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Fallbearbeitung im Personenrecht
FS 2024
Kenneth Borter
Rappenstrasse 20
8307 Effretikon
kennethbelema.borter@uzh.ch
Matrikel-Nr. 23-733-512
2. Semester
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis ..3
Abkürzungsverzeichnis ..4
2
2.3 Fazit zur Verletzung der Ehre ..12
3. Fazit ..13
Literaturverzeichnis
3
Abkürzungsverzeichnis
4
I. Prüfung der Persönlichkeitsverletzungen
Das Recht auf Ehre gehört zum sozialen Schutzbereich des Art. 28 ZGB.1 Der Artikel um-
fasst somit «auch das berufliche und gesellschaftliche Ansehen einer Person»2. Bei Äusse-
rungen in der Presse liegt eine Ehrverletzung dann vor, wenn der Durchschnittsleser das
berufliche oder gesellschaftliche Ansehen der Person als beschädigt einschätzt.3
H. verbreitet durch den Online-Artikel Unwahrheiten über M., die sein berufliches und ge-
sellschaftliches Ansehen vermindern. Dies ist unter anderem dadurch ersichtlich, dass H. M.
gemäss Sachverhalt als einen «dubiosen Geschäftlimacher» diffamiert, was gemäss Lehre
und Rechtsprechung eine schwere Persönlichkeitsverletzung darstellt.4 Die Darstellung des
H. von M. als Schweizer Hauptdrahtzieher eines Mafiaclans, der andere Gastwirte durch
Schutzgelderpressung zwingt, nur Waren des Clans zu kaufen, ist aus der Sicht des Durch-
schnittslesers eine starke Schädigung des beruflichen wie auch des gesellschaftlichen Anse-
hens von M.
1
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 17.
2
BGE 107 II 1 E. 2, S. 4.
3
Ebd.
4
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 28.
5
1.2 Widerrechtlichkeit der Ehrverletzung
Aufgrund von Art. 28 Abs. 2 ZGB ist eine Ehrverletzung widerrechtlich, wenn keine Ein-
willigung des Verletzten, kein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder keine
die Verletzung rechtfertigende gesetzliche Bestimmung vorliegt. Im konkreten Sachverhalt
ist weder eine ausdrückliche noch stillschweigende, weder eine vorherige noch nachträgli-
che Einwilligung des M. zu seiner Diffamierung ersichtlich. Die Verbreitung unwahrer Tat-
sachen kann nicht durch ein privates oder öffentliches Interesse begründet werden.5 Deshalb
muss hier auch keine Interessenabwägung vorgenommen werden. Ferner liegt in concreto
auch keine rechtfertigende gesetzliche Bestimmung wie etwa über die Notwehr, Selbsthilfe,
pflichtgemässe Ausübung eines Amtes etc. vor.6 Die Widerrechtlichkeit der Verletzung der
Ehre des M. durch die Veröffentlichung des Online-Artikels ist somit zu bejahen.
Das persönliche Recht auf Ehre des M. wurde durch die Veröffentlichung des Online-Arti-
kels auf «tsurigonews.ch» verletzt. Diese schwere Persönlichkeitsverletzung ist nach Art. 28
Abs. 2 ZGB widerrechtlich.
2. Fazit
5
BGE 129 III 529 E. 3.1, S. 531.
6
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 47.
6
Das Recht auf psychische Integrität gehört zum psychischen Schutzbereich des Art. 28
ZGB.7 Eine Verletzung der psychischen Integrität liegt u. a. dann vor, wenn der Angriff auf
die Persönlichkeit eine «spürbare Störung»8 des Gefühlslebens der angegriffenen Person ver-
ursacht.
Die von H. verfassten negativen Online-Bewertungen auf «tsuriadvisor.ch» sind gegen eine
bestimmte Person gerichtet und der Betroffene M. ist objektiv erkennbar.9 Die Rezensionen
basieren auf dem Online-Artikel und enthalten somit unwahre Aussagen. Die Veröffentli-
chung unwahrer Äusserungen, auch wenn es Werturteile sind, stellt eine Verletzung der Per-
sönlichkeit dar.10 Folglich wurde die psychische Integrität von M. durch die negativen On-
line-Bewertungen von H. verletzt.
Dem Sachverhalt lässt sich keine ausdrückliche oder stillschweigende, keine vorhergehende
oder nachträgliche Einwilligung des Verletzten entnehmen. Es ist auch kein überwiegendes
privates oder öffentliches Interesse vorhanden. Eine rechtfertigende gesetzliche Bestimmung
ist nicht vorhanden. Die von H. verfassten Rezensionen stellen eine Verbreitung unwahrer
Tatsachen dar und sind somit widerrechtlich.11
7
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 17.
8
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 39.
9
Siehe ebd.
10
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 43.
11
BGE 129 III 529 E. 3.1, S. 531.
7
1.3 Fazit zur Verletzung der psychischen Integrität
Die psychische Integrität von M. wurde durch die negativen Rezensionen von H. zum Res-
taurant «La Dolce Vita» verletzt. Diese Persönlichkeitsverletzung ist nach Art. 28 Abs. 2
ZGB widerrechtlich.
Das Recht auf Achtung der Privatsphäre gehört zum sozialen Schutzbereich des Art. 28
ZGB.12 In Bezug auf den Persönlichkeitsschutz wird in der Rechtsprechung und in der Lehre
der menschliche Lebensbereich in drei Teilbereiche unterteilt.13 Hierbei sind der Geheimbe-
reich und der Privatbereich durch Art. 28 ZGB rechtlich geschützt.14 Eine Persönlichkeits-
verletzung im Zusammenhang mit dem Recht auf Achtung der Privatsphäre kann also grund-
sätzlich nur in diesen zwei Bereichen, nicht jedoch im dritten Bereich, dem Gemeinbereich,
stattfinden.15
Laut dem Sachverhalt veröffentlichte H. mit einem Kommentar auf «tsuriadvisor.ch» M.s
Wohnadresse, seine Handynummer und Informationen über seine italienische Abstammung.
Die Wohnadresse einer Person gehört zum Gemeinbereich und ist somit nicht durch Art. 28
ZGB vor einer Veröffentlichung geschützt, sondern darf weiterverbreitet werden.16 Auch die
Mobiltelefonnummer einer Person gehört zum Gemeinbereich und darf weiterverbreitet wer-
den.17 Informationen zur Abstammung einer Person gehören jedoch zum Privatbereich einer
Person und sind somit nicht zur Veröffentlichung an eine breite Öffentlichkeit bestimmt.18
Folglich liegt eine Verletzung der Privatsphäre vor, da gemäss Sachverhalt Informationen
über M.s italienische Abstammung von H. veröffentlicht wurden.
12
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 17.
13
BGE 97 II 97 E. 3, S. 100; BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 23.
14
BGE 97 II 97 E. 3, S. 101.
15
Ebd.
16
HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, N. 883.
17
HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID ebd.
18
HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, N. 882.
8
2.2 Widerrechtlichkeit der Verletzung der Privatsphäre
Es liegt keine Einwilligung von M. zur Veröffentlichung der Informationen über seine Ab-
stammung vor. Auch liegt kein die Verletzung rechtfertigendes privates Interesse an der Ver-
öffentlichung vor. Es gibt ebenso kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröf-
fentlichung dieser Informationen, da ein etwaiges Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit
auf der falschen Anschuldigung beruhte, M. sei Schweizer Hauptdrahtzieher des N’Raketa-
Clans. Denn es ist anzunehmen, dass H. Informationen über M.s italienische Abstammung
nur veröffentlichte, um dieser falschen Anschuldigung mehr Gewicht zu verleihen. Zudem
gibt es auch keine gesetzliche Bestimmung, die die konkrete Verletzung der Privatsphäre
rechtfertigen würde. Folglich ist die Widerrechtlichkeit der Verletzung gemäss Art. 28 Abs.
2 ZGB zu bejahen.
Die Privatsphäre von M. wurde durch H. verletzt, indem dieser Informationen über M.s ita-
lienische Abstammung in einem Kommentar auf «tsuriadvisor.ch» veröffentlichte. Diese
Verletzung der Privatsphäre ist nach Art. 28 Abs. 2 ZGB widerrechtlich.
19
Zur anfänglichen Erläuterung siehe oben Abschnitt A, Kapitel 1.
20
Siehe BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 44.
21
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 43.
9
berufliche und gesellschaftliche Ansehen M.s vermindert wurde, lässt sich auch daran sehen,
dass laut Sachverhalt danach der Umsatz des Restaurants um 40% zurückging.
Es liegt keine Einwilligung des Verletzten M. vor. Es kann auch kein überwiegendes privates
oder öffentliches Interesse vorliegen, denn die ehrverletzenden Kommentare enthalten un-
wahre Tatsachenbehauptungen.22 Zudem gibt es auch keine rechtfertigende gesetzliche Be-
stimmung. Infolgedessen ist die Widerrechtlichkeit der Ehrverletzung hier zu bejahen.
Das Recht auf Ehre des M. wurde verletzt, indem H. in Kommentaren auf «tsuriadvisor.ch»
falsche Vorwürfe gegen M. verbreitete, die M.s berufliches und gesellschaftliches Ansehen
verminderten. Diese Ehrverletzung ist gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB widerrechtlich.
4. Fazit
C. Persönlichkeitsverletzung im TikTok-Video
Das Recht am eigenen Bild gehört zum sozialen Schutzbereich des Art. 28 ZGB.23 Es um-
fasst den Abwehranspruch gegen die gezielte Produktion von Abbildungen von sich selbst
22
BGE 129 III 529 E. 3.1, S. 531.
23
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 17.
10
sowie Autonomie über die Veröffentlichung derselben.24 Die Veröffentlichung eines indivi-
dualisierbaren Abbildes ohne Einwilligung ist stets als Verletzung des Rechts am eigenen
Bild einzustufen.25
Aus dem Sachverhalt lässt sich nicht klar erschliessen, ob für die im Deepfake verwendete
Photographie eine Einwilligung M.s bezüglich der Produktion wie auch der Veröffentlichung
derselben vorliegt. Denn das Bild könnte im Internet öffentlich zugänglich sein; M. könnte
in einem anderen Kontext seine Einwilligung dazu gegeben haben. In diesem Fall ist es je-
doch nicht notwendig zu wissen, ob eine Einwilligung für das Bild selbst vorliegt, denn die
Verwendung im Kontext eines Deepfakes ist eine Bildmanipulation.26 Eine Bildmanipula-
tion ist eine Verwendung des Bildes in einem ganz anderen Kontext, und ist somit unzuläs-
sig, also persönlichkeitsverletzend.27 Dabei ist es für das Vorliegen eine Persönlichkeitsver-
letzung unerheblich, ob für das verwendete Bild eine Einwilligung fehlt oder vorhanden ist,
wenn für die Bildmanipulation selbst keine Einwilligung besteht.28 Folglich wurde durch das
Veröffentlichen des TikTok-Videos eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild gegenüber
M. begangen.
Wie schon erwähnt, liegt mindestens bezüglich der Bildmanipulation keine Einwilligung des
Verletzten vor. Auch kann kein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse bestehen,
da das Bild im Kontext der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen über M. genutzt
wird.29 M. ist auch keine absolute oder relative Person der Zeitgeschichte.30 Eine rechtferti-
gende gesetzliche Bestimmung ist nicht vorhanden. Dementsprechend ist im konkreten Fall
die Widerrechtlichkeit der Verletzung des Rechts am eigenen Bild zu bejahen.
24
BGE 138 II 346 E. 8.2, S. 359.
25
BGE 138 II 346 E. 8.3, S. 360.
26
Siehe BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 20.
27
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 21.
28
Siehe ebd.
29
Siehe BGE 129 III 529 E. 3.1, S. 531.
30
Siehe BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 20.
11
1.3 Fazit zur Verletzung des Rechts am eigenen Bild
Das Recht am eigenen Bild des M. wurde durch die Veröffentlichung des Tiktok-Videos von
H. verletzt. Diese Persönlichkeitsverletzung ist nach Art. 28 Abs. 2 ZGB widerrechtlich.
Die in der Beschreibung des TikTok-Videos enthaltene Catchphrase vermindert das gesell-
schaftliche und berufliche Ansehen von M.32 Die Bezeichnung M.s als «Mafiaboss» ist ehr-
verletzend, insbesondere da sie auf falschen Anschuldigungen beruht.33 Auch das Video
selbst ist ehrverletzend, da der Betrachter aufgrund des Deepfakes fälschlicherweise sieht,
wie M. in Polizeigewahrsam genommen wird, was das gesellschaftliche Ansehen M.s
schmälert. Folglich liegt eine Verletzung der Ehre vor.
Es liegt keine Einwilligung in die Verletzung der Ehre vor. Ein überwiegendes privates oder
öffentliches Interesse kann ebenfalls nicht vorliegen, da durch das Video unwahre Tatsa-
chenbehauptungen verbreitet werden.34 Ein durch eine gesetzliche Bestimmung begründeter
Rechtfertigungsgrund ist nicht vorhanden. Daher ist die Widerrechtlichkeit der Verletzung
der Ehre i.c. zu bejahen.
31
Zur anfänglichen Erläuterung siehe oben Abschnitt A, Kapitel 1.
32
BGE 107 II 1 E. 2, S. 4.
33
Siehe BGE 119 II 97 E. 4, S. 100.
34
Siehe BGE 129 III 529 E. 3.1, S. 531.
12
Das persönliche Recht auf Ehre des M. wurde durch die Veröffentlichung des TikTok-Videos
durch H. verletzt. Diese Persönlichkeitsverletzung ist gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB wider-
rechtlich.
3. Fazit
Da die Leserschaft des Online-Artikels ein unrichtiges Bild vom Kläger hat, welches nur
durch die Publikation einer Berichtigung beseitigt werden kann, hat M. den Anspruch auf
diese Veröffentlichung der Berichtigung auf der Nachrichtenwebsite «tsurigonews.ch».39
35
Siehe oben Teil I, Abschnitt A, Kapitel 2; siehe Urteil des BGer 5A_641/2011 vom 23. Februar 2012 E. 5.1.
36
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 37.
37
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28a N. 4.
38
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28a N. 5.
39
Siehe BGE 106 II 92 E. 4 a), S. 101.
13
Infolgedessen hat M. einen Beseitigungs- sowie einen Berichtigungsanspruch gegen H. Er
kann also eine Beseitigungsklage und eine Berichtigungsklage gegen H. erheben.
In Übereinstimmung mit Art. 41 OR müssen für den in Art. 28a Abs. 2 ZGB erwähnten
Schadenersatzanspruch eine Vermögenseinbusse, ein Verschulden des Beklagten sowie ein
adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung und der Vermögenseinbusse be-
stehen.43
Laut dem Sachverhalt gab es eine Vermögenseinbusse von 40% Umsatzrückgang im Folge-
monat infolge der «Kampagne», d. h. der Veröffentlichung des Artikels und der negativen
Bewertungen. Das Verschulden des Beklagten H. ist zu bejahen, den er handelte
40
Siehe oben Teil I, Abschnitt B, Kapitel 4; siehe Urteil des BGer 5A_641/2011 vom 23. Februar 2012 E. 5.1.
41
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28 N. 37.
42
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28a N. 4. f.
43
BSK ZGB I-MEILI, Art. 28a N. 16.
14
eventualvorsätzlich.44 Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen Verletzung und Scha-
den ist ebenfalls zu bejahen. Folglich hat M. einen Schadenersatzanspruch gegen H.
44
BSK OR I-KESSLER, Art. 41 N. 45.
15