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2023
drangen in den besetzten Sinai vor. Im Norden griff Syrien auf den Golanhöhen an. Der Angriff
40 traf Israel völlig unerwartet. Der Jom-Kippur-Krieg endete 18 Tage später mit einem
Waffenstillstand. Im September 1978 schlossen Ägypten und Israel ein Abkommen: Ägypten
erklärte sich zur Anerkennung Israels bereit und erhielt im Gegenzug den Sinai zurück. Im März
1979 unterzeichneten beide Länder einen Friedensvertrag. Im Jahr 1994 schlossen auch
Jordanien und Israel Frieden.
45 Doch die Kriege gingen weiter, auch angetrieben durch radikalislamische Kräfte in Israels
Nachbarländern. […]
Was sind die Intifadas?
Als Intifadas werden die palästinensischen Aufstände gegen die israelische Besatzung im
Westjordanland und dem Gazastreifen bezeichnet. Die erste Intifada dauerte von 1987 bis
50 1993. In ihrem Zuge entstand auch die Hamas (Harakat al-Mukawama al-Islamija – Bewegung
des Islamischen Widerstands), eine sunnitisch-islamistische Organisation, die den
Gazastreifen seit 2007 kontrolliert. Ziel der Hamas ist die Zerstörung des Staates Israel. Sie
wird von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation geführt. […]
Welche Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft gab es?
55 Die internationale Gemeinschaft hat zahlreiche Versuche unternommen, den Konflikt zu
entschärfen. Erwähnenswert ist besonders das Abkommen von Camp David aus dem Jahr
1978, das zum Frieden zwischen Israel und Ägypten führte. Die Verhandlungen in Oslo im Jahr
1993 zur Beendigung der ersten Intifada galten ebenfalls als hoffnungsvoller Schritt in
Richtung eines dauerhaften Friedens.
60 Verhandlungsführer auf palästinensischer Seite war damals der Chef der Palästinensischen
Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat, für Israel setzte sich Premier Izchak Rabin an den
Verhandlungstisch. Der Friedensprozess endete mit einem Durchbruch: Im sogenannten Oslo-
I-Abkommen erklärte sich Arafat bereit, das Existenzrecht des Nachbarn anzuerkennen. Im
Gegenzug gestand Rabin den Palästinensern die Selbstverwaltung zu. Im Jahr darauf entstand
65 in Ramallah im Westjordanland die Palästinensische Autonomiebehörde.
Im Dezember 1994 erhielten Arafat, Israels Außenminister Schimon Peres und Izchak Rabin
den Friedensnobelpreis. Im September 1995 unterzeichneten die beiden Parteien im
ägyptischen Taba das Oslo-II-Abkommen, in dem das Westjordanland in drei Gebiete
aufgeteilt wurde. Doch lange währte der Frieden nicht. Knapp ein Jahr später, am 4. November
70 1995, wurde Rabin von einem ultrareligiösen, jüdischen Jurastudenten in Tel Aviv erschossen.
Der Oslo-Friedensprozess geriet ins Stocken, der Konflikt flammte wieder auf.
Im Juli 2000 scheiterten in Camp David unter Vermittlung von US-Präsident Bill Clinton
Friedensverhandlungen zwischen Arafat und Rabin-Nachfolger Ehud Barak. Kurz darauf löste
der rechte Hardliner und spätere Premier Ariel Scharon mit seinem Besuch des Tempelbergs
75 die Zweite Intifada aus. Im März 2002 erklärte er den PLO-Chef offiziell zum Feind. Arafat starb
nach plötzlicher Krankheit am 11. November 2004 in einem Militärkrankenhaus im Süden von
Paris. Die Todesursache blieb ungeklärt.
Einen weiteren Versuch zu Friedensverhandlungen gab es 2007/08 auf Einladung von US-
Präsident George W. Bush in Annapolis. Obwohl die Gespräche vielversprechend verliefen,
9a Wi-Po Km Israel-Palästina-Konflikt 19.10.2023
80 scheiterte auch dieser Versuch einer Annäherung, da Israels Ministerpräsident Ehud Olmert
wegen einer Anklage zurücktreten musste. Inzwischen ist der Friedensprozess zum Erliegen
gekommen. Seit 2014 gab es zwischen Israelis und Palästinensern keine Verhandlungen mehr.
Was hat es mit dem Streit um jüdische Siedlungen auf sich?
Der Siedlungsbau im Westjordanland gehört zu den zentralen Brandherden des Konflikts
85 zwischen Juden und Palästinensern. Immer wieder kommt es dort zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen. Das Gebiet zwischen Hebron im Süden und Nablus im Norden ist seit
dem Sechstagekrieg von Israel besetzt. Die Palästinenser dagegen wollen dort einen
unabhängigen Staat Palästina mit Ostjerusalem als Hauptstadt errichten. Derzeit leben dort
etwa 2,8 Millionen Palästinenser sowie mehr als 700.000 Israelis in Siedlungen, die von den
90 Vereinten Nationen (UN) teils als völkerrechtswidrig eingestuft werden. In einer UN-
Resolution werden sie als großes Hindernis für Frieden in Nahost bezeichnet.
Der UN-Sicherheitsrat hatte Israel Ende 2016 zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den
besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ostjerusalems aufgefordert. Doch
insbesondere nationalreligiöse Kräfte beanspruchen das Westjordanland für sich und
95 verweisen dabei auf die Bibel. Die aktuelle rechtsgerichtete Regierung unter Benjamin
Netanjahu hat den Siedlungsbau trotz internationaler Proteste intensiviert. In der ersten
Hälfte des Jahres 2023 sind laut der israelischen Menschenrechtsorganisation Peace Now
bereits mehr als 13.000 Wohnungen israelischer Siedler genehmigt worden, so viele wie noch
nie seit Beginn der Erfassung durch die Organisation im Jahr 2012.
von den USA vermittelte Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und den
arabischen Ländern gelten als Zäsur, vergleichbar dem israelisch-ägyptischen
Friedensabkommen von 1978. Auch mit Saudi-Arabien gab es zuletzt eine Annäherung. Als
Reaktion auf die Bombardierung des Gazastreifens durch Israel nach der jüngsten Attacke der
125 Hamas kündigte Saudi-Arabien die Gespräche einseitig auf.
Auch die innenpolitischen Machtkonstellationen der beiden Konfliktparteien geben wenig
Hoffnung auf baldigen Frieden. Bei den Palästinensern in Gaza dominiert die islamistische
Hamas das Geschehen, der Einfluss der palästinensischen Führung im Westjordanland auf die
Terroristen gilt als gering. Israel wiederum kämpft seit den Wahlen im vergangenen Jahr um
130 sein Image als einziges wirkliches demokratisches Land im Nahen Osten. Die neue israelische
Regierung setzt sich aus der rechtskonservativen Likud von Premier Benjamin Netanjahu, dem
rechtsradikalen Bündnis Religiöser Zionismus und den ultraorthodoxen Parteien Schas und
Vereinigtes Thora-Judentum zusammen. Damit steht die neue Regierung politisch so weit
rechts wie keine andere vor ihr. Die im Juli 2023 beschlossene Justizreform hat das Land
135 gespalten. Kritiker werfen Netanjahu vor, die demokratische Gewaltenteilung aushebeln zu
wollen. Die neue Machtfülle in Kombination mit der radikalen Ausrichtung könnte auch
Auswirkungen auf den Konflikt mit den Palästinensern haben. "Hier wird ein Sieg angestrebt.
Die Integration des Westjordanlands in das Rechtsgebiet des Staates Israel soll unumkehrbar
gemacht werden", schreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik. Für einen baldigen Frieden
140 stehen die Zeichen also denkbar schlecht.