤⎦ ⎡⎣H+ ⎤⎦
⎝⎣ ⎠

Aus der Stöchiometrie der Titrationsgleichung A folgt, dass am Äquivalenzpunkt gilt:


[Fe3+] = 5[Mn2+] und [Fe2+] = 5[MnO4–].

Setzt man das in Gleichung D ein, erhält man


⎛ ⎡⎣Mn2+ ⎤⎦ (5 ⎡⎣MnO 4− ⎤⎦ ⎞
⎜ ⎟
6E+ = 8.215 – 0.059 16 log ⎜ ⎟
( )
8
⎜ ⎡⎣MnO 4− ⎤⎦ 5 ⎡⎣Mn2+ ⎤⎦ ⎡⎣H+ ⎤⎦ ⎟
⎝ ⎠
⎛ ⎞
1 ⎟
= 8.215 – 0.059 16 log ⎜ (E)
⎜⎜ ⎡ + ⎤ ⎟⎟
8
H
⎝⎣ ⎦ ⎠
Nach Einsetzen der Wasserstoffionenkonzentration, die (400/415)(1M) = 0.964 beträgt, er-
halten wir
⎛ 1 ⎞
6E+ = 8.215 - 0.059 16 log ⎜ ⎟ ⇒ E+ = 1.368 V
⎜ ( 0.964 ) 8

⎝ ⎠
Die vorhergesagte Zellspannung bei VÄ beträgt E+ – E(Kalomel) = 1.368 – 0.241 = 1.127 V

15.2 Bestimmung des Endpunkts

Wie bei Säure-Base-Titrationen werden auch bei Redoxtitrationen Elektroden und Indi-
katoren zur Bestimmung des Endpunkts verwendet.

Redox-Indikatoren
Ein Redox-Indikator ist eine Verbindung, die ihre Farbe ändert, wenn sie von ihrer oxi-
dierten in die reduzierte Form übergeht. Der Indikator Ferroin ändert seine Farbe von
blassblau (fast farblos) nach rot.

3 2

N N
Fe(III) e Fe(II)
N N

3 3
Oxidiertes Ferroin Reduziertes Ferroin
(blassblau) (rot)
In(oxidiert) In(reduziert)

Zur Angabe des Potentialgebiets, in dem der Indikator seine Farbe ändert, schreiben wir
zunächst die Nernstsche Gleichung für den Indikator auf.

In(oxidiert) + n e- U In(reduziert)

⎛ ⎡In (reduziert)⎤ ⎞
log ⎜ ⎣ ⎦⎟
0.059 16
E = E0 – (15.14)
n ⎜ ⎡In (oxidiert) ⎤ ⎟
⎝⎣ ⎦⎠
15.2 · Bestimmung des Endpunkts 393

Wie bei Säure-Base-Indikatoren wird die Farbe von In(reduziert) beobachtet, falls
[In (reduziert)] 10

[In (oxidiert)] 1
und die Farbe von In(oxidiert) wird beobachtet, wenn
[In (reduziert)] 1

[In (oxidiert)] 10
Wenn man diese Quotienten in Gleichung 15.14 einsetzt, ergibt sich für die Farbände- Ein Redox-Indikator ändert seine Farbe
rung ein Bereich von in einem Bereich von ± (59/n) mV mit
dem Zentrum bei E0 des Indikators. n
⎛ 0.059 16 ⎞
E = ⎜ E0 ± ⎟ Volt ist die Elektronenzahl bei der Redoxre-
⎝ n ⎠ aktion des Indikators.
Für Ferroin mit E0 = 1.147 V (Tabelle 15.2) erwarten wir eine Farbänderung im ungefäh-
ren Bereich zwischen 1.088 bis 1.206 V (bezogen auf die Standard-Wasserstoffelektrode).
Bei einer gesättigten Kalomel-Elektrode, ergibt sich folgender Indikatorumschlagsbe-
reich

( ) ( )
Indikatorumschlags- Indikatorumschlagsbereich Abbildung 14.6 hilft für das Verständ-
bereich gegen Kalomel = gegen Standard-Wasser- – E0 (Kalomel) (15.15) nis von Gleichung 15.15.
Elektrode (S.C.E) stoffelektrode (S.H.E)
= (1.088 bis 1.209) – (–0.241)
= 0.847 bis 0.965 (gegen S.C.E.) Das Umschlagsgebiet des Indikators
muss im steilen Teil der Titrationskurve
Ferroin ist demnach ein guter Indikator für die Titrationen in den Abbildungen 15.2 liegen.
und 15.3.
Je größer der Unterschied in den Standardpotentialen zwischen Titrant und Analyt
ist, desto steiler ist der Sprung in der Titrationskurve am Äquivalenzpunkt. Eine Redox-
titration ist im Allgemeinen dann durchführbar, wenn der Unterschied zwischen Analyt
und Titrant ≥ 0.2 V beträgt. Der Endpunkt für eine solche Titration ist aber nicht sehr
scharf und wird am besten potentiometrisch detektiert. Wenn die Differenz in den For-
malpotentialen ≥ 0.4 V beträgt, gibt auch ein Redox-Indikator einen zufriedenstellenden
Endpunkt.

Tabelle 15.2 Redox-Indikatoren

Indikator Farbe
15
oxidiert reduziert E0

Phenosafranin rot farblos 0.28

Indigotetrasulfonat blau farblos 0.36

Methylenblau blau farblos 0.53

Diphenylamin violett farblos 0.75

4’-Ethoxy-2,4-diaminoazobenzen gelb rot 0.76

Diphenylaminsulfonsäure rot-violett farblos 0.85

Diphenylbenzidinsulfonsäure violett farblos 0.87

Tris(2,2’-bipyridin)eisen blassblau rot 1.120

Tris(1,10-phenanthrolin)eisen (Ferroin) blassblau rot 1.147

Tris(5-nitro-1,10-phenanthrolin)eisen blassblau rot-violett 1.25

Tris(2,2’-bipyridin)ruthenium blassblau gelb 1.29


394 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

Gran-Darstellung
Mit der Versuchsanordnung in Abbildung 15.1 messen wir das Elektrodenpotential E in
Abhängigkeit vom Titrantvolumen V während der Redoxtitration. Der Endpunkt liegt
beim Maximum der ersten Ableitung der Titrationskurve, ΔE/ΔV, oder beim Nulldurch-
gang der zweiten Ableitung, Δ(ΔE/ΔV)/ΔV (Abbildung 10.5).
Ein genaueres Verfahren zur Auswertung der potentiometrischen Daten ist mit
einem Gran-Plot8,9 möglich, der schon bei Säure-Base-Titrationen im Abschnitt 10.5 an-
gewendet wurde. Beim Gran-Plot werden Werte zur Bestimmung des Äquivalenzpunkts
(VÄ) benutzt, die weit vor diesem Punkt liegen. Potentiometrische Daten, die dicht bei
VÄ liegen, sind am ungenauesten, da sich die Elektroden sehr langsam mit den Spezies in
der Lösung ins Gleichgewicht setzen, wenn ein Partner des Redox-Paars fast verbraucht
Die Konstante 0.059 16 V ist (RT ln10)/ worden ist.
nF, mit der Gaskonstanten R, der Tem-
Für die Oxidation von Fe2+ zu Fe3+ beträgt das Potential vor VÄ
peratur T = 298.15 K, der Faraday-Kon-
stante F und der Zahl n der Elektronen ⎡ ⎛ ⎡Fe2 + ⎤ ⎞ ⎤
in der Fe2+|Fe3+-Redoxreaktion (n = 1). E = ⎢ E 0´ − 0.059 16 log ⎜ ⎣ 3 + ⎦ ⎟ ⎥ − ERef (15.16)
⎢ ⎜ ⎡Fe ⎤ ⎟ ⎥
Bei T ≠ 298.15 K oder n ≠ 1 ändert sich ⎣ ⎝⎣ ⎦ ⎠⎦
die Zahl 0.059 16.
mit dem Formalpotential für Fe3+|Fe2+, E 0´, und dem Potential der Referenzelektrode,
ERef (das wir auch als E- bezeichnet haben). Während der Titration besteht bis zum
1.25 Äquivalenzpunkt zwischen dem Verhältnis [Fe2+]/[Fe3+] und den Volumina die Bezie-
hung [Fe2+]/[Fe3+] = (VÄ–V)/V, wobei V das Titrantvolumen ist. Nach Einsetzen dieser
y = –1.567 x 10 –11 x + 2.170 x 10–10
Beziehung in Gleichung 15.16 und einigen Umformungen erhalten wir die lineare
1.00 Gleichung

V × 10 −nE /0.059 16 = VÄ × 10
( )
− n ERef − E 0´ /0.059 16
− V × 10
( )
n ERef − E 0´ /0.059 16
(15.17)
    
1010 · V · 10–E/0.059 16

y b x m
0.75

mit n, der Zahl der Elektronen in der Reaktion an der Indikatorelektrode.

0.50 Beim Auftragen von V × 10−nE /0.059 16 gegen V erhält man eine Gerade mit dem Abszissen-
abschnitt VÄ (Abbildung 15.4). Bei konstanter Ionenstärke sind die Aktivitätskoeffizienten
konstant und Gleichung 15.17 ergibt eine Gerade über einen großen Volumenbereich.
Wenn sich die Ionenstärke bei der Titrantzugabe ändert, werden nur die letzten 10–20 %
0.25
Abszissenabschnitt der Daten vor VÄ verwendet.
= 13.85 mL

0.00
6 7 8 9 10 11 12 13 14 Der Iod-Stärke-Komplex
V (mL)
Zahlreiche analytische Verfahren beruhen auf Redoxtitrationen, bei denen Iod be-
Abb. 15.4 Gran-Plot für die Titration
teiligt ist. Für solche Verfahren ist Stärke10 der Indikator der Wahl, da sie mit Iod
von Fe2+ mit Ce4+ in der Übung 15-D.8 sehr intensiv blaufarbige Komplexe bildet. Stärke ist kein Redoxindikator, da sie nur
Die Gerade wurde für die vier kreisför- spezifisch auf die Anwesenheit von I2 anspricht, aber nicht auf die Veränderung eines
mig gezeichneten Punkte angepasst. In Redoxpotentials.
der Funktion auf der Ordinate ist n = 1. Der aktive Teil der Stärke ist Amylose, ein Polymer des Zuckers α-D-Glucose, mit der
Die Zahlenwerte wurden zur besseren
Darstellung mit 1010 multipliziert. Diese
in Abbildung 15.5 gezeigten Baugruppe. Das Polymer liegt als spiralförmige Helix vor, in
Multiplikation verändert den Abszissen- die kleine Moleküle hineinpassen. Bei Gegenwart von Stärke bildet Iod im Inneren der
abschnitt nicht. Amylose-Helix I6-Ketten und die Lösung färbt sich dunkelblau.
I∙∙I∙∙I∙∙I∙∙I∙∙I
Da Stärke leicht biologisch abgebaut wird, sollte die Lösung entweder stets frisch her-
gestellt werden oder sie sollte ein Konservierungsmittel, wie HgI2 (~ 1mg/100 mL) oder
Thymol, enthalten. Ein Hydrolyseprodukt der Stärke ist das Reduktionsmittel Glucose.
Deshalb kann eine teilweise hydrolysierte Stärke-Lösung eine Fehlerquelle bei Redoxtit-
rationen sein.
15.3 · Einstellung des Oxidationszustands des Analyten 395

O
O O

O
O I O

O O

O
O
O I
O
O O

O
O
O I O

O O

O
O
H O I
CH2OH O
O O
O
H O
O
O I O
H H O
O
O

HO O
HO
O O I
H
a b c

Abb. 15.5 a) Struktur der Baugruppe von Amylose. b) Schematische Struktur des Stärke-Iod-Komple-
xes. Die Amylose-Kette bildet eine Helix um die I6-Einheit. [A. T. Calabrese und A. Khan,“Amylose-
Iodine Complex Formation with KI: Evidence for Absence of Iodide Ions within the Complex“, J. Poly-
mer Sci. 1999, A37, 2711.] c) Blick durch die Stärke-Helix zeigt Iod im Inneren10. [Abbildung freundli-
cherweise zur Verfügung gestellt von R. D. Hancock, Power Engineering, Salt Lake City.]

15.3 Einstellung des Oxidationszustands des Analyten

Manchmal ist es notwendig, den Oxidationszustand des Analyten vor der Titration fest-
zulegen. So kann z. B. Mn2+ zu MnO−4 voroxidiert und erst dann mit der Standardlösung
von Fe2+ titriert werden. Eine solche Reaktion muss quantitativ verlaufen und es muss
auch möglich sein, den Überschuss des dazu verwendeten Reagenzes zu beseitigen, so
dass dieses bei der nachfolgenden Titration nicht stört.

Voroxidation
Viele starke Oxidationsmittel können nach der Voroxidation leicht entfernt werden.
Peroxodisulfat (S2O28 −, auch Persulfat genannt) ist ein starkes Oxidationsmittel, das Ag+ als
Katalysator benötigt.
15
S2O82 − + Ag + → SO24− + SO−4 + Ag 2 +

zwei sehr starke
Oxidationsmittel

Das überschüssige Reagenz kann durch Kochen der Lösung nach der vollständigen Oxi-
dation des Analyten entfernt werden.
2 S2O82 − + 2 H2O ⎯⎯⎯
Kochen
→ 4 SO24− + O2 + 4 H +

Die S2O28 −/Ag+-Mischung wird verwendet, um Mn2+zu MnO−4 , Ce3+zu Ce4+, Cr3+zu Cr2O27 −
und VO2+zu VO2+ zu oxidieren.
Silber(II)oxid (AgO) ist in konzentrierten Mineralsäuren löslich und ergibt Ag2+ mit
einer Oxidationskraft, die der S2O28 −/Ag+-Kombination ähnelt. Überschüssiges Ag2+ kann
durch Kochen beseitigt werden:
4 Ag 2 + + 2 H2O ⎯⎯⎯
Kochen
→ 4 Ag + + O2 + 4 H +
Festes Natriumbismutat (NaBiO3) hat ebenfalls eine Oxidationsstärke, die Ag2+ und
S2O28 −ähnelt. Der Überschuss des festen Oxidationsmittels wird durch Filtration abge-
trennt.
396 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

Bei einer Disproportionierung wird Wasserstoffperoxid ist in alkalischer Lösung ein gutes Oxidationsmittel. Es kann Co2+
ein Reaktant in Produkte mit höherer zu Co3+, Fe2+ zu Fe3+ und Mn2+ zu MnO2 umwandeln. In saurer Lösung kann es Cr2O72– zu
und niedrigerer Oxidationsstufe um- Cr3+ und MnO−4 zu Mn2+ reduzieren. Überschüssiges H2O2 disproportioniert spontan in
gewandelt. Der Reaktant reduziert und kochendem Wasser.
oxidiert sich selbst.
2H2O2 ⎯⎯⎯
Kochen
→ O2 + 2H2O
Frage Formulieren Sie eine Halbzellen-
reaktion, in der H2O2 als ein Oxidati-
onsmittel wirkt und eine Halbzellen- Vorreduktion
reaktion, in der es als Reduktionsmittel
wirkt. Zinn(II)chlorid (SnCl2) reduziert in heißer HCl Fe3+ zu Fe2+. Ein Überschuss des Redukti-
onsmittels wird durch Zugabe von überschüssigem HgCl2 zerstört:
Sn2 + + 2HgCl 2 → Sn 4 + + Hg 2Cl 2 + 2Cl −

Fe2+ wird dann mit einem Oxidationsmittel titriert.

Chrom(II)chlorid ist ein starkes Reduktionsmittel, das manchmal zur Vorreduktion des
Analyten in eine niedrigere Oxidationsstufe verwendet wird. Ein Überschuss an Cr2+
wird durch Luftsauerstoff oxidiert. Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff sind milde Re-
duktionsmittel, die nach der vollständigen Reduktion durch Kochen einer sauren Lösung
Analyt-
lösung vertrieben werden können.
Bei einer sehr wichtigen Technik zur Vorreduktion wird eine Säule benutzt, die mit
einem festen Reduktionsmittel gefüllt ist. Abbildung 15.6 zeigt den Jones-Reduktor, der
Zink, welches mit Zinkamalgam bedeckt ist, enthält. Ein Amalgam ist die Lösung eines
Stoffs in Quecksilber. Dieses Amalgam wird durch 10-minütiges Mischen von Zinkgra-
nalien mit 2 Gew% wässrigem HgCl2 hergestellt, das anschließend mit Wasser gewaschen
wird. Eine Probe von Fe3+ kann zu Fe2+ reduziert werden, indem man die Lösung durch
Festes
Reduktions- den Jones-Reduktor gibt und 1 M H2SO4 als Lösungsmittel verwendet. Die Säule wird gut
mittel mit Wasser gewaschen und die vereinigten Waschlösungen werden dann mit Standardlö-
sungen von MnO−4 , Ce4+ oder Cr2O27 − titriert. Man bestimmt zunächst den Blindwert, in-
dem eine Lösung durch den Reduktor gegeben wird, die alle Bestandteile mit Ausnahme
Sinterglas-
des Analyten enthält.
Scheibe Die meisten reduzierten Analyte werden durch Luftsauerstoff leicht rückoxidiert. Um
diese Oxidation zu vermeiden, wird der reduzierte Analyt in einer Lösung von überschüs-
sigem Fe3+ gesammelt. Die Eisen(III)-Ionen werden sofort zu Fe2+ reduziert, welches in
saurer Lösung stabil ist. Dann wird dieses Fe2+ mit einem Oxidationsmittel titriert. Auf
diese Weise können Elemente, wie Cr, Ti, V und Mo indirekt bestimmt werden.
Zink ist ein kräftiges Reduktionsmittel mit E0 = –0.764 V für die Reaktion Zn2+ +
– U Zn(s), so dass der Jones-Reduktor nicht sehr selektiv ist. Selektiver ist der Walden-
2e
reduzierter
Analyt Reduktor, der mit festem Ag und 1 M HCl gefüllt ist. Das Reduktionspotential für das
Silber-Silberchlorid-Paar (0.222 V) ist hoch genug, dass Teilchen, wie Cr3+ und TiO2+
Abb. 15.6 Eine Säule, die mit einem fes- nicht reduziert werden und deshalb bei einer Analyse von Fe3+ nicht stören. Ein anderer
ten Reagenz zur Vorreduktion des Analy- selektiver Reduktor ist mit Cadmium-Metallgranalien gefüllt. Bei der Bestimmung von
ten gefüllt ist, heißt Reduktor. Stickstoffoxiden zur Kontrolle der Luftverschmutzung11 werden die Gase zunächst in
NO3− umgewandelt, welches allerdings nicht einfach zu analysieren ist. Wenn Nitrat durch
eine mit Cadmium gefüllte Säule läuft, wird es zu NO2− reduziert, für welches eine gute
spektralphotometrische Methode zur Verfügung steht.

15.4 Oxidation mit Kaliumpermanganat

Kaliumpermanganat (KMnO4) ist ein starkes Oxidationsmittel mit einer intensiv violetten
Färbung. In stark saurer Lösung (pH ≤ 1) wird es zum farblosen Mn2+ reduziert.
MnO−4 + 8 H+ + 5 e– U Mn2+ + 4 H2O E0 = 1.507 V
In neutraler oder alkalischer Lösung ist das Reaktionsprodukt der braune Feststoff Man-
gandioxid, MnO2.
15.4 · Oxidation mit Kaliumpermanganat 397

MnO−4 + 4 H+ + 3 e– U MnO2(s) + 2 H2O E0 = 1.692V

In sehr stark alkalischer Lösung (2 M NaOH) wird das grüne Manganat-Ion gebildet.

MnO−4 + e– U MnO24− E0 = 0.56V

Repräsentative Titrationen mit Permanganat finden Sie in Tabelle 15.3. Bei Titrationen in KMnO4 dient in saurer Lösung als sein
stark saurer Lösung dient KMnO4 selbst als Indikator, weil das Reaktionsprodukt (Mn2+) eigener Indikator.
farblos ist (Farbtafel 7). Als Endpunkt wird die erstmalig bleibende Rosafärbung von
MnO−4 gewählt. Wenn der Titrant für eine Erkennung zu verdünnt ist, wird ein Indikator
wie Ferroin verwendet.

Herstellung und Standardisierung


Kaliumpermanganat ist kein primärer Standard (oder Urtiter), weil stets Spuren von KMnO4 ist kein primärer Standard.
MnO2 vorhanden sind. Außerdem enthält destilliertes Wasser genügend organische
Verunreinigungen, um das frisch gelöste MnO−4 zu MnO2 zu reduzieren. Zur Herstel-
lung einer 0.02 M Stammlösung wird KMnO4 in destilliertem Wasser gelöst, 1 h zum
Sieden erhitzt, um die Reaktion zwischen MnO−4 und organischen Verunreinigungen zu
beschleunigen, und durch eine saubere Sinterglas-Fritte zur Entfernung des ausgefällten
MnO2 filtriert. Filterpapier (organische Substanz!) darf nie verwendet werden. Die Lö-

Tabelle 15.3 Analytische Anwendungen von Permanganat-Titrationen

Analysierte Spezies Oxidationsreaktion Bemerkungen

Fe2+ Fe2+ U Fe3+ + e– Fe3+ wird zu Fe2+ mit Sn2+ oder einem Jones- Reduktor reduziert. Die
Titration wird in 1 M H2SO4 oder 1 M HCl durchgeführt, die Mn2+, H3PO4
und H2SO4 enthalten. Mn2+ inhibiert die Oxidation von Cl- durch MnO–4.
H3PO4 komplexiert Fe3+, um die Bildung von gelben Fe3+-Chlorokom-
plexen zu verhindern.

H2C2O4 H2C2O4 U2 CO2 + 2 H+ + 2 e– Zugabe von 95 % des Titranten bei 25 °C, vollständige Titration dann
bei 55 bis 60 °C.

Br- Br– U ½ Br2(g) + e– Titration in siedender 2 M H2SO4 zur Entfernung von Br2(g).

H2O2 H2O2 U O2(g) + 2 H+ + 2e– Titration in 1 M H2SO4.

HNO2 HNO2 + H2O U NO3– + 3 H++ 2 e– Zugabe von überschüssigem Standard-KMnO4 und Rücktitration mit
Fe2+ nach 15 min bei 40 °C.

As3+ H3AsO3 + H2O U H3AsO4 + 2 H+ + 2 e– Titration in 1 M HCl mit KI- oder ICl- Katalysatoren. 15
Sb3+ H3SbO3 + H2O U H3AsO4 + 2 H+ + 2e– Titration in 2 M HCl.

3+
Mo Mo3+ +2 H2O U MoO22+ + 4 H+ + 3 e– Reduktion der Probe im Jones-Reduktor. Umsetzung des gebildeten Mo3+
mit überschüssigem Fe3+ in 1 M H2SO4. Titration des gebildeten Fe2+.

W3+ W3+ + 2 H2O U WO22+ + 4 H+ + 3 e– Reduktion der Probe mit Pb(Hg) bei 50 °C und Titration in 1 M HCl.

U4+ U4+ + 2 H2O U UO22+ + 4 H+ + 2e– Reduktion der Probe zu U3+ im Jones-Reduktor. Luftoxidation zur Bil-
dung von U4+, das in 1 M H2SO4 titriert wird.

Ti3+ Ti3+ + H2O U TiO2+ + 2 H+ + e– Reduktion der Probe zu Ti3+ im Jones-Reduktor. Umsetzung des gebildeten
Ti3+ mit überschüssigem Fe3+ in 1 M H2SO4. Titration des gebildeten Fe2+.

Mg2+,Ca2+, Sr2+, Ba2+,Zn2+, Co2+, H2C2O4 U 2 CO2 + 2 H+ + 2e– Ausfällung des Metalloxalats, Auflösung in Säure und Titration von
La3+, Th4+, Pb2+, Ce3+, BiO+, Ag+ H2C2O4.

S2O82– S2O82– + 2 Fe2+ + 2 H+ U 2 Fe3+ + 2 HSO4– Peroxodisulfat zu überschüssigem Standard-Fe2+ in H3PO4 geben.
Nichtumgesetztes Fe2+ mit MnO4– titrieren.

PO43– Mo3+ + 2H2O U MoO22– + 4 H+ + 3e– Ausfällung von (NH4)3PO4 . 12MoO3 und Auflösung in H2SO4. Reduktion
von Mo(VI) (wie oben) und Titration.
398 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

sung wird in einer dunklen Glasflasche aufbewahrt. Wässriges KMnO4 ist auf Grund der
folgenden Reaktion instabil:
4 MnO−4 + 2 H2O → 4 MnO2 (s ) + 3 O2 + 4 OH −
Diese Reaktion verläuft bei Abwesenheit von MnO2, Mn2+, Wärme, Licht, Säuren und
Basen langsam. Für genaue Messungen muss die Permanganat-Lösung häufig kalibriert
werden. Verdünnte Lösungen werden jeweils frisch aus der 0.02 M Stammlösung herge-
stellt (man verwendet Wasser, das aus einer alkalischen KMnO4-Lösung destilliert wurde)
und erneut kalibriert.
Kaliumpermanganat kann durch Titration von Natriumoxalat (Na2C2O4) oder von
reinem elektrolytischen Eisendraht standardisiert werden. Trockenes (2 h, 105 °C) Natrium-
oxalat (erhältlich in 99.9–99.95 reiner Form) wird in 1 M H2SO4 gelöst und mit 90 bis 95 %
der erforderlichen KMnO4-Lösung bei Zimmertemperatur behandelt. Die Lösung wird
dann auf 55–60 °C erwärmt und die Titration durch langsame Zugabe von KMnO4 vervoll-
ständigt. Ein Blindwert wird abgezogen, um die Menge des Titranten (gewöhnlich ein Trop-
fen), der zur Erzeugung einer Rosafärbung der Lösung erforderlich ist, zu berücksichtigen.
Wenn reiner Eisendraht als Standard benutzt wird, löst man diesen in warmer 1.5 M
H2SO4 unter Stickstoff auf. Man erhält Fe2+ und die abgekühlte Lösung kann zur Standar-
disierung von KMnO4 (oder anderer Oxidationsmittel) ohne besondere Vorsichtsmaß-
nahmen verwendet werden. Ein Zusatz von 5 mL 86 Gew% Phosphorsäure pro 100 mL
Lösung maskiert die gelbe Farbe von Fe3+ und erlaubt eine bessere Erkennung des End-
punkts. Eisen(II)ammoniumsulfat, Fe(NH4)2(SO4)2 ∙ 6H2O und Eisen(II)ethylendiammo-
niumsulfat, Fe(H3NCH2CH2NH3)(SO4)2 ∙ 2H2O sind für die meisten Zwecke als Standard
genügend rein.

15.5 Oxidation mit Ce4+

Die Reduktion von Ce4+ zu Ce3+ erfolgt in saurer Lösung in einer glatten Reaktion.
Wahrscheinlich existiert das Aqua-Ion, Ce(H2O)n4+, in diesen Lösungen nicht, da Cer mit
den Gegenionen der Säuren (ClO−4 , SO24−, NO3−, Cl–) eine Vielzahl von Komplexen bilden
kann. Ein Hinweis auf diese Wechselwirkungen ist die Abhängigkeit des Ce4+⏐Ce3+-
Formalpotentials vom Medium:
⎧ 1.70 V in 1 F HClO4
Die verschiedenen Formalpotentiale ⎪ 1.61 V in 1 F HNO
zeigen, dass in jeder Lösung andere Ce4+ + e– U Ce3+ Formalpotential ⎨ 3

Teilchenarten von Cer vorliegen. ⎪ 1.47 V in 1 F HCl


⎩ 1.44 V in 1 F H2SO4
Ce4+ ist gelb und Ce3+ farblos, doch die Farbänderung ist für Indikatorzwecke nicht deut-
lich genug. Ferroin und andere substituierte Phenanthrolin-Redoxindikatoren (Tabelle
15.2) sind für Titrationen mit Ce4+ gut geeignet.
Bei den meisten Redoxverfahren kann Ce4+ anstelle von KMnO4 verwendet werden.
Bei der Oszillierungsreaktion im Versuch 14.1 oxidiert Ce4+ Malonsäure zu CO2 und
Ameisensäure:
CH2(COOH)2 + 2 H2O + 6 Ce4+ → 2 CO2 + HCOOH + 6 Ce3+ + 6 H+
Malonsäure Ameisensäure

Diese Reaktion kann auch für die quantitative Analyse der Malonsäure verwendet wer-
den, indem man die Probe in 4 M HClO4 mit überschüssiger Standard-Ce4+-Lösung
erhitzt und das nicht umgesetzte Ce4+ mit Fe2+ zurücktitriert. Ähnliche Vorschriften gibt
es für viele Alkohole, Aldehyde, Ketone und Carbonsäuren.

Herstellung und Standardisierung


(NH4)2(Ce(NO3)6, Ammoniumhexanitratocerat(IV), ein primärer Standard, kann in 1 M
H2SO4 aufgelöst und direkt verwendet werden. Obwohl die Oxidationsstärke von Ce4+ in
15.6 · Oxidation mit Kaliumdichromat 399

HClO4 oder HNO3 größer ist, tritt in diesen Lösungen eine langsame photochemische
Zersetzung bei gleichzeitiger Oxidation von Wasser ein. In H2SO4 ist Ce4+ unbegrenzt
haltbar, trotz der Tatsache, dass das Reduktionspotential von 1.44 V groß genug ist, um
H2O zu O2 zu oxidieren. Die Reaktion mit Wasser ist langsam, obwohl sie thermodyna-
misch möglich ist. Lösungen in HCl sind nicht stabil, da Cl- zu Cl2 oxidiert wird (beson-
ders schnell, wenn die Lösung heiß ist). Schwefelsaure Lösungen von Ce4+ können zur
Titration unbekannter Substanzen in HCl verwendet werden, da die Reaktion mit dem
Analyten schnell, dagegen die mit Cl- langsam abläuft. Auch weniger teure Salze, z. B.
Ce(HSO4)4, (NH4)4Ce(SO4)4 . 2H2O und CeO2 . xH2O (auch als Ce(OH)4 bezeichnet),
sind für die Herstellung von Titrationslösungen geeignet, die dann mit Na2C2O4 oder Fe
kalibriert werden müssen, wie das für MnO−4 beschrieben wurde.

15.6 Oxidation mit Kaliumdichromat

In saurer Lösung ist das orangefarbene Dichromation ein kräftiges Oxidationsmittel, das Chrom(VI)-Abfälle sind kanzerogen
zu Chrom(III)-Ionen, Cr3+, reduziert wird: und dürfen nicht in das Abwasser
gegeben werden. Siehe auf Seite 38
Cr2O27 −+ 14 H+ + 6 e– U 2 Cr3+ + 7 H2O E0 = 1.36 V
eine Entsorgungsmethode.
In 1 M HCl ist das Formalpotential gerade 1.00 V und in 2 M H2SO4 beträgt es 1.11 V.
So ist Dichromat ein weniger kräftiges Oxidationsmittel als MnO−4 oder Ce4+. In basischer
Lösung wird Cr2O27 − in das gelbe Chromation (CrO24−) umgewandelt, dessen Oxidations-
kraft unbedeutend ist:
CrO24−+ 4 H2O + 3 e– U Cr(OH)3(s,hydratisiert) + 5 OH– E0 = –0.12 V
Kaliumdichromat, K2Cr2O7, ist ein primärer Standard, seine Lösungen sind stabil und O3S NH NH SO3
es ist billig. Da Cr2O27 − orange ist und die Komplexe des Cr3+ Farben von grün bis violett Diphenylbenzidinsulfonat (reduzierte Form, farblos)
haben, werden Indikatoren mit deutlichen Farbänderungen benötigt. Diphenylamin-
sulfonsäure oder Diphenylbenzidinsulfonsäure werden zur Endpunktbestimmung bei
Dichromat-Titrationen benutzt. Natürlich kann die Reaktion auch mit einer Platin- und
einer Kalomel-Elektrode verfolgt werden. O3S N N SO3
Kaliumdichromat ist ein nicht so starkes Oxidationsmittel wie KMnO4 oder Ce4+. Es Diphenylbenzidinsulfonat (oxidierte Form, violett)
wird hauptsächlich zur Bestimmung von Fe2+ und indirekt für die Bestimmung vieler 2H 2e
Stoffe, die Fe2+ zu Fe3+ oxidieren, verwendet. Bei der indirekten Analyse wird die unbe-
kannte Menge mit einem abgemessenen Überschuss von Fe2+ versetzt und danach das
nichtumgesetzte Fe2+ mit K2Cr2O7 titriert. Zu den auf diese Weise bestimmbaren Spezies
gehören ClO3−, NO3−, MnO−4 und organische Peroxide. Exkurs 15.2 beschreibt die Verwen-
dung von Dichromat in der Analytik der Wasserverschmutzung.

15
Exkurs 15.2

Bestimmung von Kohlenstoff und des Der Gesamtkohlenstoff (total carbon, TC) ist die Summe von TOC
Sauerstoffbedarfs in der Umweltanalytik und AC.
Trinkwasser- und Industrieabwasserströme werden unter ande- Unterschiedliche Oxidationsmethoden liefern unterschiedli-
rem auf der Basis ihres Kohlenstoffgehalts und des Sauerstoffbe- che TOC-Werte, da nicht alle organischen Stoffe mit jeder Technik
darfs charakterisiert und kontrolliert.12 Anorganischer Kohlenstoff oxidiert werden. Beim gegenwärtigen Stand der Technik wird der
(AC) ist das CO2(g), das beim Ansäuern mit H3PO4 auf pH < 2 TOC-Wert als Ergebnis einer bestimmten Methode angegeben.
und Austreiben mit Ar oder N2 freigesetzt wird. Dieser Wert ent- Kommerzielle Instrumente, die den TOC-Wert durch thermi-
spricht dem CO32– und HCO3– in der Probe. Nach Entfernung des sche Oxidation ermitteln, haben Nachweisgrenzen von 4–50 ppb
anorganischen Kohlenstoffs ergibt sich der gesamte organische (4–50 μg C/L). In einer 20 μL-Wasserprobe kann in 3 min durch
Kohlenstoff (total organic carbon) (TOC) durch die Menge von Messung der Infrarotabsorption CO2 bestimmt werden. Bei ande-
CO2, die bei einer vollständigen Oxidation bei hoher Temperatur ren Geräten wird die organische Substanz durch Bestrahlung einer
gebildet wird: Suspension eines festen TiO2-Katalysators (0.2 g/L) in der auf pH 3.5
gebrachten Probe mit UV-Licht oxidiert.13 Die Strahlung erzeugt
TOC-Analyse: organischer Kohlenstoff ⎯⎯⎯⎯
O /700 °C
2
→ CO2 Elektron-Loch-Paare (Abschnitt 14.8) im TiO2. In den Löchern wird
Metallkatalysator
400 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

Exkurs 15.2

H2O zu Hydoxylradikalen (HO∙) oxidiert, die als kräftiges Oxidations- Beim biochemischen Sauerstoffbedarf (BSB) wird der für den
mittel organischen Kohlenstoff in CO2 umwandeln, das durch die biochemischen Abbau organischer Stoffe durch Mikroorganis-
elektrische Leitfähigkeit der Kohlensäure bestimmt wird.14 Farbtafel men erforderliche Sauerstoff bestimmt. Für das Verfahren wird
8 zeigt eine Apparatur, in der K2S2O8 in saurer Lösung einer UV- ein luftdicht verschlossener Container für das Abwasser benötigt.
Strahlung ausgesetzt wird, wobei Sulfat-Radikale (∙SO–4) entstehen, Innerhalb von fünf Tagen metabolisieren zugesetzte Mikroben
die organische Stoffe in CO2 umwandeln. (Reines TiO2 absorbiert im Dunklen bei 20 °C die organischen Stoffe im Abwasser. Der
kaum sichtbares Licht, so dass Sonnenlicht nicht effektiv genutzt gelöste Sauerstoff wird vor und nach der Inkubation gemessen.
werden kann. Bei Dotierung von TiO2 mit ~1 Gew% C erhöht sich Die Differenz ist der BSB.17 Dabei werden allerdings auch Teilchen,
die Effektivität des sichtbaren Lichts beträchtlich.15) wie HS- und Fe2+, die im Wasser enthalten sein können, bestimmt.
Zugesetzte Inhibitoren verhindern die Oxidation von Stickstoff-
hν Die von TiO2 absorbierte
UV-Strahlung erzeugt ein
verbindungen, wie z. B. NH3. Es besteht großer Bedarf für eine
Elektron-Loch-Paar. Das Schnellmethode zur Bestimmung einer dem BSB entsprechenden
Loch oxidiert H2O zum Größe. Dieses Ziel könnte erreicht werden, wenn Ferricyanid
HO • + H+
starken Oxidationsmittel (Fe(CN)63–) anstelle von O2 für die Elektronenaufnahme beim bak-
e− h+
HO∙. Das Elektron reduziert teriellen Abbau der organischen Stoffe verwendet wird. Ferricya-
H2O O2 in einer Kette von Reak-
tionen zu H2O. TiO2 ist der
nid benötigt nur 3 Stunden und die Ergebnisse sind ähnlich wie
H2O
Katalysator und O2 wird in die des fünftägigen Standardverfahrens.18
der Reaktion: organischer Gebundener Stickstoff umfasst alle Stickstoffverbindungen,
TiO2 Kohlenstoff + O2 → CO2 außer N2, die in Wasser gelöst sind. Die in Abschnitt 10.8 beschrie-
O2
verbraucht. bene Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl eignet sich vorzüglich für
Der TOC-Wert wird bestimmt, um die Einhaltung der Entsor- Amine und Amide, versagt aber bei vielen anderen Bindungsfor-
gungsverordnungen zu kontrollieren. Kommunale und indust- men von Stickstoff. Eine Verbrennung kann die meisten Formen des
rielle Abwässer haben gewöhnlich TOC-Werte > 1 mg C/mL. Der Stickstoffs in wässrigen Proben in NO umwandeln, welches nach
TOC von Leitungswasser beträgt 50–500 ng C/mL. Das hochreine Reaktion mit Ozon durch Chemilumineszenz bestimmt wird:19
Wasser für die Elektronik-Industrie hat einen TOC < 1 ng C/mL.
Bestimmung des gebundenen Stickstoffs:
Der gesamte (totale) Sauerstoffbedarf (TSB) gibt an, wie viel O2
O / ~ 1 000 °C,
zur vollständigen Verbrennung von Schadstoffen in einem Ab- Stickstoffverbindungen ⎯⎯⎯⎯⎯→
2
NO
Katalysator
wasserstrom benötigt wird. Ein N2-Volumen mit einer bekannten
Menge O2 wird mit der Probe gemischt und eine vollständige NO + O3 → NO2*
Verbrennung durchgeführt. Das verbleibende O2 wird mit einem (angeregter Zustand) + O2

potentiometrischen Sensor bestimmt. Die verschiedenen Spezies


NO2*→ NO2 + hν
im Abwasser verbrauchen unterschiedliche Sauerstoffmengen. (charakteristische Lichtemission)
So verbraucht z. B. Harnstoff fünfmal so viel O2 wie Ameisensäure.
Auch Verbindungen, wie NH3 und H2S verbrauchen Sauerstoff. Azide (N3–) und Hydrazine (RNHNH2) werden durch Verbrennung
Schadstoffe können mit Dichromat (Cr2O72–) durch Kochen am nicht quantitativ in NO umgewandelt. Die Bestimmung des
Rückfluss oxidiert werden. Der chemische Sauerstoffbedarf (CSB) gebundenen Stickstoffs dient zur Kontrolle der Einhaltung von
wird definiert als die Sauerstoffmenge, die dem in dieser Reak- Abwassereinleitungsvorschriften.
tion verbrauchten Cr2O72–entspricht. Da jedes Cr2O72– 6 Elektronen
verbraucht, um 2 Cr3+ zu bilden, und da jedes O2-Molekül 4 e- ver-
braucht (wobei H2O entsteht), ist in der Berechnung 1 mol Cr2O72–
chemisch 1.5 mol O2 äquivalent. CSB-Bestimmungen werden durch-
geführt, indem das verunreinigte Wasser 2 h mit überschüssigem
Standard-Cr2O72– in schwefelsaurer Lösung mit etwas Ag+-Katalysator
am Rückfluss erhitzt wird. Das nichtumgesetzte Cr2O72– wird dann
durch Titration mit Standard-Fe2+ oder durch Spektralphotometrie
bestimmt. Bei vielen Genehmigungsverfahren in der Industrie spielt
die CSB-Bestimmung im Abwasser eine wichtige Rolle. Neben dem
CSB wird auch die „Oxidierbarkeit“ zur Wasserbeurteilung herange- Mit TiO2 gemischtes PVC vor Nach zwanzigtägiger
zogen. Sie wird durch zehnminütiges Rückfluss-Kochen des Wassers der Bestrahlung Bestrahlung
mit KMnO4 in saurer Lösung bestimmt. Jedes MnO–4-Ion verbraucht
Dazu eine „grüne Idee“: TiO2 kann dem Kunststoff Polyvinylchlorid
5 Elektronen und ist chemisch äquivalent mit 1.25 O2. Elektrochemi-
(PVC) zugesetzt werden, so dass der Kunststoff durch Sonnenlicht
sche Methoden auf der Basis der Photooxidation mit TiO2 könnten abgebaut wird.16 Gewöhnliches, weggeworfenes PVC hält sich in den
das umständliche Kochen am Rückfluss mit Dichromat oder Perman- Deponien viele Jahre. Mit TiO2 gemischtes PVC zersetzt sich in kurzer
ganat ersetzen. Aufgabe 16-21 beschreibt eine bewährte Methode. Zeit. [Dank an H. Hidaka und S. Horikoshi, Meisei University, Tokio.]
15.7 · Methoden unter Verwendung von Iod 401

15.7 Methoden unter Verwendung von Iod

Wenn ein reduzierender Analyt direkt mit Iod umgesetzt wird (wobei I- entsteht), nennt Iodimetrie: Titration mit Iod
man diese Methode Iodimetrie. Bei der Iodometrie wird der oxidierende Analyt zu einem Iodometrie: Titration von Iod, das in
Überschuss von I- gegeben, wobei Iod entsteht, das dann mit einer Standard-Thiosulfat- einer chemischen Reaktion gebildet
lösung zurücktitriert wird. wurde
Molekulares Iod ist in Wasser nur wenig löslich (1.3 × 10–3 M bei 20 °C, seine Löslich-
keit wird aber durch eine Komplexbildung mit Iodid erhöht.
Eine aus 1.5 mM I2 und 1.5 mM KI in
I2(aq) + I– U I3− K = 7 × 102
Wasser hergestellte Lösung enthält20
Iod Iodid Triiodid
0.9 mM I2, 0.9 mM I–, 0.6 mM I3–, 5 μM I5–,
I3–
Eine 0.05 M Lösung von für Titrationen wird durch Auflösen von 0.12 mol KI plus 40 nM I62–, 0.3 μM HOI
0.05 mol I2 in 1 L Wasser hergestellt. Wenn wir von Iod als Titrant sprechen, meinen wir
fast immer eine Lösung von I2 im Überschuss von I–.

Verwendung von Stärke als Indikator


Eine Alternative zur Verwendung von
Wie in Abschnitt 15.2 beschrieben, wird Stärke als Indikator für Iod verwendet. In einer Stärke ist die Zugabe einiger Milliliter
Lösung, in der sich keine anderen farbigen Teilchen befinden, kann man die Farbe von p-Xylen in die gut gerührte Titrationslö-
∼5 μM I3– erkennen. Mit Stärke wird die Nachweisgrenze um den Faktor 10 verbessert. sung. Nach jeder Reagenzzugabe wird
Bei der Iodimetrie (Titration mit I3–) wird die Stärke zu Beginn der Titration zugesetzt. in der Nähe des Endpunkts das Rühren
Der erste Tropfen von überschüssigem I3– nach dem Äquivalenzpunkt bewirkt die Farbän- unterbrochen und die Farbe der orga-
derung nach dunkelblau. nischen Phase betrachtet. I2 ist 400-mal
Bei der Iodometrie (Titration von I3–) ist während der Reaktion bis zum Äquivalenz- leichter in p-Xylen als in Wasser löslich
punkt I3– vorhanden. Deshalb darf die Stärke erst unmittelbar vor dem Äquivalenzpunkt und somit ist seine Farbe in der organi-
zugesetzt werden (den man visuell durch Verblassen von I3– erkennen kann, Farbtafel 9), schen Phase leichter erkennbar.21
sonst würde auch nach dem Äquivalenzpunkt ein Teil des Iods an der Stärke gebunden
bleiben.
Die Komplexbildung zwischen Stärke und Iod ist temperaturabhängig. Bei 50 °C hat
die Farbe gegenüber 25 °C nur ein Zehntel der Intensität. Für eine maximale Empfindlich- Das toxische I2 hat einen beträchtli-
keit empfiehlt sich eine Abkühlung mit Eiswasser.22 Organische Lösungsmittel verringern chen Dampfdruck über festem I2 und
die Affinität des Iods zur Stärke und verschlechtern die Verwendbarkeit dieses Indikators wässrigen Lösungen von I3–. Deshalb
deutlich. müssen Gefäße, die I2 oder I3– enthal-
ten, geschlossen sein und im Abzug
aufbewahrt werden. Verbrauchte I3–-Lö-
Herstellung und Standardisierung von I–3-Lösungen sungen dürfen nicht im offenen Labor
in den Ausguss gekippt werden.
Triiodid (I3–) wird durch Auflösung von festem I2 in überschüssigem KI hergestellt. Für
einen primären Standard ist sublimiertes I2 rein genug, es wird aber selten als Standard HOI: hypoiodige Säure 15
verwendet, weil es während des Wägens verdampfen kann. Deshalb wird eine ungefähre IO3–: Iodat
Menge von Iod schnell eingewogen und die Lösung von I3– wird mit einer bekannten
Menge des Analyten oder mit Na2S2O3 standardisiert. Eine besonders bewährte Methode zur
Saure Lösungen von I3– sind instabil, weil der Überschuss I– leicht an Luft oxidiert Herstellung einer Standardlösung von
wird: I3– besteht in der Einwaage von reinem
6 I− + O2 + 4 H + → 2 I3− + 2 H2O Kaliumiodat und Zugabe eines kleinen
Überschusses von KI.23 Bei Zusatz über-
In neutraler Lösung ist in der Kälte und bei Abwesenheit von Licht und Metallionen die schüssiger starker Säure (um pH ≈ 1 zu
Luftoxidation zu vernachlässigen. Bei pH-Werten ≥ 11 disproportioniert Triiodid zu hy- erreichen) entsteht I3– durch quantitative
poiodiger Säure, Iodat und Iodid. Synproportionierung:
IO–3 + 8 I– + 6 H+ U 3 I3– + 3 H2O (15.18)
Synproportionierung: Reaktion von zwei
Eine frisch angesäuerte Lösung aus Iodat plus Iodid kann zur Standardisierung von Thio- Stoffen, die ein Element in einer niedrigen
sulfat verwendet werden. Das I3–-Reagenz muss sofort benutzt werden, sonst wird es durch und einer hohen Oxidationsstufe enthalten
Luft oxidiert. Ein Nachteil von KIO3 ist seine niedrige Molekülmasse im Vergleich zu der und ein Produkt mit einer mittleren Oxida-
Zahl der Elektronen, die es aufnimmt. Das führt zu einem unerwünschten relativen Wä- tionsstufe des Elements ergeben, häufig
gefehler bei der Lösungsherstellung. auch als Komproportionierung bezeichnet.
402 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

Verwendung von Natriumthiosulfat


Natriumthiosulfat ist ein nahezu universeller Titrant für Triiodid. In neutraler oder saurer
Lösung oxidiert Triiodid Thiosulfat zu Tetrathionat:
O O
I3 2S2O32 3I O S S S S O (15.19)
O O
Thiosulfat Tetrathionat

Der wasserfreie primäre Standard In basischer Lösung disproportioniert I3– zu I– und HOI, welches Thiosulfat zu Sulfat oxi-
Na2S2O3 kann aus dem Pentahydrat diert. Die Reaktion 15.19 sollte unterhalb von pH 9 durchgeführt werden. Die Handels-
hergestellt werden.24 form von Thiosulfat, Na2S2O3 ∙ 5 H2O, ist für einen primären Standard nicht rein genug.
Deshalb wird Thiosulfat gewöhnlich durch Reaktion mit einer frischen Lösung von I3– aus
KIO3 plus KI eingestellt.
Eine stabile Lösung von Na2S2O3 kann durch Auflösung in hochreinem, ausgekoch-
tem destilliertem Wasser hergestellt werden. Gelöstes CO2 macht die Lösung schwach
sauer und fördert die Disproportionierung von S2O23 −:
S2O23 − + H+ U HSO–3 + S(s) (15.20)
und Metallionen katalysieren die Oxidation von Thiosulfat durch Luftsauerstoff:
2Cu 2 + + 2S2O32 − → 2Cu + + S 4O62 −
2Cu + + 12 O2 + 2H + → 2Cu 2 + + H2O
Thiosulfatlösungen sollten im Dunklen aufbewahrt werden. Zugabe von 0.1 g Natrium-
carbonat pro Liter hält den pH in einem für die Stabilität der Lösung optimalen Bereich.

Tabelle 15.4 Titrationen mit Triiodid-Standardlösungen (iodimetrische Titrationen)

Analysierte Spezies Oxidationsreaktion Bemerkungen

As3+ H3AsO3 + H2O U H3AsO4 + 2 H+ +2 e– direkte Titration in NaHCO3-Lösung mit I3–

Sn2+ SnCl42– + 2 Cl– U SnCl62– + 2 e– Sn(IV) wird mit Pb- oder Ni-Granalien in 1 M HCl zu Sn(II) reduziert und
dann bei Sauerstoffabwesenheit titriert

N2H4 N2H4 U N2 + 4 H+ +4 e– Titration in NaHCO3-Lösung

SO2 SO2 + H2O U H2SO3 Die Probe aus SO2 (oder H2SO3, HSO3– oder SO2–
3 ) wird in verdünnter Säu-
H2SO3 + H2O U SO42– + 4 H+ + 2 e– re zu überschüssigem Standard I3– gegeben. Nicht umgesetztes I3– wird
mit Standard-Thiosulfat zurücktitriert.

H2S H2S U S(s) + 2 e– H2S wird zu überschüssigem I3– in 1 M HCl gegeben und mit Thiosulfat
zurücktitriert

Zn2+, Cd2+, Hg2+, M2+ + H2S U MS(s) + 2 H+ Das Metallsufid wird gefällt und ausgewaschen. Nach Auflösung in 3 M
Pb2+ MS(s) U M2+ + S + 2 e– HCl mit überschüssigem Standard-I3– wird mit Thiosulfat zurücktitriert

Cystein, Gluthathi- 2 RSH U RSSR + 2H+ + 2 e– Die Sulfhydrylverbindung wird bei pH 4–5 mit I3– tiriert
on, Thioglycolsäure,
Mercaptoethanol

HCN I2 + HCH U ICN + I– + H+ Titration in Carbonat-Bicarbonatpuffer mit p-Xylen als Extraktionsindi-


kator

H2C=O H2C=O + 3 OH– U HCOO– + 2 H2O + 2 e– Zusatz von überschüssigem I3– plus NaOH zur Probe. Nach 5 min Zusatz
von HCl und Rücktitration mit Thiosulfat

Glucose (und an- O Zusatz von überschüssigem I3– plus NaOH zur Probe. Nach 5 min Zusatz
dere reduzierende von HCl und Rücktitration mit Thiosulfat
Zucker) RCH 3OH RCO 2 2H 2O 2e

Ascorbinsäure Ascorbat + H2O U Dehydroascorbat + 2 H+ + 2 e– Direkttitration mit I3

H3PO3 H3PO3 +H2O U H3PO4 + 2 H+ + 2 e– Titration in NaHCO3-Lösung


15.7 · Methoden unter Verwendung von Iod 403

Drei Tropfen Chloroform sollten in jede Flasche mit Thiosulfatlösung gegeben werden,
damit das Bakterienwachstum verhindert wird. Eine saure Thiosulfatlösung ist nicht sta-
bil, das Reagenz kann aber zur Titration von I3– in saurer Lösung verwendet werden, da
die Reaktion mit Triiodid schneller als die Reaktion 15.20 ist.

Analytische Anwendungen von Iod


Reduzierende Stoffe können direkt mit Standard-I3– in Gegenwart von Stärke titriert Reduktionsmittel + I3– → 3 I–
werden, bis der intensive blaue Iod-Stärke-Endpunkt zu erkennen ist (Tabelle 15.4). Ein
Beispiel ist die iodimetrische Bestimmung von Vitamin C.
OH
OH
HO O
O O
I3 H2O O 3I 2H
HO OH O
HOOH OH
Ascorbinsäure Dehydroascorbin-
(Vitamin C) säure25

Oxidationsmittel können mit einem Iodid-Überschuss behandelt werden, wobei I3– ent- Oxidationsmittel + 3 I– → I3–
steht (Tabelle 15.5, Exkurs 15.3). Die iodometrische Analyse wird durch Titration des
freigesetzten I3– mit Standard-Thiosulfat komplettiert. Stärke wird erst kurz vor dem End-
punkt zugesetzt.

Tabelle 15.5 Titration von I3–, das durch den Analyten gebildet wurde (iodometrische Titrationen)

Analysierte Spezies Reaktion Bemerkungen

Cl2 Cl2 + 3 U 2I– Cl– + I3– Reaktion in verdünnter Säure.

HOCl HOCl + H+ + 3I– U Cl– + I3– + H2O Reaktion in 0.5 M H2SO4

Br2 Br2 +3 I– U 2 Br– + I3– Reaktion in verdünnter Säure

BrO3– BrO3– + 6 H+ + 9 I– U Br– + 3 I3– + 3 H2O Reaktion in 0.5 M H2SO4

IO3– 2 IO3– + 16 I– + 12 H+ U 6 I3– + 6 H2O Reaktion in 0.5 M HCl

IO4– 2 IO4– + 22 I– + 16 H+ U 8 I3– + 8 H2O Reaktion in 0.5 M HCl

O2 O2+4 Mn(OH)2 + 2H2O U 4 Mn(OH)3 Die Probe wird mit Mn2+, NaOH und KI behandelt. Sie wird nach
2 Mn(OH)3 + 6 H+ + 3I– U 2 Mn2+ + I3– + 6 H2O 1 min mit H2SO4 angesäuert und I3– dann titriert

H2O2 H2O2 + 3 I– + 2 H+ U I3– + 2 H2O Reaktion in 1 M H2SO4 mit NH4MoO3-Katalysator


15
a
O3 O3 + 3 I– + 2 H+ U O2 + I3– + H2O O3 wird durch neutrales 2 Gew% KI geleitet. Nach Zusatz von H2SO4
wird titriert.
NO2– 2 HNO2 + 2 H+ + 3 I– U 2 NO + I3– + 2 H2O Vor der Titration des I3– wird das Stickstoffoxid mit Hilfe von in der
Lösung erzeugten CO2-Blasen entfernt.
As5+ H3AsO4 + 2 H+ + 3 I– U H3AsO3 + I3– + H2O Reaktion in 5 M HCl

S2O82– S2O82– + 3I U2

SO42– + I3– Reaktion in neutraler Lösung. Dann wird angesäuert und titriert.

Cu2+ 2 Cu + 5 I U 2 CuI(s) +
2+ –
I3– NH4HF2 wird als Puffer verwendet

Fe(CN)63– 2 Fe(CN)63– + 3 U2
I– Fe(CN)64– + I3– Reaktion in 1 M HCl.

MnO4– 2 MnO4– + 16 H+ + 15 U 2I– Mn2+ + I3–


5 + 8 H2O Reaktion in 0.1 M HCl.

MnO2 MnO2(s) + 4 H+ + 3 I– U Mn2+ + I3– + 2 H2O Reaktion in 0.5 M H3PO4 oder HCl.

Cr2O72– Cr2O72– + 14 H+ + 9 I– U 2 Cr3++ 3 I3– + 7 H2O Zum vollständigen Ablauf benötigt die Reaktion in 0.4 M HCl 5 min.
Sie ist gegen Luftsauerstoff besonders empfindlich.
Ce4+ 2 Ce4+ + 3 I– U 2 Ce3+ + I3– Reaktion in 1 M H2SO4.

a
Der pH-Wert muss über 7 liegen, wenn Ozon in die Iodid-Lösung geleitet wird. In saurer Lösung liefert jedes O3 1.25 I3– statt 1 I3–. [N. V. Klassen, D. Marching-
ton und H. C. E. McGowan, Anal. Chem. 1994, 66, 2921.]
404 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

Exkurs 15.3

Iodometrische Analyse von Hochtemperatur- Die im Experiment A verbrauchte Stoffmenge S2O32– entspricht
Supraleitern der Stoffmenge Cu im Supraleiter. Der Unterschied im Thiosul-
Eine wichtige Anwendung der Supraleiter sind die gewalti- fat-Verbrauch zwischen Experimenten B und A ergibt den Cu3+-
gen Elektromagnete, die für die medizinische Bildgebung Gehalt. Aus dieser Differenz kann man den Wert von x in der
durch Magnetresonanz benötigt werden. Gewöhnliche Lei- Formel YBa2Cu3Ox bestimmen.29
ter in solchen Magneten erfordern eine ungeheure Menge Obwohl wir die Kationen- und Anionenladungen in der
an elektrischer Leistung. Da der elektrische Strom durch Formel YBa2Cu3O7 durch Einführung von Cu3+ in der Formel
einen Supraleiter ohne Widerstand fließt, kann, nachdem ausgleichen können, gibt es keinen Beweis für die Anwe-
der Stromfluss gestartet wurde, die Spannung von der elek- senheit einzelner Cu3+-Ionen im Kristall. Es gibt auch keinen
tromagnetischen Spule entfernt werden. Der Strom fließt Hinweis, dass ein Teil des Sauerstoffs in Form des Peroxids,
weiter und die Leistungsaufnahme ist Null, da der Wider- O22–, das auch die Kationen- und Anionenladungen ausglei-
stand Null ist. chen könnte, vorhanden ist. Die beste Beschreibung der
Ein Durchbruch in der Supraleitertechnologie ist mit der Valenzzustände im festen Kristall besteht in der Annahme von
Entdeckung26 des Yttrium-Barium-Kupferoxids, YBa2Cu3O7, delokalisierten Elektronen und Löchern in den Cu-O-Ebenen
verbunden, dessen Kristallstruktur hier gezeigt wird. Beim Er- und -Ketten. Dennoch gibt die formale Bestimmung von Cu3+
hitzen verliert dieser Stoff sehr leicht Sauerstoffatome aus dem und die Chemie der Gleichungen (1) bis (3) ziemlich genau
Cu-O-Ketten und es wird eine Zusammensetzung zwischen das Redoxverhalten von YBa2Cu3O7 wieder. Die Aufgabe 15.35
YBa2Cu3O7 und YBa2Cu3O6 beobachtet. beschreibt Titrationen, mit denen man getrennt die Oxidati-
Als die Hochtemperatur-Supraleiter entdeckt wurden, onszahlen von Cu und Bi in Supraleitern, wie Bi2Sr2(Ca0.8Y0.2)
war der Sauerstoffgehalt in der Formel YBa2Cu3Ox unbe- Cu2O8.295 bestimmen kann.
kannt. Die Oxidationsstufen in YBa2Cu3O7 sind sehr unge-
wöhnlich, da die normalen Oxidationsstufen von Yttrium
und Barium Y3+ und Ba2+ und die üblichen Oxidationsstufen
von Kupfer Cu2+ und Cu+ sind. Wenn das gesamte Kupfer
Cu2+ wäre, müsste die Formel des Supraleiters lauten (Y3+)
(Ba2+)2(Cu2+)3(O2–)6.5 mit einer Kationenladung von +13
und einer Anionenladung von –13. Die Zusammensetzung Cu–O Ketten
YBa2Cu3O7 erfordert Cu3+, eine sehr seltene Oxidationsstufe.
Formal kann YBa2Cu3O7 als (Y3+)(Ba2+)2(Cu2+)2(Cu3+)(O2–)7 mit
einer Kationenladung von +14 und einer Anionenladung von
–14 betrachtet werden.
Redoxtitrationen erwiesen sich als die zuverlässigste Me-
thode zur Bestimmung des Oxidationszustands von Kupfer und Cu–O Schichten
daraus lässt sich der Sauerstoffgehalt von YBa2Cu3Ox27 ableiten.
Bei der iodometrischen Methode werden zwei Experimente
durchgeführt.
Im Experiment A wird YBa2Cu3Ox in verdünnter Säure ge-
löst, wobei Cu3+ in Cu2+ umgewandelt wird. Zur Vereinfachung
schreiben wir die Gleichungen für die Formel YBa2Cu3O7, Sie
können aber auch Gleichungen aufschreiben für x ≠ 7.28
c
YBa2 Cu3 O7 + 13 H+ → Y3+ + 2 Ba2+ + 3 Cu2+ + 132 H2 O + 1
4 O2 (1)
b
Der Gesamtkupfergehalt wird durch Behandlung mit Iodid
bestimmt. a Y
Cu
2+ − −
Cu + 2.5 I → CuI(s ) + 1
2 I
3 (2)
Ba O
mit nachfolgender Titration des freigesetzten Triiodid mit Stan-
dard-Thiosulfat nach Reaktion 15.19. Jedes mol Cu in YBa2Cu3O7
Kristallstruktur von YBA2Cu3O7. Eindimensionale Cu–O-Ketten (far-
entspricht einem mol S2O32– bei Experiment A.
big dargestellt) laufen längs der kristallographischen b-Achse und
In Experiment B wird YBa2Cu3Ox in verdünnter Säure, die zweidimensionale Cu–O-Schichten liegen in der a-b-Ebene. Die
I– enthält, gelöst. Jedes mol Cu2+ gibt nach Reaktion (2) 0.5 mol Abgabe von Sauerstoffatomen farbig) aus den Ketten bei erhöhter
I–3 und jedes mol Cu3+ gibt liefert 1 mol I–3: Temperatur führt zur Bildung von YBa2Cu3O6. [G. F. Holland und A.
M. Stacy, „Physical Properties of the Quaternary Oxide Supercon-
Cu3+ + 4 I− → CuI(s ) + I3− (3) ductor YBa2Cu3Ox“, Acc. Chem Res. 1988, 21, 8.]
Übungen 405

Wichtige Begriffe
Amalgam > Disproportionierung > Redox-Indikator > Redoxtitration > Synproporti-
onierung > Vorreduktion > Voroxidation

Zusammenfassung
Redoxtitrationen beruhen auf Redoxreaktionen zwischen Analyt und Titrant. Manch-
mal ist eine quantitative chemische Voroxidation (mit Reagenzien wie S2O28 −, AgO,
NaBiO3 oder H2O2) oder Vorreduktion (mit Reagenzien wie SnCl2, CrCl2, SO2, H2S oder
in einer metallischen Reduktorkolonne) notwendig, um einen gewünschten Oxidations-
zustand des Analyten vor der Analyse einzustellen. Der Endpunkt einer Redoxtitration
wird im Allgemeinen mit einem Redox-Indikator oder durch Potentiometrie bestimmt.
Ein guter Indikator muss einen Umschlagsbereich von E0(Indikator) ± 0.059 16/n V
haben, der mit der abrupten Änderung des Potentials in der Titrationskurve zusam-
menfällt.
Je größer der Unterschied im Reduktionspotential zwischen Analyt und Titrant ist,
desto schärfer ist der Endpunkt. Die Plateaus vor und nach dem Äquivalenzpunkt liegen
in der Nähe von E0(Analyt) und E0(Titrant). Vor dem Äquivalenzpunkt wird die Halbzel-
lenreaktion des Analyten benutzt, um die Spannung zu ermitteln, da die Konzentrationen
sowohl der oxidierten wie der reduzierten Form des Analyten bekannt sind. Nach dem
Äquivalenzpunkt wird die Halbzellenreaktion des Titranten verwendet. Am Äquivalenz-
punkt werden beide Halbzellenreaktionen gemeinsam zur Ermittlung der Zellspannung
verwendet.
Zu den wichtigsten oxidierenden Titranten gehören KMnO4, Ce4+ und K2Cr2O7. Viele
Verfahren beruhen auf der Oxidation mit I3− oder der Titration von I3−, das in einer chemi-
schen Reaktion freigesetzt wurde.

Übungen
15-A. 20.0 mL einer Lösung von 0.005 00 M Sn2+ in 1 M HCl wurden mit 0.020 0 M Ce4+
titriert und es entstand Sn4+ und Ce3+. Berechnen Sie das Potential (gegen S.C.E.) bei fol-
genden Volumina von Ce4+: 0.100, 1.00, 5.00, 9.50, 10.00, 10.10 und 12.00 mL. Skizzieren
Sie die Titrationskurve.

15-B. Wäre Indigotetrasulfonat ein geeigneter Redox-Indikator für die Titration von
Fe(CN)64– mit Tl3+ in 1 M HCl? (Hinweis: Das Potential am Äquivalenzpunkt muss zwi-
schen den Potentialen der beiden Redoxpaare liegen.)

15-C. Berechnen Sie die Titrationskurve zum Versuch 15.1, bei dem 400 mL von 3.75 mM
Fe2+ mit 20 mM MnO4– am festgelegten pH 0.00 in Schwefelsäure titriert wurden. Berech-
nen Sie die Potentiale gegen S.C.E. bei den Titrantvolumina von 1.0, 7.5, 14.0, 15.0, 16.0
und 30.0 mL und zeichnen Sie die Titrationskurve. 15
15-D. Bei der Titration von 50.0 mL einer unbekannten Probe von Fe2+ mit 0.100 M Ce4+
bei 25 °C wurden in einer Messzelle mit Pt- und Kalomel-Elektrode die Werte der folgen-
den Tabelle erhalten.8 Fertigen Sie einen Gran-Plot an und entscheiden Sie, welche Werte
auf einer Geraden liegen. Bestimmen Sie den Abszissenabschnitt, der das Volumen am
Äquivalenzpunkt angibt. Berechnen Sie Molarität von Fe2+ in der Probe.

Titrantvolumen, V (mL) E (Volt)

6.50 0.635

8.50 0.651

10.50 0.669

11.50 0.680

12.50 0.696
406 Kapitel 15 · Redoxtitrationen

15-E. Ein festes Gemisch aus Eisen(II)-Ammoniumsulfat und Eisen(II)-Chlorid mit der
Masse 0.054 85 g wurde in 1 M H2SO4 gelöst. Bei der Titration wurden zur vollständigen
Oxidation von Fe2+ 13.39 mL einer 0.012 34 M Ce4+-Lösung benötigt. Berechnen Sie die
Gewichtsprozent Cl in der Probe.
FeSO4 ∙ (NH4)2SO4 ∙ 6H2O FeCl2 ∙ 6H2O
(FM 392.13) (FM 234.84)
16 Elektroanalytische
Methoden

Wie süß ist das denn!


Sie können die verschiedenen Zucker in ihrem Lieblingsgetränk ermitteln, indem die Zucker zunächst in einer stark basi-
schen Lösung durch Anionenaustauschchromatographie (Kapitel 25) getrennt und danach, wenn sie die Trennsäule verlas-
sen haben, mit einer Elektrode bestimmt werden.1 Die –OH-Gruppen der Zucker, wie z. B. der Fructose, deren Struktur in der
Abbildung gezeigt ist, dissoziieren teilweise in 0.1 M NaOH zu –O–-Anionen. Diese können in einer Säule mit fixierten po-
sitiven Ladungen voneinander getrennt werden. Nach der Säule werden die Zucker an einer Cu-Elektrode, deren Potential
gegen Ag|AgCl auf +0.55 V gehalten wird, oxidiert. Im Chromatogramm ist der Detektorstrom gegen die Zeit aufgetragen.
Jeder Zucker gibt einen Peak, dessen Fläche proportional zur Stoffmenge des Zuckers ist, welche die Säule verlässt.

Zuckerkonzentration (g/L)
Sorte Glucose Fructose Lactose Maltose
Budweiser (amerik.) 0.54 0.26 0.84 2.05
Bud Dry 0.14 0.29 0.46 –
Coca-Cola 45.1 68.4 – 1.04
Pepsi 44.0 42.9 – 1.06
Diät Pepsi 0.03 0.01 – –

a) Elektrochemischer Detektor
Chromatographie- zur Bestimmung von Zuckern in
Säule der Flüssigkeitschromatographie.
50 nA Die Zucker werden an der Cu-
12 Elektrode oxidiert, deren Poten-
Ag AgCl- 3
7 tial gegen eine Silber-Silberchlo-
Bezugs- 4 6
elektrode rid-Bezugselektrode eingestellt
wird. Die Reduktion (H2O + e– →
5 8
1/2 H2 +OH–) erfolgt an der
Ausgang Hilfselektrode aus Edelstahl. Es
wird der elektrische Strom zwi-
schen Cu und Stahl gemessen.
Detektorstromstärke

[Übernommen von Bioanalytical


Systems, West Lafayette, IN.] b)
Edelstahl-
4 5 Anionen-Austauschtrennung von
ausgangsarm
(Hilfselektrode) Zuckern in 0.1 M NaOH an einer 16
6 CarboPaC PA1-Säule. Das obere
Chromatogramm zeigt eine Stan-
HO OH
O dardmischung von (1) Fucose, (2)
H HO Methylglucose, (3) Arabinose, (4)
Flüssigkeits- H H Glucose, (5) Fructose, (6) Lactose,
fluss 3 HO H (7) Sucrose und (8) Cellobiose.
Fructose Das untere Chromatogramm
(Peak 5) stammt vom amerikanischen
Bud Dry Beer, das um den Faktor
100 verdünnt und durch eine
Kupfer-Arbeits- 0.45 μm-Membran zur Beseiti-
elektrode, an der gung von Schwebstoffen filtriert
die Zucker oxidiert
werden
wurde. [P. Luo, M. Z. Luo und R. P.
0 10 20
Baldwin, “Determination of Sug-
Zeit (min)
ars in Food Products“, J. Chem.
a b Ed. 1993, 70, 679.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
408 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

Die elektrolytische Gewinnung von Die vorherigen Kapitel haben sich mit der Potentiometrie beschäftigt, bei der die Span-
Aluminium nach dem Hall-Heroult- nung gemessen wurde, ohne dass ein wesentlicher Strom floss. Nun betrachten wir
Prozess verbraucht ~5 % der in den elektroanalytische Methoden, bei denen ein Stromfluss notwendig ist.3 Die Techniken in
Vereinigten Staaten erzeugten Elektro- diesem Kapitel beruhen alle auf der Elektrolyse, ein Vorgang, bei dem eine chemische Re-
energie! Al3+ wird in einer geschmol- aktion durch Anlegen einer Spannung an einer Elektrode erzwungen wird (Versuch 16.1).
zenen Lösung von Al2O3 und Kryolit Das in diesem Kapitel behandelte Blutzuckermessgerät zur häuslichen Selbstkontrolle des
(Na3AlF6) zu metallischem Aluminium Blutzuckerspiegels war im Jahr 2007 mit Verkaufserlösen von mehr als 3 × 109 $ in den
an einer Kathode reduziert, wobei ein USA die umsatzstärkste elektroanalytische Einzelanwendung.
Strom von 250 kA fließt. Dieses Verfah-
ren wurde im Jahre 1886 von Charles
Hall im Alter von 22 Jahren gerade 16.1 Grundlagen der Elektrolyse
nach Abschluss seiner Ausbildung am
Oberlin College entwickelt.2 Eine Kupfer- und eine Platin-Elektrode werden in eine Lösung von Cu2+ getaucht und
durch einen elektrischen Strom werden die Abscheidung von metallischem Kupfer an der
Kathode und die Entwicklung von Sauerstoff an der Anode erzwungen.
Kathode: Cu2+ + 2 e– U Cu(s)
Anode: H2O U ½ O2(g) + 2H+ + 2 e–
Gesamtreaktion Cu2+ + H2O U Cu(s) +½ O2(g) + 2H+ (16.1)
Abbildung 16.1 zeigt, wie man das Experiment durchführen kann. Das Potentiometer
misst die von der Spannungsquelle angelegte Spannung. Das Amperemeter misst die
Stärke des durch den Stromkreis fließenden Stroms.
Die Elektrode, an der die interessierende Reaktion abläuft, ist die Arbeitselektrode.
Bei Abbildung 16.1 sind wir an der Reduktion von Cu2+ interessiert, deshalb ist Cu die
Charles Martin Hall. (Courtesy of Alcoa.) Arbeitselektrode. Die andere Elektrode heißt Gegenelektrode. Wir übernehmen die Kon-
vention, dass ein Strom positiv ist, wenn an der Arbeitselektrode eine Reduktion erfolgt.

Übereinkunft: ein kathodischer Strom


ist positiv
+ –

variable
Spannungsquelle

Ammeter

– +
e–

e– Voltmeter Kathode
(Potentiometer) (Reduktion)
Pt

Cu

1
2 O2 + 2H+ + 2e– Cu2+ + 2e–

H2 O Cu(s)

Gegen- Arbeits-
elektrode elektrode

+ –
Abb. 16.1 Elektrolyse-Experiment. Die Stromversorgung ist eine veränderbare Spannungs-
quelle. Das Potentiometer misst die Spannung und das Amperemeter misst die Stromstärke.
16.1 · Grundlagen der Elektrolyse 409

Der Strom bestimmt die Reaktionsgeschwindigkeit


Wenn ein Strom der Stärke I während der Zeit t fließt, passiert die Ladungsmenge q jeden 1 Ampere ist ein elektrischer Strom
Punkt des Stromkreises von 1 Coulomb pro Sekunde.
1 Coulomb ist die Ladungsmenge von
Beziehung zwischen Ladungsmenge, q = I ⋅ t
(16.2) 6.241 5 × 1018 Elektronen
Stromstärke und Zeit:
Coulomb Ampere Sekunde

Die Stoffmenge von Elektronen beträgt Faraday-Konstante


Coulomb I ⋅t F = 9.648 5 × 104 C/mol
mol Elektronen = =
Coulomb/Mol F I ⋅t
mol Elektronen =
F
Wenn eine Reaktion n Elektronen pro Molekül erfordert, ist die in der Zeit t reagierende
Stoffmenge

Beziehung zwischen Stoffmenge, Stromstärke und Zeit:

I ⋅t
umgesetzte Stoffmenge in mol = (16.3)
nF

> Beispiel
Beziehung zwischen Stromstärke, Zeit und Stoffmenge bei einer Reaktion
Wenn ein Strom der Stromstärke 0.17 A 16 min durch die Zelle der Abbildung 16.1 fließt,
wie viel Gramm Cu(s) werden dann abgeschieden?

Lösung Zunächst berechnen wir die Stoffmenge an Elektronen, die durch die Zelle fließen:

⎛ C⎞ ⎛ s ⎞
⎜ 0.17 ⎟ (16 min) ⎜ 60 ⎟
− I ⋅t ⎝ s⎠ ⎝ min ⎠
mol e = = = 1.6 9 × 10 −3mol die (100) Kristallfläche hat
F ⎛ C ⎞ 1.53 × 1015 Atome/cm2
96 485 ⎜ ⎟
⎝ mol ⎠

Die kathodische Halbzellenreaktion benötigt 2 e– für jedes abgeschiedene Cu-Atom. Des-


halb gilt

mol Cu(s) = 1
2 (mol e − ) = 8.4 5 × 10 −4mol

Die Masse des abgeschiedenen Cu(s) beträgt (8.45 × 10–4 mol)(63 546 g/mol) = 0.054 g.

Selbstüberprüfung Eine Monoschicht (einzelne Schicht von Atomen) von Cu auf der auf
dem Rand gezeigten Kristallfläche hat 1.53 × 1015 Atome/cm2. Welcher Strom kann eine 0.361 nm
Schicht von Cu-Atomen auf 1 cm2 in 1 s abscheiden? (Antwort: 0.490 mA) kubisch-flächenzentriertes Kristallgitter

 Versuch 16.1 16
4
Elektrochemisches Schreiben
Ungefähr 7 % der in den Vereinigten Staaten erzeugten Elektroenergie wird in der
elektrochemischen Produktion verbraucht. Die unten gezeigte Elektrolyseapparatur be-
steht aus einer Aluminiumfolie, die auf eine Glas- oder Holzfläche geklebt oder gekittet
wurde. Obwohl die Größe keine Rolle spielt, ist eine Fläche von etwa 15 cm auf jeder
Seite für einen Demonstrationsversuch besonders geeignet. Auf die Metallfolie wird nur
an einer Ecke eine Schicht aus Filterpapier, Schreibmaschinenpapier und einem zweiten
Blatt Filterpapier befestigt. Nun wird eine Art Stift aus einem Stück Kupferdraht (Durch-
messer ca.1 mm) hergestellt, der am Ende eine Schleife bildet und durch ein Glasrohr
geführt wurde.
Dann wird eine Lösung aus 1.6 g KI, 20 mL Wasser, 5 mL einer 1 Gew% wässrigen Stär-
kelösung und 5 mL Phenolphthalein hergestellt. (Wenn sich die Lösung beim Stehen nach
einigen Tagen dunkel färbt, kann sie durch Zugabe einiger Tropfen von verdünnter Na2S2O3
wieder entfärbt werden.) Die drei Papierschichten werden nun mit der KI-Stärke-Phenolph-
410 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

~12 V DC
Krokodil-
Holz klemme

Filter-
papier
Folie
Klebeband

Papierlagen
Glas
oder
Holz

Draht- Glas- Papier


stift rohr
Metall-
folie
Frontansicht Seitenansicht

thalein-Lösung getränkt. Nun werden der Schreibstift und die Folie mit einer 12 V-Gleich-
stromspannungsquelle verbunden und man schreibt mit dem Stift auf das Papier.
Wenn der Stift die Kathode ist, entsteht eine rosa Färbung aufgrund der Reaktion von
OH– mit Phenolphthalein:

Kathode: H2 O + e− → 1
2 H2 (g ) + OH−

Wenn die Polarität umgekehrt wird und der Stift die Anode ist, erscheint eine schwarze
(sehr dunkelblaue) Farbe aus der Reaktion von I2 mit Stärke:

Anode: I− → 1
I + e−
2 2

Nehmen Sie nun das obere Filterpapierblatt und das Schreibmaschinenpapier weg und Sie
werden feststellen, dass auf dem unteren Filterpapier die Schrift in der anderen Farbe ent-
standen ist (Farbtafel 10).

Bei Stromfluss ändert sich die Spannung


Die Abbildung 16.1 wurde mit den gleichen Übereinkünften gezeichnet wie die Abbil-
dungen 13.4 und 13.6. Die Kathode, an der die Reduktion erfolgt, steht auf der rechten
Seite der Abbildung. Der positive Anschluss des Potentiometers ist auf der rechten
Seite.
Wenn der elektrische Strom vernachlässigbar ist, ist die Zellspannung
E = E(Kathode) – E(Anode) (16.4)
Um die Gleichung E = E(Kathode) –
E(Anode) zu verwenden, müssen beide Im Kapitel 13 haben wir geschrieben E = E+ – E–, wobei E+ das Potential der mit dem
Reaktionen als Reduktionen geschrie- positiven Potentiometeranschluss verbundenen Elektrode und E– das Potential der mit
ben werden. E(Kathode) – E(Anode) ist dem negativen Anschluss verbundenen Elektrode war. Gleichung 16.4 ist äquivalent mit
die Spannung bei offenem Stromkreis. E = E+ – E–. Die Polarität des Potentiometers in Abbildung 16.4 ist die gleiche wie in den
Sie entspricht der Zellspannung, wenn Abbildungen 13.4 und 13.6. Bei einer Elektrolyse kommen die Elektronen vom negativen
der zwischen Kathode und Anode flie- Anschluss der Stromversorgung in die Kathode der Elektrolysezelle. E(Kathode) ist das
ßende Strom vernachlässigbar ist. Potential der Elektrode, die mit dem negativen Anschluss der Stromversorgung verbun-
den ist und E(Anode) das Potential der Elektrode, die mit dem positiven Anschluss der
Stromversorgung verbunden ist.
Wenn wir für Reaktion 16.1 die Konzentrationen 0.20 M Cu2+ und 1.0 M H+ sowie
eine Sauerstoffentwicklung mit einem Druck von 1.0 bar annehmen, ergibt sich

⎧ ⎛ 1 ⎞⎫ ⎧ ⎛ ⎞⎫
⎪ 0.059 16 ⎟ ⎬⎪ − ⎪ 0.059 16 1 ⎟⎪
E = ⎨0.339 − log ⎜ ⎨1.229 − log ⎜
2 ⎜ ⎡ Cu 2+
⎤ ⎟ 2 ⎜
⎜ P ⎡H + ⎤
2 ⎟⎟ ⎬
⎩⎪ ⎦ ⎠ ⎭⎪ ⎪ ⎪
1/2
⎝⎣ ⎩ ⎝ O ⎣ ⎦ 2 ⎠⎭
E(Kathode) E(Anode)
16.1 · Grundlagen der Elektrolyse 411

⎧⎪ ⎛ 1 ⎞ ⎫⎪ ⎧ ⎛ ⎞ ⎪⎫
0.059 16 ⎪ 0.059 16 1
E = ⎨0.339 − log ⎜ ⎟ − ⎨1.229 − log ⎜ ⎟⎬
⎜ ⎡0.20 ⎤ ⎟ ⎬ ⎜ 1/2 2
⎟⎪
⎝ (1.0) ⎡⎣1.0 ⎤⎦
⎪⎩ 2 ⎝⎣ ⎦ ⎠ ⎪⎭ ⎪⎩ 2
⎠⎭
= 0.318 – 1.229 = –0.911 V
Diese Spannung würde man am Potentiometer in Abbildung 16.1 ablesen, wenn der Änderung der freien Enthalpie für die
Stromfluss vernachlässigbar ist. Das Potential ist negativ, da der positive Anschluss des Reaktion 16.1:
Potentiometers mit der negativen Seite der Spannungsversorgung verbunden ist. Die auf ΔG = –nFE = –nF(–0.911 V)
dem Rand dieser Seite berechnete Änderung der freien Enthalpie ist positiv, denn die = –(2)(96 485 C/mol)(–0.991 V)
Reaktion läuft nicht freiwillig ab. Wir benötigen den Stromanschluss, damit die Reaktion = + 1.76 × 105 C∙V/mol
ablaufen kann. Wenn der Stromfluss nicht zu vernachlässigen ist, können Überspannung, = + 1.76 × 105 J/mol = 176 kJ/mol
Ohmsches Potential und Konzentrationspolarisation die erforderliche Spannung für den Beachten Sie: C × V = J
Ablauf der Reaktion verändern.
Überspannung ist die Spannung, die zur Überwindung der Aktivierungsenergie
für die Reaktion an einer Elektrode erforderlich ist (Abbildung 16.2).5 Je schneller die
Reaktion ablaufen soll, desto größer ist die anzulegende Überspannung. Der elektrische
Strom bestimmt die Geschwindigkeit des Elektronentransfers. Anwendung einer größe-
ren Überspannung ergibt eine höhere Stromdichte (Stromstärke pro Flächeneinheit der
Elektrodenoberfläche, A/m2). Die Tabelle 16.1 zeigt, dass die Überspannung zur Wasser-
stoffentwicklung an einer Cu-Oberfläche von 0.479 auf 1.254 V erhöht werden muss, da-
mit die Stromdichte von 10 A/m2 auf 10 000 A/m2 ansteigt. Die Aktivierungsenergie hängt
von der Art der Oberfläche ab. H2 entwickelt sich an einer Pt-Oberfläche bei einer kleinen
Überspannung, während eine Hg-Oberfläche eine Überspannung von ~1 V benötigt, um
die Reaktion zu ermöglichen.
Das Ohmsche Potential ist die Spannung, die notwendig ist, um den elektrischen Wi-
derstand, R, der Lösung in der Zelle zu überwinden, wenn ein Strom der Stärke, I, fließt:
Ohmsches Potential: Eohm = I × R (16.5)
Wenn die Zelle einen Widerstand von 2 Ohm hat und ein Strom von 20 mA fließt, beträgt Der Widerstand wird in Ohm gemes-
die Spannung zur Überwindung dieses Widerstands E = (2Ω)(20mA) = 0.040 V. sen. Das Symbol ist der griechische
Eine Konzentrationspolarisation tritt ein, wenn die Konzentrationen der Reaktanten Buchstabe Omega Ω.
oder Produkte an der Elektrodenoberfläche und im Inneren der Lösung verschieden sind.
Für Reaktion 16.1 sollte die Nernst-Gleichung deshalb geschrieben werden

0.059 16 ⎛ 1 ⎞
E(Kathode) = 0.339 − log ⎜ ⎟, Die Elektroden sprechen auf die
2 ⎜ ⎡Cu 2 + ⎤ ⎟ Konzentrationen der Reaktanten und
⎝⎣ ⎦ OF ⎠
Produkte an, die sich in unmittelbarer
wobei [Cu2+]OF die Konzentration in der Lösung an der Oberfläche der Elektrode ist. Wenn Elektrodennähe befinden und nicht
die Reduktion von Cu2+ schnell abläuft, kann [Cu2+]OF sehr klein sein, da Cu2+ nicht so auf die Konzentrationen im Inneren
schnell zur Elektrode diffundieren kann wie es verbraucht wird. Wenn [Cu2+]OF abnimmt, der Lösung (im Bulk).
wird E(Kathode) negativer. Bei Änderung von [Cu2+]OF von 0.2 M
auf 2 μM, ändert sich E(Kathode) von
0.318 auf 0.170 V. 16
verringerte
Energie des Elektrons, Aktivierungs-
das auf H3O+ energie
H
übertragen wird e– +
H O
H
e– + e– H
Freie Enthalpie

Elektrode
Elektrode

H O
H
Energie des Elektrons in der Abb. 16.2 a) Schema des Profils der
Aktivierungsenergie Metallelektrode nach Anlegung Freien Enthalpie für die Elektronen-
für den Elektronen- der Überspannung
übertragung von einem Metall auf H3O+
transfer
unter Freisetzung von H2. b) Anlegung
eines Potentials an das Metall erhöht die
e– Ursprüngliche Energie
des Elektrons in der Energie der Elektronen im Metall und er-
Metallelektrode niedrigt die Aktivierungsenergie für den
a b Elektronentransfer.
412 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

Tabelle 16.1 Überspannung V für die Gasentwicklung bei verschiedenen Stromdichten (A/m2) bei 25 °C

10 A/m2 100 A/m2 1 000 A/m2 10 000 A/m2

Elektrode H2 O2 H2 O2 H2 O2 H2 O2

Platiniertes Platin 0.015 4 0.398 0.030 0 0.521 0.040 5 0.638 0.048 3 0.766

Glattes Platin 0.024 0.721 0.068 0.85 0.288 1.28 0.676 1.49

Cu 0.479 0.422 0.584 0.580 0.801 0.660 1.254 0.793

Ag 0.475 1 0.580 0.761 8 0.729 0.874 9 0.984 1.089 0 1.131

Au 0.241 0.673 0.390 0.963 0.588 1.244 0.798 1.63

Graphit 0.599 5 0.778 8 0.977 4 1.220 0

Pb 0.52 1.090 1.179 1.262

Zn 0.716 0.746 1.064 2.29

Hg 0.9 1.0 1.1 1.1

Quelle: International Critical Tables, 1929, 6, 339. Dort finden Sie auch Werte für Cl2, Br2 und I2.

Überspannung, Ohmsches Potential und Konzentrationspolarisation erschweren die


Elektrolyse. Sie machen die Zellspannung negativer und erfordern eine höhere Spannung
aus der Stromversorgung in Abbildung 16.1, um die Reaktion voranzutreiben.

E = E(Kathode) – E(Anode) – IR – Überspannungen (16.6)



Diese Größen enthalten die
Einflüsse der Konzentrationspolarisation

Konzentrationspolarisation und Überspannung können sowohl an der Kathode und an


der Anode auftreten.

> Beispiel
Einfluss von Ohmschen Potential, Überspannung und Konzentrations-
polarisation
Es soll I– zu I–3 bei PH2 = 1.00 bar in einer 0.10 M Kl-Lösung, die 3.0 × 10–5 M I–3 bei pH = 10
enthält, elektrolysiert werden.

3 I− + 2 H2 O → I3− + H2 (g ) + 2 OH−

a) Wie groß ist die Zellspannung, wenn kein Strom fließt?


b) Dann wird angenommen, dass durch die Elektrolyse [I–3]OF auf 3.0 × 10–4 M anwächst
und die anderen Konzentrationen gleich bleiben. Der Zellwiderstand sei 2.0 Ω und die
Stromstärke 63 mA. Die Kathodenüberspannung beträgt 0.382 V und die Anodenüber-
spannung 0.025 V. Welche Spannung ist für den Ablauf der Reaktion notwendig?

Lösung: a) Die Zellspannung bei offenem Stromkreis beträgt E = E(Kathode) – E(Anode):


Kathode: 2 H2 O + 2 e− → H2 (g ) + 2 OH− E ° = − 0.828 V
Anode : I3− + 2 e − → 3 I− E ° = 0.535 V
0.059 16
E (Kathode) = − 0.828 − log PH [OH− ]2
2 2

0.059 16
= − 0.828 − log (1.00)(1.0 × 10−4 )2 = − 0.591 V
2
0.059 16 [I − ] 3
E (Anode) = 0.535 − log −
2 [I3 ]
0.059 16 (0.10) 3
= 0.535 − log = 0.490 V
2 3.0 × 10 −5
E = E (Kathode) − E (Anode) = − 1.081 V
16.1 · Grundlagen der Elektrolyse 413

Für den Ablauf der Reaktion ist das Anlegen einer Spannung von –1.081 V erforderlich. Elektrolyse-Zelle

b) Nun ist E(Kathode) unverändert, aber E(Anode) hat sich geändert, da [I–3]OF verschieden
von [I–3] im Inneren der Lösung ist. e−
e−
Anode
0.059 16 (0.10) 3
E(Anode) = 0.535 − log = 0.520 V Kathode (Hilfs-
2 3.0 × 10 −4 (Arbeits- elektrode)
elektrode)
E = E(Kathode) – E(Anode) – IR – Überspannungen
Bezugs-
E = –0.591V – 0.520 V – (2.0 Ω)(0.063A) – 0.382 V – 0.025 V A
elektrode
= –1.644 V z. B. Kalomel-
Ampere- V
Elektrode
meter Kontrollier-
Statt –1.081 V müssen –1.644 V angelegt werden, um die Reaktion durchzuführen. tes Potential

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie die Zellspannung für Teil b, für [I–]OF = 0.01 M.
Potentiostat
(Lösung: –1.732 V)

Arbeitselektrode
Hilfselektrode
Elektrolyse bei kontrolliertem Potential mit einer
Bezugselektrode
Drei-Elektroden-Zelle
Eine elektroaktive Spezies kann an einer Elektrode oxidiert oder reduziert werden. Man Abb. 16.3 Stromkreis der Elektrolyse mit
reguliert das Potential der Arbeitselektrode, um zu kontrollieren, welche Spezies reagie- kontrolliertem Potential in einer Drei-
Elektroden-Zelle.
ren und welche nicht. Metallelektroden werden als polarisierbar bezeichnet, wenn ihre
Potentiale durch geringen Stromfluss leicht geändert werden. Eine Bezugselektrode, wie
die Kalomel- oder Silber-Silberchlorid-Elektrode wird als unpolarisierbar bezeichnet,
weil sie ihr Potential nicht verändert, solange kein beträchtlicher Strom fließt. Im Idealfall Arbeitselektrode: hier läuft die
möchten wir das Potential der polarisierbaren Arbeitselektrode gegen eine unpolarisier- analytische Reaktion ab
bare Bezugselektrode messen. Wie können wir erreichen, dass an der Arbeitselektrode ein Hilfselektrode: sie ist die andere
beträchtlicher Strom fließt, während der Strom an der Bezugselektrode vernachlässigbar Elektrode, die zum Stromfluss benötigt
klein ist? wird
Die Lösung ist die Anwendung einer dritten Elektrode (Abbildung 16.3). An der Bezugselektrode: sie wird zur Be-
Arbeitselektrode läuft die uns interessierende Reaktion ab. Eine Kalomel- oder an- stimmung des Potentials der Arbeits-
dere Bezugselektrode dient zur Messung des Potentials der Arbeitselektrode. Die elektrode gebraucht
Hilfselektrode (auch Gegenelektrode genannt) ist der zum Stromtransport nötige
Partner der Arbeitselektrode. Der Strom fließt zwischen der Arbeits- und der Hilfselek- Der chromatographische Detektor
trode. Durch die Bezugselektrode fließt ein vernachlässigbarer, kleiner Strom, so dass am Anfang dieses Kapitels hat eine
Arbeitselektrode aus Cu, eine Hilfselek-
trode aus Edelstahl und eine Ag|AgCl-
Referenz- Referenzelektrode.
elektrode

poröser
Pfropfen
am Boden
der Elektrode

16

Quecksilber-
Tropfelektrode
Hg
Luggin-
Kapillare
Kapillar-
öffnung

Abb. 16.4 Verwendung einer Luggin-Kapillare zur möglichst nahen Positionierung einer Referenz-
elektrode an der Arbeitselektrode (hier als Quecksilber-Tropfelektrode gezeigt). Die Kapillare, mit
einer Öffnung von ~0.2 mm, ist mit dem gleichen Elektrolyt gefüllt, der sich in der Analytlösung be-
findet. Die Referenzelektrode steht in Kontakt mit der Kapillare. In der Kapillare fließt ein vernachläs-
sigbarer Strom, so dass ein vernachlässigbarer Ohmscher Spannungsabfall zwischen der Kapillarspitze
und Referenzelektrode eintritt.
414 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

ihr Potential unbeeinflusst von Ohmschem Potential, Konzentrationspolarisation und


Überspannung ist. Sie behält tatsächlich ihr konstantes Bezugspotential. Bei der Elekt-
rolyse mit konstantem Potential wird die Spannungsdifferenz zwischen Arbeits- und
Referenzelektroden in einer Drei-Elektroden-Zelle elektronisch mit dem Potentiostat
geregelt.
Sowohl Konzentrationspolarisation und als auch Überspannung können an Arbeits-
und Hilfselektroden auftreten. Zwischen der Arbeits- und der Hilfselektrode gibt es
einen Ohmschen Spannungsabfall. Zur möglichst genauen Messung des Potentials der
Arbeitselektrode sollte die Bezugselektrode sehr nahe bei ihr angeordnet sein (Abbil-
dung 16.4).

16.2 Elektrogravimetrische Analyse

Prüfung auf vollständige Abscheidung: Bei einer elektrogravimetrischen Analyse wird der Analyt an einer Elektrode quan-
▬ die eventuell gefärbte Lösung hat titativ abgeschieden. Man wägt die Elektrode vor und nach der Abscheidung. Die
sich entfärbt Zunahme der Masse sagt uns, wie viel Analyt abgeschieden wurde. Man kann Cu2+ in
▬ an der frischen Elektrodenober- einer Lösung durch Reduktion zu Cu(s) an einer sauberen Pt-Netz-Kathode mit ei-
fläche findet keine Abscheidung ner großen Oberfläche (Abbildung 16.5) bestimmen. An der Gegenelektrode wird O2
mehr statt freigesetzt.
▬ ein qualitativer Test ergibt, dass Wie kann man feststellen, dass die Elektrolyse vollständig abgelaufen ist? Bei den
sich kein Analyt mehr in der Lö- Lösungen farbiger Kationen wie Cu2+ oder Co2+ besteht die Möglichkeit, das Verschwin-
sung befindet den dieser Färbung zu beobachten. Eine andere Methode besteht darin, dass man den
Hauptteil der Elektrodenoberfläche, aber nicht die gesamte, während der Elektrolyse in
die Lösung hängt. Um festzustellen, ob die Reaktion vollständig abgelaufen ist oder nicht,
wird das Becherglas etwas angehoben oder es wird Wasser zugesetzt, so dass die frische
Elektrodenoberfläche nun auch von der Lösung bedeckt ist. Nach einer weiteren Elektro-
lysezeit (z. B. 15 min) sieht man, ob an dieser Oberfläche eine Abscheidung stattgefunden
hat. Falls das der Fall ist, wird die Prozedur wiederholt, wenn nicht, ist die Elektrolyse
vollständig. Eine dritte Methode besteht darin, einen kleinen Teil der Probe zu entneh-
men und einen qualitativen Test auf den Analyten vorzunehmen.

+ –

Stromversorgung

Amperemeter e–

– +

Voltmeter
e– (Potentiometer)

Pt-Netz-Kathode
(Arbeits-
Abb. 16.5 Elektrogravimetrische elektrode)
Platin-
Analyse. a) Der Analyt wird auf dem
spirale
als Elektrode dienenden Platinnetz (Gegen-
abgeschieden. Muss der Analyt zur elektrode) Analyt-
Lösung
Abscheidung oxidiert werden, wird die
Polarität der Stromversorgung umge-
kehrt, so dass die Abscheidung auch
hier an der großflächigen Elektrode Magnet-
erfolgt. b) Äußere Platinnetzelektrode. rührstab
c) Innere Platinnetzelektrode, die durch
einen Motor gedreht werden kann. a b c
16.2 · Elektrogravimetrische Analyse 415

naive
Erwartung
6
Strom (A)

signifikante tatsächlicher
4 Reduktion von Kurven-
Cu2+ zu verlauf signifikante
Cu(s) Reduktion von
ab hier Wasser zu
2 H2O ab hier
Rest-
strom

0
0 −1 −2 −3 −4 −5
angelegte Spannung (V)

Abb. 16.6 Strom-Spannungs-Kurve für die Elektrolyse von 0.2 M CuSO4 in 1 M HClO4 unter N2 in der
Apparatur in Abbildung 16.5.

Im vorigen Abschnitt wurde berechnet, dass eine Spannung (–0.911 V) zwischen den Potential zur Reduktion
von Cu2+
Elektroden angelegt werden muss, um Cu(s) an der Kathode abzuscheiden. Der tatsäch-
liche Verlauf der Elektrolyse in Abbildung 16.6 zeigt, dass bei –0.911 nichts Besonderes
0.3
passiert. In der Nähe von –2 V wird es ernst. Bei niedrigen Spannungen fließt ein kleiner
Reststrom durch Reduktionen an der Kathode und im gleichen Umfang von Oxidationen 0.2
jede Spezies,
an der Anode. Die Reduktionen können z. B. gelösten Sauerstoff, Spuren von Fe3+ oder die in diesem
0.1
Oberflächenoxide auf der Elektrode betreffen. E(Kathode) (V) Potentialbereich
reduziert werden
Aus Tabelle 16.1 können wir entnehmen, dass an einer glatten Platinanode eine Über- 0
kann, stört bei
spannung von ~1 V zur O2-Abscheidung notwendig ist. Die Überspannung ist der Haupt- der Analyse
–0.1
grund, dass in Abbildung 16.6 bis –2 V nicht viel passiert. Danach nimmt die Reaktions-
geschwindigkeit (der Strom) gleichmäßig zu. Im Bereich von –4.6 V steigt die Stromstärke –0.2
schneller, weil die Reduktion von H3O+ zu H2 beginnt. Gasblasen an der Arbeitselektrode
–0.3 Potential
stören die Abscheidung von Feststoffen. zur Reduktion
Die Spannung zwischen zwei Elektroden beträgt –0.4 von H+

E = E(Kathode) – E(Anode) – IR – Überspannungen (16.6) Zeit

Wir nehmen eine angelegte Spannung von E = –2.0 V an. Wenn Cu2+ verbraucht ist, sinkt Abb. 16.7 E(Kathode) wird während der
der Strom und sowohl Ohmsches Potential und Überspannung nehmen ab. Der Wert Elektrolyse in einer Zwei-Elektroden-Zelle
von Wert von E(Anode) ist wegen der hohen Konzentration des Lösungsmittels, das an mit einer konstanten Zellspannung zwi-
schen den Elektroden immer negativer.
der Anode oxidiert wird (H2O → ½ O2 + 2H+ + 2 e–) ziemlich konstant. Wenn E und
E(Anode) konstant bleiben, und IR und die Überspannungen sinken, muss E(Kathode) 16
negativer werden, damit Gleichung 16.6 stimmt. In Abbildung 16.7 fällt E(Kathode) auf
das Potential –0.4 V, bei dem H3O+ zu H2 reduziert wird. Wenn E(Kathode) von +0.3 V auf
–0.4 V fällt, können andere Ionen, wie Co2+, Sn2+ und Ni2+ reduziert werden. Allgemein Ein kathodischer Depolarisator wird
gilt: wenn die angelegte Spannung konstant ist, wandert das Kathodenpotential zu negative- vor dem Lösungsmittel bevorzugt
ren Werten und andere gelöste Stoffe können reduziert werden. reduziert. Für Oxidationen werden
Um zu verhindern, dass das Kathodenpotential so negativ wird, dass auch andere, anodische Depolarisatoren verwendet.
unerwünschte Ionen reduziert werden, kann der Lösung ein kathodischer Depolarisator, Dazu gehören z. B. N2H4 (Hydrazin) und
z. B. NO3− zugesetzt werden. Der kathodische Depolarisator ist leichter reduzierbar als NH2OH (Hydroxylamin).
H3O+:
NO3– + 10 H+ + 8 e– → NH+4 + 3 H2O
Als Alternative kann eine Drei-Elektroden-Zelle (Abbildung 16.3) mit einem Potentiosta-
ten zur Kontrolle des Kathodenpotentials verwendet werden, um unerwünschte Nebenre-
aktionen zu verhindern.
416 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

> Beispiel
Elektrolyse bei kontrolliertem Potential
Welches Kathodenpotential ist erforderlich, um 99.99 % aus einer Lösung von 0.10 M Cu2+
zu Cu(s) zu reduzieren? Ist es möglich, dieses Cu2+ zu entfernen, ohne dass gleichzeitig in
dieser Lösung 0.10 M Sn2+ reduziert wird?

Cu2+ + 2 e– U Cu(s) E 0 = 0.339 V (16.7)

Sn2+ + 2 e– U Sn(s) E 0 = –0.141 V (16.8)

Lösung Wenn 99.99 % des Cu2+ abgeschieden sind, ist seine Konzentration in der Lösung
noch 10-5 M und das Kathodenpotential zur weiteren Reduktion wäre
0.059 16 1
E (Kathode) = 0.339 − log -5 = 0.19 V
2 10

Das Kathodenpotential zur Abscheidung von Sn2+ beträgt


0.059 16 1
E (Kathode, zur Reduktion von Sn2+ ) = − 0.141 − log
2 0.10
= − 0.17 V
Wir erwarten demnach keine Reduktion von Sn2+ bei Kathodenpotentialen, die positiver als
–0.17 V sind. Die Reduktion von 99.99 % des Cu2+ ist ohne Reduktion von Sn2+ möglich.

Selbstüberprüfung Wird 0.10 M SbO+ bei pH 2 in der Reaktion SbO+ + 2 H+ + 3e– U


Sb(s) + H2O (E0 = 0.208 V) bei E(Kathode) = 0.19 V reduziert? (Lösung: E(Kathode) für SbO+ =
0.11 V. Demnach erfolgt keine Reduktion bei 0.19 V)

Unterpotentialabscheidung
Wenn man Sn2+ in 1 M HCl an einer Gold-Arbeitselektrode mit der Methode der zykli-
Au schen Voltammetrie (die später in diesem Kapitel behandelt wird) elektrolysiert, wird eine
Reduktion bei E(Kathode) = –0.18 V beobachtet. Mit unserem bisherigen Kenntnisstand
ist nicht zu erwarten, dass bei positiveren Potentialen als –0.18 V eine Reduktion von
Sn2 + Sn2+ erfolgen kann. Es fließt jedoch ein geringer Strom bei E(Kathode) = +0.12 V. Die er-
E (Kathode)
= + 0.12 V
forderliche Ladungsmenge (in Coulomb) wächst bei +0.12 V proportional zu [Sn2+]. Die
Ladungsmenge bei +0.12 V reicht gerade, um 8.7 × 10–10 mol Sn(s) pro cm² der Goldelekt-
Sn
rodenoberfläche zu erzeugen.6 Dann fließt bei E(Kathode) = + 0.12 V kein Strom mehr.
Die Reduktion bei + 0.12 V heißt Unterpotentialabscheidung. Sie erfolgt bei einem
Au
Potential, das nicht für die massenhafte Reduktion von Sn2+ zu Sn(s) ausreicht. Die Re-
duktion wird durch folgende Reaktion erklärt:
Monoschicht von Sn auf Au Sn2+ + 2 e– U Sn(Monoschicht auf Au) (16.9)
bei der das Reaktionsprodukt eine ein-atomige Schicht von Zinn auf Gold ist. Es ist ther-
modynamisch günstiger, eine Schicht von Zinn auf Gold als eine frische Zinnschicht auf
einem dicken Zinnstück abzuscheiden. Deshalb ist das Potential von Reaktion 16.9 posi-
tiver als das von Reaktion 16.8.

16.3 Coulometrie

Coulometrische Methoden beruhen Die Coulometrie beruht auf der Bestimmung der Zahl von Elektronen, die in einer
auf der Bestimmung der Anzahl von chemischen Reaktion umgesetzt werden. Zum Beispiel kann Cyclohexen mit Br2 titriert
Elektronen, die an einer chemischen werden, das durch elektrolytische Oxidation aus Br– erzeugt wird:
Reaktion teilnehmen.
2 Br– → Br2 + 2e– (16.10)
Br
Br2 (16.11)
Br
Cyclohexen trans-1,2-Dibromocyclohexan
16.3 · Coulometrie 417

Die Ausgangslösung enthält eine unbekannte Menge Cyclohexen und eine große Menge
Br–. Wenn in der Reaktion 16.10 gerade soviel Br2 erzeugt wurde, wie zur Umsetzung des
gesamten Cyclohexens nötig ist, ist die Stoffmenge der freigesetzten Elektronen zweimal
so groß wie die Stoffmenge Br2 und damit zweimal so groß wie die Stoffmenge Cyclo-
hexen.
Diese Reaktion wird bei konstanter Stromstärke in einer in Abbildung 16.8 gezeigten
Apparatur durchgeführt. Das an der linken Pt-Anode erzeugte Br2 reagiert sofort mit Cy-
clohexen. Wenn das gesamte Cyclohexen umgesetzt wurde, steigt die Konzentration des
Br2 in der Lösung plötzlich an und signalisiert damit das Ende der Reaktion.
Der Anstieg der Br2-Konzentration wird durch Messung des Stroms zwischen zwei
Detektorelektroden rechts in der Abbildung 16.8 verfolgt. Zwischen den beiden Elekt-
roden wird eine kleine Spannung von 0.25 V angelegt. Diese Spannung reicht nicht aus,
um irgendeinen der gelösten Stoffe elektrolytisch abzuscheiden, sondern es fließt nur
ein winziger Strom von <1 μA durch ein Mikro-Amperemeter. Am Äquivalenzpunkt ist
Cyclohexen verbraucht. Wenn [Br2] plötzlich ansteigt, erhalten wir einen Detektorstrom
aufgrund der Reaktionen:
Für den Ablauf der Detektor-Halbzel-
Detektoranode: 2 Br– → Br2 + 2e– lenreaktion müssen sowohl Br2 wie
Detektorkathode: Br2 + 2e– → 2 Br– Br– zugegen sein. Vor dem Äquivalenz-
punkt ist Br– vorhanden, aber praktisch
In der Praxis wird zunächst genügend Br2 in Abwesenheit von Cyclohexen erzeugt, damit kein Br2.
eine Stromstärke am Detektor von 20.0 μA gemessen wird. Bei Zugabe von Cyclohexen
sinkt die Stromstärke auf einen sehr kleinen Wert, weil Brom verbraucht wird. Brom wird
dann durch den coulometrischen Stromkreis erzeugt und als Endpunkt wird die Zeit an-
genommen, bei der die Stromstärke am Detektor erneut 20.0 μA beträgt. Da zu Reaktions-
beginn Br2 anwesend war, werden alle Verunreinigungen, die mit Br2 reagieren können,
eliminiert, bevor der Analyt zugesetzt wird.
Der Elektrolysestrom für die Br2-erzeugenden Elektroden (der nicht mit dem Detek-
torstrom verwechselt werden darf) wird durch einen von Hand bedienbaren Schalter kon-
trolliert. Wenn sich die Detektorstromstärke dem Wert 20.0 μA nähert, wird der Schalter
für immer kürzere Zeiträume geschlossen. Das entspricht der tropfenweisen Zugabe des
Titranten aus einer Bürette in der Nähe des Endpunkts der Titration. Der Schalter im
Coulometerstromkreis dient als „Absperrhahn“ für die Zugabe von Br2 zur Analysenlö-
sung. In modernen Instrumenten läuft die ganze Prozedur automatisch ab.

zur coulometrischen Detektorschaltbild


Stromquelle mit für die amperometrische
konstantem Strom Endpunktbestimmung

− +

16

Mikroamperemeter

Abb. 16.8 Apparatur für die coulomet-


Pt-Generator- rische Titration von Cyclohexen mit Br2..
anode Voltmeter Die Lösung enthält Cyclohexen, 0.15 M
KBr und 3 mM Quecksilberacetat in ei-
Pt-Kathode nem Gemisch aus Essigsäure, Methanol
und Wasser. Quecksilberacetat katalysiert
die Addition von Brom an das Olefin. [D.
Pt-Detektor- H. Evans, „Coulometric Titration of Cyco-
elektroden Detektorschaltbild für
die amperometrische hexen with Bromine“, J. Chem. Ed. 1968,
Magnetrührer Endpunktbestimmung 45, 88.]
418 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

> Beispiel
Coulometrische Titration
2.000 mL einer Lösung mit 0.611 3 mg Cyclohexen pro mL sollen in der in Abbildung 16.8
gezeigten Apparatur titriert werden. Wie viel Zeit wird für die Titration bei einer konstanten
Stromstärke von 4.825 mA benötigt?

Lösung Die Stoffmenge des Cyclohexen beträgt


(2.000 mL) (0.611 3 mg/mL)
= 0.014 88 mmol
(82.146 mg/mmol)
In Reaktionen 16.10 und 16.11 benötigt jedes Mol Cyclohexen 1 mol Br2, welches wiederum
2 mol Elektronen erfordert. Für 0.014 88 mmol Cyclohexen wird zur Reaktion ein Elektronen-
fluss von 0.029 76 mmol benötigt. Aus Gleichung 16.3 folgt
I ⋅t (mol e − ) F
mol e − = ⇒ t =
F I
(0.029 76 × 10 −3mol) (96 485 C/mol)
t = = 595.1 s
(4.825 × 10 −3 C/s)

Bis zur vollständigen Umsetzung dauert es also etwas weniger als 10 min.

Selbstüberprüfung Welche Zeit ist erforderlich, um 1.000 mg Cyclohexen bei 4.000 mA zu


titrieren? (Antwort: 587.3 s)

Vorteile der Coulometrie: Kommerzielle Coulometer liefern Elektronen mit einer Richtigkeit von ~0.1 %. Übrigens:
▬ Richtigkeit Die Faraday-Konstante wurde durch äußerst sorgfältig durchgeführte Coulometrie bis auf
▬ Empfindlichkeit einige wenige ppm genau bestimmt.7 In automatisierten Coulometern werden H+, OH–,
▬ Erzeugung von instabilen Reagen- Ag+ und I2 zur Titration verschiedener Analyte erzeugt, darunter CO2, Sulfite in Lebens-
zien in situ mitteln und Sulfide im Abwasser.8 Wenig stabile Reagenzien, wie Ag2+, Cu+, Mn3+ und
Ti3+ können in situ erzeugt und verwendet werden.
In situ (Lateinisch) bedeutet: an Ort In Abbildung 16.8 wird die reaktive Spezies (Br2) an der Anode erzeugt. Die Produkte
und Stelle, hier im gleichen Gefäß der Reaktion an der Kathode (H2 aus dem Lösungsmittel und Hg vom Katalysator) stören
bei der Reaktion von Br2 und Cyclohexen nicht. In anderen Fällen könnten jedoch Stö-
rungen auftreten. Deshalb trennt man die Gegenelektrode von der Analytlösung, indem
eine in Abbildung 16.9 gezeigte Zelle verwendet wird. H2 blubbert ohne Vermischung mit
der Analysenlösung aus dem Kathodenraum.

Arten der Coulometrie


Die Coulometrie wird entweder bei konstanter Stromstärke oder bei kontrolliertem Po-
tential durchgeführt. Die Methoden mit konstanter Stromstärke, wie das behandelte Br2/
Cyclohexen-Beispiel, sind coulometrische Titrationen. Wenn wir die Stromstärke und
die Zeit der Reaktion kennen, wissen wir aus Gleichung 16.2: q = I ⋅ t, wie viele Coulomb
geliefert wurden.
Die Coulometrie bei kontrolliertem Potential in einer Drei-Elektroden-Zelle (mit
einer Arbeits-, einer Referenz- und einer Hilfselektrode) ist selektiver als die Coulometrie
bei konstantem Strom. Da das Potential der Arbeitselektrode konstant ist, ist die Strom-
stärke zunächst hoch, nimmt aber exponentiell mit der Abnahme der Analytkonzentra-
tion ab. Die Ladung wird durch Integration der Stromstärke über die Zeit der Reaktion
bestimmt.
Die Anzahl Coulomb entspricht der
t
Fläche unter der Kurve im Strom-Zeit- q = ∫I dt (16.12)
Diagramm. Aufgabe 16-21 bringt ein 0
Beispiel.
Bei der Coulometrie mit kontrolliertem Potential fällt die Stromstärke exponentiell ab.
Man kann den Äquivalenzpunkt ermitteln, indem der Abfall der Stromstärke bis zu
einem willkürlich gewählten Wert betrachtet wird. So wird z. B. die Stromstärke im Ide-
alfall 0.1 % des Ausgangswerts betragen, wenn 99.9 % des Analyten umgesetzt worden
16.4 · Amperometrie 419

zur Stromversorgung

Gasausgang

Inertelektrolyt

Gegenelektrode
Analyt- Abb. 16.9 Trennung von Gegenelekt-
lösung rode und Analyt. Ionen können durch
Sinterglas-
scheibe die poröse Sinterglasscheibe fließen. Das
Generator- Flüssigkeitsniveau im Gegenelektroden-
elektrode raum muss etwas höher als an der Ge-
Magnet-
rührer neratorelektrode sein, damit der Analyt
nicht zur Gegenelektrode fließen kann.

sind. Das bezieht sich auf die Stromstärke über dem Reststrom. Als Alternative kann die
Stromstärke/ZeitKurve entsprechend ihrem theoretischen Verlauf extrapoliert werden,
nachdem mehrmals der tatsächliche Verlauf gemessen wurde.

16.4 Amperometrie

Bei der Amperometrie wird der elektrische Strom zwischen einem Elektrodenpaar ge- Amperometrie: Der elektrische Strom
messen, der eine Elektrolysereaktion bewirkt. Ein Reaktant ist der zu bestimmende Ana- ist proportional zur Konzentration des
lyt und der gemessene Strom ist proportional zu dessen Konzentration. Die Bestimmung Analyten
von gelöstem O2 mit der Clark-Elektrode (Exkurs 16.1) beruht auf der Amperometrie. Coulometrie: Die Gesamtzahl der für
Eine andere Art der Sensoren, bei der Leitfähigkeitsmessungen gemacht werden – die eine Reaktion verwendeten Elektronen
„elektronische Nase“ – wird in Exkurs 16.2 beschrieben. sagt uns, wie viel Analyt vorliegt

Exkurs 16.1

Clark-Sauerstoff-Elektrode Bestimmung des durch die Silikonmembran am Boden der Elek-


Die Clark-Sauerstoff-Elektrode9 hat in Medizin und Biologie trode diffundierenden Sauerstoffs stören kann. Ähnliche Elektro-
eine weite Anwendung zur amperometrischen Messung von den wurden für die Bestimmung von NO, H2S und CO entwickelt.10
gelöstem Sauerstoff gefunden. Leland Clark, der diese Elektrode
erfunden hat, ist auch der Erfinder des Glucose-Monitors und der koaxialer Cu-
Herz-Lungen-Maschine. Draht zur
Pt-Kathode
Der Glaskörper in der Abbildung ist zu einer feinen Spitze mit
einer 5 μm-Öffnung ausgezogen. In der Spitze befindet sich ein Ag I AgCI- Clark-Sauerstoff- 16
Anode Mikroelektrode zur
10–40 μm langer Pfropfen aus Silikongummi, der für O2 sehr gut Bestimmung von ge-
zu Spitzen
durchlässig ist. Sauerstoff diffundiert durch den Gummi in die Elek- ausgezogene löstem Sauerstoff in
trode und wird an der Goldspitze am Platindraht, dessen Potential Glasrohre kleinen Volumina. Die
–0.75 V gegen eine Silber-Silberchlorid-Elektrode beträgt, reduziert: Spitze der Kathode ist
Pt-Draht mit Au überzogen, das
Pt|Au Kathode: O2 + 4 H+ + 4 e– → 2 H2O gegen die Verschmut-
Ag|AgCl Anode: 4 Ag + 4 Cl– → 4 AgCl + 4 e– Innenfüllung: zung durch Adsorption
0.5 M KCl fremder Spezies aus der
Die Elektrode wird mit Lösungen bekannter Sauerstoffkonzen- Ag-Schutz 0.5 M Karbonat Untersuchungslösung
tration kalibriert und eine Kalibrationskurve (Strom gegen [O2]) elektrode puffer, pH 10.5 weniger empfindlich ist
als Pt. [N. P. Revsbech,
konstruiert. Im Elektrodenkörper befindet sich außerdem eine auf Pt-Draht
„An Oxygen Microsensor
Silber-Schutzelektrode, die fast bis zum Boden reicht. Die Schutz- Silikon- elektrolytisch
abgeschiedene with a Guard Column“,
elektrode wird auf einem negativen Potential gehalten, so dass gummi-
Goldknopf- Limnol. Oceanogr. 1989,
membran
aller Sauerstoff, der von oben in die Elektrode eintritt, nicht bei der Kathode 34, 474.]
420 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

Exkurs 16.2

Was ist eine „elektronische Nase“? leitfähige


Polymerschicht
Früher waren die Chemiker stolz, dass sie die Chemikalien durch
deren Geruch identifizieren konnten. Das Riechen an unbekannten
Stoffen ist aber nicht immer eine gute Idee, denn einige Dämpfe
sind giftig. Zurzeit werden „elektronische Nasen“ entwickelt, die Ge- Pt-Au-Interdigitalelektroden
rüche erkennen, um die Frische von Fleisch zu beurteilen, Druckstel-
Interdigital (fingerförmig ineinander greifende)-Elektroden, die mit
len im Obst zu finden oder Lebensmittelfälschungen aufzudecken.11
einem leitfähigen Polymer bedeckt sind, eignen sich als elektronische
Ein Ansatz zur Erkennung von Dämpfen ist die Beschichtung Nase. Die Leitfähigkeit des Polymers ändert sich bei der Absorption
von Interdigitalelektroden mit einem leitfähigen Polymer, z. B. der Geruchsmoleküle. Der Abstand der „Finger“ beträgt ~ 0.25 mm.
einem Derivat von Polypyrrol:

H H
N N Eine kommerzielle „Nase“ hat 32 Reihen von Elektroden, die mit
unterschiedlichen Polymeren bedeckt sind. Der Sensor erhält von
N N dem zu untersuchenden Dampf 32 verschiedene Signale. Sie er-
H H
geben einen „Fingerprint“ (Fingerabdruck) des Dampfes. Die elek-
Polypyrrol
tronische Nase muss mit komplexen Methoden die Algorithmen
Wenn die gasförmigen Moleküle des Geruchsträgers vom Polymer zur Mustererkennung (pattern recognition) „gelernt haben“, einen
absorbiert werden, ändert sich dessen elektrische Leitfähigkeit. Geruch an seinem charakteristischen Fingerprint zu erkennen.
Unterschiedliche Gase rufen unterschiedliche Effekte hervor. An- Andere elektronische Nasen beruhen auf der Detektion von Ände-
dere Sensorbeschichtungen bestehen aus Polymeren mit leitfähi- rungen der Lichtabsorption oder der Lumineszenz von Polymeren
gen Silber- oder Graphitpartikeln. Wenn das Polymer kleine Mole- an der Spitze von Glasfasern (Abschnitt 18.6) und auf Änderungen
küle absorbiert, schwillt es an und die Leitfähigkeit nimmt ab. an den Gates von Feldeffekt-Transistoren (Abschnitt 14.8).

Enzym: Protein, das eine biochemi- Biosensoren12,13 verwenden biologische Komponenten wie Enzyme, Antikörper oder DNA
sche Reaktion katalysiert. Das Enzym für eine hochselektive Wechselwirkung mit einem Analyten. Mithilfe amperometrischer
erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit Sensoren können zum Beispiel Perchlorat im Grundwasser14, Adenosintriphosphat (ATP)
um mehrere Größenordnungen in biologischem Gewebe15, Gene im Attomol-Bereich16 und Antikörper im Femtomol-Be-
Antikörper: Protein, das spezifisch mit reich17 bestimmt werden. Im Folgenden wollen wir uns das Messprinzip eines der am meis-
einem Zielmolekül, genannt Antigen, ten genutzten Biosensoren, anhand eines Blutzucker-Messgerätes, etwas näher ansehen.
bindet. Antikörper binden fremde Zel-
len im menschlichen Körper, um ihre
Zerstörung einzuleiten oder die Zellen Blutzuckermessgerät
des Immunsystems zu aktivieren.
Nach einem Bericht der Internationalen Diabetes Federation (IDF) litten im Jahr 2010
etwa 6.4 % der Weltbevölkerung an Diabetes. Das sind ungefähr 285 Millionen Menschen.
Es wird prognostiziert, dass sich die Zahl der Erkrankungen in den nächsten Jahren noch
wesentlich erhöht. Man schätzt, dass es im Jahre 2030 ca. 439 Millionen Diabetiker –

Ag I AgCI- Kohlenstoff-Arbeitselektrode 1
Test-
Bezugselektrode beschichtet mit Glucose-Oxidase
streifen
und Mediator

Blut-
elektrische zugabe
Kontakte

b
Kohlenstoff-Arbeitselektrode 2 beschichtet hydrophile Gaze transportiert
mit Mediator, jedoch ohne Enzym Blut zu den Elektroden

a Abb. 16.10 a) Glucose-Monitor zur Selbstkontrolle, den Diabetiker zur Messung des Blutzuckerniveaus
benutzen. (b) Schematische Darstellung des Wegwerfteststreifens, auf den ein Bluttropfen gegeben wird.
[Abbott Laboratories, MediSense Products, Bedford, MA.]
16.4 · Amperometrie 421

das wären 7.7 % der Weltbevölkerung – gibt. Viele Diabetiker müssen ihren Blutzucker
(Glucose) mehrmals täglich kontrollieren, um den Blutzuckerspiegel durch Diät und 6
Insulinspritzen optimal einzustellen. Abbildung 16.10 zeigt ein Blutzuckermessgerät zur
Selbstkontrolle. Es werden Wegwerfteststreifen mit zwei Kohlenstoff-Arbeitselektroden

Strom (nA)
4
und einer Ag|AgCl-Bezugselektrode benutzt. Nur 4 μL Blut werden direkt auf die runde
Öffnung rechts in der Abbildung gegeben und durch eine dünne hydrophile („wasserlie-
bende“) Gaze auf alle drei Elektroden verteilt. Die 20-Sekunden-Messung beginnt, wenn 2
typischer
Blutglucose-
die Flüssigkeit die Referenzelektrode erreicht hat. Wert
Die Arbeitselektrode 1 ist mit dem Enzym Glucose-Oxidase und einem Mediator be-
schichtet, die beide gleich beschrieben werden. Das Enzym katalysiert die Reaktion von 0 5 10 15
Glucose mit O2: [Glucose] (mM)

Reaktion nach Beschichten der Arbeitselektrode 1:


Abb. 16.11 Kennlinie einer amperome-
CH2OH CH2OH trischen Glucose-Elektrode bei Konzen-
trationen des gelösten Sauerstoffs, die
H O H Glucose- H O einem O2-Druck von 0.027 bar entspre-
oxidase
OH O2 OH O H2O2 chen. Das liegt 20% unter der typischen
(16.13) O2-Konzentration im subkutanen Ge-
HO OH HO webe (unmittelbar unter der Haut). [S.-K.
Jung und G. W. Wilson, „Polymeric Mer-
OH OH
captosilan-Modified Platinum Electrodes
Glucose Gluconolacton for Elimination of Interferents in Glucose
Biosensors“, Anal. Chem. 1996, 68, 591.]
Bei Abwesenheit des Enzyms ist die Oxdation von Glucose durch Sauerstoff minimal und
vernachlässigbar.
In älteren Glucose-Messgeräten wurde das in Reaktion 16.13 gebildete H2O2 durch
Oxidation an einer einzelnen Arbeitselektrode bei +0.6 V gegen Ag|AgCl bestimmt:
Reaktion an der Arbeitselektrode 1: H2O2 → O2 + 2 H+ + 2e– (16.14)
Der Strom ist proportional zur Konzentration von H2O2, die wiederum proportional zur
Glucose-Konzentration im Blut ist (Abbildung 16.11).
Ein Problem bei den älteren Geräten bestand darin, dass ihr Ansprechverhalten von
der O2-Konzentration in der Enzymschicht abhängt, da O2 an der Reaktion 16.13 beteiligt
ist. Wenn die O2-Konzentration niedrig ist, reagiert der Monitor als sei die Glucose-
Konzentration niedrig. Ein Mediator transportiert Elektronen
Zur Verringerung der O2-Abhängigkeit wurde deshalb in die Enzymschicht eine Sub- zwischen dem Analyten und der Ar-
stanz eingefügt, die O2 in Reaktion 16.13 ersetzt. Dieser Stoff, der Elektronen zwischen beitselektrode. Der Mediator bleibt bei
dem Analyten (in diesem Fall Glucose) und der Elektrode transportiert, heißt Mediator. dieser Reaktion erhalten.

Reaktion nach Beschichten der Arbeitselektrode 1:


Ein Ferrocen-Molekül besteht aus
CH3 CH3 einem Eisenkation und zwei flachen
Glucose- Fünfringen. Jeder Ring trägt formal
oxidase eine negative Ladung. Damit ist der
Glucose 2 Fe Gluconolacton 2 Fe 2H+
CH3 CH3 (16.15) Oxidationszustand vom Eisen, das sich
zwischen den beiden Ringen befindet 16
+2. Das Molekül ist ein Sandwich-
1,1'-Dimethylferroceniumkation 1,1'-Dimethylferrocen
Mediator Komplex.

Der in Reaktion 16.15 verbrauchte Mediator wird dann an der Arbeitselektrode regene-
riert:
Der Mediator erniedrigt das erforder-
CH3 CH3 liche Potential der Arbeitselektrode
Arbeits- von 0.6 V auf 0.2 V gegen Ag|AgCl.
Fe elektrode Fe (16.16) Dadurch verbessert sich die Stabilität
CH3 e CH3 des Sensors und einige Störungen
durch andere Spezies im Blut werden
vermieden.
Der Strom an der Arbeitselektrode ist proportional zur Konzentration von Ferrocen, die
wiederum proportional zur Glucose-Konzentration im Blut ist.
422 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

Ein modifizierter Sensor misst Glucose Bei den Glucose-Monitoren besteht das Problem, dass Stoffe wie Ascorbinsäure
in einer Konzentration von 2 fM in (Vitamin C), Harnsäure und Paracetamol, die im Blut gefunden wurden, beim gleichen
einem 30-μL-Volumen. Das sind nur Potential, das für die Oxidation des Mediators in Reaktion 16.16 erforderlich ist, oxidiert
36 000 Glucose-Moleküle.18 werden. Zur Korrektur dieser Störung hat der Teststreifen in Abbildung 16.10 eine zweite
Indikatorelektrode, die mit dem Mediator aber nicht mit Glucose-Oxidase beschichtet ist.
Die störenden Stoffe, die an Elektrode 1 reduziert werden, werden auch an Elektrode 2
reduziert. Der Strom, für den Glucose verantwortlich ist, ergibt sich also aus dem Strom
an Elektrode 1 minus Strom an Elektrode 2 (beide gegen die gleiche Referenzelektrode
gemessen). Das ist der Grund für zwei Arbeitselektroden im Teststreifen.
Man ist ständig bemüht, die Glucose-Monitore so reprozierbar herzustellen, dass eine
Kalibrierung unnötig wird. Der Anwender erwartet, dass ein Tropfen auf den Teststreifen
gegeben wird und eine zuverlässige Ablesung ohne Kalibration mit bekannten Glucose-
Konzentrationen möglich ist. Jede Charge der Teststreifen ist äußerst reproduzierbar und
wurde vom Hersteller vorkalibriert.

„Elektrische Verdrahtung“ von Enzymen und


Mediatoren in Blutzuckermessgeräten
Die Nachfrage nach Geräten zur Messung des Blutzuckers ist ein wirtschaftlicher Anreiz
für Forschungen zur ständigen Verbesserung dieser Geräte.19 Zu den bemerkenswertesten
Fortschritten gehören (1) Verfolgung der Reaktion durch Coulometrie statt Amperome-
trie, (2) Anwendung eines anderen Enzyms zur Katalyse der Glucose-Oxidation und (3)
eine „elektrische Verdrahtung“ zur Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit zur Verhin-
derung der Diffusion der Reaktanten weg von der Arbeitselektrode.
Bei der Amperometrie wird der während der Glucose-Oxidation fließende Strom
gemessen. Bei der Coulometrie wird die Zahl der Coulomb, die zur Oxidation der
Glucose in der Blutprobe notwendig sind, bestimmt. In der Amperometrie wird also
die Geschwindigkeit der Oxidation gemessen. In der Coulometrie wird die Zahl der
Moleküle, die oxidiert wurden, ermittelt. Die Reaktionsgeschwindigkeit, und damit der
Strom, sind temperaturabhängig, dagegen ist die Gesamtladungsmenge, die während
der Oxidation übertragen wird, unabhängig von der Temperatur. Die Gesamtladung ist
auch unabhängig von der Aktivität des Enzyms und der Beweglichkeit des Mediators,
die beide den Strom beeinflussen. Die Stromstärke wird auch von der Abnahme der
Glucose während der Messung beeinflusst, während bei der Coulometrie sämtliche
Glucose umgesetzt wird.
Als Kofaktoren werden Nicht-Protein- Beim Ersatz des Enzyms Glucose-Oxidase durch Glucose-Dehydrogenase scheidet
Stoffe, Moleküle oder Metallionen, Sauerstoff als Reaktionsteilnehmer aus. Ein Kofaktor, genannt PQQ vom englischen
bezeichnet, die an Enzyme gebunden pyrroloquinoline quinone), der an Glucose-Dehydrogenase gebunden ist, nimmt bei der
und für dessen Aktivität notwendig Oxidation 2 H++ 2 e– auf.
sind
CH2OH CO2H
O HN Glucosedehydro-
H HO2C genase (GD)
OH
HO OH N
HO2C O
OH O
Glucose Pyrrolochinolinchinon (PQQ)
Kofaktor von GD
(16.17)
CH2OH CO2H
O HN
HO2C
OH O
HO N
HO2C OH
OH OH
Gluconolacton PQQH2
16.4 · Amperometrie 423

Polymer-Gerüst

N N N N N N N N

+
N N N N N N N N
e− Os Os
Glucose
dehydrogenase e−
Poly(ethylen- e−
glycol)-Bindung e−

PQQH2
PQQ
Os2+ oder 3+ mit
Liganden wie
Os N N
Kohlenstoff-
Glucose Gluconolactone Elektrode
CH3O OCH3

Abb. 16.12 „Elektrisch verdrahtete“ Glucose-Dehydogenase. Das Enzym katalysiert die Oxidation von
Glucose, wobei PQQ zu PQQH2 reduziert wird. PQQH2 wird durch Os3+ wieder zu PQQ + 2H+ oxidiert.
Die Elektronen wandern über benachbarte Os-Atome bis zur Kohlenstoff-Anode. Alle Glieder der
Redox-Kette sind an das Polymer-Gerüst gebunden.

Im Unterschied zu Reaktion 16.13 ist O2 bei Reaktion 16.17 nicht beteiligt. Damit spielt
der gelöste Sauerstoff bei der Bestimmung keine Rolle.
In einem „elektrisch verdrahtetem“ Polymergel auf der Oberfläche einer Kohlenstoff-
elektrode (Abbildung 16.12) sind das Enzym und ein Osmium-Mediator an einem Poly-
mergerüst angebunden. Das PQQH2-Produkt der Reaktion 16.17 wird durch ein in der
Nähe befindliches Os3+ zu PQQ + 2 H+ rückoxidiert. Os3+ wird dabei zu Os2+ reduziert.
Os2+ kann ein Elektron mit einem anderen Os3+-Ion austauschen. Die Elektronen werden
sehr schnell von Os zu Os transportiert, bis sie eine Kohlenstoff-Anode erreichen. Dann
fließen die Elektronen in einem Stromkreis zur Ag|AgCl-Gegenelektrode, an der AgCl zu
Ag + Cl– reduziert wird.
Die elektrische Verdrahtung des Enzyms und des Osmium-Mediators erhöht den
Strom um den Faktor 10 bis 100 im Vergleich zur einfachen Enzym-Mediator-Schicht auf
der Elektrode. Erhöhter Strom bedeutet größeres Signal und schnellere Messung. Eine
kovalente Bindung des Osmiums an das Polymer verhindert die Diffusion des Mediators
zur Gegenelektrode, wo es reagieren und ein großes Hintergrundsignal erzeugen würde.
Die Liganden für Osmium wurden so gewählt, dass ein möglichst unschädliches Poten-
tial (+0.1 V gegen Ag|AgCl) angelegt werden kann, um Glucose zu oxidieren. Bei diesem
Potential liefern die üblichen oxidierbaren Störverbindungen nur sehr kleine und damit
akzeptable Fehler bei der Glucose-Bestimmung. 16
Die neuesten Teststreifen zur Glucose-Messung brauchen nur noch 0.3 μL Blut pro
Messung, wodurch die Schmerzen der Patienten, die mehrmals täglich ihren Glucose-
Wert messen müssen, beträchtlich verringert werden. Die Glucose im gesamten Volumen
wird in einer Minute oxidiert und die Stromstärke in Abhängigkeit von der Zeit gemessen.
Die Integration des Stroms gegen die Zeit (Gleichung 16.12) ergibt die Gesamtladung, die
zur Oxidation der Glucose notwendig ist.

Ringscheiben-Elektrode
Drei Wege des Analyten, um zur
Ein Molekül kann auf drei Wegen zur Elektrodenoberfläche gelangen: (1) Diffusion Elektrode zu gelangen
wegen eines Konzentrationsgradienten, (2) Konvektion, die Bewegung einer Flüssigkeit ▬ Diffusion
durch physikalische Vorgänge wie Schütteln, Rühren oder Sieden und (3) Migration ▬ Konvektion
(Ionenwanderung), die Anziehung oder Abstoßung eines Ions von einer geladenen ▬ Migration
424 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

flexible Verbindung
zum Motor
Kohlenstoff-Kontakt

Feder
zum
Potentiometer
Kappe

Metallverbindung

Teflon-
Ummantelung
Metallwelle

Reaktant-Konzentration
Ansicht Diffusions- Konvektions-
von unten Elektrodenspitze schicht gebiet
Abb. 16.13 a) Ringscheibenelektrode. (meist Pt)
Nur die polierte Unterseite der Elektrode
(typischer Durchmesser 5 mm) hat Kon- polierte
Elektroden- Reaktant-
takt mit der Lösung. b) Schematisches
fläche konzentration
Konzentrationsprofil des Analyten in der im Inneren der
Nähe der Oberfläche der Ringscheiben- Flüssigkeitsstrom δ Lösung
elektrode bei ausreichendem Elektroden- durch Elektrodenrotation
potential zur Reduzierung der Analytkon- Abstand von der Elektrodenoberfläche
zentration auf den Wert Null. a b

Oberfläche. Eine gebräuchliche Arbeitselektrode für die Amperometrie ist die Ring-
scheibenelektrode, bei der Konvektion und Diffusion den Fluss des Analyten zur
Elektrode bestimmen.20
Wenn die Elektrode in Abbildung 16.13a mit ~1 000 Umdrehungen pro Minute
gedreht wird, entsteht ein Wirbel, der den Analyten schnell durch Konvektion zur
Elektrode bringt. Bei hinreichend großem Potential reagiert der Analyt schnell an der
Elektrode, wobei sich seine Konzentration an der Oberfläche dem Wert Null nähert.
Der resultierende Konzentrationsgradient ist schematisch in der Abbildung 16.13b dar-
gestellt. Der Analyt muss die letzte, kurze Strecke (~10–100 μm) allein durch Diffusion
durchqueren.
Die Diffusionsgeschwindigkeit des Analyten aus dem Inneren der Lösung an die Elek-
trodenoberfläche ist proportional zu der Konzentrationsdifferenz zwischen den beiden
Regionen:
Das Symbol ∝ bedeutet
Stromstärke ∝ Diffusionsgeschwindigkeit ∝ [C]0 – [C]OF (16.18)
„proportional zu“
mit [C]0 der Konzentration im Inneren der Lösung und [C]OF der Konzentration an der
Elektrodenoberfläche. Bei hinreichend großem Potential ist die Reaktionsgeschwindigkeit
an der Elektrode so groß, dass [C]OF << [C]0 und Gleichung 16.18 wird zu
Grenzstrom = Diffusionsstrom ∝ [C]0 (16.19)
Der Grenzstrom wird Diffusionsstrom genannt, da er durch die Geschwindigkeit be-
stimmt wird, mit welcher der Analyt zur Elektrode diffundieren kann. Die Proportionali-
tät des Diffusionsstroms zur Analytkonzentration im Inneren der Lösung ist die Grund-
lage für die quantitative Analyse mit der Amperometrie und, wie im nächsten Abschnitt
beschrieben, der Voltammetrie.
Je schneller sich die Ringscheibenelektrode dreht, desto dünner ist die Diffusions-
schicht in der Abbildung 16.13b und desto größer ist der Diffusionsstrom. Mit einer
schnell rotierenden Pt-Elektrode können 20 nM H2O2 im Regenwasser bestimmt wer-
den.21 H2O2 wird bei +0.4 V (gegen S.C.E.) an der Pt-Oberfläche zu O2 oxidiert und der
Strom ist proportional zu [H2O2] im Regenwasser.
16.5 · Voltammetrie 425

16.5 Voltammetrie

Die Voltammetrie umfasst eine Reihe analytischer Methoden, bei denen die Beziehung Voltammetrie ist die Kurzform von
zwischen Spannung und Strom während eines elektrochemischen Prozesses verfolgt Volt-Amperometrie
wird.22 Das Voltammogramm in Abbildung 16.14a ist eine graphische Darstellung des
Stroms gegen das Potential der Arbeitselektrode (Strom-Spannungs-Kurve) für eine
Mischung von Ferricyanid und Ferrocyanid, die an einer Ringscheibenelektrode oxidiert
oder reduziert werden. Nach einer Übereinkunft ist ein Strom positiv, wenn der Analyt
an der Arbeitselektrode reduziert wird. Der Grenz-(Diffussions-)Strom für die Oxidation
von Fe(CN)64– wird bei Potentialen oberhalb von +0.5 V (gegen S.C.E.) beobachtet.
Fe(CN)64– → Fe(CN)63– + e–
Ferrocyanid; Ferricyanid;
Fe(II) Fe(III)
In diesem Bereich wird der Strom durch die Geschwindigkeit bestimmt, mit der Fe(CN)64–
zur Elektrode diffundiert. Der Diffusionsstrom ist proportional zur Bulk-Konzentration
von Fe(CN)64– (Abbildung 16.14b), genauso, wie es bei der Ringscheibenelektrode in
Gleichung 16.19 der Fall ist. Unterhalb von 0 V gibt es ein anderes Plateau, das dem Dif-
fusionsstrom für die Reduktion von Fe(CN)63– entspricht, dessen Konzentration in allen
Lösungen gleich ist.

Die Polarographie ist weitgehend


Polarographie durch die Voltammetrie mit anderen
Elektroden ersetzt worden, weil damit
Voltammetrie, die mit einer Quecksilber-Tropfelektrode durchführt wird, heißt Pola- die Gesundheitsgefährdung durch das
rographie (Abbildung 16.15). Dabei wird ein Quecksilbertropfen aus der Kapillare ge- toxische Quecksilber entfällt. Für die
drückt. Nachdem Stromstärke und Potential gemessen sind, wird der Tropfen mechanisch Stripping-Analyse, die empfindlichste
entfernt, ein frischer Tropfen gebildet und erneut gemessen. Mit dieser Technik erhält voltammetrische Methode, ist die
man gut reproduzierbare Strom-Spannungskurven. Bei anderen Elektroden, z. B. bei Pla- Quecksilber-Elektrode noch immer die
tin, hängt der Strom von den Oberflächenbedingungen ab. Methode der Wahl. Zur Beseitigung
Die meisten Reaktionen, die mit der Hg-Elektrode untersucht wurden, sind Redukti- von verschüttetem Hg siehe Anmer-
onen. An einer Pt-Elektrode konkurriert die Reduktion von H+ mit der Reduktion vieler kung 23.
Analyte:
2 H+ + 2 e– → H2 (g) E0 = 0

–1 000
60 mM Fe(II)
–800
50 mM Fe(II)
–800
40 mM Fe(II)
Stromdichte (A/m2)

Stromdichte (A/m2)

–400
30 mM Fe(II) –600 16
20 mM Fe(II)

–400

??0
–0.5 0 +0.5 +1.0 +1.5
–200
E (V vs. S.C.E.)

+400 0
20 40 60
a b [K4Fe(CN)6] (mM)

Abb. 16.14 a) Voltammogramme für eine Mischung von 10 mM K3Fe(CN)6 und 20 – 60 mM K4Fe(CN)6
in 0.1 M Na2SO4 an einer rotierenden Glaskohlenstoff-Elektrode. Rotationsgeschwindigkeit = 2 000
Umdrehungen/min und Spannungsvorschub 5 mV/s. b) Abhängigkeit des Grenzstroms von der
K4Fe(CN)6-Konzentration. [J. Nikolic, E. Iniesta, J. González-Garcia, und V. Montiel, „Theoretical Concepts
and Applications of a Rotating Disk Electrode“, J. Chem. Ed. 2000, 77, 1191.]
426 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

elektronisch
gesteuerter
Hg-Tropfenspender Potentiostat
e–

V
A

Kapillarrohr
e–

N2 N2-Ausgang

Platin-
Hilfselektrode

Abb. 16.15 Polarographische Messvor- Analytlösung


richtung mit einer Quecksilber-Tropf- Hg-Tropf-Arbeits-
elektrode als Arbeitselektrode. Die Pola- elektrode
Kalomel-
rographie wurde 1922 von J. Heyrovský Bezugs- Quecksilber-Tropfen
erfunden, wofür er 1959 den Nobelpreis elektrode verbrauchtes Quecksilber
erhielt.

Ein Amalgam ist die Lösung eines Die Tabelle 16.1 hat gezeigt, dass die Reduktion von H+ an einer Hg-Oberfläche eine
Stoffes in Quecksilber große Überspannung hat. Reaktionen, die thermodynamisch weniger begünstigt sind
als die Reduktion von H+ können ohne die Konkurrenzreduktion von H+ durchgeführt
werden. In neutralen oder basischen Lösungen können selbst die Kationen der 1. Haupt-
gruppe (Alkalimetalle) leichter reduziert werden als H+. Außerdem ist die Reduktion
eines Metallions in ein Amalgam günstiger als die Reduktion zum Feststoff:

K+ + e– → K(s) E0 = –2.936 V
K+ + e– + Hg → K(in Hg) E0 = –1.975 V

Quecksilber ist nicht für die Untersuchungen von Oxidationen geeignet, da Hg in nicht-
komplexierenden Medien bei +0.25 V (gegen S.C.E.) oxidiert wird. Bei einer Cl–-Konzen-
Abb. 16.16 Mit Bor dotierte Diamant- tration von 1 M wird Hg in der Nähe von 0 V oxidiert, da Hg(II) durch Cl– stabilisiert
schicht auf einer Pt-Elektrode. [J. Cvačka wird:
et al., Anal. Chem. 2003, 75, 2678. Dank
an G. M. Swain, Michigan State Univer- Hg(l) + 4 Cl– U HgCl42– + 2e–
sity.]
Für Oxidationen bieten Arbeitselektroden aus Pt, Au, C und Diamant in geeigneten Lö-
sungsmitteln gut zugängliche Potentialbereiche (Tabelle 16.2). Mit Bor dotierter Diamant,
der durch chemische Dampfphasenabscheidung hergestellt wurde, ist eine außerordent-
lich inerte Kohlenstoff-Elektrode mit einem großen Potentialfenster, niedrigem Hinter-
grundstrom24 und Transparenz für sichtbares und infrarotes Licht.
Die Polarogramme in der früheren Li- Eine besondere Art der Versuchsausführung ist die Tastpolarographie mit einem
teratur zeigen Stufen wie in Abbildung treppenförmigen Spannungsprofil in Abbildung 16.17. Nach jedem Quecksilbertropfen
16.18a, die aber durch große Oszilla- wird das Potential um 4 mV in negative Richtung verschoben, dann wird etwa eine Se-
tionen überlagert sind. In den ersten kunde gewartet und in den letzten 17 ms des Tropfenlebens wird der Strom gemessen. Die
50 Jahren der Polarographie wurde der polarographische Stufe in Abbildung 16.18a ergibt sich aus der Reduktion des Analyten
Strom kontinuierlich gemessen, wobei Cd2+ zum Cadmium-Amalgam:
Hg aus einem Kapillarrohr tropfte.
Cd2+ + 2 e– → Cd(in Hg)
Jeder Tropfen wuchs, bis er abfiel und
durch einen neuen Tropfen ersetzt Das Potential, bei dem die Hälfte des maximalen Stroms in Abbildung 16.18a erreicht ist,
wurde. Der Strom oszillierte zwischen heißt Halbstufenpotential (E1/2). Es ist eine charakteristische Größe für einen gegebe-
einem niedrigen Wert, wenn der Trop- nen Analyten in einem gegebenen Milieu und kann zur qualitativen Analyse verwendet
fen klein war und einem hohen Wert, werden. Wenn sich bei der Elektrodenreaktion Reaktant und Produkt beide in Lösung
wenn der Tropfen groß war. befinden, wie bei Fe3+ + e– U Fe2+, entspricht E1/2 (in Bezug auf S.H.E.) etwa E0 der Halb-
zellenreaktion.
Für die quantitative Analyse wird der Diffusionsstrom verwendet. Er ist im Plateau-
bereich proportional zur Konzentration des Analyten. Der Diffusionsstrom wird von
16.5 · Voltammetrie 427

Tastpolarographie
Tabelle 16.2 Ungefähre Potentialbereiche von Arbeitselektroden in 1 M H2SO4
Schritthöhe
Elektrode Potentialbereich (V gegen S.C.E.) (4 mV)

Potential
Pt –0.2 bis +0.9 V Abtast-
zeit
Au –0.3 bis +1.4 V (17 ms)

Tropfzeit (1 s)
Hg –1.3 bis +0.1 V
Zeit
Glaskohlenstoff –0.8 bis +1.1 V
Faradaystrom
B-dotierter Diamanta –1.5 bis +1.7 V

Strom
Kapazitätsstrom
Fluorierter B-dotierter Diamantb –2.5 bis +2.5 V
Zeit
a
A. E. Fischer, Y. Show und G. M. Swain, „Electrochemical Performance of Diamond Thin-Film Electrodes from
Different Commercial Sources“, Anal. Chem. 2004, 76, 2553; Y. Dai, G. M. Swain, M. D. Porter und J. Zak, „Opti- Abb. 16.17 Treppenförmiges Span-
cally Transparent Carbon Electrodes“, Anal. Chem. 2008, 80, 14; J. Stotter, Y. Show, S. Wang und G. Swain, nungsprofil, das in der Tastpolarographie
„Comparison of Electrical, Optical and Electrochemical Properties of Diamond and Tin Oxide Thin-Film Elec- angewendet wird. Der Strom wird nur in
trodes“, Chem. Mater. 2005, 17, 4880. den Intervallen gemessen, die durch die
b S. Ferro, und A. De Battisti, „The 5-V Window of Polarizability of Fluorinated Diamond Electrodes in Aqueous
dicken, farbigen Striche gekennzeich-
Solution“, Anal. Chem. 2003, 75, 7040. net sind. Das Potential wird im Lauf der
Messung nach negativeren Potentialen
verschoben. Die untere Zeichnung zeigt,
dass nach jeder neuen Potentialeinstel-
lung der Kapazitätsstrom stärker abfällt
als der Faraday-Strom.
10

Halbstufen-
6 8
potential
a)
I (μA)

E1/2 H2O2 + 2H+ + 2e–


4 Rest- 6 gesättigt
→ 2H2O
strom mit Luft
I (μA)

+
Diffusions- 4
2 strom Id O2 + 2H+ + 2e– → H2O2
2
b)
nach Sättigung mit N2
0 0

−0.6 −0.8 −1.0 −1.2 0.0 −0.4 −0.8 −1.2 −1.6


E (V vs. S.C.E.) E (V vs. S.C.E.)

Abb. 16.18 a) Tast-Polarogramme von 5 mM Abb. 16.19 Tast-Polarogramm von 0.1 M KCl
Cd2+ in 1 M HCl und b) 1 M HCl allein mit Luft gesättigt und nach Durchleitung von
N2 zur O2-Entfernung.

der Grundlinie aus gemessen, die sich aus dem Polarogramm bei Analytabwesenheit
ergibt (Abbildung 16.18b). Dieser Reststrom ist eine Folge der Reduktion von Verun- 16
reinigungen in der Lösung oder an den Elektrodenoberflächen. In der Nähe von –1.2 V
in Abbildung 16.18 steigt der Strom wegen des Beginns der Reduktion von H+ zu H2
stark an.
Für die quantitative Analyse muss der Grenzstrom durch die Geschwindigkeit, mit
welcher der Analyt zur Elektrode diffundiert, bestimmt sein. Die Konvektion wird mi-
nimiert, indem eine ungerührte Lösung verwendet wird. Die Migration (elektrostatische
Anziehung des Analyten) wird durch Zusatz einer hohen Konzentration eines Leitelektro-
lyten, z. B. 1 M HCl in Abbildung 16.18, minimiert.
Gelöster Sauerstoff darf nicht anwesend sein, weil O2 bei seiner Reduktion zwei po-
larographische Stufen zu H2O2 und danach zu H2O ergibt (Abbildung 16.19). Üblicher-
weise leitet man zur O2-Beseitigung 10 min Stickstoff durch die Analytlösung.25 Danach
wird der N2-Strom in der Gasphase über der Lösung fortgesetzt, um O2 fernzuhalten.
Während der Messung darf kein Stickstoff in die Lösung eingeleitet werden, damit keine
Konvektion des Analyten zur Elektrode erfolgt.
428 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

Faradayscher Strom und Kapazitätsstrom


Der Faradaystrom beruht auf einer Der Strom, der in der Voltammetrie gemessen werden soll, ist der Faraday-Strom, der auf
Redoxreaktion an der Elektrode der Reduktion oder Oxidation des Analyten an der Arbeitselektrode beruht. In Abbildung
16.18a stammt der Faraday-Strom von der Reduktion von Cd2+ an der Hg-Elektrode. Ein
anderer Strom, genannt Kapazitätsstrom oder Ladungsstrom, stört bei jeder Messung. Wir
bringen die Arbeitselektrode auf ein negativeres Potential, indem Elektronen vom Poten-
e−
tiostaten in die Elektrode getrieben werden. Als Folge fließen Kationen in der Lösung zur
Elektrode und Anionen fließen von ihr weg (Exkurs 16.3). Dieser Fluss von Ionen und Elek-
tronen wird Kapazitäts- oder Ladungsstrom genannt und hat nichts mit Redoxvorgängen zu
Cd tun. Man versucht, den Kapazitätsstrom zu minimieren, da er den Faraday-Strom verfälscht.
Cd 2+
Gewöhnlich limitiert der Kapazitätsstrom die Nachweisgrenzen der Voltammetrie.
Unter der Abbildung 16.17 ist das Verhalten von Faradaystrom und Kapazitätsstrom
nach jeder Potentialänderung gezeigt. Der Faradaystrom fällt, weil der Analyt nicht
Der Kapazitätsstrom beruht auf elek- schnell genug zur Elektrode diffundieren kann, um die hohe Reaktionsgeschwindigkeit
trostatischer Anziehung oder Absto- zu halten. Der Kapazitätsstrom fällt noch stärker, da sich die Ionen in Elektrodennähe
ßung von Ionen in Lösung und Elektro- schnell umverteilen. Eine Sekunde nach jedem Potentialschritt ist der Faradaystrom noch
nen in der Elektrode beachtlich, der Kapazitätsstrom dagegen klein.

Kapillare

e−
Rechteckwellen-(Square Wave)-Voltammetrie
Bei der Rechteckwellen-Voltammetrie wird das wirksamste Potentialprofil für die
+
− − Voltammetrie benutzt, das in Abbildung 16.20 gezeigt ist. Es besteht aus einer Recht-
+
− Hg − + eckwelle, die von einem treppenförmigen Spannungsprofil überlagert ist.26 Bei jedem
− − Kation in kathodischen Puls wird der Analyt an der Elektrodenoberfläche reduziert. Während des
+ − + Lösung
anodischen Pulses wird der gerade reduzierte Analyt wieder oxidiert. Das Rechteckwel-
+
lenpolarogramm in Abbildung 16.21 zeigt die Stromdifferenz zwischen den Abschnitten
1 und 2 der Abbildung 16.20. Die Elektronen fließen von der Elektrode zum Analyt am
Der Faradaystrom ist das uns interes- Punkt 1 und in die umgekehrte Richtung am Punkt 2. Da die beiden Ströme entgegenge-
sierende Signal. Der Kapazitätsstrom setzte Vorzeichen haben, ist die Differenz größer als jeder Einzelwert. Bei der Darstellung
verfälscht das interessierende Signal, der Differenz ist die Gestalt des Rechteckwellenpolarogramms in Abbildung 16.21 im
deshalb wird versucht, den Kapazitäts- Prinzip die Ableitung des Tastpolarogramms.
strom zu verkleinern. Das Signal in der Rechteckwellen-Voltammetrie ist peakförmig und im Vergleich zur
Tastvoltammetrie größer. Diese Signalerhöhung beruht darauf, dass sich das Redukti-
onsprodukt jedes kathodischen Pulses direkt an der Elektrodenoberfläche befindet und

1
Es
kathodischer
Puls

Ep
Abb. 16.20 Stufenform in der Recht-
eckwellen-(Square-Wave)-Voltammetrie. anodischer
Puls
Typische Parameter sind Pulshöhe (Ep)
= 10 mV, Stufenhöhe (Es) = 10 mV und 2
Pulsperiode (τ) = 5 ms. Der Strom wird an
den mit 1 und 2 bezeichneten Positionen
gemessen. Optimale Werte sind Ep = 50/n τ
mV und Es = 10/n mV, mit n der Elektro- Rechteck- treppenförmige
nenzahl in der Halbzellenreaktion. welle Welle
16.5 · Voltammetrie 429

Exkurs 16.3

Die elektrische Doppelschicht KBr: ein negativeres Potential wird benötigt, um Iodid von der
Wenn eine Stromversorgungseinheit Elektronen in eine Elekt- Elektrodenoberfläche zu entfernen.
rode hinein oder aus ihr heraus befördert, zieht die geladene Die nächste Schicht, die auf die der spezifisch adsorbierten
Elektrodenoberfläche Ionen der entgegengesetzten Ladung an. Teilchen folgt, ist reich an Kationen, die durch die negative Elek-
Die geladene Elektrode und die entgegengesetzt geladenen trode angezogen werden. Der Kationenüberschuss verringert
Ionen in unmittelbarer Umgebung bilden die elektrische Dop- sich mit steigender Entfernung von der Elektrode. Diese Region,
pelschicht. deren Zusammensetzung sich von der im Inneren der Lösung
Eine gegebene Lösung hat ein Potential mit der Ladung unterscheidet, wird als diffuser Teil der Doppelschicht bezeichnet
Null (Nullpotential), bei dem sich keine überschüssige Ladung und ist üblicherweise zwischen 0.3–10 nm dick. Die Dicke ergibt
auf der Elektrode befindet. Für eine in 0.1 M KBr-Lösung ein- sich aus dem Gleichgewicht zwischen Anziehung in Richtung
tauchende Hg-Elektrode ist dieses Potential –0.58 V (gegen die Elektrode und regelloser, thermisch bedingter Bewegung.
Kalomelelektrode mit 1 M KCl). Für die gleiche Elektrode ver- Wenn eine Spezies durch einen elektrochemischen Vorgang
schiebt sich dieses Potential in 0.1 M KI zu –0.72 V. erzeugt oder zersetzt wird, unterscheidet sich die Konzentration
Die erste Schicht von Molekülen an der Elektrodenoberflä- in der Nähe der Elektrode von der in der Lösung (Abbildung
che wird durch Van-der-Waals- und elektrostatische Kräfte spezi- 16.13b und Farbtafel 11). Die Region, die einen Überschuss des
fisch adsorbiert. Die adsorbierten Spezies können neutrale Mole- Produktes oder des zersetzten Reaktanten enthält, wird als Dif-
küle, Anionen oder Kationen sein. Iodid wird stärker adsorbiert fusionsschicht (die nicht mit dem diffusen Teil der Doppelschicht
als Bromid. Das Nullpotential ist deshalb für KI negativer als für verwechselt werden darf ) bezeichnet.

Elektrode Lösung

+ spezifisch adsorbierter
gelöster Stoff

+
anderer gelöster Stoff
+

+ +
spezifisch adsorbiertes
Lösungs-
+ solvatisiertes
mittel
Kation
+ –

+ – Grenzfläche zwischen Lösung und Elektrode. Die fest ad-


solvatisiertes
+ Anion sorbierte innere Schicht (auch als kompakte, Helmholtz-
oder Stern-Schicht bezeichnet) enthält die Moleküle des
Lösungsmittels und der gelösten Stoffe. Die Kationen
in der inneren Schicht kompensieren die Ladung der
fest adsorbierte diffuser Teil der Lösung Elektrode nicht vollständig. Daher ist im diffusen Teil der
innere Schicht Doppelschicht Doppelschicht zum Ladungsausgleich ein Kationenüber-
(0.3–10 nm) schuss erforderlich.

16

30

Rechteckwellen
20
Strom (μA)

Abb. 16.21 Vergleich der Polarogramme


von 5 mM Cd2+ in 1 M HCl. Die Wellen-
10
Taststrom formen sind in den Abbildungen 16.17
und 16.20 gezeigt. Tastpolarographie:
Tropfzeit = 1 s, Stufenhöhe = 4 mV, Tast-
0 zeit = 17 ms. Rechteckwellenvoltamme-
trie: Tropfzeit = 1 s, Stufenhöhe = 4 mV,
0.0 –0.2 –0.4 –0.6 –0.8 –1.0 –1.2 Pulsperiode = 67 ms, Pulshöhe = 25 mV,
Potential (V vs. S.C.E.) Tastzeit = 17 ms.
430 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

Vorteile der Rechteckwellen-Voltam- „darauf wartet“, beim nächsten anodischen Puls oxidiert zu werden. Jeder anodische
metrie: Puls liefert an der Elektrodenoberfläche eine hohe Konzentration des Reaktanten für den
▬ Größeres Messsignal nächsten kathodischen Puls. Die Nachweisgrenze wird von ~10–5 M für die Tastvoltam-
▬ Peak-Form erlaubt bessere Auf- metrie auf ~ 10–7 M für die Rechteckwellenvoltametrie verbessert. Da sich benachbarte
lösung benachbarter Signale Peaks leichter als benachbarte Stufen unterscheiden lassen, können mit der Rechteckwel-
▬ Schnellere Messung len-Voltammetrie Spezies unterschieden werden, deren Halbstufenpotential um ~0.05 V
differiert, während hierzu in der Tastvoltammetrie ~0.2 V nötig sind. Die Rechteckwellen-
Anodische Stripping-Analyse: Voltammetrie ist die schnellste voltammetrische Technik. In der Abbildung 16.21 wurde
1. Aufkonzentrierung des Analyten in das Polarogramm mit der Rechteckwellen-Technik in einem Fünfzehntel der Zeit für
einem Hg-Tropfen durch Reduktion die Tastpolarographie aufgenommen. Prinzipiell gilt, je kürzer die Pulsperiode τ in Ab-
2. Rückoxidation des Analyten durch bildung 16.20 ist, desto größer ist der beobachtete Strom. Mit τ = 5 ms (als praktische
Verschiebung des Potentials zu Untergrenze) und Es = 10 mV kann ein ganzes Rechteckwellenpolarogramm für einen
positiveren Werten Bereich von 1 V mit einem Hg-Tropfen in 0.5 s erhalten werden. Mit derartig schnellen
3. Der Peakstrom während der Oxi- Spannungsdurchläufen können beispielsweise Voltammogramme einzelner säulenchro-
dation ist proportional zur Analyt- matographisch getrennter Komponenten aufgenommen werden.
konzentration

Stripping-Analyse
2.0 In der Stripping-Analyse wird der Analyt in einen dünnen Film aus Hg oder an ei-
Cu
nem anderen Elektrodenmaterial durch elektrochemische Reduktion konzentriert. Die
elektroaktive Spezies wird dann von der Elektrode durch Umkehr der Richtung des
1.5 Spannungsvorschubs entfernt (gestrippt). Wenn das Potential positiver wird, werden die
Spezies oxidiert und gehen zurück in die Lösung. Der während der Oxidation gemessene
Strom (μA)

Peakstrom ist der Analytmenge proportional, die ursprünglich abgeschieden worden ist.
1.0 Pb
In Abbildung 16.22 ist ein anodisches Stripping-Polarogramm für die Bestimmung von
Cd, Pb und Cu in Honig dargestellt.
a)
0.5
Die Stripping-Methode ist die nachweisstärkste aller voltammetrischen Techniken
(Tabelle 16.3), da der Analyt aus einer verdünnten Lösung aufkonzentriert wird. Je länger
b) die Zeit für die Anreicherung gewählt wird, desto geringere Konzentrationen können
Cd
0.0 bestimmt werden. Da nur ein Bruchteil des Analyten aus der Lösung abgeschieden wird,
−0.9 −0.7 −0.5 −0.3 −0.1
muss die Anreicherung in einer reproduzierbaren Zeit (beispielsweise 5 min) und unter
Potential (V vs. S.C.E.)
reproduzierbarem Rühren durchgeführt werden.
Abb. 16.22 a) Anodisches Stripping-
Voltammogramm von in Wasser gelös-
tem Honig und Ansäuern mit HCl auf pH + 100 pM Fe(lll)
= 1.2. Vor Aufnahme des Voltamogramms
wurden Cd, Pb und Cu 5 min bei –1.4 V + 50 pM Fe(lll)
(gegen S.C.E.) aus der Lösung in einen
dünnen Hg-Film reduziert. b) Voltammo- 1 nA
gramm ohne den 5-minutigen Redukti-
onsschritt. Die Konzentrationen von Cd
und Pb im Honig waren 7 und 27 ng/g
(ppb). Die Präzision betrug 2–4 %. [Y. Li, F.
Wahdat und R. Neeb, „Digestion-Free De-
termination of Heavy Metals in Honey“,
Meerwasser
Fresenius J. Anal. Chem. 1995, 351, 678.]

–0.4 –0.5 –0.6 –0.7 –0.8


Potential (V vs. Ag AgCl)

Abb. 16.23 Kathodisches Stripping-Tastvoltammogramm von Fe(III) in Meerwasser plus zwei Stan-
dardzugaben von 50 pM Fe(III). [H. Obata and C. M. G. van den Berg, „Determination of Picomolar
Levels of Iron in Seawater Using Catalytic Cathodic Stripping Voltammetry“, Anal. Chem. 2001, 73,
2522. Siehe auch C. M. G. van den Berg, „Chemical Speciation of Iron in Seawater by Cathodic Strip-
ping Voltammetry with Dihydroxynaphthalene“, Anal. Chem. 2006, 78, 156.]
16.5 · Voltammetrie 431

Tabelle 16.3 Nachweisgrenzen der Stripping-Analyse

Analyt Stripping-Modus Nachweisgrenze

Ag+ Anodisch 2 × 10–12 Ma

Testosteron Anodisch 2 × 10–10 Mb

I– Kathodisch 1 × 10–10 Mc

DNA oder RNA Kathodisch 2–5 pg/mLd

Fe3+ Kathodisch 1 × 10–11 Me

a
S. Dong und Y. Wang, Anal. Chim. Acta 188, 212, 341.
b
J. Wang, „Adsorptive Stripping Voltammetry“, EG&G Princeton Applied Research Application Note A-7
(1985).
c
G. W. Luther III, C. Brandon Swartz und W. J. Ullman, Anal. Chem. 1988, 60, 1762. I– wird auf Hg-Tropfen
durch anodische Oxidation abgeschieden: Hg(l) + I– U ½ Hg2I2 (adsorbiert an Hg) + e–
d
S. Reher, Y. Lepjka und G. Schwedt, Fresenius J. Anal. Chem. 2000, 368, 720; J. Wang, Anal. Chim. Acta 2003,
500, 247.
e
C. M. G. van den Berg, Anal. Chem. 2006, 78, 156.

Die Nachweisgrenze für die Bestimmung von Fe(III) in Meerwasser kann mit einem OH
katalytischen Stripping-Prozess auf 10–11 M erniedrigt werden. Zunächst werden 20 μM
2,3-Dihydroxynaphthalin (L), 20 mM Bromat (BrO3–) und Puffer mit pH 8.0 zur Meer- OH
wasserprobe gegeben, die zur Entfernung von O2 mit N2 durchspült wurde. Dihydroxy- 2,3-Dihydroxynaphthalin
naphthalin bildet den Komplex Fe(III)Ln, der an der Hg-Tropfelektrode mit dem Potential
–0.1 V gegen Ag|AgCl während 60 s unter kräftigem Rühren adsorbiert wird. Nach Ab- (Vermutlich ist die polarisierbare
stellen des Rührers und Beruhigung der Lösung wird ein Potentialscan von –0.1 bis –0.8 V π-Elektronenwolke an das polarisier-
vorgenommen und dabei der untere Potentialverlauf in Abbildung 16.23 erhalten. Bei bare Hg durch Van-der-Waals-Kräfte
–0.6 V wird Fe(III) zu Fe(II) reduziert, das von der Elektrode wegdiffundiert. Bevor sich gebunden)
Fe(II) zu weit entfernt, wird es von BrO3– wieder zu Fe(III) oxidiert, erneut adsorbiert und
steht für eine weitere Reduktion zur Verfügung. Der kathodische Stripping-Strom ist bei
Gegenwart von 20 mM BrO3– 290 Mal größer als ohne BrO3–. Fe(II) ist ein Katalysator für
die Netto-Reduktion von BrO3–.
kathodisches
Stripping
Fe(III)Ln (adsorbiert) e– Fe(II)Ln (in Diffusionsschicht)

Fe(III)Ln (in Diffusionsschicht)

Es sind strenge Vorsichtsmaßnahmen zur Entfernung von Eisen aus den Reagenzien und
Geräten erforderlich, wenn Konzentrationen von 10–11 M bestimmt werden sollen. So
muss z. B. die in der Salzbrücke befindliche 3 M KCl gereinigt werden und die Brücke
selbst wird aus Teflon statt aus Glas angefertigt. 16
Neben der Hg-Elektrode können auch andere Elektroden für die Stripping-Analyse
verwendet werden, wenn eine Möglichkeit zur Adsorption des Analyten an der Elektrode
besteht. Spuren von As(III) können gemeinsam mit Gold an einer mit Bor dotierten Dia-
mant-Elektrode abgeschieden werden. Reiner Diamant ist ein elektrischer Isolator. Besser
leitender mit Bor dotierter Diamant kann durch Gasphasen-Zersetzung von 0.5 Vol%
CH4 mit 10 ppm B2H6 (Diboran) in einer 0.06-bar Wasserstoff-Atmosphäre bei 800 °C in
einem Mikrowellenplasma auf Si „gezüchtet“ werden.
In Abbildung 16.24a ist die blanke Oberfläche von Bor-dotiertem Diamant gezeigt. In
Abbildung 16.24b sieht man die Oberfläche nach 90 s Abscheidung von 10 ppm As(III)
+10 ppm Au(III) in 1 M HCl bei –0.45 V (gegen Ag|AgCl). Die intermetallische Ver-
bindung AuxAsy wurde in Form von Partikeln mit einem mittleren Durchmesser von
22 nm abgeschieden. Bei Abwesenheit von Gold wird kein As abgeschieden. Nach der
Abscheidung wird das Potential in positive Richtung verändert, um As wieder zu As(III)
zu oxidieren (Abbildung 16.25). Der bei +0.16 V beobachtete Peakstrom ist proportional
432 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

a b

Abb. 16.24 Aufnahmen mit dem Raster-Elektronenmikroskop (a) einer blanken Oberfläche von
50 ppm As(III) mit Bor dotiertem Diamant und (b) einer Diamantoberfläche mit AuxAsy-Nanopartikeln, die 90 s
bei –0.45 V aus einer Lösung von 10 ppm As(III) +10 ppm Au(III) in 1 M HCl abgeschieden wurden.
[Y. Song und G. M. Swain, „Development of a Method for Total Inorganic Arsenic Analysis Using
Anodic Stripping Voltammetry and a Au-coated, Diamond Thin-Film Electrode“, Anal. Chem. 2007,
79, 2412.]

0.1 μA

zur Analytkonzentration an As(III) in der Ausgangslösung. Schließlich wird das Potential


auf 0.6 V eingestellt, um sämtliches As und Au vor der nächsten Analyse durch Oxidation
zu entfernen.
1 ppm As(III)
Die Nachweisgrenze für As(III) beträgt 0.005 ppb = 7 × 10–11 M. As(V) kann nicht
direkt bestimmt werden, es lässt sich aber quantitativ mit Natriumsulfit (Na2SO3) in HCl
zu As(III) reduzieren. Dieses kann dann mit der Stripping-Analyse bestimmt werden.
Bei einer Lösung, die As(III) und As(V) enthält, wird in einem Aliquot zuerst As(III) ge-
−0.4 − 0.2 0.0 0.2 0.4 messen. Dann wird in einem zweiten Aliquot As(V) reduziert und das gesamte As durch
Potential (V vs. Ag|AgCl) Stripping ermittelt.
Mit Bor dotierter Diamant ist eine besonders gut geeignete Elektrode, da die Oberflä-
Abb. 16.25 Anodisches Stripping von che in einem großen Potentialbereich stabil ist und sich von einer Analyse zur nächsten
As(III) von einer Bor-dotierten Diamant- nicht ändert. Sie adsorbiert keine polaren Moleküle, die bei der Abscheidung des Analy-
Elektrode. AuxAsy wurde aus einer ten stören könnten. Diamant hat einen außergewöhnlich weiten Potentialbereich (–1.5 bis
Lösung von 100 ppm Au(III) in 1 M HCl
+1.7 V gegen S.C.E.) und bei der Messung einer analytfreien Lösung ungewöhnlich kleine
abgeschieden. Der Peakstrom ist pro-
portional zur Konzentration von As(III) in Hintergrundströme.
der Abscheidungslösung. [Y. Song und
G. M. Swain, „Development of a Method
for Total Inorganic Arsenic Analysis Using
Anodic Stripping Voltammetry and a Au- Zyklische Voltammetrie
coated, Diamond Thin-Film Electrode“,
Anal. Chem., 2007, 79, 2412.] Bei der zyklischen Voltammetrie wird die in Abbildung 16.26 dargestellte Spannung in
Dreiecksform an die Arbeitselektrode angelegt. Nach Anlegen einer linearen Spannungs-
rampe zwischen den Zeiten t0 und t1 (normalerweise für wenige Sekunden), wird der
Spannungsverlauf der Rampe umgekehrt, und das Potential in der Zeit t2 zurück zum
Ausgangswert gebracht. Der Zyklus kann viele Male wiederholt werden.
Der Anfangsteil des zyklischen Voltammogramms in Abbildung 16.27, der bei der
Zeit t0 beginnt, zeigt eine kathodische Stufe. Anstelle des Einpegelns auf einen plateau-
ähnlichen Wert am oberen Ende der Stufe verringert sich hier jedoch der Strom bei
weiterem Spannungsanstieg. Dieses Verhalten wird durch den Verbrauch des Analyten
in der Nähe der Elektrodenoberfläche verursacht. Die Diffusion aus der Lösung ist zu
gering, um die Konzentration nahe an der Elektrode aufrechtzuerhalten. In der oberen
Kurve ist zum Zeitpunkt maximaler Spannung (t1) der kathodische Strom auf einen
relativ kleinen Wert gesunken. Nach dem Punkt t1 wird das Potential umgekehrt und
schließlich wird das reduzierte Produkt nahe der Elektrodenoberfläche oxidiert. Diese
Reaktion führt zur Entstehung einer anodischen Stufe. Letztendlich fällt der anodische
Strom zum Zeitpunkt t2 auf seinen Ausgangswert zurück, wenn das reduzierte Produkt
umgesetzt wurde.
In Abbildung 16.27a ist das Verhalten einer schnell ablaufenden, reversiblen Reaktion
dargestellt, bei der die Gleichgewichtskonzentrationen von Reaktant und Produkt an der
16.5 · Voltammetrie 433

–1.00 –1.25 –1.50


E 1/2 E pk
a)
100 A

lpk
t1

kathodischer
Peak
t0 Abb. 16.27 Zyklische Voltammogramme
t2 von (a) 1 mM O2 in Acetonitril mit 0.1 M
lpa (C2H5)4N+ClO4– als Leitelektrolyt und (b) 0.060

Strom
t1 mM 2-Nitropropan in Acetonitril mit 0.10 M
(n-C7H15)4N+ClO4– als Leitelektrolyt. Die Reak-
Kathodenpotential

tion für die Kurve a ist die Reduktion


O2 + e– U O2–
E pa E 1/2 Superoxid
b) Arbeitselektrode: Hg; Bezugselektrode:
t0 Ag|0.001 M AgNO3(aq)|0.10 M (C2H5)4N+ClO4–
t0 t1 t2 in Acetonitril; Scan-Geschwindigkeit: 100 V/s.
Zeit 50 A Ipa ist der anodische Peakstrom und Ipk der
t2 anodischer kathodische Peakstrom. Epa und Epk sind die
Abb. 16.26 In der zyklischen Voltamme- Peak Potentiale, bei denen die Ströme gemessen
trie verwendete Wellenform. Die angege- wurden. [D. H. Evans, K. M. O´Connell, T. A.
benen Zeiten werden in der Abbildung –1.75 –2.00 –2.25 Petersen und M. J. Kelly, „Cyclic Voltamme-
16.27 verwendet. Potential (V) try“, J. Chem. Ed. 1983, 60, 290.]

Elektrodenoberfläche erhalten bleiben. Die Ströme im anodischen und kathodischen Peak


haben bei einem reversiblen Prozess die gleiche Größe und es gilt
2.22 RT 57.0
Epa − Epc = = (mV) bei 25 °C (16.20)
nF n
wobei Epa und Epk die Potentiale sind, bei denen der anodische bzw. kathodische Peak-
strom beobachtet wird. n ist die Anzahl der Elektronen in der Halbzellenreaktion. Das
Halbstufenpotential E½ liegt in der Mitte zwischen den beiden Peakpotentialen. Abbil-
dung 16.27b ist das zyklische Voltammogramm einer irreversiblen Reaktion. Kathodi-
scher und anodischer Peak sind breiter und weiter voneinander entfernt. Am Limit der
Irreversibilität, wo die Oxidation sehr langsam verläuft, ist kein anodischer Peak zu
sehen.
Bei einer reversiblen Reaktion ist der Peakstrom (Ipk in Ampere) für den Vorwärtslauf
des ersten Zyklus der Konzentration des Analyten und der Quadratwurzel der Vorschub-
geschwindigkeit proportional:
16
I pk = (2.69 × 108)n3/2 ACD1/2 ν1/2 (bei 25 °C) (16.21)
n ist hier die Anzahl Elektronen in der Halbreaktion, A die Elektrodenfläche (m2), C die
Konzentration (mol/L), D der Diffusionskoeffizient der elektroaktiven Spezies (m2/s) und
ν die Vorschubgeschwindigkeit (V/s). Je höher die Vorschubgeschwindigkeit ist, desto
größer ist der Peakstrom, solange die Reaktion reversibel bleibt. Wenn die elektroaktive
Spezies an der Elektrodenoberfläche adsorbiert wird, ist der Peakstrom direkt zur Sweep-
geschwindigkeit ν proportional (und nicht zur Quadratwurzel von ν).
Für das katalytische Stripping in Abbildung 16.23 ist der Strom, in Übereinstimmung
mit der Diffusion von BrO3– zur Elektrode als geschwindigkeitsbestimmender Schritt, pro-
portional zu ν . Wäre die Reduktion des an der Elektrode adsorbierten Fe(III) geschwin-
digkeitsbestimmend, müsste der Peakstrom proportional zu ν sein.
Die zyklische Voltammetrie wird angewendet, wenn das Redoxverhalten von Verbin-
dungen (wie beispielsweise des C60 in Abbildung 16.28) charakterisiert oder die Kinetik
von Elektrodenreaktionen27 aufgeklärt werden sollen.
434 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

10 A

Abb. 16.28 a) Struktur von C60 (Buck-


minsterfulleren). b) Zyklisches Voltam-
mogramm. c) Polarogramm von 0.8
b
mM C60 mit 6 Stufen zur Reduktion zu
– 2– 6–
C60 , C60 , …, C60 . Die Acetonitril/Toluen-
Lösung hatte eine Temperatur von
–10 °C und enthielt (n–C4H9)4N+PF6– als
Leitelektrolyt. Die Bezugselektrode
5 A
enthielt das Ferrocen/Ferrocinium-
Redoxpaar. Ferrocen ist (C5H5)2Fe und
das Ferrocinium-Kation ist (C5H5)2Fe+.
Die Struktur von Ferrocen wurde in
der Abbildung 16.15 gezeigt. [Q. Xie, E. –1.0 –2.0 –3.0
Pérez-Cordero und L. Echegoyen, „Elec- Potential (V vs. Ferrocene Ferricinium +)
trochemical Detection of C60 6–
und C706–
“, C60
J. Am. Chem. Soc. 1992, 114, 3978.] a c

Mikroelektroden
Vorteile der Ultramikroelektroden: Mikroelektroden haben wirksame Durchmesser von einigen Mikrometern bis hinunter
▬ Sie passen überall hin in den Nanometer-Bereich.28 Wegen der minimalen Oberfläche der Elektrode wird
▬ Eignen sich für nichtwässrige auch der Strom sehr klein. Bei einem kleinen Strom ist der Ohmsche Spannungsabfall
Medien mit hohem Widerstand (= IR) in einem hochohmigen Medium klein und deshalb können Mikroelektroden zur
(geringe Ohmsche Verluste) Messung in schlecht leitenden nichtwässrigen Systemen verwendet werden (Abbildung
▬ Schnelle Potentialdurchläufe (we- 16.29). Die elektrische Kapazität der Doppelschicht (Exkurs 16.3) einer Mikroelektrode
gen der geringen Doppelschicht- ist äußerst gering. Daraus ergibt sich im Hintergrund ein kleiner Kapazitätsstrom im
Kapazität), ermöglichen Untersu- Vergleich zum Faradaystrom einer Redoxreaktion. Die Nachweisgrenzen erniedrigen
chung kurzlebiger Teilchen sich um bis zu drei Größenordnungen gegenüber konventionellen Elektroden. Diese
▬ Nachweigrenzen verbessern sich niedrige Kapazität macht es möglich, das Potential der Elektrode mit Geschwindigkei-
durch kleinem Kapazitätsstrom um ten bis zu 500 kV/s zu variieren und damit kurzlebige Spezies mit Lebenszeiten unter
Größenordnungen 1 μs zu untersuchen.
Hinreichend kleine Elektroden passen in eine lebende Zelle. Eine Kohlefaser, die mit
einer isolierenden Polymerschicht von insgesamt 1 μm Durchmesser ummantelt ist, kann
an der freien Spitze als Arbeitselektrode dienen. Da Kohlenstoff leicht durch Adsorption
CF2CF2 n CFCF2 x organischer Moleküle aus den lebenden Zellen verunreinigt wird, scheidet man elektroly-
tisch eine dünne Schicht Pt oder Au auf dem Kohlenstoff ab. Die metallisierte Elektrode
O
wird in situ (während des Experimentes innerhalb der Zelle) durch Anlegen eines ano-
Ausschnitt der CF2 dischen Spannungspulses gereinigt, wodurch die an der Oberfläche gebundenen Spezies
chemischen Struktur
einer Nafion- desorbiert und eine Oxidschicht auf dem Metall gebildet werden. Durch einen sich an-
Membran, die den
CFCF3 schließenden kathodischen Puls wird das Oxid reduziert29.
Durchtritt von
Kationen ermöglicht, O In Abbildung 16.30 ist eine Kohlefasermikroelektrode dargestellt, die mit einer als
jedoch nicht von Nafion bezeichneten Kationenaustauschermembran beschichtet ist. Diese Membran
Anionen CF2CF2SO3 Na trägt negative Festladungen. Kationen aus der Lösung können schnell durch die Mem-
bran diffundieren, Anionen werden jedoch ausgeschlossen. Mit der Elektrode kann der
kationische Neurotransmitters Dopamin im Gehirn einer Ratte bestimmt werden.30
Die Anionen der Ascorbinsäure stören normalerweise bei der Dopaminanalyse. Hier
HO werden sie von der Nafion-Membran elektrostatisch abgeschirmt und damit ausge-
schlossen. Das Signal für Dopamin ist 1 000 Mal größer als das für die Anionen der
HO NH3
Ascorbinsäure.
Dopamin
Abbildung 16.31 zeigt die Anwendung eines Mikroelektroden-Arrays in der Biolo-
O gie. Zellen aus der Zelllinie Phäochromozytoma PC 12, die aus einem Tumor der Ne-
2H 2e benniere stammen, scheiden bei Stimulation mit K+ Dopamin aus. Die Neurotransmit-
O NH3 ter befinden sich in kleinen intrazellulären Kompartimenten, den Vesikeln. Um ihren
16.5 · Voltammetrie 435

s
s
s
Au~147- s
s –6/–7
Kern
0.2 s –5/–6
8/7 s
s
7/6 6/5 5/4 s –4/–5
4/3
Strom (nA)

3/2 2/1 1/0 –3/–4


0.1 0/–1 –2/–3
–1/–2

0
2 1 0 –1 –2
Spannung
Abb. 16.30 Elektronenmikroskop-
Abb. 16.29 Voltammogramm von Gold-Nanopartikeln (Au~147 bedeckt mit ~50 Hexanthiol-Mole- Aufnahme der Spitze einer mit Nafion
külen) in einer Lösung von 1,2-Dichloroethan mit einer 25-μm-Arbeitselektrode. Die Nanopartikel beschichteten Kohlefaser-Elektrode. Die
haben im dargestellten Potentialbereich Oxidationszustände von –7 bis +8. Leitelektrolyt: 10 mM Kohlefaser im Inneren der Elektrode hat
[(C6H5)3P=N=P(C6H5)3]+ [(C6F5)4B]–. Das Potential wurde gegen eine „Quasi-Referenz“-Elektrode ge- einen Durchmesser von 10 μm. Nafion
messen, einen Ag-Draht mit einem Potential von ~ –0.1 V gegen Ag|AgCl. [B. M. Quinn, P. Liljeroth, ermöglicht den Durchtritt von Kationen
V. Ruiz, T. Laaksonen und K. Kontturi, „Electrochemical Resolution of 15 Oxidation States for Monolayer und schließt Anionen aus. [R. M. Wight-
Protected Gold Nanoparticles“, J. Am. Chem. Soc. 2003, 125, 6644.] man, L. J. May und A. C. Michael, „Detec-
tion of Dopamine Dynamics in the Brain“,
Anal. Chem. 1988, 60, 769 A.]

Pfeil zeigt
auf die Zelle,
die gegen die
Elektrode ge-
drückt wird
Mikropipette Mikroelektroden-
dosiert KCl array

a b c Zeit (min)

Abb. 16.31 a) Kohlenstofffaser-Mikroelektrodenarray mit sieben Elektroden. b) Mikroelektrodenarray,


das gegen eine PC 12-Zelle drückt, die dadurch eine Halbmondform angenommen hat. Die Mikropi-
pette links liefert 0.1 M KCl zur Stimulierung des Dopamin-Ausstoßes der Zelle. Die Ag|AgCl-Referenz/
Hilfselektrode ist nicht zu sehen. c) Amperometrische Signale aller sieben Elektroden während des
exocytotischen Ausstoßes des Neurotransmitters. [B. Zhang, K. L. Adams, S. J. Luber, D. J. Eves, M. L.
Heien und A. G. Ewing, „Spatially and Temporally Resolved Single-Cell Exocytosis Utilizing Individually
Addressable Carbon Microelectrode Arrays“, Anal. Chem. 2008, 80, 1394.]

16
Inhalt nach außen zu geben, fusionieren die Vesikeln mit der Zellmembran und öffnen
sich. Dieser Vorgang wird Exocytose genannt. Das Mikroelektrodenarray besteht aus
Kohlefasern mit 5 μm Durchmesser in einer Sieben-Kanal-Kapillare, die zu einer feinen
Spitze ausgezogen ist. Jede Kohlefaser in Abbildung 16.31a ist eine unabhängige Ar-
beitselektrode, die einen Bereich mit einem Durchmesser von etwa 5 μm erfassen kann.
Abbildung 16.31b zeigt die gegen eine einzelne Zelle gedrückte Elektrode, wodurch die
Zelle halbmondförmig deformiert wird. Wenn aus der Mikropipette (links in Abbil-
dung 16.31b) 0.1 M KCl in das Medium injiziert wird, scheidet die Zelle Dopamin in
diskreten exocytotischen Ereignissen aus. Die Abbildung 16.31c zeigt das Ansprechen
der Elektroden A-G über 16 Minuten, wobei aller 45 s eine KCl-Injektion erfolgte. Die
Signale sind sämtlich verschieden, wobei unterschiedliche Stellen der Zelloberfläche
unterschiedlich ansprechen. So sind die Stellen in den Elektroden F und G in den ersten
Minuten „kalt“ und setzen kaum Dopamin frei. Irgendetwas ändert sich nach 8 Minu-
ten und diese beiden Stellen werden „heiss“.
436 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

16.6 Karl-Fischer-Titration von Wasser

Die Karl-Fischer-Titration31, mit der Spuren von Wasser in Transformatorölen, Lösungs-


mitteln, Lebensmitteln, Polymeren und vielen anderen Substanzen bestimmt werden,
wird an jedem Tag eine halbe Million Mal durchgeführt.32 Dabei wird gewöhnlich der Ti-
trant von einer automatischen Bürette geliefert oder coulometrisch erzeugt. Das volume-
trische Verfahren ist besser für die Bestimmung von größeren Mengen Wasser geeignet
(aber auch ~1mg Wasser lässt sich bestimmen), während die Coulometrie besonders bei
kleinen Wassermengen eingesetzt wird.
Das coulometrische Verfahren ist in Abbildung 16.32 gezeigt. Der Hauptraum der
Titrationszelle enthält die Anodenlösung zusammen mit der Probe. In der kleineren
Kammer links davon befinden sich eine innere Pt-Elektrode, die in die Kathodenlösung
taucht, sowie eine äußere Pt-Elektrode, die in die Anodenlösung der Hauptkammer
taucht. Die beiden Kammern werden durch eine ionendurchlässige Membran getrennt.
In der rechten Hälfte der Abbildung befinden sich zwei Pt-Elektroden, die für die End-
punktsbestimmung verwendet werden.
HO Die Anodenlösung besteht aus einem Alkohol, einer Base, SO2, I– und eventuell einem
N anderen organischem Lösungsmittel. Meist wird Methanol oder Diethylenglycolmono-
NH methylether (CH3OCH2CH2OCH2CH2OH) als Alkohol verwendet. Typische Basen sind
N Imidazol und Diethanolamin. Das Gemisch organischer Lösungsmittel kann Chloroform,
H HO
Formamid oder andere Lösungsmittel enthalten. Der gegenwärtige Trend zielt wegen ihrer
Imidazol Diethanolamin
umweltgefährdenden Eigenschaften auf die Vermeidung chlorierter Lösungsmittel. Wenn
unpolare Stoffe, wie z. B. Transformatoröl untersucht werden, muss genügend Lösungsmit-
tel, etwa Chloroform, zugegeben werden, damit eine homogene Reaktion möglich ist. An-
dernfalls ist die in öligen Emulsionen eingeschlossene Feuchtigkeit nicht zugänglich. (Eine
Emulsion ist eine feine Suspension von Flüssigkeitströpfchen in einer anderen Flüssigkeit.)
An der Anode im linken unteren Teil der Abbildung 16.32 wird I2 durch Oxidation
von I– erzeugt. In Gegenwart von Wasser laufen Reaktionen zwischen dem Alkohol
(ROH), der Base (B), dem SO2 und dem gebildeten I2 ab:

Der pH wird im Bereich von 4 bis 7 ROH + SO2 + B → BH+ + ROSO2– (16.22)
gehalten. Oberhalb von pH 8 laufen H2O + I2 + ROSO2– + 2 B → ROSO3– +2 BH+I– (16.23)
nichtstöchiometrische Nebenreakti-
onen ab. Unterhalb von pH 3 ist die Als Nettoreaktion resultiert die Oxidation von SO2 durch I2 unter Bildung eines Alkylsul-
Reaktion zu langsam. fates. Für jedes Mol Wasser im Reaktionsmedium wird dabei ein Mol I2 verbraucht, wenn
die Reaktion mit Methanol als Lösungsmittel durchgeführt wird. In anderen Lösungsmit-
teln kann die Stöchiometrie komplizierter sein.32

Pt-Elektroden
zur coulometrischen Pt-Elektroden zur
Erzeugung von I2 bipotentiometrischen
Endpunktbestimmung

Septum für
Probeninjektion
Kathoden-
lösung

Generator-
kathode
ionen- Anodenlösung,
durchlässige in die Analyt
Membran gegeben wird
Anode, an
Abb. 16.32 Apparatur zur coulometri- Magnetrührstab
der I2 gebildet
schen Karl-Fischer-Titration. wird
16.6 · Karl-Fischer-Titration von Wasser 437

Bei einer typischen Analyse wird der Hauptraum in Abbildung 16.32 mit der Ano-
denlösung gefüllt und der coulometrische Generator wird mit der Kathodenlösung
gefüllt, die zur Reduktion an der Kathode vorgesehene Reagenzien enthält. Man lässt
den Strom fließen, bis die Feuchtigkeit im Hauptraum aufgebraucht ist. Das Detekti-
onssystem für den Endpunkt wird nach dem folgenden Beispiel erklärt. Eine zu unter-
suchende Probe wird durch das Septum injiziert und das Coulometer erneut bis zum
Verbrauch des Wassers betrieben. Zwei Mol Elektronen entsprechen einem Mol Wasser
bei der Stöchiometrie I2:H2O = 1:1.

> Beispiel
Standardisierung und Blindwertkorrektur bei der Karl-Fischer-Titration CH3CH2CH2
CH3
Routinemäßig werden die Karl-Fischer-Reagenzien und selbst das Coulometer mit einer
CH3
Standardsubstanz, wie Lincomycin-Hydochlorid-Monohydrat, das 3.91 Gew% H2O enthält, H N H
„eingestellt“. Man lässt das Coulometer bis zum Endpunkt laufen, wodurch gewährleistet ist, HO CH
H
dass die Karl-Fischer-Lösung trocken ist. Durch eine Öffnung wird schnell festes Lincomycin H CONH CH
zugesetzt, welches zum gleichen Endpunkt titriert wird. Dann wird die unbekannte Probe O
H H HO H
zugefügt und in gleicher Weise titriert. Bestimmen Sie die Gew% in der Probe. H
HCl OH H
mg Lincomycin μg H2O μg H2O Differenz (μg) = Blindwertkorrektur H2O H SCH3
gefunden theoretisch
H OH
3.89 172.4 152.1 172.4 – 152.1 = 20.3 Lincomycinhydrochlorid-Monohydrat
C18H37N2O7SCl, FM 461.01
13.64 556.3 533.3 556.3 – 533.3 = 23.0 3.91 Gew% H2O

19.25 771.4 752.7 771.4 – 752.7 = 18.7


Durchschnitt = 20.7

mg Probe μg H2O μg H2O korrigiert Gew% H2O in der Probe


gefunden (= beobachtet – 20.7)

24.17 540.8 520.1 520.1 μg/24.17 mg = 2.15 Gew%

17.08 387.6 366.9 366.9 μg/17.08 mg = 2.15 Gew%

Quelle: W. C. Schinzer, Pfizer Co., Michigan Pharmaceutical Sciences, Portage, MI.

Lösung Für Lincomycin werden ~20.7 μg mehr H2O als erwartet gefunden, unabhängig
von der Probenmenge. Dieser Überschuss an H2O stammt aus der Atmosphäre während des
kurzen Moments der Gefäßöffnung zur Probenzugabe. Zur Wasserbestimmung in unbe-
kannten Proben wird dieser Blindwert von der titrierten Gesamtfeuchtigkeit abgezogen.
Hierdurch können sehr gut reproduzierbare Werte erhalten werden.

Selbstüberprüfung In einer Probe mit der Masse 20.33 mg wurden 888.8 μg Wasser ge-
funden. Wenden Sie die obige Korrektur an und bestimmen Sie die Gew% H2O in der Probe.
(Lösung: 4.27 %)

Eine bipotentiometrische Messung ist die gebräuchlichste Form zur Detektion des End-
punkts in der Karl-Fischer-Titration. Im Detektorstromkreis fließt ein konstanter Strom 16
(gewöhnlich 5 oder 10 μA), zwischen den beiden Detektorelektroden auf der rechten Seite
von Abbildung 16.32, während die Spannung, die für diesen Strom notwendig ist, gemes-
sen wird. Vor dem Endpunkt enthält die Lösung I– und nur sehr wenig I2 (das in Reaktion
16.23 so schnell, wie es durch das Coulometer gebildet wird, auch wieder verbraucht wird).
Um einen Strom von 10 μA konstant zu halten, muss das Kathodenpotential so negativ
sein, dass etwas vom Lösungsmittel reduziert wird. Am Äquivalenzpunkt tritt plötzlich ein
Überschuss an I2 auf und der Strom wird bei sehr niedriger Spannung durch die Reaktio-
nen 16.24 und 16.25 transportiert. Der abrupte Spannungsabfall markiert den Endpunkt.

Kathode: I–3 + 2 e– → 3I– (16.24)


Anode: 3I– → I3– + 2 e– (16.25)

Bei den Geräten für die Karl-Fischer-Titration wird versucht, auf den separaten Katho-
denraum in Abbildung 16.32 zu verzichten und damit die erforderliche Konditionie-
438 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

rungszeit vor Beginn der Analyse zu verringern und die Verstopfung der Membran zu
vermeiden.33 Dazu ist es erforderlich, die Störungen durch die Produkte der Kathodenre-
aktion zu minimieren.
Die Endpunkte der Karl-Fischer-Titration sind auf Grund langsamer Reaktionen und
durch Zutritt von atmosphärischem Wasserdampf in die Zelle nicht sehr stabil. Bei eini-
gen Geräten wird die Geschwindigkeit gemessen, mit der I2 erzeugt werden muss, damit
der Endpunkt gehalten wird. Dieser Wert wird mit der Geschwindigkeit vor der Proben-
zugabe verglichen. Bei anderen Geräten wird für den Endpunkt eine Zeit zwischen 5 und
60 s festgesetzt, während der das Detektorpotential stabil sein muss.
Eine Ringuntersuchung zur Richtigkeit und Präzision der Coulometrie führte zur
Aufdeckung systematischer Fehler.34 In einigen Laboratorien wurden ungeeignete Ge-
räte verwendet oder das Personal machte Fehler bei der Standardisierung. In anderen
Fällen war das Lösungsmittel ungeeignet. Für die Karl-Fischer-Titration sind spezielle
Reagenzien im Handel. Es sollten die von den Geräteherstellern empfohlenen Reagenzien
benutzt werden.

Wichtige Begriffe
Amalgam > Ampere > Amperometrie > Arbeitselektrode > Biosensor > Bipotenti-
ometrische Titration > Clark-Elektrode > Coulomb > Coulometrie > coulometrische
Titration > Depolarisator > Diffusionsstrom > elektrische Doppelschicht > elektro-
aktives Teilchen > Elektrogravimetrie > Elektrolyse > Elektrolyse bei konstantem Po-
tential > Faraday-Strom > Halbstufenpotential > Hilfselektrode > Kapazitätsstrom
> Karl-Fischer-Titration > Konzentrationspolarisation > Leitelektrolyt > Media-

tor > Ohmsches Potential > polarisierbare Elektrode > Polarographie > polarogra-
phische Stufe > Potentiostat > Quecksilber-Tropfelektrode > Rechteckwellen-Voltam-
metrie > Referenzelektrode (Bezugselektrode) > Reststrom > Ringscheibenelektrode
> Stripping-Analyse > Tastpolarographie > Überspannung > unpolarisierbare Elekt-

rode > Unterpotentialabscheidung > Voltammetrie > Voltammogramm > zyklische


Voltammetrie

Zusammenfassung
Bei einer Elektrolyse wird eine chemische Reaktion in einer Zelle durch einen Strom-
fluss erzwungen. Die Stoffmenge an Elektronen, die durch die Zelle fließt, ergibt sich
aus It/F, mit I, der Stromstärke, t, der Zeit und F, der Faraday-Konstanten. Die für eine
Elektrolyse erforderliche Zellspannung beträgt E = E(Kathode) – E(Anode) – IR – Über-
spannungen.
1. Die Überspannung ist die zur Überwindung der Aktivierungsenergie einer Elektro-
denreaktion erforderliche Spannung. Eine größere Überspannung ist erforderlich,
wenn eine Reaktion mit größerer Geschwindigkeit ablaufen soll.
2. Das Ohmsche Potential (= IR) ist die Spannung, die notwendig ist, um den inneren
Widerstand der Zelle zu überwinden.
3. Die Konzentrationspolarisation beschreibt den Zustand, bei dem die Konzentration
elektroaktiver Teilchen in Elektrodennähe nicht gleich der Konzentration im Inneren
der Lösung ist. Die Konzentrationspolarisation ist in den Größen von E(Kathode)
und E(Anode) enthalten.

Überspannung, Ohmsches Potential und Konzentrationspotential wirken der gewünsch-


ten Reaktion entgegen und erfordern die Anwendung einer höheren Zellspannung bei der
Elektrolyse.
Die Elektrolyse mit konstantem Potential wird in einer Drei-Elektroden-Zelle durch-
geführt, in der das Potential der Arbeitselektrode gegen eine Bezugselektrode gemessen
wird, durch die nur ein geringer Strom fließt. Der Strom fließt zwischen der Arbeits- und
der Hilfselektrode.
Bei der elektrogravimetrischen Analyse wird der Analyt an einer Elektrode abge-
schieden, deren Massezunahme bestimmt wird. Mit einer konstanten Spannung in einer
Zwei-Elektroden-Zelle ist die Elektrolyse nicht sehr selektiv, da sich das Potential der
Arbeitselektrode mit dem Ablauf der Reaktion verändert.
Zusammenfassung 439

Bei der Coulometrie wird die für eine chemische Reaktion erforderliche Menge
der Elektronen zur Bestimmung der Menge des Analyten benutzt. Coulometrische
Titrationen werden bei konstanter Stromstärke durchgeführt. Die zur vollständigen
Reaktion benötigte Zeit ist ein direktes Maß für die Anzahl der verbrauchten Elektro-
nen. Die Coulometrie bei kontrolliertem Potential ist selektiver als die Coulometrie mit
konstantem Strom, sie verläuft aber langsamer. Die Bestimmung der in der Reaktion
verbrauchten Elektronen erfolgt durch eine elektronische Integration der Stromstärke-
Zeit-Kurve.
In der Amperometrie ist der Strom an der Arbeitselektrode proportional zur Konzen-
tration des Analyten. Im amperometrischen Glucose-Monitor wird durch enzymatische
Oxidation von Glucose H2O2 erzeugt, das durch Oxidation an einer Elektrode bestimmt
wird. Ein Mediator dient zur schnellen Elektronenübertragung zwischen der Elektrode
und dem Analyten. Im coulometrischen Glucose-Monitor wird die Zahl aller Elektronen
bestimmt, die bei der Oxidation von Glucose in einer kleinen Blutprobe umgesetzt wer-
den. „Elektrische Verdrahtung“ von Enzym und Mediator im Glucose-Monitor erhöht
das Signal der gewünschten Reaktion und reduziert den Hintergrundstrom durch den zur
Hilfselektrode diffundierenden Mediator.
Die Voltammetrie umfasst eine Reihe von Methoden, bei denen die Abhängigkeit des
Stroms vom an die Arbeitselektrode angelegten Potential verfolgt wird. Die Polarographie
ist eine Voltammetrie mit einer Quecksilber-Tropfelektrode als Arbeitselektrode. Mit
dieser Elektrode werden reproduzierbare Ergebnisse erhalten, da dem Analyten konti-
nuierlich frische Oberfläche angeboten wird. Hg eignet sich für Reduktionen, weil die
hohe Überspannung für die H+-Reduktion an Hg Störungen durch eine H+-Reduktion
verhindert. Anodische Prozesse müssen mit anderen Elektroden untersucht werden, da
Hg zu leicht oxidiert wird. Zur quantitativen Analyse wird der Diffusionsstrom gemessen,
welcher zur Konzentration des Analyten proportional ist, wenn eine genügende Konzent-
ration eines Leitelektrolyten vorhanden ist. Das Halbstufenpotential ist für jeden Analyten
in einem bestimmten Medium eine charakteristische Größe.
In der Tastpolarographie wird ein stufenförmiges Potentialprofil für Messungen an
aufeinanderfolgende, hängende Quecksilbertropfen angelegt. Eine Sekunde nach jeder
Potentialänderung ist der Kapazitätsstrom nahezu 0, der Faraday-Strom aus der Redox-
Reaktion immer noch ausreichend.
Die Rechteckwellen- oder Square Wave-Polarographie ermöglicht eine weitere Verbes-
serung der Empfindlichkeit und liefert ein Signal in Form eines Peaks, indem eine Recht-
eckwelle einem stufenförmigen Potentialprofil überlagert wird. Bei jedem kathodischen
Puls gibt es einen „Ansturm“ des Analyten zur Reduktion an der Elektrodenoberfläche.
Beim anodischen Puls wird der eben reduzierte Analyt wieder oxidiert. Das Polarogramm
ist die Differenz der kathodischen und anodischen Ströme. Die hohe Geschwindigkeit,
mit der die Rechteckwellen-Polarographie durchgeführt wird, erlaubt Echtzeitmessungen,
die mit anderen elektrochemischen Methoden nicht realisierbar sind.
Stripping-Voltammetrie ist die empfindlichste Methode der Voltammetrie. Bei der
anodischen Stripping-Polarographie wird der Analyt in einem einzigen Quecksilbertrop-
fen oder in einem dünnen Hg-Film durch Reduktion bei einer konstanten Spannung für 16
eine konstante Zeit angereichert. Nach Einstellung eines positiveren Potentials wird der
Strom während der Rückoxidation der Analyte gemessen. In der zyklischen Voltammetrie
wird eine dreieckförmige Spannung angelegt und kathodische und anodische Prozesse
werden unmittelbar nacheinander gemessen. Mikroelektroden besitzen den Vorteil, dass
sie sich in kleinste Räume einpassen lassen und wegen ihrer niedrigen Ströme die An-
wendung in hochohmigen, nichtwässrigen Medien erlauben. Durch die äußerst geringe
Kapazität können sehr schnelle Spannungsscans verwendet werden, wodurch kurzlebige
Spezies untersucht werden können.
Bei der Karl-Fischer-Titration zur Bestimmung von Wasser wird eine Bürette zur Re-
agenzzugabe oder die Coulometrie zur Reagenzerzeugung benutzt. Bei der bipotentiome-
trischen Endpunktbestimmung wird die Spannung gemessen, die zur Aufrechterhaltung
eines konstanten Stromes zwischen zwei Pt-Elektroden notwendig ist. Der Spannungswert
ändert sich bei am Äquivalenzpunkt sprunghaft, wenn eine Komponente eines Redoxpaa-
res entweder erzeugt oder verbraucht wird.
440 Kapitel 16 · Elektroanalytische Methoden

Übungen
16-A. Eine verdünnte Na2SO4-Lösung soll mit einem Paar glatter Platinelektroden bei
einer Stromdichte von 100 A/m2 und einem Strom von 0.100 A elektrolysiert werden. Die
Elektrolyseprodukte sind H2(g) und O2(g) bei 1.00 bar. Berechnen Sie die erforderliche
Spannung, wenn der Zellwiderstand 2.00 Ω beträgt und keine Konzentrationspolarisation
auftritt. Wie lautet Ihr Ergebnis, wenn anstelle der Pt-Elektroden Au-Elektroden verwen-
det werden?

16-B.
a) Bei welchem Kathodenpotential beginnt die Abscheidung von Sb(s) aus 0.010 M
SbO+ bei pH 0.00? Geben Sie das Potential gegen S.H.E. und gegen Ag|AgCl an.
SbO+ + 2 H+ + 3 e– U Sb(s) + H2O E0 = 0.208 V
b) Wie viel Prozent einer 0.10 M Cu2+-Lösung können elektrolytisch reduziert werden,
bevor 0.010 M SbO+ in der gleichen Lösung bei pH 0.00 reduziert wird?

16-C. Berechnen Sie das Kathodenpotential (gegen S.C.E.) zur Erniedrigung der Cobalt(II)-
Konzentration auf 1.0 μM in den untenstehenden Lösungen. In allen Fällen ist Co(s) das
Reaktionsprodukt.
a) eine Lösung mit 0.10 M HClO4
b) eine Lösung, die 0.10 M C2O42– enthält. (Bei dieser Aufgabe ist das Potential gesucht,
bei dem [Co(C2O4)22–] 1.0 μM beträgt.)
Co(C2O4)22– + 2 e– U Co(s) + 2 C2O42– E0 = –0.474 V
c) eine Lösung, die 0.10 M EDTA bei pH 7.00 enthält. (Bestimmen Sie das Potential für
[Co(EDTA)2–] = 1.0 μM.)

16-D. Ionen, die mit Ag+ reagieren, können elektrogravimetrisch durch Abscheidung an
einer Silberarbeitselektrode bestimmt werden.
Ag(s) + X– → AgX(s) + e–
a) Wie groß ist die Endmasse einer Silberanode, die zur Elektrolyse von 75.00 mL ei-
ner 0.023 80 M KSCN-Lösung benutzt wurde, wenn die Anfangsmasse der Anode
12.463 8 g betrug?
b) Bei welcher Elektrolysespannung (gegen S.C.E.) wird AgBr(s) aus 0.10 M Br– abge-
schieden? (Nehmen Sie einen kleinen Stromfluss an, so dass Ohmsches Potential,
Konzentrationspolarisation und Überspannung vernachlässigt werden können.)
c) Ist es theoretisch möglich, 99.99 % 0.10 M KI von 0.10 M KBr durch Elektrolyse bei
kontrolliertem Anodenpotential abzutrennen?

16-E. Chlor ist seit Jahrzehnten zur Desinfektion von Trinkwasser verwendet worden.
Ein unerwünschter Nebeneffekt dieser Behandlung ist die Reaktion mit organischen
Verunreinigungen zu chlororganischen Verbindungen, von denen einige toxisch sind.
Die Überwachung des gesamten organischen Halogen (genannt TOX) ist für die Wasser-
versorger wichtig. Eine Standardmethode für die TOX-Bestimmung ist die Adsorption
der organischen Verbindungen im Wasser an Aktivkohle. Diese wird verbrannt und die
Halogenwasserstoffe werden freigesetzt:
O /800 °C
Organische Halogenverbindung (RX) ⎯⎯⎯→
2
CO2 + H2O + HX
HX wird in einer wässrigen Lösung adsorbiert und durch coulometrische Titration mit
einer Silberanode bestimmt:
X–(aq) + Ag(s) → AgX(s) + 2e–
Bei der Analyse von 1.00 L Trinkwasser floss 387 s ein Strom von 4.23 mA. In einer Blind-
probe wurde die Aktivkohle oxidiert und hier war der Stromfluss 6 s bei 4.23 mA. Geben
Sie den TOX-Wert für Trinkwasser in μmol Halogen/L an. Wenn alles Halogen Chlor
wäre, können Sie TOX auch als μg Cl/L angeben.
Übungen 441

16-F. Cd2+ wurde als innerer Standard bei der Analyse von Pb2+ mittels Rechteckwellen-
Polarographie verwendet. Cd2+ erzeugt eine Reduktionsstufe bei –0.60 (±0.02) V und Pb2+
bei –0.40 (±0.02) V. Zuerst wurde sichergestellt, dass über den gesamten im Experiment
verwendeten Messbereich das Verhältnis der Peakhöhen proportional zum Verhältnis der
Konzentrationen ist. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse für bekannte und unbe-
kannte Gemische zusammengestellt.

Untersuchte Proben Konzentration (M) Strom (μA)

Bekannte Probe
Cd2+ 3.23 (± 0.01) × 10–5 1.64 (± 0.03)
Pb2+ 4.18 (± 0.01) × 10–5 1.58 (± 0.03)

Unbekannte Probe + innerer Standard


Cd2+ ? 2.00 (± 0.03)
Pb2+ ? 3.00 (± 0.03)

Das Probengemisch wurde durch Mischen von 25.00 (± 0.05) mL Probe (enthielt nur
Pb2+) mit 10.00 (±0.05) mL einer 3.23 (±0.01) × 10–4 M Cd2+-Lösung und Verdünnen auf
50.00 (±0.05) mL hergestellt.
a) Bestimmen Sie die Konzentration von Pb2+ in der unverdünnten Probe unter Ver-
nachlässigung der Messunsicherheit.
b) Ermitteln Sie die absolute Unsicherheit für den bei (a) bestimmten Wert!

16-G. Das Zyklovoltammogramm der Co3+-Verbindung Co(B9C2H11)2– wird in der fol-


genden Abbildung gezeigt. Schlagen Sie für jede Stufe eine chemische Reaktion vor. Sind
die Reaktionen reversibel? Wie viele Elektronen sind in jeder Reaktion beteiligt? Skiz-
zieren Sie die von Ihnen erwarteten Tast- und Rechteckwellen-Polarogramme für diese
Verbindung.

2 μA
Strom

Co

CH

–1.5 –2.0 –2.5


Volt

Zyklovoltammogramm von Co(B9C2H11)2–. [Aus W. E. Geiger, Jr., W. L. Bowden und N. El Murr, „An Elec-
16
trochemical Study of the Protonation Site of the Cobaltocene Anion and of Cyclopentadienylcobalt(I)
Dicarbollides”, Inorg. Chem. 1979, 18, 2358.]

E1/2 (V gegen S.C.E.) Ipa/Ipk Epa–Epk (mV)

–1.38 1.01 60

–2.38 1.00 60

16-H. Bei einer coulometrischen Wasseranalyse nach Karl Fischer wurden für 25.00 mL
reines, „trockenes“ Methanol 4.23 C benötigt, um die notwendige Menge I2 für die im
Methanol befindliche Wassermenge zu erzeugen. Für eine Suspension von 0.847 6 g fein
gepulvertem Polymermaterial in 25.00 mL des gleichen „trockenen“ Methanols wurden
63.16 C benötigt. Bestimmen Sie den Gewichtsanteil (in %) an Wasser im Polymer.
17 Grundlagen der
Spektralphotometrie
Das Ozonloch1
Ozon wird in einer Höhe von 20 bis 40 Kilometern durch die Einwirkung ultravioletter Strahlung der Sonne (hν) auf O2 gebildet.
Es absorbiert die ultraviolette Strahlung, die Sonnenbrand und Hautkrebs verursachen kann.

O2 ⎯⎯ → 2O O + O2 → O3
Ozon

1985 berichtete das britische Antarktisinstitut, dass sich im zeitigen antarktischen Frühling das Ozon in der antarktischen Strato-
sphäre im Vergleich zu den zurückliegenden 20 Jahren um 50 % verringert hat. Seither durchgeführte Untersuchungen zeigten,
dass dieses „Ozonloch“ nur im zeitigen Frühjahr auftritt (Abbildung 1.1) und sich bis zum Jahr 2000 immer weiter ausdehnte.
Verantwortlich für dieses Phänomen werden vor allem die Chlorfluorkohlenwasserstoffe, wie beispielsweise Freon-12
(CCl2F2), gemacht, die früher in Kühlschränken und Klimaanlagen eingesetzt wurden. Diese langlebigen Verbindungen, die
nicht in der Natur vorkommen,2 diffundieren in die Stratosphäre, wo sie die Ozonzersetzung katalysieren:

(1) CCl2F2 ⎯⎯ → CClF2 + Cl Photochemische Cl-Bildung
Dobson-Einheit: Maß für die Dicke
(2) Cl + O3 ⎯⎯
→ ClO + O2 ⎧ der Ozonschicht, angegeben als

⎪ Netto-Reaktion von 2-4:
(3) O3 ⎯⎯ → O + O2 ⎨ Stoffmenge pro Fläche (weitere
⎪ Katalytische O3-Zersetzung 2O3→3O2
(4) O + ClO ⎯⎯
→ Cl + O2 Einzelheiten in Aufgabe 17-14)

Das im Reaktionsschritt 4 entstandene atomare Chlor reagiert immer wieder mit dem Ozon in Schritt 2 und kann somit mehr
als 105 O3-Moleküle zerstören. Die Reaktionskette wird erst abgebrochen, wenn Chlor oder Chlormonoxid mit Kohlenwasser-
stoffen oder NO2 unter Bildung von HCl oder ClONO2 reagieren. Die im antarktischen Winter gebildeten Stratosphärenwolken3
katalysieren die Reaktion von HCl mit ClONO2 zu Cl2, das anschließend durch Sonnenlicht in Cl-Atome gespalten wird, welche
die Zerlegung des Ozons auslösen:
Oberfläche der
polaren Wolken hν
HCl + ClONO2 ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯→ Cl2 + HNO3 Cl2 ⎯⎯ → 2Cl

Die polaren Stratosphärenwolken werden nur in der Winterkälte gebildet. Wenn aber im September und Oktober die Sonne
steigt und noch Wolken vorhanden sind, liegen die Bedingungen vor, unter denen die Ozonzerstörung ablaufen kann.
Um das Leben vor der ultravioletten Strahlung zu schützen, verbieten internationale Verträge heute die Produktion von
Chlorfluorkohlenwasserstoffen oder schreiben deren Auslaufen vor. Es werden große Anstrengungen zur Suche nach unge-
fährlichen Ersatzstoffen unternommen.

16. September 1987 350


1 000 3 000
300
Gesamtozon (Dobson-Einheiten)

800 O3 250
2 000
Absorptionsquerschnitt (cm2)
Molare Extinktion (M–1 cm–1)

600 200
10−17
1000
150
10−18
100
10−19
400
1 000 100
17
10
10−20 200
50 das Ozonloch scheint den
1 ClO Boden erreicht zu haben
−21
10
0.1 0
350 300 250 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010
a Wellenlänge (nm) b Geographische Breite (Grad südlicher Breite) c Jahr

a) Das Ozon-Spektrum hat ein Absorptionsmaximum für ultraviolette Strahlung in der Nähe von 260 nm. Bei dieser Wellenlänge ist
eine Ozonschicht lichtundurchlässiger als eine Goldschicht von gleicher Masse. [Entnommen aus T. P. Wayne, Chemistry of Atmo-
spheres, (Oxford: Clarendon Press, 1991).] b) Spektroskopisch gemessene Konzentrationen von O3 und ClO (gemessen in ppb = nL/L) in
der Stratosphäre in der Nähe des Südpols im Jahr 1987. Die Ozon-Abnahme in Breitengraden mit hoher ClO-Konzentration stimmt mit
der bekannten Chemie des katalytischen Abbaus von Ozon durch Halogenradikale überein. [J. G. Anderson, W. H. Brune und M. H. Prof-
fitt, J. Geophys. Res. 1989, 94D, 11465.] c) Mittleres atmosphärisches O3 im Oktober bei Halley in der Antarktis. Dobson-Einheiten sind
in der Aufgabe 17-14 definiert. [Aus: J. D. Shanklin, British Antarctic Survey, http://www.antarctica.ac.uk/mer/jds/ozone/.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
444 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

Die Spektralphotometrie ist eine Technik, bei der man Licht benutzt, um chemische
Konzentrationen zu bestimmen. Eine Methode, bei der die Absorption von sichtbarem
Licht gemessen wird, heißt Kolorimetrie. Die meist zitierte Arbeit in der Zeitschrift Ana-
lytical Chemistry von 1945 bis 1999 beschrieb eine kolorimetrische Methode, mit deren
Hilfe Biochemiker Zucker bestimmen konnten.4 In diesem Kapitel wird ein einführender
Überblick über die Spektralphotometrie gegeben. Im Kapitel 18 werden die Anwendun-
gen und im Kapitel 19 die Instrumentierung behandelt.

Nach der Entdeckung des antarktischen Ozonlochs im Jahr


1985 leitete die Atmosphärenchemikerin Susan Solomon
1986 die erste Expedition mit dem speziellen Ziel, chemische
Untersuchungen der antarktischen Atmosphäre mit Hilfe von
Wetterballons und der Spektroskopie an der Erdoberfläche
durchzuführen. Bei dieser Expedition wurde festgestellt, dass
der Ozonabbau nach dem polaren Sonnenaufgang eintritt und
dass die Konzentration des reaktionsfähigen Chlors ~100 Mal
größer ist als von der Gasphasenchemie vorhergesagt wurde.
Solomons Gruppe identifizierte Chlor als Schuldigen für den
Ozonabbau und die polaren Stratosphärenwolken als kataly-
tische Oberflächen für die Freisetzung großer Chlormengen.

17.1 Eigenschaften des Lichts

Im Allgemeinen lässt sich das Licht sowohl als Teilchen als auch als Welle beschreiben.
Lichtwellen bestehen aus senkrecht aufeinander stehenden oszillierenden elektrischen
und magnetischen Feldern. Der Einfachheit halber ist in Abbildung 17.1 eine linear po-
larisierte Welle dargestellt. In dieser Abbildung befindet sich das elektrische Feld in der
xy-, das magnetische Feld in der xz-Ebene. Die Wellenlänge λ ist der Abstand zweier
Scheitelpunkte der Welle. Die Frequenz ν ist die Anzahl vollständiger Schwingungen der
Welle pro Sekunde. Die gesetzlich gültige Einheit der Frequenz ist Hertz, ihre Dimension
die reziproke Sekunde, s–1, denn ein Hertz bedeutet eine Schwingung pro Sekunde. Einer
Frequenz von 106 s–1 entsprechen 106 Hz oder 1 Megahertz (MHz).
Die Beziehung zwischen der Frequenz und der Wellenlänge lautet

Beziehung zwischen Frequenz und Wellenlänge: v = c/λ (17.1)

wobei c die Geschwindigkeit des Lichtes (2.998 × 108 Meter pro Sekunde im Vakuum) ist.
In einem anderen Medium beträgt die Geschwindigkeit des Lichtes c/n, wobei n der Bre-
chungsindex des Mediums ist. Für sichtbares Licht ist der Brechungsindex für die meis-
ten Stoffe n > 1, so dass sichtbares Licht sich langsamer durch die Materie als im Vakuum
bewegt. Bewegt sich das Licht durch zwei Medien mit unterschiedlichem Brechungsindex,
bleibt die Frequenz konstant, aber die Wellenlänge ändert sich.

y
elektrisches Feld λ
Abb. 17.1 Linear-polarisierte elektro-
magnetische Strahlung der Wellenlänge
λ, die sich längs der x-Achse ausbreitet.
Das elektrische Feld ist auf eine einzige x
Ebene begrenzt. Gewöhnliches, unpola-
risiertes Licht hat elektrische Feldkom-
z
ponenten in allen Ebenen. magnetisches Feld
17.1 · Eigenschaften des Lichts 445

Energie (kJ/mol) 1.2  107 12 000 310 150 0.12 0.001 2


Elektronen-
anregung
Bindungsspaltung
und Ionisierung

e–
Schwingung Rotation

sichtbares Licht
Frequenz (Hz) 1020 1018 1016 1014 1012 108

-Strahlung Röntgenstrahlung Ultraviolett (UV) Infrarot Mikrowellen Radiowellen

Wellenlänge (m) 10–11 10–8 10– 6 10–3 10–1

sichtbares Spektrum
orange
violett

grün
blau

gelb

rot

Wellenlänge (nm) 400 500 600 700 800

Abb. 17.2 Elektromagnetisches Spektrum mit repräsentativen Molekülvorgängen, die bei Lichtab-
sorption im entsprechenden Gebiet auftreten. Das sichtbare Spektrum umfasst den Wellenlängenbe-
reich von 380–780 nm (1 nm = 10–9 m).

Bezogen auf die Energie wird die Betrachtung des Lichtes als Teilchen, den sogenann-
ten Photonen, bevorzugt. Jedes Photon trägt die Energie E, die gegeben ist durch

Verhältnis zwischen Energie und Frequenz: E = hν (17.2)

in der h das Plancksche Wirkungsquantum (= 6.626 × 10–34 J ⋅ s) ist.

Die Gleichung 17.2 sagt aus, dass die Energie der Frequenz proportional ist. Nach Kombi-
nation der Gleichungen 17.1 und 17.2 folgt
hc
E = = hcv (17.3)
 17

v (ist gleich 1/λ) wird als Wellenzahl bezeichnet. Man sieht, dass die Energie umgekehrt
proportional zur Wellenlänge und direkt proportional zur Wellenzahl ist. Rotes Licht,
das eine längere Wellenlänge als blaues Licht besitzt, ist demzufolge energieärmer als
blaues Licht. Die SI-Einheit der Wellenzahl ist reziproke Meter m–1. In der Literatur ist
aber auch der reziproke Zentimeter cm–1 zum Beispiel in der Infrarotspektroskopie, weit
verbreitet.
Die Namen der Bereiche des elektromagnetischen Spektrums in Abbildung 17.2
sind historisch bedingt. Die einzelnen Bereiche des elektromagnetischen Spektrums ge-
hen kontinuierlich ineinander über. Unsere Augen nehmen mit dem sichtbaren Licht nur
einen sehr kleinen Bereich des elektromagnetischen Spektrums wahr.
446 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

17.2 Lichtabsorption

Wird ein Photon von einem Molekül absorbiert, erhöht sich die Energie des Moleküls.
angeregte
Das Molekül wird dadurch in einen angeregten Zustand überführt (Abbildung 17.3).
Energie

Zustände
Wird ein Photon durch ein Molekül emittiert, erniedrigt sich die Energie des Moleküls.
Der niedrigste Energiezustand eines Moleküls wird Grundzustand genannt. In Abbildung
Grundzustand 17.2 wird dargestellt, dass die Absorption von Mikrowellenstrahlung die Moleküle zu
Absorption Emission
Rotationsbewegungen anregt. Infrarote Strahlung führt zu Schwingungen der Moleküle.
Abb. 17.3 Lichtabsorption erhöht die Sichtbares Licht und ultraviolette Strahlung verursachen die Anregung von Elektronen
Energie eines Moleküls. Emission von und ihren Übergang in höhere Energieorbitale. Röntgenstrahlung und kurzwellige ultra-
Licht erniedrigt seine Energie. violette Strahlung können chemische Bindungen brechen und Moleküle ionisieren. Die
in der Medizin verwendeten Röntgenstrahlen schädigen den menschlichen Organismus,
weshalb ihre Anwendung auf das Notwendigste reduziert werden sollte.

> Beispiel
Energie der Photonen
Um wie viel kJ pro Mol wird die Energie von O2 erhöht, wenn ultraviolette Strahlung mit
einer Wellenlänge von 147 nm absorbiert wird? Wie erhöht sich die Energie von CO2 bei der
Absorption von infraroter Strahlung mit einer Wellenzahl von 2 300 cm–1?
Lösung Bei Absorption der UV-Strahlung wird die Energie erhöht um

c ⎡ ( 2.998 ×10 8 m / s ) ⎤
ΔE = hν = h = (6.626 × 10–34J∙s) ⎢ ⎥ = 1.35 ×10 −18 J / Molekül
λ ⎢ (147 nm ) (10 −9 m / nm ) ⎥
⎣ ⎦

J ⎛ 1023 Moleküle ⎞
(1.35 ×10 −18 ) ⎜ 6.022 × ⎟ = 814 kJ / mol
Molekül ⎝ mol ⎠
Diese Energie reicht aus, die O=O-Bindung im Sauerstoff zu spalten. Bei CO2 beträgt die
Energiezunahme
c
ΔE = hν = h = hcν~ (erinnern Sie sich an: ν~ = 1/λ)
λ
= (6.626 × 10–34J ⋅ s) (2.998 × 108 m/s)(2 300 cm–1)(100 cm/m)
= 4.6 × 10–20 J/Molekül = 28 kJ/mol

Die Infrarot-Absorption erhöht die Schwingungsamplitude der CO2-Bindungen.

Selbstüberprüfung Geben Sie für eine Strahlung mit der Energie von 100 kJ/mol
die Wellenlänge, Wellenzahl und die Bezeichnung der Strahlung an. (Lösung: 1.20 μm,
8.36 × 103 cm–1, Infrarotstrahlung)

Die Strahlungsflussdichte, P, ist Wenn Licht von einer Probe absorbiert wird, verringert sich die Strahlungsflussdichte
die Energie pro Sekunde und der Lichtstrahlung. Sie ist ein Ausdruck für die Strahlungsenergie (in Joule) pro Sekunde
Flächeneinheit der Lichtstrahlung und Flächeneinheit, die emittiert, übertragen oder aufgenommen wird. Sie wird mit dem
(Watt pro Quadratmeter, W/m2). Symbol P bezeichnet und ist eng mit den Begriffen Strahlungsleistung und Strahlungsin-
Dieser Begriff hat sich bisher im tensität (Symbol I) verwandt. Ein einfaches spektralphotometrisches Experiment ist in der
deutschen Sprachgebrauch nicht Abbildung 17.4 ansatzweise dargestellt. Um eine Wellenlänge auszuwählen (Farbtafel 12),
durchgesetzt. Für diese Größe wird Licht durch einen Monochromator geschickt (ein Prisma, ein Gitter oder ein Filter).
werden häufig und auch in diesem Licht mit einem sehr engen Bereich von Wellenlängen nennt man monochromatisch
Buch die Begriffe Strahlungsleis-
tung oder Intensität mit der Einheit
Watt verwendet.
Wellenlängen-
Licht- P0 P
selektor Probe Detektor
Monochromatisches Licht besteht quelle (Monochromator)
aus „einer Farbe“ (einer Wellen-
länge). Je besser der Monochro- b

mator ist, desto enger liegen die Abb. 17.4 Schema eines Experiments am Ein-Strahl-Spektralphotometer. P0 ist die Strahlungsleistung
Wellenlängen der austretenden des Lichts beim Auftreffen auf die Probe, P die Strahlungsleistung beim Verlassen der Probe und b die
Strahlung beieinander. Länge des Wegs durch die Probe.
17.2 · Lichtabsorption 447

(„einfarbig“). Das monochromatische Licht mit der Strahlungsleistung (oder Intensität)


P0 trifft auf die Probe mit einer Länge b. Die Strahlungsleistung des auf der anderen Seite
der Probe austretenden Lichtstrahles ist P. Da durch die Probe Licht absorbiert wurde, ist
P ≤ P0.
Die Transmission T, ist der Bruchteil des ursprünglich eingestrahlten Lichts, der
durch Probe geht.

P
Transmission: T= (17.4)
P0

Die Gleichung bedingt, dass T nur Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Bei
der prozentualen Transmission wird T mit 100 multipliziert, die Werte liegen dann
zwischen 0 und 100 %. Eine andere Quantifizierung stellt die Extinktion dar, die neu-
erdings häufig Absorbanz und manchmal auch optische Dichte genannt wird. Sie ist
definiert als

Beziehung zwischen Transmission und


⎛P ⎞
Extinktion: A = log 10 ⎜ 0 ⎟ = − logT (17.5) Extinktion
⎝P⎠
P/P0 %T A
Wird kein Licht absorbiert, ist P = P0 und A = 0. Bei 90%iger Lichtabsorption ist die 1 100 0
Durchlässigkeit 10 % und P = P0/10. Durch dieses Verhältnis wird A = 1. Wird nur 1 %
des Lichtes durchgelassen, ist A gleich 2. 0.1 10 1
Der Grund für die große Bedeutung der Extinktion ist ihre direkte Proportiona- 0.01 1 2
lität zur Konzentration c von lichtabsorbierenden Komponenten in der Probe (Farb-
tafel 13):

Lambert-Beersches Gesetz: A = εbc (17.6)

Die Gleichung 17.6, die auch als Herzstück der Spektralphotometrie bezeichnet werden Exkurs 17.1 erklärt, warum die Extink-
kann, ist das Lambert-Beersches Gesetz.6 Die Extinktion A ist dimensionslos, manche tion, und nicht die Transmission, der
Autoren verwenden allerdings „Extinktionseinheiten“ als Dimension. Die Konzentra- Konzentration direkt proportional ist.
tion c der Probe wird normalerweise in mol pro Liter (M) angegeben. Die Weglänge
b hat meistens die Einheit cm. Die Größe ε (Epsilon) wird als Extinktionskoeffizient
(oder molare Extinktion) bezeichnet und hat die Einheit M–1 cm–1 (da das Produkt
εbc dimensionslos sein muss). Die molare Extinktion ist eine substanzspezifische
Eigenschaft, die aussagt, wie viel Licht bei einer bestimmten Wellenlänge absorbiert
wird.

> Beispiel
Extinktion, Transmission und Lambert-Beersches Gesetz
Bestimmen Sie die Extinktion und Transmission der 0.002 40 M Lösung einer Substanz mit
einer molaren Extinktion von 313 M–1 cm–1 in einer Zelle mit 2 cm Schichtdicke.

Lösung Gleichung 17.6 liefert die Extinktion:


A = εbc = (313 M–1 cm–1) (0.002 40 M)(2.00 cm) = 1.50
17
Die Transmission wird aus Gleichung 17.5 erhalten, indem man beide Seiten der Gleichung
als Exponent von 10 berechnet:

log T = –A
T = 10logT = 10–A = 10–1.50 = 0.031 6 Für x = y gilt 10x = 10y.

Nur 3.16 % des einfallenden Lichtes verlassen die Lösung wieder.

Selbstüberprüfung Die Transmission der 0.010 M Lösung einer Substanz in einer


0.100-cm Küvette beträgt T = 8.23 %. Bestimmen Sie die Extinktion (A) und die molare
Extinktion (ε). (Lösung: 1.08, 1.08 × 103 M–1 cm–1)
448 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

Tabelle 17.1 Die Farben des sichtbaren Lichts

Wellenlänge maximaler Absorption (nm) Absorbierte Farbe Beobachtete Farbe

380–420 Violett Grün-gelb

420–440 Violett-blau Gelb

440–470 Blau Orange

470–500 Blau-grün Rot

500–520 Grün Purpur

520–550 Gelb-grün Violett

550–580 Gelb Violett-blau

580–620 Orange Blau

620–680 Rot Blau-Grün

680–780 Rot Grün

Exkurs 17.1

Warum besteht ein logarithmischer Die Gleichung (A) kann umgestellt und sehr einfach integ-
Zusammenhang zwischen der Transmission riert werden, um einen Ausdruck für P zu erhalten:
und der Konzentration?5 P b
dP
Das Lambert-Beersche Gesetz (Gleichung 17.6) besagt, dass die − = βcdx ⇒ − ∫ dPP = βc ∫dx
P P 0
Extinktion einer Probe direkt proportional zur Konzentration der 0

absorbierenden Spezies ist. Der Teil des Lichtes, der durch die Die Integrationsgrenzen sind P = P0 bei x = 0 und P = P bei x = b.
Probe hindurchgeht (Transmission), verhält sich logarithmisch
−lnP − ( − lnP0 ) = cb ⇒ ln ( PP 0
) =  cb
und nicht linear zur Probenkonzentration. Warum ist das so?
Nehmen wir an, Licht mit einer Strahlungsleistung (Inten- Nach Umwandlung von ln in log mit der Beziehung ln z =
sität) P geht durch eine unendlich dünne Schicht einer Lösung, (ln10)·(log z) entsteht
deren Schichtdicke dx sei. Die Verringerung der Intensität (dP)
⎛P ⎞ ⎛  ⎞
ist zur Intensität des einfallenden Strahles (P), der Konzentra- log⎜ 0 ⎟ = ⎜ ⎟ cb oder A = εcb
tion der absorbierenden Komponenten (c) und zur Dicke der ⎝ P ⎠ ⎝ ln10 ⎠
 
Konstante ≡ ε
absorbierenden Schicht (dx) proportional:
und das ergibt das Lambert-Beerschen Gesetz.
dP = –βPc dx (A)
Die logarithmische Beziehung zwischen P0/P und der
wobei β eine Proportionalitätskonstante darstellt und das Minus- Konzentration beruht darauf, dass in jedem unendlich kleinen
zeichen zeigt, dass sich die Strahlungsleistung P verringert, wenn Teil des Gesamtvolumens die Abnahme der Strahlungsleistung
sich x erhöht. Die Tatsache, dass die Verringerung der Strah- proportional zur Strahlungsleistung ist, die auf diesen Abschnitt
lungsleistung proportional zur Leistung des einfallenden Licht- trifft. Wenn das Licht die Probe durchstrahlt, nimmt der Intensi-
strahles ist, kann durch ein einfaches Zahlenbeispiel erläutert tätsabfall in den aufeinanderfolgenden Abschnitten ab, weil die
werden. Wenn von 1 000 eingestrahlten Photonen ein Photon in auftreffende Intensität für jeden Abschnitt immer geringer wird.
einer dünnen Schicht einer Lösung absorbiert wird, würden wir Die molare Extinktion reicht von Null (wenn die Wahrscheinlich-
erwarten, dass von 2 000 einfallenden Photonen 2 Photonen ab- keit für eine Photonenabsorption 0 ist) bis etwa 105 M–1 cm–1
sorbiert werden. Die Verringerung der Photonenzahl (Leistung) (wenn die Wahrscheinlichkeit für eine Photonenabsorption
ist zum einfallenden Photonenfluss (Leistung) proportional. gleich 1 ist.

einfallendes absorbierende austretendes


P P – dP
Licht Lösung Licht

x=0 x=b
dx
17.2 · Lichtabsorption 449

Gleichung 17.6 kann auch folgendermaßen geschrieben werden:


Aλ = ελbc
da A und ε von der Wellenlänge des Lichtes abhängig sind. Die Größe ε ist einfach ein
Proportionalitätsfaktor zwischen der Extinktion und dem Produkt aus b und c. Je größer
die molare Extinktion ist, desto größer wird auch A. In einem Absorptionsspektrum wird
dargestellt, wie sich A (oder ε) mit der Wellenlänge ändert (Versuch 17.1).
Der Teil eines Moleküls, der für die Lichtabsorption verantwortlich ist, wird als Die Farbe einer Lösung ist komple-
Chromophor bezeichnet. Jede Substanz, die sichtbares Licht absorbiert, erscheint beim mentär zur Farbe des von ihr absor-
Durchtritt oder der Reflexion von weißem Licht farbig. (Weißes Licht enthält alle Farben bierten Lichtes. Unsere Farbwahr-
des sichtbaren Spektrums.) Die Substanz absorbiert bestimmte Wellenlängen des weißen nehmung hängt nicht nur von der
Lichtes und unser Auge nimmt die Wellenlängen wahr, die nicht absorbiert worden sind. Wellenlänge des Lichts, sondern auch
Eine grobe Übersicht über Farben wird in Tabelle 17.1 gegeben.10 Die beobachtete Farbe von seiner Intensität ab.
wird als komplementär zur absorbierten Farbe bezeichnet. So besitzt z. B. eine Lösung von
Bromphenolblau eine maximale Extinktion bei 591 nm und man beobachtet eine blaue
Farbe. Farbtafel 15 zeigt Absorptionsspektren und zugehörige Farben von Lösungen.

 Versuch 17.1
Absorptionsspektren
Das Spektrum des sichtbaren Lichtes kann auf einen Schirm in einem abgedunkelten Raum
auf die folgende Weise projiziert werden:7 Vier Schichten eines Beugungsgitters† aus Kunst-
stoff werden auf einem Papprahmen befestigt, der eine quadratische Aussparung besitzt,
die groß genug ist, um sie über die Linse eines Overheadprojektors zu schieben. Diese Kon-
struktion wird dann über der Projektorlinse befestigt, die auf den Schirm gerichtet ist. Eine
undurchsichtige Pappscheibe mit zwei Schlitzen 1 × 3 cm wird dann auf die Arbeitsfläche
des Projektors gelegt.
Beim Einschalten der Lampe wird das weiße Bild jedes Schlitzes auf das Zentrum des
Bildschirmes abgebildet. Ein sichtbares Spektrum erscheint an beiden Seiten jedes Bildes.
Wenn man jetzt ein Glas mit einer farbigen Lösung auf einen der beiden Schlitze stellt, wird
deren Farbe an der Stelle des Bildschirmes abgebildet, an der vorher das weiße Abbild er-
schienen war. Das Spektrum an beiden Seiten der farbigen Abbildung verliert an Intensität
in den Bereichen, in denen die farbige Lösung das Licht absorbiert.
In Farbtafel 14a sind das Spektrum des weißen Lichtes und die Absorptionsspektren
von drei unterschiedlich farbigen Lösungen dargestellt. Man sieht, dass Kaliumdichromat,
das gelb oder orange aussieht, blaues Licht absorbiert. Bromphenolblau absorbiert oranges
Licht und erscheint unseren Augen blau. Die Absorption von Phenolphthalein liegt in der
Nähe des Zentrums des sichtbaren Spektrums. Zur besseren Unterscheidung der Absorp-
tionen sind die mit einem Spektralphotometer aufgenommenen Spektren von Lösungen
dieser drei Verbindungen in Farbtafel 14b dargestellt.
Dieselbe Anordnung kann verwendet werden, um das Prinzip der Fluoreszenz und
die Eigenschaften von Farben zu veranschaulichen.7 Es wurden auch andere Versuche zur
Demonstration der Absorption- und Emissionsspektren8 und zur Zerlegung der Spektren in
Farbwertanteile beschrieben.9

Klebestreifen
1 cm 17
Beugungsgitter
auf der Linse

3 cm
Linse Löcher
Maske auf der 10 cm
Arbeitsfläche 3 cm
a) Overheadprojektor.
Papprahmen
b) Beugungsgitter auf
10 cm
vier Gitter- einem Papprahmen.
schichten c) Maske für die Arbeits-
a b c Papprahmen fläche

† Edmund Scientific Co, www.edmundoptics.com, Katalog Nr. NT-40-267.


450 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

Wenn das Lambert-Beersche Gesetz versagt


Das Lambert-Beersche Gesetz besagt, dass die Extinktion proportional zur Konzentration
der absorbierenden Spezies ist. Es gilt für monochromatische Strahlung11 und funktioniert
bei den meisten Substanzen für verdünnte Lösungen (≤ 0.01 M) sehr gut.
Wenn eine Lösung höher konzentriert ist, beginnen sich die gelösten Moleküle ge-
genseitig aufgrund ihrer Nähe zu beeinflussen. Wenn gelöste Moleküle untereinander
in Wechselwirkung treten, können sich ihre Eigenschaften (einschließlich der molaren
Extinktion) verändern. In dem extremen Fall sehr hoher Konzentrationen wird die ge-
löste Substanz selbst zum Lösungsmittel. Die Eigenschaften eines Moleküls sind in ver-
schiedenen Lösungsmitteln nicht gleich. Manchmal treten nichtabsorbierende Moleküle
in einer Lösung mit absorbierenden Spezies in Wechselwirkung und ändern dadurch die
auftretende Absorption.
Das Lambert-Beersche Gesetz gilt für Wenn das absorbierende Molekül an einem konzentrationsabhängigen chemischen
monochromatische Strahlung, die eine Gleichgewicht beteiligt ist, ändert sich die Absorption mit der Konzentration. Eine schwa-
verdünnte Lösung passiert, in der die che Säure, HA, liegt in konzentrierter Lösung vorwiegend undissoziiert vor. Wenn die
Licht absorbierende Spezies nicht an Säure verdünnt wird, nimmt die Dissoziation zu. Wenn das Absorptionsvermögen von
einem konzentrationsabhängigem A– und HA nicht gleich ist, folgt die Lösung beim Verdünnen dem Lambert-Beerschen
Gleichgewicht beteiligt ist. Gesetz nicht.

17.3 Messung der Absorption

Die Mindestanforderungen an ein Spektralphotometer (ein Gerät zur Messung der Ab-
sorption von Licht) sind in Abbildung 17.4 dargestellt. Licht aus einer kontinuierlichen
Quelle passiert den Monochromator, der einen schmalen Wellenlängenbereich des einfal-
lenden Lichtstrahls selektiert. Dieses „monochromatische“ Licht durchstrahlt die Probe der
Schichtdicke b. Die Strahlungsleistung des austretenden Lichtstrahles wird gemessen.
Bei der Spektroskopie im sichtbaren und ultravioletten Spektralbereich befindet eine
flüssige Probe gewöhnlich in einer Zelle mit glatten Flächen aus Quarz (SiO2), der soge-
nannten Küvette (Abbildung 17.5). Glas ist für die Spektroskopie im sichtbaren Gebiet
geeignet, aber nicht im UV-Bereich, da es die UV-Strahlen absorbiert. Die gebräuchlichs-
ten Küvetten haben eine Schichtdicke von 1.000 cm und werden in kompletten Sätzen (für
Probe und Referenz) verkauft.
Ungefähre untere Grenzwerte für ge- Küvetten für Infrarotmessungen von Flüssigkeiten werden normalerweise aus NaCl
bräuchliche Infrarotfenster: oder KBr hergestellt. Für Messungen im Bereich von 400–50 cm–1 hat sich Polyethylen als
Saphir (Al2O3) 1 500 cm–1 geeignetes transparentes Material erwiesen. Feststoffproben werden zuerst zu einem fei-
NaCl 650 cm–1 nen Pulver vermahlen, das einem Mineralöl zugesetzt werden kann (ein viskoser Kohlen-
KBr 350 cm–1 wasserstoff, der auch als Nujol bezeichnet wird). Dabei entsteht eine pastenartige Disper-
AgCl 350 cm–1 sion. Diese Paste wird zwischen zwei KBr-Scheiben gepresst. Das Spektrum des Analyten
CsBr 250 cm–1 wird in einigen Bereichen gestört, in denen das Mineralöl infrarote Strahlung absorbiert.
CsI 200 cm–1 Alternativ dazu kann das feine Pulver als 1 Gew% Mischung mit KBr bei einem Druck
von ca. 60 Mpa (600 bar) in einen lichtdurchlässigen Pressling umgewandelt werden. Fest-
stoffe und Pulver können auch mittels diffuser Reflexion untersucht werden, bei der an-
stelle der durchgelassenen die reflektierte Infrarotstrahlung gemessen wird. Wellenlängen,
die von der Probe absorbiert werden, können nicht in gleichem Maße reflektiert werden,
wie andere Wellenlängen. Diese Technik liefert jedoch nur Aussagen über die Oberfläche
der Probe. Zur Messung von Gasen sind in der Regel größere optische Weglängen von
10 cm bis zu mehreren Metern notwendig.
Solche Weglängen verwirklicht man durch Reflexion des Lichts in der Küvette, das
dadurch mehrfach die Probe durchquert, ehe es zum Detektor gelangt.
Das Gerät in Abbildung 17.4 wird als Einstrahlinstrument bezeichnet, da es nur einen
Lichtstrahl besitzt. Die einfallende Strahlungsintensität P0 wird dabei nicht direkt gemes-
sen. Vielmehr wird die Intensität des Lichtes, das durch eine Referenzzelle mit reinem
Lösungsmittel (oder einer Blindprobe) gelangt, als P0 definiert. Die Referenzküvette wird
danach entfernt und durch eine identische Küvette mit der Probe ersetzt. Die Intensität
des Lichts, die danach den Detektor erreicht, wird als P definiert, woraus T oder A be-
17.3 · Messung der Absorption 451

1 cm-Standard-
Küvette Mikroküvetten
zylindrisch

5-mm- 1-mm- 20-mm-


Thermo-
Schicht- Schicht- Schichtdicke Abb. 17.5 Gebräuchliche Küvetten für
küvette
dicke dicke Durchfluss-
den sichtbaren und ultravioletten Be-
küvette
reich. Durchfluss-Küvetten ermöglichen
einen kontinuierlichen Lösungsfluss
durch die Küvette. Bei den Thermozellen
fließt eine Flüssigkeit mit konstanter
Temperatur durch einen Küvettenmantel,
um eine gewünschte Temperatur ein-
zuhalten. [Mit Genehmigung von A. H.
Thomas Co., Philadelphia, PA.]

stimmt werden kann. Die Referenzküvette mit dem reinen Lösungsmittel dient zur Kom-
pensation von Reflexionen, Streuungen oder Absorptionen des Lichtes durch die Küvette
und das Lösungsmittel. Ein Zweistrahl-Gerät, bei dem das Licht abwechselnd die Probe
und die Referenzküvette passiert, wird in Kapitel 19 beschrieben.
Bei der Aufzeichnung eines Absorptionsspektrum wird routinemäßig zuerst das Ba-
sislinienspektrum mit der Referenzlösung aufgenommen (reine Lösung oder Blindprobe
der Reagenzien), die sich in beiden Küvetten befindet. Im Idealfall zeigt die Basislinie
überall den Wert Null, in der Regel jedoch kleine positive und negative Absorptionswerte.
Die Extinktion der Basislinie wird von der Extinktion der Probe abgezogen, um die wahre
Extinktion der Probe bei jeder Wellenlänge zu erhalten.
Bei einer spektralphotometrischen Analyse wählen wir normalerweise aus zwei Grün-
den die Wellenlänge mit der größten Extinktion: 1) Die Empfindlichkeit der Analyse ist
bei maximaler Extinktion am größten; das heißt, wir erhalten bei einer gegebenen Kon-
zentration das maximale Signal. 2) Am Maximum ist die Kurve relativ flach, so dass nur
geringe Schwankungen der Extinktion auftreten, wenn der Monochromator etwas driftet
oder wenn sich die Breite der ausgewählten Wellenlängen leicht ändert. Das Lambert-
Beersche Gesetz ist erfüllt, wenn die Extinktion über den gewählten Wellenbereich kon-
stant ist.
Moderne Spektralphotometer haben bei mittleren Werten für die Extinktion (A ≈ 0.3
bis 2) die beste Reproduzierbarkeit. Wenn zu wenig Licht durch die Probe geht (hohe Ex-
tinktion), ist es schwer, die Intensität genau zu messen. Bei sehr geringer Extinktion ist es
schwer, die Transmissionen der Probe und der Referenzlösung zu unterscheiden. Es emp-
fiehlt sich, die Konzentration der Probe so einzustellen, dass die Extinktion in den genann-
ten mittleren Bereich fällt. Alle Abdeckungen am Photometer müssen zur Vermeidung von 17
Streulicht dicht geschlossen sein, da sonst falsche Extinktionswerte ermittelt werden.
Abbildung 17.6 zeigt die relative Standardabweichung von Wiederholungsmessungen,
die bei 350 nm mit einem Diodenarray-Spektrometer durchgeführt wurden. Die vollen
Kreise stammen von Messungen, bei denen die Probe zwischen den Messungen nicht vom
Küvettenhalter entfernt worden ist. Die offenen Kreise sind Messergebnisse, bei denen
die Probe entfernt und dann im Küvettenhalter zwischen den Messungen ausgetauscht
wurde. Die relative Standardabweichung ist in beiden Fällen bei Extinktionen zwischen
0.3 und 2 unter 0.1 %. Die Datenpunkte mit den offenen Quadraten wurden mit einem
10 Jahre alten Küvettenhalter und bei Entfernung und Auswechslung der Probe zwischen
den Messungen erhalten. Veränderungen in der Position der Küvette verdoppeln die
relative Standardabweichung. Als Ergebnis zeigt sich, dass moderne Spektrometer mit
moderner Küvettenhalterung eine vorzügliche Reproduzierbarkeit garantieren. Bei einem
452 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

alten Küvettenhalter und mehrfachen Wechsel der Küvette zwischen den Messungen ver-
schlechterte sich die Präzision.
Hinterlassen Sie auf den transparenten Um Spektralphotometer vor Staub zu schützen, ist es wichtig, den Strahlengang der
Fenstern der Küvetten keine Finger- Geräte stets geschlossen zu halten. Kleine Partikel streuen das Licht und verursachen
abdrücke! Die Fingerabdrücke streuen somit eine scheinbare Lichtabsorption. Deshalb empfiehlt sich die Filtration der Lösung
und absorbieren das Licht. durch ein sehr feines Filter. Die Küvetten sollten nur mit einem Tuch angefasst werden,
um Fingerabdrücke auf den Küvettenfenstern zu vermeiden. Die Küvetten selbst sollten
peinlichst sauber gehalten werden.
100
Bereits kleine Abweichungen zwischen der Proben- und Referenzküvette, führen zu
Relative Standardabweichung (%)

systematischen Fehlern in der Spektralphotometrie. Um reproduzierbare Ergebnisse zu


erhalten, ist es wichtig, die Küvette so reproduzierbar wie möglich im Spektralphotome-
10
ter zu positionieren. Bereits geringe Positionsveränderungen der Küvette im Halter, die
Drehung einer planen Küvette um 180° oder die Drehung einer runden Küvette führen zu
Alter Küvettenhalter,
1 zwischen den Messungen scheinbaren Extinktionsänderungen.
wurden Küvetten entfernt

17.4 Das Lambert-Beersche Gesetz in der Chemischen


0.1
Analyse
Neuer Küvettenhalter
0.01 Eine Verbindung, die spektralphotometrisch analysiert werden soll, muss Licht absorbie-
0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 ren und diese Absorption muss sich von der Absorption anderer Probenkomponenten
Extinktion unterscheiden. Da die meisten chemischen Verbindungen ultraviolette Strahlung absor-
Abb. 17.6 Präzision von wiederholten
bieren, ist die UV-Absorption häufig nicht spezifisch genug, deshalb ist man bei einer
Absorptionsmessungen einer Dichromat- spektralphotometrischen Analyse normalerweise auf das sichtbare Spektrum angewiesen.
lösung mit einem Diodenarray-Spektro- Wenn jedoch keine störenden Komponenten in der Probe vorliegen, kann auch im UV-
meter bei 350 nm. Die vollen Kreise stam- Bereich gemessen werden. Proteine werden gewöhnlich im UV-Gebiet bei 280 nm unter-
men von Wiederholungsmessungen, bei sucht, da die in praktisch allen Proteinen vorhandenen aromatischen Aminosäuren ein
denen die Proben zwischen den Messun-
gen nicht vom Küvettenhalter entfernt
Absorptionsmaximum bei 280 nm aufweisen.
wurden. Bei den mit offenen Kreisen
gekennzeichneten Messungen wurden > Beispiel
die Proben aus dem Küvettenhalter ge- Bestimmung von Benzen in Hexan
nommen und zwischen den Messungen a) Reines Hexan hat eine vernachlässigbare UV-Absorption oberhalb einer Wellenlänge von
vertauscht. Die beste Reproduzierbarkeit
200 nm. Eine Lösung, die durch Verdünnen von 25.8 mg Benzen (C6H6, MM 78.11) in Hexan
wurde bei mittleren Extinktionen (A ≈
0.3 bis 2) erreicht. Beachten Sie die loga- und anschließende Verdünnung auf 250.0 mL hergestellt wurde, besitzt am Absorptionsma-
rithmische Ordinate. Die Kurven sind ximum bei 256 nm eine Extinktion von 0.266 in einer 1.000-cm Küvette. Bestimmen Sie den
Anpassungen der kleinsten Quadrate an molaren Extinktionskoeffizienten von Benzen bei dieser Wellenlänge.
theoretische Gleichungen. [J. Galbán, S. Lösung Die Konzentration von Benzen ist
de Marcos, I. Sanz, C. Ubide und J. Zuriar-
rain, „Uncertainty in Modern Spectropho- (0.025 8 g)/(78.11 g/mol)
tometers“, Anal. Chem. 2007, 79, 4763.] [C6H6 ] = = 1.321 × 10 −3M
0.250 0 L

Wir erhalten aus dem Lambert-Beerschen Gesetz:


A
=
( 0.266 ) = 201.3 M−1cm−1
Molarer Extinktionskoeffizient = ε =
( )
bc ( 1.00 cm ) 1.321 × 10−3 M

Dieses Beispiel zeigt die Bestimmung b) Eine mit Benzen verunreinigte Hexanprobe zeigt eine Extinktion von 0.070 bei 256 nm in
des molaren Extinktionskoeffizienten einer Küvette mit 5.000-cm Schichtdicke. Bestimmen Sie die Konzentration des Benzen in
aus einer einzigen Lösung. Es ist aber mg pro Liter.
besser, mehrere Konzentrationen zu
Lösung Wir verwenden ε aus (a) im Lambert-Beerschen Gesetz:
vermessen, um einen zuverlässigeren
Wert zu erhalten und die Gültigkeit A 0.070
[C6H6 ] = = = 6.95 × 10 −5M
des Lambert-Beerschen Gesetzes zu εb (201.3M−1cm−1 ) (5.000 cm)
zeigen. [C6H6 ] = (6.95 × 10 −5mol/L) (78.11 × 103mg/mol) = 5.4 mg/L

Selbstüberprüfung Eine Lösung von 0.10 mM KMnO4 hat bei 525 nm in einer 1.000 cm
Küvette ein Absorptionsmaximum von 0.26. Wie groß sind die molare Extinktion und die
Konzentration einer Lösung, deren Extinktion in der gleichen Küvette 0.52 beträgt? (Lösung:
2 600 M–1cm–1, 0.20 mM)
17.4 · Das Lambert-Beersche Gesetz in der Chemischen Analyse 453

Eisen im Serum
Das für die Biosynthese erforderliche Eisen wird im Blutkreislauf durch das Protein
Transferrin transportiert, dessen Bindungsstellen für Fe3+ in Abbildung 17.7 gezeigt sind.
Der Eisengehalt des Transferrins im Blut wird nach folgender Vorschrift bestimmt.12
Dabei ist nur etwa 1 μg an Fe notwendig, um eine Richtigkeit von 2–5 % zu erreichen.
Das menschliche Blut enthält gewöhnlich etwa 45 Volumenprozent Zellmaterial und 55
% Plasma (Flüssigkeit). Wenn Blut ohne den Zusatz eines gerinnungshemmenden Mittels
entnommen wird, koaguliert (klumpt) das Blut. Die dabei übrigbleibende Flüssigkeit wird
Serum genannt. Serum enthält normalerweise 1 μg Fe je Milliliter, welches an Transferrin
gebunden ist.
Um die Serum-Eisen-Konzentration zu bestimmen, sind drei Arbeitsgänge notwen-
dig:
Schritt 1 Fe3+ im Transferrin wird zu Fe2+ reduziert und dabei aus dem Protein ent- OH

fernt. Meist verwendete Reduktionsmittel sind Hydroxylaminhydrochlorid +N Cl
(NH3OH+Cl–), Thioglycolsäure oder Ascorbinsäure. H
H
2Fe3+ + 2HSCH2COOH → 2Fe2+ + HOOCCH2S–SCH2COOH + 2H+ H
Hydroxylaminhydrochlorid
Thioglycolsäure

Schritt 2 Trichloressigsäure (Cl3CCOOH) wird für die Fällung der Proteine zugesetzt, OH
wobei Fe2+ in Lösung verbleibt. Die Proteine werden anschließend durch Zen- HO O
O
trifugation entfernt. Das ist erforderlich, weil sie während der Messung der
Lösung ausfallen können. Die dabei auftretende zusätzliche Lichtstreuung an
HO OH
den Teilchen des Niederschlages könnte zu großen Fehlern bei der Extinkti-
Ascorbinsäure
onsmessung führen. (Vitamin C)
CCl3COOH
Protein(aq) ⎯⎯⎯⎯→ Protein(s)

Schritt 3 Ein definiertes Volumen der überstehenden Flüssigkeit aus Schritt 2 wird in Mit „überstehend“ ist die Flüssigkeit
ein frisches Gefäß überführt und mit einem Überschuss an Ferrozin versetzt, gemeint, die sich nach der Zentrifuga-
um den pupurfarbenen Komplex zu bilden, dessen Extinktion gemessen wird tion über dem am Boden abgesetzten
(Abbildung 17.8). Zusätzlich wird die Lösung zur vollständigen Komplexbil- Feststoff befindet.
dung des Ferrozin-Eisen-Komplexes gepuffert.
Fe2+ + 3 Ferrozin2– → (Ferrozin)3Fe4–
purpurfarbener Komplex, λmax = 562 nm

Abb. 17.7 Beide Bindungsstellen des


Transferrins für Fe3+ befinden sich in
einer Tasche des Proteins. Jede Bin-
dungsstelle hat einen Stickstoffliganden
von der Aminosäure Histidin und drei
Sauerstoffliganden vom Tyrosin und der
Asparaginsäure. Zwei Sauerstoffatome
des Carbonatanions (CO32–) besetzen die
Asparagin-
säure 60
5. und 6. Koordinationsstelle des Fe3+-
Protein Ions. CO32– ist durch elektrostatische An- 17
Histidin ziehung zum positiv geladenen Arginin
H
253 N H H und durch Wasserstoffbrücken zur Prote-
O O +
N N N inhelix positioniert. Wenn Transferrin von
O H H einer Zelle über den Transferrinrezeptor
Fe N positiv
2– H
O O C aufgenommen wird, gelangt es in die
O ••• H geladenes
saure Umgebung der Endosomen mit
Tyrosin Arginin 121
•••

O
••

H N einem pH von etwa 5.5. Hier reagiert H+


92
NH mit Carbonat zu HCO3– und Fe3+ wird aus
N Pr
o dem Protein freigesetzt. [E. N. Baker, B.
Carbonat- H e tein
Tyrosin l ix - F. Anderson, H. M. Baker, M. Haridas, G.
anion
192 E. Norris, S. V. Rumball und C. A. Smith,
„Metal and Anion Binding Sites in Lacto-
ferrin and Related Proteins“, Pure Appl.
Chem. 1990, 62, 1067.]
454 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

25 000

20 000

ε (M–1 cm–1)
15 000

N 10 000
N

O3S N Fe(II)
N 5 000

400 500 600 700


SO–3 3 Wellenlänge (nm)

Abb. 17.8 Das Absorptionsspektrum des Komplexes (Ferrozin)3Fe(II) im sichtbaren Bereich, der zur
spektralphotometrischen Eisenbestimmung verwendet wird.

Die Blindprobe sollte alle Reagenzien Für die meisten spektralphotometrischen Analysen ist es wichtig, eine Reagenzblind-
und Lösungsmittel außer den Analyten probe herzustellen, die alle verwendeten Reagenzien und anstelle des Analyten destillier-
enthalten. Somit können potenziell tes Wasser enthält. Jede Extinktion der Blindprobe beruht auf der Farbe des unkomple-
störende Quellen einer Lichtab- xierten Ferrozins plus der Farbe, die durch Eisenverunreinigungen in den verwendeten
sorption identifiziert werden. Eine Chemikalien und Glasgeräten hervorgerufen wird. Die Extinktion der Blindprobe wird von
Alternative ist die Verwendung einer allen gemessenen Extinktionen der Proben und der Standards abgezogen, bevor die Berech-
Probenlösung als Blindprobe, bei der nungen der Konzentration erfolgen.
das Reagenz zur Farbbildung fehlt. Die Für die Aufstellung einer Kalibrationskurve wird eine Reihe von Eisenstandards ver-
Wahl der Blindprobe hängt davon ab, wendet. Das Beispiel in Abbildung 17.9 zeigt, dass das Lambert-Beersche Gesetz befolgt
welche Spezies bei der analytischen wird. Die Standards sollten auf gleiche Weise hergestellt werden wie die unbekannten
Wellenlänge stören. Proben. Weiterhin sollte die Extinktion der unbekannten Probe in den Bereich fallen,
der durch die Kalibrationskurve abgedeckt wird. Reiner Eisendraht mit einer glänzenden,
rostfreien Oberfläche wird zur Herstellung der Standardlösung in Säure aufgelöst (siehe
Anhang K). Eisen(II)ammoniumsulfat Fe(NH4)2(SO4)2∙6H2O und Eisen(II)ethylendiam-
moniumsulfat Fe(H3NCH2CH2NH3)(SO4)2∙4H2O sind geeignete Standards für Messun-
gen, bei denen die Ergebnisse weniger genau sein können.
0.800
Wenn alle Proben und Standards nach der gleichen Vorschrift hergestellt und auf iden-
tische Volumina aufgefüllt wurden, kann die Menge Eisen in der unbekannten Probe direkt
0.700
aus der mit der Ausgleichsgeraden ermittelten Kalibrationskurve entnommen werden. Wenn
z. B. die Probe eine Extinktion von 0.357 besitzt (nach Abzug der Absorption der Blind-
0.600
probe), kann aus Abbildung 17.9 entnommen werden, dass die Probe 3.59 μg Eisen enthält.
Extinktion bei 562 nm

0.500
In der eben beschriebenen Serum-Eisen-Bestimmung liegen die ermittelten Werte
Extinktion der
etwa 10 % zu hoch, da auch das im Serum enthaltene Kupfer mit Ferrozin reagieren kann.
0.400
unbekannten Diese Störung lässt sich durch Zusatz von Neocuproin oder Thioharnstoff eliminieren.
Probe Diese Reagenzien maskieren Cu+ durch Bildung sehr starker Komplexe und verhindern,
0.300
dass Cu+ mit Ferrozin reagiert.

CH3 CH3 H3C


0.200 Eisengehalt
der unbekannten N N N
Probe
0.100 2 Cu Cu
N N N

1 2 3 4 5 6 7 8 9 CH3 CH3 H3C


μg bestimmtes Eisen Neocuproin stabiler Komplex mit
Maskierungsmittel für Kupfer geringer Absorption bei 562 nm
Abb. 17.9 Die Kalibrationskurve zeigt die
Gültigkeit des Lambert-Beerschen Ge-
setzes für den (Ferrozin)3Fe(II)-Komplex, > Beispiel
der zur Eisenbestimmung im Serum Bestimmung von Eisen im Serum
verwendet wird. Jede Probe wurde auf
ein Endvolumen von 5 mL aufgefüllt. Serum-Eisen- und Standard-Eisen-Lösungen werden wie folgt analysiert:
Dadurch entspricht 1.00 μg Eisen einer 1. Zu 1.00 ml der Probe werden 2.00 ml des Reduktionsmittels und 2.00 ml einer Säure zur
Konzentration von 3.58 × 10–6 M. Reduktion und Freisetzung von Fe aus dem Transferrin gegeben.
17.5 · Spektralphotometrische Titrationen 455

2. Die Serumproteine werden mit 1.00 ml einer 30 Gew% Trichloressigsäure ausgefällt. Die
Lösung wird zur Entfernung der Proteine zentrifugiert.
3. 4.00 ml der soeben erhaltenen Lösung werden in ein frisches Teströhrchen überführt
und mit 1.00 ml einer gepufferten Ferrozin-Lösung versetzt. Die Extinktion dieser Lö-
sung wird nach 10-minütigem Warten gemessen.
4. Für die Festlegung der Punkte für die Kalibrationskurve in Abbildung 17.9 wird 1.00 mL
Standard verwendet, der anstelle des Serums 2–9 μg Fe enthält.

Die Extinktion der Blindprobe in einer 1.000-cm Küvette bei 562 nm betrug 0.038. Die Se-
rum-Probe hatte eine Extinktion von 0.129. Nach Abzug des Blindwerts von der Extinktion
jeder Standardprobe wurden die Punkte in der Abbildung 17.9 erhalten. Die Methode der
kleinsten Quadrate lieferte folgende Gerade durch die Standardpunkte:

Extinktion = 0.0670 × (μg Fe in der Lösung) + 0.0015

Nach dem Lambert-Beerschen Gesetz müsste die Gerade durch den Nullpunkt gehen. Der
kleine Wert von 0.0015 wird bei der Auswertung berücksichtigt. Bestimmen Sie nun die Kon-
zentration des Eisens im Serum.

Lösung Eine Umformung der Geradengleichung und Einsetzung der korrigierten Extink-
tion (Messwert-Blindwert = 0.129 – 0.038 = 0.091) für die unbekannte Probe ergibt

Extinktion − 0.0015 0.091− 0.0015 Um die Messunsicherheit der μg Fe


μg Fe in der Probe = = =1.336 μg zu ermitteln, wird Gleichung 4.27 ver-
0.0670 0.0670
wendet.
Die Konzentration des Eisens im Serum ist

( 1.336 ×10 −6 g )
[Fe] in mol/L = / (1.00 × 10–3L) = 2.39 × 10–5 M
g
55.845
mol
Selbstüberprüfung Die gemessene Extinktion der Probe beträgt 0.200 und der Blindwert
0.049. Wie ist nun die Eisenkonzentration (μg/mL) im Serum? (Antwort: 2.23 μg/mL)

17.5 Spektralphotometrische Titrationen

Bei einer spektralphotometrischen Titration registrieren wir zur Ermittlung des Äqui-
valenzpunkts die Änderungen der Extinktion während der Titration. Die Lösung des für
den Eisentransport verantwortlichen Proteins, Transferrin, (Abbildung 17.7) kann zur Be-
stimmung des Transferringehalt mit Eisen titriert werden. Transferrin ohne Eisen, Apo-
Transferrin genannt, ist farblos. Jedes seiner Moleküle mit einer Molmasse von 81 000 bin-
det zwei Fe3+-Ionen. Wenn das Eisen an das Protein gebunden wird, tritt eine Rotfärbung
auf; das breite Absorptionsspektrum hat ein Maximum bei 465 nm. Die Extinktion ist
proportional zur Konzentration des an das Protein gebundenen Eisen. Damit kann diese
Rotfärbung zur Verfolgung des Verlaufs der Titration einer unbekannten Menge Apo-
Transferrin mit einer Standardlösung von Fe3+ benutzt werden:
Apo-Transferrin + 2 Fe3+ → (Fe3+)2Transferrin 17
(farblos) (rot)

Diese Titration funktioniert gut mit einer Lösung aus gereinigtem Transferrin, ist jedoch Eisen(III)nitrilotriacetat wird verwen-
wegen der Hintergrundfarbe nicht sehr gut für Serum geeignet. det, weil Fe3+ ein Hydroxid bildet, das
Abbildung 17.10 zeigt das Ergebnis einer Titration von 2.000 mL einer Lösung von in neutraler Lösung ausfällt. Nitrilo-
Apo-Transferrin mit 1.79 × 10–3 M Fe(III)nitrilotriacetat-Lösung. Wenn Eisen mit dem triacetat bindet Fe3+ durch vier Ligan-
Protein reagiert, tritt eine Rotfärbung auf und die Extinktion nimmt zu. Wenn das Protein datome, die fettgedruckt dargestellt
mit Eisen gesättigt ist, wird kein weiterer farbiger Stoff gebildet und die Kurve flacht ab. sind:
Der extrapolierte Schnittpunkt der beiden geraden Teile der Titrationskurve bei 203 μL
CO2—
in Abbildung 17.10 wird als Endpunkt genommen. Die Extinktion steigt nach dem Äqui- —O C N
valenzpunkt weiter leicht an, da das Fe(III)nitrilotriacetat eine geringe Extinktion bei 465
2 CO2—
nm zeigt. Nitrilotriaceat-Anion
456 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

Endpunkt Die Menge an Fe3+, die nach Abbildung 17.10 zur vollständigen Reaktion erforderlich
ist, beträgt (2 × 10–6 L) × (1.79 × 10–3 mol/L) = 0.363 μmol. Da jedes Proteinmolekül zwei
Korrigierte Extinktion

0.400
Fe3+-Ionen bindet, befinden sich in der Probe ½(0.363 μmol) = 0.182 μmol Protein.
bei 465 nm

0.300 Bei der Herstellung der Kurve in Abbildung 17.10 muss die Verdünnung berücksich-
0.200 tigt werden, da das Gesamtvolumen an jedem Punkt verschieden ist. Jeder Punkt in der
0.100 Darstellung stellt die Extinktion dar, die beobachtet würde, wenn man die Lösung nicht
von ihrem Ausgangsvolumen von 2.00 mL verdünnt hätte.
0 100 200 300
μL Fe(III) ⎛ Gesamtvolumen ⎞
korrigierte Extinktion = ⎜ ⎟ (gemessene Extinktion) (17.7)
⎝ Ausgangsvolumen ⎠
Abb. 17.10 Spektralphotometrische Tit-
ration von Transferrin mit dem Eisen(III)-
Komplex der Nitrilotriessigsäure. Die > Beispiel
Extinktion wurde auf den Wert der un- Korrektur der Extinktion wegen Probenverdünnung
verdünnten Lösung vor Titrationsbeginn
Die Extinktion, die nach Zugabe von 125 μL (= 0.125 mL) Fe(III)nitrilotriacetat zu 2.000 mL
korrigiert. Die anfängliche Extinktion ist
auf eine Verunreinigung zurückzuführen. Apo-Transferrin gemessen wurde, war 0.260. Wie groß ist die Extinktionskorrektur für Abbil-
dung 17.10?

Lösung An diesem Punkt beträgt das Gesamtvolumen 2.000 + 0.125 = 2.125 mL. Wäre das
Volumen nur 2.000 mL, müsste die Extinktion um den Faktor 2.125/2.000 größer sein als
0.260.
⎛ 2.125 mL ⎞
Korrigierte Extinktion = ⎜ ⎟ (0.260) = 0.276
⎝ 2.000 mL ⎠

In Abbildung 17.10 war der Extinktionswert 0.276 einzutragen.

Selbstüberprüfung Bei einer anderen Titration war die Extinktion nach Zugabe von 75 μL
Fe(III)nitrilotriacetat zu 1.500 mL Apo-Transferrin 0.222. Wie groß ist die korrigierte Extink-
tion? (Antwort: 0.233)

17.6 Vorgänge bei der Lichtabsorption

120 pm H x Wenn ein Molekül ein Photon absorbiert, wird es in einen angeregten Zustand mit höhe-
rer Energie befördert (Abbildung 17.3). Umgekehrt sinkt die Energie eines Moleküls bei
Grund- O C 116.5°
zustand S0 z der Emission eines Photons um den Betrag, welcher der Energie des Photons entspricht.
110 pm H
Betrachten wir zum Beispiel den in Abbildung 17.11a gezeigten Formaldehyd. Im
a Grundzustand ist das Molekül eben und besitzt eine Doppelbindung zwischen Kohlen-
stoff und Sauerstoff. Aus der Elektronenschreibweise für Formaldehyd erwarten wir zwei
angeregter
Singulett-
Paare nichtbindender Elektronen, die am Sauerstoffatom lokalisiert sind. Die Doppel-
zustand S1 31° C
H bindung besteht aus einer σ-Bindung zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff sowie einer
O 119° π-Bindung zwischen den 2py-Atomorbitalen (out-of-plane, senkrecht zur Molekülebene)
H
132 pm von Kohlenstoff und Sauerstoff.
109 pm
b

Abb. 17.11 Struktur von Formaldehyd. Elektronenzustände des Formaldehyd


a) Grundzustand. b) niedrigster ange-
regter Zustand. Die Molekülorbitale beschreiben die Verteilung von Elektronen in einem Molekül, ge-
nauso, wie die Atomorbitale die Elektronenverteilung in einem Atom charakterisieren. Im
Molekülorbitaldiagramm für Formaldehyd (Abbildung 17.12) ist eines der nichtbinden-
den Orbitale des Sauerstoffs vollständig mit den drei bindenden σ-Οrbitalen vermischt.
Diese vier mit σ1 bis σ4 nummerierten Orbitale werden von je einem Elektronenpaar
Die Größe 2S+1 wird als (Spin-)Mul- mit entgegengesetztem Spin besetzt (Spinquantenzahlen = +½ und –½). Auf höherem
tiplizität bezeichnet. S ist dabei die Energieniveau liegt ein besetztes π-Bindungsorbital, das von den py-Atomorbitalen des
Quantenzahl des Gesamtspins. Somit Kohlenstoff und Sauerstoff gebildet wird. Das energiereichste, besetzte Orbital ist das
ergibt sich bei S=0 eine Multiplizität nichtbindende (n) Orbital, das hauptsächlich aus dem 2px-Atomorbital des Sauerstoffs
von 1 (Singulettzustand) und bei S=1 gebildet wird. Das nichtbesetzte Orbital mit der niedrigsten Energie ist das antibindende
eine Multiplizität von 3 (Triplettzu- π-Orbital (π*). Elektronen in diesem Orbital bewirken zwischen dem Kohlenstoff- und
stand) Sauerstoffatom eine Abstoßung statt Anziehung.
17.6 · Vorgänge bei der Lichtabsorption 457

H
antibindendes C
∗ H
C=O π-Orbital π O π∗

HH
C H n
O

nichtbindendes
Sauerstofforbital n

bindendes H
C=O π-Orbital π π
O C H
Energie

σ4

σ3
H

O C H

drei bindende σ2
σ-Orbitale plus σ4
ein nichtbin- H
dendes Orbital C H
O

σ3 O C H
Abb. 17.12 Molekülorbital-Diagramm
H von Formaldehyd mit Energieniveaus
σ2 und Darstellung der Orbitale. Das Koor-
O C H
dinatensystem des Moleküls sehen Sie in
Abbildung 17.11. [W. L. Jorgensen und L.
σ1
Salem, The Organic Chemist’s Book of Or-
σ1 bitals (New York: Academic Press, 1973).]

Bei einem Elektronenübergang bewegt sich ein Elektron von einem Molekülorbital Ein Triplett-Zustand spaltet in einem
in ein anderes Orbital unter gleichzeitiger Erhöhung oder Verringerung der Energie des Magnetfeldes in drei Niveaus mit ge-
Moleküls. Beim energetisch niedrigsten Elektronenübergang im Formaldehyd gelangt ringfügig unterschiedlichen Energien
ein nichtbindendes (n) Elektron in das antibindende π-Orbital (π*).13 In Abhängigkeit auf, ein Singulett-Zustand wird nicht
von den Spinquantenzahlen im angeregten Zustand (Abbildung 17.13) sind zwei Über- aufgespalten.
gänge möglich. Der Zustand, in dem die Spins entgegengesetzt ausgerichtet sind, wird Je kürzer die Wellenlänge der elektro-
Singulett-Zustand genannt. Sind die Spins parallel ausgerichtet, handelt es sich bei dem magnetischen Strahlung, desto größer
angeregten Zustand um den Triplett-Zustand. ist die Energie.
17
Die angeregten Singulett- und Triplett-Zustände mit der niedrigsten Energie werden
mit S1 und T1 bezeichnet. Im Allgemeinen hat T1 eine geringere Energie als S1. Im Form-
aldehyd erfordert der Übergang n → π* (T1) die Absorption von sichtbarem Licht mit
einer Wellenlänge von 397 nm. Der Übergang n → π*(S1) findet statt, wenn ultraviolette
Strahlung mit einer Wellenlänge von 355 nm absorbiert wird.
Bei einem Elektronenübergang in der Nähe von 397 nm würde man nach Tabelle 17.1
erwarten, dass Lösungen von Formaldehyd grünlich-gelb aussehen. Formaldehyd ist je-
doch farblos, da die Wahrscheinlichkeit für jeden Übergang zwischen den Singulett- und
Triplett-Zuständen (wie beispielsweise n (S0) → π* (T1)) äußerst gering ist. Formaldehyd
absorbiert bei 397 nm so wenig Licht, dass unsere Augen keinerlei Absorption beobachten
können. Singulett-Singulett-Übergänge, wie n (S0) → π* (S1) sind viel wahrscheinlicher
und die UV-Absorption ist viel intensiver.
458 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

Singulett Triplett Obwohl Formaldehyd im Grundzustand eben ist, besitzt es in den beiden angeregten
Zuständen S1 (Abbildung 17.11b) und T1 eine pyramidale Struktur. Die Beförderung eines
π* π*
nichtbindenden Elektrons in ein antibindendes C–O-Orbital verlängert die C–O-Bindung
und verändert die Molekülgeometrie.

n n
Schwingungs- und Rotationszustände von Formaldehyd
a b
Durch die Absorption von sichtbarer oder ultravioletter Strahlung werden im Formal-
Abb. 17.13 Zwei mögliche Elektronenzu- dehyd Elektronen in Orbitale mit höherer Energie befördert. Infrarote und Mikrowel-
stände beim n → π*-Übergang. a) ange- lenstrahlung besitzen nicht genügend Energie, um Elektronenübergänge anzuregen, sie
regter Singulettzustand S1, b) angeregter
Triplettzustand T1.
können aber die Schwingungs- und Rotationsbewegungen des Moleküls verändern.
Jedes der vier Atome im Formaldehyd kann sich entlang von drei Achsen im Raum
bewegen, so dass sich das gesamte Molekül in 4 × 3 = 12 unterschiedlichen Varianten be-
wegen kann. Drei dieser Bewegungen entsprechen der Translation des gesamten Moleküls
Ein nichtlineares Molekül mit n Ato- in die x-, y- oder z-Richtung. Drei weitere Bewegungen entsprechen der Rotation um die
men hat 3n – 6 Schwingungszustände x-, y- oder z-Achse des Moleküls. Die verbleibenden sechs Bewegungen sind die in Abbil-
und drei mögliche Rotationen. Ein dung 17.14 gezeigten Schwingungen des Moleküls.
lineares Molekül kann nur um zwei Wenn Formaldehyd ein Photon aus dem Infrarotbereich mit der Wellenzahl 1 251
Achsen rotieren und hat deshalb 3n cm–1 (= 14.97 kJ/mol) absorbiert, wird die asymmetrische Deformationsschwingung
– 5 Schwingungszustände und zwei (Scherschwingung) (Abbildung 17.14) angeregt. Dabei erhöht sich die Amplitude der
Rotationen. Oszillation des Atoms und die Energie des Moleküls nimmt zu.
Die C–O-Streckschwingung des Form- Die Abstände zwischen den Rotationsenergieniveaus eines Moleküls sind geringer als
aldehyds ist von 1 746 cm–1 im S0-Zu- die der Schwingungsenergie. Ein Molekül im Rotationsgrundzustand kann Mikrowellen-
stand auf 1 183 cm–1 im S1-Zustand re- photonen mit Energien von 0.029 07 oder 0.087 16 kJ/mol (Wellenlängen von 4.115 oder
duziert, da die Stärke der C–O-Bindung 1.372 mm) absorbieren und in die zwei niedrigsten angeregten Zustände übergehen. Die
abnimmt, wenn das antibindende Absorption von Mikrowellenstrahlung führt zu schnellerer Rotation des Moleküls als im
π*-Orbital besetzt ist. Grundzustand.
Der Mikrowellenherd erhitzt die
Lebensmittel durch Übertragung der
Rotationsenergie auf die Wassermole- Kombination von elektronischen, Schwingungs- und
küle in den Speisen. Rotationszuständen
Im Allgemeinen gilt, dass in einem Molekül bei der Absorption von Licht mit ausrei-
Schwingungsübergänge schließen chender Energie zur Anregung von Elektronenübergängen auch Schwingungs- und Ro-
normalerweise simultan ablaufende tationsübergänge (Veränderungen der Schwingungs- und Rotationszustände) angeregt
Rotationsübergänge ein. werden. So kann beispielsweise Formaldehyd ein Photon mit gerade der richtigen Energie
Elektronenübergänge umfassen auch absorbieren, um gleichzeitig die folgenden Veränderungen zu bewirken: 1) Elektronen-
die simultan ablaufenden Schwin- übergang vom S0- in den S1-Zustand; 2) Veränderung der Schwingungsenergie vom
gungs- und Rotationsübergänge. Schwingungsgrundzustand S0 in einen angeregten Schwingungszustand S1; und 3) Über-
gang von einem Rotationszustand S0 in einen anderen Rotationszustand S1.
Die Absorptionsbanden der Elektronenübergänge sind normalerweise sehr breit
(Abbildung 17.8), da viele unterschiedliche Schwingungs- und Rotationsniveaus mit
kleinen Energiedifferenzen verfügbar sind. Ein Molekül kann Photonen in einem breiten
Energiebereich absorbieren und trotzdem aus dem elektronischen Grundzustand in einen
bestimmten angeregten Elektronenzustand überführt werden.

Was geschieht mit der absorbierten Energie?


Nehmen wir an, dass durch Absorption ein Molekül aus dem Elektronengrundzustand S0
in ein schwingungs- und rotationsangeregtes Niveau des angeregten Elektronenzustands
S1 (Abbildung 17.15) befördert wird. Normalerweise ist der erste Vorgang nach der An-
regung eine Schwingungsrelaxation auf das niedrigste Schwingungsniveau von S1. Dieser
strahlungslose Übergang ist in Abbildung 17.15 mit R1 bezeichnet. Die bei dieser Relaxa-
tion freiwerdende Energie wird nicht durch Emission eines Photons, sondern durch Kolli-
sionen auf andere Moleküle übertragen (z. B. auf das Lösungsmittel). Als Nettoeffekt wird
17.6 · Vorgänge bei der Lichtabsorption 459

die Umwandlung eines Teils der Energie des absorbierten Photons in Wärme beobachtet, Die innere Konversion (IC) ist ein strah-
die über das gesamte Medium verteilt wird. lungsloser Übergang zwischen Zustän-
Vom S1-Niveau aus können verschiedene Vorgänge ablaufen. Das Molekül kann in ei- den der gleichen Spinquantenzahl (z. B.
nen sehr stark angeregten Schwingungszustand von S0 übergehen, der die gleiche Energie S1 → S0).
wie S1 besitzt. Dieser Vorgang wird als innere Konversion (IC) bezeichnet. Aus diesem an- Das Intersystem Crossing (ISC) ist ein
geregten Zustand kann das Molekül in den Schwingungsgrundzustand zurückgehen und strahlungsloser Übergang zwischen
die Energie durch Kollisionen auf die Nachbarmoleküle übertragen. Dieser strahlungslose Zuständen unterschiedlicher Spin-
Vorgang ist mit R2 beschriftet. Folgt ein Molekül dem Weg A-R1-IC-R2 in Abbildung quantenzahl (z. B. T1 → S0).
17.15, wird die gesamte Energie des Photons in Wärme umgewandelt.
Alternativ hierzu kann das Molekül aber auch vom S1-Zustand in ein angeregtes Fluoreszenz: Emission eines Photons
Schwingungsniveau T1 übergehen. Ein derartiger Vorgang wird als Intersystem Crossing während des Übergangs zwischen Zu-
(ISC) bezeichnet. Wenn es der strahlungslosen Schwingungsrelaxation R3 folgt, befindet ständen mit gleicher Spinquantenzahl
es sich im niedrigsten Schwingungsniveau von T1. Von hier aus kann das Molekül einen (z. B. S1 → S0).
zweiten Intersystem Crossing-Vorgang zum Grundzustand S0 durchlaufen, dem die Phosphoreszenz: Emission eines Pho-
strahlungslose Relaxation R4 folgt. Bei all diesen Vorgängen wird einfach Lichtenergie in tons während des Übergangs zwi-
Wärme umgewandelt. schen Zuständen mit unterschiedlicher
Ein Molekül kann aber auch von S1 oder T1 aus zu S0 unter Emission eines Photons Spinquantenzahl (z. B. T1 → S0).
relaxieren. Der Strahlungsübergang von S1 → S0 wird als Fluoreszenz (Exkurs 17.2)
bezeichnet und der Strahlungsübergang von T1 → S0 als Phosphoreszenz. Die relati- Die Lebensdauer eines Zustandes
ven Geschwindigkeiten von innerer Konversion, Intersystem Crossing, Fluoreszenz und ist die Zeit, die benötigt wird, bis die
Phosphoreszenz hängen vom Molekül, dem Lösungsmittel und anderen Bedingungen, Besetzung dieses Zustands auf den
wie Temperatur und Druck, ab. Die Energie der Phosphoreszenz ist niedriger als die der Wert von 1/e des Ausgangswertes
Fluoreszenz, so dass die Phosphoreszenz bei größeren Wellenlängen als die Fluoreszenz zurückgegangen ist, wobei e die Basis
auftritt (Abbildung 17.16). des natürlichen Logarithmus ist.
Fluoreszenz und Phosphoreszenz treten relativ selten auf. Moleküle verlassen den
O
angeregten Zustand meist durch strahlungslose Übergänge. Die Lebensdauer der Fluores-
zenz beträgt 10–10 bis 10–7 s. Die Lebensdauer der Phosphoreszenz ist beträchtlich höher
C
(10–4 bis 102 s), da zur Phosphoreszenz eine Änderung der Spinquantenzahl (von zwei
H H
ungepaarten Elektronen zu nicht ungepaarten Elektronen) gehört und das ist ein unwahr-
scheinliches Ereignis. Einige wenige Stoffe, z. B. mit Europium und Dysprosium dotiertes
Strontiumaluminat (SrAl2O4:Eu:Dy), phosphoreszieren stundenlang, nachdem sie Licht
ausgesetzt waren.15 Deshalb wird dieser Stoff zur Beschriftung von Hinweisschildern für
Notausgänge bei Stromausfall verwendet.
symmetrische asymmetrische
C–H Streckung C–H Streckung
–1 –1
2 766 cm 2 843 cm
angeregte Schwingungs-
und Rotationsniveaus
des elektronischen
S1 T1-Zustands
interne
Konversion T1
S0
R1 Intersystem-
Crossing zu T1 C–O symmetrische
Streckung Deformation
–1 –1
1 746 cm 1 500 cm
Intersystem- R3
Energie

Crossing zu T0
R2
+ 17
Absorption
(10 15 s) A F Fluoreszenz
(10–10–10–7 s) –
R4
Phosphoreszenz + +
(10 4–102 s) P
asymmetrische Deformation aus
Deformation der Ebene heraus
–1 –1
1 251 cm 1 167 cm

Abb. 17.15 Physikalische Vorgänge in einem Molekül nach der Absorption von ultravioletter oder Abb. 17.14 Die sechs möglichen
sichtbarer Strahlung. S0 ist der elektronische Grundzustand, S1 und T1 sind der niedrigste angeregte Schwingungen von Formaldehyd. Die
Singulett- und Triplettzustand. Gerade Pfeile kennzeichnen Vorgänge, an denen Photonen beteiligt zur Anregung der einzelnen Schwin-
sind, gewellte Pfeile sind strahlungslose Übergänge. R bedeutet Schwingungsrelaxation. Die Absorp- gungen erforderlichen Wellenzahlen der
tion kann bei jedem der Schwingungsniveaus von S1 enden, nicht nur dem hier gezeigten. Fluores- Infrarotstrahlung sind in der Einheit cm–1
zenz und Phosphoreszenz können auf jedem der Schwingungsniveaus von S0 enden. angegeben.
460 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

Abb. 17.16 Emissionsspektren von Acri-


dingelb: Die bei tiefer Temperatur auftre- Fluoreszenz

Emissionsintensität
25 °C
tende Phosphoreszenz ist energieärmer
als die Fluoreszenz und ihre Intensität ~
zehnmal geringer. Die Phosphoreszenz
wird nur bei starker Abkühlung der Probe
Phosphoreszenz
beobachtet. [J. C. Fister, III, J. M. Harris, D. –78 °C (× 10)
Rank und W. Wacholtz, „Molecular Pho-
tophysics of Acridine Yellow Studied by
Phosphorescence and Delayed Fluores- 500 550 600
cence“, J. Chem. Ed. 1997, 76, 1208.] Wellenlänge (nm)

Exkurs 17.2

Fluoreszenz in unserem Alltag man durch ihre längere Haltbarkeit beträchtlich Energie und
Eine Fluoreszenzlampe ist eine mit Quecksilberdampf gefüllte Geld.
Glasröhre. Auf der Innenwand befindet sich eine Schicht aus Auch die meisten weißen Textilien fluoreszieren. Nur zum
einer Mischung von grünen und roten Leuchtstoffen (lumines- Spaß: Schalten Sie in einem dunklem Raum, in dem sich mehrere
zierende Substanzen). Der rote Leuchtstoff ist mit Eu3+ dotiertes Personen befinden, eine UV-Lampe an (aber sehen Sie nicht
Y2O3 und der grüne Leuchtstoff mit Tb3+ dotiertes CeMgAl11O19. direkt in die Lampe). Sie werden eine Lichtemission von den
Der Hg-Dampf in der Lampe wird mit elektrischem Strom ange- weißen Textilien (Hemden, Hosen, Schnürsenkel und so weiter)
regt und emittiert UV-Strahlung bei 185 und 254 nm und eine entdecken, weil sie fluoreszierende Stoffe zur Erhöhung des
Reihe sichtbarer Linien (Bild a). Die Quecksilberstrahlung wirkt Weiß-Grads als optische Aufheller enthalten. Sie können auch
auf unser Auge als blaues Licht. Wird die UV-Strahlung von den Fluoreszenz von Zähnen und von frischen Prellungen auf der un-
Leuchtstoffen absorbiert, emittiert Eu3+ rotes Licht bei 612 nm verletzten Haut erkennen. Es gibt eine Menge von Experimenten
und Tb3+ grünes Licht bei 542 nm. Die Kombination von blau, rot zur Fluoreszenz und Phosporeszenz.14
und grün erscheint unserem Auge als weiß.
Eine 13-Watt-Leuchtstofflampe, die in eine Standardlampen-
fassung passt, liefert das gleiche Licht wie eine 60-Watt-Glüh-
O3S Na
lampe. Die zu erwartende Lebensdauer der Leuchtstofflampe ein fluoreszierender
beträgt 10 000 Stunden, die der Glühlampe 750 Stunden. Die optischer Aufheller
in einem Waschmittel
Leuchtstofflampe ist teurer als die Glühlampe, allerdings spart SO 3 Na

700
Eu3+
Tb3+
600
Intensität

Emissionsintensität

500

400

300
280-nm
200 Anregung
100 240-nm
Anregung
0
200 300 400 500 600 450 500 550 600 650
Wellenlänge (nm) Wellenlänge (nm)
a b

a) Atomemissionsspektrum von Hg-Dampf. [S. R. Goode und L. A. Metz, „Emission Spectroscopy in the Undergraduate Laboratory“, J. Chem.
Ed. 2003, 80, 1455.] b) Emissionsspektren von Leuchtstoffen, die von der Innenseite einer Kompakt-Leuchtstofflampe abgekratzt wurden.
Tb3+ wird selektiv bei 280 nm und Eu3+ selektiv bei 240 nm angeregt. [C. Degli Esposti und L. Bizzochi, „The Radiative Decay of Green and
Red Photoluminescent Phosphors“, J. Chem. Ed. 2008, 85, 839.]
17.7 · Lumineszenz 461

17.7 Lumineszenz

Fluoreszenz und Phosphoreszenz sind Beispiele für Lumineszenz, die eine Lichtemis-
sion aus einem angeregten Molekülzustand darstellt. Lumineszenzmessungen sind von HN O NH +
Cl —
Natur aus empfindlicher als Absorptionsmessungen. Versetzen Sie sich in der Nacht in
ein Sportstadion, wenn die Lampen ausgeschaltet sind, aber jeder der 50 000 tobenden
CO2CH2CH3
Fans eine brennende Kerze in den Händen hält. Wenn 500 Leute ihre Kerzen ausblasen,
werden Sie den Unterschied kaum bemerken. Stellen Sie sich jetzt ein vollständig ab-
gedunkeltes Stadion vor, in dem 500 Leute plötzlich ihre Kerzen anzünden. In diesem Rhodamin 6G
Fall ist der Effekt sehr deutlich. Das erste Beispiel ist vergleichbar mit der Änderung der
Durchlässigkeit von 100 % auf 99 %, was einer Extinktion von –log 0.99 = 0.004 4 ent-
spricht. Es ist schwierig, eine solch geringe Extinktion zu messen, da der Untergrund so
stark ist. Das zweite Beispiel ist vergleichbar mit der Messung der Fluoreszenz von 1 % der
Moleküle in einer Probe. Gegen den schwarzen Hintergrund lässt sich diese Fluoreszenz
leicht erkennen.
Die Lumineszenz ist stark genug, um einzelne Moleküle zu beobachten.16 Die Abbil-
dung 17.17 zeigt den beobachteten Weg von zwei Molekülen des stark fluoreszierenden
Farbstoffes Rhodamin 6G in 0.78 s-Intervallen in einer dünnen Silikagel-Schicht. Diese
Beobachtungen bestätigen den „random walk“, also die Zufallsbewegungen, diffundie-
render Moleküle, die 1905 von Albert Einstein postuliert wurden, wonach jeder Schritt
unabhängig vom vorherigen Schritt ist.

Beziehung zwischen Absorptions- und Emissionsspektren


Die Abbildung 17.15 zeigt, dass Fluoreszenz und Phosphoreszenz niedrigere Energien
haben als die Absorption (die Anregungsenergie). Das heißt, dass die von den Molekülen
emittierte Strahlung langwelliger ist als die von ihnen absorbierte Strahlung. Beispiele
sind in Abbildung 17.18 und Farbtafel 16 gezeigt.
Die Abbildung 17.19 erläutert, warum die Emission bei niedrigerer Energie erscheint
als die Absorption und warum das Emissionsspektrum nahezu als Spiegelbild des Ab-
sorptionsspektrums angesehen werden kann. Im Absorptionsspektrum entspricht die
Wellenlänge λ0 einem Übergang vom Schwingungsgrundniveau S0 auf das niedrigste

1 μm
Molekül A
Neun aufeinander
folgende Beobach-
tungen des Moleküls A
auf einer kleinen Fläche

17
Molekül B

Abb. 17.17 Die Aufzeichnung der Bewegung zweier Moleküle von 20 pM Rhodamin 6G in Silikagel,
deren Fluoreszenz in 0.78 s-Intervallen und mit 0.20 s-Integrationszeit beobachtet wurde. Einige
Punkte sind nicht verbunden, da das Molekül unterhalb oder oberhalb der Beobachtungsebene
des 0.45-μm dicken Films verschwand und innerhalb eines bestimmten Intervalls nicht beobachtet
werden konnte. Während der neun Perioden, in denen sich das Molekül A an einer Stelle befand,
könnte es von einem Silikagel-Teilchen absorbiert worden sein. Ein einzelnes Molekül emittiert in 0.2 s
Tausende Photonen, wenn es zwischen Grund- und angeregtem Zustand zirkuliert. Nur ein Teil dieser
Photonen gelangt zum Detektor und erzeugt eine Menge von ~10–50 Elektronen. [K. S. McCain, D. C.
Hanley und J. M. Harris, „Single-Molecule Fluorescence Trajectories for Investigating Molecular Trans-
port in Thin Silica Sol-Gel Films“, Anal. Chem. 2003, 75, 4351.]
462 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

λ0 für λ0 für
Absorption Emission

C O
H
2
Absorption C Fluoreszenz
N
10–6 M O C 10–11 M
Abb. 17.18 Die Absorption (schwarze
Linie) und Emission (farbige Linie) von
Bis(benzylimido)-perylen in Dichlorme- C
O

Emission
than zeigt die ungefähr spiegelbildliche

Extinktion
N
C CH
Beziehung zwischen Absorption und O
2

Emission. Die zur Emission benutzte 10–11


M Lösung hat durchschnittlich gerade
10 Analytmoleküle in dem Volumen, das
vom 514-nm-Anregungslaser getroffen
wird. [P. J. G. Goulet, N. P. W. Pieczonka
und R. F. Aroca, „Overtones and Com-
binations in Single-Molecule Surface-
Enhanced Resonance Raman Scattering 300 400 500 600 700 800
Spectra“, Anal. Chem. 2003, 75, 1918.] Wellenlänge (nm)

Absorption Emission

Schwingungs- Schwingungs-
niveaus des niveaus des
S1-Zustands S1-Zustands

λ+5 λ0 λ0 λ–5

Schwingungs- Schwingungs-
niveaus des niveaus des
S0-Zustands S0-Zustands

Abb. 17.19 Das Energieniveau-Dia-


Absorptionsspektrum Emissionsspektrum
gramm zeigt, wie die Struktur in den
Absorptions- und Emissionsspektren λ+5 λ0 λ0 λ–5
zustande kommt und warum beide Spek-
tren ungefähr spiegelbildlich zueinander
sind. Bei der Absorption gehört die Wel-
lenlänge λ0 zur niedrigsten und λ+5 zur
höchsten Energie. In der Emission gehört
die Wellenlänge λ0 zur höchsten und λ+5
zur niedrigsten Energie. Wellenlänge Wellenlänge

Schwingungsniveau von S1. Absorptionsmaxima bei höherer Energie (kürzerer Wellen-


länge) entsprechen dem Übergang von S0 auf S1, der von einer Absorption eines oder
mehrerer Quanten Schwingungsenergie begleitet ist. In polaren Lösungsmitteln ist die
Schwingungsstruktur des Spektrums oft bis zur Unkenntlichkeit verbreitert und man
beobachtet nur noch eine sehr breite, nicht strukturierte Absorptionsbande. In weniger
polaren bzw. unpolaren Lösungsmitteln kann hingegen häufig die Schwingungsstruktur
erkannt werden.
Nach der Absorption, noch bevor es zur Emission kommt, relaxiert das schwingungs-
angeregte S1-Molekül in den niedrigsten Schwingungszustand von S1 zurück. Wie in Abbil-
17.7 · Lumineszenz 463

S1-Molekül mit
S0-Geometrie und S1-Molekül mit
-Solvation S1-Geometrie und

absorbierte Energie
-Solvation

emittierte Energie
Energie
Abb. 17.20 Die Abbildung erklärt,
warum die λ0-Übergänge in den Abbil-
S0-Molekül mit S0-Geo- S0-Molekül mit S1-Geo- dungen 17.18 und 17.22 nicht genau
metrie und -Solvation metrie und -Solvation übereinstimmen.

dung 17.19 gezeigt wird, kann die Emission aus S1 zu jedem der Schwingungsniveaus von
S0 erfolgen. Der Übergang mit der höchsten Energie findet bei λ0 statt, gefolgt von einer
Serie von Peaks bei größeren Wellenlängen. Wenn die Abstände zwischen den Schwin-
gungsniveaus etwa gleich und die Übergangswahrscheinlichkeiten sehr ähnlich sind, zei-
gen Absorptions- und Emissionsspektrum ein nahezu spiegelbildliches Verhalten.
Die λ0-Übergänge in Abbildung 17.18 (und später in Abbildung 17.20) stimmen Elektronenübergänge sind im Ver-
nicht genau überein. Im Emissionsspektrum liegt λ0 bei etwas geringerer Energie als im gleich zur Kernbewegung so schnell,
Absorptionsspektrum. Der Grund wird in Abbildung 17.20 gezeigt. Das Molekül befindet dass jedes Atom nahezu die gleiche
sich bei der Bestrahlung zunächst in seinem elektronischen Grundzustand, S0. Es hat Lage und den gleichen Impuls vor und
eine bestimmte Geometrie und ist solvatisiert. Da der Elektronenübergang wesentlich nach dem Übergang besitzt. Diese Ge-
schneller als die Schwingungsbewegungen der Atome oder die Translationsbewegungen setzmäßigkeit wird als Franck-Condon
der Lösungsmittelmoleküle ist, hat das angeregte S1-Molekül unmittelbar nach der Strah- Prinzip bezeichnet.
lungsabsorption zunächst noch seine S0-Geometrie und -Solvatation. Kurz nach der An-
regung ändern sich die Geometrie und Solvatation auf die für den S1-Zustand günstigsten
Werte. Diese Veränderungen erniedrigen den Energieinhalt des angeregten Zustands.
Wenn ein S1-Molekül fluoresziert, geht es in den S0-Zustand mit einer S1-Geometrie und
-Solvatation über. Diese instabile Konfiguration muss eine höhere Energie haben als ein
S0-Molekül mit S0-Geometrie und -Solvatation. Daraus ergibt sich als Gesamteffekt in Ab-
bildung 17.20, dass die λ0-Emissionsenergie geringer ist als die λ0-Anregungsenergie.
Absorptionsspektren von Molekülen in Lösung sind verbreitert, weil sie von Lö-
sungsmittelmolekülen mit unterschiedlicher Orientierung umgegeben sind, wodurch sich
kleine energetische Unterschiede für die Energieniveaus der einzelnen absorbierenden
Moleküle ergeben. Kleinere Moleküle in der Gasphase, die sich nicht in engem Kontakt zu
Nachbarn befinden und eine begrenzte Zahl von Energieniveaus besitzen, haben dagegen
eine außerordentlich scharfe Absorption. Die einzelnen Rotationsübergänge von H216O,
H217O und H218O mit Linienbreiten von 0.02 cm–1 können leicht unterschieden werden,
obwohl sie nur 0.2 cm–1 auseinanderliegen.

Anregungs- und Emissionsspektren


In Abbildung 17.21 wird ein Emissionsexperiment beschrieben. Dabei wird die Anre- 17
gungswellenlänge λex durch den ersten Monochromator ausgewählt und die Lumineszenz
hinter dem zweiten Monochromator am Detektor beobachtet, der gewöhnlich im 90°-
Winkel zum einfallenden Licht aufgestellt ist. Dieser 90°-Winkel dient dazu, die Intensität
des Streulichts, das den Detektor erreichen kann, zu minimieren. Wird die Anregungs-
wellenlänge konstant gehalten und ein Scan der emittierten Strahlung aufgenommen,
erzeugt man ein Emissionsspektrum, wie in Abbildung 17.16. Als Emissionsspektrum
wird eine Kurve bezeichnet, in der die Emissionsintensität in Abhängigkeit von der Emis-
sionswellenlänge dargestellt ist.
Das Anregungsspektrum erhält man, wenn man die Anregungswellenlänge variiert
und das emittierte Licht nur bei einer bestimmten Wellenlänge gemessen wird (λem). Als
Anregungsspektrum werden die aufgezeichneten Werte bezeichnet, bei der die Emissionsin-
tensität in Abhängigkeit von der Anregungswellenlänge dargestellt wird. (Abbildung 17.22).
464 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

verschiedene
Wellenlängen eine
Wellenlänge
Licht- Anregungs- Proben-
quelle monochromator  ex zelle

b1 b2 Lumineszenz mit
verschiedenen
Wellenlängen

Emissions-
monochromator
P0 P0 P
 ex

 em eine
b3
I Wellenlänge
Eintritts-
spalt

I  em Detektor

Austrittsspalt

Abb. 17.21 Prinzip einer Lumineszenzmessung. Die Probe wird bei einer Wellenlänge bestrahlt und
die Emission in einem Wellenlängenbereich beobachtet und aufgezeichnet. Der Anregungsmono-
chromator wählt die Anregungswellenlänge (λex) und der Emissionsmonochromator wählt jeweils
eine Wellenlänge (λem) für die Detektion zu einem bestimmten Zeitpunkt aus.

λ0 λ0

Anthracen
Anregung

Fluoreszenz
Intensität

300 340 380 420 460


Wellenlänge (nm)

Abb. 17.22 Anregungs- und Emissionsspektren von Anthracen haben die gleiche Spiegelbild-Bezie-
hung wie die Absorptions- und Emissionsspektren in Abbildung 17.18. Ein Anregungsspektrum ist
fast das gleiche wie ein Absorptionsspektrum. [C. M. Byron und T. C. Werner, „Experiments in Synchro-
nous Fluorescence Spectroscopy for the Undergraduate Instrumental Chemistry Course“, J. Chem. Ed.
1991, 68, 433.]

Emissionsspektrum: λex konstant und Das Anregungsspektrum sieht dem Absorptionsspektrum sehr ähnlich, da mit Zunahme der
λem variabel. Absorption bei der Anregungswellenlänge immer mehr Moleküle in den angeregten Zu-
Anregungsspektrum: λex variabel und stand befördert werden und somit auch eine Zunahme der Emission beobachtet wird.
λem konstant. Bei der Emissionsspektroskopie wird am Detektor die absolute Intensität der emittier-
ten Strahlung gemessen und nicht etwa irgendein Anteil von einfallendem Licht, das auf
den Detektor trifft. Da sich das Ansprechverhalten der Detektoren mit der Wellenlänge
verändert, stellen die aufgezeichneten Emissionsspektren nicht das wahre Profil der
emittierten Strahlungsleistung gegen die Emissionswellenlänge dar. Für analytische Mes-
sungen bei nur einer Emissionswellenlänge tritt dieses Problem nicht auf. Wird aber das
wahre Emissionsprofil benötigt, muss der Detektor für jede Wellenlänge bezüglich seines
Ansprechverhaltens kalibriert werden.
In Exkurs 17.3 werden die üblichen Arten der Lichtstreuung beschrieben, die bei der
Interpretation eines Spektrums mit der Emission verwechselt werden können.
17.7 · Lumineszenz 465

Exkurs 17.3

Rayleigh- und Raman-Streuung Ordnung des Monochromators. Wenn wir mit einem Filter das
Bei Emissionsspektren können zusätzlich zur Fluoreszenz und 400 nm-Licht zwischen der Probenküvette und dem Emissions-
Phosphoreszenz noch andere Phänomene beobachtet werden, monochromator (Abbildung 17.21) blockieren, verschwindet der
die besonders Studierende, die zum ersten Mal mit einem Fluo- Peak bei 800 nm im Emissionsspektrum.
reszenzspektrometer arbeiten, irritieren. Das Bild zeigt das Emis- Als ein weiteres Phänomen kann ein schwacher, aber repro-
sionsspektrum einer wässrigen Lösung von Dichlorfluorescein duzierbarer Peak bei 462 nm, sowohl in Wasser als auch bei der
(farbige Linie) und als Bezug das Emissionsspektrum von reinem Dichlorfluorescein-Lösung beobachtet werden. Die Energiediffe-
Wasser (schwarze Linie). Die Anregungswellenlänge ist 400 nm. renz zwischen der einfallenden Strahlung bei 400 nm und dem
Der einzige Unterschied zwischen den beiden Kurven ist die Flu- Peak bei 462 nm entspricht genau der Schwingungsenergie von
oreszenz von Dichlorfluorescein mit einem Peak bei 522 nm. H2O. Der Peak bei 462 nm wird nach dem indischen Physiker C. V.
Woher kommen die anderen Peaks? Der stärkste Peak, der Raman, der diese Erscheinung 1928 entdeckt hat und 1930 den
außerhalb des Messbereichs liegt, wird bei der Anregungswel- Nobelpreis erhielt, Raman-Streuung genannt. Bei dieser Art
lenlänge von 400 nm beobachtet. Er stammt von der Rayleigh- der Streuung, die auch im Zeitrahmen von 10–15 s erfolgt, über-
Streuung, benannt nach dem gleichen Lord Rayleigh (J. W. trägt ein kleiner Teil der einfallenden Photonen einen gequantel-
Strutt), der das Element Argon entdeckt hat (Seite 92). Das ten Betrag an Schwingungsenergie auf das Wasser. Die gestreute
oszillierende elektromagnetische Feld der Anregungslichtquelle Strahlung hat eine niedrigere Energie als die Anregungsenergie.
bewirkt, dass die Elektronen in den Wassermolekülen mit der Die Schwingungsenergie wird gewöhnlich als Wellenzahl (cm–1)
gleichen Frequenz schwingen wie die einfallende Strahlung. eines Photons mit dieser Energie ausgedrückt. Flüssiges Wasser
Die oszillierenden Elektronen emittieren die gleiche Strahlungs- hat einen breiten Bereich von Schwingungsenergien mit einem
frequenz in alle Richtungen. Die für die Streuung erforderliche Schwerpunkt bei 3 404 cm–1. Die Wellenzahl der Anregungsstrah-
Zeit ist im Grunde eine Schwingungsperiode der eintreffenden lung ist 1/Wellenlänge = 1/400 nm = 25 000 cm–1 Bei der Raman-
elektromagnetischen Welle und die ist ~10–15 s für Licht der Streuung überträgt ein Photon mit einer Energie von 25 000 cm-1
Wellenlänge 400 nm. Zum Vergleich: die Zeit für die Fluoreszenz einen Betrag von 3 404 cm–1 und es verbleiben (25 000–3 404) =
ist ungefähr zwischen 10–10 bis 10–7 s. Die Rayleigh-Streuung ist 21 596 cm–1. Die Wellenlänge ist 1/(21 596 cm–1) ≈ 463 nm. Der
immer vorhanden und wird gewöhnlich herausgefiltert, so dass beobachtete Peak liegt bei 462 nm.
sie nicht im Emissionsspektrum dargestellt wird. Welche Lehren ziehen wir hieraus? Erstens, vergleiche stets das
Der zweitstärkste Peak erscheint in diesem Beispiel bei 800 Spektrum des reinen Lösungsmittels mit dem Spektrum der zu un-
nm. Das ist genau das Doppelte der Anregungswellenlänge. tersuchenden Probe, um Peaks des Lösungsmittels auszuschließen.
Hierbei handelt es sich um ein Artefakt des Monochromators. Zweitens, Fluoreszenz tritt bei einer bestimmten Wellenlänge auf,
Gittermonochromatoren, die für das Passieren der Wellenlänge zum Beispiel bei 522 nm für Dichlorfluorescein. Die Wellenlänge
λ vorgesehen sind, lassen auch Licht mit den ganzzahligen von Streustrahlung variiert mit der Anregungsstrahlung. Hätten wir
Bruchteilen λ/2, λ/3 und so weiter mit abnehmender Wirksamkeit eine Anregungswellenlänge von 410 nm statt 400 verwendet, wäre
durch. Wenn der Emissionsmonochromator in Abbildung 17.21 die Wellenlänge der Beugung zweiter Ordnung bei 820 nm und die
so eingestellt wird, dass Licht der Wellenlänge 800 nm passiert, Raman-Linie des Wassers mit 477 nm bei einer Energie, die 3 404
lässt er auch etwas Licht von 400 nm durch. Die Rayleigh-Streu- cm–1 geringer als die Anregungswellenlänge ist. Die Wellenlänge
ung bei 400 nm geht also durch den auf 800 nm eingestellten des Streulichts verschiebt sich mit der Anregungswellenlänge, Flu-
Monochromator. Man nennt diese Erscheinung Beugung zweiter oreszenz und Phosphoreszenz jedoch nicht.

Rayleigh-
Streuung
(400 nm)
Gitterlinie der
2.Ordnung 17
der Rayleigh-
Streuung
Detektorsignal

(800 nm)
Raman- Fluoreszenz von
Streuung Dichlorfluorescein
von Wasser (522 nm)
(462 nm)

Obere Kurve: Emissionsspektrum einer wässrigen Lösung


von Dichlorfluorescein. Untere Kurve: Emissionsspektrum
von reinem Wasser. [Mit Dank an Kris Varazo, Francis Marion
400 500 600 700 800 University. Siehe: R. J. Clark und A. Oprysa, „Fluorescence and
Emissionswellenlänge (nm) Light Scattering“. J. Chem. Ed. 2004, 81, 705.]
466 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

Lumineszenzintensität
Ein vereinfachter Blick auf die Vorgänge bei der Lumineszenzmessung ist in der vergrö-
ßerten Probenzelle der Abbildung 17.21 gezeigt. Wir erwarten, dass die Emission propor-
tional zur von der Probe absorbierten Strahlungsleistung ist. In Abbildung 17.21 ist P0
(W/m2) die auf die Zelle treffende Strahlungsleistung. Ein Teil davon wird von der Probe
über die Strecke b1 der Messzelle absorbiert, so dass man für die Strahlungsleistung, die
Gleichung 17.8 folgt aus den auf das Zentrum der Messzelle trifft, formulieren kann
Gleichungen 17.5 und 17.6. Wenn
auf das Zentrum auftreffende Strahlungsleistung P0´ = P0 · 10− ex b1 c
(17.8)
außer dem Analyten auch anderes
Spezies bei der interessierenden worin εex der molare Extinktionskoeffizient bei der Wellenlänge λex und c die Analyt-
Wellenlänge absorbieren, müssen konzentration ist. Wenn das Licht die zusätzliche Strecke b2 durchlaufen hat, beträgt die
sie berücksichtigt werden. Strahlungsleistung des Lichtstrahls
P´= P0´ · 10− ex b2 c
(17.9)
Die Emissionsintensität I ist proportional zur Strahlungsleistung, die im Zentrum der
Messzelle absorbiert wird:
Emissionsintensität = I´ = k´(P0´ – P´) (17.10)
wobei k´ eine Proportionalitätskonstante ist. Es wird jedoch nicht die gesamte vom Zen-
trum der Zelle in Richtung des Austrittsspalts emittierte Strahlung gemessen. Ein Teil
wird durch die zwischen dem Zentrum und den Wänden der Messzelle befindliche Lö-
sung absorbiert. Die aus der Messzelle austretende Emissionsintensität lässt sich aus dem
Lambert-Beerschen Gesetz ableiten:
I = I´ · 10 − em b3 c
(17.11)
Dabei sind εem der molare Extinktionskoeffizient an der Emissionswellenlänge und b3 der
Abstand zwischen Zentrum und Wand der Messzelle.
Durch Kombination der Gleichungen 17.10 und 17.11 erhält man einen Ausdruck für
die Emissionsintensität:
I = k´ (P0´ – P´) 10 − em b3 c

Durch Substitution der Ausdrücke für P0´ und P´ aus den Gleichungen 17.8 und 17.9
erhalten wir eine Beziehung zwischen der einfallenden Strahlungsleistung und der Emis-
sionsintensität:

I = k´ (P0 . 10− ex b1c


− P0 . 10− ex b1c
. 10
− ex b2 c
)10− em b3 c

= k´P0 ∙ 10− ex b1c


(1 – 10 − ex b2 c
) 10 − em b3 c
(17.12)
   
Intensitäts- Absorption Intensitäts-
verlust in in verlust in
Region 1 Region 2 Region 3

Mit Gleichung 17.12 können wir die Emissionsintensität als Funktion der Analytkonzen-
tration berechnen. Betrachten wir den Fall sehr niedriger Konzentrationen, also wenn
die Exponenten  exb1c,  exb2c und  emb3c sehr klein sind. Die Werte für die Terme 10 − b c, ex 1

10 − b c und 10 − b c liegen nahe bei 1. Deshalb können wir in Gleichung 17.12 10 − b c und
ex 2 em 3 ex 1

10 − b c durch 1 ersetzen. Das geht bei 10 − b c nicht, denn dieser Wert muss von 1 abgezo-
em 3 ex 2

gen werden, so dass eine Null zurückbleibt. Stattdessen wird 10 − b c in einer Potenzreihe ex 2

erweitert: 2
Die Reihe 17.13 ergibt sich aus der − b c
(10− b c ln10) (10− b c ln10) 3 ex 2 ex 2

−A 10 − b c
ex 2
= 1 − 10 ln10 +ex 2
− +… (17.13)
Beziehung 10 − A = ( eln10 ) = e − A ln10 2! 3!
und der Entwicklung von ex: Die Glieder auf der rechten Seite von Gleichung 17.13 werden immer kleiner, so dass wir
x1 x 2 x 3 nur die beiden ersten betrachten. Der mittlere Faktor in Gleichung 17.12 wird zu (1 –
ex = 1+ + + +…
1! 2! 3! 10 − b c ) = (1 – [1 –10− b c ln10]) =  exb2c ln10 und die ganze Gleichung zu
ex 2 ex 2

Emissionsintensität bei niedriger Konzentration: k´P0 ( exb2c ln10) = I = kP0c (17.14)


mit der Konstanten k = k´  exb2c ln10.
17.7 · Lumineszenz 467

Die Gleichung 17.14 sagt aus, dass bei niedrigen Konzentrationen die Emissionsintensität 120

Fluoreszenzintensität
proportional zur Analytkonzentration ist. In Abbildung 17.23 verlaufen die Werte für An-
thracen unterhalb 10–6 M linear. Blindproben streuen stets das Licht, und müssen deshalb 80
bei jeder Analyse parallel untersucht werden. Aus der Gleichung 17.14 ergibt sich, dass
bei Verdopplung der einfallenden Strahlungsleistung (P0) die Emissionsintensität (bis zu 40
einem gewissen Punkt) verdoppelt wird. Im Gegensatz dazu hat die Verdopplung von P0
keinen Effekt auf die Extinktion, da diese ein Verhältnis von zwei Intensitäten ist. Das
0
Nachweisvermögen der Lumineszenzmessungen kann um mehr als den Faktor 3 einfach 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6
Konzentration (μM)
dadurch erhöht werden, dass die beiden Wände der Messzelle gegenüber den Spalten in
Abbildung 17.21 verspiegelt werden.17
Abb. 17.23 Lineare Kalibrationskurve für
Für höhere Konzentrationen werden alle Größen der Gleichung 17.12 benötigt oder die Fluoreszenz von Anthracen gemessen
es muss eine noch genauere Gleichung verwendet werden.18 Wenn die Konzentration bei der Wellenlänge maximaler Fluores-
zunimmt, wird ein Maximum der Emission erreicht. Danach nimmt die Emission ab, zenz in Abbildung 17.22. [C. M. Byron
da die Absorption schneller steigt als die Emission. Häufig wird davon gesprochen, dass und T. C. Werner, „Experiments in Syn-
chronous Fluorescence Spectroscopy for
die Emission durch Eigenabsorption gelöscht wird, tatsächlich handelt es sich um die
the Undergraduate Instrumental Chemis-
Absorption der Anregungs- oder Emissionsenergie durch Moleküle des Analyten in der try Course“, J. Chem. Ed. 1991, 68, 433.]
Lösung, auch als innerer Filtereffekt bezeichnet.

Beispiel: Fluorimetrische Bestimmung von Selen


in brasilianischen Nüssen
Einerseits ist Selen ein lebenswichtiges Spurenelement. Zum Beispiel katalysiert das selen-
haltige Enzym Glutathionperoxidase die Zersetzung von Peroxiden (ROOH), die schäd-
lich für die Zellen sind. Andererseits ist Selen in hohen Konzentrationen giftig.
Zur Bestimmung von Selen in brasilianischen Nüssen werden 0.1 g mit 2.5 ml 70 Derivatisierung ist die chemische Ver-
Gew% HNO3 in einer Teflon-Bombe (Abbildung 27.7) im Mikrowellenofen aufgeschlos- änderung des Analyten zum besseren
sen. Die beim Aufschluss entstandene Selensäure (H2SeO4) wird mit Hydoxylamin Nachweis oder leichteren Abtrennung
(NH2OH) zu seleniger Säure (H2SeO3) reduziert. Selenit wird dann zu einem fluoreszie- von anderen Spezies
renden Produkt derivatisiert, das mit Cyclohexan extrahiert wird.

NH2 pH = 2 N
+ H2SeO3 Se + 3H2O
50 °C
Fluoreszenzintensität

NH2 N
2,3-Diaminonaphthalen fluoreszierendes Produkt

Für das fluoreszierende Reaktionsprodukt wurde das maximale Signal bei einer Anre-
gungswellenlänge von 378 nm und einer Emissionswellenlänge von 518 nm gefunden
(Abbildung 17.24). Die Emission ist nur bis zu 0.1 μg Se/ml proportional zur Konzen-
tration. Oberhalb von 0.1 μg Se/ml biegt die Kurve der Fluoreszenzintensität ab, geht 0 1 2 3 4 5 6
Se (μg/mL)
durch ein Maximum und nimmt schließlich mit steigender Konzentration ab, wenn die
Eigenabsorption überwiegt. Dieses Verhalten wird durch die Gleichung 17.12 vorher- Abb. 17.24 Kalbrationskurve für die
gesagt. Fluoreszenz der Selenverbindung von Re-
aktion 17.15. Krümmung und Maximum
der Kurve beruhen auf Eigenabsorption.
[M.-C. Sheffield und T. M. Nahir, „Analysis 17
Lumineszenz in der analytischen Chemie19 of Selenium in Brazil Nuts by Microwave
Digestion and Fluorescence Detection“, J.
Einige Analyte, z. B. Riboflavin (Vitamin B2)20 und polyzyklische Kohlenwasserstoffe Chem. Ed. 2002, 79, 1345.]
(eine wichtige Gruppe krebserregender Stoffe) besitzen eine Eigenfluoreszenz und kön-
nen direkt analysiert werden. Die meisten Verbindungen zeigen allerdings keine Fluores-
zenz. Durch Ankopplung eines fluoreszierenden Rests ist jedoch oft auf einfache Weise
eine empfindliche Analyse möglich. Fluorescein ist eine stark fluoreszierende Verbindung,
die zu analytischen Zwecken an viele Moleküle gebunden werden kann. In der forensi-
schen Analyse21 wird die Fluoreszenzmarkierung von Fingerabdrücken als leistungsfähige
Methode verwendet. Es gibt Sensormoleküle, deren Lumineszenz selektiv auf eine Viel-
zahl einfacher Kationen und Anionen anspricht22 Ca2+ kann durch die Fluoreszenz seines
Komplexes mit Calcein, einem Derivat des Fluorescein, bestimmt werden.
468 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

O O OH O O OH

( O2CCH2)2N N(CH2 CO2 )2


CO2H CO2H

Chelatbildende
Fluorescein Calcein
Aminodiessigsäure-
Gruppe

Die Molekularbiologen verwenden DNA-Mikroarrays („Gen-Chips“), um die Genex-


pression und Mutationen zu verfolgen und pathologische Mikroorganismen zu finden
und zu identifizieren.23 Ein einzelner Chip kann Tausende bekannter Einzelstrang-DNA-
Sequenzen mit bekannter Anordnung enthalten. Der Chip wird mit einer unbekannten
Einzelstrang-DNA inkubiert, die mit einem Fluoreszenz-Marker versehen ist. Nachdem
sich die unbekannte DNA auf dem Chip an ihre komplementären Stränge gebunden hat,
kann die an jeder Stelle des Chips gebundene Menge durch die Fluoreszenzintensität be-
stimmt werden.
O
Das Licht von einem Glühwürmchen oder einem Leuchtstab24 sind Beispiele für die
NH bei chemischen Reaktionen durch Chemilumineszenz auftretenden Lichtemissionen.25
NH Zur Bestimmung von Schwefel und Stickstoff in organischen Verbindungen werden
Chemilumineszenzdetektoren in der Gaschromatographie eingesetzt. (Abschnitt 23.3).
NH2 O Stickstoffmonooxid (NO), welches Signale zwischen lebenden Zellen überträgt, kann im
Luminol
(5-Amino-2,3-dihydro-1,4-phtalazindion)
part-per billion-Bereich durch die Chemilumineszenz der Reaktion mit der organischen
Verbindung Luminol bestimmt werden.26 Zu weiteren biologischen Analyten, die mit
Oxidationsmittel Chemilumineszenz bestimmt werden, gehören Ca2+ in Mitochondrien27 und hormonell
(wie NO oder H2O2)
wirksame Stoffe im kommunalen Abwasser.28
OH–, Metall-
katalysator Wichtige Begriffe
CO 2 Absorbanz > Absorptionsspektrum > angeregter Zustand > Anregungsspektrum
N2 blaues Licht > Brechungsindex > Chemilumineszenz > Chromophor > Derivatisierung > Eigen-
CO 2 absorption > elektromagnetisches Spektrum > Elektronenübergang > Emissionsspek-
NH2 trum > Extinktion > Fluoreszenz > Frequenz > Grundzustand > Hertz > Küvette
> Intensität > Lambert-Beersches Gesetz > Lumineszenz > Maskierung > molare

Extinktion > molarer Extinktionskoeffizient > Molekülorbital > monochromatisches


Licht > Monochromator > Phosphoreszenz > Photon > Raman-Streuung > Ray-
leigh-Streuung > Reagenzblindwert > Rotationsübergang > Schwingungsübergang
> Singulett-Zustand > Spektralphotometrie > spektralphotometrische Titration > Strah-

lungsflussdichte > Strahlungsleistung > Transmission > Triplett-Zustand > Wellen-


länge > Wellenzahl

Zusammenfassung
Licht kann als Wellenerscheinung verstanden werden, bei der Wellenlänge (λ) und Fre-
quenz (ν) in der wichtigen Beziehung λ . ν = c verknüpft sind, wobei c die Geschwindig-
keit des Lichts darstellt. Man kann sich Licht aber auch als Photonen vorstellen, deren
Energie (E) durch die Gleichung E = hν = h . c/λ = h . c . ∼ ν gegeben ist, wobei h das
Plancksche Wirkungsquantum und ∼ ν (= 1/λ) die Wellenzahl sind. Die Lichtabsorption
wird gewöhnlich durch die Extinktion (A) oder Transmission (T) gemessen, die folgen-
dermaßen definiert sind: A = log(P0/P) und T = P/P0, wobei P0 die einfallende und P die
austretende Strahlungsleistung darstellen. Die Absorptionsspektroskopie ist besonders für
die quantitative Analyse geeignet, da die Extinktion in verdünnten Lösungen proportional
zur Konzentration der absorbierenden Spezies (Lambert-Beersches Gesetz) ist: A = ε .b .c.
In dieser Gleichung stellen b die optische Weglänge, c die Konzentration und ε die molare
Extinktion (eine Proportionalitätskonstante) dar.
Zu den Grundbausteinen eines Spektralphotometers gehören eine Strahlungsquelle,
ein Monochromator, eine Probenzelle und ein Detektor. Um die Fehler bei der Spekt-
ralphotometrie zu minimieren, sollten die Proben frei von Partikeln sein. Die Küvetten
müssen sauber und reproduzierbar im Probenhalter positioniert werden. Die Messungen
sollten bei einer Wellenlänge mit maximaler Extinktion durchgeführt werden. Instrumen-
Übungen 469

telle Fehler lassen sich minimieren, wenn die Extinktion in den Bereich von A ≈ 0.4 bis
0.9 fällt.
Bei einer spektrophotometrischen Titration wird bei der Titrantzugabe die Extinktion
verfolgt. Bei vielen Reaktionen ändert sich bei Erreichung des Äquivalenzpunkts der An-
stieg sehr stark.
Wenn ein Molekül Licht absorbiert, wird es in einen angeregten Zustand befördert,
aus dem es in den Grundzustand über strahlungslose Prozesse oder durch Fluoreszenz
(Singulett → Singulett-Emission) bzw. Phosphoreszenz (Triplett → Singulett-Emission)
zurückkehren kann. Bei niedrigen Konzentrationen ist die Emissionsintensität proportio-
nal zur Probenkonzentration. Bei zu hohen Konzentrationen nimmt die Emission durch
Eigenabsorption des Analyten ab. Ein Anregungsspektrum (Kurve, die die Abhängigkeit
der Emissionsintensität von der Anregungswellenlänge darstellt) ist einem Absorptions-
spektrum (Kurve, die die Abhängigkeit der Extinktion von der Wellenlänge darstellt) sehr
ähnlich. Ein Emissionsspektrum (Kurve, die die Abhängigkeit der Emissionsintensität
von der Emissionswellenlänge darstellt) wird bei niedrigeren Energien als ein Absorpti-
onsspektrum beobachtet und stellt sehr oft das Spiegelbild des Absorptionsspektrums dar.
Ein nicht fluoreszierendes Molekül kann nach Kopplung an eine fluoreszierende Verbin-
dung analysiert werden. Als Chemilumineszenz bezeichnet man Licht, das während einer
chemischen Reaktion freigesetzt wird. Sie kann ebenfalls für die quantitative Analyse
verwendet werden.

Übungen
17-A.
a) Welche Extinktion entspricht einer Transmission von 45.0 %?
b) Bei einer bestimmten Wellenlänge hat eine 0.010 0 M Lösung eine Transmission T
von 45.0 %. Wie groß wäre die prozentuale Transmission für eine 0.020 0 M Lösung
der gleichen Substanz?

17-B.
a) Eine 3.96 × 10–4 M Lösung der Verbindung A besitzt bei 238 nm eine Extinktion von
0.624 in einer 1.000-cm-Küvette. Eine Blindprobe, die nur das Lösungsmittel enthielt,
zeigte eine Extinktion von 0.029 bei der gleichen Wellenlänge. Bestimmen Sie die
molare Extinktion der Verbindung A.
b) Die Extinktion einer Probenlösung der Verbindung A im gleichen Lösungsmittel und
der gleichen Küvette betrug 0.375 bei 238 nm. Bestimmen Sie die Konzentration von
A in der Probe.
c) Eine konzentrierte Lösung der Verbindung A im gleichen Lösungsmittel wurde vom
Ausgangsvolumen von 2.00 ml auf ein Endvolumen von 25.00 ml verdünnt. Danach
wurde eine Absorption von 0.733 gemessen. Welche Konzentration von A lag in der
konzentrierten Lösung vor?

17-C. Ammoniak kann spektralphotometrisch durch die Reaktion mit Phenol in Gegen-
wart von Hypochlorit (OCl–) bestimmt werden:

OCl
2 OH NH3 O N O 17
Phenol Ammoniak blaues Produkt, max
625 nm
(farblos) (farblos)

Eine 4.37 mg Protein enthaltende Probe wurde chemisch aufgeschlossen, um den Stick-
stoff zu Ammoniak umzusetzen. Die Probe wurde anschließend auf 100.0 ml verdünnt.
10 ml dieser Lösung wurden in einen 50 ml Maßkolben überführt und mit 5 ml Phenol-
Lösung sowie 2 ml Natriumhypochlorit-Lösung versetzt. Die Probe wurde auf 50.0 ml
verdünnt und die Extinktion nach 30 Minuten bei 625 nm in einer 1.00 cm-Küvette ge-
messen. Als Referenz wurde eine Standardlösung aus 0.010 0 g NH4Cl (FM 53.49) in 1.00
l Wasser gelöst. 10.0 ml der Standardlösung wurden in einen 50 ml-Messkolben überführt
und in gleicher Weise wie die Probe untersucht. Eine Reagenzblindprobe wurde mit des-
tilliertem Wasser anstelle der Probe hergestellt.
470 Kapitel 17 · Grundlagen der Spektralphotometrie

Probe Extinktion bei 625 nm

Blindprobe 0.140

Standardprobe 0.308

unbekannte Probe 0.592

a) Berechnen Sie die molare Extinktion des blauen Reaktionsproduktes.


b) Berechnen Sie die Gewichtsprozente von Stickstoff im Protein.

17-D. Cu+ reagiert mit Neocuproin unter Bildung des gefärbten Komplexes (Neocuproin)2
Cu+, der ein Absorptionsmaximum bei 454 nm besitzt. Neocuproin ist besonders geeig-
net, da es nur mit wenigen anderen Metallen reagiert. Der gebildete Kupfer-Komplex ist
in 3-Methyl-1-Butanol (Isoamylalkohol) löslich, einem organischen Lösungsmittel, das
mit Wasser kaum mischbar ist. Wenn Isoamylalkohol zu Wasser gegeben wird, bilden sich
zwei Phasen, wobei sich die dichtere Wasserschicht unten befindet. Ist der Neocuproin-
Kupfer-Komplex anwesend, befindet er sich praktisch vollständig in der organischen
Phase. Für die Lösung dieser Übungsaufgabe nehmen wir an, dass sich Isoamylalkohol
überhaupt nicht in Wasser löst und der gesamte farbige Komplex in der organischen
Phase vorliegt. Nehmen Sie an, dass die folgenden Arbeiten durchgeführt wurden:
1. Ein kupferhaltiges Gestein wird pulverisiert und alle enthaltenen Metalle mit starken
Säuren extrahiert. Die saure Lösung wird durch Base neutralisiert und auf 250.0 ml
im Kolben A aufgefüllt.
2. 10 ml dieser Lösung werden in den Kolben B überführt und mit 10 ml eines Reduk-
tionsmittels versetzt, so dass das gesamte Cu2+ in Cu+ umgewandelt wird. Danach
werden 10.00 ml eines Puffers zugesetzt, um den pH in einen für die Komplexbil-
dung mit Neocuproin geeigneten Bereich zu bringen.
3. 15 ml dieser Lösung werden entnommen und in Kolben C überführt. Zu diesem Kolben
werden weiterhin 10.00 ml einer wässrigen Lösung von Neocuproin und 20.00 ml Iso-
amylalkohol gegeben. Nach gründlichem Schütteln und ausreichender Zeit zur Phasen-
trennung befindet sich das gesamte (Neocuproin)2Cu+ in der organischen Phase.
4. Wenige Milliliter der oberen Schicht werden entnommen und deren Extinktion bei
454 nm in einer 1.00 cm Küvette gemessen. Eine unter identischen Bedingungen her-
gestellte Blindprobe ergab eine Extinktion von 0.056.
a) Nehmen wir an, dass das Gestein 1.00 mg Cu enthielt. Welche Konzentration an Cu
(mol/L) liegt in der Isoamylalkohol-Phase vor?
b) Die molare Extinktion des Neocuproin-Komplexes (Neocuproin)2Cu+ betrage 7.90
× 103 M–1 cm–1. Wie groß müsste die zu messende Extinktion sein? Berücksichtigen
Sie, dass die Blindprobe, die unter identischen Bedingungen hergestellt wurde, eine
Extinktion von 0.056 ergab.
c) Ein Gestein ergab bei der Analyse eine Extinktion von 0.874 (keine Korrektur des
Blindwerts). Wie viel Milligramm Cu waren in dem Gestein enthalten?

gesamte Flüssigkeit Überführung von Überführung von


wird in Kolben überführt 10.00 mL 15.00 mL

Gestein 20.00 mL organische


Phase, die gesamtes
Zugabe Zugabe von Cu-Neocuproin enthält
von 20.00 mL 10.00 mL
Reagenz wässriges 25.00 mL wässrige
Reagenz Phase, die kein Cu
Gestein wird zu + 20.00 mL enthält
Kolben B Kolben C
feinem Pulver organisches
gemahlen und Lösungsmittel
Cu mit starker Kolben A
Säure extrahiert 250.0 mL
Übungen 471

17-E. Semi-Xylenolorange ist bei pH 5.9 eine gelbe Verbindung, die bei Reaktion mit Pb2+
eine Rotfärbung ergibt. Eine 2.025-mL-Probe von Semi-Xylenolorange wurde bei pH =
5.9 mit 7.515 × 10–4 M Pb2+ mit folgenden Resultaten titriert:

Gesamt-μL Pb2+ Extinktion bei 490 nm Gesamt-μL Pb2+ Extinktion bei 490 nm
0.0 0.227 42.0 0.425
6.0 0.256 48.0 0.445
12.0 0.286 54.0 0.448
18.0 0.316 60.0 0.449
24.0 0.345 70.0 0.450
30.0 0.370 80.0 0.447
36.0 0.399

Fertigen Sie eine graphische Darstellung der Extinktion gegen die zugesetzten Mikro-
liter Pb2+ an. Berücksichtigen Sie die Korrektur der Extinktion durch die Verdünnung.
Die korrigierte Extinktion ist die Größe, die für das Ausgangsvolumen von 2.025 mL zu
erwarten wäre. Bestimmen Sie die Molarität von Semi-Xylenolorange in der Ausgangslö-
sung mit der Annahme eines 1:1-Komplexes zwischen Semi-Xylenolorange und Pb2+.

17
18 Anwendungen der
Spektralphotometrie

Biosensor auf Grundlage des Förster-Resonanzenergietransfers


Ein Biosensor ist eine Vorrichtung, die biologische Komponenten, wie Enzyme, Antikörper oder DNA in Verbindung mit elektri-
schen, optischen oder anderen Signalen zur Gewinnung eines spezifischen Signals von einem Analyten nutzt.1 Der Biosensor in
der Abbildung besteht aus zwei oberflächengebundenen Komponenten. Das Erkennungselement (Rezeptor) kann ein Antikör-
per, DNA, RNA oder ein Kohlenhydrat mit einer spezifischen Affinität für einen Analyten sein. Ein Strukturanalogon des Analyten
wird an einen flexiblen Arm (Spacer) in der Nähe des Erkennungselements kovalent gebunden. Ist kein Analyt vorhanden, ist das
am Spacer verankerte Analytanalogon vom Rezeptor gebunden.
Ein Chromophor , der sehr gut Strahlungsenergie absorbiert, wird in der Nähe
der Erkennungsstelle am Biosensor angebracht. Am flexiblen Arm wird in der Nähe des
Strukturanalogons ein fluoreszierender Chromophor angebracht. Auf der linken
Seite der Abbildung liegen der absorbierende und der emittierende Chromophor dicht

Abnahme der Fluoreszenz


beieinander. Licht mit einer Wellenlänge von 510 nm wird von absorbiert und die
Energie zum unmittelbar benachbarten übertragen. Diese Energie dient nun-
mehr quasi zur Anregung der bei 600 nm auftretenden sehr starken Fluoreszenz. Ein
effizienter Förster-Resonanzenergietransfer (FRET) findet bei Abständen zwischen geeig-
neten Donor- und Akzeptorpaaren statt, wenn sich diese in einem Abstand kleiner
10 nm voneinander befinden. Der FRET nimmt mit der sechsten Potenz des Abstands
zwischen Donor und Akzeptor ab und kann somit beispielsweise als „molekulares Li- 0 10 20 30 40 50 60
neal“ zur Abstandsmessung von Biomolekülen benutzt werden.2,3 Analytkonzentration (TNT, mg/L)

Wenn der Analyt zugefügt wird, konkurriert dieser mit dem am Spacer gebundenen Ansprechverhalten des Biosensors auf
Analyt-Analogon um die Bindungsstelle des Biosensors. Je höher die Analytkonzentra- TNT als Abnahme der Fluoreszenz mit
tion ist, desto stärker ist die Verdrängung des am Spacer gebundenen Analyt-Analogons. steigender Konzentration des Analyten.
Wenn das Analogon von der Bindungsstelle entfernt worden ist, ist der Abstand zwi- [I. L. Medintz, E. T. Goldman, M. E. Las-
schen und für einen Energietransfer zu groß und die Fluoreszenz nimmt ab. man, A. Hayhurst, A.W. Kusterbeck und J.
R. Deschamps, „Self-Assembled TNT Bio-
In der Graphik ist die Bestimmung von Trinitrotoluol (der Sprengstoff, TNT) gezeigt. Die sensor Based on Modular Multifunctional
Nachweisgrenze ist 0.1 mg/L (0.1 ppm). Nach der Messung wird der Sensor zur Entfer- Surface-Tethered Components“, Anal.
nung des Analyten gewaschen und kann für weitere Analysen verwendet werden. Chem. 2005, 77, 365.]

Förster-Resonanzenergietransfer
an flexiblen Arm
600 nm gebundenes Analyt-
Analogon zu großer Abstand
510 nm 510 nm für Energietransfer
Analyt
Biorezeptor
(z.B. Antikörper)
keine
Fluoreszenz

flexibler
Arm
18
Substrat

Absorber für Strahlungsenergie (Donor) Emitter der Strahlungsenergie (Akzeptor)

Der Förster-Resonanzenergietransfer (FRET) wird sehr häufig als Fluoreszenz-Resonanzenergietransfer bezeichnet. Der nach Theodor Förs-
ter benannte physikalische Prozess der Energieübertragung hat aber eigentlich gar nichts direkt mit der Fluoreszenz zu tun. Man nutzt
lediglich die Fluoreszenz zum Nachweis der Energieübertragung. Beim FRET wird die Energie eines angeregten Farbstoffs (Donor) strah-
lungslos (durch Dipol-Dipol-Wechselwirkungen) auf einen zweiten Farbstoff (Akzeptor) übertragen.

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
474 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

In diesem Kapitel werden die Anwendungen von Absorption und Emission elektromagne-
tischer Strahlung in der chemischen Analyse behandelt. Die Fließinjektionsanalyse wird als
eine wichtige Methode beschrieben, in der gewöhnlich Absorption oder Emission als ana-
lytische Signale verwendet werden. Es werden Excel Solver und Matrix-Operationen mit
Tabellenkalkulationen als praktische Hilfsmittel zur numerischen Analysen verwendet.

18.1 Analyse einer Mischung

Die Extinktion einer Lösung ist bei jeder Wellenlänge gleich der Summe der Extinktionen
aller in der Lösung vorhandenen Spezies:

Die Extinktion ist additiv Extinktion eines Gemisches: A = εXb[X] + εYb[Y] + εZb[Z] (18.1)

wobei ε der molare Extinktionskoeffizient jeder vorliegenden Spezies bei der untersuchten
Wellenlänge und b die Schichtdicke der Messzelle ist (Abbildung 17.4). Wenn wir die Spek-
tren der reinen Komponenten kennen, können wir das Spektrum einer Mischung mathe-
matisch in die Spektren ihrer Komponenten zerlegen. In der Säure-Base-Chemie werden
mit dieser Methode die Konzentrationen der sauren und basischen Formen eines Indika-
tors bestimmt. Aus diesen Informationen erhält man in Kombination mit der Henderson-
Hasselbalch-Gleichung (8.16) durch die Spektralphotometrie sehr genaue pH-Werte.4
Für eine Mischung der Komponenten X und Y sind zwei Fälle zu unterscheiden. In
Abbildung 18.1a überlappen die Absorptionsbanden der reinen Verbindungen in allen
Bereichen des Spektrums deutlich. Dieser Fall wird am besten durch eine Tabellenkalku-
lation von Messungen bei vielen Wellenlängen behandelt. In Abbildung 18.1b überlappen
die Banden von X und Y in einigen Bereichen relativ wenig. Man analysiert diesen Fall
durch die Auswahl einer Wellenlänge λ´, bei der X den Hauptanteil der Extinktion liefert
und einer Wellenlänge λ´´, bei der Y den größten Anteil liefert.

Was macht man, wenn die einzelnen Spektren


überlappen
Für das Spektrum einer unbekannten Mischung der H2O2-Komplexe von Ti(IV) und
V(V) in Abbildung 18.2 wird die Methode der kleinsten Quadrate auf Gleichung 18.1 an-
gewendet. Neben dem Spektrum der Mischung zeigt die Abbildung auch die Spektren der
Standard-Lösungen von 1.32 mM Ti(IV) und 1.89 mM Vanadium(V).
Zuerst wird die Extinktion der Standards bei verschiedenen Wellenlängen gemessen,
die in Abbildung 18.2 durch Punkte gekennzeichnet sind. Die Ergebnisse stehen in den
Spalten A–C der Abbildung 18.3. Die Konzentrationen der Standards werden in die Zellen
A14 und A16 und die Weglänge (1.000 cm) in Zelle A19 des Arbeitsblatts eingetragen.
Messen Sie die Extinktion bei mehr Wir bezeichnen die beiden Komponenten mit X (= Ti) und Y (= V) und erhalten
Wellenlängen als absorbierende Kom- die molaren Extinktionskoeffizienten jeder Komponente für jede Wellenlänge aus dem
ponenten im Gemisch enthalten sind. Lambert-Beerschen Gesetz:
Dadurch nimmt die Richtigkeit der AX AY
Messung zu. εX = S
εY = S
(18.2)
b ⎡⎣ X ⎤⎦ S b ⎡⎣ Y ⎤⎦ S

wobei AXS die Extinktion des Standards und [X]S seine Konzentration bedeuten. Die
Ergebnisse dieser Berechnung stehen in den Spalten E und F der Abbildung 18.3. Die
gemessene Extinktion der unbekannten Mischung bei den verschiedenen Wellenlängen
steht in Spalte D. Für jede Wellenlänge gilt, dass die Extinktion des Gemischs die Summe
der Extinktionen der Komponenten ist:
Am = εX b [X] + εY b [Y] (18.3)
Allerdings kennen wir die Konzentrationen [X] und [Y] in der Mischung nicht.
Um [X] und [Y] zu finden, beginnen wir mit einer Schätzung der Konzentrationen
und tragen den Schätzwert in die Zellen D14 und D15 ein. Die Schätzwerte müssen nicht
18.1 · Analyse einer Mischung 475

dicht an den richtigen Werten liegen. Wir wählen willkürlich 0.001 M für beide Schät- a
X
zungen. Die berechnete Extinktion Aber der Mischung wird in Spalte G mit der Gleichung
18.4 ausgerechnet: Y
Aber = εX b [X]geschätzt + εY b [Y]geschätzt (18.4)

Extinktion
Zum Beispiel beträgt Aber in Zelle G6 (678.0)(1.000)[0.001] + (172.5)(1.000)[0.001]. In
Spalte H stehen die Quadrate der Differenzen zwischen berechneter und gemessener
Extinktion (Aber–Am)2.

b Y
X
1
λ′
0.9
Ti
λ′′

Extinktion
0.8
0.7
Gemisch
0.6
Extinktion

0.5
0.4
0.3 V
0.2 Wellenlänge

0.1
Abb. 18.1 Zwei unterschiedliche Fälle
0 bei der Analyse eines Gemischs. a) We-
350 400 450 500 550 600 sentliche Überlappung der Spektren der
Wellenlänge (nm) reinen Komponenten. b) Es gibt Bereiche,
in denen jede einzelne Komponente
Abb. 18.2 Spektren im sichtbaren Bereich von 1.32 mM Ti(IV), 1.89 mM V(V) und einer unbekannten den wesentlichsten Teil der Absorption
Mischung , die beide Ionen enthält. Alle Lösungen enthalten 0.5 Gew% H2O2 und 0.01 M H2SO4. Die ausmacht.
Extinktionswerte an den durch Punkte gekennzeichneten Stellen sind in Abbildung 18.3 eingetragen.
[M. Blanco, H. Iturriaga, S. Maspoch und P. Tarin, „A Simple Method for Spectrophotometric Determina-
tion of Two Components with Overlapped Spectra“, J. Chem. Ed. 1989, 66, 178.]

A B C D E F G H
1 Analyse eines Gemischs, wenn mehr Werte als Komponenten des Gemischs vorhanden sind
2 gemessene
3 Extinktion der berechnete
4 Wellen- Extinktion der Standards Mischung Molare Extinktion Extinktion
5 länge Titanium Vanadium Am Titanium Vanadium A(ber) [A(ber)-Am]^2
6 390 0.895 0.326 0.651 678.0 172.5 0.8505 3.981E-02
7 430 0.884 0.497 0.743 669.7 263.0 0.9327 3.597E-02
8 450 0.694 0.528 0.665 525.8 279.4 0.8051 1.963E-02
9 470 0.481 0.512 0.547 364.4 270.9 0.6353 7.796E-03
10 510 0.173 0.374 0.314 131.1 197.9 0.3289 2.233E-04
11 Summe = 1.034E-01
12 Standards: Konzentrationen in der
13 [Ti](M) = Mischung, die Solver finden soll
18
14 0.00132 [Ti] = 0.001000
15 [V](M) = [V] = 0.001000
16 0.00189
17 Weglänge E6 = B6/($A$19*$A$14)
18 (cm) = F6 = C6/($A$19*$A$16)
19 1.000 G6 = E6*$A$19*$D$14+F6*$A$19*$D$15
20 H6 = (G6-D6)^2

Abb. 18.3 Tabellenkalkulation mit Solver zur Analyse der Mischung von Abbildung 18.2.
476 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

Abb. 18.4 Solver-Fenster von Excel.

Mit der Methode der kleinsten Quadrate wird die Summe der Quadrate (Aber–Am)2
minimiert, indem die Konzentrationen [X]geschätzt und [Y]geschätzt variiert werden. Die
„besten“ Werte für [X]geschätzt und [Y]geschätzt in den Zellen D14 und D15 sind diejeni-
gen, mit denen die Summe der Quadrate in Zelle H11 ein Minimum hat.

Bei Excel gibt es das leistungsfähige Programm Solver, das diese Minimierung durchführt.
Bei Excel 2007 findet man Solver im Menü in der Sektion Analyse. Wenn es dort nicht
gefunden wird, geht man über den Microsoft-Button oben links und die Excel-Optionen
zu den Add-Ins und findet den Solver dort.
Im Arbeitsblatt (Abbildung 18.3) wird die Zelle H11 markiert und der Solver aufgerufen.
Es erscheint ein Fenster wie in Abbildung 18.4. Als Zielzelle wird „H11“ eingetragen. Dann
wird Min angeklickt. Die veränderbaren Zellen sind D14 und D15. Nach Klicken auf „Lösen“
findet Solver 0.000 670 in Zelle D14 und 0.001 123 in Zelle D15. Die Quadratsumme in Zelle
H11 hat sich von 0.103 auf 0.000 028 verringert. Aus den Zellen D14 und D15 entnehmen
wir die Konzentrationen von Ti(IV) = 0.670 mM und V(V) = 1.123 mM in der Mischung.
Dieses Verfahren lässt sich leicht auf Mischungen von mehr als zwei Bestandteilen
ausweiten. Je mehr Punkte man verwendet, desto richtiger wird das Ergebnis.

Was macht man, wenn die einzelnen Spektren


gut aufgelöst sind
Wenn die Spektren der einzelnen Komponenten einer Mischung einigermaßen voneinan-
der getrennt sind, wie das bei den Wellenlängen λʹ und λʹʹ in Abbildung 18.1b der Fall ist,
können wir zwei simultane Gleichungen zur Bestimmung der einzelnen Konzentrationen
lösen. Die Extinktion bei jeder Wellenlänge setzt sich als Summe aus den Extinktionen
der einzelnen Komponenten bei der entsprechenden Wellenlänge zusammen. Für die Ex-
tinktion bei den Wellenlängen λʹ und λʹʹ kann man folgende Gleichung formulieren
A´ = ε ,Xb ⎣⎡ X ⎦⎤ + ε ,Yb ⎡⎣ Y ⎦⎤
A´´ = ε ,,Xb ⎣⎡ X ⎦⎤ + ε ,,Yb ⎣⎡ Y ⎦⎤ (18.5)
mit ε-Werten für jede im Gemisch vorliegende Spezies bei den betrachteten Wellenlän-
gen. Die Extinktionen von X und Y bei den Wellenlängen λʹ und λʹʹ müssen in separaten
Experimenten ermittelt werden.
Wir wollen jetzt die beiden Gleichungen 18.5 für die beiden unbekannten Proben-
komponenten [X] und [Y] auflösen. Als Ergebnis erhalten wir

Die mathematische Bedeutung der A'  Y' b  Y' b A'


Determinante
Analyse einer Mischung mit A''  b ''
 b
''
Y A''
[Y] =
Y
a b [X] = (18.6)
aufgelösten Spektren  b  b
' '
 b  Y' b
'
lautet (a × d) – (b × c) X Y X
c d
 X'' b  Y'' b  X'' b  Y'' b
a b

c d
a b
Das Symbol mit der Form in Gleichung 18.6 wird als Determinante bezeichnet.
c d
18.1 · Analyse einer Mischung 477

Es ist eine Kurzschreibweise für den Ausdruck Produkt aus a × d – Produkt aus b × c.
1 2
Eine Determinante der Form bedeutet also 1 × 4 – 2 × 3 = –2.
3 4
> Beispiel
Analyse eines Gemisches unter Verwendung der Gleichungen 18.6
Die in der folgenden Tabelle aufgelisteten molaren Extinktionskoeffizienten der Verbindun-
gen X und Y wurden jeweils mit reinen Verbindungen gemessen.

ε (M–1 cm–1)

λ (nm) X Y

272 16 400 3 870

327 3 990 6 420

Für das Gemisch der Verbindungen X und Y wurde in einer 1.000 cm Küvette eine Extinktion
von 0.957 bei 272 nm und von 0.559 bei 327 nm gemessen. Bestimmen Sie die Konzentrati-
onen von X und Y im Gemisch.

Lösung Mit Gleichung 18.6 und b = 1.000 ergibt sich

0.957 3 870
0.559 6 420 (0.957) (6 420) − (3 870) (0.559)
[X] = = = 4.43 × 10 −5 M
16 400 3 870 (16 400) (6 420) − (3870) (3990)
3 990 6 420

16 400 0.957
3 990 0.559
[Y] = = 5.95 × 10 −5M
16 400 3 870
3 990 6 420

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie die Konzentration von [X], wenn die Extinktionen bei
272 nm 0.700 und bei 327 nm 0.550 betragen. (Ergebnis: 2.63 × 10–5M)

Um ein Gemisch der beiden Komponenten zu analysieren, müssen die Extinktionen bei
zwei Wellenlängen gemessen werden und ε muss bei jeder Wellenlänge für beide Verbin-
dungen bekannt sein. Auf die gleiche Weise kann ein Gemisch aus n Verbindungen durch
n Messungen der Extinktion bei n Wellenlängen analysiert werden.

Lösung eines linearen Gleichungssystems mit Excel


Excel löst Systeme linearer Gleichungen mit einer einzigen Anweisung. Auch wenn Ihnen
die folgende Matrizenmathematik unbekannt ist, können Sie trotzdem weitermachen. Das
wichtige Ergebnis in Abbildung 18.5 ist die Vorlage für die Lösung des Gleichungssystems.
Im letzten Absatz dieses Abschnitts ist beschrieben, wie die Tabelle ausgefüllt werden muss.
Das Gleichungssystem für das vorstehende Beispiel lautet:
A´ = ε ,Xb ⎡⎣ X ⎤⎦ + ε ,Yb ⎡⎣ Y ⎤⎦ 0.957 = 16 440 [X] + 3 870 [Y] 18

A´´ = ε b ⎡⎣ X ⎤⎦ + ε b ⎡⎣ Y ⎤⎦
,,
X
,,
Y 0.559 = 3 990 [X] + 6 420 [Y]

und kann als Matrix geschrieben werden:


⎡0.957 ⎤ ⎡16 400 3 870 ⎤ ⎡ ⎡⎣ X ⎤⎦ ⎤
⎢ ⎥ =⎢ ⎥⎢ ⎥ (18.7)
⎣0.559 ⎦ ⎣ 3 990 6 420 ⎦ ⎣⎢ ⎡⎣ Y ⎤⎦ ⎦⎥
A = K C
478 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

K ist die Matrix der molaren Extinktionskoeffizienten mal der Weglänge, εb. A ist die Ma-
trix der Extinktionen der unbekannten Proben. Eine Matrix wie A, mit nur einer Spalte
oder einer Zeile heißt Vektor. C ist der Vektor der unbekannten Konzentrationen.
Eine Matrix K-1, als Inverse von K bezeichnet, hat die Form, bei der die Produkte KK-1
oder K-1K gleich einer Einheitsmatrix sind, die Einsen in der Diagonalen und sonst Nullen
enthält.5
Wir können Gleichung 18.7 für den Konzentrationsvektor C lösen, indem wir beide
Seiten der Gleichung mit K-1 multiplizieren:

Das Produkt K-1 KC = C KC = A


K-1 KC = K-1 A
⎡ 1 0 ⎤ ⎡ ⎡⎣X ⎤⎦ ⎤ ⎡ ⎡⎣X ⎤⎦ ⎤ 
⎢ ⎥⎢ ⎥=⎢ ⎥
⎣0 1⎦ ⎣⎢ ⎣⎡ Y ⎦⎤ ⎦⎥ ⎣⎢ ⎣⎡ Y ⎦⎤ ⎦⎥ C
-1
K K C C
Um ein Gleichungssystem zu lösen, muss die inverse Matrix K-1 gefunden und mit A multi-
ziert werden. Das Produkt ist C, die Konzentrationen in der unbekannten Mischung.
In Abbildung 18.5 tragen wir zunächst die Wellenlängen in die Spalte A ein, um die
Übersicht nicht zu verlieren. Diese Wellenlängen spielen bei der Rechnung keine Rolle.
Dann tragen wir die Produkte εb für die reine Komponente X in Spalte B und εb für die
reine Komponente Y in Spalte C ein. Das Feld der Zellen B5:C6 ist die Matrix K. Die Ex-
cel-Funktion MINV(B5:B6) liefert die inverse Matrix K–1. Die Funktion MMULT(matrix
1; matrix 2) ergibt das Produkt von zwei Matrizen (oder einer Matrix und eines Vektors).
Der Konzentrationsvektor, C, ist gleich K–1A, den wir mit folgender Anweisung erhalten:

= MMULT(MINV(B5:C6); D5:D6)
  
K–1 A

Zur Verwendung der Vorlage in Abbildung 18.5 tragen Sie die Koeffizienten εb, die für
Verfahren für die Lösung von die reinen Komponenten bestimmt wurden, in die Zellen B5:C6 ein. Dann schreiben Sie
Gleichungssystemen mit Excel die Extinktionen der unbekannten Proben in die Zellen D5:D6. Markieren Sie gleichzei-
tig die Zellen F5:F6 und tragen Sie die Formel „= MMULT(MINV(B5:C6); D5:D6)“ ein.
Drücken Sie Strg+Shift+ ENTER. Die Konzentrationen [X] und [Y] erscheinen in den
Zellen F5:F6.

Isosbestische Punkte
Oft wird während einer chemischen Reaktion die absorbierende Verbindung X in eine
andere absorbierende Verbindung Y umgewandelt. Diese Umwandlung ist mit dem in
Abbildung 18.6 dargestellten charakteristischen Verhalten verbunden. Schneiden sich die

A B C D E F G
1 Lösung eines linearen Gleichungssystems mit Excel-Matrix-Operationen
2
3 Wellenlänge Koeffizientenmatrix Extinktion Konzentrationen
4 der Proben im Gemisch
5 272 16400 3870 0.957 4.4304E-05 [X]
6 327 3990 6420 0.559 5.9537E-05 [Y]
7 K A C
8
9 1. Eintragen der Koeffizientenmatrix εb in Zellen B5:C6
10 2. Eintragen der Extinktion der Proben bei jeder Wellenlänge (D5:D6)
11 3. Markierung der freien Zellen für das Ergebnis (F5 und F6)
12 4. Eingabe der Formel „=MMULT(MINV(B5:C6),D5:D6)“
Abb. 18.5 Lösung eines 13 5. Am PC: CONTROL + SHIFT + ENTER; am Mac: COMMAND + RETURN
linearen Gleichungssystems
14 6. Sehen Sie nach: die Lösung erscheint in den Zellen F5 und F6
mit Excel.
18.2 · Bestimmung von Gleichgewichtskonstanten: Der Scatchard-Plot 479

4.5
1.0
Isosbestischer
Punkt 5.0

Extinktion 5.5
7.1
0.5
5.0 5.5
4.5
Abb. 18.6 Absorptionsspektrum von
7.1
3.7 × 10–4 M Methylrot zwischen pH 4.5
0
370 420 470 520 570 620 und 7.1. [E. J. King, Acid-Base Equilibria
Wellenlänge (nm) (Oxford: Pergamon Press, 1965).]

Spektren der reinen Verbindungen X und Y bei einer bestimmten Wellenlänge, dann ge-
hen alle während der Umsetzung aufgezeichneten Spektren ebenfalls durch diesen Punkt,
den man als isosbestischen Punkt bezeichnet. Ein isosbestischer Punkt ist ein Beweis da-
für, dass nur zwei absorbierende Hauptkomponenten anwesend sind.6
Betrachten wir als Beispiel den Indikator Methylrot, dessen Farbe bei pH 5.1 von Rot
(HIn) zu Gelb (In-) umschlägt:

(CH3)2N N CO2 (CH3)2N N CO2


-H+
N N
H pK2 5.1
HIn In–
(rot) (gelb)

Da sich die Spektren von HIn und In- (bei gleicher Konzentration) bei 465 nm schneiden,
gehen alle Spektren in Abbildung 18.6 durch diesen Punkt. (Würden sich die Spektren
von HIn und In- in mehreren Punkten schneiden, würde in jedem Schnittpunkt ein iso-
sbestischer Punkt entstehen.)
Um herauszubekommen, warum ein isosbestischer Punkt entsteht, formulieren wir
eine Gleichung für die Extinktion der Lösung bei 465 nm:
A 465 = ε HIn
465
b ⎣⎡HIn ⎦⎤ + ε In
465
⎡ −⎤
− b ⎣ In ⎦ (18.8)
Da sich die Spektren der reinen Verbindungen HIn und In-
(bei gleicher Konzentration)
465
bei 465 nm schneiden, gilt für diesen Punkt ε HIn = ε In
465 465
. Setzen wir ε HIn = ε In
465
− = ε 465 , ergibt −

sich eine Modifizierung von Gleichung 18.8:

(
A 465 = ε 465b ⎡⎣HIn ⎤⎦ + ⎡⎣In − ⎤⎦ ) (18.9)
Alle in Abbildung 18.6 abgebildeten Lösungen enthalten die gleiche Gesamtkonzentration Ein isosbestischer Punkt tritt auf, wenn
an Methylrot (= [HIn] + [In–]). Nur der pH-Wert wird variiert. Deshalb sind in Gleichung εX = εY und [X] + [Y] konstant sind.
18.9 sowohl die Summe der Konzentrationen als auch A465 konstant.

18.2 Bestimmung von Gleichgewichtskonstanten:


Der Scatchard-Plot
Um eine Gleichgewichtskonstante zu bestimmen, müssen die Konzentrationen (in Wahr- Da die Extinktion proportional zur Kon-
heit die Aktivitäten) der am Gleichgewicht beteiligten Spezies bestimmt werden. In die- zentration (und nicht zur Aktivität) ist, 18
sem Abschnitt wird gezeigt, wie man die Spektralphotometrie hierzu einsetzen kann. müssen die Konzentrationen in Aktivi-
Es wird zu diesem Zweck die einfachste Form eines Gleichgewichtes betrachtet, bei täten umgewandelt werden, um wahre
dem P und X miteinander unter Bildung von PX reagieren. Gleichgewichtskonstanten zu erhalten.

P + X U PX (18.10)
Bei Vernachlässigung der Aktivitätskoeffizienten kann man dafür formulieren
⎡PX ⎤
K= ⎣ ⎦ (18.11)
⎣⎡P ⎦⎤ ⎣⎡ X ⎦⎤
480 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

Nun betrachten wir eine Reihe von Lösungen, in denen steigende Mengen X zu einer
konstanten Menge an P zugesetzt werden. Wenn man die Gesamtkonzentration von P (in
den Formen P oder PX) mit P0 bezeichnet, erhält man
Erinnern Sie sich, dass Gleichung 18.12
[P] = P0 – [PX] (18.12)
eine Stoffbilanz ist.
Jetzt kann Gleichung 18.11 als Ausdruck für das Gleichgewicht folgendermaßen umge-
formt werden:
⎡⎣PX ⎤⎦
= K ⎣⎡P ⎦⎤ = K (P0 − ⎣⎡PX ⎦⎤ ) (18.13)
⎡⎣ X ⎤⎦
Als Scatchard-Plot wird die Beziehung Die Kurve, die sich aus der Abhängigkeit des Terms [PX]/[X] von [PX] ergibt, hat einen
des Terms [PX]/[X] zu [PX] in Form ei- Anstieg von –K und wird als Scatchard-Plot7 bezeichnet. Sie wird vor allem in der Bio-
ner graphischen Darstellung bezeich- chemie zur Bestimmung von Gleichgewichtskonstanten verwendet (Abbildung 18.7).
net. Als Anstieg erhält man –K. Wenn wir [PX] kennen, können wir [X] aus der Stoffbilanz berechnen
X0 = [Gesamt X] = [PX] + [X]
25
Zur Bestimmung von [PX] kann die Extinktion spektralphotometrisch gemessen werden.
Anstieg = – 4.0 × 109 M–1 Nehmen wir an, dass P und PX beide bei der Wellenlänge λ absorbieren, X jedoch nicht.
20 Der Einfachheit halber sollen alle Messungen in einer Zelle mit 1.000 cm Schichtdicke
durchgeführt werden. Damit kann b (1.000 cm) aus dem Lambert-Beerschen Gesetz weg-
15 gelassen werden.
[PX]/[X]

Die Extinktion der Lösung bei einer bestimmten Wellenlänge ist die Summe der Ex-
10 tinktionen von PX und P:
A = εPX[PX] + εP[X]
5

Nach Substitution von [P] = P0 – [PX] erhält man


0
0 2 4 6 8 10
[PX] (nM)
A = εPX[PX] + εPP0 – εP[PX] (18.14)

A0
Abb. 18.7 Scatchard-Plot zur Bindung
des Antigens (X) an den Antikörper (P). Die Ausgangsextinktion ist A0 = εPP0 vor einer Zugabe von X. Umstellen der Gleichung
Der Antikörper bindet den Sprengstoff 18.14 ergibt jetzt
Trinitrotuluol, TNT. Das Antigen ist ein flu- ΔA
oreszierendes Analogon des TNT. Aus der A = [PX](εPX – εP) + A0 ⇒ ⎡⎣PX ⎤⎦ = (18.15)
Δε
Steigung ergibt sich für die Reaktion P +
X U PX eine Bindungskonstante von 4.0 worin Δε= εPX – εP und ΔA (= A – A0) die gemessene Extinktion nach jeder Zugabe von X,
× 109 M–1. [Entnommen aus Abbildung 4 vermindert um die Ausgangsextinktion ist.
in A. Bromberg und R. A. Mathies, „Homo- Setzt man den Ausdruck für [PX] aus Gleichung 18.15 in Gleichung 18.13, ergibt sich
geneous Immunoassay for Determination die
of TNT on a Capillary Electrophoresis ΔA
Chip“, Anal. Chem. 2003, 75, 1188.] Scatchard-Gleichung: = KΔεP0 − K ΔA (18.16)
X

Aufgabe 18-13 beschreibt einen alter- Eine Darstellung von ΔA/[X] gegen ΔA ist eine Gerade mit dem Anstieg –K. Auf diese Weise
nativen Weg zur Bestimmung von K können die gemessenen Extinktionswerte während der Titration von P mit X verwendet
mit Excel Solver. werden, um die Gleichgewichtskonstante für die Reaktion von X mit P zu ermitteln.
Es treten gewöhnlich zwei Fälle bei der Anwendung von Gleichung 18.16 auf. Wenn die
Gleichgewichtskonstante klein ist, werden hohe Konzentrationen an X benötigt, um PX zu
bilden. Es gilt daher X0 >> P0 und [X] ≈ X0. Im zweiten Fall ist K nicht klein und [X] deshalb
nicht mit X0 gleichzusetzen, weshalb [X] gemessen werden muss. Am besten verwendet man
dafür eine unabhängige Methode, bei der entweder durch Messung bei einer anderen Wellen-
länge oder durch Bestimmung einer anderen physikalischen Eigenschaft [X] erhalten wird.
Gleichung 18.13 kann in S/[X] = K(1–S) In der Praxis werden die mitunter beträchtlichen Fehler, mit denen eine Scatchard-
umgeformt werden. Kurve behaftet sein kann, oft übersehen. Mit der Definition eines Sättigungsbruches für P
⎡PX ⎤
Sättigungsbruch = S = ⎣ ⎦ (18.17)
Tragen Sie S/[K] gegen S auf.
P0
kann gezeigt werden, dass die genauesten Daten im Bereich von 0.2 < S < 0.8 erhalten
werden.8 Die Daten sollten außerdem in einem Bereich gemessen werden, der mindestens
18.3 · Methode der kontinuierlichen Variation 481

75 % der gesamten Sättigungskurve enthält, ehe man sicher sein kann, den Gleichge-
wichtszustand (Gleichung 18.10) erreicht zu haben. Es unterlaufen oft Fehler, wenn ein zu
kleiner Bereich der Kurve vermessen wird.

18.3 Methode der kontinuierlichen Variation

Nehmen wir jetzt an, dass verschiedene Komplexe zwischen P und X gebildet werden
können:
P + X U PX (18.18)
P + 2X U PX2 (18.19)
P + 3X U PX3 (18.20)
Wenn ein Komplex (beispielsweise PX2) dominiert, kann mit der Methode der kontinu-
ierlichen Variation (auch als Jobsche Methode bezeichnet)9 die Stöchiometrie des vorherr-
schenden Komplexes bestimmt werden.
Bei dem klassischen Verfahren werden Aliquote äquimolarer Lösungen von P und Sie können zeigen, dass man für die
X (oft mit anschließender Verdünnung auf ein konstantes Volumen) in einer Weise ge- Reaktion P + nX U PXn ein Maximum
mischt, dass die Gesamtkonzentration von P + X konstant bleibt. So können beispielsweise für [PXn] erhält, wenn die Ausgangs-
Stammlösungen von 2.50 mM P und 2.50 mM X, wie in Tabelle 18.1 zusammengestellt, konzentrationen im Verhältnis [X]0 =
gemischt werden, um ein variables Verhältnis X:P bei konstanter Gesamtkonzentration zu n[P]0 vorliegen. Schreiben Sie dafür K
erhalten. Die Extinktion jeder Lösung wird anschließend bei einer geeigneten Wellenlänge = [PXn]/{([P]0–[PXn])([X]0–n[PXn])} und
gemessen, meist bei λmax des Komplexes. Aus den Messwerten wird eine Kurve gewonnen, setzen Sie die partiellen Ableitungen
bei der korrigierte Extinktionen (definiert in Gleichung 18.21) gegen den Molenbruch ∂ [PXn]/∂ [P]0 sowie ∂[PXn]/∂[X]0 gleich
von X aufgetragen werden. Die maximale Extinktion wird bei einer Zusammensetzung des Null.
Gemisches erreicht, die der Stöchiometrie des dominierenden Komplexes entspricht.
Die korrigierte Extinktion ist definiert als Differenz aus gemessener Extinktion und
der Extinktion, die durch freies P und freies X allein entstehen würde:
korrigierte Extinktion = gemessene Extinktion – εPbPT – εXbXT (18.21)
wobei εP und εX die molaren Extinktionskoeffizienten der reinen Verbindungen P und X, Methode der kontinuierlichen Variation:
b die Schichtdicke und PT und XT die Gesamtkonzentrationen von P und X in der Lösung P + nX U PXn
sind. Für die erste Lösung in Tabelle 18.1 sind PT = (1.00/25.0)(2.50 mM) = 0.100 mM Maximale Extinktion tritt auf bei:
und XT = (9.00/25.0)(2.50 mM) = 0.900 mM. Wenn P und X bei der zur Bestimmung ver- Molenbruch von X = n/(n + 1).
wendeten Wellenlänge nicht absorbieren, ist eine Extinktionskorrektur nicht notwendig.
Maximale Extinktion tritt dann auf, wenn der Molenbruch von X der Stöchiometrie
des Komplexes entspricht (Abbildung 18.8). Ist der dominierende Komplex PX2, wird ma-
ximale Extinktion bei dem Molenbruch von X = 2/(2+1) = 0.667 beobachtet.
b
Molenbruch von X in PaXb = (= 0.667 für b = 2 und a = 1)
b+a
Wäre der vorherrschende Komplex P3X, würde das Maximum beim Molenbruch von X =
1/(1+3) = 0.250 auftreten.
Folgende Bedingungen sollten bei Anwendung der Methode der kontinuierlichen
Variation beachtet werden:
1. Versichern Sie sich, dass der Komplex das Lambert-Beerschen Gesetz befolgt.
2. Arbeiten Sie nach Möglichkeit bei konstanter Ionenstärke und konstantem pH. 18
3. Zeichnen Sie die Kurve bei mehreren Wellenlängen auf; das Maximum muss bei allen
Wellenlängen beim gleichen Molenbruch auftreten.
4. Führen Sie die Experimente nacheinander mit verschiedenen Gesamtkonzentratio-
nen an P + X durch. Wird eine zweite Serie von Lösungen im gleichen Verhältnis wie
in Tabelle 18.1, aber unter Verwendung von 5.00 mM Stammlösungen hergestellt,
muss das Maximum trotzdem beim gleichen Molenbruch auftreten.

Obwohl man die Methode der kontinuierlichen Variation mit vielen einzelnen Lösun-
gen (siehe Tabelle 18.1) durchführen kann, ist die Titration einer Lösung vernünftiger.
482 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

Tabelle 18.1 Lösungen für die Methode der kontinuierlichen Variation

mL an 2.50 mM P mL an 2.50 mM X Molverhältnis (X:P) Molenbruch für X


⎛ Mol X ⎞
⎜ ⎟
⎝ Mol X + Mol P ⎠
1.00 9.00 9.00 : 1 0.900

2.00 8.00 4.00 : 1 0.800

2.50 7.50 3.00 : 1 0.750

3.33 6.67 2.00 : 1 0.667

4.00 6.00 1.50 : 1 0.600

5.00 5.00 1.00 : 1 0.500

6.00 4.00 1 : 1.50 0.400

6.67 3.33 1 : 2.00 0.333

7.50 2.50 1 : 3.00 0.250

8.00 2.00 1 : 4.00 0.200

9.00 1.00 1 : 9.00 0.100

Hinweis: Alle Lösungen wurden auf ein Gesamtvolumen von 25.0 mL mit einem Puffer verdünnt.

P3 X PX PX 2
1.0

0.8
Korrigierte Extinktion

0.6

0.4

0.2

Abb. 18.8 Ideales Verhalten der Job-


0.0
Kurven für die Bildung der Komplexe P3X, 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
PX und PX2. Molenbruch von X

0.32
Absorbance (745 nm)

Corrected absorbance

0.24 0.24

0.16 0.16

0.08 0.08

0 0
0 20 40 60 80 100 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
a Volume of Cu2 (mL) b Mole fraction of Cu2

Abb. 18.9 a) Spektralphotometrische Titration von 30 mL EDTA im Acetat-Puffer mit CuSO4 im glei-
chen Puffer. Obere Kurve: [EDTA] = [Cu2+] = 5.00 mM. Untere Kurve: [EDTA] = [Cu2+] = 2.50 mM. Die Ex-
tinktion wurde nicht korrigiert. b) Umwandlung der Daten in Molenbrüche. Die Extinktion von freiem
CuSO4 wurde bei gleicher Formalkonzentration von jedem Punkt im Bild a abgezogen. EDTA absor-
biert bei dieser Wellenlänge nicht. [Z. D. Hill und P. MacCarthy, „Novel Approach to Job´s Method“, J.
Chem. Ed. 1986, 63, 162.]
18.4 · Fließinjektionsanalyse und Sequenzielle Injektionsanalyse 483

Abbildung 18.9a zeigt eine Titration von EDTA mit Cu2+. In Abbildung 18.9b wurde die
Abszisse aus dem Volumen an verbrauchten Cu2+ in den Molenbruch von Cu2+ (= [Mol
Cu2+]/[Mol Cu2+ + Mol EDTA] umgeformt. Das scharfe Maximum bei einem Molenbruch
von 0.5 zeigt die Bildung eines 1:1-Komplexes. Ist die Gleichgewichtskonstante nicht allzu
groß, ist das Maximum stärker abgeflacht als in Abbildung 18.9b. Der Kurvenverlauf in
der Nähe des Maximums kann verwendet werden, um die Gleichgewichtskonstante zu
ermitteln10.

18.4 Fließinjektionsanalyse und Sequenzielle


Injektionsanalyse

In der Fließinjektionsanalyse wird eine flüssige Probe in einen kontinuierlich fließenden


Flüssigkeitsstrom injiziert, in dem sich ein Reagenz für die Probe befindet.11–15. Weitere
Reagenzien können danach „stromabwärts“ zugesetzt werden. Wenn die Probe vom In-
jektor zum Detektor fließt, verbreitert sich die Probenzone und reagiert mit dem Reagenz
zu einem Produkt, auf welches der Detektor anspricht. Zu den Vorteilen der Fließinjek-
tion gegenüber der getrennten Analyse einzelner Proben gehören Geschwindigkeit, Au-
tomatisierung des Umgangs mit Lösungen und niedrige Kosten. Bei der Fließinjektions-
analyse werden normalerweise etwa 100 Proben pro Stunde analysiert. Autosampler, die
Hunderte von Proben handhaben können, sind heutzutage für die Laborautomatisierung
unverzichtbar Die Fließinjektion wurde deshalb zum Arbeitspferd in vielen Laboratorien
zur Wasser- und Bodenanalyse.
Abbildung 18.10 zeigt das Schema einer typischen Analyse von Spuren des Herbizids
Acetochlor16 (in Deutschland nicht zugelassen). Zur Probenvorbereitung wird das Mate-
rial, wie z. B. Getreide oder Mehl, homogenisiert, das Herbizid mit einem organischen
Lösungsmittel extrahiert und der Extrakt hydrolysiert. Das wässrige Hydrolyseprodukt
wird in den Trägerstrom der Fließinjektionsanalyse injiziert (Abbildung 18.10).
O
Cl N O NH2
0.2 M HCl
100 °C

Acetochlor Herbizid Hydrolyseprodukt

Der Trägerstrom enthält als Reagenz ein Diazoniumsalz, das mit der Probe ein farbiges
Produkt ergibt, dessen Absorption im sichtbaren Bereich bei 400 nm gemessen werden
kann.

Schlauch- Probe
pumpe
Lichteintritt
Mischspirale
Durchflusszelle
Trägerstrom

Abfall
Abb. 18.10 Schematische Darstellung
Injektions-
ventil
Glasfaser zum
der Fließinjektionsanalyse, bei der eine
Probe in einen Trägerstrom injiziert wird,
18
Detektor
der die Reagenzien zur Farbbildung mit
dem Analyten enthält. Die Schlauch-
Photo der Mischspirale, pumpe drückt die Flüssigkeit mit Hilfe
durch die der Farbstoff
von acht Rollen durch den Schlauch. Das
Detektorsignal

fließt
Photo und das Diagramm zeigen die Dis-
persion eines in den Trägerstrom injizier-
Injektion ten Farbstoffs. [Übernommen aus dem
Lehrheft von J. Ruzicka, Flow Injection
Analysis, 4th ed., 2009, frei verfügbar von
Zeit www.flowinjection.com/freecd.aspx.]
484 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

N
N NH2
-H+
Analyse
N
 N NH2
Diazonium-Reagenz Hydrolyseprodukt Farbiges Produkt
im Trägerstrom in der Probe (Azofarbstoff)

In Abbildung 18.11 sind die Dispersion und die Reaktion der Probe gezeigt, nachdem diese
in den Trägerstrom injiziert wurde. Wenn kein Reagenz vorhanden wäre, würde die Probe,
wenn sie stromabwärts fließt, nur auseinander laufen (das ist die Dispersion). Wenn die
Probe relativ langsam durch ein zylindrisches Rohr fließt, ist der Fluss laminar. Reibung
mit den Wänden des Rohrs verringert den Fluss an der Wand auf nahezu Null. Der Fluss im
Zentrum des Kanals ist doppelt so schnell wie der durchschnittliche Fluss. Zwischen dem
Zentrum und den Wänden des Rohrs besteht ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil. Das
obere Bild in Abbildung 18.11 zeigt gekrümmte Vorder- und Hinterkanten der Probenzone.
Die Randflüssigkeit vermischt sich mit der Hauptmenge durch radiale Diffusion. Je enger
das Rohr ist, desto schneller erfolgt die radiale Durchmischung. Bei einem typischen Rohr-
durchmesser von 0.5–0.75 mm ist die Diffusion der Flüssigkeit weg von den Wänden in
wenigen Sekunden zu erkennen. In Abbildung 18.10 ist der größte Teil des Wegs zwischen
Injektion und Detektion ein spiralförmiges Mischungsrohr. Die starken Krümmungen im
Strömungsfluss führen zu Turbulenzen, welche die Durchmischung fördern.
Wenn der Probenpfropfen durch die Mischspirale fließt, erfolgt eine Reaktion mit dem
Reagenz im Träger ausgehend von der Vorder- und Hinterkante der Probenzone. Turbulenz
ist für eine gute Durchmischung von Reagenz und Probe erforderlich, da die Länge der
Probenzone viel größer als der Rohrdurchmesser ist. Die Bildung eines Produkts hängt so-
wohl von der Geschwindigkeit der chemischen Reaktion wie auch von der Geschwindigkeit
der Durchmischung der Zonen ab. Die üblichen Zeiten zwischen Injektion und Detektion
betragen oft weniger als 30 Sekunden. Im Gegensatz zu den meisten Methoden der chemi-
schen Analyse ist bei der Fließinjektionsanalyse die Durchmischung des Analyten mit den
Reagenzien unvollständig und das chemische Gleichgewicht hat sich nicht eingestellt.
Die Fließinjektion ist ein dynamischer Der Schlüssel für die analytische Präzision ist die hohe Reproduzierbarkeit der Fließin-
Prozess, bei dem das Gleichgewicht jektion. Das Konzentrationsprofil des Produkts, das durch den Detektor fließt, hängt von
nicht erreicht wird. Die Reproduzier- vielen Bedingungen ab, darunter dem Probenvolumen, der Fließgeschwindigkeit, der Re-
barkeit wird dadurch erreicht, dass bei aktionsgeschwindigkeit und der Temperatur. Reproduzierbare Bedingungen ergeben repro-
jeder Analyse die gleichen Bedingun- duzierbare Signale. Bei wiederholten Injektionen des Herbizids Acetochlor betrug die Stan-
gen eingehalten werden. dardabweichung bei der Bestimmung von 1 ppm des Herbizids in Lebensmitteln 1.6 %.
Die Detektordurchflusszelle in Abbildung 18.10 hat einen Z-förmigen Flüssigkeitsweg.
Monochromatisches Licht wird über eine Glasfaser zugeführt. Das Licht, das durch die
Zelle gegangen ist, wird über eine andere Glasfaser zum Detektor geleitet. Die üblichen
Durchflusszellen haben Weglängen von 10 mm und Volumina von 60 μL.
Die typischen Volumina der injizierten Proben betragen einige zehn Mikroliter. Ge-
wöhnlich wird die Peakhöhe anstelle der Peakfläche als analytisches Signal der Fließinjek-
tion genommen.
Abbildung 18.12 zeigt eine etwas kompliziertere Fließinjektionsanordnung an Bord
eines Schiffs zur kontinuierlichen Bestimmung von Ammoniak im Meerwasser im Na-

Probeninjektion
Träger-
strom

Abb. 18.11 Dispersion und Reaktion Radiale


Reagenz Richtung
einer Probe, die nach der Injektion in
den Trägerstrom stromabwärts fließt.
Axiale
[Übernommen aus dem Lehrheft von J. Reagenz Richtung
Ruzicka, Flow Injection Analysis, 4th ed.
2009, www.flowinjection.com.] Reaktionsprodukt Zone, die viel nicht umgesetzte Probe enthält
18.4 · Fließinjektionsanalyse und Sequenzielle Injektionsanalyse 485

nomol-Bereich. Es werden drei Flüssigkeiten in die Reaktionsschleife gepumpt, jede mit Bei der Fließinjektionsanalyse werden
einer Geschwindigkeit von 160 μL/min. Eine Flüssigkeit ist Meerwasser, das 1 m unter- die beiden Bezeichnungen Misch-
halb des Meeresspiegels entnommen wurde. Reagenz 1 (25 mM o-Phthaldialdehyd) und spirale bzw. Reaktionsschleife gleich-
Reagenz 2 (10 mM Natriumsulfit plus 5 mM Formaldehyd) werden mit dem Meerwas- bedeutend verwendet.
ser gemischt, bevor der Strom in die zwei Meter lange Reaktionsschleife (Durchmesser
1.00 mm) eintritt, die auf 65 °C gehalten wird, damit die Bildung eines fluoreszierenden
Reaktionsprodukts (Isoindol) beschleunigt wird.
SO–3
CHO
+ SO2–
3 + NH3 NH + H2O + OH–
CHO
o-Phthaldialdehyd fluoreszierendes Isoindol

An der Detektionsstelle wird die Lösung über eine Glasfaser mit UV-Licht von 365 nm
bestrahlt. Das Fluoreszenzlicht mit einer Wellenlänge von 423 nm wird über eine zweite
Glasfaser rechtwinklig zum eingestrahlten Anregungslicht zum Photodetektor gelei-
tet. Die Kalibrierung in Abbildung 18.13 wird durch periodische Auswechslung des
Meerwassers gegen 0.958-mL-Portionen von NH4Cl-Standards am Injektionsventil

Standardproben Fluoreszenz-
detektorzelle
Zu prüfendes
Wasser zum Abfall

Reagenz 1 Injektionsventil 65 °C Abb. 18.12 Fließinjektionsanalyse mit


Ausgang zwei Reagenzkanälen zur kontinuierli-
thermostatisierte
chen Analyse von Nanomolar-Konzent-
Reagenz 2 Reaktionswendel
rationen an Ammoniak in Meerwasser.
Eingang [N. Amornthammarong und J.-Z. Zhang,
„Shipboard Fluorometric Flow Analyzer
Schlauch- for High-Resolution Underway Measure-
pumpe Emission ment of Ammonium in Seawater“, Anal.
Anregung Chem. 2008, 80, 1019.]

600 nM

500 nM

400 nM
Fluoreszenzintensität

300 nM

200 nM
18

100 nM
Abb. 18.13 Signale für wiederholte In-
jektionen von NH4Cl-Standardlösungen.
[N. Amornthammarong und J.-Z. Zhang,
0 nM
„Shipboard Fluorometric Flow Analyzer
for High-Resolution Underway Measure-
0 50 100 150 200 ment of Ammonium in Seawater“, Anal.
Zeit (min) Chem. 2008, 80, 1019.]
486 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

vorgenommen. Die Standardabweichung für wiederholte Injektionen betrug 2.2 % für


200 nM NH4Cl und 6.7 % für 1.0 nM NH4Cl.
Die Analysenzeit der Fließinjektion in Abbildung 18.13 ist ungewöhnlich lang. Die
Standardlösungen mit großem Volumen wurden bei langsamem Fluss zur Verbesserung
der Empfindlichkeit und Verringerung des Reagenzverbrauchs mit einer Geschwindigkeit
von acht Proben pro Stunde analysiert. Im Gegensatz dazu erfolgten bei den kontinuierli-
chen Messungen des Meerwassers 3 600 Ablesungen pro Stunde.

Sequentielle Injektionsanalyse 11,17


Die sequentielle Injektionsanalyse unterscheidet sich von der Fließinjektionsanalyse
durch computergesteuerte Flussprogrammierung und Flussumkehr. Der Fluss ist nicht kon-
tinuierlich. Dadurch werden geringere Reagenzvolumina benötigt und es entsteht weniger
Abfall als bei der Fließinjektion. Die Anlagen zum Betreiben der sequentiellen Injektion
wurden inzwischen derartig miniaturisiert, dass man von einem „Labor auf dem Ventil“
sprechen kann. Durch die Miniaturisierung und den diskontinuierlichen Fluss verringert
sich der Verbrauch teurer Reagenzien wie Enzyme und Antikörper für biochemische
Tests deutlich. Die sequentielle Injektion wird zum kontinuierlichen Monitoring der
Umwelt und von industriellen Prozessen, besonders an schlecht zugänglichen Standorten,
eingesetzt.
Das wesentliche Kennzeichen der Apparatur zur sequentiellen Injektion in der Abbil-
dung 18.14 ist ein Sechswegeventil. In diesem Beispiel werden die Anschlüsse 2, 3, 4 und 5
verwendet. Die Abbildung zeigt eine Verbindung zwischen Anschluss 5 und dem Haupt-
anschluss C. Die flüssigen Proben werden zum Anschluss 5 mit einer Schlauchpumpe
gebracht. Eine computergesteuerte Drehung des Ventils kann jeden anderen Anschluss
mit C verbinden. Oben links befindet sich eine Kolbenspritze, die von einem Schrittmotor
gesteuert wird und exakte Flüssigkeitsvolumina vorwärts oder rückwärts bewegen kann.
Das Ventil am Kopf der Kolbenspritze kann die Spritze mit einem Reservoir der gepuffer-
ten Trägerlösung oder der Halteschleife verbinden.
Die Abbildung 18.15 zeigt, wie die Reaktion einer Probe mit einem Reagenz durch-
geführt werden kann. Die Probe vom Anschluss 5 der Abbildung 18.14 wird zunächst in

temperierte
Dreiwegeventil Halteschleife

Sechswegeventil

1 6
Gepufferte
Trägerlösung
2 C 5

Durchfluss-
3 4
Kolbenspritze zelle
Proben

zum Abfluss

Lichtleit- Schlauch- zum Abfluss


kabel pumpe

Reagenz Reagenz

Abb. 18.14 Schematisches Diagramm einer Apparatur zur Sequentiellen Injektionsanalyse. Eine Dre-
hung des Multipositionsventils C verbindet dieses mit jedem der Anschlüsse 1–6. [Übernommen aus
dem Lehrheft von J. Ruzicka, Flow Injection Analysis, 4th ed., 2009, www.flowinjection.com.]
18.4 · Fließinjektionsanalyse und Sequenzielle Injektionsanalyse 487

Halteschleife Probe Ventil Detektor

A Träger

Reagenz

B Träger

Produkt

Fluss angehalten zur Mischung und Reaktion

Abb. 18.15 Mischung und Reaktion einer Probe mit einem Reagenz in der Halteschleife bei der se-
quentiellen Injektionsanalyse. Nach der Aufnahme der Probe (A) und des Reagenz (B) wird der Fluss
angehalten, damit sich das Reaktionsprodukt bilden kann (C). Der Fluss wird dann umgekehrt (D), um
das Reaktionsprodukt zum Detektor zu schicken (E). [Übernommen aus dem Lehrheft von J. Ruzicka,
Flow Injection Analysis, 4th ed., 2009, www.flowinjection.com.]

Kolbenspritze

Halteschleife

Lichtleitkabel zum
Spektralphotometer

Sechswege-
ventil

Lichtleitkabel von
der Lichtquelle

Detektordurchflusszelle

Abb. 18.16 Apparatur für die sequentielle Injektionsanalyse mit spektralphotometrischer Detektion.
Das besondere Kennzeichen dieses Geräts ist das Sechswegeventil. Deshalb nennt man die sequen-
tielle Injektion auch „Labor auf dem Ventil“. [Aus dem Lehrheft von J. Ruzicka, Flow Injection Analysis,
4th ed., 2009, www.flowinjection.com.]

18
die Halteschleife transportiert. Dann wird das Sechswegeventil gedreht, um das Reagenz
1 vom Anschluss 3 in die Halteschleife zu bringen. Der Fluss wird gestoppt, damit sich
Probe und Reagenz in der Halteschleife mischen und miteinander reagieren. Nach einer
festgelegten Zeit wird der Fluss umgekehrt und die Flüssigkeit über den Anschluss 2
durch die Durchflusszelle geleitet, in der die Extinktion bei einer ausgewählten Wellen-
länge gemessen wird. Die Volumina aller Reagenzien und die Aufenthaltsdauer in der
Mischschleife werden über den Computer eingegeben. In Abbildung 18.14 können zwei
verschiedene Reagenzien mit der Probe gemischt werden. Eine wirksame Variante des
488 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

Verfahrens besteht im Anhalten des Flusses, wenn die Zone des Reaktionsprodukts den
Detektor erreicht hat. Es wird dann die Änderung der Extinktion gegen die Zeit gemes-
sen, in der sich weiteres Produkt im Detektor bildet. Abbildung 18.16 zeigt eine Apparatur
für die sequentielle Injektion, die kleiner als ein Laptop-Computer sein kann. Abbildung
19.23 zeigt ein weiteres Beispiel einer sequentiellen Injektion.

18.5 Immunoassays und Aptamere

Rosalin Yalow erhielt 1977 den Nobel- Eine wichtige Anwendung hat die Fluoreszenz in Immunoassays gefunden, bei denen
preis für Medizin für die Entwicklung Antikörper zur Bestimmung der Analyte verwendet werden. Ein Antikörper ist ein
der Immunoassaytechniken in den Protein, das im tierischen Organismus vom Immunsystem als Antwort auf ein fremdes
1950er-Jahren, als sie Proteine für Molekül, genannt Antigen, gebildet wird. Der Antikörper erkennt das Antigen, das die
deren Nachweis mit radioaktivem 131I Synthese des Antikörpers hervorgerufen hat. Die Bildungskonstante des Antikörper-An-
markierte.18 tigen-Komplexe ist vergleichsweise sehr groß, die Bindung des Antikörpers mit anderen
Molekülen ist hingegen schwach.
In Abbildung 18.17 ist das Prinzip der ELISA-Methode (enzyme-linked immunosor-
bent assay) dargestellt. Der Antikörper 1, der spezifisch für den interessierenden Analyt
(das Antigen) ist, ist an einem polymeren Träger fixiert. In den Schritten 1 und 2 kann
sich der Analyt mit dem polymergebundenen Antikörper zu einem Komplex vereinen.
Der Bruchteil der vom Analyten gebundenen Antikörper-Bindungsstellen ist proporti-
Antikörper 1 onal zur Analytkonzentration in der Probe. Die Oberfläche wird dann zur Entfernung
Polymerer Träger aller nicht-gebundenen Stoffe gewaschen. In den Schritten 3 und 4 wird der Antikörper-
1. Zugabe der Analytprobe Antigen-Komplex mit dem Antikörper 2 behandelt, der das Analytmolekül an einer ande-
2. Auswaschen ungebundener Moleküle ren Stelle erkennt. Der Antikörper 2 wurde vorher mit einem Enzym kovalent verknüpft,
das im weiteren Verlauf der Analyse gebraucht wird. Erneut werden die nichtgebundenen
an Antikörper 1
gebundenes Substanzen abgewaschen.
Protein (Analyt) Das an den Antikörper 2 gebundene Enzym ist für die quantitative Analyse entschei-
dend. In Abbildung 18.18 sind zwei mögliche Wege zur Verwendung des Enzyms darge-
3. Zugabe des Enzym-markierten stellt. Durch das Enzym wird ein farbloser Reaktant in ein farbiges Produkt umgewandelt.
Antikörpers 2 Da ein Enzymmolekül die gleiche Reaktion sehr oft katalysieren kann, wird pro Analyt-
4. Auswaschen des ungebundenen
Antikörpers molekül eine große Anzahl farbiger Moleküle erzeugt. Das Enzym vervielfacht auf diese
Kovalent an den Weise das Signal der chemischen Analyse. Je höher die Konzentration des Analyten in der
Antikörper 2
gebundenes Originalprobe ist, desto mehr Enzym wird gebunden und desto höher ist die Geschwin-
Enzym digkeit der enzymkatalysierten Reaktion. Um den analytabhängigen Umsatz quantifizie-
Antikörper 2 ren zu können wird die Reaktion durch Zugabe einer Stopplösung abgebrochen und dann
die Extinktion gemessen. Alternativ hierzu kann das Enzym einen nichtfluoreszierenden
Reaktanten in ein fluoreszierendes Produkt umwandeln. Sowohl die kolorimetrischen wie
die fluorometrischen Enzym-Immunoassays sprechen auf weniger als ein Nanogramm
Analyt an. So beruhen die Schwangerschaftstests auf dem Immunoassay für ein im Urin
Abb. 18.17 Enzyme-linked Immuno- vorhandenes Protein der Plazenta.
sorbent Assay (ELISA). Der Antikörper 1
ist spezifisch für den interessierenden
Analyten und an einen polymeren Träger
gebunden. Er wird mit der unbekannten Immunoassays in der Umweltanalytik
Probe behandelt. Anwesender Analyt
wird gebunden. Anschließend werden Es gibt kommerzielle Immunoassay-Kits zur Überprüfung und Bestimmung von Pflan-
überschüssige, ungebundene Moleküle zenschutzmitteln, Industriechemikalien, Sprengstoffen und mikrobiellen Toxinen im
abgewaschen, der Analyt verbleibt ge-
Bereich von parts per trillion (ppt) bis parts per million (ppm) im Grundwasser, Boden
bunden am Antikörper 1. Der gebundene
Analyt wird nun mit dem Antikörper 2 und Nahrungsmitteln.19 Ein Vorteil von Freilanduntersuchungen (field screening) be-
behandelt, der eine andere Stelle des steht darin, dass nichtkontaminierte Gebiete schnell erkannt werden, die keine weiteren
Analyten erkennt und an dem zusätz- Untersuchungen benötigen. Ein Immunoassay kann 20– 40 Mal billiger sein als eine
lich ein Enzym kovalent gebunden ist. chromatographische Analyse und vor Ort mit 1 mL-Proben in 0.3–3 Stunden erledigt
Nachdem alle nicht gebundenen Stoffe
werden. Die Chromatographie muss generell im Labor durchgeführt werden und kann
abgewaschen sind, ist jedes Analytmole-
kül an ein Enzym gebunden, das nun als mehrere Tage dauern, da der Analyt erst extrahiert oder aus einem großen Volumen
Katalysator in einer abschließenden Farb- aufkonzentriert werden muss, um eine ausreichende Konzentration für die Bestimmung
reaktion dient (siehe Abbildung 18.18). zu erhalten.
18.5 · Immunoassays und Aptamere 489

Farbloser farbiges nichtfluoreszierender fluoreszierendes


Reaktant Produkt Reaktant Reaktionsprodukt

Abb. 18.18 Das an Antikörper 2 gebun-


an Antikörper 2 dene Enzym kann Reaktionen katalysie-
gebundenes Enzym ren, bei denen farbige oder fluoreszie-
Antikörper 2 rende Produkte entstehen. Jedes der im
Protein (Analyt) Immunoassay gebundenen Analytmole-
küle führt zu einer großen Zahl farbiger
Antikörper 1
oder fluoreszierender Produktmoleküle,
die sich leicht bestimmen lassen.

Zeitaufgelöster Lumineszenz-Immunoassay20 Laserimpuls

Das Nachweisvermögen von Lumineszenz-Immunoassays kann durch zeitaufgelöste Mes- Hintergrund-


fluoreszenz Messung der
sungen der Lumineszenz des Lanthanidions Eu3+ um den Faktor 100 (zur Detektion von Emission in
diesem Zeit-
10–13 M Analyt) erhöht werden. Bei organischen Chromophoren, wie Fluorescein, tritt

Intensität der Emission


fenster
häufig eine durch das Lösungsmittel, andere gelöste Stoffe und feste Partikel verursachte
Untergrundfluoreszenz auf. Nach Anregung der Fluoreszenz mittels eines ultrakurzen La-
serpulses fällt diese Untergrundfluoreszenz innerhalb von 100 ns auf ein vernachlässigba-
res Niveau ab. Die scharfe Lumineszenz des Eu3+ bei 615 nm besitzt jedoch eine deutlich
höhere Lebensdauer und klingt erst nach etwa 700 μs (Phosphoreszenz) auf 1/e (= 37 %)
Eu3+-
der Ausgangsintensität ab. Bei einer zeitaufgelösten Lumineszenzmessung (Abbildung Lumineszenz
18.19) wird nach einem kurzen Laserimpuls bei 340 nm die Lumineszenz zwischen 200–
600 μs gemessen. Der nächste Impuls blitzt nach 1 000 μs und dieser Zyklus wird ungefähr 0 200 400 600 800 1 000
Zeit (μs) für Lumineszenz
1 000 Mal pro Sekunde wiederholt. Durch die Wahl des Zeitfensters für die Messung der
Emission kann die Untergrundfluoreszenz weitgehend eliminiert werden. 0 100 200 300 400 500
Abbildung 18.20 zeigt, wie Eu3+ in einen Immunoassay eingebaut werden kann. Eine Zeit (ns) für Fluoreszenz

chelatbildende funktionelle Gruppe für die Komplexierung von Lanthanidionen wird an


Abb. 18.19 Verlauf der Emissionsin-
den Antikörper 2 der Abbildung 18.17 gebunden. Wenn Eu3+ an den Antikörper gebun- tensität bei einem zeitaufgelösten Flu-
den ist, hat es nur eine schwache Lumineszenz. Nach Abschluss aller Arbeitsgänge in Ab- oreszenzexperiment. Lichtemissionen
bildung 18.17 wird der pH in Gegenwart eines löslichen Chelatbildners gesenkt und das mit Lebenszeiten unter 10–7 s werden
Metallion durch Komplexbildung in die Lösung extrahiert. Die starke Lumineszenz des gewöhnlich als Fluoreszenz bezeichnet.
in Lösung befindlichen Eu3+-Komplexes lässt sich jetzt leicht und mit weniger Störungen Sind die Lebenszeiten deutlich länger,
spricht man von Phosphoreszenz oder
über zeitaufgelöste Messungen detektieren. wählt den Oberbegriff Lumineszenz.

An den Antikörper über chelatbildende


Gruppen gebundenes Eu3+,
schwache Lumineszenz Freies Eu3+,
starke Lumineszenz

pH-Erniedrigung und Zugabe


eines löslichen Chelatbildners
zur Entfernung von
Eu3+ vom Antikörper

Abb. 18.20 Der Antikörper 2 im Immunoassay der Abbildung 18.17 kann mit Eu3+-Ionen markiert
werden, die in immobilisierter Form am Antikörper nicht stark fluoreszieren. Bei der Analyse wird an-
schließend der pH-Wert der Lösung erniedrigt, um das stark lumineszierende Eu3+ freizusetzen. 18

Aptamere: Synthetische Nukleinsäure-„Antikörper“


Aptamere sind kurze Stücke der DNA (Desoxyribonukleinsäure) oder RNA (Ribonuk-
leinsäure) mit 15 bis 40 Basen, die selektiv an spezifischen Molekülen21 oder an Ober-
flächen lebender Zellen22 binden können. Ein Aptamer für ein gewünschtes Zielmolekül
wird aus einem Pool zufälliger DNA- oder RNA-Sequenzen durch aufeinanderfolgende
490 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

O
–O
2C
N NH2 Aptamer
+ H
NH3
Citrullin

Abb. 18.21 Das Aptamer bindet


Citrullin spezifisch in einer Tasche Flaches aromatisches
in einem kurzen Stück RNA. Die Molekül, das zwischen
langen geraden Linien stellen die Nukleotid-Basenpaare
durch Wasserstoffbrücken gebunden der DNA eingefügt werden
kann Citrullin, das mit
Nukleotid-Basen dar. Die dreidimen-
Aptamer verstrickt ist
sionale Struktur wurde aus Kern-
resonanzmessungen abgeleitet.
[M. Famulok, G. Mayer und M. Blind,
„Nucleic Acid Aptamers – From
Selection in Vitro to Applications in
Vivo“, Acc. Chem. Res. 2000, 33, 591.]

Im Unterschied zu den Antikörpern, Bindungszyklen an das Zielmolekül, Entfernung des ungebundenen Materials und Rep-
die aufgrund ihrer geringen Stabilität likation der gebundenen Nukleinsäure identifiziert und ausgewählt. Wenn die Sequenz
zumeist im Kühlschrank aufbewahrt der Nukleinsäuren in einem Aptamer für ein spezifisches Zielmolekül einmal bekannt ist,
werden müssen, haben Aptamere kann es in großen Mengen synthetisiert werden. Das Aptamer verhält sich wie ein maßge-
auch bei Zimmertemperatur eine schneiderter, synthetischer Antikörper. Ein Aptamer kann an einen Teil eines Makromo-
lange Lebenszeit. Aptamere haben ein leküls, wie ein Protein, binden oder wie in Abbildung 18.21 ein kleines Molekül komplett
enormes Potential in der Verwendung einschließen und umhüllen.
als hochspezifische chemische Sen- Abbildung 18.21 zeigt auch, dass flache aromatische Moleküle zwischen die flachen,
soren. durch Wasserstoffbrücken gebundene Nukleotid-Basenpaare eingeschoben werden kön-
nen. Dieses Einschieben eines flachen Moleküls zwischen die Basenpaare nennt man
Interkalation. Eine der zahlreichen analytischen Anwendungen der Aptamere ist ihre Ver-
N wendung in Kombination mit sogenannten „molekularen Lichtschaltern“.
N N N Ein Ruthenium-Komplex (auf dem Seitenrand gezeigt) zeigt eine schwache Lumines-
Ru zenz in wässriger Lösung und eine starke Lumineszenz bei Interkalation mit DNA. Zur
N N N Bestimmung des Proteins Immunoglobulin E (IgE) wird ein Aptamer ausgewählt, an das
N Flache aroma- IgE selektiv bindet. Der zum Aptamer gegebene Ruthenium-Komplex fluoresziert sehr
tische Struktur,
die in die DNA stark. Wenn IgE dem interkalierten Aptamer zugesetzt wird, verdrängt es den Ruthenium-
interkaliert Komplex aus dem interkalierten Zustand. Jedes der verdrängten „Lichtschalter“-Moleküle
werden kann.
verliert fast seine gesamte Lumineszenz. Diese Abnahme der Emission ist zwischen 0.1
„Molekularer Lichtschalter“ und 1nM proportional zur IgE-Konzentration.23

18.6 Sensoren auf der Basis von Fluoreszenzlöschung

Wenn ein Molekül ein Photon absorbiert, wird es in einen angeregten Zustand überführt,
aus dem es durch Abgabe von Wärmeenergie oder durch Emission eines Photons gerin-
gerer Energie in den Grundzustand zurückkehren kann. (Abbildung 17.15). In Exkurs
18.1 wird beschrieben, wie absorbiertes Licht in Elektrizität umgewandelt werden kann.
In diesem Abschnitt wird die Verwendung angeregter Moleküle als chemische Sensoren
behandelt (Abbildung 18.22).

Lumineszenz-Löschung
Wir nehmen an, dass das Molekül M Licht absorbiert und in den angeregten Zustand M*
überführt wird:
18.6 · Sensoren auf der Basis von Fluoreszenzlöschung 491

d ⎡M * ⎤⎦
Absorption: M + hν → M* Geschwindigkeit: − ⎣ = ka ⎣⎡M ⎦⎤
dt

Die Geschwindigkeit, mit der M* entsteht, d[M*]/dt, ist proportional zur Konzentration
von M. Die Geschwindigkeitskonstante, ka, hängt von der Intensität der Bestrahlung und
dem Extinktionskoeffizienten von M ab. Je intensiver die Einstrahlung und je besser es
absorbiert wird, desto schneller wird M* gebildet.
Nach der Absorption kann M* ein Photon emittieren und in den Grundzustand zu-
rückkehren:
d ⎡M * ⎤⎦
Emission: M* → M + hν Geschwindigkeit: − ⎣ = ke ⎡⎣M *⎤⎦
dt
Die Geschwindigkeit dieses Prozesses ist proportional zur Konzentration von M*. Alter- Fluoreszenzlöschung (Quenching) ist
nativ kann das angeregte Molekül die Energie durch Wärme verlieren: ein Prozess, bei dem sich die Emission
des angeregten Zustands um den
d ⎡M * ⎤⎦
Deaktivierung: M* → M + Wärme Geschwindigkeit: − ⎣ = kd ⎡⎣M *⎤⎦ Betrag verringert, der vom angeregten
dt Molekül auf ein anderes Molekül (den
Eine weitere Möglichkeit ist die Übertragung der Energie des angeregten Moleküls auf ein Quencher) übertragen wird.
anderes Molekül (Quencher, Q) durch Fluoreszenzlöschung (Quenching). Dabei wird
der Quencher angeregt:
d ⎡M * ⎤⎦
Quenching: M* + Q → M + Q* Geschwindigkeit: − ⎣ = kq ⎡⎣M *⎤⎦ ⎡⎣Q ⎤⎦
dt a

Der angeregte Quencher kann seine Energie durch eine Vielzahl von Prozessen verlieren.
Bei konstanter Bestrahlung erreicht das System einen stationären Zustand, in dem die
Konzentrationen von M und M* konstant bleiben. Im stationären Zustand muss die Ge-
schwindigkeit der Bildung von M* gleich der Geschwindigkeit des Abbaus von M* sein.
Die Geschwindigkeit der Bildung beträgt
d ⎣⎡M * ⎦⎤
Geschwindigkeit der Bildung von M* = = ka ⎡⎣M ⎤⎦ b
dt
Aus den beschriebenen Einzelprozessen resultiert, dass sich die Geschwindigkeit der De-
Abb. 18.22 Faseroptische Sauerstoff-
aktivierung von M* aus der Summe der Geschwindigkeiten von Emission, Deaktivierung
sensoren zur Bestimmung von O2. Die
und Löschung ergibt: Phosphoreszenz des Sensormaterials
Pt(II)benzoporphyrin an den Spitzen
Geschwindigkeit des Verschwindens von M* = ke ⎡⎣M *⎤⎦ + kd ⎡⎣M *⎤⎦ + kq ⎣⎡M *⎦⎤ ⎣⎡Q ⎦⎤
der Glasfasern (b) kann durch Sauerstoff
Setzt man Bildungs- und Abbaugeschwindigkeit von M* gleich, erhält man: effizient gelöscht werden. Zur Anregung
der langwelligen Emission wird das rote
Licht einer Emitterdiode verwendet und
ka ⎡⎣M ⎤⎦ = ke ⎡⎣M *⎤⎦ + kd ⎡⎣M *⎤⎦ + kq ⎡⎣M *⎤⎦ ⎡⎣Q ⎤⎦ (18.22) die NIR-Emission vom 4-Kanal-Messgerät
(a) erfasst. [Dank an Pyroscience, Aachen,
Die Quantenausbeute für einen photophysikalischen Prozess ist der Anteil der absor- Germany.]
bierten Photonen, der die gewünschten Emissionsprozesse hervorruft. Wenn das für jedes
absorbierte Photon zutrifft, wäre die Quantenausbeute Eins.
Die Quantenausbeute für die Emission von M* ist die Geschwindigkeit der Emission
dividiert durch die Geschwindigkeit der Absorption. Bei Abwesenheit des Quenchers
nennen wir diese Quantenausbeute Φ0:

pro Sekunde emittierte Photonen Emissionsgeschwindigkeit ke ⎡⎣M *⎤⎦ Die Quantenausbeute ist eine Zahl 18
Φ0 = = =
pro Sekunde absorbierte Photonen Absorptiosgeschwindigkeit ka ⎡⎣M ⎤⎦ zwischen 0 und 1

Ersetzt man in dieser Gleichung ka ⎡⎣M ⎤⎦ aus Gleichung 18.22 und setzt Q = 0 erhält man
einen Ausdruck für die Quantenausbeute der Emission im stationären Zustand:

ke ⎡⎣M *⎤⎦ ke Quantenausbeute für die Emission


Φ0 = = (18.23)
ke ⎣⎡M *⎦⎤ + kd ⎣⎡M *⎦⎤ + kq ⎣⎡M *⎦⎤ ⎡⎣0 ⎤⎦ ke + kd bei Abwesenheit eines Fluoreszenz-
löschers (Φ0)
492 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

Für Q ≠ 0 ist dann die Quantenausbeute der Emission (ΦQ)

Löschung (Quenching) verringert ke ⎡⎣M *⎤⎦ ke


ΦQ = = (18.24)
die Quantenausbeute der Emission ke ⎣⎡M *⎦⎤ + kd ⎣⎡M *⎦⎤ + kq ⎣⎡M *⎦⎤ ⎡⎣Q ⎤⎦ ke + kd + kq ⎣⎡Q ⎦⎤
(ΦQ < Φ0)
Bei Untersuchungen der Lumineszenzlöschung wird die Lumineszenz in Abwesenheit
und Gegenwart eines Quencher-Moleküls gemessen. Aus dem Verhältnis der Gleichun-
gen 18.23 und 18.24 ergibt sich die

0 ke + kd + kq ⎡⎣Q ⎤⎦ ⎛ kq ⎞
Stern-Volmer-Gleichung: = = 1 + ⎜⎜ ⎟⎟[Q] (18.25)
Q ke + kd ⎝ ke + kd ⎠

0
Graphik zur Stern-Volmer-Gleichung: Die Stern-Volmer-Gleichung sagt aus, dass bei der Messung der relativen Emission ( )
Q
als Funktion der Konzentration des Quenchers eine Darstellung dieser Größe gegen [Q]
0 I
eine Gerade ergibt. Die Größe ( ) in Gleichung 18.25 ist äquivalent mit 0 , mit I0 der
Q IQ
Φ0 /ΦQ (= I0 /IQ)

Emissionsintensität bei Abwesenheit und IQ in Gegenwart des Quenchers.

kq
1 Anstieg =
ke + kd
Ein intrazellulärer Lumineszenzsensor für O2
[Q]
Wir wollen unsere Diskussion am Beispiel der Ru(II)-Komplexe illustrieren. Sie absorbie-
ren sehr stark kurzwelliges, sichtbares Licht, emittieren aber bei deutlich höheren Wel-
lenlängen mit hohem Wirkungsgrad, sind lange Zeit stabil und haben einen langlebigen
angeregten Zustand, dessen Emission durch O2 gelöscht wird (Farbtafel 17).28 Ein vielfach
verwendeter lumineszierender Ru(II)-Komplex ist [Ru(dpp)3]Cl2.
C6H5

N
Ru(II) (dpp)3Ru(II)
N
C6H5 3 dpp = 4,7-Diphenyl-1,10-phenanthrolin

Sauerstoff ist ein guter Fluoreszenzlöscher, da er im Grundzustand zwei ungepaarte Elek-


tronen besitzt – es ist ein mit 3O2 bezeichneter Triplett-Zustand. O2 hat einen tief-liegen-
den Sinqulett-Zustand ohne ungepaarte Elektronen. Abbildung 17.15 hatte gezeigt, dass
der niedrigste angeregte Zustand bei vielen Molekülen ein Triplett ist. Dieser angeregte
Triplett-Zustand 3M* kann Energie auf 3O2 übertragen, wobei ein Singulett-Molekül im
Grundzustand und angeregtes 1O2* (Singulettsauerstoff) entstehen.

Der Grundzustand von Ru(II) ist ein


Singulett-Zustand und der niedrigste
angeregte Zustand ist ein Triplett. 3
M* + 3
O2 1
M + 1
O2*
Wenn Ru(II) sichtbares Licht absorbiert angeregter Grund- Grund- angeregter
hat, klingt das angeregte Singulett Zustand zustand zustand Zustand
zu einem lumineszierenden Triplett-
Zustand ab. O2 löscht die Lumineszenz, Es gibt sowohl bei den Ausgangsstoffen als auch bei den Reaktionsprodukten zwei nach
weil ein strahlungsloser Übergang oben und unten gerichtete Elektronenspins. Somit bleibt beim Prozess der Energieübertra-
möglich ist. bei dem sich das Triplett gung der Gesamtspin erhalten und er verläuft schneller als ein Prozess mit Spinumkehr.
in das Singulett des Grundzustands Farbtafel 18 zeigt winzige Lichtpunkte von fluoreszierenden SiO2-Nanobeads (Nano-
umwandelt. Partikel), die mit einer „Genkanone“ in lebende Zellen geschossen wurden. Sonst wird
die Genkanone verwendet, um mit DNA beschichtete Partikel in Zellen einzuschleusen.
Zwei Farbstoffe sind im Inneren jeden porösen Beads gebunden, deren Größe zwischen
100 und 600 nm liegt.
18.6 · Sensoren auf der Basis von Fluoreszenzlöschung 493

Roter Farbstoff,
spricht auf O2 an

mit N2 gespülte
Grüner Farbstoff, Lösung
Fluoreszenzintensität

reagiert nicht
auf O2 mit Luft
gespült

Abb. 18.23 Die Fluoreszenz der O2-


' Indikator-Partikel zeigt bei 525 nm eine
mit O2
konstante und bei 610 nm eine variable
gespült
Intensität. Das Verhältnis der Emissions-
intensitäten bei diesen beiden Wellen-
längen hängt von der O2-Konzentration
ab. [H. Xu, J. W. Aylott, R. Kopelman,
T. J. Miller und M. A. Philbert, „Real-Time
Method for Determination of O2 Inside
500 550 600 650 700 Living Cells Using Optical Nanosensors“,
Wellenlänge (nm) Anal. Chem. 2001, 73, 4124.]

Bei Bestrahlung mit blauem Licht emittiert der eine Farbstoff grünes Licht (~525 nm) Die Bestimmung des Verhältnisses von
und der andere Farbstoff emittiert rotes Licht (~610 nm). Auf den grünen Farbstoff hat O2 roter zu grüner Emission wird als Ratio-
keine Wirkung, der rote Ruthenium-Farbstoff wird jedoch beeinflusst. Aus dem Verhältnis metrie bezeichnet.
der Emissionsintensitäten Rot:Grün kann die O2-Konzentration in der Nähe der Nano-
beads berechnet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als drei Viertel des verfügbaren
intrazellulären Sauerstoffs von den Zellen innerhalb von 2 Minuten bei 21 °C verbraucht
werden, nachdem der Sauerstoff aus dem äußeren flüssigen Medium entfernt wurde. Die
Empfindlichkeit der intrazellulären O2-Messung konnte durch Verwendung lumineszie-
render Pt-haltiger Farbstoffe weiter verbessert werden.29

Bedingungen Intrazellulärer O2 (ppm)


Luft-gesättigte Pufferlösung 8.8 ± 0.8
Zellen im Luft-gesättigten Puffer 7.9 ± 2.1
Zellen im Puffer 25 s nach Sauerstoffentfernung 6.5 ± 1.7
Zellen im Puffer 120 s nach Sauerstoffentfernung ≤ 1.5

Nichtinvasive Visualisierung von Stoffwechselaktivitäten


Mit Hilfe von planaren Sensorfolien, in die lumineszierende Sensormoleküle eingebaut
wurden, kann die zweidimensionale Verteilung von O2, pH und CO2 in biologischer
Matrix an der Folienoberfläche sichtbar gemacht und quantifiziert werden. Das in der
Abbildung 18.24 gezeigte System besteht aus einer Detektoreinheit, einer Steuer-und Aus-
wertesoftware sowie den für O2, pH oder CO2 empfindlichen Sensor-Folien. Die Detektor-
einheit enthält eine USB-Kamera, ein Mikroskop-Objektiv mit manuellem Fokus und 8
LEDs, die als Anregungslichtquelle und optische Filter für Anregung und Emission dienen. 18
Die Bilder werden mit einem 1,3 Megapixel (1280 × 1024) Farb-Chip aufgezeichnet. Das
System macht sich analog zur Anwendung in Abbildung 18.23 die Vorteile der ratiometri-
schen Bildgebung zunutze. Die optische Sensorfolie enthält neben dem Analyt-sensitiven
Luminophor zusätzlich ein Referenz-Luminophor. Beide werden mit einer identischen
Lichtquelle angeregt, emittieren aber unterschiedlich. Das rote Licht des Analyt-sensitiven
Luminophors wird vom grünen Licht des Referenz-Luminophors durch die roten und grü-
nen Kanäle eines RGB-Chips separat ausgelesen. Die Empfindlichkeit der Sensoren liegt
in den typischen biologischen Bereichen der jeweiligen Analyte. Sauerstoff kann von 0 bis
100 % Sättigung, der pH-Wert von 6 bis 8 und CO2 von 1 % bis 25 % gemessen/detektiert
494 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

Sensorfolie
(in Mikrotiterplatte)

Abb. 18.24 Messkopf des VisiSens-Geräts


an der Unterseite einer Mikrotiterplatte.
[Dank an PreSens GmbH, Regensburg,
Deutschland.] Mit diesem Gerät lässt sich
beispielsweise der Sauerstoffverbrauch
oder die Photosynthese von Blättern mit
einer räumlichen Auflösung von wenigen Anregungslicht Emissionslicht
μm darstellen. [H. Tschiersch, G. Liebsch,
L. Borisjuk L, A. Stangelmayer und H. Rol-
letschek, „An imaging method for oxygen
distribution, respiration and photosyn-
thesis at a microscopic level of resolu-
tion“, New Phytol. 2012, 196, 926.]

werden. Das System erlaubt somit die quantitative Analyse von unterschiedlichen Gewebe-
regionen mit Sub-Millimeter-Auflösung und der räumlichen und zeitlichen Veränderung
der Konzentrationen in Echtzeit. Die VisiSens-Technologie eröffnet somit neue Möglich-
keiten für metabolische Studien an biologischem Gewebe. So können jetzt zum Beispiel
die Sauerstoffverteilung in gezüchtetem Gewebe, die Überwachung der Durchblutung in
Hautlappen, die Sauerstoffdynamik in der Rhizosphäre von Kulturpflanzen oder die Blatt-
atmung sehr einfach untersucht und zweidimensional dargestellt werden.
Dieses Kapitel wird mit der Farbtafel 19 abgeschlossen, in der die blaue Fluoreszenz
einer Lösung gezeigt wird, die mit grünem Licht bestrahlt wird. Blaue Photonen sind aber
energiereicher als grüne, wie kann dann so etwas passieren? Sie wissen nun schon so viel,
dass Sie die Erklärung in Exkurs 18.2 verstehen werden.

Exkurs 18.1

Umwandlung von Licht in Elektrizität Ru(II) + hν → Ru(II)* (* bedeutet angeregter Zustand)


Die Wüsten unserer Erde nehmen von der Sonne eine Strah- Ru(II)* → Ru(III) + e– das auf TiO2 übertragen wird
lungsleistung von 250–300 W/m² auf. Wenn die Sonnenenergie Das Elektron fließt über den Stromkreis von der Zinnoxid-Elekt-
mit einem Wirkungsgrad von 10 % genutzt würde, hätten 5 % rode zum Pt
des Sonnenlichts, das auf die Wüsten fiel, ausgereicht, um den
I–3 +2 e– → 3 I–
gesamten Energiebedarf des Jahres 2007 zu decken. Die unten
3 I + 2 Ru(III) → I 3 + 2 Ru(II)
– –
gezeigte Solarzelle24 hat einen Wirkungsgrad von etwa 7 %.
Das Sonnenlicht trifft von links durch eine transparente Elek- Der Sensibilisator absorbiert fast den gesamten sichtbaren
trode aus Fluor-dotiertem Zinnoxid auf die Zelle. Die Elektrode ist Spektralbereich des Sonnenspektrums. Die Kurve zeigt den wel-
mit einer 10-μm dicken Schicht von Nano-Partikeln aus TiO2 be- lenlängenabhängigen Wirkungsgrad, mit dem die auf der linken
deckt, die alle mit einem Sensibilisator beschichtet wurden. Dieser Seite der Zelle einfallenden Photonen in Elektronen im Stromkreis
Sensibilisator ist ein Ru(II)-Komplex, der einen großen Teil des umgewandelt werden. Die Zelle hat nach 1 000 Stunden bei 80 °C
sichtbaren Lichts absorbiert. Eine Schicht des Sensibilisators auf noch 92 % ihres anfänglichen Wirkungsgrads. Inzwischen ist eine
einer planaren Elektrode ist so dünn, dass sie nur 1 % des Lichts große Zahl von Photozellen, die durch Farbstoffe sensibilisiert
absorbieren würde. Die TiO2-Nanopartikel besitzen jedoch eine sind und sich für eine Außenanwendung eignen, kommerziell
so große Oberfläche, dass 99 % des einfallenden Lichts absorbiert erhältlich.25 Die Wirksamkeit der Umwandlung von Sonnenlicht
werden. in elektrische Energie liegt bei 8–11 %. Photovoltaik-Zellen aus
Wenn der Ru(II)-Sensibilisator Licht absorbiert, wird er in seinen Silicium sind bei der Umwandlung von Sonnenlicht in Elektrizität
angeregten Zustand überführt, von dem aus ein Elektron innerhalb wirksamer, doch bei den mit Farbstoffen sensibilisierten TiO2-Pho-
von ~50 fs in das Leitungsband des Halbleiters TiO2 übertragen tozellen sind die Kosten der Elektrizitätsgewinnung geringer. Ein
wird. Anstatt vom TiO2 zum oxidierten Ru(III) zurückzufließen, flie- Schwerpunkt der gegenwärtigen Forschung ist die Synthese von
ßen die meisten Elektronen über einen äußeren Stromkreis (wo sie Farbstoffen mit einer besseren Absorption des Sonnenlichts und
Nutzarbeit leisten können) zur Pt-Elektrode an der rechten Seite einer Blockierung der Reduktion von I–3 an der TiO2-Oberfläche.26
der Zelle. An der Pt-Oberfläche wird I–3 zu I– reduziert. Durch Reduk- Die Umwandlung von Sonnenlicht direkt in Elektrizität ist
tion von Ru(III) zu Ru(II) mit I– wird der Zyklus komplettiert: gut, aber die Umwandlung von Sonnenlicht in Brennstoffe, wie
18.6 · Sensoren auf der Basis von Fluoreszenzlöschung 495

Exkurs 18.1

l
an die Partikel I3–/I– in einem organischen ke
a rti
gebundener Elektrolyt mit niedrigem -P O
Sensibilisator O2 O
Dampfdruck Ti C
transparente O(CH2)5CH3
Elektrode O
aus Fluorid- C
dotiertem N
O
Zinnoxid I N N
Ru
sichtbares
Licht I3 N N N
TiO2-Nano- C C
partikel S
Pt
e S Photozelle auf der Basis von mit
O(CH2)5CH3
elektrische an TiO2-Oberfläche einem Sensibilisator beschichte-
Verbindung gebundener Sensibilisator ten Nanopartikeln aus TiO2.

H2 oder CH3OH wäre noch besser. Der Brennstoff kann eingesetzt die fossile Brennstoffe einsetzen, relativ billig und zuverlässig ist.
werden, wenn er gebraucht wird, nicht nur wenn gerade die Die Abbildungen zeigen die geschätzten Kosten zur Elektrizitäts-
Sonne scheint. Die grünen Blätter der Pflanzen nutzen das Son- erzeugung im Jahr 2000 und die geschätzten CO2-Emissionen
nenlicht zur Reduktion von CO2 in Kohlenhydrate, ein Brennstoff, der Energiequellen. Die fossilen Brennstoffe erzeugen das meiste
der von Tieren und Pflanzen zur Energiegewinnung genutzt und CO2. Wir werden wahrscheinlich die fossilen Brennstoffe solange
dabei zurück zu CO2 oxidiert wird. verbrauchen, bis die zunehmend knapperen Vorräte teurer wer-
Wir verbrauchen die Weltvorräte an Kohle, Erdöl und Erdgas den als die Kosten für erneuerbare Energie – und das werden Sie
mit großer Geschwindigkeit. Sie sind auch Rohstoffe für Kunst- mit hoher Wahrscheinlichkeit noch erleben.
stoffe, Textilien und viele wichtige Artikel. Wenn wir tatenlos zuse- Die Kernenergie ist mit den fossilen Brennstoffen wettbe-
hen wie die Rohstoffvorräte aufgebraucht werden, haben wir ein werbsfähig27, hat eine sehr geringe Emission von Treibhausgasen
großes Problem. Außerdem erhöht die immer weitere Zunahme und erzeugt eine viel geringere Luftverschmutzung. Die Befürch-
der Verbrennung der fossilen Brennstoffe den CO2-Gehalt der At- tung von Unfällen und die hartnäckigen Probleme mit der Be-
mosphäre, wodurch starke klimatische Veränderungen drohen. herrschung des Abfalls verhindern den Bau von Kernkraftwerken
Warum verbrennen wir unersetzbare Rohstoffe? Die kurz- in den USA bereits seit drei Jahrzehnten.
sichtige Antwort lautet, dass die Elektrizität aus Generatoren,

Kernenergie
Erdgas
Kohle
Rasterelektronenmik-
Wind
roskopische Aufnahme
Biomasse
von gesintertem na-
Kleinwasserkraftanlagen
nokristallinem TiO2.
Solarthermie-Strom
[A. Hagfeldt und M. Photovoltaik-Anlagen
Grätzel, „Molecular Pho-
100 nm
tovoltaics“, Acc. Chem. 0 5 10 15 20 25
Res. 2000, 33, 269.] Kosten (Cent/kW∙h)

90
Wirkungsgrad der Photon-
Elektron-Umwandlung (%)

Photovoltaik

Wind
60
Wasserkraft

30 Erdgas
Kohle
0
450 600 750 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900
18
Wellenlänge (nm) Gramm CO2 pro kWh

Das Photoaktionsspektrum (Abhängigkeit der Erzeugung von La- Geschätzte Elektrizitätskosten und CO2-Emissionen. Solarthermie-
dungsträgern von der Wellenlänge des eingestrahlten Lichts) zeigt Strom entsteht aus Hochtemperatur-Dampf, der durch mit Spiegeln
den Wirkungsgrad, mit dem die auf die Solarzelle treffenden Photo- konzentriertes Sonnenlicht erzeugt wurde. [Kosten: L. Glickman,
nen im Stromkreis in Elektronen umgewandelt werden. [P. Wang, C. „Energy Efficiency in the Built Environment“, Physics Today, July
Klein, R. Humphry-Baker, S. M. Zakeeruddin und M. Grätzel, „A High 2008, S. 35; CO2-Emission: S. Pacca und A. Horvath, „Greenhouse Gas
Molar Extinction Coefficient Sensitizer for Stable Dye-Sensitized So- Emissions from Building and Operating Electric Power Plants in the
lar Cells“, J. Am. Chem. Soc. 2005, 127, 808.] Upper Colorado River Basin“, Environ. Sci. Technol. 2002, 36, 3194.]
496 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

Exkurs 18.2

Upconversion-Lumineszenz
Wie in Abbildung 17.18 gezeigt, sind Fluoreszenz und Phospho-
reszenz gegenüber der Anregungsenergie immer energieärmer,
L3Ru*(T1) A(S0) L3Ru(S0) A*(T1)
da ein Teil der Anregungsenergie durch Schwingungsrelaxation
(wie R1 und R3 in Abbildung 17.15) in Wärme umgewandelt Bei der Reaktion von L3Ru*(T1) mit A(S0) bleibt der Elektronen-
wird. Farbtafel 19 zeigt, dass grünes Laserlicht in eine Lösung spin erhalten, mit zwei nach oben und unten gerichteten Elekt-
strahlt und blaue Fluoreszenz emittiert wird.30 Blaue Photonen ronenspins bei den Reaktanten und Produkten. Im Allgemeinen
sind energiereicher als grüne Photonen. Diese Upconversion, verlaufen Reaktionen, bei denen der Drehimpuls erhalten bleibt,
bei der energiereiche Photonen durch energieärmere Photonen schneller als Reaktionen, bei denen sich der Spin ändert. Bei den
gebildet werden, verletzt den Energieerhaltungssatz nicht, denn unten stehenden Reaktionen bleibt der Drehimpuls erhalten.
es sind zwei grüne Photonen erforderlich, um ein blaues Photon Der Triplett-Zustand von Anthracen hat eine ausreichende
zu erzeugen. Lebensdauer, dass zwei Tripletts zusammenstoßen können.
Die Lösung enthält einen Ruthenium(II)-Komplex plus 9,10- Dabei werden der eine in den angeregten Singulettzustand (S1)
Diphenylanthracen in einem entlüfteten organischen Lösungs- gehoben und der andere zum Grundzustand S0 abgebaut.
mittel.

C 6H 5
N
Ru(II) L 3Ru A A*(T1) A*(T1) A*(S1) A(S0)
N L = 4,4'Dimethyl 9,10-Diphenyl-
3 2,2'bipyridin C 6H 5 anthracen Schließlich kann der angeregte Singulett-Zustand des Anthra-
cens ein blaues Photon emittieren und in den Grundzustand
Durch Absorption des grünen Laserlichts geht der Ruthenium- zurückkehren.
komplex aus seinem Grundzustand (S0) in seinen angeregten
Singulett-Zustand (S1) über, der in den Triplett-Zustand (T1) zu-
rückfällt.
blaue Fluoreszenz
A*(S1) A(S0)

Das Ergebnis ist die Umwandlung von zwei grünen Photonen,


Grünes Photon Wärme
L3Ru(S0) L3Ru*(S1) L3Ru*(T1) die von L3Ru(II) absorbiert wurden, in ein blaues Photon, das von
Anthracen aus seinem angeregten Singulett-Zustand emittiert
Die angeregten Zustände sind mit einem Stern gekennzeichnet. wird. Bei dieser seltenen Kombination geschickt ausgewählter
Der angeregte Triplett-Zustand L3Ru*(T1) ist bei Abwesenheit von Reaktionen wird grünes Licht in blaues verwandelt.
O2 relativ langlebig. Er kann seine Anregungsenergie auf Anth- Die für diesen Prozess gefundene Quantenausbeute beträgt
racen im Grundzustand übertragen und dabei einen angeregten 3.3 %. Das bedeutet, dass für 100 absorbierte grüne Photonen 3.3
Triplett-Zustand des Anthracens erzeugen. blaue Photonen emittiert werden.

Wichtige Begriffe
Aptamer > Fließinjektionsanalyse > Fluoreszenzlöschung > Förster-Resonanzenergie-
transfer (FRET) > Immunoassay > Isosbestischer Punkt > Lumineszenz > Methode
der kontinuierlichen Variation > Quenching > Scatchard-Plot > Sequentielle Injekti-
onsanalyse

Zusammenfassung
Die Extinktion einer Mischung ist die Summe der Extinktionen der einzelnen Bestand-
teile. Sie sollten mindestens in der Lage sein, die Konzentrationen von zwei Spezies in
einer Mischung durch Formulierung und Lösung eines Gleichungssystems für die Ex-
tinktionen bei zwei Wellenlängen zu bestimmen. Dieses Verfahren ist am genauesten,
wenn die beiden Absorptionsspektren der Komponenten in einigen Bereichen nicht sehr
überlappen. Mit einer Tabellenkalkulation sollten Sie Matrizenrechnungen zur Lösung
von n Lambert-Beerschen Gleichungen für n Lösungskomponenten bei Messungen bei n
Wellenlängen verwenden können. Außerdem sollten Sie mit Hilfe von Excel Solver durch
Minimierung der Funktion (Aber–Am)2 ein Spektrum in die Summe der Einzelspektren
der Komponenten zerlegen können.
Übungen 497

Isosbestische Punkte treten auf, wenn eine Lösung veränderliche Anteile von zwei
Komponenten bei konstanter Gesamtkonzentration enthält. Die Scatchard-Kurve wird
verwendet, um eine Gleichgewichtskonstante zu bestimmen; mit der Methode der konti-
nuierlichen Variation wird die Stöchiometrie eines Komplexes ermittelt.
Bei der Fließinjektionsanalyse wird die Probe in einem Trägerstrom mit einem
farbgebenden Reagenz gemischt und in einem Durchflussdetektor bestimmt. Der
Analyt verbreitert sich und reagiert mit dem Reagenz ohne das Gleichgewicht zu er-
reichen. Die Präzision hängt von der Reproduzierbarkeit der Arbeitsweise ab. Bei der
sequentiellen Injektionsanalyse werden Probe und Reagenz computergesteuert getrennt
in einen Träger eingespritzt. Nach Einstellung eines stationären Zustands in einer
Reaktionsschleife werden Analyt, Reaktionsprodukt und Reagenz durch den Detektor
gedrückt.
Immunoassays verwenden Antikörper zur Bestimmung des interessierenden Ana-
lyten. In einem enzym-gekoppelten Immunoassay werden die Signale durch Kopplung
des Analyten an ein Enzym verstärkt, das viele Reaktionszyklen zur Bildung farbiger
oder fluoreszierender Produkte katalysieren kann. Zeitaufgelöste Fluoreszenzmessun-
gen erhöhen die Empfindlichkeit durch Wellenlängenseparierung und zeitliche Ab-
trennung der Untergrundfluoreszenz vom Analytsignal. Aptamere sind kurze Stücke
von DNA oder RNA, die in der Lage sind, diverse Zielmoleküle fest und selektiv zu
binden. Wenn einmal ein Aptamer für ein bestimmtes Ziel gefunden wurde, kann es
synthetisiert werden und anstelle eines Antikörpers für chemische Analysen eingesetzt
werden.
Die Lumineszenzintensität ist bei niedriger Konzentration proportional zur Konzent-
ration der emittierenden Spezies. Einige Analyte, z. B. O2, können durch ihre Eigenschaft,
die Lumineszenz anderer Stoffe zu verringern (löschen), bestimmt werden.

Übungen
18-A. Diese Übung kann mit Gleichung 18.6 auf einem Rechner oder mit der Tabelle
im Bild 18.5 bearbeitet werden. Transferrin ist das Eisentransport-Protein im Blut. Es hat
eine molare Masse von 81 000 und trägt zwei Fe3+-Ionen. Desferrioxamin B ist ein starker
Chelatbildner und wird zur Behandlung von Patienten mit zu hohen Eisenwerten benutzt
(Exkurs 11.1). Es hat eine molare Masse von etwa 650 und kann ein Fe3+-Ion binden.
Desferrioxamin kann Eisen an verschiedenen Stellen im Körper entnehmen und wird mit
dem gebundenen Eisen über die Nieren ausgeschieden. Die molaren Extinktionskoeffizi-
enten der mit Eisen gesättigten Verbindungen sind in der Tabelle für zwei Wellenlängen
angegeben. Beide Verbindungen sind bei Abwesenheit von Eisen farblos (keine sichtbare
Absorption).

ε [M–1 cm–1]

λ (nm) Transferrin Desferrioxamin

428 3 540 2 730

470 4 170 2 290

a) Eine Transferrin-Lösung besitzt bei 470 nm eine Extinktion von 0.463 in einer 1.000
cm Küvette. Berechnen Sie die Konzentration des Transferrins in mg/mL und die
Konzentration des Eisens in μg/mL.
b) Kurze Zeit nach Zugabe von Desferrioxamin (Verdünnung der Probe) betrug die Ex- 18
tinktion bei 470 nm 0.424, der Wert bei 428 nm war 0.401. Berechnen Sie die Anteile
Eisen im Transferrin und im Desferrioxamin. Denken Sie daran, dass Transferrin
zwei Eisenatome, Desferrioxamn aber nur eins bindet.

18-B. In der Tabelle stehen die molaren Extinktionskoeffizienten von drei Farbstof-
fen und die Extinktion einer Mischung dieser Farbstoffe im sichtbaren Spektralbereich.
Verwenden Sie die Methode der kleinsten Quadrate (Abbildung 18.3) zur Bestimmung
der Konzentrationen der Farbstoffe im Gemisch.
498 Kapitel 18 · Anwendungen der Spektralphotometrie

A B C D E
1 Farbstoffgemisch
2 Extinktion
3 Wellenlänge Molare Extinktion der Mischung
4 (nm) Tartrazin Sunset Yellow Ponceau 4R Am
5 350 6.229E+03 2.019E+03 4.172E+03 0.557
6 375 1.324E+04 4.474E+03 2.313E+03 0.853
7 400 2.144E+04 7.403E+03 3.310E+03 1.332
8 425 2.514E+04 8.551E+03 4.534E+03 1.603
9 450 2.200E+04 1.275E+04 6.575E+03 1.792
10 475 1.055E+04 1.940E+04 1.229E+04 2.006
11 500 1.403E+03 1.869E+04 1.673E+04 1.821
12 525 0.000E+00 7.641E+03 1.528E+04 1.155
13 550 0.000E+00 3.959E+02 9.522E+03 0.445
14 575 0.000E+00 0.000E+00 1.814E+03 0.084

Quelle: J. J. B. Nevado, J. R. Flores und M. J. V. Llerena, „Simultaneous Spectrophotometric Determi-


nation of Tartrazine, Sunset Yellow and Ponceat 4R in Commercial Products“, Fresenius J. Anal. Chem.
1998, 361, 465.

18-C. Die bei 305 nm absorbierende Verbindung P wurde mit X titriert, das bei dieser
Wellenlänge nicht absorbiert. Das Produkt PX absorbiert ebenfalls bei 305 nm. Die Ex-
tinktion jeder Lösung wurde in einer 1.000-cm Küvette gemessen und die Konzentration
an freiem X wurde mit einer unabhängigen Zweitmethode bestimmt (Ergebnisse in der
Tabelle). Zeichnen Sie eine Scatchard-Kurve und bestimmen Sie die Gleichgewichtskons-
tante für die Reaktion X + P U PX.

Experiment P0 (M) X0 (M) A [X] (M)

0 0.010 0 0 0.213 0

1 0.010 0 0.001 00 0.303 4.42 × 10–6

2 0.010 0 0.002 00 0.394 9.10 × 10–6

3 0.010 0 0.003 00 0.484 1.60 × 10–5

4 0.010 0 0.004 00 0.575 2.47 × 10–5

5 0.010 0 0.005 00 0.663 3.57 × 10–5

6 0.010 0 0.006 00 0.752 5.52 × 10–5

7 0.010 0 0.007 00 0.840 8.20 × 10–5

8 0.010 0 0.008 00 0.926 1.42 × 10–4

9 0.010 0 0.009 00 1.006 2.69 × 10–4

10 0.010 0 0.010 00 1.066 5.87 × 10–4

11 0.010 0 0.020 00 1.117 9.66 × 10–3

18-D. Bei der Komplexbildung von 3-Aminopyridin und Pikrinsäure in Chloroform


entsteht ein gelbes Produkt mit einem Absorptionsmaximum bei 400 nm. Keine der
Ausgangssubstanzen absorbiert merklich bei dieser Wellenlänge. 1.00 × 10-4 M Stamm-
lösungen der beiden Verbindungen wurden wie folgt gemischt und die Extinktion der
Mischungen gemessen. Zeichnen Sie eine Kurve mit der Extinktion in Abhängigkeit vom
Molenbruch des 3-Aminopyridins und bestimmen Sie die Stöchiometrie des Komplexes.

OH
O2N NO2 NH2

N
NO2
Übungen 499

Pikrinsäure (mL) 3-Aminopyridin (mL) Extinktion bei 400 nm

2.70 0.30 0.106

2.40 0.60 0.214

2.10 0.90 0.311

1.80 1.20 0.402

1.50 1.50 0.442

1.20 1.80 0.404

0.90 2.10 0.318

0.60 2.40 0.222

0.30 2.70 0.110

Quelle: E. Bruneau, D. Lavabre, G. Levy und J. C. Micheau, „Quantitative Analysis of Continuous-Variation Plots
with a Comparison of Several Methods“, J. Chem. Ed. 1992, 69, 833.

18
19 Spektralphotometer

Cavity Ring-Down-Spektroskopie: Haben Sie ein Magengeschwür?


Mit der Cavity Ring-Down-Spektroskopie können Extinktionen bis zu 10–6 gemessen werden. Deshalb ist sie eine sehr nach-
weisstarke Detektionsmethode für die Chromatographie.1 Bei der Methode wird, wie im Bild a dargestellt, ein Laserpuls in
einen Hohlraum (die Cavity) mit Spiegeln an beiden Enden eingestrahlt.
Bei einem Reflexionsvermögen von 99,98 % werden etwa 0.02 % der Leistung durch den Spiegel M1 in die Cavity treten. Der
Laser wird abgeschaltet und das Licht im Hohlraum prallt zwischen den Spiegeln hin und her, wobei bei jedem Auftreffen auf
einen Spiegel 0.02 % der Intensität verlorengehen. Ein außerhalb vom Spiegel M2 befindlicher Detektor misst das dort durch-
gelassene Licht. Die schwarze Kurve b zeigt den Abfall des Detektorsignals bei einer Cavity, in der sich eine nicht absorbierende
Flüssigkeit befindet. Wenn eine absorbierende Spezies vorhanden ist, erfolgt ein schnellerer Signalabfall, da bei jedem Durch-
gang zwischen den Spiegeln das Signal durch die Absorption abnimmt. Die Differenz der Signalabklingzeiten mit und ohne
absorbierende Spezies ist ein Maß für die Extinktion. Die effektive Weglänge ist ~ das 103fache der Cavity-Länge, da das Licht
während der Messung ~103 Durchgänge zwischen den Spiegeln macht. Ein kommerzielles Cavity Ring-Down-Spektrometer für
die Messung der Isotope von Gasen wie CO2, CH4, NH3, H2S, HF, H2CO und C2H4 hat eine effektive Weglänge von 20 km.2
Das Spektrum c zeigt die Extinktion für CO2(g) in seiner natürlichen Zusammensetzung von 98.9 % 12CO2 und 1.1% 13CO2.
Die Banden entstehen durch Übergänge zwischen Rotationsniveaus von zwei Schwingungszuständen. Das Spektralgebiet
wurde so gewählt, dass eine starke Absorption von 13CO2 und eine schwache Absorption von 12CO2 vorliegen, damit die Inten-
sitäten für beide Isotope ähnlich sind. Jeder Punkt im Spektrum c wurde durch Veränderung der Laserfrequenz erhalten.
Die Flächen der 12CO2- und 13CO2-Banden sind Messergebnisse von menschlichem Atem und wurden herangezogen, um
festzustellen, ob ein Patient mit Helicobacter pylori, einem Bakterium, das eine vermehrte Sekretion von Magensäure verursacht
und deshalb Ulcera (Magen- oder Darmgeschwüre) verursacht, infiziert ist. Nachdem der Patient 13C-markierten Harnstoff
eingenommen hat, verwandelt das Bakterium 13C-Harnstoff in 13CO2, das in der Atemluft des Patienten erscheint. Das 13C/12C-
Verhälnis im Atem eines infizierten Patienten steigt um 1–5%, während es bei einer nicht infizierten Person innerhalb von 0.1%
konstant bleibt.

hochreflektierender Spiegel Cavity Ring-Down-Spektrum von ~3 mbar CO2,


M1 M2 Detektor einem Partialdruck der etwa der Konzentration im
Ring-Down-Cavity menschlichen Atem entspricht [E. R. Crosson, K. N.
durchstimmbarer Ricci, B. A. Richman, F. C. Chilese, T. G. Owano, R. A.
Laser Provencal, M. W. Todd, J. Glasser, A. A. Kachanow, B.
a
A. Paldus, T. G. Spence und R. N. Zare, „Stable Isotope
Ratios Using Cavity Ring-Down Spectroscopy: Deter-
mination of 13C/12C for Carbon Dioxide in Human
Breath“, Anal. Chem. 2002, 74, 2003.]

mit
Absorber

13
CO2
Intensität

ohne 12
CO2
Absorber
10–6
Extinktions-
einheiten 19

0.0 0.5 1.0 1.5 6 261.6 6 262.0 6 262.4


Zeit (μs) Wellenzahl (cm–1)
b c

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
502 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Transmission: T = P/P0 In Abbildung 17.4 wurden die wesentlichen Komponenten eines Einstrahl-Spektral-
Extinktion: A = –log T = εbc photometers gezeigt. Licht einer geeigneten Lichtquelle wird in einem Monochromator
ε = molarer Extinktionskoeffizient in schmale Banden von Wellenlängen getrennt, passiert dann die Probe und wird mit
b = Weglänge (Schichtdicke) einem Detektor gemessen. Wir messen die Strahlungsflussdichte (P0, Watt/m2), die auf
c = Konzentration den Detektor trifft mit einer Referenzlösung (nur mit dem Lösungsmittel oder den Rea-
genzien) anstelle der Probe. Wenn die Referenzlösung durch die Probe ersetzt wird, tritt
gewöhnlich eine Absorption der Strahlung ein und die auf den Detektor treffende Strah-
lungsflussdichte, P, ist geringer als P0. Der Quotient P/P0 liegt zwischen 0 und 1 und heißt
Transmission, T. Die Extinktion (oder Absorbanz), die zur Konzentration proportional ist,
ist A = log P0/P = –log T.
Das Arbeiten mit dem Einstrahl-Spektralphotometer ist unbequem, da Probe und Re-
ferenzlösung abwechselnd in den Strahlengang gebracht werden müssen. Für Messungen
bei mehreren Wellenlängen muss auch die Referenzlösung bei jeder Wellenlänge gemes-
sen werden. Das Einstrahl-Instrument eignet sich schlecht für Extinktionsmessungen in
Abhängigkeit von der Zeit, wie sie bei kinetischen Untersuchungen nötig sind, da sowohl
die Intensität der Lichtquelle als auch das Ansprechverhalten des Detektors Schwankun-
gen unterliegen können.
Die Abbildung 19.1 zeigt ein Zweistrahlspektralphotometer, bei dem durch einen
rotierenden Spiegel (Chopper) der Lichtweg abwechselnd durch die Probe bzw. die Ver-
gleichszelle geführt wird. Wenn das Licht durch die Probe geht, misst der Detektor die
Strahlungsleistung P. Wenn der Chopper den Strahl durch die Referenzküvette umleitet,
misst der Detektor P0. Der Strahlengang wird mehrfach pro Sekunde gewechselt und das
Gerät vergleicht automatisch P und P0 zur Bestimmung von Transmission und Extink-
tion. Dadurch werden auch Schwankungen in der Intensität der Strahlungsquelle und
des Ansprechverhaltens des Detektors bezüglich Zeit und Wellenlänge korrigiert, weil die
vielen Einzelmessungen so häufig verglichen werden. Die meisten Spektralphotometer
für Forschungszwecke sind mit einem automatischen Wellenlängendurchlauf und einer
kontinuierliche Aufzeichnung der Extinktion gegen die Zeit ausgestattet.
Routinemäßig wird zunächst ein Basislinienspektrum mit der Referenzlösung in bei-
den Küvetten aufgenommen. Die Basislinienextinktion bei jeder Wellenlänge wird dann
von der gemessenen Extinktion der Probe abgezogen, um die wahre Extinktion der Probe
bei jeder Wellenlänge zu erhalten.
Die Bauteile eines Zweistrahl-Ultraviolett-Spektralphotometers sind in Abbildung
19.2 gezeigt. Sichtbares Licht kommt aus einer Quarz-Halogen-Lampe (wie die in einem
Autoscheinwerfer) und die Quelle für UV-Licht ist eine Deuterium-Bogenlampe mit ei-
ner Emission im Gebiet von 200 bis 400 nm. Zu einem Zeitpunkt wird immer nur eine
Lampe eingesetzt. Vom Gitter 1 wird ein enger Wellenlängenbereich zum Eintritt in den
Monochromator ausgewählt, der in den Monochromator gelangt, der wiederum einen
noch engeren Bereich festlegt, der durch die Probe geschickt wird. Nachdem der Strahl
durch den Chopper und die Probe bzw. die Referenzlösung gegangen ist, wird das Signal
in einem Photomultiplier detektiert. Das ist eine Röhre, in der ein Strom entsteht, der zur
or
ot
M

rotierender Spiegel halbdurchlässiger


(Chopper) Spiegel

Licht- Scanning- Proben- P


Detektor Verstärker Display
quelle Monochromator küvette

Referenz- P0

Spiegel küvette Spiegel

Abb. 19.1 Schematisches Diagramm eines Zweistrahlspektralphotometers. Der einfallende Strahl


wird mit einem rotierenden Strahlungsteiler (Chopper) abwechselnd durch die Proben- und Referenz-
küvette geleitet.
Kapitel 19 · Spektralphotometer 503

Licht-
quelle
Ultraviolett-
lampe Gitter 1

Lampe
für sichtbares Licht

Eintrittspalt

Austrittsspalt
Gitter 2

Chopper Bezugs-
lösung

Spiegel

Monochromator
Proben-
position Chopper

Proben-
raum Photo- Abb. 19.2 Optischer Weg im Varian Cary
multiplier- 3E UV-VIS-Zweistrahlspektralphotometer.
Röhre [Dank an Varian Australia Pty. Ltd., Victo-
Detektor ria, Australia.]

Deuterium- und Wolfram-


Halogen-Lampen
Spiegel zur Wahl
Filterrad
der Deuterium- oder
Wolframlampe

holographisches
Gitter

Referenz-
küvette

Proben- 19
küvette

Photomultiplier-
Röhre Chopper Schrittmotor zur Abb. 19.3 a) Thermo Scientific Evolution
Einstellung des 600 UV-VIS- Zweistrahlspektralphotome-
Monochromator-
austrittspalts
ter. b) Der optische Weg im Evolution 600
zeigt die Anordnung der Bauteile. [Dank
b an ThermoFisher Scientific, Madison, WL.]
504 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Strahlungsleistung proportional ist. In der Abbildung 19.3 ist ein für Forschungszwecke
geeignetes Zweistrahlspektralphotometer gezeigt. Nun werden die Komponenten des
Spektrometers genauer beschrieben.

19.1 Lichtquellen: Lampen und Laser

Die Wolframlampe ist eine ausgezeichnete Quelle zur Erzeugung von kontinuierlicher
Vorsicht Ultraviolette Strahlung Strahlung im sichtbaren und nahen infraroten Bereich. Ein typischer Wolfram-Glühfaden
ist für das ungeschützte Auge arbeitet bei Temperaturen nahe 3 000 K und erzeugt nutzbare Strahlung im Bereich zwi-
gefährlich. Schauen sie deshalb schen 320 und 2 500 nm (Abbildung 19.4). Dieser Bereich umfasst das gesamte sichtbare
nicht ohne Augenschutz in eine Gebiet und auch Teile der infraroten und ultravioletten Region. Für die UV-Spektroskopie
UV-Quelle. wird normalerweise eine Deuteriumbogenlampe verwendet, in der durch eine kontrol-
lierte elektrische Entladung D2 zur Dissoziation gebracht und ultraviolette Strahlung im
Bereich zwischen 200 und 400 nm emittiert wird (Abbildung 19.4). In einem typischen
UV-VIS-Spektralphotometer wird zwischen einer Deuterium- und einer Wolframlampe
gewechselt, wenn 360 nm überschritten werden. Dadurch wird stets die Lichtquelle
mit der höchsten Intensität verwendet. Für bestimmte Frequenzen im sichtbaren und
ultravioletten Bereich werden jedoch auch häufig elektrische Bogenentladungslampen
verwendet, die mit Quecksilberdampf (Exkurs 17.2) oder Xenongas gefüllt sind. Leucht-
oder Lumineszenzdioden (LED) emittieren schmale Banden von sichtbarer und naher
infraroter Strahlung.3
Infrarotstrahlung für das Gebiet von 4 000 bis 200 cm–1 wird meist von einem Stab
aus Siliciumcarbid, der als Globar bezeichnet wird, erhalten. Die Strahlung entsteht durch
einen den Stab durchfließenden Strom, der zum Aufheizen des Globars auf 1 500 K führt.
Der heiße Globar emittiert ein Strahlungsspektrum, das nahezu dem eines Schwarzen
Körpers bei 1 000 K entspricht (Exkurs 19.1).
Eigenschaften von Laserlicht: Laser emittieren für viele Anwendungen einsetzbare isolierte Linien einer einzigen
monochromatisch: eine Wellenlänge Wellenlänge. Ein Laser mit einer Wellenlänge von 3 μm hat eine Bandbreite (Wellenlän-
extreme Leuchtstärke: hohe Leistung genbereich) von ca. 3 × 10–14 bis 3 × 10–8 μm. Die Bandbreite wird bei den Frequenzen
bei einer Wellenlänge gemessen, bei denen die Strahlungsleistung auf die Hälfte des Maximalwerts abfällt. So ist
kollimiert: parallele Strahlen z. B. die Leuchtstärke eines Lasers mit niedriger Leistung bei seiner Arbeitsfrequenz 1013
polarisiert: elektrisches Feld der Wellen Mal größer als die Leuchtstärke des gelben Sonnenlichts. (Die Sonne emittiert allerdings
oszilliert in einer Ebene alle Wellenlängen, während der Laser nur eine emittiert. Die Gesamthelligkeit der Sonne
kohärent: alle Wellen in Phase ist natürlich viel größer als die des Lasers.) Die Winkelabweichung eines Laserstrahls von
seiner Ausbreitungsrichtung beträgt normalerweise weniger als 0.05°, wodurch die Be-
strahlung kleiner Ziele möglich ist. Laserlicht ist typisch linear polarisiert, wobei das elek-
trische Feld in einer senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Lichtes befindlichen Ebene
oszilliert (Abbildung 17.1). Eine weitere Eigenschaft des Laserlichtes ist Kohärenz, d. h. alle
aus dem Laser austretenden Lichtwellen schwingen in gleicher Phase.
Eine notwendige Bedingung für die Erzeugung von Laserlicht ist die Besetzungsinver-
sion, bei der ein höherer Energiezustand eine größere Besetzungsdichte (n) als ein niedri-
gerer Energiezustand im Lasermedium aufweist. In Abbildung 19.5a wird dieser Zustand
erreicht, wenn die Besetzungsdichte des Zustandes E2 die des Zustandes E1 übersteigt. Die
Moleküle im Grundzustand E0 des Lasermaterials werden in den angeregten Zustand E3
durch die Breitbandstrahlung einer leistungsstarken Lampe oder einer elektrischen Entla-

Wolfram-
lampe
Lichtintensität

Deuterium-
lampe

Abb. 19.4 Intensitäten eines Wolfram-


Glühfadens bei 3 200 K und einer Deu- 200 400 600 800 1 000
teriumlampe. Wellenlänge (nm)
19.1 · Lichtquellen: Lampen und Laser 505

E3

Relaxation

E2

Laser-
Pumpen effekt Besetzungsumkehr
n 2 > n1

E1

Relaxation
a E0

Laser-Medium hν

Spiegel Spiegel
0% T 1% T
b Energie

Abb. 19.5 a) Energieniveau-Diagramm zur Darstellung des Laserprinzips. b) Grundbestandteile eines


Lasers. Die Besetzungsinversion wird im Lasermedium erzeugt. Die Pumpenergie kann durch Lampen
hoher Intensität oder eine elektrische Entladung erzeugt werden.

dung gepumpt. Moleküle im angeregten Zustand E3 relaxieren (geben Anregungsenergie


ab) schnell in den Zustand E2, der eine relativ lange Lebensdauer besitzt. Nachdem ein
Molekül vom Zustand E2 in den Zustand E1 übergegangen ist, relaxiert es schnell in den
Grundzustand E0, wobei die höhere Besetzungsdichte von E2 gegenüber der von E1 erhal-
ten bleibt.
Ein Photon, das genau die Energie besitzt, die der Differenz zweier Zustände ent-
spricht, kann absorbiert werden, um das Molekül in den angeregten Zustand zu beför-
dern. Das gleiche Photon kann jedoch auch ein angeregtes Molekül zur Emission eines
Photons und zur Rückkehr in einen niedrigeren Energiezustand stimulieren. Dieser
Vorgang wird stimulierte Emission genannt. Wenn das beim Übergang von E2 nach E1
von einem Molekül emittierte Photon ein weiteres Molekül im Zustand E2 trifft, kann
es zur Emission eines weiteren Photons mit gleicher Phase und Polarisation wie die des
einfallenden Photons kommen. Wenn eine Inversion der Besetzungsdichte (n2 > n1) exis-
tiert, kann ein Photon beim Lauf durch den Laser die Emission vieler weiterer Photonen
stimulieren.
Die Abbildung 19.5b zeigt die wesentlichen Bestandteile eines Lasers. Die Pumpener-
gie, die auf die Seite des laseraktiven Mediums gerichtet ist, erzeugt die Inversion der Be-
setzungsdichte. An einem Ende des Laserhohlraums befindet sich ein Spiegel, der sämt-
liches Licht reflektiert (0% Transmission). Am anderen Ende befindet sich ein teilweise
transparenter Spiegel, der den größten Teil des Lichtes reflektiert (1 % Transmission).
Photonen mit der Energie E2–E1, die zwischen den Spiegeln vorwärts und rückwärts
reflektiert werden, erzeugen dabei eine Lawine neuer Photonen. Der kleine Anteil Licht,
der den teilweise durchlässigen Spiegel auf der rechten Seite verlässt, ist die nutzbare La-
serstrahlung.
Der He-Ne-Laser ist eine weitverbreitete Quelle für rotes Licht mit einer Wellenlänge
von 632.8 nm und einer Leistung von 0.1–25 mW. Eine elektrische Entladung pumpt
die Heliumatome in den E3-Zustand (Abbildung 19.5). Das angeregte Helium überträgt
die Energie durch Kollision mit einem Neonatom, wobei das Neon in den E2-Zustand 19
überführt wird. Die hohe Konzentration an Helium und das intensive elektrische Pumpen
erzeugt bei den Neonatomen eine Besetzungsinversion.
In einer Laserdiode wird die Besetzungsinversion von Ladungsträgern in einem
Halbleiter durch ein hohes elektrisches Feld am p-n-Übergang in GaAs7, GaN8 oder
Verbindungen wie AlxGa1–xN erreicht. Kommerziell verfügbare Laserdioden decken den
Wellenlängenbereich zwischen 360 und 1 550 nm ab.
506 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Exkurs 19.1

Schwarzkörperstrahlung und Treibhauseffekt Von der Bestrahlungsstärke der Sonne (Solar-Flux), die mit
Wenn ein Objekt erhitzt wird, emittiert es Strahlung – es glüht. einem Betrag von 1 368 W/m2 auf die äußere Atmosphäre der
Selbst bei Raumtemperatur emittieren alle Gegenstände Erde einfällt, werden 23 % durch die Atmosphäre absorbiert und
infrarote Strahlung. Wir stellen uns eine Hohlkugel vor, deren 25 % in das Weltall zurückgestrahlt. Die Erde absorbiert 48 % und
innere Oberfläche vollständig schwarz ist. Das heißt, die Ober- reflektiert nur 4 %. Die auf die Erde treffende Strahlung reicht
fläche absorbiert sämtliche auftreffende Strahlung. Wenn die
Kugel eine konstante Temperatur hat, muss sie genauso viel
Strahlung emittieren wie sie absorbiert, denn sonst würde Ultraviolett sichtbar Infrarot
ihre Temperatur ansteigen. Wenn ein kleines Loch in die Kugel
14
gemacht wird, würden wir feststellen, dass die austretende
Strahlung eine kontinuierliche Spektralverteilung hat. So ein 5 000 K
Gegenstand heißt schwarzer Körper und die von ihm ausge-
12
3 000 K
sandte Strahlung Schwarzkörperstrahlung. Die Emission
von realen Objekten wie der Wolfram-Glühfaden in einer Glüh-
lampe ähnelt der aus einem idealen schwarzen Körper. 10
1 000 K

log M λ
Die Strahlungsleistung pro Flächeneinheit, die von der
Oberfläche eines Objekts ausgeht, heißt Ausstrahlung, M
8 500 K
(engl. exitance oder emittance). Für einen schwarzen Körper
gilt das Stefan-Boltzmannsche Gesetz: 300 K

Ausstrahlung eines schwarzen Körpers: M = σT 4, 6

mit der Boltzmann-Konstanten σ = 5.669 8 × 10–8 W/(m2 ⋅ K4). 100 K


Ein schwarzer Körper mit einer Temperatur von 1 000 K strahlt 4
0.1 0.5 1 5 10 50 100
5.67 × 104 Watt pro qm seiner Oberfläche aus. Wenn die
Wellenlänge (μm)
Temperatur verdoppelt wird, steigt die Ausstrahlung um den
Faktor 24 = 16. Plancksche Strahlungsspektren für verschiedene Temperaturen in
Die Darstellung zeigt, dass die maximale Schwarzkörper- logarithmischer Auftragung. Hier wird die spektrale Verteilung der
Emission eines Objekts in der Nähe von 300 K im Infrarot- Strahlung eines schwarzen Körpers gezeigt. Die Schar der Kurven
wird nach dem deutschen Physiker Max Planck (1858–1947) Planck-
Bereich (λ ~10 μm) liegt. Die Oberfläche der Sonne verhält
Verteilung genannt. Seine Ableitung des Strahlungsgesetzes für
sich wie ein schwarzer Körper mit einer Temperatur von etwa schwarze Körper im Jahr 1900 beruht auf der Hypothese, dass elek-
5 800 K; sie emittiert vorwiegend sichtbares Licht (~0.5 μm = tromagnetische Energie nur in diskreten Quanten emittiert werden
500 nm). kann. Dafür erhielt Planck 1918 den Nobelpreis für Physik.

Sonne

100 Teile
sichtbare
Strahlung

65 % ausgestrahlt von der


25 % von der T  254 K Atmosphäre ins Weltall
Atmosphäre 23 % durch die
reflektiert Atmosphäre absorbiert 6 % ausgestrahlt
Gleichgewicht zwischen von der Erde
Atmosphäre Tre
der Energie, die der Erde ibh ins Weltall
aus
von der Sonne zugeführt 4 % von der Erde gas
e
und der Energie, die von reflektiert 48 % von der Erde
absorbiert Infra
der Erde in das Weltall T  287 K rotst
von rahlu
zurückgestrahlt wird. Der d
in die er Erde g
n
Austausch von Infrarot- A
sphä tmo-
gie re
strahlung zwischen der n er Inf
r
eE von arots
Erde und ihrer Atmosphäre d zur der trahl
len Erde abg
Erd Atm ung
hält ihre Oberfläche 33 K fal ehe
nde
ein Ene
e osp

wärmer als die obere At- rgie re
mosphäre.
19.2 · Monochromatoren 507

Exkurs 19.1

eigentlich nur aus, die Oberfläche auf 254 K zu erwärmen, was Die menschlichen Aktivitäten haben seit dem Beginn
das Leben, wie wir es auf der Erde vorfinden, nicht erhalten der Industriellen Revolution durch die Verbrennung fossiler
könnte. Da stellt sich die Frage: Warum liegt die mittlere Tempe- Brennstoffe zu einer deutlichen Erhöhung der Konzentration
ratur der Erdoberfläche bei so behaglichen 287 K? von Kohlendioxid in der Atmosphäre geführt. Im Vergleich zu
Die Kurven der Schwarzkörperstrahlung in der nebenstehen- den vorindustriellen Bedingungen schätzt man, dass CO2 im
den Abbildung zeigen, dass die Erde bevorzugt Infrarotstrahlung Jahr 2005 einen zusätzlichen Betrag von 1.7 W/m2 an Strah-
und nicht sichtbares Licht emittiert. Obwohl die Atmosphäre für lungserwärmung der Erdoberfläche geliefert hat.6 CO2 ist die
eintreffendes sichtbares Licht durchlässig ist, absorbiert sie das wichtigste anthropogene Quelle der Erderwärmung. Das Dia-
zurückstrahlende Infrarotlicht ziemlich stark. Die wichtigsten gramm zeigt, dass die Erdoberfläche in den Jahren 2000–2005
Absorber, die als Treibhausgase bezeichnet werden, sind Wasser4 ungefähr 0.8 °C wärmer war als von 1850–1899.6 Wird es
und CO2 sowie, in kleinerem Umfang O3, CH4, Chlorfluorkohlen- katastrophale Veränderungen des Klimas geben? Wird es ent-
wasserstoffe und N2O. Die von der Erde emittierte Strahlung wird gegenwirkende Reaktionen geben, die nur zu kleinen Tempe-
in der Atmosphäre absorbiert und teilweise zur Erde zurückge- raturänderungen führen? Wir können diese Fragen heute noch
strahlt. Die Atmosphäre verhält sich dabei wie eine isolierende nicht exakt beantworten, die Vernunft gebietet jedoch, alles zu
Decke, welche die Temperatur der Erdoberfläche 33 K wärmer als vermeiden, was zu starken Veränderungen unserer Atmosphäre
die Temperatur der oberen Atmosphäre hält.5 beitragen kann.

globale Durchschnittstemperatur
14.5
Temperatur (°C)

14.0
Geschätzte globale Temperatur auf der Grundlage von
indirekten Daten wie Jahresringe und Isotopenverhält-
nisse in Sedimenten und Eisbohrkernen. Die 1990er Jahre
waren das wärmste Jahrzehnt in den letzten 2 000 Jahren.
13.5 [Aus: Report of the Intergovernmental Panel on Climate
Change, 2007.6 Siehe auch: M. E. Mann und P. D. Jones,
1850 1900 1950 2000 „Global Surface Temperatures over the Past Two Millenia“,
Jahr Geophys. Res. Lett. 2003, 30, 1820.]

19.2 Monochromatoren

Ein Monochromator zerlegt das Licht in seine Wellenlängen und wählt eine schmale
Bande für den Durchgang durch die Probe oder für den Detektor aus. Der Monochro-
mator in Abbildung 19.2 besteht aus Eingangs- und Austrittsspalt, Spiegeln und einem
Gitter zur Zerlegung des Lichts. In älteren Geräten wurden Prismen anstelle von Gittern
verwendet.

Gitter9
Ein Gitter ist ein optischer Bauteil für die Transmission oder Reflexion von Licht, der auf Gitter: optisches Bauteil mit dicht bei-
einer ebenen Oberfläche eine große Zahl eng aneinander liegender Rillen enthält. Wenn einander liegenden Rillen
Licht vom Gitter reflektiert oder durchgelassen wird, verhält sich jede Furche wie eine ei- Beugung: Ablenkung des Lichts
gene Strahlungsquelle. Licht unterschiedlicher Wellenlänge wird vom Gitter unterschied- durch ein Gitter
lich reflektiert oder durchgelassen (Farbtafel 12). Die Ablenkung der Lichtstrahlen durch Brechung: Ablenkung des Lichts
ein Gitter heißt Beugung. (Die Ablenkung der Lichtstrahlen durch ein Prisma oder eine durch eine Linse oder ein Prisma 19
Linse ist die Brechung, sie wird im Abschnitt 19.4 behandelt.)
Im Gittermonochromator in der Abbildung 19.6 gelangt polychromatische Strahlung Polychromatisch: viele Wellenlängen
durch den Eintrittsspalt und wird durch einen konkaven Spiegel kollimiert (paralleli- Monochromatisch: eine Wellenlänge
siert), d. h. zu einem Bündel paralleler Strahlen gemacht. Diese Strahlen treffen auf ein
Reflexionsgitter, an dem unterschiedliche Wellenlängen mit unterschiedlichen Winkeln
gebeugt werden. Das Licht trifft anschließend auf einen zweiten konkaven Spiegel, der
508 Kapitel 19 · Spektralphotometer

konkave
Spiegel

λ2 λ1
Reflexions- Brenn-
gitter ebene
Abb. 19.6 Czerny-Turner Gittermono- Eintritts- Ausgangs-
chromator. spalt spalt

austretendes Licht
einfallendes Licht

Facetten-
Normale d

φ
θ
b a
α Blaze-
β θ φ Winkel

Gitter
Abb. 19.7 Prinzip eines Reflexionsgitters.

jede auftreffende Wellenlänge auf einen anderen Punkt der Brennebene fokussiert. Durch
die Stellung des Reflexionsgitters wird nur ein schmaler Wellenlängenbereich auf den
Austrittsspalt des Monochromators gerichtet. Durch Rotation des Gitters können unter-
schiedliche Wellenlängen nacheinander den Austrittsspalt passieren.
Das Reflexionsgitter in Abbildung 19.7 besteht aus einer Reihe sehr feiner, eng beiei-
nander liegender paralleler Rillen im gleichen Abstand d. Damit eine Reflexion eintreten
kann, ist es mit Aluminium beschichtet. Auf der Aluminiumoberfläche befindet sich eine
dünne Schutzschicht aus Quarz (SiO2), die die Metalloberfläche vor Trübung (Oxidation)
schützt und damit eine Verringerung der Reflexionseigenschaften verhindert. Wenn Licht
vom Gitter reflektiert wird, verhält sich jede Rille wie eine Strahlungsquelle. Wenn sich
nahe beieinander befindliche Strahlen in Phase befinden, tritt Verstärkung ein. Sind sie
nicht in Phase, löschen sie sich teilweise oder vollständig aus (Abbildung 19.8).
Betrachten wir die in Abbildung 19.7 dargestellten einfallenden und austretenden
Lichtstrahlen. Vollständig verstärkende Interferenz findet nur statt, wenn die Differenz
der Weglängen der beiden Strahlen gleich einem ganzzahligen Vielfachen der Wellen-
länge des Lichts ist. Die Differenz der Weglängen entspricht dem Abstand a–b in Abbil-
dung 19.7. Konstruktive (verstärkende) Interferenz tritt auf bei
nλ = a – b (19.1)
mit der Beugungsordnung n = ±1, ±2, ±3, ±4, ... Das Interferenzmaximum mit n = ±1 wird
als Beugung erster Ordnung bezeichnet. Ist n = 2, liegt Beugung zweiter Ordnung vor, usw.
In Abbildung 19.7 ist der Einfallswinkel θ positiv. Der Beugungswinkel φ geht in die
entgegengesetzte Richtung und ist damit negativ. φ kann auf der gleichen Seite der Facet-
ten-Normale liegen wie θ, in diesem Fall wäre φ positiv. In Abbildung 19.7 ist a = d sin θ
19.2 · Monochromatoren 509

Wellen in Phase Wellen teilweise außer Phase Wellen vollständig außer Phase

konstruktive destruktive
Interferenz Interferenz

Abb. 19.8 Interferenz von zwei Wellen-


zügen mit a) 0°, b) 90° und c) 180° Pha-
a resultierende Welle b resultierende Welle c Resultat senverschiebung.

und b = –d sin φ (da φ negativ und sin φ negativ sind). Durch Einsetzen in Gleichung 19.1
erhält man die Bedingung für konstruktive Interferenz:
Gittergleichung: nλ = d(sinθ + sinφ) (19.2)
wobei d der Abstand der benachbarten Rillen ist. Für jeden Einfallswinkel θ existiert eine
Serie von Reflexionswinkeln φ, bei denen eine bestimmte Wellenlänge maximale konst-
ruktive Interferenz, also eine Verstärkung der Amplituden, erzeugt (Farbtafel 20).

Auflösung, Dispersion und Effizienz eines Gitters


Die Auflösung charakterisiert die Fähigkeit eines Systems zur Trennung zweier dicht bei-
einander liegender Peaks. Je größer die Auflösung ist, umso geringer ist die Differenz (Δλ)
zwischen zwei Wellenlängen, die voneinander unterschieden werden können. Die genaue
Definition sagt aus, dass das Tal zwischen zwei Peaks etwa drei Viertel der Peakhöhe be-
sitzt, wenn die Peaks gerade getrennt sind. Die Auflösung eines Gitters ist gegeben als

Auflösung eines Gitters: = nN (19.3)
Δ
Hierbei ist λ die Wellenlänge, n die Beugungsordnung aus Gleichung 19.1 und N die An-
zahl Rillen des Gitters, die angestrahlt werden. Je größer Anzahl der Rillen des Gitters ist,
desto besser ist die Auflösung benachbarter Wellenlängen. Wenn wir Linien, die bei einer
Wellenlänge von 500 nm nur 0.05 nm entfernt sind, auflösen müssen, beträgt die erfor-
derliche Auflösung λ/Δλ = 500 nm/0.05 nm = 104. Aus Gleichung 19.3 geht hervor, dass
für die Auflösung von 104 in erster Ordnung im Gitter 104 Rillen vorhanden sein müssen.
Wenn im Gitter 10 cm mit Rillen belegt sind, werden dafür 103 Rillen/cm benötigt.
Die Dispersion charakterisiert die Fähigkeit, Wellenlängen, die sich durch Δλ un- Auflösung: Fähigkeit, zwischen zwei
terscheiden, winkelabhängig (Δφ) aufzutrennen. Die Angabe des Winkels erfolgt hier in nebeneinanderliegenden Banden oder
Radiant. Für das in Abbildung 19.7 dargestellte Gitter beträgt die Dispersion Peaks zu unterscheiden
Δ n Dispersion: Fähigkeit, eine Winkelauf- 19
Gitterdispersion: = (19.4) trennung benachbarter Wellenlängen
Δ d cos 
zu erreichen
mit der Beugungsordnung n. Dispersion und Auflösung erhöhen sich beide mit sinken-
dem Rillenabstand. Gleichung 19.4 besagt, dass ein Gitter mit 103 Rillen/cm eine Auflö-
sung von 0.102 rad (oder 5.8°) je Mikrometer Wellenlänge besitzt, wenn n = 1 und φ = 10°
sind. Um 1 μm differierende Wellenlängen werden um einen Winkel von 5.8° getrennt.
510 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Mit 1 Radiant (Einheit: rad) wird die Um eine schmalere Wellenlängenbande vom Monochromator zu erhalten, wird die
Größe eines ebenen Winkels angege- Breite des Austrittsspalts in Abbildung 19.6 verringert. Damit nimmt auch die am De-
ben. Dabei umfasst der Vollwinkel 2π tektor ankommende Energie ab. Dadurch wird die Auflösung eng benachbarter Absorp-
Radiant: 1 Vollwinkel = 2 π rad oder tionsbanden auf Kosten eines verringerten Signal-Rausch-Verhältnisses erreicht. Für eine
360; daher gilt: quantitative Analyse ist eine Monochromatorbandbreite sinnvoll, die ≤1/5 der Breite der
Absorptionsbande beträgt.
360° = 2 π rad.
Die relative Effizienz eines Gitters liegt gewöhnlich zwischen 45 und 80 % und wird
Somit sind folgendermaßen definiert

1° = rad = E n (Gitter )
360 relative Effizienz = (19.5)
π E  (Spiegel )
rad ≈ 0,017453293rad
180
wobei En(Gitter) die Strahlungsleistung bei einer bestimmten Wellenlänge, die in der
Der Faktor für die Umrechnung von bestimmten Ordnung (n) gebeugt wurde, und Eλ (Spiegel) die Strahlungsleistung bei der
Radiant auf Grad ist also gleichen Wellenlänge ist, die von einem Spiegel mit der gleichen Beschichtung wie der
180 des Gitters reflektiert würde. Die Effizienz wird teilweise vom Blaze-Winkel bestimmt,
(= 1 rad = 1) in dem die Rillen in Abbildung 19.7 geschnitten werden. Die Reflexion von einer ebenen
π
Oberfläche ist maximal, wenn der Einfallswinkel (α) gleich dem Reflektionswinkel (β) ist.
Kompromiss zwischen Auflösung und Diese Winkel werden in Bezug auf die Facetten-Normale in Abbildung 19.7 gemessen.
Signal: Je schmaler der Austrittsspalt, Zur Optimierung der Beugung für eine bestimmte Wellenlänge wird der Blaze-Winkel so
umso größer wird die Auflösung und gewählt, dass die beiden Bedingungen nλ = d(sinθ + sinφ) und α = β erfüllt sind. Da jedes
umso verrauschter das Signal. Gitter nur für einen begrenzten Wellenlängenbereich optimiert ist (Abbildung 19.9), kann
ein Spektralphotometer für einen Durchlauf über den gesamten Spektralbereich mehrere
Spiegelreflexion: Bei einer ebenen unterschiedliche Gitter haben.
reflektierenden Fläche sind Einfalls-
und Reflexionswinkel gleich groß (α
und β in Abbildung 19.7) Wahl der Bandbreite des Monochromators
Je breiter der Eingangsspalt in Abbildung 19.6 ist, desto breiter ist die vom Monochro-
mator ausgewählte Bande. Gewöhnlich gibt man die Spaltbreite durch die vom Spalt ge-
trennte Bandbreite der Strahlung an. Statt zu sagen, der Spalt hat eine Breite von 0.3 mm,
sagt man, die Bandbreite, die durch den Spalt geht, beträgt 1.0 nm.
Die Bandbreite des Monochromators Ein breiter Spalt erhöht die Energie, die auf den Detektor trifft und ergibt ein hohes
sollte so groß wie möglich sein, jedoch Signal-Rausch-Verhältnis, was zu einer guten Präzision der Extinktionsmessung führt.
klein gegenüber der zu messenden Jedoch zeigt Abbildung 19.10, dass bei einer großen Bandbreite des Monochromators
Bande. relativ zur gemessenen Peakbreite eine Verzerrung der Banden eintritt. Wir wählen die
Bandbreite so aus, dass das Spektrum mit viel Licht am Detektor möglichst unverzerrt
abgebildet wird. Eine Bandbreite des Monochromators, die 1/5 der Breite der Absorpti-
onsbande beträgt, gibt eine akzeptabel geringe Verzerrung der Bandenform.10

Streulicht
In jedem Instrument kommt etwas Streulicht (Wellenlängen außerhalb der am Mono-
chromator eingestellten Bandbreite) zum Detektor. Streulicht, das von der Lichtquelle
durch den Monochromator zum Detektor gelangt, entsteht durch Beugung in uner-

Blaze-Winkel Blaze-Winkel
100 optimiert für: optimiert für:
300 nm 500 nm
80 Blaze-Winkel
Blaze-Winkel
optimiert für:
Effizienz (%)

60 optimiert für:
1 000 nm 2 000 nm
40
Abb. 19.9 Effizienz von Beugungsgittern
mit 3 000 Rillen/cm und für verschiedene 20
Wellenlängen optimierte Blaze-Winkel.
0
[Mit Dank an Princeton Instruments, 200 400 600 800 1 000 1 200 1 400 1 600 1 800 2 000 2 200 2 400
Trenton, NL.] Wellenlänge (nm)
19.2 · Monochromatoren 511

λ max (geeignete
Wellenlänge)

λ ≠ λmax (ungeeignete
Monochromator- Wellenlänge)
Bandbreite

2.0 nm

1.0 nm
4

0.5 nm
Extinktion

0.3 nm
2

Abb. 19.10 Die Zunahme der Monochro-


0.1 nm matorbandbreite verbreitert die Banden
und erniedrigt die gemessene Extinktion
1
von Pr3+ in einem Yttrium-Aluminium-
Granat (YAG)-Kristall (Laser-Material).
606 608 610 612 614 [Dank an M. D. Seltzer, Michelson Labora-
Wellenlänge (nm) tory, China Lage, CA.]

wünschten Ordnungen und Winkeln sowie unbeabsichtigte Streuung durch optische Bau- In hochwertige Spektrometern sind
teile und Gerätewände. Die Quelle des Streulichtes kann auch außerhalb des Instrumentes zwei Monochromatoren hintereinan-
liegen, wenn die Probenkammer nicht vollständig geschlossen ist oder Öffnungen für der angeordnet (Doppelmonochro-
Schläuche oder Drähte nicht vollständig abgedichtet sind. Abbildung 19.11 zeigt, dass der mator genannt), um das Streulicht zu
Fehler durch Streulicht in der quantitativen Analyse bei hoher Extinktion besonders groß verringern. Unerwünschte Strahlung,
ist, da das Streulicht einen großen Anteil an dem zum Detektor gelangenden Licht hat. die durch ersten Monochromator geht,
Das Streulicht wird als % von P0, der Strahlungsleistung, die bei Abwesenheit der Probe wird vom zweiten Monochromator
am Detektor ankommt, ausgedrückt. entfernt.

> Beispiel
Streulicht
Welche Extinktion wird gemessen, wenn die wahre Extinktion einer Probe 2.00 beträgt und
1 % Streulicht vorhanden ist?

Lösung Bei einer tatsächlichen Extinktion von 2.00 ist die Transmission T = 10–A = 10–2.00
Streulicht = 1 % 0.1 %
= 0.010 = 1 %. Die Transmission ist die Strahlungsleistung P, die durch die Probe geht, di- 1.0
vidiert durch die Strahlungsleistung P0, die durch die Referenzlösung geht: T = P/P0. Wenn 0.01 %
Absorbance error

0.1
Streulicht mit der Strahlungsleistung S sowohl durch die Probe wie Referenzlösung geht,
ergibt sich für die scheinbare Transmission 0.01
P +S
Scheinbare Transmission = (19.6)
P0 +S 0.001

Wenn bei P/P0 = 0.010 zusätzlich 1 % Streulicht vorhanden ist, ist S = 0.010 und die schein-
0.0001
bare Transmission der Probe beträgt 0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0

P + S 0.010 + 0.010
True absorbance
19
Scheinbare Transmission = = = 0.019 8. Abb. 19.11 Extinktionsfehler durch
P0 + S 1+ 0.010
unterschiedliche Streulichtanteile. Das
Die gemessene Extinktion ist dann –logT = –log(0.0198) = 1.70 (statt 2.00). Streulicht wird als prozentualer Anteil
der auf die Probe treffenden Strahlungs-
Selbstüberprüfung Welchen Anteil hat das Streulicht, wenn ein Extinktionsfehler von leistung angegeben. [M. R. Sharp, „Stray
0.01 bei einer Extinktion von 2 auftritt? Das heißt, welcher Wert von S gibt eine scheinbare Light in UV-VIS Spectrophotometers“,
Extinktion von 1.99? (Lösung: S = 0.000 2354 = 0.024 %) Anal. Chem. 1984, 53, 339A.]
512 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Tabelle 19.1 Kalibrationsstandard für Extinktionsmessungen im ultravioletten Bereich

Wellenlänge (nm) Extinktion von K2Cr2O7 (60.06 mg/L) in 5.0 mM H2SO4 in einer 1-cm-Küvette

235 0.748 ± 0.010

257 0.865 ± 0.010

313 0.292 ± 0.010

350 0.640 ± 0.010

Quelle: S. Ebel, „Validation of Analysis Methods”, Fresenius J. Anal. Chem.1992, 342, 769.

In hochwertigen Forschungsgeräten beträgt der Streulichtanteil 0.01% bis 0.000 1% oder


noch weniger.
In Tabelle 19.1 stehen die Extinktionen einer Lösung, die man herstellen kann, um
die Richtigkeit der Extinktionsmessungen eines Spektralphotometers zu überprüfen. Die
Richtigkeit der Extinktion wird von allen Bauteilen des Photometers beeinflusst, genauso
wie das Streulicht. Standards für die Untersuchung bei zwei Wellenlängen sind eine Lö-
sung von Holmiumoxid11 für die Absorption und eine Quecksilber-Argon-Entladungs-
lampe für die Emission.12

Filter
Häufig erweist es sich als notwendig, Bereiche der Strahlung aus einem Signal herauszu-
filtern. So leitet z. B. der Gittermonochromator aus Abbildung 19.6 die Beugung erster
Ordnung eines schmalen Wellenlängenbereiches auf den Austrittsspalt. (Unter „erster
Ordnung“ ist Beugung unter der Bedingung n = 1 in Gleichung 19.2 gemeint.) λ1 sei die
Wellenlänge, deren Beugung erster Ordnung den Austrittsspalt erreicht. Bei näherer Be-
trachtung der Gleichung 19.2 zeigt sich, dass für n = 2 die Wellenlänge ½λ1 ebenfalls den
gleichen Austrittsspalt erreicht (da die Wellenlänge ½λ1 ebenfalls konstruktive Interferenz
bei dem gleichen Winkel wie λ1 ergibt). Bei n = 3 erreicht die Wellenlänge 1/3λ1 ebenfalls
den Austrittsspalt. Eine Möglichkeit, nur λ1 auszuwählen, ist die Positionierung eines Fil-
ters in den Strahl, so dass die Wellenlängen ½λ1 und 1/3λ1 blockiert werden. Um auf diese
Weise einen breiten Wellenlängenbereich nutzbar zu machen, wird eine Reihe verschiede-
ner Filter verwendet, die je nach dem Wellenlängenbereich gewechselt werden.
Der einfachste Filter ist farbiges Glas, das einen breiten Bereich des Spektrums absor-
biert und andere Bereiche durchlässt. Für präzisere Anwendungen wurden spezielle Inter-
ferenzfilter und holographische Filter konstruiert, die Strahlung in gewünschten Bereichen
hindurch lassen, aber andere Wellenlängen reflektieren (Abbildung 19.12). Bei diesen
Bauteilen wird der gewünschte Effekt durch konstruktive oder destruktive Interferenz des
Lichtes innerhalb des Filters erzielt. Einige holographische Kerbfilter (engl. notch filter)
haben eine derartig scharfe Begrenzung, dass es möglich ist, die Rayleigh-Linie in der
Raman-Spektroskopie (Exkurs 17.3) um den Faktor 106 abzuschwächen und Signale, die
100 cm–1 davon entfernt sind, zu beobachten.

19.3 Detektoren

Ein Detektor erzeugt ein elektrisches Signal, wenn er von Photonen getroffen wird. So
emittiert z. B. eine Photozelle Elektronen aus einer lichtempfindlichen, negativ geladenen
Oberfläche (der Kathode), wenn sie von sichtbarem Licht oder ultravioletter Strahlung
getroffen wird. Die Elektronen fließen durch ein Vakuum zu einem positiv geladenen
Das Detektorsignal ist eine Funktion Kollektor, dessen Strom dann proportional zur Strahlungsintensität ist.
der Wellenlänge des einfallenden Abbildung 19.13 zeigt, dass das Detektorsignal von der Wellenlänge der einfallenden
Lichtes. Photonen abhängt. So erzeugt der Photomultiplier S-20 bei gleicher Strahlungsleistung
19.3 · Detektoren 513

Wellenlänge (μm) Wellenlänge (μm)


3.0 4.0 5.0 6.0 4.0 5.0
100 100
90 90
80 80
Transmisssion (%)

Transmisssion (%)
70 70
60 60
50 50
40 40
30 30
20 20
10 10

4 000 3 500 3 000 2 500 2 000 1 800 1 600 3 000 2 500 2 000
a Wellenzahl (cm–1) b Wellenzahl (cm–1)

100

90

80
Abb. 19.12 Transmission von Filtern.
70 a) Dielektrisches Breitband-Interferenz-
Transmission (%)

filter mit ca. 90 % Transmission im Wel-


60
lenlängenbereich von 3–5 μm, jedoch
Holographischer
50 Filter <0.01% außerhalb dieses Bereichs.
b) Dielektrisches Schmalband-Interfe-
40
renzfilter mit einer Transmissionsbreite
30 von 0.1 μm zentriert auf 4 μm. [Dank an
Dielektrischer Barr Associates, Westford, MA] c) Hologra-
20 Filter
phisches Interferenzfilter, das eine stär-
kere Schwächung und engere Bandbreite
10
gewährleistet als dielektrische Filter.
0 [H. Owen, „The Impact of Volume Phase
450 460 470 480 490 500 510 520 530 540 550 560 570 580 590 600
Holographic Filters and Gratings on the
Wellenlänge (nm) Development of Raman Instrumentation“,
c J. Chem. Ed. 2007, 84, 61.]

Abb. 19.13 Spektrales Ansprechen


1 verschiedener Detektoren. Je größer die
GaN Empfindlichkeit ist, desto größer ist der
Strom oder die Spannung, die vom De-
Relative Empfindlichkeit

0.75 tektor bei einer gegebenen einfallenden


Indium- Strahlungsleistung der Photonen (Watt
S1 Gallium-
pro m2) geliefert wird. Jede Kurve wurde
0.50 Photomultiplier Arsenid
Silicium auf einem Maximalwert von 1 normiert.
Bei InxGa1-xAs kann das Signal durch
Blau- Veränderung der Zusammensetzung zu
0.25 S20 verstärktes
Photomultiplier Silicium längeren oder kürzeren Wellenlängen
verschoben werden. [Mit freundlicher
0 Genehmigung von Barr Associates, West-
200 300 400 500 600 700 800 900 1 000 1 200 1 400 1 600 ford, MA. Die GaN-Daten stammen von
Wellenlänge (nm) APA Optics, Blaine, MN, USA.]

(W/m2) für Licht mit 420 nm den vierfachen Strom im Vergleich zu Licht mit 300 nm. 19
Das Signal unterhalb von 280 nm und oberhalb von 800 nm ist nahezu Null. In einem
Einstrahl-Spektralphotometer muss deshalb der Wert für 100 % Durchlässigkeit bei
jedem Wechsel der Wellenlänge korrigiert werden. Diese Kalibration fixiert das Spektral-
photometer auf ein maximales Ausgangssignal des Detektors für jede Wellenlänge. Die
nachfolgenden Messwerte werden dann zu diesen Maximalwerten (=100 %) ins Verhält-
nis gesetzt.
514 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Photomultiplier
Eine Photomultiplier-Röhre (Abbildung 19.14) ist ein sehr empfindliches Bauelement,
bei dem aus einer lichtempfindlichen Oberfläche Elektronen emittiert werden. Sie treffen
auf eine zweite, als Dynode bezeichnete Oberfläche, die in Bezug auf den lichtempfind-
lichen Emitter positiv geladen ist. Die Elektronen werden beschleunigt und treffen mit
einer höheren als ihrer ursprünglichen kinetischen Energie auf die Dynode. Diese ener-
giereichen Elektronen verursachen die Emission von mehr Elektronen aus der Dynode als
ursprünglich auf ihr aufgetroffen sind. Diese neuen Elektronen werden auf eine weitere
Dynode hin beschleunigt, die positiver als die erste Dynode ist. Beim Auftreffen auf der
zweiten Dynode werden wiederum mehr Elektronen herausgeschlagen und in Richtung
einer dritten Dynode beschleunigt. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt, so dass
letztendlich mehr als 106 Elektronen für jedes auf die erste Oberfläche treffende Photon
registriert werden. Auf diese Weise lassen sich extrem niedrige Lichtintensitäten in mess-

Exkurs 19.2

Der wichtigste Photorezeptor Im Dunklen gibt es einen kontinuierlichen Fluss von 109
Die Netzhaut (Retina) an der hinteren Innenseite des menschlichen Na+-Ionen pro Sekunde aus dem Inneren der Stäbchenzellen
Auges enthält lichtempfindliche Zellen, die Stäbchen und Zapfen durch das angrenzende Medium in des äußere Segment der
(engl. rods und cones), deren Empfindlichkeit für Licht sieben Grö- Zelle. Ein energieabhängiger Prozess, der Adenosintriphosphat
ßenordnungen überstreicht. Licht, das auf diese Zellen trifft, wird und Sauerstoff verwendet, pumpt Na+ aus der Zelle. In einem
in Nervenimpulse umgesetzt, die vom optischen Nerv zum Gehirn anderen Prozess hält das zyclische Guanosinmonophosphat
geleitet werden. Die Stäbchenzellen können extrem schwaches (zyklisches GMP) die Eingänge des äußeren Segments offen
Licht erkennen, aber keine Farben unterscheiden. Die Zapfen ar- für Ionen, die zurück in die Zelle fließen. Wenn Licht absorbiert
beiten im hellen Licht und sind zuständig für das Farbsehen. und Rhodopsin gebleicht wird, führt eine Reihe von Reakti-
Ein Stapel von etwa 1 000 Membranscheiben, den sogenann- onen zur Zerstörung des zyklischen GMP und zum Schließen
ten Disks, enthält das lichtempfindliche Protein Rhodopsin13, in der Na+-Kanäle. Ein einziges Photon verringert den Ionenstrom
dem der Chromophor 11-cis-Retinal (aus Vitamin A) mit dem um 3 % – entsprechend einem verringerten Strom von 3 × 107
Protein Opsin verknüpft ist. Bei der Lichtabsorption wird in einer Ionen pro Sekunde. Diese Verstärkung ist größer als die einer
Reihe schneller Umwandlungen all-trans-Retinal freigesetzt. Bei Photomultiplier-Röhre, die einer der empfindlichsten künst-
dieser Konformationsänderung wird der Chromophor gebleicht lichen Photodetektoren ist. Der Ionenstrom geht auf seinen
(er verliert seine Farbe). Dadurch kann er solange nicht mehr auf Dunkelwert zurück, wenn sich das Protein und Retinal wieder
Licht ansprechen, bis Retinal wieder zurück in die 11-cis-Form verbinden und das zyklische GMP wieder in seiner anfäng-
isomerisiert und an das Protein gebunden wurde. lichen Konzentration vorliegt.

cis-Doppelbindung
Na+

Disks

Plasma- äußeres NH—Protein


membran +
Segment
Chromophor

Rhodopsin

Zytoplasma Licht

Opsin
Na+ +
inneres
Segment O
Kern

Synapse All-trans-Retinal

Stäbchenzelle gebleichte Produkte


19.3 · Detektoren 515

für jedes auf die Dynode 1 fallende Elektron


werden viele Elektronen emittiert

Photoelektronen
werden von der
Kathode emittiert
3

transparentes
Dynode 5 4 1 Fenster
2
6
einfallende
8 Strahlung (hn)

7 Eingangsgitter

9 Abb. 19.14 Schema eines Photomultipli-


Photo- ers mit neun Dynoden. An jeder Dynode,
kathode
die jeweils um ungefähr 90 Volt positiver
Anode, > 106 Elektronen aufgeladen ist als die vorhergehende
pro Photon Dynode, erfolgt eine Signalverstärkung.
a b [Photo von David J. Green, Alamy.]

bare elektrische Signale umwandeln. Aber so empfindlich ein Photomultiplier auch sein
mag, das menschliche Auge ist tatsächlich noch empfindlicher (Exkurs 19.2).
Alle Photodetektoren liefern auch bei Lichtabwesenheit ein kleines Signal. Dieser
Dunkelstrom kann auf der spontanen Emission von Elektronen aus der Kathode des
Photomultipliers oder auf der spontanen Bildung von Elektronen und Löchern in einem
Halbleiterbauteil beruhen. Zum Beispiel können Schwingungen der Atome genügend
energiereich sein, um ein Elektron aus der Kathode freizusetzen. Je höher die Temperatur
der Kathode ist, desto größer ist der Dunkelstrom.

Photodiodenarrays
Spektralphotometer mit einem Photomultiplier scannen das Spektrum langsam Wel-
lenlänge für Wellenlänge. Mit einem Photodiodenarray wird das gesamte Spektrum mit
einem Mal in Bruchteilen einer Sekunde aufgezeichnet. Ein Anwendungsbereich für
dieses schnelle Scannen ist die Chromatographie, bei der das vollständige Spektrum einer
Verbindung aufgezeichnet wird, wenn diese aus der Trennsäule heraus an den Detektor
geführt wird.
Das in Abbildung 19.15 gezeigte Photodiodenarray (oder das später behandelte CCD- Für eine Auffrischung zum Thema
Element) ist das Herzstück der schnellen Spektroskopie. Reihen von p-Silicium auf einem Halbleiter siehe Abschnitt 14.8.
Substrat (Unterlage) von n-Silicium erzeugen eine Serie von p-n-Sperrschichtdioden. Jede
Diode ist in Sperrrichtung gepolt, wodurch Elektronen und Löcher aus der Sperrschicht
entfernt werden. Das erzeugt eine Verarmungsregion an jeder Sperrschicht, in der nur
sehr wenige Elektronen und Löcher vorhanden sind. Diese Sperrschicht arbeitet wie ein
Kondensator, dessen Ladung auf beiden Seiten der Sperrschicht gespeichert ist. Zu Beginn
des Messzyklus ist jede Diode voll aufgeladen.

Licht

SiO2 Schutzschicht
p-Silicium
Abb. 19.15 a) Schematischer Querschnitt
19
eines Photodiodenarrays. b) Photo eines
Verarmungs-
region Arrays aus 1 024 Elementen, jedes 25 μm
breit und 2.5 mm hoch. Das schwarze
25 m Hoch Rechteck in der Mitte ist die lichtempfind-
n-Silicium dotiertes liche Fläche. Der gesamte Chip ist 5 cm
n-Silicium lang. [Mit freundlicher Genehmigung von
a b
Oriel Corporation, Stratford, CT, USA]
516 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Photodiodenarray-
Detektor

Spalt
elliptischer
Spiegel Spiegel
Probe

Abb. 19.16 Schema eines Photodioden- Licht- Gitter-Polychromator


array-Spektralphotometers. quelle

Wenn Strahlung den Halbleiter trifft, werden freie Elektronen und Löcher erzeugt,
die sich in den Bereich entgegengesetzter Ladung bewegen. Damit wird der Kondensator
teilweise entladen. Je mehr Strahlung jede Diode trifft, desto weniger Ladung verbleibt bis
zum Ende der Messung im Kondensator. Je länger das Array zwischen den Messungen
der Strahlung ausgesetzt wird, desto stärker wird der Kondensator entladen. Der Zustand
jedes Kondensators wird am Ende des Zyklus bestimmt, indem der Strom gemessen wird,
der notwendig ist, um den Kondensator wieder aufzuladen.
Ein Photodiodenarray-Spektralphoto- Bei einem dispersiv arbeitenden Spektrometer (Abbildung 19.1) erreicht zu jedem
meter misst alle Wellenlängen gleich- Zeitpunkt nur eine enge Bande von Wellenlängen den Detektor. In einem Photodio-
zeitig. Es ermöglicht eine schnellere denarray-Spektralphotometer (Abbildung 19.16) werden alle Wellenlängen gleichzeitig
Aufnahme und hat ein besseres Signal- registriert, wodurch eine schnellere Erfassung des Spektrums oder ein höheres Signal-
Rausch-Verhältnis. Rausch-Verhältnis oder eine Kombination von beiden möglich werden. In einem Spek-
tralphotometer mit Diodenarray wird weißes Licht (mit allen Wellenlängen) durch die
Probe geschickt. Das Licht trifft danach auf den Polychromator, der es in die enthaltenen
Wellenlängen zerlegt und zum Diodenarray leitet. Auf jede Diode trifft dort ein anderer
Wellenlängenbereich und alle Wellenlängen werden gleichzeitig gemessen. Die Qualität
der spektralen Auflösung hängt davon ab, wie eng nebeneinander die Dioden sitzen und
wie gut die Lichtzerlegung durch den Polychromator war.
Photodiodenarrays erlauben eine schnellere Aufnahme der Spektren (<1s) als disper-
sive Geräte (die mehrere Minuten benötigen). Photodiodenarray-Geräte haben fast keine
beweglichen Teile, so dass sie robuster als dispersive Geräte sind, bei denen das Gitter
gedreht und Filter gewechselt werden müssen, um das Spektrum zu scannen. Eine Auf-
lösung von ~0.1 nm ist bei dispersiven Geräten erreichbar und die Richtigkeit der Wel-
lenlänge ist besser als bei einem Photodiodenarray (Auflösung ~0.5–1.5 nm). Bei einem
dispersiven Gerät ist das Streulicht geringer als bei einem Instrument mit Photodiode-
narray, wodurch das dispersive Gerät einen größeren dynamischen Bereich zur Messung
hoher Extinktionen hat. In einem Gerät mit Photodiodenarray nimmt das Streulicht bei
geöffnetem Probenraum nicht wesentlich zu. Bei einem dispersiven Spektralphotometer
muss er dicht geschlossen sein.

Charge Coupled Device (CCD)14


In Digitalkameras werden CCD-Bau- Ein Charge Coupled Device (CCD, Ladungsgekoppelte Einheit) ist ein äußerst empfindli-
teile zur Bildaufzeichnung verwendet. cher Detektor, der die durch Photonen erzeugte Ladung in einem zweidimensionalen Array
speichert. Das Bauelement in Abbildung 19.17a wurde aus p-dotiertem Silicium auf einem
n-dotierten Substrat hergestellt. Diese Diodenstruktur wird mit einer isolierenden Schicht
aus SiO2 versiegelt, auf deren Oberfläche eine Struktur leitfähiger Si-Elektroden aufgebracht
wird. Wenn Licht in der p-dotierten Region absorbiert wird, tritt ein Elektron in das Lei-
tungsband über und ein Loch verbleibt im Valenzband. Das Elektron wird durch die Region
unterhalb der positiven Elektrode angezogen, wo es gespeichert wird. Das Loch wandert
zum n-dotierten Substrat, wo es mit einem Elektron rekombiniert. Jede Elektrode kann ~105
Elektronen speichern, bevor Elektronen in die benachbarten Elemente überfließen.
Das CCD ist ein zweidimensionales Array (siehe Abbildung 19.17b). Nach der ge-
wählten Beobachtungszeit werden die in jedem Pixel (Bildelement) der obersten Reihe
19.3 · Detektoren 517

+ 10 Volt serielle W. S. Boyle und G. E. Smith aus den


Licht Verschiebungsrichtung
SiO2
Verstärker
amerikanischen Bell Laboratories
Isolator Si-Elektrode
serielles Register Multiplikationsstufe
erhielten 2009 gemeinsam den No-
belpreis für die Erfindung des CCD-
Sensors im Jahre 1969.
– – –

gespeicherte Bild-
Elektronen – + über-
576
unter der tragungs-
Zeilen
positiven durch richtung
Elektrode Photon
erzeugtes
Elektron-
p-dotiertes Si
Loch-Paar

n-dotiertes Si-Substrat

384 Spalten
a b

Multiplikation
× 500

Multiplikation
× 100
Abb. 19.17 Schematische Darstellung
eines CCD. a) Der Querschnitt zeigt
Multiplikation die Entstehung der Ladung und ihre
× 50
Speicherung im einzelnen Pixel. b) Die
× 10 Draufsicht zeigt den zweidimensionalen
Aufbau des Arrays. Ein Array hat die
Größe einer Briefmarke. c) Wirkung der
×5
Verstärkerstufe auf das Signal-Rausch-
Verhältnis bei einem schwachen Signal,
das ohne Verstärkung nicht zu erkennen
×1
ist. [C. G. Coates, „A Sensitive Detector of
Ultralow-Light Imaging“, Am. Lab. August
0 50 100 150 200 250 2004, Seite 13. Mit freundlicher Geneh-
Pixelnummer migung von C. G. Coates, Andor Techno-
c logy, Belfast, UK.]

gespeicherten Elektronen in das Serienregister am oberen Ende bewegt. Danach werden Die Elektronen benachbarter Pixel
sie Pixel für Pixel in die obere rechte Position verschoben, in der die gespeicherte Ladung können zu einem gemeinsamen, grö-
ausgelesen wird. Danach wird die nächste Reihe nach oben bewegt und ausgelesen und ßeren Bildelement zusammengefasst
diese Sequenz wird fortgesetzt, bis das vollständige Array abgearbeitet ist. Die Weiter- werden. Dieser als Binning bezeichnete
leitung der gespeicherten Ladungen wird mit einem Elektrodenarray durchgeführt, das Vorgang erhöht die Empfindlichkeit
komplizierter aufgebaut ist, als in Abbildung 19.17a dargestellt. Der Ladungstransfer von der CCD-Einheit auf Kosten der Auflö-
einem Pixel zum nächsten ist außerordentlich effizient; nur etwa fünf Elektronen von sung.
einer Million gehen dabei verloren.
Das kleinste detektierbare Signal für sichtbares Licht in Tabelle 19.2 sind 17 Photonen
je Sekunde. Diese Empfindlichkeit des CCD-Bauteils wird durch die hohe Quantenaus- 19
beute (erzeugte Elektronen pro auftreffendes Photon), das geringe elektrische Unter-
grundrauschen (durch thermisch erzeugte freie Elektronen) und das niedrige Rauschen
beim Auslesen erreicht.
Die empfindlichsten CCD-Bauteile haben eine „Multiplikationsstufe“, in der das
Signal zwischen dem seriellen Register und dem Ausgangsverstärker mit einem Fak-
tor von ~102 bis 103 multipliziert wird. Rauschen, das bei der Aufnahme der Signale
518 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Tabelle 19.2 Kleinstes detektierbares Signal (Photonen/Sekunde/Detektorelement für UV/VIS-


Detektoren

Aufnahmezeit für Photodiodenarray Photomultiplier CCD-Einheit


das Signal (s)
UV VIS UV VIS UV VIS

1 6 000 3 300 30 122 31 17

10 671 363 6.3 26 3.1 1.2

100 112 62 1.8 7.3 0.3 0.2

Quelle: R. B. Bilhorn, J. V. Sweedler, P. M. Epperson und M. B. Denton, „Charge Transfer Device Detectors for
Analytical Optical Spectroscopy“, Appl. Spec. 1987, 41, 1114.

auftritt, wird ebenfalls multipliziert, jedoch nicht das Rauschen beim Auslesen. Für
die schwächsten Signale, bei denen das Auslesen die größte Quelle des Rauschens ist,
erhöht die Multiplikation das Signal-Rausch-Verhältnis (Abbildung 19.17c). In Fällen,
bei denen das Rauschen bei der Signalaufnahme überwiegt, wird das Signal-Rausch-
Verhältnis durch Multiplikation nicht verbessert, jedoch wird der erforderliche Zeitauf-
wand verringert.

Infrarotdetektoren
Die Infrarotstrahlung befördert Elektro- Detektoren für sichtbare und ultraviolette Strahlung beruhen darauf, dass auftreffende
nen aus dem Valenzband des Siliciums Photonen entweder Elektronen aus einer lichtempfindlichen Oberfläche herausschlagen
in das Leitfähigkeitsband. Halbleiter, oder Elektronen aus dem Valenzband des Siliciums in das Leitfähigkeitsband anheben.
die als Infrarotdetektoren verwen- Photonen im infraroten Spektralbereich haben nicht genügend Energie, um ein solches
det werden, haben einen kleineren Signal zu erzeugen. Deshalb müssen andere Instrumente zur Infrarotdetektion verwendet
Bandabstand als Silicium. werden.
Ein Thermoelement besteht aus einer Verknüpfung von zwei unterschiedlichen elek-
trischen Leitern. Die Elektronen haben in dem einen Leiter eine geringere freie Enthalpie
Leitfähig- als in dem anderen, weshalb sie von dem einen Leiter zum anderen fließen, bis die ent-
keitsband stehende Spannungsdifferenz einen weiteren Fluss verhindert. Dieses Potential zwischen
Leitfähig- den beiden Leitern ist temperaturabhängig, da die Elektronen bei hohen Temperaturen zu
keitsband dem elektrischen Leiter mit der höheren Energie zurückfließen können. Wenn das Ther-
Band-
abstand moelement geschwärzt wird, so dass es Strahlung absorbiert, hängt die Temperatur (und
damit auch die Spannung) von der Strahlung ab. Eine typische Empfindlichkeit ist 6 V je
Valenz- Watt absorbierter Strahlung.
band Energie Ferroelektrisches Material, wie z. B. deuteriertes Triglycinsulfat, weist wegen der be-
Valenz- von
band
sonderen Ausrichtung der Moleküle im Kristall eine permanente elektrische Polarisation
Infrarot-
Photonen
auf. Die eine Seite des Kristalls ist positiv, die gegenüberliegende Seite negativ geladen.
Silicium Hg1 xCdxTe Die Polarisation ist temperaturabhängig und die Veränderung in Abhängigkeit von
der Temperatur wird als pyroelektrischer Effekt bezeichnet. Wenn der Kristall infrarote
Strahlung absorbiert, verändern sich Temperatur und Polarisation. Die dabei auftretende
In einem ferroelektrischen Material blei- Spannungsänderung wird als Signal in einem pyroelektrischen Detektor verwendet. Deu-
ben die Dipolmomente der Moleküle teriertes Triglycinsulfat ist ein üblicher Detektor bei Fourier-Transform-Spektrometern,
auch in Abwesenheit eines äußeren die später in diesem Kapitel behandelt werden.
Feldes ausgerichtet. Dadurch wird die Ein Photoleitfähigkeitsdetektor ist ein Halbleiter, dessen Leitfähigkeit ansteigt, wenn
permanente elektrische Polarisation die Infrarot-Strahlung Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband anhebt. Der
des Materials bewirkt. photovoltaische Detektor enthält pn-Übergänge, an denen ein elektrisches Feld exis-
tiert. Bei der Absorption von infraroter Strahlung entstehen an der Grenzschicht weitere
Elektronen-Loch-Paare, die an die gegenüberliegende Seiten des Übergangs wandern
und zu einer Spannungsänderung am Übergang führen. Quecksilber-Cadmium-Tellurid
(Hg1–xCdxTe, 0<x<1) ist ein Detektormaterial, dessen Empfindlichkeit für unterschied-
liche Wellenlängen vom stöchiometrischen Koeffizienten x abhängt. Die Photoleitfä-
higkeits- und photovoltaischen Detektoren können auf 77 K (Temperatur von flüssigem
19.3 · Detektoren 519

Stickstoff) gekühlt werden, um das thermisch bedingte elektrische Rauschen um mehr als
eine Größenordnung zu verringern.
Das Infrarotspektrometer, das von Charles David Keeling (Abschnitt 0.1) 1958 zur
Messung des atmosphärischen CO2 auf dem Mauna Loa in Hawai benutzt wurde, hatte
einen ganz einfachen Detektor, der sich von den hier beschriebenen stark unterscheidet.
Dieses Gerät, das in Exkurs 19.3 beschrieben wird, funktionierte 48 Jahre lang.

Kalibrierung des Detektorsignals für


Lumineszenzmessungen
Abbildung 19.13 hat gezeigt, dass jede Detektorsorte in den verschiedenen Spektral-
bereichen unterschiedlich anspricht. Für die gleiche Anzahl der bei unterschiedlichen
Wellenlängen ankommenden Photonen erzeugt jeder Detektor ein anderes Signal. Diese
Schwankungen im Ansprechverhalten sind bei Messungen der Transmission als Quotient
aus durchgelassener Strahlungsleistung (P) durch einfallende Strahlungsleistung (P0) un-
problematisch. Dieses Verhältnis hängt bei einer gegebenen Wellenlänge nicht davon ab,
wie empfindlich der Detektor bei dieser Wellenlänge ist. Das spektrale Ansprechverhalten
eines Detektors bereitet für quantitative Analysen, bei der die Lumineszenz bei einer ein-
zigen Wellenlänge verwendet wird, wie in Abbildung 17.23, keine Probleme.
Wenn man jedoch die wahre Form einer Emissionsbande bestimmen will, muss be-
kannt sein, wie der Detektor bei unterschiedlichen Wellenlängen anspricht. Abbildung
19.18 zeigt die Fluoreszenz einer Lösung, die mit zwei verschiedenen Fluorometern ge-
messen wurde. Die vom Instrument A gemessene Bande liegt bei kürzeren Wellenlängen
als die gleiche Fluoreszenz bei Instrument B. Der Detektor im Instrument B ist bei länge-
ren Wellenlängen empfindlicher als der Detektor im Instrument A.
Um die tatsächliche Form eines Emissionsspektrums zu ermitteln, muss das relative
Ansprechverhalten des Detektors bei jeder Wellenlänge bestimmt werden. Die Kalibrie-
rung kann mit zertifizierten Lumineszenzstandards erfolgen, deren Emission mit kalib-
rierten Detektoren bestimmt wurde.16 Man vergleicht die mit dem eigenen Instrument
bestimmte scheinbare Fluoreszenz mit der bekannten Fluoreszenz und erhält für jede
Wellenlänge einen Kalibrationsfaktor. Wenn im gemessenen Spektrum das Signal bei je-
der Wellenlänge mit diesem Faktor multipliziert wird, erhält man die tatsächliche Gestalt
des Spektrums. Die korrigierten Spektren in Abbildung 19.18 müssen koinzidieren (über-
einstimmen), denn sie gehören zur gleichen Lösung.

Detektor-
die korrigierten Spektren 1 empfindlichkeit
von Instrument A und B
Ansprechen

fallen zusammen
relatives

Instrument B

Instrument A
Instrument A 0
550 600 650 700 750
normierte Fluoreszenz

Wellenlänge (nm)

Instrument B Abb. 19.18 Die mit zwei verschiedenen


Spektrometern aufgenommenen unkorri-
gierten Fluoreszenzspektren der gleichen
19
Lösung sind unterschiedlich. Nach der
Korrektur des Ansprechverhaltens jedes
Detektors fallen die Spektren zusammen
[Von: U. Resch-Genger und P. Nording,
Sigma-Aldrich Certified Luminescence
550 600 650 700 750 Standards application note. Mit Dank an
Wellenlänge (nm) Sigma-Aldrich, St. Louis, MO, USA]
520 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Exkurs 19.3

Nichtdispersive IR-Messung von CO2 auf dem nen Luft über dem Pazifischen Ozean. Vier Luftansaugstellen
Mauna Loa befinden sich 7 Meter über dem Boden in einem Quadrat, das
Als Charles David Keeling 1956 vorschlug, auf dem Mauna Loa 175 m vom Gebäude entfernt ist. Die beiden Ansaugstellen, die
in Hawaii kontinuierlich das atmosphärische CO2 zu bestimmen, in der Windrichtung stehen, werden zur Überwachung verwen-
wählte er einen nichtdispersiven CO2-Analysator, der sich von det. Das Spektrometer misst 10 min die Luft der einen Ansaug-
heutigen Geräten stark unterscheidet.15 „Nichtdispersiv“ heißt, stelle, danach 10 min die der anderen und danach 10 min das
dass es keine Prismen oder Gitter zur Zerlegung der Strahlung Referenzgas.
in ihre Komponenten nach der Wellenlänge gibt. Ein Bandschreiber erfasst die durchschnittliche Differenz zwi-
Die Infrarotquelle ist ein durch Widerstandsheizung auf schen Luft und Referenzgas aus vier Luftmessungen pro Stunde.
~525 °C erhitzter Draht. Die Strahlung wird durch ein rotierendes Manchmal sind die Werte gleichmäßig, mitunter aber schwanken
Rad mit 20 Hz, dem Chopper, geteilt. In die Probenküvette wird sie, weil aus dem Vulkankrater auf dem Mauna Loa CO2 emittiert
trockene Luft aus der Umgebung der Messstation gepumpt. wird. Die Daten für unverfälschte Luft wurden dadurch gewon-
Die Bezugsküvette enthält trockene CO2-freie Luft. CO2 in der nen, dass alle Resultate verworfen wurden, wenn innerhalb einer
Probenküvette absorbiert einen Teil der Strahlung, das Gas in der Stunde die Schwankung des CO2-Gehalts größer als 0.5 ppm
Bezugsküvette jedoch nicht. Die Detektorzellen enthalten CO2 in war. Ein gültiger Messwert für einen bestimmten Tag erforderte,
Argon. Das Kohlendioxid im Detektor absorbiert infrarote Strah- dass in mindestens sechs aufeinanderfolgenden Stunden gleich
lung, so dass sich das Detektorgas mit einer Frequenz von 20 Hz bleibende Werte für die Durchschnittsbildung erhalten wurden.
abwechselnd erwärmt (ausdehnt) und abkühlt (zusammenzieht). Wenn die Werte zu stark schwankten, gab es für diesen Tag kei-
Erwärmung und Abkühlung führen zu einer Druckschwingung nen Messwert.
von 20 Hz, die mit einem Mikrophon in jedem Detektor wahr- Das Kernproblem für die Richtigkeit war das Referenzgas,
genommen werden. Der Rekorder zeigt den Unterschied in den das in Keelings Labor in Kalifornien durch Manometrie vermes-
Signalen der beiden Detektoren an. Je mehr CO2 in der Probe ist, sen wurde (Exkurs 3.2). Die experimentelle Unsicherheit für CO2
desto weniger Strahlung kommt zum Detektor und desto größer in Luft wurde mit ±0.2 ppm für Werte zwischen 300–400 ppm
ist der Unterschied zwischen den Signalen der beiden Küvetten. veranschlagt. Der in Abbildung 0.4 dargestellte jährliche CO2-
Das Observatorium auf dem Mauna Loa in Hawaii in einer Anstieg seit 1957 hat die Erkenntnis über unseren Anteil an der
Höhe von 3 400 m dient zur Messung der unbeeinflussten rei- Beeinflussung der Erdatmosphäre wachgerufen.

Luftausgang

H2O-Falle 193 K
Reflektor Saphir- Saphir-
Tantal-
fenster fenster Lufteingang
diaphragma-
0.5 L/min
Mikrofon

Probenküvette
Rück-
Band- Glühender
kopp-
schrei- Nichrom-
lungs-
ber Widerstands-
ver-
draht (Infrarot-
stärker
Bezugsküvette mit quelle)
trockener, CO2-freier Luft
Ausgabe:
Probesignal – Referenz-
signal
Detektorzelle mit Absorber für rotierender Chopper
CO2 in Luft CO2 und H2O zur Unterbrechung
der Strahlung mit 20 Hz

7 cm 40 cm

19.4 Optische Sensoren

Optische Sensoren, die auf der Verwendung von Lichtleitern beruhen, werden als Opto-
den bezeichnet.17 Unter diesen so genannten faseroptischen Sensoren gibt es einige, die als
chemische Sensoren fungieren. Um zu verstehen, wie eine Optode funktioniert, müssen
wir uns zunächst mit dem Phänomen der Lichtbrechung befassen.
19.4 · Optische Sensoren 521

Brechung
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in einem Medium mit dem Brechungsindex Brechungsindex bei 589,3 nm (Natrium-
n ist c/n, wobei c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist. Das bedeutet, für Vakuum gilt D-Linie):
n = 1. Der Brechungsindex einer Flüssigkeit wird meist für 20 °C und für die Wellenlänge Vakuum 1
der Natrium-D-Linie (λ = 589.3 nm) angegeben. Die Frequenz des Lichts, ν, innerhalb Luft (0°, 1 bar) 1.000 29
eines Mediums ist gleich der Frequenz im Vakuum. Die Wellenlänge des Lichts in einem Wasser 1.33
Medium nimmt gegenüber der im Vakuum wegen der Beziehung λν = c/n ab. Quarz 1.46
Wenn Licht reflektiert wird, ist der Reflexionswinkel gleich dem Einfallswinkel des Benzen 1.50
Lichts (Abbildung 19.19).Wenn Licht von einem Medium in ein anderes übergeht, wird es Brom 1.66
vom geraden Weg abgelenkt (Farbtafel 21). Diese Ablenkung wird als Brechung bezeich- Iod 3.34
net, und ihr Ausmaß wird durch das Gesetz von Snellius beschrieben:

Snelliussches Gesetz: n1 sinθ1 = n2 sinθ2 (19.7)

mit den Brechungsindizes der zwei Medien n1 und n2 und den in Abbildung 19.19 defi-
nierten Winkeln θ1 und θ2.
Einfall-
strahl reflektier-
> Beispiel ter Strahl
Brechung von Licht durch Wasser θ1 θ1
Sichtbares Licht tritt von Luft (Medium 1) in Wasser (Medium 2) in einem Winkel von 45° Brechungs-
index = n1
über (θ1 in Abbildung 19.19). Unter welchem Winkel, θ2, geht der Lichtstrahl durch das
Wasser?

Lösung Der Brechungsindex für Luft ist beinahe 1, der von Wasser ∼1,33. Mit dem Snellius-
schen Gesetz ergibt sich Brechungs-
θ2 index = n2
(1,00)(sin 45°) = (1,33)(sin θ2) ⇒ θ2 = 32°
gebrochener
Wie groß ist θ2, wenn der einfallende Strahl senkrecht zur Oberfläche einfällt (d. h. θ1 = 0°)? Strahl

(1,00)(sin 0°) = (1,33)(sinθ2) ⇒ θ2 = 0°


Abb. 19.19 Snelliussches Gesetz: n1 sinθ1
Ein senkrecht einfallender Strahl wird nicht gebrochen. = n2 sinθ2. Wenn Licht aus Luft in einen
anderen Stoff eintritt, ist der Winkel θ2
Selbstüberprüfung Sichtbares Licht trifft im Winkel von 45° auf eine Oberfläche von Ben- umso kleiner, je größer der Brechungs-
zol. Unter welchem Winkel durchquert der Lichtstrahl das Benzol? (Lösung: 28°) index dieses Stoffs ist.

Lichtleiter
Lichtleiter übertragen Licht durch innere Totalreflexion. Sie ersetzen elektrische Drähte für
die Übertragung, denn sie sind unempfindlich gegen elektrisches Rauschen, übertragen
die Daten mit höherer Geschwindigkeit und können mehr Signale verarbeiten. Sie kön-
nen optische Signale aus dem Inneren eines chemischen Reaktors nach außen zu einem
Spektralphotometer für die Prozessüberwachung bringen.
Die flexible optische Faser in Abbildung 19.20a besteht aus einem inneren Transport-
kern, der optisch durchlässig ist und einen hohen Brechungsindex ist. Er ist von einem
transparenten Mantel (Cladding) aus einem Material mit niedrigerem Brechungsindex
umhüllt. Der Mantel ist in einen schützenden Kunststoffüberzug eingebettet. Der Kern
und die Beschichtung können aus Glas oder Kunststoff hergestellt werden.
Das Funktionsprinzip wird in Abbildung 19.20b gezeigt. Wir betrachten einen Licht-
strahl, der die Wand des Innenkerns unter einem Eintrittswinkel θi trifft. Ein Teil des Licht, das aus einem Medium mit
Strahls wird innerhalb des Kerns reflektiert und ein Teil kann mit dem Brechungswinkel hohem Brechungsindex (n1) in ein 19
θr in den Mantel durchgelassen werden (Farbtafel 22). Wenn der Brechungsindex des Medium mit niedrigem Brechungs-
Innenkerns n1 und der des Mantels n2 ist, ergibt sich aus dem Snelliusschen Gesetz (Glei- index (n2) übertritt, wird dann total
chung 19.7): reflektiert, wenn der Winkel des
einfallenden Lichtes größer als der
n1 kritische Winkel ist, der durch sin θkrit
n1 sini = n2 sinr ⇒ sinr = sin i (19.8)
n2 = n2/n1 gegeben ist.
522 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Mantel (Cladding) (n2)

Umhüllung i
Kern
n1

Cladding
Eintritts- r
Kern kegel

a b

Abb. 19.20 a) Aufbau und b) Wirkungsweise eines Lichtleiters. Jeder Lichtstrahl, der im Eintrittskegel
auftrifft, wird an den Wänden des Lichtleiters total reflektiert.

Ist das Produkt (n1/n2) × sin θi größer als 1, wird kein Licht in den Mantel übertragen,
denn sin θr kann nicht größer als 1 werden. Man spricht in diesem Fall davon, dass θi den
kritischen Winkel für die innere Totalreflexion überschreitet. Wenn n1/n2 >1 ist, gibt es
einen Bereich von Winkeln θi, bei denen notwendigerweise alles Licht an den Wänden des
Innenkerns reflektiert wird und nur ein vernachlässigbarer Teil in den Mantel gelangt. Alle
Strahlen, die an einem Ende der Glasfaser innerhalb eines gewissen Eintrittskegels in den
Lichtleiter eintreten, verlassen diesen am anderen Ende fast verlustfrei.

Optoden
Man kann optische Sensoren für ganz bestimmte Analyte herstellen, bei denen am Ende
des Lichtleiters eine chemische Reagenzschicht immobilisiert (festgemacht) ist. Ein Sen-
sor, der auf Lichtleitern beruht, wird als Optode (oder Optrode) bezeichnet. Diese Be-
zeichnung wurde von den Wörtern „optisch“ und „Elektrode“ abgeleitet. Optoden wurden
entwickelt für die Bestimmung von gelöstem O2, des pH-Werts, zur Bestimmung von Li+
im Blut, NO in Zellen sowie Sulfiten in Nahrungsmitteln.18
Das Ende der O2-Optode in der Farbtafel 23 ist mit einem Ru(II)-Komplex in einer
Frage Wie viele Moleküle sind Polymerschicht bedeckt. Die Lumineszenz des Ru(II) wird durch O2 gequencht (ernied-
in 10 amol (Attomol)? (Antwort: rigt), wie in Abschnitt 18.6 besprochen. Die Optode wird in eine flüssige Probe von etwa
6 Millionen) 100 fL (100 × 10–15L) auf dem Objekttisch eines Mikroskops gegeben. Aus dem Grad der
Löschung kann die Konzentration an O2 ermittelt werden Die Nachweisgrenze beträgt 10
amol O2. Durch Einbau des Enzyms Glucoseoxidase (Reaktion 16.13) wird die Optode
zum Glucose-Sensor mit einer Nachweisgrenze von 1 fmol Glucose.19 Bei einer Optode
zur Bestimmung des biochemischen Sauerstoffbedarfs (BOD, siehe Exkurs 15.2) werden
in einer Membran immobilisierte Hefezellen zum Sauerstoffverzehr und die Ru(II)-Lumi-
neszenz zur Bestimmung von O2 verwendet.20

Faser-optische Spektralphotometer
Nun verstehen wir, warum den in der Fließinjektions- bzw. der Sequentiellen Injektions-
analyse verwendeten Spektralphotometern mit ihrer Faseroptik eine so große Bedeutung
zukommt. In Abbildung 18.10 wurde das Prinzip der Fließinjektion gezeigt, darunter eine
Durchflussküvette zur Messung der Extinktion. Die Probe fließt durch eine zylindrische
Zelle, die mit Licht einer Wolfram-Halogen-Lampe über eine Faseroptik bestrahlt wird.
Am anderen Ende der Durchflusszelle leitet ein Lichtleiter das durchgelassene Licht zum
Spektralphotometer. Abbildung 18.16 zeigt einen sequentiellen Analysator mit einer
Durchflusszelle. In Abbildung 18.12 wird ein faseroptisches Spektralphotometer zur Mes-
sung der Fluoreszenz verwendet.
Abbildung 19.21 zeigt den optischen Aufbau im Spektralphotometer USB 4000. Ein
Lichtleiter bringt das Licht zum Port 1 und den Eingangsspalt 2. Die Eingangsspaltbreite
19.4 · Optische Sensoren 523

Spiegel (6) Spiegel (4) Linse (7) Filter (9) CCD-Detektor (8)

Abb. 19.21 Optischer Aufbau im Ocean


Optics USB 4000 Lichtwellenleiter-Spekt-
ralphotometer, das in der Fließinjektions-
und Sequentiellen Injektionsanalyse
verwendet wird. Dieses Miniatur-Spekt-
ralphotometer passt gerade in eine Hand
Stecker (1) Eintrittsspalt (2) Gitter (5) und wiegt 190 g. [Dank an Ocean Optics,
und Filter (3) Dunedin, FL, USA.]

bestimmt, wie viele Rillen im Beugungsgitter beleuchtet werden und legt damit die Auf-
lösung des Monochromators fest (Gleichung 19.3). Filter 3 lässt nur einen begrenzten Be-
reich von Wellenlängen in das Spektralphotometer. Der Spiegel 4 sorgt für eine parallele
Ausrichtung des Lichtstrahls. Das Gitter 5 zerlegt das Licht in seine verschiedenen Wel-
lenlängen. Der Spiegel 6 fokussiert das gebeugte Licht auf die zylindrische Sammellinse 7,
welche das Licht dann auf den linearen 3 648-Pixel-CCD-Detektor 8 lenkt. Jedes Pixel, das
8 μm breit und 200 μm hoch ist, empfängt einen Wellenlängenbereich. Der Filter 9, der
zwischen der Linse 7 und dem Detektor 8 liegt, blockiert die gebeugte Strahlung 2. und 3.
Ordnung (n = 2 und n = 3).
Vor der Anschaffung eines Spektralphotometers kann der gewünschte Wellenlängen-
bereich für den Anwendungszweck gewählt werden. Der Hersteller installiert dann in der
Fabrik die entsprechenden Gitter und Filter. Mit dem Spektrometer können durch ver-
schiedene Gitter und Filter alle Teile des Spektralbereichs von 200 bis 1 000 nm untersucht
werden. Das sichtbare Streulicht beträgt ~ 0.05 bis 0.1 %. Das Gerät benötigt nur 4 ms
zur Aufnahme eines Spektrums. Zur Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses (Ab-
schnitt 19.6) können die gemessenen Signale bis zu 10 s integriert werden. Es gibt keine
beweglichen Teile in diesem robusten und relativ preiswerten Gerät.

Abgeschwächte Totalreflexion
Die Abbildung 19.20 hat die innere Totalreflexion von Licht gezeigt, das einen Lichtleiter
passiert. Das gleiche Verhalten wird bei einer flachen Schicht eines Stoffs beobachtet, des-
sen Brechungsindex, n1, größer ist als der Brechungsindex der Umgebung, n2. Eine ebene
Schicht, in der das Licht total reflektiert wird, nennt man Wellenleiter. Man kann einen
chemischen Sensor herstellen, bei dem eine chemisch sensitive Schicht auf den Wellenlei-
ter gebracht wird.21 19
Wenn in Abbildung 19.20 das Licht auf die Wand trifft, wird der Strahl total reflek- Evaneszent bedeutet „verschwinden“
tiert, wenn θi größer als der kritische Winkel ist (sin θkrit = n2/n1). Doch obwohl das Licht oder „vergänglich sein“. Licht „ent-
total reflektiert wird, dringt das elektrische Feld etwas in den Mantel ein. Abbildung 19.22 weicht“ vom Wellenleiter, jedoch es
zeigt, dass das Feld innerhalb des Mantels exponentiell „abstirbt“ (abnimmt). Der Teil des verschwindet innerhalb eines kurzen
Lichts, der die Wandung des Lichtleiters oder des Wellenleiters durchdringt, wird evanes- Bereichs.
zente Welle genannt.
524 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Total-
reflexion
an dieser
Grenzfläche
Wellenleiter Mantel

E0

elektrisches Feld
1
( e )E0

Abb. 19.22 Verhalten einer elektro-


dp
magnetischen Welle beim Auftreffen
auf eine Oberfläche, von der sie total
reflektiert wird. Das Feld dringt durch
die Reflexionsbarriere und stirbt expo- sinusförmige Oszillationen exponentieller Abfall
nentiell ab. des elektrischen Felds der evaneszenten Welle

Das elektrische Feld, E, der evaneszenten Welle in Abbildung 19.22 fällt nach Gleichung
19.9 ab:

E − x /d  / n1
=e p
(dp = ) (19.9)
E0 2 (sin2i − (n2 / n1)
2

wobei E0 der Feldstärke an der reflektierenden Grenzfläche, x dem Abstand im Mantel


und λ der Wellenlänge im Vakuum entspricht. Die Eindringtiefe, dp, ist der Abstand, bei
dem das evaneszente Feld auf den Bruchteil 1/e seines Werts an der Grenzfläche gesunken
ist. Nimmt man einen Wellenleiter mit n1 = 1.70 und n2 = 1.45 an, ergibt sich ein kriti-
scher Winkel von 58.5°. Wenn Licht der Wellenlänge 590 nm mit einem Einfallwinkel von
70° auftrifft, beträgt die Eindringtiefe 140 nm. Diese Tiefe ist für das Licht ausreichend,
um mit vielen Schichten großer Moleküle, wie z. B. Proteinen, deren Dimensionen in der
Größenordnung von 10 nm liegen, in Wechselwirkung zu treten.
Abbildung 19.23a zeigt einen auf der abgeschwächten Totalreflexion (ATR) beruhen-
den Infrarotsensor zur Bestimmung von Coffein in Softdrinks. Der Diamant-Kristall auf
der rechten Seite der Zeichnung dient als Wellenleiter; er wird an der Oberseite durch
eine kreisförmige Fläche mit einem Durchmesser von 3 mm begrenzt. Wenn durch den
Kristall Licht geschickt wird, erfolgt eine dreimalige Totalreflexion. Die Oberseite des
Kristalls ist in Kontakt mit einem Flüssigkeitskanal, der in einen Teflon-Block geschnitten
wurde. Im Zentrum des Kanals befinden sich 5 mg hydrophobe Adsorptions-Beads (aus
Polystyren-Divinylbenzen, Abbildung 25.1), die durch Watte festgehalten werden. Wenn
das zu untersuchende Getränk durch den Kanal fließt, wird Coffein von den Beads ad-
sorbiert und in ihnen allmählich aufkonzentriert. Im Softdrink vorhandener Zucker und
Karamell-Farbstoff werden von den Beads nicht adsorbiert.
Die evaneszente Welle der Infrarotstrahlung, die durch den Diamant-Wellenleiter
geht, erstreckt sich bis zu den Adsorptions-Beads. Bei Anwesenheit von Coffein werden
die von Coffein absorbierten Wellenlängen geschwächt. Das resultierende Spektrum ist in
Abbildung 19.23b gezeigt. Jede Bande im Spektrum stammt von einer Normalschwingung
des Coffeins. Bei dieser Methode wir die integrierte Fläche unter dem gesamten Spektrum
als Signal herangezogen.
Bei der sequentiellen Injektionsapparatur (Abschnitt 18.4) in Abbildung 19.23a wer-
den die folgenden Arbeitsgänge durchgeführt. Zuerst werden 2 mL Wasser durch die De-
tektorküvette gepumpt und ein Untergrundspektrum aufgenommen. Dann werden 3 mL
Softdrink oder Standardlösung durch die Küvette geführt. Coffein wird von den Beads
zurückgehalten, während im Getränk vorhandener Zucker und die Karamellfarbstoffe
nicht adsorbiert werden. Nach Auswaschen der Beads mit 2 mL Wasser zur Entfernung
von Zucker und Farbstoff wird ein zweites Spektrum aufgezeichnet. Das Spektrum des
Untergrunds wird von diesem zweiten Spektrum abgezogen und ein Spektrum erhalten,
dessen integrierte Intensität proportional zur Konzentration des Coffeins im Softdrink ist.
Schließlich werden die Beads mit 0.25 mL Acetonitril gewaschen, wodurch Coffein quan-
19.4 · Optische Sensoren 525

Halteschleife
Sechs-Wege-
Ventil

Spritzen-
1 6
pumpe
2 C 5 ATR-Detektor

Wasser zum
3 4 Abfluss

Schlauch-
pumpe

Aceto-
zum
nitril
Abfluss
Sorptions-Beads

Proben und
Standards Watte
im Autosampler

Diamant-Kristall-Wellenleiter
Infrarot-
Infrarotlicht licht
a Eingang Ausgang

0.012

0.010
abgeschwächte Totalrefexion vom Sorbens,
nach Durchfluss von 3 mL Wasser
0.008 mit 50 μg Coffein/mL Abb. 19.23 a) Apparatur für die Sequen-
tielle Injektion zur Bestimmung von
0.006 Coffein in Softdrinks mit abgeschwächter
Extinktion

Totalreflexion. Der Analyt wurde an


0.004 Sorptions-Beads festgehalten. b) Abge-
schwächtes Totalreflexionsspektrum von
0.002 Coffein, das aus 3 mL Standardlösung
mit 50 μg/ml adsorbiert wurde. [M. C.
0.000 Alcudia-León, R. Lucena, S. Cárdenas und
M. Valcárcel, „Characterization of an At-
Coffein (50 μg/mL) in Wasser
tenuated Total Reflection-Based Sensor
 0.002
for Integrated Solid-Phase Extraction and
1 800 1 600 1 400 1 200 1 000 800 Infrared Detection“, Anal. Chem. 2008,
b Wellenzahl (cm–1) 80, 1146.]

titativ entfernt wird. Das Verfahren kann beliebig oft zur Bestimmung weiterer Proben Base
und Standardlösungen wiederholt werden.
N
O

Oberflächenplasmonresonanz22 O
NH Base
Leitungselektronen können sich in einem Metall bei Anlegung eines elektrischen Felds
nahezu frei bewegen. Eine Oberflächenplasmawelle, auch Oberflächenplasmon genannt, ist N
O
eine elektromagnetische Welle, die sich an der Grenze zwischen einem Metall und einem Peptid-
Dielektrikum (einem elektrischen Isolator) ausbreitet. Das elektromagnetische Feld nimmt nuklein- NH Base
säure (PNA) O
in beiden Schichten exponentiell ab, ist aber in der dielektrischen Schicht konzentriert.
Abbildung 19.24a zeigt das Prinzip der Messung einer Oberflächenplasmonresonanz. N
19
Monochromatisches Licht, dessen elektrisches Feld in der Ebene der Buchseite schwingt, Base O
A-Adenin
wird in ein Prisma geschickt, dessen Grundfläche mit ~50 nm Gold beschichtet ist. Auf der T-Thymin
NH
Unterseite der Goldschicht befindet sich eine chemisch modifizierte Schicht (~2–20 nm), C-Cytosin O
G-Guanin
die einen zu bestimmenden Analyt selektiv bindet. Bei kleinen Einfallswinkeln, θ, wird
viel, aber nicht sämtliches Licht vom Gold reflektiert. Wenn θ bis zum kritischen Winkel HS
der inneren Totalreflexion ansteigt, ist das Reflexionsvermögen im Idealfall 100 %. Wenn Mercaptohexanol
526 Kapitel 19 · Spektralphotometer

positions- 100
empfindlicher
polarisiertes Detektor

Reflexionsvermögen (%)
80
monochroma- θ θ
tisches Licht
60
Prisma

40 Au und
Au auf
Polymer
Prisma
Au (~50 nm dick) auf Prisma
20
Probelösung
chemisch
0
sensitive Schicht 50 51 52 53 54 55 56 57 58
Lösungseingang Lösungsabfluss Eingangswinkel (Grad)
a b

Abb. 19.24 a) Wichtige Komponenten einer Oberflächenplasmonresonzmessung. b) Reflexionsver-


mögen in Abhängigkeit vom Winkel θ. [J. M. Brockman, B. P. Nelson und R. M. Corn, „Surface Plasmon
Resonance Imaging Measurements of Ultrathin Organic Films“, Annu. Rev. Phys. Chem. 2000, 51, 4.]

θ noch weiter ansteigt, bildet sich ein Oberflächenplasmon (eine schwingende Elektronen-
wolke), die Energie vom einfallenden Licht absorbiert. Da etwas von der Energie durch
die Goldschicht absorbiert wird, sinkt das Reflexionsvermögen unter 100 %. Es gibt einen
engen Bereich von Winkeln, bei denen sich das Plasmon in Resonanz mit dem einfallen-
den Licht befindet, eine Bedingung, die das tiefe Tal in der Kurve der Abbildung 19.24b
hervorruft. Wenn θ über die Resonanzbedingung hinaus ansteigt, wird weniger Energie
absorbiert und das Reflexionsvermögen steigt.
Der Winkel, bei dem das kleinste Reflexionsvermögen auftritt, hängt von den Bre-
chungsindizes aller Schichten in der Abbildung 19.24a ab. Der Winkel mit der geringsten
Reflexion in Abbildung 19.24b ändert sich um ~0.1° wenn eine dünne Polymerschicht auf
das Gold gebracht wird. Wenn der Analyt von der chemisch modifizierten Schicht unter-
halb der ca. 50 nm dicken Goldschicht gebunden wird, ändert sich der Brechungsindex
dieser Schicht und der Winkel für die geringste Reflexion verändert sich ebenfalls. Mit
kommerziellen Geräten können Änderungen im Winkel der Oberflächenplasmonreso-
nanz mit einer Präzision von ~10–4 bis 10–5 Grad gemessen werden. Bei Biosensoren kann
die chemisch wirksame Schicht einen Antikörper oder ein Antigen, DNA oder RNA, ein
Protein oder ein Kohlenhydrat mit selektivem Bindungsverhalten gegenüber einem be-
stimmten Analyt enthalten.
Abbildung 19.25 zeigt das Schema, wie die Oberflächenplasmonresonanz eine spezifi-
sche Sequenz der DNA erkennen kann. Die Goldschicht auf einem Prisma wird mit einer
synthetischen Peptid-Nukleinsäure und Mercoptohexanol behandelt. Peptid-Nukleinsäure
(PNA) hat die gleichen Basen wie DNA (abgekürzt A, T, C und G), aber das Deoxyribose-
Zucker-Phosphat-Gerüst ist durch eine Peptid-Hauptkette ersetzt. Das Schwefelatom an
einem Ende der PNA-Kette bindet an die Goldoberfläche. Mercaptohexanol besetzt am
Gold die nicht durch PNA belegten Bindungsstellen. Der Hybrid genannte Komplex zwi-
schen PNA und einem komplementären Strang der DNA ist stärker als der zwischen zwei
Strängen der komplementären DNA. Der Sensor ist zur Erkennung einer spezifischen,
kurzen Sequenz der DNA ausgelegt, die komplementär zur synthetischen PNA ist. Wenn
man eine Mischung von DNA-Strängen mit PNA inkubiert, wird nur die komplemen-
täre DNA fest gebunden. Nicht-komplementäre DNA kann ausgewaschen werden. Die
Hybride aus DNA und PNA sind gegen Schwankungen von Temperatur und Ionenstärke
stabiler als Hybride, die nur aus DNA Strängen bestehen.
O Bevor die unbekannte DNA auf die Au-PNA-Oberfläche gebracht wird, wird Bio-
tin an ein Ende des DNA-Strangs gebunden. Biotin ist ein essentielles Vitamin aus
HN NH dem B-Komplex. Streptavidin (Molmasse 53 000 u) ist ein Protein mit vier identischen
H H Untereinheiten und wird aus dem Bakterium Streptomyces avidinii isoliert. Es hat eine
hohe und spezifische Affinität zu Biotin mit einer Bildungskonstante von 1015. Wenn
S CO2H Biotin-DNA zu Streptavidin gegeben wird, wird das Protein fest an Biotin gebunden
Biotin (Abbildung 19.25).
19.4 · Optische Sensoren 527

S S
1. Zugabe von DNA-Biotin
S S
S S
DNA Biotin
S S
Mercapto-
DNA-PNA-
S hexanol S
2. Auswaschung Hybrid
S der nicht-komplemen- S
tären DNA
S S
Au Peptid-Nukleinsäure (PNA)

3. Zugabe von S
Streptavidin
S

S Abb. 19.25 Schema für die Detektion


spezifischer DNA-Sequenzen durch
Oberflächenplasmon-Resonanz.

0.05

0.04 Au/PNA/DNA
nach Einwirkung
Reflexionsvermögen

von Streptavidin Abb. 19.26 Eine kleine Verschiebung des


Oberflächenplasmonresonanzwinkels
tritt ein, wenn ein kleiner DNA-Strang auf
0.03 einer Goldoberfläche mit komplementä-
rer PNA bindet. Eine große Verschiebung
tritt ein, wenn das Protein Streptavidin
Au/PNA-
Oberfläche mit am Ende des DNA-Strangs ange-
0.02 heftetem Biotin bindet. [J. Liu, S. Tian,
Au-PNA L. Tiefenauer, P. E. Nielsen und W. Knoll,
hybridisiert „Simultaneously Amplified Electrochemi-
mit DNA cal and Surface Plasmon Detection of
0.01
DNA Hybrization Based on Ferrocene-
56.5 57.0 57.5 Streptavidin Conjugates“, Anal. Chem.
Einfallswinkel (Grad) 2005, 77, 2756.]

Die durchgezogene Linie in Abbildung 19.26 zeigt die Oberflächenplasmonresonanz


des Goldfilms mit gebundener PNA und Mercaptohexanol. Wenn mit Biotin markierte
komplementäre DNA mit PNA bindet, hat sich die mit Punkten gezeichnete Resonanz
nur unmerklich verschoben, denn die gebundene Menge der DNA ist sehr gering und der
Brechungsindex dieser dünnen Schicht hat sich kaum verändert. Wenn Streptavidin zuge- 19
setzt wird, verbindet sich dieses große Protein mit dem Biotin an Ende jeder DNA. Dieses
massive Protein verändert den Brechungsindex des organischen Films derartig, dass die
Resonanzposition um 0.3° verschoben wird (gestrichelte Kurve in Abbildung 19.26). Das
Signal in Abbildung 19.26 stammt von ~1 × 1012 PNA-Molekülen pro cm² der Goldober-
fläche. DNA mit 12 Nukleotidbasen und einer einzigen Fehlpaarung gegenüber PNA wird
von PNA nicht gebunden.
528 Kapitel 19 · Spektralphotometer

19.5 Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie
(FT-IR Spektroskopie)23
0.5 Wir haben gesehen, dass ein Photodiodenarray oder eine CCD-Einheit verwendet wer-
0.4 den können, um sofort ein vollständiges Spektrum zu erhalten. Das Spektrum wird in
seine Wellenlängenbestandteile zerlegt und jede schmale Wellenlängenbande wird auf
0.3
y ein Detektorelement gerichtet. Für das Infrarotgebiet ist die Fourier-Transform-Spektro-
0.2 skopie die wichtigste und verbreitetste Methode zur Sofortaufnahme eines kompletten
0.1 Spektrums.
0
0 2 4 6 8 10
x
Fourier-Analyse
Abb. 19.27 Kurve, die durch Fourier-
Analyse in eine Summe von Sinus- und Die Fourier-Analyse ist ein Verfahren, bei dem eine Kurve in eine Summe von Sinus- und
Kosinus-Termen zerlegt wird.
Kosinus-Terme zerlegt wird, die als Fourier-Reihe bezeichnet wird. Um die Kurve in der
Abbildung 19.27 zu analysieren, die das Intervall von x1 = 0 bis x2 = 10 umfasst, hat die
Fourier-Reihe folgende Form

Fourier-Reihe:
Tabelle 19.3 Fourier-Koeffizienten
für Abbildung 19.28
y = a0 sin (0 x ) + b0 cos (0 x ) + a1 sin (1 x ) + b1 cos (1 x ) + a2 sin (2 x ) + b2 cos (2 x ) + ...

n an bn
= ∑ ⎡⎣an sin (n x ) + bn cos (n x )⎤⎦ (19.10)
n =0
0 0 0.136 912
2 2 
1 –0.006 906 –0.160 994 mit  = = = (19.11)
x2 − x1 10 − 0 5
2 0.015 185 0.037 705

3 –0.014 397 0.024 718


Gleichung 19.10 besagt, dass der Betrag von y für jeden Wert von x als eine unendliche
Summe aus Sinus- und Kosinuswellen ausgedrückt werden kann. Die aufeinanderfolgen-
4 0.007 860 –0.043 718 den Terme entsprechen den Sinus- und Kosinuswellen mit steigender Frequenz.
5 0.000 089 0.034 864 Abbildung 19.28 zeigt, wie Sequenzen von drei, fünf oder neun Sinus- und Kosinus-
wellen eine zunehmend bessere Näherung an die Kurve in Abbildung 19.27 ergeben. Die
6 –0.004 813 –0.018 858
Koeffizienten an und bn, die zur Konstruktion der Kurven in Abbildung 19.28 benötigt
7 0.006 059 0.004 580 werden, stehen in Tabelle 19.3.
8 –0.004 399 0.003 019

n = 0, 1, 2

n = 0, 1, 2, 3, 4

n = 0, 1, ..., 8

Abb. 19.28 Rekonstruktion der Kurve in Abbildung 19.27 durch Fourier-Reihen. Die durchgezogene
Linie ist die Originalkurve und die gestrichelten Linien wurden aus den Reihen für n = 0 bis n = 2, 4
oder 8 in Gleichung 19.10 konstruiert. Die Koeffizienten an und bn stehen in Tabelle 19.3.
19.5 · Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FT-IR Spektroskopie) 529

Interferometrie
Der wichtigste Bestandteil eines FT-IR Spektralphotometers ist das Interferometer in Albert Michelson entwickelte um 1880
Abbildung 19.29. Die Strahlung der Quelle auf der linken Seite trifft auf einen Strahlteiler, das Interferometer und verwendete es
der einen Teil des Lichtes durchlässt und den anderen Teil reflektiert. Zur Erklärung wird beim Michelson-Morley-Experiment
ein schmaler Strahl monochromatischer Strahlung angenommen. (Tatsächlich wird im 1887, bei dem festgestellt wurde, dass
FT-IR-Spektralphotometer kein monochromatisches Licht, sondern eine kontinuierliche die Lichtgeschwindigkeit unabhängig
Lichtquelle für die IR-Strahlung verwendet.) Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass von den Bewegungen der Quelle und
der Strahlteiler jeweils genau die Hälfte des Lichtes durchlässt und reflektiert. Wenn das des Beobachters ist. Dieses fundamen-
Licht den Strahlteiler am Punkt O trifft, wird ein Teil davon auf einen stationären Spiegel tale Experiment führte Einstein zur
im Abstand OS reflektiert und der andere Teil auf einen beweglichen Spiegel im Abstand Relativitätstheorie. Michelson verwen-
OM durchgelassen. Die von den Spiegeln reflektierten Strahlen laufen zurück zum Strahl- dete das Interferometer auch dazu,
teiler, wo jeweils die Hälfte jedes Strahles reflektiert und durchgelassen wird. Ein vereinig- den Vorläufer unseres heutigen Stan-
ter Strahl geht weiter in Richtung zum Detektor, ein zweiter kehrt zur Lichtquelle zurück. dards für die Länge auf der Grundlage
Im Allgemeinen sind die Strecken OM und OS nicht gleich, so dass die beiden den der Wellenlänge des Lichtes zu schaf-
Detektor erreichenden Strahlen gegeneinander phasenverschoben sind. Wenn die zwei fen. Er erhielt 1907 den Nobelpreis für
Wellen, wie in Abbildung 19.8 gezeigt, sich zueinander in Phase befinden (zeitgleicher „optische Präzisionsinstrumente und
Nulldurchgang), findet konstruktive Interferenz statt und es resultiert eine Welle mit dop- die mit deren Hilfe ausgeführten spek-
pelter Amplitude. Sind die Wellen um eine Halbwelle (180°) gegeneinander verschoben, troskopischen und metrologischen
findet destruktive Interferenz und Auslöschung der Wellen statt. Für jeden Phasenunter- Untersuchungen“.
schied zwischen diesen beiden Extremen erfolgt eine teilweise Auslöschung.
Die Differenz der Weglängen der beiden Wellen im Interferometer der Abbildung
19.29 beträgt 2(OM–OS). Diese Größe wird als Gangunterschied δ bezeichnet. Kons-
truktive Interferenz findet immer dann statt, wenn δ ein ganzzahliges Vielfaches der
Wellenlänge, λ, des Lichtes ist. Ein Minimum wird dagegen erzeugt, wenn δ ein halbzah-
liges Vielfaches von λ ist. Wenn sich der Spiegel M vom Strahlteiler mit einer konstanten
Geschwindigkeit fortbewegt, durchläuft das den Detektor erreichende Licht eine kontinu-
ierliche Folge von Maxima und Minima, da die Interferenz zwischen konstruktiven und
destruktiven Phasen alterniert.

stationärer
Spiegel
S
Abstand
= λ /4

Strahlungsteiler beweglicher
Spiegel

Strahlungsquelle

O
M

die Lichtwellen von


δ= λ
den Spiegeln M und S δ=λ δ = 2λ
Position δ=0 δ = 3λ
befinden sich zueinander 2 2
der Probe
gewöhnlich nicht in Phase

die Strahlen von den


Intensität

Spiegel M und S sind


getrennt gezeichnet,
aber tatsächlich sind sie
Detektor
19
überlagert

δ (= 2[OM – OS])

Abb. 19.29 Schematische Darstellung des Michelson-Interferometers. Das Detektorsignal ist in Ab-
hängigkeit vom Gangunterschied (= 2[OM – OS]) für einfallende monochromatische Strahlung der
Wellenlänge λ dargestellt.
530 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Die Kurve, bei der die Intensität des austretenden Lichtes gegen den Gangunterschied
δ aufgetragen wird, bezeichnet man als Interferogramm. Wenn das Licht der Quelle mo-
nochromatisch ist, ist das Interferogramm eine einfache Kosinus-Welle:
⎛ 2 ⎞
I ( ) = B (v )cos ⎜ ⎟ = B(v )cos (2 v ) (19.12)
⎝  ⎠
wobei I(δ) die Intensität des Lichtes ist, das den Detektor erreicht und ν̃ ist die Wellenzahl
(= 1/λ) des Lichtes. I ist eine Funktion des Gangunterschiedes δ. B(ν̃) ist eine Konstante,
welche die Intensität der Lichtquelle, die Effektivität des Strahlteilers (der nie exakt 50
% Reflexion und 50 % Transmission erreicht) und das Ansprechverhalten des Detektors
berücksichtigt. Alle diese Faktoren hängen von ν̃ ab. Für den Spezialfall des monochro-
matischen Lichtes gibt es für ν̃ nur einen Wert.
Die Abbildung 19.30a zeigt ein Interferogramm, das durch monochromatische Strah-
lung der Wellenzahl ν̃0 = 2 cm–1 erzeugt wurde. Die Wellenlänge (wiederholte Abstände)
des Interferogramms kann aus der Abbildung zu λ = 0.5 cm entnommen werden. Sie ist
gleich 1/ν̃0 = 1/(2 cm–1). Abbildung 19.30b zeigt ein Interferogramm, das sich durch zwei
monochromatischen Wellen (ν̃0 = 2 und ν̃0 = 8 cm–1), deren Intensitäten sich wie 1:1
verhalten, ergibt. Das Interferogramm enthält eine kurzwellige Oszillation (λ = 1/8 cm),
die einer langwelligen Oszillation (λ = ½ cm) überlagert ist. Das Interferogramm ist in
diesem Fall die Summe zweier Terme:
I () = B1 cos (2 v1) + B2 cos (2 v2 ) (19.13)
mit B1 = 1, ν̃1 = 2 cm-1, B2 = 1 und ν̃2 = 8 cm–1.
Die Fourier-Analyse des Interfero- Mit der Fourier-Analyse wird eine Kurve in die in ihr enthaltenen Wellenlängen zu zer-
gramms stellt das Spektrum wieder legt. Die Fourier-Analyse des Interferogramms in Abbildung 19.30a ergibt das simple Re-
her, aus dem das Interferogramm ent- sultat, wonach das Interferogramm von einer einzigen Wellenlänge mit λ = ½ cm erzeugt
standen ist. Das Spektrum ist die Fouri- wurde. Nach Fourier-Analyse des Interferogramms in Abbildung 19.30b ergibt sich das
er-Transformation des Interferogramms. etwas interessantere Ergebnis, nämlich, dass das Interferogramm aus zwei Wellenlängen
(λ = ½ cm und λ = 1/8 cm), die im Verhältnis von 1:1 vorlagen, gebildet wurde. Das Spek-
trum wird als Fourier-Transformation des Interferogramms bezeichnet.
Das Interferogramm in Abbildung 19.30c ist aus einem Spektrum mit einer bei ν̃0 =
4 cm–1 liegenden Absorptionsbande abgeleitet worden. Prinzipiell gilt, dass das Interfero-
gramm immer die Summe der Einzelbeiträge aller beteiligten Wellenlängen darstellt. Die
Fourier-Transformation des Interferogramms aus Abbildung 19.30c ergibt somit wieder
das linke Spektrum in Abbildung 19.30c, also entsteht durch die Zerlegung des Interfero-
gramms in die beteiligten Wellenlängen wieder die Bande mit dem Zentrum bei ν̃0 = 4 cm–1.
Die Fournier-Analyse des Interferogramms gibt die Intensitäten der beteiligten Wellenlängen
wieder.
Das Interferogramm in Abbildung 19.30d wird aus den zwei Spektren im links dane-
ben abgebildeten Spektrum erhalten. Durch Fourier-Transformation des Interferogramms
wird wieder das Ausgangsspektrum erhalten.

Fourier-Transform-Spektroskopie
Das Interferogramm verliert bei den In einem Fourier-Transform-Spektrometer wird die Probe normalerweise zwischen dem
Wellenlängen an Intensität, die durch Ausgang des Interferometers und den Detektor (siehe Abbildungen 19.29 und 19.31) ange-
die Probe absorbiert werden. ordnet. Da die Probe bestimmte Lichtwellenlängen absorbiert, enthält das Interferogramm
ein Spektrum, das dem Spektrum der Lichtquelle von dem das Spektrum der Probe subtrahiert
wurde, entspricht. Zuerst wird das Interferogramm einer Referenzprobe aufgenommen und
in ein Spektrum umgewandelt. Danach erzeugt man das Interferogramm der Probe bei
gleichen Messbedingungen (Küvette, Lösungsmittel) und wandelt es in ein Spektrum um.
Der Quotient aus dem Spektrum der Probe dividiert durch das Referenzspektrum ergibt
das Transmissionsspektrum der Probe (Abbildung 19.32). Die Quotientenbildung aus den
beiden Spektren führt zum gleichen Ergebnis, wie die Berechnung von P/P0 zur Bestim-
mung der Transmission. P0 ist die Strahlungsleistung, die am Detektor nach Durchtritt
durch die Referenzprobe ankommt, P ist die Strahlungsleistung nach Passieren der Probe.
19.5 · Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FT-IR Spektroskopie) 531

Spektrum Interferogramm

a 2

2.0
1
1.5
B (~ )

l (δ)
0
1.0

0.5 –1

0 2 4 6 8 10 –2
~ (cm−1) 0.5 1.0 1.5 2.0
δ (cm)

b 2

2.0
1

1.5
B (~ )

l (δ)

0
1.0

0.5 –1

–2
0 2 4 6 8 10 0.5 1.0 1.5 2.0
~ (cm−1)
δ (cm)

c 2

2.0
1
1.5
B (~ )

l (δ)

0
1.0

0.5 –1

0 2 4 6 8 10 –2
~ (cm−1) 0.5 1.0 1.5 2.0
δ (cm)

d 2

2.0
1

1.5
B (~ )

l (δ)

0
1.0
19
0.5 –1

–2
0 2 4 6 8 10 0.5 1.0 1.5 2.0
~ (cm−1)
δ (cm)

Abb. 19.30 Durch unterschiedliche Spektren erzeugte Interferogramme.


532 Kapitel 19 · Spektralphotometer

Auflösung ≈ (1/Δ) cm–1 Das Interferogramm wird in diskreten Intervallen aufgezeichnet. Die Auflösung des
Δ = maximaler Gangunterschied (cm) Spektrums ist annähernd gleich (1/Δ) cm–1, wobei Δ der maximale Gangunterschied ist.
Wenn die Spiegelverschiebung ±2 cm beträgt, ist der Gangunterschied ±4 cm und die
Auflösung 0.25 cm–1.
Für einen Spektralbereich von Δν̃ cm–1 Der Wellenzahlbereich des Spektrums wird durch die Art und Weise der Aufnahme
müssen die Daten mit Gangunter- des Interferogramms festgelegt. Je geringer der Abstand zwischen den Datenpunkten
schiedsintervallen von 1/(2Δν̃) aufge- gewählt wird, desto größer wird dieser Bereich. Um ein Gebiet von Δν̃ Wellenzahlen
nommen werden. spektral erfassen zu können, ist die Aufnahme des Interferogramms in einem Bereich der
Das große Delta hat in diesem Ab- Gangunterschiede von δ = 1/(2Δν̃) notwendig. Wenn Δν̃ 4 000 cm–1 ist, muss die Daten-
schnitt zwei Bedeutungen: aufnahme in Intervallen von δ = 1/ (2 ⋅ 4 000 cm-1) = 1.25 × 10–4 cm = 1.25 μm erfolgen.
Δν̃ = Spektralbereich (cm–1) Dieses Messintervall entspricht einer Spiegelbewegung von 0.625 μm. Für jeden Zentime-
Δ = maximaler Gangunterschied (cm) ter, den sich der Spiegel bewegt, müssen 1.6 × 104 Datenpunkte gemessen werden. Bewegt
sich der Spiegel mit 0.2 cm je Sekunde, muss die Geschwindigkeit der Datenaufnahme
3 200 Punkte je Sekunde betragen.
Die Strahlungsquelle, der Strahlteiler und auch der Detektor begrenzen den nutzbaren
Wellenlängenbereich. Es ist klar, dass das Gerät nicht in der Lage ist, auf Wellenlängen
anzusprechen, die vom Strahlteiler absorbiert werden oder die vom Detektor nicht erfasst
werden. Der Strahlteiler für den mittleren Infrarotbereich (∼4 000 bis 400 cm–1) besteht
normalerweise aus einer Schicht Germanium, die auf eine KBr-Platte aufgedampft wurde.
Für längere Wellenlängen (ν̃ < 400 cm–1) eignet sich ein Film des organischen Polymers
Mylar (Polyethylenterephthalat) als Strahlteiler.
Um das Aufnahmeintervall für das Interferogramm zu steuern, wird ein monochro-
matischer sichtbarer Laserstrahl gemeinsam mit dem polychromatischen Infrarotlicht
durch das Interferometer geschickt (Abbildung 19.31). Der Laserstrahl erzeugt immer
dann destruktive Interferenz, wenn der Gangunterschied das halbzahlige Vielfache der
Laserwellenlänge beträgt. Diese Nullwerte im Lasersignal, die mit einem Detektor für
sichtbares Licht beobachtet werden, dienen zur Regelung der Datenaufnahme des inf-
raroten Interferogramms. Nehmen wir an, dass ein Datenpunkt des infraroten Interfe-
rogramms an jedem zweiten Nullpunkt des Interferogramms des sichtbaren Lichtes auf-
genommen wird. Durch die Präzision, mit der die Laserfrequenz bekannt ist, ergibt sich
eine Richtigkeit von 0.01 cm–1 im Infrarotspektrum, was zu einer Verbesserung um zwei
Größenordnungen gegenüber dispersiven (Gitter-)Instrumenten führt.

Strahlteiler
Interferometer
C A UT I O N

Spiegel
Laser

IR-Quelle Spiegel
Lichtweg

Spiegel Probe

Spiegel

Detektor
Abb. 19.31 Anordnung eines Fourier-
Transform-Spektralphotometers. [Mit Probenraum
Dank an Nicolet, Madison, WI, USA.]
19.5 · Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FT-IR Spektroskopie) 533

Untergrund-Interferogramm Proben-Interferogramm
Detektorspannung

Detektorspannung
Gangunterschied () Gangunterschied ()

Untergrund-Transformation Proben-Transformation

4 000 3 600 3 200 2 800 2 400 2 000 1 600 1 200 800 400 4 000 3 600 3 200 2 800 2 400 2 000 1 600 1 200 800 400
Wellenzahl (cm–1) Wellenzahl (cm–1)

Transmissionsspektrum Abb. 19.32 FT-IR-Spektrum eines Poly-


styrenfilms. Die Fourier-Transformation
100 des Untergrund-Interferogramms liefert
ein Spektrum, das durch die Intensität
80 der Strahlungsquelle, die Effektivität des
Strahlteilers, die Empfindlichkeit des
Transmission (%)

Detektors und die Absorption von Was-


60
ser- und CO2-Spuren in der Atmosphäre
bestimmt wird. Der Probenraum wird mit
40 trockenem N2 gespült, um den Gehalt an
H2O und CO2 zu verringern. Die Transfor-
20 mation des Interferogramms der Probe
ist ein Maß für alle instrumentellen Fak-
toren und die Absorption der Probe. Das
0
4 000 3 600 3 200 2 800 2 400 2 000 1 600 1 200 800 400 Transmissionsspektrum erhält man durch
Wellenzahl (cm–1) Division der Probentransformation durch
die Untergrundtransformation. Jedes In-
terferogramm stellt einen Mittelwert von
32 Scans dar und enthält 4 096 Daten-
punkte mit einer Auflösung von 4 cm–1.
Die Spiegelgeschwindigkeit betrug 0.693
Vorteile der Fourier-Transform-Spektroskopie cm/s. [Dank an M. P. Nadler, Michelson
Laboratory, China Lake, CA, USA.]
Im Vergleich zu dispersiven Instrumenten liefern die Fourier-Transform-Spektrometer
bei gleicher Auflösung ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis, sowie eine höhere Fre-
quenzgenauigkeit. Sie arbeiten schneller und besitzen meist eine Vielzahl standardisierter
Optionen zur Datenverarbeitung. Die Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses bei
Fourier-Transform-Spektralphotometern beruht vor allem auf der Nutzung der Energie 19
des gesamten Spektrums anstelle der Auswertung von Sequenzen schmaler Banden aus
einem Monochromator. Die reproduzierbare Einstellung der Wellenzahlpositionen von
Spektrum zu Spektrum erlaubt es, die Signale aus mehrfach durchgeführten Messzyklen
zu mitteln und damit das Signal-Rausch-Verhältnis weiter zu verbessern. Wellenzahl-
präzision und geringes Rauschen ermöglichen die Subtraktion von Spektren mit äußerst
geringen Unterschieden und damit die Erkennung dieser Unterschiede. Die Richtigkeit
534 Kapitel 19 · Spektralphotometer

der Messwerte für die Transmission ist bei Fourier-Transform-Geräten nicht so gut wie
bei dispersiven Spektrometern.
Die Vorteile der Fourier-Transform-Infrarotspektrometer sind so groß, dass es heutzu-
tage fast unmöglich ist, ein gutes dispersives Infrarotspektrometer zu kaufen. Dagegen sind
Fourier-Transform-Spektrometer für den sichtbaren und ultravioletten Bereich kommerzi-
ell nicht verfügbar. Der Grund ist die Notwendigkeit, die Daten mit Gangunterschiedsin-
tervallen von δ = 1/(2Δν̃) aufzunehmen. Im sichtbaren Bereich kann Δν̃ 25 000 cm–1 (das
entspricht 400 nm) betragen. Das ergibt δ = 0.2 μm und eine Spiegelbewegung um 0.1 μm
zwischen den Datenpunkten. Eine derartige Feinsteuerung über größere Bereiche der Spie-
gelbewegung ist nicht möglich.

19.6 Rauschen24

Ein Vorteil der Fourier-Transform-Spektroskopie ist die Aufnahme des vollständigen In-
256 terferogramms in wenigen Sekunden und dessen Speicherung im Computer. Das Signal-
Rausch-Verhältnis kann durch die Aufnahme von mehr als Zehn oder gar Hunderten
Interferogrammen und deren Mittelung bedeutend verbessert werden.
64

Signalmittelung
Extinktion

16

Die Signalmittelung kann die Qualität der Daten verbessern, wie in Abbildung 19.33
4 gezeigt.25 Das unterste Spektrum in der Abbildung hat einem großen Rauschanteil. Ein
einfacher Weg, den Rauschpegel zu bestimmen, besteht in der Messung der maximalen
Signal = 14 Einheiten Amplitude des Rauschens in einer signalfreien Region. Das Signal wird von der Mitte der
1 Rau- Rauschgrundlinie bis zur Mitte des verrauschten Peaks gemessen. Eine derartige Bestim-
schen =
9 Ein- mung in der untersten Spur ergibt ein Signal-Rausch-Verhältnis von 14/9 = 1.6.
heiten Ein allgemeineres Maß für das Rauschen, das ein digitalisiertes Signal erfordert, ist
Wellenlänge das quadratische Mittel des Rauschens, rms-noise, (rms = root-mean-square), definiert
als
Abb. 19.33 Einfluss der Signalmittelung
rms noise = ∑ i i
(A − A−)
2

in einem simulierten, verrauschten Spek- (19.14)


trum. Die Zahlen an den Kurven geben n
die Zahl der gemittelten Scans an. [R. Q.
Thompson, „Experiments in Software Data mit Ai, dem gemessenen Signal für den Datenpunkt i, Ā dem Signalmittelwert und n der
Handling“, J. Chem. Ed. 1985, 62, 866.] Zahl der Datenpunkte. Bei einer großen Anzahl von Datenpunkten entspricht rms noise
der Standardabweichung des Rauschens. Am besten wendet man Gleichung 19.14 dort
an, wo das Signal flach ist, wie das in der Abbildung 19.33 auf der linken und rechten Seite
der Fall ist. Wenn man Daten aus der Mitte der Abbildung 19.33 verwenden will, muss der
Signalmittelwert, Ā, dem kontinuierlich steigenden oder fallenden Signal angepasst wer-
den. Das rms-Rauschen ist ~5 Mal kleiner als das Peak-zu Peak-Rauschen. Verwendet
man das rms-Rauschen anstelle des Peak-zu-Peak-Rauschens, würden wir für das untere
Spektrum in Abbildung 19.33 einen Wert von 9/5 = 1.8 und das Signal-Rausch-Verhält-
nisses einen Wert von 14/1.8 = 7.8 erhalten. Damit ist klar, dass das Signal-Rausch-Ver-
hältnis davon abhängt, wie das Rauschen definiert wurde.
Um das Signal-Rausch-Verhältnis Wir betrachten nun, was passiert, wenn das Spektrum zweimal aufgenommen wurde
um den Faktor n zu verbessern, sind n2 und die Messwerte addiert werden. Das Signal ist in beiden Spektren gleich und verdoppelt
gemittelte Spektren notwendig. sich durch den Additionsvorgang der Spektren. Wenn n Spektren addiert werden, wird das
Signal n mal so groß wie im ersten Spektrum. Das Rauschen ist zufällig verteilt, weshalb
es an jedem Punkt des Spektrums sowohl positive als auch negative Werte haben kann.
Das bedeutet, dass sich bei Addition von n Spektren das Rauschen proportional zu n
erhöht. Da sich das Signal gleichzeitig proportional zu n erhöht, wächst das Signal-Rausch-
Verhältnis im Verhältnis n/ n = n.
Durch Mittelung von n Spektren wird das Signal-Rausch-Verhältnis um den Faktor
n verbessert. Um eine Verbesserung um den Faktor 2 zu erreichen, ist die Mittelung
von 4 Spektren notwendig. Eine Verbesserung um den Faktor 10 erreicht man durch
Mittelung von 100 Spektren. Die Spektroskopiker messen deshalb zwischen 104 und 105
19.6 · Rauschen 535

Spektren, um schwache Signale bestimmen zu können. Eine derartige Messung lässt sich
kaum weiter verbessern, da instrumentelle Instabilitäten zur Drift im Spektrum zusätzlich Frage Um welchen Faktor wird
zum Rauschen führen. das Signal-Rausch-Verhältnis bei
der Aufnahme von 16 Spektren
und ihrer Mittelung verbessert?
Arten des Rauschens Bestimmen Sie den Rauschpegel
in Abbildung 19.33, um ihre Vor-
Abbildung 19.34 zeigt drei übliche Arten des Rauschens in elektrischen Geräten.26 Die hersage zu überprüfen.
oberste Spur zeigt das weiße Rauschen, auch Gauß-Rauschen genannt. Eine Quelle des
weißen Rauschens, die Johnson-Rauschen genannt wird, beruht auf zufälligen Fluktuati-
onen der Elektronen in einer elektronischen Baugruppe. Eine Möglichkeit zur Verringe-
rung des Johnson-Rauschens ist die Erniedrigung der Arbeitstemperatur. Schrotrauschen
Weißes Rauschen
ist eine andere Ursache für weißes Rauschen, die auf der Quantelung der Ladungsträger (Gauß-Rauschen)
und Photonen beruht. Im Bereich kleiner Signale entsteht das Rauschen durch zufällige

Amplitude
Schwankungen der geringen Zahl von Photonen, die am Detektor ankommen oder der
kleinen Zahl von Elektronen und Löchern, die in einem Halbleiter erzeugt werden.
Die zweite Spur in Abbildung 19.34 zeigt das 1/f-Rauschen, das auch Drift genannt
wird. Es ist am größten bei der Frequenz Null und nimmt mit 1/Frequenz ab. Ein Beispiel
für dieses niederfrequente Rauschen in Laborgeräten ist das Flimmern oder Driften der
I/f-Rauschen
Lichtquelle in einem Spektrometer oder einer Flamme in der Atomspektroskopie. Drift (Drift)
kann auf langsamen Veränderungen der Gerätebestandteile mit der Temperatur oder dem

Amplitude
Alter sowie auf Veränderungen der Spannung in den Stromleitungen zum Gerät beruhen.
Der klassische Weg zur Aufdeckung und Berücksichtigung der Drift ist die regelmäßige
Messung von Standards und die Korrektur der Instrumentablesung bei jeder festgestellten
Abweichung.27
Die untere Kurve in Abbildung 19.34 zeigt Leitungsgeräusche (Störgeräusche oder Leitungsrauschen
Pfeiftöne) die bei bestimmten Frequenzen auftreten, wie z. B. bei der Netzfrequenz der
Stromversorgung von 50 Hz (60 Hz in USA) oder der Schwingungsfrequenz von 0.2 Hz,
wenn Elefanten durch das Gebäude spazieren. Elektrische Abschirmung sowie Erdung Amplitude
der Abschirmung und des Geräts am gleichen Erdungspunkt hilft bei der Reduzierung
des Leitungsrauschens.
Frequenz

Chopper Abb. 19.34 Drei Arten des Rauschens in


elektrischen Geräten. Weißes Rauschen
Die Spektralphotometer in den Abbildungen 19.1 bis 19.3 haben alle einen rotierenden ist stets vorhanden. Die gewählte Chop-
Spiegel, der als Chopper (Strahlzerhacker) bezeichnet wird und abwechselnd Licht durch per-Frequenz der Strahlzerhackung kann
das 1/f-Rauschen und das Leitungsrau-
die Proben- und die Referenzküvette sendet. Die Anwendung des Choppers ermöglicht eine schen auf unbedeutende Werte senken.
nahezu kontinuierliche Vermessung beider Küvetten und dient gleichzeitig zur Erniedri-
gung des Rauschens. Ein Zerhacken (Choppen) des Strahls verschiebt das analytische Signal
von der Frequenz Null zur Frequenz des Choppers. Die Chopper-Frequenz kann so gewählt
werden, dass 1/f-Rauschen und Leitungsgeräusche minimal werden. Um die Vorteile des
Strahlzerhackens ausnutzen, sind hochfrequente Detektorstromkreise erforderlich.

Ein rauscharmes Spektralphotometer


Verantwortlich für das Rauschen eines Spektralphotometers sind in groben Zügen
1. Licht-unabhängige Ursachen, 2. Ursachen, die proportional zum Photostrom sind und
3. Intensitätsschwankungen der Lichtquelle.28 Mehrere Jahrzehnte lang wurde die Präzi-
sion durch die Intensitätsschwankung der Lichtquelle bestimmt, die ein rms-Rauschen 19
liefert, das im sichtbaren Bereich einer scheinbaren Extinktion von ~0.000 03 entspricht.
Das bedeutet, dass eine Extinktion unterhalb von ~0.000 03 nicht gemessen werden kann,
da sie im Rauschen versteckt ist.
Abbildung 19.35 zeigt ein System, das dazu bestimmt ist, den durch Schwankungen
der Lichtquelle bedingten Rauschanteil zu beseitigen. Sichtbares Licht von einer Wolfram-
Halogen-Lampe geht durch einen Monochromator und wird danach in zwei Strahlen
536 Kapitel 19 · Spektralphotometer

IBezug
Spiegel
V Bezug

Bezugs-
küvette Detektoren
V Dif

Licht vom
Monochromator V Probe
IProbe
Proben-
Strahlteiler Elektronik
küvette
Wellenlänge

Abb. 19.35 Prinzip eines rauscharmen Spektralphotometers. [Z. Xu und D. W. Larsen, „Development
of Ultra-Low-Noise-Spectrophotometry for Analytical Applications“, Anal. Chem. 2005, 77, 6463.]

Abb. 19.36 Spektrum von 2 nM Nilblau


(Farbstoff ) in Methanol (a) mit einem 0.000 1
kommerziellen Spektralphotometer (b) Extinktion
gleiches Gerät mit Zusatz zur Beseitigung
der Lichtquellenschwankung. [Z. Xu und b
D. W. Larsen, „Development of Ultra-Low-
Noise-Spectrophotometry for Analytical
Applications“, Anal. Chem. 2005, 77, 500 550 600 650 700
6463.] Wellenlänge (nm)

geteilt, die dann die Proben- und Referenzküvetten passieren. Das Licht aus der Proben-
küvette geht zu einem Photodetektor, der den Photostrom IProbe erzeugt. Das Licht aus der
Bezugsküvette geht zu einem anderen Photodetektor, der den Photostrom IBezug liefert.
Die Ströme werden elektronisch in Spannungen VProbe und VBezug umgewandelt und die
Differenzspannung VDif = VProbe – VBezug ermittelt. Rauschen aus Intensitätsschwankungen
der Lichtquelle beeinflusst VProbe und VBezug in gleicher Weise. Das heißt, wenn die Licht-
intensität für einen Augenblick um 0.1 % zunimmt, steigenden die Spannungen an beiden
Detektoren um 0.1 %. Die Differenz VDif sollte Null betragen. Die Signale rechts in der
Abbildung 19.35 sind Simulationen und zeigen eine schwache Absorption, die von einem
starken Rauschen überlagert ist. Das Signal ist so schwach, dass es im Probenspektrum
(VProbe) nicht zu erkennen ist, dagegen klar und deutlich im Differenzspektrum (VDif).
Abbildung 19.36 ist eine experimentelle Bestätigung des Prinzips der Beseitigung des
Rauschens, das durch Schwankungen der Lichtquelle bedingt ist. Die obere Spur ist das
Absorptionsspektrum einer 2 nM Farbstofflösung mit einer Extinktionsbande von 0.000 2.
Das untere Spektrum wurde mit dem gleichen Gerät erhalten, das aber so verändert wurde,
dass die angezeigte Extinktion aus der Differenzspannung VDif berechnet wird.29 Das
Signal-Rausch-Verhältnis wird um den Faktor 10 verbessert. Es ist zu erwarten, dass durch
Optimierung der Hardware das Signal-Rausch-Verhältnis um den Faktor 10 verbessert
werden kann und damit insgesamt eine Verbesserung um den Faktor 100 möglich wird.

Wichtige Begriffe
> Abgeschwächte Totalreflexion > Auflösung > Bandbreite > Brechung > Brechungs-

index > Charge Coupled Device (CCD) > Chopper > Dispersion > Ferroelektrisches
Material > Fourier-Analyse > Gitter > Interferogramm > Interferometer > Laser
Zusammenfassung 537

> Lichtleiter > Monochromator > Oberflächenplasmonenresonanz > Optode > Pho-
todiodenarray > Photomultiplier > Photoleitfähigkeitsdetektor > Photovoltaischer De-
tektor > Photozelle > Polychromator > quadratisches Mittel des Rauschens > Schwarz-
körperstrahlung > Signalmittelung > Snelliussches Gesetz > Strahlzerhackung > Streu-
licht > Thermoelement > Wellenleiter

Zusammenfassung
Die Bestandteile eines Spektralphotometers sind Lichtquelle, Probenkammer, Mono-
chromator und Detektor. Wolfram- und Deuteriumlampen liefern Strahlung im sicht-
baren und ultravioletten Bereich; ein Stab aus Siliciumcarbid (Globar) eignet sich gut als
Infrarotquelle. Wolfram- und Siliciumcarbid-Lampen verhalten sich ungefähr wie
schwarze Körper, das sind Gegenstände, die das gesamte auftreffende Licht absorbieren.
Die von der Oberfläche eines schwarzen Körpers emittierte Strahlungsenergie ist zur vier-
ten Potenz der Temperatur proportional und verschiebt sich bei steigenden Temperaturen
zu kürzeren Wellenlängen. Die von Lasern erzeugte kohärente, monochromatische Strah-
lung mit hoher Intensität entsteht durch stimulierte Emission aus einem Medium, in wel-
chem ein angeregter Zustand durch sogenanntes Pumpen eine höhere Besetzungsdichte
erhält als ein niederenergetischer Zustand. Die Probenzelle bzw. die Küvette muss für die
zu messende Strahlung transparent sein. Mittels einer Referenzprobe werden Reflexions-
und Streueffekte durch Küvette und Lösung kompensiert. Ein Gittermonochromator
zerlegt das Licht in seine Wellenlängenbestandteile. Je dichter die Gitterrillen liegen, desto
höher ist die Auflösung und desto größer wird die Winkeldispersion. Schmale Spalte
verbessern die Auflösung, erhöhen aber das Rauschen, da weniger Licht den Detektor
erreicht. Eine Bandbreite, die 1/5 der Breite des Spektrums hat, ist ein guter Kompromiss
zwischen maximalem Signal-Rausch-Verhältnis und minimaler Bandenverzerrung. Streu-
licht führt zu Fehlern bei der Absorption, die besonders groß bei geringer Transmission
der Probe sind. Durch Filter können bestimmte Wellenlängenbanden passieren, andere
werden zurückgehalten.
Ein Photomultiplier ist ein empfindlicher Detektor für sichtbare und ultraviolette
Strahlung. Durch auftreffende Photonen werden Elektronen aus der metallischen Ka-
thode emittiert. Das ursprüngliche Signal wird an jeder folgenden Dynode verstärkt, auf
die die Photoelektronen auftreffen. Photodiodenarrays und Charge-Coupled Devices
(CCDs) sind Festkörperdetektoren, in denen die Photonen Elektronen und Löcher im
Halbleitermaterial erzeugen. Mit einem Polychromator gekoppelt können diese Bauteile
alle Wellenlängen eines Spektrums gleichzeitig registrieren; die Auflösung wird durch
die Anzahl und den Abstand der Detektorelemente bestimmt. Zu den Infrarotdetektoren
zählen Thermoelemente, ferroelektrische Materialien, sowie Photoleitfähigkeits- und
Photovoltaische Bauteile.
Wenn Licht aus einem Bereich mit dem Brechungsindex n1 in einen mit dem Bre-
chungsindex n2 übergeht, ist der Brechungswinkel (θ2) proportional zum Einfallswinkel
(θ1) und beide sind über des Snelliussche Gesetz verknüpft: n1 sinθ1 = n2 sinθ2. Lichtleiter
und flache Wellenleiter übertragen Licht durch eine Abfolge von inneren Totalreflexionen.
Optoden sind Sensoren, die auf Glasfasern beruhen. Einige Optoden sind an der Spitze
mit einer Schicht aus einem Material versehen, dessen Extinktion oder Fluoreszenz sich
bei Anwesenheit eines Analyten ändert. Das Licht wird zur und von der Spitze mit dem
Lichtleiter geführt. Wenn Licht durch einen Licht- oder einen Wellenleiter mittels Total-
reflexion geleitet wird, dringt etwas davon, die sogenannte evaneszente Welle, bei jeder
Reflexion durch die reflektierende Grenzfläche. In den Geräten zur Messung der abge-
schwächten Totalreflexion ist der Wellenleiter mit einer Schicht bedeckt, die bei Anwesen-
heit eines Analyten Licht absorbiert. Bei einem Oberflächenplasmonenresonanz-Sensor
wird die Änderung des Winkels der minimalen Reflexion von einem mit einer chemisch 19
reagierenden Schicht bedeckten Goldfilm auf der Rückseite eines Prismas gemessen.
Bei der Fourier-Analyse wird ein Signal in die einzelnen Wellenlängen zerlegt. Ein
Interferometer enthält einen Strahlteiler, einen stationären und einen beweglichen
Spiegel. Die Lichtreflexion der beiden Spiegel erzeugt das Interferogramm. Aus der
Fourier-Analyse des Interferogramms erfährt man, durch welche Frequenzen das Inter-
ferogramm erzeugt wurde. In einem Fourier-Transform-Spektralphotometer wird zuerst
538 Kapitel 19 · Spektralphotometer

das Interferogramm der Quelle bei Abwesenheit der Probe gemessen. Danach wird
die Probe in den Strahl gebracht und ein zweites Interferogramm aufgezeichnet. Die
Transformation des Interferogramms sagt aus, welche Lichtfrequenzen den Detektor bei
An- und Abwesenheit der Probe erreichen. Der Quotient der beiden Transformationen
ergibt das Transmissionsspektrum. Die Auflösung eines Fourier-Transform-Spektrums
ist annähernd 1/Δ, wobei Δ der maximale Gangunterschied ist. Um einen Wellenzahlbe-
reich Δν̃ zu erfassen, ist die Aufnahme des Interferogramms in Intervallen δ = 1/(2 Δν̃)
notwendig.
Wenn man den Durchschnitt aus n Scans (Messabläufen) bildet, sollte das Signal-
Rausch-Verhältnis um n ansteigen. Weißes Rauschen ist frequenzunabhängig und
beruht auf zufälligen Fluktuationen der Elektronen in den elektronischen Baugrup-
pen (Johnson-Rauschen) und auf der diskreten Natur der Ladungsträger und Photo-
nen (Schrotrauschen). Das 1/f-Rauschen nimmt mit steigender Frequenz ab. Drift und
Flimmern in der Intensität einer Lichtquelle oder der Helligkeit einer Flamme in der
Atomspektroskopie sind Ursachen für das 1/f-Rauschen. Leitungsgeräusche treten bei
bestimmten Frequenzen auf, z. B. bei der 50-Hz-Frequenz der Stromversorgung. Durch
das Choppen (Strahlzerhackung) in einem Zweikanal-Spektralphotometer werden das
1/f- und das Leitungsrauschen verringert. In einem Spektrometer, das die Differenzen
der Proben- und Bezugssignale aufnimmt, kann das Rauschen durch Lampenflimmern
mindestens um einen zusätzlichen Faktor von 10 reduziert werden

Übungen
19-A.
a) Wenn ein Beugungsgitter eine Auflösung von 104 besitzt, ist es dann möglich, zwi-
schen zwei Spektrallinien mit den Wellenlängen 10.00 und 10.01 μm zu unterschei-
den?
b) Wie dicht liegt neben 1000 cm–1 die nächste Wellenzahl (cm–1), die bei einer Auflö-
sung von 104 gerade noch aufgelöst werden kann?
c) Berechnen Sie für die Beugung erster Ordnung (n = 1) und zehnter Ordnung (n =
10) die Auflösung eines Gitters, das 5.0 cm lang ist und eine Einteilung von 250 Ril-
len/mm besitzt.
d) Bestimmen Sie die Winkeldispersion (Δφ, im Bogenmaß und Grad) zwischen Licht-
strahlen der Wellenzahlen 1 000 und 1 001 cm–1 bei Beugung zweiter Ordnung (n = 2)
und Verwendung eines Gitters mit 250 Rillen/mm und φ = 30°.

19-B. Die wahre Extinktion einer Probe sei 1.000, der Monochromator lässt jedoch 1 %
Streulicht hindurch. Addieren Sie das durch die Probe kommende Licht zum Streulicht
und ermitteln Sie die scheinbare Transmission der Probe. Wandeln Sie das Ergebnis in
den Extinktionswert um und bestimmen Sie danach den relativen Fehler bei der Konzen-
trationsbestimmung der Probe.

19-C. Verwenden Sie für diese Aufgabe das Fourier-Transform-IR-Spektrum aus der
Abbildung 19.32.
a) Das Interferogramm wurde mit Intervallen des Gangunterschiedes von 1.2660 × 10–4
cm aufgenommen. Wie groß ist der theoretische Wellenzahlbereich (0 bis?) des Spek-
trums?
b) Von δ = –Δ bis δ = +Δ wurden insgesamt 4 096 Messpunkte aufgenommen. Berech-
nen Sie den Wert von Δ, den maximalen Gangunterschied.
c) Berechnen Sie die ungefähre Auflösung des Spektrums!
d) Die Geschwindigkeit des Interferometer-Spiegels ist in der Abbildung angegeben.
Wie viel Mikrosekunden vergehen zwischen jeder Datenaufnahme?
e) Wie viele Sekunden werden benötigt, um jedes Interferogramm einmal aufzu-
zeichnen?
f) Welche Art Strahlteiler wird normalerweise für den Bereich von 400–4000 cm–1
verwendet? Erläutern Sie, warum der Bereich unterhalb 400 cm–1 nicht beobachtet
wurde.
Übungen 539

19-D. In der Tabelle sind die Signal-Rausch-Verhältnisse eines kernmagnetischen Reso-


nanzexperiments aufgelistet. Zeichnen Sie die Kurven für a) das Signal-Rausch-Verhältnis
gegen n und b) das Signal-Rausch-Verhältnis gegen n, wobei n die Anzahl der Scans ist.
Zeichnen Sie an jeden Punkt die Fehlerbalken entsprechend der Standardabweichung. Ist
das Signal-Rausch-Verhältnis proportional zu n? Bestimmen Sie das 95%-Vertrauensin-
tervall für jede Zeile der Tabelle.

Signal-Rausch-Verhältnis der aromatischen Protonen von 1 % Ethylbenzen in CCl4

Zahl der Zahl der Signal-Rausch- Standard-


Experimente Akkumulationen Verhältnis abweichung

8 1 18.9 1.9

6 4 36.4 3.7

6 9 47.3 4.9

8 16 66.7 7.0

6 25 84.6 8.6

6 36 107.2 10.7

6 49 130.3 13.3

4 64 143.2 15.1

4 81 146.2 15.0

4 100 159.4 17.1

Quelle: M. Henner, P. Levoir und B. Ancian, „An NMR Spectrometer-Computer Interface Experiment“, J. Chem.
Ed. 1979, 56, 685.

19
20 Atomspektroskopie

Ein anthropologisches Puzzle


In der Atomspektroskopie wird eine Substanz in einer Flamme, einem Ofen oder einem Plasma in Atome zerlegt. Ein Plasma
ist ein so heißes Gas, dass es aus Ionen und freien Elektronen bestehen kann. Jedes Element wird durch die Absorption oder
Emission von ultravioletter oder sichtbarer Strahlung durch die gasförmigen Atome bestimmt. Zur Bestimmung der Spuren-
elemente in einem Zahn werden winzige Portionen des Zahns durch Laserbeschuss1 abgetragen und verdampft (Ablation)
und in ein Plasma verwandelt. Im Plasma sind einige Atome ionisiert, die dann in ein Massenspektrometer geschickt werden,
in dem die Ionen nach ihren Massen getrennt und ihre Menge bestimmt werden.
Chemische Elemente werden über die Nahrung oder durch Inhalation in die Zähne aufge-
nommen. Die Abbildung zeigt Spurenelementprofile, die durch Laserablation-Plasmaionisati-
on-Massenspektrometrie im Dentin der Zähne eines modernen Menschen und einer Person,
die um 1800 in Skandinavien lebte, gemessen wurden. Der Unterschied ist auffällig. Der alte
Zahn enthält beträchtliche Mengen von Zinn und Bismut, die in dem modernen Zahn nahezu
fehlen. Im alten Zahn befindet sich auch mehr Blei und Antimon als in dem jungen. Zinn und
Blei waren damals Bestandteile der Küchenutensilien und der Kochtöpfe. Auch Bismut und
Antimon können aus dem Zinngeschirr stammen.
Noch auffälliger ist in dem alten Zahn das Vorkommen der Seltenerd-Elemente (Dyspro-
sium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Lutetium) sowie der Elemente Tantal, Wolfram,
Gold, Thorium und Uran. Es gibt Seltenerd-Minerale in Skandinavien (und tatsächlich wurden Im induktiv gekoppelten Argon-
viele Seltenerd-Elemente dort entdeckt), aber wofür wurden sie verwendet? Haben die Men- Plasma werden die Substanzen
schen ihre Nahrung mit ihnen zubereitet? Sind sie irgendwie in die Nahrungskette gelangt? bei 6 000 K atomisiert.

Moderner Zahn aus Krakow, Polen Pb


I
127

208
206

Sb
Ag Hg
121
123
107
109

202
200
Massenspektrometer-Signal

Zahn aus Spitzbergen, Norwegen, ca. 1800 Pb

U
238

Bi
Hf
209

I
Sb Lu Ta
178

Ho Th
175

181
180

Au
232
165

Tm
197

In W
169
115

Ag Yb
186
184

Sn Dy
182

Er
Hg

110 120 170 180 190 200 210 220 230


Atommasse
20
Profil der Spurenelemente im Zahn eines modernen Menschen und einer Person, die vor 200 Jahren in Skandinavien lebte. [A. Cox,
F. Keenan, M. Cook und J. Appleton, „Trace Element Profiling of Dental Tissues Using Laser Ablation Inductively Coupled Plasma-Mass
Spectrometry“, Fresenius J. Anal. Chem. 1996, 354, 254.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
542 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Voranreicherung: Konzentrierung In der Atomspektroskopie werden die bei 2 000–8 000 K verdampften Stoffe in Atome zer-
eines verdünnten Analyten auf ein legt. Die Konzentrationen der Atome im Dampf werden durch die Messung an den cha-
höheres Konzentrationsniveau, das zur rakteristischen Emissions- oder Absorptionswellenlängen bestimmt. Wegen ihrer hohen
Analyse ausreicht Empfindlichkeit und der Möglichkeit, die Elemente voneinander in komplexen Proben
unterscheiden zu können, der Eignung zur Durchführung simultaner Multielementanaly-
sen, sowie der Einfachheit, viele Proben automatisiert zu analysieren, ist die Atomspekt-
roskopie eine der wichtigsten analytischen Methoden.2,3 In dem Dampf befindliche Ionen
können auch mit einem Massenspektrometer bestimmt werden, das in diesem Kapitel
beschrieben wird.
Der Analyt wird vom ppm-Bereich (parts per million, μg/g) bis zum ppt-Bereich
(parts per trillion, pg/g) bestimmt. Wenn der Analyt die Hauptkomponente einer Probe
ist, muss diese verdünnt werden. Spurenbestandteile können direkt ohne Voranreicherung
bestimmt werden. Die Reproduzierbarkeit der Atomspektroskopie liegt meist bei einigen
Prozent (in Abhängigkeit von der Art der Probe und der Matrix) und ist damit nicht so
gut wie die einiger nass-chemischer Verfahren. Bei sorgfältiger Arbeit und geeigneten
Proben kann durch Atomemissionsspektroskopie mit dem induktiv-gekoppelten Plasma
eine Richtigkeit und Präzision von etwa 0.1 % erreicht werden und zur Zertifizierung von
DNA-Referenzmaterial auf der Basis des Phosphor-Gehalts dienen.4

20.1 Überblick

Die drei Arten der Atomspektroskopie beruhen auf Absorption, Emission und Fluores-
zenz (Abbildung 20.1).5 Bei der Atomabsorption in der Abbildung 20.2 wird eine flüssige
Probe in eine Flamme mit einer Temperatur von 2 000–3 000 K gesaugt. Die Flüssigkeit
verdampft und der verbleibende Feststoff wird in der Flamme atomisiert (in Atome
zerlegt). Die Flamme tritt an die Stelle der in der üblichen Spektroskopie verwendeten

Arten der Atomspektroskopie:


▬ Emission aus einem thermisch
Atome
besetzten angeregten Zustand
in der
▬ Absorption scharfer Linien von Flamme Monochromator Detektor
einer Hohlkathodenlampe Atom-
▬ Fluoreszenz nach vorheriger emissions-
signal
Absorption von Laserstrahlung
Monochromator Detektor
Hohlkathoden- Atom-
lampe absorptions-
signal

Mono
chrom
Atom- ator
Laser fluoreszenz-
Detek
signal tor

Abb. 20.1 Emission, Absorption und Flu-


oreszenz durch Atome in einer Flamme. Flamme
strahlungsloser
Bei der Atomabsorption absorbieren die
Übergang
Atome einen Teil des Lichts von der Licht-
quelle und der verbliebene Rest wird angeregte
Zustände
vom Detektor erfasst. Die Atomemission
stammt von Atomen, die sich durch die
Absorption

hohe thermische Energie der Flamme in


einem angeregten Zustand befinden. Bei
der Atomfluoreszenz werden die Atome
von einer äußeren Lichtquelle oder
einem Laser angeregt. Das angeregte Grund-
Atom kann in einen niedrigeren Energie- zustand Atom- Atom- Atom-
zustand übergehen und dabei Strahlung emissions- absorptions- fluoreszenz-
emittieren. übergänge übergänge übergänge
20.1 · Überblick 543

Küvette. Die optische Weglänge in der Flamme beträgt gewöhnlich 10 cm. Die Hohlka-
thodenlampe links in der Abbildung 20.2 hat in diesem Beispiel eine Kathode aus Eisen.
Wenn die Kathode mit energiereichen Ne+- oder Ar+-Ionen bombardiert wird, verdamp-
fen angeregte Fe-Atome und emittieren Licht der gleichen Frequenz die vom Eisen des
Analyten in der Flamme absorbiert wird. Auf der rechten Seite der Abbildung 20.2 misst
ein Detektor die Menge des Lichts, das durch die Flamme gegangen ist.
Ein wichtiger Unterschied zwischen der Atom- und der Molekülspektroskopie ist die
Breite der Absorptions- oder Emissionsbanden. Wie in den Abbildungen 17.8 und 17.18 Fe
gezeigt wurde, besitzen die Absorptionsspektren von Flüssigkeiten und Festkörpern typi-
scherweise Bandbreiten von ~10 bis 100 nm. Im Gegensatz hierzu bestehen die Spektren
gasförmiger Atome aus scharfen Linien mit Breiten von ~0.001 nm (Abbildung 20.3). Die Ni
Linien sind so scharf, dass gewöhnlich nur geringe Überlappung der Spektren verschiede-
ner Elemente in der gleichen Probe auftritt. Deshalb können manche Geräte mehr als 70
Elemente gleichzeitig messen. Wir werden später sehen, dass scharfe Absorptionslinien der
Analyte Lichtquellen erfordern, die ebenfalls durch scharfe Linien charakterisiert sind.

Cr
Hohl- P0 Flamme P
kathoden- Monochromator Detektor Verstärker Fe
lampe Cr+
Fe+ Fe

Brenngas
Computer
300.4 300.3 300.2 300.1
Luft Wellenlänge (nm)

Abb. 20.3 Teil eines Emissionsspektrums


einer Stahl-Hohlkathodenlampe mit
den Linien von gasförmigen Fe-, Ni- und
Probe im Cr-Atomen und schwachen Linien von
Becherglas Fe+- und Cr+-Ionen. Die Monochroma-
torauflösung beträgt 0.001 nm, das ist
mit der wahren Linienbreite vergleichbar.
Abb. 20.2 Experiment zur Atomabsorption. Wie in Abbildung 17.4: Die Transmission T = P/P0 und die [A. P. Thorne, „Fourier Transform Spec-
Extinktion A = –log T. In der Praxis ist P0 die Strahlungsleistung, die zum Detektor gelangt, wenn sich trometry in the Ultraviolet“, Anal. Chem.
keine Probe in der Flamme befindet und P wird bei Anwesenheit der Probe gemessen. 1991, 63, 57A.]

Kapillar-
rohr
1 nm
500
Flüssigkeits-
193 nm-Laser tropfen Abb. 20.4 Atomfluoreszenz von Blei bei
zur Anregung 405.8 nm. Wasser, das kolloidales PbCO3
im ppb-Bereich enthielt, wurde aus einer
Signal (in Tausend Counts) des CCD

400 Atom- Signal des Leitungs-


wassers mit 2 ppb Pb Kapillare ausgestoßen und der Tropfen
fluoreszenz 1 064 nm-
bei 406 nm Laser zur dabei einem 1 064-nm Laserpuls von
Verdampfung 6 Nanosekunden ausgesetzt. Der Puls
300 Detektor erzeugte eine Rauchfahne, die sich zum
Laser bewegte. Nach 2.5 μs wurde diese
einem 193-nm Laserpuls ausgesetzt, wo-
bei Bleiatome angeregt wurden, deren
200
Standardlösungen Fluoreszenz 0.1 μs mit einem optischen
System mit einer Auflösung von 0.2 nm
40 ppb gemessen wurde. Die Abbildung zeigt
20 eine Kalibrationskurve mit kolloidalen
100 10 PbCO3-Standards und das Signal des
5 Leitungswassers mit 2 ppb Pb. [S. K. Ho 20
0 und N. H. Cheung, „Sub-Part-per-Billion
Analysis of Aqueous Lead Colloids by
0
0 10 20 30 40 ArF Laser Induced Atomic Fluorescence“,
Blei (ppb) Anal. Chem. 2005, 77,193.]
544 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Die Fluoreszenz ist empfindlicher als Abbildung 20.1 illustriert auch den Vorgang der Atomfluoreszenz. Die Atome in der
die Absorption, da man ein schwaches Flamme werden durch einen Laser bestrahlt, der sie in einen angeregten Zustand über-
Fluoreszenzsignal auf einem dunklen führt, aus dem sie durch Fluoreszenz in den Grundzustand zurückkehren können. Die
Untergrund misst. Bei der Absorption Abbildung 20.4 zeigt die Atomfluoreszenz von 2 ppb Blei im Leitungswasser. Die Atom-
muss man kleine Unterschiede zwi- fluoreszenzspektroskopie ist potentiell tausendmal nachweisstärker als die Atomabsorp-
schen großen Lichtmengen, die auf tionsspektroskopie, allerdings sind Atomfluoreszenzspektrometer noch wenig verbreitet.
den Detektor treffen, erkennen. Ein wichtiges Beispiel für die Atomfluoreszenz ist die Bestimmung von Quecksilber
(Exkurs 20.1).
Im Gegensatz hierzu ist die Atomemission (Abbildung 20.1) weit verbreitet.8 Zusam-
menstöße in dem heißen Plasma heben einige Atome in den angeregten Elektronenzu-
stand, aus dem sie dann Photonen emittieren können und in den Grundzustand zurück-
kehren. Es ist keine Lichtquelle erforderlich. Die Emissionsintensität ist proportional zur
Konzentration des Elements in der Probe. Die Emission aus den Atomen in einem Plasma
ist gegenwärtig die vorherrschende Art der Atomspektroskopie.

Exkurs 20.1

Quecksilberbestimmung mit der Kaltdampf-


Atomfluoreszenz
Quecksilber ist ein flüchtiger, giftiger Schadstoff. Die Landkarte
zeigt die Hg(0)-Konzentration in der Luft nahe der Erdoberfläche.
Quecksilber wird auch als Hg(II)(aq) in Wolken und auf Parti-
keln in der Atmosphäre gefunden. Ungefähr zwei Drittel des
atmosphärischen Quecksilbers stammen aus der Tätigkeit der
Menschen, darunter der Kohleverbrennung, der Müllverbren-
nung und der Chlorherstellung durch den Chloralkali-Elektrolyse
(Aufgabe 16-7).
Bei einer nachweisstarken Methode zur Bestimmung von
Quecksilber in Matrizes wie Wasser, Böden und Fischen wird
Hg(g) gebildet, das mit Atomabsorption oder -fluoreszenz 1.1 1.4 1.5 1.6 1.7 1.9 2.1 ng Hg(0)/m3
bestimmt wird. Die meisten Umweltproben werden mit ei-
ner automatisierten Aufschluss- und Bestimmungsmethode Globale jährliche Durchschnittsoberflächenkonzentration von Hg(0).
[C. Seigneur, K. Vijayaraghavan, P. Karamchandani und C. Scott, „Glo-
bearbeitet.6,7 Bei der Wasseranalyse wird nach einem Standard-
bal Source Attribution of Mercury Deposition in the United States“,
verfahren das gesamte Quecksilber zunächst in einem Kolben Environ. Sci. Technol. 2004, 38, 555.]
mit BrCl zu Hg(II) oxidiert. Dann werden die Halogene mit
Hydroxylamin (NH2OH) reduziert und Hg(II) wird mit SnCl2 zu
Hg(0) reduziert. Hg(0) wird dann mit gereinigtem Ar oder N2
Ar-Einlass Abzug Fluoreszenz-
aus der Lösung geblasen. Hg(0) wird bei Raumtemperatur in zelle
Hg-
der Probenfalle gesammelt, die goldbeschichteten Quarzsand Falle
O2- (Au)
enthält. Hg wird von Au gebunden, während die anderen Gase Falle Hg-Lampe
des Spülstroms die Anlage passieren. Die Probenfalle wird dann
Durch-
auf 450 °C zur Freisetzung von Hg(g) erhitzt, welches dann bei Photo-
fluss-
Hg- multiplier
Raumtemperatur von einer zweiten – der analytischen Falle messer
Falle
(Au)
festgehalten wird. Es werden zwei Fallen verwendet, damit alle Proben- analytische
falle Falle
anderen gasförmigen Verunreinigungen vor der Bestimmung
entfernt werden. Hg(g) wird dann durch Erhitzen aus der analy- NaOH/CaO- 450 °C 450 °C
Falle für saure Interferenz-
tischen Falle freigesetzt und strömt in die Fluoreszenzzelle. Die Dämpfe filter
Fluoreszenzintensität hängt stark von gasförmigen Verunreini- hν
gungen ab, welche die Emission von Hg löschen können.
Die Nachweisgrenze beträgt ~0.5 ng/L (parts per trillion).
Hg
Hg
Die Bestimmung solch geringer Mengen erfordert bei jedem Düse
Hg Fluoreszenz
Arbeitsschritt außergewöhnliche Sorgfalt zur Verhinderung ei-
ner Kontamination. So können die Amalgamfüllungen in den
Zähnen des Laboranten die Proben durch dessen ausgeat- Quecksilberbestimmung der U.S. Umweltschutz-Behörde, Methode
mete Luft kontaminieren. 1631.
20.2 · Atomisierung: Flammen, Öfen und Plasmen 545

20.2 Atomisierung: Flammen, Öfen und Plasmen

In der Atomspektroskopie wird der Analyt in einer Flamme, einem elektrisch beheizten
Ofen oder einem Plasma atomisiert. Jahrzehntelang wurden Flammen verwendet, doch
sie wurden durch das induktiv-gekoppelte Plasma und den Graphitrohr-Ofen verdrängt.
Wir beginnen unsere Darstellung mit den Flammen, da sie, nicht zuletzt in der Chemie-
ausbildung, eine Rolle spielen.

Flammen
Die meisten Flammenspektrometer verwenden einen wie in Abbildung 20.5 dargestellten Organische Lösungsmittel mit ge-
Vormischbrenner, in dem Probe, Oxidationsmittel und Brennstoff vor der Einführung ringerer Oberflächenspannung als
in die Flamme gemischt werden. Die Probenlösung wird durch den schnellen Fluss des Wasser eignen sich ausgezeichnet für
Oxidationsmittels (meist Luft), das an der Probenkapillare vorbeiströmt, in den pneumati- die Atomspektroskopie, da sie kleinere
schen Zerstäuber gezogen. Beim Austritt aus der Spitze des Zerstäubers zerfällt die Flüssig- Tröpfchen bilden und dadurch eine ef-
keit in einen feinen Nebel. Das Spray trifft mit hoher Geschwindigkeit auf eine Glaskugel, fektivere Atomisierung erreicht wird.
an der die Tropfen in noch kleinere Partikel zerfallen. Die Bildung kleiner Tröpfchen wird
als Zerstäubung bezeichnet. Eine feine Suspension von flüssigen (oder festen) Partikeln
in einem Gas heißt Aerosol. Der Zerstäuber erzeugt aus der flüssigen Probe ein Aerosol.
Anschließend passieren Nebel, Oxidationsmittel und Brennstoffstrom eine Reihe von
Prallblechen, die zur weiteren Durchmischung und zur Abtrennung großer Flüssigkeits-
tropfen dienen. Die sich am Boden der Sprühkammer sammelnde Flüssigkeit fließt in ein
Abfallgefäß ab. Das zur Flamme gelangende Aerosol enthält nur etwa 5 % der ursprüng-
lichen Probe.
Die gebräuchlichste Kombination von Brennstoff und Oxidationsmittel ist Acetylen
und Luft, womit eine Flammentemperatur von 2 400–2 700 K erzeugt werden kann (Ta-
belle 20.1). Wenn eine heißere Flamme benötigt wird, um schwer atomisierbare Elemente
(sogenannte refraktäre Elemente) zu atomisieren, wird meist die Acetylen/Lachgas-Kom-
bination verwendet. In Abbildung 20.5b ist ein Flammenprofil dargestellt. Das aus dem
Brennerkopf in die Vorheizzone gelangende Gas wird durch Wärmeleitung und Strahlung
aus der primären Reaktionszone (blauer Kegel) erhitzt. Die Verbrennung wird im äußeren
Kegel vervollständigt, wo Luft aus der Umgebung in die Flamme gezogen wird. Das von
der Flamme selbst emittierte Licht muss vom Gesamtsignal abgezogen werden, um das
Signal des Analyten zu erhalten.
Die in die Flamme gelangenden Tröpfchen verdampfen, danach wird der verbleibende
Feststoff verdampft und in Atome zerlegt. Beim Eintritt in den äußeren Flammenkegel
bilden viele Elemente Oxide oder Hydroxide. Da Moleküle jedoch nicht die gleichen

a b Außen-
kegel
Flamme

Brenner- Zone zwischen


kopf den Kegeln
blauer
Sprüh- Kegel
Vorheizzone
Bren kammer
ngas
Brennerkopf
oxidie
r
Gas endes
c
10.8 Abb. 20.5 a) Vormischbrenner. b) Endan-
Volumenprozent

sicht der Flamme. Der Schlitz im Brenner-


Prall-
kopf ist etwa 0.5 mm breit. c) Verteilung
flächen
Glas- der Tropfengröße bei einem bestimm-
Pro
be kugel
5.4
ten Zerstäuber. [R. H. Clifford, I. Ishi, A. 20
Montaser und G. A. Meyer, „Droplet Size
Zerstäuber and Velocity Distributions of Aerosols
0
zum Abfluss 6 12 from Commonly Used Nebulizers“, Anal.
Durchmesser (μm) Chem. 1990, 62, 390.]
546 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Tabelle 20.1 Maximale Flammentemperaturen

Brennstoff Oxidationsmittel Temperatur (K)

Acetylen, HC≡CH Luft 2 400–2 700

Acetylen N2O (Lachgas) 2 900–3 100

Acetylen Sauerstoff 3 300–3 400

Wasserstoff Luft 2 300–2 400

Wasserstoff Sauerstoff 2 800–3 000

Dicyan, N≡C–C≡N Sauerstoff 4 800

Spektren wie die Atome besitzen, wird das Atomsignal erniedrigt. Die Moleküle emit-
tieren Strahlung in einem breiten Bereich, die von den scharfen Signalen der Atome
abgezogen werden müssen. Wenn die Flamme relativ brennstoffreich ist („fette“ Flamme),
werden die Metalloxide und -hydroxide durch einen Überschuss an Kohlenstoff redu-
ziert. Dabei wird die Nachweisstärke erhöht. Das Gegenteil einer fetten Flamme ist eine
„magere“ Flamme, die einen Überschuss an Oxidationsmittel enthält und heißer ist. Un-
terschiedliche Elemente erfordern für optimale Bedingungen magere oder fette Flammen.
Die Höhe in der Flamme, bei der maximale Atomabsorption oder -emission beobachtet
Graphitofen werden kann, hängt sowohl vom zu bestimmenden Element als auch der Probenfließrate,
dem Brennstoff und dem Oxidationsmittel ab.9

Öfen10
Mit einem elektrisch beheizten Graphitofen lässt sich ein besseres Nachweisvermögen als
mit Flammen erreichen und es werden kleinere Probevolumina benötigt. Proben von 1
bis 100 μl können in den Ofen durch das Loch in der Mitte der Abbildung 20.6 injiziert
werden. Das Licht aus einer Hohlkathodenlampe tritt durch die Fenster an beiden Enden
des Graphitrohres. Zur Verhinderung der Oxidation des Graphits befindet sich der Ofen
in einer Ar-Atmosphäre. Die empfohlene Höchsttemperatur liegt bei 2 550 °C für eine
Dauer von maximal 7 Sekunden.
In der Flammenspektroskopie beträgt die Aufenthaltszeit des Analyten weniger als
Abb. 20.6 Ein 38 mm-langer, elektrisch
beheizter Graphitofen für die Atomspek- eine Sekunde für den Weg durch die Flamme. Im Graphitofen wird die atomisierte Probe
troskopie. [Mit Genehmigung von Instru- für mehrere Sekunden im optischen Weg eingeschlossen, wodurch ein höheres Nachweis-
mentation Laboratory, Wilmington, MA.] vermögen erreicht wird. Während für die Flammenanalyse mindestens ein Probenvolu-
men von 1–2 mL notwendig ist, reicht 1 μL für die Graphitofentechnik aus. Die Reprodu-
zierbarkeit ist selten besser als 5–10% bei manueller Probeinjektion, eine automatisierte
Der Analytiker muss die optimale Probeninjektion verbessert die Präzision auf ~1%.
Zeitdauer und Temperatur für jede Wenn die Probe injiziert wird, sollte der Tropfen eine kleine Fläche auf den Boden
Phase der Analyse ermitteln. Wenn ein des Ofens bilden (Abbildung 20.7a). Wenn der Tropfen zu hoch injiziert wird (Abbil-
Programm aufgestellt wurde, kann es dung 20.7b), verspritzt er und breitet sich aus, wodurch die Präzision abnimmt. Im
für eine große Zahl ähnlicher Proben schlechtesten Fall bleibt der Tropfen an der Pipettenspitze hängen und wird bei Heraus-
angewendet werden. nahme der Pipette rund um das Injektorloch abgeschieden.
Verglichen mit Flammen, erfordern Öfen besser geschulte Bedienung, um die ge-
eigneten Bedingungen für jeden Probentyp zu ermitteln. Der Ofen muss in drei oder
mehr Schritten aufgeheizt werden, um die Probe optimal zu atomisieren. Um Fe im
eisenspeichernden Protein Ferritin zu bestimmen, werden 10 μL der Probe, die ca.
0.1 ppm Fe enthält, bei ~90 °C in den Ofen injiziert. Der Ofen ist programmiert, die
Probe bei 125 °C für 20 s zu trocknen, um das Lösungsmittel zu entfernen. Auf die Trock-
nung folgen bei 1 400 °C 60 s Verkohlung, auch als Pyrolyse (Zersetzung durch Hitze)
bezeichnet. Bei der Verkohlung wird die organische Materie unter Rauchentwicklung
zerstört, die bei der Fe-Bestimmung stören würde. Zuletzt wird die Atomisierung bei
2 100 °C für 10 s durchgeführt. Während dieses Vorganges erreicht die Extinktion ein
20.2 · Atomisierung: Flammen, Öfen und Plasmen 547

Maximum, ehe sie wieder absinkt, weil Fe sich aus dem Ofen verflüchtigt. Die über die
Zeit integrierte Extinktion (Peakfläche) wird als analytisches Signal verwendet. In einem
automatisch folgenden Schritt wird der Ofen für 3 s auf 2 500 °C erhitzt, um sämtliche Pipette
Tropfen
Rückstände zu entfernen.
Der Ofen wird bei jedem Schritt, außer dem der Atomisierung, zur Entfernung flüchti-
ger Stoffe mit Ar oder N2 gespült. Während der Atomisierung wird der Gasfluss angehalten,
um zu verhindern, dass der Analyt aus dem Ofen geblasen wird. Wenn eine Methode für
eine neue Probenart entwickelt wird, muss das Signal zeitabhängig aufgezeichnet werden, a
weil Signale auch durch den bei der Veraschung entstehenden Rauch und durch die Strah-
lung des rotglühenden Ofens im letzten Teil der Atomisierung entstehen können. Trainier-
tes Bedienungspersonal muss unterscheiden können, welches Signal durch die Probe und
welches durch andere Effekte entstanden ist, damit der richtige Peak integriert wird.
Bessere Ergebnisse als mit einem einfachen Graphitrohr lassen sich mit dem in Abbil-

Tropfen
dung 20.8a gezeigten Ofen erzielen. Die Probe wird auf eine Plattform injiziert, die durch
Wärmestrahlung von den Ofenwänden erhitzt wird. Dadurch bleibt die Temperatur der
Probe auf der Plattform hinter der steigenden Temperatur der Ofenwand zurück und der
Analyt wird nicht verdampft, bevor diese eine konstante Temperatur erreicht hat (Ab-
bildung 20.8b). Bei konstanter Ofentemperatur ist die Fläche des Extinktionspeaks ein b
zuverlässiges Maß für die Gesamtmenge an Analyt, der aus der Probe verdampft wurde.
Eine Aufheizgeschwindigkeit von 2 000 K/s führt zu einer schnellen Dissoziation der Mo- Abb. 20.7 a) Bei der richtigen Position
für die Probeninjektion in einen Graphit-
leküle und Erhöhung der Konzentration freier Atome im Ofen. ofen scheidet sich der Tropfen auf einer
Der Ofen in Abbildung 20.8a wird transversal (von Seite zu Seite) beheizt, um eine kleinen Fläche auf dem Boden des Ofens
ziemlich einheitliche Temperatur über die gesamte Länge des Ofens zu gewährleisten. ab. b) Wenn die Injektion zu hoch erfolgt,
Bei Öfen mit longitudinaler Heizung ist das Zentrum des Ofens heißer als die Enden. verspritzt die Probe und die Präzision ist
Die Atome aus der Zentralregion kondensieren an den Enden, von wo sie während der schlecht. [P. K. Booth, „Improvements in
Method Development for Graphite Fur-
nächsten Analyse wieder verdampft werden können. Störungen durch vorangegangene nace Atomic Absorption Spectrometry“,
Analysen, als Memoryeffekte bezeichnet, werden im transversal beheizten Ofen reduziert. Am. Lab. February 1995, Seite 48X.]
Zur weiteren Verringerung der Memoryeffekte wird gewöhnlicher Graphit mit einer dich-
ten Lage aus pyrolytischem Graphit beschichtet. Dieser durch thermische Zersetzung einer
verdampften organischen Verbindung gebildete Überzug versiegelt den relativ porösen
Graphit, so dass er keine Fremdatome absorbieren kann.

Probenzufuhr Ofenwandtemperatur
Lichteintritt

von der
Temperatur

Extinktion

Plattform

Licht-
ausgang gebogene
L´vov-Plattform von der Wand
Ofenwand

Ansicht von der


Stirnseite

a b Zeit

Abb. 20.8 a) Ein transversal erhitzter Graphitofen hat eine nahezu konstante Temperatur über die
gesamte Ofenlänge. Dabei werden Memoryeffekte aus vorangegangenen Analysen verringert. Die
L´vov-Plattform wird nicht durch Wärmeleitung, sondern durch Strahlung von der Außenwand ein- 20
heitlich erhitzt. Die Plattform ist über eine kleine Verbindung (in der Abbildung nicht zu sehen) mit
der Wand verknüpft. [Mit Genehmigung von Perkin-Elmer Corp., Norwalk,CT.] b) Heizprofile zum
Vergleich der Verdampfung des Analyten von der Wand und von der Plattform. [W. Slavin, „Atomic
Absorption Spectroscopy“, Anal. Chem. 1982, 54, 685A.]
548 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Die feste Probe Eine Voranreicherung der Probe kann durch Injektion und Verdampfung mehrerer
wurde auf der
Plattform Aliquote im Graphitrohr vor der Bestimmung erreicht werden.11 Zur Bestimmung von
eingewogen As-Spuren in Trinkwasser wurde ein 30-μL-Aliquot des Wassers plus Matrix-Modifier
injiziert und verdampft. Das wurde noch fünfmal wiederholt, so dass sich ein Gesamt-
volumen von 180 μL ergab. Die Nachweisgrenze für As war 0.3 μg/L (ppb). Ohne Vor-
anreicherung wäre die Nachweisgrenze 1.8 μg/L. Diese gewachsene Leistungsfähigkeit ist
deshalb wichtig, weil As gerade im Konzentrationsbereich von einigen ppb als gesund-
heitsschädlich gilt.
In den Öfen werden gewöhnlich flüssige Proben verwendet. Bei der direkten Feststoff-
analyse wird ein Festkörper ohne Probenvorbereitung analysiert (Abbildung 20.9). Zum
Abb. 20.9 Direkte Feststoffanalyse mit Beispiel können Spurenverunreinigungen in Wolfram, das zur Herstellung von industriel-
Plattformtechnik, vom Ende des Ofens len Bauteilen eingesetzt wird, dadurch bestimmt werden, dass 0.1 bis 100 mg des Pulvers
betrachtet. auf der Graphitplattform eingewogen werden.12 Die Plattform wird in den Ofen gebracht
und auf 2 600 °C erhitzt, um die Verunreinigungen im Wolfram zu atomisieren, jedoch
nicht das Wolfram, das erst bei 3 400 °C schmilzt. Nach mehreren Analysen wird das zu-
rückgebliebene Wolfram von der Plattform gekratzt, die 400 Mal wiederverwendet werden
kann. Da sehr viel mehr Probe analysiert wird, wenn der Feststoff anstelle einer Lösung
eingesetzt wird, kann die Nachweisgrenze 100 Mal niedriger sein als die bei einer Lösungs-
injektion. Zum Beispiel kann Zn in einem Bereich von 10 pg/g (10 parts per trillion) in
100 mg Wolfram bestimmt werden. Die Kalibrationskurven werden erhalten, indem Stan-
dardlösungen des Spurenelements injiziert und als gewöhnliche Flüssigkeiten analysiert
werden. Die Ergebnisse der direkten Feststoffanalyse sind in guter Übereinstimmung mit
den Resultaten, die nach einer arbeitsaufwendigen Auflösung des Feststoffs erhalten wur-
den. Zu weiteren Stoffen, die durch direkte Feststoffanalyse untersucht wurden, gehören
Graphit, Siliciumcarbid, Zement, Flusssedimente, Haare und pflanzliches Material.13

Matrixmodifizierung für Graphitöfen


Matrixmodifier: Erhöhung der Flüch- Alles, was in einer Probe übrig bleibt, wenn man den Analyten abzieht, nennt man Ma-
tigkeit der Matrix oder Erniedrigung trix. Im Idealfall zersetzt sich die Matrix und verdampft während der Veraschung. Ein
der Flüchtigkeit des Analyten zur Matrixmodifier ist ein Stoff, der zur Probe gegeben wird, um den Verlust an Analyt wäh-
sauberen Trennung von Matrix und rend der Veraschung zu verringern, indem die Matrix flüchtiger oder der Analyt weniger
Analyt. flüchtig gemacht werden.
Der Matrixmodifier Ammoniumnitrat kann zu Meerwasser gegeben werden, um die
Flüchtigkeit der NaCl-Matrix zu erhöhen. Die Abbildung 20.10a zeigt das Heizungspro-
fil für einen Graphitofen, in dem Mn im Meerwasser bestimmt werden soll. Wenn eine
0.5 M NaCl-Lösung nach diesem Profil behandelt wird, beobachtet man Signale an den
analytischen Wellenlängen von Mn (Abbildung 20.10b). Viel von dieser scheinbaren
Extinktion stammt wahrscheinlich aus einer Lichtstreuung durch den Rauch, der beim
Erhitzen von NaCl entsteht. Die Absorption bei Beginn der Atomisierung stört bei der
Manganbestimmung. Zugabe von NH4NO3 zur Probe in Abbildung 20.10c erniedrigt die
Absorptionspeaks der Matrix. NH4NO3 plus NaCl gibt NH4Cl und NaNO3, die sauber
verdampfen und nicht qualmen.
Der Matrixmodifier Pd(NO3)2 wird Meerwasser zugesetzt, um die Flüchtigkeit des
Analyten Sb zu verringern. Bei Abwesenheit des Modifiers gehen während der Ver-
aschung bei 1 250 °C 90% des Antimons verloren. Mit dem Modifier kann die Matrix bei
1 400 °C weitgehend verdampft werden, ohne dass Sb verloren geht.14
Der Matrixmodifier Mg(NO3)2 erhöht die Temperatur zur Atomisierung des Analy-
ten Aluminium.15 Bei hoher Temperatur zersetzt sich Mg(NO3)2 zu MgO und Al wird
in Al2O3 umgewandelt. Bei einer ausreichend hohen Temperatur wird Al2O3 in Al und
O zerlegt und Al verdampft. Die Verdampfung von Al wird jedoch nach der folgenden
Gleichung aufgehalten:
3 MgO(g) + 2 Al(s) U 3 Mg(g) + Al2O3(s) (20.1)
Wenn MgO verdampft ist, kann die Reaktion 20.1 nicht länger ablaufen und Al2O3 wird
zerlegt und verdampft. Ein Matrixmodifier, der die Siedetemperatur des Analyten erhöht,
20.2 · Atomisierung: Flammen, Öfen und Plasmen 549

erlaubt eine höhere Temperatur für die Veraschung zur Beseitigung der Matrix ohne 2 000
Analytverluste.
Es ist wichtig, das Extinktionssignal aus einem Graphitofen wie in Abbildung 20.10b

Atomisierung
als Funktion der Zeit zu registrieren. Die Peakformen helfen bei der Entscheidung, wie

Temperatur (°C)
bei jedem Schritt Zeitdauer und Temperatur einzustellen sind, um ein sauberes Signal des
Analyten zu erhalten. Auch ein Graphitofen hat eine begrenzte Lebenszeit. Veränderun-
1 000
gen der Peakform oder im Anstieg der Kalibrationskurve können zeigen, dass es an der
Zeit ist, den Ofen auszuwechseln.

ng
hu
sc
ra
Ve
Induktiv gekoppeltes Plasma (ICP) Trocknung
0
a
Das in der Einleitung dieses Kapitels gezeigte induktiv gekoppelte Plasma16 ist doppelt
so heiß wie eine normale Verbrennungsflamme (Abbildung 20.11). Diese hohe Tem-
peratur, Stabilität und inerte Argon-Umgebung beseitigen die meisten Störungen, die
0.3
bei konventionellen Flammen auftreten. Die in Abschnitt 20.4 behandelte simultane

Extinktion
Multielementanalyse wird routinemäßig mit der Atomemissionsspektroskopie mit dem
induktiv-gekoppelten Plasma durchgeführt; sie hat die Flammenatomabsorption weitge-
hend verdrängt. Das Plasmagerät ist im Vergleich zu einem Flammeninstrument jedoch b
0
in der Anschaffung und im Betrieb wesentlich teurer.
Der in Abbildung 20.12 gezeigte Querschnitt eines induktiv gekoppelten Plas-
0.2

Extinktion
mabrenners zeigt zwei Windungen einer 27- oder 41-MHz-Induktionsspule, die um
die obere Öffnung der Quarzapparatur gelegt sind. Hochreines Argon wird durch den
Einlass für das Plasmagas eingebracht. Nachdem ein Funke einer Tesla-Spule das Gas 0

ionisiert hat, werden die freien Elektronen sofort durch das starke Hochfrequenzfeld 0 40 80 120

beschleunigt. Die beschleunigten Elektronen übertragen Energie auf das gesamte Gas c Zeit (s)
durch Stöße mit den Atomen. Wenn dieser Prozess einmal begonnen hat, absorbie-
Abb. 20.10 Verringerung von Störungen
ren die Elektronen genug Energie, damit im Plasma eine Temperatur von 6 000 bis
durch Verwendung eines Matrixmodi-
10 000 K erreicht wird. Der Quarzbrenner ist durch Argon-Kühlgas vor einer Überhit- fiers. a)Temperaturprofil eines Graphit-
zung geschützt. ofens zur Analyse von Mn in Meerwasser.
Die für ein ausreichendes Signal benötigte Konzentration des Analyten kann durch b) Extinktionsprofil von 10 μL einer 0.5M
einen Ultraschall-Zerstäuber (Abbildung 20.13) um eine Größenordnung reduziert wer- analysenreinen NaCl-Lösung, die dem
Temperaturprofil des Bilds a unterworfen
den. In diesem Zerstäuber wird die Probenlösung auf einen piezoelektrischen Kristall
wurde. Die Extinktion wurde bei der
geleitet, der mit 1 MHz oszilliert. Der schwingende Kristall erzeugt ein feines Aero- Mn-Wellenlänge von 279.5 nm und einer
sol, das mit einem Argon-Strom durch eine Heizröhre transportiert wird, in der das Bandbreite von 0.5 nm registriert. (c) Ver-
Lösungsmittel verdampft. In der anschließenden Kühlzone kondensiert das Lösungs- ringerte Extinktion der 10 μL einer 0.5M
mittel und wird entfernt. Danach geht der Gasstrom über einen Desolvator, der eine NaCl-Lösung plus 10 μL einer 50 Gew%
NH4NO3-Lösung als Matrixmodifier. [M.
mikroporöse Membran aus Polytetrafluorethylen in einer auf 160 °C erhitzten Kammer
N. Quigly and F. Vernon, „Matrix Modi-
enthält. Dort diffundiert der restliche Dampf des Lösungsmittels durch die Membran fication Experiment for Electrothermal
und wird mit Ar weggeblasen. Dadurch gelangt der Analyt als Aerosol von trockenen, Atomic Absorption Spectrophotometry“,
festen Partikeln in die Plasmaflamme. Die Plasmaenergie wird nicht zur Verdampfung J. Chem. Ed. 1996, 73, 980.]

Temperatur (K)
Höhe über der Hochfrequenzspule (mm)

(+
− 10%)
25 6 000

20 6 200

15 6 500
6 800
8 000
(geschätzt)
10 000 20
Abb. 20.11 Temperaturprofil eines induktiv gekoppel-
ten Plasmas. [V. A. Fassel, „Simultaneous Determina-
Proben-
aerosol tion of the Elements at All Concentration Levels“, Anal.
Chem. 1979, 51, 1290A.]
550 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Ein piezoelektrischer Kristall ändert des Lösungsmittels benötigt, so dass mehr Energie für die Atomisierung zur Verfügung
in einem angelegten elektrischen Feld steht. Außerdem erreicht ein größerer Teil der Probe das Plasma als mit einem konven-
seine Dimensionen. Eine zwischen tionellen Zerstäuber.
zwei Kristallflächen angelegte Sinus- Das Nachweisvermögen mit einem induktiv gekoppelten Plasma wird um einen Fak-
Spannung führt zu Schwingungen des tor von 3 bis 10 weiter erhöht, wenn die Emission längs des Plasmas (axiale Ansicht) an-
Kristalls. Quarz ist der gebräuchlichste stelle durch den Plasmastrahl beobachtet wird. Eine weitere Verbesserung wird erreicht,
piezoelektrische Stoff. wenn statt der optischen Detektion (Tabelle 20.2) ein Massenspektrometer zur Detektion
von Ionen verwendet wird. (Siehe Abschnitt 20.6).

Tabelle 20.2 Vergleich der Nachweisgrenzen für Ni(II) bei 231 nm

Technika Nachweisgrenzen für verschiedene


Geräte (ng/g)

ICP/Atomemission) (pneumatischer Zerstäuber) 3–50

ICP/Atomemission) (Ultraschall-Zerstäuber) 0.3–4

Graphitofen/Atomabsorption 0.02–0.06

ICP/Massenspektrometrie 0.001–0.2

a
ICP = induktiv gekoppeltes Plasma
Quelle: J. M. Mermet und E. Poussel, „ICP Emission Spectrometers: Analytical Figures of Merit“, Appl. Spec-
tros.1995, 49, 12A.

Quarzdeckel

Hochfrequenz- trockenes Aerosol


spule mit zwei zum Plasma
Windungen
Ar Membran-Desolvator
Injektions-
kapillare

Kühlmittel-
Plasmarohr Ausgang Ar
Kühlmittel-
Eingang Lösungsmittel-
Kühlungsrohr kondensation

Probenrohr

heißes
Kühlgas- Röhrchen
Gaseinlass
Eingang Kühlung
Abfluss Aerosol-Kammer

Plasmagas-
Eingang
Probeneinlass
Piezoelektrischer Kristall
a Abfluss

Probenaerosol-
Eingang

Abb. 20.12 Brenner für das induktiv b


gekoppelte Plasma. [R. N. Savage und G.
M. Hieftje, „Miniature Inductively Coupled Abb. 20.13 a) Ein Ultraschallzerstäuber senkt für die meisten Elemente die Nachweisgrenze um eine
Plasma Source for Atomic Emission Spec- Größenordnung. b) Wenn die Probe gegen einen schwingenden Kristall gesprüht wird, entsteht ein
trometry“, Anal. Chem. 1979, 51, 408.] Nebel. [Mit Genehmigung von Cetac Technologies, Omaha, NB.]
20.3 · Der Einfluss der Temperatur in der Atomspektroskopie 551

20.3 Der Einfluss der Temperatur in der E *, g* = 3, angeregter

Absorption
Zustand

Emission
Atomspektroskopie ΔE

E0, g0 = 2, Grund-
Die Temperatur bestimmt den Grad der Atomisierung einer Probe und die Anteile, in de- zustand
nen die Atome im Grundzustand, angeregtem oder ionisiertem Zustand vorliegen. Diese
Effekte beeinflussen die Stärke des Signals, das wir beobachten. Abb. 20.14 Zwei Energieniveaus mit
unterschiedlicher Entartung. Die Atome
im Grundzustand werden bei Lichtab-
sorption in den angeregten Zustand
Die Boltzmann-Verteilung überführt. Atome im angeregten Zustand
können Licht emittieren, wenn sie in den
Wir betrachten ein Atom mit den beiden Energieniveaus E0 und E*, die sich um den Grundzustand zurückkehren.
Betrag ΔE unterscheiden. (Abbildung 20.14). Ein Atom (oder Molekül) kann bei einer
gegebenen Energie mehr als einen Zustand einnehmen. In Abbildung 20.14 sind drei Zu-
stände bei E* verfügbar und zwei bei E0. Die Zahl der verfügbaren Zustände je Energie-
niveau wird als Entartung des Niveaus bezeichnet. Wir bezeichnen die Entartungen mit
g0 und g*.
Die Boltzmann-Verteilung beschreibt die relativen Besetzungen der unterschiedli- Die Boltzmann-Verteilung gilt für ein
chen Zustände im thermischen Gleichgewicht. Wenn Gleichgewicht herrscht (was zwar System im thermischen Gleichgewicht.
im blauen Kegel einer Flamme nicht vorliegt, jedoch oberhalb des blauen Kegels annä-
hernd zutrifft), beträgt die relative Besetzung (N*/N0) für die beiden Zustände
N* g * −ΔE /kT
Boltzmann-Verteilung: = e (20.2)
N0 g0
wobei T die Temperatur (K) und k die Boltzmannkonstante (1.381 × 10–23 J/K) ist.

Der Einfluss der Temperatur auf die Besetzung


angeregter Zustände
Der niedrigste angeregte Zustand eines Natriumatoms liegt um 3.371 × 10–19 J/Atom
über dem Grundzustand. Die Entartung des angeregten Zustandes ist 2, während die
des Grundzustandes 1 ist. Wir wollen nun den Anteil von Natriumatomen im angereg-
ten Zustand in einer Acetylen-Luft-Flamme bei 2 600 K berechnen. Mit Gleichung 20.2
finden wir

N* ⎛2⎞ −19 −23


= ⎜ ⎟ e − (3.371 × 10 J) / [(1.381 × 10 J/K) (2600 K)] = 1.67 × 10−4
N0 ⎝1⎠

Das bedeutet, dass sich weniger als 0.02 % der Atome im angeregten Zustand befinden.
Bei einer Temperatur von 2 610 K beträgt der Anteil der Atome im angeregten Zu-
stand

N* ⎛2⎞ −19 −23


= ⎜ ⎟ e − 3.371 × 10 / (1.381 × 10 ⋅ 2610) = 1.74 × 10−4
N0 ⎝1⎠

Der Anteil angeregter Atome ist immer noch kleiner als 0.02 %, er hat sich jedoch um den Bei einer Temperaturerhöhung um
Betrag 100 (1.74–1.67)/1.67 = 4 % erhöht. 10 K verändert sich der Anteil ange-
regter Zustände in diesem Beispiel
um 4 %.
Der Temperatureinfluss auf Absorption und Emission
Wir haben gesehen, dass sich bei 2 600 K mehr als 99.98 % der Natriumatome im Grund-
zustand befinden. Eine Änderung der Temperatur um 10 K beeinflusst die Besetzung des
Grundzustandes kaum und hat keine merkliche Wirkung auf das Signal in der Atomab-
20
sorption.
Wie wird die Intensität der Emission durch einen Anstieg der Temperatur um 10 K
beeinflusst? In Abbildung 20.14 sehen wir, dass die Absorption von den Atomen im Grund-
552 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Tabelle 20.3 Einfluss der Energieunterschiede und der Temperatur auf die Besetzung angeregter
Zustände

Wellenlängenunterschied Energieunterschied der Anteil angeregter Zustände (N*/N0)a


der Zustände (nm) Zustände (J/Atom)
2 500 K 6 000 K

250 7.95 × 10–19 1.0 × 10–10 6.8 × 10–5

500 3.97 × 10–19 1.0 × 10–5 8.3 × 10–3

750 2.65 × 10–19 4.6 × 10–4 4.1 × 10–2

a Berechnet nach der Gleichung N*/N0 = (g*/g0) e–ΔE/kT mit g* = g0 = 1.

Die Atomabsorption reagiert nicht so zustand ausgeht, die Emission jedoch durch Atome im angeregten Zustand hervorgerufen
empfindlich auf Temperaturänderun- wird. Die Emissionsintensität ist proportional zur Besetzung des angeregten Zustandes. Weil
gen wie die Atomemission, die sich ex- sich die Besetzung des angeregten Zustandes bei einer Erhöhung der Temperatur um 10 K um
ponentiell mit der Temperatur ändert. 4 % ändert, steigt auch die Emissionsintensität um 4 %. Deshalb ist es in der Atomemissions-
spektroskopie sehr wichtig, dass die Flamme sehr stabil ist, da sonst die Emissionsintensität
stark schwankt. In der Atomabsorptionsspektroskopie ist die Änderung der Flammentempe-
ratur zwar ebenfalls von gewisser Bedeutung, sie ist aber nicht derart kritisch.
Die Atomemission wird fast immer mit dem induktiv gekoppelten Plasma durch-
geführt, dessen Temperatur stabiler als die einer Flamme ist. Das Plasma wird fast aus-
schließlich für die Emission und nicht für die Absorption verwendet, denn es ist so heiß,
dass eine beträchtliche Besetzung angeregter Zustände von Atomen und Ionen vorliegt.
In Tabelle 20.3 werden die Besetzungen der angeregten Zustände für eine Flamme von
2 500 K und ein Plasma mit 6 000 K verglichen. Obwohl der Anteil angeregter Atome
klein ist, emittiert jedes Atom pro Sekunde viele Photonen, da es durch Kollisionen
schnell wieder in den angeregten Zustand angehoben wird.
Die Energieniveaus der Halogenatome (F, Cl, Br, I) liegen so hoch, dass sie ultravio-
lette Strahlung unter 200 nm emittieren. Dieser Spektralbereich heißt Vakuum-Ultravio-
lett, weil Strahlung unterhalb 200 nm von O2 absorbiert wird, so dass die Spektrometer
für den fernen ultravioletten Bereich üblicherweise evakuiert werden. Einige Plasma-
Spektrometer werden zum Luftausschluss mit N2 gespült, damit das Gebiet von 130 bis
200 nm zugänglich ist und Cl, Br, I, P und S bestimmt werden können.17 Wenn in einer
anderen Anwendung Stickstoff in Düngemitteln gemeinsam mit anderen Hauptbestand-
teilen des Düngemittels bestimmt wird, muss der Brenner mit Argon gespült werden, um
den Stickstoff der Luft auszuschließen. Die Probe wird mit He gespült, um gelöste Luft zu
entfernen. Die Emission des Stickstoffs wird bei 174 nm gemessen.

20.4 Apparatur

Die grundlegenden Anforderungen für eine Messung der Atomabsorption sind in der
Abbildung 20.2 gezeigt. Die wesentlichen Unterschiede zwischen Atomspektroskopie und
Molekülspektroskopie liegen in der Lichtquelle (beziehungsweise dem Fehlen einer Licht-
quelle bei der Atomemission), dem Probengefäß (Flamme, Ofen oder Plasma) und in der
Notwendigkeit, die Untergrundemission von dem beobachteten Signal zu subtrahieren.

Um den Anforderungen des Lambert-


Beerschen Gesetzes zu genügen, muss Breite der Atomlinien18
die Linienbreite einer Lichtquelle
schmaler sein als die Linienbreite des Das Lambert-Beersche Gesetz gilt für monochromatische Strahlung. Das bedeutet, dass
Atomdampfes. Die Begriffe „Linien- die Linienbreite der Strahlungsquelle viel kleiner sein sollte als die Linienbreite der ab-
breite“ und „Bandenbreite“ werden sorbierenden Probe. Die gemessene Extinktion wäre sonst nicht proportional zur Proben-
wahlweise verwendet, „Linien“ sind konzentration. Atomabsorptionslinien sind sehr scharf, ihre natürliche Breite beträgt nur
aber schmaler als „Banden“. ca. 10–4 nm.
20.4 · Apparatur 553

Die Linienbreite ist durch das Heisenbergsche Unschärfeprinzip bestimmt, das ΔE in Gleichung 20.2 ist die Differenz
besagt, das je kürzer die Lebenszeit eines angeregten Zustands ist, desto unsicherer ist der Energie zwischen Grund- und
dessen Energie: angeregtem Zustand. δE in Gleichung
h 20.3 ist die Unsicherheit von ΔE. δE ist
Heisenbergs Unschärfeprinzip: δEδt >
~ 4 (20.3)
ein kleiner Bruchteil von ΔE.
mit δE der Unsicherheit der Energiedifferenz zwischen Grund- und angeregtem Zustand,
δt der Lebensdauer des angeregten Zustands bis zur Rückkehr in den Grundzustand
und der Planckschen Konstante h. Gleichung 20.3 besagt, dass die Unsicherheit in der
Energiedifferenz der beiden Zustände multipliziert mit der Lebensdauer des angeregten
Zustands mindestens h/4π beträgt. Wenn δt abnimmt, steigt δE. Die Lebensdauer eines
eines anregten Zustands beträgt bei einem einzelnen gasförmigen Atom ungefähr 10–9 s.
Damit beträgt die Unsicherheit in seiner Energie

h 6.6 × 10 −34 J · s
δE ≥ = ≈ 10-25 J
4  t 4 (10 −9 s)

Wir wollen annehmen, dass die Energiedifferenz (ΔE) zwischen Grund- und angereg-
tem Zustand eines Atoms dem sichtbaren Licht mit einer Wellenlänge λ = 500 nm ent-
spricht. Es gilt ΔE = hc/λ = 4.0 × 10–19J (Gleichung 17.3, c ist die Lichtgeschwindigkeit).
Die relative Unsicherheit in der Energiedifferenz ist δE/ΔE ~ > (10–25J)/(4 × 10–19 J) ≈ 2 ×
–7
10 . Die relative Unsicherheit in der Wellenlänge (δλ/λ) ist genauso groß, wie die der
Energie Δλ ist die Breite einer Absorptions-
oder Emissionslinie, gemessen in der
~ 2 × 10 ⇒ δλ >
δλ/λ = δE/ΔE > –7
~ (2 × 10 )(500 nm) = 10 nm
–7 –4
(20.4)
halben Höhe des Peaks
Die natürliche Linienbreite eines Signals in der Atomabsorption oder -emission beträgt
wegen der kurzen Lebensdauer des angeregten Zustands ~10–4 nm.
Zwei Mechanismen verbreitern in der Atomspektroskopie die Linien auf 10–3 bis

Lichtquelle
–2
10 nm. Einer davon ist der Dopplereffekt. Ein Atom, das sich in Richtung der Strah-
lungsquelle bewegt, trifft die oszillierende elektromagnetische Welle häufiger als eines,
das sich von der Quelle entfernt (Abbildung 20.15). Das heißt, ein Atom, das sich in
Richtung der Quelle bewegt, „sieht“ Licht mit einer höheren Frequenz als ein Atom, das a
sich von der Quelle entfernt. In einem festen Bezugssystem absorbiert das Atom, das
sich auf die Quelle zubewegt, niederfrequenteres Licht als eines, das sich wegbewegt.
Lichtquelle

Die Linienbreite, δλ, die durch den Dopplereffekt hervorgerufen wird, ist näherungs-
weise gegeben durch
T
Doppler-Linienbreite: δλ ≈ (7 × 10–7) (20.5)
M b

mit T der Temperatur (K) und M der Atommasse (in Atommasse-Einheiten). Für eine Abb. 20.15 Dopplereffekt. Ein Molekül,
das sich (a) auf die Strahlungsquelle zu
Emissionslinie in der Nähe von λ = 300 nm des Eisens (M = 56 Atommasse-Einheiten) bei
bewegt, „fühlt“ die Schwingungen des
2 500 K in Abbildung 20.3 beträgt die Doppler-Linienbreite (300nm)(7 × 10–7) 2 500 / 56 elektromagnetischen Feldes öfter als
= 0.001 4 nm. Das ist eine Größenordnung mehr als die natürliche Linienbreite. ein Molekül (b) das sich von der Quelle
Die Linienbreite wird auch durch Druckverbreiterung beeinflusst, die durch Stöße entfernt.
zwischen den Atomen hervorgerufen wird. Die Stöße verkürzen die Lebensdauer des
angeregten Zustands. Die Unsicherheit in der Frequenz der Atomabsorptions- und -emis-
sionslinien ist numerisch etwa gleich der Stoßfrequenz und verhält sich proportional zum Durch Doppler- und Druckeffekte
Druck. Dopplereffekt und Druckverbreiterung sind von etwa gleicher Größe und ergeben werden die Atomlinien um 1–2 Grö-
in der Atomspektroskopie Linienbreiten von 10–3 bis 10–2 nm. ßenordnungen im Verhältnis zu ihrer
natürlichen Linienbreite verbreitert.

Hohlkathodenlampen
Monochromatoren können keine Linien isolieren, die schmaler als 10–3 bis 10–2 nm sind.
Zur Erzeugung schmaler Linien mit einer exakten Frequenz werden Hohlkathodenlam-
20
pen verwendet, die den Dampf des zu analysierenden Elements enthalten.
Eine wie in Abbildung 20.16 dargestellte Hohlkathodenlampe, ist mit Ne oder Ar
bei einem Druck von ca. 130–700 Pa (1–5 Torr) gefüllt. Die Kathode besteht aus dem
554 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Isolationsscheibe Quarz- oder


Glasfenster

(–)

(+)

Abb. 20.16 Hohlkathodenlampe. Hohlkathode Anode

Monochromator-Bandbreite Element, dessen Emissionslinien benötigt werden. Legt man zwischen Anode und Ka-
(100fach größer als thode eine Spannung von ~500 V an, wird das Füllgas ionisiert und die positiven Ionen
die Atomlinien) werden in Richtung Kathode beschleunigt. Nachdem die Ionisation erfolgt ist, wird die
Lampe bei einem konstanten Strom von 2–30 mA bei einer niedrigeren Spannung be-
trieben. Die Kationen treffen mit ausreichender Energie auf die Kathode und schlagen
Intensität

Bandbreite der Metallatome in die Gasphase heraus (sputtern). Die freien Atome werden durch Stöße mit
Absorptionslinie
sehr energiereichen Elektronen angeregt und emittieren dann Photonen, wobei sie in den
Bandbreite der Grundzustand zurückkehren. Diese atomare Strahlung hat die gleiche Frequenz, wie sie
Hohlkathoden- durch die Atome des Analyten in Flamme oder Ofen absorbiert wird. Die Atome in der
lampenemission
Lampe sind etwas kälter als die Atome in einer Flamme. Damit ist die Lampenemission
hinreichend schmaler ist als die Absorptionslinienbreite der Atome in der Flamme und
Wellenlänge somit näherungsweise „monochromatisch“ (Abbildung 20.17). Der Zweck eines Mono-
chromators in der Atomspektroskopie ist die Auswahl einer Linie aus der Hohlkathoden-
Abb. 20.17 Relative Bandbreiten der lampe und der Ausschluss möglichst sämtlicher Emission aus der Flamme oder aus dem
Hohlkathodenemission, Atomabsorption
Ofen. Für jedes Element wird normalerweise eine andere Lampe benötigt, einige Lampen
und eines Monochromators. Die Band-
breiten werden bei der halben Signal- werden jedoch bereits mit mehr als einem Element in der Kathode hergestellt.
höhe gemessen. Die Linienbreite aus der
Hohlkathodenlampe ist relativ schmal, da
die Gastemperatur in der Lampe niedri- Multielementbestimmung mit dem induktiv
ger ist als die Flammentemperatur (da-
durch geringere Dopplerverbreiterung) gekoppelten Plasma
und da der Druck in der Lampe geringer
ist als der Druck in einer Flamme (da- Ein Emissionsspektrometer mit induktiv gekoppeltem Plasma benötigt keine Lampen
durch geringere Druckverbreiterung). und man kann gleichzeitig 70 Elemente bestimmen. Die Farbtafeln 24 und 25 zeigen zwei
Bauarten für die Multielementanalyse. In der Tafel 24 tritt die Strahlung der Atomemis-
sion in den Polychromator, wo sie durch das unten befindliche Gitter in ihre einzelnen
Wellenlängen zerlegt wird. Je ein Photomultiplier als Detektor (Abbildung 19.14) ist an
der richtigen Stelle für jedes Element erforderlich.
Leistungsfähigkeit des CID-Detektors: In der Farbtafel 25 wird die von oben rechts kommende Atomemissionsstrahlung an
▬ die Pixel werden einzeln ange- einem Kollimatorspiegel reflektiert und dabei parallel gerichtet, dann in der vertikalen
sprochen Ebene durch ein Prisma und in der horizontalen Ebene an einem Gitter spektral zerlegt. Die
▬ schnell füllende Pixel können zerlegte Strahlung landet auf einer Ladungsinjektions-Einheit (charge injection device, CID).
ausgelesen, auf Null gestellt und Dieser CID-Detektor ist mit dem CCD-Detektor in Abbildung 19.17 verwandt. Die verschie-
erneut ausgelesen werden denen Wellenlängen verteilen sich über die 262 000 Pixel des CID-Detektors, der oben links
▬ gefüllte Pixel laufen nicht in in der Farbtafel 25 gezeigt ist. Bei einem CCD-Detektor muss jedes Pixel nacheinander Zeile
benachbarte Pixel über für Zeile gelesen werden. Beim CID-Detektor kann jedes Pixel jederzeit einzeln gelesen wer-
den. Das selektive Auslesen der relevanten Pixel beseitigt die Wartezeit, die für das Auslesen
uninteressanter Pixel benötigt wird. Ein bestimmtes Pixel kann registriert und gelesen wer-
den, bevor es gefüllt ist. Die Ladung im Pixel wird dann neutralisiert und das Pixel wieder auf
Null gesetzt. Das Pixel kann dann mehr Ladung aufnehmen und mehrere Male ausgelesen
werden, während sich andere Pixel in einem langsameren Tempo füllen. Dadurch vergrößert
sich der dynamische Ansprechbereich des Detektors, da große Signale in anderen Pixeln als
die kleinen Signale gemessen werden. Ein weiterer Vorteil des CID-Detektors gegenüber
dem CCD-Detektor besteht darin, dass starke Signale in einem Pixel nicht in benachbarte Pi-
xel überlaufen (ein bei CCD-Detektoren Blooming genannter Vorgang). Mit CID-Detektoren
können daher schwache Emissionssignale neben starken Signalen gemessen werden. Abbil-
dung 20.18 zeigt ein konkretes Spektrum, wie es ein CID-Detektor sieht.
20.4 · Apparatur 555

nm Ar 763.510 (n = 44) Ar 696.543 (n = 48)

1 055

844

416

301

238

224

Fe Fe Fe Fe Fe Fe Fe
238.204 239.562 259.940 259.837 240.488 238.204 239.562
(n = 141) (n = 140) (n = 129) (n = 129) (n = 139) (n = 140) (n = 139)

Abb. 20.18 „Sternbild“ der Plasma-Emission des induktiv gekoppelten Plasmas von 200 μg Fe/mL,
erfasst mit einem CID. Fast alle Signale stammen von Eisen. Die undeutlichen horizontalen „Galaxien“
in der Nähe des oberen Rands sind Emissionen des Argon-Plasmas. Ein Prisma verteilt die Wellen-
längen von 200–400 nm über fast den ganzen Detektor. Wellenlängen > 400 nm sind im oberen Teil
zusammengefasst. Ein Gitter gewährleistet eine hohe Auflösung in horizontaler Richtung. Für ausge-
wählte Signale sind die Wellenlänge (in Nanometer) und die Beugungsordnung (n in Gleichung 19.1)
in Klammern angegeben. Die beiden farbig angegebenen Fe-Signale unten links und unten rechts ha-
ben die gleiche Wellenlänge (238.204 nm), aber verschiedene Beugungsordnungen durch das Gitter.
[Zur Verfügung gestellt von M. D. Seltzer, Michelson Laboratory, China Lake, CA.]

1.2
Cu

0.9
Fe
Fe
Extinktion

Fe
0.6 Fe
Fe Fe Fe
Pb
0.3

0.0
247.5 248.0 248.5 249.0 249.5
Wellenlänge (nm) 20
Abb. 20.19 Graphitrohrofen-Absorptionsspektrum von in HNO3 gelöster Bronze. [B. T. Jones, B. W.
Smith und J. D. Winefordner „Continuum Source Atomic Absorption Spectrometry in a Graphit Fur-
nace with Photodiode Array Detection“, Anal. Chem. 1989, 61, 1670.]
556 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Das Spektrometer an der Farbtafel 25 wird mit N2 oder Ar gespült, um O2 auszu-


schließen und damit den ultravioletten Wellenlängenbereich von 100–200 nm beobach-
ten zu können. Dieses Spektralgebiet ermöglicht empfindlichere Bestimmungen einiger
Elemente, die normalerweise bei größeren Wellenlängen detektiert werden und erlaubt
die Bestimmung der Halogene, sowie von P, S und N (mit schlechten Nachweisgrenzen
von einigen 10 ppm). Diese Nichtmetalle können nicht bei Wellenlängen oberhalb von
200 nm bestimmt werden. Das Photomultiplier-Spektrometer der Farbtafel 24 ist teurer
und komplizierter als das CID-Spektrometer auf der Farbtafel 25, liefert jedoch niedrigere
Nachweisgrenzen, weil eine Detektion mit einem Photoelektronenvervielfacher empfind-
licher als ein CID-Detektor ist.

Untergrundkorrektur
Ein Untergrundsignal entsteht durch In der Atomspektroskopie ist eine Untergrundkorrektur erforderlich, um das Signal des
Absorption, Emission oder Streuung Analyten von Absorption, Emission und optischer Streuung durch die Probenmatrix, die
durch jedwede Komponente in der Flamme, das Plasma oder den rotglühenden Graphitrohrofen zu trennen. Die Abbil-
Probe (die Matrix) mit Ausnahme des dung 20.19 zeigt das Absorptionsspektrum einer in einem Graphitrohrofen analysierten
Analyten, aber auch durch Absorption, Probe. Die scharfen Atomsignale mit einer maximalen Extinktion nahe 1.0 sind von ei-
Emission oder Streuung durch die nem breiten Untergrund mit der Extinktion 0.3 überlagert. Wenn man den Untergrund
Flamme, das Plasma oder den Ofen. nicht messen würde, käme es zu beträchtlichen Fehlern. Die Untergrundkorrektur ist
besonders beim Graphitofen wichtig, bei dem häufig restlicher Rauch aus dem Ver-
Methoden zur Untergrundkorrektur: aschungsschritt auftritt. Die optische Streuung durch den Rauch muss von der optischen
▬ benachbarte Pixel im CID-Display Absorption durch den Analyten unterschieden werden.
▬ Strahlunterbrechung Abbildung 20.20 zeigt, wie der Untergrund in einem Emissionsspektrum abgezogen
▬ Deuteriumlampen wird, das von einem CID-Detektor aufgenommen wurde. Die Abbildung zeigt 15 Pixel
▬ Zeeman aus einer Zeile des Detektors mit dem analytischen Peak in der Mitte. (Das Spektrum
wurde von einem Computerprogramm geglättet, denn die Originaldaten sind Einzelwerte
für jedes Pixel und würden wie ein Balkendiagramm aussehen.) Pixel 7 und 8 wurden als
repräsentativ für den Analyten ausgewählt. Die Pixel 1 und 2 geben die Grundlinie links
und die Pixel 14 und 15 rechts wieder. Die mittlere Grundlinie ist der Mittelwert der Pixel
1, 2, 14 und 15. Die mittlere Peakhöhe ist der Durchschnitt der Pixel 7 und 8. Die korri-
gierte Peakhöhe ist die mittlere Peakhöhe minus der mittleren Grundlinienhöhe.
In der Atomabsorption werden Strahlunterbrechung (beam chopping) oder elektrische
Modulation (Fluktuation der Intensität mit konstanter Frequenz) der Hohlkathodenlampe
verwendet, um das Signal durch die Flamme von den Atomlinien des Analyten bei glei-
cher Wellenlänge zu unterscheiden. In Abbildung 20.21 ist dargestellt, wie das Licht der
Lampe durch einen rotierenden Chopper periodisch ausgeblendet wird. Das Signal, das
den Detektor während der Ausblendung des Strahles erreicht, muss von der Flammen-
emission stammen. Das den Detektor ohne Strahlausblendung erreichende Signal stammt
von Lampe und Flamme. Die Differenz dieser beiden Messwerte ergibt das gesuchte ana-
lytische Signal.
Die Strahlteilung mit einem Chopper korrigiert den Beitrag der Flammenemission,
aber nicht den der Streuung. Die meisten Spektrometer besitzen weitere Hilfsmittel, um
eine Korrektur bezüglich Streuung und breitbandiger Untergrundabsorption zu ermög-

Abb. 20.20 Mit den Werten eines


CID-Detektors (CID) wird die Grund-
linienkorrektur bei der Plasma-
Signal

Emissionsspektrometrie gezeigt. Der


Mittelwert der Pixel an den beiden
Seiten eines Peaks wird vom Mittel-
wert der Pixel unter dem Peak abge-
zogen. [Zur Verfügung gestellt von
M. D. Seltzer, Michelson Laboratory, 1 2 7 8 14 15
China Lake, CA.] Pixel
20.4 · Apparatur 557

lichen. Die gebräuchlichsten Systeme dafür sind Deuteriumlampen und die Zeeman- Lampe
Korrektur.
Bei der Deuteriumlampen-Untergrundkorrektur wird die breitbandige Emission einer Brenner
Deuteriumlampe (Abbildung 19.4) alternierend mit dem Licht der Hohlkathodenlampe
durch die Flamme geschickt. Die Bandbreite des Monochromators ist so groß, dass
nur ein vernachlässigbarer Teil der D2-Strahlung durch die Atomabsorptionslinie des
a Rotierender Chopper
Analyten absorbiert wird. Das Licht der Hohlkathodenlampe wird durch den Analyten
absorbiert und vom Untergrund absorbiert und gestreut. Dagegen wird das Licht der
D2-Lampe nur vom Untergrund absorbiert und gestreut. Die Differenz der Extinktionen,
Lampe
die mit der Hohlkathodenlampe und mit der D2-Lampe gemessen wurden, entspricht der
Extinktion des Analyten. Brenner
Eine sehr gute, aber teure Methode der Untergrundkorrektur für einen Graphitofen
beruht auf dem Zeeman-Effekt. Legt man ein Magnetfeld parallel zum Lichtweg in einem b
Graphitofen an, werden die Absorptionslinien (oder Emissionslinien) der Analytatome in
drei Komponenten aufgespalten. Zwei davon werden zu etwas niedrigeren und höheren
Wellenlängen verschoben (Abbildung 20.22), und eine Komponente bleibt unverändert. Lampe und Flamme Flamme

Detektorsignal
Die nicht verschobene Komponente hat nicht die richtige elektromagnetische Polarisa-
Analytisches
tion, um das sich parallel zum Magnetfeld bewegende Licht zu absorbieren. Sie ist deshalb Signal
„unsichtbar“. c Zeit
Zur Nutzung des Zeeman-Effektes als Untergrundkorrekturmethode wird ein starkes
Magnetfeld pulsierend an- und ausgeschalten. Bei ausgeschaltetem Feld werden Probe Abb. 20.21 Strahlteilung zur Korrektur
und Untergrund gemessen. Den Untergrund allein misst man bei eingeschaltetem Feld. des Flammenuntergrunds. a) Emission
Die Differenz beider Signale ergibt das korrigierte Signal. der Lampe und der Flamme gelangen
zum Detektor. b) Nur die Flammenemis-
Der Vorteil der Zeeman-Untergrundkorrektur besteht darin, dass diese Technik bei
sion erreicht den Detektor. c) Resultieren-
der analytischen Wellenlänge arbeitet. Im Gegensatz dazu wird die D2-Untergrundkor- des Rechtecksignal.
rektur über einen breiten Wellenlängenbereich durchgeführt. Ein strukturierter oder
abfallender Untergrund wird bei diesem Vorgang gemittelt und kann zu Fehlinterpre-
tationen des wahren Untergrundsignals bei der analytischen Wellenlänge führen. Die
Untergrundkorrektur in Abbildung 20.20 ähnelt der D2-Untergrundkorrektur, doch der
12 Feld aus
Wellenlängenbereich in Abbildung 20.20 ist auf die unmittelbare Nähe des analytischen
8
Peaks beschränkt.
4
Relatives Signal

Nachweisgrenzen 12 Feld an
1.2 T
8
Nach einer Definition für die Nachweisgrenze versteht man darunter die Konzentration
eines Elements, die ein Signal erzeugt, das dem Zweifachen des Peak-zu-Peak-Rauschens 4

der Basislinie entspricht (Abbildung 20.23). Das Basislinienrauschen sollte durch Mes- 0

sung einer Blindprobe in der Flamme ermittelt werden.19 +0.024 +0.012 0 –0.012 –0.024
In Abbildung 20.24 werden die Nachweisgrenzen für Analysen mit Flamme, Ofen und relative Wellenlänge (nm)
induktiv gekoppeltem Plasma an Instrumenten eines Herstellers miteinander verglichen.
Abb. 20.22 Zeeman-Effekt bei der
Die Nachweisgrenzen für Öfen liegen normalerweise zwei Größenordnungen niedriger
Cobalt-Fluoreszenz in einem Graphitrohr-
als für Flammen. Der Grund dafür liegt in der relativ langen Messzeit der Probe in einem ofen mit einer Anregung bei 301 nm und
kleinen Volumen im Graphitrohr verglichen mit dem extrem kurzen Messzeitraum in der einer Detektion bei 341nm. Die Magnet-
Flamme. Die Nachweisgrenzen für das induktiv gekoppelte Plasma liegen zwischen denen feldstärke im unteren Spektrum ist 1.2
für Flamme und Ofen. Durch Verwendung eines Ultraschallzerstäubers und axialer Be- Tesla. [J. P. Dougherty, F. R. Prell, Jr., J. T.
McCaffry, M. D. Seltzer und T. G. Michel,
trachtung des Plasmas ist für das induktiv-gekoppelte Plasma das Nachweisvermögen fast
„Instrumentation for Zeeman Electro-
so gut wie das des Graphitofens. thermal Atomizer Laser Excited Atomic
Kommerzielle Elementstandardlösungen für die Flammenatomabsorption sind nicht Fluorescence Spectrometry“, Anal. Chem.
in jedem Fall auch für die empfindlicheren Plasmen und Öfen einsetzbar. Für die letzteren 1987, 59, 1112.]
Techniken werden sauberere Lösungen (Wasser, Säuren) für die Standards bzw. zu deren
Verdünnen benötigt. Für besonders anspruchsvolle Messungen werden die Lösungen in
staubfreier Umgebung (Reinstraum mit filtrierter Luft) hergestellt, um die Untergrund-
kontamination klein zu halten, die das Gerät in jedem Fall detektieren würde.
20
Jede Standardlösung hat nur eine begrenzte Lebenszeit. Plastikflaschen aus Poly-
ethylen hoher Dichte, in denen sich die Standardlösungen für die Atomspektroskopie Standards verdunsten – selbst aus
befinden, werden in geschlossene, mit Aluminium ausgekleidete Beutel gepackt, um geschlossenen Flaschen
558 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Li Be Fe
Nachweisgrenzen (ng/g) B C N O F Ne
0.7 0.07 0.7 Emission mit induktiv-gekoppeltem Plasma 1 10
2 1 5 Flammen-AAS 500 —
0.1 0.02 0.02 Graphitofen-AAS 15 —
Signal 0.0002 0.0009 0.008 Massenspektrometrie mit induktiv-gekoppeltem 0.0008
Na Mg Al Si P S Cl Ar
3 0.08 Plasma 2 5 7 3 60
Peak-zu- 0.2 0.3 30 100 40 000 — —
Peak-Rausch- 0.005
0.0002
0.004
0.0003
0.01 0.1 30 —
0.0002 <0.0001 <0.0001 0.0001


pegel K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr
20 0.07 0.3 0.4 0.7 2 0.2 0.7 1 3 0.9 0.6 10 20 7 10 150
3 0.5 40 70 50 3 2 5 4 90 1 0.5 60 200 200 250 —
0.1 0.01 — 0.5 0.2 0.01 0.01 0.02 0.02 0.1 0.02 0.001 0.5 — 0.2 0.5 —
Abb. 20.23 Messung des Peak-zu-Peak- 0.0002 0.007 0.0002 0.004 0.0003 0.0003 0.0002 0.008 0.0002 0.001 0.0005 0.003 0.006 0.002 0.003 0.05 0.02
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe
Rauschpegels und des Signals. Das Signal 1
7
0.2
2
0.6
200
2
1000
5
2000
3
20
10
60
20
4
4
10
0.8
2
0.5
0.4
20
40
9
30
9
40
4
30
40

wird von der Spitze bis zu seiner Basis 0.05
0.0003
0.1 — — — 0.02
0.0003 0.0003 0.0006 0.0008 0.002
1 — 0.3 0.005 0.003
0.001 0.0003 0.001 0.0007 0.0008
1 0.2 0.1
0.0003 0.0009 0.001
0.1
0.02

0.002
in der Mitte des Rauschens der leicht Cs Ba La Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn
40 000 0.6 1 4 10 8 3 0.2 7 7 2 7 10 10 7
ansteigenden Grundlinie gemessen. Hier 4 10 2000 2000 2000 1000 600 100 400 100 10 150 20 10 40
0.2 0.04 — — — — — — — 0.2 0.1 2 0.1 0.05 0.1
beträgt das Signal-Rausch-Verhältnis 2.4. 0.0003 0.0003 0.0003 0.0008 0.0005 0.002 0.0007 0.002 0.0004 0.001 0.0009 0.0009 0.0004 0.0006 0.0005

Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu
2 9 10 10 0.9 5 6 2 2 0.7 2 0.3 0.3
— 6000 1000 1000 20 2000 500 30 40 30 900 4 300
— — — — 0.5 — 0.1 1 — 2 — — —
0.0003 0.0002 0.001 0.001 0.0004 0.001 0.0002 0.0009 0.0002 0.0007 0.0002 0.001 0.0002
Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No Lr
7 60
— 40 000
— —
0.0003 0.0005

erfordert N2O/C2H2-Flamme und sollte besser mit ICP analysiert werden

am besten mit Emission zu bestimmen

Abb. 20.24 Nachweisgrenzen in ng/g = (ppb) für Flammen-, Graphitofen- und ICP-Anregung ermit-
telt an Geräten von GBC Scientific Equipment, Australien. Für genaue Analysen werden Konzentrati-
onen benötigt, die 10–100 Mal größer als die Nachweisgrenzen sind. [Daten für Flammen, Öfen und
ICP: T. J. Gill, Am. Lab., November 1993, S. 24F. ICP-MS: T. T. Nham, Am. Lab., August 1998, 17A. Werte
für Cl, Br und I sind aus Lit.17.]

eine Verflüchtigung zu verhindern. In einer Studie wurde gefunden, dass sich bei ei-
ner Standardlösung, die nicht auf diese Weise aufbewahrt wurde, die Konzentration
im Jahr um 0.11 % bei 23 °C und um 0.26 % bei 30 °C erhöhte, weil Wasser aus der
geschlossenen Flasche verdampfte.20 Die Verdampfung aus geschlossenen Flaschen, die
sich in den Aluminium-Beuteln befanden, betrug pro Jahr 0.01 % bei 23 °C und 0.08 %
bei 30 °C.

20.5 Interferenz

Interferenzarten: Als Interferenz wird jeder Effekt bezeichnet, der das Signal bei gleichbleibender Ana-
▬ spektral: unerwünschte Signale lytkonzentration verändert. Interferenzen können durch Beseitigung der Ursache oder
sind dem Analytsignal überlagert durch die Verwendung von Standards mit gleicher Interferenz korrigiert werden.
▬ chemisch: chemische Reaktionen
verringern die Konzentration der
Analytatome Interferenztypen
▬ Ionisation: Ionisation der Analyt-
atome verringert die Konzentration Als spektrale Interferenz wird die Überlagerung des Analytsignals mit Signalen ande-
der neutralen Atome rer Elemente oder Moleküle der Probe oder mit Signalen der Flamme oder des Ofens
bezeichnet. Interferenzen aus der Flamme können durch Anwendung von D2- oder
Zeeman-Untergrundkorrektur korrigiert werden. Der beste Weg zur Beseitigung einer
solchen Signalüberlappung ist jedoch die Wahl einer anderen Wellenlänge für die Bestim-
mung. Bei hochauflösenden Spektrometern werden dicht beieinander liegende Linien
aufgelöst, so dass die Interferenz durch andere Elemente verhindert werden kann (Abbil-
dung 20.25).
Ein einzelnes Element, wie z. B. Niob, hat über 1 000 diskrete Emissionslinien, so
dass einige Linien von anderen Elementen selbst bei hoher Auflösung überlappen. Durch
die Software bei einem kommerziellen Gerät wird jedes Element bei verschiedenen
unterschiedlichen Spektrallinien gemessen.21 Das Gerät wandelt jede Intensität in eine
Konzentration um und verwendet für jede Linie eine andere Kalibrationskurve. Wenn
keine spektrale Interferenz vorliegt, müssten alle Linien für ein Element die gleiche
20.5 · Interferenz 559

Konzentration ergeben. Wenn die Ergebnisse bei einer Linie merklich von den anderen As
228.812
Resultaten abweichen, ist das ein Zeichen für eine spektrale Störung und das Ergebnis

Emissionsintensität
nm
wird verworfen. Cd
Elemente, die sehr stabile zweiatomige Oxide bilden, werden bei der Flammen- 228.802
nm
oder Ofentemperatur nur unvollständig atomisiert. Das Spektrum eines Moleküls ist
viel breiter und komplizierter als das eines Atoms, da Schwingungs- und Rotations-
übergänge mit den elektronischen Übergängen (wie in Abschnitt 17.6 beschrieben)
gekoppelt sind. Das breite Spektrum führt zu spektralen Interferenzen bei vielen Wel-
lenlängen. Abbildung 20.26 zeigt ein Plasma, das Y- und Ba-Atome sowie YO-Moleküle Abb. 20.25 Eine Cd-Linie bei 228.802 nm
enthält. Man erkennt die breite Molekülemission im Vergleich zur geringen Breite der verursacht bei den meisten Spektrome-
Atomemission. tern eine spektrale Interferenz mit einer
As-Linie bei 228.812 nm. Bei hinreichend
Wenn Spurenverunreinigungen in Wolframpulver durch die Graphitofen-Atomab-
hoher Auflösung werden die Peaks ge-
sorption mit direkter Feststoffeinwaage (Abbildung 20.9) bestimmt werden, sublimiert trennt und es gibt keine Interferenz. Für
WO3 von der Pulveroberfläche und der Dampf füllt den Ofen. Dadurch gibt es spektrale dieses Spektrum wurde ein Gerät benutzt,
Interferenzen im gesamten sichtbaren und ultravioletten Gebiet. Eine Erhitzung des Pul- das einen 1-m-Czerny-Turner-Mono-
vers im Ofen unter H2 bei 1 000–1 200 °C vor der Atomisierung reduziert WO3 zu metal- chromator (Abbildung 19.6) hat, dessen
Auflösung 0.005 nm von 160–320 nm und
lischem Wolfram und beseitigt die Interferenz.12
0.010 nm von 320–800 nm beträgt. [Zur
Chemische Interferenz wird durch jede Komponente in der Probe hervorgerufen, Verfügung gestellt von Jobin Yvon Horiba
die das Ausmaß der Atomisierung des Analyten verringert. So behindern SO42– und Group, Longjumeau Cedex, France.]
PO43– die Atomisierung von Ca2+ durch Bildung nichtflüchtiger Salze. Trennmittel sind
Chemikalien, die der Probe zugesetzt werden, um chemische Interferenzen zu verrin-
gern. EDTA und 8-Hydroxychinolin schützen Ca2+ vor den Interferenzeffekten durch YO
Ba
SO42– und PO43–. La3+ kann hierfür ebenfalls eingesetzt werden, da es vorzugsweise mit

Emissionsintensität
PO43– reagiert und dabei Ca2+ freisetzt. Eine brennstoffreiche Flamme wird empfohlen,
um den Anteil oxidierter Analytspezies zu verringern, die ansonsten die Atomisierung Ba
verhindern würden. Durch höhere Flammentemperaturen werden viele chemische In-
terferenzen beseitigt. Y
Ionisationsinterferenzen können bei der Analyse von Alkalimetallen zu einem Pro-
blem werden, wenn die Flammentemperatur sehr niedrig ist oder wenn andere Elemente 540 580 620
bei höheren Temperaturen bestimmt werden. Für jedes Element kann eine Gasphasenio- Wellenlänge (nm)

nisationsreaktion formuliert werden:


Abb. 20.26 Emission eines Plasmas, das
⎡M + ⎤ ⎡e− ⎤ durch Laser-Bestrahlung des Hochtem-
M(g) U M+(g) + e–(g) K = ⎣ ⎦⎣ ⎦ (20.6) peratur- Supraleiters YBa2Cu3O7 gebildet
⎡⎣M ⎤⎦ wurde. Der Festkörper wird vom Laser
Da die Alkalimetalle die niedrigsten Ionisationspotentiale besitzen, werden sie in der verdampft und angeregte Atome und
Moleküle, wie YO, emittieren Licht mit
Flamme am stärksten ionisiert. Bei 2 450 K und einem Druck von 0.1 Pa ist Natrium zu 5
charakteristischen Wellenlängen. [W. A.
% ionisiert. Wegen seines niedrigeren Ionisationspotentials ist Kalium unter den gleichen Weimer, „Plasma Emission from Laser
Bedingungen zu 33 % ionisiert. Da sich die Energieniveaus der ionisierten Atome von Ablation of YBa2Cu3O7“, Appl. Phys. Lett.
denen der neutralen Atome unterscheiden, wird das gesuchte Signal geschwächt. Wenn es 1988, 52, 2171.]
ein starkes Signal des Ions gibt, kann man dieses Ionen-Signal anstelle des Atom-Signals
verwenden.
Ein Ionisationssuppressor verringert das Ausmaß der Ionisation des Analyten. So Das Prinzip von Le Châtelier sagt, dass
wird z.B. für die Analyse von Kalium empfohlen, eine Lösung mit einem Gehalt von eine Zufuhr von Elektronen auf der
1 000 ppm CsCl zuzufügen, da Cäsium leichter als Kalium ionisiert wird. Aufgrund der rechten Seite der Gleichung 20.6 die
Ionisation von Cs wird durch die Erzeugung einer hohen Konzentration an Elektronen Reaktion nach links verschiebt.
in der Flamme die Ionisation von K unterdrückt. Die Unterdrückung der Ionisation hat
besonders in Niedertemperaturflammen praktische Bedeutung, in denen neutrale Atome
untersucht werden sollen.
Bei der Standardaddition (Abschnitt 5.3) werden viele Arten der Interferenz beho-
ben, indem bekannte Analytmengen zur unbekannten Menge in der komplexen Matrix
zugesetzt werden. Als Beispiel zeigt Abbildung 20.27 die Bestimmung von Strontium
in Aquariumswasser durch Standardaddition. Der Anstieg der Standardadditionskurve
beträgt 0.018 8 Extinktionseinheiten/ppm. Gibt man dagegen Sr zu destilliertem Wasser,
ist der Anstieg 0.030 8 Extinktionseinheiten/ppm. Das heißt, das in destilliertem Wasser
20
die Extinktion bei jeder Standardzugabe 0.030 8/0.018 8 = 1.64 Mal stärker als in Aqua-
riumswasser ansteigt. Dieses Verhalten ist auf eine Interferenz durch andere Spezies
zurückzuführen. Der absolute Wert des x-Achsen-Schnittpunkts der Standardadditions-
560 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

0.4

Standardzusatz
0.3 (Sr in Aquariumswasser)
Abb. 20.27 Atomabsorptionskalib-
rationskurve für Sr-Zugaben zu des-

Extinktion
tilliertem Wasser und Standardaddi-
0.2
tion von Sr zu Aquariumswasser. Alle
Lösungen wurden auf ein konstantes Standardkurve
Volumen gebracht. Damit zeigt die Schnittpunkt (Sr in H2O)
Abszisse die Konzentration des zu- = –7.41 ppm 0.1
gesetzten Sr. [L. D. Gilles de Lelichy,
C. Adams und E. T. Smith, „Analysis
of Sr in Marine Aquariums by Atomic
Absorption Spectroscopy“, J. Chem. –8 –6 –4 –2 0 2 4 6 8 10
Ed. 1997, 74, 1192.] Zusatz von Sr (ppm)

kurve bei 7.41 ppm ist ein vertrauenswürdiger Wert für den Strontiumgehalt im Wasser
des Aquariums.

Vorteile des Induktiv gekoppelten Plasmas


In einem induktiv gekoppelten Argonplasma werden viele der üblichen Interferenzen
eliminiert.22 Das Plasma ist doppelt so heiß wie die einfache Flamme und die Verweilzeit
des Analyten in der Flamme ist etwa doppelt so lang. Deshalb ist der Atomisierungs-
prozess vollständiger und das resultierende Signal größer. Die Bildung von Oxiden und
Hydroxiden des Analyten ist vernachlässigbar. Das Plasma ist in der Beobachtungshöhe
von 15–35 mm oberhalb der Hochfrequenzspule bemerkenswert frei von Untergrund-
strahlung.
Ein Problem in der Flammenemissionsspektroskopie besteht darin, dass die Konzent-
ration der angeregten Atome in den kühleren, äußeren Teilen der Flamme geringer ist als
im wärmeren Zentrum der Flamme. Emission aus der zentralen Region wird deshalb in
der äußeren Region absorbiert. Diese Eigenabsorption erhöht sich mit steigender Ana-
lytkonzentration und führt zu nichtlinearen Kalibrationskurven. In einem Plasma ist die
Temperaturverteilung homogener und Eigenabsorption spielt hier keine so entscheidende
Rolle. Die Kalibrationskurven der Plasmaemission sind über nahezu 5 Größenordnun-
gen linear. In Flammen und Öfen beträgt der lineare Kalibrationsbereich nur etwa zwei
Größenordnungen. Bei der ICP-Massenspektroskopie beträgt der lineare Bereich acht
Größenordnungen (Tabelle 20.4).

Probenahme durch Laser-Ablation


Am Anfang dieses Kapitels wurde die Analyse von Zähnen mit Hilfe der Kombination des
induktiv gekoppelten Plasmas mit der Massenspektrometrie beschrieben, bei der die La-
ser-Ablation23 verwendet wurde. Bei der Laser-Ablation wird ein gepulster Laserstahl auf
eine mikroskopisch kleine Stelle einer festen Probe fokussiert, wobei eine explosionsartige
Überführung von Partikeln, Atomen, Ionen und Elektronen in die Gasphase erfolgt. Meist
wird der Nd:YAG-Laser (Neodym-dotierter Yttrium-Aluminium-Granat-Laser) mit einer
Wellenlänge von 1.064 μm verwendet. Ein 10-ns-Puls mit einer Energie von 10 mJ auf
einen Fleck vom Durchmesser 50 μm hat eine Intensität von 50 GW/cm2. Gewöhnlich
wird das Material bei jedem Puls bis zu einer Tiefe von 0.02 bis 5 μm entfernt (Abbildung
20.28). Jeder Puls trägt nur Nanogramm-Mengen des Untersuchungsgegenstands ab, so
dass die Methode fast als zerstörungsfrei anzusehen ist. Das in einer geschlossenen Kam-
mer erzeugte Abtragungsprodukt wird durch Ar oder He über einen Teflon-beschichteten
Schlauch zur Analyse durch die Massenspektrometrie oder Atomemission in das Plasma
20.5 · Interferenz 561

Tabelle 20.4 Vergleich atomspektroskopischer Analysemethoden

Flamme Ofen Plasma Plasma-Massen-


Absorption Absorption Emission spektrometrie

Nachweisgrenzen 10–1 000 0.01–1 0.1–10 0.000 01–0.000 1


(ng/g)

Linearer Bereich 102 102 105 108

Präzision
Kurzzeitig (5–10 min) 0.1–1 % 0.5–5 % 0.1–2 % 0.5–2 %
Langzeitig (Stunden) 1–10 % 1–10 % 1–5 % <5%

Interferenzen
Spektral sehr wenige sehr wenige viele wenige
Chemisch viele sehr viele sehr wenige einige
Massen – – – viele

Probendurchsatz 10–15 s/ 3–4 min/Element 6–60 Elemente/ alle Elemente in


Element min 2–5 min

Gelöste Feststoffe 0.5–5 % > 20 % Schlamm 1–20 % 0.1–0.4 %


und Feststoffe

Probenvolumen groß sehr gering mittel mittel

Anschaffungskosten 1 2 4–9 10–15

Quelle: TJA Solutions, Franklin, MA.

geleitet. Zur Bestimmung von Tiefenprofilen kann durch aufeinander folgende Pulse die
Probe aus immer tieferen Bereichen genommen werden und die chemische Konzentra-
tion als Funktion der Tiefe bestimmt werden.
Wenn das Plasma durch Untersuchung der Atomemission analysiert wird, spricht
man von der Laserinduzierten Breakdown-Spektroskopie (LIBS). Jeder Laserpuls er-
zeugt ein kurzlebiges Plasma mit einer Temperatur von 10 000–20 000 K, indem das Ma-
terial in angeregte Atome und Ionen dissoziiert (break down). Die anfängliche optische
Emission des Plasmas ist ein Kontinuum mit geringer analytischer Information. Das
Plasma dehnt sich mit Überschallgeschwindigkeit aus und kühlt sich auf Temperatu-
ren ab, bei denen nach ~1–10 μs diskrete Atomlinien beobachtet werden können. Der
Detektor mit einem Gitter registriert die Emission einige μs nach dem Laserpuls. Bei
einem kommerziellen Gerät wird die Plasma-Emission über sieben Lichtleiter zu sieben 20 μm

Polychromatoren geschickt, von denen jeder einen 2 048-Pixel-CCD-Detektor hat. um


die unterschiedlichen Spektralgebiete zu verfolgen. Die spektrale Auflösung beträgt
0.1 nm im Bereich von 200–980 nm.
Ein großes Problem bei der quantitativen Analyse durch Laserablation besteht darin,
dass die Elemente selektiv abgetragen, selektiv in das Plasma transportiert oder selektiv
im Plasma atomisiert werden. Deshalb entspricht die relative Anzahl der detektierten
Ionen nicht unbedingt den relativen Mengen in der festen Probe. Die zuverlässigste,
aber gewöhnlich nicht erreichbare Kalibrierung ist eine Standardprobe, bei der die in-
teressierenden Elemente in der gleichen Matrix vorlegen wie in der unbekannten Probe.
Abb. 20.28 Aus einer Muschelschale ab-
Die Muschelschalen in der Abbildung 20.28 bestehen hauptsächlich aus CaCO3. Ein
getragener mikroskopischer Krater durch
Kalibrationsstandard wurde hergestellt, indem bekannte Metallmengen mit einem Über- 10 Pulse eines 266-nm Lasers mit einer
schuss von Ca2+ in Säure gelöst wurden und dann wurde alles mit CO32– ausgefällt. Der Energie von 4.5 mJ pro ns-Puls mit einer
Carbonat-Niederschlag wurde gewaschen, getrocknet und zu festen Pellets verpresst, de- Wiederholrate von 10 Hz. [V. R. Bellotto
ren Abtragung ähnlich wie die der Muschelschalen war. Wenn keine Matrix-angepassten und N. Miekely, „Improvements in Cali-
Standards zur Verfügung stehen, müssen die Ergebnisse der Laser-Ablation mit den nach bration Procedures for the Quantitative 20
Determination of Trace Elements in Car-
vollständigem Aufschluss des Materials und Analyse der homogenen Lösung erhaltenen bonate Material (Mussel Shells) by Laser
Werten verglichen werden. Die Schwierigkeiten der Kalibrierung machen Laserablations- Ablation ICP-MS“, Fresenius J. Anal. Chem.
methoden halbquantitativ, mit einer Richtigkeit von ±10 % oder schlechter. 2000, 367, 635.]
562 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

20.6 Induktiv gekoppeltes Plasma –


Massenspektrometrie (ICP-MS)
Die Ionisationsenergie von Ar beträgt 15.8 Elektronenvolt (eV) und ist damit größer als
die aller Elemente mit Ausnahme von He, Ne und F. In einem Ar-Plasma werden die Ana-
lytelemente durch Stöße mit Ar+, angeregten Argonatomen oder energiereichen Elektro-
nen ionisiert. Das Plasma kann in ein Massenspektrometer (Kapitel 21) geleitet werden,
in dem die Ionen nach ihrem Masse-Ladungsverhältnis getrennt und bestimmt werden.24
Für die sehr genauen Bestimmungen von Isotopenverhältnissen hat das Massenspektro-
meter für jedes gesuchte Isotop einen eigenen Detektor.25
Das Spurenelementprofil der Zähne am Anfang dieses Kapitels wurde mit der ICP-
MS-Spektrometrie ermittelt. Die Abbildung 20.29 zeigt ein Beispiel, in dem Kaffeeboh-
nen mit extrem reiner Salpetersäure extrahiert und dieser wässrige Extrakt mit ICP-MS
bestimmt wurden. Sowohl der Kaffee, der aus Bohnen von Hawaii oder Kuba gekocht
wurde, enthält ~15 ng Pb/mL. Die Bohnen aus Kuba enthalten außerdem Hg in einer
ähnlichen Konzentration.
Skimmer sind Metallkonen, die den Man kann allerdings nicht jeden beliebigen Stoff ohne Schwierigkeiten in das
Strom des Neutralgases, das die Io- Massenspektrometer bringen. In diesem Gerät herrscht ein Hochvakuum, um Zusam-
nen umgibt, ablenken, damit der für menstöße zwischen den Ionen und den Gasmolekülen des Untergrunds zu vermeiden,
die Massentrennung erforderliche durch die eine Abweichung der Ionen von ihrer Flugbahn im Magnetfeld eintreten
niedrige Druck im Massenseparator würde. Die Abbildung 20.30 zeigt ein Einlass-System zwischen einem horizontalen
erreicht wird. Ar-Plasma und dem Massenspektrometer. Aus dem im Bild links gezeichneten Plasma
werden die Ionen über ein System mit zwei Blenden (Sampler und Skimmer) in das Va-
kuum-System des Massenspektrometers überführt. Zunächst trifft das Plasma auf einen
wassergekühlten Ni-Konus (Sampler) mit einem 1mm-großen Loch, das einen Teil des
Plasmas durchlässt. Dahinter befindet sich der wassergekühlte Skimmer mit einer noch
kleineren Öffnung. Nun folgt eine Extraktionslinse mit einem hohen negativen Poten-
tial zur Anziehung der positiv geladenen Ionen aus dem Plasma. In jedem Abschnitt
zwischen diesen Bauteilen wird der Druck vermindert. Nach der Skimmer-Lochblende
werden die Ionen durch eine Kollisionszelle, in der sich H2, He oder beides befindet, ge-
führt. Von dieser Zelle gelangen die Ionen zum Eingang des Massenspektrometers und
dabei wird die Streuung der kinetischen Energie der Ionen um den Faktor 10 verringert.

30 000
Kaffee aus Hawaii

20 000

10 000 Hg
Detektorzählrate

Abb. 20.29 Ausschnitt aus dem 30 000


Elementprofil von Kaffeebohnen mit Kaffee aus Kuba Pb
ICP-MS. Die Bohnen aus Kuba haben
einen viel höheren Hg-Gehalt als die 20 000 Hg + Pb
Bohnen von Hawaii. Der Blindwert
wurde bei keinem der beiden Spek-
tren abgezogen, so dass die kleine 10 000
Hg-Menge im oberen Spektrum der
Blindwert sein könnte. [Freundlicher-
weise zur Verfügung gestellt von G. S. 0
Ostrom und M. D. Seltzer, Michelson 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208
Laboratory, China Lake, CA.] Atommasse (m/z)
20.6 · Induktiv gekoppeltes Plasma – Massenspektrometrie (ICP-MS) 563

Elektrostatischer
Hochspannungslinse
Kollimator Ablenkungs- elektrostatische
(Ionenoptik) flächen Ablenkungsflächen
Sampler He-Eingang Ionen-
Skimmer Detektor
weg Quadropol- Ionenweg
Plasma-
Massenseparator
brenner

Photonenweg
Fackel
10–9 bar
Hexapol-
1 bar 10–3 bar –5 Kollisionszelle Photonenweg
10 bar
Zur
zur Vakuumpumpe Vakuumpumpe
zur zur
Vakuum- Vakuum-
pumpe pumpe eine dynamische Reaktionszelle
kann die Kollisionszelle ersetzen,
um isobare Interferenz zu verringern

Abb. 20.30 Interface zwischen dem induktiv gekoppelten Plasma und dem Massenspektrometer.
[Zur Verfügung gestellt von TJA Solutions, Franklin, MA.] In Kapitel 21 wird die Massenspektrometrie
behandelt.

Nach der Kollisionszelle werden die Ionen im Massenspektrometer getrennt. Die Ionen
mit dem ausgewählten Masse-Ladungsverhältnis erreichen den Detektor (rechts in der
Abbildung), wo sie gezählt werden. Photonen aus dem Plasma treffen normalerweise
nicht auf den Detektor.
Die Nachweisgrenzen für die ICP-MS liegen im part-per-trillion-Bereich und sind
derartig niedrig, dass man die Reinheit der Reagenzien, Glasgeräte und der Arbeitsweise
bewerten kann. Die Lösungen müssen mit äußerst sauberem Wasser und HNO3 (z. B.
„Suprapur“) in Teflon- oder Polyethylen-Gefäßen und vor Staub geschützt hergestellt
werden. HCl und H2SO4 werden wegen sogenannter isobarer Interferenz (die gleich be-
handelt wird) vermieden. Das Plasma-Massenspektrometer-Interface verträgt keine ho-
hen Konzentrationen gelöster Feststoffe, weil sie die Öffnung in der Sampler-Lochblende
verstopfen. Im Plasma werden organische Stoffe zu Kohlenstoff reduziert, der ebenfalls
die Öffnung verstopfen kann. Organisches Material kann analysiert werden, wenn dem
Plasma etwas O2 zur Oxidation von Kohlenstoff zugeführt wird.
Matrixeinflüsse auf die Ionenausbeute im Plasma machen es erforderlich, dass bei der
Kalibrierung die Standards in der gleichen Matrix wie die Proben vorliegen. Die Stan-
dardzusatzmethode ist besonders zur Korrektur der Matrixeffekte geeignet. Wenn zum
Beispiel die Spurenelemente im Blut mit ICP-MS bestimmt werden, erzeugt die Matrix
Werte für 75As+ und 78Se+, die fast um den Faktor 2 über den zertifizierten Wert für Stan-
dardreferenzmaterialien lagen.26 Bei der Kalibrierung durch Standardzusatz reduzieren
sich die Fehler auf 0–4 %.
Eine Alternative ist die Verwendung eines inneren Standards, dessen Ionisierungs-
energie etwa so groß ist wie die des Analyten. Zum Beispiel kann Tm als innerer Standard
für U verwendet werden. Die Ionisierungsenergien dieser beiden Elemente betragen 5.81
bzw. 6.08 eV, so dass sie in verschiedenen Matrizes etwa im gleichen Umfang ionisiert
werden sollten. Für maximale Signale sollten nach Möglichkeit innere Standards gewählt
werden, die nur ein Hauptisotop haben.

Isobare Interferenz
Argon ist eigentlich ein inertes Gas, das praktisch kaum eine Chemie hat. Aber Ar+ hat Ar+ verhält sich in seiner chemischen
die gleiche Elektronenkonfiguration wie Cl und damit ein analoges chemisches Verhalten. Reaktivität wie Cl.
20
Das induktiv gekoppelte Plasma ist eine reiche Quelle für Ar+ und solche Ionen wie ArH+,
ArC+, ArN+, ArNH+, ArO+, ArCl+ und Ar2+. Diese Ionen stören bei der Bestimmung von
Analyten mit dem gleichen Masse-Ladungsverhältnis.
564 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

Zum Beispiel haben 40Ar16O+ nahezu die gleiche Masse wie 56Fe+ und 40Ar2+ die gleiche
Masse wie 80Se+. Interferenz durch Ionen mit ähnlichem Masse-Ladungsverhältnis heißt
isobare Interferenz. Zweifach geladenes 138Ba2+ und 69Ga+ stören sich gegenseitig, denn
beide haben etwa das gleiche Masse-Ladungsverhältnis (138/2 = 69/1). In hochauflösen-
den Massenspektrometern27 werden Störungen durch Spezies, wie 40Ar16O+ und 56Fe+, die
sich um 0.02 Masseeinheiten unterscheiden, eliminiert, doch die meisten Geräte haben
keine Hochauflösung.
Für Elemente mit mehreren Isotopen kann die isobare Interferenz durch Messung der
Isotopenverteilung geprüft werden. Wenn zum Beispiel das Verhältnis des Se-Isotope mit
denen übereinstimmt, die in der Natur vorliegen (74Se:76Se:77Se:78Se:80Se:82Se = 0.008 7:
0.090:0.078:0.235:0.498:0.092), ist es unwahrscheinlich, dass bei einer dieser Massen In-
terferenz auftritt.
In der Kollisionszelle in der Abbildung 20.30 wird durch Zusammenstöße von Ionen
mit hoher Geschwindigkeit wie ArO+ mit H2 oder He die kinetische Energie in Schwin-
gungsenergie umgewandelt, die zur Dissoziation von ArO+ führen kann. Die Energie zur
endothermen Bindungsspaltung stammt aus der kinetischen Ausgangsenergie (der hohen
Geschwindigkeit) von ArO+. Die Konzentration von ArO+ wird jedoch nicht genügend
reduziert, um isobare Interferenz zu beseitigen.
Exkurs 20.2 zeigt eine wichtige In einer dynamischen Reaktionszelle, welche die Kollisionszelle in Abbildung 20.30
Umweltanwendung der dyna- ersetzt, werden thermodynamisch begünstigte Reaktionen zur Reduzierung der isobaren
mischen Reaktionszelle. Interferenz verwendet.29 Die dynamische Reaktionszelle enthält ein reaktives Gas, zum
Beispiel NH3, CH4, N2O, CO oder O2 und ihr elektrisches Feld ist so konfiguriert, dass
Ionen unterhalb einer bestimmten Masse, aber auch Ionen oberhalb einer bestimmten
Masse die Zelle nicht passieren können. Plasmaspezies, die mit einigen Elementen inter-

Exkurs 20.2

GEOTRACES Eine andere Möglichkeit zur Überwindung der isobaren In-


GEOTRACES ist ein internationales Programm, in dem die terferenz besteht in der Anwendung der hochauflösenden
geographische und Tiefenverteilung von Spurenelementen Massenspektrometrie.
und ihren Isotopen, darunter Al, Mn, Fe, Cu, Zn, Cd und eine
Menge anderer Elemente im part-per-trillion-Bereich (ng/kg)
im Meerwasser rund um den Erdball bestimmt wird. Das Ziel
ist die Festlegung einer Grundlinie und die Registrierung
von Abweichungen als Reaktion auf veränderte Umweltbe-
dingungen, wie die globale Erwärmung und die Versaue-
rung der Ozeane, aber auch die Erkennung des Einflusses
von chemischen und biologischen Vorgängen auf die Spu-
renmetalle. Modelle legen die Annahme nahe, dass Fe im
Ozean ein Nährstoff ist, der das Wachstum begrenzt. Al ist
ein Indikator für mineralischen Müll und Mn spricht auf Re-
doxvorgänge an. Die Messungen im ppt-Bereich erfordern
eine Voranreicherung der Elemente aus dem Meerwasser,
wie in Abschnitt 25.1 beschrieben.28 Bei der ICP-MS-Analyse
werden 55Mn, 54Fe und 56Fe durch die isobare Interferenz
von 40Ar14NH+, 40Ar14N+ und 40Ar16O+ beeinflusst. Deshalb
wird eine dynamische Reaktionszelle mit gasförmigen NH3
bei der Analyse von Mn und Fe eingeschaltet und danach
bei der Analyse der anderen Spurenmetalle in der gleichen Ein Karussell mit 12-L-Plastikflaschen wird an einem Kevlarseil vom
Forschungsschiff herabgelassen, um das Meerwasser bei der Pro-
Probe wieder ausgeschaltet. Die Nachweisgrenzen für Al,
bennahme ohne Kontamination aufzunehmen. Die Proben werden
Mn, Fe, Co, Ni, Cu, Zn, Cd und Pb liegen zwischen 0.1 bis an Deck in einen mit Kunststoff ausgekleideten Reinstraum in einem
7 ng/k. Die Konzentrationen dieser Elemente im offenen Frachtcontainer aufbewahrt. [Zur Verfügung gestellt von Gregory A.
Ozean reichen von 1 ng/kg bei Co bis zu 500 ng/kg für Ni. Cutter, Old Dominion University, Norfolk, VA, USA.]
Zusammenfassung 565

ferieren, können zum Beispiel durch die folgenden Reaktionen um bis zu neun Größen-
ordnungen reduziert werden:
Elektronentragung von NH3:
40
Ar+ + NH3 → NH3+ + Ar Ar14N+ + NH3 → NH3+ + Ar + N
40
40
Ar12C+ + NH3 → NH3+ + Ar + C Ar16O+ + NH3 → H3+ + Ar + O
40

Protonenübertragung an NH3:
40ArH+ + NH3 → NH4+ + Ar 35,37Cl16OH+ + NH3 → NH4+ + ClO
40Ar14NH+ + NH3 → NH4+ + Ar + N
Zum Beispiel stört 40Ar12C+ die Bestimmung von 52Cr+ und 35,37Cl16OH+ die von 53Cr+.
Eine dynamische Reaktionszelle mit NH3 ermöglicht die Chrombestimmung durch die
Entfernung von 40Ar12C+ und von ClOH+. 40Ar16O+ stört bei 56Fe+. Entweder entfernt
man ArO+ durch die Reaktion mit NH3 oder Fe+ wird durch Reaktion mit N2O zu einer
anderen Masse verschoben:
Fe+ + N2O → FeO+ + N2
In natürlichen Wässern mit Spuren von Eisen und hohen Konzentrationen an Calcium
stört 40Ca16O+ bei 56Fe+. CaO+ kann durch Reaktion mit CO entfernt werden:
CaO+ + CO → Ca+ + CO2

Wichtige Begriffe
> Ablation > Aerosol > Atomabsorptionsspektroskopie > Atomemissionsspektroskopie
> Atomfluoreszenzspektroskopie > Atomisierung > Boltzmann-Verteilung > chemische

Interferenz > Dopplereffekt > Druckverbreiterung > Eigenabsorption > Graphit(rohr)


ofen > Heisenbergsches Unschärfeprinzip > Hohlkathodenlampe > induktiv gekoppeltes
Plasma > Ionisationsinterferenz > Ionisationssuppresor > isobare Interferenz > Laser-
induzierte Breakdown-Spektroskopie > Matrix > Matrixmodifier > Nachweisgrenze
> piezoelektrischer Kristall > Plasma > spektrale Interferenz > Trennmittel > Unter-

grundkorrektur > Vormischbrenner > Zerstäubung

Zusammenfassung
In der Atomspektroskopie werden Absorption, Emission oder Fluoreszenz gasförmiger
Atome gemessen. Flüssige Proben können durch ein Plasma, einen Ofen oder eine
Flamme atomisiert werden. Die Flammentemperaturen liegen gewöhnlich im Bereich von
2 300–3 400 K. Die verwendeten Brennstoffe und Oxidationsgase bestimmen die Flammen-
temperatur und beeinflussen das Ausmaß auftretender spektraler, chemischer oder Ionisa-
tionsinterferenzen. Temperaturinstabilitäten beeinflussen die Atomisierung in der Atom-
absorption, haben aber einen wesentlich größeren Einfluss bei der Atomemission, da die
Besetzung angeregter Zustände exponentiell von der Temperatur abhängt. Ein elektrisch
beheizter Ofen benötigt zur Analyse weniger Probematerial als eine Flamme und erreicht
niedrigere Nachweisgrenzen. In einem induktiv gekoppelten Plasma wird eine Hochfre-
quenzspule verwendet, um Ar+-Ionen in einem Argongasstrom auf 6 000–10 000 K auf-
zuheizen. Bei dieser hohen Temperatur wird die Emission elektronisch angeregter Atome
und Ionen beobachtet. In einem induktiv gekoppelten Plasma gibt es nur wenig chemische
Interferenzen, die Temperatur ist sehr stabil und es tritt kaum Eigenabsorption auf.
Die Plasma-Emissionsspektroskopie benötigt keine Lichtquelle und durch sie kön-
nen gleichzeitig ~70 Elemente mit einem Ladungsinjektionsdetektor (CID) bestimmt
werden. Die Untergrundkorrektur für einen bestimmten Emissionspeak beruht auf der
Subtraktion der Intensitäten der im Detektor benachbarten Pixel. Die niedrigsten Nach-
weisgrenzen werden erreicht, wenn das Plasma in ein Massenspektrometer geleitet wird,
das die Ionen des Plasmas trennt und analysiert. Bei der Flammen- und Graphitofen-
20
Atomabsorptionsspektroskopie liefert eine Hohlkathodenlampe aus dem zu bestimmen-
den Element Spektrallinien, die schmaler als die des Atomdampfes sind. Die natürliche
Breite der Atomlinien ist durch das Heisenbergsche Unschärfeprinzip begrenzt. Die Li-
566 Kapitel 20 · Atomspektroskopie

nien in den Flammen, Öfen und im Plasma werden durch den Doppler-Effekt und durch
Zusammenstöße der Atome um einen Faktor von 10 bis 100 verbreitert. Korrekturen der
Untergrundemission der Flammen können durch elektrisches An- und Ausschalten der
Lampe (Pulsen) oder mechanisches Unterbrechen (Choppen) des Strahles erfolgen. Die
Einflüsse von Lichtstreuung und spektralem Untergrund lassen sich durch Messung der
Absorption einer Deuteriumlampe oder durch die Zeeman-Untergrundkorrektur, bei der
die Atomenergieniveaus durch ein Magnetfeld alternierend in Resonanz und nicht in Re-
sonanz mit der Lampenfrequenz verschoben werden, beseitigen. Chemische Interferenz
kann durch Zusatz von Trennmitteln verringert werden, die eine Reaktion des Analyten
mit störenden Spezies verhindern. Die Ionisationsinterferenz in Flammen kann durch
Zusatz leicht ionisierbarer Elemente, wie Cs, unterdrückt werden.
Bei der Kombination des induktiv-gekoppelten Plasmas mit dem Massenspektrometer
treten bei Spezies mit gleichem Masse-Ladungsverhältnis isobare Interferenzen auf. Diese
können bei hochauflösenden Geräten beseitigt werden, doch diese stehen nicht immer
zur Verfügung. In einer dynamischen Reaktionszelle können isobare Interferenzen durch
exotherme Reaktionen mit Gasen wie NH3, N2O oder CO zur Entfernung störender Mo-
lekülionen, z. B. ArH+, oder zur Umwandlung des Analyten in ein störungsfrei messbares
Molekülion beseitigt werden.
Für die qualitative und halbquantitative Analyse kann die Probe bei Festkörpern und
Flüssigkeiten durch Laserablation genommen werden. Das abgetragene Material wird durch
ein induktiv-gekoppeltes Plasma in ein Massenspektrometer geschickt. Bei der laserinduzier-
ten Breakdown-Spektroskopie wird die Emission des Plasmas zur Quantifizierung der Ele-
mente genutzt. Für halbquantitative Analysen sind Matrix-bezogene Standards erforderlich.

Übungen
20-A. Li wurde mit der Standardadditionsmethode durch Atomemission bestimmt. Fer-
tigen Sie eine graphische Darstellung der Standardzugaben (Abschnitt 5.3) aus den Daten
der Tabelle an und bestimmen Sie die Konzentration von Li in der Probe und ihre Unsi-
cherheiten. Die Konzentration des Li-Standards war 1.62 μg Li/mL.

Probe (mL) Standard (mL) Endvolumen (mL) Emissionsintensität

10.00 0.00 100.00 309

10.00 5.00 100.00 452

10.00 10.00 100.00 600

10.00 15.00 100.00 765

10.00 20.00 100.00 906

20-B. Mn wurde als innerer Standard bei der atomabsorptionsspektroskopischen Bestim-


mung von Fe verwendet. Ein Standardgemisch mit 2.00 μg Mn/mL und 2.50 μg Fe/mL
ergab einen Quotienten (Fe-Signal/Mn-Signal) von 1.05. Ein Gemisch mit dem Volumen
von 6.00 mL wurde aus 5.00 mL Fe-Probenlösung und 1.00 mL einer 13.5 μg Mn/mL
enthaltenden Lösung hergestellt. Die Extinktion dieser Mischung betrug an der Mn-Linie
0.128 und an der Fe-Linie 0.185. Ermitteln Sie die Konzentration der Fe-Probenlösung.

20-C.
a) Das links gezeigte Atomabsorptionssignal wurde im Graphitofen von einer Lösung
erhalten, die 0.048 5 μg Fe/mL enthielt. Bestimmen Sie die Nachweisgrenze für
Fe, die in diesem Fall als die Fe-Konzentration betrachtet wird, bei der das Signal-
Rausch-Verhältnis den Wert 2 hat.
b) Sieben Messungen eines Standards mit 1.00 ngHg/L gaben Werte von 0.88, 1.48, 0.94,
1.12, 1.03, 1.40 und 1.14 ng/L bei der ASS-Kaltdampftechnik (Exkurs 20.1). Berech-
nen Sie mit den Gleichungen 5.5 und 5.6 die Nachweis- und Bestimmungsgrenze.
(Beachten Sie dabei, dass in diesen Gleichungen der Quotient s/m die Standardab-
weichung der Konzentration ist.)
Übungen 567

20-D. Die Bestimmung von Li in Untergrundwässern wird von Geochemikern dazu be-
nutzt, den Ursprung dieser Flüssigkeit in Ölfeldern aufzuklären. Die Flammenemission
und -absorption von Li wird von vielen anderen Elementen durch Streuung, Ionisation
und überlappende spektrale Emission gestört. Atomabsorptionsbestimmungen in Wie-
derholungsproben eines marinen Sediments ergaben die in der Tabelle aufgeführten
Ergebnisse:

Probe und Behandlung Li gefunden Analytische Art der


(μg/g) Methode Flamme

(1) Keine 25.1 Kalibrationskurve Luft/C2H2

(2) 1/10 Verdünnung mit Wasser 64.8 Kalibrationskurve Luft/C2H2

(3) 1/10 Verdünnung mit Wasser 82.5 Standardaddition Luft/C2H2

(4) Keine 77.3 Kalibrationskurve N2O/C2H2

(5) 1/10 Verdünnung mit Wasser 79.6 Kalibrationskurve N2O/C2H2

(6) 1/10 Verdünnung mit Wasser 80.4 Standardaddition N2O/C2H2

Quelle: B. Baraj, L. F. H. Niencheski, R. D. Trapaga, R.G. França, V. Cocoli und D. Robinson, „Interference in the
Flame Atomic Absorption Determination of Li“, Fresenius J. Anal. Chem. 1999, 364, 678.

a) Machen Sie einen Vorschlag zur Erklärung des Anstiegs der scheinbaren Li-Konzent-
rationen in den Proben (1) bis (3).
b) Warum haben die Proben (4) bis (6) ein fast gleichmäßiges Ergebnis?
c) Welchen Wert würden Sie zur Angabe der tatsächlichen Li-Gehalts der Probe emp-
fehlen?

20
21 Massenspektrometrie

Tropfen-Elektrospray
Eine Methode zur Überführung geladener Proteinmoleküle in die Gasphase für die Massenspektrometrie wird Elektrospray
genannt. Im hier gezeigten Experiment fallen Acetontropfen mit einem Durchmesser von 16 μm an einem Platin-Draht vorbei,
der auf ein Potential von + 6 000 V in Bezug auf die Düse, aus der die Tropfen kommen, gehalten wird. Die hohe Spannung
erzeugt um den Draht eine Korona-Entladung (ein Plasma aus Elektronen und positiven Ionen), die in der Abbildung nicht zu
sehen ist. Tropfen, die durch diese Entladung fallen, werden positiv aufgeladen und von Draht abgestoßen, sodass ihr Weg
nach rechts abgelenkt wird. Wenn die positiv geladenen Tropfen in die Nähe des Drahts gelangen, erkennt man einen dünnen
Flüssigkeitsstrahl weg vom positiv geladenen Strahl. Die mikroskopischen Tropfen in dem feinen Spray verdampfen schnell. Bei
einer wässrigen Lösung verdampft das Wasser und die geladenen Proteinmoleküle verbleiben in der Gasphase.

+ 6 000 V

Aceton-
Tropfen

Strahl

Pt-Draht
Ablenkung und Zerfall von Flüssigkeitstropfen, die an einem Draht, der auf ein
Potential von +6 000 V gehalten wird, vorbeifallen. [D. B. Hager und N. J. Dovichi,
„Behavior of Microscopic Liquid Droplets Near a Strong Electrostatic Field: Droplet
Electrospray“, Anal. Chem., 1994, 66 , 1593. Siehe auch: D. B. Hager, N. J. Dovichi,
J. Klassen und P. Kebarle, „Droplet Electrospray Mass Spectrometry“, Anal. Chem.,
1994, 66, 3944.]

Die Massenspektrometrie wird seit langem zur Bestimmung von Isotopen und zur Ent-
schlüsselung organischer Strukturen verwendet. Die Wasserstoff- und Sauerstoffisotope in
Eiskernen registrieren die Geschichte des globalen Klimas (Abbildung 0.6). Die Konstanz
des 18O/16O-Verhältnisses in bestimmten Dinosaurier-Knochen spricht sehr dafür, dass
diese Spezies zu den Warmblütern zählt.1 Die Massenspektrometrie kann die Aminosäu-
resequenz in einem Protein aufklären2, auch die Sequenz der Nukleinsäuren in der DNA,
die Struktur eines komplizierten Kohlenhydrats und die Lipidarten in einem Organismus.
Mit der Massenspektrometrie können die Massen einzelner Zellen3 und Viren4 ermittelt
werden. Die Massenspektrometrie ist der beste Detektor in der Chromatographie, sie
liefert sowohl qualitative wie quantitative Informationen, ist sehr nachweisstark und kann 21
zwischen Stoffen mit identischer Retentionszeit unterscheiden.

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_22, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
570 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

21.1 Was ist Massenspektrometrie?

Francis W. Aston (1877–1945) hat 1919 Die Massenspektrometrie ist eine Technik zur Bestimmung der Massen von Atomen,
einen „Massenspektrographen“ entwi- Molekülen oder Fragmenten von Molekülen5,6. Zur Bestimmung der Massen werden
ckelt, mit dem Ionen getrennt und auf gasförmige Spezies ionisiert, nachdem sie aus kondensierten Phasen freigesetzt wurden.
einer Photoplatte registriert werden Danach werden die Ionen durch ein elektrisches Feld beschleunigt und dann nach ihrem
konnten, die sich um 1% in der Masse Masse/Ladungsverhältnis, m/z, getrennt. Wenn alle Ladungen +1 sind, dann entspricht
unterscheiden. Aston fand sofort, dass m/z der Masse. Wenn ein Ion die Ladung +2 hat, ist m/z die Hälfte der Masse. Das Mas-
Neon aus zwei Isotopen (20Ne und senspektrum in Abbildung 21.1 zeigt das Detektorsignal gegen m/z der vier natürlichen
22Ne) besteht. Er setzte seine Arbeit
Isotope des Pb+-Ions. Die Fläche jedes Peaks ist proportional zur Häufigkeit des Isotops.
fort und entdeckte schließlich 212 der In Exkurs 21.1wird die nominelle Masse definiert, von der zumeist in diesem Kapitel die
280 natürlich vorkommenden Isotope. Rede ist.
Dafür erhielt er 1922 den Nobelpreis Abbildung 21.2 zeigt ein Magnetsektorfeld-Massenspektrometer, bei dem ein Mag-
für Chemie. netfeld für den Transport der Ionen mit einem bestimmten m/z-Verhältnis von der Ionen-
quelle zum Detektor verantwortlich ist.7 Die oben links eintretenden Gasmoleküle werden
208
Pb in (gewöhnlich positive) Ionen umgewandelt, durch ein elektrisches Feld beschleunigt
und in das Analysatorrohr getrieben, wo sie einem senkrecht zur Flugrichtung angelegtem
Breite = m1/2 = 0.146 Magnetfeld ausgesetzt werden. Im Rohr herrscht ein Hochvakuum (~10–5 Pa, ~10–7 Torr),
sodass die Ionen nicht durch Zusammenstöße mit Restgasmolekülen abgelenkt werden.
Signalintensität

206 Der Magnet lenkt die Ionen zum Detektor am Ende des Rohrs (siehe Exkurs 21.2).
Pb 207
Pb Schwere Ionen werden im Vergleich zu den leichteren nicht genügend abgelenkt, sodass
sie nicht zum Detektor gelangen. Durch Veränderung der Magnetfeldstärke erhält man
ein Spektrum der Massen.
204
Pb

203 204 205 206 207 208 209


m/z neutrale Moleküle
Ionenquelle
Abb. 21.1 Massenspektrum der natür- vom
lichen Isotope von Pb in einer Verunrei- Probenahme-
system Repeller
nigung in Messing. Die Schwankungen
der Isotopenhäufigkeiten in Blei aus
Elektronen-
natürlichen Vorkommen ergeben im Peri-
Heizdraht strahl
odensystem eine große Unsicherheit der
Atommasse (207.2 ± 0.1). [Y. Su, Y. Duan
und Z. Jin, „Development and Evaluation Ionen- Ionenfokus-
quelle Ionen- Platten
of a Glow Discharge Microwave-Induced
beschleuni-
Plasma Tandem Source for Time-of-Flight gungsplatten
Mass Spectrometry“, Anal. Chem. 2000,
72, 5600.]
zur
Ionen
Vakuum-
pumpe

Magnet

Ionen-
Eintritt Electronen Dynoden
leichtere Ionen

Kathode Anode
Richtung
des Magnet-
felds, B Analysatorrohr
Ionenaustritts-
Abb. 21.2 Magnetsektor- spalt
feld-Massenspektrometer.
[Nach F. W. McLafferty, Inter- schwerere Ionen Elektronen-
Strahl der getrennten vervielfachungs-
pretation of Mass Spectra, Ionen detektor
(New York: Benjamin, 1966).]
21.1 · Was ist Massenspektrometrie? 571

Exkurs 21.1

Molekulare Masse und nominelle Masse Die molekulare Masse eines Moleküls oder Ions ist die
Die relative Atommasse ist der gewichtete Durchschnitt der Summe der im Periodensystem aufgelisteten atomaren Mas-
Isotopenmassen eines Elements. Brom besteht aus 50.69 % 79Br sen. Für Bromethan, C2H5Br, beträgt die molekulare Masse (2 ×
mit der Masse 78.918 34 u (Dalton) und 49.31 % 81Br mit der 12.010 7) + (5 × 1.007 94) + (1 × 79.904) = 108.965.
Masse 80.916 29 u. Deshalb beträgt die relative Atommasse von Die nominelle Masse eines Moleküls oder Ions ist die
Brom (0.506 9) (78.918 34) + (0.493 1)(80.916 29) = 79.904. Die ganzzahlige Masse der Spezies mit den häufigsten Isotopen
SI-Einheit der relativen Atommasse wird mit u bezeichnet und aller enthaltenen Atome. Für Kohlenstoff, Wasserstoff und
ist als der zwölfte Teil der atomaren Masse von 12C definiert. Das Brom sind die häufigsten Isotope 12C, 1H und 79Br. Deshalb ist
Einheitenzeichen u stammt von unified atomic mass unit. In den die nominale Masse von C2H5Br (2 × 12) + (5 × 1) + (1 × 79)
USA wird diese Einheit mit Da (Dalton) angegeben. = 108.

Am Elektronenvervielfachungsdetektor8 in der Abbildung 21.2 löst jedes auftreffende


Ion, genauso wie das im Photoelektronenvervielfacher (Abbildung 19.14) ein Photon
bewirkte, eine Elektronenkaskade aus. Durch eine Reihe von Dynoden wird die Anzahl
der Elektronen auf ~105 multipliziert, bevor sie die Anode erreichen, an der die Strom-
messung erfolgt. Das Massenspektrum zeigt den Detektorstrom in Anhängigkeit des vom
Magnetfeld gewählten m/z-Werts.
Massenspektrometer können auch negative Ionen messen. Dazu müssen die Poten-
tiale an den Stellen der Ionenbildung und -detektion umgekehrt werden. Zur Detektion
negativer Ionen wird eine Konversionsdynode mit einem positiven Potential vor den
Elektronenvervielfacher platziert. Beim Beschuss mit negativen Ionen entstehen in der
Dynode positive Ionen, die im Elektronenvervielfacher zur Signalverstärkung beschleu-
nigt werden.

Elektronenstoßionisation
π-Bindungs-
Die Moleküle, die in der Abbildung 21.2 in die Ionenquelle gelangen, werden durch Elek- elektron
I.E. = 14.1 eV
tronenstoßionisation in Ionen umgewandelt. Die Elektronen, die von einem Glühdraht
(wie in einer Glühlampe) emittiert werden, werden durch 70 V beschleunigt, bevor sie
mit den eintretenden Molekülen in Wechselwirkung treten. Einige (~0.01%) Moleküle
(M) absorbieren bis zu 12–15 Elektronenvolt (1 eV = 96.5 kJ/mol), was zur Ionisierung H
ausreicht:
C O
M + e – → M+• + e– + e– H
70 eV Molekülion –55 eV 0.1 eV
nichtbindendes
σ-Bindungs- Elektron
Nahezu alle stabilen Moleküle haben eine gerade Anzahl von Elektronen. Wenn ein Elekt- elektron I.E. = 11.0 eV
ron fehlt, wird das resultierende Kation mit einem ungepaarten Elektron mit M+• gekenn- I.E. = 15.9 eV
zeichnet und es heißt Molekülion. Nach der Ionisierung hat M+• gewöhnlich genügend
hohe innere Energie (~1 eV), um in Fragmente zu zerbrechen. Abb. 21.3 Ionisierungsenergien (I.E.) der
Valenzelektronen in Formaldehyd. [Da-
Ein kleines positives Potential an der Repeller-Platte der Ionenquelle beschleunigt die
ten aus: C. R. Brundle, M. B. Tobin, N. A.
Ionen zum Analysatorrohr und ein kleines Potential auf den Ionenfokus-Platten erzeugt Kuebler und H. Basch, „Perfluoro Effects
einen fokussierten Strahl. Die Hochspannung (~1 000–10 000 V) zwischen den Ionenbe- in Photoelectron Spectroscopy“, J. Am.
schleunigungsplatten sorgt für eine hohe Geschwindigkeit der Ionen beim Verlassen der Chem. Soc.1972, 94, 1451.]
Ionenquelle.
Die kinetische Energie der Ionen beträgt 70 eV und ist damit viel größer als die Ioni- Weitere erste Ionisierungsenergien:
sierungsenergie der Moleküle. Betrachten wir die Verbindung Formaldehyd in der Abbil-
CH3CH2CH2CH3 10.6 eV (σ)
dung 21.3, deren Molekülorbitale wir uns schon in der Abbildung 17.12 angesehen haben. CH2=CHCH2CH3 9.6 eV (π)
Am leichtesten wird hier ein Elektron aus einem nichtbindendem Orbital („einsames (CH3CH2)2 O 9.6 eV (nichtbindend)
Elektronenpaar“) am Sauerstoff mit einer Ionisierungsenergie von 11.0 eV abgegeben.
NH 8.6 eV (nichtbindend)
Die Entfernung eines π-Bindungselektrons im neutralen Formaldehyd erfordert 14.1 eV,
während zur Entfernung des energiereichsten σ-Bindungselektrons aus dem neutralen 9.2 eV (π)
21
Molekül 15.9 eV notwendig sind.
572 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Eine vernünftige Übereinstimmung Bei der Wechselwirkung mit einem 70-eV-Elektron wird am wahrscheinlichsten das
eines experimentellen Spektrums mit Elektron mit der niedrigsten Ionisierungsenergie entfernt. Das entstehende Molekülion,
dem in einer Computerbibliothek ist M+•, kann eine derartig hohe Überschussenergie haben, dass es in Fragmente zerbricht.
kein Beweis der Molekülstruktur, es Dann ist so wenig M+• vorhanden, dass im Massenspektrum sein Peak sehr klein ist oder
ist nur ein Hinweis.9 Sie müssen in der vollständig fehlt.
Lage sein, alle größeren Peaks (und bei Das Elektronenstoßionisationsmassenspektrum auf der linken Seite der Abbildung
hohen m/z-Werten auch die kleineren) 21.4 zeigt keinen M+•-Peak, der bei m/z 226 auftreten müsste. Stattdessen gibt es Peaks
im Spektrum bezüglich der vorgeschla- bei m/z 197, 156, 141, 112, 98, 69 und 55 aus der Fragmentierung von M+•. Diese Peaks
genen Struktur zu erklären und sie geben Hinweise auf die Molekülstruktur. Üblicherweise wird mit einem Computer eine
sollten ein übereinstimmendes Spek- Übereinstimmung des Spektrums einer unbekannten Substanz mit ähnlichen Spektren in
trum von einer authentischen Probe einer Bibliothek gesucht10.
erhalten, bevor ein endgültiger Schluss Wenn die kinetische Energie der Elektronen in der Ionisierungsquelle auf z. B. 20 eV
gezogen wird. Die authentische Probe erniedrigt wird, ist die Ionenausbeute kleiner und es tritt eine weniger starke Fragmen-
muss die gleiche chromatographische tierung auf. Damit wird es wahrscheinlicher, dass ein deutlicher Molekülionen-Peak
Retentionszeit haben wie die unbe- beobachtet wird. Es ist üblich, 70 eV zu verwenden, weil man dann reproduzierbare
kannte Probe. Viele Isomere ergeben Fragmentierungsmuster erhält, die mit Spektrenbibliotheken verglichen werden kön-
nahezu identische Massenspektren. nen.
Der intensivste Peak in einem Massenspektrum wird Basispeak genannt. Die Inten-
sitäten der anderen Peaks werden als Prozente der Intensität des Basispeaks ausgedrückt.
Beim Elektronenstoßionisationsspektrum in der Abbildung 21.4 liegt der Basispeak bei
m/z 141.
Elektronen mit einer Energie von etwa 70 eV erzeugen fast ausschließlich kationische
Molekülprodukte. Bei niedrigerer Elektronenenergie können aus Molekülen mit hinrei-
chend großer Elektronenaffinität negative Ionen gebildet werden:
Resonanz-Einfang: M + e– → M–•
< 0.1 eV

Dissoziativer Einfang: XY + e– → X + Y–•


0.1–10 eV
CH5+ wird als CH3-Dreibein mit einer
zusätzlichen H2-Einheit beschrieben. Bei der chemischen Ionisation ist die Fragmentierung geringer als bei der Elektro-
[H–C–H] wird durch zwei Elektronen nenstoßionisation. Hier wird die Ionenquelle mit einem Reaktionsgas, wie Methan,
zusammengehalten, die über drei Isobutan oder Ammoniak, mit einem Druck von ~100 Pa (~1 mbar, ~1 Torr) gefüllt.
Atome verteilt sind. Die Atome der H2- Energiereiche Elektronen (100–200 eV) wandeln CH4 in eine Reihe reaktionsfähiger
Einheit tauschen sich schnell mit den Produkte um:
Atomen der CH3-Einheit aus.11
CH4 + e– → CH4+• + e–
CH4+• + CH4 → CH5+ + •CH3
CH4+• → CH+3 + H•
CH+3 + CH4 → C2H5+ + H2
CH5+ ist ein kräftiger Protonendonator, der mit dem Analyten zu dem protonierten Mole-
kül MH+ reagiert, dem häufigsten Molekül in einem chemischen Ionisationsspektrum.
CH5+ + M → CH4 + MH+
Im chemischen Ionisationsspektrum der Abbildung 21.4 ist MH+ bei m/z 227 der zweit-
stärkste Peak und es hat weniger Fragmente als das Elektronenionisationsspektrum.
Das Molekülion, M+•, kann z.B. durch Anstelle von CH4 werden Ammoniak oder Isobutan zur Reduzierung der Fragmentie-
folgende Reaktion gebildet werden: rung von MH+ verwendet. Diese Reaktanten binden H+ stärker als CH4 und übertragen
weniger Energie auf MH+, wenn das Proton auf M übergeht. Ein anderes mildes und
CH4+• + M → CH4 + M+•
vielseitiges Ionisierungsreagenz ist NO+, das aus NO durch radioaktives 210Po hergestellt
MH+ ist das protonierte Molekül, nicht wird.12
das Molekülion. Zu den Reagenzien für die negative chemische Ionisation gehören O2−, F– und SF6–.12
Anionen, wie Cl– und OH–, in Lösung können im Massenspektrum negative Ionen durch
folgende Reaktionen erzeugen
M + Cl– → (M + Cl)–
M + OH– → (M – H)– + H2O
21.1 · Was ist Massenspektrometrie? 573

141 157
100 156 100

H MH+
O N O 227
Elektronen- Chemische
stoß- Ionisation
Relative Häufigkeit

Relative Häufigkeit
NH
ionisation

O
50 50
Pentobarbital
nominelle Masse = 226
185

55 69 213
98 207
112 197
80 129 173 59 83 97 111 139 171 197 255

60 80 100 120 140 160 180 200 220 240 260 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240 260
m/z m/z

Abb. 21.4 Massenspektren des Schlafmittels Pentobarbital mit Elektronenstoßionisation (links) oder
chemischer Ionisation (rechts). Das Molekülion (M+•, m/z 226) ist bei der Elektronenstoßionisation
nicht zu erkennen. Bei der chemischen Ionisation dominiert das Ion MH+. Der Peak bei m/z 255 bei
der chemischen Ionisation stammt von M(C2H5)+. [Freundlicherweise von Varian Associates, Sunny-
vale, CA, zur Verfügung gestellt.]

Exkurs 21.2

Wie Ionen mit unterschiedlichen Massen durch Gleichsetzung der Geschwindigkeiten der Gleichungen (A) und
ein Magnetfeld getrennt werden (B) gibt
Bei der Elektronenstoßionisation werden in der Ionenquelle
zeBr 2zeV m eB 2r 2
des Massenspektrometers (in Abbildung 21.2) positive Ionen, = ⇒ = (C)
m m z 2V
Mz+, mit unterschiedlichen Massen erzeugt. Wir wollen die
Masse eines Ions mit m und seine Ladung mit +ze bezeichnen Gleichung C liefert den Krümmungsradius für den Weg eines
(mit der Elektronenladung e). Wenn das Ion durch die Poten- Ions der Masse m und der Ladung z. Der Krümmungsradius ist
tialdifferenz V zwischen den Ionenbeschleunigungsplatten durch die Geometrie des Geräts festgelegt. Durch Veränderung
beschleunigt wird, erhält es eine kinetische Energie, die der der Magnetfeldstärke B oder der Beschleunigungsspannung V
elektrischen Potentialdifferenz gleich ist; können die Ionen ausgewählt werden, die den Detektor errei-
chen sollen. Meist wird zur Auswahl der Ionen B verändert und V
2zeV
½ mν2 = zeV ⇒ ν= (A) auf 3 000 V festgelegt. Die Transmission der Ionen und das Detek-
Kinetische Energie Potentielle Energie m
torsignal nehmen ab, wenn V verringert wird.
(ν = Geschwindigkeit)

Auf ein Ion mit der Ladung ze und der Geschwindigkeit ν, das B
v
sich senkrecht zu einem Magnetfeld B bewegt, wirkt die Kraft B geht in die
zeνB, die sowohl zum Geschwindigkeitsvektor wie zum Ma- Buchseite hinein
gnetfeldvektor senkrecht gerichtet ist. Diese Kraft lenkt das Ion
durch eine Kreisbahn mit dem Radius r ab. Die zur Ablenkung
Kraft
des Teilchens erforderliche Zentripetalkraft (mν2/r) wird vom
r
Magnetfeld geliefert.
zeBr
mv2/r = zeνB ⇒ ν= (B) Flugbahn
m
Zentripetalkraft Magnetkraft

Auflösungsvermögen
Die Massenspektren in Abbildung 21.4 sind vom Computer erzeugte Strichdiagramme,
im Unterschied zu den in Abbildung 21.1 gezeigten tatsächlichen Detektorsignalen. Jeder
Peak im Massenspektrum hat eine Breite, durch welche die Unterscheidung der Positio-
nen zweier Peaks begrenzt ist. Liegen die beiden Peaks zu dicht nebeneinander, erschei- 21
nen sie als ein einziger Peak.
574 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

m m
Auflösungs- = = 500 Auflösungs- = m = 1 040 Auflösungs- = m = 500
Δm 1/2 vermögen m1/2
vermögen vermögen
1.0
Δm = 1 Delle ist 8 %
unterhalb
0.8 des Peaks

Detektorsignal
0.6

0.4 m1/2 = 1

0.2 m1/2
= 0.481

499 500 501 502 499 500 501 502 499 500 501 502
a m/z b m/z c m/z

Abb. 21.5 Auflösungsvermögen. a) Nach einer ersten Definition ist das Auflösungsvermögen m/Δm
= 500:1 = 500. b) Nach einer zweiten Definition ist das Auflösungsvermögen für das gleiche Peakpaar
m/m1/2 = 500:0.481 = 1 040. c) Nach der zweiten Definition sind die beiden Peaks bei m/z 500 und 501
bei einem Auflösungsvermögen von 500 gerade noch erkennbar.

Der Ausdruck m/m1/2 liefert für das Je höher das Auflösungsvermögen eines Massenspektrometers ist, desto besser kön-
Auflösungsvermögen einen Wert, der nen zwei Peaks mit ähnlicher Masse unterscheiden werden.
doppelt so groß ist, wie der mit dem m m
Ausdruck m/Δm. Auflösungsvermögen = oder (21.1)
Δm m1/2
Abbildung 21.5a Abbildung 21.5b

Auflösung ist die kleinste Differenz wobei m der kleinere der zu trennenden Massenwerte m/z ist. Der Nenner ist auf zwei
der m/z-Werte, die als getrennte Peaks unterschiedliche Weisen definiert. In Abbildung 21.5a bedeutet der Nenner die Tren-
erkannt werden und sie sollte zusam- nung der beiden Peaks (Δm), wenn die Überlappung an ihrer Basis 10 % der maximalen
men mit dem m/z-Wert, für den sie Peakhöhe beträgt. Das Auflösungsvermögen in Abbildung 21.5a ist m/Δm = 500/1.00 =
bestimmt wurde, angegeben werden. 5.00 × 102. In Abbildung 21.5b steht im Nenner m1/2, die Peakbreite bei halber Höhe,
Beispiel: „Δm = 0.1 bei m/z = 1 000“ die 0.481 u beträgt (Masseeinheit u, siehe Exkurs 21.1). Nach dieser Definition ist das
oder „Δm = 0.1 im gesamten m/z- Auflösungsvermögen für das gleiche Peakpaar m/m1/2 = 500/0.481 = 1.04 × 103. Abbil-
Bereich“. Das Auflösungsvermögen ist dung 21.5c zeigt, dass bei einem Wert für das Auflösungsvermögen von 5.00 × 102. (mit
eine große Zahl, die Auflösung ist eine m/m1/2 ermittelt) die beiden Peaks bei m/z 500 und 501 kaum erkennbar sind. Geben
kleine Zahl. Sie deshalb immer an, welche Definition Sie zur Angabe des Auflösungsvermögens
verwenden.

> Beispiel
Auflösungsvermögen
Bestimmen Sie das Auflösungsvermögen nach der Definition m/m1/2 für den 208Pb-Peak in
der Abbildung 21.1.

Lösung Die Peakbreite in halber Höhe beträgt 0.146 m/z-Einheiten. Deshalb gilt:

m 208
Auflösungsvermögen = = = 1.42 × 103
m1/2 0.146

Ein Gerät mit einem Auflösungsvermögen von 1.42 × 103 trennt Peaks in der Nähe von m/z
200 sehr gut, aber bei m/z 1 420 wäre eine Trennung kaum zu erkennen.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie das Auflösungsvermögen m/m1/2 für den 31P-Peak in


Abbildung 21.9. (Antwort: m/m1/2 = 30.974 u/0.003 3 u = 9 400)
21.2 · Oh, Massenspektrum, sprich zu mir! 575

21.2 Oh, Massenspektrum, sprich zu mir!* *Ausdruck, der von dem bekannten
Hochschullehrer O. David Sparkman
Jedes Massenspektrum hat eine Geschichte zu erzählen. Das Molekülion, M+•, liefert uns geprägt wurde.
die molekulare Masse der unbekannten Probe. Leider zeigen einige Verbindungen bei der
Elektronenstoßionisation kein Molekülion, da M+• häufig sehr instabil ist. Aber auch die
Bruchstücke geben Hinweise auf die Struktur. Um die molekulare Masse zu ermitteln,
kann man das chemische Ionisationsspektrum aufnehmen, das gewöhnlich einen starken
Peak für MH+ aufweist.
Die Stickstoff-Regel hilft uns, die Zusammensetzung der Molekülionen vorzuschla-
gen: Bei einer ungeraden Anzahl von Stickstoffatomen in einer Verbindung – neben jeder
beliebigen Zahl an Atomen von C, H, Halogenen, O, S, Si und P –, hat M+• eine ungerade
nominelle Masse. Bei einer Verbindung mit einer geraden Zahl von Stickstoffatomen (0,
2, 4, …) hat M+• eine gerade nominelle Masse. Ein Molekülion bei m/z 128 kann 0 oder 2
Stickstoffatome haben, aber niemals nur ein N-Atom.

Molekülion und Isotopenmuster


Die Elektronenstoßionisation aromatischer Verbindungen (mit Benzol-Ringen) ergibt mit
deutlicher Intensität M+•. Dieses ist der Basispeak in den Spektren von Benzol und Biphe-
nyl in der Abbildung 21.6.
Der nächst höhere Massenpeak, M+1, liefert Informationen über die elementare Obwohl wir für das Molekülion M+•
Zusammensetzung. In Tabelle 21.1 stehen die natürlichen Häufigkeiten verschiedener schreiben, verwenden wir für andere
Isotope. Bei Kohlenstoff sind 98.93 % der Atome 12C und 1.07% 13C. Das Verhältnis der Peaks die Schreibweise M+1 und M–29
beiden Isotope beträgt 13C/12C = 1.07/98.93 = 0.010 8. Nahezu sämtlicher Wasserstoff ist ohne Angabe der positiven Ladung.
1
H, mit 0.012 % 2H. Wendet man die Faktoren der Tabelle 21.1 auf CnHm an, sollte sich M+1 ist die Masse eines Ions mit ei-
folgende Intensität für den M+1-Peak ergeben: ner um eine Masseneinheit größeren
Masse als M+•.
Intensität von M+1 relativ Intensität = n × 1.08 % + m × 0.012 % (21.2)
zum Molekülion für CnHm von 13C von 2H

Benzol, C6H6, hat einen Molekülpeak bei m/z 78. Die vorhergesagte Intensität bei m/z 79
ist 6 × 1.08 + 6 × 0.012 = 6.55 % der Häufigkeit von M+∙. Die beobachtete Intensität in
Abbildung 21.6 beträgt 6.5 %. Eine Intensität innerhalb von ±10 % des Erwartungswerts
(5.9 bis 7.2 in diesem Fall) liegt innerhalb der Reproduzierbarkeit eines gewöhnlichen
Massenspektrometers. Für Biphenyl (C12H10) wird für M+1 vorhergesagt, dass die Inten-
sität 12 × 1.08 + 10 × 0.012 = 13.1% der Intensität von M+∙ beträgt. Der gefundene Wert
ist 12.9 %.

Benzol Biphenyl
100 M+ 100 M+

80 80
Relative Häufigkeit
Relative Häufigkeit

60 60

40 40 12.9%
6.5% von M +
20 von M + 20

0 0
74 76 78 150 154
m/z m/z

Abb. 21.6 Elektronenstoßionisationsmassenspektrum (70 eV) im Bereich der Molekülionen von Ben- 21
zol (C6H6) und Biphenyl (C12H10). [Aus: NIST/EPA/NIH Mass Spectral Database.10]
576 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Tabelle 21.1 Isotope ausgewählter Elemente

Element Massenzahl Masse (u)a Häufigkeit in Atom%b Element Massenzahl Masse (u)a Häufigkeit in Atom%b

Proton 1 1.007 276 467 – Cl 35 34.968 85 75.78

Neutron 1 1.008 664 916 – 37 36.965 90 24.22

Elektron – 0.000 548 580 – Ar 36 35.967 55 0.336

H 1 1.007 825 99.988 38 37.962 73 0.063

2 2.014 10 0.012 40 39.962 38 99.600

B 10 10.012 94 19.9 Fe 54 53.939 61 5.845

11 11.009 31 80.1 56 55.934 94 91.754

C 12 12 (Definition) 98.93 57 56.935 40 2.119

13 13.003 35 1.07 58 57.933 28 0.282

N 14 14.003 07 99.632 Br 79 78.918 34 50.69

15 15.000 11 0.368 81 80.916 29 49.31

O 16 15.994 91 99.757 I 127 126.904 47 100

17 16.999 13 0.038 Hg 196 195.965 81 0.15

18 17.999 16 0.205 198 197.966 75 9.97

F 19 18.998 40 100 199 198.968 26 16.87

Si 28 27.976 93 92.230 200 199.968 31 23.10

29 28.976 49 4.683 201 200.970 29 13.18

30 29.973 77 3.087 202 201.970 63 29.86

P 31 30.973 76 100 204 203.973 48 6.87

S 32 31.972 07 94.93 Pb 204 203.973 03 1.4

33 32.971 46 0.76 206 205.974 45 24.1

34 33.967 87 4.29 207 206.975 88 22.1

36 35.967 08 0.02 208 207.976 64 52.4

a
Eine atomare Masseneinheit u (auch 1 Dalton (Da) genannt) ≡ 1/12 der Masse von 12C = 1.660 538 782 (83) × 10–27 kg (aus http://physics.nist.gov/constants).
Nuklid-Massen aus: G. Audi, A. H. Wapsta und C. Thibault, Nucl. Phys. 2003, A729, 337, gefunden bei www.nndc.bnl.gov/masses. Dort findet man auch mehr
signifikante Stellen als in dieser Tabelle angegeben.
b Die angegebene Häufigkeit ist repräsentativ für natürliche Vorkommen. Dabei werden beträchtliche Schwankungen beobachtet. Zum Beispiel wurde 18O

in natürlichen Verbindungen im Bereich von 0.188 bis 0.222 Atom% gefunden. Eine neuere Liste der Isotopenhäufigkeiten, die von dieser Tabelle etwas ab-
weicht, findet man bei J. K. Böhlke et al. „Isotopic Compositions of the Elements, 2001“, J. Phys. Chem. Ref. Data 2005. 34, 57.

> Beispiel
Was das Massenspektrum sagt
Im chemischen Ionisationsmassenspektrum von Pentobarbital in Abbildung 21.4 wird der
Peak mit der hohen Intensität am oberen Ende des Massenspektrums bei m/z 227 für MH+
gehalten. Dann müsste die nominelle Masse 226 betragen. Die Stickstoffregel besagt, dass
ein Molekül mit gerader Massenzahl eine gerade Zahl von N-Atomen haben muss. Wenn
man aus der Elementaranalyse weiß, dass die Verbindung nur aus C, H, N und O besteht,
wie viele C-Atome hat die gesuchte Verbindung?
Lösung Der Peak bei m/z 228 hat eine Höhe von 12 % der Höhe des Peaks bei m/z 227.
Aus Tabelle 21.2 entnehmen wir, dass n Kohlenstoffatome durch 13C einen Beitrag von
n × 1.08 % der Intensität bei m/z 228 leisten. Die Beiträge von 2H und 17O sind gering. 15N
hat einen größeren Einfluss, aber es sind wahrscheinlich nur wenige Stickstoffatome in der
Verbindung. Unsere erste Schätzung lautet

beobachtete Intensität von Peak M + 1 12.0%


Anzahl der C-Atome = = = 11,1 ≈ 11
Beitrag pro C − Atom 1.08%
21.2 · Oh, Massenspektrum, sprich zu mir! 577

Tabelle 21.2 Isotopenhäufigkeitsfaktoren (%) zur Interpretation von Massenspektren

Element X+1 X+2 X+3 X+4 X+5 X+6

H 0.012n

C 1.08n 0.005 8n(n–1)

N 0.369n

O 0.038n 0.205n

F 0

Si 5.08n 3.35n 0.170n(n–1) 0.056n(n–1)

P 0

S 0.801n 4.52n 0.036n(n–1) 0.102n(n–1)

Cl – 32.0n – 5.11n(n–1) – 0.544n(n–1)(n–2)

Br – 97.3n – 47.3n(n–1) – 15.3n(n–1)(n–2)

I 0 –

Beispiel: Für einen Peak bei m/z = X mit n C-Atomen beträgt die Intensität bei X+1
n × 1.08% der Intensität bei X. Die Intensität bei X+2 ist n(n–1) × 0.005 8 % der Intensität bei X. Die Beiträge der Isotope der anderen Atome sind additiv.

Die tatsächliche Zusammensetzung von M+1 bei m/z 227 ist C11H19O3N2. Mit den Faktoren
in der Tabelle 21.2 ergibt sich die theoretische Intensität bei m/z 228

Intensität = 11 × 1.08 % + 19 × 0.012 % + 3 × 0.038 % + 2 × 0.369 % = 13.0 %


13 2 17 15
C H O N

Die theoretische Intensität liegt innerhalb von 10 % Unsicherheit des beobachteten Werts
von 12.0 %.

Selbstüberprüfung Eine Verbindung mit dem Elternion bei m/z 117 hat einen Peak
bei m/z 118 der relativen Intensität 9.3 %. Hat sie eine gerade oder ungerade Zahl von
N-Atomen? Wie viele C-Atome hat die Verbindung? (Antwort: ungerade, 8C. Es können
nicht 9C sein, da die Masse von C9N bereits 122 u beträgt). Brom!

Ionen, die Chlor oder Brom enthalten, haben unverwechselbare Isotopenpeaks, die in 100
der Abbildung 21.7 gezeigt werden.16 Im Massenspektrum von 1-Brombutan in Abbildung
21.8 sind zwei etwa gleiche Peaks bei m/z 136 und 138 ein starker Hinweis, dass das Mole- 80
külion ein Bromatom enthält. Das Fragment bei m/z 107 hat einen etwa gleichen Partner
Relative Häufigkeit

bei m/z 109, was auch das Vorhandensein von Brom vermuten lässt. In Exkurs 21.3 sind M–95 M–79
60 41 57
weitere Informationen beschrieben, die sich aus Isotopenverhältnissen ergeben.
40 CH3CH2CH2CH2Br
M+
M–29 136
20 107
CI CI2 CI3 Br Br2 Br3 Br2CI CI2Br
100
0
80
40 60 80 100 120 140
Relative Häufigkeit

m/z
60

40 Abb. 21.8 Elektronenstoßionisations-


massenspektum (70 eV) von 1-Brombu-
20 tan [Aus: A. Illie, P. B. Shevlin, G. Childers,
M. Peschke und J. Tsai, „Mass Spectrome-
try for Large Undergraduate Laboratory
X
X+2

X
X+2
X+4

X
X+2
X+4
X+6

X
X+2

X
X+2
X+4

X
X+2
X+4
X+6

X
X+2
X+4
X+6

X
X+2
X+4
X+6

Sections“, J. Chem. Ed. 1995, 72, 717.


Der Schiedsrichter stammt von Maddy 21
Abb. 21.7 Berechnete Isotopenmuster für Spezies, die Cl und Br enthalten. Harris.]
578 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Exkurs 21.3

Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie von 13C aus natürlichen Quellen. Das verwendete Referenz-


Am Beginn des Kapitels 23 wird die Cholesterin-Bestimmung material war Calciumcarbonat aus einem marinen Fossil der
in alten menschlichen Knochen mit der Isotopenverhältnis- Kreidezeit (Pee Dee Belemnit-Formation in South Carolina,
Massenspektrometrie beschrieben.13 Eine Verbindung, die eine daher die Bezeichnung PDB). Das Isotopenverhältnis RPDB =
13C/12C beträgt 0.011 23 . (Die Zusammensetzung ist auf vier
gaschromatographische Säule passiert hat, wird durch einen Ver- 72
brennungsofen geschickt, in dem sich ein Katalysator, z. B. CuO/ signifikante Ziffern genau, aber kleine Unterschiede können auf
Pt bei 820 °C, für die Oxidation organischer Verbindungen zu CO2 sechs signifikante Ziffern reproduziert werden.) Die δ13C-Skala
befindet. Das Nebenprodukt H2O der Verbrennung wird in einem drückt die kleinen Schwankungen der Isotopenzusammenset-
Nafion-Fluorcarbon-Röhrchen (Seite 434) entfernt. Das Wasser zung aus
diffundiert durch die Membran, während die anderen Verbren-
⎛R − R PDB ⎞
nungsprodukte zurückbleiben. CO2 wird dann im Massenspek- δ13C (Teile pro Tausend, %) = 1 000 ⎜⎜ Probe ⎟⎟
⎝ R PDB ⎠
trometer bei m/z 44 (12CO2) und 45 (13CO2) vermessen. Für jedes
Ion wird ein eigener Detektor verwendet. δ13C von natürlichem Material gibt Auskunft über dessen biolo-
Natürlicher Kohlenstoff besteht aus 98.9 % 12C und 1.1 % 13C. gischen und geographischen Ursprung.14,15
Das Diagramm zeigt reproduzierbare, kleine Schwankungen

13
C Atom%
1.067 5 1.078 8 1.090 0 1.101 2 1.112 5 1.123 7 1.135 0

Kohlendioxid
Methan Kohlendioxid in Atemluft (atmosphärisch) PDB
(atmosphärisch) europäisches USA
Festland

C3-Pflanzen C4-Pflanzen
(z.B. Zuckerrübe) (z.B. Zuckerrohr)

CAM-Pflanzen Carbonate
aus den Ozeanen
Erdöl
(marines terrestrische
Muttergestein) Carbonate
Schwankungen von 13C aus natürlichen
Quellen. C3, C4 und CAM sind Pflanzen- fossile Brennstoffe
arten mit unterschiedlichen Wegen des
Stoffwechsels, die zu unterschiedlicher
13
C-Aufnahme führen. [W. Meier-Augen- −50 −40 −30 −20 −10 0 +10
stein, LCGC, 1997, 15, 244.] δ13 C gegen PDB in Teilen pro Tausend

Mit der Tabelle 21.1 berechnete und Hochauflösende Massenspektrometrie


mit hochauflösender Massenspektro-
metrie ermittelte Massen: Ein Ion mit m/z 84 kann mehrere elementare Zusammensetzungen haben, z. B. C5H8O+
= 84.056 96 u oder C6H17+ = 84.093 35 u. Wenn das Spektrometer hinreichend kleine
C5H8O+•: Massendifferenzen unterscheiden kann, lässt sich die richtige Zusammensetzung be-
5C 5× 12.000 00 stimmen. Mit einem Doppelfokussierendem Massenspektrometer, einem Flugzeitmas-
8H 8× 1.007 825
senspektrometer, einem Ionenfallen-Massenspektrometer oder einem Fourier-Transform-
Ionenzyklotron-Resonanz-Massenspektrometer (Abschnitt 21.3) können bei m/z 100
1O 1× 15.994 91
Differenzen von 0.001 oder weniger aufgelöst werden. Abbildung 21.9 zeigt ein hoch-
–e– –1 × 0.000 55
aufgelöstes Spektrum, das 31P+, 15N16O+ und 14N16OH+ unterscheidet – alle mit der
84.056 96 nominellen Masse 31.
17
gemessen: 84.059 1 Zur Absicherung richtiger Massenbestimmungen werden die Spektrometer mit Verbin-
+•
C6H12 : dungen wie Perfluorkerosin (CF3(CF2)nCF3) oder Perfluortributylamin ((CF3CF2CF2CF2)3N)
6C 6× 12.000 00 kalibriert. In hochaufgelösten Spektren sind die exakten Massen der Fluorkohlenwasser-
12H 12 × 1.007 825 stoff-Fragmente etwas geringer als Massen der Ionen, die C, H, O, N und S enthalten. In
–e– –1 × 0.000 55
der hochauflösenden Massenspektrometrie sollten die Proben immer gemeinsam mit den
Standards untersucht werden.
84.093 35
gemessen:17 84.093 9
21.2 · Oh, Massenspektrum, sprich zu mir! 579

2 000

31 +
P 14
N16OH+
Zählrate (Counts pro Sekunde)

15
1 000 N16O+ Abb. 21.9 Im hochaufgelösten, dop-
pelfokussierenden Sektorfeld-Massen-
spektrum wird zwischen 31P+, 15N16O+
und 14N16OH+ mit einer Auflösung
von m/Δm = 4 000 unterschieden. Das
Spektrum ist ein Balkendiagramm der
Detektorzählung pro Sekunde für jeden
gewählten m/z-Wert. [Aus: J. S. Becker,
S. F. Boulyga, C. Pickhardt, J. Becker, S.
Buddrus und M. Przybylski, „Determina-
tion of Phosphorus in Small Amounts
30.97 30.98 30.99 31.00 31.01 of Protein Samples by ICP-MS“, Anal.
m /z Bioanal. Chem. 2003, 375, 561.]

Ringe und Doppelbindungen


Wenn wir die Zusammensetzung eines Molekülions kennen, liefert uns eine einfache
Gleichung die Anzahl der Ringe + Doppelbindungen (R+DB), was uns hilft, eine Struk-
tur vorzuschlagen:

Formel für Ringe und Doppelbindungen: R + DB = c – h/2 + n/2 +1 (21.3)

mit c der Anzahl der Atome aus der Gruppe 14 des Periodensystems (C, Si und so wei- Wenn P mehr als drei oder S mehr
ter, die vier Bindungen eingehen), h der Anzahl der Atome, die eine Bindung eingehen als zwei Bindungen eingeht, bezieht
(H und Halogene) und n der Anzahl der Atome aus Gruppe 15 (N, P, As usw.), die drei Gleichung 21.3 diese zusätzlichen
Bindungen eingehen. Atome aus Gruppe 16 (O, S usw.), die zwei Bindungen eingehen, Bindungen nicht ein. Beispiele, die
werden in der Formel nicht berücksichtigt. Hier ist ein Beispiel: Gleichung 21.3 verletzen:

Cl As(CH3)2 R + DB = c – h/2 + n/2 +1 O O

Br S O Si(CH3)3 22 + 1 + 1 1 + 1 CH3 P — CH3 S OH


R + DB = (14+1) – + + 1= 5
2 2 CH3 CH3
O
H N
H C O
HO
Das Molekül hat einen Ring + vier Doppel-
C14SiH22ClBrNAsO3S
 bindungen. Beachten Sie: c = C + Si; h = H + Cl +
c h n Br; n = N + As.

Identifizierung des Molekülionenpeaks


Die Abbildung 21.10 zeigt die Elektronenstoßionisationsmassenspektren von Isomeren
mit der elementaren Zusammensetzung C6H12O. Das Molekülion M+• ist durch das
schwarze Dreieck bei m/z 100 gekennzeichnet.
Wie würden Sie bei einer unbekannten Probe erkennen, dass der Peak bei m/z 100 das
Molekülion repräsentiert? Hier sind einige Richtlinien:
1. M+• liegt am höchsten m/z-Wert aller „signifikanten“ Peaks im Spektrum, der nicht
auf Isotope oder den Untergrund zurückgeführt werden kann. Der „Untergrund“ 21
kann durch Pumpenöl im Spektrometer oder die stationäre Phase der Gaschroma-
580 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

tographie verursacht sein. Zur Erkennung solcher Signale ist Erfahrung erforderlich.
Bei der Elektronenstoßionisation beträgt die Intensität des Molekülionenpeaks oft
nicht mehr als 5–20 % von der des Basispeaks und mitunter nicht mehr als 1 % sämt-
licher Ionen.
2. Die Intensitäten der Isotopenpeaks bei M+1, M+2 und so weiter müssen mit der vor-
geschlagenen Formel vereinbar sein.
3. Der Peak des schwersten Fragments darf nicht zu einem unwahrscheinlichen Mas-
senverlust von M+• gehören. Man findet nur selten Massenverluste zwischen 3–14
oder 21–25 u. Zu den üblichen M+• Verlusten gehören die Massen (in u) 15 (CH3),
17 (OH oder NH3), 18 (H2O), 29 (C2H5), 31 (OCH3), 43 (CH3CO oder C3H7) und
viele andere. Wenn man annimmt, dass m/z 150 das Molekülion repräsentiert, aber
ein signifikanter Peak bei m/z 145 auftritt, ist M+• nicht richtig zugeordnet, denn ein
Massenverlust von 5 u ist unwahrscheinlich. Die beiden Peaks könnten zu Ionen ver-
schiedener Verbindungen gehören oder sie stehen für Fragmente einer Verbindung,
deren Masse größer als 150 u beträgt.
4. Wenn man weiß, dass ein Fragmention z. B. drei Atome des Elements X enthält,
dann müssen mindestens drei Atome von X im Molekülion enthalten sein.

Der kleine Peak bei m/z 86 beruht In den beiden Spektren der Abbildung 21.10 liegt der höchste Peak mit einer „signifi-
nicht auf einem Verlust von 14 u kanten“ Intensität bei m/z 100. Der nächste hohe signifikante Peak bei m/z 85 zeigt einen
aus dem Molekülion M+•. Er ist der Verlust von 15 u (wahrscheinlich CH3) an. Die Peaks bei m/z 85 und 100 sind konsistent
Isotopenpartner von m/z 85, das 13C mit der Annahme, dass bei m/z 100 der Peak des Molekülions liegt. Da M+• geradzahlig
enthält. ist, muss im Molekül eine gerade Zahl (die auch Null sein kann) von Stickstoffatomen
enthalten sein.
Wir sehen keine Anzeichen bei M+1, In beiden Spektren hat der Peak von M+1 6% der Intensität von M+• mit nur einer
M+2 und M+3 für die Elemente Cl, Br, signifikanten Stelle bei der Messung. Aus der Intensität von M+1 veranschlagen wir die
Si oder S. Anzahl der C-Atome:
beobachtete (M + 1) / M + •Intensität 6%
Aufgabe Welche Intensitäten würden Anzahl der C-Atome = = = 5.6 ≈ 6
Beitrag pro C − Atom 1.08%
Sie bei M+2 und M+3 finden, wenn
das Molekül ein Chlor, ein Brom, ein Si
Bei 6 C-Atomen und keinem N-Atom wäre C6H12O eine mögliche Zusammensetzung.
oder ein S enthält?
Die erwartete Intensität von M+1 ist

Intensität = 6 × 1.08 % + 12 × 0.012 % + 1 × 0.038 % = 6.7 % von M+•


13C 2H 17O

R + DB = c – h/2 + n/2 +1 Die für M+1 beobachtete Intensität von 6 % liegt innerhalb des experimentellen Fehlers
= 6 – 12/2 + 0 +1 = 1 von 6.7 %, so dass die Formel C6H12O mit den Daten so weit konsistent ist. C6H12O erfor-
dert einen Ring oder eine Doppelbindung.

100 43 43
O O
5 3 2
6 4
1
58 2-Hexanon
50 4-Methyl-2-pentanon
C6H12O
Relative Häufigkeit

C6H12O

58
M+1 =
M+1 = 6% of M+
6% of M+ M+
29 85
M+ 29 100
Abb. 21.10 Elektronenstoßionisations- 85 100 15
15 71
massenspektrum (70 eV) von isomeren
0
Ketonen der Zusammensetzung C6H12O.
[Aus: NIST/EPA/NIH Mass Spectral Data- 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
base.10] m/z m/z
21.2 · Oh, Massenspektrum, sprich zu mir! 581

Interpretation der Fragmentierungsmuster


Nun sehen wir uns an, wie das Molekülion von 2-Hexanon fragmentiert und sich daraus
die vielen Peaks in der Abbildung 21.10 ergeben Die Reaktionen A und B in Abbildung
21.11 zeigen, dass M+• durch den Verlust eines nichtbindenden Elektrons am Sauerstoff
entsteht, das die niedrigste Ionisierungsenergie hat. Bei der Reaktion A wird die zu C=O
benachbarte C–C-Bindung gespalten, wobei je ein Elektron an jedes C-Atom geht. Die
Produkte sind ein neutrales Butylradikal (•C4H9) und CH3CO+•. Nur dieses Ion wird vom
Massenspektrometer detektiert, das den Basispeak bei m/z 43 gibt. Die Spaltung der C-
C-Bindung in Reaktion B liefert ein Ion mit m/z 85, was dem Verlust von •CH3 aus dem
Molekülion entspricht. Zwei andere größere Peaks im Spektrum beruhen auf der C4–C5-
Bindungsspaltung und ergeben CH3CH2+ (m/z 29) und +CH2CH2COCH3 (m/z 71). Die
Stickstoffregel hatte uns gesagt, dass Moleküle, die nur aus C, H, Halogenen, O, S, Si,
P und einer geraden Anzahl (einschließlich Null) von N-Atomen bestehen, eine gerade
Massenzahl haben. Ein Fragment eines neutralen Moleküls, dem ein H-Atom fehlt, muss
eine ungerade Massenzahl haben.
Wir müssen uns nun mit dem zweitgrößten Peak bei m/z 58 befassen, der wegen
seiner geraden Massenzahl ein spezieller Fall ist. Das Molekülion hat eine gerade Masse
(100 u). Radikalische Fragmente, wie CH3CH2• haben eine ungerade Masse. Alle bisher
diskutierten Fragmente haben eine ungerade Masse. Der Peak bei m/z 58 resultiert aus
dem Verlust eines neutralen Moleküls mit der geraden Masse von 42 u.
Die Reaktion D in Abbildung 21.11 zeigt eine häufige Umlagerung, die zur Abgabe
eines neutralen Moleküls mit gerader Masse führt. In Ketonen mit einem H-Atom am
Cγ-Atom kann das H-Atom auf O+ übertragen werden. Gleichzeitig wird die Cα – Cβ-
Bindung gespalten und ein neutrales Molekül von Propen (CH3CH=CH2, 42 u) tritt aus. Die Bindungsspaltung von 4-Methyl-2-
Das resultierende Ion hat die Masse 58 u. pentanon führt zu Fragmenten m/z 15,
Die Spektren in der Abbildung 21.10 ermöglichen die Unterscheidung der Isomeren 85, 43, 57.
von C6H12O. Der Hauptunterschied der Spektren ist ein Peak bei m/z 71 im 2-Hexanon, 57 57
der bei 4-Methyl-2-pentanon fehlt. Der Peak bei m/z 71ergibt sich aus der Abspaltung des O
Ethylradikals, CH3CH2•, von M+•. Das Ethylradikal leitet sich von den Kohlenstoffatomen 43 43 85
5 und 6 des 2-Hexanon ab. Es gibt keinen einfachen Weg für die Abspaltung eines Ethyl- 15

radikals aus 4-Methyl-2-pentanon. Das Diagramm am Rand zeigt, wie Peaks mit m/z 15,
85, 43 und 57 durch Bindungsbruch im 4-Methyl-2-pentanon entstehen können. Eine Aufgabe Zeichnen Sie eine Umla-
Umlagerung wie die unten in der Abbildung 21.11 erklärt den Peak bei m/z 58. gerung wie Reaktion D in Abbildung
Weitere größere Peaks in der Abbildung 21.10 könnten sein: CH2=C=O+• (m/z 42), 21.11 und zeigen Sie, wie m/z 58 ent-
C3H5+ (m/z 41), C3H3+ (m/z 39), C2H5+ oder HC≡O+ (m/z 29) und C2H3+ (m/z 27). Kleine steht.

O
A bedeutet Übertragung eines
C Elektrons
CH3CH2CH2CH2 CH3 homolytische CH3CH2CH2CH2 O C CH3
Spaltung bedeutet Übertragung von
M+ m/z 43
zwei Elektronen
O
B
C Arten der Bindungsspaltung:
CH3CH2CH2CH2 CH3 homolytische CH3CH2CH2CH2 C O CH3
Spaltung
Homolytische Spaltung: je ein Elektron
m/z 85 verbleibt bei jedem Fragment
O O Heterolytische Spaltung: beide Elektro-
C
nen verbleiben bei einem Fragment
C heterolytische C
CH3CH2CH2CH2 CH3 Spaltung CH3CH2CH2CH2 CH3
m/z 15 Im Allgemeinen entsprechen die
CH3 H O H intensivsten Peaks den stabilsten Frag-
D CH3 O menten.
C McLafferty-
CH3 Umlagerung CH2 C
Propen H2C CH3
(neutrales Molekül) m/z 58
21
Abb. 21.11 Vier mögliche Fragmentierungswege für das Molekülion von 2-Hexanon.
582 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Fragmente treten in vielen Spektren auf und sind zur Strukturbestimmung nicht sehr
nützlich.
Die Interpretation der Massenspektren zur Aufklärung der Molekülstruktur ist ein
wichtiges Gebiet.18 Die Fragmentierungsmuster können sogar die Struktur großer biolo-
gischer Moleküle entwirren.

21.3 Arten der Massenspektrometer

Die Abbildung 21.2 zeigt ein Magnetsektorfeld-Massenspektrometer, in dem Ionen mit


unterschiedlicher Masse, aber konstanter kinetischer Energie, durch ihre Flugbahnen im
Magnetfeld getrennt werden. Die kinetische Energie erhalten die Ionen durch die Span-
nung zwischen den Beschleunigungsplatten in der Ionenquelle. Die Ionen werden aus
den neutralen Molekülen mit nur geringen Unterschieden in ihren kinetischen Energien
gebildet und je nach dem Ort ihrer Bildung in der Ionenquelle unterschiedlich stark be-
schleunigt.
Das Auflösungsvermögen eines Massenspektrometers ist durch die Schwankung der
kinetischen Energie (~ 0.1%) der Ionen, die aus der Ionenquelle kommen, begrenzt. Diese
Schwankung führt zu einem Auflösungsvermögen von etwa 1 000, was einer Auflösung
von 0.1 bei m/z 100 entspricht. In einem doppelfokussierenden Massenspektrometer
passieren die von der Quelle ausgeworfenen Ionen sowohl einen elektrischen wie mag-
netischen Sektor (Abbildung 21.12). Mit beiden Sektoren hintereinander kann man ein
Auflösungsvermögen von ~105 erreichen, entsprechend einer Auflösung von 0.001 bei
m/z 100.

Transmissions-Quadrupol-Massenspektrometer
Magnetsektor- und doppelfokussierende Massenspektrometer sind nicht die geeignetsten
Detektoren für die Gaschromatographie. Die Abbildung 21.13 zeigt ein Transmissions-
Quadrupol-Massenspektrometer19 in Verbindung mit einer gaschromatographischen
Trennsäule zur Aufnahme mehrerer Spektren jeder Verbindung, welche die Säule verlässt.
Die Spezies passieren nach der Säule ein beheiztes Verbindungsstück und gelangen hier in
die Elektronenstoßionisationskammer, in der mit Hilfe einer Turbomolekularpumpe oder
einer Öl-Diffusionspumpe ein Druck von ~10–4 Pa (~10–9 bar, ~10–6 Torr) angelegt wird.
Die Ionen werden durch ein Potential von 5–15 V vor Eintritt in den Quadrupol-Filter
beschleunigt.
Der Quadrupol ist wegen seiner niedrigen Kosten ein sehr verbreitetes Modul zum
Trennen von Massen. Er besteht aus vier parallelen Metallstäben an der sowohl eine kon-
stante Spannung wie auch eine Hochfrequenzwechselspannung anliegen. Das elektrische
Feld lenkt die Ionen in komplizierte Flugbahnen, wenn sie sich von der Ionisationskam-
mer zum Detektor bewegen, wobei nur Ionen mit einem bestimmten Masse-Ladungs-
verhältnis den Detektor erreichen. Andere Ionen, die nichtresonanten Ionen, stoßen mit
den Stäben zusammen und gehen vor Erreichen des Detektors verloren. Durch schnelle
Veränderung der Spannung wird erreicht, dass Ionen mit unterschiedlichen Massen zum
Detektor gelangen. Transmissions-Quadrupole können 2–8 Spektren pro Sekunde auf-

Abb. 21.12 Elektrisches Sektorfeld Eintritts- energiearmes Metall-


eines doppelfokussierenden Massen- spalt Kation Leiter Austrittsspalt
spektrometers. Die positiven Ionen von der – zum
werden in Richtung der negativen Ionen- Magnet-
Metallplatte angezogen. Die Flugbah- quelle + sektorfeld
+ +
nen der energiereichen Ionen werden +
weniger stark geändert als die der
energieärmeren Ionen. Am Ausgangs- +
spalt besitzen die Ionen fast die gleiche energiereiches Metall-
kinetische Energie. Kation Leiter
21.3 · Arten der Massenspektrometer 583

kontinuierlicher
Dynoden-
Quadrupol- Elektronen-
Massen- vervielfacher
separator

Elektronen
nichtresonantes Ion

Heizdraht


e–
70 V + Hoch-Energie-

Dynode
Ionisations- +
kammer
+ resonante Ionen

Säulen-
leitfähige Stäbe
ausgang des
Gaschromatographen
konstante Gleichspannung
− und hochfrequente
100 V + Wechselspannung
Abb. 21.13 Quadrupol-Massenspektro-
Elektronen- meter. Im Idealfall sollten die Stäbe einen
falle hyperbolischen Querschnitt haben.

nehmen und einen Bereich bis zu 4 000 m/z-Einheiten abdecken. Die Spektren können
e−
typischerweise auf 0.3 m/z-Einheiten aufgelöst werden. e−
Blei-dotiertes
Magnetsektor- und doppelfokussierende Geräte sowie die als nächstes behandelten e−
− Glas
e− e
Flugzeit-Instrumente arbeiten mit einem konstanten Auflösungsvermögen. Das bedeutet,
dass die Trennung der Peaks abnimmt, wenn m/z ansteigt. Die Transmissions-Quad- –2 kV
rupole (und die später behandelten anderen Quadrupol-Geräte) arbeiten dagegen mit Elektronen-
kaskade
konstanter Auflösung. Das bedeutet, dass die Ionen mit m/z 100 und 101 im gleichen Maß
Signal
getrennt werden wie die Ionen m/z 500 und 501.
Anstelle des Elektronenvervielfachers mit Einzeldynoden in der Abbildung 21.2 sind in
Abbildung 21.13 eine Hochenergiedynode und ein Elektronenvervielfachungsdetektor mit Abb. 21.14 Elektronenvervielfachungs-
detektor mit einer kontinuierlichen Dy-
einer kontinuierlichen Dynode gezeigt. Eine Hochenergiedynode wird in Quadrupol-Mas-
node, auch als Channeltron® bezeichnet.
senfiltern und Ionenfallen, die später behandelt werden, verwendet, damit alle Ionen ein Für jedes eintreffende Elektron werden
gleiches Detektorsignal erzeugen. Damit wird verhindert, dass im Massenspektrum eine am äußersten Ende des Horns ~105 Elek-
Massendiskriminierung eintritt, bei der Ionen mit unterschiedlichem m/z unterschiedlich tronen detektiert. [Entnommen aus: J. T.
stark am Detektor ansprechen. Die aus dem Quadrupol-Massenanalysator austretenden Watson und O. D. Sparkman, Introduction
to Mass Spectrometry, 4th ed. (Chiches-
Kationen werden zur Hochenergiedynode angezogen, die eine Spannung von ~10 kV hat.
ter, Wiley2007).]
Jedes Kation, das auf die Dynode trifft, setzt Elektronen frei, die in die Richtung zur Öff-
nung des Elektronenvervielfachers mit kontinuierlicher Diode beschleunigt werden. Dieses
hornförmig gebogene Rohr mit einer hochohmigen, Blei-dotierten Glaswand hat an der
Öffnung ein Potential von –2 kV und ist am schmalen Ende geerdet. (Abbildung 21.14).
Jedes Elektron, das auf die Wand dieses Elektronenvervielfachers trifft, setzt mehrere Elek-
tronen frei, die in Richtung des positiveren Potentials tiefer in das Horn springen. Nach
vielmaligem Aufprallen ergeben sich aus jedem an der Öffnung auftreffenden Elektron
~105 Elektronen am schmalen Ende des Horns.

Flugzeit-Massenspektrometer
Das Prinzip des Flugzeit-Massenspektrometers ist in Abbildung 21.15 dargestellt.20 Die Im Idealfall hat ein Ion beim Verlassen
Ionenquelle befindet sich oben links. Ungefähr 3 000 bis 20 000 Mal pro Sekunde wird der Ionenquelle die kinetische Energie
an die Repeller-Platte eine Spannung von 5 000 Volt angelegt, um die Ionen nach rechts zeV, mit ze der Ladung des Ions und V
zu beschleunigen und aus der Ionenquelle in die Driftregion zu treiben, wo es weder ein der Spannung auf der Repeller-Platte.
Magnetfeld noch ein elektrisches Feld und damit auch keine weitere Beschleunigung 21
gibt. Im Idealfall haben sämtliche Ionen die gleiche kinetische Energie, ½ mv2, mit der
584 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Masse m des Ions und seiner Geschwindigkeit v. Wenn die Ionen die gleiche kinetische
Energie, aber unterschiedliche Massen haben, fliegen die leichten Ionen schneller als die
schwereren. In der einfachsten Verwirklichung besteht das Flugzeit-Massenspektrometer
aus einem langen, geraden, evakuierten Rohr, mit der Ionenquelle an dem einen Ende
und dem Detektor am anderen Ende. Die von der Quelle ausgesandten Ionen wandern
in der Reihenfolge zunehmender Masse zum Detektor, da die leichteren Ionen schneller
wandern.
Das Gerät in Abbildung 21.15 ist für ein höheres Auflösungsvermögen gebaut. Der
wesentliche Grund für ein begrenztes Auflösungsvermögen, ist die Tatsache, dass die von
der Quelle ausgesandten Ionen nicht alle die gleiche kinetische Energie haben. Ein Ion,
das in der Nähe der Repeller-Platte entsteht, wird mit einer größeren Potentialdifferenz
beschleunigt als ein Ion, das in der Nähe des Extraktionsgitters entsteht. So erhält das
Ion an der Repeller-Platte eine höhere kinetische Energie. Außerdem gibt es eine gewisse
Verteilung der kinetischen Energien innerhalb der Ionen, selbst bei Abwesenheit einer
Beschleunigungsspannung. Schwerere Ionen mit einer über dem Durchschnitt liegenden
kinetischen Energie erreichen den Detektor gleichzeitig mit leichteren Ionen mit einer
unterdurchschnittlichen Energie.
Wir betrachten zwei Ionen, die zu verschiedenen Zeiten mit unterschiedlichen Ge-
schwindigkeiten aus der Ionenquelle geschickt werden. Das Ion, das in der Nähe des Git-
ters entsteht, hat eine geringere kinetische Energie, wird aber zuerst ausgestoßen. Dagegen
hat das Ion, das an der Repeller-Platte entsteht, eine höhere kinetische Energie, wird aber
später ausgestoßen. Schließlich holt das schnellere Ion das langsamere Ion in der Fokal-
ebene in einem Abstand von 2 s vom Gitter ein (s ist hier der Abstand zwischen Repeller-
Platte und Gitter). Es kann gezeigt werden, dass alle Ionen einer gegebenen Masse die
Fokalebene zur gleichen Zeit erreichen. Nach der Fokalebene gehen die Ionen wieder
auseinander, wobei die schnelleren Ionen die langsameren überholen. Ohne Gegenmaß-
nahmen würden die Ionen bezüglich der Zeit bis zur Erreichung des Detektors schlecht
verteilt sein und das Auflösungsvermögen wäre sehr klein.
Um das Auflösungsvermögen zu verbessern, wird im „Reflektron“ (auf der rechten
Seite der Abbildung 21.15) die Flugrichtung der Ionen umgekehrt. Das Reflektron besteht
aus einer Reihe von Ringelektroden, die ein anwachsendes positives Potential haben, das
durch ein Gitter bestimmt wird, dessen Potential positiver ist als das Beschleunigungspo-
tential an der Repeller-Platte der Ionenquelle. Die Ionen, die in das Reflektron eintreten,
werden abgebremst, angehalten und nach links reflektiert. Je höher die kinetische Energie
der ankommenden Ionen ist, desto weiter dringen sie ein, bevor ihre Flugrichtung geän-
dert wird. Die reflektierten Ionen kommen in eine neue Fokalebene am Gitter vor dem

Reflektron
Ionenquellen- (elektrostatischer Spiegel)
Bereich
+V 0V 0V Ringelektroden (+) +Vr (>V)
Fokalebene

2s
s
1.Drift-Region mittlerer
Gitter Reflexions- Gitter
abstand

Ablenkplatte
Gitter niedrigere
(Extraktor) Energie

Repeller- Gitter
Abb. 21.15 Flugzeit-Massenspektro- Platte
höhere mittlere
meter. Positive Ionen werden aus der Energie Energie
Ionenquelle durch ein periodisches, 2.Drift-Region
Detektor
positives Potential auf der Repeller-
Platte beschleunigt. Die leichteren
Ionen wandern schneller und erreichen
den Detektor früher als die schwereren. 0V
21.3 · Arten der Massenspektrometer 585

Detektor. Alle Ionen mit gleicher Masse kommen zur gleichen Zeit an diesem Gitter an,
unabhängig von ihren ursprünglichen kinetischen Energien.
Das Auflösungsvermögen kann 1 000 bis 25 000 betragen und die Richtigkeit von m/z
ist ~0.001. Weitere Vorteile der Flugzeit-Massenspektrometer sind ihre hohe Aufnahme-
geschwindigkeit (102–104 Spektren pro Sekunde) und die Möglichkeit der Bestimmung
sehr großer Massen (m/z ≈ 106). Das Flugzeit-Massenspektrometer benötigt einen niedri-
geren Betriebsdruck als die Transmissions-Quadrupol- und Magnetsektor-Geräte (10–7 Pa
gegenüber 10–4 Pa oder 10–9 Torr gegenüber 10–6 Torr).

Dreidimensionales Quadrupol-Ionenfallen-
Massenspektrometer
Das dreidimensionale Quadrupol-Ionenfallen-Massenspektrometer21 ist ein Kompakt- An der Universität Bonn zeigte in
gerät, das sich gut als Detektor in der Chromatographie eignet. In der Abbildung 21.16 den1950er-Jahren Wolfgang Paul, dass
gelangen die Substanzen aus einer chromatographischen Säule über eine beheizte Leitung man mit Ionen im elektrischen Feld
von unten links in die Kavität (Hohlraum) des dreidimensionalen Ionenfallen-Massen- eines Quadrupols geschickt umgehen
analysators. Bei der in der Abbildung 21.16 gezeigten Ausführung der Ionenfalle schickt kann. Er erhielt 1989 den Nobelpreis
die Gate-Elektrode periodisch aus dem oben befindlichen Heizdraht Elektronen durch für Physik.
Löcher der Endkappe in den mittleren Hohlraum, der aus zwei Abschirmungen (Endkap-
pen) und einer Ringelektrode besteht, die voneinander elektrisch isoliert sind. Hier erfolgt
die Elektronenstoßionisation der getrennten Moleküle. Es kann aber auch eine chemische
Ionisation durchgeführt werden. Dazu wird ein Reaktantgas, z. B. Methan, in den Hohl-
raum eingebracht, das vom Elektronenstrahl ionisiert wird und dann mit den Analytmo-
lekülen reagiert. Bei einigen Gaschromatographie-Massenspektrometrie-Systemen und
bei sämtlichen Flüssigchromatographie-MS-Kombinationen werden die Ionen außerhalb
der Ionenfalle erzeugt und dann in die Ionenfalle injiziert.
Eine mit konstanter Frequenz an die zentrale Ringelektrode angelegte Hochfrequenz-
spannung bringt die Ionen im Hohlraum in stabile, dreidimensionale Umlaufbahnen, mit
den Ionen des kleinsten m/z-Werts in der äußersten Bahn. Eine Erhöhung der Amplitude
der Hochfrequenzspannung destabilisiert die Umläufe der Ionen mit einem bestimmten
m/z-Wert und sie werden gleichzeitig aus dem Raum zwischen den beiden Abschirmun-
gen herausgeworfen. Die Ionen fliegen durch Löcher in der unteren Abschirmung in der
Abbildung 21.16b und werden an einem Elektronenvervielfacher hoher Empfindlichkeit
(~1–10 pg) detektiert. Durchläufe von m/z 10–650 können achtmal pro Sekunde durch-
geführt werden. Das Auflösungsvermögen beträgt 1 000–4 000, die m/z-Richtigkeit ist 0.1
und der maximale m/z-Wert ~20 000. In anderen Massenanalysatoren erreicht nur ein
kleiner Teil der Ionen den Detektor. Mit der dreidimensionalen Ionenfalle wird die Hälfte

Heizdraht
Gate-Elektrode

End-
kappe

+ +
+
+ + zentrale
+ Ringelektrode
+ +
+

Elektronen- Abb. 21.16 Dreidimensionales Quadru-


Ausgang der End-
vervielfacher
Chromato- kappe pol-Ionenfallen-Massenspektrometer. a)
graphiesäule Der Massenanalysator besteht aus zwei
Abschirmungen (Endkappen) (links und
rechts) und der zentralen Ringelektrode.
Hochenergie- b) Schematisches Diagramm. [Freundli-
dynode
Signal cherweise von Varian Associates, Sunny- 21
a b vale, CA, zur Verfügung gestellt.]
586 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

der Ionen vom Detektor erfasst, wodurch das Nachweisvermögen zehn bis hundert Mal
besser ist als beim Transmissionsquadrupol.
Die Quadrupol-Ionenfalle enthält Helium mit einem Gasdruck von 10–1 Pa (10–3 Torr).
Das ist viel mehr als der zulässige Druck in einem Transmissionsquadrupol (10–4 Pa,
10–6 Torr) oder in einem Flugzeitgerät (10–7 Pa, 10–9 Torr). Das Gas in der Ionenfalle kühlt
die Ionen durch Zusammenstöße, wodurch die überschüssige Schwingungs- und Rotati-
onsenergie der Ionen absorbiert wird. Kühlere Ionen zeigen geringere Zufallsabweichun-
gen von der idealen Umlaufbahn, die vom elektrischen Feld des Quadrupols bestimmt
ist. In den anderen Massenfiltern ist der niedrige Druck für eine größere mittlere freie
Weglänge der Ionen erforderlich, damit sie nicht von der vorgesehenen Flugbahn durch
Zusammenstöße mit dem Zusatzgas abgelenkt werden.
Die Kapazität des dreidimensionalen Quadrupols für die Aufnahme der Ionen ist
durch das kleine Volumen, das von den Elektroden umschlossen wird und durch die
Gesamtladung der Ionen begrenzt. Letztere kann das elektrische Feld innerhalb des Qua-
drupols ändern. Das von den Ionen erzeugte Feld nennt man Raumladung. Wenn die
Raumladung zu groß wird, nimmt die Leistungsfähigkeit der Ionenfalle ab. Die Massen-
spektrometer haben eine Regelung, welche die Raumladung auf einem zulässigen Niveau
hält, indem die Zahl der Ionen in der Falle kontrolliert wird.

Lineares Quadrupol-Ionenfallen-Massenspektrometer
Das lineare Quadrupol-Ionenfallen-Massenspektrometer hat eine höhere Wirksamkeit
des Ioneneinfangs und eine größere Speicherkapazität als der dreidimensionale Quadru-
pol und zieht daher in viele Geräte ein. Im Quadrupol-Massenfilter der Abbildung 21.13
wurden eine Gleichstromspannung und eine Hochfrequenzspannung verwendet, um die
Ionen eines bestimmten m/z-Werts für die Transmission durch den Filter auszuwählen.
In der linearen Ionenfalle in der Abbildung 21.17 sind an jedem Ende des Quadrupols
Teile angefügt, um einen Potentialtopf zu erzeugen. Wenn die Enden in Bezug auf den
Mittelteil genügend geladen sind, werden die Ionen im Mittelteil gefangen. Die Ionen sind
durch ein Hochfrequenzfeld, das auf den Mittelteil wirkt, in der radialen Richtung (die
xy-Ebene) begrenzt. Durch Veränderung der Spannungen können Ionen mit bestimmten
m/z durch Schlitze in die x-Richtung ausgestoßen oder aus den Enden in z-Richtung auf
einen oder mehrere Detektoren gelenkt werden.
Dreidimensionale Quadrupol-Ionenfallen haben niedrige Nachweisgrenzen, aber sind
bezüglich der Anzahl an Ionen begrenzt, die sie ohne Überschreitung der zulässigen

e
fall
n en
r Io
de
m feld
s tro
ich
Gle
a b

Abb. 21.17 Lineare Ionenfalle. [Zeichnung aus Z. Ouyang, G. Wu, Y. Song, H. Li, W. R. Plass und R. G.
Cooks, „Rectilinear Ion Trap: Concepts, Calculations and Analytical Performance of a New Mass Ana-
lyzer“, Anal. Chem. 2004, 76, 4595. Photo der LTQ XL linearen Ionenfalle freundlicherweise von Thermo
Fisher Scientific, San Jose, CA, zur Verfügung gestellt.]
21.3 · Arten der Massenspektrometer 587

Raumladung aufnehmen können. Außerdem halten sie nur ~5 % der injizierten Ionen
„gefangen“. Die lineare Ionenfalle hat noch niedrigere Nachweisgrenzen, da sie ~30 Mal
mehr Ionen aufnehmen kann und die injizierten Ionen zehnmal so effektiv einfängt.
Mit der linearen und der dreidimensionalen Quadrupol-Ionenfalle kann man die
Erfassungsgeschwindigkeit der Spektren den Bedürfnissen für die Auflösung anpassen.
Normalerweise arbeitet man bei einer Auflösung von 1 mit Scan-Geschwindigkeiten
von 11 000 m/z-Einheiten pro Sekunde. Auf Kosten einer Verringerung der Scan-Ge-
schwindigkeit auf 27 m/z-Einheiten pro Sekunde kann man eine Auflösung von 0.05 m/z-
Einheiten erreichen.

Orbitrap-Massenspektrometer
Die Orbitrap ist ein hochauflösender Massenanalysator, die kein Magnet- oder Hochfre-
quenzfeld benötigt. Die kommerzielle Realisierung, das Orbitrap-Massenspektrometer,
hat ein Auflösungsvermögen von ~150 000, eine Richtigkeit des m/z-Werts von 2–5 ppm
mit externer Kalibration, einer obere m/z-Begrenzung von 6 000 und einen dynamischen
Bereich von mehreren Tausend. Mit inneren Kalibrationsstandards ist eine m/z-Richtig-
keit im sub-ppm-Bereich möglich. Das Schnittbild in Abbildung 21.18a zeigt die sehr
genau maschinell hergestellte innere und äußere Elektrode. Die mittlere Elektrode wird
auf eine Spannung von –5kV eingestellt, während die zwei äußeren Elektroden (Abbil-
dung 21.18b) etwa das Erdpotential haben und elektrisch voneinander isoliert sind. Die
Abbildung 21.18b zeigt die Vektoren des elektrischen Felds senkrecht zur Symmetrieachse
(z) in der Mitte der Orbitrap, jedoch mit ansteigenden Winkeln gegenüber dem Zentrum
der Orbitrap, wenn der Abstand vom Zentrum zunimmt.
Ein Ionenpaket wird senkrecht zur Ebene der Abbildung 21.18b an der angezeigten
Stelle injiziert. Das elektrische Feld zwingt die Ionen in eine Umlaufbahn um das Zen-
trum der Orbitrap in Abbildung 21.18c. Der Anfangsimpuls trägt die Ionen von der
rechten Seite der Orbitrap zur linken Seite bis die Feldstärke groß genug ist, die Ionen
wieder zurück nach rechts zu treiben. Wenn die Ionen weit genug nach rechts gewandert
sind, werden sie wieder nach links gedrängt. So zirkulieren sie um die mittlere Elektrode
hin und zurück, solange sie nicht auf ein anderes Molekül treffen. Für einen lange anhal-
tenden ungestörten Umlauf ist das beste Vakuum aller Massenspektrometer von ~10–8 Pa

r
elektrisches Feld in rz-Ebene
Schnittbild-
ansicht äußere äußere
z Elektrode Elektrode

ϕ Mittel-
elektrode

Injektionsstelle, Abb. 21.18 a) Schnittbildzeichnung der


senkrecht zur Orbitrap. [A. Makarov, „Electrostatic Axi-
Papierebene ally Harmonic Orbital Trapping. A High-
a b
Performance Technique of Mass Analysis“,
Eintritt und Anal. Chem. 2000, 72, 1156.] b) Elektri-
Anfangs- stabiler sches Feld in einer Längsebene der Orbi-
umlauf Umlauf trap. c) Anfangsweg der in die Orbitrap
eintretenden Ionen und stabiler Weg der
nachfolgenden Umläufe. d) Photo der Or-
bitrap mit zur Hälfte entferntem äußeren
Mantel. Der Innendurchmesser der äu-
ßeren Elektroden beträgt 30 mm und die
Länge des freigelegten Abschnitts ist 4
cm. [Mit freundlicher Genehmigung von 21
c d Thermo Fisher Scientific, San Jose, CA.]
588 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Elektrospray- Ionenoptik Überführungs- lineare Ionenfalle Überführungs- C-Falle


Ionenquelle oktopol mit zwei Detektoren oktopol

Ionenoptik
Differentialpumpen

Amplitude Orbitrap

Strom
Fourier
transformation
Differenz-
verstärker
Frequenz Zeit

Abb. 21.19 Anordnung einer linearen Ionenfalle und einer C-Falle zur Sammlung der Ionen, ihrer
Komprimierung zu einem kleinen Paket und dessen Einbringung in die Orbitrap. [A. Makarov, E. Den-
isov, A. Kholomeev, W. Balschun, O. Lange, K. Strupat und S. Horning, „Performance Evaluation of a
Hybrid Linear Ion Trap/Orbitrap Mass Spectrometer“, Anal. Chem. 2006, 78, 2113.]

(~10–10 Torr) erforderlich, das eine mittlere freie Weglänge von 100 km ermöglicht. Die
Frequenz der Oszillationen eines Ions zwischen der linken und rechten Hälfte der Orbit-
rap ist proportional zu 1/ m / z .
Die zwischen den beiden Hälften der Orbitrap oszillierenden Ionen induzieren in der
äußeren Elektrode eine entgegengesetzte Ladung, die Spiegelladung. Ein Kationenpaket in
der rechten Hälfte der Orbitrap zieht Elektronen in die äußere rechte Elektrode. Ein Katio-
nenpaket in der linken Hälfte der Orbitrap zieht Elektronen in die äußere linke Elektrode.
Ein Verstärker, der mit den beiden Hälften der gespaltenen äußeren Elektrode verbunden
ist, misst den Spiegelstrom, der synchron mit den Ionen oszilliert. Die Orbitrap enthält Io-
nen mit unterschiedlichen m/z-Werten, jedes erzeugt eine Stromkomponente mit anderer
Frequenz. Das gemessene Signal ist die Summe aller Ströme von allen m/z-Werten. Nach
Messung des Stroms während einer vorgegebenen Zeit (~0.1–1.5 s) zerlegt ein Computer
den Strom durch Fourier-Transformation (Abschnitt 19.5) in seine Frequenzbestandteile
und damit in die m/z-Anteile.
Die Ionen müssen in einem kleinen Paket in die Orbitrap injiziert werden. In Abbil-
dung 21.19 ist gezeigt, wie das gemacht werden kann. Die Ionen aus einer Elektrospray-
Quelle (Abschnitt 21.4) werden in einer linearen Ionenfalle angereichert und dann in
einem Packen in die C-Falle (wie ein C geformt) überführt, wo sie elektrodynamisch zu
einem kleinen Paket zusammengedrückt werden. Das Paket wird durch die Ionenoptik
in die Orbitrap ausgestoßen. Während der ~0.1 ms Injektionszeit wird das elektrische
Feld der Orbitrap so hochgefahren, dass die Ionen mit den Umläufen um die mittlere
Elektrode beginnen. Wenn deren Potential einen konstanten Wert für stabile Umläufe
angenommen hat, beginnt die Detektion.

Ionenmobilitätsspektrometer22
Mehr als 104 Ionenmobilitätsspektrometer werden bei Kontrollen am Flughafen bei der
Suche nach Sprengstoffen eingesetzt und vielleicht 105 tragbare Geräte benutzt das militä-
rische und zivile Verteidigungspersonal. Obwohl sie in ihrer Funktion den Massenspekt-
rometern ähneln, arbeiten die Ionenmobilitätsspektrometer an der Luft bei Umgebungs-
druck. Die Ionenmobilitätsspektrometrie ist jedoch keine Form der Massenspektrometrie.
21.3 · Arten der Massenspektrometer 589

Driftgas-Ausgang Ionenschar Driftgas-Eingang


mit gleichem
Größe-Ladungsverhältnis
Repeller- Detektor
Gitter 63 (Faraday-
Ni
Platte)

Desorptions- zur Daten-


heizung Schalt- ausgabe
gitter
Abschirm-
Proben- Driftringe gitter
scheibe
Driftregion
Probenträgergas-
Eingang

a elektrisches Feld  200–300 V/cm

(H2O)nO–2
(H2O)nCl–

RDX Abb. 21.20 a) Schematische Darstellung


eines Ionenmobilitätsspektrometers. Das
Abschirmgitter verhindert eine starke Li-
nienverbreiterung. Ionen, die in die Nähe
einer ungeschützten Detektorplatte kom-
men, induzieren einen Strom, der bereits
Detektorsignal

vor dem Auftreffen der Ionen als Signal


Referenzsubstanz

erscheint. Das Abschirmgitter schützt


den Detektor vor diesem induzierten
Strom, bis die Ionen zwischen Gitter und
Detektor angekommen sind. b) Negatives
DNT

RDX2

PETN4
PETN2
RDX4

PETN3
NG-2
TNT

Ionenmobilitätsspektrum von Spreng-


stoffen, darunter RDX, RNT und PETN.
Die Referenzsubstanz 4-Nitrobenzonitril
ist ein interner Mobilitätsstandard. Cl2 ist
das Reaktionsgas zur Anionenbildung
durch chemische Ionisation. [Freundli-
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 cherweise von W. R. Scott, Smiths Detec-
b Driftzeit (ms) tion, Toronto, zur Verfügung gestellt.]

Mit der Ionenmobilitätsspektrometrie wird nicht die Molekülmasse bestimmt und sie
liefert auch keine Informationen über die Struktur. Sie wird aber in einem so großen Um-
fang eingesetzt, dass sie hier behandelt werden soll.
Die Elektrophorese, die in Kapitel 25 behandelt wird, macht sich die Wanderung von
Ionen in einer Lösung unter dem Einfluss eines elektrischen Felds zu nutze. Die Ionenmo-
bilitätsspektrometrie ist eine Gasphasen-Elektrophorese, bei der Ionen entsprechend ihrem
Größe-Ladungsverhältnis getrennt werden. Im Unterschied zur Massenspektrometrie
können mit der Ionenmobilitätsspektrometrie Isomere getrennt werden. Die Ionenmo-
bilität kann zur Untersuchung großer Protein-Baugruppen mit Massen bis zu 50 000 u
eingesetzt werden.23
Auf den ersten Blick erinnert das Ionenmobilitätsspektrometer an Abbildung 21.20a
an ein Flugzeit-Massenspektrometer. Bei einem Handgerät ist das Driftrohr 5–10 cm lang.
Die mit einer Wischprobe aufgenommene Substanz wird auf einer beheizten Ablage links
in der Abbildung platziert, um den Dampf des Analyten zu desorbieren. Trockene Luft,
die mit einem Reagenz für die chemische Ionisierung dotiert ist (z. B. Cl2 für Anionen Kleine Ionen driften schneller als
und Aceton oder NH3 für Kationen) treibt den Dampf durch ein Rohr, das 10 Millicurie große. In der Aufgabe 25-48 wird die
von radioaktivem 63Ni enthält. Das Reagenzgas wird durch die β-Strahlung des 63Ni ioni- Ionenmobilitätsspektrometrie mit den
siert, reagiert mit dem Analyten und erzeugt dessen Ionen. Begriffen aus der Elektrophorese be-
Ein spektraler Scan wird durch einen ~250-μs-Puls auf das Schaltgitter gestartet, wo- schrieben. Sie finden diese Aufgabe
bei ein Ionenpaket in den Driftraum eingelassen wird. Ein elektrisches Feld von 200–300 im Internet unter www.springer.com/ 21
V/cm in der Driftregion wird durch Potentialunterschiede an den Driftringen aufgebaut. 978-3-642-37787-7
590 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Das Feld veranlasst entweder Kationen oder Anionen mit einer Geschwindigkeit von 1–2
m/s nach rechts zu driften. Die Ionen werden durch Zusammenstöße mit Gasmolekülen
bei Atmosphärendruck verzögert. Jedes Ion wandert mit seiner eigenen Geschwindigkeit
von KE, wobei E die Feldstärke und K die Mobilität bedeuten. Kleine Ionen haben eine
höhere Mobilität als große Ionen mit der gleichen Ladung, da diese einen größeren Wi-
derstand erleiden.
Das Ionenmobiltäts„spektrum“ in der Abbildung 21.20b ist eine Wiedergabe des De-
tektorsignals für verschiedene Sprengstoffe in Abhängigkeit von der Driftzeit. Die Peak-
fläche ist proportional zur Anzahl der Ionen. Die Peaks werden durch ihre Mobilität iden-
tifiziert, die reprozierbar gegen einen inneren Standards gemessen wird. Die Durchläufe
werden ~20 Mal pro Sekunde wiederholt. Im dargestellten Spektrum sind die Mittelwerte
vieler Durchläufe innerhalb von 2–5 Sekunden gezeigt.
Die Nachweisgrenzen betragen für Substanzen mit günstiger Ionisierungs-Chemie
0.1–1 pg. Die Mobilitätsspektrometer haben eine begrenzte Auflösung, aber falsch po-
sitive Ergebnisse können durch Kombination der Mobilitätsbestimmungen mit selek-
tiver Ionisierung minimiert werden. Die Auflösung kann durch das Arbeiten in einer
geschlossenen Kammer bei einem Druck von 2–4 bar verbessert werden.24 Die Ionen-
mobilitätstrennungen werden jetzt mit der Massenspektrometrie zur Identifizierung der
getrennten Verbindungen kombiniert.

21.4 Chromatographie – Massenspektrometrie

Die Massenspektrometrie ist eine weit verbreitete Methode zur Detektion in der Chroma-
tographie, die sowohl qualitative wie quantitative Informationen liefert. Das Spektrometer
kann für den interessierenden Analyten höchst selektiv sein. Durch diese Selektivität ver-
ringern sich die Anforderungen an die Probenvorbereitung und an die Vollständigkeit der
chromatographischen Trennung der Komponenten eines Gemischs. Außerdem verbessert
sie das Signal-Rausch-Verhältnis.
Die Massenspektrometrie erfordert ein hohes Vakuum zur Verhinderung von mole-
kularen Zusammenstößen während der Ionentrennung. Die Chromatographie ist dagegen
von Natur aus eine Technik, die mit höheren Drücken arbeitet. Das Problem der Verei-
nigung der beiden Techniken besteht in der Beseitigung des riesigen Stoffüberschusses
zwischen Chromatograph und Spektrometer. In der Gaschromatographie wurden enge
Kapillarsäulen entwickelt, deren Eluate die Pumpenfunktionen der Massenspektrometer-
Vakuumsysteme nicht überfordern. Die Kapillarsäule wird über eine beheizbare Transfer-
leitung direkt mit dem Eingang des Massenspektrometers verbunden (Abbildungen 21.13
und 21.16).25
Zu den flüchtigen Pufferkomponenten Bei der Flüssigchromatographie entsteht ein sehr großes Gasvolumen, wenn das
und anderen Zusätze bei der Flüssig- Lösungsmittel im Interface zwischen Säule und Massenspektrometer verdampft.26 Die
chromatographie, die sich mit der Mas- Hauptmenge dieses Gases muss vor der Ionentrennung entfernt werden. Nichtflüchtige
senspektrometrie vertragen, gehören Zusätze zur mobilen Phase, wie Phosphat-Puffer, die in der Chromatographie üblich sind,
NH3, HCOOH, CH3COOH, CCl3COOH, müssen für die Massenspektrometrie vermieden werden. Die Elektrospray-Ionisierung
(CH3)3N und (C2H5)3N. Vermeiden Sie und die chemische Ionisation bei Normaldruck sind die dominierenden Methoden zur Ein-
Konzentrationen der Zusätze >20 mM bringung des Eluats der Flüssigchromatographie in ein Massenspektrometer.
und Tensid-Konzentrationen >10 μM.

J. B. Fenn erhielt 200227 einen Teil des Elektrospray-Ionisation


Chemie-Nobelpreises für die Elekt-
rospray-Ionisation. K. Tanaka erhielt Die Elektrospray-Ionisation,28 auch Ionenspray genannt, wird in Abbildung 21.21a
einen Teil des gleichen Preises für die illustriert. Die Flüssigkeit aus der Chromatographie-Säule kommt zusammen mit ei-
Matrix-gestützte Laser-Desorption und nem koaxialen N2-Fluss in eine Zerstäuber-Kapillare aus Stahl oben links. Für die
Ionisation, die in Exkurs 21.4 beschrie- Massenspektrometrie positiver Ionen hat der Zerstäuber ein Potential von 0 V und die
ben wird. Sprühkammer wird auf ~3 500 V gehalten. Für die Massenspektrometrie negativer Ionen
gelten die umgekehrten Werte. Das starke elektrische Feld am Ausgang des Zerstäubers
führt in Verbindung mit dem koaxialen N2-Gasstrom zu einem feinen Aerosol geladener
Teilchen.
21.4 · Chromatographie – Massenspektrometrie 591

Flüssigkeitseinlass elektrostatische Linsen zur


vom Chromatographen Fokussierung und Parallelisierung
Zerstäuber-
der Ionen
gas (N2)-Einlass
Trocknungs-
gas (N2)-Einlass Skimmer-
kegel

Trocknungs- 10–4 Pa
gas Zerstäuber
Glas-
kapillare 10–2 Pa
N2
300 Pa

+ + ++ ++ +
Sprüh- + + + + + +
+
kammer

105 Pa +40 V 10 Pa

–3 500 V –4 500 V
Detektor
–100 V
–20 V

N2

Abfluss Pumpe
stoßaktivierter Quadrupol-
Zerfall zwischen Massenseparator
Pumpe Pumpe Pumpe
Kapillare und
Skimmer
a

Eingang
des Massen-
spektrometers
Metallkapillare
Taylor- feiner Nebel
kegel +
− +
+ −
+ + +
− + +
+ ++ ++ ++
Flüssigkeit − + + + + ++ ++ ++ + +
+ ++ +
+ + +
+ − +
− feiner +

Flüssigkeits- relativ große kleinere +
faden Tropfen Tropfen

instabile
Gasphasen-
e− Tropfen
Ion

Hochspannungs- e−
+ versorgung

0V –4 500 V
b

Abb. 21.21 a) Pneumatisch unter-


stütztes Elektrospray-Interface für die
Massenspektrometrie. b) Ionenbildung
in der Gasphase. [Entnommen aus: E. C.
Huang, T. Wachs, J. I. Conboy und J. D.
Henion, „Atmospheric Pressure Ionization
Mass Spectrometry“, Anal. Chem. 1990,
62, 713 A und P. Kebarle und L. Tang,
„From Ions in Solution to Ions in the Gas
Phase“, Anal. Chem. 1993, 65, 972A.] c)
Elektrospray aus einer Quarzkapillare.
[Freundlicherweise von R. D. Smith, Paci-
fic Northwest Laboratory, Richland, WA, 21
c zur Verfügung gestellt.]
592 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Als Chemiker müssen Sie den pH-Wert Typischerweise, jedoch nicht immer, waren die Ionen, die aus den Aerosol-Tropfen
des Lösungsmittels für die chromato- verdampfen, bereits in der Lösung der chromatographischen Säule vorhanden. Zum Beispiel
graphische Trennung einstellen, um können protonierte Basen (BH+) und ionisierte Säuren (A–) beobachtet werden. Andere
die Bildung von BH+ oder A– für die Gasphasen-Ionen entstehen durch die Komplexbildung zwischen dem Analyten, M (neu-
massenspektrometrische Detektion zu tral oder geladen), und stabilen Ionen aus der Lösung. Beispiele sind
beeinflussen.
MH+ (Masse = M + 1) M(K+) (Masse = M + 39)
Beim Elektrospray muss die Puffer- M(NH4+) (Masse = M + 18) M(HCOO–) (Masse = M + 45)
konzentration niedrig sein, damit die
M(Na+) (Masse = M + 23) M(CH3COO–) =(Masse = M + 59)
Ionen des Puffers die Analytionen im
Massenspektrum nicht überlagern. Ein Für den Elektrospray von Proteinen werden meist mehrfach geladene Ionen, wie
organisches Lösungsmittel mit nied- [M + nH+]n+ und manchmal [M + nNa+]n+ oder [M + nNH4+]n+ gefunden. Beim Elektro-
riger Oberflächenspannung ist besser spray ist die Fragmentierung gering.
als Wasser. In der Umkehrphasenchro- Positive Ionen aus dem Aerosol werden durch ein noch negativeres Potential von
matographie (Abschnitt 24.1) verwen- ~4 500 V zur Glaskapillare gezogen, die zum Massenspektrometer führt. Das in der Spray-
det man am besten eine stationäre kammer befindliche Gas von Atmosphärendruck transportiert die Ionen nach rechts
Phase, die den Analyten stark zurück- durch die Kapillare zum Ausgang, wo der Druck mit einer Vakuumpumpe auf ~300 Pa
hält, so dass man ein Elutionsmittel (~2 Torr) verringert wird.
mit hohem organischem Lösungsmit- Die Abbildung 21.21b zeigt weitere Details zur Ionisation in der Gasphase. Die
telanteil verwenden kann. Für Elektro- zwischen stählerner Zerstäuberkapillare und Massenspektrometer anliegende Spannung
spray ist eine Fließgeschwindigkeit von erzeugt durch Redoxreaktionen in der Lösung einen Ladungsüberschuss. Wenn der Zer-
0.05–0.4 mL/min am besten geeignet. stäuber positiv ausgerichtet ist, werden in der Lösung positive Ionen durch die folgenden
Reaktionen gebildet
Stoßaktivierter Zerfall von Paracetamol
(exakt N-Acetyl-p-aminophenol) Fe(s) → Fe2+ + 2e–

O O H2O(l) → ½ O2 + 2H+ + 2e–

NH2 NH Die Elektronen aus dieser Oxidation fließen durch den äußeren Stromkreis und neutralisie-
ren schließlich die gasförmigen positiven Ionen am Eingang des Massenspektrometers. Man
kann den Analyten durch Spezies wie HO•, die beim Elektrospray entstehen, verändern.29
Die geladene Flüssigkeit, die aus der Kapillare kommt, bildet einen Kegel und dann
OH O einen feinen Faden und zerbricht schließlich in ein Spray aus feinen Tropfen (siehe
[M H] [M H] Abbildung 21.21c und den Anfang dieses Kapitels). Man nimmt an, dass ein Tropfen
m/z 152 m/z 150 durch Lösungsmittelverdampfung auf ~1 μm schrumpft, bis die Abstoßungskraft der
Überschussladung der Kohäsionskraft der Oberflächenspannung entspricht. An diesem
stoßaktivierter
Zerfall Punkt bricht der Tropfen in winzige Tröpfchen mit Durchmessern von ~10 nm auf. Sie
verdampfen und die Ionen bleiben in der Gasphase. Auch aerodynamische Kräfte können
NH3 NH zum Aufbrechen der Tropfen beitragen.30
Bei der Elektrospray-Methode ist die Fragmentierung gering und die Massenspektren
sind einfach strukturiert. Man kann die Fragmentierung absichtlich durch den stoßaktivier-
ten Zerfall im Gebiet zwischen Glaskapillare und Skimmer-Kegel in der Abbildung 21.21a
OH O erhöhen. Der Druck in diesem Gebiet beträgt ~300 Pa (~2 Torr) und das Untergrundgas
m/z 110 m/z 107 ist hauptsächlich N2. In der Abbildung 21.21a ist der Ausgang der Glaskapillare mit einer
positive Ionen negative Ionen Metallschicht bedeckt, die auf +40V gehalten wird. Die Potentialdifferenz zwischen dem
metallischem Skimmer-Kegel und der Kapillare beträgt –20–(40) = –60 V. Positive Ionen,
die durch 60 V beschleunigt werden, stoßen mit N2-Molekülen mit genügender Ener-
gie zusammen, um in einige Fragmente zu zerbrechen. Durch Wahl des Potentials am
Skimmer-Kegel kann das Ausmaß der Fragmentierung geregelt werden. Eine kleine Po-
tentialdifferenz begünstigt die Molekülionen, während bei großen Differenzen Fragmente
entstehen, die eine Hilfe bei der Identifizierung des Analyten sind. Beim stoßaktivierten
Zerfall werden auch Komplexe wie M(Na+) aufgebrochen.
Bei einer Kegelspannungsdifferenz von –20V zeigt das positive Ionenspektrum des
Arzneimittels Paracetamol einen Basispeak bei m/z 152 für das protonierte Molekül,
[M+H]+ (farbige Spezies auf dem Rand). Ein kleinerer Peak bei m/z 110 entspricht wahr-
scheinlich dem auf dem Rand gezeigten Bruchstück. Wenn die Kegelspannungsdifferenz
–50V beträgt, verringert der stoßaktivierte Zerfall den Peak bei m/z 152 und erhöht
den Fragmentpeak bei m/z 110. Das negative Ionenspektrum hat einen großen Peak bei
21.4 · Chromatographie – Massenspektrometrie 593

m/z 150 für das Ion [M–H]–. Bei Erhöhung der Kegelspannungsdifferenz von +20 V auf Flüssigkeitsmantel

+50 V nimmt dieser Peak ab und ein Fragment bei m/z 107 nimmt zu.
Elektrospray
Die Abbildung 21.22 zeigt ein Elektrospray-Interface für die Kapillarelektrophorese.
Eine Quarzkapillare steckt in einer Edelstahlkapillare mit dem für die Elektrophorese
erforderlichem Ausgangspotential. Der Stahl hat durch einen Flüssigkeitsmantel zwischen
den Kapillaren elektrischen Kontakt mit der Flüssigkeit im Inneren der Quarzkapillare.
Der Flüssigkeitsmantel (ein Gemisch aus Wasser und einem organischen Lösungsmittel)
Edelstahlkapillare Quarzkapillare
bildet ~90 % des Aerosols. (+3–6 kV gegenüber
dem Eingang zum
Massenspektrometer)

Chemische Ionisation bei Atmosphärendruck Abb. 21.22 Elektrospray-Interface für


die Kopplung Kapillarelektrophorese/
In der chemischen Ionisation bei Atmosphärendruck wird durch Erhitzen und bei Massenspektrometrie.
einem koaxialen N2-Fluss das Eluat in einen feinen Nebel verwandelt, aus dem das Lö-
sungsmittel und der Analyt verdampfen (Abbildung 21.23). Wie bei der chemischen Im Unterschied zum Elektrospray wer-
Ionisation in der Ionenquelle eines Massenspektrometers werden bei der chemischen den bei der chemischen Ionisation bei
Ionisation bei Atmosphärendruck neue Ionen aus Gasphasenreaktionen zwischen Ionen Atmosphärendruck gasförmige Ionen
und Molekülen erzeugt. Das Unterscheidungsmerkmal dieser Technik besteht im Anlegen aus neutralen Analytmolekülen gebildet.
einer Hochspannung an eine Metallnadel, die sich im Weg des Aerosols befindet. Um die Der Analyt muss eine gewisse Flüchtig-
Nadel bildet sich eine elektrische Korona (ein Plasma aus geladenen Teilchen), durch die keit besitzen. Für nichtflüchtige Stoffe,
Elektronen in das Aerosol injiziert und Ionen gebildet werden. Zum Beispiel kann der wie Zucker oder Proteine, kann Elekt-
protonierte Analyt, MH+, in folgender Weise gebildet werden: rospray verwendet werden.

N2 + e– → N+•
2 +2e

+•
N2 + 2 N2 → N4 + N2
+•

N+•
4 + H2O → H2O+• + 2 N2
H2O+• + H2O → H3O+ + •OH
H3O+ + n H2O → H3O+( H2O)n
H3O+(H2O)n + M → MH+ + (n+1) H2O
Außerdem kann der Analyt M durch Elektroneneinfang auch ein negatives Ion bilden:
M + e– → M–•
Ein Molekül, X–Y, im Eluat kann durch folgende Reaktion ein negatives Ion bilden:
X – Y + e– → X•+ Y–
Durch Aufnahme eines Protons von einem schwach sauren Analyt, AH, kann die Spezies
Y– wie folgt reagieren:
AH + Y– → A– + HY
Die chemische Ionisation bei Atmosphärendruck ist auf eine Vielzahl von Analyten an- Mindestens ein kommerzieller Detek-
wendbar, bei der chromatographische Fließgeschwindigkeiten bis zu 2 mL/min möglich tor spricht auf eine größere Zahl von
sind. Üblicherweise muss sich der Analyt M in das protonierte Ion, MH+, umwandeln Analyten durch gleichzeitigen Elektro-
lassen, damit man ihn erkennen kann. Bei der chemischen Ionisation bei Atmosphären- spray und chemische Ionisation bei At-
druck entstehen vor allem einfach geladene Ionen. Diese Technik ist für Makromoleküle, mosphärendruck an. Die durch Elekt-
z. B. Proteine, ungeeignet. Es findet normalerweise nur eine geringe Fragmentierung statt, rospray erzeugten Ionen werden direkt
allerdings kann man durch die Änderung der Potentialdifferenz am Skimmerkegel stoß- zum Massenspektrometer geleitet. Die
aktivierte Zerfälle hervorrufen und somit eine kleine Anzahl von Fragmenten bilden. nach dem Elektrospray verbliebenen
Ionen werden dann bei Atmosphären-
druck chemisch ionisiert.31
Selected Ion-Monitoring und extrahiertes
Ionenmonitoring
Selektives Ionenmonitoring und extrahiertes Ionenmonitoring erhöhen die Selektivität der
Massenspektrometrie für einzelne Analyte und verringern die sonstigen Signale (Abnahme
des Untergrundrauschens). In Abbildung 21.24a ist ein Flüssigkeitschromatogramm mit
UV-Detektion einer Herbizid-Mischung (bezeichnet als 1–6) gezeigt. Die Herbizide wur- 21
den im 1 ppb-Bereich in die Flusswasser-Matrix gegeben. Der breite Buckel unter den
594 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

N2

Atmosphären- Hochvakuum
druck (0.01 Pa)
Spülgas Heizer (~500 °C)

Flüssigkeit
+
vom + −+
Chromato- − −
graphen
auf ~125 °C Quadrupol-
Zerstäubungs- erhitzter feiner Massenseparator
Nebel Korona-Nadel
gas (N2) Skimmer-
zur Erzeugung
der elektrischen kegel
Entladung
a +6 000 V –100 V –140 V

Korona-
Abb. 21.23 a) Chemisches Ionisations-Interface bei Atmosphärendruck zwi- nadel
schen einer flüssigchromatographischen Säule und einem Massenspektrome-
ter. Vom vernebelten Gasstrom und dem Heizer wird ein feines Aerosol erzeugt.
Die elektrische Entladung von der Koronanadel erzeugt gasförmige Analytio-
nen. [E. C. Huang, T. Wachs, J. J. Conboy und J. D. Henion, „Atmospheric Pressure
Ionization Mass Spectrometry“, Anal. Chem. 1990, 62, 713A.] b) Sonde für che-
mische Ionisation bei Atmosphärendruck. [Freundlicherweise von Shimadzu Öffnung für
Scientific Instruments, Columbia, MD, zur Verfügung gestellt.] b Spray-Austritt

Analyten beruht auf den vielen natürlichen Stoffen im Flusswasser. Die einfachste Art,
ein Massenspektrometer als chromatographischen Detektor anstelle des UV-Detektors zu
verwenden, besteht in der Addition des Gesamtstroms aller Ionen mit allen Massen ober-
halb eines gewählten Werts. Dieses rekonstruierte Totalionenchromatogramm ist in der
Abbildung 21.24b gezeigt und es ist genauso „überfüllt“, wie das UV-Chromatogramm,
denn alle Substanzen, die zum gleichen Zeitpunkt erscheinen, tragen zum Signal bei. Die-
ses Chromatogramm wurde von einem Computer aus den individuellen Massenspektren,
die während der Chromatographie aufgenommen wurden, „rekonstruiert“.
Um selektiver zu sein, verwendet man das Selected Ion Monitoring, bei dem das
Massenspektrometer nur einige wenige m/z-Werte (niemals mehr als vier oder fünf pro
Zeitintervall) registriert. Die Abbildung 21.24c zeigt das entsprechende Chromatogramm,
für das nur m/z 312 registriert wurde. Dieses Signal entspricht MH+ des Herbizids Ima-
zaquin (Nr.6). Das Signal-Rausch-Verhältnis beim Selected Ion Monitoring ist höher als
das Signal-Rausch-Verhältnis in den Chromatogrammen (a) und (b), weil (1) der größte
Teil der Akkumulationszeit für die Datensammlung in einem sehr kleinen Massenbereich
verwendet wird und (2) wenig außer dem gesuchten Analyt ein Signal bei m/z 312 gibt.
Ein extrahiertes Ionenchromatogramm ähnelt dem selektiven Ionenchromato-
gramm, doch es profitiert nicht von der Möglichkeit, die gesamte verfügbare Zeit zur
Messung eines oder nur weniger Peaks des Massenspektrums zu nutzen. Um ein extra-
hiertes Ionenchromatogramm zu erzeugen, wird das gesamte Massenspektrum mehrmals
während der Chromatographie registriert. Dann wird ein m/z-Wert von jedem Spektrum
zur Anzeige benutzt. Zum Beispiel kann im Chromatogramm die Intensität von m/z 312
als eine Funktion der Zeit verfolgt werden. Beim Selected Ion Monitoring wird nur das
Signal von m/z 312 aufgenommen. Beim extrahierten Ionenchromatogramm werden alle
Werte von m/z gemessen, aber nur die Intensität von m/z 312 wird angezeigt. Wenn man
nicht genau weiß, was man sucht und alles beobachten will, muss man das gesamte Mas-
senspektrum aufnehmen.
Die Abbildung 21.25 zeigt ein wichtiges Beispiel für ein extrahiertes Ionenchroma-
togramm. Mit der Kombination von Flüssigkeitschromatographie und hochauflösender
Flugzeit-Massenspektrometrie ist es möglich, gleichzeitig nach 100 Pestiziden in Lebens-
mittelextrakten zu suchen. Das Flugzeit-Spektrometer ermöglicht durch genaue Massen-
bestimmungen mit Messunsicherheiten von ~1–2 ppm im m/z-Wert eine nahezu einzig-
artige Identifizierung von kleinen Molekülen, wie z. B. den Pestiziden. Die Begleitstoffe
21.4 · Chromatographie – Massenspektrometrie 595

(a ) (c)
UV-Detektion

3 Selektives Ionenmonitoring
m/z 312
1

Ionenstrom für m/z  312


2 CO2H
Extinktion bei 240 nm

4
H
N
5 N
HN
O
6
ImazaquinH 6
m/z = 312

0 5 10 15 20 25 15 20 25
Zeit (min) Zeit (min)
(b)

Rekonstruiertes Totalionenchromatogramm
Gesamtionenstrom

4
3
5
1 2 6

0 5 10 15 20 25
Zeit (min)

Abb. 21.24 Chromatogramme von Herbiziden (mit 1–6 bezeichnet), die in Flusswasser im 1 ppb-
Bereich gespikt (zugesetzt) wurden, zeigen das erhöhte Signal-Rausch-Verhältnis beim selektiven
Ionenmonitoring. a) UV-Detektion bei 240 nm; b) Elektrospray und rekonstruiertes Totalionenchro-
matogramm; c) Elektrospray und selektives Ionenmonitoring bei m/z 312. [A. Laganà, G. Fago und A.
Marino, „Simultaneous Determination of Imidazolinone Herbicides from Soil and Natural Waters“, Anal.
Chem. 1998, 70, 121.]

einer Fruchtsaftlimonade wurden durch Festphasenextraktion (Abschnitt 27.3) isoliert


und durch Flüssigkeitschromatographie getrennt. Dabei wurde das komplizierte Totalio-
nenchromatogramm im oberen Teil der Abbildung 21.25 erhalten. Wenn das Fenster des
extrahierten Ionenchromatogramms auf m/z 202.043 ± 0.01 gesetzt wird, um das Pestizid
Thiabendazol zu finden, beobachtet man einen größeren Peak bei 9.31 min. Die Gesamt-
mengen der verschiedenen Pestizide, die in der Mehrzahl der untersuchten Softdrinks aus
verschiedenen Ländern gefunden wurden, überschritten die in Europa zulässigen Maxi-
malwerte für Rückstände im Trinkwasser um Faktoren von 10 bis 35.

Selected Reaction Monitoring Selected Reaction Monitoring ist eine


der verschiedenen Techniken, die mit
Die Selektivität und das Signal-Rausch-Verhältnis werden beim Selected Reaction Moni- aufeinanderfolgenden Massenfiltern
toring, das in der Abbildung 21.26 mit einem Tripelquadrupol-Massenspektrometer illus- arbeiten. Sie werden zusammenfas-
triert ist, beträchtlich erhöht. Ein Ionengemisch tritt in den Quadrupol Q1 ein, aus dem send als Tandem-Massenspektrometrie 21
aber nur eine ausgewählte Ionensorte, das Vorläuferion, in die zweite Stufe, Q2, geschickt oder einfach als MS/MS bezeichnet.
596 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Totalionen-
chromatogramm

Ionenstrom 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26
Zeit (min)
a

extrahiertes
Ionenchromatogramm gemessener Peak
Abb. 21.25 a) Totalionenchromato- bei m/z 202.043 1
gramm von Pestiziden in Frucht-
saftlimonade des Londoner Gatwick- N N
Ionenstrom

Flughafens. b) Extrahiertes Ionenchro-


S
matogramm für Thiabendazol mit N
dem m/z-Fenster 202.043 ± 0.01. Der H
Einsatz zeigt das Massenspektrum des Thiabendazol (2-(4-Thiazolyl)-1H-benzimidazol)
Peaks von Thiabendazol bei 9.31 min. MH+ = C10H8N3S
150 170 190 210
m/z = 202.043 34
[J. F. Garcia-Reyes, B. Gilbert-López, A. m/z
Molina-Diaz und A. R. Fernández-Alba,
„Detemination of Pesticide Residues in 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Fruit-Based Soft Drinks“, Anal. Chem. Zeit (min)
2008, 80, 8966.] b

wird. In dieser Kollisions- oder Stoßzelle stößt das Vorläuferion mit N2 oder Ar bei einem
Druck von ~10–3 bis 10–1 Pa (~10–5 bis 10–3 Torr) zusammen und zerbricht in Fragmente,
die Produkt-Ionen genannt werden. Durch den Quadrupol Q3 können nur spezifische
Produkt-Ionen zum Detektor gelangen.
Das Selected Reaction Monitoring ist für einen bestimmten Analyten sehr selektiv.
Ein Beispiel ist die Bestimmung der menschlichen Östrogene im Abwasser im parts per
trillion (ppt)-Bereich (ng/L). Östrogene sind Hormone im Menstruationszyklus. Das
synthetische Östrogen, 17α-Ethinylestradiol (abgekürzt EE2) ist ein Mittel zur Empfäng-
nisverhütung. Selbst im ppt-Bereich können einige Östrogene bei Fischen Reproduktions-
störungen hervorrufen.
Bei der Voranreicherung wird der aus In einem italienischen Forschungsprojekt wurde die durch den Menschen hervorge-
150 mL gewonnene Analyt in 200 μL rufene Belastung der aquatischen Umwelt mit Östrogenen im Abfall bestimmt. Das ist ein
gelöst. Die Konzentration ist angestie- großes Problem. Das Abwasser enthält Tausende von organischen Verbindungen – viele
gen um den Faktor in hohen Konzentrationen. Die Bestimmung von Nanogramm-Mengen eines einzelnen
Analyten lag bis jetzt außerhalb des Leistungsvermögens der analytischen Chemie. Eine
150 × 10−3 L
= 750 Probenvorbereitung zur Abtrennung der polaren von den weniger polaren Substanzen und
200 × 10−6 L
zur Anreicherung des Analyten war erforderlich. Das rohe Abwasser (150 mL) wurde zur
3.6 ng/L im Abwasser werden zu Entfernung von Partikeln >1.5 μm filtriert und dann durch eine Kartusche zur Festpha-
750 × 3.6 ng/L = 2.7 μg/L für die senextraktion geschickt, die ein Aktivkohlesorbens (Abschnitt 27.3) zur Zurückhaltung
Chromatographie. des Analyten enthielt. Zur Entfernung polarer Stoffe wurde die Kartusche mit polaren
Lösungsmitteln gespült. Die Östrogene wurden aus der Kartusche mit einer Mischung
von Dichlormethan und Methanol freigesetzt. Das Lösungsmittel wurde verdampft und
der Rückstand wurde in 200 μL einer wässrigen Lösung mit einem anderen Östrogen als
innerem Standard gelöst. Ein Volumen von 50 μL wurde zur Chromatographie injiziert.
Die Abbildung 21.27a zeigt das Massenspektrum des stoßaktivierten Zerfalls für das
deprotonierte Molekül von EE2. Das durch Elektrospray erhaltene Vorläuferion [M-H]-
21.4 · Chromatographie – Massenspektrometrie 597

Einlass für Kollisionsgas Der Vorgang in Q2 wird


(N2 oder Ar)
stoßaktivierter Zerfall ge-
nannt (engl. collisionally
activated dissociation).

+ +
+ + + + + +
+ + + + +
+ +
+
+ + + + + + +

Quadrupol- Vorgang in der Quadrupol- Detektor


Massenseparator Kollisionszelle Massenseparator
Q1 Q2 Q3
ionisiertes Gemisch Vorläuferion Produkt-Ionen für Anzeige
aus der Chromatographie- (Elternion) (Tochterionen) gewähltes Ion
säule
a

Oktopol- Quadrupol- Eintritts- Ausgangs- Quadrupol-


Ionenführung Massenfilter linse linse Massenfilter

Q1 Q2 Q3

Skimmer Linsen Quadrupol- Hexapol- Quadrupol- Detektor


Ionenführung Kollisionszelle Ionenführung
b

Abb. 21.26 a) Prinzip des Selected Reaction Monitoring, auch Tandem-Massenspektrometrie oder
MS/MS genannt. b) Schnittbild eines Tripelquadrupol-Massenspektrometers. [Freundlicherweise von
Agilent Technologies, Santa Clara, CA, zur Verfügung gestellt.]

EE2
Signal für m/z = 159 + 145

145.0
100
[M–H]–
Relative Häufigkeit

aus Q 3

80 295.2
60 159.0
199.1
183.0 269.2
40 170.9 213.1
20 225.1
247.0

160 180 200 220 240 260 280 300 15 20


(a) m/z (b) Zeit (min)

Abb. 21.27 a) Elektrospray-Tandem-Massenspektrum von reinem Östrogen EE2. Das Ion [M-H]– (m/z
295) wurde vom Quadrupol Q1 in Abbildung 21.26 ausgewählt und in Q2 gespalten; das gesamte
Spektrum der Fragmente wurde von Q3 gemessen. b) Chromatogramm mit dem Selected Reaction-
Monitoring für die Elution von 3.6 ng/L des aus Abwasser extrahierten Östrogens EE2. Das Signal ist
die Summe von m/z 159 +145 von Q3, wenn von Q1 m/z 295 gewählt wurde. [C. Baronti, R. Curini, G.
D´Ascenzo, A. di Corcia, A. Gentili und R. Samperi, „Monitoring Estrogens at Activated Sludge Sewage
Treatment Plants and in a Receiving River Water“, Environ. Sci. Tech. 2000, 34, 5059.]

(m/z 295) wurde durch den Massenseparator Q1 in Abbildung 21.26 isoliert und in die
Stufe Q2 zum stoßaktivierten Zerfall geschickt. Danach wurden alle Fragmente > m/z 140
durch Q3 analysiert, wobei das Massenspektrum der Abbildung 21.27a erhalten wurde.
Für das folgende Selected Reaction-Monitoring wurden von Q3 nur die Produkt-Ionen
bei m/z 159 und m/z 145 ausgewählt. Das Chromatogramm in der Abbildung 21.27b 21
zeigt das Signal dieser Produkt-Ionen, wenn durch Q1 m/z 295 gewählt wurde. Aus der
598 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Peakfläche von EE2 wird für seine Konzentration im Abwasser 3.6 ng/L berechnet. Er-
staunlicherweise gibt es bei Elutionszeiten von 15–18 Minuten andere Verbindungen, die
Beiträge zu den Signalen im Massenspektrum für den gleiches Satz von Massen (295 →
159 +145) leisten. EE2 wurde durch seine Retentionszeit und sein vollständiges Massen-
spektrum identifiziert.
Seit dieser wegweisenden Arbeit wurde das weit verbreitete Problem der Arzneimittel
und illegalen Drogen im kommunalen Abwasser erkannt.32 Der Abfall, den wir erzeugen,
nimmt seinen Weg vom Abwasser in das Trinkwasser und in die Umwelt.
Auch andere Kombinationen der Massenseparatoren können für das Selected Re-
action-Monitoring eingesetzt werden. Zum Beispiel kann die in der Abbildung 21.19
gezeigte lineare Ionenfalle das Vorläuferion auswählen und einen stoßaktivierten Zerfall
durchführen. Die Produkt-Ionen können im Orbitrap analysiert werden.
Im dreidimensionalen Quadrupol-Ionenfallen-Massenspektrometer in Abbildung
21.16 kann das Selected Reaction-Monitoring ohne zusätzliche Hardware durchgeführt
werden. Nachdem eine Kollektion von Ionen mit unterschiedlichen m/z-Werten in die
Ionenfalle injiziert wurde, werden alle Ionen außer dem Ion mit einem gewählten m/z-
Wert absichtlich wieder ausgestoßen. Die in der Ionenfalle verbliebenen Vorläuferionen
mit einheitlichem m/z erhalten nun durch Erhöhung der Amplitude des angelegten
elektrischen Hochfrequenzfelds eine größere kinetische Energie. Das begünstigt deren
Zerfall in der Ionenfalle durch Zusammenstöße mit He-Atomen des Untergrundgases.
Die Produkt-Ionen bleiben in der Falle, haben jedoch nicht genügend kinetische Energie
für weiteren stoßaktivierten Zerfall. Nach einem Zeitraum des Zerfalls der Vorläuferi-
onen werden die Produkt-Ionen zum Detektor geschickt und ergeben dort das finale
Massenspektrum.
MSn: aufeinanderfolgende Zyklen des Dieser Prozess kann durch Auswahl eines Produkt-Ions für eine weitere Spaltung
Selected Reaction-Monitoring. Das wiederholt werden. Dieser Wiederholungsprozess wird als MSn bezeichnet, womit die
Produkt-Ion des einen Zyklus ist das mehrfachen Wiederholungen des gewählten Reaktionsmonitoring ausgedrückt werden.
Vorläuferion für den nächsten Zyklus. Der Reiz von MSn mit einer dreidimensionalen Quadrupol-Ionenfalle besteht darin, dass
der ganze Vorgang in einem einzigen Stück Hardware computergesteuert abläuft. Wenn
mit dem Gerät in Abbildung 21.26 mehrere Zyklen des Selected Reaction-Monitoring
durchgeführt werden sollen, ist es erforderlich, eine weitere Q2- und Q3-Stufe für jeden
Zyklus einzusetzen, was sehr unpraktisch wäre.

Elektrospray von Proteinen


In Exkurs 21.4 wird MALDI beschrie- Elektrospray ist für die Untersuchung geladener Makromoleküle, z. B. von Proteinen, gut
ben, eine weitere sehr nützliche geeignet.35,36 Diese Technik wurde auch zum Studium intakter Viren mit Massenzahlen
Methode um Proteine massenspektro- bis zu 40 000 u verwendet.37 Ein typisches Protein enthält eine Carbonsäure und eine
metrisch zu untersuchen. Amin-Seitenkette (Tabelle 9.1), wodurch sich in Abhängigkeit vom pH-Wert eine positive
oder negative Gesamtladung ergibt. Das Elektrospray (Abbildung 21.21) stößt die bereits
existierenden Ionen aus der Lösung in die Gasphase.
Jeder Peak im Massenspektrum des Proteins Transferrin in Abbildung 21.28 entsteht
aus Molekülen mit verschiedenen Protonenzahlen, MHnn+.38 Obwohl wir schon Ladungen
an verschiedene Peaks geschrieben haben, können wir vor der Analyse des Spektrums
diese Ladungen nicht genau zuordnen. Nach der Zuordnung der Ladung für jede Spezies,
können wir die molekulare Masse, M, des neutralen Proteins finden.
Zur Ermittlung der Ladung wird ein Peak mit m/z = mn betrachtet, der sich vom neu-
tralen Molekül plus n Protonen ableitet:
Masse = Masse des Proteins (M) + M + n (1.008 ) M
Masse M
Masse der n H-Atome (n × 1.008) mn = = = + 1.008 ⇒ mn –1.008 = (21.4)
Ladung n n n
Der nächste Peak bei kleinerem m/z sollte n+1 Protonen und eine Ladung von n+1 haben.
Für diesen Peak gilt:
M + (n + 1)(1.008) M M
mn+1 = = + 1.008 ⇒ mn+1 – 1.008 = (21.5)
n +1 n +1 n +1
21.4 · Chromatographie – Massenspektrometrie 599

36 +
MH36
2210.7769 2273.9092
2151.0508

2340.7563
2094.4902 Abb. 21.28 Elektrospray-Flugzeit-
Massenspektrum eines chromatogra-
2040.8143
phischen Peaks im Eluat eines Anio-
2411.6606
nenaustauschers, welches das Protein
Häufigkeit

Transferrin mit einem bestimmten Satz


40 +
2486.9836 von Kohlenhydrat-Substituenten enthält.
MH40 Die Peaks stammen von Spezies mit un-
1989.8060
terschiedlicher Protonenzahl, MHnn+. [M.
E. Del Castillo Busto, M. Montes-Bayón,
E. Blanco-Gonzáles, J. Meija, und A.
2567.2205 30 +
MH30 Sanz-Medel, „Strategies to Study Human
1895.1514
2652.7227 Serum Transferrin Isoforms Using Inte-
grated Liquid Chromatography, ICPMS,
MALDI-TOF, and ESI-Q-TOF Detection: Ap-
plication to Chronic Alcohol Abuse“, Anal.
m/z Chem. 2005, 77, 5615.]

Tabelle 21.3 Analyse des Elektrospray-Massenspektrums von Tetrasialo-Transferrins in Abbildung 21.28

Beobachtet mn+1 – 1.008 mn – mn+1 Ladung = n = Molekulare Masse =


m/z = mn mn +1 − 1.008 n × (mn – 1.008)
mn − mn+1
2 652.722 7 2 566.212 5 85.502 2 30.013 ≈ 30 79 511.44
2 567.220 5 2 485.975 6 80.236 9 30.983 ≈ 31 79 552.59
2 486.983 6 2 410.652 6 75.323 0 32.004 ≈ 32 79 511.22
2 411.660 6 2 339.748 3 70.904 3 32.999 ≈ 33 79 551.54
2 340.756 3 2 272.901 2 66.847 1 34.001 ≈ 34 79 551.44
2 273.909 2 2 209.768 9 63.132 3 35.002 ≈ 35 79 551.54
2 210.776 9 2 150.042 8 59.726 1 35.998 ≈ 36 79 551.68
2 151.050 8 2 093.482 2 56.560 6 37.013 ≈ 37 79 551.58
2 094.490 2 2 039.806 3 53.675 9 38.002 ≈ 38 79 552.32
2 040.814 3 1 988.798 0 51.008 3 38.990 ≈ 39 79 551.45
1 989.806 0 1 894.143 4 40 79 551.92
Mittel 79 551.78 ± 0.48

Quelle: M. E. Del Castillo Busto, M. Montes-Bayón, E. Blanco-Gonzáles, J. Meija, und A. Sanz-Medel, „Strategies
to Study Human Serum Transferrin Isoforms Using Integrated Liquid Chromatography, ICPMS, MALDi-TOF,
and ESI-Q-TOF Detection: Application to Chronic Alcohol Abuse“, Anal. Chem. 2005, 77, 5615.

Der Quotient der Gleichungen 21.4 und 21.5 ergibt


M
mn − 1.008 n n +1
= = (21.6)
mn +1 −1.008 M n
(n + 1)
Auflösung der Gleichung 21.6 nach n ergibt die Ladung der Spezies von Peak mn:
mn +1 − 1.008
n= (21.7)
mn − mn +1
Die vierte Spalte der Tabelle 21.3 gibt die mit Gleichung 21.7 berechnete Ladung n für
jeden Peak an. Die Ladung des Peaks bei m/z 2 652.722 7 ist n =30. Wir bezeichnen diesen
+ 31+
Peak mit MH3030 . Der nächste Peak bei m/z 2 567.220 5 ist MH 31 und so weiter. Es zeigen 21
sich hochprotonierte Spezies, weil das Lösungsmittel der Chromatographie sauer war
600 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Exkurs 21.4

Matrix-unterstützte Laserdesorption/Ionisation auf die Probe gerichtet. Die Matrix verdampft, dehnt sich in der
Die wichtigsten Verfahren zur Einführung von Proteinen und Gasphase aus und nimmt dabei den Analyten mit. Das hohe Ma-
anderen Makromolekülen in das Massenspektrometer sind trix/Probe-Verhältnis verhindert eine Assoziation zwischen den
Elektrospray und die Matrix-unterstützte Laserdesorption/ Analytmolekülen und liefert protonierte oder ionische Spezies,
Ionisation (MALDI; engl. Matrix-assisted laser desorption/ die Energie auf den Analyt übertragen. Die meisten Ionen in der
ionization).20,33 Am häufigsten wird MALDI mit einem Flugzeit- MALDI-Wolke sind einfach geladen. Kurz nachdem die Ionen
Massenspektrometer verwendet, mit dem man m/z bis 106 vom Probenteller freigesetzt wurden, wird ein Spannungspuls
messen kann. Typischerweise wird 1 μL einer 10-μM-Lösung des an die Rückplatte angelegt, der die Ionen in das Spektrometer
Analyten mit 1 μL einer 1- bis 100-mM-Lösung einer UV-absorbie- treibt. Das Auflösungsvermögen beträgt 103–104 und die Rich-
renden Verbindung, wie 2,5-Dihydroxybenzoesäure (die Matrix), tigkeit der Masse kann 0.005–0.05 % erreichen. Bei dem unten
direkt auf einen Probenteller gebracht, der in die Quelle des Spek- dargestellten Spektrum der Proteine in der Milch fand keine
trometers passt. Eine Verdampfung des Lösungsmittels hinterlässt Probenvorbereitung (außer der Mischung mit der Matrix) statt.
eine innige Mischung feiner Kristalle der Matrix mit dem Analyt. Bei der Ausrichtung des Lasers auf verschiedene Stellen einer
Um Ionen für die Massenspektrometrie in die Gasphase zu fixierten Zelle, z. B. Neuronen, kann man sogar Unterschiede in
bringen, wird ein Infrarot- oder UV-Puls (600 ps) von einem Laser der Verteilung der Neuropeptide sichtbar machen.34

Repeller-Platte des ionisierte Matrix mit Ladungs- explosionsartige Expansion der


Massenspektrometers Laser- übertragung zum Protein Matrix mit eingelagertem Protein
puls
Laserpuls
(337 nm) +
– +–+ +
+ + –
+– – – + –
+ + –
– –+ + – +
+ +– – + +
Matrix (absorbiert – –
MALDI- UV-Strahlung) – +
Proben- Matrix
teller + Probe Protein
a b1 b2 b3

Ablauf der Vorgänge bei der matrix-unterstützten Laserdesorption/Ionisation. a) Getrocknete Mischung von Analyt und Matrix auf dem
Probenteller in der Rückplatte der Ionenquelle. b1) Vergrößerte Ansicht, wie der Laserschuss die Probe trifft. b2) Die Matrix wird durch
den Laser ionisiert und verdampft. Dabei wird Ladung auf den Analyt übertragen. b3) Der Dampf expandiert zu einer Explosionswolke.

-Casein A2 -Casein A1

-Lactoglobulin A
-Lactoglobulin B
Relative Häufigkeit

-Lactalbumin

S1-Casein
24 000 24 080

11 000 12 000 13 000 14 000 18 000 20 000 22 000 24 000 26 000 28 000
m/z

Teil des Massenspektrums von Kuhmilch (mit 2 % Milchfett) aufgenommen mit MALDI-Flugzeit-Massenspektrometrie. [R. M. Whittal und L.
Li, „Time-Lag Focusing MALDI-TOF Mass Spectrometry“, Am. Lab., December, 1997, 30.]

(95 Vol% Acetonitril/4.8 Vol% H2O/0.2 Vol% Ameisensäure). Aber selbst ohne Zugabe
von Ameisensäure werden beim Elektrospray mit positiver Ladung durch Elektrolyse H+-
Ionen aus der Oxidation von Wasser erzeugt.
Aus jedem Peak können wir die Masse des neutralen Moleküls durch Umformung der
rechten Seite von Gleichung 21.4 bestimmen:
M = n × (mn – 1.008) (21.8)
21.4 · Chromatographie – Massenspektrometrie 601

In der letzten Spalte der Tabelle 21.3 stehen die mit der Gleichung 21.8 berechneten
reproduzierbaren Massen. Die Richtigkeit der Massenbestimmung wird durch die Rich-
tigkeit der m/z-Skala begrenzt. In dieser Arbeit wurde m/z mit dem externen Standard
Poly(propylenglykol) kalibriert.

Elektronentransfer-Dissoziation zur Protein-


Sequenzierung
Am Angang von Kapitel 9 haben wir gesehen, dass Proteine Ketten von Aminosäu-
ren sind, die durch Peptidbindungen zusammengehalten werden. Proteine werden
an Ribosomen synthetisiert. Diese sind Komplexe aus RNA und Proteinen und haben
die Funktion, die Sequenz der DNA in eine entsprechende Sequenz der Aminosäure
zu übertragen. Nach der Synthese werden einige Proteine durch Enzyme spezifisch
modifiziert, wobei sie Gruppen, wie Acetat, Phosphat, Kohlenhydrate oder Lipide als
spezifische Aminosäure-Seitenketten anhängen. Ein Zweig der Biochemie, Proteo-
mik genannt, beschreibt die Struktur und die Funktion sämtlicher Proteine in einem
Organismus.
Die Massenspektrometrie ist das wichtigste Werkzeug zur Ableitung der Sequenz der
Aminosäuren in einem Protein. Das Protein wird durch enzymatische Spaltung in kür-
zere Ketten zerlegt. Die einzelnen Ketten werden in Fragmente aller möglichen Längen
gespalten. Mit der hochauflösenden Massenspektrometrie kann festgestellt werden, wel-
che Aminosäuren sich in den einzelnen Fragmenten befinden. Ein Computer kann diese
Information zur Rekonstruktion der Aminosäuresequenz verwenden.
Die Elektronentransfer-Dissoziation ist ein selektiver Weg, in einem Massenspektro-
meter Polypeptide in Fragmente zu spalten.39 Dieser in der Gasphase ablaufende Vorgang
umfasst die exotherme Übertragung eines Elektrons von einem Anion auf ein Polypeptid-
Kation, gleichzeitig verbunden mit einem Bindungsbruch. In der untenstehenden Kette
von Aminosäuren
z5 z4 z3 z2 z1
O O O O O
H H H H H H
H3N C C N C C N C C N C C N C C N C CO2
H H H H H
R1 R2 R3 R4 R5 R
c1 c2 c3 c4 c5 6

findet an allen angezeigten Stellen eine Spaltung statt und es werden somit die 10 mögli-
chen geladenen Fragmente gebildet, die mit c1 bis c5 und z1 bis z5 bezeichnet sind. Bei den
mit c bezeichneten Fragmenten sitzt die Ladung auf dem Fragment links von der Bruch-
stelle und bei den z-Fragmenten sitzt die Ladung rechts von der gebrochenen Bindung. Im
Unterschied zum stoßaktivierten Zerfall brechen bei der Elektronentransfer-Dissoziation
keine anderen Bindungen in der Peptidkette oder in den Seitengruppen, einschließlich
der dort befindlichen Phosphate oder Kohlenhydrate.
Wenn das Massenspektrometer in der Abbildung 21.19 mit zwei Elektrosprayquellen
ausgestattet ist, kann damit die Elektronentransfer-Dissoziation zur Polypeptid-Sequenzi-
erung erfolgen.40 Die durch Elektrospray in 0.2 Sekunden erzeugten Polypeptidkationen
werden in der linearen Ionenfalle gesammelt und im nachfolgenden Teil durch Anlegen
geeigneter Spannungen gespeichert. Die Polypeptid-Quelle wird dann abgeschaltet und
nach 0.4 s wird aus einer zweiten Quelle für 0.2 s ein Elektrospray einer Lösung von 9-An-
thracencarbonsäure angewendet. Die Anthracencarboxylat-Anionen werden in einem
vorderen Teil der linearen Ionenfalle gesammelt. Durch die stoßaktivierte Decarboxylie-
rung entsteht in der Ionenfalle das Anion A–:
CO2
stoßaktivierter
Zerfall
C
CO2
21
9-Anthracencarbonsäure A–
602 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Die Potentiale werden dann so eingestellt, dass sich Anionen und Kationen, die sich
an den entgegengesetzten Enden der Ionenfalle befunden haben, vermischen können.
A- überträgt ein Elektron auf das Polypeptid Pn+, wodurch die Elektronentransfer-Disso-
ziation induziert wird:
A– + Pn+ → A + P(n-1)+ → Spaltung einer Peptid-Bindung
In den einzelnen Molekülen werden die verschiedenen Bindungen gespalten, wobei alle
möglichen c- und z-Fragmente, die oben gezeigt sind, entstehen. Die Reaktion wird been-
det, indem die Anionen aus der Ionenfalle ausgetrieben werden. Schließlich werden auch
die Peptid-Kationen ausgestoßen und deren exakten m/z-Werte werden mit der Orbitrap
(Abbildung 21.19) bestimmt. Die Mehrzahl der Produkt-Ionen mit m/z <1000 aus der
Elektronentransfer-Dissoziation kann mit einer m/z-Richtigkeit von 1 ppm eindeutig zu-
geordnet und als N- oder C-terminales Peptid identifiziert werden.41

21.5 Open-Air-Probenahme für die Massenspektrometrie

Seit 2004 werden neue massenspektrometrische Probenahmetechniken zur Verdamp-


fung und Ionisierung des Analyten direkt von der Oberfläche eines Gegenstands bei nur
geringer Beschädigung und unter Umgebungsbedingungen durchgeführt. Diese Proben-
behandlung eröffnet neue Möglichkeiten für die Massenspektrometrie in der qualitativen
Analyse.

Direktanalysen in Echtzeit (DART)


Eine Anregungsquelle für die Direktanalyse in Echtzeit (DART) liefert elektronisch an-
geregtes Helium oder schwingungsangeregten Stickstoff und schickt diese auf die Ober-
fläche des Gegenstands, der unter Umgebungsbedingungen untersucht werden soll. In
Abbildung 21.29 strömt das erhitzte Gas durch eine Nadelelektrode mit einem Potential
von +1 bis +5 kV gegenüber der geerdeten Gegenelektrode in Form einer Lochscheibe.
Das Glimmentladungsplasma enthält Elektronen, Ionen und angeregte Neutralteilchen.
Die Elektroden 1 und 2 werden bei der Massenspektrometrie positiver Ionen auf positi-
ven Potentialen und bei der Massenspektrometrie negativer Ionen auf negativen Potentia-
len gehalten. Bei positivem Potential verhindern die Elektroden 1 und 2 den Austritt von
Kationen aus der DART-Quelle. Bei negativem Potential werden Anionen und Elektronen
zurückgehalten.
He* + H2O → H2O+ + He + e– Die DART-Kanone wird auf das Untersuchungsobjekt gerichtet. Bei einer Helium-
H2O+ + H2O → H3O+ +OH quelle reagieren angeregte Helium-Atome mit einer Energie von 19.8 eV (mit 23S be-
H3O+ + (n–1) H2O → (H2O)nH+ zeichnet und am Rand als He* gekennzeichnet) mit atmosphärischem Wasserdampf und
bilden protonierte Wasser-Cluster. Diese Cluster können mit dem Analyt M an der Ober-
fläche reagieren und MH+ bilden. Andere Reaktionen können (M–H)–, M–, oder Addukte
wie (M+NH4)+ oder (M+Cl)– ergeben.
Wenn die Probe eine Körnchen Mohnsamen von einem Mohnbrötchen ist, erkennt ein
hochauflösendes Flugzeitmassenspektrometer als Hauptbestandteile zwei protonierte Mo-
leküle, (Morphin)H+ (C17H19NO3H+ bei m/z 286.144 3) und (Codein)H+(C18H21NO3H+

Nadelelektrode Lochscheiben- Isolier- Gas mit Untersuchungs-


(+1 000 bis +5 000 V) elektrode 1 (+
− 100 V) kappe angeregten gegenstand
Neutralmolekülen
Abb. 21.29 Anregungsquelle für He-
die direkte Analyse in Echtzeit oder +
Glimm-
(DART ). [R. B. Cody, J. A. Laramée N2 - e− angeregte Neutralmoleküle
entladung
und H. D. Durst, „Versatile New Ion Ein- −
gang ~25 mm
Source for the Analysis of Materials
in Open Air Under Ambient Condi- Lochscheiben- Ionen, e− und Heizung Drahtgitter- Massen-
tions“, Anal. Chem. 2005, 77, 2297 elektrode angeregte Neutral- elektrode 2 spektrometer-
und JEOL USA, Peabody, MA.] geerdet (0 V) moleküle (+
− 250 V) Eingang
21.5 · Open-Air-Probenahme für die Massenspektrometrie 603

bei m/z 300.161 1).42 Eine gesonderte quantitative Analyse ergab, dass die Mohnsamen-
körner ~33 bzw. ~44 μg/g (ppm) Morphin bzw. Codein enthalten.

Niedertemperaturplasma
Bei einer Technik, die mit DART verwandt ist, wird ein Niedertemperaturplasma erzeugt,
indem He, Ar, N2 oder Umgebungsluft durch ein Glasrohr mit einem geerdeten Draht
in der Mitte geschickt wird. (Abbildung 21.30 und Farbtafel 26). Das Rohr ist außen mit
einem Kupferblech umwickelt, an das eine Wechselspannung von 3 kV angelegt wird.
Die im Plasma befindlichen angeregten Ionen ionisieren und entfernen Moleküle von
der Oberfläche, zum Beispiel der menschlichen Haut, und schicken sie zur Quelle eines
Massenspektrometers.

Desorptions-Elektrospray-Ionisation (DESI)
Bei der Desorptions-Elektrospray-Ionisation (DESI) werden geladene Tropfen in Mi-
krometergröße, die durch Elektrospray eines Analyt-freien Lösungsmittels (Abbildung
21.21) gebildet wurden, auf die Oberfläche des Untersuchungsobjekts gerichtet.43 Der
Analyt auf der Oberfläche löst sich in diesen Tropfen. Das weitere Bombardement stößt
die Tropfen in der Luft weiter in Richtung zum Eingang des Massenspektrometers. Wie
beim herkömmlichen Elektrospray findet man im Massenspektrum gewöhnlich mehrfach
geladene Ionen und Alkalimetall-Addukte.
Abbildung 21.31 zeigt, wie verschiedene Tinten auf einer Papierseite mit Hilfe von
DESI sichtbar gemacht werden können. Ein Wasser-Methanol-Gemisch wird mit Elek-
trospray auf das Papier gerichtet, das nur 2 mm von der Spray-Spitze entfernt ist. Das
Massenspektrum (m/z 150–600) der abprallenden Tropfen wird aller 0.67 s aufgenom-
men. Um ein zweidimensionales Ergebnis )zu erhalten, scannt man das Papier in kleinen
Schritten in x- und y-Richtung. Das Signal von einer freien Fläche wurde von dem einer
beschriebenen Stelle abgezogen, um das Spektrum der Tinte zu erhalten.
In diesem Beispiel wurde das Datum „1432“ mit blauer Tinte geschrieben. Dann
wurde ein zweiter blauer Stift benutzt, um die 4 in eine 9 und die 3 in eine 8 zu ändern, so
dass das Datum „1982“ entstand. Der zweite Stift hatte eine blaue Tinte, die sich vom ers-
ten Stift nur ganz geringfügig unterschied. Das Ziel der Untersuchung war der Nachweis
einer Veränderung des Datums.
Die erste Tinte war Kristallviolett mit dem Elternion M+ bei m/z 372.243. Die zweite
Tinte war Solvent Blue 2 mit dem Elternion bei m/z 484.275. Das Bild A in der Abbildung
21.31 zeigt das extrahierte Ionenmonitoring von m/z 372.4 mit der Massenauflösung 1.

geerdete
Elektrode

Entladungsgas
~0.4 L/min

Glas- Kupfer- Eingang zum


rohr mantel Massenspektrometer
bei Atmosphärendruck
3 kV
2.5 kHz
1W desorbierte Ionen
Abb. 21.30 Niedertemperaturplasma
zur Probenahme von einer Oberfläche
Niedertemperatur- an der Luft. [J. D. Harper, N. A. Charipar,
plasma C. C. Mulligan, X. Zhang, R. G. Cooks und
Probe Z. Ouyang, „Low-Temperature Plasma
Probe for Ambient Desorption Ioniza- 21
tion“, Anal. Chem. 2008, 80, 9097.]
604 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

A B

Abb. 21.31 Desorptions-Elektrospray- CH3OH/H2O


Eingang
Ionisation (DESI) zur Sichtbarmachung
5 kV
von Tinten. Die Bilder A, B und C sind Einlass des
N2
durch Scannen der Seite in x- und y- Massenspektro-
Richtung unter der Elektrospray-Quelle meters m/z 372.4 (3) m/z 484.5 (2)
entstanden. D ist ein optisches Bild der C D
Papier
Oberfläche. [D. R. Ifa, L. M.Gumaelius,
L. S. Eberlin, N. E. Manicke and R. G.
Cooks, „Forensic Analysis of Inks by Kapillare
Imaging Desorption Electrospray
Ionization (DESI) Mass Spectrometry“, x
Analyst 2007, 132, 461.] y Overlap Optical Image

(H3C)2N Weiße Stellen zeigen höchste Werte von m/z an, an den schwarzen Stellen ist m/z mi-
nimal. Damit zeigt Bild A die Stellen, wo Kristallviolett vorliegt. Das Bild B zeigt das
extrahierte Ionenmonitoring von m/z 484.5, um die Lokalisierung des Farbstoffs Solvent
N(CH3)2 Blue 2 darzustellen. Man sieht, dass die zweite Tinte über die erste geschrieben wurde, um
„1432“ in „1982“ zu ändern. Abbildung C ist Summe der Bilder A und B. Bild D ist ein
optisches Bild der Schrift.
(H3C)2N
Kristallviolett Wichtige Begriffe
12 1 14
C25 H30 N3 m/z 372.243 > Atommasse > Auflösungsvermögen > Basispeak > chemische Ionisation > che-

mische Ionisation bei Atmosphärendruck > Desorptions-Elektrospray-Ionisation


N(CH3)2 (DESI) > Direkte Analyse in Echtzeit (DART) > Doppelfokussierendes Massenspekt-
rometer > Dreidimensionales Quadrupol-Ionenfallenspektrometer > Elektronenstoß-
ionisation > Elektronentransfer-Dissoziation > Elektrospray-Ionisation > extrahiertes
Ionenchromatogramm > Flugzeitmassenspektrometer > Ionenmobilitätsspektrome-
N
ter > lineares Quadrupol-Ionenfallenspektrometer > Magnetsektorfeldmassenspekt-
H3C
rometer > Massenspektrum > Matrix-unterstützte Laserdesorption/Ionisation > Mo-
lekülion > molekulare Masse > nominelle Masse > Orbitrap-Massenspektrometer
N(CH3)2
> Produkt-Ion > rekonstruiertes Totalionenchromatogramm > Ring + Doppelbin-
Solvent Blue 2 dungsformel > Selected Ion Chromatogram > Selected Ion Monitoring > Selected
12 1 14
C34 H34 N3 m/z 484.275 Reaction Monitoring > Stickstoffregel > stoßaktivierter Zerfall > Transmissions-
Quadrupol-Massenspektrometer > Vorläuferion

Zusammenfassung
In der Ionenquelle eines Massenspektrometer werden Ionen erzeugt oder desorbiert.
Neutrale Moleküle werden durch Elektronenstoßionisation (dabei entstehen ein Mole-
külion, M+•, und viele Bruchstücke) oder chemische Ionisation (wobei vor allem MH+
und wenige Fragmente entstehen) in Ionen umgewandelt. In einem Magnetsektorfeld-
massenspektrometer werden gasförmige Ionen mit verschiedenem Masse-Ladungsver-
hältnis (m/z) durch Beschleunigung in einem elektrischen Feld und Ablenkung der
Ionen in unterschiedlichen Bogen getrennt. Die Ionen werden mit einem Elektronen-
vervielfacher detektiert, der wie eine Photomultiplier-Röhre funktioniert. Das Mas-
senspektrum ist eine graphische Darstellung des Detektorsignals gegen den m/z-Wert.
Beim doppelfokussierenden Massenspektrometer wird eine hohe Auflösung durch
Kombination eines magnetischen und eines elektrostatischen Sektorfelds zur Sortie-
rung der Ionen in einem engen Bereich der kinetischen Energien erreicht. Zu anderen
Massenseparatoren gehören das Transmissions-Quadrupol-Massenspektrometer, das
Flugzeitmassenspektrometer, die dreidimensionale Quadrupol-Ionenfalle, die lineare
Ionenfalle und die Orbitrap. Das Flugzeitmassenspektrometer hat eine hohe Registrier-
geschwindigkeit und ein nahezu unbegrenzten oberen Massebereich. Das Auflösungs-
vermögen wird in der Massenspektrometrie entweder mit m/Δm oder m/m½ angegeben.
Dabei ist m die gemessene Masse, Δm die Massendifferenz zwischen zwei Peaks, die
mit einem 10%igen Tal zwischen ihnen getrennt sind und m½ die Peakbreite bei halber
Übungen 605

Peakhöhe. Flugzeit- und Orbitrap-Spektrometer liefern hochaufgelöste Spektren. Das


Ionenmobilitätsspektrometer trennt Ionen in der Gasphase in einem elektrischen Feld
bei Atmosphärendruck.
In einem Massenspektrometer findet man das Molekülion aus dem höchsten m/z-
Wert aller „signifikanten“ Peaks im Spektrum, der nicht auf Isotope oder den Un-
tergrund zurückgeführt werden kann. Sie sollten in der Lage sein, für eine gegebene
Zusammensetzung die relativen Intensitäten der Isotopenpeaks bei M+1, M+2 und
so weiter vorherzusagen. Von den üblichen Elementen haben Cl und Br für die Diag-
nose besonders geeignete Isotopenmuster. Aus der Summenformel kann man mit der
„Ring+Doppelbindungs“-Formel einen Strukturvorschlag ableiten. Eine organische Ver-
bindung mit einer ungeraden Zahl von Stickstoffatomen hat eine ungerade Masse. Die
Fragmentionen, die bei der Bindungsspaltung und Umlagerungen entstehen, erlauben
Schlussfolgerungen über die Struktur.
Das aus einer Kapillarsäule eines Gaschromatographen ausströmende Gas kann direkt
in die Ionenquelle eines gut evakuierten Massenspektrometers geschickt werden, um qua-
litative und quantitative Informationen über die Bestandteile eines Gemischs zu erhalten.
In der Flüssigkeitschromatographie sorgt bei der chemischen Ionisation bei Atmosphä-
rendruck eine Korona-Entladungsnadel für die Entstehung einer Vielzahl gasförmiger
Ionen. Alternativ hierzu dient beim Elektrospray eine hohe Spannung am Säulenausgang
in Verbindung mit einem koaxialen N2-Strom der Erzeugung eines feinen Aerosols, in
dem sich die geladenen Spezies befinden, die schon in der flüssigen Phase vorhanden wa-
ren. Der Analyt ist häufig mit anderen Ionen assoziiert und liegt zum Beispiel als [MNa]+
oder [M(CH3COO)]– vor. Durch Einstellung des pH-Werts können ausgewählte Analyte
in anionische oder kationische Form gebracht werden. Sowohl chemische Ionisation bei
Atmosphärendruck wie Elektrospray führen vorwiegend zur Bildung unfragmentierter
Ionen. Der stoßaktivierte Zerfall zur Erzeugung von Fragmentionen wird durch die Span-
nung am Eingang des Massenspektrometers kontrolliert. Es ist beim Elektrospray von
Proteinen typisch, dass eine ganze Menge hochgeladener Ionen, wie MHnn +, entsteht. Die
Matrix-unterstützte Laserdesorption/Ionisation-Massenspektrometrie ist eine schonende
Methode zur Erzeugung vorwiegend einfach geladener, intakter Protein-Ionen.
Das rekonstruierte Totalionenchromatogramm zeigt das Signal aller Ionen oberhalb
eines gewählten m/z-Werts, die aus der chromatographischen Trennung kommen, in
Abhängigkeit von der Zeit. Ein extrahiertes Ionenchromatogramm zeigt das Signal eines
Ions, das dem gesamten Massenspektrum entnommen wurde. Selected Ion Monitoring
von einem oder wenigen m/z-Werten verbessert das Signal-Rausch-Verhältnis, weil die
gesamte Messzeit nur zur Messung der ausgewählten Ionen eingesetzt wird. Beim Selected
Reaction Monitoring wird ein Vorläuferion von einem Massenfilter ausgewählt und dann
in eine Kollisionszelle geschickt, wo es in Produkt-Ionen zerbricht. Eines (oder mehrere)
davon wird in einem zweiten Massenfilter für die Detektion ausgesucht. Dieses Verfah-
ren ist für nur einen Analyt höchst selektiv und erhöht das Signal-Rausch-Verhältnis für
diesen Analyt ganz erheblich. Die Elektronentransfer-Dissoziation dient bei der Protein-
Sequenzierung zur Spaltung von Amid-Bindungen in einem Polypeptid, ohne dass andere
Bindungen angegriffen werden.
Mit verschiedenen Methoden kann unter normalen atmosphärischen Bedingungen
eine Ionisation von Molekülen auf der Oberfläche eines Objekts erfolgen. Bei der Direk-
m/z = 53
ten Analyse in Echtzeit (DART) und einem Niedertemperatur-Plasma wird im angeregten
Zustand befindliches Helium- oder Stickstoffgas zur Ionisation des Analyten verwendet.
In der Desorptions-Elektrospray-Ionisation (DESI) wird ein Lösungsmittel mit Elektro-
spray zerstäubt und auf eine Oberfläche gerichtet, um dort Ionen herauszuschlagen.

Übungen 50 60
21-A. Messen Sie die Peakbreite in halber Höhe bei m/z 53 und berechnen Sie das Auflö- m/z
sungsvermögen des Spektrometers aus der Beziehung m/m½. Kann man damit zwei Peaks
Massenspektrum. [V. J. Angelico, S. A.
bei 100 und 101 u auflösen?
Mitchell und V. H. Wysocki, „Low-Energy
Ion-Surface Reactions of Pyrazine with
21-B. Welches Auflösungsvermögen ist für die Unterscheidung von CH3CH2+ und HC≡O+ Two Classes of Self-Assembled Monolay- 21
erforderlich? ers“, Anal. Chem. 2000, 72, 2603.]
606 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

21-C. Isotopenmuster. Wir betrachten ein Element mit zwei Isotopen, deren natürliche
Häufigkeiten a und b sind (a + b = 1). Wenn sich in einer Verbindung n Atome dieses
Elements befinden, leitet sich die Wahrscheinlichkeit des Auffindens aller Kombinationen
der Isotope von der binomischen Formel (a + b)n ab. Bei Kohlenstoff sind die Häufig-
keiten a = 0.989 3 für 12C und b = 0.010 7 für 13C. Die Wahrscheinlichkeit, in Acetylen,
HC≡CH, zwei 12C-Atome zu finden, ergibt sich aus dem ersten Term des Ausdrucks von
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2. Der Wert von a2 ist (0.989 3)2 = 0.978 7, damit beträgt die Wahr-
scheinlichkeit, zwei 12C-Atome im Acetylen zu finden, 0.978 7. Die Wahrscheinlichkeit,
ein 12C und ein 13C zu finden, ist 2ab = 2(0.989 3)(0.010 7) = 0.021 2. Die Wahrscheinlich-
keit für zwei 13C ist (0.010 7)2 = 0.000 114. Das Molekülion von HC≡CH hat definitionsge-
mäß zwei 12C-Atome. Der M+1-Peak enthält ein 12C und ein 13C. Die Intensität von M+1
relativ zu M+• ist (0.021 2)/ (0.987 7) = 0.021 7. (2H wird wegen seiner geringen natürli-
chen Häufigkeit nicht berücksichtigt.) Wie groß sind die relativen Mengen von C6H435Cl2,
C6H435Cl37Cl und C6H437Cl2 in 1,2-Dichlorobenzen. Zeichnen Sie ein Strichdiagramm der
Verteilung wie Abbildung 21.6.

21-D
a) Bestimmen Sie die Zahl der Ringe plus Doppelbindungen in einem Molekül mit der
Zusammensetzung C14H12 und zeichnen Sie eine plausible Struktur.
b) Es kann passieren, dass für ein Molekül oder Radikal die Ring+Doppelbindungs-
Formel keine ganzzahlige Lösung liefert, weil die Bedingung, dass alle Valenzen in
neutralen Molekülen aus gepaarten Elektronen bestehen, nicht erfüllt ist. Wie viele
Ringe + Doppelbindungen können Sie für C4H10NO+ vorhersagen? Zeichnen Sie ei-
nen Strukturvorschlag für C4H10NO+.

21-E.
a) Die Spektren A und B gehören zu den unten stehenden Isomeren von C6H12O. Erklä-
ren Sie, wie Sie die Spektren den Isomeren zuordnen können.
O
O

3-Methyl-2-pentanon 3,3-Dimethyl-2-butanon

57

43 41

50 50
A B
57
Relative Häufigkeit

29 100

29
72
100
85 85

0 0
30 40 50 60 70 80 90 100 30 40 50 60 70 80 90 100
m/z m/z

Massenspektren der isomeren Ketone mit der Summenformel C6H12O. [Aus NIST/EPA/NIH Mass
Spectral Database.10]

b) Die Intensität des M+1-Peaks muss bei m/z 101 in beiden Spektren falsch sein. Im
Spektrum A fehlt der Peak und im Spektrum B ist er mit 15.6 % der Intensität von M+•
zu hoch. Wie groß müsste die Intensität von M+1 relativ zu M+• für die Zusammenset-
zung C6H12O sein?

21-F. (Das ist eine lange Übungsaufgabe, die sich zur Bearbeitung durch eine Gruppe eig-
net.) Die relativen Intensitäten für die Molekülionen-Gebiete verschiedener Verbindun-
Übungen 607

gen sind teilweise für a–d aufgelistet und in der Abbildung gezeigt. Schlagen Sie für jedes
Molekül die Zusammensetzung vor und berechnen Sie die zu erwartenden Isotopenpeak-
Intensitäten.
a) m/z (Intensität): 94 (999), 95 (68), 96 (3)
b) m/z (Intensität): 156 (566), 157 (46), 158 (520), 159 (35)
c) m/z (Intensität): 224 (791), 225 (63), 226 (754), 227 (60), 228 (264), 229 (19), 230 (29)
d) m/z (Intensität): 154 (122), 155 (9), 156 (12) (Hinweis: Substanz enthält Schwefel)
1 000 600 800 150

M M M M
a b c d

Massenspektren. [Aus NIST/EPA/NIH Mass Spectral Database.10]

21-G. Molekulare Masse von Proteinen durch Elektrospray. Das Enzym Lysozym44 zeigt
MHnn +-Peaks bei m/z = 1 789.1, 1 590.4, 1 431.5, 1 301.5 und 1 193.1. Folgen Sie dem Ver-
fahren von Tabelle 21.3 zur Bestimmung der mittleren molaren Masse und deren Stan-
dardabweichung.

21-H. Quantitative Analyse durch Selected Ion Monitoring. Coffein kann in Getränken und
im Harn durch Selected Ion Monitoring bestimmt werden. Coffein-D3 wird als innerer
Standard zugesetzt. Beide Substanzen werden mittels Gaschromatographie bestimmt. Die
Abbildung zeigt die Massenchromatogramme von Coffein (m/z 194) und Coffein-D3 (m/z
197), die etwa gleiche Retentionszeiten haben.
2  106

Coffein (680 mg/L)


m/z = 194
Detektorzählung

1  106
Coffein-D3 (370 mg/L)
m/z = 197

7.0 7.5 8.0


Zeit (min)
Selected ion monitoring mass chromatogram von Coffein und Coffein D3 eluiert von einer
GC-Capillarsäule. [Aus D. W. Hill, B. T. McSharry und L. S. Trzupek, „Quantitative Analyses by Isotopic
Dilution Using Mass Spectrometry“, J. Chem. Ed., 1988, 65, 907.]

O O
CH3 CD3
H3C C H3C C
N C N N C N
CH CH
C NC N C NC N
O O
CH3 CH3 21
Coffein (M = 194 u) Coffein-D3 (M = 197 u)
608 Kapitel 21 · Massenspektrometrie

Folgende Daten wurden für eine Standard-Mischung erhalten:

Coffein Coffein-D3 Coffein Caffein-D3


(mg/L) (mg/L) Peakfläche Peakfläche

13.60 × 102 3.70 × 102 11 438 2 992

6.80 × 102 3.70 × 102 6 068 3 237

3.40 × 102 3.70 × 102 2 755 2 819

Das injizierte Volumen war bei den drei Messungen unterschiedlich.


a) Berechnen Sie den mittleren Response-Faktor in der Gleichung
Peakfläche Analyt ⎛ Konzentration Analyt ⎞
= F⎜ ⎟
Peakfläche Standard ⎝ Konzentration Standard ⎠
b) Zur Analyse eines Cola-Getränks wurde 1.000 mL des Getränks mit 50.0 μL der
Standardlösung, die 1.11 g/L Coffein-D3 in Methanol enthalten, versetzt. Diese ver-
einigte Lösung wurde durch eine Festphasen-Extraktionskartusche geschickt, in der
Coffein zurückgehalten wird. Die polaren Stoffe werden mit Wasser ausgewaschen.
Dann wurde Coffein mit einem organischen Lösungsmittel ausgewaschen und das
Lösungsmittel verdampft. Der trockene Rückstand wurde für die Gaschromatogra-
phie in 50 μL Methanol gelöst. Die Peakflächen waren 1 144 für m/z 197 und 1 733
für m/z 194. Bestimmen Sie die Konzentration von Coffein (mg/L) im Getränk.
22 Einführung in Analytische
Trennverfahren
22

Bestimmung von Silikonen, die aus Brustimplantaten austreten


Das hochmolekulare Poly(dimethylsiloxan), [(CH3)2SiO]n, wird in der Gaschromatographie als stationäre Phase (Tabelle 23.1)
und als Gel in Brustimplantaten verwendet. Ungefähr 1–2 % der Silikone in Brustimplantaten sind niedermolekulares Mate-
rial, das aus den intakten Implantaten austreten kann, durch den Kreislauf und das Lymphsystem wandert und sich in lipid-
reichem Gewebe ablagert.
Die Gaschromatographie mit Selected Ion MS-Detektion (Abschnitt 21.4) ist eine spezifische und nachweisstarke Me-
thode zur Bestimmung von Silikonen. Die Analyte wurden mit Hexan aus 1 mL Blutplasma extrahiert, dem [(CH3)3SiO]4 als
innerer Standard zugesetzt war. Jeder Analyt wurde bei der Masse seines häufigsten Fragments registriert. Das Chromato-
gramm auf dieser Seite wäre bei einer anderen Detektionsart als dem Selected Ion Monitoring bedeutend komplizierter aus-
gefallen. Weil das Massenspektrometer nur die gesuchten Analyte in der Nähe ihrer bekannten Retentionszeiten registriert,
bleibt alles andere, was aus der Säule kommt, unsichtbar.
Das Auftreten von Silikonen im menschlichen Gewebe im ppb-Bereich bedeutet nicht unbedingt ein Gesundheitsrisiko.
Das Risiko muss durch medizinische Studien beurteilt werden, bei denen die analytischen Daten verwendet werden können.

innerer
Standard Nicht identifizierter
55 000 Peak bei
m/z = 281
m/z
= 341
50 000
Detektor-Zählung

25 000

20 000
Fünf Jahre nach der Entfernung von
fünf Jahre alten Brustimplantaten
15 000
D5 zeigte das mittels Selected Ion Moni-
D4 28 ppb D6
3 ppb
toring aufgenommene Gaschroma-
10 000 m/z = 355 17 ppb
m/z = 281 togramm eines Blutplasma-Extrakts
m/z = 341
noch Spuren von Siloxanen. [D. Flass-
5 000 beck, B. Pfleiderer, R. Grumping und
A. V. Hirner, „Determination of Low-
0 Molecular Weight Silicones in Women
4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 After Exposure to Breast Implants by
Zeit (min) GC/MS“, Anal. Chem. 2001, 73, 606.]

O — Si O — Si—
— O — Si Si O

Si— Si O

Niedermolekulare Si O


Silikone O O O Si

O Si


— — O Si

Si Si— Si O
— —— Si

O

O Si — O
O — Si O Si
Si — O

Name: D3 D4 D5 D6
Molekulare Masse: 222 296 370 444
Hauptfragmente: 207 281 73, 267, 355 73, 341, 429

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_23, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
610 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Miteinander mischbar bedeutet, dass Bei der überwiegenden Mehrheit der praktischen analytischen Aufgaben müssen eine oder
die beiden Phasen stets eine gemein- mehrere Verbindungen aus einem komplexen Gemisch abgetrennt, identifiziert und quan-
same Phase bilden, wenn sie in beliebi- tifiziert werden. In diesem Kapitel werden die Grundlagen analytischer Trennungen disku-
gem Verhältnis miteinander gemischt tiert und in den drei folgenden Kapiteln werden die speziellen Methoden beschrieben.
werden. Nicht miteinander mischbare
Flüssigkeiten verbleiben in separaten
Phasen. Organische Lösungsmittel mit 22.1 Lösungsmittelextraktion
geringer Polarität sind mit Wasser ge-
nerell nicht mischbar, da Wasser sehr Extraktion ist der Begriff für die Überführung eines Analyten von einer Phase in eine an-
polar ist. dere. Die häufigsten Gründe für eine Extraktion in der analytischen Chemie sind die Isolie-
rung oder Anreicherung des gesuchten Analyten, um ihn von anderen Spezies abzutrennen,
die bei der Analyse stören können. Am häufigsten wird die Extraktion einer wässrigen Lö-
sung mit einem organischen Lösungsmittel durchgeführt. Diethylether, Toluen und Hexan
sind gebräuchliche Lösungsmittel, die mit Wasser nicht mischbar sind und eine geringere
Dichte als Wasser besitzen. Sie bilden eine eigene Phase, die sich über der wässrigen Phase
anordnet. Chloroform, Dichlormethan und Tetrachlorkohlenstoff sind oft verwendete Lö-
[S] 2 sungsmittel, deren Dichte größer als die von Wasser ist†. In diesen Zwei-Phasen-Gemischen
Phase 2
besteht eine Phase überwiegend aus Wasser, die andere ist überwiegend organisch.
Nehmen wir an, dass der Analyt S, wie in Abbildung 22.1 dargestellt, zwischen den
beiden Phasen 1 und 2 verteilt sei. Der Verteilungskoeffizient, K, ist dann die Gleichge-
[S]1 Phase 1
wichtskonstante für die Reaktion
S (in Phase 1) U S (in Phase 2)
Abb. 22.1 Verteilung eines gelösten AS ⎡S ⎤
Stoffs zwischen zwei Phasen. Verteilungskoeffizient: K = 2
≈ ⎣ ⎦2 (22.1)
AS 1
⎡⎣S ⎤⎦1

Zur Vereinfachung wird angenommen, mit AS1 als Aktivität des Analyten in Phase 1. Wenn die Aktivitätskoeffizienten nicht be-
dass sich die beiden Phasen nicht kannt sind, wird der Verteilungskoeffizient als Quotient der Konzentrationen formuliert.
ineinander lösen. Bei einer realistische- Nehmen wir an, dass der Analyt S in V1 mL des Lösungsmittels 1 (Wasser) mit V2 mL
ren Betrachtung muss berücksichtigt des Lösungsmittels 2 (Toluen) extrahiert wird. m sei die Stoffmenge in Mol von S im Sys-
werden, dass die meisten Flüssigkeiten tem und q der Anteil an S, der im Gleichgewicht in Phase 1 zurückbleibt. Die Konzentra-
teilweise ineinander löslich sind.1 tion in Phase 1 ist demzufolge qm/V1. Der Anteil des Analyten, der in Phase 2 überführt
wurde, ist dann (1–q) und die Konzentration in Phase 2 ist (1–q)m/V2. Man kann deshalb
formulieren
⎡S ⎤ (1 − q ) m / V2
K = ⎣ ⎦2 =
⎡⎣S ⎤⎦1 qm / V1
Nach q aufgelöst ergibt sich:
V1
Anteil, der nach einer Extraktion in Phase 1 verbleibt = q = (22.2)
Je größer der Verteilungskoeffizient V1 + KV2
ist, desto weniger Analyt verbleibt in Gleichung 22.2 sagt aus, dass der Anteil des im Wasser (Phase 1) zurückbleibenden
Phase 1. Analyten vom Verteilungskoeffizienten und den beiden eingesetzten Volumina abhängt.
Wenn beide Phasen getrennt werden und frisches Toluen (Lösungsmittel 2) erneut mit
Phase 1 gemischt wird, beträgt der im Wasser (Phase 1) im Gleichgewicht verbleibende
Anteil des Analyten der nach 2 Extraktionen.
2
⎛ V1 ⎞
= q ⋅ q = ⎜⎜ ⎟⎟
V
⎝ 1 + KV2 ⎠

Beispiel: Für q = 1/4 verbleibt ¼ des Nach n Extraktionen, jedes Mal mit dem Volumen V2, beträgt der in Phase 1 verbleibende
Analyten nach einer Extraktion in Anteil
Phase 1. Eine zweite Extraktion ver- n
ringert die Konzentration auf ¼ des ⎛ V1 ⎞
qn = ⎜⎜ ⎟⎟ (22.3)
verbliebenen Wertes nach der ersten V +
⎝ 1 KV2 ⎠
Extraktion (1/4)(1/4) = 1/16 der Aus-
gangskonzentration. † Wenn man zwischen der Anwendung von CHCl3 und CCl4 wählen kann, sollte das weniger toxische
CHCl3 eingesetzt werden. Hexan und Toluen sind gegenüber dem kanzerogenen Benzen zu bevor-
zugen.
22.1 · Lösungsmittelextraktion 611

> Beispiel
Extraktionsausbeute 22
Analyt A besitzt einen Verteilungskoeffizienten von 3 zwischen Toluen und Wasser (es be-
findet sich dreimal mehr in der Toluenphase). Nehmen wir an, dass 100 mL einer 0.010 M
wässrigen Lösung von A mit Toluen extrahiert werden. Welcher Anteil von A bleibt in der
wässrigen Phase, wenn a) eine Extraktion mit 500 mL und b) fünf Extraktionen mit je 100
mL durchgeführt werden?

Lösung a) Wenn Wasser Phase 1 und Toluen Phase 2 ist, ergibt sich nach einer 500 mL-
Extraktion für den in der wässrigen Phase verbleibenden Anteil des Analyten aus Glei-
chung 22.2
100
q = = 0.062 ≈ 6 %
100 + (3) ( 500)
b) Mit fünf 100 mL-Extraktionen erhält man den verbleibenden Anteil des Analyten aus
Gleichung 22.3 zu: Mehrere Extraktionen mit kleinen
⎛ ⎞
5 Volumina sind effektiver als wenige
100
verbleibender Anteil = ⎜ ⎟ = 0.00098 ≈ 0.1 % Extraktionen mit großen Volumina. Der
⎜ 100 + ( 3 ) (100) ⎟
⎝ ⎠ Grenzwert für die Extraktion des Stoffs
Es ist viel effektiver, mehrfach mit kleinen Volumina als einmal mit einem großen Volumen zu S aus der Phase 1 (Volumen V1) in die
extrahieren. Phase 2 (Volumen V2) wird erhalten,
indem V2 in eine unendliche Zahl un-
Selbstüberprüfung Welcher Anteil des Analyten verbleibt in 100 mL Wasser nach einer
endlich kleiner Portionen geteilt wird.
bzw. fünf Extraktionen mit 20 mL Toluen, wenn der Verteilungskoeffizient 10 ist. (Antwort:
Mit K = [S]2/[S]1 ist der Grenzwert des
33 %, 0.41 %)
in Phase 1 verbliebenen Anteils
⎛V ⎞
−⎜⎜ 2 ⎟⎟ K
⎝ V1 ⎠ 2
qlimit = e .
pH-Effekte
Wenn der gelöste Stoff eine Säure oder eine Base ist, ändert sich bei pH-Änderung seine
Ladung. Gewöhnlich ist die neutrale Spezies besser in einem organischen Lösungsmittel
löslich und eine geladene Spezies ist besser wasserlöslich. Wir betrachten die Verteilung
eines basischen Amins, dessen neutrale Form B den Verteilungskoeffizienten K zwischen
der wässrigen Phase 1 und der organischen Phase 2 habe. Weiterhin wird angenommen,
dass die konjugierte Säure BH+ nur in der wässrigen Phase 1 löslich ist und ihre Säurekon-
stante KS sei. Das Verteilungsverhältnis D ist dann definiert als

Gesamtkonzentration in Phase 2
Verteilungsverhältnis: D = (22.4)
Gesamtkonzentration in Phase 1

das formuliert werden kann als

D = ⎣⎡B ⎦⎤ 2 (22.5)
⎣⎡B ⎦⎤1 + ⎡⎣BH ⎤⎦
+
1

Mit K = [B]2/[B]1 und KS = [H+][B]1/[BH+]1 in Gleichung 22.5 ergibt sich


K ⋅ KS ⎡⎣B ⎤⎦ aq
Verteilung einer Base zwischen zwei Phasen: D = = K ⋅ B (22.6)
K S + [H+ ] B =
⎡⎣B ⎤⎦ aq + [BH+ ] aq
wobei αB der Anteil der schwachen Base in der Neutralform B in wässriger Phase ist. Das
Verteilungsverhältnis D wird anstelle des Verteilungskoeffizienten K in Gleichung 22.2 ver- αB ist identisch mit αA– in Gleichung
wendet, wenn es sich um Spezies handelt, die in mehr als einer chemischen Form vorliegen, 9.18.
wie z. B. als B und BH+.
Geladene Spezies sind besser in Wasser als in organischen Lösungsmitteln löslich. Um
eine Base aus einem organischen Lösungsmittel mit Wasser zu extrahieren, muss ein aus-
reichend niedriger pH-Wert verwendet werden, um die Base zu BH+ umzuwandeln (Abbil-
dung 22.2). Aus dem gleichen Grund sollte für die Extraktion einer Säure HA in das Wasser
ein hoher pH verwendet werden, der eine Umwandlung der Säure zu A– ermöglicht.
612 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

0
Aufgabe Nehmen Sie an, dass die Säure HA (mit der Säurekonstante KS) zwischen
–2 der wässrigen Phase 1 und der organischen Phase 2 verteilt sei. Der Verteilungs-
koeffizient für HA sei K und A– sei nicht in der organischen Phase löslich. Zeigen
log D

pK s
–4 vorwiegend vorwiegend Sie, dass das Verteilungsverhältnis gegeben ist durch
BH+ B
K ⋅ [H+ ]
–6 Verteilung einer Säure zwischen zwei Phasen: D = = K ⋅  HA (22.7)
[H+ ] + K S
2 4 6 8 10 12 mit αHA als Anteil der schwachen Säure in der wässrigen Phase in der Form HA.
pH

Abb. 22.2 Einfluss des pH-Werts auf das


Verteilungsverhältnis bei der Extraktion > Beispiel
einer Base in ein organisches Lösungs- Einfluss des pH auf die Extraktion
mittel. In diesem Beispiel ist K = 3 und
Nehmen wir an, dass der Verteilungskoeffizient K für das Amin B gleich 3.0 sei und die Säu-
pKS für BH+ = 9.00.
rekonstante der Säure BH+ KS = 1.0 × 10–9. Wie groß ist die Formalkonzentration des in der
wässrigen Phase verbleibenden Amins, wenn 50.00 mL eines 0.010 M Amins (in wässriger
Phase) mit 100 mL Lösungsmittel a) bei pH 10.00 und b) bei pH 8.00 extrahiert werden?

Lösung: a) Bei pH 10.00 ist D = KKS/(KS + [H+]) = (3.0)(1.0 × 10–9)/(1.0 × 10–9 + 1.0 × 10–10)
= 2.73. Verwendet man D anstelle von K, folgt aus Gleichung 22.2 für den in der wässrigen
Phase verbleibenden Anteil
50
q = = 0.15 ⇒ 15 % bleiben in der wäßrigen Phase
50 + ( 2.73) (100 )
Die Konzentration des Amins in der wässrigen Phase beträgt 15 % von 0.010 M = 0.001 5 M.
b) Bei pH 8.00 ist D = (3.0)(1.0 × 10–9)/(1.0 × 10–9 + 1.0 × 10–8) = 0.273. Deshalb folgt

50
q = = 0.65 ⇒ 65 % bleiben in der wäßrigen Phase
50 + (0.273) (100)

Die Konzentration in der wässrigen Phase beträgt 0.006 5 M. Bei pH 10 liegt die Base haupt-
sächlich in der Form B vor und kann in die organische Phase extrahiert werden. Bei pH 8
überwiegt die Form BH+, die in der wässrigen Phase verbleibt.

Selbstüberprüfung Ein Säure HA mit K = 3.0 habe die Säurekonstante KS = 1.0 × 10–9. Wie
groß ist die Konzentration in der wässrigen Phase bei Extraktionen bei pH 10 bzw. pH 8.
Erklären Sie, warum Säure und Base entgegengesetzte Lösungen ergeben. (Antwort: 65 %
bei pH = 10.00 und 15 % bei pH = 8.00. Die neutralen Spezies HA und B sind besser in der
organischen Phase löslich.)

Extraktion mit einem Chelatbildner für Metallionen


Die meisten Komplexe, die in organische Lösungsmittel extrahiert werden können, sind
neutral. Geladene Komplexe, wie Fe(EDTA)– oder Fe(1,10-Phenanthrolin)32+, sind in orga-
N
nischen Lösungsmitteln nur schlecht löslich. Eine Möglichkeit für die Trennung von Me-
OH tallionen ist die selektive Komplexierung eines Ions mit einem organischen Liganden und
8-Hydroxychinolin
(Oxin)
die Extraktion des gebildeten Komplexes in ein organisches Lösungsmittel. Gebräuchliche
Liganden sind Dithizon (Versuch 22.1), 8-Hydroxychinolin und Cupferron. Jeder dieser
Liganden kann als schwache Säure HL betrachtet werden, die ein Proton verliert, wenn
O NH 4 die hervorgehobenen Atome an die Metallionen binden.
N
⎡H + ⎤ ⎡L− ⎤
N O ⎣ ⎦ aq ⎣ ⎦ aq
Cupferron HL(aq) U H+(aq) +L–(aq) KS = (22.8)
⎡⎣HL ⎤⎦ aq

β ist die in Exkurs 6.2 definierte ⎡⎣ MLn ⎤⎦ aq


nL–(aq) + Mn+(aq) U MLn(aq) β= n
(22.9)
Bruttostabilitätskonstante ⎡ M n + ⎤ ⎡ L− ⎤
⎣ ⎦ aq ⎣ ⎦ aq
22.1 · Lösungsmittelextraktion 613

 Versuch 22.1
Extraktion mit Dithizon 22
Dithizon (Diphenylthiocarbazon) ist eine grüne Verbindung, die in unpolaren organischen
Lösungsmitteln gut löslich, in Wasser unterhalb pH 7 jedoch unlöslich ist.3 In wässriger, al-
kalischer Lösung entsteht ein lösliches, gelbes Ion. Es bildet rote, hydrophobe Komplexe mit
zwei- und dreiwertigen Metallionen. Dithizon wird für analytische Extraktionen und kolori-
metrische Bestimmungen von Metallionen verwendet.

C6H5

N
N
2
1016
2
2C6H5 C SH Pb
N N
H
Dithizon
(grün) (farblos)

C6H5
C6H5
N S N N
N Pb C H

C S N N 2
C6H5
N N C6H5
H
Metallkomplex
(rot)

Das Gleichgewicht zwischen dem grünen Liganden und dem roten Komplex kann mit
drei großen Reagenzgläsern demonstriert werden, die fest mit Gummistopfen ver-
schlossen sind. In jedes Glas wird etwas Hexan mit nur wenigen Millilitern Dithizonlö-
sung (hergestellt durch Lösen von 1 mg Dithizon in 100 mL CHCl3) versetzt. Zu Glas A
wird destilliertes Wasser gegeben, zu Glas B Leitungswasser und zu Glas C eine 2 mM
Pb(NO3)2-Lösung. Nach gründlichem Schütteln und dem Absetzen der Phasen enthalten
die Gläser B und C eine rote obere Phase, wohingegen in Glas A die obere Phase grün
geblieben ist.
Das Säure-Base-Gleichgewicht für die obige Reaktion kann durch Zugabe weniger Trop-
fen von 1 M HCl zu Glas C demonstriert werden. Nach dem Schütteln färbt sich das Dithizon
wieder grün. Die Konkurrenz eines stärkeren Liganden kann durch Zugabe weniger Tropfen
einer 0.05 M EDTA-Lösung zu Glas B demonstriert werden. Wiederum bewirkt das Schütteln
eine Rückkehr zur grünen Farbe.

Übung in „grüner“ Chemie


Chemische Verfahren, bei denen weniger Abfall oder weniger Gefahrstoffe entstehen, wer-
den als „grün“ bezeichnet, da sie geringere schädliche Wirkungen auf die Umwelt haben.
Bei der chemischen Analyse mit Dithizon kann man wässrige Mizellen (Exkurs 25.1) anstelle
der organischen Phase (die traditionell aus Chloroform, CHCl3, besteht) verwenden und
vermeidet damit ein chlorhaltiges Lösungsmittel und die umständliche Extraktion.4 Eine Lö-
sung, die 5 Gew% des Mizell-bildenden Tensids Triton X-100 enthält, löst 8.3 × 10–5M Dithi-
zon bei 25 °C und pH <7. Die Dithizonkonzentration innerhalb der Mizellen, die nur einen
kleinen Teil der Lösung ausmachen, ist viel größer als 8.3 × 10–5 M. Wässrige Tensidlösungen
von Dithizon können zur spektralphotometrischen Bestimmung von Metallionen, wie Zn(II),
Cd(II), Hg(II), Cu(II) und (Pb) mit vergleichbaren Ergebnissen wie bei der Extraktion mit orga-
nischen Lösungsmitteln verwendet werden.
614 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Jeder dieser Liganden kann mit einer Vielzahl Metallionen reagieren, eine gewisse Selekti-
vität lässt sich jedoch durch pH-Kontrolle erreichen.
In der wässrigen Phase liegt Mn+, in der Wir wollen jetzt eine Gleichung für das Verteilungsverhältnis eines Metalls zwischen
organischen Phase liegt MLn vor. zwei Phasen ableiten, wenn sich das gesamte, in der wässrigen Phase (aq) vorliegende
Metall in der Form Mn+ befindet und sämtliches Metall in der organischen Phase (org) in
der Form MLn vorliegt (Abbildung 22.3). Wir definieren die Verteilungsverhältnisse für
Ligand und Komplex dann folgendermaßen:

⎣⎡HL ⎦⎤ org
HL(aq) U HL(org) KL = (22.10)
⎣⎡HL ⎦⎤ aq

H+ ⎣⎡ML n ⎦⎤ org
+ MLn(aq) U MLn(org) KM = (22.11)
L– + M
n+
MLn
Wässrige ⎡⎣ML n ⎤⎦ aq
Phase

HL
Das von uns gesuchte Verteilungsverhältnis ist
Organische
HL MLn Phase mit ⎣⎡Gesamtmetall ⎦⎤ org ⎣⎡ML n ⎦⎤ org
hoher Dichte D= = (22.12)
⎡⎣Gesamtmetall ⎤⎦ aq ⎡Mn + ⎤
(z.B. CHCl3)
⎣ ⎦ aq
Aus Gleichung 22.11 und 22.9 erhalten wir:
Abb. 22.3 Extraktion eines Metallions
[MLn ]org = K M[MLn ]aq = K M  [Mn + ]aq [L− ]naq
mit einem Chelatbildner. In der wässrigen
Phase liegt das Metallion als Mn+ vor und Unter Verwendung von [L–]aq aus Gleichung 22.8 ergibt sich
in der organischen Phase dominiert MLn.
K M  [Mn + ]aq K Sn[HL]naq
[MLn ]org =
[H + ]naq
Setzt man nun den Ausdruck für [MLn]org in Gleichung 22.12 ein, erhält man
K M  K Sn[HL]naq
D ≈
[H + ]naq
Da sich der Hauptteil von HL in der organischen Phase befindet, können wir [HL]aq =
[HL]org/KL setzen, um einen äußerst sinnvollen Ausdruck für das Verteilungsverhältnis
zu erhalten:
Verteilungsverhältnis eines Metallchelatkomplexe zwischen zwei Phasen:

K M  K Sn [HL]norg
D ≈ (22.13)
K Ln [H + ]naq
Durch entsprechende Wahl des pH
kann das Metall wahlweise in jede der Man erkennt, dass das Verteilungsverhältnis für die Metallionenextraktion vom pH und
beiden Phasen gebracht werden. der Ligandkonzentration abhängt. Häufig besteht die Möglichkeit, einen pH zu wählen,

100

Bi(III) Pb(II)
80
Hg(II) Ag(I) Sn(II)
Prozentuale Extraktion

Cu(II) Zn(II) Tl(I) Cd(II)


60

40
Abb. 22.4 Extraktion von Metallionen
durch Dithizon in CCl4. Bei pH 5 wird Cu2+
vollständig in CCl4 extrahiert, während 20
Pb2+ und Zn2+ in der wässrigen Phase
bleiben. [Aus: G. H. Morrison und H. Frei-
ser, in C.L.Wilson und D.Wilson, Herausge-
0
ber, Comprehensive Analytical Chemistry, 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Vol. IA, (New York, Elsevier, 1959).] pH
22.2 · Was ist Chromatographie? 615

Exkurs 22.1
22
Kronenether und Phasentransferreagenzien Ionen in ein organisches Lösungsmittel dienen. Die Farbtafel
Kronenether sind eine Klasse synthetischer Verbindungen, 27 zeigt als Beispiel die Extraktion farbiger Anionen aus der
die Metallionen (speziell Alkalikationen) in einen Hohlraum unteren, wässrigen Phase in die darüber liegende Schicht von
aus Sauerstoffliganden einschließen können. Kronenether Diethylether, wenn Trioctylammoniumchlorid zugesetzt und
werden als Phasentransferkatalysatoren verwendet, da sie gerührt wird. Für KMnO4 in der wässrigen Phase liegt das fol-
in der Lage sind, wasserlösliche ionische Reagenzien in gende Gleichgewicht deutlich auf der rechten Seite:
unpolare Lösungsmittel zu extrahieren, in denen dann Re-
K+(aq) + MnO4–(aq) + (C8H17)3N+CH3 Cl– (org) U K+(aq) + Cl–(aq)
aktionen mit hydrophoben Verbindungen ablaufen können.
+(C8H17)3N+CH3MnO4– (org) Ionenpaar
Die abgebildete Struktur des Kaliumkomplexes mit Dibenzo-
30-Krone-10 zeigt, dass das K+-Ion von 10 Sauerstoffatomen Eine wichtige Anwendung dieser Reaktion ist die Überführung
umgeben ist. Der K-O-Abstand beträgt im Mittel 288 pm. Nur von Permanganat in eine organische Phase, um organische
die hydrophobe Außenseite des Komplexes ist dem Lösungs- Verbindungen zu oxidieren. Bei der analytischen Trennung des
mittel ausgesetzt. Hafniums von Wolfram bei geochemischen Untersuchungen des
Hydrophobe Kationen und Anionen können als Phasen- Schutts von Supernova-Explosionen5 spielt ein Phasentransfer
transferagenzien zum Transport entgegengesetzt geladener eine wichtige Rolle.

O O

O O

O O

a) Molekülstruktur von Dibenzo-30-


O O Krone-10. b) Dreidimensionale Struk-
tur des K+-Komplexes. [M. A. Bush
O
und M. R. Truter, „Crystal Structures
of Alkali Metal Complexes with Cy-
clic Polyethers“, J. Chem. Soc. Chem.
a b C O K
Commun. 1970, 1439.]

bei dem D für das eine Metall groß und das andere klein ist. So wird in Abbildung 22.4 1903 erfand der Botaniker M. Tswett in
gezeigt, dass Cu2+ von Pb2+ und Zn2+ durch Extraktion mit Dithizon bei pH 5 abgetrennt Warschau die Adsorptionschromato-
werden kann. In Versuch 22.1 wird die pH-Abhängigkeit einer Extraktion mit Dithizon graphie zur Trennung von Pflanzenpig-
gezeigt. Exkurs 22.1 beschreibt Kronenether und Phasentransfer-Reagenzien, die zur Ex- menten. Ein Kohlenwasserstoff diente
traktion polarer Stoffe in nichtpolare Lösungsmittel verwendet werden, um darin chemi- als Lösungsmittel und Inulinpulver (ein
sche Reaktionen durchzuführen. Gemisch von Polysacchariden) als sta-
tionäre Phase. Die Trennung farbiger
Bänder führte zum Namen Chroma-
22.2 Was ist Chromatographie? tographie, abgeleitet von den griechi-
schen Wörtern chromatos, die Farbe,
Die Chromatographie basiert auf dem gleichen Prinzip wie die Extraktion. Eine der und graphein, schreiben, bedeuten.
Phasen wird jedoch festgehalten, während sich die zweite an ihr vorbeibewegt.8,9 In Ab- Später fand Tswett, dass auch CaCO3
bildung 22.5 ist ein Experiment dargestellt, in dem eine Lösung mit den Analyten A und oder der im Haushalt übliche Zucker
B am oberen Ende einer Säule aufgegeben wird, die mit festen Partikeln gepackt und mit als stationäre Phasen geeignet sind.6
Lösungsmittel gefüllt ist. Wenn der Auslasshahn geöffnet wird, fließen die Analyte A und Die Chromatographie schlummerte bis
B in die Säule hinein. Daraufhin wird frisches Lösungsmittel am Anfang der Säule aufge- zum Jahr 1931, als Tswetts Methoden
geben und das Gemisch durch einen kontinuierlichen Fluss des Lösungsmittels durch die von E. Lederer und R. Kuhn in Heidel-
Säule gespült. Wenn Analyt A stärker an den festen Partikeln adsorbiert wird als Analyt berg, P. Karrer in Zürich und L. Zech-
B, verbringt Analyt A einen kleineren Zeitanteil frei in Lösung. Der Analyt A bewegt sich meister in Ungarn für biochemische
deshalb langsamer durch die Säule als Analyt B und erscheint am Säulenausgang später Trennungen eingesetzt wurden.7
616 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Frisches Lösungsmittel
(Eluent)

Startzone der gelösten


Stoffe A und B

A
CaCO3
Säulenpackung
(stationäre Phase)
suspendiert im
Lösungsmittel B
(mobile Phase)

poröse Scheibe Ca(OH)2

Lösungsmittel B verlässt A verlässt


fließt aus die Säule die Säule
a b c d e f

Abb. 22.5 Die Idee, die hinter der Chromatographie steckt: Der gelöste Stoff A, der eine größere Affi-
nität zur stationären Phase hat als der Stoff B, bleibt länger in der Säule. Das Bild (f ) gibt die Trennung
der Pigmente der roten Paprika-Schale aus der Arbeit von L. Zechmeister in den 1930er Jahren wie-
der. Die Banden (rechts durch horizontale Linien markiert) sind die unterschiedlichen Pigmente. Die
untere stationäre Phase ist Ca(OH)2, die obere ist CaCO3. [Bild f stammt aus: L. S. Ettre, „The Rebirth of
Chromatography 75 Years Ago“, LCGC 2007, 25, 640.]

als Analyt B. Auf diese Weise wird ein Gemisch durch Chromatographie in seine Kompo-
nenten zerlegt.
Die mobile Phase (das Lösungsmittel, das durch die Säule fließt) ist in der Chroma-
tographie entweder eine Flüssigkeit oder ein Gas. Als stationäre Phase (die innerhalb der
Säule fixiert ist) werden am häufigsten viskose Flüssigkeiten verwendet, die auf der Innen-
seite der Kapillarsäule oder auf der Oberfläche fester Partikel chemisch gebunden sind,
mit denen die Säule gefüllt ist. Als Alternative dazu können auch die festen Partikel selbst
die stationäre Phase sein (Abbildung 22.5). In jedem Fall ist die Verteilung der Analyte
zwischen der mobilen und der stationären Phase die Ursache für die Trennung.
Die in die Säule eintretende Flüssigkeit wird als Eluent bezeichnet, die aus der Säule
austretende Flüssigkeit als Eluat:
Eluent hinein ⎯→ SÄULE ⎯→ Eluat heraus
Eluent – hinein
Eluat – heraus Der Vorgang, bei dem eine Flüssigkeit oder ein Gas durch die chromatographische Säule
strömen, wird Elution genannt.
Säulen sind entweder gepackt oder offen. Eine gepackte Säule ist mit Partikeln der
stationären Phase gefüllt (Abbildung 22.5). Eine offene Säule ist eine dünne Kapillare,
deren Innenwand mit der stationären Phase beschichtet ist.

Arten der Chromatographie


Die Chromatographie wird nach dem Mechanismus der Wechselwirkung des Analyten
mit der stationären Phase in folgende Arten unterteilt (siehe Abbildung 22.6).

Diese Form der Chromatographie Adsorptionschromatographie. Bei dieser ältesten Art der Chromatographie werden eine
wurde 1903 von Tswett erfunden. feste stationäre Phase und eine flüssige oder gasförmige mobile Phase verwendet. Der
Analyt wird an der Oberfläche der festen Partikel adsorbiert. Je stärker der Analyt adsor-
biert wird, umso langsamer fließt er durch die Säule.

Verteilungschromatographie. Bei dieser Technik bildet eine flüssige stationäre Phase


einen dünnen Film auf einer festen Oberfläche aus, die typischerweise die Innenseite ei-
22.2 · Was ist Chromatographie? 617

22
Querschnitt einer
der Analyt wird an der offenen Kapillarsäule
Oberfläche der stationären
Phase adsorbiert

der Analyt wird in


der flüssigen Phase
gelöst, die an der
Innenwand der
Säule gebunden ist

Adsorptionschromatographie Verteilungschromatographie

– –
– große Moleküle werden
+ – mobile Anionen werden
ausgeschlossen
– – in der Nähe von Kationen
– + fixiert, die kovalent an die
+ – – stationäre Phase
+ – + – gebunden sind
+
+
– + –
+
– – –
+ –
kleine Moleküle
+ – +
– dringen in die Poren
–+ – – der Teilchen ein
+ –+
+ –
+ – –
– + + – Anionenaustauscher-
– – – – harz; nur Anionen
+ – werden festgehalten
+
– –

Ionenaustauchchromatographie
Molekülausschluss-Chromatographie

eine Molekülsorte aus einem


Gemisch wird von einem kovalent
an der stationären Phase fixiertem
anderem Molekül gebunden

alle übrigen Moleküle laufen


ohne spezifische Wechsel-
wirkung durch die Säule Abb. 22.6 Grundtypen der Chroma-
Affinitätschromatographie tographie.

ner Quarzsäule der Gaschromatographie ist. Der Analyt setzt sich zwischen der flüssigen Für ihre 1941 geleistete Pionierarbeit
stationären und der mobilen Phase ins Gleichgewicht. Bei der Gaschromatographie ist auf dem Gebiet der Flüssigvertei-
diese ein strömendes Gas. lungschromatographie erhielten
A. J. P. Martin und R. L. M. Synge 1952
Ionenaustausch-Chromatographie. Bei dieser chromatographischen Technik sind Anio- den Nobelpreis.
nen (wie z.B. –SO3–) oder Kationen (wie z.B. –N(CH3)+3 ) kovalent an die stationäre Phase, B. A. Adams und E. L. Holmes entwi-
meist ein Harz, gebunden. Analytionen mit entgegengesetzter Ladung werden durch die ckelten 1935 das erste synthetische
stationäre Phase über elektrostatische Kräfte angezogen. Die mobile Phase ist eine Flüs- Ionenaustauscherharz. Harze sind rela-
sigkeit. tiv harte, amorphe organische
Feststoffe. Gele sind relativ weich.
Molekülausschluss-Chromatographie. Bei dieser auch als Gelfiltrations- oder Gelper- Große Moleküle wandern schneller
meationschromatographie bezeichneten Methode werden Moleküle nach ihrer Größe durch die Säule als kleine.
getrennt, wobei die größeren Moleküle das Trennmedium schneller passieren. Im Ge-
618 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

gensatz zu den anderen Arten der Chromatographie gibt es hier im Idealfall des Mole-
külausschlusses keine anziehende Wechselwirkung zwischen der stationären Phase und
dem Analyten. Eine flüssige oder gasförmige mobile Phase bewegt sich durch das poröse
Gel. Die Poren sind klein genug, um große Analytmoleküle auszuschließen, kleine jedoch
nicht. Die großen Moleküle fließen vorbei, ohne in die Poren einzudringen. Die kleineren
Moleküle benötigen mehr Zeit zum Passieren der Säule, da sie in das Gel eintreten und
dadurch ein größeres Volumen durchfließen müssen, ehe sie die Säule verlassen.

Affinitätschromatographie. Bei dieser selektivsten Art der Chromatographie werden


spezifische Wechselwirkungen zwischen einem bestimmten Analyten und einem zweiten
Molekül ausgenutzt, das kovalent an die stationäre Phase gebunden (immobilisiert) ist.
So kann zum Beispiel als immobilisiertes Molekül ein Antikörper für ein bestimmtes
Protein verwendet werden. Wenn eine Mischung aus tausend Proteinen auf eine solche
Säule gegeben wird, wird nur das eine Protein an die stationäre Phase gebunden, das mit
dem Antikörper reagieren kann. Nach dem Auswaschen aller anderen Proteine von der
Säule wird das gesuchte Protein durch Veränderung des pH-Werts oder der Ionenstärke
eluiert.

22.3 Chromatographie aus der Sicht eines Rohrlegers

Volumenfließgeschwindigkeit = Volu- Die Geschwindigkeit der mobilen Phase, die durch die chromatographische Säule strömt,
men des Lösungsmittels, das pro Zeit- wird entweder als Volumenfließgeschwindigkeit oder als lineare Fließgeschwindigkeit
einheit durch die Säule läuft. ausgedrückt. Wir wollen ein flüssigchromatographisches Experiment betrachten, bei dem
Lineare Fließgeschwindigkeit = Strecke, eine Säule mit einem Innendurchmesser von 0.60 cm (Radius ≡ r = 0.30 cm) verwendet
die das Lösungsmittel pro Zeiteinheit wird und die mobile Phase 20 % des Säulenvolumens einnimmt. Jeder Zentimeter Säu-
durchläuft. lenlänge ergibt ein Volumen von (πr2 × Länge) = π(0.30 cm)2 (1 cm) = 0.283 mL, von
denen 20 % (= 0.056 5 mL) durch die mobile Phase (Lösungsmittel) eingenommen wer-
den. Die Volumenfließgeschwindigkeit von z. B. 0.3 mL/min sagt aus, wie viele Milliliter
Lösungsmittel je Minute durch die Säule fließen. Die lineare Fließgeschwindigkeit sagt
aus, wie viele Zentimeter der Säulenlänge in 1 Minute durch das Lösungsmittel passiert
werden. Da 1 cm der Säulenlänge 0.056 5 mL mobile Phase enthalten, würden 0.3 mL
entspechend (0.3 mL)/(0.056 5 mL/cm) = 5.3 cm der Säulenlänge einnehmen. Die den
0.3 mL/min entsprechende lineare Fließgeschwindigkeit beträgt 5.3 cm/min.

Das Chromatogramm
Die aus einer chromatographischen Säule eluierten Analyte werden mit Detektoren regis-
triert, die in späteren Kapiteln beschrieben werden. Ein Chromatogramm ist eine Dar-
stellung des Detektorsignals als Funktion der Elutionszeit. Die Abbildung 22.7 zeigt das
Chromatogramm eines Gemischs aus Oktan, Nonan und einer unbekannten Verbindung,

t'r
tr
Detektorsignal

tm

CH4 Oktan unbekannte Nonan


Abb. 22.7 Schematisches Gaschroma- Injektions- Verbindung
togramm zur Erläuterung der Bestim- zeit
mung von Retentionszeiten. Zeit
22.3 · Chromatographie aus der Sicht eines Rohrlegers 619

das gaschromatographisch getrennt wurde. (Siehe nächstes Kapitel). Die Retentionszeit


tr für jede Komponente ist die Zeit, die nach der Injektion des Gemisches auf die Säule 22
vergeht, bis die Verbindung den Detektor erreicht. Das Retentionsvolumen, Vr , ist das
Volumen, das zur Elution einer bestimmten Verbindung aus der Säule benötigt wird.
Die mobile Phase oder ein nicht zurückgehaltener gelöster Stoff wandern in der mini-
mal möglichen Zeit, tm, durch die Säule. Die reduzierte Retentionszeit, t r, eines Analyten
ist die Zeit, die der Analyt benötigt, um die gesamte Säule zu passieren, korrigiert um die
Zeit der nicht zurückgehaltenen mobilen Phase.

reduzierte Retentionszeit: t r' = t r − t m (22.14)

In der Gaschromatographie wird für tm gewöhnlich die Zeit eingesetzt, die CH4 benötigt,
um die Säule zu passieren (Abbildung 22.7).
Für zwei Komponenten 1 und 2 ist die relative Retention, α (auch Trennfaktor ge-
nannt), das Verhältnis ihrer reduzierten Retentionszeiten

t r2'
relative Retention:  = (22.15)
t r1'

mit t r, 2 >t r, 1, demnach α > 1. Je größer die relative Retention ist, desto besser ist die Tren-
nung der beiden Komponenten. Die relative Retention ist ziemlich unabhängig von der
Fließgeschwindigkeit und kann deshalb zur Peakidentifizierung verwendet werden, wenn
sich die Fließgeschwindigkeit ändert.
Als unkorrigierte relative Retention wird das Verhältnis der unkorrigierten Retentions-
zeiten, γ, bezeichnet
t unkorrigierte relative Retention
unkorrigierte relative Retention: γ = r 2 (22.16)
t r1 Retentionszeit der Komponente 2
=
Retentionszeit der Komponente 1
Die unkorrigierte relative Retention ist der Kehrwert des Verhältnisses der Geschwindig-
Geschwindigkeit der Komponente 1
keiten, mit denen zwei Komponenten wandern. =
Geschwindigkeit der Komponente 2
Für jeden Peak im Chromatogramm ist der Retentionsfaktor k definiert als die erfor-
derliche Zeit für seine Elution abzüglich der Zeit, die für die mobile Phase (tm) benötigt
wird, ausdrückt in Vielfachen von tm
Der Retentionsfaktor wird auch Kapa-
tr − tm
Retentionsfaktor: k = (22.17) zitätsfaktor, Kapazitätsverhältnis oder
tm
Verteilungsverhältnis genannt. Früher
Je länger eine Komponente auf der Säule verweilt, desto größer ist der Retentionsfaktor. wurde er mit k’ statt mit k bezeichnet.
Das Volumen Vm ist erforderlich, um das Lösungsmittel vom Anfang bis zum Ende der
Säule zu bringen. Wenn ein Volumen von 3 Vm benötigt wird, um einen Stoff zu eluieren,
hat dieser den Retentionsfaktor k = 3.

> Beispiel
Retentionsparamater
Ein Gemisch aus Benzen, Toluen und Methan wurde in einen Gaschromatographen injiziert.
Methan erzeugte einen scharfen Peak nach 42 s, Benzen wurde nach 251 s und Toluen nach
333 s eluiert. Bestimmen Sie die reduzierte Retentionszeit und den Retentionsfaktor für je-
den Analyt. Ermitteln Sie auch die unkorrigierte relative Retention für die beiden Analyte.

Lösung Die reduzierten Retentionszeiten sind für


Benzen: t´r = tr – tm = 251 – 42 = 209 s
Toluen: t´r = 333 – 42 = 291 s

Die Retentionsfaktoren berechnen sich zu


t r − tm 252 − 42
Benzen: k= = = 5.0
tm 42
333 − 42
Toluen: k= = 6.9
42
620 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Die relative Retention wird stets als Wert > 1 formuliert:


t r' ( Toluen ) 333 − 42
 = = = 1.39
t r' (Benzen) 251 − 42

Die unkorrigierte relative Retention beträgt


t r 2 ( Toluen ) 333
γ= = =1.33
t r 1 (Benzen) 241

Selbstüberprüfung Ethylbenzen wurde bei 350 s eluiert. Wie groß sind dessen Retenti-
onsfaktor und die Werte der relativen Retention sowie der unkorrigierten relativen Reten-
tion für Ethylbenzen und Toluen? (Ergebnis: 7.33; 1.058; 1.051)

Zusammenhang zwischen Retentionszeit


und Verteilungskoeffizient
Die Definition des Retentionsfaktors in Gleichung 22.17 kann auch folgendermaßen for-
muliert werden

Zeit, die der Analyt in der stationären Phase verbringt


k = (22.18a)
Zeit, die der Analyt in der mobilen Phase verbringt

Wir wollen diese Aussage jetzt beweisen. Wenn sich ein Analyt die gesamte Zeit in der
mobilen und zu keiner Zeit in der stationären Phase aufhält, würde er definitionsgemäß
mit der Zeit tm eluiert. Wenn man tr = tm in Gleichung 22.17 einsetzt, erhält man k = 0,
da der Analyt sich nie in der stationären Phase aufhält. Nun nehmen wir an, dass sich
der Analyt gleich lange in mobiler und stationärer Phase aufhält. Die Retentionszeit wäre
dann tr = 2 tm und k = (2tm – tm)/tm = 1. Verbringt der Analyt dreimal mehr Zeit in der
stationären Phase als in der mobilen, gilt tr = 4tm und k = (4tm – tm)/tm = 3.
Verbringt der Analyt dreimal so viel Zeit in der stationären Phase wie in der mobilen,
befinden sich zu jedem Zeitpunkt dreimal so viele Analytmoleküle in der stationären
Phase im Vergleich zur mobilen Phase. Der Quotient in Gleichung 22.18a entspricht

Zeit, die der Analyt in der stationären Stoffmenge Analyt in der


Phase verbringt stationären Phase
=
Zeit, die der Analyt in der mobilen Stoffmenge Analyt in der
Phase verbringt mobilen Phase

cSVS
k = (22.18b)
cmVm

wobei cs die Konzentration des Analyten in der stationären Phase, Vs das Volumen der
stationären Phase, cm die Konzentration des Analyten in der mobilen Phase und Vm das
Volumen der mobilen Phase sind.
Der Quotient cs/cm ist das Konzentrationsverhältnis des Analyten in der stationären
und der mobilen Phase. Wird die Säule langsam genug betrieben, dass sich nahezu ein
Gleichgewicht zwischen den Phasen einstellen kann, entspricht der Quotient cs/cm dem
Verteilungskoeffizienten K, der im Zusammenhang mit der Lösungsmittelextraktion ein-
geführt wurde. Wir stellen deshalb Gleichung 22.18b folgendermaßen um
Beziehung zwischen Retentionszeit und Verteilungskoeffizient:
C
Verteilungskoeffizient = K = s VS Gl. 22-17
tr − tm t'
Cm k = K = = r (22.19)
Vm tm tm

und erhalten damit die Beziehung zwischen Retentionszeit zum Verteilungskoeffizienten


und den Volumina von stationärer und mobiler Phase. Wegen t’r ∝ k’ ∝ K, kann die rela-
tive Retention auch so formuliert werden
22.3 · Chromatographie aus der Sicht eines Rohrlegers 621

t r, 2 k2 K 2
Relative Retention:  = = = (22.20) Physikalische Grundlage der Chromato-
t r, 1 k1 K1 graphie: 22
Das bedeutet, dass die relative Retention zweier Analyte proportional zum Verhältnis Je größer das Verhältnis der Vertei-
ihrer Verteilungskoeffizienten ist. Diese Aussage bildet die physikalische Grundlage zum lungskoeffizienten zwischen mobiler
Verständnis des Prinzips der Chromatographie. und stationärer Phase ist, desto besser
ist die Trennung zwischen zwei Verbin-
> Beispiel dungen eines Gemisches.
Retentionszeit und Verteilungskoeffizient
Im vorangegangenen Beispiel gab Methan bei 42 s einen scharfen Peak, während Benzen
nach 251 s eluierte. Die Kapillarchromatographiesäule hat einen Innendurchmesser von
250 μm und an der Wandinnenseite eine 1.0 μm dicke Schicht der stationären Phase.
Ermitteln Sie den Verteilungskoeffizienten (K = cs/cm) für Benzen zwischen stationärer
und mobiler Phase und bestimmen Sie den Zeitanteil, den Benzen in der mobilen Phase
verbringt.

Lösung Zuerst müssen die relativen Volumina von stationärer und mobiler Phase berech-
net werden. Die Säule ist eine offene Kapillare mit einer dünnen Schicht stationärer Phase
auf der Innenwand.
Säulenwand
Querschnittsfläche der Säule = πr12 =
Innendurchmesser
248 μm 250 μm π(124)2 = 4.83 × 104 μm2

1-μm-Schicht der Querschnittsfläche der Beschichtung ≈


stationären Phase
2πr2 × Dicke = 2π(124.5) × (1.0) = 7.8 × 102 μm2

Radius der freien Öffnung r1 = 124 μm – Radius bis zur Mitte der stationären Phase r2 =
124.5 μm
Die relativen Volumina der Phasen sind proportional zu den relativen Querschnittsflä-
chen der Phasen. Es gilt deshalb Vs/Vm = (7.8 × 102 μm2)/(4.83 × 104 μm2) = 0.016 1. Im vor-
hergehenden Beispiel haben wir für den Retentionsfaktor für Benzen gefunden:

t r − tm 251 − 42
k = = = 5.0
tm 42

Wird dieser Wert nun in Gleichung 22-19 eingesetzt, erhalten wir den Verteilungskoeffizi-
enten:
V
k = K s ⇒ 5.0 = K ( 0.0161) ⇒ K = 310
Vm
Um den Zeitanteil für den Aufenthalt in der mobilen Phase zu ermitteln, werden die Glei-
chungen 22.17 und 22.18a verwendet:

Zeit in stationärer Phase t − tm t


k = = r = s ⇒ t s = kt m
Zeit in mobiler Phase tm tm

wobei ts die Zeit in der stationären Phase ist. Der Zeitanteil in der mobilen Phase beträgt
tm tm 1 1
Anteil der Zeit in mobiler Phase = = = = = 0.17
ts + t m kt m + t m k +1 5.0 + 1

Selbstüberprüfung Ermitteln Sie den Verteilungskoeffizienten für Toluen (tr = 333 s) und
stellen Sie fest, mit welchem Zeitanteil sich Toluen in der mobilen Phase befindet. (Ergebnis: Da Volumen und Zeit proportional
430, 0.13) sind, kann jede als Verhältnis von Zei-
ten formulierte Gleichung auch als das
Das Retentionsvolumen Vr ist das Volumen der mobilen Phase, das zur Elution eines be- entsprechende Verhältnis von Volu-
stimmten Analyten von der Säule notwendig ist: mina geschrieben werden, z. B.

Retentionsvolumen: Vr = t r ⋅ uv t r − tm V − Vm
(22.21) k = = r
tm Vm
wobei uv die Volumenfließgeschwindigkeit (Volumen pro Zeiteinheit) der mobilen Phase
ist. Das Retentionsvolumen eines bestimmten Analyten ist über einen weiten Bereich der mit Vr, dem Retentionsvolumen des
Fließgeschwindigkeiten konstant. gelösten Stoffs.
622 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Regeln für einen Scale-up: Scale-up (Maßstabsvergrößerung)


▬ Halten Sie die Säulenlänge
konstant Im Allgemeinen wird die Chromatographie für analytische Zwecke (Trennung, Identifi-
▬ Querschnittsfläche der zierung oder Bestimmung der Komponenten einer Mischung) oder für präparative Zwe-
Säule ∝ Analytmasse: cke (Reinigung von größeren Mengen einer Komponente in einem Gemisch) verwendet.
2 Die analytische Chromatographie wird gewöhnlich in dünnen Glassäulen durchgeführt,
Masse2 ⎛ Radius2 ⎞
=⎜ ⎟ in denen gute Trennungen möglich sind. In der präparativen Chromatographie werden
Masse1 ⎜⎝ Radius1 ⎟⎠
dickere Säulen verwendet, die höher beladen werden können (Abbildung 22.8)10. Die prä-
(Das Symbol ∝ bedeutet parative Chromatographie ist besonders in der pharmazeutischen Industrie von Bedeu-
„ist proportional zu“ tung, in der man sich die hohen Kosten der Substanztrennung, z. B. der optischen Isomere
▬ Beibehaltung einer konstanten von Arzneimitteln leistet (Exkurs 23.1).
linearen Fließgeschwindigkeit: Nehmen wir an, dass Sie eine Vorschrift zur Trennung von 2 mg eines Gemisches auf
2 einer Säule mit 1.0 cm Durchmesser ausgearbeitet haben. Welche Größe müsste dann
Volumenfluss2 ⎛ Radius2 ⎞
=⎜ ⎟ eine Säule haben, wenn wir 20 mg des Gemisches trennen wollten? Der direkteste Weg
Volumenfluss1 ⎜⎝ Radius1 ⎟⎠
zu einem maßstabgerechten Up-scale wäre die Vergrößerung des Querschnittes der Säule
▬ Auf die Säule gebrachtes Probe- unter Beibehaltung der Säulenlänge, um auf diese Weise das Verhältnis von Probenmasse
volumen ∝ Analytmasse zu Säulenvolumen konstant zu halten. Da die Querschnittsfläche gleich πr2 beträgt (mit r
▬ Wenn die Säulenlänge geändert als Säulenradius), wird der gesuchte Säulendurchmesser gegeben durch die
wird, kann die Probemasse pro- 2
portional zur Gesamtlänge erhöht große Masse ⎛ großer Säulenradius ⎞
Gleichung für Maßstabsvergrößerung: =⎜ ⎟ (22.22)
werden. kleine Masse ⎝ kleiner Säulenradius ⎠
2
20 mg ⎛ großer Säulenradius ⎞
=⎜ ⎟
2 mg ⎝ 0.50 cm ⎠
großer Säulenradius = 1.58 cm

Eine Säule mit einem Durchmesser von etwa 3 cm wäre geeignet.


Um die Bedingungen der kleinen auf die große Säule übertragen zu können, sollte die
lineare Fließgeschwindigkeit (nicht die Volumenfließgeschwindigkeit) konstant gehalten
werden. Da die Fläche (und dadurch auch das Volumen) der großen Säule in diesem Bei-
spiel zehnmal größer als die der kleinen Säule ist, muss die Volumenfließgeschwindigkeit
zehnmal höher sein, um die lineare Fließgeschwindigkeit konstant zu halten. Besitzt die
kleine Säule eine Volumenfließgeschwindigkeit von 0.3 mL/min, sollte die große Säule bei
3 mL/min betrieben werden.
Die Masse einer Probe (g), die in der präparativen Chromatographie auf einer Um-
kehrphasen-Säule auf der Basis von Silikagel (Seite 682) bearbeitet werden kann, beträgt
grob
Säulenkapazität (g) ≈ (2.2 × 10-7) Ldc2σg,
mit L, der Säulenlänge in mm, dc, dem Säulendurchmesser in mm und σg, der Oberfläche
(m2) pro g stationärer Phase.11 Für L = 250 mm, dc = 50 mm und σg = 200 m2/g kann eine
Säulenkapazität von (2,2 × 10–7)(250)(50)2(200) = 28 g abgeschätzt werden. Bei dieser
Rechnung wird angenommen, dass der Analyt in Form einer breiten Bande das gesamte
Säulenvolumen einnimmt. Damit ist das sicher ein oberer Grenzwert. Wenn die Bande
nur 20 % der Säule einnehmen soll, um Platz für die Chromatographie zu haben, beträgt
die einzusetzende Masse (0.2)(28 g) = 5.6 g.

22.4 Effizienz einer Trennung

Zwei Faktoren bestimmen maßgeblich die Qualität der Trennung von Verbindungen in
Abb. 22.8 Mit einer präparativen der Chromatographie. Der erste ist der Unterschied in den Elutionszeiten zwischen den
Chromatographie-Säule im industriel- Peaks: je weiter diese auseinanderliegen, desto besser ist die Auftrennung. Der zweite
len Maßstab kann ein kg eines Stoffs Faktor ist die Peakbreite: je breiter die Peaks sind, desto schlechter wird die Auftrennung.
gereinigt werden. Das Säulenvolumen
beträgt 300 L. [Freundlicherweise von
Haben wir im vorangegangenen Abschnitt den Zusammenhang zwischen Verteilungsko-
Prochrom, Inc., Indianapolis, IN, zur Ver- effizient und Elutionszeit betrachtet, wenden wir uns jetzt den Faktoren zu, welche die
fügung gestellt.] Peakbreite in der Chromatographie bestimmen.
22.4 · Effizienz einer Trennung 623

Auflösung
22
Die durch eine chromatographische Säule wandernden Analyte führen zur Ausbildung
gaußförmiger Peakprofile mit der Standardabweichung σ (Abbildung 22.9). Je länger sich
ein Stoff in der Säule befindet, desto breiter wird diese Bande. Die üblichen Maßanga-
ben der Peakbreite sind (1) die Breite w1/2 bei halber Peakhöhe und (2) die Breite w an
der Basislinie zwischen den Schnittpunkten der Tangenten am steilsten Peakteil mit der
Grundlinie. Mit dem analytischen Ausdruck für einen Gauß-Peak (Gleichung 4.3) kann
man zeigen, dass w1/2 = 2.35σ und w = 4σ ist.
In der Chromatographie ist die Auflösung zweier Peaks definiert als

Δt r ΔVr 0.589Δt r
Auflösung: Auflösung = = = (22.23)
wav wav w1/2av

Δtr oder ΔVr ist der Abstand zwischen den Peaks (in Zeit- oder Volumeneinheiten) und
wav die mittlere Breite der zwei Peaks in entsprechenden Einheiten. (Die Peakbreite wird
an der Basis gemessen, wie in Abbildung 22.9 dargestellt.) Im letzten Term der Gleichung
22.23 wird als Alternative w1/2av verwendet. Die Breite bei halber Peakhöhe wird am
häufigsten verwendet, da sie am einfachsten zu messen ist. In Abbildung 22.10 wird die
Überlappung von zwei Peaks mit unterschiedlicher Auflösung gezeigt. Für die quantita-
tive Analyse ist eine Auflösung >1.5 sehr wünschenswert.

> Beispiel
Bestimmung der Auflösung
Der Peak eines Analyten mit einer Retentionszeit von 407 s hat bei halber Peakhöhe eine
Breite von 7.6 s. Ein benachbarter Peak wird 17 s später mit w1/2 = 9.4 s eluiert. Bestimmen
Sie die Auflösung für diese beiden Verbindungen.

Lösung
0.589 Δ tr 0.589 (17 s)
Auflösung = = = 1.18
w1/2av 1 / 2 (7.6 s + 9.4 s )
Selbstüberprüfung Welche Differenz der Retentionszeiten ist für eine ausreichende Auf-
lösung von 1.5 erforderlich? (Antwort: 21.6 s)

t r or Vr
Detektorsignal

Wendepunkt
(steilster Kurventeil) σ σ

w1/2 = 2.35σ h

1
h
2

w = 4σ

t=0 Zeit oder Volumen


(Injektion)

Abb. 22.9 Die idealisierte Gauß-Kurve eines Chromatogramms zeigt, wie w und w1/2 gemessen
werden. Der Wert von w wird durch Extrapolation der Tangenten an den Wendepunkten aus deren
Schnittpunkten mit der Basislinie ermittelt.
624 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren



Auflösung Auflösung
= 0.50 = 0.75
Signal
ignal

Signal
4σ 6σ

Auflösung
= 1.00 Auflösung
= 1.50
Signal

Signal
Zeit Zeit

Abb. 22.10 Auflösung von gaußförmigen Peaks gleicher Fläche und Höhe. Die gestrichelten Linien
zeigen die einzelnen Peaks und die durchgezogenen die Summe beider Peaks. Die überlappenden
Flächen sind schraffiert dargestellt.

Diffusion
Die Bande eines Analyten verbreitert sich, wenn sie durch eine chromatographische Säule
wandert (Abbildung 22.11). Im Idealfall erscheint nach der Injektion einer unendlich
schmalen Bande am Eingang der Säule am Säulenausgang ein Peak mit Gauß-Form. Un-
ter weniger idealen Umständen wird die Bande asymmetrisch.
Ein Hauptgrund für die Bandenverbreiterung ist die Diffusion. Darunter versteht
man den Stofftransport eines gelösten Stoffs aus einem Gebiet hoher Konzentration in
ein Gebiet mit niedriger Konzentration, der auf der Zufallsbewegung der Moleküle be-
ruht. Die Abbildung 22.12 zeigt die zufällige Bewegung der Moleküle durch Brownsche
Molekularbewegung eines fluoreszierenden Nano-Teilchens in einem mikroskopischen
Wassertropfen. Das Teilchen wird von Wassermolekülen gestoßen, die sich in zufällige
Richtungen und mit zufälligen Geschwindigkeiten bewegen. Die Änderungen der x- und
y-Koordinaten des Teilchens in aufeinanderfolgenden Intervallen gehorchen einer Gauß-
verteilung.
Der Diffusionskoeffizient charakterisiert die Geschwindigkeit, mit der sich eine
Substanz zufällig aus einem Gebiet hoher Konzentration in ein Gebiet mit niedriger Kon-
zentration bewegt. Abbildung 22.13 zeigt die Bewegung eines Analyten durch eine Ebene
mit dem Konzentrationsgradienten dc/dx. Die Stoffmenge, die jeden Quadratmeter pro
Sekunde passiert, wird als Diffusionsfluss (J) bezeichnet und ist zum Konzentrationsgra-
dienten proportional:
⎛ mol ⎞ dc
Die Gleichung 22.24 wird als erstes Definition des Diffusionskoeffizienten: Diffusionsfluss ⎜ 2 ⎟ ≡ J = −D (22.24)
Ficksches Gesetz der Diffusion bezeich- ⎝ms⎠ dx
net. Wird die Konzentration in mol/m3 Die Proportionalitätskonstante D ist der Diffusionskoeffizient. Das negative Vorzei-
angegeben, hat D die Einheit m²/s. chen ist notwendig, da der Nettofluss von der Region hoher Konzentration zur Re-
gion niedriger Konzentration stattfindet. Die Tabelle 22.1 zeigt, dass die Diffusion in
Flüssigkeiten um den Faktor 104 langsamer als in Gasen ist. Makromoleküle, wie z. B.
Ribonuclease und Albumin, diffundieren zehn- bis hundertmal langsamer als kleine
Moleküle.
22.4 · Effizienz einer Trennung 625

Säule

Start
22

Konzentrationsprofil
a
Abb. 22.11 a) Schematische Darstellung
der Verbreiterung einer anfänglich schar-
fen Bande des Analyten bei seiner Wan-
derung durch eine chromatographische
Detektorsignal

3s Säule. b) Experimentell beobachtete Dif-

Detektor-
fusionsverbreiterung einer Bande nach 2

signal
und 26 Minuten in einer Säule für Kapil-
larelektrophorese. c) Vergrößerte Ansicht
der Gauß-Kurve nach 26 Minuten. [M. U.
Musheev, S. Javaherian, V. Okhonin und
1.5 2.0 26.0 26.5 S. N. Krylov, „Diffusion as Tool of Measur-
Zeit
Zeit (min) ing Temperature Inside a Capillary“, Anal.
b c Chem. 2008, 80, 6752.]

0.2
Wahrscheinlichkeit

0.1

0
−2 −1 0 1 2 −2 −1 0 1 2
x Schrittlänge (μm) y Schrittlänge (μm)

Abb. 22.12 Brownsche Bewegung eines fluoreszierenden Teilchens (Durchmesser 290 nm) in einem
Wassertropfen (Durchmesser 20 μm) in 155-ms-Intervallen. Die Histogramme zeigen Δx und Δy für
jeden Schritt in 800 Photos. Die geglättete Kurve ist eine Anpassung an eine Gauß-Kurve. [J. C. Gadd,
C. L. Kuyper, B. S. Fujimoto, R. W. Allen und D. T. Chiu, „Sizing Subcellular Organelles and Nanoparticles
Confined Within Aqueous Droplets“, Anal. Chem. 2008, 80, 3450.]

Wenn der Analyt seine Reise durch die Säule in einer unendlich schmalen Zone
mit m Molen pro Querschnittsflächeneinheit der Säule beginnt und sich während der
Wanderung durch Diffusionsmechanismen verbreitert, wird das Gauß-Profil der Bande
beschrieben durch
Verbreiterung einer chromatographischen Bande durch Diffusion:
m − x / 4 Dt 2
c = e ( ) (22.25)
4 Dt
wobei c die Konzentration (mol/m3), t die Zeit und x der Abstand vom Zentrum der Bandenbreite ∝ t . Wenn die Elutions-
Bande längs der Säule sind. (Für das Bandenzentrum gilt in dieser Gleichung stets x = 0.) zeit vervierfacht wird, verdoppelt sich
Ein Vergleich von Gleichung 22.25 mit Gleichung 4.3 für die Gauß-Kurve liefert die Stan- die Breite der Bande.
dardabweichung der Bande:
Standardabweichung einer Bande:  = 2Dt (22.26)
626 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Hohe niedrige
Konzentration Konzentration Tabelle 22.1 Repräsentative Diffusionskoeffizienten bei 298 K

Analyt Lösungsmittel Diffusionskoeffizient (m²/s)

H2O H2O 2.3 × 10–9


Fluss = J
Sucrose H2O 0.52 × 10–9
Mol pro m2
pro Sekunde Glycin H2O 1.1 × 10–9

CH3OH H2O 1.6 × 10–9

Ribonuclease (FM 13 700) H2O (293 K) 0.12 × 10–9

Serumalbumin (FM 66 000) H2O (293 K) 0.059 × 10–9


Position = x x + dx
Konzentration = c c – dc I2 Heptan 4.0 × 10–9

CCl4 Heptan 3.2 × 10–9


Abb. 22.13 Der Fluss von Molekülen, der
durch eine Flächeneinheit diffundiert, ist N2 CCl4 3.4 × 10–9
zum Konzentrationsgradienten und zum
Diffusionskoeffizienten proportional: J = CS2 (g) Luft (293 K) 1.0 × 10–5
–D(dc/dx).
O2 (g) Luft (273 K) 1.8 × 10–5

H+ H2O 9.3 × 10–9

OH- H2O 5.3 × 10–9

Li+ H2O 1.0 × 10–9

Na+ H2O 1.3 × 10–9

K+ H2O 2.0 × 10–9

Cl– H2O 2.0 × 10–9

I– H2O 2.0 × 10–9

Bodenhöhe: ein Maß der Säuleneffizienz


ux= lineare Fließgeschwindigkeit Gleichung 22.26 besagt, dass die Standardabweichung für die diffusionsbedingte Banden-
(Strecke/Zeit) verbreiterung 2Dt ist. Wenn der Analyt eine Strecke x bei einer linearen Fließgeschwin-
uv =Volumenfließgeschwindigkeit digkeit ux (m/s) zurückgelegt hat, beträgt die auf der Säule verbrachte Zeit t = x/ux. Es gilt
(Volumen/Zeit) deshalb
x ⎛ 2D ⎞ 2D
σ 2 = 2 Dt = 2 D = ⎜⎜ ⎟⎟ x = Hx ≡ Bodenhöhe H
ux ⎝ u x ⎠ ux
Bodenhöhe: H =  2 / x (22.27)
Als Teenager hat A. J. P. Martin, der Die Bodenhöhe, H, ist die Proportionalitätskonstante zwischen der Varianz, σ2, der
Miterfinder der Verteilungschromato- Bande und der von ihr zurückgelegten Strecke, x. Der Name wurde aus der Theorie der
graphie, Destillationskolonnen mit ein- Destillation übernommen, bei der die Trennung in diskreten Abschnitten, Böden ge-
zelnen Abschnitten (Böden) aus Kaf- nannt, abläuft. Die Bodenhöhe wird auch als Höhenäquivalent eines theoretischen Bodens
feedosen gebastelt. (Wir wissen nicht, (height equivalent to a theoretical plate – HETP) bezeichnet. Sie entspricht ungefähr der
was er destilliert hat!) Als er die Theorie Säulenlänge, in der sich einmal das Gleichgewicht des Analyten zwischen mobiler und
der Verteilungschromatographie aus- stationärer Phase einstellt. Dieses Konzept wird später in Exkurs 22.2 untersucht. Je klei-
arbeitete, verwendete er Begriffe aus ner die Stufenhöhe ist, um so schmaler ist die Bande.
der Destillationstheorie. Die Fähigkeit einer Säule zur Trennung der Komponenten eines Gemisches wird
durch Verringerung der Bodenhöhe verbessert. Eine effiziente Säule besitzt mehr the-
oretische Böden als eine weniger effiziente Säule. Unterschiedliche, die gleiche Säule
durchlaufende Analyte, besitzen unterschiedliche Bodenhöhen, da sie unterschiedliche
Kleine Bodenhöhe ⇒ schmale Diffusionskoeffizienten haben. In der Gaschromatographie liegen die Bodenhöhen in der
Peaks ⇒ bessere Trennung Größenordnung von ∼0.1 bis 1.0 mm. In der hochauflösenden Flüssigchromatographie
sind die Bodenhöhen ∼10 μm und in der Kapillarelektrophorese <1 μm.
22.4 · Effizienz einer Trennung 627

Die Bodenhöhe ist die Länge σ2/x, wobei σ die Standardabweichung der Gaußbande
in Abbildung 22.9 und x die in der Säule zurückgelegte Strecke ist. Für die aus der Säule 22
mit der Länge L austretenden Analyte ist die Zahl der theoretischen Böden (N) in der
gesamten Säule definiert als Länge L der Säule dividiert durch die Bodenhöhe:
L Lx L2 16L2
N = = 2 = 2 =
H   w2
da x = L und σ = w/4 sind. In diesem Ausdruck hat w die Einheit einer Länge und die
Zahl theoretischer Böden ist dimensionslos. Wenn wir L und w (oder σ) in Einheiten der
Zeit anstatt der Länge ausdrücken, bleibt N weiterhin dimensionslos. Wir erhalten damit
einen sehr nützlichen Ausdruck für N

16t r2 ⎛ t2 ⎞ Wählen Sie einen Peak mit einem


Bodenzahl der Säule: N = = ⎜ r2 ⎟ (22.28a)
⎝ ⎠
2
w Retentionsfaktor größer als 5 für die
Bestimmung der Bodenhöhe einer
wobei tr die Retentionszeit des Peaks und w die Basisbreite (siehe Abbildung 22.9) in Säule.
Zeiteinheiten sind. Verwenden wir die Peakbreite in halber Höhe anstelle der Basisbreite,
erhalten wir
5.55t r2 Aufgabe Beweisen Sie, dass bei kon-
Bodenzahl der Säule: N = 2
(22.28b) stantem N die Breite eines chromato-
w1/2
graphischen Peaks proportional mit
steigender Retentionszeit wächst. Dies
> Beispiel bedeutet, dass aufeinanderfolgende
Bestimmung von Bodenzahl und Bodenhöhe Peaks in einem Chromatogramm zu-
Ein Analyt mit einer Retentionszeit von 407 s hat an der Basis eine Peakbreite von 13 s auf nehmend breiter werden müssen.
einer 12.2 m langen Säule. Bestimmen Sie die Bodenzahl und die Bodenhöhe.

Lösung
16 ⋅ 4072
N = = 1.57 × 10 4
132
L 12.2 m
H = = = 0.78 mm
N 1.57 × 10 4

Selbstüberprüfung Für den gleichen Peak beträgt die Breite in halber Höhe w1/2 7.6 s. Wie
groß ist die Bodenhöhe? (Lösung: 0.77 mm)

Um die Zahl theoretischer Böden für den asymmetrischen Peak in Abbildung 22.14 zu
ermitteln, wird eine horizontale Linie durch die Bande bei einem Zehntel der maximalen
Peakhöhe gezogen. Darauf werden die Größen A und B gemessen und die Anzahl der
Böden ergibt sich zu12
Alle Größen müssen in gleichen Einhei-
2
41.7 (t r / w0.1 ) ten gemessen werden, z. B. Minuten
N ≈ (22.29)
( A / B + 1.25 ) oder Zentimeter des Schreiberpapiers.

wobei w0.1 die Peakbreite (= A + B) bei einem Zehntel der maximalen Höhe ist.
Detektorsignal

9
10

B A
1
10 Abb. 22.14 Asymmetrischer Peak mit
tr den Parametern zur Bestimmung der
Zeit Zahl theoretischer Böden.
628 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Wodurch die Auflösung beeinflusst wird


unkorrigierte relative Retention: Für zwei eng benachbarte, symmetrische Peaks besteht zwischen der Bodenzahl und der
u
γ= A = B
t Auflösung folgende Beziehung13:
uB t A
uA, uB = lineare Fließgeschwindigkeiten N
der Komponenten A und B
Auflösung = (γ −1) (22.30)
4
tA, tB = Retentionszeiten der Kompo-
nenten A und B mit N, der Zahl der theoretischen Böden, und γ, der unkorrigierten relativen Retention
aus Gleichung 22.16. Für die Retentionszeiten tA =341s und tB = 348 s ist γ = 348/341 =
Auflösung ∝ N ∝ L 1.021.
Eine wichtige Aussage der Gleichung 22.30 besteht darin, dass die Auflösung propor-
tional zu N ist. Deshalb führt eine Verdopplung der Säulenlänge zu einem Anstieg der
Auflösung um den Faktor 2. Die Abbildung 22.15 zeigt den Einfluss der Säulenlänge auf
die Trennung von L-Phenylalanin von L-Phenylalanin-D5, bei dem der Phenylring fünf
Deuteriumatome trägt. Die Mischung wurde wiederholt mit einem raffinierten Ventilsys-
tem durch ein Säulenpaar geschickt. Nach dem ersten Durchgang in der Abbildung 22.15
sind die Peaks kaum getrennt. Nach 15 Durchläufen wurde eine Basislinientrennung
erreicht. Das kleine Bild zeigt, dass das Quadrat der Auflösung zur Zahl der Durchläufe
proportional ist, wie Gleichung 22.30 vorhersagt.
Gleichung 22.30 sagt auch, dass die Auflösung zunimmt, wenn die unkorrigierte rela-
tive Retention γ steigt. Ihr Wert ist die relative Geschwindigkeit, mit der sich die beiden
Komponenten durch die Säule bewegen. Zur Veränderung der relativen Geschwindigkeit
kann man in der Gaschromatographie die stationäre Phase und in der Flüssigkeitschro-
matographie entweder die stationäre oder die mobile Phase wechseln. Wichtige Gleichun-
gen der Chromatographie sind in der Tabelle 22.2 zusammengestellt.

Tabelle 22.2 Zusammenfassung chromatographischer Gleichungen

Größe Gleichung Parameter

Verteilungskoeffizient K = cs/cm cs = Analytkonzentration in der stationären Phase


cm = Analytkonzentration in der mobilen Phase

Reduzierte Retentionszeit t r, = tr − tm tr = Retentionszeit des Analyten


tm = Retentionszeit einer nicht retardierten Verbindung

Retentionsvolumen Vr = tr ⋅ uv uv = Volumenfließgeschwindigkeit = Volumen pro Zeiteinheit

Retentionsfaktor k = t r, /tm = KVs/Vm Vs = Volumen der stationären Phase


k = ts/tm Vm = Volumen der mobilen Phase
ts = Zeit, die der Analyt in der stationären Phase verbringt
tm = Zeit, die der Analyt in der mobilen Phase verbringt

Relative Retention t r2, k K die Indices 1 und 2 kennzeichnen zwei verschiedene Analyte
α= = 2= 2
t r1, k1 K 1

Unkorrigierte relative Retention t r2 t2 = Retentionszeit des Analyten 2


γ= (γ >1)
t r1 t1 = Retentionszeit des Analyten 1

Bodenzahl 16tr2 5.55tr2 w = Peakbreite an der Basis


N= = 2 w1/2 = Peakbreite auf halber Höhe
w2 w1/2

Bodenhöhe σ2 L σ = Standardabweichung der Bande


H= =
x N x = Strecke, die vom Zentrum der Bande aus zurückgelegt wurde
L = Länge der Säule
N = Stufenzahl der Säule

Auflösung Δtr Δ V r Δtr = Differenz der Retentionszeiten


Auflösung = =
wav wav ΔVr = Differenz der Retentionsvolumina
wav = mittlere Peakbreite, gemessen an der Peakbasis in gleichen
N Einheiten wie im Zähler (Zeit oder Volumen)
Auflösung = (γ −1) N = Bodenzahl
4
γ = unkorrigierte relative Retention
22.5 · Warum Banden breiter werden 629

n=1 4
22

(Auflösung)2
3

Abb. 22.15 Trennung von 0.5 mM L-Phe-


2
2 nylalanin und 0.5 mM L-Phenylalanin-D5
Detektorsignal

durch wiederholte Durchläufe durch ein


3 Phe-D5 Paar Hypersil C8 Flüssigchromatogra-
1
4 Phe phie-Säulen (25 cm × 4.6 mm). Das Elu-
Anzahl der Durchläufe
5 tionsmittel war 10:90 Acetonitril:Wasser,
5 10 15 letzteres enthielt 25 mM Na2SO4 und
10 0.1 % Trifluoressigsäure. Die relative
15 Retention beim ersten Durchlauf ist
α = 1.03. [K. Lan und J. W. Jorgensen,
„Pressure Induced Retention Variations in
Reversed-Phase Alternate-Pumping Re-
cycle Chromatography“, Anal.Chem.1998,
Anzahl der Säulendurchläufe (n) 70, 2773.]

> Beispiel
Bodenzahl für eine gewünschte Auflösung
Zwei Analyte haben eine unkorrigierte relative Retention von γ = 1.06. Wie viele Böden sind
erforderlich, um eine Auflösung von 1.5 oder 3.0 zu erreichen? Wie lang muss die Säule für eine
Auflösung von 1.5 sein, wenn die Bodenhöhe in der Gaschromatographie 0.5 mm beträgt?

Lösung Wir verwenden dazu Gleichung 22.30:


2
N ⎛ 4 (1.5) ⎞
Auflösung =1.5 = ( γ −1) ⇒ N = ⎜ ⎟ = 1.0 × 104 Böden
4 ⎜ 1.06 − 1 ⎟
⎝ ⎠
Eine Verdopplung der Auflösung auf 3.0 erfordert die vierfache Bodenzahl = 4.0 × 104 Böden.
Für die Auflösung 1.5 ist die benötigte Säulenlänge (0.5mm/Boden)(1.0 × 104 Böden) = 5 m.

Selbstüberprüfung Welche Säulenlänge in der Flüssigkeitschromatographie ergibt eine


Auflösung von 1.5, wenn γ = 1.06 und H = 3 μm betragen? (Antwort: 3.0 cm)

22.5 Warum Banden breiter werden14

Die Bande eines Analyten wird während ihrer Wanderung durch die Säule gleichbleibend
verbreitert (Abbildung 22.11) und erscheint am Detektor mit einer Standardabweichung
σ. Jeder zur Verbreiterung beitragende einzelne Mechanismus erzeugt eine Standardab-
weichung σi. Die beobachtete Varianz (σ2beob) einer Bande ist die Summe der Varianzen
aller beitragenden Mechanismen:
Die Varianz verhält sich additiv, die
Die Varianz ist eine Summe:  beob
2
=  12 +  22 +  32 +  = ∑ i2 (22.31)
Standardabweichung jedoch nicht.

Verbreiterung außerhalb der Säule


Der Analyt kann nicht in einer unendlich schmalen Zone auf die Säule aufgegeben wer-
den. Dadurch besitzt die Bande bereits bevor der Analyt auf die Trennstrecke kommt, eine
gewisse Breite. Auch einige Faktoren außerhalb der Säule tragen zur Bandenverbreiterung
bei. Wenn die Bande in einem scharf abgegrenzten Pfropfen mit der Breite Δt (gemessen
in Zeiteinheiten) aufgegeben wird, ist der Beitrag zur Varianz der endgültigen Banden-
breite: 2
(Δt)
Varianz auf Grund der Injektion oder Detektion:  Injektion =  Detektion =
2 2
(22.32)
12
630 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Eine analoge Beziehung gilt für die Verbreiterung an einem Detektor, da eine Zeit Δt er-
forderlich ist, in der die Probe den Detektor passiert. In manchen Fällen ist die Detektion
auf der Säule (on-column) möglich, wodurch sich die Bandenverbreiterung beim Passie-
ren einer separaten Detektorzelle eliminieren lässt.

> Beispiel
Bandenverbreiterung vor und nach der Säule
Eine von einer Säule mit einer Geschwindigkeit von 1.35 mL/min eluierte Bande besitzt eine
Peakbreite in halber Höhe von 16.3 s. Die Probe wurde als scharfe Zone in einem Volumen
von 0.30 mL aufgegeben und das Detektorvolumen beträgt 0.20 mL. Ermitteln Sie die Va-
rianzen, die durch Injektion und Detektion erzeugt werden. Welche Peakbreite bei halber
Höhe (w1/2) würde auftreten, wenn die Bandenverbreiterung nur innerhalb der Säule statt-
findet?

Lösung Aus Abbildung 22.9 können wir entnehmen, dass die Peakbreite bei halber Höhe
gleich w1/2 = 2.35σ ist. Die beobachtete Gesamtvarianz ist deshalb
2 2
⎛w ⎞ ⎛ 16.3 ⎞
 beob
2
= ⎜ 1/2 ⎟ = ⎜ ⎟ = 48.11 s
2

⎝ 2.35 ⎠ ⎝ 2.35 ⎠

Die Injektionsdauer ist Δtinj = (0.30 mL)/(1.35 mL/min) = 0.222 min = 13.3 s. Deshalb ist
Δt inj
2
13.32
 inj
2
= = = 14.81 s2
12 12

Analog ist die im Detektor verbrachte Zeit Δtdet = (0.20 mL)/(1.35 mL/min) = 8.89 s und σdet2
= (Δt)det2/12 = 6.58 s2. Die beobachtete Varianz setzt sich zusammen aus
 beob
2
=  2Säule +  2inj +  2det
48.11 =  Säule
2
+ 14.81 + 6.58 ⇒  Säule = 5.17 s

Die Peakbreite, die nur durch Säuleneffekte bedingt ist, beträgt w1/2 = 2.35 σSäule = 12.1 s.
Die Säuleneffekte erzeugen damit etwa ¾ der gemessenen Peakbreite.

Selbstüberprüfung Wie groß ist w1/2, wenn das Injektionsvolumen auf 0.15 mL gesenkt
wird? (Antwort: 14.3 s)

Die denkbar schlechteste Bandenverbreiterung findet in den großen Totvolumina


am Säulenende einiger veralteter Laborchromatographiesäulen statt, bei denen sich
jeder neue Tropfen mit einem beträchtlichen Teil des vorher ausgetretenen Eluatvolu-
men vermischt. Um die Bandenverbreiterung zu verringern, sollten Totvolumina und
Schlauchlängen minimiert werden. Die Proben sollten einheitlich in schmalen Zonen
aufgegeben werden und ohne vorherige Vermischung mit dem Eluenten auf die Säule
gelangen.

Gleichung für die Bodenhöhe


Die Bodenhöhe, H, ist proportional zur Varianz einer chromatographischen Bande (Glei-
chung 22.27): Je kleiner die Bodenhöhe ist, desto schmaler ist die Bande. Die van-Deem-
ter-Gleichung zeigt, wie die Säuleneffekte (Injektor und Detektor sind nicht einbezogen)
und die Fließgeschwindigkeit die Bodenhöhe beeinflussen:
Gepackte Säulen: A, B, C ≠ 0
Offene Kapillarsäulen: A = 0 B
van-Deemter-Gleichung für die Bodenhöhe: H ≈ A+ + Cux (22.33)
Kapillarelektrophorese: A = C = 0 ux

wobei ux die lineare Fließgeschwindigkeit und A, B und C Konstanten für die gegebene
Säule sind. Die Konstanten beruhen auf: A – zusätzlicher Weg; B – Longitudinaldiffu-
sion; C – Zeit für die Gleichgewichtseinstellung. Bei Veränderungen der Säule und der
stationären Phase ändern sich A, B und C. Die van-Deemter-Gleichung zeigt, dass es Me-
22.5 · Warum Banden breiter werden 631

10

9
22

7
Bodenhöhe (mm)

B
5 A+ + Cu x
ux

3 Cux
Zeit zur Gleichgewichts-
einstellung
2 Abb. 22.16 Anwendung der van-Deem-
A
ter-Gleichung in der Gaschromatogra-
unterschiedliche
Weglängen phie: A= 1.65 mm, B = 25.8 mm∙mL/min
1 B
Longitudinal- und C = 0.023 6 mm∙min/mL. [Experi-
diffusion ux mentelle Punkte aus: H. W. Moody, „The
0 Evaluation of the Parameters in the van
0 20 40 60 80 100 120
Deemter Equation“, J. Chem. Ed. 1982,
Fließgeschwindigkeit (mL /min) 59, 290.]

chanismen der Bandenverbreiterung gibt, die proportional, umgekehrt proportional und


unabhängig von der Fließgeschwindigkeit sind (Abbildung 22.16).
Zone des Analyten kurz
In gepackten Säulen tragen alle drei Terme zur Bandenverbreiterung bei. In offenen nach Eintritt in die Säule
Kapillarsäulen ist der Term A für zusätzlich zurückgelegte Strecken Null, wodurch sich Longitudinaldiffusion
die Bandenbreite verringert und die Auflösung erhöht. In der Kapillarelektrophorese (Ka- (B/ux)
pitel 25) sind die beiden Terme A und C Null, wodurch sich die Bodenhöhen auf Werte
unter den Mikrometerbereich verringern und außerordentlich gute Trennergebnisse er-
reicht werden können.
Zone des Analyten nach
längerer Zeit auf der Säule

Longitudinale Diffusion
Fließrichtung
Wenn man eine dünne, scheibenförmige Bande im Zentrum der Säule aufbringt, verbrei-
tert sich die Bande allmählich, weil die Moleküle aus den Gebieten hoher Konzentration Abb. 22.17 Die Longitudinaldiffusion
innerhalb der Bande zu den Gebieten niedriger Konzentration an deren Rändern diffun- ist die Ursache für den Term B/ux in der
dieren. Die Diffusionsverbreiterung einer Bande, genannt longitudinale Diffusion, da sie van-Deemter-Gleichung. Der Analyt
längs der Säulenachse abläuft, findet während des Transports der Bande durch den Fluss diffundiert kontinuierlich aus dem kon-
zentrierten Zentrum seiner Zone heraus.
des Lösungsmittels statt (Abbildung 22.17).
Je größer die Fließgeschwindigkeit ist,
Der Term B/ux in Gleichung 22.33 entsteht durch diese longitudinale Diffusion. Je desto geringer ist die Aufenthaltszeit des
schneller der lineare Fluss ist, desto weniger Zeit verbringt der Analyt in der Säule und Analyten in der Säule und desto geringer
desto geringer ist die Bandenverbreiterung aufgrund von Diffusionseffekten. Gleichung ist die Longitudinaldiffusion.
22.26 hat gezeigt, dass die Varianz, die durch Diffusion erzeugt wird, definiert ist als
Die Longitudinaldiffusion in einem Gas
2Dm L
Longitudinale Diffusion:  2 = 2Dmt = verläuft viel schneller als die Diffusion
ux
in einer Flüssigkeit. Deshalb ist die
 2 2Dm B optimale lineare Fließgeschwindigkeit
Bodenhöhe durch Longitudinaldiffusion: H D = = ≡ (22.34)
L ux ux in der Gaschromatographie deutlich
höher als in der Flüssigkeitschromato-
mit dem Diffusionskoeffizienten des Analyten in der mobilen Phase Dm, der Zeit t und graphie.
der Bodenhöhe HD aufgrund longitudinaler Diffusion. Die zum Durchlaufen der Säule
benötigte Zeit ist L/ux, wobei L die Säulenlänge und ux die lineare Fließgeschwindigkeit
sind.
632 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Mobile
Phase
Elutions- Gleichgewichtseinstellung zwischen den Phasen
richtung
stationäre
in endlicher Zeit
Phase
Der Term Cux in Gleichung 22.33 ist durch die für den Analyten notwendige endliche Zeit
Breite der Bande am Start bedingt, die zur Gleichgewichtseinstellung zwischen mobiler und stationärer Phase ge-
langsame Gleich- braucht wird.15 Wenn ein Teil des Analyten an der stationären Phase festsitzt, bewegt sich
gewichtseinstellung
(Cux) der Rest währenddessen in der mobilen Phase weiter, wodurch die Bande des Analyten
verbreitert wird (Abbildung 22.18).
Die Bodenhöhe aufgrund endlicher Einstellzeit des Gleichgewichts wird auch als Mas-
sentransferterm bezeichnet und beträgt
Bodenhöhe wegen der endlichen Einstellzeit des Gleichgewichts:
Breite der Bande nach H Massentransfer = Cux = (Cs + Cm) ux (22.35)
Beginn der Elution
worin Cs den Massentransfer durch die stationäre Phase und Cm den Massentransport
Abb. 22.18 Der Analyt benötigt eine durch die mobile Phase beschreiben. Spezifische Gleichungen für Cs und Cm ergeben sich
endliche Zeit zur Einstellung des aus der Art der Chromatographie.
Gleichgewichts zwischen mobiler und Für die Gaschromatographie in offenen Kapillarsäulen gelten folgende Terme:
stationärer Phase. Daraus ergibt sich der
Term Cux in der van-Deemter-Gleichung. 2k d2
Je niedriger die lineare Fließgeschwin- Massentransfer in der stationären Phase: Cs = 2
(22.35a)
digkeit ist, desto vollständiger ist die
3 (k + 1) Ds
Gleichgewichtseinstellung und desto ge-
ringer ist die Verbreiterung der Bande. 1 + 6k + 11k 2 r 2
Massentransfer in der mobilen Phase: Cm = 2
(22.35b)
24 (k + 1) Dm
3
4 mit folgenden Größen: k = Retentionsfaktor, d = Dicke der stationären Phase, Ds = Diffu-
100°C 2 sionskoeffizient des Analyten in der stationären Phase, r = Radius der Säule, Dm = Diffusi-
5 mL /min
onskoeffizient des Analyten in der mobilen Phase. Wenn die Dicke der stationären Phase
1
verringert wird, verringert sich die Bodenhöhe und die Trenneffizienz nimmt zu, da die
5
Analyte schneller aus der größten Tiefe der stationären Phase in die mobile Phase diffundie-
ren können. Bei abnehmendem Säulenradius r verringert sich die Bodenhöhe ebenfalls, weil
Extinktion bei 254 nm

die Strecke verringert wird, durch die der Analyt zur stationären Phase diffundieren muss.
Die durch den Massentransfer bedingte Bodenhöhe wird auch durch steigende Tem-
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8
3 peratur verringert, weil der Diffusionskoeffizient des Analyten in der stationären Phase
erhöht wird. In dem in Abbildung 22.19 gezeigten Beispiel kann durch Temperaturerhö-
2 4
1
hung die lineare Fließgeschwindigkeit um den Faktor 5 bei gleichbleibender Auflösung
30°C
angehoben werden. Das wird durch die erhöhte Geschwindigkeit des Massentransfers
1 mL /min
zwischen den Phasen bei höheren Temperaturen möglich. Allerdings sind die üblichen
5 stationären Phasen auf SiO2-Basis in der Flüssigkeitschromatographie bei erhöhter Tem-
peratur nicht stabil. Das im Beispiel der Abbildung 22.19 verwendete Material auf der
Basis von ZrO2 ist temperaturbeständig.
0 3 6 9 12
Zeit (min)

Abb. 22.19 Flüssigkeitschromato- Die unterschiedlichen Weglängen


gramme mit kürzerer Analysenzeit bei
Temperaturerhöhung von 30 °C auf Zum Term A in der van-Deemter-Gleichung (22.33) tragen mehrere Effekte bei, für die
100 °C. 1 Uracil, 2 p-Nitroanilin, 3 Benzoe- es keine eindeutigen Theorien gibt. Abbildung 22.20 liefert eine bildhafte Erklärung für
säuremethylester, 4 Phenetol, 5 Toluen. einen dieser Effekte. Da einige Fließstrecken länger sind als andere, werden Analytmole-
Trennsäule: 4.6 mm Durchmesser, 100 küle, die zur gleichen Zeit links in die Säule eintreten, rechts zu unterschiedlichen Zeiten
cm lang; gefüllt mit ZrO2, das mit 2.1
eluiert.
Gew% Polybutadien beschichtet war. Die
Elution erfolgte mit 20 Vol% Acetonitril Zur Vereinfachung werden mehrere unterschiedliche Effekte in der Konstanten A in
in Wasser. [J. Li, V. Hu und P. W. Carr, „Fast Gleichung 22.33 zusammengefasst. Der Term A wird auch als Eddy-Diffusion bezeichnet.
Separations at Elevated Temperatures on
Polybutadiene-Coated Zirconia Reversed-
Phase Material“, Anal. Chem. 1997, 69,
3884.] Für stationäre Phasen auf der Vorteile der offenen Kapillarsäulen
Basis von SiO2 wird zur Verhinderung der
SiO2-Hydrolyse die Temperatur von 60 °C In der Gaschromatographie haben wir die Wahl zwischen offenen Kapillarsäulen und
gewöhnlich nicht überschritten. gepackten Säulen. Bei gleichen Analysezeiten erreicht man mit offenen Kapillarsäulen
22.5 · Warum Banden breiter werden 633

3
2 2
3
22
1 1

Zeit

Abb. 22.20 Bandenverbreiterung durch unterschiedliche Weglängen. Je kleiner die Teilchen der sta-
tionären Phase sind, desto kleiner werden auch die Unterschiede in den Distanzen, die verschiedene
Analytmoleküle bis zur Detektion zurücklegen müssen. In einer offenen Kapillarsäule gibt es solche
Probleme überhaupt nicht. [Entnommen aus H. M. McNair und E. J. Bonelli, Basic Gas Chromatogra-
phy (Palo Alto, CA, Varian Instrument Division, 1968.]

eine höhere Auflösung und eine höhere Empfindlichkeit für kleine Analytmengen. Da Im Vergleich zu gepackten Säulen
offene Kapillarsäulen nur eine geringe Probenkapazität besitzen, sind sie für präparative liefern offene Kapillarsäulen
Trennungen ungeeignet. ▬ höhere Auflösung
Die Teilchen in einer gepackten Säule setzen dem Fluss der mobilen Phase Widerstand ▬ kürzere Analysenzeiten
entgegen, wodurch die lineare Fließgeschwindigkeit nicht sehr hoch sein kann. Bei gleicher ▬ erhöhte Empfindlichkeit
Säulenlänge und gleichem verwendetem Druck ist die lineare Fließgeschwindigkeit in ei- ▬ niedrigere Probekapazität
ner offenen Kapillarsäule viel höher als in einer gepackten Säule. Deshalb können offene
Kapillarsäulen hundertfach länger sein als gepackte Säulen und man erreicht trotzdem Bei einem gegebenen Druck ist die
ähnlichen Druckabfall und lineare Fließgeschwindigkeit. Bei gleicher Bodenhöhe bringt Fließgeschwindigkeit proportional zur
die längere Säule eine 100-fach höhere Zahl theoretischer Böden und damit eine 100 = Querschnittsfläche der Säule und um-
10-fach verbesserte Auflösung. gekehrt proportional zur Säulenlänge:
Die Bodenhöhe ist bei der Verwendung offener Kapillarsäulen kleiner, da keine zu- Fläche
ux ∝
sätzlichen Wege des Analyten zur Bandenverbreiterung beitragen (Abbildung 22.20). In Länge
der van-Deemter-Kurve für eine gepackte Säule (Abbildung 22.16) ist der Term A bei der Im Vergleich zu gepackten Säulen
besten Fließgeschwindigkeit (minimales H) bei 30 mL/min für die Hälfte der Bodenhöhe ermöglichen Kapillarsäulen
verantwortlich. Entfällt der A-Term, käme es zu einer Verdopplung der Bodenzahl der ▬ erhöhte lineare Fließgeschwindig-
Säule. Für eine hohe Trenneffizienz bei einer offenen Kapillarsäule muss der Radius der keiten und/oder längere Säulen
Säule klein und die stationäre Phase so dünn wie möglich aufgetragen sein, um einen ra- ▬ verringerte Stufenhöhen und da-
schen Austausch des Analyten zwischen mobiler und stationärer Phase zu gewährleisten. mit bessere Auflösung.
In Tabelle 22.3 wird die Trennleistung gepackter und offener Kapillarsäulen bei glei-
cher stationärer Phase verglichen. Bei gleicher Analysenzeit erhält man mit der offenen
Kapillare eine siebenmal bessere Auflösung (10.6 gegenüber 1.5) als für die gepackte
Säule. Andererseits kann man die Auflösung auch mit der Analysenzeit beeinflussen.
Würde man die offene Kapillarsäule auf eine Länge von 5 m kürzen, könnten die gleichen
Analyte mit einer Auflösung von 1.5 getrennt werden. Die dafür notwendige Trennzeit
wäre von 38.5 auf 0.83 min wesentlich verkürzt worden.

Tabelle. 22.3 Vergleich der Trennleistung gepackter Säulen und wandbeschichteter offener Kapillarena

Eigenschaft gepackte Säule offene Kapillarsäule

Säulenlänge, L 2.4 m 100 m

Lineare Gasgeschwindigkeit 8 cm/s 16 cm/s

Bodenhöhe für Ölsäuremethylester 0.73 mm 0.34 mm

Retentionsfaktor, k, für Ölsäuremethylester 58.6 2.7

Theoretische Böden, N 3 290 294 000

Auflösung für Stearinsäuremethylester und 1.5 10.6


Ölsäuremethylester

Retentionszeit von Ölsäuremethylester 29.8 38.5

aStearinsäuremethylester (CH3(CH2)16COOCH3) und Ölsäuremethylester (cis-CH3(CH2)7CH=CH(CH2)7COOCH3)


wurden auf Säulen mit Poly(diethylenglycolsuccinat) als stationärer Phase bei 180 °C getrennt.
Quelle: L. S. Ettre, Introduction to Open Tubular Columns (Norwalk, CT: Perkin-Elmer Corp., 1979), S. 26.
634 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Zurück zur Realität: Asymmetrische Banden


cs = Konzentration des Analyten in der Eine gaußförmige Peakform erhält man, wenn der Verteilungskoeffizient K (= cs/cm) un-
stationären Phase abhängig von der Konzentration des Analyten in der Säule ist. In realen Säulen verändert
cm = Konzentration des Analyten in der sich K, wenn sich die Konzentration des Analyten erhöht. Dann treten unsymmetrische
mobilen Phase Peakformen auf.16 Eine Kurve, die cs gegen cm bei einer gegebenen Temperatur darstellt,
wird als Isotherme bezeichnet. Drei typische Isothermen und die daraus resultierenden
Peakformen sind in Abbildung 22.21 dargestellt. Die mittlere Isotherme zeigt den Ideal-
fall, bei dem sich gaußförmige Peaks ergeben.
Die obere Isotherme in Abbildung 22.21 tritt bei einer Überladung der Säule auf, wenn
zu viel Analyt auf die Säule gebracht wurde. Wenn die Konzentration des Analyten an-
steigt, wird er immer besser in der stationären Phase löslich. Schließlich ist so viel Analyt
in der stationären Phase, dass diese dem Analyten immer ähnlicher wird. (Es gibt in der
Chemie die Faustregel „similia similibus solvuntur“ („Ähnliches löst Ähnliches“)). In
der Front eines überladenen Peaks steigt die Konzentration allmählich an. Wenn man die
Überladung erzeugt einen allmähli- Konzentration erhöht, wird die Bande überladen und der Verteilungskoeffizient (= Cs/Cm)
chen Anstieg und einen abrupten Ab- steigt. Der Analyt ist in seiner eigenen überladenen Zone in der stationären Phase so gut
fall des chromatographischen Peaks. löslich, dass nur wenig Analyt hinter dem Peak zurückbleibt. Die Bande entsteht allmäh-
lich und endet abrupt.
Ein langer Schwanz (tailing) tritt auf, Die untere Isotherme in Abbildung 22.21 entsteht, wenn kleine Mengen Analyt stär-
wenn einige Bindungsplätze den Ana- ker zurückgehalten werden als große Mengen. Dies führt zu einem langen „Schwanz“
lyten stärker zurückhalten als andere. (tailing) mit allmählich abnehmender Konzentration nach dem Peak.
Bindungsstellen, die den Analyten besonders fest binden, verursachen Tailing. Die
silikatischen Oberflächen der Säulen und der Teilchen der stationären Phasen haben
Hydroxyl-Gruppen, die Wasserstoffbrückenbindungen mit polaren Analyten eingehen
und dadurch ein starkes Tailing hervorrufen. Silanisierung reduziert das Tailing, bei dem
die Hydroxylgruppen durch unpolare Trimethylsilylgruppen blockiert werden:
OH OH (CH3)3SiO OSi(CH3)3

Si O Si (CH3)3SiNHSi(CH3)3 Si O Si NH3
(22.36)
Feste Phase mit
freiliegenden Hexamethyldisilazan geschützte Oberfläche
—OH-Gruppen

Die in der Gas- und Flüssigkeitschromatographie verwendeten Glas- und Quarzsäulen


können ebenfalls silanisiert werden, um die Wechselwirkung zwischen den Analyten und
den aktiven Stellen an den Wänden der Kapillaren und Säulen zu verringern.
Nun haben Sie so viele Konzepte kennengelernt, dass Sie vielleicht neugierig gewor-
den sind und sich für das mikroskopische Modell der Chromatographie in Exkurs 22.2
interessieren.
ideal
Signal

Zeit
Überladung
Signal

K = cs /cm
Zeit = konstant

K steigt an
K nimmt ab
cs

Tailing
Signal

Abb. 22.21 Typische Isothermen und Zeit


daraus folgende chromatographische
Bandenprofile. cm
22.5 · Warum Banden breiter werden 635

Exkurs 22.2
22
Mikroskopische Beschreibung der Chromato- werden. Diese Effekte erklären die Peakbreite der nichtzurück-
graphie gehaltenen Substanz. Um die unerwünschten Effekte abzuzie-
Eine stochastische Theorie bietet ein Modell für die Chroma- hen, schreiben wir
tographie.17 Der Begriff „stochastisch“ bedeutet, dass eine
Phase + σ nichtzurückgehaltene Substanz
2 2 2
σ gemessen = σ stationäre
Zufallsvariable im Spiel ist. Im Modell wird angenommen,
2 2 2
dass sich ein Molekül bei seiner Wanderung durch die Säule σ stationäre Phase = σ gemessen - σ nichtzurückgehaltene Substanz

eine durchschnittliche Zeit τm zwischen den Adsorptionser-


Für die Komponente A gilt σ 2stationäre Phase = σ2gemessen –
eignissen in der mobilen Phase aufhält. Die Zeit zwischen der
σ 2nichtzurückgehaltene Substanz = (3.6 s)2 – (1.5 s)2 ⇒ σstationäre Phase = 3.27 s.
Desorption und der nächsten Adsorption ist zufällig, aber die
durchschnittliche Zeit beträgt τm. Die durchschnittliche Zeit Analog ergibt sich für Komponente B σstationäre Phase = 5.81 s. Die
für den Aufenthalt in der stationären Phase zwischen einer reduzierte Retentionszeit für die Komponente A ist t r, = tr – tm =
Adsorption und einer Desorption ist τs. Wenn das Molekül 360 – 60 = 300 s. Für die Komponente B ist t r, 600 – 60 = 540 s.
in der stationären Phase adsorbiert ist, bewegt es sich nicht. Nun können wir t r, und σ (= σstationäre Phase) für jede Kompo-
Wenn sich das Molekül in der mobilen Phase befindet, bewegt nente dazu benutzen, physikalisch sinnvolle Parameter zu fin-
es sich mit der Geschwindigkeit der mobilen Phase ux. Die den. Durch Kombination der Gleichungen A und B erhalten wir
Wahrscheinlichkeit, dass eine Adsorption oder Desorption zu 2
⎛ t, ⎞ σ2
einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt, gehorcht der Poisson- n = 2⎜ r ⎟ τs =
Verteilung, die kurz bei der Aufgabe 18.23 besprochen wurde. ⎝σ ⎠ 2t r,
Wir nehmen an, dass alle Moleküle die Gesamtzeit tm in der und wir kennen bereits die Beziehung τm = tm/n. Aus den Para-
mobilen Phase verbringen. Das ist die Retentionszeit für einen metern des Chromatogramms erhalten wir
Analyten, der nicht zurückgehalten wird. Wichtige Ergebnisse
des stochastischen Modells sind: Komponente A Komponente B

▬ Ein Analytmolekül wird bei seiner Wanderung durch die n 16 800 17 300
Säule im Durchschnitt n-mal adsorbiert und desorbiert. n ist
τs 17,8 ms 31.2 ms
dabei tm/τm.
▬ Die reduzierte Retentionszeit für einen Analyten beträgt τm 3.6 ms 3.5 ms
t r, = n τs (A)
Strecke zwischen den 8.6 μm 8.4 μm
Das ist die durchschnittliche Zeit, die der Analyt bei seinem Adsorptionen (= uxτm)
Durchgang durch die Säule an der stationären Phase gebun-
den ist. Beide Komponenten verbringen zwischen den Adsorptions-
▬ Die Breite (Standardabweichung) eines Peaks aufgrund von ereignissen etwa die gleiche Zeit (~3.5 ms) in der mobilen
Einflüssen der stationären Phase beträgt Phase. Die Komponente A bleibt jedesmal, wenn sie adsorbiert
σ = τs 2n (B) wird, 17.8 ms an die stationäre Phase gebunden, während die
Komponente B im Durchschnitt 31.2 ms darin verbleibt. Diese
Wir betrachten in der Abbildung in diesem Exkurs das ideali- Differenz in τs ist die Ursache der Trennung der Komponenten
sierte Chromatogramm mit einer Komponente, die nicht zurück- A und B.
gehalten wird und den beiden Substanzen A und B, die mehr Während ihrer Wanderung durch die Säule wird jede Sub-
oder weniger stark zurückgehalten werden. Die chromatogra- stanz etwa 17 000 Mal adsorbiert. Die Strecke zwischen zwei
phischen Parameter sind repräsentativ für eine HPLC-Trennung Adsorptionen beträgt etwa 8.6 μm. Das Chromatogramm wurde
an einer 15 cm langen Säule mit einem Durchmesser von 0.39 für eine Säule mit N=10 000 theoretischen Böden simuliert. Für
cm Durchmesser, die mit sphärischen Partikeln von C18-Silikagel die Bodenhöhe gilt: 15 cm/(10 000 Böden) = 15 μm. Im Abschnitt
gefüllt ist (Abschnitt 24.1). Bei einer Volumenfließgeschwindig- 22.4 stellten wir fest, dass die Bodenhöhe etwa die erforderliche
keit von 1.0 mL/min beträgt die lineare Fließgeschwindigkeit ux Säulenlänge für eine Gleichgewichtseinstellung zwischen mobi-
= 2,4 mm/s. Aus der gemessenen Peakbreite bei halber Peak- ler und stationärer Phase ist. Aus der stochastischen Theorie mit
höhe (w1/2) errechnet sich die Standardabweichung (σ) eines diesem Beispiel finden wir, dass etwa zwei Gleichgewichtsein-
Gauß-Peaks w1/2 = 2.35σ (Abbildung 22.9). Die Bodenzahl für die stellungen mit der stationären Phase in der einem theoretischen
Komponenten A und B, die mit der Gleichung 22.28 berechnet Boden entsprechenden Säulenlänge stattfinden.
wurde, beträgt N = (tr/σ)2= 1.00 × 104. Die erforderliche Zeit, die der Analyt braucht, um über ein
Das stochastische Modell gilt für Vorgänge, an denen Teilchen der stationären Phase mit einem Durchmesser von d = 5
die stationäre Phase beteiligt ist. Zur Analyse des Chromato- μm zu fließen, beträgt t = (5 μm)(2.4 mm/s) = 2.1 ms. Die stocha-
gramms müssen alle Beiträge zur Peakverbreiterung abgezo- stische Theorie sagt voraus, dass der Zeitanteil, den ein Molekül
gen werden, die durch die Dispersion in der mobilen Phase in der mobilen Phase weniger als die Strecke d wandert, gleich
1– e−t / = 1 - e
− (2.1ms) / ( 3.5ms )
und durch Einflüsse außerhalb der Säule, wie die endliche m
= 55 % beträgt. Das heißt, dass in die-
Injektionsbreite und das endliche Detektorvolumen verursacht ser Zeit ein Analytmolekül nicht bis zum nächsten Teilchen der
636 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

Exkurs 22.2

stationären Phase weiter wandert, sondern erst nochmals vom Das Modell liefert Einsichten in die mikroskopischen Ereig-
gleichen Teilchen adsorbiert wird, von dem es gerade desorbiert nisse während der Chromatographie. In diesem Modell werden
wurde. Wenn die kugelförmigen Teilchen der stationären Phase allerdings einige Vorgänge, die in realen Säulen ablaufen, ver-
aufgereiht werden, ergeben 30 000 Teilchen die Säulenlänge nachlässigt. So kann zum Beispiel in einer porösen stationären
von 15 cm. Jedes Analytmolekül wird beim Durchgang durch Phase die mobile Phase innerhalb der Poren stehenbleiben.
die Säule ~17 000 Mal adsorbiert und die Hälfte dieser Adsorp- Wenn ein Molekül in eine solche Pore eintritt, kann es vom
tionsschritte geht zum gleichen Teilchen, von dem es gerade gleichen Teilchen mehrfach adsorbiert und desorbiert werden,
desorbiert wurde. bevor es die Pore verlässt.

Komponente A
tr = 360 s Komponente B
w1/2 = 8.46 s tr = 600 s
σ = 3.6 s w1/2 = 14.10 s
σ = 6.0 s
Detektorsignal

Nichtzurückgehaltener Stoff
tm = 60 s
w1/2 = 3.52 s
σ = 1.5 s

0 100 200 300 400 500 600 700


Zeit (s)

Idealisierte flüssigchromatographische Trennung von drei Komponenten.

Wichtige Begriffe
> Adsorptionschromatographie > Affinitätschromatographie > Auflösung > Bo-

denhöhe > Chromatogramm > Diffusion > Diffusionskoeffizient > Eluat > Eluent
> Elution > Extraktion > Gelfiltrations-Chromatographie > Gelpermeations-Chro-

matographie > gepackte Säule > Ionenaustausch-Chromatographie > lineare Fließge-


schwindigkeit > longitudinale Diffusion > mischbar > mobile Phase > Molekülaus-
schluss-Chromatographie > offene Kapillarsäule > reduzierte Retentionszeit > relative
Retention > Retentionsfaktor > Retentionsvolumen > Retentionszeit > Silanisierung
> stationäre Phase > van-Deemter-Gleichung > Verteilungschromatographie > Ver-

teilungskoeffizient > Verteilungsverhältnis > Volumenfließgeschwindigkeit

Zusammenfassung
Ein Analyt kann aus einer Phase in eine andere extrahiert werden, in der er besser löslich
ist. Das Verhältnis der Analytkonzentrationen in jeder Phase im Gleichgewichtszustand
wird als Verteilungskoeffizient bezeichnet. Wenn der Analyt in mehr als einer Form exis-
tiert, wird anstelle des Verteilungskoeffizienten das Verteilungsverhältnis verwendet. Es
lassen sich mathematische Beziehungen ableiten, die den Anteil des extrahierten Analyten
in Beziehung zum Verteilungskoeffizienten oder -verhältnis, zu den Volumina und zum
pH setzen.
Mehrfache Extraktionen mit geringen Lösungsmittelmengen sind effektiver als wenige
Extraktionen mit viel Lösungsmittel. Ein Metallchelatbildner, der nur im organischen Lö-
sungsmittel löslich ist, kann Metallionen in Abhängigkeit vom pH selektiv aus wässriger
Lösung extrahieren. Kronenether und Salze mit einem hydrophoben Ion wirken als Rea-
genzien für den Phasentransfer hydrophiler Ionen in eine organische Phase.
In der Adsorptions- und Verteilungschromatographie findet eine kontinuierliche
Gleichgewichtseinstellung des Analyten zwischen der mobilen und der stationären Phase
statt. Der Eluent tritt in die Säule ein, das Eluat aus. Die Säulen können mit stationärer
Übungen 637

Phase gepackt oder offene Kapillaren sein, die mit der stationären Phase an der Innen-
wand beschichtet sind. In der Ionenaustauschchromatographie wird der Analyt über 22
Coulomb-Kräfte von der stationären Phase angezogen. In der Molekülausschlusschro-
matographie nimmt das dem Analyten zugängliche Volumen der stationären Phase mit
steigender Größe des Analytmoleküls ab. Die Affinitätschromatographie beruht auf spe-
zifischen, nichtkovalenten Wechselwirkungen zwischen der stationären Phase und einem
bestimmten Analyten aus einem komplexen Gemisch.
Die relative Retention von zwei Verbindungen ist der Quotient ihrer reduzierten Re-
tentionszeiten. Der Retentionsfaktor für eine einzelne Komponente ist der Quotient aus
reduzierter Retentionszeit und Elutionszeit des Eluenten. Retentionsfaktoren geben das
Verhältnis an, wie viel Zeit der Analyt in der stationären und mobilen Phase verbringt.
Wenn eine Trennung von einer kleinen Injektionsmenge auf eine größere Beladung um-
gestellt werden soll, hält man die lineare Fließgeschwindigkeit konstant und vergrößert
den Querschnitt der Säule proportional zur gestiegenen Beladung.
Die Bodenhöhe (H = σ2/x) steht in Beziehung zur aus der Säule austretenden Banden-
breite. Je kleiner die Bodenhöhe ist, desto schmaler ist die Bande. Die Bodenzahl für einen
gaußförmigen Peak ist N = 5.55 t r2/w1/2
2
. Die Bodenhöhe entspricht etwa der Säulenlänge,
die für die einmalige Einstellung des Gleichgewichts zwischen mobiler und stationärer
Phase erforderlich ist. Die Auflösung benachbarter Peaks ist die Differenz der Retenti-
onszeiten dividiert durch ihre mittlere Breite (gemessen an der Basislinie, w = 4σ). Die
Auflösung ist proportional zu N und erhöht sich mit steigender unkorrigierter relativer
Retention, γ, dem Quotienten der Lineargeschwindigkeiten der beiden Komponenten.
Eine Verdopplung der Säulenlänge erhöht die Auflösung um den Faktor 2.
Die Standardabweichung der diffundierenden Bande eines Analyten ist σ = 2Dt , wo-
bei D der Diffusionskoeffizient und t die Zeit ist. Die van Deemter Gleichung beschreibt
die Bandenverbreiterung in der chromatographischen Säule: H ≈ A + B/ux + Cux, wobei H
die Bodenhöhe, ux die lineare Fließgeschwindigkeit und A, B und C Konstanten sind. Der
erste Term wird von unregelmäßigen Weglängen der Analyte in der Säule verursacht, der
zweite durch longitudinale Diffusion und der dritte durch die endliche Geschwindigkeit
des Übergangs des Analyten zwischen mobiler und stationärer Phase. Die optimale Fließ-
geschwindigkeit, bei der kleinsten Bodenhöhe, ist in der Gaschromatographie höher als in
der Flüssigchromatographie. Die Bodenzahl und die optimale Fließgeschwindigkeit erhö-
hen sich bei sinkender Teilchengröße der stationären Phase. In der Gaschromatographie
ermöglichen offene Kapillarsäulen eine höhere Auflösung und kürzere Analysenzeiten
als gepackte Säulen. Die Banden werden nicht nur auf der Säule, sondern auch während
Injektion und Detektion verbreitert. Die beobachtete Varianz einer Bande ist die Summe
der Varianzen für alle einzelnen Mechanismen der Verbreiterung. Überladung und Tai-
ling können durch Injektion einer kleineren Probenmenge und Maskierung der starken
Adsorptionsplätze der stationären Phase verhindert werden.

Übungen
22-A. Wir betrachten ein chromatographisches Experiment, bei dem zwei Komponenten
mit den Retentionsfaktoren k1 = 4.00 und k2 = 5.00 auf eine Säule mit N = 1.00 × 103
theoretischen Böden injiziert werden. Die Retentionszeit für die weniger zurückgehaltene
Komponente beträgt tr1 = 10.0 min.
a) Bestimmen Sie tm und tr2. Ermitteln Sie w1/2 (Breite bei halber Höhe) und w (Breite
an der Basis) für jeden Peak.
b) Zeichnen Sie (analog zu Abbildung 22.7) das Chromatogramm unter der Annahme,
dass beide Peaks die gleiche Amplitude (Höhe) besitzen, auf Millimeterpapier. Zeich-
nen Sie die Breiten bei halber Höhe exakt ein.
c) Berechnen Sie die Auflösung der beiden Peaks und vergleichen Sie den erhaltenen
Wert mit denen aus Abbildung 22.10.

22-B. Ein Analyt mit einem Verteilungskoeffizienten von 4.0 wird aus 10 mL Phase 1 in
Phase 2 extrahiert.
a) Welches Volumen muss Phase 2 haben, um 99 % des Analyten in einem Extraktions-
schritt zu extrahieren?
638 Kapitel 22 · Einführung in Analytische Trennverfahren

b) Wie viel Gesamtvolumen von Phase 2 ist notwendig, um 99 % des Analyten in drei
gleichen Extraktionsschritten zu extrahieren?

22-C.
a) Ermitteln Sie die Retentionsfaktoren für Oktan und Nonan in Abbildung 22.7.
b) Bestimmen Sie das Verhältnis
Zeit, die Oktan in der stationären Phase verbracht hat
Gesamtzeit, die Oktan auf der Säule verbracht hat .
c) Bestimmen Sie die relative Retention für Oktan und Nonan.
d) Ermitteln Sie den Verteilungskoeffizienten für Oktan, wenn das Volumen der statio-
nären Phase genau halb so groß wie das der mobilen Phase ist.

22-D. Das Gaschromatogramm zeigt die Trennung eines Gemisches aus Toluen und
Ethylacetat.
a) Verwenden Sie die Breite jedes Peaks (gemessen an der Basis), um die Anzahl theore-
tischer Böden in der Säule zu bestimmen. Runden Sie dabei alle gemessenen Längen
Detektorsignal

Toluen
auf die nächstliegenden 0.1 mm.
Ethylacetat b) Berechnen Sie die Peakbreite bei halber Höhe für den Toluen-Peak unter Verwen-
Start dung der Peakbreite an der Basis. Vergleichen Sie den gemessenen und berechneten
Wert. Wenn die Dicke der gezeichneten Linie relativ groß im Verhältnis zum gemes-
Zeit
senen Längenwert ist, muss sie bei der Messung berücksichtigt werden. Am besten
ist es, von der Innenkante der Linie auf der einen Seite bis zur Außenkante auf der
anderen Seite zu messen (wie im Bild gezeigt).

diesen
Abstand
messen

Dicke der
Bleistiftlinie

2.5 μL
22-E. Die drei Chromatogramme in der Abbildung wurden nach Injektion von 2.5, 1.0
und 0.4 μL Ethylacetat auf die gleiche Säule und unter gleichen Bedingungen erhalten. Er-
klären Sie, warum sich die Asymmetrie des Peaks bei sinkender Probemenge verringert.

22-F. In einem Gaschromatogramm auf einer Säule mit einer Bodenhöhe von 0.520 mm
sei die relative Retention für zwei Verbindungen 1.068. Der Retentionsfaktor für Verbin-
dung 1 ist 5.16.
a) Bestimmen Sie die unkorrigierte relative Retention γ für die beiden Komponenten.
1.0 μL b) Bei welcher Säulenlänge werden die Verbindungen mit der Auflösung 1.00 getrennt?
c) Die Retentionszeit für Luft (tm) beträgt 2.00 min. Bestimmen Sie die Retentionszeiten
tr und Peakbreiten w1/2 für jeden Peak, unter der Voraussetzung, dass die Bodenzahl
für beide Verbindungen gleich groß ist.
d) Ermitteln Sie den Verteilungskoeffizienten für die Verbindung 1 bei einem Verhältnis
von stationärer Phase zu mobiler Phase von 0.30.

0.4 μL

Zeit
23 Gaschromatographie
23

Was hat man denn im Jahr 1000 so gegessen?


Der 13C-Gehalt des Cholesterins, der in den Knochen von Personen, die vor langer Zeit lebten, konserviert ist, lässt Schlüsse
auf ihre Ernährung zu. Der natürliche Kohlenstoff besteht ungefähr zu 1.1 % aus 13C und 98.9 % aus 12C. Unterschiedliche
Pflanzen- und Tierarten haben gleichbleibende, geringe Unterschiede im 13C/12C-Verhältnis, die den Verlauf ihrer Biosyn-
these widerspiegeln.
Um festzustellen, ob sich die Einwohner der alten britischen Küstenstadt Barton-on-Humber hauptsächlich von Pflan-
zen oder von Fisch ernährten, wurde Cholesterin aus den Knochen von 50 Personen mit einem organischen Lösungsmittel
extrahiert, gaschromatographisch isoliert, zu CO2 verbrannt und dessen 13C/12C-Verhältnis mit der Massenspektrometrie
bestimmt. Die beobachteten 13C/12C-Verhältnisse unterschieden sich von dem eines Standardmaterials um ungefähr –21
bis –24 parts per Tausend. Eine Mahlzeit aus Pflanzen dieses Gebiets ergab einen δ13C-Wert (in Exkurs 21.3 definiert) für
Cholesterin von –28 parts per Tausend. Werte, die positiver sind als –28 parts per Tausend zeigen Nahrungsmittel mit mari-
ner Herkunft an. Demnach scheint die Bevölkerung viel für ihre Ernährung aus dem Meer geholt zu haben.

Gaschromatogramm von Cholesterin


Cholesterin
und anderen Lipiden, die aus Kno-
chen extrahiert und für die Chromato-
graphie zur Erhöhung der Flüchtigkeit
mit Trimethylsilyl (CH3)3Si–)-Gruppen
innerer Standard
n - C34H70
derivatisiert wurden. Knochen enthal-
Detektorsignal

ten 2–50 μg Cholesterin pro Gramm


trockener Knochensubstanz. [Aus:
A. W. Stott und R. P. Evershed, „δ13C
Analysis of Cholesterol Preserved
in Archaeological Bones and Teeth”,
Anal. Chem. 1996, 68, 4402. Sehr gute
Aufgaben zur Interpretation dieses
Artikels durch Studenten stehen bei:
L. Roecker, „Introducing Students
20 30 to Scientific Literature“, J. Chem. Ed.
Zeit (min) 2007, 84,1380]

δ13C-Wert für Ernährung mit Fischen


13
C-Gehalt von Cholesterin der Kno-
15 chen von 50 Personen, die in den
Anzahl der Personen

Jahren 500 bis 1800 n.Chr. an der bri-


tischen Küste lebten. δ13C ist die Ab-
10 weichung im Atomverhältnis 13C/12C
δ13C-Wert bei von dem eines Standardmaterials,
terrestrischer gemessen in parts per Tausend. [Die
5 Ernährung
Daten stammen aus: A. W. Stott und
R. P. Evershed, „δ13C Analysis of Cho-
0 lesterol Preserved in Archaeological
−28 −27 −26 −25 −24 −23 −22 −21 −20 Bones and Teeth“, Anal. Chem. 1996,
δ13C-Wert für Cholesterin 68, 4402.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_24, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
640 Kapitel 23 · Gaschromatographie

Im Kapitel 22 wurden die Grundlagen für das Verständnis der chromatographischen


Trennungen gelegt. In den Kapiteln 23 bis 25 werden die verschiedenen Methoden und
die entsprechenden Geräte behandelt. Nun sollen Sie die einzelnen chromatographischen
Methoden verstehen und erkennen, welche Parameter man für die besten Ergebnisse
kontrollieren muss.1

Gaschromatographie: 23.1 Der Trennprozess in der Gaschromatographie


mobile Phase: Gas
stationäre Phase: meist eine nicht- In der Gaschromatographie2,3,4 (GC) wird ein gasförmiger Analyt mit einer gasförmigen
flüchtige Flüssigkeit, manchmal auch mobilen Phase, dem Trägergas, durch die Säule transportiert. In der Gas-Flüssig-Vertei-
ein Feststoff lungschromatographie (GLC) wird als stationäre Phase eine nichtflüchtige Flüssigkeit
Analyt: Gas oder leichtverdampfende verwendet, die auf der Säuleninnenwand oder auf einem feinen, festen Trägermaterial
Flüssigkeit gebunden ist (Abbildung 22.6, oben rechts). In der Gas-Fest-Adsorptionschromatographie
wird der Analyt direkt an den festen Teilchen der stationären Phase adsorbiert (Abbil-
dung 22.6, oben links).
Die Wahl des Trägergases hängt vom In Abbildung 23.1 ist der schematische Aufbau eines Gaschromatographen darge-
Detektor, der erforderlichen Trenn- stellt. Eine leichtverdampfende Flüssigkeit wird durch ein Septum (eine dünne Gum-
leistung und der Geschwindigkeit der mischeibe) in einen vorgeheizten Einlass injiziert, in dem die Probe schnell verdampft
Trennung ab. wird. Der Dampf wird dann mit He, N2 oder H2 als Trägergas durch die Säule gespült.
Die getrennten Analyte fließen durch einen Detektor, dessen Signal via Computer
dargestellt wird. Die Säule muss heiß genug sein, damit der Dampfdruck für jede der
Im Vergleich zu gepackten Säulen Verbindungen groß genug ist und die Elution in vertretbarer Zeit erfolgt. Der Detektor
bieten offene Kapillarsäulen hat eine höhere Temperatur als die Säule, somit ist garantiert, dass hier alle Analyte
▬ höhere Auflösung gasförmig sind.
▬ kürzere Analysenzeiten
▬ größere Empfindlichkeit
▬ geringere Probenkapazität Offene Kapillarsäulen
Wandbelegte offene Kapillarsäule Bei der überwiegenden Mehrzahl der Analysen werden lange, dünne offene Kapillarsäu-
(engl. wall-coated open tubular co- len (Abbildung 23.2) aus Quarz (SiO2) verwendet, die mit Polyimid (einem bis 350 °C
lumn, WCOT): flüssige stationäre beständigen Kunststoff) zur Stabilisierung und als Schutz vor Luftfeuchtigkeit ummantelt
Phase auf der Innenwand der Säule sind.5 Wie in Abschnitt 22.5 diskutiert, ergeben die offenen Kapillarsäulen eine höhere
Trägerbelegte offene Kapillarsäule Auflösung, kürzere Analysenzeiten und größere Empfindlichkeit als die gepackten Säulen,
(engl. support-coated open tubular wenn auch die Probenkapazität geringer ist.
column, SCOT): flüssige stationäre Die wandbedeckte Kapillare in Bild 23.2c ist durch einen 0.1–5 μm dicken Film der
Phase auf einem festen Trägermaterial, stationären Flüssigphase auf der Innenwand der Kapillare gekennzeichnet. Bei der trä-
das an die Innenwand der Säule ge- gerbedeckten Säule werden feste Partikel benutzt, die an die Innenwand der Kapillare
bunden ist gebunden sind und auf denen die stationäre Flüssigphase als dünner Belag aufgebracht
Offene Kapillarsäule mit poröser ist. Bei der Version mit poröser Schicht bilden die festen Teilchen die wirksame stationäre
Schicht, Schichtkapillare (engl.
porous layer open tubular column,
PLOT): feste stationäre Phase auf der
Innenwand der Säule Trägergas-
eingang
Silikon-
gummi-
Septum

Aus-
Injektions- gang
block Computer
Injektions- Detektor
heizung
Detektor-
heizung

Säule

Abb. 23.1 Schematischer Aufbau eines


Gaschromatographen. Säulenofen
23.1 · Der Trennprozess in der Gaschromatographie 641

Phase (Abbildung 23.3). Aufgrund der größeren Oberfläche können mit trägerbelegten Gleichung 22.30:
Kapillaren größere Probemengen als mit wandbelegten Kapillaren getrennt werden. Die N
Trennleistung trägerbelegter Kapillaren liegt zwischen der für wandbelegte Kapillaren
Auflösung = (γ −1)
4
und gepackte Säulen. N = Bodenzahl
Die typischen Innendurchmesser der Säulen liegen zwischen 0.10 und 0.53 mm und γ = unkorrigierte relative Retention 23
die Säulenlängen betragen 15 bis 100 m, meist 30 m. Enge Säulen bringen eine höhere
Auflösung als breitere (Abbildung 23.4 und Gleichung 22.35b), erfordern allerdings einen Gleichung 22.17:
höheren Betriebsdruck und haben eine geringere Probenkapazität. Bei Durchmessern t − tm
k= r
≥0.32 mm besteht die Gefahr einer Überladung des Vakuumsystems des Massenspekt- tm
rometers, so dass der Gasstrom geteilt werden muss und nur ein Teil zum Spektrometer tr = Retentionszeit des Analyten
geschickt wird. Die Anzahl der theoretischen Böden, N, einer Säule ist proportional zu tm = Laufzeit des Lösungsmittels
ihrer Länge. In Gleichung 22.30 ist die Auflösung proportional zu N und deshalb auch
zur Quadratwurzel der Säulenlänge (Abbildung 23.5).
Bei der konstanten linearen Geschwindigkeit in Abbildung 23.6 erreicht man
durch eine Vergrößerung der Schichtdicke der stationären Phase einen Anstieg der
Retentionszeit und der Probenkapazität und erhöht die Auflösung der zuerst eluierten
Peaks mit einem Retentionsfaktor (Gleichung 22.17) von k ≤ 5. Dicke Filme der statio-
nären Phase können die Analyte von der Silikatoberfläche abschirmen und damit das

Außenwand der Kapillare

Fluss 0.1−0.53 mm
mit der stationären stationäre
Innendurchmesser
stationäre Flüssigphase belegte Festkörper-
Flüssigphase Partikel partikel

stationäre Phase
a (0.1− 5 μm dick)

Säulenwand

Wandbelegte Trägerbelegte Schichtkapillar-


Kapillarsäule Kapillarsäule säule mit poröser
(WCOT) (SCOT) Wandbeschichtung
(PLOT)
b c

Abb. 23.2 a) Typische Maße einer offenen Kapillarsäule für die Gaschromatographie. b) Quarz-Säule
mit einem Durchmesser der Säulenpackung von 0.2 m und einer Länge von 15–100 m. c) Querschnitt
durch Kapillaren mit unterschiedlicher Belegung: Wandbelegung, Trägerbelegung, poröse Schicht.

3 1 Acetaldehyd
2 Methanol
8 3 Ethanol
4 Ethylacetat
5 2-Methyl-2-propanol
Detektorsignal

1 6 1-Butanol
7 2-Methyl-1-butanol
Abb. 23.3 a) Poröse stationäre Phase
8 3-Methyl-1-butanol
9 Isoamylacetat
aus Kohlenstoff (2 μm stark) auf der
Kohlenstoffschicht 4 7 Innenseite einer Quarzglas-Kapillare.
10 Capronsäureethylester
11 2-Phenylethanol b) Chromatogramm der Dämpfe in der
Luft einer Bierdose, getrennt auf einer
6 9
5 0.25 mm (Durchmesser) × 30 cm langen
2 10
Quarz Kapillare mit porösem Kohlenstoff, die
11
2 min temperiert und dann mit 20 °C/min
auf 160 °C geheizt wurde. [Mit freundli-
0 3 6 9 12 cher Genehmigung von Alltech Associa-
a b Zeit (min) tes, State College, PA.]
642 Kapitel 23 · Gaschromatographie

3
DB-1 ist eine Herstellerbezeichnung
für Polydimethylsiloxan.
3
1
4
1
1. 1,3-Dichlorbenzol 4
2. 1,4-Dichlorbenzol
2 3. sec-Butylbenzol
4. 1,2-Dichlorbenzol

Detektorsignal
Abb. 23.4 Einfluss des Durchmessers
einer offenen Kapillarsäule auf die Auf- 0.32-mm 0.25-mm
lösung. Mit engen Kapillaren werden innerer innerer
bessere Auflösungen erreicht. Beachten Durchmesser Durchmesser
Sie die bessere Auflösung der Peaks 1
und 2 in der engeren Säule. Bedingun-
gen: Stationäre Phase ist eine 0.25 μm
dicke Belegung mit DB-1 (siehe Rand-
text) in einer 15 m-Kapillare.Temperatur
95 °C. Trägergas: He mit einer Linear-
geschwindigkeit von 34 cm/s. [Zur
Verfügung gestellt von J & W Scientific, 1.5 2.0 2.5 1.5 2.0 2.5
Folsom, CA.] Zeit (min)

3 3

1 3
1 4
4
1
4
Detektorsignal

2
Abb. 23.5 Die Auflösung steigt mit 2
der Quadratwurzel der Säulenlänge. 2
15 m 30 m 60 m
Beachten Sie die bessere Auflösung
der Peaks 1 und 2 in den längeren
Säulen. Bedingungen: Stationäre
Phase ist eine 0.25 μm dicke Bele-
gung mit DB-1. Temperatur 95 °C.
Trägergas: He mit einer Linearge-
schwindigkeit von 34 cm/s. [Mit
freundlicher Genehmigung von 1.5 2.0 3.0 3.5 4.0 6.5 7.0 7.5
J & W Scientific, Folsom, CA.] Zeit (min) Zeit (min) Zeit (min)

2
1. Methanol
2
2. Ethanol
0.25-μm- 3. Acetonitril 1.0-μm-
Filmdicke 4. Aceton Filmdicke
5. 2-Propanol
6. Diethylether
6
7. Dichlormethan 3
4 5 5
3 7 1 4 6

1 7
Detektorsignal

Abb. 23.6 Einfluss der Dicke der statio-


nären Phase auf die Trennleistung offe-
ner Kapillarsäulen. Steigende Dicke der
Belegung erhöht díe Retentionzeit und
verbessert die Peak-Auflösung der zuerst
aus der Säule tretenden Verbindungen.
Bedingungen: Stationäre Phase ist eine
15-m-DB-1 Kapillare mit einem Durch-
messer von 0.32 mm. Temperatur: 40 °C.
Elution mit He, Lineargeschwindigkeit
38 cm/s. [Mit freundlicher Genehmigung 1.6 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4
von J & W Scientific, Folsom, CA.] Zeit (min) Zeit (min)
23.1 · Der Trennprozess in der Gaschromatographie 643

Tailing verringern (Abbildung 22.21), es kann aber auch das Bluten (Zersetzung und —
O


Verdampfung) der stationären Phase bei erhöhter Temperatur zunehmen. Eine Dicke CH 3 —
Si —
von 0.25 μm ist Standard, für flüchtige Analyte werden dickere stationäre Phasen ver- — CH 3
wendet. O


Die Wahl einer flüssigen stationären Phase (Tabelle 23.1) beruht auf der Regel „Ähn-

Si
23
liches löst Ähnliches“. Unpolare Säulen eignen sich am besten für die Trennung von un- —
O


polaren Analyten (Tabelle 23.2). Säulen mit mittlerer Polarität sind am geeignetsten für CH 3 —
Si —
Analyte mit mittlerer Polarität und stark polare Säulen werden am besten für stark polare — CH 3
Analyte eingesetzt. Im Exkurs 23.1 werden chirale (optisch aktive) Phasen zur Trennung O


CH 3 —
optischer Isomere beschrieben. Si— CH 3
Wenn eine Säule altert, kann die stationäre Phase verlorengehen, wodurch an der
(Diphenyl)(dimethyl)-
Oberfläche Silanolgruppen (Si–OH) freigesetzt werden und das Tailing zunimmt. Um polysiloxan
zu verhindern, dass die stationäre Phase bei höherer Temperatur aus der Säule ausblutet,
wird sie gewöhnlich kovalent an die Silikatoberfläche gebunden und untereinander quer-
vernetzt. Um die Säulenleistung zu überwachen, ist es gängige Praxis, regelmäßig den CH 3


Si —
Retentionsfaktor eines Standards (Gleichung 22.17), die Bodenzahl (Gleichung 22.28) CH 3 —
— O CH 3
und die Asymmetrie des Peaks (Abbildung 22.14) zu messen. Veränderungen dieser Para-
Si —
meter zeigen eine Zersetzung der Säule. CH 3 CH 3
Bei höheren Arbeitstemperaturen zersetzen sich die stationären Phasen und die —
Si —
Abbauprodukte „bluten“ langsam aus der Säule. Diese Stoffe führen bei den meisten CH 3
— O CH 3
Detektoren zu einem erhöhten Untergrundsignal, sie verschlechtern das Signal-Rausch- —
Si —
Verhältnis und können den Detektor verunreinigen. Stationäre Phasen mit Arylgruppen — CH 3
haben eine höhere thermische Stabilität, bluten bei höherer Temperatur weniger und sind Aryl-polysiloxan

Tabelle 23.1 Häufig verwendete stationäre Phasen in der Kapillar-Gaschromatograhie

Struktur Polarität Temperaturgebiet (°C)

x=0 unpolar –60°–320 °C


CH3 x = 0.05 unpolar –60°–320 °C
x = 0.35 mittlere Polarität 0°–300 °C
O Si O Si x = 0.65 mittlere Polarität 50°–370 °C
CH3
x 1 x

(Diphenyl)x(dimethyl)1–x polysiloxan

CN mittlere Polarität –20°–280 °C

CH3

O Si O Si

CH3
0.14 0.86

(Cyanopropylphenyl)0.14(dimethyl)0.86
polysiloxan

−[CH2CH2−O]n− stark polar 40°–250 °C


Carbowax (Polyethylenglycol)

CN CN stark polar 0°–275 °C

O Si O Si

CN
0.9 0.1

(Biscyanopropyl)0.9(cyanopro-
pylphenyl)0.1poysiloxan
644 Kapitel 23 · Gaschromatographie

Tabelle 23.2 Polarität von Analyten

Unpolar Schwache mittlere Polarität

Gesättigte Kohlenwasserstoffe Ether

Olefinische Kohlenwasserstoffe Ketone

Aromatische Kohlenwasserstoffe Aldehyde

Halogenkohlenwasserstoffe Ester

Mercaptane Tertiäre Amine

Sulfide Nitroverbindungen (ohne α-H-Atome)

CS2 Nitrile (ohne α-H-Atome)

Starke mittlere Polarität Stark polar

Alkohole Polyhydroxyalkohole

Carbonsäuren Aminoalkohole

Phenole Hydroxysäuren

Primäre und sekundäre Amine Mehrprotonige Säuren

Oxime Polyphenole

Nitroverbindungen (mit α-H-Atomen)

Nitrile (mit α-H-Atomen)

Quelle: Übernommen aus H. M. McNair und E. J. Bonelli, Basic Chromatography (Palo Alto, CA: Varian Instru-
ment Division, 1968).

besonders für die Kombination der Gaschromatographie mit der Massenspektrometrie


geeignet. Im Vergleich mit (Diphenyl)(dimethyl)polysiloxanen zeigen Arylphasen bei
verschiedenen Verbindungen einige Unterschiede in der relativen Retention.
Um Störungen durch Bluten der Säulen zu verringern, sollte man eine möglichst
dünne stationäre Phase und die engste und kürzeste Säule wählen, die eine ausreichende
Trennung erlaubt. Die Oxidation der stationären Phase durch O2 ist ebenfalls eine we-
sentliche Ursache für das Bluten. Man sollte hochreines Trägergas verwenden, das vor
der Säule nochmals von Sauerstoff befreit wurde. Bereits 1 ppb O2 zersetzt allmählich die
Säule. In geringerem Maß kann H2O die stationäre Phase durch Hydrolyse abbauen. Zur
Verringerung des Blutens modifizieren die Hersteller die Quarzoberfläche der Kapillare,
um freiliegende Silanolgruppen (Si−OH) zu eliminieren, an denen der Abbau der statio-
nären Phase beginnen kann.
Ionische Flüssigkeiten sind die neueste Art von stationären Phasen für die Gaschro-
matographie. Sie schmelzen unterhalb der Zimmertemperatur und nehmen über einen
großen Bereich den flüssigen Aggregatszustand, mit niedriger Flüchtigkeit bei hoher
Temperatur, ein. Ionische Flüssigkeiten könnten neue Möglichkeiten für die Trennung
polarer Analyte und die Anwendung erhöhter Arbeitstemperaturen bei geringem Bluten
eröffnen.

F3C CF3
O O
S S
O O
N N
O N N N N O
S S
O O
F3C CF3
1,9-Di(3-vinylimidazolium)nonan-bis-(trifluormethyl)sulfonylimidat
(stationäre Phase Supelco SP-IL 100)
23.1 · Der Trennprozess in der Gaschromatographie 645

Exkurs 23.1

Chirale Phasen zur Trennung optischer Isomere Die Chromatographie mit einer chiralen (optisch aktiven) stati-
Optische Isomere – auch Enantiomere genannt – sind chemi- onären Phase ist eine der wenigen Möglichkeiten zur Trennung
sche Verbindungen, die sich zueinander wie Gegenstände zu von Enantiomeren. Wir können das Alter von bis zu 500 Millio- 23
ihrem Spielbild verhalten, sie können nicht zur Deckung ge- nen Jahre alten Fossilen dadurch bestimmen, dass der Anteil der
bracht werden. Ein Beispiel sind die natürlichen Aminosäuren, Aminosäure bestimmt wird, der sich im Fossil in das D-Enantio-
die Bausteine der Proteine, die sogenannten L-Aminosäuren. mer umgewandelt hat.6,7 Für eine direkte gaschromatographi-
sche Bestimmung reicht der Dampfdruck der Aminosäuren nicht
Spiegelebene aus. In der nebenstehenden Abbildung ist ein flüchtiges Derivat
CO2 CO2 gezeigt, das sich zur Gaschromatographie eignet.8
Die üblichen chiralen stationären Phasen in der Gaschroma-
C C tographie enthalten Cyclodextrine, die an die konventionellen Po-
R R
H3N NH3 lysiloxanmaterialien gebunden sind.9.10 Cyclodextrine sind natür-
H H
lich vorkommende ringförmige Zucker. β-Cyclodextrin hat eine
L-Aminosäure D-Aminosäure Öffnung von 0.78 nm Durchmesser in einen chiralen, hydropho-
ben Hohlraum. Die Hydroxylgruppen werden durch Alkylierung
Enantiomere einer Aminosäure
blockiert, um die Polarität der Öffnungsflächen des Cyclodextrins
zu verringern. (Aus den OH-Gruppen werden OR-Gruppen).
O CO2CH2CH3
Die Enantiomere haben unterschiedliche Affinitäten zum
R Cyclodextrin-Hohlraum, so dass beim Passieren der Chromato-
F3C N
H graphiesäule eine Trennung erfolgt. Das Chromatogramm zeigt
H
flüchtiges Derivat für
eine chirale Trennung eines Nebenprodukts in einem Pestizid.
die Gaschromatographie
Totalionenstrom der Massenspektrometrie

Primärer Enantiomere
OH O Alkohol
O H
O Chirale Trennung mit Tem-
HO O
peraturprogrammierung
O

HO
HO (120–200 °C) auf einer 0.25
O

HO
O
HO

mm × 25 m offenen Ka-
HO
OH

OH

pillarsäule mit einer 0.25-


Sekundärer
HO

μm-Belegung der statio-


O

Alkohol
HOHO

HO nären Phase aus 10 Gew%


vollständig methyliertem
O

O
β-Cyclodextrin gebunden
HO

O
HO H
OH

HO OH an Polydimethylsiloxan. [W.
O
Vetter und W. Jun, „Eluci-
O

O
O
dation of a Polychlorinated
a
OH
18 19 20 21
Bipyrrole Structure Using
Enantioselective GC“, Anal.
Zeit (min) Chem. 2002, 74, 4287.]
chiraler hydrophober
Hohlraum
hydrophiler
0.78 Eingang
nm Spiegelebene
sekundäre
HO OH Stirnfläche
(14 OH-Gruppen)
Cl Cl Cl Cl Cl Cl
Cl Cl
N Cl Cl N
HO OH N N
HO primäre Stirnfläche
HO HO OHOH Cl Cl
b (7 OH-Gruppen) CH 3 CH 3

a) Struktur von β-Cyclodextrin, ein zyklischer Zucker aus sieben


Glucosemolekülen. (α-Cyclodextrin enthält sechs, γ-Cyclodextrin
acht Monomere). b) Die primären Hydroxylgruppen liegen auf der Chlorierte Pestizidverunreinigung. Die beiden Ringe stehen senk-
unteren, die sekundären Hydroxylgruppen auf der oberen Stirn- recht zueinander. Die Spiegelbilder sind nicht zur Deckung zu brin-
seite. gen, da die C−N-Bindung zwischen den Ringen nicht frei drehbar ist.
646 Kapitel 23 · Gaschromatographie

abgestumpfter
Oktaeder

Abb. 23.7 Struktur des Molekularsiebs


Na12(Al12Si12O48) ∙ 27H2O. a) Alumino-
silikat-Gerüst einer Sodalitheinheit
(Oktaederstumpf mit 6 Quadraten und 8
Sechsecken) aus der Familie der Zeolithe.
b) Durch die Verknüpfung von 8 Sodalith-
Käfigen über die 4-Eck-Flächen entsteht
im Zentrum ein neunter Käfig zur Auf- zugänglicher Hohlraum
nahme kleiner Moleküle (Zeolith A). a Sauerstoff Si or Al b

Die Festkörper, die als poröse Schichten in der Kapillargaschromatographie verwendet


werden, wie poröse Polymere, Aktivkohle mit sehr großer Oberfläche (Abbildung 23.3)
und Aluminiumoxid, eignen sich zur Trennung von Kohlenwasserstoffen durch Gas-Fest-
Adsorptionschromatographie. Molekularsiebe (Abbildung 23.7) sind anorganische oder
organische Materialien mit Hohlräumen, in die kleine Moleküle eintreten können und da-
durch teilweise zurückgehalten werden.11 Moleküle, wie H2, O2, N2, CO2 und CH4 können
auf diese Weise voneinander getrennt werden. Gase lassen sich trocknen, indem sie durch
Fallen geschickt werden, in denen sich Molekularsiebe befinden, die Wasser stark zurück-
halten. Anorganische Molekularsiebe können regeneriert (getrocknet) werden, indem sie
im Vakuum oder im N2-Strom auf 300 °C erhitzt werden.

Gepackte Säulen
Teflon ist ein chemisch inertes Polymer Gepackte Säulen enthalten ein feinkörniges Trägermaterial, das mit einer nichtflüchti-
mit der Struktur –CF2–CF2–CF2–CF2–. gen, flüssigen stationären Phase belegt ist. Manchmal wird auch der Feststoff selbst als
stationäre Phase verwendet. Im Vergleich zu den offenen Kapillarsäulen haben die ge-
packten Säulen eine größere Probenkapazität, ergeben aber breitere Peaks, längere Reten-
tionszeiten und geringere Auflösung. (Vergleichen Sie die Abbildungen 23.8 und 23.3.)
Trotz ihrer geringeren Auflösung werden gepackte Säulen für präparative Trennungen
eingesetzt, bei denen eine große Menge stationärer Phase verwendet wird, oder für die
Trennung von Gasen, die weniger stark zurückgehalten werden. Als Säulenmaterial
werden Edelstahl oder Glas verwendet, die Säulen sind meist 3–6 mm dick und 1–5 m
lang. Der feste Träger ist meist Kieselgel, das silanisiert wurde (Reaktion 22.36), um die
Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zu polaren Analyten zu verringern. Für
Analyte, die besonders hartnäckig an das Säulenmaterial gebunden werden, verwendet
man Teflon als Trägermaterial. Seine Anwendung ist jedoch auf Temperaturen <200 °C
beschränkt.
In einer gepackten Säule verringert eine gleichmäßige Teilchengröße den Term A der
unterschiedlichen Weglängen in der van-Deemter-Gleichung (22.33), wodurch die Stufen-
höhe reduziert und die Auflösung erhöht wird. Bei geringer Partikelgröße verringert sich
die Zeit, die der Analyt zur Gleichgewichtseinstellung benötigt, wodurch die Effizienz der
Säule steigt. Je kleiner jedoch die Partikel sind, desto weniger Platz verbleibt zwischen den
Teilchen. Deshalb wird hier ein höherer Druck benötigt, um die mobile Phase durch die
Säule zu transportieren. Die Teilchengröße wird in Mikrometern oder als Siebgröße (mesh
size) angegeben, welche sich auf die Maschengröße eines Siebs bezieht, durch welche die
Teilchen hindurchtreten oder von denen sie zurückgehalten werden (Tabelle 27.2). Ein
Teilchen mit 100/200 mesh passt durch ein Sieb mit 100 mesh Maschenweite, nicht jedoch
durch ein Sieb mit 200 mesh. Die Maschenweite (mesh) gibt die Anzahl der Öffnungen
des Siebes bezogen auf die Kantenlänge in Inch an.
23.1 · Der Trennprozess in der Gaschromatographie 647

Lösungsmittel

OH

2,3-Dimethyl-2-butanol
23
Detektorsignal

1-Butanol
1-Pentanol

1-Hexanol

Abb. 23.8 Chromatogramm einer Alko-


holmischung bei 40 °C nach dem Pas-
sieren einer gepackten Säule (2 mm In-
nendurchmesser × 76 cm Länge) gefüllt
mit 20 % Carbowax 20 M auf dem Träger
Gas-Chrom R. Detektion: Flammenionisa-
5 10 15 20 25 30 35 40 45 tion. [Mit freundlicher Genehmigung von
Injektion Zeit (min) Norman Pearson.]

Retentionsindex
Abbildung 23.9 zeigt, wie sich die relativen Retentionszeiten von polaren und unpolaren
Analyten verändern, wenn sich die Polarität der stationären Phase ändert. In Abbildung
23.9a werden 10 Verbindungen nahezu in der Reihenfolge steigender Siedepunkte von ei-
ner unpolaren Säule eluiert. Die bestimmende Größe für die Retention auf dieser Säule ist
die Flüchtigkeit der Analyte. In Abbildung 23.9b werden durch die stark polare stationäre
Phase die polaren Analyte besonders zurückgehalten. Die drei Alkohole werden als letzte
eluiert, nachdem vorher die drei Ketone und zuerst die vier Alkane eluiert wurden. Die
stärksten Kräfte zur Zurückhaltung der Analyte sind höchstwahrscheinlich starke Was-

25 8
a 10 b 5 8 10
2
Siedepunkt
Verbindung
Lösungsmittel (°C)

1 Aceton 56
2 Pentan 36
3 Propanol 97
Detektorsignal
Detektorsignal

4 Methylethylketon 80
5 Hexan 69
6 Butanol 117
7 3-Pentanon 102
1 1 8 Heptan 98
4 4
9 Pentanol 138
7
7 10 Octan 126
6 9
3
3
6 9

2 4 6 2 4 6 8 10 12 14 16 18
Zeit (min) Zeit (min)

Abb. 23.9 Trennung von 10 Verbindungen auf (a) einer unpolaren Poly(dimethylsiloxan)-Phase und
(b) einer stark polaren Polyethylenglycol-Phase von je 1 μm Dicke, in offenen Kapillarsäulen (0.34 mm
Durchmesser und 30 m Länge) bei 70 °C. [Mit freundlicher Genehmigung von Restek Co, Bellefonte, PA.]
648 Kapitel 23 · Gaschromatographie

Der Retentionsindex bezieht die Re- serstoffbrückenbindungen. Die Dipolwechselwirkungen der Ketone sind die zweitstärkste
tentionszeit eines Analyten auf die Kraft in diesem System.
Retentionszeiten linearer Alkane. Der Retentionsindex nach Kovats (I) ist für ein lineares Alkan das 100-fache der Zahl
seiner Kohlenstoffatome. Für Octan ist I = 800, für Nonan I = 900. Wenn eine beliebige
Reduzierte Retentionszeit = t'r = tr – tm
Substanz zwischen Octan und Nonan eluiert wird (Abbildung 22.7) hat sie einen Retenti-
tr = Retentionszeit des Analyten onsindex, der zwischen 800 und 900 liegt und durch folgende Formel berechnet wird
tm = Zeit, die eine nicht zurückgehal-
tene Substanz (CH4) zum Passieren ⎡ log t r' (Probe ) − log t r' (n )⎤
Retentionsindex: I = 100 ⎢n + (N − n ) ⎥ (23.1)
der Säule benötigt. ⎣⎢ log t r' (N ) − log t r' (n ) ⎦⎥

wobei n die Anzahl der Kohlenstoffatome im kleineren Alkan, N die Anzahl Kohlenstoff-
atome im größeren Alkan, t’r (n) die reduzierte Retentionszeit des kleineren Alkans und
t’r (N) die reduzierte Retentionszeit des größeren Alkans sind.

> Beispiel
Retentionsindex
Bestimmen Sie den Retentionsindex für die Probenkomponente in Abbildung 22.7 mit tr
(CH4) = 0.5 min, tr (Octan) = 14.3 min, tr (Probe) = 15.7 min und tr (Nonan) = 18.5 min.

Lösung Der Index wird mit Gleichung 23.1 berechnet:

⎡ log15.2 − log13.8 ⎤
I = 100 ⎢ 8 + (9 − 8) ⎥ = 836
⎣ log18.0 − log13.8 ⎦

Selbstüberprüfung An welcher Stelle würde ein Analyt mit einem Retentionsindex von
936 in der Abbildung 22.7 eluiert werden? (Antwort: nach Nonan)
Wenn eine eluierte Substanz mit Hilfe
ihres Massenspektrums in einer Da- Der in Tabelle 23.3 aufgelistete Retentionsindex von 657 für Benzen, bestimmt auf einer
tenbank verglichen wird, treten häu- Poly(dimethylsiloxan)-Säule, bedeutet, dass Benzen auf dieser unpolaren stationären Phase
fig falsche Zuordnungen ein. Wenn zwischen Hexan und Heptan eluiert wird. 1-Nitropropan wird auf der gleichen Säule
der Retentionsindex als zweites Cha- unmittelbar nach Heptan eluiert. Wenn wir in der Tabelle nach unten gehen, werden die
rakteristikum verwendet wird, werden stationären Phasen polarer. Auf (Biscyanopropyl)0.9(cyanopropylphenyl)0.1polysiloxan (am
falsche Zuordnungen verringert. Ende der Tabelle) werden Benzen nach Decan und Nitropropan nach n-C14H30 eluiert.

Tabelle 23.3 Retentionsindices für verschiedene Verbindungen auf häufig verwendeten stationären Phasen

Phase Retentionsindexa

O
OH NO2 N
Benzen Butanol 2-Pentanon 1-Nitropropan Pyridin
Sdp. 80 °C Sdp. 117 °C Sdp. 102 °C Sdp. 132 °C Sdp. 116 °C

Polydimethylsiloxan 657 648 670 708 737

(Diphenyl)0.05(dimethy)0.95-polysiloxan 672 664 691 745 761

(Diphenyl)0.35(dimethy)0.65-polysiloxan 754 717 777 871 879

(Cyanopropylphenyl)0.14-(dimethyl)0.86-polysiloxan 726 773 784 880 852

(Diphenyl)0.65(dimethy)0.35-polysiloxan 797 779 824 941 943

Polyethylenglycol 956 1 142 987 1 217 1 185

(Biscyanopropyl)0.9-(cyanopropylphenyl)0.1-polysiloxan 1 061 1 232 1 174 1 409 1 331

a
Zum Vergleich die Siedepunkte (Sdp.) verschiedener Alkane: Hexan 69 °C; Heptan 98 °C; Octan 126 °C; Nonan 151 °C); Decan 174 °C; Undecan 196 °C. Die
Retentionsindices der geradkettigen Alkane sind feststehende Werte und ändern sich mit der stationären Phase nicht: Hexan 600, Heptan 700, Octan, 800,
Nonan 900, Decan 1000, Undecan 1100.
Quelle: Restek Chromatography Products Catalog, 1993–94, Bellefonte, PA.
23.1 · Der Trennprozess in der Gaschromatographie 649

Temperatur- und Druckprogrammierung


Die meisten gaschromatographischen Analysen werden mit einem Temperaturpro- Erhöhung der Säulentemperatur:
gramm durchgeführt, bei denen die Temperatur der Säule während der Analyse erhöht ▬ erniedrigt die Retentionszeit
wird, um den Dampfdruck des Analyten zu erhöhen und die Retentionszeiten der zuletzt ▬ macht die Peaks schmaler 23
eluierenden Substanzen zu erniedrigen. Die Abbildung 23.10 zeigt die Elution der linea-
ren C5–C15-Alkane von einer 3 m langen Säule, die in einen Silicium-Chip geätzt wurde
(siehe Exkurs 23.2). Bei einer konstanten Temperatur von 30 °C (nicht dargestellt) dauert
es sehr lange, bis die schweren Alkane eluiert werden, wobei sie kaum detektiert werden
können. Die drei Chromatogramme in Abbildung 23.10 zeigen, was geschieht wenn die
Temperatur mit einer Geschwindigkeit von a) 20 °C/min, b) 40 °C/min und c) 60 °C/min
von 30 °C auf 150 °C erhöht wird. Die breiten, spät eluierenden Peaks werden mit der
Temperaturprogrammierung spitzer und erscheinen früher am Detektor. Um eine
ausreichende Auflösung der ersten Peaks zu sichern, beginnen die Programme oft vor
dem Temperaturanstieg mit einer Anfangsperiode mit einer konstanten und niedrigen
Temperatur.
Die meisten Säulen für die Gaschromatographie werden mit einem Etikett geliefert,
auf dem zwei Temperaturbegrenzungen stehen. Die untere Begrenzung ist die Temperatur,
bei der die Säule lange Zeit aufbewahrt werden kann. Die obere ist das Temperaturlimit,
dem die Säule nur für einige Minuten am Ende eines Temperaturprogramms ausgesetzt
werden sollte. Hohe Temperaturen zersetzen die stationäre Phase und verursachen das
„Bluten“ der Säule. Ein Anstieg des Signals der Grundlinie bei niedrigen Temperaturen ist
ein Indikator für eine Zerstörung der Säule. Weitere Anzeichen hierfür sind eine Peakver-
breiterung, Tailing und veränderte Retentionszeiten.
Viele Chromatographen haben eine elektronische Druckkontrolle für das Träger-
gas. Eine Erhöhung des Eingangsdrucks erhöht die Fließgeschwindigkeit der mobilen
Phase und verringert die Retentionszeiten. In einigen Fällen kann man anstelle der
Temperaturprogrammierung mit einem Druckprogramm die Retentionszeit der zuletzt
eluierenden Substanzen verkürzen. Am Ende eines Durchlaufs kann der Druck für die
nächste Analyse sehr schnell auf den Ausgangswert gesenkt werden. Man muss mit
der nächsten Injektion nicht warten, bis sich die heiße Säule abgekühlt hat. Das Ver-
fahren der Druckprogrammierung ist besonders für temperaturempfindliche Analyte
geeignet.

C5

C9 C11 C13 C15


C7

20 °C/min

a
C5
C9 C11 C13
C15
C7

40 °C/min Abb. 23.10 Temperaturprogrammierte


Chromatographie von Alkanen bei drei
b
verschiedenen Heizgeschwindigkeiten
C5 C11 an einer 3.0 m langen Polydimethylpoly-
C9 C13
siloxan-Säule, die in einen Silicium-Chip
C7 C15
geätzt wurde. [S. Reidy, D. S. George,
M. Agah und R. Sacks, „Temperature-
Programmed GC Using Silicon Microfab-
60 °C/min ricated Columns with Integrated Heaters
50 100 150 200 250 300 350 and Temperature Sensors“, Anal. Chem.
c Zeit (s) 2007, 79, 2911.]
650 Kapitel 23 · Gaschromatographie

Trägergas
1.2 N2 Helium ist das am häufigsten verwendete Trägergas und ist für die meisten Detektoren ge-
1.0 eignet. Für den Flammenionisationsdetektor gibt N2 eine niedrigere Nachweisgrenzen als
Bodenhöhe (mm)

0.8 He He. Aus Abbildung 23.11 sieht man, dass mit H2, He und N2 die gleichen optimalen Stu-
0.6 H2
fenhöhen (0.3 mm) bei sehr unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten erreicht werden.
Die optimale Fließgeschwindigkeit steigt in der Reihenfolge N2 < He < H2. Die schnellsten
0.4
Trennungen erreicht man mit H2 als Trägergas, das außerdem viel schneller als mit der
0.2
optimalen Geschwindigkeit strömen kann, ohne dass die Auflösung abnimmt.12 Abbil-
10 20 30 40 50 60 70 80 90 dung 23.12 zeigt den Einfluss des Trägergases auf die Trennung von zwei Substanzen auf
Lineargeschwindigkeit (cm/s) der gleichen Säule mit dem gleichen Temperaturprogramm.
Der Hauptgrund für die seltenere Verwendung von Wasserstoff als Trägergas war in
Abb. 23.11 van-Deemter-Kurven für die der Vergangenheit die Tatsache, dass Konzentrationen >4 Vol% in Luft ein explosives
Gaschromatographie von n-C17H36 bei
Gemisch ergeben. Bei den Fließgeschwindigkeiten der Kapillarchromatographie ist die
175 °C mit N2, He oder H2 und einer 0.35
mm (Durchmesser) × 25 m mit OV 101 Entstehung gefährlicher Konzentrationen von H2 unwahrscheinlich. In elektrolytischen
als stationäre Phase belegten Kapillar- Generatoren kann hochreiner Wasserstoff erzeugt werden und damit sind Stahlflaschen
säule. [Aus R. R. Freeman, Hrsg., High Re- mit komprimiertem H2 nicht erforderlich. Bei der Kombination der Gaschromatographie
solution Gas Chromatography (Palo Alto, mit der Massenspektrometrie verringert H2 die Leistung der Turbomolekularvakuum-
CA: Hewlett Packard Co., 1981).]
pumpe. Bei Verwendung einer Diffusionspumpe ist dieser Effekt gering.13 Allerdings ist
es möglich, dass H2 mit ungesättigten Verbindungen an Metalloberflächen reagiert.
H2 und He geben bei höheren Fließgeschwindigkeiten bessere Auflösung (kleinere
Bodenhöhen) als N2, da die Analyte durch H2 und He schneller diffundieren können als
durch N2. Je schneller ein Analyt zwischen den Phasen diffundiert, desto kleiner wird
der Massentransferterm (Cux) in der van-Deemter-Gleichung (22.33). Die Gleichungen
22.35a und 22.35b beschreiben die Effekte der endlichen Geschwindigkeit des Massen-
transfers in einer Kapillarsäule. Wenn die stationäre Phase dünn genug ist (≤0.5 μm) wird
der Massentransfer deutlich stärker von der langsamen Diffusion durch die mobile Phase
als durch die stationäre Phase bestimmt. Das heißt, Cs << Cm in Gleichungen 22.35a und
22.35b. Für eine Säule mit einem gegebenen Radius, r, und einen Analyt mit dem gegebe-
nen Retentionsfaktor, k, ist der Diffusionskoeffizient des Analyten durch die mobile Phase
die einzige Einflussgröße auf die Geschwindigkeit des Massentransfers in der mobilen
Phase (Gleichung 22.35b). Die Reihenfolge der Diffusionskoeffizienten ist H2 > He > N2.
van-Deemter-Gleichung: Bei den meisten Analysen werden Trägergasgeschwindigkeiten verwendet, die 1.5
B bis 2 Mal höher sind als die optimale Geschwindigkeit am Minimum der van-Deemter-
H≈ A A + A + Cux
ux Kurve. Die höhere Geschwindigkeit wird gewählt, um eine maximale Trennleistung
Zusätzlicher Längs- Gleichgewichts- (mehr theoretische Böden) pro Zeiteinheit zu erreichen. Dafür wird eine Abnahme der
Weg diffusion einstellung
Auflösung in Kauf genommen.

He Trägergas H2 Trägergas
N2 Trägergas 32 cm/s 60 cm/s
10 cm/s R = 1.44 R = 1.78
R = 0.87
Detektorsignal

Abb. 23.12 Trennung von zwei poly-


aromatischen Kohlenwasserstoffen auf
einer wandbelegten Kapillarsäule mit
verschiedenen Trägergasen. Die Auflö-
sung, R, nimmt zu und die Analysenzeit
nimmt ab, wenn das Trägergas von N2
zu He und zu H2 gewechselt wird. [Mit
freundlicher Genehmigung von J & W 14 15 16 9.5 10.0 10.5 7.5 8.0 8.5
Scientific, Folsom, CA.] Zeit (min)
23.1 · Der Trennprozess in der Gaschromatographie 651

Der Gasfluss durch eine enge Kapillare kann zu gering sein, um das Leistungsvermö-
gen der Detektoren voll zu nutzen. Deshalb wird manchmal zwischen Säule und Detektor
zusätzliches Gas (make-up-Gas) zugesetzt. Das für die Detektion optimale make-up-Gas
kann vom Trägergas verschieden sein.
Verunreinigungen im Trägergas zerstören die stationäre Phase. Es sollten deshalb nur 23
hochreine Gase verwendet werden und selbst diese sollten vor ihrer Anwendung durch
Gasreiniger geleitet werden, um Sauerstoff, Wasser und Spuren organischer Verbindun-

Exkurs 23.2

Chromatographische Säule auf einem Chip Ecke. Dieses Problem wurde in späteren Ausführungen durch ge-
Die Säule, die zur Aufnahme der Chromatogramme in Abbil- krümmte Biegungen anstelle der rechteckigen Richtungswechsel
dung 23.10 verwendet wurde, ist Teil eines mikrofabrizierten etwas verringert. Auch durch Teile des Systems außerhalb der
Bauteils, das für die Umweltüberwachung, medizinische Diag- Säule entsteht eine Bandenverbreiterung, die proportional zum
nosen und die Kriminaltechnik entwickelt wurde. In ein Silicium- Quadrat der Lineargeschwindigkeit ist und den zusätzlichen
blättchen von 3.2 cm Kantenlänge wurde, wie in der Abbildung Term Dux2 in der van-Deemter-Gleichung erforderlich macht. Zu
gezeigt, ein quadratischer Spiralkanal eingeätzt. Das Gas wird den großen Herausforderungen für die Entwicklung autonomer
in die weiß gezeichnete Spirale eingelassen (Bild a) und tritt Chromatographen gehören batteriegetriebene Miniaturpumpen,
aus der farbigen Spirale wieder aus. Die Verbindung der beiden Injektoren, Detektoren und Gasprobenahmesysteme.
Spiralen befindet sich im Zentrum der Struktur (Bild b). Durch
eine Abdeckplatte aus Glas entsteht ein gasdichter Kanal, der 60
mit ~0.15 μm dickem, quervernetztem Polydimethylsiloxan
Optimale Bodenhöhe ( m)

50
beschichtet ist (Tabelle 23.1). Das Trägergas für einen Chip im
Feldeinsatz ist Luft, aus der Wasser und organische Dämpfe ent- 40
fernt wurden.
Die Trennleistung der Säule (Bodenzahl) nimmt zu, wenn die 30
Kanäle enger werden. Im Bildteil c ist gezeigt, wie die optimale
20
Bodenhöhe von der Kanalbreite abhängt. Je geringer die Boden-
höhe, desto größer ist die Bodenzahl. Je dünner die Kanäle sind, 10
desto weniger Zeit benötigt der Analyt, um aus der Gasphase zur
stationären Phase zu diffundieren und desto schneller erfolgt die 0
0 100 200 300
Gleichgewichtseinstellung zwischen den Phasen. Kanalbreite (m)
Zusätzlich zur Bandenverbreiterung durch die Longitudinal-
diffusion und die endliche Zeit zur Gleichgewichtseinstellung c) Die optimale Bodenhöhe nimmt ab (die Trennleistung nimmt zu),
wenn die Kanalbreite abnimmt. Die Abbildung gilt für einen Chip
(die Größen B/ux und Cux in der van-Deemter (Gleichung 22.33)
mit abgerundeten Biegungen statt 90° Ecken. [Daten aus: M. A.
entsteht eine Bandenverbreiterung durch die rechtwinkligen Zareian-Jahromi, M. Ashraf-Khorassani, L. T. Taylor und M. Agah, „De-
Ecken im Gasfluss, bei denen die Moleküle an der Außenseite sign, Modeling and Fabrication of MEMS-Based Multicapillary Gas
der Ecke einen längeren Weg haben als die an der Innenseite der Chromatographic Columns“, J. Microelectromech. Syst. 2009, 18, 28.]

a) Anordnung der quadratischen


Gasausgang Säulenspirale. b) Umkehr des Gas-
flusses in der Mitte des Chips und
die geätzte Kanalstruktur (150 μm
breite und 240 μm tiefe Kanäle). [G.
Lambertus, A. Elstro, K. Sensenig,
J. Potkay, M. Agah, S. Scheuering,
K. Wise, F. Dorman und R. Sacks,
„Design, Fabrication, and Evaluation
of Microfabricated Columns for Gas
Chromatography“, Anal.Chem., 2004,
76, 2629. Siehe auch: S. Reidy, G.
Lambertus, J. Reece und R. Sacks,
„High-Performance, Static-Coated
Silicon Microfabricated Columns for
Gaseingang Gas Chromatography“, Anal. Chem.,
a b 2006, 78, 2623].
652 Kapitel 23 · Gaschromatographie

gen zu entfernen. Ein spezielles System (oxygen indicator trap) kann letzte Sauerstoff-
spuren entfernen. Für die Gasleitungen werden Stahl- oder Kupferrohre anstelle von
Gummi-oder Plastikschläuchen verwendet, weil Metalle nicht luftdurchlässig sind und
keine flüchtigen Verunreinigungen in den Gasstrom abgeben. Wie beim thermischen
Abbau erkennt man den oxidativen Abbau der stationären Phase an einem erhöhten
Grundliniensignal bei niedriger Temperatur, Peakverbreiterung, Tailing und veränderten
Retentionszeiten.

Vorsäulen
In der Gaschromatographie werden vor der Trennkapillare Schutzsäulen (guard columns)
und „Retentionsunterbrecher“ (retention gaps) eingesetzt. Das sind 3 bis 10 m lange leere
Kapillaren. Sie sind silanisiert, damit die Analyte nicht von der freien Säulenwand zurück-
gehalten werden können. Beide Vorsäulen sind im Aufbau identisch, sie werden jedoch
für verschiedene Zwecke verwendet.
Der Zweck einer Schutzsäule ist die Akkumulation nichtflüchtiger Substanzen, wel-
che die chromatographische Säule verunreinigen und ihre Leistungsfähigkeit erniedrigen
würden.
Der Anfang der Schutzsäule wird regelmäßig abgeschnitten, um die nichtflüchtigen
Substanzen zu beseitigen. Schneiden Sie jedes Mal ein Stück der Schutzsäule ab, wenn
plötzlich unregelmäßige Peakformen bei einer Säule auftreten, die bisher einwand-
frei funktionierte. Am besten schneidet man bei jedem Wechsel des Injektionsrohrs
10–20 cm der Schutzsäule ab. Achten Sie bei Chromatographen mit einer elektroni-
schen, pneumatischen Steuerung darauf, dass die neue Säulenlänge in die Software
Retention-Gap: verbessert die Peak- eingegeben wird.
form durch Abtrennung des flüchtigen Das Retention-Gap wird verwendet, um die Peakform unter bestimmten Bedingun-
Lösungsmittels vom weniger flüchtigen gen zu verbessern. Wenn ein großes Probenvolumen (>2 μl) splitlos oder durch On-column
Analyten vor der Chromatographie Injektion (wird im nächsten Abschnitt behandelt) auf die Säule gebracht wird, können
Mikrotröpfchen des flüssigen Lösungsmittels in den ersten Metern der Säule bestehen
bleiben. Der in diesen Tropfen gelöste Analyt wird dabei tiefer in die Säule transportiert
und verursacht eine Reihe verformter Banden. Durch das Retention-Gap wird das Lö-
sungsmittel vor Eintritt in die Säule verdampft. Man sollte mindestens 1m Retention-Gap
pro Mikroliter Lösungsmittel verwenden. Selbst kleinste Lösungsmittelvolumina mit
großem Unterschied zur Polarität der stationären Phase können irreguläre Peakformen
hervorrufen. Das Retention-Gap hilft bei der Abtrennung des Lösungsmittels vom Analy-
ten und verbessert die Peakform.
Die Bodenzahl, N, wird mit Gleichung 22.28 aus der Retentionszeit und der Peak-
breite berechnet. Die Bodenhöhe, H, ist die Säulenlänge, L, geteilt durch N. Die Längen
des Retention-Gap oder der Schutzsäule werden bei der Rechnung nicht als Teil der Säu-
lenlänge, L, betrachtet.14 Für Peaks mit einem Retentionsfaktor k < 5 ist die Bodenhöhe
bei Verwendung von Vorsäulen möglicherweise nicht aussagekräftig.

23.2 Probeninjektion15

Die Abbildung 23.13 zeigt eine gute Technik zur Injektion einer Flüssigkeit mit einer
Spritze in einen Gaschromatographen. Nach mehrmaliger Reinigung der Spritze mit dem
Lösungsmittel saugt man Luft an, dann das Lösungsmittel, dann wieder Luft, dann die
Probe und schließlich nochmals Luft. Wenn die Nadel durch ein Gummiseptum in den
geheizten Injektionsblock eingeführt wird, verdampft die Probe nicht sofort, denn es be-
findet sich zunächst keine Probe in der Nadel. Wenn dort bereits die Probe wäre, würden
die flüchtigsten Komponenten sofort verdampfen und bereits verschwinden, bevor die
Probe injiziert ist. Die Luftblase hinter dem Probenpfropfen verhindert, dass sich Probe
und Lösungsmittel vermischen. Der Pfropfen des Lösungsmittels wäscht die Probe aus
der Nadel und der letzte Luftpfropfen treibt das Lösungsmittel aus der Nadel. Viele Auto-
sampler benutzen diese „Sandwich“-Injektion.
23.2 · Probeninjektion 653

Glaszylinder
1 2 3 4

Abb. 23.13 „Sandwich“-Injektionstech-


nik. [Entnommen aus: J. T. Watson, Intro-

Luft Probe Luft Lösungsmittel Luft


duction to Mass Spectrometry, 3rd ed. 23
(Philadelphia, Lippincott-Raven, 1997).]

Entlüftung
Abb. 23.14 Injektionsblock für die
Nadel- 1 Proben- Split-Injektion in eine Kapillarsäule. Der
ventil verdampfungs- erhitzte Silanisierter
zone Metallwand Glas-Liner Mischkammer silanisierte Glas-Liner wird durch nicht-
flüchtige und zersetzte Probenbestand-
Split-Punkt
Proben-
teile verunreinigt und muss regelmäßig
injektion gewechselt werden. Bei der splitlosen
Injektion ist der Glas-Liner ein gerades
Septum Chromato- Rohr ohne Mischkammer. Für unreine
Druckregulierung
Durchflussregler graphiesäule Proben wird die Split-Injektion mit einer
Packung zur Adsorption unerwünschter
Komponenten im Liner verwendet. So
kann man Glaswolle am Ende des Liners
Träger- Molekular- Kohlen- Sauerstoff- 2 Nadelventil positionieren, damit die Flüssigkeit an
gas- siebe wasserstoff- entfernung der Außenseite der Spritzennadel von
einlass Falle der Wolle abgewischt wird, bevor die Na-
Entlüftung del herausgezogen wird.

Die Abbildung 23.14 zeigt einen Injektionsblock mit einem silanisierten Glasrohr Es gibt unterschiedliche „Liner“ in den
(„Liner“). Das Trägergas spült den Dampf der Probe aus dem Einlass in die Chromato- Injektionsblöcken für Split-, splitlose
graphiesäule. In der analytischen Chromatographie werden normalerweise 0.1–2 μL flüs- und „on column“-Injektion sowie für
siger Probe benötigt. Gase werden mittels einer gasdichten Spritze in eine Probenschleife die Kombination mit der Festphasen-
injiziert, wie sie in ähnlicher Weise auch in der Flüssigkeitschromatographie verwendet Mikroextraktion
werden (Abbildung 24.18). Zersetzungsprodukte der Probe, nichtflüchtige Stoffe und
Teilchen des Septums reichern sich im Liner an, der regelmäßig gewechselt wird. Man-
che Glasröhrchen enthalten auch etwas Glaswolle zur Aufnahme fester Partikel oder von
Pyrolyseprodukten und verhindern dadurch deren Eintritt in die Säule. Der Liner muss
gut eingepasst sein, sonst strömt das Trägergas außen vorbei. Die Lebenszeit des Gummi-
septums beträgt manchmal nur 20 manuelle Injektionen oder ~100 Injektionen mit dem
Autosampler.

Split-Injektion
Wenn der interessierende Analyt >0.1 % der Probe ausmacht, wird gewöhnlich die Split- Injektion in eine Kapillarsäule:
Injektion bevorzugt. Wenn mit hoher Auflösung gearbeitet werden soll, erhält man die Split: Routinemethode für Injektion
besten Ergebnisse mit der kleinsten Probenmenge (≤1 μL), die noch hinreichend detek- kleiner Probenvolumina in offene Ka-
tiert werden kann, vorzugsweise mit ≤1 ng jeder Komponente. Eine vollständige Injektion pillarsäulen
würde zu viel Material auf eine Kapillarsäule mit einem Durchmesser von 0.32 mm (oder Splitlos: am besten für hochsiedende
noch weniger) auftragen. Bei der Split-Injektion erreichen nur 0.2–2 % der injizierten Analytspuren in niedrig siedenden Lö-
Probe die Säule. In der Abbildung 23.14 wird die Probe schnell (<1 s) durch das Septum sungsmitteln geeignet
in die Verdampfungszone injiziert. Die Injektortemperatur ist hoch (zum Beispiel 350 °C), On-column: am besten für thermisch
so dass eine schnelle Verdampfung erfolgt. Ein schneller Trägergasstrom spült die Probe instabile Analyte und hochsiedende
durch die Mischkammer, in der vollständige Verdampfung und gute Durchmischung er- Lösungsmittel geeignet; beste Me-
folgen. Am Splitpunkt gelangt ein kleiner Teil der verdampften Probe auf die Säule, wäh- thode zur quantitativen Analyse
rend der größere Teil durch das Nadelventil 2 in den Abfall überführt wird. Durch den
Druckregler für das Nadelventil 2 wird der Anteil der Probe, der verworfen wird, geregelt.
Der Anteil der Probe, der nicht auf die Säule kommt, wird als Split-Verhältnis bezeichnet
und liegt meist zwischen 50:1 und 600:1. Wenn die Probe aus dem Injektionsblock gespült
654 Kapitel 23 · Gaschromatographie

ist (~30 s), wird das Nadelventil 2 geschlossen und der Trägergasstrom entsprechend ver-
ringert. Quantitative Analysen mit Split-Injektion können fehlerhaft sein, weil das Split-
Verhältnis von Lauf zu Lauf schlecht reproduzierbar ist.
Bei einer 1-μL-Injektion entsteht ein Gasvolumen von ungefähr 0.5 mL, das den
Glas-Liner in der Abbildung 23.14 gerade ausfüllt. Etwas Dampf kann rückwärts zum
Septum entweichen. Die niedrig siedenden Komponenten verdampfen zuerst und kön-
nen leichter entweichen als die Komponenten mit höheren Siedepunkten. Die Tempera-
tur des Injektionsblocks sollte so hoch sein, dass eine solche Fraktionierung der Probe
nicht eintritt. Wenn die Temperatur des Injektors allerdings zu hoch ist, kann sich die
Probe zersetzen. Während der Injektion und der Chromatographie fließt zur Septum-
Reinigung ein schwacher Gasstrom mit 1 mL/min durch das Nadelventil 1 in Abbildung
23.14, um überschüssigen Probendampf und Gas, das aus dem heißen Gummiseptum
blutet, zu entfernen.

Splitlose Injektion
Für die Spurenanalyse16 von Analyten, die weniger als 0.01 % der Probe ausmachen, ist
die splitlose Injektion deutlich besser geeignet. Es wird der gleiche Injektionsblock wie
für die Split-Injektion in Abbildung 23.14 verwendet. Der Glass-Liner ist hier jedoch ein
gerades Rohr ohne Mischkammer, wie in Abbildung 23.15 dargestellt. Ein großes Volu-
men (~2 μL) einer verdünnten Lösung der Probe in einem niedrigsiedenden Lösungs-
mittel wird langsam (~2 s) bei geschlossenem Split-Ausgang in den Liner injiziert. Ein
schwacher Spülfluss durch das Septum wird während der Injektion und Chromatographie
aufrecht erhalten, um alle Dämpfe, die aus dem Injektionsliner entweichen, zu beseitigen.
Die Injektionstemperatur ist für die splitlose Injektion niedriger (~220 °C) als bei der
Split-Injektion, da sich die Probe länger im Injektionsblock befindet und eine Zersetzung
vermieden werden soll. Die Aufenthaltszeit der Probe im Glas-Liner beträgt ~1 min, da
das Trägergas durch den Liner mit der Säulenfließgeschwindigkeit von ~1 mL/min strömt.
Bei der splitlosen Injektion kommen etwa 80 % der Probe auf die Säule und während der
Injektion tritt eine geringe Fraktionierung ein.
Beim Lösungsmittel-Trapping sollte Die anfängliche Säulentemperatur wird auf 40 °C unterhalb des Siedepunkts des
die Probe 104 Mal so viel Lösungs- Lösungsmittels eingestellt, wodurch dieses am Beginn der Säule kondensiert. Wenn
mittel wie Analyt enthalten und die die Analyte den kondensierten Lösungsmittelpfropfen erreichen, werden sie in einer
Säulentemperatur sollte 40 °C unter schmalen Zone am Anfang der Säule eingefangen. Dieses Lösungsmittel-Trapping führt
dem Siedepunkt des Lösungsmittels zu scharfen chromatographischen Peaks. Ohne dieses Solvent-Trapping können die Ban-
liegen. den nicht schärfer als die einminütige Injektionszeit sein. Die Chromatographie beginnt
Bei der Kalt-Aufgabe muss die Film- durch Erhöhung der Säulentemperatur mit einer Verdampfung des am Kopf der Säule
dicke der stationären Phase größer angesammelten Lösungsmittels.
als 2 μm sein. Eine alternative Methode zur Kondensation der Analyte in einer schmalen Zone
am Anfang der Säule wird Kalt-Aufgabe (cold trapping) genannt. Die anfängliche Säu-
lentemperatur ist 150 °C niedriger als die Siedepunkte der zu bestimmenden Analyte.
Lösungsmittel und niedrigsiedende Komponenten werden sehr schnell eluiert, hochsie-
dende Analyte bleiben jedoch in einer schmalen Zone am Säulenanfang beisammen. Die
Säule wird dann schnell aufgeheizt, um die Trennung der hochsiedenden Analyte zu star-
ten. Für niedrigsiedende Analyte ist die Kryofokussierung mit einer Anfangstemperatur
der Säule unterhalb der Raumtemperatur erforderlich.
Die Abbildung 23.16 zeigt die Effekte der Arbeitsparameter bei Split- und splitlosen
Injektionen. Experiment A ist eine übliche Splitinjektion mit raschem Fluss durch den
Splitausgang in Abbildung 23.15. Die Säulentemperatur wurde auf 75 °C gehalten. Der
Injektionsliner wurde schnell mit Trägergas gespült und die resultierenden Peaks sind
sehr scharf. Experiment B zeigt die gleiche Probe, die auf gleiche Weise injiziert wurde,
der Splitausgang war hier jedoch geschlossen. Dann wurde der Injektionsliner langsam
gespült und die Probe langsam auf die Säule gebracht. Die Peaks sind breit und zeigen
ein unschönes Tailing. weil sich frisches Trägergas kontinuierlich mit dem Dampf im
Injektor mischt. Dadurch verdünnt sich dieser ständig, ohne das die Probe vollständig
aus dem Injektor gespült wird. Die Peakflächen in B sind größer als die von A, da bei B
23.2 · Probeninjektion 655

Spritze

Septum-
Septum
Spülung

102 mL /min 1 mL /min 2 mL/min 1 mL /min 1 mL /min 0 mL /min


23
350°C 220°C Bei einer
Anfangstem-
Säule
peratur des
Split- Ofens
Ausgang (z.B. 50 °C)

Säule 100 mL/min 0 mL/min 0 mL /min


1 mL/min 1 mL/min 1 mL/min

Split-Injektion splitlose Injektion On-column-Injektion

Abb. 23.15 Typische Injektionsbedingungen für Split-, splitlose und On-column-Injektion in eine
Kapillarsäule.

A: Split-Injektion B: Split-Ausgang geschlossen C: wie bei B, aber der Split- D: Lösungsmittel-Trapping


Ausgang wurde nach 30 s
geöffnet

Lösungsmittel Lösungsmittel Lösungsmittel Lösungsmittel


3 3
Detektorsignal

3
2
2
2
3
2

0 2 4 0 2 4 6 8 0 2 4 0 2 4
Zeit (min) Zeit (min)

Abb. 23.16 Split- und splitlose Injektionen einer Lösung, die 1 Vol% Methylisobutylketon (Sdp. 118 °C),
1 Vol% p-Xylen (Sdp. 138 °C) in Dichormethan (Sdp. 40 °C) enthält, auf die mäßig polare BP-10 Cyano-
propylphenylmethylsilikon-Kapillarsäule (Durchmesser 0.22 mm × 10 m Länge, Filmdicke = 0.25 μm,
Säulentemperatur = 75 °C). Die Ordinate ist für A–C gleich, das Signal bei D muss mit 2.33 multipliziert
werden, um es mit der Skala von A–C zu vergleichen. [P. J. Marriot und P. D. Carpenter, „Capillary Gas
Chromatography Injection“, J. Chem. Ed. 1996, 73, 96.]

die gesamte Probe in die Säule gelangt, während bei A nur ein kleiner Teil der Probe die
Säule passiert.
Das Experiment C ist das gleiche wie B, jedoch wurde der Split-Ausgang nach 30 s
geöffnet, um schnell alle Dämpfe vom Injektionsliner zu spülen. Die Banden im Chroma-
togramm C würden denen im Chromatogramm B ähneln, allerdings sind die Peaks nach
30 s abgeschnitten. Das Experiment D ist das gleiche wie C, mit dem Unterschied, dass
die Säule zunächst auf 25 °C gekühlt wurde, um das Lösungsmittel und die Analyte am
Anfang der Säule festzuhalten. Das ist die korrekte Bedingung für die splitlose Injektion.
Die Analytpeaks sind scharf, weil die Probe in einem schmalen Band des festgehaltenen
Lösungsmittels am Kopf der Säule aufgebracht wird. Das Dektorsignal von D unterschei-
det sich von dem bei A–C. Die tatsächlichen Peakflächen bei D sind größer als bei A, da
der größte Teil der Probe bei D auf die Säule übertragen wurde, während das bei A nur
für einen kleinen Teil gilt. Um im Experiment D eine ordentliche splitlose Injektion zu
realisieren, müsste die Probe sehr stark verdünnt werden.
656 Kapitel 23 · Gaschromatographie

On-column-Injektion
Die On-column Injektion wird bei Proben verwendet, die sich oberhalb ihres Siede-
punktes zersetzen und wird für quantitative Analysen bevorzugt. Die Lösung wird direkt
auf die Säule aufgegeben, ohne dass diese vorher einen heißen Injektor passiert (Abbil-
dung 23.15). Die ursprüngliche Säulentemperatur ist dabei tief genug, um die Analyte in
einer schmalen Zone zu kondensieren. Durch Aufheizen der Säule wird die chromatogra-
phische Trennung gestartet. Die Proben werden dabei den möglichst niedrigsten Tempe-
raturen ausgesetzt, wodurch kaum Analyt verlorengeht. Die Nadel einer üblichen Mikro-
literspritze passt in eine Kapillarsäule mit einem Durchmesser von 0.53 mm. Leider wird
mit diesem Säulentyp nicht die beste Auflösung erreicht. Für Säulen mit Durchmessern
von 0.20–0.32 mm, die eine bessere Auflösung haben, sind Spezialspritzen mit dünnen
Quarznadeln erforderlich.

23.3 Detektoren

Für die qualitative Analyse kann ein Massenspektrometer (Kapitel 21) einen chromato-
graphischen Peak durch Vergleich seines Spektrums mit einer Spektrenbibliothek identi-
fizieren. Zur massenspektrometrischen Identifizierung werden manchmal zwei markante
Peaks im Elektronenstoßionisations-Massenspektrum ausgewählt. Das Bestimmungsion
(quantitation ion) wird für die quantitative Analyse verwendet. Das Nachweis- oder Be-
stätigungsion (confirmation ion) wird für die qualitative Identifizierung verwendet. Für
eine Standardsubstanz hat das Nachweision 65 % der Häufigkeit des Bestimmungsions.
Wenn die gefundene Häufigkeit nicht dicht bei 65 % liegt, müssen wir annehmen, dass die
Substanz falsch identifiziert wurde.
Eine andere Identifizierungsmöglichkeit für einen Peak besteht im Vergleich seiner
Retentionszeit mit der einer authentischen Probe der vermuteten Verbindung. Die zuver-
Lineares Ansprechverhalten be- lässigste Methode für den Vergleich von Retentionszeiten ist das Spiken (auch Co-Chro-
deutet, dass die Peakfläche proporti- matographie genannt), bei dem eine authentische Verbindung der unbekannten Probe
onal zur Konzentration des Analyten zugesetzt wird. Wenn die zugesetzte Verbindung mit der Probe übereinstimmt, muss die
ist. Für sehr schmale Peaks wird häu- Fläche dieses Peaks zunehmen. Die Identifizierung ist unsicher, wenn sie nur an einer
fig die Peakhöhe statt der Peakfläche Säule erfolgt ist. Es ist sicherer, die Identifizierung an mehreren Säulen mit unterschiedli-
verwendet. chen stationären Phasen vorzunehmen.
Zur quantitativen Analyse benutzt man die Fläche des chromatographischen Peaks.
Quantitative Analyse mit innerem Im Konzentrationsbereich mit linearem Ansprechverhalten des Detektors ist die Peakfläche
Standard: zur Menge des Analyten proportional. Bei den meisten Geräten wird die Peakfläche durch
einen Computer angegeben. Die Zeichnung der Grundlinie unter den Peaks und die Fest-
Ax ⎛ A ⎞
=F ⎜ s ⎟ legung der Begrenzung der zu messenden Fläche müssen abgeschätzt werden.17 Wenn die
⎜ ⎟
⎣⎡ X ⎦⎤ ⎝ ⎡⎣ S⎦⎤ ⎠ Peakfläche per Hand gemessen werden muss, gilt für die Fläche eines Gauß-Peaks
Fläche eines Gauß-Peaks = 1.064 × Peakhöhe × w1/2 (23.2)
Ax = Fläche des Analytsignals
As = Fäche des Signals vom inneren wobei w1/2 die Peakbreite bei halber Höhe ist (Abbildung 22.9). Quantitative Analysen
Standard werden fast immer durch Zusatz einer bekannten Menge eines inneren Standards zum
[X]= Analytkonzentration Analyten durchgeführt (Abschnitt 5.4). Nach der Bestimmung des Response-Faktors mit
[S] = Standardkonzentration Standardmischungen wird mit der Gleichung vom Seitenrand die unbekannte Analyt-
F = Response-Faktor menge bestimmt.

Wärmeleitfähigkeitsdetektor (WLD)
Früher waren Wärmeleitfähigkeitsdetektoren in der Gaschromatographie üblich, weil
sie einfach und universell sind, sie sprechen auf alle Analyte an. Wenn gepackten Säulen
verwendet werden, ist der Wärmeleitfähigkeitsdetektor besonders nützlich. Er ist weniger
empfindlich als die anderen bei Kapillarsäulen verwendeten Detektoren (Tabelle 23.4).
Im Allgemeinen haben GC-Methoden mit Wärmeleitfähigkeitsdetektor eine schlechtere
Nachweisgrenze.
23.3 · Detektoren 657

Tabelle 23.4 Nachweisgrenzen und lineare Messbereiche von gaschromatographischen Detektoren Tabelle 23.5 Thermische Leitfähig-
keit bei 273 K und 1 atm
Detektor Ungefähre Nachweisgrenze Linearer Bereich
Gas Thermische Leitfähigkeit
Wärmeleitfähigkeit 400 pg/mL (Propan) >105 J/(K ⋅ m ⋅ s) 23
Flammenionisation 2 pg/s >107 H2 0.170
Elektroneneinfang bis zu 5 fg/s 104 He 0.141
4
Flammenphotometrie <1 pg/s (Phosphor) >10 NH3 0.021 5
<10 pg/s (Schwefel) >103
N2 0.024 3
Stickstoff-Phosphor-Detektor 100 fg/s 105
C2H4 0.017 0
Schwefel-Chemilumineszenz 100 fg/s (Schwefel) 105
O2 0.024 6
Photoionisation 25 pg–50 pg (Aromaten) >105
Ar 0.016 2
Fourier-Transform-IR 200 pg–40 ng 104
CO2 0.014 4
Massenspektrometrie 25 fg–100 pg 105
C3H8 0.015 1
Quelle: Die meisten Daten wurden entnommen aus D. G. Westmorland und G. R. Rhodes, Pure Appl. Chem.
1989, 61, 1147. Cl2 0.007 6

Die Energie je Flächeneinheit und Zeitein-


heit, die von einer heißen zu einer kalten
Region fließt, ist gegeben durch den Ener-
giefluss (J/m2 ⋅ s) = –κ (dT/dx), wobei κ die
Wärmeleitfähigkeit [Einheit = J/(K ⋅ m ⋅ s)]
und dT/dx der Temperaturgradient (K/m)
Gas- sind. Die Wärmeleitfähigkeit ist für den En-
Gaseingang
eingang ergiefluss das, was der Diffusionskoeffizient
für den Massenfluss ist.
Glühdraht

Gas-
Erhitzter
ausgang
Metallblock

Gasausgang

Wärmeleitfähigkeits- Wärmeleitfähigkeitsdetektor
detektor für gepackte für kleine Volumina in der
Säulen Kapillargaschromatographie

Abb. 23.17 Wärmeleitfähigkeitsdetektoren. [Entnommen aus: J. V. Hinshaw, „The Thermal Conduc-


tivity Detector“, LCGC 2006, 24, 38.]

Die Wärmeleitfähigkeit ist die Eigenschaft einer Substanz, Wärme von einer warmen
zu einer kalten Region zu transportieren (Tabelle 23.5). Helium ist das beim Wärmeleit-
fähigkeitsdetektor meist verwendete Trägergas. Es hat die zweithöchste (nach H2) Wär-
meleitfähigkeit, so dass jeder Analyt, der mit Helium gemischt wird, die Leitfähigkeit des
Gasstroms verringert. In der Abbildung 23.17 strömt das Eluat aus der Chromatographie-
säule über einen heißen Wolfram-Rhenium-Glühfaden. Wenn die Analyte aus der Säule
austreten, verringert sich die Wärmeleitfähigkeit des Gasstromes, der Glühfaden heizt
sich auf, sein elektrischer Widerstand steigt und der Spannungsabfall über dem Glühfa- Wärmeleitfähigkeitsdetektor:
den ändert sich. Der Detektor misst die Spannungsänderung. ▬ linearer Meßbereich 105
Es ist üblich, den Trägergasstrom in zwei Ströme zu teilen, wobei ein Teil durch die ▬ H2 und He ergeben die niedrigsten
analytische Säule und der andere durch eine geeignete Referenzsäule geschickt wird. Nachweisgrenzen
Jeder Gasstrom wird über einen anderen Glühfaden geleitet oder die Ströme werden ▬ Empfindlichkeit erhöht sich mit
abwechselnd über einen Glühfaden geschickt. Der Widerstand des an die analytische – steigendem Glühfadenstrom
Säule gekoppelten Glühfadens wird mit dem des Referenzsystems verglichen. Durch die – sinkender Fließgeschwindigkeit
Referenzsäule werden Strömungsunterschiede, die bei Temperaturänderungen auftreten – niedriger Temperatur des Detek-
können, minimiert. Die Empfindlichkeit des Detektors erhöht sich mit dem Quadrat des torgehäuses
658 Kapitel 23 · Gaschromatographie

im Glühfaden fließenden Stromes. Der Detektor sollte jedoch nicht oberhalb des maximal
empfohlenen Stroms betrieben werden, um ein Ausbrennen des Glühfadens zu vermei-
den. Der Glühfaden sollte nie in Betrieb sein, wenn das Trägergas nicht fließt.
Die Empfindlichkeit eines Wärmeleitfähigkeitsdetektors (aber nicht die des anschlie-
ßend behandelten Flammenionisationsdetektors) ist umgekehrt proportional zur Fließ-
geschwindigkeit: er ist empfindlicher bei niedrigerer Fließgeschwindigkeit. Die Empfind-
lichkeit steigt auch bei zunehmenden Temperaturunterschieden zwischen dem Glühfaden
und dem ihn umgebenden Gehäuse (Abbildung 23.17). Der Detektorblock sollte deshalb
eine möglichst niedrige Temperatur haben, bei der alle Analyte noch im gasförmigen
Zustand sind.

Flammen-Ionisationsdetektor (FID)
Flammenionisationsdetektor: Im Flammenionisationsdetektor (Abbildung 23.18) wird das Eluat in einem Gemisch
▬ N2 gibt die niedrigsten Nachweis- aus H2 und Luft verbrannt.18 Die Kohlenstoffatome (mit Ausnahme von Carbonyl- und
grenzen Carboxylkohlenstoffatomen) erzeugen CH-Radikale, die in der Flamme zu CHO+-Ionen
▬ Signal ist proportional zur Anzahl und Elektronen umgesetzt werden.
der anfälligen Kohlenstoffatome
CH + O → CHO+ + e–
▬ 100fach bessere Nachweisgrenze
als beim Wärmeleitfähigkeitsde- Nur 1 von 105 Kohlenstoffatomen liefert ein Ion, die Erzeugung der Ionen ist jedoch
tektor streng proportional zur Anzahl der in die Flamme gelangenden anfälligen Kohlen-
▬ linearer Messbereich 107 stoffatome. In Abwesenheit eines Analyten fließt zwischen der Sammelelektrode, die
auf einem Potential von +200 bis 300 V gegenüber der Flammenspitze gehalten wird,
und dieser Spitze nur ein geringer Strom von ~10–14 A. Die eluierten Analyte liefern
einen Strom von ~10–12 A, der in eine Spannung umgewandelt, verstärkt und gefiltert
wird, um Hochfrequenzrauschen zu beseitigen. Schließlich wird das Signal digitalisiert
ausgegeben.
Das von organischen Verbindungen erzeugte Signal ist der Masse der Analyte über
sieben Größenordnungen direkt proportional. Die Nachweisgrenze ist 100 Mal niedriger
als beim Wärmeleitfähigkeitsdetektor (Tabelle 23.4) und wird durch die Verwendung von
N2 als Trägergas anstelle von He um 50 % erniedrigt. Deshalb wird in der Kapillargas-
chromatographie N2 als make up-Gas zum H2- oder He-Trägergas zugemischt, bevor das
Eluat in den Detektor gelangt. Der Flammenionisationsdetektor ist auch für narrow-bore-
Kapillaren (Durchmesser 1–3 mm) genügend empfindlich. Er spricht auf die meisten

Kollektor
(positive Elektrode)

Flammenspitze
(negative Elektrode)
Zündspule

Glasisolierung

Belüfterplatte

Luft-
einlass Gaseingang
von der
Säule

H2-Einlass

Abb. 23.18 Flammenionisationsdetektor. [Mit freundlicher Genehmigung von Varian Associates, Palo
Alto, CA.]
23.3 · Detektoren 659

Kohlenwasserstoffe an und ist unempfindlich gegenüber H2, He, N2, O2, CO, CO2, H2O,
NH3, NO, H2S und SiF4.

Elektroneneinfangdetektor + 23
Anode

Außer den bisher besprochenen Detektoren sprechen die meisten anderen Detektoren
jeweils nur auf eine bestimmte Gruppe von Analyten an. Der Elektroneneinfangdetektor Gasausgang
(Abbildung 23.19) ist besonders empfindlich für halogenhaltige Moleküle, konjugierte
Carbonyle, Nitrile, Nitro- und Organometallverbindungen, dagegen relativ unempfind- radioaktive
63
lich für Kohlenwasserstoffe, Alkohole und Ketone. Als Trägergas oder Makeup-Gas muss Ni-Quelle
entweder N2 oder Ar mit 5 % Methan verwendet werden. Feuchtigkeit verringert die
Empfindlichkeit. Das in den Detektor gelangende Gas wird durch energiereiche Elektro- Wolke aus
Elektronen
nen (β-Strahlung) ionisiert, die aus einer radioaktives 63Ni enthaltenden Folie austreten. und Ionen
Die bei diesem Vorgang im Plasma erzeugten Elektronen werden von einer Anode an- −
Kathode
gezogen und erzeugen einen schwachen Strom, der durch veränderliche Frequenzpulse,
die zwischen Anode und Kathode angelegt werden, konstant gehalten wird. Gelangen Eingang für
Eluent und
Analytmoleküle mit hoher Elektronenaffinität in den Detektor, fangen sie einige der Elek- make-up-Gas
tronen ein und verringern die Leitfähigkeit des Plasmas. Der Detektor reagiert darauf mit
einer Veränderung der Frequenz der Spannungspulse zwischen Anode und Kathode und Abb. 23.19 Elektroneneinfangdetektor.
hält den Strom konstant. Die Frequenz der Pulse ist das Detektorsignal. Der Elektronen-
einfangdetektor ist äußerst empfindlich (Tabelle 23.4), mit einer Nachweisgrenze, die mit
dem Selected Ion Monitoring der Massenspektrometrie vergleichbar ist.

Andere Detektoren
Der Stickstoff-Phosphor-Detektor, auch als Alkaliflammendetektor bezeichnet, ist ein mo- Andere gaschromatographische
difizierter Flammen-Ionisationsdetektor, der besonders empfindlich gegenüber Stickstoff Detektoren:
und Phosphor ist.19 Er spricht auf diese Elemente 104 bis 106 Mal besser an als auf Koh- Elektroneneinfang: Halogene, konju-
lenstoff. Er hat besondere Bedeutung in der Arzneimittelanalytik und bei der Analyse von gierte C=O, –C≡N, –NO2
Pestiziden und Herbiziden. Er besitzt eine Rb2SO4-haltige Glasperle an der Brennerspitze. Stickstoff-Phosphor: vorzüglich für
Die von N und P erzeugten Ionen, wie NO2–, CN– und PO2– liefern beim Kontakt mit N und P
dieser Perle den Messstrom. Luftstickstoff ist gegenüber diesem Detektor inert und stört Flammenphotometer: einzelne aus-
nicht. Die Perle muss regelmäßig gewechselt werden, da Rb2SO4 verbraucht wird. Ab- gewählte Elemente, wie P, S, Sn, Pb
bildung 23.26 (im nächsten Abschnitt) zeigt ein Chromatogramm mit einem Stickstoff- Photoionisation: Aromaten, ungesät-
Phosphor-Detektor. tigte Verbindungen
Der flammenphotometrische Detektor misst die optische Emission von Phosphor, Schwefel-Chemilumineszenz: S
Schwefel, Blei, Zinn und einiger weiterer Elemente. Wenn das Eluat die H2-Luft-Flamme Stickstoff-Chemilumineszenz: N
wie im Flammenionisationsdetektor passiert, emittieren die angeregten Atome eine cha- Atomemission: die meisten Elemente
rakteristische Strahlung. Die Phosphoremission bei 536 nm und die Schwefelemission bei (einzeln ausgesucht)
394 nm können durch ein Interferenzfilter isoliert und mit einer Photomultiplier-Röhre Massenspektrometer: viele Analyte
detektiert werden. Infrarot-Spektrometer: viele Analyte
Beim Photoionisationsdetektor wird eine Vakuum-UV-Quelle zur Ionisierung aroma-
tischer und ungesättigter Verbindungen verwendet. Er spricht wenig auf gesättigte Koh-
lenwasserstoffe und Halogenkohlenwasserstoffe an. Die bei der Ionisierung entstehenden
Elektronen werden gesammelt und gemessen.
Beim Schwefel-Chemilumineszenzdetektor werden die Verbrennungsgase eines Flam-
men-Ionisationsdetektors verwendet, in dem Schwefel zu SO oxidiert wurde. Die Gase
werden mit Ozon (O3) gemischt, um einen angeregten Zustand von SO2 zu erzeugen, der
blaues Licht und ultraviolette Strahlung emittiert. Die Emissionsintensität ist der Masse Mögliche Reaktionen, die zur Schwefel-
des eluierten Schwefels unabhängig von der Schwefelquelle proportional. Die Empfind- Chemilumineszenz führen können:
lichkeit des Detektors gegenüber Schwefel ist 107 Mal höher als gegenüber Kohlenwas- H -O -Flamme
Schwefelverbindung ⎯⎯⎯→
2 2
SO + Produkte
serstoffen (Abbildung 23.20). Der Stickstoff-Chemilumineszenz-Detektor funktioniert in
gleicher Weise. Die Verbrennung des Eluats bei 1 800 °C wandelt N in NO um, das mit SO + O3 → SO2* + O2 (SO2* = angeregter
O3 ein Produkt für die Chemilumineszenz gibt. Auch hier spricht der Detektor um den Zustand)
Faktor 107 besser auf N als auf C an. SO2* → SO2 + hν
660 Kapitel 23 · Gaschromatographie

128
mV Propan n-Butan

Methan

Ethan
Detektorsignal
i -Butan i-Pentan
n-Pentan
2-Methylpentan
3-Methylpentan
n-Hexan
Methylcyclopentan

0 5 10 15
a Zeit (min)

H2S
1 mV COS
SO2

CH3CH2SH
CH3SH
Detektorsignal

CS2
(CH3)2CHSH

(CH3)3CSH
CH3CHCH2CH3
SH

0 5 10 15
b Zeit (min)

Abb. 23.20 Gaschromatogramme von Schwefelverbindungen in Erdgas. a) Signal des Flammenio-


nisationsdetektors. b) Signal des Schwefel-Chemilumineszenz-Detektors. Die schwefelorganischen
Verbindungen sind zu verdünnt, um vom Flammenionisationsdetektor erkannt zu werden und der
Schwefel-Chemilumineszenz-Detektor zu unempfindlich für Kohlenwasserstoffe. [N. G. Johansen und
J. W. Birks, „Determination of Sulfur Compounds in Difficult Matrices“, Am. Lab., February 1991, S. 112.]

Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS)
Die Masssenspektrometrie ist eine empfindliche Detektionsmethode, die sowohl qualita-
tive wie quantitative Informationen liefert. Mit dem Selected-Ion-Monitoring oder Selected-
Reaction-Monitoring (Abschnitt 21.4) kann eine Verbindung in einem komplexen Chroma-
togramm schlecht getrennter Verbindungen bestimmt werden. Selected-Ion-Monitoring
erniedrigt die Nachweisgrenze um den Faktor 102–103 gegenüber dem m/z-Durchlauf, da
mehr Zeit zur Registrierung des einzig interessierenden Ions zur Verfügung steht.
Die Abbildung 23.21 illustriert das Selected-Ion-Monitoring. Das obere rekonstru-
ierte Totalionenchromatogramm (Kurve a) wurde mit einem tragbaren GC-MS-Gerät für
die Identifizierung ausgelaufener Flüssigkeiten an Unfallstellen aufgenommen. Insgesamt
1 072 Spektren des Eluats wurden in gleichen Zeitabständen zwischen einer und 10 Mi-
nuten aufgenommen. Die Ordinate im rekonstruierten Totalionenchromatogramm ist die
Summe aller Detektorsignale für alle m/z-Werte oberhalb eines gewählten Abschnitts.
Alles was aus der Säule kommt, wird gemessen. Das untere Chromatogramm (Kurve b)
vom Selected-Ion-Monitoring wurde durch Einstellung des Detektors auf m/z 78 erhalten.
Da die gesamte Messzeit nur für dieses einzige Ion verwendet wurde, steigt das Signal-
Rausch-Verhältnis und das Chromatogramm vereinfacht sich deutlich. Es wird ein Peak
für Benzen (nominelle Masse 78 u) beobachtet sowie kleinere Peaks für Benzenderivate
bei 7–9 Minuten. Zur quantitativen Analyse wird ein innerer Standard mit einem Signal
23.3 · Detektoren 661

a Rekonstruiertes Totalionenchromatogramm c Quantitative Analyse

Toluen
m- and p-Xylen Innerer
Standard

Benzen m/z 69 23
Ethylbenzen
o-Xylen
Detektorsignal

b Selected-Ion-Monitoring d Benzen
m/z 78 m/z 78

100 200 300 400 500 600 700 800 900 1 000 100 150 200 250 300 350
Scan-Zahl Scan-Zahl

2 3 4 5 6 7 8 9 2.0 2.5 3.0


Zeit (min) Zeit (min)

Abb. 23.21 Selected-Ion-Monitoring in der Gaschromatographie-Massenspektrometrie. a) Rekons-


truiertes Totalionenchromatogramm eines Autoabgases, detektiert mit Elektronenstoßionisation. b)
Selected-Ion-Monitoring bei m/z 78. c) und d) Quantitative Analyse von Benzen nach Zugabe eines
inneren Standard mit einem markanten Ion bei m/z 69. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von
Inficon, Syracuse, NY.]

bei m/z 69 zum Gemisch gegeben. Obwohl dieser Peak mit dem überfüllten Teil des
Chromatogramms in der Gegend der Retentionszeit von zwei Minuten überlappt, hat das
Chromatogramm mit Selected-Ion-Monitoring in der Kurve c für m/z 69 nur einen einzi-
gen Peak. Zur Bestimmung von Benzen werden die Flächen des m/z 78-Peaks der Kurve
d und des m/z 69-Peaks der Kurve c verglichen.
In der Abbildung 23.22 wird das Selected-Reaction-Monitoring erläutert. Das obere
Totalionenchromatogramm (a) wurde als Rekonstruktion eines Extrakts einer Apfelsi-
nenschale erhalten. Um die Analyse für das Pestizid Fensulfothion spezifisch zu gestalten,
wird das Vorläuferion m/z 293 durch den Massefilter Q1 in der Abbildung 21.26 ausge-
wählt und in die Kollisionszelle Q2 geschickt, wo es in Fragmente mit einem markanten
Ion bei m/z 264 zerfällt. Das untere Chromatogramm (b) der Abbildung 23.22 zeigt das
Detektorsignal bei m/z 264 aus dem Massenfilter Q3. Es ist nur ein Peak zu beobachten,
da nur wenige andere Verbindungen neben Fensulfothion ein Ion bei m/z 293 geben, das
ein Fragment bei m/z 264 ein Fragment bildet. Das Selected-Reaction-Monitoring erhöht
das Signal-Rausch-Verhältnis in der Chromatographie und beseitigt viele Störungen.

O O Kollisions-
O
S e S zelle, Q2 S
O S O S O S
CH3
P P P
CH3 O
CH3CH2O CH3CH2O
OCH2CH3 OCH2CH3 OCH2CH3
Fensulfothion M 15 (m/z 293) M 15 29 (m/z 264)
(Nominelle Masse 308 u) ausgewählt durch Q1 ausgewählt durch Q3
662 Kapitel 23 · Gaschromatographie

19.92
a Rekonstruiertes Totalionen-
chromatogramm
20.01 21.33
20.23 21.35

Detektorsignal
19.91
b Selected-Reaction- Fensulfothion
Monitoring

16.0 16.5 17.0 17.5 18.0 18.5 19.0 19.5 20.0 20.5 21.0 21.5 22.0
Zeit (min)

Abb. 23.22 Selected-Reaction-Monitoring in der GC-MS. a) Rekonstruiertes Totalionenchromato-


gramm eines Extrakts einer Apfelsinenenschale mit Elektronenstoßionisation. b) Selected-Ion-Monito-
ring mit dem durch das Massenfilter Q1 der Abbildung 21.26 ausgesuchten Vorläuferion m/z 293 und
dem vom Massenfilter Q3 ausgesuchten Produkt-Ion m/z 264. Das Chromatogramm zeigt die Inten-
sität von m/z 264 gegen die Zeit. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Thermo Finnigan GC
and GC/MS Division, San Jose, CA.]

Ioxynil-methyl
Diazinon

Chlorpyrifos
Terbufos
1,2,3-Trichlorbenzol

Triphenylphosphat
Detektorsignal

Phorat

Malathion
Dichlobenil

Ethoprop

Phosphor
Abb. 23.23 Extrahiertes Elementchro-
matogramm, das durch Kombination 4,4-DBOB
der Gaschromatographie mit der Schwefel
induktiv-gekoppeltem Plasma-Massen-
PCNB

spektrometrie (GC-ICP-MS) erhalten Iod


wurde. Jedes Chromatogramm zeigt
Silvex

nur ein Element an. [D. Profrock, P. Le- Chlor


onhard, S. Wilbur and A. Prange, „Sen- Decachlorbiphenyl
sitive, Simultaneous Determination of
2,4,6-TBA Brom
P, S, Cl, Br and I Containing Pesticides
in Environmental Samples by GC Hy-
phenated with Collision-Cell ICP-MS“, J. 10 15 20 25 30 35
Anal. Atom. Spectros. 2004, 19, 1.] Zeit (min)

Elementspezifische Plasmadetektoren
Das Eluat einer Chromatographiesäule kann zur Atomisierung und Ionisierung seiner
Bestandteile durch ein Plasma geleitet werden. Die ausgewählten Elemente lassen sich
dann atomemissionsspektroskopisch oder massenspektrometrisch bestimmen. Bei einem
Atomemissionsdetektor (AED) wird das Eluat durch ein Heliumplasma in einen Mikrowel-
lenhohlraum geleitet. Jedes Element des Periodensystems erzeugt eine charakteristische
Atomemission, die von einem Photodiodenarray-Polychromator (Abbildung 19.16) de-
tektiert werden kann. Das Nachweisvermögen für Schwefel ist dabei zehnmal besser als
das mit einem flammenphotometrischen Detektor.
Die äußerst nachweisstarke Kombination des induktiv-gekoppelten Plasmas mit dem
Massenspektrometer wurde im Abschnitt 20.6 behandelt. Die Abbildung 23.23 zeigt die
Bestimmung von 15 Pestiziden mit der GC-ICP-MS-Kopplung. Das Eluat wurde im
23.4 · Probenvorbereitung 663

Plasma atomisiert und ionisiert. Die Ionen wurden mit einem Massenspektrometer ge-
messen, das auf jeden beliebigen m/z-Wert eingestellt werden kann. Die Abbildung zeigt
die Spuren für P, S. I, Cl und Br.

23
23.4 Probenvorbereitung Beispiele für Derivatisierungen:
O nichtflüchtige Carbonsäure
Eine Probenvorbereitung dient zur Überführung der Probe in eine für die Analyse ge-
RCOH
eignete Form. Dieser Prozess umfasst die Extraktion des Analyten aus einer komplexen
Matrix, die Voranreicherung sehr verdünnter Analyte, um eine für die Messung geeignete O flüchtiges Trimethylester-Derivat

Konzentration zu erreichen, die Entfernung oder Maskierung störender Spezies oder die RCOSi(CH3 ) 3
chemische Umwandlung (Derivatisierung) des Analyten in eine Form, die mit der zur
Verfügung stehenden Methode gemessen werden kann. Das Kapitel 27 befasst sich mit
der Probenvorbereitung. Deshalb werden hier nur die Methoden besprochen, die speziell
in der Gaschromatographie Anwendung finden. Spritzenzylinder
Mit der Festphasen-Mikroextraktion werden Verbindungen aus Flüssigkeiten, Luft
und sogar Schlamm ohne jedes Lösungsmittel extrahiert.20 Die wichtigste Komponente
ist eine Quarzfaser, die mit einem 10–100 μm dicken Film einer stationären Phase, wie
in der Gaschromatographie üblich, beschichtet ist. Die Abbildung 23.24 zeigt die Position Nadel zum Durchstechen
der Faser an einer Spritze. Sie ist an einer Metallnadel befestigt, aus der sie ausgefahren des Septums
und wieder eingezogen werden kann. In der Abbildung 23.25 erkennt man, wie die Faser
in eine Lösung (oder in den Dampfraum über einer Flüssigkeit) für eine bestimmte Zeit
unter Rühren und gegebenenfalls Erwärmung eingebracht wird. Man probiert aus, wie
Faserbefestigung
lange es dauert, bis die Faser mit dem Analyt gesättigt ist und verwendet dann diese Zeit
für die Analyse. Wenn man eine kürzere Zeit verwendet, schwankt die Konzentration des
Analyten in der Faser von Probe zu Probe. Es wird nur ein Teil des Analyten in die Faser mit stationärer
extrahiert. Wenn der Analyt aus dem Dampfraum extrahiert wird, sollte das Gefäß zu flüssiger Phase
beschichtete
zwei Dritteln mit der flüssigen Probe gefüllt sein. Bei einem zu großem Dampfvolumen Quarzfaser
sinkt die Wirksamkeit der Extraktion.
Nach der Probenaufnahme wird die Faser zurückgezogen und die Spritze in einen
Liner von 0.7 mm Durchmesser im Injektionsblock in den Gaschromatographen über-
führt. Die Faser wird in den heißen Liner ausgefahren, wobei der Analyt von der Faser im Abb. 23.24 Spritze für die Festphasen-
mikroextraktion. Die Quarzglasfaser wird
splitlosen Modus thermisch von der Faser desorbiert wird. Dadurch wird die Probe ideal nach der Probenaufnahme und beim
aufgetragen und bildet eine schmale Bande aus. Die Auftragung des Analyten entspricht Durchstechen des Septums durch die
dem kalten Trapping (Seite 654) am Kopf der Säule. Wenn der Zeitabstand zwischen der Spritze in die Stahlnadel eingezogen.

Einfahren der Faser und Einfahren der Faser und


Durchstechen des Herausnahme der Nadel Herausnahme der Nadel
Durchstechen des
Probenseptums mit der
chromatographischen
Metallnadel
Septums mit der Metallnadel

Abb. 23.25 Probenahme durch Festpha-


senmikroextraktion und Desorption des
Analyten von der beschichteten Faser in
einen Gaschromatographen. [Entnom-
Einwirkung der Lösung oder des heiße Faser wird eine bestimmte Zeit
Dampfes auf die Faser unter dem Trägergas ausgesetzt men dem Supelco Chromatography Pro-
Rühren für eine bestimmte Zeit (die Säule ist kalt) ducts Katalog, Bellefonte, CA.]
664 Kapitel 23 · Gaschromatographie

Soman Probenahme und der Injektion sehr groß ist, sollte man die Nadel in ein Septum ste-
cken, um die Faser vor längeren Luftkontakt zu schützen. Die Abbildung 23.26 zeigt des
O Chromatogramm von chemischen Nervengaskampfstoffen, die aus Meerwasser mit der
CH3 P O Tabun Festphasenmikroextraktion isoliert und mit dem Stickstoff-Phosphor-Detektor bestimmt
F
wurden. Das Chromatogramm ist nur deshalb so einfach, weil der Detektor nur auf Ver-
bindungen anspricht, die N und P enthalten.
Sarin
Bei der Festphasenmikroextraktion beträgt die von der beschichteten Faser absor-
Detektorsignal

bierte Masse des Analyten (m, μg)


KVf c0Vs
Masse des extrahierten Analyten: m = (23.3)
KVf + Vs
mit Vf dem Volumen des Films auf der Faser, Vs dem Volumen der extrahierten Lösung
und c0 der Ausgangskonzentration (μg/mL) der Analytlösung. K ist der Verteilungskoef-
fizient des Analyten zwischen Film und Lösung: K = cf/cs, mit cf der Konzentration des
Analyten im Film und cs der Konzentration des Analyten in der Lösung. Wenn ein großes
Lösungsvolumen extrahiert wird, ist Vs >> K Vf und die Gleichung reduziert sich zu m =
KVfc0. Demnach ist die extrahierte Masse zur Analytkonzentration in der Lösung pro-
portional. Für quantitative Analysen kann man eine Kalibrationskurve durch Extraktion
6 8 10 12 14 16 bekannter Lösungen anfertigen. Bei der Festphasenmikroextraktion können aber auch
Zeit (min) interne Standards und Standardzusätze eingesetzt werden.
Die Stir-bar Sorptive Extraktion (SBSE) ist der Festphasenmikroextraktion sehr
Abb. 23.26 Gaschromatogramm von
Nervenkampfstoffen, die durch dreißig-
ähnlich, jedoch ~100 Mal nachweisstärker.21 Ein magnetischer Rührstab (stir bar), der in
minütige Festphasenmikroextraktion einem dünnen Glasmantel steckt, wird mit einer 0.5–1 mm dicken Schicht eines Sorpti-
von Meerwasser erhalten wurden. Das onsmittels überzogen, z. B. mit Polydimethylsiloxan, dem gleichen Material, das als stati-
Wasser war mit 60 nL jeder Verbindung onäre Phase bei der unpolaren Gaschromatographie dient. Dieser Rührstab wird in eine
(60 Volumen-ppb) gespikt. Die Faser wässrige flüssige Probe wie Fruchtsaft, Wein, Urin oder Blutplasma gegeben und 0.5 bis
war mit einer 65 μm starken Schicht aus
Copoly(dimethylsiloxan/divinylbenzen)
4 Stunden gerührt, um alle hydrophoben Analyte zu absorbieren. Die extrahierte Masse
überzogen. Die Nachweisgrenze des Stick- ergibt sich aus der Gleichung 23.3, das Sorbensvolumen (Vf ) ist jetzt von ~0.5 μL bei der
stoff-Phosphor-Detektors betrug 0.05 ppb. Festphasenmikroextraktion auf 25–125 μL bei der SBSE angewachsen. Deshalb wird 50
Die Analyte wurden zwei Minuten lang bis 250 Mal mehr Analyt extrahiert. Nach der Extraktion wird der Rührstab, wenn nö-
bei 250 °C von der Faser im splitlosen Mo- tig, mit wenigen mL Wasser abgespült und die Wassertropfen werden mit einem Tuch
dus in den Injektionsblock desorbiert. Die
Säulentemperatur betrug während der
entfernt. Nun gibt man den Stab in ein Thermodesorptionsrohr. Die Desorption erfolgt
Desorption 30 °C und wurde während der z. B. durch fünfminütiges Erhitzen des Rohrs auf 250 °C im Trägergasstrom. Die flüch-
Chromatographie mit 10 °C/min hochge- tigen Analyte werden durch kaltes Trapping auf der GC-Säule gesammelt und dann gas-
fahren. Die Dimensionen der Säule waren chromatographisch getrennt. Die Analyte können im ppb-Bereich und darunter bestimmt
0.32 mm × 30 m mit einer Beschichtung werden, wobei Standardzusatzmethoden, isotopenmarkierte innere Standards oder Kalib-
aus (Phenyl)0.05-(methyl)0.95polysiloxan
(1 μm-Film). Aufgrund der Stereoisomerie
rationskurven mit gleicher Matrix verwendet werden.
von Soman erhält man 2 Peaks. [H.-Å. Die purge and trap-Technik dient zur Entfernung flüchtiger Analyte aus Flüssigkei-
Lakso und W. F. Ng, „Determination of ten und Feststoffen (wie Grundwasser oder Böden), ihrer Aufkonzentrierung und Ein-
Chemical Warfare Agents in Natural Water führung in einen Gaschromatographen. Im Gegensatz zur Festphasenmikroextraktion,
Samples by Solid-Phase Microextraction“, bei der nur ein Teil des Analyten aus der Probe entfernt wird, wird bei purge and trap der
Anal. Chem. 1997, 69, 1866.]
gesamte Analyt aus der Probe freigesetzt. Dabei kann die quantitative Entfernung polarer
Analyte aus polaren Matrizes Schwierigkeiten bereiten.
Die Abbildung 23.27 zeigt eine Apparatur zur Bestimmung flüchtiger Aromastoffe
C6H5 in kohlensäurehaltigen Getränken. Helium strömt als Spülgas aus einer Edelstahlnadel
durch das Getränk in einem Probegefäß, das zur Unterstützung der Verdampfung der
O
Analyte auf 50 °C erwärmt wird. Das Spülgas wird nach dem Passieren des Probegefäßes
n

C6H5 durch ein Adsorptionsrohr geleitet, in dem sich drei Schichten von Adsorptionsmitteln
mit zunehmender Adsorptionsstärke befinden. Das schwächste Adsorbens kann z. B. ein
Tenax unpolares Phenylmethylpolysiloxan sein, das mittelstarke das Polymer Tenax und das
stärkste könnten Kohlenstoff-Molekularsiebe sein.22
Bei der purge and trap-Methode strömt das Spülgas in der Abbildung 23.27 vom
Die notwendige Zeit und Temperatur Punkt A zum Punkt B durch das Adsorptionsrohr. Wenn alle Analyte aus der Probe in
zur 100%igen Freisetzung des Analy- das Adsorptionsrohr überführt worden sind, wird der Gasstrom von B nach A umgekehrt
ten aus der Probe müssen in getrenn- und bei 25 °C wird möglichst viel Wasser oder anderes Lösungsmittel von den Adsorpti-
ten Kontrollexperimenten ermittelt onsmitteln entfernt. Dann wird der Ausgang A des Adsorptionsrohrs mit dem Injektions-
werden. block eines Gaschromatographen, der im splitlosen Modus arbeitet, verbunden und das
23.5 · Methodenentwicklungen in der Gaschromatographie 665

B Rührstab-Sorption
Stärkstes
Adsorbens
Adsorptionsrohr

stärkeres
Adsorbens
23
Silanisierte mildes
Glaswolle Adsorbens

A
Spülgas

Injektions-
eingang
Ofen

[Mit freundlicher Genehmigung von


Probenbehälter
Gerstel, Inc, Linthicum, MD.]

Abb. 23.27 Purge and trap-Apparatur zur Extraktion


flüchtiger Stoffe aus einer Flüssigkeit oder einem
Festkörper durch einen Gasstrom.

Rohr auf ~200 °C erhitzt. Die desorbierten Analyte strömen in die Chromatographiesäule,
wo sie am Eingang durch kaltes Trapping konzentriert werden. Nach vollständiger Entfer-
nung der Analyte aus dem Adsorptionsrohr, wird die Chromatographiesäule erhitzt und
die Trennung kann beginnen.
Thermodesorption ist eine Methode zur Freisetzung flüchtiger Verbindungen aus
festen Proben. Eine abgewogene Probe wird in einem Stahl- oder Glasrohr mit Hilfe
von Glaswolle festgehalten. Die Probe wird mit dem Trägergas zur Entfernung von Sau-
erstoff gespült. Dieser wird in die Außenluft, nicht in die Säule, geleitet. Danach wird
das Desorptionsrohr mit der Chromatographiesäule verbunden und zur Freisetzung der
flüchtigen Substanzen erhitzt. Diese werden durch kaltes Trapping am Anfang der Säule
gesammelt. Danach wird die Säule schnell erhitzt und die Chromatographie beginnt.

23.5 Methodenentwicklungen in der Gaschromatographie

Gibt es bei der verwirrenden Auswahl gaschromatographischer Parameter einen rationalen Reihenfolge der Entscheidungen:
Weg, für ein bestimmtes Problem die beste Methode zu finden? Generell gibt es mehrere 1. Ziel der Analyse
zufriedenstellende Lösungen. Als grobe Richtschnur sollten folgende Punkte in dieser 2. Probenvorbereitung
Reihenfolge abgearbeitet werden: 1. Ziel der Analyse, 2. Probenvorbereitung, 3. Detektor, 3. Detektor
4. Säule und 5. Injektion.23 4. Säule
5. Injektion

Ziel der Analyse


Was wird von der Analyse erwartet? Ist es eine qualitative Identifizierung der Komponen-
ten in einem Gemisch? Benötigen Sie eine Hochauflösung für eine vollständige Trennung
aller Bestandteile der Mischung oder brauchen Sie nur eine gute Auflösung in einem Teil
des Chromatogramms? Können Sie die Auflösung opfern, um die Analysenzeit zu ver-
kürzen? Brauchen Sie eine quantitative Analyse von einer oder mehreren Komponenten?
666 Kapitel 23 · Gaschromatographie

Wird eine hohe Präzision benötigt? Liegen die Analyte in einer ausreichenden Konzent-
ration vor oder ist eine Anreicherung oder ein Detektor höchster Empfindlichkeit für die
Ultraspurenanalyse erforderlich? Wie viel darf die Analyse kosten? Jeder dieser Faktoren
führt zu einer anderen Entscheidung bei der Methodenwahl.

Probenvorbereitung
Die GIGO-Regel: Garbage in – garbage Der Schlüssel für die erfolgreiche Chromatographie einer komplexen Probe liegt in ihrer
out! Gibt man Müll rein, kommt auch Reinigung, bevor sie in die Trennsäule kommt. Im Abschnitt 23.4 wurden die Festpha-
nur Müll raus senmikroextraktion, die Stir-bar Sorptive Extraktion, die purge and trap-Methode und
die Thermodesorption zur Abtrennung flüchtiger Komponenten aus komplexen Matri-
zes beschrieben. Weitere Methoden sind die Lösungsmittelextraktion, die überkritische
Fluidextraktion und die Festphasenextraktion, die in Kapitel 27 beschrieben werden. Mit
diesen Techniken werden die gesuchten Analyte von störenden Substanzen abgetrennt
und verdünnte Analyte können auf bestimmbare Gehalte angereichert werden. Wenn die
Proben nicht gereinigt werden, besteht das Chromatogramm aus einem breiten „Wald“
nichtaufgelöster Peaks und nichtflüchtige Substanzen ruinieren die teure chromatogra-
phische Säule.

Wahl des Detektors


Der nächste Schritt ist die Wahl des Detektors. Brauchen Sie Informationen über alles,
was in der Probe ist oder wollen Sie ein bestimmtes Element oder eine Klasse von Verbin-
dungen detektieren?
Der ganz allgemein verwendbare Detektor in der Kapillargaschromatographie ist das
Massenspektrometer. Die Flammenionisation ist die populärste Detektion, aber sie spricht
vor allem auf Kohlenwasserstoffe an. Tabelle 23.4 zeigt, dass sie nicht so empfindlich ist
wie die Elektroneneinfang-, Stickstoff-Phosphor- oder Chemilumineszenz-Detektoren.
Für den Flammenionisationsdetektor muss die Probe ≥10 ppm jedes Analyten für die
Split-Injektion enthalten. Der Wärmeleitfähigkeitsdetektor spricht auf alle Verbindungs-
klassen an, ist aber nicht sehr empfindlich.
Die empfindlichen Detektoren für die Ultraspurenanalyse sprechen jeweils auf eine
begrenzte Analytklasse an. Der Elektroneneinfangdetektor ist spezifisch für halogenhaltige
Moleküle, Nitrile, Nitroverbindungen und konjugierte Carbonyle. Für die Splitinjektion
sollte die Probe ≥100 ppb jedes Analyten enthalten, wenn ein Elektroneneinfangdetektor
verwendet wird. Der Photoionisationsdetektor ist spezifisch für aromatische und ungesät-
tigte Verbindungen. Der Stickstoff-Phosphor-Detektor spricht auf Verbindungen an, die
eines dieser Elemente enthalten, jedoch auch auf Kohlenwasserstoffe. Die Schwefel- und
Stickstoff-Chemilumineszenzdetektoren sprechen jeder nur auf ein Element an. Flammen-
photometrische Detektoren sind für die ausgewählten Elemente spezifisch, z. B. S, P, Pb
oder Sn. Ein selektiver Detektor wird zur Vereinfachung des Chromatogramms gewählt,
jedoch nicht zur Erkennung aller eluierten Komponenten (wie in Abbildung 23.23). Die
Massenspektrometrie mit dem Selected-Reaction-Monitoring (Abbildung 23.22) eignet
sich vorzüglich zur Erfassung eines interessierenden Analyten in einer komplexen Probe.
Wenn zur Identifizierung der Eluate eine qualitative Information gebraucht wird, ver-
wendet man das Massenspektrometer oder Infrarot-Detektoren. Der Infrarotdetektor ist
wie der Wärmeleitfähigkeitsdetektor für die Hochauflösung in engen Kapillarsäulen nicht
genügend empfindlich.

Auswahl der Säule


Die wichtigsten Entscheidungen betreffen die stationäre Phase, Durchmesser und Länge
der Säule sowie Dicke der stationären Phase. Eine unpolare stationäre Phase aus der
Tabelle 23.1 ist am nützlichsten. Eine stationäre Phase mit mittlerer Polarität kann die
23.5 · Methodenentwicklungen in der Gaschromatographie 667

Tabelle 23.6 Vergleich chromatographischer Säulen23

23

Bezeichnung Dünnfilm narrow-bore Dickfilm narrow-bore Dickfilm wide-bore

Innendurchmesser 0.10–0.32 mm 0.25–0.32 mm 0.53 mm

Filmdicke ~0.2 μm ~1–2 μm ~2–5 μm

Vorteile – Hohe Auflösung – Gute Kapazität – Hohe Kapazität (100 ng je Analyt)


– Spurenanalyse – Gute Auflösung (4 000 Böden/m) – Gut für Wärmeleitfähigkeits- und IR-
– Schnelle Trennungen – Einfache Anwendung Detektor geeignet
– Niedrige Temperaturen – Hält flüchtige Verbindungen zurück – Einfache Injektionstechniken
– Elution hochsiedender Verbin- – Gut für Massenspektrometrie ge-
dungen eignet

Nachteile – Niedrige Kapazität (≤1 ng je Analyt) – Mittlere Auflösung – Niedrige Auflösung (500–2 000
– Sehr empfindliche Detektoren erfor- – Lange Retentionszeit für hochsie- Böden/m)
derlich (keine MS) dende Stoffe – Lange Retentionszeit für hochsie-
– Oberflächenaktivität von frei- dende Stoffe
liegendem Quarz

meisten Trennungen bewältigen, die eine unpolare Säule nicht schafft. Für stark polare
Stoffe kann eine stark polare Säule erforderlich sein. Optische Isomere und eng verwandte
geometrische Isomere erfordern für die Trennung spezielle stationäre Phasen.
Tabelle 23.6 zeigt, dass es nur wenige sensible Kombinationen von Säulendurchmesser
und Filmdicke gibt. Die höchste Auflösung wird durch die engsten Säulen erreicht. Enge
(narrow-bore) Säulen mit dünner Beschichtung eignen sich besonders zur Trennung von
Gemischen hochsiedender Verbindungen, die von zu dicken Schichten sehr stark zu-
rückgehalten werden. Kurze Retentionszeiten ergeben sehr schnelle Analysen. Allerdings
haben enge Kapillaren mit dünner Beschichtung eine sehr geringe Probenkapazität und
erfordern sehr empfindliche Detektoren. Ein Flammenionisationsdetektor reicht da nicht
aus. Außerdem werden niedrigsiedende Komponenten zu wenig zurückgehalten und die
Säulen könnten bei zu geringer Beschichtung die Nachteile aktiver Stellen auf der Quarz-
oberfläche aufweisen.
Die Dickfilm-narrow-bore-Säulen in der Tabelle 23.6 bieten einen guten Kompromiss
zwischen Auflösung und Probenkapazität. Sie können mit den meisten Detektoren (aber
gewöhnlich nicht mit dem Wärmeleitfähigkeitsdetektor) und für leichtflüchtige Verbin-
dungen verwendet werden. Die Dickfilm-wide-bore-Säulen werden mit Wärmeleitfä-
higkeits- und Infrarot-Detektoren benutzt. Sie haben eine hohe Probenkapazität und es
können auch leichtflüchtige Substanzen bearbeitet werden, sie haben aber eine niedrige
Auflösung und lange Retentionszeiten.
Wenn eine bestimmte Säule die meisten Anforderungen erfüllt, aber eine zu geringe Eine Verbesserung der Auflösung wird
Auflösung bringt, sollte eine engere Säule vom gleichen Typ verwendet werden (Glei- erreicht durch:
chung 22.35b). Um eine gleiche Retentionszeit bei gleicher Säulenlänge beizubehalten, ▬ längere Säule
muss die Dicke der stationären Phase im Verhältnis zum Durchmesser verringert werden, ▬ engere Säule
Ein Säulendurchmesser von 0.15 mm ist für die Erhöhung der Auflösung geeignet, ohne ▬ andere stationäre Phase
dass ein anderer Gaschromatograph für engere Säulen gebraucht wird.24
Bei einer Verdopplung der Säulenlänge verdoppelt sich die Bodenzahl und die Auf-
lösung verbessert sich gemäß Gleichung 22.30 um den Faktor 2. Eine Verdopplung der
Säulenlänge ist zur Verbesserung der Auflösung unzweckmäßig, weil sich auch die Re-
tentionszeit verdoppelt. Eine engere Säule erhöht die Auflösung, ohne mit einer längeren
Retentionszeit bestraft zu werden. Durch Wahl einer anderen stationären Phase wird die
unkorrigierte relative Retention (γ in Gleichung 22.30) verändert und die Auflösung der
interessierenden Verbindungen kann sich verbessern.
668 Kapitel 23 · Gaschromatographie

Säulen- Dicke der stationären


durchmesser Phase
530 μm 0.1 μm 5.0 μm

320 μm 0.1 μm 5.0 μm

Säulen
250 μm 0.1 μm 1.0 μm

180 μm 0.1 μm 0.5 μm

100 μm 0.1 μm 0.5 μm

Wärmeleitfähigkeit

Flammenionisation

Detektoren
Stickstoff-Phosphor

Elektroneneinfang
Abb. 23.28 Ungefähre Analytmengen
zur Injektion in wandbeschichteten Massenspektrometer (Scanning)
gaschromatographische Kapillarsäulen Massenspektrometer (Selected-Ion)
und Detektoren. [J. V. Hinshaw, „Setting
Realistic Expectations for GC Optimiza- 10−14 10−13 10−12 10−11 10−10 10−9 10−8 10−7 10− 6 10−5 10− 4
tion“, LCGC 2006, 24, 1195.] injizierte Analytmasse (g)

Zur Vergrößerung der Analysengeschwindigkeit ohne Verlust an Auflösung kann


eine kürzere, engere Säule gewählt werden. Eine andere Möglichkeit zur Verringerung
der Retentionszeit ohne Verschlechterung der Auflösung lässt sich durch Wechsel des
Trägergases von He zu H2 und Erhöhung der Fließgeschwindigkeit um den Faktor 1.5 bis
2 erreichen (Abbildung 23.11).
Wenn man die Auflösung der wesentlichen Bestandteile eines Gemischs unter einigen
wenigen Bedingungen bestimmt hat, kann mit einer kommerziellen Software eine Opti-
mierung der Bedingungen (wie Temperatur- und Druckprogrammierung) für die beste
Trennung erreicht werden.25
In der Abbildung 23.28 werden die ungefähren oberen und unteren Grenzen der
Analytmengen für verschiedene Säulen und Detektoren vorgeschlagen. Die Abszisse gibt
die Masse des Analyten an, der auf die Säule und zum Detektor kommt. Das typische
Injektionsvolumen ist 1 μL mit einer Masse von 1 mg. Wenn die Analytkonzentration
1 ppm beträgt, ist die Analytmasse in 1 μL 10–9 g = 1 ng. Die vertikale Linie bei 10–9 g in
Abbildung 23.28 liegt im Arbeitsbereich aller Säulen und von vier Detektoren. Die Pro-
benmasse ist zu niedrig für die Wärmeleitfähigkeit, zu hoch für den Elektroneneinfang
und in der Nähe der oberen Grenze für das Selected-Ion-Monitoring. Bei einer 100:1-
Split-Injektion ist die auf die Säule gebrachte Analytmasse 100 Mal kleiner, also 10–11 g.
Diese Masse liegt im Bereich aller Detektoren, mit Ausnahme des Wärmeleitfähigkeitsde-
tektors. Bei den Säulen ist der Bereich links von 10–11 g schraffiert, weil die Probleme bei
der Chromatographie kleinerer Massen zunehmen. Analytmassen unter 10–11 g können
durch Adorption oder Zersetzung im Injektor oder auf der Säule verlorengehen. Polare
Analyte können selbst bei größeren Mengen durch Adsorption verschwinden. Die Trenn-
linien in der Säulenskala geben an, wo man für eine ausreichende Probenkapazität von
einem dünnen Film der stationären Phase zu einer dickeren Schicht übergehen sollte.

Wahl der Injektionsmethode


Die letzte wichtige Entscheidung ist die der Probeninjektion. Bei hohen Konzentrationen
oder bei der Gasanalyse ist Split-Injektion am besten geeignet. Quantitative Analysen
gelingen dabei kaum. Weniger flüchtige Verbindungen können bei der Injektion verloren-
gehen. Die Split-Injektion bietet hohe Auflösung und bewältigt mit einer Adsorptionspa-
ckung im Injektionsliner auch verunreinigte Proben. Thermisch instabile Verbindungen
können sich bei der Hochtemperaturinjektion zersetzen.
Bei stark verdünnten Lösungen ist die splitlose Injektion erforderlich. Auch sie bie-
tet eine hohe Auflösung, ist aber für die quantitative Analyse wenig geeignet, weil auch
Zusammenfassung 669

hier die wenig flüchtigen Verbindungen bei der Injektion verlorengehen können. Zur Splitinjektion
Bestimmung von Verbindungen mit mittlerer thermischer Stabilität ist sie besser als die ▬ Konzentrierte Probe
Split-Injektion geeignet, da die Injektionstemperatur niedriger ist. Bei der splitlosen In- ▬ Hohe Auflösung
jektion wird die Probe langsam auf die Säule gebracht, so dass Lösungsmittel-Trapping ▬ unreine Proben (Benutzung
oder kaltes Trapping erforderlich sind. Deshalb kann die splitlose Injektion nicht bei der eines präparierten Liners) 23
isothermen Chromatographie angewendet werden. Proben, die weniger als 100 ppm pro ▬ kann thermische Zersetzung
Analyt enthalten, können in Säulen mit einer Filmdicke <1 μm mit der splitlosen Injek- hervorrufen
tion analysiert werden. Proben mit einem Gehalt von 100 bis 1 000 ppm je Analyt erfor-
dern Filmdicken ≥1 μm in der Säule. Splitlose Injektion
Die On-column-Injektion ist die beste Methode für die quantitative Analyse und für ▬ Verdünnte Probe
thermisch empfindliche Verbindungen. Es ist eine Technik mit geringer Auflösung, die ▬ Hohe Auflösung
nicht mit Säulen durchgeführt werden kann, deren innerer Durchmesser kleiner als 0.2 mm ▬ Lösungsmittel-Trapping oder
ist. Es können sowohl verdünnte als auch konzentrierte Lösungen und auch relativ große kaltes Trapping erforderlich
oder kleine Volumina bearbeitet werden. Die übrigen Anforderungen an die Säulen sind die
gleichen wie bei der splitlosen Injektion. On-Column-Injektion
▬ Beste Methode zur quantitative
Wichtige Begriffe Analyse
> Aufstocken > Elektroneneinfangdetektor > Festphasenmikroextraktion > Flammen- ▬ Thermisch empfindliche
ionisationsdetektor > Gaschromatographie > gepackte Säule > Kalt-Trapping > Lö- Substanzen
sungsmittel-Trapping > Molekularsieb > offene Kapillarsäule > On-column-Injektion ▬ geringe Auflösung
> Probenvorbereitung > purge and trap > Retention-Gap > Retentionsindex > Schutz-

säule > Selected-Ion-Monitoring > Selected-Reaction-Monitoring > Septum > Spiken


> Split-Injektion > Splitlose Injektion > Stir-bar > Sorptive Extraktion > Tempera-

turprogrammierung > Thermodesorption > Trägergas > Vorsäule > Wärmeleitfähig-


keitsdetektor

Zusammenfassung
In der Gaschromatographie werden flüchtige flüssige oder gasförmige Analyte mit einer
gasförmigen mobilen Phase über eine stationäre Phase auf der Innenseite einer offenen
Kapillarsäule oder über ein festes Trägermaterial geleitet. Lange, dünne, offene Kapillarsäu-
len besitzen zwar geringe Kapazität, ermöglichen aber exzellente Trennungen. Sie können
wandbelegt sein, einen bedeckten Träger oder eine poröse Schicht enthalten. Gepackte Säu-
len besitzen hohe Kapazität, aber schlechte Auflösung. Jede flüssige stationäre Phase hält die
Analyte aus der eigenen Polaritätsklasse am stärksten zurück („ähnliches löst ähnliches“).
Feste stationäre Phasen können aus porösem Kohlenstoff, Aluminiumoxid oder Molekular-
sieben bestehen. Der Retentionsindex gibt die Retentionszeiten in Bezug auf die der linearen
Alkane an. Durch Temperatur- oder Druckprogrammierung kann die Elutionszeit von
stark zurückgehaltenen Verbindungen verringert werden. Ohne Verluste an Trennleistung
kann die lineare Fließgeschwindigkeit erhöht werden, wenn H2 oder He anstelle von N2 als
Trägergas verwendet werden. Die Split-Injektion liefert hochaufgelöste Trennungen von
relativ konzentrierten Proben. Die splitlose Injektion von sehr verdünnten Lösungen macht
Lösungsmittel-Trapping oder Kalt-Trapping erforderlich, um die Analyte am Anfang der
Säule zu konzentrieren (damit scharfe Peaks erhalten werden). Die On-column-Injektion ist
am besten für die quantitative Analyse und für thermisch instabile Analyte geeignet.
Quantitative Analysen werden in der Gaschromatographie gewöhnlich mit inne-
ren Standards durchgeführt. Co-Elution des unbekannten Peaks mit einem Spike einer
bekannten Verbindung auf unterschiedlichen Säulen dient zur qualitativen Identifizie-
rung des unbekannten Peaks. Massenspektroskopische und Infrarot-Detektoren liefern
qualitative Informationen, die bei der Identifizierung unbekannter Stoffe helfen. Das
Massenspektrometer ist mit dem Selected-Ion-Monitoring und dem Selected-Reaction-
Monitoring sehr empfindlich und wenig störanfällig. Die Wärmeleitfähigkeitsdetektion
lässt sich universell einsetzen, ist aber nicht sehr empfindlich. Die Flammenionisation ist
für die meisten Säulen genügend empfindlich und spricht besonders gut auf organische
Verbindungen an, die viel Kohlenstoff enthalten. Detektoren auf der Basis von Elektro-
neneinfang, Flammenphotometrie, Photoionisation, Chemilumineszenz, Atomemission
und der Stickstoff-Phosphor-Detektor sind für bestimmte Verbindungsklassen oder ein-
zelne Elemente spezifisch.
670 Kapitel 23 · Gaschromatographie

Bevor eine chromatographische Methode entwickelt wird, muss das Ziel der Analyse
definiert werden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt bei der Chromatographie in der Rein-
heit der Probe. Festphasenmikroextraktion, Stir-bar Sorptive Extraktion, purge-and-trap
sowie Thermodesorption dienen der Isolierung flüchtiger Komponenten aus komplexen
Matrizes. Nach der Probenvorbereitung werden die weiteren Entscheidungen zur Metho-
denentwicklung in der Reihenfolge Wahl des Detektors, Wahl der Säule und Wahl der
Injektionsmethode getroffen.

Übungen
23-A.
a) Eine Lösung, die 234 mg Butanol (FM 74.12) und 312 mg Hexanol (FM 102.17) in
10.0 mL enthält, ergab bei der gaschromatographischen Trennung relative Peakflächen
von Butanol : Hexanol = 1.00:1.45. Wir betrachten Butanol als inneren Standard. Wie
groß ist der Response-Faktor für Hexanol?
b) Berechnen Sie mit Gleichung 23.2 die Flächen der Peaks von Butanol und Hexanol in
Abbildung 23.8.
c) Die Lösung, für die das Chromatogramm (23.8) erhalten wurde, enthielt 112 mg Bu-
tanol. Welche Masse Hexanol war in der Lösung?
d) Wo liegt bei dieser Übung die größte Unsicherheit? Wie groß ist diese Unsicherheit?

23-B. Wenn 1.06 mmol 1-Pentanol und 1.53 mmol 1-Hexanol gaschromatographisch
getrennt werden, erhält man relative Peakflächen von 922 und 1 570 Flächeneinheiten.
Nach Zugabe von 0.57 mmol Pentanol zu einer hexanolhaltigen Probe betrugen die rela-
tiven Peakflächen 843:816 (Pentanol:Hexanol). Wie viel Hexanol war in der unbekannten
Probe?

23-C.
a) In Tabelle 23.3 hat 2-Pentanon einen Retentionsindex von 987 auf einer mit Poly-
ethylenglykol (Carbowax) beschichteten Säule. Zwischen welchen zwei geradkettigen
Kohlenwasserstoffen wird 2-Pentanol eluiert?
b) An einer bestimmten Säule wird ein Stoff, der nicht zurückgehalten wird, nach 1.80 min
eluiert. Decan (C10H22) wird nach 15.63 min und Undecan (C11H24) nach 17.22 min elu-
iert. Welche Retentionszeit hat eine Verbindung, deren Retentionsindex 1 050 ist?

23-D. Für die isotherme Elution einer homologen Reihe von Verbindungen (sie haben die
gleiche Struktur, aber unterscheiden sich in der Zahl von CH2-Gruppen in einer Kette)
ist log t r, meist eine lineare Funktion der Anzahl von Kohlenstoffatomen.Von einer Ver-
bindung war bekannt, dass sie zur Verbindungsgruppe (CH3)2CH(CH2)nCH2OSi(CH3)3
gehört.
a) Stellen Sie mit den hier gegebenen gaschromatographischen Retentionszeiten log t r,
gegen n dar und ermitteln Sie n in der gegebenen chemischen Formel.
n = 7: 4.0 min, n = 8: 6.5 min, n = 14: 86.9 min, CH4: 1.1 min, Probe: 42.5 min
b) Berechnen Sie den Retentionsfaktor für die unbekannte Substanz.

23-E. Die Auflösung von zwei Peaks (Gleichung 22.30) hängt von der Bodenzahl N der
Säule und der unkorrigierten relativen Retention γ ab. Es werden zwei Peaks mit der Auf-
lösung 1.0 angenommen, die für eine Basislinientrennung in der quantitativen Analyse
auf 1.5 erhöht werden soll (Abbildung 22.10).
a) Man kann die Auflösung auf 1.5 durch Verlängerung der Säule erreichen. Um wel-
chen Faktor muss die Säulenlänge erhöht werden? Wie lange würde die Trennung bei
gleicher Fließgeschwindigkeit dauern, wenn die Säule verlängert wird?
b) Man kann die relative Retention durch Verwendung einer anderen stationären Phase
verändern. Wenn γ 1.013 betrug, welchen Wert müsste γ für eine Auflösung von 1.5
haben? Wenn es sich zunächst um die Trennung von zwei Alkoholen an einer stati-
onären (Diphenyl)0.05(dimethyl)0.95-polysiloxan-Phase (Tabelle 23.19) gehandelt hat,
welche stationäre Phase würden Sie wählen, um γ zu erhöhen? Wird sich dann auch
die Analysenzeit ändern?
24 Hochleistungsflüssigkeits-
chromatographie
24

Paleothermometrie: Wie misst man historische Ozeantemperaturen? 4

Massenspektrometrisches
Archaeen (auch Urbakterien genannt) sind einzellige Organismen, die einen wesentli-
chen Teil des Lebens im Meer ausmachen. Sie produzieren die Lipide der Zellwände, die
mit der Flüssigkeitschromatographie bestimmt werden können. Die Lipide 0 und 4 sind 0
die Hauptkomponenten. Von den weniger häufigen Bestandteilen überwiegt der Typ 1
in Archaeen, die bei niedrigen Temperaturen (nahe °C) leben. Die Typen 2, 3 und 4’ wer-

Signal
1 2
den in steigenden Mengen bei wärmeren Meerestemperaturen produziert, vermutlich 3
4′
geben sie den Membranen die richtige Viskosität. Wenn die Archaeen absterben, sinken
15 20 25
sie auf den Meeresgrund, wo ihre Lipide im Sediment verbleiben. Die Oberfläche des
Retentionszeit (min)
Sediments enthält die Überreste der jüngsten Archaeen. Je tiefer wir in das Sediment
graben, desto älter sind die Überreste. Flüssigkeitschromatogramm der
Zellmembranlipide, die aus Meeres-
Die Graphik zeigt die Korrelation zwischen der heutigen Meeresoberflächentempe-
bodensedimenten extrahiert wurden.
ratur und den Typen der Membranlipide, die im obersten Sediment gefunden wurden. Die Verbindungen 4 und 4‘ sind Iso-
Die Funktion in der Graphik ist die Summe der Lipide 2, 3 und 4’, ausgedrückt als Teil der mere. Chromatographiert wurde auf
Summe der Lipide 1, 2, 3 und 4’: einer 2.1 × 150 mm Säule mit einer 3
μm Prevail Cyano-Phase. [S. Schouten,
⎡⎣2⎤⎦ + ⎡⎣3⎤⎦ + ⎣⎡4 ‘ ⎦⎤ C. Huguet, E. C. Hopmans, M. V. Kien-
TEX86 = (chromatographisch bestimmt).
⎡⎣1⎤⎦ + ⎡⎣2⎤⎦ + ⎡⎣ 3⎤⎦ + ⎣⎡ 4 ‘⎦⎤ huis und J. S. Sinninghe Damsté, „Ana-
lytical Methodology for TEX86 Paleo-
Empirische Korrelation: Meeresoberflächentemperatur (°C) = –10.78 + 56.2 (TEX86). thermometry by High-Performance
Liquid Chromatography/Atmospheric
Durch Bestimmung der Archaeen-Membranlipide als Funktion der Tiefe im Meeressedi- Pressure Chemical Ionization-Mass
ment und in Sedimentgestein an Land, kann man die Geschichte der Meerestemperatur Spectrometry“, Anal. Chem. 2007, 79,
erkennen und das Verhältnis der Membranlipide mit anderen Indikatoren für das Klima 2940.]
vergleichen.1

HO
O
0 O
O
O
30 + OH
[M+H] = 1 302
HO
O
25 1
O
O O
der Meeresoberfläche (°C)
Mittlere Jahrestemperatur

+ OH
20 [M+H] = 1 300
HO
O
2 O
15 O
O
Meeresoberflächentemperatur (°C)
[M+H]+ = 1 298
OH
= −10.78 + 56.2(TEX86)
10 n = 223 Messwerte HO
R 2 = 0.935 3
O
O O
5
0.30 0.35 0.40 0.45 0.50 0.55 0.60 0.65 0.70 0.75
[M+H]+ = 1 296
O
OH
TEX86-Verhätnis der Membranlipide HO
O
4
Korrelation der heutigen Meeresoberflächentemperatur mit TEX86 in
O O
223 Sediment-Bohrkernoberflächenproben aus dem Atlantischen, Pa-
zifischen und Indischen Ozean. [J.-H. Kim, S. Schouten, E. C. Hopmans,
[M+H]+ = 1 292
O

B. Donner und J. S. Sinninghe Damsté, „Global Sediment Core-top OH

Calibration of the TEX86 Paleothermometer in the Ocean“, Geochim. 4′ Regioisomer von 4


Cosmochim. Acta 2008, 72, 1154.] [M+H]+ = 1 292

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_25, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
672 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Autosampler

Ionenfallen-
Massenspektrometer

Interface zur chemischen


Ionisation bei
Atmosphärendruck
Säule
Säulen-
ofen
Säule
Schutz-
säule

Injektions-
ventil
Schutz-
säule

Injektions-
ventil
Pumpe

Abb. 24.1 Hochleistungsflüssigigkeitschromatograph mit einem Massenspektrometer als Detektor.


Die Säule ist im rechten Bild vergrößert dargestellt. Während des Betriebs ist die Tür des Säulenofens
geschlossen, um eine konstante Temperatur einzuhalten. [Freundlicherweise von E, Erickson, Michel-
son Laboratory, China Lake, CA, zur Verfügung gestellt.]

Bahnbrechende Arbeiten zur HPLC Bei der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) wird hoher Druck angewen-
leistete der ungarische Chemiker det, um das Lösungsmittel durch die Säule zu bewegen. Die Säule ist mit nur wenige Mik-
C. Horváth 1965 an der Yale-University. rometer großen Partikeln gefüllt. Durch die Kombination von hohem Druck und kleinen
Partikeln wird eine hochaufgelöste Trennung erreicht.2–6 Das HPLC-System in der Abbil-
dung 24.1 besteht aus einem Autosampler, einer Lösungsmittelzufuhr, einem Probenin-
jektionsventil, einer Hochdruck-Chromatographiesäule und einem Massenspektrometer
als Detektor. Nicht im Bild gezeigt sind die Lösungsmittelbehälter, ein Photodiodenarray-
Absorptionsdetektor und der Computer zur Steuerung der Hardware und zur Ausgabe der
Ergebnisse. Die Säule befindet sich in einem Ofen, dessen Tür normalerweise geschlossen
ist, um die Säule auf einer konstanten Temperatur zu halten. In diesem Kapitel werden
die Flüssig-Flüssig-Verteilungs- und die Flüssig-Fest-Adsorptionschromatographie be-
handelt. Das Kapitel 25 beschäftigt sich mit der Ionenaustausch-, Molekülausschluss-,
Affinitäts- und der hydrophoben Wechselwirkungschromatographie.
Wenn die Chromotagraphisten die Wahl haben, bevorzugen sie die Gaschromato-
graphie vor der HPLC, da die Gaschromatographie billiger ist und viel weniger Abfall
erzeugt. Die Flüssigkeitschromatographie hat aber inzwischen eine größere Bedeutung
erlangt, denn die meisten Verbindungen sind für die Trennung per Gaschromatographie
zu wenig flüchtig.

24.1 Der chromatographische Prozess

Eine Geschwindigkeitserhöhung bei der Gleichgewichtseinstellung zwischen mobiler


und stationärer Phase erhöht die Trennleistung der Chromatographie. In der Kapil-
largaschromatographie wurde dies durch eine Reduzierung der Säulendurchmesser
erreicht, wodurch die Moleküle schneller zwischen dem Gasstrom und der stationären
Phase auf der Wand diffundieren können. Die Diffusion in Flüssigkeiten ist 100 Mal
langsamer als die Diffusion in Gasen. Deshalb ist es in der Flüssigkeitschromatographie
nicht generell möglich, offene Kapillarsäulen zu verwenden, weil der Durchmesser des
Lösungsmittelkanals zu groß ist, um von einem Molekül in kurzer Zeit durchquert zu
werden. Deshalb wird die Flüssigchromatographie mit gepackten Säulen durchgeführt,
damit die Analytmoleküle nicht sehr weit diffundieren müssen, um zur stationären
Phase zu gelangen.
24.1 · Der chromatographische Prozess 673

Kleine Teilchen bringen hohe Trennleistung, aber


erfordern hohen Druck
Die Trennleistung einer gepackten Säule nimmt zu, wenn die Teilchengröße der stationä-
ren Phase abnimmt. Die typischen Teilchengrößen in der HPLC liegen bei 1.7 bis 5 μm.
Die Abbildungen 24.2a und 24.2b zeigen die zunehmende Auflösung mit abnehmender
Teilchengröße. Die Bodenzahl steigt von 2 000 auf 7 500, wenn die Partikelgröße ab-
nimmt; gleichzeitig werden die Peaks dabei schärfer. In der Abbildung 24.2c wurde ein
24
Lösungsmittel verwendet, in dem der Analyt besser löslich ist und mit dem er in kürzerer
Zeit eluiert werden kann. Die sinkende Teilchengröße ermöglicht eine bessere Auflösung
N = 2 000
oder bei gleicher Auflösung eine kürzere Analysenzeit. Böden
Partikelgröße
> Beispiel = 4.0 μm
Skalierungsbeziehungen zwischen den Säulen
Gewöhnlich nehmen die Silkagel-Partikel unabhängig von der Teilchengröße ~40 % des (a)

Säulenvolumens ein und das Lösungsmittel ~60 %. Die in Abbildung 24.2a verwendete

Detektorsignal
Säule hat einen Innendurchmesser von 4.6 mm und sie wurde mit einer Volumenfließ- N = 7 500
Böden
geschwindigkeit (uv) von 3.0 mL/min mit einer Probengröße von 20 μL betrieben. Die in Partikelgröße
= 1.7 μm
Abbildung 24.2b verwendete Säule hat einen Durchmesser dc = 2.1 mm. Welche Fließge-
schwindigkeit muss im Chromatogramm b verwendet werden, um die gleiche Linearge- (b)
schwindigkeit (ux) wie im Chromatogramm a zu erreichen? Welches Probenvolumen sollte
injiziert werden? Partikelgröße
= 1.7 μm
Lösung Das Säulenvolumen ist zum Quadrat des Säulendurchmessers proportional. Eine
Veränderung des Durchmessers von 4.6 auf 2.1 mm reduziert das Volumen um den Faktor (c)
(2.1/4.6)2 = 0.208. Deshalb sollte uv um den Faktor 0.208 verringert werden, um die gleiche
0 1 2 3 4 5
Lineargeschwindigkeit beizubehalten.
Zeit (min)
uv (kleine Säule) = 0.208 × uv (große Säule) = (0.208)(3.0 mL/min) = 0.62 mL/min
Abb. 24.2 a) und b) Chromatogramme
Aufrechterhaltung des Verhältnisses der injizierten Probe zum Säulenvolumen: der gleichen Probe mit gleicher linearer
Fließgeschwindigkeit in einer 5 cm
Injektionsvolumen in die kleine Säule = 0.208 × (Injektionsvolumen in die große Säule) langen Säule, gepackt mit C18-Silika.
c) Ein besseres Lösungsmittel wurde
= (0.208)(20 μL) = 4.2 μL. zur schnelleren Elution der Analyte aus
der Säule b verwendet. [Y. Yang und
Selbstüberprüfung Wie groß sollten die Volumenfließgeschwindigkeit und das injizierte C. C. Hodges, „Assay Transfer from HPLC
Volumen für eine Säule mit einem Durchmesser von 1.5 mm sein? (Lösung: 0.32 mL/min, to UPLC for Higher Analysis Throughput“,
2.1 μL) LCGC Supplement, May 2005, 31.]

Die in Abbildung 24.3 gezeigten van-Deemter-Kurven stellen den Zusammenhang zwi-


schen der Bodenhöhe und der linearen Fließgeschwindigkeit dar. Es zeigt sich, dass kleine Steigende Trennleistung bedeutet
Partikel die Bodenhöhe verringern und dass bei diesen die Bodenhöhe nicht sehr emp- abnehmende Bodenhöhe, H, in der
findlich auf die Fließgeschwindigkeit reagiert. Bei der optimalen Fließgeschwindigkeit für van-Deemter-Gleichung (22.33):
jede Säule (minimale Bodenhöhe in Abbildung 24.3) ist die Zahl der theoretischen Böden H ≈ A + B/ux + Cux
in einer Säule mit der Länge L (cm) ungefähr7 ux = lineare Fließgeschwindigkeit
3000 L (cm)
N≈ (24.1)
d p (m)
mit dp, dem Partikeldurchmesser in μm. Die 5.0 cm-Säule in Abbildung 24.2a mit 4 μm-
Teilchen sollte danach ~ (3 000)(5.0)/4.0 = 3 800 Böden haben. Die für den zweiten Peak
beobachtete Bodenzahl beträgt 2 000. Vielleicht wurde die Säule nicht mit der optimalen
Fließgeschwindigkeit betrieben. Wenn der Teilchendurchmesser der stationären Phase
auf 1.7 μm verringert wird, kann eine Bodenzahl von ~ (3 000)(5.0)/1.7 = 8 800 erwartet
werden. Der beobachtete Wert ist 7 500.
Ein Grund für die bessere Peak-Auflösung bei der Verwendung von kleinen Partikeln
ist der einheitlichere Strom durch die Säule, wodurch der Term für zusätzliche Wege, A,
in der van-Deemter-Gleichung (22.33) kleiner wird. Ein zweiter Grund besteht darin,
dass die Strecke, durch die der Analyt in der mobilen und stationären Phase diffundieren
muss, etwa der Partikelgröße entspricht. Je kleiner die Teilchen sind, desto kürzer ist die
674 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

18
5 m
16

14

Bodenhöhe (m)
12

10 3.5 m

8
2.7 m Oberflächen-
6 poröse Partikel
4
1.8 m
2
0 2 4 6 8 10
Lineare Fließgeschwindigkeit (mm/s)

Abb. 24.3 van-Deemter-Kurven: Bodenhöhe als Funktion der linearen Fließgeschwindigkeit (mm/s) für
mikroporöse (Abbildung 24.5) Partikel der stationären Phase mit Durchmessern von 5.0, 3.5 und 1.8 μm
sowie für oberflächenporöse Partikel (Abbildung 24.9) mit einem Durchmesser von 2.7 μm (0.5 μm po-
röse Schicht). Bei den Messungen wurde Naphthalen von einer C18-Silika-Säule (50 mm lang × 4.6 mm
Durchmesser) mit 60 Vol% Acetonitril/40 Vol% H2O bei 24 °C eluiert. [Von MAC-MOD Analytical, Chadds
Ford, PA zur Verfügung gestellt.]

Diffusionsstrecke. Dieser Effekt verringert den C-Term für die endliche Zeit zur Gleich-
gewichtseinstellung in der van-Deemter-Gleichung. Die optimale Fließgeschwindigkeit
ist für kleine Partikel größer als für große Partikel, da die Analyte durch kürzere Strecken
diffundieren.
Geringere Partikelgröße führt zu Ein weiterer Vorteil der geringen Teilchengröße, der sich in Verbindung mit der
▬ größerer Bodenzahl schmalen Säule und der höheren Fließgeschwindigkeit ergibt, ist die Tatsache, dass der
▬ höherem Druck Analyt bei seiner Wanderung durch die Säule nicht so stark verdünnt wird. Die Bestim-
▬ kürzerer optimaler Analysenzeit mungsgrenze für die Bedingungen in der Abbildung 24.2c (50 μg/L) ist viermal niedriger
▬ niedrigeren Nachweisgrenzen als die Bestimmungsgrenze in Abbildung 24.2a (200 μg/L).
Der Nachteil der geringen Partikelgröße ist der Widerstand gegen den Lösungsmittel-
fluss. Der erforderliche Druck zum Fluss des Lösungsmittels durch eine Säule beträgt
ux L
Säulendruck P = f (24.2)
 r 2d 2p
Viskosität ist ein Maß für die Zähflüs- mit ux der linearen Fließgeschwindigkeit, η der Viskosität des Lösungsmittels, L der Säu-
sigkeit eines Fluids, sie gibt den Wider- lenlänge, und dp dem Partikeldurchmesser. Der Faktor f hängt von der Form der Teilchen
stand gegen das Fließen an. Je viskoser und ihrer Packung ab. Die physikalische Bedeutung der Gleichung 24.2 besteht darin, dass
eine Flüssigkeit ist, desto langsamer der Druck in der HPLC direkt proportional zur Fließgeschwindigkeit und der Säulenlänge
fließt sie bei einem gegebenen Druck. und umgekehrt proportional zum Quadrat des Säulenradius (oder Durchmessers) und
zum Quadrat der Teilchengröße ist. Der Unterschied zwischen den Chromatogrammen
a und b in Abbildung 24.2 besteht in der Teilchengröße der stationären Phase, die von
4.0 auf 1.7 μm verringert wurde, und im Säulendurchmesser, der von 4.6 mm auf 2.1 mm
sank. Deshalb erhöht sich der erforderliche Druck um den Faktor (4.6 mm/2.1mm)²/(4.0
μm/1.7 μm)² = 27. Das bedeutet, dass zum Betreiben der Säule in Abbildung 24.2b ein 27
Mal höherer Druck erforderlich ist.
Analogie zwischen dem Fluss eines Fluids Bis vor kurzem wurde bei der HPLC mit Drücken von ~7–40 MPa (70–400 bar) gear-
und elektrischem Strom: beitet, um Fließgeschwindigkeiten von ~0.5–5 mL/min zu erreichen. Seit dem Jahr 2004
Elektrische Leistung (W) = Stromstärke × kann man Geräte erhalten, bei denen Partikel mit 1.5–2 μm Durchmesser bei Drücken
Spannung bis zu 100 MPa (1 000 bar) verwendet werden. Das führt zu einer erheblichen Erhöhung
Wärmeerzeugung in der Chromatographie: der Auflösung oder Verkürzung der Analysenzeit. Die Tabelle 24.1 zeigt die theoretische
Leistung (W) = Trennleistung für verschiedene Teilchengrößen; solche Ergebnisse wurden in Forschungs-
Volumenfließgeschwindigkeit × Druckabfall arbeiten mit speziellen Hochdruckeinrichtungen erreicht. Eine Chromatographie mit
m3/s Pa = kg/(m∙s²) Partikeln eines Durchmessers von 1.5 bis 2 μm und bei hohem Druck wird mit dem Han-
delsnamen der Waters Corporation UPLC (Ultra Performance Liquid Chromatography)
genannt. Die Peaks aus einer UPLC-Säule können so schmal sein, dass die Zeit für eine
massenspektrometrische Detektion nicht ausreicht.
24.1 · Der chromatographische Prozess 675

Tabelle 24.1 Trennleistung als Funktion des Teilchendurchmessers

Teilchengröße, dp, μm Retentionszeit (min) Bodenzahl (N) Erforderlicher Druck (bar)

5.0 30 25 000 19

3.0 18 42 000 87

1.5 9 83 000 700


24
1.0 6 125 000 2 300

Theoretische Trennleistung einer Kapillarsäule (25 cm Länge × 33 μm Durchmesser für die minimale Bodenhöhe eines Analyten mit dem Retentionsfaktor k = 2
und dem Diffusionskoeffizienten = 6.7 × 10–10 m²/s und Wasser/Acetonitril als Elutionsmittel.
Quelle: E. MacNair, K. D. Patel und J. W. Jorgenson, „Ultrahigh Pressure Reversed-Phase Liquid Chromatography with 1.0-μm Particles“, Anal. Chem. 1999, 71, 700.

Ein weiterer Nachteil der geringen Teilchengrößen ist die wachsende Reibungswärme, Eingang
wenn das Lösungsmittel durch das Packungsbett gezwungen wird.8 Das Zentrum der
Säule ist wärmer als die Außenwand und der Ablauf ist wärmer als der Einlauf. In einer
Säule mit der Länge 100 mm und einem Durchmesser von 2.1 mm, in der sich 1.7 μm-
Partikel befinden und die mit Acetonitril eluiert wird, entsteht bei einer Fließgeschwin- Schutz-
digkeit von 1 mL/min eine Temperaturdifferenz zwischen Ein- und Auslauf von ~ 10 °C. säule
poröse Titanfritten
Die Mittellinie der Säule kann ~2 °C wärmer sein als die Wand. Um eine übermäßige
Bandenverbreiterung durch Temperaturunterschiede zu vermeiden, sollte der Säulen-
durchmesser bei 1.7 μm-Teilchen ≤2.1 mm sein.
Anodisch
oxidierter
Aluminium-
Die Säule mantel

Säulen sind teuer und werden schnell durch Staub oder Teilchen aus der Probe oder
dem Lösungsmittel sowie durch die irreversible Adsorption von Verunreinigungen aus Hauptsäule
(Kunststoff)
Proben und Lösungsmitteln geschädigt. Um die Einbringung von Feststoffen in die Säule
zu verhindern, sollten die Proben zentrifugiert und/oder durch ein 0.5 μm-Filter filtriert
werden, bevor sie in die Gefäße des Autosamplers oder bei manueller Injektion in die
Spritze gebracht werden. Ein 0.5 μm-Filter solle im Flüssigkeitsstrom unmittelbar hinter
dem Autosampler installiert werden.
poröse Titanfritte
In der HPLC-Ausrüstung der Abbildung 24.1 werden 5–30 cm lange Säulen aus Stahl
oder Kunststoff mit einem Durchmesser von 1–5 mm verwendet (Abbildung 24.4). Vor
dem Eingang der Hauptsäule befindet sich eine kurze Schutzsäule mit der gleichen stati-
onären Phase wie die Hauptsäule. Feine Feststoffteilchen und stark adsorbierende Stoffe Ausgang
werden in der Schutzsäule festgehalten. Sie wird regelmäßig nach einer bestimmten Zahl
von Injektionen oder bei Anstieg des Säulendrucks ausgetauscht. Während eine Schutz- Abb. 24.4 HPLC-Säule mit austauschba-
säule bei einer 10–30 cm langen Säule sinnvoll ist, halten sie viele Leute bei einer 5 cm- rer Schutzsäule zur Entfernung von irre-
Säule nicht für kosteneffektiv. versibel adsorbierten Verunreinigungen.
Durch das Erhitzen der chromatographischen Säule9 wird die Viskosität des Lösungs- Titanfritten halten die stationäre Phase
und verteilen die Flüssigkeit gleichmäßig
mittels verringert, wodurch sich der zur Trennung notwendige Druck verringert bzw. über den Säulendurchmesser. [Zur Ver-
höhere Fließgeschwindigkeiten möglich werden. Eine erhöhte Temperatur verringert die fügung gestellt von Upchurch Scientific,
Retentionszeiten (Abbildung 22.19) und verbessert die Auflösung durch Beschleunigung Oak Harbour, WA.] In der Abbildung 24.1
der Diffusion der Analyte. Erhöhte Temperaturen können jedoch auch zur Zersetzung geht die Fließrichtung von unten nach
der stationären Phase und einer Verkürzung der Lebensdauer der Säule führen. Wenn oben. Hier ist Fließrichtung umgekehrt.
die Säulentemperatur nicht reguliert wird, schwankt sie mit der Umgebungstemperatur.
Durch Einstellung der Säulenheizung auf 10 °C oberhalb der Zimmertemperatur wird
eine bessere Reproduzierbarkeit der Retentionszeiten und der Präzision bei quantitativen
Analysen erreicht. In einigen Labors werden alle chromatographischen Trennungen routi-
nemäßig bei 50 oder 60 °C durchgeführt. Bei einer beheizten Säule sollte die mobile Phase
zwischen Injektor und Säule durch eine vorgeheizte Metallwendel geschickt werden, da-
mit das Lösungsmittel und die Säule gleiche Temperatur haben. Wenn diese Temperatu-
ren unterschiedlich sind, werden die Peaks verzerrt und die Retentionszeiten verändert.
676 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

In der jüngsten Vergangenheit war der übliche Durchmesser der HPLC-Säulen 4.6 mm.
Jetzt werden immer öfter 2.1 mm-Säulen verwendet. Die dünnere Säule passt besser zum
Massenspektrometer, das einen niedrigen Fluss des Lösungsmittels braucht. Die schmale
Säule benötigt weniger Probe und erzeugt nicht so viel Abfall. Die Geräte, die für die
4.6 mm-Säulen benutzt wurden, funktionieren auch mit den 2.1 mm-Säulen. Säulen mit
einem kleineren Durchmesser erfordern spezielle Geräte, um die Bandenverbreiterung
außerhalb der Säule zu verringern. Damit können Kapillarsäulen bis zu einem Durchmes-
ser von 25 μm verwendet werden.

Die stationäre Phase


Abb. 24.5 Rasterelektronenmikrosko-
Als gebräuchliches Trägermaterial dienen hochreine, kugelförmige mikroporöse Partikel aus
pische Aufnahme eines mikroporösen
Kieselgelteilchens (Durchmesser 4.4 μm) Kieselgel (Abbildung 24.5), die für Lösungsmittel durchlässig sind und eine Oberfläche von
aus einem experimentellen Ansatz von mehreren Hundert Quadratmeter pro Gramm haben. Die meisten Kieselgele können nicht
K. Wyndham, Waters Corporation. [Photo oberhalb von pH 8 verwendet werden, da sie sich im Basischen auflösen. Die Abbildung 24.6
freundlicherweise von J. Jorgensen, Uni- zeigt die Struktur von gewöhnlichem Kieselgel und von Kieselgel mit Ethylenbrücken, wel-
versity of North Carolina, zur Verfügung
ches bis pH 12 beständig gegen Hydrolyse ist.10 Zur Trennung basischer Substanzen bei pH
gestellt.]
8–12 können Kieselgel mit Ethylenbrücken oder polymere Träger, wie Polystyren (Abbildung
25.1) verwendet werden. Die stationäre Phase ist kovalent an das Polymer gebunden.
Eine Kieselgeloberfläche (Abbildung 24.6) hat bis zu 8 μmol Silanolgruppen (Si–OH)
pro Quadratmeter. Die Silanolgruppen sind bei pH ~2–3 protoniert. Oberhalb dieser
Schwelle dissoziieren sie zu negativ geladenem Si–O–. Bei der alten Silikagelsorte vom
Typ A halten freiliegende Si–OH-Gruppen protonierte Basen (z. B. RNH3+) stark zurück
und führen zum Tailing (Abbildung 24.7). Auch metallische Verunreinigungen in diesem
Kieselgel verursachen Tailing. Das Silikagel vom Typ B in Abbildung 24.7 hat weniger
freiliegende Silanolgruppen und weniger Metallverunreinigungen. Es ist die heute am
meisten verwendete Sorte. Kieselgel Typ C verursacht noch weniger Tailing, weil 90 %
der Si–OH-Gruppen durch Si–H-Bindungen ersetzt sind, welche die Analyte nicht durch
Wasserstoffbrücken zurückhalten können.
Unbehandeltes Silikagel kann als stationäre Phase für die Adsorptionschromatogra-
phie verwendet werden. Die Flüssig-Flüssig-Verteilungschromatographie wird am häu-
figsten mit einer kovalent an die Kieselgel-Oberfläche gebundenen stationären Phase
durchgeführt, zum Beispiel
Restliche Silanolgruppen auf der
CH3 CH3
Silikageloberfläche werden durch
HCl
Reaktion mit ClSi(CH3)3 durch Si OH ClSi R Si O Si R
Trimethylsilyl-Gruppen derivatisiert.
Dieses sogenannte „Endcapping“ CH3 CH3
beseitigt die restlichen polaren
Adsorptionsplätze, die das lästige Gebundene stationäre
Phase
Tailing verursachen.

Si OH Si O
2HCl
Cl3SiR SiClR
Si OH Si O

Silikagel-
Oberfläche

Übliche polare Phasen Übliche unpolare Phasen

R = (CH2)3NH2 Amino R = (CH2)17CH3 Octadecyl


R = (CH2)3C≡N Cyano R = (CH2)7CH3 Octyl
R = (CH2)2OCH2CH(OH)CH2OH Diol R = (CH2)3C6H5 Phenyl
R = (CH2)3C6F5 F5-Phenyl
24.1 · Der chromatographische Prozess 677

Wasserstoffbrücken zwischen vicinalen Silanolgruppen

OH
OH
OH
Si O Si
OH
Si
HO O O Si
OH O Siloxan-
bindungen
Isolierte
Si O Si Si
O
OH
24
O
Silanol-
O OH Si
gruppen Si O O
O Si
Si
HO Si Si
O O O Si OH
O
Si O Si
O O
O O Si O
O Si O Si O Si
O Si
O O O O CH2 CH2 O O
O
Si O O Si Si
Si Si Si
Si O O
O O O O
Si O O
OH O Si O OH O
Si Si Si
Si O
OH O
geminale O O CH2 CH2
a OH OH Silanolgruppen b

Abb. 24.6 a) Schematische Struktur eines Kieselgel-Teilchens [R. E. Majors, LCGC, May 1997, S. S8.]
b) Das gegen basische Hydrolyse beständige Kieselgel hat zwischen einigen Siliciumatomen Ethylen-
brücken an der Stelle von Sauerstoffbrücken. Die mit Ethylen verbrückten Strukturen sind starrer und
für Teilchen mit einem Durchmesser <2 μm gut geeignet, die einen hohen Druck aushalten müssen.

4
Typ A Silica Abb. 24.7 Tailing von basischen Aminen
Zorbax-ODS auf Kieselgel: a) Silikagel Typ A als Träger
(Dimethyl-C18) 1
3 gibt verzerrte Peaks. b) Das weniger saure
2 Silikagel Typ B mit weniger Si–OH-Gruppen
mit geringerer Metallverunreinigung gibt
symmetrische Peaks mit kürzerer Retenti-
onszeit. In beiden Fällen wurde mit einer
Detektorsignal

(a)
0.46 × 15 cm-Säule chromatographiert. Die
Elution erfolgte mit 1.0 mL/min bei 40 °C
4 durch eine Mischung von 30 Vol% Aceto-
Typ B Silica nitril und 70 Vol% eines Natriumphosphat-
Zorbax Rx-C18 1 Doxepin 0.125 μg
2 Desipramin 0.25 μg Puffers (pH 2.5) mit 0.2 Gew% Triethylamin
(Dimethyl-C18) 1
3 3 Amitriptylin 0.25 μg und 0.2 Gew% Trifluoressigsäure. Vom
4 Trimipramin 0.25 μg Detektor wurde die UV-Absorption bei 254
nm gemessen. Zusätze von Triethylamin
2 oder Trifluoressigsäure werden häufig zur
Maskierung starker Adsorptionsplätze des
(b)
Trägermaterials verwendet, wodurch das
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Tailing verringert wird. [Aus: J. J. Kirkland,
Zeit (min) Am. Lab., June 1994, S. 28K.]

Auf der Oberfläche des Trägers befinden sich ~4 μmol R-Gruppen pro m² der Träger-
oberfläche, die während der Chromatographie kaum aus der Säule „bluten“.
Am meisten wird in der HPLC als stationäre Phase die Octadecylphase (C18) (abge-
kürzt ODS) verwendet. Trotz gleicher Bezeichnung der Säulen sind die Retentionsfaktoren
eines Analyten bei Säulen unterschiedlicher Hersteller nicht gleich. Unterschiede in den
Oberflächen der verschiedenen Säulen haben einen großen Anteil an diesen Schwankun-
gen.11 Die unpolare Perfluorophenyl-Phase (F5-Phenyl) bietet andere Selektivitäten als die
Octadecylphase und ist für die Trennung aromatischer Verbindungen besonders geeignet.
Die am Anfang dieses Kapitels beschriebene Lipid-Trennung von Zellmembranen wurde
an einer polaren Cyano-Säule durchgeführt.
678 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Exkurs 24.1

Monolithische Silikagel-Säulen an das Silikagel gebunden werden. Nach der Herstellung wird
Zeit ist Geld. In gewerblichen Laboratorien müssen die Ana- der Kieselgelstab dicht mit einem chemisch widerstandsfähigen
lysen aus Kostengründen schnell gehen. Mit monolithischen Kunststoff aus Polyetheretherketon (PEEK) umhüllt.
Silikagel-Säulen kann in der Flüssigchromatographie bei gleich- Das Lösungsmittel fließt mit relativ geringem Widerstand
bleibender Qualität der Trennung die Fließgeschwindigkeit durch die offene, starre Struktur der monolithischen Säule. Der
erhöht werden.12 gleiche Druck, der bei 3.5 μm-Partikeln eine Fließgeschwindig-
Jede Säule auf dem linken Photo ist ein einzelner, poröser Sili- keit von 1 mL/min ergibt, bietet in der monolithischen Säule eine
kagelstab, der aus flüssigen Ausgangsstoffen durch Polymerisation Fließgeschwindigkeit von 9 mL/min. Bei 9 mL/min ist die Boden-
hergestellt wird. Das mittlere Bild zeigt das Gerüst des Silikagels höhe in der monolithischen Säule nur 50 % größer als die bei
mit einem Netzwerk von ~2 μm-Poren. Im Inneren des Gerüsts 2 mL/min beobachtete minimale Bodenhöhe.
befindet sich ein feineres Netzwerk von Poren, deren Durchmesser Durch den geringen Widerstand gegen den Lösungsmittel-
etwa 13 nm beträgt. Diese Poren sind zu klein, um im Bild erkannt fluss können wesentlich längere monolithische Säulen herge-
zu werden. Sie machen ungefähr 80 % des Stabvolumens aus, stellt werden, mit denen bei üblichen HPLC-Drücken vorzügliche
sind also ein leerer Raum. Die Oberfläche beträgt 300 m²/g und Trennungen möglich sind. Das Chromatogramm zeigt die Auflö-
besitzt damit vergleichbar exzellente Eigenschaften wie andere sung der deuterierten Moleküle von Benzen und Toluen an einer
hervorragende Materialien für stationäre Phasen. C18 oder andere 440 cm langen Säule mit 0.1 mm Durchmesser bei einem Druck
stationäre Phasen können für die Umkehrphasenchromatographie von 396 bar gemessen an einer gewöhnlichen HPLC-Apparatur.

Monolithische Kieselgelstäbe Struktur des Stabs zeigt ~ 2 μm-Poren


Vergrößerte Ansicht. Im Inneren des Silkagel-
Gerüsts befinden sich nicht erkennbare Poren
[Fotos mit freundlicher Genehmigung von D. Cunningham, Merck KGaA, Darmstadt, Deutschland.] mit ca. 13 nm Durchmesser

D
D 188.1 D
D D min
D D D D 4 5
D Δt =
2
w1/2 = 3 1.01
1.01 min
min
Extinktion bei 210 nm

185 190 195


1 Zeit (min) CD3 CH3

5 CD3
Thioharnstoff 4 D D
(nicht zurückgehalten) 6 7
3 D D 8
tr = 41.7 min 2 D
S

H 2N NH2

100 200 300


Zeit (min)

Trennung von deuterierten Molekülen auf einer 440 cm langen monolithischen C18-Kieselgel-Säule. Elution mit CH3CN/H2O (30/70 Vol/Vol) bei 30 °C.
[K. Miyamato, T. Hara, H. Kobayashi, H. Morisaka, D. Tokuda, K. Horie, K. Koduki, S. Makino, O. Núñez, C. Yang, T. Kawabe, T. Ikegami, H. Takubo, Y. Ishihama
und N. Tanake, „High-Efficiency Liquid Chromatographic Separation Utilizing Long Monolithic Silica Capillary Columns“, Anal. Chem. 2008, 80, 8741.]
24.1 · Der chromatographische Prozess 679

Die Siloxan-Bindung (Si–O–SiR) hydrolysiert unterhalb von pH 2. Deshalb ist die Die zweizähnige stationäre C18-Phase
HPLC mit einer an einem Kieselgelträger gebundenen Phase auf das pH-Gebiet von 2–8 ist oberhalb von pH 8 stabil:
beschränkt. Wenn an das Siliciumatom der gebundenen Phase sperrige Isobutylgruppen C18 C18
gebunden sind (Abbildung 24.8), wird die stationäre Phase vor dem Angriff durch H3O+
Si Si
besser geschützt und sie ist damit für eine längere Zeit bei niedrigem pH beständig, selbst
bei erhöhter Temperatur (z. B. pH 0.9 bei 90 °C). Im Exkurs 24.1 werden monolithische O CH3 H3C O
stationäre Phasen beschrieben. Silikagel
Bei einem anderen Typ unpolarer stationärer Phasen ist eine polare Gruppe eingebet-
24
tet. Auf dem Seitenrand befindet sich ein Beispiel für diese als polar embedded bezeich-
nete Phase. Am Silikagel befindet sich zunächst ein kurzer Abstandshalter (spacer) aus H 3C CH 3
drei Methylengruppen, dann folgen die polare Amidgruppe und schließlich eine lange CH
Kohlenwasserstoffkette. Diese Phasen haben eine andere Selektivität als die C18-Phasen, CH 3 CH 2
bessere Peakformen für Basen und sind mit rein wässrigen mobilen Phasen völlig verträg- O Si C18 O Si C18
lich. Andere unpolare stationäre Phasen sollten rein wässrigen Lösungen nicht ausgesetzt CH 2
CH 3
werden, da sich danach das Gleichgewicht mit einem organischen Lösungsmittel nur sehr CH
langsam wieder einstellt. H 3C CH 3
Die Abbildung 24.9 zeigt eine schnelle Proteintrennung an oberflächenporösen Par- OH H 3O+ OH
H 3C CH 3
tikeln (auch Poroshell-Partikel genannt), die aus einer 0.25 μm starken porösen Kiesel-
CH
gelschicht auf einem nichtporösen Kern mit 5 μm Durchmesser bestehen. Eine stationäre CH 3 CH 2
Phase wie C18 ist vollständig an der dünnen, porösen äußeren Schicht gebunden. Der
O Si C18 O Si C18
Massenübergang der Analyte in eine 0.25 μm dicke Schicht verläuft zehnmal schneller als
CH 2
in völlig poröse Partikeln mit einem Radius von 2.5 μm, woraus sich die gute Trennleis- CH 3
Kieselgel Kieselgel CH
tung bei hoher Fließgeschwindigkeit ergibt. Die oberflächenporösen Partikel eignen sich H 3C CH 3
besonders zur Trennung von Makromolekülen, wie Proteinen, die langsamer als kleine
Moleküle diffundieren. In der Abbildung 24.3 wurde gezeigt, dass die van-Deemter-Kurve
Abb. 24.8 Sperrige Isobutylgruppen
für oberflächenporöse Partikel mit einem Gesamtdurchmesser von 2.7 μm und einer schützen die Siloxan-Bindungen vor der
porösen Schicht von 0.5 μm der von üblichen völlig porösen Partikeln mit einem Durch- Hydrolyse bei niedrigem pH. [J. J. Kirk-
messer von 1.8 μm entspricht. Die oberflächenporösen Partikel ermöglichen Trennungen, land, Am. Lab., June 1994, S. 28K.]
die denen mit völlig porösen 1,8 μm-Partikeln gleichzusetzen sind, ohne den dort erfor-
derlichen hohen Druck zu benötigen.
Auf Silikagel abgeschiedener poröser graphitischer Kohlenstoff 13 ist eine stationäre
(CH2)14CH3
Phase, die im Vergleich zu einer C18-Phase eine erhöhte Retention für unpolare Verbin-
dungen hat. Graphit hat eine hohe Affinität zu polaren Verbindungen und trennt Isomere, O O (CH2)14CH3

NH
Eingebettete
NH Amidgruppe
5 in der Nähe
des Fußpunkts
Fester 4 der gebundenen
3
5 μm Silikagel- Phase
kern 1
2 7
0.2 6
8 Si Si
Extinktion

Oberflächen- 0.25 μm
poröses O OH O
Teilchen
0.1 Si Si Si

Eine unpolare gebundene Phase mit


eingebetteter polarer Amidgruppe bietet
eine andere Selektivität als C18, liefert
0 für Basen eine bessere Peakform und er-
0 15 30 45 60
möglicht den Einsatz von rein wässrigen
Zeit (s)
Eluenten.
Abb. 24.9 Schnelle Proteintrennung an einer oberflächenporösen C18-Silikagelphase in einer 2.1 ×
75 mm-Säule, gefüllt mit Poroshell 300SB-C18. Mobile Phase A: 0.1 Gew% Trifluoressigsäure in H2O.
Mobile Phase B: 0.07 Gew% Trifluoressigsäure in Acetonitril. Das Lösungsmittel wurde kontinuierlich
von 95 Vol% A/5 Vol% B in 1 Min. auf 100 % B geändert. Fließgeschwindigkeit = 3 mL/min bei 70 °C
und 26 MPa (260 bar). UV-Detektion bei 215 nm. Peaks: 1 Angiotensin II, 2 Neurotensin, 3 Ribonukle-
ase, 4 Insulin, 5 Lysozym, 6 Myoglobin, 7 Carbonsäure-Anhydrase, 8 Ovalbumin. [R. E. Majors, LCGC
Column Technology Supplement, June 2004, S. 8K. Mit Dank an Agilent Technologies.]
680 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Chirale stationäre Phase Whelk-O1

H H
N N
O2N O SiO2 SiO2 O NO2
O Si Si O

H3C CH3 H3C CH3


(R,R ) (S,S)
NO2 NO2
H3C H H CH3

CO2H HO2C

CH3O OCH3
(S)-Naproxen (R)-Naproxen

Wechselwirkung von (R)- und (S)-Naproxen mit der (S,S) stationären Phase

zum
Silikagel
Naphthalen-
Gruppe
Abb. 24.10 Wechselwirkung der Enan-
tiomeren des Arzneimittels Naproxen
mit der chiralen (S,S) stationären Phase
Dinitrophenyl-
Whelk-O1. (S)-Naproxen wird stärker
Gruppe
adsorbiert und bleibt deshalb länger auf (S)-Naproxen
der Säule. [S. Ahuja, „A Strategy for Deve- (R )-Naproxen
(S,S) (S,S)
loping HPLC Methods for Chiral Drugs“,
LCGC 2007, 25, 1112.] Stabileres Adsorbat Weniger stabiles Adsorbat

die auf C18-Phasen nicht getrennt werden können. Diese stationäre Phase ist in 10 M
Säure und 10 M Base stabil.
Die Bezeichnungen R (von lat. rectus = In der pharmazeutischen Industrie müssen häufig die beiden Enantiomere (Spiegelbild-
rechts) und S (von lat. sinister = links) isomere) von Arzneimitteln getrennt werden, weil jedes Enantiomer eine andere phar-
werden stereochemischen Deskripto- makologische Wirkung hat. Zu ihrer Trennung verwendet man optisch aktive stationäre
ren genannt und dienen der eindeuti- Phasen14 (siehe Abbildung 24.10 und Übung 24-B). Abbildung 24.10 zeigt die berechnete
gen Beschreibung der absoluten Konfi- Geometrie des chiralen Arzneimittels Naproxen, das mit einem Enantiomer der chiralen
guration eines Stereozentrums. Phase bindet. Die Spiegelbilder des Analyten werden mit R und S, die Spiegelbild-Formen
der stationären Phase mit (R,R) und (S,S) bezeichnet. Die Bindung von (S)-Naproxen an
die (S,S) stationäre Phase ist stärker als die Bindung von (R)-Naproxen an die (S,S) statio-
näre Phase. Deshalb wird (R)-Naproxen vor (S)-Naproxen von der (S,S) stationären Phase
eluiert. Andere chirale Phasen beruhen auf substituierter Zellulose, zyklischen Peptiden
mit Zuckersubstituenten und auf Cyclodextrinen. (Exkurs 23.1).

Der Elutionsprozess
In der Adsorptions-Chromatographie konkurriert das Lösungsmittel mit dem Analyten
um die Adsorptionsplätze auf der stationären Phase (Abbildung 24.11 und Farbtafel 28).
Die Fähigkeit verschiedener Lösungsmittel, einen bestimmten Analyten von der Säule zu
eluieren, ist von der Natur des Analyten nahezu unabhängig. Die Elution tritt ein, wenn
das Lösungsmittel den Analyten aus der stationären Phase verdrängt.
Eine elutrope Reihe ordnet Lösungsmittel nach ihren relativen Fähigkeiten zur Ver-
drängung eines Analyten von einem bestimmten Adsorbens. Die Elutionskraft (ε°) ist ein
Maß für die Adsorptionsenergie eines Lösungsmittels, wobei der Wert für die Adsorp-
tion von Pentan an reinem Silikagel gleich Null gesetzt wurde. In Tabelle 24.2 sind die
Lösungsmittel nach ihrer Elutionskraft an blankem Silikagel angeordnet. Je polarer das
Lösungsmittel ist, desto größer ist die Elutionskraft in der Adsorptionschromatographie
mit reinem Silikagel und desto schneller werden die Analyte aus der Säule eluiert.
24.1 · Der chromatographische Prozess 681

Lösungsmittel

desorbierter
Analyt

24
Fluss

an stationärer an stationärer
Phase adsorbierter Phase adsorbiertes
Analyt Lösungsmittel

stationäre
Phase

a b

Abb. 24.11 Die Moleküle des Lösungsmittels konkurrieren mit denen des Analyten um die Bindungs-
stellen der stationären Phase. Je größer die Elutionskraft des Lösungsmittels ist, desto leichter ver-
drängt es den Analyten.

Tabelle 24.2 Elutrope Reihe und UV-Grenzwellenlängen von Lösungsmitteln für die Adsorptionschro-
matographie an Silikagel

Lösungsmittel Elutionskraft (ε0) UV-Grenzwellenlänge (nm)

Pentan 0.00 190

Hexan 0.01 195

Heptan 0.01 200

Trichlortrifluorethan 0.02 231

Toluen 0.22 284

Chloroform 0.26 245

Dichlormethan 0.30 233

Diethylether 0.43 215

Ethylacetat 0.48 256

Methyl-t-butylether 0.48 210

Dioxan 0.51 215

Acetonitril 0.52 190

Aceton 0.53 330

Tetrahydrofuran 0.53 212

2-Propanol 0.60 205

Methanol 0.70 205

Hinweis: Die UV-Grenzwellenlänge für Wasser ist 190 nm.


Quellen: L. R. Snyder in High-Performance Liquid Chromatography (C. Horváth, ed.); Vol. 3 (New York: Aca-
demic Press, 1983); Burdick & Jackson Solvent Guide, 3rd ed. (Muskegon, MI; Burdick & Jackson Laboratories,
1990).
682 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Normalphasenchromatographie: Die Adsorptionschromatographie an reinem Silikagel ist ein Beispiel für die Normal-
▬ polare stationäre Phase phasenchromatographie, bei der eine polare stationäre Phase und ein weniger polares
▬ Lösungsmittel mit höherer Polari- Lösungsmittel verwendet werden. Ein polareres Lösungsmittel hat eine höhere Elutions-
tät hat höhere Elutionskraft kraft. Die gebräuchlichere Form ist die Umkehrphasenchromatographie (engl. reversed-
phase chromatography), die mit einer unpolaren oder nur schwach polaren stationären
Umkehrphasenchromatographie: Phase und einem stärker polaren Lösungsmittel arbeitet. Das weniger polare Lösungsmittel
▬ unpolare stationäre Phase hat die höhere Elutionskraft. Generell gilt, dass die Elutionskraft zunimmt, wenn die
▬ Lösungsmittel mit geringerer Pola- mobile Phase der stationären Phase ähnlicher gemacht wird. In der Umkehrphasenchro-
rität hat höhere Elutionskraft matographie tritt kaum Tailing auf, weil die stationäre Phase nur wenige Plätze mit einer
starken Adsorption hat, die das Tailing verursachen (Abbildung 22.21) Die Normalpha-
senchromatographie ist im Unterschied zur Umkehrphasenchromatographie gegen kleine
Wassermengen im Eluenten empfindlich. In Exkurs 24.2 wird die Grenzfläche zwischen
dem Lösungsmittel und der stationären Phase in der Umkehrphasenchromatographie
beschrieben.

Exkurs 24.2

Struktur der Grenzfläche zwischen Lösungs- einer Stärke von 0.25 nm. Acetonitril bildet einen Pool adsor-
mittel und der gebundenen stationären Phase bierter Lösungsmittelmoleküle mit einer Stärke von 1.3 nm
Die strukturierten Lösungsmittelschichten an der Grenzfläche und einer hohen Kapazität für den gelösten Analyten. Die
zwischen den stationären und mobilen Phasen beeinflussen adsorbierten Moleküle von Phenol und Coffein können sich im
die Trennung in der Flüssigchromatographie. Das Diagramm Inneren der C18-Schicht oder an deren äußeren Oberfläche be-
zeigt die Lösungsmittelschichten an der Oberfläche von C18- finden, aber auch im CH3CN-Pool gelöst sein. Jede dieser drei
Kieselgel in Gegenwart von Methanol/Wasser (40:60 Vol:Vol) Möglichkeiten hat andere Bindungsenergien und Bindungs-
und Acetonitril/Wasser (30:70 Vol:Vol), wie sie aus Adsorptions- kapazitäten und beeinflusst die Form der eluierten Bande in
untersuchungen von Phenol und Coffein abgeleitet wurden. Abhängigkeit von der Analytkonzentration in unterschiedli-
Die 40:60- und 30:70-Zusammensetzungen wurden gewählt, cher Weise. Der adsorbierte CH3CN-Pool ist ein stärkerer Eluent
da beide Mischungen etwa gleiche Elutionskraft haben. als die Hauptmenge (Bulk) des organisch-wässrigen Gemischs
Methanol bildet eine Monoschicht (Dicke eines Moleküls) und erklärt die stärkere Elutionskraft von Acetonitril gegen-
des adsorbierten Lösungsmittels auf der C18-Oberfläche mit über Methanol.

Methanol-C18-Grenzfläche Acetonitril-C18-Grenzfläche

Bulk- Bulk-
Lösung Lösung
adsorbierter Adsorbierter
Analyt-
CH3CN-
molekül Analyt in der
Pool
C18-Schicht
adsorbierte
CH3OH-
1.3
Monoschicht
nm
Struktur des adsorbierten Lösungsmittels 0.25
auf der gebundenen C18-Phase in der Um- nm
C18-
kehrphasenchromatographie. [F. Gritti und Gruppe
0.7
G. Guiochon, „Adsorption Mechanism in Kieselgeloberfläche Kieselgeloberfläche
nm
RPLC. Effect of the Nature of the Organic Analyt in der
Modifier“, Anal. Chem. 2005, 77, 4257.] C18-Schicht

Isokratische und Gradientenelution


Eine isokratische Elution wird mit einem einzigen Lösungsmittel (oder einem kons-
tanten Lösungsmittelgemisch) durchgeführt. Wenn ein Lösungsmittel eine genügend
schnelle Elution aller Komponenten nicht gewährleistet, wird eine Gradientenelution
mit mehreren Lösungsmitteln durchgeführt. In diesem Fall werden steigende Mengen des
Lösungsmittels B zum Lösungsmittel A zugesetzt, um einen kontinuierlichen Gradienten
zu erzeugen.
24.1 · Der chromatographische Prozess 683

90% B 80% B ▬ Wässrige Puffer für die HPLC wer-


70% B den vor der Mischung mit dem or-
5,6,7 1,2,3
1,2,3,4 60% B
1,2,3
ganischen Lösungsmittel zuberei-
8 8 tet und der pH-Wert eingestellt.15
8 2,3
▬ Ultrareines Wasser für die HPLC
8
sollte z. B. durch Destillation frisch
Extinktion bei 220 nm

6,7 6,7
hergestellt werden. Wasser extra-
5
5 6,7
hiert im Verlauf einiger Stunden
24
5
die Verunreinigungen aus Poly-
4
4 ethylen- oder Glasgefäßen.
4
▬ Um z. B. 70 % B herzustellen,
1 werden 70 mL B mit 30 mL A ge-
mischt. Das Ergebnis unterscheidet
sich gegenüber einer Vorgabe von
0 5 0 5 0 5 0 5 10 70 mL B und Auffüllung in einem
Zeit (min) Zeit (min) Zeit (min) Zeit (min) Messkolben auf 100 mL mit A, weil
beim Mischen von A und B eine
2,3 Volumenänderung erfolgt.
Extinktion bei 220 nm

5 8 Generelles Elutionsprobem: Bei


50% B
einer komplexen Analytmischung
4 7
die man mittels isokratischen Elution
6 trennen möchte, erhält man häufig
1
entweder bei den zuerst eluierten oder
aber bei den zuletzt eluierten Analy-
0 5 10 15 20 25 ten eine ordentliche Trennung, aber
Zeit (min) nicht für beide Gruppen. Wegen dieses
Problems bevorzugt man zumeist die
3 Gradientenelution.
Extinktion bei 220 nm

2 40% B

5
4
1 7 8
6

0 5 10 15 20 25 30 35 60 65 70
Zeit (min)

3
Extinktion bei 220 nm

2
30% B

1 4 5

Abb. 24.12 Isokratische HPLC-Trennung


0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 eines Gemischs aromatischer Verbindun-
Zeit (min) gen mit 1 mL/min auf einer 0.46 × 25 cm
Hypersil ODS-Säule (C18 auf 5 μm Silika-
3 gel) bei Umgebungstemperatur (~22 °C):
8 (1) Benzylalkohol, (2) Phenol, (3) 3´,4´-
2
Extinktion bei 220 nm

35% B Dimethoxyacetophenon, (4) Benzoin, (5)


Ethylbenzoat, (6) Toluen, (7) 2,6-Dime-
120 125 130 thoxytoluen, (8) o-Methoxybiphenyl. Der
4 5
1 Eluent bestand aus einem wässrigen Puf-
6 7 fer (mit A bezeichnet) und Acetonitril (mit
B bezeichnet). Die Bezeichnung „90% B“
im ersten Chromatogramm bedeutet 10
Vol% A und 90 Vol% B. Der Puffer enthielt
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 25 mM KH2PO4 plus 0.1g/L Natriumazid
Zeit (min) mit HCl auf pH 3.5 eingestellt.
684 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Isokratische Elution: ein Lösungs- Die Abbildung 24.12 zeigt die Wirkung der steigenden Elutionskraft bei der isokra-
mittel tischen Elution von acht Verbindungen von einer Umkehrphasensäule. Bei Trennung
Gradientenelution: kontinuierliche an einer Umkehrphase nimmt die Elutionskraft ab, wenn das Lösungsmittel polarer
Änderung der Lösungsmittelzusam- wird. Das erste Chromatogramm (oben links) wurde mit einem Lösungsmittel aus
mensetzung zur Erhöhung der Eluti- 90 Vol% Acetonitril und 10 Vol% eines wässrigen Puffers erhalten. Acetonitril hat eine
onskraft. Die Gradientenelution in der hohe Elutionskraft und alle Verbindungen werden schnell eluiert. Durch Überlappung
HPLC entspricht der Temperaturpro- sind nur drei Peaks zu sehen. Man bezeichnet gewöhnlich das wässrige Lösungsmittel
grammierung in der Gaschromatogra- mit A und das organische Lösungsmittel mit B. Das erste Chromatogramm wurde mit
phie. Für die Elution der stärker zurück- 90 % B erhalten. Wenn die Elutionskraft durch Änderung des Lösungsmittels auf 80 %
gehaltenen Analyte ist eine höhere B gesenkt wird, ist die Trennung etwas besser und man erkennt fünf Peaks. Bei 60 %
Elutionskraft erforderlich. B erkennt man Ansätze für einen sechsten Peak. Bei 40 % B sind acht Peaks deutlich
zu erkennen, die Verbindungen 2 und 3 sind jedoch nicht vollständig getrennt. Bei
30 % B sind alle Peaks aufgelöst, die Zeitdauer für die Trennung ist aber zu groß. Mit
35 % B (das unterste Chromatogramm) sind alle acht Peaks erst nach etwa 2 Stunden
getrennt.
In Exkurs 24.3 wird die Gradientenelu- Aus den isokratischen Elutionen in der Abbildung 24.12 wurde der Gradient in der
tion in der superkritischen Fluidchroma- Abbildung 24.13 aufgestellt, mit dem alle Peaks in 38 min aufgelöst werden können.
tographie beschrieben. Zuerst wird 8 min mit 30 % B (B = Acetonitril) gearbeitet, um die Verbindungen 1, 2
und 3 zu trennen. Dann wird die Elutionskraft in fünf Minuten auf 45 % B erhöht und
15 Minuten beibehalten, um die Peaks 4 und 5 zu eluieren. Schließlich wird das Lö-
sungsmittel in zwei Minuten auf 80 % B geändert und bis zur Elution der letzten Peaks
beibehalten.

100

80% CH3CN
80
Vol% CH3CN

60
45% CH3CN
40 30% CH3CN

20

0
0 5 10 15 20 25 30 35
Zeit (min)

3
Extinktion bei 220 nm

2 5

4
7
tm 1 6

0 5 10 15 20 25 30 35
Zeit (min)

Abb. 24.13 Gradientenelution des gleichen Gemischs aromatischer Verbindungen wie in Abbildung
24.12 und mit gleicher Säule, Fließgeschwindigkeit und Lösungsmittel. Das obere Bild zeigt das seg-
mentierte Gradientenprofil, so genannt, weil es in mehrere Abschnitte geteilt ist.
24.1 · Der chromatographische Prozess 685

Exkurs 24.3

„Grüne” Technologie: Superkritische Fluid- Gas-Grenze aufwärts, sieht man, dass stets zwei Phasen exis-
chromatographie tieren, bis bei 31.3 °C und 73.9 bar der kritische Punkt erreicht
In dem Phasendiagramm von Kohlendioxid befindet sich ist. Oberhalb dieser Temperatur existiert unabhängig vom Druck
festes CO2 (Trockeneis) bei einer Temperatur von –78,7 °C und nur eine Phase. Diese Phase ist das superkritische Fluid
einem Druck von 1.00 bar mit gasförmigem CO2 im Gleich- (Farbtafel 29). Dessen Dichte und Viskosität liegen zwischen
gewicht. Der Festkörper sublimiert, ohne flüssig zu werden. denen des Gases und der Flüssigkeit, genauso wie die Eignung
24
Oberhalb des Tripelpunktes von –56.6 °C koexistieren Flüssig- als Lösungsmittel.
keit und Gas als getrennte Phasen. Zum Beispiel befinden sich Ein interessantes superkritisches Fluid für Demonstrati-
bei 0 °C und einem Druck von 34.9 bar Flüssigkeit und Gas im onszwecke ist SF6.16 Die Photographien auf der rechten Seite
Gleichgewicht. Bewegt man sich auf der Kurve der Flüssigkeit/ zeigen die unterschiedlichen Veränderungen, wenn das Fluid
beim Erwärmen und Abkühlen die superkritische Temperatur
durchläuft.
Die superkritische Fluidchromatographie mit einer Mischung
Superkritisches aus CO2 und einem organischen Lösungsmittel ist eine „grüne“
80
Fluid Technologie, die eine Reduzierung des Verbrauchs organischer
70 kritischer Punkt Lösungsmittel um bis zu 90 % bei der Trennung von Verbindun-
60 gen, z. B. von Enantiomeren, in der pharmazeutischen Industrie
im Kilogramm-Maßstab ermöglicht.17 Durch niedrige Viskosität
50
Druck (bar)

des superkritischen Fluids kann mit größeren Fließgeschwindig-


40
Fest Flüssig
keiten gearbeitet werden, wodurch sich die Produktivität erhöht.
30 Obwohl CO2 allein nur ein schwaches Lösungsmittel ist, kann
20 1 bar bei Tripel- es in Verbindung mit einigen organischen Lösungsmitteln viele
78.7C punkt Gas Stoffe auflösen.
10
Die superkritische Fluidchromatographie bietet im Ver-
80 60 40 20 0 20 40 gleich zur Flüssigkeitschromatographie wegen der größeren
Temperatur (°C) Diffusionskoeffizienten der gelösten Stoffe eine höhere Arbeits-

Erwärmung und Abkühlung von SF6 beim Durchlaufen der kritischen Temperatur. Beim Erwärmen (oberes Bild) siedet die Flüssigkeit und
der Meniskus erhöht sich, wenn sich die Flüssigkeit ausdehnt. Beim Abkühlen (unteres Bild) bilden sich Flüssigkeitstropfen im gesamten
Fluid. Die Schwerkraft zieht die Tropfen nach unten und erzeugt einen „Sturm“ vor der Bildung von zwei getrennten Phasen. [P. Licence,
D. Litchfield, M. P. Dellar und M. Poliakoff, „Supercriticality; a Dramatic but Safe Demonstration of the Critical Point“, Green Chem. 2004, 6,
352. Mit Dank an Peter Licence, University of Nottingham.]
686 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Exkurs 24.3

Kritische Konstanten

Verbindung Kritische Kritischer Kritische N


Temperatur Druck Dichte (g/ N
(°C) (bar) mL) N
N

Detektorsignal
Argon –122.5 47 0.53
N
N
Kohlendioxid 31.3 73.9 0.448

Schwefelhexafluorid 45.6 37.0 0.755

Ammoniak 132.2 113.0 0.24


0.25 0.25 0.45 0.658 Dichte (g/mL)

Diethylether 193.6 36.8 0.267


0 25 55 Zeit (min)

Methanol 240.5 79.9 0.272 Superkritisches Kapillarchromatogramm von aromatischen Verbin-


dungen mit CO2 und mit Dichtegradienten-Elution bei 140 °C. [R. D.
Wasser 374.4 229.8 0.344 Smith, B. W. Wright und C. R. Yonker, “Supercritical Fluid Chromato-
graphy”, Anal. Chem. 1988, 60, 1323A.]

geschwindigkeit und bessere Auflösung. Im Unterschied zu Ga- Die Ausrüstung für die superkritische Chromatographie ist
sen können superkritische Fluide auch nichtflüchtige Stoffe lö- die gleiche wie für die HPLC mit gepackten oder Kapillarsäulen.
sen. Beim Entspannen wird aus dem Lösungsmittel ein Gas und Die Elutionskraft wird in der HPLC durch Gradientenelution
der in der Gasphase verbleibende Analyt ist leicht detektierbar. und in der Gaschromatographie durch Temperaturerhöhung
Kohlendioxid ist für die Chromatographie das superkritische vergrößert. In der superkritischen Fluidchromatographie erhöht
Fluid der Wahl, da es sich für die Flammenionisations- und UV- man die Elutionskraft, indem das Lösungsmittel durch Drucker-
Detektion eignet, eine niedrige kritische Temperatur hat und höhung verdichtet wird. Das Chromatogramm am Ende der Box
nicht giftig ist. zeigt eine Elution mit einem Dichtegradienten.

Hydrophile Wechselwirkungschromotographie (HILIC)


Hydrophil: „Wasser liebend“ – löslich Hydrophile Stoffe sind in Wasser löslich oder ziehen Wasser an ihre Oberflächen. Polare
in Wasser, Oberfläche von Wasser organische Moleküle haben hydrophile Regionen. Die hydrophile Wechselwirkungschro-
benetzt matographie eignet sich sehr gut für kleine Moleküle, welche für eine Retention an einer
Hydrophob: „Wasser hassend“ – Umkehrphasensäule zu polar sind. Stationäre Phasen für die hydrophile Wechselwir-
unlöslich in Wasser, Oberfläche wird kungschromatographie, wie die in Abbildung 24.14, sind stark polar. Eine typische mobile
von Wasser nicht benetzt Phase enthält (25–97 Vol%) CH3CN oder ein anderes organisches polares Lösungsmittel
in Mischung mit einem wässrigen Puffer. Die Analyte setzen sich in ein Gleichgewicht
zwischen der mobilen Phase und einer wässrigen Lösungsschicht auf der Oberfläche der
stationären Phase. In der Biochemie wird die HILIC zur Trennung von Peptiden und Sac-
chariden (Zuckern) verwendet.
In der HILIC wird die Elutionskraft erhöht, indem der Wasseranteil der mobilen
Phase erhöht wird. Die Gradientenelution beginnt mit einem kleinen Wasseranteil und
steigt während des Trennprozesses zu einem hohen Wasseranteil im Elutionsmittel. In
der Normalphasenchromatographie ist das Lösungsmittel nichtwässrig. Zur Erhöhung
der Elutionskraft wird die Polarität des nichtwässrigen Lösungsmittels erhöht. In der
Umkehrphasenchromatographie ist das Lösungsmittel gewöhnlich wässrig und die Elu-
tionskraft wird durch Senkung des Wasseranteils in der mobilen Phase erhöht, um die
Löslichkeit der Analyte in der mobilen Phase zu erhöhen.
24.1 · Der chromatographische Prozess 687

O
CH3
O Si OH

Silikagel

Silikagel
Silica

Silica
O
CH2 N CH2CH2CH2SO3
O
CH3 O Si O
O
zwitterionisch gebundene Phase blankes Silikagel
ZIC-HILIC®
24
H2N O
Silikagel
Silica

CH2 CH – CH2 CH – CH2 CH2


n

H2N O H2N O Abb. 24.14 Stationäre Phasen für die


Polyamid hydrophile Wechselwirkungschromato-
TSKgel Amide® graphie (HILIC).

Auswahl des Trennmodus


Es gibt viele Möglichkeiten, die Bestandteile einer vorgegebenen Mischung zu trennen.
Die Abbildung 24.15 ist ein Entscheidungsbaum zur Auswahl des Startpunktes. Wenn die
Molekülmasse des Analyten unter 2 000 liegt, wird der obere Teil der Abbildung benutzt.
Ist die Molekülmasse größer als 2 000, verwendet man den unteren Teil. Zuerst gilt es zu
klären, ob sich die Analyte in Wasser oder in organischen Lösungsmitteln lösen. Ange-
nommen wir haben ein Gemisch vorliegen, das aus kleinen Molekülen (Molekülmasse
<2000), besteht, die sich in Dichlormethan lösen. Was ist zu tun? Ein Blick in die Tabelle
24.2 zeigt uns eine Rangliste der Polarität der Lösungsmittel, in der die am stärksten po-
laren am unteren Ende stehen. Die Elutionskraft von Dichlormethan (0.30) liegt näher an
der von Chloroform (0.26) als an der von Alkoholen, Acetonitril oder Ethylacetat (≥0.48).
Die Abbildung 24.15 schlägt deshalb die Adsorptionschromatographie auf Silikagel vor.
Der vorgeschlagene Weg ist farbig hervorgehoben.
Wenn sich der Analyt nur in unpolaren oder schwach polaren Lösungsmitteln löst,
schlägt der Entscheidungsbaum vor, die Umkehrphasenchromatographie zu versuchen.
Wir können uns für Umkehrphasen mit Octadecyl (C18)-, Octyl-, Pentafluorphenyl- und
Cyanogruppen entscheiden.
Bei einer Molekülmasse der Analyte >2 000 und Löslichkeit in organischen Lösungs- Das Fließschema in Abbildung 24.15
mitteln schlägt die Abbildung 24.15 für Moleküle mit Durchmessern über 30 nm die Mole- folgt keinen festen Regeln. Die in den
külausschlusschromatographie vor, die im Abschnitt 25.3 beschrieben wird. Bei wasserlös- Diagrammen angeführten Methoden
lichen Analyten mit Molekülmassen von über 2 000 mit Durchmessern unter 30 nm sollte können auch für Moleküle funktionie-
die Umkehrphasenchromatograpie oder die Hydrophobe Wechselwirkungschromatographie ren, deren Masse größer 2 000 ist und
(Abschnitt 25.5) verwendet werden. umgekehrt.

Lösungsmittel
Reine und ziemlich teure Lösungsmittel von HPLC-Qualität sind erforderlich, um Funk-
tionseinbußen der kostspieligen Säulen durch Verunreinigungen zu vermeiden und das
Untergrundsignal von Fremdstoffen zu minimieren. Vor der Verwendung werden die
Lösungsmittel mit He gespült oder es wird ein Unterdruck angelegt, um gelöste Luft zu
entfernen, da Luftblasen unerwünschte Effekte in Pumpen, Säulen und Detektoren her-
vorrufen können. Gelöster Sauerstoff absorbiert UV-Strahlung im Gebiet von 250–200 nm18
und stört die UV-Detektion. Im Einlassrohr des Lösungsmittelreservoirs dient ein Filter
zur Entfernung von >0.5 μm Partikeln.
Probe und Lösungsmittel werden zur Zurückhaltung der stark adsorbierbaren Stoffe
durch eine kurze Schutzsäule geleitet (Abbildungen 24.1 und 24.4), die die gleiche sta-
tionäre Phase enthält, wie die analytische Säule. Nach einer Umkehrphasentrennung
688 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Molekülmasse < 2 000

Löslich in organischen Lösungsmitteln Löslich in Wasser

Löslich in unpolaren bis Löslich in mäßig bis stärker Nichtionisch oder


Ionisch
schwach polaren polaren Lösungsmitteln Ionenpaare
Lösungsmitteln (CHCl3 bis CH3OH)
(Hexan bis CHCl3)

Umkehrphasen- Löslich in Alkohol, Normalphasen- oder


Löslich in Ionenaustausch oder
Chromatographie Acetonitril oder Hydrophile Wechsel-
CHCl3 Ionenchromatographie
Ethylacetat wirkungs-Chromatographie

Cyano, Amino oder


C18, C8phenyl, C6F5, Adsorptions- Normalphasen-
Zwitterion, Silikagel,
Cyano chromatographie Chromatographie
Polyamid

Kieselgel Cyano, Amino, Diol

Molekülmasse > 2 000

Löslich in organischen Lösungsmitteln Löslich in Wasser

Molekülgröße Molekülgröße Nichtionisch oder


Ionisch
< 30 nm 30–400 nm Ionenpaare

Umkehrphasen-
Molekülausschluss-
Chromatographie Molekülgröße Molekülgröße Ionenaustausch-
Chromatographie
< 30 nm 30–400 nm chromatographie

C18, C8, C4 Umkehrphasen- Molekülaus-


oder Hydrophile schlusschroma-
Wechselwirkungs- tographie
Chromatographie

C18, C8, oder


Phenyl- oder
Polyetherharz

Abb. 24.15 Entscheidungshilfe zur Auswahl der geeigneten HPLC-Methode.

sollte die Säule mit 10–20 Volumina der mobilen Phase (Vm) des starken Elutionsmittels
gewaschen werden, um die stark zurückgehaltenen Analyte zu entfernen.19 Zur Reini-
gung einer Säule nach einigen Durchläufen sollte man zuerst die wässrige Pufferlösung
durch Wasser ersetzen. Wenn z. B. das letzte Elutionsmittel aus Acetonitril-Pufferlösung
(40:60 Vol/Vol) bestand, wird die Säule mit 5–10 Volumina (Vm) der Zusammensetzung
Acetonitril-Wasser (40:60 Vol/Vol) gewaschen. Dann wird die Säule mit 10–20 Volumina
24.1 · Der chromatographische Prozess 689

der mobilen Phase des stärksten Lösungsmittels (z. B. Acetonitril-Wasser (95:5 Vol/Vol) Vm = Volumen des Lösungsmittels
gewaschen und mit diesem Lösungsmittel aufbewahrt. Dieses Verfahren ist für Säulen mit zwischen den Partikeln der stationären
Alkyl-, Aryl-, Cyano- und eingebetteten polaren Phasen geeignet. Für Säulen der Normal- Phase und innerhalb deren Poren.
phasenchromatograpie ist ein anderes Verfahren anzuwenden.20 Wenn die Zeit der mobilen Phase oder
Normalphasentrennungen sind empfindlich gegen im Lösungsmittel befindliches einer nicht zurückgehaltenen Substanz
Wasser. Damit sich die stationäre Phase bei wechselnden Elutionsmitteln schnell ins zum passieren der Säule tm und die
Gleichgewicht setzt, sollten die organischen Lösungsmittel für die Normalphasenchro- Fließgeschwindigkeit F ist, gilt Vm = tmF.
matographie zu 50 % mit Wasser gesättigt sein. Diese Sättigung wird erreicht, indem Wenn man tm nicht kennt, kann man
24
man zum trockenen Lösungsmittel einige mL Wasser gibt und rührt. Dann wir das nasse schätzen
Lösungsmittel vom Wasserüberschuss abgetrennt und mit einem gleichen Volumen des 1
Vm(mL) = dc2 L, mit dc dem inneren
trockenen Lösungsmittels gemischt. 2
Säulendurchmesser (cm) und der Säu-
Bei der Gradientenelution in der Umkehrphasenchromatographie sollten nach dem
lenlänge L (cm).
Durchlauf 10–20 Volumina (Vm) des anfänglichen Lösungsmittels durch die Säule gege-
ben werden, um die stationäre Phase mit dem Lösungsmittel für die nächste Analyse ins
Gleichgewicht zu bringen. Die Gleichgewichtseinstellung kann genauso lange dauern wie
die Trennung. Durch Zusatz von 3 Vol% 1-Propanol zu jedem Lösungsmittel (dabei sollen Reduzierung von Lösungsmittel-
an jedem Punkt des Gradienten stets 3 % 1-Propanol vorliegen) kann das für die Gleich- abfall ohne Verlust an Auflösung
gewichtseinstellung erforderliche Volumen auf 3 Vm verringert werden.21 Es wird ange- ▬ Verwendung kürzerer Säulen
nommen, dass Propanol die stationäre Phase mit einer Alkohol-Monoschicht bedeckt, die mit kleineren Partikeln
sich durch den Gradienten nicht sehr ändert. ▬ Wechseln von Säulen mit
4.6 mm Durchmesser auf
2.1 mm
Wie erhält man ideale symmetrische Peaks? ▬ Bei isokratischer Elution: mit
einem elektronischen Recyc-
HPLC-Säulen sollten schmale, symmetrische Peaks liefern. Wenn eine neue Säule nicht ler das Lösungsmittel wieder
die Qualität der Trennung einer Standardmischung hat, deren Chromatogramm als verwenden (falls kein Peak
Beleg mit der Säule geliefert wird, und sich erwiesen hat, dass das Problem nicht an eluiert wurde)
anderen Teilen des Systems liegt, schickt man die Säule zurück. Der Asymmetriefaktor
A/B in der Abbildung 22.14 sollte nicht außerhalb des Bereichs 0.9–1.5 liegen. Das
Tailing von Aminen (Abbildung 24.7) kann durch Zusatz von 30 mM Triethylamin
zur mobilen Phase beseitigt werden. Dadurch werden Adsorptionsstellen des Silika-
gels besetzt, die sonst von stark bindenden Analyten besetzt würden. Das Tailing von
sauren Verbindungen wird durch Zusatz von 30 mM Ammoniumacetat verhindert.
Für unbekannte Mischungen ist 30 mM Triethylammoniumacetat nützlich. Wenn das An jedem Arbeitstag sollte eine Stan-
Tailing andauert, könnten sich 10 mM Dimethyloctylamin oder Dimethyloctylammoni- dardmischung injiziert werden, um das
umacetat als wirksam erweisen. Problematisch ist allerdings, dass die Additive die Zeit HPLC-System zu evaluieren. Verände-
zur Gleichgewichtseinstellung nach Lösungsmittelwechsel verlängern. Bei verbesserten rungen der Peakform oder Retentions-
Silikagelsorten (Typen B und C) sind das Tailing und damit die Notwendigkeit von zeiten weisen auf ein Problem hin.
Zusätzen verringert.
Tailing oder Aufspaltung von Peaks kann durch Verstopfung der Fritte am Säulenan-
fang mit festen Teilchen eintreten.22 Man kann versuchen, die Fritte durch Trennung und
Umdrehen der Säule und Spülen mit 20–30 mL zu säubern. Bei dieser Rückspülung darf
die Säule nicht mit dem Detektor verbunden sein. Wenn die Peaks verzerrt bleiben, muss
eine andere Säule verwendet werden.
Doppelpeaks oder veränderte Retentionszeiten (Abbildung 24.16) treten manchmal
auf, wenn das Lösungsmittel, in dem der Analyt gelöst ist, eine viel größere Elutionskaft
hat als die mobile Phase. Versuchen Sie, die Probe in einem Lösungsmittel mit geringerer
Elutionskraft oder gleich in der mobilen Phase zu lösen.
Überladung ist die Ursache der in Abbildung 22.21 gezeigten verzerrten Peaks.23 Um
eine Überladung zu erkennen, wird die Probenmasse um den Faktor 10 verringert. Wenn
sich die Retentionszeit erhöht und die Peaks schmaler werden, verringert man die Masse
solange weiter, bis die Injektionsgröße weder Retentionszeit noch Peakform beeinflussen.
Im Allgemeinen können in Umkehrphasensäulen 1–10 μg Probe pro Gramm Silikagel
eingesetzt werden. Eine Säule mit einem Durchmesser von 4.6 mm enthält 1 g Silikagel
in einer Länge von 10 cm. Zur Vermeidung einer Peakverbreiterung durch ein zu großes
Injektionsvolumen sollte das Injektionsvolumen kleiner als 15 % des Peakvolumens an der
Grundlinie sein. Wenn zum Beispiel ein Peak, der mit 1 mL/min eluiert wird, eine Breite
690 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Probe in CH3OH von 0.2 min hat, ist das Peakvolumen 0.2 mL. Das Injektionsvolumen sollte 15 % davon,
gelöst also 30 μL, nicht überschreiten.
Das Volumen eines chromatographischen Systems außerhalb der Säule zwischen
den Stellen der Injektion und Detektion heißt Totvolumen. Ein hohes Totvolumen führt
durch Diffusion und Vermischung zu einer Peakverbreiterung. Deshalb müssen mög-
lichst kurze, schmale und gut passende Verbindungsstücke verwendet werden, um das
Totvolumen und damit diese Verbreiterung der Peaks zu minimieren.
HPLC-Säulen haben gewöhnlich eine Lebensdauer von 500 bis 2 000 Injektionen.7
Man kann den Zustand einer Säule durch Aufzeichnung des Drucks, der Auflösung und
der Peakform überwachen. Der erforderliche Druck für eine bestimmte Fließgeschwin-
Probe in 90:10
H2O/Acetonitril digkeit steigt mit dem Alter der Säule an. Der Verschleiß im System ist ernst zu nehmen,
gelöst wenn der Druck 17 MPa übersteigt. Man sollte Methoden verwenden, bei denen der
Druck 14 MPa nicht übersteigt. Falls der Druck 17 Mpa erreicht hat, muss die 0.5 μm
in-Line-Fritte zwischen Autosampler und Säule ausgetauscht werden. Wenn das nicht
0 2 4 6 8 10 hilft, ist es Zeit, eine neue Säule zu verwenden. Wird eine Säule für wiederholte Analysen
Zeit (min) verwendet, muss die Säule ausgewechselt werden, wenn die erforderliche Auflösung nicht
mehr erreicht wird oder ein merkliches Tailing eintritt. Die Kriterien für Auflösung und
Abb. 24.16 Einfluss des Lösungsmittels Tailing sollten bei der Methodenentwicklung festgelegt werden.
der Probe auf die Retentionszeit und
Peakform von n-Butylanilin. Das Eluti-
onsmittel (1 mL/min) ist 90:10 (Vol/Vol)
H2O/Acetonitril mit 0.1 Gew% Trifluores-
24.2 Injektion und Detektion in der HPLC
sigsäure. Die untere Probe war im Eluti-
onsmittel gelöst. Die obere Probe war in Nun wird die Hardware behandelt, die erforderlich ist, die Probe und das Elutionsmittel
Methanol gelöst, das ein viel stärkeres auf die Säule zu bringen und die Verbindungen beim Verlassen der Säule zu detektieren.
Lösungsmittel als der Eluent ist. Säule:
15 cm × 4.6 mm, 5-μm-C18-Silikagel, 30
Die äußerst wichtige und leistungsfähige massenspektrometrische Detektion wurde be-
°C. Injektion: 10 μL mit 0.5 μg Analyt. reits im Abschnitt 21.4 besprochen.
UV-Detektion bei 254 nm. [Freundlicher-
weise von Supelco, Bellefonte, PA, zur
Verfügung gestellt.]
Pumpen und Injektionsventile
Die Qualität einer Pumpe wird daran gemessen, wie gleichmäßig und reproduzierbar der
Fluss des Eluenten erzeugt werden kann. Eine fluktuierende Fließgeschwindigkeit erzeugt
Detektorrauschen, welches zum Verdecken schwacher Signale führen kann. Die Abbil-
dung 24.17 zeigt eine Pumpe mit zwei Saphirkolben, die eine programmierbare, konstante
Fließgeschwindigkeit bis zu 10 mL/min bei Drücken bis zu 40 MPa (400 bar) liefern. Gra-
dienten mit bis zu vier Lösungsmitteln werden durch Dosierung der Flüssigkeiten mit ei-
nem Vierwegeventils bei niedrigem Druck und anschließendem Pumpen des Gemisches
in die Säule bei hohem Druck erzeugt. Der Gradient wird elektronisch gesteuert und ist in
0.1 Volumen%-Schritten programmierbar.
Das Injektionsventil (Abbildung 24.18) besitzt austauschbare Probenschleifen, von denen
jede ein bestimmtes Volumen besitzt. Die Schleifen haben Volumina von 2 bis 1 000 μL. In
der Ladeposition wird eine Spritze verwendet, um die Schleife zu waschen und mit frischer
Probe bei Atmosphärendruck zu beladen. Der Hochdruckfluss von der Pumpe zur Säule
strömt durch das Ventilsegment links unten. Dreht man das Ventil gegen den Uhrzeigersinn
um 60°, wird der Inhalt der Probenschleife mit hohem Druck in die Säule injiziert.
Linearer Bereich: Analytischer
Konzentrationsbereich, in dem das
Detektorsignal proportional zur Kon- Spektralphotometrische Detektoren
zentration ist
Dynamischer Bereich: Bereich, in Unabhängig vom Detektionsprinzip soll ein idealer Detektor auf geringe Konzentrationen
dem das Detektorsignal auf bestimmte jedes Analyten ansprechen, ein lineares Detektorsignal liefern und nicht zur Verbreiterung
Weise (nicht unbedingt linear) auf der eluierten Peaks führen. Er ist auch unempfindlich gegenüber Temperaturänderungen
Konzentrationsänderungen anspricht und Veränderungen der Lösungsmittelzusammensetzung. Um eine Peakverbreiterung zu
(siehe Seite 107) vermeiden, sollte das Detektorvolumen kleiner als 20 % des Volumens einer chromato-
Nachweisgrenze: Konzentration des graphischen Bande sein. Da Gasblasen Rauschen erzeugen, kann an die Detektorzelle ein
Analyten mit einem festgelegten Wert Gegendruck angelegt werden, um eine Gasbildung während der Entspannung des Eluats
des Signal-Rausch-Verhältnisses zu vermeiden.
24.2 · Injektion und Detektion in der HPLC 691

federgelagertes
Auslassventil

zur Säule
aktives
Einlassventil

Dämpfer

Kühl-
wasser 24

Eintritts-
filter
50-μL-Kolben

Lösungsmittel- 100-μL-
reservoir Kolben

Abb. 24.17 Hochdruckkolbenpumpe für die HPLC. Auf der linken Seite fließt das Lösungsmittel durch
ein elektronisches Einlassventil, das mit dem großen Kolben synchronisiert und so konstruiert ist,
dass die Bildung von Gasblasen aus Lösungsmitteldämpfen beim Ansaughub der Pumpe minimiert
wird. Das federgelagerte Auslassventil hält einen konstanten Auslassdruck aufrecht und durch den
Dämpfer werden auftretende Druckwellen reduziert. Die Druckwellen aus dem ersten Kolben werden
im Dämpfer verringert, der gegen einen konstanten Außendruck „atmet“. Die Druckimpulse sind nor-
malerweise <1 % des Arbeitsdruckes. Wenn der große Kolben Flüssigkeit einzieht, schiebt der kleine
Kolben Flüssigkeit in den Chromatographen. Während des Rückhubs des kleinen Kolbens liefert der
große Kolben Lösungsmittel in die Expansionskammer des kleinen Kolbens. Ein Teil des Lösungsmit-
tels füllt die Kammer, während der Rest zur Säule fließt. Die Zuflussgeschwindigkeit wird durch das
Hubvolumen der Kolben reguliert. [Übernommen von Hewlett-Packard Co., Palo Alto, CA.]

Spritze Spritze ▬ Vor der Injektion sollten die Pro-


ben zur Beseitigung von Partikeln
durch einen 0.5 μm-Filter gereinigt
werden.
▬ Die Nadel der HPLC-Spritze ist
stumpf, nicht spitz, um den Injekti-
onseinlass nicht zu beschädigen.

zum zum
Abfall Abfall

Probenschleife
mit festgeleg-
tem Volumen
zur
Säule Proben-
schleife
zur
Lösungsmittel- Säule Lösungsmittel-
einlass einlass
Schaltung bei der Probenaufnahme Schaltung bei der
in die Schleife Injektion
a b

Abb. 24.18 Injektionsventil für die HPLC.

Am häufigsten wird ein Ultraviolett-Detektor in einer Durchflusszelle, wie in Abbildung


24.19 gezeigt, verwendet, da viele Analyte ultraviolettes Licht absorbieren. Einfache Systeme
verwenden die intensive Emission einer Quecksilberlampe bei 254 nm oder andere diskrete
UV-Wellenlängen aus Zink- oder Cadmiumdampflampen. In vielseitigeren Instrumenten
werden breitbandige Deuterium-, Xenon- oder Wolframlampen sowie ein Monochromator
692 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Tabelle 24.3 Vergleich handelsüblicher HPLC-Detektoren

Detektor Ungefähre Nachweis- Anwendbarkeit bei


grenzea (ng) Gradientenelution

Ultraviolett-Absorptionsdetektor 0.1–1 Ja

Brechungsindexdetektor 100–1 000 Nein

Lichtstreudetektor 0.1–1 Ja

Aerosol-Detektor 1 Ja

Elektrochemischer Detektor 0.01–1 Nein

Fluoreszenzdetektor 0.001–0.01 Ja

Stickstoffdetektor 0.3 Ja
Verbrennung +O3
N ⎯⎯⎯→ NO ⎯→ NO2* → hν

Leitfähigkeitsdetektor 0.5–1 Nein

Massenspektrometrie 0.1–1 Ja

Fourier-Transformation IR-Detektor 1 000 Ja

a
Die meisten Nachweisgrenzen stammen von E. W. Yeung und R. E. Synovec, „Detectors for Liquid Chromato-
graphy“, Anal. Chem. 1986, 58, 1237A. Die Nachweisgrenze für den Aerosol-Detektor ist von T. Górecki, F. Ly-
nen, R. Szus und P. Sandra, „Universal Response in Liquid Chromatography Using Charged Aerosol Detection“,
Anal. Chem. 2006, 78, 3186.

verwendet, so dass man die optimale Wellenlänge für die Analyten wählen kann. Das Sys-
Eluatausgang
tem in der Abbildung 24.20 verwendet ein Photodiodenarray zur Aufnahme des Spektrums
jedes eluierten Analyten. Detektoren hoher Qualität ermöglichen die Messung im vollen
Extinktionsbereich von 0.000 5 bis 3 Extinktionseinheiten, mit einem Rauschpegel bei 1 %
des Vollausschlages. Damit erstreckt sich der lineare Messbereich über fünf Dekaden der
Analytkonzentration. Es ist bemerkenswert, dass das Lambert-Beersche Gesetz über diesen
Bereich gültig ist. UV-Detektoren eignen sich gut für die Gradientenelution mit nichtabsor-
bierenden Lösungsmitteln. In Tabelle 24.2 stehen die ungefähren UV-Grenzwellenlängen.
Licht- Unterhalb dieser Werte absorbieren die Lösungsmittel zu stark.
quelle Detektor Fluoreszenzdetektoren regen das Eluat mit einem Laser an und messen die Fluoreszenz
(Abbildung 17.21). Diese Detektoren sind sehr empfindlich, sprechen jedoch nur auf die
wenigen fluoreszierende Analyte an. Um die Anwendbarkeit der Fluoreszenz- und elek-
trochemischen Detektoren (letztere werden später behandelt) zu erweitern, können fluores-
zierende oder elektrochemisch aktive Gruppen kovalent an die zu untersuchenden Analyte
gebunden werden. Eine derartige Derivatisierung kann mit dem Analytgemisch vor der
chromatographischen Trennung durchgeführt werden oder durch Zugabe der Reagenzien
zum Eluat zwischen Säule und Detektor (als Nachsäulen-Derivatisierung bezeichnet). Zum
Beispiel kann Tb(EDTA)– den Hormonen Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin nach
Eluateingang dem Verlassen einer chromatographischen Säule zugesetzt werden.25 Diese Stoffe bilden mit
Tb(III) Komplexverbindungen, die bei ca. 300 nm angeregt werden können und stark bei
Abb. 24.19 Lichtweg in einer spektral- 500–600 nm emittieren. Die Nachweisgrenze der Tb-Fluoreszenz liegt bei 10 bis 100 nM.
photometrischen Mikrodurchflusszelle.
Eine übliche Zelle mit einem Lichtweg
von 1 cm hat ein Volumen von 8 μL. Eine
andere Zelle mit 0.5 cm Lichtweg enthält Lichtstreudetektor
nur 2.5 μL. Künftig sollte es möglich sein,
die Nachweisgrenzen durch Spiegel an Ein Lichtstreudetektor (engl.: Evaporative Light Scattering Detector) spricht auf jeden Ana-
beiden Enden des Lichtwegs um 1–2
lyten an, der deutlich weniger flüchtig ist als die mobile Phase.26 In der Abbildung 24.21
Größenordnungen zu senken. Das Licht
geht dann vielmals durch die Zelle mit tritt das Eluat oben in den Detektor ein. Im Zerstäuber wird das Eluat mit gasförmigem
~1 % Verlust durch die Spiegel bei jedem Stickstoff gemischt und durch eine enge Nadel getrieben, um eine einheitliche Dispersion
Durchgang zum Detektor.24 von Tröpfchen zu bilden. Das Lösungsmittel verdampft im erhitzten Driftrohr aus den
24.2 · Injektion und Detektion in der HPLC 693

konkaves
holographisches Gitter
0.2 ng
Anthracen

Durchflusszelle

Extinktion
24
Referenzapertur

Strahlteiler
0 5
b Zeit (min)

Photodioden-
arrays

0.001
Deuteriumlampe

Extinktion
a
Anthracen-
Spektrum

0
195 245 295 345
c Wellenlänge (nm)

Abb. 24.20 Photodiodenarray-UV-Detektor für die HPLC. a) Im optischen Zweistrahlsystem wird ein
Gitterpolychromator, ein Diodenarray für das Spektrum der Probe und ein weiteres Diodenarray für
das Referenzspektrum verwendet. Photodiodenarrays wurden im Abschnitt 19.3 behandelt. b) Um-
kehrphasenchromatographie (an C18-Kieselgel) einer Probe, die 0.2 ng Anthracen enthält. Detektion
bei 254 nm, dargestellter Messbereich 0.001. c) Anthracen-Spektrum, aufgenommen beim Austritt aus
der Säule. [Mit freundlicher Genehmigung von Perkin-Elmer Corp., Norwalk, CT.]

Tropfen und es verbleibt ein Nebel aus feinen Teilchen, welche unten in die Detektions-
zone gelangen. Die Partikel werden durch die Streuung des von einer Laserdiode kom-
menden Lichts an einer Photodiode detektiert.
Das Signal des Lichtstreudetektors hängt von der absoluten Masse des Analyten ab,
nicht von seiner Struktur oder seine Molekülmasse. Wenn man einen großen Peak und
einen kleinen Peak sieht, kann man ziemlich sicher sein, dass im kleinen Peak weniger
Material enthalten ist als im großen Peak. Bei einem UV-Detektor kann eine kleine Masse
eines stark absorbierenden Stoffs ein größeres Signal geben als eine kleine Masse eines
schwach absorbierenden Stoffs. Das Signal des Lichtstreudetektors folgt der Gleichung
log A = a + b ∙ log m (24.3)
mit A, der Signalfläche (in einer Grafik der Intensität des gestreuten Lichts gegen die
Zeit), m der Masse des Analyten und den Konstanten a und b zur Anpassung der Kalib-
rationskurve.
Der Lichtstreudetektor ist bei der Gradientenelution anwendbar. Es treten keine stö-
renden Peaks an der Lösungsmittelfront auf. Was ist mit Lösungsmittelfront gemeint?
In der Abbildung 24.13 sieht man kleine positive und negative Signale bei 3–4 Minuten.
Diese Signale entstehen durch Änderungen des Brechungsindex der mobilen Phase durch
das Lösungsmittel, in dem die Probe gelöst wurde. Diese Änderung verdrängt das Signal
des UV-Detektors zur Zeit tm, die von der nicht zurückgehaltenen mobilen Phase für das
Passieren der Säule gebraucht wird. Wenn ein Peak dicht an der Zeit tm eluiert wird, kann
er durch die Peaks der Lösungsmittelfront verzerrt werden. Der Lichtstreudetektor hat
keine Peaks an der Lösungsmittelfront.
694 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Säulenauslauf Extinktion 232 nm

Zerstäuber-
Druckentlastung 1. Zerstäubung
Stickstoffeinlass
Zerstäuber

Extinktion 205 nm
Erhitztes
Driftrohr
2. Verdampfung der
Probentropfen mobilen Phase

Lichtstreuung
3. Detektion

Laserlichtquelle
Abgas
0 20 40
Photodetektor Zeit (min)

Abb. 24.21 a) Arbeitsweise des Lichtstreudetektors. [Zur Verfügung gestellt von Alltech Associates,
Deerfield, IL.] b) Vergleich der Detektorsignale bei der UV-Absorption und Lichtstreuung. Die löslichen
Bestandteile einer Arzneitablette wurden extrahiert und mit Umkehrphasenchromatographie an einer
4.6 × 150 mm-C8-Kieselgel-Säule (30 nm Porengröße für Polymere) getrennt. Lösungsmittel A ist 0.01
Gew% Trifluoressigsäure in H2O. Lösungsmittel B ist 45 Gew% Propanol und 0.01 Gew% Trifluoressig-
säure in H2O. Es wurde mit einem Gradienten von 10 Vol% B bis zu 90 Vol% B mit 1 mL/min gearbei-
tet. Die Gradientenzeit wurde nicht angegeben. [L. A. Doshier, J. Hepp und K. Benedek, „Method Deve-
lopment Tools for the Analysis of Complex Pharmaceutical Samples“, Am. Lab., December, 2002, S. 18.]

Bei der Verwendung eines Puffers im Lösungsmittel muss sichergestellt sein, dass die-
ser flüchtig ist, um zu verhindern, dass beim Verdampfen ein zusätzlicher lichtstreuender
Feststoff freigesetzt wird, der den Analyten verdeckt. In niedriger Konzentration sind
Puffer aus Essig-, Ameisen- oder Trifluoressigsäure, Ammoniumacetat, Diammonium-
phosphat, Ammoniak und Triethylamin geeignet. Die Puffer für den Lichtstreudetektor
sind die gleichen wie die für eine massenspektrometrische Detektion.
In der Abbildung 24.21b werden die Lichtstreuung und die UV-Absorption zur
Detektion der löslichen Bestandteile einer Arzneitablette verglichen, die aus Polyme-
ren und niedermolekularen aktiven Zutaten besteht. Zwei Bestandteile absorbieren bei
232 nm. Vier oder fünf Komponenten werden bei 205 nm sichtbar. Bei 205 nm erzeugt
der Lösungsmittelgradient eine ansteigende Grundlinie. Mit dem Lichtstreudetektor wer-
den alle Komponenten erkannt und es gibt keinen Anstieg der Grundlinie. Einige breite
Peaks entstehen durch Polymere mit einer Verteilung ihrer Molekülmassen.

Aerosoldetektor
Der aufgeladene Aerosoldetektor (engl. charged aerosol detector) ist ein empfindlicher
und fast universeller Detektor mit gleich großem Signal bei gleichen Massen.27 Er wurde
im Jahre 2005 eingeführt und hat bereits einen führenden Platz in der pharmazeutischen
Industrie eingenommen. So wird er z. B. zur Messung der Stoffbilanz bei pharmazeuti-
schen Zubereitungen eingesetzt, da die relativen Peakflächen im Chromatogramm unge-
fähr gleich den relativen Massen in den Zubereitungen sind. Lipide und Kohlenhydrate,
die kaum mit einem UV-Detektor erkannt werden, geben hier das gleiche Signal wie die
anderen Komponenten des Gemischs. Ein kleiner Peak in einem „charged aerosol“-Chro-
24.2 · Injektion und Detektion in der HPLC 695

Elektrometer misst die den


Kollektor erreichende
Zerstäuber elektrische Ladung

HPLC-Eluat
zum Zerstäuber

Trocken- Falle für


24
rohr kleine Ionen
+

N2-Gaseinlass

Kollektor für die


geladenen Aerosol-Partikel

Korona-Ladungs-
kammer
große Tropfen
Pt-Nadel
zum Abfluss Abb. 24.22 Arbeitsweise des Aerosol-
Übertragung der positiven detektors. [Zur Verfügung gestellt von
Ladung auf die Aerosol-Partikel ESA, Inc., Chelmsford, MA.]

matogramm muss von einem Nebenbestandteil der Mischung stammen, wohingegen es


im UV-Chromatogramm eine Hauptkomponente sein kann.
Oben links im Aerosol-Zerstäuber in der Abbildung 24.22 kommen das Eluat und
Stickstoff in einen Zerstäuber, der dem Vormischbrenner in Abbildung 20.5 ähnelt. Der
feine Nebel vom Zerstäuber wird durch das Trockenrohr geführt und die großen Tropfen
fallen in den Abfall. Im Trockenrohr verdampft das Lösungsmittel bei Umgebungstem-
peratur und es bleibt ein Aerosol zurück, das ~1 % des ursprünglichen Analyten enthält.
Gleichzeitig wird ein Teil des N2-Stroms über eine hochspannungsführende Pt-Nadel ge-
führt, die auf ~ +10 kV gegenüber dem Außengehäuse der Koronakammer gehalten wird,
wobei sich N2+ bildet. In einer Kette von Ereignissen, so ähnlich wie für die chemische
Ionisation bei Atmosphärendruck auf Seite 593 beschrieben, wird diese positive Ladung
auf die Aerosolpartikel übertragen, welche dann die Ladungskammer durch eine Falle
für kleine Ionen verlassen. Geladene Platten dieser Falle ziehen die kleinen, beweglichen
Ionen an. Die massiven Aerosolpartikel werden nicht abgelenkt, passieren die Falle und
gelangen zum Kollektor. Die Gesamtladung, die den Kollektor erreicht, wird von einem
Elektrometer gemessen und ist Grundlage für das Detektorsignal des Chromatogramms.
Der dynamische Bereich des Detektors überspannt 4–5 Größenordnungen der Kon-
zentration. Das Signal ist ungefähr proportional zu m . Gleiche Massen verschiedener
Analyte geben bei isokratischer Elution innerhalb ~15 % ein gleiches Signal. Das Signal
hängt von der Lösungsmittelzusammensetzung ab. Bei höherem Anteil flüchtiger orga-
nischer Lösungsmittel wächst das Signal, mit Wasser wird das Signal kleiner. Wenn der
organische Anteil bei der Gradientenelution ansteigt, steigt das Signal ebenfalls. Der De-
tektor ist aber dennoch für die Gradientenelution anwendbar.28

Elektrochemischer Detektor
Ein elektrochemischer Detektor spricht auf Analyte an, die oxidiert oder reduziert
werden können, wie z. B. Phenole, aromatische Amine, Peroxide, Mercaptane, Ketone,
Aldehyde, konjugierte Nitrile, aromatische Halogenverbindungen und aromatische Nit-
roverbindungen. Am Anfang des Kapitels 16 wird ein Detektor gezeigt, bei dem das Eluat
an einer Arbeitselektrode oxidiert oder reduziert wird. Das Potential wird gegen eine
Silber-Silberchlorid-Bezugselektrode auf einem bestimmten Wert gehalten und der Strom
wird zwischen der Arbeitselektrode und der Hilfselektrode aus Edelstahl gemessen. Für
696 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

1
2

4
5 min

Nanocoulomb
3
14
5
7 11

Injektion
10
9 12
15

6
8
13

Zeit

Abb. 24.23 Gepulste elektrochemische Detektion von Alkoholen, getrennt an Dionex AS-1 Anionen-
austauscher mit 0.05 M HClO4. Peaks: 1 Glycerin, 2 Ethylenglycol, 3 Propylenglycol, 4 Methanol,
5 Ethanol, 6 2-Propanol, 7 1-Propanol, 8 2-Butanol, 9 2-Methyl-1-propanol, 10 1-Butanol, 11 3-Methyl-
1-butanol, 12 1-Pentanol, 13 Cyclohexanol, 14 1-Hexanol, 15 Diethylenglycol. [D. C. Johnson und
W. R. LaCourse, „Liquid Chromatography with Pulsed Electrochemical Detection at Gold and Platinum
Electrodes”, Anal. Chem. 1990, 62, 589A.]

oxidierbare Analyte sind Arbeitselektroden aus Kupfer oder Glaskohlenstoff üblich. Für
reduzierbare Analyte eignet sich eine Quecksilbertropfenelektrode als Arbeitselektrode.
Der Strom ist zur Analytkonzentration über sechs Größenordnungen proportional. Als
Lösungsmittel können nur Wasser oder andere polare Substanzen verwendet werden, die
gelöste Elektrolyte enthalten und gründlich von Sauerstoff befreit wurden. Metallionen,
die aus den Leitungen extrahiert worden sind, müssen durch Zusatz von EDTA zum Lö-
sungsmittel maskiert werden. Der Detektor ist empfindlich gegenüber Änderungen der
Fließgeschwindigkeit und der Temperatur.
Gepulste elektrochemische Messungen an Au- oder Pt-Arbeitselektroden haben zur Erwei-
terung des Sortiments detektierbarer Verbindungen (wie z. B. Alkohole, Kohlenhydrate und
Schwefelverbindungen) geführt.29 Die Elektrode wird 120 ms bei +0.8 V (gegen SCE) gehal-
ten, um organische Verbindungen von der Elektrodenoberfläche oxidativ zu desorbieren und
die Metalloberfläche zu oxidieren. Danach wird die Elektrode für 200 ms auf –0.6 V einge-
stellt, um das Oxid zum ursprünglichen Metall zu reduzieren. Die Elektrode wird dann auf ein
konstantes Arbeitspotential (normalerweise im Bereich zwischen +0.4 und –0.4 V) gebracht,
bei dem die Analyte oxidiert oder reduziert werden. Nach 400 ms, wenn der Kapazitätsstrom
auf 0 gesunken ist (Abbildung 16.17), wird der Strom in den folgenden 200 ms integriert, um
das Analytsignal zu erzeugen. Die hier beschriebene Abfolge der Pulse wird nun wiederholt,
um die nachfolgenden Messpunkte für das aus der Säule kommende Eluat zu erhalten. Auf
diese Weise wurde mit der chromatographischen Anordnung in Abbildung 24.23 für 10 ppb
Ethylenglycol (HOCH2CH2OH) ein Signal-Rausch-Verhältnis von 3 erhalten.

Brechungsindexdetektor
Der Brechungsindexdetektor spricht auf nahezu jeden Analyten an, die Nachweisgrenze
ist jedoch etwa 1 000 Mal schlechter als die des UV-Detektors. Ein auf der Lichtablenkung
beruhender Detektor hat zwei dreieckige 5 bis 10 μL-Meßzellenbauteile, durch die reines
Lösungsmittel oder Eluat geleitet werden. Kollimiertes (parallel ausgerichtetes) sichtbares
Licht, das zur Beseitigung infraroter Strahlung gefiltert wurde (diese würde zur Proben-
erwärmung führen), wird durch die Zelle geschickt, während sich in beiden Halbzellen
reines Lösungsmittel befindet. Das Licht wird dann zum Photodiodenarray geleitet. Wenn
ein Analyt mit einem anderen Brechungsindex in die eine der beiden Halbzellen gelangt,
wird der Lichtstrahl abgelenkt und andere Pixel des Arrays werden bestrahlt.
Für die Gradientenelution kann der Brechungsindexdetektor nicht verwendet werden,
da das Eluat nicht mit der Bezugslösung übereinstimmt, wenn sich die Zusammensetzung
24.3 · Methodenentwicklung für Trennungen an Umkehrphasen 697

des Lösungsmittels ändert. Der Brechungsindex ist gegen Änderungen von Druck und
Temperatur (~0.01 °C) empfindlich. Mit seinem relativ schlechten Nachweisvermögen ist
dieser Detektor für die Spurenanalyse ungeeignet. Er spricht auch nur in einem kleinen
linearen Konzentrationsbereich auf den Analyten an. Der primäre Nutzen dieses Detek-
tors ist sein universelles Ansprechverhalten auf alle Analyte, einschließlich solcher mit
geringer UV-Absorption.
24
Anmerkungen zur massenspektrometrischen
Detektion in der Flüssigkeitschromatographie
Die chemische Ionisation bei Atmosphärendruck (Abbildung 21.23) und die Elektrospray-
Ionisation (Abbildung 21.21) sind die häufigsten Detektionsarten bei der Kopplung der
HPLC mit der Massenspektrometrie. Bei der chemischen Ionisation bei Atmosphärendruck
werden Ionen des Analyten und auch der anderen in der Lösung vorhandenen Spezies gebil-
det. Beim Elektrospray muss der Analyt in geladener Form in der Lösung vorliegen.
Flüchtige Puffer in niedriger Konzentration (≤10 mM) werden für die Massenspektro-
metrie aus Ameisensäure, Essigsäure und Ammoniak hergestellt. HCl sollte wegen der Kor-
rosion des metallischen Interface nicht verwendet werden. Man sollte Blindinjektionen zur
Erkennung von Untergrundionen, die auch bei Abwesenheit der Proben gebildet werden, vor-
nehmen. Geeignete organische Lösungsmittel sind Acetonitril, Methanol, Ethanol, Propanol
und Aceton. Tetrahydrofuran ist weniger geeignet, weil es bei einigen Probenarten zu großen
Untergrundsignalen im Totalionenchromatogramm führen kann und weil es sich mit den in
der Massenspektrometrie meist verwendeten Schlauchverbindungen aus Polyetheretherketon
(PEEK) nicht verträgt. Ionenpaar-Reagenzien (Abschnitt 25.2) und Tenside sollten nicht
verwendet werden, weil sie den Untergrund erhöhen und Elektrospraysignale unterdrücken.
Triethylamin beeinträchtigt die Ionisation und gibt einen intensiven MH+-Peak bei m/z 102.
Durch Verwendung wässriger mobiler Phasen wird die Empfindlichkeit der Massen-
spektrometrie verschlechtert. Durch ein T-Stück zwischen der Säule und dem Massenspek-
trometer kann zusätzliche organische Phase zugegeben werden. Es kann aber auch eine an-
dere stationäre Phase verwendet werden, die bereits einen höheren Anteil an organischem
Lösungsmittel erfordert. Der pH-Wert kann zwischen der Säule und dem Detektor einge-
stellt werden, damit saure oder basische Formen des Analyten ionisiert werden. Die che-
mische Ionisation bei Atmosphärendruck oder Elektrospray können mit positiven und ne-
gativen Ionen ausprobiert werden, um ein ausreichendes Nachweisvermögen der Methode
zu finden. Das aus der Säule vor tm austretende Eluat sollte gleich in den Abfall umgeleitet
werden, um den Eintritt von unnötigem Salz in das Massenspektrometer zu verhindern.
Man sollte häufig eine bekannte Probe zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Sys-
tems oder einen inneren Standard mit der Anordnung vermessen, um den normalen Ver-
lauf der Trennung und die Funktion des Massenspektrometers zu überprüfen. Wenn bei
der HPLC-MS-Methode ein Problem auftritt, der Qualitätstest aber normal abläuft, liegt
das Problem mit großer Wahrscheinlichkeit in der Chromatographie der unbekannten
Probe. Bei einem negativen Qualitätstest liegt das Problem meist beim Massenspektro-
meter. Dann sollte man das Massenspektrometer allein durch direkte Fließinjektion einer
Standardprobe oder einer Kalibrationslösung überprüfen.

24.3 Methodenentwicklung für Trennungen


an Umkehrphasen 2,3,30
Gewünschte Merkmale einer chromato-
Viele Trennaufgaben, die in Laboratorien der Industrie oder der Forschung anfallen, kön- graphischen Methode:
nen mit der Umkehrphasenchromatographie gelöst werden. Es wird jetzt ein allgemeines ▬ ausreichende Auflösung der
Verfahren für die Ausarbeitung einer isokratischen Trennung eines unbekannten Gemischs gesuchten Analyte
mit einer Umkehrphasensäule beschrieben. Im nächsten Abschnitt wird die Trennung mit ▬ kurze Laufzeit
einem Gradienten behandelt. Bei der Ausarbeitung der Methode ist zu beachten, dass eine ▬ robust (geringe Einflüsse von
ausreichende Trennung in einer vernünftigen Zeit erfolgt. Im Idealfall soll die Methode kleinen Änderungen der Bedin-
robust sein, das heißt, die Trennung sollte nicht ernsthaft verschlechtert werden, wenn die gungen)
698 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Säule allmählich abgebaut wird, wenn kleine Änderungen in der Lösungsmittelzusammen-


setzung, des pH-Werts oder der Temperatur eintreten, oder wenn eine andere Charge der
gleichen stationären Phase, vielleicht von einem anderen Hersteller benutzt wird. Wenn die
Säule keine Temperaturregelung hat, sollte sie zumindest eine Wärmeisolierung erhalten,
um weniger stark von Temperaturschwankungen beeinflusst zu werden.
Die Umkehrphasenchromatographie reicht gewöhnlich zur Trennung niedermole-
kularer, neutraler oder geladener organischer Verbindungen aus. Wenn Isomere nicht
gut getrennt werden, ist die Normalphasenchromatographie oder poröser graphitischer
Kohlenstoff zu empfehlen, da die Analyte hier stärkere und spezifischere Wechselwir-
kungen mit der stationären Phase zeigen. Für Enantiomere sind chirale stationäre Phasen
(Abbildung 24.10) erforderlich. Trennungen anorganischer Ionen, von Polymeren und
biologischen Makromolekülen werden im Kapitel 25 beschrieben.
Anfangsschritte bei der Ausarbeitung Wie in der Gaschromatographie (Abschnitt 23.5) bestehen die ersten Schritte bei
einer Methode: der Methodenentwicklung in (1) Festlegung des Ziels der Analyse, (2) Auswahl eines
1. Bestimmung des Ziels Verfahrens zur Probenvorbereitung für die Gewinnung einer „reinen“ Probe und (3) der
2. Auswahl einer Methode zur Proben- Wahl eines Detektors, der die gesuchten Analyte in der Mischung erkennt. Nun wird der
vorbereitung Fortgang der der Methodenausarbeitung beschrieben und angenommen, dass die Schritte
3. Wahl des Detektors 1 bis 3 erledigt worden sind.

Kriterien für eine ausreichende Trennung


t r − tm
Retentionsfaktor: k = Der Retentionsfaktor k in der Gleichung 22.17 ist die korrigierte Retentionszeit, tr–tm,
tm
bezogen auf die Zeit tm, die von der mobilen Phase für den Lauf durch die Säule benötigt
tr = Retentionszeit des Analyten wird. Eine vernünftige Trennung erfordert, dass alle Peaks im Bereich von k = 0.5 bis 20
tm = Elutionszeit der stationären Phase liegen. Bei zu kleinem k wird der erste Peak von der Lösungsmittelfront beeinträchtigt.
oder einer nicht zurückgehaltenen Ist k zu groß, dauert der Durchlauf zu lange. In dem untersten Chromatogramm der
Substanz Abbildung 24.12 wird tm in der Nähe der ersten Störungen der Grundlinie in der Nähe
von 3 min beobachtet. Wenn keine Störungen der Grundlinie eintreten, kann abgeschätzt
werden
Ld 2 Ld 2
Lösungsmittelfront: Vm ≈ c oder, entsprechend t m ≈ c (24.4)
2 2F
Merkmale einer guten Trennung: mit Vm, dem Volumen, mit dem ein nicht zurückgehaltener Stoff eluiert wird (Volumen,
▬ 0.5 ≤ k ≤ 20 bei dem die Lösungsmittelfront erscheint), L, der Säulenlänge (cm), dc, dem Säulendurch-
▬ Auflösung ≥ 2 messer (cm) und F, der Volumenfließgeschwindigkeit (mL/min). Bei der Umkehrphasen-
▬ Arbeitsdruck ≤ 15 MPa chromatographie kann tm aus dem Durchlauf der nicht zurückgehaltenen Substanz Uracil
▬ 0.9 ≤ Asymmetriefaktor ≤ 1.5 (detektiert bei 260 nm) oder NaNO3 (detektiert bei 210 nm) bestimmt werden.
Zur Quantifizierung ist eine Mindestauflösung (Abbildung 22.10) von 1.5 zwischen
den beiden dichtesten Peaks erwünscht. Für ein robustes Verhalten sollte die Auflösung
etwa 2 betragen, weil dann die Auflösung bei kleinen Veränderungen der Bedingungen
oder einem schwachen Abbau der Säule noch ausreicht.
In der Chromatographie darf die zulässige Obergrenze des Arbeitsdrucks am Gerät
nicht überschritten werden. Hält man den Druck unter ~15 MPa, halten die Pumpe,
Ventile, Dichtungen und der Autosampler länger. Während der Lebenszeit einer Säule
kann sich der Druck durch fortschreitende Verstopfung verdoppeln. Die Festlegung eines
Arbeitsdrucks von ≤15 MPa bei der Ausarbeitung der Methode berücksichtigt eine even-
tuelle Verschlechterung der Säule.
Alle Peaks, die ausgemessen werden, sollten symmetrisch sein, mit einem Asymmet-
riefaktor A/B aus der Abbildung 23.14 zwischen 0.9 und 1.5. Asymmetrische Peakformen
sollten so korrigiert werden, wie am Ende des Abschnitts 24.1 (Seite 689) beschrieben
wurde, bevor die Trennung optimiert wird.

Optimierung mit einem organischen Lösungsmittel


Die Kombinationen von Acetonitril, Methanol und Tetrahydrofuran mit Wasser (oder
einem wässrigen Puffer) bieten eine ausreichende Palette von dipolaren und Wasserstoff-
24.3 · Methodenentwicklung für Trennungen an Umkehrphasen 699

brücken-Wechselwirkungen mit den Analyten, um eine große Zahl von Verbindungen Wahl des organischen Lösungsmittels:
durch Umkehrphasenchromatographie zu trennen. Zuerst probiert man eine Mischung 1. Acetonitril
von Acetonitril und Wasser. Acetonitril ist wenig viskos, so dass nur ein niedriger Druck 2. Methanol
erforderlich ist. Außerdem ist eine UV-Detektion bis zu 190 nm möglich (Tabelle 24.2). 3. Tetrahydrofuran
Bei 190 nm zeigen viele Analyte eine gewisse Absorption. Methanol ist die zweite Wahl
als organisches Lösungsmittel, denn es hat eine höhere Viskosität und auch eine höhere Um eine Entsorgung von Acetonitril als
Grenzwellenlänge für die UV-Detektion. Tetrahydrofuran ist dritte Wahl, weil es einen Gefahrstoff zu vermeiden, kann es zu
noch ungünstigeren UV-Bereich hat, langsam oxidiert wird32 und sich sehr langsam mit Natriumacetat hydrolysiert und in den
24
der stationären Phase ins Gleichgewicht setzt. In der Tabelle 24.4 stehen die Ausgangsbe- Abfluss gespült werden.31
dingungen für die Umkehrphasenchromatographie.
In der Abbildung 24.12 wurde eine Aufeinanderfolge von Versuchen gezeigt, aus der Dreisatz: Verringerung % B um 10 %
sich eine Mischung von 35 Vol% CH3CN (als B bezeichnet) und 65 Vol% Pufferlösung als erhöht den Retentionsfaktor k um
gutes Lösungsmittel zur Trennung eines bestimmten Analytgemischs ergab. Das Startex- einen Faktor ~3.
periment wurde mit einer hohen CH3CN-Konzentration (90 % B) durchgeführt, damit
alle Komponenten der unbekannten Probe eluiert werden. Dann wurde der Anteil von
B zur Trennung aller Bestandteile schrittweise verringert. Das Elutionsmittel mit 40 % B
konnte die Komponenten 2 und 3 nicht ausreichend trennen und bei 30 % B dauerte die
Elution der Komponente 8 zu lange. Deshalb wurde 35 % B gewählt.
Mit 35 % B wird Peak 1 bei 4.9 min und Peak 8 bei 125.2 min eluiert. Die Lösungsmit- Für k > 20 sollte Gradientenelution
telfront erscheint bei tm = 2.7 min. Daraus ergeben sich für Peak 1 k = (4.9–2.7)/2.7 = 0.8 versucht werden.
und für Peak 8 k = (125.2–2.7)/2.7 = 45. Bei k > 20 wird Gradientenelution empfohlen
(Abschnitt 24.4). Wenn alle Peaks der Abbildung 24.12 unter der Bedingung 0.5 ≤ k ≤ 20
aufgelöst wären, hätte man eine erfolgreiche isokratische Trennung. Wenn es auf die
Komponenten 2 und 3 nicht ankommt, wären 45 % B eine gute Wahl.

Tabelle 24.4 Startbedingungen für die Umkehrphasenchromatographie

Stationäre C18 oder C8 auf 5 oder 3 μm sphärischem Kieselgel Typ B für pH 2–7.5. Für pH 8–12 wird Ethylen-überbrücktes Silikagel (Abbildung 24.6),
Phase bei Trennungen oberhalb von 50 °C sterisch geschütztes Silikagel (Abbildung 24.8) verwendet. Als Alternative: Polymere oder ZrO2-
Phasen sind in großen pH- und Temperaturbereichen stabil.

Säule 0.21 × 15 cm Säule für 5 μm-Partikel


0.21 × 10 cm Säule für 3 μm-Partikel (kürzere Laufzeit, ähnliche Auflösung)
Wenn die Partikelgröße geändert wird, hält man für gleiche lineare Fließgeschwindigkeit den Quotienten aus Säulenlänge und Parti-
keldurchmesser konstant.
0.46 × 15 cm Säule für 5 μm-Partikel
0.46 × 10 cm Säule für 3 μm-Partikel (kürzere Laufzeit, ähnliche Auflösung)

Fließge- 1.0 mL/min für Säule mit 0.46 cm Durchmesser 2


⎛ 0.21 cm ⎞ ⎛ mL ⎞
schwindigkeit 0.2 mL/min für Säule mit 0.21 cm Durchmesser = ⎜ ⎟ ⎜1.0 ⎟
⎝ 0.46 cm ⎠ ⎝ min ⎠

Mobile Phase CH3CN/H2O für neutrale Analyte


CH3CN/wässriger Puffera für ionische organische Analyte
5 Vol% CH3CN in H2O bis 95 Vol% CH3CN in H2O für Gradientenelution

Temperatur 30–40 °C mit Temperaturregelung


Mitunter wird in der Routineanalytik eine Temperatur von 50 bis 60 °C bevorzugt.

Proben- Säule mit 0.21 cm Durchmesser: 2 μL, die 25–50 μg jedes Analyten enthalten
menge Säule mit 0.46 cm Durchmesser: 5–10 μL, die 25–50 μg jedes Analyten enthalten
(Eventuell benötigen ältere UV-Detektoren eine größere Probenmenge.)

Für Massen- 0.21 × 5 cm Säule mit 3 μm-Partikeln C18- Kieselgel, Temperatur 30–60 °C.
spektrometrie Mobile Phase: Acetonitril oder Methanol plus flüchtiger, wässriger Puffer.
Der wässrige Puffer wird hergestellt aus 2mM Ammoniumformiat plus 1–10 g Ameisensäure pro L (ergibt pH ≈ 2.7–1.7). Ammoni-
umformiat-Puffer werden für pH ≈ 2.8–4.8, Ammoniumacetat-Puffer für pH ≈ 3.8–5.8 erwendet. Zur pH-Einstellung nimmt man NH3,
Ameisensäure oder Essigsäure. Ammoniumcarbonat kann für pH ≈ 8–11 benutzt werden.
Chemische Ionisation bei Atmosphärendruck oder Elektrospray-Interface.
Electrospray benötigt geladene Teilchen des Analyten in der Lösung.

a
Der 0.25 mM Phosphat-Puffer mit einem pH ≈ 2–3 wird aus H3PO4 und KOH hergestellt. K+ ist in organischen Lösungsmitteln besser löslich als Na+ und führt
zu geringerem Tailing. Diese Phosphatkonzentration ist für die UV-Detektion gut geeignet. Wenn der Puffer nicht schnell verbraucht wird, sollte man zum
Schutz 0.2 g Natriumazid pro Liter zufügen.
Übernommen und modifiziert aus: L. R. Snyder, J. J. Kirkland und J. L. Glajch, Practical HPLC Method Development (New York: Wiley, 1997) und S. Needham,
„HPLC Method Development for LC/MS“, short course presented at Pittcon 2009.
700 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Optimierung mit zwei oder drei organischen


Lösungsmitteln
In den Abbildungen 24.24 und 24.25 wird eine systematische Methode zur Ausarbeitung
eines Trennverfahrens mit mehreren Lösungsmitteln behandelt. Die Methodenent-
wicklung ist abgeschlossen, sobald das Trennergebnis den Ansprüchen genügt. Hierbei
müssen für eine ausreichende Trennung nicht unbedingt alle Einzelschritte abgearbeitet
werden.
Schritt 1 Optimierung der Trennung mit Acetonitril/Puffer zur Erzeugung von Chro-
matogramm A in Abbildung 24.25.
Schritt 2 Optimierung der Trennung mit Methanol/Puffer zur Erzeugung von Chro-
matogramm B.
Schritt 3 Optimierung der Trennung mit Tetrahydrofuran/Puffer zur Erzeugung von
Chromatogramm C.
Wenn die Trennung nach Schritt 5 Schritt 4 Mischung der bei A, B und C verwendeten Lösungsmittel paarweise im Ver-
nicht zufriedenstellend ist, sollte eine hältnis 1:1 zur Erzeugung der Chromatogramme D, E und F.
andere stationäre Phase oder eine Schritt 5 Herstellung einer 1:1:1-Mischung der bei A, B und C verwendeten Lösungs-
andere Form der Chromatographie mittel zur Erzeugung von Chromatogramm G.
versucht werden. Schritt 6 Wenn von den Ergebnissen A bis G bereits einige gut genug sind, werden die
beiden besten Punkte in Abbildung 24.24 ausgewählt und die Lösungsmittel
gemischt, um Punkte zwischen beiden zu erhalten.

Nun wird das systematische Verfahren in der Abbildung 24.25 näher betrachtet. Das
Chromatogramm A wird im Schritt 1 durch Veränderung der Anteile von Acetonitril und
wässrigem Puffer (wie in Abbildung 24.12) unter der Bedingung 0.5 ≤ k ≤ 20 erhalten. Bei
der besten Zusammensetzung, 30 Vol% Acetonitril/70 Vol% Puffer, sind die Peaks 3 und
4 für die quantitative Analyse nicht genügend getrennt.
Bei der HPLC führt eine kleinere Fließgeschwindigkeit gewöhnlich zu einer besseren
Auflösung. Mit einer Fließgeschwindigkeit von 1.0 mL/min in Abbildung 24.25 wurde k
< 10 (anstatt <20) für eine Laufzeit unter ~25 min gewählt. Im Chromatogramm A wurde
k = 1.1 für Peak l und k = 8.1 für Peak 7 erhalten. Mit einer Fließgeschwindigkeit von
Um herauszufinden, welcher Peak zu 2.0 mL/min erhält man für k <20 eine Laufzeit unter ~25 min.
welcher Verbindung gehört, wird das Im Schritt 2 wird der Eluent aus Methanol und wässrigem Puffer für die beste Tren-
vollständige UV-Spektrum jedes eluier- nung im Punkt B gesucht. Es ist nicht erforderlich, wieder die ganze Prozedur ab 90 %
ten Peaks mit einem Photodiodenar- Methanol vorzunehmen. Die Abbildung 24.26 ermöglicht die Wahl einer Methanol/
ray-Spektrometer aufgenommen. Wasser-Mischung, die ungefähr die gleiche Elutionskraft besitzt wie eine bestimmte Ace-
tonitril/Wasser-Mischung. Eine vertikale Linie bei 30 % Acetonitril (im Chromatogramm
A benutzt) schneidet die Methanol-Gerade in der Nähe von 40 %. Damit hat 40 % Me-
thanol ungefähr die gleiche Elutionskraft wie 30 % Acetonitril. Das erste Experiment zur
CH 3CN
Festlegung von Punkt B in Abbildung 24.24 wird mit 40 % Methanol durchgeführt. Es
A
wurde ein wenig probiert (mit 35 und 45 % Methanol), doch 40 % Methanol gab die beste
Trennung, die allerdings noch nicht ausreicht. Im Chromatogramm B geben die sieben
Komponenten nur fünf Peaks. Beim Wechsel von Acetonitril zu Methanol hat sich die
CH 3CN CH 3CN Elutionsreihenfolge einiger Verbindungen geändert.
+ +
D E Im Schritt 3 wird das Chromatogramm C mit Tetrahydrofuran aufgenommen. Aus
CH 3OH THF
Abbildung 24.26 kann entnommen werden, dass 22 % Tetrahydrofuran die gleiche Eluti-
G
onskraft hat wie 30 % Acetonitril. Mit 22 % Tetrahydrofuran waren die Elutionszeiten zu
lang. Nach der heuristischen Methode mit Versuch und Irrtum (Trial and Error) wurde
gefunden, dass 32 % Tetrahydrofuran bessere Resultate lieferte. Alle sieben Komponenten
B F C
CH 3OH THF
konnten im Chromatogramm C in vertretbarer Zeit sauber getrennt werden. Es stört
CH 3OH
+ jedoch ein Knick in der Basislinie durch die Lösungsmittelfront bei der quantitativen
THF Analyse der Komponente 1. Die Elutionsreihenfolge ist mit Tetrahydrofuran ganz anders
als mit Acetonitril. Generell ist die Änderung des Lösungsmittels eine leistungsfähige Me-
Abb. 24.24 Dreieck zur Ausarbeitung ei-
thode zur Veränderung der relativen Retention verschiedener Verbindungen.
ner HPLC-Methode. THF bedeutet Tetrahy-
drofuran. Die Abbildung 24.25 zeigt, wie Im Schritt 4 werden die Chromatogramme D, E und F aufgenommen. Die Zusam-
das Verfahren bei einer realen chromato- mensetzung im Punkt D ist eine 1:1-Mischung der bei A und B verwendeten Lösungsmit-
graphischen Trennung angewendet wird. tel. Da bei A 30 % Acetonitril und bei B 40 % Methanol eingesetzt wurden, besteht D aus
24.3 · Methodenentwicklung für Trennungen an Umkehrphasen 701

Acetonitril
4
5
3

7
A
6
24
2

0 5 10 15 20 25
Zeit (min)
4,5,6
5 4

3
4,7

D E
6 3
7 5
7
3
2
1
1 2
G 6
1
0 5 10 15 20 25 30 35 2 0 5 10 15 20
Zeit (min) Zeit (min)

0 5 10 15 20
5,6 Zeit (min)
4
3
4
5
7
5
B 3 3 4 C
6

7 7 tm
1,2 F 2
1
6
0 5 10 15 20 25 30 35 0 5 10 15 20 25
2
Zeit (min) Zeit (min)
1
Methanol Tetrahydrofuran
0 5 10 15 20 25
Zeit (min)

Abb. 24.25 Anwendung des Dreiecks zur Methodenausarbeitung auf die Trennung von sieben aromatischen Verbindungen mit HPLC. Säule: 0.46
× 25 cm Hypersil ODS (C18 auf 5-μm Kieselgel) bei Umgebungstemperatur (~22 °C). Elutionsgeschwindigkeit 1.0 mL/min mit folgenden Lösungs-
mitteln: A) 30 Vol% Acetonitril/70 Vol% Puffer; B) 40 % Methanol/60% Puffer; C) 32 % Tetrahydrofuran/68 % Puffer. Der wässrige Puffer enthielt
25 mM KH2PO4 plus 0.1 g/L NaN3 mit HCl auf pH 3.5 eingestellt. Die Punkte D, E und F stehen auf der Mitte zwischen den Eckpunkten: D) 15 %
Acetonitril/20 % Methanol/65 % Puffer; E) 15 % Acetonitril/16 % Tetrahydrofuran/69 % Puffer; F) 20 % Methanol/16% Tetrahydrofuran/64 % Puf-
fer. Punkt G im Zentrum des Dreiecks ist eine gleiche Mischung von A, B und C mit der Zusammensetzung 10 % Acetonitril/13 % Methanol/11 %
Tetrahydrofuran/66 % Puffer. Der negative Knick der Grundlinie bei C zwischen den Peaks 3 und 1 hängt mit der Lösungsmittelfront zusammen.
Die Identität der Peaks wurde mit einem Photodiodenarraydetektor ermittelt: (1) Benzylalkohol; (2) Phenol; (3) 3´,4´-Dimethoxyacetophenon;
(4) m-Dinitrobenzen; (5) p-Dinitrobenzen; (6) o-Dinitrobenzen; (7) Benzoin.

15 % Acetonitril, 20 % Methanol und 65 % Puffer. In gleicher Weise wurden E aus einer


1:1-Mischung der Lösungsmittel für A und C sowie das Lösungsmittel für F aus einer 1:1-
Mischung der Lösungsmittel für B und C erhalten.
Die Auflösung im Chromatogramm D ist nicht akzeptabel, da die Peaks 4 und 5
überlappen. Das Chromatogramm E ist noch schlechter als D, denn die Peaks 1 und 3
702 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Acetonitril/H 2O

0 20 40 60 80 100
Methanol/H2O

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Tetrahydrofuran/H2O

Abb. 24.26 Nomogramm zur Ermittlung von Lösungsmitteln mit gleicher Elutionskraft. Die senk-
rechte Linie schneidet jede Lösungsmittelgerade beim gleichen Wert der Elutionskraft. Zum Beispiel
hat das Gemisch 30 Vol% Acetonitril/70 Vol% Wasser ungefähr die gleiche Elutionskraft wie 40 Vol%
Methanol oder 22 Vol% Tetrahydrofuran. [Aus: L. R. Snyder, J. J. Kirkland und J. L. Glajch, Practical HPLC
Method Development (New York, 1977).]

Δt r 0.589Δt r
Auflösung = =
wav w1/2
sowie die Peaks 4,5 und 6 überlappen vollständig. Aber (Hurra!), das Chromatogramm
Δtr = Abstand zwischen den Peaks F ist genauso, wie wir es wünschen: Alle Peaks sind getrennt und der erste Peak (3) ist
wav = mittlere Peakbreite an der Basis- genügend weit vom Lösungsmittelknick entfernt. Wir sind fertig. Mit der Zusammenset-
linie zung des Lösungsmittels bei F (20 % Methanol/16 % Tetrahydrofuran/64 % Puffer) gelingt
w1/2 = mittlere Peakbreite in halber die Trennung. Die Peaks 4 und 6 haben die minimale Auflösung von 1.8. (Wir hätten
Peakhöhe lieber eine Auflösung >2 gehabt.) Alle Peaks sind symmetrisch und liegen im Bereich k =
Nach der Optimierung des Lösungs- 0.9–7.5. Der Arbeitsdruck behielt einen vernünftigen Wert.
mittels kann eine weitere Verbesse- Wenn uns keines der drei Chromatogramme aus Schritt 4 gefallen hätte, wäre im
rung der Auflösung erforderlich sein. Schritt 5 das Chromatogramm G in der Abbildung 24.25 aus einer 1:1:1-Mischung der
Hierzu eignen sich Lösungsmittel von A, B und C aufgenommen worden, das hier zur Vollständigkeit aufge-
▬ Verringerung der Fließgeschwin- führt ist. In diesem Fall überlappen die Peaks 1 und 3 sowie 4 und 7.
digkeit Wenn einige der Zusammensetzungen von A bis G bereits ziemlich gute Trennungen
▬ Verlängerung der Säule lieferten, könnten Zusammensetzungen zwischen den Punkten noch bessere Ergebnisse
▬ Verringerung der Partikelgröße der zeigen. Wenn z. B. A und D schon recht gut waren, könnte vielleicht ein Gemisch aus A
stationären Phase und D noch besser sein.

Temperatur als Variable


Die Säulentemperatur beeinflusst die relative Retention der verschiedenen Verbindungen
und mit erhöhter Temperatur wird die Hochgeschwindigkeitschromatographie möglich.33
In der Abbildung 24.27 wird ein systematisches Verfahren zur Methodenentwicklung
vorgeschlagen, bei dem die Lösungsmittelzusammensetzung und die Temperatur zwei
unabhängige Variable sind. Bei erhöhter Temperatur sollte der pH unter 6 liegen, um die
Auflösung von Silikagel zu verzögern. Sonst müssten stationäre Phasen auf ZrO2-Basis
verwendet werden, die bis mindestens 200 °C funktionieren.

T
A D
% B hoch, % B hoch,
T niedrig T hoch
Abb. 24.27 Ausarbeitung einer isokrati-
schen HPLC-Methode mit den unabhän-
gigen Variablen Lösungsmittelzusam-
mensetzung (% B) und Temperatur, T.
%B

% B und T werden beide zwischen den


gewählten hohen und niedrigen Werten
geändert. Aus dem Aussehen der Chro-
matogramme, die bei den Bedingungen
%B niedrig, %B niedrig,
A–D erhalten wurden, können zur Ver-
T niedrig T hoch
besserung der Trennung dazwischenlie-
B C
gende Bedingungen gewählt werden.
24.3 · Methodenentwicklung für Trennungen an Umkehrphasen 703

Auswahl der stationären Phase


Die am meisten eingesetzte stationäre Phase ist C18-Silikagel, mit der bei sorgfältiger
Wahl des Elutionsmittels (wie in Abbildung 24.25) eine große Zahl unterschiedlicher
Mischungen getrennt werden kann. Aber es können nicht sämtliche Trennungen erreicht
werden. Die Tabelle 24.5 hilft bei der Auswahl anderer gebundener Phasen. Das quan-
titative „hydrophobe Subtraktionsmodell“ mit einer Datenbank von mehreren Hundert
kommerziellen HPLC-Säulen ist frei verfügbar und hilft bei der Säulenwahl für spezielle
24
Trennungen.34

> Beispiel
Auswahl einer Trennphase
Die folgenden Verbindungen sollen möglichst schnell getrennt werden

OH OH OH
OH OH OH
HO O HO O HO O
OH
O O O OH OH OH
O H3C
OH O HO OH OH O
OH OH OH
OH
1. Rutin 2. Catechin 3. Myricetin

OH
OH OH OH
HO O HO O HO O

OH
Doppel- Einfach-
OH O OH O bindung OH O bindung
4. Quercitin 5. Apigenin 6. Naringenin

Lösung Die Verbindungen mit den ähnlichsten Strukturen sind wahrscheinlich am schwie-
rigsten zu trennen. Aus der gegebenen Mischung sind die Verbindungen 5 und 6 am ähn-
lichsten, sie unterscheiden sich nur durch eine C=C-Bindung. In der Tabelle 24.5 wird vorge-
schlagen, dass eine stationäre Phase mit Phenyl- oder Cyano-Gruppen, welche die Analyte
durch π–π-Wechselwirkungen zurückhalten, für die Unterscheidung von 5 und 6 geeignet
sein könnte. Für eine schnelle Trennung mit guter Auflösung wird eine kurze Säule mit klei-
nen Partikeln gewählt und mit hoher Fließgeschwindigkeit gearbeitet. Die Abbildung 24.28
zeigt, dass die Verbindungen 5 und 6 an einer Phenyl-Säule getrennt worden sind, jedoch
nicht an einer C18-Säule.

2
6
5, 6
Detektorsignal

5
2
Abb. 24.28 Trennung von sechs Verbin-
1
dungen an einer a) Phenyl- und b) C18-
1 4 4 Säule mit 3-μm-Partikeln mit 35:65 (Vol/
Vol.) Acetonitril/0.2 % wässrige Trifluores-
3 3
sigsäure. Säule: Länge 53 mm, Durchmes-
ser 7 mm; Fließgeschwindigkeit: 2.5 mL/
min. [C. S. Young und R. J. Weigand, „An
0 1 2 3 4 0 1 2 3 4 Efficient Approach to Column Selection
Zeit (min) Zeit (min) in HPLC Method Development“, LCGC
a b 2002, 20, 464.]

Selbstüberprüfung Welche andere stationäre Phase aus der Tabelle 24.5 könnte die sechs
Verbindungen trennen? (Antwort: Man sollte reines Kieselgel zur Trennung dieser polaren
Verbindungen versuchen.)
704 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Tabelle 24.5 Wahl der an Kieselgel gebundenen stationären Phasen für die HPLC

Gebundene Polarität Retentionsmechanismus Bemerkungen


Gruppe

C18, C8, C4 unpolar Van der Waals C8 hält hydrophobe Verbindungen nicht so stark zu-
rück wie C18

Phenyl unpolar hydrophob und π–π

Cyano mittlere Polarität Hydrophob, Dipol-Dipol und π-π Trennt polare organische Verbindungen durch Um-
kehr- oder Normalphasenchromatographie

Amino polar (–NH2) oder Dipol-Dipol und Wasserstoff-Brücken- Normalphasen- oder Ionenaustauschtrennungen;
ionisch (–NH3+) bindung trennt Kohlenhydrate, polare organische Verbin-
dungen und anorganische Ionen; reagiert mit Alde-
hyden und Ketonen

Reines Kieselgel sehr polar Wasserstoff- Brückenbindung Normalphasentrennungen

Für eine Auswahl der Säulen siehe: http://www.usp.org/USPNF/columnsDB.html.


Quelle: C. S. Young und R. J. Weigand, „An Efficient Approach in Column Selection in HPLC Method Development“; LCGC 2002, 20, 464.

Wir haben verschiedene Wege zur Veränderung der relativen Retention von zwei dicht
benachbarten Peaks diskutiert. Einige Methoden sind schwerer durchzuführen als andere.
Eine vorgeschlagene Reihenfolge der erforderlichen Schritte lautet: (1) Änderung der
Elutionskraft des Lösungsmittels durch Variation der Zusammensetzung, (2) Änderung
der Temperatur, (3) Änderung des pH-Werts (in kleinen Schritten) (4) Verwendung eines
anderen Lösungsmittels, (5) Verwendung einer anderen Art der stationären Phase.35

24.4 Trennungen mit Gradienten3

Die Abbildung 24.12 zeigt die isokratische Trennung von acht Verbindungen mit einer
Laufzeit von über zwei Stunden. Mit der schwachen Elutionskraft zur Trennung der zu-
erst eluierten Peaks (2 und 3) dauert die Elution der späteren Peaks sehr lange. Um die
gewünschte Auflösung zu erhalten, die Analysenzeit jedoch zu verkürzen, wurde in Ab-
bildung 24.13 ein segmentierter Gradient (ein Gradient mit mehreren einzelnen Abschnit-
ten) verwendet. Die Peaks 1–3 wurden mit einer geringen Elutionskraft (30 % B) getrennt.
Zwischen der 8. und 13. Minute wurde B linear von 30 auf 45 % erhöht, um die mittleren
Peaks zu eluieren. Zwischen der 28. und 30. Minute wurde B linear von 45 auf 80 % zur
Elution der letzten Peaks erhöht.

Verweilvolumen und Verweilzeit


Verweilvolumen (mL )
tD = Das Volumen zwischen dem Punkt, an dem die Lösungsmittel gemischt werden und
⎛ mL ⎞ dem Säulenanfang wird Verweilvolumen genannt. Die Verweilzeit, tD, ist die erfor-
Fließgeschwindigkeit ⎜ ⎟
⎝ min ⎠ derliche Zeit, damit der Gradient die Säule erreicht. Die Verweilvolumina in den ver-
schiedenen Systen liegen zwischen 0.5 und 10 mL. In der Abbildung 24.13 beträgt das
Verweilvolumen 5 mL und die Fließgeschwindigkeit ist 1 mL/min. Die Verweilzeit ist
demnach 5 min. Eine Änderung des Lösungsmittels nach 8 min erreicht die Säule erst
nach 13 min.
Unterschiede in den Verweilvolumina zwischen verschiedenen Systemen sind eine
wichtige Ursache, warum erfolgreiche Gradiententrennungen an einer Apparatur nicht
unbedingt auf eine andere übertragbar sind. Deshalb sollte man bei einer Gradientenelu-
tion immer das Verweilvolumen angeben. Eine Möglichkeit zur Kompensation des Ver-
weilvolumens ist die Probeninjektion zum Zeitpunkt tD anstelle von t = 0.
Man kann das Verweilvolumen messen, indem man zunächst die Säule abtrennt und
das Einlassrohr direkt mit dem Auslassrohr verbindet. Dann wird Wasser in die Reser-
24.4 · Trennungen mit Gradienten 705

Detektorsignal

tD
24
Zeit
t=0

Abb. 24.29 Messung der Verweilzeit mit einem nicht absorbierenden Lösungsmittel im Reservoir A
und einem schwach absorbierenden Lösungsmittel im Reservoir B. Der Gradient von 0 zu 100 % B
beginnt zum Zeitpunkt t = 0 und erreicht den Detektor erst zum Zeitpunkt tD. Für diese Messung wird
die Trennsäule entfernt. Das tatsächliche Signal hat einen abgerundeten Beginn und nicht einen so
scharfen Knick wie in der Abbildung.

voire A und B der Lösungsmittelzugabe gefüllt. Nun wird 0.1 Vol% Aceton in Reservoir
B gegeben. Dann wird programmiert, dass B in 20 min von 0 % auf 100 % steigt mit Start
des Gradienten bei t = 0. Der Detektor gibt im Idealfall bei 260 nm ein Signal wie in der
Abbildung 24.29. Die Verzögerung zwischen dem Start des Gradienten und dem ersten
Detektorsignal ist die Verweilzeit, tD.

Start der Methodenausarbeitung mit einem


Orientierungsgradienten
Um für ein neues Gemisch zu entscheiden, ob eine isokratische oder Gradientenelution ▬ Der erste Lauf bei einem neuen
günstiger ist, geht es am schnellsten, wenn zuerst ein breiter Gradient, wie in Abbildung Analytgemisch sollte mit einem
24.30a, angewendet wird.36 In dieser Abbildung sieht man, wie die Probenmischung der Gradienten erfolgen.
Abbildung 24.12 in 40 Minuten mit einem linearen Gradienten von 10–90 % Acetonit- ▬ Bei Δt/tG > 0.25 sollte Gradien-
ril getrennt wird. Die Gradientzeit, tG, ist die Zeit, während der die Zusammensetzung tenelution angewendet werden.
des Lösungsmittels geändert wird (40 min). Δt sei die Differenz der Retentionszeiten ▬ Bei Δt/tG < 0.25 wird die isokrati-
zwischen dem ersten und letzten Peak im Chromatogramm. In Abbildung 24.30a ist sche Elution angewendet.
Δt = 35.5–14.0 = 21.5 min. Das Kriterium für die Anwendung eines Gradienten lautet ▬ Das isokratische Lösungsmittel
sollte die gleiche Zusammenset-
Gradientelution bei Δt/tG > 0.25
zung haben wie die in der Mitte
isokratische Elution bei Δt/tG < 0.25
des Intervalls Δt bei der Gradien-
Wenn alle Peaks in einem schmalen Zeitfenster eluiert werden, ist eine isokratische Elu- tenelution.
tion möglich. Bei einem großen Zeitfenster ist eine Gradientenelution praktikabler. In der
Abbildung 24.30a ist Δt/tG = 21.5/40 = 0.54 > 0.25. Deshalb wird eine Gradientenelution
empfohlen. Eine isokratische Elution ist möglich, aber die in Abbildung 24.12 erforderli-
che Zeit ist für die praktische Anwendung zu lang.
Wenn eine isokratische Elution wegen Δt/tG < 0.25 vorgesehen ist, sollte das Lösungs-
mittel eine Zusammensetzung haben, die der in der Mitte des Intervalls Δt entspricht. Das
heißt, wenn der erste Peak nach 10 min und der letzte nach 20 min eluiert wird, hat ein
vernünftiges isokratisches Lösungsmittel bei 15 min die Zusammensetzung der Gradien-
tenelution.

Entwicklung einer Gradiententrennung


Im ersten Lauf sollte der Gradient einen breiten Bereich an Elutionskraft überstreichen,
z. B. wie in Abbildung 24.30a mit 10–90 % B in 40 min. Wegen der Verweilzeit von 5 min
und dem Start des Gradienten bei t = 0, erreichte der Gradient die Säule erst nach 5 min.
(Es wäre besser gewesen, die Probe bei t = 5 min zu injizieren, aber das wurde nicht so
gemacht.) Zufälligerweise wurden im ersten Lauf in der Abbildung 24.30 bereits alle acht
706 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Schritte bei der Entwicklung einer Gradi- Peaks getrennt. Wir könnten an dieser Stelle aufhören, wenn wir mit einer Laufzeit von
entenmethode: 36 min zufrieden sind.
1. Erstes Chromatogramm mit einem Der nächste Schritt bei der Ausarbeitung einer Gradientenmethode besteht darin, die
breiten Gradienten (z. B. 5–95 % B) Peaks durch einen flacheren Gradienten auseinanderzuziehen. Für eine Verweilzeit von
in 40–60 min. Hieraus kann abge- 5 min ist das Profil des Gradienten von Abbildung 24.30a in der Abbildung 24.31 gezeigt.
leitet werden, ob Gradienten- oder Peak 1 wird nach 14 min eluiert, wenn das Lösungsmittel 28 % B enthält. Peak 8 erscheint
isokratische Elution besser ist. nach 35.5 min und das Lösungsmittel enthält 71 % B. Die Teile des Gradienten von
2. Wenn Gradientenelution gewählt 10–28 % B und von 71–90 % B wurden gar nicht gebraucht. Deshalb könnte der zweite
wird, werden die Teile des Gradien- Lauf mit einem Gradienten von 28–71 % B bei gleichem tG (40 min) erfolgen. Für das
ten vor dem ersten Peak und nach Chromatogramm in der Abbildung 23.30b wurde ein Gradient von 30 bis 82 % B in
dem letzten Peak weggelassen. Es 40 min gewählt. Dieser Gradient zieht das Chromatogramm auseinander und verringert
wird die gleiche Gradientenzeit wie die Laufzeit auf 32 min.
im Schritt 1 verwendet. Mit der Abbildung 24.30c sollte festgestellt werden, ob ein steilerer Gradient zur Ver-
3. Wenn die Trennung im Schritt 2 ringerung der Laufzeit zu verwenden ist. Die Grenzen des Gradienten waren die gleichen
ausreicht, sollte man versuchen, die wie im Chromatogramm b, tG wurde aber auf 20 min reduziert. Mit der kürzeren Gradi-
Gradientenzeit zu verkürzen, um entenzeit sind die Peaks 6 und 7 nicht vollständig getrennt. Mit dem Chromatogramm b
Analysenzeit zu sparen. hat man demnach vernünftige Bedingungen für die Gradientenelution erreicht.

10 % B bis 90 % B 8
während 40 min
3
Extinktion bei 220 nm

5
2
7
4
6
a 1

0 5 10 15 20 25 30 35 40
Zeit (min)

30% B bis 82% B 8


während 40 min

3
Extinktion bei 220 nm

5
2
7
4
6
1
b

0 5 10 15 20 25 30 35
Zeit (min)

30% B bis 82% B 8


während 20 min

3
Extinktion bei 220 nm

2 7
Abb. 24.30 Trennungen des Gemischs 4
aus Abbildung 24.12 mit linearem 6
Gradienten auf der gleichen Säule und 1
c
dem gleichen Lösungsmittelsystem
[Puffer (Lösungsmittel A) mit Acetonitril
(Lösungsmittel B)] mit einer Fließge-
schwindigkeit von 1 mL/min. Verweil- 0 5 10 15 20
zeit = 5 min. Zeit (min)
24.4 · Trennungen mit Gradienten 707

100

80

60
%B

Abb. 24.31 Lösungsmittelgradient für


40 Abbildung 24.30a. Der Gradient wurde
mit der Injektionszeit (t = 0) begonnen,
die Verweilzeit betrug 5 min. Deshalb
24
20 enthielt das Lösungsmittel während der
ersten 5 min 10 % B. Dann stieg die Zu-
0 sammensetzung in 40 min linear auf 90 %
0 10 20 30 40 50 B an. Nach t = 45 min war die Zusammen-
Zeit ab Injektion (min) setzung konstant bei 90 % B.

Exkurs 24.4

Wahl der Gradienten-Bedingungen und In der Abbildung 25.30c ist die Trennung schlechter, hier ist
Skalierung der Gradienten k* = 3.6.
Hier werden Gleichungen behandelt, mit deren Hilfe vernünftige Wenn man eine erfolgreiche Trennung mit einer Gradi-
Bedingungen für lineare Gradienten gefunden und Gradienten entenelution gefunden hat und diese von der Säule 1 auf die
von einer Säule auf eine andere übertragen werden können. Bei Säule 2, welche andere Dimensionen besitzt, übertragen will,
der Gradientenelution ist für jeden Analyten der mittlere Reten- so können folgende Skalierungsverhältnisse zu Grunde gelegt
tionsfaktor k* der Wert von k, bei dem der Analyt die Hälfte der werden:
Säule passiert hat:
F2 m2 d2 V 2
= = = (24.12)
t F F1 m1 d1 V 1
k* = G (24.10)
ΔΦVm S
mit F, der Volumenfließgeschwindigkeit in mL/min, m, der
mit tG, Gradientenzeit (min), F, Fließgeschwindigkeit (mL/min), Masse der Probe, d, der Verweilzeit bevor der Gradient die
ΔΦ, Änderung der Lösungsmittelzusammensetzung während Säule erreicht und V, dem Gesamtsäulenvolumen. Die Gradi-
des Gradienten, Vm, Volumen der mobilen Phase in der entenzeit, tG, sollte nicht geändert werden. In der Abbildung
Säule und S, Anstieg im linearen Lösungsmittelstärke- 24.31 liegt die Verweilzeit d = 5 min am Verweilvolumen
Modell (Gleichung 24.5). Wir wählen für die Diskussion den zwischen dem Gradientenmischer und der Säule. Nach der
Wert S = 4. Gleichung 24.12 sollten die Volumenfließgeschwindigkeit,
Bei einer isokratischen Elution garantiert ein Retentionsfak- die Probenmasse und die Verweilzeit im Verhältnis zum Säu-
tor k = 5 eine Trennung von der Lösungsmittelfront und keinen lenvolumen geändert werden. Wenn das Verweilvolumen im
übermäßigen Zeitaufwand. Für die Gradientenelution ist k* ≈ 5 Vergleich zum Lösungsmittelvolumen in der Säule, Vm, klein
eine akzeptable Ausgangsbedingung. Nun soll eine vernünftige ist, ist die Verweilzeit d belanglos. Wenn das Verweilvolumen
Gradientenzeit für das Experiment in der Abbildung 24.30a be- groß ist, wird es zu einem bedeutenden Faktor, den man kaum
rechnet werden, bei der wir einen Gradienten von 10 % auf unter Kontrolle hat.
90 % B (ΔΦ = 0.8) in einer 0.46 × 25 cm-Säule mit einer Fließge- Jetzt wird angenommen, dass ein optimierter Gradient
schwindigkeit von 1 mL/2 min gewählt hatten. Aus der Gleichung von einer 0.46 × 25 cm-Säule auf eine 0.21 × 10 cm-Säule
24.4 ergibt sich Vm ≈ Ld c = (25 cm)(0.46 cm)²/2 = 2.65 mL. Die übertragen werden soll. Der Quotient V2/V1 ist (πr²L)2/(πr²L)1,
2
gesuchte Gradientenzeit erhält man durch Umformung der mit dem Säulenradius r und der Säulenlänge L und beträgt
Gleichung 24.10: im vorliegenden Fall 0.083. Nach der Gleichung 24.12 müssen
demnach die Fließgeschwindigkeit, die Probenmasse und die
k* ΔΦVm S (5) (0.8) (2.65 mL) (4) Verweilzeit um den Faktor 0.083 beim Übergang auf die klei-
tG = = = 42 min (24.11)
F (1.0mL / min) nere Säule verringert werden. Die Gradientenzeit sollte nicht
geändert werden.
Eine vernünftige Gradientenzeit wären also 42 min. In der Abbil- Wenn diese Veränderungen erfolgt sind, stellt man fest, dass
dung 24.30a ist tG = 40 min, das gibt k* = 4.7. In der Abbildung k* für beide Säulen gleich ist. Wenn man eine Bedingung ändert,
24.30b wurde der Gradient auf ΔΦ = 0.52 geändert und ergab die k* beeinflusst, muss eine Kompensation zur Wiederherstel-
eine bessere Trennung: lung von k* erfolgen. Zum Beispiel zeigt die Gleichung 24.10,
dass bei einer Verdopplung von tG die Fließgeschwindigkeit
tG F (40min) (1.0 mL / min) halbiert werden kann, wobei das Produkt tGF und k* konstant
k* = = = 7.3
ΔΦVm S (0.53) (2.65 mL ) (4 ) bleiben.
708 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

Wäre die Trennung in der Abbildung 24.30b noch nicht akzeptierbar gewesen, könnte
man versuchen, sie durch Verringerung der Fließgeschwindigkeit zu verbessern oder
einen segmentierten Gradienten wie in Abbildung 24.13 anzuwenden. Der segmentierte
Gradient bietet für jeden Bereich des Chromatogramms die passende Lösungsmittelzu-
sammensetzung. Man kann recht einfach mit der Fließgeschwindigkeit und den Gradi-
entenprofilen experimentieren. Viel aufwändiger sind die Versuche zur Verbesserung der
Trennung durch Änderungen des Lösungsmittels, der Säulenlänge, der Partikelgröße oder
Wechsel der stationären Phase. In Exkurs 24.4 gibt es eine Anleitung zur Wahl der Gradi-
entenzeit und zur Übertragung der Gradienten von Säulen unterschiedlicher Größe.

24.5 Hier hilft uns der Computer

Ein empirisches Modell beruht auf Die Methodenentwicklung wird durch Computersimulation mit kommerzieller Soft-
Beobachtungen, nicht auf einer The- ware3,37 oder eigenen Tabellenkalkulationen sehr vereinfacht. Aus einer kleinen Zahl von
orie. Die Gleichung 24.5 ist empirisch, Versuchsergebnissen können die Wirkungen der Lösungsmittelzusammensetzung und
indem sie die Beziehung zwischen der Temperatur bei isokratischen und Gradiententrennungen vorausberechnet werden.
k und Φ angenähert beschreibt. Die Man kann die optimalen Bedingungen innerhalb einiger Stunden anstelle von mehreren
Beziehung ist bisher nicht durch eine Arbeitstagen ermitteln.
Theorie auf der Grundlage von Gesetz- Die Grundlage für die meisten Simulationen von Umkehrphasentrennungen ist das
mäßigkeiten begründet. empirische lineare Lösungsmittelstärke-Modell, welches eine logarithmische Beziehung
Die Lösungsmittelstärke ist eine rela- zwischen dem Retentionsfaktor k für einen bestimmten Analyten und der Zusammenset-
tive Angabe für seine Elutionskraft. zung der mobilen Phase Φ herstellt:
log k ≈ log kw – SΦ (24.5)
mit log kw als dem auf 100 % Wasser extrapoliertem Retentionsfaktor, Φ dem Anteil des or-
ganischen Lösungsmittels (Φ = 0.4 für 40 Vol% organischem Lösungsmittel/60 Vol% H2O)
und S eine Konstante für jede Verbindung mit dem für kleine Verbindungen typischen
Wert ~4. Die Abbildung 24.32 zeigt Messergebnisse von neun organischen Verbindungen
im Bereich von Φ = 0.65–0.8 Methanol:Wasser an einer C18-Säule. Die Parameter S und
log k sind Anstiege und Ordinatenabschnitte der Geraden in der Abbildung 24.32.
Die Gleichung 24.5 gilt nur für einen kleinen Bereich der Lösungsmittelzusammen-
setzungen Φ. In der Abbildung 24.32 wurde Φ nur zwischen 0.65 und 0.8 variiert. Wenn
wir über den gemessenen Bereich hinaus extrapolieren, sind wir in einem unbekannten
Terrain. Wegen der bevorzugten kurzen Analysenzeiten wurden die Daten in Abbildung
24.32 nur bei hohen Werten für Φ gemessen. Von den untersuchten Verbindungen wird

2.0 Toluen Benzen


Ethylphenylether 2,5-Dimethylphenol
Anisol p-Kresol
1.5
Methyl- Phenol
benzoat p-Nitrophenol
1.0
log k

0.5

Abb. 24.32 Lineares Lösungsmittel- 0.0


stärke-Modell. Graphische Darstellung
von log k gegen Φ für neun organische
 0.5
Verbindungen, die von einer C18-Säule
mit Methanol-Wasser eluiert wurden.
[R. A. Shalliker, S. Kayillo und G. R.  1.0
Dennis, „Optimizing Chromatographic
Separation: An Experiment Using HPLC 0. 4 0. 5 0.6 0.7 0. 8
Simulator“, J. Chem. Ed. 2008, 85, 1265.] 
24.5 · Hier hilft uns der Computer 709

zuerst p-Nitrophenol und dann Phenol eluiert. Die extrapolierten Geraden schneiden sich
bei Φ = 0.61. Für Φ < 0.61sollte Phenol vor p-Nitrophenol eluiert werden.
Zur Simulation eines Chromatogramms für eine isokratische Lösungsmittelzusam-
mensetzung, z. B. Φ = 0.6 für 60 Vol% CH3OH/40 Vol% H2O, beginnen wir an einer
bestimmten Säule mit einer Durchlaufzeit des Lösungsmittels (tm) von 1.85 min und einer
Bodenzahl (N) von 7 000. Danach wird für einen gewählten Wert der Lösungsmittelstärke
Φ der Retentionsfaktor für jede einzelne Komponente berechnet:
24
k = 10(log kw – SΦ) (24.6)
Die Retentionszeit tr wird durch Umformung der Gleichung 22.17 erhalten:
tr = tm(k+1) (24.7)
Mit der Annahme eines Gauß-Peaks wird dessen Standardabweichung in der Abbil-
dung 22.9 durch Umformung der Gleichung 22.28a gefunden:
σ = tr/ N (24.8)
Im Tabellenkalkulations-Arbeitsblatt in der Abbildung 24.33 wird eine isokratische Tren-
nung simuliert. Die hervorgehobenen Zellen müssen vom Nutzer ausgefüllt werden. Der
Zeitschritt in der Zelle C7 ist der Abstand der berechneten Punkte im Chromatogramm.
Die relativen Flächen in den Zellen E14:E22 sind willkürlich gewählt. Man kann hier alle
gleich 1 setzen oder auch versuchen, sie den Peakhöhen eines experimentellen Chromato-

A B C D E F G H
1 Chromatogramm-Simulator – Gauß-Peaks
2 Daten für Methanol-Wasser mit einer Waters C-18 Säule; Shalliker et al., J. Chem. Ed. 2008, 85,1265
3
4 Konstanten
5 tm  1.85 min (Säulendurchlaufzeit der mobilen Phase)
6 N 7000 Böden (Bodenzahl der Säule)
7 Zeitschritt  0.01 min (Zeit zwischen den berechneten Punkten)
8 WURZEL(2*pi)  2.50663
9  0.56 (Anteil des organischen Lösungsmittels)
10
11 k tr (min)  (min)
12 (Standardab-
Verbindung Relative Retentions- Retentions-
weichung
13 Nummer Name log k w S Fläche faktor zeit der Peakbreite)
14 1 p-Nitrophenol 2.323 4.113 0.25 1.05 3.79 0.045
15 2 Phenol 1.488 2.734 0.2 0.91 3.53 0.042
16 3 p-Kresol 2.059 3.205 0.25 1.84 5.25 0.063
17 4 2,5-Xylenol 2.591 3.619 0.4 3.67 8.63 0.103
18 5 Benzen 2.895 3.806 0.8 5.80 12.59 0.150
19 6 Methylbenzoat 2.617 3.392 0.8 5.22 11.50 0.137
20 7 Anisol 2.840 3.646 0.4 6.28 13.48 0.161
21 8 Phenetol 2.734 3.258 0.4 8.12 16.87 0.202
22 9 Toluen 3.118 3.705 0.5 11.05 22.28 0.266

C D E F14  10^(C14-D14*$C$9)
27 y G14  $C$5*(F141)
28 Zeit- Zeit Detektor- H14  G14/WURZEL($C$6)
29 schritt (min) signal Detektorsignal:
30 0 0 0 E30  ($E$14/($H$14*$C$8)*EXP(-((D30-$G$14)^2)/(2*$H$14^2)))
31 1 0.01 0  ($E$15/($H$15*$C$8)*EXP(-((D30-$G$15)^2)/(2*$H$15^2)))
32 2 0.02 0  ein entsprechender Term für jede andere Komponente

Abb. 24.33 Tabellenkalkulation zur Simulierung einer isokratischen chromatographischen Trennung.


710 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

gramms anzupassen. Die Parameter der linearen Lösungsmittelstärke log k und S in den
Zellen C14:D22 stammen aus den experimentellen Messungen der Abbildung 24.32. Mit
der Tabellenkalkulation werden durch die Gleichung 24.6 die Werte von k in den Zellen
F14:F22 berechnet. Weiterhin werden mit der Gleichung 24.7 die Werte von tr in den
Zellen G14:G22 und mit der Gleichung 24.8 die Standardabweichung jedes Gauß-Peaks
berechnet. Die Form jedes chromatographischen Gauß-Peaks ist gegeben durch
relative Fläche 2
− (t − t r ) /2 2
Detektorsignal (y) = e (24.9)
 2
mit den selbstgewählten relativen Flächen in den Zellen E14:E22, der Zeit t, der Retenti-
onszeit tr in den Zellen G14:G22 und der Standardabweichung σ in den Zellen H14:H22.
Das Detektorsignal (beginnend mit Zelle E30) ist die Summe von neun Termen in der
Form der Gleichung 24.9 – pro Verbindung im Gemisch ein Term. Jede Verbindung hat
eigene Werte für σ, tr und relative Fläche. Das Arbeitsblatt ermittelt die Detektorsignale
für die einzelnen Zeiten ab t = 0 bis zur Elution des letzten Peaks.
Die Abbildung 24.34 zeigt die mit dem Computer angefertigten Simulationen. Bei
der Lösungsmittelstärke Φ = 0.75 werden alle neun Verbindungen innerhalb von 6 min
getrennt, aber die Auflösung der Peaks 5, 6 und 7 ist schlecht. Bei Φ = 0.60 überlappen die
Peaks 1 und 2 und die Peaks 5 und 6 haben ihre Elutionsreihenfolge getauscht. Bei Φ = 0.56
sind alle Peaks aufgelöst und der letzte Peak wird in 22 min eluiert.
Δt r
Auflösung =
wav
(Gleichung 22.23) Die Lösungsmittelzusammensetzung Φ = 0.56 (56 Vol% Methanol/44 Vol% wässriger
Puffer) reicht nicht aus, die chromatographische Methode robust zu machen. Bei einer
Δtr = Differenz der Retentionszeiten
robusten Trennung bleibt eine ausreichende Auflösung trotz kleiner Änderungen der
wav = mittlere Basisbreite des Peaks = 4σ
Bedingungen, wie Φ, pH und Temperatur, erhalten. Die Auflösung zwischen den dicht
beieinander liegenden Peaks 2 und 1 beträgt 1.5, 1.8 für die Peaks 6 und 5 sowie 1.3 für
die Peaks 5 und 7. Bei einer robusten Trennung braucht man eine minimale Auflösung
von 2.0. Leider kann dieser Wert nicht immer erreicht werden. Bei der Lösungsmittelzu-
sammensetzung Φ = 0.54 liegt die Auflösung der Peaks 2 und 1 sowie 6 und 5 über 2.0,
die Auflösung der Peaks 5 und 7 ist aber auf 1.2 gesunken. Der Peak 9, der außerhalb der
Abbildung liegt, hat eine Retentionszeit von 26 min. Die Zusammensetzung Φ = 0.56

2 1 6 5
3 4
7 8
Φ = 0.54

3 4 5
1 6
2 7 8 Φ = 0.56
9

Φ = 0.58

2 1 6 5
3 4
7 8 9

Φ = 0.60

5 6
5 6
4
1
Abb. 24.34 Chromatogramme, die 2 7
3 8 9 7
mit der Tabellenkalkulation in der
Abbildung 24.33 simuliert wurden.
Die Zahlen an den Peaks bedeuten (1)
p-Nitrophenol, (2) Phenol, (3) p-Kresol, Φ = 0.75
(4) 2,5-Xylol, (5) Benzen, (6) Methyl-
benzoat, (7) Anisol, (8) Phenetol, (9) 0 5 10 15 20 25
Toluen. Zeit (min)
Zusammenfassung 711

scheint für das Gemisch aus Methanol und Wasser die bestmögliche zu sein. Um eine
bessere Auflösung zu erreichen, können wir die Fließgeschwindigkeit verringern, kleinere
Partikel oder eine längere Säule verwenden, oder die Temperatur, das Lösungsmittel oder
die stationäre Phase ändern.
Aus den wenigen Experimenten zur Ermittlung von S und log kw können wir mit der
Tabellenkalkulation abschätzen, dass Φ = 0.56 die optimale Zusammensetzung für die
Erprobung im Labor ist. Die Zusammensetzung Φ = 0.56 liegt außerhalb des gemessenen
Bereichs in der Abbildung 24.32. Der einzige Weg zur Feststellung, ob die Kurven der
24
Abbildung 24.32 herunter bis Φ = 0.56 linear verlaufen, ist das Experiment. Das lineare
Lösungsmittelstärke-Modell ist zur Simulierung und Optimierung von Gradiententren-
nungen nur wenig komplizierter.3
Mit den behandelten Details in diesem Kapitel verfügen sie nun über grundlegende Auf der Web-Seite www.whfreeman.
Kenntnisse, mit deren Hilfe sie in der Lage sind, neue Lösungen für die Trennung eines com/qca8e befinden sich Gleichungen
Gemischs von nicht zu vielen Komponenten zu finden. Wenn die Umkehrphasenchroma- und eine Tabellenkalkulation zur Simu-
tographie versagt, kann die Normalphasenchromatographie oder eine der Methoden aus lierung von Gradienten- und isokrati-
Kapitel 25 geeignet sein. Die Ausarbeitung einer Trennmethode ist zum Teil Wissenschaft, schen Elutionen
zum Teil Kunst, zum Teil Erfahrung und manchmal sogar Glück.

Wichtige Begriffe
Aerosol-Detektor > Brechungsindexdetektor > Derivatisierung > elektrochemischer
Detektor > Elutionskraft > Gebundene stationäre Phase > Gradientenelution > Hoch-
leistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) > Hydrophile Substanz > Hydrophile
Wechselwirkungschromatographie > Isokratische Elution > Mikroporöse Teilchen
> Normalphasenchromatographie > Lichtstreudetektor > Schutzsäule > Superkri-

tisches Fluid > Oberflächenporöse Teilchen > Totvolumen > Ultraviolettdetektor


> Umkehrphasenchromatographie > Verweilvolumen

Zusammenfassung
In der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) wird das Lösungsmittel bei
hohem Druck durch eine Säule gepumpt, die als stationäre Phase Teilchen mit einem
Durchmesser von 1.5–5 μm enthält. Je kleiner die Teilchengröße ist, desto effizienter ist
die Säule, aber desto größer wird auch der Widerstand gegen den Lösungsmittelfluss. Mi-
kroporöse Kieselgelpartikel mit einer kovalent gebundenen stationären flüssigen Phase,
z. B. mit Octadecylgruppen (–C18H37) werden am häufigsten meisten verwendet. Die Elu-
tionskraft gibt die Fähigkeit eines Lösungsmittels an, einen bestimmten Analyten von der
Säule zu eluieren. In der Normalphasen-Chromatographie ist die stationäre Phase polar
und als Eluent dient ein weniger polares Lösungsmittel. Hier nimmt die Elutionskraft
mit der Polarität des Lösungsmittels zu. In der Umkehrphasenchromatographie werden
eine unpolare stationäre Phase und ein polares Lösungsmittel verwendet. Hier steigt die
Elutionskraft an, wenn die Polarität des Lösungsmittels abnimmt. Die meisten Trennun-
gen organischer Verbindungen werden mit der Umkehrphasenchromatographie durch-
geführt. Polare Verbindungen können mit der Normalphasenchromatographie oder der
hydrophilen Wechselwirkungschromatographie durchgeführt werden. Die Normalpha-
senchromatographie oder die Chromatographie an porösem graphitischen Kohlenstoff
eignen sich gut zur Isomerentrennung. Die Methoden zur Trennung anorganischer Ionen,
von Polymeren und biologischen Makromolekülen werden in Kapitel 25 behandelt.
Wenn in der Umkehrphasenchromatographie ein Gemisch eines organischen Lö-
sungsmittels mit Wasser zur Elution verwendet wird, steigt die Elutionskraft mit zuneh-
mendem Anteil des organischen Lösungsmittels. Bei einer festgelegten Zusammensetzung
des Lösungsmittels, spricht man von einer isokratischen Elution. Bei der Gradientenelu-
tion nimmt die Elutionskraft während der Chromatographie durch Erhöhung des Anteils
des stärkeren Lösungsmittels zu.
Eine kurze Schutzsäule mit der gleichen stationären Phase wie die Trennsäule wird vor
der Trennsäule angebracht, um diese vor Partikeln oder irreversibel adsorbierbaren Sub-
stanzen zu schützen. Eine Hochleistungspumpe sorgt für einen gleichmäßigen Flüssig-
keitstransport. Das Injektionsventil erlaubt eine schnelle und reproduzierbare Probenein-
führung. Die Säule wird am besten in einem Ofen untergebracht, der eine festgelegte Ar-
712 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

beitstemperatur gewährleistet. Die Trennleistung der Säule steigt bei erhöhter Temperatur,
weil dadurch die Geschwindigkeit des Massenübergangs zwischen den Phasen zunimmt.
Die massenspektrometrische Detektion liefert quantitative und qualitative Informationen
über jede Substanz, die die Säule verlässt. Die UV-Detektion wird am häufigsten verwen-
det und kann in Verbindung mit einem Photodiodenarray die gesamten Spektren aller
Analyte registrieren. Der Brechungsindexdetektor ist zwar universell anwendbar, aber
weniger empfindlich. Der Lichtstreudetektor und der Aerosol-Detektor sprechen auf die
Massen aller nichtflüchtigen Analyte an. Elektrochemische und Fluoreszenzdetektoren
sind zwar extrem empfindlich, aber nur für einige Analyte anwendbar. In der superkri-
tischen Fluidchromatographie werden nichtflüchtige Analyte durch einen Vorgang ge-
trennt, dessen Effizienz und Geschwindigkeit, sowie die verwendeten Detektoren stärker
an die Gaschromatographie als an die Flüssigkeitschromatographie erinnern.
Die Schritte bei der Methodenentwicklung sind: 1) Festlegung des Ziels der Analyse,
2) Auswahl der Methode zur Probenvorbereitung, 3) Auswahl des Detektors, 4) syste-
matisches Verfahren zur Lösungsmittelwahl für die isokratische oder Gradientenelution.
Wässrige Mischungen mit Acetonitril, Methanol und Tetrahydrofuran sind die häufigsten
Eluenten in der Umkehrphasenchromatographie. Die Trennung kann durch Variation der
verschiedenen Lösungsmittel oder der Temperatur optimiert werden. Außerdem kann die
Auflösung durch Senkung der Fließgeschwindigkeit, Verlängerung der Trennsäule oder
Erniedrigung der Teilchengröße der stationären Phase verbessert werden. Als Kriterien
für eine gute Trennung gelten: 0.5 ≤ k ≤ 20, Auflösung ≥2, Arbeitsdruck ≤15 MPa (bei
gewöhnlicher Ausrüstung) und ein Asymmetriefaktor im Bereich 0.9–1.5. Bei der Gra-
dientenelution beginnt die Änderung der Lösungsmittelzusammensetzung erst, wenn
das Verweilvolumen zwischen dem Mischungspunkt und dem Säulenanfang die Säule
erreicht hat. Zur Entscheidung, ob eine isokratische oder Gradientenelution anzuwenden
ist, hilft ein weit gespannter Gradient im ersten Versuch des Optimierungsverfahrens. Aus
den Retentionsfaktoren, die bei einer kleinen Zahl von Lösungsmittelzusammensetzun-
gen ermittelt wurden, können mit dem linearen Lösungsmittelstärke-Modell Computer-
optierungen der Trennung erfolgen.

Übungen
24-A. Eine bekannte Mischung der Verbindungen A und B ergab das folgende HPLC-
Ergebnis:
Verbindung Konzentration (mg/mL im Gemisch) Peakfläche (beliebige Einheit)

A 1.03 10.86

B 1.16 4.37

Eine Lösung von 12.49 mg B plus 10.00 mL einer unbekannten Probe, die nur A enthielt,
wurde auf 25.00 mL verdünnt und chromatographiert. Es wurden Peakflächen von 5.97
und 6.38 für A bzw. B gefunden. Bestimmen Sie die Konzentration von A (mg/mL) in der
unbekannten Probe.

24-B. Eine gebundene stationäre Phase für die Trennung von optischen Isomeren hat
folgende Struktur:

(CH3)2CH H

O C
Partikel Si O C N
O OCH2CH3 O H
optisch aktives
Zentrum

Um die Enantiomeren von Aminen, Alkoholen oder Thiolen zu trennen, werden diese
zuerst mit einem Nitroaromaten derivatisiert, wodurch die Wechselwirkung mit der stati-
onären Phase verstärkt und die spektralphotometrische Detektion verbessert wird.
Übungen 713

H NH2
OH O2N O NO2
(R)-Enantiomer
N C O RNH C NH
H2N H
OH O2N NO2
aromatisches Derivat
(S)-Enantiomer
Zu trennendes
(Gemisch von zwei Enantiomeren) 24
O
Gemisch
(RNH2)
RNH C NH

Bei der Elution des Gemischs mit 20 Vol% 2-Propanol in Hexan erscheint das (R)-Enanti-
omer vor dem (S)-Enantiomer mit folgenden chromatographischen Parametern:
Δt
Auflösung = r = 7.7 Relative Retention (α) = 4.53
wav
k für (R)-Enantiomer = 1.35 tm = 1.00 min
mit wav als mittlere Breite der beiden Gauß-Peaks auf der Grundlinie.

(R)-Isomer

(S)-Isomer
t=0 tm

t1 t2
Zeit

a) Bestimmen Sie t1, t2 und wav in der Einheit min


b) Die Peakbreite in halber Höhe ist w1/2 (Abbildung 22.9). Wenn die Bodenzahl für
beide Peaks gleich ist, wie groß ist dann w1/2 für jeden Peak?
c) Die Fläche eines Gauß-Peaks ist 1.064 × Peakhöhe × w1/2. Nimmt man an, dass die
Flächen unter den Peaks gleich sein müssen, wie groß sind dann die relativen Peak-
höhen (HöheR/HöheS)?

24-C. Abgebildet sind zwei Peaks aus einem Säulenchromatogramm.


Signal

Zeit

Nach Gleichung 22.30 ist die Auflösung gegeben durch


N
Auflösung = ( − 1).
4
mit der Bodenzahl N und der unkorrigierten relativen Retention γ (Gleichung 22.16).
a) Wenn das Lösungsmittel oder die stationäre Phase geändert wird, ändert sich auch
die relative Retention. Skizzieren Sie das Chromatogramm, wenn γ zunimmt, aber N
konstant bleibt.
b) Wenn man die Säule verlängert oder die Teilchengröße bzw. Fließgeschwindigkeit
verringert, wird die Bodenzahl größer. Skizzieren Sie das Chromatogramm, wenn N
zunimmt, aber γ konstant bleibt.

24-D. Nachdem im Jahr 2008 in China in der Milch giftiges Melamin und Cyanursäure
aufgetaucht waren (Exkurs 10.3), gab es viele Aktivitäten zur Entwicklung von Bestim-
714 Kapitel 24 · Hochleistungsflüssigkeitschromatographie

mungsmethoden für diese Stoffe. Bei einer Methode der Milchanalytik wird ein Volumen-
teil Milch mit neun Volumenteilen eines Gemischs aus Wasser und CH3CN (20:80 Vol/
Vol) zur Fällung der Proteine behandelt. Zu deren Entfernung wird das Gemisch 5 min
zentrifugiert. Die überstehende Lösung wird durch ein 0.5-μm-Filter filtriert und auf eine
chromatographische HILIC-Säule (TSKgel Amide 80) injiziert. Die Produkte werden am
Massenspektrometer mit dem Selected-Reaction-Monitoring detektiert (Abschnitt 21.4).
Melamin wird im positiven Ionen-Modus mit dem Übergang m/z 127 → 85, Cyanursäure
im negativen Ionen-Modus mit dem Übergang 128 → 42 gemessen.
a) Schreiben Sie Formeln für die vier Ionen auf und machen Sie entsprechende Struk-
turvorschläge.
b) Obwohl Milch eine komplizierte Mischung ist, wird nur ein sauberer Peak für Me-
lamin und einer für Cyanursäure, die der Milch zugesetzt wurden, gefunden. Geben
Sie hierfür eine Begründung.

24-E.
a) Fertigen Sie eine graphische Darstellung an, in der die Retentionszeit jedes Peaks in
der Abbildung 24.25 in den Chromatogrammen A, D und B als Funktion der Posi-
tion längs der Geraden AB gezeigt wird. Sagen Sie die Retentionszeiten für Lösungs-
mittelzusammensetzungen voraus, die in der Mitte zwischen A und D sowie D und B
liegen. Zeichnen Sie Strichdiagramme (jeder Peak ist ein senkrechter Strich) für die
vorhergesagten Chromatogramme.
b) Wie wäre die Lösungsmittelzusammensetzung auf der Mitte zwischen A und D und
zwischen D und B?
25 Chromatographische
Methoden und
Kapillarelektrophorese
25

Kapillarelektrochromatographie
In der Elektrochromatographie1 wird anstelle von Druck ein elektrisches Feld benutzt, um die mobile Phase mit einem einheit-
lichen, pfropfenförmigen Strömungsprofil durch die Säule zu treiben (Farbtafel 30). Die Kapillare auf dem Photo enthält ein
monolithisches Silikatgebilde, das dem in Exkurs 24.1 ähnlich ist. Eine Polymerisation von löslichen Precursor-Molekülen an der
Kapillaroberfläche führt zu den unten gezeigten Strukturen. Die Oberfläche wird somit mit positiv geladenen quaternären Am-
moniumionen beschichtet. Mobile Anionen in der Lösung sorgen für den Ladungsausgleich. Ein starkes elektrisches Feld zieht
die Anionen zur Anode, wodurch die gesamte Lösung in der Kapillare mitgenommen wird.
Die C18-Gruppen, die an den Ammonium-Kationen kovalent gebunden sind, bilden die stationäre Phase für die Chromato-
graphie. Die Analyte, die durch die Kapillare fließen, werden durch die Verteilung zwischen dem mobilen Lösungsmittel und
der stationären C18-Phase getrennt.

Ultraviolett-Absorption

0 5 10 15 20
Zeit (min)

Im Inneren einer monolithischen Säule


C18 für die Elektrochromatographie befinden
Gruppen sich Silikat-„Finger“, die mit der stationä-
mobiles CH3 CH3 verankertes ren Phase beschichtet sind. Aromatische
Anion Kation
Cl– (CH2)17 Cl– (CH2)17 Verbindungen wurden mit einer mittleren
H3C +
N CH3 H3C +
N CH3 Bodenzahl von 80 000 in einer 50-cm-Säule
bei einer Spannung von 15 kV getrennt.
CH3 (CH2)3 (CH2)3 CH3 [J. D. Hayes und A. Malik, „Sol-Gel Mono-
Si O Si O –– –– O Si O Si lithic Columns with Reversed Electroos-
motic Flow for Capillary Electrochromato-
CH3 O O CH3
graphy“, Anal. Chem. 2000, 72, 4090. Das
–– O Si O –– –– O Si O –– Photo wurde von A. Malik, University of
O O OH O South Florida, zur Verfügung gestellt.]
O Si O Si O Si O Si O Si O

Kieselgel-Oberfläche

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_26, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
716 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

In diesem Kapitel wird die Behandlung der durch Druck betriebenen chromatographi-
schen Methoden fortgesetzt. Dabei werden die Ionenaustausch-Chromatographie, die
Molekül-Ausschluss-Chromatographie, die Affinitätschromatographie und die hydro-
phobe Wechselwirkungschromatographie besprochen. Danach werden Trennungen mit
Hilfe eines elektrischen Felds eingeführt. In der Elektrophorese und der Elektrochroma-
tographie bewegt sich die Flüssigkeit auf Grund der Elektroosmose durch die Kapillare.
Dadurch ist möglich, miniaturisierte analytische Chips zu bauen, in denen Flüssigkeiten
durch Kapillarkanäle fließen, die in Glas- oder Plastikplättchen geätzt wurden. Auf diesen
Chips finden chemische Reaktionen und chemische Trennungen statt. Wo heute noch
große Geräte erforderlich sind, wird man in der Zukunft ein „Lab on a Chip“ zum Unter-
suchungsobjekt tragen.

25.1 Ionenaustausch-Chromatographie

Anionenaustauscher besitzen gebun- In der Ionenaustausch-Chromatographie wird die Retention durch die Anziehung zwi-
dene, positiv geladene funktionelle schen in Lösung befindlichen Ionen und geladenen Gruppen der stationären Phase be-
Gruppen. wirkt (Abbildung 22.6). Die positiv geladenen Gruppen der Anionenaustauscher ziehen
Kationenaustauscher besitzen gebun- in Lösung befindliche Anionen an. Kationenaustauscher besitzen kovalent gebundene,
dene, negativ geladene funktionelle negativ geladene Substituenten, die gelöste Kationen anziehen.
Gruppen

Ionenaustauscher
CO2H Als Materialien für die Ionenaustausch-Chromatographie werden vorwiegend Harze
H2C C verwendet. Dabei handelt es sich um amorphe (nichtkristalline) Partikel organischen
CH3 Materials. Die für den Ionenaustausch verwendeten Polystyrenharze werden durch Co-
Methacrylsäure polymerisation von Styren und Divinylbenzen hergestellt (Abbildung 25.1). Der Divi-
nylbenzengehalt wird bei diesem Prozess zwischen 1 und 16 % variiert, um das Ausmaß
Stark saure Kationenaustauscher: RSO3– der Vernetzung im unlöslichen Kohlenwasserstoffpolymer zu erhöhen. Die Benzenringe
Schwach saure Kationenaustauscher: können substituiert werden, um Kationenaustauscher mit Sulfonatgruppen (–SO3–) oder
RCOO– Anionenaustauscher mit Ammoniumgruppen (–NR+3 ) zu erzeugen. Ein Polymer mit Car-
„Stark basische“ Anionenaustauscher: boxylgruppen entsteht, wenn Methacrylsäure anstelle von Styren eingesetzt wird.
RNR′3+ Die Ionenaustauscher werden nach ihren entweder stark oder schwach sauren oder
Schwach basische Anionenaustau- basischen Eigenschaften unterteilt (siehe Tabelle 25.1). Die Sulfonatgruppen (–SO3–) stark
scher: RNR′2H+ saurer Austauscherharze bleiben selbst in stark saurer Lösung negativ geladen. Die Carb-
oxylgruppen (–COO–) schwach saurer Harze werden bei einem pH um 4 protoniert und
verlieren dabei ihre Austauschkapazität für Kationen. Die „stark basischen“ quaternären
Ammoniumgruppen (–CH2NR+3 ) (die eigentlich gar nicht basisch im Sinne der Definition
sind) bleiben bei beliebigen pH-Werten positiv geladen. Anionenaustauscher mit schwach
basischen tertiären Ammoniumgruppen (–CH2NHR+2 ) werden in mäßig basischer Lö-
sung deprotoniert und verlieren damit ihre Fähigkeit, Anionen zu binden.
Das Ausmaß der Vernetzung wird durch den Zusatz „-XN“ nach dem Namen des Har-
zes angezeigt. So enthalten z. B. die Harze Dowex 1-X4 4 % und Bio-Rad AG 50W-X12
12 % Divinylbenzen. Mit steigendem Vernetzungsgrad wird das Harz starrer und weniger
porös. Schwach vernetzte Harze ermöglichen eine schnelle Gleichgewichtseinstellung
zwischen gelösten Stoffen innerhalb und außerhalb der Austauscherpartikel. Andererseits
quellen schwach vernetzte Harze in Wasser. Diese Wasseraufnahme verringert sowohl
die Dichte der Austauscherplätze als auch die Selektivität des Harzes für unterschiedliche
Ionen. Stärker vernetzte Harze zeichnen sich durch geringere Quellung und höhere Aus-
tauschkapazität und Selektivität aus, erfordern jedoch längere Einstellzeit für das Gleich-
gewicht. Die Ladungsdichte auf Polystyrenaustauschern ist so groß, dass hochgeladene
Makromoleküle, wie z. B. Proteine, irreversibel gebunden werden können.
Ionenaustauscher auf der Basis von Cellulose- und Dextran sind Polymere, die sich
von Glucose ableiten und besitzen gegenüber den Polystyrenharzen größere Poren und
geringere Ladungsdichten. Sie eignen sich besonders für den Ionenaustausch von Mak-
romolekülen, wie z. B. Proteinen. Bei dem unter dem Namen Sephadex (Abbildung 25.2)
25.1 · Ionenaustausch-Chromatographie 717

CH CH2 CH CH2 CH CH2

CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2

Vernetzung zwischen
den Polymerketten

CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH


Styren Divinylbenzen 25
Monomere
CH CH

Vernetztes Styren-Divinylbenzen-Kopolymer

CH CH2 CH CH2 CH

CH CH2 CH CH2 CH CH2

+ +
SO 3 H+ SO 3 H+ (CH3)3NCH2 Cl – CH2N(CH3)3 Cl –

CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2

+ +
SO 3 H+ SO 3 H+ CH2N(CH3)3 Cl– CH2N(CH3)3 Cl–
stark saures Kationenaustausch-Harz stark basisches Anionenaustausch-Harz

Abb. 25.1 Strukturen von Styren-Divinylbenzen-vernetzten Ionenaustauchharzen.

Tabelle 25.1 Ionenaustauschharze

Harztyp Chemische Zusammen- Handelsform Handelsname Selektivität Thermische


setzung Stabilität
Rohm & Dow
Haas Chemical

Stark saurer Sulfonsäuregruppen an Aryl–SO3–H+ Amberlite Dowex 50W Ag+ > Rb+ > Cs+ > K+ > gut bis 150 °C
Kationenaustau- Styren-Divinylbenzen- IR-120 NH4+ > Na+ > H+ > Li+
scher Kopolymeren Zn2+ > Cu2+ > Ni2+ > Co2

Schwach saurer Carbonsäuregruppen an R–COO–Na+ Amberlite – H+ >> Ag+ > K+ > Na+ gut bis 100 °C
Kationenaustau- Acrylsäure-Divinylbenzen- IRC-50 > Li
scher Kopolymeren H+ >> Fe2+ > Ba2+
Sr2+ > Ca2+ > Mg2+

Stark basischer Quaternäre Ammonium- Aryl– Amberlite Dowex 1 I–> Phenolat- > HSO4– > OH–-Form bis 50 °C
Anionenaustau- gruppen an Styren-Divi- CH2N(CH3)3+Cl– IRA-400 ClO4– > NO3– > Br– > CN– Cl–-und andere For-
scher nylbenzen-Kopolymeren > HSO3– > NO2– > Cl– > men gut bis 150 °C
HCO3– > IO3– > HCOO– >
Acetat– > OH– > F–

Schwach basi- Polyalkylamingruppen Aryl-NH(R)2+Cl– Amberlite Dowex 3 Aryl-SO3H > Citro- ausführliche Infor-
sche Anionen- an Styren-Divinylbenzen- IR-45 nensäure > H2SO4 > mationen liegen
austauscher Kopolymeren Weinsäure > Oxalsäure nicht vor; angenom-
> H3PO4 > H3AsO4 > mene Stabilität bis
HNO3 > HI > HBr > 65 °C
HCl > HF > HCOOH >
CH3COOH > H2CO3

Quelle: Entnommen aus J. X. Khym, Analytical Ion-Exchange Procedures in Chemistry and Biology (Englewood Cliffs, N): Prentice Hall, 1974).
718 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Dextran und mit ihm verwandte Stoffe gehandelten Polymer handelt es sich um mit Glycerin vernetztes Dextran. Andere makro-
werden als Gele bezeichnet, weil sie poröse Ionenaustauscher werden aus dem Polysaccharid Agarose oder aus Polyacrylamid
viel weicher als Polystyrenharze sind. hergestellt. Die an den Hydroxylgruppen des derivatisierten Polysaccharids gebundenen,
Die Abbildung 25.15 zeigt die Struktur geladenen funktionellen Gruppen sind in Tabelle 25.2 aufgelistet. Der DEAE-Sephadex-
von Polyacrylamid. Austauscher stellt beispielsweise einen Sephadex-Anionenaustauscher mit Diethylamino-
ethylgruppen dar.

Tabelle 25.2 Wichtige funktionelle Gruppen in Ionenaustauschergelen

Typ Abkürzung Name Strukur

Kationenaustauscher

Starke Säuren SP Sulfopropyl –OCH2CH2CH2SO3H


SE Sulfoethyl –OCH2CH2SO3H

Mittelstarke Säuren P Phosphat –OPO3H2

Schwache Säuren CM Carboxymethyl –OCH2COOH

Anionenaustauscher

Starke Basen TEAE Trietylaminoethyl –OCH2CH2N+(CH2CH3)3


QAE Diethyl(2-hydroxypropyl)-quaternärammonioethyl –OCH2CH2N+(CH2CH3)2CH2CHOHCH3

Mittelstarke Basen DEAE Diethylaminoethyl


ECTEOLA Triethanolamin über Glycerylketten an Cellulose gebunden –OCH2CH2N(CH2CH3)2
BD Benzoylierte DEAE-Gruppen

Schwache Basen PAB p-Aminobenzyl –O–CH2 NH2

CH2
HC O H
H
C OH H C O CH2
OH C C H C O H
H
H OH C OH H C O CH2
HO C C H C O H
H
H O C OH H C O

CH OH C C
2

Vernetzung HC OH H OH Polysaccharid-
Kette
CH2
H O
HO C C H
O CH2 OH
C H C O CH2
HC O H H C O H C
O H
H H
C OH H C O CH2 C OH H C O
O C C
HO C C
H OH
CH2 H OH

HC OH

CH2
OH

Abb. 25.2 Struktur von Sephadex (ein vernetztes Dextran).


25.1 · Ionenaustausch-Chromatographie 719

Selektivität des Ionenaustausches


Wir betrachten die Konkurrenz von Na+ und Li+ beim Besetzen der Plätze R– eines Kat-
ionenaustauschers:
⎡R −Li + ⎤ ⎡ Na + ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦
Selektivitätskoeffizient: R Na + Li U R Li + Na
– + + – + +
K= − + (25.1)
⎡R Na ⎤ ⎡Li + ⎤
⎣ ⎦⎣ ⎦
Die Gleichgewichtskonstante wird als Selektivitätskoeffizient bezeichnet, da die relative
Selektivität des Harzes für Li+- und Na+-Ionen beschreiben wird. Die Selektivitätskoef-
fizienten von Polystyrenharzen (siehe Tabelle 25.3) steigen mit der Vernetzung, da die 25
Porengröße des Harzes mit steigender Vernetzung sinkt. Für Ionen wie Li+, die im hyd- Polarisierbarkeit ist die Eigenschaft
ratisierten Zustand einen großen Radius besitzen (Kapitel 7, Einleitung), ist der Zugang der Elektronenwolke eines Ions, sich
zu den Austauscherplätzen des Harzes stärker eingeschränkt als für kleinere hydratisierte durch benachbarte Ladungen zu ver-
Ionen wie Cs+. formen. Die Deformation der Elektro-
Im Allgemeinen bevorzugen die Ionenaustauscher die Bindung der Ionen mit höherer nenwolke induziert auf dem Ion einen
Ladung, geringerem Hydratradius und zunehmender Polarisierbarkeit. Die recht generelle Dipol. Die Anziehung zwischen dem
Reihenfolge der Selektivität für Kationen lautet: induzierten Dipol und der benachbar-
ten Ladung verstärkt die Bindung des
Pu4+ >> La3+ > Ce3+ > Pr3+ > Eu3+ > Y3+ > Sc3+ > Al3+ >>
Ions zum Harz.
Ba2+ > Pb2+ > Sr2+ > Ca2+ > Ni2+ > Cd2+ > Cu2+ > Co2+ >Zn2+ > Mg2+ > UO22+ >>
Tl+ > Ag+ > Rb+ > K+ > NH4+ > Na+ > H+ > Li+
Die Reaktion 25.1 kann in beide Richtungen ablaufen, obwohl Na+ stärker als Li+ ge- Denken Sie daran, dass Na+ im hydra-
bunden wird. Wenn eine Säule mit gebundenen Na+-Ionen mit einem Überschuss an Li+ tisierten Zustand einen kleineren Radius
gewaschen wird, erfolgt ein Austausch der Na+-Ionen gegen Li+. Wird die Li+-Form der als Li+ besitzt.
Säule mit Na+-Ionen gewaschen, wird diese in die Na+-Form überführt.
Ionenaustauscher, die mit einer Ionenart beladen sind, können geringe Mengen ande-
rer Ionen nahezu quantitativ binden. So können Na+-beladene Harze geringe Mengen Li+-
Ionen nahezu vollständig binden, auch wenn die Selektivität für Na+ größer ist. Die glei-
che Säule bindet große Mengen Ni2+ oder Fe3+, da das Harz eine größere Selektivität für
diese Ionenarten im Vergleich zum Na+ aufweist. Auch wenn Fe3+ fester als H+ gebunden
wird, können die Fe3+-Ionen durch Waschen mit einem Überschuss an Säure quantitativ
von der Säule entfernt werden.

Tabelle 25.3 Relative Selektivitätskoeffizienten von Ionenaustauscherharzen

Kationenaustauscher mit Sulfonsäuregruppen Anionenaustauscher mit quaternären


Ammonium-Gruppen

Relative Selektivität (bezogen auf Li+)

Divinylbenzen-Anteil

Kation 4% 8% 10 % Anion Relative Selektivität


(bezogen auf Cl–)

Li+ 1.00 1.00 1.00 F– 0.09

H+ 1.30 1.26 1.45 OH– 0.09


+ Cl–
Na 1.49 1.88 2.23 1.0

NH4+ 1.75 2.22 3.07 Br– 2.8

K+ 2.09 2.63 4.15 NO3– 3.8


+ I–
Rb 2.22 2.89 4.19 8.7

Cs+ 2.37 2.91 4.15 ClO4– 10.0

Ag+ 4.00 7.36 19.4

Tl+ 5.20 9.66 22.2

Quelle: Amberlite Ion Exchange Resins – Laboratory Guide (Rohm & Haas Co., 1979.
720 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Donnan-Gleichgewicht
Eine Phase mit gebundenen Ladungs- Wenn ein Ionenaustauscher in eine Elektrolytlösung getaucht wird, ist die Konzentration
trägern schließt Elektrolyte aus. des Elektrolyten außerhalb des Harzes höher als innerhalb. Das Gleichgewicht zwischen
den Ionen in der Lösung und den Ionen innerhalb des Harzes wird Donnan-Gleichge-
wicht genannt.
Betrachten wir einen Anionenaustauscher mit quaternären Ammoniumgruppen (R+)
in seiner Cl–-Form, der in eine KCl-Lösung taucht. Die Konzentration eines Ions inner-
halb der Membran sei [X]i, die außerhalb der Membran [X]o. Aus der Thermodynamik
geht hervor, dass das Ionenprodukt innerhalb des Harzes näherungsweise dem außerhalb
des Harzes gleich ist:
[K+]i[Cl–]i = [K+]o[Cl–]o (25.2)
H+ und OH– werden unter der An- Aus Gründen der Elektroneutralität folgt
nahme, dass ihre Konzentrationen in
[K+]o = [Cl–]o (25.3)
neutraler Lösung vernachlässigbar
sind, in den Gleichungen nicht berück- Innerhalb des Harzes treten drei verschiedene geladene Spezies auf, die Ladungsbalance
sichtigt. ergibt sich folglich zu
[R+]i + [K+]i = [Cl–]i (25.4)
wobei [R+
] die Konzentration der quaternären Ammoniumionen darstellt, die an das
Harz gebunden sind. Setzt man die Gleichungen 25.3 und 25.4 in Gleichung 25.2 ein,
erhält man
[K+]i([K+]i + [R+]i) = [K+]o2 (25.5)
Danach muss [K+ +
]o größer sein als [K ]i.

> Beispiel
Ausschluss von Kationen durch einen Anionenaustauscher
Nehmen wir an, die Konzentration der kationischen Austauschplätze im Harz sei 6.0 M. Wie
groß ist das Verhältnis [K+]o/[K+]i, wenn die Cl–-Form dieses Harzes in 0.050 M KCl-Lösung
gebracht wird?

Lösung Nehmen wir an, dass [K+]o unverändert 0.050 M bleibt. Aus Gleichung 25.5 folgt
dann

[K+]i([K+]i + 6.0) =(0.050)2 ⇒ [K+]i = 0.000 42 M

Die Konzentration an K+ beträgt innerhalb des Harzes weniger als 1 % der Außenkonzent-
ration.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie [K+]i, wenn die Konzentration der kationischen Aus-
tauscherplätze 3.0 M statt 6.0 M ist. Ist Ihr Ergebnis sinnvoll? (Lösung: 0.000 83 M)

Die hohe Konzentration der positiven Ionen mit der gleichen Ladung wie die Festionen des Harzes werden ausgeschlossen (ein
Ladung im Inneren des Harzes stößt Harz mit quaternären Ammoniumgruppen schließt K+-Ionen aus). Das Gegenion, Cl–,
die Kationen vom Harz ab. wird vom Harz nicht ausgeschlossen. Es existiert keine elektrostatische Barriere für das
Eindringen eines Anions in das Harz. Der Anionenaustausch im Harz mit quaternären
Ammoniumgruppen findet unabhängig von der Abstoßung der Kationen durch das Harz
statt.
Das Donnan-Gleichgewicht bildet die Grundlage der Ionenausschluss-Chromatogra-
phie. Weil verdünnte Elektrolyte vom Harz ausgeschlossen werden, laufen sie schneller
durch die Säule als Nichtelektrolyte, wie z. B. Zucker, der unbeeinflusst in das Harz ein-
dringen können. Wenn eine Lösung aus NaCl und Zucker über einen Ionenaustauscher
geschickt wird, läuft die NaCl-Fraktion vor der des Zuckers aus der Säule.
25.1 · Ionenaustausch-Chromatographie 721

Durchführung der Ionenaustausch-Chromatographie


Ionenaustauscherharze werden vor allem für kleine Moleküle (FM ≤ 500) eingesetzt, die Drei Klassen von Ionenaustauschern:
in die kleinen Poren des Harzes gelangen können. Teilchen mit einem mesh-Wert (Ta- 1. Harze
belle 27.2) von 100/200 sind in den meisten Fällen geeignet. (Die Angabe mesh beschreibt 2. Gele
die Anzahl der Öffnungen eines Siebes bezogen auf die Kantenlänge der Öffnung.) Hö- 3. Anorganische Austauscher
here Maschenzahlen (kleinere Teilchengrößen) führen zu besseren aber auch langsameren
Trennprozessen. Bei präparativen Trennungen kann die Probe 10–20 % des Säulenvolumens
einnehmen. Für große Moleküle (wie Proteine und Nukleinsäuren), die nicht in die Poren
des Harzes eindringen können, werden Ionenaustauschgele verwendet. Trennungen, die die 25
Anwendung harter chemischer Bedingungen (hohe Temperaturen, hoher Strahlungspegel,
stark basische Lösung, Anwesenheit starker Oxidationsmittel) notwendig machen, erfordern
anorganische Ionenaustauscher auf der Basis wasserhaltiger Oxide von Zr, Ti, Sn und W.
Die Gradientenelution, unter Anwendung ansteigender Ionenstärke oder veränder- Ein Ionenstärkegradient entspricht
lichem pH-Wert, ist in der Ionenaustauschchromatographie gängige Praxis. Betrachten einem Temperatur- oder Lösungsmit-
wir eine Säule, in der das Anion A– fester gebunden ist als das Anion B–. Wir trennen telgradienten.
A– von B– durch die Elution mit C–, das weniger stark gebunden wird als A– oder B–.
Wenn die Konzentration von C– steigt, wird B– schließlich verdrängt und bewegt sich zum
Säulenausgang. Bei einer deutlich höheren Konzentration von C– wird auch das Anion
A– eluiert.
In der Abbildung 25.3 wird ein Gradient von Ammoniumacetat bei der Anionenaus-
tauschtrennung der unterschiedlich geladenen Formen von Transferrin bei pH 6.0 ange-
wendet. Transferrin (Abbildung 17.7) hat eine Molekülmasse von etwa 81 000 und kann
zwei Fe3+-Ionen für den Transport durch das Blut binden. Am Protein befinden sich zwei
Kohlenwasserstoffketten, die beide ein bis vier endständige, negativ geladene Sialinsäure-
Zucker enthalten. Die häufigste Form, die in der Abbildung 25.3 mit S4 bezeichnet ist,
besitzt vier Sialinsäure-Gruppen. Transferrin-Moleküle mit unterschiedlicher Anzahl von
Sialinsäure-Zuckern sind die Isoformen S2 bis S6 der Abbildung 25.3. Bei einigen Krank-
heiten verändern sich die relativen Mengen der einzelnen Isoformen. In der Abbildung
25.3 wurde Transferrin dadurch bestimmt, dass das Eluat in ein ICP-Massenspektrometer
zur Messung von 56Fe (Abschnitt 20.6) geleitet wurde. Spezies im Serum, die kein Eisen
enthalten, sind dann unsichtbar.

0.20
0.15 Ammonium-
acetat (M)
0.10
0.05
0

3.0
S4 S4-Isoform von Transferrin
− Kohlenhydrat-Kette
CO2
Abb. 25.3 Ionenstärkegradient bei der
Millionen 56Fe Einheiten

Anionenaustauschtrennung der Isofor-


2.0
− − men S2 bis S6 des Proteins Transferrin, das
CO2 CO2
zwei bis sechs Sialinsäure-Gruppen trägt.
Die 5 × 50-mm-Säule enthielt Pharmacia
Mono-Q-Harz, das aus Kugeln von 10 μm
− Durchmesser besteht und über quater-
CO2
1.0 näre Ammoniumionen als Anionenaus-
Carboxylgruppen tauscher verfügt. [S. A. Rodriguez, E. B.
der Sialinsäure Transferrin Gonzales, G. A. Llamas, M. Montes-Bayon
S5
S3 und A. Sanz-Mendel, „Detection of Trans-
S2 S6 ferrin Isoforms in Human Serum: Compa-
0 rison of UV and ICP-MS Detection after
5 10 15 20 25 30 35 40 CZE and HPLC Separations“, Anal. Bioanal.
Zeit (min) Chem. 2005, 383, 390.]
722 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Anwendungen des Ionenaustausches


Der Ionenaustausch kann dazu verwendet werden, ein Salz in ein anderes umzuwandeln.
Zum Beispiel kann Tetrapropylammoniumhydroxid aus dem Tetrapropylammoniumsalz
eines anderen Anions hergestellt werden:
Anionenaustauscher
(CH3CH2CH2)4N+I– ⎯⎯⎯⎯⎯⎯→

(CH3CH2CH2)4N+OH–
OH -Form

Voranreicherung: Methode zur An- Der Ionenaustausch wird für die Voranreicherung niedrigkonzentrierter Spurenbestand-
reicherung (Konzentrierung) von Spu- teile aus Lösungen auf eine für die Analyse ausreichende Konzentration verwendet. Zum
renkomponenten einer Probe vor ihrer Beispiel werden im GEOTRACES-Programm (Exkurs 20.2) Spuren von Al, Mn, Fe, Cu,
Bestimmung Zn und Cd im part-per-trillion Bereich in Gegenwart von Na+, Ca2+ und Mg2+, die in um
Größenordnungen höheren Konzentrationen vorliegen, im Meerwasser bestimmt. Die
Spurenelemente werden angereichert und von den Alkali- und Erdalkaliionen durch das
Chelat-PA1- Ionenaustauscherharz (Abbildung 25.4) abgetrennt. Die Analytionen werden
von Ethylendiamintriessigsäuregruppen im Harz ab pH 6 und darüber quantitativ gebun-
den. Die Alkali- und Erdalkalielemente werden hingegen bei pH 6 kaum festgehalten. Bei
dem Verfahren werden 125 g Meerwasser (mit Ammoniumacetat-Puffer auf pH 6 einge-
stellt) durch 0.5 g des Harzes gespült und alle schwach gebundenen Metallionen mit 40 mL
dieses Puffers ausgewaschen. Die stark gebundenen Ionen werden dann quantitativ mit
15 mL HNO3 in umgekehrter Richtung eluiert. Die Spurenmetalle wurden dabei um den
Faktor 8 aus 125 g Meerwasser auf ~15 g Eluat konzentriert und >99.9 % der Alkali- und
Erdalkalimetalle wurden entfernt. Das Eluat wird anschließend mit ICP-MS analysiert.
Wasserenthärter nutzen den Ionenaustausch wird benutzt, um Wasser zu reinigen. Entionisiertes Wasser wird
Ionenaustausch, um Ca2+ und Mg2+ erzeugt, indem Wasser durch einen Anionenaustauscher in der OH–- Form und einen Kat-
aus „hartem“ Wasser zu entfernen ionenaustauscher in der H+-Form gespült wird. Wenn man annimmt, dass sich Cu(NO3)2
(Exkurs 11.3). in der Lösung befindet, bindet der Kationenaustauscher die Cu2+-Ionen und ersetzt sie
durch 2 H+. Der Anionenaustauscher bindet das NO3– und ersetzt es durch OH–. Als Eluat
erhält man reines Wasser.
H+ Ionenaustausch
Cu2+ ⎯⎯⎯⎯⎯⎯→ 2 H+ ⎫
OH– Ionenaustausch ⎬ ⎯→ reines H2O
NO3– ⎯⎯⎯⎯⎯⎯→ 2 OH– ⎭
In vielen Laborgebäuden wird das Leitungswasser zur Adsorption organischer Verbin-
dungen über Aktivkohle geleitet und danach durch Umkehrosmose gereinigt. Bei diesem

CH2COOH
N CH2COOH
N N
Abb. 25.4 Das zur Anreicherung H CH2COOH
von Spurenmetallen aus Meerwasser Ethylendiamintriessigsäure
Harz OH
eingesetzte Nobias Chelate-PA1-
Harz hat kovalent an das hydrophile CH2COOH
Methacrylat-Polymerharz gebundene N Iminodiessigsäure
CH2COOH
Ethylendiamintriessigsäure- und
Iminodiessigsäure-Gruppen. Die Kurven
zeigen den Anteil der vom Harz gebun- Nobias Chelate-PA1
denen Metallionen in Abhängigkeit
vom pH-Wert. Mn2+ und Al3+ werden im
gebundener Anteil (%)

Unterschied zu Na+ und Ca2+ bei pH 6


gut zurückgehalten. [Y. Sohrin, S. Urus- 100 Na+ Ca2+ Mn2+ Al3+
hihara, S. Nakatsuka, T. Kono, E. Higo, 80
T. Minami, K. Norisuye und S. Umetani, 60
„Multielemental Determination of GEO- 40
TRACES Key Trace Metals in Seawater 20
by ICPMS after Preconcentration Using
an Ethylenediaminetriacetic Acid Chela- 3 6 9 3 6 9 3 6 9 3 6 9
ting Resin“, Anal. Chem. 2008, 80, 6267.] pH pH pH pH
25.1 · Ionenaustausch-Chromatographie 723

Verfahren wird Wasser durch eine Membran gedrückt, durch deren Poren nur wenige
Moleküle, die größer als H2O sind, passieren können. Ionen können nicht durchtreten,
weil die Radien ihrer Hydrathüllen zu groß sind. Mit der Umkehrosmose werden 95–99 %
der Ionen, organischen Moleküle, Bakterien und Partikel aus dem Wasser entfernt.
In vielen Laboratorien werden nach der Umkehrosmose weitere Wasserreinigungs-
systeme verwendet. Das Wasser wird durch einen Aktivkohlefilter und mehrere Io-
nenaustauschkartuschen geschickt, in denen die Ionen in H+ und OH– umgewandelt
werden. Das so gewonnene hochreine Wasser hat einen Widerstand (Kapitel 14, Fußnote
37) von 180 000 Ω∙m (18 MΩ∙cm) mit Konzentrationen der einzelnen Ionen unter 1 ng/
mL (1 ppb).2 25
Die Kationenaustauschchromatographie wurde zur Trennung der Enantiomere (Spie- Spiegel-
ebene
gelbild-Isomere) von kationischen Metallkomplexen durch Elution mit einem Enantio-
CO2 CO2
mer des Tartrat-Anions angewendet.3 Tartrat hat unterschiedliche Bildungskonstanten
für die Ionenpaare mit den kationischen Enantiomerkomplexen, so dass diese die Säule
H C OH HO C H
nacheinander verlassen.
Bei Medikamenten werden Ionenaustauscher zur Stabilisierung der Arzneimittel HO C H H C OH
und als Hilfe für den Tablettenzerfall eingesetzt. Ionenaustauscher dienen auch zur Ge-
schmacksmaskierung. Weiterhin werden sie für Retard-Produkte, bei der Lokaltherapie CO2 CO2
der Haut und für Anwendungen beim Auge und in der Nase eingesetzt.4 ( )-Tartrat ( )-Tartrat

Gleichzeitige Trennung von Anionen und Kationen


in einer Säule
Im Abschnitt 24.1 wurde die hydrophile Wechselwirkungschromatographie (HILIC) mit
einer polaren stationären Phase und einer gemischten organisch-wässrigen Phase behan-
delt. Die zwitterionische, gebundene stationäre Phase in der Abbildung 24.14 hat fixierte
positive und negative Ladungen und kann für die simultane Trennung von Anionen und
Kationen eingesetzt werden. Bei der HILIC wird ein gemischtes wässrig-organisches Elu-
tionsmittel verwendet. Der Gradient in der Abbildung 25.5 geht von 85 Vol% zu 10 Vol%
Acetonitril. Die Elutionskraft steigt, wenn der Anteil des Acetonitril abnimmt.

Cl − 3−
2− PO4
SO4

Na+ K+
Signal des Lichtstreudetektors

Br −
Ca2+

Mg2+

Zn2+

5 10 15 20
Zeit (min)

Abb. 25.5 Trennung von Kationen und Anionen an der zwitterionischen stationären Phase ZIC-HILIC®
(Abbildung 24.14). Partikelgröße 5 μm. Detektion: Lichtstreudetektor bei 55 °C und 3 bar N2. Säule: 4.6
× 250 mm, Elution mit 1 mL/min. Lösungsmittel A: 85 Vol% Acetonitril – 15 Vol% wässriger Puffer (100
mM Ammoniumacetat, pH 5). Lösungsmittel B: 10 % Acetonitril – 90% Puffer. Gradient: 0–2 min, 100
% A, 2–22 min linearer Gradient zu 100 % B. [D. S. Risly und B. W. Pack, „Simultaneous Determination
of Positive and Negative Counterions Using a Hydrophilic Interaction Chromatography Method“, LCGC
2006, 24, 776.]
724 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Welche Ionen gibt es im unberührten 25.2 Ionenchromatographie


Schnee? Der antarktische Schnee ist ein
Maßstab für die globale Atmosphären- Die Ionenchromatographie ist eine Hochleistungsversion der Ionenaustauschchromato-
chemie, denn es gibt dort keine loka- graphie. Sie ist die Methode der Wahl für die Anionenanalytik.5 So wird sie beispielsweise
len Verschmutzungsquellen. In einer in der Halbleiterindustrie zur Bestimmung von Anionen und Kationen im entionisierten
Studie wurden folgende Spezies durch Wasser im 0.1 ppb-Bereich eingesetzt.
Ionenchromatographie gefunden:

Gefundene Konzentra- Ionenchromatographie mit Suppressortechnik


tionen (μg/L = ppb) für Anionen und Kationen
Ion Minimum Maximum
In der Suppressor-Anionenchromatographie (Abbildung 25.6a) wird ein Gemisch von

F 0.10 6.20 Anionen durch Ionenaustausch getrennt und durch Leitfähigkeitsmessungen detektiert.
Cl– 25 40 100 Das Charakteristikum der Suppressortechnik ist die Entfernung unerwünschter Elektro-
lyte vor der Leitfähigkeitsdetektion.
Br– 0.8 49.4 Zum besseren Verständnis stelle man sich eine Probe aus NaNO3 und CaSO4 vor, die
NO3– 8.6 354 auf die Trennsäule – eine Anionenaustauschersäule in der Hydroxidform – aufgegeben
wird und anschließend mit KOH eluiert wird. NO3– und SO42– setzen sich mit dem Harz
SO42– 10.6 4 020
ins Gleichgewicht und werden langsam durch OH– des Eluenten verdrängt. Na+ und Ca2+
H2PO4– 1.8 49.0 werden nicht zurückgehalten und somit einfach ausgewaschen. Schließlich werden KNO3
HCOO– 1.1 45.7
und K2SO4 von der Trennsäule eluiert (siehe den oberen Teil von Abbildung 25.6a). Die
Detektion dieser Verbindungen ist jedoch wegen der hohen KOH-Konzentration in der
CH3COO– 5.0 182 Lösung sehr schwierig, da diese aufgrund ihres hohen Beitrages zur Leitfähigkeit die Sig-
CH3SO3– 1.1 281 nale der Analyten überdeckt.
Um dieses Problem zu beseitigen, wird die Lösung als nächstes durch einen Suppressor
NH4+ 2.4 46.5
geschickt, in welchem Kationen durch H+-Ionen ersetzt werden. In unserem Bespiel wird
Na+ 15 17 050 K+ gegen H+ ausgetauscht. H+ diffundiert von der hohen Konzentration außerhalb der
Membran zum Gebiet niedriger Konzentration im Inneren der Membran. K+ diffundiert
K+ 3.1 740
von der hohen Konzentration innen zur niedrigen Konzentration außen. Dort wird K+
2+
Mg 2.7 1 450 ständig abtransportiert, so dass seine Konzentration stets klein ist. Das führt schließlich
Ca2+ 12.6 1 010 dazu, dass aus dem Elutionsmittel KOH mit seiner hohen Leitfähigkeit Wasser mit einer
viel geringeren Leitfähigkeit gebildet wird. Aus den Analyten Nitrat und Sulfat entstehen
Quelle: R. Udisti, SA. Bellandi und G. Pic- die starken Säuren HNO3 und H2SO4, deren hohe Leitfähigkeit gut gemessen werden
cardi, „Analysis of Snow from Antarctica“, kann.
Fresenius J. Anal.Chem. 1994, 349, 289.
Die Suppressor-Kationenchromatographie wird in analoger Weise durchgeführt,
hier ersetzt jedoch der Suppressor Cl– des Elutionsmittels durch OH– aus einer Anionen-
austauschmembran. Die Abbildung 25.6b zeigt die Trennung von NaNO3 und CaSO4. Bei
In der Trennsäule werden die Analyte Verwendung von HCl als Eluent treten NaCl und CaCl2 aus der Trennsäule und NaOH
getrennt, der Suppressor tauscht den und Ca(OH)2 aus der Suppressorsäule aus. Das HCl-Eluat wird im Suppressor in H2O
ionischen Eluenten gegen nichtioni- umgewandelt.
sche Spezies aus. In der Abbildung 25.7 ist ein Praktikumsexperiment zur Bestimmung der Ionen in
Teichwasser dargestellt. Als Elutionsmittel für die Anionentrennung diente ein NaHCO3/
Das Benzen-1,4-diammonium-Kation Na2CO3-Puffer. Nach Passieren des Suppressors wird aus dem Elutionsmittel eine Lösung
ist ein stärkerer Eluent und kann von H2CO3, die nur eine geringe Leitfähigkeit hat.
anstelle von H+ für die Suppressor- Die H+- bzw. OH–-Lösungen für die Elution oder als Suppressoren werden in auto-
Ionenchromatographie von Kationen matisierten Systemen durch Elektrolyse von H2O hergestellt. In der Abbildung 25.8 ist
verwendet werden. In der Suppres- ein System gezeigt, in dem über 1 000 Stunden KOH für die isokratische oder Gradien-
sorsäule wird ein neutrales Produkt tenelution erzeugt wird, bevor eine Erneuerung der Reagenzien erforderlich ist. In dem
gebildet: Reservoir einer wässrigen Lösung von K2HPO4 reagiert das Wasser an der Metallanode
zu H+ und O2 (g). H+ reagiert mit HPO42– zu H2PO4–. Für jedes H+-Ion, das erzeugt wird,
OH
H3N NH 3 H2N NH 2 wandert ein K+-Ion durch die Kationenaustauscher-Membransperre, die zwar K+ jedoch
Benzen-1,4-diammoniumion keine Anionen und nur eine vernachlässigbare Flüssigkeitsmenge durchlässt. Die Mem-
bran muss dem hohen Flüssigkeitsdruck in der KOH-Bildungskammer standhalten, der
für die chromatographische Säule benötigt wird. Für jedes H+, das an der Anode erzeugt
wird, fließt ein K+ durch die Kationenaustausch-Barriere und es entsteht ein OH– an der
Kathode. Die aus der KOH-Bildungskammer kommende Flüssigkeit enthält KOH und H2.
Der Flüssigkeitsstrom wird durch eine Anionenfalle geführt, die anionische Spuren, wie
25.2 · Ionenchromatographie 725

KOH- HCl-
Eluent- Eluent-
Eingang Eingang
Anionen- Kationen-
Chromatographie Chromatographie
Probe Probe
NaNO3 + CaSO4 NaNO3 + CaSO4

Separator KOH Separator HCl


Anionen- Kationen-

Konzentration
trennsäule

Konzentration
trennsäule NaCl
(stark KNO3 (stark
basischer K2SO4 saurer CaCl2 25
Anionen- Kationen-
austauscher austauscher
in OH–-Form) in H+-Form)
Elutionszeit Elutionszeit

+ –
K Cl

Konzentration
NaOH
Konzentration

K+ HNO3 Cl–
H2SO4 Ca(OH)2
SO2–
4 Ca 2+
Suppressor Suppressor

H+ OH–
NO3– Na+
Elutionszeit Elutionszeit

Leitfähigkeits- Leitfähigkeits-
H+ detektor OH– detektor

Kationenaustausch- Anionenaustausch-
Membran Membran
Abfall Abfall
a b

Abb. 25.6 Schematische Darstellung der Ionenchromatographie mit Suppressortechnik für Anionen
(a) und Kationen (b).

Standards Standards K+
F– – SO42–
CI Na+ 2+
NO3– LI+ Mg2+ Ca

HPO42– NH+4
Abb. 25.7 Ionenchromatographie von
Teichwasser. Die oberen Chromato-
gramme wurden aus Standardmischun-
gen erhalten. Die Konzentrationen der
Leitfähigkeit

Ionen in den unteren Chromatogrammen


Ca2+ von Teichwasser liegen in der Größenord-
CI– Teichwasser Teichwasser
24.0 nung von μg/ml (ppm). Die Anionenana-
43.6
lyse wurde mit der IonPac AS 14-Säule
NH4+ Mg2+ durchgeführt. Eluent: 1.0 mM NaHCO3/
0.2 7.3
3.5 mM Na2CO3 mit Ionen-Suppression
Na+ K+
und Leifähigkeitsdetektion. Bei der Ka-
2.8 3.5 tionenanalyse wurde eine IonPac CS 12-
F– NO3– SO2–
4 Säule mit 11 mM H2SO4 als Elutionsmittel
0.26 5.5 12.6 sowie Ionen-Suppression und Leitfähig-
keitsdetektion verwendet. [K. Sinniah
und K. Piers, „Ion Chromatography: Ana-
0 3 6 9 12 15 0 2 4 6 8 10 12 14 lysis of Ions in Pond Waters“, J. Chem. Ed.
Retentionszeit (min) 2001, 78, 358.]
726 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Öffnung

+ geregeltes
Pt-Anode Stromnetzteil

2H+ + 12 O2 + 2e– –

K+-Reservoir H2O
2L2M
K2HPO4

H2-permeable
Kationenaustauscher- Kapillare
Membransperre
K+ Flüssigkeits- Flüssigkeits-
ausgang eingang
Abb. 25.8 Elektrolytischer KOH-Gene- Pumpe
rator für die Ionenchromatographie.
Wasser-
[Y. Liu, K. Srinivasan, C. Pohl und N. Ausgang für
einlass H2-Stripper
Avdalovic, „Recent Developments in KOH zur
Electrolytic Devices for Ion Chromato- KOH-Bildungs- Trennsäule
Pt-Kathode Anionenfalle
graphy“, J. Biochem. Biophys. Methods kammer 2H2O + 2e– 1
KOH + 2 H2(g) Ausgang
2004, 60, 205.] H2(g) + 2OH–

Carbonat sowie Abbauprodukte des Ionenaustauscherharzes entfernt. Die Falle wird


kontinuierlich mit elektrolytisch erzeugten OH– aufgefüllt (nicht in der Abbildung
gezeigt). Nach der Falle fließt die Lösung durch eine Kunststoffkapillare, die für H2
durchlässig ist, der in einen äußeren Flüssigkeitsstrom diffundiert und beseitigt wird.
Die von der Apparatur in Abbildung 25.8 erzeugte Konzentration von KOH wird durch
die Fließgeschwindigkeit der Flüssigkeit und die elektrische Stromstärke bestimmt.
Durch Computerregelung der Stromversorgung kann ein reprozierbarer Gradient er-
zeugt werden.
Früher waren die KOH-Eluenten gewöhnlich mit CO32– verunreinigt. Wenn CO32–
nach der Ionenaustauschersäule durch den Suppressor läuft, wird es in H2CO3 umge-
wandelt, das mit seiner geringen Leitfähigkeit bei der Detektion der Analyte etwas stört.
Bei der Gradientenelution nimmt mit steigender KOH-Konzentration auch die Konzen-
tration von H2CO3 zu und damit auch die Untergrundleitfähigkeit. Der Rohstoff für den
elektrolytischen Generator ist reines H2O und das Produkt ist eine wässrige KOH-Lösung
mit sehr wenig CO32–. Die Abbildung 25.9 zeigt die Trennung von 31 Anionen unter An-
wendung eines Hydroxid-Gradienten.
Die Suppressoren der Abbildung 25.6 wurden durch Elektrolyse-Baugruppen er-
setzt (Abbildung 25.10), die H+ und OH– zur Neutralisierung des Eluats erzeugen
und nur H2O als Ausgangsstoff benötigen. Durch die elektrolytische Erzeugung des
Elutionsmittels und Unterdrückung der Leitfähigkeit wurde die Ionenchromatogra-
phie stark vereinfacht und in hohem Maß automatisiert. Inzwischen gibt es leicht
zugängliche Software zur Simulierung und Optimierung ionenchromatographischer
Trennungen.6

Ionenchromatographie ohne Suppressortechnik


Wenn die Ionenaustauschkapazität der Trennsäule sehr niedrig ist und verdünnte Elu-
enten verwendet werden, ist die Anwendung der Suppressortechnik nicht notwendig.
Außerdem können die Anionen schwacher Säuren, wie Borat, Silikat, Sulfid und Cyanid
nicht mit der Ionensuppression bestimmt werden, weil sie kaum leitende Reaktionspro-
dukte bilden, wie z. B. H2S.
Für die Anionenchromatographie ohne Suppression werden Harze mit einer Austausch-
kapazität von etwa 5 μmol/g eingesetzt. Als Eluenten werden 10–4 M Na+- oder K+-Salze
der Benzoesäure, p-Hydroxybenzoesäure oder der Phthalsäure verwendet. Diese Eluenten
25.2 · Ionenchromatographie 727

15

21
23
22

5
Leitfähigkeit

28
11 25
19
6 9 14 24 27 31
7 26
2 3 20
17 29
16
4 8 13

1
10
18 30 25
12

0 5 10 15
Zeit (min)

Abb. 25.9 Anionentrennung durch Ionenchromatographie mit einem Gradienten von elektrolytisch
gebildetem KOH und Leitfähigkeitsdetektion nach Suppression. Säule: Dionex IonPac AS11; 4 mm
Durchmesser; Fluss= 2 mL/min; Eluent: 2.5 min 0.5 mM KOH, von 2.5–6 min 0,5–5.0 mM KOH, von
6–18 min 5.0–38.2 mM KOH. Peaks; (1) Chinasäure, (2) F–, (3) Acetat, (4) Propionat, (5) Formiat, (6)
Methylsulfonat, (7) Pyruvat, (8) Valerat, (9) Chloracetat, (10) BrO3–, (11) Cl–, (12) NO2–, (13) Trifluoracetat,
(14) Br–, (15) NO3–, (16) ClO3–, (17) Selenit, (18) CO32–, (19) Malonat, (20) Maleat, (21) SO42–, (22) C2O42–, (23)
Wolframat, (24) Phthalat, (25) Phosphat, (26) Chromat, (27) Citrat, (28) Tricarballylat, (29) Isocitrat, (30)
cis-Aconitat, (31) trans-Aconitat. [Freundlicherweise von Dionex Corp., Sunnyvale, CA, zur Verfügung
gestellt.]

K X hinein
KOH-Eluent
H2O aus der KOH
O2 hinaus Trennsäule H2O
H2 hinaus
H2
2e

Kathode
Anode

2OH

H H OH
2 O2

H2O
1

K
2H2O
2H

H X hinaus
zum Detektor
H2O

2e

H2O hinein H2O hinein


Kationen-
austausch-
Membran

Abb. 25.10 Die elektrolytische Suppression für die Anionenchromatogrphie wandelt das Elutionsmittel
KOH in H2O um.

erzeugen eine sehr kleine Untergrundleitfähigkeit und die Analytionen, die eine nur CO 2 Benzoat
geringe Leitfähigkeitsveränderung verursachen, lassen sich gut detektieren lassen, wenn
sie die Säule verlassen. Je nach Einstellung des pH-Wertes liegt die mittlere Ladung des
Eluentanions zwischen 0 und –2. Über den pH lassen sich somit Ionenstärke und Leit- HO CO 2 p-Hydoxybenzoat
fähigkeit des Eluenten kontrollieren. Selbst verdünnte Carbonsäuren, die geringfügig
dissoziiert sind, stellen geeignete Eluenten für spezielle Trennungen dar. Die Kationen- CO 2
chromatographie ohne Suppression wird mit verdünnter HNO3 als Eluent für einwertige Phthalat

Ionen und mit Ethylendiammoniumsalzen (+H3NCH2CH2NH+3 ) für zweiwertige Ionen CO 2


durchgeführt.
728 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

0
Zeit (min)
3 6 9
Detektoren
Der Leitfähigkeitsdetektor spricht auf alle Ionen an. In der Ionenchromatographie mit
Suppressortechnik ist die Messung des Analytsignals aufgrund der nahezu auf Null abge-
sunkenen Eluentleitfähigkeit sehr einfach. Die Suppressortechnik ermöglicht außerdem
den Einsatz von Konzentrationsgradienten des Eluenten.
In der Anionenchromatographie ohne Suppression ist die Leitfähigkeit des Analyt-
anions höher als die des Eluenten, so dass nur die Erhöhung der Leitfähigkeit gemessen
wird, wenn der Analyt die Säule verlässt. Die Nachweisgrenzen liegen normalerweise im
mittleren ppb- bis unteren ppm-Bereich. Durch die Verwendung von Carbonsäuren an
Extinktion

Stelle ihrer Salze als Eluent lassen sich diese aber um den Faktor 10 verringern.
Bei Verwendung von Benzoat- oder Phthalateluenten kann eine nachweisstarke (<1
ppm) indirekte Detektion von Anionen erfolgen. Der Eluent in Abbildung 25.11 hat eine
hohe, konstante UV-Absorption. In jedem auftretenden Peak wird eine äquivalente Menge
der absorbierenden Eluentanionen durch nichtabsorbierende Analytanionen ersetzt. Die
NO−3
Extinktion verringert sich folglich, wenn ein Analyt am UV-Detektor erscheint. In der Ka-
tionenchromatographie wird eine Lösung von CuSO4 als geeignetes UV-absorbierendes
CO2−
3 N−3 Elutionsmittel verwendet.
Cl− PO3−
4

Abb. 25.11 Indirekte spektralphoto- Ionenpaar-Chromatographie


metrische Detektion von transparenten
Ionen. Die Säule wurde mit 1 mM Natri- In der Ionenpaar-Chromatographie werden Umkehrphasen-HPLC-Säulen anstelle von
umphthalat plus 1 mM Boratpuffer, pH
Ionenaustauschsäulen zur Trennung polarer oder ionischer Verbindungen verwendet.8
10, eluiert. Das Prinzip der indirekten
Detektion wird in der Abbildung 25.35 Um Kationen (z. B. protonierte organische Basen) zu trennen, wird ein anionisches Ten-
erläutert. [Entnommen von H. Small, sid (Exkurs 25.1), wie z.B. n-C8H17SO3–, der mobilen Phase zugesetzt. Das Tensid belegt
„Indirect Photometric Chromatography“, die stationäre Phase und verwandelt diese in einen Ionenaustauscher (Abbildung 25.12).
Anal. Chem. 1982, 54, 462.] Die Analytkationen werden von den Tensidanionen angezogen.9 Der Retentionsmecha-
nismus ist eine Mischung von Umkehrphasen- und Ionenaustauschwechselwirkung. Zur
Trennung von Anionen können der mobilen Phase Tetrabutylammoniumsalze als Ionen-
paarreagenzien zugesetzt werden (Abbildung (25.13).
Die Ionenpaarchromatographie ist komplizierter als die Umkehrphasenchromatogra-
phie, da die Gleichgewichtseinstellung des Tensids mit der stationären Phase langsam ist
und die Trennung empfindlicher auf Änderungen von Temperatur oder pH reagiert. Die
Trennung wird auch von der Tensidkonzentration beeinflusst. Methanol ist ein geeignetes
organisches Lösungsmittel, da die ionischen Tenside besser in Methanol/Wasser- als in
Acetonitril/Wasser-Mischungen löslich sind. Entsprechend der Strategie, die wir bereits
mit dem Schema in der Abbildung 24.27 zur Methodenausarbeitung besprachen, werden

C8H17 S O−

O
BH+
− Na+ −
Na+

Cl−
+ +
− Na − Na

BH+ Cl−
Abb. 25.12 Ionenpaar-Chromatogra- Kieselgel
phie. Das zur mobilen Phase gegebene
Tensid Natriumoctadecylsulfonat wird
von der unpolaren stationären Phase
gebunden. Die von der stationären − Na+ −
BH+
Phase abstehenden negativen Sulfo-
natgruppen wirken als Ionenaustausch- gebundene
Na+
stellen für kationische Analyte, z. B. C18-Gruppen

protonierte organische Basen BH+. Cl
25.2 · Ionenchromatographie 729

überschüssiges

Galacturonsäure

Glycerinaldehyd
Glucuronsäure
Arabinose
Derivatisierungs-

Acetylgucosamin
Xylose
reagenz

Galactose
Glucose
Fluoreszenz

Mannose
Lactose
0 5 10 15 20 25 30
25
Retentionszeit (min)

Abb. 25.13 Trennung von Kohlenhydraten durch Ionenpaarchromatographie. Die Kohlenhydrate


wurden durch kovalente Bindung mit p-Aminobenzoat (H2N–C6H4–COO–) zu einem fluoreszierenden
Anion derivatisiert. Diese Anionen wurden auf einer 0.30 × 25 cm AQUA®-C18-Säule mit dem Tetrabu-
tylammoniumkation als Ionenpaarreagenz getrennt. Der Eluent hatte einen linearen 60-min-Gradien-
ten, beginnend mit dem Lösungsmittel A, einer wässrigen Lösung von 20 mM (n–C4H9)4N+HSO4–, pH
2, und endete mit 50:50 A:Methanol. Die Methode wurde zur Bestimmung von Kohlenhydraten im Si-
ckerwasser aus Mülldeponien im 10–100 ng/mL-Bereich verwendet. [A. Meyer, C. Raba und K. Fischer,
„Ion-Pair HPLC Determination of Sugars, Aminosugars and Uronic Acids“, Anal. Chem. 2001, 73, 2377.]

Exkurs 25.1

Tenside und Mizellen Cetyltrimethylammoniumbromid bildet in Wasser bei 25 °C


Ein Tensid ist ein Molekül, das sich an der Grenzfläche zwi- Mizellen aus ~61 Molekülen (Masse ≈ 22 000 u) bei einer kriti-
schen zwei Phasen ansammelt und die Oberflächenspannung schen Mizellkonzentration von 0.9 M.
verändert. (Die Grenzflächenspannung ist die Energie pro Flä-
cheneinheit, die zur Bildung einer Oberfläche oder Grenzflä-
che benötigt wird.) Moleküle mit langen hydrophoben Alkyl- Moleküle mit langem unpolare organische
Alkylketten und Verbindung, gelöst
ketten und einer ionischen Kopfgruppen bilden die wichtige geladener Kopfgruppe im Inneren der Mizelle
Stoffklasse der Tenside in wässriger Lösung:
− − −
CH3 + + + +

− + + −
N CH3 Br
+
+

CH3 + + −

Cetyltrimethylammoniumbromid
+ +
C16H33N(CH3)3+ Br– + + +
− + −

Eine Mizelle ist eine Aggregation von Tensiden. In Wasser
Gegenionen
lagern sich die hydrophoben Ketten zusammen, wirken somit in der Lösung
wie kleine Öltröpfen die von der wässrigen Phase durch die
ionischen Kopfgruppen abgetrennt sind. Bei niedrigen Kon- Struktur einer Mizelle, die sich bildet, wenn sich ionische Moleküle
zentrationen bilden die Tenside keine Mizellen. Wenn aber mit langen, unpolaren Alkylketten in wässrigen Lösungen zusam-
menlagern. Das Innere der Mizelle ähnelt einem unpolaren orga-
die kritische Mizellkonzentration überschritten wird, tritt eine
nischen Lösungsmittel, während die äußeren geladenen Gruppen
spontane Zusammenlagerung zu Mizellen ein.7 Die einzelnen starke Wechselbeziehungen mit Wasser eingehen. [F. M. Menger, R.
Tensidmoleküle stehen mit den Mizellen im Gleichgewicht. Zana und B. Lindman, „Portraying the Structure of Micelles“, J. Chem.
Unpolare organische Stoffe lösen sich im Inneren der Mizelle. Ed. 1998,75, 115.]

pH und Tensidkonzentration bei festgelegter Methanolkonzentration und Temperatur


variiert.10 Wegen der langsamen Gleichgewichtseinstellung des Tensids mit der stationä-
ren Phase ist die Gradientenelution in der Ionenpaarchromatographie nicht zu empfeh-
len. Viele Ionenpaarreagenzien haben eine beträchtliche UV-Absorption, wodurch die
UV-Detektion der Analyte problematisch ist. Stationäre Umkehrphasen mit eingebauten
polaren Gruppen (Seite 679) sind für polare Verbindungen eine mögliche Alternative zur
Ionenpaarchromatographie.
730 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

25.3 Molekülausschluss-Chromatographie

Große Moleküle bewegen sich schnel- In der Molekülausschluss-Chromatographie (auch als Größenausschluss-Chromatogra-
ler durch die Säule als kleine. phie, Gelfiltration oder Gelpermeations-Chromatographie bezeichnet) werden die Mole-
Gelfiltration: meist Verwendung ei- küle entsprechend ihrer Größe getrennt.11 Kleine Moleküle können in die Poren der stati-
ner hydrophilen stationären Phase und onären Phase eindringen, große Moleküle jedoch nicht (Abbildung 22.6). Weil damit die
eines wässrigen Elutionsmittels kleinen Moleküle durch ein größeres Volumen wandern müssen, werden große Moleküle
Gelpermeation: meist Verwendung zuerst eluiert (Abbildung 25.14). Diese Technik findet besonders in der Biochemie breite
einer hydrophoben stationären Phase Anwendung zur Reinigung von Makromolekülen.
und eines organischen Lösungsmittels Salze und andere Stoffe mit kleinem Molekulargewicht können aus Lösungen großer
Moleküle durch Gelfiltration entfernt werden, weil die großen Moleküle zuerst eluiert
werden. Diese bei Salzen als Entsalzung bezeichnete Technik wird bei der Veränderung
der Pufferzusammensetzung makromolekularer Lösungen eingesetzt.

Die Elutionsgleichung
Bei reinem Molekülausschluss werden Das Gesamtvolumen der mobilen Phase in einer chromatographischen Säule ist Vm und
alle Moleküle zwischen Kav = 0 und Kav umfasst das Lösungsmittel innerhalb und außerhalb der Gelpartikel. Das Volumen der
= 1 eluiert. mobilen Phase außerhalb der Gelpartikel wird als Leervolumen, V0 bezeichnet. Das Vo-
lumen innerhalb des Gels ist demnach Vm – V0. Es wird die Größe Kav eingeführt und wie
folgt definiert
Vr − V0
Kav = (25.6)
Vm − V0

mit Vr als dem Retentionsvolumen des Analyten. Für ein großes Molekül, das nicht in
das Gel eindringen kann, ist Vr = V0 und Kav = 0. Bei kleinen Molekülen, die ungehin-
dert in das Gel eindringen können, wird Vr = V0 und Kav = 1. Moleküle mittlerer Größe
können in einige Poren des Gels eindringen, aber nicht in alle. Kav liegt demzufolge
zwischen 0 und 1. Im Idealfall ist das Eindringen in die Poren des Gels der einzige
Mechanismus, durch den die Moleküle bei dieser Art der Chromatographie zurückge-
halten werden. Praktisch findet aber stets auch Adsorption statt, so dass Kav größer als
1 werden kann.
Das Leervolumen wird durch Elution eines großen, inerten Moleküls ermittelt.12
Dessen Elutionsvolumen wird als V0 definiert. Der Farbstoff Blau Dextran 2000 mit einer
Vt relativen Molekülmasse von 2 × 106 wird häufig für diesen Zweck eingesetzt. Das Ge-
Vo samtvolumen Vm wird aus dem gemessenen Säulenbettvolumen pro g des trockenen Gels
berechnet. Zum Beispiel nimmt 1 g trockenes Sephadex G-100 beim Quellen in wässriger
Lösung ein Volumen von 15–20 mL ein. Gleiche Massen unterschiedlicher fester Phasen
ergeben beim Quellen mit Lösungsmitteln stark variierende Volumina.

a b
Stationäre Phase13
Abb. 25.14 a) Große Moleküle können
Zu den Gelen, die in der Säulenchromatographie für den Molekülausschluss angewendet
nicht in die Poren der stationären Phase werden, zählen Sephadex (Tabelle 25.4), dessen Struktur in Abbildung 25.2 wiederge-
eindringen. Sie werden mit einem Lö- geben ist, und Bio-Gel P, ein mit N,N´-Methylenbisacrylamid vernetztes Polyacrylamid
sungsmittelvolumen eluiert, das dem (Abbildung 25.15). Die kleinsten Poren in stark vernetzten Gelen schließen Moleküle mit
Volumen der mobilen Phase in der Säule Molekülmassen ≥700 aus, die größten Poren solche mit Molekülmassen ≥108. Je kleiner
entspricht. b) Kleine Moleküle, die sich
innerhalb und außerhalb des Gels auf-
die Gelpartikel sind, desto größer ist die Auflösung und desto langsamer fließt die Lö-
halten können, benötigen zur Elution ein sung durch die Säule. Hydrophile HPLC-Säulenpackungen für den Molekülausschluss
größeres Volumen. Vt ist das Gesamtvolu- werden aus Polyvinylalkohol, Polyacrylamid und sulfoniertem Polystyren hergestellt.
men der Säule, das von Gel und Lösungs- Phasen auf Kieselgelbasis (Tabelle 25.4) mit definierten Porengrößen haben Bodenzahlen
mittel eingenommen wird. V0 ist das von 10 000–16 000 pro Meter. Das Kieselgel ist mit einer hydrophilen Phase beschichtet,
Volumen des Lösungsmittels außerhalb
der Gelpartikel. Vm ist das Gesamtvolu-
um die Adsorption der gelösten Stoffe zu minimieren. Ein hydroxyliertes Polyetherharz
men des Lösungsmittels innerhalb und mit einer wohldefinierten Porengröße kann im pH-Bereich von 2 bis 12 verwendet wer-
außerhalb der Gelpartikel. den, während sich silikatische Phasen oberhalb von pH 8 nicht mehr eignen. Um einen
25.3 · Molekülausschluss-Chromatographie 731

Tabelle 25.4 Materialien für die Molekülausschluss-Chromatographie

Gelfiltration in offenen Säulen TSK SW Silikagel für die HPLC

Name Fraktionierungsbereich für globuläre Name Porengröße (nm) Fraktionierungsbereich für globuläre
Proteine (u) Proteine (u)

Sephadex G-10 bis 700 G2000SW 13 500–60 000

Sephadex G-25 1 000–5 000 G3000SW 24 1 000–300 000

Sephadex G-50 1 500–30 000 G4000SW 45 5 000–1 000 000

Sephadex G-75 3 000–80 000 G5000SW 100 >1 500 000


25
Sephadex G-100 4 000–150 000

Sephadex G-200 5 000–600 000

Hersteller des Sephadex ist GE Amersham Biosciences. TSK SW Kieselgel wird von Tosoh Corp. hergestellt.

CONH2 CONH

CONH2 CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH

CH2 CH CONH CONH

Acrylamid CH2 CH2

CONH CONH2 CONH CONH2

CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH

O CONH

(CH2 CH C NH )2CH2 CH2 Vernetzung zwischen


den Polymerketten
N,N'-Methylenbisacrylamid
CONH2 CONH CONH2

CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH

CONH CONH

vernetztes Polyacrylamid Abb. 25.15 Struktur von Polyacrylamid.

breiteren Bereich der Molekülgrößen zu erfassen, können Partikel mit unterschiedlichen


Porengrößen gemischt werden.
Für die HPLC von hydrophoben Polymeren stehen vernetzte Polystyren-Beads mit
Porengrößen von 5 bis zu mehreren Hundert nm zur Verfügung. Mit Partikeln von ca. 5 μm
Durchmesser werden bis zu 80 000 Böden pro Meter Säulenlänge erreicht.

Bestimmung der Molekülmasse


Die Gelfiltration wird hauptsächlich zur Trennung von Molekülen mit deutlichen Unter-
schieden in den Molekülmassen verwendet (Abbildung 25.16). Für jede stationäre Phase
kann eine Kalibrationskurve konstruiert werden, in der log(Molekülmasse) gegen das
Elutionsvolumen aufgetragen wird (Abbildung 25.17). Damit kann die Molekülmasse einer
unbekannten Verbindung durch Vergleich ihres Elutionsvolumens mit dem von Standards
ermittelt werden. Es ist jedoch Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse geboten, da
Moleküle mit gleicher Molekülmasse aber unterschiedlicher Form voneinander abwei-
732 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

1 Glutamatdehydrogenase (290 000) chende Elutionseigenschaften haben. Bei der Elution von Proteinen muss eine möglichst
2 Lactatdehydrogenase (140 000)
hohe Ionenstärke (>0.05 M) verwendet werden, um eine elektrostatische Adsorption der
3 Enolasekinase (67 000)
4 Adenylatkinase (32 000) Analyte an vereinzelt auftretenden geladenen Positionen des Gels zu verhindern.
5 Cytochrom c (12 400) Nanopartikel können mit der Molekülausschluss-Chromatographie genauso wie Pro-
5 teine getrennt werden. Die Abbildung 25.18 zeigt die Beziehung zwischen der gemessenen
Größe und der Retentionszeit von CdSe-Quantenpunkten (quantum dots). Diese Par-
0.001
Extinktions-
tikel bestehen aus ~2 000 CdSe-Einheiten in einem dichten, kristallinem Kern, der mit
3
einheit 4 Alkylthiol-Gruppen (RS) am Cd und Trialkylphosphin-Gruppen (R3P) am Se bedeckt ist.
1 2

7
Extinktion bei 280 nm

100 μm
log(Molekülmasse)

10 μm
4
1 μm

50 nm 100 nm
3

2 10 nm
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 5 nm
Zeit (min)
5.0 6.0 7.0 8.0 9.0 10.0 11.0
Abb. 25.16 Protein-Trennung durch Elutionsvolumen (mL)
Molekülausschluss-Chromatographie an
einer TSK 3000SW-Säule. [Mit freundli- Abb. 25.17 Molekülmassen-Kalibrationskurven für Polystyren, bestimmt auf einer Beckman
cher Genehmigung von Varian Associa- μSpherogel-Molekülausschluss-Säule (0.77 × 30 cm). Die an den Kurven angegebenen Porengrößen
tes, Palo Alto, CA, USA.] reichen von 5 nm bis 100 μm. [Mit freundlicher Genehmigung von Anspec Co., Ann Arbor, MI, USA.]

S P

S Cd Se
P
Cd Se Cd Se
S P
0.9 Cd Se Cd Se Cd Se
log(Teilchendurchmesser, nm)

Teilchendurchmesser (nm)

7 Se Cd Se Cd Se Cd
S
P
0.8 Se Cd Se Cd
6
P S
Se Cd

P S
0.7 5

0.6 4
6.50 6.75 7.00 7.25
a Retentionzeit (min) b wirksamer Teilchendurchmesser

Abb. 25.18 Durch Größenausschluss-Chromatographie werden die größeren CdSe-Quantenpunkte


vor den kleineren mit 0.1 M Trioctylphosphin in Toluen (1.0 mL/min) eluiert. Säule: 7.5 × 300 mm ver-
netzte Polystyrensäule aus Polymer Labs PL Gel 5 μm mit 100 nm-Poren. Die Dreiecke gelten für CdSe
und die Quadrate für Polystyren-Kalibrationsstandards. Die Größe des CdSe-Kerns wurde mit einem
Transmissionselektronenmikroskop gemessen und die Länge der 1-Dodecanthiol-Gruppen (0.123 nm)
wurde zum Radius addiert. [K. M. Krueger, A. M. Al-Somali, J. C. Falkner und V. L. Colvin, „Characteriza-
tion of Nanocrystalline CdSe by Size Exclusion Chromatography“, Anal. Chem. 2005, 77, 3511.]
25.4 · Affinitätschromatographie 733

Die Quantenpunkte können sichtbare Strahlung emittieren, deren Wellenlänge von ihrer
Größe abhängt. Die Größe wird bei der Synthese durch die Reaktionszeit oder andere
Bedingungen kontrolliert. Quantenpunkte unterschiedlicher Größe werden auch als spek-
troskopische Label in der Biologie verwendet.14

25.4 Affinitätschromatographie

Die Affinitätschromatographie wird eingesetzt, um eine einzelne Verbindung aus einem


komplexen Gemisch zu isolieren. Das Prinzip basiert auf der spezifischen Bindung dieser 25
einen Komponente mit der stationären Phase (Abbildung 22.6). Beim Lauf der Probe durch
die Säule wird nur eine Komponente gebunden. Nachdem alle anderen Probenbestandteile
ausgewaschen wurden, wird die eine gebundene Komponente ebenfalls eluiert, indem die
Elutionsbedingungen so verändert werden, dass die Bindung geschwächt wird, z. B. durch
Veränderung des pH oder der Ionenstärke. Die Affinitätschromatographie wird besonders
in der Biochemie verwendet, wo sie auf den spezifischen Wechselwirkungen zwischen Enzy-
men und Substraten, Antikörpern und Antigenen oder Rezeptoren und Hormonen beruht.
Die Abbildung 25.19 zeigt die Isolierung des Proteins Immunoglobulin G (IgG) durch
Affinitätschromatographie an einer Säule, die das kovalent gebundene Protein A enthält.
Protein A bindet an eine spezifische Region von IgG bei pH ≥7.2. Wenn eine rohe Prote-
inmischung, die IgG enthält, bei pH 7.6 durch die Säule geschickt wird, wird alles außer
IgG innerhalb von 0.3 min eluiert. Nach einer Minute wird der pH-Wert auf 2.6 gesenkt
und IgG kann nach 1.3 min sauber eluiert werden.
Die optischen Isomeren eines Medikaments können sehr unterschiedliche therapeuti- N N
sche Wirkungen haben. Die Affinitätschromatographie kann zur Isolierung der einzelnen N
optischen Isomere für die Bewertung des Arzneimittels genutzt werden.15 Das potentielle NC H
Medikament auf dem Seitenrand hat zwei durch farbige Punkte gekennzeichnete chirale CH2C6H5
HO H
Kohlenstoffatome. Mit zwei möglichen Geometrien an jeder Stelle gibt es vier Stereoiso-
mere. Das Isomerengemisch wurde kovalent an ein Protein gebunden und zur Bildung
von Antikörpern als Immunantwort auf die Stereoisomere in Mäuse injiziert. Die Anti-
körper werden durch die B-Lymphozyten in der Milz produziert. Eine B-Zelle produziert
nur eine Art von Antikörpern. Durch Isolierung einzelner B-Zellen kann das Gen für den
Antikörper auf jedes der Stereoisomere gewonnen werden. Das Gen kann zur Massenpro-
duktion einer einzigen Art von Antikörper, monoklonaler Antikörper genannt, in die DNA
der Zellen von Escherichia coli (E. coli) eingebaut werden. Wenn die Mischung der Ste-
reoisomere über eine Säule geführt wird, auf der nur eine Sorte des Antikörpers gebunden
ist, wird von den vier Stereoisomeren nur eins zurückgehalten. Durch pH-Erniedrigung
kann das gebundene Isomere in reiner Form eluiert werden.
Exkurs 25.2 zeigt, wie molekular geprägte Polymere für Affinitätswechselwirkungen
verwendet werden. Aptamere (Abschnitt 18.5) sind eine andere Gruppe von Stoffen mit
einer großen Affinität zu bestimmten Analyten, die in der Chromatographie verwendet
werden.17
Extinktion bei 280 nm

0.005
Extinktions- lgG1
einheiten

0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8


Zeit (min)

Abb. 25.19 Reinigung des monoklonalen Antikörpers IgG durch Affinitätschromatographie an einer
0.46 × 5 cm-Säule mit Protein A, das an einen polymeren Träger gebunden ist. Die anderen Proteine
im Gemisch werden in den ersten 0.3 min bei pH 7.6 eluiert. Wenn der pH-Wert des Elutionsmittels
auf 2.6 gesenkt wird, trennt sich IgG vom Protein A und verlässt die Säule. [B. J. Compton und L.
Kreilgaard, „Chromatographic Analysis of Therapeutic Proteins“, Anal. Chem. 1994, 66, 1175A.]
734 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Exkurs 25.2

Molekulares Prägen16 90–99 % von sechs Penicillinen auf der Säule. Zwei Penicillin-
Molekular geprägte Polymere (molecular imprinted po- Varianten werden überhaupt nicht gebunden. Die auf der
lymers, MIP) werden in Gegenwart eines Mustermoleküls, zu Säule gebundenen Penicilline werden mit einem kleinen
dem die Komponenten des Polymers eine gewisse Affinität Volumen von 0.05 M Tetrabutylammoniumhydrogensulfat in
haben, hergestellt. Wenn das wie eine Schablone wirkende Methanol eluiert und mit HPLC analysiert.
Mustermolekül entfernt wird, ist das Polymer durch dessen
Form und mit ergänzenden funktionellen Gruppen, die das
Hydrophobe
Muster binden können, „geprägt“. Als Mustermolekül kann der stark vernetztes
Tasche
Methacrylamid-Polymer
Analyt dienen, doch es ist besser, ein Molekül mit verwandter
Struktur zu verwenden, damit durch Reste des Musters keine Penicillin V
O H H H
falsch positive Werte bei Verwendung dieses Polymers erhalten N S
werden. Geprägte Polymere können als stationäre Phase in O CF3
N
der Affinitätschromatographie oder als Erkennungselement in H O
N O
einem chemischen Sensor verwendet werden. H − H
O N
Ein molekular geprägtes Polymer kann zur Sammlung und N
O H CF3
Anreicherung von Penicillin-Antibiotika aus Flusswasser für N
O
CF3
die Analyse dienen. Die Abbildung zeigt das Konzept für die durch Wasserstoff-
Struktur einer Polymertasche, wenn Monomere in Gegenwart brücke an Penicillin
F3C gebundener Substituent
von Penicillin G als Schablone polymerisieret werden. Nach der des Polymers

Entfernung von Penicillin mit Methanol behält die Tasche ihre


Form und Anordnung der funktionellen Gruppen zur Bindung
ähnlicher Moleküle, z. B. Penicillin V (farbig in der Abbildung). Angenommene Struktur der Tasche in einem geprägten Polymer zur
Bindung von Penicillin-Derivaten. [J. L. Urraca, M. C. Moreno-Bondi,
Wenn Flusswasser, das im 30 ppb-Bereich mit acht ver- A. J. Hall und B. Sellergren, „Direct Extraction of Penicillin G and Deri-
schiedenen Penicillin-Varianten versetzt wurde, über eine vatives from Aqueous Samples Using a Stoichiometrically Imprinted
Säule mit einem geprägten Polymer geschickt wird, bleiben Polymer“, Anal. Chem. 2007, 79, 695.]

25.5 Hydrophobe Wechselwirkungschromatographie

Hydrophobe Stoffe stoßen Wasser ab, ihre Oberflächen werden von Wasser nicht be-
netzt. Ein Protein kann hydrophile Regionen haben, die es wasserlöslich machen und
hydrophobe Regionen, die es zur Wechselwirkung mit einer hydrophoben stationären
chromatographischen Phase befähigen. Hohe Konzentrationen von Ammoniumsulfat
bewirken ein Aussalzen der Proteine aus der Lösung. Ammonium-, Natrium und Kalium-
phosphat und -sulfat senken die Löslichkeit der Proteine in Wasser. Thiocyanate, Iodide
und Perchlorate haben den umgekehrten Effekt und bringen Proteine besser in Lösung.
Die hydrophobe Wechselwirkungschromatographie wird hauptsächlich zur Pro-
teinreinigung verwendet.19 Eine übliche stationäre Phase, die in der Abbildung 25.20
gezeigt ist, hat hydrophobe Phenyl- oder Alkylgruppen, die an einem Agarose-Gel (ein
Polysaccharid) hängen, dessen Poren groß genug sind, dass Proteine hineinpassen. Wenn
eine Proteinlösung mit einer hohen Konzentration (etwa 1 M) an Ammoniumsulfat auf
Wasser benetzt eine hydrophobe Ober- die Säule gebracht wird, bewirkt das Salz eine Bindung des Proteins an die hydrophobe
fläche nicht, wenn diese aus Kohlenstoff-
Nanoröhren hergestellt wurde, so dass
Oberfläche der stationären Phase. Dann wird ein Gradient mit abnehmender Salzkonzen-
ein Tropfen auf dieser Fläche fast ku- tration angewendet, um die Wasserlöslichkeit der Proteine zu erhöhen und sie von der
gelförmig bleibt. Auf einer hydrophilen Säule zu eluieren.
Oberfläche, wie Glas, läuft der Tropfen
auseinander. [Zur Verfügung gestellt von
Karen Gleason, Massachusetts Institute of 25.6 Grundlagen der Kapillarelektrophorese20,21
Technology.18]

Am Ende des Jahres 2007 zeigten mehr als 200 Personen akute allergische Reaktionen
und starben, nachdem sie den Blutgerinnungshemmer Heparin erhalten hatten.22 Heparin
ist ein komplexes Gemisch von Sulfat-substituierten Polysacchariden mit Molekülmassen
von 2 000–50 000 u, das aus Schweinedarm gewonnen wird. Als man das Problem im
25.6 · Grundlagen der Kapillarelektrophorese 735

Hydrophobe Pore, in die


Januar 2008 erkannt hatte, wurden die Heparinprodukte zurückgerufen und eine Un- ein Protein diffundieren kann
tersuchung eingeleitet. Heparin wird pro Tag tausende Male zur Bewältigung lebensbe-
drohlicher Situationen verabreicht, so dass eine sofortige Aufklärung und Beseitigung des
Problems notwendig war.
Wenn Heparin mit dem Enzym Heparanase reagiert, wird es in zwei Disaccharid-
Einheiten gespalten. Das verunreinigte Heparin enthielt 20–50 Gew% makromolekularer
Verbindungen, die nicht mit Heparanase reagierten. Die Kapillarelektrophorese erwies
sich als Mittel der Wahl zur Erkennung von zwei Verunreinigungen (Abbildung 25.21).23
Eine Verunreinigung war Dermatansulfat, von dem keine allergischen Reaktionen bekannt
waren. Die andere wurde mit mithilfe der kernmagnetischen Resonanz als übersulfatiertes Agarose-Gel
25
Chondroitinsulfat identifiziert. Tierversuche legten die Vermutung nahe, dass übersul-
fatiertes Chondroitinsulfat die allergischen Reaktionen beim Menschen ausgelöst haben Abb. 25.20 Die stationäre Phase für die
könnte. Bis zum März 2008 hörten die Sterbefälle durch verunreinigtes Heparin auf und hydrophobe Wechselwirkungschromato-
es wurden Notverordnungen erlassen, nach denen zu den erforderlichen Untersuchungen graphie hat gegenüber einer stationären
für in die USA importiertes Heparin die Kapillarelektroskopie und die kernmagnetische Umkehrphase ~10–20 % gebundene
Resonanz gehören. Das verunreinigte Heparin stammte aus China. Übersulfatiertes Chon- Phenyl- oder Alkylgruppen pro Volumen-
einheit.
droitinsulfat könnte zugefügt worden sein, weil es ebenfalls die Blutgerinnung hemmt und
darüber hinaus billiger als Heparin ist.
Unter Elektrophorese versteht man die Wanderung (Migration) von Ionen in einer
Lösung unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes. Ein Pionier dieser Technik war in
den 1930er Jahren der schwedische Chemiker A. Tiselius, der 1948 für seine Arbeiten zur
Elektrophorese und „Entdeckungen über die komplexe Natur der Serumproteine“ den
Nobelpreis für Chemie erhielt.
Bei der Kapillarelektrophorese (Abbildung 25.22) werden die Komponenten einer Kationen werden von der negativ gela-
Lösung in einem elektrischen Feld von ∼30 kV in einer Quarzkapillare von 50 cm Länge denen Elektrode (Kathode) angezogen.
und 25–75 μm innerem Durchmesser getrennt. Unterschiedliche Ionen besitzen unter- Anionen werden von der positiv gela-
schiedliche Beweglichkeiten (Mobilitäten) und wandern deshalb in der Kapillare mit un- denen Elektrode (Anode) angezogen.
terschiedlichen Geschwindigkeiten.25 Eine geschickte Veränderung der experimentellen Elektrische Potentialdifferenz = 30 kV
Bedingungen (eine Beschreibung folgt später) erlaubt sowohl die Trennung von Ionen als 30 kV kV
Elektrisches Feld = = 60
auch neutraler Moleküle. Mit Hilfe der Elektrophorese können zum Beispiel Zellen für 0.50 m m
die medizinische Diagnose getrennt, oder Verunreinigungen in Lebensmitteln aufdeckt
werden.26 Es können einzelne Zellen, Zellkerne, Vesikel oder Mitochondrien analysiert
werden.27 Nachweisgrenzen im Zeptomol-Bereich (10–21 mol) werden mit dem Single-
Zell-Enzymassay erreicht.28
Die Kapillarelektrophorese bietet eine sehr gute Auflösung. Bei der Chromatographie in
einer gepackten Säule tritt eine Peakverbreiterung durch die drei Mechanismen in der van-
Deemter-Gleichung (22.33) ein: die unterschiedliche Weglänge, die longitudinale Diffusion

OR
OSO3H O OH
RO Abb. 25.21 Elektropherogramm von
O
Heparin O O Heparin (30 mg/mL), das mit übersulfa-
O O
O
tiertem Chondroitinsulfat und Dermatan-
OH OR sulfat gespikt war. Das verunreinigte He-
CO2H O O
OH
HN O parin enthielt ~200 Mal mehr übersulfa-
Extinktion bei 280 nm

tiertes Chondroitinsulfat als hier gezeigt


HNSO3H OR
OSO3H ist. Bedingungen: –16 kV, 20 °C, 25 μm ×
Chondroitinsulfat
R = H or SO3H 30cm-Kapillare, Detektor bei 21.5 cm. Der
Heparin OH Hintergrundpuffer wurde durch Zusatz
übersulfa- 30 mg/mL HO3SO von 0.60 M H3PO4 zu 0.60 M Li3PO4 bis
tiertes O zu pH 2.8 hergestellt. [Zur Verfügung
Chondroitin- O O
O gestellt von Robert Weinberger, CE
sulfat Dermatan- CO2H
45 μg/mL Technologies und Todd Wielgos, Baxter
sulfat OH
Healthcare. Für Details siehe: T. Wieglos,
750 μg/mL HN O
K. Havel. N. Ivanova und R. Weinberger,
OH „Determination of Impurities in Heparin
Dermatansulfat by Capillary Electrophoresis using High
2.50 3.75 5.00 6.25 7.50 Molarity Phosphate Buffers“, J. Pharma.
Migrationszeit (min) Biomed. Anal. 2009, 49, 319.]
736 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Die Elektrophorese in Glaskapillaren Polyimid-


beschichtung
wurde zuerst von J. W. Jorgenson im (15 μm dick) Quarzkapillare
Jahr 1981 beschrieben.24 (330 μm Durchmesser)

Hohlraum
mit 25–75 μm
Quarzkapillare
Durchmesser
(~50 cm Länge)
Querschnitt
einer Kapillare

unter Druck gesetztes


Flussrichtung
oder angehobenes
Probengefäß zur
Beschickung der thermostatierter
Kapillare Geräteteil Detektor
+

Trennpuffer variabel einstellbarer Trennpuffer


30-kV Hochspannungsgenerator

Abb. 25.22 Apparatur für die Kapillarelektrophorese. In diesem Beispiel wird die Probe dadurch
injiziert, dass die Kapillare in das Probengefäß gehalten wird, auf welches ein Druck ausgeübt oder
am Kapillarenausgang angesaugt wird. Im Text wird die Anwendung eines elektrischen Feldes für die
Probeninjektion beschrieben.

HPLC
Kapillarelektro-
4 100 Böden phorese
92 000 Böden
Detektorsignal

Abb. 25.23 Vergleich der Peakbreiten


von Benzylalkohol (C6H5CH2OH) bei der
Kapillarelektrophorese und der HPLC.
[S. Fazio, R. Vivilecchia, L. Lesueur und
J. Sheridan, Am. Biotech. Lab., January 5.2 5.6 6.0 6.4 6.8 7.2
1990, S. 10.] Zeit (min)

und die endliche Geschwindigkeit des Massentransfers. In einer offenen Kapillarsäule ent-
fällt die unterschiedliche Weglänge durch die Packung und dadurch verringert sich die Bo-
denhöhe und die Auflösung wird besser. In der Kapillarelektrophorese wird die Bodenhöhe
weiter verringert, weil der Term für den Massentranfer wegfällt, der sich aus der endlichen
Zeit ergibt, die ein Analyt zur Gleichgewichtseinstellung zwischen mobiler und stationärer
Phase benötigt. In der Kapillarelektrophorese gibt es keine stationäre Phase.
Die einzige wesentliche Ursache für die Peakverbreiterung ist unter idealen Bedingun-
gen die longitudinale Diffusion:

B
H A ux Cux
(25.7)
Term für unterschiedliche Massetransfer-Term,
Weglänge, entfällt bei entfällt wegen fehlender
offenen Säulen stationärer Phase
25.6 · Grundlagen der Kapillarelektrophorese 737

(Andere Ursachen für die Peakverbreiterung in realen Systemen werden später disku-
tiert.) In der Kapillarelektrophorese können routinemäßig 50 000 bis 500 000 theoretische
Böden erzielt werden (Abbildung 25.23), womit eine um eine Größenordnung bessere
Auflösung als in der Chromatographie erreicht wird.

Elektrophorese
Wenn ein Ion mit der Ladung q (Coulomb) einem elektrischen Feld E (V/m) ausge-
setzt wird, wirkt eine Kraft qE (Newton) auf das Ion. In Lösung wirkt die bremsende 25
Reibungskraft fuep, wobei uep die Geschwindigkeit des Ions und f der Reibungskoeffizi-
ent ist. Der Index „ep“ steht für Elektrophorese. Das Ion erreicht schnell eine gleich-
bleibende Geschwindigkeit, wenn Beschleunigungskraft und Reibungskraft gleich
groß sind:

fuep qE
qE = fuep

q
Elektrophoretische Mobilität: uep = f E ≡  ep (25.8)


Elektrophoretische Mobilität

Die elektrophoretische Mobilität ist die Proportionalitätskonstante zwischen der Ge- Wir sind den Beweglichkeiten schon in
schwindigkeit des Ions und der Stärke des elektrischen Felds. Die Mobilität ist der Ladung Verbindung mit den Diffusionspotenti-
des Ions proportional und umgekehrt proportional zum Reibungskoeffizienten. Bei Mole- alen (Tabelle 14.1) begegnet.
külen gleicher Größe wächst der Betrag der Mobilität mit der Ladung:

HO2C CO2H O2C CO2 O2C CO2


CO2 CO2H CO2
m2 m2 m2
μep = –2.54 × 10−8 μep = –4.69 × 10 −8 μep = –5.95 × 10 −8
V.s V. s V. s
(Lösungsmittel ist Wasser bei 25 °C)

Für ein kugelförmiges Teilchen mit dem Radius r, das sich durch eine Flüssigkeit mit der Die Viskosität charakterisiert den Wi-
Viskosität η bewegt, beträgt der Reibungskoeffizient f derstand gegen den Fluss eines Fluids
(Flüssigkeit oder Gas). Die Einheit ist kg
Stokessche Gleichung: f = 6πηr (25.9)
m–1 s–1. Beispielsweise ist Ahornsirup,
Da die Mobilität dem Quotienten q/f entspricht, verringert sie sich mit steigendem Ra- verglichen mit Wasser, sehr viskos.
dius. Obwohl die meisten Moleküle nicht kugelförmig sind, kann Gleichung 25.9 zur Hexan hat eine sehr kleine Viskosität.
Definition des effektiven hydrodynamischen Radius eines Moleküls auf der Basis seiner
Mobilität benutzt werden.

Elektroosmose
Die Innenwand von Quarzkapillaren ist mit Silanolgruppen (Si–OH) bedeckt, die ober-
halb pH ≈ 3 negativ geladen sind (Si–O–). In Abbildung 25.24a wird die elektrochemische
Doppelschicht (Exkurs 16.3) an der Kapillarwand dargestellt. Die Doppelschicht besteht
aus fixierten negativen Ladungen an der Wand und einem Kationenüberschuss in ihrer
Nähe. Eine fest adsorbierte, nicht bewegliche Schicht Kationen in unmittelbarer Nachbar-
schaft zur negativ geladenen Oberfläche neutralisiert die negativen Ladungen teilweise.
Die übrigbleibende negative Ladung wird durch einen Überschuss beweglicher, solva-
tisierter Kationen neutralisiert, die sich im diffusen Teil der Doppelschicht in Wandnähe
738 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

befinden. Die Dicke des diffusen Teils der Doppelschicht reicht von etwa 10 nm bei Io-
nenstärken um 1 mM bis zu 0.3 nm bei 1 M Lösungen.
Die Ionen im diffusen Teil der elektro- In einem elektrischen Feld werden die Kationen von der Kathode und die Anionen
chemischen Doppelschicht nahe der von der Anode angezogen (Abbildung 25.24b). Der Kationenüberschuss im diffusen Teil
Kapillarwand sind die „Pumpe“, die den der Doppelschicht erzeugt eine Nettotriebkraft in Richtung Kathode. Diese Pumpwir-
elektroosmotischen Fluss antreibt. kung wird als Elektroosmose (auch Elektroendosmose) bezeichnet. Verantwortlich sind
die solvatisierten Kationen innerhalb der etwa 10 nm dicken diffusen Doppelschicht, die
einen gleichmäßigen, pfropfenförmigen elektroosmotischen Fluss der gesamten Lösung
Die elektroosmotische Geschwindig- in Richtung Kathode erzeugen (Abbildung 25.25a). Dieser Vorgang unterscheidet sich
keit wird gemessen, indem zur Probe signifikant vom hydrodynamischen Fluss, der durch eine Druckdifferenz entsteht. Beim
ein neutrales Molekül gegeben wird, hydrodynamischen Fluss ist das Geschwindigkeitsprofil über den Querschnitt der Flüssig-
auf das der Detektor anspricht. keit parabolisch: im Zentrum fließt die Lösung am schnellsten, an den Wänden sinkt er
auf Null (Abbildung 25.25b und Farbtafel 30).
Elektroosmotische Geschwindigkeit: Die Proportionalitätskonstante zwischen der elektroosmotischen Geschwindigkeit (ueo)
und dem angelegten elektrischen Feld wird als elektroosmotische Mobilität bezeichnet (μeo).
Abstand zwischen Injektion
und Detektor Elektroosmotische Mobilität: ueo = eo E (25.10)
Migrationszeit des neutralen Moleküls ↑
Elektroosmotische Mobilität
(Einheit: m2/[V∙s])

– –
+ + Lösung im Kapillarinneren
+ – –
+ (Kationen = Anionen)
+ +
+ +
– – + – + diffuser Teil der Doppelschicht
+ + + + – + (Kationenüberschuss)
+ – +
+
–+– – – +– – – – + –+– – – – –+ – an der Oberfläche befindliche
+ O–-Ionen und fest adsorbierte
Kationen
a
Quarz

– –
+ +
Abb. 25.24 a) Die elektrochemische + – –
+ Volumenfluss
Doppelschicht wird aus der negativ + +
+ + zur Kathode –
geladenen Quarzoberfläche und be- – +
+ – + – +
nachbarten Kationen gebildet. b) Der Anode – + – + + + Kathode
+ +
Kationenüberschuss im diffusen Teil + + + +
– – – – – – – – + – – – – – – + –
der Doppelschicht erzeugt den elekt- +
roosmotischen Fluss zur Kathode beim
Anlegen eines elektrischen Felds. b

+ –

Anode K athode
Abb. 25.25 a) Die Elektroosmose ergibt
einen einheitlichen Fluss über mehr a Elektroosmotisches Geschwindigkeitsprofil
als 99.9 % des Kapillarquerschnitts. Die
Fließgeschwindigkeit nimmt erst in
unmittelbarer Nähe der Kapillarwand
ab. b) Der hydrodynamische Fluss (auch
als Laminarfluss bezeichnet) hat ein pa-
rabolisches Geschwindigkeitsprofil mit Hoher Niedriger
Druck Druck
der höchsten Geschwindigkeit im Zen-
trum und einer „Null“-Geschwindigkeit
an den Wänden. Experimentell ermit-
telte Geschwindigkeitsprofile werden Hydrodynamisches Geschwindigkeitsprofil
auf der Farbtafel 30 gezeigt. b (Laminarer Fluss)
25.6 · Grundlagen der Kapillarelektrophorese 739

Die elektroosmotische Mobilität ist proportional zur Ladungsdichte an der Quarzober-


fläche und indirekt proportional zur Quadratwurzel der Ionenstärke. Bei niedrigem pH
(durch den Vorgang Si–O– → Si–OH verringert sich die Ladungsdichte auf der Oberflä-
che) und hoher Ionenstärke nimmt die Elektroosmose ab. In einem 20 mM Boratpuffer
bei pH 9 beträgt der elektroosmotische Fluss etwa 2 mm/s. Bei pH 3 ist er um eine ganze
Größenordnung kleiner.
Der gleichmäßige elektroosmotische Fluss trägt zur hohen Auflösung in der Kapillar- Um die Wärme schnell abzuführen,
elektrophorese bei. Jeder Effekt, der diese Gleichmäßigkeit stört, erzeugt eine Bandenver- muss die Kapillare sehr dünn sein.
breiterung und verringert die Auflösung. Der Ionenfluss in der Kapillare erzeugt Wärme Temperaturgradienten stören den
(als Joulesche Wärme bezeichnet) mit einer Geschwindigkeit von I2R Joule je Sekunde Fluss und verringern die Auflösung. 25
(Abschnitt 13.1), wobei I der Strom (A) und R der Widerstand der Lösung (Ohm) ist. Der
größte Teil der Kapillare in der Abbildung 25.22 befindet sich zur Kontrolle der Tempera-
tur in der Kapillare in einem mit Wasser thermostatisierten Teil der Apparatur.29 Unter ty-
pischen Bedingungen ist die Lösung im Zentrum der Kapillare etwa 0.02 bis 0.3 K wärmer
als an den Rändern des Kanals. Da die Viskosität der Lösung in den wärmeren Bereichen
geringer ist, wird das flache elektroosmotische Fließprofil der Flüssigkeit gestört. In einer
50 μm-Kapillare ist dies kein ernstes Problem, in Kapillaren mit Durchmessern im Milli-
meterbereich wäre dieser Temperaturgradient jedoch untragbar hoch. In manchen Geräten
wird die Kapillare gekühlt, um die elektrische Leitfähigkeit der Lösung innerhalb der Ka-
pillare zu reduzieren und einen zu hohen Anstieg der Jouleschen Wärme zu unterbinden.

Mobilität
Die scheinbare (oder beobachtete) Gesamtmobilität (μges) eines Ions setzt sich aus der
elektrophoretischen Mobilität des Ions und der elektroosmotischen Mobilität der Lösung
zusammen.
Beobachtete Mobilität: ges = ep + eo (25.11)

Für ein Analytkation, das elektrophoretisch in die gleiche Richtung wie der elektroos-
motische Fluss wandert, haben μep und μeo das gleiche Vorzeichen, so dass μges größer als
μep wird. Anionen wandern elektrophoretisch in die zur Elektroosmose entgegengesetzte
Richtung (Abbildung 25.24b), wodurch die beiden Terme in Gleichung 25.11 entgegen-
gesetzte Vorzeichen haben. Bei pH-Werten oberhalb 7 werden Anionen durch die starke
Elektroosmose zur Kathode transportiert, da die Geschwindigkeit der Elektroosmose nor-
malerweise höher als die der Elektrophorese der Anionen ist. Bei niedrigen pH-Werten ist
die Elektroosmose nur schwach ausgeprägt und die Anionen können den Detektor nicht
erreichen. Wenn Anionen bei niedrigem pH getrennt werden sollen, muss die Polarität
des Instrumentes umgekehrt werden, sodass die Injektionsstelle zum negativen und das
Detektorende zum positiven Pol wird.
Die Mobilität (μges) einer bestimmten Spezies entspricht der Nettogeschwindigkeit
(unet) des Teilchens, dividiert durch das elektrische Feld (E):

unet Ld / t Geschwindigkeit =
Beobachtete Mobilität: ges = = (25.12)
E V / Lt Abstand zum Detektor L d
=
Migrationszeit t
wobei Ld die Länge der Säule vom Injektionsende bis zum Detektor, Lt die Gesamtlänge
der Säule von einem Ende bis zum anderen, V die zwischen beiden Enden angelegte
Elektrisches Feld =
Spannung und t die Zeit ist, die der Analyt für die Migration von der Injektionsstelle bis
zum Detektor benötigt. Der elektroosmotische Fluss wird durch Zugabe einer UV-absor- angelegte Spannung V
=
bierenden neutralen Komponente zur Probe und Messung ihrer Migrationszeit (tneutral) bis Kapillarlänge Lt
zum Passieren des Detektors bestimmt.
Für quantitative Analysen durch Elektrophorese sind normierte Peakflächen erforder-
lich. Die normierte Peakfläche ist die ermittelte Peakfläche dividiert durch die Migrations-
zeit. In der Chromatographie fließt jeder Analyt mit gleicher Geschwindigkeit durch den
Detektor. Damit ist die Peakfläche proportional zur Menge des Analyten. In der Elektro-
phorese haben die Analyte unterschiedliche Mobilitäten und sie passieren den Detektor
740 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

In der quantitativen Analyse mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Je höher die Mobiltät ist, desto kürzer sind die
verwendet man Migrationszeit und die Aufenthaltszeit des Analyten im Detektor. Zur Korrektur dieses
Peakfläche Einflusses werden die Peakflächen aller Analyte durch die jeweilige Migrationszeit geteilt.
Migrationszeit Die elektroosmotische Mobilität ist die Geschwindigkeit einer neutralen Spezies
(uneutral), dividiert durch das elektrische Feld:

uneutral Ld / t neutral
Elektroosmotische Mobilität: eo = = (25.13)
E V / Lt

Danach ist die elektrophoretische Mobilität eines Analyten die Differenz μges–μeo.
Wenn größtmögliche Präzision erforderlich ist, werden die Mobilitäten relativ zu
einem inneren Standard gemessen. Absolute Veränderungen von Lauf zu Lauf sollten die
relativen Mobilitäten nicht beeinflussen, vorausgesetzt es finden keine zeitabhängigen
(Nichtgleichgewichts-)Wechselwirkungen der Analyte mit der Kapillarwand statt.
Für Moleküle gleicher Größe nimmt die elektrophoretische Mobilität mit der Ladung
zu. Eine „Proteinladungsleiter“ ist ein synthetisches Gemisch, das aus einem einzelnen
Protein mit vielen verschiedenen Ladungen hergestellt wurde.30 Zum Beispiel können wir
ein solches Gemisch erhalten, indem bei unterschiedlichen Zahlen der Lysin-Aminosäu-
re-Seitenketten (Tabelle 9.1) des Proteins durch Acetylierung die Ladung von +1 (R–NH+3 )
auf 0 (R–NHC(=O)CH3) verringert wird.

O O O

Protein NH2 CH3C O CCH3 Protein NHCCH3 CH3CO2H


Lysin Essigsäureanhydrid Acetyliertes Produkt (–NHAc)

NH 3 NH 3 NH 3 NH 3 NHAc
NH 3 NHAc NHAc NHAc NHAc
Acetylierug

H3 N H3N AcHN AcHN AcHN


NH 3 NH3 NH3 NHAc NHAc
Protein ( 4) 3 2 1 0

In der Aufgabe 25-41 wird gezeigt, wie Die –NH2-Gruppen im Lysin haben einen pKs ≈ 10.3. Bei pH 8.3 sind 99 % dieser Grup-
man die Ladung des unmodifizierten pen protoniert (–NH+3 ). Die Acetylierung gibt ein Gemisch mit jeder möglichen Anzahl
Proteins aus der Ladungsleiter bestim- von modifizierten Aminogruppen von 0 bis zur Gesamtzahl der Lysingruppen. Dieses
men kann. Gemisch gibt das in der Abbildung 25.26 gezeigte Elektropherogramm mit einer Reihe
von nahezu gleichmäßig angeordneten Peaks. Jedes Molekül hat ungefähr die gleiche
Größe und Form (und deshalb etwa den gleichen Reibungskoeffizienten), jedoch eine
unterschiedliche Ladung.

Neutraler
Marker
Abb. 25.26 Proteinladungsleiter. Bovin-
carboanhydrase lieferte bei der Acety- unmodifiziertes
lierung Spezies mit den Ladungen n– Protein
(unacetyliert), (n + 1) –, (n + 2)–, …, (n + (n–)
18)– (voll acetyliert). Die Elektrophorese (n + 5)–
(n + 10)–
wurde bei pH 8.3 bei 2.50 × 104 V in einer (n +18)–
Extinktion

84.0 cm-Kapillare und einem Detekto-


rabstand von 64.0 cm durchgeführt. Als
neutraler, UV-absorbierender Marker zur
Bestimmung der Elektroosmose diente
Mesityloxid, (CH3)2C=CHC(=O)CH3. [M. K.
Menon und A. L. Zydney, „Determination
of Effective Protein Charge by Capillary
Electrophoresis“ Anal. Chem. 2000, 72, 300 350 400 450 500 550 600
5714.] Migrationszeit (s)
25.6 · Grundlagen der Kapillarelektrophorese 741

> Beispiel
Mobilitäten in einer Proteinladungsleiter
Bovincarboanhydrase ist ein Protein mit 18 Lysinresten. Die 19 Peaks in Abbildung 25.26
stammen vom unmodifizierten Protein (Pn–) und den Proteinen mit jedem möglichen Grad
der Acetylierung; P(n+1)–, P(n+2)–, P(n+3)– … P(n+18)–. Die an die 84 cm lange Kapillare angelegte
Spannung beträgt 2.50 × 104 V. Ein neutraler Marker, der vom elektroosmotischen Fluss
transportiert wird, benötigt bis zum 64 cm vom Einlass entfernten Detektor 308 s. Die Mig-
rationszeiten von Pn- und P(n+1)– sind 343 s bzw. 355 s. Wie groß sind die elektroosmotische
Geschwindigkeit und die elektroosmotische Mobilität? Wie groß sind die Gesamtmobilitä-
ten (μges) und die elektrophoretischen Mobilitäten (μep) von Pn– und P(n+1)–? 25
Lösung Die elektroosmotische Geschwindigkeit, ueo, ergibt sich aus der Migrationszeit des
neutralen Markers
Abstand zum Detektor ( L d ) 0.640 m
Elektroosmotische Geschwindigkeit = = = 2.08 mm/s
Migrationszeit 308 s

Das elektrische Feld ist die angelegte Spannung dividiert durch die Gesamtlänge der Säule:

E = 25 000 V/0.840 m = 2.98 × 104 V/m.

Die Mobilität ist die Proportionalitätskonstante zwischen Geschwindigkeit und elektrischem


Feld:
u 0.002 08 m / s m2
ueo = μeoE ⇒ μeo = eo = = 6.98 × 10–8
E 2.98 × 10 V / m
4
V˙s
Diese für den neutralen Marker berechnete Mobilität ist die elektroosmotische Mobilität für
die gesamte Lösung.

Die Gesamtmobilität von Pn– wird aus dessen Migrationszeit erhalten:


2
unet 0.640m / 343s m
μges = = = 6.26 × 10−8
E 2.98 × 104 V / m V˙ s
Die elektrophoretische Mobilität beschreibt, wie sich ein Ion im elektrischen Feld verhält.
Zieht man die elektroosmotische Mobilität von der Gesamtmobilität ab, erhält man die
elektrophoretische Mobilität der Spezies:
m2 m2
μges = μep + μeo ⇒ μep = μges – μeo = (6.26 – 6.90) × 10−8 = –0.72 × 10−8
V˙ s V˙ s
Die elektrophoretische Mobilität ist negativ, da das Protein eine negative Ladung trägt
und entgegensetzt zum elektroosmotischen Fluss wandert. Der elektroosmotische Fluss
ist bei pH 8.3 schneller als die Elektromigration, so dass dieser das Protein zum Detektor
bewegt.
m2 m2
Eine analoge Rechnung ergibt für P(n+1)– μges = 6.05 × 10−8 und μep = –0.93 × 10−8 .
V˙ s V˙ s
Die elektrophoretische Beweglichkeit von P(n+1)– ist wegen der größeren negativen Ladung
negativer als die von Pn–.

Selbstüberprüfung Wie groß wären die Migrationszeiten des neutralen Markers und von
m2
Pn– bei einer elektroosmotischen Beweglichkeit von 5.00 × 10−8 ? (Lösung: 430 s, 502 s)
V˙ s

Theoretische Böden und Auflösung


L2d
Betrachten wir eine Kapillare mit der Länge Ld vom Einlass bis zum Detektor. In Ab- Anzahl der Böden: N =
σ2
schnitt 22.4 wurde die Zahl theoretischer Böden als N = L2d/σ2 definiert, wobei σ die
Standardabweichung der Gauß-Kurve ist. Wenn die longitudinale Diffusion der einzige Ld = Strecke bis zum Detektor, Länge
Mechanismus zur Zonenverbreiterung ist, wird die Standardabweichung durch Gleichung der Trennstrecke
22.26 gegeben: σ = 2Dt , wobei D der Diffusionskoeffizient und t die Migrationszeit (= σ = Standardabweichung der Gauß-
Ld/unet = Ld /[μges × E]) ist. Kombiniert man diese Gleichungen mit der Definition für das Kurve
elektrische Feld (E = V/Lt, V ist dabei die angelegte Spannung), erhält man eine Gleichung Lt = Gesamtlänge der Säule
für die Anzahl theoretischer Böden in der Kapillarelektrophorese:
742 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

 gesV Ld
Anzahl der Böden: N = (25.14)
2 D Lt

Wie viele theoretische Böden können eigentlich erreicht werden? Wenn man einen typi-
schen Wert für μges = 2 × 10–8 m2/V . s (abgeleitet für eine zehnminütige Migrationszeit in
einer Kapillare mit Lt= 60 cm, Ld = 50 cm und 25 kV) annimmt und die Diffusionskoeffi-
zienten aus Tabelle 22.1 entnimmt, findet man
⎡2 × 10 −8 m 2 / (V . s )⎤ 25 000 V 0.50 m
für K+: N = ⎣ ⎦ = 1.0 × 105 Böden
2 (2 × 10 −9 m 2 / s) 0.60 m

⎡2 × 10 −8 m 2 / (V . s )⎤ 25 000 V 0.50 m
⎣ ⎦
und für Serumalbumin: N = = 3.5 × 106 Böden
2 (0.059 × 10 −9 m 2 / s) 0.60 m

Unter speziellen Bedingungen, bei Für das kleine, schnell diffundierende K+-Ion werden 100 000 Böden erwartet. Für das
denen ein umgekehrter hydrodyna- langsam diffundierende Protein Serumalbumin (mit FM 66 000) können mehr als 3 Mil-
mischer Fluss zur Verlangsamung des lionen Böden erwartet werden. Hohe Bodenzahlen bedeuten, dass die Peaks sehr schmal
Analytdurchlaufs überlagert wurde, und die Auflösung zwischen benachbarten Peaks exzellent sind.
konnten bei der Trennung kleiner In der Praxis treten jedoch zusätzliche Quellen der Zonenverbreiterung auf, zu denen
Moleküle bis zu 17 Millionen Böden die endliche Breite des in die Kapillare injizierten Probenpfropfens (Gleichung 22.32), ein
erreicht werden!31 parabolisches Fließprofil durch die innerhalb der Kapillare erzeugte Wärme, die Adsorp-
tion der Analyte auf der Kapillarwand (die als stationäre Phase wirkt), die endliche Länge
der Detektionszone und Mobilitätsdifferenzen zwischen Analyt und Puffer und dadurch
auftretende Abweichungen vom idealen elektrophoretischen Verhalten zählen. Wenn
diese zusätzlichen Faktoren sorgfältig kontrolliert werden können, lassen sich routinemä-
ßig ∼105 Böden erreichen.
Aus der Gleichung 25.14 erkennt man, dass bei konstantem Ld/Lt die Bodenzahl un-
abhängig von der Kapillarlänge ist. Im Unterschied zur Chromatographie geben längere
Kapillaren in der Elektrophorese keine bessere Auflösung.
Der Trennpuffer oder Hintergrundelek- Die Gleichung 25.14 sagt auch, dass mit steigender Spannung die Zahl der theoretischen
trolyt (Lösung in der Kapillare und den Böden steigt (Abbildung 25.27). Die Spannung wird letztlich durch die Aufheizung der Ka-
Elektrodenreservoiren) hält den pH pillare begrenzt, die zu einem parabolischen Temperaturprofil und damit zu einer Peakver-
und die Elektrolytzusammensetzung in breiterung führt. Man findet die optimale Spannung für eine Trennung heraus, wenn man
der Kapillare konstant. nach dem Ohmschen Gesetz in einer Graphik für den Hintergrundelektrolyt den Strom ge-
gen die Spannung aufträgt. Liegt keine Überhitzung vor, sollte sich eine Gerade ergeben. Als

V = 28 kV
5
2
1 4
3

Abb. 25.27 Ein kleiner Bereich im


Elektropherogramm eines kom-
211 212 213 214
plexen Gemischs zeigt, dass mit
Extinktion

wachsender Spannung die Auflösung


V = 120 kV
steigt. In beiden Läufen sind die 5
Bedingungen gleich, mit Ausnahme
der angelegten Spannung, die nor-
1 2 3 4
malerweise auf ~30 kV begrenzt ist.
Es sind aufwändige Vorsichtsmaß-
nahmen erforderlich, um elektrische
Überschläge, Funkenentladungen
und Überhitzung bei 120 kV zu ver-
hindern. [K. M. Hutterer und J. W. Jor-
genson, „Ultrahigh-Voltage Capillary
Zone Electrophoresis“, Anal. Chem. 54.5 55.0
1999, 71, 1293.] Zeit (min)
25.7 · Durchführung der Kapillarelektrophorese 743

maximal anwendbare Spannung kann der Wert verwendet werden, bei dem die Kurve von
der Linearität um nicht mehr als 5 % abweicht. Wie groß die noch zu tolerierende Spannung
ist, hängt neben der Konzentration und Zusammensetzung des Puffers auch von den Mög-
lichkeiten zur aktiven Kühlung der Trennkapillare ab. Bis zu diesem Punkt gilt, dass höhere
Spannungen zu besserer Auflösung und schnelleren Trennungen führen.
Wie in der Chromatographie besteht auch in einem Elektropherogramm zwischen der
Auflösung der eng benachbarten Peaks A und B und der Bodenzahl, N, und dem Trenn-
faktor, γ, die Beziehung 22.30:
⎛ N ⎞
Auflösung = ⎜⎜ ⎟⎟ (γ – 1). 25
⎝ 4 ⎠
Der Trennfaktor (γ = unet,A/unet,B) ist der Quotient der Migrationszeiten tB/tA. Eine Zu-
nahme von γ erhöht die Trennung der Peaks und eine Erhöhung von N reduziert ihre
Breite.

25.7 Durchführung der Kapillarelektrophorese

Mit einfallsreichen und geschickten Variationen in der Elektrophorese können neutrale


Moleküle, Ionen und auch optische Isomere getrennt und die Nachweisgrenzen bis zu tA tB
Δt
einem Faktor von 106 gesenkt werden.

w1/2

Kontrolle des Milieus im Inneren der Kapillare


Die Kapillareninnenwand bestimmt die elektroosmotische Geschwindigkeit und liefert
Zeit w
die unerwünschten Adsorptionsstellen für mehrfach geladene Moleküle, wie z. B. Prote-
ine. Wenn eine Quarzkapillare erstmalig benutzt wird, sollte sie vorher für 1 h mit 1 M
Δt r 0.589Δt
NaOH mit einer Fließgeschwindigkeit von ~4 Säulenvolumina/min gewaschen werden. Auflösung = =
wav w1/2av
Danach wird jeweils für 1 h erst mit Wasser, dann mit 6 M HCl und schließlich 1 h mit
dem Trennpuffer gespült.32 NaOH soll Si–O–-Gruppen an der Quarzoberfläche erzeugen ⎛ N ⎞
Auflösung = ⎜ γ − 1)
⎜ 4 ⎟⎟ (
und HCl die Metallionen von der Oberfläche entfernen. Für eine anschließende Arbeit
bei hohem pH wird für ~10 s mit 0.1 M NaOH und danach mit ionenfreien Wasser und ⎝ ⎠
zuletzt mindestens 5 min mit dem Trennpuffer gewaschen.33 Wenn die Kapillare mit einem N = Bodenzahl
Phosphatpuffer von pH 2.5 betrieben wird, spült man zwischen den Läufen mit 1 M Phos- γ = Trennfaktor
phorsäure, destilliertem Wasser und dem Trennpuffer.34 Nach einem Pufferwechsel sollten Geschwindigkeit der schnelleren Spezies
=
die Kapillaren 5 min mit dem neuen Puffer zur Gleichgewichtseinstellung gespült werden. Geschwindigkeit der langsameren Spezies
Im pH-Bereich zwischen 4.0 und 6.0, in dem die Gleichgewichtseinstellung zwischen
Kapillarwand und Puffer sehr langsam abläuft, ist bei schwankenden Migrationszeiten
eine regelmäßige Regenerierung der Kapillare mit 0.1 M NaOH erforderlich. Die Puffer-
flüssigkeit in beiden Elektrolytreservoiren muss in regelmäßigen Abständen ausgewechselt
werden, da Ionen abgereichert werden und durch Elektrolyse der pH an der Kathode steigt
und an der Anode fällt. Der Kapillareingang sollte ~2 mm von der Elektrode entfernt und
unterhalb dieser angeordnet sein, um den Eintritt von elektrolytisch erzeugter Säure oder
Base in die Kapillare zu verhindern.35 Bereits benutzte Kapillaren lagert man am besten
gefüllt mit destilliertem Wasser.
Unterschiedliche Trennungen erfordern einen mehr oder weniger starken elektroos-
motischen Fluss. So wird z. B. für die Trennung kleiner Anionen mit hoher Mobilität Eine kovalente Beschichtung verhin-
oder von stark negativ geladenen Proteinen für die Wanderung in Richtung Kathode ein dert das Verkleben der Kapillare durch
starker elektroosmotischer Fluss benötigt. Bei pH 3 sind die Silanolgruppen nur sehr we- Proteine und gewährleistet reprodu-
nig geladen und der elektroosmotische Fluss ist sehr klein. Bei pH 8 ist die Kapillarwand zierbare Migrationszeiten:
dagegen stark aufgeladen und der elektroosmotische Fluss sehr groß. Die Kurve in der
Abbildung 25.28 zeigt, dass die elektroosmotische Beweglichkeit in einer reinen Quarzka-
O OCH3
pillare unterhalb pH 3 gering und positiv ist. Die Elektroosmose steigt mit dem pH-Wert
Si
und erreicht bei pH 8 einen stabilen Wert. O O Polyacrylamid
Proteine mit vielen positiv geladenen Substituenten können fest an die negativ gela- O
dene Wand gebunden werden. Um dies zu verhindern, kann man dem Puffer 30–60 mM SiO2
744 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

8.E08  anionisches
  Dextransulfat

Elektroosmotische Beweglichkeit (m 2 V 1 s1)


Polybren + 
6.E08
Dextransulfat  
 

4.E08 
 
2.E08
reine Quarzwand

0.E00

 
2.E08
 
 (N
 N

) n

Polybren in  
4.E08 kationisches Polymer (Polybren)
einer Silikatbeschichtung   
 
6.E08 
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 SiO2 in situ
pH polymerisiertes Silikat

Abb. 25.28 Einfluss der Wandbeschichtung auf die elektroosmotische Beweglichkeit. Reiner Quarz
ist unterhalb von pH 3 nur schwach geladen, trägt aber eine hohe negative Ladung oberhalb von pH
8. Durch die kationischen Polybren-Strukturen, die in ein Silikat eingebettet sind (untere Struktur),
erhält die Wand eine nahezu konstante positive Ladung. Anionisches Dextransulfat, das an Polybren
adsorbiert ist (obere Struktur), erteilt der Wand eine konstante negative Ladung. Die unbeschichtete
Quarzwand ändert ihre Ladung von sehr niedrigen Beträgen bei pH 3 auf eine hohe negative Ladung
bei pH 8. Die Wand verhält sich als hätte sie zwei Arten von Si–OH-Gruppen mit einer Gesamtoberflä-
chendichte von ~4.3 × 10–7 mol/m2. Ein Viertel der Silanolgruppen hat pKS = 4.0 und drei Viertel haben
pKS =5.5.36 [M. R. N. Monton, M. Tomita, T. Soga und Y. Ishihama, „Polymer Entrapment in Polymerized
Silicate for Preparing Highly Stable Capillary Coatings for CE and CE-MS“, Anal. Chem. 2007, 79, 7838.]

Kathode – Diaminopropan, dass dann als +H3NCH2CH2CH2NH3+ vorliegt, zusetzen, um die Ladun-
– – gen an der Kapillarwand zu neutralisieren. Die Wand kann auch durch eine kovalente
+

Bindung durch Silane mit neutralen, hydrophilen Substituenten so modifiziert werden,


+

Puffer-
anion dass die Ladung auf der Wand nahezu Null wird. Leider sind viele dieser Beschichtungen
+

– –
unter alkalischen Bedingungen instabil.
+

– Elektro-
+

– osmotischer Man kann die Richtung des elektroosmotischen Flusses umkehren, indem dem Puf-
+

Fluss fer kationische Tenside, wie Didodecyldimethylammoniumbromid, zugesetzt werden.37



+

– Dieses Molekül trägt eine positive Ladung an einen Ende und zwei lange Kohlenwasser-
+

– stoffketten am anderen. Das Tensid bedeckt die negativ geladene Quarzwand derart, dass
Quarzwand kationische + die Kohlenwasserstoffketten weg von der Oberfläche in die Lösung ragen (Abbildung
mit Tensid-
negativen Doppelschicht
Anode 25.29). Eine zweite Schicht des Tensids orientiert sich genau umgekehrt, so dass die
Ladungen Alkylketten eine unpolare Kohlenwasserstoffschicht bilden. Diese Doppelschicht haftet
sehr fest an der Kapillarwand und kehrt die Ladung der Wand effektiv von positiv zu
Abb. 25.29 Die Ladungsumkehr wird negativ um. Die Pufferanionen, die auf der Doppelschicht haften, erzeugen nach Anle-
durch eine Doppelschicht des kationi-
gen einer Spannung einen elektroosmotischen Fluss von der Kathode zur Anode. Damit
schen Tensids auf der Kapillarwand er-
zeugt. Der diffuse Teil der Doppelschicht ist der elektroosmotische Fluss gegenüber der Abbildung 25.24 umgekehrt. Die besten
enthält überschüssige Anionen und Ergebnisse werden dann erreicht, wenn die Kapillare für jede Analyse frisch regeneriert
der elektroosmotische Fluss ist dem in wird.
Abbildung 25.24 gezeigtem entgegenge- In der Abbildung 25.28 ist eine stabilere kationische Beschichtung gezeigt, die durch
setzt gerichtet. Das Tensid ist das durch
Einbettung des kationischen Polymers Polybren in eine Silikatschicht in-situ auf der Ka-
dargestellte Didodecyldimethy-
+

lammonium-Ion, (n-C12H25)2N(CH3)+2 . pillarwand entsteht. Die Abbildung zeigt, dass der osmotische Fluss im pH-Gebiet 2–11
nahezu konstant und dem in reinem Quarz entgegengesetzt ist. Eine stabile, pH-unabhän-
gige negative Oberfläche kann durch Adsorption des anionischen Polymers Dextransulfat
an der kationischen Polybren-Oberfläche hergestellt werden.

Probeninjektion und Zusammensetzung der Probe


Bei der hydrodynamischen Injektion wird die Probe durch Druckanwendung in die
Kapillare gebracht. Für die elektrokinetische Injektion wird ein elektrisches Feld zur
25.7 · Durchführung der Kapillarelektrophorese 745

Einbringung der Probe in die Kapillare genutzt. Bei der hydrodynamischen Injektion ist Für die quantitative Analyse ist die
das injizierte Volumen Verwendung eines inneren Standards
erforderlich, da die Menge der in die
ΔP d 4t
Hydrodynamische Injektion: Volumen = (25.15) Kapillare injizierten Probe schlecht re-
128 Lt
produziert werden kann.
wobei ΔP die Druckdifferenz zwischen den Kapillarenden, d der Innendurchmesser der
Kapillare, t die Injektionszeit, η die Viskosität der Probe und Lt die Gesamtlänge der Ka-
pillare darstellen.

> Beispiel 25
Hydrodynamische Injektionszeit
Wie viel Zeit wird benötigt, um eine Probe in eine 50 cm lange Kapillare mit 50 μm Innen-
durchmesser bei einer Druckdifferenz von 2.0 × 104 Pa (0.20 bar) zu genau 2 % ihrer Länge
mit Probe zu füllen? Nehmen Sie eine Viskosität von 0.001 0 kg/(m∙s) an, was dicht bei der
Viskosität von Wasser liegt.

Lösung Der Injektionspfropfen soll 1.0 cm lang sein und ein Volumen von πr2 × Länge = π Die Einheiten kürzen sich heraus, wenn
(25 × 10–6 m)2(1.0 × 10–2 m) = 1.96 × 10–11 m3 einnehmen. Die dafür benötigte Zeit ist man Pa = Kraft/Fläche = (kg ∙ m/s2)/m2
= kg/(m ∙ s2) einsetzt.
128 Lt (Volumen) 128 ⎣⎡0.0010kg / ( m . s )⎦⎤ (0.50 m) (1.96 × 10−11 m3 )
t= = = 3.2 s
ΔP  d 4 4
(2.0 × 10 4Pa)  (50 × 10−6 m)
Selbstüberprüfung Welche Zeit wäre erforderlich, um eine 1.0 cm lange Probe mit der
doppelten Viskosität von Wasser bei gleichem ΔP in eine 40 cm lange Kapillare zu injizieren?
(Ergebnis: 5.1 s)

Bei der elektrokinetischen Injektion wird die Kapillare in die Probelösung getaucht und
eine Spannung zwischen den Kapillarenden angelegt. Die Stoffmenge jedes Ions, die in die
Kapillare innerhalb von t Sekunden gelangt, ergibt sich zu
⎛  ⎞
Elektrokinetische Injektion: Injizierte Stoffmenge (in Mol) = μges ⎜⎜ E p ⎟⎟ t r 2C (25.16)
⎝ s ⎠

Effektives elektrisches Feld ≡ Eeff

wobei μges die Nettomobilität des Analyten (= μep + μeo), E das angelegte elektrische Feld
(V/m), r der Kapillarradius, C die Probenkonzentration (mol/m3) und κp/κs das Verhält-
nis der Leitfähigkeiten von Puffer und Probelösung darstellt. Ein Grundproblem der
elektrokinetischen Injektion besteht darin, dass jeder Analyt eine andere Mobilität hat.
Für eine qualitative Analyse ergeben sich daraus keine Schwierigkeiten. Die quantitative
Analyse wird jedoch erschwert, da die in die Kapillare injizierte Probe nicht die gleiche
Zusammensetzung wie die Originalprobe aufweist. Die elektrokinetische Injektion wird
besonders in der Kapillargelelektrophorese (wird später beschrieben) angewendet, bei der
die Flüssigkeit in der Kapillare zu viskos für eine hydrodynamische Injektion ist.

> Beispiel
Elektrokinetische Injektionszeit
Wie viel Zeit wird benötigt, um eine 50 cm lange Kapillare mit 50 μm Innendurchmesser
bei Anlegen eines Feldes von 10 kV/m während der Injektion zu 2 % der Kapillarlänge mit
Probe zu füllen? Nehmen Sie an, dass die Probe 1/10 der Leitfähigkeit des Trennpuffers hat
und μges = 2.0 × 10–8 m2/(V ∙ s) ist.

Lösung Der Faktor κp/κs in Gleichung 25.16 ist in diesem Fall 10. Die Länge des injizierten
Probenpfropfens ist (Geschwindigkeit der Probe) × (Zeit) = μges Eeff t. Der zu injizierende Pro-
benpfropfen soll 1.0 cm lang sein. Die benötigte Zeit ergibt sich zu

Pfropfenlänge Pfropfenlänge 0.010 m


t= = = = 5.0 s.
Geschwindigkeit ⎛ κp ⎞ ⎡ 10−8 m2 ⎤ ⎛ V ⎞
μges ⎜ E ⎟ ⎢2.0 × . ⎥ ⎜10 000 ⎟ (10)
⎝ κs ⎠ ⎣ V s ⎦⎝ m⎠
746 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

In Gleichung 25.16 werden Pfropfenlänge und Querschnitt multipliziert, um das Volumen


zu ermitteln. Durch Multiplikation mit der Konzentration erhält man die Stoffmenge (in
mol) im injizierten Volumen.

Selbstüberprüfung Wie wirkt es sich auf die Injektionszeit aus, wenn die angelegte Span-
nung um den Faktor 2 verringert wird? (Antwort: Die Injektionszeit wird verdoppelt.)

Leitfähigkeitseffekte: Stacking und schiefe Banden


Wir wählen die Bedingungen so, dass der Analyt am Anfang der Kapillare durch einen als
Stacking bezeichneten Prozess in schmalen Banden vorliegt. (Der Begriff Stacking ist in
Abbildung 25.30 anschaulich erklärt.) Wenn man ohne Stacking eine Zone mit einer Länge
von 10 mm injiziert, kann keine Analytbande am Detektor schmaler als 10 mm sein.
Das Stacking hängt vom Verhältnis des elektrischen Felds in der injizierten Proben-
zone zu dem im Hintergrundelektrolyten auf beiden Seiten der Probe ab. Die optimale
Pufferkonzentration in der Probenlösung beträgt 1/10 der Konzentration des Hinter-
grundelektrolyten und die Probenkonzentration sollte bei 1/500 der Konzentration des
Hintergrundelektrolyten liegen. Wenn die Probe eine viel geringere Ionenstärke als der
Trennpuffer hat, ist auch ihre Leitfähigkeit geringer und ihr Widerstand viel größer. Das
elektrische Feld ist umgekehrt proportional zur Leitfähigkeit: je niedriger die Leitfähig-
keit, desto größer ist das elektrische Feld. Das elektrische Feld über dem Probenpfropfen
in der Kapillare ist größer als das elektrische Feld im Hintergrundelektrolyten. Die Abbil-
dung 25.30 zeigt, dass die Ionen in der Probenzone aufgrund der hohen Feldstärke sehr
schnell wandern. Wenn diese Ionen die Zonengrenze zum Trennpuffer erreichen, wird
ihre Wanderung verlangsamt, da die Feldstärke außerhalb des Probepfropfens geringer
ist. Dieser als Stacking bezeichnete Vorgang setzt sich so lange fort, bis die Analytkationen
in einer schmalen Zone an einem Ende des Probenpfropfens und die Analytanionen am

niedriges elektrisches hohes niedriges elektrisches


Feld elektrisches Feld Feld
a

+ Hintergrundpuffer
(hohe Leitfähigkeit)
Hintergrundpuffer
(hohe Leitfähigkeit) –
Anode Kathode
Kation Anion
Probenpfropfen
(geringe Leitfähigkeit)

Abb. 25.30 Stacking von Anionen und Kationen an den entgegengesetzten Enden des wenig leiten-
den Probenpfropfens tritt ein, weil das elektrische Feld im Probenpfropfen viel größer als das Feld
in Hintergrundelektrolyten (Trennpuffer) ist. Die Teilabbildungen a bis d zeigen die zeitliche Abfolge
des Vorgangs. Die Elektroneutralität wird durch die Migration von Ionen des Hintergrundelektrolyten
(nicht dargestellt) aufrechterhalten.
25.7 · Durchführung der Kapillarelektrophorese 747

anderen Ende des Probenpfropfens aufkonzentriert sind. Auf diese Weise kann man eine 2
4
breite Injektionszone zu sehr schmalen Banden der Analytkationen oder -anionen kon-
3
zentrieren. Die Abbildung 25.31 zeigt die Signalerhöhung durch Stacking. 1
Wenn die Leitfähigkeit in einer Analytbande deutlich von der des Trennpuffers ab- mit
weicht, kommt es zur Peakdeformation. In Abbildung 25.32 ist eine Probenzone mit nur Stacking

einem Analyten abgebildet (im Gegensatz zur Probenzone in Abbildung 25.30, die alle
Analyte nach kompletter Injektion enthält). Wenn die Leitfähigkeit des Trennpuffers grö-
ßer als die der Analytzone ist (κp > κs), dann ist die Stärke des elektrischen Feldes außer-
halb der Analytzone geringer als innerhalb. In Abbildung 25.32 wandert diese Zone nach
rechts. Ein Analytmolekül, das hinter der Front nach rechts diffundiert, trifft plötzlich 25
auf ein Gebiet mit geringerer elektrischer Feldstärke, wodurch seine elektrophoretische
Geschwindigkeit verringert wird. Die Analytzone nimmt das Molekül schnell wieder auf.
Ein Molekül, das auf der linken Seite aus der Analytzone diffundiert, gerät ebenfalls in ein

Extinktion
Gebiet mit geringerer elektrischer Feldstärke und wird langsamer. Die Analytzone bewegt
sich schneller als das „eigensinnige Molekül“ und zieht rasch davon. Diese Vorgänge füh-
ren zur Ausbildung einer scharfen Peakfront und einem breiten Tailing, wie es im unteren
rechten Elektropherogramm in Abbildung 25.32 dargestellt ist. Im Fall von κp < κs wird
eine umgekehrte Peakform beobachtet.
Um die Peakdeformation möglichst niedrig zu halten, sollte die Probenkonzentration
deutlich niedriger als die des Trennpuffers sein. Ansonsten macht sich die Auswahl eines 1 3 ohne
2 4 Stacking
Puffer-Co-Ions mit der gleichen elektrophoretischen Mobilität wie das Analytion erfor-
derlich. (Das Co-Ion ist das Pufferion, das die gleiche Ladung wie der Analyt trägt. Das
Gegenion hat die entgegengesetzte Ladung.) 8 9 10 11
Zeit (min)

Abb. 25.31 Unten: Die elektrokinetisch


Detektoren ohne Stacking 2 s injizierte Probe ist zur
Vermeidung einer Peakverbreiterung im
Da Wasser eine hohe Transparenz hat, können UV-Detektoren bis in den Bereich um 185 Volumen begrenzt. Oben: Mit Stacking
nm hinab angewandt werden, bei denen die meisten Analyte starke Absorptionen zeigen. kann 15 Mal mehr Probe injiziert werden
Um die kurzwellige UV-Absorption zur Detektion zu nutzen, muss der Hintergrundelek- (30 s) und das Signal wird ohne Zunahme
trolyt eine sehr geringe Absorption haben. Gewöhnlich werden in der Elektrophorese we- der Peakbreite 15 Mal höher. [Y. Zhao
und C. E. Lunte, „pH-Mediated Field Am-
gen ihrer hohen optischen Transparenz Boratpuffer verwendet.38 Das Nachweisvermögen
plification On-Column Preconcentration
ist eher mäßig, da die optische Weglänge durch den Kapillardurchmesser von 25–75 μm of Anions in Physiological Samples for
begrenzt ist. Die Abbildung 25.33 zeigt eine Blasenzelle, in der das Signal-Rausch-Verhält- Capillary Electrophoresis“, Anal. Chem.
nis um einen Faktor von 3 bis 5 erhöht werden kann und eine Küvette mit rechtwinkligem 1999, 77, 3985.]

b a b
Hintergrundelektrolyt Proben- Hintergrundelektrolyt
(Puffer) zone (Puffer)
diffundierende
Analytmoleküle
unet

NH4

p  s p  s n-(C4H9)4N
Abb. 25.32 Unregelmäßige Peakformen
gibt diese gibt diese entstehen, wenn die Leitfähigkeiten der
Peakform Peakform Probenzone (κs) und des Trennpuffers
(κp) verschieden sind. Das Elektrophero-
Extinktion

gramm zeigt Kationen, die von der Ober-


fläche eines Silicium-Halbleiterwafers
extrahiert wurden. Der Hintergrund-
(CH3)3NH elektrolyt enthält Imidazoliumionen für
die indirekte spektralphotometrische
Ca2 Li  innerer Detektion, deren Prinzip in der Abbil-
K Na Standard dung 23.35 gezeigt wird. [T. Ehmann, L.
Fabry, L. Kotz und S. Pahlke, „Monitoring
of Ionic Contaminants on Silicon Wafer
1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 Surfaces using Capillary Electrophoresis“,
Zeit (min) Am. Lab., June 2002, S. 18.]
748 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Lichtweg

50 μm
2
150 μm

Lichtweg

a b

Abb. 25.33 Design der Kapillaren zur Verlängerung des Lichtwegs für die Messung der UV-Ab-
sorption. a) „Blasen“-Zelle. Der „Pfropfen“ der Lösung bleibt beim Passieren der Blase erhalten. b)
Rechtwinklige Biegung. Der Lichtweg verläuft zur Reduzierung von Streulicht in einer Kapillare aus
schwarzem Quarz. Die reflektierende Innenseite dient zur Transmissionserhöhung als „Lichtleiter“. Das
Detektorsignal verläuft linear ist bis zu 1.4 Extinktionseinheiten. [Mit freundlicher Genehmigung von
Agilent Technologies, Palo Alto, CA, USA.]

Ag | AgCl-Bezugs-
Pt-Hilfs- elektrode
elektrode Sucrose
Lactose
Glucose

Kapillare Fructose
Ribose

Detektorstrom
2 nA
Puffer-
Elektrode zur
gefäß Cu-Arbeits- Elektrophorese
elektrode (geerdet) Mikropositionierung

0 4 8 12 16 20
a b Zeit (min)

Abb. 25.34 a) Amperometrische Detektion mit einer makroskopischen Arbeitselektrode am Kapil-


larenausgang. b) Elektropherogramm von in 0.1 M NaOH getrennten Zuckern. Die OH-Gruppen der
Zucker sind teilweise ionisiert, wodurch Anionen entstehen. [J. Ye und R. P. Baldwin, „Amperometric
Detection in Capillary Electrophoresis with Normal Size Electrodes“, Anal. Chem., 1993, 65, 3525.]

Lichtweg, bei der diese Verbesserung den Faktor 10 aufweist. Allerdings gibt es im zwei-
ten Fall mit größerer Weglänge eine gewisse Bandenverbreiterung. Aufeinanderfolgende
Peaks müssen 3 mm getrennt sein, sonst überlagern sie sich im Detektor.
Die Fluoreszenzdetektion (später in der Abbildung 25.42 gezeigt) spricht auf natürlich
fluoreszierende Analyte oder auf fluoreszierende Derivate der Analyte an. Mit der am-
perometrischen Detektion können Analyte bestimmt werden, die an der Elektrode oxidiert
oder reduziert werden (Abbildung 25.34). Die Leitfähigkeitsdetektion mit Unterdrückung
des Hintergrundelektrolyten durch Ionenaustausch (wie in Abbildung 25.6) kann kleine
Ionen im 1–10 ng/mL-Bereich erkennen. Die Elektrospray-Massenspektrometrie (Abbil-
dung 21.22) ist ebenfalls anwendbar und besitzt den Vorteil sehr niedriger Nachweisgren-
zen und liefert gleichzeitig qualitative Informationen über die Analyte.
25.7 · Durchführung der Kapillarelektrophorese 749

helle Lösungsmittel- dunkle Analytzone helle Lösungsmittel-


zone zone

Abb. 25.35 Prinzip der indirekten Detektion. Wenn der Analyt im Detektionsbereich erscheint, wird
das hohe Hintergrundsignal erniedrigt. 25
Extinktion bei 254 nm

Cl−
37

0.001
Extinktions-
einheiten

35
Cl−

35 40 45
Zeit (min)

Abb. 25.36 Trennung der natürlichen Isotopen von 0.56 mM Cl– durch Kapillarelektrophorese mit
indirekter spektralphotometrischer Detektion bei 254 nm. Der Hintergrundelektrolyt enthält 5 mM
CrO42– für die Extinktion bei 254 nm und 2 mM Boratpuffer, pH 9.2. Die Kapillare hatte einen Durch-
messer von 75 μm, eine Gesamtlänge von 47 cm (Länge zum Detektor = 40 cm) und einer angelegten
Spannung von 20 kV. Der Unterschied der elektrophoretischen Mobilitäten von 35Cl– und 37Cl– beträgt
nur 0.12 %. Die Bedingungen wurden so gewählt, dass der elektroosmotische Fluss etwa gleichgroß
wie der elektrophoretische Fluss und diesem entgegen gerichtet ist. Die resultierende Nettoge-
schwindigkeit nahe Null gab den beiden Isotopen trotz der geringen Mobilitätsunterschiede eine
maximale Zeit zur Auftrennung. [C. A. Lucy und T. L. McDonald, „Separation of Chloride Isotopes by
Capillary Electrophoresis Based on the Isotope Effect on Ion Mobility“, Anal. Chem. 1995, 67, 1074.]

In der Abbildung 25.35 wird das Prinzip der indirekten Detektion erläutert, das sich Ungefähre Nachweisgrenzen (μM) für
für Fluoreszenz-, Absorptions-, amperometrische, Leitfähigkeits- und andere Detekti- die indirekte Detektion in der Elektro-
onsarten eignet. Dem Trennpuffer wird eine Verbindung zugemischt, die ein konstantes phorese:
Untergrundsignal erzeugt. In der Analytzone verdrängen die Analytmoleküle z. B. eine
chromophore Komponente, wodurch das Detektorsignal beim Durchgang der Analytzone Ultraviolett-Absorption 1–100
verringert wird. In der Abbildung 25.36 ist eine eindrucksvolle Trennung der Cl–-Isotope
Fluoreszenz 0.001–1
gezeigt, bei der das UV-absorbierende Anion Chromat zugegen ist. Die Erhaltung der
Elektroneutralität legt fest, dass in den Analytzonen eine geringere Chromatkonzentra- Chemilumineszenz 0.001–0.01
tion vorliegen muss als im Trennpuffer. Wenn weniger CrO42– zur Absorption der UV-
Leitfähigkeit 0.01–100
Strahlung vorhanden ist, entsteht ein negativer Peak, sobald Cl– am Detektor erscheint.
Benzoat und Phthalat sind weitere geeignete Anionen für eine indirekte UV-Detektion. Amperometrie 10–5–10
Die Nachweisgrenzen in der Kapillarelektrophorese sind generell etwa eine Größenord- Massenspektrometrie 0.001–0.01
nung schlechter als die Nachweisgrenzen in der Ionenchromatographie, jedoch eine bis
zwei Größenordnungen besser als die Nachweisgrenzen für ionenselektive Elektroden. Quelle: Vorwiegend von C. Vogt und G. L.
Glunder, „Separation of Metal Ions by Capil-
lary Electrophoresis – Diversity, Advantages
and Drawbacks of Detection Methods“, Fre-
Mizellare elektrokinetische Chromatographie39 senius J. Anal. Chem. 2001, 370, 316.

Die bisher besprochene Form der Elektrophorese war die Kapillarzonenelektrophorese.


Die Trennung beruht hier auf Unterschieden der elektrophoretischen Mobilität. Wenn
750 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Normale Elutionsreihenfolge in die Kapillarwand negativ geladen ist, führt der elektroosmotische Fluss zur Kathode
der Kapillarelektrophorese: (Abbildung 25.24). Somit werden Kationen vor Neutralmolekülen und abschließend
1. Kationen (schnellste Ionen zuerst) die Anionen eluiert. Wenn die Ladung der Kapillarwand durch Beschichtung mit einem
2. alle Neutralmoleküle (keine Tren- kationischen Tensid (Abbildung 25.29) und somit die Polarität der Kapillare umgekehrt
nung) werden, ist die Elutionsreihenfolge umgekehrt: Anionen werden vor Neutralmolekülen
3. Anionen (schnellste Ionen zuletzt) und Kationen eluiert. In keinem Fall gelingt die Trennung von neutralen Molekülen un-
tereinander.
Mit der Mizellaren elektrokinetischen Chromatographie ist sowohl die Trennung
Na
von Ionen als auch von neutralen Verbindungen möglich. Wir erläutern einen Fall, bei
OSO 3
dem das anionische Tensid Natriumdodecylsulfat oberhalb seiner kritischen Mizellbil-
Natriumdodecylsulfat dungskonzentration (Exkurs 25.1) im Puffer vorliegt, so dass negativ geladene Mizellen
(n-C12H25OSO–3Na+) gebildet werden.41 In Abbildung 25.37 geht der elektroosmotische Fluss nach rechts
und die elektrophoretische Wanderung der negativ geladenen Mizelle nach links. Die
Mizellare elektrokinetische Nettobewegung ist jedoch nach rechts gerichtet, da der starke elektroosmotische Fluss
Chromatographie: dominiert.
Je länger sich der neutrale Analyt in In Abwesenheit der Mizellen würden alle neutralen Moleküle den Detektor zur glei-
der Mizelle befindet, desto länger ist chen Zeit t0 erreichen. Mit der Probe injizierte Mizellen erreichen den Detektor zu einer
seine Migrationszeit. Diese Technik Zeit tmc, die größer als t0 ist, da die Mizellen entgegen dem elektroosmotischen Fluss
wurde 1984 von S. Terabe eingeführt.40 wandern. Wenn ein neutrales Molekül im Gleichgewicht zwischen der freien Lösung und
dem Inneren der Mizelle steht, wird seine Migrationszeit erhöht, da es teilweise mit der
Mizelle wandert und deshalb zurückgehalten wird. Dadurch erreicht das neutrale Molekül
den Detektor zu einer Zeit zwischen t0 und tmc. Je mehr Zeit das neutrale Molekül inner-
halb der Mizelle verbringt, desto länger wird seine Migrationszeit. Die Migrationszeiten von
Kationen und Anionen werden ebenfalls durch die Mizellen beeinflusst, da sich die Ionen
zwischen der Lösung und den Mizellen verteilen und elektrostatisch mit den Mizellen
wechselwirken können.
Die Mizellare elektrokinetische Chromatographie ist eine echte Form der Chroma-
tographie, da sich die Mizelle als pseudostationäre Phase verhält. Die Trennung neutraler
Moleküle beruht auf der Verteilung des Analyten zwischen der Lösung und der pseudo-
stationären Phase. Der Massentransferterm Cux ist in der van-Deemter-Gleichung (25.7)
nicht mehr Null. Der Massenübergang in die Mizelle erfolgt jedoch ziemlich schnell,
sodass Peakverbreiterungen vernachlässigt werden können.
In der Mizellaren elektrokinetischen Chromatographie kann eine ungewöhnlich
große Zahl von Parametern zur Verbesserung der Trennungen variiert werden. So kann
man dem Puffer anionische, kationische, zwitterionische oder neutrale Tenside zusetzen,
um den Verteilungskoeffizienten des Analyten zu ändern. (Kationische Tenside verän-
dern zusätzlich die Ladung der Kapillarwand und die Richtung des elektroosmotischen
Flusses.) Lösungsmittel, wie Acetonitril und N-Methylformamid können zur Erhöhung
der Löslichkeit organischer Analyte und zur Veränderung der Verteilungskoeffizienten
zwischen der Lösung und der Mizelle zugesetzt werden.42 Zusätze von Cyclodextrinen
(Exkurs 23.1) ermöglichen die Trennung optischer Isomere, da sie unterschiedlich lange
mit dem Cyclodextrin assoziiert sind.43 In der Abbildung 25.38 wurden chirale Mizellen
zur Trennung der Enantiomere von chiralen Arzneimitteln verwendet.
Verwirrende Bezeichnungen: Mit einer als Sweeping bezeichneten Methode, können Analyte für die Spurenanalyse
um den Faktor 103–105 aufkonzentriert werden. Beim Sweeping bindet ein wanderndes
Mizellare elektrokinetische ionisches Reagenz, z. B. Mizellen aus Natriumdodecylsulfat oder ein Chelatbildner den
Chromatographie: Analyten und konzentriert ihn in einer schmalen Bande. Es wurden verschiedene Vor-
Elektrophorese mit Mizellen als schriften zum Sweeping von neutralen Analyten,44 Anionen45 und Kationen46 ausgearbei-
pseudostationäre Phase tet. Bei einer anderen Methode zur Analytkonzentrierung werden dynamische Änderun-
gen des pH-Werts innerhalb der Kapillare genutzt.47. Bei der Isotachophorese werden die
Kapillarelektrochromatographie: Analyte durch Stacking um Faktoren bis zu 105–106 aufkonzentriert.48
Ähnlich der HPLC, der Unterschied Die zu Beginn dieses Kapitels beschriebene Kapillarelektrochromatographie unter-
besteht im Zustandekommen der Be- scheidet sich von der Mizellaren elektrokinetischen Chromatographie durch die Ver-
wegung der mobilen Phase. Hier wird wendung einer echten stationären Phase.49 Das Lösungsmittel wird durch Elektroosmose
die mobile Phase nicht durch Druck transportiert. Mit der Kapillarelektrochromatographie wird ungefähr die doppelte Zahl
sondern durch die Elektroosmose theoretischer Böden erreicht wie bei der HPLC mit gleicher Partikelgröße und Säulen-
bewegt. länge. Es wird kein Druck auf die mobile Phase ausgeübt, sodass kein Druckabfall durch
25.7 · Durchführung der Kapillarelektrophorese 751

Die neutralen Moleküle stehen


im Gleichgewicht zwischen der
Lösung und dem Inneren der Mizelle
– – – – – – – – – – – – – – – – – –
+ + + + + + + + + + + + + + + + + +
– – – –
– elektroosmotischer
– – –
Fluss
– – – – – –
– –
+ – – –





elektrophoretischer – – –
– –
Anode – – Fluss der negativ Kathode
– – – geladenen Mizelle
+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+
– 25
Abb. 25.37 Negativ geladene Mizellen aus Natriumdodecylsulfat wandern gegen den elektroosmoti-
schen Fluss. Die Neutralteilchen (farbig gekennzeichnet) stehen im dynamischen Gleichgewicht zwi-
schen der Lösung und dem Inneren der Mizelle. Je größer die Aufenthaltszeit in der Mizelle ist, desto
stärker werden die neutralen Moleküle gegenüber dem osmotischen Fluss zurückgehalten.

2
O
NH
Signal des Massen-

chirales O
spektrometers

Zentrum
5
H
OH 7
8
1 Verbindung 5
3 4 (Oxprenolol) 6

10 20 30 40 50 60
Zeit (min)

Abb. 25.38 Trennung der Enantiomere von acht β-Blocker-Medikamenten mit Mizellarer elektrokine-
tischer Chromatographie bei pH 8.0 in einer 120 cm-Kapillare bei 30 kV. Die Struktur einer Verbindung
ist eingezeichnet. Die Mizellen wurden aus einem polymeren Tensid gebildet, das zur chiralen Erken-
nung L-Leucinat-Gruppen enthielt. [C. Akbay, S. A. A. Rizvi und S. A. Shamsi, „Simultaneous Enantiose-
paration and Tandem UV-MS Detection of Eight β-Blockers in Mizellar Electrokinetic Chromatography
Using a Chiral Molecular Mizelle“, Anal. Chem. 2005, 77, 1672.]

die kleinen Teilchen eintritt. Die Kapillarelektrochromatographie kann sowohl zur Enan-
tiomerentrennung50, zum Ionenaustausch51 als auch in der Spurenanalyse52 angewendet
werden.

Kapillargelelektrophorese
Die Kapillargelelektrophorese ist eine Form der Gelelektrophorese, die seit vier Jahr-
zehnten als eine der wichtigsten Techniken in der Biochemie angewandt wird. Die ge-
wöhnlich für die Trennung von Makromolekülen nach ihrer Größe eingesetzten Polymer-
gele waren zumeist chemische Gele, deren Polymerketten durch chemische Bindungen
vernetzt wurden (Abbildung 25.39a). Diese Gele lassen sich jedoch schlecht wieder aus
der Kapillare entfernen, weshalb heute bevorzugt physikalische Gele verwendet werden
(Abbildung 25.39b), in denen die linearen Polymerketten einfach als Knäule angeordnet
sind. Physikalische Gele lassen sich einfach auswaschen und vor jeder neuen Trennung
wieder frisch in die Kapillare spülen.
Die Makromoleküle werden im Gel durch den Siebeffekt getrennt, wobei kleinere
Moleküle schneller durch das verwickelte Polymernetzwerk wandern als große. In der
Farbtafel 31 ist ein Teil der DNA-Sequenzanalyse dargestellt, bei der ein Gemisch fluo-
reszenzmarkierter Bruchstücke mit bis zu 400 Nucleotidbausteinen in 32 min in einer
752 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

Polymerkette 5.4
Myosin 205 000 u

5.2
kovalente β-Galactosidase 116 000 u
Vernetzung
5.0 Phosphorylase B 97 000 u

log (Molekülmasse)
Bovin Serum Albumin 66 000 u
4.8

chemisches Gel Ovalbumin 45 000 u


4.6
mit kovalenten Bindungen
a zwischen den Ketten
Carboanhydrase 29 000 u
4.4

4.2
α-Lactalbumin 14 200 u

4.0
0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9
1/t rel

Abb. 25.40 Kalibrationskurve für die Molekülmasse von Proteinen in der Kapillargelelektrophorese
physikalisches Gel mit Natriumdodecylsulfat. Auf der Abszisse bedeutet trel die Migrationszeit des Proteins dividiert
(keine Bindungen, durch die Migrationszeit eines kleinen Farbstoffmoleküls. [J. K. Grady, J. Zang, T. M. Laue, P. Arosio und
b nur Verknäulung) N. D. Chasteen, „Characterization of the H- and L-Subunit Ratios in Ferritins by Sodium Dodecylsulfate-
Capillary Gel Elelectrophoresis“, Anal. Biochem. 2002, 302, 263.]
Abb. 25.39 a) Ein chemische Gel hat
kovalente Vernetzungen zwischen ver-
schiedenen Polymerketten. b) Ein physi-
kalisches Gel ist nicht vernetzt, sondern
erhält seine Eigenschaft durch die physi- Kapillare mit 38 g/L linearem Polyacrylamid (Abbildung 25.15, ohne Vernetzungen) und
kalische Verknäulung der Polymere. 6 M Harnstoff zur Stabilisierung der einzelnen DNA-Stränge getrennt wurden. Jeder
Strang mit den endständigen Basen A, T, C oder G wird dabei mit einem unterschied-
lichen Fluorophor gekoppelt. Mittels Kapillarelektrophorese können die entstandenen
Kettenabbruchprodukte aufgetrennt und durch Laseranregung am Fluoreszenzdetektor
identifiziert werden. Durch die unterschiedliche Fluoreszenzmarkierung der DNA-Frag-
mente unterscheiden sich diese in ihrer Emissionswellenlänge. Somit kann die Sequenz
der Basen des sequenzierten DNA-Stranges direkt aus dem Chromatogramm (der Abfolge
von Farbsignalen) abgelesen werden. Durch die Anwendung der Kapillarelektrophorese
wurde die Bestimmung der DNA-Sequenz im menschlichen Genom möglich.53
In der Biochemie bestimmt man die Molekülmasse von Proteinen mit der Natriumdo-
decylsulfat (SDS)-Gelektrophorese. (engl. sodium dodecyl sulfate polyacrylamide gel elec-
trophoresis, SDS-PAGE). Die Proteine werden zuerst denaturiert (in zufällige Windungen
entfaltet), indem ihre Disulfid-Bindungen (–S–S–) mit einem Überschuss an 2-Mercapto-
ethanol reduziert werden. Dann wird Natriumdodecylsulfat (C12H25OSO3–Na+) zugesetzt,
dessen Anionen die hydrophoben Regionen des Proteins bedecken und diesem eine große
negative Ladung verleihen, die ungefähr proportional zur Proteinlänge ist. Die denaturier-
ten Proteine werden dann durch ein Gel mit Siebwirkung elektrophoretisch getrennt. Große
Moleküle werden dabei stärker zurückgehalten als kleine. Somit finden wir hier ein gegen-
teiliges Verhalten zur Größenausschlusschromatographie. In der Abbildung 25.40 ist der
Logarithmus der Molekülmassen von SDS-beschichteten Proteinen umgekehrt proportional
zur Migrationszeit. Da die absoluten Migrationszeiten von Lauf zu Lauf variieren, werden
relative Migrationszeiten bestimmt. Die relative Migrationszeit ist die Migrationszeit des
Proteins dividiert durch die eines schnell wandernden kleinen Farbstoffmoleküls.

Methodenentwicklung
Die Kapillarelektrophorese wird weniger häufig angewendet als die Flüssigkeitschromato-
graphie. Zu den Vorteilen der Elektrophorese gegenüber der Chromatographie gehören:
(1) die höhere Auflösung, (2) geringerer Materialverbrauch und weniger Abfall und (3)
die generell einfachere Ausrüstung. Nachteile der Elektrophorese sind: (1) schlechtere
25.7 · Durchführung der Kapillarelektrophorese 753

Nachweisgrenzen, (2) schlechte Reproduzierbarkeit der Migrationszeit von Lauf zu Lauf,


(3) Unlöslichkeit einiger Analyte in den üblichen Elektrolytlösungen und (4) Unmöglich-
keit der Maßstabvergrößerung für präparative Trennungen.
In der Flüssigchromatographie hat man einen Erfahrungsvorsprung von zwei Jahr-
zehnten. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren mehr Trennungen mit der Elek-
trophorese durchgeführt werden, wenn mehr Experten sich intensiv mit dieser interes-
santen Technik befassen. So hat bereits jetzt die Elektrophorese in der forensischen Ana-
lytik die Flüssigchromatographie als Vorzugsmethode zur Bestimmung der Alkaloide in
Opium und Heroin verdrängt.54 Der Schlüssel zu dieser Anwendung war die dynamische
Beschichtung der Kapillare zwischen den Läufen, wodurch die Adsorption der Analyte an 25
der Quarzoberfläche verhindert und die Schwankungen der Migrationszeiten unter 0.5 %
gesenkt werden konnten.
Die Methodenentwicklung für die Kapillarelektrophorese betrifft folgende Punkte:
1. Wahl einer Detektionsmethode, die das geforderte Nachweisvermögen besitzt. Für
die UV-Absorption muss die optimale Wellenlänge gewählt werden. Falls erforderlich
werden die indirekte Detektion oder Derivatisierung gewählt.
2. Nach Möglichkeit werden die Analyte als Anionen getrennt, die nicht an der negativ
geladenen Wand hängenbleiben. Bei der Trennung von mehrfach geladenen Katio-
nen, z.B. Proteinen bei niedrigem pH sind Zusätze zur Wandbeschichtung oder zur
Ladungsumkehr der Wand erforderlich,
3. Die gesamte Probe wird gelöst. Wenn die Probe im verdünnten wässrigen Puffer nicht
löslich ist, versucht man die Löslichkeit durch die Zugabe von 6 M Harnstoff oder
Tensiden zu verbessern. Acetatpuffer lösen viele organische Analyte etwas besser als
Phosphatpuffer. (Notfalls können zur Lösung der Probe nichtwässrige Lösungsmittel
verwendet werden.56 Das nichtwässrige Lösungsmittel muss sich aber mit den Kunst-
stoffteilen im Gerät vertragen. Empfohlen werden Acetonitril und Methanol. Hier ist
die Stromstärke niedrig zu halten, um das Ausgasen und Verdampfen der flüchtigen
Lösungsmittel zu vermeiden. Wässrige Mizellen oder Cyclodextrin lösen einige Prob-
leme mit der Löslichkeit, die sonst organische Lösungsmittel erfordern würden.)
4. Die Zahl der vorhandenen Peaks wird ermittelt. Die Peaks werden mit Hilfe von Ver-
gleichssubstanzen und durch die Diodenarray-UV-oder MS-Detektion zugeordnet.
5. Für komplexe Gemische wird zur Optimierung der Trennbedingungen eine compu-
tergestützte Versuchsplanung eingesetzt.57
6. Man verwendet das kurze Ende der Kapillare in Abbildung 25.22 für schnelle Pro-
beläufe zur Bestimmung der Wanderungsrichtung und zur Feststellung von breiten
Peaks. Breite Peaks sind ein Zeichen für Wandeffekte, die eine zusätzliche Beschich-
tung erfordern.
7. Zuerst wird ermittelt, ob eine pH-Wert-Änderung allein eine ausreichende Trennung
bewirkt. Für Säuren wird mit 50 mM Boratpuffer, pH 9.3, begonnen. Für Basen wird
50 mM Phosphat, pH 2.5, versucht. Wenn die Trennung nicht ausreicht, bringt man
den pH in die Nähe eines durchschnittlichen pKS-Werts der Analyte.
8. Wenn der pH keine ausreichende Trennung bewirkt oder wenn die Analyte Neutral-
moleküle sind, werden Tenside für die Mizellare elektrokinetische Kapillarchromato-
graphie verwendet. Für chirale Analyte versucht man Cyclodextrin.
9. Auswahl des Waschverfahrens für die Kapillare. Wenn die Migrationszeiten auch
ohne Waschen von Lauf zu Lauf reproduzierbar sind, ist Waschen nicht erforderlich.
Wenn die Migrationszeiten anwachsen, wird zuerst für 5–10 min mit 0.1 M NaOH
und anschließend 5 min mit der Pufferlösung gewaschen. Wenn sich die Migrati-
onszeit immer noch ändert, wird die NaOH-Konzentration erhöht oder erniedrigt
und einige Sekunden gewaschen. Bei Abnahme der Migrationszeiten wird mit 0.1
M H3PO4 gewaschen. Wenn Proteine oder andere Kationen an den Wänden kleben,
wird das Waschen mit 0.1 M Natriumdodecylsulfat probiert oder eine käufliche dy-
namische Beschichtung verwendet.
10. Erforderlichenfalls wird die Probe einem Clean-up unterworfen. Das ist bei einer
schlechten Auflösung oder einem hohen Salzgehalt der Fall oder wenn die Kapillare
verschmutzt wird. Zum Clean-up können die Festphasenextraktion (Abschnitt 27.3),
Proteinfällung oder Dialyse (Versuch 26.1) eingesetzt werden.
754 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

11. Bei einer ungenügenden Nachweisgrenze sollte zum Aufkonzentrieren in der Kapil-
lare eine Stacking- oder Sweeping-Methode gewählt werden.
12. Für die quantitative Analyse wird der erforderliche Bereich bestimmt, in dem die
Kalibrationskurve von der niedrigsten bis zur höchsten Konzentration des Analyten
linear verläuft. Man kann auch einen inneren Standard verwenden. Wenn sich die
Migrationszeit oder die Peakfläche des Standards ändern, hat man einen Hinweis,
dass die Bedingungen nicht mehr kontrolliert werden.

25.8 Lab on a chip: Erforschung der Chemie des Gehirns

Die Europäische Weltraumbehörde Eines der spannendsten und sich sehr schnell entwickelnden Gebiete der analytischen
will bei der ExoMars-Mission 2018 mit Chemie ist das „Lab on a chip“.59 Flüssigkeiten können mit der Elektroosmose oder Druck
einem Chiplabor nach Lebenszeichen durch μm-große Kanäle geleitet werden, die in Glas- oder Kunststoffchips von der Größe
auf dem Mars suchen, wobei Amine, eines Mikroskopobjektträgers geätzt wurden. Auf dem Chip können chemische Reaktio-
Aminosäuren und deren Enantio- nen durchgeführt werden, indem Pikoliter an Flüssigkeit aus verschiedenen Gefäßen her-
mere bestimmt werden sollen.58 Die angeholt und gemischt werden. Die Reaktionsprodukte lassen sich anschließend auf dem
Nachweisgrenzen liegen unterhalb Chip analysieren. Diese Mikroreaktoren verbrauchen nur mg-Mengen der Reaktionsteil-
von 1 ppt (part-per-trillion) und sind nehmer und helfen bei der Optimierung der Synthesebedingungen, denn Dutzende von
1 000 Mal niedriger als die bei der unterschiedlichen Ansätzen können in kurzer Zeit bearbeitet werden. Chips, auf denen
Viking-Mission verwendete Gaschro- man mit kleinen Flüssigkeitsmengen umgeht, nennt man Mikrofluidsystem. Hier wird
matographie-Massenspektrometrie, ein System beschrieben, das mit einer Mikrodialysesonde zur Registrierung chemischer
mit der 1976 keine organischen Ver- Stoffe im Gehirn gekoppelt ist.60
bindungen auf dem Mars gefunden Dialyse ist ein Vorgang, bei dem kleine Moleküle durch eine semipermeable Membran
wurden. diffundieren. Die Membran hat Poren, die groß genug für kleine Moleküle sind, jedoch
große Moleküle nicht durchlassen. Die Mikrodialysesonde in Abbildung 25.41 besteht aus
einem starren semipermeablen Schlauch, der zur Aufnahme von Molekülen der Neuro-
transmitter in das Gehirn einer narkotisierten Ratte gesteckt wird. Durch die Sonde mit ei-

Ausgang Einlass

Kleine
Moleküle
diffundieren
durch die
Membran,
große
Moleküle
nicht

Quarz-
kapillarrohr

Starre
Dialyse-
schläuche
Abb. 25.41 a) Aufbauschema und b)
Photo einer Mikrodialysesonde. Kleine
Moleküle können die semipermeable
Wand durchdringen, große Moleküle
nicht. c) Die Sonde wird in die Ratte Epoxy-
eingeführt, um die chemischen Stoffe zement
im Gehirn zu ermitteln. [Freundli-
cherweise von R. T. Kennedy und Z. D. 0.22 mm
Sandlin, University of Michigan, USA,
zur Verfügung gestellt.] a b c
25.8 · Lab on a chip: Erforschung der Chemie des Gehirns 755

ner Geschwindigkeit von 3 μL/min gepumpte Flüssigkeit transportiert die kleinen Moleküle,
die in die Sonde diffundieren. Die aus der Sonde austretende Flüssigkeit (Dialysat) wird in
den Probeneinlasskanal unten links im Mikrofluidchip auf der Abbildung 25.42a geführt.
Die Flüssigkeit im Chip auf Abbildung 25.42a ist links geerdet (0 V) und rechts über
den Lösungsabfluss mit –25 kV verbunden. Der elektroosmotische Fluss führt von links
nach rechts durch die Kanäle. Etwas Flüssigkeit aus dem Probeneinlasskanal wird durch
elektroosmotischen Fluss in den Reaktionskanal gezogen. Ebenfalls durch elektroosmo-
tischen Fluss wird das Derivatisierungsreagenz zur Reaktion mit der Probe eingesaugt.
Es reagiert bei der Durchmischung zu einer fluoreszierenden Verbindung. Es dauert im
Reaktionskanal ~1 min bis die Flüssigkeit den Trennkanal erreicht. Die Dimensionen der 25
Kanäle bestimmen das elektrische Potential an den verschiedenen Stellen und bringen den
Fluss auf den gewünschten Weg. Wenn der Hochspannungsschalter geschlossen ist (Ab-
bildung 25.42a), fließt die Flüssigkeit aus dem Reaktionskanal in den Abfluss. Wird für
einen Augenblick der Hochspannungsschalter geöffnet, wird ein kleiner Lösungspfropfen
aus dem Reaktionskanal für die elektrophoretische Analyse in den Trennkanal umgeleitet.
Die fluoreszierenden Produkte werden vom Detektor (Abbildung 25.42b) beim Errei-
chen der Detektionszone beobachtet. Der 9 cm lange Trennkanal hat ~105 theoretische

Vergrößerung des 66 m
Trennkanals
Eingang der derivatisierten Probe

Hochspannungs-
schalter Ventil

Derivatisierungs-
reagenz
Erde
(0 V) Detektionszone zum
Abfluss
Trennkanal

Reaktionskanal Einlass

Probeneinlass-
kanal
Abfall
Abflusskanal
Dialysat- Dialysat-
Ausgang Eingang 25 kV
a 1 cm

Filter Filter für


425–485 nm Photomultiplier-Röhre
2.4
Ar
go

relative Fluoreszenz
35
n
las

Linse
1

2.1
nm

er

Filter
Glutamat
345–375 nm Fluoreszenz
1.8
Linse

1.5
Abdeckplatte Kanal 0 5 10 15 20 25
Zeit (s)
b Detektion des fluoreszierenden Produkts c

Abb. 25.42 Mikrofluidchip zur Bestimmung von Neurotransmittern im Dialysat. a) Layout des Chips.
Ausgezogene Linien: Flüssigkeitskanäle. Gestrichelte Linien: elektrische Verbindungen. Unscharfe
blaue Kreise: Zugang oder Ausgang der Flüssigkeit am Chip. Pfeile kennzeichnen den elektroosmoti-
schen Fluss. b) Fluoreszenzdetektor. c) Elektropherogramm des Dialysats vom Rattengehirn mit dem
Neurotransmitter Glutamat. [Z. D. Sandlin, M. Shou, J. G. Shackman und R. T. Kennedy, „Microfluidic
Electrophoresis Chip Coupled to Microdialysis for in Vivo Monitoring of Amino Acid Neurotransmit-
ters“, Anal. Chem. 2005, 77, 7702.]
756 Kapitel 25 · Chromatographische Methoden und Kapillarelektrophorese

O Böden mit einer Nachweisgrenze von 0.2 μM für den Neurotransmitter Glutamat. Das in
H2N CHRCO2
O Abbildung 25.42c gezeigte Dialysat enthielt 3.3 μM Glutamat. Mit dem System können
o-Phthaldialdehyd Glutamat Änderungen der Glutamatkonzentration bei physiologischen Stimulierungen mit einer
(R CH2CH2CO2H) zeitlichen Auflösung von 2–4 min gemessen werden. Wenn diese Änderungen in weniger
als 2–4 min erfolgen, können sie nicht voneinander unterschieden werden.
pH 9.5 Der Mikrofluidchip vereinfacht den Umgang mit dem Dialysat und macht solche Un-
HSCH2CH2OH
tersuchungen in vielen neurowissenschaftlichen Labors möglich. Der Chip kann modifi-
SCH2CH2OH ziert werden und mehrere Analysen ermöglichen, indem Aliquote des Dialysats in ver-
schiedene Kammern für unterschiedliche Derivatisierungen eingebracht werden. Künftig
N CHRCO2 werden Mikrofluidchips die Anwendung neuer Methoden ermöglichen, um komplizierte
Fluoreszierendes Produkt
Analysen effizient und kostengünstig durchführen zu können.

Wichtige Begriffe
> Affinitätschromatographie > Anionenaustauscher > Dialyse > Donnan-Gleichge-
wicht > elektrokinetische Injektion > Elektroosmose > Elektrophorese > Entioni-
siertes Wasser > Gel > Gelfitration > Gradientenelution > Harz > hydrodynami-
sche Injektion > Hydrophober Stoff > Hydrophobe Wechselwirkungschromatographie
> Indirekte Detektion > Ionenaustauschchromatographie > Ionenchromatographie

> Ionenpaarchromatographie > Kapillarelektrochromatographie > Kapillarelektro-

phorese > Kapillargelelektrophorese > Kapillarzonenelektrophorese > Kationenaus-


tauscher > Leervolumen > Mizellare elektrokinetische Chromatographie > Mizelle
> Mobilität > molekular geprägtes Polymer > Molekülausschlusschromatographie

> Selektivitätskoeffizient > Stacking > Suppressor-Technik in der Ionenchromatogra-

phie > Tensid > Vernetzung > Voranreicherung

Zusammenfassung
In der Ionenaustauschchromatographie werden Harze und Gele mit kovalent gebunde-
nen, geladenen Gruppen verwendet, die Gegenionen aus der Lösung anziehen (und Ionen
mit gleicher Ladungsart wie die des Harzes ausschließen). Polystyrenharze eignen sich
besonders für die Trennung kleiner Ionen. Eine höhere Vernetzung des Harzes erhöht die
Kapazität, die Selektivität und die Zeit für die Gleichgewichtseinstellung. Ionenaustau-
scher-Gele aus Cellulose und Dextran besitzen große Poren und geringe Ladungsdichte
und eignen sich zur Trennung von Makromolekülen. Einige anorganische Feststoffe mit
Ionenaustauscheigenschaften eignen sich für Trennungen unter extremen Temperatur-
und Strahlungsbedingungen. Ionenaustauschreaktionen folgen dem Massenwirkungsge-
setz, mit einem Gradienten steigender Ionenstärke können die Trennungen beeinflusst
werden. Mit der zwitterionischen hydrophoben Wechselwirkungschromatographie kön-
nen Anionen und Kationen auf der gleichen Säule getrennt werden.
In der Suppressor-Ionenchromatographie werden auf der Trennsäule die Analyte
getrennt und an der Suppressormembran wird der Eluent in eine nichtionische Form
überführt, so dass die Analyte über ihre Leitfähigkeit detektiert werden können. Eluent
und Suppressor können kontinuierlich durch Elektrolyse erzeugt werden. Alternativ dazu
werden in der Einsäulen-Ionenchromatographie Ionenaustauschersäulen und niedrig
konzentrierte Eluenten verwendet. Absorbiert der Eluent Licht, kann eine nachweisstarke
indirekte Detektion angewendet werden. In der Ionenpaar-Chromatographie wird ein
ionisches Tensid im Eluenten benutzt, um aus einer Umkehrphasen-Säule eine Ionenaus-
tauschersäule zu machen.
Die Molekülausschluss-Chromatographie wird zur Trennung nach der Größe des Ana-
lyten und für Molekülmassebestimmungen von Makromolekülen eingesetzt. Sie beruht
darauf, dass große Moleküle nicht in die Poren der stationären Phase eindringen können.
Kleine Moleküle können in diese Poren eintreten, wodurch sie längere Elutionszeiten als
große Moleküle aufweisen. In der Affinitätschromatographie wird eine stationäre Phase
eingesetzt, die nur mit einem bestimmten Analyten aus einer komplexen Mischung in
Wechselwirkung tritt. Nachdem alle anderen Probenbestandteile eluiert wurden, kann
der gesuchte Analyt unter veränderten Bedingungen aus der Säule gewaschen werden. In
der hydrophoben Wechselwirkungschromatographie bewirken hohe Konzentrationen an
Ammoniumsulfat, dass Proteine an einer hydrophoben stationären Phase haften bleiben.
Übungen 757

Ein Gradient mit abnehmender Salzkonzentration wird zur Erhöhung der Proteinlöslich-
kkeit in Wasser und zur Elution von der Säule genutzt.
In der Kapillarzonenelektrophorese werden die Ionen durch Anlegen eines elektri-
schen Felds zwischen den Enden einer Quarzkapillare nach den Unterschieden in ihren
Mobilitäten getrennt. Je höher die Ladung des Ions und je kleiner der hydrodynamische
Radius, desto größer ist die elektrophoretische Mobilität. Normalerweise ist die Kapillar-
wand negativ geladen und die Lösung wird durch die Elektroosmose der Kationen in der
elektrochemischen Doppelschicht von der Anode zur Kathode transportiert. Die Proben-
kationen treffen vor den neutralen Komponenten und den Probeanionen am Detektor ein
(wenn die Elektroosmose stärker als die Elektrophorese ist). Die resultierende Mobilität 25
ergibt sich als Summe aus elektrophoretischer und elektroosmotischer Mobilität (letztere
ist für alle Probenkomponenten gleich groß). Die Zonenverbreiterung wird hauptsäch-
lich durch longitudinale Diffusion und die endliche Länge der injizierten Probenzone
verursacht. Ein „Stacking“ der Analytionen findet statt, wenn die Probe eine niedrige
Leitfähigkeit besitzt. Der elektroosmotische Fluss wird bei niedrigem pH reduziert, da
die auf der Oberfläche sitzenden Si–O–-Gruppen protoniert werden. Die Si–O–-Gruppen
können auch durch Polyaminkationen maskiert werden, wobei die Ladung der Kapillar-
wand durch ein kationisches Tensid und die von ihm gebildete Doppelschicht auf der
Kapillarwand umgekehrt werden kann. Kovalent gebundene Beschichtungen reduzieren
die Elektroosmose und die Adsorption an der Wand. Für die hydrodynamische Probenin-
jektion wird Druck oder Unterdruck, für die elektrokinetische Injektion ein elektrisches
Feld verwendet. Kurzwellige UV-Absorption wird meistens zur Detektion verwendet. In
der Mizellaren elektrokinetischen Kapillarchromatographie werden Mizellen als pseudo-
stationäre Phase verwendet, um neutrale Moleküle und Ionen zu trennen. Die Kapillar-
gelelektrophorese benutzt chemische oder physikalische Gele, um Makromoleküle durch
einen Siebeffekt zu trennen. Im Gegensatz zur Molekülausschluss-Chromatographie wan-
dern in der Gelelektrophorese die kleinen Moleküle am schnellsten. Mikrofluidsysteme
(Lab-on-a-chip) verwenden den elektroosmotischen oder hydrodynamischen Fluss zur
Durchführung chemischer Reaktionen und Analysen auf einem Chip.

Übungen
25-A. Kommerzielles Vanadylsulfat (VOSO4, FM 163.00) ist mit H2SO4 (FM 98.08) und H2O
verunreinigt. Eine Probe wurde durch Lösen von 0.244 7 g des verunreinigten VOSO4 in 50.0
ml H2O hergestellt. Die spektralphotometrische Analyse ergab für das blaue VO2+-Ion eine
Konzentration von 0.024 3 M. 5.00 ml der Probe wurden über eine H+-beladene Kationen-
austauschersäule geschickt. Das durch den Ionenaustausch freigesetzte H+ erforderte 13.03
ml einer 0.022 74 M NaOH bis zur Neutralisation. Bestimmen Sie die Gewichtsprozente aller
in der Vanadylsulfatprobe enthaltenen Verbindungen (VOSO4, H2SO4 und H2O).

25-B. Blau Dextran 2000 wurde durch Gelfiltration in einem Volumen von 36.4 ml von
einer mit Sephadex G-50 (Fraktionierungsbereich 1 500 bis 30 000 MM) gefüllten 2.0 × 40
cm Säule (Durchmesser × Länge) eluiert.
a) Bei welchem Retentionsvolumen ist Hämoglobin zu erwarten (MM 64 000)?
b) Nehmen Sie an, dass radioaktives 22NaCl an der Säule nicht festgehalten wird und bei
einem Volumen von 109.8 mL eluiert wird. Wie groß ist das Retentionsvolumen für
ein Molekül mit Kav = 0.65?

25-C. Betrachten Sie ein Experiment zu Kapillarelektrophorese bei pH 9. In diesem Be-


reich ist der elektroosmotische Fluss größer als die elektrophoretische Wanderung.
a) Zeichnen Sie ein Bild der Kapillare und kennzeichnen Sie Anode, Kathode, Injektor
und Detektor. Geben Sie die Richtung des elektroosmotischen Flusses und die der
elektrophoretischen Bewegung für ein Kation und ein Anion an. Kennzeichnen Sie
die Richtung der Gesamtbewegung.
b) Erklären Sie unter Zuhilfenahme von Tabelle 14.1, warum Cl– eine kürzere Migrati-
onszeit als I– besitzt. Sagen Sie voraus, ob Br– eine kürzere Migrationszeit als Cl– oder
eine längere als I– haben muss.
c) Warum ist die Mobilität von I– größer als die von Cl–?
26 Gravimetrische Analyse,
Fällungstitrationen und
Verbrennungsanalyse
Die geologische Zeitskala und die gravimetrische Analyse 26
Um das Jahr 1800 erkannten die Geologen, dass neue Gesteinsschichten (Strata) auf älteren Schichten abgelagert werden.
Charakteristische Fossilien in den einzelnen Schichten haben geholfen, die Schichten aus dem gleichen geologischen Zeitalter
überall in der Welt zu identifizieren. Das wirkliche Alter dieser Schichten war jedoch unbekannt.
Ernest Rutherford, Frederick Soddy, Bertram Boltwood und Robert Strutt zeigten in den frühen 1900er-Jahren, dass Uran in
Blei und acht Heliumatome zerfällt und die Halbwertszeit einige Milliarden Jahre beträgt. Rutherford ermittelte das Alter von Ge-
steinen aus deren Gehalt an U und He. Boltwood erhielt zuverlässigere Altersangaben für Minerale aus dem Gehalt an U und Pb.
Im Jahre 1910 hat Arthur Holmes, ein zwanzigjähriger Student von Strutt am Imperial College in London, erstmals den
Mineralen, die in bestimmten geologischen Perioden entstanden sind, das wirkliche Alter zugeordnet. Holmes vermutete, dass
uranhaltige Minerale aus dem heißen Magma relativ frei von Verunreinigungen, wie Pb, kristallisieren. Wenn das Mineral erstarrt
ist, beginnt die Akkumulierung von Pb. Damit sagt uns das Verhältnis Pb/U, wie lange die Kristallisation des Minerals zurückliegt.
Holmes bestimmte das Uran aus der Geschwindigkeit der Bildung des radioaktiven Gases Rn. Zur Bestimmung von Pb löste
er die Minerale in geschmolzenem Borax, anschließend löste er die Schmelzmasse in Säure und fällte mg-Mengen von PbSO4
quantitativ aus. Das nahezu konstante Verhältnis Pb/U = 0.045 g/g in 15 Mineralen stimmte mit der Hypothese überein, dass Pb
das Endprodukt des Uranzerfalls ist und dass bei der Kristallisation der Minerale nur wenig Pb zugegen war. Das berechnete Al-
ter für Minerale aus dem Devon-Zeitalter war 370 Millionen Jahre – vier Mal älter als das damals angenommene Alter der Erde.

Geologische Altersangaben, die Holmes 1911 berechnet hatte


Geologische Periode Pb/U (g/g) Millionen Jahre Heute angenommener Wert
Karbon 0.041 340 330–362
Devon 0.045 370 362–380
Silur 0.053 430 418–443
Präkambrium 0.125–0.20 1 025–1 640 900–2 500

Quelle: C. Lewis, The Dating Game (Cambridge: Cambridge University Press, 2000); A. Holmes, „The Association of Lead with Uranium in Rock-
Minerals, and its Application to the Measurement of Geological Time“, Proc. R. Soc. Lond. A 1911, 85, 248.

Fm. = Formation
Sst. = Sandstein
Trias
Kst. = Kalkstein

Moenkopi-Fm.

Kaibab-Kst.

Perm Toroweap-Fm.
Coconino-Sst.
Hermit Shale

Oberkarbon Supai-Fm.

Unterkarbon Redwall-Kst.
Devon Temple-Butte-Kst.
Muav-Fm.
Bright Angel Shale
Kambrium
Tapeats-Sst.
Colorado
G
ra
nd
-C

Präkambrium
an
yo
n-

Vishnu-
Se
rie

Schiefer

Gesteinsschichten, die im Grand Canyon der erodierenden Wirkung des Colorado River ausgesetzt waren, sind wie ein Blick durch ein
Fenster auf Milliarden Jahre der Erdgeschichte. [Übernommen von F. Press, R. Siever, J. Gratzinger und T. H. Jordan, Understanding Earth,
5th ed. (New York: W.H. Freeman and Company, 2008).]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_27, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
760 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

Gravimetrische Verfahren waren Bei der gravimetrischen Analyse wird die Masse eines Reaktionsproduktes verwendet,
im achtzehnten und neunzehnten um den ursprünglichen Gehalt des Analyten zu bestimmen. Durch äußerst akkurat
Jahrhundert die Hauptform der che- durchgeführte gravimetrische Analysen von T. W. Richards und seinen Kollegen wurden
mischen Analyse. Sie sind aber zu zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Atomgewichte von Ag, Cl und N auf sechs Stel-
umständlich, so dass sie heute nur len genau ermittelt1. Diese mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Arbeit bildete die Basis
noch selten angewendet werden. Die für die genaue Atomgewichtsbestimmung vieler Elemente. Bei der Fällungstitration
Gravimetrie ist aber nach wie vor eine sagt uns die Menge des Titranten, die zur vollständigen Fällung des Analyten benötigt
der genauesten analytischen Metho- wird, wie viel Analyt vorhanden ist. In der Verbrennungsanalyse wird eine Probe in ei-
den. Standards zur Kalibrierung von nem Sauerstoffüberschuss verbrannt und die Verbrennungsprodukte werden analysiert.
Analysengräten werden häufig mit Die Verbrennung wird vorwiegend zur Bestimmung von C, H, N, S und Halogenen in
gravimetrischen oder titrimetrischen organischen Verbindungen verwendet. Zur Bestimmung anderer Elemente werden die
Methoden überprüft. organischen Verbindungen in einem geschlossenen System verbrannt. Die Reaktionspro-
dukte und die Asche (fester Rückstand) werden dann in Säuren oder Basen gelöst und
mit dem induktiv gekoppelten Plasma durch Atomemission oder Massenspektrometrie
bestimmt.

26.1 Beispiele für gravimetrische Analysen

Ein typisches Beispiel für eine gravimetrische Analyse ist die Cl–-Bestimmung durch Fäl-
lung mit Ag+:
Ag+ + Cl– → AgCl(s) (26.1)

> Beispiel
Eine gravimetrische Berechnung
Aus 10.00 ml einer Cl–-haltigen Lösung wird mit einem Überschuss AgNO3 0.436 8 g AgCl
ausgefällt. Welche Cl–-Konzentration hatte die Probe?

Lösung Die Formelmasse von AgCl ist 143.321. Die Masse der Fällung von 0.463 8 g enthält
0.436 8 g AgCl
= 3.048 ×10 −3 mol AgCl
143.321g AgCl / molAgCl
Da 1 mol AgCl 1 mol Cl– enthält, müssen 3.048 × 10–3 mol Cl– in der Probe gewesen sein.
3.048 ×10−3 mol
[Cl–] = = 0.304 8 M
0.010 00L
Selbstüberprüfung Wie viel g Br– enthielt eine Probe, die einen Niederschlag von 1.000 g
AgBr (FM = 187.77) ergab? (Lösung: 0.425 5 g)

> Beispiel
Marie und Pierre Curie erhielten zu- Bestimmung der Atommasse von Radium durch Marie Curie
sammen mit Henri Becquerel im Jahr In ihrer Promotionsarbeit (Radioaktive Substanzen, 1903) bestimmte Marie Curie die ato-
1903 den Physik-Nobelpreis für ihre mare Masse des von ihr entdeckten Elements Radium. Sie wusste, dass dieses Element mit
bahnbrechenden Arbeiten zur Radio- Ba verwandt ist und dass Radiumchlorid die Formel RaCl2 hat. Wenn 0.091 92 g reines RaCl2
aktivität. Die Curies brauchten vier gelöst und mit einem Überschuss AgNO3 behandelt werden, bildet sich ein Niederschlg
Jahre, um aus mehreren Tonnen Ge- von 0.088 90 g AgCl. Wie viel Mol Cl– waren im RaCl2? Bestimmen Sie aus dem Ergebnis die
stein 100 mg RaCl2 zu gewinnen. Marie Atommasse von Ra.
erhielt 1911 für die Isolierung von
Lösung Die Masse von 0.088 90 g des Niederschlags von AgCl enthält
metallischem Radium den Nobelpreis
für Chemie. Nur Linus Pauling, John 0.088 90 g AgCl
= 6.2029 × 10–4 mol AgCl
Bardeen und Frederick Sanger haben 143.321g AgCl / molAgCl
auch zwei Nobelpreise erhalten. Da 1 mol AgCl 1 mol Cl– enthält, müssen 6.2029 × 10–4 mol Cl– im RaCl2 gewesen sein. Das
Verhältnis von Cl zu Ra ist 2:1 und damit
Auf der Einbandinnenseite dieses

Buchs steht die ganzzahlige Atom- 6.202 9 × 10−4 mol Cl
mol Radium = − = 3.1014 × 10–4 mol
masse des langlebigen Radiumisotops. Cl
2 mol
Sie beträgt 226. mol Ra
26.1 · Beispiele für gravimetrische Analysen 761

Die Formelmasse von RaCl2 sei x. Da gefunden wurde, dass 0.091 92 g RaCl2 3.1014 × 10–4 mol
RaCl2 entsprechen, gilt
0.091 92 g RaCl 2
3.1014 × 10–4 mol RaCl2 =
RaCl 2
xg
mol RaCl 2
0.091 92 g RaCl 2
x= = 296.38 g/mol
3.1014 × 10−4 mol RaCl2

Die Atommasse von Cl ist 35.453 und die Formelmasse von RaCl2 demnach
Formelmasse von RaCl2 = Atommasse von Ra + 2(35.453 g/mol) = 296.38 g/mol
⇒ Atommasse von Ra = 225.5 g/mol

Selbstüberprüfung Wie viel g AgBr wären aus 0.100 g RaBr2 entstanden? (Lösung: 0.097 g)
26

Tabelle 26.1 Typische Beispiele gravimetrischer Analysen

Analyt Fällungsform Wägeform Störende Spezies

K+ KB(C6H5)4 KB(C6H5)4 NH4+, Ag+, Hg2+, Tl+, Rb+, Cs+

Mg2+ Mg(NH4)PO4∙6H2O Mg2P2O7 viele Metalle, ausgenommen Na+ und K+

Ca2+ CaC2O4∙H2O CaCO3 oder CaO viele Metalle, ausgenommen Mg2+, Na+ und K+

Ba2+ BaSO4 BaSO4 Na+, K+, Li+, Ca2+, Al3+, Cr3+, Fe3+, Sr2+, Pb2+, NO3–

Ti4+ TiO(5,7-Dibrom-8-hydroxychinolin)2 wie Fällungsform Fe3+, Zr4+, Cu2+, C2O42–, Citrat, HF

VO43– Hg3VO4 V2O5 Cl–, Br–, I–, SO42–, CrO42–, AsO43–, PO43–

Cr3+ PbCrO4 PbCrO4 Ag+, NH4+

Mn2+ Mn(NH4)PO4 ∙ H2O Mn2P2O7 viele Metalle

Fe3+ Fe(HCO2)3 Fe2O3 viele Metalle

Co2+ Co(1-Nitroso-2-naphtholat)2 CoSO4 (nach Reaktion mit H2SO4) Fe3+, Pd2+, Zr4+

Ni2+ Ni(Dimethylglyoximat)2 wie Fällungsform Pd2+, Pt2+, Bi3+, Au3+

Cu2+ CuSCN (nach Reduktion) CuSCN NH+4 , Pb2+, Hg2+, Ag+,


2+
Zn Zn(NH4)PO4 ∙ H2O Zn2P2O7 viele Metalle
4+
Ce Ce(IO3)4 CeO2 Th4+, Ti4+, Zr4+

Al3+ Al(8-Hydroxychinolat)3 wie Fällungsform viele Metalle


4+ Cu2+, Pb2+, As(III)
Sn Sn(Cupferron)4 SnO2

Pb2+ PbSO4 PbSO4 Ca2+, Sr2+, Ba2+, Hg2+, Ag+, HCl, HNO3

NH4+ NH4B(C6H5)4 NH4B(C6H5)4 K+, Rb+, Cs+

Cl– AgCl AgCl Br–, I–, SCN–, S2–, S2O32–, CN–

Br– AgBr AgBr Cl–, I–, SCN–, S2–, S2O32–, CN–

I– AgI AgI Cl–, Br–, SCN–, S2–, S2O32–, CN–

SCN- CuSCN CuSCN NH4+, Pb2+, Hg2+, Ag+

CN– AgCN AgCN Cl–, I–, Br–, SCN–, S2–, S2O32–

F– (C6H5)3SnF (C6H5)3SnF viele Metalle (ausgenommen Alkalimetalle), SiO44–, CO32–

ClO4– KClO4 KClO4

SO42– BaSO4 BaSO4 Na+, K+, Li+, Ca2+, Al3+, Cr3+, Fe3+, Sr2+, Pb2+, NO3–

PO43– Mg(NH4)PO4 ⋅ 6H2O Mg2P2O7 viele Metalle, ausgenommen Na+, K+

NO3– Nitronnitrat Nitronnitrat ClO4–, I–, SCN–, CrO42–, ClO3–, NO2–, Br–, C2O42–

CO32– CO2 (nach Ansäuerung) CO2 (das freigesetzte CO2 wird durch Ascarite® (an Silikagel
adsorbiertes NaOH) aufgenommen und ausgewogen)
762 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

Tabelle 26.2 Gebräuchliche organische Fällungsreagenzien

Name Struktur Ausgefällte Ionen

Dimetylglyoxim N OH Ni2+, Pd2+, Pt2+

N OH

Cupferron N O Fe3+, VO+2 , Ti4+, Zr4+, Ce4+, Ga3+, Sn4+


N
O NH 4

8-Hydroxychinolin (Oxin) Mg2+, Zn2+, Cu2+, Cd2+, Pb2+, Al3+,


N Fe3+, Bi3+, Ga3+, Th4+, Zr4+, UO22+,
TiO2+
OH

Salicylaldoxim N OH Cu2+, Pb2+, Bi3+, Zn2+, Ni2+, Pd2+


OH

1-Nitroso-2-naphthol O Co2+, Fe3+, Pd2+, Zr4+


N
OH

Nitron NC 6H 5 NO3–, ClO4– , BF4– , WO42–


N
N N
C 6H 5 C 6H 5

Natriumtetraphenylborat Na+[B(C6H5)4]– K+, Rb+, Cs+, NH4+, Ag+, organische


Ammoniumionen

Tetraphenylarsoniumchorid (C6H5)4As+Cl– Cr2O72–, MnO4–, ReO4–, MoO42–, WO42–,


ClO4–, I3–

In Tabelle 26.1 ist eine repräsentative Auswahl an analytischen Fällungen zusammengestellt.


Einige gebräuchliche organische Fällungsmittel stehen in Tabelle 26.2. Die Fällungsbedingun-
gen müssen exakt eingehalten werden, um die selektive Fällung einer Spezies zu erreichen.
Fe(III)-Hydroxid
Potentielle Störsubstanzen müssen unter Umständen vor der Analyse entfernt werden.

26.2 Fällung
Relative Partikelzahl

Das ideale Reaktionsprodukt einer gravimetrischen Analyse sollte unlöslich, leicht filtrier-
bar, sehr sauber sein und eine bekannte Zusammensetzung besitzen. Obwohl nur wenige
Substanzen alle diese Bedingungen erfüllen, können die Eigenschaften gravimetrischer
Fe(III)-Phosphat Fe(III)-Silikat
Fällungsprodukte durch eine geeignete Fällungstechnik optimiert werden.
Die Partikel im Fällungsprodukt müssen groß genug sein, um leicht durch Filtration
abgetrennt zu werden. Sie sollten nicht zu klein sein, weil sie dann Klumpen bilden oder
durch den Filter laufen. Große Kristalle haben eine kleinere Oberfläche, an die Fremd-
200 240 280
substanzen gebunden werden könnten. Das entgegengesetzte Extrem ist eine kolloidale
Partikeldurchmesser (nm) Suspension von Teilchen mit Durchmessern zwischen 1 und 500 nm, die von den meisten
Filtern nicht zurückgehalten werden (Abbildung 26.1 und Versuch 26.1). Die Fällungsbe-
Abb. 26.1 Partikelgrößenverteilung der
Kolloide, die bei der Oxidation von FeSO4
dingungen bestimmen die Größe der entstehenden Teilchen.
zu Fe3+ in 10–4 M OH–-Lösung in Gegen-
wart von Phosphat (PO43–), Silikat (SiO44–)
oder ohne zusätzliches Anion gebildet
werden. [M. L. Magnuson, D. A. Lytle, C.
Kristallwachstum
M. Frietch und C. A. Kelty, „Characteriza-
tion of Submicron Aqueous Iron(III) Collo-
Kristallisation findet in zwei Schritten statt: Keimbildung und Wachstum der Teilchen.
ids by Sedimentation Field Flow Fractio- Während der Keimbildung treten die Moleküle in der Lösung zufällig zu ungeordneten
nation“, Anal. Chem. 2001, 73, 4815.] Clustern von ausreichender Größe zusammen, die dann in geordnete Strukturen über-
26.2 · Fällung 763

gehen, die zu größeren Partikeln wachsen können.5 Die Keimbildung kann an einem
suspendierten Fremdstoff oder Kratzern an der Glasoberflächen eintreten. Bei der Reak-
tion von Fe(III) mit 0.1 M Tetramethylammoniumhydroxid bei 25 °C haben die Keime
von hydratisiertem Fe(OH)3 einen Durchmesser von 4 nm und enthalten ungefähr 50
Eisenatome.6 Während des Partikelwachstums werden weitere Moleküle oder Ionen an
den Kristallisationskeim angelagert und dadurch wird ein größerer Kristall gebildet. Die
Keime des Fe(OH)3 wachsen in 15 min bei 60 °C zu Plättchen mit Seitenlängen von ~30
× 7 nm.
Eine übersättigte Lösung enthält mehr gelösten Stoff als dem Gleichgewichtszustand
entspricht. In einer stark übersättigten Lösung vollzieht sich die Keimbildung schneller als
das Kristallwachstum. Als Ergebnis bildet sich eine Suspension winziger Partikel oder im
ungünstigsten Fall ein Kolloid. In weniger übersättigter Lösung ist die Keimbildung ver-
langsamt und die Keime haben dadurch eine Chance, zu größeren, leichter behandelbaren 26
Kristallen zu wachsen.
Mit den folgenden Methoden wird das Partikelwachstum begünstigt Durch Übersättigung wird die Partikel-
1. Anheben der Temperatur, um die Löslichkeit zu erhöhen und dadurch die Übersätti- größe eines Niederschlags verringert.
gung zu senken.
2. Langsame Zugabe des Fällungsmittels unter kräftigem Vermischen, um eine lokale
hohe Übersättigung an der Eingießstelle zu vermeiden.
3. Lösungsvolumen groß halten, damit die Konzentrationen von Analyt und Fällungs-
mittel niedrig sind.

 Versuch 26.1
Kolloide und Dialyse
Kolloide sind Teilchen mit Durchmessern von ~1–100 nm. Sie sind größer als die meisten
Moleküle, aber zu klein, einen Niederschlag zu bilden. Kolloide bleiben in Lösung, sie wer-
den durch die Brownsche Molekularbewegung (zufällige Bewegungen) der Lösungsmittel-
molekülen suspendiert.2
Zur Herstellung von kolloidalem Eisen(III)hydroxid werden 200 mL destilliertes Wasser
in einem Becherglas auf 70–90 °C erhitzt und weitere 200 mL in ein zweites identisches
Becherglas gegeben und bei Zimmertemperatur belassen. Nun gibt man 1 mL einer 1 M
FeCl3-Lösung zu jedem Glas und rührt um. Die warme Lösung färbt sich in wenigen Se-
kunden rotbraun, während die kalte Lösung gelb bleibt (Farbtafel 32). Die gelbe Farbe ist
charakteristisch für niedermolekulare Fe3+-Verbindungen. Die rote Farbe entsteht durch
kolloidale Aggregate von Fe3+-Ionen, die durch Hydroxid-, Oxid- und einige Chloridionen An beiden Enden
zusammengehalten werden. Diese Teilchen besitzen eine Molekülmasse von ca. 105, haben verknoteter
Dialyseschlauch
einen Durchmesser von ∼10 nm und enthalten ∼103 Fe-Atome.
Um die Größe der kolloidalen Teilchen zu verdeutlichen, kann man eine Dialyse durch-
führen, bei der zwei Lösungen durch eine semipermeable Membran mit Poren vom Durch-
messer 1–5 nm getrennt sind.3 Kleine Moleküle diffundieren durch diese Poren, große (wie 2.5 nm Poren-
Proteine oder Kolloide) sind dazu jedoch nicht in der Lage. (Eine biologische Anwendung durchmesser

der Mikrodialyse ist in der Abbildung 25.41 dargestellt.)


Gießen Sie etwas von der rotbraunen kolloidalen Eisenlösung in einen Dialyseschlauch, große Moleküle
der am unteren Ende zugeknotet ist. Verschließen Sie dann das andere Ende. Stecken Sie
den Schlauch in einen Kolben mit destilliertem Wasser, um zu zeigen, dass die rotbraune
Färbung selbst über mehrere Tage hinweg erhalten bleibt (Farbtafel 32). Zum Vergleich kleine Moleküle
wird ein identischer Schlauch mit der dunkelblauen Lösung von 1 M CuSO4 ⋅ 5 H2O in einen
zweiten Kolben mit Wasser gesteckt. Die Cu2+-Ionen diffundieren aus dem Schlauch und die
Lösung im Kolben färbt sich innerhalb von 24 h einheitlich hellblau. Es kann auch der gelbe
Lebensmittelfarbstoff Tartrazin anstelle der Cu2+-Ionen verwendet werden. Wird die Dialyse
in heißem Wasser durchgeführt, ist sie bereits nach einer guten Stunde beendet4.
Die Dialyse kommt bei der Behandlung von Patienten mit Nierenschäden zur An-
wendung. Blut wird dabei über eine Dialysemembran geleitet. Die Abbauprodukte des
Stoffwechsels im Blut diffundieren durch die Membran und werden in einem großen Flüs-
Große Moleküle bleiben im Dialyse-
sigkeitsvolumen als Abfall abtransportiert. Proteine, die lebensnotwendige Bestandteile des schlauch gefangen, wogegen kleine
Blutplasmas sind, sind zu groß, um die Membran zu passieren. Sie verbleiben deshalb im Moleküle die Membran in beiden Rich-
Blut. tungen passieren können.
764 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

Fällung aus homogener Lösung


Bei der Fällung aus homogener Lösung wird das Fällungsmittel langsam durch eine che-
mische Reaktion erzeugt (Tabelle 26.3). So zersetzt sich beispielsweise Harnstoff langsam
in kochendem Wasser unter Bildung von OH–:
O

C (26.2)
Hitze
H2N NH2 3H2O CO2 2NH4 2OH
Harnstoff

Auf diese Weise kann der pH der Lösung ganz langsam angehoben werden und die
langsame OH–-Bildung führt zur Erhöhung der Teilchengröße des Eisen(III)formiat-
Niederschlags:
O

C (26.3)
H OH OH HCO2 H2O
Ameisensäure Formiat

3 HCOO– + 3 Fe3+ → Fe(HCOO)3 ∙ n H2O(s)↓ (26.4)


Fe(III)Formiat

Fällung in Gegenwart eines Elektrolyten


Ein Elektrolyt ist eine Verbindung, die Ionische Verbindungen werden gewöhnlich in Gegenwart zugesetzter Elektrolyte gefällt.
beim Lösen in Ionen dissoziiert. Um die Gründe hierfür zu verstehen, müssen wir diskutieren, wie die winzigen kolloida-
len Kristallite zu größeren Kristallen koagulieren (sich zusammenballen). Wir wollen als
Obwohl im Normalfall das überschüs- Beispiel AgCl verwenden, das normalerweise in Gegenwart von 0.1 M HNO3 ausgefällt
sige Ion des Niederschlags an der Kris- wird.
talloberfläche adsorbiert wird, treten Abbildung 26.2 zeigt ein kolloidales AgCl-Teilchen, das in einer Lösung mit einem
auch Fälle selektiver Adsorption ande- Überschuss an Ag+, H+ und NO3– wächst. Die Oberfläche der Partikel trägt eine über-
rer Ionen auf. In Gegenwart von Citrat schüssige positive Ladung, da an den zugänglichen Chloridionen an der Oberfläche
und Sulfat wird mehr Citrat als Sulfat zusätzliche Silberionen durch Adsorption gebunden werden. (Unter Adsorption versteht
an einem BaSO4-Kristall adsorbiert. man das Anhaften der Ionen an der Oberfläche. Im Gegensatz dazu bedeutet Absorption
ein Eindringen unter die Oberfläche, in das Innere des Objektes.) Die positiv geladene

H+
Ag+
NO −3
NO −3
NO −3
H+ Ag+
NO −3
Ag+ + – + – + – + Ag+

H+
Ag+ – + – + – + – + Cl–

Cl– + – + – + – + –
Abb. 26.2 Schematische Darstellung
NO−3 NO−3
des Wachsens einer kolloidalen Partikel – + – + – + – +
von AgCl in einer Lösung mit einem
H+ + – + – + – + – Ag+
Überschuss an Ag+, H+ und NO3–. Durch
+ –
die adsorbierten Ag+-Ionen hat die Par- NO−3 Ag Cl Ag+
tikel eine positive Nettoladung. Das Ge- H+
+
H NO−3
biet der Lösung in unmittelbarer Nähe NO−3
des Teilchens wird als Ionenatmosphäre
bezeichnet. Diese hat eine negative
Nettoladung, weil das Teilchen Anionen Grenze der
anzieht und Kationen abstößt. Ionenatmosphäre
26.2 · Fällung 765

Tabelle 26.3 Reagenzien für Fällungen aus homogener Lösung

Fällungsmittel Reagenz Reaktion einige fällbare Elemente

OH– Harnstoff (H2N)2CO + 3H2O CO2 + 2NH4+ + 2OH– Al, Ga, Th, Bi, Fe, Sn

OH– Kaliumcyanat HOCN + 2H2O NH4+ + CO2 + OH– Cr, Fe


Cyansäure

S2– Thioacetamida O O Sb, Mo, Cu, Cd

CH3 CNH2 + H2O → CH3 CNH2 + H2S

SO42– Amidoschwefelsäure H3N+SO3– + H2O NH4+ + SO42– + H+ Ba, Ca, Sr, Pb

C2O42– Dimethyloxalat OO Ca, Mg, Zn

CH3OCCOCH3 + 2H2O
2–
2CH3OH + C2O + 2H
4
+ 26
PO43– Trimethylphosphat (CH3O)3P=O + 3H2O 3CH3OH + PO43– + 3H+ Zr, Hf
3+ – 2– – +
CrO42– Cr3+ + Bromat 2Cr + BrO + 5H2O
3 2CrO + Br + 10H
4 Pb

8-Hydroxychinolin 8-Acetoxychinolin O Al, U, Mg, Zn

CH3CO OH
N N
H 2O CH3CO2H

a Schwefelwasserstoff ist gasförmig und toxisch; er sollte nur in einem gutziehenden Abzug verwendet werden. Thioacetamid ist krebserregend, bei Benut-

zung sollten Handschuhe getragen werden. Gelangt Thioacetamid auf die Haut, sind die betroffenen Partien sofort gründlich zu waschen. Übriggebliebenes
Reagenz wird durch Erhitzen auf 50 °C mit 5 Mol NaOCl je Mol Thioacetamid abgebaut. Die Reaktionsprodukte können dann mit viel Wasser im Ausguss ent-
sorgt werden. [H. Elo, J. Chem. Ed. 1987, 64, A144.]

Oberfläche zieht Anionen an und stößt Kationen von der die Partikel umgebende Ionen-
wolke (Abbildung 26.2) ab. Das positiv geladene Teilchen und die negativ geladene Ionen-
wolke werden zusammen als elektrische Doppelschicht bezeichnet.
Kolloidale Partikel müssen aufeinandertreffen, um sich vereinigen zu können. Die
negativ geladenen Ionenwolken der Partikel stoßen sich jedoch gegenseitig ab. Deshalb
müssen die Teilchen ausreichend kinetische Energie besitzen, um die Abstoßung zu über-
winden und zusammenzuwachsen.
Durch Erwärmen der Lösung kann die kinetische Energie erhöht und das Zusam-
menwachsen der Partikel stimuliert werden. Die Erhöhung der Elektrolytkonzentration
(HNO3 für AgCl) führt zur Verringerung des Volumens der Ionenwolke und ermöglicht
einen engeren Kontakt der Teilchen, bevor die elektrostatische Abstoßung merklich wird.
Aus diesem Grund werden die meisten gravimetrischen Fällungen in Gegenwart eines
Elektrolyten durchgeführt.

Reifung
Die Flüssigkeit, aus der ein Stoff ausfällt oder kristallisiert, wird Mutterlauge genannt.
In den meisten Vorschriften wird verlangt, den Niederschlag für eine bestimmte Zeit in
Gegenwart der heißen Mutterlauge stehen zu lassen. Dieser als Reifung bezeichnete Ar-
beitsschritt unterstützt die langsame Rekristallisation des Niederschlags. Die Partikelgröße
wird dabei erhöht und Verunreinigungen werden in zunehmendem Maße aus dem Kristall
entfernt.

Reinheit
Adsorbierte Verunreinigungen sind an der Oberfläche des Kristalls gebunden. Absorbierte
Verunreinigungen (innerhalb des Kristalls) werden als Einschluss oder Okklusion bezeich-
766 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

Entfernung von okkludiertem NO3– aus net. Einschlüsse sind Fremdionen, die zufällig Kristallgitterplätze besetzen, die norma-
BaSO4 durch Umfällung lerweise von den zum Kristall gehörigen Ionen besetzt werden. Die Wahrscheinlichkeit
für den Einschluss von Ionen steigt, wenn das verunreinigende Fremdion in Größe und
[NO3–]/[SO42–] im
Niederschlag
Ladung einem der Gitterionen des Fällungsprodukts sehr ähnlich ist. Okklusionen sind
Einschlüsse von Verunreinigungen, die buchstäblich im wachsenden Kristall gefangen
Ursprünglicher 0.279 sind.
Niederschlag
Die adsorbierten, okkludierten und eingeschlossenen Verunreinigungen bezeichnet
1. Umfällung 0.028 man als mitgefällt. Das bedeutet, dass die Verunreinigung neben dem zu bestimmenden
Produkt gefällt wird, auch wenn die Löslichkeit der Verunreinigung noch nicht über-
2. Umfällung 0.001
schritten ist (Abbildung 26.3).
Quelle: H. Bao, „Purifying Barite for Oxygen Die Mitfällung wirkt sich besonders ungünstig bei der Fällung von kolloidalen
Isotope Measurements by Dissolution and Niederschlägen (die eine große Oberfläche besitzen) aus, so beim Fällen von BaSO4,
Reprecipitation in a Chelating Solution“,
Al(OH)3 und Fe(OH)3. Viele Vorschriften verlangen das Entfernen der Mutterlauge,
Anal. Chem. 2006, 78, 304.
anschließendes Auflösen des Fällungsproduktes und erneute Fällung der Produkte
(Umfällung). Während der zweiten Fällung ist die Konzentration der Verunreinigungen
Cl
in der Lösung niedriger als während der ersten Fällung und das Ausmaß der Mitfällung
sinkt.
In besonderen Fällen wird eine Spurenverbindung gezielt durch Mitfällung mit einer
N Hauptkomponente der Lösung entfernt. Das zur selektiven Anreicherung der Spuren-
O OH komponente verwendete Fällungsprodukt wird als Sammler (oder Kollektor), der Vorgang
N-p-Chlorphenylcinnamoylhydroxam- selbst als Kollektorfällung bezeichnet. In Bangladesch ist natürlich vorkommendes Arsen
säure (RH) (Ligandatome sind fettge- im Trinkwasser eine große Gesundheitsgefährdung. Ein Weg zur Arsenbeseitigung ist das
druckt) Mitfällen von As(V) mit Fe(OH)3.7 Fe(II)-haltiges Wasser wird in Gegenwart von Citrat
unter UV-Bestrahlung (Sonnenlicht) für mehrere Stunden oxidiert, um Fe(OH)3 auszu-
fällen. Mit einer Filtration durch Sand werden die Feststoffe entfernt und das Wasser ist
1.4 trinkbar.
1.2 Einige Verunreinigungen können auch mit einem Maskierungsreagenz umgesetzt
1.0 werden, um ihre Reaktion mit dem Fällungsmittel zu unterbinden. Bei der gravimetri-
P/Ca in Korallen

0.8
schen Analyse von Be2+, Mg2+, Ca2+ oder Ba2+ mit N-p-Chlorphenylcinnamoylhydro-
0.6
xamsäure werden Verunreinigungen von Ag+, Mn2+, Zn2+, Cd2+, Hg2+, Fe2+ und Ga3+
durch einen Überschuss an KCN in Lösung gehalten. Die Ionen Pb2+, Pd2+, Sb3+, Sn2+,
0.4
Bi3+, Zr4+, Ti4+, V5+ und Mo6+ werden mit einem Gemisch aus Citrat und Oxalat mas-
0.2
kiert.
0.0
0.0 0.5 1.0 1.5 2.0
Ca2+ + 2 RH → CaR2(s)↓ + 2H+
gelöstes Phosphat
Analyt N-p-Chlorphenylcinnamoyl- Niederschlag
im Meerwasser (μM)
hydroxamsäure

Abb. 26.3 Mitfällung von Phosphat mit


Calciumcarbonat in Korallen. Das mit- Mn2+ + 6 CN– → Mn(CN)64–
gefällte Phosphat ist proportional zur Verunreinigung Maskierungsmittel bleibt in Lösung
Phosphatkonzentration des Meerwassers.
Durch Messung von P/Ca in antiken
Selbst wenn ein sehr sauberes Produkt gefällt wurde, können sich danach an der Oberflä-
Korallen kann geschlossen werden, dass
die Phosphatkonzentration im westlichen che Verunreinigungen ansammeln, während das Produkt in der Mutterlauge steht. Dieser,
Mittelmeer vor 11 200 Jahren doppelt auch als Nachfällung bezeichnete Vorgang, läuft gewöhnlich dann ab, wenn Verunreini-
so hoch war wie heute. [P. Montagna, M. gungen in übersättigten Konzentrationen vorliegen, die nur langsam kristallisieren. Ein
McCulloch, M. Taviani, C. Mazzoli und B. Beispiel hierfür ist die Kristallisation von MgC2O4 auf CaC2O4.
Vendrell, „Phosphorous in Cold-Water
Beim Waschen des Fällungsprodukts auf dem Filter werden die wenigen Tropfen
Corals as a Proxy for Seawater Nutrient
Chemistry“, Science 2006, 312, 1788.] Flüssigkeit, die noch überschüssige gelöste Stoffe enthalten, entfernt. Manche Nieder-
schläge können mit Wasser gewaschen werden, bei vielen ist jedoch ein Elektrolytzusatz
notwendig, um den Zusammenhalt des Niederschlages zu gewährleisten. Bei diesen
Fällungsprodukten sorgt die Ionenwolke für die Neutralisierung der Oberflächenladung
der winzigen Partikel. Wird der Elektrolyt mit Wasser ausgewaschen, stoßen sich die ge-
ladenen Teilchen ab und das Produkt zerfällt. Dieser Zerfallsvorgang wird als Peptisation
bezeichnet. Er kann zu merklichen Verlusten führen, die durch das Filter laufen. So pep-
Ammoniumchlorid zersetzt sich bei tisiert AgCl, wenn es mit Wasser gewaschen wird. Es wird deshalb mit verdünnter HNO3
Erwärmung: gewaschen. Die zum Waschen verwendeten Elektrolyte müssen flüchtig sein, damit sie
NH4Cl(s) → NH3(g) + HCl(g) beim Trocknungsprozess entfernt werden können. Flüchtige Elektrolyte sind z. B. HNO3,
HCl, NH4NO3, NH4Cl und (NH4)2CO3.
26.3 · Beispiele für gravimetrische Berechnungen 767

Zusammensetzung des Fällungsproduktes


Das Endprodukt muss eine bekannte, stabile Zusammensetzung haben. Eine hygroskopi-
sche Substanz nimmt Wasser aus der Luft auf und kann deshalb nur schwer exakt gewo-
gen werden. Viele Fällungsprodukte enthalten eine variable Anzahl Wassermoleküle und
müssen deshalb unter Bedingungen getrocknet werden, die eine definierte Stöchiometrie
der Wassermoleküle geben, am besten jedoch zur wasserfreien Form führen.
Um die chemische Form einiger Niederschläge zu ändern, erfolgt ein Glühen (starkes
Erhitzen) der Fällungsprodukte. So kann durch einstündiges Glühen von Fe(HCOO)3.n H2O
bei 850 °C Fe2O3 erhalten werden und beim Glühen von Mg(NH4)PO4.6 H2O bei 1 100 °C
entsteht Mg2P2O7. 0 CaC14H10O6 H2O
In der thermogravimetrischen Analyse wird eine Probe erhitzt und die Masse der CaC14H10O6
Verbindung in Abhängigkeit von der Temperatur bestimmt. Abbildung 25.2 zeigt, wie 20 26

Masseverlust (%)
sich die Zusammensetzung von Calciumsalicylat in vier Schritten ändert:
40
OH HO OH HO CaC7O3H4
~200 °C
. H2O 60
CaCO3
CO2CaO2C CO2CaO2C CaO
80
Calciumsalicylat-Monohydrat
~300°C (26.5)
100
O 200 400 600 800 1 000
~700°C ~500°C Ca Temperatur (°C)
CaO CaCO3
O
Calciumoxid Calciumcarbonat
Abb. 26.4 Thermogravimetrische Kurve
O von Calciumsalicylat. [Aus: G. Liptay, ed.
Die Zusammensetzung des Produktes hängt von der Temperatur und der Dauer der Er- Atlas of Thermoanalytical Curves (Heyden
hitzung ab and Son, 1976).]

26.3 Beispiele für gravimetrische Berechnungen

Jetzt werden einige Beispiele näher betrachtet, die zeigen, wie die Masse eines gravi-
metrischen Fällungsprodukts mit der Menge des ursprünglich vorhandenen Analyten
zusammenhängt. Im Allgemeinen werden dabei die Stoffmengen des Produkts zu den
Stoffmengen des reagierenden Stoffs ins Verhältnis gesetzt.

> Beispiel
Zusammenhang zwischen Masse des Produktes und Masse der
Ausgangsstoffe Wenn man diese Analyse durchführt,
Der Piperazingehalt eines verunreinigten Handelsprodukts kann durch Fällung und Wägung muss man sich davon überzeugen,
des Diacetats bestimmt werden8: dass die Verunreinigungen im Pipera-
zin nicht mitgefällt werden, andernfalls
: NH HN : 2CH3CO2H H 2N NH2 (CH3CO2) 2 wird das Ergebnis zu hoch.
(26.6) Der gravimetrische Faktor bezieht
Piperazin Essigsäure Piperazindiacetat
(FM 86.136) (FM 60.052) (FM 206.240) die Masse des Analyten auf die des
Produkts. Die Auswaage einer gravime-
Bei einer Bestimmung werden 0.312 6 g der Probe in 25 mL Aceton gelöst, danach wird 1 trischen Bestimmung muss mit diesem
ml Essigsäure zugegeben. Nach 5 min wird der Niederschlag filtriert, mit Aceton gewaschen Faktor multipliziert werden, um die
und bei 110 °C getrocknet. Anschließend wurden 0.712 1 g ausgewogen. Wie hoch ist der Masse des darin enthaltenen Analyten
Piperazingehalt der Probe in Gew%? zu erhalten.

Lösung Pro mol Piperazin in der verunreinigten Probe wird 1 mol Produkt gebildet.
Einwaage: Stoffportion des Aus-
Stoffmenge des Produkts
0.7121g/ = 3.453 × 10−3mol gangsmaterials für eine analytische
/
206.243 g/mol Bestimmung
Dieser Stoffmenge Piperazin entsprechen Auswaage: Stoffportion des Endpro-
⎛ g ⎞ dukts
Masse des Piperazin (3.453 × 10−3 mol)⎜ 86.136 ⎟ = 0.297 4 g
⎝ mol ⎠
768 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

die umgerechnet werden zum


0.297 4 g/
prozentualen Gehalt an Piperazin in der Probe × 100 = 95.14%
0.312 6 g/
Ein analoger Weg, diese Aufgabe zu lösen, berücksichtigt, dass aus 86.136 g (1 mol) Pipera-
zin in der Probe 206.240 g (1 mol) des Produkts gebildet werden. Da 0.712 1 g Produkt ent-
standen sind, ist der Gehalt an Ausgangsstoff (Piperazin) gegeben durch

x g Piperazin 86.136 g Piperazin


=
0.712 1 g Produkt 206.243 g Produkt
⎛ 86.136 g Piperazin⎞
⇒x =⎜ ⎟ 0.712 1 g Produkt = 0.297 4 g Piperazin
⎝ 206.240 g Produkt⎠

Die Größe 86.136/206.40 ist der gravimetrische Faktor, der die Masse des Ausgangsmaterials
mit der Masse des Produkts verknüpft.

Selbstüberprüfung Eine Probe von 0.385 4 gab ein Produkt von 0.800 0 g. Wie viel Gew%
Piperazin waren in der Probe? (Lösung: 86.69 %)

Für eine Reaktion, in der das stöchiometrische Verhältnis zwischen Analyt und Produkt
nicht 1:1 ist, muss die genaue Stöchiometrie bei der Formulierung des gravimetrischen
Faktors berücksichtigt werden. So kann z. B. Mg2+ (Atommasse = 24.305 0) in einer Probe
gravimetrisch durch Erzeugung von Mg2P2O7 (FM 222.553) bestimmt werden. Der gravi-
metrische Faktor ist in diesem Fall
Gramm Mg in der Probe 2 × (24.305 0)
=
Gramm Mg 2 P2O7 222.553
da 2 mol Mg2+ benötigt werden, um 1 mol Mg2P2O7 zu bilden.

> Beispiel
Berechnung der notwendigen Menge Fällungsmittel
a) Um den Nickelgehalt in Stahl zu bestimmen, wird die Legierung in 12 M HCl gelöst und
in Gegenwart von Citrationen neutralisiert, wodurch das Eisen in Lösung bleibt. Zu der
schwach basischen, erwärmten Lösung wird Dimethylglyoxim (DMG) gegeben, um den ro-
ten Nickel-DMG-Komplex quantitativ zu fällen. Das Produkt wird filtriert, mit kaltem Wasser
gewaschen und bei 110 °C getrocknet.
H
OH O O
N N N
Ni 2
2 Ni 2H
(26.7)
N N N
OH O O
H
DMG Bis(dimethylglyoximat)nickel(II)
FM 58.69 FM 116.12 FM 288.91

Wie groß muss das Volumen einer 1%igen (Gewichtsprozent) alkoholischen DMG-Lösung
sein, wenn mit 50 % Überschuss an DMG gefällt werden soll und bekannt ist, dass der Ni-
ckelgehalt etwa bei 3 Gew% liegt, sowie 1.0 g Stahl zur Analyse gelöst wurde? Nehmen Sie
für die Dichte der alkoholischen Lösung 0.79 g/mL an.

Lösung Da der Nickelgehalt ca. 3 % beträgt, enthält 1.0 g Stahl etwa 0.030 g Ni, was der
folgenden Stoffmenge entspricht:
0.03 g Ni
= 5.11 × 10−4mol Ni
58.69 g Ni/mol Ni
Für diese Menge Metall wird eine Masse an DMG von

2(5.11 × 10–4 mol Ni)(116.12 g DMG/mol Ni) = 0.119 g DMG


26.3 · Beispiele für gravimetrische Berechnungen 769

benötigt, da 1 mol Ni2+ 2 mol DMG erfordert. Bei einem 50%igen Überschuss an DMG wä-
ren das (1.5)(0.119 g) = 0.178 g. Diese Menge an DMG ist enthalten in
⎛ 0.178 g DMG ⎞
⎜ ⎟ = 17.8 g Lösung
⎝ 0.010 g DMG/g Lösung ⎠
17.8 g Lösung
mit dem Volumen: = 23 mL
0.79 g Lösung/mL
b) Welchen prozentualen Anteil hat Nickel in der Legierung, wenn für 1.163 4 g Stahl 0.179 5
g Fällungsprodukt erhalten wurde?

Lösung Pro mol Ni im Stahl wird ein mol Niederschlag gebildet. In diesem Fall entspre-
chen die 0.179 5 g Niederschlag

0.1795 g Ni (DMG)2
= 6.213 × 10-4 mol Ni (DMG)2
26
288.91 g Ni (DMG)2 /mol Ni (DMG)2

Die Masse Nickel in der Legierung muss deshalb

⎛ g ⎞
(6.213 × 10-4 mol Ni) ⎜58.69 ⎟ = 0.036 46 g
⎝ mol Ni ⎠
0.036 46 g Ni
betragen. Der Massenanteil Ni im Stahl ist dann × 100 = 3.134 %
1.163 4 g Stahl

Bei einem etwas einfacheren Weg zur Lösung dieser Aufgabe benutzt man die Tatsache,
dass 58.69 g Ni (1 mol) zur Bildung von 288.91 g (1 mol) Fällungsprodukt führen würden.
Bezeichnet man die Masse an Ni in der Probe mit x, kann man formulieren
Gramm analysiertes Ni x 58.69
= = ⇒ Ni = 0.036 46 g
Gramm gebildetes Produkt 0.179 5 288.91

Selbstüberprüfung Eine Legierung enthält ~2.0 Gew% Ni. Welches Volumen einer
Lösung mit 0.83 Gew% DMG muss verwendet werden, um einen Überschuss von 50 % an
DMG für die Analyse von 1.8 g Stahl zu sichern? Welche Masse an Ni(DMG)2-Niederschlag
ist zu erwarten? (Lösung: 33 mL, 0.18 g)

> Beispiel
Eine Analysenberechnung mit zwei Komponenten
Ein Gemisch der 8-Hydroxychinolin-Komplexe von Aluminium und Magnesium ergab
eine Auswaage von 1.084 3 g. Nachdem die Probe in einem Ofen unter Luftzutritt geglüht
wurde, ergab sich für die entstandenen Produkte Al2O3 und MgO eine Auswaage von
0.134 4 g. Bestimmen Sie den Gewichtsanteil an Al(C9H6NO)3 im Ausgangsgemisch.

N N Hitze
Al Mg Al 2O 3 MgO
O O
3 2
AlQ 3 MgQ 2
FM 459.43 FM 312.61 FM 101.96 FM 40.304

Lösung Das Anion von 8-Hydroxychinolin wird hier mit Q abgekürzt. Wenn wir die Masse
an AlQ3 mit x und die Masse an MgQ2 mit y bezeichnen, können wir schreiben:
x + y = 1.084 3 g
Masse Masse
AlQ 3 MgQ 2

Die Stoffmenge Al entspricht x/459.43 und die von Mg entspricht y/312.61. Die Stoffmenge
Al2O3 muss der Hälfte der Stoffmenge von Al betragen, da 2 mol Al in einem mol Al2O3 ent-
halten sind.

⎛1⎞ x
mol Al2O3 = ⎜ ⎟
⎝ 2 ⎠ 459.43
770 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

Die Stoffmengen (mol) von MgO und Mg = y/312.611 sind gleich. Jetzt kann formuliert
werden
Masse an Al2O3 Masse an MgO
   
⎛1⎞ x y
⎜ ⎟ (101.96
2 ⎠ 459.43  
) + 312.61 (40.304 ) = 0.134 4 g
⎝ g Al O

   
g MgO

2 3
mol Al 2O 3 mol MgO
mol Al 2O 3 mol MgO

Durch Substitution von y = 1.084 3 – x in die obige Gleichung erhalten wir


⎛1⎞ ⎛ x ⎞ ⎛ 1.084 3 - x ⎞
⎜ ⎟ ⎜ ⎟ (101.96) + ⎜ ⎟ (40.304) = 0.134 4 g
⎝ ⎠ ⎝
2 459.43 ⎠ ⎝ 312.61 ⎠
Das ist eine sehr große Messunsicher-
heit: Eine Differenz von 0.5 g in der Daraus ergibt sich für x = 0.300 3 g, was 27.7 % des Ausgangsgemisches entspricht.
Masse des Produkts ergibt eine Diffe-
Selbstüberprüfung Wenn die Reproduzierbarkeit ±0.5 mg beträgt, liegt die Masse des
renz von 9 % in der berechneten Zu-
Reaktionsprodukts zwischen 0.133 9 und 0.134 9 g. Bestimmen Sie die Gewichtsprozente
sammensetzung der Mischung.
von Al(C9H6NO)3, wenn die Masse 0.133 9 g beträgt. (Lösung: 30.27 %)

26.4 Verbrennungsanalyse

Eine historisch wichtige Form der gravimetrischen Analyse war die Verbrennungsana-
lyse. Sie wurde zur Bestimmung der Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalte von organi-
schen Verbindungen verwendet, die in einem Sauerstoffüberschuss verbrannt wurden
(Abbildung 26.5). Anstelle der Wägung der Verbrennungsprodukte verwenden moderne
Geräte heute die Wärmeleitfähigkeit, Infrarotabsorption, Flammenphotometrie (für S)
oder die Coulometrie (für die Halogene) zur Bestimmung der Produkte.

Gravimetrische Verbrennungsanalyse
Asbest wird heute nicht mehr benutzt. In der gravimetrischen Verbrennungsanalyse wird ein teilweise verbranntes Produkt über
Seine Anwendung ist seit 1993 in Katalysatoren, wie Pt-Netze, CuO, PbO2 oder MnO2 bei erhöhten Temperaturen geleitet,
Deutschland verboten. Die eingeat- um die vollständige Oxidation zu CO2 und H2O zu gewährleisten. Die Verbrennungspro-
meten Fasern können Lungenkrebs dukte werden durch eine mit P4O10 („Phosphorpentoxid“) gefüllte Kammer gespült, in der
verursachen. das Wasser absorbiert wird. In einer folgenden Kammer mit Ascarite® (NaOH auf Asbest)
wird das CO2 absorbiert. Der Massenzuwachs in jeder Kammer liefert die Information,
wie viel Wasserstoff und Kohlenstoff in der Probe enthalten waren. Ein Schutzrohr hinter
den beiden Absorptionskammern verhindert, dass atmosphärisches H2O oder CO2 in die
Kammern eintreten kann.

Probe im
Pt-Schiffchen Elektroofen

O2-Ausgang

Katalysatoren

O2-Eintritt

P4O10
P4O10 NaOH + NaOH/(Schutzrohr)
Brenner oder Mg(ClO4)2 auf Asbest Asbest

Abb. 26.5 Gravimetrische Verbrennungsanalyse für Kohlenstoff und Wasserstoff.


26.4 · Verbrennungsanalyse 771

> Beispiel
Berechnung für eine Verbrennungsanalyse
Eine Verbindung, von der 5.714 mg eingewogen wurden, lieferte bei der Verbrennung
14.414 mg CO2 und 2.529 mg H2O. Bestimmen Sie die Gewichtsanteile an C und H in der Probe.

Lösung Ein mol CO2 enthält 1 mol Kohlenstoff. Die mol Kohlenstoff in der Probe entspre-
chen deshalb den mol gebildeten CO2
14.414 × 10-3 g CO 2
= = 3.275 × 10-4 mol
44.010 g/mol CO2
Die Masse Kohlenstoff in der Probe beträgt = (3.275 × 10–4 mol C) (12.010 7 g/mol C) =
3.934 mg.
3.934 mg C
Gewichtsprozent Kohlenstoff × 100 = 68.84 %
5.714 mg Probe 26
Ein mol Wasser enthält 2 mol Wasserstoff. Die mol Wasserstoff in der Probe entsprechen
deshalb 2 mol erzeugtem H2O)
⎛ 2.529 × 10 -3g H 2O ⎞
⎜ 18.015 g/mol H O ⎟⎟ = 2.808 × 10 mol
=2 ⎜ -4

⎝ 2 ⎠
Masse Wasserstoff in der Probe = (2.808 × 10–4 mol H) (1.007 9 g/mol H) = 2.830 mg
0.283 0 mg H
Gewichtsprozent Wasserstoff = × 100 = 4.95 %
5.714 mg Probe

Selbstüberprüfung Eine 6.234 mg-Probe gab bei der Verbrennung 12.123 mg CO2 und
2.529 mg H2O. Wie viel Gewichtsprozent C und H enthält die Probe? (Lösung: 53.07, 4.54%)

Moderne Verbrennungsanalyse9
Abbildung 26.6 zeigt ein Gerät zur Messung von C, H, N und S in einem einzigen Schritt.
Zuerst werden etwa 2 mg Probe exakt eingewogen und in einer Zinn- oder Silberkapsel
eingeschlossen. Das Gerät wird dann mit Heliumgas gespült, das vorher zur Beseitigung

Helium

Autosampler
Sauerstoff
Wärmeleitfähigkeitsdetektor

eingeschlossene Probe
Ausgang
Keramiktiegel

Oxidations- N2 CO2 H2O SO2


1 050 °C
katalysator

850°C
Reduktions-
katalysator
und O2-Beseitigung Computer

Gaschromatograph

Abb. 26.6 Schematische Darstellung eines Geräts zur C,H,N,S-Elementaranalyse mit gaschromatogra-
phischer Trennung und Wärmeleitfähigkeitsdetektion. [E. Pella, „Elemental Organic Analysis. 2., State
of the Art“, Am. Lab., August 1990, S. 28.]
772 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

aller Spuren an O2, H2O und CO2 behandelt worden ist. Zu Beginn der Analyse wird dem
Heliumgas ein genau abgemessener Überschuss an O2 zugesetzt. Danach lässt man die
Kapsel mit der Probe in einen vorgeheizten Keramiktiegel fallen. Die Kapsel schmilzt und
die Probe wird sehr schnell oxidiert.
1 050 °C/O
C, H, N, S ⎯⎯⎯→ 2
CO (g) + H O(g) + N (g) + SO (g) + SO3(g)
                      2      2        2    2
95 % SO2

Ein Oxidationskatalysator vervollstän- Die Produkte werden über einen heißen WO3-Oxidationskatalysator geleitet, um die
digt die Oxidation der Probe und vollständige Verbrennung des Kohlenstoffs zu CO2 zu garantieren. In der folgenden Zone
ein Reduktionskatalysator dient zur reduziert metallisches Cu bei 850 °C SO3 zu SO2 und entfernt den O2-Überschuss:
Vervollständigung aller notwendigen 850 °C
Reduktionen und zur Beseitigung des Cu + SO3 ⎯⎯⎯ → SO2 +CuO(s)
850 °C
O2-Überschusses. Cu + 12 O2 ⎯⎯⎯ → CuO(s)

Die Sn-Kapsel wird zu SnO2 oxidiert, Das Gemisch aus CO2, H2O, N2 und SO2 wird gaschromatographisch getrennt und jede
wobei Komponente mit einem Wärmeleitfähigkeitsdetektor gemessen (Abbildung 23.17). Al-
1. Wärme zum Verdampfen und Cra- ternativ können CO2, H2O und SO2 durch Messung der Infrarotabsorption bestimmt
cken der Probe freigesetzt wird, werden.
2. der vorhandene Sauerstoff sofort Ein wesentliches Element des Elementaranalysators ist die dynamische Blitzverbren-
umgesetzt wird, nung, durch die eine kurze Eruption gasförmiger Produkte erfolgt, anstelle einer langsam
3. abgesichert wird, dass die Proben- über Minuten erfolgenden Freisetzung der Verbrennungsprodukte. Dieser Prozess ist
oxidation in der Gasphase abläuft, deswegen von Bedeutung, weil die chromatographische Analyse eine gleichzeitige Pro-
und beninjektion aller Produkte erforderlich macht. Kann dies nicht gewährleistet werden, ist
4. dieses als Oxidationskatalysator die injizierte Zone so breit, dass keine Trennung möglich wird.
wirkt. Bei der dynamischen Blitzverbrennung wird die in Zinn eingeschlossene Probe in
die vorgeheizte Brennkammer geworfen, unmittelbar nachdem der aus 50 Vol% O2
und 50 Vol% He zusammengesetzte Gasstrom in das System geblasen wurde (Abbil-
dung 26.7). Die Zinnkapsel schmilzt bei 235 °C und wird sofort zu SnO2 oxidiert, wo-
durch 594 kJ/mol freigesetzt und die Probe auf 1 700–1 800 °C aufgeheizt wird. Wenn
die Probe in die Brennkammer gelangt, bevor der Großteil des Sauerstoffs eingeblasen
wurde, erfolgt eine pyrolytische Zersetzung (Cracken) der Probe vor der Oxidation. Da-
durch wird die Bildung von Stickoxiden verringert. (Brennbare flüssige Proben werden
zur Vermeidung von Explosionen vor der O2-Zufuhr in die Brennkammer gegeben.)
Analysatoren, die C, H und N (aber kein S) messen, verwenden Katalysatoren, die
für diesen Vorgang besser optimiert wurden. Als Oxidationskatalysator dient Cr2O3. Um
Halogene und Schwefel zu absorbieren wird das Gas anschließend durch heißes Co3O4
geleitet, das mit Ag beschichtet ist. Eine heiße Cu-Reduktionssäule beseitigt am Ende den
O2-Überschuss.
Für die Sauerstoffbestimmung ist eine andere Verfahrensweise erforderlich. Die Probe
wird ohne Zusatz von Sauerstoff thermisch zersetzt (ein als Pyrolyse bezeichneter Pro-
zess). Die gasförmigen Produkte werden bei 1 075°C durch vernickelten Kohlenstoff ge-
leitet, um den Sauerstoff der Probe in CO (nicht in CO2) umzuwandeln. Dabei entstehen
auch N2, H2, CH4 und Halogenwasserstoffe. Die sauren Produkte werden durch NaOH
absorbiert, die verbleibenden Gase getrennt und gaschromatographisch mit einem Wär-
meleitfähigkeitsdetektor bestimmt.
Für halogenhaltige Verbindungen liefert die Verbrennung CO2, H2O, N2 und HX
(X = Halogen). Das HX wird in wässriger Lösung aufgefangen und mit Ag+-Ionen in
einem Coulometer titriert (Abschnitt 16.3). Dieses Instrument zählt die während der voll-
ständigen Reaktion mit HX erzeugten Elektronen (ein Elektron für jedes Ag+-Ion).
Die Tabelle 26.4 zeigt repräsentative Resultate für zwei von sieben an über 35 Labora-
torien geschickte Verbindungen, um ihre Leistungsfähigkeit in der Verbrennungsanalyse
zu vergleichen. Die Richtigkeit ist bei allen sieben Verbindungen ausgezeichnet. Die
Mittelwerte der Gew% an C, H, N und S liegen bei ~150 Messungen für jede Verbindung
fast immer innerhalb von 0.1 Gew% des theoretischen Werts. Die Präzision für die sieben
Substanzen ist unter der Tabelle zusammengefasst. Das mittlere Vertrauensintervall für
95 % Sicherheit beträgt für C ±0.47 Gew% . Für H, N und S betragen diese Werte ±0.24,
26.5 · Fällungstitrationskurven 773

Injizierter
Tabelle 26.4 Richtigkeit und Präzision der Verbrennungsanalyse reiner Verbindungena Sauerstoff

Substanz C H N S

C7H9NO2S Theoret.Gew% 49.19 5.30 8.18 18.73


Toluen-4-sulfonamid 49.1 ± 0.63 5.3 ± 0.31 8.2 ± 0.38 18.7 ± 0.89
Elution von N2 Proben-
zugabe
C4H7NO2S Theoret.Gew% 36.07 5.30 10.52 24.08
4-Thiazolidincarbonsäure 36.0 ± 0.33 5.5 ± 0.16 10.5 ± 0.16 24.0 ± 0.53
Blitzverbrennung
Mittlere Messunsicherheit (Gew%) ± 0.47 ± 0.24 ± 0.31 ± 0.76
für 7 verschiedene Substanzen
Start
a
Ergebnisse für zwei der sieben reinen Substanzen, die im Verlauf von sechs Jahren jedes Jahr von 33 bis 45
Laboratorien untersucht wurden. Jedes Labor untersuchte jede Substanz mindestens fünfmal an mindestens
zwei Tagen. Für jede Substanz sind in der oberen Zeile die theoretischen Gewichtsprozente angegeben und 26
in der unteren Zeile stehen die gefundenen Werte. Die Messunsicherheiten gelten für den Vertrauensbereich 120 90 60 30 0
von 95 % für alle Ergebnisse nach Verwerfung der Ausreißer mit einem Signifikanzniveau von 1 %. Zeit (s)
Quelle: R. Companyó, R. Rubio, A.Sohuquillo, R. Roqué, A. Maroto and J. Riu, „Uncertainty Estimation in Or-
ganic Elemental Analysis Using Information from Proficiency Tests“, Anal. Bioanal. Chem. 2008, 392, 149. Abb. 26.7 Abfolge der Vorgänge bei der
Blitzverbrennung [E. Pella, „Elemental
Organic Analysis, 1. Historical Develop-
ments“, Am. Lab., February 1990, S. 116.]
±0.31 bzw. ±0.76 Gew%. Man betrachtet in der Chemie ein Ergebnis von ±0.3 der the-
oretischen Gewichtsprozente für einen ausreichenden Beweis, dass die Verbindung die
erwartete Formel hat. Dieses Kriterium kann aber für C und S mit einer einzigen Analyse
nicht gelten, da die 95%-Vertrauensintervalle größere als ±0.3 Gew% sind.
Siliciumverbindungen, wie SiC, Si3N4 und Silikate (Gesteine), können durch Reaktion F2 ist überaus reaktiv und gefährlich.
mit elementarem Fluor in einem Nickelgefäß analysiert werden, wobei SiF4 und fluorierte Mit Fluor darf nur in besonderen, dafür
Produkte aller Elemente des Periodensystems außer O, N, He, Ne, Ar, und Kr entstehen.10 vorgesehenen Apparaturen gearbeitet
Die Produkte können durch Massenspektrometrie bestimmt werden. Stickstoff in Si3N4 werden.
und in einigen anderen Metallnitriden kann durch Erhitzen auf 3 000 °C in einer inerten
Atmosphäre bestimmt werden, wobei N2 freigesetzt wird, das durch die Wärmeleitfähig-
keitsdetektion bestimmt wird.

26.5 Fällungstitrationskurven

In der gravimetrischen Analyse hatten wir die unbekannte Konzentration von I– durch Zu- Voraussetzungen für das Studium der
gabe eines Überschusses an Ag+ und Wägen des Niederschlags von AgI bestimmt. In der Fäl- Fällungstitrationskurven sind die Ein-
lungstitration verfolgen wir den Ablauf der Reaktion zwischen Analyt (I–) und Titrant (Ag+) führungen in die Titration im Abschnitt
zur Festlegung des Äquivalenzpunkts, an dem die stöchiometrische Menge an Titrant für 1.5 und die Löslichkeitsprodukte im
die Reaktion zugesetzt ist. Wenn man weiß, wie viel Titrant hierzu benötigt wurde, weiß man Abschnitt 6.3.
auch, wie viel Analyt vorhanden war. Wir suchen den Äquivalenzpunkt in einer Titration,
doch wir beobachten den Endpunkt, an dem eine abrupte Änderung einer physikalischen
Eigenschaft (z. B. Elektrodenpotential) gemessen wird. Die physikalische Eigenschaft muss
so gewählt werden, dass der Endpunkt so nahe wie möglich am Äquivalenzpunkt liegt.
Eine Titrationskurve ist die graphische Darstellung, die zeigt, wie sich die Konzen-
tration eines der Reaktanten verändert, wenn der Titrant zugegeben wird. Nun werden
Gleichungen abgeleitet, mit denen die Titrationskurven berechnet werden können. Diese
Berechnungen sind sehr hilfreich, um die Chemie, die bei Titrationen abläuft, besser
nachvollziehen zu können. Darüber hinaus können Sie dadurch eher verstehen, mit wel-
chen experimentellen Maßnahmen die Qualität einer analytischen Titration verbessert
werden kann. Die Konzentrationen von Analyt und Titrant sowie die Größe des Löslich-
keitsprodukts (KL) beeinflussen die Schärfe des Endpunkts.
Da die Konzentrationen über mehrere Größenordnungen variieren, verwendet man
besser die p-Funktion:
Die p-Funktion sollte eigentlich mit den
p-Funktion: pX = –log10[X] (26.8) Aktivitäten verwendet werden: pX =
–log AX. Zur Vereinfachung wird in die-
wobei [X] die Konzentration von X bedeutet. sem Kapitel pX = –log[X] verwendet.
774 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

Wir betrachten die Titration von 25.00 mL einer 0.100 0 M I–-Lösung mit 0.050 00 M
+
Ag

Titrationsreaktion: I + Ag+ → AgI(s) (26.9)

und nehmen an, dass wir die Ag+-Konzentration mit einer Elektrode verfolgen. Reaktion
26.9 ist die Umkehr der Auflösung von AgI(s), dessen Löslichkeitsprodukt sehr klein ist.
AgI(s) U Ag+ + I– KL = [Ag+][I–] = 8.3 × 10–17 (26.10)
Da die Gleichgewichtskonstante für die Titrationsreaktion 26.9 sehr groß ist (K = 1/KL =
1.2 × 1016), liegt das Gleichgewicht weit rechts. So kann man sagen, dass jedes Aliquot von
Ag+ vollständig mit I– reagiert und nur eine äußerst geringe Menge von Ag+ in Lösung
bleibt. Am Äquivalenzpunkt gibt es einen plötzlichen Anstieg in der Ag+-Konzentration,
da praktisch das gesamte I– verbraucht wurde und das zugegebene Ag+ nicht mehr als
Iodid ausgefällt wird.
VÄ = Titrantvolumen am Äquivalenz- Welches Volumen der Ag+-Titrantlösung ist erforderlich, um den Äquivalenzpunkt zu
punkt erreichen? Um dieses Volumen zu berechnen, welches wir mit VÄ bezeichnen, halten wir
fest, dass ein mol Ag+ mit einem mol I– umgesetzt wird
(0.025 00 L)(0.100 0 mol I–/L) = (VÄ) (0.050 00 mol Ag+/L)
⇒ VÄ = 0.050 00 L = 50.00 mL
Schließlich werden wir eine einzige, Die Titrationskurve hat drei verschiedene Gebiete. Die Berechnungen sind unterschied-
einheitliche Gleichung für die Tabel- lich, je nachdem, ob wir uns vor, am oder nach dem Äquivalenzpunkt befinden. Deshalb
lenkalkulation ableiten, die alle drei werden die einzelnen Gebiete getrennt betrachtet.
Gebiete der Titration erfasst. Zum bes-
seren chemischen Verständnis wurde
die Titration mit leicht verständlichen Vor dem Äquivalenzpunkt
verwendbaren Näherungsgleichungen
in die drei Einzelteile zerlegt. Wir betrachten den Punkt, bei dem das Volumen des zugesetzten Ag+ 10.00 mL beträgt.
Da an diesem Punkt mehr I– als Ag+ vorliegt, ist praktisch das gesamte Ag+ durch Bildung
von AgI(s) „verbraucht“. Nun wird die sehr kleine Silberkonzentration, die unter diesen
Bedingungen in der Lösung verblieb, berechnet. Ein Weg besteht darin, dass wir nach
vollständigem Ablauf der Reaktion 26.9 annehmen, dass etwas AgI aufgelöst wird (Reak-
tion 26.10). Die Löslichkeit von Ag+ wird durch die Konzentration von freiem I–, das sich
in der Lösung befindet, bestimmt:
Für V < VÄ reguliert die Konzentration KL
des nicht umgesetzten I– die Löslich- [Ag + ] = (26.11)
[I− ]
keit von AgI.
Das freie I– wird vor allem durch das I– bestimmt, das nicht durch 10.00 mL von Ag+ ausge-
fällt werden konnte. I– aufgrund der Auflösung von AgI(s) ist dagegen vernachlässigbar.
Wie groß ist die Konzentration des nicht ausgefällten I–? Die Menge des in der Lösung
befindlichen I– beträgt
mol I– = ursprüngliche mol I– – mol zugesetztes Ag+
= (0.025 00 L)(0.100 mol/L) – (0.010 00 L)(0.050 00 mol/L)
= 0.002 000 mol I–
Da das Volumen nun 0.035 00 L (25.00 mL + 10.00 mL) beträgt, ist die Konzentration
0.002 000 mol I −
[I- ] = = 0.057 14 M. (26.12)
0.035 00 L
Die Konzentration von Ag+ im Gleichgewicht mit so viel I– beträgt
KL 8.3 × 10 −17
[Ag + ] = = = 1.45 × 10 −15 M (26.13)
[I− ] 0.057 14
Schließlich beträgt die gesuchte p-Funktion
pAg+ = –log[Ag+] = 14.84 (26.14)
26.5 · Fällungstitrationskurven 775

Wir haben zwei signifikante Ziffern in der Konzentration von Ag+, da wir zwei signifi- log(1.45 × 10–15) = 14.84
kante Ziffern in KL haben. Diese zwei Ziffern bei [Ag+] ergeben zwei Ziffern in der Man- je zwei signifikante Ziffern im log und
tisse der p-Funktion, die korrekt mit 14.84 angegeben wird. in der Mantisse.
Diese schrittweise Berechnung, die wir hier benutzt haben, ist ein sicherer, aber müh- Signifikante Ziffern bei Logarithmen
samer Weg zur Bestimmung der Konzentration von I–. Deshalb möchten wir uns jetzt wurden im Abschnitt 3.2 behandelt.
einer rationelleren Methode widmen. Merken Sie sich, dass VÄ = 50.00 mL beträgt. Wenn
10.00 mL Ag+ zugesetzt wurden, ist die Reaktion zu einem Fünftel vollständig, da 10.00 mL
der für die vollständige Reaktion benötigten 50.00 mL Ag+ zugesetzt worden sind. Damit
bleiben vier Fünftel an nicht reagiertem I– zurück. Wenn keine Verdünnung erfolgen
erfolgt wäre, würde die Konzentration von I– vier Fünftel des Ausgangswertes betragen.
Das ursprüngliche Volumen von 25.00 mL ist aber auf 35.00 mL angewachsen. Wenn kein
I– verbraucht worden wäre, ergäbe sich für die Konzentration der ursprüngliche Wert von
[I–] multipliziert mit 25.00/35.00. Berücksichtigt man sowohl die Reaktion, als auch die 26
Verdünnung erhält man
Es lohnt sich, diese rationelle Berech-
ursprüngliches Volumen der I- -Lösung
⎛ 4.000 ⎞ ⎛ 25.00 ⎞ nungsmethode anzuwenden.
[I- ] = ⎜ (0.100
⎟   0 M) ⎜ ⎟ = 0.057 14 M
⎝5.000 ⎠ ursprüngliche ⎝ 35.00 ⎠
  Konzentraton   Gesamtvolumen der Lösung
noch vorhandener Verdünnungs-
Anteil faktor

Dieses Ergebnis stimmt mit dem aus Gleichung 26.12 überein.

> Beispiel
Anwendung der rationellen Berechnungsmethode
Es soll pAg+ berechnet werden, wenn VAg+ (das aus der Bürette zugegebene Volumen)
49.00 mL beträgt.

Lösung Wegen VÄ = 50.00 mL beträgt der Bruchteil des reagierten I– 49.00/50.00 und
der verbliebene Anteil ist 1.00/50.00. Das Gesamtvolumen beträgt 25.00 + 49.00 =
74.00 mL.

⎛ 1.00 ⎞ ⎛ 25.00⎞
[I -] = ⎜ ⎟ (0.100 0 M)  ⎜ 74.00⎟ = 6.76 × 10 M
-4

⎝50.00 ⎠  
⎝ ⎠
  Konzentration
ursprüngliche  
noch vorhandener Verdünnungs-
Anteil faktor
−13
[Ag ] = K L/[I ] = 1.2 3 × 10
+ -

pAg + = − log[Ag +] = 12.91

Die Konzentration von Ag+ ist selbst bei dieser 98%igen Umsetzung im Vergleich zum nicht
umgesetzten I- vernachlässigbar.

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie pAg+ bei 49.1 mL. (Lösung: 12.86)

Am Äquivalenzpunkt
Jetzt wurde exakt die Menge Ag+ zugesetzt, die mit dem gesamten I– reagieren kann. Wir
stellen uns vor, dass sämtliches AgI ausfällt und etwas davon in Lösung geht und dabei Für V = VÄ wird die Konzentration von
gleiche Konzentrationen von Ag+ und I– entstehen. Der Wert von pAg+ wird gefunden, Ag+ durch die Löslichkeit des reinen
indem [Ag+] = [I–] = x in das Löslichkeitsprodukt eingesetzt wird: AgI bestimmt. Das entspricht dem Fall,
dass AgI(s) in reines Wasser gegeben
[Ag+][I–] = KL
wird.
(x)(x) = 8.3 × 10–17 ⇒ x = 9.1 × 10–9 M
pAg+ = –log x = 8.04
Dieser Wert von pAg+ ist unabhängig von der ursprünglichen Konzentration oder Vo-
lumen.
776 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

Nach dem Äquivalenzpunkt


Hier wird die Konzentration von Ag+ nahezu vollständig durch die Menge des Ag+ be-
stimmt, die nach dem Äquivalenzpunkt zugegeben wurde. Praktisch das gesamte Ag+, das
vor dem Äquivalenzpunkt zugesetzt wurde, ist als AgI ausgefällt worden. Es wird ein Wert
VAg+ = 52.00 mL angenommen. Die nach dem Äquivalenzpunkt zugesetzte Menge beträgt
2.00 mL. Die Berechnung wird wie folgt durchgeführt:

Für V > VÄ wird die Konzentration von mol Ag + = (0.002 00 L) (0.050 00 mol Ag + /L) = 0.000 100 mol
Ag+ durch den Überschuss an Ag+, [Ag + ] = (0.000 100 mol)/(0.077 00 L) = 1.30 × 10−3 M
der aus der Bürette zugesetzt wurde,
pAg + = 2.89
bestimmt.
Gesamtvolumen = 77.00 mL

Wir könnten hier drei signifikante Ziffern für die Mantisse von pAg+ verwenden, da der
Wert von [Ag+] drei signifikante Ziffern besitzt. In Übereinstimmung mit den früheren
Ergebnissen sollten allerdings nur zwei Ziffern verwendet werden.
Auch hier kann eine etwas rationellere Berechnung Zeit ersparen. Die Konzentration
von Ag+ in der Bürette ist 0.050 00 M und 2.00 mL dieser Lösung wurden auf (25.00 +
52.00) = 77.00 mL verdünnt. Daraus folgt für [Ag+]

Volumen des überschüssigen Ag+

⎛ 2.00 ⎞ −3
[Ag + ] = 0.050
 00  M ⎜ ⎟ = 1.30 × 10 M
⎝ 77.00 ⎠
 
ursprüngliche Gesamtvolumen der Lösung
Konzentration Verdünnungs-
von Ag + faktor

Die Form der Titrationskurve


Die Titrationskurven in der Abbildung 26.8 zeigen den Einfluss der Konzentration des
Reaktanten auf die Titration. Der Äquivalenzpunkt liegt im steilsten Teil der Kurve. Es ist

Überschuss
Überschuss an I–
an Ag+
0.1 M I–
0.01 M I–
14

12 0.001 M I–

10
pAg+

Äquivalenz-
8 punkt
[Ag+] = [I–]

6
Abb. 26.8 Die Titrationskurven zeigen
den Einfluss der Verdünnung der Reak- 0.001 M I–
tionsteilnehmer auf den Kurvenverlauf. 4
Äußere Kurve: 25.00 mL 0.100 0 M I– 0.01 M I–
titriert mit 0.050 00 M Ag+.
Mittlere Kurve: 25.00 mL 0.010 00 M I– 2 0.1 M I–
titriert mit 0.005 000 M Ag+.
Innere Kurve: 25.00 mL 0.001 000 M I– 0 10 20 30 40 50 60 70
titriert mit 0.000 500 M Ag+. VAg+ (mL)
26.5 · Fällungstitrationskurven 777

der Punkt mit dem maximalen Anstieg (in diesem Fall ist es ein negativer Anstieg) und er
ist damit ein Wendepunkt (an dem die zweite Ableitung Null ist):

dy
steilster Anstieg: hat ein Maximum
dx
d 2y
Wendepunkt: = 0
dx 2
Bei Titrationen mit einer Stöchiometrie der Reaktanten im Verhältnis 1:1 hat die Kurve
im Äquivalenzpunkt den steilsten Anstieg. Für andere Stöchiometrien, z. B. bei der Reak-
tion 2Ag+ + CrO42– → Ag2CrO4(s) ist die Kurve in der Nähe des Äquivalenzpunkts nicht
symmetrisch. Der Äquivalenzpunkt liegt nicht im Zentrum des steilsten Abschnitts der
Kurve und er ist auch kein Wendepunkt. Man wählt auch hier, unabhängig von der Stö- 26
chiometrie, solche Bedingungen, dass die Titrationskurven steil genug für die Erkennung
des Äquivalenzpunkts sind.
Die Abbildung 26.9 zeigt, wie KL die Titration der Halogenidionen beeinflusst. Das
am wenigsten lösliche Produkt, AgI, gibt die steilste Veränderung am Äquivalenzpunkt. Am Äquivalenzpunkt ist die Titrations-
Jedoch selbst für AgCl ist die Kurve steil genug, um den Äquivalenzpunkt genau festzu- kurve für den am wenigsten löslichen
legen. Je größer die Gleichgewichtskonstante für eine Titrationsreaktion ist, desto deutli- Niederschlag am steilsten.
cher ist die Konzentrationsänderung in der Nähe des Äquivalenzpunkts.

> Beispiel I− (Ksp = 8.3 × 10−17)


Berechnung von Konzentrationen während der Fällungstitration 14
Eine Lösung, die 25.00 mL von 0.041 32 M Hg2(NO3)2 enthält, wurde mit 0.057 89 M KIO3
titriert. 12
Br− (Ksp = 5.0 × 10−13)

Hg22+ + 2 IO3– → Hg2(IO3)2(s) 10


Iodat Cl− (Ksp = 1.8 × 10−10)

pAg+
I−
8
Das Löslichkeitsprodukt für Hg2(IO3)2 beträgt 1.3 × 10–18. Berechnen Sie die Konzentration
Br −
von Hg22+ in der Lösung 6
CI−
a) nach Zugabe von 34.00 mL KIO3;
b) nach Zugabe von 36.00 mL KIO3 und 4

c) am Äquivalenzpunkt.
2
Lösung Das zur Erreichung des Äquivalenzpunkts benötigte Volumen von Iodat berechnet 0 10 20 30 40 50 60 70
sich wie folgt: VAg+ (mL)

mol IO3– = 2 (mol Hg22+) Beachten Sie, auf welcher Seite der Gleichung die 2 steht! Abb. 26.9 Die Titrationskurven zeigen den
(VÄ)(0.057 89 M) = 2(25.00mL)(0.041 32) ⇒ VÄ = 35.69 mL Einfluss von KL. Jede Kurve ist für 25.00 mL
Stoffmenge an IO3– Stoffmenge an Hg22+ einer 0.100 0 M Halogenidlösung, titriert
a) Für V = 34.00 mL ist die Fällung von Hg22+ noch nicht vollständig. mit 0.050 00 M Ag+-Lösung berechnet. Die
Äquivalenzpunkte wurden mit einem Pfeil
ursprüngliches Volumen von Hg 22+
markiert.
⎛ 35.69 − 34.00 ⎞ ⎛ 25.00 ⎞ −4
2 ] = ⎜
[Hg2+ (0.041
⎟   32 M)  ⎜ ⎟ = 8.29 × 10 M
⎝ +
⎠ Konzentration ⎝ ⎠
35.69 25.00 34.00
 ursprüngliche  
noch vorhandener Verdünnungs- Gesamtvolumen der Lösung
Anteil von Hg22+ faktor

b) Für V = 36.00 mL ist die Fällung vollständig. Die Titration befindet sich (36.00–35.69) = 0.31 mL
nach dem Äquivalenzpunkt. Die Konzentration überschüssigen Iodats beträgt
Volumen des überschüssigen IO -3

⎛ 0.31 ⎞ −4
[IO3- ] = (0.057
  ⎜ 25.00 + 36.00⎟ = 2.94 × 10 M
89)

ursprüngliche   ⎠
Konzentration Gesamtvolumen der Lösung
Verdünnungs-
von IO 3− faktor

Die Konzentration von Hg22+ im Gleichgewicht mit festem Hg2(IO3)2 plus dieser IO3–-Konzent-
ration beträgt
KL 1.3 × 10−18
2 ] =
[Hg2+ − 2
= = 1.5 × 10 −11M
[IO3 ] (2.94 × 10−4 )2
778 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

c) Am Äquivalenzpunkt entspricht die Menge an IO3– exakt der zur Umsetzung des gesam-
ten Hg22+ erforderlichen Menge. Auch wenn alle Ionen ausgefällt wurden, liegt eine kleine
Menge Hg2(IO3)2(s) gelöst vor, wobei zwei Mol Iodat pro Mol Hg22+ entstehen:

Hg2(IO3)2(s) U Hg22+ + 2 IO3–


(x)(2x)2 = KL ⇒ x = Hg22+ = 6.9 × 10–7

Selbstüberprüfung Bestimmen Sie [Hg22+] bei 34.50 und 36.5 mL. (Lösung: 5.79 × 10–4 M,
2.2 × 10–12 M)

Unsere Berechnungen setzen voraus, dass nur die Reaktion des Anions mit dem Kation
zum festen Salz stattfindet. Wenn andere Reaktionen (z. B. Komplex- oder Ionenpaar-
Bildung) ablaufen, müssen die Rechnungen verändert werden

26.6 Titration eines Gemischs

Eine Flüssigkeit mit suspendierten Teil- Bei der Titration eines Gemischs von zwei Ionen wird der am wenigsten lösliche Nie-
chen erscheint durch Lichtstreuung an derschlag zuerst gebildet. Wenn die Löslichkeiten hinreichend verschieden sind, fällt der
diesen Teilchen trüb. erste Niederschlag nahezu vollständig aus, bevor der zweite auszufallen beginnt.
Wir betrachten die Zugabe von AgNO3 zu einer Lösung, die KI und KCl enthält. We-
Bei der Titration einer Mischung fällt gen KL (AgI) << KL (AgCl) fällt zuerst AgI aus. Wenn die Ausfällung von I– fast vollständig
das Produkt mit dem kleinsten KL als ist, steigt die Konzentration von Ag+ stark an und die Ausfällung von AgCl beginnt. Wenn
erstes aus, falls die Stöchiometrie der schließlich Cl– verbraucht ist, erfolgt ein weiterer starker Anstieg von [Ag+]. Wir erwarten
Niederschläge die gleiche ist. Bei der zwei Sprünge in der Titrationskurve, der erste bei VÄ für AgI und der zweite bei VÄ für
Fällung von I– und Cl– mit Ag+ entste- AgCl.
hen in der Titrationskurve zwei deut- Die Abbildung 26.10 zeigt eine experimentelle Kurve für diese Titration. Die Appa-
liche Sprünge. Der erste entspricht ratur, die zur Aufnahme dieser Kurve verwendet wurde, ist in Abbildung 26.11dargestellt
der Reaktion des I– und der zweite der und die Theorie zur Messung der Ag+-Konzentration wird im Abschnitt 14.2 behandelt.
Reaktion des Cl–. Der I–-Endpunkt wird aus dem Schnittpunkt der sehr steilen und der nahezu hori-
zontalen Kurvenabschnitte, die in dem Einsatz der Abbildung 26.10 gezeigt sind, erhal-
ten. Dieser Schnittpunkt wird deshalb verwendet, weil die Fällung von I– zu Beginn des
Ausfällens von Cl– noch nicht ganz vollständig ist. (Das konnten wir ja zuvor berechnen.
Dazu sind diese „furchtbaren“ Berechnungen ja auch da!) Deshalb ist das Ende des steilen

pAg+ wird in diesem pAg+ wird in diesem


Gebiet durch überschüssiges Gebiet durch überschüssiges
I– bestimmt Cl– bestimmt

700 (b)

(a)
600

500

400
mV

300 Iodid- (a)


Endpunkt
(23.85 mL) 23.76 mL
200

Chlorid-
100 23.0 23.5 24.0
Abb. 26.10 Experimentelle Titrati- Endpunkt
onskurven. a) 40.00 mL 0.050 2 M KI (47.41 mL)
+ 0.050 0 M KCl titriert mit 0.084 5 M 0 (b)
AgNO3. Die Vergrößerung zeigt das
Gebiet am ersten Äquivalenzpunkt. −100
b) 20.00 mL 0.100 4 M I– titriert mit 0 10 20 30 40 50
0.084 5 M Ag+. VAg+ (mL)
26.7 · Berechnung von Titrationskurven mit einem Tabellenkalkulationsprogramm 779

Bürette
(AgNO3)

pH-
Meter
Abb. 26.11 Apparatur zur Ermittlung der
Titrationskurven in Abbildung 26.10. Die
Becher- Silberelektrode spricht auf Änderungen
glas der Silberionenkonzentration an, die Glas-
Glas-
elektrode
Silberelektrode elektrode liefert in diesem Experiment ein 26
konstantes Bezugspotential. Die gemes-
Lösung von
I– und Cl–
sene Spannung ändert sich um etwa
59 mV für jede Veränderung von [Ag+] um
Rührstab den Faktor 10. Alle Lösungen, einschließ-
lich der AgNO3-Lösung, wurden durch
Magnet- Verwendung einer 0.010 M Sulfatlösung
rührwerk (hergestellt aus H2SO4 und NaOH) auf
pH 2 eingestellt.

Kurvenabschnitts (der Schnittpunkt) eine bessere Näherung für den Äquivalenzpunkt


als die Mitte des steilen Abschnitts. Der Cl–-Endpunkt wird aus dem Mittelpunkt des
zweiten steilen Abschnitts bei 47.41 mL genommen. Die Menge von Cl– (in mol) in der
Probe entspricht der Menge von Ag+, die zwischen dem ersten und zweiten Endpunkt
zugesetzt wurde. Das heißt, es wurden 23.85 mL der Ag+-Lösung zur Fällung von I– und
(47.41–23.85) = 23.56 mL zur Fällung von Cl– verbraucht.
Der Vergleich der I–/Cl– und der reinen I–-Titrationskurven in Abbildung 26.10 zeigt,
dass der I–-Endpunkt bei der I–/Cl–-Titration um 0.38 % zu hoch ist. Wir erwarten den
ersten Endpunkt bei 23.76 mL, beobachten aber 23.85 mL. Es gibt zwei Faktoren, die
diesen höheren Wert hervorrufen. Der erste ist der Zufallsfehler, der immer vorhanden
ist. Er kann sowohl positiv wie negativ sein. Bei einigen Titrationen jedoch, besonders bei
Titrationen von Br– und Cl–, wird der Endpunkt in Abhängigkeit von der Konzentration
systematisch bis zu 3 % zu hoch gefunden. Diese Unstimmigkeit wird auf eine geringe
Mitfällung des AgCl mit AgBr zurückgeführt. Mitfällung bedeutet, dass trotz des größeren
Löslichkeitsprodukts von AgCl eine kleine Cl–-Menge am festen AgBr als Niederschlag
angelagert wird und dann zusammen mit einer äquivalenten Menge Ag+ ausfälllt. Eine
hohe Konzentration von Nitratanionen verringert das Ausmaß der Mitfällung, wahr-
scheinlich weil NO3– mit Cl– um die Bindungsstellen am AgBr konkurriert.
Der zweite Endpunkt in Abbildung 26.10 entspricht der vollständigen Titration der
beiden Halogenide. Er tritt beim erwarteten Wert von VAg+ auf. Die Konzentration von
Cl–, die als Differenz zwischen den beiden Endpunkten gefunden wurde, ist in Abbildung
26.10 ein wenig zu niedrig, da der erste Endpunkt etwas zu hoch war.

26.7 Berechnung von Titrationskurven mit einem


Tabellenkalkulationsprogramm

Sie verstehen nun die Chemie, die in den verschiedenen Stadien einer Fällungstitration ab-
läuft, und Sie sollten auch in der Lage sein, den Verlauf der Titrationskurve zu berechnen.
Aber Tabellenkalkulationsprogramme sind leistungsfähiger und vielseitiger verwendbar
als Berechnungen von Hand, außerdem sind sie weniger fehleranfällig. Wenn Sie jetzt kein
Interesse an Tabellenkalkulationen haben, können Sie diesen Abschnitt überspringen.
Wir betrachten die Zugabe von VM Liter des Kations M+ (dessen Anfangskonzen-
tration CM0 beträgt) zu VX0 Liter der Lösung, die das Anion X– in der Konzentration CX0
enthält.
780 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

KL
M+ + X– U MX(s) (26.15)
Titrant Analyt
CM0 ,VM CX0 ,VX0

Wir wissen, dass die zugesetzte Stoffmenge M (= CM0 ·VM) gleich der Stoffmenge von M+
in der Lösung (= [M+] (VM+VX0)) plus der Stoffmenge des Niederschlags MX(s) sein muss.
(Diese Gleichheit wird Massenbilanz genannt, obwohl es in Wirklichkeit eine Stoffmen-
genbilanz ist.) In der gleichen Weise können wir die Massenbilanz für X aufschreiben.
Die Massenbilanz besagt, dass die Massenbilanz für M: C 0M ⋅ VM = [M + ] (VM+VX0 ) + mol MX(s) (26.16)
Summe der Stoffmengen aller Formen Gesamtstoff- Stoffmenge von M Stoffmenge von M
menge von M in Lösung im Niederschlag
eines Elements in einer Mischung der
gesamten in die Lösung gegebenen
Massenbilanz für X: C 0X ⋅ VX0 = [X - ] (VM+VX0 ) + mol MX(s) (26.17)
Stoffmenge dieses Elements gleich ist.
Gesamtstoff- Stoffmenge von X Stoffmenge von X
menge von X in Lösung im Niederschlag

Durch Gleichsetzung von mol MX(s) aus Gleichung 26.16 mit mol MX(s) aus Gleichung
26.17 erhält man
C 0M ⋅ VM − [M + ] (VM+ VX0 ) = C 0X ⋅ V X0 − [X -] (V M + V X0)

Umformung ergibt

⎛ C 0 + [M+ ] − [X - ] ⎞
Fällung von X– mit M+: VM = VX0 ⎜⎜ 0X - ⎟ ⎟ (26.18)
⎝ C M − [M ] + [X ] ⎠
+

In einem Zusatzabschnitt bei Gleichung 26.18 stellt eine Beziehung zwischen dem Volumen des zugesetzten M+ zu den
www.whfreeman.com/qca8e wird eine Konzentrationen von M+ und X– und zu den konstanten Größen VX0, CX0 und CM0 her.
Gleichung zur Tabellenkalkulation für Um Gleichung 26.18 in einem Tabellenkalkulationsprogramm zu verwenden, tragen wir
ein Gemisch, wie in Abbildung 26.10, Werte von pM ein und berechnen die entsprechenden Werte von VM so, wie in Abbil-
abgeleitet. dung 26.10 für die Iodid-Titration der Abbildung 26.9 gezeigt. Damit gehen wir genau
umgekehrt zum üblichen Weg der Berechnung einer Titrationskurve vor, bei dem VM
eingegeben und pM erhalten wird. Die Spalte C der Abbildung 26.12 wird mit der Formel
[M+] = 10–pM berechnet und Spalte D ergibt sich durch [X–] = KL/[M+]. Die Spalte E wird
aus Gleichung 26.18 berechnet. Der erste eingegebene Wert von pM (15.08) wurde für
eine kleine Zugabe von Ag+ versuchsweise ermittelt. Sie können starten, wo immer Sie
wollen. Wenn Ihr Anfangswert von pM vor dem eigentlichen Startpunkt liegt, dann wird
der Wert von VM in Spalte E negativ. In der Praxis werden Sie für eine genaue graphische
Darstellung mehr Punkte brauchen als wir hier gezeigt haben.

A B C D E
1 Titration von I_ mit Ag+
2
3 Ksp(Agl) = pAg [Ag+] [l-] Vm
4 8.30E-17 15.08 8.32E-16 9.98E-02 0.035
5 Vo = 15 1.00E-15 8.30E-02 3.195
6 25 14 1.00E-14 8.30E-03 39.322
7 Co(l) = 12 1.00E-12 8.30E-05 49.876
8 0.1 10 1.00E-10 8.30E-07 49.999
9 Co(Ag) = 8 1.00E-08 8.30E-09 50.000
10 0.05 6 1.00E-06 8.30E-11 50.001
11 4 1.00E-04 8.30E-13 50.150
12 3 1.00E-03 8.30E-14 51.531
13 2 1.00E-02 8.30E-15 68.750
14 C4 = 10^-B4
15 D4 = $A$4/C4
Abb. 26.12 Arbeitsblatt für die Titration
von 25 mL 0.1 M I– mit 0.05 M Ag+. 16 E4 = $A$6*($A$8+C4-D4)/($A$10-C4+D4)
26.8 · Endpunktbestimmung 781

26.8 Endpunktbestimmung

Die Endpunkte von Fällungstitrationen werden üblicherweise mit Elektroden (Abbil- Titrationen mit Ag+ heißen argento-
dung 26.11) oder Indikatoren bestimmt. Hier werden zwei Indikatormethoden zur Titra- metrische Titrationen.
tion von Cl– mit Ag+ beschrieben:
Volhard-Titration: Bildung eines löslichen, farbigen Komplexes am Endpunkt
Fajans-Titration: Adsorption eines Farbindikators auf dem Niederschlag am Endpunkt

Volhard-Titration a

Die Volhard-Titration ist eigentlich ein Verfahren zur Titration von Ag+ in salpetersaurer
Lösung. Um Cl– zu bestimmen, ist eine Rücktitration erforderlich. Zuerst wird Cl– mit       26
einem bekannten Überschuss von Standard-AgNO3 ausgefällt.      
Ag+ + Cl– → AgCl(s)
      
AgCl wird abgetrennt und überschüssiges Ag+ mit standardisierter KSCN-Lösung in Ge-
     
genwart von Fe3+ titriert.
Ag+ + SCN– → AgSCN(s)  

Wenn sämtliches Ag+ verbraucht wurde, reagiert SCN– mit Fe3+ und bildet einen roten
Komplex.
Fe3+ + SCN– → FeSCN2+
(rot) adsorbierte
Ionen

Das Auftreten der roten Farbe zeigt den Endpunkt an. Wenn man weiß, wie viel SCN– für
die Rücktitration benötigt wurde, kann man bestimmen, wie viel Ag+ nach der Reaktion
mit Cl– übriggeblieben war. Da die Gesamtmenge von Ag+ bekannt ist, kann die durch
b
Cl– verbrauchte Menge berechnet werden.  
Bei der Bestimmung von Cl– nach der Volhard-Methode verschwindet der End-
punkt allmählich und der Indikator verblasst, weil AgCl eine größere Löslichkeit be-      

sitzt, als AgSCN. Deshalb löst sich AgCl langsam auf und wird durch AgSCN ersetzt.
      
Um diesen sekundären Effekt zu verhindern, kann man AgCl abfiltrieren und nur Ag+
im Filtrat bestimmen. Br– und I–, deren Silbersalze weniger löslich als AgSCN sind,      
können nach der Volhard-Methode ohne Isolierung des Silberhalogenid-Niederschlags
titriert werden.      


In2
adsorbierter
Fajans-Titration Indikator

Bei der Fajans-Titration wird ein Adsorptionsindikator verwendet. Wir verstehen dessen Abb. 26.13 Ionen aus der Lösung wer-
Funktion, wenn wir die elektrische Ladung des Niederschlags berücksichtigen. Wenn den an der Oberfläche eines wachsenden
man Ag+ zu Cl– gibt, besteht vor dem Äquivalenzpunkt ein Überschuss an Cl–-Ionen in Kristall adsorbiert. a) Ein Kristall, der in
der Lösung. Etwas vom Cl– wird selektiv an der AgCl-Oberfläche adsorbiert, wodurch die Gegenwart überschüssiger Gitteranio-
nen (Anionen, die zum Gitter gehören)
Kristalloberfläche eine negative Ladung erhält (Abbildung 26.13a). Nach dem Äquivalenz- wächst, hat eine leicht negative Ladung,
punkt liegt in der Lösung ein Ag+-Überschuss vor. Die Adsorption von Ag+-Kationen an weil Anionen bevorzugt adsorbiert
der Kristalloberfläche erzeugt eine positive Ladung auf den Partikeln des Niederschlags werden. b) Ein Kristall, der in Gegenwart
(Abbildung 27.13b). Am Äquivalenzpunkt erfolgt demnach eine plötzliche Änderung von überschüssiger Gitterkationen wächst,
hat eine leicht positive Ladung und kann
einer negativen zu einer positiven Ladung an der Oberfläche.
dadurch ein negativ geladenes Indikator-
Die üblichen Adsorptionsindikatoren sind anionische Farbstoffe, die unmittelbar Ion adsorbieren. Anionen und Kationen,
nach dem Äquivalenzpunkt an die positiv geladenen Teilchen angelagert werden. Bei der die nicht zum Gitter gehören, haben
Adsorption der negativ geladenen Farbstoff-Ionen an die positiv geladene Oberfläche än- eine geringere Chance, adsorbiert zu
dert sich die Farbe des Farbstoffs. Die Farbänderung kennzeichnet den Endpunkt der Tit- werden als Gitterionen. In der Abbildung
wurden die anderen Ionen der Lösung
ration. Da der Indikator mit der Oberfläche des Niederschlags reagiert, ist es wünschens-
weggelassen. Insgesamt gilt stets, dass
wert, eine möglichst große Oberfläche zur Verfügung zu haben. Man führt die Titration jede Lösung und die darin wachsenden
demnach unter solchen Bedingungen durch, bei denen die Teilchen des Niederschlags so Kristalle eine Nettoladung von Null ha-
klein wie möglich bleiben, denn kleine Teilchen haben eine viel größere Oberfläche als ben müssen.
782 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

die gleiche Menge von großen Partikeln. Eine geringe Elektrolyt-Konzentration trägt zur
Verhinderung der Koagulation des Niederschlags bei und begünstigt die Ausbildung von
kleinen Partikeln.
Der für AgCl am häufigsten verwendete Indikator ist Dichlorfluorescein. Dieser
Farbstoff hat in Lösung eine gelbgrüne Farbe, wird aber rosa, wenn er an AgCl adsor-
biert wird (Versuch 26.2 und Farbtafel 33). Da der Indikator eine schwache Säure ist
und in seiner anionischen Form vorliegen muss, ist der pH-Wert der Reaktion wich-
tig. Der Farbstoff Eosin ist für die Titration von Br–, I– und SCN– besonders günstig.
Er gibt einen schärferen Endpunkt als Dichlorfluorescein und ist empfindlicher (das
heißt, es kann eine geringere Halogenidmenge bestimmt werden). Er kann nicht für
AgCl verwendet werden, da das Anion des Eosin stärker an AgCl gebunden wird als
Cl–-Ionen. Eosin wird an AgCl-Kristalle bereits gebunden, bevor diese negativ aufge-
laden sind.
Bei allen argentometrischen Titrationen, besonders aber bei der Verwendung von Ad-
sorptionsindikatoren, muss starke Lichteinwirkung, z. B. das Tageslicht durch ein Fenster,
vermieden werden. Licht bewirkt eine Zersetzung der Silbersalze und auch die adsorbier-
ten Indikatoren sind lichtempfindlich.
Da die Volhard-Titration eine Titration Verschiedene Anwendungen von Fällungstitrationen sind in Tabelle 26.5 aufgeführt.
von Ag+-Ionen ist, kann sie für die Während die Titration nach Volhard eine argentometrische Titration ist, kann die Me-
Bestimmung aller Anionen verwendet thode nach Fajans für eine größere Zahl unterschiedlicher Reaktionen angewendet wer-
werden, die schwerlösliche Silbersalze den. Da die Volhard-Titration in saurer Lösung (typisch ist 0.2 M HNO3) durchgeführt
bilden. wird, können einige Störungen, die andere Titrationen beeinflussen, vermieden werden.
Silbersalze von Anionen wie CO32–, C2O42– und AsO43– sind in saurer Lösung löslich, so
dass diese Anionen bei der Titration nicht stören.

Tabelle 26.5 Anwendungen von Fällungstitrationen

Analysierte Spezies Bemerkungen

O O O
Titration nach Volhard

Cl Cl Br–, I–, SCN–, CNO–, AsO43– Entfernung des Niederschlags ist nicht notwendig.
CO2
Cl–, PO43–, CN–, C2O42–, CO32–, S2–, CrO42– Entfernung des Niederschlags ist erforderlich.

BH4– Rücktitration von Ag+, welches nach der Reaktion mit BH4–
Dichlorfluorescein
zurückbleibt:
BH4– + 8Ag+ + 8OH– → 8Ag(s) + H2BO3– + 5H2O
Br Br
K+ K+ wird zunächst mit einem bekannten Überschuss von
O O O (C6H5)4B– ausgefällt. Überschüssiges (C6H5)4B– wird mit
einem bekannten Überschuss an Ag+ ausgefällt. Nicht-
Br Br reagiertes Ag+ wird dann mit SCN– titriert.
CO2
Fajans-Methode

Tetrabromfluorescein (Eosin) Cl–, Br–, I–, SCN–, Fe(CN)64– Titration mit Ag+. Detektion mit Farbstoffen wie Fluores-
cein, Dichlorfluorescein, Eosin, Bromphenolblau.

Zn2+ Titration mit K4Fe(CN)6 zur Ausfällung von K2Zn3[Fe(CN)6]2.


Endpunktbestimmung mit Diphenylamin.

SO42– Titration mit Ba(OH)2 in 50 Vol% wässrigem Methanol mit


Alizarinrot S als Indikator.

Hg22+ Titration mit NaCl zur Ausfällung von Hg2Cl2. Endpunkt-


bestimmung mit Bromphenolblau.

PO43–, C2O42– Titration mit Pb(CH3COO)2 zur Ausfällung von Pb3(PO4)2


oder PbC2O4.
Endpunktbestimmung mit Dibromfluorescein (PO43–) oder
Fluorescein (C2O42–).
Zusammenfassung 783

 Versuch 26.2
Fajans-Titration
Die Fajans-Titration von Cl– mit Ag+ zeigt die Indikatorendpunkte bei Fällungstitrationen
an. Man löst 0.5 g NaCl plus 0.15 g Dextrin in 400 mL Wasser. Dextrin verhindert die Ko-
agulation des AgCl-Niederschlags. Dann fügt man 1 mL Dichlorfluorescein-Lösung zu, die
entweder 1 mg/mL Dichlorfluorescein in 95 % wässrigem Ethanol oder 1 mg/mL des Na-
triumsalzes in Wasser enthält. Nun wird die NaCl-Lösung mit einer Lösung, die 2 g AgNO3
in 30 mL Wasser enthält, titriert. Es werden ungefähr 20 mL zur Erreichung des Endpunkts
benötigt. Farbtafel 33 zeigt die gelbe Farbe des Indikators in der NaCl-Lösung vor der
Titration, die milchig-weiße AgCl-Suspension während der Titration und die rosafarbene
Suspension am Endpunkt, wenn der anionische Indikator am Niederschlag adsorbiert
wird.
26
Wichtige Begriffe
Absorption > Adsorption > Adsorptionsindikator > Äquivalenzpunkt > argento-
metrische Titration > Dialyse > elektrische Doppelschicht > Endpunkt > Fajans-
Titration > Fällung aus homogener Lösung > Fällungsmittel > Fällungstitration
> Glühen > gravimetrische Analyse > hygroskopische Substanz > Keimbildung

> Kollektorfällung > Kolloid > Maskierungsreagenz > Mitfällung > Peptisation

> Pyrolyse > Reifung > übersättigte Lösung > Thermogravimetrie > Titrations-

kurve > Verbrennungsanalyse > Volhard-Titration

Zusammenfassung
Die gravimetrische Analyse beruht auf der Bildung eines bekannten Produkts, dessen
Masse zur Masse des Analyten in einer exakten stöchiometrischen Beziehung steht. Am
häufigsten wird ein Analytion mit einem geeigneten Gegenion gefällt. Maßnahmen zur
Verringerung der Übersättigung und Förderung der Bildung großer, leicht filtrierbarer
Teilchen (im Gegensatz zu Kolloiden) sind (1) Anwendung erhöhter Temperatur während
der Fällung, (2) langsame Zugabe und intensives Mischen der Reagenzien, (3) Verwen-
dung großer Probenvolumina und (4) Anwendung der Fällung aus homogener Lösung.
Die Fällungsprodukte verbleiben normalerweise in der heißen Mutterlauge, um Teil-
chenwachstum und Rekristallisation zu begünstigen. Alle Niederschläge werden danach
filtriert und gewaschen; bei einigen muss mit flüchtigen Elektrolyten gewaschen werden,
um Peptisation zu vermeiden. Zum Trocknen wird das Produkt erwärmt oder es wird
geglüht, um eine reproduzierbare, stabile Verbindung zu erhalten. Die gravimetrischen
Berechnungen beruhen auf der stöchiometrischen Beziehung zwischen den Stoffmengen
von Produkt und Analyt.
Bei der Verbrennungsanalyse wird eine organische Verbindung in einer Zinnkapsel
unter Sauerstoffüberschuss sehr schnell erhitzt, wobei als Reaktionsprodukte vorwiegend
CO2, H2O, N2, SO2 und HX (Halogenwasserstoffe) erhalten werden. Ein heißer Oxida-
tionskatalysator sorgt für vollständigen Umsatz und durch heißes Cu wird der restliche
Sauerstoffüberschuss beseitigt. Für die Schwefelbestimmung setzt das heiße Cu außerdem
SO3 zu SO2 um. Die Produkte können durch Gaschromatographie getrennt und über ihre
Wärmeleitfähigkeit bestimmt werden. In einigen Instrumenten wird die Infrarotabsorp-
tion zur Bestimmung von CO2, H2O und SO2 verwendet. HX wird in einer wässrigen
Lösung absorbiert und durch coulometrische Titration (Zählung von Elektronen) mit
elektrolytisch erzeugten Ag+-Ionen bestimmt. Die Sauerstoffbestimmung wird durch
Pyrolyse in Abwesenheit von Luftsauerstoff durchgeführt. Bei diesem Vorgang wird der
Sauerstoff aus der Verbindung in CO umgewandelt.
Die Konzentrationen der Ausgangsstoffe oder Produkte während einer Fällungstit-
ration können für drei Bereiche berechnet werden. Vor dem Äquivalenzpunkt liegt der
Analyt im Überschuss vor. Seine Konzentration ist das Produkt aus (nicht umgesetzter
Anteil) × (Ausgangskonzentration) × (Verdünnungsfaktor). Die Konzentration des Ti-
tranten kann aus dem Löslichkeitsprodukt des Niederschlags und der bekannten Konzen-
tration des überschüssigen Analyten berechnet werden. Am Äquivalenzpunkt werden die
Konzentrationen beider Reaktanden durch die Gleichgewichtskonstante des Reaktions-
produkts bestimmt. Nach dem Äquivalenzpunkt kann die Konzentration des Analyten
784 Kapitel 26 · Gravimetrische Analyse, Fällungstitrationen und Verbrennungsanalyse

aus dem Löslichkeitsprodukt des Niederschlags und der bekannten Konzentration des
überschüssigen Titranten bestimmt werden.
Bei der Volhard-Titration, die zur Bestimmung von Ag+ mit SCN– dient, wird der
Endpunkt durch die Reaktion von Fe3+ mit SCN– erkannt, die eintritt, wenn die Fällung
von AgSCN vollständig ist. Anionen, die mit Ag+ einen Niederschlag geben, werden mit
einem bekannten Ag+- Überschuss versetzt, der nach der Ausfällung nach Volhard zu-
rücktitriert wird. Die Fajans-Titration ist die allgemeinste Indikatormethode für Fällungs-
titrationen, die nicht unbedingt die Reaktion von Ag+-Ionen einschließt. Sie beruht auf
der Adsorption eines geladenen Indikators an die geladene Oberfläche des Niederschlags
nach dem Äquivalenzpunkt.

Übungen
26-A. In einer organischen Verbindung mit der Molekülmasse 417 wurden die Ethoxy-
Gruppen (CH3CH2O–) über folgende Reaktion bestimmt:
ROCH2CH3 + HI → ROH + CH3CH2I
CH3CH2I + Ag+ + OH– → AgI(s) + CH3CH2OH
25.42 mg dieser Verbindung ergaben 29.03 mg AgI. Wie viele Ethoxygruppen sind in je-
dem Molekül der Verbindung vorhanden?

26-B. 0.649 g einer Probe, die nur K2SO4 (FM 174.27) und (NH4)2SO4 (FM 132.14) ent-
hält, wurden in Wasser gelöst und mit Ba(NO3)2 umgesetzt, um das SO42– vollständig als
BaSO4 (FM 233.40) zu fällen. Ermitteln Sie den Anteil K2SO4 in der Probe in Gewichts-
prozent, wenn 0.977 g Fällungsprodukt erhalten wurden.

26-C. Gegeben sei ein Feststoffgemisch aus BaCl2 ⋅ 2 H2O (FM 244.26) und KCl (FM
74.551) in einem unbekannten Verhältnis. (Die Formel BaCl2 ⋅ 2 H2O bedeutet, dass die
Kristalle pro mol BaCl2 zwei mol Wasser enthalten.) Wenn man die Probe für 1 h auf 160 °C
erhitzt, wird das Kristallwasser ausgetrieben
160 °C
BaCl2 ⋅ 2H2O(s) ⎯⎯→ BaCl2(s) + 2H2O(g)

Die Probe wog vor dem Erhitzen 1.783 9 g, danach 1.562 3 g. Bestimmen Sie die Gewichts-
prozente an Ba, K und Cl in der Ausgangsprobe.

26-D. 0.282 8 g eines Gemisches enthalten nur Aluminiumtetrafluorborat Al(BF4)3 (FM


287.39) und Magnesiumnitrat Mg(NO3)2 (FM 148.31). Die Probe wurde in 1 Gew% HF
gelöst und mit Nitronlösung umgesetzt, wobei 1.322 g eines Gemisches aus Nitrontet-
rafluorborat und Nitronnitrat entstanden. Ermitteln Sie den Gewichtsanteil Mg in der
Originalprobe.

NC6H5 H
NC6H5
N
N
N N BF4
N N
C6H5 C6H5
Nitron
C6H5 C6H5
C20H16N4 Nitrontetrafluoroborat
FM 312.37 C20H17N4BF4
FM 400.18

H
NC6H5
N Nitronnitrat
C20H17N5O3
N N NO3 FM 375.39
C6H5 C6H5
Übungen 785

26-E. Nehmen Sie an, dass 50.00 mL einer 0.080 0 M KSCN mit 0.040 0 M Cu+ titriert
werden. Das Löslichkeitsprodukt von CuSCN beträgt 4.8 × 10-15. Berechnen Sie für jedes
der folgenden Titrantvolumina den Wert von pCu+ und konstruieren Sie eine Kurve von
pCu+ gegen die zugesetzten Milliliter Cu+: 0.10, 10.0, 25.0, 50.0, 75.0, 95.0, 99.0, 100.0,
100.1, 101.0, 110.0 mL.

26-F. Betrachten Sie die Titration von 50.00 (± 0.05) mL einer Mischung von I– und SCN–
mit 0.068 3 (± 0.000 1) M Ag+. Der erste Äquivalenzpunkt wird bei 12.6 (± 0.4) mL und
der zweite bei 27.7 (± 0.3) mL beobachtet.
a) Wie groß sind Konzentration und ihre Messunsicherheit von Thiocyanat in der
ursprünglichen Mischung?
b) Nehmen Sie an, dass die Messunsicherheiten immer die gleichen sind, mit Ausnahme
der Unsicherheit am ersten Äquivalenzpunkt (12.6 ± ?) mL. Wie groß ist die maxi- 26
male Unsicherheit (in mL) des ersten Äquivalenzpunkts, wenn die Unsicherheit der
SCN–-Konzentration ≤ 4.0 % beträgt?
27 Probenvorbereitung

Kokain-Missbrauch? Schauen wir in die Flüsse! CH3


Wie ehrlich antworten Menschen, wenn sie zum illegalen Drogengebrauch befragt werden? N O
In Italien hat im Jahr 2001 1.1 % der Bevölkerung im Alter von 15 bis 34 Jahren zugegeben, H 27
„im vergangenen Monat mindestens einmal“ Kokain eingenommen zu haben. Die Wissen- COCH3
schaftler, die sich mit dem Vorkommen von Arzneimitteln im Abwasser beschäftigen, er- O
kannten, dass sie eine Möglichkeit zum Nachweis des Drogenmissbrauchs gefunden hatten.
Nach der Einnahme wird Kokain zum größten Teil in Benzoylecgonin umgewandelt, H OCC6H5
Kokain
bevor es im Urin ausgeschieden wird. Die Wissenschaftler haben aus dem Fluss Po repräsen-
tative Wassermischproben entnommen sowie Abwasserproben, die in die Kläranlagen von H
vier italienischen Städten fließen. Sie haben winzige Mengen von Benzoylecgonin aus gro-
ßen Wasservolumina durch Festphasenextraktion (beschrieben auf den Seiten 804–805) an-
CH3
gereichert. Die extrahierten Stoffe wurden mit einer kleinen Lösungsmittelmenge von der
N O
festen Phase gewaschen, durch Flüssigchromatographie getrennt und mit der Massenspekt- H
rometrie bestimmt. Die Kokainbenutzung wurde aus der Konzentration an Benzoylecgonin, COH
dem Volumen und der Fließgeschwindigkeit des Flusswassers sowie der Tatsache, dass
5.4 Millionen Menschen oberhalb der Entnahmestelle leben, abgeschätzt. O
Das im Fluss Po gefundene Benzoylecgonin entspricht 27 ± 5 Dosen von 100 mg Kokain H OCC6H5
pro 1 000 Personen und Tag bei der 15–34-jährigen Bevölkerung. Ähnliche Resultate lieferte
das Wasser der vier Kläranlagen. Die Einnahme von Kokain ist demnach viel höher als die H
Leute bei der Umfrage eingestanden hatten. Benzoylecgonin

ver Ra
Ri si Venedig
o n
P

Po

Genua Probenentnahme

Landkarte von Italien mit eingezeichneter Proben-


entnahmestelle im Fluss Po. [E.Zuccato, C. Chiab-
rando, S. Castiglioni, D. Calamari, R. Bagnati, S. Schia-
rea und R. Fanelli, „Cocaine in Surface Waters: A New
Evidence-Based Tool to Monitor Community Drug
Use“, Environ. Health 2005, 4, 14, zugänglich über
www.ehjournal.net/content/4/1/14.]

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4_28, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
788 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

heterogen: ortsabhängige unter- Eine chemische Analyse ist sinnlos, wenn man mit einer unsinnigen Probe beginnt. Ob
schiedliche Zusammensetzung des man das Cholesterin im Gerippe eines Dinosauriers oder ein Herbizid in einer Wagenla-
Materials dung Apfelsinen bestimmt, immer muss man eine Strategie zum Aussuchen einer reprä-
homogen: überall gleiche Zusam- sentativen Probe aus einem heterogenen Material haben. Die Abbildung 27.1 zeigt, dass die
mensetzung Nitratkonzentration im Sediment eines Sees in den oberen 3 mm um zwei Größenord-
nungen abnimmt. Wenn man Nitrat im Sediment bestimmen will, ist es ein Riesenunter-
−1 schied, ob ein Sedimentbohrkern von 1 m Dicke verwendet wird oder ob nur die obersten
2 mm des Sediments abgeschöpft wurden. Die Probennahme ist der Arbeitsschritt zur
Gewinnung einer repräsentativen Probe für die Analyse.1 Die realen Untersuchungsob-
Seewasser
0 jekte erfordern meist eine gewisse Probenvorbereitung, bei der die in der Bestimmung des
Sediment
Analyten störenden Substanzen entfernt oder bei der die Analyte in eine für die Analyse
geeignete Form überführt werden.2
1 Die Terminologie der Probennahme und der Probenvorbereitung ist in der Abbil-
Tiefe (mm)

dung 27.2 dargestellt. Aus einer Portion des gesamten Materials (z. B. ein Dinosaurier-
knochen oder eine Wagenladung Apfelsinen) wird eine Brutto-Stichprobe für die Analyse
2 und zur Archivierung (Aufbewahrung für späteren Vergleich) entnommen. Diese Stich-
probe muss für das Gesamtmaterial repräsentativ sein und ihre Wahl ist ausschlaggebend
für eine zuverlässige Analyse. Im Exkurs 0.1 wurde eine Strategie für die Probennahme
3 für heterogenes Material behandelt.
Aus dieser Brutto-Stichprobe wird eine kleinere, homogene Laborprobe genommen,
welche die gleiche Zusammensetzung wie die Mengenprobe aufweisen muss. Wir können
4 zum Beispiel eine Laborprobe durch Mahlen der festen Mengenprobe zu einem feinen
0 50 100 150 200
Nitrat ( μM) Pulver, das gründlich gemischt wird, herstellen. Eine Flasche des Pulvers wird für die
Untersuchungen aufbewahrt. Kleine Teile davon, sogenannte Aliquote, werden für die
Abb. 27.1 Tiefenprofil von Nitrat im Se- einzelnen Analysen verwendet. Die Probenvorbereitung umfasst eine Reihe von Schritten,
diment des (Süßwasser)-Søbygård-Sees
mit denen eine repräsentative Mengenprobe in eine für die Analyse geeignete Form um-
in Dänemark. Ein ähnliches Profil wurde
in Salzwassersedimenten gefunden. Die gewandelt wird.
Messungen erfolgten mit einem Biosen- Nicht nur bei der Auswahl der Probe muss sorgfältig vorgegangen werden, sondern
sor, der mit lebenden Bakterien NO3– in auch bei ihrer Lagerung. Die Probe kann sich mit der Zeit chemisch verändern, sie kann
N2O umwandelt, dass durch amperome- mit der Luft oder dem Aufbewahrungsgefäß reagieren. Glasoberflächen sind berüchtigt
trische Reduktion an einer Silberkathode
für Ionenaustauschreaktionen, welche die Konzentration von Spuren ionischer Spezies
bestimmt wurde. [L.H. Larsen, T. Kjær und
N. P. Revsbech, „A Microscale NO3–-Biosen- in einer Lösung verändern können. Deshalb werden oft Kunststoffgefäße (besonders aus
sor for Environmental Applications“, Anal. Teflon) zur Aufbewahrung verwendet. Aber auch diese Materialien können die Analyte
Chem. 1997, 69, 3527.] im Spurenbereich absorbieren. Zum Beispiel verliert eine 0.2 μM HgCl2-Lösung in Poly-
ethylenflaschen innerhalb von vier Stunden 40–95 % ihrer Ausgangskonzentration. Eine
2 μM-Lösung von Ag+ in einer Teflonflasche verlor 2 % ihrer Konzentration an einem Tag
Portion des und 28 % in einem Monat.3
Gesamtmaterials
Plastikbehälter müssen vor der Verwendung gewaschen werden. Die Werte in Tabel-
Probennahme le 27.1 zeigen, dass sich der Mangangehalt von Blutserum um den Faktor 7 erhöht, wenn die
Proben vor der Analyse in ungereinigten Polyethylenbehältern aufbewahrt wurden. In der
Brutto-Stichprobe
des Gesamtmaterials äußerst anspruchsvollen Spurenanalyse von Blei im 1 pg/g-Bereich in Bohrkernen des Po-
Proben- lareises ergaben die Polyethylenbehälter einen messbaren Ausfluss von 1 fg Pb pro cm2 und
vorbereitung Tag, obwohl diese sieben Monate lang mit Säure getränkt worden waren.4 In der biochemi-
homogene schen Analyse sind Stahlnadeln eine vermeidbare Quelle für Metallkontaminationen.
Laborprobe Bei einer Untersuchung des Quecksilbergehalts im Michigansee wurden Werte in der
Nähe von 1.6 pM (1.6 × 10–12 M) gefunden, die zwei Größenordnungen unter den Kon-
zentrationen aus früheren Untersuchungen lagen.5 Bei den vorherigen Analysen waren
Teilmenge Teilmenge Teilmenge die Proben offenbar unwissentlich verunreinigt worden. In einer Studie über die Arbeits-
(Aliquot) (Aliquot) (Aliquot)
techniken zur Bleibestimmung in Flüssen wurden die Schwankungen bei der Entnahme
Abb. 27.2 Bei der Probennahme wird
der Proben und ihrer Aufbewahrung, der Transportbehandlung, Filtration, beim Einsatz
eine repräsentative Menge des Gesamt- von Konservierungsstoffen und bei den Anreicherungsverfahren erforscht.6 Jeder Schritt,
materials entnommen. Bei der Probenvor- der von der besten Praxis abwich, verdoppelte den scheinbaren Bleigehalt im Wasserstrom.
bereitung wird die entnommene Probe Reinräume mit gefilterter Luftzufuhr sind für die Spurenanalyse unentbehrlich. Selbst
in eine homogene Laborprobe umge- mit den besten Vorsorgemaßnahmen wird die Präzision der Spurenanalyse mit sinkender
wandelt. Zur Probenpräparation gehören
auch weitere Arbeitsschritte, wie die Be-
Analytkonzentration schlechter (Exkurs 5.2).
seitigung von störenden Spezies oder die „Solange man die vollständige Vergangenheit einer Probe nicht kennt, ist der Analytiker
Aufkonzentrierung des Analyten. gut beraten, keine Zeit in die Analyse derselben zu stecken“7. In einem Laborbuch sollte des-
27.1 · Statistik der Probenahme 789

halb ausführlich festgehalten werden, wie die Probe genommen und gelagert wurde und
unter welchen Bedingungen die Analyse erfolgte.

27.1 Statistik der Probenahme8


2
Für den Zufallsfehler ist die Gesamtvarianz sges die Summe der Varianzen der Analyse sa2 Varianz = (Standardabweichung)2
2
und der Probennahme sp: Gesamt- = Varianz der + Varianz der
varianz Analyse Probenahme
2
Additivität der Varianz: sges = sa2 + sp2 (27.1)

Wenn entweder sa oder sp gegenüber der anderen Größe sehr klein ist, hat es keinen Sinn,
Tabelle 27.1 Mangan-Konzentration
zu versuchen, den kleineren Wert weiter zu verringern. Wenn z. B. sp 10 % und sa 5 % in Serum, das in gewaschenen und
betragen, ist die Gesamtstandardabweichung 11 % ( 0.102 + 0.052 = 0.11). Bei einer ungewaschenen Polyethylenbehäl-
teureren und zeitaufwändigeren Analysenmethode, bei der sa auf 1 % verringert wird, tern aufbewahrt wurde
verbessert sich sges nur von 11 auf 10 % ( 0.102 + 0.012 = 0.10). 27
Behältera Mn (ng/mL)

ungewaschen 0.85

Ursachen für die Varianz der Probennahme ungewaschen 0.55

Um die Natur der Unsicherheit, die bei einer Probennahme auftritt, zu verstehen, be- ungewaschen 0.20
trachten wir ein zufälliges Gemisch aus zwei Arten fester Teilchen. Die Wahrscheinlich- ungewaschen 0.67
keitstheorie sagt uns, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine zufällig entnommene Probe die
Durchschnitt 0.57 ± 0.27
gleiche Zusammensetzung wie die Gesamtprobe hat. Sie werden überrascht sein, wie groß
eine Probe für eine richtige Probennahme sein muss.9 gewaschen 0.096
Nehmen wir an, dass die Mischung nA Partikel vom Typ A und nB Partikel vom Typ B
gewaschen 0.018
enthält. Die Wahrscheinlichkeit, A oder B aus dem Gemisch zu entnehmen, beträgt
nA gewaschen 0.12
p = Wahrscheinlichkeit, A zu entnehmen = (27.2)
nA + nB gewaschen 0.10
nB Durchschnitt 0.084 ± 0.045
q = Wahrscheinlichkeit, B zu entnehmen = = 1 − p (27.3)
nA + nB
aDie gewaschenen Behälter wurden zwei-
Werden n Teilchen zufällig entnommen, beträgt die zu erwartende Anzahl entnommener mal mit aus Quarzgefäßen destilliertem
Teilchen vom Typ A gleich np und die Standardabweichung vieler Entnahmen ergibt sich Wasser gespült. Quarzgefäße sind im
aus der binominalen Verteilung und beträgt Allgemeinen weniger verunreinigt als Glas-
gefäße.
Quelle: J. Versieck, Trends Anal. Chem. 1983,
Standardabweichung der Probennahme: sn = npq (27.4) 2, 110.

> Beispiel
Zur Statistik der Entnahme von Partikeln
Ein Gemisch enthalte 1 % KCl-Teilchen und 99 % KNO3-Teilchen. Wie groß ist die zu erwar-
tende Zahl an KCl-Teilchen, wenn 104 Teilchen dem Gemisch entnommen werden? Wie groß
ist die Standardabweichung, wenn das Experiment viele Male wiederholt wird?

Lösung Die zu erwartende Partikelzahl beträgt


erwartete Anzahl KCl-Teilchen = np = (104)(0.01) = 100 Partikel
und die Standardabweichung ist

Standardabweichung = npq = (104 )(0.01)(0.99) = 9.9

Die Standardabweichung npq bezieht sich auf beide Teilchenarten. Die Standardabwei-
chung ist dabei 9.9% für die zu erwartende Anzahl KCl-Teilchen, aber nur 0.1 % für die zu
erwartende Anzahl KNO3-Teilchen (nq = 9 900). Wenn man wissen möchte, wie viel Nitrat in
dem Gemisch vorhanden ist, ist die Menge der entnommenen Probe wahrscheinlich ausrei-
chend. Für Chlorid ist jedoch die Unsicherheit von 9.9 % zu groß und damit inakzeptabel.

Selbstüberprüfung Wie groß ist die relative Standardabweichung für jede Messung,
wenn 105 Partikel entnommen werden? (Lösung: 3% für KCl und 0.03% für KNO3)
790 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

Tabelle 27.2 Genormte Siebe

Siebnummer Maschenweite (mm) Siebnummer Maschenweite (mm)

5 4.00 45 0.355

6 3.35 50 0.300

7 2.80 60 0.250

8 2.36 70 0.212

10 2.00 80 0.180

12 1.70 100 0.150

14 1.40 120 0.125

16 1.18 140 0.106

18 1.00 170 0.090

20 0.850 200 0.075

25 0.710 230 0.063

30 0.600 270 0.053

35 0.500 325 0.045

40 0.425 400 0.038

Beispiel: Partikel mit der Bezeichnung 50/100 mesh passen durch ein 50 mesh-Sieb und werden von einem
100 mesh-Sieb zurückgehalten. Ihre Größe liegt zwischen 0.150 und 0.300 mm.

Eine erstaunlich große Probe! Man Welche Probenmasse entspricht den 104 Partikeln? Nehmen wir an, dass runde Partikel
wundert sich über die große Stan- mit einen Durchmesser von 1 mm vorliegen. Das Volumen einer Kugel mit 1 mm Durch-
dardabweichung bei einer Probe von messer beträgt (4/3)π(0.5 mm)3 = 0.524 μL. Die Dichte von KCl beträgt 1.984 g/mL und
11.0 g. die von KNO3 ist 2.109 g/mL, so dass die mittlere Dichte des Gemisches (0.01)(1.984) +
(0.99)(2.109) = 2.108 g/mL beträgt. Die Masse des Gemisches mit 104 Partikeln ist (104)
(0.524 × 10–3 mL)(2.108 g/mL) = 11.0 g. Wenn Sie Testproben mit einer Masse von 11 g aus
der größeren Laborprobe entnehmen, beträgt die zu erwartende Standardabweichung für die
Probennahme von Chlorid 9.9 %. Die Standardabweichung für die Probenahme von Nitrat
beträgt dagegen nur 0.1 %.
Wie kann man ein Gemisch aus 1 mm großen Teilchen herstellen? Man erhält das Ge-
misch nach Zermahlung größerer Partikel und Abtrennung mittels eines 16 mesh-Siebes,
dessen quadratische Maschen Seitenlängen von 1.18 mm haben (Tabelle 27.2). Die durch
dieses Sieb hindurchgegangenen Teilchen werden danach mit einem 20 mesh-Sieb gesiebt,
dessen Maschen 0.85 mm Seitenlänge haben. Das Material, das diese Maschen nicht pas-
siert, kann für die Probe verwendet werden. Die Probe enthält somit Teilchen mit Durch-
messern von 0.85–1.18 mm. Man bezeichnet diesen Größenbereich auch als 16/20 mesh.
Nehmen wir an, dass feinere Partikel der genannten Mischung mit der Größe
80/120 mesh (mittlerer Durchmesser 152 μm, mittleres Volumen 1.84 nL) verwendet wer-
den sollen. Die Masse von 104 Teilchen beträgt nun nicht mehr 11.0 g sondern nur noch
0.038 8 g. Man kann in diesem Fall eine größere Probe analysieren, um den Probennahme-
fehler für Chlorid zu verringern.

> Beispiel
Verringerung des Probennahmefehlers durch eine größere Probemenge
Wie viel Gramm einer 80/120 mesh-Probe werden benötigt, um den Fehler der Proben-
nahme für Chlorid auf 1 % zu verringern?

Lösung Wir suchen nach der Teilchenzahl n von KCl bei einer Standardabweichung von 1 %
σn = npq = (0.01)np
27.1 · Statistik der Probenahme 791

Für p = 0.01 und q = 0.99 ergeben sich für n = 9.9 × 105 Teilchen. Bei einem Teilchenvolu- Es hat keinen Sinn, bei einer hoher Un-
men von 1.84 nL und einer mittleren Dichte von 2.108 g/mL beträgt die Masse an Probe, die sicherheit der Probennahme die analy-
zur Verringerung der Probennahmeunsicherheit für Chlorid auf 1 % benötigt wird tische Messunsicherheit zu reduzieren
und umgekehrt.
⎛ mL ⎞ ⎛ g ⎞
Masse = (9.9 × 105Teilchen) ⎜1.84 × 10−6 ⎟ ⎜2.108 ⎟ = 3.84 g
⎝ Teilchen ⎠ ⎝ mL ⎠

Selbst bei einem mittleren Partikeldurchmesser von 152 μm müssen 3.84 g Probe analysiert
werden, um den Fehler der Probennahme auf 1% zu reduzieren. Es hat also keinen Sinn, in
diesem Fall eine teure Analysenmethode mit einer Genauigkeit von 0.1 % zu verwenden, da
der Gesamtfehler aufgrund des Fehlers bei der Probennahme weiter 1% beträgt.

Selbstüberprüfung Welche Masse von 170/200 mesh-Partikeln verringert die Unsicher-


heit der KCl-Probennahme auf 1 %? (Lösung: Partikeldurchmesser = 0.0825, 9.9 × 105 Teil-
chen, 0.61g)

Die Unsicherheit der Probennahme wird durch den Zufall bei der Partikelentnahme aus 27
Tabelle 27.3 Nickelgehalt eines
dem Gemisch verursacht. Wenn das Gemisch eine Flüssigkeit ist und die Teilchen Mole-
zerkleinerten Erzes
küle sind, liegen etwa 1022 Teilchen je mL vor. Man benötigt nur ein geringes Volumen
einer homogenen flüssigen Lösung, um den Probennahmefehler auf einen vernachlässig- Teilchengröße Nickelgehalt
baren Wert zu senken. Bei Feststoffen müssen die Proben jedoch sehr fein gemahlen und (mesh) (Gew.%)
große Mengen verwendet werden, um eine niedrige Varianz der Probennahme zu sichern. <230 13.52 ± 0.69
Das Mahlen der Proben führt jedoch stets zu einer Kontamination der Probe mit dem
120/230 13.20 ± 0.74
Material der Mühle.
Die Tabelle 27.3 illustriert ein weiteres Problem bei heterogenem Material. Bei einem 25/120 13.22 ± 0.49
zerkleinerten Nickelerz wurden die gesiebten Teile analysiert. Teile des Erzes, die weniger
10/25 10.54 ± 0.84
Nickel enthalten, ließen sich schlechter zerkleinern. Somit haben die großen Teilchen
eine andere chemische Zusammensetzung als die kleinen. Deshalb ist es erforderlich, das >10 9.08 ± 0.69
gesamte Erz zu einem feinen Pulver zu zermahlen, um zumindest zu versuchen, so etwas
Die Unsicherheit beträgt ± 1 Standardab-
wie eine repräsentative Probe zu erhalten. weichung.
Quelle: J. G. Dunn, D. N. Phillips und W. van
Bronswijk, „An Exercise to Illustrate the Im-
portance of Sample Preparation in Analyti-
Auswahl der Probengröße cal Chemistry“, J. Chem. Ed. 1997, 74, 1188.

Ein gut gemischtes Pulver aus KCl und KNO3 ist ein geeignetes Beispiel für ein hetero-
genes Material, bei dem die Variation von Stelle zu Stelle zufällig ist. Wie viel von diesem
Zufallsgemisch muss analysiert werden, um die Varianz der Probenahme für eine Analyse
auf das erforderliche Niveau zu reduzieren?
Zur Beantwortung dieser Frage benötigen wir die Abbildung 27.3, in der die Ergeb-
nisse für die Probennahme des Radioisotopes 24Na in menschlicher Leber dargestellt sind.
Das in einem Mixer „homogenisierte“ Gewebe ist nicht wirklich homogen, da es sich
um eine Suspension kleiner Partikel in Wasser handelt. Die mittlere Anzahl radioaktiver
Signale je Sekunde und Gramm Probe betrug 237. Wurden etwa 0.09 g Probe je Analyse

290
Impulse pro Sekunde und Gramm

Abb. 27.3 Probennahmediagramm der


250
Mittelwert Analysenergebnisse der 24Na-Bestim-
= 237 mung in homogenisierter Leber. Die
Punkte sind die experimentellen Werte.
Die Fehlerbalken überstreichen ± eine
210
Standardabweichung um den Mittelwert.
Die Abszisse ist logarithmisch geteilt. [B.
Kratochvil und J. K. Taylor, „Sampling for
Ks
Chemical Analysis“, Anal. Chem., 1981, 53,
170
0.1 1 10 925A; National Bureau of Standards Inter-
Probenmasse (g) nal Report 80–2164, 1980, S. 66.]
792 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

verwendet, betrug die Standardabweichung (dargestellt durch den linken Fehlerbalken


im Diagramm) ± 31 Signale je Sekunde bezogen auf 1.0 g Homogenisat, also ±13.1 %
des Mittelwertes (237). Wurde die Menge der vermessenen Probe auf etwa 1.3 g je Ana-
lyse erhöht, verringerte sich die Standardabweichung auf ± 13 Signale je Sekunde und
Gramm, also nur ±5.5 % des Mittelwertes. Bei einer Probenmenge um 5.8 g wurde die
Standardabweichung auf ± 5.7 Signale je Sekunde und Gramm oder ±2.4 % des Mittel-
wertes reduziert.
Aus Gleichung 27.4 wissen wir, dass bei der Entnahme von n Partikeln aus einem
Gemisch von zwei verschiedenen Partikelarten (wie z. B. Lebergewebe-Partikel und
Wassertröpfchen) die Standardabweicung der Probenahme σn = npq ist, wobei p
und q der Anteil der beiden veschiedenen Teilchenarten im Gemisch ist. Die relative
Standardabweichung beträgt σn/n = npq /n = pq /n. Die relative Varianz (σn/n)2 ist
deshalb
2
⎛ ⎞ pq
Relative Varianz ≡ R 2 = ⎜ n ⎟ = ⇒ nR 2 = pq (27.5)
⎝ n ⎠ n

Da die Masse m der entnommenen Probe proportional zur Anzahl der entnommenen
Teilchen ist, kann Gleichung 27.5 auch folgendermaßen formuliert werden:
Probennahmekonstante: mR2 = Kp (27.6)
worin R die relative Standardabweichung (ausgedrückt in %) und Kp die Probennahme-
konstante sind. Kp stellt die Masse Probe dar, die eine relative Standardabweichung der
Probennahme von 1 % ergibt.
Prüfen wir, ob sich mit Gleichung 27.6 die Aussagen von Abbildung 27.3 bestätigen
lassen. Die Werte in Tabelle 27.4 zeigen, dass das Produkt mR2 für große Proben relativ
konstant, die Übereinstimmung mit der kleinsten Probe dagegen schlecht ist. Wenn
man die schlechte Übereinstimmung bei niedrigen Massen auf die zufällige Variation
bei der Probennahme zurückführt, kann man in Gleichung 27.6 für Kp ≈ 36 g ein-
setzen. Das entspricht dem Mittel der Werte für die Probenmassen von 1.3 und 5.8 g
(Tabelle 27.4).

Tabelle 27.4 Berechnung der Probennahmekonstante für das Beispiel in Abbildung 27.3

Probenmasse, m (g) Relative Standardabweichung (%) mR2 (g)

0.09 13.1 15.4

1.3 5.5 39.3

5.8 2.4 33.4

10–1

10–2
K p (g)

10–3

10–4

10–5

10–8 10–7 10–6 10–5 10–4 10–3 10–2 10–1 1


m (g)

Abb. 27.4 Die Werte für Mn in Algenpulver zeigen, dass die Probennahmekonstante, Kp, in Glei-
chung 27.6 in guter Näherung über sechs Größenordnungen proportional zur Masse der Probe ist.
[M. Rossbach und E. Zeiller, „Assessment of Element-Specific Homogeneity in Reference Materials
Using Microanalytical Techniques“, Anal. Bioanal. Chem. 2003, 377, 334.]
27.1 · Statistik der Probenahme 793

> Beispiel
Probenmasse zur Erzielung einer bestimmten Varianz der Probennahme
Mit welcher Masse der Proben aus Abbildung 27.3 würde man eine Standardabweichung
der Probennahme von ±7 % erhalten?

Lösung Unter Verwendung der Probennahmekonstante von Kp ≈ 36 g ergibt sich


K P 36 g
m = = 2 = 0.73 g
R2 7
Mit 0.7 g Probe erhält man für die Probennahme eine Standardabweichung von ±7 %.
Die Gesamtvarianz ist die Summe der Varianzen von Probennahme und Analyse.
(Gleichung 27.1).

Selbstüberprüfung Um welchen Faktor muss die Masse zunehmen, um die Standard-


abweichung der Probennahme um den Faktor 2 zu senken? (Lösung: Die Masse muss 4×
größer werden)

Die Abbildung 27.4 zeigt ein Beispiel, bei dem Gleichung 27.6 über sechs Größenordnun- 27
gen der Probenmasse in guter Näherung gültig ist.

Auswahl der Anzahl von Wiederholungsanalysen


Wir haben soeben erfahren, dass sich bei einer einzelnen 0.7 g Probe für die Proben-
nahme eine Standardabweichung von 7 % ergibt. Wie viele solcher 0.7 g Proben müssen
analysiert werden, um eine Sicherheit von 95 % zu erhalten, dass der Mittelwert innerhalb
von ±4 % liegt? Das 95%-Vertrauensintervall bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit dafür,
dass der wahre Wert außerhalb ±4% vom gemessenen Mittelwert liegt, nur 5 % beträgt.
Für die eben gestellte Frage wollen wir nur die Unsicherheit der Probennahme betrachten
und annehmen, dass die Unsicherheit der Analyse dagegen sehr klein und deshalb ver-
nachlässigbar ist.
Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich durch Umstellung der Student’s t-Glei- Der Beitrag der Unsicherheit bei der
chung 4.6: Probennahme zur Gesamtunsicherheit
ts p t 2s 2p kann durch die Analyse einer größeren
Erforderliche Anzahl Wiederholungsanalysen: −x = ⇒ n = 2 (27.7) Probenanzahl reduziert werden.
e n e
wobei μ der wahre Mittelwert, x der gemessene Mittelwert, n die Anzahl notwendiger
Proben, sp2 die Varianz der Probennahme und e die gesuchte Unsicherheit sind. Die
Größen sp und e müssen beide entweder als absolute oder beide als relative Unsicherheit
ausgedrückt werden. Der Student’s t-Wert kann aus Tabelle 4.2 für ein 95%-Vertrauens-
intervall bei n–1 Freiheitsgraden entnommen werden. Da n noch nicht bekannt ist, kann
der Wert von t für n = ∞ verwendet werden, um n zu ermitteln. Nachdem man auf diese
Weise einen Wert für n erhalten hat, wird der Vorgang mehrere Male wiederholt, bis man
einen konstanten Wert für n erhalten hat.

> Beispiel
Probenahme bei einer zufällig gemischten Schüttgutprobe
Wie viele 0.7 g Proben müssen analysiert werden, um eine 95%ige Sicherheit zu erhalten,
dass der Mittelwert innerhalb ±4 % liegt?
Lösung Eine Probe mit der Masse 0.7 g ergibt sp = 7 %, wir suchen aber nach e = 4 %. Wir
wollen hier beide Unsicherheiten als Relativwerte einsetzen. Unter Verwendung von t =
1.960 (Tabelle 4.2 bei 95 % Sicherheit und ∞ Freiheitsgraden) als Anfangswert erhalten wir
(1.960)2 (0.07) 2
n ≈ = 11.8 ≈ 12
(0.04) 2
Bei n = 12 gibt es 11 Freiheitsgrade, ein zweiter Versuch wird deshalb mit einem Wert für
Student’s t von 2.209 (interpoliert von Werten aus Tabelle 4.2) durchgeführt und ergibt
(2.209)2 (0.07) 2
n ≈ = 14.9 ≈ 15
(0.04) 2
794 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

Bei n = 15 existieren 14 Freiheitsgrade und t = 2.150, wodurch wir erhalten

(2.150)2 (0.07) 2
n ≈ = 14.2 ≈ 14
(0.04) 2
(2.170)2 (0.07) 2
Ist n = 14, existieren 13 Freiheitsgrade, t = 2.170 und n ≈ = 14.4 ≈ 14
(0.04) 2

Die Berechnungen erreichen einen konstanten Wert von ≈ 14. Wir brauchen also 14 Proben
von je 0.7 g, um den Mittelwert innerhalb von 4 % bei einem Vertrauensintervall von 95 %
zu bestimmen.

Selbstüberprüfung Wie viele Proben von 2.8 g müssen analysiert werden, damit bei einem
Vertrauensintervall von 95 % der Mittelwert innerhalb von ±4 % liegt? (Lösung: 6)

Für die vorstehenden Berechnungen haben wir Vorkenntnisse über die Standardabwei-
chung gebraucht. Es sind weitere Maßnahmen zur Vorbereitung der Probe zu treffen,
damit die nachfolgende Analyse optimal ablaufen kann. Wenn viele sehr ähnliche Proben
analysiert werden müssen, kann man nach sehr gründlicher Voruntersuchung einer Probe
die Analysen der restlichen Proben auf gleiche Weise in Angriff nehmen.

27.2 Auflösung der Proben für die Analyse10

Wurde die Brutto-Stichprobe genommen, muss nun für die Analyse eine Laborprobe zu-
bereitet werden. Die grobe feste Probe muss zerkleinert und gemischt werden, damit die
Laborprobe die gleiche Zusammensetzung aufweist wie die Gesamtprobe. Feststoffe wer-
den normalerweise bei 110 °C bei Atmosphärendruck getrocknet, um vor der Analyse das
adsorbierte Wasser aus der Probe zu entfernen. Temperaturempfindliche Proben können
auch in einer Umgebung gelagert werden, durch die ein konstanter Feuchtigkeitsgehalt
garantiert wird.
Die Laborprobe wird üblicherweise für die Analyse aufgelöst. Dabei ist es wichtig,
die Probe vollständig zu lösen, weil sonst nicht garantiert ist, dass der gesamte Analyt in
Lösung gegangen ist. Lässt sich die Probe nicht unter milden Bedingungen lösen, können
Säureaufschlüsse oder Schmelzaufschlüsse angewendet werden. Organisches Material kann
durch Verbrennung (auch als Trockenveraschung bezeichnet) oder Nassveraschung (Oxi-
dation mit flüssigen Reagenzien) beseitigt werden, um die anorganischen Bestandteile in
geeignete Formen für die Analyse zu überführen.

Mahlen
Feststoffe können mit Mörser und Pistill, die in Abbildung 27.5 gezeigt sind, zerkleinert
werden. Der Körper des Stahlmörsers (auch als Schlagmörser oder „Diamantmörser“
bezeichnet) besteht aus gehärtetem Stahl. Hülse und Pistill passen exakt in die jeweilige
Aussparung. Harte, spröde Materialien, wie Gesteine oder Mineralien, können durch
vorsichtige Bearbeitung des Pistills mit einem Hammer zerkleinert werden. Der Ach-
atmörser (oder ein ähnlicher aus Porzellan, Mullit oder Aluminiumoxid) ist für das
Zermahlen kleiner Teilchen zu einem feinen Pulver geeignet. Weniger teure Mörser
haben oft eine porösere Struktur und werden meist schneller zerkratzt, wodurch es
zur Kontamination der Probe mit dem Mörsermaterial oder Probenbestandteilen aus
vorangegangenen Mahlvorgängen kommt. Lässt sich das zerkleinerte Material aus dem
Mörser leicht entfernen, kann ein Keramikmörser durch Auswischen mit einem feuch-
ten Tuch und Waschen mit destilliertem Wasser gereinigt werden. Stärker haftende
Probenrückstände lassen sich durch Mahlen mit 4 M HCl im Mörser oder mit einem
abtragenden Reinigungsmittel (z. B. Quarz enthaltende Scheuermilch) und anschlie-
ßendem Waschen mit HCl und Wasser säubern. Mörser und Pistill aus Borcarbid sind
fünfmal härter als Achat und gegenüber einer Kontamination durch die Probenbestand-
teile weniger anfällig.
27.2 · Auflösung der Proben für die Analyse 795

Achat
Abb. 27.5 Mörser und Pistill aus Stahl,
Achat und Borcarbid. Der Mörser ist die
Schale und das Pistill dient als Mahl-
werkzeug. Der Borcarbid-Mörser ist eine
Halbkugelschale in einem Plastik- oder
Aluminiumblock. Das Pistill hat einen
Borcarbidstempel am unteren Ende eines
Plastikgriffs. [Mit freundlicher Genehmi-
gung von Thomas Scientific, Swedesboro, 27
NJ, USA; und Spex Industries, Edison, NJ,
Stahl Borcarbid USA.]

Abb. 27.6 In der Shatterbox-Labormühle


kreisen ein Puck und ein Ring in einem
Behälter und mahlen bis zu 100 g ei-
ner Probe zu einem feinen Pulver. [Mit
freundlicher Genehmigung von Spex
Mahlwirkung in der Shatterbox Industries, Edison, NJ, USA.]

Eine Kugelmühle ist ein Zerkleinerungsinstrument, in dem Kugeln aus Stahl oder
Keramik in einer Trommel rotieren, wobei die Probe zu einem feinen Pulver zerkleinert
wird. Eine Wig-L-Bug®-Schüttelmaschine pulverisiert die Probe durch schnelles Schüt-
teln in einem Behälter mit einer schnell vorwärts und rückwärts bewegten Kugel. Zum
Zerkleinern weicher Stoffe verwendet man Behälter und Kugeln aus Kunststoff. Bei här-
teren Materialien werden Stahl, Achat und Wolframcarbid verwendet. In der Shatterbox-
Labormühle kreisen ein Puck und ein Ring im Mahlcontainer mit 825 Umdrehungen pro
Minute zur Pulverisierung von Proben mit einer Masse bis zu 100 g (Abbildung 27.6).
Bei sehr harten Materialien werden Behälter aus Wolframcarbid und Zirkonium(IV)oxid
eingesetzt.

Säureaufschluss anorganischer Proben


In Tabelle 27.5 sind gebräuchliche Säuren für den Aufschluss anorganischer Materialien
zusammengestellt. Die nichtoxidierenden Säuren HCl, HBr, HF und H3PO4, verdünnte
H2SO4 und verdünnte HClO4 lösen Metalle durch folgende Redoxreaktion

M + nH + → M n + + n
2
H2 (27.8)
796 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

Fluorwasserstoff (HF) ist extrem Metalle mit negativen Reduktionspotentialen sollten sich lösen lassen, obwohl einige,
gefährlich. Er verursacht qualvolle wie z. B. Al, oxidische Schutzschichten bilden, die eine weitere Auflösung unterbinden.
Verbrennungen. Bereits wenn 2 % des Flüchtige Spezies, die bei der Protonierung von Anionen, wie Carbonat (CO32– → H2CO3
Körpers der konzentrierten (48 Gew%) → CO2), Sulfid (S2– → H2S), Phosphid (P3– → PH3), Fluorid (F– → HF) und Borat (BO33–
HF ausgesetzt sind, kann der Tod → H3BO3) gebildet werden, können beim Säureaufschluss bei erhöhten Temperaturen in
eintreten. Die betroffene Körperstelle offenen Gefäßen verlorengehen. Auch flüchtige Metallhalogenide, wie SnCl4 und HgCl2,
muss fünf Minuten lang mit viel Wasser sowie einige molekulare Oxide, wie OsO4 und RuO4, können verschwinden. Heiße Flu-
gespült werden und die Haut danach orwasserstoffsäure eignet sich besonders für den Aufschluss von Silikaten. Glas- oder
mit einem 2.5%igen Calciumgluconat- Platingefäße können für HCl, HBr, H2SO4, H3PO4 und HClO4 verwendet werden. Mit HF
Gel (das zu diesem Zweck im Labor sollte man nur in Gefäßen aus Teflon, Polyethylen, Silber oder Platin arbeiten. Natürlich
vorhanden sein muss) beschichtet wer- müssen sehr saubere Säuren verwendet werden, um Kontamination durch die konzent-
den. Dann muss sofort medizinische rierten Reagenzien zu minimieren.
Hilfe einsetzen. Wenn das Gel nicht Substanzen, die sich in nichtoxidierenden Säuren nicht lösen lassen, können mit den
verfügbar ist, nimmt man irgendein oxidierenden Säuren HNO3, heißer, konzentrierter H2SO4 oder heißer, konzentrierter
anderes Calciumsalz. Schädigungen HClO4 gelöst werden. Von Salpetersäure werden die meisten Metalle angegriffen. Eine
durch HF können sich noch Tage nach Ausnahme bilden Au und Pt, die in einem 3:1-Gemisch (v/v) aus HCl und HNO3, das
der Exposition weiterentwickeln. auch als Königswasser bezeichnet wird, gelöst werden. Starke Oxidationsmittel, wie Cl2
oder HClO4 in HCl lösen bei erhöhten Temperaturen die verschiedensten Materialien, so
auch Ir. Ein Gemisch aus HNO3 und HF kann zum Aufschluss refraktärer (temperatursta-
biler) Carbide, Nitride und Boride der Elemente Ti, Zr, Ta und W verwendet werden. Eine
sehr stark oxidierende Lösung mit der Bezeichnung „Piranha-Lösung“ ist eine Mischung
von 30 Gew% H2O2 und konz. (98 Gew%) H2SO4 in den Volumenverhältnissen 1:1 oder
3:7. Heiße, konzentrierte HClO4 (später für den Aufschluss organischer Materialien be-
schrieben) ist ein sehr gefährliches, starkes Oxidationsmittel, dessen Oxidationskraft
durch Zugabe von konzentrierter H2SO4 und Katalysatoren, wie V2O5 oder CrO3 noch
gesteigert werden kann.
Die Aufschlüsse werden häufig in mit Teflon ausgekleideten Aufschlussbomben
(verschlossene Behälter) durchgeführt, die in Mikrowellenöfen erhitzt werden11. Der in
Abbildung 27.7 dargestellte Behälter hat ein Volumen von 23 mL und ermöglicht den
Aufschluss von bis zu 1 g anorganischen Materials (oder 0.1 g organischen Materials, bei
dem ein größerer Anteil CO2(g) freigesetzt wird) in bis zu 15 mL konzentrierter Säure.

Tabelle 27.5 Säuren für den Probenaufschluss

Säure Übliche Zusammensetzung Hinweise zur Anwendung


(Gewichts% und Dichte)

HCl 37 %, 1.19 g/mL Nichtoxidierende Säure, gut geeignet für viele Metalle, Oxide, Sulfide, Carbonate und Phosphate. 20%ige
HCl siedet bei 109 °C mit konstanter Zusammensetzung. As, Sb, Ge und Pb bilden flüchtige Chloride, die
aus offenen Gefäßen verloren gehen können.

HBr 48–65 % Vergleichbar mit den Lösungseigenschaften von HCl. Konstant bei 124 °C siedet 48 %ige HBr.

H2SO4 95–98 %, 1.84 g/mL Gutes Lösungsmittel am Siedepunkt bei 338 °C. Greift Metalle an. Dehydratisiert und oxidiert organische
Verbindungen.

H3PO4 85 %, 1.70 g/mL Heiße Säure löst hochschmelzende Oxide, die in anderen Säuren unlöslich sind. Wird oberhalb 150 °C was-
serfrei. Dehydratisiert oberhalb 200 °C zu Pyrophosphorsäure (H2PO3–O–PO3H2) und oberhalb von 300 °C
weiter zu Metaphosphorsäure ([HPO3]n).

HF 50 %, 1.16 g/mL Vorwiegend zum Lösen von Silikaten unter Bildung von flüchtigem SiF4 verwendet. Dieses Produkt und
überschüssige HF werden durch Zusatz von H2SO4 oder HClO4 und Erhitzen beseitigt. Ein bei 112 °C kon-
stant siedendes Gemisch ist 38%ige HF. Aufschlüsse in Teflon-, Silber- oder Platinbehältern. Sehr gefähr-
lich bei Kontakt oder Einatmen. Die Fluoride von As, B, Ge, Se, Ta, Nb, Ti und Te sind flüchtig. LaF3, CaF2 und
YF3 fallen aus. F- wird durch Zugabe von H3BO3 und Einengen zur Trockne mit H2SO4 beseitigt.

HClO4 60–72 %, 1.54–1.67 g/mL Kalte und verdünnte Säure ist nicht oxidierend, heiße, konzentrierte dagegen ein extrem gutes, explosives
Oxidationsmittel, besonders für organische Materialien, die vorher bereits teilweise durch heiße HNO3
oxidiert wurden. Die bei 203 °C konstant siedende Lösung enthält 72 % HClO4. Bevor man HClO4 verwen-
det, muss die Probe mehrfach fast bis zur Trockne mit heißer HNO3 eingeengt werden, damit bereits
möglichst viel organisches Material zerstört ist.
27.2 · Auflösung der Proben für die Analyse 797

Deckel zur
Druckentlastung

Teflon-O-Ring

Abb. 27.7 Teflonausgekleidete Mikro-


Teflongefäß wellenaufschlussbombe. Der äußere
mit Deckel
Mantel bleibt bis 150 °C stabil, erreicht
aber selten 50 °C. [Mit freundlicher
nichtmetallischer
Genehmigung von Parr Instrument Co.,
Außenkörper
Moline, IL, USA.]
27
Im Mikrowellenofen wird der Inhalt innerhalb einer Minute auf 200 °C erhitzt. Um
Explosionen zu vermeiden, öffnet sich eine Klappe zum Freisetzen des Gases aus dem
Behälter, wenn der innere Druck 8 Mpa (80 atm) erreicht. Die Bombe kann nicht aus
Metall hergestellt werden, da dieses die Mikrowellenstrahlung absorbieren würde. Die
Bomben werden vor dem Öffnen abgekühlt, um einen Verlust an flüchtigen Bestandtei-
len zu vermeiden.
Ein Beispiel für eine komplizierte Probe, die in der Mikrowelle aufgeschlossen werden
kann, ist gemischter Elektronikschrott.12 Leiterplatten werden in kleine Stücke zerschnit-
ten und gut gemischt. Dann werden 0.1 g mit einer Mischung von 6 mL 70 Gew% HNO3
mit 2 mL 30 Gew% H2O2 und 1 mL 49 Gew% HF aufgeschlossen. Die Kunststoffteile kön-
nen mit 9 mL 70 Gew% HNO3 aufgeschlossen werden. Die Mikrowellenleistung wurde in
5 Minuten von 0 auf 600 Watt gesteigert, dort 15 min gehalten, dann in 5 min auf 1 400
Watt erhöht und 20 min auf diesem Wert belassen.

Schmelzaufschlüsse anorganischer Proben


Proben, die sich in Säuren nicht lösen, werden gewöhnlich mit einem heißen, geschmol-
zenen anorganischen Flussmittel aufgeschlossen (Tabelle 27.6). Die fein gepulverte Probe
wird mit den 2–20-fachen Überschuss an Flussmittel gemischt. Das Schmelzen wird in
einem Tiegel aus einer Platin-Gold-Legierung bei 300–1 200 °C in einem Ofen oder über
einem Brenner durchgeführt. Im automatisch arbeitenden Gerät in der Abbildung 27.8
können gleichzeitig drei Schmelzaufschlüsse erfolgen, wobei die Tiegel über der Pro-
pangasflamme zur Homogenisierung mechanisch bewegt werden. Dann wird die fertige
Schmelze in Bechergläser mit 10 Gew% wässriger HNO3 gegeben, um das Produkt zu
lösen.
Für die meisten Schmelzen wird Lithiumtetraborat (Li2B4O7, Schmelzpunkt 930 °C),
Lithiummetaborat (LiBO2, Schmelzpunkt 845 °C) oder ein Gemisch aus beiden verwen-
det. Eine nicht benetzende Substanz, wie KI, kann dem Gemisch zugesetzt werden, um
ein Anhaften der Schmelze am Tiegel zu vermeiden. So können beispielsweise 0.2 g Ze-
ment mit 2 g Li2B4O7 und 30 mg KI geschmolzen werden.
Ein Nachteil der Schmelzaufschlüsse besteht darin, dass durch den großen Überschuss Der Schmelzaufschluss sollte als letzte
an Reagenz Verunreinigungen in die Schmelze eingeschleppt werden können. Lässt sich Möglichkeit für den Probenaufschluss
ein Teil der Probe in Säure lösen, sollte man vor der Schmelze einen sauren Aufschluss betrachtet werden, da mit dem
durchführen. Danach wird der unlösliche Rückstand mit weniger Flussmittel umgesetzt Schmelzmittel Verunreinigungen in die
und beide Lösungen werden für die Analyse vereint. Probe gelangen.
Die basischen Flussmittel in Tabelle 27.6 (LiBO2, Na2CO3, NaOH, KOH und Na2O2)
eignen sich am besten zum Aufschließen saurer Oxide von Si und P. Saure Flussmittel
(Li2B4O7, Na2B4O7, K2S2O7 und B2O3) eignen sich besonders für die Schmelze alkalischer
Oxide (einschließlich Zement und Erze) der Alkalimetalle, der Erdalkalien, Lanthanoiden
798 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

Tabelle 27.6 Flussmittel für den Probenaufschluss

Flussmittel Tiegel Hinweise zur Anwendung

Na2CO3 Pt Zum Aufschließen von Silikaten (Lehm, Gestein, Minerale, Gläser), hochschmelzenden Oxiden, unlös-
lichen Phosphaten und Sulfaten.

Li2B4O7 oder LiBO2 Pt, Graphit, Au-Pt- Die Borate werden einzeln oder im Gemisch zum Schmelzen von Alumiumsilikaten, Carbonaten und
oder Na2B4O7 Legierung, Au-Rh- Proben mit hohen Konzentrationen basischer Oxide verwendet. B4O72– wird als Tetraborat, BO2– als
Pt-Legierung Metaborat bezeichnet.

NaOH oder KOH Au, Ag Löst Silikate und SiC. Schaumbildung tritt auf, wenn Wasser aus der Schmelze austritt. Es ist deshalb
besser, die Schmelze zuerst zu erhitzen und dann die Probe zuzugeben. Die analytischen Möglichkei-
ten sind durch Verunreinigungen in NaOH und KOH begrenzt.

Na2O2 Zr, Ni Als starke Base und leistungsfähiges Oxidationsmittel geeignet für Silikate, die von Na2CO3 nicht
aufgeschlossen wurden. Geeignet für Eisen- und Chromstähle. Da es langsam die Tiegelmaterialien
angreift, kann man die Innenseite des Ni-Tiegels mit geschmolzenem Na2CO3 beschichten und nach
Erkalten Na2O2 zugeben. Das Peroxid schmilzt bei tieferer Temperatur als das Carbonat, das den Tie-
gel vor der Schmelze schützt.

K2S2O7 Porzellan, SiO2, Kaliumpyrosulfat (K2S2O7) wird hergestellt durch Erhitzen von KHSO4, bis sämtliches Wasser entfernt
Au, Pt ist und Nebelbildung einsetzt. Auch beim Erwärmen von Kaliumpersulfat (K2S2O8) wird durch dessen
Zersetzung K2S2O7 gebildet. Geeignet für hochschmelzende Oxide, nicht für Silikate.

B2O3 Pt Geeignet für Oxide und Silikate. Vorteilhaft ist, dass das Schmelzmittel vollständig als flüchtiges Me-
thylborat ([CH3O]3B) durch mehrmalige Behandlung mit HCl in Methanol entfernt werden kann.

Li2B4O7 + Li2SO4 Pt Beispiel für leistungsfähiges Aufschlussgemisch für hochschmelzende Silikate und Oxide bei 1000 °C
(Massenverhältnis 2:1) innerhalb von 10–20 min. Ein Gramm Flussmittel löst 0.1 g Probe. Die festgewordene Schmelze löst
sich leicht in 20 mL heißer 1.2 M HCl.

und von Al. KHF2 kann zum Aufschluss von Seltenerdoxiden verwendet werden. Für
Sulfide, Oxide und einige Eisen- und Platinlegierungen sowie einige Silikate werden oxi-
dierende Schmelzmittel zum Aufschluss benötigt. Zu diesem Zweck kann entweder reines
Na2O2 verwendet werden, bzw. man wählt Oxidationsmittel, wie KNO3, KClO3 oder
Na2O2, die dem Na2CO3 zugesetzt werden. Boroxid kann nach der Schmelze in B(OCH3)3
umgewandelt und vollständig verdampft werden. Die fest gewordene Schmelze wird
dazu mit 100 mL Methanol behandelt, das mit HCl-Gas gesättigt und vorsichtig erwärmt
wurde. Dieser Vorgang wird mehrere Male wiederholt, bis sämtliches Bor entfernt ist.
Platintiegel sind teuer und sollten an der Luft erhitzt werden, nicht in einer reduzie-
renden Atmosphäre. Heißes Platin darf nur mit einer Tiegelzange mit Pt-Spitzen angefasst
werden. Hierzu kann auch eine gewöhnliche Tiegelzange mit Pt-Folie an der Spitze ge-
nommen werden. Der heiße Tiegel darf nur auf eine saubere, inerte Fläche oder in ein Pt/
Ir-Dreieck gestellt werden. Der Kohlenstoff aus rußenden Flammen macht Platin spröde.
Abb. 27.8 Automatische Apparatur für
das gleichzeitige Schmelzen von drei Auch andere Elemente, darunter Sb, As, Pb, P, Se, Te und Zn können Pt brüchig machen.
Proben über Propanbrennern. Die Pt/ Geschmolzenes Silber, Gold und die meisten unedlen Metalle lösen Pt. Die Oxide von Fe
Au-Tiegel rotieren bei ihrer Hin-und Her- und Pb schädigen Pt oberhalb von 1 000 °C, ebenso Silikate unter reduzierenden Bedin-
Bewegung. [Mit freundlicher Genehmi- gungen.
gung von Claisse, Quebec.]

Zersetzung organischer Proben


Der Aufschluss von organischen Proben ist entweder eine Trockenveraschung, wenn
dabei keine Flüssigkeiten zum Einsatz kommen, oder im Falle der Verwendung von
Flüssigkeiten eine Nassveraschung. Manchmal wird eine Schmelze mit Na2O2 (als Parr-
Oxidation bezeichnet) oder Alkalimetallen in einer geschlossenen Bombe durchgeführt.
In Abschnitt 26.4 wurde die Verbrennungsanalyse diskutiert, bei der C, H, N, S und Halo-
gene bestimmt werden.
Eine Form der Trockenveraschung ist die mikrowelleninduzierte Verbrennung, bei-
spielsweise bei der Bestimmung der Halogene in Kohle.13 Kohlepellets von 50–500 g wer-
27.2 · Auflösung der Proben für die Analyse 799

27

Aufschlussrohre Mikrowellenofen und Peristaltische Rückflussaufsatz


Regeleinheit Pumpe

Abb. 27.9 Mikrowellenapparatur zum Aufschluss organischer Materialien durch Nassveraschung.


[Mit freundlicher Genehmigung von Spex Industries, Edison, NJ, USA.]

den in aschearmes Filterpapier gepackt und an einem Quarzhalter in einem Quarzgefäß


platziert, das 6 mL einer 50 mM Lösung von (NH4)2CO3 enthält. Nach Tränken des Fil-
terpapiers mit 50 mL 6 M NH4NO3 (Oxidationsmittel) wurde das Gefäß verschlossen und
ein Sauerstoffdruck von 20 bar angelegt. Eine Mikrowellenleistung von 1 400 Watt führte
zur Verbrennung, wobei die Kohle eine Temperatur von 1 400 °C erreichte. Die bei der
Verbrennung freigesetzten Halogenide lösten sich in der (NH4)2CO3-Lösung und wurden
mit der Ionenchromatographie bestimmt.
Zu den leicht durchführbaren Verfahren der Nassveraschung gehören Mikrowellen-
aufschlüsse mit Säuren in einer Teflonbombe (Abbildung 27.7). So werden beispielsweise
0.25 g tierischen Gewebes zur Metallanalyse aufgeschlossen, indem sie in einem 60 ml Te-
flongefäß mit 1.5 mL hochreiner 70 % HNO3 und 1.5 mL hochreiner 96 % H2SO4 versetzt
werden und das Aufschlussgefäß in einem 700 W Mikrowellenofen für 1 min aufgeheizt
wird.14 Teflonbomben mit Temperatur- und Drucksensoren ermöglichen eine sichere
und programmierte Regelung der Aufschlussbedingungen. Eine wichtige Nassveraschung
unter Verwendung von H2SO4 ist die Methode nach Kjeldahl zur Stickstoffbestimmung
(Abschnitt 10.8).
Bei der Carius-Methode erfolgt der Aufschluss mit rauchender HNO3 (enthält gelöstes
NO2 im Überschuss) in einem verschlossenen, dickwandigen Glasrohr bei 200–300 °C.
Zur Sicherheit sollte sich das gläserne Carius-Rohr in einem Stahlgefäß befinden, in dem
etwa der gleiche Druck herrscht, der für das Innere des Rohrs erwartet wird.15 Für Spu-
renanalysen sollte sich die Probe in einem Quarzrohr innerhalb des Glasrohres befinden.
Quarz enthält gegenüber Glas nur 1–10% an extrahierbaren Metallen.16
In Abbildung 27.9 ist eine Mikrowellenapparatur zur Nassveraschung gezeigt. Schwe-
felsäure oder ein Gemisch aus H2SO4 und HNO3 (∼15 mL Säure je Gramm Probe)
werden der organischen Probe zugesetzt, die sich im Glasrohr mit dem Rückflussaufsatz
befindet. Im ersten Schritt wird die Probe 10 bis 20 Minuten unter leichtem Rückfluss
carbonisiert (verkohlt), bis alle Bestandteile gelöst sind und die Lösung eine einheitlich
schwarze Farbe angenommen hat. Danach wird die Stromzufuhr unterbrochen, so dass
800 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

Überdruckventil

lockerer 140 Stahlautoklav


Teflondeckel bar
Teflongefäß

Teflonliner
Titangestell
Quarzgefäß
Wasserbad mit
5 Vol% H2O2
Abb. 27.10 Hochdruckautoklav für
den Aufschluss bei Temperaturen bis Aufschluss- Thermoelement
probe
270 °C ohne Schwefelsäure in offenen
Gefäßen. [B. Maichin, M. Zischka und
G. Knapp, „Pressurized Wet Digestion
in Open Vessels“, Anal. Bioanal. Chem.
2003, 376, 715.] Heizung

Wulst sich die Probe 1 bis 2 Minuten abkühlen kann. Als nächstes erfolgt die Oxidation durch
Zugabe von H2O2 oder HNO3 über den Rückflussaufsatz, bis sich Lösung fast vollstän-
Öffnung
dig entfärbt hat oder nur noch ganz leicht gefärbt ist. Wenn die Lösung nicht homogen
ist, wird die Leistung der Mikrowelle erhöht und die Probe erhitzt, um alle Feststoffe
Ausguss
in Lösung zu bringen. Unter Umständen können mehrere Oxidations- und Heizzyklen
notwendig sein. Sind die Aufschlussbedingungen für einen speziellen Probentyp aber
einmal ermittelt, wird die Vorschrift automatisiert, indem Leistungswerte für die Mi-
krowelle und Reagenzzugaben (über eine peristaltische Pumpe) über einen Computer
programmiert werden.
Im Hochdruck-Verascher in der Abbildung 27.10 wird eine Widerstandsheizung in
einer geschlossenen Kammer zum Aufschluss bei Temperaturen bis zu 270 °C und einem
Abb. 27.11 Rückflussaufsatz für die Nass- Druck bis zu 140 bar verwendet. Der hohe Druck ermöglicht eine Erhitzung der Säure auf
veraschung im Erlenmeyerkolben. Die hohe Temperaturen, ohne dass die Säure siedet. Bei hohen Temperaturen werden organi-
Öffnung ermöglicht das Entweichen von sche Stoffe durch HNO3 ohne Unterstützung von H2SO4 oxidiert, die nicht so sauber wie
Dämpfen. Der Ausguss ist gebogen und HNO3 zu erhalten und deshalb für Spurenanalysen weniger geeignet ist. Die Gefäße aus
berührt die Innenseite des Kolbens. [D.
D. Siemer und H. G. Brinkley, „Erlenmeyer
Quarz oder Fluorpolymeren im Inneren der geschlossenen Kammer haben nur leicht auf-
Flask-Reflux Cap for Acid Sample Decom- sitzende Deckel, damit entstehende Gase entweichen können. Der Boden des Autoklaven
position“, Anal. Chem. 1981, 53, 750.] ist mit 5 Vol% H2O2 in Wasser gefüllt. Wasserstoffperoxid reduziert die beim Aufschluss
organischer Stoffe entstandenen Stickstoffoxide. Zum Beispiel kann eine Probe aus 1g
tierischem Gewebe in einem 50 mL-Quarzgefäß mit 5 mL reinster 70 Vol% HNO3 plus
2 mL reinster 37 Vol% HCl aufgeschlossen werden. Die metallischen Elemente in der Auf-
schlusslösung können im ppb- bis ppm-Bereich beispielsweise durch Atomemission mit
induktiv-gekoppelten Plasma bestimmt werden.
HClO4 ist im Gemisch mit organischem Die Nassveraschung mit HNO3/HClO4-Rückfluss (Abbildung 27.11) ist ein zwar
Material eine extreme Explosions- vielseitig anwendbares, aber nicht ganz ungefährliches Verfahren17. Perchlorsäure hat
gefahr. Man muss immer zuerst mit schon zahlreiche Explosionen verursacht. Verwenden Sie deshalb ein gutes Explosions-
HNO3 oxidieren. Immer einen Explosi- schutzschild in einem metallausgekleideten Abzug, der speziell für Arbeiten mit HClO4
onsschutz bei HClO4 verwenden! konstruiert wurde. Zuerst wird die Probe in Abwesenheit von HClO4 vorsichtig bis zum
Sieden mit HNO3 erhitzt. Es wird fast bis zur Trockne eingeengt, um leichter oxidierbare
Materialien so vollständig wie möglich zu oxidieren, weil sie bei Anwesenheit von HClO4
explodieren könnten. Nach der Zugabe frischer HNO3 wird der Vorgang mehrmals wie-
derholt. Nach Abkühlen auf Zimmertemperatur wird HClO4 zugegeben und die Probe
erneut erhitzt. Wenn möglich, sollte HNO3 neben HClO4 zugegen sein. Für die Oxidation
organischer Materialien ist ein großer Überschuss an HNO3 notwendig.
Flaschen, die HClO4 enthalten, dürfen nicht auf Holzregalen abgestellt werden, da auf
das Holz gelangende Tropfen explosive Celluloseperchloratester bilden können. Perchlor-
säure sollte auch nicht in der Nähe von organischen Substanzen oder Reduktionsmitteln
27.3 · Techniken zur Probenvorbereitung 801

aufbewahrt werden. Ein Rezensent dieses Buches schrieb einmal „Ich habe jemanden
gesehen, der bei einem Experiment in einem Jones-Reduktor Schwefelsäure durch Per-
chlorsäure ersetzte. Das Ergebnis war spektakulär – es gab keine Explosion, aber das Rohr
schmolz!“
Die als Fentons Reagenz bezeichnete Mischung aus Fe2+ und H2O2 kann zur Oxida- Fentons Reagenz bildet OH•-Radikale.
tion von organischem Material in verdünnten wässrigen Lösungen verwendet werden.19 Man nimmt an, dass dabei Fe(II)OOH
So werden beispielsweise die organischen Bestandteile des Urins in 30 min bei 50 °C die aktive Spezies ist.18
zerstört und im Anschluss können Spuren von Quecksilber analysiert werden.20 Dazu
werden 50 mL Probe mit 0.5 M H2SO4 auf pH 3–4 eingestellt. Anschließend werden
50 μL gesättigter, wässriger Eisen(II)ammoniumsulfatlösung Fe(NH4)2(SO4)2 zugesetzt,
gefolgt von 100 μL 30 % H2O2.

27.3 Techniken zur Probenvorbereitung

Die Probenvorbereitung besteht aus einer Reihe von Schritten zur Umformung einer In Abschnitt 23.4 wurden die Festpha- 27
Probe in eine für die Bestimmung geeignete Form. Hierzu gehören die Auflösung der senmikroextraktion, die purge and trap
Probe, die Extraktion des Analyten aus einer komplexen Matrix, die Konzentrierung Methode und die Thermodesorption
eines verdünnten Analyten auf ein Niveau, das gemessen werden kann, die chemische beschrieben, die besonders in der
Umwandlung des Analyten in eine bestimmbare Form sowie die Entfernung oder Mas- Gaschromatographie zur Probenvorbe-
kierung störender Spezies. reitung geeignet sind.

Flüssigextraktionstechniken
Bei einer Extraktion wird der Analyt in einem Lösungsmittel gelöst, das nicht unbedingt
die gesamte Probe, aber den Analyten auflöst und diesen nicht zersetzt. Bei einer typi-
schen mikrowellenunterstützten Extraktion von Pestiziden aus Böden wird ein Gemisch
des Bodenmaterials mit Aceton und Hexan in eine mit Teflon ausgekleidete Bombe (Ab-
bildungen 27.7 und 27.12) gegeben und in der Mikrowelle auf 150 °C erhitzt. Diese Tem-
peratur ist 50 bis 100 °C höher als die Siedepunkte der Lösungsmittel bei Atmosphären-
druck. Die Pestizide werden gelöst, die Bodenbestandteile bleiben zurück. Die Flüssigkeit
kann dann mit chromatographischen Methoden analysiert werden.

Abb. 27.12 Extraktionsgefäße in einem


Mikrowellenofen, in dem 12 Proben in
weniger als 30 min bearbeitet werden.
Jedes 100 mL-Gefäß hat eine Entlüftung,
die bei einem Druck von 14 bar den
Dampf freigibt. Die Dämpfe aus der Kam-
mer werden in einen Abzug geleitet. Die
Temperatur im Inneren jedes Gefäßes
kann registriert und zur Regelung der
Mikrowellenleistung verwendet werden.
[Mit freundlicher Genehmigung von CEM
Corp., Matthews, NC, USA.]
802 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

Aceton absorbiert die Mikrowellenstrahlung und kann dadurch erhitzt werden. He-
xan absorbiert die Strahlung nicht. Um eine Extraktion mit reinem Hexan auszuführen,
wird die Flüssigkeit in einen Fluorpolymereinsatz im Teflongefäß der Abbildung 27.7
gegeben.21 Die Wände des Einsatzes enthalten Ruß, welcher die Mikrowellenenergie ab-
sorbiert und das Lösungsmittel erhitzt.
Auch einige Chelatbildner können Bei der superkritischen Fluidextraktion wird ein superkritisches Fluid (Exkurs 24.3)
Metallionen in überkritisches CO2 (das als Extraktionslösungsmittel verwendet.23 CO2 ist das am häufigsten verwendete superkri-
eine kleine Menge Methanol oder tische Fluid, denn es ist billig und muss nicht wie die meisten organischen Lösungsmittel
Wasser enthält) extrahieren. Der unten als teurer Abfall entsorgt werden. Zusatz eines anderen Lösungsmittels z. B. Methanol
stehende Ligand löst Lanthaniden und erhöht die Löslichkeit polarer Analyte. Unpolare Stoffe, wie die Benzinkohlenwasserstoffe,
Actiniden:22 können mit superkritischem Argon extrahiert werden.24 Der Extraktionsprozess kann mit
der Infrarotspektroskopie verfolgt werden, weil Ar die IR-Strahlung nicht absorbiert.
O O
Die Abbildung 27.13 zeigt, wie eine superkritische Fluidextraktion durchgeführt wird.
CF2CF2CF3 Das unter Druck stehende Fluid wird durch ein erhitztes Extraktionsgefäß gepumpt. Das
Fluid kann mit der Probe eine bestimmte Zeit in Kontakt bleiben oder es kann kontinu-
ierlich durch die Apparatur gepumpt werden. Am Ausgang des Extraktionsgefäßes strömt
das Fluid zur Druckentspannung durch eine Kapillare. Das ausströmende CO2 verdampft
und der extrahierte Analyt wird in das Sammelgefäß überführt. Alternativ kann das CO2
durch ein Lösungsmittel geblasen werden, so dass sich im Sammelgefäß eine Lösung des
Analyten bildet.
Abbildung 27.13b zeigt die Extraktion organischer Verbindungen aus dem Staub, der
mit einem Staubsauger aus Fußabtretern des Chemiegebäudes der Ohio State University
gewonnen wurde. Das Chromatogramm des Extrakts in der Abbildung 27.13c zeigt eine
Unzahl von organischen Verbindungen, die wir mit jedem Atemzug einatmen. In einer
anderen Untersuchung wurden Flammschutzmittel auf der Basis von Polybromdiphenyl-
ethern im Hausstaub gefunden.25 Die Konzentrationen lagen in den USA eine Größen-
ordnung über den in Europa gefunden. Man schätzt, dass der von Kleinkindern im Alter
von 1–4 Jahren aufgenommene Staub pro Tag 0.1–6 μg Flammschutzmittel enthält.
Die Abbildung 27.14 zeigt die Glasgeräte für eine kontinuierliche Flüssig-Flüssig-Ex-
traktion nichtflüchtiger Analyte. In der Abbildung 27.14a hat das extrahierende Lösungs-
mittel eine größere Dichte als die zu extrahierende Lösung. Das Lösungsmittel verdampft
aus dem Kolben und kondensiert in das Extraktionsgefäß. Die dichteren Tropfen des Lö-
sungsmittels, die durch die Flüssigkeitssäule fallen, extrahieren den Analyten. Wenn das
Flüssigkeitsniveau hoch genug ist, fließt das Extraktionslösungsmittel über das Rückfluss-
rohr wieder in das Lösungsmittelreservoir. Auf diese Weise wird der Analyt allmählich

Ausgang S

Extraktionsgefäß 2.5 mL Extrak-


tionsgefäß aus S
Drossel- Edelstahl
kapillare
Fritte
Detektorsignal

Seesand x x S x
x x
Hausstaub S x x x
Sammel- x x
gefäß x
Ofen Seesand
Fritte S = Standardsubstanzen
Flüs- Misch-
siges x = phenolische und nitro-
ventil
CO2 aromatische Verbindungen
optionales
Pumpe Pumpe Eingang des 0 5 10 15 20 25 30
Lösungsmittel
superkritischen Zeit (min)
Fluids
a b c

Abb. 27.13 a) Apparatur zur superkritischen Fluidextraktion. b) Gefäß zur Extraktion von Hausstaub
bei 50 °C mit 20 Mol% Methanol/ 80 Mol% CO2 bei 24.0 MPa (240 bar). c) Gaschromatogramm einer
CH2Cl2-Lösung des Extrakts an einer Diphenyl0.05dimethyl0.95siloxan-Säule (30 m × 0.25 mm) mit ei-
nem Temperaturgradienten von 40 bis 280 °C und Flammenionisationsdetektion. [T. S. Reighard und
S. V. Olesik, „Comparison of Supercritical Fluids and Enhanced-Fluidity Liquids for the Extraction of
Phenolic Pollutants from House Dust“, Anal. Chem. 1996, 68, 3612.]
27.3 · Techniken zur Probenvorbereitung 803

aus der leichteren Flüssigkeit links in die dichtere Flüssigkeit im Reservoir überführt. In
der Abbildung 27.14b ist das Verfahren für den Fall gezeigt, dass das Extraktionslösungs-
mittel eine geringere Dichte als die zu extrahierende Lösung hat.
Eine Möglichkeit zur Reduzierung des Lösungsmittelverbrauchs bei der Flüssig-Flüs-
sig-Extraktion ist die feststoffunterstützte Flüssig-Flüssig-Extraktion (Abbildung 27.15).26

Kondensationskühler

27
Extraktions-
lösungsmittel

Lösungs-
mitteldämpfe

zu extra-
hierende
Flüssigkeit
Extraktions-
lösungsmittel
läuft in Reservoir
zurück

zu extra-
hierende
Flüssigkeit

Fritte

Lösungs-
Extraktions-
mittel- Abb. 27.14 Apparaturen zur kontinuierli-
lösungsmittel-
ablaufrohr
reservoir chen Flüssig-Flüssig-Extraktion für (a) mit
Extraktionsmittel größerer Dichte und
Heizung (b) geringerer Dichte gegenüber der zu
a b extrahierenden Lösung.

Zugabe von
organischem
Lösungsmittel zur
Zugabe der Extraktion des
wässrigen Probe Analyten von der
(Urin, Bluplasma, adsorbierten wässrigen
Getränk) Phase

5 min
Hochreines Verteilung
Kieselgur zwischen
Flüssigkeit und
Feststoff

Sammlung des
Extrakts in einem
organischen
Lösungsmittel
Abb. 27.15 Feststoffunterstützte Flüssig-
a b c Flüssig-Extraktion.
804 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

Sie wird gewöhnlich auf einer Mikrotiterplatte durchgeführt, die im nächsten Abschnitt
beschrieben wird. In einer typischen Vorschrift für die Extraktion verschreibungspflich-
tiger Medikamente wird Blutplasma mit dem gleichen Volumen einer 0.5 M NH3-Lösung
verdünnt. Dann werden 200 μL des verdünnten Plasmas in 10 s von einer kleinen Säule
mit mikroporöser Diatomeenerde (Kieselgur) eingesaugt. Nachdem man zur Verteilung
der wässrigen Lösung mit der festen Phase 5 min gewartet hat, wird die Säule mit 1 mL
eines nichtmischbaren organischen Lösungsmittels (Hexan:2-Methyl-1-butanol, 98:2 Vol/
Vol) für ca. 5 min gewaschen. Zur Vervollständigung der Elution wurde abschließend für
2 min gesaugt. Nach Verdampfung des Lösungsmittels zur Trockene wird der Rückstand
in der mobilen Phase der Flüssigkeitschromatographie gelöst. Zusätzlich zum Vorteil der
Verwendung kleiner Flüssigkeitsvolumina wird diese Methode deshalb bevorzugt, weil
bei der feststoffunterstützten Flüssig-Flüssig-Extraktion keine Emulsionen entstehen.
Diese können bei der einfachen Flüssig-Flüssig-Extraktion zu einer echten Plage für den
Analytiker werden.

Festphasenextraktion27
Bei der Festphasenextraktion wird ein kleines Volumen einer chromatographischen sta-
tionären Phase oder eines molekular geprägten Polymers28 (Exkurs 25.2) zur Abtrennung
des Analyten aus einer Probe verwendet. Die Extraktion entfernt die Hauptmenge der
Probenmatrix und vereinfacht die Analyse.
Die Abbildung 27.16 zeigt die typischen Schritte bei der Festphasenextraktion von
10 ng/mL an Steroiden in Urin. Zuerst wird eine Spritze, die 1 mL C18-Kieselgel enthält,
zur Entfernung adsorbierter organischer Stoffe mit 2 mL Methanol (MeOH) konditi-
oniert. Dann wird die Säule mit 2 mL Wasser gewaschen. Beim Aufgeben der 10 mL-
Urinprobe bleiben die unpolaren Komponenten am C18-Kieselgel hängen, während die
polaren vorbei laufen. Die Säule wird dann mit 4 mL eines 25 mM Boratpuffers bei pH 8
zur vollständigen Entfernung der polaren Substanzen gespült (Abbildung 27.16c). Dann
spült man mit 4 mL 40 Vol% Methanol/60 Vol% Wasser und danach mit 4 mL 20 Vol%
Aceton/80 Vol% Wasser zur Entfernung der weniger polaren Substanzen. Schließlich
werden die Steroide durch Elution mit zwei 0.5 mL Portionen aus 73 % Methanol/27 %
Wasser aus der Säule gewaschen.
In der Abbildung 27.17 sind die Chromatogramme des Schmerzmittels Naproxen im
Blutserum mit und ohne Vorreinigung (clean-up) durch Festphasenextraktion dargestellt.
Ohne clean-up gibt es eine Überlappung mit den Serumproteine und eine Verdeckung des
Naproxen-Signals. Die Festphasenextraktion beseitigt den größten Teil der Proteine.
Die Anwendung der Festphasenextraktion zur Voranreicherung und teilweisen Reini-
gung von Spuren an Kokain und Benzoylecgonin wurde beim Einstieg in dieses Kapitel

Gesuchter Analyt

1. MeOH Schwaches Stärkeres Noch stärkeres


2. H2O Lösungsmittel Lösungsmittel Lösungsmittel

Konditionierung Aufgabe der Elution der schwach Elution des


der Säule Rohprobe gebundenen Stoffe gesuchten
Abb. 27.16 Arbeitsschritte bei der Fest- Analyten
phasenextraktion. a b c d e
27.3 · Techniken zur Probenvorbereitung 805

beschrieben. Ein 500 mL-Volumen von Flusswasser wurde filtriert, mit 10 ng des inne-
ren Standards versetzt und mit HCl auf pH 2 angesäuert. Eine Festphasenextraktions-
Kartusche mit 60 mg eines Kationenaustauscherharzes wurde vor der Verwendung
durch Waschen mit 6 mL CH3OH, 3 mL ionenfreien H2O und 3 mL einer 10 mM HCl
konditioniert. Das Flusswasser wurde mit einer Geschwindigkeit von 20 mL/min durch
die Kartusche gesaugt. Restliche Flüssigkeit wurde durch 5 min Saugen aus der Kartusche
geblasen. Die Analyte wurden dann von der Kartusche durch Elution mit 2 mL CH3OH
und danach 2 mL 2% NH3-Lösung in CH3OH entfernt. Hierbei tritt eine Voranreicherung
der Probe um den Faktor 500 mL/4 mL = 125 ein.
Bei der Kokain-Anreicherung aus Flusswasser wurde in der Festphasenextraktions-
kartusche die in Abbildung 27.18 oben links stehende Umkehrphase verwendet. Es ist ein
Vertreter aus einer ganzen Reihe von Harzen, deren Gerüst lipophile Benzen-Ringe und
hydrophile Pyrrolidon-Ringe enthält. Diese Harze werden von Wasser benetzt und haben
sowohl gegenüber polaren wie auch unpolaren Stoffen eine entsprechende Affinität. Die
vier Ionenaustauschderivate eignen sich für die Aufnahme und anschließende Freisetzung
unterschiedlicher Analytarten durch Änderungen der Bedingungen, wie pH, Lösungsmit- 27
tel und Ionenstärke.
Die Anreicherung von Kokain aus 500 mL Flusswasser erfolgte mit nur 60 mg Harz in
einer einzigen Spritze. Bei einer großen Zahl von Analysen oder Überblicksuntersuchun-
gen kann eine Mikrotiterplatte, wie in Abbildung 27.19, verwendet werden. Die übliche
Platte oben rechts hat acht Reihen mit 12 spritzenähnlichen Näpfen (wells), die jeweils
5–60 mg Harz enthalten können. Die „μElution® plate“ oben links hat 96 Näpfe mit klei-
nem Volumen, die Pasteur-Pipetten ähnlich sind und mit 25–50 μL Lösungsmittel eluiert
werden können.
In der analytischen Chemie wird durch die Festphasenextraktion der Lösungsmittel-
verbrauch deutlich reduziert. Bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion von 1 L Wasser erfordert
die Standardmethode für die Pestizidanalyse im Abwasser 200 mL Dichlormethan. Die
gleichen Analyte können durch Festphasenextraktion an C18-Kieselgel-Scheiben isoliert

Direktinjektion
ohne Clean-up

Proteine und
Naproxen

Nitrobenzen
(innerer Standard)

mit Clean-up durch


Extinktion

Festphasenextraktion

Proteine

Naproxen

Nitrobenzen
(innerer Standard)

0 1 2 3 4 5
Zeit (min)

Abb. 27.17 HPLC von Naproxen in Blutserum ohne clean-up (oberes Chromatogramm) und vorheri-
gem Proben-clean-up (unteres Chromatogramm) durch Festphasenextraktion an C8-Kieselgel. [R. E.
Majors und A. D. Broske, „New Directions in Solid-Phase Extraction Particle Design“, Am. Lab. February
2002, S. 22.]
806 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

In der Abbildung 27.18 bedeutet


1 mmol/g die Stoffmenge der Ionen-
austauschgruppen pro Gramm Harz.
N SO 3 N
O O N

lipophiles
Benzen
hydrophiles
Pyrrolidon
N
Mixed-mode Cation eXchange O Mixed-mode Anion eXchange
(MCX) Umkehrphasensorbent, (MAX) Umkehrphasensorbent,
pKS < 1; 1 mmol/g 0.25 mmol/g

O
N N
O O Hydrophilic-Lipophilic O N
Balanced (HLB)
Umkehrphasensorbent, NH2
stabil von pH 0–14,
keine Silanol-Wechselwirkungen

Abb. 27.18 Wasserbenetzbare,


hydrophobe Ionenaustausch-Oasis®-
Polymersorbentien für die Festpha- Mixed-mode Weak Cation eXchange Mixed-mode WeakAnion eXchange
senextraktion. [Waters Corporation, (WCX) Umkehrphasensorbent (WAX) Umkehrphasensorbent
Milford, MA, USA.] pKS ~ 5; 0.75 mmol/g pKS ~ 6; 0.6 mmol/g

μElution Plate® 96-Well-Mikrotiterplatte

Harz

Harz
Fritte

10 mg 60 mg
Spacer
Harz Harz
Extraktions-
plattenbausatz

Sammelplatte

Absaugung

Abb. 27.19 96-Well Mikrotiterplatte und 96-Well μElution plate® für die Festphasenextraktion. [Mit
freundlicher Genehmigung von Waters Corporation, Milford, MA, USA.]
27.3 · Techniken zur Probenvorbereitung 807

Tabelle 27.7 Anwendung von Ionenaustauscherharzen zum Einfangen von Gasen

Gas Eingefangene Eluent Analytische Methode


Spezies
Spritze
CO2 CO32– 1 M NaNO3 Titration mit Säure

H2S S2– 0.5 M Na2CO3 + H2O2 S2– wird durch H2O2 zu SO42– oxidiert. Sulfat-
bestimmung über Ionenchromatographie.

SO2 SO32– 0.5 M Na2CO3 + H2O2 SO32– wird durch H2O2 zu SO42– oxidiert. Nadel
Sulfatbestimmung über Ionenchromato-
graphie.

HCN CN– 1 M Na2SO4 Titration von CN– mit Hypobromit:


CN– + OBr– → CNO– + Br–
Ionenaus-
tauschharz in
NH3 NH4+ 1 M NaNO3 Farbnachweis mit Nesslers Reagenz:
1 mL-Kammer
2 K2HgI4 + 2 NH3 → NH2Hg2I3 + 4KI + NH4I
Nesslers starke Absorption 27
Reagenz bei 400–425 nm

Quelle: D. D. Siemer, „Ion Exchange Resins for Trapping Gases: Carbonate Determination“,
Anal. Chem. 1987, 59, 2439. Teströhrchen

Plastikschlauch

werden. Die Pestizide werden von den Scheiben durch superkritsche Fluidextraktion mit
CO2 freigesetzt, das schließlich in ein kleines Hexanvolumen abgelassen wird. Diese Ana- Probe

lysenart spart allein pro Jahr 105 kg CH2Cl2.29 Abb. 27.20 Apparatur zum „Einfangen“
Ionenaustauscherharze können basische oder saure Gase festhalten. Das aus dem in basischer oder saurer Gase durch Ionen-
der Kernbrennstoffaufbereitung verwendeten (ZrO)2CO3(OH)2 ⋅ xH2O austretende CO2 austausch. [D. D. Siemer, „Ion Exchange
kann bestimmt werden, indem man eine bekannte Menge des Feststoffpulvers in das Pro- Resins for Trapping Gases: Carbonate De-
termination“, Anal. Chem. 1987, 59, 2439.]
benröhrchen der Abbildung 27.20 gibt und anschließend 3 M HNO3 zusetzt. Spült man
die Lösung mit N2, wird das CO2 quantitativ an dem feuchten Anionenaustauscher im
Seitenarm der Apparatur festgehalten:

CO2 + H2O → H2CO3


2 Harz+OH– + H2CO3 → (Harz+)2CO32– + 2 H2O

Das Carbonat wird vom Harz mit 1 M NaNO3 eluiert und durch Titration mit einer
Säure bestimmt. In Tabelle 27.7 sind weitere Anwendungen dieser Technik zusammen-
gefasst.

Derivatisierung
Als Derivatisierung bezeichnet man eine Reaktion, bei welcher der Analyt chemisch NO2
R1
verändert wird, um seine Detektion oder Trennung zu erleichtern. So können beispiels-
——


— O H2NNH NO2
weise Formaldehyd oder andere Aldehyde und Ketone in natürlicher und Atemluft oder
R2
im Zigarettenrauch30 dadurch eingefangen und derivatisiert werden, dass Luft durch eine Aldehyd oder 2,4-Dinitrophenylhydrazin
winzige Kartusche mit 0.35 g Quarz geschickt wird, der mit 0.3 Gew% 2,4-Dinitrophenyl- Keton
hydrazin beschichtet ist. Die Carbonylverbindungen werden in das 2,4-Dinitrophenylhy- NO2
R1
drazon-Derivat überführt, das mit 5 mL Acetonitril eluiert und mittels HPLC analysiert
——


— NNH NO2
wird. Die Produkte können sehr einfach durch ihre starke UV-Absorption bei 360 nm R2
detektiert werden. 2,4-Dinitrophenyl-hydrazon
λmax ≈ 360 nm
Wichtige Begriffe
> Aufschlussbombe > Derivatisierung > Extraktion > Festphasenextraktion > Fluss-
mittel > Königswasser > Kugelmühle > Mörser und Pistill > Nassveraschung > Pro-
bennahme > Probenvorbereitung > Schmelzaufschluss > superkritische Fluid-Extrak-
tion > Trockenveraschung > Voranreicherung
808 Kapitel 27 · Probenvorbereitung

Zusammenfassung
Die Varianz einer Analyse ist die Summe der Varianzen der Probennahme und der Ana-
lyse. Die Varianz der Probennahme kann man mit den Begriffen der Statistik der Partikel-
auswahl aus einem heterogenen Gemisch verstehen. Wenn die Wahrscheinlichkeit, zwei
Arten von Partikeln aus einem Gemisch dieser beiden Partikelarten zu entnehmen, p und
q beträgt, ist die Standardabweichung bei der Auswahl von n Partikeln npq. Mit dieser
Beziehung können Sie die Probengröße bestimmen, wenn die Varianz der Probennahme
auf ein bestimmtes Maß reduziert werden soll. Mit dem t-Test von Student kann ermittelt
werden, wie viele Wiederholungsanalysen notwendig sind, um das Ergebnis mit einem
bestimmten Vertrauensbereich angeben zu können.
Viele anorganische Materialien können in starken Säuren unter Erhitzen gelöst
werden. Häufig können dafür Glasgefäße benutzt werden. Weil HF Silikate löst, sind in
diesem Fall Gefäße aus Teflon, Platin oder Silber erforderlich. Wenn nichtoxidierende
Säuren zum Lösen nicht ausreichen, sollten Königswasser oder andere oxidierende Säuren
verwendet werden. Eine teflonausgekleidete Aufschlussbombe, die in einem Mikrowel-
lenofen erhitzt wird, ist eine besonders für schwerlösliche Substanzen geeignete Auf-
schlussapparatur. Schlägt der Säureaufschluss fehl, helfen oft Schmelzaufschlüsse unter
Verwendung von geschmolzenen Salzen. Durch den großen Überschuss an Flussmittel
gelangen jedoch Verunreinigungen in die Probe. Organische Materialien werden durch
nasse Veraschung mit heißen, konzentrierten Säuren oder Trockenveraschung in der
Hitze aufgeschlossen.
Die Analyte können aus komplexen Matrizes durch Probenvorbereitungsverfahren
wie Flüssigextraktion, superkritische Fluid-Extraktion oder Festphasenextraktion abge-
trennt werden. Eine Derivatisierung wandelt den Analyten in eine leichter abtrennbare
oder besser detektierbare Form um.

Übungen
27-A. Eine Schachtel enthält 120 000 rote und 880 000 gelbe Murmeln.
a) Wenn Sie nach dem Zufallsprinzip 1 000 Murmeln aus der Kiste nehmen, wie viele
rote und wie viele gelbe Murmeln sind in Ihrer entnommenen Probe?
b) Legen Sie die Murmeln wieder zurück in die Box und wiederholen Sie das Experi-
ment. Wie groß sind absolute und relative Standardabweichung für die in (a) ent-
nommene Murmelzahl nach vielfacher Wiederholung des Experiments?
c) Wie groß sind absolute und relative Standardabweichung, wenn stets 4 000 Murmeln
entnommen werden?
d) Wenn man die Probengröße vervierfacht, verringert sich die Standardabweichung
der Probenahme um den Faktor . Wenn man die Größe der Probe um den
Faktor n erhöht, verringert sich die Standardabweichung der Probenahme um den
Faktor .
e) Welche Probemenge ist erforderlich, um die Standardabweichung der Probenahme
für die roten Murmeln auf ±2 % zu reduzieren?

27-B.
a) Welche Probenmasse ist für das Beispiel in Abbildung 27.3 erforderlich, um eine
Standardabweichung der Probenahme von ±10 % zu erhalten?
b) Bestimmen Sie, wie viele der in (a) ermittelten Massen als Probe genommen werden
müssen, um mit 95%iger Sicherheit angeben zu können, dass der Mittelwert inner-
halb von ± 20 Signalen je Sekunde und Gramm liegt?

27.-C. Eine Bodenprobe enthält etwas säurelösliches anorganisches Material, etwas or-
ganisches Material und einige Minerale, die sich in keiner Kombination heißer Säuren
lösen. Schlagen Sie ein Verfahren zum Aufschluss der gesamten Probe vor!
Farbtafeln

a b c

Farbtafel 1 HCl-Springbrunnen (Versuch 6.2). a) Becherglas mit basischer Indikatorlösung. b) Indika-


torlösung wird in den Kolben gezogen und ändert die Farbe in die der sauren Form. c) Am Ende des
Versuchs ist HCl vollständig in der oberen Lösung aufgenommen worden.

a b

Farbtafel 2 Einfluss der Ionenstärke auf die Dissoziation in Ionen (Versuch 7.1). a) Zwei Bechergläser
mit identischen Lösungen von Fe(SCN)2+, Fe3+ und SCN–. b) Bei der Zugabe von KNO3 in das rechte
Becherglas verschwindet die rote Farbe, weil das Gleichgewicht Fe3+ + SCN– U Fe(SCN)2+ nach links
verschoben wird.
Farbtafeln

Farbtafel 3 Thymolblau (Abschnitt 10.6).


Farben des Säure-Base-Indikators Thy-
molblau zwischen pH 1 und pH 11. Die
pK-Werte sind 1.7 und 8.9. pH: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

a b c

Farbtafel 4 Indikatoren und die Azidität von


CO2 (Versuch 10.1). a) Messzylinder vor der
Zugabe von Trockeneis. Die ethanolischen
Lösungen von Phenolphthalein (links) und
Bromthymolblau (rechts) haben sich noch
nicht mit dem gesamten wässrigen Zylinder-
inhalt vermischt. b) Zugabe von Trockeneis
führt zur Bildung von Gasblasen und einer
weiteren Durchmischung (c). Noch stärkere
Durchmischung (d) Phenolphthalein wird in
seine farblose, saure Form umgewandelt. Die
Farbe von Bromthymolblau ist eine Mischung
seiner sauren und basischen Formen. e) Nach
Zusatz von HCl und Umrühren der Lösung
im rechten Zylinder werden aufsteigende
CO2-Blasen beobachtet und der Indikator
wird vollständig in seine saure Form umge-
wandelt. d e
Farbtafeln

Farbtafel 5 Titration von Cu2+ mit EDTA und einem zusätzlichen Komplexbildner (Abschnitt 11.5).
0.02 M CuSO4 vor der Titration (links). Farbe des Cu(II)-ammin-Komplexes nach Zugabe eines Ammo-
niakpuffers, pH 10 (Mitte). Farbe am Endpunkt, wenn alle Ammoniakliganden durch EDTA verdrängt
wurden (rechts).

a b

Farbtafel 6 Titration von Mg2+ mit EDTA und Eriochromschwarz T als Indikator (Versuch 11.1). a) Vor
(links), nahe am (Mitte) und nach (rechts) dem Äquivalenzpunkt. b) Die gleiche Titration nach Zugabe
des inerten Farbstoffs Methylrot zur Farbänderung.

Farbtafel 7 Titration von VO2+ mit Kaliumpermanganat (Abschnitt 15.4). Blaue VO2+-Lösung vor der
Titration (links). Mischung von blauem VO2+ und gelbem VO2+ während der Titration (Mitte). Dunkle
Farbe von Permanganat am Endpunkt (rechts).
Farbtafeln

Farbtafel 8 Photolytischer Kohlenstoff-


analysator für wässrige Umweltproben
(Exkurs 15.2). Eine abgemessene Wasser-
probe wird in die linke Kammer injiziert,
wo sie mit H3PO4 angesäuert wird. Durch
Spülen mit Ar oder N2 wird aus HCO3– und
CO32– entstandenes CO2 ausgetrieben
und durch Infrarotabsorption bestimmt.
Die Probe wird dann in die Aufschluss-
kammer gedrückt. Dort wird der Probe
S2O82– zugesetzt und durch eine Tauch-
lampe (Spirale in Bildmitte) UV-Licht
eingestrahlt. Die bei der Bestrahlung ent-
standenen Sulfatradikale (SO4–) oxidieren
die meisten organischen Verbindungen
zu CO2, das durch Infrarotabsorption
bestimmt wird. Im U-Rohr (rechts) befin-
den sich Sn- und Cu-Granalien, die beim
Aufschluss freigesetzte flüchtige Säuren,
wie HCl und HBr, abfangen. [Photo wurde
von Ed Urbansky, U.S. Environmental
Protection Agency, Cincinnati, OH, zur
Verfügung gestellt.]

Farbtafel 9 Iodometrische Titration (Ab-


schnitt 15.7). I3–-Lösung (links). I3–-Lösung
vor dem Endpunkt bei der Titration mit
S2O32– (Mitte links). I3–-Lösung in Gegen-
wart von Stärke als Indikator unmittelbar
vor dem Endpunkt (Mitte rechts). Am
Endpunkt (rechts).

a b c

Farbtafel 10 Elektrochemisches Schreiben (Versuch 16.1). a) Stift dient als Kathode. b) Stift dient als Anode. c) Die Polarität der Folienunterlage ist
entgegengesetzt zu der des Stifts und es entsteht die entgegengesetzte Farbe auf dem unteren Papierblatt.
Farbtafeln

a b

Farbtafel 11 Bildung einer Diffusionsschicht während der Elektrolyse (Exkurs 16.3). a) Kupferelekt-
rode (glatte Platte, links) und Platinelektrode (Drahtkorb, rechts) tauchen in eine Lösung mit KI und
Stärke, durch die kein Strom fließt. b) Bei Stromfluss bildet sich an der Oberfläche der Pt-Anode der
Stärke-Iod-Komplex.

Farbtafel 12 Gitterdispersion (Abschnitt 17.2). Durch ein Gitter wird innerhalb des Spektrometers das
sichtbare Spektrum erzeugt.

Farbtafel 13 Lambert-Beersches Gesetz (Abschnitt 17.2). Fe(phenanthrolin)32+-Standardlösungen für


die spektralphotometrische Analyse. Die Messkolben enthalten Fe(phenanthrolin)32+-Lösungen mit
Eisenkonzentrationen von 1 mg/L (links) bis 10 mg/L (rechts). Wie man an der Intensität der Färbung
sieht, ist die Extinktion proportional zur Eisenkonzentration.
Farbtafeln

Kalium-
dichromat

Bromphenol-
blau
Phenolphthalein

Extinktion

orange
violett

grün
blau

gelb

rot
400 450 500 550 600 650 700
Wellenlänge (nm)
a b

Farbtafel 14 Absorptionsspektren (Versuch 17.1). a) Projiziertes sichtbares Spektrum von (von oben
nach unten) weißem Licht, Kaliumdichromat, Bromphenolblau und Phenolphthalein. b) Mit einem
Spektralphotometer aufgenommene sichtbare Absorptionsspektren der gleichen Verbindungen.

3.0

2.5

2.0
Extinktion

1.5

1.0

0.5

0.0

300 400 500 600 700 800 900

Wellenlänge (nm) F E D C B A

Farbtafel 15 Absorptionsspektren und Farbe (Abschnitt 12.2 und Aufgabe 17.9). Die Kolben ent-
halten Suspensionen von Silber-Nanoteilchen, deren Farbe von der Größe und Form der Teilchen
abhängt. Hier handelt es sich um ungefähr dreieckige Plättchen mit Kantenlängen von ~50–100 nm,
die unter definierten, unterschiedlichen Bedingungen hergestellt wurden. Die sichtbaren Absorp-
tionsspektren der Suspensionen sind oben gezeigt. Stabile Suspensionen von Nanoteilchen sind
Kolloide (Versuch 26.1). [D. M. Ledwith, A. M. Whelan und J. M. Kelly, J. Mater. Chem. 2007, 17, 2459.
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von J. M. Kelly und D. Ledwith, Trinity College, University of
Dublin, Irland.]
Farbtafeln

a b

Farbtafel 16 Lumineszenz (Abschnitt 17.7). a) Grüner Kristall von Yttrium-Aluminium-Granat, der


eine kleine Menge Cr3+ enthält. b) Bei der Bestrahlung mit blauem Licht hoher Intensität aus einem
Laser auf der rechten Seite absorbiert Cr3+ blaues Licht und emittiert energieärmeres rotes Licht. Beim
Abschalten des Lasers ist der Kristall wieder grün. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von M.
Seltzer, Michelson Laboratory, China Lake, CA, USA.]

Farbtafel 17 Löschung der Ru(II)-Lumineszenz durch O2 (Abschnitt 18.6). Links: Orange-rote Lumi-
neszenz von ~5 μM Ru(bipyridyl)3Cl2 in Methanol, nachdem die Luft durch die Gasentwicklung von
Trockeneis entfernt wurde. Rechts: Die Lumineszenz wird durch 30 s Einleiten von O2 gelöscht.
Farbtafeln

Oregon Green-Referenzfarbstoff – sauerstoffempfindlicher


unempfindlich gegen O2 Ru(II)-Farbstoff

Farbtafel 18 Fluoreszenz der O2-Indikatorbeads im Inneren lebender Zellen (Abschnitt 18.6). Grünes
Licht, das vom Farbstoff Oregon Green emittiert wird, ist von der lokalen O2-Konzentration unabhän-
gig. Tris(4,7-diphenyl-1,10-phenanthrolin)ruthenium(II)chlorid emittiert rotes Licht, das in Gegenwart
von O2 gelöscht wird. Das Intensitätsverhältnis der roten und grünen Wellenlängen dient zur Kon-
zentrationsbestimmung von O2 im Innern der Zelle. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von R.
Kopelman und E. Monson, University of Michigan. H. Xu, J. W. Aylott, R. Kopelman, T. J. Miller und M. A.
Philbert, Anal. Chem. 2001, 73, 4124.]

Farbtafel 19 Upconversion (Exkurs 18.2). Energiearmes grünes Licht aus einem 5 mW-Laser wird in
energiereicheres blaues Fluoreszenzlicht umgewandelt. Wird hier der Energieerhaltungssatz verletzt?
Exkurs 18.2 gibt die Antwort. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von F. N. Castellano und T. N.
Singh-Rachford, Bowling Green State University. Siehe: R. R. Islangulov, D. V. Kozlov und F. N. Castel-
lano, Chem. Commun. 2005, 3776.]
Farbtafeln

n = –1

Einfallender Strahl n=1 n=2 n=1 n=2


a b

Farbtafel 20 Laserbeugung an einer CD (Abschnitt 19.2). Die Rillen in einer Audio- oder Computer-CD
haben einen Abstand von 1.6 μm. a) Wenn ein roter Laserstrahl senkrecht auf die Scheibe trifft (θ = 0
in Abbildung 19.7 und Gleichung 19.2), werden drei gebeugte Strahlen mit den Ordnungen n = +1, +2
und –1 beobachtet. b) Rote und grüne Laserstrahlen treffen senkrecht auf die Scheibe. Grünes Licht hat
eine kürzere Wellenlänge als rotes Licht, und deshalb wird nach Gleichung 19.2 grünes Licht mit einem
kleineren Winkel (φ) gebeugt. Die Strahlen wurden durch einen „Nebel“ aus flüssigem Stickstoff sichtbar
gemacht. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von J. Tellinghuisen, Vanderbilt University. Siehe: J.
Tellinghuisen, J. Chem. Ed. 2002, 79, 703; und F. Wakabayashi und K. Hamada, J. Chem. Ed. 2006, 83, 56.]

a b

Farbtafel 21 Transmission, Reflexion, Brechung, Absorption und Lumineszenz (Abschnitt 19.4). a) Blau-
grünes Laserlicht wird in einen Kristall von Yttrium-Aluminium-Granat, der mit Er3+ dotiert ist, geschickt.
Es wird gelbes Licht emittiert. Das von rechts auf den Kristall treffende Licht wird gebrochen und an der
rechten Kristalloberfläche teilweise reflektiert. Der Laserstrahl erscheint durch die Lumineszenz von Er3+
im Kristall gelb. Wenn er den Kristall an der linken Seite verlässt, wird der Laserstrahl erneut gebrochen
und teilweise in den Kristall zurückreflektiert. b) Gleiches Experiment, jedoch mit blauem statt blau-
grünem Licht. Blaues Licht wird von Er3+ absorbiert und dringt nicht sehr tief in den Kristall ein. [Freund-
licherweise zur Verfügung gestellt von M. Seltzer, Michelson Laboratory, China Lake, CA, USA.]

Farbtafel 22 Mehrmalige innere Reflexionen in einem Bulkkristall (Abschnitt 19.4). Beim Durchgang
von blauem Laserlicht durch einen Kristall von Yttrium-Aluminium-Granat, der mit Ho3+ dotiert ist,
werden mehrere innere Reflexionen beobachtet. Der von rechts auftreffende Strahl wird zum großen
Teil an jeder Fläche zurück in den Kristall reflektiert, wobei ein Zick-Zack-Muster im Kristall entsteht.
Ein Teil des Lichts wird an jeder Fläche aus dem Kristall herausgelassen. In einer Glasfaser ist der Ein-
fallswinkel so gewählt, dass der Strahl innerhalb der Faser total reflektiert wird. [Freundlicherweise zur
Verfügung gestellt von M. Seltzer, Michelson Laboratory, China Lake, CA, USA.]
Farbtafeln

25 μm 10 μm

a b

Farbtafel 23 Sauerstoff-Optode (Abschnitt 19.4). a) Sensor aus einer Glasfaser mit einem Durchmes-
ser von 100 μm. Die aktive Schicht am Ende besteht aus Tris(1,10-phenanthrolin)ruthenium(II)chlorid,
gelöst in Polyacrylamid, das kovalent an die Faser gebunden ist. Das durch die Faser geleitete Licht
regt die Rutheniumverbindung an, die daraufhin charakteristisches orange-rotes Licht emittiert, das
mit einem Mikroskop beobachtet wird. Beim Eintauchen in eine O2-haltige Probe, nimmt die Emission
ab. Die Abnahme ist ein Maß für die Sauerstoffkonzentration. b) Eine Optode mit einer Submikrome-
terspitze, die aus einer größeren Faser gezogen wurde. Mit dieser Faser können 10 amol O2 bestimmt
werden. [Z. Rosenzweig und R. Kopelman, Anal. Chem. 1995, 67, 2650.]

Farbtafel 24 Polychromator für ein Atomemissionsspektrometer mit induktiv-gekoppeltem Plasma


mit je einem Detektor für jedes Element (Abschnitt 20.4). Das von der Probe im Plasma emittierte
Licht tritt in den Polychromator (rechts) ein und wird durch das Gitter (unten im Bild) in seine Wel-
lenlängen zerlegt. Die unterschiedlichen Emissionswellenlängen (schematisch durch farbige Linien
gezeigt) werden mit unterschiedlichen Winkeln zu den einzelnen Photomultiplier-Detektoren auf der
gekrümmten Brennebene gebeugt. Jeder Detektor erkennt nur das vorher ausgewählte Element und
alle Elemente werden gleichzeitig gemessen. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von TJA Solu-
tions, Franklin, MA, USA.]
Farbtafeln

Plasma

Licht

CID- Eintritts-.
Detektor öffnung

Echelle-
Gitter

Verschluss

CID-
Detektor

Prisma

Kollimator-
spiegel

Fokussierender
Spiegel

Farbtafel 25 Polychromator für ein Atomemissionsspektrometer mit induktiv-gekoppeltem Plasma


mit einem Detektor für alle Elemente (Abschnitt 20.4). Das von der Probe im Plasma emittierte Licht
tritt in den Polychromator (oben rechts) ein und wird vertikal durch ein Prisma und danach horizontal
durch ein Gitter zerlegt. Das resultierende zweidimensionale Emissionsbild mit Wellenlängen von 165
bis 1 000 nm wird mit einer Ladungsinjektions-Einheit (CID) mit 262 000 Pixeln aufgenommen. Alle
Elemente werden gleichzeitig detektiert. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von TJA Solutions,
Franklin, MA, USA.]

Farbtafel 26 Ein Niedertemperaturplasma ionisiert Substanzen auf Oberflächen für eine massen-
spektrometrische Analyse (Abschnitt 21.5). Ein Raumtemperatur-Plasma wird hergestellt, indem He,
Ar, N2 oder die Umgebungsluft durch ein Glasrohr mit einem geerdeten koaxialen Draht geleitet wird.
Außen ist das Rohr mit einem Kupferblech ummantelt, an das ein 3 kV-Wechselstrom mit einer Fre-
quenz von 2.5 kHz und einer Leistung von 1 W angelegt wird. Im Plasma angeregte Spezies ionisieren
und entfernen Moleküle von einer Oberfläche, z. B. der Haut. Die Oberfläche sollte sich dicht am Ein-
lass eines Massenspektrometers befinden, um das Spektrum der Ionen aufzunehmen. Es gibt keinen
elektrischen Schlag auf der Haut. [Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von R. G. Cooks, Purdue
University. J. D. Harper, N. A. Charipar, C. C. Mulligan, X. Zhang, R. G. Cooks und Z. Ouyang, „Low-Tem-
perature Plasma Probe for Ambient Desorption Ionization“, Anal. Chem. 2008, 80, 9097.]
Farbtafeln

Nach Zugabe des Phasentransfer-Reagenzes

Farbtafel 27 Durch Zugabe von Phasen-


transfer-Reagenzien werden farbige
Anionen aus Wasser in Ether extrahiert
(Exkurs 22.1). Untere Reihe: Gefäße mit Vor der Zugabe des Phasentransfer-Reagenzes
unterer wässriger Phase und Diethylether
als obere Phase. Die farbigen Anionen
befinden sich in der wässrigen Phase.
Obere Reihe: Nach Zugabe von Trioctyl-
methylammoniumchlorid in jedes Gefäß
und gute Durchmischung hat das Trioc-
tylmethylammoniumkation die farbigen
Anionen in die Etherphase extrahiert.
[Freundlicherweise zur Verfügung ge-
stellt von A. J. Pezhathinal und R. Chan-
Yu-King, University of Science and Arts of
Oklahoma. A. J. Pezhathinal, K. Rocke, L. Farbiges Anion: CrO42– Lebens- Gatorade Orange II- MnO4– Cr2O72– Kongo-
Susanto, D. Handke, R. Chan-Yu-King und mittel- (Limonade) Farbstoff rot
P. Gordon, J. Chem. Ed. 2006, 83, 1161.] farbe

a b

Farbtafel 28 Dünnschichtchromatographie (Abschnitt 24.1). Das zu trennende Gemisch befindet


sich in Form winziger Flecke in der Nähe des unteren Rands einer Platte aus Glas oder Kunststoff, die
mit einer adsorbierenden stationären Phase beschichtet ist. Wenn die Platte in einer geschlossenen
Kammer in eine flache Schicht eines Lösungsmittels gestellt wird, wandert die Flüssigkeit durch die
Kapillarwirkung auf der Platte nach oben. Die verschiedenen Bestandteile des Gemischs werden
in Abhängigkeit vom Ausmaß ihrer Adsorption in der stationären Phase durch das Lösungsmittel
unterschiedlich stark mitwandern. Je stärker die Adsorption ist, desto langsamer wandert diese Kom-
ponente. a) Das Lösungsmittel steigt im unteren Bereich der Platte an einem Farbstoffgemisch vorbei
nach oben. b) Die Trennung wurde erreicht, nachdem das Lösungsmittel den größten Teil der Platte
nach oben gewandert ist.
Farbtafeln

Farbtafel 29 Superkritisches Kohlendioxid (Exkurs 24.3). a) Flüssiges CO2 in einer 60-mL-Stahlkammer


bei 30 °C und 6.9 MPa. Die rote Farbe stammt von einer kleinen Menge Iod, das zur Erkennung der
Flüssigkeit zugesetzt wurde. b) Beginn des superkritischen Phasenübergangs bei Temperaturerhö-
hung. c) Superkritisches CO2 in einer Phase. [H. Black, Environ. Sci. Technol. 1996, 30, 124A. Die Photos
wurden freundlicherweise von D. Pesiri und W. Tumas, Los Alamos National Laboratory, zur Verfügung
gestellt.]
Farbtafeln

Farbtafel 30 Geschwindigkeitsprofile für hydrodynamischen und elektroosmotischen Fluss (Ab-


schnitt 25.6). In einer Kapillare wurde ein Fluoreszenzfarbstoff 0, 66 und 165 ms nach Beginn des Flus-
ses abgebildet. Die höchste Konzentration des Farbstoffs zeigt sich in den Bildern durch die blaue und
die niedrigste durch die rote Farbe, da verschiedene Farben zu verschiedenen Fluoreszenzintensitäten
gehören. [P. H. Paul, M. G. Garguilo und D. J. Rakestraw, Anal. Chem. 1998, 70, 2459. Siehe auch: D.
Ross, T. J. Johnson und L. E. Locascio, Anal. Chem. 2001, 73, 2509.]

Farbtafel 31 DNA-Sequenzierung durch Kapillargelelektrophorese mit Fluoreszenzdetektion (Ab-


schnitt 25.7). Ein Teilstück der DNA-Nukleotidbasensequenz mit einer Länge von 365 Basen kann mit
einer Richtigkeit von 99 % in einer Mikrofluidanordung („Labor-auf-dem-Chip“) bestimmt werden. Die
DNA-Stränge mit den vier verschiedenen endständigen Basen A, T, C und G werden mit unterschied-
lichen Fluoreszenzmarkern verknüpft, womit diese beim Durchgang durch den Fluoreszenzdetektor
identifiziert werden. Die verschiedenen Bruchstücke der DNA werden durch die Siebwirkung in einem
mit Polyacrylamid-Gel gefüllten 18 cm langen Elektrophoresekanal getrennt. Hierbei dient 6 M Harn-
stoff zur Stabilisierung der DNA-Stränge. Die injizierte Probe von 30 nL enthält 100 Attomol (60 Mil-
lionen Moleküle) der DNA. [R. G. Blazej, P. Kumaresan, S. A. Cronier und R. A. Mathies, „Inline Injection
Microdevice for Attomole-Scale Sanger DNA Sequencing“, Anal. Chem. 2007, 79, 4499.]
Farbtafeln

a b c

Farbtafel 32 Kolloide und Dialyse (Versuch 26.1). a) Kolloidales Fe(III) (links) und gewöhnliches wäss-
riges Fe(III) (rechts). b) Dialysebeutel mit einer kolloidalen Fe(III)-Lösung (links) und einer Lösung von
Cu(II) (rechts), unmittelbar nach dem Eintauchen in die Bechergläser. c) Nach 24 h Dialysezeit ist Cu(II)
heraus diffundiert und hat sich gleichmäßig zwischen Beutel und Becherglas verteilt. Das kolloidale
Fe(III) verbleibt im Beutel.

a b c


Farbtafel 33 Fajans-Titration von Cl mit AgNO3 und Dichlorfluoreszein als Indikator (Versuch 26.2).
a) Indikator vor Titrationsbeginn. b) AgCl-Niederschlag vor dem Endpunkt. c) Der Indikator ist nach
dem Endpunkt am Niederschlag adsorbiert.
Farbtafeln

Bezeichnung GHS-Symbole Symbol nach Anhang II


der Richtlinie
67/548/EWG

Explosionsgefährlich:
E

Entzündlich:
F und F*

Brandfördernd:
O

Komprimierte Gase:

Giftig:
T/T* und/oder Xn

Gesundheitsschädlich:
T /T* und/oder Xn

Gesundheitsgefährdend:
Xi und / oder Xn

Ätzend:
oder Xi

Umweltgefährdend:
N

Farbtafel 34 Symbole des global harmonisierten Systems zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) (Abschnitt 2.1).
Anmerkungen und
Literaturangaben

Kapitel 0 5. U. Shahin, S.-M. Yi, R. D. Paode, and T. M. Holsen, “Long-


1. C. D. Keeling, “Rewards and Penalties of Monitoring the Term Elemental Dry Deposition Fluxes Measured Around
Earth,” Ann. Rev. Energy Environ. 1998, 23, 25–82. Diese Lake Michigan,” Environ. Sci. Tech. 2000, 34, 1887.
fesselnde Autobiographie kann kostenlos heruntergeladen
werden unter http://scrippsco2.ucsd.edu/publications/kee- Kapitel 2
ling_autobiography.pdf. 1. V. Tsionsky, “The Quartz-Crystal Microbalance in an Un-
2. J. C. Orr et al., “Anthropogenic Ocean Acidification over dergraduate Laboratory Experiment,” J. Chem. Ed. 2007,
the Twenty-first Century and Its Impact on Calcifying Or- 84, 1334, 1337, 1340.
ganisms,” Nature 2005, 437, 681. 2. Eine GaPO4-Kristall-Mikrowaage besitzt bessere Eigen-
3. S. P. Beckett, The Science of Chocolate, 2nd ed. (Cam- schaften als Quarz für variable und Hochtemperaturmes-
bridge: Royal Society of Chemistry, 2008); G. Tannenbaum, sungen. (J. W. Elam and M. J. Pellin, “GaPO4 Sensors for
“Chocolate: A Marvelous Natural Product of Chemistry,” J. Gravimetric Monitoring during Atomic Layer Deposition
Chem. Ed. 2004, 81, 1131. at High Temperature,” Anal. Chem. 2005, 77, 3531.)
4. T. J. Wenzel, “A New Approach to Undergraduate Analyti- 3. Eine vibrierende Messnadel (Cantilever) ist 107 mal sensi-
cal Chemistry,” Anal. Chem. 1995, 67, 470A. Siehe auch T. tiver als eine Quarz-Mikrowaage und kann 1 fg messen (fg
J. Wenzel, “The Lecture as a Learning Device,” Anal. Chem. = femtogram = 10-15 g). (D. Maraldo, K. Rijal, G. Campbell,
1999, 71, 817A; T. J. Wenzel, “Cooperative Student Activi- and R. Mutharasan, “Method for Label-Free Detection of
ties as Learning Devices,” Anal. Chem. 2000, 72, 293A; T. Femtogram Quantities of Biologics in Flowing Liquid Sam-
J. Wenzel, “Practical Tips for Cooperative Learning,” Anal. ples,” Anal. Chem. 2007, 79, 2762.)
Chem. 2000, 72, 359A; T. J. Wenzel, “Undergraduate Re- 4. Die Frequenz bei gegebener Massebeladung ändert sich
search as a Capstone Learning Experience,” Anal. Chem. mit dem Quadrat der Resonanzfrequenz (Sauerbrey-Glei-
2000, 72, 547A. chung). Mit großer Sorgfalt und exakter Mikromechanik
5. W. R. Kreiser and R. A. Martin, Jr., J. Assoc. Off. Anal. kann man einen 62-MHz-Quarzoszillator herstellen. Kom-
Chem. 1978, 61, 1424; W. R. Kreiser and R. A. Martin, Jr., merzielle Quarzmikrowaagen schwingen bei 5-10 MHz.
J. Assoc. Off. Anal. Chem. 1980, 63, 591. Heute finden Sie Die Massenempfindlichkeit des hier beschriebenen Oszilla-
wesentlich aktuellere Literatur über Koffein. tors ist um einen Faktor von mindestens (62/10)2 = 38 grö-
6. Eine gute Quelle für viele bewährte Analyseverfahren ist ßer. (P. Kao, A. Patwardham, D. Allara, and S. Tadigadapa,
W. Horwitz, Official Methods of Analysis of AOAC Inter- “Human Serum Albumin Adsorption Study on 62-MHz
national, 18th ed. (Gaithersburg, MD: AOAC Interna- Miniaturized Quartz Gravimetric Sensors,” Anal. Chem.
tional, 2007). Kann im Internet gefunden werden unter 2008, 80, 5930.)
http://my.aoac.org/scriptcontent/index.cfm. 5. Hier findet man ein ausgezeichnetes Training zu den
7. W. Fresenius, “The Position of the Analyst as Expert: Yes- Grundlagen der Labortechnik: http://jchemed.chem.wisc.
terday and Today,” Fresenius J. Anal. Chem. 2000, 368, 548. edu/ und bei www.academysavant.com.
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810 Anmerkungen und Literaturangaben

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ronic Analytical Balances,” J. Chem. Ed. 1986, 63, 86. Liquid Handlers as Sources of Error,” Am. Lab. News Ed.
11. Eine Demonstration des Auftriebs findet man hier: K. D. June/July 2007, p. 8.
Pinkerton, “Sink or Swim: The Cartesian Diver,” J. Chem. 22. M. Connors and R. Curtis, “Pipetting Error,” Am. Lab. News
Ed. 2001, 78, 200A (JCE Classroom Activity #33). Ed. June 1999, p. 20; ibid. December 1999, p. 12; R. H. Cur-
12. R. Batting and A. G. Williamson, “Single-Pan Balances, tis and G. Rodrigues, ibid. February 2004, p. 12.
Buoyancy, and Gravity or ‘A Mass of Confusion,’” J. Chem. 23. R. Curtis, “Minimizing Liquid Delivery Risk: Pipets as Sour-
Ed. 1984, 61, 51; J. E. Lewis and L. A. Woolf, “Air Buoyancy ces of Error,” Am. Lab. News Ed. March 2007, p. 8.
Corrections for Single-Pan Balances,” J. Chem. Ed. 1971, 24. B. Kratochvil and N. Motkosky, “Precision and Accuracy of
48, 639; F. F. Cantwell, B. Kratochvil, and W. E. Harris, “Air Mechanical-Action Micropipets,” Anal. Chem. 1987, 59,
Buoyancy Errors and the Optical Scale of a Constant-Load 1064. Ein kolorimetrisches Kalibrations-Kit ist erhältlich
Balance,” Anal. Chem. 1978, 50, 1010; G. D. Chapman, von Artel, Inc., Westbrook, ME, www.artel-usa.com/.
“Weighing with Electronic Balances,” National Research 25. E. J. Billo, Microsoft Excel for Chemists, 2nd ed. (New York:
Council of Canada, Report NRCC 38659 (1996). Wiley, 2001); R. de Levie, How to Use Excel® in Analytical
13. Die Dichte von Luft (g/L) = (0.003 485 B - 0.001 318 v)/T, Chemistry and in General Scientific Data Analysis (Cam-
wobei B der Luftdruck (Pa) ist, v ist der Dampfdruck des bridge: Cambridge University Press, 2001); E. J. Billo, Ex-
Wassers in der Luft (Pa), und T ist die Lufttemperatur (K). cel for Scientists and Engineers: Numerical Methods (New
14. U. Henriksson and J. C. Eriksson, “Thermodynamics of York: Wiley, 2007); R. de Levie, Advanced Excel for Sci-
Capillary Rise: Why Is the Meniscus Curved?” J. Chem. Ed. entific Data Analysis, 2nd ed. (Oxford: Oxford University
2004, 81, 150. Press, 2008).
15. Die Reinigungslösung wird durch Auflösen von 36 g Am- 26. D. Bohrer, P. Cícero do Nascimento, P. Martins, and R. Bi-
moniumperoxidisulfat (NH4)2S2O8, in einer lose mit einem notto, “Availability of Aluminum from Glass on an Al Form
Stopfen verschlossenen 2.2-L („one gallon“) Flasche mit 98 Ion Exchanger in the Presence of Complexing Agents and
Gew% Schwefelsäure hergestellt. (H. M. Stahr, W. Hyde, Amino Acids,” Anal. Chim. Acta 2002, 459, 267.
and L. Sigler, “Oxidizing Acid Baths - without Chromate
Hazards,” Anal. Chem. 1982, 54, 1456A). Die Zugabe von Kapitel 3
(NH4)2S2O8 alle paar Wochen erhält die Oxidationskraft 1. Einen Katalog über Standardreferenzmaterialien erhält man
der Lösung. Halten Sie die Flasche wegen der Gasentwick- bei: SRMINFO@enh.nist.gov. Europäische Referenzmateri-
lung locker mit einem Stopfen verschlossen. (P. S. Surdhar, alien erhält man bei: http://www.erm-crm.org.
“Laboratory Hazard,” Anal. Chem. 1992, 64, 310A). Die 2. J. R. Taylor, An Introduction to Error Analysis, 2nd ed. (Sau-
kommerzielle Reinigungslösung EOSULF (enthält EDTA salito, CA: University Science Books, 1997). Ein besonders
und ein Tensid) ist eine Alternative zum Entfernen von lesenswertes Buch.
„eingebrannten“ Lipiden oder Proteinen von Glasgeräten. 3. Gut lesbare Abhandlungen über Fehlerfortpflanzung, die
(P. L. Manske, T. M. Stimpfel,and E. L. Gershey, “A Less über die Ausführungen in diesem Buch hinausgehen, finden
Hazardous Chromic Acid Substitute for Cleaning Glass- Sie bei B. Wampfler, M. Rösslein, and H. Felber, “The New
ware,” J. Chem. Ed. 1990, 67, A280.) Eine andere sehr stark Measurement Concept Explained by Using an Introducto-
oxidierend wirkende Reinigungslösung, genannt “Piranha ry Example,” J. Chem. Ed. 2006, 83, 1382; EURACHEM/
Lösung”, ist eine 1:1 (Vol/Vol) Mischung von 30 Gew% CITAG Guide CG 4, Quantifying Uncertainty in Analytical
H2O2 und 98 Gew% H2SO4. Measurements, 2nd ed., http://www.measurementuncer-
Anmerkungen und Literaturangaben 811

tainty.org/mu/QUAM2000-1.pdf; The NIST Reference on with Uncertainties in Both Variables,” J. Chem. Ed. 1992,
Constants, Units, and Uncertainty, http://physics.nist.gov/ 69, A130.
cuu/. 7. In diesem Buch tragen wir normalerweise das analytische
4. P. De Bièvre, S. Valkiers, and P. D. P. Taylor, “The Im- Signal auf der y-Achse gegen die Konzentration auf der
portance of Avogadro’s Constant for Amount-of-Substance x-Achse auf. Die inverse Kalibrierung (y = Konzentra-
Measurements,” Fresenius J. Anal. Chem. 1998, 361, 227. tion, x = Signal) liefert ihnen eine genauere Schätzung
der Konzentration aus einem gemessenen Signal. Die in-
Kapitel 4 verse Kalibrierung ist besonders dann von Vorteil, wenn
1. Sehr gute und verständliche Quellen zur Statistik sind D. B. das Rauschen des Signals zunimmt.Es gibt Fälle, wie zum
Hibbert and J. J. Gooding, Data Analysis for Chemistry (Ox- Beispiel spektralphotometrische Messungen, bei denen die
ford: Oxford University Press, 2006); J. C. Miller and J. N. Unsicherheit des Signals (Extinktion) kleiner ist als die
Miller, Statistics and Chemometrics for Analytical Chemistry, Unsicherheit in der Konzentration. In solchen Fällen ist es
5th ed. (Harlow, UK: Pearson Prentice Hall, 2005); and P. sinnvoll, das Signal auf der x-Achse und die Konzentration
C. Meier and R. E. Zünd, Statistical Methods in Analytical auf der y-Achse aufzutragen. Siehe J. Tellinghuisen, “Inver-
Chemistry, 2nd ed. (New York: Wiley, 2000). se vs Classical Calibration for Small Data Sets,” Fresenius
2. L. H. Keith, W. Crummett, J. Deegan, Jr., R. A. Libby, J. K. J. Anal. Chem. 2000, 368, 585; V. Centner, D. L. Massart,
Taylor, and G. Wentler, “Principles of Environmental Ana- and S. de Jong, “Inverse Calibration Predicts Better Than
lysis,” Anal. Chem. 1983, 55, 2210. Classical Calibration,” Fresenius J. Anal. Chem. 1998, 361,
3. Wenn tberechnet aus der Gleichung 4.8 kleiner ist als ttabelliert, 2; D. Grientschnig, “Relation Between Prediction Errors of
können wir folgern, dass sich die beiden Mittelwerte bei Inverse and Classical Calibration,” Fresenius J. Anal.Chem.
dem gewählten Vertrauensniveau statistisch nicht signifi- 2000, 367, 497.
kant unterscheiden. Dieser Test gibt uns nicht die gleiche 8. K. Danzer and L. A. Currie, “Guidelines for Calibration in
Sicherheit, dass zwei Mittelwerte gleich sind. Der Äquiva- Analytical Chemistry,” Pure Appl.Chem. 1998, 70, 993.
lenztest (TOST) bietet eine Möglichkeit zu zeigen, dass zwei 9. C. Salter, “Error Analysis Using the Variance-Covariance
Mittelwerte äquivalent sind: S. E. Lewis and J. E. Lewis, Matrix,” J. Chem. Ed. 2000, 77, 1239. Die Gleichung 8 von
“The Same or Not the Same: Equivalence as an Issue in Salter entspricht Gleichung 4.27, obwohl diese Äquivalenz
EducationalResearch,” J. Chem. Ed. 2005, 82, 1408, and G. nicht offensichtlich ist.
B. Limentani, M. C. Ringo, F. Ye, M. L. Bergquist, and E. O. 10. N. J. Lawryk and C. P. Weisel, “Concentration of Volatile
McSorley, “Beyond the t-Test: Statistical Equivalence Tes- Organic Compounds in the Passenger Compartments of
ting,” Anal. Chem. 2005, 77, 221A. Automobiles,” Environ. Sci. Tech. 1996, 30, 810.
4. NIST/SEMATECH e-Handbook of Statistical Methods, http://
www.itl.nist.gov/div898/handbook/prc/section3/prc31.htm. Kapitel 5
Die Gleichung 4.9a wird auch Welch-Satterthwaite-Nähe- 1. C. Hogue, “Ferreting Out Erroneous Data,” Chem. Eng. News,
rung genannt. 1 April 2002, p. 49.
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6. Für eine umfassende Beschreibung der Methode der kleins- ce in Analytical Chemistry (Hoboken, NJ: Wiley, 2006); B.
ten Quadrate zur Anpassung von nichtlinearen Kurven, W. Wenclawiak, M. Koch, and E. Hadjiscostas, eds., Quality
einschließlich der Analyse der Unsicherheit, siehe J. Tel- Assurance in Analytical Chemistry (Heidelberg: Springer-
linghuisen, “Understanding Least Squares through Monte Verlag, 2004); E.Mullins, Statistics for the Quality Control
Carlo Calculations,” J. Chem. Ed. 2005, 82, 157; P. Ogren, Chemistry Laboratory (Cambridge: Royal Society of Che-
B. Davis, and N. Guy, “Curve Fitting, Confidence Intervals mistry, 2003); P. Quevauviller, Quality Assurance for Water
and Correlations, and Monte Carlo Visualizations for Mul- Analysis (Chichester: Wiley, 2002); M. Valcárcel, Principles
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proach,” J. Chem. Ed. 2001, 78, 827; siehe auch D. C. Harris, 3. K. M. Phillips, K. Y. Patterson, A. S. Rasor, J. Exler, D. B.
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plying a Simple Linear Least-Squares Algorithm to Data Impurity Methods,” LCGC 2003, 21, 626 and 1146.
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Anal. Chem. 1980, 63, 1344; W. Horwitz, “Evaluation of ∑ (xi – x–)2 = 2.878 Vol%
Analytical Methods Used for Regulation of Foods and Es gibt 7 Kalibrationspunkte (unter Einbeziehung des Blind-
Drugs,” Anal. Chem. 1982, 54, 67A; P. Hall and B.Selinger, werts. Demnach ist I = 7 und die Zahl der Freiheitsgrade 7
“A Statistical Justification Relating Interlaboratory Coeffici- – 2 = 5. Bei jeder Kalibrationskonzentration gibt es einen
ents of Variation with Concentration Levels,” Anal. Chem. Messwert, also ist J = 1. Vier Wiederholungsmessungen der
1989, 61, 1465; R. Albert and W. Horwitz, “A Heuristic De- unbekannten Probe geben K = 4. Sie wollen die Nachweis-
rivation of the Horwitz Curve,” Anal. Chem. 1997, 69, 789. grenze mit einem Vertrauensniveau von 99 % erhalten. Da-
7. J. Vial and A. Jardy, “Experimental Comparison of the Dif- her wählen wir in der Tabelle 4.2 für das Vertrauensniveau
ferent Approaches to Estimate LOD and LOQ of an HPLC für 98 % den Wert t = 3.365 bei 5 Freiheitsgraden.
Method,” Anal. Chem. 1999, 71, 2672; G. L. Long and J.
D. Winefordner, “Limit of Detection,” Anal. Chem. 1983, 2
Nachweis- = 2 (3.365)(18.05 mV) 1
+
1
+
(0.544 Vol%)
55, 713A; W. R. Porter, “Proper Statistical Evaluation of grenze 861.1 mV / Vol%) 4 7 × 1 (1)(2.878 Vol%)2
Calibration Data,” Anal. Chem. 1983, 55, 1290A; S. Geiß
and J. W. Einmax, “Comparison of Detection Limits in = (0.140) 0.250 + 0.143 + 0.0357 = 0.092 Vol%
Environmental Analysis,” Fresenius J. Anal. Chem. 2001,
370, 673; M. E. Zorn, R. D. Gibbons, and W. C. Sonzogni, Je mehr Wiederholungsbestimmungen des Analyten ge-
“Evaluation of Approximate Methods for Calculating the macht werden, desto kleiner wird der erste Term unter der
Limit of Detection and Limit of Quantitation,” Environ. Sci. Wurzel und die Nachweisgrenze sinkt.
Technol. 1999, 33, 2291; J. D. Burdge, D. L. MacTaggart, and 9. M. Bader, “A Systematic Approach to Standard Addition
S. O. Farwell, “Realistic Detection Limits from Confidence Methods in Instrumental Analysis,” J. Chem. Ed. 1980, 57,
Bands,” J. Chem. Ed. 1999, 76, 434. 703.
8. Das im Text beschriebene Verfahren, das zu Gleichung 5.5 10. W. R. Kelly, B. S. MacDonald, and W. F. Guthrie, “Gravime-
führt, wird am häufigsten zur Bestimmung der Nachweis- tric Approach to the Standard Addition Method in Instru-
grenze empfohlen. Wenn Sie keine wiederholten Bestim- mental Analysis,” Anal. Chem. 2008, 80, 6154.
mungen des Blindwerts und von Proben mit geringer Ana- 11. G. R. Bruce and P. S. Gill, “Estimates of Precision in a Stan-
lytkonzentration brauchen, aber eine lineare Kalibrations- dard Additions Analysis,” J. Chem.Ed. 1999, 76, 805.
kurve haben, so wie sie in Abbildung 4.13 erstellt wurde, 12. R. G. Brereton, Applied Chemometrics for Scientists (Chi-
können Sie mit der Methode der kleinsten Quadrate die chester: Wiley, 2007); M. Otto, Chemometrics (Wenheim:
Nachweisgrenze bei einem bestimmten Vertrauensniveau Wiley-VCH, 2007); D. Montgomery, Design and Analysis of
abschätzen. Die folgende Formel stammt aus der ISO-Norm Experiments, 5th ed., (New York: Wiley, 2001); C. F. Wu and
11843-2:2000 (International Organization for Standardi- M. Hamada, Experiments: Planning,Analysis, and Parameter
zation, Genf, www.iso.org). Nehmen wir an, Sie messen I Design Optimization (New York: Wiley, 2000); M. Anderson
Kalibrierungsstandards (einschließlich der Blindprobe) mit and P. Whitcomb, DoE Simplified: Practical Tools for Effective
J Wiederholungen jeder Probe, dann führen Sie K Wieder- Experimentation (Portland, OR: Productivity, Inc., 2000); G.
holungen zur Messung ihres unbekannten Analyten durch. E. P. Box, W. G. Hunter, and J. S. Hunter, Statistics for Experi-
Die Nachweisgrenze ist dann menters: An Introduction to Design Data Analysis and Model
Building (New York: Wiley, 1978); R. S. Strange, “Introduc-
2ts y 1 1 x −2 tion to Experimental Design for Chemists,” J. Chem. Ed.
+ +
m K I × J J ∑ (x i − x )2 1990, 67, 113; J.M. Gozálvez and J. C. García-Díaz, “Mixture
Design Experiments Applied to the Formulation of Colorant
wobei sy die Standardabweichung von y ist (Gleichung 4.20), Solutions,” J. Chem. Ed. 2006, 83, 647.
m ist die Steigung (Gleichung 4.16), und x– ist der Mittelwert 13. S. N. Deming and S. L. Morgan, “Simplex Optimization of
von x für die Standards (einschließlich der Blindwerte). Variables in Analytical Chemistry,”Anal. Chem. 1973, 45,
Student’s t wurde aus der Tabelle 4.2 ausgewählt für (I × J )-2 278A; D. J. Leggett, “Instrumental Simplex Optimization,”
Freiheitsgrade. Die Spaltenüberschriften in der Tabelle 4.2 J. Chem. Ed.1983, 60, 707; S. Srijaranai, R. Burakham, T.
sind für eine zweiseitige Verteilung. Der erforderliche Wert Khammeng, and R. L. Deming, “Use of the Simplex Method
von t in Gleichung A ist für eine einseitige Verteilung. Die to Optimize the Mobile Phase for the Micellar Chroma-
Gleichung ergibt die Konzentration des Analyten und sagt tographic Separation of Inorganic Anions,” Anal. Bioanal.
mit einer Wahrscheinlichkeit (1 - ß) aus, dass die Konzen- Chem. 2002, 374, 145; D. Betteridge, A. P. Wade, and A. G.
tration des Analyten in der unbekannten Probe größer als Howard, “Reflections on the Modified Simplex,” Talanta
der Blindwert ist. Bei 95%iger Wahrscheinlichkeit ist ß = 1985, 32, 709, 723.
0.05. In diesem Fall wählen Sie t aus der Spalte 90% Vertrau- 14. P. de B. Harrington, E. Kolbrich, and J. Cline, “Experimen-
ensniveau. Für 99%, ß = 0.01, wählen Sie t aus der Spalte, die tal Design and Multiplexed Modeling Using Titrimetry and
mit 98% Vertrauensniveau beschriftet ist. Spreadsheets,” J. Chem. Ed. 2002, 79, 863.
Anmerkungen und Literaturangaben 813

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sating for Matrix Effects Using Atmospheric Pressure Che- wichtskonstanten findet sich in R. M. Smith, A. E. Martell,
mical Ionization Liquid Chromatography–Tandem Mass and R. J. Motekaitis, NIST Critical Stability Constants of Me-
Spectrometry: Analysis of Neutral Pharmaceuticals in Mu- tal Complexes Database 46 (Gaithersburg, MD: National In-
nicipal Wastewater,” Anal. Chem. 2008, 80, 2010. stitute of Standards and Technology, 2001). Messungen von
Gleichgewichtskonstanten sind beschrieben in A. Martell
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scheint es an der Ionenleitfähigkeit teilzunehmen.(R. I. the Uncertainty Perspective,” Anal. Bioanal. Chem. 2006,
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12. Die Chemikalie Natriumbisulfit (NaHSO3) ist offenbar modynamics of the Carbon Dioxide System in the Oceans,”
nicht der Feststoff in der Reagenzienflasche! Richtig muss Geochim. Cosmochim. Acta 1995, 59, 661; Ocean carbon
es Natriumdisulfit (Na2S2O5) heißen. (D. Tudela, “Solid thermodynamics: http://cdiac.esd.ornl.govoceans/glodap/
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bei der Reaktion von Na2S2O5 mit H2O gebildet. Meine metric Acid-Base Titration of a Colloidal Solution,” Anal.
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verwende, ist beschriftet mit „Natriumbisulfit“, aber es ist oberflächen, siehe I. Sokolov, D. S. Smith, G. S. Henderson,
keine Formel angegeben. Auf dem Etiket steht “äquivalent Y. A. Gorby, and F. G. Ferris, “Cell Surface Electrochemical
als SO2: mindestens 58.5%.” Reines NaHSO3 besitzt ein Heterogeneity of the Fe(III)-Reducing Bacteria Shewanella
Äquivalent von 61.56 Gew% SO2 und reines Na2S2O5 ein putrefaciens,” Environ. Sci. Technol. 2001, 35, 341.
Äquivalent von 67.40 Gew% SO2. 2. Eine Methode zur Messung der Gesamtladung eines Pro-
13. J. B. Early, A. R. Negron, J. Stephens, R. Stauffer, and S. tein, das von ausgewählten Ionen gebunden wird, ist be-
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816 Anmerkungen und Literaturangaben

11. Experimente mit einem Universalindikator (einer Indika- ein organischer Rest sein). Oxidierter Stickstoff wie Nitro
tormischung mit verschiedenen Farbumschlägen) ist be- (-NO2) oder Azo (-N=N-)-Gruppen, muss zuerst zu Ami-
schrieben in J. T. Riley, “Flashy Solutions,” J. Chem. Ed. 1977, nen oder Amiden reduziert werden.
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Anmerkungen und Literaturangaben 817

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Wir wollen K’w von 0.1 M KCl berechnen. Der Faktor für F. Togashi, R. Ohta, A. Tsujimoto, E. Kita, K. Ohshima, and
die Umrechnung von Molalität in Molarität in 0.1 M KCl D. Rosenberg, “Preparation of Conducting Polymers by
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⎡H + ⎤ ⎡OH − ⎤ =
+ + − −
2

⎣ ⎦⎣ ⎦ AH O γH γOH + − P.-O. Eggen, T.Grønneberg, and L. Kvittengen, “Small-Scale


2

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⎛ 1 ⎞ 12. A. W. von Smolinski, C. E. Moore, and B. Jaselskis, “The
= 10 −13.995 (0.994 2 ) ⎜ ⎟ = 10
− 13.797

⎝ 0.626 ⎠ Choice of the Hydrogen Electrode as the Base for the


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A

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ßig über eine Spritze erneuert wird. Ion Solutions of Different Charge,” Anal. Chem. 1994, 66,
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legen eines elektrischen Feldes den Fluss des elektrischen Herbicide, Molinate, Using Nanoscale Zero-Valent Iron,”
Stroms verzögert: J = E/ρ, wobei J die Stromdichte (Strom, Environ. Sci. Technol. 2004, 38, 2242; R. Miehr, P. G. Trat-
der durch einen Einheitsquerschnitt des Materials, A/m2 nyek, J. Z. Bandstra, M. M. Scherer, M. J. Alowitz, and E.U.
fließt) ist und E ist das elektrische Feld (V/m). Die Einhei- Bylaska, “Diversity of Contaminant Reduction Reactions
ten des Widerstand sind V . m/A oder Ω . m, da Ω = V/A, by Zerovalent Iron: Role of the Reductant,” Environ. Sci.
mit Ω = Ohm. Die Leiter haben Widerstände in der Nähe Technol. 2004, 38, 139; V. K. Sharma, C. R. Burnett, D. B.
von 10-8 Ω . m, Halbleiter haben Widerstände von 10-4 bis O’Connor, and D. Cabelli, “Iron(VI) and Iron(V) Oxidation
107 Ω . m und Isolatoren haben Widerstände von 1012 bis of Thiocyanate,” Environ. Sci. Technol. 2002, 36, 4182.
1020 Ω . m. Der Kehrwert des spezifischen Widerstandes ist 2. Informationen über Redoxtitrationen: J. Bassett, R. C. Den-
die Leitfähigkeit. Der Widerstand hängt nicht von den Di- ney, G. H. Jeffery, and J. Mendham, Vogel’s Textbook of In-
mensionen des Stoffes ab. Der Widerstand ρ steht mit dem organic Analysis, 4th ed. (Essex, UK: Longman, 1978); H. A.
spezifischen Widerstandes durch R = ρl/A, in Beziehung, Laitinen and W. E. Harris, Chemical Analysis, 2nd ed. (New
wobei l die Länge und A die Querschnittsfläche der leiten- York: McGraw-Hill, 1975); I. M. Kolthoff, R. Belcher, V. A.
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derson-Hasselbalch Gleichung von Säure/Base-Puffern auf- of a Rapid Ferricyanide-Mediated Assay for Biochemical
zufassen. Vor dem Erreichen des Äquivalenzpunkts ist die Oxygen Demand Using a Mixed Microbial Consortium,”
Redoxtitration durch die Anwesenheit von Fe3+ und Fe2+ bei Anal. Chem. 2003, 75, 2584.
einem Potential nahe E+ = Formalpotential für Fe3+ | Fe2+ 19. B. Wallace and M. Purcell, “The Benefits of Nitrogen and
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trode Biosensor for Real-Time Measurement of ATP in Dazu wird die zweite Säule mit der gleichen Elektrolytlö-
Biological Tissue,” Anal. Chem. 2005, 77, 3267. sung, die auch zur Voltammetrie benutzt wird, gefüllt. Zur
16. O. A. Loaiza, S. Campuzano, M. Pedrero, M. I. Pividori, P. Vorbereitung der ersten Säule werden 2 g NH4VO3 (Ammo-
García, and J.M. Pingarrón, “Disposable Magnetic DNA niummetavanadat) mit 25 mL 12M HCl gekocht und mit
Sensors for the Determination at the Attomolar Level of Zink-Amalgam zu V2+ reduziert. (Amalgam wird durch das
a Specific Enterobacteriaceae Family Gene,” Anal. Chem. Bedecken von granuliertem Zn mit 2 Gew% HgCl2-Lösung
2008, 80, 8239. und Rühren für 10 min hergestellt. Dabei wird Hg2+ zu Hg
17. Y. Zhang and A. Heller, “Reduction of the Nonspecific Bin- reduziert, das nunmehr mit Zn reagiert. Die Flüssigkeit
ding of a Target Antibody and of Its Enzyme-Labeled De- wird dekantiert und das Amalgam wird dreimal mit Wasser
tection Probe Enabling Electrochemical Immunoassay of an gewaschen. Die Amalgambildung erhöht die Überspannung
Antibody Through the 7pg/mL–100ng/mL (40 fM–400 pM) für die H+-Reduktion an der Zn-Oberfläche, so dass das Zn
Range,” Anal. Chem. 2005, 77, 7758. nicht durch Reaktion mit Säure verschwendet wird.) Bei der
18. N. Mano and A. Heller, “Detection of Glucose at 2 fM Con- Reduktion färbt sich die blaue bzw. grüne oxidierte Vanadi-
centration,” Anal. Chem. 2005, 77, 729. um-Lösung nach violett. Durch Hinzufügen von weiterem
19. A. Heller and B. Feldman, “Electrochemical Glucose Sen- Zinkamalgam und/oder HCl kann die Reaktionsmischung
sors and Their Applications in Diabetes Management,” regeneriert werden. Es können auch zwei V2+ Röhren hin-
Chem. Rev. 2008, 108, 2482. tereinander geschaltet werden (zusätzlich zu einem dritten
20. J. Nikolic, E. Expósito, J. Iniesta, J. González-Garcia, and V. Rohr mit Trägerelektrolyt). Nach Verbrauch von V2+ in der
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Sie die Hg-Tropfen mit einem Stück Pappe. Verwenden Thorp, “Electrochemistry of Proton-Coupled Redox Reac-
Sie eine Pasteur-Pipette, die mit einem Schlauch an einem tions,” J. Chem. Ed. 1992, 69, 251.
evakuierten Filterkolben verbunden ist und saugen das 28. J. J. Watkins, B. Zhang, and H. S. White, “Electroche-
Hg in den Kolben. Auf das restliche Hg streuen Sie etwas mistry at Nanometer-Scaled Electrodes,” J. Chem. Ed. 2005,
Zink-Pulver und verrühren das Ganze mit etwas 5%iger 82, 713; R. J. Forster, “Microelectrodes: New Dimensi-
Schwefelsäure zu einer Paste. Das Quecksilber löst sich im ons in Electrochemistry,” Chem. Soc. Rev. 1994, 289; S.
Zink. Nun kann die Paste mit einem Schwamm oder Pin- Ching, R. Dudek, and E. Tabet, “Cyclic Voltammetry with
sel zusammengeführt und getrocknet werden. Entsorgen Ultramicroelectrodes,”J. Chem. Ed. 1994, 71, 602; E. How-
Sie das Pulver als kontaminierten Hg-Abfall. Dieses Ver- ard and J. Cassidy, “Analysis with Microelectrodes Using
fahren ist besser geeignet als die Umsetzung mit Schwefel. Microsoft Excel Solver,” J. Chem. Ed. 2000, 77, 409.
Schwefel reagiert sehr gut an der Oberfläche, jedoch nicht 29. T. K. Chen, Y. Y. Lau, D. K. Y. Wong, and A. G. Ewing, “Pul-
mit dem Inneren der Hg-Tropfen. [D. N. Easton, “Ma- se Voltammetry in Single Cells Using Platinum Microelect-
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24. Der niedrige Grundstrom in Diamant ist (i) der Abwesen- Voltammetric and Chromatographic Monitoring of Neuro-
heit von redoxaktiven Oberflächengruppen und (ii) der chemicals in Vivo,” J. Chem. Ed. 1987, 64, A34. Eine andere
geringen Kapazität aufgrund der Abwesenheit von ionisier- Nafion-beschichtete Elektrode kann 10-20 Mol des Neu-
baren Oberflächengruppen und der geringen internen La- rotransmitters NO in einer einzelnen Zelle anzeigen. (T.
dungsträgerdichte geschuldet. (A. E. Fischer, Y. Show, and Malinski and Z. Taha, “Nitric Oxide Release from a Single
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zwei aufeinanderfolgende Säulen geblasen. Die erste Säule 32. S. Grünke and G. Wünsch, “Kinetics and Stoichiometry in
entfernt O2 durch Reaktion mit V2+ und die zweite Säule the Karl Fischer Solution,” Fresenius J. Anal. Chem. 2000,
sättigt den Gasstrom mit Wasser bei dem gleichen Dampf- 368, 139.
Anmerkungen und Literaturangaben 825

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sich zusätzlich zu Sulfit im Wein befinden, reagieren mit 86, 333.
I3-. Eine Blindproben-Titration zur Korrektur ist in diesem 11. Beim Lambert-Beersche Gesetz versteht man unter “mo-
Artikel beschrieben. nochromatisch”, dass die Bandbreite des Lichts wesentlich
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Ihre Nobel-Vorlesungen findet man hier: P. J. Crutzen, “My 392 gegeben.
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⎢b =
b2 ⎥⎦ ⎢⎣ Y ⎥⎦ ⎢⎣ b1 X + b2Y ⎥⎦
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Eng. News, 18 January 1999, p. 65. Das Produkt ist ein Vektor. Das Produkt einer Matrix mul-
25. A. M. Garcia-Campana and W. R. G. Baeyens, eds., Che- tipliziert mit einer Matrix ist eine weitere Matrix, die durch
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in Exhaled Breath,” Anal. Chem. 1999, 71, 5131. Viele Ver- =⎢ 1 1 2 1 1 2 2 2 ⎥
bindungen können durch Kopplung ihrer Chemie an die ⎣ b1c1 +b2d1 b1c 2 +b 2d 2 ⎦
Luminoloxidation analysiert werden. Zum Beispiel: O. V. Die unten stehende Matrix B ist die Inverse von A, da ihr
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by Sorption Preconcentration and Luminol Chemilumine-
⎡ 3 1⎤
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⎡1 2 ⎤ ⎢ ⎥ 2 2⎥=
27. R. Rizzuto, A. W. M. Simpson, M. Brini, and T. Pozzan, “Ra- ⎢ ⎥⎢ 3 1 =⎢ ⎢ ⎥
⎣3 4 ⎦ ⎢ − ⎥ ⎢ . 3 1 0 1⎦
pid Changes of Mitochondrial Ca2+ Revealed by Specifically
⎣2 2 ⎥⎦ ⎢3 −2 + 4 . 3 1+ 4 − ⎥ ⎣
. .
Targeted Recombinant Aequorin,” Nature 1992, 358, 325; ⎣ 2 2 ⎥⎦
A. Toda, P. Pasini, M. Guardigli,M. Baraldini, M. Musiani, A B Einheitsmatrix
Anmerkungen und Literaturangaben 827

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N
( −1) gutes Buch.
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ist es eine gute Idee, die anfängliche lineare Geschwindig- 26. J. J. Langenfeld, S. B. Hawthorne, and D. J. Miller, “Quan-
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10. Arbeitet man bei hohem pH mit auf Siliciumdioxid ba- neze-Walker, D. W. Henderson, B. Laing, and D. J. Mathre,
sierenden stationären Phasen, sollte die Temperatur 40 °C “Preparative Chiral SFC as a Green Technology for Rapid Ac-
nicht überschreiten und es sollten organische Puffer anstel- cess to Enantiopurity in Pharmaceutical Process Research,”
le von Phosphat oder Carbonat verwendet werden. Ausser- LCGC 2005, 23, 16A; K. Anton and C. Berger, eds., Supercri-
dem ist es angebracht, Methanol anstelle von Acetonitril als tical Fluid Chromatography with Packed Columns–Techniques
organisches Lösungsmittel zu verwenden. (J. J. Kirkland, and Applications (New York: Marcel Dekker, 1998).
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11. A Giaquinto, Z. Liu, A. Bach, and Y. Kazakevich, “Sur- lytische Säule gewaschen werden. Reine Kieselsäure und
face Area of Reversed-Phase HPLC Columns,” Anal. Chem. Diol-gebundene Phasen können (in dieser Reihenfolge)
2008, 80, 6358. mit Heptan, Chloroform, Ethylacetat, Aceton, Ethanol und
12. N. Tanaka, H. Kobayashi, K. Nakanishi, H. Minakuchi, Wasser gewaschen werden. Dann wird die Reihenfolge um-
and N. Ishizuka, “Monolithic LC Columns,” Anal. Chem. gekehrt, mit getrockneten Lösungsmitteln, um die Säule
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Monolithic Materials: Preparation, Properties and Applica- gewaschen, allerdings wird nach dem Wasser mit 0.5 M
tions (Amsterdam: Elsevier, 2003). Ammoniak gewaschen. [F. Rabel und K. Palmer, Am. Lab.,
13. P. Ross, “Porous Graphitic Carbon in HPLC,” LCGC 2000, August 1992, S.. 65.] Zwischen den Verwendungen können
18, 18; S.Mazan, G. Crétier, N. Gilon, J.-M. Mermet, and die Normalphasen-Säulen in 2-Propanol oder Hexan gela-
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findet man bei C. J. Dunlap, C. V. McNeff, D. Stoll, and P. tography,” LCGC 1997, 15, 254.
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28. Der Einfluss des Gradienten auf das Ansprechen des
Aerosoldetektors kann beseitigt werden, wenn man einen Kapitel 25
exakten inversen Gradienten mit einer zweiten Pumpe zur 1. K. K. Unger, M. Huber, K. Walhagen, T. P. Hennessy, and M.
Mischung mit dem Eluat vor dem Detektor bereitstellt. (T. T. W. Hearn, “A Critical Appraisal of Capillary Electrochro-
Górecki, F. Lynen, R.Szucs, and P. Sandra, “Universal Res- matography,” Anal. Chem. 2002, 74, 200A.
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30. Eine kurze, gut lesbare und fachkundige Einführung in die 3. Eine Enantiomerenmischung von kationischen Metallkom-
Methodenentwicklung zur Trennung an Umkehrphasen: J. plexen wurde auf eine Kationenaustauschsäule aufgetragen
W. Dolan, “The Perfect Method,” LCGC, 2007, 25, 546, 632, und mit einem Enantiomer des Tartratanions eluiert. Das
704, 944, 1014, 1094, 1178. Tartrat besitzt mit jedem Enantiomer der Metallkomplexe
31. Acetonitril kann zu Natriumacetat hydrolysiert und so mit eine andere Ionenpaarbildungskonstante und daher kann
dem Abwasser entsorgt werden. CH3CN + NaOH + H2O → das eine Metallkomplex-Enantiomer vor dem anderen aus
CH3COONa + NH3. Verdünnen Sie die Chromatographie- der Säule laufen. (M. Cantuel, G. Bernardinelli, G. Muller,
Eluate auf 10 Vol% CH3CN mit Wasser. Zu einem Liter 10 J. P. Riehl, and C. Piguet, “The First Enantiomerically Pure
Vol% CH3CN fügen Sie 475 ml 10 M NaOH hinzu. Die Helical Noncovalent Tripod for Assembling Nine-Coordi-
Lösung kann bei 20 °C für 25 Tage in einem Abzug stehen nate Lanthanide(III) Podates,” Inorg. Chem. 2004, 43, 1840;
oder für 70 Minuten auf 80 °C erhitzt werden. Die CH3CN- Y. Yoshikawa and K. Yamasaki, “Chromatographic Reso-
Konzentration kann damit auf 0,025 Vol% reduzieren wer- lution of Metal Complexes on Sephadex Ion Exchangers,”
den. Mischen Sie das Hydrolysat mit etwas Säure, so dass Coord. Chem. Rev. 1979, 28, 2005.)
die Lösung vor der Entsorgung etwa neutral ist. (K. Gilo- 4. D. P. Elder, “Pharmaceutical Applications of Ion-Exchange
men, H. P. Stauffer, and V. R. Meyer, LCGC 1996, 14, 56.) Resins,” J.Chem. Ed. 2005, 82, 575.
32. Tetrahydrofuran ist für mindestens ein halbes Jahr oxidati- 5. J. S. Fritz and D. T. Gjerde, Ion Chromatography, 3rd ed.
onsstabil, wenn man 25 Vol% H2O zusetzt. (J. Zhao and P. (New York: Wiley-VCH, 2000); J. Weiss, Handbook of Ion
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Glossar

Abgeschwächte Totalreflexion (ATR), attenuated total reflec- ladung des Niederschlags am Äquivalenzpunkt ihr Vorzei-
tion Analytische Methode, die auf dem Durchgang von chen wechselt.
Licht durch einen Wellen- oder Lichtleiter unter Totalre- Aerosol, aerosol Suspension von sehr kleinen Flüssigkeits-
flexion beruht. Die Absorption der Beschichtung ist emp- oder Feststoffpartikeln in Luft oder einem anderen Gas.
findlich für die Anwesenheit von Analyten. Von der eva- Beispiele sind Rauch und Nebel.
neszenten Welle wird bei Anwesenheit des Analyten bei Aerosol-Detektor, charged aerosol detector Empfindlicher,
jeder Reflexion etwas in der Ummantelung absorbiert. Je sehr universeller Detektor in der Flüssigchromatographie,
mehr Analyt vorhanden ist, desto stärker wird das Signal bei dem das Lösungsmittel des Eluats verdampft wird und
abgeschwächt. ein Aerosol aus winzigen Partikeln des nichtflüchtigen
Abgegrenzt heterogener Stoff, segregated heterogeneous ma- Analyten zurückbleibt. Diese Partikel werden durch Ad-
terial Ein Stoff, dessen Zusammensetzung sich innerhalb sorption von N2+-Ionen geladen und zu einem Kollektor
großer Bereiche ändert. Verschiedene Bereiche haben deut- geleitet, der die Gesamtladung, die den Detektor erreicht,
lich unterschiedliche Zusammensetzung. gegen die Zeit misst.
Ablation, ablation Verdampfung eines kleinen Volumens ei- Affinitätschromatographie, affinity chromatography Technik,
nes Stoffs durch Laserbeschuss. bei der ein gelöster Stoff an einer Säule durch eine spezifi-
Absorbanz, A, absorbance Siehe Extinktion. sche Wechselwirkung mit einem Molekül zurückgehalten
Absorption, absorption Tritt ein, wenn eine Substanz in das wird, das kovalent an die stationäre Phase gebunden ist.
Innere einer anderen aufgenommen wird. Siehe auch Ad- Aktivierungsenergie, EA, activation energy Erforderliche
sorption. Energie zur Überwindung einer Barriere, die sonst den
Absorptionsgrad, a, absorptance Teil der einfallenden Strah- Ablauf des Vorgangs verhindert.
lung, der von der Probe absorbiert wird. Aktivität, A, activity Größe, welche die Konzentration in
Absorptionskoeffizient, α, absorption coefficient Das von ei- einem thermodynamisch korrekten Ausdruck ersetzt. Die
ner Probe absorbierte Licht wird im Verhältnis P2/P1 = e–αb Aktivität von X ist gegeben durch AX = [X]γX, mit der
geschwächt. Dabei ist P1 die anfängliche Strahlungsleistung, Konzentration [X] und dem Aktivitätskoeffizienten γX.
P2 die Strahlungsleistung nach Zurücklegung der Strecke b Aktivitätskoeffizient, γ, activity coefficient Zahl, mit der die
und α ist der Absorptionskoeffizient. Konzentration multipliziert werden muss, um die Aktivität
Absorptionsspektrum, absorption spectrum Graphische Dar- zu erhalten.
stellung der Extinktion (Absorbanz) gegen die Wellenlänge, Aliquot, aliquot Portion.
Frequenz oder Wellenzahl. Alkali-Fehler, sodium error Systematischer Fehler, der auftritt,
Absoluter Fehler, absolute error Differenz zwischen einem wenn eine pH-Glaselektrode in eine stark basische Lösung
Messwert und dem wahren Wert. getaucht wird, die sehr wenig H+ und eine hohe Konzentra-
Absolute Messunsicherheit, absolute uncertainty Dem Mess- tion von Na+ enthält. Die Elektrode spricht dann auf Na+ an
ergebnis zugeordneter Parameter, der die Streuung der (als wäre es H+) und die pH-Ablesung ist niedriger als der
Werte kennzeichnet, die der Messgröße zugeordnet werden tatsächliche pH-Wert (auch Natrium-Fehler genannt).
können. Alkali-Flammendetektor, alkali flame detector Modifizierter
Abstrahlung, M, exitance Leistung, die von der Flächenein- Flammenionisationsdetektor, der auf N und P anspricht,
heit eines Objekts abgestrahlt wird. die beim Kontakt mit einer Rb2SO4-haltigen Glasperle in
Abszisse, abscissa Horizontale (x-)Achse in einer graphi- der Flamme Ionen bilden. Auch Stickstoff-Phosphor-Detek-
schen Darstellung. tor genannt.
Adsorption, adsorption Tritt ein, wenn eine Substanz an der Alkalimetrische Titration, alkalimetric titration Bezogen auf
Oberfläche einer anderen festgehalten wird. Siehe auch EDTA werden bei dieser Titration die bei der Reaktion
Absorption. mit einem Metallion aus der EDTA freigesetzten Protonen
Adsorptionschromatographie, adsorption chromatography bestimmt.
Technik, bei der sich ein gelöster Stoff zwischen der mo- Alkalinität, alkalinity Bei natürlichen Wässern: Menge der Ba-
bilen Phase und den Adsorptionsstellen der stationären sen (hauptsächlich HCO3–, CO32–und OH–), die mit starker
Phase ins Gleichgewicht setzt. Säure reagieren, wenn der pH der Probe auf 4.5 erniedrigt
Adsorptionsindikator, adsorption indicator Findet Anwen- wird. Ausgedrückt in mmol H+, die zur pH-Erniedrigung
dung bei Fällungstitrationen. Wird von einem Niederschlag von 1 L auf pH 4.5 benötigt werden.
adsorbiert und ändert seine Farbe, wenn die Oberflächen- Amalgam, amalgam Lösung eines Stoffes in Quecksilber.

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
844 Glossar

Amin, amine Verbindung der allgemeinen Formel RNH2, Anolyt, anolyte Lösung, die sich im Anodenraum einer elekt-
R2NH oder R3N, wobei R eine beliebige Gruppe von Alkyl- rochemischen Zelle befindet.
oder Arylgruppen ist. Anorganischer Kohlenstoff, inorganic carbon Die Menge an
Aminosäure, amino acid Bausteine der Proteine mit der all- gelöstem Carbonat und Hydrogencarbonat in natürlichem
gemeinen Struktur Wasser oder Industrieabwasser.
R Anregungsspektrum, excitation spectrum Graphische Dar-
+ stellung der Lumineszenz (gemessen bei einer festgelegten
H3NCHCO–2
Wellenlänge) gegen die Frequenz oder Wellenlänge der An-
wobei R für jede Säure ein unterschiedlicher Substituent ist. regungsstrahlung. Es entspricht etwa einem Absorptions-
Bisher sind 23 proteinogene Aminosäuren bekannt. spektrum, da die Lumineszenz gewöhnlich der Extinktion
Ammoniumion, ammonium ion Das Ammoniumion ist NH+4 , proportional ist.
ein Ammoniumion ist jedes Ion des Typs RNH+3 , R2NH+2 Anstieg, slope Für eine Gerade, deren Gleichung y = mx +b
oder R3NH+, wobei R ein organischer Substituent ist. lautet, ist m der Anstieg. Dies ist das Verhältnis Δy/Δx für
Ampere, A Ein Ampere ist die Stromstärke, die eine Kraft jeden Abschnitt der Geraden.
von genau 2 × 10–7 N/m erzeugt, wenn ein Strom durch Antigen, antigen Molekül, das für einen Organismus einen
zwei „unendlich“ lange parallele Leiter mit vernachlässig- Fremdkörper darstellt und das die Produktion von Anti-
barem Querschnitt in einem Abstand von einem Meter im körpern hervorruft.
Vakuum fließt. Antikörper, antibody Von einem Organismus synthetisiertes
Amperemeter, ammeter Gerät zur Messung des elektrischen Protein, das zur Bindung eines fremden Moleküls und sei-
Stroms. ner Markierung für die Zerstörung dient.
Amperometrie, amperometry Messung des elektrischen Stroms Antilogarithmus, antilogarithm Der Antilogarithmus von a ist
(der Stromstärke) für analytische Zwecke. b für 10a = b.
Amperometrischer Detektor, amperometric detector Siehe Aprotisches Lösungsmittel, aprotic solvent Lösungsmittel, das
elektrochemischer Detektor. keine Protonen (Wasserstoffionen) in einer Säure-Base-Re-
Amperometrische Titration, amperometric titration Der End- aktion abgeben kann.
punkt der Titration wird durch Verfolgung des Stroms be- Aptamer, aptamer Kurzes Stück (mit 15–40 Basen) einer ein-
stimmt, der zwischen zwei Elektroden fließt, die sich in der oder zweisträngigen DNA (Desoxyribonukleinsäure) oder
Probenlösung befinden. Zwischen den Elektroden besteht RNA (Ribonukleinsäure), das ein ausgewähltes Molekül
eine konstante Potentialdifferenz. stark bindet.
amphiprotisch (amphoter), amphiprotic Eigenschaft einer Aqua-Ion, aquo ion Die Spezies M(H2O)nm+, die aus dem Kation
Verbindung, sowohl als Protonendonator wie Protonenak- Mm+ und seinen fest gebundenen Wasserliganden besteht.
zeptor zu reagieren. Die teilweise deprotonierten Formen Äquimolare Mischung von Verbindungen, equimolar mixture
mehrprotoniger Säuren sind amphoter. of compounds Mischung von gleichen Objektmengen je-
Analysenreines Reagenz, reagent grade chemical Sehr reine der Verbindung (gleiche Anzahl von mol).
Chemikalie, die für die Anwendung in der quantitativen Äquivalent, equivalent Bei einer Redoxreaktion: Menge des
Analyse geeignet ist und entsprechenden Reinheitsanforde- Reagenz, die ein mol Elektronen abgeben oder aufnehmen
rungen entspricht. kann. Bei einer Säure-Base-Reaktion: Menge des Reagenz,
Analyt, analyte Zu analysierende Substanz. die ein mol Protonen abgeben oder aufnehmen kann.
Analytische Chromatographie, analytical chromatography Äquivalentkonzenzentration, normality Angabe für die
Chromatographie kleiner Stoffmengen für analytische Zwe- Stoffmenge eines gelösten Stoffs in Äquivalenten pro Liter
cke. Lösung. Bei Redox-Reagenzien: n-faches der molaren Kon-
Analytische Konzentration, analytical concentration Siehe For- zentration, wobei n die Anzahl der von diesem Reagenz in
malkonzentration. einer bestimmten chemischen Reaktion abgegebenen oder
Angeregter Zustand, excited state Jeder Zustand eines Atoms aufgenommenen Elektronen ist. Für Säuren und Basen ist n
oder Moleküls, der eine höhere als die minimal mögliche die Anzahl der aufgenommenen oder abgegebenen Proto-
Energie besitzt. nen. Früher Normalität genannt.
Anion, anion Negativ geladenes Ion. Äquivalentmasse, equivalent weight Masse einer Substanz, die
Anionenaustauscher, anion exchanger Ionenaustauscher mit ein Äquivalent enthält.
positiv geladenen Gruppen, die kovalent an den Träger ge- Äquivalenzpunkt, equivalence point Punkt einer Titration, bei
bunden sind. Er kann Anionen reversibel binden. dem die Menge des zugegebenen Titranten genau für die
Anode, anode Elektrode, an der die Oxidation erfolgt. In der stöchiometrische Umsetzung mit dem Analyten ausreicht.
Elektrophorese: die positive Elektrode. Arbeit, work Energie, die verbraucht oder frei wird, wenn ein
Anodischer Depolarisator, anodic depolarizer Molekül, das Gegenstand von einem Ort an einen anderen transportiert
leicht oxidiert wird und dadurch verhindert, dass das Ano- wird. Die Einheit der Arbeit sind Joule, J.
denpotential einer elektrochemischen Zelle zu positiv wird. Arbeitsbereich, working range Konzentrationsbereich, in dem
Anodische Stufe, anodic wave In der Voltammetrie: Strom- Linearität, Richtigkeit und Präzision den Spezifikationen für
fluss durch Oxidation an der Arbeitselektrode. eine analytische Methode entsprechen.
Glossar 845

Arbeitselektrode, working electrode Elektrode, an der die in- der m/z-Wert angegeben werden, bei dem die Auflösung
teressierende Reaktion abläuft. bestimmt wurde.
Argentometrische Titration, argentometric titration Titration Auflösungsvermögen, resolving power In der Massenspektro-
unter Verwendung von Ag+-Ionen. metrie kann das Auflösungsvermögen als m/Δm angegeben
Aschefreie Filter, ashless filter paper Besonders behandeltes werden. Dabei ist Δm die Trennung von zwei Peaks, wenn
Filterpapier, das nach dem Verglühen einen vernachlässig- die Überlappung an der Basis 10 % der Peakhöhe beträgt,
baren Rückstand hinterlässt. Wird in der gravimetrischen wobei m der kleinere der zwei m/z-Werte ist. Eine andere
Analyse verwendet. Möglichkeit zur Angabe des Auflösungsvermögens ist der
Assoziationsgrad, α, fraction of association Gibt z. B. bei der Wert m/m½. m½ ist hierbei die Peakbreite bei der Hälfte der
Reaktion der Base B mit Wasser an, welcher Bruchteil in Peakhöhe. In diesem Fall liegt das Tal zwischen zwei kaum
Form von BH+ vorliegt. aufgelösten Peaks 8 % unter den Peakhöhen.
Asymmetriepotential, asymmetry potential Wenn die Akti- Aufschlämmung, slurry Suspension eines Festkörpers in ei-
vitäten des Analyten innerhalb und außerhalb einer ionen- nem Lösungsmittel.
selektiven Elektrode gleich sind, sollte an der Membran Aufschlussbombe, digestion bomb Geschlossenes Gefäß zur
keine Spannungsdifferenz auftreten. Tatsächlich sind die Durchführung einer Aufschlussreaktion bei hoher Tempe-
beiden Grenzflächen niemals identisch und es wird eine ratur und hohem Druck.
kleine Spannung (das Asymmetriepotential) beobachtet. Auftrieb, buoyancy Nach oben wirkende Kraft, die auf ein
Das Asymmetriepotential ändert sich mit der Zeit und Objekt wirkt, das sich in einer Flüssigkeit oder in einem
führt zu einer Drift der Elektrode. Gas befindet. Ein an der Luft gewägter Gegenstand ist
Atmosphäre, atm, atmosphere Eine atm ist definiert als ein scheinbar leichter als seine wahre Masse, da er die seinem
Druck von 101 325 Pa. Das entspricht dem Druck, den Volumen entsprechende Luftmasse verdrängt hat.
eine Säule von 760 mm Quecksilber an der Erdoberfläche Ausreißer, outlier Wert, der weit entfernt von den anderen
ausübt. Werten einer Messreihe liegt.
Atomabsorptionsspektroskopie, atomic absorption spect- Autoprotolyse, autoprotolysis Reaktion, bei der zwischen zwei
roscopy Analytische Methode, bei der die Lichtabsorp- Molekülen der gleichen Art ein Protonenübergang von ei-
tion durch freie gasförmige Atome in einem Plasma, einer nem Molekül zum anderen erfolgt, z. B. CH3OH + CH3OH
Flamme oder einem Ofen zur Bestimmung der Konzentra- U CH3OH+2 + CH3O–.
tion dieser Atome genutzt wird. Autoprotolyskonstante, autoprotolysis constant Gleichge-
Atomare Masseneinheit, u, unified atomic mass unit Gesetzli- wichtskonstante für eine Autoprotolysereaktion.
che Maßeinheit der Masse. 1 u = 1⁄12 der Masse eines Atoms Autotitrator, autotitrator Gerät, das abgemessene Volumina
des Kohlenstoff-Isotops 12C. Hat die frühere Einheit Dalton des Titranten in eine Lösung gibt und eine Eigenschaft, z. B.
ersetzt. pH oder Elektrodenpotential, nach jeder Zugabe registriert.
Atomemissionsspektroskopie, atomic emission spectroscopy Die Titration wird automatisch durchgeführt und auch der
Analytische Methode, bei der die Lichtemission von ther- Endpunkt wird automatisch bestimmt. Die Daten können
misch in einer Flamme oder einem Ofen angeregten Ato- im Computer weiter verarbeitet werden.
men zur Konzentrationsbestimmung genutzt wird. Avogadrosche Zahl, Avogadro’s number Anzahl der Atome in
Atomfluoreszenzspektroskopie, atomic fluorescence spect- genau 0.012 kg 12C, 6.022 × 1023.
roscopy Analytische Methode, bei der Elektronenüber- Azeotrop, azeotrope Aus zwei Flüssigkeiten erhaltenes Des-
gänge der Atome durch Licht in einer Flamme, einem tillat mit einer konstanten Zusammensetzung aus beiden
Plasma oder einem Ofen angeregt werden und die Fluores- Bestandteilen.
zenz rechtwinklig zum einfallenden Lichtstrahl beobachtet Azidität, acidity Bei natürlichen Wässern: Menge der Koh-
wird. lensäure und anderer gelöster Säuren, die mit starker Base
Atomgewicht, atomic weight Veraltete Bezeichnung für die reagieren, wenn der pH der Probe auf 8.8 erhöht wird. Aus-
relative Atommasse (siehe dort). gedrückt in mmol OH–, die zur pH-Erhöhung von 1 L auf
Atomisierung, atomization Vorgang, in dem eine Verbindung pH 8.3 benötigt werden.
bei hoher Temperatur in ihre Atome zersetzt wird. Bandabstand, band gap Energieabstand zwischen Valenz-
Atommasse, atomic mass Stoffmenge in g eines Elements für band und Leitfähigkeitsband in einem Halbleiter.
die der Avogadroschen Zahl entsprechenden Anzahl von Bandbreite, bandwidth Bereich der Wellenlängen oder Fre-
Atomen. quenzen einer Absorptions- oder Emissionsbande. Sie wird
Auflösung, resolution Angabe darüber, wie dicht in einem meist bei der halben Höhe der Bande gemessen. Außerdem
Spektrum zwei Banden oder in einem Chromatogramm Bezeichnung für die Breite der Strahlung, die aus dem Aus-
zwei Peaks beieinander liegen und noch unterschieden gangsspalt eines Monochromators tritt.
werden können. In der Chromatographie ist die Auflösung Bandbreitenfilter, band-pass filter Filter, das einen bestimm-
definiert als Differenz der Retentionszeiten benachbarter ten Wellenlängenbereich durchlässt, während andere Wel-
Peaks dividiert durch ihre Breite. In der Massenspektrome- lenlängen absorbiert oder reflektiert werden.
trie ist die Auflösung die kleinste Differenz der m/z-Werte, Base, base Substanz, die bei Zugabe zu Wasser die Konzent-
die als getrennte Peaks erkannt werden. Dabei muss stets ration von H+ erniedrigt.
846 Glossar

Basekonstante, KB, base hydrolysis constant Gleichgewichts- Bjerrum-Plot Siehe Differenz-Plot.


konstante für die Reaktion einer Base, B, mit Wasser: Blindlösung, blank solution Lösung, die den Analyten nicht
KB A BH+ A OH− enthalten soll. Sie wird aus allen Reagenzien – mit Aus-
 BH+ + OH– K B =
B + H2O U
AB nahme des Analyten – hergestellt, die bei dem analytischen
basische Lösung, basic solution Lösung, in der die Aktivität Verfahren verwendet werden. Ein analytisches Signal der
von OH– größer als die Aktivität von H+ ist. Blindlösung kann an Verunreinigungen der Reagenzien
Basispeak, base peak Intensivster Peak im Massenspektrum. oder einer Störung liegen.
Begutachtung, assessment Im Rahmen der Qualitätssiche- Blindprobe, blind sample Begriff wird in zwei Fällen verwen-
rung vorgenommene Zusammenstellung aller Daten, die det. 1. siehe unter Qualitätskontrollprobe, 2. siehe unter
zeigen, dass die eingesetzten analytischen Methoden in- Blindlösung. Die richtige Verwendung ergibt sich aus dem
nerhalb vorgegebener Grenzwerte funktionieren und Be- Zusammenhang.
stätigung, dass das Ergebnis dem Verwendungsziel ent- Blindtitration, blank titration Titration, bei der die Lösung
spricht. alle Reagenzien mit Ausnahme des Analyten enthält. Das
Behandelte Daten, treated data Werte von Konzentrationen für die Blindtitration benötigte Titrantvolumen muss von
oder Mengen des Analyten, die aus den Rohdaten mit Hilfe dem für die eigentliche Titration benötigten Volumen ab-
einer Kalibrationsmethode gefunden wurden. gezogen werden.
Besetzungsinversion, population inversion Notwendige Be- Blockierung, blocking Tritt ein, wenn ein Metallion sehr fest
dingung für die Laserwirkung, bei der die Besetzung eines an einen Indikator gebunden ist. Ein blockierter Indikator
angeregten Energieniveaus größer als die eines niedrigeren ist für eine Titration ungeeignet, da am Äquivalenzpunkt
Energieniveaus ist. kein Farbumschlag eintritt.
Bestimmter Fehler, determinate error Siehe systematischer Bodenhöhe, H, plate height Länge einer chromatographi-
Fehler. schen Säule, dividiert durch die Anzahl der theoretischen
Bestimmungsgrenze, limit of quantitation Kleinste Analyt- Böden der Säule. Berechnet als Varianz, σ2, der Analyt-
menge, die mit vertretbarer Richtigkeit bestimmt werden bande, dividiert durch die Strecke x, die sie in der Säule
kann. Meist wird dafür ein Wert angesetzt, der um 10 Stan- zurückgelegt hat: H = σ2/x. Siehe HETP.
dardabweichungen einer Probe mit kleinem Analytgehalt Boltzmann-Verteilung, Boltzmann distribution Relative Beset-
über dem Blindwertmittel liegt. zung von zwei Atomzuständen im thermischen Gleichge-
Bestrahlungsstärke, irradiance Siehe Irradianz und Intensi- wicht:
tät. N 2 g 2 −(E2 − E1 )/ kT
Beugung, diffraction Tritt ein, wenn elektromagnetische Strah- = e ,
lung durch einen Spalt tritt oder von ihm reflektiert wird N1 g1
und dessen Breite mit der Wellenlänge der Strahlung ver- mit Ni der Besetzung des Zustands, gi der Entartung des
gleichbar ist. Interferenz der Wellen benachbarter Spalte Zustands, Ei der Energie des Zustands, k der Boltzmann-
erzeugt ein Strahlungsspektrum, bei dem jede Wellenlänge Konstante und T der Temperatur in Kelvin. Entartung
einen anderen Austrittswinkel hat. bedeutet Anzahl der Zustände mit gleicher Energie.
Bezugselektrode Siehe Referenzelektrode. Brechung, refraction Ablenkung des Lichts, wenn es zwi-
Biamperometrische Titration, biamperometric titration Am- schen zwei Medien mit unterschiedlichen Brechungsindi-
perometrische Titration, die mit zwei polarisierbaren Elek- zes durchtritt.
troden durchgeführt wird, zwischen denen eine konstante Brechungsindex, n, refractive index In jedem Medium ist die
Potentialdifferenz besteht. Geschwindigkeit des Lichts c/n, wobei c die Lichtgeschwin-
Biologischer Sauerstoffbedarf, BSB, biological oxygen demand digkeit im Vakuum und n der Brechungsindex des Me-
(BOD) Bei einer Wasserprobe: Menge des gelösten Sauer- diums ist. Der Brechungsindex ist auch ein Maß für den
stoffs, die von Mikroorganismen in einem geschlossenen Winkel der Richtungsänderung des Lichtstrahls, wenn er
Gefäß bei 20 °C während einer fünftägigen Inkubation von einem Medium in ein anderes übertritt. Das Gesetz
verbraucht wird. Da der Sauerstoffverbrauch durch orga- von Snellius lautet: n1 sin θ1 = n2 sin θ2, mit ni den Bre-
nische Nährstoffe begrenzt ist, ist der BSB ein Maß für die chungsindizes der beiden Medien und θi den Winkeln des
Konzentration der Verunreinigungen. Strahls in Bezug auf eine Normale zwischen den beiden
Biosensor, biosensor Gerät, in dem biologische Komponen- Medien.
ten, wie Enzyme, Antikörper oder DNA, in Verbindung Brechungsindexdetektor, refractive index detector Detektor
mit elektrischen, optischen oder anderen Signalen benutzt für die Flüssigkeitschromatographie, der Änderungen des
werden, um ein sehr selektives Ansprechen auf einen Ana- Brechungsindex des Eluats beim Auftritt gelöster Stoffe
lyten zu erzielen. misst.
Bipotentiometrische Titration, bipotentiometric titration Po- Breite in halber Höhe, w1/2, width at half-height Breite eines
tentiometrische Titration, bei der ein konstanter Strom Signals bei der Hälfte seiner maximalen Höhe. Auch Halb-
durch zwei polarisierbare Elektroden fließt, die sich in der wertsbreite genannt.
Probenlösung befinden. Eine plötzliche Potentialänderung Brønsted-Lowry-Base, Brønsted-Lowry base Protonen (Wasser-
zeigt den Endpunkt an. stoffionen)-Akzeptor.
Glossar 847

Brønsted-Lowry-Säure, Brønsted-Lowry acid Protonen (Wasser- Die Lösung wird durch einen koaxialen Gasstrom und Wär-
stoffionen)-Donator. meeinwirkung zu einem feinen Aerosol zerstäubt. Elektro-
Brownsche Bewegung, Brownian motion Zufallsbewegung nen aus einer Korona-Entladung erzeugen bei dem die Säule
eines kleinen Teilchens in einer Flüssigkeit, die durch Zu- verlassenden Analyten Kationen und Anionen. Die häufigste
sammenstöße mit Molekülen verursacht wird, die sich mit Spezies, die bei dieser Kombination gefunden wird, ist der
zufälligen Geschwindigkeiten in zufällige Richtungen be- protonierte Analyt, MH+, mit geringer Fragmentierung.
wegen. Chemischer Sauerstoffbedarf, CSB, chemical oxygen demand
Bruttostabilitäts(bildungs)konstante, βn, cumulative formation Der CSB ist ein Maß für die Summe aller organischen
constant, overall formation constant Gleichgewichtskons- Verbindungen im Wasser und entspricht der Menge an O2
tante für eine Reaktion des Typs M + n X U MXn. in natürlichem Wasser oder Industrieabwasser, die äqui-
Bulk, bulk Jargon des Chemikers zur Bezeichnung des Haupt- valent der Menge an K2Cr2O7 ist, die beim Rückflussko-
teils, z. B. einer Lösung. In der Elektrochemie werden chen der Probe mit einer Standard-Dichromat-Schwefel-
die Eigenschaften im Bulk der Lösung von den eventuell säure-Lösung mit Ag+ als Katalysator verbraucht wird. Da
anderen Eigenschaften in unmittelbarer Elektrodennähe 1 mol K2Cr2O7 6 mol Elektronen aufnimmt (Cr6+ → Cr3+),
unterschieden. entspricht das 1.5 mol O2 (O → O2–). Siehe auch Oxidier-
Bürette, buret Kalibriertes Glasrohr mit einem Hahn am barkeit.
Ende. Sie wird zur Dosierung bestimmter Flüssigkeitsvolu- Chirales Molekül, chiral molecule Molekül, das nicht mit sei-
mina benutzt. nem Spiegelbild zur Deckung gebracht werden kann. Wird
Candela, candela Die Candela ist die SI-Grundeinheit der auch als optisch aktives Molekül bezeichnet. Ein chirales
Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlungs- Molekül dreht die Ebene von linear polarisiertem Licht.
quelle, die monochromatische Strahlung der Frequenz Chromatogramm, chromatogram Graphische Darstellung des
540·1012 Hertz aussendet und deren Strahlungsstärke in chromatographischen Detektorsignals als Funktion der Elu-
dieser Richtung 1/683 Watt/sr beträgt. tionszeit oder des Elutionsvolumens.
Carbonsäure, carboxylic acid Molekül mit der allgemeinen Chromatograph, chromatograph Gerät für die Chromatogra-
Struktur RCOOH, wobei R eine beliebige organische Grup- phie.
pe ist. Chromatographie, chromatography Analytische Technik, bei
Carboxylatanion, carboxylate anion Konjugierte Base RCOO– der Moleküle in einer mobilen Phase aufgrund ihrer unter-
einer Carbonsäure. schiedlichen Affinität zu einer stationären Phase getrennt
Charge coupled device (CCD) Äußerst empfindlicher Detek- werden. Je größer die Affinität zur stationären Phase ist,
tor, in dem durch Licht Elektronen und Löcher in einem desto länger wird das Molekül zurückgehalten.
Halbleiter erzeugt werden. Die Elektronen werden in Ge- Chromophor, chromphore Teil eines Moleküls, der für die
biete in der Nähe der positiven Elektroden gezogen, wo sie Lichtabsorption einer bestimmten Frequenz verantwortlich
bis zu ihrer Zählung gespeichert werden. Die Anzahl der ist.
Elektronen in jedem Pixel (Bildelement) ist proportional Chronoamperometrie, chronoamperometry Analytische Me-
zur Zahl der Photonen, die das Pixel getroffen haben. thode, bei der das Potential einer Arbeitselektrode in einer
Charged-Aerosol-Detektor Siehe Aerosol-Detektor. ungerührten Lösung schnell verändert wird, während der
Chelatbildner, chelating ligand Ligand, der durch mehr als Strom zwischen der Arbeits- und der Hilfselektrode gemes-
ein Atom an ein Metall gebunden ist. sen wird. Nehmen wir an, dass der Analyt reduzierbar ist
Chelateffekt, chelate effect Feststellung, dass ein einzelner und das Potential an der Arbeitselektrode zu immer negati-
mehrzähniger Ligand Metallkomplexe bildet, die stabiler veren Werten verändert wird. Dann erfolgt zunächst keine
sind als solche, die von mehreren einzähnigen Liganden Reduktion. Erst bei einem bestimmten Potential beginnt
mit den gleichen Ligandatomen gebildet werden. die Reduktion des Analyten und der Strom steigt. Wenn
Chemilumineszenz, chemiluminescence Lichtemission aus ei- das Potential noch negativer wird, steigt der Strom weiter
nem angeregten Zustand eines chemischen Reaktionspro- an, bis die Konzentration des Analyten an der Elektro-
dukts. denoberfläche ausreichend erschöpft ist. Dann nimmt der
Chemische Interferenz, chemical interference In der Atom- Strom ab, selbst wenn das Potential immer negativer wird.
spektroskopie: jede chemische Reaktion, welche die Wirk- Der maximale Strom ist zur Konzentration des Analyten
samkeit der Atomisierung verringert. im Bulk der Lösung proportional.
Chemische Ionisation, chemical ionization Schonende Me- Chronopotentiometrie, chronopotentiometry Analytische Me-
thode der Erzeugung von Ionen für ein Massenspektrome- thode, bei der ein konstanter Strom zwischen zwei Elek-
ter ohne übermäßige Fragmentierung des Analytmoleküls, troden fließt. Die Spannung bleibt ziemlich konstant, bis
M. Ein Reaktionsgas, wie CH4, wird mit Elektronen zur die Konzentration einer elektroaktiven Spezies erschöpft ist.
Herstellung von CH5+ bombardiert, welches H+ auf M Dann ändert sich die Spannung plötzlich, da eine neue
überträgt, wobei MH+ entsteht. Redoxreaktion den Stromfluss übernimmt. Die Zeit bis zur
Chemische Ionisation bei Atmosphärendruck, atmospheric plötzlichen Spannungsänderung ist zur Konzentration der
pressure chemical ionization Methode zur Verbindung der ursprünglichen elektroaktiven Spezies in der Lösung pro-
Flüssigkeitschromatographie mit der Massenspektrometrie. portional.
848 Glossar

Cladding, cladding Ummantelung, Überzug, Schicht auf dem Deuteriumlampe, deuterium arc lamp Lichtquelle für eine
Kern eines Lichtleiters. breitbandige Ultraviolettstrahlung. Eine elektrische Entla-
Clark-Elektrode, Clark electrode Elektrode zur Messung des dung (ein Funke) im Deuteriumgas führt zur Dissoziation
gelösten Sauerstoffs durch Amperometrie. der D2-Moleküle und Emission von Strahlung vieler Wel-
Co-Chromatographie, co-chromatography Siehe Spike. lenlängen. Sie wird hauptsächlich als Ultraviolett-Licht-
Co-Ion, co-ion Ion mit der gleichen Ladung wie das interes- quelle für Analysezwecke eingesetzt, wie zum Beispiel in
sierende Ion. der UV-Vis Spektroskopie oder der HPLC.
Coulomb, C, coulomb Ladungsmenge, die in einer Sekunde Dialyse, dialysis Technik, bei der zwei Lösungen durch eine
durch einen Punkt eines Stromkreises bei einer Stromstärke semipermeable Membran getrennt sind. Durch diese
von einem Ampere fließt. Ein Mol Elektronen entspricht Membran können kleine Moleküle hindurchtreten, große
einer Ladungsmenge von ungefähr 96 485 Coulomb. dagegen nicht. Die kleinen Moleküle beider Lösungen
Coulometer, coulometer Gerät mit dem ein Redox-Reagenz diffundieren durch die Membran und es bildet sich ein
zur quantitativen Reaktion mit dem Analyt erzeugt und die Gleichgewicht. Die großen Moleküle bleiben auf ihren ur-
dazu erforderliche Zahl von Elektronen bestimmt wird. sprünglichen Seiten.
Coulometrie, coulometry Analytische Methode zur Stoffmen- Dichte, density Das Verhältnis aus Masse und Volumenein-
genermittlung durch Bestimmung der zur vollständigen heit.
Elektrolyse erforderlichen Anzahl von Coulomb. Dielektrizitätskonstante, ε, dielectric constant Die elektrische
Coulometrische Titration, coulometric titration Titration, die Kraft, F, zwischen zwei geladenen Teilchen beträgt F =
bei konstantem Strom in einer gemessenen Zeit durchge- kq1q2/εr2 , mit der Konstanten k, den Ladungen q1 und q2,
führt wird. dem Abstand r zwischen den Teilchen und der Dielektri-
Dalton, Da, dalton Einheit der Atommasse, definiert als 1/12 zitätskonstanten ε. Je größer die Dielektrizitätskonstante
der Masse von 12C. Besonders in den USA verwendet und ist, desto geringer ist die Kraft, die von einem geladenen
auch in Deutschland zugelassen. Die gesetzliche Einheit in Teilchen auf das andere wirkt.
Deutschland ist u (von unified atomic mass unit). Differenz-Plot, difference plot Graphische Darstellung der
DART Siehe Direkte Analyse in Echtzeit. Durchschnittszahl der Protonen, die an eine Säure gebun-
Debye-Hückel-Gleichung, Debye-Hückel equation Liefert den den sind, gegen den pH. Bei der Komplexbildung ist der
Aktivitätskoeffizienten, γ, als Funktion der Ionenstärke, Differenz-Plot die Darstellung der durchschnittlichen Zahl
μ. Die erweiterte Debye-Hückel-Gleichung, die für Ionen- der Liganden, die an ein Metall gebunden sind, gegen pL
stärken bis zu etwa 0.1 M gilt, lautet log γ = [–0.51 z²  ]/ (= –log[Ligandkonzentration]. Dient zur Ermittlung von
[1 + (α  /305)] mit der Ionenladung z, und dem effekti- Gleichgewichtskonstanten. Auch Bjerrum-Plot genannt.
ven Hydratradius α in pm. Diffuse Reflexion, diffuse reflection Lichtreflexion in alle
Dekadischer Logarithmus, common logarithm Der dekadische Richtungen an einer rauen Oberfläche.
Logarithmus von n ist a für 10a = n (das bedeutet log n = a). Diffuser Teil der Doppelschicht, diffuse part of the double
Dekantieren, decant Abgießen einer Flüssigkeit von einem layer Bereich der Lösung in der Nähe einer geladenen
Festkörper oder einer Flüssigkeit mit größerer Dichte. Die Oberfläche, in dem ein Überschuss von Gegenionen an den
dichtere Phase bleibt zurück. Ladungsträger angezogen ist. Diese Schicht hat eine Dicke
Demaskierung, demasking Entfernung eines Maskierungs- von 0.3–10 nm.
mittels vom zu schützenden Teilchen. Diffusion, diffusion Transport eines gelösten Stoffs aus ei-
Depolarisator, depolarizer Molekül, das bei einem mäßigen nem Gebiet hoher Konzentration in ein Gebiet niedriger
Potential oxidiert oder reduziert wird. Es wird einer elekt- Konzentration durch Zufallsbewegung von Molekülen in
rischen Zelle zugesetzt, um extreme Kathoden- oder Ano- Flüssigkeiten oder Gasen (oder, sehr langsam, in einem
denpotentiale zu verhindern. Festkörper).
Derivatisierung, derivatization Chemische Veränderung ei- Diffusionskoeffizient, D, diffusion coefficient Definiert durch
nes Moleküls durch Einfügung einer Gruppe zur konventi- das 1. Ficksche Gesetz der Diffusion: J = –D(dc/dx), mit J,
onellen Detektion. Außerdem kann eine Veränderung von der Geschwindigkeit, mit der Moleküle durch eine Ebene
Flüchtigkeit oder Löslichkeit die Abtrennung erleichtern. der Einheitsfläche diffundieren und (dc/dx), dem Konzent-
DESI Siehe Desorptions-Elektrospray-Ionisation. rationgradient in Richtung der Diffusion.
Desorption, desorption Freisetzung einer adsorbierten Subs- Diffusionspotential, junction potential Elektrisches Potential,
tanz von einer Oberfläche. das an der Grenzfläche zwischen zwei unterschiedlichen
Desorptions-Elektrospray-Ionisation (DESI), desorption elect- Elektrolytlösungen oder Substanzen auftritt. Es entsteht in
rospray ionization Ein Lösungsmittel wird mit Elektro- Lösungen durch die ungleichen Diffusionsgeschwindigkei-
spray auf eine Oberfläche gebracht, um den Analyten von ten unterschiedlicher Ionen.
der Oberfläche in Aerosol-Tröpfchen aufzulösen, die in Diffusionsschicht, diffusion layer Gebiet in Elektrodennähe,
einem Massenspektrometer analysiert werden können. in dem sich das an der Elektrodenreaktion beteiligte Pro-
Determinante, determinant Der Wert der zweidimensionalen dukt im Überschuss oder der Ausgangsstoff in geringer
Determinante a b ist gleich der Differenz ad – bc. Konzentration befinden. Die Dicke dieser Schicht kann
c d einige hundert Mikrometer betragen.
Glossar 849

Diffusionsstrom, diffusion current Strom, der beobachtet wird, Doppelschicht, double layer Siehe elektrische Doppelschicht.
wenn die Geschwindigkeit der Elektrolyse von der Diffusi- Dopplereffekt, Doppler effect Ein Molekül, das sich in Rich-
onsgeschwindigkeit des Analyten zur Elektrode begrenzt tung auf eine Strahlungsquelle bewegt, empfängt eine hö-
wird. In der Polarographie: Diffusionsstrom = Grenzstrom here Frequenz als ein Molekül, das sich von ihr weg be-
– Reststrom. wegt.
Dimer, dimer Molekül aus zwei identischen Einheiten. Dotierung, dopant Wenn eine kleine Menge des Stoffs B zum
Diode, diode Halbleiterbauelement, das aus einem pn-Über- Stoff A gegeben wird, nennt man A eine Dotierung und
gang besteht, durch den der Strom nur in einer Richtung bezeichnet A als mit B dotiert. Bei der Dotierung ändern
treten kann. Ein Strom fließt bei negativen n-Material sich die Eigenschaften von A.
und positivem p-Material. Bevor ein Strom fließen kann, Dreidimensionales Quadrupol-Ionenfallen-Massenspektro-
muss eine ausreichende Spannung angelegt werden, um meter, three-dimensional quadrupole ion-trap mass spectro-
die Aktivierungsenergie für die Bewegung der Ladungsträ- meter Gerät zur Trennung gasförmiger Ionen durch Ein-
ger aufzubringen. Diese Spannung beträgt bei Si-Dioden fangen in stabile dreidimensionale Flugbahnen in einer
~0.6 V. Wenn eine hinreichend große Spannung, genannt Metallkammer, an die ein elektrisches Hochfrequenzfeld
Durchbruchspannung, in der umgekehrten Richtung ange- angelegt ist. Durch Anwendung eines oszillierenden elek-
legt wird, fließt ein Strom in der falschen Richtung durch trischen Felds zwischen den Enden der Kammer werden
die Diode. die Flugbahnen von Ionen mit einem bestimmten Masse-
Direkte Analyse in Echtzeit (DART), direct analysis in real Ladungsverhältnis gestört und die Ionen aus der Kammer
time In einer DART-Quelle wird angeregtes He oder N2 zum Detektor geworfen.
erzeugt und auf die Oberfläche des Untersuchungsobjekts Drift, drift Langsame Signaländerung eines Geräts mit ver-
unter Umgebungsbedingungen gerichtet. Die angeregten schiedenen Ursachen, wie Veränderungen der elektrischen
Spezies reagieren mit der Luftfeuchtigkeit. Dabei entste- Bauteile mit der Temperatur, Spannungsänderungen der
hen protonierte Wassercluster, die mit dem Analyten M Stromversorgung oder Alterung von Geräteteilen. Ent-
reagieren und MH+ bilden, das im Massenspektrometer spricht dem 1/f-Rauschen oder Flicker-Rauschen.
gemessen wird. Druck, pressure Kraft pro Flächeneinheit, gemessen in Pascal,
Direkte Titration, direct titration Titration, bei welcher der Pa (N/m²) oder bar.
Analyt mit dem Titranten umgesetzt und dessen für die Druckverbreiterung, pressure broadening In der Spektrosko-
vollständige Reaktion benötigtes Volumen gemessen wird. pie: Linienverbreiterung auf Grund von Zusammenstößen
Dispersion, dispersion Maß für die Fähigkeit eines Mono- der Moleküle.
chromators, Wellenlängen, die sich um Δλ unterscheiden, Dunkelstrom, dark current Durch Wärme verursachter ge-
durch den Winkel Δφ zu trennen. Je größer die Dispersion ringer Strom, den ein Photodetektor bei Lichtabwesenheit
ist, desto größer ist der Winkel, der die beiden dicht be- aufgrund der spontanen Bildung von freien Ladungsträ-
nachbarten Wellenlängen trennt. Im Prisma entspricht die gern liefert.
Dispersion dem Verhältnis der Änderung des Brechungsin- Dünnschichtchromatographie, thin-layer chromatography
dex mit der Wellenlänge, dn/dλ. Flüssigchromatographie, bei der sich die stationäre Phase
Dissoziationsgrad, α, fraction of dissociation Gibt z. B. bei der als dünne Schicht auf einer Glas- oder Plastikplatte be-
Reaktion einer Säure mit Wasser an, welcher Bruchteil in findet. Der Analyt wird am Ende der Platte aufgetragen.
Form von A– vorliegt. Die Platte wird mit dem unteren Rand in das Lösungs-
Disproportionierung, disproportionation Reaktion, bei der mittel gestellt, das durch Kapillarwirkung nach oben
ein Element in einem mittleren Oxidationszustand Pro- steigt.
dukte liefert, die das Element in einem höheren und nied- Durchflussadapter, flow adapter Einstellbare, stempelartige
rigeren Oxidationszustand enthalten, z. B. 2Cu+ U Cu2+ + Vorrichtung, die an beiden Seiten einer chromatographi-
Cu(s). schen Packung das Bett stützt und den toten Raum ver-
Donnan-Gleichgewicht, Donnan equilibrium Erscheinung, ringert, durch den die Flüssigkeit außerhalb der Säulenpa-
dass Ionen der gleichen Ladung, wie die auf einem Io- ckung fließen kann.
nenaustauscherharz fixiert sind, abgestoßen werden. So Durchschnittswert, average Summe aller Einzelwerte, divi-
können Anionen nicht in Kationenaustauscher eindringen diert durch ihre Anzahl.
und Kationen werden von einem Anionenaustauscher zu- Dynamischer Bereich, dynamic range Bereich der analyti-
rückgestoßen. schen Konzentrationen, in dem eine Konzentrationsände-
Doppelfokussierendes Massenspektrometer, double-focussing rung eine Änderung des Signals ergibt.
mass spectrometer Ein Massenspektrometer, in dem zur Dynode, dynode Metalloberfläche in einem Photomultiplier,
Erhöhung der Auflösung ein magnetisches und ein elektro- die jedesmal mehrere Elektronen emittiert, wenn sie von
statisches Sektorfeld miteinander kombiniert sind. einem beschleunigten Elektron getroffen wird.
Doppelschicht, bilayer Von einem Tensid gebildete zweidi- E0, Standardreduktionspotential, standard reduction potential
mensionale Membranstruktur, bei der polare oder ioni- E0’, Effektives Standardreduktionspotential, effective standard re-
sche Kopfgruppen auswärts gerichtet sind und unpolare duction potential Gilt z. B. für pH 7 (oder andere vorgege-
Schwanzgruppen nach innen zeigen. bene Bedingungen).
850 Glossar

EDTA Etylendiamintetraessigsäure, ethylendiaminetetraacetic zur Nutzung chemischer Reaktionen zur Elektrizitätsgewin-


acid (HOOCCH2)2NCH2–CH2N(CH2COOH)2 ist das nung.
meistbenutzte Reagenz für komplexometrische Titrationen. Elektrochemische Zelle, electrochemical cell Siehe galvanische
Sie bildet mit praktisch allen Kationen mit einer Ladung ≥2 Zelle.
1:1-Komplexe. Elektrochemischer Detektor, electrochemical detector Detek-
Eigenabsorption, self-absorption Bei Lumineszenzmessun- tor für die Flüssigkeitschromatographie, der den Strom
gen kann bei einer hohen Konzentration des Analyten An- misst, wenn ein elektroaktives Teilchen aus der Säule tritt
regungsenergie des angeregten Analyten absorbiert werden, und eine Arbeitselektrode passiert, die gegenüber einer
innerer Filtereffekt genannt. Wenn die absorbierte Energie Bezugselektrode auf einem bestimmten Potential gehalten
als Wärme und nicht als Licht abgegeben wird, nimmt die wird. Auch amperometrischer Detektor genannt.
Fluoreszenz nicht proportional zur Konzentration zu. Bei Elektrode, electrode Elektrischer Leiter, durch den Elektro-
sehr hoher Analytkonzentration nimmt die Fluoreszenz nen auf eine oder von einer chemischen Spezies, die an
sogar ab. Bei der Flammenemissionsatomspektroskopie einer Redoxreaktion beteiligt ist, übertragen werden.
befinden sich in dem kälteren, äußeren Teil der Flamme Elektrogravimetrie, electrogravimetric analysis Methode, bei
weniger Atome im angeregten Zustand als im Inneren der der die Masse einer elektrolytischen Abscheidung zur Be-
Flamme. Diese „kälteren“ Atome können die emittierte stimmung des Analyten benutzt wird.
Strahlung der „heißen“ Atome absorbieren und dadurch elektrokapillares Maximum, electrocapillary maximum Po-
das Signal verringern. Auch Selbstabsorption genannt. tential, bei dem die Nettoladung eines Quecksilbertropfens
Einsäulen-Ionenchromatographie, single-column ion chromato- aus einer Tropfelektrode Null ist (die Grenzflächenspan-
graphy Ionentrennung an einer Ionenaustauschsäule mit nung des Tropfens hat ein Maximum).
niedriger Kapazität und einem Elutionsmittel mit geringer Elektrokinetische Injektion, electrokinetic injection In der Ka-
Ionenstärke. pillarelektrophorese: Anwendung eines elektrischen Felds
Einstabmesskette, combination elektrode Glaselektrode mit zur Probeninjektion in die Kapillare. Da unterschiedliche
einer konzentrischen Bezugselektrode im gleichen Elekt- Teilchen unterschiedliche Mobilitäten haben, hat die inji-
rodenkörper. zierte Probe nicht die gleiche Zusammensetzung wie die
Einstein, E Maßeinheit für 1 mol Photonen. Originalprobe.
Einstellung einer Lösung, standardization Vorgang, bei dem Elektrolyse, electrolysis Vorgang, bei dem der elektrische
die Konzentration eines Reagenzes durch Umsetzung mit Strom eine chemische Reaktion bewirkt.
einer bekannten Menge eines zweiten Reagenzes bestimmt Elektrolyse bei konstantem Potential der Arbeitselektrode,
wird. controlled-potential electrolysis Technik für die selektive
Einzähniger Ligand, monodentate ligand Ligand, der ein Me- Reduktion (oder Oxidation), bei der die Spannung zwi-
tallion nur über ein Atom bindet. schen Arbeits- und Bezugselektrode konstant gehalten
Einzelelektrodenpotential, single-electrode potential Gemes- wird. Auch potentiostatische Elektrolyse genannt.
sene Zellspannung mit der interessierenden Elektrode am Elektrolyse bei konstanter Spannung, constant-voltage elect-
positiven Ausgang des Potentiometers und der Standard- rolysis Elektrolyse, bei der eine konstante Spannung zwi-
wasserstoffelektrode am negativen Ausgang. schen Arbeits- und Hilfselektrode eingehalten wird. Sie ist
Elektrische Doppelschicht, electric double layer Gebiet, das weniger selektiv als die Elektrolyse bei konstantem Poten-
die geladene Oberfläche einer Elektrode oder eines Teil- tial, da das Potential der Arbeitselektrode bei Änderung
chens und die entgegengesetzt geladene Lösung in unmit- des Ohmschen Potentials und der Überspannung einen
telbarer Nähe dieser Oberfläche umfasst. Auch einfach extremeren Wert annimmt.
Doppelschicht genannt. Elektrolyse bei konstantem Strom, constant-current electro-
Elektrische Ladung, q, electric charge Elektrizitätsmenge, gemes- lysis Elektrolyse, bei der ein konstanter Strom zwischen
sen in Coulomb. Arbeits- und Hilfselektrode fließt. Wenn die Reaktanten
Elektrisches Potential, E, electric potential Das elektrische Po- verbraucht sind, muss die Spannung erhöht werden, um
tential (in Volt) an einem Punkt ist die erforderliche Energie den Stromfluss aufrechtzuerhalten. Es ist die Elektrolyseart
(in Joule), um die positive Ladungsmenge von 1 C aus dem mit der geringsten Selektivität.
Unendlichen an diesen Punkt zu bringen. Die Potentialdif- Elektrolyt, electrolyte Substanz, bei deren Auflösung Ionen
ferenz zwischen zwei Punkten ist die Energie, die benötigt entstehen.
wird, um ein Coulomb positiver Ladung vom negativen Elektrolytzelle, electrolytic cell Eine Zelle, in der eine chemi-
Punkt zum positiven Punkt zu transportieren. sche Reaktion, die auf andere Weise nicht ablaufen würde,
Elektroaktives Teilchen, electroactive species Jedes Teilchen, durch eine zwischen zwei Elektroden angelegte Spannung
das an einer Elektrode oxidiert oder reduziert werden erzwungen wird.
kann. Elektromagnetisches Spektrum, electromagnetic spectrum Ge-
Elektrochemie, electrochemistry Anwendung elektrischer Mes- samtbereich der elektromagnetischen Strahlung (z. B. sichtba-
sungen auf ein chemisches System für analytische Zwecke. res Licht, Radiowellen, Röntgenstrahlung).
Die Elektrochemie befasst sich auch mit der Nutzung der Elektroneneinfangdetektor, electron capture detector Gas-
Elektrizität zur Durchführung chemischer Reaktionen bzw. chromatographischer Detektor, der besonders gut auf Ver-
Glossar 851

bindungen mit Halogenatomen, Nitrogruppen oder ande- schen Geschwindigkeit, ueo, der Flüssigkeit in der Kapillare
ren Gruppen mit hoher Elektronenaffinität anspricht. Das und dem angelegten elektrischen Feld, E: ueo = μeo E. Die
Zusatz-(Makeup)gas (N2 oder 5% CH4 in Ar) wird durch elektroosmotische Mobilität ist auch gleich der Geschwin-
β-Strahlen aus einer 63Ni-Quelle ionisiert, wobei Elektro- digkeit eines Neutralteilchens uneutral dividiert durch die
nen entstehen, die einen kleinen, konstanten Strom liefern. Feldstärke E. Siehe auch Gesamtmobilität.
Analyte mit hoher Elektronenaffinität nehmen einige die- Elektropherogramm, electropherogram Graphische Darstel-
ser Elektronen auf und erniedrigen den Detektorstrom. lung des Detektorsignals gegen die Zeit der Elektropho-
Elektronenstoßionisation, electron ionization Wechselwirkung rese.
der Analytmoleküle (M) mit energiereichen Elektronen in Elektrophorese, electrophoresis Wanderung der Ionen einer
der Ionenquelle eines Massenspektrometers zur Bildung Lösung im elektrischen Feld. Die Kationen wandern zur
des Kation-Radikals, M+⋅, und von diesem abgeleiteten Kathode und die Anionen zur Anode. Ionen können durch
Fragmenten. ihre unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit in einem
Elektronentransfer-Dissoziation, electron-transfer dissociation starken elektrischen Feld voneinander getrennt werden.
Spaltung einer chemischen Bindung durch exotherme Elektrophoretische Mobilität, μep, electrophoretic mobility
Elektronenübertragung von einer Spezies zu einer ande- Proportionalitätskonstante zwischen der elektrophoretischen
ren. Dieser Vorgang wird bei der massenspektrometrischen Geschwindigkeit, uep, eines Ions in der Kapillare und dem
Sequenzierung von Polypeptiden verwendet, weil nur die angelegten elektrischen Feld, E: uep = μep E. Siehe auch Ge-
Peptidbindungen und keine anderen Bindungen im Mole- samtmobilität.
kül gespaltet werden. Elektrospray-Ionisation, electrospray ionization Methode zur
Elektronenübergang, electronic transition Übergang eines Verbindung der Flüssigkeitschromatographie mit der Mas-
Elektrons von einem Energieniveau auf ein anderes. senspektrometrie. An die Flüssigkeit am Säulenausgang wird
Elektronenvervielfacher, electron multiplier Ionendetektor, der ein hohes Potential angelegt, wodurch geladene Tröpfchen
wie ein Photomultiplier funktioniert. Auf die Kathode tref- in einem feinen Aerosol gebildet werden. Gasförmige Ionen
fende Kationen setzen Elektronen frei. Eine Reihe von Dyno- werden aus den schon in der mobilen Phase in der Säule
den multipliziert die Zahl der Elektronen mit ~105, bevor sie vorhandenen Ionen gebildet. Üblicherweise werden proto-
die Anode erreichen. nierte Basen (BH+), deprotonierte Säuren (A–) und Kom-
Elektronenvervielfacher mit kontinuierlicher Dynode, conti- plexe zwischen dem Analyten, M (der neutral oder geladen
nuous-dynode electron multiplier Elektronendetektor, der sein kann), und stabilen Ionen, wie NH+4 , Na+, HCOO– oder
wie ein Photomultiplier funktioniert. Ein Elektron, das auf CH3COO– aus der Elutionslösung beobachtet.
die mit Blei dotierte Glaswand einer hornförmigen Röhre Eluat, eluate, effluent Lösung, die aus einer chromatographi-
trifft, setzt mehrere Elektronen frei, die im Horn durch ein schen Säule herauskommt.
ansteigendes positives Potential beschleunigt werden. Nach Eluent, eluent Lösungsmittel, das auf eine chromatographische
vielen „Einschlägen“ erreichen für jedes einfallende Elekt- Säule aufgegeben wird.
ron ~105 Elektronen das schmale Ende des Horns. Elution, elution Durchlauf einer Flüssigkeit oder eines Gases
Elektronische Waage, electronic balance Wägeeinrichtung, bei durch eine chromatographische Säule.
der ein elektromagnetischer Servomotor die Last auf der Elutionskraft, ε0, eluent strength In der Chromatographie: Maß
Waagschale ausgleicht. Die Masse der Last ist dem Strom zu für die Fähigkeit eines Lösungsmittels, Stoffe von einer chro-
deren Ausgleich proportional. matographischen Säule zu eluieren. Die Elutionskraft ist ein
Elektroosmose, electroosmosis Bewegung der gesamten Flüs- Maß der Adsorptionsenergie eines Lösungsmittels an der
sigkeit in einer Kapillare aufgrund eines angelegten elekt- stationären Phase. Auch Lösungsmittelstärke genannt.
rischen Felds. Die beweglichen Ionen im diffusen Teil der Elutrope Reihe, eluotropic series Anordnung der Lösungsmit-
Doppelschicht an der Kapillarwand dienen als „Pumpe“. tel nach ihrer Fähigkeit, in der Adsorptionschromatogra-
Elektroosmotischer Fluss, electroosmotic flow Einheitlicher, phie die adsorbierten Analyte von der stationären Phase zu
pfropfenförmiger Fluss der Flüssigkeit in einer Kapillare verdrängen.
durch ein angelegtes elektrisches Feld. Je größer die Ladung Emissionsgrad, emissivity Quotient der Strahlungsemission
an der Kapillarwand ist, desto größer ist die Zahl der Ge- eines realen Objekts dividiert durch die Strahlungsemission
genionen in der Doppelschicht und damit das Ausmaß des eines schwarzen Körpers von gleicher Temperatur.
elektroosmotischen Flusses. Emissionsspektroskopie mit elektrischer Entladung, electric
Elektroosmotische Geschwindigkeit, electroosmotic velocity discharge emission spectroscopy Spektroskopische Methode,
Geschwindigkeit, mit der die Flüssigkeit durch die elektro- bei der Atomisierung und Anregung durch einen elektrischen
phoretische Kapillarsäule fließt. Sie wird bestimmt, indem Bogen, Funken oder Mikrowellenstrahlung ausgelöst werden.
der Probe ein neutrales Molekül zugesetzt wird. Die elekt- Emissionsspektrum, emission spectrum Graphische Darstel-
roosmotische Geschwindigkeit ergibt sich aus der Strecke lung der Lumineszenzintensität gegen die Lumineszenzwel-
zwischen Injektion und Detektion dividiert durch die Zeit, lenlänge (oder -frequenz oder -wellenzahl) bei einer festge-
die das Neutralteilchen bis zum Detektor benötigt. legten Anregungswellenlänge.
Elektroosmotische Mobilität, μeo, electroosmotic mobility Empfindlichkeit, sensitivity Umgangssprachlich: Fähigkeit zur
Proportionalitätskonstante zwischen der elektroosmoti- zuverlässigen und messbaren Reaktion auf Änderungen der
852 Glossar

Analytkonzentration. Quantitativ ausgedrückt: Empfindlich- Massenspektren des gesamten Massenbereichs erhalten


keit ist die Änderung des Signals bei Änderung der Konzen- wird, bei denen aber nur ein ausgewählter m/z-Wert zur
tration des Analyten. Anzeige kommt. Die meiste Zeit wird zur Signalmessung
Emulsion, emulsion Stabile Dispersion nichtmischbarer Flüs- bei m/z-Werten gebraucht, die nicht angezeigt werden.
sigkeiten, die durch heftiges Schütteln hergestellt werden Beim Selected Ion Chromatogram ist das Signal-Rausch-
kann. Homogenisierte Milch ist eine Emulsion von Sahne Verhältnis besser als beim extrahierten Ionenchromato-
in einer wässrigen Lösung. Meist benötigen die Emulsionen gramm, weil hier die gesamte Zeit für die Messung des
einen Emulgator (ein Tensid) zur Stabilisierung. Der Emul- Signals bei nur einem oder wenigen m/z-Werten zur Ver-
gator stabilisiert durch seine Affinität zu beiden Phasen fügung steht.
ihre Grenzfläche. Extraktion, extraction Vorgang, bei dem ein gelöster Stoff aus
Enantiomere, enantiomers Spiegelbildisomere, die nicht zur einer Phase in eine andere überführt wird. So kann z. B. ein
Deckung gebracht werden können. Auch optische Isomere Analyt aus einer Probe durch ein geeignetes Lösungsmittel
genannt. entfernt werden.
Endotherme Reaktion, endothermic reaction Reaktion, bei der Extrapolation, extrapolation Abschätzung der Größe eines
ΔH positiv ist. Den Reaktanten muss zur Reaktion Wärme Werts, der außerhalb des Bereichs der experimentellen
zugeführt werden. Werte liegt.
Endpunkt, end point Punkt in einer Titration, bei dem eine Extra-Säulenvolumen, extra-column volume Siehe Totvolumen.
plötzliche Änderung einer physikalischen Eigenschaft ein- F-Test, F test Für zwei Varianzen, s12 und s22 (mit s1 > s2) ist der
tritt, z. B. Indikatorfarbe, pH, Leitfähigkeit oder Extinktion. statistische Wert F definiert: F = s12/s22. Um zu entscheiden,
Der Endpunkt wird zur Bestimmung des Äquivalenzpunkts ob s1 signifikant größer ist als s2, wird F mit Tabellenwerten
benutzt. für bestimmte Wahrscheinlichkeiten verglichen. Wenn der
Energie, energy Produkt Kraft × Weg. berechnete Wert von F größer als der Tabellenwert ist, ist
Enthalpieänderung, ΔH, enthalpy change Bei einer Reaktion der Unterschied signifikant.
bei konstantem Druck aufgenommene oder abgegebene Fajans-Titration, Fajans titration Fällungstitration, bei welcher
Wärme. der Endpunkt durch die Adsorption eines Farbindikators
Entionisiertes Wasser, deionized water Wasser, das durch ei- am Niederschlag angezeigt wird.
nen Kationenaustauscher (in der H+-Form) und durch Fällung, precipitation Tritt ein, wenn sich ein Stoff schnell aus
einen Anionenaustauscher (in der OH–-Form) zur Entfer- einer Lösung abscheidet (und dabei entweder einen mikro-
nung der Ionen aus der Lösung geschickt wurde. kristallinen oder amorphen Feststoff bildet).
Entropie, entropy Thermodynamische Zustandsgröße und Fällung aus homogener Lösung, homogeneous precipita-
Maß für die „Unordnung“ einer Substanz. tion Analytische Technik, bei der das Fällungsmittel lang-
Entsalzung, desalting Entfernung von Salzen (oder anderen sam durch eine Reaktion in homogener Lösung erzeugt
kleinen Molekülen) aus einer Lösung von Makromolekülen. wird. Dadurch erfolgt eine langsame Kristallbildung an-
Hierzu werden die Gelfiltration oder Dialyse verwendet. stelle der schnellen Ausfällung des Reaktionsprodukts.
Enzym, enzyme Protein, das eine chemische Reaktion kata- Fällungsmittel, precipitant Stoff, der eine Spezies aus einer
lysiert. Lösung ausfällt.
Erweiterte Debye-Hückel-Gleichung, extended Debye-Hückel Fällungstitration, precipitation titration Titration, bei welcher
equation Siehe Debye-Hückel-Gleichung. der Analyt mit dem Titranten einen Niederschlag bildet.
Evaneszente Welle, evanescent wave Licht, das bei der in- Falsch-negativ, false negative Schlussfolgerung, dass die Kon-
neren Totalreflexion durch die Wände eines Licht- oder zentration eines Analyten unter einer bestimmten Grenze
Wellenleiters dringt. liegt, obwohl sie tatsächlich darüber liegt.
Exotherme Reaktion, exothermic reaction Reaktion, bei der Falsch-positiv, false positive Schlussfolgerung, dass die Kon-
ΔH negativ ist. Bei der Bildung der Reaktionsprodukte wird zentration eines Analyten über einer bestimmten Grenze
Wärme frei. liegt, obwohl sie tatsächlich darunter liegt.
Exsikkator, desiccator Geschlossenes, meist evakuiertes Ge- Farad, F, farad Einheit der elektrischen Kapazität: Eine Kapa-
fäß, in dem Substanzen in Gegenwart eines geeigneten zität von einem Farad kann eine Ladung von einem Cou-
Trockenmittels und/oder durch Evakuieren getrocknet lomb in einer Potentialdifferenz von 1 Volt speichern.
werden. Faraday-Becher, Faraday cup Ionendetektor im Massenspekt-
Extinktion, A, absorbance Definiert als A = log (P0/P), mit P0, rometer, in dem jedes ankommende Kation durch ein Elek-
der Strahlungsleistung des Lichts (Leistung pro Flächenein- tron neutralisiert wird. Der zur Neutralisation erforderliche
heit) das auf der einen Seite in die Probe eintritt, und P, der Strom ist proportional zur Zahl der Kationen, die in den
Strahlungsleistung des Lichts, das auf der anderen Seite aus Faraday-Becher gelangen.
der Probe austritt. Auch als optische Dichte bezeichnet. Faraday-Gesetze, Faraday’s laws Die beiden Gesetze sagen
Extinktionskoeffizient, extinction coefficient Siehe molare Ex- aus, dass das Ausmaß einer elektrochemischen Reaktion
tinktion. direkt proportional zur Elektrizitätsmenge ist, die durch die
Extrahiertes Ionenchromatogramm, extracted ion chromato- Zelle geflossen ist. Die Masse der Substanz, die reagiert hat,
gram Chromatogramm, das aus vielen Aufnahmen von ist direkt proportional zu ihrer Formelmasse und umge-
Glossar 853

kehrt proportional zur Anzahl der Elektronen, die bei der entstehen. Der von diesen Ionen in der Flamme erzeugte
Halbzellenreaktion erforderlich sind. Stromfluss ist proportional zur Konzentration der entspre-
Faraday-Konstante, F, Faraday constant Elektrische Ladung chenden Spezies im Eluat.
von einem mol Elementarladungen, ca. 9.648 5 × 104 C/mol. Flammenphotometer, flame photometer Gerät, bei dem die
Faraday-Strom, faradaic current Anteil des Stroms in einer Flammenatomemission und ein Filterphototometer ver-
elektrochemischen Zelle, der auf Oxidations- und Redukti- wendet werden, um Li, Na, K und Ca in flüssigen Proben
onsreaktionen beruht. zu bestimmen.
Fehlerbalken, error bar Graphische Darstellung der Unsicher- Flammenphotometer-Detektor, flame photometric detector
heit bei einer Messung. Gaschromatographischer Detektor, der die optische Emis-
Fehlerverteilungskurve, normal error curve Siehe Gauß-Ver- sion von S, P, Pb und Sn und anderer Elemente in einer
teilung. H2-O2-Flamme misst.
Feldblindprobe, field blank Eine Blindprobe, die an der Pro- Flicker-Rauschen, flicker noise Siehe Drift.
bennahmestelle der Umwelt ausgesetzt und in gleicher Fließinjektionsanalyse, flow injection analysis Analytische
Weise wie die übrigen Proben zum Labor transportiert Technik, bei der die Probe in den fließenden Strom einer
wurde. Reagenzlösung injiziert wird. In den Strom können fluss-
Feldeffekttransistor, field effect transistor Halbleiterbauele- abwärts zusätzliche Reagenzien injiziert werden. Wenn die
ment, bei dem das elektrische Feld zwischen Gate und Sub- Probe vom Injektor zum Detektor fließt, verbreitert sich
strat den Stromfluss zwischen Source und Drain bestimmt. die Probenzone und reagiert mit dem Reagenz zu einem
Ferroelektrisches Material, ferroelectric material Festkörper Produkt, auf das der Detektor anspricht.
mit einer permanenten elektrischen Polarisation (Dipol) Flüchtig, volatile Leicht verdampfbar.
bei Abwesenheit eines äußeren elektrischen Feldes. Die Flugzeitmassenspektrometer, time-of-flight mass spectrome-
Polarisation ergibt sich aus der Anordnung der Moleküle ter Ionen verschiedener Masse, die durch das gleiche
im Festkörper. elektrische Feld beschleunigt werden, haben unterschiedli-
Festkörpermembranelektrode, solid-state ion-selective elect- che Geschwindigkeiten: die leichteren Ionen bewegen sich
rode Ionenselektive Elektrode mit einer Festkörpermem- schneller als die schwereren. Im Flugzeitmassenspektro-
bran aus einem anorganischen Salzkristall. Ionenaustausch- meter wird das Masse-Ladungsverhältnis bestimmt, indem
gleichgewichte zwischen der Lösung und der Kristallober- die erforderliche Zeit bestimmt wird, die jede Gruppe von
fläche bestimmen das Elektrodenpotential. Ionen benötigt, um eine bestimmte Strecke zum Detektor
Festphasenextraktion, solid-phase extraction Anreicherungs- zurückzulegen.
verfahren, bei dem eine Lösung durch eine kurze Säule mit Fluoreszenz, fluorescence Emission eines Photons aus einem
einer chromatographischen stationären Phase, z. B. C18-Sili- Molekül, die 10–11 bis 10–7 s nach der Absorption eines
kagel, geschickt wird. Spuren gelöster Stoffe werden an der Photons eintritt. Bei der Fluoreszenz erfolgt ein Übergang
Säule adsorbiert und können durch ein kleines Volumen zwischen Zuständen gleicher Spinmultiplizität (z. B. Singu-
eines Lösungsmittels hoher Elutionskraft eluiert werden. lett → Singulett).
Festphasenmikroextraktion, solid-phase microextraction Ex- Fluoreszenzdetektor, fluorescence detector Detektor in der
traktion von Verbindungen aus Flüssigkeiten oder Gasen Flüssigkeitschromatographie mit Verwendung starker
in eine beschichtete Faser, die aus der Nadel einer Injek- Licht- oder Laserbestrahlung des Eluats aus einer Säule,
tionsspritze ausgefahren wird. Nach der Extraktion wird wobei die emittierte Strahlung der fluoreszierenden Ana-
die Faser in die Nadel zurückgezogen, die dann durch das lyte gemessen wird.
Septum eines Chromatographen gestochen wird. Im Injek- Fluoreszenzlöschung, quenching Siehe Quenching.
tionsblock wird die Faser wieder aus der Nadel gedrückt Fluss, flux Bei Transporterscheinungen ist der Fluss die Menge
und die adsorbierten Analyte werden durch Erwärmen (in von irgendetwas durch eine Flächeneinheit in einer be-
der Gaschromatographie) oder Lösungsmittel (in der Flüs- stimmten Zeit. Zum Beispiel kann es sich um den Fluss
sigchromatographie) desorbiert. diffundierender Moleküle mol/(m2∙s) oder um den Wärme-
Feststoffunterstützte Flüssig-Flüssig-Extraktion, solid-suppor- fluss J/(m2∙s) handeln.
ted liquid-liquid extraction Form der Flüssig-Flüssig-Ex- Flüssig-Flüssig-Extraktion, liquid-liquid extraktion Extraktion
traktion, bei der die zu extrahierende Flüssigkeit auf einen eines gelösten Stoffs aus einer flüssigen Phase in ein andere.
porösen Festkörper aufgegeben wird, der die Flüssigkeit Wird zur Trennung der Komponenten eines Gemischs
festhält. Eine zweite Flüssigkeit wird dann durch den po- verwendet.
rösen Festkörper geschickt, der den gelösten Stoff aus der Flüssigkeitschromatographie, liquid chromatography Chro-
ersten Flüssigkeit extrahiert. matographie mit einer flüssigen mobilen Phase.
Ficksches Gesetz der Diffusion, Fick’s law of diffusion Siehe Flüssigmembran-Elektrode, liquid-based ion-selective electrode
Diffusionskoeffizient. Elektrode, bei der eine hydrophobe Membran die innere
Filtrat, filtrate Flüssigkeit, die durch ein Filter hindurch läuft. Referenzelektrode von der Analytlösung trennt. Die Mem-
Flammenionisationsdetektor, flame ionization detector Gas- bran ist mit einem Ionenaustauscher, der in einem unpo-
chromatographischer Detektor, in dem der Analyt in ei- laren Lösungsmittel gelöst ist, gesättigt. Das Elektroden-
ner H2-Luft-Flamme verbrannt wird, wobei CHO+-Ionen potential ergibt sich aus dem Ionenaustauschgleichgewicht
854 Glossar

des Analyten zwischen dem flüssigen Ionenaustauscher Gaußsche Fehlerkurve genannt, hat die Fläche Eins und
und der wässrigen Lösung. wird beschrieben durch:
Flussmittel, flux In der Probenvorbereitung wird ein Fluss- 1 2
− (x − μ) / 2 σ
2

mittel bei einem Schmelzaufschluss verwendet. y= e


Förster-Resonanzenergietransfer (FRET), resonance energy σ 2π
transfer Strahlungslose Energieübertragung von einem Gebundene stationäre Phase, bonded stationary phase In der
angeregten Farbstoff (Donor) auf einen zweiten Farbstoff Flüssigkeitschromatographie: eine flüssige stationäre Phase,
(Akzeptor). die kovalent an einen festen Träger gebunden ist.
Formalkonzentration, F, formal concentration Konzentrations- Gegenelektrode, counter electrode Siehe Hilfselektrode.
angabe, bei der angenommen wird, dass sich die Substanz Gegenion, counterion Ion mit einer zum interessierenden Ion
beim Lösevorgang nicht verändert. Sie entspricht der gesam- entgegengesetzten Ladung.
ten Stoffmenge in Mol pro Liter, unabhängig davon, ob beim Gekoppelte Gleichgewichte, coupled equilibria Reversible che-
Lösungsvorgang Reaktionen stattfinden. Auch analytische mische Reaktionen mit einer gemeinsamen Spezies. Zum
Konzentration genannt. Beispiel kann das Produkt einer Reaktion der Reaktant in
Formalpotential, formal potential Potential einer Halbzellen- einer anderen Reaktion sein.
reaktion (in Bezug auf die Standardwasserstoffelektrode) Gel, gel Weiche und geschmeidige Teilchen für chromatogra-
bei den Formalkonzentrationen der Reaktanten und Pro- phische stationäre Phasen, wie Sephadex oder Polyacryl-
dukte von 1. Alle anderen Bedingungen (z. B. pH, Ionen- amid.
stärke, Ligandkonzentration) müssen angegeben werden. Gelfiltrationschromatographie, gel filtration chromatography
Fourier-Analyse, Fourier analysis Methode der Zerlegung ei- Siehe Molekülausschlusschromatographie.
ner Funktion in eine unendliche Reihe von Sinus- und Gelöster Stoff, soluteLiegt in einer Lösung gegenüber dem
Kosinus-Ausdrücken. Da jeder Term für eine bestimmte Lösungsmittel im Unterschuss vor.
Wellenlänge oder Frequenz steht, zerlegt die Fourier-Ana- Gelpermeationschromatographie, gel permeation chromato-
lyse die Funktion in die Wellenlängen oder Frequenzen graphy Siehe Molekülausschlusschromatographie.
ihrer Komponenten. Geometrisches Mittel, geometric mean Für eine Reihe von n
Fourier-Reihe, Fourier series Unendliche Summe von Sinus- Messungen mit den Werten xi ist das geometrische Mittel
und Kosinus-Ausdrücken, die bei der Addition eine be- = n x1x2 …xn .
stimmte Funktion in einem bestimmten Bereich ergeben. Gepackte Säule, packed column Chromatographische Säule,
Freie Enthalpie, G, Gibbs free energy Die Änderung der freien die mit Partikeln der stationären Phase gefüllt ist.
Enthalpie, ΔG, für jeden Prozess bei konstanter Temperatur Gerätepräzision, instrument precision Die beobachtete Repro-
ergibt sich aus den Änderungen der Enthalpie (ΔH) und duzierbarkeit bei der wiederholten Eingabe der gleichen
Entropie (ΔS) durch die Gleichung ΔG = ΔH – T ΔS, mit T Probenmenge in das Gerät. Auch Injektionspräzision ge-
der Temperatur in Kelvin. Ein Prozess verläuft freiwillig (ist nannt.
thermodynamisch begünstigt), wenn ΔG negativ ist. Gesamter organischer Kohlenstoff, total organic carbon In
Freiheitsgrade, degrees of freedom In der Statistik: Anzahl Proben von natürlichem Wasser oder Industrieabwasser:
der Beobachtungen minus der Anzahl der Parameter, die Menge an CO2, die entsteht, wenn vor der vollständigen
aus den Beobachtungen abgeschätzt wurden. Oxidation mit Sauerstoff bei 900 °C in Gegenwart eines
Freiwilliger Vorgang, spontaneous process Siehe unter spon- Katalysators zunächst angesäuert und gespült wird, um
taner Vorgang. Carbonate und Hydrogencarbonate zu entfernen.
Frequenz, ν, frequency Anzahl der Zyklen eines sich wieder- Gesamtkohlenstoff, total carbon In Proben von natürlichem
holenden Vorgangs pro Zeiteinheit. Wasser oder Industrieabwasser: Menge an CO2, die bei
Fugazität, fugacity Aktivität eines Gases. der vollständigen Oxidation der Probe mit Sauerstoff bei
Fugazitätskoeffizient, fugacity coefficient Aktivitätskoeffizient 900 °C in Gegenwart eines Katalysators entsteht.
eines Gases. Gesamtmaterial für die Analyse, lot Das gesamte zu analy-
Galvanische Zelle, galvanic cell Zelle, die aufgrund einer frei- sierende Material. Beispiele sind: ein Flasche mit Reagenz,
willigen chemischen Reaktion elektrischen Strom liefert. ein See, eine Wagenladung Kies.
Gangunterschied, δ, retardation Differenz der Weglängen des Gesamtmobilität, apparent mobility Proportionalitätskons-
Lichts, das auf die stationären und beweglichen Spiegel ei- tante μges zwischen der Nettogeschwindigkeit unet eines Ions
nes Interferometers trifft. in der Lösung und der Stärke das angelegten elektrischen
Gaschromatographie, gas chromatography Form der Chro- Feldes, E: unet = μges E. Die Gesamtmobilität ist die Summe
matographie, bei der die mobile Phase ein Gas ist. der elektrophoretischen und elektroosmotischen Mobilitä-
Gauß-Rauschen, Gaussian noise Siehe weißes Rauschen. ten: μges = μep + μeo.
Gauß-Verteilung, Gaussian distribution Theoretische, glocken- Gesamtsauerstoffbedarf, total oxygen demand In Proben
förmige Verteilung von Messwerten, wenn sämtliche Fehler von natürlichem Wasser oder Industrieabwasser: Menge
zufällig sind. Das Zentrum der Kurve ist der Mittelwert, an O2, die für die vollständige Oxidation aller Spezies im
μ, und ihre Breite wird durch die Standardabweichung, Wasser bei 900 °C in Gegenwart eines Katalysators erfor-
σ, charakterisiert. Eine normierte Gauß-Verteilung, auch derlich ist.
Glossar 855

Gesättigte Kalomel-Elektrode, S.C.E., saturated calomel elec- die nicht geglüht werden müssen, besteht der Tiegel aus
trode Kalomel-Elektrode, die mit KCl gesättigt ist. Die Glas und hat anstelle der Löcher am Boden eine poröse
Halbzellenreaktion lautet Hg2Cl2 + 2 e– U 2Hg(l) + 2 Cl–. Glasscheibe.
Gesättigte Lösung, saturated solution Lösung, welche die Gradientenelution, gradient elution Chromatographischer Vor-
maximal mögliche Menge eines Stoffs im Gleichgewicht in gang, bei dem die Zusammensetzung der mobilen Phase
gelöster Form enthält. fortlaufend verändert wird, um die Elutionskraft des Lö-
Gewichtsprozent, Gew%, weight percent Eigentlich Masse- sungsmittels zu erhöhen.
prozent. Definiert als (Masse des gelösten Stoffs/Masse der Grammatom, gram-atom Masse eines Elements mit einer der
Lösung) × 100. Avogadroschen Zahl entsprechenden Anzahl von Atomen;
GHS, Global harmonisiertes System, globally harmonized sys- identisch mit dem Mol des Elements.
tem Internationales System zur Einstufung und Kenn- Gran-Darstellung, Gran plot Graphische Darstellung, bei der
zeichnung von Chemikalien mit Angaben der Gefährdung VB × 10–pH gegen VB aufgetragen wird, um den Titrati-
und Verhaltensregelungen in Sicherheitsdatenblättern. onsendpunkt zu ermitteln. VB ist bei der Titration einer
Gitter, grating Entweder eine reflektierende oder durchläs- Säure das zusetzte Volumen der Titrant-Base. Der Anstieg
sige Oberfläche, in die dicht benachbarte Rillen geätzt sind. im linearen Teil der Graphik ist mit der Säurekonstanten
Dient zur Zerlegung des Lichts in seine verschiedenen verknüpft.
Wellenlängen. Graphit(rohr)ofen, graphite furnace Graphitrohr, das elekt-
Glaselektrode, glass electrode Elektrode mit einer dünnen risch auf ca. 2 500 K erhitzt werden kann, um eine Probe in
Glasmembran, an der sich ein pH-abhängiges Gleichge- der Atomspektroskopie zu zersetzen und zu atomisieren.
wicht einstellt. Die Spannung (und damit der pH-Wert) Gravimetrische Analyse, gravimetric analysis Analytische Me-
wird durch zwei Referenzelektroden an jeder Seite der thode, bei der die Masse einer Substanz (z. B. als Nieder-
Membran gemessen. schlag) bestimmt wird.
Glaskohlenstoffelektrode, glassy carbon electrode Inerte Koh- Grenzflächenaktive Substanz, surfactant Molekül mit einer
lenstoffelektrode, die undurchlässig für Gase ist und sich ionischen oder polaren Kopfgruppe und einem langen un-
besonders als Anode eignet. Die isotrope Struktur (gleich polaren Schwanz. Grenzflächenaktive Stoffe können sich in
in allen Richtungen) wird darauf zurückgeführt, dass Glas- wässriger Lösung zu Mizellen zusammenlagern. Der Name
kohlenstoff aus verknäulten und vernetzten Bändern von sagt, dass sie sich an der Grenzfläche von polaren und
graphitähnlichen Schichten besteht. unpolaren Phasen anreichern, wobei sie die Grenzflächen-
Glättung, smoothing Anwendung mathematischer Verfahren spannung (freie Enthalpie der Oberflächenbildung) ver-
oder von elektrischen Filtern zur Verbesserung der Signal- ändern. Seifen sind ein Beispiel für diese auch als Tenside
qualität. bezeichneten Stoffe.
Gleichgewicht, equilibrium Zustand, bei dem die Geschwin- Grenzstrom, limiting current In der Polarographie: der am
digkeiten aller Hin- und Rückreaktionen gleich sind, so Plateau der polarographischen Stufe fließende Strom. Siehe
dass die Konzentrationen aller Spezies konstant bleiben. auch Diffusionsstrom.
Gleichgewichtskonstante, K, equilibrium constant Für die Re- Größenausschlusschromatographie, size exclusion chromato-
aktion aA + bB U cC + dD gilt: K = ACc ADd/AAa ABb, mit Ai graphy Siehe Molekülausschlusschromatographie.
der Aktivität des Teilches i. Größenordnung, order of magnitude Eine Zehnerpotenz.
Gleichioniger Zusatz, common ion effect Tritt ein, wenn ein Grubbs-Test, Grubbs test Statistischer Test zur Entscheidung,
Salz in einer Lösung gelöst wird, die bereits eines der Ionen ob ein verdächtiger Wert verworfen werden kann.
des Salzes enthält. Das Salz ist weniger löslich als in einer Grundzustand, ground state Zustand eines Atoms oder Mo-
Lösung ohne dieses zusätzliche Ion. Anwendung des Prin- leküls mit der niedrigsten möglichen Energie.
zips von Le Châtelier. Grüne Chemie, green chemistry Prinzipien zu Veränderung
Gleichstrompolarographie, direct current polarography Klas- des Verhaltens der Menschen, damit die Erde bewohnbar
sische Form der Polarographie, bei der eine lineare Span- bleibt. Die grüne Chemie sucht nach chemischen Produk-
nungsrampe an die Arbeitselektrode angelegt wird. ten und Verfahren, bei denen Ressourcen und Energie ge-
Globar, globar Eine elektrisch heizbare Infrarot-Strahlungs- spart und gefährliche Abfälle vermieden werden.
quelle aus Siliziumcarbidkeramik. Gummiwischer, rubber policeman Glasstab mit einem flachen
Glühen, ignition Erhitzen eines gravimetrischen Niederschlags Gummistück an der Spitze. Das Gummistück wird in der
auf hohe Temperaturen, um diesen in eine bekannte Verbin- gravimetrischen Analyse dazu benutzt, feste Teilchen von
dung mit konstanter Zusammensetzung zu überführen, die der Glasoberfläche zu entfernen.
dann gewägt werden kann. Halbleiter, semiconductor Material, dessen Leitfähigkeit (10–7
Gooch-Tiegel, Gooch filter crucible Kleiner becherförmiger bis 104 Ω–1 m–1) zwischen der Leitfähigkeit guter Leiter (108
Behälter mit Löchern im Boden, der für Filtration und Ω–1 m–1) und der von Isolatoren (10–20 bis 10–12 Ω–1 m–1)
Glühen von Niederschlägen benutzt wird. Für Glühpro- liegt.
zesse verwendet man Tiegel aus Porzellan oder Platin, die Halbstufenpotential, half-wave potential Potential in der
mit einer Matte aus keramischen Fasern zur Zurückhaltung Mitte des Stromanstiegs bei einer polarographischen
des Niederschlags ausgekleidet sind. Bei Niederschlägen, Welle.
856 Glossar

Halbzelle, half-cell Teil einer elektrochemischen Zelle, in der HETP, height equivalent to a theoretical plate Länge einer chro-
die Hälfte einer elektrochemischen Reaktion (entweder die matographischen Säule dividiert durch Zahl der theoreti-
Oxidation oder die Reduktion) abläuft. schen Böden.
Halbwertsbreite, w1/2, half-width Breite des Signals in halber Hilfselektrode, auxiliary electrode Stromführender Partner
Höhe. der Arbeitselektrode bei einer Elektrolyse, auch Gegenelek-
Halbzellenreaktion („Halbreaktion“), half-reaction Jede Re- trode (counter electrode) genannt.
doxreaktion kann gedanklich in zwei Halbreaktionen ge- Hilfskomplexbildner, auxiliary complexing agent Ligand, z. B.
teilt werden, eine nur für die Oxidation, und eine nur für Ammoniak, der in einer Lösung ein anderes Teilchen (Me-
die Reduktion. tallion) stabilisiert und in Lösung hält. Der Hilfsligand ist
Hall-Héroult-Prozess, Hall-Héroult process Elektrolytische nicht sehr fest gebunden und kann durch das Titrations-
Herstellung von metallischem Al aus einer Schmelzflusslö- mittel verdrängt werden.
sung von Al2O3 und Kryolith (Na3AlF6). HILIC Siehe hydrophile Wechselwirkungschromatographie.
Hammett-Funktion, Hammett acidity function Die Azidität Hintergrundelektrolyt, background electrolyte In der Kapil-
eines Lösungsmittels, das die schwache Base B protoniert, larelektrophorese: das Puffermedium, in dem die Trennung
wird als Hammett-Säurefunktion (H0) bezeichnet und ist durchgeführt wird.
gegeben durch Hintergrundkorrektur, backgrund correction Siehe Unter-
[B] grundkorrektur.
H0 = pKS (für BH+) log .
⎡⎣ BH ⎤⎦
+
Hochleistungsflüssigkeitschromatographie, HPLC, high-perfor-
Für verdünnte wässrige Lösungen nähert sich H0 dem pH- mance liquid chromatography Chromatographische Tech-
Wert an. nik, bei der sehr kleine Partikel einer stationären Phase und
Hängende Tropfenelektrode, hanging-drop electrode Elekt- hoher Druck angewendet werden, um das Lösungsmittel
rode mit stationärem Hg-Tropfen, der für die Stripping- durch die Säule zu treiben.
Analyse verwendet wird. Hohlkathodenlampe, hollow-cathode lamp Lichtquelle, die
Harz, resin Kleine, harte Teilchen eines Ionenaustauschers, z. B. scharfe Atomlinien emittiert, die für das Element, aus dem
Polystyren mit ionischen Substituenten. die Kathode besteht, charakteristisch sind.
Härte (des Wassers), hardness Gesamtkonzentration der Erd- Homogen, homogeneous Von gleicher Zusammensetzung.
alkaliionen in natürlichen Wässern, ausgedrückt als mg Hydratationsenthalpie, enthalpy of hydration Bei der Überfüh-
CaCO3 pro Liter Wasser mit der Annahme, dass sämtliche rung eines gasförmigen Ions in Wasser freigesetzte Wärme.
Erdalkalien als CaCO3 vorliegen. Siehe auch permanente Hydratradius, hydrated radius Effektive Größe eines Ions oder
Härte und temporäre Härte. Moleküls in wässriger Lösung unter Einbeziehung der an-
Heisenbergsches Unschärfeprinzip, Heisenberg uncertainty prin- gelagerten Wassermoleküle.
ciple Bestimmte Paare physikalischer Größen können nicht Hydrodynamischer Fluss, hydrodynamic flow Bewegung eines
gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit bestimmt werden. Fluids durch ein Rohr, die durch eine Druckdifferenz her-
Wenn δE die Unsicherheit in der Energiedifferenz zwischen vorgerufen wird. Hydrodynamischer Fluss ist gewöhnlich
zwei Atomzuständen und δt die Lebensdauer des angeregten laminar, bei dem ein parabolisches Profil der Geschwindig-
Zustands sind, kann ihr Produkt nicht genauer als durch keitsvektoren auftritt, mit der höchsten Geschwindigkeit
δEδt ≥ h/(4π) angegeben werden. h ist die Plancksche Kon- im Zentrum des Stroms und der Geschwindigkeit Null an
stante. Eine ähnliche Beziehung gilt zwischen dem Ort und den Wänden.
dem Impuls eines Teilchens. Wenn die Position des Teilchens Hydrodynamische Injektion, hydrodynamic injection In der
sehr genau bekannt ist, ist die Unsicherheit des Impulses Kapillarelektrophorese: Anwendung einer Druckdifferenz
groß und umgekehrt gilt das Gleiche. zwischen den beiden Enden der Kapillare zur Injektion
Henderson-Hasselbalch-Gleichung, Henderson-Hasselbalch- der Probe in die Kapillare. Dies erfolgt durch Anlegen von
equation Logarithmische Umformung der Gleichung für Druck an einem Ende, Anlegen eines Unterdrucks am an-
die Säurekonstante deren Ende oder durch Siphonwirkung.
⎡A− ⎤ Hydrodynamischer Radius, hydrodynamic radius Effektiver
pH = pKS + log ⎣ ⎦ . Radius eines Moleküls, das durch ein Fluid wandert. Er
⎡⎣HA ⎤⎦ wird durch die Stokes-Gleichung definiert, in welcher der
Henry-Gesetz, Henry’s law Der Partialdruck eines Gases, das Reibungskoeffizient 6πηr beträgt, wobei η die Viskosität
sich im Gleichgewicht mit dem in einer Flüssigkeit gelös- der Lösung und r der hydrodynamische Radius des Mole-
tem Gas befindet, ist proportional zur Konzentration des küls sind.
gelösten Gases: P = k[gelöstes Gas]. Die Konstante k ist die Hydrolyse, hydrolysis „Reaktion mit Wasser“. Die Reaktion
Henry-Konstante. Sie hängt vom Gas, der Flüssigkeit und B + H2O U BH+ + OH– wird z. B. als Hydrolyse bezeich-
der Temperatur ab. net. Heute wird der Begriff Protolyse bevorzugt.
Hertz, Hz Einheit der Frequenz, s–1, auch reziproke Sekunde Hydroniumion, H3O+, hydronium ion Das meinen wir, wenn
genannt. H+(aq) geschrieben wird.
Heterogen, heterogeneous In der Zusammensetzung nicht Hydrophile Substanz, hydophilic substance Substanz, die
einheitlich. wasserlöslich ist oder Wasser an ihrer Oberfläche bindet.
Glossar 857

Hydrophile Wechselwirkungschromatographie, HILIC, hyd- des Analyten zugesetzt wird. Die Konzentration des Ana-
rophilic interaction chromatography Chromatographische lyten wird dann relativ zu der des inneren Standards ge-
Trennung von polaren Stoffen an einer hydrophilen statio- messen.
nären Phase mit einem gemischten (organisch/wässrigem) Intensität, intensity Leistung der emittierten elektromagneti-
Lösungsmittel. Die Elutionskraft steigt mit abnehmendem schen Strahlung pro Flächeneinheit (W/m2).
organischem Anteil. Interferenz, interference Siehe Störung.
Hydrophobe Substanz, hydrophobic substance Substanz, die Interferenzfilter, interference filter Filter, das für bestimmte
unlöslich in Wasser ist oder Wasser von ihrer Oberfläche Wellenlängen durchlässig ist und andere reflektiert. Das
abstößt. durchgelassene Licht zeigt konstruktive Interferenz mit
Hydrophobe Wechselwirkungschromatographie, hydrophobic dem Filter, während das reflektierte Licht destruktiv inter-
interaction chromatography Chromatographische Tren- feriert.
nung, die auf der Wechselwirkung eines hydrophoben Ana- Interferogramm, interferogram Graphische Darstellung der
lyten mit einer hydrophoben stationären Phase beruht. Lichtintensität gegen die Verzögerung (oder Zeit) für die
Hygroskopische Substanz, hygroscopic substance Substanz, Strahlung, die aus einem Interferometer tritt.
die sehr leicht Wasser aus der Atmosphäre aufnimmt. Interferometer, interferometer Gerät mit einem Strahlteiler,
Immunoassay, immunoassay Analytische Messung, bei der festem und beweglichem Spiegel, in dem auftreffendes Licht
die Bindung eines Antigens an einen Antikörper als grund- in zwei Strahlen zerlegt wird, die miteinander interferieren.
legendes Messprinzip angewendet wird. Das Ausmaß der Interferenz hängt von der Differenz der
Indikator, indicator Substanz mit einer physikalischen Ei- Weglängen der beiden Strahlen ab.
genschaft (gewöhnlich die Farbe), die sich in der Nähe Interkalation, intercalation Einschiebung von Atomen, Ionen
des Äquivalenzpunktes einer chemischen Reaktion abrupt oder kleinen Molekülen zwischen andere chemische Struk-
ändert. turen, z. B. die Bindung eines ebenen aromatischen Mole-
Indikatorelektrode, indicator electrode Elektrode, deren Poten- küls zwischen die durch Wasserstoffbrücken verbundenen
tial von der Aktivität einer oder mehrerer Spezies bestimmt Basenpaare der DNA und RNA.
wird, die sich in Kontakt mit der Elektrode befinden. Interlaboratoriumspräzision, interlaboratory precision Beob-
Indikatorfehler, indicator error Differenz zwischen dem In- achtete Reproduzierbarkeit bei der Analyse der gleichen
dikatorendpunkt einer Titration und dem wahren Äquiva- Probe, die in verschiedenen Labors von verschiedenen
lenzpunkt. Personen durchgeführt wird.
Indirekte Detektion, indirect detection Chromatographische Intermediate Präzision, intermediate precision Beobachtete
Detektionsmethode, die auf der Abwesenheit des Signals ei- Reproduzierbarkeit bei der Analyse einer Probe im gleichen
nes Eluentenzusatzes beruht. So können z. B. in der Ionen- Labor, die aber von verschiedenen Personen an verschiede-
chromatographie dem Eluenten lichtabsorbierende Ionen nen Geräten und an unterschiedlichen Tagen durchgeführt
zugesetzt werden. Nichtabsorbierende Ionen verdrängen wurde. Auch als ruggedness bezeichnet.
eine äquivalente Menge des lichtabsorbierenden Eluenten, Interne Konversion, internal conversion Strahlungsloser, iso-
wenn der Analyt die Säule verlässt. Dabei tritt eine Ab- energetischer Elektronenübergang zwischen Zuständen der
nahme der Extinktion im Eluat ein. gleichen Elektronenspinmultiplizität.
Indirekte Titration, indirect titration Wird verwendet, wenn Interpolation, interpolation Abschätzung des Werts einer
der Analyt nicht direkt titriert werden kann. Zum Beispiel Größe, der zwischen zwei bekannten Werten liegt.
kann der Analyt A mit dem Reagenz R im Überschuss Intersystem Crossing Strahlungsloser, isoenergetischer Elek-
ausgefällt werden. Das Produkt AR wird abfiltriert und der tronenübergang zwischen Zuständen verschiedener Elekt-
Überschuss an R ausgewaschen. Dann wird AR in einer ronenspinmultiplizität.
neuen Lösung aufgelöst und R kann titriert werden. Intra-Assay-Präzision, intra-assay precision Beobachtete Re-
Individuelle Bildungskonstante, stepwise formation cons- produzierbarkeit bei der Analyse von Aliqoten einer ho-
tant Gleichgewichtskonstante für eine Reaktion des Typs mogenen Probe durch eine Person an einem Tag mit dem
MLn–1 + L U MLn. Auch konsekutive Bildungskonstante gleichen Gerät.
genannt. Inversvoltammetrie Siehe Stripping-Analyse.
Induktiv gekoppeltes Plasma, inductively coupled plasma Iodimetrie, iodimetry Maßanalytische Methode unter Ver-
Hochtemperatur-Plasma, das seine Energie aus einem os- wendung von Triiodid (oder Iod) als Titrant.
zillierenden Hochfrequenzfeld erhält. Es wird in der Atom- Iodometrie, iodometry Maßanalytische Methode, bei der ein
emissionsspektroskopie zur Atomisierung der Probe be- Oxidationsmittel zur Erzeugung von I3– mit I– versetzt wird,
nutzt. das anschließend (gewöhnlich mit Thiosulfat) titriert wird.
Injektionspräzision, injection precision Siehe Gerätepräzision. Ionenatmosphäre, ionic atmosphere Bereich in einer Lösung
Inklusion, inclusion Verunreinigung, die in einem Kristall um ein Ion oder ein geladenes Teilchen. Sie enthält einen
einen Gitterplatz besetzt. Überschuss der entgegengesetzt geladenen Ionen.
Innerer Filtereffekt, inner filter effect Siehe Selbstabsorption. Ionenausschlusschromatographie, ion exclusion chromatogra-
Innerer Standard, internal standard Bekannte Menge eines phy Methode, bei der Elektrolyte von Nichtelektrolyten
anderen Stoffs, die der Lösung einer unbekannten Menge durch ein Ionenaustauscherharz getrennt werden.
858 Glossar

Ionenaustauschchromatographie, ion-exchange chromato- Ionische Flüssigkeit, ionic liquid Salz, das in der Nähe oder
graphy Chromatographische Methode, bei der Analyt- unterhalb der Zimmertemperatur schmilzt und einem gro-
ionen aus einer Lösung durch eine stationären Phase mit ßen Temperaturbereich flüssig bleibt.
entgegengesetzt geladenen Stellen zurückgehalten wer- Ionophor, ionophore Molekül mit einer hydrophoben Außen-
den. und einer polaren Innenseite, das ein Ion einschließen und
Ionenaustauschgleichgewicht, ion-exchange equilibrium durch eine hydrophobe Phase (z. B. eine Zellmembran)
Gleichgewicht des Austauschs eines Kations gegen ein an- transportieren kann.
deres Kation oder eines Anions gegen ein anderes Anion. Irrtumsrisiko, error probability In der Statistik: Angabe für
Die Ionen werden in diesen Reaktionen durch elektrostati- das Nichteintreten eines Ereignisses. 100 % = Prozentuale
sche Kräfte gebunden. Sicherheit (oder prozentuale Wahrscheinlichkeit) plus Irr-
Ionenaustauschmembran, ion-exchange membrane Memb- tumsrisiko (in %).
ran mit kovalent gebundenen, geladenen Gruppen. Ent- Isobare Interferenz, isobaric interference In der Massenspekt-
gegengesetzt geladene Ionen einer Lösung können unge- rometrie: Überlappung von zwei Peaks mit nahezu gleichen
hindert die Membran durchdringen, während gleichsinnig Massen. Zum Beispiel unterscheiden sich 41K+ und 40ArH+
geladene Ionen von der Membran durch die gebundenen um 0.01 Masseneinheiten und erscheinen als gemeinsames
Ladungsträger zurückgestoßen werden. Signal, wenn die Auflösung des Spektrometers nicht zu
Ionenbeweglichkeit, mobility Wanderungsgeschwindigkeit deren Trennung reicht.
von Ionen einer bestimmten Art in Wasser von 25 °C in Isoelektrische Fokussierung, isoelectric focussing Technik,
einem elektrischen Feld von 1 V/m. Die Dimension der bei der sich eine Probe mit mehrprotonigen Molekülen in
Ionenbeweglichkeit ist m²/sV. einem starken elektrischen Feld mit einem pH-Gradienten
Ionenchromatographie, ion chromatography Ionenaustausch- befindet. Jedes Teilchen wandert bis zu der Stelle, die sei-
chromatographie mit HPLC-Technik zur Ionentrennung. nem isoelektrischen pH-Wert entspricht. Dort besitzt das
Siehe auch Suppressortechnik in der Ionenchromatographie Teilchen keine Ladung, wandert nicht weiter und wird in
und Einsäulen-Ionenchromatographie. einem schmalen Band fokussiert.
Ionenmobilitätsspektrometer, ion mobilty spectrometer Ein Isoelektrischer Puffer, isoelectric buffer Eine neutrale, mehr-
Spektrometer, das die Driftzeit von gasförmigen Ionen protonige Säure wird gelegentlich in der Kapillarzonenelek-
misst, die in einem elektrischen Feld gegen einen Gas- trophorese als „Puffer“ mit geringer Leitfähigkeit verwen-
strom wandern. Das „Spektrum“ des Detektorstroms ge- det. Zum Beispiel hat eine Lösung von reiner Asparagin-
gen die Driftzeit ist eigentlich das Elektropherogramn säure (pK1=1.99; pK2=3.90; pK3=10.00) einen pH-Wert =
eines Gases. ½ (pK1 + pK2) = 2.94. Die Bezeichnung der Asparaginsäure
Ionenpaar, ion pair Eng assoziierte Kationen und Anionen, als Puffer ist eigentlich ein Widerspruch, da die Pufferka-
die durch elektrostatische Kräfte zusammengehalten wer- pazität bei pH 2.94 ein Minimum hat und auf Maxima bei
den. In Lösungsmitteln, die weniger polar als Wasser sind, pH 1.99 und 3.90 steigt. Wenn sich jedoch der pH von 2.94
treten Ionen häufig in Form von Ionenpaaren auf. wegbewegt, gewinnt die Lösung beträchtlich an Pufferka-
Ionenpaarchromatographie, ion-pair chromatography Tren- pazität. Wenn die Elektrophorese mit Asparaginsäure als
nung von Ionen an einer Umkehrphasen-HPLC-Säule Hintergrundelektrolyt durchgeführt wird, liegt der pH in
durch Zusatz eines hydrophoben Gegenions zum Eluenten, der Nähe von 2.94 und die Leitfähigkeit bleibt sehr niedrig,
das mit dem Analytion ein Ionenpaar bildet und von der so dass ein hohes elektrisches Feld für eine schnelle Tren-
stationären Phase zurückgehalten wird. nung angelegt werden kann.
Ionenradius, ionic radius Tatsächlicher Radius eines Ions in Isoelektrischer Punkt, isoelectric point pH-Wert, bei dem die
einem Kristall. Durchschnittsladung eines mehrprotonigen Teilchens Null
Ionenselektive Elektrode, ion-selective electrode Elektrode, ist.
deren Potential selektiv von der Konzentration eines be- Isoionischer Punkt, isoionic point pH-Wert der reinen Lösung
stimmten Ions der Lösung abhängt eines ungeladenen, mehrprotonigen Moleküls. Es liegen
Ionenspray, ion spray Siehe Elektrospray-Ionisation. nur H+, OH– und Ionen vor, die sich von dem mehrproto-
Ionenstärke, μ, ionic strength Durch μ = ½ Σi cizi2 bestimmt, nigen Teilchen ableiten.
mit der Konzentration des Ions i in der Lösung, ci, und Isokratische Elution, isocratic elution Chromatographie, bei
seiner Ladung, zi. Es wird die Summe über alle Ionen in der der nur ein einziges Lösungsmittel für die mobile Phase
Lösung gebildet, einschließlich der Ionen, deren Aktivitäts- verwendet wird.
koeffizienten bestimmt werden sollen. Isosbestischer Punkt, isosbestic point Wellenlänge, bei der
Ionenwanderung Siehe Migration. sich die Absorptionsspektren von zwei Spezies schneiden.
Ionisationsinterferenz, ionization interference In der Atom- Das Auftreten von isosbestischen Punkten in einer Lösung,
spektroskopie: Erniedrigung der Signalintensität durch Io- in der eine chemische Reaktion stattfindet, ist ein Zeichen
nisierung der Atome des Analyten. dafür, dass nur zwei Komponenten mit konstanter Gesamt-
Ionisationssuppressor, ionization suppressor Ein in der Atom- konzentration vorhanden sind.
spektroskopie: zur Verringerung der Ionisierung des Analy- Isotherme, isotherm Graphische Darstellung von Cs (Mas-
ten zugesetztes Element. senübergang in die stationäre Phase) gegen Cm (Mas-
Glossar 859

senübergang in die mobile Phase) bei einer gegebenen Kapillarelektrochromatographie, capillary electrochromatogra-
Temperatur. phy Form der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie,
Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie, isotope ratio mass bei der die stationäre Phase nicht durch einen Druckgradi-
spectrometry Massenspektrometrische Technik zur ge- ent sondern durch Elektroosmose bewegt wird. Die Analyte
nauen Ermittlung des Verhältnisses der verschiedenen Io- werden durch Verteilung zwischen mobiler und stationärer
nen eines ausgewählten Elements. Das Gerät hat für jedes Phase getrennt.
Isotop einen eigenen Detektor. Kapillarelektrophorese, capillary electrophoresis Trennung
Jobsche Methode, Job’s method Siehe Methode der kontinu- einer Mischung in ihre Bestandteile durch ein starkes
ierlichen Variation. elektrisches Feld zwischen den beiden Enden einer mit
Johnson-Rauschen, Johnson noise Form des weißen Rau- Elektrolytlösung gefüllten Kapillare. Im Unterschied zur
schens durch Zufallsschwankungen der Elektronen in ei- Chromatographie gibt es keine stationäre Phase. Die
nem elektronischen Bauteil. Wird durch Temperaturer- Analyte werden durch Unterschiede ihrer Mobiltäten ge-
niedrigung verringert. trennt.
Jones-Reduktor, Jones reductor Mit Zinkamalgam gefüllte Kapillargelelektrophorese, capillary gel electrophoresis Form
Säule. Ein oxidierter Analyt wird durch die Säule geschickt der Kapillarelektrophorese, bei der die Kapillare mit einem
und dabei reduziert. Anschließend kann er mit einem Oxi- Polymergel gefüllt ist, das als Sieb für Makromoleküle
dationsmittel titriert werden. dient. Die größeren Moleküle wandern langsamer durch
Joule, J SI-Einheit der Energie. Ein Joule wird verbraucht, das Gel.
wenn eine Kraft von 1 N über einen Abstand von 1 m Kapillarzonenelektrophorese, capillary zone electrophore-
wirkt. Diese Energie entspricht der, die zum Heben von 102 sis Form der Kapillarelektrophorese, bei der ionische
g um 1 m (bei Meereshöhe) erforderlich ist. Analyte durch ihre unterschiedlichen elektrophoretischen
Joulesche Wärme, Joule heating Wärme, die in einem elek- Beweglichkeiten getrennt werden.
trischen Stromkreis durch den Stromfluss erzeugt wird. Karl-Fischer-Titration, Karl Fischer titration Nachweisstarke
Leistung (J/s²) = I²R, mit I, der Stromstärke, A, und R, dem Methode zur Bestimmung kleiner Mengen von Wasser, die
Widerstand, Ω. auf der Reaktion von H2O mit einem Amin, I2, SO2 und
Kalibrationskurve, calibration curve Graphische Darstellung, einem Alkohol beruht.
die den Zahlenwert einer Eigenschaft gegen die Konzent- Kathode, cathode Elektrode, an der die Reduktion erfolgt. In
ration des Analyten zeigt. Wenn die entsprechende Eigen- der Elektrophorese: die negative Elektrode
schaft einer unbekannten Probe gemessen wird, kann deren Kathodische Stufe, cathodic wave In der Voltammetrie:
Konzentration aus der Graphik bestimmt werden. Stromfluss durch Reduktion an der Arbeitselektrode.
Kalibrationsprüfung, calibration check In einer Analysen- Kathodischer Depolarisator, cathodic depolarizer Molekül,
reihe durch den Analytiker vorgenommene Untersuchung das leicht reduziert wird und dadurch verhindert, dass
einer von ihm selbst hergestellten Probe bekannter Kon- das Kathodenpotential einer elektrochemischen Zelle sehr
zentration. Die Kalibrationsprüfung dient dem Analytiker niedrig wird.
zur Kontrolle des Verfahrens und der Geräte. Katholyt, catholyte Lösung, die sich im Kathodenraum einer
Kalibrierung, calibration Vorgang, bei dem die tatsächliche elektrochemischen Zelle befindet.
physikalische Größe (z. B. Masse, Volumen, Kraft oder Kation, cation Positiv geladenes Ion.
elektrischer Strom) auf die von einem Messinstrument an- Kationenaustauscher, cation exchanger Ionenaustauscher mit
gezeigte Größe bezogen wird. negativ geladenen Gruppen, die kovalent an den Träger
Kalomel-Elektrode, calomel electrode Wichtige Bezugselek- gebunden sind. Er kann Kationen reversibel binden.
trode, die auf der Halbzellenreaktion Hg2Cl2(s) + 2 e– U Kegelspannung, cone voltage Zwischen dem Skimmer-Kegel
2Hg(l) + 2 Cl– beruht. Siehe auch S.C.E. und einer benachbarten Öffnung für den Eintritt gasför-
Kaltes Trapping, cold trapping Splitlose gaschromatographi- miger Ionen in den Massenseparator eines Massenspektro-
sche Injektionstechnik, bei welcher der Analyt weit un- meters angelegte Spannung. Die Größe der Spannung kann
terhalb seines Siedepunkts in einer schmalen Bande am zur Verstärkung der stoßaktivierten Dissoziation der Ionen
Säulenanfang kondensiert wird. vor der Massentrennung erhöht werden.
Kanzerogen, karzinogen, carcinogen Krebs verursachend. Keimbildung, nucleation Vorgang, bei dem Moleküle in ei-
Kapazität, capacitance Die elektrische Kapazität von zwei ner Lösung zufällig zusammentreten und kleine kristalline
parallelen, geladenen Flächen ist gleich der Ladung auf je- Aggregate bilden, die zu größeren Kristallen wachsen kön-
der Fläche dividiert durch die elektrische Potentialdifferenz nen.
(Volt) zwischen den beiden Flächen. Kelvin, K, kelvin Einheit der absoluten Temperatur, die so
Kapazitätsfaktor, capacity factor Siehe Retentionsfaktor. definiert ist, dass die Temperatur von Wasser an seinem
Kapazitätsstrom, charging current Elektrischer Strom, der Tripelpunkt (an dem sich Wasser, Eis und Wasserdampf im
beim Aufladen oder Entladen der elektrischen Doppel- Gleichgewicht befinden) 273.16 K und die Temperatur am
schicht an der Grenzfläche zwischen Elektrode und Lösung absoluten Nullpunkt 0 K beträgt.
entsteht. Kennziffer, characteristic Der Teil des Logarithmus, der links
Kapazitätsverhältnis, capacity ratio Siehe Retentionsfaktor. vom Dezimalpunkt steht.
860 Glossar

Kilogramm, kg, kilogram SI-Einheit der Masse eines beson- Konvektion, convection Vorgang, bei dem ein gelöster Stoff
deren Pt-Ir-Zylinders, der im Internationalen Büro für von einer Stelle in einer Lösung zu einer anderen durch
Maße und Gewichte in Sèvres, Frankreich, aufbewahrt eine Bewegung der gesamten Lösung transportiert wird.
wird. Konzentration, concentration Gehaltsangabe für den Anteil
Kjeldahl-Bestimmung, Kjeldahl nitrogen analysis Methode zur eines Stoffs pro Volumen- oder Masseneinheit in einem
Stickstoffbestimmung in organischen Verbindungen. Die Gemisch. Wird meist in mol/L (obwohl veraltet häufig
Verbindung wird in siedender H2SO4 aufgeschlossen, um noch als Molarität bezeichnet) angegeben.
Stickstoff in NH+4 umzuwandeln. Dieses wird anschließend Konzentrationspolarisation, concentration polarization Tritt
mit Base behandelt und als NH3 in eine Standardsäurelö- auf, wenn eine Elektrodenreaktion so schnell abläuft, dass
sung destilliert. Die mol verbrauchter Säure entsprechen die Analytkonzentration in der Nähe der Elektrodenoberflä-
dem aus der Verbindung freigesetztem NH3. che nicht der im Inneren der Lösung (im Bulk) entspricht.
Koagulation, coagulation In Bezug auf die gravimetrische Konzentrationszelle, concentration cell Galvanische Zelle, in
Analyse: Zusammentritt kleiner Kristallite zu großen Kris- der beide Halbzellenreaktionen identisch, die Konzentrati-
tallen. onen in den Halbzellen jedoch unterschiedlich sind. Durch
Kohärenz, coherence Bei elektromagnetischen Wellen: Über- die Zellreaktion steigt die Konzentration der Teilchen in
einstimmungsgrad der Phasen. Laserlicht ist hochgradig der einen Halbzelle an und in der anderen nimmt sie ab.
kohärent. Korrelationskoeffizient, correlation coefficient Das Quadrat
Kollektorfällung, gathering Vorgang, bei dem ein Spurenbe- des Korrelationskoeffizienten, R², ist ein Maß für die Güte
standteil einer Lösung vorsätzlich gemeinsam mit einem der Werteanpassung an eine Gerade. Je näher R² bei 1 liegt,
Hauptbestandteil ausgefällt wird. desto besser ist die Anpassung.
Kollimation, collimation Herstellung von Licht, dessen Strah- Kovats-Index, Kovats index Siehe Retentionsindex.
len parallel verlaufen. Kraft, force Masse × Beschleunigung.
Kollimiertes Licht, collimated light Licht, bei dem alle Strah- Kristallisation, crystallization Vorgang, bei dem ein Stoff
len parallel verlaufen. langsam aus einer Lösung als Festkörper mit einer regelmä-
Kollisionszelle, collision cell Mittlere Stufe eines Tandem- ßigen Atomanordnung ausgeschieden wird.
Massenspektrometers, in der das in der ersten Stufe ausge- Kritischer Druck, critical pressure Druck, oberhalb dessen ein
wählte Vorläuferion durch Zusammenstöße mit Gasmole- Fluid selbst bei sehr niedriger Temperatur nicht in zwei
külen fragmentiert wird. Phasen (Flüssigkeit und Gas) überführt werden kann.
Kolloid, colloid Gelöste Partikel mit einem ungefähren Durch- Kritischer Punkt, critical point Kritische Temperatur und
messer zwischen 1–500 nm. Es ist zu groß, um als Einzel- Druck einer Substanz.
molekül betrachtet zu werden und zu klein, um einfach Kritische Temperatur, critical temperature Temperatur, ober-
auszufallen. halb der ein Fluid selbst bei sehr hohem Druck nicht in
Kombinationselektrode, combination electrode Siehe Einstab- zwei Phasen (Flüssigkeit und Gas) überführt werden kann.
messkette. Kryofokussierung, cryogenic focussing In der Gaschromato-
Komplexbildungskonstante, formation constant Siehe Stabi- graphie: kaltes Trapping der Analyte unterhalb der Umge-
litätskonstante. bungstemperatur am Säulenanfang. Als Kältemittel (Kryo-
Komplexion, complex ion Bezeichnung für jedes Ion, das zwei gen) wird ein kaltes Fluid, z. B. flüssiger Stickstoff, verwen-
oder mehr Ionen oder Moleküle enthält, die auch allein sta- det.
bil wären, z. B. enthält CuCl3– ein Cu+ und drei Cl–. Kugelmühle, ball mill Keramische Trommel, in der ein Fest-
Komplexometrische Titration, complexometric titration Tit- stoff durch Behandlung mit harten keramischen Kugeln zu
ration, bei der die Reaktion von Analyt und Titrant eine einem feinen Pulver gemahlen wird.
Komplexbildung ist. Kumulative Stabilitätskonstante, cumulative formation cons-
Komproportionierung, reverse disproportionation Siehe Syn- tant Siehe Bruttostabilitätskonstante.
proportionierung. Küvette, cuvet Zelle mit lichtdurchlässigen Wänden für die
Kondensatorstrom, condenser current Siehe Kapazitäts- Probe bei spektralphotometrischen Messungen.
strom. Laborprobe, laboratory sample Portion der Gesamtprobe, die
Konditionelle (effektive) Stabilitätskonstante, K’, conditional im Labor untersucht wird. Sie muss die gleiche Zusammen-
formation constant Gleichgewichtskonstante für die Kom- setzung wie die Gesamtprobe haben.
plexbildungsreaktion unter besonderen, festgelegten Be- Ladungsbilanz, charge balance Feststellung, dass in einer Lö-
dingungen, z. B. pH-Wert, Ionenstärke, Konzentration von sung die Summen aller positiven Ladungen und die aller
Hilfskomplexbildnern. negativen Ladungen gleich sein müssen.
Königswasser, aqua regia 3:1-Mischung (Vol/Vol) von kon- Ladungsgekoppelte Einheit, charge-coupled device Siehe
zentrierter (37 Gew%) HCl und konzentrierter (70 Gew%) Charge-coupled device.
HNO3. Lambert-Beersches Gesetz, Beer’s law Zusammenhang zwi-
Konjugiertes Säure-Base-Paar, conjugate acid-base pair Eine schen der Extinktion A einer Probe mit deren Konzentra-
Säure und eine Base, die sich nur durch Abgabe oder Auf- tion c, Weglänge b und dem molaren Extinktionskoeffizi-
nahme eines Protons unterscheiden. enten ε: A = ε∙b∙c.
Glossar 861

Laminare Strömung, laminar flux Bewegung eines Fluids Lichtleiter, optical fiber Faser, die Licht durch innere Totalre-
durch ein Rohr mit einem parabolischen Geschwindig- flexion transportiert, da der innere transparente Kern einen
keitsprofil. Die Bewegung ist im Zentrum am schnellsten höheren Brechungsindex hat als die Ummantelung.
und an den Wänden gleich Null. Lichtstreudetektor, evaporative light-scattering detector De-
Laser, laser Quelle einer intensiven, kohärenten monochro- tektor für die Flüssigkeitschromatographie, in dem ein fei-
matischen Strahlung. Die Strahlung entsteht durch stimu- ner Nebel erzeugt und das Lösungsmittel in einer erhitzten
lierte Strahlungsemission aus einem Medium, in dem ein Zone aus dem Nebel verdampft wird. Die zurückbleiben-
angeregter Zustand auf eine hohe Besetzung „gepumpt“ den flüssigen oder festen Teilchen des Analyten werden
wurde. Kohärenz bedeutet, dass sämtliches Licht, das vom durch ihre Fähigkeit zur Lichtstreuung detektiert.
Laser ausgeht, die gleiche Phase hat. Ligand, ligand In einem Molekül das an ein Zentralatom ge-
Laser-induzierte Breakdown-Spektroskopie, laser-induced bre- bundene Teilchen (Atom oder Gruppe).
akdown spectroscopy Halbquantitative Bestimmung von Linear polarisiertes Licht, plane polarized light Licht, dessen
Elementen in einer Oberfläche durch Verdampfung eines elektrisches Feld in einer Ebene schwingt.
kleinen Flecks mit einem kurzen Laserpuls und Messung Lineare Fließgeschwindigkeit, linear flow rate In der Chro-
der Atomemission aus dem Plasma über der Oberfläche. matographie: Wanderungsstrecke der mobilen Phase pro
Latimer-Diagramm, Latimer diagram Darstellung des Zusam- Zeiteinheit.
menhangs der Reduktionspotentiale der verschiedenen Oxi- Lineare Interpolation, linear interpolation Form der Interpo-
dationszustände eines Elements. lation, bei der angenommen wird, dass die Veränderungen
LC/MS, liquid chromatography/mass spectrometry Kopplung zwi- einer Größe linear sind. Zum Beispiel finden wir den Wert
schen Flüssigchromatographie und Massenspektrometrie. von b für a = 32.4 in der folgenden Tabelle:
Leervolumen, V0, void volume In der Molekülausschlusschro- a: 32 32.4 33
matographie: Volumen der mobilen Phase außerhalb der
b: 12.85 x 17.96
Gelpartikel.
Leistung, power Aufgewendete Energie (geleistete Arbeit) pro mit der Proportion
Zeiteinheit mit den SI-Einheiten J/s =Watt (W).
32.4 −32 x − 12.85
Leitelektrolyt, supporting electrolyte Salz aus elektroinakti- =
33 − 32 17.96 − 12.85
ven Ionen, dass in hoher Konzentration den Lösungen für
voltammetrische (z. B. polarographische) Messungen zuge- und erhalten x = 14.89.
setzt wird. Der Leitelektrolyt übernimmt den Hauptteil des Lineare Spannungsrampe, linear voltage ramp Linear anstei-
Stromtransports durch Ionenwanderung und vermindert gendes Potential, das in der Polarographie an die Arbeitse-
damit die Coulomb-Wanderung der elektroaktiven Teil- lektrode angelegt wird.
chen auf einen vernachlässigbaren Betrag. Der Leitelektro- Linearer Bereich, linear range Konzentrationsbereich, in dem
lyt vermindert auch den Widerstand der Lösung. die Änderung des Detektorsignals zur Konzentrationsän-
Leitfähigkeit, σ, conductivity Proportionalitätskonstante zwi- derung proportional ist.
schen der elektrischen Stromdichte J (A/m2) und der elekt- Lineares Ansprechverhalten, linear response Liegt vor, wenn
rischen Feldstärke E (V/m); J = σE. Die Einheit ist Ω–1 m–1. das analytische Signal direkt proportional zur Analytkon-
Die Leitfähigkeit ist der Kehrwert des Widerstands. zentration ist.
Leitungsband, conduction band Energieniveaus der Leitungs- Lineares Quadrupol-Ionenfallenspektrometer, linear quad-
elektronen in einem Halbleiter. rupole ion-trap mass spectrometer Gerät, das gasförmige
Leitungselektron, conduction electron Elektron, das sich in Ionen trennt, die in einem linearen Quadrupol durch ein
einem Festkörper relativ frei bewegt und den elektrischen Hochfrequenzfeld in stabilen Flugbahnen gefangen sind.
Strom transportiert. In einem Halbleiter liegen die Ener- Die Ionen können in der Reihenfolge steigender m/z-Werte
gien der Leitungselektronen über denen der Valenzelekt- aus der Falle ausgestoßen werden.
ronen, die in chemischen Bindungen lokalisiert sind. Die Lineares Lösungsmittelstärke-Modell, linear-solvent-strength
Energiedifferenz zwischen Leitungs- und Valenzband ist model Modell in der Flüssigkeitschromatographie, in dem
der Bandabstand. der Retentionsfaktor k mit der Zusammensetzung Φ der
Leitungsrauschen, line noise Bei bestimmten Frequenzen mobilen Phase durch die empirische Gleichung log k = log
auftretendes Rauschen, das aus fremden Quellen auf das kw – SΦ zusammenhängt. log kw und S sind Konstanten.
eigentliche Messsystem einwirkt. Zu den üblichen Quellen Linearität, linearity Maß dafür, wie gut die Werte in einer
gehören Strahlung der 50-Hz-Stromversorgung, Motoren Graphik auf einer geraden Linie liegen und damit zeigen,
von Vakuumpumpen und Hochfrequenzgeräte. dass das Signal zur Konzentration des Analyten proporti-
Lewis-Base, Lewis base Substanz, die eine chemische Bindung onal ist.
dadurch bildet, dass sie ein Elektronenpaar einem anderen Lipiddoppelschicht, lipid bilayer Doppelschicht, die von ei-
Teilchen zur Verfügung stellt. nem Molekül mit einer hydrophilen Kopfgruppe und ei-
Lewis-Säure, Lewis acid Substanz, die eine chemische Bin- nem hydrophoben Schwanz gebildet wird. Die Schwänze
dung dadurch bildet, dass sie ein Elektronenpaar von ei- von zwei Schichten treten zusammen und die Kopfgruppen
nem anderen Teilchen aufnimmt. sind zur wässrigen Lösung gerichtet.
862 Glossar

Liter, L Gebräuchliche Volumeneinheit von genau 1 000 cm3. kelsortierung. Eine 100/200 Mesh-Partikel passt durch ein
Loch, hole Fehlstelle eines Elektrons in einem Halbleiter. Sieb mit 100 Mesh (0.149 mm), aber nicht durch ein Sieb
Wenn ein benachbartes Elektron in ein Loch springt, wird mit 200 Mesh (0.074 mm).
ein neues Loch an der ursprünglichen Stelle erzeugt. Auf Maskierungsmittel, masking agent Reagenz, das selektiv mit
diese Weise kann sich ein Loch genau so wie ein Elektron einem oder mehreren Bestandteilen einer Lösung reagiert
durch einen Festkörper bewegen. und dabei deren Störwirkung in einer chemischen Reak-
Logarithmus, logarithm Der dekadische Logarithmus von n tion verhindert.
ist a für 10a = n (das bedeutet log n = a). Der natürliche Maßanalyse, volumetric analysis Siehe volumetrische Analyse.
Logarithmus von n ist a für ea = n (das bedeutet ln n = Masse-Ladungsverhältnis, m/z, mass-to-charge-ratio Masse
a). Die Zahl e (= 2.718 28…) ist die Basis der natürlichen eines Ions (in den Einheiten u oder Dalton) dividiert durch
Logarithmen. die Ladung des Ions, gemessen in Vielfachen der Elemen-
Longitudinaldiffusion, longitudinal diffusion Diffusion von tarladung, z.B. für 23Na+ ist m/z ≈ 23/1 = 23.
gelösten Molekülen parallel zur Fließrichtung des Elutions- Massenbilanz, mass balance Feststellung, dass die Summe
mittels in einer chromatographischen Säule. der molaren Mengen jedes Elements in all seinen Formen
Löschung, quenching Siehe Quenching. in einer Lösung gleich sein muss mit den molaren Mengen,
Löslichkeitsprodukt, KL, solubility product Gleichgewichts- die von diesem Element in die Lösung gegeben wurden.
konstante für die Dissoziation eines festen Salzes und Bil- Massenchromatogramm, mass chromatogram Siehe Selected
dung von Ionen in der Lösung. Für die Reaktion MmNn(s) Ion Chromatogram.
U mMn+ + nNm– ist KL = A Mm n+ A Nn m−, mit der Aktivität A Massenkonstanz, constant mass In der Gravimetrie wird das
der Ionen. Reaktionsprodukt erhitzt, im Exsikkator abgekühlt bis auf-
Lösung, solution Homogene Mischung von zwei oder mehr einander folgende Wägungen „konstant“ sind. Es gibt keine
Substanzen. Standarddefinition für Massenkonstanz, doch nimmt man
Lösungsmittel, solvent Hauptkomponente einer Lösung. für die normale Laborarbeit einen Wert von ±0.3 mg an.
Lösungsmittelextraktion, solvent extraction Siehe Flüssig-Flüs- Die Massenkonstanz wird durch die nicht reproduzierbare
sig-Extraktion. Aufnahme von Feuchtigkeit beim Abkühlen und Wägen
Lösungsmittelstärke, solvent strenght Siehe Elutionskraft. begrenzt.
Lösungsmittel-Trapping, solvent trapping Splitlose gaschro- Massenprobe, bulk sample Material, das der Gesamtmasse
matographische Injektionstechnik, bei welcher das Lösungs- entnommen wurde. Die Massenprobe soll repräsentativ für
mittel in der Nähe seines Siedepunkts am Anfang der Säule die Gesamtmasse sein.
kondensiert wird. Die Analyte lösen sich in einer schmalen Massenspektrometer, mass spectrometer Gerät, in dem gas-
Bande im kondensierten Lösungsmittel. förmige Moleküle in Ionen überführt, in einem elektrischen
Lumineszenz, luminescence Jede Art der Lichtemission eines Feld beschleunigt, nach ihrem Masse-Ladungsverhältnis
Teilchens. getrennt und nach ihrer Anzahl detektiert werden.
L’vov-Plattform, L’vov platform In der Atomspektroskopie: Massenspektrometrie, mass spectrometry Technik, bei der
Plattform zur Aufbewahrung der Probe in einem Gra- gasförmige Moleküle ionisiert, in einem elektrischen Feld
phitrohrofen, um ihre Verdampfung vor Erreichung einer beschleunigt und nach ihren Massen getrennt werden.
konstanten Wandtemperatur zu verhindern. Massenspektrometrie-Massenspektrometrie, MS-MS Siehe
Magnetsektorfeldmassenspektrometer, magnetic sector mass Selected Reaction Monitoring.
spectrometer Gerät, das gasförmige Ionen mit gleicher Massenspektrum, mass spectrum In der Massenspektrome-
kinetischer Energie trennt, indem diese durch ein Magnet- trie: graphische Darstellung der relativen Häufigkeit jedes
sektorfeld senkrecht zum Geschwindigkeitsvektor geschickt Ions als Funktion seines Masse-Ladungsverhältnisses.
werden. Die Flugbahnen der Ionen mit einem bestimmten Massenwirkungsgesetz, law of mass action Für die Reaktion
m/z-Verhältnis werden so gebogen, dass sie am Detektor aA + bB U cC + dD gilt für den Gleichgewichtszustand:
ankommen. Andere Ionen werden zu stark oder zu wenig K = ACc ADd/AAa ABb, mit A i der Aktivität des Teilches i.
abgelenkt. Das Gesetz wird meist in angenäherter Form verwendet,
Makeup-Gas, makeup gas Gas, welches dem aus der gaschro- bei der statt der Aktivitäten die Konzentrationen eingesetzt
matographischen Säule austretenden Gasstrom zur Ände- werden.
rung der Strömungsgeschwindigkeit oder zur Optimierung Masseprozent, Gew%, weight percent (Masse des gelösten
der Detektion der Analyte zugesetzt wird. Stoffs/Masse der Lösung) × 100.
MALDI Siehe Matrix-unterstützte Laserdesorption/Ionisation. Matrix, matrix Das Medium, in dem sich der Analyt befindet.
Mantisse, mantissa Der Teil des Logarithmus, der rechts vom Für viele Analysen ist es wichtig, dass die Standards aus der
Dezimalpunkt steht. gleichen Matrix bestehen wie der Analyt.
Maskierung, masking Vorgang, bei dem eine Substanz (Mas- Matrixeffekt, matrix effect Veränderung eines analytischen
kierungsmittel) zum Schutz vor Störungen bei einer chemi- Signals, die nicht durch den Analyt, sondern andere Pro-
schen Analyse zur Probe gegeben wird. benbestandteile hervorgerufen wird.
Maschenweite, mesh size Angaben über die Zahl der Öff- Matrixmodifikator, matrix modifier In der Atomspektrosko-
nungen in einem quadratischen Standardsieb zur Parti- pie: zur Probe gegebene Substanz, um die Matrix flüchtiger
Glossar 863

oder den Analyten weniger flüchtig zu machen, damit die Methode der kleinsten Quadrate, least squares Verfahren
Matrix vor dem Analyten verdampft. der Angleichung einer mathematischen Funktion an einen
Matrix-unterstützte Laserdesorption/Ionisation (MALDI), Satz von Messpunkten durch Minimierung der Quadrat-
matrix-assisted laser desorption/ionization Schonende Me- summe der Abstände der Punkte von der Kurve.
thode zur Einbringung vorwiegend einfach geladener, in- Methode der kontinuierlichen Variation, method of continuous
takter Makromolekül-Ionen in die Gasphase. Eine innige variation Verfahren zur Ermittlung der Stöchiometrie ei-
feste Mischung des Analyten mit einem großen Über- nes Komplexes durch Untersuchung einer Reihe von Lö-
schuss eines kleinen UV-absorbierenden Moleküls wird sungen mit unterschiedlichen Metall-Ligand-Verhältnissen.
mit einem Puls von einem UV-Laser bestrahlt. Das kleine Das Verhältnis, bei dem der größte Messwert (z. B. Extink-
Molekül (die Matrix) absorbiert die Strahlung, wird io- tion) auftritt, entspricht der Stöchiometrie des Komplexes.
nisiert, verdampft explosionsartig, überführt dabei den Auch als Jobsche Methode bezeichnet.
Analyt in die Gasphase und überträgt dabei seine Ladung Methodenblindprobe, method blank Probe ohne bewusst
auf ihn. zugesetzten Analyt. Mit dieser Probe werden alle Stufen
Mechanische Waage, mechanical balance Waage mit einem des analytischen Verfahrens durchlaufen, einschließlich der
Waagebalken, der auf einem Drehpunkt liegt. Die Masse Probenvorbereitung.
der Probe wird mit Massestandards verglichen. Methodenvalidierung, method validation Verfahren zum
Median, median Zahlenwert in einer nach der Größe ge- Nachweis, dass eine analytische Methode für den vorgese-
ordneten Reihe von Messwerten, für den die Anzahl der henen Zweck geeignet ist.
darüber und darunter liegenden Werte gleich ist. Bei einer Migration, migration Elektrostatisch bewirkte Bewegung von
geraden Anzahl von Messwerten ist der Median gleich dem Ionen in einer Lösung im Einfluss eines elektrischen Felds.
Mittelwert der beiden mittleren Messwerte. Auch Zentral- Auch Ionenwanderung genannt.
wert genannt. Mikroelektrode, microelectrode Sehr kleine Elektrode mit ei-
Mediator, mediator Bei der Elektrolyse: Molekül, das einer nem Durchmesser von 10 μm und weniger. Mikroelektro-
Lösung für die Elektronenübertragung zwischen der Elekt- den passen in sehr kleine Proben, z. B. lebende Zellen. Ihr
rode und dem Analyten zugesetzt wird. Er wird verwendet, geringer Stromfluss führt zu kleinen Ohmschen Verlus-
wenn der Analyt nicht direkt an der Elektrode reagieren ten, so dass sie auch in nichtwässrigen Lösungen mit ho-
kann oder wenn seine Konzentration so niedrig ist, dass an hem Widerstand verwendet werden können. Ihre kleine
seiner Stelle andere Stoffe umgesetzt werden. Der Mediator Doppelschichtkapazität erlaubt schnelle Spannungsände-
wird an der Gegenelektrode ständig durch Oxidation oder rungen, sodass kurzlebige Teilchen untersucht werden
Reduktion wiederhergestellt. können.
Mehrprotonige Säure oder Base, polyprotic acid or base Ver- Mikrogleichgewichtskonstante, microequilibrium constant
bindung, die mehr als ein Proton abgeben oder aufnehmen Gleichgewichtskonstante, welche die Reaktion an einer be-
kann. stimmten Stelle eines Moleküls beschreibt. Wenn z. B. eine
Mehrzähniger Ligand, multidentate ligand Ligand, der ein Base an zwei unterschiedlichen Stellen protoniert wird, hat
Metallion durch mehr als ein Atom bindet. jede von ihnen eine andere Gleichgewichtskonstante.
Meldegrenze, reporting limit Konzentration, unterhalb derer Mikroporöse Teilchen, microporous particles Chromatogra-
durch Verordnungen gefordert wird, dass ein Analyt „nicht phische stationäre Phase aus porösen Teichen mit einem
nachgewiesen“ ist. Die Meldegrenze wird gewöhnlich auf Durchmesser von 1.5–10 μm mit hoher Kapazität und
einen Wert festgesetzt, der fünf- bis zehnmal über der Trenneffizienz.
Nachweisgrenze liegt. Mischbare Flüssigkeiten, miscible liquids Zwei Flüssigkeiten,
Memoryeffekt, memory effect Störung bei einer späteren die bei ihrer Mischung in jedem Verhältnis nur eine Phase
Analyse durch im Gerät oder Gefäßen verbliebene Substan- ergeben.
zen früherer Analysen. Mischprobe, composite sample Repräsentative Probe, die aus
Meniskus, meniscus Gekrümmte Flüssigkeitsoberfläche. einem heterogenen Material hergestellt wurde. Wenn der
Messkolben, volumetric flask Kolben mit einem langen, dün- Stoff aus unterschiedlichen Bezirken besteht, wird die
nen Hals und einer Kalibrationsmarke. Wenn die Flüssig- Mischprobe aus Anteilen jeder dieser Regionen hergestellt,
keit bis zu dieser Marke aufgefüllt ist, enthält der Kolben wobei die relativen Mengen proportional zur Größe dieser
das angegebene Flüssigkeitsvolumen. Regionen sind.
Messzylinder, graduated cylinder Zylinderförmiges Glasrohr Mitfällung, coprecipitation Tritt ein, wenn eine Substanz, de-
mit Volumenkalibrierung an der Längsseite. ren Löslichkeit noch nicht unterschritten ist, gemeinsam
Metallindikator, metal ion indicator Verbindung, die ihre mit einem schwerer löslichen Stoff ausfällt.
Farbe ändert, wenn sie an ein Metallion gebunden wird. Mittelwert, mean Summe aller Einzelwerte, dividiert durch
Metallionen-Puffer, metal ion buffer Besteht aus einem Me- ihre Anzahl. Siehe auch Durchschnittswert.
tall-Ligand-Komplex und einem Überschuss des freien Li- Mittlerer Aktivitätskoeffizient, mean activity coefficient Für
ganden. Beide sorgen durch das Gleichgewicht M + nL das Salz (Kation)m(Anion)n ergibt sich der mittlere Aktivi-
U MLn für die Festlegung der Konzentration der freien tätskoeffizient γ± aus den individuellen Ionenaktivitätskoef-
Metallionen. fizienten (γ+ und γ–) durch die Gleichung γ± = γ+m γn– 1/(m+n).
864 Glossar

Mizellare elektrokinetische Kapillarchromatographie, micel- Molekülion, M+•, molecular ion In der Massenspektrometrie:
lar electrokinetic capillary chromatography Form der Kapil- Ion, das bei der Ionisation weder Atome verloren noch
larelektrophorese in Gegenwart eines mizellbildenden Ten- dazubekommen hat.
sids. Die Migrationszeiten der Analyte hängen von ihren Molekülorbital, molecular orbital Beschreibung der Elektro-
Aufenthaltszeiten in der Mizelle ab. nenverteilung innerhalb eines Moleküls.
Mizelle, micelle Aggregation von Molekülen mit polaren Molenbruch, mole fraction Verhältnis mol einer Substanz zu
Kopfgruppen und langen, unpolaren Endgruppen. Das In- mol sämtlicher Komponenten einer Mischung. Neuerdings
nere der Mizelle ähnelt einem Kohlenwasserstoff-Lösungs- als Stoffmengenanteil bezeichnet.
mittel, während der äußere Teil stark mit der wässrigen Monochromatisches Licht, monochromatic light Licht mit ei-
Lösung in Wechselwirkung steht. nem sehr engen Wellenlängenbereich („einfarbiges Licht“).
Mobile Phase, mobile phase In der Chromatographie: Phase, Monochromator, monochromator Vorrichtung (Prisma, Git-
die durch die Säule läuft. ter oder Filter) zur Zerlegung des Lichts in seine Wellen-
Mobilität, mobility Siehe Ionenbeweglichkeit. längen und Auswahl einer engen Bande von Wellenlängen
Modulationsamplitude, modulation amplitude In der Polaro- zum Austritt aus dem Ausgangsspalt.
graphie: Größe des Spannungspulses, welcher der Arbeits- Monolithische Säule, monolithic column Chromatographi-
elektrode erteilt wird. sche Säule, in der die Füllung mit einer porösen statio-
Mohrsche Titration, Mohr titration Argentometrische Titra- nären Phase durch Polymerisation innerhalb der Säule
tion in Gegenwart von Chromat. Der Endpunkt wird durch erfolgt ist. Monolithische Säulen erlauben höhere Fließge-
die Bildung von rotem Ag2CrO4(s) signalisiert. schwindigkeiten, da die Porenstruktur bei hohem Druck
Mol, mole SI-Einheit der Stoffmenge. Ein mol einer Substanz erhalten bleibt.
ist die Stoffmenge, die genauso viele Moleküle enthält, wie Mörser und Pistill, mortar and pestle Ein Mörser ist ein hartes
Atome in 12 g 12C vorhanden sind. Es befinden sich ange- keramisches oder Stahlgefäß, in dem eine feste Probe mit
nähert 6.022 × 1023 Moleküle in einem Mol. einem harten Werkzeug, dem Pistill, zerkleinert wird.
Molalität, m, molality Veraltete Konzentrationsangabe für die MSn Aufeinanderfolgende Zyklen des Selected Reaction Mo-
Stoffmenge eines gelösten Stoffs in mol pro kg Lösungsmit- nitoring. Das Produkt-Ion des einen Zyklus wird Vorläu-
tel. Neben m wird auch b als Formelzeichen verwendet. ferion für den nächsten Zyklus. Dieses Experiment kann
Molare Extinktion, ε, molar absorptivity Proportionalitätskon- in einem dreidimensionalen Quadrupol-Ionenfallen-Mas-
stantante im Lambert-Beerschen Gesetz: A = ε∙b∙c, mit der senspektrometer mit Computersteuerung durchgeführt
Extinktion A, der Weglänge b und der Konzentration c. werden.
Auch (molarer) Extinktionskoeffizient genannt. Mutterlauge, mother liquor Lösung, aus der ein Stoff auskris-
Molare Masse, molecular mass Stoffmenge in g einer chemi- tallisiert oder ausgefällt wurde.
schen Verbindung für die der Avogadroschen Zahl entspre- m/z Siehe Masse/Ladungsverhältnis.
chenden Anzahl von Molekülen. Nachfällung, postpreciptation Adsorption sonst löslicher
Molarität, M, molarity Veraltete Konzentrationsangabe für Verunreinigungen auf der Oberfläche eines Niederschlags
die Stoffmenge eines gelösten Stoffs in mol pro Liter Lö- nach Ende der Fällung.
sung. Nachweisgrenze, detection limit Kleinste Konzentration, bei
Molekular geprägtes Polymer, molecularly imprinted poly- der ein Analyt deutlich vom Blindwert unterschieden wer-
mer Ein in Anwesenheit eines als Schablone dienenden den kann. Als Nachweisgrenze wird meist der Mittelwert
„template“-Moleküls synthetisiertes Polymer. Nach Entfer- der Blindwerte plus der dreifachen Standabweichung eines
nung der Schablone hat das Polymer einen Hohlraum mit kleinen Probenmesswertes genommen.
der richtigen Form zur Aufnahme des abgebildeten Mo- Nadelventil, needle valve Ventil mit einem sich verjüngenden
leküls und auch die funktionellen Gruppen des Polymers Kolben, der in eine kleine Öffnung passt und den Fluss
passen zu denen des Templats. einschränkt.
Molekulargewicht, molecular weight Veraltete Bezeichnung Natrium-Fehler, sodium error Siehe Alkali-Fehler.
für relative Molekülmasse. Nassveraschung, wet ashing Zerstörung der organischen
Molekularsieb, molecular sieve Festkörper mit einer Poren- Substanz in einer Probe durch ein flüssiges Reagenz (z. B.
weite, die der Größe kleiner Moleküle entspricht. Zeolithe kochende wässrige HClO4) vor der Bestimmung einer an-
(Natriumaluminiumsilikate) sind eine häufig verwendete organischen Komponente.
Stoffklasse mit dieser Eigenschaft. Natürlicher Logarithmus, natural logarithm Der natürliche
Molekülausschlusschromatographie, molecular exclusion chro- Logarithmus (ln) von a ist b für eb = a. e = 2.718 28… Siehe
matography Analytische Technik, bei der die stationäre auch Logarithmus.
Phase eine poröse Struktur hat, in die kleine Moleküle ein- Nephelometrie, nephelometry Analytische Methode, bei der
dringen können, während große ausgeschlossen werden. die Intensität des von einer Suspension gestreuten Lichts
Die Moleküle werden nach ihrer Größe getrennt, dabei im 90°-Winkel gemessen wird, um die Konzentration der
bewegen sich die großen schneller durch die Säule als die suspendierten Teilchen zu bestimmen. Bei der Fällungsti-
kleinen. Auch Größenausschluss, Gelfitration oder Gelper- tration nimmt die Streuung bis zum Äquivalenzpunkt zu
meationschromatographie genannt. und bleibt dann konstant.
Glossar 865

Licht- Numerus Der Numerus von a ist b für 10a = b. Siehe auch
quelle
Antilogarithmus.
Oberflächenplasmonenresonanz, surface plasmon resonance
Nephelometrie Nachweisstarke Methode zur Bestimmung der Bindung
Titrations-
misst
lösung Streulicht
von Molekülen an eine dünne Goldschicht auf der Unter-
seite eines Prismas. Durch das Prisma geschicktes Licht
wird an der Goldschicht reflektiert. Es gibt einen engen
Turbidimetrie
misst durch-
Winkelbereich, in dem die Reflexion nahezu Null beträgt,
gelassenes da Gold das Licht absorbiert und Schwingungen von Elekt-
Licht ronenwolken (Plasmonen) in das Metall aufbaut. Wenn eine
dünne Schicht eines Stoffs (z. B. ein Protein oder DNA) auf
der dem Prisma abgewandten Seite des Golds aufgebracht
Nernstsche Gleichung, Nernst equation Zusammenhang zwi- wird, ändern sich dessen elektrischen Eigenschaften und
schen Zellspannung E einer galvanischen Zelle mit den auch das Reflexionsvermögen.
Aktivitäten der Reaktanten und Produkte Oberflächenporöse Partikel, superficially porous particle Teil-
chen einer stationären Phase für die Flüssigkeitschroma-
RT
E = E0 − ln Q , tographie mit einer dünnen, porösen äußeren Schicht und
nF
einem dichten, nichtporösen Kern. Die Geschwindigkeit
mit der Gaskonstanten R, der Faraday-Konstante F, der der Massenübertragung ist größer als bei einem vollständig
Temperatur T in Kelvin, dem Reaktionsquotienten Q und porösen Teilchen mit gleichem Durchmesser.
der Anzahl der übergehenden Elektronen n. E0 ist die Zell- Offene Kapillarsäule, open tubular column In der Chroma-
spannung, wenn alle Aktivitäten Eins sind. tographie: Kapillarsäule, deren Innenwand mit stationärer
Neutralisation, neutralization Vorgang, bei dem das stöchio- Phase beschichtet ist.
metrische Äquivalent einer Säure zu einer Base gegeben Ohm, Ω SI-Einheit des elektrischen Widerstands. Ein Strom
wird (oder umgekehrt). mit der Stärke 1 A fließt längs einer Potentialdifferenz von
Neutronenaktivierungsanalyse, neutron-activation analysis 1 V, wenn der Widerstand im Stromkreis 1 Ω beträgt.
Analytische Methode, bei der die Strahlung einer mit lang- Ohmsches Gesetz, Ohm’s Law Feststellung, dass die Strom-
samen Neutronen beschossenen Probe gemessen wird. Die stärke (I) in einem Stromkreis der Spannung (U) direkt
Strahlung liefert sowohl qualitative wie quantitative Infor- und dem Widerstand (R) umgekehrt proportional ist: I =
mationen über die Zusammensetzung der Probe. U/R. In der Kapillarelektrophorese zeigt eine Darstellung
Newton, N SI-Einheit der Kraft. Ein Newton beschleunigt des Stroms gegen die angelegte Spannung bei einer Abwei-
eine Masse von 1 kg um 1 N/s2. chung von der Linearität, dass Joulesche Wärme auftritt.
Nichtelektrolyt, nonelectrolyte Substanz, die beim Auflösen Ohmsches Potential, ohmic potential Erforderliche Spannung
nicht dissoziiert. zur Überwindung des elektrischen Widerstands einer elek-
Nichtmischbare Flüssigkeiten, immiscible liquids Zwei Flüs- trochemischen Zelle.
sigkeiten, die bei ihrer Mischung keine einheitliche Phase On-column-Injektion, on-column injection In der Gaschro-
bilden. matographie verwendete Technik der direkten Aufgabe ei-
Nivellierungseffekt, leveling effect Die stärkste Säure, die in ner thermisch instabilen Probe ohne übermäßige Erhitzung
einer Lösung existieren kann, ist die protonierte Form des im Injektionsblock. Der Analyt wird am Anfang der Säule
Lösungsmittels. Jede Säure, die stärker wäre, überträgt ihr bei niedriger Temperatur kondensiert, die danach zum
Proton an das Lösungsmittel und wird auf die Säurestärke Start der Trennung erhöht wird.
des protonierten Lösungsmittels nivelliert. Genauso ist die Okklusion, occlusion Verunreinigung, die (manchmal mit
stärkste, in einer Lösung existierende Base, die deproto- Lösungsmittel) in einen wachsenden Kristall eingeschlos-
nierte Form des Lösungsmittels. sen wurde.
Nominelle Masse, nominal mass Ganzzahlige Masse einer Optische Dichte, optical density Siehe Extinktion.
Spezies mit dem häufigsten Isotop aller beteiligten Atome. Optische Faser, optical fiber Siehe Lichtleiter.
Für C, H und Br sind die häufigsten Isotope 12C, 1H und Optische Isomere, optical isomers Siehe Enantiomere.
79
Br. Deshalb ist die nominelle Masse von C2H5Br (2 × 12) Optode, optode Sensor auf der Basis von Lichtleitern (auch
+ (5 × 1) + (1 × 79) = 108. Optrode genannt).
Normalität, normality Veraltetes Konzentrationsmaß. Siehe Orbitrap-Massenspektrometer, Orbitrap mass spectrometer
Äquivalentkonzentration. Gerät, in dem Ionen in stabilen Umläufen um eine zentrale
Normalphasenchromatographie, normal-phase chromotogra- Elektrode gefangen sind. Die Ionen oszillieren in der Falle
phy Chromatographische Trenntechnik mit einer polaren von einem Ende zum anderen und erzeugen in den äuße-
stationären und einer weniger polaren mobilen Phase. ren Elektroden einen Spiegelstrom. Eine Fourier-Analyse
Nullhypothese, null hypothesis In der Statistik: die Vermu- der Spiegelströme liefert m/z der oszillierenden Ionen.
tung, dass zwei Größen sich nicht unterscheiden oder dass Ordinate, ordinate Vertikale (y-)Achse in einer graphischen
zwei Methoden keine unterschiedlichen Ergebnisse liefern. Darstellung.
866 Glossar

Ordinatenabschnitt, intercept Bei einer Geraden mit der pH-Meter, pH meter Sehr empfindliches Potentiometer zur
Gleichung y = mx +b ist b der Ordinatenabschnitt. Er ent- Spannungsmessung bei extrem niedrigen Strömen. Wird
spricht dem Wert von y bei x = 0. in Verbindung mit einer Glaselektrode zur pH-Messung
Osmolarität, osmolarity Konzentrationsangabe für die Ge- verwendet.
samtzahl der Teilchen (Ionen und Moleküle) pro Liter Phasentransferreagenz, phase transfer agent Verbindung, die
einer Lösung. Für einen Nichtelektrolyten, wie Glucose, zur Extraktion einer ionischen Spezies in ein organisches
entspricht die Osmolarität der Molarität. Für den starken Lösungsmittel benutzt wird, z. B. Kronenether oder Salze
Elektrolyt CaCl2 ist die Osmolarität das Dreifache der mit hydrophoben Ionen.
Molarität, da jedes mol CaCl2 drei mol Ionen liefert (Ca2+ Phospholipid, phospholipid Molekül mit einer phosphathal-
+ 2 Cl–). Wird zunehmend durch den Begriff osmotische tigen Kopfgruppe und einem langen Kohlenwasserstoff-
Konzentration ersetzt. (Lipid)schwanz.
Oxidation, oxidation Elektronenabgabe oder Erhöhung der Phosphoreszenz, phosphorescence Lichtemission während
Oxidationszahl. des Übergangs zwischen Zuständen unterschiedlicher Spin-
Oxidationsmittel, oxidizing agent Substanz, die bei einer che- multiplizität (z. B. Triplett → Singulett). Phosphoreszenz
mischen Reaktion Elektronen aufnimmt. verläuft langsamer als Fluoreszenz, die Emission erfolgt
Oxidationszahl, oxidation number Siehe Oxidationszustand. zumeist ~10–4 bis 10–1 s nach Absorption eines Photons.
Oxidationszustand, oxidation state Angabe der Zahl der Elek- Photochemie, photochemistry Chemische Reaktionen, die
tronen, die von einem neutralen Atom bei der Verbin- durch Absorption eines Photons ausgelöst werden.
dungsbildung abgegeben oder aufgenommen werden. Auch Photodiodenarray, photodiode array Feld (array) aus Halblei-
Oxidationszahl genannt. terdioden zur Detektion von Licht. Wird meist verwendet,
Oxidierbarkeit, oxidizability Menge an O2 in natürlichem um Licht, das bereits in seine Wellenlängen zerlegt wurde,
Wasser oder Industrieabwasser, die äquivalent der Menge zu detektieren. Auf jeden Detektor fällt eine schmale Bande
an KMnO4 ist, die beim Rückflusskochen der Probe mit von Wellenlängen.
einer Standardpermanganat-Lösung verbraucht wird. Je- Photoelektronenvervielfacher, photomultiplier tube Photo-
des KMnO4 verbraucht fünf Elektronen und ist chemisch röhre, deren Kathode bei Lichteinfall Elektronen emittiert.
äquivalent mit 1.25 mol O2. Siehe auch chemischer Sauer- Die Elektronen treffen dann auf eine Reihe von Dynoden
stoffverbrauch. (Platten, die relativ zur Kathode positiv geladen sind), die
Parallaxe, parallax Scheinbare Verschiebung eines Gegen- dabei weitere Elektronen freisetzen. Dabei können für jedes
stands, wenn der Beobachter seine Position verändert. Photon, das die Kathode trifft, mehr als 106 Elektronen zur
Tritt auf, wenn eine Skala nicht senkrecht beobachtet Anode gelangen.
wird, so dass die Ablesung nicht dem wahren Wert ent- Photoionisationsdetektor, photoionization detector Gaschro-
spricht. matographischer Detektor, der durch Vakuum-UV-Strah-
Partikelwachstum, particle growth Vorgang, bei dem sich lung aromatische und ungesättigte Verbindungen ionisiert.
Moleküle an einen Kristall anlagern und ihn dadurch ver- Er spricht kaum auf gesättigte Kohlenwasserstoffe und Ha-
größern. logenkohlenwasserstoffe an. Die bei der Ionisation erzeug-
Pascal, Pa SI-Einheit des Drucks. 1 Pa = 1 N/m². 105 Pa = 1 ten Elektronen werden gesammelt und gemessen.
bar und 101 325 Pa = 1 atm. Photoleitfähigkeitsdetektor, photoconductive detector De-
Pelliculare Partikel, pellicular particles Besonderer Typ einer tektor aus einem Material, dessen Leitfähigkeit sich bei
stationären Phase in der Flüssigkeitschromatographie. Die Lichtabsorption ändert.
einzelnen Körner sind mit einer dünnen Flüssigkeitsschicht Photon, photon Licht„partikel“ mit der Energie hν, mit h, der
bedeckt. Das führt zu einer hohen Effizienz (kleine Boden- Plankschen Konstante („Wirkungsquantum“) und ν, der
höhe), jedoch geringer Kapazität. Frequenz des Lichts.
Peptisation, peptization Tritt beim Waschen einiger ionischer Photovoltaischer Detektor, photovoltaic detector Photodetek-
Niederschläge mit destilliertem Wasser auf, weil Ionen, tor, mit einem pn-Halbleiterübergang, dessen Spannung sich
welche die Ladungen der einzelnen Teilchen neutralisieren bei Lichtabsorption durch das Detektormaterial ändert.
und damit den Zusammenhalt der Teilchen unterstützen, Photozelle, phototube Vakuumröhre mit einer Photoemissi-
ausgewaschen werden. Die Teilchen stoßen sich dann ab, onskathode. Der zwischen Kathode und Anode fließende
fallen auseinander und laufen mit der Waschflüssigkeit elektrische Strom ist proportional zur Intensität des auf die
durch das Filter. Kathode treffenden Lichts.
Permanente Härte, permanent hardness Bestandteile der pH-stat-Apparatur, pH-stat Gerät, das für einen konstanten
Wasserhärte, die nicht durch gelöste Erdalkalihydrogencar- pH-Wert in einer Lösung sorgt, indem kontinuierlich Säure
bonate bedingt sind. Diese Härte kann durch Kochen nicht oder Base injiziert (oder elektrochemisch erzeugt) wird,
beseitigt werden. Sie auch Härte. wodurch eine pH-Änderung verhindert wird.
p-Funktion, p-function p bedeutet –log einer Größe: pX = Piezoelektrischer Effekt, piezoelectric effect Entstehung einer
–log X. elektrischen Ladung auf der Oberfläche bestimmter Kris-
pH Definiert als pH = –logAH+, mit der Aktivität von H+, talle bei Druckeinwirkung. Umgekehrt führt ein elektri-
AH+. Vereinfacht gilt auch pH = –log [H+]. sches Feld zur Verformung des Kristalls.
Glossar 867

Piezoelektrischer Kristall, piezoelectric crystal Kristall, der an eine andere Stelle lenkt, wo sie von einem Photoarray
beim Anlegen eines elektrischen Felds verformt wird. erfasst wird.
Pipette, pipet Kalibriertes Glasrohr zur Dosierung festgeleg- Porös beschichtete Säule, porous-layer column Gaschroma-
ter oder variabler Volumina einer Flüssigkeit. tographische Säule mit einer porösen Schicht einer Adsorp-
pK Negativer dekadischer Logarithmus einer Gleichgewichts- tionsphase an der Innenwand.
konstanten: pK = –log K. Potential, potential Siehe elektrisches Potential.
Planck-Verteilung, Planck distribution Gleichung für die spek- Potentialdifferenz, potential difference Siehe elektrisches Po-
trale Verteilung der Strahlung des Schwarzen Körpers tential.
2 hc 2 ⎛ 1 ⎞ Potentiometer, potentiometer Messinstrument zur Bestim-
M = ⎜ ⎟
 5 ⎝ e hc /  kT − 1 ⎠ mung des elektrischen Potentials durch Abgleichung gegen
mit der Planckschen Konstanten h, der Lichtgeschwindig- ein bekanntes Potential mit entgegengesetztem Vorzeichen.
keit c, der Wellenlänge λ, der Boltzmann-Konstante k und Ein Potentiometer misst die gleiche Größe wie ein Voltme-
der Temperatur T in Kelvin. Mλ ist die Leistung (in Watt) ter, ist aber so gebaut, dass viel weniger Strom fließt.
pro Quadratmeter der Oberfläche pro Meter der Wellen- Potentiometrie, potentiometry Analytische Methode, bei
länge, die von der Oberfläche abgestrahlt wird. Das Integ- der die elektrische Potentialdifferenz (Zellspannung) einer
ral Zelle gemessen wird.
2 Potentiostat, potentiostat Elektronisches Gerät zur Lieferung
∫M
1
 d eines konstanten Potentials zwischen einem Paar von Elek-
troden.
ergibt die Leistung, die pro Flächeneinheit im Wellenlän- ppb, parts per billion Teile pro Milliarde! Konzentrationsan-
genbereich von λ1 bis λ2 emittiert wird. gabe für Nanogramm (10–9g) gelöster Stoff pro g Lösung.
Plancksches Wirkungsquantum, Planck’s constant Funda- ppb bezieht sich auf die amerikanische Billion 109, die in
mentale Naturkonstante, die sich aus der Lichtenergie und Deutschland Milliarde heißt.
deren Frequenz ergibt: h = E/ν = 6.626 × 10–34 J∙s. ppm, parts per million Teile pro Million. Konzentrationsan-
Plasma, plasma Sehr heißes Gas, das sowohl freie Ionen und gabe für Mikrogramm (10–6g) gelöster Stoff pro g Lösung.
Elektronen als auch neutrale Moleküle enthält. Präparative Chromatographie, preparative chromatography
Plasmon, plasmon Kollektive Schwingungen der freien Elekt- Chromatographie großer Substanzmengen zur Herstellung
ronen in einem Metall. reiner Stoffe.
Polare Substanz, polar substance Eine Substanz, z. B. ein Al- Präzision, precision Maß für die Güte der Übereinstimmung
kohol, mit positiven und negativen Regionen, die Nachbar- von Messwerten.
moleküle durch elektrostatische Kräfte anziehen können. Primärer Standard, primary standard Sehr reines und stabiles
Polare Stoffe sind meist wasserlöslich und unlöslich in Reagenz, das direkt eingewogen werden kann. Die Gesamt-
unpolaren Stoffen, wie Kohlenwasserstoffen. masse wird als formelrein betrachtet.
Polarisierbare Elektrode, polarizable electrode Elektrode, de- Prinzip von Le Châtelier, Le Châtelier’s principle Wenn ein im
ren Potential sich leicht ändern kann, wenn ein kleiner Gleichgewicht befindliches System gestört wird, verläuft
Strom fließt. Beispiele sind Pt- oder Ag-Drähte, die als die Reaktion zu seiner Wiederherstellung so, dass die Stö-
Indikatorelektroden verwendet werden. rung teilweise beseitigt wird.
Polarisierbarkeit, polarizability Proportionalitätskonstante zwi- Prisma, prism Durchsichtiger dreieckiger Festkörper. Jede
schen einem induziertem Dipol und der elektrischen Feld- Lichtwellenlänge wird vom Prisma in einem anderen Win-
stärke. Wenn ein Molekül in ein elektrisches Feld gebracht kel abgelenkt. Dadurch wird das Licht in unterschiedliche
wird, wird im Molekül ein Dipol induziert, da die Elektronen Wellenlängen zerlegt.
zum positiven Pol und die Atomkerne zum negativen Pol Proben-Cleanup, sample cleanup Entfernung von Probentei-
gezogen werden. len, die keinen Analyten enthalten und bei der Analyse
Polarogramm, polarogram Kurvendarstellung der Beziehung stören könnten.
zwischen Strom und Spannung während eines polarogra- Probennahme, sampling Gewinnung einer repräsentativen
phischen Experiments. Probe zur Analyse.
Polarograph, polarograph Gerät zur Aufnahme von Polaro- Probennahmevarianz, sampling variance Quadrat der Stan-
grammen. dardabweichung aufgrund der Probenheterogenität, unab-
Polarographie, polarography Voltammetrische Methode, bei hängig von der analytischen Bestimmung. Bei inhomoge-
der eine Quecksilbertropfelektrode verwendet wird. nem Material ist es erforderlich, größere oder mehr Proben
Polarographische Stufe, polarographic wave S-förmiger An- zu nehmen, um die Unsicherheit der Zusammensetzung
stieg des Stroms während einer Redoxreaktion in der Po- wegen der Schwankung von einem Probenbereich zum
larographie. anderen zu verringern. Die Gesamtvarianz ist die Summe
Polychromatisches Licht, polychromatic light Licht vieler der Varianzen der Probenahme und des analytischen Ver-
Wellenlängen („viele Farben“). fahrens.
Polychromator, polychromator Gerät, das Licht in einzelne Probenvorbereitung, sample preparation Überführung einer
Wellenlängen zerlegt und jede einzelne schmale Bande Probe in einen für die Durchführung der Analyse geeigne-
868 Glossar

ten Zustand, einschließlich der Konzentrierung verdünn- Quadratisches Mittel des Rauschens, root-mean-square (rms)
ter Analyte sowie Entfernung oder Maskierung störender noise Standardabweichung des Rauschens in einem Ge-
Spezies. biet mit flachen Signal:
Produkt, product Spezies, die bei einer chemischen Reaktion
∑ (A − Ā)
2

entsteht. Produkte stehen auf der rechten Seite chemischer rms noise = i i
mit Ai, dem gemessenen Signal
Gleichungen. n
Produkt-Ion, product ion In der Tandem-Massenspektrometrie für den Datenpunkt i, Ā dem Signalmittelwert und n der
(Selected Ion Monitoring): Fragment-Ion aus der Kollisi- Zahl der Datenpunkte.
onszelle, das vom letzten Massenseparator für den Durch- Qualitative Analyse, qualitative analysis Verfahren zur Be-
lass zum Detektor ausgewählt wurde. stimmung der Art (Identität) der Bestandteile einer Sub-
Protisches Lösungsmittel, protic solvent Lösungsmittel mit stanz.
einem aziden (sauren) Wasserstoffatom. Qualitätskontrolle, quality control Aktive Maßnahmen zur
Protokoll, protocol In der Qualitätssicherung: Vorschriften, Sicherung der erforderlichen Richtigkeit und Präzision ei-
die festlegen, was und wie dokumentiert werden muss. ner chemischen Analyse.
Proton, proton H+-Ion. Qualitätskontrollprobe, performance test sample oder quality
Protonenakzeptor, proton acceptor Eine Brønsted-Lowry- control sample In eine Messreihe wird eine Qualitätskont-
Base: Molekül, das Protonen aufnimmt. rollprobe eingeschoben, um festzustellen, ob das Verfahren
Protonendonator, proton donor Eine Brønsted-Lowry-Säure: richtige Werte liefert, wenn der Analytiker das richtige
Molekül, das Protonen an ein anderes Molekül abgibt. Ergebnis nicht kennt. Die Qualitätskontrollprobe wird von
Protoniertes Molekül, protonated molecule In der Massen- einer außenstehenden Person angefertigt.
spektrometrie: das Ion MH+ aus der Anlagerung von H+ an Qualitätsregelkarte, control chart Graphische Darstellung der
den Analyten. periodischen Beobachtungen eines Prozesses zur Feststel-
Puffer, buffer Mischung einer schwachen Säure mit ihrer lung, ob der Prozess innerhalb festgelegter Kontrollgrenzen
konjugierten Base. Eine Pufferlösung kann pH-Änderun- abläuft.
gen bei Zugabe von Säure oder Base ausgleichen. Qualitätssicherung, quality assurance Quantitative Angaben
Pufferkapazität, β, buffer capacity Maß für die Fähigkeit ei- zum Beweis, dass die Anforderungen an die ermittelten
nes Puffers, pH-Änderungen auszugleichen. Je größer die Daten erfüllt wurden. Die Qualitätssicherung im weiteren
Pufferkapazität ist, desto größer ist der Widerstand gegen Sinn umfasst die Qualitätskontrolle, die Begutachtung und
pH-Änderungen. Die Definition der Pufferkapazität lautet: die Dokumentation der Verfahren und Ergebnisse zur Ge-
β = dCB/dpH = dCS/dpH, mit CS und CB als Stoffmenge der währleistung einer ausreichenden Datensicherheit.
starken Säure oder Base, die benötigt wird, um den pH- Quantenausbeute, quantum yield In der Photochemie: Bruch-
Wert um eine Einheit zu ändern. teil der für die Erzielung eines bestimmten Resultats absor-
Purge, purge Maßnahme zur Durchleitung eines Fluids (meist bierten Photonen. Wenn z. B. ein Molekül bei Lichtabsorp-
eines Gases) durch eine Substanz oder eine Kammer, um tion von der cis- zur trans-Form isomerisieren kann, ist
einen Fremdstoff zu entfernen oder um das Fluid durch ein die Quantenausbeute die Zahl der isomerisierten Moleküle
anderes zu ersetzen. dividiert durch die Zahl der absorbierten Photonen. Die
Purge-and-Trap-Methode, purge and trap Analytische Me- Quantenausbeute liegt zwischen 0 und 1.
thode bei der flüchtige Stoffe aus einer Lösung oder ei- Quantitative Analyse, quantitative analysis Verfahren zur Be-
nem Festkörper ausgeblasen, angereichert und in einen stimmung der Menge der Bestandteile einer Substanz.
Gaschromatographen überführt werden. Ein Trägergas Quantitative Überführung, quantitave transfer Überführung
strömt durch die Flüssigkeit oder den Feststoff und extra- des gesamten Inhalts aus einem Gefäß in ein anderes.
hiert dabei die flüchtigen Analyte, die in einem mit Ad- Hierzu wird gewöhnlich das erste Gefäß mehrmals mit fri-
sorptionsmitteln gefüllten Rohr festgehalten werden. Das scher Flüssigkeit ausgespült und auch diese Lösung in das
Rohr wird dann zur Desorption der Analyte erhitzt und Aufnahmegefäß gegossen.
mit dem Trägergas gespült. Die Analyte werden durch Quaternäres Ammoniumion, quaternary ammonium ion Ka-
kaltes Trapping am Start der chromatographischen Säule tion, das vier Substituenten am Stickstoffatom trägt, z. B.
gesammelt. das Tetraethylammoniumion (CH3CH2)4N+.
Pyroelektrischer Effekt, pyroelectric effect Veränderung der Quecksilbertropfelektrode, dropping-mercury electrode Elek-
elektrischen Polarisation eines ferroelektrischen Materials trode, die für eine polarographische Zelle stets frisches
mit der Temperatur. Quecksilber liefert.
Pyrolyse, pyrolysis Thermische Zersetzung einer Substanz. Quenching, quenching Vorgang, bei dem die Emission aus
Q-Test, Q test Statistischer Test zur Entscheidung, ob ein ver- einem angeregten Molekül durch Energieübertragung auf
dächtiger Messwert weggelassen werden kann. ein anderes Molekül, den Quencher, verringert wird.
Quadrupol-Ionenfallen-Massenspektrometer, quadrupole ion- Radiant, rad, radian SI-Einheit des ebenen Winkels. Ein Voll-
trap mass spectrometer Siehe Dreidimensionales Quadru- kreis hat 2π rad.
pol-Ionenfallen-Massenspektrometer und Lineares Quadru- Raman-Streuung, Raman scattering Lichtstreuung, bei der
pol-Ionenfallenspektrometer. die Wellenlänge des gestreuten Lichts gegenüber der des
Glossar 869

einfallenden Lichts um einen Betrag verändert ist, welcher Redoxtitration, redox titration Titration, bei der die Reaktion
der Schwingungsenergie der für die Streuung verantwortli- zwischen Analyt und Titrant eine Redoxreaktion ist.
chen Moleküle entspricht. Bei der Stokes-Raman-Streuung Reduktion, reduction Aufnahme von Elektronen oder Er-
erhöht sich die Energie dieser Moleküle und das gestreute niedrigung der Oxidationszahl.
Licht hat eine geringere Energie als das einfallende Licht. Reduktionsmittel, reducing agent Ein Stoff, der in einer che-
Bei der Anti-Stokes-Raman-Streuung verlieren die getroffe- mischen Reaktion Elektronen abgibt.
nen Moleküle Schwingungsenergie und das gestreute Licht Reduzierte Bodenhöhe, reduced plate height In der Chro-
ist energiereicher als das einfallende Licht. matographie: Quotient aus Bodenhöhe/d. Im Zähler steht
Rauschen, noise Signale aus anderen als den zur Messung das Höhenäquivalent eines theoretischen Bodens (HETP)
vorgesehenen Quellen. Siehe auch Leitungsrauschen und und im Nenner der Partikeldurchmesser, d, der stationären
weißes Rauschen. Phase.
Rayleigh-Streuung, Rayleigh scattering Lichtstreuung in alle Reduzierte Retentionszeit, t’r, adjusted retention time In der
Richtungen durch Moleküle oder Partikel, die viel kleiner Chromatographie: ein durch t r, = tr – tm gegebener Parame-
als die Wellenlänge des Lichts sind. Die Wellenlängen (λ) ter mit tr, der Retentionszeit des Analyten, und tm, der Zeit,
des gestreuten und des einfallenden Lichts sind gleich. Die die das Lösungsmittel zum Lauf durch die Säule benötigt.
Intensität des gestreuten Lichts ist proportional zu 1/λ4. Mitunter auch als korrigierte Retentionszeit bezeichnet.
Reagenzblindprobe, reagent blank Lösung, die aus allen Referenzelektrode, reference electrode Elektrode mit kons-
Reagenzien mit Ausnahme der Probe besteht. Der Rea- tantem Potential, gegen die das Potential einer anderen
genzblindwert gibt das Ansprechverhalten der Methode Halbzelle gemessen wird. Auch Bezugselektrode genannt.
gegenüber Verunreinigungen der Reagenzien oder anderen Reflexionsvermögen, reflectance Anteil der einfallenden
Effekten an. Im Unterschied zum Messwert der Methoden- Strahlungsleistung, der reflektiert wird.
blindprobe wird der Reagenzblindwert nicht bei allen Schrit- Reibungskoeffizient, friction coefficient Ein Ion, das durch
ten der Probenvorbereitung vor der Analyse bestimmt. eine Lösung wandert, wird durch eine Kraft zurückgehal-
Reaktant, reactant Spezies, die bei einer chemischen Reak- ten, die proportional zu seiner Geschwindigkeit ist. Die
tion verbraucht wird. Reaktanten stehen auf der linken Proportionalitätskonstante ist der Reibungskoeffizient.
Seite chemischer Gleichungen. Reifung, digestion, ripening Vorgang, bei dem ein Nieder-
Reaktionsgas, reagent gas In der chemischen Ionisations- schlag in der (gewöhnlich warmen) Mutterlauge belassen
quelle für die Massenspektrometrie wird das Reaktions- wird, um die Rekristallisation der Teilchen und das Kris-
gas (gewöhnlich Methan, Isobutan oder Ammonik bei ~1 tallwachstum zu fördern. Es entstehen reinere und besser
mbar) in einen starken Protonendonator, z. B. CH5+, umge- filtrierbare Kristalle.
wandelt. Dieser Vorgang beginnt mit einer Elektronenstoß- Rekonstruiertes Totalionenchromatogramm, reconstructed to-
ionisation. Das protonierte Reaktionsgas reagiert mit dem tal ion chromatogram In der Chromatographie: graphische
Analyten und protoniert diesen. Darstellung der Summe der Intensitäten aller Ionen, die bei
Reaktionsquotient, Q, reaction quotient Ausdruck, der die allen Massen (oberhalb eines gewählten Werts) gemessen
gleiche Form wie die Gleichgewichtskonstante einer Re- wurden, gegen die Zeit.
aktion hat. Er wird jedoch für tatsächliche Aktivitäten Relative Atommasse, atomic weight Dimensionslose Größe,
(oder Konzentrationen) formuliert, die gewöhnlich nicht die angibt, wie viel Mal so groß die Masse des betreffenden
die Gleichgewichtskonzentrationen sind. Nur im Gleichge- Elements gegenüber einem Zwölftel der Masse eines Atoms
wicht gilt Q = K. des Kohlenstoffnuklids 12C ist.
Rechteckwellenvoltammetrie, square wave voltammetry Art Relative Formelmasse, FM, formula mass Summe der relati-
der Voltammetrie (Messung des Stroms gegen das Poten- ven Atommassen einer Substanz entsprechend ihrer chemi-
tial in einer elektrochemischen Zelle), bei der Rechteck- schen Formel. So ergibt sich z. B. die relative Formelmasse
wellen einem treppenförmigen Potentialprofil überlagert von CuSO4 × 5 H2O aus der Summe der relativen Massen
sind. Diese Technik ist schneller und empfindlicher als die von Kupfer, Sulfat und 5 Wassermolekülen.
Voltammetrie mit anderen Wellenformen. Relative Molekülmasse, MM, molecular weight Als relative
Redox-Indikator, redox indicator Verbindung zur Erkennung Molekülmasse bezeichnet man die Summe der relativen
des Endpunkts einer Redox-Titration, deren unterschiedli- Atommassen der das Molekül aufbauenden Atome.
che Oxidationszustände unterschiedliche Farbe haben. Das Relative Retention, α, relative retention In der Chromatogra-
Standardpotential des Indikators muss einen solchen Wert phie: das Verhältnis der reduzierten Retentionszeiten für
haben, dass die Farbänderung nahe beim Äquivalenzpunkt zwei Komponenten. Wenn die reduzierten Retentionszeiten
der Titration liegt. der Komponenten t r, 1 und t r, 2 (>t r, 1) sind, ist die relative Re-
Redoxpaar, redox couple Spezies-Paar, das miteinander durch tention α = t r, 2/t r, 1. Auch Trennfaktor genannt. Siehe auch
eine Elektronenübergang verbunden ist, z. B. Fe3+⎪Fe2+ unkorrigierte relative Retention, γ.
oder Mn⎪Mn2+. Relative Standardabweichung, relative standard deviation
Redoxreaktion, redox reaction Chemische Reaktion, bei der Siehe Variationskoeffizient.
Elektronen zwischen den Reaktionsteilnehmern ausge- Relative Übersättigung, relative supersaturationDefiniert als
tauscht werden. (Q–S)/S. mit S, der Konzentration des gelösten Stoffs in
870 Glossar

der gesättigten Lösung und Q, der Konzentration in einer Gruppe 16 (die zwei Bindungen machen) werden nicht
bestimmten übersättigten Lösung. berücksichtigt.
Relative Unsicherheit, relative uncertainty Messunsicherheit Ringscheibenelektrode, rotating disk electrode Von einem
einer Größe dividiert durch deren Wert. Meist als Prozent Motor angetriebene Elektrode mit einer glatten, ebenen
der Messgröße angegeben. Fläche in Kontakt zur Lösung. Durch die Rotation tritt eine
Response-Faktor, F, response factor Relatives Ansprechver- Konvektion ein, die frischen Analyt an die Elektrodenober-
halten (response) eines Detektors auf den Analyt (X) und fläche transportiert. Eine Pt-Elektrode ist besonders zur
den inneren Standard (S): (Signal von X)/[X] = F (Signal Untersuchung anodischer Prozesse geeignet, bei denen eine
von S)/[S]. Wenn F einmal mit einer Standardmischung Quecksilberelektrode zu leicht oxidiert würde.
bestimmt wurde, kann dieser Faktor benutzt werden, um Robustheit, robustness Eigenschaft einer analytischen Me-
bei bekanntem [S] aus dem Quotienten (Signal von X/Si- thode, von kleinen Veränderungen der Arbeitsbedingun-
gnal von S) den Wert von [X] in einer unbekannten Probe gen nicht beeinflusst zu werden.
zu bestimmen. Rohdaten, raw data Einzelwerte einer Messgröße, z. B. Peak-
Reststrom, residual current Geringer Strom, der bei einer flächen eines Chromatogramms oder Volumina aus einer
Elektrolyse vor dem Zersetzungspotential fließt. Bürette.
Retention-Gap, retention gap In der Gaschromatographie: Rotationsübergang, rotational transition Tritt auf, wenn ein
drei bis zehn Meter lange, leere silanisierte Kapillare vor der Molekül seine Rotationsenergie ändert.
Trennsäule. Das Retention-Gap verbessert die Peakform Rücktitration, back titration Titration, bei der ein Überschuss
von Analyten, die dicht beim Lösungsmittel eluiert werden. der Maßlösung zur Reaktion mit dem Analyten zugesetzt
Das ist besonders wichtig bei der Injektion großer Lösungs- wird. Danach wird der verbliebene Überschuss mit einem
volumina oder wenn sich die Polaritäten des Lösungsmit- zweiten Reagenz oder mit einer Standardlösung des Analy-
tels und der stationären Phase stark unterscheiden. ten zurücktitriert.
Retentionsfaktor, k, retention factor In der Chromatographie: Rührstab-Sorptionsextraktion, stir-bar sorptive extraction
reduzierte Retentionszeit eines Peaks dividiert durch die Methode der Probenvorbereitung, die der Festphasenmi-
Zeit, welche die mobile Phase für den Durchlauf durch die kroextraktion ähnelt. Die Sorptionsschicht befindet sich
Säule benötigt. Der Retentionsfaktor entspricht auch dem auf der Außenseite eines Magnetrührstabs. Das Volumen
Verhältnis der Zeiten, die der Analyt in der stationären dieser Schicht ist bedeutend größer als das auf der Faser
Phase bzw. in der mobilen Phase verbringt. Früher als Ka- der Festphasenmikroextraktion. Daraus ergibt sich eine
pazitätsfaktor bezeichnet. Erhöhung der Empfindlichkeit für Analytspuren um den
Retentionsindex, I, retention index In der Gaschromatogra- Faktor von ~102. Für die Chromatographie wird der Ana-
phie: der Kovats-Retentionsindex ist eine logarithmische lyt durch thermische Desorption aus der Sorptionsschicht
Skala, welche die Retentionszeit einer Verbindung zu denen freigesetzt.
von linearen Alkanen in Beziehung setzt. Pentan erhält Salz, salt Ionischer Festkörper.
einen Index von 500, Hexan von 600, Heptan von 700 und Salzbrücke, salt bridge Leitendes ionisches Medium in Kon-
so weiter. takt mit zwei Elektrolytlösungen zur Gewährleistung des
Retentionsverhältnis, retention ratio In der Chromatogra- Ionenflusses, ohne dass die Elektrolytlösungen sofort inei-
phie: erforderliche Zeit, die das Lösungsmittel für den Lauf nander diffundieren.
durch die Säule benötigt dividiert durch die Zeit, die der Säure, acid Substanz, die bei der Zugabe zu Wasser die Kon-
Analyt hierzu braucht. zentration von H+ erhöht.
Retentionsvolumen, Vr, retention volume Zur Elution des Säure-Base-Titration, acid-base titration Titration, bei der die
Analyten aus der chromatogra-phischen Säule erforderli- Reaktion zwischen Analyt und Titrant eine Säure-Base-
ches Volumen. Reaktion ist.
Retentionszeit, tr, retention time Zur Elution des Analyten Saure Lösung, acidic solution Lösung, in der die Aktivität von
aus der chromatographischen Säule ab Injektion benötigte H+ größer als die Aktivität von OH– ist.
Zeit. Säurefehler, acid error Systematischer Fehler, der in stark
Reziproke Zentimeter, cm–1, reciprocal centimeter Übliche sauren Lösungen auftritt, in denen Glaselektronen einen
Einheit der Wellenzahl, 1/λ, mit der Wellenlänge λ in cm. erhöhten pH-Wert anzeigen.
Richtigkeit, accuracy Maß für die Übereinstimmung eines Säurekonstante, Ks, acid (dissociation) constant Gleichgewichts-
Messwerts mit dem „wahren Wert“. konstante für die Reaktion einer Säure
Ring- plus Doppelbindungsformel, rings + double bonds for- K AA − A H3 O+
HA mit Wasser HA + H2O U A– + H3O+ K s =
s

mula Die Zahl der Ringe und Doppelbindungen in einem A HA


Molekül mit der Formel CcHhNnOx beträgt c – h/2 + n/2 + Säurewäsche, acid wash Verfahren, bei dem Glasgeräte eine
1. Dabei sind c die Atome der Gruppe 14 des Periodensys- Stunde lang in 3–6 M HCl getränkt werden, um Spuren
tems (C, Si, Ge, Sn, Pb, die vier Bindungen eingehen), h von Kationen, die an der Glasoberfläche adsorbiert sind, zu
gilt für H und die Halogene (die eine Bindung eingehen) entfernen und durch H+ zu ersetzen. Anschließend werden
und n ist die Zahl der Atome aus der Gruppe 15 (N, P, die Geräte gut mit destilliertem Wasser getränkt und mit
As, Sb, Bi, die drei Bindungen ausbilden). Die Atome der destilliertem Wasser gewaschen.
Glossar 871

Scatchard-Kurve, Scatchard plot Graphische Darstellung zur Sechszähniger Ligand, hexadentate ligand Ligand, der ein
Ermittlung der Gleichgewichtskonstanten für eine Reak- Metallatom durch sechs Ligandatome bindet.
tion wie P + X U PX. Es wird [PX]/[X] gegen [PX] oder Sekunde, s, second SI-Einheit der Zeit für die Dauer von
eine beliebige Funktion, die zu diesen Größen proportional 9 192 631 770 Perioden der Strahlung, die dem Übergang
ist, aufgetragen. Die Größe des Anstiegs dieser Geraden zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grund-
ergibt die Gleichgewichtskonstante. zustands von 133Cs entspricht.
S.C.E Siehe gesättigte Kalomel-Elektrode. Selbstabsorption, self-absorption Siehe Eigenabsorption.
Schichtkapillare, porous-layer column Siehe porös-beschich- Selected Ion Chromatogram Graphische Darstellung des
tete Kapillare. Detektorsignals gegen die Zeit, bei dem das Massenspek-
Schlieren, schlieren Schlieren werden in einer flüssigen Mi- trometer nur eine oder wenige Spezies mit gewähltem
schung beobachtet, bevor sich die beiden Phasen vermischt m/z-Wert beim Verlassen der chromatographischen Säule
haben. Sie entstehen durch Gebiete mit unterschiedlicher registriert. Auch Massenchromatogramm genannt.
Brechung. Selected Ion Monitoring (SIM), auch single ion monitoring
Schmelzaufschluss, fusion Vorgang, bei dem eine sonst un- Verwendung eines Massenspektrometers zur Registrierung
lösliche Substanz in einem geschmolzenen Salz wie Na2CO3, von Spezies mit nur einem oder wenigen Masse-Ladungs-
Na2O2 oder KOH gelöst wird. Wenn die Substanz gelöst ist, verhältnissen, m/z.
wird die Schmelze abgekühlt, in einer wässrigen Lösung Selected Reaction Monitoring Eine Technik, bei der von ei-
aufgelöst und analysiert. nem Massenseparator ein Vorläuferion für eine Kollisions-
Schottky-Rauschen, Schottky noise Siehe weißes Rauschen. zelle ausgewählt wird, in der es in verschiedene Fragmente
Schrotrauschen, shot noise Art des weißen Rauschens (Gauß- (Produkt-Ionen) zerbricht. Ein zweiter Massentrenner
Rauschen), die auf der Quantennatur von Ladungsträgern wählt dann ein (oder mehrere) dieser Ionen zur Detektion
und Photonen beruht. Bei niedrigem Signalniveau entsteht aus. Durch Selected Reaction Monitoring erhöht sich das
das Schrotrauschen durch zufällige Schwankungen der Signal-Rausch-Verhältnis der Chromatographie, da es un-
kleinen Zahl von Photonen, die auf den Detektor treffen empfindlich gegenüber fast allem außer dem Analyten ist.
oder der kleinen Zahl von Elektronen und Löchern, die in Auch MS/MS oder Tandem-Massenspektrometrie genannt.
einem Halbleiter erzeugt werden. Auch Schottky-Rauschen Selektivität, selectivity Eigenschaft einer analytischen Me-
genannt. thode, den Analyten von anderen Spezies in der Probe zu
Schutzsäule, guard column In der HPLC: kurze Säule, die mit unterscheiden. Auch Spezifität genannt.
dem gleichen Material wie die Trennsäule gefüllt ist und Selektivitätskoeffizient, selectivity coefficient Bei ionenselek-
sich zwischen dem Injektor und der Hauptsäule befindet. tiven Elektroden: Maß für das relative Ansprechverhalten
Sie entfernt Verunreinigungen, welche an der Trennsäule der Elektrode auf zwei verschiedene Ionen. In der Ionen-
irreversibel binden und sie damit verderben würden. Auch austausch-Chromatographie: Gleichgewichtskonstante für
Vorsäule genannt. In der Gaschromatographie: leeres, sila- die Verdrängung eines Ions durch ein anderes vom Aus-
nisiertes Kapillarstück vor der chromatographischen Säule. tauscherharz.
Nichtflüchtige Rückstände werden darin festgehalten. Semipermeable Membran, semipermeable membrane Dünne
Schwache Base, weak base Base mit einer kleinen Basekon- Schicht eines Materials, die für einige Stoffe durchlässig
stanten. ist, für andere dagegen nicht. Eine Dialysemembran lässt
Schwache Säure, weak acid Säure mit einer kleinen Säure- kleine Moleküle durch, große dagegen nicht.
konstanten. Septum, septum Scheibe, meist aus Silikongummi, die den
Schwacher Elektrolyt, weak electrolyte Verbindung, die bei ih- Injektionsblock eines Gaschromatographen abschließt. Die
rer Auflösung nur teilweise in Ionen dissoziiert. Probe wird mit einer Spritze durch das Septum injiziert.
Schwarzer Körper, blackbody Eine ideale Oberfläche, die alle Sequentielle Injektionsanalyse, sequential injection analysis
auftreffenden Photonen absorbiert. Hat der schwarze Kör- Mit der Fließinjektionsanalyse verwandte analytische Tech-
per eine konstante Temperatur, muss er genauso viel Strah- nik. Probe und Reagenzien werden über ein Ventil mit
lungsenergie emittieren wie er absorbiert. mehreren Anschlüssen in eine Halteschleife gegeben. Nach
Schwarzkörperstrahlung, blackbody radiation Von einem einer gewählten Reaktionszeit wird der Strom umgekehrt
schwarzen Körper emittierte Strahlung. Deren Energie und und die Zonen der Reagenzien, des Reaktionsprodukts
spektrale Verteilung hängen nur von der Temperatur des und der Probe werden zur Bestimmung der Produktmenge
schwarzen Körpers ab. durch den Detektor gedrückt. Der Fluss ist nicht kontinu-
Schwefel-Chemilumineszenzdetektor, sulfur chemiluminescence ierlich, so dass weniger Reagenzien als bei der Fließinjekti-
detector Gaschromatographischer Detektor für Schwefel. onsanalyse verbraucht werden.
Aus dem Flammenionisationsdetektor austretendes Gas SI-Einheiten, SI units SI = Système International d’Unités.
wird zur Bildung eines angeregten Zustands von SO2 mit Die internationalen SI-Einheiten beruhen auf den Grund-
O3 gemischt. Das dabei emittierte Licht wird gemessen. Das einheiten Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere, Kelvin,
Response-Verhältnis von S zu C ist 107. Candela, Mol, Radiant und Steradiant.
Schwingungsübergang, vibrational transition Tritt auf, wenn Sieben, sieving In der Elektrophorese: Trennung von Makro-
ein Molekül seine Schwingungsenergie ändert. molekülen, die durch ein Polymergel wandern. Die kleins-
872 Glossar

ten Moleküle wandern am schnellsten und die größten am Sorgfaltskette, chain of custody Verfolgung des Wegs einer
langsamsten. Probe vom Zeitpunkt ihrer Entnahme bis zur Analyse und,
Signalmittelung, signal averaging Verbesserung eines Sig- wenn möglich, bis zur Archivierung.
nals durch Mittelung aufeinander folgender Scans. Das Spannweite, spread Siehe Wertebereich.
Signal steigt proportional zur Anzahl der Scans. Das Rau- Spannung, voltage Potentialdifferenz.
schen steigt proportional zur Quadratwurzel der Anzahl Spektrale Interferenz, spectral interference In der Atomspek-
der Scans. Deshalb verbessert sich das Signal-Rausch- troskopie: jeder physikalische Prozess, der die Lichtinten-
Verhältnis proportional zur Wurzel der akkumulierten sität bei der analytisch genutzten Wellenlänge beeinflusst.
Scans. Wird durch Substanzen hervorgerufen, die bei dieser Wel-
Signal-Rausch-Verhältnis, signal-to-noise ratio Höhe eines Si- lenlänge Licht absorbieren, emittieren oder streuen.
gnals dividiert durch das Rauschen der Grundlinie neben Spektralphotometer, spectrophotometer Gerät zur Messung
dem Signal. Das Rauschen wird gewöhnlich durch das der Lichtabsorption. Es besteht aus einer Lichtquelle, einem
quadratische Mittel des Rauschens ausgedrückt. Je größer Wellenlängenselektor (Monochromator) und elektrischen
das Signal-Rausch-Verhältnis ist, desto geringer ist die Un- Bauteilen zur Lichtdetektion.
sicherheit des Signals. Spektralphotometrie, spectrophotometry Im weitesten Sinn
Signifikante Ziffer, significant figure Die Anzahl signifikanter jede Methode, bei der Licht (Absorption, Emission, Refle-
Ziffern in einer Größe ist die minimale Ziffernanzahl, die xion oder Streuung) zur Bestimmung chemischer Konzent-
zur Angabe einer Messgröße ohne Verlust an Präzision rationen verwendet wird.
erforderlich ist. Bei experimentellen Daten ist die erste un- Spektralphotometrische Titration, spectrophotometric titra-
sichere Ziffer die letzte signifikante Ziffer. tion Titration, bei der die Lichtabsorption benutzt wird,
Silanisierung, silanization Behandlung eines festen Träger- den Ablauf der Titrationsreaktion zu verfolgen und den
materials oder einer Glassäule für die Chromatographie Endpunkt zu bestimmen.
mit einer Siliciumverbindung, welche die sehr reaktiven Speziation, speciation Beschreibung der Verteilung eines Ele-
Si-OH-Gruppen bindet. Dadurch werden irreversible Ad- ments oder einer Verbindung auf die möglichen chemi-
sorption und Tailing polarer Analyte verhindert. schen Formen. Auch Speziierung genannt.
Silber-Silberchorid-Elektrode, silver-silver chloride electrode Spezies, species Chemiker bezeichnen jedes Element, jede
Wichtige Bezugselektrode, die aus einem mit AgCl be- Verbindung, jedes Ion, das sie interessiert, als eine Spezies.
schichtetem Silberdraht besteht, der in eine gesättigte Lö- Singular und Plural sind gleich.
sung von AgCl und (meist) KCl taucht. Die Halbzellenreak- Spezifikationen, specifications In der Qualitätssicherung sind
tion lautet: AgCl(s) + e– U Ag(s) + Cl–. Spezifikationen schriftliche Festlegungen zur Beschrei-
Singulett-Zustand, singlet state Zustand, bei dem alle Elekt- bung, wie gut die analytischen Ergebnisse werden müssen
ronenspins gepaart sind. und welche Vorsichtsmaßnahmen bei in einer analytischen
Skimmer, skimmer Metallkonus (Gold) am Vakuumeingang Methode erforderlich sind.
des Massenspektrometers, zur Selektion von axial-zentra- Spezifische Adsorption, specific adsorption Vorgang, bei dem
len Ionen. die Moleküle sehr fest durch van-der-Waals-Kräfte an einer
Skimmer-Kegel-Spannung, skimmer cone voltage Siehe Ke- Oberfläche festgehalten werden.
gelspannung. Spezifischer Widerstand, ρ, resistivity Maß für die Eigen-
Smith-Hieftje-Untergrundkorrekur, Smith-Hieftje background schaft eines Stoffs, einem elektrischen Stromfluss entge-
correction In der Atomspektroskopie: Methode zur Unter- genzuwirken. J = E/ρ mit J, der elektrischen Stromdichte
scheidung von Analyt-und Untergrundsignal. Beruht auf (A/m2) und E die elektrische Feldstärke (V/m). Einheiten
der Anwendung von periodischen Pulsen hoher Strom- des spezifischen Widerstands sind V∙m/A = Ω∙m. Der Wi-
stärke auf die Hohlkathodenlampen zur Signalverände- derstand, R, eines elektrischen Leiters mit gegebener Länge
rung. Das Signal während des Strompulses wird vom Signal und Querschnittsfläche ergibt sich durch R = ρ ∙ Länge/
bei normaler Stromstärke abgezogen, um das korrigierte Fläche.
Signal zu erhalten. Spezifität, specificity Charakteristik einer analytischen Me-
Snelliussches Brechungsgesetz, Snell’s Law Beziehung zwi- thode, den Analyten von anderen Spezies in der Probe zu
schen dem Brechungswinkel, θ2, und dem Einfallswinkel θ1 unterscheiden (auch Selektivität genannt).
für Licht, das von einem Medium mit dem Brechungsindex Spezifisches Gewicht, specific gravity Besser: spezifische Masse.
n1 in ein Medium mit dem Brechungsindex n2 übergeht: Dimensionslose Größe, die sich aus der Masse eines Stoffs
n1 sinθ1 = n2 sinθ2. Die Winkel werden in Bezug auf die dividiert durch die Masse eines gleichgroßen Wasservolu-
Senkrechte zur Grenzfläche zwischen den beiden Medien mens bei 4 °C ergibt. Ist praktisch identisch mit der Dichte
gemessen. in g/mL.
Solvatation, solvation Wechselwirkung von Lösungsmittel- Spiegelnde Reflexion, specular reflection Lichtreflexion in ei-
molekülen mit dem gelösten Stoff. Dabei orientieren sich nem Winkel, der dem Einfallswinkel gleich ist.
die Lösungsmittelmoleküle um den gelösten Stoff und ver- Spike, spike Zugabe einer bekannten Verbindung (gewöhn-
ringern die Energie durch Dipol- und van der Waals- lich mit bekannter Konzentration) zu einer unbekannten
Kräfte. Probe. In der Isotopenverdünnungsmassenspektrometrie
Glossar 873

ist ein zugesetzter Spike das ungewöhnliche Isotop. Spike Standardabweichung des Mittelwerts, σn, standard deviation
ist Substantiv und Verb. In der Co-Chromatographie ist of the mean Standardabweichung eines Satzes von Mes-
Spiking die gleichzeitige Chromatographie einer bekannten sungen (σ) dividiert durch die Quadratwurzel der Anzahl
Verbindung mit einer unbekannten Probe. Wenn die be- der Messungen (n) in diesem Satz: σ/ n.
kannte und die unbekannte Verbindung auf verschiedenen Standardaddition, standard addition Siehe Standardzusatz-
Säulen die gleiche Retentionszeit haben, sind die Verbin- methode.
dungen wahrscheinlich identisch. Standardisierung, standardization Vorgang, bei dem die
Spike-Wiederfindung, spike recovery Der Anteil des Spikes, Konzentration eines Reagenzes durch Reaktion mit einer
der bei einer chemischen Analyse am Ende wiedegefunden bekannten Menge eines zweiten Reagenzes bestimmt wird.
wird. Standardlösung, standard solution Lösung, deren Zusam-
Splitinjektion, split injection In der Kapillargaschromatogra- mensetzung bekannt ist, entweder weil sie aus einem Rea-
phie: Injektion eines kleinen Teils der Probe auf die Säule; genz bekannter Reinheit hergestellt wurde oder weil sie mit
der Rest der Probe wird verworfen. einer bekannten Menge eines Standardreagenzes umgesetzt
Splitlose Injektion, splitless injection In der Kapillargaschro- wurde.
matographie: in der Spurenanalyse und in der quantitativen Standardkurve, standard curve Graphische Darstellung des
Analyse wird die gesamte Probe in einem niedrigsiedenden Ansprechverhaltens einer analytischen Methode auf be-
Lösungsmittel auf die Säule gebracht. Die Probe wird durch kannte Mengen des Analyten.
Lösungsmittel-Trapping (Kondensation des Lösungsmittels Standardoperationsverfahren (SOP), standard operating pro-
unter seinem Siedepunkt) oder kaltes Trapping (Konden- cedure Eine schriftliche Vorschrift, die strikt befolgt wer-
sation der Analyte weit unter ihrem Siedepunkt) aufkon- den muss, um die Qualität einer chemischen Analyse zu
zentriert. Danach wird die Säule zum Start der Trennung sichern.
erwärmt. Standardreduktionspotential, E0, standard reduction potential
Spontaner Vorgang, spontaneous process Energetisch begüns- Zellspannung, die man in einer hypothetischen Zelle aus
tigter Vorgang, der schließlich ablaufen wird. Die Thermo- der gesuchten Halbzellenreaktion (mit allen Spezies in der
dynamik macht aber keine Aussagen, wie lange das dauern Aktivität Eins) und der Standardwasserstoffelektrode er-
wird. Auch freiwilliger Vorgang genannt. hält.
Spritze, syringe Gerät mit einem kalibrierten Behälter, in den Standardreferenzmaterial, Standard Reference Material Ent-
durch einen Kolben Flüssigkeit gezogen wird. Die Flüssig- spricht dem zertifizierten Referenzmaterial.
keit wird durch Drücken des Kolbens durch eine Nadel Standardwasserstoffelektrode, S.H.E., standard hydrogen elect-
ausgestoßen. rode Elektrode, bei der H2(g) eine katalytische Platinober-
Spurenanalyse, trace analysis Chemische Analyse von sehr fläche in einer wässrigen Lösung von H+ umspült. Die
kleinen Analytgehalten im ppm-Bereich und darunter. Aktivitäten von H2 und H+ sind bei dieser hypothetischen
Stabilitätskonstante, stability constant Gleichgewichtskon- Elektrode gleich Eins. Die Reaktion lautet H+ + e– U ½
stante für die Reaktion eines Metallions mit seinen Li- H2(g). Auch Normalwasserstoffelektrode (N.H.E.) genannt.
ganden zur Bildung eines Metall-Ligand-Komplexes (auch Standardzusatz-Methode, standard addition Methode, bei
Bildungskonstante genannt). der man zunächst das analytische Signal der unbekannten
Stacking, stacking In der Elektrophorese: Konzentrierung Probe ermittelt. Dann wird eine bekannte Menge des Ana-
eines verdünnten Elektrolyten zu einer schmalen Bande lyten zugesetzt und die Zunahme des Signals registriert.
durch ein elektrisches Feld an der Grenzfläche von Elekt- Unter Annahme eines linearen Ansprechverhaltens kann
rolyten mit hoher und niedriger Leitfähigkeit. Diese Kon- man die ursprüngliche Menge des Analyten bestimmen.
zentrierung erfolgt, da die Feldstärke in dem verdünnten Standardzustand, standard state Der Standardzustand ei-
Analytpfropfen größer ist als in dem konzentrierteren Um- nes gelösten Stoffs ist 1 M und der eines Gases ist 1 bar.
gebungselektrolyten. Die Ionen wandern schnell im Gebiet Reine Festkörper und Flüssigkeiten befinden sich in ihren
mit der geringeren Leitfähigkeit bis zur Grenzfläche, wo Standardzuständen. In Gleichgewichtskonstanten werden
das elektrische Feld viel kleiner ist. dimensionslose Konzentrationen durch ein Verhältnis der
Standardabweichung, standard deviation In der Statistik Maß Konzentration jeder Spezies zu ihrer Konzentration im
für die Verteilung von Messwerten um den Mittelwert. Für Standardzustand ausgedrückt.
eine endliche Zahl von Messwerten beträgt die Standardab- Starke Base, strong base Base, die wässriger Lösung vollstän-
weichung, s: dig protolysiert und OH– liefert.
Starke Säure, strong acid Säure, die in wässriger Lösung voll-
∑ (x − x−)
2 2

s= i i
=
∑ (x ) − (∑ x )
i
2
i i i ständig protolysiert und H3O+ liefert.
n −1 n −1 n n −1
( ) Starker Elektrolyt, strong electrolyte Substanz, die beim Auf-
mit der Zahl der Werte, n, dem Einzelwerten xi und dem lösen zum großen Teil dissoziiert.
Mittelwert, x–. Für eine große Zahl von Messwerten nähert Stationäre Phase, stationary phase In der Chromatographie:
sich s dem Wert von σ, der wahren Standardabweichung Phase, die sich nicht durch die Säule bewegt.
der Grundgesamtheit und x– nähert sich μ, deren wahrem Steradiant, sr, steradian Einheit des Raumwinkels. In eine
Mittelwert. Vollkugel passen 4π Steradiant.
874 Glossar

Stickstoff-Chemilumineszenzdetektor, nitrogen chemilumine- das Rauschen verringert wird. Bei der Atomabsorption
scence detector Gaschromatographischer Detektor, bei dem erlaubt das periodische Ausblenden des Lichtstrahls eine
durch Verbrennung des Eluats bei 1 800 °C Stickstoff in NO Unterscheidung des Lichts von der Strahlungsquelle und
umgewandelt wird, das mit O3 ein Produkt liefert, das Che- des Lichts von der Flamme.
milumineszenz besitzt. Der Detektor spricht auf N 107-mal Streukoeffizient, turbidity coefficient Siehe Trübungskoeffizi-
besser an als auf C. ent.
Stickstoff-Phosphor-Detektor, nitrogen-phosporus detector Streulicht, stray light In der Spektralphotometrie: Licht, das
Siehe Alkali-Flammendetektor. zum Detektor gelangt, aber nicht zum schmalen Wellenlän-
Stickstoffregel, nitrogen rule Eine Substanz mit einer ungera- genbereich des Monochromators gehört.
den Anzahl von Stickstoffatomen – zusätzlich zu C, H, Ha- Stripping-Analyse, stripping analysis Sehr nachweisstarke
logen, O, S, Si und P – hat eine ungerade nominelle Masse. voltammetrische Technik, bei welcher der Analyt aus einer
Eine Substanz mit einer geraden Anzahl von Stickstoffato- verdünnten Lösung durch Reduktion in einem Tropfen
men (0, 2, 4 …) hat eine gerade nominelle Masse. (oder einem Film) von Hg angereichert wird. Er wird
Stimulierte Emission, stimulated emission Emission eines während des anodischen Auflösungsvorgangs voltammet-
Photons, die durch ein anderes Photon der gleichen Wel- risch bestimmt. Manche Analyte können auch oxidativ an
lenlänge ausgelöst wird. anderen Elektrodenmaterialien angereichert und in einem
Stoffmenge, amount of substance SI-Grundgröße zur An- reduktiven Prozess gestrippt werden.
gabe der Teilchenzahl einer Stoffportion. Ihre Einheit ist Stromdichte, current density Elektrische Stromstärke pro Flä-
das Mol. cheneinheit (A/m2).
Stoffmengenanteil, amount fraction Neue Bezeichnung für Stromstärke, I, current Die in einem Stromkreis geflossene
Molenbruch. Ladungsmenge pro Zeiteinheit (A).
Stokessche Gleichung, Stokes equation Der Reibungskoeffzi- Students t-Faktor, Student’s t Statistisches Hilfsmittel zum
ent eines Moleküls, das durch eine Lösung wandert, beträgt Ausdruck des Vertrauensintervalls und zum Vergleich der
6πηr, wobei η die Viskosität der Lösung und r der hydro- Ergebnisse verschiedener Experimente.
dynamische (kugelförmige) Radius des Moleküls ist. Superkritisches Fluid, supercritical fluid Fluid oberhalb seiner
Stoßaktivierter Zerfall, collisionally activated dissociation kritischen Temperatur und seines kritischen Drucks. Es hat
Fragmentierung eines Ions in einem Massenspektrometer die Eigenschaften sowohl einer Flüssigkeit wie eines Gases.
durch energiereiche Zusammenstöße mit Gasmolekülen. Superkritische Fluid-Chromatographie, supercritical fluid chro-
Bei Anordnungen mit chemischer Ionisation bei Atmo- matography Chromatographie, bei der ein superkritisches
sphärendruck oder Elektrospray kann der stoßaktivierte Fluid als mobile Phase verwendet wird. Geeignet zur wirk-
Zerfall am Eingang des Massenfilters durch Variierungen samen Trennung nichtflüchtiger Analyte unter Verwen-
der Konusspannung gefördert werden. Bei der Tandem- dung von Detektoren, die für die Gas- oder Flüssigkeits-
Massenspektrometrie erfolgt der Zerfall in einer Kollisions- chromatographie geeignet sind.
zelle zwischen den beiden Massenseparatoren. Superkritische Fluid-Extraktion, supercritical fluid extraction
Stöchiometrie, stoichiometry Verhältnisse der Reaktionsteil- Extraktion von Verbindungen (meist aus Feststoffen) mit
nehmer einer chemischen Reaktion. einem superkritischen Fluid als Lösungsmittel.
Störung, interference Erscheinung, dass die Anwesenheit ei- Suppressor, suppressor In der Ionenchromatographie: Vor-
ner Substanz das Signal einer anderen Substanz in der Ana- richtung zur Umwandlung eines ionischen Eluenten in eine
lyse beeinflusst. Wird auch als Interferenz bezeichnet. nichtionische Form.
Strahlungsflussdichte, irradiance Strahlungsenergie (in Joule) Suppressor-Technik in der Ionenchromatographie, suppressed
pro Sekunde und Flächeneinheit, die emittiert, übertragen ion-chromatography Ionenaustauschtrennung mit einer
oder aufgenommen wird. Sie wird mit dem Symbol P be- Ionenaustauschersäule, der ein Suppressor (Membran oder
zeichnet und ist eng mit den Begriffen Strahlungsleistung Säule) zur Entfernung des ionischen Eluenten nachgeschal-
und Strahlungsintensität (Symbol I) verwandt. tet ist.
Strahlungsleistung, P, radiant power Leistung (Watt) der Supraleiter, superconductor Ein Stoff, der unterhalb einer
elektromagnetischen Strahlung (auch Intensität genannt). kritischen Temperatur seinen elektrischen Widerstand ver-
Wird häufig gleichbedeutend mit Strahlungsflussdichte liert.
verwendet, obwohl diese die Dimension Leistung pro Flä- Sweeping, sweeping In der Kapillarelektrophorese: Migra-
che hat. tion einer Substanz, z. B. ein Tensid oder Chelatbildner, als
Strahlteiler, beamsplitter Eine Scheibe, die einen Teil des Sammler zur Konzentrierung des Analyten in ein schmales
Lichts durchlässt und einen Teil reflektiert. Gebiet vor den wandernden Kollektorteilchen.
Strahlzerhacker, beam chopper Ein rotierender Spiegel in ei- Synproportionierung oder Komproportionierung, reverse
nem Zweistrahl-Spektralphotometer, der das Licht abwech- disproportionation Reaktion von zwei Stoffen, die ein
selnd durch die Probe und eine Bezugszelle leitet. Element in einer niedrigen und einer hohen Oxidati-
Strahlzerhackung, beam chopping Technik, bei der ein Strahl- onsstufe enthalten und ein Produkt mit einer mittleren
zerhacker verwendet wird, um das Signal in einem Spek- Oxidationsstufe des Elements ergeben, z. B. Iodid + Iodat
talphotometer auf eine Frequenz zu modulieren, bei der gibt Iod.
Glossar 875

Systematische Behandlung des Gleichgewichts, systematic Thermometrische Titration, thermometric titration Titation,
treatment of equilibrium Methode, die unter Verwendung bei der die Temperatur zur Endpunktbestimmung dient.
der Massen- und Ladungsbilanz sowie aller Gleichgewichte Die meisten Titrationsreaktionen verlaufen exotherm, so
die Zusammensetzung eines Systems vollständig angibt. dass die Temperatur während der Titration ansteigt und am
Systematischer Fehler, systematic error, determinate error Feh- Endpunkt plötzlich konstant bleibt.
ler, der auf Irrtümern im Verfahren oder instrumentelle Titer, titer Konzentrationsmaß, das angibt, wie viele mg von
Faktoren zurückzuführen ist. Unter solchen Bedingungen Reagenz B mit einem mL von Reagenz A reagieren. Zum
durchgeführte Messungen führen zu Ergebnissen, die kon- Beispiel wird 1 mL einer AgNO3-Lösung mit dem Titer von
stant zu hoch oder zu niedrig ausfallen. Dieser Fehler kann 1.28 mg NaCl/mL durch 1.28 mg NaCl in der Reaktion Ag+
prinzipiell entdeckt und beseitigt werden. + Cl– → AgCl(s) verbraucht. Die gleiche Lösung hat einen
t-Test, t test Statistischer Test zur Entscheidung, ob die Ergeb- Titer von 0.993 mg KH2PO4/mL, da 1 mL der AgNO3-Lö-
nisse von zwei Versuchen innerhalb der experimentellen sung von 0.993 mg KH2PO4 verbraucht wird, um Ag3PO4
Unsicherheit miteinander übereinstimmen. Die Unsicher- auszufällen.
heit muss innerhalb einer bestimmten Wahrscheinlichkeit Titrant, titrant Substanz, die bei einer Titration dem Analyten
angegeben werden. zugesetzt wird.
Tandemmassenspektrometrie, tandem mass spectrometry Titration, titration Analytische Methode, bei der eine Subs-
Siehe Selected Reaction Monitoring. tanz (Titrant) sorgfältig einer anderen (Analyt) zugesetzt
Tailing, tailing Asymmetrische chromatographische Elutions- wird, bis eine vollständige Umsetzung stattgefunden hat.
bande, bei der die Rückseite der Bande abgeflacht ist. Häu- Die hierzu benötigte Menge des Titranten gibt an, wie viel
figer Grund ist die Adsorption des Analyten an einigen be- Analyt vorhanden ist.
sonders aktiven Adsorptionsstellen der stationären Phase. Titrationsfehler, titration error Differenz zwischen dem be-
Tara, tare Masse eines leeren Gefäßes, das zur Einwaage be- obachteten Endpunkt und dem wahren Äquivalenzpunkt
nutzt wird. einer Titration.
Tarieren, tare Die Ablesung einer Waage wird bei Belastung Titrationskurve, titration curve Graphische Darstellung der
mit einem leeren Gefäß auf Null gesetzt. Änderung der Konzentration eines Reaktanten oder der
Temperaturprogrammierung, temperature programming Tem- physikalischen Eigenschaft einer Lösung, wenn ein Reak-
peraturerhöhung einer gaschromatographischen Säule wäh- tant (Titrant) zum anderen (Analyt) gegeben wird.
rend einer Trennung zur Erniedrigung der Retentionszeiten Toleranz, tolerance Vom Gerätehersteller angegebene Unsi-
der zuletzt eluierenden Komponenten. cherheit zur Richtigkeit z. B. für das Volumen einer Bürette
Temporäre Härte, temporary hardness Anteil der Wassser- oder eines Messkolbens. Ein 100-mL-Kolben mit einer To-
härte, der auf gelöste Erdalkalihydrogencarbonate zurück- leranz von ±0.08 mL kann zwischen 99.92 und 100.08 mL
zuführen ist. Dieser ist temporär, da durch Kochen eine enthalten und befindet sich damit im Toleranzbereich.
Ausfällung der Carbonate erfolgt. Totalionenchromatogramm, total ion chromatogram Graphi-
Tensid, surfactant Siehe grenzflächenaktive Substanz. sche Darstellung des Detektorsignals gegen die Zeit. Hier-
Theoretischer Boden, theoretical plate Angenommenes Ge- bei registriert das Massenspektrometer sämtliche Ionen,
bilde in der Chromatographie für einen Säulenabschnitt, in die aus dem Chromatographen kommen oberhalb eines
dem sich das Gleichgewicht zwischen mobiler und statio- gewählten m/z-Verhältnisses.
närer Phase einmal einstellt. Die Anzahl der theoretischen Totvolumen, dead volume Volumen eines chromatographi-
Böden in einer Säule mit Gaußscher Peakform ist definiert schen Systens (mit Ausnahme der Säule!) zwischen den
mit N = tr2 /  2, mit tr, der Retentionszeit des Peaks, und σ, Punkten der Injektion und Detektion. Auch Extra-Säulen-
der Standardabweichung des Peaks. Siehe auch Bodenhöhe. volumen genannt.
Thermische Desorption, thermal desorption Probenvorberei- Trägerbelelegte Säule, support-coated column Gaschroma-
tungsmethode in der Gaschromatographie, bei der flüch- tographische Säule, bei der sich die stationäre Phase auf
tige Substanzen aus einem Festkörper durch Erhitzen frei- festen Trägerpartikeln an der Säuleninnenwand befindet.
gesetzt werden. Trägergas, carrier gas Mobile Phase in der Gaschromatogra-
Thermistor, thermistor Gerät, dessen elektrischer Widerstand phie.
sich bei Temperaturänderungen deutlich ändert. Transmission, T, transmission Definiert als T = P/P0 mit P0,
Thermoelement, thermocouple Elektrische Verbindungsstelle, der Strahlungsleistung des Lichts auf der einfallenden Seite
an der eine temperaturabhängige Spannung auftritt. Ther- der Probe und P, der Strahlungsleistung des auf der ande-
moelemente werden zur Temperaturmessung kalibriert ren Seite der Probe austretenden Lichts.
und bestehen gewöhnlich aus dem Kontakt von zwei unter- Transmissions-Quadrupol-Massenspektrometer, transmission
schiedlichen Metallen. quadrupole mass spectrometer Ein Massenspektrometer,
Thermogravimetrische Analyse, thermogravimetric analysis das Ionen dadurch trennt, das sie in eine Kammer zwischen
Analytische Methode, bei der die Masse des Analyten beim vier Metallzylinder geleitet werden, an die Gleichstrom und
Erhitzen der Substanz bestimmt wird. Veränderungen der oszillierende elektrische Felder angelegt sind. Resonante
Masse kennzeichnen eine Zersetzung, die oft zu wohldefi- Ionen mit dem richtigen Masse-Ladungsverhälnis können
nierten Produkten führt. durch die Kammer zum Detektor gelangen, während nicht
876 Glossar

in Resonanz befindliche Ionen in die Zylinder abgelenkt folgt. Bei einem Redox-Indikator, der Potential-Bereich, in
werden und verloren gehen. dem die Farbänderung erfolgt.
Trennfaktor, separation factor Siehe relative Retention. Unbestimmter Fehler, indeterminate error Zufallsfehler. Siehe
Trennmittel, releasing agent In der Atomspektroskopie: ein Messunsicherheit.
Stoff zur Verhinderung der chemischen Interferenz. Unkorrigierte relative Retention, γ, unadjusted relative reten-
Trennsäule, separator column Allgemein: chromatographi- tion In der Chromatographie: Für die in der Chromato-
sche Säule. In der Ionenchromatographie: die erste Säule graphie oder Elektrophorese getrennten Komponenten A
zur Analyttrennung ist die Trennsäule und die zweite wird und B ist die unkorrigierte relative Retention γ der Quo-
als Suppressorsäule bezeichnet. tient der Lineargeschwindigkeiten oder der unkorrigierten
Tripelpunkt, triple point Durch Temperatur und Druck be- Retentionszeiten: γ = uA/uB = tB/tA, mit den Linearge-
schriebener Zustand, bei dem sich feste, flüssige und gas- schwindigkeiten u und den Retentionszeiten t.
förmige Form eines Stoffs miteinander im Gleichgewicht Unpolare Substanz, nonpolar substance Eine Substanz, z. B.
befinden. ein Kohlenwasserstoff, mit einer geringen Ladungstren-
Triplett-Zustand, triplet state Elektronischer Zustand, in dem nung innerhalb des Moleküls und ohne ionische Ladung.
zwei ungepaarte Elektronen vorliegen. Unpolare Substanzen können mit anderen Stoffen durch
Trockenveraschung, dry ashing Oxidation von organischen schwache van-der-Waals-Kräfte in Wechselwirkung treten
Stoffen mit O2 bei hoher Temperatur. Dabei bleiben die und sind generell nicht in Wasser löslich.
anorganischen Komponenten für die Analyse zurück. Unpolarisierbare Elektrode, nonpolarizable electrode Elekt-
Trübung, turbidity Durch Lichtstreuung an suspendierten rode, deren Potential selbst bei Stromfluss konstant bleibt,
Teilchen bewirkte Erscheinung. z. B. eine gesättigte Kalomel-Elektrode.
Trübungskoeffizient, turbidity coefficient Die Transmission Untergrundkorrektur, background correction In der Atom-
einer trüben Lösung beträgt P/P0 = e–τb. Dabei ist P die spektroskopie: Maßnahme zur Unterscheidung der Signale
Strahlungsleistung des durchgelassenen und P0 die des des Analyten von den Signalen, die durch Absorption,
einfallenden Lichts, b die Weglänge und τ der Trübungs- Emission oder Streuung durch die Flamme, den Ofen, das
koeffizient. Plasma oder die Probenmatrix hervorgerufen werden.
Trockenmittel, desiccant Unterpotentialabscheidung, underpotential deposition Re-
Turbidimetrie, turbidimetry Analytische Methode, bei der die duktion von Mn+ zu einer atomaren Monoschicht von M
Abnahme der Intensität des Lichts, das durch eine trübe auf der Oberfläche eines anderen Materials, z. B. Gold.
Lösung (Lösung mit suspendierten Teilchen) tritt, gemes- Wenn das Reduktionspotential zur Herstellung der Mono-
sen wird. Je höher die Konzentration der suspendierten schicht auf Gold weniger negativ ist als das zur Reduktion
Teilchen ist, desto weniger Licht wird durchgelassen. Siehe von Mn+ zu M in kompakter Form, spricht man von Unter-
Diagramm bei Nephelometrie. potentialabscheidung.
Übersättigte Lösung, supersaturated solution Lösung, die Upconversion, upconversion Vorgang, bei dem ein energie-
mehr gelösten Stoff enthält als dem Gleichgewichtszustand reicheres Photon durch Kombination der Energien mehre-
entspricht. rer energieärmerer Photonen gebildet wird.
Überspannung, overpotential Potential, das zur Überwin- Valenzband, valence band Energieniveaus in einem Halblei-
dung der Aktivierungsenergie für die Reaktion an der Elek- ter, in denen sich die Valenzelektronen befinden. Die Elek-
trode erforderlich ist. Das Elektrodenpotential ist größer als tronen in diesen Niveaus sind in chemischen Bindungen
aus dem Gleichgewichtspotential, der Konzentrationspola- lokalisiert.
risation und dem Ohmschen Potential zu erwarten ist. Bei van-Deemter-Gleichung, van Deemter equation Beschreibt
einer reversiblen Elektrode ist die Überspannung Null. die Abhängigkeit der chromatographischen Bodenhöhe,
Überstehende Flüssigkeit, supernatant liquid Flüssigkeit, die H, von der linearen Fließgeschwindigkeit ux: H = A + B/ux
sich über einem Feststoff befindet, der z.B. bei einer Aus- + Cux. Die Konstante A hängt von Vorgängen zur Banden-
fällung entsteht. verbreiterung ab, die unabhängig von der Fließgeschwin-
Ultraviolettdetektor, ultraviolet detector Detektor in der digkeit sind, wie etwa die unterschiedlichen Weglängen
Flüssigkeitschromatographie, der die UV-Absorption der des Analyten. B hängt von der Diffusionsgeschwindigkeit
Analyte beim Verlassen der Säule misst. des Analyten in der mobilen Phase ab. C hängt von der
Umfällung, reprecipitation Reinigung eines gravimetrischen Geschwindigkeit des Massentransfers zwischen der statio-
Niederschlags durch Wiederauflösung und erneute Fäl- nären und mobilen Phase ab.
lung. Vorhandene Verunreinigungen sind bei der zweiten Varianz, σ², variance Quadrat der Standardabweichung.
Fällung in geringerer Konzentration vorhanden und ihre Varianzanalyse, analysis of variance Gruppe statistischer Ver-
erneute Ausfällung ist weniger wahrscheinlich. fahren zur Zerlegung des Gesamtzufallsfehlers in Einzel-
Umkehrphasenchromatographie, reversed-phase chromato- beiträge der Ursachen.
graphy Analytische Trennmethode, bei der die stationäre Variationskoeffizient, coefficient of variation Standardabwei-
Phase weniger polar als die mobile Phase ist. chung s, ausgedrückt als Prozentanteil des Mittelwertes x:
Umschlagsbereich, transition range Bei einem Säure-Base- Variationskoeffizient = 100 × s/x. Auch relative Standard-
Indikator, der pH-Bereich, in dem eine Farbänderung er- abweichung genannt.
Glossar 877

Verarbeitung, digestion Im weiteren Sinn: jede chemische Verteilungsverhältnis, D, distribution coefficientBeschreibt die
Behandlung einer Probe, bei der ein Stoff zersetzt wird, um Verteilung eines Analyten zwischen zwei Phasen. Dabei
den Analyten in eine für die Analyse geeignete Form zu werden die Gesamtkonzentrationen aller Formen des Ana-
bringen. Im engeren Sinn: siehe Reifung. lyten in beiden Phasen betrachtet.
Verbrennungsanalyse, combustion analysis Analytische Tech- Vertrauensintervall, confidence intervall Wertebereich, in dem
nik, bei der eine Probe in einer O2-Atmosphäre erhitzt der wahre Wert mit einer angegebenen statistischen Sicher-
wird, um sie zu CO2 und H2O zu oxidieren. Diese Produkte heit liegt.
werden gesammelt und ausgewogen oder durch Gaschro- Vertrauensniveau, confidence level Wahrscheinlichkeit, die
matographie bestimmt. Modifizierungen dieser Technik für die Berechnung des Vertrauensbereichs vorgegeben
erlauben auch die gleichzeitige Bestimmung von N, S und wird. Das Vertrauensnivau ergibt sich aus 1 minus Irrtums-
den Halogenen. risiko.
Verbundelektrode, compound electrode Eine ionenselektive Verweilvolumen, dwell volume In der Chromatographie: Vo-
Elektrode, bei der eine konventionelle Elektrode von ei- lumen zwischen dem Mischpunkt der Lösungsmittel und
ner Sperrschicht umgeben ist, die nur für den gesuchten dem Säulenanfang.
Analyten durchlässig ist. Die Sperrzone kann auch dazu Verweilzeit, dwell time In der Chromatographie: Zeit zwi-
dienen, einen Analyten aus der äußeren Zone in eine schen dem Mischen der Lösungsmittel und dem Erreichen
Form umzuwandeln, die an der inneren Elektrode detek- der Säule.
tierbar ist. Verwendungsziele, use objectives In der Qualitätssicherung
Verdampfungslichtstreudetektor, evaporative light-scattering sind Verwendungsziele schriftliche Festlegungen über die
detector Detektor in der Flüssigkeitschromatographie, der Art und Weise der Nutzung der analytischen Ergebnisse.
einen feinen Nebel des Eluats erzeugt und das Lösungsmit- Die Verwendungsziele sind erforderlich, bevor die Spezifi-
tel in einer Heizzone aus dem Nebel verdampft. Die ver- kationen für die Methode formuliert werden können.
bliebenen Partikel im Strom der Flüssigkeit oder des festen Viskosität, viscosity Widerstand gegen den Fluss eines Fluids.
Analyten werden durch die Streuung von Laserstrahlung Voltammetrie, voltammetry Analytische Methode, bei der
detektiert. während einer elektrochemischen Reaktion die Beziehung
Verdrängungstitration, displacement titration Eine EDTA- zwischen Strom und Spannung verfolgt wird.
Titration, bei welcher der Analyt mit einem Überschuss Voltammogramm, voltammogram Darstellung der Strom-
MgEDTA2– behandelt wird, der Mg2+ aus dem Komplex Spannungskurve in einer elektrochemischen Zelle.
verdrängt: Mn+ + MgEDTA2– U MEDTAn–4 + Mg2+. Das Volhard-Titration, Volhard titration Titration von Ag+ mit
freigesetzte Mg2+ wird dann mit EDTA titriert. Das Verfah- SCN– in Gegenwart von Fe3+. Die Bildung von rotem
ren wird angewendet, wenn es keinen geeigneten Metallin- Fe(SCN)2+ zeigt den Endpunkt an.
dikator für die direkte Titration von Mn+ gibt. Volumenfließgeschwindigkeit, volume flow rate In der Chro-
Verdünnungsfaktor, dilution factor Faktor (Anfangsvolumen matographie: Volumen der mobilen Phase, das pro Zeitein-
des Reagenzes durch Gesamtvolumen der Lösung) für die heit aus der Säule fließt.
Multiplikation der Anfangskonzentration des Reagenzes Volumenprozent, Vol%, volume percent (Volumen des gelös-
zur Bestimmung der Verdünnungskonzentration. ten Stoffs/Volumen der Lösung) × 100.
Verflüchtigung, volatilization Selektive Entfernung einer Volumetrische Analyse, volumetric analysis Methode, bei der
Komponente aus der Mischung durch deren Überführung das Volumen des zur Reaktion erforderlichen Materials
in eine flüchtige (leicht siedende) Spezies und ihre Beseiti- gemessen wird.
gung durch Erhitzung, Abpumpen oder Durchleitung eines Volt, V Einheit des elektrischen Potentials oder der Potential-
Gases durch das Gemisch. differenz. Bei einer Potentialdifferenz von 1 Volt zwischen
Verkohlung, charring Bei einer gravimetrischen Analyse wer- zwei Punkten ist eine Energie von 1 Joule erforderlich, um
den Niederschlag und Filter zuerst schonend getrocknet. die Ladungsmenge von 1 Coulomb zwischen den beiden
Dann wird das Filterpapier bei mittleren Temperaturen Punkten zu transportieren.
verkohlt, wobei das Papier ohne Flammenbildung zerstört Voltammetrie, voltammetry Analytische Methode, bei der die
wird. Schließlich wird der Niederschlag bei hoher Tempe- Beziehung zwischen Stromstärke und Spannung während
ratur geglüht und in die Wägeform überführt. einer elektrochemischen Reaktion beobachtet wird.
Vernetzung, cross-linking Quervernetzung durch kovalente Voltammogramm, voltammogram Graphische Darstellung
Bindung zwischen einzelnen Strängen in einem Polymer. des Stroms gegen das Elektrodenpotential in einer elektro-
Verteilungschromatographie, partition chromatography Ana- chemischen Zelle.
lytische Methode, bei der die Trennung durch das Ver- Voltmeter, voltmeter Gerät zur Messung der elektrischen Po-
teilungsgleichgewicht der Analyte zwischen zwei Phasen tentialdifferenz. Siehe auch Potentiometer.
bewirkt wird. Voranreicherung, preconcentration Methode zur Anreicherung
Verteilungskoeffizient, K, partition coefficient Gleichgewichts- (Konzentrierung) von Spurenkomponenten einer Probe vor
konstante für die Reaktion, bei der ein Analyt zwischen ihrer Bestimmung.
zwei Phasen verteilt wird. Analyt (in Phase 1) U Analyt Vorläuferion, precurser ion In der Tandem-Massenspektro-
(in Phase 2). metrie (Selected Ion Monitoring): Ion, das vom ersten
878 Glossar

Massentrenner zur Fragmentierung in der Kollisionszelle Wellenzahl, ν–, wavenumber Reziproker Wert der Wellenlänge,
ausgewählt wurde. 1/λ, gewöhnlich in cm–1 angegeben.
Vormischbrenner, premix burner In der Atomspektroskopie: Wendepunkt, inflection point Punkt einer Kurve, in dem die
Brenner, bei dem die Probe zerstäubt und gleichzeitig mit Ableitung des Anstiegs Null ist: d2y/dx2 = 0. Das ist der Fall,
dem Brenn- und Oxidationsgas gemischt wird, bevor sie in wenn der Anstieg einen maximalen oder minimalen Wert
die Flamme gelangt. erreicht hat.
Voroxidaton, preoxidation Bei Redox-Titrationen angewen- Wertebereich, range Differenz zwischen dem höchsten und
dete Methode der Oxidation des Analyten vor der Tit- niedrigsten Wert in einer Messreihe. Auch Spannweite ge-
ration, damit dieser mit einem Reduktionsmittel titriert nannt. Bei einer analytischen Methode der Konzentra-
werden kann. tionsbereich mit akzeptabler Linearität, Richtigkeit und
Vorreduktion, prereduction Bei Redox-Titrationen angewen- Präzision.
dete Methode der Reduktion des Analyten vor der Tit- Weston-Element, Weston cell Äußerst stabile Spannungs-
ration, damit dieser mit einem Oxidationsmittel titriert quelle, die auf der Reaktion Cd(s) + HgSO4(aq) U
werden kann. CdSO4(aq) + Hg(l) beruht. Wird zur Kalibrierung von
Wägepapier, weighing paper Papierstück zur Aufnahme ei- Potentiometern verwendet.
nes Feststoffs auf einer Waagschale. Das Wägepapier hat Widerstand, R, resistance Maß für die dem elektrischen
eine glatte Oberfläche, von der Feststoffe leicht in ein Gefäß Stromfluss entgegen gerichtete Kraft. Die SI-Einheit ist
gegeben werden können. Ohm, Ω.
Wägetitration, gravimetric titration, mass titration Titration, Wolframlampe, tungsten lamp Lichtquelle, in der Elektrizität
bei der die Masse des Titranten (anstelle des Volumens) durch einen Wolframdraht geleitet wird, diesen dabei er-
gemessen wird. Wägetitrationen können richtiger und re- hitzt und sichtbare Strahlung emittiert.
produzierbarer sein als volumetrische Titrationen. Zeeman-Effekt, Zeeman effect Verschiebung der Elektronen-
Walden-Reduktor, Walden reductor Säule, die mit Silber ge- niveaus eines Atoms in einem Magnetfeld.
füllt ist und mit HCl eluiert wird. Der Analyt wird beim Zeeman-Untergrundkorrektur, Zeeman background correc-
Durchlaufen der Säule reduziert. Das Reduktionsprodukt tion In der Atomspektroskopie: Methode, bei der die
wird mit einem Oxidationsmittel titriert. Analytsignale durch Einwirkung eines starken Magnetfelds
Wandbelegte Säule, wall-coated column Offene chromato- auf die Probe aus dem Monochromatorbereich des Detek-
graphische Säule, deren Innenwand mit der stationären tors verschoben werden. Das verbleibende Signal ist der
Phase bedeckt ist. Untergrund.
Wärmeleitfähigkeit, κ, thermal conductivity Stoffeigenschaft, Zentralwert Siehe Median.
die beschreibt, wie eine Substanz Wärme (Energie pro Zerfließliche Substanz, deliquescent substance Ein hygrosko-
Zeit- und Flächeneinheit) durch einen Temperaturgradi- pischer Feststoff, der spontan so viel Wasser aus der Luft
enten (Grad pro Einheitsabstand) transportiert. Der Ener- aufnimmt, dass sich die Substanz vollständig auflöst.
giefluss [J/(s∙m²)] beträgt κ(dT/dx), mit der Wärmeleitfä- Zersetzungsspannung, decomposition potential In der
higkeit κ[W/(m∙K)] und dem Temperaturgradienten dT/ Elektrolyse: Spannung, bei der eine rasche Zersetzung
dx (K∙m). beginnt.
Wärmeleitfähigkeitsdetektor, thermal conductivity detector Zerstäuber, nebulizer In der Atomspektroskopie: Vorrichtung
Gerät, mit dem Substanzen im Eluat einer gaschromati- zur Bildung eines Nebels feiner Tröpfchen aus einer flüssi-
schen Säule durch Messung der Änderungen der Wärme- gen Probe.
leitfähigkeit des Gasstroms detektiert werden. Zerstäubung, nebulization Bildung eines Nebels feiner Tröpf-
Wasserfrei, anhydrous Adjektiv, welches eine Substanz be- chen aus einer Flüssigkeit.
schreibt, von der sämtliches Wasser entfernt wurde. Zertifiziertes Referenzmaterial, certified reference mate-
Watt, W SI-Einheit der Leistung. 1 W ist der Energiefluss von rial Von internationalen und nationalen Messinstituten
1 J pro Sekunde. Wenn Strom von 1 A durch eine Potential- verkaufte Proben mit bekannten Analytmengen zur Über-
differenz von 1 V fließt, beträgt die Leistung 1 Watt. prüfung der Richtigkeit analytischer Verfahren. Auch Stan-
Weißes Licht, white light Licht aller Wellenlängen. dardreferenzmaterialien genannt.
Weißes Rauschen, white noise Zufallsrauschen, auch Gauß- Ziele der Datenqualität, data quality objectives Richtigkeit,
sches Rauschen genannt, das auf zufälligen Bewegungen Reproduzierbarkeit und Probenerfordernisse einer analy-
der Ladungsträger in elektrischen Stromkreisen beruht tischen Methode.
(auch thermisches Rauschen oder Johnson-Rauschen ge- Zufallsbedingt heterogener Stoff, random heterogeneous ma-
nannt) oder durch das zufällige Auftreffen von Photonen terial Stoff mit Unterschieden in der Zusammensetzung
oder Ladungsträgern auf Detektoren entsteht (Schrotrau- im mikroskopischen Maßstab, ohne Muster oder Vorher-
schen oder Schottky-Rauschen). sehbarkeit. Die Probenahme liefert Portionen unterschied-
Wellenlänge, λ, wavelength Abstand zwischen zwei aufeinan- licher Zusammensetzung.
der folgenden Orten gleichen Schwingungszustands. Zufallsfehler, random error Ein Fehler, der sowohl positiv
Wellenleiter, waveguide Dünne Schicht oder Hohlröhre, in wie negativ sein kann. Er lässt sich nicht beseitigen und
der elektromagnetische Strahlung total reflektiert wird. beruht auf der grundsätzlichen Begrenzung physikalischer
Glossar 879

Messungen. Auch unbestimmter Fehler genannt. Siehe Mess- Zweiprotonige Säuren und Basen, diprotic acids and bases
unsicherheit. Verbindungen, die zwei Protonen abgeben oder aufnehmen
Zufallsprobe, random sample Sammelprobe aus mehreren zu- können.
fällig ausgewählten Portionen. Zwitterion, zwitterion Molekül, das an einer Stelle eine po-
Zweikammerelektrode, double-junction electrode Elektrode sitive Ladung und an einer anderen Stelle eine negative
mit inneren und äußeren Kammern zur Verringerung Ladung trägt.
des Kontakts zwischen Analytlösung und dem Inhalt der Zyklische Voltammetrie, cyclic voltammetry Polarographische
Innenelektrode. Die äußere Kammer dient als Salzbrü- Technik, bei der eine dreieckförmige Spannung innerhalb
cke mit Ionen, die chemisch mit dem Analyt verträglich weniger Sekunden an die Arbeitselektrode gelegt wird. Für
sind. reversible Reaktionen werden sowohl kathodische wie ano-
dische Ströme beobachtet.
Anhang A

Logarithmen und Exponenten Zuert wird der log-Term abgetrennt:


d (b − a )
Wenn a der dekadische Logarithmus von n ist (a = log n), dann log =
gx c
gilt n = 10a. Auf dem Taschenrechner erhält man den Loga-
rithmus einer Zahl, wenn die „log“-Taste gedrückt wird. Wenn Dann werden beide Seiten der Gleichung als Exponent von 10
man weiß, dass a = log n und n gesucht wird, benutzt man die gesetzt:
„antilog“-Taste oder erhebt 10 in die Potenz von a.
10 log(d/gx) = 10(b-a)/c.

a = log n Aber 10 log(d/gx) ist d/gx und man erhält


d d
= 10(b-a)/c ⇒ x=
g 10( )
b −a /c
a
10 = 10 log n
= n (⇒ n = antilog a) gx
Umwandlung von ln x in log x und umgekehrt: Die Beziehung
Die natürlichen Logarithmen (ln) haben die Zahl e (= 2.718 281 zwischen den beiden Logarithmen ergibt sich aus x = 10log x mit
…) anstelle von 10 als Basis: anschließendem Logarithmieren beider Seiten mit dem natür-
lichen Logarithmus:
b = ln n ln x = ln (10log x) = (log x)(ln10),
denn ln ab = b ln a.
eb = eln n = n
Aufgaben
Auf dem Taschenrechner findet man ln von n mit der „ln“- Überprüfen Sie Ihre Kenntnisse, indem Sie die folgenden Aus-
Taste. Wenn man weiß, dass b = ln n und n gesucht wird, be- drücke so weit wie möglich vereinfachen.
e) e − ln a i) log (10a −b)
3 2
nutzt man die „ex“-Taste. a) eln a
-3
log a ln a
Die folgenden Gleichungen müssen Sie kennen: b) 10 f) e 1 j) log (2a310b2)
k) e(a + ln b )
3
a a
c) log 10 g) log (10 )
log (a ∙ b) = log a + log b log 10a = a
h) log (10 ) l) 10[(log 3) −(4 log 2)]
−a 2
-log a
d) 10
a
log ( ) = log a – log b ab ∙ ac = a(b+c)
b Lösungen
ab 1
b
log (a ) = b log a = a(b-c) a) a d) 1/a g) j) b2 + log (2a3)
ac a3
1
Lösung einer logarithmischen Gleichung: Bei der Arbeit mit b) a e) h) –a2 k) bea
a3
der Nernstschen oder der Henderson-Hasselbalch-Gleichung
1
muss man Gleichungen der folgenden Art zur Berechnung der c) a f) 3 i) a2 – b l) 3/16
a
Variablen x lösen
d
a = b – c log
gx

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
Anhang B

Graphische Darstellung von Geraden 60

Die allgemeine Form der Gleichung einer Geraden lautet 40

y = mx +b 20

Δ y y2 − y1

E (mV)
mit m, dem Anstieg = =
Δ x x2 − x1 0 Anstieg =
29.6 mV
und b, dem Ordinatenabschnitt.
–20

Die Bedeutung von Anstieg und Ordinatenabschnitt wird in


–40
Abbildung B.1 gezeigt.

Δy 10–5 10–4 10–3 10–2


Anstieg = m = Δx
A
y (x2, y2)
–5 –4 –3 –2
Δy = y2 – y1 log A
(x1, y1)

Δx = x2 – x1 Abb. B.2 Lineare graphische Darstellung, bei der eine Achse eine loga-
b
rithmische Funktion ist.
x

Abb. B.1 Parameter einer Geraden. Manchmal liegen lineare Darstellungen vor, bei denen x
oder y oder beide nichtlineare Funktionen sind. Ein Beispiel
ist in Abbildung B.2 gezeigt, in der das Potential einer Elekt-
Wenn man die beiden Punkte [(x1,y1) und (x2,y2)], die auf einer rode als Funktion der Aktivität des Analyten ausgedrückt ist.
Geraden liegen, kennt, lässt sich die Gleichung der Geraden Gegeben ist ein Anstieg von 29.6 mV pro Aktivitätsdekade und
aufstellen, denn der Anstieg ist für jedes Punktepaar auf der ein Wert von E = –10.2 bei der Aktivität A = 10–4. Nun soll die
Geraden gleich. Für den allgemeinen Punkt (x,y) auf der Gera- Gleichung der Geraden bestimmt werden. Zunächst stellt man
den können wir schreiben fest, dass die y-Achse linear, die x-Achse dagegen logarithmisch
geteilt ist. Das heißt, dass die Funktion E gegen A nicht linear
(B.1) ist, wohl aber die Funktion E gegen log A. Die Form der Gera-
den ist folglich
Diese Gleichung kann umgeformt werden in
E = (29.6) log A + b

↑ ↑
y m x

Zur Ermittlung von b werden die Koordinaten des einen be-


kannten Punkts in Gleichung B.1 eingesetzt:

Für eine Reihe von experimentell ermittelten Punkten, die auf


einer Geraden liegen sollten, erhält man die beste Gerade mit
der Methode der kleinsten Quadrate, die im Kapitel 4 beschrie- oder
ben wurde. Mit dieser Methode erhält man unmittelbar den
Anstieg und den Ordinatenabschnitt. Wenn man stattdessen
die „beste“ Gerade mit dem Auge ermitteln will, kann man die
Geradengleichung bestimmen, indem man zwei Punkte, die auf
der Geraden liegen, auswählt und Gleichung B.1 anwendet.

D. C. Harris, Lehrbuch der quantitativen Analyse,


DOI 10.1007/978-3-642-37788-4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
Anhang C

Fortpflanzung der Messunsicherheit

Die Regeln für die Fortpflanzung der Messunsicherheit in der


Tabelle 3.1 sind Spezialfälle einer allgemeinen Formel. Nehmen Zurück zu den Zahlen. Ohne Berücksichtigung der Unsicher-
wir an, dass eine Funktion F von verschiedenen experimentel- heiten kennen wir den Wert von F = 2.003.00 = 8.00 ±? Die Un-
len Größen x, y, z, …. berechnet werden soll. Wenn die Fehler sicherheit ergibt sich aus der obigen Gleichung:
(ex,ey,ez, ….) von x,y,z,…. klein, zufällig und voneinander un-
abhängig sind, beträgt die Messunsicherheit, eF, der Funktion
F angenähert:*

√( ) ( ) ( )
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯
∂F 2 2 ∂F 2 2 ∂F 2 2 Einleuchtende Lösungen sind F = 8.00 ± 0.55 oder 8.0 ± 0.6.
eF = ex + ey + ez + . . . (C.1)
∂x ∂y ∂z
Übungen
Die in dieser Gleichung stehenden Klammerausdrücke sind die C-1. Bestätigen Sie die folgenden Berechnungen
partiellen Ableitungen. Sie werden wie die üblichen Ableitun- a) 2.364.39±0.08 = 43.4 ± 3.0
gen gebildet, allerdings mit dem Unterschied, dass bei der Ab- b) (2.36 ± 0.06)4.39±0.08 = 43.4 ± 5.7
leitung nach einer Größe die übrigen als Konstante betrachtet
werden. Zum Beispiel ist für F = 3xy2 die Ableitung δF/δx = 3y2 C-2. Zeigen Sie, dass sich für F = sin(2πxy) folgende Unsicher-
und δF/δy = (3x)(2y) = 6xy. heit ergibt
Als Beispiel für die Anwendung von Gleichung C.1 wird die
Messunsicherheit in der folgenden Funktion gesucht:
F = xy = (2.00 ± 0.02)3.00±0.09
Die partiellen Ableitungen sind
Kovarianz der Fortpflanzung
der Messunsicherheit
Durch Einsetzen dieser Größen in Gleichung C.1 erhält man Bei der Gleichung C-1 wird angenommen, dass die Unsicher-
heiten von x, y und z voneinander unabhängig sind. Ein ein-
facher Fall, für den das nicht zutrifft, ist die Verwendung von
Anstieg und Ordinatenabschnitt aus den kleinsten Quadraten
zur Berechnung einer neuen Größe, wie den Wert von x aus

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