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DAS DEUTSCHE GESUNDHEITSSYSTEM – EIN ÜBERBLICK

1. Ziele des Gesundheitssytems


Die Gesundheit ist eines der höchsten Lebensgüter. Es ist das Ziel des
Gesundheitssystems (auch: Gesundheitswesens), die Gesundheit der Bürger zu
erhalten, zu fördern und im Krankheitsfall wieder herzustellen. Das Gesundheitswesen
Deutschlands besteht aus allen Personen, Institutionen und Einrichtungen, die mit der
Krankenversorgung und Gesunderhaltung der deutschen Bürger zu tun haben. Im
Einzelnen sind dies die Empfänger der Gesundheitsleistungen (Patienten), die Personen,
die diese Leistungen errichten (Ärzte, Plfeger, Apotheker etc.), die Finanzierer dieser
Leistungen (Direktzahler, Versicherte in der Gesetzlichen oder privaten
Krankenversicherung, Arbeitgeber), die Zahler dieser Leistungen (Kranken-, Unfall-,
Pflege- und Rentenversicherungen sowie staatliche Unterstützer), der Staat mit seinen
Überwachungsämtern (Bund, Länder, Kommunen) sowie weitere Interessenverbände
wie etwa Selbsthilfeeinrichtungen.
Das Gesundheitssystem verfolgt verschiedene Ziele, die nicht alle gleichermaßen
erfüllt sind. So sollten allen Deutschen Gesundheitsleistungen unabhängig von
Einkommen und Status zugänglich sein. Dabei muss eine schnelle und wirksame
Behandlung (Leistungsfähigkeit) sowie die Wirtschaftlichkeit – dem Verhältnis von
Kosten und Nutzen – gewährleistet sein. Wichtige Elemente beinhalten die
Finanzierbarkeit der Leistungen, die sogenannte Bedarfsgerechtigkeit sowie das
Beachten der individuellen Bedürfnisse der Versicherten. Ebenfalls sollten die
finanziellen Lasten gerecht verteilt sein.
Im Jahr 2000 legt die Weltgesundheitsorganisation einheitliche Ziele für alle
Gesundheitssysteme fest. Ein Jahr später definierte auch die EU-Kommission
gemeinsame Ziele für Gesundheitswesen und die Altenpflege.

2. Aufbau und Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens


Innerhalb des deutschen Gesundheitssystems gibt es viele Beteiligte, die alle
unterschiedliche Funktionen einnehmen (Multiakteursystem). Dazu gehören die
Leistungsempfänger, die Leistungserbringer sowie die sog. Leistungsfinanzierer – die
freiwillig Versicherten, Arbeitgeber und die gesetzlich Versicherten. Als letzte Gruppe
unterscheidet man die Leistungszahler: Dazu gehören die gesetzlichen und privaten
Krankenversicherungen, die Unfall- und Rentenversicherungen, die kassenärztlichen
Vereinigungen sowie staatliche Beihilfestellen. Der Staat nimmt im Gesundheitssystem
eine überwachende Funktion ein, etwa in Form von Gesundheitsämtern.
Es gibt drei Modelle, ein Gesundheitssystem zu organisieren. Im Rahmen eines
nationalen Gesundheitsdienstes, wie er etwa in Irland oder Dänemark existiert, werden
alle Kosten und Leistungen aus Steuermitteln finanziert. In den USA ist das
Gesundheitssystem privat finanziert, die Krankenversicherung läuft auf freiwilliger
Basis. Das deutsche Gesundheitswesen ist nach dem Solidaritätsprinzip organisiert.
(s. Bild 1). In Deutschland gibt es das so genannte Duale System aus gesetzlicher und
privater Krankenversicherung. Beide Versicherungsarten haben gewisse Vor- und
Nachteile und auch Regelungen, wer die jeweilige Art der Versicherung in Anspruch
nehmen kann. Die Versicherungen in Deutschland und vor allem die gesetzliche
Krankenversicherung basieren zudem auf dem Konzept des Sozialstaates. Nach diesem
Konzept zahlen alle Deutschen in das System ein.

je nach Einkommen
ihrer Beschäftigten ArbeitgeberInnen

Paritätische
Finanzierung GESETZLICHE
KRANKEN-VERSICHERUNG
(GKV)
Beiträge je
nach
Einkommen Behandlung:
je nach Bedarf

SOLIDARITÄTSPRINZIP
Solidaritäts-
prinzip
Bild 1
Der größte Teil der Deutschen (über 80 Prozent) ist Mitglied in der gesetzlichen
Krankenversicherung und zahlt abhängig von der Höhe des Einkommens seine
Beiträge: Je mehr man verdient, umso mehr zahlt man. Die späteren Leistungen sind
unabhängig von den Beitragszahlungen. Die Versicherungsbeiträge werden von den
Arbeitnehmern und Arbeitgebern je zur Hälfte aufgebracht (s. Bild 2). Für nicht
erwerbstätige Familienangehörige des Versicherten müssen keine Beiträge gezahlt
werden. Insofern sind Arbeitnehmer mit Familie besser gestellt als allein stehende
Arbeitnehmer.

ArbeitgeberInnen
Geld
Geld
Geld
GESETZLICHE
KRANKEN- Pharma-
VERSICHERUNG ÄrztInnen industrie
(GKV) und andere
Beschäftigte
Geld Behandlung

ArbeitnehmerInnen Medikamente

Bild 2
Etwa elf Prozent der Deutschen sind in privaten Krankenversicherungen
Mitglied. Das sind Berufsgruppen wie Beamte, Selbstständige und Hochverdiener, die
länger als ein Jahr über 52.200 Euro brutto pro Jahr verdienen. Hier richtet sich der
monatliche Beitrag nach Gesundheitszustand, vereinbartem Leistungsumfang,
bestimmten Risikofaktoren, Alter und Geschlecht (Äquivalenzprinzip).
Bundeswehrangehörige, Sozialhilfeempfänger und andere Bevölkerungsgruppen
sind anderweitig versichert.
Immer wichtiger werden Zusatzbeiträge der Krankenkassen sowie individuelle
Zusatzzahlungen für alternative Heilverfahren und ästhetisch-chirurgische
Behandlungen.

3. Gesundheitspolitik
Seit 1950 ist die Lebenserwartung in Deutschland um mehr als 10 Jahre, die so
genannte „aktive Lebenserwartung“, d.h. die Zeit, in der keine Behinderungen
vorliegen, sogar noch etwas mehr angestiegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern
ist kein Mensch in Deutschland vom Zugang zum Gesundheitssystem ausgeschlossen.
Zwar ist auch in Deutschland ein Unterschied im Gesundheitszustand zwischen Arm
und Reich festzustellen, aber er ist geringer als z.B. in den südlichen EU-
Mitgliedsstaaten. Dennoch ist das Gesundheitswesen in Deutschland ein Dauerbrenner
im Reformstreit. Anlass dazu sind vor allem die hohen Kosten. Es ist, gemessen am
Anteil des Bruttoinlandsprodukts, neben der Schweiz das mit Abstand kostspieligste
Gesundheitssystem Europas und wird weltweit nur von den Vereinigten Staaten
übertroffen.
Der Erfolg einer Gesundheitspolitik muss sich daran messen lassen, ob es
gelingt, Gesundheitszustand und Lebensqualität der Bevölkerung, insbesondere der
sozial und gesundheitlich benachteiligten Bevölkerungsgruppen, zu erhöhen und eine
möglichst große Chancengleichheit bei der Inanspruchnahme von Leistungen des
Versorgungssystems zu gewährleisten. Allerdings ließen 629 die gesundheitspolitischen
Entscheidungen in Deutschland besonders in den 90er Jahren eine Bedarfsorientierung
wie strukturelle Reformen vermissen, ihre absehbaren sozialen und ethischen
Implikationen fanden kaum Berücksichtigung. U.a. das Gesundheitsstrukturgesetz, das
Beitragsentlastungsgesetz und die Neuordnungsgesetze orientierten sich primär an
ökonomischen Größen. Die gesundheitspolitische (Reform-) Diskussion war und ist
geprägt von Schlagwörtern wie Kostendämpfung, Lohnnebenkosten oder
Eigenverantwortung.
In der Diskussion wird jedoch oft vernachlässigt, dass auch die Leistungen
des deutschen Gesundheitssystems keinen Anlass zur Zufriedenheit bieten. Das
deutsche Gesundheitswesen leistet im internationalen Vergleich zwar gute Arbeit,
bringt jedoch keineswegs Spitzenleistungen hervor. Die Lebenserwartung in
Deutschland liegt im unteren Drittel der großen Industriestaaten und ist seit 1990
langsamer gestiegen als sowohl im OECD (Organization for Economic
Cooperation and Development) als auch im EU-Durchschnitt. Auch
krankheitsspezifische Mortalitätsraten, die vielleicht am ehesten die medizinische
Leistung eines Gesundheitssystems messen, sind bei den Krankheiten, die am
häufigsten zur Todesursache erklärt werden, in Deutschland höher als in
vergleichbar reichen Ländern.
Ein Gesundheitswesen, das Spitzenkosten verursacht, aber keine
Spitzenleistungen hervorbringt, ist ineffizient gegenüber Gesundheitssystemen,
die die gleichen Leistungen wie in Deutschland mit einem niedrigeren
Kostenaufwand erbringen, gemessen an der Lebenserwartung (z.B. die
Niederlande) oder mit dem gleichem Kostenaufwand wie in Deutschland bessere
Leistungen schafft (z.B. die Schweiz). Es gibt in Europa auch Gesundheits-
systeme, die in der Lage sind, höhere Leistungen als in Deutschland dennoch mit
niedrigeren Kosten zu produzieren (z.B. Schweden).

4. Gesundheitswesen: Problemfall auf hohem Niveau


Seit 1980 hat es in Deutschland mehrere Gesundheitsreformen gegeben. Die
aktuellste Gesundheitsreform trat am 1. Januar 2011 in Kraft.
Die Reformen haben sich vor allem auf den Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenversicherung konzentriert. In den letzten Jahrzehnten wird
auch das Problem demografischer Wandel, steigende Kosten durch medizinischen
Fortschritt immer akuter, hinzu kommen immer mehr chronisch Erkrankte, die das
Gesundheitssystem belasten. Fast noch wirkungsloser scheinen alle politischen
Bemühungen, externen Einfluss auf Strukturen des medizinischen Leistungsangebots
und Versorgungsgeschehens zu nehmen. Interventionen verfehlen regelmäßig die
Komplexität des bestehenden Systems, scheitern an der Vielschichtigkeit seiner
internen Steuerungsmechanismen und dem Einfluss machtbesetzter Umwelt-
beziehungen, speziell der Ökonomie, der Wissenschaft, der Moral.
Trotz aller Reformen hat das deutsch Gesundheitswesen und speziell die GKV
nach wie vor eine Reihe von gravierenden Problemen, die dringend angepackt werden
müssen. Zu nennen sind Fragen der Versicherungspflicht, des Leistungskatalogs,
der Einführung von mehr Kapitaldeckung in der Krankenversicherung sowie der
Versorgungslücke. Ohne Reformen droht dem Gesundheitssystem 2030 der
Kollaps, weil zu jener Zeit im Gesundheits- und Pflegewesen mehr als 400.000
Vollzeitkräfte fehlen. "Die drohende Versorgungslücke lässt sich weder durch die
Ausbildung zusätzlicher Fachkräfte noch durch die Zuwanderung von Personal aus dem
Ausland schließen. Um die Gesundheitsversorgung auf dem bisherigen Niveau zu
halten, müssen wir das vorhandene Fachkräftepotenzial besser nutzen. Dies kann
gelingen, wenn wir Ärzten und Pflegekräften attraktivere und gesündere
Arbeitsbedingungen bieten und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
ermöglichen", so Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswesen und Pharma.
A U F G A B E N

1. Lesen Sie die Informationen über das deutsche Gesundheitssystem und erklären Sie,
a) was unter dem Gesundheitswesen zu verstehen ist;
b) welche Ziele das deutsche Gesundheitssystem verfolgt;
c) was man unter dem Multiakteursystem hinsichtlich des Gesundheitswesens
versteht;
d) was der Prinzip der Solidarität im Krankheitsfall bedeutet;
e) worin der Unterschied zwischen der GKV und PKV besteht;
f) was ein (in)effizientes Gesundheitssystem ist;
g) worauf die Gesundheitspolitik abzielen soll und wie sie betrieben
werden soll;
h) warum die Gesundheitsreform als eines der wichtigsten, aber auch das
umstrittenste Projekt der Bundesregierung ist.
2. Sehen Sie sich die folgende Karikatur aufmerksam an, beschreiben und
kommentieren Sie sie in Anlehnung an das durchgesrbeitete Material.
3. Erschließen und kommentieren Sie das beigefügte Schaubild.

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