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Musiktherapeutische Ansätze bei Kindern mit Autismus

Wieso eigentlich Musiktherapie bei Kindern mit Autismus?


Laut der deutschen musiktherapeutischen Gesellschaft hat die Musiktherapie eine
besondere Wirkung bei Kindern, die eine Störung des affektiven Kontaktes besitzen. Leo
Kanner hat in diesem Zusammenhang 1943 bei seinen Fallbeschreibungen von 11 Kindern
mit Autismus festgestellt, dass 6 Kinder davon eine besondere musikalische Neigung besitzen
und hierdurch ein Kontaktaufbau möglich war.
https://www.musiktherapie.de/arbeitsfelder/autismus/

Die aktuellste Studie der translational Psychiatry aus dem Jahr 2018 zeigt, dass bei 26
Kindern nach ca. 12 Wochenstunden der Musiktherapie eine verbesserte kommunikative
Fähigkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe stattgefunden hat.
https://www.nature.com/articles/s41398-018-0287-3

Was die Neuropsychologie der Musiktherapie zu berichten hat…


https://www.oebm.org/media/jf_geretsegger_2005.pdf

Methodische Vorgehensweise
In unserem Buch „Musiktherapie mit autistischen Kindern“ geht es um die Praxiserfahrungen
von Karin Schuhmacher in Bezug auf das methodische Vorgehen.
Beispiele aus der Praxis
Nosensreime:
Bei diesen geht es darum, an den Wortschatz der Kinder anzuknüpfen und aus diesen
Wörtern einen Nosensreim zu gestalten und diesen evtl. auch noch zu einem Spiellied
auszubauen. Hierbei sollte das Ziel sein, die Kinder dahingehend zu animieren spielerisch
ihre Stimme auszubauen und zu gewissen Stellen einzusetzen.
Vergleich musiktherapeutischer Ansätze bei autistischen Kindern
Wenn man verschiedene Fachliteraturen vergleicht, so kann man auf eine Gemeinsamkeit
stoßen, die hier überall erwähnt wird. Kinder mit autistischen Zügen haben im allgemeinen
beinahe immer eine Beziehungsstörung, die das Verhalten für sein oder ihr Umfeld auffällig
macht und die Entwicklung der Kinder hemmt.

Juliette Alvins Auffassung von musiktherapeutischen Ansätzen bei Kindern


In diesem Bezug sieht Juliette Alvin den Einfluss des Klanges als primäre Wirkung der Musik.
In ihrer Auffassung der Musik sollen Kinder durch die Musik ein zielgerichtetes Handeln
erkennen du anwenden. Hierzu gibt 9 unterschiedliche Punkte, die man aus der Literatur von
Alvin herausziehen kann:
- 1. Rituale, Symbole und Eigenschaften kann man mit eigener Phantasie musikalisch
kreativ verwerten und in ein Musikerlebnis bringen
- 2. Besondere Musikinstrumente bringen besondere Reaktionen
(Identifikationmöglichkeiten bei Kindern nutzen)
- 3. Wenn der menschliche Kontakt abgestoßen wird, kann man Kassettenrekorder oder
ein Radio nutzen
- 4. Gefühlsäußerungen bewusst machen und unterstützen
- 5. Dasselbe Lied auf unterschiedlichste Weisen benutzen, um einen Lerneffekt bei den
Kindern hervorzubringen. Derselbe Rhythmus in unterschiedlichen Weisen verwenden
- 6. Stabile Beziehung bei den Kindern aufbauen
- 7. Musik als Transmitter benutzen. Kann also helfen aus Krisensituationen
herauszukommen.
- 8. Gruppenarbeiten sind her schwierig und sollten anfangs vermieden werden
- Dem Kind auf Augenhöhe begegnen und auch das Niveau dem Kind anzupassen.

Zu diesen neun Punkten kommt ein Stufenmodel zum Vorgehen bei einer
musiktherapeutischen Anwendung bei Kindern mit autistischen Zügen hinzu. Diese ist
ebenfalls von Alvin verfasst worden:
- Erste Stufe: Erste Erfahrungen mit dem Instrument und der eigenen Stimme erkunden.
Achtung, keine zerstörerische Wirkung zulassen.
- Zweite Stufe: Für einen sicheren Raum sorgen, damit das Kind frei die Musik
entdecken kann. Erst so kann ein aktives Mitwirken der Kinder an der Musik
stattfinden. Improvisationen gehören in diese Stude, weil sie eine persönliche
Weiterentwicklung der Kinder zum Ausdruck bringen.
- Weitere Entwicklung: In dieser soll nun die Musik auch mit Zahlen und Wörtern
verbunden werden. Auch gewisse Bewegungsabläufe können hier mit eingebaut und
ritualisiert werden.

Paul Nordoff und Clives Robbins Auffassung von musiktherapeutischen Ansätzen bei Kindern
mit Autismus
Musik wird von diesen beiden Herrschaften als universale Erfahrung gesehen, die bei jedem
Menschen anders wirken kann. Die Musik wird als zwischenmenschliche Kommunikation
genutzt. Das Ziel sollte hierbei sein, das jedes Kind seine angeborene Musikalität entdecken
und ausleben kann. Anders als bei der vorherigen Theorie ist außerdem ein Ziel, die
Gruppenaktivität bei Kindern zu steigern. Der Begriff Musik Child bezeichnet in diesem
Zusammenhang das Zusammenwirken von rezeptiven, kognitiven und expressiven
Fähigkeiten. Auch in dieser Theorie gibt es wieder wichtige Techniken:
- 1. Eine musikalisch-emotionale Umgebung schaffen
- 2. Musik zu Bewegungen eines musikalisch inaktiven Kindes improvisieren
- 3. Zum Singen führen
- 4. Zur Instrumental-Aktivität führen
- 5. Arbeiten mit der Spielweise des Kindes – Hineinführen in den Grundschlag
- 6. Ausdrucksvolle musikalische Beweglichkeiten und emotionales Erlebnis beim
kommunikativen Spielen
- 7. Rhythmische Struktur wahrnehmen, ausführen und erleben

Gutrud Orffs Auffassung von Musiktherapeutischen Ansätzen bei Kindern mit Autismus
Sie definiert die Orff-Musiktherapie als eine multisensorische Therapie. Das Ziel in dieser
speziellen Therapie ist es, dass die Kinder gemeinsam mit dem Therapeuten eine spontan-
kreative Zusammenarbeit aufbauen. Das Kind soll freie Handlungen äußern können. Ein
interessanter Fakt ist, dass ein Kugelturm auch als Orffinstrument gilt. Die Orff Technik
umfasst die Bildung und Wirkung von Erinnerung, Gesang und die Besinnung der Kinder.
Hierbei sollte verstanden werden, dass unter dem Punkt Erinnerung zu verstehen ist, dass die
Kinder die Instrumente aus einer Art spontaner Lust heraus genutzt werden sollen. Der
Gesang meint die Aufforderung zum eigenen Tun der Kinder. Bei der Besinnung geht es
darum, dass die Kinder reflektiert über die Arbeit, die Aktion, Pausen im Tun und ein Zustand
des Erwartens und Warten hinblicken können. Auch in dieser Theorie gibt es wieder
unterschiedliche Prinzipien:
- 1. ISO-Sinn: der Therapeut begegnet dem Kind im gleichen Sinn, wie es sich darstellt
und verhält
- 2. Provokation als hervorrufen eines Wachstumsprozesses
- 3. Unstrukturiertes und strukturiertes Vorgehen (je nach Verhalten der Kinder)
- 4. Gestalten der kindlichen Äußerungen, wobei hier das Wort Gestalt als Endprodukt
des Tuns oder Geschehen gesehen wird
Eine Stunde laut der Orfftheorie sollte wie folgt ablaufen:
- 1. Ritual, akustisch bewegungsmäßiger Art, zum Aufbau des Ambientes, des Klimas
- 2. Neues Element aus therapeutischer Sicht
- 3. Entwickeln der Situation durch das Annehmen der kreativen spontanen Beiträge
seitens der Kinder. Daraus folgt ein normaler Höhepunkt, ein exzentrischer Höhepunkt
oder das Nicht-Erreichen einer Kulmination
- 4. Evtl. Korrekturen, Verarbeiten von Ideen
- 5. Organischer Abschluss

Roland O. Benezons Auffassung Musiktherapeutischer Ansätze bei autistischen


Kindern
„Musik ist wie die Erinnerung an die Mutter und ein Wiederaufleben der Bezieung zu ihr und
zur Natur“. Auch bei dieser Theorie werden wieder verschiedene Prinzipien verwendet. Zum
einen das ISO-Prinzip, wie bei der Orff-Theorie und zum anderen das sogenannte
intermediäre Objekt. Diese Objekte werden als Kommunikationsinstrumente beschrieben,
die wirken ohne Angstzustände beim Kind zu bewirken. Anders als bei anderen Theorien wird
hier auch das Wasser als solches genutzt. In dieser Theorie gibt es drei Arbeitsphasen. Die
Regression, die Kommunikation und die Integration. In der ersten Phase wird das Kind
Klängen ausgesetzt, um Kommunikationskanäle zu öffnen. In der zweiten Phase werden
diese Kanäle dann genutzt und begegnet dem autistischen Kind als Mensch. In der letzten
Phase nimmt das Kind selbstständig Kontakt zu seiner Umwelt und auch zu seiner Familie
auf.

Karin Schuhmachers Auffassung musiktherapeutischer Ansätze bei Kindern mit


Autismus
Jeder Mensch trägt potentiell auch die Möglichkeit in sich, sich selbst musikalisch und
tänzerisch auszudrücken und genau nach diesem Leitsatz handelt diese Theorie. Das
autistische Kind leidet an einer Desintegration von Sinneseindrücken, weshalb es wichtig ist,
elementare Musik-, Bewegungs- und Sprachspiele einzubauen und am Ist-Zustand der Kinder
anzuknüpfen. Auch soll hier die Stimulation des Gleichgewichtssinnes miteingebettet
werden. Ziel dieser Theorie oder Arbeit ist es, eine Beziehung zu dem Kind aufzubauen um
später einen Dialog mit dem Kind führen zu können. Das methodische Vorgehen bei dieser
Arbeit zeigt die nächste Abbildung:

1. Nosensreime und Spiellieder:


o Lassen Sie die Kinder Wörter auswählen, die ihnen wichtig oder interessant
erscheinen.
o Ermutigen Sie sie, aus diesen Wörtern Nosensreime zu erstellen.
o Bauen Sie gemeinsam ein Spiellied um die Nosensreime herum auf, bei dem
die Kinder ihre Stimmen spielerisch einsetzen können.
2. Klang und Beziehungsaufbau:
o Verwenden Sie verschiedene Musikinstrumente, um zu zeigen, wie Klang
unterschiedliche Emotionen ausdrücken kann.
o Ermutigen Sie die Kinder, ihre eigenen Gefühle durch den Klang von
Instrumenten auszudrücken.
o Betonen Sie dabei den Aufbau einer stabilen Beziehung und einer sicheren
Umgebung.
3. Stufenmodell nach Juliette Alvin:
o Erste Stufe: Lassen Sie die Kinder erste Erfahrungen mit einfachen
Musikinstrumenten machen, ohne Druck auszuüben.
o Zweite Stufe: Schaffen Sie einen sicheren Raum für die Kinder, in dem sie frei
mit Musik experimentieren können, einschließlich Improvisationen.
o Weitere Entwicklung: Verbinden Sie Musik mit Zahlen, Wörtern und
Bewegungen, um eine ganzheitliche Erfahrung zu schaffen.
4. Universale Erfahrung nach Nordoff und Robbins:
o Schaffen Sie eine musikalisch-emotionale Umgebung, in der die Kinder sich
ausdrücken können.
o Arbeiten Sie an der Steigerung der Gruppenaktivität, indem Sie gemeinsame
musikalische Aktivitäten fördern.
o Verwenden Sie Musik, um rezeptive, kognitive und expressive Fähigkeiten zu
integrieren.
5. Multisensorische Therapie nach Orff:
o Verwenden Sie Orff-Instrumente und andere multisensorische Elemente wie
Bewegung und Gesang.
o Schaffen Sie eine Umgebung, in der Kinder frei handeln können, und fördern
Sie spontane kreative Zusammenarbeit.
o Gestalten Sie eine Stunde nach dem vorgeschlagenen Ritual, der Einführung
neuer Elemente und einer organischen Abschlussphase.

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