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„Edler Graf, Euer Diener Breydel wird Euch nicht weniger als
achttausend Gesellen liefern.“
„Ja, ja, meine Herren,“ fuhr Breydel fort, „achttausend oder mehr.
Alle Zünfte Brügges, nur die Weber ausgenommen, haben mich zum
Anführer gewählt, und Gott weiß, wie ich mich für diese Gunst
dankbar bezeigen werde. Heut mittag schon, wenn es Euer Edeln
befiehlt, werden sich die getreuen Brügger auf dem Freitagsmarkt
versammeln, und ich kann kühnlich behaupten, daß Euer Edeln an
meinen Fleischern tausend Löwen in Euerm Lager haben; denn
niemand ist ihnen gleich. Je eher, je lieber, edler Herr! Unsere Beile
setzen schon Rost an.“
„Ich bitte Euch, Meister, ärgert Euch nicht über das, was ich eben
Herrn Gwijde gesagt habe. Ihr seid und bleibt mein Anführer, denn
ohne Euern Rat würde ich nicht viel Gutes ausrichten. Meine Worte
haben Euch doch nicht beleidigt?“
Der Obmann der Weber drückte Breydels Hand als Zeichen seiner
Freundschaft und seines Einverständnisses.
„Die Zünfte von Brügge,“ war die Antwort, „stellen Euch all ihre
Mittel zur Verfügung, edler Herr. Wollet nur einige Diener mit einem
schriftlichen Befehl nach dem Pand senden: dort soll ihnen so viel
Geld in Silber ausgezahlt werden, als Euer Edeln es wünschen. Sie
bitten Euch, keine Rücksicht auf sie zu nehmen, denn die Freiheit
kann ihnen gar nicht zu teuer sein.“
„Dann könnt ihr Gott danken, daß ich wieder auferstanden bin,“
erwiderte Dietrich der Fuchs; „aber nein, ich war nicht tot, unsere
gefangenen Brüder und Herr van Nieuwland können es bezeugen.
Ich habe sie alle getröstet, denn als ein Wanderpriester durfte ich
die Gefangenen besuchen; Gott vergebe mir das Latein, das ich
gesprochen habe. Ja, ja, meine Herren, lacht nicht, ich habe Latein
gesprochen. Ich bringe Nachrichten von all unseren unglücklichen
Landsleuten für ihre Blutsverwandten und Freunde.“
Einige der Ritter wollten ihn über das Schicksal der Gefangenen
ausfragen; aber er verweigerte jede Antwort und fuhr fort:
„Um Gottes willen! fragt mich jetzt nicht darüber. Ich habe euch viel
Wichtigeres zu erzählen. Hört und zittert nicht; denn ich bringe euch
traurige Kunde. Ihr habt das Joch abgeschüttelt und eure Freiheit
erkämpft; ich bedauere, daß ich dem Feste nicht habe beiwohnen
können. Ehre sei euch, ihr edeln Ritter und Bürger, die ihr das
Vaterland befreit habt. Ich kann euch versichern: wenn die Vlaemen
binnen vierzehn Tagen keine neuen Ketten tragen, werden ihnen alle
Teufel der Hölle die Freiheit nicht wieder rauben können; aber daran
zweifle ich noch stark.“
„So erklärt Euch denn, Herr Dietrich, erklärt Euch näher und
erschreckt uns nicht durch unverständliche Worte.“
„Nun denn, so sage ich euch: vor der Stadt Rijssel lagern
zweiundsechzigtausend[32] Franzosen.“
„Seid Ihr dieser schlimmen Kunde auch ganz gewiß,“ fragte Gwijde
ängstlich, „hat Euch der, der es Euch sagte, nicht getäuscht, Herr
Dietrich?“
„Nein, nein, edler Gwijde, ich habe es mit eigenen Augen gesehen,
habe selbst gestern abend in dem Zelt des Seneschalls Robert
d'Artois gespeist. Er hat mir auf seine Ehre geschworen, daß der
letzte Vlaeme von seiner Hand sterben solle. Seht nun, was Ihr tun
könnt. Ich meinesteils werde schleunigst einen Harnisch anlegen;
und müßte ich auch allein gegen die zweiundsechzigtausend
verwünschten Franzosen kämpfen, ich würde keinen Schritt
zurückweichen; ich mag Flanderns Sklaverei nicht mehr länger mit
ansehen.“
„Was sollen wir tun,“ fragte Gwijde, „wie sollen wir jetzt das
Vaterland retten?“
Einige waren der Meinung, man müsse sich in der Stadt Brügge
einschließen, bis das französische Heer aus Mangel an Lebensmitteln
abziehen würde; andere wieder wollten gerade dem Feinde
entgegenziehen und ihn nachts überfallen. Es wurden noch
verschiedene Vorschläge gemacht, aber die meisten als
unvorteilhaft, die übrigen als undurchführbar verworfen.
De Coninck stand noch immer gesenkten Hauptes sinnend da; er
lauschte wohl auf das, was da gesagt wurde, aber das hinderte ihn
nicht an weiterem Nachdenken.
„Ihr habt mehr Verstand als wir alle zusammen,“ rief Dietrich, „ja, ja,
so muß es geschehen! Wir sind stärker, als wir glaubten: nun wendet
sich das Blatt. Ich glaube, die Franzosen werden ihr Kommen noch
bereuen.“
Alle verließen den Saal. Gwijde sandte sofort zahlreiche Boten nach
allen Richtungen mit Befehlen für die Edelleute aus, die dem
Vaterland treu geblieben waren; desgleichen schickte er auch Herrn
Wilhelm von Jülich die Botschaft, daß er mit Herrn Jan van Renesse
nach Kortrijk kommen müsse.
Die schreckliche Kunde verbreitete sich in kurzer Zeit durch die
ganze Stadt. In dem Maße sie von einem zum anderen ging,
vergrößerte das Gerücht die Zahl der Feinde gar wundersam; bald
waren die Franzosen über hunderttausend Mann stark. Man kann
sich denken, wie zagend und ängstlich die Frauen und Kinder dem
nahenden Unheil entgegenblickten! In allen Straßen sah man
weinende Mütter, die ihre zitternden Töchter voll Liebe und Mitleid
umarmten. Die Kinder jammerten, weil sie ihre Mütter weinen sahen,
und zitterten, ohne die drohende Gefahr ganz zu begreifen. Die
schmerzlichen Klagen und die Todesangst in den Zügen dieser
schwachen Wesen stachen seltsam von der kühnen, trotzigen
Haltung der Männer ab.
Von allen Seiten kamen die Zünfte mit ihren Waffen herangelaufen.
Das Rasseln der eisernen Platten, die einige umgehängt hatten,
klang klirrend in das Ohr und verschwamm mit dem furchtbaren
Spottgesang der geängstigten Frauen und Kinder: Wehe! wehe!
Wenn einige Männer sich in der Straße begegneten, blieben sie wohl
einen Augenblick stehen, um einige Worte miteinander zu wechseln
und sich zum Siegen oder Sterben zu ermutigen. Hier und da sah
man, wie ein Vater vor der Tür seiner Wohnung Frau und Kind
umarmte; aber dann trocknete er bald die Tränen und verschwand
pfeilgeschwind in der Richtung zum Freitagsmarkt. Die Frau blieb
noch lange auf der Schwelle stehen und starrte nach der Ecke,
hinter der der Vater ihrer Kinder verschwunden war. Das Lebewohl
schien ihr ein Abschied auf ewig gewesen zu sein, und Tränen
rannen über ihre Wangen; dann hob sie ihre schluchzenden Kinder
vom Boden auf und lief verzweifelt ins Haus zurück.
In kurzer Zeit standen schon die Zünfte in langen Reihen auf dem
Freitagsmarkt versammelt. Breydel hatte sein Versprechen erfüllt.
Zwölftausend Gesellen von den verschiedenen Zünften hatte er unter
sich. Die Beile der Fleischer blinkten wie Spiegel im Sonnenlicht und
blendeten den Zuschauer. Über der Schar der Weber ragten
zweitausend Goedendags mit ihren eisernen Spitzen empor; auch
eine Abteilung Bogenschützen war darunter. Gwijde stand in der
Mitte des Platzes, etwa zwanzig edle Ritter um ihn. Er wartete auf
die Rückkunft der Boten, die man nach allen Karren und Pferden
ausgeschickt hatte, die in der Stadt aufzutreiben waren. Ein Weber,
den De Coninck auf den Glockenturm geschickt hatte, kam in diesem
Augenblick mit der großen Fahne von Brügge auf den Markt. Kaum
wurden die Zunftleute des blauen Löwen gewahr, da stieg ein
hinreißendes Jubelgeschrei aus ihren Scharen empor. Unaufhörlich
wiederholten sie denselben Ruf, der in der blutigen Nacht das
Zeichen der Rache gewesen war:
Und dann schwangen sie ihre Waffen, als ob sie ihren Feinden
bereits gegenüberständen.
Als das Gepäck des Heeres auf die Wagen geladen war, ertönten die
schmetternden Klänge der Trompeten, und die Bürger verließen mit
wehenden Fahnen durch das Genter Tor ihre Stadt. Da die Frauen
sich ohne jeden Schutz sahen, packte sie die Angst noch mehr. Jetzt
war ihnen, als ob sie nur noch den Tod zu erwarten hätten.
Nachmittags verließ Machteld die Stadt mit all ihren Dienern und
Frauen, und diese Abreise brachte viele auf den Gedanken, daß sie
in Kortrijk sicherer würden wohnen können. Rasch packten sie alles
ein und zogen, nachdem sie ihre Häuser verschlossen hatten, mit
ihren Kindern zum Genter Tor hinaus.
Solcherart zogen unzählige Familien nach Kortrijk, und ihre bitteren
Tränen netzten das Gras, das am Rande des Weges grünte.
Machteld und Maria, die Schwester Adolfs van Nieuwland, und eine
große Anzahl anderer Edelfrauen aus Brügge waren bereits einige
Stunden in Kortrijk, ehe das Heer anlangte; sie waren bei ihren
Bekannten abgestiegen und hatten für das Unterkommen der Ritter
bei ihren Blutsverwandten und Freunden Sorge getragen, so daß die
Edelleute, die Gwijde begleiteten, bei ihrer Ankunft die
Abendmahlzeit schon bereit fanden.
Arnold van Oudenaarde, der einige Tage zuvor mit dreihundert Mann
den Kortrijkern zu Hilfe gekommen war, hatte sich unter den Wällen
der Stadt auf dem Groeninger Kouter nicht weit von der Abtei
gelagert. Dieser Platz war für ein allgemeines Lager sehr günstig und
wurde in dem Kriegsrat, den Gwijde zusammengerufen hatte, auch
für diesen Zweck bestimmt. Schon am anderen Tage, während die
Zunft der Zimmerleute an den Sturmwerkzeugen arbeitete, wurden
die anderen Vlaemen aus der Stadt geführt, um die Gräben des
Lagerplatzes auszuwerfen. Die Weber und die Fleischer bekamen
jeder eine Hacke und einen Spaten und machten sich eifrig ans
Werk. Die Verschanzungen stiegen wie durch Zauberei empor, das
ganze Heer wetteiferte bei der Arbeit, man stritt sich förmlich
darum. Die Spaten und Hacken wurden so rasch gehandhabt, daß
man ihnen mit den Augen nicht folgen konnte, und große
Erdschollen flogen in Massen auf die Verschanzung, gleich den
zahllosen Steinen, die eine belagerte Stadt auf den Feind wirft.
Sowie ein Teil der Erdarbeiten vollendet war, kamen andere Leute
und spannten dort ihre Zelte auf. Von Zeit zu Zeit ließen die Arbeiter
ihre Werkzeuge in der Erde stecken und erkletterten hastig die
Verschanzung. Dann hallte ein allgemeiner Willkommgruß über dem
Lager, und der Ruf: „Vlaenderen den Leeuw! Vlaenderen den
Leeuw!“ klang noch aus der Ferne als Antwort wieder. Dies geschah
jedesmal, wenn Beistand aus anderen Städten herankam.
Das vlaemische Volk hatte seine Edeln doch etwas mit Unrecht der
Treulosigkeit und Feigheit beschuldigt; freilich hatten sich viele von
ihnen offen für Frankreich erklärt; aber die Zahl der treugebliebenen
war dennoch größer als die der Abtrünnigen. Zweiundfünfzig der
vornehmsten vlaemischen Ritter saßen in Frankreich gefangen, und
gewiß war es nur die Liebe zum Vaterland und zu ihrem Fürsten, die
sie ins Gefängnis gebracht hatte. Die anderen treuen Edelleute, die
in Flandern lebten, hielten es für unrühmlich, mit einem
aufrührerischen Volke gemeinsame Sache zu machen. Turnier und
Schlachtfeld allein waren würdige Stätten für ihre Waffentaten. Die
Sitten jener Zeit hatten diese Meinung in ihnen gefestigt, denn
damals war der Abstand zwischen einem Ritter und einem Bürger so
groß, wie jetzt zwischen dem Herrn und seinem Diener. Solange sich
der Kampf innerhalb der Mauern der Städte und unter dem Befehl
der Volksführer abspielte, blieben sie auf ihren Kastellen und
trauerten über die Unterdrückung des Vaterlands. Jetzt aber, da
Gwijde als Feldherr über seine Untertanen gebot, kamen sie alle mit
ihren Untergebenen aus ihren Herrschaften herbeigeeilt.
Am zweiten Tag eilten die Yperner heran. Obgleich sie die eigene
Stadt bewachen mußten, mochten sie doch nicht zugeben, daß
Flandern ohne ihr Zutun befreit würde. Ihre Truppen waren weitaus
die schönsten und reichsten ringsum: fünfhundert Keulenträger,
ganz in Scharlach gekleidet, mit schönen Federn auf ihren
glänzenden Helmen, zudem mit kleinen Brustplatten und
Kniescheiben, die im Sonnenschein erglänzten; siebenhundert
andere Leute trugen ungewöhnlich große Armbrüste mit stählernen
Federn; sie waren grün mit gelber Verzierung gekleidet. Bei ihnen
befanden sich folgende Herren: Jakob van Ypern, Waffenträger des
Grafen Jan van Namen, Dietrich van Vlamertinghe, Josef van
Hollebeke und Balduin van Passchendale; die Anführer waren Philipp
Baalde und Peter Belle, die Vorsteher der beiden vornehmsten
Zünfte von Ypern. Am Nachmittag kam die übrige Bevölkerung von
der Ost- und Westgrafschaft aus den Dörfern, die rund um Brügge
herum lagen, zweihundert wohlgerüstete Krieger.
Am dritten Tage kam vormittags Wilhelm von Jülich mit Jan van
Renesse von Kassel zurück, und mit ihnen trafen fünfhundert Reiter,
vierhundert Seeländer und noch eine Anzahl Brügger im Lager ein.
Die einberufenen Ritter und Vertreter der Städte hatten sich fast
sämtlich eingestellt, und alle möglichen Waffengattungen befanden
sich unter Gwijdes Befehl. Die Freude der Vlaemen während dieser
Tage war unaussprechlich; jetzt sahen sie, daß ihre Landsleute noch
nicht entartet waren, daß es noch mutige Männer in ihrem Vaterland
gab. Schon waren an einundzwanzigtausend tapferer Krieger unter
dem Banner des schwarzen Löwen versammelt, und noch strömten
unaufhörlich kleine Abteilungen herzu.
Gegen Abend, just als sie mit ihren Spaten in die Zelte gehen
wollten, erhob sich aufs neue der Ruf: „Vlaenderen den Leeuw!“ von
den Mauern Kortrijks. Alle liefen nach der Verschanzung zurück, um
zu sehen, was da vorging, und antworteten dann mit lauter, froher
Stimme auf den Ruf der Kortrijker. Sechshundert Reiter trabten, ganz
mit Eisen bedeckt, unter allgemeinem Jubel in das Lager. Dieser Zug
kam von Namur und war durch den Grafen Johann, Bruder
Robrechts van Bethune, nach Flandern gesandt worden.
Durch das Eintreffen dieser Hilfstruppen stieg noch die Freude der
Vlaemen; denn gerade an Reiterei litten sie den größten Mangel.
Obgleich sie wohl wußten, daß die Leute von Namur sie nicht
verstanden, riefen sie ihnen Grüße zum Willkomm entgegen und
brachten ihnen Wein in Überfluß. Als die fremden Krieger dieser
großen Freundschaft gewahr wurden, fühlten auch sie in sich
Gegenliebe erwachen und schwuren, ihr Blut für so gute Leute zu
vergießen.
Nur die Stadt Gent hatte den Aufruf noch nicht beantwortet; nicht
ein einziger Geselle war von dorther nach Kortrijk gekommen. Man
wußte schon längst, daß es in Gent von Leliaerts wimmelte und der
Magistrat ganz französisch gesinnt war; trotzdem waren dort
siebenhundert französische Söldner erschlagen worden, und Jan
Borluut hatte seinen Beistand zugesagt. In dieser Ungewißheit
erhoben zwar die Vlaemen im Lager gegen ihre Brüder von Gent
noch nicht laut den Vorwurf der Verräterei, doch der Argwohn gegen
sie war recht stark.
„Vorsichtig, Leute! Hört auf, und schürt das Feuer nicht zu arg; jagt
die Funken nicht so hoch über das Lager hinaus!“
Einige Schritt von diesem Feuer stand das Zelt der Lagerwache. Es
bestand aus einem Dach, das mit Ochsenhäuten überdeckt war. Sein
Fachwerk ruhte auf acht schweren Balken; die vier Seiten waren
offen, damit man das Lager nach allen Richtungen übersehen
könnte.
Jan Breydel mußte mit fünfzig seiner Leute während der Nacht
Wache halten. Sie saßen alle auf kleinen hölzernen Stühlen rund um
einen Tisch unter dem Dache, das sie vor Tau und Regen schützte;
ihre Beile blitzten im Widerschein des Feuers und glimmten in ihren
Händen auf, als ob sie glühende Waffen wären. Man konnte im
Finstern die von ihnen ausgestellten Wachen auf- und abschreiten
sehen. Vor ihnen auf dem Tisch standen ein großer Krug Wein und
einige zinnerne Kannen, und obgleich ein Trunk ihnen nicht versagt
war, so konnte man dennoch merken, daß sie sehr mäßig tranken.
Denn nur selten führten sie die Kannen zum Munde. Sie lachten und
schwatzten heiter, um die Zeit zu verbringen, und sprachen schon im
voraus von den schönen Schlägen, die sie den Franzosen beibringen
wollten.
„Nun soll mal einer sagen,“ rief Breydel, „daß die Vlaemen ihren
Vätern nicht gleichen, wenn sich ein Heer, wie das unsrige, aus
freiem Willen versammelt! Jetzt mögen die Franzosen nur kommen
mit ihren zweiundsechzigtausend Mann! Je mehr Wild, desto besser
die Jagd. Sie sagen, wir wären ein Haufen schlechter Hunde; aber
sie mögen Gott bitten, daß sie nicht gebissen werden. Die Hunde
haben gute Zähne.“
„Es gilt,“ rief der andere, „wir wollen sie zusammen austrinken; ich
gehe und hole sie.“
„Oho!“ rief Breydel, „wollt ihr euch wohl still verhalten! Trinkt
morgen; denn das sage ich euch: den ersten von euch, der sich
betrinkt, lasse ich in Kortrijk einsperren; er soll am Kampfe nicht
teilnehmen.“
„Beim Barte unseres Obmanns!“ rief er, „wenn mir das widerführe,
dann ließ ich mich lieber noch am Feuer braten, wie das einst dem
heiligen Laurentius geschehen ist. Denn solch ein Fest werde ich nie
weder erleben.“
Breydel merkte, daß seine Drohung der ganzen Wache Furcht und
Betrübnis einjagte; dies war ihm nicht recht, da er selbst freudig
gestimmt war. Um ihnen ihre Heiterkeit wiederzugeben, ergriff er
den Krug, füllte die Kannen und sprach:
„Nun, Leute, weshalb schweigt ihr jetzt? Da, nehmt und trinkt, damit
euch der Wein die Sprache wiedergibt. Es ist mir leid, daß ich mit
euch so gesprochen habe. Ich kenne euch ja und weiß, daß echtes
Fleischerblut in euren Adern strömt! Nun denn, auf euer Wohl,
Genossen!“
„Trinkt nur,“ fuhr Breydel fort, indem er seinen Becher füllte, „diesen
Krug will ich euch darangeben, ihr mögt ihn bis zum Grunde leeren.
Für eure Freunde, die auf Wache stehen, soll ein anderer
herbeigeschafft werden. Jetzt, da wir sehen, daß aus allen Städten
Hilfe herbeieilt und wir so stark werden, können wir uns dieses
Glückes wohl freuen.“
„Sind etwa die Genter Vlaemen wie wir?“ spottete ein anderer,
„schlägt ihr Herz auch für die Freiheit? Und wohnen auch wohl
Fleischer in Gent? Es lebe Brügge! Da ist der echte Stamm.“
„Oho!“ rief Breydel, „zu Gent wohnt ein Mann, der ein Löwenherz zu
eigen hat. Ist Jan Borluut nicht in der ganzen Welt bekannt? Ich bin
überzeugt, wollte er die Sache genau untersuchen, so würde er
finden, daß seine Voreltern Fleischer waren oder doch so etwas der
Art; denn Herr Jan gleicht einem Genter, wie ein Stier einem Schaf.“