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DATAPULS
Österreich
IMPRESSUM
Texte: Lars Blumenstein, Lena Burjak, Lorenz Handstanger,
Manuel Krainer, Sascha Morlok, Martin Schmidt, Nikolaus
Steuer, Stefan Unteregger
Redaktion: Lars Blumenstein, Martin Schmidt
Chefredaktion Shadowrun: Jason M. Hardy
Deutsche Chefredaktion Shadowrun: Tobias Hamelmann
Illustrationen: Ben Maier, Andreas „AAS“ Schroth
Karten und Pläne: Jan Helke
Layout: Tobias Hamelmann
Ikonografie: Nigel Sade
Lektorat: Tobias Hamelmann, Benjamin Plaga
Pegasus Spiele GmbH, Am Straßbach 3, 61169 Friedberg,
unter Lizenz von Catalyst Game Labs und Topps Company,
Inc. © 2018 Topps Company, Inc. Alle Rechte vorbehalten.
Shadowrun und Topps sind Handelsmarken und/oder ein-
getragene Marken von Topps Company, Inc. in den USA, in
Deutschland und/oder anderen Staaten. Catalyst Game Labs
ist eine Handelsmarke von InMediaRes Productions, LLC.
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DEMEKO ADL :: PERSÖNLICHER NACHRICHTENFILTER EIN
Wien Today
HANS DECHANT KANDIDIERT!
Wieder einmal ist Österreichs „Mo-
chatschek“ Hans Dechant eine
Überraschung gelungen. Bei einer
außerordentlichen Pressekonferenz
manifestierten sich plötzlich zahl-
reiche virtuelle Wahlplakate des
Neoliberalen Forums mit Dechants
Konterfei in der AR. Zu „Mutig in die
neuen Zeiten, frei und gläubig sieh
uns schreiten“ trat Dechant, der so
jung und energiegeladen aussah wie
schon seit zwanzig Jahren nicht mehr,
unter tosendem Applaus ans Redner-
pult, um seine Kandidatur bekannt zu
geben. So ging er nicht nur mit der
PEÖ hart ins Gericht, sondern reka-
pitulierte auch zahlreiche Beispiele
für die Unfähigkeit, Zögerlichkeit und
Korruptheit der amtierenden Regie-
Alpenpost
+
FORSCHER VERSCHOLLEN
Über einen Pressesprecher der Uni-
versität Innsbruck wurde heute be-
kannt gegeben, dass in den Alpen
bei Innsbruck eine Forschungsgrup-
pe des parageologischen Instituts
vermisst wird. Offensichtlich gilt die
Gruppe um Prof. Dr. Alois Neundorfer
schon seit Mittwoch letzter Woche
als verschollen, aufgrund geheimer
Forschungen wurde allerdings erst
heute ihr Verschwinden publik ge-
macht. Nach Auskünften des Pres-
sesprechers verlief eine Suchmissi-
on bisher ergebnislos: Es konnte nur
zerstörte Ausrüstung der Vermissten
geborgen werden. Ein Critterangriff
wird nicht ausgeschlossen.
2 DATAPULS >>
+
rung. Auch an der scheidenden Kanz-
lerin und ihrer Tochter, die noch viel zu
grün hinter den Ohren sei, um die Na-
tion zu führen, ließ er kein gutes Haar
und sparte auch nicht mit Gerüchten
um die „Beziehung“ zwischen Zita
Antonia und dem deutschen Drachen
Nebelherr. Er – Dechant – habe sich
daher entschieden, seinen neutralen
Posten als „Wachhund und Beobach-
ter“ in den Medien zu verlassen, um
seinen Hut bei der kommenden Wahl
in den Ring zu werfen. Nach Jahren
der politischen Konsolidierung, aber
wirtschaftlichen Stagnation sei es an
der Zeit, wirtschaftliche Interessen
wieder in den Vordergrund zu stellen
und eine neue Phase des Wachstums
für eine bessere Lebensqualität der
Bevölkerung einzuläuten.
Money
DER NEUE ALPENDIAMANT
In diesen Tagen eröffnet das neue
Luxushotel „Alpendiamant“ in Zell
am See. Das Highclass-Ressort mit
elegantem Wellnessbereich und Al-
penblick-Suiten liegt in einem grö-
ßeren, neu errichteten Park, der zum
Hotel gehört. Betreiber Dallmayr
verspricht maximale Sicherheit und
ungestörte Privatsphäre in der einer
Burg nachempfundenen Anlage. Mit
dem Ambiente und den investierten
Sicherheitssystemen ziele man auf
„ein Publikum, das es sich leisten
kann, sich in absolute Sicherheit
zurückzuziehen und dabei Leib und
Seele zu regenerieren“, so Hotelma-
nager Justus Vogthammer.
11.03.2080 :: 02:21:56
... Datapuls kontaktiert ...
... kompiliere Informationen ...
... Themenfilterwahl: Österreich ...
... Filter arbeitet ...
... Inhalte werden bereitgestellt ...
SPORT-TICKER
+
ANARCHIE WIEN ZIEHT INS SEMI-
FINALE DER DSKL EIN!
Beim Sonntagsspiel der Anarchie
Wien gegen die AGC LabRats ging es
für beide Teams um das Weiterkommen
in die nächste Runde der DSKL. Die
LabRats ließen bereits bei Bekanntga-
be der Aufstellung durchblicken, dass
sie kein Risiko eingehen wollen. Die
Anarchie hingegen blieb bei der alt-
bewährten Grundaufstellung, die ihr
die letzten Siege gesichert hatte. Nur
der angeschlagene Jäger Maximilian
Brunner wurde durch die nach ihrer
Verletzung zurückgekehrte Samantha
„Honeybadger“ Miller ersetzt, die ih-
rem Frust über die Zwangspause mit
dem exzessiven Einsatz elektrischer
Elementarschläge spektakulär Luft
machte und dadurch fast so viele Tref-
ferstrafen erhielt wie „Penalty“ Müller,
der Brecher der LabRats. Damit ging
die Anarchie auch zum ersten Mal in
ihrer Geschichte mit mehr magisch
begabten als mundanen Spielern aufs
Feld. Das Wetter spielte den Anarchos
in die Hände, da sie bei schlechten
Witterungs- und Sichtverhältnissen
den taktischen Vorteil ihres Sponsors
ausspielen konnten. Das Spiel endete
10-9 für die Anarchie Wien, nachdem
Anarcho-Stürmer John Reaves den
Gegnern durch ein waghalsiges Ma-
növer den Weg abgeschnitten hatte,
wodurch der Ball der LabRats im letz-
ten Spielzug für tot erklärt wurde.
Blitzlicht Österreich NEWSTICKER

NEBELHERR KAUFT SCHLOSS
Salzburg hat einen neuen Einwohner
– den deutschen Westlichen Drachen
Nebelherr. Quasi unbemerkt von der
Öffentlichkeit hat der Drache aus dem
Süden der ADL in den vergangenen Mo-
naten Verhandlungen mit dem Salzbur-
ger Stadt- und Gemeinderat geführt, um
neuer Herr und Besitzer des Schlosses
Hellbrunn zu werden. Das Lustschloss
mit seinen bekannten Wasserspielen
gehört nun allein dem Drachen, der über
eine Sprecherin mitteilen ließ, dass der
im historischen Schlosspark gelegene
Zoo weiterhin dort seine Heimat haben
werde. Nebelherr, so die Botschaft,
+
ALPENANGRIFF. Dorf am Rande der
wolle Salzburg nicht verändern, son-
Ötztaler Alpen von mehreren Alpen-
dern sich vielmehr am Flair der Stadt er-
lindwürmern angegriffen.
freuen. Allerdings werden die weitläu-
figen Parks, die das Schloss umgeben,
SCHMUGGELGRANATEN. Größere
der Öffentlichkeit vorübergehend nicht
Mengen illegaler, militärischer Hard-
zugänglich sein, da sich Nebelherr erst
ware bei Razzia im Grazer Gries be-
einmal eingewöhnen müsse und einige
schlagnahmt.
Umbauten an der Anlage unternommen
werden müssten. Gleichzeitig, so die
SAISONKÖNIG. Wein aus dem mit
Botschaft des Drachen weiter, plane
der AGC verbundenen Weingut Fin-
Dallmayr, zum führenden Feinkostun-
deling-Holbader zum besten Wein
ternehmen Österreichs zu werden. Aus
2079 geadelt.
diesem Grund werde die Verwaltung in
Wien und die Zweigstelle in Salzburg
GASLECK. Teile des Vienna Interna-
ausgebaut, um weitere Kontakte zum
tional Center wegen Leck an uralter
Osten Europas knüpfen zu können.
Gasleitung für Stunden geräumt.

Burgenland News Wien Today MOHNNUDELN. Neuestes Rezept

+

TRAUBENKRIEG GEHT WEITER
Die Krise der Weinbauern am Neusied-
ler See spitzt sich langsam zu. Wäh-
rend sich einige, tätig für den Konzern
Dallmayr, schon mehrfach über Über-
griffe durch Konkurrenten der AGC
beschwerten, beschuldigen diese
nun ihrerseits die Dallmayr-Fraktion
der Sabotage: Offensichtlich wurde in
einigen Weinbergen ein biologisches
Gift versprüht, das Trauben ungenieß-
bar macht. Dallmayr streitet jegliche
Beteiligung ab und spricht von einem
„eigenverschuldeten Missgeschick“
der Konkurrenten.
+
HASS AUF LIEBENDE mit Erwachten Mohnpflanzen von
Starkoch Grießler macht Furore.
Gestern Nacht starben zwei junge
Wiener bei einem Geisterangriff auf
BRENNENDE ADLER. Brand im Club-
dem Zentralfriedhof. Offensichtlich
haus des Burning Eagles MC in Linz.
fand sich das junge Paar zu einer
MC kündigt Vergeltung an.
Séance zwischen den Grabsteinen
ein, als eine unbekannte Astralprä-
DORNRÖSCHENFUND. Konzerntrupp
senz die beiden attackierte und er-
birgt Leiche des seit Monaten ver-
schlug. Dies ist nicht der erste Über-
missten Celebrity Joschi Werner in
griff auf Paare auf dem Friedhof. In
Erwachtem Gestrüpp im Süden von
den letzten Monaten kam es schon
Kärnten.
zu insgesamt fünf solcher Ereignisse.
Dies ist allerdings der erste mit To-
KUGELKRISE. Zwei Salzburger Mozart-
desfolge. Die Friedhofsverwaltung
kugelhersteller im Kampf um die einzig
verspricht schnelle Aufklärung.
wahre Rezeptur.

Grazer Bote NICHT NUR BENZIN IM BLUT. „Mo-

+

torhead“ Grader, Star der Grazer

GROSSSCHLÄGEREI IN GRAZ
Am Samstag kam es in der stadtbe-
kannten und berüchtigen Diskothek
„Diablo“ zu einer handfesten Aus-
einandersetzung zwischen zwei Mit-
gliedern des österreichischen Bundes-
heers und der MET2000, die innerhalb
weniger Minuten zu einer Großschlä-
gerei eskalierte. Erst nach massivem
Eingreifen von Sicherheitskräften
konnte die Situation wieder beruhigt
werden. Fazit des Abends: 51 Verletzte
und Dutzende von Polizei und Militär in
Gewahrsam genommene Soldaten.
Combatbiker Graz Mongols nach
Bluttest gesperrt.
STUMPFER DIAMANT. Mehrere
Gruppen von Ökoaktivisten kündigen
Proteste gegen das Luxushotel Al-
pendiamant in Zell am See an.

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sprachigen Raum eingestellt :: alle Medien :: ACHTUNG - Sicherheitssperre wurde entfernt und Algorithmus individuell verändert

<< DATAPULS 3
ÖS T E R R E I CH

ÖSTERREICH
er für die fachgerechte Betreuung aller Schatten-Arbeit-
DAS ARBEITSAMT nehmer, selbst für Zugereiste aus Piefkonien und andere
G’scherte. Für ein paar Hundert Effektive im Monat habt
INFORMIERT… ihr Zugriff auf unseren lokalen Arbeitsmarktservice und
könnt mit den Dr. Nowaks direkt P2P in Verbindung tre-
[Zugang Panoptikum gewährt] ten, anonym und sicher vor der Kieberei.
# Neu: ArbeitsAmt-Kooperation: Österreich
[Folge Link] > Das ArbeitsAmt wurde Mitte der Vierziger von einem unter ös-
[Aktiviere Kronenreiniger] terreichischer Flagge surfenden Decker-Kollektiv gegründet, von
[Installiere Arbeitnehmer-JobApp] dessen Mitgliedern der Anarcho-Hacktivist Robin von Datahood
[Anzeigen] sicherlich der bekannteste war. Zwar agiert das ArbeitsAmt heu-
er nicht mehr von der Donaufreizone aus und ist als VPN dezen-
> LogFile-Update: Dieser Knoten wurde besucht von Corpshark, tralisiert, aber angeblich ziehen immer noch einige der Decker
Deez, Ecotope, Emadeus, Enigma, Feitl, Fetznschädl, [Freiherr], der ersten Stunde im Hintergrund die Strippen, um sich ihren
Herrn Nebel, Jause, Karo Ass, Kôkinsei, Matrix Poldi, MindTrick, „Ruhestand“ mit einigen Effektiven zu versilbern.
Riot Doll, Urban Troll, Winklerin. > Winklerin

Das ArbeitsAmt informiert: [Aktiviere Wiki: Österreichische Mundart]

Servas. Willkommen im Schattennetzwerk der Alpen-
republik, Hawara! Für diejenigen, die uns noch nie oder
schon lange nicht mehr besucht haben: Wir sind immer
noch hier, Crash 2.0 und neuen Matrix-Protokollen zum
Trotz – und wie früher steht das ArbeitsAmt auch heu-
ÖSTERREICH IM KURZÜBERBLICK
Einwohnerzahl: 10.034.000
Metamenschen: Menschen 70 %, Zwerge 11 %, Orks 9 %, Elfen
6 %, Trolle 3 %, Andere 1 %
SINlose (geschätzt): 16 %
Konzernbürger: 35 %
Hauptstadt: Wien
Regierungsform: Präsidialrepublik
Bedeutende Religionen: Römisch-Katholisch 51 %, Deutsch-
Katholisch 10 %, Protestantisch 8 %, Muslimisch 7 %, Ande-
re (darunter auch Neopaganisten, Wicca, Orthodoxe) 11 %,
Konfessionslos 13 %
Währung: Euro (€); Nuyen werden akzeptiert (Wechselkurs:
1 € = 1 ¥)
Pro-Kopf-Einkommen: 29.200 €
Unter der Armutsgrenze: 20 %
Anrainerstaaten: Allianz Deutscher Länder, Italienische Kon-
föderation, Schweiz, Slowakei, Slowenien (Teil der Um-
strittenen Balkangebiete), Tschechische Republik, Ungarn
In Absprache mit unseren Spezln vom Panoptikum ha-
ben wir euch hier eine kleine Sektion eingerichtet und
einige Schattengrößen (Nowaks, Hawara, und Schieber)
dazu eingeladen, euch einen aktuellen Überblick über
unsere schöne Alpenrepublik am Donaustrome, ihre
Schatten und das aalglatte Parkett zu geben, für den Fall,
dass ihr hier einen Walzer mit Konzernen, Drachen oder
Politikern wagen wollt.
Das ArbeitsAmt rät: Um einer verfrühten Anprobe von
Holzpyjamas zu entgehen, raten wir zum genauen Studium
unseres freien Informationsangebotes. Für vertiefendes
Fachwissen, Verständigung mit den Kollegen im Inland und
vor allem ständige Weiterbildung in allen Bereichen seid
ihr selbst verantwortlich – wobei wir euch für ein paar Ef-
fektive gerne professionelle Hilfe vermitteln. [Link]
Euer ArbeitsAmt
EINMAL KAISERREICH
UND RETOUR
GEPOSTET VON: WINKLERIN
> Das ArbeitsAmt wirbt: Die Winklerin, auch bekannt als Riel-
la Wincelar, ist eine seit den Fünfzigern operierende elfische
Schieberin aus Wien, die über Top-Verbindungen zur feinen

4 ÖSTERREICH >>
 (Konzern-)Gesellschaft und darüber hinaus verfügt. Sie ist ein
begnadetes Talent im Organisieren von Informationen, Identitä-
ten und anderen nützlichen Dingen, die ein Hawara in der Al-
penrepublik brauchen kann. Dieser Tage verdingt sie sich auch
gerne als Dr. Nowak für hochkaratige Hackn aus Linz, seit der
in Österreich operierende Herr „Crackhaus“ im Auftrag von S-K
durch einige Hawara beseitigt werden musste.
> ArbeitsAmt
Österreichs Geschichte ist, wie die der meisten
europäischen Staaten in der Sechsten Welt, überaus
wechselvoll. Die Ernennung eines konzerndemokratischen
Regierungsrates (heute als Zeit der Stahlmänner bekannt)
als Antwort auf die kollabierende Wirtschaft nach der
Jahrtausendwende war genauso wenig von Erfolg gekrönt
wie der kurzzeitige Reboot der Donaumonarchie im An-
gesicht russischer beziehungsweise islamischer Invaso-
ren nahe den österreichischen Grenzen in den Dreißigern.
Seit der Jahrtausendwende wurde das Land von einer
politischen Kurzsichtigkeit geprägt, wie sie für unsere
Republik typischer nicht hätte sein können: Vorschnelle
Entscheidungen, nationale Balkanisierung und selbst ex-
treme soziale Experimente – von denen die Errichtung
der „Vereinigten Wohnparks“ in Wien, die Absplitterung
von Tirol, Vorarlberg und Salzburg sowie die Jahre der
Donau-Union nur die Spitze des Eisberges darstellen –
wurden von der Bevölkerung immer mit Ironie, Locker-
heit und Gelassenheit ertragen. Wie man so schön sagt:
„Es hätt’ ja schlimmer kommen können.“
Dies änderte sich erst in den Sechzigern, als mit Johan-
na von Habsburg eine Politikerin die Bühne betrat, der
es gelang, Politik, Medien und Teile der Wirtschaft des
Landes hinter sich zu vereinen.
> Nur Eingeweihte wissen, dass dieses Bündnis aus Adel, Partei
und MediaSim nicht zufällig zustande kam, sondern gezielt von
einigen Strippenziehern eingefädelt wurde, um in Österreich
eine Front gegen Lofwyr aufzumachen. Seit Interims-Kanzlerin
Antonietta Zoisel Mitte der Vierziger auf Geheiß des Drachen die
Präsidialdemokratie etablierte, hingen bis zu Johanna alle ös-
terreichischen Kanzler irgendwie am Haken von Saeder-Krupp,
egal von welcher Partei sie stammten.
> Herr Nebel
Ähnlich wie schon Leopold Habsburg drei Jahrzehnte
zuvor setzte auch seine Nichte Johanna auf mediale
Präsenz in den sozialen Netzwerken, Nähe zur Bevöl-
kerung und einen guten Schuss Populismus, um die
Sympathie der breiten Bevölkerung zu gewinnen, die
ihr und ihrer traditionsverhafteten „Partei für das Erbe
Österreichs“ (PEÖ) 2059 einen erdrutschartigen Sieg
bescherte. Was Johanna allerdings in den nachfolgen-
den Jahrzehnten zur Lichtgestalt erhob, war, dass sie
nicht nur schöne Reden hielt, sondern auch handfeste
Ergebnisse lieferte – selbst in Krisenzeiten. Die Wieder-
eingliederung von Tirol und Vorarlberg, der Beitritt zur
NEEC, das politische Krisenmanagement während des
Crashs 2.0 und der Tempokrise, die Verbesserung der
Metamenschenrechte in allen Bundesländern und die
Stärkung der Bedeutung des Landes über seine Gren-
zen hinaus während der Drachenkriege waren alles
politische Erfolge, die Johanna für sich und ihre Partei
verbuchen konnte und ihr die Wiederwahlen zu Recht
sicherten. Dafür tolerierten die Leute auch gerne den
neomonarchistischen KuK-Pomp, mit dem die PEÖ die-
se Erfolge zelebrierte.
> Es ist ja nicht so, dass sich unsereins in den Schatten dabei keine
goldene Nase verdient hätte. Neben den Konzernen waren die
PEÖ und MediaSim die besten heimischen Arbeitgeber in den
Schatten, wenn mal wieder Weichen gestellt oder gegnerische
politische Karrieren beendet werden mussten.
> Feitl
LICHT UND SCHMUTZ
Allerdings musste auch Johannas Lichtgestalt irgend-
wann einmal verglühen. Die makellose Fassade hatte be-
sonders in den letzten Jahren immer mehr Risse bekom-
men, die selbst die Medien nicht mehr kitten konnten.
> Ich hab’ se geliebt, die Johanna, aber Oide, die hatte aber auch
einen Huscha in den letzten Jahren mit ihren megalomanischen
Bauprojekten. Zuerst das Gefasel von den Drillingszentren Neu-
stadt-Wien-Bratislava verbunden mit einem Metrorapid, dann
die Idee einer Bundes-Arkologie (Habsburg-Tower) für die Zen-
tralisierung und Vernetzung des Staats- und Beamtenappara-
tes in der Bürokratenstadt. Als wenn die Hofburg und Schloss
Schönbrunn nicht reichen würden. Vielleicht ist ja doch was
dran am Fluch der Habsburger.
> Urban Troll
<< ÖSTERREICH 5
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
In den immer kritischer werdenden Berichten der
Kronenzeitung kristallisierte sich heraus, dass Hans
Dechant und die Habsburger bald an einem Schei-
deweg ankommen würden. Seit Dechants jüngster
Ankündigung, bei den diesjährigen Wahlen selbst als
Kanzlerkandidat für das Neoliberale Forum anzutreten,
muss man auch die Schmutzkampagne, mit der Media-
Sim die Traditionalisten seit Johannas Rücktritt überzo-
gen hat, in einem ganz neuen Licht sehen. Schon jetzt
sind die ersten Beben der kommenden Wahl deutlich
in den Schatten zu spüren, gerade weil die Kandidaten
über ihre Parteien hinaus mit anderen Mächten ver-
strickt sind, seien es nun Drachen, Großkonzerne oder
die Unterwelt.
ZEITLEISTE ÖSTERREICH
2000: Österreichs Wirtschaft befindet sich wegen einer
Kette von Konkursen und schlechter Zentralverwaltung
in einer Abwärtsspirale. Der Bundespräsident löst das
Parlament auf und übergibt die Macht an die Stahlmän-
ner, einen Rat aus den prominentesten Konzern-Öko-
nomen des Landes, die sich daranmachen, die Wirt-
schaft wiederaufzubauen.
2004: Der radikale Sparkurs der Stahlmänner, der vor
allem die Unter- und Mittelschicht trifft, führt zu wo-
chenlangen Unruhen im Land. Im Süden Wiens ge-
rät die Situation aufgrund militanter Aufständischer
für Wochen außer Kontrolle. Statt die Situation mit
einer blutigen Auseinandersetzung zu lösen, lassen
die Stahlmänner den Bezirk mit einer Mauer um-
geben und verurteilen alle Bewohner in absentia zu
lebenslanger Haft. Das Areal geht als Sondergefan-
6 ÖSTERREICH >>
genenhaus Wien-Süd (kurz SGHWS oder auch be-
schönigend „Vereinigte Wohnparks“ genannt) in die
Geschichte Wiens ein.
2006: Linz wird auf unbestimmte Zeit an BMW verpach-
tet, wodurch die Stadt dringend benötigte Mittel erhält.
In den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten (und mit
dem Aufstieg BMWs zu dem Megakonzern, aus dem
später Saeder-Krupp wird) entwickelt sich Linz zu einer
Konzernmetropole.
2008: Mit Zustimmung der Stahlmänner wird der nord-
östliche Teil Wiens jenseits der Donau basierend auf
dem Shiawase-Urteil in den exterritorialen Geschäfts-
bezirk Transdanubien verwandelt, in dem sich bald
zahlreiche Großkonzerne niederlassen.
2009: Vorarlberg und Tirol, die beiden wirtschaftsstärk-
sten Länder Österreichs, weigern sich, die Ausgaben
und Schulden des Landes weiterhin auf ihren Schultern
zu tragen, und erklären ihre Unabhängigkeit. Salzburg
schließt sich ihnen nach dem Erwachen an und erklärt
sich als „Staatstadt“ für unabhängig. Es folgen jahr-
zehntelange Konflikte zwischen dem touristisch orien-
tierten Westen und der Regierung in Wien.
2011: Im Zuge des Erwachens kommt es in den Alpen zu
zahlreichen magischen Phänomenen und zur Geburt
zahlreicher Zwerge.
2016: Die Stahlmänner geben ihre Macht an eine Über-
gangsregierung ab.
2029-31: Der Crash 1.0 stürzt das Land ins Chaos, nach-
dem zahlreiche kritische und inzwischen digitalisier-
te Datenbanken wie das Grundbuchamt und Identifi-
kationsdaten im Datennirwana verschwunden sind.
Leopold Habsburg, der Nachfahre der alten adeligen
Blutlinie, führt bei einem Militärputsch eine traditiona-
listische Fraktion an, um die Ordnung im Land wieder-

ÖSTERREICHISCHE MUNDART UND AUSTRIAZISMEN
A schene Leich: ein schönes Begräbnis, Lebensziel jedes echten
Wieners
Baaner: Huren
(aus)badln: stehlen, ausrauben; normalerweise unbemerkt oder in
Bezug auf eine bewusstlose Person
(ein) Bankl reißen: versterben
Besnstangl: Elf (abwertend); auch Bamkuschler
Beisl: Lokal, Kneipe
Buckl: Unterläufel, Schläger
Bugl: 1. das Ende des Brotleibs (Scherzl, Kanten); 2. ein Klecks
(scharfer) Senf – beides oft in Begleitung einer à Eitrigen beim à
Würschtler zu bekommen
Eitrige: Käsekrainer; mit Käsestücken gefüllte Bratwurst
Fett: betrunken; Steigerung blunznfett = sturzbetrunken; Rede-
wendung in da fettn = im Suff
Gaude/Gaudi: Spaß; auch Hetz
Gfrastsackl, ölendiches (oder nur Gfrast): Beschimpfung (je nach
Betonung und Situation von scherzhaft-anerkennend bis tödlich
beleidigend)
Grant: Ärger
Grantler: jemand, der sich über alles ärgert
Grätzel: Wohngegend, Block
Großkopferte(r): einflussreiche Person; Person mit akademischem
Titel (umgangssprachlich, leicht abwertend)
Gscherda: jemand vom Land, Landei (die vom Land bezeichnen
dafür die Städter als Gscherde)
Habedehre: Gruß („Habe die Ehre“), oft zu d’Ehre (gesprochen:
„deere!“) verkürzt
hackeln: arbeiten
Hackn: Arbeit, Job, auch Run; hacknstaad = arbeitslos
hamdrahn: umbringen
Hawara: Kumpel, Chummer; auch gebräuchlich für Ehemann/festen
Freund („dei Hawara“)
Hoibate: Zwerge; auch Knüch (abwertend)
Hörndler: Troll (abwertend); regional auch Stiergsicht
Hotwolee: High Society, Elite, die oberen Zehntausend; von frz.
haute volée
Hüs’n: Dose Bier (von „Hülse”); eine spezielle Hüs’n ist das 16er-
Blech: eine Dose Ottakringer Bier
Kieberer: Polizist
Koberer: Wirt, Besitzer jeder Form von öffentlichem Lokal
herzustellen. Leopold ernennt sich 2031 mit Beginn
der Eurokriege zum Kaiser von Österreich.
2031: Russische Truppen marschieren in die Tschechi-
sche Republik ein. Leopold entsendet österreichische
Truppen, um den Tschechen zu helfen.
2034: Die Donau-Union wird von Österreich, der Tsche-
chischen Republik, Ungarn, der Slowakei und Sloweni-
en gegründet. Leopold Habsburg wird zum Staatsfüh-
rer gewählt. Die Mitgliedsländer unterschreiben einen
Beistandspakt gegen kommende Invasionsmächte.
2038: Leopold verschwindet spurlos, nachdem sein Grö-
ßenwahn immer mehr zugenommen hat und zuneh-
mend an die Öffentlichkeit gedrungen ist.
2039-50: Durch Leopolds Verschwinden löst sich die Do-
nau-Union wieder auf. Die nachfolgenden Jahre sind
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
Köch: Streit, Zores, Trouble, Probleme, Schwierigkeiten, Handge-
menge, Schlägerei
Lackl: sehr großer, eher unbeholfener Mensch
Leiberl: T-Shirt, Top; auch gebräuchlich in der Redewendung a/ein
Leiberl reißen = Erfolg haben
Lodl: Zuhälter
Marie: Geld; Her mit der Marie! = Geld her!
Menubei: (aus dem Jiddischen) grausliches, lästiges Weib; eben-
falls gebräuchliche Bezeichnung für Wiener Stadthexen
(Doktor) Nowak: anonymer Auftraggeber (österreichische Form
von Mr Johnson bzw. Herrn Schmidt)
Oida: sehr gebräuchliche Anrede („Alter“); im engeren Sinn auch
für „Vorgesetzter“, „Meister“, „Ehemann“; den Oidn auglahnt
lossn = den Alten im Stich lassen, also ungehorsam/untreu sein;
loss mi auglahnt = lass mich in Ruhe
Oide: unhöflich für Frau; auch gebraucht für Ehefrau/feste Freundin
(„dei Oide“)
ooposchen: abhauen
Puffn: Schusswaffe (auch Krochn)
Schackl: (Konzern-)Sklave, einfacher Angestellter, auch Hackler
oder Tschakl
Schandi: Gendarm, Mitglied der Bundesgendarmerie
Schepfn (steirisch): repetitive Schattenarbeit ohne großes Risiko
Schkriatn: Ork (abwertend)
Schmäh: 1. Humor, 2. Zentralbegriff der österreichischen Lebensart;
kann „Trick“, „Lüge“ usw. bedeuten, aber auch „Charme“, „Witz“,
„Charisma“ („Der hot aber an guadn Schmäh!“)
Schnittlauch: Polizist, Mitglied des Sicherheitswachekorps
(abwertend)
Servas/Servus: freundschaftlicher Gruß (sowohl zur Begrüßung
als auch zur Verabschiedung); als na servas! sarkastisch-
resignativer Ausruf oder Ausdruck des Erstaunens; ähnliche
Formen sind na bravo!, na prack!, na habedehre! usw.
Strizzi: Kleinkrimineller, Gauner, Unterweltler, vor allem Zuhälter
tachinieren/owezahn: trödeln, prokrastinieren
Taxler: Taxifahrer, oft mit geriggten Taxis
Tschick: Zigarette
Tschopperl: freundschaftliche „Beschimpfung“
Wickl: Probleme, Schwierigkeiten; auch: Schlägerei
Würschtler: Würstelstand
Zuagrasta: jemand, der von woanders herkommt („Zugereister“)
geprägt von politischen Umstrukturierungen, die Öster-
reich in eine wirtschaftsorientierte Präsidialdemokratie
verwandeln und das Amt des Bundeskanzlers stärken.
2058: Mitsuhama kauft MediaSim, den größten Medien-
konzern Österreichs.
2059: Die Sicherheitsmaßnahmen des SGHWS werden
in einem großen Sabotageakt außer Gefecht gesetzt.
Wien wird durch die in die Stadt strömenden Flüchten-
den erneut in Aufstände und Chaos gestürzt. Schließ-
lich geben es die öffentlichen Stellen auf, die Eindäm-
mungszone retten zu wollen. MCT beginnt mit dem
Bau einer neuen Arkologie auf dem Gebiet des ehema-
ligen SGHWS.
2059: Die ultranationalistische „Partei für das Erbe Öster-
reichs“ wird zur stärksten Fraktion im Parlament.
<< ÖSTERREICH 7
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
2061/62: Die vom Tourismus abhängige Wirtschaft Tirols
und Vorarlbergs bricht im Zuge von SURGE aufgrund
magischer Phänomenen und des massiven Auftau-
chens von Paracrittern zusammen. Nach Verhandlun-
gen mit der Bundesregierung geben die beiden Länder
ihre Unabhängigkeit auf.
2064: Der Crash 2.0. Die österreichische Matrix macht
innerhalb von Minuten den Rybar und tötet zahlreiche
User, noch bevor das Gitter durch die Union der Ge-
werken heruntergefahren werden kann. Wieder einmal
kommt es zu Plünderungen und Vandalismus in der
Stadt. Da die Polizei mit der Situation überfordert ist,
räumt Johanna von Habsburg der DanubenWacht weit-
reichende Befugnisse ein, um den Frieden in der Stadt
wiederherzustellen. Die DanubenWacht nutzt die Gunst
der Stunde, um die Anarchisten von der Donauinsel zu
vertreiben und das Areal als Pufferzone zwischen Inne-
rer Stadt und Transdanubien zu etablieren.
2064-66: Nachdem es der DanubenWacht gelungen ist,
die Ordnung in Wien wiederherzustellen und die Auf-
ständischen in die Region zwischen Wien und Wiener
Neustadt zu deportieren, erhält sie 2066 offiziell den
Polizeikontrakt für die Metropolregion Wien-Steinfeld.
2071-72: Während der Tempo-Krise bricht in Wien
eine offen geführte gewaltsame Auseinandersetzung
zwischen einigen Strizzis und den Yakuza aus, die erst
nach Intervention der DanubenWacht abebbt. Im Zuge
dessen ordnet sich die Wiener Unterwelt neu.
2076-78: Mit dem öffentlichen Bekanntwerden des Ko-
gnitiven Fragmentierungssyndroms und der Durchset-
zung des Pandemieplans in der Allianz Deutscher Län-
der wächst der Druck auf die österreichische Kanzlerin,
Lösungen zu präsentieren. Nachdem die Ministerin für
Gesundheit und Frauen zusammen mit MonoMed ei-
nen Alleingang gemacht hat, wird erstmals Kritik an der
alternden Kanzlerin laut. In den nachfolgenden Jahren
werden die Pläne und Entscheidungen der Kanzlerin
zunehmend erratischer.
2079: Die Kanzlerin tritt
überraschend zurück.
MediaSim lanciert eine
Hetzkampagne ge-
gen die Habsbur-
ger, sowie das
Waldviertel und
die PEÖ.
2080: Jetzt.
8 ÖSTERREICH >>
ÖSTERREICHISCHE
IDENTITÄT
GEPOSTET VON: WINKLERIN
Trotz der bewegten Geschichte Österreichs haben sich
über die Jahrhunderte einzelne Elemente des österrei-
chischen Charakters erhalten. Vor allem der Hang zu
Genuss, Schönheit und Kultiviertheit war immer auch als
Antriebskraft in der Gesellschaft wirksam.
DER GENETISCHE CODE
DES ÖSTERREICHERS
Dieser Code ist im Alltag heute noch recht deutlich sicht-
bar – an den unverkennbaren Eigenschaften der Österrei-
cher. Unsere Mentalität ist am ehesten eine Melange aus
charmanter Höflichkeit, Schmeichelei und Heimtücke,
aus Disziplin und dem lockeren Gefühl des Lebens und
Lebenlassens.
> Dieses Gemisch ist das Ergebnis der verschiedenen Kulturen,
die in den letzten Jahrhunderten auf Österreich eingewirkt ha-
ben – ob man es nun wollte oder nicht. Worin man sich aber im-
mer einig war: Man wollte anders sein als das alte Preußen.
> [Freiherr]
Fangen wir mit den liebenswerteren Seiten an. In Öster-
reich geht man mit einer gewissen Lockerheit an schwie-
rige Aufgaben heran. Alles lässt sich irgendwie lösen.
Man nimmt nicht alles so genau und achtet auf Leichtig-
keit im Umgang mit dem Leben und seinen Schwierigkei-
ten. Die Menschen des Landes sind meistens freundlich,
höflich und zuvorkommend.
Österreicher haben eine tendenziell humoristische
Weltsicht und neigen häufig zu einem ziemlich schwar-
zen Humor. Sie lachen auch gerne darüber, was in ihrem
Alltag schiefläuft, über ihre eigenen Unzulänglichkeiten
und sogar darüber, dass sie das alles nicht so ernst neh-
men. Diese Selbstironie trägt auch dazu bei, dass man
sich und anderen das Leben ein bisschen leichter macht.
Zum Gefühl des leichten Lebens gehört auch die gele-
gentliche kleine Schwindelei, um anderen eine Freude zu
bereiten. Gäste unseres Landes schätzen einen gewissen
Charme, Besucherinnen schätzen das ausgesprochene,
aber nicht ausgeführte „Küss die Hand“.
> Die Kehrseite der kleinen Schmeicheleien und der Leichtigkeit
ist eine doppelbödige Unaufrichtigkeit. Es wird kaum das getan,
was man sagt, oder wirklich das gesagt, was man denkt.
> [Freiherr]
Charme und Leichtigkeit prägen auch die Unterhal-
tungen, in denen man von Erlebnissen und Anekdoten
berichtet. Österreicher bleiben meistens auch dann ge-
lassen, wenn etwas schiefgeht, denn es hätte ja auch
schlimmer kommen können. Die Härten des Lebens wer-

den hierzulande gerne relativiert, die angenehmen Seiten
hingegen ausgekostet. Gemütlichkeit ist in Österreich ein
hohes Gut, Bodenständigkeit ebenso. In der ADL wird das
manchmal als altmodisch oder langsam empfunden.
Österreich hat aber nicht nur seine hellen Seiten. Es ist
schließlich kein Zufall, dass in diesem Land die Psycho-
analyse entwickelt wurde.
Die Bodenständigkeit der Österreicher führt dazu, dass
ihnen Veränderungen eher suspekt sind, auch wenn öf-
fentlich immer wieder nach genau diesen Veränderun-
gen gerufen wird. Alleine die Politik der letzten Jahrzehn-
te macht dies deutlich.
Weniger offensichtlich sind zwei andere Wesenszü-
ge, die man oft zu spüren bekommt: Neid und Gehäs-
sigkeit. Wenn man es in eine Position geschafft hat, in
der man Macht über andere ausüben kann, lässt man sie
das spüren – immer unter Hinweis auf äußere Umstän-
de, die einen dazu zwingen. Entsprechend legt man auch
Gesetze aus: immer der offiziellen Lesart nach, aber zum
eigenen Vorteil. Wenn jemand anderer etwas Besonde-
res erreicht, gehen wir Österreicher schnell davon aus,
dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen sein
kann – nicht umsonst wird Freunderlwirtschaft hierzulan-
de großgeschrieben.
Die Freunderlwirtschaft ist allgegenwärtig. Diese typisch
österreichische Form des Nepotismus ergibt Netzwerke,
in denen man einander Aufträge, Provisionen und Pos-
ten zuschanzt. Man erweist anderen Leuten Gefallen und
weiß, dass man mit Gegengefallen rechnen kann. Es ist
hilfreich, die richtigen Leute an den richtigen Stellen zu
kennen, um alles ein bisschen einfacher und schneller
(oder überhaupt) erledigt zu bekommen. Solche Netz-
werke sind auch im Alltag brauchbar und können sich
über alle Schichten erstrecken.
> Dabei sollte man niemanden unterschätzen. Es ist immer wieder
überraschend, wer wen kennt und wer bei wem noch einen Ge-
fallen offen hat.
> Karo Ass
Die Netzwerke sind untereinander allerdings kaum ver-
bunden. Es kommt oft vor, dass alles, was von den „an-
deren“ kommt, von vornherein als schlecht angesehen
wird, sogar wenn es offensichtlich funktioniert. Direkte fi-
nanzielle Korruption kann ebenfalls sehr nützlich sein, ist
aber eher eine Notlösung, wenn man niemanden kennt,
der helfen könnte – oder wenn man es wirklich eilig hat.
Das alles ist so alltäglich, dass sich niemand Gedanken
darüber macht, außer er wird darauf angesprochen. Dann
zuckt der Österreicher meistens mit den Schultern und
meint: „Das war schon immer so.“
Fremden gegenüber ist man aufgeschlossen, solange
sie Gäste sind. Wenn sie aber plötzlich auftauchen und
dann sogar noch bleiben wollen, ist das ein wenig an-
ders. Je nachdem, wie fremdartig sie aussehen oder wie
positiv sie in Überlieferungen dargestellt werden, wur-
den die verschiedenen Metatypen sehr unterschiedlich
aufgenommen. Daher hatten es Elfen und Zwerge nicht
sehr schwer, in die Gesellschaft aufgenommen zu wer-
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
den. Orks und Trolle hingegen werden in Österreich im-
mer noch sehr misstrauisch, in einigen Regionen sogar
offen feindselig betrachtet.
> Das muss man sich mal reinziehen: Orks und Trolle sind 2080
noch fremdartig. Willkommen in der heilen Alpenwelt, in der
glückliche Norms noch unter sich sein können.
> Urban Troll
GEFÜHLTE MONARCHIE
Österreich ist von der Sehnsucht nach einer guten alten
Zeit geprägt. Der Adel regiert zwar nicht mehr, ist im
emotionalen Gedächtnis aber immer noch präsent. Au-
ßerdem war Österreich immer empfänglich für Populis-
mus. Kein Wunder also, dass wir uns so gut und so lange
mit unserer Ersatzkaiserin arrangieren konnten.
Johanna von Habsburg hatte alles, was sie brauchte, um
als Quasi-Monarchin akzeptiert zu werden: den richtigen
Namen und die richtige Partei hinter sich. Die Österrei-
cher fühlten sich wohl damit, dass es jemanden gab, der
die Dinge in die Hand nahm und dabei auch noch erfolg-
reich war. Mit der Zeit fing man an, den alten Glanz der
KuK-Monarchie wieder aufleben zu lassen.
> Wie viel davon nach Johannas Rücktritt erhalten bleibt, kann
noch niemand sagen.
> Karo Ass
Am augenscheinlichsten zeigte sich diese Entwick-
lung in der Mode: Gehröcke, Korsagen und lange Kleider
prägen seit Jahren die Kollektionen. Man will Schmuck,
Accessoires und extravagante Cyberware im Swa-
rovski-Chic präsentieren, sehen und gesehen werden. Im
Moment liegt eine noble Blässe der Haut im Trend, wo-
bei manche sogar zu Naniten als Tönungsmittel greifen.
Der österreichische Konzernchic ist klassisch streng, hier
legt man Wert auf dezente Details wie das Material der
Knöpfe, um Reichtum und Einfluss zu verdeutlichen.
> Der letzte Schrei sind derzeit Manschettenknöpfe mit Einlege-
arbeiten aus dem Horn von Einhörnern oder anderen seltenen
Crittern.
> [Freiherr]
ÖSTERREICH VS ADL
Wie unterscheidet sich Österreich von der ADL? Zuerst mal
darin, dass hier alles viel indirekter abläuft. Das beginnt bei
der Sprache: Österreichisches Deutsch strebt nach Unbe-
stimmtheit. Es geht vor allem darum, sich nicht festlegen
zu müssen. Wenn man etwas macht, das man als Möglich-
keit angekündigt hat, ist man besser als erwartet, und falls
man es nicht macht, hatte man es ja nicht fest zugesagt.
Alles wird nicht so genau genommen, außer dem, was
wirklich genau genommen wird – und das kann man nur
aus der Erfahrung heraus abschätzen. Konventionen und
<< ÖSTERREICH 9
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
Traditionen sind wichtiger als Moral oder Ehrlichkeit. Das
Wie zählt mindestens so viel wie das Was, und trotzdem
funktioniert das meiste in etwa so, wie man erwarten soll-
te. Wenn man nicht besonders konkrete Erwartungen hat.
Das Tempo des Alltags ist langsamer. Österreicher lassen
sich gerne Zeit bei allem, was sie tun. Das liegt aber nicht –
wie bei den Schweizern – an besonderer Gründlichkeit. Ein
gewisses Maß an Schlamperei wird durchaus geduldet, so-
lange sie charmant bleibt. Meine Landsleute legen einfach
Wert darauf, sich nicht hetzen zu lassen.
Vieles ist hier außerdem viel stärker bürokratisch regle-
mentiert als in der ADL. Es gibt unglaublich viele Ge-
nehmigungen, Verordnungen und kaum durchschaubare
Ausnahmen davon. Vieles ist dadurch oberflächlich kom-
plizierter, kann aber viel einfacher werden, wenn man
weiß, wie es geht.
> Man muss nur wissen, wie das Spiel funktioniert. Dann kann man
es gut zum eigenen Vorteil nutzen.
> Karo Ass
ÖSTERREICH UND
DIE SECHSTE WELT
Die Umwälzungen durch Konzerne, Magie, Metamen-
schen, Eurokriege, SURGE, den Zusammenbruch des
Tourismus, den Orichalkumrausch und KFS haben Ös-
terreich schwer gebeutelt. Auf die vielen Veränderun-
gen reagierten die Österreicher allerdings überraschend
gelassen und manchmal mit einer neuen Einigkeit, weil
man Europa und der Macht der Megakonzerne noch
skeptischer gegenübersteht als den Leuten aus anderen
Bundesländern.
Mit dem Erwachen selbst hatten die Österreicher
ebenfalls überraschend wenige Probleme. Anscheinend
war die vielfältige Sagenwelt so stark im kollektiven
Unterbewusstsein verankert, dass man nicht völlig
überrascht wurde. Vielleicht waren aber auch die internen
Schwierigkeiten des Landes nach der Abspaltung Tirols
und Vorarlbergs eine zu große Ablenkung. Jedenfalls wird
Magie in der Bevölkerung viel mehr akzeptiert als in vielen
anderen Ländern. Allerdings sind Kampfzauber außerhalb
der Sicherheitsorgane und des Militärs nicht besonders
weit verbreitet und werden hart verfolgt. Manipulati-
onsmagie ist wesentlich beliebter und oftmals auch ge-
winnbringender. Außerdem haben sich in Österreich mit
dem speziellen wissenschaftlichen Ansatz der Dr.-Sin-
ger-Schule und den Sturmkindern besondere Spielarten
der Magie herausgebildet. Daneben gibt es viele Spiritis-
ten und Hellseher, zufällige Geisterbeschwörung durch
Nichtmagier, Tarockanische Magie und Roma-Magier, die
als normaler Teil der Gesellschaft betrachtet werden.
DIE POLIZEI
Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung teilen
sich in Österreich zwei Behörden: Die Bundesgendarme-
10 ÖSTERREICH >>
rie ist für ganz Österreich zuständig. Die Ausnahme bilden
alle größeren Städte: Sofern diese keinen eigenen Polizei-
dienst haben, ist hier das Sicherheitswachekorps (SWK)
zuständig. In Ausbildung und Ausstattung ist das SWK
nicht besser oder schlechter als andere Polizeibehörden;
im Bedarfsfall kann man auf Spezialeinsatzkommandos
und andere Nettigkeiten zurückgreifen. Alle Mitglieder
des Sicherheitswachekorps sind leicht an ihren dunkelgrü-
nen Uniformen zu erkennen, deretwegen sie in der Bevöl-
kerung spöttisch als „Schnittlauch“ bezeichnet werden.
> Historisch hat man eine Rolle rückwärts gemacht: Bereits vor
dem Erwachen hatte man die Bundesgendarmerie und das SWK
zur Bundespolizei zusammengefasst, die für ganz Österreich zu-
ständig war. Vor Ort gab es Landespolizeidirektionen. Richtig ab-
gefunden hat man sich damit jedoch nie, man sagte oft: „Polizei
steht drauf, Gendarmerie ist drin!“ Nach Leopolds Verschwinden
hat man sich auf das Altbewährte besonnen und wieder auf die
klassische Aufteilung in Österreich zurückgegriffen.
> [Freiherr]
> Überall dort, wo viel Geld vorhanden ist, ist das SWK nicht zu-
ständig. Das sagt doch alles.
> Karo Ass
Eine andere Hausnummer ist die Bundesgendarme-
rie: Sie ist paramilitärisch organisiert und sowohl für den
Grenzschutz als auch für das gesamte Landesgebiet außer-
halb der Städte inklusive der Flughäfen und Häfen zustän-
dig. Dank ihres überaus modernen Fuhrparks können die
Einheiten der Gendarmerie fast jeden Einsatzort in recht
kurzer Zeit erreichen. Auch in den Bereichen Ausbildung,
Ausrüstung und magische Unterstützung liegen sie deut-
lich über dem, was herkömmliche Polizeieinheiten aufbie-
ten können. Die Schlagkraft der Bundesgendarmerie ist
mit dem traditionell großen Einfluss im Innenministerium
zu erklären. Kritiker sehen in der Bundesgendarmerie zu-
nehmend mehr eine Inlandsarmee als eine Polizeieinheit.
> Vor allem die Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für die
öffentliche Sicherheit (GDföS), einer Organisationseinheit des
Innenministeriums für alle Angelegenheiten der öffentlichen Si-
cherheitsverwaltung, lässt die Grenzen zwischen Polizeiarbeit
und Geheimdiensttätigkeiten verwischen. Der GDföS untersteht
der gesamte Sicherheitsapparat: Neben dem Staatspolizeilichen
Dienst (StaPo, Inlandsgeheimdienst), dem Bundeskriminalamt
(BK), der Sondereinheit für Observation (SEO), dem Einsatz- und
Krisen-Koordinationscenter (EKC) und der Flugpolizei beauf-
sichtigt sie auch das Einsatzkommando Cobra, das Gegenstück
der deutschen GSG 9. Wenn diese Einheit aufkreuzt, sollte man
schnell die Köpfe einziehen.
> Karo Ass
SPORT IN ÖSTERREICH
GEPOSTET VON: DEEZ
> Ich möchte euch hier ein nicht ganz so neues Gesicht aus den
Wiener Schatten vorstellen. Wenn ihr nicht komplett hinter dem

Mond lebt, kennt ihr sie als Honeybadger oder Samantha Miller,
die als Jägerin bei der Anarchie Wien spielt. Sie ist nicht nur Ex-
pertin für Stadtkrieg, als Zuagraste hat sie auch einen anderen
Blickwinkel auf die Dinge hier in Österreich.
> Feitl
Auf den ersten Blick wirkt Österreich so klein und ver-
schlafen, dass man nicht damit rechnet, hier eine ernst zu
nehmende Sportlerszene zu finden. Genauer betrachtet
tritt dieses kleine Land den Platzhirschen der Welt aller-
dings in mehreren Disziplinen in den Arsch. Ich halte mich
nicht in allen Sportarten für eine Fachperson, aber Feitl hat
mich gebeten, dieses File zu schreiben, und als Sportler be-
kommt man bekanntlich bessere Informationen über Sport
als so manch anderer. Einiges werdet ihr wahrscheinlich
schon kennen, aber ich bemühe mich trotzdem um Voll-
ständigkeit, um keine Sport-Noobs auszuschließen.
STADTKRIEG
Es sollte nicht verwundern, dass ich mit Stadtkrieg anfan-
ge. Österreichs einziges ernst zu nehmendes Stadtkrieg-
team ist Anarchie Wien, das sich aus Mangel an Gegnern
vor einem guten Jahrzehnt über den Teutonen-Cup in
die Deutsche Stadtkriegliga (DSKL) gespielt hat. Die An-
archie ist immer noch ein gemischter Haufen aus Schlä-
gern, Punks und Ex-Gangern, der seit dem Aufstieg in die
DSKL und dank dem Sponsoring von Swarovski ein sinn-
volles Trainingsprogramm, ein paar taktische Profis und
anständige Ausrüstung bekommen hat. Anscheinend
reicht das aber schon, um mit dem Rest der österreichi-
schen Teams den Boden aufzuwischen.
Aber genug des Eigenlobs. Wie ihr schon geahnt habt,
gibt es auch noch andere Teams im Land. Organisiert
sind sie in der Österreichischen Stadtkriegliga (ÖSKL),
die Ende der 50er vom ISSV-Vorsitzenden Lukas Bohlan-
der gegründet wurde und seitdem fest in der Hand von
MediaSim ist. Da wir aber jede Saison auf dem Sieger-
treppchen landen, ist die ÖSKL – zumindest aus unserer
Sicht – irrelevant.
> Man merkt Deez ihre Herkunft an. Leider hat sie recht: Der Rest
der Liga ist bestenfalls Durchschnitt. Seit beim Teutonen-Cup
MANNSCHAFTEN DER ÖSKL 2080
• Anarchie Wien
• Edelweiß Bundesheer
• Graz Hazadeurs
• Kärntener Feuerfresser
• Krupp Steel Dragons Linz
• Rapid Wien SKA
• Salzburg Saints
• St. Pölten Crusaders
• Tiroler Schützen Innsbruck
• Transdanubia United
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
das große Geld zu holen ist, dümpelt die ÖSKL vor sich hin, was
MediaSim natürlich nicht gefällt. Als Inhaber der Übertragungs-
rechte hätten sie die Anarchie zu gerne wieder „exklusiv“ in der
eigenen Liga. Dafür ist ihnen so manches Mittel recht.
> Urban Troll
> Es gibt schon länger die Pläne für einen „Donau-Cup“, mit dem
MediaSim der DSKL eine größere Konkurrenz machen will. Bei
diesem Cup sollen Mannschaften aus dem Gebiet der ehemali-
gen Donau-Union teilnehmen. Es hakt zurzeit aber noch an der
Zustimmung einiger Topteams, wie eben der Anarchie.
> Riot Doll
COMBATBIKING
Deutlich kleiner, aber auch beliebter, ist Combatbiking.
Während Stadtkrieg fest in der Hand von MediaSim ist,
liegen die Rechte der Österreichischen Combatbiking-
liga (ÖCBL) bei Ares Entertainment Austria. Über die
Grenzen Österreichs hinaus ist die ÖCBL für das Erzbe-
rgrodeo bekannt, zu dem auch ausländische Teams ein-
geladen werden. Aufgrund der Namensähnlichkeit wird
dem einen oder anderen sicherlich schon aufgefallen
sein, dass auch die Anarchie in diesem Sport vertreten
ist. Leider ist unser CB-Team nicht ganz so gut wie unse-
re Stadtkrieger.
MANNSCHAFTEN DER ÖCBL 2080
• Anarchobiker Wien
• Graz Mongols
• MCT Dragoner Wien
• OMV Street Spirits
• S-K Stahllegion Linz
• Vienna Razors
FUSSBALL
Für Europäer ist Fußball ein Riesending. Auch in Öster-
reich besitzt der Sport, trotz der Konkurrenz durch Stadt-
krieg und Combatbiking, immer noch einen hohen Stel-
lenwert. Von außen betrachtet tut sich hier jedoch nicht
viel Weltbewegendes. Die österreichische Bundesliga
ist klein und überschaubar, im internationalen Geschäft
mischt man nur selten mit. Jeder, der länger als eine Wo-
che in Österreich verbringt, bekommt aber schnell mit,
dass sich die Liga gerne mit sich selbst beschäftigt. Al-
leine Wien hat vier Teams, die sich alles andere als grün
sind. Vor allem zwischen den Fans der beiden größten
Wiener Vereine – der SK Rapid Wien (die „Grün-Weißen“)
aus Hütteldorf und der FK Austria Wien (die „Veilchen“)
aus Leopoldstadt – herrscht eine gewisse … Rivalität. Das
führt so weit, dass jemand, der die falschen Farben im
falschen Grätzel trägt, das Gebiet nur mit Glück wieder
<< ÖSTERREICH 11
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
MANNSCHAFTEN DER
ÖSTERREICHISCHEN BUNDESLIGA 2080
• FC Admira Wien
• FC Salzburg
• FK Austria Wien
• Neuer FC Stahl Linz
• SK Rapid Wien
• SK Sturm Graz
• SKN St. Pölten
• SV Ried
• VKSV Transdanubien
• WSG Swarovski Innsbruck
unverletzt verlässt. Die Intensität dieser Auseinander-
setzungen liegt irgendwo zwischen Gangprügelei und
Stadtkrieg. Die Hooligans beider Teams schauen sich
die Spiele oft gemeinsam an, nur um sich davor, danach
und zwischendurch nach Lust und Laune krankenhausreif
schlagen können.
Das dritte Team ist der FC Admira Wien (die „Sudstad-
ter“) aus Maria Enzersdorf (Mödling), aber nach allem,
was ich gehört habe, ist es ein Verbrechen, Admira-An-
hänger zu sein. Noch schlimmer ist nur noch der Ver-
einigte Konzernsportverein (VKSV) Transdanubien als
jüngstes Team der Liga. Der Verein ist nur wenige Jahre
alt, spielt aber schon in der ersten Liga – dank einer Wild-
card, die er für viel Geld bekommen hat. Entsprechend
unbeliebt ist das Team bei allen anderen Mannschaften
und deren Fans.
> Verhasst trifft es wohl eher. Beinahe jeder wünscht den Konzern-
schönlingen die Pest an den Hals. Fans aller Vereine machen
Stimmung gegen den VKSV Transdanubien. Es soll sogar Spen-
denaktionen geben, um Runs gegen das Team finanzieren.
> Urban Troll
WINTERSPORT
Kleines Land ganz groß! In Österreich gibt es die Al-
pen, auf den Bergen gibt es Schnee. Wo es zu warm für
Schnee geworden ist, wird künstlich beschneit, um die
Reichen und Schönen nicht ihres Urlaubsvergnügens zu
berauben: so zu tun, als würden sie tagsüber Ski fahren,
um abends beim Après-Ski so richtig aufzudrehen. Die
Leute, die in den Skigebieten aufgewachsen sind, haben
aber tatsächlich was drauf. Österreich gehört im inter-
nationalen Wintersport zur Weltspitze. Einer der letzten
Höhepunkte waren die Olympischen Winterspiele 72 in
Denver, als man die Hälfte der Medaillen im Skisport
holte.
> Immer wieder hört man von Sexskandalen. Seit den Olympischen
Spielen nutzt das Team Austria wohl jede Gelegenheit zum inter-
nationalen Austausch von Körperflüssigkeiten.
> Karo Ass
12 ÖSTERREICH >>
Wintersport ist der wohl salonfähigste Sport in Öster-
reich, dem ein Hauch von Glamour innewohnt. Intrigen,
Sabotage und Doping sind hier selbstverständlich und
nicht von der Saison abhängig. Der Dunstkreis des Aus-
tria-Ski-Teams ist also kein schlechter Ort, wenn man in
einem dieser Bereiche seine Stärken sieht.
KAMPFSPORT
Kampfsportarten erhalten zwar kaum mediale Aufmerk-
samkeit, sind in der Bevölkerung aber trotzdem weitver-
breitet. Überrascht stellen viele Leute immer wieder fest,
dass Österreich bei internationalen Wettkämpfen zu den
Favoriten im Boxen, Judo, Fechten oder auch Thaiboxen
gehört. Zwar regnet es nicht immer Medaillen, aber der
erlangte Ruhm reicht aus, dass sich in jeder größeren
Stadt mindestens eine Kampfsportschule finden lässt.
Diese Schulen werden häufig von „Talentscouts“ besucht,
die einen Blick auf die Besucher werfen, um sie abzuwer-
ben – egal, ob für eher legale Jobs wie Türsteher, Leib-
wächter, Kopfgeldjäger oder tatsächlich Kampfsportler,
oder für eher illegale wie Gangmitglied, Zuhälter, Strizzi,
Schläger oder sogar Shadowrunner.
STAATSDEMOKRATIE
– GEKUNGEL UND KORRUPTION
GEPOSTET VON: [FREIHERR]
> Das ArbeitsAmt wirbt: [Freiherr] ist einer der führenden Schieber,
wenn es um Kunst und Politik geht. Auch bei der Beschaffung
von Artefakten ist er behilflich. Über die Herkunft des charman-
ten Zwergs ist so gut wie nichts bekannt, angeblich soll er aus
dem Adel stammen. Eine feste Basis scheint [Freiherr] nicht zu
besitzen, dafür kann man ihn in jedem Fünf-Sterne-Plus-Hotel Ös-
terreichs antreffen, wo er Auskunft über das Leben der Schönen
und Reichen sowie die inneren Vorgänge der Politik geben kann.
> ArbeitsAmt
Keiner mag sie, und doch kommt man ohne sie nicht
aus: Die Rede ist nicht von der Demokratie, sondern von
der Politik – einem Feld, das wie kaum ein anderes von
den Niederträchtigkeiten der Menschheit bestimmt wird.
Einst im Dienste des Volkes, ist sie momentan mehr denn
je Mittel zum Selbstzweck – und dafür ist Österreich der-
zeit ein Paradebeispiel.
DIE (ERSATZ-)KAISERIN IST
TOT – LANG LEBE …?
Natürlich ist Österreich keine Monarchie mehr – zumin-
dest nicht auf dem Papier oder dem Datenpad. Gefühlt
war dies jedoch anders: Mit ihrer Regierungszeit von 19
Jahren hat Johanna von Habsburg das Land so nachhal-
tig beeinflusst wie kaum ein anderer Politiker der letz-

ten hundert Jahre. In weiten Teilen der Bevölkerung war
die Vorstellung eines anderen Staatsoberhauptes kaum
denkbar, und man sah in der Kanzlerin immer mehr eine
kaiserliche Landesmutter. Entsprechend groß war der
Schock, als Johanna von Habsburg am 24. Dezember
2079 während ihrer Weihnachtsansprache ohne vorhe-
rige Ankündigung als österreichisches Staatsoberhaupt
und Vorsitzende der Partei für das Erbe Österreichs (PEÖ)
zurücktrat.
> Johannas eigene Partei fiel aus allen Wolken. Der Parteisekretär
der PEÖ soll vor Schreck einen Herzinfarkt erlitten haben. Erst
drei Stunden, nachdem die ersten Meldungen des Rücktritts
durchgesickert waren, gab es ein offizielles Statement der PEÖ –
aber auch das ging nur über den Ticker. Für das erste öffentliche
Live-Statement brauchte man ganze sieben Stunden.
> Winklerin
> So ganz auf der Höhe wirkte Johanna während der Ansprache
nicht. Erst dachte ich, sie hätte ein wenig zu tief ins Glas ge-
schaut, aber es war wohl doch was anderes.
> Urban Troll
> Ein interessantes Detail am Rande: Üblicherweise ist die Weih-
nachtsansprache eine Aufzeichnung. Doch Johanna soll im Vor-
feld auf eine Live-Übertragung bestanden haben.
> Karo Ass
Der Rücktritt der Kanzlerin hatte mehrere Folgen: Zum
einen stand Österreich kurz ohne Staatsoberhaupt dar,
die weitere Abfolge regelte aber die Verfassung. Die PEÖ
als regierende Partei wirkte wochenlang so, als habe
man ihr den Kopf abgeschlagen. Dies ist nicht weiter ver-
wunderlich, denn in den fast zwanzig Jahren ihrer Kanz-
lerschaft hatte Johanna auch den Posten der Parteivor-
sitzenden inne und hatte sich in dieser Zeit sukzessive
jedes nur erdenklichen Konkurrenten entledigt. Aus dem
Vorstand der PEÖ war daher ein Club von Jasagern und
Opportunisten geworden, der von der Gunst der Kanz-
lerin profitieren wollte. Jetzt sind die Damen und Herren
auf sich allein gestellt, und nicht wenige fühlen sich be-
rufen, das neue Machtvakuum zu füllen. Dies muss al-
lerdings schnell geschehen, denn die von Johanna hin-
terlassene Lücke wollen auch andere einnehmen, und so
hat das Rennen um die Macht in der Sekunde begonnen,
in der ihr Rücktritt publik wurde.
In der ganzen Hektik ging eine Frage unter, die dann al-
lerdings umso stärker in den Fokus rückte: Warum trat die
Kanzlerin zurück? Diese Frage ist bis dato nicht abschlie-
ßend geklärt, denn die einzige Person, die dies könnte,
schweigt beharrlich. Das Schweigen heizte die Debat-
te noch mehr an, und so nahmen die (Verschwörungs-)
Theorien, die schon seit Jahren kursierten, die wildesten
Ausmaße an.
KRONENZEITUNG ONLINE, 4. JANUAR 2077
Regierungsapparat mit KFS infiziert
Wie aus vertrauenswürdigen Kreisen zu erfahren ist,
gibt es in namentlich nicht genannten Ministerien zu-
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
nehmend auffällige Verhaltensänderungen bei hochran-
gigen Mitgliedern des Regierungsapparats. Auf Geheiß
der Regierung soll ein geheimes Ärzteteam alle wich-
tigen Funktionsträger auf das Kognitive Fragmentie-
rungssyndrom (KFS) untersuchen. In erster Linie betrifft
dies die Staatssekretäre und Sektionsleiter, Letztere sind
als ranghöchste Ministerialbeamte von besonderer Be-
deutung für eine funktionierende Administration. Offen
bleibt die Frage, wie es mit den Ministern und der Kanz-
lerin selbst ausschaut und ob sie sich ebenfalls einer Un-
tersuchung unterziehen.
# Artikelende
KRONENZEITUNG ONLINE, 11. JANUAR 2080
Johanna von Habsburg goblinisiert
Johanna von Habsburg ist kein Mensch mehr, zumin-
dest kein Homo sapiens sapiens. Während eines Be-
suches der Alpen, bei dem sich die damalige Kanzlerin
von Spezialisten der Universität Innsbruck über das ge-
stiegene Mananiveau des Gebirges informieren ließ, lö-
ste eine Manaspitze die Verwandlung aus. Was man zu-
nächst für einen Anfall hielt, stellte sich später als Beginn
des Goblinisierungsprozesses heraus. Aus der mensch-
lichen Ex-Kanzlerin ist ein Homo sapiens robustus ge-
worden, genauer gesagt ein Hobgoblin. Johanna von
Habsburg erlitt einen schweren Nervenzusammenbruch
und wurde von ihrer Familie in ein unbekanntes Sanatori-
um verbracht, wo man sich um sie kümmert und sie von
der Öffentlichkeit abschirmt.
# Artikelende
Für politische Beobachter waren die medialen Angriffe
der politischen Gegner nicht überraschend, ihre Direkt-
heit allerdings schon. Umso erstaunlicher waren die eher
gemäßigten und teils halbherzigen Dementi, die seitens
der PEÖ und der Regierung herausgegeben wurden.
> Nicht wirklich. Die Regierung und die PEÖ tappen genauso im
Dunkeln wie der Rest der Welt.
> Emadeus
Trotz der medialen Schlammschlacht um ihren Rück-
zug und ihr politisches Erbe hüllen sich Johanna von
Habsburg und ihre Familie in Schweigen. Bei Fragen zu
Johannas Aufenthaltsort wie auch zu ihrem Gesundheits-
zustand wurde zunächst aus Rücksicht um die Zurück-
getretene um Geduld gebeten. Inzwischen werden alle
diesbezüglichen Fragen entweder ignoriert oder im Vor-
feld von Pressekonferenzen untersagt. Johannas aktuelle
gesundheitliche Situation gleicht daher einem Staatsge-
heimnis. Man erinnere sich nur an Leopold Habsburg,
der nach seinem Anflug von Größenwahn 2038 ebenfalls
spurlos verschwand.
Genauso unbekannt ist Johannas Aufenthaltsort – man-
cher spricht schon von einem Muster. Der wahrschein-
lichste Rückzugsort ist das Waldviertel. Danach folgen
die Villen in und um Wien. Bei den finanziellen Möglich-
keiten der Familie kommen natürlich auch Sanatorien im
In- und Ausland in Betracht. Fest steht lediglich, dass die
<< ÖSTERREICH 13
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
Sicherheitsvorkehrungen an allen österreichischen Be-
sitztümern der Familie Habsburg enorm verstärkt wur-
den, was auch für den Personenschutz der gesamten
Familie gilt.
> Den Schutz der Familie haben die Schwarzen Sheriffs übernom-
men. In Salzburg ist das kein Problem, aber hinter den Kulissen
in Wien hat es kräftig rumort. Die DanubenWacht schätzt es gar
nicht, wenn auf ihrem Territorium gewildert wird. Für Zita An-
tonias Schutz sollen sogar Spezialisten aus dem engen Umfeld
Nebelherrs zuständig sein.
> Karo Ass
> Johanna muss nicht gleich goblinisiert sein. Das Waldviertel
der Habsburger ist eine stark Erwachte Region mit vielen alten
keltischen und slawischen Kultstätten. Hier tummeln sich Er-
wachte Wesen aller Arten. Die alten Kultstätten sind zu neuen
magischen Zentren geworden, die sie regelmäßig besuchte. Es
scheint so, als wirke Magie auf die Habsburger besonders anzie-
hend oder habe eine größere Wirkung auf sie. Vielleicht können
sie astrale Begebenheiten auch unbewusst erspüren, denn of-
fensichtlich reagieren die Familienmitglieder stärker auf Magie
als andere Nicht-Begabte. Entsprechend können Schwankun-
gen im Mananiveau auch zu Verhaltensänderungen führen oder
leichter Transformierten-Metamerkmale hervorrufen.
> Enigma
POLITISCHE AKTEURE
Die Monarchie ist längst Geschichte, und so herrscht
das Volk in Österreich, vertreten durch die Parteien. Wie
überall auf der Welt versuchen die Parteien, die Interes-
sen ihrer Wählerschaft zu vertreten, und spielen ihnen
dabei vor, die Entscheidungen des Staates alleine zu be-
einflussen.
Beziehungen sind in Politik und Wirtschaft ohne-
hin wichtig, doch in Österreich sind sie essenziell. Die
Freunderlwirtschaft ist gewissermaßen eine der tragen-
den Institutionen des politischen Systems, denn ohne
Fürsprecher hilft einem auch Geld kaum weiter. Es mag
überraschen, aber nicht jedes Problem lässt sich in Öster-
reich mit Geld lösen.
Österreichs Parteienlandschaft hat sich in den letzten
Jahrzehnten kaum verändert, was angesichts der langen
Regierungszeit von Johanna von Habsburg nicht verwun-
BEDEUTENDE PARTEIEN
ÖSTERREICHS 2080
• Die Grünen
• Europäische Sozialdemokratische Partei Österreichs (ESPÖ)
• Industrielle Unionspartei
• Neoliberales Forum
• Partei für das Erbe Österreichs
• Radikaldemokratisches Linksbündnis
14 ÖSTERREICH >>
dert. Politische Positionen wurden lediglich verfeinert
und nur in Nuancen den jeweiligen Entwicklungen der
Zeit angepasst. Auf zeitgenössische Ereignisse wie das
Auftreten von KFS reagierte man entsprechend, aber im-
mer getreu der eigenen Parteilinie.
Johannas Rücktritt änderte alles. Mit einem lauten Knall
wurden die Parteien aus ihrer Lethargie gerissen, und das
Hauen und Stechen um die Macht ist seitdem in vollem
Gange. Alte Bündnisse werden infrage stellt oder sind
bereits aufgekündigt, man lotet die Optionen auf neue
Koalitionen aus, und Strukturen ändern sich.
Vor allem Österreichs Sozialdemokratie wittert ihre
große Chance. Aus der Sozialdemokratischen Partei Ös-
terreichs ist die Europäische Sozialdemokratische Partei
Österreichs (ESPÖ) geworden, die sich als Partei der Mit-
te positioniert und so möglichst breite Wählerschichten
ansprechen will. In diesem Zuge hat sich das Demokra-
tische Linksbündnis aufgelöst und ist fast geschlossen in
die neue ESPÖ eingetreten. Das Radikaldemokratische
Linksbündnis sieht sich nunmehr als einzige linke Partei
Österreichs und hat schon angekündigt, mit allen Mitteln
Opposition gegen die „Ausbeutung durch den Staat und
die Konzerne“ zu betreiben.
Im Zuge der Neuordnung der Parteienlandschaft versu-
chen vor allem die ESPÖ und die Industrielle Unionspar-
tei, die Themen der Straße zu besetzen. Von Medienkam-
pagnen bis hin zu wahren Saal- und Straßenschlachten
will man die Agenda bestimmen und politische Gegner
einschüchtern. Das Radikaldemokratische Linksbündnis
schreckt selbst vor Auseinandersetzungen mit der Danu-
benWacht nicht mehr zurück, während sich die ESPÖ im
selben Atemzug als Kritiker der Brutalität der Danuben-
Wacht hervortut.
> Mindestens eine Straßenschlacht war ein Ablenkungsmanöver.
Jede Partei will wissen, was mit Johanna von Habsburg gesche-
hen ist, und ein Team stand kurz davor, es herauszufinden. Um
den Rückzug der Runner zu schützen, mussten die Schläger des
Radikaldemokratischen Linksbündnisses als Bauernopfer her-
halten und die Kräfte der DanubenWacht vor dem Einsatzort auf-
halten. In Wien ist das vergleichsweise einfach, denn in Salzburg
zeigen die Schwarzen Sheriffs deutlich weniger Zurückhaltung.
> Karo Ass
Nicht anders schaut es bei den Interessenverbänden,
Lobbyisten und Policlubs aus. Auf den ersten Blick hat
sich in den vergangenen Jahren nichts geändert, doch
dies ist nur vordergründig. Auch hier werden die Struk-
turen der letzten Jahre und Jahrzehnte kritisch hinterfragt,
und erste Auflösungserscheinungen zeigen sich bereits.
So hat die Union der Gewerken ihr Gebaren grundlegend
geändert und konzentriert sich beinahe ausschließlich
auf die Lobbyarbeit, was wiederum für interne Querelen
sorgt. Für manches Mitglied ist das neue Bild des Lob-
byisten im Anzug nicht vereinbar mit den Interessen der
einfachen Arbeiterschaft.
> Kurz gesagt: Einigen ist die Union nicht mehr radikal genug.
> Karo Ass

EINFLUSSREICHE POLICLUBS, INTE-
RESSENVERBÄNDE UND LOBBYISTEN 2080
• Bund Österreichischer Burschenschaften
• Freie Menschheit
• Freimaurer
• Humanis-Österreich
• Mothers of Metahumans
• Mutter Erde
• Orden der Reinheit
• Österreichischer Konzernrat
• Siegfried-Bund
• Union der Gewerken
• Verband für Völkische Zauberei
• Volksfront
Die Volksfront verliert zunehmend Mitglieder, weshalb
sie auf ein Bündnis mit der rechtspopulistischen Freien
Menschheit hinarbeitet, die strikt auf ihren faschistischen
Ansichten beharrt und sich als letzte Verteidigerin der
menschlichen Werte Österreichs sieht. Dafür versucht
man, Kontakte zum Verband für Völkische Zauberei zu
knüpfen, der immer mehr Spenden verzeichnen kann,
was man auf die wachsende Aktivität der Drachen in Ös-
terreich zurückführt.
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
ÖSTERREICH – (K)EIN
DRACHENLAND
Für ein Land ohne eigene Dracoformen kann sich Öster-
reich nicht darüber beschweren, dass es nicht regelmäßig
Besuch von ihnen bekommt. Neben der Präsenz von S-K
in Nieder- und Oberösterreich bestimmen vor allem zwei
Drachen den Alltag. Der eine ist Nebelherr, der Lebedra-
che aus dem Süden der ADL mit besten Beziehungen
zur Wiener Obrigkeit, der andere ist Balaur, ein relativ
unbeschriebenes Blatt aus Rumänien. Unbeteiligte mag
es überraschen, dass Lofwyr nicht in der illustren Auf-
zählung auftaucht, aber der Essener Großdrache scheint
mit der Entwicklung von S-K gerade mehr als beide Klau-
en voll zu tun zu haben, sodass seine kleineren Vettern
deutlich freier agieren können.
Nebelherrs Aktivitäten in Österreich sind nichts Neues.
Seit seinem (Wieder-)Erscheinen 2073 ist er ein regel-
mäßiger Gast in Wien und Salzburg. Dabei ist er längst
nicht so beliebt, wie es gerne kolportiert wird. Vor allem
in der Landeshauptstadt hat sich der Drache inzwischen
mindestens so viele Freunde wie Feinde gemacht, denen
sein immer offensichtlicherer Einfluss viel zu weit geht.
Allerdings weiß sich Nebelherr gegen derartige Attacken
zu wehren und spielt das Spiel in mehr als souveräner
Manier mit.
KRONENZEITUNG ONLINE, 20. JANUAR 2080
Nebelherr erwirkt Verfügung gegen Aufhebung seiner
Überfluggenehmigung
Nur zwei Tage, nachdem die österreichische Regierung
die zeitlich unbeschränkte Überfluggenehmigung des
deutschen Drachen für den Wiener Luftraum aufgehoben
hatte, kassierte der Oberste Gerichtshof die Aufhebung
wieder ein. Im entsprechenden Senat stimmten vier der
fünf Hofräte für den Antrag des Drachen, der sich zu Un-
recht in seinen Rechten beschnitten sah. Selbstredend
war Nebelherr nicht vor Ort, dafür verwiesen seine An-
wälte auf das von Kanzlerin Johanna von Habsburg erlas-
sene Dekret aus dem Jahre 2074, das dem Drachen ein
Überflugrecht für den Wiener Luftraum einräumte, sowie
auf den gegenseitigen Nutzen des Arrangements. Auch
wenn die Verfassung die Entscheidung der Kanzlerin
seinerzeit zuließ, wurde sie von der Opposition damals
scharf kritisiert, da Johanna von Habsburg das Dekret
ohne Rücksprache mit der Regierung oder dem Natio-
nalrat erließ.
Die Anwälte des Drachen verließen das Gerichtsge-
bäude ohne Kommentar, aber sichtlich zufrieden, wäh-
rend sich ein Sprecher von Vizekanzler und Außenmini-
ster Anton Wallner darüber beschwerte, welchen Einfluss
„eine ausländische Dracoform auf das österreichische
Rechtssystem“ habe. Eine knappe Stunde nach der Ent-
scheidung konnte man die Silhouette Nebelherrs kurz
am Wiener Himmel erkennen.
# Artikelende
Schon während seiner jahrelangen Abwesenheit soll
Nebelherr regelmäßig in Wien und Salzburg gewesen
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>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
SALZBURG (155.000 EINWOHNER)
Salzburgs Ruf ist weltweit bekannt, denn es ist eine der Städte
der europäischen High Society. Als autonome Stadt kann es
dank der Kontakte zu den oberen Fünftausend sowie deren
(Dritt- oder Viert-)Wohnsitzen in der Stadt seinen Status
halten. Nach wie vor ist die Stadt dank der Grand Tour des
europäischen Hochadels und internationalen Jetsets eines
der teuersten Pflaster auf der Welt – und mit Nebelherr kann
die Stadt sich rühmen, sogar einen Drachen als Einwohner zu
haben. Der Salzburger Erzbischof der römisch-katholischen
Kirche predigt zwar jeden Sonntag im Salzburger Dom gegen
die Anwesenheit der Dracoform, doch bislang stoßen seine
Worte auf keinerlei Nächstenliebe.
Ein derartiges Aufgebot von Einfluss und Geld will natürlich
beschützt werden. Der einstige Sicherheitsanbieter Salzburg
Security wurde von den Schwarzen Sheriffs aus der ADL
übernommen, die weiterhin eine strikte Null-Toleranz-Politik
gegen jeden Gesetzesverstoß fahren. Galt Salzburg schon vor
Jahren als sicher, so hat es nun den Ruf der sichersten Stadt
Österreichs.
sein. Im Rückblick wird offensichtlich, dass er in dieser
Zeit enge Kontakte zur Wiener High Society geknüpft hat.
Dank seiner Kontakte zur Zeiss-Entwicklerin Božena Ne-
povíma und zu Bernard Swarovski hat der Drache nun eine
Klaue in der Tür des neuen Konzerns Swarovski-Joop, von
dem er ein beachtliches Aktienpaket halten soll. An vor-
derster Stelle steht allerdings Zita Antonia Habsburg-Lo-
thringen. Aus dem Spross der Kanzlerin und ehemaligen
It-Girl ist inzwischen eine glamouröse und mehr als ehr-
geizige Jungpolitikerin geworden, die regelmäßig den Rat
des Drachen einholt. Aufgrund der wachsenden Entfrem-
dung von ihrer Mutter hat es niemanden überrascht, dass
Zita Antonia im Beisein Nebelherrs ihre Kanzlerkandidatur
erklärte und ihm wortreich für seine Unterstützung dank-
te. Das neue Schloss des Drachen in Salzburg dient ihr zu-
dem als Hauptquartier für ihre Wahlkampagne.
> Der wahre Kracher war doch, dass Zita für die ESPÖ antritt. Das
dürfte der Partei ihrer Mutter wohl den Todesstoß versetzen.
> Emadeus
> Die Namensgebung Zitas beherrscht gerade die Klatschpresse.
Offiziell sind die Habsburger keine Adligen mehr, das „von“ ging
nach dem Ersten Weltkrieg verloren. Johanna hat sich das „von“
als Namenszusatz offiziell eintragen lassen – weil es für eine Er-
satzkaiserin besser klingt. Im Zuge eines Streits mit ihrer Mutter
hat Zita bei sich diesen Zusatz streichen lassen. Man munkelt
allerdings, dass sie unter ihresgleichen doch auf den Zusatz des
vermeintlichen Adelstitels zurückgreift. Ist eben ein schwieriger
Spagat zwischen einfachem Wahlvolk und den oberen Fünfhun-
dert.
> Karo Ass
Nicht nur die Einflussnahme hinter den Kulissen macht
deutlich, wie Nebelherr versucht, sein Einflussgebiet auf
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den Süden auszuweiten. Dies tut er zum einen durch of-
fensichtliche Aktionen wie den Kauf des Schlosses Hell-
brunn in Salzburg als zweiten Hort, zum anderen ist er
sogar bereit, Allianzen mit ehemaligen Konkurrenten ein-
zugehen.
> Wie schön, dass alles immer so einfach zu erklären ist.
> Herr Nebel
Trotz ihres indirekten, dafür aber umso blutigeren
Scharmützels in München vor fünf Jahren ist es bislang
noch zu keinem weiteren (bekannten) Zwischenfall zwi-
schen Nebelherr und Balaur gekommen. Überhaupt ist
immer noch wenig über den rumänischen Drachen be-
kannt, der sich bis vor ihrem Verschwinden dem Gefol-
ge der Großdrachin Hestaby zugehörig fühlte. Anders
als Nebelherr hält sich Balaur sehr bedeckt, allerdings
kann er auch nicht auf die Unterstützung des offiziellen
Österreichs zählen. Dies scheint ihn aber nicht weiter zu
stören, denn er zieht ohnehin die urtümlichen Alpen vor.
Die Region gefällt ihm derart gut, dass er sich dort einen
zweiten Hort zugelegt hat. Dieser liegt im Patscherkofel,
direkt vor den Toren Innsbrucks. Für die Stadt selbst ist
der Drache so etwas wie der ungeliebte Nachbar. Man
will ihn eigentlich nicht haben und ist froh, wenn er ei-
nen in Ruhe lässt. Da es bislang noch keinen bekannten
Kontakt zwischen den Stadtoberen und Balaur gab, war-
tet man geduldig ab und hofft von Seiten Innsbrucks auf
eine möglichst lange Funkstille.
> Keine Unterstützung des offiziellen Österreichs – welch schöne
Formulierung. Auch wenn Balaur die meiste Zeit über in den Al-
pen verweilt, so ist er doch ab und zu in Wien oder empfängt
zumindest regelmäßig Besuch von dort. Er scheint Kontakte zu
allen Strizzis aufzubauen, besonders haben es ihm die Zigeu-
ner und ihre Magie angetan. Bei dieser Allianz orientiert er sich
wahrscheinlich an seiner ehemaligen Mentorin Hestaby und ih-
ren Shasta-Schamanen.
> Enigma
HINTER DEN KULISSEN
> Nicht nur im öffentlichen Teil der Regierung und der Verwaltung
rumort es kräftig. Im Inneren Wiens ist ein ganz anderes Ge-
räusch zu vernehmen, nämlich das Klicken von Mandibeln tief
unter der Erde. Man mag mich für verrückt halten, aber die An-
zeichen mehreren sich, dass sich in Wien ein Nest von Ameisen-
geistern eingenistet hat. Allerdings ist noch unklar, ob das Nest
von einer Königin oder einem Schamanen angeführt wird.
> Winklerin
> Mit seinen zahllosen Tunneln und Katakomben bietet sich Wien
für Ameisen geradezu an. Welche Hinweise meinst du?
> Enigma
> Im Zuge der politischen Neuordnung gab es mehrere Runs, die
sich gegen verschiedene Ministerien und Mitarbeiter von wich-
tigen politischen Persönlichkeiten richteten. Dabei sollten Minis-

terialmitarbeiter auf ihre Erpressbarkeit überprüft werden oder
man wollte ihnen kompromittierendes Material unterschieben.
Bei der astralen Überprüfung stellte sich dann heraus, dass nicht
jeder das ist, was er zu sein scheint.
> Winklerin
> Die Runs kann ich bestätigen. Leider waren nicht alle erfolg-
reich, mindestens einer endete in einem Desaster.
> Karo Ass
> In letzter Zeit gab es einen regen Personalwechsel in einigen Mi-
nisterien, und einige Mitarbeiter verschwanden danach spurlos.
Ich dachte erst an eine Hexenjagd, um Vertraute von Johanna
loszuwerden. Aber jetzt erscheint das in einem anderen Licht.
> [Freiherr]
> Neuesten Gerüchten zufolge ist die Generaldirektion für die öf-
fentliche Sicherheit an der Sache dran. Angeblich soll der deut-
sche Auslandsnachrichtendienst auch schon seine Nase in die
Angelegenheit gesteckt haben.
> Karo Ass
HACKN UND HAWARA
– DIE SCHATTEN
GEPOSTET VON: FEITL
Nachdem ich so lange mit Anfragen überschüttet wurde,
dass ich mich schon nicht mehr getraut habe, meine In-
box zu öffnen, habe ich zusammengeschrieben, was man
so über die österreichische Runnerszene sagen kann. Als
wichtiger erster Schritt: Kontakte in die Community sind
hier lebenswichtig. Die Schatten sind stark vernetzt – in
Österreich weiß man relativ schnell, welche Runner noch
in derselben Gegend oder im selben Fachbereich aktiv
sind, meistens sind das ja auch gar nicht so viele. Unter-
einander getratscht wird dann schnell, und so baut sich
bald ein gewisser Ruf auf, den man auch nicht so leicht
wieder loswird. Wenn man es schafft, sich einen einiger-
maßen guten Ruf zu erarbeiten, dann hat man manch-
mal auch ordentliche Vorteile – die Bitte eines guten Be-
kannten schlägt der österreichische Runner ungern aus.
Das heißt allerdings auch, dass man Konflikte mit ande-
ren selten offen austrägt – man könnte einander ja viel-
leicht noch einmal als Verbündete begegnen, insofern
bleibt man lieber wenigstens höflich.
> Selbst wenn man sich komplett gegen diese Vernetzung wehrt
und gegen die Community arbeitet, wird man kaum direkt ange-
feindet werden. Aber man sollte sich darauf vorbereiten, hinter-
rücks alle möglichen Probleme zu bekommen.
> Karo Ass
> Verdammt … okay, nach fünf Jahren doch noch was gelernt …
aber ich glaube, ich hau den Leuten trotzdem lieber gleich aufs
Maul. Ist besser für meine Nerven …
> Deez
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
So wie der österreichische Runner seine Kollegen an-
geht, so geht er auch seine Jobs an: eher ruhig und vor-
sichtig, und indem er seine Connections nutzt. Es ist hier
üblich, sich ein Netz aus Kontakten innerhalb und außer-
halb der Schatten aufzubauen, mit dem man ein, zwei Ar-
ten von Jobs möglichst verlässlich erledigen kann, aber
die Flexibilität hat, auch mal andere Runs anzunehmen.
Das ist auch wichtig, weil Schieber hier eine kleinere Rol-
le spielen als in anderen Weltgegenden. Nicht, dass ich
meine Tätigkeit schlechtmachen will, aber ganz ehrlich:
Wenn mir ein Runner mit einer ausführlichen Liste von
Autobauteilen daherkommt, die ich ihm besorgen soll,
dann werde ich ihn fragen, ob er nicht selbst schon längst
einen Mechaniker kennen sollte, der ihm das Zeug unter
der Hand zukommen lässt. In Österreich ist der Schieber
ein Kontaktvermittler und Treuhänder – nicht mehr und
nicht weniger. Zum „Fixer“, der schnell einmal fast jedes
Problem löst, wird er nur, wenn der Preis stimmt. Also:
Wenn man in Österreich als Runner aktiv ist, sollte man
sich möglichst schnell brauchbare Connections zulegen.
Am besten für alle Lebenslagen, damit man selbst oder
über seine eigenen Kontakte aktiv werden kann.
Jetzt haben wir einen österreichischen Runner, gut
vernetzt in den Schatten, mit einem brauchbaren Netz
an Kontakten außerhalb von ihnen. Aber was macht er,
um sein Geld zu verdienen? Shadowruns halt. Die se-
hen allerdings meist nicht so spektakulär aus wie in den
Karl-Kombatmage-Trids. Der klassische Runner versucht,
sich bedeckt zu halten, wenig Aufsehen zu erregen und
diskret seine Fäden zu ziehen. Das bedeutet nicht, dass
es nur Unterhändler und Decker in Österreich gibt, eine
Messerklaue wird aber zum Beispiel mindestens eine
Möglichkeit haben, Leute ohne großes Aufsehen und
Sturmkanoneneinsatz um die Ecke zu bringen. Ein Vor-
teil, den man noch im Hinterkopf behalten sollte: Nicht
nur alles, sondern auch jeder hat seinen Preis. Ein guter
Freund nannte einmal einen Monat in den Wiener Behör-
den den besten Grundkurs für Korruption in Mitteleuro-
pa. Wenn ihr also in Österreich weder über eure Connec-
tions noch über eure eigenen Fähigkeiten weiterkommt,
können ein paar Tausend Nuyen in den richtigen Händen
sehr viel bewirken – eindeutig mehr, als man als Auslän-
der denken würde.
> Ob man das Ganze jetzt „neue Frankfurter Schule“ oder „alte
österreichische Freunderlwirtschaft“ nennt, ist auch schon egal.
Vielleicht haben wir weniger hübsche Maßanzüge, aber manche
Ideen haben nun mal schon mehrere gehabt.
> Fetznschädl
ÖSTERREICH FÜR ZUAGRASTE
– EIN HANDBUCH
GEPOSTET VON: DEEZ
Alles, was Feitl schreibt, beschreibt die Runner hier ganz
gut, aber was für einige Leser hier wahrscheinlich noch
viel spannender ist: wie es sich anfühlt, als „Fremdkör-
per“ in den Schatten von Österreich anzukommen. Als
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BUCH DER VERLORENEN <<
selbst vor ein paar Jahren „Zuagraste“ kann ich da eini-
ge Einblicke aus erster Hand bieten. Wenn ich daran zu-
rückdenke, wie ich da in einer verrauchten Eckkneipe
den Dr. Nowak (so heißt hier der Mr Johnson, und ver-
gesst ja nicht, dass er Dr. (!) ist) und mein erstes Team
traf, fühle ich mich an meine wenigen Runs in Seattle er-
innert, und zwar nicht auf die gute Weise. Der „Seattle
Freeze“ ist nichts gegen die Reserviertheit, die Runnern
aus dem Ausland in Österreich anfangs entgegenschlägt.
Vor allem, wenn man die Sprache nicht oder nur unzurei-
chend beherrscht. Ich kann jedem, der hierbleiben will,
nur empfehlen, sich relativ bald einen oder zwei lokale
Fürsprecher zu organisieren und verlässlich zu tun, wofür
er bezahlt wird – damit lassen sich die Vorbehalte ganz
gut abbauen. Hier wird mehr geklatscht als in Großmut-
ters Häkelkränzchen, und auch als ich noch nicht so sehr
in der Öffentlichkeit gestanden bin wie jetzt, habe ich
von anderen Runnern Sachen über mich erfahren, die ich
selbst noch nicht wusste.
Ihr müsst euch jetzt aber nicht von Anfang an tief in
die hiesige Schattencommunity verstricken, wenn ihr nur
für einen Job von der ADL aus über die Grenze geschickt
werdet. Versucht nur, euch so weit es geht an die unge-
schriebenen Spielregeln zu halten, wie Feitl sie erklärt
hat. Solange ihr mitspielt, wird man euch in Österreich
irgendwann mit offenen Armen begegnen oder euch
zumindest keine Steine in den Weg legen. Die Schat-
ten hier sind jedenfalls vergleichsweise angenehm für
Runner, man hat (meistens) Rückhalt in der Communi-
ty. Feindliche Runnerteams schießen einen nicht sofort
über den Haufen, und auch wenn alle immer von „Ärger
vermeiden“ reden, wird man hier weniger blöd ange-
schaut als in Frankfurt oder so, wenn man einmal eine
etwas … lautere oder direktere Lösung vorschlägt. Wenn
man sich oft genug bewiesen hat, ist man irgendwann
akzeptiert, aber ob man je voll in die alteingesessene Fa-
WIENER STRIZZI-GRÖSSEN
Die Grandezza ist die Schwarzmarkthändlerin für Elektronik und
Waffen unter den Strizzis. Sie gilt als aktive Unterstützerin der
Anarchie Wien und pflegt gute Kontakte zum General in München.
Über ihre Wurzeln bei den Zigeunern hat sie auch Verbindungen
nach Tschechien, in die Slowakei, nach Slowenien, Ungarn und
Rumänien und kann über diese Kanäle sogar diverse exotische
magische Güter besorgen.
Der Kingpin, ein Glatzkopf mit Pelzmantel, Goldkette und Wiener
Schmäh, hat sich auf Drogen, Prostitution und Menschenhandel
spezialisiert. Er wird als Nachfolger des legendären „Heinz
Danilo“ gehandelt und hat gute Kontakte zu den Grauen Wölfen.
Die Kurtisane ist ein Freier Geist (Sukkubus), der die eher
abseitigen Bedürfnisse der Hotwolee bedient – exotische Sex-
praktiken, Drogen (Erwachte und BADs) und alles andere, was
ihre Kunden begehren. Außerdem hat sie gute Kontakte zur
magischen Szene Wiens und vermittelt des Öfteren Geisterpakte
oder andere magische Dienstleistungen.
Johann „Jonni“ Michaschitz pflegt gute Kontakte, sowohl zu
Konzernen als auch zur Unterwelt und Hacker-Szene. Der mit
18 ÖSTERREICH >>
milie aufgenommen wird, werden wir Zuagrasten wahr-
scheinlich als Letzte erfahren.
DIE UNTERWELT
GEPOSTET VON: FEITL
Die österreichische Unterwelt ist insgesamt recht bunt,
und wenn man hier als Runner überleben will, sollte man
ihre Facetten einigermaßen kennen. Was man allgemein
sagen kann, ist, dass die österreichische Kriminalitäts-
mentalität, wie man sie bei den Runnern sieht, auch im
mehr oder weniger organisierten Verbrechen zu finden ist.
Es gibt auch hier also weniger gezielte Morde zwischen
Mafiafamilien oder Gangkriege, sondern man arrangiert
sich irgendwie, versucht jeweils, in Ruhe sein Geschäft zu
machen, und hilft sich gegen Gefahren von außen.
> Feitl, kannst du das bitte deinen Kontakten bei den Organisierten
auch mal sagen, dass sie ja angeblich verdeckt arbeiten? Wie
der Kobayashi-gumi 71 die Sturmgewehre ausgepackt hat, wa-
ren die Ergebnisse unschön.
> Winklerin
> Zu den Japanern und ihren fixen Ideen komme ich sowieso noch,
andererseits haben in dem Fall sogar ein paar von den Strizzis
zuerst geschossen – mit verdammten Raketenwerfern.
> Feitl
STRIZZIS, FREUNDLICHE ZUHÄLTER
UND MÖRDER VON NEBENAN
Ein wichtiger Faktor der österreichischen Kriminalität sind
die sogenannten Strizzis, weil sie seit Ewigkeiten überall
hartem deutschem Akzent sprechende Elf tanzt dabei auf einem
schmalen Grat zwischen Konzernen und Warez-Sites. An ihn
könnt ihr euch wenden, wenn ihr Auftragshacks und gefälschte
Dokumente braucht.
Der Rote Lukas ist der Sohn und Nachfolger vom Roten Henry
und der Erzfeind des Kingpins, auch wenn zurzeit ein Burgfriede
herrscht. Betreibt viele Bordelle, hat seine Finger auch in einigen
Heurigen, in der Schwarzarbeit und im illegalen Glücksspiel.
Besitzt gute Kontakte in die Politik und ist euer Mann, wenn es um
Betrug, Baupfusch und Kontakte zum Staatsapparat geht (auch
wenn er selbst kaum in Erscheinung tritt).
Der Schlawiner ist ein bauernschlauer Ork, vermutlich
ungarischer Abstammung, der über ein Netzwerk aus Kontakten,
die ihm Gefallen schulden, ein Netzwerk aus Concierges ver-
schiedener österreichischer Superhotels (Mister Gustave,
Grand Budapest Hotel) fest im Griff hat. Seine Spezialität sind
Informationen und Insiderwissen, mit denen er handelt. Gute
Informationen kauft er auch zu einem guten Preis. Wenn in der
Stadt etwas passiert, weiß er Bescheid.

in Österreich wie Schwammerl aus dem Boden schie-
ßen und nicht umzubringen sind. Ursprünglich waren sie
meist Zuhälter, inzwischen haben sie aber alle möglichen
Geschäftszweige für sich entdeckt. Im Endeffekt sind es
einzelne Gauner oder kleinere Banden, die ihr jeweiliges
Ding drehen. Meistens ist das immer noch im Rotlichtmi-
lieu, oft im Drogen- und manchmal im Menschenhandel.
Diese „Gangs, die glauben, sie wären Syndikate“ (ich zi-
tiere da mal einen wütenden Aoi Kobayashi), haben es
trotz aller Bemühungen von Staat und echten Syndikaten
geschafft, am Ball zu bleiben. Sie sind alteingesessen und
vernetzt genug, um Angriffen von außen standzuhalten,
und klein genug, dass der eine Strizzi, den es dann er-
wischt, wenig Auswirkungen auf den Erfolg der Gesamt-
heit hat. Übrigens: Klassische Gangs findet man zwar in
Österreich, meistens hauptsächlich motiviert von Meta-
typ oder Ethnie, aber diese Gangs sind kleine Fische. Die
Nische, die sonst Gangs der Oberliga einnehmen, wird in
Österreich von den größeren Strizziclans besetzt.
> Mein Lieber, vergiss mir nicht die Ehre der Strizzis! Auch wenn
die Hawara viel reden und wenig tun, wenn’s um Ehre geht, wenn
irgendein Großkopferter von außen bei uns in Österreich Stress
wollen hat, ist der immer noch gemeinsam zurückgestutzt worden.
> Fetznschädl
> Die Strizzis arbeiten oft eng mit Taxlern, Bodyguards und Türste-
hern zusammen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Sie sind über
diese Gruppen auch gut in der Kampfsportszene vernetzt.
> Urban Troll
DIE „ORGANISIERTEN“
Wenn es ans große organisierte Verbrechen in Österreich
geht, kann ich einmal allgemein sagen, dass Österreich
als Schmuggelland und Mitte von Europa zu wichtig ist,
um von den Syndikaten komplett ignoriert zu werden. Je-
des wichtige Syndikat hat mindestens ein paar Kontakt-
personen, Deals mit einem oder zwei Strizziclans und ein
paar Syndikatsmitglieder im Lande, um ihre Interessen
wahren zu können. Außerdem ist die Grenze zwischen
Syndikaten und Strizzis fließend. Zum Strizzi-Sein gehö-
ren eigentlich nur kriminelle Tätigkeit, Kontakt zu ande-
ren Strizzis und das Akzeptieren der ungeschriebenen
Regeln der österreichischen Schatten. Es gibt allerdings
ein paar Syndikate, die in Österreich stärker präsent sind:
Die Yakuza sind – seit Mitsuhama sich in Österreich
breitgemacht hat – eine der stärksten Kräfte der öster-
reichischen Unterwelt. Wenn man in Österreich am
Schwarzmarkt Hightech, gefälschte SINs oder BTLs sucht,
wird man jedenfalls fast ausschließlich vom Kobayas-
hi-gumi kaufen. In den späten 60ern hätte er es sogar
fast geschafft, Wien den Strizzis komplett abzuringen. In-
zwischen steht der Kobayashi-gumi zwar immer noch als
Platzhirsch da, aber der Griff nach der absoluten Macht
hat ihm eine blutige Nase beschert. Zum Stichwort Griff
nach absoluter Macht: Die Yakuza sind in Österreich groß
genug, um es sich leisten zu können, ziemlich offen zu
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
agieren. Da wird auch mal ein Runnerteam angeheuert,
um an einem rivalisierenden Strizzi ein öffentlichkeits-
wirksames Exempel zu statuieren.
> Ich bin Miyoko Kobayashi mal versehentlich im „Rabbit Hole“
über den Weg gelaufen. Die Frau ist creepy, und alle anderen
Gäste sind ihr aus gutem Grund aus dem Weg gegangen. Wenn
sie einen dann von ihrer persönlichen Security an ihren privaten
Tisch holen lässt, darf man ruhig mal schlucken und sich überle-
gen, was man angestellt hat.
> Deez
Weit weniger Beachtung erhält der andauernd tobende
Kleinkrieg zwischen den Vory und der Mafia. Beide haben
ihre jeweiligen Einnahmequellen und greifen von Osten
bzw. Süden in die hiesigen Geschicke ein. Während sich
die Camorra in Tirol und Salzburg um die Hotwolee und
Touristen kümmert, versucht die Sacra Corona Unita in
Kärnten, der Steiermark und Wien, im ständigen Macht-
kampf zwischen Strizzis und Yakuza nicht unterzugehen
und sich gleichzeitig gegen die Vory zu behaupten. Die
Wiener Organizatsi wiederum tendieren dazu, sich mit
den örtlichen Strizzis zu arrangieren. Man kann zum Bei-
spiel nach Graz schauen, wo beide bisher erfolgreich
zusammenarbeiten. Trotzdem ist ungewiss, ob sich die
Russen so auf Dauer halten können.
Wenn man über die österreichischen Grenzen hinaus-
schaut, sind die albanischen Fares, die serbischen Naša
Stvar und die anderen Balkansyndikate gute Tipps, da
sie einen Großteil der „Balkanroute“ ausmachen. Für sie
ist Österreich eher ein Transitland, weshalb sie nur we-
nige Mitglieder im Land haben, die sich wiederum un-
ter die Strizzis mischen. Aber wenn sie Stress bekom-
men, können sie mit Unterstützung von außen rechnen.
In Schmuggelfragen sind sie die klassischen Partner der
Österreicher und Italiener, was den Wölfen ziemlich stinkt.
Im Süden und Osten Österreichs machen sich in letzter
Zeit wieder die Grauen Wölfe breit. Vor allem außerhalb
von Wien sind sie bei den Strizzis beliebter als andere
Syndikate bzw. werden als Teil der Strizzis angesehen.
Man erinnert sich dort noch an die Unterstützung, die
sie den Partisanen in den Eurokriegen geleistet haben.
Spannend sind die internen Spaltungen: Major Göktan
Tezckan kam während der Eurokriege als Anführer der
damals paramilitärischen Wölfe nach Österreich und
sieht sich immer noch als in Graz sitzender Boss der
verschiedenen österreichischen Splittergruppen. Viele
Neuzugänge sehen ihn allerdings als Verräter an, der am
liebsten die österreichischen Wölfe vollständig abspalten
und zu lokalen Strizzi-Clans umformen würde.
Im Norden und Westen Österreichs treiben die MCs ihr
Unwesen. Linz, Salzburg und Innsbruck sind alles Städte,
in die der Capitol MC und der Desperados MC stark ex-
pandieren. Beide haben wenig Angst davor, mit Strizzis
und Gangs um Einflussgebiet zu kämpfen, und vor allem
in Linz geraten die beiden MCs auch aneinander. Ob sich
die MCs neben ihrer bisher schon vorhandenen, aber
kleinen Präsenz eine größere Nische in der österreichi-
schen Schattenwelt werden schaffen können, hängt auch
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BUCH DER VERLORENEN <<
DAS ARBEITSAMT VERMITTELT:
Ein Auszug der momentanen Ausschreibungen vom Arbeits-
Amt, immer noch die erste Anlaufstelle für die Matrix-Job-
vermittlung in Österreich:
Alpenlindwurm gesucht – Irgendein reicher Wiener möchte
sich da so ein wunderbar majestätisches und vor allem gesetzlich
streng geschütztes Tier sein Eigen machen. Wenn du gerne in
den Tiroler Alpen wandern gehst und die Möglichkeit hast,
das Vieh dann auch noch lebend nach Wien zu schmuggeln,
stehen nur ungefähr 120 kg aggressiver Paracritter zwischen
dir und einer ziemlich stattlichen Summe.
Anrüchige Festspiele – Der Schickeria passieren ja immer
wieder Unfälle aller Art, wobei für manche dieser Unfälle
nachher Alimente gezahlt werden. Der junge Ferdinand Graf
von Pálffy besucht dieses Jahr die Salzburger Festspiele,
und es wäre doch äußerst tragisch, wenn er dabei erwischt
würde, seine junge Ehe nicht zu ehren. Am besten wäre es
noch, wenn ein paar Leute davon erfahren: Die Bezahlung
des Runs steigt mit jedem Boulevardmedium, das die Story
innerhalb von drei Tagen übernimmt.
Schnelles Handeln nötig – Ein kleines Leichtflugzeug ging
heute um 4:30 Uhr kurz hinter der Kärntner Grenze in Italien zu
Boden. Die Klagenfurter Strizzis zahlen gutes Geld für jeden,
der sich innerhalb eines Tages zur Absturzstelle aufmacht
und die Ladung sichert. Vielleicht ein Problem: Das Flugzeug
ist zwar in verseuchtem Gebiet abgestürzt, aber nur einen
Kilometer entfernt steht auf gereinigtem Boden ein Luxus-Ski-
Resort für Shiawase-Execs.
von der heimischen Konkurrenz ab. Der Platzhirsch, der
Burning Eagles MC, der in vielen großen Städten aktiv
ist, sowie der Honvéd Huszárok MC (Burgenland, Wiener
Sprawl) werden wohl kaum freiwillig das Feld räumen.
VERSTRICKUNGEN
IN DIE SCHATTEN
Nicht jeder Österreicher würde wegen jedes Problems
gleich Runner anheuern, aber wenn es um das Angebot
von Jobs geht, sind die österreichischen Schatten recht
ergiebig. Neben den ganzen Unterweltgruppierungen,
die ich schon beschrieben habe, gibt es auch alle mög-
lichen anderen Leute außerhalb der Schatten, die Runner
anheuern, um ihre Ziele zu erreichen. Auch sonst sind die
Schatten in unserem Land nicht so sonderlich weit vom
täglichen Leben entfernt. Es ist für einen normalen Öster-
reicher nicht so unwahrscheinlich, dass er über ein, zwei
Ecken einen Strizzi oder Runner kennt und irgendwann
einmal in seinem Leben um einen Gefallen bittet.
Großkonzerne haben in Österreich eine zwiege-
spaltene Haltung zur Runnerszene. Alteingesessene eu-
ropäische Kons haben meistens kein Problem mit dem
österreichischen Stil. Andere, allen voran MCT, haben
ihre Probleme mit Runnern, die nicht grundsätzlich alles
tun, was man ihnen als Konzern sagt, und arbeiten dann
oft mit Runnerteams aus dem Ausland oder gleich direkt
mit Konzernmännern. Vor allem S-K ist hier für Runner
20 ÖSTERREICH >>
spannend. Ursprünglich haben die zu uns nach Öster-
reich fast nur ihre eigenen, internen Troubleshooter ge-
schickt, aber seitdem Goldschnauze nur noch auf dem
zweiten Platz hockt, sind sie eher bereit, jedes Mittel,
also auch lokale Unterstützung, zu nutzen. Das heißt,
dass die meisten Unterhändler und Dr. Nowaks, die Sae-
der-Krupp momentan in Österreich einsetzt, selbst Ak-
tivposten sind oder waren, die jetzt zum Anheuern von
lokalen Runnern verwendet werden. Legt euch deshalb
nicht mit einem S-K-Nowak an!
Auch unsere Politiker haben grundsätzlich nichts da-
gegen, ihre Ziele mithilfe der Schatten zu erreichen. Bei
ihnen hat man allerdings manchmal das Problem, dass
sie unzuverlässiger sind als die Runner, die sie anheu-
ern. Wenn aber alles gut geht, sind sie angenehme Ge-
schäftspartner, die einem Runner oft wertvolle Kontakte
vermitteln können, wenn sie das Gefühl haben, gut ver-
sorgt worden zu sein.
> Schaut’s euch da den Friedrich Steiner an, der hat angefangen
als Wahlkampfmanager in Österreich und seine Seilschaften und
Schattenkontakte aktiv ausgebaut. Inzwischen hat ihn die Köni-
gin von Asamando offiziell als persönlichen Berater für Etikette,
wobei er dort sicher nicht nur das macht. Österreich exportiert
solche Leute, freundet euch also rechtzeitig mit ihnen an.
> [Freiherr]
TECHNOPOLE UND
DIE VIERTE GEWALT
GEPOSTET VON: WINKLERIN
KURZER RUNDGANG DURCH
DEN NORDEN
Nieder- und Oberösterreich sind die beiden großen
Wirtschaftszentren des Landes, die nicht zuletzt wegen
Saeder-Krupp eine starke Verbindung zur ADL haben.
Während und nach dem Großen Jihad flohen nicht nur
viele Südösterreicher und Balkanbewohner in den Nor-
den (und bildeten so ein riesiges Heer aus billigen und
willigen Arbeitskräften), sondern auch viele Unterneh-
men aus der Steiermark und aus Kärnten. Die wirtschaft-
liche Bedeutung der Region liegt aber nicht zuletzt auch
an dem Aus- und Neubau der verschiedenen Technolo-
giecluster und Technopole, der in den letzten beiden
Jahrzehnten stark vorangetrieben wurde. Diese Entwick-
lung wurde vor allem dadurch befördert, dass nach dem
Zusammenbruch der Macht der Gewerken und dem
NEEC-Beitritt entsprechende Fördergelder zur Verfügung
standen. So forschen und entwickeln in diesen Zentren
nun Universitäten, Forschungsunternehmen und stif-
tungsfinanzierte private Gruppen gemeinsam zu über-
geordneten Themenkomplexen. Forscht man in Tulln und
Wiesenburg etwa an Agrar-, Lebensmittel- und Umwelt-
 >> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<

technologie, so ist das Technopol in Krems ein Zentrum
für Medizintechnik, Cyber- und Bioware.
> Viele dieser Labore gehören oft einem einzelnen Konzern, oder
die Unternehmen versuchen aus Konkurrenzdruck, sich gegen-
seitig zu übertrumpfen, verkaufen die Ergebnisse am Schluss
aber als Gemeinschaftsprojekt. Natürlich saugen die Konzerne
dabei das intellektuelle Kapital der staatlichen Universitäten aus,
und Extraktionen, Datenklau und Sabotage sind an der Tagesord-
nung.
> Karo Ass
Das restliche Niederösterreich besitzt ansonsten kaum
Industrie abseits des Wiener Sprawls und lebt hauptsäch-
lich von Landwirtschaft (u. a. Lupinen-, Getreide- und
Weinanbau), Tourismus und der Forstindustrie (die zum
Großteil in der Hand von MCT ist). Auf dem Marchfeld
fördert die OMV die letzten Erdölreserven der Gegend,
und es gibt noch einige Critterfarmen. In der Landes-
hauptstadt St. Pölten haben sich neben ein paar Indus-
triebetrieben vor allem Technologiecluster angesiedelt.
So forscht und entwickelt man hier in den Bereichen
Kunststoffe, Energie, Bautechniken, Fahrzeugtechnik und
Mechatronik.
Oberösterreich ist im Gegensatz zu seinem Nachbarn
stark von Industrie geprägt – mit sichtbaren Schäden
an Umwelt und Metamenschen. Es gibt deutlich mehr
Bergbau durch S-K und OMV, die versuchen, die letz-
ten Rohstoffe aus der Erde zu holen. Gefördert werden
Braunkohle, Erdöl und -gas sowie verschiedene Minerali-
en, Kies und Salze. Daneben gibt es eine florierende Au-
tomobilindustrie in Steyr. Hier produzieren BMW, EMC,
Renault-Fiat, Ruhrmetall Fahrzeugtechnik und Steyr-
Daimler-Puch Fahrzeuge und Drohnen sowie Fahrzeug-
komponenten, die dann an Fabriken im restlichen Europa
gehen. Daneben gibt es über das Land verteilt etliche
weitere Fabriken, Forschungscluster und Unternehmen
– oft im Besitz der Megakons. Doch in unserem Metier
wird es uns früher oder später wohl in die Landeshaupt-
stadt Linz verschlagen.
LINZ
Linz ist der Hauptsitz von Saeder-Krupp Österreich, und
es wird immer gerne behauptet, der Konzern besitze die
Stadt. Auf den ersten Blick – und auf den zweiten und
dritten – mag das auch stimmen. Wie andernorts besitzt
S-K auch hier ganze exterritoriale Stadtteile, in denen
seine Konzernbürger leben und arbeiten. Daneben ver-
sorgt der Drache die Stadt mit Strom, Wärme und Was-
ser, betreibt das lokale Gitter LinzN.at und über die Linz
AG auch den öffentlichen Nahverkehr, die Abfallent-
sorgung, die öffentlichen Bäder sowie die städtischen
Friedhöfe. Der Eindruck, dass S-K allgegenwärtig ist, wird
noch durch die vielen Fabrikanlagen verstärkt. Neben der
riesigen Recyclinganlage der AWR Oberösterreich und
den Österreichischen Schiffswerften wird das Stadtbild
durch die Anlagen von Krupp Manufacturing und Krupp
Chemicals geprägt. Einzig die Polizei ist weiterhin staat-
lich – nur die Sondereinheiten wie die Spurensicherung
und die Kripo werden von der S-K-Tochter Centurion
gestellt (die ihre Ermittlungsergebnisse natürlich an S-K
Prime weiterreicht). Abgerundet wird das Ganze durch
den S-K-Hauptsitz, der Saeder-Krupp-Arkologie Linz in
Plesching.
> Das Gelände ist natürlich exterritorial und umfasst auch den
Stadtpark rund um den Pleschinger See. Der Park und die Ar-
kologie sind für Touristen zugänglich (es gibt im Inneren eine
Kunstgalerie, Shoppingmalls, mehrere Museen und die S-K-Kin-
dererlebniswelt). Allerdings sollte man sich nicht der Illusion hin-
geben, man sei die ganze Zeit unbeobachtet.
> [Freiherr]
Regiert wird die Stadt offiziell von Bürgermeister Mar-
kus Ergün (Industrielle Unionspartei), doch die wahre
Macht liegt natürlich bei Elisha Arinhof, die in Plesching
residiert. Ergün, ein österreichischer Troll mit türkischen
Wurzeln, ist selbst S-K-Bürger und kann auf eine lange
Karriere bei Krupp Manufacturing in Linz zurückblicken.
Beide arbeiten Hand in Hand, was schon zu etlichem Un-
mut und Beschwerden bei der österreichischen Regie-
rung geführt hat.
Trotz seiner Dominanz ist S-K jedoch nicht die einzige
Macht in der Stadt. So werden (mit Billigung S-Ks) alle
öffentlichen Kliniken der Stadt von DocWagon betrieben,
und im Chemiepark Linz sitzen zum Beispiel die OMV
(u. a. Kunststoffe und Dünger) und Komatsus Tochter As-
hai-Takeda PharmaChem sowie Zeta-ImpChem (beide
Pharmaproduktion). Daneben gibt es in der Stadt noch
einen großen Produktionsstandort von Haribo (AGC)
DER ÖSTERREICHISCHE KONZERNRAT
MITGLIEDER DES KONZERNRATS
• AG Chemie
• Ares Macrotechnology
• Aztechnology
• DeMeKo
• ESUS
• Evo Corporation
• Frankfurter Bankenverein
• Glock Gruppe
• Horizon Group
• Mitsuhama Computer Technologies
• OMV
• Renault-Fiat-Meridional
• Renraku Computer Systems
• Saeder-Krupp
• Shiawase Corporation
• Spinrad Global
• Steyr-Daimler-Puch
• Swarovski-Joop
• Wuxing Incorporated
• Zeta-ImpChem

<< ÖSTERREICH 21
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
sowie den Hauptsitz der Brau Union Österreich (Carls-
berg-Heineken/Aztechnology).
> Natürlich verwenden die ihre Standorte als Horchposten, um
herauszufinden, was der Drache als nächstes in Österreich tut.
Wenn euch also Haribo anheuert, um in den Firmensitz eines
Stahlwerks einzubrechen, dann ist das vollkommen normal.
> Karo Ass
Der Österreichische Konzernrat hat im Laufe seiner Ge-
schichte schon oft seine Zusammensetzung und Aufgabe
gewechselt, doch seit dem Ende der 60er ist er so etwas
wie der Zentralverband der österreichischen Wirtschaft
und gleichzeitig der Regierungsapparat von Transdanu-
bien. Mitglied kann jeder A-Konzern (und aufwärts) wer-
den, der das nötige Kleingeld hat, um sich zum einen ein
Grundstück in Neu-Donaustadt (der „Platte“) und zum an-
deren den Sitz im Konsortium zu leisten. Eine zusätzliche
Bedingung für ausländische Konzerne ist, dass der Stand-
ort auf der Platte nicht ihr einziger in Österreich sein darf.
Die Mitglieder des Konzernrats bestimmen über die
gemeinsamen Regeln und Gesetze in Transdanubien,
vergeben „kommunale“ Aufgaben in ihrem Reich, treten
bei wirtschaftlichen Dingen oft als geschlossene Lobby
auf und haben zudem die Kontrolle über die Danuben-
Wacht. Wenn man sich aber genauer mit dem Konzernrat
beschäftigt, merkt man, dass die Mitglieder in vielen Fra-
gen mehr als uneins sind und viele Sitzungen ein einziger
Schlagabtausch zwischen S-K und MCT sind.
WICHTIGE KONZERNE 2080
AZTECHNOLOGY
Auch in Österreich ist der aztlanische Konzern vor allem
im Bereich Einzelhandel tätig. So kann man die Geschäfte
von Stuffer-Plus (Lebensmitteldiscounter), BILLA (Su-
per- und Hypermärkte), MfM (Mode für Metamenschen,
Textildiscounter), @Home (Baumarkt), Fair (Ethiksuper-
markt) und AlpinaBeauty (Drogerie) in nahezu jeder Stadt
finden. Die einzige Konkurrenz gibt es durch Aldi-Hofer
(ATLM/Regulus) und Besser Leben (AGC), sodass der
Konzern in der Vergangenheit von vielen der Konflikte im
Land verschont blieb. Nun hat man in der Firmenzentra-
le auf der Platte aber wohl entschieden, aktiver werden
zu wollen. Man will wohl den Konflikt zwischen S-K und
MCT, der aufgrund der Wahl erneut hochkocht, nutzen
und sich verstärkt mit dem Magieforschungsunterneh-
men ITME im Süden und in den Alpen engagieren. Hier-
für werden auch schon fleißig Runner angeworben – und
zwar nicht nur aus Österreich.
HORIZON
Mit der bevorstehenden Wahl werden wieder viele Auf-
träge auf Horizon zukommen. Nachdem der Konzern die
22 ÖSTERREICH >>
maroden Überreste der Inneren Stadt AG übernommen
und mithilfe von Singularity in ein VR- und AR-Erleb-
nisparadies umgewandelt hatte, begann er, sich vor allem
in den Bereichen Mode und PR bei uns zu etablieren. Im
Bereich der Medien konnte man sich kaum betätigen, da
die DeMeKo, Ares (nach dessen Übernahme von Adler
TV nach dem Crash 2.0) und MediaSim diesen Bereich
schon unter sich aufgeteilt hatten. So vertreibt Horizon
also seine Produkte aus Kalifornien und wirbt kräftig für
die Dienste von Charisma Associates bei der bevorste-
henden Wahl.
MITSUHAMA
Der zweite Platzhirsch hierzulande ist MCT, dessen lokale
Geschäftsführerin Kioko Ueda ist. War der Konzern mit
Dingen wie GridGuide schon länger in Österreich aktiv, so
gelang ihm der ganz große Coup, als ihm Hans Dechant
seinen Konzern MediaSim zum Kauf anbot. Dechant stieg
daraufhin zum Vizepräsidenten im Bereich Medien bei
MCT Europa auf, und MediaSim wurde zu MCTs Flagg-
schiff im Mediensektor auf dem Kontinent. MediaSim
nutzt seine Macht (unterstützt durch Mitsuhama Media),
um die Meinungen im Sinne des Konzerns (und entgegen
den Vorstellungen von S-K) zu beeinflussen.
> Johanna hatte ihre bisherige Karriere der Treue Dechants zu ver-
danken. Mal schauen, ob ihm sein Einfluss auch bei der bevor-
stehenden Wahl helfen wird.
> Matrix Poldi
Inzwischen ist MCT breit aufgestellt und besitzt Töch-
ter in den Bereichen Forstwirtschaft und Verpackung,
Drohnen (Schiebel Robotics), Computerkomponenten
(Austriamicrosystems), Fahrzeuge (KTM) und Magie-
forschung (Vienna Thaumaturgical Institute). Zudem
betreiben der Japanokon und S-K zusammen etwa 80
Prozent der österreichischen lokalen Gitter.
Ueda regiert die österreichische Zweigstelle aus der
Meiji-Arkologie, dem Herzstück des neuen Geschäfts-
bezirks Süd. Nominell darf sie auch über das Vorgehen
von MediaSim entscheiden, gerät deshalb aber öfter in
Kompetenzstreitigkeiten mit Dechant, der seinen Einfluss
ausnutzt, um die Gesamtvorgehensweise von MCT in
Österreich zu steuern.
> Ueda hofft sicherlich, dass sie Dechant loswird, falls er die Wahl
gewinnen sollte. Leider hat dieser schon seinen Sohn Eric (mo-
mentan Geschäftsführer von MediaSim) in Stellung gebracht, um
seinen Posten in der Schweiz zu übernehmen.
> [Freiherr]
SAEDER-KRUPP
S-K hat entsprechend seinem normalen Modus Operan-
di bei seiner „Übernahme“ Österreichs zunächst Teile der
arbeitsplatzintensiven Industrien übernommen und sich

anschließend im Bereich Infrastruktur breitgemacht. So
gehören inzwischen nahezu alle Montan- und metall-
verarbeitenden Unternehmen zu Krupp Manufacturing
(mit Hauptsitz in Linz, aber auch Produktionsstätten in
Oberösterreich und der Steiermark). Weitere Hauptar-
beitgeber sind die Siemens AG, Hochtief, Messersch-
mitt-Kawasaki (Wiener Neustadt) sowie das Unterneh-
men Wienerberger (Baumaterialien). Daneben bietet
die Commerzbank neben Wuxings Bank von Hongkong
& Wien und dem FBV umfangreiche Finanz- und Bera-
tungsdienstleistungen für Unternehmen, Privatkunden
und die Regierung an. Im Bereich Infrastruktur ist man
mit Ruhr-Nuklear (nach OMV der zweitgrößte Stroman-
bieter), Thyssen Aqua Service (vor allem Oberösterreich)
und Ætherlink (das vor etwa 10 Jahren noch die Tele-
kom Austria war) vertreten. Sämtliche österreichischen
Bergbauoperationen von S-K laufen über Kinesys Heavy
Industry, das nicht nur die verbliebenen Bodenschätze
raubt, sondern sich nun auch verstärkt um den Abbau
magischer Mineralien in den Alpen bemüht.
AG CHEMIE
Die AG Chemie ist in Österreich vor allem im Bereich
Nahrungsmittelproduktion aktiv. Mit ihrer Tochter Mo-
dernFood betreibt sie im großen Stil den Anbau von Lupi-
nen, aber auch „traditionellen“ Obst- und Gemüseanbau
in Gewächshäusern, Massentierhaltung und Schlachtbe-
triebe sowie die Haltung von Fabrikkühen zur Herstel-
lung roter Biotechnologie. Daneben gibt es noch etliche
Tierfuttermittelfabriken und Betriebe zur Herstellung von
Biokunststoffen. Nach dem Fall der Union der Gewerken
gelang es der AGC zudem noch, den Molkereigiganten
Berglandmilch, den Süßwarenhersteller Manner und ein
paar kleinere Brauereien und Getränkehersteller zu über-
nehmen. Neben der Produktion mischt der Konzern auch
noch im Bereich Forschung mit. In Tulln und Wiesenburg
dominieren Konzerne wie die AGC Crop Science und
General Genetics Worldwide, auch wenn sie sich täglich
gegen die Konkurrenz von Aztechnology und Shiawase
behaupten müssen.
> Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, in der Öffentlich-
keit ihr gutes Image zu pflegen, vergraben sie chemischen und
biologischen Abfall in Kärnten und der Steiermark, was sie des
Öfteren in Konflikt mit Gruppen wie GreenWar oder Mutter Erde
bringt.
> Ecotope
GLOCK GRUPPE
Die Glock Gruppe war ursprünglich ein traditioneller Fa-
milienkonzern mit Hauptsitz in Wien, beschloss jedoch
schon vor Jahrzehnten, ihr Portfolio massiv zu erweitern,
um Übernahmen durch Konkurrenten zu verhindern.
Heute besteht der Konzern aus mehreren Abteilungen,
wie etwa Glock Werke (Pistolen-, Messer-, Werkzeug-
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
und Munitionsherstellung), Glock Spezialmaterialien
(Industriekeramiken und Verbundwerkstoffe, übernahm
hierfür u.a. die ehemalige M&R Keramik), Glock Beratung
und Training (Sicherheitsconsulting für Polizei und Fir-
men, Schießstände, Ausbildung von Sicherheitspersonal)
sowie Glock Sicherheitsdienste (Überwachungstechnik,
Matrix-Sicherheit, private Personenschützer).
Damals wie heute ist dieser A-Konzern allerdings für
seine Messer und Pistolen bekannt, die sich durch eine
sparsame Verwendung von Metallteilen auszeichnen.
Hierdurch sind die Waffen einerseits deutlich leichter,
andererseits verringert sich auch die Entdeckungswahr-
scheinlichkeit durch Detektoren – etwas, wofür der Kon-
zern schon seit Langem öffentlich in der Kritik steht.
> Und etwas, das Pascal Glock, der derzeitige Geschäftsführer,
anscheinend auch nicht ändern will.
> Corpshark
OMV
Die OMV (ursprünglich Österreichische Mineralölverwaltung,
die Bedeutung der Abkürzung kennt heute aber kaum
einer) ist der größte österreichische Konzern. Er entsen-
dete zu Beginn des Jahrtausends mehrere seiner Mana-
ger in das Beratergremium, das viele als die Stahlmänner
kennen. Da das Ende der Ölförderung absehbar war (und
der Verbrennungsmotor zunehmend verschwand), stieß
man schon vor den Eurokriegen in neue Geschäftsfelder
vor und erweiterte nach und nach sein Portfolio. Dies ge-
schah nicht zuletzt durch die Übernahme einiger anderer
Unternehmen, die damals auch Teil der Stahlmänner wa-
ren. So schluckte die OMV im Laufe der Jahre etwa die
Strabag, die Verbund AG, Borealis sowie verschiedene
kommunale Dienstleistungsunternehmen und neu ent-
standene Magieforschungs-Start-ups. Während des Me-
gakonzern-Audits konnte der Konzern seinen AA-Status
aufgrund seiner Diversifizierung und seiner weitreichen-
den Besitzungen (die von der Nordsee über den Nahen
Osten bis nach Turkestan reichen) gerade so behalten.
> Die Chefetage hat den bisherigen nationalen Wirtschaftskurs
Johannas und ihrer PEÖ im Großen und Ganzen mitgetragen. Bis
jetzt hat sie sich aber noch nicht für einen der neuen Kandida-
ten ausgesprochen. Vielleicht wollen sie auch einen eigenen ins
Rennen schicken.
> [Freiherr]
STEYR-DAIMLER-PUCH
Wie viele andere Konzerne war auch Steyr-Daimler-Puch
am Anfang des Jahrtausends von der Stahlkrise betroffen.
Allerdings verhinderte eine Übernahme durch die deut-
sche IFMU eine Zerschlagung bzw. teilweise Zergliede-
rung des Konzerns. Nach dem Konzernkrieg 2060 und
der anschließenden Restrukturierung der IFMU stieß die-
se ihre verbliebenen Automobiltöchter ab. Der zu diesem
<< ÖSTERREICH 23
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
Zeitpunkt sanierte Konzern Steyr-Daimler-Puch konnte
wieder einmal einer Zerschlagung entrinnen, indem er
sich durch ein Management-Buy-Out von der IFMU un-
abhängig machte. Hinter vorgehaltener Hand munkelt
man, dass ein Teil des Geldes über Kredite von alten
Stahlmänner-Seilschaften gekommen sein soll. Zum gro-
ßen Ärger von Ares, Ruhrmetall und Saeder-Krupp rüs-
tet Steyr nicht nur das Bundesheer, sondern auch viele
mittel- und (süd-)osteuropäische Heere, Polizisten und
Sicherheitsdienste mit Fahrzeugen (Lkw, Motorrädern,
Radpanzern, Kettenfahrzeugen) und Waffen (Sturmge-
wehren, Maschinenpistolen, Pistolen, Jagdwaffen) aus,
wobei seine Verkaufsschlager wie die Mannlicher Wild-
hüter, die Steyr-AUG-Varianten und die TMP auch welt-
weit ihre Abnehmer finden.
SWAROVSKI-JOOP
Der neueste Mitspieler auf dem Konzernparkett ist der
deutsch-österreichische Konzern Swarovski-Joop, der
vor Kurzem aus der Fusion der Swarovski AG und des
Modeimperiums Anielski-Joop entstand. Seine beiden
Hauptsitze befinden sich in Innsbruck und München, mit
weiteren bedeutenden Standorten in Berlin, Hamburg,
L.A., Manhattan, Paris, Wattens (nahe Innsbruck), Wien
und Zürich. Swarovski selbst ist das größte Unternehmen
Tirols, und die Mitglieder des weitverzweigten Familien-
clans findet man in der Politik, der Medien- und Modewelt
und natürlich der High Society. 2029 fasste die Familie
sämtliche Unternehmen und Beteiligungen der Familien-
mitglieder in der neugegründeten Swarovski AG zusam-
men, die wenig später bereits die A-Einstufung erhielt. Die
wichtigsten Tochterunternehmen sind bis heute Swarov-
ski Alpine (Alpentourismus), Swarovski Entertainment
(Musik, Trids, Werbefilme), Swarovski Design (Beleuch-
tung, Mode, Schmuck), Swarovski Industrial Applica-
tions (Bohrköpfe, Sägen, Schleifmittel), Swarovski Optics
(optische Geräte und Cyberware), Swarovski Real Estate
(Immobilien) und Swarovski Traffic (Verkehrstechnik).
Haben die beiden ursprünglichen Konzerne schon ein
interessantes Portfolio, hat man dieses durch die immer
noch stattfindende „Einkaufstour“ um einige Bereiche –
Eventagenturen, Kosmetik, Wellnesskliniken, Jagdwaffen
und sogar eine Kaufhauskette – erweitert. Momentan be-
sitzt der Luxuskonzern nur den A-Status (das Audit sitzt
vielen noch in den Knochen), aber die Doppelspitze aus
Bernhard Swarovski und Anuschka Anielski-Joop steu-
ert auf den AA-Status zu.
ZETA-IMPCHEM
Z-IC hat vor etwa zwanzig Jahren die MonoMed AG über-
nommen, den größten lokalen medizinischen Dienstleis-
ter, Biotech- und Pharmaforschungskonzern. Im Anschluss
gliederte es alle Krankenhäuser, Kliniken und Arztpraxen
aus dem Konzern aus und schloss sie seiner Tochter Eu-
roMedis an, die so auf einen Schlag der größte Anbieter
24 ÖSTERREICH >>
für medizinische Dienstleistungen im Land wurde, nach-
dem sie Anfang der 60er sukzessive weitere Klinken
übernommen und andere lokale Anbieter (z. B. das Rote
Kreuz Österreich) aus dem Markt gedrängt oder absorbiert
hatte. Da es kaum Konkurrenz gab – DocWagon konnte sich
nur in Salzburg und Linz behaupten, Shiawase beschränkte
sich auf Verjüngungskliniken und Altersheime, CrashCart
(Evo) und BuMoNA blieben abgeschlagen auf Platz zwei
und drei –, blieb Z-ICs Poleposition lange unangefochten.
Dies ändert sich nun durch die immer größer werdende
Präsenz von Wuxing Prosperity, das insbesondere im Sü-
den Österreichs, aber auch in den abgehängten Teilen des
Wiener Sprawls sein Kliniknetz rasch ausbaut.
ÖSTERREICHISCHE
MATRIXGITTER
GEPOSTET VON: RIOT DOLL
> Das ArbeitsAmt wirbt: Riot Doll ist eine Anarchie-Piratin und
Hacktivistin. Sie wurde auf der Donauinsel geboren, bevor die
Konzerne die Anarchos vertrieben. Jetzt betreibt sie irgendwo im
Wiener Niemandsland den Piratensender „Donau Schwarz-Rot“.
> ArbeitsAmt
> Zudem gesellt sich der altehrwürdige Gittersurfer Matrix Poldi zu
uns.
> Riot Doll
> Ey, wen nennst du hier alt?
> Matrix Poldi
> Genau, unseren spitzohrigen Hawara hier kannst du ja nicht mei-
nen.
> Emadeus
Das österreichische Gitter ist ein ziemlicher Flickentep-
pich, in dem sich Mitsuhama und S-K einen andauernden
Schlagabtausch liefern, während sich die anderen Kons
um die Krümel streiten. S-K stellt das öffentliche Gitter,
vernachlässigt es allerdings sträflich. Nur ein Bruchteil der
Bandbreite des Drachenkons wird dafür aufgewendet.
GRID AUSTRIA
Das nationale Gitter unserer Republik wurde ganz nach
den Wünschen unseres Digitalministeriums gestaltet,
wird jedoch von Mitsuhama betrieben. Auch hier trifft
man überall auf KuK-Chic, sei es bei der allgemeinen Ge-
staltung oder in der Ikonografie des Gitters. Alles ist pom-
pös, vergoldet, und ständig läuft unsere dämliche Nati-
onalhymne oder irgendwas von Mozart im Hintergrund.
ALPINE MATRIX
Die Alpen sind ein besonderer Fall. Aufgrund der Geo-
grafie ist der Empfang nicht immer der beste. Das heißt,

selbst wenn eine Matrixabdeckung in der Gegend ex-
istiert, können Berge und Täler das Signal stören. Dann
wiederum gibt es Gegenden, in denen es überhaupt kei-
ne Matrixabdeckung gibt.
> Insbesondere in den unbewohnten Gegenden gibt es Matrixlö-
cher so groß wie NeoNETs Schuldenberg.
> Matrix Poldi
Magische Phänomene und menschenleere Areale sor-
gen dafür, dass sich daran auch in Zukunft kaum etwas
ändern wird. Wer also in den Bergen dringend auf die
Matrix angewiesen ist, sollte sich eine Satellitenverbin-
dung zulegen. Lokale Gitter gibt es nur in den größeren
Städten und Touristenzentren wie Innsbruck, Kitzbühel,
Kufstein, Leoben, Lienz, Spittal an der Drau oder Zell am
See (um nur ein paar zu nennen).
LINZN.AT
Statt des üblichen S-K-Gitterdesigns entschied man sich
in Linz für ein modernes Design. Da in Linz jährlich das
Ars Electronica Festival für digitale Kunst stattfindet, wird
jedes Jahr das lokale Gitter entsprechend dem Motto des
Festivals neu gestaltet. Verschiedene Künstler können
ihre Entwürfe einer Jury vorlegen, die aus sieben Per-
sonen (zwei Abgesandten des Festivals, dem Bürgermei-
ster, zwei Mitgliedern des Stadtsenats, einem Abgesand-
ten von Ætherlink und Elisha Arinhof) besteht. Diese Jury
wählt aus allen Einsendungen ein neues Design aus, das
dann feierlich beim Ars Electronica Festival zum Sieger
gekürt und von Ætherlink im Anschluss als neues Design
implementiert wird.
> Natürlich gewinnt nur das Design, das S-K gefällt – es sei denn,
der Künstler ist bereit, eine große Summe Schmiergeld zu zah-
len. Ansonsten ist es für unsereins ziemlich nervtötend, dass
sich jedes Jahr die Ikonografie ändert.
> Matrix Poldi
DIE WIENER GITTER
Ach ja, die gute alte WiFi-Matrix. Zum ersten Mal hatte
Wien so etwas wie eine vereinte Matrix. Leider machte
uns Danielle de la Mar einen Strich durch die Rechnung,
und wir fielen wieder zurück in ein Zeitalter der Teilung.
Zum Glück ist es nicht mehr ganz so schlimm wie zur Zeit
der „Wiener Lösung“, aber es gibt nun ein Zwei- oder
eher Dreiklassennetz.
So bestand der Konzernrat darauf, dass Transdanubien
ein eigenes Gitter bekommt, das Transdanubia Intragrid.
Dieses von Ætherlink betriebene lokale Gitter orientiert
sich optisch an den glitzernden Fassaden der Wolken-
kratzer Transdanubiens sowie der S-K-Überwelt. Für den
Rest der Stadt gibt es das von MCT bereitgestellte Wi-
en.N@, das anscheinend hauptsächlich für (japanische)
Touristen entworfen wurde, orientiert es sich optisch
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
doch stark am Wien der Kaiserzeit. Das Wien.N@ ist in
ganz „Groß-Wien“ erreichbar, auch in Transdanubien. Da
sich die beiden Gitter dort aber überlagern und Ætherlink
es so eingerichtet hat, dass Wien.N@-User zusätzlichem
Werbespam ausgesetzt sind, hat man dort ein sehr hohes
Rauschen. Im Niemandsland gibt es kein lokales Gitter
– kaum eine der nur noch rudimentär vorhandenen Ge-
meinden kann sich so etwas leisten. Deshalb umfasst das
Gitter des Bezirks Baden (BadenConnect, betrieben von
Ares) quasi nur die Stadtgrenzen. Auch hier will man mit
dem KuK-Look vor allem Touristen ansprechen.
> Immer wieder kommen „Matrixschnorrer“ an die Grenzen der
Stadt, um sich in das Gitter zu hacken und so Zugang zu Mat-
rix zu bekommen, werden aber schnell wieder von Knight Errant
vertrieben.
> Matrix Poldi
Der Rest von uns hat hier nur das öffentliche Gitter,
sofern wir uns nicht in einem Matrixloch aufhalten. Zum
Schluss ist da noch das Æthernet Wiener Neustadt –
ebenfalls von Ætherlink – im Süden des Sprawls. Es ist
ähnlich gestaltet wie die S-K-Überwelt, allerdings mit
Wien (nicht Berlin) als Vorlage.
METROPOLREGION
WIEN UND IHRE
SCHATTENSEITEN
GEPOSTET VON: FEITL
> Das ArbeitsAmt wirbt: Feitl ist ein Wiener Original und kennt die
Stadt wie seine Westentasche. In seinen jüngeren Jahren war er
selbst in den Schatten aktiv, aber seit mehr als einem Jahrzehnt
betreibt der Ork das Little. Auch wenn er bereits über vierzig ist,
kann Feitl mit seiner Schrotflinte immer noch schnell für Ruhe
sorgen. Benehmt euch also, wenn ihr sein Lokal betretet, denn er
kann sich als wahre Fundgrube über die Wiener Schattenszene
erweisen.
> ArbeitsAmt
> Seit ich in Wien bin, habe ich die Donau noch nie blau gesehen.
Meistens ist sie braun, öfter grau, und wenn wer erschossen
wird, kurz rötlich, aber niemals blau.
> Deez
DER WIENER SPRAWL
Wien, die große Stadt an der Donau, Stadt der Kontraste.
Sie war schon immer ein Schmelztiegel verschiedenster
Kulturen, und diese Gegensätze haben die Stadt geprägt,
auch wenn es immer Bestrebungen gab, die „wahre“
österreichische Kultur hervorzuheben. „Das war scho’
imma so und wird a imma so bleiben“ ist eine alte Re-
densart – und doch ist auch hier einiges im Wandel. Der
<< ÖSTERREICH 25
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<

Niederösterreich allerdings quasi das gesamte Industrieviertel

an Wien verlieren, was jedes Mal, wenn das Thema zur Sprache
WIENER STATISTIKEN kommt, zu neuem Grant führt – selbst innerhalb der PEÖ.
BALLUNGSRAUM WIEN-STEINFELD > Winklerin
Einwohner (geschätzt): 6 Millionen
SINlose: ca. 20 % Zwar gelang es bereits zuvor, Teile von Groß-Enz-
ersdorf, Mödling und Schwechat einzugemeinden, al-
STADT WIEN lerdings scheiterte man nun zunächst am Widerstand
Fläche: 1.327,99 km² aus der Verwaltung und aus Niederösterreich. Der
Einwohner: 3,6 Millionen Crash von 64 schaltete diese Widersacher jedoch aus,
Menschen: 66 %
weshalb man am 23. Juli 2066, nach Befriedung der
Orks: 14 %
Stadt, feierlich das neue Gesetz unterzeichnen konn-
Elfen: 11 %
te. So wuchs Wien um Deutsch-Wagram, Klosterneu-
Zwerge: 5 %
Trolle: 3 % burg, Korneuburg und um die Reste von Mödling und
Andere: 1 % Schwechat.
Nicht zuletzt deshalb ist die Stadt voller Kontraste.
AUFGABENBEREICHE Manche Bereiche sehen aus wie aus dem neuesten BTL
Feuerwehr: Ares Fire and Safety, Freiwillige Arbeiterbund- (sie sind ja auch die Kulissen dafür), andere Bereiche
Feuerwehr sind verranzt und eher Slum als Stadt. Konzernbezirke
GridGuide: Renraku grenzen an die von Touristen überlaufene Innenstadt,
Krankenhäuser: EuroMedis, BuMoNA, CrashCart, an Reichen- oder Arbeiterviertel oder eben an die von
Krankenanstaltenverbund Squattern überfüllten Reste der Wohnparks. Der Rest
Matrix: Mitsuhama, Ætherlink des Sprawls ist nicht viel besser. Verschlafene Traban-
Müllentsorgung: OMV tenstädte, die quasi nur von Pendlern bewohnt wer-
Nahverkehr: ESUS den, reihen sich an abgeschottete Gated Communities,
Polizei: DanubenWacht Heile-Welt-Touristendörfer und hastig hochgezogene
Strom: OMV, Saeder-Krupp
und von Gangs kontrollierte Plattenbauten voller Ausge-
Wasser: OMV
stoßener und Kriegsflüchtlinge. In diesem wilden Durch-
einander pochen manche Gegenden, wie Stockerau, Ba-
den und die Wiener Neustadt, auf ihre Unabhängigkeit
Wiener Sprawl ist über seine alten Grenzen hinausge- und geben sich als Stadt in der Stadt.
wachsen und umfasst nun das gesamte Wiener Becken
(oder genauer das Steinfeld) mit verschiedensten Gegen-
den, Kulturen und Leuten. Allerdings handelt es sich hier- EINE KURZE RUNDREISE
bei nicht um eine einzelne Stadt, in der jedes Grätzel fein
säuberlich an das nächste angereiht wurde. Der Sprawl Die alte Einteilung in Bezirke hat inzwischen einfach kei-
besteht weiterhin aus mehreren unabhängigen Städten. nen Sinn mehr. Ich habe euch das daher in neue und für
Er reicht in etwa von Stockerau im Norden bis zur Wiener mich sinnvollere Bereiche aufgeteilt, damit ihr, wenn ihr
Neustadt bzw. Neudörfl im Süden, wobei die genauen herkommt, wisst, wo ihr landet. Politisch gibt es die alten
Grenzen stark davon abhängen, wen man fragt. Dieser Bezirke natürlich noch, aber ihr sollt euch ja auf der Stra-
urbane Moloch wird von zwei Zentren – „Alt-Wien“ und ße zurechtfinden und nicht Bürgermeister werden. Die
Wiener Neustadt – geprägt, allerdings fühlen sich weder wichtigsten Stadtteile stelle ich euch hier vor und gehe
die Stadt Wien noch Niederösterreich sonderlich für den dann auf die Reste des Sprawls ein. Vielleicht finde ich ja
Niemandsland genannten Bereich dazwischen verant- irgendwann mal die Zeit, einen ausführlicheren Upload
wortlich. über Wien zu verfassen.
Wien selbst hat sich ebenfalls verändert. Nach der „Auf-
lösung“ der „Vereinigten Wohnparks“ Ende der 50er war
eines der größten Anliegen der neuen PEÖ-Regierung, DER URIGE NORDEN
die alten Pläne von „Groß-Wien“ umzusetzen.
Die an den Wiener Wald grenzenden Stadtteile sind ab-
> Natürlich beteuerte man, dass dies nicht die „Groß-Wien“-Plä- seits ihrer Zentren Klosterburg und Korneuburg recht
ne der NS-Zeit, sondern die der KuK-Kaiserzeit seien. Dennoch ländlich und besitzen kaum Industrie. Es gibt einige land-
waren insbesondere die alten FNF-Kader ganz besonders scharf wirtschaftliche Großbetriebe und kleinere Hafenanlagen,
drauf, das Projekt voranzubringen, und Wien sieht nun in etwa so aber abseits davon nur kleine Hotels, Pensionen und Re-
aus wie 1938. staurants – die sogenannten Heurigen. Hierbei handelt es
> [Freiherr] sich um kleinere Gaststätten, die sich schon seit Genera-
tionen im Familienbesitz befinden. Viele Konzernschlipse
> Es gab und gibt natürlich auch Pläne, das gesamte Gebiet bis und Politiker nutzen die Gegend zur Naherholung oder
runter zur Wiener Neustadt einzugemeinden. Dadurch würde für ausgedehnte Schäferstündchen über das Wochen-

26 ÖSTERREICH >>

ende. Etliche der Heurigen werden auch von Nowaks als
Treffpunkt genutzt. Die Besitzer sind verschwiegen und
verdienen sich gerne was unter der Hand.
> Während des Berufsverkehrs versinkt die Gegend in einem Ver-
kehrschaos, nehmt also lieber die Bahn oder einen Commuter.
> Urban Troll
> Es gibt hier einige Familienfehden zwischen einzelnen Heurigen.
Man zahlt ganz passabel, wenn ihr es schafft, das jeweils ande-
re Lokal in der Öffentlichkeit (und vor allem den Matrix-Bewer-
tungsportalen) schlecht aussehen zu lassen.
> Winklerin
Je weiter man gen Süden kommt, desto urbaner
wird es. In Grinzing findet man Heurigen City, ein
ganzjähriges „Wein- und Kulturfestival“, das von der In-
neren Stadt AG verwaltet wird (dazu später mehr). An
der Grenze zur Innenstadt findet man die alten Mono-
Med-Türme, die offiziell Karl-Landsteiner-Arkologie
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
heißen. Die nun von Z-IC betriebene Miniarkologie auf
dem ehemaligen Gelände des Allgemeinen Kranken-
hauses und Teilen von Währing besteht aus vier Hoch-
häusern, die um den Wiener Gürtel (B 221) errichtet
wurden. Neben etlichen Labors, Verwaltungsbüros und
Produktlagern betreibt EuroMedis hier eine renommier-
te Klinik.
DIE REICHEN HÜGEL
Seit jeher hat es die Reichen und Wohlhabenden auf die
Berge am Stadtrand gezogen, und seit Langem gibt es
dort Villenviertel. Durch die Regierung der PEÖ wurden
die äußeren Teile der Bezirke aber noch elitärer, und Ar-
beiterbauten, die beim Blick aus dem Fenster störten,
wurden konsequent plattgemacht. Stattdessen entstand
hier eine exklusive Zone im alten KuK-Stil. Die ehemalige
Vorortelinie wurde restauriert und erstrahlt jetzt als eli-
täre Retro-Bahnlinie in neuem Glanz.
<< ÖSTERREICH 27
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
Vor Kurzem kündigte Spinrad an, hier ein neues Einkaufs-
zentrum zu eröffnen, woraufhin Swarovski-Joop sofort
nachzog. Innerhalb kürzester Zeit wurde mit den Bauarbei-
ten an der Spitze des Kahlenbergs und des Leopoldsbergs
begonnen. Beide Anlagen sind mehr als reine Einkaufszen-
tren – eher eine Mischung aus Aussichtsplattform und Frei-
zeitparadies für die High Society, wobei Spinrad auf (reale
und virtuelle) Sportangebote setzt, während Swarovski sei-
ne Pläne um eine Kristallerlebniswelt erweitert hat. Durch
gegenseitige Sabotage gerieten die Arbeiten jedoch schon
mehrfach ins Stocken. Inzwischen geht das Gerücht um,
dass man bei den Grabungsarbeiten in den seit Jahrtausen-
den bewohnten Bergen irgendetwas gefunden hat.
> Schon mal von Karl Freiherr von Reichenbach gehört? Er be-
schäftigte sich im 19. Jahrhundert stark mit dem Okkultismus am
Kobenzl und soll angeblich nach irgendwas gegraben haben. Die
Geschichten über die örtliche Manaspitze konnten nie bewiesen
werden, doch vielleicht wurde ja einfach nur am falschen Ort ge-
sucht …
> Karo Ass
DIE INNERE STADT
Seit jeher ist Wien eine Touristenstadt, die sowohl von
Europäern, aber vor allem auch von Amerikanern und
28 ÖSTERREICH >>
Asiaten für ihre Architektur, Kunst und Kultur geschätzt
wird. Um die Einnahmen aus diesem Geschäft zu bün-
deln, gründete man die Innere Stadt AG, ein Joint-Ven-
ture aus mehreren Unterhaltungskonzernen, das fortan
im Auftrag der Stadt sämtliche touristischen Aktivitäten
(Stadttouren, Museen, Straßenfeste usw.) innerhalb der
Inneren Stadt und Teilen von Döbling (Grinzing) bündel-
te. Das Ganze ging mit einer aufwendigen Restaurierung
von Häuserfassaden, der Sperrung der Innenstadt für
Fahrzeuge und einer aufwendigen „Live Action“-Show
mit verkleideten Statisten einher, um eine Art „Kaiser-
zeit-Themenpark“ zu erschaffen. Viele der früheren Dar-
stellungen waren übertrieben, da der normale Stadtbe-
trieb weiterging und die Statisten nicht 24/7 verkleidet
rumliefen. Dennoch war’s eine Mordsgaudi, und der
Hotwolee auf der Grand Tour hat’s auch jedes Mal ge-
fallen.
Nach etlichen Skandalen (sich prügelnde Statisten,
Drogen, Vergewaltigungen), ständig steigenden Perso-
nalkosten und schlechter Presse stiegen einige der betei-
ligten Konzerne, aber auch Hotels, Restaurants und Casi-
nos nach und nach aus dem Projekt aus. Übrig geblieben
ist Horizon, das das Projekt mithilfe von Singularity in ein
AR/VR-Erlebnis umgewandelt hat. Besucher können nun
(wenn sie ein Touristenticket bezahlen) per AR-Overlay
die Straßen und Gebäude sehen, wie sie am Ende des
19. Jahrhunderts aussahen. Auch bekommen alle, die

die Innere Stadt betreten, entsprechende AR-Kleidung
aus der Zeit. Touristen haben natürlich Zugriff auf den
Onlinestore mit etlichen Individualisierungsoptionen,
die sie mit echtem Geld oder „E-Schilling“ bezahlen kön-
nen – quasi einer Art „Ingame-Währung“, die man für das
Erfüllen bestimmter Aufgaben erhält, wie etwa „besuche
die Hofburg“ oder „besuche ein Kaffeehaus und bestelle
etwas“. Zusätzlich gibt es Idorus – manche nennen sie
auch NPCs –, also virtuelle Personen, die die Rollen der
früheren Statisten übernommen haben und mit denen
die Touristen interagieren können. Wem das alles nicht
reicht, der kann in speziellen Touristencentern auch das
VR-Erlebnis buchen, bei dem die SimSinn-Filter gezielt
abgeschwächt wurden.
> Das Ganze ist wie die Vision-Berlin von MSI, aber technisch tau-
sendmal besser, da Horizon ganz andere Kapazitäten besitzt als
so ’ne kleine AGC-Programmierklitsche.
> Snow-WT
> Seit Horizon das ganze Projekt neu aufgestellt hat, machen die
lokalen Hotel- und Restaurantbetreiber auch wieder mit, erhal-
ten sie doch mehr Umsatz, wenn Touristen versuchen, bei ihnen
ihre Achievements und Quests zu erfüllen.
> Emadeus
> Die Bundesregierung ist bereits Anfang des Jahrtausends auf
die Platte gezogen, die Stadtregierung und einige Behörden ha-
ben ihren Sitz in der Inneren Stadt allerdings behalten. Die Po-
litiker sind zwar sichtlich genervt, wenn sie schon wieder von
einem asiatischen Touristen angesprochen werden, der sie für
einen NPC hält, aber wenn sie dann einen Blick auf die Steuer-
einnahmen aus diesem Geschäft blicken, geht es wieder.
> [Freiherr]
DER SÜDEN – MCT-CITY UND DIE
NEUEN ARBEITERBEZIRKE
Mit der Übernahme weiter Teile des früheren Sonder-
gefangenenhauses Wien-Süd (SGHWS) hat sich MCT
quasi einen eigenen exterritorialen Stadtbezirk in Innen-
stadtnähe angeeignet. Der neue Geschäftsbezirk Süd
erstreckt sich innerhalb von Hietzing, Meidling, den Fa-
voriten und Simmering von der B 12 und B 221 bis zur
Simmeringer Hauptstraße und geht dann südlich entlang
der A 23 bzw. der A 2 hinein bis ins nördliche Mödling.
Das Herzstück des Geschäftsbezirks ist die mittelgroße
Meji-Arkologie, die zugleich der Hauptsitz von MCT
Österreich ist. Um diese herum entstanden japanische
Parks, Restaurants, ein Friedhof und einige Shinto-Tem-
pel, aber es siedelten sich auch mehrere japanische
Konzerne wie Komatsu, Monobe, Sony, Yakashima und
Yokogawa an. Daneben gibt es etliche Geschäfte, zwei
Erlebnis-Malls, einige Casinos und typische japanische
Spielhallen, aber auch Veranstaltungsorte, wie zum Bei-
spiel die Österreichisch-Japanische Gesellschaft, ein
Theater und die MCT Music Hall.
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
> Lange Zeit besaß Düsseldorf die größte japanische Gemeinde
Europas, doch seit MCT seinen eigenen kleinen Spielplatz hoch-
gezogen hat, könnte Wien der Stadt am Rhein unter Umständen
den Rang ablaufen.
> Kôkinsei
> MCT versucht, mit seinem Bezirk die Strahlkraft von Transdanu-
bien zu übertrumpfen. Seit Mitsuhama S-K als größten Konzern
der Welt abgelöst hat, sorgt jede neue Ankündigung von MCT für
Wutausbrüche bei Arinhof.
> Winklerin
Südlich des Geschäftsbezirks Süd befinden sich die
Überreste der „Vereinigten Wohnparks“. In den Ruinen
der Shopping City und den umliegenden Bretterbuden,
Wellblechhütten, Wohnwagensiedlungen und verfal-
lenen Häusern wohnen Squatter, Ausgestoßene, Flücht-
linge und natürlich einige der früheren Bewohner des
SGHWS. Um das Gebiet „aufzuwerten“, wurde hier ein
Stadtkriegsgelände errichtet, das auch oft für Trainings-
zwecke genutzt wird.
Das, was vom Wiener Süden übrig geblieben ist (Favo-
riten, Hietzing, Meidling und Simmering), plus die neu
eingemeindeten Bezirke Mödling und Schwechat, bildet
die neuen Arbeiterbezirke. Diese unterscheiden sich al-
lerdings von Ecke zu Ecke, je nachdem, welche Bevöl-
kerungsgruppe gerade vorherrschend ist. Die Leute und
ihre Nachbarn wohnen hier, weil sie entweder schon im-
mer hier waren, ursprünglich aus Stadtvierteln stammen,
die später einmal Transdanubien oder das SGHWS wer-
den sollten, oder im Zuge einer Gastarbeiterwelle hier
angesiedelt wurden.
> Größere Kontraste bei der Bevölkerung findet ihr höchstens
noch in Berlin.
> Deez
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man hier das
vorfindet, was man allgemein unter dem echten Wiener
versteht: den klassischen schimpfenden, nicht besonders
gebildeten, betrunkenen Tachinierer im weißen Feinripp-
unterleiberl. An fast jeder Ecke findet man ein Wettlokal
oder einen Würschtler, Strizzis sind allgegenwärtig, Bier
ist Pflicht und Sport ist Religion. Hier gilt das Wiener Mot-
to „Des war scho immer so“ ganz besonders. Dazwischen
gibt es einige Industrieviertel, Gewerbe- und Agrarflä-
chen sowie den (unterfinanzierten) Flughafen Wien.
> Wien-Süd ist in den Schatten als Rückzugsort sehr beliebt. Kei-
ner stellt Fragen, solange man sich nicht besonders auffällig ver-
hält. Zudem kann man großzügige Unterstützung aus den organi-
sierten Gruppen der neuen linken Arbeiterbewegung erhalten.
> Urban Troll
TRANSDANUBIEN UND DIE PLATTE
Der traditionell zu Wien gehörende Bereich rechts der
Donau ist ein exterritoriales Konzerngebiet mit dem Na-
<< ÖSTERREICH 29
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
men Transdanubien. In diesem Dreieck aus Floridsdorf,
Deutsch-Wagram und Groß-Enzersdorf errichteten die
Konzerne im Verlauf der letzten 72 Jahre ihre eigene klei-
ne Welt. Hier entstanden neue Konzernbürgersiedlungen
neben neu angelegten Parks, Shoppingmalls, Büroge-
bäuden und Fabrikanlagen. Bei Lobau wurde der Ölhafen
der OMV modernisiert, und der exterritoriale Flughafen
Transdanubia International sowie das neue Donausta-
dion, das neue eigene U-Bahnnetz und das nahe dem
Flughafen errichtete neue Messegelände wurden in-
nerhalb weniger Jahre aus dem Boden gestampft. Jeder,
der hier lebt, wohnt und arbeitet, ist ein Konzernbürger,
stammt aber nicht zwangsläufig aus Österreich (hier le-
ben viele Zuagraste aus allen Ecken der Welt).
Viele Gebäude hier besitzen unauffällige, aber großzü-
gige Sicherheitssysteme und unterirdische bunkerartige
Keller, die für den Fall einer bewaffneten Revolte durch au-
tonome, anarchistische oder sonstige linke Gruppen an-
gelegt wurden. Etliche sollen angeblich miteinander ver-
bunden sein, und die Gerüchte, was die Kons dort unten
anstellen, reichen von geheimen Fabriken über Mensche-
nexperimente bis hin zu Folterkellern und satanistischen
Sexpartys (fragt nicht). Oberhalb der Erde sorgt die Danu-
benWacht mit Streifenwagen, Flugdrohnen und einer Ar-
mada von Überwachungskameras für Ruhe und Ordnung.
Denn nicht erst, seit die Donauinsel und der Prater ge-
räumt wurden, ist Transdanubien für Besucher zugänglich.
> Seitdem die Anarchos vertrieben wurden, sind die Renaturie-
rungs- und Restaurierungsarbeiten im vollen Gange, kommen
aber immer wieder ins Stocken. Es gibt massiven Streit darüber,
wem denn nun die Insel gehören soll. Horizon will sie in sein
Tourismuskonzept einbinden, die Stadt möchte sie wieder als
vollwertigen Teil Wiens, während der Konzernrat die Insel gerne
(mithilfe von Zenit) als Naherholungsort für seine Konzernbürger
ausbauen würde.
> [Freiherr]
Mitten in Transdanubien liegt die Platte oder offiziell
Neu-Donaustadt. Sie umfasst das Gebiet des alten Do-
naubogens und der alten südlichen Donaustadt (Kai-
sermühlen sowie Teile von Donaufeld und Kagran) und
nimmt eine Sonderstellung innerhalb des Bezirks ein. Be-
reits 1996 wurde die Platte als Fundament für die Erwei-
terung der UNO-City fertiggestellt und in den folgenden
Jahren stetig erweitert, bis sie ihre heutige Form erhielt.
Unterhalb dieses Fundaments gibt es etliche Tunnel für
U-Bahnen, Unterführungsstraßen, aber auch Versor-
gungstunnel für Energie und Warentransport. Oberhalb
befindet sich das Machtzentrum von Transdanubien und
letztendlich auch Wien. In der Mitte der Platte befindet
sich das Vienna International Center (VIC), das einst als
Zweigstelle für die Vereinten Nationen und andere inter-
nationale Organisationen gedacht war. Etliche Gebäude
standen allerdings mit der Zeit leer, sodass sich dort in-
zwischen andere Gruppen wie etwa der Konzernrat, die
Draco Foundation, die Internationale Atomenergie-Or-
ganisation, der Konzerngerichtshof oder eben auch die
österreichische Regierung niedergelassen haben.
30 ÖSTERREICH >>
> Die UN standen 2035 quasi vor dem Zusammenbruch, als die
Konzerne sie in Genf reorganisierten. Zwar hatte die Bundesre-
gierung den UN das Gelände 1979 für 99 Jahre verpachtet, aber
aufgrund leerer Kassen und der Neustrukturierung von 2035
wurde der Standort Wien beinahe komplett aufgegeben bzw.
nach Genf verlagert. Nur noch eines der ursprünglichen Gebäu-
de gehört zurzeit noch den UN, und das ist nicht viel mehr als
eine Außenstelle – vergleichbar mit dem UN-Standort in Bonn,
der auch nicht mehr das ist, was er mal war.
> Winklerin
> Ich würde eine Zweigstelle der WHO nicht zwangsläufig als
unbedeutend bezeichnen, schließlich koordinierte diese die
KFS-Forschung nach dem Alleingang unseres Gesundheitsmi-
nisteriums.
> Matrix Poldi
> Na ja, da finde ich die Zweigstelle des Konzerngerichtshofs aber
interessanter. Hier findet man die örtliche Niederlassung der
Z-O-Gemeinschaftsbank, der Corporate Court Matrix Authority
(samt Grid Overwatch Division (GOD) und Artificial Resource
Management (ARM)) und des Corporate Court Crisis Coordina-
tion Committee.
> Winklerin
> Angeblich betreibt der Konzerngerichtshof zusammen mit den
UN mehrere Labors bezüglich KI-Forschung auf der Platte. Seit
dem KFS-Ausbruch und der Monaden-Frage hört man den schon
länger durch die Matrix geisternden Namen „UN Initiative on Di-
gital Sapience“ immer öfter. Gerüchte sprechen von Experimen-
ten an KIs aller Art mit Unterstützung von Renraku, MCT oder Ho-
rizon, unter Nutzung der Methoden der aus Wien stammenden
Psychoanalyse und Traumdeutung.
> Emadeus
> Do AIs Dream of Electric Sheep?
> Deez
Unsere Bundesregierung hat bereits 2008 ihren Sitz
auf die Platte verlegt. Parlamentsgebäude, Ministerien,
das Kanzleramt – alles befindet sich dort. Daneben be-
sitzen alle Konzerne des Konzernrats mindestens einen
Wolkenkratzer (oder sogar eine Mini-Arkologie) dort.
Des Weiteren gibt es ein Bankenviertel, Restaurants, Bars
und Clubs, einen Yachthafen sowie das Kongresszen-
trum Austria Center Vienna (ACV). Durch seine Sonder-
stellung gelten hier sehr hohe Sicherheitsstandards. Das
Betreten ist im Gegensatz zum restlichen Transdanubien
für Besucher nicht gestattet und nur mit einer sehr gut
gefälschten SIN zu empfehlen.
DAS NIEMANDSLAND
Die Gegend südlich des neuen „Geschäftsbezirks Süd“
verkam in den letzten Jahrzehnten immer mehr und wur-
de zum sogenannten „Niemandsland“ bzw. zur „Gstätt’n“,
wie die Einheimischen es nennen. Vom ehemaligen
Speckgürtel mit viel Industrie entwickelte es sich immer

mehr zu einem Bereich, den keiner haben will. Mit der Er-
richtung des Sondergefangenenhauses 2004 wurden die
Bezirke über Nacht zu den Vororten eines Gefängnisses
und waren zudem von den großen Verkehrsrouten abge-
schnitten.
> Nach der Errichtung des SGHWS erarbeitete man Pläne für
eine neue Trasse der A 2, die östlich am Gefängnis vorbeiführte.
Gleichzeitig orientierte man sich an den USA und entschied sich
für eine Hochautobahn, also eine Überlandbrücke, wie sie dort
in den Städten üblich ist. Da es weniger Abfahrten gab und nur
Teile der alten Strecke wiederverwendet wurden, fühlten sich
die Ortschaften noch abgehängter als zuvor.
> Riot Doll
Alle, die es sich leisten konnten, zogen weg. Viele
Flüchtlinge aus den Eurokriegen und anderen Disputen
der letzten Jahrzehnte (wie etwa die Anarchos von der
Donauinsel) wurden in den leer stehenden und verfal-
lenden Gebäuden angesiedelt, und so ist die gesam-
te Gegend mittlerweile kaum noch mehr als ein Slum.
In den besseren Gegenden arbeiten Lohnsklaven unter
erschreckenden Bedingungen in Sweatshops und Kon-
zernfabriken. Die Polizei lässt sich hier nicht blicken, und
nur die DanubenWacht sorgt (hin und wieder) für Ruhe.
Medizinische Versorgung ist Glückssache, zumal hier der
„Rettungskrieg“ tobt. Weder die Stadt Wien noch Nie-
derösterreich oder die angrenzenden Städte fühlen sich
für den ungeliebten Bereich verantwortlich.
Die erste Ausnahme bildet die Luxusenklave Baden,
die ihre Sicherheit lieber in die Hände von Knight Errant
legt und aus dem aktuellen Hype um den alten KuK-Stil
und ihrer Exklusivität als Thermenstadt Gewinn schlägt.
Es gibt einen Commuter-Service direkt zum und vom
Flughafen, eine Autobahnanbindung, einen Haufen Ho-
tels und eine große Mauer, die die Stadt umgibt. Die
zweite Ausnahme bildet die Wiener Neustadt, die das
Ende des Wiener Sprawls darstellt. Zusammen mit eini-
gen umliegenden Ortschaften bildet die Stadt eines der
wenigen Bollwerke im Niemandsland, wo solche Din-
ge wie Wahlen, die Müllabfuhr und eine eigene Polizei
tatsächlich noch funktionieren. Das liegt vor allem an
zweierlei: Zum einen ist die Wiener Neustadt ein wich-
tiger Industriestandort und ein Produktionszentrum für
Saeder-Krupp. Zum anderen betreibt das Bundesheer in
der Nähe eine Kaserne und einen Militärflughafen. Un-
terstützt durch Armee und Konzerne versucht die Wiener
Neustadt, ihren Einfluss auf die umliegenden Ortschaften
weiter auszudehnen.
Im Niemandsland trifft man auf alle Arten von Krimi-
nellen: Von einfachen Straßenbanden über Anarcho-,
Ethno-, Meta-, Thrill- und Religionsgangs (Jihad-V, Stim-
me des Herrn), Motorradclubs und Go-Gangs bis hin zu
Strizzis und den Syndikaten ist hier alles vertreten. Das
Gebiet geht den Bach runter, und die Gangs kämpfen
verbissen um jeden Meter Einfluss. Auf der anderen Seite
gibt es hier etliche Schwarzmärkte, Schattenkliniken und
Verstecke, wo man vor der DanubenWacht untertauchen
kann.
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
MAGISCHES WIEN
GEPOSTET VON: MINDTRICK
Je älter die Stadt, desto mehr ist dort geschehen, und de-
sto mehr ist in der astralen Stadt los. Das gilt auch für Wien
– über 2.000 Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Wiens
ausgedehnte Tunnel, Katakomben und Kellersysteme
sind schon für Mundane als Verstecke oder Schleichwe-
ge interessant, für Magische gibt es hier jedoch noch viel
Interessanteres zu entdecken. So streift der eine oder
andere Freie Geist auf der Suche nach einem Pakt durch
die unterirdischen Gänge, aber auch alte Kultstätten und
Tempel, die teilweise seit der Römerzeit bestehen, ste-
hen denen offen, die wissen, wo sie suchen müssen.
Unter dem Stephansdom und so gut wie jeder anderen
Kirche verlaufen ausgedehnte Katakomben. Auch dort,
wo heute keine Kirche mehr steht, sind immer noch die
alten Gänge vorhanden. Wenn man keine Angst hat, die
Ruhe der Toten zu stören, kann man hier mit viel Recher-
che, Glück und dem richtigen Werkzeug noch so manchen
Schatz bergen. Auch die Manaströmungen in diesen Räu-
men sind sehr interessant. Weniger bekannt ist, dass sich
nur einen Block entfernt von der Ausgrabung der Grund-
mauern einer römischen Villa am Hohen Markt die Über-
reste eines römischen Tempels befinden, die auf einer al-
ten heidnischen Stätte der Macht errichtet wurden.
Ein weiterer magischer Ort ist der Zentralfriedhof
von Wien. Er gilt seit jeher als Tummelplatz aller mög-
lichen Freien Geister und ist ebenso Anziehungspunkt
für mundane „Ghost Junkies“. Im Schutze der Dunkelheit
werden hier oft Séancen und Rituale abgehalten sowie
Geisterpakte geschlossen. Leider ist ein Besuch nicht
ganz ungefährlich. Eine schwarzmagische Gruppe na-
mens Maledictum nutzt den Zentralfriedhof für ihre Be-
schwörungsrituale. Neben etlichen Schattengeistern be-
schwor sie im Jahr des Kometen auch mehrere Shedim,
die seitdem in Wien und Umgebung ihr Unwesen treiben
und auch den Friedhof immer mal wieder heimsuchen.
SCHATTIGE PLÄTZE
GEPOSTET VON: WINKLERIN
So vielseitig Wien als Stadt ist, so vielseitig sind auch die
Lokale, in denen man schattiger Gesellschaft begegnen
kann. Hier bekommt ihr eine kleine Auswahl der zurzeit
umtriebigsten Lokale und Orte für den nicht ganz so offi-
ziellen Arbeitsmarkt.
HIER TREFFT IHR DR. NOWAK
Etliche Heurigen werden von Nowaks als Treffpunkte ge-
nutzt. Als verlässlicher Ort hat sich seit Jahrzehnten der
Heurigen Weinbaufamilie Reischütz erwiesen. Der alte
Zwerg Hans Reischütz (Jahrgang 2011) ist äußerst diskret
und hat keine Probleme damit, andere Metas zu bedie-
nen oder anzustellen. Ein weiteres Lokal für unsereins ist
die Rote Reblaus. Hier kann man mit etwas Glück Ma-
<< ÖSTERREICH 31
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
DER „RETTUNGSKRIEG“
Der Krieg der Wiener Rettungsorganisationen läuft bereits seit
über hundert Jahren und wurde nur während der Eurokriege
unterbrochen. Was zunächst eine reine PR-Schlacht war, wurde
mit der Zeit immer heißer, als der Stadt und den umliegenden
Gemeinden nach und nach das Geld ausging. Viele ehrenamtliche
Dienste mussten dichtmachen, sodass nur diejenigen überlebten,
denen es gelang, mit dem Trend der Zeit zu gehen und Verträge
an ihre „Kunden“ zu verkaufen. Neben den Konzernnotdiensten
wie BuMoNA, CrashCart, DocWagon und EuroMedis konnten
nur wenige andere Gruppen wie zum Beispiel der Arbeiter
Samariter Bund, das Rote Kreuz Österreich und das Grüne
Kreuz weiterbestehen. Um das finanzielle Überleben zu sichern,
begannen die Gruppen, mit immer aggressiveren Mitteln um
Kunden zu werben oder sie (zum Teil auch mit Waffengewalt)
abzuwerben. Doch auch diese Strategie ging nicht ewig auf, und
mit dem Crash 2.0 und dem ebenfalls aggressiven Vorgehen der
Konzerne verschwanden die meisten kleinen Organisationen.
Aus den Überresten bildeten sich einige Schattenorganisationen,
die inzwischen halb- oder illegal operieren und insbesondere im
Wiener Süden und im Niemandsland aktiv sind. Bei den drei übrig
gebliebenen Gruppen handelt es sich um den Anarchistischen
nager der Japanokons wie auch einige Größen aus der
Politik antreffen. Ein dritter Heurigen ist der Erlmeyerhof,
der von Veronika Erlmeyer geleitet wird. Es ist ein offenes
Geheimnis, dass das Lokal insgeheim dem Roten Lukas
gehört und er sowie alle, die ihn um Hilfe bitten, von hier
aus ihre Aufträge vermitteln.
Direkt in Wien gelegen ist das Spektakel (5. Bezirk),
ein Restaurant mit Festsaal, der oft von magischen Grup-
pen angemietet wird. Der Besitzer Tscharlie (ein Elf) hat
den Laden den Vorbesitzern abgekauft und arbeitete
zuvor dort als Kellner. Er hat nicht nur gute Kontakte in
die magische Szene, sondern stellt seinen Saal auch für
eben jene als Treffpunkt mit Runnern zur Verfügung. Im
Geschäftsbezirk Süd findet man das Nihon Restaurant,
das alle möglichen japanischen Speisen anbietet und
nicht nur von MCT, sondern auch von der Yakuza genutzt
werden soll. In Transdanubien, an der Grenze zur Plat-
te, befindet sich das Maria Theresia. Dieser Raucherclub
bietet neben den feinsten kubanischen Zigarren auch et-
liche Separees, in denen die Nowaks des Konzernrats auf
einen warten.
RUNNERTREFFPUNKTE
Beginnen wir mit dem Babylon. Dies ist ein größerer, ge-
pflegter Stripclub im 6. Bezirk. Der Besitzer heißt Xaver und
ist ein Mensch Mitte vierzig mit grünem Iro und schwarzer
Bikerweste. Er schmeißt den Laden für den Kingpin, der
die Kieberei täglich schmiert, sodass es quasi keine Raz-
zien gibt. Ein idealer Treffpunkt für Planungstreffen, wenn
einem knappe 10 Euro für ein Bier im Austausch gegen
Sicherheit und Verschwiegenheit den Preis wert sind.
32 ÖSTERREICH >>
Schwarzen Halbmond (ASH), den aus der linken Arbeiterbewegung
entstandenen Bewaffneten Samariter Bund (BSB) und das aus
ehemaligen Runnern und Straßendocs bestehende Graue Kreuz
(GK). Sie versorgen vornehmlich SINlose und die, die sich die
Krankenwagen der Konzerne nicht leisten können oder wollen.
Dennoch bekämpfen sich die verbliebenen Gruppen wie früher
weiterhin, sowohl untereinander als auch gegen die Konzerne.
Die wiederum (allen voran Z-IC) unternehmen alles, um auch
diese Gruppen aus dem Markt zu drängen, und hetzen ihnen des
Öfteren die DanubenWacht auf den Hals.
> Es kann passieren, dass dir ein verärgerter Sani, der wegen deines
Freundes da ist, noch mal ins Knie schießt, weil er feststellt, dass du
beim falschen Verein bist.
> Urban Troll
> Auch die Konzerne bekriegen sich untereinander massiv in den
Schatten. Das läuft zwar etwas gesitteter ab, aber auch hier werden
Kundenkarteien gestohlen, Krankenwagen umgeleitet oder der Ruf der
Konkurrenz beschädigt, damit man selbst besser dasteht.
> Winklerin
Der nächste Treffpunkt wäre das 48er. Diese Fußball-
kneipe befindet sich auf einem Fahrzeugfriedhof der Wie-
ner Linien südlich des Geschäftsbezirks Süd. Hier treffen
sich sonst die Hooligans von Rapid Wien und Austria, um
sich die Spiele anzusehen und sich gegenseitig zusam-
menzuschlagen. Wenn aber gerade keine Spiele stattfin-
den, ist der Laden so gut wie ausgestorben. Diese Zeit
nutzen etliche Runner, um dort ungestört abzuhängen,
und die Besitzer, um sich eine zusätzliche Einnahmequel-
le zu sichern.
Zu guter Letzt ist noch das Alternative Kulturzentrum
Moosbrunn zu nennen. Der südlichste Punkt Wiens ist
nun eine der neuen „Operationsbasen“ der ehemaligen
Donauinsel-Anarchos. Hier kann man in Ruhe seinen
nächsten Run planen, da es die anderen nicht interessiert,
was man tut oder lässt – solange es gegen die Konzerne
geht und man nicht mit der PEÖ oder irgendwelchen an-
deren Rassisten unter einer Decke steckt.
> Keine Toleranz der Intoleranz!
> Riot Doll
BESONDERE RESSOURCEN
Es gibt einige Schwarzmärkte in Wien. Viele kleine fin-
det ihr im Niemandsland, doch der größte ist sicherlich
der Neue Markt im äußersten Süden von dem, was mal
die Vereinigten Wohnparks waren. Hier versammeln sich
Anarchos, SINlose, Schieber und die radikale Arbeiterbe-
wegung, um Waren und Informationen zu handeln. Hier
solltet ihr eigentlich das meiste, was ihr so braucht, fin-
den können.

> Geleitet – wenn man das so nennen kann – wird der Schwarz-
markt vom „Piraten“, der aus den Wohnparks stammen soll. Er
ist außerdem erstaunlich gut informiert und bereit, seine Infos
gegen Gefälligkeiten einzutauschen.
> Karo Ass
Wem nicht reicht, was der Neue Markt zu bieten hat, der
sollte eines der Spezialgeschäfte aufsuchen. Der Amoiu-
manblock gilt als erste Adresse für alle Autoschrauber
und Drohnenrigger. Ursprünglich lag die „Straße der Ge-
setzlosen“ in Breitensee, musste aber in den 70ern nach
Schwechat umsiedeln. Hier gibt es genügend illegale
Werkstätten, die nahezu jedes Teil besorgen können.
Falls ihr Waffen oder so braucht, fragt nach dem Haupt-
mann. Angeblich ist er ein ehemaliger Kieberer, sogar
ein relativ hohes Tier, der zusammen mit einigen Kol-
legen bei seiner Entlassung so einiges aus der Waffen-
und Asservatenkammer hat mitgehen lassen. Er ist nicht
sonderlich gut auf die DanubenWacht und die PEÖ zu
sprechen – ihretwegen ist er ja seinen Job los. Inzwischen
bietet er etliche Neuware an, die bei Ares „vom Laster“
gefallen ist.
Bodyware bekommt ihr vom Grauen Kreuz. Diese
Vereinigung aus (ehemaligen) Straßendocs und Run-
nern betreibt auch einen der illegalen Rettungsdienste.
Sie besitzt aber auch ein Netzwerk aus Schattenkliniken,
die stetigen Nachschub an neuer Ware erhalten – sei es
durch Runs oder „Resteverwertung“.
Das Metalab ist ein Hacker-Vereinslokal, das es seit Be-
ginn des digitalen Zeitalters gibt. Die Betreiber betonen,
dass sie niemanden zu illegalen Taten anstiften, sondern
nur Wissensvermittlung über Hard- und Software betrei-
ben. Mit ein paar sozialen Skills (oder Geld) findet man
dort jedoch recht leicht SOTA-Ware und jemanden, der
auch bereit ist, diese zu benutzen.
Das Facultas ist an das Dr.-Singer-Institut in Transdanu-
bien angeschlossen. Eigentlich eine Fachbuchhandlung
für Studenten der Thaumaturgie, kann man hier auch als
mundaner Mitbürger nicht nur Bücher, sondern auch Foki,
Fetische und magische Reagenzien erwerben. Das Perso-
nal ist kompetent, zieht einen nicht über den Tisch und ist
dem einen oder anderen Nebengeschäft nicht abgeneigt.
DER VERHEERTE SÜDEN
GEPOSTET VON: JAUSE
Egal, ob ihr nur auf Besuch hier seid oder schon lange in
Wien beim AMS schepft, irgendwann kann es euch leicht
in den Süden Österreichs verschlagen. Damit ihr hier
nicht ganz aufgeschmissen seid, habe ich für Wiener und
andere Ausländer ein paar Grundlagen über meine Hei-
mat und ihre Nachbarbundesländer zusammengefasst.
Ganz allgemein: An dem Spruch mit dem sonnigen
Süden ist was dran. In Kärnten, der Steiermark und auch
im Burgenland kann man schöne Seen, majestätische
Berge und laue Sommerabende genießen. Auch im Win-
ter ist von Skifahren bis zum Thermenurlaub alles da, was
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
das Herz begehrt – wären da nicht die Minenfelder, die
traumatisierten Veteranen, die militärischen Stützpunkte
und die verwüstete Natur …
Noch vor dreißig Jahren war das hier Frontgebiet, als
die Allianz für Allah in den Eurokriegen ein für alle Mal
zurückgeschlagen wurde. Land und Leute haben aller-
dings Narben davongetragen, die nie ganz verheilen
werden. Immer noch liegen ganze Landstriche brach, die
von Kampfmagie, chemischen oder biologischen Waffen
verheert wurden, und ich kann den Erwachten unter euch
sagen, dass der Astralraum hier nicht von schlechten El-
tern ist.
Aber wir Südösterreicher haben alles überstanden,
selbst die Manastürme, die seit 64 immer wieder auftre-
ten, von der wahnwitzigen Parabotanik ganz zu schwei-
gen. Generell sind wir ein unternehmerisches Volk, das
sich seine Nischen zum Überleben sucht. Wir mögen
nicht viele sein – verständlicherweise wollten in den
30ern wenige entlang eines Frontstreifens leben und sind
geflohen –, aber wir halten zusammen. So haben sich
bei uns unzählige Kommunen gebildet, die abseits der
Hauptstraßen ihren Lebensstil durchziehen und durch
Zusammenarbeit überleben.
KÄRNTEN
In Kärnten kann man den Widerspruch zwischen schöner
Natur und absoluter Verwüstung am besten sehen. Hier
wurde am meisten gekämpft, und auch das Erwachen und
seine Spätfolgen waren hier stark zu spüren. Im Norden
kann man aber noch das alte, touristische Kärnten erle-
ben, wie es Anfang des 21. Jahrhunderts war. Um Frie-
sach, Wolfsberg und das ehemalige Landesverwaltungs-
zentrum Hirt gibt es Sommerurlaubsangebote, die ich nur
empfehlen kann. Sollte man schwimmen gehen wollen, ist
der Millstätter See momentan die sicherste Option, nach-
dem er vor Kurzem von Shiawase gereinigt und der brei-
ten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Sollte man
hingegen im Winter unterwegs sein, sind die Nockberge
sehr zu empfehlen. Hier findet man auch noch Landwirt-
schaft im alten Stil, betrieben von Familienunternehmen.
Der Rest des Landes ist eher mit Vorsicht zu genießen.
Trotzdem ist heute schon einiges besser, als es noch
vor zwanzig Jahren war: Die Landesregierung hatte ein-
gesehen, dass Kärnten in seinem damaligen Zustand
ein unrettbares Wrack war, und als Lösung letztendlich
den Bernig-Deal geschlossen, benannt nach dem dama-
ligen Landeshauptmann. Durch die Zusicherung von saf-
tigen Sonderrechten und eine stattliche Summe Nuyen
konnten die AG Chemie und Shiawase davon überzeugt
werden, Kärnten in seiner Notlage zu unterstützen. Die
Folge ist, dass Teile von Kärnten faktisch zu Konzernland
wurden und die Landesregierung in einigen Bereichen,
wie etwa bei der Zusicherung von Industrieförderungen,
kaum noch frei entscheiden kann. Andererseits haben
die Kärntner dafür zumindest teilweise ihr Land zurück:
Dank bakterieller Behandlungen und Naniteneinsatz
sind die seit den Eurokriegen verseuchten Böden wieder
<< ÖSTERREICH 33
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
fruchtbar, die Luft atembar und das Wasser sauber. Der
Wörthersee, an dem die Landeshauptstadt Klagenfurt
liegt, ist zum Beispiel wieder von Siedlungsgebiet umge-
ben. Sonderlich viel weiter sollte man sich als Tourist aber
dann doch nicht vorwagen.
Wo sich zum Beispiel Villach befand, früher eine blü-
hende Stadt, ist heute nur noch eine verstrahlte und ver-
seuchte Wüste. Der Großteil des Südens ist immer noch
entweder Niemandsland, das man nicht ohne Schutzan-
zug betreten sollte, militärisches Sperrgebiet oder ein
Ort für Konzernanlagen, die vor der Öffentlichkeit ver-
borgen bleiben wollen – manchmal auch alle drei Sachen
gleichzeitig. Ein Geheimtipp sind aber die Enklaven von
Kärntnern im Süden, die sich weder von den Konzernen
noch vom Krieg vertreiben ließen. Die letzten frucht-
baren Böden in Kombination mit der sehr aktiven Ma-
nasphäre sorgen dafür, dass hier alle Arten von Erwach-
ten Pflanzen gut wachsen. Die Einheimischen nutzen das
aus, bauen alle möglichen Pflänzchen an, und die High
Society Österreichs profitiert davon – falls ihr versteht,
was ich meine. Solltet ihr aber keinen Einheimischen da-
beihaben, seid vorsichtig, denn die Parabotanik hier ist
generell bösartig und nur mit Vorsicht zu genießen.
Für Besucher von Interesse sind vielleicht noch einige
von den Eurokriegen verschonte Kultstätten und antike
Ruinen, so zum Beispiel der Tempel der Isis Noreia am
Ulrichsberg, einer keltisch-ägyptischen Mischgöttin, die
von lokalen Magiern manchmal als Schutzpatronin ge-
wählt wird.
> Hin und wieder findet man Interessierte, die gute Nuyen für Aus-
grabungsstücke von steinzeitlichen Dörfern um den Wörthersee
zahlen. Dort wurden mumifizierte Körper gefunden, die anschei-
nend wie Orks aussehen. Zumindest behaupten das einige Ar-
chäologen …
> [Freiherr]
KLAGENFURT
Willkommen in der Perle Kärntens, der Stadt, die sicher
zu einem Drittel dafür sorgt, dass ich immer noch im
Geschäft bin. Mit ihrer hübschen Altstadt und dem be-
eindruckenden Blick über den Wörthersee – schwimmen
sollte man trotzdem nicht in ihm – ist sie, seitdem sie
vor zehn Jahren wieder für die Zivilbevölkerung geöffnet
worden ist, zu einem beliebten Touristenziel geworden.
Doch abseits vom Tourismus ist die Stadt eben für uns
Runner sehr interessant, da fast alle in Kärnten aktiven
Konzerne hier ihre Hauptniederlassung haben. Aber
nicht nur klassische Konzernjobs sind hier zu haben, denn
Klagenfurt ist auch die Hochburg der österreichischen
Schmuggler. Die österreichische Polizei und die Sicher-
heitskräfte von Shiawase und der AGC teilen sich die Si-
cherung der Stadt, ohne jemals eine sinnvolle Aufteilung
der Kompetenzen hinbekommen zu haben. Ineffizienz ist
die verständliche Folge. Außerdem haben die Konzerne
wenig Interesse daran, dass der Klagenfurter Flugha-
fen allzu sehr kontrolliert wird, denn hier transportieren
34 ÖSTERREICH >>
sie selbst alles, von dem sie wollen, dass es ungesehen
bleibt. Also, wenn ihr etwas nach Österreich hinein- oder
aus Österreich hinausbringen wollt (etwa Erwachte Dro-
gen), dann seid ihr hier richtig.
Eine Person, die ihr hier unbedingt kennen müsst, ist
der momentane Landeshauptmann Josef Kopeinig
(PEÖ), der mit dem Wahlspruch „Kärnten den Kärnt-
nern“ gewählt wurde und auch vor Runnern nicht zurück-
schreckt, um den Einfluss der Konzerne wieder zurück-
zudrängen. Solltet ihr das Klagenfurter Umland wirklich
zum Schmuggeln verwenden wollen, müsst ihr aber auf-
passen, dass ihr den Vory eure Hochachtung schickt; die
Südostroute ist noch fest in ihrer Hand.
STEIERMARK
Womit wir auch schon bei meiner Heimat angekom-
men wären, dem „grünen Herz Österreichs“, wie es im-
mer noch gern genannt wird. Die ungefähren regionalen
Begrenzungen laufen so: Die Obersteiermark, die die
nordöstliche Hälfte des Bundeslands abdeckt, ist dicht
bewaldetes Bergland. Schon lange industriell geprägt, ha-
ben sich die Obersteirer recht schnell mit den Konzernen
abgefunden und sind einerseits in der Forstwirtschaft füh-
rend, andererseits gibt es aber auch Produktionsstandorte
von Saeder-Krupp. Zeta-ImpChem unterhält hier einige
Forschungszentren, sowohl für Bauchemie als auch Phar-
mazie. Interessant für Runner ist in der Obersteiermark vor
allem das jährliche Erzbergrodeo: In einem durch tausend
Jahre Eisenerzabbau ausgehöhlten Berg findet eines der
härtesten Combatbiking-Turniere der Welt statt. Einerseits
ist das genial zum Zuschauen, andererseits haben die Teil-
nehmer riesige Sponsorenverträge, viel Geld und heuern
auch gern mal Runner an, um sich den Sieg zu sichern.
Die Süd-, West-, und Oststeiermark sind im Gegensatz
dazu viel weniger konformistisch. Als landwirtschaftlich
geprägte Gegenden, die sich nach und während der Eu-
rokriege von Konzernen und Staat verlassen gefühlt ha-
ben, gibt es hier eine starke antiautoritäre Strömung. Das
heißt nicht, dass jedes Dorf ein Anarchistennest ist, aber
sollte man in Österreich Neoanarchisten suchen, wird
man sie hier finden. Hier wird – so gut es eben geht –
versucht, traditionelle Landwirtschaft zu betreiben. Ne-
ben den für Österreich klassischen Lupinen baut man hier
auch viel Wein an. Außerdem pflegt man gute Kontakte
zur „Untersteiermark“ in Slowenien; man kennt sich und
hilft sich auch grenzübergreifend gegenseitig aus. In letz-
ter Zeit haben allerdings mehrere magische Forschungs-
initiativen begonnen, ihren Blick auf den Süden der Stei-
ermark zu werfen, was den meisten Einheimischen gar
nicht schmeckt. Anscheinend gibt es hier nämlich über-
durchschnittlich viele Erwachte. Vor allem Aspektzaube-
rer zeigen sich in unerwarteter Menge. Die Ursprünge
sind aber noch ungeklärt.
> Das Warum mag zwar eine interessante Frage sein, doch es ist
noch nicht die rechte Zeit, zu viel darüber nachzudenken.
> Herr Nebel

GARNISONSSTADT GRAZ
Graz, die wahrscheinlich schönste Kaserne Österreichs!
So schlimm ist es nun auch wieder nicht, aber die Lan-
deshauptstadt der Steiermark ist trotzdem ein Treffpunkt
für Soldaten aus ganz Europa. Nicht nur, dass hier sowohl
das österreichische Bundesheer als auch die MET2000
und die UN-Blauhelme größere Stützpunkte unterhalten,
es haben auch seit ungefähr 15 Jahren Esprit/Dassault,
Ruhrmetall und Steyr-Daimler-Puch schwer in Graz und
Umgebung investiert, und die Kampfgruppe Ost von Eu-
roforce hat hier ihr Hauptquartier. Unter den wachsamen
Augen von Bürgermeister Gerald Schnitzer begegnet
sich hier somit alles, was in Europa militärisch Rang und
Namen hat. Grund dieser Konzentration an Armeen und
Rüstungskonzernen ist die Rolle der Stadt als Versor-
gungszentrum und Angelpunkt während der Eurokriege;
die Infrastruktur musste nur weiter genutzt werden. Der
Flughafen Graz-Thalerhof zum Beispiel ist momentan
Umschlagplatz für den Nachschub der MET2000, UN-
PROFOR und der europäischen Kriseninterventions-
truppe des Balkans. Leider ist er eindeutig besser gesi-
chert als der kleine, aber feine Klagenfurter Flughafen,
und so für uns Runner weniger interessant.
Trotz der Kasernenstädte im Umland hat sich die Gra-
zer Innenstadt ihren eigenen Charakter behalten können.
Die berühmte Landschaft aus Ziegeldächern ist recht
hübsch, und der Grazer Schlossberg, der schon während
der Napoleonischen Kriege die letzte nicht eroberte Fe-
stung der Österreicher war, ist ein beliebter Ort für Spa-
ziergänge inmitten der Stadt. Graz wird durch die Mur in
eine östliche und eine westliche Hälfte geteilt. Die öst-
liche Hälfte wird eher von der Oberschicht
bewohnt, wobei diese Ten-
denz von der großen Mas-
se an Studenten, die um
die Karl-Franzens-Uni-
versität wohnen, aufge-
weicht wird. Für Runner
von außen ist aber vor
allem das Viertel Gries
am Westufer interessant.
Hier, nahe der Innenstadt,
befindet sich das größte Rot-
lichtviertel, und auch jede Schmugg-
lerbande, die etwas auf sich hält, hat hier
Kontakte. Wenn über Thalerhof der of-
fizielle Nachschub der Militärs läuft, so
wird hier für die inoffizielle Versorgung
gesorgt, und wer Arbeit, Schwarzmarkt-
waren oder Dienstleistungen aller Art sucht,
wird sie hier finden.
> Der liebe Urban verschweigt hier gnädig den Men-
schenhandel, der über das Gries läuft. Ein paar Syndi-
kate vom Balkan arbeiten gut mit den Söldnern zusam-
men – der Lastwagenzug kommt aus Slowenien, und die
Leute werden in Graz in die Flieger verladen.
> Karo Ass
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
BURGENLAND
Das Burgenland hat ein wenig von der Insel der Seligen
der Österreicher. Zu nördlich, um stark von den Euro-
kriegen mitgenommen geworden zu sein, und zu länd-
lich, um für Ausbeutung interessant zu sein, lebte man
hier lange geruhsam vor sich hin. Selbst die Änderungen
der letzten Zeit wären im Rest Österreichs als nicht allzu
tragisch angesehen worden: Ein paar größere Weinbau-
ernfamilien, einige von Dallmayr, die anderen von der
AGC finanziert, sind öffentlich aufeinander losgegangen
und haben einander Runner auf den Hals gehetzt. Doch
schon kurz nachdem der Skandal aus den Zeitungen ver-
schwunden war, war alles wieder beim Alten.
Im Burgenland werden gute Kontakte nach Osteuropa
gepflegt. Viele Einwohner sind zweisprachig, und mehrere
Banden und Syndikate bieten um den Neusiedler See, das
beliebteste Ausflugsziel, und Eisenstadt ihre Waren an.
Doch auch hier muss man sagen, dass der burgenländische
Schmuggel eher ruhiger und in kleineren Mengen abläuft
als das, was in der Steiermark und in Kärnten gedreht wird.
Alles in allem wird das Burgenland für Runner wohl
hauptsächlich aus zwei Gründen interessant werden: als
Ort zum Untertauchen oder falls es um urlaubende High
Society geht.
DIE ALPENREGION
GEPOSTET VON: JAUSE
Die österreichischen Alpen – unter der Bezeichnung „Zen-
tralalpen“ eine der österreichischen Großregionen – erstre-
cken sich über gute Teile Vorarlbergs, Tirols, Salzburgs und
Kärntens bis in die Steiermark. Hier finden sich Gipfel
wie der Großglockner in den Hohen Tauern, mit
3.798 Metern der höchste Berg Österreichs,
oder die Wildspitze in den Ötztaler Alpen, mit
ihren 3.768 Metern knapp auf dem zweiten
Platz. International waren die österreichi-
<< ÖSTERREICH 35
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
schen Alpen lange Zeit vor allem als Paradies für Win-
tersportler, Bergsteiger und Naturliebhaber bekannt. Die
Bedeutung der Region als uraltes Siedlungsgebiet und Le-
bensraum zahlreicher seltener Tier- und Pflanzenarten in-
teressierte die meisten Touristen schon weitaus weniger,
und von den Gefahren des hochalpinen Raums wollte nie-
mand etwas hören. Die Werbekampagnen der Fremden-
verkehrsverbände zeichneten das Bild einer heilen Welt,
von Komfort und Luxus inmitten unberührter Natur.
Das war einmal.
DAS ERWACHEN DER ALPEN
Schon vor zwanzig Jahren munkelten Kundige, die Alpen
seien von einer urtümlichen Kraft erfüllt, die sich lang-
sam zu regen beginne. Damals wurden sie als Schwarz-
seher verlacht. Selbst als im Jahr des Kometen ein Ma-
nasturm von bisher ungeahnten Ausmaßen die Stadt
Kitzbühel und ihr Umland vernichtete, sprachen Optimi-
sten von einem Einzelfall, einem Jahrhundertereignis, das
sich nicht wiederholen würde. Doch der Sturm war nur
ein Vorbote, der erste Schritt eines Erwachens, das heute
weite Teile des inneralpinen Raums erfasst hat.
LICHT UND SCHATTEN
Die Manasphäre der Alpenregion ist in Aufruhr. Es ist ein
Pulsieren, eine Art Auf- und Abschwellen, das im Wech-
sel der Jahreszeiten erfolgt. In den Sommermonaten
gleißt der Astralraum, dass es in den Augen schmerzt,
während im Winter eine Dunkelheit aus den Hängen und
Gipfeln zu kriechen scheint, die alles verschlingt. Die
Geister des Landes folgen diesem Rhythmus und wan-
deln sich im Jahreslauf, als hätte alles, was hier lebt, eine
helle und eine dunkle Seite.
> Die Gegend ist doch altes keltisches Siedlungsgebiet, oder? Ha-
ben die Kelten das Jahr nicht in eine helle und eine dunkle Hälfte
geteilt?
> Enigma
> Da ist was dran. Aber die Darstellung liest sich so, als ginge es
um ein regelmäßiges und berechenbares Wechselspiel zwi-
schen hell und dunkel. Die Mächte, die hier wirken, sind alles
andere als berechenbar! Genauso, wie das Wetter in den Alpen
von einer Stunde auf die andere umschlagen kann, gibt es auch
plötzliche, meist örtlich begrenzte Veränderungen in der Ma-
nasphäre – ein großer Spaß, wenn man sich gerade noch mit
friedlichen Windsbräuten unterhalten hat und die plötzlich zu
brausenden, nachtschwarzen Furien werden …
> MindTrick
Die Berge galten schon immer als Wohnsitze des Über-
natürlichen, und viele der alten Sagen und Bräuche be-
ruhen wohl auf Erinnerungen aus uralter Zeit, die mit
dem Erwachen wiederkehren. Die Perchtenläufe, über
die Jahrhunderte gepflegtes Brauchtum, haben eben-
36 ÖSTERREICH >>
falls einen Bezug zu Licht und Dunkelheit: Bei manchen
dieser Umzüge stellen die Teilnehmer großgewachsene
Lichtgestalten dar oder tragen Laternen und aufwendige
Kopfzieren, während sie zu anderen Gelegenheiten oder
in anderen Regionen als tierhafte, gehörnte und mit Ket-
ten, Glocken und Ruten bewaffnete Unholde umgehen
– bisweilen spricht man auch von „Schönperchten“ und
„Schiachperchten“ („schiach“ bedeutet „hässlich“). Der
Name „Perchten“ soll auf die heidnische Göttin Berchta
oder Perchta zurückgehen, die die Menschen vor den bö-
sen Geistern des Winters beschützt, sie aber auch straft,
wenn sie freveln.
Seit die zunehmenden Astralphänomene die Touristen
und in manchen Gegenden auch Teile der Einheimischen
vertrieben haben, wurden die Alpen zu einem Anzie-
hungspunkt für neopaganistische Gruppen. Schon die
Kelten verehrten im Alpenraum Belisana und Wuotan. In
der Römerzeit soll die Göttin Noreia die Schutzherrin der
Provinz Noricum gewesen sein, und manche sagen, das
sei nur der Name gewesen, den die Römer einer viel äl-
teren Muttergöttin gegeben hätten. Ob sie und Perchta
identisch sind – beide sollen eine gütige und eine stra-
fende Seite haben –, ist unklar, aber eines ist sicher: Was
auch immer die einheimischen Neu-Heiden in ihren ab-
geschiedenen Bergdörfern verehren, antwortet ihnen.
> Die Riten dieser Gemeinschaften sind urtümlich und gerade in
den Wintermonaten nichts für Zartbesaitete. Es geht darum, den
jenseitigen Mächten zu zeigen, dass man ihnen an Wildheit und
Kraft ebenbürtig ist. Früher waren Pass und Perchtenlauf sym-
bolische Umzüge – heute laufen die jungen Einheimischen an
Berchtas Seite mit der Wilden Jagd.
> MindTrick
CRITTER UND ANDERE GEFAHREN
Zu den verbreiteten Crittern im Alpenraum gehört der
Lindwurm, eine niedere Dracoform, die es sogar zum
Wappentier der Stadt Klagenfurt gebracht hat. Lindwür-
mer sind gefräßige und aggressive Einzelgänger, die ein
großes Territorium für sich beanspruchen. Interessan-
terweise soll bereits 1403 ein Lindwurm in Gastein ge-
sichtet worden sein. Im Süden der Region sind Erwachte
Schlangenarten verbreitet.
Geister in menschenähnlicher Gestalt, deren Verhalten
und Aussehen den Schwankungen im Astralraum unter-
worfen ist, sodass sie manchmal hell und freundlich, zu
anderen Zeiten aber grausam und hässlich erscheinen,
sind im gesamten Alpenraum, vor allem in höheren Lagen,
häufig anzutreffen. Gerade in der dunklen Jahreshälfte
sehen sie die Berge als ihr Reich an, wie Sagen von der
Wintersendin (die im Winter auf den Almen wohnt und
keine menschlichen Besucher duldet) berichten. In Vor-
arlberg nennt man die Alpengeister Bütze – ein niedlich
klingender Name, hinter dem sich aber tückische Wesen
verbergen können.
Bei der Habergeiß, einem Geist, der in Gestalt einer Zie-
ge mit Pferdehufen, eines Vogels mit Ziegenstimme oder

eines anders missgestalteten Tieres erscheint, könnte es
sich um einen Freien Berggeist handeln. Der Sage nach
bringt die Begegnung mit der Habergeiß Unglück, man-
che nennen sie als Teil der Wilden Jagd. Angeblich tötet
sie Vieh, saugt Menschen das Blut aus und raubt Kinder.
DIE SCHÄTZE DER ALPEN
Ob es eine Folge des Erwachens oder ein Grund für die
eben beschriebenen Phänomene ist, weiß man nicht so
genau, aber im Alpenraum findet man immer wieder
Lagerstätten Erwachter Mineralien – einer der Haupt-
gründe, warum Konzerne und andere Interessensgrup-
pen hier immer noch eifrig bemüht sind, ihre Ansprüche
durchzusetzen, statt die Region einfach abzuschreiben.
Sowohl in Tirol als auch in den Hohen Tauern gibt es meh-
rere bestätigte Orichalkum-Funde, was 2067 in Schwaz
und Umgebung einen regelrechten Orichalkumrausch
auslöste. Manche Geologen vermuten sogar, dass es in
den Alpen Vorkommen von Wahrer Erde geben könnte.
Prospektoren im Auftrag von Saeder-Krupp, PsiAid und
einem lokalen Konsortium mit dubiosen Verbindungen in
die Schweiz belauern sich in der Glocknergruppe gegen-
seitig und sabotieren Probebohrungen der gegnerischen
Teams. Eine von S-K errichtete Messstation am Kitzstein-
horn wurde bereits mehrmals angegriffen, konnte aber
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
bisher alle Eindringlinge abwehren, wenn auch nur mit
aberwitzigem Ressourceneinsatz.
> Wozu dieser Aufwand? Wegen einer Wetterstation macht man
sich doch nicht solche Mühe!
> Urban Troll
> Unbestätigten Quellen zufolge gehört die Leiterin der Station,
eine gewisse Dr. Annika Hansen, zu den besten Experten für
Geomantie, die man für Geld extrahieren kann. Zusammen mit
zwei anderen Stützpunkten im südbayrischen Raum scheint man
von hier aus den Lauf von Manalinien zu verfolgen und nach
Krümmungen oder Verzerrungen zu suchen, die auf das Vorhan-
densein astral aktiver Mineralien schließen lassen.
> MindTrick
> Krümmungen von Leylinien? Suchen die nach Elichium-Vorkom-
men außerhalb der von Elfen kontrollierten Länder?
> Emadeus
Gemäß dem österreichischen Recht (Mineralrohstoff-
gesetz, falls das jemanden interessiert) braucht man für
alles, was mit Bergbau zu tun hat – Suche, Abbau und
Aufbereitung –, eine Bewilligung der lokalen Behörde.
Da aber viele westösterreichische Gemeinden durch den
Zusammenbruch des Fremdenverkehrs finanziell arg ge-
beutelt waren, haben sie sich weitreichende Konzessi-
<< ÖSTERREICH 37
>> ÖSTERREICH <<
BUCH DER VERLORENEN <<
onen oft für ein Butterbrot abkaufen lassen, sodass man
an allen möglichen vielversprechenden Fundstellen auf
quasi-exterritoriale Zonen trifft, bei denen der österrei-
chische Staat seine Rechte am meterhohen Stachelband-
zaun abgegeben hat. Da die meisten Schürfstätten in ge-
nau jenen Zonen liegen, in denen auch die magischen
Phänomene der Alpenregion besonders heftig toben,
handelt es sich in der Regel um mundan und magisch
hochgesicherte Anlagen, die bei Bedarf monatelang au-
tark funktionieren können.
> Der Vorteil daran ist, dass oft auch für längere Zeit kein Kontakt
zur Außenwelt geplant ist und Kommunikationseinrichtungen
durch Wetter und astrale Phänomene notorisch unzuverlässig
sind. Genug Zeit, um eine wirklich große Sache durchziehen,
wenn man den entsprechenden Punch mitbringt.
> Winklerin
ALPENTOURISMUS
Klimawandel, politische Umbrüche, Manastürme und die
Konkurrenz durch modernere Trendsportarten wie Stadt-
krieg oder Mesti’Tron haben den österreichischen Win-
tersportregionen herbe Schläge versetzt, aber glitzernder
Pulverschnee und Bergromantik üben immer noch eine
gewisse Anziehungskraft aus. Der Zusammenbruch des
Tourismus in den 60er-Jahren hat den Markt stark bereini-
gt – Massenquartiere, kleine Pensionen und abgewohnte
Mittelklassehotels gingen zu Dutzenden vor die Hunde.
Luxuriöse Unterkünfte mit entsprechenden Sicherheits-
vorkehrungen konnten sich in manchen Regionen halten,
man setzt jetzt auf Klasse statt Masse. Außerdem gelang
es einzelnen Anbietern, die Veränderungen der Region
– euphemistisch als „Alpenzauber“ vermarktet – als exo-
tischen Reiz zu verkaufen. Statt idyllischer Hänge wirbt
man nun mit der majestätisch-bedrohlichen Kraft der Al-
pen, die eine entsprechend betuchte Klientel in beson-
ders gesicherten und mit allem nur denkbaren Komfort
ausgestatteten Hotels genießen kann. Speziell geschulte
Bergführer bieten Touren in die halbwegs sicheren Ge-
genden an und locken die zahlende Kundschaft mit der
Aussicht, auf den Spuren der Saligen Frauen zu wandeln,
die Kraft der Erde in reinster Form zu spüren oder einen
Lindwurm aus sicherer Entfernung zu beobachten. In den
Sommermonaten sind solche Ausflüge weniger gefähr-
lich und daher auch bei größeren Gruppen beliebt, aber
manche Touristen reizt gerade der besondere Nervenkit-
zel der dunklen Jahreshälfte.
> Wobei es da immer wieder Spezialisten gibt, die unbedingt Tou-
ren unternehmen wollen, die kein geistig gesunder Einheimischer
annehmen würde. Solche Leute heuern dann gern mal auswärtig
privaten Begleitschutz für einen „kleinen Silvesterausflug“ an,
und ehe man sich versieht, kauert man in einer vereisten Klamm,
hat eine Konzerngöre mit vollen Hosen an sich hängen und hofft,
dass die Sonne aufgeht, bevor diese tierköpfigen DINGER einen
finden …
> Karo Ass
38 ÖSTERREICH >>
> Bist in einer Rauhnacht auf die Kundlalm rauf? Du weißt aber
schon, dass die Astralwarnstufen genauso wenig Spaß sind wie
die Lawinenwarnungen, oder?
> MindTrick
INNSBRUCK
Der Zusammenbruch des westösterreichischen Frem-
denverkehrs und die zunehmenden astralen Phänomene
lösten eine starke Fluchtbewegung in Richtung der Städ-
te im Inntal aus. So ist auch Innsbruck, die Landeshaupt-
stadt Tirols, inzwischen auf über 200.000 Einwohner
angewachsen. Zum Stadtgebiet gehört auch ein Teil des
umliegenden Berglandes, inklusive einiger stadteigener
Almen, die mittlerweile allesamt touristisch genutzt wer-
den. In der Umgebung von Innsbruck verhalten sich As-
tralraum und Natur vergleichsweise ruhig.
Daneben ist Innsbruck auch als Forschungsstandort
von Bedeutung: Die Universität der Stadt betreibt geo-
logische und parageologische Forschungen und hat es
bislang verstanden, verschiedene Interessengruppen
so geschickt gegeneinander auszuspielen, dass sie von
mehreren Seiten Fördergelder einstreichen konnte. MCT
und die Saeder-Krupp-Tochter Kinesys haben eigene For-
schungseinrichtungen in der Stadt und buhlen um die be-
sten Köpfe – wie üblich mit allen Mitteln.
> Der Universitätssenat ist stark von Faustianern durchsetzt, was
ein Grund dafür sein dürfte, dass sich bisher noch kein Konzern
die Uni unter den Nagel reißen konnte.
> MindTrick
GEHEIMNISSE DER ALPEN
ANTIMAGISCHE PHÄNOMENE
Seit Jahren halten sich Gerüchte über rätselhafte, magi-
eunterdrückende Phänomene in Zentraleuropa. Soge-
nannte Nega-Magier – Metamenschen, die eine außeror-
dentliche Resistenz gegen Zauberei besitzen und deren
schiere Präsenz magische Strömungen zu unterdrücken
scheint – sind zwar extrem selten, aber die wenigen do-
kumentierten Fälle weisen auffällig oft auf Wurzeln in
Österreich hin. In dieses Bild passt das seit längerer Zeit
bekannte „Hallstätter Phänomen“ – eine zähe Trägheit im
Astralraum rund um Hallstatt und andere Städte in der
Region, die historisch vor allem mit dem Salzabbau in
Verbindung gebracht werden, wie Hallein und Bad Hall.
In diesen Zonen treten ausgedehnte Manasenken auf,
und für den astralen Beobachter scheint es, als würde
magische Energie richtiggehend ausbleichen.
> In der Zeit der Neo-Monarchie wurde in diesen Gegenden aktiv
nach Kindern gesucht, die eine statistisch auffällige antimagi-
sche Begabung aufwiesen. Viele dieser Entdeckungen wurden
für die Kaiserlichen Ulanen rekrutiert. Nach der Auflösung die-
ser Einheit sind sicher einige aus der alten Garde in privaten Si-

cherheitsorganisationen untergekommen, also verlasst euch bei
Runs in Österreich lieber nicht allzu sehr darauf, dass Magie alle
Probleme löst.
> [Freiherr]
Man vermutet eine Erklärung für das Phänomen in der
Vergangenheit. Hallstatt gehört zu den alten keltischen
Siedlungsräumen (dokumentierte Siedlungen, in denen
Eisen- und Salzabbau betrieben wurde, ab 800 v. Chr.).
Interessanterweise brach der Salzhandel komplett zu-
sammen, als die Römer die Provinz unter dem Namen
Noricum in ihr Reich eingliederten. Archäologische Un-
tersuchungen brachten zwar bisher keine uralten magi-
schen Geheimnisse ans Licht, ergaben aber Hinweise auf
ausgedehnte Abyssitin-Vorkommen in der Region. Ob
es sich dabei um die Ursache oder eine Auswirkung des
Hallstätter Phänomens handelt, ist noch ungeklärt, aber
alle einschlägigen Magiekonzerne sowie eine Handvoll
magischer Gemeinschaften, allen voran die Benandanti
XXV und die Faustianer, forschen mit Hochdruck weiter
und versuchen nebenbei, sich die Abyssitin-Schürfrechte
unter den Nagel zu reißen.
RELIKTE DER VIERTEN WELT
Gelegentlich geben die Alpengletscher etwas frei, das
Jahrtausende im Eis überdauert hat. Das Aufsehen, das
die Gletschermumie „Ötzi“ im 20. Jahrhundert erregte,
wurde durch vergleichbare Funde in den Ötztaler Alpen
Mitte dieses Jahrhunderts in den Schatten gestellt: Die
durch das Eis konservierten Leichen, deren Alter auf über
8.000 Jahre geschätzt wird, weisen deutlich erkennbare
Sapiens-robustus-Merkmale (lies: Hauer) auf. Ein ähnli-
cher Fund auf der Pasterze, dem Gletscher auf dem Groß-
glockner, bestand zwar nur aus kaum identifizierbaren
Knochenresten, aber mehrere Feuersteinstücke, die in der
Nähe gefunden wurden, wiesen Zeichen auf, die an Spe-
rethiel erinnern. Völkerkundler, die eifrig einen frühzeit-
lichen Konflikt zwischen Orks und Elfen herbeischreiben
wollten, um die ewige Feindschaft zwischen den Rassen
zu beweisen, zitieren Sagen aus der Alpenregion, denen
zufolge „Salige Frauen“, lichte, hilfsbereite Wesen, einst
in einem von einer Königin Hulda regierten Reich in den
Bergen gewohnt haben sollen, bis sie von „Wilden Män-
nern“, haarigen Riesen mit groben Steinwerkzeugen und
einer eigenen Sprache, vertrieben wurden. In anderen
Volkssagen treten „antrische“, also „unheimliche“, Leute
auf, bei denen es sich um Nachkommen von Adams ver-
leugneten Kindern handeln soll.
> Apropos Pasterze: Von den 1850er Jahren bis zum Beginn des 21.
Jahrhunderts war die Eisfläche dieses größten österreichischen
Gletschers im Schrumpfen begriffen. Seit dem Erwachen jedoch
scheint sich dieser Prozess verlangsamt, in einzelnen Bereichen
sogar umgekehrt zu haben, und das, obwohl die Durchschnitt-
stemperaturen in den letzten Jahrzehnten keineswegs gefallen
sind. Die Ränder des Gletschers sind unnatürlich scharf definiert
und weisen an manchen Stellen komplizierte, fast fraktale Mus-
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
ter auf. Auf Satellitenbildern sieht es fast so aus, als wäre eine
kilometerlange Schlange aus Eis auf dem Weg ins Tal erstarrt.
> MindTrick
SPIELINFORMATIONEN
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
• Die wahren Gründe für die für alle Beteiligten immer
noch überraschende Abdankung von Johanna von
Habsburg bleiben auch weiterhin unbekannt. In den
österreichischen Medien wird es eine regelrechte
Schlammschlacht um die Deutungshoheit über ihren
Rückzug geben, die letztlich keine der politischen Sei-
ten für sich entscheiden kann. Mögliche Runs zum
Gesundheitszustand der Ex-Kanzlerin ergeben bes-
tenfalls Indizien, ebenso wie zu ihrem jeweiligen Auf-
enthaltsort, von dem nur feststeht, dass Johanna von
Habsburg ihn regelmäßig wechselt. Erfolgverspre-
chender können hingegen Runs verlaufen, bei denen
es um die Sabotage des jeweiligen politischen Geg-
ners oder der Medien geht, sei es, um die Verbreitung
von Nachrichten zu verhindern, diese zu manipulieren
oder zu fälschen. Informanten können ebenso aufge-
spürt wie mundtot gemacht werden.
• Die beiden Westlichen Drachen Nebelherr und Balaur
sind ein Zweckbündnis eingegangen: Balaur musste
als jüngerer Drache lernen, dass er Nebelherr im Rän-
kespiel klar unterlegen ist. Derzeit auf sich gestellt,
nahm Balaur die von Nebelherr angebotene Offerte
eines Bündnisses an, um sein Territorium in Teilen Ös-
terreichs ausbreiten und festigen zu können. Nebel-
herr erkannte nach den Münchener Vorkommnissen
schnell, dass er sich einen weiteren Konflikt mit einem
Drachen derzeit weder im Süden der ADL noch in Ös-
terreich leisten kann – und Balaur unerfahren genug
ist, um sich gezielt beeinflussen zu lassen. Nebelherrs
Ziel ist es, dauerhaft weite Teile Österreichs unter sei-
nen Einfluss zu bekommen. Dazu fördert er gezielt
Persönlichkeiten in Politik und Gesellschaft, um seine
Agenda voranzutreiben.
• Der beginnende Wahlkampf um die neue Kanzler-
schaft wird der kontroverseste und niederträchtigste,
den Österreich in den letzten Jahrzehnten erlebt hat.
Sowohl Hans Dechant als auch Zita Antonia Habs-
burg-Lothringen nutzen alle legalen, halblegalen und
illegalen Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen. Le-
diglich gezielte Attentate auf den jeweiligen anderen
Spitzenkandidaten finden nicht statt – was nicht be-
deutet, dass Personen aus dem politischen Umfeld
nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Das genaue
Ergebnis bleibt an dieser Stelle noch offen, über den
weiteren Verlauf wird der Novapuls informieren.
• Keine andere Region Österreichs weist ein höheres
magisches Potenzial auf als die Alpen. Der genaue
Ursprung für den Anstieg des Mananiveaus ist derzeit
<< ÖSTERREICH 39
>> BUCH
ÖSTERREICH <<
DER VERLORENEN <<

noch unklar, auch die Konzerne finden trotz aller Be-

mühungen keine endgültige Erklärung. Fest steht nur,
dass das Mananiveau bisweilen starken Schwankun-
gen unterworfen ist, das Gesamtniveau aber weiter-
hin ansteigt. So können Manaspitzen entstehen, die
innerhalb weniger Minuten, Stunden oder Tage wie-
der verschwinden – ebenfalls möglich sind astrale Ris-
se wie zum Beispiel astrale Passagen (Straßengrimoi-
re, S. 28), manifestierte und materialisierte Alcheras
(Straßengrimoire, S. 29) oder sogar Foveae (Straßengri-
moire, S. 33).
• Die Gerüchte über die Existenz von Insektengeistern
in Wien stimmen. Derzeit sind zwei Arten von ihnen
im unterirdischen Teil der Hauptstadt heimisch: eine
vergleichsweise große Gruppe von Käfern und ein –
noch – kleiner Ameisenschwarm. Die Käfergeister le-
ben schon lange unentdeckt unter der Stadt. Erst die
Revierkonflikte und die damit verbundenen Ausein-
andersetzungen mit dem Ameisenschwarm führten
dazu, dass ihre Tarnung aufflog. Der Regierungsap-
parat ist (bislang) noch nicht wesentlich kompromit-
tiert, die besessenen Mitarbeiter in hohen Funktions-
stellen wurden ausgeschaltet. Für einen vermuteten
Zusammenhang zwischen den Insektengeistern und
Johannas Rückzug lassen sich ebenfalls keine Bewei-
se finden. Durch die politischen Unruhen fallen einige
der Besessenen jedoch durch das Raster, weshalb sie
vor allem in der Wiener Stadtverwaltung verbleiben
und künftig tätig werden können. Im Innenministe-
rium wird die Generaldirektion für die öffentliche Si-
cherheit (GDföS) langsam tätig, doch auch sie wird
durch die derzeit unklaren politischen Verhältnisse
ausgebremst und kann nicht so frei agieren wie ge-
wohnt.

MAGISCHE TRADITIONEN
ÖSTERREICHS
In Österreich haben sich mehrere magische Traditionen
herausgebildet, die teilweise sehr vom internationa-
len Standard abweichen. Neben den klassischen Her-
metikern und Schamanen gibt es den Versuch, mit der
Dr.-Singer-Schule einen „dritten großen Weg der Magie“
zu etablieren, außerdem werben mehrere kleinere ma-
gische Gruppierungen um Anhänger. Besonders im Sü-
den Österreichs gibt es die sogenannten Sturmkinder,
die natürlichen magischen Phänomenen mit Ehrfurcht
begegnen und wilder Magie folgen.

DR.-SINGER-SCHULE

Das David-Singer-Institut für Weiterführende Parapsy-

chologische Forschungen ist, trotz hartem Konkurrenz-
kampf mit dem Hermetischen Institut der Universität
Wien, wohl immer noch der Platzhirsch auf dem Gebiet
der österreichischen Magieforschung. Grundlage der
Tradition ist die Annahme, dass sich die Arten der An-

40 ÖSTERREICH >>

wendung von Magie und das Aussehen des Astralraums
letztendlich auf das kollektive Unbewusste der Meta-
menschheit zurückführen lassen. Magische Traditionen
und ihre Techniken seien somit letztlich Hilfsmittel, die
von Erwachten genutzt würden, um die Magie ihrem
Unbewussten zu unterwerfen. Ein Großteil der theoreti-
schen Einflüsse stammt aus Freuds Psychoanalyse und
C. G. Jungs Schriften.
In der Praxis nehmen die sogenannten psychischen
Magier Anleihen an verschiedenen anderen Strömungen,
wobei sie allerdings versuchen, sich immer weiter von
solchen „Krücken“ zu lösen und Magie durch reine Wil-
lensanstrengung zu wirken. Magische Forschung, das
Schreiben akademischer Arbeiten und das Erreichen von
Initiationen werden von jedem Absolventen der Schule
erwartet.
Die Ausbildung legt besonderes Augenmerk auf Tech-
niken der Psychometrie, der Ritual- und der Manipulati-
onsmagie. Die meisten Schüler lernen früher oder später,
wie man symbolische Ritualverbindungen herstellt, und
Gruppenrituale gehören zur Grundausbildung. Außer-
dem wird der Umgang mit der metamenschlichen Psy-
che sowohl auf magischem als auch nichtmagischem
Weg gelehrt, wodurch Anhänger dieser Tradition einer-
seits eine psychoanalytische Ausbildung erfahren, an-
dererseits auch Experten auf dem Gebiet von Zaubern
wie zum Beispiel der Geistessonde werden. Das Her-
beirufen von Geistern ist jedoch traditionell verpönt, sie
werden von psychischen Magiern als bloße Projektionen
des Unbewussten des Beschwörers gesehen – ein sehr
primitives Mittel zum Zweck. Die meisten beherrschen
deswegen nur das Verbannen, wobei einige wenige jun-
ge Strömungen versuchen, Beschwörung salonfähig zu
machen. Sie gehen davon aus, dass Geister Aspekte des
kollektiven Unbewussten sind. Sie sind also nicht nur ein
Spiegelbild der Psyche des Beschwörers, sondern der
gesamten Metamenschheit. Ein zum Kampf beschwo-
rener Tiergeist könnte somit ein archetypisches Monster
sein, das aus den Albträumen Hunderter Metamenschen
DR.-SINGER-SCHULE
Heilung: Erde
Illusion: Ratgeber
Kampf: Tier
Manipulation: Mensch
Wahrnehmung: Helfer
Entzug: Willenskraft + Charisma
BEVORZUGTE ZAUBER
Beeinflussen Gedanken Beherrschen
Geistessonde Telekinese
Telepathie
BEVORZUGTE ADEPTENKRÄFTE
Empathische Heilung Kalte Entschlossenheit
Körpersprache Stimmkontrolle
>> BUCH DER>>VERLORENEN
ÖSTERREICH <<
zusammengesetzt ist, während ein Helfergeist den per-
sonifizierten Erfahrungsschatz einer ganzen Generation
darstellen kann.
DIE STURMKINDER
Eine weitere Tradition, der man in Österreich häufig begeg-
net, sind die sogenannten Sturmkinder. Zu sagen, dass sie
letztendlich nur ein etwas verquerer, europäischer Ableger
der Chaosmagie sind, ist allerdings eine Fehleinschätzung.
Die größte Eigenheit ist wohl ihre Entstehungsgeschichte,
denn anstatt durch Theoretiker, die einen Ansatz der ver-
einten magischen Theorie vertreten, ist die Tradition der
Sturmkinder aus purer Notwendigkeit entstanden. Der
Name wurde zum ersten Mal für Gruppen von Magiern
verwendet, die nach den Eurokriegen versuchten, in den
ehemaligen Kriegsgebieten Magie zu wirken. Nach den er-
sten kläglichen Versuchen schafften sie es schließlich, sich
ein wenig an die dort schwer verzerrte Manasphäre zu ge-
wöhnen und einfache Zauber zu wirken.
Diese Gruppen tauschten sich über funktionierende
Techniken aus und fanden langsam heraus, dass ihnen
die klassische Hermetik nicht viel weiterhalf. Ganz im
Gegenteil waren es vor allem naturmagische und ani-
mistische Praktiken, die zum Erfolg führten. Die Kom-
bination von Wiccaglauben, lokalen Gebräuchen und
einer Prise Intuition war der Grundstein der Tradition.
Dabei wurde besonders viel Wert auf die möglichst na-
türliche Beeinflussung des Manas gelegt. Sturmkinder
achten darauf, dass sich ihre Zauber möglichst nahtlos
in das Umgebungsmana einfügen. Es gibt inzwischen
verschiedene Unterströmungen, die teilweise auch in
anderen Weltteilen praktiziert werden, mal mit mehr Fo-
kus auf das Neuheidentum, mal eher auf den Umgang
mit der Manasphäre konzentriert. Allen gemein ist, dass
sie wegen ihrer Faszination für die Hintergrundstrah-
lung und ihre Ursprünge oft als Brutstätte für Toxiker
verschrien sind.
STURMKINDER
Heilung: Erde
Illusion: Pflanze
Kampf: Feuer
Manipulation: Luft
Wahrnehmung: Tier
Entzug: Willenskraft + Intuition
BEVORZUGTE ZAUBER
Chaotische Welt Heilen
Manastörung Massenbelebung
Rauschen Erhöhen
BEVORZUGTE ADEPTENKRÄFTE
Astrale Wahrnehmung Geschärfter Sinn
Magieresistenz Verbesserte Wahrnehmung
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BUCH DER VERLORENEN <<

Um diesen Gerüchten entgegenzuwirken, haben einige wyvern als eine der intelligentesten Arten der niederen
Sturmkinder begonnen, ihre Expertise in Organisationen Dracoformen. Immer wieder wird bei vereinzelten Exem-
wie der Astral Space Preservation Society einzusetzen, so plaren beobachtet, dass sie metamenschliche Laute ver-
zum Beispiel auch Lukas Mletschnik. Der Kärntner Ork stehen und sogar sprechen können. Allerdings ist unter
arbeitet momentan als Ausbildner für die ASPS. Wenn er Biologen umstritten, ob es sich um pure Nachahmung
aber gerade nicht damit beschäftigt ist, Magier auf Einsät- oder um wirkliche Intelligenz handelt.
ze in Chicago vorzubereiten, macht er Urlaub in seiner Hei-
mat und lässt sich manchmal für Privatstunden anheuern. K G R S W L I C EDG ESS M
7 5 4 8 4 3 5 3 3 6 6
Initiative 9 + 2W6
ERWACHTE FAUNA
Bewegung x1/x3/+1 (x2/x5/+2 fliegend)
KALKWYVERN Zustandsmonitor 12/10

(ALEUTOSERPENS ALPIUM)
Lebensraum: Hoch- und Mittelgebirge
Ernährung: Fleisch- bzw. Aasfresser
Aktivität: Tagaktiv
Aggro-Index: 4,9
Länge/Höhe: 5 m, Spannweite 10 m
Masse: 140 kg
Der Kalkwyvern, manchmal auch Kalkwurm oder
Kärntner Lindwurm, ist ein naher Verwandter des in-
zwischen hauptsächlich in Nordamerika anzutreffenden
echten Wyverns (Aleutoserpens pili melior). Im Gegensatz
zu seinem aggressiveren Vetter ist er kleiner und hat hell-
grau gefärbte Schuppen. Die Flughäute, die sich entlang
der Vorderbeine spannen, erlauben lange Flüge unter
Nutzung örtlicher Windbedingungen und Thermik. Der
Kalkwyvern besitzt mehrere Giftdrüsen, die die aus Ver-
knöcherungen gebildete Keule am Schwanzende – die er
sowohl zum Angriff als auch zur Verteidigung verwendet
– mit einem giftigen Film überziehen.
Kalkwyvern gehen lebenslange Partnerschaften ein
und jagen auch meist in Paaren. Dabei errichten sie – für
niedrige Dracoformen – eindrucksvolle Horte, in denen
auch die Jungtiere großgezogen werden. Bei der Brut-
pflege wechseln sich die Tiere ab. Generell gelten Kalk-
Limits Körperlich 9, Geistig 5, Sozial 6
Panzerung 10V
Fertigkeiten Akrobatik (Klettern) 3 (+2), Askennen 6,
Astralkampf 6, Exotische Fernkampfwaffe
(Gifthauch) 6, Fliegen (Aufwinde nutzen) 6
(+2), Schleichen 4, Waffenloser Kampf 8,
Wahrnehmung (Sicht) 6 (+2)
Kräfte Bewusstsein, Dualwesen, Gesteigerte Sinne
(Breitbandgehör, Restlichtverstärkung,
Sicht), Gift, Gifthauch, Immunität (Toxine),
Mystischer Panzer 6, Natürliche Waffe
(Biss, Knochenkeule: Schaden 11K, DK -2),
Verstärkter Panzer 10
Optionale Kräfte Sprachfertigkeit (Metamenschliche Sprache) 3
Anmerkungen Das Gift des Kalkwyvern ist im Normalfall
nicht tödlich und soll die Beute lähmen,
der dann üblicherweise mit Bissen der
Rest gegeben wird. Es hat folgende Werte:
Vektor: Inhalation, Kontakt; Geschwindigkeit:
Sofort; Durchdringung: 0; Kraft: 9; Wirkung:
Lähmung. Es verliert bei Lagerung außerhalb
des Wyvern recht schnell seine Wirkung und
wird deswegen nur selten von Metamenschen
verwendet.

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