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Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

Teil 1: Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

1.) Einführung: (Übersichtsvorlesung bestehend aus 3 Foliensätzen - a, b, c)

„Schön, dass Sie es bis hierhin geschafft haben. Das ist nicht trivial!“ → Komplexe
Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und Denkleistungen, die zu komplexen
Handlungssteuerungen führen, haben Sie bis hierhin gebracht.

• Der Mensch als…


- frei nach selbst gewählten Zielen handelnde Person, die bewusst die Welt wahrnimmt und
rational in ihrem Denken reflektiert.
- biologischer „Automat“, der durch die Naturgesetze determiniert wird.
➠ Die Psychologie definiert sich durch die Frage, wie sich diese beiden Perspektiven aufeinander
beziehen lassen.

Definition „Kognitive Psychologie“:

• Wikipedia → Kognitive Psychologie ist ein


Teilgebiet der Psychologie und beschäftigt
sich auf der erkenntnistheoretischen
Grundlage des Kognitivismus mit der
Informationsverarbeitung („Kognition“),
insbesondere mit all jenen psychischen
Vorgängen, die mit Wahrnehmung,
Erkenntnis und Wissen zu tun haben.

- Ist in den Kognitionswissenschaften


(Abbildung) einzuordnen.
- Gegenstand sind die noch weitgehend
unerforschten, auf komplexe Weise
organisierten psychischen Mechanismen
des menschlichen Denkens.

• Eysenck & Keane → „Ein Ansatz, der darauf abzielt, die menschliche Kognition durch die
Untersuchung des Verhaltens zu verstehen.“

• Wentura & Frings → „Wie das Denken im Kopf entsteht“. → „Denken“ ist hier in einem
umfassenden Sinne gemeint…

1. Wie funktionieren z.B. die Prozesse der visuellen Wahrnehmung, die vom Abbild der Welt
auf der Netzhaut bis hin zum Erkennen von Objekten reichen?
2. Wie funktionieren die Prozesse der Aufmerksamkeitssteuerung, die uns helfen, das
momentan Relevante aus der Vielfalt des Irrelevanten herauszustellen?
3. Wie funktioniert unser Gedächtnis, sowohl das für das kurzfristige Behalten, das Gedächtnis
für Ereignisse unseres Lebens, als auch dasjenige für das Wissen über die Welt?
4. Wie schlussfolgern wir, wie kommen Urteils- und Entscheidungsprozesse zustande?
5. Wie planen wir Handlungen und wie führen wir sie aus ?

➠ „Kognitive Psychologie“ = (1) Wahrnehmung, (2) Aufmerksamkeit, (3) Gedächtnis,


(4) Denken & Urteilen, (5) Handlungssteuerung

1
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

A.) Funktionsbereiche der Psyche: (Worum geht es?)

1.) Wahrnehmung:
„top down“-
Prozesse
Sinneseindrücke, Raum, Tiefe, Formen,
Farbe, Objekte, Bewegung
„bottom up“-
• Wahrnehmung als Wechselspiel von Prozesse
„Bottom-Up“ und „Top-Down“-Prozessen.
• Als „Top-Down“ (von oben nach unten) und
„Bottom-Up“ (von unten nach oben) werden
zwei entgegengesetzte Wirkrichtungen in
Prozessen bezeichnet, die in
verschiedenen Sinnzusammenhängen für
Analyse- und Syntheserichtungen
verwendet werden.

1. Top-Down → geht vom Abstrakten/Allgemeinen/Übergeordneten schrittweise hin zum


Konkreten. („konzeptgesteuert“)
2. Bottom-Up → bezeichnet die umgekehrte Richtung = vom Konkreten zum Abstrakten/
Allgemeinen/Übergeordneten. („datengesteuert“/„vorstellungsgetrieben“)

➠ Zwei grundsätzlich verschiedene Denkrichtungen, um komplexe Sachverhalte zu verstehen, zu


beschreiben, oder darzustellen.

• Entsprechende Beziehungen bestehen auch zwischen den Begriffen →


- Deduktion (lat. „deducere“ = herabführen; Top-Down) → ein gedanklicher Vorgang von
etwas Allgemeinem (z.B. Begriff „Menschheit“) zu etwas Besonderem (einem konkreten
Individuum, z.B. Napoleon)
- Induktion (lat. „inductio“ = „die Hereinführung“; Bottom-Up) → bezeichnet den umgekehrten
Vorgang, also von einem konkreten Individuum (z.B. Napoleon) zu dem allgemeinen Begriff
„Menschheit“.

• sowie…
- Aggregation → Vereinigung von Segmenten (Teilen) zu einem Ganzen.
Worum geht es?
- Dekomposition → Zerlegung, Auflösung eines Ganzen in einzelne Segmente (Teile).
Wahrnehmung
I.) Beispiel 1: (Punktebild)

• Bottom-Up Verarbeitung (datengesteuert/


vorstellungsgetrieben) ist eine Form der
Wahrnehmungsanalyse, bei der
sensorische Daten mit bestimmten
physikalischen Reizmerkmalen an das Hirn
weitergeleitet werden. Dabei werden die
Daten so transformiert, damit sie im Gehirn
in abstrakter Form repräsentiert werden
können. (also direkte Wirkung des Reizes)

- Schwarz-Weiß Punkte des Bildes an der


Position des Hundes sehen.
Was ist das?
2
Abb. aus Gregory (2005; hier aus: Wentura & Frings, 2013)
24
Worum geht es? Maximilian Bungart
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18
Wahrnehmung
• Top-Down Verarbeitung (konzeptgesteuert)
ist eine Form der Wahrnehmungsanalyse,
die höhere mentale Prozesse zur
Identifikation und Wiedererkennung von
Objekten/Ereignissen heranzieht. Also der
Einbezug von Erfahrung, Vorwissen,
kulturelle Dispositionen. Ausgangspunkt der
Verarbeitung sind also Konzepte/
Hypothesen, mit denen wir den Perzepten
Bedeutung verleihen.

- Punkte an der Position des Hundes


anhand des Konzepts „Hund“ im
Gedächtnis herleiten und erkennen.
Worum
II.) geht
Beispiel 2: es? in der Vorlesung → „Sehen im Kontext“)
(Experiment 23
Wahrnehmung Worum geht es?
Abb. von Harris (1998) [http://www.langara.bc.ca/psychology/dalmatian.htm]

• Die eine Gruppe (1) der Studenten betrachtet die Wahrnehmung


Abbildungen (1-5) auf der linken, die andere
Gruppe (2) die Abbildungen (1-5) auf der rechten Seite.

1 2 3 4 5 1 2 3 4 5

• Anschließend wird Bild 5 einzeln gezeigt und es wird gefragt, was die Studenten sehen („Was
sehen sie?“).
• Je nach Gruppe, sehen die Studenten entweder einen alten Mann (Gruppe 1) oder eine Maus
(Gruppe 2). Jede Gruppe lernte für sich also vorher ein Konzept zu dem Bild und nahm es
16
dementsprechend war (Bottom-Up Prozess). → Wahrnehmung als Wechselspiel von „Bottom-
18
Up“ und „Top-Down“-Prozessen.

III.) Beispiel 3: (aus Eysenck & Keane) 1 APP

phrase (i.e., to
• Ein Stimulus wird präsentiert und löst einen bestimmten STIMULUS
the informatio
internalen kognitiven Prozess aus, welcher letztendlich die stimulus (i.e.,
gewünschte Antwort produziert Prozesse, die direkt vom Reiz Attention The tradit
simplified in
(Input) beeinflusst werden, werden als „Bottom-Up“- typically seria
Prozesse bezeichnet. Perception
situations in w
involved in a c
time – this is k
- Früher nahm man an, dass immer nur ein Prozess zur Thought
is often hard t
processes a given task is
gleichen Zeit auftritt („serial processing“). Ein Prozess are much more
muss also erst abgeschlossen sein, damit ein weiterer when performi
folgen kann. Decision practised than
(see Chapter 5
- Die Abbildung ist jedoch zu einfach dargestellt. In der RESPONSE
their first drivin
Realität gibt es viele Situationen, in der die Verarbeitung OR ACTION to change gear
attention to ot
nicht ausschließlich „Bottom-Up“ stattfindet, sondern auch Figure 1.1 An early version of the information- In contrast, an
processing approach.
„Top-Down“. and can even
For many y
at any moment in time. This is known as serial cognition invo
processing, meaning that the current process
• „Top-down“-Processing ist die Verarbeitung, welche durch die Erwartungen und das Wissen
is completed before the next one starts.
healthy individ
Such experime
eines Individuums beeinflusst wird und nicht nur durch den Reiz selbst.
The above approach represents a drastic and “scientific
oversimplification of a complex reality. There ingenuity in d
are numerous situations in which processing the processes i
is not exclusively bottom-up but also involves learning, mem
top-down processing. Top-down processing consequence, t
3 is processing influenced by the individual’s gists have had
expectations and knowledge rather than simply conducted by c
by the stimulus itself. Look at the triangle shown as we will see,
in Figure 1.2 and read what it says. Unless you in this book ow
are familiar with the trick, you probably read logical approa
it as, “Paris in the spring”. If so, look again,
in Figure 1.2 and read what it says. Unless you in this b
are familiar with the trick, you probably read logical a
it as, “Paris in the spring”. If so, look again, An
Allgemeine Psychologie 1 and you will see that the word
Skript 2017/18 “the” is repeated.
Maximilian Bungart ogists h
Your expectation that it was the well-known
• Liest man den Text in dem Dreieck zum KEY
ersten mal, wird man vermutlich „Paris in
the spring“ lesen. Beim zweiten hinsehen serial
fällt jedoch auf, dass dort ein zusätzliches proces
„the“ steht. PARIS see pa
IN THE
top-do
- Erklärung → Unsere Erwartung, dass is influ
es der bekannte Satz „Paris in the THE SPRING past ex
spring“ ist (der „Top-Down“-Prozess), parall
dominiert die Information, welche or mo
eigentlich von dem Reiz verfügbar ist Figure 1.2 Diagram to demonstrate top-down time; s
(der „Bottom-Up“-Prozess). Dadurch processing.
blenden wir das zweite „the“ aus.

• Außerdem weiß man mittlerweile, dass viele kognitive Prozesse parallel zur selben Zeit
ablaufen, dies nennt sich „parallel processing“.
• Es ist schwer zu sagen, ob ein Prozess seriell oder parallel abläuft, dennoch ist es
wahrscheinlicher, parallele Verarbeitung bei Aufgaben zu benutzen, in denen wir hoch geübt
9781841695402_4_001.indd 3
sind. Dinge, die wir gerade erst lernen, werden hingegen eher seriell Verarbeitet.

- Beispiel → Jemandem der seine erste Fahrstunde hat ist es nahezu unmöglich während
Worum geht es
dem Fahren noch andere Dinge zu tun, wohingegen erfahrene Fahrer dies ohne Probleme
können.

Gliederung der Vorlesung zum Thema „Wahrnehmung“: Aufmerksamkeit


blau
1. Basale Prozesse der visuellen Wahrnehmung (WA2)
xxxx
2.
3.
Wahrnehmung und Bewusstsein (WA3)
Räumliche Tiefe und Größenkonstanz (WA4)
rot
4.
5.
Objekterkennung (WA5) → 2 herausgehobene Kategorien von Objekten: Gesichter & Wörter
Gesichtererkennung (WA6)
grün Stroo
6.
7.
Sprachwahrnehmung und Lesen (WA7)
Bewegung und Handeln (WA8) Worum
xxx geh
2.) Aufmerksamkeit & Handlungssteuerung: blau blau• Aufg
Aufmerksamk„Ben
• Prozesse der Wahrnehmung werden erst richtig verständlich, wenn wir xxxx xxxx
den Auswahlaspekt („eines Herausheben zu Lasten von anderem“) Farb
betonen → Aufmerksamkeit blau rot • Farb
- Beispiel → „Stroop“-Effekt — „Benenne möglichst schnell die Farbe rot grün wenn S
jedes Stimulus!“. Die Farbbenennzeiten dauern länger, wenn der
Stimulus ein anderes Farbwort ist. Grund → Automatisches Lesen
xxxx xxx Farb
(gegen die Absicht!) führt zur Interferenz von Inhalt (also der Farbe).

- Grund für die Schwierigkeit → das Lesen der Wörter wurde über
die Jahre automatisiert und muss daher erst inhibiert werden. grün blau ! Auto
xxxx Absic
• xxxx
Selektive Aufmerksamkeit (WA9) → „Beachte Zielrelevantes! Ignoriere Zielirrelevantes!“ …
ohne übergreifend Relevantes zu verpassen! (Bsp. „Cocktailparty“-Phänomen) Inhal
blau
vgl. Eysenck & Keane (2010, S. 4 und 195; Wen

- Unter dem Begriff „Cocktail-Party-Effekt" versteht man die Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit
selektiv einzusetzen → Wir richten sie auf einen Aspekt und blenden andere Informationen rot
aus.
xxxx
4 grün !
xxxx
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

- Wir können auf einer lauten Party unserem Gesprächspartner zuhören und andere
Geräusche unterdrücken (mehrere Schallquellen), sodass diese nicht bewusst verarbeitet,
aber trotzdem wahrgenommen werden. Denn wenn jemand im Raum plötzlich unseren
Namen nennt, schwenkt unsere Aufmerksamkeit sofort zu diesem Gespräch, damit wir
mitbekommen, was über uns gesagt wird. („intelligentes/selektives Hören“)

• Geteilte Aufmerksamkeit (WA10) → „Multi-/Dualtasking“, wie z.B. gleichzeitig Autofahren und


dabei telefonieren.
• Aufmerksamkeit & Handlungssteuerung → Ausführungskontrolle; spezifiziere die für die
Aufgabenbewältigung relevanten Verhaltensparameter! Beachte Aufgabenrelevantes!

Kurzer Ausblick ins Sommersemester: (Folgendes ist nur ein grober Überblick)

3.) Gedächtnis: (im Sommersemester)


Worum
• Wahrnehmung & Gedächtnis → Wahrnehmung als geht es? Pilz

Gedächtnis:
Wechselspiel von „Bottom-Up“ und „Top-Down“- Bildung von Kategorien
Fliegenpilz
Prozessen. (siehe oben)
• Kategorisierung → die Wahrnehmung mit giftig
reizunabhängigem Wissen über diese Kategorie
anreichern (wobei „Wissen“ hier nicht immer die
wahren Fakten sind!)

- Wie ist unser Wissen über die Welt im Gedächtnis repräsentiert?


• Phase 1: Vorgabe einzelner Bilder
- Wie bilden sich Kategorien? • Phase 2: Vorgabe von Bildern aus Phase 1 und neue Gesichter,
Wiedererkennen
Beispiel: „Prototypen Bildung von Gesichtern“ (Solso & McCarthy,
„Wie 1981)
sicher sind Sie sich, dieses Bild schon in Phase 1 gesehen
zu haben?“

• Phase 1 → Vorgabe einzelner Bilder. -5 -4 -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 +4 +5


• Phase 2 → Vorgabe von Bildern aus Phase ganz sicher, ganz sicher,
dass nicht gesehen dass gesehen
1 und neue Gesichter. Die Aufgabe der 59
Probanden war das Wiedererkennen.

„Wie sicher sind Sie sich, dieses Bild


schon in Phase 1 gesehen zu haben?“

- Die kombinierten Gesichter wurden den


Probanden vorgelegt und Sie sollten
50 %
beurteilen, ob die Gesichter (Originale/ 75 % 25 %
Neue/Prototyp) ihnen bekannt vorkamen.
0%
- Der Prototyp war ein neues Gesicht,
zusammengesetzt aus den am meist Worum geht es?
vorkommenden KomponentenWorum geht es?Gedächtnis
aus
Phase 1. (Nase, Haare, Augen, Mund)
Gedächtnis Kategorien als „Prototypen“

• Ergebnis → Die Probanden


„missidentifizierten“ das Prototyp-Gesicht
mit einer hohen Konfidenz (Vertrauen/
Selbstvertrauen) als ein „vorher gesehenes
Gesicht“. Dieser Befund konnte außerdem
in einer zweiten Studie wiederholt werden,
wobei hier die Beurteilung sogar erst 6
Wochen verzögert stattfand.
62
60
Experiment von Solso & McCarthy (1981; vgl. Zimbardo & Gerrig, 1999, S. 257)
Experiment von Solso & McCarthy (1981; vgl. Zimbardo & Gerrig, 1999, S. 257)

5
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• Gedächtnisstruktur → Langzeit- und Arbeits-/Kurzzeitgedächtnis; „semantisches“ und


„episodisches“ Gedächtnis…

- Semantisches Gedächtnis → wie ist unser


Wissen über die Welt im Gedächtnis
repräsentiert? Wie bilden sich Kategorien?
Verfügbarkeit und Zugänglichkeit
- Episodisches Gedächtnis → Enkodierung und
Speicherung; Vergessen

Beispiel: 9/11

• Wer wird für das Attentat verantwortlich gemacht?


→ Abruf aus dem semantischen Gedächtnis.
• Wo waren Sie, was haben Sie gerade getan, als
Sie von dem Attentat erfuhren? → Abruf aus dem
episodischen Gedächtnis.

4.) Denken & Urteilen: (im Sommersemester)

• Welche Prozesse laufen beim Urteilen ab?


• Wie ist unser Umgang mit Wahrscheinlichkeit?
• Welche „Denkregeln“ (die möglicherweise fehlerhaft sind) nutzen wir dabei?
• Problemlösen & Expertise

Beispiel: Folgen von 9/11

• Der Tod durch Terrorattacken auf Flugzeuge war


nach 9/11 so „mental verfügbar“, dass viele Reisen
mit dem Auto statt mit dem Flugzeug gemacht
wurden.

- Die Konsequenz war ein erkennbar starker


Anstieg der Anzahl tödlicher Autounfälle (in den
USA) für 12 Monate nach dem Anschlag.

B.) Experimente, Paradigmen und Theorien: (Wie funktioniert es?)

Welche Art von Daten nutzt die Allgemeine („kognitive“) Psychologie?

Welche Rolle spielen Experimente?

Was ist ein Paradigma?

Wie ist das Verhältnis von Paradigmen und Theorien?

• Es gibt 4 sich ergänzende Herangehensweisen der Kognitiven Psychologie:


1. Experimentelle Kognitive Psychologie
2. Cognitive Neuroscience
3. Kognitive Neuropsychologie (bzw. Klinische Neuropsychologie)
4. Kognitive Modellierung

6
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Welche Art von Daten nutzt die Allgemeine Psychologie?

• Die meisten Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und Denkprozesse stehen der


Introspektion („Innenschau“) nicht zur Verfügung. Daher…

- Analyse von Verhaltensdaten (z.B. Reaktionszeiten, Fehler)


- (unwillkürliche) Blickbewegungen
- EEG-Muster
- „bildgebende“ Verfahren (fMRT)
- etc.

1.) Experimentelle Kognitive Psychologie:

• Der Versuch, menschliche Kognition anhand von behavioraler Evidenz zu verstehen.


• Kognitive Psychologen arbeiten, wo immer es geht, experimentell, Sie haben eine Vorliebe
dafür, ihren Versuchsteilnehmern sehr einfache Aufgabenstellungen zu geben, bei denen
einfache Leistungsindikatoren wie die Reaktionsschnelligkeit, Fehlerraten oder
Gedächtnisleistungen in Abhängigkeit von einfachen Variationen der Stimulusvorgaben erhoben
werden. (→ psychologisches Experiment) Visuelle Suche
Visuelle Suche
I.) Beispiel 1: „Visuelle Suche“

• Aufgabe → „Entscheide möglichst schnell, ob ein


senkrechter schwarzer Balken unter den Reizen
ist!“

- Anfangs ist der Kasten leer, dann erscheinen die


Stimuli. Die Anordnung der Stimuli variiert von
Durchgang zu Durchgang. Irgendwann kommen
auch waagerechte Balken hinzu. „Ja!“ „Ja!“ „Nein!“
„Nein!“

• „Merkmalsintegrationstheorie“ (Treisman &Entscheide


Gelade, möglichst
Entscheide
1980) schnell,
möglichst
→ Einfache ob (Farben,
einob
schnell,
Merkmale senkrechter
ein senkrechte
schwarzer
Linienausrichtungen) werden parallel verarbeitet, ohne Balken
schwarzer
dass unter unter
Balken den Reizen
die Aufmerksamkeit den ist! ist!
Reizen
auf eine
einzelne Stelle gelegt wird. Die Verknüpfung von einfach Merkmalen zu Objekten bedarf
dagegen der gerichteten Aufmerksamkeit (serielle Verarbeitung). Heißt also…
vgl. Müller
vgl.&Müller
Krummenacher (2008, S.
& Krummenacher 114-115)
(2008, S. 114-115)
- Bei einfachen Merkmalen ist parallele siehe
Verarbeitung
auch möglich
Eysenck
siehe auch und&die
& Keane
Eysenck Aufmerksamkeit
(2010,
Keane p. 176ff)p. 176ff) muss
(2010, 122
nicht auf eine bestimmte Stelle gelegt werden, somit sind die Reaktionszeiten schneller.

- Müssen jedoch zwei Merkmale eines Stimulus zur Unterscheidung kombiniert werden, ist
eine gerichtete Aufmerksamkeit notwendig. Damit würden die Reaktionszeiten ansteigen.
Visuelle
Visuelle Suche
Suche
• Empirische Vorhersage → TargetTarget TargetTarget
nur nur
aufgrund
aufgrund von von aufgrund
aufgrund von von
einfachem
einfachem Merkmals-
- bei Ziel-Reizen („Targets“), die durch Merkmal
Merkmal
Merkmals-
konjunktion
konjunktion
einfache Merkmale von den Störreizen entdeckbar
entdeckbar entdeckbar
entdeckbar
(„Distraktoren“) diskriminierbar sind →
Keine Abhängigkeit der Reaktionszeit
von der Anzahl der Objekte.

- Bei Ziel-Reizen, die erst durch die Verbindung (Konjunktion) von Merkmalen diskriminierbar
sind → Linearer Anstieg der Reaktionszeit mit der Anzahl der Objekte.

33 33

7
einfachem Merkmals-
Merkmal konjunktion
entdeckbar entdeckbar

Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

• Ergebnis →
550 550
Target anwesend

Reaktionszeit (ms)

Reaktionszeit (ms)
- Links (einfache Merkmale) → keine 500 Target abwesend 500

Veränderung der Reaktionszeiten 450 450


400 400
(abhängige Variable) durch die
350 350
Veränderung der Displaygröße/Anzahl 300 300
der Objekte im Display (unabhängige 4 8 12 16 4 8 12 16
Anzahl Elemente im Display Anzahl Elemente im Display
Variable).

Worum geht e
vgl. Müller & Krummenacher (2008, S. 114-115) 3
- Rechts (konjunktive Merkmale) →siehe
linearer Anstieg
auch Eysenck der
& Keane Reaktionszeiten
(2015, durch
S. 176ff); Wentura & Frings die
(2013, S. 96)
Veränderung der Displaygröße. Je mehr schwarze Balken also im Display angezeigt werden,
desto schwerer wird die Aufgabe (daher steigt die Zeitdauer bis zur Reaktion).

Überblick des Experiments: (Versuchsplanung) Aufmerksamkeit


blau
• Einer Stichprobe von Probanden werden in vielen Durchgängen einzelne Stimuli gegeben. xxxx
• Die unabhängigen Variablen (die innerhalb der Versuchspersonen variiert werden) sind…
rot
- Target anwesend vs. Target nicht anwesend.
- Anzahl der Reize im Durchgang (4 vs. 8 vs. 12)
- Art des Targets (einfach vs. konjunktiv) grün Stroo
• Die abhängige Variable ist die mittlere Reaktionszeit pro Bedingung bzw. die Steigung der
Reaktionszeit pro zusätzlichem Reiz. Worum
xxx ge
• Aufg
II.) Beispiel 2: „Stroop-Farbbenennungsaufgabe“ (siehe oben)
Aufmerksamk
blau blau „Be
• Aufgabe → „Benenne möglichst schnell die Farbe jedes Stimulus!“
• Typisches Ergebnis → Farbbenennzeiten dauern länger, wenn der xxxx xxxx
Stimulus ein anderes Farbwort ist.
Farb
Überblick des Experiments: (Versuchsplanung)
blau rot • Farb
• Einer Stichprobe von Probanden werden in vielen Durchgängen rot grün wen
einzelne Stimuli gegeben.
• Eine unabhängige Variable (die innerhalb der Versuchspersonen
variiert wird) ist ob Farbe und Farbwort…
xxxx xxx Farb
Wie
- gleich (z.B. grün) vs. ungleich (z.B. blau) vs. funktioniert
in neutralem es?grün blau ! Aut
Verhältnis stehen (z.B. xxxx)
Variation der Stroop-Aufgabe
xxxx Abs
• Die abhängige Variable ist die mittlere xxxx
Reaktionszeit pro Bedingung bzw. die Inha
Differenz zwischen der mittleren blau
vgl. Eysenck & Keane (2010, S. 4 und 195; We
Reaktionszeit auf ungleiche Kombinationen
und den neutralen Kombinationen.
grün rot
• Eine Variation der Stroop-Aufgabe (siehe
Abbildung) kann uns etwas über den
zeitlichen Verlauf der Verarbeitung der 50 ms xxxx
beiden konkurrierenden Antwortmerkmale
verraten. grün
Eine solche Variation kann uns etwas über den xxxx
zeitlichen
8 Verlauf der Verarbeitung der beiden
konkurrierenden Antwortmerkmale
vgl. Eysenck &verraten.
Keane (2010, S. 4
37
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

III.) „Experimental-Paradigma“:

• Experimentelle Anordnungen (bzw. Aufgaben) wie die gerade beschriebenen, werden in der
Psychologie (Experimental)-Paradigma genannt.

- Ein „Experimental-Paradigma“ ist ein experimenteller Grundaufbau, der einen typischen


Effekt erbringt und in dessen Rahmen man Veränderungen einführen kann, um die
Eigenschaften unseres „psychischen Apparates“ zu studieren.

IV.) Theorien der (klassischen) Kognitiven Psychologie: (zur Funktionsweise der Psyche)

Wie könnten wir uns vorstellen, dass eine bestimmte Struktur (z.B. das Langzeitgedächtnis) im
menschlichen „kognitiven Apparat“ aufgebaut ist?
Welche Prozesse können wir annehmen, die diese Strukturen nutzen (bzw. sie verändern)?
Welche Hypothesen können wir aus diesen Annahmen ableiten?
Welche Experimentalanordnung eignet sich zum Test dieser Hypothesen?
Dennett (1987)
Betrachte
• „Computermetapher“ (Dennett, 1987) → „Software des ein—komplexes
Gehirns“ System (z.B.,
Dennett betrachtet ein den Menschen
komplexes System (z.B. den Menschen) als…

1. intentional stance (Ebene der „Person“) → … … als ein int


ein intentionales System, das rational handelt, das rational
gegeben bestimmte Ziele und Überzeugungen. intentional stance bestimmte Z
(Psychologie der Person - „Alltagspsychologie“) Überzeugun
2. design stance (Ebene der Module &
… als einen
Funktionen) → … einen konstruierten
Mechanismu
Mechanismus, der aus Komponenten besteht,
Komponente
die jeweils bestimmte Funktionen erfüllen und bestimmte F
die miteinander interagierend ein bestimmtes design stance
die miteinand
charakteristisches Verhalten hervorbringen. bestimmtes c
(Kognitive Psychologie) Verhalten he

- Bei einem Computer also Arbeitsspeicher,


Langzeitspeicher (Festplatte), … als ein ph
Eingabemodule (Maus, Tastatur), physical stance sich gemäß d
Physik (Chem
Ausgabemodule (Bildschirm, Drucker),
Programme, etc. vgl. Wentura & Frings (2013, Kap. 7.1) „stance“: Haltung, Einstellung, die ich gegenü

3. physical stance (Ebene der physischen Realisierung) → … ein physisches System, das
sich gemäß der Gesetze der Physik/Chemie/Biologie verhält. ((Neuro-)Physiologie)

- Bei einem Computer also elektronische Bauelemente und Schaltkreise.


- irgendwo zwischen der design stance und der physical stance befindet sich die „cognitive
Neuroscience“.

• Informationsverarbeitungsprozesse und Informationsverarbeitungsmodule


• Annahme einer symbolischen Repräsentation der Außenwelt.
• Zunächst kein Bezug auf Gehirnstrukturen und -prozesse.
- Aber → gerade in jüngerer Zeit wird in starkem Maße die Verbindung zu
neurophysiologischen Erkenntnissen gesucht (→ „cognitive Neuroscience“)

9
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

2.) „Cognitive Neuroscience“:

• Dieser Ansatz beinhaltet Evidenz des Verhaltens und des Gehirns, um menschliche Kognition
zu verstehen.
• Erforschung der neuronalen Mechanismen der menschlichen Kognition, hauptsächlich unter
Verwendung funktionaler bildgebender Verfahren. (Beobachtung von Verhalten & Hirn über
bildgebende Verfahren)
Wie funktioniert es?
I.) Beispiel: „Vertrautheit“ (familiarity) vs. „(volle) Erinnerung“ (recollection)
Cognitive Neuroscience
Sind Ihnen diese Personen bekannt?
(zur Info: das rechte Bild ist ein Porträt
von Prof. Hubert Zimmer)

• Recognition memory („Wiedererkennungsgedächtnis“)


ist eine Subkategorie des deklarativen Gedächtnisses.Sind Ihnen diese Personen bekannt?
(Das „butcher-in-the-bus“-Phänomen)
- Die Fähigkeit, vorher erlebte Ereignisse, Objekte oder Menschen wiederzuerkennen.
- Wenn vorher erlebte Ereignisse wiedererlebt werden,„Vertrautheit“ (familiarity)
wird das Umfeld mit der vorhandenen
Gedächtnisrepräsentation verglichen.
versus

• Recognition memory kann in zwei Komponenten/Prozesse unterteilt


„(volle) werden:
Erinnerung“ (recollection)
(Wer? Wo? Wann?)
1. Recollection (auch „remembering“) → Abruf von Details, welche mit dem vorher erlebten
vgl. Eysenck & Keane (2010, S. 260f); Wentura & Frings (2013, S. 117f)
45
Ereignis assoziiert sind. Also ein bewusstes erinnern von früheren Ereignissen, das mit dem
Abruf zusätzlicher episodischer Informationen einhergeht → Langsamer und kontrollierter/
intentionaler „Suchprozess“
2. Familiarity (auch „knowing“) → Das Gefühl, dass das Ereignis zuvor erlebt wurde, ohne es
zu erinnern (remembering/recollection). → Schneller und automatischer Prozess. (Vorsicht:
„Butcher-in-the-Bus“, Mandel (1980))

- Stellen Sie sich vor einen Platz in


einem vollen Bus zu bekommen. Sie
schauen nach rechts und links und
bemerken dabei einen Mann. Sofort
überkommt Sie das Gefühl, diesen
Mann schon einmal gesehen zu
haben, jedoch können Sie sich nicht
genau daran erinnern wer er ist.
Dieses automatisch ausgelöste
Gefühl nennt sich
„familiarity“ (Vertrautheit).
- Während Sie sich versuchen daran zu
erinnern wer der Mann ist, beginnen
Sie damit, spezifische Details über
frühere Begegnungen abzurufen.

- Zum Beispiel erinnern Sie sich vielleicht daran, dass der Mann ihnen ein frisch gehacktes
Stück Fleisch im Lebensmittelladen gegeben hat. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass
er eine Schürze getragen hat. Dieser „Suchprozess“ nennt sich „recollection“ (erinnern).

➠ Rekognition auf Basis von Familiarität ist schneller zugänglich. Die Rekognition findet also erst
auf Basis von Familiarität statt und dann erst auf Rekollektion.

10
most of which have emphasised the sheer vari- key component for processing facial expression
ety of information we extract from faces. The being the expression analysis component.
model considered in most detail is that of Bruce Third, when we look at a familiar face,
and Young (1986). Why is that? It has been familiarity information from the face recognition
Allgemeine Psychologie
easily the1most influential theoretical
Skript 2017/18
approach Maximilian
unit should be accessed first, followedBungart
by infor-
to face recognition. Indeed, most subsequent mation about that person (e.g., occupation)
models incorporate many ideas taken from the
• Nach Dennett (1987):
Bruce and Young model.
The model consists of eight components
1. intentional stance → „Ich
(see Figure weiß, dass ich diese
3.20): or
Person kenne; ich kann sie aber im Moment nicht
zuordnen“ (1) Structural encoding: this produces various
representations or descriptions of faces. Expression View-centred
2. design stance → ein System im Gehirn, welches
(2) Expression analysis: other people’s emo-
analysis descriptions

für die Erkennung tional


von Objekten bzw. in
states are inferred diesem
from Fall
their facial Structural
für die Erkennung expression.
von Gesichtern zuständig ist. encoding

Dieses Thema(3)wird
Facial
in Thema WA6 : speech perception
speech analysis Facial
speech
Expression-
independent
is assisted by
(Gesichtererkennung) behandelt. observing
Dahera nurspeaker’s
die lip analysis descriptions
movements (lip-reading – see Chapter 9).
Abbildung.
(4) Directed visual processing: specific facial
3. physical stance → Das Gehirn
information wäre hier
is processed also das
selectively. Directed Face
physische System des recognition
(5) Face Mechanismus nodeszur
: these contain visual recognition
processing units
Gesichtererkennungstructural
bzw. information about known faces.
Objekterkennung.
(6) Person identity nodes: these provide infor-
mation aboutvon
individuals (e.g., occupation,
- Wird die Unterscheidung
interests).
familiarity und Person
recollection(7)
durch Methoden bestätigt, die
Name generation: a person’s name is stored Cognitive
identity
nodes
Hirnprozesse abbilden?
separately. system

(8) Cognitive system: this contains additional


II.) Methoden: information (e.g., most actors and actresses
Name
have attractive faces); it influences which generation
other components
Ereigniskorrelierte Potenziale (EKP):receive attention.

• Grundlage der EKPs


What predictions follow from the model? Figure 3.20 The model of face recognition put 479 20
First, ist das
there Elektroenzephalogramm
should be major differences in the 20.5 ·Ereigniskorrelierte Hirnpotenziale und Magnetfelder
forward b y Bruce and Young (1986).
(EEG) → Ereigniskorrelierte Potenziale sind
Potenzialverschiebungen des EEG, die wiederholbar
und mit gleicher zeitlicher Charakteristik exakt
definierten Ereignissen vorangehen oder nachfolgen.
• Probleme bei der Signalextraktion → EKPs sind
i.d.R. sehr viel kleiner (Amplituden von 1-30 μV) als
9781841695402_4_003.indd 107 12/21/09 2:10:39 PM

Spontan-EEG (Rauschen, 15-20 mal größer)

Nach Cooper R, Osselton JW, Shaw JC (1980). Mit freundlicher Genehmigung von Elsevier.
- Grund für kleine Amplituden ist die stärkere örtliche
Lokalisation in den Kortexgebieten und seltenere
Ereignisse.

• Lösung des Problems mit der Mittelungstechnik


(„Aggregation“) → da man davon ausgeht, das EKP
sei zeitgebunden und gleich charakteristisch, das
Spontan-EEG aber zufällig, sollte man es mitteln
können. (durch Summation bei gleichem Zeitpunkt
wird die Amplitude größer und (Stör-)Variablen kürzen
sich raus) . Abb. 20.15. Darstellung des Mittelungsprozesses. Mit zunehmender Anzahl der aufsummierten Durchgänge nimmt das Rauschen ab.
Die überlagerten Verläufe sind in der untersten Zeile dargestellt

- „Zeitsynchrone Mittelung“ filtert Hintergrundrauschen heraus. Verbesserung des Signal/


Rausch Verhältnisses folgt dem √n Gesetz. zunehmender Summierung (größer werdender Reizzahl) und psychologischen Prozess so exakt wie möglich be-
deutlicher. Um die Originalgröße zu erhalten, bilden wir schreibt?
abschließend das arithmetische Mittel der summierten Auf diese Frage gibt es mehrere methodische Antwor-
Kurven. Alle hier beschriebenen Vorgänge werden heute ten. Jede der Methoden zur Bestimmung von unabhängigen
• Es gibt exogene und endogene Komponenten innerhalb eines EKP: von Computern übernommen, die das Ergebnis sofort ver- Komponenten weist Vor- und Nachteile auf. Der einfachste
fügbar machen (Online-Analyse). Weg ist die Bestimmung der Amplituden zweier aufeinan-
der folgender Potenzialgipfel in einem bestimmten Zeit-
G Ereigniskorrelierte Hirnpotenziale oder Magnet-
- Exogene → Komponenten eines EKPs die auf äußere
felder Stimuli
werden durch zurückzuführen
zeitsynchrone Mittelung aus sind. Sind raum (z. B. N100–P200 in . Abb. 20.16). Die Variation der
Amplituden in Abhängigkeit von experimentellen Bedin-
dem Hintergrundrauschen gefiltert.
allein von den physikalischen Reizeigenschaften (z.B. Intensität) abhängig. gungen (z. B. aufmerksam versus unaufmerksam) stellt die

- Endogene → Komponenten eines EKPs, dieIdentifikation


mit höheren kognitiven Prozessen und einer
von Komponenten
wichtigste Informationsquelle dar. Aus diesen Gipfel-zu-
Gipfel-Analysen geht aber nicht hervor, ob den einzelnen
internen Verarbeitung assoziiert sind. Nach Mittelung des EEG auf einen Reiz oder vor einer
Reaktion liegt meist eine komplexe Aufeinanderfolge
Wellen real unterschiedliche Prozesse zugrunde liegen; z. B.
kann eine Wellenform nur eine Nachschwankung (»re-
von Wellen vor, die unterschiedliche neurophysiologische bound«) der vorausgegangenen sein.
und damit unterschiedliche psychologische Vorgänge Wenn eine bestimmte Amplitude in einem gegebenen
repräsentieren. . Abb. 20.16 zeigt ein typisches EKP auf Zeitraum Variationen zeigt, die immer wieder bei verschie-

11 einen akustischen Reiz. Welche der dort sichtbaren Ab-


schnitte stellt nun eine unabhängige und reliable Kompo-
denen Personen oder Tieren auftaucht, so nimmt man eine
Komponente an. Mathematisch lassen sich solche unab-
nente dar, die einen spezifischen neurophysiologischen hängigen Komponenten über die sog. »Principal-compo-
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

Beispiel: Studie von Rugg et al. (1998)

• Aufgaben-Hinweis →
L
- L für „Erster und letzter Buchstabe in Apfel

alphabetischer Ordnung?“ („oberflächliche“ S


Tisch

Verarbeitung). Annahme → späteres


Wiedererkennen eher vertrautheitsbasiert
(„familiarity“) +
Apfel
- S für „Bilde einen kurzen Satz mit dem Wort!“.
Annahme → späteres Wiedererkennen eher
„volle“ Erinnerung („recollection“)

• Ergebnis → Ergebnisse von Studien mit dieser Methode sehen üblicherweise wie folgt aus:

„oberflächlich“ verarbeitete Wörter: „tief“ verarbeitete Wörter (korrekt) -


korrekte Antworten - Fehler „oberflächlich“ verarbeitete Wörter (korrekt)

Früher frontaler Effekt: Später parietaler Effekt:


~ „Vertrautheit“ ~ „Erinnerung“
(familiarity) (recollection)

neue Wörter
„oberflächlich“ verarbeitete Wörter
„tief“ verarbeitete Wörter

Rechts, Frontal Links, Parietal

Fazit:
52
• Ereigniskorrelierte Potenziale dienen also…
- Als Methode der Experimentellen Kognitiven Psychologie (1.) → ermöglichen eine feinere
zeitliche Auflösung (relativ zu einfachen Reaktionszeitmaßen).
- Als Methode der „Cognitive Neuroscience“ (2.) → (in begrenztem Maße) Lokalisation
möglich

Neurophysiologische Daten: „funktionelle Magnetresonanztomographie“ (fMRT)

• Erhöhte Aktivität in einer Hirnregion führt zu…


- einem erhöhten Sauerstoffbedarf
- lokalen Veränderungen des
Blutsauerstoffgehaltes
- Veränderungen des lokalen magnetischen
Feldes.

- Diese sind relativ zu einer


Kontrollbedingung durch Tomographen
messbar und können durch
Differenzkarten veranschaulicht werden.

12
Wie funktioniert es?
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart
Cognitive Neuroscience: fMRT
Studie von W
(1998):
Beispiel: Studie von Wagner et al. (1998)
• Lernen vo
im Scanne
• Lernen von Wörtern im Scanner • Gibt es ein
• Gibt es einen lokalisierbaren Unterschied in der lokalisierb
Unterschie
Lernphase zwischen Wörtern, die später erinnert
Lernphase
werden und denen, die nicht erinnert werden? Wörtern, d
• Abbildung → Ausschnitt der Ergebnisse. erinnert w
denen, die
erinnert w
III.) Überblick über die Verfahren:
8 COGNITIVE PSYCHOLOGY: A STUDENT’S (Ausschnitt
HANDBOOK der Ergebnisse)

• Abbildung → Y-Achse = räumliche


Auflösung der Methode, X-Achse = zeitliche 4 Naturally
occurring
Auflösung der Methode. 3
MEG & ERP Functional MRI PET lesions
Brain vgl. Eysenck & Keane (2015, S. 15f)
2
Elektroencephalogramm (EEG): Map 1 TMS

Log size (mm)


Column 0
Multi-unit
• Messung des elektrischen Potenzials des Layer –1 recording

Gehirns an der Körperoberfläche mit Hilfe Neuron –2

von Elektroden. Figure 1.5 The spatial and Dendrite


–3 Single-cell
recording
• Vorteil → sehr gute zeitlichetemporal resolution &
Auflösung
major techniques and
of Synapse
–4

kontinuierliche Messung methods used to study –3 –2 –1 0 1 2 3 4 5 6 7


brain functioning. From
• Nachteil → geringe „Ortskennung“
Ward (2006),(spatial
adapted from Millisecond Second Minute Hour Day
Churchland
resolution) und nur für einfache and Sejnowski
Aufgaben Log time (sec)
(1991).
geeignet.

when brain activity


funktionelle Magnetresonanztomographie occurs.
(fMRT): The spatial and neuronal activity can be obtained over time
temporal resolutions of various techniques are periods ranging from small fractions of a second
shown in Figure 1.5. High spatial and temporal up to several hours or even days. However, the
• Basiert auf der Magnetresonanztomographie (MRT)
resolutions are advantageous →detailed
if a very technique can only provide information about
account of brain functioning
v.a. Wasserstoffprotone richten sich im Magnetfeld in is required. In activity at the level of single neurons, and
contrast, low temporal resolution can be more so other techniques are needed to assess the
Nord-Süd-Richtung aus. DurchusefulEinstreuung
if a general overview of brain activity functioning of larger cortical areas.
elektromagnetischer Impulse (Radiofrequenzimpulse)
during an entire task is needed.
We have introducedgeraten
rechtwinklig zur Richtung des Magnetfeldes the main die
techniques Event-related potentials
for studying the brain. In what follows, we The electroencephalogram (EEG) is based on
Wasserstoffprotone in Schwingung
consider eachund rotieren.
of them in moreNach
detail. recordings of electrical brain activity measured
Abstellen der Magnetfelder schwingen die Kerne zurück at the surface of the scalp. Very small changes
Single-unit
und es wird die Relaxationszeit gemessenrecording(also die Zeit, in electrical activity within the brain are picked
As indicated already, single-unit recording up by scalp electrodes. These changes can be
bis die Protonen wieder in der Ausgangsposition sind).
permits the study of single neurons. One of the shown on the screen of a cathode-ray tube
best-known applications of this technique was using an oscilloscope. However, spontaneous
by Hubelimand Wiesel (1962, 1979) in research or background brain activity sometimes obscures
• Durch kognitive Aktivität werden Gehirn chemische
on the neurophysiology of basic visual processes the impact of stimulus processing on the EEG
Stoffe (vor allem Sauerstoff)inumgewandelt,
cats and monkeys. Theydie das
foundlokale
simple and
Magnetfeld beeinflussen. Hierbei
complex bedient man sich
cells in the primary visualdem
cortex, both
of which responded maximally to straight-line
sog. „BOLD“-Signal („blood-oxygen-level-dependent“) KEY TERMS
stimuli in a particular orientation (see Chapter
2). Hubel and Wiesel’s findings were so clear- single-unit recording: an invasive technique
- Eine erhöhte Aktivität in einer
cut thatHirnregion führt
they influenced zu erhöhtem
several subsequent Sauerstoffbedarf
for studying brain function,(mehr
of activity in single neurons.
permitting the study
theories of visual perception (e.g., Marr,
Energiebedarf) → Zunahme von sauerstoffarmem „Desoxyhämoglobin“
1982).

electroencephalogram (EEG): a device for
Überkompensation durch vermehrten recording the electrical potentials of the brain
The single-unit Blutfluss mit technique
(or cell) recording „Oxyhämoglobin“ (Anreicherung von
through a series of electrodes placed on the
Sauerstoff in Zellumgebung) → fine-grain
is more than other den
diese übersteigt techniques.
Sauerstoffabbau
scalp. erheblich →
Another advantage is that information about
Desoxyhämoglobin nimmt ab und Oxyhämoglobin nimmt zu → in aktiven Arealen kommt es
zu langsameren/höheren Relaxationszeiten als in aktivem Zustand
(„Magnetfeldinhomogenität“) → Magnetresonanzsignal dadurch stärker.

• Vorteil → exzellente „Ortskennung“ (spatial resolution)


9781841695402_4_001.indd 8 12/21/09 2:07:09 PM
• Nachteil → „langsam“, laut, eng; schwer, Experimente darin durchzuführen; indirekte Messung,
BOLD-Signal ist sehr empfindlich.

13
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

Positronen-Emissionstomographie (PET):

• Messung von Hirnaktivität mithilfe radioaktiv markierter Isotope oder Sauerstoff, die man in die
Blutbahn injiziert. Künstlich hergestellte Positronen lagern sich als „Tracer“ an verschiedene
Stoffe an und markieren diese.
• Die Anziehung zwischen Elektronen und Positronen führt zur Kollision. Dabei werden Stoffe in
entgegengesetzte Richtungen ausgesandt und über Koinzidenz-Detektoren gemessen.
• Beispiel → höherer Glukoseverbrauch in aktiven Arealen = vermehrte Anreicherung markierter
Positronen = Kollision mit Elektronen der Umgebung = mehr Gammastrahlung.
• Vorteil → relativ gute „Ortskennung“ (spatial resolution)
• Nachteil → Radioaktivität, schlechte zeitliche Auflösung, indirekte Aktivitätsmessung.

Magnetenzephalographie (MEG):

• Direkte (nicht-invasive) Messung des Magnetfeldes des


Hirns.
• Da die Magnetfelder des Gehirns sehr schwach sind, wird
die Messung in einer elektromagnetisch abgeschirmten
Kabine durchgeführt. Die Methode kann kleinste
Magnetfelder im Gehirn detektieren.
• Dabei wird meist ein helmartiger Körper mit Sensoren
verwandt. Die Sensoren werden mit flüssigem Helium auf
eine Temperatur nahe 0° Kelvin gekühlt und können so
ihre supraleitenden Eigenschaften entwickeln. Es ist
sowohl eine gute räumliche Lokalisation durch räumliche
Filter, als auch eine Analyse auf Frequenzebene möglich.
• Ähnlich wie beim EEG ist es jedoch nur sehr schwer
möglich, Aussagen über elektrophysiologische
Veränderungen in tieferen Hirnregionen, wie
beispielsweise den Basalganglien, zu machen. Außerdem
ist alleine die Kühlung in der Betriebszeit sehr teuer.
• Vorteil → gute zeitliche und oft auch sehr gute örtliche
Auflösung.
• Nachteil → sehr teuer

Transkranielle Magnetstimulation (TMS):

• ein relativ neuartiges, nicht-


invasives Verfahren, bei der auf
das Gehirn mehr oder weniger
starke Magnetfelder wirken. Dabei sollen
bestimmte Hirnareale stimuliert und andere
wiederum gehemmt werden.
• Erzeugung einer kurzzeitigen Läsion durch
einen Magnetimpuls.
• Vorteil → „Ausschalten“ bestimmter
Gehirnareale möglich.
• Nachteil → Muskelverzerrungen, nicht alle
Areale sind erreichbar, komplexe Effekte,
Wirkungsweise nicht völlig klar, ungenau
und schwer zu zielen, spontane Effekte in
anderen Regionen können auftreten, laut
und angsteinflößend.

14
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart
Erregungsschwelle des Axons: -65
Single-unit-recording: (Einzelableitung)

• Aufzeichnung der elektrischen Aktivität


einer einzelnen Nerven- oder Muskelzelle. Zeitli
(invasiv)
• Eine Mikroelektrode wird in das Gehirn
eingeführt und dann haargenau außerhalb
(extrazellulär) und/oder innerhalb
(intrazellulär) der Zellmembran platziert.
Somit ist es möglich, den
Spannungsunterschied inner- und
außerhalb einer Zelle zu messen und wie
sich dieser Unterschied bei Aktivität
verändert.

• Es erlaubt die Analyse der menschlichen Kognition und kortikales Mapping und wird daher sehr
häufig in der „cognitive Science“ genutzt.
• Vorteil → sehr empfindlich und genau, hohe zeitliche Auflösung, kann lange verbleiben.
• Nachteil → nur einzelne Neuronen messbar.
IV.) Probleme der „cognitive Neuroscience“:

• „Baselineproblem“ → oft keine Grundrate zum Vergleich mit den späteren Messwerten
vorhanden.
• oft fehlende funktionale Spezialisierung.
• Aktivität ist nur Korrelation und kann auch z.B. durch eine bestimmte Strategie oder
Selbstbeobachtung hervorgerufen werden.
• oft geringe externe Validität und eine hohe „Paradigma specificy“ (Effekte treten
ausschließlich bei einem bestimmten Paradigma auf).

3.) Kognitive Neuropsychologie: (bzw. klinische Neuropsychologie)

• die Untersuchung von Menschen mit Hirnschädigungen, um normale menschliche Kognition zu


verstehen. → Studium geschädigter Gehirne zum Rückschluss auf Gesunde.
• War ursprünglich stark an die kognitive Psychologie gebunden, ist nun mittlerweile aber auch
stark mit der „cognitive Neuroscience“ verbunden.

I.) Beispiel: Der Patient H.M. (Henry Gustav Molaison, 1926-2008)

„der Mann mit dem 30-Sekunden-Gedächtnis“

• Mit 10 Jahren hatte er erste kleinere epileptische Anfälle.


Die Epilepsie konnte nicht medikamentös unter Kontrolle
gebracht werden und daher nahm er 1953 an einem Wie funktioniert es?
operativen Eingriff teil, um seine Anfälle zu lindern. Kognitive Neuropsychologie: Der Patient H.M.
Durchgeführt wurde die Operation von dem Neurochirurg
William Beecher Scoville. MRT-Bilder aus
Corkin et al. (1997)

• Ihm wurden einige zusammenhängende Strukturen


entfernt, welche tief in den medialen Abschnitten des Kontrollperson
Schläfenlappens (Temporallappen) liegen. Unter anderem
der größte Teil des Hippocampus, die Amygdala und einige
angrenzenden Rindenfelder. H.M.
62
vgl. Eysenck & Keane (2015, S. 262), Wentura & Frings (2013, S. 54f)

15
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart 1. Ta
40

Folge der Operation:

Fehler pro Versuch


30

• Kein Gedächtnisverlust für Kindheitserinnerungen


• Schlechtes Gedächtnis für Ereignisse vor seiner Operation → 20
sog. „retrograde Amnesie“ für einen Zeitraum von etwa 11 Jahren
vor der OP. 10
• Insbesondere → Unfähigkeit, neues zu erlernen bzw. Ereignisse
zu behalten, eine sog. „anterograde Amnesie“ ➠ kein
0
episodisches Erinnern mehr möglich. 1. Tag 2. Tag 3. Tag
1
• Prozedurales Lernen war jedoch intakt (z.B. „Spiegelzeichnen“). 40 Spiegelzeichnen
Er konnte sich jedoch nicht mehr daran erinnern, es gelernt zu

Fehler pro Versuch


haben. 30

- möglicher Grund → prozedurales Lernen gehört zum impliziten 20

Gedächtnis, welches durch die OP scheinbar nicht beschädigt


wurde. 10

➠ Schlussfolgerung → Offenbar ist hierfür nicht dieselbe 0


1 10 1 10 1 10
Hirnstruktur notwendig, wie für episodisches Erinnern.
Spiegelzeichnen Versuche pro Tag

4.) Kognitive Modellierung:

• Viele Theorien sind noch wenig formalisiert, aber: Formale Theorien werden angestrebt. Das
sind manchmal mathematische Modelle, aber häufiger Computersimulationen („Kognitive
Modellierung“). → Versuch, die Theorien der kognitiven Psychologie zu formalisieren.

I.) „halb-formalisierte“ Theorien: z.B. das semantische Netzwerk (Collins & Quillian, 1969)
Ein Beispiel: Semantisches Priming und der Begriff des Paradigmas 31

• Begriffe werden intern über sprachähnliche


Symbole repräsentiert, welche miteinander
vernetzt sind.
• Begriffe können mehr oder weniger aktiviert
sein. Dies ist in der Theorie ein direktes
Pendant der „Zugänglichkeit“ (Accessibility,
d.h. der Leichtigkeit des Abrufes) dieses
Begriffes.
• Wird ein Begriff verarbeitet, aktiviert er
seine interne Repräsentation. Die dadurch
erhöhte Aktivität breitet sich zu den direkt
damit verbundenen Begriffen aus, so dass
diese leichter zugänglich werden.
Abbildung 3 Das semantische Netzwerk von Collins und Quillian
(1969, S. 241)
• „Aktivation“ und „Aktivationsausbreitung“ sind hierbei nicht als physikalische (physiologische)
Begriffe zu interpretieren. Sie sind als abstrakte Begriffe
repräsentiert in einem
vorzustellen, bei funktionalen
dem Begriffe internGeschehen zuSym-
über sprachähnliche
interpretieren. (Sie sind in Prozesse eines Computerprogramms übersetzbar)
bole repräsentiert sind, die miteinander vernetzt sind ( ;

• Beispiele → Kann ein Kanarienvogel singen?Collins & Quillian, 1969; vgl.


Aktivationsbeginn bei
).
„Tier“, breitet sich zu Vogel
Begriffe können mehr oder weniger aktiviert sein; dies ist in der Theo-
aus und geht dann zu Kanarienvogel, bis hin zu „kann
rie ein singen“.
direktes Pendant der(Aktivierung indereine
Zugänglichkeit (d. h. Richtung)
Leichtigkeit des Abrufes;
accessibility) dieses Begriffes. Wird ein Begriff verarbeitet (z. B. ein Prime), ak-
tiviert er seine interne Repräsentation; die dadurch erhöhte Aktivität breitet
- Hat ein Kanarienvogel Haut? Erst der Weg sich von zu „Tier“
den direktzudamit
„Kanarienvogel“
verbundenen Begriffen und(z. B.dann
ein zurück zu
) aus, so dass
diese leichter zugänglich werden. „Aktivation“ und „Aktivationsausbreitung“
„Tier“ bis hin zu „hat Haut“. (Aktivierung in beide Richtungen)
sind hierbei nicht als physikalische (physiologische) Begriffe zu interpretieren.
Sie sind als abstrakte Begriffe in einem funktionalen Geschehen zu interpre-
• Die Theorie besteht also aus Strukturannahmen (siehe
tieren. Abbildung)
(Wenn Ihnen und
das zu abstrakt Prozessannahmen
formuliert (der
ist, ersetzen Sie den letzten
durch: Sie sind in Prozesse eines Computerprogramms übersetzbar.)
Satz

sog. „Aktivationsausbreitung“).

16
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

➠ Die Theorie ist in manchen ihrer Variationen formalisiert, d.h. sie kann als Computerprogramm
realisiert werden, um das Verhalten und die Widerspruchsfreiheit zu simulieren.
➠ Solche Theorien können auch als „funktionsorientierte Theorien“ bezeichnet werden, da sie
einen bestimmten abgrenzbaren Bereich herausgreifen, ihn begrifflich „sezieren“, um dann zu
angemessenen experimentellen Überprüfungen zu gelangen, die durch die Theorie diktiert
werden. (man spricht auch von „Theorien mittlerer Reichweite“)

- So ist die Theorie semantischer Netzwerke z.B. stark am Paradigma des „semantischen
Priming“ orientiert.
- Ein weiteres Beispiel für eine solche Theorie ist die Arbeitsgedächtnistheorie von Baddeley.
Diese wird mit Kurzzeitgedächtnistests und dem Doppelaufgaben Paradigma untersucht.
(wird im letzten Thema des Skriptes erklärt, WA10)

Wichtig:

• Es gibt auch „Theorien kleiner Reichweite“, welche auch als „paradigmenorientierte Theorien“
genannt werden.
• Hierbei geht es eher darum, sich viel stärker auf die Erklärung des beobachtbaren Effektes zu
fokussieren („Wie kann man erklären, dass die mittlere Reaktionszeit bei der
Wortentscheidungsaufgabe kürzer ist, wenn ein inhaltlich benachbartes Wort vorangeht?“) als
auf die Erklärung der übergeordneten Frage („Wie muss das semantische Gedächtnis
aufgebaut sein, damit ein Primingeffekt erklärt werden kann?“).

- Hier wird also akribisch geprüft, ob sich bestimmte Annahmen, die häufig implizit bei der
Etablierung eines Paradigmas gemacht werden, halten lassen.

➠ Ohne „paradigmenorientierte“ Theorien würde man mitunter nicht bemerken, dass ganze
Theoriegebäude auf Sand gebaut sind.

II.) Formale Theorien:

• Werden auch „Theorien großer Reichweite“ oder „Kognitive Architekturen“ (bzw. „Kognitive
Modelle“) genannt.
• Dahinter steht der Versuch, ein Gesamtbild des „Kognitiven Apparates“ zu zeichnen, also eine
Theorie zu konstruieren, die im Prinzip gestattet, für alle Phänomenbereiche Vorhersagen zu
machen.

• Strukturannahmen → Wie ist etwas (Objekte, Wörter, Überzeugungen) intern („mental“)


repräsentiert?
• Prozessannahmen → Welche Prozesse laufen innerhalb dieser Strukturen ab (… nutzen diese
…; … verändern diese)?

• Einer der bekanntesten Ansätze einer „kognitiven Architektur“ ist die sog. „adaptive control of
thought“-Theorie (ACT-R) von John R. Anderson.

- Mit „kognitiver Architektur“ ist gemeint, dass eine Grundstruktur aus Modulen vorgeschlagen
wird, die ausreichen sollten, das Gesamt an Kognitiven Prozessen zu modellieren.
- Das System ist so flexibel, dass Modelle für spezifische Phänomenbereiche (also „Theorien
mittlerer Reichweite“) integriert werden können.
- Die Module sind zudem so formalisiert, dass die Prozesse innerhalb und zwischen den
Modulen computersimuliert werden können.
- ACT-R eignet sich daher hervorragend, um diese wichtige Facette kognitionspsychologischer
Theoriebildung zu diskutieren.

17
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

• Wichtig → Der angenommene Prozess darf keine „Homunculus-Qualitäten“ haben! Zwei


generelle Versuche, dies zu vermeiden: z.B. „Produktionssysteme und „Konnektionistische
Modelle“

Produktionssysteme:

• Eine der prominentesten funktionalen Architekturen ist das sog. „Produktionssystem“. Es ist
auch Kern von ACT-R.
• Ein „Produktionssystem“ ist zunächst eine mögliche formale Vorstellung darüber, was ein
Computer ist (also eine Maschine, die alles bearbeiten kann, was sich durch die strikte
Anwendung von Regeln überhaupt bearbeiten lässt).
• Anderson und andere Kognitive Psychologen haben darin ein sinnvolles Modell für menschliche
Denkprozesse gesehen.
• Das ACT-R-Produktionssystem hat im Wesentlichen einen Arbeitsspeicher, ein Gedächtnis für
Abläufe (das „prozedurale Gedächtnis“) und ein Gedächtnis für Wissen (das „deklarative
Gedächtnis“).

- Das prozedurale Gedächtnis besteht aus einer Menge von „Wenn … dann …“-Regeln, der
so genannten „Produktionenmenge“.
- Die Wenn-Dann-Regeln sind in einer formalen, symbolischen Sprache abgespeichert.
- Der Musterabgleichprozess überprüft fortlaufend, ob der Inhalt des Arbeitsspeichers mit dem
Wenn-Teil irgendeiner Regel übereinstimmt.
- Falls das der Fall ist, wird der Dann-Teil ausgeführt. Dies kann eine Antwort des Systems
sein, aber auch eine Änderung des Inhaltes des Arbeitsspeichers unter Einbezug des
Wissensspeichers. D.h., dass nach dem Ausführen einer Produktion ein neuer Zustand des
Systems etabliert wurde, so dass nun der Wenn-Teil einer anderen Produktion passt.
- Auf diese Weise lassen sich komplexe Abläufe simulieren. Wie funktioniert es?
Wie funktioniert es?
Formale Theorien: Beispiel Produktionssysteme Formale Theorien: Produktionssysteme
Beispiel:

Arbeitsgedächtnis Prozedurales
Gedächtnis
67
67
Input wenn … - 52
- 52 dann ….
Ziel: wenn …
Subtrahiere! dann ….

• Das Subtraktionsproblem ist nur eine


Veranschaulichung an einem besonders
72
alltagsnahen Beispiel.
vgl. Eysenck & Keane (2015, S 26f); Wentura & Frings (2013, S. 38ff)

• Im Prinzip kann man sich Produktionssysteme für


alle möglichen Prozesse (auch unbewusste, nicht
verbalisierbare) vorstellen.
vgl. generell Eysenck & Keane (2015, S. 26f); Wentura & Frings (2013, S. 38ff); Abb. aus Anderson (2001, S. 253)

• Fazit → „Wenn-Dann“-Annahmen (stark bei regelgeleiteten Theorien)


Konnektionistische Modelle:

• Bei konnektionistischen Modellen werden verschiedene Namen verwendet, welche nicht ganz
deckungsgleich verwendet werden: „Konnektionismus“, „Parallel verteilte Modelle“, „Neuronale
Netze“ (Achtung: trotz dieses Namens wäre es ein Missverständnis anzunehmen, dass ein
plausibles Modell von neuronalen Prozessen im Gehirn gemeint ist)

18
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

Beispiel: McClelland & Rumelhart (1981)


Wie funktioniert es?
• Konnektionistisches Modell mit drei Ebenen Formale Theorien: Konnektionistische
• Fördernde und hemmende Verbindungen
• „Top-Down“-Verbindungen zwischen Wort-
und Buchstaben-Ebene • Drei Eb
• Förder
Wird ausführlich in „Sprachwahrnehmung und hemme
Lesen“ (WA7) besprochen! Verbin
• Top-do
• Eine Art der formalen Theoriebildung ist (in Verbin
sehr abstrakter Weise) inspiriert vom zwisch
Grundaufbau des Hirns: sehr viele kleine
Buchst
Einheiten, die für sich genommen nur sehr
wenig können, sind in hohem Maße • Konne
miteinander verknüpft und beeinflussen sich Modell
gegenseitig.
• Das ganze System verhält sich dann - mehr Wird a
oder weniger - „intelligent“. WA7 b
• Inwieweit können wir durch das Vernetzen
vieler kleiner „dummer“ Einheiten Aspekte
intelligenten Verhaltens hervorbringen? McClelland & Rumelhart (1981; vgl. Eysenck & Keane, 2015, p. 357ff; Wentura & Frings, 2013, S
vgl. generell Eysenck & Keane (2015, S. 24ff); Wentura & Frings (2013, S. 38ff)
Aus Wentura & Frings:

• Im einfachsten Fall ist die interne Datenstruktur eine Reihe von Einzelelementen, die jeweils nur
Aktivierungszustände annehmen können. Diese Elemente sind hochgradig miteinander
vernetzt.
• Jede Verbindung ist durch einen „Gewichtswert“ gekennzeichnet, der positive oder negative
Werte annehmen kann. Sie stehen für fördernde bzw. hemmende Verbindungen zwischen den
Elementen.
• Diese Gewichte sind das Ergebnis vorheriger Lernerfahrungen. Zum Lernprozess selbst gibt es
verschiedene Erklärungsvorschläge, z.B. dass das Gewicht für 2 Elemente einen positiven Wert
annimmt, wenn sie i.d.R. gleiche Zustände annehmen, aber negative Werte, wenn sie id.R.
entgegengesetzte Zustände annehmen.
• Eine Konsequenz dieses Lernprozesses ist, dass nur bestimmte Muster von Aktivitätszuständen
der vielen Elemente möglich sind.

Parallel-verteile Modelle: (Unterform der konnektionistischen Modelle)


Welcher Art sind die Theorien der Kognitiven Psychologie ? 41

• Die obere Reihe von Elementen nimmt ein


bestimmtes Aktivitätsmuster an, wenn ein
bestimmtes Wort (z.B. „Butter“) gesehen
wird.
• Die untere Reihe von Elementen steht für
die Ausgabe des Systems.
• Durch weitere Module wird dieses Muster in
die Produktion von Sprachlauten übersetzt.

- Vor dem Lernprozess wird das Verhalten


dieses Systems „Kauderwelsch“ (z.B.
„grmpf!“) produzieren, da die Startwerte
der Gewichte zufällig sind.
Abbildung 4 Ein „subsymbolisches“ („parallel-verteiltes“) Modell

19
dieses Systems „Kauderwelsch“ produzieren, da die Startwerte der Gewichte
zufällig sind. Das System lernt aber aus der Diskrepanz zwischen der fak-
tischen Ausgabe und der gewünschten Ausgabe und die Gewichte werden
dementsprechend verändert. Am Ende wird dieses System viele Wörter
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

• Das System lernt aber aus der Diskrepanz zwischen der faktischen Ausgabe und der
gewünschten Ausgabe und die Gewichte werden dementsprechend verändert. (aus „grmpf!“
wird „Butter“)
• Am Ende wird dieses System viele Wörter „lesen“ können, d.h. wenn das Wort visuell
präsentiert wird (lies: die Elemente der oberen Reihe werden auf ein ganz bestimmtes An/Aus-
Muster eingestellt), wird das Wort akustisch ausgegeben (lies: die Elemente der unteren Reihe
sind dann auf ein ganz bestimmtes An/Aus-Muster eingestellt).
• Die Festlegung der Eingabeeinheiten auf einbestimmtes Muster + der Struktur der Gewichte
lässt nur noch einen Zustand der Ausgabeeinheit zu.
• Wird ein anderes Wort präsentiert, ergibt sich aus dem Zusammenspiel des Musters der oberen
Reihe mit den Gewichten des Systems ein anderer Ausgabezustand.

Was bedeutet nun die mittlere Reihe von Elementen? (hidden units)

• Diese Zwischeneinheiten müssen vorhanden sein, damit das Lernen stattfinden kann.
• Das An-/Aus-Muster dieser Einheiten wird bei jedem Wort ganz spezifisch sein, aber es ist ein
vollkommen willkürliches Muster, das zunächst einmal in keinem erkennbaren
Abbildungsverhältnis zu dem Wort oder zu dem durch das Wort benannten Objekt steht.
• Zudem ist das Muster immer nur zum Zeitpunkt der entsprechenden Eingabe vorhanden. Wie
ist „Butter“ in dem System repräsentiert? → Nur implizit in den Gewichten! (Daher kommt auch
der Name „parallel-verteilt“)
• Würde man das parallel-verteilte Modell erweitern, würden wir eine mittlere Ebene von
Elementen haben, die immer dann ein bestimmtes Muster annehmen, wenn in irgendeiner
Form auf Butter Bezug genommen wird.

- egal ob das Wort Butter gelesen oder gehört wird, ob man ein Päckchen Butter sieht oder ob
jemand sagt „Ich habe mir ein Brot geschmiert“.
- Vielleicht ist es sogar so, dass ein bestimmter Teil der Elemente genau das gleiche Muster
annimmt, wenn von „Margarine“ die Rede ist, ein anderer, wann immer Milchprodukte
erwähnt werden und ein dritter, wenn quaderförmige Objekte gezeigt werden.
- Dann könnte man sagen, das Gesamtmuster symbolisiert das inhaltliche Konzept „Butter“
und Teile des Gesamt symbolisieren bestimmte Eigenschaften („Brotaufstrich“,
„Milchprodukte“, „quaderförmig“)

➠ Interne Repräsentation (z.B. inhaltlich [„semantische“] Repräsentation)

➠ Während bei dem „konnektionistischen“ Worterkennungsmodell noch jede Einheit etwas


symbolisiert („für etwas steht“; z.B. Buchstaben), ist dies bei den parallel-verteilten Modellen nur
noch implizit als Folge eines Lernprozesses der Fall.

III.) Vergleich der Modelle/Theorien:

• Modelle wie „die semantischen Netzwerke“ und die „Produktionssysteme“ arbeiten mit einer
symbolischen Kodierung der zu verarbeitenden Inhalte. (Eine Einheit im Modell steht für etwas -
symbolische Repräsentation)
• Parallel-verteilte Modelle werden dagegen als „nicht symbolisch“ oder „subsymbolisch“
bezeichnet. (subsymbolische Repräsentation)
• Symbolische Repräsentationen (semantische Netzwerke und Produktionssysteme) haben den
Fokus auf regelgeleitete Prozesse und kaum auf der Entwicklung oder dem Aufbau von
Strukturen.
• Bei subsymbolischen Repräsentationen (parallel-verteilte Modelle) verhält es sich genau
umgekehrt. → Fokus auf der Entwicklung oder Aufbau von Strukturen und nicht auf
regelgeleiteten Prozessen.

20
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

IV.) Fazit:

• Theorien der Kognitiven Psychologie sind stets daran orientiert, wie bestimmte Grundfunktionen
des psychischen Geschehens sich aus dem Zusammenspiel bestimmter Strukturen und
Prozessen, die auf diesen Strukturen „arbeiten“, erklären lassen.

- Beispiele für Strukturen sind das semantische Netzwerk, die Module des Arbeitsgedächtnis-
Modells von Baddeley, das Produktionssystem bei Anderson, oder die subsymbolische
Modellierung.
- Beispiele für Prozesse sind die „Aktivationsausbreitung“ (im semantischen Netzwerk), der
artikulatorische Kontrollprozess (im Arbeitsgedächtnismodell), oder der Lernprozess (im
subsymbolischen Modell).

• Es handelt sich immer um Prozesse, die simulierbar sind, also in einem bestimmten Sinne nicht
mehr rätselhaft sind.

• Der Begriff der hierbei stets drohend im


Hintergrund steht, ist der des Homunculus.
(ein kleines Wesen, das über eine
vergleichbar komplexe Leistungsfähigkeit
wie der Mensch verfügt)

- Wenn man kritisch gegenüber einer


psychologischen Theorie sagt: „Da lauert
aber ein Homunculus!“, dann meint man,
dass Strukturen und Prozesse in der
Theorie postuliert werden, die derart
komplex und unverstanden sind, dass
man wieder den kompletten Menschen in
seiner Leistungsfähigkeit dafür benötigt.

• In der Philosophie der Wahrnehmung wird mit „Homunkulus“ auf die Idee Bezug genommen,
dass es im Kopf nochmals ein Wesen gebe, das Reize wahrnehme und Erlebnisse habe. Wenn
man etwa annimmt, dass in der visuellen Wahrnehmung ein Bild auf die Netzhaut projiziert wird,
das als Bild dann in das Gehirn gesendet wird, dann müsste es im Kopf nochmals ein Wesen
geben, das sich diese Bilder anschaut. Mit solchen Gedankengängen sollen bestimmte
Vorstellungen über die Wahrnehmung und den Geist ad absurdum geführt werden.
• In der Neuroanatomie wird veranschaulichend von einem sensorischen und einem motorischen
Homunkulus gesprochen. Diese entstehen als epistemische Hilfskonstruktionen, wenn man die
Gehirnregionen den Körperteilen zuordnet, für die sie jeweils zuständig sind (Abbildung).

5.) Zusammenfassung:

• Die Kognitive Psychologie versucht vor allem durch Experimente Erkenntnisse zu gewinnen,
d.h. es werden mindestens zwei Bedingungen unterschieden, die sich in genau einer Hinsicht
unterscheiden.
• Dabei spielen einfache Verhaltensmaße (Reaktionszeiten, einfache Leistungsmaße) sowie
messbare physiologische Reaktionen eine große Rolle als abhängige (messbare) Variablen.
• Grundlegende, immer wieder genutzte Experimentalanordnungen nennt man „Paradigma“. Sie
sind so etwas wie „Werkzeuge“ der Kognitiven Psychologie.
• Theorien werden in der Regel als „funktionale Modelle“ formuliert, d.h. es werden Module
definiert und Prozesse, die in und zwischen den Modulen ablaufen.

21
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

• Die Güte der Theorien der Kognitiven Psychologie bemisst sich…


- an der Übereinstimmung mit den experimentellen Daten.
- an der Übereinstimmung mit neurophysiologischer Evidenz.
- an dem Fomalisierungsgrad.

C.) Intradisziplinärer Vergleich: (Wie hängt das Ganze zusammen?)

• Die Allgemeine Psychologie und die anderen Teildisziplinen der Psychologie.


• Wichtiger Hinweis: „Interdisziplinär“ wäre der Vergleich mit anderen Fachrichtungen,
wohingegen „Intradisziplinär“ sich auf den Vergleich der Fächer innerhalb der Psychologie
bezieht.
• Es herrscht ein starker Zusammenhang mit folgenden Teildisziplinen…
1.) Sozialpsychologie:

• Die aktuelle Sozialpsychologie bezieht sich in hohem Maße auf die Allgemeine Psychologie.
- Wahrnehmung → von anderen und sich selbst
- Aufmerksamkeit → „Stereotypisiert“ man Fremde automatisch?
- Gedächtnis → Wie sind soziale Gruppen repräsentiert?
- Denken & Urteilen → Welche typischen Fehler machen wir bei der Beurteilung anderer?

Beispiel: „soziale Kategorisierung“ (Bodenhausen & McCrae, 1998)

• Dem Proband wurde ein Video einer chinesischen Frau präsentiert.


Wie hängt das Ganze zusammen?
• unabhängige Variable → Priming des Probanden auf … Wortentscheidungsaufgabe

- Chinese (Frau isst mit Stäbchen aus einer Reisschale), firkubel

oder…
- Frau (Frau schminkt sich) geprimed. höflich

• abhängige Variable → Gemessen wurde anschließend die


Zugänglichkeit von stereotypen Eigenschaftswörtern (z.B.
„höflich“ für Chinese und „emotional“ für Frau) über eine 12

Wortentscheidungsaufgabe (Wort/Nicht-Wort)

Wie hängtfürdas
• Ergebnis → Probanden zeigten schnellere Reaktionszeiten Ganze
die Kategorie, zusammen?
die geprimed
wurde. Soziale Kategorisierung
- Grund → vermutlich ist das semantische 900
Eigenschaften "Frau"
Eigenschaften "Chinesen"
Netzwerk und die damit verbundene 800
Aktivationsausbreitung für die schnellere
700
Zugänglichkeit (Accessibility, siehe S.16)
Reaktionszeit (in ms)

600
verantwortlich und somit ergeben sich
schnellere Reaktionszeiten. 500

400

• Diese Studie weist also eine Schnittstelle 300

zwischen der Sozial- und der Allgemeinen- 200


bzw. (in dem Fall) Gedächtnispsychologie 100
auf.
0
Kontroll-Bedingung Priming "Frau" Priming "Chinese"

14
vgl. Bodenhausen & McCrae (1998)

22
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

... ...

... ...
.... Chinese .... Chinese

höflich Frau .... höflich Frau ....

emotional emotional

2.) Persönlichkeitspsychologie:
Mentale
• Die aktuelle Persönlichkeitspsychologie bezieht Rotation
sich ebenfalls undauffigurale
in hohem Maße die Intellige
Allgemeine Psychologie.
Mentale Rotation und figurale Intellige
- An welchen Stellen sind personenspezifische Parameter in die allgemeinpsychologischen
Modelle eingebaut?
- Wie sind individuelle Überzeugungen im Gedächtnis repräsentiert und welche Auswirkungen
hat das auf das Verhalten?
Mentale
Mentale Rotation
Rotation und
und figurale
figurale Intelligenz
Intelligenz
Beispiel: „Mentale Rotation & figurale Intelligenz“ (Anderson, 2007)


Mentale Rotation
welche und nicht
der 3 Alternativen figurale (a) gleich
Mentale
Intelligenz
zu den anderen (a) gleich
beiden
(b) gleich
passt.Rotation
In(b) gleich
diesem
(c)
Falleund(c)ungleich
sind figurale
ungleich
Abbildung (a) Intellig
Durch den mentalen Vergleich der vorliegenden Formen (a, b, c) soll herausgefunden werden,

und (b) gleich, während Abbildung (c) nicht mit(Just & Carpenter,
den anderen 1985)
übereinstimmt.
Abb. hier aus Anderson (2007, S. 135)
Abb. hier aus Anderson (2007, S. 135)
18000
5 geringe räumliche Fähigkeit
16000 hohe räumliche Fähigkeit
4.5

(a)(a) gleich
gleich
4
(b)(b) gleich
gleich (c)(c) ungleich
ungleich 14000
Mittlere Reaktionszeit (s)

Reaktionszeit in MIllisekunden

3.5 12000

3 18 18
Abb.
Abb. hier aushier aus Anderson
Anderson (2007, (2007,
S. 135)S. 135) 10000
2.5
8000
2
1.5 6000

1 4000

0.5 2000
0
0
0 50 100 150 200
0 30 60 90 120 150 180
Rotationswinkel (Grad) Rotationswinkel (Grad)

Mittlere Reaktionszeit in Abhängigkeit vomvgl.Rotationswinkel


Anderson (2007, S. 527)

23 19
Abb. aus Anderson (2007, S. 136)
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

• Es gibt unterschiedliche Ergebnisse bei dem Experiment für Personen mit geringer räumlicher
Fähigkeit (in Form höherer, also langsamerer, Reaktionszeiten) und hoher räumlicher
Fähigkeiten (in Form kleinerer, also schnellerer, Reaktionszeiten).
• Was man außerdem an der linken Grafik sehen kann → je stärker der Rotationswinkel, desto
langsamer die Reaktionszeit (Proband wird also langsamer, wenn er länger mental „rotieren“
muss). „Schlauchfiguren“ aus dem
• Durch die intradisziplinäre Zusammenarbeit von Allgemeiner und Persönlichkeitspsychologie,
Test für Medizinische Studiengänge
wird auch die Verwendung des „Schlauchfiguren-Test“ in dem Test für medizinische
Studiengänge begründet/gerechtfertigt. (Kadmon & Kadmon, 2011)

• Die Schlauchfiguren sind Teil des Medizinertests. Mit ihnen wird die räumliche Vorstellung
geprüft. (Lösung → A = rechts, B = links, C = unten, D = oben, E = hinten)

3.) Entwicklungspsychologie:

• Auch die aktuelle Entwicklungspsychologie


bezieht sich in hohem Maße auf die
Allgemeine Psychologie.

- Wie entwickelt sich das kognitive System 21


vgl. Kadmon
in Kindheit & Kadmon (2011)
und Jugend?
- Welche Veränderungen treten
möglicherweise im Alter auf?

4.) Klinische Psychologie:

• Die aktuelle Klinische Psychologie bezieht sich ebenfalls in hohem Maße auf die Allgemeine
Psychologie.
• Lassen sich bestimmte Störungsformen mit einzelnen Fehlfunktionen des kognitiv-affektiven
Systems in Verbindung bringen?

- Lässt sich z.B. Schizophrenie mit einer zu geringen Abschirmung irrelevanter Informationen
in Verbindung bringen?
- Haben Ess-Gestörte andere Wahrnehmungsschemata für Körperformen?
- Lassen sich z.B. Angststörungen mit erhöhter (zu hoher?) Aufmerksamkeitsausrichtung auf
negative Reize in Verbindung bringen?
- Haben Personen mit Depression höhere Schwierigkeiten als Kontrollprobanden, irrelevante
negative Informationen zu unterdrücken?

Beispiel: Aufgaben zum Arbeitsgedächtnis (Joormann & Gotlib, 2008)

• Wörter lesen und behalten → rechts = blaue Liste (positive Worte); links = rote Liste (negative
Worte). Danach wird die Farbe präsentiert, dass die relevante Liste für den Durchgang anzeigt.
• Anschließend muss sich der Proband entscheiden, ob das präsentierte Wort in der Liste
enthalten war, oder nicht.

24
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart

Trauer Sonne Lese die Wörter und behalte sie!


Trauer Sonne Lese die Wörter und behalte sie! Trauer Sonne Lese die Wörter und behalte sie!

Arbeitsgedächtnis
Unfall Meer Unfall Meer Unfall Meer
Unglück Baden Unglück Baden Unglück Baden

Nur noch die blaue Nur noch die blaue Nur noch die blaue

Arbeitsgedächtnis
7.8 Sek Trauer Sonne Liste ist relevant für
die Aufgabe!
7.8 Sek Trauer Sonne Liste ist relevant für 7.8 Sek Trauer Sonne Liste ist relevant für
die Aufgabe!
Reaktionszeit für „NEIN“ zu irrelevanten negativen/positiven
die Aufgabe!
Unfall Meer Unfall Meer Unfall Meer
Unglück Baden Wörtern TRAUER) minus „NEIN“ zu neuen WörternUnglück
(z.B.Baden
Unglück (z.B. Baden
1 Sek
War dieses Wort in
der relevanten
1 Sek
ABFALL) War dieses Wort in
1 Sek
War dieses Wort in
der relevanten
der relevanten
Liste? Liste? Liste?
MEER → „JA“ ABFALL Reaktionszeit für „NEIN“ zu irrelevanten
→ „NEIN“ negativen/positiven
TRAUER → „NEIN“

Wörtern (z.B. TRAUER) minus „NEIN“ zu neuen Wörtern (z.B.


ABFALL)

• Es gibt Unterschiede in den Reaktionszeiten von Patienten mit Depression


Depressiven Probanden und einer Kontrollgruppe in Kontrollpersonen
Form von höheren (langsameren) Reaktionszeiten bei
der Verneinung negativer Wörter. Patienten m
Kontrollpe
- Y-Achse = Reaktionszeit für „NEIN“ zu irrelevanten
negativen/positiven Wörtern (z.B. TRAUER) minus
„NEIN“ zu neuen Wörtern (z.B. ABFALL)

5.) Pädagogische Psychologie:


Joormann & Gotlib (2008) 27
• Die aktuelle Pädagogische Psychologie bezieht sich in
hohem Maße auf die Allgemeine Psychologie.

Beispiel: Wie erzeugt man eine angemessene Wissensstruktur im Lernenden?


Joormann & Gotlib (2008)
• Lernt man besser aus „Hypertexten“ oder „linearen Texten“?
6.) Arbeits- und Organisationspsychologie: („ABO“-Psychologie)

• Die aktuelle Arbeits-, Betriebs-, und Organisations- und Medienpsychologie bezieht sich in
hohem Maße auf die Allgemeine Psychologie.

- Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung
- Vermeidung von Unfällen
- Aufnahme von komplexen Text- und Bildmaterialien als angewandte Wahrnehmungs- und
Gedächtnispsychologie.

7.) Rechtspsychologie:

• Die aktuelle Rechtspsychologie bezieht sich in hohem Maße auf die Allgemeine Psychologie.
• z.B. bei Zeugenaussagen…
- Fehlerquellen
- Wie erhalte Ich möglichst viele korrekte Angaben?
- Glaubwürdigkeit
- Wiedererkennen von Personen

Beispiel: „Veränderung der Gedächtnisspur“ („trace alteration“, Loftus et al., 1975-79)

• Experiment eines Autozusammenstoß. Die Versuchspersonen waren fiktive Zeugen eines


Autounfalls.

(EG = Experimentalgruppe, KG = Kontrollgruppe)

25
Allgemeine Psychologie 1 Skript 2017/18 Maximilian Bungart
Veränderung der Gedächtnisspur
• Anschließend wurden sie gefragt… • xxx
„Wie schnell
waren die
- EG → „Wie schnell waren die Autos, als Autos
sie ineinander Krachten?“ ungefähr, als
sie
- KG → „Wie schnell waren die Autos, als ineinander-
sie aneinander stießen?“ krachten?“
- Beide → „Gab es Glas am
Unfallort?“ (es gab in Wirklichkeit keins)
Zeugenaussagen Original- Falsch-
information ?
Verändertes
information Gedächtnis?
• Ergebnis → EG schätzte die (hier: Suggestion)

Geschwindigkeit höher ein und mehr 42

Anteil an Personen (in %), die sagten,


Loftus & Palmer (1974; Abb. aus Loftus,1979)
Personen behaupteten, Glas gesehen zu Statistisch bedeutsamer
haben. Unterschied

sie hätten Glassplitter gesehen


• Die Kontrollgruppe wurde nicht
zwischendrin nochmal gefragt.

• Fazit → Personen mit härterer


Beschreibung („ineinander krachten“) vs.
leichterer Beschreibung („aneinander
stießen“) meinten signifikant häufiger
Glassplitter auf dem Bild gesehen zu
haben. Kontroll- „…aneinander „…ineinander
gruppe stießen“ krachten“
8.) Sonstige:

• Biologische Psychologie Loftus & Palme (1974); vgl. Eysenck & Keane (2015, S. 322), Wentura & Frings (2013, S. 175ff)

26

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