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Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

3.) Wahrnehmung und Bewusstsein: (WA3)

A.) Einführung: („Perception without awareness“)

• Eine der lange tradierten Legenden aus der


Werbebranche ist die Geschichte von James Vicary,
der in den späten 50er Jahren des letzten
Jahrhunderts behauptete, in einem Kino in New
Jersey für eine sechswöchige Testphase die
Aufforderungen „Eat Popcorn“ und „Drink Coke“
während der Filme für eine extrem kurze Zeit auf die
Leinwand projiziert zu haben. Danach sei der
Verkauf von Coca-Cola um 18% und der von
Popcorn um 58% angestiegen.

• Vicary gestand später, dass die Studie gar nicht durchgeführt wurde; es gab lediglich die
Projektionsmaschine für die extrem kurze Darbietung (Pratkanis, 1992). Es war offenbar
lediglich Werbung in eigener Sache (denn er hatte eine Marktforschungsagentur).

1.) Aktuelle Forschung:

I.) Karreman, Stroebe & Claus (2006): (siehe Sozialpsychologie)

• Probanden in der Experimentalgruppe wurden


zunächst mit einem salzigen Bonbon durstig
gemacht. Währenddessen sollten sie den darauf
eingeprägten Buchstaben mit der Zunge ertasten.
• Nach dieser Wahrnehmungsaufgabe ging es weiter
zu einer visuellen Entdeckungsaufgabe. Den
Probanden wurden Buchstabenketten kurz auf dem
Computerbildschirm gezeigt (BBBBBBBBB), bei
denen ab-und-an ein Buchstabe kleinKarremans*et*al.*(2006):*Ergebnisse*
geschrieben
war (z.B. BBBbBBBBB).
• Die Aufgabe war es, über die Durchgänge90"hinweg
die Anzahl der kleinen Buchstaben zu zählen. Karremans*et*al.*(2006):*Ergebnisse*
Anteil'der'Lipton'Ice'wählt'(%)'

80"
• Jede Kette wurde durch eine gleich lange Kette von
70"
„X“-en eingeleitet. 90"
• Unbemerkt von den Teilnehmern wurde diese 60" Kette
Kontrollprime"
Anteil'der'Lipton'Ice'wählt'(%)'

80"
ganz kurz durch die Präsentation von „Lipton 50"
Lipton"Ice"Prime"
70"
Ice“ (für die eine Hälfte der Probanden) oder 40" durch
„Npeic Tol“ (ein Anagramm von Lipton Ice, für die 60"
Kontrollprime
30"
andere Hälfte) unterbrochen. 50"
Lipton"Ice"Prim
• In der Tat gaben die Teilnehmer, die den Prime 20"
40"
„Lipton Ice“ erhalten hatten, bei anschließenden10"
30"
Fragen, ob sie eher zur Wahl von „Lipton Ice 0" Tea“
oder einem Mineralwasser namens „Spa Rood“ durs0g" 20" nicht"durs0g"
tendierten, häufiger die Eistee-Marke an. 10"
Vorlesung*Sozialpsychologie*|*Malte*Friese*|*WS*2014/2015*|*Einstellungen*und*Verhalten* 25*
• Eine Kontrollgruppe, die nicht durstig gemacht 0"
wurde, zeigte dagegen keine Unterschiede. durs0g" nicht"durs0g"

Vorlesung*Sozialpsychologie*|*Malte*Friese*|*WS*2014/2015*|*Einstellungen*und*Verhalten*
➠ Wenn die Probanden also in diesem Moment nicht durstig waren, hatte das „subliminale
aufblitzen“ von Wörtern keine Auswirkung auf die Vorliebe für bestimmte Getränke.

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➠ Wenn sie jedoch durstig waren und dazu noch mit dem Wort „Lipton Ice“ geprimed wurden, war
es signifikant wahrscheinlicher, dass sie den Eistee auswählten, als bei Probanden, die mit dem
sinnlosen Wort „Npeic Tol“ geprimed wurden.

Kurze Definition zu „Prime“:

• „Priming“ bzw. „Bahnung“ bezeichnet in der Psychologie die Beeinflussung der Verarbeitung
(Kognition) eines Reizes dadurch, dass ein vorangegangener Reiz implizite Gedächtnisinhalte
aktiviert hat.
• Diese Aktivierung spezieller Assoziationen im Gedächtnis aufgrund von Vorerfahrungen mit den
betreffenden Informationen geschieht häufig und zum allergrößten Teil unbewusst.
• Solch ein bahnender Reiz kann ein Wort, ein Geruch, eine Geste oder Ähnliches sein. Der
primende bzw. bahnende Reiz aktiviert Bottom-Up Gedächtnisinhalte, die Top-Down
bestimmen, wie schnell der nachfolgende Reiz verarbeitet wird, oder ob er korrekt erkannt wird,
oder - bei uneindeutigen Reizen - auf welche Weise er interpretiert wird, oder sie beeinflussen
den Gemütszustand oder nachfolgendes Verhalten.
• Das Konzept beruht auf der Aktivierungsausbreitung von Assoziationen.
II.) Bermeitinger et al. (2009):

• Bermeitinger und Kollegen gelang 2009 Logo


eine Replikation des oben genannten
Experiments, wobei sie es auch noch
weiterentwickelten. Maske
• Die Probanden spielten ein Computerspiel,
angeblich um den Einfluss von
10 ms
Traubenzucker-Konsum auf die
Konzentration und Leistung erfassen zu
können. Dabei durften Traubenzucker-
Eine
10 ms aktuelle Studie …
Bonbons zweier Marken in beliebiger
Menge konsumiert werden.
• In das Computerspiel wurde jeweils eines
der beiden Markenlogos mehrfach kurz
eingeblendet (und sofort mit einer „Maske“ Je m
überschrieben). Eige
• Es zeigte sich, dass das Traubenzucker- dem
Produkt, welches unbewusst eingeblendet des
wurde, häufiger konsumiert wurde.
Allerdings galt das nur für diejenigen
Sort
Teilnehmer, die direkt am Anfang kon
angegeben hatte, besonders müde zu sein. dere
Konsum der Traubenzucker-Bonbons als „ein
- Je müder man (nach Eigenangabe) vor dem Experiment war,der
Funktion desto mehr von der Sorte
Müdigkeit.
Traubenzucker konsumierte man, deren Logo „eingeblitzt“ wurde.

III.) Fazit:

• Beide Studien waren in eine Geschichte („Coverstory“) eingebettet, die den wahren Zweck der
Untersuchung verschleierte. Es wurde die Wirksamkeit sehr kurz und maskiert dargebotener
Reize auf das konkrete Konsumverhalten untersucht. Bermeitinger et al. (2009); vgl. Wentura & Frings (2013; Kap. 8)

• Zahllose Experimente der Kognitiven Psychologie zur Frage unbewusster Wahrnehmung


nutzen stets indirekte Tests, gekoppelt mit direkten Tests.

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- Indirekte Tests → der eigentliche Nachweis, dass Reize, die wir nicht bewusst
wahrnehmen, Verarbeitungsprozesse auslösen können.
- Direkte Tests → Nachweis, dass Probanden tatsächlich nicht bewusst die Reize
diskriminieren können.

• In einem Nachtest werden die Probanden zunächst über das Einblenden der Reize aufgeklärt,
dann wird Ihnen eine Reihe von Durchgängen gegeben, in denen jeweils entweder der eine
oder der andere Reiz auf dieselbe Art präsentiert wird, wie während des Tests.
• Jeder Durchgang schließt mit der offenen Präsentation der beiden Reize ab und die Teilnehmer
sollen entscheiden, welcher maskiert gezeigt wurde. → diese Entscheidungen sind i.d.R. auf
Zufallsniveau.

B.) Psychophysik:

1.) Geschichte:

• Den Beginn der modernen Psychologie


datiert man in das ausgehende 19.
Jahrhundert. In der sich damals
vollziehenden Einrichtung einer
eigenständigen psychophysischen Disziplin
befasste man sich mit den
Abbildungsverhältnissen objektiver
Reizeigenschaften im subjektiven
Reizerleben und -empfinden.
• Initiiert wurde dies durch Gustav Theodor
Fechner 1860 (linkes Porträt, 1801-1887).
• Auch Ernst Heinrich Weber spielte in der
Psychophysik eine wichtige Rolle (rechtes
Porträt, 1795-1878).

2.) Untersuchungsgegenstand:

• Genauer gesagt ist der Gegenstandsbereich der klassischen Psychophysik durch die Analyse
und die Bestimmung der quantitativen Transformationsgleichungen zwischen einer
sensorischen Eingangsgröße und einer am Empfinden und Verhalten orientierten
Ausgangsgröße gekennzeichnet.
• Damals standen zunächst Fragen im Vordergrund, wie sich die wahrgenommene Größe,
Helligkeit oder Farbe eines Gegenstands ändern, wenn man seine physikalische Größe,
Helligkeit oder Farbe ändert.
• Man muss sich vergegenwärtigen, dass zur damaligen Zeit die Quantifizierbarkeit psychischer
Phänomene grundsätzlich bezweifelt wurde und dass geeignete Messverfahren nicht verfügbar
waren.
• Die Bereitstellung psychophysischer Methoden, die heutzutage nicht nur in der
Wahrnehmungsforschung Verwendung finden, ist eines der großen Verdienste der Pioniere
jener Zeit.
• Da die klassische Psychophysik an den Transformationsgleichungen zwischen physischen
Eingangssignalen und psychischen Ausgangssignalen interessiert war, muss man die
psychischen Ausgangssignale auf einem vergleichbaren Skalenniveau messen wie die
Eingangssignale.

- Bekanntlich setzt die Rationalskala einen 0-Punkt und gleiche Intervalle voraus, sodass man
die gemessenen Werte im Verhältnis zueinander setzen kann.

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und der eben merkliche Reizun
I.) Wahrnehmungs- und Unterschiedsschwellen: Jetzt mer
Ich merke
keinen ich wiede
einen Un
• Die von Fechner vorgeschlagene Messung psychischer Unterschied!
schied!
Ausgangsgrößen operiert mit Absolut- und
Unterschiedsschwellen (jeweils messbar mithilfe
psychophysischer Methoden).

- Absolutschwelle → ist definiert als die am unteren


Weber
Skalenende zu beobachtende eben merkliche Empfindung
und sie wird mit dem 0-Punkt gleichgesetzt.
- Unterschiedsschwelle → ist und deralseben
definiert merkliche
der eben Reizunterschied
merkliche Empfindungsunterschied zwischen 2 IchReizen
merke
und Jetzt
Ebenmerke
merklicher Reizunterschied 10 g
= = 0.05
sie bestimmt die messbare Intervallgröße. keinen ich wiederStandardreiz 200 g
einen Unter-
Unterschied! Weber
schied!
• Nun hatte bereits Heinrich Weber festgestellt, dass das und
vgl.der eben
Müsseler merkliche
(2008, Reizunterschied
S. 40f); Abb. aus Goldstein (2002, S. 20)

Verhältnis zwischen einem Standardreiz (I) und einem Reiz Ich merke
keinen
Jetzt merke
ich wieder
einen Unter-
mit eben merklichem Unterschied ∆I konstant ist - was nichts Unterschied!
schied!

anderes heißt, als dass die Größe des eben merklichen


Unterschieds proportional mit dem Standardreiz wächst.
• Zunächst ist man davon ausgegangen, dass die Konstante
nur mit der gemessenen sensorischen Dimension variiert.
Eben merklicher Reizunterschied 10 g Es ist der relative
II.) Der Weber’sche Quotient: (Weber’sches
Eben merklicher Gesetz)
Reizunterschied 10 g Standardreiz Es ist
=
der
200 g relative
= 0.05 Unterschied!

= = 0.05 Unterschied!
Standardreiz 200 g 12
vgl. Müsseler (2008, S. 40f); Abb. aus Goldstein (2002, S. 20)

• 1834 bemerkte der Physiologe Ernst Heinrich Weber, dass ein Sinnesorgan ab einem
12
bestimmten Intensitätsbetrag eine Veränderung
vgl. Müsseler (2008, S. 40f); registriert („just
Abb. aus Goldstein noticeable
(2002, S. 20) difference“ = „gerade
noch wahrnehmbarer Unterschied“), die als Unterschied ∆I zum vorangehenden Reiz I in einem
bestimmten, gleich bleibenden Verhältnis k (konstant) zu diesem steht.
• Dies bedeutet, dass mit steigendem Standardreiz die Stärke des Reizes, den man eben noch
als unterschiedlich groß wahrnehmen kann, proportional steigt. (Bsp.: bei 100g sind 5g und bei
200g sind 10g als Unterschied wahrnehmbar)

Beispiele: Der Webersche Quotient

• beim Tastsinn beträgt der erforderliche relative Unterschied Person 1 In einem große
(∆I/I) nach Webers Versuchen etwa 3% des Hautdruckes. Intervall des
Hier stimmt Person 2
• beim Helligkeitssehen etwa 1-2% der Lichtstärke. die Aussage
nicht mehr.
Standardreizes
der Quotient
• beim Geschmack muss die Konzentration um 10-20% zwischen dem
steigen, um als stärker empfunden zu wegen. „eben merkliche
Reizunterschied
• ein relativer Gewichtsunterschied von ungefähr 2% eines in und dem
Standardreiz (fü
der ruhenden Hand gehaltenen Gegenstands wird erkannt. eine gegebene
So nimmt man die Gewichtszunahme eines Gegenstands von Person)
weitgehend
zunächst 50g erst wahr, wenn das Gewicht um 1g auf 51g Eben merklicher Reizunterschied
= Konstante
konstant.
angewachsen ist. Entsprechend muss 5000g Gewicht um Standardreiz

100g anwachsen, um schwerer zu wirken. 1


vgl. Müsseler (2008, S. 40f); Abb. aus Goldstein (2002, S. 20)

➠ Dieses Gesetz stimmt nur unter bestimmten Randbedingungen, da objektive bzw. physische
und subjektiv bzw. psychische Reizintensität je nach Reizart nicht proportional ansteigen. Man
muss bspw. die Lichtintensität um ein Vielfaches ansteigen lassen, um einen Unterschied zu
merken, wohingegen Menschen auf Stromschläge sehr viel sensibler reagieren.

➠ Das Potenzgesetz von Stevens stellt eine bessere Alternative dar, da hierbei die Reizart
berücksichtigt wird. (siehe folgende Seite unten)

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III.) Fechner’sches Gesetz:


Der Webersche Quotient
• Der Physiker und Begründer der Psychophysik Gustav Theodor Fechner erweiterte das
Nutzt
Weber’sche Gesetz 1860 formal man
durch den Weberschen
Integration Quotient,dass
unter der Annahme, um kdie
konstant und
unabhängig von I ist. psychische gegen die physische Reizintensität
abzutragen,
erhält man

Anzahl eben merklicher


eine logarith-

Unterschiede
mische
Beziehung
• R0 ist eine Integrationskonstante, die
meistens den Schwellenreiz festlegt. Die
(Fechnersches
Formel besagt, dass bei einem
Gesetz) ihre
exponentiellen Anstieg der Reizstärke
Empfindung E im Sinnesorgan nur linear
anwächst. Hierbei ist c die von der
jeweiligen Art des Reizes abhängige Größe.
Physikalische Skala
12
(willkürliche Werte)
Beispiele: vgl. Müsseler (2008, S. 41f)

• Durch die logarithmische Adaption kann das menschliche Auge Sinneseindrücke von Helligkeit
zwischen Dämmerung und hellem Sonnenschein von bis zu 10,5 Zehnerpotenzen an
physikalischer Leuchtdichte überbrücken.
• Die Magnitude (mag) ist eine Helligkeitsgröße, der Unterschied zwischen jeder Helligkeitsstufe
(Größenklasse) ist etwa das 2,512-fache. Ein freiäugig gerade noch sichtbarer Stern 6. Größe
(6 mag) ist gegenüber der Sonne (-25 mag) um 31 Größenklassen oder 12,25 Zehnerpotenzen
schwächer. Ein erfahrener Astronom kann in der visuellen Fotometrie Helligkeitskurven zweier
Sterne von nur einigen Prozent wahrnehmen.
• Die wahrgenommene Tonhöhe eines musikalischen Tons hängt logarithmisch von der
Grundfrequenz ab: eine Verdopplung der Grundfrequenz bewirkt die Änderung der Tonhöhe um
eine Oktave.
• Beim Temperatursinn hingegen nimmt die Reaktion der Thermorezeptoren annähernd linear zur
Reizgröße zu. Denn hier ist weniger die „Messung“ der Temperatur wichtig als vielmehr eine
Warnung vor Verbrennung oder Erfrieren. Ähnliches gilt für die Schmerzwahrnehmung.

➠ Nutzt man den Weber’schen Quotient, um die psychische gegen die physische Reizintensität
abzutragen, erhält man eine logarithmische Beziehung. („Fechner’sches Gesetz“)
➠ Die Erweiterung des Weber’schen Quotienten durch Fechner, nannte sich „Weber-Fechner“-
Gesetz.

IV.) Stevens’sche Potenzfunktion: (Potenzgesetz von Stevens)

• Stanley Smith Stevens stellte 1957 fest, dass die Erweiterung


des Weber’schen Gesetzes zu allgemein sei.
• Berücksichtigt man die Abhängigkeit der Reaktionsstärke E
von der Größe des Reizes, so folgt daraus Formel Nr. 1
• Die Integration dieser Beziehung führt zur Stevens’schen
Potenzfunktion. (Formel Nr. 2)
• Sie trifft Aussagen über die Beziehung zwischen objektiver und
subjektiver Intensitätsveränderung.

• Die Konstante c entsteht aus den beiden Integrationskonstanten. Für k < 1 ähnelt sie dem
logarithmischen Weber-Fechner-Gesetz.

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• Stevens validierte die Potenzfunktion mit einer Variante des Konstanzverfahrens (kommt später
in diesem Thema noch), der Methode der direkten Größenschätzung.

➠ Das Fechner’sche Gesetz gilt nur unter bestimmten Randbedingungen. Bessere Ergebnisse
liefert Stevens’ Methode der direkten Größeneinschätzung.

Methode der direkten Größeneinschätzung: Methode der direkten


Größeneinschätzung
• Bei diesem Verfahren weist der
Experimentator einem Standardreiz (I)

Größenschätzung (Helligkeit)
einen numerischen Wert zu (z.B. 10), und
die Aufgabe des Beobachters besteht darin,
einen Vergleichsreiz entsprechend
einzuschätzen.
• Wird dieser beispielsweise doppelt so
intensiv oder hell eingeschätzt, ist der Wert
20 zu vergeben. Damit wird ein direkterer
Weg der Skalierung beschritten, der nicht

Potenzgesetz von Stevens


mehr mit den Unterschiedsschwellen (wie
in obiger Abbildung) operiert.
Lichtintensität
14
vgl. Müsseler (2008, S. 41f); Abb aus Goldstein (2008, S. 16)

Potenzgesetz
Potenzgesetz von Stevens
von Stevens

Potenzgesetz Potenzgesetz UmformulierungUmformulierung


(besser testbar,(besser
da linear)
testbar, da linear)
Potenzgesetz Umformulierung (besser testbar, da linear)
log(W) k' n log(S)
log(W) k' n log(S)
W n
K SW
n
K S n
log(W) mitK_)kk'
mit _ k ' log( nK ) log(S)
' log(
W K S 16
Beispiele: vgl. generell Müsseler (2008, S. 41f);
vgl. generell Abb aus(2008,
Müsseler Goldstein (2008,
S. 41f); AbbS.aus
16)Goldstein (2008, S. 16) mit _ k ' log(K ) 16

• Für das Helligkeitsempfinden ist k ≈ 0,33. 16


• Die wahrgenommene Lautstärke, die „Lautheit“, folgt für mittlere und hohe Schalldrücke nicht
vgl. generell Müsseler (2008, S. 41f); Abb aus Goldstein (2008, S. 16)
dem Weber-Fechner-Gesetz, sondern dem Stevens’schen Potenzgesetz mit k ≈ 0,6 → eine
Erhöhung des Schalldrucks um den Faktor √10 (10 dB) bewirkt eine Verdopplung der Lautheit.

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V.) Zusammenfassung:

• Aufgabe der Psychophysik → Die Beziehung zwischen Reiz und (bewusster) Wahrnehmung
beschreiben. Es geht dabei vor allem um…

- Wahrnehmungsschwellen
- Kleinste wahrnehmbare Unterschiede
- Beziehung zwischen objektiver und subjektiver Intensitätsveränderung
• Fechner und Weber gehören zu den Begründern der Psychophysik und entwickelten Methoden
zur Bestimmung von Wahrnehmungs- und Unterschiedsschwellen.

1. Der Weber’sche Quotient → Weber und der eben merkliche Reizunterschied

- Je weniger stark die Gewichtsunterschiede sind, desto weniger stark werden sie
wahrgenommen.
- die Höhe der Unterschiedsschwelle nimmt mit höherem Gewicht zu (Größe der
Unterschiedsschwelle steigt proportional zur Intensität des Standardreizes).
- Webers Entdeckung → in einem großen Intervall des Standardreizes ist der Quotient
zwischen dem „eben merklichen Reizunterschied“ und dem Standardreiz (für eine gegebene
Person) weitgehend konstant. („Weber’scher Quotient)

2. Fechner’sches Gesetz → Logarithmische Beziehung zwischen psychischer und physischer


Reizintensität, welche man mit Hilfe des Weber’schen Quotienten erhält.

- Besagt, dass die Empfindungsstärke (psychische Reizintensität) nicht linear zum Reiz
(physischer Reizintensität) ansteigt, sondern mit dem Logarithmus der Reizstärke. (hohe
Steigung am Anfang, dann weniger)
- Problem → Gilt nur unter bestimmten Rahmenbedingungen.
3. Stevens’ Methode der direkten Größeneinschätzung → Man präsentiert dem Probanden
einen Standardreiz, welchem ein Wert zugewiesen wird. Danach folgen weitere Reize
verschiedener objektiver Intensität, welche vom Probanden auf den Standardreiz bezogen
werden. (numerisch) → z.B. Einschätzung der Lichtintensität - man erhält eine logarithmische
Funktion.
4. Potenzgesetz von Stevens → trifft Aussagen über die Beziehung zwischen objektiver und
subjektiver Intensitätsveränderung. Die wahrgenommene Reizintensität (W) entspricht einer
konstanten k multipliziert mit der n-fach potenzierten Reizintensität. (W = K*X^n)

- Vorteil → Reizart wird hier mit berücksichtigt.


- Kann man linear formulieren → daher besser testbar
- Wenn man den Logarithmus der Größeneinschätzung gegen den Logarithmus der
Reizintensität aufträgt, werden alle 3 Kurven zu einer geraden Linie.

3 Beispiele möglicher Potenzfunktionen: (siehe Abbildung S. 56 links)

1. Helligkeit → Verdichtung der Antwortdimension. Verdopplung der Intensität führt nicht


automatisch zur Verdopplung der wahrgenommenen Intensität, vor allem nicht bei hohen
Intensitäten. (Licht muss ca. 9 mal so hell sein, damit Proband es doppelt so hell einschätzt)
2. wahrgenommene Länge → Zunahme der Reizintensität entspricht fast genau der
Wahrnehmung. (Einschätzung sehr gut, als Kurve ergibt sich eine lineare Beziehung)
3. Elektroschocks → Spreizung der Antwortdimensionen: Verdopplung der Reizintensität führt
zu mehr als einer Verdopplung der wahrgenommenen Reizintensität.

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C.) Wahrnehmungsschwellen und die Signalentdeckungstheorie:


Klassische Schwellentheorie
1.) Klassische Schwellentheorie:

• An einer absoluten Schwelle passiert ein


plötzliches Umschlagen von einem „Reiz-
nicht entdecken“ zu „entdecken“ zur
Entdeckungsrate von 100%.

- Man hat diese Schwelle nur, wenn man


alle Faktoren konstant hält. Das ist in der
Realität nie der Fall, denn es schwankt
z.B. die Empfindlichkeit der Rezeptoren,
die Aufmerksamkeit, etc.

➠ Naive (und nicht gültige) Annahme einer


scharfen Wahrnehmungsschwelle.

2.) Konstanzmethode: Naive (und nicht gültige) Annahme einer


scharfen Wahrnehmungsschwelle
• Die Konstanzmethode ist eine Methode zur
menschlichen Probanden. Konstanzmethode
Schwellenbestimmung für bestimmte Reize an
Abb. aus Goldstein (2002, S. 17)

• Sie wurde 1860 zuerst von Gustav Theodor Fechner als „Methode der richtigen und falschen
Fälle“ beschrieben.

I.) Vorgehen:
Konsta
• Zufällige Vorgabe von Reizen
unterschiedlicher Stärke → der Proband • Zufä
wird sehr häufig in zufälliger Reihenfolge
mit gleichartigen Reizen verschiedener
Reiz
Stärken stimuliert, dabei sind sowohl Stär
deutlich unterschwellige als auch deutlich
überschwellige Reize. • „Sch
• Der Proband antwortet immer dann mit „Ja“,
wenn er glaubt, einen Reiz wahrgenommen Inte
zu haben. Anschließend wird die Entd
Erkennungswahrscheinlichkeit (Anteil der
„Ja“-Antworten) gegen die Reizstärke betr
aufgetragen. Reizintensität

• „Schwelle“ = Intensität, bei der die Entdeckungsrate 50% beträgt → Man erhält mit dieser
Methode eine psychometrische Funktion. Diese Wie verläuftlautet
„sigmoid“die Begründung
(S-förmig), da deutlich für diese
Schwellendefinition?
unterschwellige Reize nie und deutlich überschwellige Reize immer erkannt werden.
• Die Absolutschwelle für diesen Reiz liegt (per Konvention) bei der Reizstärke, bei der in 50%
der Fälle eine Erkennung stattfand. („point of subjective equality“ - PSE)

Abb. aus Goldstein (2008, S. 14)


Exkurs: Wie lautet die Begründung für diese Schwellendefinition?

• Wie kommt man zu der Annahme, dass die Schwelle bei 50% liegt? → Eine Zufallsvariable, die
durch die Addition vieler unabhängiger Zufallsprozesse entsteht, verteilt sich normal (Zentraler
Grenzwertsatz) → Normalverteilung/Gauß’sche Glockenkurve
• der zentrale Grenzwertsatz kann durch das Galton-Brett veranschaulicht werden.

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• Ein Galtonbrett (auch „Galton’sches Zufallsbrett“), ist ein mechanisches Modell zur
Demonstration und Veranschaulichung der Binomialverteilung, einer
Wahrscheinlichkeitsverteilung, die in vielen Zufallsexperimenten eine Rolle spielt.

- Es besteh aus einer regelmäßigen Anordnung von


Hindernissen, an denen eine von oben eingeworfene Kugel
jeweils nach links oder rechts abprallen kann. Nach dem
Passieren der Hindernisse werden die Kugeln in Fächern
aufgefangen, um dort gezählt zu werden.
- Das Galtonbrett simuliert ein physikalisches Messgerät, dessen
Messwert verrauscht ist. Die horizontale Position der Kugel ist
dabei der zu messende Wert, der am oberen Eingang noch
exakt vorliegt, während er unten in einem der Fächer durch ein
Rauschsignal verändert wurde.
- Die Hindernisse symbolisieren dabei kleine Störungen, die den
Messwert positiv oder negativ beeinflussen können. In der
Summe können sie zu einer größeren Störung anwachsen, sich
aber auch zu Null addieren. (Jedes Aufprallen einer Kugel auf
eines der Hindernisse ist ein Bernoulli-Versuch → also 50%
Wahrscheinlichkeit, nach rechts oder links zu fallen)

- Die Füllhöhen der Fächer geben am Ende Auskunft über die Häufigkeitsverteilung der
verschiedenen Stärken der aufsummierten Störungen. Bei realen Messungen entspricht das
z.B. der Rauschverteilung eines elektrischen Signals, verursacht durch sehr viele sehr kleine
Störsignale, die genauso positiv wie negativ beitragen können.
- Ein grundlegendes mathematisches Gesetz, der „zentrale Grenzwertsatz“, garantiert, dass
eine nahezu beliebig zusammengesetzte Verteilung solcher sehr kleinen und sehr
zahlreichen Einzelstörungen in der Summe gegen die glockenförmige gauß’sche
Normalverteilung konvergiert.
- Sind die Voraussetzungen für eine solche Rauschverteilung erfüllt, spricht man von
„gauß’schem Rauschen“.
- Bei einer endlichen Zahl von Störungen, wie beim Galtonbrett, erhält man die
Binomialverteilung, die im Grenzwert vieler Störungen und vieler Fächer ebenfalls gegen die
Normalverteilung konvergiert.
- Die statistischen Gesetzmäßigkeiten eines solchen zufälligen Messrauschens können
Konstanzmethode
anhand des Galtonbretts auf anschauliche Weise studiert und überprüft werden.

II.) Bezug zur Konstanzmethode:


Wahrscheinlichkeit der
(aktuellen) Schwelle

Beispiel: In 8
• Nehmen wir an, die aktuellen, Durchgang für Durchgänge
Durchgang (trial-für-trial) geltenden Schwellen der roten Flä
verteilten sich gemäß der sogenannten aktuelle Sch
Normalverteilung (auch „Gauß-Verteilung“ genannt).
84% niedriger. Te
diesem „190
150 160 170 180 190 200 210 Teilnehmer i
- Das heißt → es gibt viele unabhängige Intensität mit „Ja“ antw
Zufallseinflüsse, die dazu führen, dass in
manchen Momenten erst Reize der Intensität 190
Wahrscheinlichkeit (in %)

wahrgenommen werden, in anderen Momenten


Kumukative

schon Reize der Intensität 170, usw.

• Dann erhalten wir genau die psychometrische


Funktion wie in einem typischen Experiment zur
Intensität
Konstanzmethode. Schwelle

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Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

• Beispiel → In 84% aller Durchgänge (das entspricht der roten Fläche) ist die aktuelle Schwelle
190 oder niedriger. Teste ich immer mit diesem „190“-Reiz, wird der Teilnehmer in 84% der Fälle
mit „Ja“ antworten.

3.) 2 weitere Methoden zur Schwellenbestimmung:

1. „Grenzwertmethode“ → „der eben merkliche Unterschied“ (Fechner).

- Experiment → Die Schwelle der Entdeckung eines Lichtpunktes. Es wird ein Licht
dargeboten bei einer Schwelle von z.B. 98,5 (Mittelwert der Grenzen). Der Proband sieht ihn.
In allen weiteren Durchgängen wird das Licht verringert (= absteigende Reihen), bis er nichts
mehr sieht. Dies stellt dann den Schwellenwert dar. In den aufsteigenden Reihen wird der
Punkt immer heller, bis ihn der Proband erkennen kann.
- Normalerweise wechseln aufsteigende und absteigende Reihen sich ab. (gegen
Perseverationstendenz der Probanden, gleich zu antworten, wie im Durchgang zuvor)

2. „Herstellungsmethode“ → „Methode des mittleren Fehlers“ (Fechner). Hier nimmt der


Versuchsleiter oder der Proband eine graduelle Veränderung des Reizes vor, bis er/sie eben
schon (bei ansteigendem Level) oder eben nicht mehr sieht (absteigendes Level). Die
Reizveränderung ist also kontinuierlich.

➠ Problem der traditionellen Methoden → sie trennen nicht zwischen der tatsächlichen
Reizdiskriminationsleistung und Urteilstendenzen… auf dieses Problem antwortet die
Signalentdeckungstheorie.

4.) Die „Signalentdeckungstheorie“: (SET; „signal detection theory“ - SDT)

• In der klassischen Psychophysik werden inter-, aber auch intraindividuelle Messvariationen auf
unterschiedliche Zustände des jeweiligen sensorischen Apparats zurückgeführt. So ist z.B.
offensichtlich, dass verschiedene Personen über eine unterschiedliche Sehschärfe verfügen
oder dass bei ein und derselben Person die Sehschärfe kurzfristige Schwankungen aufweist,
die durch unterschiedliche Aufmerksamkeits- oder Motivationszustände der Person bedingt sein
können.

- Die unterschiedliche Erkennbarkeit eines konstanten Reizes unterliegt also


Sensitivitätsschwankungen des Systems.

• Moderne psychophysische Methoden berücksichtigen neben diesen Sensitivitätsschwankungen


zusätzlich das Entscheidungskriterium eines Beobachters.
• Bei einer Reizdarbietung muss z.B. ein Beobachter eine Entscheidung darüber treffen, ob ein
im Schwellenbereich dargebotener Reiz tatsächlich präsentiert wurde oder nicht.

- Diese subjektive Entscheidung kann konservativ erfolgen („Ich bin mir nicht sicher, also
entscheide ich mit NEIN!““)…
- oder sie ist mit einem Risiko behaftet („Ich bin mir nicht sicher, aber ich entscheide mit JA!“).
• Mithilfe der Signalentdeckungstheorie, die vor dem Hintergrund des Signal-Rausch-Abstands
technischer Kommunikationssysteme entwickelt wurde, lassen sich Sensitivität und
Entscheidungskriterium getrennt voneinander bestimmen.

➠ Berücksichtigt also Sensitivitätsschwankungen und Urteils-/Entscheidungstendenzen. (trennt


die tatsächliche Reizdiskrimination von Urteilstendenzen; die Erkennbarkeit eines Reizes
unterliegt nämlich Sensitivitätsschwankungen)

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Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

• Ein wichtiger Unterschied → bei der oben genannten Methode zu Wahrnehmungsschwellen


(Konstanzmethode) wurde in jedem Durchgang ein Reiz dargeboten und der Proband sollte
mitteilen ob er ihn wahrgenommen hatte.

- Dagegen wird bei der Signalentdeckungstheorie zufällig mal ein Reiz dargeboten und mal
Signalentdeckungstheorie
nicht. Der Reiz ist in einem Block von Durchgängen immer von gleicher Intensität.

I.) Erster Parameter: („Sensitivitätsparameter“ d’)


Ein wichtiger Unterschied
• Für den Beobachter kommt es darauf an, die Darbietung „mit Reiz“ von der Darbietung „ohne
• Während
Reiz“ zu unterscheiden beies
- oder, um den bis Terminologie
in der behandeltender Versuchen zur
SET auszudrücken, er muss den
Reiz (das Signal) vomWahrnehmungsschwelle in jedem Durchgang ein Reiz
(Hintergrund-)Rauschen trennen.
dargeboten
• Die SET unterstellt somit wurde
2 Zustände des (und
Systems → 1.) Signal + Rauschen
die Versuchsperson mitteilte,(Sob sie 2.)
+ R),
Rauschen (R) diesen wahrgenommen hat),
• … wird bei Versuchen gemäß der Signalentdeckungstheorie
• Kann der Beobachterzufällig
perfekt zwischen
mal ein Reiz
diesen beiden Zuständen trennen, d.h., Reizvorlage
antwortet er immer mit dargeboten
Ja, wenn ein oder nicht.
Reiz
dargeboten, bzw. •mitDerNein, Reiz
wenn istkeiner
in einem Mit Reiz
(Signal + „Rauschen“)
Ohne Reiz
(„Rauschen“)
dargeboten wurde, soBlock hat ervon100% Durchgängen
Treffer Beobachterurteil

immerAblehnungen
(„hits“) bzw. 100% korrekte von gleicher Ja Treffer Falsche Alarme
(„correct rejections“).Intensität. „Reiz vorhanden“ („hits“) („false alarms“)

• Er wird aber in einigen Nein Korrekte


Versuchsdurchgängen das Signal „Reiz nicht Verpasser Ablehnungen
verpassen (Verpasser, „misses“) oder, wenn vorhanden“ („misses“) („correct rejections“)

kein Reiz dargeboten wurde,


fälschlicherweise angeben, ein Reiz sei 100% 100% 27
dargeboten wordenvgl.(falsche
generell Müsseler (2008)
Alarme, „false
alarms“).

➠ Dieser Sachverhalt lässt sich in einem Vierfelderschema darstellen.

• Nun kann man aus der empirisch beobachtbaren Anzahl von Treffern, Verpassern, falschen
Alarmen und korrekten Ablehnungen auf die relative Lage der S+R- und der R-Verteilungen
schließen.

- Ermittelt man bei einem Beobachter die bedingten Wahrscheinlichkeiten der Treffer
(Wahrscheinlichkeit der Ja-Antwort bei tatsächlicher Reizdarbietung) und der falschen
Alarme (Wahrscheinlichkeit der Ja-Antwort bei unterbliebener Reizdarbietung; die bedingten
Wahrscheinlichkeiten der Verpasser und der korrekten Ablehnungen ergeben sich aus den
jeweiligen Komplementärwahrscheinlichkeiten 1-p), so resultiert daraus die Distanz der
beiden Verteilungsmittelwerten in Form des Sensitivitätsparameters d’.
- Man muss dazu lediglich eine Verteilungsannahme (i.d.R. die Normalverteilung) einführen.
II.) Zweiter Parameter: („Entscheidungskriterium“ c)

• Der zweite Parameter der SET ist das Entscheidungskriterium c des Beobachters bzw. dessen
sog. Antworttendenz („response bias“). Er reflektiert die Strategie, eine Antwort gegenüber der
anderen zu präferieren und ergibt sich rechnerisch aus… c = -0,5 (z(T) + z(F))

- Dieser Ausdruck wird 0, wenn der Beobachter seine falschen Antworten im gleichen Maße
auf falsche Alarme und Verpasser verteilt.
- Ist die Antworttendenz negativ = ja-Tendenz, 0 = neutral, positiv = nein-Tendenz

61
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

III.) Technische Analogie:


Signalentdeckungstheorie
Die technische Analogie
• Nach der Theorie gilt der Weg: Signal →
Weiterleitung und Verarbeitung → Anzeige Anzeige
(„Was kommt an vom
Signal
• Durch viele kleine Zufallseinflüsse bei der Weiterleitung
Signal?“)

Weiterleitung und Weiterverarbeitung „Piep!“ und


„wackelt“ der Zeiger ohne Signal um einen Weiterverarbeitung
bestimmten Wert x, mit einem Signal um
den Wert x + d’.
• Diese Zufallseinflüsse werden in der
Terminologie der Signalentdeckungstheorie
mit „Rauschen“ („noise“) bezeichnet.

- Ist d’ groß genug (d.h. der Zeigerstand verändert sich deutlich), gibt es kein Problem der
vgl. generell Müsseler (2008)
28
Signalentdeckung.
- Ist d’ sehr klein und wird das Signal nur kurz dargeboten, entsteht die Frage: „ab welchem
Ausschlag des Zeigers sage ich, dass ein Signal vorhanden gewesen sein muss?“

• Das Rauschen („wackeln“) ist i.d.R. normalverteilt, d.h.: Signalentdeckungstheorie


- ohne Signal liegt der Mittelpunkt der Verteilung bei x
- mit Signal bei x + d’ Die Norma
- ab einem gewissen Zeigerstand entscheidet die entspricht d
Annahme,
Person, dass das Signal vorhanden war. „Rauschen
normalvert
das „Wack
• in seltenen Fällen schlägt der Zeiger aber auch aufgrund x „Zeigerstand“
Zeigers ist
von Zufallseinflüssen deutlicher nach oben oder unten eng um x (
in seltenen
aus. schlägt der
aber auch
• Der Versuchsteilnehmer („Beobachter“ in Abbildung) von Zufalls
entscheidet sich ab einem bestimmten Zeigerstand für deutlicher n
oder unten
„Signal war da“. Dann werden sich richtige und falsche
Entscheidungen wie im folgenden Beispiel verteilen. x + d‘ „Zeigerstand“

Beispiel:
vgl. Müsseler (2008, S. 43)

• In der Abbildung hat z.B. ein Beobachter ein (Entscheidungs-)Kriterium c verwendet, das zu
80% Treffern und 40% falschen Alarmen geführt hat. Dadurch sind gleichzeitig die Mittelwerte
Signalentdeckungstheorie
der Verteilung festgelegt, und d’ ergibt sich als z-Wert aus der Differenz. → d’ = z(T) - z(F)

- Wobei mit T und F die bedingten Wahrscheinlichkeiten


der Treffer und falschen Alarme in die Berechnungen Dann we
eingehen. richtige u
- Im vorliegenden Beispiel ergäbe sich d’ = 0,842 - (- falsche
0,253) = 1,095 (z-Werte) Entschei
x „Zeigerstand“ so vertei
• d’ ist gleich 0, wenn der Beobachter nicht zwischen S + R
und R diskriminieren kann und somit T = F ist.
• d’ wächst mit zunehmender Diskriminierbarkeit zwischen S
+ R und R an, was bspw. der Fall sein sollte, wenn man
die Reizintensität erhöht.
• Das Entscheidungskriterium ist c = -0,5 (0,842 + (-0,253)) „Zeigerstand“
= -0,295, was einer leichten Tendenz zu mehr Ja-
Antworten entspricht.
vgl. Müsseler (2008, S. 43)

62
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

IV.) „Receiver Operating Characteristic“:


Signalentdeckungstheorie
Signalentdeckungstheorie
• Sensitivitätsparameter d’ und
Antworttendenz c sind statistisch
unabhängig voneinander. Dies ist nicht nur
formal-mathematisch nachweisbar, sondern
c
auch durch Experimente, in denen man die c
Auftretenswahrscheinlichkeit des Signals Bei allen drei
Versuchen:
variiert. Bei alle
d‘ = 1.00
• Tritt das Signal sehr selten auf, wird man Versuc
c (Zur Berechnung
bei unsicheren Beobachtungen eher zu von d‘ aufgrund
von Hits und False d‘ = 1.0
Nein-Antworten tendieren; tritt das Signal Alarms vgl. den
Anhang dieser

sehr häufig auf, wird man umgekehrt eher c Präsentation) (Zur Bere
von d‘ au
Ja-Antworten präferieren. von Hits
Alarms v
• Grafisch lässt sich dies anhand einer c 33 Anhang d
Präsenta
Gegenüberstellung der
Wahrscheinlichkeiten von Treffern und
falschen Alarmen illustrieren, den
„Isosensitivitätskurven“ (ROC-Kurven). c

- Sie beinhalten Kurven gleicher Sensitivität d’, aber unterschiedlicher Kriteriumswahl c.


- Variiert man in einem solchen Experiment zusätzlich die Intensität des Reizes, sodass dieser
besser vom Rauschen diskriminierbar ist, verändert sich die Krümmung der ROC-Kurve und
somit der Sensitivitätsparameter d’. Receiver Operating Characteristic

• In einem vollständigen Signalentdeckungsversuch werden dem In einem vollst


Signalentdecku
werden
Teilnehmer Blöcke von Durchgängen gegeben. • dem Teilne
Durchgäng
• typischerw
Hälfte der
- typischerweise enthält nur die Hälfte der Durchgänge ein Signal. Signal;
• das Signal
- das Signal hat immer die gleiche Intensität. gleiche Inte
• zwischen d
- zwischen den Blöcken wird das Antwortkriterium manipuliert (z.B. das Antwo
manipulier
durch eine Belohnungs-/Bestrafungslogik mit Geldbeträgen), um Belohnung
mit Geldbe
eine ROC-Kurve zu erhalten. um eine ROC-
In einem einfa
deckungsversu
• In einem einfachen Signalentdeckungsversuch wird auf die Die Werte der voran-
gehenden Folie
Manipulation d
verzichtet.
Manipulation des Antwortkriteriums verzichtet.

V.) Fazit:

• Die Frage der Wahrnehmungsschwelle wird im Rahmen der SET zu der Frage, bei welchem
Reiz d’ Null wird.

• Mithilfe der SET können nicht nur Entdeckungsaufgaben analysiert werden, sondern u.a. auch
Gleich-Ungleich- und andere Klassifikationsaufgaben.
• Festzuhalten wäre außerdem, dass sich die SET keineswegs nur zur Analyse von
Wahrnehmungsaufgaben eignet, sondern prinzipiell auch von Gedächtnis-, Kategorisierungs-
oder anderen Aufgabentypen.
• Nicht zuletzt deshalb wäre es äußerst irreführend, den Sensitivitätsparameter d’ als ein Maß
einer sensorischen Sensitivität zu verstehen.

➠ Die SET ist das methodische Instrument, um die Frage „Gibt es eine Verhaltensbeeinflussung
durch nicht bewusst wahrnehmbare Reize?“ zu beantworten.

63
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

VI.) Exkurs - d’ Berechnung: (siehe Statistik)

• Bezieht sich auf das Beispiel auf S.61


• Welcher Wert auf der x-Achse entspricht einer Abtrennung von 40:60%?
• Welcher Wert entspricht einer Abtrennung von 80:20%?
d’ = z(Treffer) - z(falsche Alarme)
d’ = 0.842 - (-0.253)
d’ = 1.095

• In der sogenannten Standardnormalverteilung (Mittelwert 0 und Standardabweichung 1) wird


bei dem Skalenwert -0.253 40% der Fläche und bei einem Wert 0.842 80% der Fläche abgeteilt.

- Es ist etwas unorthodox, links vom Nullpunkt positive Werte und rechts negative Werte auf
einer Skala anzunehmen. Die Normalverteilung ist aber symmetrisch, daher macht das
nichts. Wichtig ist, dass Prozentwerte unter 50% negative Werte erhalten und Prozentwerte
über 50% positive Werte zugeordnet werden.

• Nun bringen wir die beiden Verteilungen wieder auf eine gemeinsame Skala, sodass dem Wert
für die Abtrennung der Falschen Alarme auf der einen Skala dem Wert für die Abtrennung der
Treffer auf der anderen Skala entspricht.

• Den Nullpunkt der oberen Skala übernehmen wir für die gemeinsame Skala. Den Nullpunkt der
unteren Skala berechnen wir durch die Subtraktion der beiden Trennwerte.

- In dem konkreten Fall können wir uns das so klarmachen: Um auf der gemeinsamen Skala
vom Nullpunkt zum d’-Punkt zu gelangen, gehe ich (0.253 + 0.842) Einheiten nach rechts.

• Für den Fall „60% falsche Alarme“ (bei weiterhin 80% Treffern), ist der Abstand zwischen dem
neuen Nullpunkt und d’ = 0.842 - 0.253 = 0.589. (siehe Abbildung rechts)

0
0.253 0
-0.253

0.842 0 0
0.842

0 d‘ = 0.842 - (-0.253) = 1.095 0 d‘ = 0.842 - 0.253 = 0.589

• Die z-Werte werden in einer Normtabelle nachgeschlagen. (dieser Schritt ist hier zur Erklärung
jedoch nicht wichtig)

64
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

D.) Unbewusste Wahrnehmung:

• Es ist ein seit langer Zeit erforschtes Thema, ob es unbewusste Wahrnehmung gibt.
• „Unbewusste Wahrnehmung“ → Der Nachweis, dass ein Reiz eine Wirkung auf das
Verhalten hat bei gleichzeitig subjektiver oder objektiver Unbewusstheit des Reizes.

- „Subjektive Unbewusstheit“ → Reize (bzw. Reizeigenschaften) können nicht subjektiv


berichtet werden.
- „Objektive Unbewusstheit“ → Reizanwesenheit (bzw. Reizeigenschaften) können nicht
über Zufallsniveau kategorisiert werden (d’ = 0)

1.) Allgemeines zur Testung:

• Der indirekte Test → ist i.d.R. eine Primingaufgabe


- Die Aufgabe der Teilnehmer ist es, offen dargebotene Zielbegriffe zu kategorisieren. Zum
Beispiel kann dies die Kategorisierung von positiven und negativen Begriffen nach ihrer
Valenz sein (d.h. danach, ob sie positiv oder negativ sind).
- Kurz davor eingeblendete Prime-Begriffe, die sofort wieder durch eine „Maske“ (i.d.R. eine
Zufallsbuchstabenfolge) überschrieben werden, beeinflussen die Schnelligkeit und
Genauigkeit der Bearbeitung → Stimmt die Valenz des Primes mit der korrekten Antwort auf
den Zielbegriff überein, geht es schneller (und weniger fehlerbelastet). Ist die Valenz
unpassend, ist die Antwort langsamer (und fehlerbelasteter).

• Der direkte Test → besteht darin, dass die Aufgabe wiederholt wird und die Probanden nun
gebeten werden zu versuchen, den Prime zu kategorisieren.

• Ein mögliches Ergebnis ist nun, dass die Teilnehmer im direkten Test nur auf Rate-Niveau
arbeiten, während sie im indirekten Test sehr wohl einen Priming-Effekt zeigen.
• Noch beeindruckender sind sogenannte „doppelte Dissoziationen“ → bestimmte experimentelle
Manipulationen haben umgekehrte Effekte im direkten und indirekten Test.
• In diesem Forschungsfeld versucht man also indirekt auszuloten, wozu Bewusstsein dient,
indem man möglichst präzise herauszufinden sucht, welche Prozesse ohne Bewusstsein
ablaufen.

2.) Subjektive Unbewusstheit: (Sandberg et al., 2010)

• In vielen älteren Studien wurde die subjekive Bewusstheit einfach informell abgefragt.
• In jüngerer Zeit geschieht dies z.B. über die „Perceptual Awareness Scale“ (PAS). Es wird
Unbewusste
angegeben in welcher „Intensität“ der Reiz wahrgenommen Wahrnehmung
wurde…
Subjektive Unbewusstheit
- „No experience“ (garnicht erlebt)
- „Brief glimpse“ (kurzer Einblick)
- „Almost clear image“ (ein fast klares Bild)
- „Absolutely clear image“ (ein absolut
klares Bild) Welcher Stimulus?

• Beispielsweise wird eine geometrische PAS


Form gezeigt, dann eine Maske (Alle 4
Formen übereinander). Danach soll der
Proband entscheiden, welche Form er
gesehen hat und auf der PAS angeben mit Maske
welcher Sicherheit. 41
Sandberg, Timmermans, Overgaard, & Cleeremans (2010) vgl. Eysenck & Keane (2015, S. 77)

65
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

3.) Objektive Unbewusstheit: „Direkter Test“ (Dehaene et al., 1998)


Gibt es unbewusste Wahrnehmung?
• Primes werden in verschiedener Dauer Objektive Zahl-trial
Unbewusstheit („Direkter Test“)
Buchstaben-trial
dargeboten (zwischen 0 und 200 ms). Der
Prime ist z.B. eine ausgeschriebene„Maske“
Zahl Zahl-trial ? Buchstaben-trial
?

(„NINE“) oder Buchstabensalat („KLRS“)


• Eine „Maske“ (Nichtwort aus Groß- & 0 - 200 ? KLRS ? 0 - 200

Kleinbuchstaben) wird für 71 ms jeweils vor


und nach dem Prime präsentiert. 43
0 - ms
200 0 - 200
43 ms KLRS
• Danach sollen die Probanden beurteilen, ob
der Prime eine „Zahl“ vs. „keine Zahl“ war.
• Die Reizerfassung wird getestet (gesehen?
ja/nein), indem geprüft wird, ab wann die Reizvorlage
Trefferrate über Zufallsniveau liegt.
• Anhand der Treffer (Hits) und Falschen Gibt es unbewusste
Beobachterurteil Zahl
Wahrnehmung? Buchstaben

Alarme (False Alarms) wird dann ein Objektive Ja UnbewusstheitTreffer(„Direkter Test“)


Falsche Alarme
„Zahl!“ („hits“) („false alarms“)
mittleres d’ berechnet. Wenn dies nicht Zahl-trial Buchstaben-trial
Korrekte
signifikant ist, dann befindet man sich noch Nein Verpasser
Ablehnungen
„keine Zahl!“ ? („misses“) ?
auf Zufalls-/Rateniveau. Hier wird also die („correct rejections“)

„Prime awareness“ erfasst.


Dehaene et al. (1998;
0 - 200 vgl. generell auch Eysenck & Keane, 2015,
0 - S. KLRS & Frings, 2013, Kap. 8)
200 76f; Wentura

Ergebnis:
Experimentelle Messgrößen zur Erfassung der „prime awareness“
(Mittelwerte einer Stichprobe von Teilnehmern)
• d’ liegt in diesem Experiment bei 0,2 und Prime-Dauer (in ms)
das liegt bei der Größe dieser Stichprobe
0 29 43 57 114 200
noch im Bereich des Zufalls. Trefferrate 28.6 40.2 49.1 46.4 78.6 95.5
• Durch eine Variation der Darbietungsdauer Falsche
34.8 32.1 41.1 30.4 28.6 16.1
des Primes (29ms, 43ms, 57ms, 114ms, Alarme (%)
45
200ms) kann d’ verändert werden. d‘ -0.17 0.22 0.20 0.42* 1.36** 2.69**
Dehaene et al. (1998; vgl. generell auch Eysenck & Keane, 2015, S. 76f; Wentura & Frings, 2013, Kap. 8)

- Bei 43ms ist die Höhe der Treffer, weil es einen Prime gab, und der falschen Alarme, obwohl
es keinen gab, noch vergleichbar hoch.
- Ab 57ms übersteigt die Trefferrate die Rate falscher Alarme signifikant → Dazwischen muss
die Wahrnehmungsschwelle liegen (subjektive (Un)-bewusstheit). (es liegt also ab 57ms ein
signifikantes d’ von .42 vor)

• Wichtig → Die Schlussfolgerung „Bei 43ms Präsentation ist ein Reiz unbewusst!“ darf nicht
verallgemeinert werden. Das war bei dieser Experimentalanordnung so, d.h., bei dieser Art von
Maskierung, bei dieser Aufgabe und bei diesem Material.

4.) Indirekter Test:


Gibt es unbewusste Wahrnehmung?
Indirekter Test
Kongruenter Trial Inkongruenter Trial
• Ein maskiertes Primewort
(Buchstabensalat) wird für 71ms jeweils vor
und nach dem Prime gezeigt (einem
Zahlwort, präsentiert für 43ms).
• Nach dem zweiten Buchstabensalat folgt
eine weitere Zahl (das Target).
• Prime und Target variieren zwischen
ausgeschriebener (verbal, V) und
numerischer (arabisch, A) Präsentation.
• Die Aufgabe lautet: „War die Target-Zahl
größer oder kleiner als fünf?“
49
Dehaene et al. (1998; vgl. generell auch Eysenck & Keane, 2015, S. 76f; Wentura & Frings, 2013, Kap. 8)

66
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

Maske → Prime → Maske → Target → smaller/larger than 5 (schnellstmöglich)

• Unabhängige Variablen → Man unterscheidet…

Gibt es unbewusste Wahrnehmun


- Kongruente Trials → Prime & Target sind beide kleiner/größer als die gegebene Zahl.
- Inkongruente Trials → Prime & Target sind unterschiedlich (V-V, A-V, V-A, A-A).
Indirekter Test
• Abhängige Variable → Reaktionszeit in ms 550
Inkongruent
Kongruent V = ve
Ergebnisse: A = Ara

Reaktionszeit (in ms)


530
• Hauptergebnis → Inkongruente Targets
werden langsamer verarbeitet als kongruente 510
Targets → Es gibt eine deutlich nachweisbare
indirekte Verhaltensbeeinflussung durch den 490
maskierten Reiz bei Abwesenheit von
bewusster Wahrnehmung.
• Nebenergebnis → Die Verarbeitung ist auf 470
kategorialem Niveau, da die Modalität (Wort- V-V A-V V-A A-A
Prime- und Target-Bezeichnung letters to nature
vs. Zifferndarstellung) keinen Unterschied
macht. • Hauptergebnis: Inkongruente Targets werden langsamer v
kongruente Targets Es gibt eine deutlich nachweisbare
• Ein weiterer Hinweis auf unbewusste Verhaltensbeeinflussung durch den maskierten Reiz bei Ab
Wahrnehmung → die EKP-Kuren von von bewusster Wahrnehmung
maskiertem Prime und Target im EEG sind
vergleichbar…
• Nebenergebnis: Die Verarbeitung ist auf kategorialem Nive 8
Modalität (Wort- vs. Zifferndarstellung) keinen Unterschied
- Primes (rote Kurve) und Targets (grüne
Dehaene et al. (1998; vgl. generell auch Eysenck & Keane, 2015, S. 76f; Wentura & Frings, 2013,
Kurve) erzeugen vergleichbare
ereigniskorrelierte Potenziale im EEG.
- Die zeitliche Verschiebung entspricht in
etwa dem zeitlichen Abstand der beiden
Reize.

5.) „Response Priming“:


Figure 4 ERP measures of covert and overt motor activation. At each electrode sign and topography of the covert motor priming effect and of the overt motor
site, two independent t-tests were performed on scalp voltages. The first test response effect are similar, indicating that primes and targets were processed in a
compared trials with overt target-induced right-hand or left-hand responses similar way according to task instructions. The bottom curve shows the temporal
• Mit dem Begriff „Response Priming“ bzw. „Reaktionsbahnung“ bezeichnet man eine besondere
(green curve and top right map). The second test compared trials with primes
inducing a covert left-hand or right-hand bias (orange curve and top left map).
evolution of the two independent t-tests at electrode site C3, positioned over the
left motor cortex (coloured areas, P , 0:05). The covert effect preceded the overt
Form des Priming in der Wahrnehmungspsychologie.
Statistical parameter maps in polar coordinates (top) show colour-coded t-test effect by 152 ms, a delay roughly comparable to the interval between the onsets of
values at each site on the scalp, at the delay at which the effect was maximal. The the prime and target (114 ms).

- Allgemein bestehen Priming-EffekteAlthough


darin,
small
this coarse haemodynamic measure cannot resolve the larger or smaller than 5, the prime must have been categorized at the
activationdass die Reaktion
delays associated (response)
with masked priming, auflevel.
we rea- semantic einen
By showingZielreiz
that a large amount of cerebral processing,
(target) von der vorausgehenden Präsentation eines Bahnungsreizes (prime) beeinflusst
soned that it should be proportional to the total brain activity including perception, semantic categorization and task execution,
accumulated during a given trial, and should therefore reflect the can be performed in the absence of consciousness, our results
wird. sum of overt and covert activation in motor areas. We therefore narrow down the search for its cerebral substrates.
extracted the fMRI signal profile from the left and right motor
M
.........................................................................................................................

cortices, and used it to derive an index of lateralized motor Methods


activation analogous to the LRP, the lateralized bold response Procedure. All experiments were approved by the French ethical committee
• Die Besonderheit des Response Priming ist, dass beide Reize sehr schnellforconsisted
aufeinander
biomedical folgen
(LBR; Fig. 5). This measure showed a highly significant positive
research, and subjects gave informed consent. The stimulus set
peak following each motor response. The LBR was smaller in
of 64 pairs of prime and target numbers 1, 4, 6 and 9, each in either
und mit motorischen Antwortalternativen verknüpft sind. incongruent trials than in congruent trials. The direction of this Arabic or spelled-out format. Subjects performed the number-comparison task
effect is identical to that seen in the LRP (Fig. 3b). Both effects
twice in counterbalanced order. In one block, the instruction was to press the
• Wenn eine Versuchsperson eine schnelle Reaktion ausführt, um den Zielreiz zukeyklassifizieren,
indicate a significant prime-induced activation on the wrong
right-hand for targets larger than 5 and the left-hand key for targets smaller
response side on incongruent trials relative to congruent trials,
kann ein kurz zuvor erscheinender Prime Antwortkonflikte auslösen, wennthan
er5. Ineiner
another block, the opposite instruction was used. Within each block,
anderen
diminishing the overall size of the activation on the correct motor
subjects received initial training (ERPs, 16 trials; fMRI, 25 trials) before the
side. Electrical and haemodynamic measures of covert masked
Antwortalternative zugeordnet ist als der Zielreiz. experimental session (ERPs, 256 trials; fMRI, 64 trials).
priming were complementary: fMRI localized the priming effect
Event-related potentials. Twelve subjects were tested (six males; mean age 25;

• Diese Antwortkonflikte schlagen sich in den Verhaltensdaten in Form von sog. „Priming-
to motor cortex, but was insensitive to its time course, whereas ERPs
one other subject was rejected because of excessive motion). We presented a
pinpointed the priming effect to a small window of time before the
total of 512 stimuli at a 3-s rate on a standard PC-compatible SVGA screen
Effekten“ nieder, etwa in Reaktionszeiten und Fehlerraten. overt target-related motor activation.
(EGA mode, 70 Hz refresh rate). The electroencephalogram was digitized at
Our results resolve the issue of the depth of processing of masked
125 Hz from 128 scalp electrodes referenced to the vertex , for a 2,048-ms 15

primes3. First, the results show that the processing of masked primes is period starting 400 ms before the onset of the first mask. We rejected trials with
accompanied by measurable modifications of electrical brain activity incorrect responses, voltages exceeding 6100 mV, transients exceeding 650 mV,
• Eine besondere Eigenschaft von Response-Priming-Effekten ist ihre Unabhängigkeit von der
and of cerebral blood flow. This concurs with the observation of a
modulation of amygdala activity by masked visual faces11,12. As shown
electro-oculogram activity exceeding 670 mV, or response times outside a 250–
1,000-ms interval. The remaining trials were averaged in synchrony either with
bewussten Wahrnehmung (Sichtbarkeit) des Primes. previously13,14, brain imaging now has the potential to image uncon- stimulus or with response onset, digitally transformed to an average reference,
scious cerebral processing. Second, unconscious activity is not con- band-pass filtered (0.5–20 Hz), and corrected for baseline over a 400-ms
fined to brain areas involved in sensory processing. Even areas involved window before stimulus onset (similar results were observed with the raw,
in motor programming were covertly activated here, depending on the unfiltered data). Experimental conditions were compared by sample-by-
side of the motor response that subjects should have made if they had sample t-tests on electrodes C3, C4 and Cz, with a criterion of P , 0:05 for

67
responded to the primes according to the task instructions. Because
this motor parameter was determined by whether the prime was
five consecutive samples. Two-dimensional maps of scalp voltage and t-values
were constructed by spherical spline interpolation16.

Nature © Macmillan Publishers Ltd 1998


NATURE | VOL 395 | 8 OCTOBER 1998 | www.nature.com 599
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

• Keine direkte Erkennung des Primes → das mittlere d’ für die direkte Aufgabe (also direkte
Erkennung der maskierten Zahl) ist Null.
• Und gleichzeitig → Gibt es einen Primingeffekt in der indirekten Aufgabe (schnellere und/oder
bessere Kategorisierung, wenn Target und Prime dieselbe Reaktion erfordern, also kongruent
sind).

➠ Dieses Phänomen konnte für viele Stimulusarten nachgewiesen werden.

E.) Rindenblindheit: („blindsight“)

1.) Allgemeines:

• Rindenblindheit ist eine ältere neurologische Bezeichnung


(Phänomen aus der Klinischen Neuropsychologie) für eine
Blindheit aufgrund eines teilweisen oder vollständigen
Ausfalls der primären Sehrinde, also der kortikalen Area V1
→ „Area Striata“ (primärer visueller Kortex)
• Gebräuchlicher sind heute die spezifischeren
Bezeichnungen für teilweise Ausfälle…

- Hemianopsie (halbseitiger Gesichtsfeldausfall)


- Quadrantenanospie (viertelseitiger Gesichtsfeldausfall)
- Skotome (teilweiser Gesichtsfeldausfall)
• Da die primäre Sehrinde retinotrop (wie eine Karte der Retina) organisiert ist, äußern sich die
Ausfälle im Fehlen bewusster Wahrnehmung in umschriebenen Bereichen des Gesichtsfeldes.
• Da die Gesichtsfelder des linken und rechten Auges auf die gleiche Hirnseite projizieren, sind
die Ausfälle dabei homonym, d.h. sind für das linke und rechte Auge gleich.
• Rindenblindheit ist von der Seelenblindheit (den visuellen Agnosien) zu unterscheiden, die zwar
ebenfalls auf Läsionen des Kortex beruht, allerdings auf Schädigungen höherer visueller Areale,
bei Intaktheit der primären Sehrinde.
• Bei einer verbleibenden Restfunktion visueller Informationsverarbeitung in Teilen des
Gesichtsfeldes, spricht man vom Blindsehen.

- die betroffenen Personen haben in diesen Gesichtsfeldbereichen keine bewussten


Seheindrücke, da die Intaktheit der primären Sehrinde offenbar eine Voraussetzung dafür ist.
- Dennoch können sie auf dargebotene visuelle Reize sinnvoll reagieren und etwa deren Ort
angeben, oder deren Farbe benennen. Zum Beispiel „visuo-motorische
Koordination“ (Greifhandlungen)

➠ Vermutlich ist der dorsale Pfad („Wo?“) intakt. (siehe WA2, S.41)

Fragen:

• Ist Blindsight = normale visuelle Wahrnehmung minus dem bewussten Eindruck?


→ Nein! Die Diskriminationsleistung ist sehr viel schlechter im „blinden“ Wahrnehmungsfeld.

• Ist Blindsight nur extrem reduzierte Wahrnehmung? (besteht also ein nur quantitativer, kein
qualitativer Unterschied zur normalen Wahrnehmung?)

→ Nein! Experimente mit der „Prozess-Dissoziations-Prozedur“

68
Eine Einzelfallstudie
Das Phänomen der „Rindenblindheit“ (blindsight)
• Patient G.Y.: „blindes“ rechtes Gesichtsfeld (linkes ist
Eine Einzelfallstudie intakt)
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart
• mit
Relative Rate (in %) von Antworten, die Präsentation von Reizen (für
100 ms) im linken oder
dem Reizort übereinstimmten
rechten visuellen Feld, jeweils oben oder unten
• Prozess-Dissoziations-Prozedur
2.) Evidenz: Einzelfallstudie — Patient G.Y. (Persaud & Cowey, 2008)
– Inklusionsbedingung: Gib den Ort (oben oder unten) an, in
Anteile von dem
bewus- der Reiz erschienen ist!
• Der Befund dafür, dass nicht nur ein quantitativer, sondern auch ein qualitativer Unterschied zur
sten und –unbewus-
Exklusionsbedingung: Gib den Ort (oben oder unten) an, in
„normalen“ Diskriminationsleistung besteht.
sten Prozessen
dem der Reiz nicht erschienen ist!
(Schätzungen auf-
Relative Rate (in %) von Antworten, die mit dem Reizort übereinstimmten
grund der Tabel-
• linkes Gesichtsfeld intakt und rechtes lenwerte; vgl. auch
Gesichtsfeld „blind“. den Anhang dieser
Präsentation)
} }
• Präsentation von Reizen (für 100ms) im Fast keine Fehler über 50 %, aber unbeeinflusst von Instruktion

linken (intakt) oder rechten (blinden) Persaud & Cowey (2008); vgl. Eysenck & Keane (2015, S. 73f)

visuellen Feld, jeweils oben oder unten. Bewusste Prozesse


• Prozess-Dissoziations-Prozedur → Unbewusste Prozesse

- Inklusionsbedingung → Gib den Ort


(oben oder unten) an, in dem der Reiz
(links) (rechts)
erschienen ist!
Persaud & Cowey (2008); vgl. Eysenck & Keane (2015, S. 74)
- Exklusionsbedingung → Gib den Ort
(oben oder unten) an, in dem der Reiz
(links) (rechts)
nicht erschienen ist!

• Abbildung → Anteile von bewussten und unbewussten Prozessen (Schätzungen aufgrund der
Tabellenwerte).
• Ergebnis → G.Y. neigt bei beiden Aufgabenstellungen dazu, den wahren Ort des Stimulus zu
nennen! Er kann also auf die Infos (den Ort) zugreifen, sie aber nicht bewusst verarbeiten.

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Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

F.) Schluss & Prüfungsfragen:


Zu guter Letzt …
• Zurück zum Anfang dieses Themas → Es gibt ebenfalls das Gerücht, dass unterschwellige
auditive Botschaften (in Musik versteckt), das Verhalten beeinflussen soll. Insbesondere dieses
Gerücht ist falsch.

Studie: Merikle & Skanes (1992)


• Audiob
168 Baseline
angebl
• Unterschwellige Botschaften für Gewichtsverlust 167
Wochen 1-5 untersc
→ Audiobänder mit angeblichen unterschwelligen Botsch
166
Gewich

Gewicht (lbs)
Botschaften zur Gewichtsreduktion.
• Kein Effekt. Gilt auch für andere Bänder (z.B. 165
• Kein E
Selbstwertsteigerung).
• Abbildung → mittleres Gewicht (in pound [∼ 0.45
164 • Gilt au
kg]) für jede Gruppe vor der 163 Bände
„Behandlung“ (Baseline) und gemittelt über die 162
wertste
Wochen 1-5 nach „Behandlungs-“Beginn. Subliminal Placebo Warteliste

Prüfungsfragen: Mittleres Gewicht (in pound [~ 0.45 kg]) für jede Gruppe vor der „Beh
(Baseline) und gemittelt über die Wochen 1-5 nach „Behandlungs“-B

• Was besagt die klassische Schwellentheorie?


• Welche 3 Methoden zur Schwellenbestimmung werden diskutiert? (Fechner)
Merikle & Skanes (1992)
• Was sagt der sog. „Weber’sche“ Quotient in der Psychophysik? Wieso ergibt sich hier eine
logarithmische Beziehung zwischen physischer und psychischer Reizintensität? Inwiefern
stimmen diese Gesetze nicht?
• Was besagt das Potenzgesetz von Stevens?
• Erläutern Sie die Signalentdeckungstheorie in ihrer Anwendung auf das Problem der
Wahrnehmungsschwellen.
• Warum ist zur Bestimmung von z.B. auditiven Wahrnehmungsschwellen eine Anordnung
ungeeignet, bei der man Durchgang für Durchgang Töne unterschiedlicher Lautstärke
präsentiert und die Person fortlaufend angibt, ob sie etwas hört oder nicht? Erläutern Sie auch
eine bessere Alternative. (Frage gibt es auch mit hell/dunkel, etc.)
• Nennen Sie ein experimentelles Beispiel für unbewusste Wahrnehmung und gehen Sie dabei
auch auf die Parameter der SET ein.
• Wie lässt sich unbewusste Informationsverarbeitung nachweisen? Welche direkten und
indirekten Testverfahren gibt es und wie werden sie als Belege eingesetzt?
• Skizzieren Sie eine Untersuchungsanordnung mit der man bestimmen kann, wie lange Wörter
(mit darauf folgender Maskierung) präsentiert werden dürfen, damit sie gerade nicht mehr
wahrnehmbar sind.

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